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Full text of "Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi"

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GESCHICHTE 

DES 


JÜDISCHEN  VOLKES 


IM 

ZEITALTER  JESU  CHRISTI 

VON 

D.  EMIL  SCHÜRER 

ORDENTI-.  PUOFESSOR  DER   THEOI.OOIE  ZU  GÖTTINOEN 

DRITTE  UND  VIERTE  AUFLAGE 

ERSTER  BAND 
EINLEITUNG  UND  POLITISCHE  GESCHICHTE 


0r^ 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BÜCHHANDLUNG 
1901 


Das  Recht  der  Übersetznng  vorbehalten. 


Vorwort. 


Das  Verhältniss  dieser  neuen  Auflage  zur  früheren  ist  bei 
dem  vorliegenden  ersten  Bande  ein  ähnliches  wie  beim  zweiten  und 
dritten.  Der  Text  hat  keine  durchgreifende  Umgestaltung  erfahren. 
Aber  die  Ergänzungen,  welche  nöthig  wurden,  sind  doch  so  zahl- 
reich, dass  der  Umfang  um  mehr  als  hundert  Seiten  gestiegen  ist. 
Anla-ss  zu  den  Ergänzungen  gaben  theils  eigene  theils  fremde 
Arbeiten.  Nicht  gering  ist  aber  auch  der  Zuwachs  an  Material, 
welches  durch  neue  Funde  von  Inschriften  und  Papyrustexten  dar- 
geboten wurde.  In  letzterer  Hinsicht  darf  ich  namentlich  auf 
S.  65—70  (zur  Geschichte  der  alexandrinischen  Judenverfolgungen) 
und  514  ff.  {djcoyQacpai  in  Aegypten)  verweisen. 

Wie  beim  zweiten  und  dritten  Bande,  so  sind  auch  bei  diesem 
die  Seitenzahlen  der  vorigen  Auflage  am  inneren  Rande  in  eckigen 
Klammern  [  ]  angegeben;  ein  senkrechter  Strich  im  Texte  bezeichnet 
die  Stelle,  wo  in  der  früheren  Auflage  die  neue  Seite  beginnt 

Auf  Wunsch  des  Herrn  Verlegers  ist  diese  neue  Auflage  als 
dritte  und  vierte  bezeichnet,  da  sie  in  einer  erheblich  grösseren 
Anzahl  von  Exemplaren  als  die  früheren  gedruckt  wurde. 

Das  Register  zu  allen  drei  Bänden  wird  als  besonderes  Heft 
ausgegeben  werden. 

Göttingeu  im  October  1901. 

E.  Schürer. 


Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2009  with  funding  from 

University  of  Toronto 


http://www.archive.org/details/geschichtedesj01sch 


Inhalt. 

Einleitung*. 


Seite 

§  1.    Aufgabe  und  Literatur 1 

§  2.    Hülfswissenschaften 10 

A.  Archäologie 10 

B.  Geographie 12 

C.  Chronologie 17 

D.  Numismatik 20 

E.  Epigraphik .    .  25 

t;  3.     Quellen 31 

A.  Die  beiden  Makkabäerbücher 32 

B.  Nicht-erhaltene  Quellen 40 

Jason  von  Cyrene  40.  Die  Geschichte  des  Johannes  Hyrkanus 
40.  Posidonins  aus  Apamea  41.  Timagenes  aus  Alexandria  43. 
Asinius  Pollio  44.  Hypsikrates  45.  Dellius  4G.  Strabo  46. 
Herodes'  Denkwürdigkeiten  48.  Ptolemäus  48.  Nicolaus  Da- 
mascenus  50.  Vespasiau's  Denkwürdigkeiten  57.  Antonius 
Julianus  58.  Justus  von  Tiberias  58.  Aristo  von  Pella  03. 
Papyrus-Fragmente  65.  Teucer  Cyzicenus  70.  Verschiedene 
Werke  nsgl  'lovöalwv  71.  Die  Chronographen  (ApoUodorus, 
Castor)  73. 

C.  Josephus 74 

D.  Griechische  und  römische  Schriftsteller 106 

E.  Die  rabbinische  Literatur 111 

L  Die  talmudische  Literatur 113 

II.  Die  Midraschim 138 

III.  Die  Targumim 147 

IV.  Geschichtliche  Werke 156 


Erster   Tlieil. 

Politische  Geschichte  Palästina's  vom  J.  175  vor  Chr.  bis  135  nach  Chr. 

Erste  Periode. 

Von  Antiochus  Epiphanes  bis  zur  Eroberung  Jerusalems 
durch  Pompejus  (175—63  v.  Chr.). 

Uebersicht  über  die  Geschiclite  von  Syrien 165 

§  4.    Die  Keligionsnoth  und  die  Erhebung  (175—165  vor  Chr.)  ....     179 


VI  Inhalt. 

Seite 

§    5.    Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (165—161) 210 

§    6.    Die  Zeit  Jonathan's  (161—143) 223 

§    7.    Simon  (143—135) 241 

§    8.    Johannes  Hyrkanus  I  (135—104) 256 

§    9.    Aristobul  I  (104—103) 273 

§  10.    Alexander  Jannäus  (103—76) 276 

§  11.    Alexandra  (76-67) 286 

§  12.    Aristobul  H  (67—63) 291 


Zweite  Periode. 

Von  der  Eroberung  Jerusalems  durch  Pompejus  bis  zum 
hadrianischen  Kriege  (63  vor — 135  nach  Chr.). 

Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien    ....  302 
§  13.    Hyrkan  II  (63—40);   Emporkommen  Antipaters  und  seiner  Söhne 

Phasael  und  Herodes 338 

§  14.    Antigonus  (40-37) 354 

§  15.    Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.) 360 

§  16.    Die  Wirren  nach  Herodes'  Tod  (4  vor  Chr.) 418 

§  17.    Die  Söhne  des  Herodes 425 

a.  Philippus  (4  v.— 34  n.  Chr.).   Sein  Gebiet  römisch  (34—37  n.  Chr.)  425 

b.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.) 431 

c.  Archelaus  (4  v.— 6  n.  Chr.) 449 

Judäji  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.)  ....  454 
Staatsrechtliche  Stellung  des  Procurators  455.  Residenz  457. 
Militärverhältnisse  458.  Richterliche  Gewalt,  jus  gladii  466. 
Finanzverwaltuug  473.  Beschränkung  der  Selbständigkeit  der 
Juden  479.  Geschichte  der  Procuratoren  von  6—41  n.  Chr. 
485.    Pilatus  488. 

Die  Wirren  unter  Caligula  in  Alexandria 495 

„  in  Judäa 503 

Anhang  1.    Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1— 5    .    .    .    508 
Anhang  2.    Das  sog.  Zeugniss  des  Josephus  von  Christo     .     .    544 

§  18.    Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41—44  u.  Chr.) 549 

§  19.    Die  römischen  Procuratoren  (44—66  n.  Chr.) 564 

Cuspius   Fadus   565.    Tiborius  Alexander  567.    Cumanus   568. 
Felix  571.    Festus  579.    Albinus  583.    Florus  585. 

Anhang.    Agrippa  II  (50—100  n.  Chr.) 585 

g  20.    Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.) 6(X) 

1.  AuMbnuh  und  Sieg  der  Revolution  (66  u.  Chr.) 601 

2.  Der  Krieg  in  Galiläa  (67  n.  Chr.) 610 

U.  Von  der  Unterwerfung  Galilfia's  bis  zur  Belagerung  Jerusalems 

(68-09  n.  Chr.) 617 

4.  Belagerung  und  P>obcruDg  JeruHalem's  (70  u.  Ohr.) 624 

6.  Dm  Nachspiel  de«  Krieges  (71-73  n.  Chr.) 634 

§  21.    Von  der  Zentöruog  Jerusalems  bis  zum  Untergang  Barkocheba's  642 

I.  Die  Znstftnde  in  Palästina  von  VcHiuisian  bis  Hudriun  .    .    .  642 
VerteichniM  der  8tatthalt<>r  643.  HtädUtgründnngcii  (iU).  inno- 
n§  I^ben   des  jfldiMchen  Volkes  (i52.    Aufhören  des  Opfer- 


Inhalt.  VII 

Seite 
cultus  652.    Alleinherrschaft  der  Rabbinen  G5G.    Messianische 
Hoffnung  659. 

II.  Die  Kriege  unter  Trajan  (115—117) 061 

III.  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135) 670 


Beilagen. 

Beilage        I.      Geschichte  von  Chalcia,  Ituräa  und  Abilene     ....  707 

Beilage       II.      Geschichte  der  nabatäischen  Könige 726 

Beilage     III.      Grundzüge  des  jüdischen  Kalenders 745 

Beilage     IV.      Die  jüdischen  Sekel-  und  Aufstandsmünzen      ....  761 

1.  Die  Sekelmünzen 7ül 

2.  Die  Aufstandsmünzen 705 

Beilage       V.      Parallel- Jahre   der   griechischen,   syrischen,  römischen 

und  christlichen  Aera 773 

Beilage     VI.      Genealogie  der  Seleuciden 778 

Beilage    VII.      Genealogie  der  Hasmonäer 779 

Beilage  VIII.      Das  Haus  des  Herodes 780 

Zusätze  und  Berichtigungen 781 


Einleitung. 


Literatur  und  Quellen. 


Einleitung. 

§  1.    Aufgabe  und  Literatur. 

Aus  dem  Schoosse  des  Judenthums  ist  in  der  Fülle  der  Zeiten 
die  christliche  Religion  entsprungen,  zwar  als  eine  Thatsache  der 
göttliclien  Offenbarung,  aber  doch  durch  unzählige  Fäden  mit  der 
tausendjährigen  Geschichte  Israels  verknüpft.  Keine  Thatsache  der 
evangelischen  Geschichte,  kein  Wort  in  der  Verkündigung  Jesu 
Christi  ist  denkbar  ohne  die  Voraussetzung  der  jüdischen  Geschichte 
und  der  ganzen  Vorstellungswelt  des  jüdischen  Volkes. 

Daraus  ergiebt  sich  von  selbst  für  den  christlichen  Theologen 
die  Aufgabe,  jenen  Boden  zu  erforschen  und  zu  beschreiben,  auf 
welchem  die  christliche  Weltreligion  erwachsen  ist.  Und  zwar  ge- 
nügt es  nicht,  nur  jene  ältere  Literatur  zu  kennen,  welche  in  dem 
Kanon  des  Alten  Testamentes  zusammengefasst  ist.  Vielmehr  knüpft 
das  Evangelium  Jesu  Christi  gerade  in  erster  Linie  an  die  Ver- 
hältnisse der  Gegenwart  und  an  ihren  Vorstellungskreis  an.  Diese 
Krkenntniss  hat  verschiedene  Forscher  veranlasst,  der  ».Zeitge- 
schichte" Jesu  Christi  besondere  Aufmerksamkeit  zu  widmen. 
Abgesehen  von  solchen  Gelehrten,  welche  die  Greschichte  Israels 
in  grösserem  Zusammenhang  bis  auf  die  Zeit  Jesu  Christi  und  der 
Apostel  fortgeführt  haben,  haben  namentlich  Schneckenburger 
und  Hausrath  unter  dem  Titel  einer  „Neutestamentlichen 
Zeitgeschichte"  jene  Periode  behandelt.  Auch  das  vorliegende 
Werk  ist  in  der  ersten  Auflage  unter  diesem  Titel  ausgegangen. 
Indem  auf  denselben  wegen  seiner  Unbestimmtheit  (und  auch  wegen 
seiner  sprachlichen  Incorrectheit)  verzichtet  wird,  wird  doch  die 
Aufgabe  im  Wesentlichen  festgehalten.  Allerdings  aber  ist  die  Auf- 
gabe, die  wir  uns  stellen,  eine  beschränktere  als  die  von  Schnecken- 
burger und  Hausrath  in  Angriff  genommene.  Während  Schnecken- 
burger die  Zustände  der  jüdischen  und  heidnischen  Welt  im  Zeit- 
alter Christi  schildern  will,  und  Hausrath  damit  auch  noch  die 
Geschichte  des  Urchristenthums  selbst  verbindet,  soll  hier  nur  die 
„Geschichte  des  jüdischen  Volkes  im  Zeitalter  Jesu 
Christi"  dargestellt  werden;  denn  nur  sie  bildet  zunächst  und  im 
eigentlichen  Sinne  die  Voraussetzung  für  die  älteste  Geschichte 
des  Christenthums.  | 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  1 


2  §  1.   Aufgabe  und  Literatur.  [2] 

Das  Charakteristische  dieser  Periode  ist  die  H e r r s c h a f t  de s 
Pharisäismus.  Die  gesetzliche  Richtung,  die  einst  Esra  begründet 
hatte,  ist  jetzt  weit  über  das  von  Esra  geforderte  Maass  hinaus 
gesteigert.  Man  begnügt  sich  nicht  mehr,  die  Forderungen  der 
schriftlichen  Thora  zu  erfüllen.  Dieselben  sind  in  eine  Unzahl  der 
peinlichsten  und  minutiösesten  Einzelvorschriften  zerlegt,  deren  ge- 
naue Beobachtung  zur  heiligen  Pflicht,  ja  zur  Bedingung  der  Selig- 
keit gemacht  wird.  Und  diese  gesteigerte  Gesetzlichkeit  hat  die 
unbedingte  Herrschaft  über  die  Gemtither  erlangt,  so  dass  alle 
anderen  Richtungen  in  den  Hintergrund  gedrängt  sind. 

Ihren  Ausgangspunkt  hat  diese  Richtung  in  den  Kämpfen 
der  makkabäischen  Zeit.  Durch  deren  Verlauf  hat  die  gesetzliche 
Richtung  nicht  nur  den  Sieg  über  die  griechenfreundliche,  sondern 
überhaupt  die  unbedingte  Herrschaft  über  das  Volk  errungen,  und 
damit  auch  den  Antrieb  zur  ungemessenen  Steigerung  ihrer  An- 
sprüche empfangen.  Die  Schriftgelehrten  regieren  nun  das  Volk. 
Keine  andere,  sei  es  geistige  oder  politische  Macht  ist  mehr  im 
Stande,  ihrem  Einfluss  das  Gleichgewicht  zu  halten.  —  Die  Kämpfe 
der  Makkabäerzeit  sind  aber  auch  für  die  politische  Geschichte 
epochemachend.  Durch  sie  wurde  der  Grund  gelegt  zur  Bildung  eines 
selbständigen  jüdischen  Staatswesens  und  zur  Loslösung  desselben 
vom  Reiche  der  Seleuciden.  Diese  Loshisung  ist  dann  infolge  der 
Schwäche  des  syrischen  Reiches  wirklich  gelungen.  Judäa  wurde 
ein  unabhängiger  Staat  unter  einheimischen  Fürsten,  und  ist  dies 
bis  zur  Eroberung  durch  die  Römer  geblieben.  —  So  rechtfertigt 
es  also  sowohl  die  innere  Entwickelung  als  die  politische  Geschichte^ 
dass  wir  unsere  Darstellung  mit  der  G-eschichte  der  Makkabäerzeit 
beginnen. 

Auch  für  die  Wahl  des  Endpunktes  ergiebt  ein  Blick  auf 
die  innere  wie  auf  die  äussere  Geschichte  dasselbe  Resultat.  Die 
politische  Selbständigkeit  hat  auch  unter  den  Rinncrn  in  gewissem 
Maasse  zunächst  noch  fortbestanden.  An  Stelle  der  priosterlichen 
Dynastie  der  Makkabäer  trat  die  neugeschaffene  der  Herodianer. 
Nach  deren  Fieseitigung  durch  dU\  Römer  ist  dann  Palästina  eine 
Zeit  lang  dur<^h  kaisciliche  Procuratorcii  veiwaltet  worden.  Aber 
selbst  unter  ihnen  hat  noch  ein  einheimisdier  aristokratischer  Senat, 
da«  sogenannte  Synedriuiu,  die  meisten  Regierungsb(;fugnisse  aus- 
geübt. Erst  infolge  des  grossen  Aufstandes  unter  Nero  und  Ves- 
pasian  ist  dem  jüdischen  Volke  jede  politische  Selbständigkeit  ge- 
Domnien  worden;  nnd  «a-st  die  Unterdrückung  des  grossen  Auf- 
standes  unter  Hadrian  hat  diese  /JMiatsache  zu  einer  delinitiveu 
gemacht  —  Wenn  es  sich  sonach  empfiehlt,  die  Darstellung  bis 
zur  Zeit  Hadrian'«  fortzufüln-en,   so  spricht    eben   dafür   auch  der 


[2.  3]  §  1.   Aufgabe  und  Literatur.  3 

Gang  der  inneren  Entwickelung.  Denn  gerade  zur  Zeit  Hadrian's 
haben  die  jüdischen  |  Gelehrten  zum  ersten  Male  das  bisher  niu* 
mündlich  fortgepflanzte  traditionelle  Recht  schriftlich  aufgezeichnet 
und  dadurch  den  Grund  zum  Codex  des  talmudischen  Rechtes  ge- 
legt. Mit  der  Zeit  Hadrian's  beginnt  also  auch  für  die  innere 
Entwickelung  eine  neue  Epoche,  die  talmudische,  in  welcher  nicht 
mehr  die  Thora  Mosis,  sondern  der  Talmud  die  Grundlage  für  die 
weitere  juristische  Discussion  bildet.  Zugleich  ist  dies  auch  die- 
jenige Periode,  in  welcher  der  Pharisäismus  infolge  des  Unter- 
gangs des  jüdischen  Staatswesens  zu  einer  rein  geistigen  Grösse  wird, 
eben  damit  aber  nur  noch  unbeschränkter  die  Herrschaft  erlangt. 
Denn  mit  dem  Untergang  des  Tempels  ist  die  sadducäische  Priester- 
schaft beseitigt;  und  in  der  Diaspora  vermag  das  inconsequente 
hellenistische  Judenthum  sich  nicht  auf  die  Dauer  gegenüber  dem 
consequenteren  pharisäischen  zu  behaupten. 

Die  Beschaffenheit  der  Quellen  macht  es  nicht  möglich,  die 
innere  Entwickelung  während  dieses  Zeitraumes  Schritt  für  Schritt 
zu  verfolgen,  namentlich  nicht  für  die  einzelnen  Institutionen,  die 
dabei  in  Betracht  kommen.  Es  ergiebt  sich  daher  von  selbst  die 
Nothwendigkeit,  auf  die  Darstellung  der  politischen  Geschichte  eine 
Schilderung  der  inneren  Zustände  folgen  zu  lassen.  Die  poli- 
tische Geschichte  zerfallt  in  zwei  Perioden:  die  Zeit  der  Un- 
abhängigkeit und  die  Zeit  der  Römerherrschaft.  In  Betreff  der 
inneren  Zustände  werden  hauptsächlich  folgende  Punkte  in's 
Auge  zu  fassen  sein.  Es  sind  zunächst  die  allgemeinen  Cultur- 
verhältnisse,  welche  damals  in  Palästina  herrschten,  zu  schildern, 
wobei  namentlich  zu  erwägen  ist,  welche  Verbreitung  der  Helle- 
nismus an  den  Grenzen  des  jüdischen  Gebietes  und  im  Innern 
desselben  gefunden  hat  (§  22).  Zur  Ergänzung  der  politischen 
Geschichte  ist  dann  die  Gemein  de -Verfassung  sowohl  der  heid- 
nischen Communen  Palästina  s  als  des  jüdischen  Volkes  darzustellen, 
was  insofern  zur  inneren  Geschichte  gehört,  als  hierbei  die  Selbst- 
verwaltung der  Communen  im  Unterschied  von  den  politischen 
Schicksalen  des  ganzen  Landes  in  Betracht  kommt.  Die  Darstel- 
lung der  jüdischen  Communalverfassung  giebt  Gelegenheit,  auch 
die  Geschichte  des  Synedriums  und  der  jüdischen  Hohenpriester 
einzufügen  (§  23).  Die  beiden  Hauptfactoren  für  die  innere  Ent- 
wickelung sind  aber  einerseits  die  Priesterschaft  und  der  Tempel- 
cultus  (§  24),  andererseits  die  Schriftgelehrsamkeit  (§  25). 
Da  die  vornehmen  Priester  in  der  griechischen  Zeit  mehr  die 
Aveltlichen  und  politischen  Interessen  als  die  religiösen  verfolgten, 
so  traten  die  gesetzesstrengen  Kreise  unter  Führung  der  Schrift- 
gelehrten vorwiegend  in  einen  Gegensatz  zu  ihnen.    Um  die  vor- 

1* 


4  §  1.   Aufgabe  und  Literatur.  [3.  4] 

nehmen  Priester  gruppirte  sich  die  Partei  der  Sadducäer,  um 
die  Schriftgelehrten  ]  die  Partei  der  Pharisäer  (§  26).  Zur  Ver- 
breitung und  Erhaltung  der  Gesetzeskenntniss  in  den  weiteren 
Kreisen  des  Volkes  dienten  die  Einrichtungen  der  Schule  und 
Synagoge  (§  27).  Um  eine  Anschauung  von  den  Resultaten  zu 
geben,  zu  welchen  die  Bestrebungen  der  Schriftgelehrten  und  Pha- 
risäer führten,  ist  in  einem  weiteren  Abschnitt  das  Leben  unter 
dem  (resetz  zu  schildern  (§  28).  Der  Eifer  für  das  Gesetz  hat 
aber  seinen  Lebensnerv  in  der  messianischen  Hoffnung.  Denn 
der  Gnadenlohn  Gottes,  dessen  man  durch  einen  gesetzlichen 
Wandel  sich  würdig  zu  machen  trachtet,  wird  vorwiegend  als  ein 
zukünftiger  und  jenseitiger  gedacht  (§  29).  Gesetzlicher  Eifer  und 
messianische  Hoifnung  sind  also  die  beiden  Mittelpunkte,  um  welche 
sich  das  Leben  des  Israeliten  bewegt.  Nachdem  mit  ihrer  Be- 
schreibung die  Darstellung  der  inneren  Zustände  des  vulgären 
palästinensischen  Judenthums  in  den  Hauptpunkten  erschöpft  ist, 
erübrigt  es  noch  einen  Blick  zu  werfen  auf  den  jüdischen  Mönchs- 
verein der  Essener  (§  30)  und  auf  das  viel  einflussreichere,  na- 
mentlich auch  für  die  Urgeschichte  des  Christenthums  ungleich 
wichtigere  Judenthum  in  der  Diaspora  (§  31).  An  der  Hand 
der  erhaltenen  jüdischen  Literatur  unserer  Periode  ist  endlich  zu 
zeigen,  wie  trotz  der  Vorherrschaft  des  Pharisäismns  doch  die 
geistigen  Interessen  und  Bestrebungen  des  Judenthums  noch  sehr 
mannigfaltige  sind.  Es  zeigt  sich  das  schon  bei  der  palästinen- 
sischen Literatur  (§32);  in  noch  höherem  Maasse  aber  bei  der 
hellenistischen  Literatur  (§  33),  innerhalb  welcher  der  jü- 
dische Philosoph  Philo  um  seiner  besonderen  Bedeutung  willen 
eine  specielle  Darstellung  erfordert  (§  34). 

Literatur*). 

Prideaux,  The  Old  and  New  Testament  connected  in  the  historii  of  tlic  Jews 
and  nrif/li/)intrlnf/  nations  from  the  declenaion  of  ihr  kwgdimi  of  Isrnel  and 
JuiUdt  to  the  time  of  Christ,  2  Bde.  Lmdon  1716—1718.  10.  Aufl.  1749.  — 
Eine  neue  verbesserte  Auflage,  bearbeitet  von  J.  Talboys  Wheoler,  er- 
schien in  2  Bdn.  1858.  —  Deutsche  UebcrHctzung  u.  d.  Titel:  Alt-  und 
Neues  Testament  in  eine  Connexion  mit  der  Juden  und  benai^hbartcn 
Völker  Hi»torie  gebraclit,  vom  Verfall  dor  Reiche  Israel  und  .Inda  an  bis 
auf  Christi  Himmelfahrt,  2  ThU«.  17'Jl,  2.  Aufl.  1726.  —  Das  einst  bo- 
rfihmte  (aiicii  in's  FranrOsische  übersetzte)  Werk  ist  noch  heute  mit  Nutzen 
XU  gehrauehon. 

Kwald,  Geschichte  den  Volke»  Inrael.  7  »de.  3.  Aufl.  1804-1868.  -  Bd.  TV: 
G«Mhiohte  Ezra's  und  der  Hcilighcrrschad  in  Israel  bis  Christus.  Bd.  V:  Go- 


1)  Die  mit  einem  *  versehenen  Werke  sind  von  jüdischen  Verfassern. 


[4,  5]  §  1.   Aufgabe  und  Literatur.  5 

schichte  Christus'  und  seinerzeit.  Bd.  VI:  Gresch.  des  apostolischen  Zeit- 
alters bis  zur  Zerstörung  Jerusalem's.  Bd.  VII:  Gesch.  der  Ausgänge  des 
Volkes  Israel  und  des  nachapostolischen  Zeitalters.  —  Verbindet  mit  der 
Gesch.  des  Volkes  Israel  die  Geschichte  Christi  und  der  Apostel.  | 

Schneckenburg  er,  Vorlesungen  über  Neutestamentliche  Zeitgeschichte.  Aus 
dessen  Nachlass  herausgeg.  von  Löhlein.    1862. 

Holtzmann,  Heinr.  Jul.,  Judenthum  und  Christenthum  im  Zeitalter  der 
apokryphischen  und  neutestamentlichen  Literatur.  Auch  u.  d.  Titel:  Gesch. 
des  Volkes  Israel  von  Weber  und  Holtzmann,  2.  Bd.  18ö7.  —  Reicht 
von  der  Zeit  Alexanders  des  Grossen  bis  Hadrian,  in  ähnlicher  Weise  wie 
Ewald,  doch  bedeutend  kürzer,  die  Gesch.  des  Urchristenthums  mit  der 
Gesch.  des  jüdischen  Volkes  verknüpfend. 

Hausrath,  Neutestamentliche  Zeitgeschichte,  3  Bde.  1868—1874.  2.  Aufl.  in  4 
Bdn.  1873—1877.  Der  1.  Bd.  in  3.  Aufl.  1879.  —  Behandelt  die  jüdische 
Geschichte  von  Pompejus  bis  Hadrian,  einschliesslich  des  Lebens  Jesu  und 
der  Gesch.  des  Urchristenthums ;  auch  vieles  aus  der  römischen  Geschichte 
ist  mit  hineingezogen. 

Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  von  Anbeginn  bis  zur  Erobenmg  Masada's 
im  J.  72  nach  Chr.  2Thle.  18(39.  —  Behandelt  die  spätere  Geschichte  (seit 
Alexander  d.  Gr.)  verhältnissmässig  ausführlich. 

Wellhausen,  Die  Pharisäer  und  die  Sadducäer.  Eine  Untersuchung  zur  inneren 
jüdischen  Geschichte,  1874.  —  Die  kurze  Monographie  bietet  für  die  innere 
Geschichte  des  Judenthums  in  unserer  Periode  mehr  als  manches  umfang- 
reiche Werk. 

Reuss,  Die  Geschichte  der  heiligen  Schriften  alten  Testaments,  1881.  2.  Aufl. 
1890.  —  Eigentlich  eine  Gesch.  der  Literatur,  aber  in  Verbindung  mit  der 
Gesch.  des  Volkes. 

Seinecke,  Geschichte  des  Volkes  Israel,  2.  ThI.,  vom  Exil  bis  zur  Zerstörung 
Jerusalems  durch  die  Römer,  1884. 

Holtzmann,  üskar.  Das  Ende  des  jüdischen  Staatswesens  und  die  Entstehung 
des  Christenthums ,  1888  (=  Stade,  Gesch.  des  Volkes  Israel,  2.  Bd. 
2.  Hälfte). 

Renan,  Histoire  du  peuple  d' Israel,  t.  IV,  1893.  /.  V,  1893.  Deutsch:  Renan, 
Geschichte  des  Volkes  Israel,  Bd.  IV— V,  1894.  —  Bd.  IV  geht  von  der 
Rückkehr  aus  dem  Exil  bis  zum  Makkabäer  Jonathan,  Bd.  V  vom  Makka- 
bäer  Simon  bis  zur  Zeit  Jesu  Christi. 

Wellhausen,  Israelitische  und  jüdische  Geschichte,  1894.  4.  Aufl.  1901.  Geht 
bis  zur  Zerstörung  Jerusalems;  die  Darstellung  der  inneren  Entwickelung 
seit  dem  Exil  bildet  den  Glanzpunkt  des  Werkes. 

Holtzmann,  Oskar,  Neutestamentliche  Zeitgeschichte,  1895  (Grundriss  in 
knappster  Form). 

Cornill,  Geschichte  des  Volkes  Israel  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Zer- 
störung Jerusalems  durch  die  Römer,  Chicago  1898  (32*5  S.). 

Guthe,  Geschichte  des  Volkes  Israel  [Grundriss].  1899. 

Schlatter,  Israels  Geschichte  von  Alexander  dem  Grossen  bis  Hadrian.  Calw 
und  Stuttgart,  1900  (342  S.). 

*Jost,  Geschichte  der  Israeliten  seit  der  Zeit  der  Makkabäer  bis  auf  unsere 
Tage.  9  Bde.  1820—28.  —  Für  uns  kommen  die  ersten  4  Bde.  in  Betracht. 

*Jost,  Geschichte  des  Judenthums  und  seiner  Secten,  3  Bde.  1857—59.  —  Giebt 
eine  Geschichte  der  inneren  Entwickelung  des  Judenthums  von  der  Zeit 


ß  §  1.   Aufgabe  und  Literatur.  [5.  6] 

des  Exils  bis  auf  unsere  Tage.  Der  erste  Bd.  geht  bis  zur  Zerstörung 
Jerusalems. 

♦Herzfeld,  Geschichte  des  Volkes  Jisrael  von  der  Zerstörung  des  ersten 
Tempels  bis  zur  Einsetzung  des  Makkabäers  Schimon  zum  hohen  Priester 
und  Fürsten  [oder  vielmehr  bis  zu  dessen  Tode  im  J.  135  v.  Chr.].  3  Bde. 
1847—1857  (Bd.  2  und  3  auch  u.  d.  Titel:  Gesch.  d.  V.  Jisr.  von  der  Vol- 
lendung des  zweiten  Tempels  bis  zur  Eins.  d.  Makk.  Schimon  zum  hohen 
Priester  und  Fürsten ,  2  Bde.  1855 — 57).  —  Für  uns  kommen  die  beiden 
letzten  Bde.  in  Betracht.  Bd.  II  behandelt  die  politische  Geschichte  von 
der  Vollendung  des  zweiten  Tempels  bis  z.  J.  135  v.  Chr.,  Bd.  III  die 
innere  Entwickelung  während  dieser  Zeit.  —  Ein  Auszug  aus  diesem  grösseren 
Werke  ist:  Herzfeld,  Gesch.  des  V.  Jisrael  v.  der  Zerstörung  d.  ersten 
Tempels  bis  zur  Einsetzung  des  Makkabäers  Schimon  zum  hohen  Priester 
und  Fürsten,  ans  seinem  dreibändigen  Werke  des  gleichen  Titels  kürzer 
dargestellt  und  überarbeitet.    Leipzig  1870  (350  S.). 

*Grätz,  Geschichte  der  Juden  von  den  ältesten  Zeiten  bis  auf  die  Gegenwart. 
Bd.  3—11.  1853—1870.  —  Reicht  vom  J.  160  v.  Chr.  bis  1848  n.  Chr. 
Bd.  III,  3.  Aufl.  1878,  4.  Aufl.  1888  (stark  erweitert),  auch  u.  d.  T.:  Ge- 
schichte der  Juden  von  dem  Tode  Juda  Makkabi's  bis  zum  Untergang  des 
jüdischen  Staates,  Bd.  IV,  2.  Aufl.  18G6,  auch  u.  d.  T.:  Gesch.  d.  Juden 
vom  Untergang  des  jüdischen  Staates  bis  zum  Abschluss  des  Talmud.  — 
Später  erschienen:  Bd.  I— II  (letzterer  in  zwei  Hälften)  1874 — 1876.  Die 
zweite  Hälfte  des  zweiten  Bandes  geht  vom  babylonischen  Exile  bis  zum 
Tode  des  Juda  Makkabi. 

♦Geiger,  Urschrift  und  Uebersetzungen  der  Bibel  in  ihrer  Abhängigkeit  von  | 
der  innern  Entwickelung  des  Judenthums.  1857.  —  Sucht  namentlich  zu 
zeigen,  wie  die  innere  Entwickelung  des  Judenthums  in  der  nachexilischen 
Zeit  von  wesentlichem  Einfluss  auf  die  Gestaltung  des  alttestamentlichen 
Textes  gewesen  ist. 

♦Geiger,  Das  Judenthura  und  seine  Geschichte.  Bd.  1 — 3.  1864—1871.  —  Be- 
schreibt nur  die  Hauptmomente  der  innern  Entwickelung  des  Judenthums. 
Bd.  I  gellt  bis  zur  Zerstörung  des  zweiten  Tempels,  Bd.  11  bis  zum  Ende 
de»  zwölften  Jahrhunderts,  Bd.  III  bis  zum  Ende  des  sechszehnten  Jahr- 
hunderts. Der  beabsichtigte  IV.  Bd.  ist  nicht  erschienen.  —  Vgl.  auch: 
Innere  Geschichte  der  zweiten  Tempelperiode  und  deren  Behandlung  (Jüd. 
Zeitschr.  f.  Wissensdi,  u.  Leben  1868,  S.  247—277). 

*äack,  Die  altjQdische  Religion  im  Uebergange  vom  Bibelthume  zum  Tal- 
mudismuH,  18K9. 

*Salvador,  Jlistoirc  de  la  (lonn'ncUion  Romaine  eti  Judie  et  de  la  ruine  ilr 
Jerusalem.  2  voll.  I'aris  1847.  Auch  deutsch  u.  d.  T.:  Salvador,  Gesch. 
d.  RönierlierrHcliaft  in  .ludiia  und  der  Zerstörung  Jerusalems.  2  Bde.  1847. 
—  Geht  von  der  Zeit  des  PompcjuK  Ms  zur  Zerstörung  JernHalems;  bietet 
aber  ftuit  nichtH  uIm  eine  weitschweiiige  Repruduction  der  Quellen. 

*Jiaphall,  Post-Inhlical  Jlisttrrif  of  tJie  jeu'8,  froin  Ihe  dose  ofthe  old  Testament 
(üxmt  Ihe  year  420  tili  thc  destruction  of  the  sccoiid  tcniplc  in  ihe  year  70. 
2  Bde.    iMtidtm  \m\. 

*Dercnhour<j,  K»Mai  nur  PhUtnirc  et  In  ii<'"ti,'i,hir  ih  In  J'itirstiiir,  (raprh  les 
Thalmwlii  rt  li-g  aiUres  auurccJi  rabhini<jii>  s  /',  /,  llisloirc  d«  la  1'ale.ttine 
difjniig  Cifritn  jtuqu^  ä  Adrien,  I'aris  1807.  —  Will  nicht  eine  ÜeHcliichte  des 
VolkuK  Iftmel  in  dorn  gennnnton  Zeitraum  geben,   sonderu   nur  eine  Zu- 


[G.  7]  §  1.   Aufgabe  und  Literatur.  7 

sammenstellung    der    rabbinischen   Traditionen    hinsichtlich    dieser    Ge- 
schichte. 

*Montefiore,  Lectures  an  the  origin  and  growih  of  religion  as  illtistrated  hy 
the  reliffion  of  the  ancient  Hehretvs,  London  1892.  —  Behandelt  S.  355 — 552 
die  Zeit  von  Nehemia  bis  zu  den  Makkabäern,  Vgl.  Budde,  Theol.  Litztg. 
1894,  Nr.  1. 

Miiman,  The  History  of  the  Jews.  From  the  ear liest  period  down  to  modern 
times.  Svoll.  3.  ed.  London  \8ß3. —  Der  1 .  Bd.  schliesst  mit  der  Abschaffung 
des  jüdischen  Gottesdienstes  durch  Antiochus  Epiphanes,  der  2.  geht  vom 
Auftreten  des  Mattathia«  bis  ins  dritte  Jahrh.  n.  Chr. 

Stanley,  Lectures  on  the  History  of  the  Jewish  Church.  'i^d  series,  from  the 
Captivity  to  the  Christian  Era.     London  1876. 

Morrison,  The  Jews  linder  rornan  rule,  1890  (426  S.). 

Latimer,  Judea  from  Gyrus  to  Titus.  Chicago  1899  (382  S.). 

Mathews,  Ä  History  of  New  Testament  times  in  Palestine  17.5  Ä  C. — 70  J..  D. 
New  York  1899  (218  S.). 

Riggs,  History  of  the  Jewish  people  during  the  Maeeabean  and  Roman  periods. 
New  York  1900  (320  S.). 

Bost,  VEpoque  des  Maceabees,  histoire  du  peuple  juif  deptiis  le  retour  de  Cexil 
JHsqü"  ä  la  destruction  de  Jerusalem.    Strassbourg  1862. 

Ledrain,  Histoire d' Israel.  2  Bde.  Paris  1879—1882.  —  Behandelt  die  griechisch- 
römische  Zeit  verhältnissmässig  ausführlich,  s.  Bursian's  Jahresbericht  über 
die  dass.  Alterthumswissensch.  Bd.  XXXII,  522  f. 

De  Sauley,  Histoire  des  Machabees  ou  prinees  de  la  dynastie  asmoneenne, 
Paris  1880. 

Stapf  er,  La  Palestine  au  temps  de  Jisus- Christ  d^apris  le  Nouveau  Testament, 
Vhistorien  Flavius  Josephe  et  les  Talmuds.  Paris  1885.  5.  ed.  1892.  —  Mehr 
Archäologie  als  Geschichte.     Vgl.  Theol.  Litztg.  1886,  51. 

Champagny,  Rome  et  la  Jtulee  au  temps  de  la  chute  de  Neron  {ans  66—72  apres 
Jesus- Christ).    2  voll.   Paris  1865. 

Looman,  Geschiedenis  der  Israeliten  van  de  babylonische  ballingschap  tot  op  de 
körnst  van  den  Heere  Jexus  Christus.  Met  een  aanhangsel .  inhoudende  de 
geschiedenis  der  Israeliten  van  den  dood  van  Herodes  I  tot  op  de  verwoesting 
van  Jenixfdem,  Amsterdam  1867,   3»  druk,  1891. 

Himpel,  Politische  und  religiöse  Zustände  des  Judenthums  in  den  letzten 
Jahrhunderten  vor  Chr.    (Tüb.  Tlieol.  Quartalschrift  1858,  S.  63—85). 

Baumgarten,  Der  nationaljüdische  Hintergrund  der  neutestamentlichen  Ge- 
schichte nach  Flavius  Josephus (Jahrb.  für  deutsche  Theologie  1864—1865). — 
In  vier  Abschnitten:  I.  Der  schriftstellerische  Charakter  des  Josephus  (1864, 
S.610 — 648).  IL  Das  idumäisch-röraische  Regiment  in  Judäa  (1865,  S.  605 — 
635).  III.  Letzter  Widerstand  und  Untergang  der  jüdischen  Nation  (1865, 
S.  636—668).  IV.  Grundzüge  der  Wechselwirkung  zwischen  den  letzten 
Zuständen  und  Kämpfen  der  jüdischen  Nation  einerseits  und  der  neu- 
testamentlichen  Geschichte  andererseits  (1865,  S.  668—693). 

Keim,  Geschichte  Jesu  von  Nazara,  3  Bde.  1867—1872.  —  Behandelt  im  1.  Bde. 
auch  die  Geschichte  des  Herodes  und  der  römischen  Procuratoren  und  die 
inner-jüdischen  Zustände  während  jener  Zeit. 

Wieseler,  Beiträge  zur  neutestamentlichen  Zeitgeschichte  (Studien  und  Kritiken 
1875,  S.  516 — 556).  Vgl.  auch  dessen  chronologische  Werke  (§  2,  C)  und: 
Beiträge  zur  richtigen  Würdigung  der  Evangelien  und  der  evangelischen 
Geschichte,  1869. 


8  §  1.   Aufgabe  und  Literatur.  [7.  8] 

Schlatter,  Zur  Topographie  und  Geschichte  Palästinas,  1893  (26  Studien  über 

einzelne  Fragen,  s.  Theol.  Litztg.  1893,  321—328). 
Döllinger,  Heidenthum  und  Judenthum.    Vorhalle  zur  Geschichte  des  Chri- 

stenthums.    Kegensburg,  1857  (885  S.).  —  Die  Darstellung  des  Judenthums 

ist  allerdings  weit  kürzer  als  die  des  Heidenthums.    In  letzterer  beruht  der 

Hauptwerth  des  Buches, 

Ueber  die  Lehren  und  Anschauungen  des  Judenthums  im  Zeitalter  Christi 
handeln  besonders: 

Hartmann,  Die  enge  Verbindung  des  Alten  Testamentes  mit  dem  Neuen. 
Hamburg.  1831  (840  S.).  —  Will  zeigen  wie  das  Alte  Testament  im  Zeit- 
alter Christi  behandelt  und  ausgelegt  wurde,  wobei  gelegentlich  auch  über 
Synedrium  und  Synagogen  ausführlich  gehandelt  wird. 

Gfrörer,  Das  Jahrhundert  des  Heils.  2  Bde.  1838.  Auch  u.  d.  T.:  Gesch. 
des  Urchristenthums,  Bd.  1  u.  2.  —  Giebt  eine  systematische  Uebersicht 
der  jüdischen  Theologie  zur  Zeit  Christi. 

Lutterbeck,  Die  Neutestamentlichen  Lehrbegriffe  oder  Untersuchungen  über 
das  Zeitalter  der  Keligionswende,  die  Vorstufen  des  Christenthums  und 
die  erste  Gestaltung  desselben.  2  Bde.  1852.  —  Der  erste  Band  handelt 
vorwiegend  über  die  religiösen  Zustände  des  Judenthums  im  Zeitalter 
Christi. 

Noack,  Der  Ursprung  des  Christenthums.  Seine  vorbereitenden  Grundlegungen 
und  sein  Eintritt  in  die  Welt.  2  Bde.  1857.  —  Der  1.  Bd.  handelt  von 
den  vorbereitenden  Grundlegungen  (aber  sehr  oberflächlich). 

Nicolas,  Des  doctrines  religieuses  des  Juifs  pendant  les  deux  siecles  anterieurs 
ä  fhre  chretienne.    Paris  1860. 

Langen,  Das  Judenthum  in  Palästina  zur  Zeit  Christi.  1866.  —  Giebt  ähnlich 
wie  Gfrörer  eine  systematische  Darstellung  der  jüdischen  Theologie  im  Zeit- 
alter Christi,  unterscheidet  sich  aber  von  Gfrörer  dadurch,  dass  er  die  spätere 
jüdische  Literatur  (Talmud  und  Midraschim)  nicht  mit  als  Quelle  benützt. 

lieville,  Le  petiple  Juif  et  le  juda'isme  au  temps  de  la  formation  du  Talmud 
{Revue  des  deux  Mondes,  1867,  Novemberheft,  S.  104—137).  —  Ders., 
Le  judaisme  dejmis  la  captivite  de  BalryUme,  d' apres  Kuenen  [Revue  des  deux 
Mondes,  1872,  Märzheft,  S.  114—141). 

Kuenen,  De  ffodsdienst  ran  Israi'l  tot  den  ondergami  van  den  joodschen  Staat 
(„Die  Religion  Israels  bis  zum  Untergang  des  jüdischen  Staates").  2  Thle., 
Haarlem  1869-1870  (504  u.  563  S.  Lex.-8.).  —  Für  uns  kommt  in  Betracht 
Bd.  n,  Cap.  10:  Das  Judenthum  in  Palästina  unter  der  griechischen  Ober- 
herrnchaft  und  den  hasmonäischen  Fürsten  (S. 276— 381).  Cap.  11:  Die  Juden 
in  der  ZerHtrctmng;  der  Hellenismus  (8.  382—444).  Cap.  12:  Das  letzte  | 
Jahrluindert  des  jOdiscIien  Staate«  (S.  445—515).  Cap.  13:  Die  Geschichte 
de«  JutienthumH  nach  dem  Falle  JeniHalem«  (8.  516-563) 

Stapfer,  Lfn  idfen  rr/iz/irmtrs  cn  l'alcstiur  i'i  l'vpoquv,  de  J{:sus-Christ,  2n'e  idition. 
I'ari»  1H7H.     Vgl.  Tlicol.  Litztg.  1878,  410. 

Weber  (Fcrd.),  Kyntom  der  altsynagogalen  palästiniHclien Theologie  ausTarguin, 
Midraitch  und  Talmud  dargcHtellt.  Nach  <leM  VerfusserB  Tode  heniusgeg. 
von  DelitXHch  und  Htlmecjermann,  Leipzig,  1880.  —  Neue  unveränderte 
AuMgahe  unter  dorn  Titel:  Die  Lehren  des  Talmud,  f|uellenmÄHHig,  systc- 
mattMch  lind  gemcinverHtündlich  dargestollt,  Leipzig  lSH»i.  -  -  Wieder  anders 
betitelt  int  die  „zweite  verbenserte"  [d.  k.  von  Kaluiii  nnd  Schncdormanu 


[8]  §  1.    Aufgabe  und  Literatur,  9 

revidirte]  Auflage:  Jüdische  Theologie  auf  Grund  des  Talmud  und  ver- 
wandter Schriften  gemeinfasslich  dargestellt,  Leipzig  1897.  —  Weber  giebt 
eine  gute,  selbständig  aus  den  Quellen  geschöpfte  Darstellung  der  jüdi- 
schen Theologie  im  talmudischen  Zeitalter. 

Bacher,  Die  Agada  der  Tannaiten,  2  Bde.  1884—1890.  —  Ders.,  Die  Agada 
der  palästinensischen  Amoräer,  3  Bde.  1892—1899.  —  Ist  nicht  systematisch, 
sondern  chronologisch-biographisch  geordnet. 

Holtzmann,  Heinr.  Jul.,  Lehrbuch  der  neu  testamentlichen  Theologie,  Bd.  I, 
1897,  S,  28—110:  Die  religiöse  und  sittliche  Gedankenwelt  des  gleich- 
zeitigen Judenthums, 

Cheyne,  Jewish  reliffious  life  äff  er  the  exile,  1898.  —  Deutsch:  Das  religiöse 
Leben  der  Juden  nach  dem  Exil,  1899. 

Einzelne  Beiträge  zur  jüdischen  Geschichte  in  unserer  Periode  geben  auch 
folgende  Wörterbücher,  Eucyklopädien  und  Zeitschriften  (über  die  Bibel- 
wörterbücher 8,  noch  mehr  in  dem  Artikel  von  Mangenot  „Dictionnairea 
de  la  Bible"  in:   Vigouroux,  Dictionnaire  de  la  Bible  II,  1411 — 1428): 

Winer,  Biblisches  Real  Wörterbuch,    2  Bde.    3.  Aufl.    1847—1848. 

Bibel-Lexikon.  Realwörterbuch  zum  Handgebrauch  fürGeistliche  und  Gemeinde- 
glieder.   Herausgeg.  von  Schenkel.    5  Bde.    1869—1875. 

Handwörterbuch  des  biblischen  Alterthums  für  gebildete  Bibelleser,  herausg.  von 
Riehm,  2  Bde.  [1874— ]1884.    2,  Aufl.  von  Baethgen,  1893-1894, 

*Hamburger,  Real-Encyklopädie  für  Bibel  und  Talmud.  Abtheilung  I. 
Die  biblischen  Artikel,  1870.  Abtheilung  IL  Die  talmudischen  Artikel, 
1883.  Dazu  Supplementbd.  I  (zu  beiden  Abtheilungen)  1886.  Suppl.  II, 
1891.    Suppl.  III,  1892.    Suppl.  IV,  1697. 

A  Cyclopaedia  of  Biblical  Literature.  Originally  ed.  by  Kitto.  3.  ed.  In  3  vols. 
Ed.  by  Alexander.    London  1869 — 1876. 

Smith,  A  IHctionary  of  the  Bible,  comprising  its  antiquities,  biography,  geo- 
graphy  and  natural  history.  3  coli.  London  1860—1863.  —  Die  amerikanische 
Ausgabe  dieses  Werkes  (besorgt  von  Hackett  und  Abbott,  4  Bde.  New 
York  1871)  ist  vielfach  vermehrt  und  verbessert. 

Hostings  and  Selbie,  A  Dictionary  of  the  Bible,  dealing  tcith  its  language, 
läeraftire  and  Contents,  including  the  Biblical  Theology,  vol.  I,  1898.  II,  1899. 
HI,  1900. 

Cheyne  and  Black,  Encyelopaedia  biblica,  a  eritical  dictionary  ofthe  literary, 
political  and  rely/ious  history,  the  arehaeology,  geography  and  natural  history 
of  the  Bible.  vol.  I.  .1  to  I)  1899,  vol.  II,  E  to  K.  1901. 
Vigouroux,  Dictionnaire  de  la  Bible,  contenant  tous  les  noins  de  personnes,  de 
lieux,  de  plantes,  d^animaux,  mentionnes  dans  les  Saitdes  Ecritures,  les  que- 
stions  fheologiques,  arc/ieologiques,  scientifiques,  eritiques  relatives  ä  l' Anden 
et  au  Nouveau  Testament  ei  des  notices  sur  les  commentateurs  anciens  et 
modernes,  t.  I,  A—B,  Paris  1895  (1984  col.  4"),  t.  II,  C—F,  1899  (2428  col.\. 

Real-Encyclopädie  der  classischen  Alterthumswissenschaft,  herausg.  von  Pauly. 
6  Bde.  1839—1852.  Bd.  I  erschien  in  neuer  Auflage  in  zwei  Abtheilungen 
1864 — 1866.  —  Eine  völlige  Neubearbeitung  unter  Redaction  von  Wissowa 
erscheint  seit  1894. 

Real-Encyklopädie  für  protestantische  Theologie  und  Kirche,  Herausgeg.  von 
Herzog,  22  Bde.  1854 — 1868.  —  Eine  neue  Bearbeitung  erschien  unter 
Redaction  von  Herzog,  Plitt  und  Hauck  in  18  Bdn.  1877 — 1888,  — 
Eine  dritte  Auflage  unter  Redaction  von  Hauck  erscheint  seit  1896. 


10  §  1-   Aufgabe  uud  Literatur.  [8.  9] 

*The  Jetcish  Eneyclopedia,  comprising  ihe  history,  religion,  literature  and  customs 
of  the  Jeui^h  People  from  the  earliest  times  tn  the  present  day,  Nerv  York, 
Funk  d-  Wagnalls  Company,  vol.  I.  1901.  —  Diese  grosse,  von  Singer  be- 
gründete Encyklopädie  ist  im  ganzen  auf  12  Bände  berechnet. 

*  Wissenschaftliche  Zeitschrift  für  jüdische  Theologie,  herausgeg.  von  Geiger, 
6  Bde.    1835—1848  (von  Bd.  6  nur  drei  Hefte). 

*Der  Orient.  Berichte,  Studien  und  Kritiken  für  jüdische  Geschichte  und 
Literatur.  Nebst  dem  „Literaturblatt  des  Orients",  herausgeg.  von  Fürst. 
12  Bde.   1840-1851. 

♦Zeitschrift  für  die  religiösen  Interessen  des  Judentliums,  herausgeg.  von 
Frankel,  3  Bde.    1844-1846. 

♦Monatsschrift  für  Geschichte  und  Wissenschaft  des  Judenthuras,  herausgeg. 
von  F  r  a  n  k  e  1  1851—1868.  Später  (1869—1887)  von  G  r  ä  t  z.  —  Neue  Folge, 
herausgegeben  von  Brann,  erscheint  seit  October  1892. 

♦Jüdische  Zeitschrift  für  W^issenschaft  und  Leben,  herausgeg.  von  Geiger» 
11  Bde.    1862-1875. 

♦Jahrbücher  für  jüdische  Geschichte  und  Literatur,  herausgeg.  von  N.  Brüll. 
I.  Jahrgang  [sie!)  1874.  II.  1876.  III.  1877.  IV.  1879.  V.  u.  VI.  1883. 
VII.  1885.    VIII.  1887.    IX.  1889.    X.  1890. 

♦Magazin  für  die  Wissenschaft  des  Judenthums,  herausgeg.  von  Berliner  uud 
Hoffmann,  Jahrg.  III— XX,  1876 — 1893  (der  factische  erste  Jahr  gang  1876 
ist  als  dritter  gezählt,  indem  zwei  Bände  einer  anderen  Zeitschrift  als 
erster  und  zweiter  gerechnet  sind). 

*Revue  des  etudes  jiiives.  Publicaiion  trimestricUe  de  la  Societe  des  etudes  juives. 
Paris  1880  sqq.  (erscheint  in  vier  Heften  oder  zwei  Bänden  jäiirlich). 

*The  Jeicish  (juarterly  Review,  edited  by  Ahrahams  and  Montefiore,  London 
1888  sqq. 


§  3.  Hülfswisseuschafteu. 

Zur  Ergänzung  der  in  §  1  genannten  Literatur  nennen  wir 
hier  noch  die  wichtigeren  Werke  aus  denjenigen  Disciplinen,  welche 
zu  der  unserigen  im  Verhältniss  von  H  ülfswissenschaften  stehen. 
Dahingehören:  1,  die  biblische  und  jüdische  Archäologie,  welche 
die  r<!ligiösen  und  bürgerlichen  Institutionen,  Sitten  und  (rebräuehe 
des  jüdischen  Volkes  darzustellen  hat,  2,  die  Geographie,  3,  die 
Chronologie,  4,  die  Numismatik,  5,  die  Epigraphik.  Die 
Geographie  und  Chronologie  stellen  den  ürtliclien  und  ziMtlichen 
Rahmen  für  di«'  zu  behandehide  Ge.schichtt^  djir,  die  Nuinisniatik 
und  Epigraphik  liefern  urkundliches  Material. 

A.  Archäologie. 

Eine  reiclu;  Saninilung  älterer  Monograpliiiai  zur  biblischen 
und  jüdischen  Archäologie  enthalten  die  .'J4  Foliobände  von  Ug<>- 
lini'H  T/ie^aurwi.    Die  kürzeren  Hand-  niid  iichrbücher  behandeln 


{9.  10]  §  2.   Hülfswissenschaften.   A.  Archäologie.  1  \ 

entweder  das  ganze  Gebiet  der  „Alterthünier"  oder  nur  einzelne 
Theile,  wie  namentlich  den  religiösen  Cultus  oder  das  bürgerliche 
Eecht.  Der  Stoif  der  Archäologie  ist  auch  in  den  biblischen  Wörter- 
büchern behandelt.  Ergänzendes  Material  bieten  endlich  die  Dar- 
stellungen der  jüdischen  Satzungen  und  Gebräuche  in  der  nacli- 
talmudischen  Zeit. 

Ein  reichhaltiges  Verzeichniss  der  älteren  Literatur  giebt  Meusel,  Biblia- 
tlieca  historica  I,  2,  118 — 207,  eine  Uebersicht  der  neueren  Literatur: 
Winer,  Handb.  d.  theol.  Literatur  I,  133  ff.  Rüetschi  in  Herzog's  Real- 
Enc.  2.  Aufl.  I,  608 f.  Kittel  ebendas.  3.  Aufl.  I,  776.  Nowack,  Lehrb. 
der  hebr.  Archäologie  I,  15—24. 

Ufjolini  Thesaurus  antiquitahim  sacrarmn,  34  Bde.  Fol.  Venetiis  1744 — 1769. 
—  Inhaltsverzeichnis»  der  einzelnen  Bde.  bei  Meusel,  Biblioth.  hist.  I,  2, 
118—142. 

JReland,  Antiquitates  sacrae  reterum  Hebraeorum.  Uttraj.  1708.  Jen.  1713.  — 
Notas  adj.  Eh.  Ran,  Herbotti  1743.  —  A  Blasio  Ugolino  amplissimu  cotii- 
mcntario  iUustratae,  in  UgoUni  Thes.  t.  II,  1744.  —  Mit  den  Noten  von  Rau 
und  Ugolini  herausgeg.    von  Vogel,  Halle  1769. 

Iken,  Antiquitates  heltr.  seeundum  triplieem  Judaeonim  statum,  ecelesiastieiim 
politicum  et  oeconomieum,  Bremen  1730  und  öfter. 

Waehner,  Antiquitates  Ebraeorum  de  Israeliticae  yentis  origine,  fatis,  rebus 
sacris  civiiilms  et  domesticis  etc.  2  Bde.  Göttingen  1743.  1742.  | 

Carpzov  (Joh,  Qottloli),  Apparatus  historico  eriticus  antiquitatmn  saeri  eodici.s, 
1748  (eigentlich  Abdruck  eines  älteren  Werkes  von  Qoodicin,  Moses  et 
Aron  1616  mit  Anmerkungen,  die  aber  den  ursprünglichen  Text  an  Umfang 
und  Werth  weit  überragen). 

J.  D.  Michaelis,  Mosaisches  Recht,  6  Thle.  1775—1780. 

Jahn,  Biblische  Archäologie,  3  Thle  in  5  Bdn.  1796—1805.  Thl.  1—2  in 
2.  Aufl.  1817—1825. 

Rosen müller,  Handbuch  der  biblischen  Alterthumskunde,  4  Bde.  in  7  Thln. 
1823-1831  (unvollendet). 

De  Wette,  Lehrbuch  der  hebräisch-jüdischen  Archäologie  nebst  einem  Grund- 
riss  der  hebräisch-jüdischen  Geschichte.  (1.  Aufl.  1814.)  4.  Aufl.,  bearbeitet 
V.  Räbiger  1864. 

Ewald,  Die  Alterthümer  des  Volkes  Israel  (Anhang  zum  2.  u.  3.  Bd.  seiner 
Gesch.  d.  V.  Isr.)  3.  Aufl.  1866. 

Keil,  Handbuch  der  biblischen  Archäologie,  2  Thle.  1858 — 59.  2.  Aufl.* in 
einem  Bande,  1875. 

Saalschütz,  Das  Mosaische  Recht,  nebst  den  vervollständigenden  Talmu- 
disch-Rabbinischen  Bestimmungen.  2.  Aufl.  2  Thle.  Berlin  185-1  —  Ders., 
Archäologie  der  Hebräer.  2  Thle.  Königsberg,  1855—56. 

Scholz,  Die  heiligen  Alterthümer  des  Volkes  Israel.  2  Abthlgn.  Regensburg, 
1868. 

Haneberg,  Die  religiösen  Alterthümer  der  Bibel.  2.  grösstentheils  umgear- 
beitete Aufl.  des  „Handbuchs  der  biblischen  Alterthumskunde".  Mün- 
chen, 1869. 

Schegg,  Biblische  Archäologie,  herausgeg.  von  Wirthmüller,  Freiburg  1887. 

Benzinger,  Hebräische  Archäologie,  Freiburg  1894  [=  Grundriss  der  theol. 
Wissenschaften  6.  Abth.l. 


12  §  2.    Hülfswissenschaften.   ß.  Geographie.  [10.  11] 

Xowack,  Lehrbuch  der  hebräischen  Archäologie,  2  Bde.    1894. 

Die  Wörterbücher  von  Winer,  Schenkel,  Riehm,  Hamburger,  s.  oben  S.O. 

Bodenschatz,   Kirchliche  Verfassung  der  heutigen  Juden,   sonderlich  derer 

in  Deutschland,  4  Thle.  in  2  Bdn.  1748—49. 
J.  F.  Schröder,  Satzungen  und  Gebräuche  des  talmudisch-rabbinischen  Juden- 

thums,  Bremen  1851. 

B.  Geographie. 

Die  Erforschung  des  heiligen  Landes  ist  in  unserem  Jahr- 
hundert mit  solchem  Eifer  betrieben  worden,  dass  es  schwer  ist, 
aus  der  unabsehbaren  Literatur  das  wichtigere  hervorzuheben. 
Wir  unterscheiden  zwei  Classen:  1)  die  zusammenfassenden  Be- 
arbeitungen solcher  Autoren,  welche  nicht  selbst  an  Ort  und  Stelle 
gewesen  sind,  und  2)  die  Forschungen  im  heiligen  Lande  selbst. 
Aus  der  ersteren  Kategorie  ragen  zwei  Werke  durch  deu  Reich- 
thum  des  Stoffes  über  alle  anderen  hervor:  das  ältere  von  Reland 
und  das  neuere  von  Ritter,  beide  wohl  noch  auf  lange  unent- 
behrlich. Zweckmässige  Handbücher  sind  die  von  Raum  er  und 
Buhl.  Von  den  Forschungen  sind  vor  allem  die  des  Amerikaners 
Robinson  durch  den  Reichthum  neuer  Ergebnisse  epochemachend 
gewesen.  Noch  vollständiger  und  systematischer  hat  der  franzö- 
sische Gelehrte  Guerin  das  ganze  Westjordanland  von  Ort  zu  | 
Ort  erforscht  und  beschrieben.  Beide  geben  bei  der  Mittheilung 
ihrer  Resultate  auch  das  historische  Material  mit  grosser  Voll- 
ständigkeit. Nur  eine  Beschreibung  des  heutigen  Palästina  geben 
die  Memoirs,  welche  der  grossen  englischen  Karte  zur  Er- 
läuterung beigegeben  sind.  —  Eine  Wissenschaft  für  sich  bildet 
die  Topograpliie  von  Jerusalem.  —  Zwei  Zeitschriften,  eine 
englische  und  eine  deutsche,  dienen  jetzt  als  Organ  für  die  neueren 
Forschungen.  —  Unter  den  historischen  Atlanten,  welche  die  po- 
litische (ieschichte  Schritt  für  Schritt  anschaulich  maclien,  ist  der 
von  Menke  besonders  zu  empfehlen.  —  Auf  dem  Gebiet  der 
Kartographie  sind  alle  früheren  Leistungen  in  den  Schatten 
gestellt  worden  durcli  die  grosse  englische  Karte  in  20  Jiliittern, 
welche  der  englische  Palästina- Verein  auf  Grund  der  in  den  Jahren 
1872  — 1877  veranstalteten  genauen  topographischen  Vermessung 
de»  Westjordanlandes  herausgegeben  hat.  Die  Vermessung  des 
Ostjordanlandes  ist  von  den  Engländern  nach  einem  kleinen 
Anfang  wieder  aufgegeben  worden.  Dafür  ist  sie  von  Schumacher 
im  Auftrag  des  deutschen  Palästina-Vereins,  zuiiiiclist  durch  Ver- 
messung einiger  nördliciien  Districte,  fortgesetzt  worden.  —  Für 
die  Topographie  von  Jerusalem  haben  ebenfalls  die  Engländer  die 
zuverlässigsten  (-»rundlagen  g('li('fert.     In  den  .laliren  1864—1865 


[11.  12]  §  2.   Hülfswissenschaften.   B.  Geographie.  13 

hat  Wilson  das  heutige  Jerusalem  topographisch  aufgenommen, 
und  in  den  Jahren  1867 — 1870  hat  der  englische  Palästina-Verein 
am  Tempelplatz  die  umfassendsten  Vermessungen  und  Nachgra- 
bungen vornehmen  lassen,  wozu  die  deutschen  Arbeiten  zunächst 
nur  eine  Nachlese  liefern  konnten. 

Ein  ausführliches  Verzeic'.iniss  der  älteren  Palästina-Literatur  hat  bereit» 
Mensel  geliefert  [BibliotJieea  historiea  I,  2,  70 — 118);  eine  gute  Uebersicht  bis 
zum  J.  1840:  Robinson,  Palästina  Bd.  I  S.  XVI— XXXIX.  —  Ein  erdrückend 
reichhaltiges  Verzeichniss  der  Palästina- Literatur  giebt:  Tobler,  Bibliographia 
(jeo^iraphiea  Palaedinae,  Leipzig  I8ü7.  Noch  eingehender,  als  es  hier  geschehen 
ist,  hat  Tobler  die  älteren  Reisebeschreibungen  bis  zum  zehnten  Jahrhundert 
n.  Chr.  behandelt  in  der:  Bibliographia  (leo^iraphica  Palaestitiae  ab  avtio 
CCCXXXIII  usfjtie  ad  annum  M.  Dresdae  1875  (Separatabdr.  aus  Petzholdt's 
Neuem  Anzeiger  für  Bibliographie  und  Bibliothekwiss,  1875).  —  Fortsetzungen 
und  Nachträge  zu  Tobler's  Werk  haben  geliefert:  Ph.  Wolff  in  den  Jahrbb. 
für  deutsche  Theologie  1868  und  1872,  Röhricht  und  Meisner,  Deutsche 
Pilgerreisen  nach  dem  heiligen  Lande  (Berlin  1880),  S.  547—648.  —  Eine 
neue,  noch  vollständigere  Zusammenfassung  des  Materiales  giebt:  Röhricht, 
Bibliotheca  f/eographica  Palacstinae.  Chronologisches  Verzeichniss  der  auf  die 
Geographie  des  heiligen  Landes  bezüglichen  Literatur  von  333  bis  1878  und 
Versuch  einer  Cartographie.  Berlin  1890  (XX,  744  S.).  —  Die  Jahresberichte, 
welche  Socin,  Jacob  und  Benzinger  in  der  Zeitschrift  des  deutschen 
Palästina- Vereines  1878—1895  geliefert  haben,  haben  leider  seitdem  aufgehört. 
—  Eine  Uebersicht  der  Literatur  auch  bei  Fr.  W.  Schultz,  Art.  „Palästina" 
in  Herzog's  Real.-Enc.  2.  Aufl.  Bd.  XI  (1883)  S.  800—804.  —  Eine  Bibliography 
of  Eastern  Palestine  giebt  Ö.  A.  Smith,  Historical  Geography  of  the  Holy 
Land,  1894,  p.  665— 667.  Eine  ähnliche  Zusammenstellung:  Fischer,  Zeitschr. 
des  DPV.  XIL  248  ff".  XIII,  44  ff. 

Bearbeitungen: 

Reland,  Palaestina  ex  monunientis  veteribus  illustrata,  Ultraj.  1714.  Norimh. 
1716. 

Ritter,  Die  Erdkunde  im  Verbal tniss  zur  Natur  und  zur  Geschichte  des 
Menschen.  2.  stark  vermehrte  und  umgearbeitete  Ausg.  Thl.  XIV— XVII, 
Berlin  1848—1855.  —  Inhalt  der  einzelnen  Theile:  XIV  (1848):  Die  Sinai- 
Halbinsel.  XV,  1  (1850):  Die  grosse  Einsenkung  des  Jordanthaies,  das 
Stromsystem  und  Stromgebiet  des  Jordans.  XV,  2  (1851):  Das  Land  im 
Osten  des  Jordan  und  des  todten  Meeres  (Peräa).  XVI  (1852):  Judäa, 
Samaria,  Galiläa.  XVII,  1  (1854):  Phönizien,  Libanon  und  gebirgiges 
Nordsyrien.  XVII,  2  (1855):  Das  Stromsystem  des  Orontes  und  das  flache 
Nordsyrien  mit  der  Amanuskette. 

Raumer,  Palästina,  4.  Aufl.    Leipzig  1860. 

Quandt,  Judäa  und  die  Nachbarschaft  im  Jahrhundert  vor  und  nach  der 
Geburt  Christi  (auch  unter  d.  T.:  Chronologisch-geographische  Beiträge 
zum  Verständniss  der  heiligen  Schrift  II,  1),  Gütersloh  1873.  —  Zwar 
kurz,  aber  selbständig. 

Smith,  George  Adam,  The  historieal  geography  of  the  Holy  Land  especially  in 
relatio^i  to  the  history  of  Israel  and   of  the   early    church.    London  1894, 


14  §  2.   Hülfswissenschaften.   B.  Geographie.  [12.  13} 

neue  Ausg.  1897.  —  Sucht  hauptsächlich  zu  zeigen,  wie  die  Geschichte 
des  Landes  bedingt  ist  durch  seine  physische  Beschaffenheit.  Hinsicht- 
lich der  Ortskunde  bietet  das  Werk  nur  eine  knappe  Auswahl. 

Buhl,  Geographie  des  alten  Palästina,  1896  (Grundriss). 

Boettger  (Gustav),  Topographisch-historisches  Lexicon  zu  den  Schriften  des 
Flavius  Josephus,  Leipzig  1879.  —  Stellt  das  Material  aus  Josephus  zu- 
sammen. 

Neubauer,  La  f/eographie  du  Talmud.  Paris  186S.  —  Stellt  das  Material  aus 
der  rabbinischen  Literatur  zusammen,  freilich  nicht  vollständig. 

Le  Strange,  Palestine  under  the  Moslems:  a  dcscription  of  Syria  and  tlie 
Holy  Land  from  A.  D,  650 — 1500,  translated  front  the  uorks  of  the  nie- 
diaeval  Arab  Qeographers.    London  1890. 

In  den  biblischen  Wörterbüchern  von  Winer,  Schenkel,  Eiehm  und  An- 
deren sind  die  in  der  Bibel  vorkommenden  Ortsnamen  behandelt. 

Forschungen: 

Robinson,  Palästina  und  die  südlich  angrenzenden  Länder.  Tagebuch  einer 
Reise  im  J.  1838  in  Bezug  auf  die  biblische  Geographie  unternommen  v. 
E.  Robinson  und  E.  Smith.  8  Bde.  Halle  1841-42.  —  Ders.,  Neuere 
Biblische  Forschungen  in  Palästina  und  in  den  angrenzenden  Ländern.  Tage- 
buch einer  Reise  im  J.  1852.  Von  E.  Robinson,  E.  Smith  und  Anderen. 
Berlin,  1857.  —  Ders.,  Physische  Geographie  des  heiligen  Landes.  Aus 
dem  Nachlass  des  Verf    Leipzig,  1865. 

Tob  1er,  Bethlehem  in  Palästina.  1849.  —  Golgatha.  Seine  Kirchen  und  Klöster. 
1851.  —  Die  Siloahquelle  und  der  Oelberg.  1852.  —  Denkblätter  aus 
Jerusalem.  1853.  —  Zwei  Bücher  Topographie  von  Jerusalem  und  seinen 
Umgebungen.  2  Bde.  1853 — 54.  —  Dritte  Wanderung  nach  Palästina  im 
Jahre  1857.  Ritt  durch  Philistäa,  Fussreiseu  im  Gebirge  Judäas  und 
Nachlese  in  Jerusalem.    1859.  —  Nazareth  in  Palästina.    1868. 

De  Sau  leg,  Voyage  en  Terrc  Sainte,  2  Bde.  Paris  1865.  —  Ders.,  Jerusalem  ^ 
Paris  1882  (s.  Zeitschr.  d.  DPV.  VI,  174).  —  Ueber  frühere  Werke  de 
Saulcy's  b.  Tobler,  Bibliographia  geographica  S.  ]80f 

Sepp,  Jerusalem  und  das  heilige  Land,  Pilgerbuch  nach  Palästina,  Syrien 
und  Aegypten.    2  Bde.  2.  Aufl.  1873-76. 

Ouirin,  Dencripliim  gcographiquc,  historique  et  archiologtque  de  la  Palestine, 
L  JiuUe,  3  Bde.  Paris  18(58—1869.  IL  Snmarie,  2  Bde.  Paris  1874—1875. 
JII.  Galilee,  2  Bde.  Paris  1880.  —  Ders.,  Jerusalem,  so7i  hisfoire,  sn.  de- 
KCription,  ars  fiahlissenieuts  religieua;  Paris  1889. 

Baedeker,  PaiÜHtina  und  Syrien,  Handbuch  für  Reisende  [bearbeitet  von 
Socio],  L<!ipzig,  1875.  2.  Aufl.  1880.   5.  Aufl.  liHK). 

The  Survey  of  Western  Palestine  [Dies  der  Gesammt-Titel  des  Werkes, 
deUHcn  einzelne  Abtheilungen  folgende  Specialtitel  haben].  Special  Papers 
Ott  lopography,  arohaeolof/g ,  inanners  awt  rustoms  etc.  contrihutcd  by 
Wilson,  Warren,  (Jonder,  Kilclicner,  l'atmrr,  (leorge  Smith,  (Irrvillr  ehester, 
Clermont-Oarmeau  etc.  Ijondon  1881  (einzelne  Abluindluiigcn  über  verschie- 
deoe  QegeiUltiDde).  —  Arabic  and  english  Name  Lists,  cullerted  by 
Conder  and  Küehener,  transliterated  and  vjrjdaincd  hg  l 'almer,  London  1881.  — | 
Metnoir»  of  the  lopography,  orography  hgdmgraphg  and  arrharology,  hg 
Oonder  and  Kitehmer,  vol.  I  Ijondwi  1881,  vol.  II  1882,  vol.  III  1883.  — 
Jeruealem,  by  Warren  and  Conder,  London  1884.  —  The  Fauna  and 


[13]  §  2.   Hülfswissenschaften.    B.  Geographie.  15 

Flora  of  Palestine,  by  Tristram,  London  1884.  —  Memoir  of  the  Physical 
Oeof/raphy  and  Oeology  of  Ärabia,  Petraea,  Pantine  and  adjoining  di- 
striets  by  Hüll,  London  1886.  —  General  Index,  London  1888.  —  Zusammen 
9  Bde.,  wozu  noch  die  unten  genannte  grosse  Karte  {Map  etc.)  und  die 
grossen  Pläne  über  die  Ausgrabungen  und  Vermessungen  in  Jerusalem 
{Plans,  elevations,  sections  etc.)  gehören. 
The  Survey  of  Eastern  Palestine.  Metnoirs  of  the  Topography,  Orography, 
Hydrography,  Archaeology  etc.  vol.  L  The  'Adwän  Country,  by  C.R.Conder, 
London  1889  (nicht  fortgesetzt). 

Topographie  von  Jerusalem: 

Eingehende  Darstellungen  der  Topographie  von  Jerusalem  enthalten  die  bereits 
genannten  Werke  von  Ritter  (Bd.  XVI),  Raumer,  Buhl  (S.  132-155, 
gute  Orientirung  über  den  Stand  der  Forschung  bis  1896),  Robinson 
(Palästina  Bd.  II  und  Neuere  bibl.  Forschungen),  Tobler,  de  Saulcy, 
Sepp,  Bädeker-Socin. 

Dazu  kommen  noch  Monographien  von  Olshausen,  Williams,  E.  G.  Schultz, 
K rafft,  Fergusson,  Thrupp  u.  A.  (s.  die  Titel  in  Tobler's  Bibliogr. 
geogr.,  auch  in  Herzog's  Real.-Enc.  1.  Aufl.  XVIII,  620  f.,  2.  Aufl.  VI,  575), 
und  verschiedene  Aufsätze  in  der  Zeitschr.  des  deutschen  Palästina-Ver- 
eins, von  Schick  (Jalirg.  I,  15— 23,  VIII,  259  ff.,  XII,  10— 18,  XIII,  31— 36, 
XIV,  41—62),  von  Alten  (I,  61-100,  II,  18—47,  189—200,  IIT,  116—176), 
Klaiber(III,  189—213,  IV,  18—56,  XI,  1—37),  und  Spiess  (XI,  46—59), 
unter  welchen  besonders  die  von  Klaiber  hervorzuheben  sind. 

Materialien  zur  Topographie,  namentlich  in  der  Umgebung  des  Tempelplatzes 
lieferten:  de  Vogüi,  Le  tempte  de  Jerusalem,  1864,  Rosen,  Das  Haram 
von  Jerusalem  (1866),  de  Saulcy,  Memoires  de  rAcademie  des  Inner,  et 
Belles-lettres  t.  XXVI,  1, 1867,  und  besonders  die  englischen  Ausgrabungen, 
deren  Resultate  in  dem  oben  genannten  Bande  von  The  Survey  etc.  (1884) 
niedergelegt  sind.  Einen  vorläufigen  Bericht  enthielt:  The  recoverg  of 
Jerusalem,  by  Wilson,  Warren  etc.,  ed.  by  Morrison,  London  1871.  Eine 
eingehende  Beschreibung  der  heutigen  Beschaffenheit  des  Tempelplatzes 
lieferte:  Schick,  Beit  el  Makdas  oder  der  alte  Tempelplatz  zu  Jerusalem 
wie  er  jetzt  ist,  Jerusalem  1887.  Dasselbe  fast  wörtlich  abgedriickt  in: 
Schick,  Die  Stiftshütte,  der  Tempel  in  Jerusalem  und  der  Tempelplatz 
der  Jetztzeit,  Berlin  1896.  —  Ueber  die  von  Guthe  geleiteten  deutschen 
Ausgrabungen  hat  dieser  im  V.  Bde.  der  Zeitschr.  des  DPV.  Bericht 
erstattet.  —  Ueber  die  für  die  Feststellung  des  Mauerlaufes  im  Süden 
wichtigen  englischen  Ausgrabungen  vom  J.  1894  s.  Zeitschr.  des  DPV. 
XVIII,  1895,  S.  221.  Guthe  in:  Mittheilungen  und  Nachrichten  des 
DPV.  1895,  S.  10—15.  Bliss,  Excavations  at  Jerusalem  1894—1897, 
London  1898.  —  Archäologische  Einzelheiten  giebt  Clermont-  Ganneau, 
Archaeolor/ical  Researches  in  Palestine  I.  1899.  —  Ueber  die  Karten  und 
Pläne  8.  unten. 

Kürzere  Zusammenfassungen  des  historischen  Materiales  geben  die  Artikel 
über  „Jerusalem"  in  den  biblischen  Wörterbüchern  von  Win  er,  Schenkel 
(bearb.  von  Für  r  er),  Riehm  (bearb.  von  Müh  lau),  ferner:  Arnold, 
Art.  „Zion"  in  Herzog's  Real-Enc.  1.  Aufl.  Bd.  XVIII  (1864)  S.  592-649. 
Fr.  W.  Schultz,  Art.  „Jerusalem"  in  Herzog's  Real-Enc.  2.  Auflage 
Bd.  VI  (1880)  S.  538-575.    In  der  3.  Aufl.  ist  der  Art.  von  Guthe  bear- 


16  §  2.   Hülfewissenschaften.  B.  Geographie.  [13.  14] 

beitet     (VIII,     66G — 693).      Spiess,     Das     Jerusalem     des     Josephus, 
Berlin  1881. 

Zeitschriften: 

Palest  ine  Exploration  Fund.     Quarterly  Statement.  —  Erscheint  seit  1869. 

Zeitschrift  des  Deutschen  Palästina- Vereins,  herausgegeben  von  dem  geschäfts- 
tuhrenden  Ausschuss  unter  der  verantwortlichen  Redaction  von  Hermann 
Guthe.  —  Erscheint  seit  1878.  —  Seit  1895  sind  der  „Zeitschrift"  auch 
„Mittheilungen  und  Nachrichten"  beigegeben. 

Atlanten,  Karten  und  Pläne*): 

Kiepert,  Bibelatlas,  Berlin  1847.    3.  Aufl.  1854. 

Menke,  ßibelatlas  in  acht  Blättern,  Gotha  1868. 

Riess,  Bibelatlas  in  zehn  Karten,  nebst  geographischem  Index.  3.  Aufl.  1895. 

Smith  and  Grove,  Atlas  of  ancient  gcor/raphy,  biblical  and  classical,  intended 

to  illustrate  Smith's  Classical  Dictionaries  and  especially  the  Dictionary  of 

the  Bihle,  1875  (43  mups  fol).  \ 
Oort,  Atlas  voor  bijbelsche  en  kerkelijke  geschiedenis,   Oroningen  1884  (vgl.  die 

Anzeige  in  der  Zeitschr.  des  DPV.  VIII,  338). 
Spruner  und  Sieglin,    Hand- Atlas    zur    Geschichte   des    Alterthums,    des 

Mittelalters  und  der  Neuzeit,  I.  Abth.  Atlas  antiquiis  hearh.  von  Sie glin, 

1893  ff". 

Van  de  Velde,  Karte  von  Palästina,  deutsche  Ausgabe  nach  der  zweiten 
Auflage  der  Map  of  the  holy  land,  Gotha  1866  (vor  dem  Erscheinen  der 
grossen  engl.  Karte  war  van  de  Velde's  Karte  die  beste).  —  Beachtenswerth 
ist  auch  das  beigegebene  Memoir  to  accompany  the  Map  of  the  holy  land, 
Gotha  1858. 

Map  of  Western  Pal  est  ine  in  26  sheets  from  surveys  conducted  for  the 
Ortnmittee  of  the  Palestine  Exploration  Fund  hy  C ander  and  Kitchencr 
during  tfie  years  1872—1877.  Photoxincographcd  for  the  Cotn mittel  .  .  . 
at  tlui  ordnance  survey  ofßce  Southampton.  London  1880.  —  Bei  dem  hohen 
Werth  dieser  Karte  ist  es  um  so  melir  zu  bodauorn,  dass  die  Zeichnung 
an  Klarheit  und  Schärte  sehr  zu  Avünschen  übrig  lässt.  Eine  Ausgabe  in 
kleinerem  Maaasstab  erschien  unter  dem  Titel: 


1)  Die  älteste  erhaltene  Karte  ist  die  der  sogenannten  Peutingcr'schen 
Tafel  (Ausgabe:  Weltkarte  des  Castorius,  genannt  die  Peutinger'sche  Tafel, 
in  den  Farben  des  Originals  herauHgegeben  und  eingeleitet  von  Konrad 
Miller,  1888.  Untersuchungen  über  ihren  Ursprung ;  Schweder,  Jahrbb,  für 
clasM.  Philol.  1893,  8.  485—512,  Cuntz,  Hermes  XXIX,  1894,  S.  5S6  fV.).  — 
Von  eigenartigem  Interesse  ist  eine  in  Mosaik -Arbeit  ausgeführte  Karte, 
welche  den  Fussboden  einer  Kirche  in  Medaba  (im  Ostjordunland)  schmückt 
und  dort  im  December  1890  entdeckt  wurde.  S.  Lagrange,  La  ntosciiqne 
gio'fraphiquc  de  Moulaha  {Revue  bibliqnc  VI,  1897,  p.  106—184).  Stevenson, 
Nuovo  Inüleltino  di  archeologia  cristiana  1897,  p.  45—102.  Ausgabe:  La  carte 
moaaUque  de  MadaJta,  tUcouvrrte  imporloutr ,  1H97,  Paris,  nimson  de  la  bonne 
pre*M  (12  Tafeln  In  LichUlruck  mit  Prolcgomcna  von  Gerraer-Durand). 
richulten,  Die  Mosaikkarte  von  Madaba  und  ihr  Verhiiltniss  zu  den 
llteittun  Karten  und  ßcNchreihungcn  <leH  lu'iligcn  Landes  (Abhandlungen  der 
OöUingcr  Oet.  der  WiMenich.,  phil.-hist.  Kl.  N.  F.,  Bd.  IV,  Nr.  2,  1900). 


(14]  §  2.   HülfswissenBchaften.   B.  Geographie.  17 

Map  of  Western  Palestine  from  mrveys  condticted  for  the  Committee  of 
tlie  Palestine  Exploration  Fund  by  Conder  and  Kitdiener,  reduced  from 
the  on  inch  map.  Scale  3/g  inch  tho  one  mite.  London  1881.  —  Diese 
kleinere  Ausgabe  in  6  Blättern  (zum  Aufziehen  berechnet)  ist  jetzt  für  den 
Handgebrauch  am  empfehlenswerthesten.  Leider  steht  sie  an  Uebersicht- 
lichkeit  der  Zeichnung  weit  hinter  van  de  Velde  zurück. 

Eine  vou  Fischer  und  Guthe  bearbeitete  Handkarte  von  Palästina  iu 
kleinem  Maassstabe  erschien  bei  Wagner  und  Debea,  Leipzig  189U  (auch  dem 
XHL  Bande  der  Zeitschr.  des  DPV.  beigegeben).  —  Ueber  andere  Hand- 
karten 8.  Zeitschr.  des  DPV.  XV.  179.  XVII,  235. 

Eine  Karte  der  näheren  Umgebung  von  Jerusalem  lieferte  Schick, 
Zeitschr.  des  DPV.  XVIII,  1895;  eine  Karte  der  weiteren  Umgebung 
derselbe,  ebendas.  XIX,  1896. 

Für  das  Ostjordanland  (das  auf  der  grossen  engl.  Karte  fehlt)  sind  hervor- 
zuheben: 1.  Karte  des  Dscholan  von  Schumacher,  Zeitschr.  des  DPV\ 
IX,  1886;  ergänzt  ebendas.  XXII,  1899.  —  2.  Karte  der  Hauran-Gegend 
von  Fischer,  Zeitschr.  des  DPV.  XII,  1889  (in  einigen  Hauptpunkten  zu 
berichtigen,  s.  Mittheilungen  und  Nachrichten  des  DPV.  1899,  S.  12  f.).  — 
3.  Karte  des  nördlichen  Adschlun  und  südlichen  Hauran  vou  Schumacher, 
Zeitschr.  des  DPV.  XX,  1897.  —  4.  Ein  Stück  im  Süden  des  Ostjordan- 
landes giebt:  Portion  of  Eastern  Palestine,  snrreyed  by  Conder  and 
Mantell  (gehört  zu:  The  Survey  of  Easttni  Palestine.  Memoirs  by  Conder 
1889). 

Wilson,  Ordnancc  Surtey  of  Jerusalem  \SM — 1865  [erschien  1866?].  —  Dieser 
mit  äquidistanten  Curven  versehene  Plan  des  heutigen  Jerusalem 
übertrittt  an  Genauigkeit  alle  früheren.  Gleichzeitig  erschien  ein  iu 
Schraflirung  ausgeführter  Plan  iu  kleinerem  Maassstab  unter  dem  Titel: 
Ordmmee  Survey  of  Jerusalem  (ohne  Wilson's  Namen  und  ohne  Jahreszahl). 

Zimmermann  und  Socin,  Plan  des  heutigen  Jerusalem  mit  Umgebungen, 
nach  Wilson's  Aufnalime  vou  1864 — 65  und  Schick 's  Ergänzungen  bis 
1879  bearbeitet.    [1880,  Leipzig,  Karl  Baedeker  in  Commission]. 

Zimmermann,  Karten  und  Pläne  zur  Topographie  des  Alten  Jerusalem, 
Basel  1876.  —  Vortreft'liche  Hülfsmittel  zur  Topographie  des  alten  Jeru- 
ijalem,  theils  die  ursprünglichen  Höhenverhältnisse,  theils  die  Hypothesen 
der  neueren  Gelehrten  über  den  alten  Stadtplan  darstellend. 

Plans,  Elevations,  Seetions  etc.  shewiny  the  results  of  the  Excavations 
at  Jerusalem  1867 — 70  executed  for  the  Committee  of  the  Palestine  Ex- 
ploration Fund  hy  War  reu  [auf  dem  Deckel  der  Mappe  die  Jahreszahl 
1884J.  —  Enthält  50  Pläne  grössten  Formates  mit  den  minutiösesten 
Details  über  die  Topographie  des  Tempelplatzes. 

C.  Chronologie. 

Die  verschiedenen  Methoden  der  Zeitrechnung  aller  Völker 
und  Zeiten  sind  zusammenfassend  dargestellt  in  dem  Handbuche 
von  Ideler,  das  auch  durch  die  neueren  Specialforschungen  noch 
nicht  antiquirt  ist.  —  Für  die  römische  Chronologie  bieten  bekannt- 
lich den  sichersten  Anhaltspunkt  die  Fasti  consulares.  — Chro- 
nologische Uebersichten  der  hellenistischen  und  römischen  G-e- 
schichte,  unter  Mittheiluiig  der  Quellenstellen,  geben  die  Zeittafeln 

Schür  er,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  2 


18  §  2.   Hülfswissenschaften.   C.  Chronologie.  [15} 

von  CliiitOD,  Fischer  und  Anderen.  —  Bei  der  nahen  Berührung" 
unserer  Geschichte  mit  der  biblischen  konunen  auch  die  der 
letzteren  gewidmeten  chronologischen  Bemühungen  für  uns  in 
Betracht. 

Ideler,  Handbuch  der  mathematischen  und  technischen  Chronologie,  2  Bde. 
Berlin  1825—1820.  —  Derselbe,  Lehrbuch  der  Chronologie,  Berlin  1831. 

Gumpach,  Hülfsbuch  der  rechnenden  Chronologie.    1853. 

Bouchet,  Hemerologie,  Paris  1868. 

Lersch,  Einleitung  in  die  Chronologie  oder  Zeitrechnung  verschiedener  Völker 
und  Zeiten,  nebst  christl.  und  jüd.  Festkalender,  1889  (184  S.).  —  2.  Aufl. 
in  2  Thln.  1899. 

Wislicenus,  Astronomische  Chronologie.  Ein  Hilfsbuch  für  Historiker, 
Archäologen  und  Astronomen,  1895  (164  S.). 

E.  Müller,  Art.  aera  in  Pauly's  Eeal-Enc.  der  class.  Alterthumswissensch. 
I,  1,  2.  Aufl.  S.  404—422. 

Kubitschek,  Art.  aera  in  Pauly-Wissowa's  Keal-Enc.  der  class.  Alterthums- 
wissensch. I  (1894)  col.  606—666. 

Mommsen,  Die  römische  Chronologie  bis  auf  Cäsar,  2.  Aufl.  Berlin  1859. 

Matzat,  Römische  Chronologie,  2  Bde.   Berlin  1883—1884. 

Soltau,  Komische  Chronologie,  1889. 

ünger,  Zeitrechnung  der  Griechen  xmd  Römer,  2.  Aufl.  1892  (=  Handb.  der 
klass.  Alterthumswissensch.  I,  711 — 831). 

Wachsmuth,  Einleitung  in  das  Studium  der  alten  Geschichte  (1895)  S.  287— 312^ 
632  ff",  (an  letzterer  Stelle  über  die  Consularfasten). 

Hübner,  Bibliographie  der  klass.  Alterthumswissensch.  (1889)  S.  286—290 
(bibliographische  Nachweise). 

Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  Bd.  HI  (2.  Aufl.  bes.  von  Wissowa 
1885)  S.  281—298  u.  567  ff",  (gute  üebersicht  über  das  römische  Kalender- 
wesen). 

Ueber  den  jüdischen  Kalender  s.  Beilage  HI  am  Schluss  dieses  Bandes. 

FasH  consulares  ad  a.  U.  e.  DCCLXVI  cura  Wilh.  Henxen  et  Chrn.  Huelsen 
(Corp.  Inscr.  Lat.  vol.  I  j)ar.<^  1,  cd.  2,  1893,  p.  79 — 167;  in  der  ersten  Aufl. 
war  dieser  Abschnitt  von  Mommsen  bearbeitet). 

Job.  Klein,  Faati  consulares  inde  a  Caesaris  nece  usqtie  ad  imperium  Dio- 
cletiani.    Lipu.  1881. 

Asbach,  Die  Consularfasten  der  Jahre  68 — 96  nach  Chr.  (Jahrbücher  des 
Verein«  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande,  Heft  LXXIX,  1885, 
8.  106--177). 

Asbach,  Die  ConsularüiHten  vom  Tode  Domitians  96  n.Chr.  bis  zum  dritten 
ConMulatc  Hadriane  119  (.Iiilirbücher  des  Vereins  von  Altorthumsfri'undcu 
im  Rhcinlandf,  Heft  LXXH,  1882,  8. 1—64). 

Auch  in  den  »of:leich  zu  nennenden  Werken  von  Clinton,  Fischer,  Peter, 
Zuinpt  und  Löwin  Hind  die  römlBclicn  Consuln  für  jedes  Jahr  an- 
gegeben. 

Olititnn,  FnMi  Ilrllmici.  The  civil  antl  litrrarif  rfiroiioldifi/ of  Orcece  and  rfi>mr, 
vol.  Jll,  from  thr  CXXJVUi  ohjnipiad  tu  (he  dcuth  <>/'  Augiistus,  öjford 
1830,  nccond  cd.  18Ö1. 


[15.  16]  §  2.  Hülfswissenschaften,   C.  Chronologie.  ig 

Clinton,  Fasti  Romani.  The  civil  and  literary  chronology  of  Rojne  and  Con- 
stantinople  from  the  death  of  Atigustus  to  the  death  of  Justin  IL  2  Bde. 
Oxford  1845—1850. 

Ernst  Wilh.  Fischer,  Römische  Zeittafeln  von  Roms  Gründung  bis  auf 
Augustus'  Tod.    Altona  1846. 

Peter,  Zeittafeln  der  römischen  Geschichte  zum  Handgebrauch.  4.  Aufl.  Halle 
1867  (erheblich  kürzer  als  Fischer). 

vi.  W.  Zumpt,  Annales  veterum  regnorum  et  poputorum  imprimis  Romano- 
rum, ed  3.,  Berol.  1862  (knappe  Uebersicht  ohne  Quellenbelege). 

Seyffarth,  Chronologie  der  römischen  Kaiser  von  Cäsar  bis  Titus  in  Bezug 
auf  das  Neue  Testament  (Zeitschr.  f.  luth.  Theol.  1873,  S.  50—76).  | 

Ueber  die  Art,  wie  Josephus  die  Kaiserjahre  rechnet,  s.  die  Arbeiten  von 
Knaake,  Wieseler,  Niese,  Unger  (unten  bei  Josephus). 

Zur  biblischen  Chronologie: 

Die  ältere  Literatur  s.  bei  Hase,  Leben  Jesu  §.26,   Anger,    De   temporunt 

in  actis  apostolorum  ratimie  p.  4^—5*,  Credner,  Einleitung  in  das  N.  T. 

S.  328  f.    Neudecker,  Einleitung  in  das  N.  T.  S.  409  f. 
Leivin,  Fasti  Sacri,  or  a  Key  to  the  Chronology  of  the  New  Testament,  Lottdan 

1865.  —  Eine  treffliche,   annalistisch  geordnete  Uebersicht  nicht  nur  der 

biblischen,    sondern  auch   der  jüdischen   und  römischen  Geschichte  vom 

J.  70  vor  bis  70   nach  Chr.    mit   wörtlicher  Mittheilung   der   wichtigeren 

Quellenstellen,  ähnlich  wie  bei  Clinton. 
Röckerath,  Biblische  Chronologie  bis  auf  das  Jahr  der  Geburt  Jesu.    Münster 

1865  (kritiklos). 
Wieseler,    Art.    „Zeitrechnung,    neutestamentliche"  in  Herzog's  Real-Enc. 

1.  Aufl.    Bd.  XXI,  1866,  &.  543—570. 
Turner,  Chronology  of  the  New  Testament,  in:  Dictionary  of  the  Bible,  ed.  l/y 

Hastings  and  Selbie,  vol.  I,  1898,  p.  403 — 425. 
Soden,   Chronology,  New  Testament,  in:    Encyclopaedia  Biblica  ed.  by  Cheyne 

and  Black  vol.  I,  1899,  col.  799—819. 

Wurm,  Astronomische  Bey träge  zur  genäherten  Bestimmung  des  Geburts- 
und Todesjahres  Jesu  (Bengel's  Archiv  für  die  Theologie,  zweiten  Bandes 
erstes  Stück  1816,  S.  1—39,  zweites  Stück  1817,  S.  261—313). 

Wieseler,  Chronologische  Synopse  der  vier  Evangelien,  Hamburg  1843  (hier 
auch  S.  16—19  einige  ältere  Literatur).  —  Derselbe,  Beiträge  zur  richtigen 
Würdigung  der  Evangelien  und  der  evangelischen  Geschichte,  Gotha  1869. 

Seyffarth,  Chronologia  sacra,  Untersuchungen  über  das  Geburtsjahr  des  Herrn 
und  die  Zeitrechnung  des  Alten  und  neuen  Testamentes,  Leipzig  1846. 

Caspari,  Chronologisch-geographische  Einleitung  in  das  Leben  Jesu  Christi, 
Hamburg  1869. 

Quandt,  Zeitorduung  und  Zeitbestimmungen  in  den  Evangelien  (auch  unter 
d.  T. :  Chronologisch-geographische  Beiträge  zum  Verständniss  der  heiligen 
Schrift  I,  1),  Gütersloh  1872. 

Seviu,  Chronologie  des  Lebens  Jesu,  2.  Aufl.   Tübingen  1874. 

Ljungberg,  Chronologie  de  la  vie  de  Jesus,  deux  etudes,  Paris  1879  (1.  über  den 
Todestag  Jesu,  2.  über  das  Geburtsjahr  Jesu,  s.  Lit.  Centralbl.  1879,  537). 

Memain,  La  connaissance  des  temps  evangeliques.  Paris  1886.  (543  S.).  —  Ein 
französisches  Seitenstück  zu  Wieselers  Chronologischer  Synopse. 

9  * 


20  §  2.   Hülfswissenschaften.    C.  Chronologie.  [16.  17] 

Bebber,  Zur  Chronologie  des  Lebens  Jesu,  eine  exegetische  Studie.  Münster 
1898  (187  S). 

üeber  das  Geburtsjahr  Jesu  (und  das  Todesjahr  des  Herodes)  handeln 
speciell:  Sanelemenie,  De  vulgaris  aerae  emeiidaiione,  Romae  1793 
(Hauptwerk).  —  Rösch,  Zum  Geburtsjahr  Jesu  (Jahrbb.  für  deutsche  Theol. 
1866,  S.  3 — 48).  Vgl.  auch  dessen  Anzeigen  der  Werke  von  Caspari,  Zumpt 
und  Sevin  in  den  Stud.  und  Krit.  1870,  S.  357—388.   1871,  S.  515-538,  1875. 

5.  585—596.  —  Zumpt,  Das  Geburtsjahr  Christi,  Leipzig  1869.  —  Riess 
(S.  J.),  Das  Geburtsjahr  Christi,  Freiburg  1880.  —  Schegg,  Das  Todes- 
jahr des  Königs  Herodes  und  das  Todesjahr  Jesu  Christi,  1882.  —  Riess, 
Nochmals  das  Geburtsjahr  Jesu  Christi,  1883. 

Wurm,  Ueber  die  Zeitbestimmungen  im  Leben  des  Apostels  Paulus  (Tübinger 

Zeitschrift  für  Theologie  1833,  1.  Hft.  S.  3-103). 
Anger,  De  tetnporutn  in  actis  apostolorum  ratione,  Lips.  1833. 
Wieseler,  Chronologie  des  apostolischen  Zeitalters,  Göttingen  1848  (hier  auch 

6.  6—9  einige  ältere  Literatur). 

Lehmann,    Chronologische  Bestimmung  der  in  der  Apostelgeschichte,  Cap. 

13—28,  erzählten  Begebenheiten  (Theol.  Stud.  und  Krit.  1858,  S.  312—339). 
Aberle,  Zur  Chronologie  der  Gefangenschaft  Pauli  (Theol.  Quartalschr.  1883, 

S.  553—572).  1 
Ueber  die  Zeit  der  Procuratoren  Felix  und  Fes  tu  s   s.  die  Specialliteratur 

unten  §  19. 

D.  Numismatik  1). 

Ein  reiches  Material  an  Münzen,  das  noch  immer  durch  neue 
Funde  vermehrt  wird,  ist  uns  erhalten:  1)  für  die  Geschichte  der 
Seleuciden,  2)  für  die  Geschichte  der  phönicischen  und  helle- 
nistischen Städte,  3)  für  die  jüdische  Geschichte.  Nament- 
lich die  jüdische  Numismatik  ist  seit  dem  Jahre  1854,  in  welchem 
de  Saulcy's  JRecherches  sur  la  Numismatiquc  juda'ique  erschienen,  eifrig 
gepflegt  worden. 

1.  Beleuciden-Münzen. 

Die  älteren  Werke  von  Foy-Vaillant  und  Frölich  siehe  unten  bei  der 
UebcTHi(  lit  ül)er  die  GeHcliichte  von  Syrien. 

Eekhel,  Doclrimi  numoruvi  veterum  t.  HI  (1794)  ;;.  209—249  (Hauptwerk). 

Mionnet,  DcHcripHon  dv  niiulnHIrs  nntitjuen  t.  V  (IHll)  p.  1—109.  Supplhncnt 
t.  VIII  (1837)  /;.  1— Hl  (Hauptwerk). 

{Oougfi),  Ctnm  of  Ute  Stleiicidfic,  Kings  uf  Si/nti;  from  tJte  eatahlishment  of 
Üusir  reign  nnäer  Schucns  Nirator,  io  ihr  tletermination  of  it  nndir  Antio- 
ehwf  ÄHiaticuH.  Willi  historiral  vinnoirs  of  ench  reign.  Illmtratrd  wUh 
Itoenly  four  ptatc«  of  viihta,  from  llie.  ratmiel  of  (he  late  Mallhnr  Diiniiv. 
London  1803. 

TrSior  de  numümatique   et   de  glyptiqm   (iierauHgegobcn  imln   Ltitim;:  v.m 


1)  Vgl.   auch   die    LltiTuturnucliweiMo    lu'i    Hühner,    Hililiograpliie   der 
klnitiilwhnn  AlterthumflwiHHi'riHcliuft  (IHHÜ)  8.  344—350. 


[17.  18]  §  2.   Hülfswissenschaften.    D.  Numismatik.  21 

Lenormaut),  Nwnismatiqtie  des  rois  grecs,  Paris  1849,  p.  83 — 114,  plan- 
clies  XXXIV— LV  (Folio). 

Leake,  Numismata  Hellenica  (1854)  p.  21 — 38. 

De  Saulcy,  Memoire  sur  les  mommies  cUitees  des  Seleucides,  Paris  IST  1  [publi- 
cation  de  la  Soeiete  fran(;mse  de  Numismatique  et  d' archeologie). 

De  Saulcy,  Monnaies  des  Seleucides  munies  de  contremarques  {Melanges  de 
Numismatiqtie  t.  I,  1875,  p.  45—64). 

De  Saulcy,  Monnaies  inedites  de  Tryphon,  frappees  dans  les  villes  maritimes 
de  la  Phenicie  [Melam/es  de  Numismatiqtie  t.  II,  1877,  p.  76 — 84). 

Friedländer  und  Sali  et,  Das  königliche  Münzkabinet  [zu  Berlin].  Geschichte 
und  Uebersicht  der  Sammlung  nebst  erklärender  Beschreibung  der  auf 
Schautischen  ausgelegten  Auswahl  (2.  Aufl.  1877),  S.  122—131. 

Gatalogue  of  the  greek  coin^  in  fhe  British  Museum.  The  Seleucid  Kinga 
of  Syria,  by  P.  Q ardner.  With  twenty-eight  plates,  London  1878  (reich- 
haltig und  werthvoU;  die  28  Tafeln  geben  gute  Photographien  mit  Münz- 
porträts sämmtlicher  Seleuciden). 

Friedländer  in  Sallet's  Zeitschr.  für  Numismatik  VI,  1879,  S.  7.  VII,  1880, 
S.  224—227  (über  Münzen  Antiochus'  VIII  und  IX). 

Bunbury,  Rare  and  unpublished  coins  of  the  Seleucidan  Kings  of  Syria 
[Ntimisniatic  Chronicle  1883,  p.  65—107,  pl  IV— VI). 

Imhoof-Blumer,  Monnaies  greeqties  (=  Verhandelingen  der  koninkl.  Aka- 
demie van  Wetenschappen,  Afdeeling  Letterkunde,  reertiende  deel,  Amsterdam 
1883)  p.  422-438. 

Imhoof-Blumer,  Porträtköpfe  auf  antiken  Münzen  hellenischer  und  helleni- 
sirter  Völker,  Leipzig  1885,  S.  28—32,  Tafel  III  n.  8-28,  IV  n.  1—13  (vor- 
treffliche Photographien). 

Head,  Historia  Numorum,  a  manual  of  greek  Numismaiics  (1887)  p.  637—649. 

Gatalogue  des  monnaies  grecques  de  la  Bibliotheque  nationale.  Les  rois 
de  Syrie,  d'Armenie  et  de  Commagetie,  par  E.  Babelon,  Paris  1890  (von 
gleichem  Reichthum  und  Werth  wie  der  Catalog  des  britischen  Mu- 
seums). 

Noch  mehr  Special-Literatur  bei  Koner,  Repertorium  über  die  v.  J.  1800 : 
bis  zum  J.  1850  auf  dem  Gebiete  der  Geschichte  erschienenen  Aufsätze 
II,  586—588,  und  Friedländer,  Repertorium  zur  antiken  Numismatik 
(1885)  S.  330—333. 

2.  Münzen  der  autonomen  Städte, 
a.  Phönicische: 

Brandis,  Das  Münz-,  Maass-  und  Gewichtswesen  in  Vorderasien.  Berlin  1866 
(daselbst  S.  IX— X  noch  mehr  Literatur). 

Reich ardt,  Beiträge  zur  phönicischen  Numismatik  (Wiener  Numismat. Zeit- 
schrift II,  1870,  S.  1—16). 

Six,  Observations  sur  les  monnaies  pheniciennes  {Numismatic  Chronicle  1877, 
p.  177—241).  —  Umfassende  Behandlung  des  Gegenstandes. 

The  international  Numismata  orientalia  vol.  I  {London  1878),  darin  Abth.  III: 
Coinoge  of  Lydia  and  Persia  by  Head,  und  zwar  S.  31  ft".  über  die 
phönicischen  Münzen  mit  persischen  Königstypen. 

Imhoof-Blumer,  Monnaies  grecques  (1883)  p.  440—449. 

Babelon,  Les  monnaies  des  Satrapes  dans  l'empire  des  Perses  Achemenides 
{Pevue  Numismatique  Illme  Serie,  X,  1892,  p.  277—328,  413—463). 

Rouvier,  s.  unten,  b. 


22  §  2.   Hülfswissenschaften.   D,  Numismatik.  [18.  19] 

L.  Müller,  Xinnis7natique  d'Alexandre  le  Grand.  Gopenlmf/iie  1855.  —  Die 
zweisprachigen  Münzen  Alexander's  bilden  den  üebergang  von  den  phö- 
nicischen  zu  den  griechischen.  —  üeber  die  Alexandermüuzen  von  Akko 
8.  Bd.  n  S.  112. 

b.  Griechische  und  römische: 

Die  älteren  Werke  von  Noris  und  Belley  s.  Bd.  II,  S.  72. 

Eckhel,  Doctr.  mim.  vet.  III,  328—455. 

Musei  Sanelementiani  Numismata  selecta  Pars  II,  RotTiae  1809,  Lib.  IV 
De  epochis  sive  de  tiotis  chronologicis  numismattim  impei-ialiiim. 

Mionnet,  Description  de  medailles  antiques  V,  281—552.  Supplement  VIII, 
192-377. 

Reichardt,  UnpublisJied  greek  imperial  coins  (Niimismatic  Chroniele  1862, 
p.  104—122). 

Hub  er,  Unedirte  Bronzemünze  in  Tiberias  Galilaeae  unter  Commodus  ge- 
prägt (Wiener  Numismat.  Zeitschr.  Bd.  I,  1869,  B.  401—414). 

De  Saidcy,  Numismatiqtie  de  la  Terre  Sainte,  Description  des  monnaies  auto- 
nomes  et    imperiales  de   la  Palestine  et  de  VArabic  Petree,    Paris  1874.  —   ^ 
Hauptwerk  über  die  Münzen  der  palästinensischen  Städte. 

Read,  Historia  Numorum  (1887)  p.  662—681. 

Catalogue  des  motmaies  grecques  de  la  Bibliotheque  nationale.  Les 
Perses  Achemenides  {les  Satrapes  et  les  Di/nastes  tributaires  de  leur  empire), 
Cypre  et  Phe niete,  par  E.  Babelon,  Paris  1893  (zwei  Drittel  des 
Werkes  behandeln  die  Münzen  der  phönicischen  Städte). 

Rourier,  Xnmismatiqne  des  rilles  de  la  Phenicie  {Journal  international 
(rarfhi'ologie  numismaiiqtie  1900,  p.  125—168,  237—312).  Will  das  ganze 
Material,  mit  Eiuschluss  der  phönicischen  Münzen,  zusammenfassen.  Der 
vorliegende  Anfang  behandelt  Aradus  und  Berytus. 

3.  Jüdische  Münzen. 

Zahlreiche  ältere  Schriften  sind  gesammelt  in  Ugolini  Thesaurus  t.  XXV^III, 

1764. 
Beachtenswerth  ist  auch:   Froclich,   Annales    compcndiarii  reguni   et  renim 

Sjfriae  {ed.  2.  1750)  Prolrg.  p.  74—02. 
Eine  umrangreiche  Literatur   über  die  althebräischen  Münzen  wurde  hervor- 

geruTen  durch  den  Streit  über  die  Echtheit  derselben  zwischen  Tychsen 

und  Bayer  1779—1794.    S.  darüber  die  ausführiichen  Mittheilungeu  bei 

A.  Th.  Hort  mann,   Oluf  Gerhard  Tychsen,   Bd.  II   Abth.  2   (1820)   S. 

295—495.  —  Die  wichtigste  ältere  Literatur  auch  bei  Reusw,  Gesch.  der 

heil.  Schrifti-n  Alten  Testament«  S  11. 
Die  neuere  Literatur  seit  1849  verzeichnet  am  vollständigsten  Mnddvn,  Nuniis- 

rmitic  Chroniclr.  187U,  p.  222-234,  Derselbe,  Coin.s  of  the  Jcirs  (1881)  p. 

317—324.  —  Wir  unterscheiden  die  zuBttnunenfassenden  Werke  und  die 

eiDcelnen  Beiträgt?.  | 

a.  ZuHummen  tas sende  Werke. 

Kekhel,  Dootritui  num.  rd.  III,  455-498. 

Mionnet,  Deseripfinn  de  nndaiUea  antiquM  V,  562—670,  Supplhnent  VIII, 
877-38L 


[19.  20]  §  2.   Hülfswissenschaften.   D.  Numismatik.  23 

Tresor  de  numismatiqtie  et  de  glyptique  (herausgegeben  unter  Leitung  von 
Lenormant),  Numismatique  des  rois  grees,  Paris  1849,  p.  118-130, 
planches  LVII— LXII. 

Cavedoni,  Biblische  Numismatik  oder  Erklärung  der  in  der  heil.  Schrift  er- 
wähnten alten  Münzen,  aus  dem  Italienischen  übers,  von  Werlhof.  2  Thle, 
Hannover  1855—1856. 

De  Sauleij,  Rccherclies  sur  la  Numismatique  juddique,  Paris  1854.  —  Bietet 
viel  neues  Material. 

Levy,  Geschichte  der  jüdischen  Münzen,  Leipzig  1862. 

M  ad  den,  History  of  Jewisli  Coinage  and  of  Money  in  tfie  Old  and  New  Testa- 
ment.   London  1864. 

De  Saide y,  Gatalogue  raisonne  de  Monnaies  Judaiqiies  recueiUies  ä  Jerusalem 
en  Novemhre  1869  (Numismatic  Chronicle  1871,  p.  235 — 255). 

Madden,  Jewish  Numismatics,  being  a  Supplement  to  the  „History  of  Jewish 
Coinage  e<c."  {Numismatic  Chronicle  pol.  XIV,  1874,  p.  281—316.  XV, 
1875,  p.  41-80,  101-139,  169-195,  298—333.  XVI,  1876,  45—70,  81—132, 
177—234). 

Merzbacher,  Untersuchungen  über  althebräische  Münzen  (Zeitschr.  für  Nu- 
mismatik, herausg.  von  Sallet,  Bd.  III,  1876,  S.  183— 215,  IV,  1877,  S.350— 
365.    V,  1878,  S.  151—176,  292—319). 

Madden,  Coins  of  the  Jews,  London  1881.  —  Jetzt  das  Hauptwerk  über 
jüdische  Numismatik,  eine  Neubearbeitung  der  History  of  Jeivish 
Coinage  mit  Verwerthung  alles  seitdem  hinzugekommenen  Materiales. 

ByjtaroB'L,  ^peBHeeBpeHCKia  MOHexbi,  [Bulatow,  Die  althebräischen  Münzen]. 
Kiew,  Kortschak-Novizki  1886.  (193  S.  m.  8  Tafeln).  [In  russischer 
Sprache];    nichts  Neues;    kennt   nicht  einmal  Madden's  Werk  von  1881]. 

b.  Einzelne  Beiträge  und  kürzere  Uebersichten. 

Bertheau,  Art.  „Jüdische  Münzen"  in:  Ersch  und  Gruber,  Allgem.  Encyklop. 

Sect.  II, Bd.  28  (1851)  S.  1—17.  —Vgl.  auch:  Zur  Geschichte  der  Israeliten 

(1842)  S.  1-49. 
De  Sanlcy,  Lettre  ä  M.  de  la  Saussaye  sur  les  mantmies  de  cuivre  frappees  ä 

Jerusalem  par  l'ordre  des  gouvemenrs    romains  de  la  Judee  depuis  le  regne 

d   Auguste  jusquä  celui  de  Neron  {Revue  Numismatique  1853,  p.  186 — 201). 
Ewald,    Recension    von    de  Saulcy's    Becherches   in  den  G^tt.  gel.  Anzeigen 

1855,    S.    641—655.    —    Derselbe,    Ueber    das    Zeitalter    der    ächten 

Münzen    althebräischer   Schrift,    in    den    Göttinger    „Nachrichten"    1855, 

S.  109—122. 
Arnold,  Art.  „Geld"  in  Herzog's  Real.-Enc.     1.  Aufl.  Bd.  IV  (1855)  S.  763  ff. 

(in  der  2.  Aufl.  revid.  von  Rüetschi  V,  32—37). 
De  Vogüe,  Monnaies  Juives,  Eleaxar  (Revue  Numismatique  1860,  Tp.2&)— 292). 
Reichardt,  Inedited  Coins  of  Judaea  (Numismatic  Chronicle  1862,  p.  268 — 277). 
Zuck  er  mann,    Ueber  talmudische  Gewichte  und  Münzen,  1862. 
Herzfeld,  Metrologische  Voruntersuchungen  zu  einer  Geschichte  des  ibräi- 

schen  resp.  altjüdischen  Handels,  Thl.  I,   1863  (im  Jahrb.  für  Gesch.  der 

Juden).  I 
Poole,  Art.  „Money"  in  Smith^s  Dietiotmry  of  the  Bible,  1863  (reichhaltig). 
Reichardt,    Remarks    on   some  Jewish   Coins   and  on  some  inedited  Coins  of 

Phoenicia,  Judaea  etc.  (Numismatic  Chronicle  1864,  p.  174 — 189). 
De  Sa II leg,    Nouvelles    ohservations    sur   la    Numismatique    Juddique  (Revue 


24  §  2.  Hülfswissenschaften.   D.  Numismatik.  [20.  21] 

Nttm.  1864,  p.  370—400).  —  Lettre  ä  M.  J.  de  Witte  sur  la  Numismatiqtte 

Judaique  {Revue  Num.  1865,  ^j.  29—55). 
Garrucci,    Monete   delle   due  rivolte  gnulaiche   (Dissertaxioni  arcJieohgiche  di 

vario  argomento  vol.  II,  Roma  1865,  p.  31 — 39). 
Madden,     Coins    of  the    tico    Revolts   of  the   Jews    (Num.    Chroniclc    1866, 

p.  36-65). 
Cavedoni,   Neuere   Untersuchungen   über    die    antiken  jüdischen    Münzen, 

übers,    von   Werlhof   (Münzstudien,    herausg.    von  Grote,    Bd.  V,  1867, 

S.  9—37). 
Reichardt,     Ueber   die    Münzen    Simons    des   Makkabäerfürsten     (Wiener 

Numismat.  Monatshefte,  herausg.  von  Egger,  Bd.  II,  1866,  S.  137 — 143).  — 

Der 8.,    Ueber  die    Münzen   der    Makkabäerfürsten    (ebendas.  III,   1867, 

S.  103—116). 
De  Saulcy,   Etüde  ehronologique   de    la   vie   et   des   vionnaies  des   rois  juifs 

Affrippa  I  et  Ägrippa  II  (Mimoires  de  la  SociSti  franqaise  de  Niimismati- 

que  et  d' Archäologie,  Section  d' histoire  et  d''ethnographie,  1869;  das  betreffende 

Heft  enthält  S.  3 — 25    zwei   andere  Abhandlungen,    S.  26 — 56  die  oben- 
genannte; sonst  sind  die  einzelnen  Memoires  in  der  Regel  separat  unter 

eigenem  Titel  erschienen). 
De  Saulcy,   Note   sur  quelques   monnaies   d'Ascalon  (Annuaire  de  la  SociHi 

fran^aise  de  Numismatique  et  d' Archäologie  t.  III,  1868 — 1873,  p.  253 — 258). 

—  Notes  sur  les   monnaies  de  Philippe  le  tStrarque   {ibid.  p.  262 — 265).  — 

Numismatique  de  Tibiriade  (ibid.  p.  266 — 270). 
Madden,  Art.  „Money'^  in  Kitto's  Cyclopaedia  of  Biblical  Literature. 
Reichardt,  Drei  merkwürdige  Münzen  der  Könige  Agrippa  I  und  II  (Wiener 

Numismat.  Zeitschr.  Bd.  III,  1871,  S.  83-90). 
Mommsen,  Zu  den  Münzen  Agrippa's  I  und  II  (Wiener  Numismat.  Zeitschr. 

Bd.  III,  1871,  S.  449-457). 
De  Saulcy,  Numismatique  des  Macchabics  (Revue  arch^ologique,  Nour.  SMe 

vol.  XXIII,  1872,  p.  1-19). 
Merzbacher,  De  siclis  nummis  antiquiasimis  Jttdaeorum.    Berat.  1873. 
Merzbacher,  Jüdische  Aufstandsmünzen  aus  der  Zeit  Nero's  und  Hadrian's 

(Zeitschr.  für  Numismatik  Bd.  I,  1874,  S.  219—237). 
Tke  Acailemy  vol.  VI  (July  —  December  1874).  p.  211  (5.  Sept.),  296  (12.  Sept.), 

321  (19.  Sept.),  459  (24.  Oct.),  486  (31.  Oct.),  536  (14.  Nov.).  —  Corrospon- 

denzen  über  die  Echtheit  eines  bei  Jericho  gemachten  Fundes  jüdischer 

Sekel,  von  Besant,  Evans,  Conder. 
Merzbacher,     Jüdische    Sekel    (Zeitschr.    für   Numismat.    Bd.     111,   1876, 

8.  141—144). 
Lewis,  Shekel  of  the  year  fite  {Num.  Chronicle  1876,  p.  322). 
De  Saulcy,  Degcrtption  de  quelques  monnaies  judmques  nouvelles  et  insuffisam- 

ment  eonnue»  (Milanges  de  Numismatique  t.  II,  1877,  p.  85—94). 
SftUet,   Die  Silbermanzen   des  Barcochba  (Zeitschr.  für  Numismatik  Hd.  V, 

1878,  8.  110-114). 
Madden,  Rare  or  unpublished  jewiah  coins  (Num.  Ohrmiole  1870,  p.  13—22). 
Renan,  L'lglise  ehrttieime  (1879)  p.  546—661  (über  die  Münzen  Harcochba's). 
Reichard,     UnpubUshed    coin   of   John   Hyreanus   (Num.    (Virmiiclf    1K82, 

p.  806-807).  I 
Hultich,  Griecbiacbe  und  römische  Metrologie  (2.  Bearb.  18HJ   s   i  m  ii.  (lOL'il. 
J.Hamburger,  Roal-Encyclopädie  fflr  Bibel  und  Talmud,  II.  Abtii.  lss.{,  Aii 

,^flnrpn". 


[21]  §  2.   Hülfswissenschaften.   D.  Numismatik.  25 

Eevillout,  Note  siir  les  plus  anciennes  monnaies  hibrciiques  {Annuaire  de  la 
Societe  fran^aise  de  Nmnismatique  et  d' Ärcheolor/ie  t.  VIII,  1884,  p,  113 — 
146  [revidirter  Abdruck  aus  der  Revue  Eyyptologique\).  —  Sucht  zu  zeigen, 
dass  der  hebräisch-phönicische  Sekel  im  Werth  von  vier  Drachmen  erst 
durch  die  Ptolemäer  eingeführt  worden  sei,  während  der  althebräisclie 
Sekel  nur  halb  so  schwer  gewesen  sei  (=  zwei  Drachmen).  —  Vgl.  auch 
die  Verhandlungen  zwischen  Lenormant  und  Revillout  im  Anmuiire 
t.  VIII,  1884,  p.  210 sqq.  IX,  1885,  p.  S9sqq. 

Stickel,  Jüdische  Münzen  aus  Jerusalem  (Zeitschr.  des  deutschen  Palästina- 
Vereins  VII,  1884,  S.  211—214). 

Grätz,  Bedeutung  der  jüdischen  Münzen  mit  dem  Feststrauss  (Lulab)  und 
dem  Portale  (Monatsschr.  für  Gesch.  und  VVissensch.  des  Judenth.  1887, 
S.  145 — 176).    Auch  englisch  in  Numismatie  chroniele  1888,  p.  165—198. 

Head,  Ilistoria  Nutnormn,  a  manual  of  greek  Xumismatics  (1887)  />.  681 — <J85. 

Reinach  {Thhd.),  Une  monnaie  hybride  des  insurrections  juives  {Revue  des 
äudes  juives  t.  XV,  1887,  p.  56—61). 

Reinach  [Thiod.),  Les  monnaies  juives  (Actes  et  eonfireiices  de  la  Sociiti  des 
äudes  juives  1887  [Beilage  zur  Revue  des  äudes  juives  1887]  p.  CXXXl — 
CCXIX).  —  Auch  separat,  Paris  1887. 

Grätz,  Les  monnaies  de  Simon  du  temps  de  l'insurreetion  des  juifs  sous  Adrien 
[Revue  des  äudes  juives  t.  XVI,  1888,  p.  161 — 169). 

Grätz,  Geschichte  der  Juden  Bd.  III,  4.  Aufl.  1888,  S.  819—841:  Die  judä- 
ischen  Münzen  in  der  nachexilischen  Zeit. 

Reinach,  Les  monnaies  de  Simon  [Revue  des  äudes  juives  XVII,  1888,  p.  42 
—45).  — Dagegen:  Graetz  ebendas.  XVIII,  1889,  p.  301— 304.  —  Dagegen 
Rein  ach  ebendas.  p.  304—306. 

Leop.  Hamburger,  Die  Silber-Münzprägungen  während  des  letzten  Auf- 
standes der  Israeliten  gegen  Rom  nach  einem  in  der  Nähe  von  Chebron 
gemachten  Münzfunde  dassificirt  (Zeitschr.  für  Numismatik  XVIII,  1892, 
S.  241—348). 

Spurrell,  Notes  an  early  siekles  [Archaeoloyical  Journal  XLIX,  1893,  p.  53 — 68). 

ßenzinger,  Art.  „Geld"  in  Herzog-Hauck's  Real.-Enc.  3.  Aufl.  Bd.  VI,  1899, 
S.  477-482. 

Kennedy,  Art.  „Money"  in  Hastinys'  Dictionary  of  the  Bible  III,  417 — 432 
(sehr  gute  Zusammenfassung). 

E.  Epigraphik. 

Die  für  unsere  Geschichte  in  Betracht  kommenden  Inschriften 
sind  sehr  mannigfaltiger  Art:  heidnische  und  jüdische,  palästinen- 
sische und  ausserpalästinensische,  in  griechischer,  lateinischer, 
hebräischer  und  aramäischer  Sprache.  —  1)  Die  nicht-jüdischen 
griechischen  und  lateinischen  Inschriften  aus  Palästina  und  dessen 
Grenzgebieten  sind  gesannnelt  im  Corpus  Inscriptionum  Graecarum  t. 
III  und  Corpus  Inscriptionum  Latinarum  t.  III.  Beide  Sammlungen, 
namentlich  die  erstere,  haben  inzwischen  reiche  Ergänzungen  er- 
fahren durch  die  Mittheilungen  von  Wetzstein,  Waddington 
und  Anderen.  Die  fraglichen  Inschriften  geben  namentlich  werth- 
volle  Aufschlüsse  über  die  Culturverhältnisse  in   den  heidnischen 


26  §  2.    Hülfswissenschaften.   E.  Epigraphik.  [21.  22] 

Gebieten  Palästina's  (s.  §  22).  Ausser  den  palästinensischen  In- 
schriften stehen  auch  manche  an  anderen  Orten  gefundene  in  Be- 
ziehung zu  unserer  Geschichte,  ebenso  auch  manche  semitische  in 
und  ausserhalb  Palästinas,  darunter  besonders  die  von  de  Vogüe 
und  Euting  gesammelten  nabatäischen.  —  2)  Von  den  jüdischen 
Inschriften  sind  die  in  hebräischer  Quadratschrift  abgefassten 
von  Chwolson  zusammengestellt  worden.  Zahlreicher  sind  die 
griechischen  und  lateinischen,  meist  Grabschriften,  in-  und  ausser- 
halb Palästina's,  am  zahlreichsten  und  wichtigsten  die  aus  den 
jüdischen  Katakomben  in  Rom.  | 

1.  Nicht-jüdische  Inschriften. 

Corpus  Inscriptionum  Crraecarwn  t.  III  (1853),  n.  4444—4669. 

Corpus  Inscriptionum  Lcäinarum  t.  III  (1873)  n.  86—211  und  6027 — 6049.  Da- 
zu Suppl.  ad  t.  III  n.  6638-6729. 

Addüional  inscriptiotis  from  tfie  Haurän  and  the  eastern  desert  of  Syria ,  com- 
municated  by  0.  C.  Oraham,  and  edited  with  a  preface  and  noles  by  John 
Hogg  {Transactions  of  the  Royal  Society  of  Literature,  second  Series  vol.  VI, 
London  1859,  p.  270—323). 

Wetzstein,  Ausgewählte  griechische  und  lateinische  Inschriften,  gesammelt 
auf  Reisen  in  den  Trachonen  und  um  das  Haunvngebirge  (Abliandlungeu 
der  Berliner  Akademie  1863,  philol.-histor.  Classe,  S.  255—368).  —  Vgl. 
auch  rWetzstein,  Reisebericht  über  Hauran  und  die  Trachonen,  Berlin  1860. 

Renan,  Mission  de  Phinicie,  1864  (greift  auch  nach  Palästina  hinüber). 

Waddington  in:  Le  Bas  et  Waddington,  Inscriptions  grecques  et  latines 
recueiüies  en  Orece  et  en  Asie  Mineure.  Die  Inschriften  von  Syrien  stehen 
tome  III  (1870),  und  zwar  P.  \,  p.  449—625  die  Texte,  P.  2,  p.  435—631 
die  Erläuterungen.  —  Die  Zahl  der  von  Waddingtou  neu  mitgetheilten  In- 
schriften ist  sehr  bedeutend.  —  Einen  sorgtaltigon  Index  lieferte,  26  Jahre 
nach  Erscheinen  des  Werkes,  Chahot  in  der  Revue  orchSol.  trois.  Sirie 
t.  28  und  29,  1896;  auch  separat  im  Format  des  Inschriftenwerkes. 

Mordtmann,  Griechische  Inschriften  aus  Arabia  (Trachoniti.n)  (Rhein.  Museum 
XXVII,  1872,  S.  146—148,  496).  —  Nur  sechs,  meist  fragmentarische  In- 
schriften, wovon  die  beiden  umfangreicheren  bereits  von  Waddington 
publicirt  sind. 

Clermont-  Oanncau,  Inscriptions  grecques  inddites  du  Hauran  et  des  rdgimis 
(U^uccntcs  {Revue  arrhdologiqtw ,  troisihne  sirie  t.  IV,  1884,  p.  260—284); 
abgedr.  in:  licrueil  (i'urchiologU'  Orientale  1,  1888,  p.  1 — 31. 

Mordtmann,  Griechische  luHchriftcn  aus  dem  Hauran  (Archäol.-cpigr.  Mit- 
theilungcn  aus  Oesterreich  VIII.  1884,  S.  180-192). 

Mordtmann,  Beiträge  zur  Inschriftenkunde  Syriens  (Zeitschr.  des  deutschen 
Palfintina-VcreiriH  VII,  1884,  S.  119-124). 

Allen,  OrceJc  and  lulin  imoriptiotui  from  Paleatine  {American  Journal  of  phi- 
lology  VI,  1885,  p.  190-216). 

Oildenieiiter,  BrmcTkungen  zu  den  griechischen  InHchrifUn  Prei's  und 
Schumachcr'H  (Zi-iiMchr.  df>.  (h-utsilicn  Palästina -VcrciiiH  XI,  1888, 
8.  38-46). 

Gtorg*  Adam  Smitli,    Cummuti,-,^.",!   ',u  .-.mv  un/uihlislird  inscriptions  frotn 


:[22]  §  2.   Hülfswissenschaften.   E.  Epigraphik.  27 

the  Hauran  mul  Gilead  [Critical  Review  of  theolog ieal  and  philosophical 
L-iterature  vol.  II,  1892,  p.  55—64). 

Ewiny,  Greek  and  other  inscriptions  collected  in  the  Hauran  {Palestine  Ex- 
ploration Fund,  Quarterly  Statement  1895,  p.  41—60,  131-160,  265—280, 
346—354). 

Schumacher,  Dscherasch  (Zeitschr.  des  DPV.  XVni,  1895,  S.  126—140).  — 
Buresch,  Schumachers  Inschriften  aus  Dscherasch  (ebenda«.  S.  141— 148). 

Fossey,  Inscriptions  de  Syrie,  II.  Djolan  et  Hauran,  III.  Plaine  de  Damms 
et  Antiliban  [Bulletin  de  corresp.  hellinique  XXI,  1897,  p.  89 — 65). 

Clermont-Ganneau  bringt  zahlreiche  Beiträge  zur  Inschriftenkunde  Palä- 
stina's  in  folgenden  Werken:  1)  Recucil  d'archioloyie  Orientale  t.  I,  1888, 
II,  1898,  III,  1899  (wird  fortgesetzt).  2)  Etudes  d'areheolugie  Orientale 
t.  I,  1895,  II,  1897  (=  Bibliotheque  de  Pecole  des  hautes  äudes  fasc.  44  und 
113).  3)  Archaeoloyical  Researches  in  Palestine  vol.  II,  1896,  vol.  I, 
1899  (im  Verlag  des  Palestine  Exploration  Fund).  4)  Album  d'antiquitis 
orientales  1897  fl'.    (Abbildungen). 

{3 ermer- Durand  und  Andere  haben  in  der  seit  1892  erscheinenden  Revue 
biblique  fast  in  jedem  Jahrgang  Beiträge  zur  Inschriftenkunde  Palästina's 
geliefert. 

Auch  die  Zeitschrift  des  DPV.  und  die  Quarterly  Statements  enthaXten 
ausser  den  oben  schon  genannten  noch  einzelne  Beiträge.  Seit  1895  auch 
die  der  „Zeitschrift"  beigegebenen  „Mittheilungen  und  Nachrichten"  des 
DPV^.  —  Die  in  der  Revue  archiologique  und  in  den  Comptes  ren- 
dus  de  PAcademie  des  Inscriptions  et  Beiles- Lettres  erschienenen  Artikel 
Clermont-Ganneau's  sind  grüsstentheils  in  dessen  Rectdeil  d'archdologie 
Orientale  wieder  abgedruckt. 

Eine  Uebersicht  der  in  The  Siirvey  of  Western  Palestine  mitgetheilten  In- 
schriften giebt  Co n der,  Quarterly  Statements  1885,  p.  14—17.  Auch  in 
anderen  Reisewerken  über  Palästina  finden  sich  epigraphische  Mitthei- 
lungen zerstreut. 

Kurze  Mittheilungen  über  neue  Funde  giebt  S.  Reinach,  Chroniques  d' Orient 
1  {de  1883  ä  1890)  1891.  II  {de  1891  ä  1895)  1896  (abgedr.  aus  den  be- 
treffenden Jahrgängen  der  Revue  areh^ologique). 

Die  auf  die  herodianischen  Fürsten  bezüglichen  Inschriften  habe  ich  zu- 
sammengestellt in  Hilgeufeld's  Zeitschr.  für  Wissenschaft!.  Theologie  1873, 
S.  248 — 255.  —  Hinzuzufügen  sind  noch:  Corpus  Inscr.  Attiearum  t.  III 
pars  1  (1878)  n.  550.  551.  556.  Corp.  Inscr.  Qraec.  n.  2502  (Herodes  Antipas 
in  Kos).  Bulletin  de  correspondance  hellinique  t.  III,  1879,  p.  365  sq.  (Hero- 
des Antipas  in  Delos).  Archäol.-epigr.  Mittheilungen  aus  Oesterreich  VIII, 
1884,  S.  189  f.  =  Zeitschr.  des  deutschen  Palästina -Vereins  VII,  1884, 
S.  121  f.  =  Critical  Review  of  theol.  and  phil.  Lit.  1892,  p.  56  =  Quarterly 
Statement  1895,  p.  58  {Af/rippa  II).  Quart.  Stat.  1895,  p.  138  {Ägrippa  H). 
Clermont-Ganneau,  Archaeoloyical  Researches  in  Palestine  I,  499 — 501 
(Ayrippa). 

Die  auf  die  jüdisch^  Geschichte  von  Vespasian  bis  Hadrian  bezüglichen 
römischen  Inschriften  hat  Darmesteter  zusammengestellt,  Revue  des 
4tiides  juives  t.l,  1880,  p.  32  — 55;  abgedr.  in:  Darmesteter,  Reliques  sci- 
entifiques  vol.  I,  1890,  p.  67—90. 

Die  semitischen  Inschriften  werden  dereinst  am  vollständigsten  ge- 
sammelt sein  in  dem  seit  1881  zu  Paris  erscheinenden  Corpus  Inscriptionwn 


28  §  2.   Hülfswissenschaften.   E.  Epigraphik.  [22.  23] 

Semiticanim.  (Unter  |  den  phönicischen  giebt  die  Inschrift  Esclimunazar's 
wichtige  Daten  zur  Geschichte  von  Jope  und  Dora,  s.  Bd.  II,  S.  100,  109). 

Zur  Ergänzung  dieses  Inschriftenwerkes  dient  das  seit  1901  erscheinende 
Repertoire  d^epif/raphie  semitiqiie publie par  la  commission  du  Corpus 
Insfiriptionum  Semiticarum  sous  la  direction  de  Ch.  Clerinont-Oanneau 
avec  le  concoiirs  de  J.-B.  C habet. 

Eine  zusammenfassende  Orientirung  giebt:  Lidzbarski,  Handbuch  der  nord- 
semitischen Epigraphik  nebst  ausgewählten  Inschriften,  1898.  —  Hier 
S.  4 — 88  eine  erschöpfende  Bibliographie  von  1163  Nummern'). 
Im  Begriff  „nordsemitisch"  ist  Palästina  und  das  peträische  Arabien  ein- 
geschlossen. —  Fortlaufende  Kunde  von  neuen  Funden  giebt  die  seit  1900 
erscheinende  „Ephemeris  für  semitische  Epigraphik"  von  Lidz- 
barski. 

Die  obengenannten  Arbeiten  von  Glermont-Oanneaii  enthalten  auch  vieles 
auf  die  semitische  Epigraphik  Bezügliche. 

Von  den  nicht-jüdischen  semitischen  Inschriften  bieten  für  uns  das  meiste 
Interesse  die  nabatäischen,  um  deren  Bekanntmachung  sich  namentlich 
de  Vogü^  (1868)  und  Euting  (1885)  verdient  gemacht  haben.  Sie  sind 
gesammelt  im  Corp.  Inscr.  Sem.  P.  II.  Näheres  hierüber  s.  in  Beilage  II 
am  Schluss  dieses  Bandes. 

Nur  in  entferntem  Zusammenhang  mit  unserem  Gebiet  stehen  die  zahlreichen 
aramäischen  und  griechischen  Inschriften  von  Palmyra  (Grundlegende 
Ausgabe  von  de  Vogüi,  Syrie  Centrale,  Inscriptions  simitiqucs ,  Paris 
1868;  seitdem  zahlreiche  Publicationen  von  Anderen,  verzeichnet  bei  Cook, 
Olossary  of  the  Aramaic  Inseriptions  1898,  p.  4—5).  Hervorzuheben  ist 
besonders  der  im  Jahre  1881  entdeckte  umfangreiche  zweisprachige  Zoll- 
tarif von  Palmyra  zur  Zeit  Hadrians  (der  aram.  Text  am  besten  herausgeg. 
von  Schröder,  Sitzungsber.  der  Berliner  Akad.  1884,  S.  417—436,  der 
griechische  von  Dessau,  Hermes  Bd.  XIX,  1884,  S.  486— 533). 

2.  Jüdische  Inschriften. 

Chwolson,  Corpus  Inscriptionum  Hebraicarum,  enthaltend  Grabschriften  aus 
derKrim  und  andereGrab- und  Inschriften  in  alter  hebräischer  Quadratschrift^ 
sowie  auch  Schriftproben  aus  Handschriften  vom  IX.— XV.  Jahrhundert. 
Petersburg  1882.  —  Giebt  ausser  den  Grabschriften  aus  der  Krim  eine  Zu- 
sammenstellungallerlnschriften  in  hebräischer  Quadrat  Schrift 
biH  zum  elften  Jahrh.  nach  Chr.  —  Ein  VcrzeicliniHS  auch  bei  Maddcii, 
Coins  of  tlie  Jetrs  (1881)  p.  34 — 39;  einiges  bei  Merx,  Archiv  für  wissen- 
»chnftl.  Erforschung  des  A.  T.  I,  360—362. 

Unter  ilen  von  CliwolHon  zusammengestellten  ältesten  Insdiriftcn  sind  nament- 
lich folgende  aucli  anderwärts  eingehend  behandelt:  1)  Die  Grabsdirift  der 
beni  Chem'r  aiii  sogonannten  Grabe  des  heiligen  Jacob  bei  Jerusalem,  etwa 
SU«  herodiiitiischer  Zeit  {de  Vogüe,  Rente  arcliioloyique  Nouv.  6Vr/e  t.  IX, 
1864,  p,  2(Xj-  209;  der«.,  Le  temple  dr  Jhvsalem  />.  Jß,  130  sq.,  pl.  XXXVII 
n.  1,  de  Saulcy,  Revue  archM.  N.  S.  t.  X\,  1865,  p.  137—163,  398-405. 


1)  Fortgeietste  blbliograplilHchc  NachweiHc  giebt  die  im  J.  1887  von  Aug. 
Mfiller  begründete,  »cit<k'ni  von  Anderen  weitergeführte  „Orientulische  Biblio- 
gT^>hie";  detgleiehen  Stade 'h  „ZeitHchrift  für  diu  alttt^Htamentliche  Wissen- 
•cluft". 


[23.  24]  §  2.    Hülfswissenschaften.   E.  Epigraphik.  29 

Merx,  Archiv  für  wissenschaftl.  Erforschung  des  A.  T.  I,  360  sq.).  — 
2)  Einige  Synagogen-lui<cliriften  im  nördlichen  Galiläa,  aus  der  römischen 
Kaiserzeit  {Renan,  Mission  de  Phinicie  p.  701—783).  Hierzu  kommt  noch 
eine  ähnliche  aus  Palrayra,  welche  den  Anfang  des  jüdischen  Schma  Deut. 
6,  4—9  enthält  (Landauer,  Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1884, 
S.  933  f.).  —  3)  Die  zahlreichen  jüdischen  Grabschriften.  Unter  letzteren 
sind  die  aus  der  Krim  viel  jünger  als  Chwolson,  auf  Grund  der  von 
Firkowitsch  gefälschten  Daten,  früher  meinte  (s.  darüber  die  Literatur 
Bd.  III,  S.  18  f.). 

Bibliographische  Nachweise  über  sonstige  Publicationen  hebräischer  Inschriften 
s.  bei  Lidzbarski,  Handbuch  der  nordsemitischen  Epigraphik  1898. 

Ueber  die  palästinensisch-jüdischen  Grabschriften,  sowohl  die  hebrä- 
ischen als  die  griechischen,  handeln  speciell: 

Glermont-Ganneau,  Nomcmtx  ossuaires  jiiifs  avec  inseriptiotis  grecques  et 
hibräiqiies  {Revue  archM.  Nouv.  S^rie  t.  XXV,  1873,  p.  398-414). 

Clermont-  Oanneau,  Ossuaire  juif  de  Joseph  fils  de  Jean  [Revue  archiol.  N.  S. 
t.  XXXVI,  1878,  p.  305-311).   Hebräisch. 

Viktor  Schnitze,  Sarkophage  und  Grabinschriften  aus  Jerusalem  (Zeitschr. 
des  deutschen  Palästina- Vereins  IV,  1881,  S.  9—14). 

Grätz,  Die  jüdischen  Steinsarkophage  in  Palästina  (Monatsschr.  liir  Gesch. 
und  Wissensch.  des  Judenth.  1881,  S.  529—539).  —  Handelt  nicht  sowohl 
über  die  Inschriften  als  über  die  Bestimmung  der  Ossuarien,  auf  welchen 
sie  sich  finden.  | 

Clermont-  Oanneau,  Epigraphes  liebraiques  et  grecques  sur  des  ossuaires  juifs 
inMits  {Revue  arcMol.  'JVoisihne  Sirie  t.  I,  1883,  p.  257—276). 

Clermont- Oanneau,  Un  nonveau  titnlus  funhaire  de  Joppe  {Revue  eritique 
1885,  Nr.  27,  p.  14  sq.).  Griechisch. 

Euting,  Epigraphische  Miscellen  (Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1885, 
S.  609—688,  Tafel  VI— XII).  —  Hauptsächlich  palmyrenische  Inschriften 
und  hebräisch-griechische  Grabschriften  aus  Palästina. 

Clermont- Oanneau,  Archaeological  Researches  in  Palesiine  vol.  I,  1899, 
p.  381—454:  Jexisft  ossiuiries  and  sepulchres  in  the ■  neighbourhood  of  Jeru- 
salem (zusammenfassend). 

Auch  die  oben  S.  26/27  genannten  Arbeiten  von  Renan,  Clermont-Ganneau, 
Germer-Durand  und  Anderen  bieten  manches  hierher  Gehörige,  Ein- 
zelnes auch  noch  zerstreut  in  den  Zeitschriften,  z.  B.  Quarterly  Statements 
1891,  S.  241—243.   1893,  S.  288—291.  1900,  S.  110—120. 

Abgesehen  von  den  Grabschriften  sind  griechische  Inschriften  jüdischen 
Ursprungs  in  Palästina  äusserst  selten,  die  interessantesten  jedenfalls  die 
Warnungstafel  am  Eingang  des  Tempel-Vorhofes  s.  Bd.  II,  S.  273,  und 
die  griech.  Inschrift  unter  den  Trümmern  der  Synagoge  zu  Kasiun  [Renan, 
Mission  de  Phinicie  p.  IIA.  =  Ouh-in,  Oalilie  II,  447  sq.). 

Die  ausserpalästinensischen  griechischen  und  lateinischen  In- 
schriften sind,  soweit  sie  irgend  von  Belang  sind,  in  §  31,  I  u.  II,  1  an- 
geführt (Bd.  III,  S.  10 — 27,  34 — 55,  beachte  besonders  die  grosse  Inschrift 
von  Berenike  Bd.  III,  S.  42  f.,  vgl.  auch  S.  66,  88,  91,  117,  118,  124). 
Einiges  auch  bei  Caspar i,  Quellen  zur  Geschichte  des  Taufsymbols  III, 
1875,  S.  268 — 274.  —  Auch  unter  ihnen  bilden  die  Grabschriften  die  Haupt- 
masse.   Am  zahlreichsten  sind  die  Inschriften  aus  den  Katakomben 


30  §  2.   Hülfswissenschaften.   E.  Epigraphik.  [24.  25]: 

von  Rom  und  Venosa,   welche,   nebst  einigen  anderen,    an  folgendeö 

Orten  gesammelt  sind : 
Greppo,  Xotice  sur  des  inscriptions  antiques  tirecs  de  quelques  tombcaxx  juifs 

ä  Borne,  Lyon  1835  (war  mir  nicht  zugänglich). 
Corpus  Inscriptionum  Graecarum  t.  IV  n.  9894—9926  (bearbeitet  von  Kircli- 

hoff). 
Levy,   Epigraphische  Beiträge  zur  Geschichte  der  Juden,  in:    Jahrbuch  für 

die  Geschichte  der  Juden  [herausg.  v.  Goldschmidt]  Bd.  II,  1861,  S.  259—324. 
Burgen,   Letters  from  Eome  18C2,  p.  168—174   (mir  nur  durch  da.s  Citat  bei 

Madden,  Coins  of  the  Jews  p.  36  bekannt). 
Lenormant,  Essai  sur  la  propagation  de  V Alphabet  Phiniei&n  dans  Vancien 

monde  vol.  I,  p.  264 — 267  (nach  Madden  l.  c). 
Garrueei,    Cimitero  degli  antichi  Ebrei  scoperto  recetifemetite  in   Vigna  Ran- 

danini,  Roma  1862.  —  Diese  Inschriften  aus  der  neuentdeckten  Katakombe 

in  der  Vigna  Randanini  haben  das  Material  sehr  wesentlich  bereichert. 
Garrueei,  Disserfaxioni  archeologiehe  de  vario  argomento,  vol.  11,  Roma  1865» 

p.  150 — 192.  —  Werthvolle  Nachträge  zum  vorigen. 
Hirsehfeld,  Bulldtino  delV  Insiituto  di  corrisp.  archeol.  1867,  p.  148—152.  —  | 

Erste  Notiz  über  die  schon  1853  entdeckte  Katakombe  von  Venosa  (Venusia 

in  ünteritalien). 
Fiorelli,    Catalogo   del    Museo    Naxionale    di   Napoli.     Raceolta    cpif/raßca. 

II.  Iscrixioni  Latine   [Napoli  1868)   n.  1954 — 1965.  —  Beschreibt  die  jetzt 

im  Museum  zu  Neapel  befindlichen  Inschriften  aus  den  römischen  Kata- 
komben. 
Engeatröm,    Om   Judame  i  Rom   under   äldre   tider   och  deras  Katakomber^ 

Upsala  1876. 
Schürer,  Die  Gemeindeverfassung  der  Juden  in  Rom  in  der  Kaiserzeit  nach 

den  iDschriften  dargestellt.    Nebst  45  jüdischen  Inschriften.    Leii)zig  1879. 
Aaeoli,  Iscrixioni  inedite  o  mal  note  greche,  latine,  ebraicfie  di  antichi  sepolcri 

giudaici  del  Napolitano.    Torino  e  Roma  1880.  —  Giebt  die  Inschriften  aus 

der  Katakombe  von  Venosa,  von  den  griechischen  und  lateinischen  jedoch 

nur  diejenigen,  welche  auch  eine  hebräische  Beischrift  haben.  Vgl.  Theol. 

Litztg.  1880,  485—488,  Grätz,  Monatsschr.  1880,  S.  433-4.51,  Chirolson, 

Corp.  Inner.  Ilcbr.  col.  \A^  sqq.;  auch  Bd.  III,  S.  37  f. 
Corpus  Inscriptionum  Latinarum  t.  IX  (1883),  n.  647—648,  6195—6241.  —  Die 

griechischen  und  lateinischen  Inschriften  aus  Venosa  vollständiger  als  bei 

Ascoli. 

Lenormant,  La  cataci/mfte  juive  de  Venosa  (Revue  des  efudes  juii'cs  t.  VI,  1883, 
p.  2^)0—207).  —  Giebt  einen  Theil  der  Insclirifton  nach  neuen  Co]>ieii. 

Nie.  Müller,  Ia-  catacomlte  degli  Ebrei  pres.v)  la  ria  Appia  IHgnatelli  (Mit- 
theilungen doH  kainerlich  deutschen  archäolog.  Instituts,  Römische  Abthei- 
lung Bd.  I,  188<j,  8.  49-56).  —  Mitthcilmig  über  eine  neuentdeckte 
jüdische  Katakoinbo.  Nach  einer  Notiz  auf  S.  49  liat  der  Verf.  die  Ab- 
sicht, eine  Monograpliii«  licrauH/.ugebcu  über  ,,Die  altjüdischcM  Oöuioterien 
In  Italien".  —  Zur  ICrkläruiig  der  von  Müller  mitgctlu-iltcii  luMciiriften 
vgl.  auch  die  Bemerkungen  von  Gompcrz  in:  Arcliiiologiscrh-epigraphische 
Mitthellungcn  aus  OcHterreich-Ungaru  Jahrg.  X,  ISSd,  S.  231  f. 

Marueehi,  Di  un  nuovo  cimitero  giudaico  scoperto  sulla  Via  Labicana, 
Roma  1887. 

Dorenbourg  hat  In  den  M6langcs  Renier  1887, p.  437—441,  nach  Mittheilungen 


[25.  26]  §  2.   Hülfswissenschaften.   E.  Epigraphik.  31 

de  Kossi's  fünf  Inschriften  aus  dem  jüdischen  Coemeterium  zu  Porto  ver- 
öffentlicht, darunter  vier  bis  dahin  unbekannte. 

Berliner,  Geschichte  der  Juden  in  Rom  Bd.  I,  1893,  8.  90— 92  (die  Inschriften 
aus  dem  Coemeterium  der  Vigna  Cimarra). 

Vogelstein  und  Rieger,  Geschichte  der  Juden  in  Rom  Bd.  I,  1896,  S. 
459—483  (Zusammenstellung  der  Inschriften  aus  den  jüdischen  Coemeterien 
in  Rom). 

Inschriften  aus  einer  jüdischen  Begrab nissstätte  bei  Tell-el-Jehudijeh  in  Unter- 
Aegypten  giebt:  Naville,  The  mound  of  the  Jen- and  the  cUy  of  Onias 
{Seventh  Memoir  of  the  Egypt  Kr/)lor(/tiou  Fwvl),  Ixtndon  1890. 


§  3.  Qnellen. 

Für  die  Kenntniss  des  geistigen  Lebens  des  jüdischen  Volkes 
in  unserer  Periode  sind  selbstverständlich  die  Hauptquellen  die  in 
dieser  Zeit  entstandenen  und  uns  erhaltenen  jüdischen 
Literaturwerke,  in  Betreß'  deren  hier  einfach  auf  §  32 — 34  ver- 
wiesen werden  kann.  Ihnen  schliesst  sich  das  Neue  Testament 
an,  soweit  es  von  jüdischen  \'erfassern  herrührt  oder  auf  jüdische 
Verhältnisse  Bezug  nimmt.  Unmittelbare  Urkunden  sind  ferner  die 
Münzen  und  Inschriften,  über  welche  die  in  §  2  genannte  Lite- 
ratur Aufschluss  giebt. 

Alle  diese  Werke  und  Urkunden  würden  uns  aber  nicht  in 
den  Stand  setzen,  eine  Geschichte  unserer  Periode  zu  schreiben, 
wenn  uns  nicht  die  beiden  Makkabäerbücher  und  die  Werke 
des  Josephus  erhalten  wären,  welche  den  Gang  der  Ereignisse 
in  den  Hauptmomenten,  oft  auch  mit  sehr  speciellen  Einzelheiten, 
erzählen.  Sie  bilden  die  wichtigste,  ja  fast  einzige  Quelle  für  die 
politische  Geschichte.  Zu  ihrer  Ergänzung  dienen  einerseits  die 
griechischen  |  und  römischen  Schriftsteller,  welche  in  um- 
fassenderer Weise  die  Geschichte  jener  Zeit  darstellen,  anderer- 
seits die  rabbinische  Literatur  (Mischna,  Talmud,  Midrasch, 
Targum),  welche  das  Resultat  und  den  vorläufigen  Abschluss  der 
in  unserer  Periode  in  vollem  Fluss  befindlichen  Arbeit  der  Schrift- 
gelehrten  darstellt,  und  insofern  wenigstens  ein  indirecter  Zeuge 
für  unsere  Zeit  ist.  —  Den  Mittheilungen  über  Josephus  schicken 
wir  eine  Uebersicht  der  nicht-erhaltenen  Quellen  voraus,  theils  um 
einen  Ueberblick  des  früher  Dagewesenen  zu  gewähren,  theils 
und  namentlich  um  eine  Grundlage  zu  schaffen  für  die  Beant- 
wortung der  Frage  nach  den  Quellen  des  Josephus.  So  ergeben 
sich  folgende  fünf  Abschnitte:   1)   Die  beiden  Makkabäerbücher, 


32  §  3.   Quellen.   A.  Die  beiden  Makkabäerbücher.  [26.  27] 

2)  die  nicht- erhaltenen  Quellen,   3)  Josephus,   4)  griechische  und 
römische  Schriftsteller,  5)  die  rabbinische  Literatur. 

A.  Die  beiden  Makkabäerbücher. 

Das  erste  Makkabäerbuch  ist  die  Hauptquelle  für  die  ersten 
vierzig  Jahre  unserer  Geschichte  (175 — 135  v.  Chr.).  Das  zweite 
behandelt  nur  die  ersten  vierzehn  Jahre  derselben  (175 — 161  v.Chr.), 
steht  aber  an  Glaubwürdigkeit  dem  ersten  bedeutend  nach  und  ist 
fast  nur  für  die  Vorgeschichte  der  makkabäischen  Erhebung  von 
selbständigem  Werthe.  Ueber  den  Charakter  beider  Werke  und 
ihre  Entstehungsverhältnisse  ist  in  §  32  und  33  (Bd.  III,  S.  139  ff., 
359  ff.)  das  Nüthige  bemerkt.  Es  bleibt  hier  nur  die  Frage  zu 
untersuchen,  welches  der  Anfangspunkt  der  seleucidischen 
Aera  ist,  nach  welcher  beide  die  Ereignisse  datiren.  Die  gewöhn- 
liche Seleuciden-Aera  beginnt  im  Herbst  312  v.  Chr.  Es  ist  aber 
fi-aglich,  ob  beide  Makkabäerbücher  oder  auch  nur  eines  derselben 
diesen  gewöhnlichen  Anfangspunkt  voraussetzen.  Wir  stellen  zur 
Orientirung  zunächst  sämmtliche  Monatsdaten  zusammen, 
welche  im  ersten  Makkabäerbuche  vorkommen: 

1, 54  :  TS  nevrexaiösxdzji  rjfitQn  XaafXev. 

1,59  :  zy  ns/xnty  xal  elxäöi  xov  fxrjvöq. 

4,52  :  Ty  ntfxJiT^   xal   eixäöi    zov   fxrjvbq   xov    ivväxov,    ovzoq   o   fXT]v 

XaaeXev. 
7, 43  :  zy  zQiaxttiöexäxy  zov  fxrjvoq  lAöäg. 
7,  49  :  zr^v  ZQiaxaiSsxäzrjv  zov  'ASäg. 

9,   3  :  zov  (iTjvoq  zov  ngcazov  ezovq  zov  öevzhQOv  xal  nsi'zrjxoazov  xal  bxazoozov. 
9,  54  :  fiTjvl  ziv  ösvziQot. 
10,21  :  zip   hßööijuo   fji-rjvl   ezovg  e^tjxoazov  xal  kxazoazov  iv  koQzy  axtj- 

vonrjylaq. 
13,51  :  zy  tqIzjj  xal  dxäöi   zov   ösvzf-Qov   fitjvoq   erovq   tvbq  xal  bßöofirj- 
xoazov  xal   kxazoarov   (die  Majillat/i  Taanith  giebt  für  dasselbe  Er- 
dgnisH  da«  Datum  des  28.  Ijjar).  | 
14,27  :  6xx(uxaiötxäiy    ^EXovl,    hovq    öfvztQov    xal    kßöofiijxoazov   xal    bxa- 

toazov. 
1»),  14  :  iv  fitivl  i-vöexazif),  abzog  h  (irjv  Saßdz. 

Nach  diesen  Daten  unterliegt  es  zunächst  kcünem  Zweifel,  dass 
der  Verfaa.ser  die  Monate  vom  Krülijalii-  an  zählt.  Der  Ijjar  ist 
ihm  der  zweite  Monat  (13,  51),  der  Monat  des  Laubhütteiifestes 
alHO  der  TiHchri  der  siebente  (10,  21),  der  Kislev  der  neunte 
(4,  52),  derSchebat  der  elfte  (Ki,  14).  Die  Zählung  beginnt  also 
mit  dem  NJHan,  d.  h.  im  Friilijalir  (vgl.  die  Liste  Heiliig»^  III). 
Hiernach  Bclieint  es  HelbstverHtändlicIi,  dass  auch  die  Jahre,  nach 
welchen  der  VerfaHser  rechnet,  im  Erülijahi-  beginnen.  Allein  die 
Seleuciden-Aera,  nach  welcher  er  rechnet,   wird  sonst  allgemein 


[21.  281  §  3.    Quellen.   A.  Die  beiden  Makkabäerbücher.  33 

vom  Herbst  an  datirt'),  wie  überhaupt  in  SjTien  der  Jahresanfang 
gewöhnlich  in  den  Herbst  gesetzt  wurde.  Auch  bei  den  Juden  ist 
die  Sitte,  das  Jahr  im  Herbst  zu  beginnen,  sehr  alt  (s.  Exod.  23. 
16;  34,  22),  wahrscheinlich  älter,  als  der  Jahresanfang  im  Früh- 
jahr"^). Jedenfalls  haben  in  der  nachexilischen  Zeit  stets  beide 
Jaliresanfänge  neben  einander  bestanden.  Der  Cyclus  der  reli- 
giösen Feste  beginnt  im  Frühjahr;  von  da  an  werden,  wie  im 
Priestercodex,  so  auch  im  ersten  Makkabäerbuch  die  Monate  gezählt. 
Wie  aber  der  Priestercodex  trotzdem  nicht  umhin  kann,  den  Neumond 
des  Tischri  durch  eine  religiöse  Feier  auszuzeichnen  {Lev.  23, 
23—25;  JVum.  29,  1—6),  so  ist  auch  später  das  Fest  des  Jahres- 
anfangs (nsiön  OKI)  stets  an  diesem  Tage  gefeiert  worden;  ja  die 
Mischna  sagt  bestimmt,  dass  „für  die  Jahre"  schlechthin,  also  für 
die  Zählung  derselben,  der  Jahresanfang  am  l.  Tischri  massgebend 
sei^).  Auch  nach  Josephus  gilt  der  von  Moses  verordnete  Jahres- 
anfang mit  dem  Nisan  nur  in  Bezug  |  auf  die  religiösen  Dinge; 
dagegen  „für  Verkäufe  und  Käufe  und  andere  Geschäfte"  beginnt 
das  Jahr  mit  dem  Tischri  nach  der  älteren,  vormosaischen  Ord- 
nung^).   Unter  diesen  Umständen  wäre  es  wohl  möglich,  dass  auch 


l!  Vgl.  Ideler,  Handbuch  der  Chronologie  I,  444  ff".  Clintun,  Fasti 
Hellen ici  lll,  S12sqq.  Kubitschek  in  Pauly-Wissowa's  Real-Ene.  I,  632  f. 
(Art.  aera).  Uuger,  Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie,  philos.-philol. 
und  histor.  Classe  1895,  S.  238—243.  Wachsmuth,  Einl.  in  das  Studium 
der  alten  Geschichte  S.  307. 

2)  Die  Stellen  Exod.  23,  16;  34,  22  gehören  zu  den  ältesten  Schichten  des 
Pentateuches,  während  der  Priestercodex  die  Monate  durchweg  vom  Frühjahr 
an  zählt,  und  diese  Zählung  ausdrücklich  fordert  {Exod.  12,2).  Die  Frage, 
welche  von  beiden  Zählungen  älter  sei,  ist  daher  auch  für  die  Pentateuchkritik 
von  Belang.  S.  einerseits  Well  hausen,  Geschichte  Israels  I,  111  ff".,  Nowack, 
Lehrbuch  der  hebr.  Archäologie  I,  1894,  S.  218 — 220,  andererseits  Dillmann, 
Exeget.  Handbuch  zu  Exod.  12,  2;  23,  16.  I^r.  23,  23.  Derselbe,  Ueber  das 
Kalenderwesen  der  Israeliten  vor  dem  babylonischen  Exil  (Monatsberichte  der 
Berliner  Akademie  1881,  S.  914—935).  Lotz,  Art.  „Jahr"  in  Herzog-Hauck, 
Real-Enc.  3.  Aufl.  VIII,  1900,  S   524—529. 

3)  Mischna  Rosch  fiaschana  I,  1:  ,^8  giebt  vier  Jahresanfänge:  Am  ersten 
Nisan  ist  Neujahr  für  die  Könige  und  für  die  Feste.  Am  ersten  Elul 
ist  Neujahr  lur  die  Verzehntung  des  Viehes ;  R.  Elieser  und  R.  Simon  sagen : 
am  ersten  Tischri.  Am  ersten  Tischri  ist  Neujahr  für  die  Jahre  (fi''3"3), 
für  die  Sabbathjahre  und  für  die  Jobeljahre;  für  Baumpflanzungen  und  Kräuter. 
Am  ersten  Schebat  ist  Neujahr  für  die  Baumfrucht ;  so  die  Schule  Schammai's  ; 
die  Schule  Hillel's  sagt:  am  fünfzehnten  desselben  Monats". 

4)  Joseph.  Antt.  I,  3,  3:  avveßri  6h  xovxo  to  nä&og  xaxa  rb  SqaxoaioaTOv 
evog  Tjör]  Naixov  t^?  aQxfJQj  ^*'  /i^vl  SfvzsQu),  /licp  /xsv  imo  Maxfdövcov  ).eyofxev(p 
MaQOovavy  S"  vnb  ''Eßgaliov  ovta)  yag  [also  mit  dem  Jahresanfang  im  Herbst] 
iv  Aiyvnru)  tov  ivtavrbv  raav  öiaxsxaxoxeq.  Miova^g  6s  xov  Niaäv,  og  iaxc 
Aav^ixög,  fxfva  tcqwxov  inl  xaZg  soQxalg  wQias,  xaxa  xovxov  i§  Alyvnxov  xoig 

Schür  er,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  3 


34  §  3.   Quellen.   A.  Die  beiden  Makkabäerbücher.  [28.  29] 

das  erste  Makkabäerbuch  trotz  der  Monatszählung  vom  Frühjahr 
an  doch  die  Jahre  vom  Herbst  an  datirte;  und  man  müsste,  wenn 
nicht  entscheidende  Gründe  dagegen  sprechen,  dies  als  das  wahr- 
scheinliche annehmen,  da  die  Seleuciden-Aera  in  der  Eegel  vom 
Herbst  an  datirt  wird  (so  Wernsdorff,  Clinton  und  ich  selbst 
in  der  1.  Aufl.  dieses  Buches).  Es  sprechen  aber  allerding» 
gewichtige  Gründe  dafür,  dass  die  Aera  unseres  Buches 
im  Frühjahr  beginnt. 

1)  Nach  I  Makk.  7,  1  entwich  Demetrius  I  im  Jahr  151  aer.SeL 
aus  Rom  und  wurde  König  in  Syrien.  Es  folgt  dann  im  ersten 
Makkabäerbuche  keine  weitere  Zeitbestimmung  bis  Cap.  7,  43.  49^ 
wo  wir  erfahren,  dass  Nikanor  am  13.  Adar  gegen  Judas  Schlacht 
und  Leben  verlor.  Das  Jahr  wird  dabei  nicht  angegeben.  Dagegen 
heisst  es  weiter  Gap.  9,  3,  dass  im  ersten  Monat  des  Jahres  152 
aer.  Sei.  ein  neues  Heer  von  Demetrius  nach  Palästina  gesandt 
wurde.  Nach  dieser  Darstellung  muss  doch  angenonmien  werden,, 
dass  die  Niederlage  des  Nikanor  auf  den  13.  Adar  des  Jahres  151 
aer.  Sei  fällt.  Da  nun  unter  dem  „ersten  Monat"  des  Jahres  152 
nach  dem  früher  Bemerkten  sicher  der  Nisan  152  zu  verstehen  ist^ 
da  ferner  der  Nisan  unmittelbar  auf  den  Adar  folgt,  so  würde^ 
wenn  wir  den  Jahreswechsel  nicht  am  1.  Nisan,  sondern  am 
1.  Tischri  annehmen,  zwischen  beiden  Ereignissen  ein  Zeitraum 
von  dreizehn  Monaten  liegen.  Nach  dem  Zusammenhang  der  Er- 
zählung ist  es  aber  viel  wahrscheinlicher,  dass  beide  fast  unmittel- 
bar aufeinander  folgen,  dass  also  der  Jahreswechsel  am  1.  Nisan 
stattgefunden  hat. 

2)  Nach  I  Makk.  10,  1  erhob  sich.  Alexander  Balas  im  Jahr  160 
aer.  Sei.  zum  König.  Nach  Cop.  10,  21  legte  Jonathan  „im  sieben- 
ten Monat"  desselben  Jahres  160  aer.  Sei  beim  Laubhüttenfest,, 
also  am  15.  Tischri,  zum  erstenmale  das  hohepriesterliche  Gewand 
an.  Wenn  also  das  Jahr  am  1.  Tischri  begonnen  hätte,  so  bliebe 
für  alle  in  IM.  10,  1 — 21  erzählten  Ereignisse  nur  ein  Zeitraum 
von  14  Tagen,  was  unmöglich  ist.  Wollte  man  den  Jahresanfang 
im  I  Herbst  festhalten,  so  müsste  man  ihn  nach  dem  Laubliüttcn- 
fest  setzen,  so  dass  dieses  an  den  Schluss  des  alten  Jahres  fiele 
(wie  allerdings  in  An-  alten  (Hsri/<jr]iiii)i:  Fn,,/.  23,  16  voraus- 
gesetzt wird,  njlDn  rxxSj.  Alhin  nacli  (Irin  uhcii  über  die  Neu- 
jahrsfeier am  1.  Tischri  Bemerkten  kann,  wenn  überhaupt  der 
Jalir«  ,;uif;inL'  ;iiif  den  Herbst  zu  setzen  ist,  für  unsere  Periode  nur 
der   I.  TiM-liii   in   Krag««  kommcMi. 


*  Bßgalovq  npoayaytuv.  ühtoq  d'  avtip  xal  Tut^g  unäaaq  taq  el^  xh  Qtlov  xi(xaz 
^(fX^v  inl  fiivrot  yt  npäaei(;  xal  oivat  xal  r^v  &X.Xijv  ötolxtjaiv  rov 
itffiitov  x6aftov  öififivXttSe  (Text  nach  Nieec). 


[29.  30]  §  3.    Quellen.   A.  Die  beiden  Makkabäerbücher.  35 

3)  Als  im  J.  150  aer.  Sei.  (dieses  Jahr  ergiebt  sich  aus  /  M. 
6,  20  vgl.  7,  1)  Antiochus  V  Eupator  und  Lysias  mit  einem  grossen 
Heere  nach  Palästina  kamen,  musste  die  Besatzung  von  Bethzur 
sich  ihnen  ergeben,  und  kamen  die  auf  dem  Tempelberg  Belagerten 
in  grosse  Bedrängniss  {IM.  6,  48 — 54),  beides  deshalb,  weil  in- 
folge des  Sabbathjahres  die  Lebensmittel  ausgegangen  waren 
(/  31  6,  49.  53).  Das  Sabbathjahr  geht  von  Herbst  zu  Herbst  (s. 
die  oben  citirte  Stelle  Bosch  haschana  I,  1).  Mangel  an  Lebens- 
mitteln kann  aber  immer  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  Sabbath- 
jahres eintreten,  nachdem  der  Vorrath  des  vergangenen  Jahres  ver- 
braucht ist  und  im  Frühjahr  und  Sommer  keine  neue  Ernte  statt- 
gefunden hat.  Andererseits  war  zur  Zeit  jener  Ereignisse  das 
Sabbathjahr  noch  nicht  abgelaufen  (6,  49:  aaßßaxov  t'jv  rfj  y^j,  6,  53: 
dia  t6  tßdofiov  hog  slvai).  Sie  fallen  also  jedenfalls  in  die  Zeit 
zwischen  Frühjahr  und  1.  Tischri.  Nun  wissen  wir  aber,  dass  auch 
zur  Zeit  der  Belagerung  Jerusalems  durch  Herodes  und  Sosius 
ein  Sabbathjahr  stattfand  [Joseph.  Antt.  XIV,  16,  2,  vgl.  XV,  1,  2). 
Diese  Belagerung  fällt  aber  sicher  in  den  Soiumer  37  vor  Chr. 
(s.  unten  §  14).  Demnach  war  das  Jahr  38/37  v.  Chr.  ein  Sabbath- 
jahr. Rechnet  man  von  hier  zurück,  so  ergiebt  sich,  dass  auch 
das  Jahr  164/163  v.  Chr.  (von  Herbst  zu  Herbst)  ein  Sabbathjahr 
gewesen  ist.  Die  fraglichen  Ereignisse  müssen  demnach  in  den 
Sommer  163  v.  Chr.  fallen.  Das  Jahr  150  aer.  Sei.  ist  aber  = 
163/162  V.  Chr.  Würde  dies  vom  Herbst  an  gerechnet,  so  würde 
die  Rechnung  nicht  stimmen.  Sie  stimmt  nur,  wenn  das  Seleuciden- 
jahr  vom  Frühjahr  an  gerechnet  wird. 

Zur  Bestätigung  unserer  Ansetzung  der  Sabbathjahre  dient  auch  die,  frei- 
lich spätrabbinische  Notiz,  dass  es  n'^r'^attj  "'X^jin  war,  als  der  Tempel  durch  Titus 
zerstört  wurde  [Seder  Olam  ed.  Meyer  p.  91  sq.;  kritischer  Text  bei  Neubauer, 
Mediaeval  Jeu-ish  Chronieles  II,  1895,  p.  66,  und  Ratner,  Seder  Olam  rahba 
1897,  p.  147:  nn'^n  p'^s'^ac  "ix^n^i  rr^n  mir  •'xsn'a  tj^'n  ipix.  Ebenso  Arachiu 
11*,  Taanith  29«,  letztere  Stelle  bei  Derenbourg,  Hist.  de  la  Pal.  p.  291).  Unter 
niy'^nu:  ''SSio  ist  nämlich  nach  feststehendem  Sprachgebrauche  das  Jahr  nach 
dem  Sabbathjahr  zu  verstehen  (s.  Scfiebiith  \ ,  5-  VI,  4.  iSoto  VII,  8.  Maeh- 
sehirin  II,  11 ;  vgl.  mo  "'Xisia  =  der  Tag  nach  Sabbath,  wie  rnttJ  a-ir  =  der 
Tag  vor  Sabbath,  Chullin  I  fin.).  Hiernach  war  das  Jahr  68/69  n.  Chr.  ein 
Sabbathjahr.  Und  wenn  man  von  da  zurück  rechnet,  so  ergiebt  sich,  dass  auch 
die  Jahre  164/163  und  38/37  v.  Chr.  Sabbathjahre  waren. 

Nur  ein  geschichtliches  Datum  über  ein  Sabbathjahr  steht  scheinbar  im 
Widerspruch  |  mit  den  bisherigen  Ansätzen.  Nach  I  Makk.  16,  14  starb  Simon 
der  Makkabäer  im  Monat  Schebät  des  Jahres  177  aer.  Sei.  Da  der  Schebät 
etwa  unserem  Februar  entspricht,  so  ist  das  Datum,  mag  man  nun  das  Seleu- 
cidenjahr  vom  Frühjahr  oder  vom  Herbst  an  rechnen,  jedenfalls  =  Februar 
135  V.  Chr.  Nach  der  Erzählung  des  Josephus  hat  aber  Johannes  Hyrkan 
nach  der  Ermordung  Simon's  den  Mörder  desselben  in  der  Feste  Dagon  be- 
lagert und  ist  dann  nach  einiger  Zeit  zur  Aufhebung  der  Belagerung  genöthigt 

3* 


36  §  3.   Quellen.   A.  Die  beiden  Makkabäerbücher.  [30.  31] 

worden,  da  das  Sabbathjahr  eintrat,  in  welchem  die  Juden  zu  ruhen  pflegen 
{Bell.  Jtid.  I,  2,  4:  insoxrj  xo  ixQybv  ezog,  o  xaxa  hnxasriav  agyslxai  nagd 
'lovöaioig  o/ioiwg  xaZg  hßSofiäaiv  TjfieQaig.  Anü.  XIII,  8,  1 :  ivlaxaxai  xb  f'xoc 
ixeZvo  xa&'  o  avfxßaivet  xoTg  'loväaloig  apyav  xaxä  6s  enxa  ext}  xovxo  naga- 
TTiQOvotv  <og  iv  xaZg  sßdofidaiv  i^fxsQaig).  Hiernach  müsste  das  Jahr  135/184 
V.  Chr.  ein  Sabbathjahr  gewesen  sein,  während  nach  unseren  Voraussetzungen 
für  136/135  ein  solches  zu  erwarten  wäre.  Die  Notiz  des  Josephus  ist  aber 
auch  aus  einem  anderen  Grunde  verdächtig.  Die  Nothwendigkeit  der  Auf- 
hebung der  Belagerung  wird  damit  motivirt,  dass  für  das  siebente  Jahr  die 
Kühe  ebenso  geboten  sei  wie  für  den  siebenten  Tag.  Dies  war  in  der  That 
die  Meinung  der  heidnischen  Schriftsteller  {Tacitus  Hist.  V,  4:  dein  blandiente 
inertia  septiniuni  quoqtie  annum  ignaviae  datum).  Im  Pentateuch  ist  aber  für 
das  siebente  Jahr  keineswegs  Ruhe  im  allgemeinen  geboten,  sondern  nur  die 
Bestellung  der  Felder  untersagt  (s.  bes.  Lev.  25,  1 — 7).  Und  auch  die  spätere 
Rechtsentwickelung  ist  in  ihren  Forderungen  nicht  weiter  gegangen  (vgl.  Herz- 
te Id,  Gesch.  des  Volkes  Jisrael  II,  460;  Philo,  Hypotfietica  bei  Euseb.  Praep. 
erang.  VIII,  7,  15  p.  360:  ov  yuQ  avxol  xcüv  egycDV  d<peaxäaiv,  wansp 
raZg  eßööfiaig  ixsivaig  rj/iigaig,  dkXä  xtjv  yfjv  dgy^v  dfpiäaiv).  Es 
ist  also  höchst  wahrscheinlich,  dass  Josephus,  der  hier  jedenfalls  (wie  aus  an- 
dern Gründen  sicher  ist)  einer  heidnischen  Quelle  folgt,  deren  Auffassung  un- 
besehens  nachgeschrieben  hat;  und  dass  der  wahre  Grund  der  Aufhebung  der 
Belagerung  nicht  der  Eintritt  des  Sabbathjahres  war,  sondern  der  infolge  des 
laufenden  Sabbathjahres  eingetretene  Mangel  an  Lebensmitteln.  Dann  ist  ganz 
in  Uebereinstimmung  mit  den  übrigen  Daten  für  136/135  ein  Sabbatlijahr  an- 
zusetzen. —  Wieseler,  der  ebenfalls  das  Sabbathjahr  auf  136/135  v.  Chr.  an- 
setzt, setzt  deshalb  den  Tod  Simon's  schon  in  den  Schebät  (Februar)  136  vor  Chr. 
und  lässt,  da  dies  nach  unsern  Voraussetzungen  erst  der  Schebat  176  aer.  Sei. 
sein  würde,  das  Seleucidenjahr  des  ersten  Makkabäerbuches  nach  römischer 
Weise  bereits  im  Januar  beginnen,  eine  Absonderlichkeit,  die  nicht  ernsthaft 
in  Frage  kommen  kann. 

Gegen  den  hier  angenommenen  Cyclus  der  Sabbatlijahre  habe  icli  in  der 
ersten  Auflage  dieses  Buches  noch  geltend  gemacht,  dass  das  Jahr  40/41  n.  Chr. 
kein  Sabbathjahr  gewesen  sein  könne,  wie  nach  unserm  Cyclus  der  Fall  sein 
müsste.  Denn  die  Juden  unterliessen  in  den  letzten  Monaten  vor  Caligula's 
Tod,  etwa  November  40  n.  Chr.,  die  Bestellung  der  Saat,  nicht  weil  es 
Sabbathjahr  war,  sondern  weil  sie  wochenlang  in  grossen  Massen  mit  ihren 
Klagen  wegen  der  dem  Tempel  drohenden  Schändung  vor  Petronius  lagen 
(A7ill.  XVIII,  8,  3.  B.  ./.  II,  10,  5).  Darnach  scheint  es  allerdings,  als  ob  für 
diese«  Jahr  die  Bestellung  der  Felder  zu  erwarten  gewesen  wäre.  Man  wird 
aber  sagen  dürfen,  das«  dieses  indirecte  Argument,  gegenüber  welchem  doch 
noch  andere  Möglichkeiten  offen  bleiben,  nicht  stark  genug  ist,  um  die  über- 
lieferten positiven  Daten  in  Betreff  der  Sabbathjulire  umzustossen'*).  | 

Vgl.  filxrrliaupt  über  die  Berechnung  der  gescliiclitlich  bezeugten  Sabbath- 
jabrc  in  unMcrcr  Periode  (die  von  Manchen  um  jf  ein  .hilir  Hj)äter  als  von  uns 
angesetzt  werden);  Anf/er,  De  tcmporum  in  actis  (ipnsloInmiH  rnlione,  Lips.  1833, 
p.  38  (und  die  hier  citirten  älteren  Werke  von  öcaliger,  Potavius,  u.  A.).  — 


6)  WicNeler  (Stud.  u.  Krit.  1876,  8.  629  f.)  nimmt  an,  dass  die  Ereignisse 
in  den  Herbst  39  n.  Chr.  fallen.  Dann  würde  allerdings  jede  Schwierigkeit 
gehoben  sein.  Allein  nach  dorn  Znsamniciiliang  der  lOrzählung  müsMcn  die  Er- 
eignisse wenige  Monate  vor  Caligula's  Tod  fallen. 


[31.  32]  §  3.    Quellen.    A.  Die  beiden  Makkabäerbücher.  37 

Gumpach,  lieber  den  altjüdischen  Kalender,  Brüssel  1848.  —  Herzfeld, 
Geschichte  des  Volkes  Jisrael  IJ,  458  ft".  — Zuckermann,  Ueber  Sabbathjahr- 
cyklus  und  Jobelperiode  Breslau  1857  (hier  S.  2 — 3  auch  ältere  Literatur).  — 
Grätz,  Gesch.  der  Juden  Bd.  III  (3.  Aufl.  1878)  8.  630-639  (Note  7).  4.  Aufl. 
S.  652—655  (Note  8).  —  Wieseler,  Art.  „Aere"  in  Herzog's  Real-Enc.  1.  Aufl. 
I,  159  f.  Derselbe,  Stud.  und  Krit.  1875,  S.  527  flf".  —  Caspari,  Chronologisch- 
geographische  Einleitung  in  das  Leben  Jesu  Christi  1869,  S.  21 — 25.  Derselbe, 
Die  geschichtlichen  Sabbathjahre  (Stud.  und  Krit.  1877,  S.  181—190).  —  Rösch, 
Stud.  und  Krit.  1870,  S.  361  f.  und  1875,  S.  589  ft".  —  Sevin,  Chronologie  des 
Lebens  Jesu,  2.  Aufl.  1874,  S.  58  ff".  —  Riess,  Das  Geburtsjahr  Christi  (1880) 
S.  45  f.  229 — 236.  — Unger,  Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie,  philos.- 
philol.  und  histor.  Classe,  1895,  S.  268-281. 

Ausser  den  zuletzt  angeführten  Gründen  für  den  Anfang  des 
Seleucidenjahres  unseres  Buches  im  Frühjahr  ist  doch  auch  die 
Thatsache  von  Gewicht,  dass  es  die  Monate  vom  Frühjahr  an 
zählt.  Wenn  es  auch  nicht  unmöglich  wäre,  dass  trotzdem  seine 
Jahres-Aera  im  Herbst  begänne,  so  würde  diese  Annahme  doch  nament- 
lich bei  denjenigen  Stellen  grosse  Schwierigkeiten  haben,  an  welchen 
der  Name  des  Monats  nicht  genannt  ist,  sondern  nur  die  Zahl  des 
Monats  und  das  Jahr  („im  ersten  Monat  im  Jahr  152"  etc.,  s.  9,  3. 
9,  54.  10,  21.  13,  51).  Diese  Ausdrucksweise  wäre  sehr  seltsam, 
wenn  damit  nicht  wirklich  der  so  und  so  vielte  Monat  des  be- 
treffenden Jahres  gemeint  wäre. 

Wir  nehmen  also  mit  der  grossen  Mehrzahl  der  Kritiker  an, 
dass  die  Seleuciden-Aera  des  ersten  Makkabäerbuches 
nicht  im  Herbst,  sondern  im  Frühjahr  beginnt.  So  auf- 
fallend es  scheinen  könnte,  dass  man  in  Palästina  eine  Seleuciden- 
Aera  gehabt  hat,  die  um  ein  halbes  Jahr  von  der  im  übrigen 
Syrien  geltenden  differirte,  so  wenig  auffallend  ist  dies  in  der  That 
für  den,  der  die  Verhältnisse  kennt.  Fast  jede  grössere  Stadt  in 
der  Nachbarschaft  Palästina's  hat  in  der  griechisch-römischen  Zeit 
ihre  eigene  Aera,  ja  ihren  eigenen  Kalender  gehabt  (s.  §  23).  Es 
ist  also  ganz  begreiflich,  dass  die  Juden  bei  Annahme  der  Reichs- 
Aera  dieselbe  nach  ihrem  Kalender  modificirten.  Ja  von  der 
Stadt  Damaskus  ist  uns  genau  dieselbe  Aera  bezeugt. 
Auch  in  Damaskus  und  in  der  römischen  Provinz  Arabien  begann 
man  die  Jahre  im  Frühjahr  (s.  Ideler,  Handbuch  der  Chronologie  I, 
413,  437).  Die  Münzen  von  Damaskus  sind  aber  nach  der  Seleu- 
ciden-Aera datirt  (s.  die  Literatur  Bd.  II,  S.  119).  Wenn  demnach 
auf  einer  in  neuerer  Zeit  gefundenen  Inschrift  eine  specifisch  damas- 
cenische  Aera  erwähnt  wird,  so  kann  damit  nichts  anderes  ge- 
meint sein,  als  die  |  seleucidische,  aber  mit  dem  Anfang  im  Frühjahr, 
ganz  wie  in  unserem  Buche*'). 

6)  Eerue  archeologique ,   troisieme  Serie  t.  IV,    1884,  p.  267:   xara  Ja/xa- 


38  §  3.  Quellen.   A.  Die  beiden  Makkabäerbücher.  [32] 

Mit  allem  Bisherigen  ist  die  Frage  noch  nicht  erledigt,  ob  die 
Aera  unseres  Buches  ein  halbes  Jahr  vor  oder  nach  der  gewöhn- 
lichen beginnt,  also  Frühjahr  312  oder  311.  Ersteres  ist  die  ge- 
wöhnliche Annahme;  für  letzteres  ist  der  französische  Gelehrte 
Gibert  und  in  neuerer  Zeit  Unger  eingetreten.  An  sich  ist  das 
eine  ebensogut  möglich  wie  das  andere.  Aber  die  Gründe,  welche 
fiir  den  späteren  Ansatz  zu  sprechen  scheinen,  beruhen  meist  auf 
unsicheren  Voraussetzungen  ^).  Eine  festere  Basis  bietet  die  Chrono- 
logie der  Sabbathjahre.  Wenn  das  Jahr  150  Sei  =  162/161  v.Chr. 
wäre  (wie  Gibert  und  Unger  annehmen),  dann  müssten  nach  dem 
oben  Bemerkten  auch  die  Sabbathjahre  um  je  ein  Jahr  später 
angesetzt  werden;  es  müsste  z.  B.  nicht  38  37  v.  Chr.  ein  Sabbath- 
jahr  gewesen  sein,  sondern  37/36  v.  Chr.  Dieser  Ansatz  würde  aber 
der  sicheren  Chronologie  der  Belagerung  und  Eroberung  Jerusa- 
lems durch  Herodes  widersprechen,  wonach  im  Sommer  37  ein 
Sabbathjahr  lief^). 


axov  erovg  &7ix'  [689].  Hierzu  die  Erläuterungen  von  Clermout-Ganneau, 
S.  267—269;  wieder  abgedruckt  in  dessen  Recueil  (Varcheologie  Orientale  I,  188S, 
p.  8  sqq. 

7)  Eines  der  bestechendsten  Argumente  bei  Unger  (Sitzungsberichte 
8.  247  f.)  stützt  sich  auf  die  Chronologie  der  ägyptischen  Feldzüge  des  Anti- 
ochus  Epiphaues.  Das  I.  Makkabäerbuch  erwähnt  eine  Rückkehr  des  Antiochus 
aus  Aegypten  im  J.  143  aer.  Sei.  (I.  Makk.  1,20).  Dies  wäre  nach  der  gewöhn- 
lichen Annahme  170/169  v.  Chr.,  von  Frühjalir  zu  Frühjahr.  Antiocliu.«  war 
aber  im  Sommer  169  noch  in  Aegypten.  Also,  so  schliesst  Unger,  ist  143  Sei. 
=  169/l(i8  V.  Chr.  Allein  der  Feldzug  vom  J.  1G9  ist  wahrsclicinlich  ein  an- 
derer als  der  vom  J.  170  (Wilcken  in  Pauly-Wisaowa's  Heal-Enc.  I,  2473); 
jedenfalls  ist  die  Chronologie  dieser  Feldzüge  sehr  unsicher.  Das  Gleiche  gilt 
von  den  Olyrapiadenjahren  des  Porphyrius.  die  viel  zu  schlecht  überliefert  sind, 
als  dass  sie  eine   sichere  Basis  für  eine  solche  Untersxichung  bieten   könnten. 

8)  Unger  (S.  277)  beruft  sich  für  den  Ansatz  des  Sabbatlijalires  auf  37/3tJ 
V.  Chr.  auf  Jos.  Antt.  XV,  1,  2,  wo  es  von  der  Zeit  unmittelbar  nacli  der  Ein- 
nahme Jerusalems  durch  Herodes  heiest:  nf:Qa(i  xe  xuxiLv  ovdev  ijV  xa  filv 
yuQ  Tj  nXfovf^ltt  rov  XQarovvxn^  ir  XQ^^ff  ycytvtjfitvov  Stttpogei,  xtjv  de  ;utw(>«v 
ßhttv  dyewpyijxov  xb  ißöofiaxtxov  rjvdyxa^ev  txoi'  ivsaxyxei  yug  xöxi' 
xal  anilQfiv  iv  ixflvu)  xijv  yfjv  dnrjyofevfxivov  i'axlv  rjfjilv.  Daraus  gehe  her- 
vor, dusH  das  Sabbathjahr  erst  im  Herbst  37,  nicht  38  begonnen  habe.  Aber 
Unger  itelbiit  Qberaetzt  (wenn  iclj  ihn  recht  verstehe)  iveax^xei  oder  ivsiaxt'jxti 
richtig:  „es  war  im  (Jang  befindlicii".  Also  hat  es  nicht  erst  im  Herbst  37  be- 
gonnen, sondern  war  zur  Zeit  der  Eroberung  .lerusalems  (Sommer  37,  s.  unten 
g  14  K.  fin.)  «clion  „im  Oang  bcliiKilich".  Nacli  der  anderen  .losepliiiH-Stelle 
{Antt.  XIV,  16,  2)  kann  darüber  olmchitj  kein  Zweifel  sein.  Unger  erkennt  dies 
auch  als  Meinung  des  .losepluiH  an;  aber  .lose])lius  liabe  irrig  das  Sal)batl)jaiir 
von  Frfll^ahr  zu  Frühjalir  gerceimet  (H.  271)  und  ül)erl'ülire  sich  durcli  die 
Notiz  Antt.  XV,  1,  2  Molbst  de»  Irrtlmmsl  Also  ein  PaliistincnHer,  der  selbst 
eine  Anzahl  Hatibatlijahre  mit  erlobt  hat,  soll  nicht  gewusst  liid)en,  diiss  dic- 
»•Hben  von  Herbit  zu  Herbst  liefen!! 


[82.  33]  §  3.   Quellen.   A.  Die  beiden  Makkabäerbücher.  39 

Noch  streitiger  als  die  Aera  des  ersten  Makkabäerbuches  ist 
die  im  zweiten  Makkabäerbuch  vorausgesetzte.  An  die 
Feststellung  derselben  knüpft  sich  auch  ein  apologetisches  Inter- 
esse, da  einige  Daten  des  zweiten  Buches  nur  dann  mit  solchen 
des  ersten  vereinbar  sind,  wenn  beide  die  Jahre  nach  verschie- 
denen Aeren  berechnen;  und  zwar  scheint  die  des  zweiten  einen 
späteren  Anfangspunkt  zu  haben  als  die  des  ersten;  um  wie  viel, 
darüber  gehen  die  Ansichten  auch  wieder  auseinander.  Man  nimmt 
bald  ein  halbes,  bald  ein  ganzes,  bald  anderthalb  Jahre  Differenz 
an  (letzteres  Ideler,  der  die  Epoche  des  ersten  vom  Frühjahr  312, 
die  des  zweiten  vom  Herbst  311  datirt).  Die  Daten,  auf  welche 
man  sich  stützt,  sind  freilich  sehr  spärlich,  nämlich  nur  folgende 
zwei:  1)  Der  Tod  des  Antiochus  Epiphanes  wird  I  Makk.  6,  16  in 
das  Jahr  149  aer.  Sei.  verlegt,  dagegen  nach  II  Makk.  11,  33  muss 
er  spätestens  148  aer.  Sei.  fallen,  da  liier  ein  Schreiben  seines  Nach- 
folgers Eupator  bereits  von  diesem  Jahre  datirt  wird.  2)  Der  zweite 
Feldzug  des  Lysias  fällt  nach  I  Makk.  6,  2U  ff.  in  das  Jahr  150 
aer.  Sei.,  dagegen  nach  II  Makk.  13,  1  in  das  Jahr  149  aer.  Sei. 
(vgl.  Wiese  1er  in  Herzogs  Real-Enc.  1.  Aufl.  Art.  „Aere"  I,  159). 
Allein  in  Betreff"  des  ersten  Datums  verhält  sich  die  Sache  anders 
als  es  zunächst  scheint.  Es  handelt  sich  ja  II  Makk.  11,  33  nicht 
um  das  Datum  des  Todes  des  Antiochus  P^piphanes,  sondern  in 
Wahrheit  um  das  Datum  des  ersten  Feldzuges  des  Lysias.  Wenn 
dieser  II  Makk.  11,  33  in  das  Jahr  148  aer.  Sei.  verlegt  wird,  so 
ist  dies  ganz  übereinstimmend  mit  I  Makk.  4,  2S.  52.  coli.  3,  37. 
Die  Differenz  besteht  also  nicht  in  verschiedener  Zeitrechnung, 
sondern  darin,  dass  |  das  zweite  Makkabäerbuch  den  ersten  Feld- 
ziig  des  Lysias  (welchen  beide  übereinstimmend  in  das  Jahr  148 
aer.  Sei.  verlegen)  irrthümlich  erst  nach  dem  Tode  des  Antiochus 
Epiphanes  stattfinden  lässt  (vgl  Grimm  zu  II  Makk.  13,  1).  — 
Eine  wirkliche  Verschiedenheit  des  Datums  findet  demnach  nur  in 
einem  einzigen  Falle  statt,  nämlich  I  Makk.  6,  20  ff.  =  II  Makk. 
13,  1.  Mit  Recht  aber  bemerkt  Grimm  (zu  11  M.  13,  1,  mit  Zu- 
rücknahme seiner  eigenen  früheren  Ansicht),  dass  man  „dem  so 
vieler  historischer  und  chronologischer  Verstösse  überwiesenen  Ver- 
fasser des  zweiten  Buches  gewiss  zu  viel  Ehre  anthut,  wenn  man 
die  chronologische  Differenz  zwischen  ihm  und  dem  ersten  Makka- 
bäerbuch durch  gi'ossen  Aufwand  von  Combination  entweder  aus- 
zugleichen oder  durch  Annahme  eines  verschiedenen  Anfangs  der 
seleucidischen  Aera  zu  erklären  sucht".  —  Es  liegt  somit  kein 
zureichender  Grund  vor,  für  das  zweite  Makkabäerbuch  eine  be- 
sondere Aera  zu  statuiren.  Und  man  hat  die  Wahl,  ob  man  seine 
Aera  für   die  durch   das  erste  Makkabäerbuch   bezeugte   palästi- 


40  §  3.    Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [33.  34] 

nensische  Seleiiciden-Aera  oder  für  die  im  übrigen  Syrien  geltende 
Seleuciden-Aera  halten  will.  Unger  nimmt  auch  für  die  Aera  des 
zweiten  Makkabäerbuches  das  Frühjahr  311  als  Ausgangspunkt  an. 

Vgl.  über  die  Acren  der  beiden  Makkabäerbücher:  Froeliek,  Annales 
eompendiarii  regum  et  rerum  Syriae  [ed.  2,  1750)  Proleg.  p.  22  sqq.  —  Werns- 
dorff,  De  fide  historiea  librorum  Maceabaicorum,  1747,  p.  18 — 31  (bekämpft 
die  bereits  von  Scaliger,  Petavius,  Usher,  Prideaux,  Foy-Vaillant,  des-Vignoles, 
Frölicb  und  Anderen  aufgestellte  Ansicht,  dass  die  Aera  des  1.  Makkabäer- 
buches im  Frühjahr  beginne).  —  Oibert,  Memoire  sur  la  Chronologie  de 
Vhistoire  des  Machabees  {Memo-ires  de  rAacademie  des  Itiscriptions  et  Belles- 
Leitres,  alte  Serie  t.  XXVI,  17.59,  p.  112—156).  —  Clinton,  Fasti  Helleniei, 
III,  375—382.  —  Ideler,  Handbuch  der  Chronologie  I,  531—534.  —  Wieseler, 
Die  70  Wochen  und  die  63  Jahrwochen  des  Propheten  Daniel  (1839)  S.  110  ft". 
Derselbe,  Chronologische  Synopse  (1843)  S.  451  ft'.  Derselbe,  Art.  ,,Aere" 
in  Herzog's  Eeal-Enc.  1.  Aufl.  I,  159  f.  Derselbe,  Theol.  Stud.  und  Krit. 
1875,  S.  520—532;  ebendas.  1877,  S.  510  f.  —  Grimm,  Exegetisches  Handbuch 
zu  den  Apokryphen  III,  11  f.  IV,  186  f.  —  Wellhausen,  Israelitische  und 
jüdische  Geschichte,  1894,  S.  208,  2.  Aufl.  S.  243,  4.  Aufl.  S.  258 f.  (wie  Werns- 
dorfl").  —  Unger,  Die  Seleukidenära  der  Makkabäerbücher  (Sitzungsberichte 
der  Münchener  Akademie,  philos.-philol.  und  histor.  Classe,  189.5,  S.  236— 316). 

B.  Nicht-erhaltene  Quellen. 

Die  folgende  Uebersicht  umfasst:  1)  alle,  uns  nur  durch  Citate 
oder  Fragmente  bekannten  Specialwerke  zur  jüdischen  Ge- 
schichte in  unserer  Periode,  gleichviel  ob  sie  von  Josephus  be- 
nützt sind  oder  nicht,  2)  von  den  verloren  gegangenen,  allgemei- 
neren Geschichtswerken  nur  diejenigen,  auf  welche  nachweislich, 
direct  oder  indirect,  die  Darstellung  des  Josephus  zurückgeht. 
Unter  eine  dieser  beiden  Kategorien  gehören  alle  im  Folgend<Mi 
aufgezählten  Werke. 

1.  Jason  von  Cyrene. 

Er  schrieb  ein  Werk  in  fünf  Büchern  über  die  Geschichte  der 
makkabäischen  Erhebung  von  deren  Beginn  bis  zum  Siege  des 
Judas  I  über  Nikanor  (161  v.  ('hr.),  welches  in  unserem  soge- 
genannten zweiten  Makkabäerbuche  in  ein  Buch  zusammengezogen 
ist  (//  Makk.  2,  2Ii:  ra  vno  'laOcovoQ  rov  KvQtjpaiov  öeöijXofiiva 
6ia  Jtivte  jiißXlcov  jrtutaöofnOa  6i  trug  owrayfiaTog  ijTiTfi(ilr). 
Vemiuthlich  lebte  er  nicht  lange  nach  den  erzählten  Ereignissen, 
etwa  um  die  Mitte  des  zweiten  .lahrhunderts  v.  Ohr.  (vgl.  M.  111, 
8.  359—364). 

2.  Die  Geschichte  des  Jolianncs  ilyrkiuius. 

Dem  Verfasser  des  ersten  Makkabäerbuches  war  eine  Ge- 
schichte des  Johannes  Hyrkanus  bekannt  (/  Makk.  16,  24:  ßißXlou 


[34,  35]  §  3.   Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  41 

TinEQmv  aQXiEQcoovvifi  avTou),  welche  wohl  in  ähnlichem  Stile  wie 
das  erste  Makkabäerbuch  seine  langjährige  und  verdienstvolle  Re- 
gierung beschrieb.  Sie  scheint  früh  verloren  gegangen  zu  sein;  denn 
schon  Josephus  hat  sie  offenbar  nicht  mehr  gekannt.  Vgl.  Bd.  III, 
S.  146  f. 

3.  Posidonius  aus  Apamea. 

Der  berühmte  stoische  Philosoph  und  Historiker  Posidonius 
stammte  aus  Apamea  in  Syrien,  lebte  aber  hauptsächlich  in  Rhodus, 
wo  er  eine  stoische  Schule  leitete  (daher  .auch  o  ^Pböioq  genannt). 
Da  er  noch  ein  Schüler  des  Panätius  war,  welcher  spätestens  um 
110  V.  Chr.  gestorben  ist,  so  kann  er  nicht  später  als  um   130  v. 
Chr.  geboren  sein.  Im  siebenten  Consulate  des  Marius,  86  v.  Chr., 
kam  er  als  Gesandter  nach  Rom  und   sah  dort  noch  den  Marius, 
kurz  vor  dessen  Tode  {Plutarch.  Marius  c.  45).     Unmittelbar  nach 
Sulla's   Tod,    78   v.   Chr.,    hörte  ihn  Cicero   in  Rhodus  {Plutarch. 
Oicero  c.  4).     Pompejus  besuchte   ihn   wiederholt   daselbst.     Unter 
dem  Consulate   des    Marcus  Marcellus,   51    v.   Chr.,  soll  er  noch 
einmal  nach  Rom  gekommen  sein  (Suidas  Lex.,  s.  v.  Ilootiömviog). 
Seine  Blüthezeit  fällt  also  um  90 — 60  v.  Chr.    Nach  Lucian.  Macroh. 
c.  20  erreichte   er  das  hohe  Alter  von  84  Jahren.  —  Von  seinen 
zahlreichen    Schriften    interessirt    uns   hier  sein    historisches 
Hauptwerk,   die  häufig  von  Athenäus,  Strabo,  Plutarch  und  An- 
deren  citirten   lazogiat.     Nach  den  Citaten  bei  Athenäus  hat  es 
mindestens  neunundvierzig  Bücher  umfasst.  Es  ist  daher  nicht  zu 
bezweifeln,   dass   Suidas  (Lex.  s.  v.  IIoösiöcovioc)   dieses  Werk   im 
Auge  hat,  wenn  er  irrthümlich  von  dem  Alexandriner  Posidonius 
bemerkt:   tygatpev  ^laxoQiav  t?jv  fieza   üoXvßiov  iv  ßißlioiq  v^. 
Auch  die   erhaltenen  Fragmente  machen   es  wahrscheinlich,   dass 
das  Werk  da  einsetzte,  wo  Polybius  aufhörte  (143  v.  Chr.).    Wie 
weit  es  die  Geschichte  fortführte,  ist  ungewiss.    Nach  Suidas  l.  c. 
ging  es  t(oq  rov  jtoXe'fiov  tov  KvQr/pa'ixov  xal  ÜToZef/aiov.  Müller 
{Fragm.  hist  graec.  III,   250)    glaubt,    dass   dafür   zu   lesen  sei  toc 
rov  nroXsfiaiov  rov  KvQi]vatxov,  nämlich  bis  auf  Ptolemäus  Apion 
von  Cyrene,  welcher  96  v.  Chr.  starb.    Hiermit  1  würde  annähernd 
stimmen,   dass  die  Fragmente  aus  dem  47.  und  49.  Buch  sich  auf 
die  Zeit  um  100—90  v.  Chr.  beziehen.    Allein  nach  einem  grossen 
Fragment  bei  Athenäus  {Müller  fr.  41)  steht  fest,  dass  Posidonius 
auch  die  Geschichte  des  atheniensischen  Demagogen  Athenio  oder 
Aristion  (87 — 86  v.  Chr.)  ausführlich   erzählt  hat.    Ja  nach  einer 
Notiz   bei  Strabo    {Müller  fr.  89  =  Straho  XI,    1,6   p.  492)   hat   er 
auch  die  Geschichte  des  Pompejus  behandelt   (t^j;  iorogiav  ovvt- 
ygaipB  r/jv  jisqI  avrov).    Müller  nimmt  daher  an,  dass  Posidonius 


42  §  3.    Quellen.    B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [35] 

die  Zeit  nach  96  in  einem  „zweiten  Theile"  oder  einer  Fortsetzung 
des  Hauptwerkes  behandelt  habe  {Müller,  Fragm.  hist.  graec.  III,  251). 
Diese  künstliche  Hypothese  hat  aber  an  den  Worten  des  Suidas 
keine  hinreichende  Stütze.  Die  52  Bücher  können  die  Zeit  von 
87—86  V.  Chr.  recht  wohl  noch  umfasst  haben;  und  das  Werk 
wird  eben  bis  in  diese  Zeit  gegangen  sein  (nach  Scheppig,  De  Posi- 
donio  p.  27 — 31,  bis  zum  J.  86  v.  Chr.;  diesen  Endpunkt  hat  Unger, 
Philologus  LV,  1S96,  recht  wahrscheinlich  gemacht  auf  Grund  der 
Angabe  des  Suidas  scag  rov  jtoXefiov  rov  KvQrjvaXxov,  indem  er 
darunter  die  von  Josephus  Antt.  XIV,  7,  2  erwähnten  Kämpfe  des 
LucuUus  in  Cyrene  versteht,  welche  in  das  Jahr  86  fielen.  Andere 
nehmen  SuUa's  Dictatur,  82  v.  Chr.,  als  Endpunkt  an,  so  Arnold, 
Jahrbb.  für  class.  Philologie  13.  Supplbd.  S.  149,  Susemihl  II,  140, 
Wachsmuth  S.  651).  Jedenfalls  kann  es  nicht  viel  weiter  gereicht 
haben,  wenn  bereits  im  47.  und  49.  Buch  die  Zeit  um  100 — 90  be- 
handelt war  (also  sicher  nicht  bis  zum  J.  67  v.  Chr.,  wie  Toepel- 
nmnn,  De  Posidonio  p.  24 — 32  annimmt).  Die  Greschichte  des  Pom- 
pejus  wird  daher  ein  besonderes  Werk  gebildet  haben,  wenn  die 
betreffende  Notiz  überhaupt  Glauben  verdient  (Wachsmuth  S.  651 
Anm.  4:  Die  Worte  Strabo's  tragen  deutlich  den  Charakter  eines 
Zusatzes,  wie  sie  öfters  ein  arger  Halbwisser  zum  strabonischen 
Text  gemacht  hat). 

Das  grosse  Werk  des  Posidonius  stand  bei  den  späteren  Histo- 
rikern in  hohem  Ansehen  und  scheint  von  ihnen,  ähnlich  wie  Poly- 
bius,  als  Haupüjuelle  für  die  darin  behandelte  Zeit  benützt  worden 
zu  Sein.  Sicher  ist,  dass  Diodor  aus  ihm  geschöpft  hat  (vgl.  z.  B. 
Müller,  fr.  15  ^  Diodor.  XXXIV,  2,  34,  überh.  Müller,  Fragm.  hist. 
graec.  t.  II  p.  XX,  t.  III  p.  251,  Susemihl  II,  142  f.).  Aber  auch  Trogus 
Pompejus  geht  auf  ihn  zurück  (s.  Heeren,  De  Trogi  Pompeji  fontibus  et 
auctoritate,  in:  Commentationes  Societ.  scient.  Gotting.  t.  XV',  1804,  chssis 
hist.  et  phil.  p.  185—245,  bes.  p.  233—241;  und  überliaupt  die  bei 
Teuflei,  Gesch.  der  röm.  Lit.  §  258,  4  erwähnte  Literatur);  und  so 
vermuthlich  die  Meisten,  welche  diese  Zeit  behandelt  haben.  Es 
ist  daher  sehr  wahrsch»M*nlich,  dass  auch  di(^  betreffenden  Ab- 
schnitte bei  Josephus,  zwar  nicht  direct  aber  indirect  (durch 
\'erniittelung  des  Strabo  und  Nicolaus  Damascenus),  wesentlich  auf 
Posidoniu«  beruhen. 

JoHephiiH  liiit  für  rlio  frugliche  Zeit  in  erster  Linie  den  Strnho  und 
N  icolauH  DamuBcunuH  hcnützt  (s.  dicBC).  DasB  Stmbo  in  seinem  GeHchiclits- 
werk  Mich  un  I'osidoniuM  angeHcliloHHCD  liiit,  (hirf  als  HcIhHtvcrstiindlich  gölten, 
da  er  ihn  in  Moincr  Geognipliie  hilufig  und  mit  groHwcr  Achtung  citirt  (s.  bes. 
II,  p.  \()2,  XVI,  p.  7'/}).  Auch  bei  NicohiUH  DanuiHccriUH  finden  hIcIi  deutliche 
Spuren  «ln«r  Bcnütxting  de«  PoHidonius  {Müller,  Fraf/rn.  /ii,it,  graec.  III,  415 
fr.  79).  —  .Josei)luii«  erwähnt  den  PoHidoniuM  nur  einmal  (contra  Apion.  II,  7). 


[35.  36]  §  3    Quellen.   B.  Mcht-erhaltene  Quellen.  43 

Starke  sachliche  Berührungen  finden  sich  aber  zwischen  seiner  Darstellung 
uud  der  des  Diodorus  und  Trogus  |  Pompejus  (=  Justinus).  Vgl.  z.  B.  Jos. 
Antt.  XIII,  8,  2—3  =  Diodor.  XXXIV,  1  (Eroberung  Jerusalems  durch  An- 
tiochus  Sidetes);  Jos.  Antt.  XIII,  5,  11  =  Justin.  XXXVI,  1,  3  (Partherkrieg 
des  Demetrius  II).  Wenn  also  jene  beiden  auf  Posidonius  zurückgehen,  dann 
auch  Josephus.  Näheres  s.  bei  Nussbaum,  Observationes  in  Flavii  Josephi 
Antiquitates  Hb.  KU,  3  —  XIII,  14  (1875)  p.  28—43  (hierzu:  Theolog.  Literatur- 
zeitung 1876,  333).  Vgl.  auch:  Destinon.  Die  Quellen  des  Fl.  Josephus  (1882) 
S.  52.  J.  G.  Müller,  Theol.  Stud.  und  Krit.  1843,  S.  893  ff.  und  dessen  Com- 
mentar  zu  Josephus'  Schrift  gegen  Apion  (1877)  S.  214  ff.  258  f.  Adolf  Kuhn, 
Beiträge  zur  Gesch.  der  Seleukiden  (Altkirch  in  E.  Progr.  1891)  S.  6  f. 

Die  historischen  und  geographischen  Fragmente  des  Posidonius  sind  ge- 
sammelt bei  C.  Müller,  Fragmenla  historiconirn  Graecorum  III,  245 — 296.  — 
Vgl.  überhaupt:   Fabricius,  Biblioth.  graec.  ed.  Hartes  III,  572 — 574.  IV,  34. 

—  Bake,  Posidonii  Rhodii  reliquiae  doctrinae,  Ludg.  Bat.  1810.  —  Clinton, 
Fasti  Hellenici  t.lll,  ad  ann.  143,  86,  78,  62,  60,  51.  —  Forbiger,  Handbuch 
^er  alten  Geographie  I  (1842)  S.  357— 363.  —  Westermann  in  Pauly's  ßeal- 
Enc.  V,  1928  ff.  —  Toepelmann,  De  Posidonio  Rhodio  rerum  scriptore,  Bonnae 
1867.  —  Seheppiff,  De  Posidonio  Apamensi  rerum  gentium  terrarurn  scriptore, 
Halts  Sax.  1869.  —  Nicolai,  Griechische  Literaturgesch.  II,  182  f.  242  f.  — 
Blass,  De  Oemino  et  Posidonio,  Kiel  1883.  —  Arnold,  Untersuchungen  über 
Theophanes  von  Mytilene  und  Posidonius  von  Apamea,  in:  Jahrbb.  für  class. 
Philologie,  13.  Supplementbd.  1884,  S.  75 — 150  (sucht  hauptsächlich  nachzu- 
weisen, dass  Appian  in  seinen  Mithridatica  jene  beiden  benützt  hat).  — 
Schuh  lein,  Studien  zu  Posidonius  Rhodius,  Freising  1886  (sorgfältige  Fest- 
stellung des  biographischen  Details).  —  Zimmermann,  Posidonius  und  Strabo. 
in:  Hermes  Bd.  XXIII,  1888,  S.  103-130  (über  die  Benützung  des  Posidonius 
in  der  Geographie  des  Strabo).  —  Ad.  Bauer,  Posidonius  und  Plutarch  über 
die  römischen  Eigennamen  (Philologus  Bd.  XLVII,  1889,  S.  242—273).  — 
Diels,  Sibyllinische  Blätter,  1890,  S.  21—23  (über  den  superstitiösen  Charakter). 

—  Schühlein,  Zu  Posidonius  Rhodius,  Freising,  Progr.  1891  (Prüfung  der 
Ueberlieferung  bei  Suidas).  —  Susemihl,  Geschichte  der  griech.  Literatur 
in  der  Alexandrinerzeit  Bd.  II,  1892,  S.  128—147,  687,  70S  ff.  —  Wachsrauth, 
Einleitung  in  das  Studium  der  alten  Geschichte,  1895,  S.  648—654  (gute 
Charakteristik  von  Posidonius'  Geschichtswerk).  —  Unger,  Umfang  und  An- 
ordnung der  Geschichte  des  Poseidonios  (Philologus  Bd.  LV,  1896,  S.  73 — 122, 
245—256).  —  Ueber  Posidonius  als  Philosophen  s.  Schmekel,  Die  Philosophie 
der  mittleren  Stoa  (1892)  S.  9—14,  85—154,  238—290,  und  die  allgemeineren 
Werke  über  die  Geschichte  der  Philosophie  von  Zeller  (Philosophie  der 
Griechen,  III.  Tbl.  1.  Abthlg  3.  Aufl.  1880,  S.  572-584)  und  Anderen;  auch: 
Wendland,  Posidonius' Werk  negl  Q^twv  (Archiv  f.  Gesch.  der  Philos.  Bd  I, 
1888,  S.  200 — 210).  —  Von  der  Literatur  über  die  naturwissenschaftlichen 
Leistungen  des  Posidonius  sehe  ich  hier  ab. 

4.  Timagenes  aus  Alexandria. 

Timagenes,  von  Geburt  vielleicht  ein  Syrer,  wurde  von  Gabinius 
bei  dessen  ägyptischem  Feldzug  (55  v.  Chr.)  in  Alexandi'ia  gefangen 
genommen  und  nach  Rom  gebracht,  wo  er  fortan  lebte  (Suidas,  Lex. 
s.  V,   Tifiaysvric).     Er  war  berüchtigt  durch  seine  lose  Zunge,  um 


44  §  3.   Quellen.  B.  Nicht- erhaltene  Quellen.  [36.  37] 

derentwillen  ihm  Augustus  das  Haus  verbot.  Trotzdem  war  er  all- 
gemein geachtet  und  genoss  namentlich  den  vertrauten  Umgang  des 
Asinius  PoUio  {Seneca,  de  ira  III,  23:  Timagenes  in  contubemio 
Pollionis  Asinii  consenuit,  ac  tota  dvitate  dilectus  est:  nulluni  Uli 
Urnen  praeclusa  Caesaris  domus  ahstulit).  —  Seine  zahlreichen  Werke 
[Suidas:  ßißXia  ö'eyQatpe  jioXXa)  waren  wegen  ihrer  Grelehrsamkeit 
und  ihrer  eleganten  rhetorischen  Form  geschätzt  {Ammian.  MarcelUn. 
XV,  9:  Timagenes  et  diligentia  Graecus  et  lingua).  Ja  Quintilian 
(X,  1,  75)  nennt  ihn  unter  den  berühmtesten  Historikern.  Die 
wenigen  erhaltenen  Fragmente  gestatten  kein  bestimmtes  Urtheil 
über  Inhalt  und  Anlage  seiner  Werke.  —  Die  Citate  bei  Josephus 
beziehen  sich  auf  die  Geschichte  des  Antiochus  Epiphanes  {contra  \ 
Ajpion.  II,  7),  des  jüdischen  Königs  Aristobulus  I  {Antt.  XIII,  11,  3) 
und  des  Alexander  Jannäus  {Antt.  XIII,  12,  5).  Offenbar  hat  aber 
Josephus  den  Timagenes  nicht  selbst  benützt,  sondern  die  Citate 
aus  anderen  Historikern  entnommen  {Antt.  XIII,  11,  3:  fiaQzvQst 
xovTO  xal  SxQaßwv  sx  zov  Tcjiayevovg  ovofiarog  liycov  ovtcoq. 
Auch  das  Citat  Antt.  XIII,  12,  5  stammt  wohl  aus  Strabo,  welcher 
unmittelbar  darauf  Antt.  XIII,  12,  6  citirt  wird). 

Die  Fragmente  des  Timagenes  sind  gesammelt  bei  Müller,  Fragmenta 
liistoricorum  f/raecorum  III,  317 — 323.  —  Vgl.  auch  Clinton,  Fasti  Helleniet 
t.  III,  ed.  2.  p.  573  sq.  —  Westermann  in  Pauly's  Eeal-Enc.  VI,  2,  1971, 
und  die  daselbst  erwähnte  Literatur.  —  Nicolai,  Griech.  Literaturgesch.  II, 
188.  —  Gutschmid,  Trogus  und  Timagenes,  in:  Rhein.  Museum  Bd. XXXVII, 
1882,  8.  548— öSf),  wieder  abgedruckt  in:  Gutschmid,  Kleine  Schriften  V,  218—227 
(sucht  zu  zeigen,  dass  Trogus  Pompejus  „nur  eine  lateinische  Bearbeitung 
eines  griechischen  Originalwerkes"  sei  und  nimmt  an,  dass  letzteres  das  des 
Timagenes  war).  —  Wachsmuth,  Timagenes  und  Trogus  (Rhein.  Museum 
Bd.  XLVI,  1891,  S.  465—479).  Ders.,  Einleitung  in  das  Studium  der  alten 
Gesch.  S.  114  f.  (gegen  Gutschmid).  —  Susemihl,  Gesch.  der  griech.  Literatur 
in  der  Alexandrinerzeit  II,  377—381.  —  Hirschfeld,  Timagenes  und  die 
gallische  Wandersage  (Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1894,  S.  331 — 347). 
—  Kaerst,  Untersuchungen  über  Timagenes  von  Alexandria  (Philologus  LVI, 
1807,  8.  021—657).  —  Ad.  Bauer,  Die  Forschungen  zur  griech.  Geschichte 
1888-1898  (1899)  S.  310  f. 

5.  Asinius  Pollio. 

C.  Asinius  I'ollio,  der  bekannte  Freund  des  Cäsar  und  Augustus, 
verfasste  unt«u-  anderem  eine  Geschichte  des  Bürgerkrieges 
zwischen  Cftsar  und  Pompejus  in  17  Büchern  in  lateinischer 
Sprache  (dies  ist  wenigstens  der  wahrscheinliche  Sinn  der  confusen 
Abgaben  bei  Suidan  Lex.  8.  V.  IlmXlmv  und  \4olvioq,  s.  Teuftel, 
Gesch.  der  röm.  Lit.8221,a;  (iroebe  in  Pauly-Wissowa's  Re«l-Knr. 
II,  1696).    Plutarch,  Appian  und  Andere  haben  das  Werk  benützt 


[37.  38]  §  3.    Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  45 

(Plutarch.  Pompejus  e.  72,  Caesar  c.  46;  Appian.  Civ.  II,  82).  — 
Da  es  als  Werk  eines  betheiligten  Zeitgenossen  eine  Quelle  ersten 
Ranges  war,  hat  natürlich  ein  Forscher  wie  Strabo  dasselbe  sich 
nicht  entgehen  lassen.  Aus  einer  Notiz  bei  Josephus  ist  zu  er- 
sehen, dass  er  es  z.  B.  in  der  Geschichte  des  ägyptischen  Feld- 
zuges Cäsar's  citirt  hat  {-los.  Antt.  XIV,  8,  3:  fiagrvQil  dt  fiov  rät 
Xbyco  l^rgaßcov  o  KaJiJtaöo^   Xtycov  £$,  'Aoiviov   ovofiaTog   ovrcoc). 

Vgl.  über  Asinius  Pollio  überhaupt:  Teuf  fei  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2 
(2.  Aufl.)  S.  1859—1865.  Teuffei,  Gesch.  der  röm.  Literatur  §  221,  und  die 
an  beiden  Orten  citirte  Literatur.  —  Groebe,  Art.  „Asinius  Pollio"  in  Pauly- 
Wissowa's  Real-Enc.  II,  15S9— 1602.  —  Korneniann,  Die  historische  Schrift- 
stellerei  des  C.  Asinius  Pollio  (Jahrbb.  für  class.  Philol.,  22.  Supplbd.  1890, 
S.  555 — 692).  —  Noch  einiges  bei  Hüb n er,  Grundriss  zu  Vorlesungen  über 
die  romische  Literaturgesch.  (1878)  S.  181.  —  Ueber  die  Geschichte  des 
Bürgerkrieges  speciell:  Thoiiret,  De  Cicerone.  Asinio  Pollione,  C.  Oppio  rerum 
Caesariwmrum  seriptoribus  (Leipziger  Studien  zur  classischen  Philologie,  Bd.  L 
1878,  S.  303—360,  über  Asinius  Pollio  S.  324—346).  —  In  den  neueren  Ver- 
handlungen über  die  Quellen  Appian's  ist  die  Frage,  in  wieweit  Appian  das 
Werk  des  Asinius  Pollio  benützt  hat,  vielfach  erörtert,  eine  Gewissheit  darüber 
jedoch  nicht  erreicht  worden.  Vgl,  auch  Schwartz,  Art.  „Appianus"  in 
Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  II,  216  ff 


6.   Hypsikrates. 

Ein  sonst  wenig  bekannter  Schriftsteller  Hypsikrates  wird 
in  Strabo's  Geographie  zweimal  citirt.  Das  eine  Citat  bezieht  sich 
auf  die  Geschichte  des  Asander,  eines  Statthalters  des  Königs  Phar- 
naces  II  im  Bosporus  zur  Zeit  Cäsars  {Strabo  VII,  4,  6  p.  311,  über 
Asander  s.  Pauly's  Knc.  I,  2,  1838;  Pauly-Wissowa's  Enc.  II,  1516  f.). 
Das  andere  Citat  betriftt  die  Ethnologie  der  kaukasischen  Völker 
{Strabo  XI,  5,  1  p.  504).  Vielleicht  ist  auch  an  einer  dritten  Stelle, 
über  die  Naturgeschichte  von  Libyen,  statt  des  überlieferten 
Ipliikrates  zu  lesen  Hypsikrates  (XVII,  3,  5  p.  827).  Nach  Lueian. 
Macroh.  c.  22  stammte  Hypsikrates  aus  Amisus  im  Pontus  und  er- 
reichte ein  Alter  von  92  Jahren.  Da  er  die  Zeit  Cäsar's  behandelt 
hat,  kann  er  nicht  viel  älter  als  Strabo  gewesen  sein.  —  Nach 
einer  Notiz  bei  Josephus  hat  Strabo  auf  diesen  Hypsikrates  auch 
in  seiner  Darstellung  des  ägyptischen  Feldzuges  Cäsars  Bezug 
genommen  {Jos.  Antt.  XIV,  8,3:  o  ö'  avrbq  ovtog  Stgaßcov  xal  tv 
trsQm  nalLv  sS.    VrpixQarovg  ovofiazog  Xiyu  ovrcog). 

Vgl,  überhaupt:  Müller,  Fragmenta  historicorum  graecorum  III,  493  sq. 
—  Bälir  in  Pauly's  Real-Enc.  III,  1560.  —  Ueber  einen  Grammatiker  Hypsi- 
krates, welcher  von  Varro  benützt  wird,  s.  Susemihl,  Gesch.  der  griech.  Lit. 
II,  178. 


46  §  3.   Quellen,   ß.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [38.  39] 


7.  Dellius. 

Delliiis,  ein  Freund  des  Antonius,  hat  ein  Werk  über  den  par- 
thischen  Feldzug  des  Antonius  geschrieben,  an  welchem  er  selbst 
theilgenommen  hat  {Strabo  XI,  13,  3  ;;.  523:  oj?  <prjOiv  6  AiXXioq  a 
rov  'ApTcoviov  cpiXog,  ov/ygärpaq  rrjv  ejcl  Uag&vaiovg  avzov  orga- 
xeiav,  hv  7j  Jcagriv  xal  avrog  i)y£^oviav  ^X^^-  Plutarch.  Anton.  c.b9: 
j(0?.?.ovg  6h  xal  rcöv  aXXoov  cpiXcov  ol  KXEo:itargaq  xoXaxsg  h^tßaXov 
....  <DV  xal  Magxog  tjv  2iXav6g  xal  AiXXiog  o  lozogixog).  Es  ist 
möglich,  wie  Bürcklein  und  Gutschmid  vermuthen,  dass  auf  dieses 
Werk  alle  Berichte  der  späteren  Historiker  über  die  Parther-Feld- 
züge der  Jahre  41 — 36  v.  Chr.,  und  so  auch  der  des  Josephus,. 
direct  oder  indirect  zurückgehen.  Josephus  erwähnt  den  Dellius 
(nicht  als  Historiker,  sondern  nur  als  Feldherrn  des  Antonius)  Bell 
Jud.  I,  15,  3.  Antt.  XIV,  15,  1.  XV,  2,  6. 

Vgl.  Bürcklein,  Quellen  und  Chronologie  der  römisch-parthischeu  Feld- 
züge in  den  Jahren  713—718  d.  St.  Inaugural-Dissert.  1879  (über  Josephus: 
S.  41— 43j.  —  Gutschmid,  Geschichte  Irans  und  seiner  Nachbarländer  (1888) 
S.  97.  —  üeberhaupt:  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  II,  899.  —  Teuffei, 
Gesch.  der  röm.  Literatur  §  255,  3.  —  Fabricius,  Theophanes  von  Mytilene 
und  Quintus  Dellius  als  Quellen  der  Geographie  des  Strabon.   Strassburg  1888. 

8.  Strabo. 

Strabo  hat  ausser  der  uns  erhaltenen  „Geographie"  (s.  hierüber 
unten  §  3,  D)  auch  ein  grosses  Geschichtswerk  geschrieben,  welches 
bis  auf  wenige  Spuren  verloren  gegangen  ist.  Es  war  bereits  voll- 
endet, als  Strabo  seine  Geogi-aphie  begann,  in  deren  Einleitung  er  es 
selbst  erwähnt  (I,  1,  22—23  j).  13:  AioxEg  rifielg  Jtsjiot/jxortg  vjco- 
(iVTjfiara  larogixa  xQ'^^^tfia,  (og  vsioXafjßdrofiev,  elg  X7)v  i)d-ixrjv  \ 
xal  jtoXixixiiv  (piXooo(piav).  Aus  einem  andern  Selbstcitate  erhellt, 
dass  das  fünfte  Buch  dieses  Werkes  da  begann,  wo  Polybius  auf- 
höi-te,  also  143  v.Chr.  {Strabo^  Oeogr.  XI,  9,  3  p.  515:  slgTjxoteg 
de  JtoXXh  Jttgl  rmv  Uagd-ixrov  vofilftmv  Iv  t(j  ?xt^  To3r  lotogi- 
xmv  vjto/itvTjfidrmv  ßlßXco,  öevr^ga  dt  tätv  (mrct  IJoXvßiov). 
Die  Doppelzählung  spricht  dafür,  dass  der  (Hiarakter  der  vier  ersten 
Bücher  ein  anderer  war,  als  der  dei-  Bücher  (IBTci  IloXvßtor.  jene 
wohl  summarischer,  di<'S(i  ausfülirlicliei-.  In  ersteren  muss  auch  die 
Zeit  Alexanders  des  Grossen  behandelt  gewes(^n  sein;  denn  Strabo 
sagt  an  einer  drillen  Stelle,  dass  er  die  Unznverlässigkeit  der  Be- 
richte über  Indien  des  Näheren  erkannt  habe,  als  er  die  Geschichte 
Alexanders  des  (tI rossen  behandelte  (Oeogr.  II,  1,  9  ;>.  70:  xal  f)(itv 
d*    vx^Q^tif  ixl   :tXiov    xatiötttf   xavra    vJtofiifTiftarc^ofiipotg   tag 


[39.  40]  §  3.   Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  47 

'AX£S,avÖQov  jtga^Big).  Nach  einer  Glosse  bei  Suidas  [Lex.s.  v. 
noXvßioq)  uinfasste  das  Werk  „nach  Polybius*'  43  Bücher  {tyQarpe 
ÖS  xal  ^TQttßtov  'jifiaotvg  xa  fitra  LfoXvßiov  bv  ßißXioig  fiy'),  das 
(janze  demnach  deren  47.  Aus  den  Citaten  bei  Josephus  geht  her- 
vor, dass  es  mindestens  bis  zur  Eroberung  Jerusalems  durch  Hero- 
des  (37  V.  Chr.)  ging;  es  mag  also  etwa  mit  der  Begründung  der 
Alleinherrschaft  des  Augustus  abgeschlossen  haben.  —  Die  meisten 
Citate  verdanken  wir  dem  Josephus,  der  es  offenbar  für  die  Ge- 
schichte der  Hasmonäer  von  Johannes  Hyrkan  bis  zun«  Untergang 
des  Antigonus  (135—37  v.  Chr.)  als  eine  Hauptquelle  benützt  hat, 
indem  er  aus  dieser  grossen  Weltgeschichte  die  auf  die  Geschichte 
Palästina's  bezüglichen  Abschnitte  und  Notizen  excerpirte  (Antt. 
XIII,  10,  4.  11,  3.  12,  6.  XIV,  3,  1.  4,  3.  6,  4.  7,  2.  8,  3.  XV,  1,  2. 
Vgl.  auch  die  auf  Antiochus  Epiphanes  bezügliche  Notiz  contra 
Apimt.  II,  7).  Ausserdem  citiren  es  Plutarch.  Sulla  c.  26,  Luculi.  c. 
28,  Caesar  c.  63,  und  Tertullian.  de  anima  c.  46.  —  So  sehr  auch 
der  Verlust  des  Werkes  zu  bedauern  ist,  so  ist  es  doch  eine  gün- 
stige Fügung,  dass  Josephus  neben  Nicolaus  Damascenus  gerade 
dieses  Werk  als  Hauptquelle  benützt  hat.  Denn  Strabo  war  ein 
gründlicher  Forscher,  der  mit  Umsicht  und  Kritik  die  besten  Quellen 
benützt  hat.  Selbst  in  den  wenigen  bei  Josephus  erhaltenen  Frag- 
menten citirt  er  dreimal  seine  Gewährsmänner  (Timagenes,  Asinius 
Pollio  und  Hypsikrates).  Dass  er  das  grosse  Werk  des  Posidonius 
benützt  hat,  ist  nicht  zu  bezweifeln.  Und  wie  manches  uns  nicht 
einmal  dem  Namen  nach  bekannte  Specialwerk  mag  er  für  seine 
umfassende  Darstellung  verwerthet  haben.  —  Josephus  hebt  mehr- 
mals die  Uebereinstimmung  des  Strabo  und  Nicolaus  Damascenus 
hervor  {Antt.  XIII,  12,  6,  und  bes.  XIV,  6,  4:  jieqX  öe  riy?  /7o/t/- 
jt7]iov  xal  raßiviov  orgarsiag  kjtl  lovöaiovg  yQag)8i  NixoXaog  o  Aa- 
(laoxfjvog  xal  ^^rgaßcov  o  Kajtnaöo^  ovdlvBtBQogtxiQOV  xaiv6xtQov\ 
Xiycov).  Es  ist  aber  nicht  wahrscheinlich,  dass  einer  den  anderen 
benützt  hat,  da  beide  etwa  gleichzeitig  schrieben.  Nicolaus  Damas- 
cenus wird  von  Strabo  in  dessen  Geographie  bereits  citirt  (XV,  1, 
72—73  p.  719).  Andererseits  ist  das  Geschichtswerk  des  Strabo 
eher  älter  als  das  des  Nicolaus.  Die  von  Josephus  hervorgehobene 
Uebereinstimmung  beruht  also  wohl  auf  Benützung  derselben  Quellen. 

Ein  entschiedener  Missgriff"  war  es,  wenn  Lewitz  (Quaest.  Flav.  specimen 
1835,  p.  1 — 10)  den  von  Josephus  citirten  Historiker  Strabo  und  den  Geographen 
für  zwei  verschiedene  Personen  erklärt  hat.  Allerdings  nennt  Josephus  seinen 
Gewährsmann  stets  den  „Kappadocier",  während  der  Geograph  aus  Amasia 
im  Pontus  stammte.  Allein  die  Landschaft  Pontus  hiess  auch  ^  UQoq  xw 
Ilovtip  Kannaöoxia  {Strabo  XII,  1,  4  p.  534);  und  Plinius  nennt  gerade 
Amasia  unter  den  Städten  Kappadociens  {Eist.  Nat.  VI,  3,  8).  Mithridates, 
der  König  von  Pontus,   heisst   auf  einer  Inschrift  Mi^Qaöäxriq  KannaSoxilac 


48  §  3.    Quellen,    ß.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [40] 

ßttai?.£vq]  {Le  Bas  et  Waddington,  Inscriptions  t.  III  n.  136<^  liii.  3).  Vgl.  auch 
Waddlngton's  Anm.  zu  der  eben  genannten  Inschrift.  Kuhn,  Die  städtische 
und  bürgerl.  Verfassung  des  röm.  Reichs  II,  148.  Mendelssohn  in  Ritschl's 
Acta  soeietatis  philol.  Lipsiensis  V,  159  not. 

Die  Fragmente  von  Strabo's  Geschichtswerk  sind  gesammelt  bei  Müller, 
Fra/imenta  histaricorum  graecorum  III,  490 — 494.  —  Viel  Unsicheres  ist  auf- 
genommen von  Otto,  Strabonis  laxoQixcöv  xmofivrjfiäiwv  fraginenta  coUegit 
et  enarravit  adiectis  quaestionibus  StraboJiianis  (Leipziger  Studien  zur  class. 
Philologie,  XI.  Bd.,  Supplementheft  1889);  hier  speciell  über  Josephus'  Ver- 
hältniss  zu  Strabo:  S.  225 — 244.  —  Vgl.  überhaupt:  Wachsmuth,  Einleitung 
S.  654  f.  —  Schwartz  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  II,  235  f.  (^Art.  Appianus; 
gegen  die  Vermuthung,  dass  Strabo  eine  Hauptquelle  Appian's  gewesen  sei). 
—  Ad.  Bauer,  Die  Forschungen  zur  griech.  Geschichte  1888—1898  (1899)  S. 
29S— 302.  —  Münzer,  Deutsche  Litztg.  1900,  2983  (Verhältniss  zu  Nicolaus 
Damascenus). 

9.  Herodes'  Denkwürdigkeiten. 

Wie  andere  fürstliche  Personen  jener  Zeit  (z.  B.  Augustus  und 
Agrippa,  s.  Teuflfel,  Gesch.  der  röm.  Lit.  §  220),  so  hat  auch  Hero- 
des  der  Grosse  „Denkwürdigkeiten"  geschrieben,  welche  bei  Jose- 
phus einmal  erwähnt  werden  {Antt.  XV,  6,  3:  ravxa  6e  yQa<pon£v 
f/fielg  cog  kv  rolg  vxofiv^fiaoi  xolg  rov  ßaOiXimg  ^Hqwöov 
jrsQielxsTo).  Ob  Josephus  sie  selbst  eingesehen  hat,  ist  sehr  frag- 
lich, da  er  in  der  Geschichte  des  Herodes  dem  Nicolaus  Damas- 
cenus als  Hauptgewährsmann  folgt,  und  ausser  ihm  wohl  nur  eine 
dem  Herodes  ungünstige  Quelle  benützt  hat.  Auch  das  Praeteritum 
jttQulxsro  erweckt  die  Vorstellung,  dass  das  citirte  Werk  dem 
Schreiber  nicht  mehr  vorgelegen  hat,  sondern  ihm  nur  aus  zweiter 
Hand  bekannt  war. 

Ueber  die  philosophisclien,  rhetorischen  und  historischen  Studien  de» 
Herodes  h.  das  Fragment  aus  der  Selbstbiographie  des  Nicolaus  Damascenus 
bei  Müller,  Fragm.  bist,  graec.  III,  350  s^.  fr.  4.  —  vnofivt'jfiaTa  sind  „Auf- 
zeichnungen zur  Erinnerung",  nicht  wesentlich  verschieden  von  vno/xvTj/xauofiol 
und  dnofivijftovevfiaTa  (doch  bedeutet  letzterer  Ausdruck  eigentlich:  Auf- 
zeichnungen aus  der  Erinnerung).  Ueber  die  vno/iVTj/iaxiafioi  der  Ptolemäer 
n.  Wilcken,  Philologus  Bd.  LUX,  1894,  S.  80-126.  Ueber  dno/xvrjfxovevfjtara 
überhaupt:  Schwartz  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  II,  170  f.  —  Eine  directe 
Benützung  der  Denkwürdigkeiten  des  Herodes  durch  Josephus,  wclclie  ich 
früher  Helbst  angenommen  habe  (Theol.  Litztg.  1879,  570  f.;  ebenso  Bloch, 
Die  Quellen  des  FlaviuB  Jo»ephus  1879,  8.  107  f.  140  H")  scheint  mir  aus  den 
angedeuteten  Gründen  doch  nicht  wuhrsclieiiilich.  Abgelehnt  wird  diese  An- 
nahme z.  B.  auch  von  Deitinou,  Die  Quellen  dos  Fhivius  Josephus,  1882, 
8.  121  fl*.    Ein  Hicheres  Resultat  ist  freilich  niclit  erreichbar. 

10.  Ptolemäus. 

In  dem  Werk  des  Ammonius,  De  adßnium  vocabulorum  diffe- 
rmüa  {edd.  Valckenaer  1739;  Ammon  1787;  Kulenlcamp  1822)  findet  | 


[41]  §  3.    Quellen,   ß.  Nicht-erhaltene  Quellen.  49 

sich  s.  V.  'löovfialoi  folgende  Notiz:  'löov/ialoi  xal  %v6aloc  6ia(pi- 
Qovöiv,    ojg  (fijOi   ÜToXtiialog  ev  JtQcotm  oieq!    Hqcoöov  tov 
ßaaiXscog.   %vöaloi  fihv  yaQ  tlöiv  ol  £g  a(>X^?  (pvoixoi.   'löovfialoi 
ÖS  ro  /lEV  aQXvi^tv  ovx  'lovöaloi  aXXa  ^olvixtg  xal  Svqoi.   KQarrj- 
d-ivTf^q  61  vji    avxmv  xal  avayxaöQ-ivxtq  JttQitifipead^ai  xal  ovvtb- 
Xelv  elq  ro  sd-oq  [l.  td-voq'i]  xal  xa  avxa  pofiifia  r/ytlod^ai  exX-^d-ijöav 
'lovöaloi.  —  Das  hier  erwähnte  Werk  eines  Ptoleniäus  über  He- 
rode s  ist  sonst  völlig  unbekannt.    Die  angeführten  Aeusserungen 
über  das  halbe  Judenthuui  der  Idumäer  sind  ohne  Zweifel  aus 
einer  unbefangenen  Erörterung  über  die  wahre  Herkunft  des  He- 
rodes  entnommen,  wie   sie  ein  Hofhistoriograph   sich  nicht  hätte 
erlauben   dürfen  (vgl.  Jos.  Antt.  XIV,  1,  3).     Der  Verfasser  kann 
daher  nicht  zu  den  Hofbeamten  des  Herodes  gehört  haben,  unter 
welchen  allerdings    zwei   Männer   Namens   Ptolemäus    erwähnt 
werden  (der  eine,  ein  Bruder  des  Nicolaus  Damascenus,  nach  dem 
Tode  des  Herodes  auf  Seite  des  Antipas  stehend,  Antt.  XVII,  9,  4, 
Bell.  Jud.  II,   2,  3;   der  andere,  nach   dem  Tode   des  Herodes   mit 
Nicolaus  Damascenus  auf  Seite  des  Archelaus  stehend,  Antt.  XVII, 
8,  2.  9,  3.  5.  Bell.  Jud.  I,  33,  8.  II,  2,  1.  4).  Es  liegt  vielmehr  nahe, 
an  den  Grammatiker  Ptolemäus   aus  Askalon  zu  denken,  den 
einzigen  Schriftsteller  Namens  Ptolemäus,  der  bei  Ammonium,  De 
odßn.  vocab.  di/f'erentia,   abgesehen  von   der   citirten  Stelle  noch  er- 
wähnt wird  (s.  V.  xQiexsq  und  6\  v.  oxa(pvXrjp).  Allerdings  bezeichnet 
StepJianus  Byxantinus  {s.  v.  ^AoxdXcov)  diesen  Ptolemäus  als  einen 
Zeitgenossen   des  Aristarchus  (Aqioxccqxov  yvcoQifiog),   wornach  er 
im  zweiten  Jahrlumdert   vor   Chr.  gelebt    liaben    müsste.      Allein 
Baege  (De  Ptolemaeo  Ascalonita  1882,  p.  2 — 6)  hat  es  wahrscheinlich 
gemacht,  dass  die  Angabe  des  Steph.  Byz.  irrig  ist,  und  Ptolemäus 
vielmehr    an    der   Schwelle    des    ersten    Jahrhunderts    nach   Chr. 
gelebt  hat.   Dann  würde  er  der  Zeit  nach  sich  vortretFlich  eignen 
für  einen  Biographen  des  Herodes. 

Den  Ptolemäus  aus  Askalon  halten  für  den  Verfasser  der  Herodes-Biogra- 
phie  z.B.  auch:  Fabricius-Harles  Biblioth.  graec.  V,  296,  Ammon  in  seiner 
Annu'rkuug  zu  der  Stelle  desAmmouius,  Westermsinn  in:  Vossius,  Dehistoricis 
i/raccLs  ed.  Wcstcnu.  p.  226.  —  Vgl.  über  ihn  überhaupt  die  in  Bd.  II,  S.  40 
genannte  Literatur.  —  Müller,  Fragm.  hist.  yraec.  JII,  348  iwt.  IV,  486  denkt 
iiu  einen  der  Höflinge  des  Herodes. 

Die  obige  Notiz  über  die  Idumäer  findet  sich  in  verkürzter  Form  auch  in 
einer  dem  Ptolemäus  au.s  Askalon  zugeschriebenen  Schrift  nsgl  6ia<poQäq 
Af'^ftüv,  welche  theihvei.se  ychon  Fabricius  {Biblioth.  graec.  ed.  Hartes  VI, 
l.')7— 1G3)  und  neuerdings  vollständig  Heylbut  (Hermes  Bd.  XXII,  1887, 
S.  38S — 410)  herausgegeben  haben.  Sie  lautet  hier  {Fabricins  VI,  161  =  Hermes 
XXII.  397):  'lovöalot  xal^dov/xaloi  6ia<fCQ0vaiv  01  fisv  yag^IovSaloi  i§  «QXÜ'if 
löovßaloi  6s  x6  (xbv  dQ/^&ev  ovx  ^lovöatoi  «AA«  ^oivixeg  xal  Svgoi.  Allein 
ScLüier,  Gesuhichte  I    3.  u.  4.  Aufl.  4 


50  §  3.   Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [42] 

wie  dieser  Artikel,  so  beweisen  auch  alle  anderen,  dass  dieses  angebliche  Werk 
des  Ptoleraäus  vielmehr  ein  Auszug  aus  Ammonius  ist,  der  seinerseits  den  echten 
Ptolemäus  aus  Askalon  citirt.    Vgl.  Baege,  p.  15  sqq. 

11.  Nicolaus  Damascenus. 

Kein  Schriftsteller  ist  von  Josephus  für  die  nachbiblische  Zeit 
in  so  ausgiebigem  Maasse  benützt  worden,  wie  Nicolaus  von 
Damascus,  der  vertraute  Freund  und  Rathgeber  des  Herodes. 
Kr  stanunte  aus  einer  angesehenen  nicht-jüdischen  Familie  in  Da- 
mascus ').  Sein  Vater  Antipater  bekleidete  daselbst  die  ersten 
Ehrenämter  (Suidas,  Lex.  s.  v.  ^AvxLTcaxQoq  =  Müller  fr.  1:  ägxctg 
XB  jtäoag  öis^TJX&^e  xag  syxojQiovo).  Da  Nicolaus  unmittelbar  nach 
dem  Tode  des  Herodes  im  J.  4  v.  Chr.  sich  als  etwa  sechzigjährig 
bezeichnet  (i/w/fer /r.  n.  5  p.  353:  xal  yccQ  ijv  jceql  ^  £xi]),  so  muss 
er  um  das  J.  64  v.  Chr.  geboren  sein.  Er  eignete  sich  eine  um- 
fassende gi'iechische  Bildung  an,  und  folgte  in  seinen  philosophi- 
schen Anschauungen  hauptsächlich  dem  Aristoteles  (daher  NixoXaog 
6  LfsQiJcaxtjxixog  Müller  fr.  n.  11.  78.  79.  83,  ug  xcöv  äico  xov  jcsqi- 
jidxov  (piXooocpojp  Müller  fr.  n.  84.  89).  Nach  dem  Patriarchen  So- 
phronius  von  Jerusalem  (Anfang  des  7.  Jahrh.  n.  Chr.)  soll  er 
der  Lehrer  der  Kinder  des  Antonius  und  der  Kleopatra  gewesen 
sein  [Sophron.  Narraiio  miraculorum  SS.  Oi/ri  et  Jolmnnis  c.  54  bei 
Mai,  Spidleg.  Roman.  IIJ,  550  ==  Migne,  Patrol.  graec.  t.  87,  3  col.  3621 
=  Müller,  Fragm.  hist.  graec.  t.  IV,  p.  II).  Als  Augustus  im  J.  20 
V.  Chr.  in  Syrien  weilte,  sah  Nicolaus  in  Antiochia  die  dorthin 
gekommenen  indischen  Gesandten  (Müller  fr.  91  =  Strabo  XV,  1,  73 
p.  719).  Vielleicht  schon  damals,  spätestens  vom  J.  14  v.  Chr.  an, 
lebte  er  in  der  vertrautesten  Umgebung  des  Königs  Herodes,  von 
welchem  er  auch  zu  wichtigen  diplomatischen  Diensten  verwendet 
wurde.  Im  J.  14  befand  ersieh  im  Gefolge  des  Herodes,  als  dieser 
den  Agrippa  in  Kleinasien  besuchte.  Später  ging  er  mit  Herodes 
nach  Rom.  Als  Herodes  aus  Anlass  der  arabischen  Angelegen- 
heiten bei  Augustus  in  Ungnade  gefallen  war,  wurde  Nicolaus  als 
(jesandter  nach  Rom  gesandt.  Auch  bei  den  Conflikten  des  Königs 
mit  seinen  Söhnen  Alexander,  Aristobul  und  Antipater  stand  Ni- 

1)  Dft  NicolauH  in  der  Rede  Antt.  XVI,  2,  4,  in  welcher  er  die  InteroHnon 
und  Anschnuungen  der  .luden  vertritt,  hjcIi  der  «THton  l'erHon  l'lurnlis  bedioiit 
iTijv  te  ißdSfi^v  xwv  TjfitQ(üv  dvlf/itv  xy  fioi^tjaet  ttüv  7j[iexi(twv  i{}(üv  xal 
vSfiwv  u.  ».  w.),  HO  könnte  nuui  geneigt  Hein,  ihn  für  einen  .luden  zu  huiten. 
Al>cr  nach  Stiültm  h'x,  «.  v.  'Avxlnax{Wi  hat  Hein  Vater  Antipater  kurz  vor 
Hoinem  Tode  ihn  (den  Ni<'olauH)  und  Heiiicn  Hrnder  rtohmiäuH  l)cauflnigt.  dem 
Zcuil  ein  KAuchcrgeniHH,  dan  er  dem  (lottc  lirrcitN  geloht  liiitte,  uiif'ertig(^ii  /u 
IflJMen,  wenn  er  gentorben  nei  (rtp  dd  &rft(axt'nuov,  önn)  l(pi}ri  avxoq  nifovnta- 
XriiUvoi  x^  Oiip,  xatttoxevuaai  ineiöav  teXevxi^at/). 


[42]  §  3.    Quellen,    ß.  Nicht-erhaltene  Quellen.  51 

colaus  als- Ratligeber  im  Vordergrunde.  Nach  dem  Tode  des  He- 
rodes  vertrat  er  die  Interessen  des  Archelaus  vor  dem  Kaiser  in 
Rom  (dies  alles  nach  den  Angaben  der  Selbstbiographie  Müller  fr. 
3 — 5  und  den  betreffenden  Abschnitten  bei  Josephus).  Seine  letzte 
Lebenszeit  scheint  er  in  Rom  zugebracht  zu  haben  (nach  den  An- 
deutungen in  der  Selbstbiographie  Müller  fr.  6  s.  fin.). 

Um  die  Beziehungen  zu  Augustus  zu  pflegen,  soll  Nicolaus  dem  Kaiser 
öfters  von  den  trefllichen  Datteln,  die  in  Palästina  wuchsen,  geschickt  haben. 
AuguHtuH  nannte  daher  diese  Art  „Nicolaus-Dattelu";  und  der  Name  hat 
sich  allgemein  eingebürgert.  Afficnaciis  XIV,  p.  {i52  A:  IlfQtöh  T(üv  NixoXumv 
xalovfxh'wv  (poivlxwv  xoaovxov  vfilv  flnelv  sxo)  xöiv  und  ttjg  ^vQiaq  xaxayo- 
fiivwv,  oxi  tavzTjq  x^q  nQoarjyopiaq  i^^tüj&Tjaav  vno  xov  Sfßaaxov  uvxoxQaxoQOq 
0(pöSQa  ■/^alQOVxoq  xm  ßQiu/xaxi,  Nixo}.üov  xov  dufiaaxrjvov  hxatgov  ovxoq  avxdi 
xa\  Tt^finovxoq  (polvixaq  avvsx<öq.  Tcüv  dno  xov  neginäxov  ä'uiv  o  Ntxö)Moq 
xal  laxoQtav  avviyQaips  noXXi]v.  Bei  I'lularck.  Quacst.  conviv.  VI II,  4,  1  ist 
nicht  Augustus,  sondern  6  ßaaiXsvq,  also  wohl  Herodes,  als  Namengeber  ge- 
nannt, und  gesagt,  er  habe  die  Datteln  deshalb  so  genannt,  weil  Nicolaus  an 
.SÜHsigkeit,  schlanker  Gestalt  und  röthlicher  Gesichtsfarbe  diesen  Datteln  (resp. 
Palmen)  glich.  Nach  Plinius  waren  diese  Datteln  besonders  gross  (//««/.  Nat. 
XIII,  4,  45:  siceiores  ex  hoc  genere  Nicolai,  sed  amplitiidinis  praeci/mae,  qua- 
terni  cubitanim  longitiidinem  efficiunt).  In  einer  aus  dem  vierten  Jahrhundert 
n.  Chr.  stammenden  üescriptio  totius  orfns  (s.  darüber  unten  Bd.  II,  S.  37 
u.  56  f.)  werden  sie  als  ein  Haupt-Erzeugniss  Palästinas  erwähnt  (§  31 :  Nico- 
laitm  vcro  paimulam  inrenirs  ahundftrc  in  Palcstina  riyioue,  in  loco  qiii  dicitur 
Hiericho).  Nach  dem  Palästina-Pilger  Theodosius  (0.  Jahrhundert  n,  Chr.) 
wuchsen  sie  auch  in  der  Gegend  von  Livias,  jenseits  des  Jordan  {Thcodosiiis 
ed.  Gildcnieister  1882  J;  (55:  ibi  fiabet  daftulnm  Nieolaum  majorem).  Auch  im 
Edicinm  Diocieliani  VI,  81  {Corp.  Liscr.  Lat.  vol.  III.  Snppl.  p.  1934)  werden 
sie  erwähnt.  Vgl.  überh.  Müller,  Frayni.  hist.  yraec.  III,  343.  Gildemeister  in 
seiner  Ausg.  des  Theodosius  a.  a.  ().  Blümner,  Der  Maximaltarif  des  Diocletian 
(1893)  S.  101.  —  Zu  diesen  Zeugnissen  kommen  noch  rabbinische.  In  der 
Mischna  Ahoda  sara  I,  5  werden  unter  den  Producten,  welche  man  den  Heiden 
nicht  verkaufen  darf,  weil  sie  beim  heidnischen  Cultus  verwendet  werden,  auch 
oa'^lsps  oder  D'^abp3  (so  die  Cambridger  Handschrift)  genannt,  und  zwar  neben 
aa  bpi  (feinen  Datteln).  Schon  Buxtorf  {Lexicon  Chaldnicum  col.  1389)  hat 
die  richtige  P>klärung  des  Wortes  gegeben.  Derselbe  weist  auch  noch  andere 
rabbinische  Stellen  nach,  an  welchen  diese  Dattel-Art  vorkonmit.  Vgl.  auch 
Levy,  Neuhebr.  und  chald.  Wörterb.  s.  r.  und  Krauss,  Griechische  und 
lateinische  Lehnwörter  im  Talmud,  Midrasch  und  Targum  II,  1899,  S.  306  f. 
(letzterer  nennt  imtiaerMischnaAhodn sara  1, 5  noch  folgende  Belegstellen  :jer.  Aboda 
sara  30'^,  4()rf,  hab.  Ahoila  sara  14*,  jer.  Schabbath  14^,  Midrasch  zu  Ps.  92,  11, 
Bamidbar  rahba  c.  3,  1,  aramäisch:  jer.  Berachoth  lO,  jer.  Demai  22»,  jer.  Maaser 
scheni  54^).  Besser  als  die  obige  Schreibung  in  unserem  Mischna-Text  ist 
die  ebenfalls  vorkommende  Dbp3  oder  DllbpD.  —  Die  bei  Suidas  und  einigen 
Anderen  sich  findende  Notiz,  dass  Augustus  nicht  Datteln,  sondern  Kuchen 
nach  Nicolaus  benannt  habe  [Müller,  Fraf/m.  III,  343)  ist  hiernach  zu  verwerfen. 

Von  den  Tragödien  und  Kommödien,  welche  Nicolaus  angeblich 
gedichtet  hat  {Suidas  Lex.  s.  v.  IVtxoXaog  =  Müller  fr.  2),  hat  sich 

4* 


52  §  3.    Quelleu.    B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [42.  431 

keine  Spur  erhalten  (s.  Müller  III,  344,  Dindorf,  Jlist.  gr.  min.  I  I 
p.  III,  Susemihl  II,  309).  Auch  von  seinen  philosophischen  Lei- 
stungen ist  nicht  viel  auf  uns  gekommen.  Am  werthvollsten  waren 
ohne  Zweifel  seine  historischen  Werke,  über  welche  Sicidas 
Lex.  s.  V.   NixoXaog  folgendes  bemerkt:   ^ygatpsv  lorogiav   xa&o- 

Xix?]v  SV  ßißXioiq  oydorpcovra,  xal  rov  [ßiov]  KcdaaQog  dycoyrjv 

tyQarps  xal  srtQL  rov  lölov  ßiov  xal  rrjg  tavrov  dycoyfjg  (statt  des 
überlieferten  ßiov  im  Titel  der  zweiten  Schrift  ist  wohl  zu  lesen 
viov).  Ausser  diesen  drei  Werken  schrieb  er  nach  Photius  Bihlioth. 
cod.  189  auch  eine  jcagaöo^mv  £&cöv  övvaymyy).  Von  allen  vier 
Werken  sind  uns  mehr  oder  weniger  umfangreiche  Fragmente  er- 
halten. 

Die  Hauptmasse  der  erhaltenen  Fragmente  verdanken  wir  dem  grossen 
Unternehmen  des  Kaisers  Constantinus  Porphyrogennetus  (912—951) 
n.  Chr.),  welcher  aus  den  alten  Historikern  das  Wissenswertheste  nach  ge- 
wissen Rubriken  geordnet  zusammentragen  liess.  Es  waren  im  Ganzen  drei- 
undfünfzig Eubriken,  unter  welche  der  massenhafte  Stoft'  vertheilt  wurde.  Nur 
wenige  dieser  53  Bücher  sind  uns  erhalten,  und  von  den  erhaltenen  kommen 
hier  nur  zwei  in  Betracht:  1)  die  Excerpte  De  virtutibus  et  vitiis,  von 
Valesius  1634  herausgegeben,  nach  dem  früheren  Besitzer  der  Handschrift  auch 
Excerpta  Peiresciana  genannt,  und  2)  die  Excerpte  De  insidiis,  erst  im 
J.  1848 — 55  von  Feder  nach  einem  codex  Escvrialetisis  herausgegeben  {Excerpta 
c  Polybio,  Diodoro,  Diunysio  HalicmTiassensi  atqiie  Nicoiao  Damasceno  etc.  ed. 
Feder,  3  Thle.  Darmstadt  1848—1855).  Gleichzeitig  und  unabhängig  von 
Feder  hat  Müller  nach  derselben  Handschrift  die  Fragmente  des  Nicolaus 
Damascenus  in  seine  Sammlung  aufgenommen  (Fragmenfa  historicorum  Orae- 
corum  eil.  Müller,  t.  III,  1849).  —  Vgl.  über  das  Unternehmen  des  Constan- 
tinus Porphyrogennetus  überhaupt:  Fabricius- Hartes  Biblioth.  graec.  VIII, 
p.  7—9.  Bälir  in  Pauly's  Keal-Enc.  II,  615f.  Nicolai,  Griech.  Literaturgesch. 
III,  03 — G6.  72f.  Erneut.  Schidxe,  De  exccrptis  constantinianis  quacstioties  cri- 
ticae,  Bonn  1866.  De  Boor,  Zu  den  Excerptensammhmgen  des  Konstantin 
PorphyrogennetoB  (Hermes  Bd.  XIX,  1884,  S.  123—148).  Krumbacher,  Ge- 
schichte der  byzantinischen  Literatur,  2.  Aufl.  1897,  S.  258—261  (hier  auch 
noch  mehr  Literatur).  Wachemuth,  Einleitung  in  das  Studium  der  alten 
Geschichte  (1895)  8.  70—75. 

1)  Das  grosse  Geschichtswerk  des  Nicolaus  umfasste  144 
Bücher  (Athe7taen.s  VI  p.  249  =  Müller  fr.  n.  89:  h  r^  JioXvßlßXo-) 
löTOQla'  Ixarov  yitg  xal  xEaaaQäxovtd  doi  Jtgog  xutc.  rtöüagoi). 
Wenn  Suida«  nur  von  achtzig  Büchern  spricht,  so  liegt  entweder 
ein  Felller  ihn-  Suidas-HandscliriftiMi  vor  oder  Suidas,  resp.  sein 
(■Jewülirsinann,  hat  wirklich  nur  achtzig  Hücher  gekannt.  Die  um- 
fangreiclien  Fragmente  in  den  ('onstantin'schen  Kxcerpten  de  vir- 
tutilms  und  dr  insidiis  stumiiM'ii  sftiiMiitlicli  ans  d(^n  siebell  ersten 
Büchern,  und  bezi(.'lieii  sich  auf  die  iilteste  Cieschichte  der  Assyrer, 
Meder,  (kriechen,  Lyder  und  Perser,  bis  zur  Zeit  des  Crösus  und 
Cyrus.   Von  Buch  8—95  ist  so  gut  wie  nichts  erhalten.  Von  Buch 


[43.  44]  §  3.    Quellen.    B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  53 

96  an  sind  uns  Fragmente  namentlich  durch  Josephus  und  Athe- 
näus  erhalten.  Es  werden  bestimmt  citirt  Buch  96,  103,  104,  107, 
108,  HO,  114,  116,  123,  124.  In  den  Büchern  123  und  124  waren 
die  Verhandlungen  vor  Agrippa  in  Kleinasien  zu  Gunsten  der 
dortigen  Juden  erzählt,  wobei  Herodes  und  Nicolaus  Damascenus 
die  jüdischen  Interessen  vertraten  {Joseph.  Antt.  XII,  3,  2,  vgl  XVI, 
2,  2 — 5).  Diese  Verhandlungen  fallen  |  in  das  Jahr  14  v.  Chr. 
Die  übrigen  zwanzig  Bücher  liaben  ohne  Zweifel  noch  die  folgen- 
den zehn  Jahre  bis  zum  Regierungsantritt  des  Archelaus,  4  v. 
Chr.,  behandelt.  Denn  mau  darf  nur  den  Josephus  im  Zusamuien- 
hang  lesen,  um  sofort  einzusehen,  dass  die  ungemein  ausführliche 
Quelle,  welcher  er  für  die  Geschichte  des  Herodes  in  Buch  XV — 
XVII  folgt,  mit  dem  Beginn  der  Regierung  des  Archelaus  abbricht. 
Was  er  von  da  an  erzählt  (Buch  XVIIl),  ist  so  unsäglich  dürftig, 
dass  ihm  hiefür  eine  annähernd  ähnliche  Quelle  wie  in  Buch  XV — 
XVII  nicht  mehr  vorgelegen  haben  kann.  Diese  ausführliche  Quelle 
kann  aber  nur  Nicolaus  Damascenus  sein,  welcher  Antt.  XVI,  7,  1 
citirt  wird  (vgl.  auch  Antt.  XII,  3,  2.  XIV,  1,  3)  und  welcher  in 
seiner  Selbstbiographie  {Müller  fr.  3 — 6)  eine  Darstellung  giebt,  die 
sich  vielfach  wie  ein  Auszug  aus  Josephus  liest,  also  ofienbar  die 
in  dem  grossen  Geschichtswerk  ausführlicher  erzählten  Erlebnisse 
des  Autors  kürzer  zusammenfasste.  —  Das  Geschichtswerk  des 
Nicolaus  ist  aber  von  Josephus  nicht  nur  für  die  Geschichte  des 
Herodes,  sondern  auch  für  die  Geschichte  der  Hasmonäer  benützt, 
in  ähnlicher  Weise,  wie  das  verwandte  Werk  des  Strabo  {Antt.  XIII, 
8,  4.  12,  6.  XIV,  4,  3.  6,  4).  Ausserdem  citirt  es  Josephus  auch 
für  die  Geschichte  der  Urzeit  {Antt.  I,  3,  6.  3,  9.  7,  2),  für  die 
Geschichte  David's  {Antt.  VII,  5,  2)  und  die  des  Antiochus  Epi- 
plianes  {contra  Apion.  II,  7). 

2)  Von  der  Biographie  des  Augustus,  Bioq  Kaiaagog,  sind 
uns  zwei  grosse  Bruchstücke  erhalten,  von  welchen  das  eine,  in 
den  ('onstantin'schen  Excerpten  de  virhitibus,  die  Jugend-  und  Bil- 
dungsgescliichte  Octavian's  behandelt,  das  andere  besonders  um- 
fangreiche, in  den  Coustantin'schen  Excerpten  de  insidiis,  sich  auf 
die  Zeit  unmittelbar  nach  der  Ermordung  Cäsar's  bezieht,  dabei  in 
Form  eines  Excurses  (c.  19—27)  auch  die  Verschwörung  gegen 
Cäsar  und  die  Vorgänge  bei  dessen  Ermordung  ausführlich  dar- 
stellend. Erst  dieses  zweite  Fragment,  das  durch  die  Publicationen 
von  Feder,  Müller  und  Piccolos  bekannt  geworden  ist,  ermöglicht 
eine  gerechte  Würdigung  des  Werkes,  das  trotz  aller  höfischen 
Schmeichelei  doch  nicht  ohne  Werth  ist,  denn  es  bietet  „die  aus- 
führlidiste  zusammenhängende  Geschichtserzählung  von  den  ersten 
Anfängen  der  \'erschw(>rung  gegen  Cäsar   bis  zur  Aushebung  der 


54  §  3.    Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [44.  45] 

Legion    in     Campanien    durch    Augustus"    (Gutscliniid,    Kleine 
Schriften  V,  540,  vgl.  Wachsiimth  S.  698). 

3)  Die  Selbstbiographie,  von  welcher  uns  mehrere  Bruch- 
stücke durch  die  Excerpte  de  virtutibiis  erhalten  sind,  und  auf 
welche  wahi'scheinlich  indirect  auch  die  Artikel  bei  Suidas  Lex.  s.  v. 
^AvxiJcaxQoq  und  NixoXaoq  zurückgehen,  ist  interessant  wegen  des 
ungenirten  Selbstlobes,  das  sich  der  Autor  hier  ertheilt.  Wegen 
desselben  schreiben  Manche  das  Werk  nicht  dem  Nicolaus,  sondern 
einem  Verehrer  desselben  zu  (z.  B.  Asbach,  Wachsmuth). 

4)  Die  Sammlung  von  „Merkwürdigen  Sitten  und  Ge- 
bräuchen" (bei  verschiedenen  Völkern),  üagaöo^cov  £{hcöv  ovvaycoyTj, 
welche  dem  Photius  {Biblioth.  cod.  189)  noch  vorgelegen  hat,  ist  uns 
nur  durch  die  Auszüge  in  dem  Florilegium  des  Stobäus  bekannt. 
Zur  Bestreitung  der  Echtheit  (Trieber)  liegen  keine  durchschlagen- 
den Gründe  vor.  Dümmler  glaubte,  dass  die  Schrift  auf  die  v6- 
fti(ia  ßüQßagixa  des  Aristoteles  zurückgehe,  während  Reimann  den 
Kphorus  als  Quelle  nachzuweisen  suchte.  | 

Sammlungen  der  Fragmente  des  Nicolaus  Damascenus  sind  veranstaltet 
worden  von  Orelli,  Nicolai  Damasceni  historiarum  exccrpta  et  fragmeiita  qnae 
supersunt,  Lips.  1804,  hierzu:  Supplement  um  editionis  lApsiciisis  Nicolai  Davias- 
ceni  eil.  Orelli,  Lips.  1811,  und  von  Koraes  {Coray),  IJQoÖQOfjioq'Ey.Xrivixi'jq 
ßißXio&i^XTjg,  Paris  1805  (enthält  Aelian's  Variae  historiac  uud  die  Fnigiiionte 
dcH  Heratrlides  Ponticus  und  Nicolaus  Damascenus).  —  Hier  fehlen  aber  noch 
die  Fragmente  aus  den  Constantin'schen  Excerpten  de  insidUs.  Letztere  sind 
publicirt  worden  von  Feder,  Excerpta  c  Polylrio,  Diodoro,  IHonysi^t  Hai.  alqae 
Nicalao  Dam.  (3Thle.  1848— 55)  ;j.  61— 180.  —  Vereinigt  ist  alles  bei  C.  Müller, 
Fraymenta  historicormn  graccorum  t.  III,  1849,  p.  343 — 464,  hierzu  Ad^lenda 
t.  IV,  p.  6(J1 — 668;  und  (ohne  latein.  Uebersetzung)  bei  Dindorf,  llistorici 
yraeci  minores  vol.  I,  1870,  p.  1—153  (hierzu  IVidcy.  p.  !I1— XXVJI).  —  Bei 
Allen  (von  Orelli  bis  Dindorf)  fehlen  die  philosophischen  Fragmente,  welche 
am  vollHtiindigHt<!n  von  liöper  gesammelt  worden  sind  (s.  unten).  —  Einige 
Text-Emendationen  giebt:  Iferwerdcn,  Mnemosyne  XVII,  1889,  p.  12—16. 

Vgl.  überhaupt:  Bahr  in  Pauly's  Real-Enc.  V,  629f.  —  Clinton,  Fasti 
Ilrllritici  cd.  2.  /.  III,  p.  hlAsq.  —  Creuzcr,  lieber  neue  Beiträge  zur  jü- 
(liMchen  (JoHcliichte  ans  griccliisclieri  Historikern  (Theo!.  Stud.  un<l  Kril,.  1S50, 
8.  5.%~Ü53).  —  (Srätz,  Gesch.  der  .luden  111,  2.  Aull.  S.  IS;{,  Note  20  (Nacli- 
wiMM,  «luMH  NicolauH  nicht  Jude  war).  —  Nicolai,  (iriecli.  Litcratnrgcsch.  II, 
fj:«»f.  —  Dindorf,  in:  .lahrbb.  für  clasH.  Philol.  Bd.  99,  1869,  tS.  107-  119.  — 
AMbach,  in:  Kheln.  Museum  IM.  37,  I8ö2,  S.  295-298.  —  Patsch,  Zu  Nico- 
laUM  v<.n  DnniaMi'UH  (Wiener  Studien  XIT,  1890,  8.  231-239)  [Nnchweis,  dass 
NieolauN  nicht  .lüde  warj.  —  Susemihl,  Gesch.  der  griech.  Ijitcratur  in  der 
Alcxandrinerzeit  Hd.  II,  1892,  8.  .3(K)-.321.  ~  (hjtschmid,  Kleine!  Sciliriftcn 
V,  18tM,  K  530  —  542.  —  WacliHninth,  Einhfitung  in  das  Studium  der  alten 
Ü«itrhldit45  (IM1>5)  ö.  104—107,  697 f.  —  Arnold  in:  Neue  Cl.riMlotcrpc,  1K97 
(|N)|MilAr).  —  H.  Petur,  Die  gCMchh-htlichi'  Mlrriitur  über  die  riuiiiMclic  Kaiscr- 
xflt,  1kl,  1.  1M07,  8.  401-404. 


[45.  46]  §  3.    Quellen.    B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  55 

Ueber  seine  Darstellung  der  ältesten  Geschichte  (Buch  1—7):  Steinmetz, 
Herodot  und  Nicolaus  Damascenus,  Lüneburg,  Progr.  1861.  —  Jacoby,  Zur 
Beurtheilung  der  Fragmente  des  Nikolaus  von  Damaskus  {Commentaiiones 
pfdlologae,  seripserunt  seminarii phil.  Lips.  sodales,  1874,  p.  191 — 211).  —  Tietx, 
De  Nicolai  Damasceni  fontibus  quaestiones  selectae,  Dtss.  Marburg.  1896.  — 
Witte,  De  Nicolai  Damasceni  fragmentorum  Romanorum  fontibus.  Diss.  1900. 

Ueber  Nicolaus  als  (Quelle  des  Josephus:  Bloch,  Die  Quellen  des  Flavius 
Josephus  (1879)  S.  106—116.  —  Destinon,  Die  Quellen  des  Flavius  Josephus 
(1882)  S.  91—120.  —  Otto,  Leipziger  Studien  zur  class.  Philol.,  XL  Bd., 
Suppleraentheft  1889,  8.  225 — 244.  —  Büchler,  Jewish  Quarterly  Rev^iew  vol.  IX, 
1897,  p.  325-339. 

Der  Bloq  KalaaQoq  ist  (ausser  bei  Feder,  Müller  und  Dindorf)  auch 
herausgegeben  worden  von  Piceolos,  Nicolas  de  Damas,  vie  de  Cesar,  frag- 
menf  recemment  dicouvert  etc.  Paris  1850.  —  Ueber  denselben  handeln:  Bürger, 
De  Nicolai  Damasceni  frngmento  Escorialensi  quod  inseribitur  Bloq  Kalaagoq, 
Bonnae  1869.  —  Egger,  Memoire  sur  les  histariens  offieiets  et  les  panegyristes 
des  princes  dans  Vantiqiiite  grecque  {Mevioires  de  PÄcad.  des  inscriptions 
t.  XXVII,  2,  1873,  p.  1—42,  über  Nicolaus:  p.  20-36).  —  Asbach,  Rhein. 
Mus.  1882,  S.  297 f.  —  Otto  Eduard  Schmidt,  Die  letzten  Kämpfe  der  rö- 
mischen Republik,  1.  Capitel:  Nicolaus  Damascenus  und  Suetonius  Tranquillus 
(Jahrbb.  für  class.  Philologie,  13.  Supplementband  1884,  S.  666—687)  [tritt 
gegen  Bürger  für  den  historischen  Werth  des  Bioq  Kaiaagoq  ein  und  sucht  zu 
zeigen,  dass  Suetonius  ihn  benützt  hat,  s.  dagegen  Schiller  in  Bursian's  Jahres- 
ber.  Bd.  44,  S.  79f.].  —  Gutschmid,  Wachsmuth  (S.  697f.),  Peter  a.  a.  O. 
—  Schwartz,  Hermes  Bd.  33,  1898,  S.  182—184  (Text-Emendationen)  und 
211—213  (historische  Würdigung).  —  Witte,  De  Nicolai  Dam.  fragmentorum 
Romanorum  fontibus,  1900;  hierzu:  Münz  er,  Deutsche  Litztg.  1900,  2983 f. 

Die  Fragmente  der  llaQaSöBiov  ^&wv  awayotyTj  sind  (ausser  bei  Orelli, 
Koraes,  Müller  und  Dindorf)  auch  gesammelt  bei  Westermann,  JlaQttöo^o- 
yQ(x(poi  (1839)  p.  166—177.  —  Ueber  das  die  Lacedämonier  betreffende  Stück 
handelt:  Trieber,  Quaestiones  Lacotiieae,  pars  I:  De  Nicolai  Damasceni  La- 
cmiicis,  Berol.  1867  (die  ebenso  betitelte  Göttinger  Doctordissertation  1866  ent- 
hält nur  einen  Theil  des  Ganzen).  —  Ueberhaupt:  Dumm  1er,  Rhein.  Museum 
Bd.  42,  1887,  S.  189 — 195.  —  Reimann,  Quo  ex  fönte  fluxerit  Nicolai  Damas- 
ceni naQttöö^wv  id^(üv  avvayotyri  (Philologus  Bd.  LIV,  1895,  S.  654 — 709)  [die 
unter  etwas  anderem  Titel  erschienene  Berliner  Dissertation  1895  ist  nur  ein 
Stück  dieser  Arbeit,  bis  S.  686  des  Druckes  im  Philologus]. 

Von  den  philosophischen  Schriften  des  Nicolaus  sind  uns  nur  eine 
Anzahl  Titel  und  wenige  Fragmente  erhalten.  S.  Clinton,  Fasti  Hellenici  t.  III, 
2.  ed.  p.  074 sq.  {l.ed.  p.c^sq.).  —  Roeper,  Lectiones  Abulpharagianae,  Danxig 
1844,  p.  27,  35 — 43  (vollständigste  Sammlung  des  Materiales).  —  Müller, 
Fra(/m.  hist.  graec.  III,  344.  —  Zell  er,  Die  Philosophie  der  Griechen  III,  1 
(3.  Aufl.  1880)  S.  629f.  —  Zell  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2,  2.  Aufl.  S.  1679 f. 
(Artikel  „Aristoteles").  —  Diels ,  Doxographi  \  gracci,  1879,  p.  84  Anm.  1.  — 
Susemihl  II,  317—321.  —  Soweit  die  Citate  und  Fragmente  es  erkennen 
lassen,  schlössen  sich  die  philosophischen  Schriften  des  Nicolaus  eng  an  die- 
jenigen des  Aristoteles  an  und  wJiren  nicht  sowohl  selbständige  Arbeiten,  als 
vielmehr  kurze  Darstellungen  und  Erläuterungen  der  entsprechenden  Theile 
der  aristotelischen  Philosophie  (Usener  in:  Bernays'  Ges.  Abhandlungen  IT, 
281  f).  Erwäluit  werden,  nanientlich  von  späteren  Commentatoren  des  Aristo- 
teles, Werke  negl  B^edtv,  tcsqI  rol  navvog,  negt  ^giaToze^ovq  <pikoao<piag,  Werke 


56  §  3.    Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [46] 

zur  Psychologie,  Naturgeschichte,  Metaphysik  und  Ethik.  Von  den  arabischen 
Philosophen  citirt  ihn  namentlich  Averroes  in  seinem  Commentar  zur  Meta- 
physik des  Aristoteles  {Nicolmi^  Peripateticus  in  sua  prima  philosophia  oder 
bloss  Nicolaus,  einmal  auch  bestimmt  Nicolaus  Damascenus).  S.  überhaupt 
ßoeper  a.  a.  O.  Ueber  die  arabischen  Ueberlieferungen  in  der  Kürze  auch: 
Steinschneider,  Die  arabischen  Uebersetzungen  aus  dem  Griechischen 
(12.  Beiheft  zum  Centralblatt  für  Bibliothekswesen)  1893,  S.  100—102. 

Vielleicht  darf  dem  Nicolaus  die  pseudo-aristotelische  Schrift  de  planus 
zugeschrieben  werden.    Dieselbe   ist  uns   in  einer  aus  dem  Arabischen  ge- 
flossenen lateinischen  Uebersetzung  erhalten.    Die  Ueberschrift  lautet  (in 
der  von  Meyer  benützten  Baseler  Handschrift):  Ldber  Arisfoteli^  de  vegetahili- 
bus,  iranslattis  de  Arahico  in  Latinum  a  magistro  Alvredo.    In  einer  anderen 
von  Jourdain   eingesehenen  Handschrift   heisst   der   Uebersetzer   Alfredns   de 
Sarchel  (Sarcell  in  der  Normandie,    s.  Meyer,  Gesch.  der  Botanik  I,  320).    Er 
lebte   spätestens   im    13.  Jalirhundert.     Gedruckt   ist   dieser   lateinische  Text 
zuerst  1496  zu  Venedig   und   in   neuerer   Zeit   nach    drei   Handschriften  von 
Meyer  [Nicolai  Danmsceni  de  plantis  libri  duo  Aristoteli  vulgo   adscripti,   ex 
Isaaci  ben  Honain  versione  arabica  laline  vertit  Alfredns,   ad  codd.  Mss.  ßdem 
ree.  E.  H.  F.  Meyer,   lAps.  1841).  —   Aus   diesem   lateinischen  Text   ist  der 
unter  den  Werken   des  Aristoteles  gedruckte   griechische   Text   geflossen 
(neuere  Ausgabe :  Aristotelis  quac  feruntur  de  plantis,  de  miralrilibus  ausculta- 
tionilnis,  meclianica  etc.  etc.  ed.  Apelt,    Lips.  Tetibner  1888),    der  auch  wieder 
ins  lateinische  übersetzt  worden  ist.  —  Dass  das  Werk  nicht  von  Aristoteles 
stammt,  hat  bereits  Scaliger  erwiesen  [Jul.  Caes.  Scaligeri  in  lihros  de  plan- 
us Aristoteli  inscriptos  commentar ii,  lAtgd.  1566).   Ernst  H.  F.  Meyer  hat  aber 
auf  Grund  der  arabischen  Ueberlieferuug  wahrscheinlich  zu  macheu  gesucht, 
dass  NicolauH  Damascenus  der  Verfasser  sei  (s.  die  Prolegomena  zu  seiner 
Ausgabe,  deren  Resultate  kürzer  zusammengefasst  sind  in  seiner:  Geschiclite 
der  Botanik,  1.  Bd.,  1854,   H.  324111).    Ma.ssgebend  ist  für  ihn  vor  allem,  dass 
Abd-Allatif  in  seinem  Berichte    über  Aegypten    zwei  Stellen,    die   sich    in 
unserem  Buche  finden,  unter  dem  Namen  eines  Nicolaus  citirt  (Mrgrr,  l'ro- 
Icj/amena  p.  XTl — XV).    Ferner  bezeugt  Abu  Ifarag,  dass  der  Philosopii  Nico- 
hiUB  ausser  einem  Werk  de  summa  philosophiac  Ärislotelicae  aucii  ein  Buch  dv 
plantis   geschrieben   habe    [Meyer,   Proleg.  p.   XIX).     Endlich   heisst   es    bei 
HadHchi-Chalfa:  I Alter  planlanim:  Ab  Aristotele  Iracfattis  sunt,  dtw;  in  quem 
NicijlauH  cmnnumtatns  est,  qnemque   Jsaac.   ben- Ilona  in   vertit,    cum,  corrertione 
ThalMti  Iteti-Qorra    [Proleg.  p.  XH).    Dass    liier    überall  Nicolaus  Damascenus 
gemeint  ist,   kann  nicht  wohl  zweifelhaft  sein,   obwohl  Abulfanig  irrtliüiulich 
Laodicca  al»  seinen  Geburtsort  ungiebt.    Es  ist  daruiii  in  der  That  sehr  wjilir- 
Hcheinlicli,    dass    die  Araber  unser  Buch  unter  dem  Nam«;n  des  Niccdaus  D.i- 
inaMcenuH  liiitteii.     Die  Notiz  des  ilaiischi-l 'halfa  ist  woiil  dahin  /.u  verstt'hcn, 
ihiHH  inun  vH  für  ein  Werk  des  Aristoteles   in    einer  Itearbttitung  durch  Nico- 
Ihuh  DaniuM(;enuH  hielt.     Die  KiitHcheidung   über   die   iiiclitigkeit   dieser  Tra- 
dition wird  wcHeritlich  davon  abhängen,  ob  man  dem  Nicolaus  eine  schwache 
Compilalion  wir  di*-  uiiscrigc  zutrauen  darf.     „Bis    auf  <>iii  Gering«>s  sind  die 
lM-id)-n  Küclier  von  den  Pflanzen    hiin  dcru^n    des  Theophrustos  und  ein/.ciiuMi 
Hl<'neii  dcM  AriHlotelcH,  di«-  wir  ukcIi  licsitzen,    zusanun(ingeliickl,    und  jiulge- 
Htutzt  mit  allerlei  Klellen  älterer  riiilosophttn"  (Meyer,  Gesch.  der  Botanik   I, 
'i2i)).    Bt-denklicli  für  Meyer's  Hypothese  ist  <laH  Hell)st<;itat  I.  II  c.  2:  prarmi- 
MimuM  nutem  gruiratiinifM  /outinm  et  lluvinrum   iu    libro   7ueteororum.    Da 
der  (iegfuiMtund  in  AriHt^ituluM'  Metuorologica  behandelt  wird,    so   selieint   es, 


46.  47]  §  3.  Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  QiieUen.  57 

dass  der  Verfasser  für  Aristoteles  gelten  will.  Doch  kann  auch  ein  Werk  des 
Nicolaus  über  denselben  Gegenstand  gemeint  sein  (so  Meyer  in  s.  Ausg.  S.  108, 
Roeper  S.  38). 

Eine  andere  pseudo-aristotelische  Schrift  ne^l  xoafxov  ist  nach  dem  Vor- 
gange Aelterer  (s.  Fabricius,  Bihlinth.  fjraee.  ed.  Harles  III,  233)  von  Bergk 
(Rhein.  Museum  Bd.  37,  1882,  S.  50—53),  Bücheier  (ebendas.  S.53,  294 f.) 
und  Asbach  (ebendas.  S.  295—297)  ebenfalls  dem  Nicolaus  Damascenus  zu- 
geschrieben worden.  Die  Gründe  hierfür  sind  jedoch  sehr  unzureichend.  S. 
dagegen:  H.  Becker  (Zeitschr.  für  die  Österreich.  Gymnasien  Bd.  33,  1882, 
583—587),  Bernays  (Ges.  Abhandlungen  II,  278—281,  nebst  den  Bemerkungen 
von  Usener  S.  28lf.),  Zeller  (Sitzungsber.  der  Berliner  Akademie  1885, 
S.  399—415),  und  das  Referat  von  Suseraihl  in  Bursian's  Jahresbericht  über 
die  Fortschritte  der  class.  Alterthumswissensch.  XXX,  33—35  und  XLII,  236 
—238.  lieber  die  Schrift  negl  xöafiov  überhaupt:  Zell  er,  Die  Pliilosophie 
der  Griechen  III,  1,  3.  Au«.  S.  631—647;  Susemihl,  Gesch.  11,  326—328,  und 
über  die  lateinische  Bearbeitung  derselben  von  Apu/eius  (2.  Jalirh.  n.  Clir.): 
Teuf  fei,  Gesch.  der  röm.  Literatur  §  367,  6. 


12.  Vespasian's  Denkwürdigkeiten. 

In  seiner  Vita  c.  65  beruft  sich  Josephus  für  die  Richtigkeit 
seiner  Darstelhing  auf  die  „Denkwürdigkeiten"  Vespasians  {ed.  Niese 
§  342:  ravta  de  ovx  tyco  Xiyio  ^ovog,  aXXa  xal  iv  rolg  Oveo- 
MaOiavov  rov  avToxQaTOQog  vjto/iPTjfiaöiv  ovrcag  yiyQajcxai), 
während  er  seinem  Gegner  Justus  von  Tiberias  vorwirft,  dass  er 
diese  Denkwürdigkeiten  nicht  gelesen  haben  könne,  da  seine  Dar- 
stellung mit  derjenigen  des  Kaisers  im  Widerspruch  stehe  ( Vita  c 
65  ed.  Niese  §  358:  ovxs  yaQ  jtoXtiicp  jcagtrvxsg  ovre  t«  Kaioa- 
Qog  aviyvcog  vjtoftvr'Kiara-  fityiörov  öh  rtxfir'jQiov,  rolg  yag 
Kaiaagog  vjtofiprjfiaaiv  svavriav  jtsjtolrjOai  ttjv  yQa<priv).  In 
der  Schrift  gegen  Apion  polemisirt  er  gegen  solche,  welche  seine 
Geschichte  des  jüdischen  Krieges  abschätzig  beurtheilten,  und 
spricht  ihnen  das  Recht  zu  solcher  Kritik  ab.  „Denn  wenn  sie 
auch  behaupten,  die  Denkwürdigkeiten  der  Imperatoren  gelesen 
zu  haben,  so  sind  sie  doch  nicht  aucli  bei  unserer,  der  Gegner, 
Thaten  zugegen  gewesen  {contra  Apion.  I,  10:  ot  xav  rolg  rmv 
uvroxitaroQcov  vjrofiv/jfiaöiv  ivrvx^lv  Xsycociv,  dXX^  ov  ys  xcä 
rolg  tjfieri-QOig  rmv  avrijroXtfHwvrmv  Jt(>dy(iaOi  JiaQtrvxov).  Diese 
Denkwürdigkeiten  „der  hnperatoren"  sind  wohl  identisch  mit  den 
in  der  Vita  erwähnten  Denkwürdigkeiten  Vespasians.  Näheres 
darüber  ist  jedoch  nicht  bekannt  (vgl.  Teuffel,  Gesch.  der  röm. 
Lite  I  ratur  §  311,  2.  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  IV,  737  s.v.com- 
mentarii).  Josephus  hat  sie  offenbar  erst  nach  Abfassung  seines 
Werkes  über  den  jüdischen  Krieg  kennen  gelernt,  da  er  sie  unter 
den  Quellen  desselben  nicht  erwähnt  {c.  Apion.  I,  0 — 10). 


58  §  3.   Quellen.  B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [47] 

13.  Antonius  Julianus. 

Minucius  Felix,  Octav.  c.  33,  4  beruft  sich  zum  Beweise  dafür, 
dass  die  Juden  durch  ihre  Uebelthaten  ihr  Unglück  selbst  ver- 
schuldet haben,  auf  ihre  eigenen  Schriften  und  die  der  Eöuier: 
Scripta  corum  relege,  vel  si  Romanis  magis  gaudcs,  ut  transeamus  veteres, 
[Flavi  Josephi  vel]  Antonii  Juliani  de  Judaeis  require:  jam  scies, 
nequitia  sua  hanc  eos  meruisse  fortunam.  Die  eingeklammerten  Worte 
können  niclit  echt  sein,  da  sie  dem  Zusannuenhang  widersprechen. 
Das  Werk  des  Antonius  Ju Hanns  hat  vermuthlich  den  vespa- 
sianischen  Krieg  behandelt.  Denn  ein  Mdgxog  'Avrmviog  %vhav6g 
wird  auch  von  Josephus  als  Procurator  Judäa's  (o  t^$  %vöaiac 
imxQOJcoq)  zur  Zeit  des  vespasianischen  Krieges  erwähnt  [Dell. 
Jud.  VI,  4,  3). 

Bernays  (Ueber  die  Chronik  des  Sulpicius  Severus  1861,  S.  56)  vermuthet, 
dass  dieses  Werk  des  Antonius  Julianus  von  Tacitus  benützt  worden  sei,  auf 
welchen  wiederum  die  Darstellung  des  Sulpicius  Severus  zurückgehe.  Das  ist 
möglich.  Aber  man  darf  nicht  vergessen,  dass  es  auch  noch  andere  Werke 
über  den  vespasianischen  Krieg  gegeben  hat.  Josephus  unterscheidet 
sogar  zwei  Classen  derselben.  Die  Einen  haben,  ohne  selbst  bei  den  Ereig- 
nissen zugegen  gewesen  zu  sein,  nur  vom  Hörensagen  zufällige  und  wider- 
sprechende Berichte  gesammelt  und  in  Sophisten-Manier  dargestellt,  die  Anderen, 
die  dabei  waren,  haben  aus  Schmeichelei  gegen  die  Römer  oder  Hass  gegen 
die  Juden  die  Thatsachen  gefälscht  [Bell.  Jud.  Prooem.  c.  1:  oi  /lev  ov 
napavvxdvtsq  roig  n^ay/iaoiv  «AA*  axo^  avXX^yovreg  elxala  xal  dovfitpwva 
ötijyij/xttza,  aoifioTixwg  dvayQÜipovaiv,  ol  naQayevöfievoi  6h  i)  xokaxda  xy 
n(fbg  Pwfiaiovg  i]  fxlasi  rdJ  ngog  'lovöaiovg  xataxpfvöovxai  xwv  ngayfiuimv). 
Vgl.  auch  die  Andeutungen  Avtt.  Prooem.  1  /?».,  contra  Apion.  I,  8  /in.,  und 
den  Brief  Agrippa's  bei  Joseph.   Vita  c.  65  ed.  Niese  §.  365. 

Seh  latter  (Zur  Topographie  und  Geschichte  Palästinas,  1893,  S.  97— 119, 
344—403)  ist  der  Meinung,  dass  das  ganze  Bellum  Judaicum  des  Josephus 
eigentlich  eine  Arbeit  des  Antonius  Julianus  sei,  an  welcher  Josephus  nur 
ein  bischen  herumcorrigirt  habe.  Irgendwelche  Gründe  für  diese  Phantasie 
giebt  es  nicht.     S.  dagegen  Theol.  Litztg.  1898,  326. 

Ein  Ulietor  Antonius  Julianus,  der  um  die  Mitte  des  zweiten  Jahr- 
hunderts n.  Chr.  lebte,  wird  von  (lelHus  öfters  erwähnt  (Teullel,  Gesch.  der 
röm.  Literatur  8  -^^jG,  1.  Prosnpotjrapliid  impcrii  lioniani  11,  100).  Munter, 
Der  jüdiHche  Krieg  untt?r  den  Kaisern  Tnyan  und  Iladrian  18'J1,  S.  12,  bi^/.ieht 
die  Notiz  des  Minucius  Felix  auf  diesen,  und  meint,  er  luibe  eine  Geschichte  des 
linrkcK-hba-KriegeH  geschrieben.  Das  wäre  möglich.  Aber  die  Combinjition 
mit  d<mi  AiittmiuM  Julianus  des  Josephus  liegt  doch  viel  lu'iher. 

14.  Justus  von  Tiberias. 

üeber  das  Leben  des  JuRtuH  von  Tiberias  wissen  wii-  nnr, 
wftH  Jow'phUH  in  seiner  Vita  (c.  9.  l2.  17.  3r).  37.  fii.  ()5.  70.  71) 
andeutet.     Kr  war   «'in    fnde  von   gricrhisclicr  Hihlnng   {r.  9:  ovo' 


[47.  48]  §  3.   Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  59 

ajtsiQog  riv  jtaiöüaq  xriq  jiag  "EXXrjOiv)  und  nahm  samnit  seinem 
Vater  Pistus  während  des  jüdischen  Krieges  im  J.  66/67  n.  Chr. 
eine  hervorragende  Stellung  in  seiner  Vaterstadt  Tiberias  ein.  Als 
ein  Mann  der  gemässigten  Richtung  schloss  er  sich  mehr  ge- 
zwungen als  freiwillig  der  Eevolution  an,  verliess  aber  noch  vor 
der  Unterwerfung  Galiläa's  durch  Vespasian  seine  Vaterstadt  und 
flüchtete  zu  Agrippa  (c  70).  Von  Vespasian  zum  Tode  verurtheilt 
und  dem  Agrippa  zur  Bestrafung  übergeben,  wurde  er  von  diesem 
auf  I  Verwendung  der  Berenice  zu  längerem  Gefängniss  begnadigt 
(Vita  c.  65  und  74,  ed.  Kiese  §  341—343,  355,  410).  Fortan  scheint 
er  wieder  in  Tiberias  gelebt  zu  haben;  führte  aber  nach  Josephus 
einen  wenig  musterhaften  Lebenswandel.  Agi'ippa  bestrafte  ihn 
zweimal  mit  Gefängniss,  so  und  so  oft  mit  Verbannung  aus  seiner 
Vaterstadt;  einmal  verurtheilte  er  ihn  zum  Tode  und  begnadigte 
ihn  nur  auf  Bitten  der  Berenice.  Trotz  alledem  übertrug  ihm 
Agrippa  dann  die  ra^ig  kxtotoXmv.  Aber  auch  hierbei  erwies  sich 
Justus  als  unbrauchbar  und  wurde  schliesslich  von  Agrippa  für 
immer  entlassen  {Jos.  Vita  c.  65  ed.  Niese  §  355 — 356).  Er  lebte 
noch  im  Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts  n.  Chr.;  denn  seine 
Chronik  reichte  bis  zum  Tode  Agrippa's  im  dritten  Jahre  Trajan's 
(100  n.  Chr.)  Wegen  der  Bedenken,  welche  gegen  dieses  Datum 
erhoben  worden  sind,  s.  unten  die  Bemerkungen  über  Josephus' 
Vita.  —  Seine  Werke  sind:  1)  Eine  Geschichte  des  jüdischen 
Krieges,  gegen  welche  die  Polemik  des  Josephus  in  seiner  Vita 
sich  richtet.  Die  späteren  Schriftsteller,  welche  dieses  Werk  er- 
wähnen {Euseb.  Bist.  eccl.  III,  10,  Hiercmymus,  De  viris  illustr.  c.  14 
und  dessen  Uebersetzer  Sophronius,  endlich  Snidas  Lex.  s.  v.  'lovotog), 
schöpfen  ihre  Kunde  nur  aus  Josephus.  Auch  bei  Sieph.  Byx.  s.  v. 
TißsQiag  ist  es  sehr  unsicher,  ob  er  eine  selbständige  Kenntniss 
davon  gehabt  hat.  —  2)  Eine  Chronik  der  jüdischen  Könige 
von  Moses  bis  Agrippa  IL  Sie  hat  dem  Photius  noch  vorgelegen 
und  wird  von  ihm  kurz  beschrieben  {Biblioth.  cod.  33).  Auch  Julius 
Africanus,  auf  welchen  die  Citate  in  der  Chronik  des  Eusehius  und 
bei  Synccllus  zurückgehen,  hat  sie  benützt.  Eine  Notiz  bei  Dio- 
genes Laert.  II,  5,  41  scheint  darauf  zu  deuten,  dass  das  W^erk  eine 
Welt-Chi'onik  war,  nicht  nur  eine  solche  der  jüdischen  Könige. 
Dann  hat  dem  Photius  also  nur  ein  Ausschnitt  daraus  vorgelegen. 
—  3)  Die  Existenz  der  von  Hieron.  de  viris  illustr.  c.  14  erwähnten 
commentarioli  de  scrip iuris  ist  sehr  fragwürdig,  da  sonst  kein 
Autor  etwas  davon  weiss. 

Ueber  die  Parteistellung  des  Justus  während  des  jüdischen 
Krieges  sind  auf  Grund  der  irreführenden  Angaben  des  Josephus  noch  sehr 
schiefe  Meinungen  verbreitet.    Man    hält   ihn   meistens   für   einen   extremen 


60  §  3.   Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [48.  49] 

„Patrioten"  und  Römerfeind  (so  bes.  Baerwald,  Josephus  in  Galiläa,  1877; 
aber  auch  Wachsmuth,  Einl.  in  das  Studium  der  alten  Gesch.  S.  438).  Aber 
eine  kritische  Erwägung  aller  Mittheilungen  des  Josephus  liefert  uns  ein 
wesentlich  anderes  Bild.  Einerseits  schildert  ihn  Josephus  allerdings '  als 
einen  Hauptagitator  für  den  Krieg  und  behauptet,  dass  gerade  er  seine  Vater- 
stadt Tiberias  zum  Abfall  von  Agrippa  und  den  Römern  bewogen  habe  {Vita 
9.  65  [ed.  Niese  §.  344].  70).  Als  Beweis  dafür  führt  Josephus  an:  seinen 
Kriegszug  gegen  die  Städte  der  Dekapolis,  Gadara  und  Hippos,  wegen  dessen 
er  von  den  Vertretern  dieser  Städte  bei  Vespasian  verklagt  und  von  diesem 
dem  Agrippa  zur  Bestrafung  übergeben  wurde,  so  dass  er  nur  infolge  der 
Fürsprache  der  Berenice  dem  Tode  entging  (c.  9  fin.  65  [ed.  Niese  §.  341—343, 
355].  74) ;  ferner  seine  Verbindung  mit  den  Revolutionsmännern  Johannes  von 
Gischala  (c.  17)  und  Jesus  Sohn  des  Sapphias  (c.  54).  Aber  trotz  dieses  Be- 
strebens, dem  Justus  eine  Hauptschuld  an  der  Revolutionirung  Galiläa's  auf- 
zubürden, ist  Josephus  doch  naiv  genug,  gleich  im  Anjfang  zu  gestehen,  dass 
Justus  weder  der  römischen  noch  der  Revolutionspartei  angehört  habe,  sondern 
einer  Mittelpartei,  welche  „vorgab,  Bedenken  zu  hegen  wegen  des  Krieges" 
(c.  9:  vnexQLvexo  ivöoid^^eiv  'nQOQ  xbv  noXefzov).  Und  eine  Reihe  von  That- 
sachen  beweisen,  dass  Justus  keineswegs  Itir  den  Krieg  schwärmte.  Seine 
nächsten  Angehörigen  in  Gamala  wurden  von  der  Revolutionspartei  ermordet 
(c.  35.  37).  Er  selbst  war  einer  der  Vornehmen,  welche  sich  der  Zerstörung 
des  Herodes-Palastes  in  Tiberias  widersetzten  (c.  12).  Ja  er  gehörte  zu  den 
Rathsherren,  welche  Josephus,  gerade  weil  sie  die  Revolution  nicht  mit- 
machen wollten,  gefangen  setzen  Hess,  und  welchen  er  dann  vorstellte,  dass 
freilich  auch  er  die  Macht  der  Römer  kenne,  dass  aber  gegenwärtig  nichts 
anderes  übrig  bleibe,  als  sich  den  „Räubern"  d.  h.  den  Revolutiousmännern 
zu  fügen  (c.  35,  vgl.  Bei/.  .lud.  H,  21,  8—10,  Vita  32—34).  Justus  verliess 
auch  Tiberia.s,  als  dort  die  Revolution  noch  in  voller  Blüthe  stand,  und  ging 
zu  Agrippa  und  den  Römern  über  (c.  65  [Niese  §.  354,  357]  und  70).  Er  hatte 
daher  wohl  ein  Recht,  in  seiner  Darstellung  der  Kriegsgeschichte  dem  Josephus 
eine  Hauptschuld  an  der  Revolutionirung  von  Tiberias  zuzuschreiben,  und  zu 
behaupten,  dass  Tiberias  nur  widerwillig  dem  Aufstande  sich  angeschlossen 
habe  (ß.  05,  Niese  §.  340,  350,  351).  —  Der  wirkliche  Sachverhalt  ist  also  völlig 
klar.  Justus  war  ein  Mann  von  ganz  derselben  Richtung  wie 
Josephus.  Beide  haben  den  Aufstand  mitgemacht;  aber  beide 
nur  unter  dem  Druck  der  Umstünde.  Nachträglich  will  es  keiner 
von  Beiden  gethan  haben  und  so  schiebt  nun  Einer  die  Schuld 
auf  den  Andern. 

Da»  Werk,  gegen  welclies  Josephus  in  seiner  Vita  polemisirt,  kann  nicht 
identisch  sein  mit  der  von  l'hotius  beschriebenen  Chronik.  Denn  letztere  war 
nft<;h  Photius„sehr  knapp  im  Ausdruck,  und  sehrvielesNothwendige  übergehend"; 
erst<»res  aber  ging  offenbar  »ehr  ins  Einzelne,  und  wird  von  JoH«'plius  stets  mir 
als  ein«  üescli  iciite  des  Krieg<'s  clnirukterisirt.  I7<a9:  xal  ya^  ovd'  änfi- 
(foq  T/V  natdiloQ  tr/c  7ta()"7i'AA»/(;/v,  ij  i}aQ(^iüv  i^ntxn'^'jOf  xal  t/)v  laxo(iiav 
xuip  TCfftty/iüxtuv  xovxwv  (Ivaypäiptiv.  Viid,  r.  65  *////.  'lovuxov  xal  avx6%> 
xijv  ni  (fl  xnvxu)V  TiQuyiJiaxfluv  yeygatpoxa.  Il>i(t.  lovarof  yovv  avyy(>a(/nv  xäg 
ntQlxovxwv  intxei(ffiaaqnQdieiqxttlxf>v  nökfuov.  In  demselben  C'apitel 
{Vüu  05  ril.  Nirne  ft  357 — 35H)  spricht  Josephus  sciiu'  Verwunderung  aus  über 
die  FrcehhoU  des  Justus,  (hir  »ich  für  <len  iM-stcn  Berichterstatter  über  diese 
Dinge  nuMgebe  und  «loch  wed«^  iWw.r  die  Vorgütige  in  («iililüii  noch  über  die 
Belagern ngJotapata's  noch  über  dir  Bflagerung  Jerusalems  etwas  Zuverlässiges 


[49.  50]  §  3.    Quelleu.    B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  61 

wisse.  Offenbar  war  also  die  ganze  Kriegsgeschichte  in  dem  Werke  behandelt. 
Es  wurde  von  Justus  erst  zwanzig  Jahre  nach  seiner  Vollendung  veröffentlicht, 
als  Vespasian,  Titus  und  Agrippa  II  bereits  todt  waren  (Vita  65  ed.  Niese 
^  359—360).  Da  es  hiernach  noch  bei  Lebzeiten  Agrippa's  vollendet  wurde, 
kann  es  auch  aus  diesem  Grunde  nicht  mit  der  Chronik  identisch  sein,  welche 
bis  zum  Tode  Agrippa's  ging.  —  Aus  Josephus  schöpfen  ihre  Angaben:  Euse- 
hius  Hist.  eccl.  III,  10,  8:  ^loiaxov  TißeQisa  b/xotioq  avrdi  rä  xtitä  Tovq  autov? 
laropijaai  xqovovq  nsnetpafitvov,  und  Hieronymus,  de  viris  illiistr.  e.  14  {(/pp. 
ed.  Vallarsi  II,  853  sq.):  Justus  Tiheriensis  de  proeinoia  Galilaea  coruttus  est 
et  ipse  Judaicarum  rerum  historiarn  texere  et  qwjsdani  ctmimentariolus  de  serip- 
turis  componere ;  sed  himc  Josephus  aryuit  mendac'ii.  dmstat  autern  illtim  eo 
tempore  scripsisse  quo  et  Josephus.  —  Der  Artikel  bei  Suidas,  IjCX.  s.  v.  'lovaxoQ 
ist  wörtlicli  aus  Sophroniics ,  dem  griechischen  Uebersetzer  des  Hieronymus 
entnommen.  —  Vielleicht  beruht  auf  Josephus  auch  die  Notiz  bei  Sti-ph.  Bijx, 
(ed.  Meineke)  s.  v.  TißtQiäq'  ix  tavTTjg  7]v  'lotorog  o  rov  %v6a'ix6v  nöXe/xov 
Tov  xaxtt  Oveanaaiavov  laxoQiqaaq. 

Ueber  die  Chronik  der  jüdischen  Könige  bemerkt  Ph o t i u s ,  Bildiuth. 
coli.  33  folgendes:  kvfyvtüa&Tj^IovaxovTißgQituigxQovtxov,  ob  rj  iniYQa<pij  'lovaxov 
TißfQitwg  ^lovöaiwv  ßaaikecüv  xwv  iv  xoZg  oxe/n/iaoiv.  Ovxog  uno  nöXscog 
x^g  iv  raXi).ala  TißeQiäöog  (OQfiüxo.  'l4();ufra<  6h  xijg  iaxoglag  ano  Miovatiug, 
xaxakt'iyei  de  t'wg  xsXsvxijg'AyQlnna  xov  ißööfxov  fitv  xcHv  and  xF^g  oixiag'Hgo't- 
6ov,  vaxccxov  de  iv  xoTg  'lovöalwv  ßaatXevaiv,  og  nagiXaße  f4£v  xtjv  oQXfj*'  i^^ 
Kkavölov,  ijv^t}&t]  6e  inl  Nipwvog  xal  exi  fjiäXXov  vno  Ovfanaatavov,  xfXevxn 
6h  £xei  xqIxio  Tga'iavov,  ov  xal  rj  loxoQia  xaxiXTj^tv.  ^Eaxi  6h  t^v  ipQaoiv  awxo- 
fiwxaxog  xt  xal  xä  nXtlaxa  xüJv  dvayxaioxdxwv  nafjaxQtxav-  —  Auf  dieses 
Werk  beziehen  sich  auch  die  Citate  in  der  Chronik  des  Eusebius  und  bei  Georgius 
Syncellus,  die  ohne  Zweifel  durch  Vermittelung  des  Julius  Africanus  dem 
Eusebius  uud  Syncellus  zugeflossen  sind.  Im  Vorwort  zum  zweiten  Buch  seiner 
Chronik  sagt  Eusebius  folgendes  (Chron.  eil.  Sciwene  t.  II  p.  4,  der  griech. 
Text  ist  erhalten  durch  Syncellus  ed.  DindorfJ,  122):  Mtovaia  ....  xolg  XQO^oig 
dxfiaaai  xaxu  "Ivaxov  tlQrixaoiv  dvÖQig  iv  7iat6evafi  yvcigifiot,  KXrjfiTjg,  ]A(pQi- 
xavög,  Taxtttvög,  xov  xa^'  ^f^äg  Xoyov,  Xiüv  xs  ix  negixofxfjg  ^idoTjnnog  xal 
lovoxog  l6i(og  e'xaaxog  xtjv  d7i66eiqiv  ix  naXaiäg  vnooywv  laxoQiag.  Diese 
Stelle  des  eusebianischen  Vorwortes  wird  von  Syncellus  nicht  nur  ausdrück- 
lich citirt  [ed.  Dindorf  I,  122),  sondern  auch  sonst  noch  an  mehreren  Stellen 
benützt  {ed.  Dindorf  I,  IIB;  228;  280;  vgl.  auch  I,  116  f.);  desgleichen  von 
Eustathius  Antiochentis ,  In  Hexaemeran  cmnmentariua  ed.  Ijeu  Allatius,  lAtgd. 
Bat.  1629  p.  1  (=  Miijne  Patrol.  yraec.  XVIII,  707  sq.).  —  Eusebius  erwähnt  den 
Justus  ferner  in  der  Chronik  cui  ann.  Abrah.  2113,  zur  Zeit  des  Kaisers  Nerva 
{cd.  Schoene  II,  162  [nach  dem  Armenischen]:  Jostus  Tiber icnsis  .hidacitrum 
scriptor  cognoscebatur,  ibid.  p.  163  [nach  Hieronymus] :  Justus  a  Tiberiade  Judae- 
orum  scriptor  aynoscitur).  Bei  Syncellus  steht  dieselbe  Notiz  im  Anfang  der 
Regierung  Trajan's  {ed.  Dindorf  1,  655:  'lovaxog  Ttßfitievg^lov6aiog  avyyQaqtig 
iyviuQiXsxo).  Letzteres  ist  wohl  die  ursprüngliche  Stellung  in  der  Chronik  des 
Julius  Africanus.  Denn  der  Ansatz  beruht  ohne  Zweifel  darauf,  dass  die 
Chronik  des  Justus  eben  bis  in  den  Anfang  der  Regierung  Trajan's  gegangen 
ist.  —  Die  Notiz  bei  Scaliyer,  Thesaurus  tcntpormn,  laxoQtwv  awayioyi^  ad 
Ol.  Sie,  d  {ed.  Lugd.  Bat.  1606  p.  345,  ed.  Anist.  1658  ;;.  341):  ivxav&a 
Xriysi  xo  ^lovaxov  Tißegiiwg  xQOVtxov,  beruht  nur  unt'  Pkotius  Bib/iofh.  cod.  33. 
—  Wenn  es  nach  Obigem  sicher  ist,  dass  Julius  Africanus  die  Chronik  des 
Justus  benützt  hat,  so  ist  allerdings  die  Vermuthung  gestattet,   dass  gewisse 


62  §  3.   Quellen,   ß.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [50.  51] 

Notizen  bei  den  von  Africanus  abhängigen  Chronisten  über  die  jüdische  Ge- 
schichte, welche  nicht  aus  Josephus  stammen,  eben  auf  Justus  zurückgehen 
(s.  unten  §  10  und  Geiz  er,  Julius  Africanus  Bd.  I,  1880,  S.  265,  überhaupt 
S.  246—265;  auch  Gutschmid,  Jahrbb.  für  class.  Philol.  1860,  S.  708  ==  Kleine 
Schriften  II,  203,  hat  bereits  eine  Benützung  des  Justus  durch  Julius  Africanus 
vennuthet,  aber  freilich  gerade  an  einer  Stelle,  wo  dazu  kein  Grund  vorliegt, 
vgl.  Bd.  III,  S.  410). 

Vielleicht  hat  auch  Philostorgius  diese  Chronik  des  Justus  erwcähnt. 
In  einer  cormmpirten  Stelle  des  Suidas  wird  bemerkt:  „Philostorgius  sagt, 
dass  N.  N.  (dessen  Name  eben  durch  Text-Verderbniss  untergegangen  ist)  die 
jüdischen  Geschicke  ausführlicher  berichtet  als  Phlegon,  da  Phlegon  und  Dio 
sie  nur  kurz  erwähnen  in  Excursen  ihrer  Werke.  Jedoch  theilt  auch  dieser 
(der  uns  Unbekannte)  von  dem  auf  die  Religion  und  Moral  Bezüglichen  gar 
nichts  mit  ebenso  wie  jene,  während  im  Gegentheil  Josephus  sich  ängstlich 
bemüht,  den  Hellenen  keinen  Anstoss  zu  geben"  {Snidns,  Lex.  s.  v.  ^Xeyiov). 
Da,  wo  der  Name  des  Betreffenden  zu  erwarten  ist,  steht  im  überlieferten 
Suidas-Text  ooov.  Es  ist  eine  höchst  ansprechende  Conjectur  von  Valesius, 
dass  dafür  zu  lesen  sei  'lovazov  (gebilligt  von  Gutschmid,  Kleine  Schriften 
IV,  349;  Wachs muth,  Einleitung  S.  438).  Wichtig  ist  in  diesem  Falle  für 
uns  die  Bemerkung:  töJv  ys  slg  svaißeiav  xal  r^v  aXXriv  ccQezTjv  hXxovTcov  ovS" 
oxiovv  ovo'  ovToq  öeixvt/iai  nscpQOvrixüjg. 

Bei  Diogenes  Laerfius  II,  5,  41  (in  der  Biographie  des  Sokrates)  findet  sich 
folgende  Notiz:  Kgivofisvov  rf'  avrov  <pT]aiv  'lovoxoq  o  TißsQievg  ^v  nö 
^xl-HIxaxi  ID.uxüJVce  dvaßfjvai  Inl  xo  ßrjfia  xal  tinüv  „recoxaxoc:  aJv,  lu  avÖQfg 
'A'f^Tjvttloi,  Xüjv  inl  x6  ßrjfxa  dvaßävrtov" ,  xovg  6h  öixaoxaq  exßo^tjai'  Kaxdßa, 
xatäßa.  Es  ist  sehr  uuwaiirscheinlich,  dass  eine  so  specielle  Notiz  über  die 
Geschichte  des  Sokrates  und  Plato  in  einer  kurzen  Chronik  der  jüdischen  Könige 
gestanden  haben  soll.  Aber  auch  der  Wortlaut  des  Titels  bei  Photius,  verglichen 
mit  demjenigen  bei  Diogenes  liaertius,  führt  auf  die  Vennuthung,  dass  Justus 
nicht  bloss  eine  Chronik  der  jüdischen  Könige  geschrieben  hat.  Der  Titel 
(I'lidtiuH  Bil)ii()th.  rorf.  33)  'loväaluiv  ßaaiXktov  xtüv  iv  xoig  axtfifiaoiv  \iniu\  nicht 
heissen:  „Geschichte  der  gekrönten  Könige  der  Juden"  (so  z.B.  Bahr  in  Pauly's 
Kcal-  I  Enc.  IV,  686;  Creuzer,  Theol.  Stud.  und  Krit.  1853,  S.  57),  obwolü 
axiftfttt  allerdings  Krone  heisst.  Es  ist  vielmehr,  da  axifxfJLa  auch  Stammtafel 
lieisHt,  zu  übersetzen:  „Geschichte  der  in  den  Stammtafeln  verzeichneten  Könige 
der  Juden".  Aber  welche  ax^fifiaxa  sind  gemeint?  Die  Chronik  des  Castor 
(Mitte  des  ersten  Jahrh.  v.  Chr.,  s.  unten  Nr.  H),  2)  bestand  zu  einem  grossen 
Thcile  aus  Königslisten;  ebenso  dio  des  Juliiis  Africanus,  dem  wiederum  Eu- 
Hcbins  folgte.  Es  scheint  mir  kaum  zweifelhaft,  dass  das  ij>  dieselbe  Kategorie 
gehörige  Werk  d('s  Justus  ebenso  angelegt  war,  also  verschiedene  oxift/^axa 
(HtJinim tafeln)  nnifassto.  Dann  bildott;  das  axt'/jifia  der  jüdischen  Könige,  wel- 
che« dem  Photius  vorgelegen  hat,  nur  ein  Stück  dos  GesamnUwerkes.  Das 
Citftt  dcM  Diogenes  Laertius  aber  bezieht  sich  auf  ein  anderes  ax^fifjia,  also 
einen  anderen  Theil  dtw  Gesammtwerkes. 

Vgl.  über  Justus  ülx'rhaupt;  Viiuxihh,  DehiftUtrioi» graccia  cd.  Wesfcrmmm 
1H3H,  />.  241  Mfi.  FnhriviuH,  lUbImth.  grmc  ed.  Hallen  V,  (il.  X,  6i)l.  — 
Bahr  in  Pauly's  Jt4)al-Enc.  IV,  686.  —  Müller,  Fragin.  ///«/.  graee.  IM,  523, 
—  Vaillant,  J)e  /lüloriris  ijui  ante  Juse/ihnnt  .hulairas  tr»  sen'jisere  {/'aris  1851) 
;>.  H3-^7.  —  Creuzor,  Theol.  Htud.  und  Krit.  1853,  S.  57-5».  —  Griitz, 
Dn»  I^jtH'nNendo  den  Ki'mign  Agrippa  H,  des  Justus  von  Tiberiiis  und  des  Flavius 
JosephuN  und  die  Agrippa- Münzen  (MonutsBchr.  für  Üosdi.  un<l  Wisseusch.  des 


[51.  52]  §  3.   Quellen.    B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  63 

Judenth.  1877,  S.  337  ff.)  [giebt  eine  unmögliche  Erklärung  der  Photius-Stelle]. 
Ders.,  Gesch.  der  Juden  Bd.  III,  4.  Aufl.  S.  554—557.  —  Baerwald,  Josephus 
in  Galiläa,  sein  Verhältniss  zu  den  Parteien,  insbesondere  zu  Justus  von  Ti- 
berias  und  Agrippa  11,  Breslau  1877  (hierzu  Theol.  Literaturzeitung  1878, 
208—210).  —  Schlatter,  Der  Chronograph  aus  dem  zehnten  Jahre  Antonius 
(Texte  und  Untersuchungen  von  Gebhardt  und  Harnack  XII,  1,  1804)  S.  37— 47 
[meint,  dass  Josephus  in  der  Archäologie  den  Justus  benützt  habe].  —  Wachs- 
muth,  Einleitung  S.  438.  —  Niese,  Histor.  Zeitschr.  Bd.  76,  189(5,  S.  227  f. 
(stimmt  in  Betreff"  der  politischen  Parteietellung  des  Justus  mir  bei). 

15.  Aristo  von  Pella. 

Ueber  Aristo  von  Pella  und  seine  literarische  Thätigkeit  haben 
wir  nur  zwei  selbständige  Zeugen:  Eusebius  und  Maximus  Confes- 
sor.  —  1)  Nach  Eusebius  llist.  ccd.  IV,  6,  3  war  in  einer  Schrift 
des  Aristo  von  Pella  erwähnt  dass  nach  der  Eroberung  Beth-thers 
und  dem  Untergange  Barkochba's  „dem  ganzen  jüdischen  Volke  von 
da  an  das  Betreten  der  Umgebung  Jerusalems  gänzlich  verboten 
wurde  durch  Gesetzesbestimmung  und  Verordnungen  Hadrians,  wel- 
cher wollte,  dass  sie  nicht  einmal  von  der  Ferne  den  väterlichen 
Boden  sehen  sollten"  (to  ütäv  l&voq  kB,  exthov  xat  rrjg  jceQl  ra 
ItQoOoXvfia  yriq  jrafijcav  Ijtißaivtiv  HQy^xai,  vofiov  öoyfiaTi  xai  6ia- 
ra^töiv  'AÖQiavov,  mg  av  firjö*  t|  djiojtrov  d^tmQoltv  xo  JtaxQwov 
töatpoq  iyxtXtvöafitvov.  'Agiarcov  6  IltXXaloQ  laxoQ€l).  Auf  dieser 
Stelle  des  Eusebius  beruht  das,  was  im  Chronicon  ])aschale  und  bei 
dem  armenischen  Geschichtsschreiber  Moses  von  Chorene  über  Aristo 
von  Pella  bemerkt  wird.  —  2)  In  den  Schollen  des  Maximus  Con- 
fessor  (um  630 — 650  nach  Chr.)  zu  Dionysius  Areojtagit.  De 
mijstica  theologia  c.  1  s.  fin.  {Dionysii  Areoj)agit.  ojjj).  ed.  Corder  t. 
II,  1756,  p.  234  =  Mifine,  Patrolog.  graec.  IV,  421)  findet  sich  fol- 
gende Notiz:  Avtyvoov  öh  xovxo  „tjtxa  ovQavovg^'  xal  tv  ry  ovyye- 
yQafifisvfj  'Aqiotcovi  xm  nelXalco  öiaXt^si  Uajtiaxov  xai  'laöovog,  tjv 
KXi^firjg  o  'AXs^avÖQevg  sv  txrqj  ßißXirp  xmv  ^  Y.toxvnoaCecov  top  dyi- 
ov  Aovxäv  (prjoiv  dvaygd^pai.  Nach  Maxiuius  Confessor  war  also 
Aristo  der  Verfasser  des  Dialoges  zwischen  Jason  und  Papiscus, 
der  auch  sonst  citirt  wird,  aber  stets  als  anonymes  Werk.  Kr  war 
bereits  dem  heidnischen  Philosophen  Oelsus  bekannt,  desgleichen 
dem  Origenes  (contra  Cels.  IV,  52)  und  dem  Hieronymus  (com- 
ment.  ad  Gal.  3,  13  =  ojrp.  ed.  Vallarsi  VII,  1,  436,  und  Quaest. 
Hehr,  in  Genesin  1,  1  =  Vallarsi  III,  1,  305).  Am  meisten  Auf- 
schluss  giebt  uns  das  noch  erhaltene  Vorwort  zu  einer  lateinischen 
Uebersetzung,  welche  ein  gewisser  Celsus  (nach  Harnack  wahr- 
scheinlich im  fünften  Jahrhundert  nach  Chr.)  angefertigt  hat  (er- 
halten in  einigen  Handschriften  der  Werke  Cyprian's,  Cyj^iani  o])j). 
ed.  Ilartcl  111,  119—132,  die  Hauptstelle  c.  8,  der  Verf.  nennt  sich 


64  §  3.   Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [52.  53] 

selbst  am  Schlüsse  Celsus).  Hiernach  war  Jason  der  Vertreter  der 
christlichen  Anschauung,  Papiscus  der  Vertreter  des  Judenthunis. 
Der  Christ  bewies  aber  dem  Juden  so  überzeugend  die  Messianität 
Jesu,  dass  letzterer  sich  alsbald  bekehrte  und  getauft  ward. 

Da  der  Dialog  dem  Celsus,  Origenes,  Hieronymus  und  dem  la- 
teinischen Uebersetzer  offenbar  anonym  vorgelegen  hat  (denn  keiner 
von  ihnen  nennt  den  Verfasser),  so  ist  es  sehr  fraglich,  ob  das  Zeug- 
niss  des  Maximus  Confessor  für  Aristo  als  Verfasser  Glauben  ver- 
dient. Woher  soll  ein  Schriftsteller  des  siebenten  Jahrhunderts  die 
richtige  Kunde  über  den  Verfasser  haben,  wenn  alle  älteren  Zeugen 
nichts  darüber  gewusst  haben?  Trotzdem  ist  die  Angabe  des  Ma- 
ximus nicht  unwahrscheinlich.  In  Tertullian's  Schrift  adversus  Ju- 
daeos  c.  13  inü.  wird  des  kaiserlichen  Edictes,  welches  den  Juden 
das  Betreten  der  Umgebung  Jerusalems  verbot,  fast  wörtlich  eben- 
so, wie  in  der  von  Eusebius  aus  Aristo  citirten  Stelle  gedacht  (m- 
terdictum  est  ne  in  confinio  ijisius  regionis  demoretur  quisquam  Jtidne- 
orum  ....  post  eoqmgnationem  Hierusalem  jj^rohibiti  ingredi  in  terram 
vestram  de  longinquo  eam  ocidis  tantum  videre  permissum  est).  Da 
TertuUian,  oder  wer  sonst  der  Verfasser  der  Schrift  ist,  dies  in 
einer  antijüdischen  Streitschrift  vorbringt,  so  ist  es  wohl  wahr- 
scheinlich, dass  er  die  Notiz  aus  einer  ähnlichen  antijüdischen 
Streitschrift  geschöpft  hat.  Eine  solche  war  aber  der  Dialog 
zwischen  Jason  und  Papiscus  (vgl.  auch  Harnack's  Texte  und  Unter- 
suchungen 1,  1—2,  S.  127  ff.). 

Wenn  liiernach  zu  verinuthen  ist,  dass  die  Notiz  bei  Eusebius 
aus  dem  Dialog  zwischen  Jason  und  Papiscus  stammt,  so  darf  dem 
Aristo  nicht  eine  Specialgeschichte  über  den  hadriani- 
schen  Krieg  zugeschrieben  werden;  und  es  ist  niclit  wahr- 
scheinlich, dass  die  übrigen  Angaben  des  Eusebius  über  den  hadri- 
anischen  Krieg  aus  Aristo  stammen,  der  vielmelir  nur  jenes  einen 
Edictes  beiläufig  gedacht  hat.  —  Was  die  Zeit  Aristo's  betrifft,  so 
ist  er  wolil  um  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  zu  setzen. 

Im  Ghriiu.  paschalc  ed.  Dimhirf  I,  477,  ist  zum  Jahr  134  ii.  Chr.  biincrkt: 
Tovxttt  xiji  TtH  'Antkk^t  xal  'A(tlaTCDV,  cur  /xkfiVTjTat  Evntßioq  b  llafnpIXov  iv  t^  \ 
ixxX^aiaazixy  avzov  laiopin,  ini6l6<ootv  dnoXoyiaq  avvia^iv  nt()l  xijg  ;?«.'>' 
r//itfc  i>eoaeßtla(i  %\Havi»  xo>  ßaaiXtt.  Du  der  VcrfuHSor  8id>  ausdrücklicl»  auf 
KiiHchiuH  hcrufi,  mo  kommt  Boinen»  ZcüiKniHH  kein  selhHtündiiri'r  Wortl»  /u.  Der 
Hingiilnr  fniAlömoiv  macht  e»  walirHchtiiilich,  dass  er  b  lliXXaloq  /i()liixwv  go- 
Hchricben  hat,  woraiiH  kntkXfji  xal  'AqIoxwv  diircli  Otrruptioii  cntHtiindoii  int. 
—  KhenralU  auM  KiiMohiuM  Mcliöpf'l  hiüim!  Kunde  «Icr  arnicnischo  GcHcliiolitH- 
M;hrei)>er  Monen  von  ('horenc,  wchlu-r  zwar  behauptet,  dass  Arinto  den 
Trid  den  Kfmig«  AnlaMchcH,  eine»  ZeitgcnoHMen  lladriiuiH  erwähne,  dann  aber 
ledlglirh  nach  EuHchiu«  die  (ii'Hchichte  de«  Barkocld)a  er/ählt  (s.  Routh, 
/ieldquiae  $aera»  I,  101  iqq.  Lnnt/liiis,    CaUcrdon  den  historinis  de  l'Armhiic 


[53]  §  3.   Quellen.    B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  65 

t,  I  [=  Müller,  Fragm.  hist.  f/raec.  V,  2]  p.  391  sqq.  Harnack,  Texte  und 
Untersuchungen  I,  1 — 2,  S.  126). 

Der  Dialog  zwischen  Jason  und  Papißcus  ist  wahrscheinlich  benützt  in 
der  von  Marlene  {Thesmirus  novtis  anecdolanim  l.  V,  Paris  1717)  heraus- 
gegebenen und  von  Harnack  wieder  aus  der  VergesBcnheit  hervorgezogenen 
Altereatio  Simonis  Judaei  et  Thcophili  Christiani.  8.  Harnack,  Texte  und 
Untersuchungen  Bd.  I,  Heft  3,  1883,  bes.  S.  115—130.  Corssen,  Die  Alter- 
catii)  Simonis  Jtidaei  et  Thcophäi  Christiani  auf  ihre  Quellen  geprüft,  18!K) 
(Tlieol.  Litztg.  1890,  024).  Zahn,  Forschungen  zur  Gesch.  des  ueutestameutl. 
Kanons,  Tlil.  IV,  1891,  S.  308—329.  —  Corssen  und  Zahn  halten  eine  Benützung 
jenes  älteren  Dialoges  in  diesem  jüngeren  auch  für  wahrscheinlich,  aber  nicht 
in  so  starkem  Maasse,  wie  Harnack  angenommen  hatte.  Ihnen  stimmt 
Harnack  selbst  im  Wesentlichen  bei:    Gesch.  der  altchristl.  Literatur  I,  94  f. 

Gonifbeare,  The  diaioyues  of  Athanasius  aml  Zacchaeus  and  of  Timothy 
and  Aquila,  edited  icith  Prolegomcna  and  Facsimiles  (Aneedota  Oxonieiisia, 
Clnssical  Scrks,  Part  VHI),  Oxford  1898,  meint,  das»  auch  diese  beiden  von 
ihm  herausgegebenen  griechischen  Dialoge  auf  den  Dialog  des  Jason  und 
Papiscus  zurückgehen.  Dafür  giebt  es  aber  keine  stichhaltigen  Gründe  (s. 
Hennecke,  Theol.  Litztg.  1899,  566  fi".).  Die  frühere  Publication  Conybeare's 
im  Expositor  1897,  April  p.  300 — 320,  Jtiyie  p.  443 — 463:  A  neto  seeondcentury 
Christian  dialoffiie,  giebt  nur  eine  englische  Uebersetzung  der  armenischen 
Uebersetzung  des  Dialoges  zwischen  Athanasius  und  Zacchaeus. 

Ueber  Aristo  vgl.  überhaupt:  Fabrieius,  BilUioth. gracc.  eil.  Hartes  VH, 
156  sqq.  —  Grabe,  Spicilc/ium  Patruin  H,  127 — 133.  —  Routh,  Retiquiac 
sacrae  I,  91-109.  —  Gieseler,  Kirchengesch.  I,  1,  4.  Aufl.  S.  209.  —  Pauly's 
Real-Enc.  I,  2,  2.  Aufl.  S.  1597.  —  Mütter,  Fragvi.  hist.  graee.  IV,  328.  — 
Corpus  apologetarum  ed.  Otto  t.  IX,  1872,  p.  349 — 363.  —  Harnack,  Die 
Ueberlieferung  der  griechischen  Apologeten  des  zweiten  Jahrhunderts  in  der 
alten  Kirche  und  im  Mittelalter  [==  Texte  und  Untersuchungen  zur  Gesch.  der 
altchristl.  Literatur, Bd.  I,  Heft  1—2]  1882,  S.  115—130  —  Zahn,  Forschungen 
zur  (Jesch.  des  ncutestsimentl.  Kanons,  Thl.  HI,  1884,  S.  74.  —  Harnack, 
(^esch.  der  altchristl.  Literatur  I.  1893,  S.  92— 95.  II,  1,  1897,  S.  268  f  Ders. 
in  Herzog-Hauck,  Real-Enc.  3.  Aufl.  II,  47  f.  —  8 ch latter,  Die  Kirche  Je- 
rusalems vom  Jahre  70—130  (Beiträge  zur  Förderung  christlicher  Theologie 
11,  3)  1898,  S.  08 — 78.  —  Ehrhard,  Die  altchristliche  Literatur  und  ihre  Er- 
forschung von  1884— 1!KX)  (1900),  S.  212—217. 

16.  Papyrus-Fragmente. 

Auf  die  Gescliiclite  der  alexandrinischen  Juden  beziehen  sich 
einige  Papyrus-Fragmente,  die  erst  in  neuerer  Zeit  bekannt  ge- 
worden sind  (vgl.  die  Zusammenstellung  von  Reinach,  Revue  des 
etudes  juives  t.  XXXVII,  1898,  jk  218—225). 

1.  Ein  Fragment  im  Louvre  zu  Paris,  zu  welchem  auch  ein 
kleines  Londoner  Fragment  gehört,  scheint  sich  auf  den  Juden- 
Aufstand  unter  Trajan  zu  beziehen.  Der  Text  hat  die  Form 
eines  Protocolles  über  eine  Unterredung,  welche  der  Kaiser  per- 
sönlich mit  jüdischen  und  alexandrinischen  Abgeordneten  geführt 
hat.    Die  Reden  werden  in  der  ersten  Person  wiedergegeben.    Die 

Schür  er,  (ieschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  5 


66  §  3.   Quellen.    B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [53] 

Formel  KaloaQ  'lovöaiotg  kommt  zweimal  vor  (II,  1.  III,  16).     Es 
scheint,  aber,  dass  nicht  nur  eine  jüdische  Gesandtschaft  mit  dem 
Kaiser  spricht  (wie  Wilcken  angenommen  hat),  sondern  eine  jüdische 
lind  eine  alexandrinische  (wie  Reinach   sehr  wahrscheinlich    ge- 
macht und  Wilcken  selbst  später  anerkannt  hat).    Der  Text  be- 
ginnt damit,  dass  ein  gewisser  Theon  ein  Edict  des  Lupus  vor- 
liest, der  höhnisch  befohlen   hat,    den   Theaterkönig  vorzuführen 
{ßtcov  .   .  öiäxayua  avtyvo}  Aovjcov   cog  jiQoayeiv  avrovg  exeXtvs 
X^sva^cov   TOP   ccjTo   oxrjvrjg  xal  sx  (itifiov  ßaöiXm).     Die   Namen 
Theon  und  Lupus  kommen  auch  in  dem  Londoner  Fragment  vor 
(bei  Wilcken  IV,  2—3).     Da  der  grosse  Juden-Aufstand  zur  Zeit 
Trajan's  ausbrach,   als  Lupus   Statthalter  von  Aegypten  war,  so 
ist  höchst  wahrscheinlich    an   diesen    zu    denken.    Für    die  Zeit 
Trajans  spricht  auch  die  Erwähnung  des  dacischen  Krieges  (1, 13). 
Der    „Theaterkönig"    ist    dann    der   jüdische    Revolutions-König. 
Wie  es   scheint,  ist  Theon   ein   Alexandriner,   der  das  feindliche 
Vorgehen  der  Alexandriner  gegen  die  Juden  damit  rechtfertigt, 
dass  es  ja  vom  Statthalter  selbst  befohlen  sei.    Der  weitere  Gang 
der  Verhandlung  ist  aus  dem  fragmentarischen  Texte  nicht  zu  er- 
kennen.    Es  scheint,  dass  einer  der  Alexandriner  zum  Tode  ver- 
urtheilt  wurde.     Denn  der  Paulus,   der  am    Schlüsse    sagt,  er 
wolle,  da  er  morgen  doch  sterben  müsse,   furchtlos  die  Wahrheit 
sagen,   ist  höchst  wahrscheinlich  ein  Alexandriner.  —  Der  Name 
des    Kaisers    ist    nicht    genannt.    Da    auch  der  Name  Antoninus 
vorkommt  (aber  nicht  als  der  des  Kaisers),  so  wollte  Reinach   an 
die  Zeit  der  Antonine  denken,  etwa  an  Commodus,  der  auch  dacische 
Kriege  geführt  hat.    Später  hat  Reinach  diese  Ansicht  zurückge- 
nommen,  aber  festgehalten,  dass  die  Verhandlung  erst  unter  dem 
Nachfolger  Trajan's,   also   Hadrian,  stattgefunden  liabe  {Revnc  des 
ettules  juives  XXXYU,   218).     Das   ist  möglich,    aber    nicht   noth- 
wendig;  denn  der  xvqioq,  unter  welchem  der  .luden- Aufstand  aus- 
brach und  von  dessen  „Abgang"  {ajtoörjiila,  seil,  aus  Aegypten  oder 
Tod?)  die  Rede  ist  (II,  5—7),  ist  nicbt  nothwendig  der  Kaiser,  kann 
vielmehr  auch  der  Statthalter  sein  ■^).  Die  Verhandlung  kann  etwa  im 
Frühjahr  117   nach  Trajans   Rückkehr   aus    dem    fernen  Osten  in 
Antiochia  stattgefunden  liaben  (so  Wilcktni).     Möglich  ist  freilich 
auch,  das»  sie  ei'ttt  unter  Hadrian  stattgefunden  hat. 

Dbm  I'iiriMt'r  Fragment  int  zuerMt  (hIh  I'npijrus  Paris,  n.  ()8)   vcröfl'entlicht 
von  Brunei  de  Prcalv   in:     Wofirrs  et  cxtraits  dca  Manuacrün  ....  publivs 


2)  Ueber  den  Qobratich  von  xi\uo<;  uucli  uIh  Titel  der  Htuttlmltor  h. 
OrenftU  and  Hunt,  Tfic  Ooayrhynchm  J'api/ri  I  (181)8)  n.  72  lin. !)  (!K)  n  Clin), 
ib.  II  (1890)  h.  283,  Un.  18  (40  n.  Ohr.). 


[53]  §  3.    Quellen.    B.  Niclit-erhaltene  Quellen.  67 

par  l' Institut  de  Frame,  tome  XVIII,  ^rfe/jar^ie  (Paris  1865)  p.  383— 390;  hierzu 
im  Atlas  planehe  XLV.  —  Das  Londoner  Fragment  von:  Forshall,  Deserip- 
tiim  of  the  greek  papyri  in  the  British  Museum  (1839)  n.  43,  und  von  Kcnyon, 
Oreek  papijri  in  the  British  Museum  I  (1893)  n.  1.  —  Auf  neuer  I^esung, 
welche  erst  eine  Deutung  ermöglichte,  beruht  die  Untersuchung  von  Wilcken, 
Ein  Actenstück  zum  jüdischen  Kriege  Trajans  (Hermes  XXVII,  1892,  S.  464 — 
480).  —  Abermals  neu  verglichen  ist  der  Text  von  Th.  Rein  ach,  Juifs  et 
grecs  devant  tm  empereur  romain  {Revue  des  etudes  Juives,  t.  XXVII,  1893,  p. 
70 — 82).  Hiernach  auch  in:  Th.  Rein  ach,  Textes  d'auteurs  grecs  et  rornains 
relatifs  au  Judcüsvie  (1895)  p.  218 — 226.  —  Ein  kleines  Bruchstück  eines  etwas 
anders  gefassten  Berichtes  über  dieselben  Vorgänge  enthält  ein  Berliner 
Papyrus  (Aegyptische  Urkunden  aus  den  königlichen  Museen  zu  Berlin, 
Griechisclie  Urkunden,  Bd.  I,  1895,  n.  341.  Wilcken,  Hermes  XXX,  1895, 
S.  481 — 485).  —  Reinach's  letzte  Bemerkung  s.  in:  Revue  des  etudes  Juives, 
t.  XXXVII,  1898,  p,  218. 

2.  Zwei  zusammengehörige  Fragmente,  von  welchen  das  eine 
in  Berlin,  das  andere  in  Gizeh  sich  befindet,  geben  uns  Kunde 
über  ähnliche  Verhandlungen  vor  Kaiser  Claudius.  Die 
Reden  werden  auch  hier  in  der  ersten  Person  wiedergegeben ;  und 
es  ist  in  diesem  Falle  deutlich,  dass  wir  es  mit  einer  solennen, 
vom  Kaiser  selbst  geleiteten  Gerichtsverhandlung  zu  thun  haben. 
Der  Name  KXavöioq  KaiaaQ  kommt  mehrmals  vor.  Das  Berliner 
Fragment  beginnt  damit,  dass  zwei  Beisitzer  des  kaiserlichen 
Consiliums  (ovfißovXtiop)  das  Wort  ergreifen:  ein  gewisser  Tar- 
quinius  und  ein  gewisser  Aviolaos  ^).  Der  Sinn  ihrer  Reden 
lässt  sich  kaum  errathen.  Es  werden  dann  Gesandte  — 
denn  ....  ßtig  ist  von  Wilcken  gewiss  richtig  zu  [jtQta]ßtig  er- 
gänzt —  hereingerufen  und  auf  den  andern  Tag  beschieden.  Die 
Verhandlung  des  zweiten  Tages  fand  statt  [iv  rolg  .  .  .  .]  Xiavolq 
xrjjtoic,  was  Wilcken  in  AovxovXXiavolq  ergänzte;  es  kann  aber 
ebensogut  SsQoviXiavolq  ergänzt  werden  (so  Reinach,  Revue  XXXIV, 
297);  also  in  den  Gärten  des  LucuUus  oder  Servilius.  Es  war 
eine  glänzende  Versammlung.  25  Senatoren,  darunter  16  Consu- 
laren,  waren  anwesend.  Ausserdem  werden  auch  Matronen  er- 
wähnt, was  darauf  schliessen  lässt,  dass  in  einer  Textlücke  auch 
die  Kaiserin  als  anwesend  genannt  war.  Das  Wort  ergreift  zu- 
nächst der  Gymnasiarch  Isidorus  von  Alexandria,  um  gegen  König 
Agrippa  Klage  zu  erheben.  Der  Kaiser  antwortet,  dass  er  damit 
seinen  (des  Kaisers)  Freund  angreife  (nach  xaxa  rov  i/iov  ergän- 

3)  Der  Beiname  Aviola  kommt  in  der  gens  Äcilia  und  in  der  gens  Cal- 
purnia  vor.  Reinach  {Revue  des  etudes  juives  XXXI,  172)  denkt  an  M'  Aeilius 
Aviula,  Consul  im  J.  54  und  Proconsul  von  Asien  65  —66  ( Waddiw/tou,  Fastes 
n.  93;  Prosopographia  imperii  Romani  I,  6).  Wenn  aber  die  Verhandlung  in 
die  erste  Zeit  des  Claudius  fällt,  so  liegt  es  viel  näher,  an  C.  Catpurnius 
Aviola  zu  denken,  consul  suff.  24  n.  Chr.  und  Proconsul  von  Asien  i.  J.  38—39 
n.  Chr.  {Waddington,  Fastes  n.  79;  Prosopogr.  imp.  Rom.  I,  275). 


68  §  3.   Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [53] 

zen  Wilcken  und  Reinach  wohl  mit  Recht  (plXov).  —  In  dem  Frag- 
ment von  Gizeh,  das  sich  vernmthlich  hier  anschliesst,  spricht 
zuerst  ein  gewisser  Lampon  ein  paar  Worte.  Als  hierauf  der 
Kaiser  dem  Isidorus  bemerkt:  jtoXXovq  fiov  (piXovq  djrsxreivag 
loidojQs,  wird  der  Ton  immer  erregter.  Es  sprechen :  Isidorus,  der 
Kaiser,  Isidorus,  Lampon,  der  Kaiser.  Obwohl  der  Text  nur  ge- 
ringe Lücken  aufweist,  ist  der  Sinn  der  kurzen  Sätze  doch  ziem- 
lich dunkel.  Es  scheint,  dass  sich  Isidorus  und  Lampon  darauf  be- 
rufen, dass  sie  einfach  dem  Befehl  des  früheren  Kaisers,  also 
Caligula's  gefolgt  sind  (Isidorus:  ßaoiXsoq  r]xovaa  rov  rors  jiqoö- 
ra^avToc,  später  Lampon:  zoiyaQ  aXXo  exofisv  si  naga^QovovvTi 
ßaciXei  xojtov  öeöevai,  wo  unter  dem  „wahnsinnigen  Kaiser"  un- 
möglich der  anwesende  Claudius,  sondern  nur  der  verstorbene 
Caligula  verstanden  werden  kann ;  statt  roiyaQ  und  ei  ist  mit 
Reinach  ri  yaQ  und  //  zu  lesen;  ö^ö^vat  ist  nicht  =  öiöovai,  wie 
Reinach  will,  sondern  Schreibfehler  für  öeöcoxsvai).  Mit  den  Worten 
des  Claudius  oig  jcQosxsXevaa  rov  d^avarov  rov  Ioiöcoqov  xai  Aaf/jrco- 
voq  bricht  das  Fragment  ab.  Die  beiden  sind  also  zum  Tode  ver- 
urtheilt  worden;  und  das  Urtheil  ist,  wie  uns  der  unten  zu  er- 
wähnende Papyrus  von  Oxyrhynchus  lehrt,  auch  vollzogen  worden.  — 
Durch  diese  Nachrichten  wird  der  Bericht  Pliilo's  über  die  Vor- 
gänge unter  Caligula  und  Claudius  nicht  nur  bestätigt,  sondern 
auch  ergänzt.  Isidorus  und  Lampon  sind  uns  nämlich  aus 
Philo  wohlbekannt.  Sie  werden  von  ihm  als  zwei  Unruhestifter 
schlimmster  Sorte  geschildert,  welche  auch  bei  der  Hetze  gegen 
die  Juden  an  der  Spitze  standen  (m  Flaccum  §  4  und  15 — 17). 
Durch  die  Papyrusfragmente  erfaliren  wir,  wie  sie  von  Claudius 
zur  Verantwortung  gezogen  wurden.  Höchst  wahrscheinlich  fallen 
diese  Verhandlungen  also  in  die  erste  Zeit  des  Claudius.  Wegen 
Erwähnung  der  lucullischen  (i arten,  welche  frühestens  im  J.  47 
in  kaiserlichen  Besitz  gekommen  sind ,  wollte  Wilcken  an  die 
spätere  Zeit  des  Claudius  denken,  und  daher  unter  Agrippa  nicht 
Agi'ippa  1  (was  zweifellos  am  nächsten  liegt),  sondern  Agrippa  II 
verstehen.  Jenes  Argument  erledigt  sich  aber  durch  die  Ergän- 
zung ^fQoviXiuvolq,  wie  Wilcken  selbst  später  anerkannt  liat 
{lievuc  XXXIV,  298). 

Auf  dem  Horliner  Fragment  ullcin  benilit  die  Unternuchuiig  von  Wih^ken, 
AlüX.indrinUeho  OeHnndtHchuften  vor  Kainer  ClaudiuH  (Hermes  XXX,  1895, 
8.  481— 41MS).  —  Der  Text  de»  FragmenteH  aiicli  in:  AogyptiHche  Urkunden 
aUM  don  köuigl.  Muncen  ku  lierlin,  griccluHclie  Urkunden,  Bd.  I  n.  51 1.  — 
Dan  Berliner  und  dan  von  Jouguet  entdeckte  Fragment  von  (li/ch  Hind  ver- 
einigt hei:  Tli.  Hei  nach,  L^nnipcrcur  (Uniulr.  rt  Iva  (fiitisniiitcs  A/cxatitlrins 
fPapri»  un  Wfuecmi  jHi/ftffn4ii  (Itcmic  ik»  6/mlcn  juiirn  t.  XXX 1,  IWin,  y^  KJl-  17H). 
Vgl.  Thcol.  LitKtg.  18ÜÜ,  2öli  f.  —  Ergttnzungen    und    Uerichtigungen   geben! 


[53]  §  3.    Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  69 

Reiuach,  Revue  des  Hudes  juives  XXXII,  1896,  p.  160.  XXXIV,  1897,  p. 
296—298,  und  Wilcken,  Berliner  pliilol.  VVochenschr.  1896,  1617  ff.  1897, 
410  f. 

3.  Auch  unter  den  von  Grenfell  und  Hunt  in  Oxyrhynchus 
ausgegrabenen  Fragmenten  hat  sich  ein  Stück  ähnlicher  Art,  wie 
die  oben  besprochenen  gefunden.  Die  Verhandlungen  werden  hier 
geführt  zwischen  einem  gewissen  Appianus,  der  sich  yvfivaaiuQxop 
xal  jtQeoßsvT^v  'AXs^avögecop  nennt  (III,  10—1 1),  und  einem  Kaiser 
aus  der  Zeit  der  Antonine,  denn  Appianus  sagt  ihm:  zm  yaQ  ^bcö 
^AvTcoveivm  rm  yiargi  oov  tJtQejis  avtoxQaxoQ^veiv  (II,  7 — 9).  Der 
divus  Antoninus  kann  Antoninus  Pius  oder  Marc  Aurel  sein,  der 
verhandelnde  Kaiser  also  Marc  Aurel  oder  Commodus.  Die 
Frechheit,  mit  welcher  Appianus  dem  Kaiser  begegnet,  lässt  darauf 
schliessen,  dass  er  nichts  mehr  zu  verlieren  hat.  Jüdische  Be- 
ziehungen finden  sich  in  dem  Stücke  zwar  nicht;  aber  Appianus 
erwähnt  rovq  jcqo  sfiov  rsXsvT^oavrag  Secova  rs  xal  loiöcoQov 
xdi  AafiJtmpa  (IV,  5—7).  Isidorus  und  Lampon  sind  ohne  Zweifel 
die  uns  bekannten  Antisemiten  aus  der  Zeit  des  Caligula  und 
Claudius.  Sie  sind  also  wirklich  hingerichtet  worden;  und  der 
Gymnasiarch  Appianus  scheint  ein  würdiger  Nachfolger  von  ihnen 
zu  sein.  Auch  der  Name  Theon  kommt  in  den  Claudius-Frag- 
menten vor.  Da  aber  dort  nur  Isidorus  und  Lampon  als  zum  Tode 
verurtheilt  erwähnt  werden,  ist  vielleicht  an  den  in  den  Trajan- 
Fragmenten   erwähnten  Theon  zu  denken. 

Ausgabe  des  Textes  in :  Egypt.  Exploration  Fund,  Graeco  -  Roman 
Bratich,  The  Oxyrhynchus  Papyri,  Part  I,  ed.  by  B.  P.  Grenfell  and  A.  S. 
Hunt,  London  1898,  n.  XXXIII.  —  Vgl.  Deissmann,  Theolog.  Literaturzeituug 
1898,  col.  602-606.  —  Weil,   Revue  des  etudes  f/recques  XI,    1898,  p.  243  sq. 

—  Th.  Reinach,  Revue  des  etudes  juives  XXXVII,  1898,  p.  221 — 224.  — 
Monnnseu,  Sitzungsber.  der  Berliner  Akad.  1898,  S.  498.  —  Wilamowitz, 
(;ött.  gel.  Anz.  1898,  S.  690.  —  Mitteis,    Hermes  XXXIV,   1899,   S.  88—91. 

—  Mom rasen,  Rom.  Strafrecht,  1899,  S.  265. 

Räthselhaft  ist  die  literarische  Form  aller  dieser  Documente.  Die 
l)rotocollarische  Genauigkeit  ist  so  gross,  dass  man  sie  für  gleichzeitige 
Aufzeichnungen  von  Ohrenzeugen  halten  möchte.  Andererseits  fällt  die 
formelle  und  sachliche  Aehnlichkeit  der  Fragmente  auf.  Diese  ist 
um  so  merkwürdiger,  als  sie  sich  auf  zeitlich  weit  auseinander- 
liegende Vorgänge  beziehen;  auch  paläographisch  nicht  zusammen- 
gehören und  an  verschiedenen  Orten  (Fajjum,  Oxyrhynchus)  ge- 
funden worden  sind.  Deissmann  (Theol.  Literaturzeituug  1898, 
GOG)  hat  vermuthet,  dass  wir  hier  Bruchstücke  eines  einheitlichen 
Werkes  haben,  welches  die  Geschichte  der  alexandrinischen  Juden- 
hetzen unter  Benützung  von  mehr  oder  weniger  autlientischen 
Protocollen  behandelte.     Reinach  will  eher  an  eine  Leidensge- 


70  §  3.    Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [53] 

schichte  der  Gymnasiarchen  von  Alexandria  denken  {Revue  des 
etudes  juives  XXXVII,  224).  Auch  Mit t eis  (Hermes  a.  a.  0.) 
meint,  dass  es  sich  um  Berichte  von  alexandrinischer  Seite  handelt, 
welche  mit  der  Todesmuthigkeit  ihrer  Leute  renommirten.  Letzteren 
Gesichtspunkt  hat  Ad.  Bauer,  Heidnische  Märtyreracten  (Archiv 
für  Papyrusforschung  I,  1,  1900,  S.  29—47),  weiter  verfolgt,  indem 
er  zu  zeigen  versuchte,  dass  wir  hier  ein  heidnisches  SeitenstUck 
zu  den  christlichen  Märtyrer- Acten  haben.  Die  Aufzeichnungen 
dienen  „der  Verherrlichung  der  ünerschrockenheit  und  des  Todes- 
muthes  griechischer  Angeklagter  vor  dem  Richterstuhl  des  Macht- 
habers in  Rom"  (S.  39).  Das  ist  in  der  That  der  Fall.  Bauer 
hält  die  Acten  aus  der  Zeit  des  Claudius  für  „echt",  d.  li.  für  eine 
getreue  protocoUarische  Wiedergabe  der  wirklich  geführten  Ver- 
handlungen; die  aus  der  Zeit  der  Antonine  wegen  ihrer  starken 
Uebei-treibungen  für  erdichtet,  die  aus  der  Zeit  Trajans  für  ver- 
dächtig. Sie  mögen  „in  der  Hauptsache  auf  authentische  Auf- 
zeichnungen zurückgehen  und  nur  die  Scene,  in  der  Paulus  sich 
als  Todescandidat  an  den  Kaiser  wendet,  ausgeschmückt  sein" 
(S.  45,  vgl.  S.  32  f.).  Ich  möchte  vermuthen,  dass  dieser  Gesichts- 
punkt auch  für  die  Acten  aus  der  Zeit  der  Antonine  ausreicht. 
Der  Auffassung  als  heidnisclier  „Märtyreracten"  hat  Mitteis  (Aus 
den  griechischen  Papyrusurkunden,  \ortrag,  1900,  S.  10—12)  zu- 
gestimmt. 

4.  Möglicherweise  hängt  mit  den  eben  besprochenen  auch  ein 
von  Nicole  herausgegebenes  Papyrus-Fragment  zusammen,  welches 
das  Bruchstück  eines  Erlasses  des  Avloq  AvoviXXioq  ^Xaxxoc; 
(dieser  volle  Name  ist  erhalten)  aus  dem  21.  Jahre  des  Tiberius 
enthält.  Flaccus,  der  uns  als  Statthalter  Aegyptens  und  .luden- 
verfolger  aus  Philo  bekannt  ist,  schärft  hier  das  in  Aegypten 
längst  bestehende  Verbot  des  Waftentragens  (fiax((i{)o<poQa)  ein. 
Nach  Philo  in  Flacc.  §  11  wurden  aber  bei  der  damaligen  Juden- 
verfolgung eben  die  Häuser  der  Juden  nach  Waffen  durclhsucht, 

Nicole,  AviUitis  FUtccua  j)r&fet  iCEgyptc  ei  Philon  d'Alexandric  {Jirviie  de 
phiUdogü  XXII,  181)8;).  18—27).  —  Wiickcn,  Archiv  für  PiipyruH-ForHclnmfr 
I,  108—172. 

6.  lieber  andere  Papyrus-Fragmenten,  auf  welclien  Juden  oder 
jüdische  Namen  V(»rkonnn(Mi,  s.  wwU'W  lid.  111,  S.  23,  Anni.  43u.4n; 
und  Reinucli,  lirnur  (ks  clmlcH  juivfx  XXW'll,  1898,  p.  219— 221, 
224  sq. 

17.  Teucer  Cyzicenus. 

Suidas  Lex.  h.  v.  TnncQfn;  o  KvCixijVoq,  o  y{ta\paa  ///(>}  ;f(»i)(Jo- 
<f>6{fOV  yfj^,  tli(fl  tov  BvC,avxlov,  Miiy^uÖarixmv  jr^d^tmv  ßißXla  t  ,\ 


[54]  §  3.   Quellen.    B.  Nicht-erhaltene  (Quellen.  71 

Uhq)  Tvqov  8  ,  'jQaßixcöv  e'/lovöaCxr/v  lOTOQiav  tv  ßißXioiq  c;, 
'EfpTjßoiv  rwv  iv  KvClxo)  aoxtjOtv  y  xai  t«  Xoijrd.  „In  diese 
scheinbar  ganz  diftiise  Schriftstellerei  kommt  sofort  Einheit,  wenn 
man  annimmt,  dass  der  Verf.  bald  nach  den  Thaten  des  Pompejus 
schrieb"  (Gutschmid,  Kleine  Schriften  II,  710;  überh.  ebendas. 
II,  708—711).  —  Erhalten  sind  von  Teucer  Cyzicenus  nur  zwei 
kleine  Fragmente  (über  die  Etymologie  zweier  Ortsnamen  in  Epirus 
und  Eubüa).  Sonst  ist  nichts  über  ihn  bekannt.  Ob  er  mit  einigen 
anderen  Schriftstellern  Namens  Teucer,  welche  gelegentlich  er- 
wähnt werden,  identisch  ist,  muss  dahin  gestellt  bleiben.  Vgl. 
Müller,  Fraym.  hist.  graec.  IV,  508.     Susemihl  II,  376. 

18.  Verschiedene  Werke  xeqX  'lovöalmv. 

Special  werke  über  die  Geschichte  der  Juden  haben  auch  die 
jüdischen  Hellenisten  Demetrius,  Eupolemus,  Artapanus, 
Aristeas,  Kleodemus-Malchus  und  der  Epiker  Philo  verfasst. 
Sie  kommen  aber  hier  kaum  in  Betracht,  da  sie  vorwiegend,  wo 
nicht  ausschliesslich  die  ältere  biblische  Zeit  behandelt  haben 
(s.  Bd.  III,  S.  349  ff.).  —  Mehr  als  diese  scheint  das  Buch  des 
Fseudo-Hekatäus  über  die  Juden  auf  die  Zustände  des  Volkes 
zu  seiner  Zeit  Bezug  genommen  zu  haben  is.  Bd.  III,  S.  461— 466). 
—  Eine  wichtige  Quelle  für  die  Geschichte  seiner  Zeit  waren  die 
fünf  Bücher  Philo's  über  die  Verfolger  der  Juden,  welche 
deshalb  hier  zu  nennen  sind,  weil  sie  uns  nur  theilweise  erhalten 
sind  (s.  Bd.  III,  S.  525-531). 

Heidnische  Autoren  haben  schon  seit  alter  Zeit  gelegent- 
lich der  Juden  gedacht  (s.  die  Zusammenstellung  bei  Freudenthal, 
Alexander  Polyhistor  S.  177—179;  Willrich,  Juden  und  Griechen 
vor  der  makkabäischen  Erhebung,  1895,  S.  43—63.  Abdruck  der 
Texte  bei  Reinach,  Textes  d'auteurs  grecs  et  romains  relatifs  au  Juda- 
isme,  1895.  Vieles  steht  bei  Joseph,  contra  Apion.  I,  14 — 23).  Seit 
dem  Anfang  des  ersten  Jahrhunderts  v.  Chr.  giebt  es  aber  auch 
Specialwerke  über  die  Juden  von  nichtjüdischen  Ver- 
fassern: 1)  Das  älteste  uns  bekannte  ist  die  ovöxbvij  xara  %v- 
daicov  \on  Apollonius  Molon  (s.  Bd.  III,  S.  400—403).  —  2)  Nicht 
viel  jünger  ist  die  gelehrte  Compilation  des  Alexander  Poly- 
histor jreQt  ^lovöalmv ,  welcher  wir  die  werthvollen  Excerpte  aus 
den  Schriften  der  jüdischen  Hellenisten  verdanken  (s.  Bd.  III, 
S.  346—349).  —  3)  Zur  Zeit  Hadrian's  lebte  Philo  Byblius,  auch 
Ilercnnius  Philo  genannt,  welcher  ausser  anderen  Werken  auch  eine 
Schrift  jts{H  'lovöaicov  geschrieben  hat.  In  derselben  hat  er  nach 
dem  Zeugniss  des  Origenes  das  Buch  des  Pseudo-Hekatäus  über 
die  Juden  erwähnt  und  dabei  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  ent- 


72  §  3.    Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [54.  55] 

weder  das  Buch  nicht  von  dem  Historiker  Hekatäus  heiTühre,  oder 
Hekatäus,  wenn  er  der  Verfasser  sei,  ganz  und  gar  der  jüdischen 
Lehre  beigetreten  sei  {Orig.  contra  Gelsum  I,  15,  s.  den  Wortlaut 
der  Stelle  in  Bd.  III,  S.  463).  Angeblich  aus  derselben  Schrift 
mQL  'lovöaicov  stammen  zwei  Fragmente  bei  Eusebius,  Praep.  evang.  I, 
10  p.  40  {ed.  Gaisford  1,  10,  42 — 44:  kv  xq>  x£Ql  'lovöai<x)v  övyyQafi- 
fiari).  Der  Inhalt  dieser  Fragmente  bezieht  sich  aber  lediglich 
auf  die  phönicische  Mythojlogie;  und  das  zweite  derselben  wird 
von  Eusebius  an  einer  anderen  Stelle  {Praep.  evang.  IV,  16  p.  156  sq. 
[ed.  Gaisford  IV,  16,  11])  noch  einmal  citirt  mit  der  Formel  ix  ös 
Tov  JCQcorov  övy/Qafifiarog  rr^q  ^iXcovoq  0oivixixrjg  loroQiag.  JVIan 
hat  hiernach  angenommen,  dass  der  Tractat  jtEQl  ^lovöaioiv  nur 
einen  Excurs  in  der  grossen  ^oivixixi]  lorogla  des  Philo  gebildet 
habe  (so  z.  B.  Freudenthal,  Alexander  Polyhistor  S.  34).  Das  ist 
aber  nach  dem  Inhalt  der  eusebianischen  Fragmente  nicht  wahr- 
scheinlich. Es  scheint  vielmehr,  dass  Euseh.  I,  10  nur  aus  Ver- 
sehen die  aus  der  phönicischen  Geschichte  entnommenen  Stücke 
der  ihm  auch  bekannten  Schrift  jr^Qt  %v6aioov  zugeschrieben  hat. 
Vgl  über  Philo  überhaupt:  C.  Müller,  Fragm.  hist.  graec.  III,  560 — 
576.  Baudissin,  Art.  Sanchuniathon  in  Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl. 
XIII,  364  ff".  (Gruppe,  Die  griechischen  Culte  und  Mythen  I,  1887, 
S.  350— 409.  Gutschmid,  Kleine  Schriften  I,  292.  310.  381.  II,  21  f. 
36  f.  (wechselnde  Ansichten).  Wachsmuth,  Einleitung  in  das  Stu- 
dium der  alten  Geschichte  S.  406.  Ueber  seine  Zeit:  Gutsdunid  II, 
21  f.  (gegen  Baudissin).  —  4)  Eine  Schrift  jcsqI  'Jovöalmv  liat  auch 
ein  gewisser  Damoeritus  geschrieben.  Aus  der  kurzen  IVfittliei- 
lung  darüber  bei  Suidas  {Lex.  s.  v.  /iafioxQirog,  vgl.  aucli  Müller, 
Fragm.  hist.  graec.  IV,  377;  lieinach  l.  c.  p.  121)  erhellt  nur  soviel, 
dass  ihr  Standpunkt  ein  judenfeindlicher  war.  —  5)  Das  gleiche 
gilt  von  der  Schrift,  eines  gewissen  Nikarchus  jceqX  ^lovöauor 
{Uekker,  Anecdota  p.  380  ==  Müller,  Fntgni.  hist.  grnrc.  III,  335  =  Rei- 
naeh  p.  122).  —  6)  Als  Schriftsteller  über  jüdische  Dinge  erwäliiit 
Alexander  Polyhistor  auch  einen  gcswisscn  Theophilus  {hhmh. 
Praep.  evang.  IX,  34 /iw.),  einisn  Tiniochares  iv  rolg  jcn>l  Uvtwxov 
(Kuh.  IX,  35)  und  eine  anonyme  SvQlag  oxoivofit'TQtjiUg  {Kns.  IX, 
'M\).  Alb'  dnM  sind  aber  ollrnbür  nui-  gch-gcnilich  auf  jiKÜschc^ 
Ding«?  zu  Hpr«'<-h('n  gckcuiimfin.  Thc^ophilus  handelt  iüx^r  Salonio's 
Beziehung  zum  König  von  Tyrus;  die  beiden  anderen  gt^ben  int(M-- 
»jHHttnt^?  Details  üImm-  (['w  'i'opDgrjiphie  von  .let  iisahMii.  Der  Ver- 
fuHKer  der  syrischen  Schoinometiie  ist  vielh'icht  identisch  mit  dem 
von  Alexander  Polyhintor  ein  andermal  citirten  Xenophon  {Sevo- 
ifättf  Iv  Tuta  */1i'aiiir{r/i<n<H  twv  «(«m/»,  frngni.  00  bei  Müller,  Fr.  Hist. 
Gr.  III.  1'M  ii;i(|i  üitph.  ]i>r-.  ».  r.  'il^toind^).  Welchen  Müller  wieder 


[55.  56]  §  3.    Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  73 

mit  dem  von  Plinius  erwähnten  Xenophon  von  Lampsacus  identi- 
flciren  will.  Vgl.  über  die  obigen  drei  überhaupt:  Müller,  Fragm. 
hist.  graec.  III,  209;  IV,  515  sq.  Reinach  p.  51 — 54. 

19.  Die  Chronographen. 

Für  die  Thatsache  der  Tempelplünderung  durch  Antiochus 
Epiphanes  beruft  sich  Josephus  contra  Apion.  II,  7  unter  Anderen 
auf  die  Chronogi-aphen  Apollodorus  und  Castor.  Dem  Castor 
entnimmt  er  auch  die  Bestimmung  des  Datums  der  Schlacht  bei 
Gaza,  contra  Apion.  I,  22  ed.  Niese  §  184 — 185.  Da  es  möglich  ist, 
dass  er  auch  sonst  gelegentlich  chronologische  Bestimmungen  aus 
diesen  Handbüchern  schöpft,  so  ist  hier  über  beide  das  Nöthigste 
zu  bemerken. 

1)  Apollodorus  aus  Athen,  lebte  in  der  zweiten  Hälfte  des 
zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.  und  sciirieb  ausser  anderen  Werken 
auch  Xqovixcc  in  metrischer  Form,  welche  in  chronologischer  Ord- 
nung die  wichtigsten  Ereignisse  der  Weltgeschichte  bis  zur  Zeit 
des  Königs  Attalus  II  von  Pergamum  (Mitte  des  zweiten  Jahr- 
hunderts V.  Chr.)  behandelten.  |  Da  der  Inhalt  vermöge  der  me- 
trischen Form  sich  leicht  dem  Gedächtniss  einprägte,  wurde  das 
Werk  ein  weitverbreitetes  und  beliebtes  Lehr-  und  Handbuch. 

Sammlung  der  Fragmente  dieBes  historischen  Werkes  (das  mit  der  unter 
Apollodor's  Namen  erhaltenen  BißXio&rjxTj  nicht  zu  verwechseln  ist)  bei 
C.  Müller,  Fragmcnta  historicurum  graecorum  t.  I  p.  435 — 449.  —  Unter- 
suchungen: Westermann  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2,  2.  Aufl.  S.  1302  f.  — 
Diel 8,  Chronologische  Untersuchungen  über  ApoUodor's  Chronika  (Rhein. 
Museum  Bd.  31,  1876,  S.  1 — 54).  —  Ungar,  Die  Chronik  des  Apollodorus 
(Philologus  Bd.  41,  1882,  S.  602— G51).  —  Susemihl,  Gesch.  der  grieeh.  Lite- 
ratur in  der  Alexandriuerzeit  II,  33 — 38.  —  Wachsmuth,  Commenfatio  verna- 
culo  sernione  cunscripta  de  Eratosthene,  Apolloduru,  SosU>io  chronograpkis,  Lips. 
18S)2.  Ders.,  Einl.  in  das  Studium  der  alten  Geschichte  S.  131 — 130.  — 
Schwär tz  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  I,  2856  if. 

2)  Castor.  Dessen  Chronik  ist  uns  namentlich  durch  die  Citate 
bei  den  christlichen  Chronisten  Eusebius  und  Syncellus  näher  be- 
kannt. Besonders  das  nur  in  armenischer  Uebersetzung  erhaltene 
erste  Buch  der  eusebianischen  Chronik  giebt  werth volle  Aufschlüsse. 
Es  steht  hiernach  fest,  dass  das  Werk  des  Castor  bis  zum  Con- 
sulate  des  M.  Valerius  Messalla  und  M.  Piso,  61  v.  Chr.,  gegangen 
ist,  d.  h.  bis  zu  dem  Jahre,  in  welchem  Pompejus  seinen  asiatischen 
Triumph  feierte,  durch  welchen  die  Unterwerfung  Vorder- Asiens 
besiegelt  wurde  {nostra/i  regio)u's  reff  praeclaraqice  gesta  cessarunt). 
Da  der  Verf.  mit  diesem  Zeitpunkte  abschliesst,  wird  sein  Werk 
nicht  viel  später,  also  um  die  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  v.  Chr., 


74  §  3.   Quellen.   B.  Nicht-erhaltene  Quellen.  [56] 

geschrieben  sein.  Bestätigt  wird  dies  dadurch,  dass  es  bereits  von 
Varro  (44  v.  Chi\)  citirt  wird.  Es  umfasste  nach  Eusebius  sechs 
Bücher.  —  Männer  Namens  Castor  kommen  zur  Zeit  des  Cäsar  und 
Cicero  mehrfach  vor.  Da  es  aber  fraglich  ist,  ob  der  Chronograph 
mit  einem  derselben  identisch  ist,  so  lässt  sich  über  seine  Lebens- 
umstände nichts  sicheres  sagen. 

Die  Fragmente  sind  gesammelt  von  C.  Müller  im  Anhang  zu  seiner 
Ausgabe  des  Herodot  [Herodot.  ed.  C.  Malier,  Paris,  Dülof,  1844,  Append.  p. 
153 — 181).  —  Eusebius  erwähnt  das  Werk  im  Verzeichniss  seiner  Quellen 
(Chron.  ed.  Schoe)ie  I,  265)  in  folgender  Weise :  E  Kastoris  VI  libris,  in  quilnts 
a  Nino  ac  deorsum  olijmpiades  CLXXXl  collegit.  —  Der  Endpunkt  ergiebt 
sich  aus  folgenden  von  Eusebius  wörtlich  citirten  Stellen.  Ens.  Chron.  ed. 
Sekoene  I,  295:  seorsum  consules  disponemus,  incipientes  a  Leukio  Junio  Bruto 
et  o  Ijeukio  Tarkino  Collatino  et  in  Markum  Valerium  Messaliam  et  Marcum 
Pismiem  desinentes,  qui  tempore  Theophemi  Athenicnsiiim  arehontis  consules 
fuerunt.  —  Ibid.  I,  183:  [archontes  Atßieniensium]  desinunt  sitb  Theophemo, 
cujus  aetate  omnino  quidem  nostrae  regionis  res  pracclaraqiie  gesta  cessanint. 

Vgl.  überhaupt:  C.  Müller  l.c.p.  153 — 155.  —  Westermann  in  Pauly's 
Real-Enc.  II,  207  f.  —  Bornemann,  De  Castoris  chronicis  Diodori  Siculi  fönte 
ac  norma,  Lübeck  1878.  —  Stiller,  De  Castoris  libris  chronicis,  1878  [erst 
1880  in  den  Buchhandel  gekommen,  Berlin,  Mayer  und  Müller].  —  Geiz  er, 
Julius  Africanus  II,  ThI.,  1.  Abth.  1885,  S.  03—79  und  sonst  (über  die  Person 
des  Castor:  S.  70  ft").  —  Susemihl,  Gesch.  der  grieeh.  Lit.  in  der  Alexan- 
drinerzeit II,  365—372  (identificirt  unsern  Castor  mit  dem  gleichnamigen 
Schwiegersohn  des  Galaterkönigs  Deiotarus).  —  Schwartz,  Die  Königslisten 
des  Eratoathenes  und  Castor  (Abhandlungen  der  Göttinger  Gesellsci».  der 
Wissensch.  Bd.  40,  1894/1895).  —  Wachsmuth,  Einl.  in  das  Studium  der 
alten  Geschichte  S.  1.S9— 142  (bestreitet  die  Identität  mit  dem  Schwiegersohn 
des  Deiotarus). 

C.  Josephus*). 

Jüsepims,  dessen  Werke  die  Hauptquelle  für  unsere  Geschichte 
bilden,  giebt  in  seiner  Vita  und  in  der  Geschichte  des  jüdischen 
Krieges  folgende  Data  über  sein  Leben.  Va-  war  geboren  im 
ersten  Jahre  der  Regierung  Caligula's  37/38  n.  ('lir."^)  zu  Jerusalem. 

1)  Der  Name  lautet  grieeh.  'Fmaijnog  (Nie-tc,  Josephi  opp.  1  p.  V).  So  luu^h 
auf  (iincm  in  Theben  In  Obcracgypten  gefundenen  Ostrakon  (Steuerquittung) 
uuH  dem  zweit<!n  Jalirh.  vor  Chr.  (Wilcken,  GriechiHihc  Ostraka  II,  n.  721),  auf 
einem  anderen  'IwaTjnio^  (Wilcken  II  n.  729).  ^ItooTinaq  auch  auf  der  Inschrift 
von  BiTcnike,  ('itrp.  Inner.  Grner.  n.  5301  //;;.  8,  s.  den  Wortlaut  dieser  Iii- 
Nchrirt  Bd.  III,  S.  42  f 

2)  Dum  (TMle  Jahr  Ciiligjila's  geht  vom  10.  März  'M  bis  daliin  HS.  Da  .lo- 
NepliUH  am  HcIiIuhh  clor  Arcliüologio  sein  .'')().  iicbcnsjalir  mit  dem  1:5.  .lulirc 
Domitinn'M  gleh-hHctzt,  welclies  vom  1.3.  Scptendwr  iCl  bis  dahin  i)4  geht,  ho 
kann  er  nicht  vor  dem  l.'{.  Bept.  37  gebori'H  sein.  .Seine  Geburt  fällt  also 
zwindien  13.  8cpt  37  und  10.  März  3H.  Vgl.  Wieseler,  Chronologie  des 
ApofiU>liNcben  Zeitalter«  B.  98. 


[56.  57.  58]  §  3.   Quellen.    C.  Josephus.  75 

Sein  I  Vater  hiess  Matthias  und  stammte  aus  angesehenem,  priester- 
lichen Geschlechte,  dessen  Stammbaum  Josephus  bis  in  die  Zeit 
des  Johannes  Hyrkan  zurück  verfolgen  kann.  Einer  seiner  Vor- 
fahren Namens  Matthias  hatte  eine  Tochter  des  Hohenpriesters 
Jonathan  (=  Alexander  JannäusPj  zur  Frau  ( Vita  1,  vgl.  Bell.  Jud. 
j)rooem..  1,  Antt.  XVI,  7,  1).  Der  junge  Josephus  erhielt  eine  sorg- 
fältige rabbinische  Erziehung  und  will  schon  als  vierzehnjähriger 
Knabe  sich  durch  Gesetzeskunde  so  sehr  ausgezeichnet  haben,  dass 
die  Hohenpriester  und  die  ersten  Männer  der  Stadt  zu  ihm  kamen, 
um  von  ihm  im  Gesetz  sich  näher  unterrichten  zu  lassen.  Doch 
begnügte  er  sich  damit  nicht,  sondern  machte,  als  er  16  Jahre  ge- 
worden war,  der  Reihe  nach  die  Schulen  der  Pharisäer,  Saddu- 
cäer  und  Essäer  durch.  Aber  auch  damit  war  sein  Wissensdurst 
nicht  befriedigt;  sondern  er  begab  sich  jetzt  in  die  Wüste  zu  einem 
Einsiedler,  Namens  Banus,  um  von  ihm  die  letzte  Weihe  zu  em- 
pfangen. Nachdem  er  drei  Jahre  bei  diesem  zugebracht  hatte, 
kehrte  er  nach  Jerusalem  zurück  und  schloss  sich  im  Alter  von 
19  Jahren  öflfentlich  den  Pharisäern  an  {Vita  2).  Als  er  26  Jahre 
alt  war  {(iet  eIxootov  xal  txrov  kviavTov),  im  Jahre  64  n.  Chr.^), 
machte  er  eine  Reise  nach  Rom,  um  die  Freilassung  einiger  ihm 
nahestehender  Priester,  welche  um  geringer  Ursache  willen  als 
Gefangene  dorthin  gebracht  worden  waren,  zu  erwirken.  Da  er 
durch  Vermittelung  eines  jüdischen  Schauspielers  Alityrus  sich  bei 
der  Kaiserin  Poppäa  in  Gunst  zu  setzen  wusste,  so  gelang  es 
ihm,  seinen  Zweck  zu  erreichen,  worauf  er  reich  beschenkt  nach 
Judäa  zurückkehrte  { Vita  3).  Bald  nach  seiner  Rückkehr  kam  der 
Krieg  gegen  die  Römer  zum  Ausbruch  (66  n.  Chr.).  Josephus  will 
anfangs  entschieden  vom  Kriege  abgerathen  haben  {Vita  4),  und  es 
ist  dies  immerhin  möglich,  da  überhaupt  die  jüdische  Aristokratie 
nur  gezwungen  dem  Aufstande  beitrat.  Thatsache  ist  aber,  dass 
er,  nachdem  einmal  die  ersten  entscheidenden  Schläge  gefallen 
waren,  sich  dem  Aufstande  anschloss,  ja  zu  den  Häuptern  desselben 
gehörte.  Er  wurde  von  den  Leitern  des  Aufstandes  mit  dem  wich- 
tigen Posten  eines  Befehlshabers  von  Galiläa  betraut  {Bell.  Jud. 
II,  20,  4.  Vita  7).  Von  nun  an  sind  seine  Thaten  und  Schicksale 
enge  mit  denen  des  jüdischen  Volkes  verknüpft  und  werden  darum 
in  der  Geschichte  des  jüdischen  Krieges  zur  Sprache  kommen 
(vgl.  VUa  1—14,  Bell.  Jud.  II,  2Ü,  4—21,  10.  III,  A,  1.  6,  3—8,  9. 
9,  1.  5.  6).  Seine  Thätigkeit  als  |  Befehlshaber  von  Galiläa  endigte 
damit,  dass  er  nach  dem  Falle  der  Festung  Jotapata  im  J.  67  in 
die  Gefangenschaft  der  Römer  gerieth  {Bell.  Jud.  III,  8,  7 — 8).  Als 
er  vor  Vespasian  geführt  wurde,  weissagte  er  diesem  seine  künf- 

3)  S.  Wiesel  er,  Chronol.  des  apostol.  Zeitalters  S.  98. 


76  §  3.  Quellen.  C.  Josephua.  [58.  59] 

tige  Erhebung  zum  Kaiser  {B.  J.  III,  8,  9.  Sueton.  Vesp.  c.  5.  Dio 
Cass.  LXVI,  i.Appian.  bei  Zonaras  XI,  16),  was  für  ihn  die  günstige 
Folge  liatte,  dass  er  von  Anfang  an  mit  Schonung  und  Auszeich- 
nung behandelt  wurde  [B.  J.  III,  8,  9.  Vita  Ib).  Als  aber  zwei 
Jahre  später  im  J.  69  Vespasian  in  der  That  von  den  Legionen 
in  Aegypten  und  Judäa  zum  Kaiser  ausgerufen  wurde,  und  so  die 
Weissagung  des  Josephus  sich  erfüllte,  erinnerte  sich  Vespasian 
des  Gefangenen  und  schenkte  ihm  zum  Danke  dafür  die  Freiheit 
(R  J.  IV,  10,  7).  Von  nun  an  führte  Josephus,  wie  es  die  Sitte 
forderte,  den  Familiennamen  Vespasian's  „Flavius"  neben  dem  sei- 
nigen. Vespasian  eilte  nach  seiner  Ausrufung  zum  Kaiser  zunächst 
nach  Alexandria  {B.  J.  IV,  11,  5),  wohin  Josephus  ihn  begleitete 
{Vita  75).  Von  hier  kehrte  Josephus  im  Gefolge  des  Titus,  wel- 
chem Vespasian  die  Fortsetzung  des  Krieges  übertragen  hatte,  nach 
Palästina  zurück  und  blieb  in  der  Umgebung  des  Titus  bis  zun» 
Ende  des  Krieges  {Vita  Ib.  c.  Apion.  I,  9).  Während  der  Belage- 
rung Jerusalems  musste  er  im  Auftrage  des  Titus  oftmals  unter 
C^efahr  seines  eigenen  Lebens  die  Juden  zur  Uebergabe  auffordern 
{Bell.  Jud.  V,  3,  3.  6,  2.  7,  4.  9,  2—4.  13,  3.  VI,  2,  1—3.  2,  5  init. 
7,  2.  Vita  75).  Einmal  wurde  er  dabei  von  einem  Steine  getroffen, 
so  dass  er  bewusstlos  weggetragen  wurde  {B.  J.  V,  13,  3).  Als 
nach  der  Einnahme  der  Stadt  Titus  ihn  aufforderte  ,,zu  nehmen 
was  er  wolle",  nahm  er  nur  einige  heilige  Bücher  (ßißXlcov  Isqcöv), 
und  erbat  die  Freilassung  vieler  ihm  befreundeter  Gefjingenen, 
darunter  seines  eigenen  Bruders.  Selbst  drei  schon  Gekreuzigte 
wurden  auf  seine  Bitte  wieder  abgenommen,  wovon  einer  genas 
{Vita  75).  Da  seine  Aecker  bei  Jerusalem  für  die  römische  Be- 
satzung gebraucht  wurden,  gab  ihm  Titus  dafür  andere  in  der  Ebene 
{Vita  76).  Nacli  Beendigung  des  Krieges  ging  er  mit  Titus  nach 
Itom,  wo  er  fortan  im  (Jenusse  kaiserlicher  Gunst  seinen  Studien 
und  schriftstellerischen  Arbeiten  lebte.  Der  ehemalige  jüdische 
Priester  wurde  ein  griechischer  Literat.  Vespasian  wies  ihm 
eine  Woiniung  in  sein«;m  eigenen  frülieren  Palaste  an,  verlicili  ihm 
das  römisciie  Bürgerrecht  und  setzte  ihm  einen  jährlichen  (be- 
halt aus  {Vita  76,  vgl.  Stieton.  Veajh  18:  primtm  e  fisco  Latinis 
firardgqnc  rfirtoribiis  nnnua  rcntena  ronatitnit).  Auch  schenkten  er  iliiii 
ein  ansehnlicheH  Grundstück  in  .Judäa.  Bei  der  Unti^rdrückung 
de«  Juden-Aufstjindes  in  Cyrene  gab  der  gefangene  Anführer 
döHHelben,  .loniithan,  viele  vornehme  .luden,  djirunter  auch  den  .lo- 
HephuM,  als  seine  Mitschuldigen  an:  .losephns  habe  iiim  Waffen  und  | 
Geld  geHchickt.  Vespasian  8chenki<'  aber  diiwir  unwahren  lie- 
hanfitiing  keinen  (ilaul)en  und  bewahrte?  dem  .losephus  seine  (innst 
{Vita  7ü,  UcU.  Jud.   VII,  11,  1—3).     Der   gleichen    (^nnst   erfreute 


[59.  60]  §  3.    Quellen.   C.  Josephus.  77 

sich  Josephiis  bei  Titus  (79—81  n.Chr.)  und  Domitian  (81— 96). 
Letzterer  verlieh  ihm  Abgabenfreiheit  für  seinen  Grundbesitz  in 
Judäa  ( Vita  76).  Von  seinem  Verhältniss  zu  den  späteren  Kaisern 
ist  nichts  bekannt.  Ebensowenig  wissen  wir  etwas  Näheres  über 
die  Zeit  seines  Todes.  Nur  so  viel  ist  sicher,  dass  er  im  ersten 
Decennium  des  zweiten  Jahrhunderts  noch  gelebt  hat.  Denn  die 
Selbstbiogi-aphie  ist  nach  dem  Tode  Agrippa's  II  geschrieben 
( Vita  65).  Agrippa  starb  aber  im  dritten  Jahre  Trajan's,  100  n.  Chr. 
(Pfiotius,  Bibliotheca  cod.  33).  —  Nach  einer  Angabe  des  Eusebius 
{[Est.  Eccl.  111,  9)  wurde  Josephus  in  Rom  durch  Errichtung  einer 
Bildsäule  geehrt. 

Ueber  seine  Familien-Angehörigen  theilt  Josephus  Folgendes  mit. 
Zur  Zeit  des  Johannes  Hyrkan  lebte  sein  Vorfahre  Simon  „der  Stotterer" 
(o  xpeXkdg).  Er  gehörte  der  ersten  der  vieruudzwanzig  Priesterelassen,  also  der 
Classe  Jojarib,  an.  Simon's  Sohn  war  Matthias  6  ^HipXiov  [Niese  'H<paiov), 
welcher  eine  Tochter  des  Hohenpriesters  Jonathan  (=  Alexander  Jannäus?) 
heirathete.  Aus  dieser  Ehe  stammte  Matthias  „der  Bucklige"  (o  xv^tdo), 
geboren  im  ersten  Jahre  Hyrkan's  (II  ?).  Matthias  des  Buckligen  Sohn  war 
Joseph,  geboren  im  neunten  Jahre  der  Alexandra  (??).  Dessen  Sohn  war 
Matthias,  der  Vater  unseres  Josephus,  geboren  im  zehnten  Jahre  des  Arche- 
laus (  Vita  1)*).  —  Die  Eltern  unseres  Josephus  lebten  noch  zur  Zeit  des  grossen 
Krieges.  Während  er  Befehlshaber  in  Galiläa  war,  erhielt  er  durch  seinen 
Vater  Nachrichten  aus  Jerusalem  ( Vita  41).  Während  der  Belagerung  Jeru- 
salems befanden  sich  seine  Eltern  in  der  belagerten  Stadt  und  wurden,  da 
man  ihnen  nicht  traute,  von  den  Aufständischen  gefangen  gehalten  (der  Vater: 
Bell  Jiid.  V,  13,  1.  die  Mutter:  Bett.  Jtid.  V,  13.  3,  vgl.  auch  V,  9,  4  fin.  ed. 
Niese  §  419).  |  Für  seinen  Bruder  (es  ist  wohl  sein  leiblicher  Bruder  Matthias 
gemeint,  mit  welchem  er  gemeinsam  erzogen  worden  war  Vita  2)  erwirkte  er 

4)  Die  Genealogie,  wie  sie  der  überlieferte  Text  von  Vita  1  bietet,  enthält 
mehrere  Unmöglichkeiten.  Wenn  des  Josephus  Vater  Matthias  im  zehnten 
Jahre  des  Archelaus  (6  n.  Chr.)  geboren  ist,  so  kann  dessen  Vater  Joseph  nicht 
im  neunten  Jahre  der  Alexandra  (67  v.  Chr.)  geboren  sein.  Hier  liegt  ent- 
weder eine  Nachlässigkeit  des  Josephus  oder  eine  Text-Corruption  vor.  Neh- 
men wir  an,  dass  Joseph,  der  Grossvater  unseres  Josephus,  etwa  um  30  v.  Chr. 
geboren  ist  (im  neunten  Jahre  des  Herodes?),  so  wird  unter  dem  Hyrkan,  in 
dessen  erstem  Jahre  „Matthias  der  Bucklige"  geboren  ist,  Hyrkan  II  zu  ver- 
stehen sein,  welcher  im  J.  76  v.  Chr.  Hoherpriester  wurde.  Des  Buckligen 
Mutter  kann  dann  nicht  eine  Tochter  des  ersten  Makkabäer's  Jonathan  (f  143/142 
v.  Chr.)  gewesen  sein,  sondern  nur  eine  Tochter  des  Alexander  Jannäus  (f  76 
v.  Chr.),  welcher  auch  Jonathan  hiess.  Freilich  hat  Josephus  nach  ^wvd&ov 
d^X^fQswg  den  erläuternden  Zusatz  tov  nQwtov  ix  raiv  liaafxiuvalov  naiöwv 
ysvovg  d^/isQaTSvaavzoq,  xoi)  dSeX(poZ  ^ifjoovoq  xov  «()z<f  ()«'<«?.  Alleines  liegt 
der  Verdacht  nalie,  dass  Josephus  diese  erläuternde  Bemerkung  irrthümlich 
zu  dem  in  der  urkundlichen  Liste  seiner  Vorfahren  vorgefundenen  Namen  des 
„Hohenpriesters  Jonathan"  hinzugefügt  hat.  Ist  Alexander  Jannäus  gemeint, 
dann  stimmt  auch  die  Angabe,  dass  „Simon  der  Stotterer"  unter  Johannes 
Hyrkan  gelebt  hat. 


78  §  3.  Quellen.  C.  Josephus.  [60] 

uach  der  Einnahme  Jerusalems  die  Befreiung  aus  römischer  Kriegsgefangen- 
schaft {Vita  75).  Nach  Bell.  Jud.  V,  9,  4  fin.  befand  sich  auch  seine  Frau 
während  der  Belagerung  in  der  Stadt.  Vermuthlich  war  dies  seine  erste  Frau, 
von  welcher  sonst  nicht  die  Rede  ist.  Als  Kriegsgefangener  Vespasian's  hatte 
er  auf  dessen  Befehl  eine  gefangene  Jüdin  aus  Cäsarea  geheirathet.  Diese  ver- 
licss  ihn  aber,  während  er  mit  Vespasian  sich  in  Alexandria  befand.  Er  hei- 
rathete  dann  in  Alexandria  eine  Andere  [Vita  75).  Von  letzterer  erhielt  er 
drei  Söhne,  von  welchen  zur  Zeit  der  Abfassung  der  Vita  nur  noch  einer,  der 
im  vierten  Jahre  Vespasian's  geborene  Hyrkanus,  lebte  [Vita  1  und  76). 
Noch  zur  Zeit  Vespasian's  schied  sich  Josephus  von  dieser  Frau  und  heirathete 
eine  vornehme  Jüdin  aus  Kreta,  welche  ihm  zwei  Söhne  gebar;  Justus  ge- 
boren im  siebenten  Jahre  Vespasian's  und  Simonides  mit  dem  Beinamen 
Agrippa,  geboren  im  neunten  Jahre  Vespasian's.  Beide  lebten  noch  zur  Zeit 
der  Abfassung  der  Vita  [Vita  1  und  76). 

Der  schriftstellerischen  Müsse  des  Joseplius  in  Rom  verdanken 
wir  jene  Werke,  ohne  welche  unsere  Geschichte  überhaupt  nicht 
geschrieben  werden  könnte.    Erhalten  sind  folgende  vier: 

1)  „Ueber  den  jüdischen  Krieg",  IleQl  rov  'lovöaixov  jio- 
kt(jov,  wie  Josephus  selbst  das  Werk  betitelt^).  Es  ist  in  sieben 
Bücher  eingetheilt,  eine  Eintheilung,  die,  wie  z.  B.  aus  Antt.  XIII, 
10,  6,  XVIll,  1,  2  erhellt,  von  Josephus  selbst  herrührt.  Der 
eigentlichen  Ki'iegsgeschichte  geht  eine  sehr  ausführliche  P^inleitung 
vorher,  welche  das  ganze  erste  Buch  und  die  Hälfte  des  zweiten 
einnininit.  Das  erste  Buch  beginnt  mit  der  Zeit  des  Antiochus 
Kpiphanes  (175 — 164  v.  Chr.)  und  geht  bis  zum  Tode  des  Herodes 
(4  V.  Chr.).  Das  zweite  setzt  die  Geschichte  fort  bis  zum  Aus- 
bruch des  Krieges  (6G  n.  Chr.)  und  umfasst  noch  das  erste  Kriegs- 
jahr üü;ö7  n.  Chr.     Das  dritte  behandelt  den  Krieg  in  Galiläa 


5)  Antt.  XX,  11  cd.  Nioic  %  258:  xalq  vn  i(iov  negl  xov  'lovöa'ixov 
noXi/xov  ßlßXoiq  ytypafjfxiyai<;.  Vita  74:  iv  zaig  tisqI  rov  ^lovöa'ixov 
noXf-fxovßißXoiq.  A('hiili(rhi4?///.  XVIII,  1,2:  iv  tf/  fifiri-Qn  ßiflXoi  rov 'lovöa'ixov 
no).i(AOv.  Im  rod.  I'nrisin.  1425  lautet  die  UcbcrHchrift:  *I>kaviov  Iwajjnov 
'iCßffttlov  'iaxo(ilu  'lovöa'ixov  noh'fAOv  7iQoq  'Pwfiaiovg  (diesen  Titel  iiält  Niese, 
.hm.  opp.  VI  p.  III  für  den  ursprüiigliclieii).  Acliiilich  Stqdianns  Byx.  s.  i\ 
'PaaariXlq'  'Ituarjnoq  iv  a'  roü  n()6g'Pw/xaiov<;  noXi'/iov.  Vgl.  auch  Thcophilus  ad 
Aulol.  III  c.  23  cd.  Otto  p.  248.  Kusch.  Uiül.  ccel.  I,  5,  G.  II,  G,  4.  —  In  den 
mciHtcn  HamlH(;liriften  lautt^t  die  UeberHchrift  tibqI  aXwoBtoq  (h.  Niese's  Aus- 
pibo  Bd.  I  prolcif.  p.  VI  und  Bd.  VI  p.  3).  Dieser  sicher  nicht  von  Josephus 
iKrrrfllirctide  Titrl  findet  sich  zuerst  bei  ürigenes,  ScJccta  in  Thirnos,  ad 
Thrrn.  4,  14  {ojrp.  cd.  de  ta  liar  III,  3'IK,  IjommatKsrh  XIII,  211):  'Iwat^nnog 
yuQ  ivxolq  nn>l  üXoiatwq  laxo(H:L  Dann  bei  Mierony inus,  z.  B.  comincid. 
in  .leMaiam  c,  Ü4  a.  fin.  (opp.  cd.  Vallarai  IV,  7GG):  (jnac  Josephus  Judaicae 
Hcriptar  hiätoriac  scptetn  explieat  rohiminiltus,  quilnis  iniposuit  tHutmn  Capti- 
ritalia  Judaieae  iti  e»l  nn>l  aXtuatutg.  Vgl.  cpist.  22  ad  Kustoclnimi  c.  35 
{Vnlinriti  I,  120),  adv.  .hmninn.  II,  14  (VaUarsi  II,  343),  de  riris  illustr.  c.  13 
(  Vullarni  II,  Hol).  Foniüf  Chronicon  pnschalc  [cd.  IHiidorf  I,  ■lü3);  'ivjo^nnog 
lutofftt  iv  ttf  nifinxtp  Xoytp  TfjQ  äXtöaeats. 


[GO.  Gl]  §  3.   Quellen.   C.  Josephus.  79 

67  11.  Chr.;  das  vierte  den  weiteren  Verlauf  des  Krieges  bis  zur 
völligen  Isolirung  Jerusalems;  das  fünfte  und  sechste  die  Be- 
lagerung und  Eroberung  Jerusalems;  das  siebente  das  Nachspiel 
des  Krieges  bis  zur  Vernichtung  der  letzten  Reste  der  Aufstän- 
dischen. —  Aus  der  Vorrede  des  Werkes  (c.  1)  erfahren  wir,  dass 
es  ursprünglich  in  der  Muttersprache  des  Josephus,  also  |  aramäisch, 
geschrieben  und  erst  später  von  ihm  griechisch  umgearbeitet  wor- 
den ist.  Bei  der  Umarbeitung  bediente  er  sich  des  griechischen 
Stiles  wegen  einiger  Mitarbeiter  {contra  Apion.  I,  9).  Als  Quelle 
für  die  eigentliche  Kriegsgeschichte  diente  ihm  vorzugsweise  die 
eigene  Erfahrung,  da  er  ja  bei  den  erzählten  Ereignissen  entweder 
handelnd  betheiligt  oder  doch  als  Augenzeuge  zugegen  war.  Schon 
während  der  Belagerung  Jerusalems  hatte  er  sich  schriftliche  Auf- 
zeichnungen gemacht,  für  welche  er  auch  die  Angaben  der  Ueber- 
läufer  über  die  Zustände  im  Innern  der  Stadt  verwerthete  (c  Apion. 
I,  9).  Als  das  Werk  vollendet  war,  übergab  er  es  dem  Vespasian 
und  Titus  und  hatte  die  Genugthuung,  von  diesen,  wie  auch  von 
König  Agrippa  II  und  von  vielen  Römern,  welche  am  Kriege 
theilgenommen  hatten,  das  Zeugniss  zu  erhalten,  dass  er  die  That- 
sachen  richtig  und  wahrheitsgetreu  dargestellt  habe  (c.  xipion.  1,  9. 
Vita  65).  Titus  befahl  eigenhändig  die  Veröffentlichung  der  Bücher 
( Vita  65 :  ;fa()ag«c  r(]  savrov  X^^Q'-  ^^  ßißXia  dijfinoimöai  xqoö- 
tra^Bv).  Agrippa  schrieb  zweiundsechzig  Briefe,  in  welchen  er 
die  Richtigkeit  der  Darstellung  bezeugte.  Noch  während  der  Ab- 
fassung hatte  ihm  Josephus  die  einzelnen  Bücher  übergeben  und 
von  ihm  günstige  Urtheile  erhalten  (  Fj7<z  65).  —  Da  das  vollendete 
Werk  dem  Vespasian  übergeben  wurde  (c.  Ap.  I,  9),  muss  es 
noch  während  dessen  Regierung  (69--79  n.  Chr.)  geschrieben  sein; 
aber  jedenfalls  erst  gegen  Ende  derselben,  da  dem  Werke  des 
Josephus  bereits  andere  Schriften  über  den  jüdischen  Krieg  vor- 
hergegangen waren  (ß. /.  Vorw.c.  \.Antt.\oYVf.c.  1).  Bestätigt  wird 
dies  auch  dadurch,  dass  B.  J.  VII,  5,  7  der  Bau  des  Tempels  der  Pax 
{EiQi'ivt])  als  vollendet  erwähnt  wird;  dieser  wurde  nach  Dia  Cass. 
LXVI,  15  erst  i.  J.  75  n.  Chr.  eingeweiht  t^). 

2)  Die  „Jüdische  Archäologie",  %vöaixTj  ^AQXccioXoyia  (An- 
tiquitates  Judaicae),  behandelt  in  20  Büchern  die  (Teschichte  des 
jüdischen  Volkes  von  Anbeginn  bis  zum  Ausbruch  des  Krieges  gegen 
die  Römer  im  J.  66  n.  Chr.  Die  Eintheilung  in  20  Bücher  rührt 
von  Josephus  selbst  her  {Antt  Schluss).  Josephus  will  damit  ein 
Seitenstück  liefern  zu  der  ebenfalls  aus  20  Büchern  bestehenden 
^Poüfiaixtj  ccQxaioXoyia des Dionysius  von  Halikarnassus ").  Die  ersten 


6)  Giitschmid,  Kleine  Schriften  IV,  344.    Niese,  Jos.  opp.  VI  p.  IV. 

7)  Gutschmid,  Kleine  Schriften  IV,  347.    Auch  Joh.  Weiss  hat,  unab- 


80  §  3.   Quellen.   C.  Josephus.  [61.  621 

zehn  Bücher  laufen  der  biblisch eü  Geschichte  parallel  nnd  reichen 
bis  zum  Ende  der  babylonischen  Gefangenschaft.  Das  elfte  geht 
von  Cyrus  bis  Alexander  d.  Gr.;  das  zwölfte  von  Alexander  d.  Gr. 
(t  323  V.  Chr.)  bis  zum  Tode  des  Judas  Makkabäus  (161  v.  Chr.); 
das  dreizehnte  bis  zum  Tode  der  Alexandra  (67  v.  Chr.);  das 
vierzehnte  bis  zum  Regierungsantritt  Herodes'  des  Grossen  (37 
V.  Chr.);  das  fünfzehnte,  sechzehnte  und  siebenzehnte  be- 
handeln die  Regierung  des  Herodes  (37 — 4  v.  Chr.);  die  drei  letz- 
ten gehen  von  da  bis  zum  Jahr  66  n.  Chr.  —  Das  Werk  ist  nach 
manchen  Unterbrechungen  (Vorw.  c.  2)  im  13.  Jahre  Domitian's  und 
im  56.  Lebensjahre  des  Josephus,  also  93  oder  94  n.  Chr.  vollendet 
(ÄnU.  XX,  11  Schluss).  Zur  Vollendung  hatte  ihn  namentlich  ein 
gewisser  Epaphroditus,  ein  Mann,  dessen  lebhaftes  Interesse  für 
die  Wissenschaften  Joseplius  ]  rühmend  hervorhebt,  ermuntert^).  — 
Dass  das  ganze  Werk  in  erster  Linie  nicht  für  jüdische,  sondern 
für  griechisch-römische  Leser  bestimmt  ist  und  besonders 
auch  den  Zweck  verfolgt,  der  gebildeten  Welt  einige  Achtung  vor 
dem  vielverleumdeten  Volke  der  Juden  abzunöthigen,  geht  aus 
der  Haltung  desselben  hinlänglich  hervor  und  wird  zum  Ueberfluss 
von  Josephus  selbst  ausdrücklich  gesagt  (Antt.  XVI,  6,  8). 

Als  Quellen  dienten  dem  Josephus  für  die  ältere  Zeit  (bis 
aufNehemia  um  440  v.  Chr.)  so  gut  wie  ausschliesslich  die  kano- 
nischen Bücher  des  Alten  Testamentes.    Als  geborener  Pa- 

hängig  von  GutHchinid,  auf  diese  Parallele  mich  aufmerksam  gemacht.  Sic 
ist  fiir  die  Bcurtlioilung  von  Josephus'  Geschichtswerk  nicht  unwichtig. 

S)  Diesem  Epaphroditus  uhergal)  Josephus  iuu-h  seine  Vita  {]'ita  76)  und 
«lie  HfKther  gegen  Apion  [contra  Apion.  1,1.  11,  -11).  —  Männer  Nnmens  Epa- 
phroditus sind  aus  damaliger  Zeit  zwei  bekannt.  Der  eine  war  ein  Freige- 
lassener und  Secretär  (a  lihdlix)  Nero's  und  wurde  von  Doniitian  hingerichtet 
{TncU.  Annal.  XV,  55.  Siidon.  Nero  49,  Dojnit.  14.  Dw  Cas.s.  lAIU,  29.  liXVlI, 
14.  Suidas  Ijex.  s.  v.  'Enlxxrjroq).  Der  andere  war  ein  Grammatiker,  der  von 
der  Zeit  Nero's  bis  Nerva's  in  Ilom  lebte  und  eine  grosse  Bibliothek  /usanuncn- 
brachte  (Suvlas  Lecc.  a.  v.  ^Ena^gothrof  .  .  .  .  ^v  Pw/jttj  (Sn'nQfxpei'  ^nl  NiQtavoq 
xal  fi^XQ*  Nfpfta  ....  (ovov/asvoq  6h  ufl  ßißUa  ^xirioato  /iv^intSac:  t()h<;  xal 
Tovrwp  anovöattuv  xal  avaxf-xtoQtjxorwv.  Vgl.  auch  Faliririns,  liihliolh.  r/rarc 
rä.  Ilar/cs  \,  512.  582.  111,  H15.  Bühr  in  i'auly's  Real-Enc.  III.  IGO).  Viele 
halt4'ii  clrui  Erstgenannten  für  identisch  mit  dem  (Jönner  des  Josephus  (so  z.  B. 
ValtririuM-Uarlcit  V,  5  u.  Ö5.  Gutschmid,  Kleine  Schriften  IV,  HKü.  Niese, 
JoH.  <^t.  V  ;>.  III.  Ders.,  Historische  Zeitschr.  Bd.  7(),  1H9(),  S.  199.  Erbes, 
Zi'itMchr.  nir  wJMM.  Theol.  1H90,  S.  429  f.).  Das  ist  aber  urunögl ich,  da  letzterer 
noch  über  <lic  Z(Mt  Domitian's  hinaus  gelebt  haben  muss.  Viel  eher  kann 
man  an  di*ri  (irammatilcer  denken;  aber  aneli  dicM  nur  unter  d(<r  Voraussetzung, 
duMH  er  bis  in  den  Anfang  der  lt<'gierung  Trajairs  ^relelit  hat.  Der  Nnine  Epii- 
phroditUM  ist  nicht  »elteu.  S.  die  römischen  (irabscliril'ten  Otrit.  luxer,  l^at.  I. 
VI  w.  17181—17194.  Kaibel,  Imcript.  Oraerae  Siciliac  et  Itatiae,  Im/r.r 
p.  716  «.  9. 


[Ö2.  63]  §  3.  Quellen.  C.  Josephiis.  81 

lästinenser  zeigt  er  bei  deren  Benützung  vielfach  Kenntnis«  des  he- 
bräischen Grundtextes;  doch  ist  vorwiegend  die  griechische  Ueber- 
setzung  der  LXX  benützt,  so  sehr,  dass  Josephus  bei  den  Büchern 
Esra  und  Esther  auch  diejenigen  Stücke  benützt,  welche  nur  in  den 
LXX  stehen  (s.  unten  Bd.  III,  S.  328,  331,  Bloch,  Die  Quellen  des 
Josephus  S.  69—79).  —  Die  Bearbeitung  der  biblischen  Geschichte 
ist  nach  folgenden  Gesichtspunkten  vollzogen:  1)  Im  apologetischen 
Interesse  werden  nicht  selten  Modificationen  vorgenommen,  An- 
stössiges  ausgelassen  oder  umgestaltet  und  die  Geschichte  in  mög- 
lichst hellem  Glorienscheine  dargestellt.  2)  Für  letzteren  Zweck 
hatte  dem  Josephus  bereits  die  ältere  Legende,  die  sogenannte 
Haggada,  vorgearbeitet.  Der  Kinfluss  derselben  zeigt  sich  na- 
mentlich in  der  Geschichte  der  Patriarchen  und  des  Moses.  3)  Wie 
es  scheint,  hat  Josephus  diese  haggadische  Ausschmückung  nicht 
lediglich  aus  der  mündlichen  Tradition  geschöpft,  sondern  zum 
Theil  schon  aus  den  älteren  hellenistischen  Bearbeitungen  der  bib- 
lischen Geschichte  von  Demetrius,  I  Artapanus  und  Anderen  ^).  4)  Bei 
der  Darstellung  der  Gesetze  folgt  er  der  palästinensischen  Halacha 
(Beispiele  s.  Bd.  II,  S.  247  ö".).  5)  Auch  der  Einfluss  Philo's  ist 
mehrfach  bemerkbar  ">).  6)  Zur  Ergänzung  und  Bestätigung  der 
biblischen  Geschichte,  werden  zuweilen  auch  Berufungen  auf  ausser- 
biblische  Autoren  eingeschaltet,  namentlich  in  der  Geschichte  der 
Urzeit  und  in  der  späteren  Geschichte  da,  wo  sich  dieselbe  mit 
derjenigen  der  Nachbarvölker  berührt"). 

9)  Ueber  den  Einfluss  des  Demetrius  s.  Freudenthal,  Alexander  Polyhistor 
S.  46,  49  not,,  61  not.,  63,  über  den  des  Artapanus:  Freudenthal,  S.  16()  not., 
169—171.  Uebor  Beide:  Bloch,  Die  Quellen  des  Fl.  Josephus  S.  53—62.  Josephus 
kennt  sie  wohl  nicht  direct,  sondern  durch  Vermittelung  des  Alexander  Poly- 
histor, s.  Bd.  III,  S.  346ft:  —  Gutschmid,  Kleine  Schriften  II,  182  (=  Anz. 
von  Freudentliiil's  Alexander  Polyhistor  im  Lit.  Centralbl.  1875)  stellt  in  Ab- 
rede, dass  Josephus  bei  Abfassung  der  Archäologie  den  Alexander  Polyhistor 
gekannt  habe ;  erst  in  contra  Äpionem  verrathe  er  eine  flüchtige  Bekanntschaft. 

10)  S.  Siegfried,  Philo  von  Alexandria  S.  278--281.  Freudenthal, 
Alexander  Polyhistor  S.  218.  Wendland,  Jahrbb.  für  class.  PhiloL,  22.  Supp- 
lementbd.  1896,  S.  712  f.  (in  der  Abh.  über  die  Therapeuten).  Anders:  Bloch, 
Die  Quellen  des  Fl.  Josephus  S.  117—140. 

11)  In  den  ersten  zehn  Büchern  werden  folgende  nichtbiblische  Autoren 
citirt:  I,  3,  6:  Berosus,  Hieronyinus.  Mnaseas,  Nicolaus  Damascenus.  —  I,  3,  9: 
Msinetho,  Berosus,  Mochus,  Hestiäus,  Hieronymus,  Hesiod,  Hecatäus,  Hellanicus, 
Acusilaus,  Ephorus,  Nicolaus.  —  1,4,3:  Sibylla,  Hestiäus.  —1,7,2:  Berosus, 
Hecatäus,  Nicolaus.  —  I,  15:  Malchus,  nach  Alexander  Polyhistor.  —  VII,  3,  2: 
Homer.  —  VII,  5,  2:  Nicolaus.  —  VIII,  5,  3:  Menandros,  Dios.  -  VIII,  6,  2- 
Herodot.  —VIII,  10,  2-3:  Herodot.  —VIII,  13,  2:  Menandros.  —  IX,  14,2: 
Menandros.  —  X,  1,  4:  Herodot,  Berosus.  —  X,  2,  2:  Bero.sus.  —  X,  11,  1: 
Berosus,  Megasthenes,  Diocles,  PJiilostratus.  —  Ueber  die  Frage,  ob  Manetho 

Schüler,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  6 


82  §  3.   Quellen.   C.  Joaephus.  [63.  64] 

lieber  die  uachbiblischeZeit  ist  Josephus  äusserst  ungleich- 
massig  orientirt.  Die  gi'osse  Lücke  zwischen  Neheraia  und  Antio- 
chus  Epiphanes  (440—175  v.  Chr.)  wird  fast  nur  durch  ein  paar 
legendarische  Stoife  ausgefüllt,  namentlich  durch  Alexander-Sagen 
und  einen  langen  Auszug  aus  Pseudo-Aristeas  (XII,  2).  Für 
die  Zeit  von  175— 135  v.  Chr.  ist  das  erste  Makkabäerbuch  die 
Hauptquelle,  welche  freilich  gegen  Schluss  so  summarisch  benützt 
ist,  dass  man  zweifeln  kann,  ob  dem  Josephus  das  Buch  vollstän- 
dig vorgelegen  hat  (s.  Bd.  111,  S.  142) '2).  Ergänzt  ist  es  durch 
Polybius  (XII,  9,  1)'^)  und  von  der  Zeit  an,  wo  Polybius  auf- 
hört (143  V.  Chr.),  durch  dieselben  Quellen,  aus  welchen  dann  über- 
haupt die  Geschichte  der  Hasmonäer  seit  135  v.  Chr.  geschöpft 
ist.  Für  diese  hat  nämlich  Josephus  augenscheinlich  keine  schrift- 
liche jüdische  Quelle  mehr  gehabt.  Er  gewinnt  daher  seinen  Stoff 
dadurch,  dass  er  aus  den  universalhistorischen  Werken  der  Griechen 
die  auf  |  die  Geschichte  Palästina  s  bezüglichen  Notizen  excerpirt. 
Seine  Hauptgewährsmänner  waren  für  die  Zeit  von  135—37  v.  Chr. 
die  von  ihm  oft,  und  fast  ausschliesslich  citirten  Historiker 
Strabo  (XIII,  10,  4.  11,  3.  12,  6.  XIV,  3,  1.  4,  3.  6,  4.  7,  2.  8,  3. 
XV,  1,  2)  und  Nicolaus  Damascenus  (XIII,  8,  4.  12,  6.  XIV,  1, 
3.  4,  3.  6,  4).  Es  ist  zwar  in  neuerer  Zeit  mehrfach  die  An- 
sicht ausgesprochen  worden,  dass  gerade  diese  von  Josephus  am 
häufigsten  citirten  Autoren  nicht  seine  Hauptquelle  gebildet  hätten, 
da  die  Citate  nur  zur  Ergänzung  in  den  Text  der  von  ihm  be- 
nützten ungenannten  Hauptquelle  eingeschaltet  seien").  Allein 
man  lässt  sich  dabei  von  einem  trügerischen  Scheine  leiten.  Jo- 
sephus entnimmt  jenen  Autoren  sein  ganzes  Material,  beruft  sich 
aber  an  einzelnen  Stellen,  die  ihm  von  Wichtigkeit  sind,  darauf, 
dass  sie  auch  so  sagen  wie  er.    Dieses  Verfahren  lässt  sich  auch 


in  der  Archäologie  benützt  ist,   s.  Wie  de  mann,   Theol.  Litztg.  1901,   186  f. 
(in  der  Anzeige  von:  Sethe,  Sesostris  1900). 

12)  üeber  die  Frage,  oh  Josi-phus  uiiHercn  griechischen  Text  des  ersten 
MnkkabficrbuciicH  benützt  liat,  h.  die  in  IUI.  11 1,  S.  142  genannte  Literatur; 
über  die  Art  der  Hcnütziing:  Grinnn,  Exeget.  Ilandl).  zum  ersten  IMakkuhäerb. 
ö.  XXVlll  H(|.  Drüner,  UuterHUcliungeu  über  Jo8e|)lius  (Marburg,  Dias.  1896) 
8.  86-ßO. 

13)  8.  NuHHbaum ,  Ohacrvntwue.'*  in  Flavü  JaHrphi.  Anli(iiiUatvs  Lih,  XTT,  3 — 
Xlir,  14  (I87Ö)  8.  8—28.  Hloeli,  Die  Cinellen  des  Fi.  JoHeplitiH  S.  U(i-100. 
DcNtinon,  Die  Quellen  dos  Fl.  JoHepiius  S.  4MI. 

14)  So  NioH«,  HcrmeH  XI,  1876.  8.  470  f.  HIoeli,  Die  Quellen  doH  Fl. 
JoMphttN  8.  Ö2fr.  Dentinon,  Die  Quellen  des  Fl.  JosephuH  R.  53  fl".  Otto, 
Strahonis  laxofnxüiv  imo/itv^fnurwp  frnymcriln  (Leipziger  Studien  zur  (ilass. 
Phllol.  11.  ild.  Kupplemcntlieft  1H8Ü)  8.225—244.  WacliHuiuth,  Einleitung 
in  dM  8tudium  der  alten  üeHcbichto  (1805)  8.  442—444. 


[(j4J  §  3.   Quellen.   C.  Josephus.  83 

bei  anderen  Schriftstellern  nachweisen.  Zonaras  z.  B.  excerpirt 
in  den  ersten  sechs  Büchern  seiner  Annalen  durchweg  den  Jose- 
phus, ohne  ihn  zu  nennen.  An  ein  paar  Stellen  aber,  die  ihm  be- 
sonders wichtig  sind,  citirt  er  den  Josephus  ausdrücklich  (VI,  4: 
Zeugniss  von  Christo,  VI,  6:  Zeugniss  über  Johannes  den  Täufer). 
Der  sogenannte  Hegesippus,  der  nichts  anderes  ist  als  eine  latei- 
nische Bearbeitung  des  Bellum  Judaicum^  citirt  einmal  eben  dieses 
Werk,  als  ob  er  nur  ausnahmsweise  eine  Notiz  daraus  gebe  (I,  1, 
8 :  ut  Josephus  avbctor  est).  Ebenso  macht  es  also  Josephus  selbst 
mit  Strabo  und  Nicolaus.  Wo  die  Citate  wirklich  eine  Einschal- 
tung in  den  gegebenen  Text  sind,  da  folgt  Josephus  eben  dem 
Einen  und  ergänzt  ihn  durch  den  Andern.  Aus  diesem  Verfahren 
erklären  sich  auch  einzelne  Inconseiiuenzen  zwischen  dem  Text  und 
dem  eingeschalteten  Cit^t.  Dass  die  Citate  mit  dem  im  Text  Ge- 
sagten „vielfach  in  schreiendem  Widerspruch  stehen",  wie  Wachs- 
muth  sich  ausdrückt'^),  ist  eine  arge  Uebertreibung  einer  nur  in 
sehr  beschränktem  Maasse  richtigen  Beobachtung.  Sie  trift't  eigent- 
lich nur  für  die  Geschichte  Aristobul's  I  zu,  wo  Josephus  im  Text 
wahrscheinlich  überhaupt  keiner  schriftlichen  Quelle,  sondern  jü- 
dischen Legenden  folgt,  mit  welchen  das  dann  citirte  Urtheil  Strabo's 
über  jenen  Fürsten  (XIII,  11,  3)  allerdings  in  schroffem  Wider- 
spruch steht.  Ein  zureichender  Grund,  eine  ungenannte  Haupt- 
(luelle  zu  statuiren,  liegt  also  nirgends  vor.  Die  vorsichtig  ab- 
wägende Methode  Strabo's,  die  aus  dessen  Geogi-aphie  bekannt  ist, 
lässt  sich  an  einzelnen  Stellen,  wo  er  nicht  genannt  ist,  noch  deut- 
lich erkennen  (so  bei  den  verschiedenen  Zahlenangaben  XIII,  12, 
5)'^).    Selbstverständlich   gehen   Strabo   und  Nicolaus  wieder   auf 


15)  Einleitung  in  das  Studium  der  alten  Geschichte  S.  444. 

16)  Vgl.  gegen  die  „Anonymus-Hypothese"  auch  meine  Anzeigen  über  Bloch 
und  Destinon  in  der  Theol.  Literaturzeitung  1879,  567  ff.  1882,  388  ff.,  und 
die  treffenden  Ausführungen  von  Drüner,  Untersuchungen  über  Josephus, 
(Marburg,  Diss.  1896)  S.  70 — 81.  Die  Hypothese  beruht  hauptsächlich  auf  der 
für  manche  Gelehrte  als  Axiom  geltenden  Voraussetzung,  dass  die  alten  Hi- 
storiker immer  nur  je  eine  Quelle  ausgeschrieben  haben.  Gegen  diese  Ein- 
Quellen-Theorie  s.  Gutschmid,  Kleine  Schriften  I,  S.  8.  Peter,  Die  ge- 
scijiichtliche  Literatur  über  die  römische  Kaiserzeit  II,  1897,  S.  264  f.  —  Niese 
selbst  hat  später  seine  Ansicht  zurückgenommen  und  als  Hauptquelle  der 
Archäologie  die  eigene  frühere  Darstellung  des  Josephus  im  Bellnm  Judaicum 
angenommen  (Historische  Zeitschr.  Bd.  70,  1896,  S.  218  ff.;  vgl.  auch  Drüner, 
Untersuchungen  S.  51 — 56).  Diese  Auffassung  ist  aber  nur  für  einzelne  Par- 
tien durchführbar.  In  anderen  Abschnitten  ist  es  augenfällig,  dass  Josephus 
bei  der  viel  ausführlicheren  Darstellung  der  Archäologie  selbständig  wieder 
auf  seine  Quellen  zurückgeht.  Genauer  ist  wohl  zu  sagen:  eine  der  in  der 
Archäologie  ausgiebiger  benützten  Quellen  (vermuthlich  Nicolaus  Damascenus) 
liegt  auch  schon  der  kürzeren  Darstellung  des  Bellum  Judaicum  zu  Grunde.  — 

6* 


{^  §  3.  Quellen.  C.  Josephus.  [64.  65] 

ältere  Quellen  ziu-ück.  Für  die  erste  Hälfte  des  genannten  Zeit- 
raumes (etwa  135—85  v.  Chr.)  bildet  höchst  wahrscheinlich  Posi- 
donius  die  Grundlage  (s.  oben  S.  41  f.).  Citirt  werden  noch  Ti- 
magenes  (XIII,  11,  3.  12,  5),  Asinius  Pollio  und  Hypsikrates 
(XIV,  8,  3),  sämmtlich  in  Stellen,  die  aus  Strabo  entnommen  sind. 
Den  nur  einmal  (XIV,  4,  3)  genannten  Livius  hat  Josephus  sonst 
schwerlich  benützt.  Das  in  dieser  Weise  aus  Strabo  und  Nicolaus 
gewonnene  Material  ergänzt  aber  Josephus  für  die  innere  jüdische 
Geschichte  durch  Erzählungen,  die  sich  durch  ihren  Inhalt  als 
Legenden  charakterisiren  und  sich  deutlich  als  solche  von  dem 
sonstigen  Rahmen  der  Erzählung  abheben  (z.  B.  XIII,  10,  3. 
10,  5 — 6.  XIV,  2,  1).  Diese  sind  offenbar  aus  der  mündlichen 
Tradition  entnommen.  —  Für  die  Geschichte  des  Her  ödes 
ist  anerkanntermassen  Nicolaus  Damascenus  die  Hauptquelle 
(vgl.  XII,  3,  2.  XIV,  1,  3.  XVI,  7,  1  und  oben  S.  52f.).  Aus- 
schliesslich aus  ihm  scheint  die  kurze  Darstellung  im  Bellum 
Judaicum  geschöpft  zu  sein.  Auch  in  der  Archäologie  macht 
die  ausführliche  Darstellung  in  Buch  XVI— XVII  einen  durch- 1 
aus  einheitlichen  Eindruck.  Dagegen  sind  in  Buch  XV  Fugen  und 
Nähte  bemerkbar,  welche  auf  die  Benützung  zweier  Quellen  hin- 
weisen; und  zwar  ist  ausser  Nicolaus  Damascenus  augenscheinlicli 
noch  eine  dem  Herodes  ungünstige  Quelle  benützt.  Ob  Josephus 
die  XV,  6,  3  erwähnten  „Denkwürdigkeiten  des  Königs  Herodes'* 
{vjtofivf'iftara  rov  ßaoiXtmq  ^HQmöov)  selbst  eingesehen  hat,  ist  minde- 
stens sehr  fraglich  (vgl.  oben  S.  48).  —  So  ausführlich  die  Geschiclite 
des  Herodes  behandelt  ist,  so  mangelhaft  ist  die  Geschichte  seiner 
unmittelbaren  Nachfolger.  Es  scheint  fast,  als  ob  deui  Josephus 
hier  alle  schriftlichen  Quellen  gefehlt  haben.  Erst  von  der  liegierung 
Agrippa's  1  an  ^41 — 44  n.  Chr.)  geht  die  Erzählung  wieder  etwas 
mehr  in's  Detail.  Jedenfalls  flössen  ihm  hier  bereits  mündliche 
Quellen;  wie  er  denn  über  die  Regierung  Agrippa's  1  durch  dessen 
Sohn  Agi'ippa  II  unterrichtet  sein  konnte.  Für  die  Geschichte  der 
letzttjn  Decennien  vor  dem  Kriege  kam  ihm  auch  schon  seine  eigene 
Erinnening  zu  Hülfe.  Höchst  auffällig  ist  die  ganz  unvcThältniss- 
mä88ige  AuHführlichkeit,  mit  welcher  die  Ereignisse  in  Rom  bein» 


Zu  CrwAbnen  ImI  noch  liüdilcr,  Li.s  niiiircr.s  <lf  hlmiKs  .IdsijiIic  (l(t)is  sm  Aiiti- 
qmU$  XII,  ß— XIII,  7  {Ih'vur  >lrs  rlmlrs  jiiirrs  I.  XXXII,  Is'.Kl,  p.  17!)— 1{)<), 
XXXIV,  1H»7,  />.  60— 1)3).  DoTH.,  Thr  smirrrs  ,,/  .lns(p/iN.'<  für  Ihr  ///'s/ori/  of 
St/ria  m  Anti(/Hilien  XU,  3— XIII,  14  {.Inrish  (,hi,trhrl,i  h'rmir  IX,  l.SS)7, 
p.  311  —  ^141*).  Hüchlcr  iiiiiiiiit  für  dir  jüdiHclic  (it'hcliiclitit  uiiHHur  (l(>iii  1.  Mukka- 
blerbuch«!  no«-h  dm-  N(;h<!ii«|ii(!l!t-  im  (lirvur  </rs  >■/.  jnirr»  XXXIV,  1)3),  liir 
dio  NyriMche  GüHchichtc  uIh  HiiupUiuollu  Ni«<iluiiH  XhuwmwmxH  [{Qtinrterly  Re- 
view IX  346). 


[65.  06]  §  3.   Quellen.   C.  JoHephus.  85 

Tode  Caligiila's  und  beim  Regierungsantritt  des  Claudius  im  Jahre  41, 
die  gar  nicht  zur  jüdischen  Geschiclite  gehören,  erzählt  werden 
(XIX,  1—4).  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  dieses  Stück 
aus  einer  Specialquelle  von  der  Hand  eines  Zeitgenossen  entnommen 
ist.  Bestimmtere  Vermuthungen  darüber  schweben  aber,  bei  dem 
Mangel  sicherer  Anhaltspunkte,  in  der  Luft").  —  Ein  besonderes 
Augenmerk  hat  Josephus  auf  die  Geschichte  der  Hohenpriester 
gerichtet.  Aus  seinen  Angaben  lässt  sich  die  ununterbrochene 
Reihenfolge  der  Hohenpriester  von  der  Zeit  Alexander's  des  Grossen 
bis  zur  Zerstörung  des  Tempels  durch  Titus  herstellen.  Man  darf 
vermuthen,  dass  ilim  hiefür,  mindestens  von  der  Zeit  Herodes  des 
Grossen  an,  priesterliche  Urkunden  zu  Gebote  gestanden  haben. 
Denn  auf  die  Erhaltung  der  priesterlichen  Geschlechtsregister  ist 
ja  grosser  Werth  gelegt  und  grosse  Sorgfalt  verwendet  worden 
{contra  Apion.  I,  7)  ^%  —  Von  grossem  Werthe  sind  endlich  die 
Acten  stücke,  welche  Josephus  mehrmals  seiner  Erzählung  ein- 
verleibt hat  (XIII,  9,  2.  XIV,  8,  5.  XIV,  10.  XIV,  12.  XVI,  6.  XIX,  5. 
XX,  1,  2).  Am  zahlreichsten  sind  diejenigen  aus  der  Zeit  des  Cäsar  \ 
und  des  Augustus,  durch  welche  den  Juden  die  freie  Ausübung 
ihrer  Religion  gewährleistet  wurde '^). 

17)  Mommsen  (Hermes  IV,  1870,  S.  322,  324)  uud  nach  ihm  Schemann, 
(Die  Quellen  dee  Fl.  Josephus  in  der  jüdischen  Archäologie  Buch  XVIII — XX, 
1887,  8.52)  und  Gutschmid,  Kleine  Schriften  IV,  351  vermuthen  als  Quelle 
das  Geschichtswerk  des  Cluvius  Rufus,  der  allerdings  nach  Antt.  XIX,  1, 
13  ein  Augenzeuge  war.  Die  erhaltenen  Citate  aus  diesem  Werke  beziehen 
sich  indessen  nur  auf  die  Zeit  des  Nero  und  die  Vorgänge  des  Jahres  69. 
S.  Ten  fiel,  Gesch.  der  röm.  Literatur  §  314,  2. 

18)  Vgl.  Bloch,  Die  Quellen  des  Josephus  S.  147  ff.  Destinon,  Die 
(Quellen  des  Josephus  S.  29  ff. 

19)  Woher  Josephus  diese  Actenstücke  entnommen  hat,  ist  dunkel.  Er 
giebt  sich  den  Anschein,  als  ob  er  sie  sämmtlich  in  dem  grossen  Archiv  auf 
dem  Capitol  gesehen  hätte  [Antt.XW,  10,  26:  inel  ya^  ivaQyij  xal  ßXsnöfiSva 
texf/TjQia  naQfxöf^i^a  t//?  nQog'^Ptofiaiovg  i](üv  <piXiag  yevofievrjg,  hciöeixvvvrsq 
avzcc  xf^lxalq  oxi\Xaiq  xal  dsXroig  iv  toJ  Kanftcu/.iu>  ftixQt  vvv  öia/xivovxtt  xal 
öittfjisvovvxa  X.  X.  A.,  vgl.  auch  XIV,  10,  1).  Allerdings  ist  dieses  Archiv,  nach- 
ilem  CS  in  den  Kämpfen  des  Jalires  69  n.  Chr.  durch  Brand  zerstört  worden 
war  [Tadt.  Hist.  III,  71—72.  Sueton.  Vitell.  15.  Dio  Cass.  LXV,  17.  Joseph. 
Bell.  Jud.  IV,  11,  4),  von  Vespasian  wieder  hergestellt  worden  {Sueton.  Vesp. 
c.  8:  Ipse  restitutionem  Capitolii  adgressus,  ruderibus  purgandis  manus  primus 
admuvit  ae  siio  collo  qtiaedam  extulit;  aerearumque  tabularum  tria  milia,  quae 
simul  con/lagraverant,  restituenda  stiscepit,  undique  investigatis  exemplarilms : 
instrumentum  imperii  pulcherrimwn  ac  vetustissimum,  quo  continebantur  paene 
ah  exordio  urbis  s&natus  eonsulta,  plebiscita  de  societnte  et  foedere  ac  privilegio 
cuicumque  concessis).  Allein  in  jenem  Archiv  kann  sich  nur  ein  kleiner  Theil 
der  von  Josephus  mitgetheilten  Urkunden  befunden  haben,  nämlich  nur  die 
römischen,   wahrscheinlich   nur   die   Seuatsconsulte;    sicher   nicht   die   Be- 


86  §  3.   Quellen.   C.  Jpsephus.  [66] 

3)  Die  „Selbstbiographie".    Sie  ist  weit  entfernt,  eine  wirk- 
liche Lebensbeschreibung  des  Josephus  zu  geben,  sondern  handelt 


Schlüsse  {tpfj^iafiata)  kleinasiatischer  Städte,  deren  Josephus  aucli  eine  grössere 
Anzahl  mittheilt  (vgl.  überhaupt:  Mommsen,  Sui  modi  usati  da^  Romani  nel 
conservare  e  pulMicare  le  leggi  ed  i  se7iatusco7isuUi,  in  den  Annali  dcW  Instituto 
di  corrisp.  archeol.  t.  XXX,  1858,  p.  181 — 212.  Derselbe,  Corp.  Inscr.  Lat. 
t.  I,  p.  112,  Anm.  zu  Nr.  203.  Derselbe,  Römisches  Staatsrecht  III,  2,  1888, 
S.  1004 — 1021.  Pauly's  Real-Enc.  Art.  lex,  senatus  consuUum,  tabulurium. 
Dziatzko,  Art.  „Archive"  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  II,  553  ff.).  Die 
Urkunden  sind  ohne  Zweifel  von  verschiedenen  Orten  her  zusammengebracht : 
aus  Rom,  Kleinasien,  vielleicht  auch  Palästina.  Durch  den  regen  Verkehr, 
der  zwischen  den  jüdischen  Gemeinden  bestand,  konnte  Josephus  sicli  leicht 
von  den  auswärtigen  Gemeinden  die  auf  sie  bezüglichen  Actenstücke  ver- 
schaffen. Die  jüdischen  Gemeinden  hatten  ilire  Archive,  in  welchen  solche 
Actenstücke  aufbewahrt  wurden  (Alterthümer  von  Hierapolis,  heran sg.  von 
Humann,  Cichorius,  Judeich,  Winter  =  Jahrbuch  des  deutschen  archäo- 
logischen Instituts,  4.  Ergänzungsheft,  189S,  Inschr.  n.  212:  jüdische  Grab- 
schrift, welche  dem  unbefugten  Benutzer  des  Grabes  eine  Geldstrafe  androht; 
am  Schlüsse  die  Bemerkung:  avtlyQaipov  dnets&rj  iv  tw  ccqx^V  xuiv^Iovöalwv). 
—  Da  in  der  Rede,  welche  Nicolaus  Damascenus  vorM.  Agrippa  bei  dessen 
Aufenthalt  in  Kleinasien  zu  Gunsten  der  dortigen  Juden  aus  Anlass  ihres 
Conflictes  mit  den  städtischen  Communen  hielt  {Jos.  Äntt.  XVI,  2,  4),  auch 
auf  die  älteren  römischen  Actenstücke  zu  Gunsten  der  Juden  Bezug  ge- 
nommen wird,  so  vermuthet  Niese  (Hermes  XI,  1876,  S.  477—483),  das«  die 
von  Josephus  mitgetheilten  Urkunden  bereits  damals  von  Nicolaus  Damas- 
cenus gesammelt  und  aus  dessen  Werk  von  Josephus  entnommen  worden 
seien.  So  auch  Viereck,  Sermo  r/raccus  quo  senatus  populusqiie  Rovianiis  cic. 
usi  sunt,  üott.  1888,  p.  91  sj.  Wachsmuth,  Einleitung  in  das  Studium  der 
alten  Geschichte  S.  107  Anm.  4,  245  Anm.  2,  444.  Diese  Vermutbung  ist  aber 
nicht  haltbar,  denn:  1)  ein  erheblicher  Theil  der  Urkunden  bezieht  sich  auf 
die  Befreiung  vom  römischen  Kriegsdienst  (XIV,  10,  11—19),  welche  bei  dem 
Streit  der  städtischen  Communen  KU'iuasiens  mit  den  Juden  überliaui)t  nicht 
in  Betracht  kam;  2)  ein  anderer  Thcil  bezieht  sich  auf  Judaoa  (XIV,  10, 
2 — 10),  desHcn  Verhältnisse  bei  jenem  Coiiflict  ebcnfiilis  iiiclit  in  Frage  kamen; 
3)  eine  Urktinde  (XVI,  6,  h)  l)ezieht  sich  auf  die  .luden  von  Cyrene,  ist  also 
nir  die  kleinaHiatischcn  Verhältnisse  ebenfalls  gleichgültig;  4)  zwei  Urkunden 
(XVI,  0,  2  und  7)  haben  zur  Zeit  jenes  Conflictes  überhaupt  noch  nicht 
exiHtirt,  da  sie  jüngeren  Datums  sind.  Niese  selbst  drückt  sich  in  seiner 
«pStiTen  Arbeit  (Histor.  Zeitschr.  Bd.  7Ü,  8.222)  etwas  zurückhaltender  aus. — 
Willrich  (Judnira  1900,  S.  40-48)  glaubt  Niese's  Ansicht  zu  verbessern, 
indem  er  auf  Grund  von  l'liilo.  Leg.  ad  (Jajaw  S  28,  Mang.  II,  572,  uniiimiiit, 
«Ihm«  die  Hnmudnng  von  König  Agrippa  I  zusnnimengebniclit  worden  s(>i,  als 
dioMi^r  bei  (/aligula  zu  (iunsten  der  alexandriiiiseheii  .luden  intxMveniite. 
liOliler  entliält  aber  die  Hamnilung  <les  Josephus  gerudi^  für  Alexundrin  gar 
k«ln«'  Urkunden,  <lagegen  recht  viele  für  Kleiuasien,  die  den  Alexandrinern 
nielitM  helfen  konnt^'n.  |HinMiehtHeh  den  Inlinltes  der  von  Agrippa  dem  Cali- 
giitn  flbiTHandt4-n  Hclirifl  wäre  übrigens  auch  noch  in  Flacnmi  S  12,  Mavg. 
II,  r>31  M'/.  zu  ber(lekHie|itigen|.  —  Ueber  die  Echtheit  der  Urkunden,  welche 
Im  AtlgeniHnen  heut/titage  Niemand  mehr  b(«zweifelt,  n.'/..\\.Kggvr,  Khidcs  hislo- 


[66.  67]  §  H.   Quellen.   C.  JosephuB.  87 

fast  au.sscliliesslich  über  seine  Tliätigkeit  als  Befehlshaber  von  Galiläa 
im  .1.  66/67  n.  Chr.,  und  zwar  nur  über  seine  vorbereitenden  Maass- 
regeln daselbst  vor  dem  feindlichen  Zusammenstoss  mit  den  Römern  | 
(c.  7—74).  Zu  dieser  Hauptmasse  des  Inhalts  verlialten  sich  die 
kurzen  biogi-aphischen  Notizen  am  Anfang  und  Ende  der  Schrift 
(c.  1—6.  75—76)  nur  wie  Einleitung  und  Schluss.  Nach  den  Be- 
merkungen am  Schlüsse  der  Archäologie  hatte  Josephus  damals  im 
Sinne  gehabt,  noch  eine  Darstellung  des  Krieges  und  „unserer  Er- 
lebnisse" (also  der  jüdischen  Geschichte)  „bis  auf  den  gegenwärtigen 
Tag"  folgen  zu  lassen  {A7itt.  XX,  fin.  xav  ro  d-tlov  entxQtJti,],  xaxa 
jiSQiÖQüfirji^  vjrofiiff]0(o  Jiahv  rov  xt  JtoXtfiov  xät  xcöp  ov/ißeßrpco- 
xcov  rifilv  (itxQi  xrjg  vvv  kveoxcaörjg  rjfiiQaq).  In  der  That  giebt 
sich  die  Vita  als  einen  Nachtrag  zur  Archäologie.  Sie  beginnt  mit 
einem  anknüpfenden  öt  [efiol  de  yivog  iatlv  ovx  aar/fiov)  und  schliesst 
mit  den  Worten :  ool  ö'  djioötömxcog,  xQaxioxt  uvöqwv  ^EjtacpQoöixt, 
x/jv  jtäoav  x^g  aQxaioXoyiag  a.vayQU(fiiv,  km  xov  jiagovxog  tvxavi^a 
xaxajcavoa  xov  Xoyov.  Auch  in  der  handschriftlichen  Ueberlieferung 
hat  die  Vita  stets  den  Schluss  der  Archäologie  gebildet  Eusehius 
{Ilist.  eccl.  in,  10,  8  f.)  citirt  eine  Stelle  aus  der  Vita  mit  der  Be- 
merkung, die  Worte  stünden  tjt'  avxov  xr/g  agxaioXoyiag  xov  xtXovg, 
und  in  allen  erhaltenen  Handschriften  (mit  einer  einzigen  Ausnahme) 
ist  die  Vita  mit  der  Archäologie  verbunden  (s.  Niese's  Ausgabe 
t.  I,  Prolegom.  ]>.  V  sq.).  Trotzdem  würde  man  sehr  irren,  wenn 
man  die  Vita  für  die  Ausführung  des  am  Schlüsse  der  Archäologie 
angedeuteten  Vorhabens  hielte.  Damals  hatte  Josephus  im  Sinne, 
die  jüdische  Geschichte  bis  zur  Gegenwart  fortzusetzen.  Die 
Vita  ist  aber  nichts  weniger  als  dieses.  Sie  ist  augenscheinlich  ver- 
anlasst durch  die  Darstellung  des  jüdischen  Krieges  von  Seite  des 
Justusvon  Tiberias  (s.  über  diesen  oben  S.  5 8 ff.).  Derselbe  hatte 
darin  den  Josephus  als  den  eigentlichen  Organisator  des  Aufstandes 
in  (Traliläa  dargestellt  Das  war  dem  Josephus  bei  seiner  späteren 
Stellung  in  Rom  höchst  unbequem.  Und  so  schreibt  er  nun  eine 
Gegenschrift,  in  welcher  er  alle  Schuld  auf  Justus  abwälzt  und  sich 
selbst  als  Römerfreund  hinstellt.  Der  Versuch  ist  kläglich  schwach; 
denn  Josephus  kann  nicht  umhin,  selbst  Thatsachen  zu  erwähnen, 
welche   das  Gegentheil  beweisen.    Mit  dieser  erregten  Selbstver- 


riques  sur  les  traites  publics  chex  les  Orecs  et  ehex  les  Romains,  nouv.  ed.  Paris 
1806,/;.  163  sqq.  Gutschraid  (Kleine  Schriften  IV,  351  f.)  erklärt  sie  geradezu 
für  „die  werthvollsteu  Urkunden,  welche  schriftstellerisch  aus  dem  Alterthuni 
auf  uns  gekonnnen  sind".  Leider  sind  sie  in  sehr  schlechtem  Zustande  über- 
liefert. Offenbar  ist  schon  bei  der  Sammlung  mit  grosser  Nachlässigkeit  ver- 
fahren worden.    Zuweilen  sind  es  nur  Fragmente,    die  Josephus  mittheilt. 


88  §  3.  Quellen.  C.  Joseplius.  [67.  68] 

theidigiing  verbindet  Josephus  am  Anfang  und  am  Schluss  ein  paar 
biographische  Notizen,  und  veröffentlicht  nun  das  Ganze  als  einen 
Anhang  zur  Archäologie.  Der  frühere  Plan  ist  also  aufge- 
geben, und  an  dessen  Stelle  tritt  etwas  ganz  anderes. 
Trotz  des  anknüpfenden  6s  muss  daher  die  Vita  erst  län- 
gere Zeit  nach  der  Archäologie  geschrieben  sein.  Nun 
setzt  die  Vita  den  Tod  Agrippa's  II  bereits  voraus  {Vita  65). 
Agrippa  starb  aber  nach  Photius  cod.  33  im  dritten  Jahre  Trajan's, 
100  n.  Chr.  (s.  oben  S.  61).  Wenn  hiernach  die  Abfassung  der 
Vita  erst  nach  100  n.  Chr.  angesetzt  werden  kann,  so  steht  dies 
also  in  vollkommenem  Einklang  mit  dem  übrigen  That|bestand, 
und  es  liegt  kein  Grund  vor,  die  Richtigkeit  der  Angabe  des 
Photius  zu  bezweifeln  oder  sie  durch  Umdeutung  zu  beseitigen, 
weil  die  Vita  unmittelbar  nach  der  Archäologie  geschrieben  sein 
müsse  2®). 


20)  Die  Richtigkeit  der  Angabe  ist  vielfach  bezweifelt  worden,  z.  B.  durch 
Braun,  Monatsschr.  fiir  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judeutli.  1871,  S.  20— 28. 
Eine  Umdeutung  versucht  Grätz  {Monatsschr.  für  Geacli.  und  Wissensch.  des 
Judenth.  1877,  S.  337  ff".,  ehenso  Gesch.  der  Juden  Bd.  III,  4.  Aufl.  S.  555), 
in  der  Weise,  dass  er  die  Worte  rsXevrä  6h  h:si  xqixu>  Tgaiavov  nicht  auf 
Agrippa,  sondern  auf  Justus  von  Tiberias  bezieht,  was  nach  dem  Zusammen- 
hang ganz  unmöglich  ist.  Auch  Niese  [Josephi  opp.  1. 1,  Proleg.  p.  V,  Historische 
Zeitschrift  Bd.  76,  S,  226  f.),  Schlatter  (Texte  und  Untersuchungen  von 
Gehhardt  und  Harnack  XII,  1,  1804,  S.  40—44),  Gutschmid  (Kleine  Schriften 
IV,  354  f.),  Wachsmuth  (Einl.  in  das  Studium  der  alten  Geschichte  S.  448) 
neiimen  an,  dass  die  Vita  unmittelhar  nach  der  Arclu'iologic,  also  93/04  n.  Chr., 
geschrieben  «ei.  Schlatter  und  Niese  berufen  sich  zum  Erweise  dessen, 
dass  Agrippa  II  damals  bereits  todt  war,  auch  auf  Anit.  XVII,  L',  2.  Aus 
dieser  Stelle  folgt  aber  niclit,  dass  Agrippa  damals  todt  war,  sondern  nur, 
dasH  er  nicht  mehr  die  Herrschaft  Aber  Batanäa  hatte  (wie  ich  bereits  in  der 
1.  Aufl.  dieses  Buches  1874  8.  321  bemerkt  luibe;  die  Stelle  ist  also  nidit, 
wie  Niese  meint,  bisher  übersehen  worden).  Gutsclimid,  der  anerkennt, 
<laHs  Agrippa  II  erst  1(K)  n.  Chr.  gestorben  ist,  liut  /n  der  eigenartigen  Aus- 
kunft gegrifTen,  dass  Agrippa  Itei  Abfassung  der  Vita  in  Irrsinn  verfiillen  war, 
also  für  Josephus  nicht  mehr  cxistirt«.  Dies  wicU-rstreitiit  aber  sclih'clilliin 
den  Worten  des  Josepluis  Vita  65.  Andererseils  kann  an  der  späteren 
AbfaMHung  der  Vitn,  wie  oben  gezeigt  worden  ist,  schon  wegen  der 
HehluMHWorte  der  Archnologi«'  nicht  gezweifelt  werden.  Für  die 
Uichtigkeit  der  Angabe  des  Photius  über  das  Todesjaiir  des  Agrippa  giebt  es 
auch  noch  einen  |)ositiv«'n  Beweis.  Hyncellns  setzt  das  literarischem  Auf- 
treten d<!M  JnstUK  in  den  Anfang  der  Itepierung  Trajan's,  (h»<rh  oiinc  Zweifel 
dcMhalb,  weil  seine  (/lironik  bis  dahin  gegangen  ist  (s.  «»ben  S.  61;  wenn  Eu- 
sebiuH  den  Justus  in  die  Zeit  Nerva's  setzt,  so  macht  dies  für  unsere  l'^-age 
keinen  erheblichen  Untiirsehied).  Die  (Chronik  ging  alx^r  \\\w\\  IMiotius  bis 
zum  Tode  Agrippa's.  Also  hat  Agnppa  bis  in  «len  Anfang  d«'r  Kegierung 
Trajan's  gelebt.  Aueli  seine  Münzen  beweisen,  dass  er  niin«b'st(!ns  bis  zum 
Jahre  %  gelebt  hat.     Vgl.  überhaupt  g  19,  Anhang. 


[68.  69]  §  3.  Quellen.  C.  Josephus.  89 

4)  „Gegen  Apion  oder  über  das  hohe  Alter  des  jüdi- 
schen Volkes",  2  Bücher.  Die  Schrift  ist  nicht  nur,  nicht  einmal 
vorzugsweise,  gegen  den  Grammatiker  Apion  und  dessen  Verläum- 
dung  des  jüdischen  Volkes,  sondern  überhaupt  gegen  die  mancherlei 
zum  Theil  recht  albernen  Vorurtheile  und  gehässigen  Angritte  ge- 
richtet, unter  welchen  die  Juden  in  damaliger  Zeit  zu  leiden  hatten. 
Sie  ist  recht  eigentlich  eine  planvoll  angelegte,  gut  und  geschickt 
geschriebene  Apologie  des  Judenthums.  Besonderu  Werth  ver- 
leihen ihr  die  zahlreichen  Auszüge  aus  Schriftstellern,  deren  Werke 
uns  verloren  sind.  Ueber  die  von  Josephus  bekämpften  Autoren  s. 
Bd.  111,  S.  398—412.  —  Der  Titel  „Gegen  Apion"  ist  sicher  nicht 
ursprünglich.  Porjjh/rius,  De  abstineniia  IV,  11  citirt  das  Werk 
unter  dem  Titel  jtQog  rovg  "EXXijvag,  die  ältesten  Kirchenväter 
{ürigenes  contra  Gels.  1,  16;  IV,  11.  Eusehius  Hist.  ecel.  III,  9.  Praep. 
evang.  ed.  Oaisford  VllI,  7,  21;  X,  6,  15)  unter  dem  Titel  jttQi  rtjg 
rwv  ^lovöalmv  ccQxciiorrjrog.  Beide  Titel  sind  vielleicht  gleich 
alt  und  gleichberechtigt,  da  der  Nachweis  des  Alters  des  jüdischen 
N'olkes  in  der  That  ein  Hauptmoment  in  der  Apologie  desselben 
bildet.  Im  cod.  Peirescianus  der  Excerpte  des  Constantinus  Por- 
phyrogennetus  de  virtutihus  (vgl.  oben  S.  52)  findet  sich  die  Ueber- 
schrift  x8qI  Jtavtog  rj  xaxa  ^EXX^vcov  (s.  Wollenberg,  Recensentur 
LXXV  II  loci  ex  Flavi  Josephi  scriptis  excerpti  etc.,  Berol.  1871,  ;>.  34), 
wohl  infolge  einer  Verwechselung  mit  der  unten  zu  nennenden 
Schrift  jtBQi  xov  xavxog.  Die  Ueberschrift  contra  Apionem  hat 
zuerst  Hieronymus  {epist.  70  ad  Magnum  oratmem  c.  3  =  ojyp.  ed. 
Vallarsi  I,  428,  de  viris  illustr.  c.  13,  adv.  Jomnian.  II,  14;  an  letzterer 
Stelle  schreibt  er  die  oben  citirte  Stelle  des  Porphyrius  ab,  ersetzt 
aber  den  von  Porphyrius  |  gebotenen  Titel  durch  den  ihm  geläu- 
figen, s.  den  Wortlaut  Bd.  II,  S.  569)^').  —  Da  Josephus  in  dem 
Werke  die  Archäologie  bereits  citii-t  (I,  1  und  10),  so  ist  es  jeden- 
falls nach  dieser,  also  nach  dem  Jahre  93  n.  Chr.  geschrieben.  Es 
ist  wie  die  Archäologie  und  die  Vita,  dem  Epaphroditus  ge- 
widmet (I,  1.  II,  41). 

Ausser  diesen  vier  Werken  wird  dem  Josephus  von  manchen 
Kirchenvätern  auch  das  sogenannte  vierte  Makkabäerbuch  oder 
die  Schrift  n^Qi  avxoxQaxoQog  loyiopiov  zugeschrieben.  Die  Geistes- 
richtung desselben  ist  allerdings  derjenigen  des  Josephus  nahe  ver- 
wandt: jüdisch-pharisäisch  mit  etwas  griechisch-philosophischem 
Anstrich.  Doch  darf  es  als  sicher  gelten,  dass  Josephus  nicht  der 
Verfasser  ist  (s.  Bd.  III,  S.  393—397). 


L>1)  Vgl.  über  deu  Titel  auch:  Beruays,  Theophrastos'  Schrift  über 
Fröimiiigkeit  (1860)  S.  154  f.  J.  G.  Müller,  Des  FI.  Josephus  Schritt  gegen 
den  Apiou  S.  17.    Niese,  Jos.  opp.  t.  V  p.  JI\ 


90  §  3.  Quellen.  C.  Josephus.  [69J 

Die  von  Photius  Bibliotheca  cod.  48  besprochene  Schi'ift  'imorjjtov 
Usq!  xov  JtavroQ  oder  nEQi  rrjc  rov  jtavrog  altiag  oder  ff^Ql  rtjQ 
rov  jtavTOc  ovoiac  (alle  drei  Titel  giebt  Photius  als  handschrift- 
lich bezeugte  an)  ist  christlichen  Ursprungs  und  gehört  dem  Ver- 
fasser der  Philoso2)hnmena  an,  der  sie  Philos.  X,  32  als  seine  eigene 
citirt  (unter  dem  Titel  jisql  tTjc  rov  jtavrog  ovölag).  Schon 
Photius  hat  dieses  Selbstcitat  und  den  christlichen  Charakter  der 
Schrift  bemerkt.  Auch  erwähnt  er,  dass  die  Schrift,  da  sie  anonym 
war,  nicht  nur  dem  Josephus,  sondern  auch  dem  Justin,  Irenäus 
und  dem  römischen  Presbyter  Cajus  zugeschrieben  werde.  Er 
selbst  neigt  zu  letzterer  Annahme.  In  Wirklichkeit  ist  der  Ver- 
fasser höchst  wahrscheinlich  Hippolytus,  unter  dessen  Werken 
(in  dem  Verzeichniss  derselben  auf  der  Hippolytus-Statue)  auch  eine 
Schrift  jcsQL  rov  jcavxög  genannt  wird.  S.  Volkmar,  Hippolytus 
und  die  römischen  Zeitgenossen  (1855)  S.  2  ff.  60  ff.  —  Ausser  Photius 
citii-en  die  Schrift  unter  dem  Namen  des  Josephus  auch  Johannes 
Philoponus  {De  opificio  mundi  III,  16  ed.  Keichardt  1897,  in:  Scriptores 
sacri  et  profani  fasc.  1),  Johannes  Damascenus  {Sacra  paralL,  opp.  ed. 
Lequien  II,  789  sq.,  vollständiger  bei  Holl,  Fragmente  vornicänischer 
Kirchenväter  S.  137 — 143)  und  Johannes  Zonaras  {Annal.  VI,  4). 
Das  umfangreiche  Fragment,  welches  in  den  Sacra  paraUcla  mit- 
getheilt  wird,  ist  auch  noch  in  anderen  Handschriften  erhalten  und 
wird  hier  ebenfalls  dem  Josephus  zugeschrieben. 

Ueber  die  Handschriften  dieses  Fragmentes  s.  bes.  die  Mittheilungen  von 
AcheÜH  bei  Harnack,  Geschichte  der  altchristlichen  Literatur  1,  (')22  f. 
Gedruckt  ist  es  an  folgenden  Stellen: 

1)  Nacii  einer  bisher  nicht  identificirteu  Handschrift  von  David  Höschel 
in  seiner  Ausgabe  der  Bibiiolhcca  des  Photius  lÜOl,  hiernach  von  Le  Moync 
(in  seinen  Varia  sacra  I,  53  ft'.;  er  vindicirt  es  bereits  dem  Hii)i)olytu8),  Ittig 
(im  Anhang  zu  seiner  Ausgabe  des  Josephus),  Havercanip  (in  seiner  Ausg. 
des  JoscpliuH  II,  2,  145—147),  Fabricius  [IHppolyti  opp.  I,  220 — 222),  Gal- 
land i  (Bihlinlh.  patr.  II,  451—454),    Migne  {Potnll.  <jr.  X,  795— S02). 

2)  Nach  einem  cnd.  liarocciamis  in:  lAber  niger  Scaccarii  nee  nou 
Wilhdvii  WorccHtrii  annaics  verum  Aiujlienmm  cum  pracfatione  et  appeiidüe 
Tht/mne  Ilearnii,  editio  altera,  vol.  II,  London  1771,  p.  394—405.  Nach 
derselben  Handschrift  auch  von  Wordsworth  (»SV.  llippolytiis  aml  the  chure/t 
of  Itome,  1K53,  im  Anhang),  Bunseu  [Analccla  Anie-Nicaena  1,  393—402), 
Lttgnrde  {lUppolijli  t/iiae  /crimtur,  1858,  p.  08—7.3).  —  Das  Fragment  ist  in 
di(>Hcm  Codex  überschrieben:  ^Ituatjnnov  ix  xov  Xoyov  xov  fruytyQafifiivov 
xatit  IDmziuvoq  ntQl  xfj^  xov  nttvroi  ulxlaq.  Es  ist  scheinbar  vollstiiiidigor 
als  das  von  HöhcIicI  herausgcgobene.  In  Wahrheit  ist  hier  das  Fragnuiit 
durch  «'inige  Htücke  aus  Clemens  Alexandrinus  ergänzt  (O verbock,  Qiuw.sf. 
Ilippolyl.  nprcimen  18()4,  p.  5.  Zahn,  Forsciiungtin  zur  Gesch.  des  neutest. 
KnnonH  IIJ,  31.     Harnack  a.  a.  O.). 

3j  Niurh  einigen  vatikanischen  Handschrilt(*n  liiil  IMtra  ßruchstücke 
hcfttUMgegeben  (AmUcda  nacra  t.  U,  1884,  p.  20ü  aq.). 


[69.  70]  §  3.   Quellen.  C.  Josephus.  91 

4)  Ueber  die  Ueberlieferung  in  den  Sacra  paralleta  des  Johannes  Damas- 
cenus  hat  erst  Ho  11  vollständigen  Aufschluss  gegeben  (Fragmente  vorni- 
cänischer  Kirchenväter  aus  den  Sacra  paraUela,  herausg.  von  Holl,  1899, 
S.  137—143).  a)  an  einer  Stelle  wird  das  Fragment  vollständig  in  demselben 
Umfang,  in  welchem  es  Höschel  und  seine  Nachfolger  herausgegeben  haben, 
mitgetheilt  unter  dem  Namen  des  Josephus  Clwar^nnov  ix  tov  ).6yov  tov 
iniyeyQaßfiävov  xata  Ilkccziuvog  negl  Tfjg  tov  navioQ  altiag,  so  eine  Hand- 
schrift, ähnlich  zwei  andere);  b)  an  einer  anderen  Stelle  wird  ein  Stück  des- 
selben Fragmentes  (Zeile  56 — 76  bei  Holl)  mitgetheilt  unter  dem  Namen  des 
Irenäus;  c)  an  einer  dritten  Stelle  wird  die  Fortsetzung  dieses  Stückes 
(Zeile  76 — 100  bei  Holl,  das  Ganze  hat  137  Zeilen)  mitgetheilt  unter  dem 
Namen  des  Meletius  von  Antiochia.  Der  cod.  Rupefucaldinus  hat  alle  drei 
Stellen  (die  erste  aber  nur  bis  dahin,  wo  das  zweite  Stück  beginnt),  andere 
Hundschriften  bald  die  eine,  bald  die  andere.  Offenbar  haben  die  Sacra 
parallda  in  ihrer  Urgestalt  das  Ganze  nur  an  einer  Stelle  unter  dem  Namen 
des  Josephus  gegeben;  die  Zertheilung  in  drei  Stücke  und  die  Vorsetzung 
der  irrigen  Lemmata  Ecqtjvoiov  und  MeXsiiov  sind  das  Werk  späterer  Bear- 
beiter. Ich  zweifle  nicht,  dass  die  ganze  Ueberlieferung,  auch  in  den 
Handschriften,  welche  das  Fragment  separat  geben,  auf  die  Sacra  paralleta 
zurückgeht.  Bewiesen  wird  dies  namentlich  dadurch,  dass  die  Stücke  aus 
Clemens  Alexandrinus,  welche  im  codex  Baroccianus  an  unser  Fragment 
angehängt  sind,  in  zwei  Handschriften  der  Sacra  parallda  {Paris,  f'ol.  385 
und  Marc.  fol.  78)  mit  demselben  zusammenstehen  (Holl,  Fragmente  Nr.  296, 
297,  187,  vgl.  mit  Lagarde  S.  73).  Auch  Zonaras  [Annal.  VI,  4)  hat  aus  den 
Sacra  paraUela  geschöpft.  NurPhotius  und  Johannes  Philopouus  sind  selbständig. 

Vgl.  überhaupt:  Ittig's  Prolegomena  zu  Josephus  s.  fin.;  Fabricius,  Biblioth. 
f/ruec.  ed.  Hartes  V,  8*9.  VII,  192;  Oaltandi,  Biblioth.  pair.  II  l^oleg.  p.  XLVII; 
liaulh,  Itetiqiiiae  sacrae  ed.  2,  II,  157  sq.;  Bunsen,  Änalccta  Ante-Nicaena  I, 
344  ff.;  Caspari,  Quollen  zur  Geschichte  des  Taufsymbols  III,  395  fi".  Salmon, 
Art.  Hipi)<»lytus  in:  Smith  and  Wacc,  Dictionary  of  christ.  biogr.  III,  100. 
Lightfoot,  The  apostotic  fathers,  part  I:  S.  Clement  of  Borne,  vol.  II,  1890,  p. 
395—397.  Harnack,  Geschichte  der  altchristl.  Literatur  1, 1893,  S.622f.  Holl. a.a.O. 

Am  Schlüsse  der  Archäologie  sagt  Josephus,  er  habe  die  Ab- 
sicht zu  schreiben  xata  rag  ruiETtQaq,  66B,aq  xätv  luvöaicop  tv  \ 
xiaoaQöt  ßißXoiQ  jreQi  {^sov  xal  rrjg  ovoiaq  avrov  xal  jcbqI  tcöp 
vof/cov,  öia  ri  xar  avrovg  ra  fisv  t^sorcv  rjfilp  jtoielv  ra  de  xtxco- 
XvraL.  Er  meint  damit  wohl  nicht  verschiedene  Werke  (wie  von 
Manchen  die  Worte  verstanden  worden  sind),  sondern  nur  ein  Werk, 
welches  über  Gottes  Wesen  und  über  den  vernünftigen 
Sinn  der  mosaischen  Gesetze  handeln  sollte,  in  ähnlicher  Weise 
wie  etwa  Philo's  systematische  Darstellung  der  mosaischen  Gesetz- 
gebung (vgl.  Bd.  111,  S.  511—523).  Auch  in  den  ersten  Büchern 
der  Archäologie  verweist  er  häufig  auf  dieses  von  ihm  beabsichtigte 
Werk.  Vgl.  unten  Bd.  111,  S.  419.  Er  wollte  darin  u.  A.  die 
Gründe  für  die  Beschneidung  angeben  {Antt.  I,  10,  5)  und  die 
Gründe,  weshalb  Moses  die  einen  Thiere  zu  essen  erlaubt  habe, 
die  anderen  aber  nicht  {Antt.  111, 11,  2).    Vgl.  auch  Antt.  prooem.  4. 


92  §  3.   Quellen.   C.  Josephus.  [70.  71] 

1,  1,  1.  III,  5,  6.  6,  6.  8,  10.  IV,  8,  4.  44.  Das  Werk  scheint  aber 
nicht  zur  Ausführung  gekommen  zu  sein. 

Räthselhaft  sind  manche  Verweisungsformeln  in  der  Archäo- 
logie, welche  darauf  zu  deuten  scheinen,  dass  Josephus  auch  ein 
Werk  über  die  Geschichte  der  Seleuciden  geschrieben  hat.  Kr 
bemerkt  nämlich  öfters,  dass  das  von  ihm  kurz  Erwähnte  auch 
anderswo  behandelt  sei^^).  Wo  dies  mit  der  passivischen  Formel 
xa&coq  xal  ev  aXXoig  68Öi)Xa)TaL  geschieht,  können  natürlich  Ge- 
schichtswerke Anderer  gemeint  sein  (so  Antt.  XI,  8,  1.  XII,  10,  1. 
XIII,  4,  8.  8,  4.  13,  4.  XIV,  6,  2. 7,  3  init.  et  fin.  11,  1).  Nicht  selten  be- 
dient sich  aber  Josephus  dabei  der  ersten  Person:  xa&cbg  xal  hv 
alXoiq    ösörjXmxafiEV   (so   Antt.   VII,  15,  3.  XII,  5,   2.  XUI,  2,  1. 

2,  4.  4,  6.  5,  11.  10, 1.  10,  4.  12,  6.  13,5).  Von  diesen  Citaten  lassen 
sich  vier  als  Verweisungen  auf  andere  Abschnitte  der  uns  bekannten 
Werke  des  Josephus  begreifen.  Antt.  VII,  15, 3  =  Bell  Jud.  I,  2,  5. 
Antt.  XIII,  10,  1  =  XIII,  7,  1.  Antt.  XIII,  10,  4  =  Bell.  Jud.  VII,  10 
und  Antt.  XIII,  3.  Antt.  XIII,  13,  5  =  III,  10, 4.  Für  die  übrigen  aber 
sind  keine  derartigen  Parallelen  nachweisbar.  Sie  beziehen  sich 
sämmtlich  auf  die  Geschichte  des  seleucidischen  Reiches  von  Antiochus 
Kpiphanes  bis  zum  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Clir.  {Antt. 
XII,  5,  2.  XIII,  2,  1.  2,  4.  4,  6.  5,  11.  12,  6).  Da  nun  nichts  davon 
bekannt  ist,  dass  Josephus  auch  eine  Geschichte  der  Seleuciden 
geschrieben  hat,  so  nimmt  Destinon  (Die  Quellen  des  Josephus  S. 
21 — 29)  an,  dass  alle  diese  Verweisungsformeln  schon  in  der  Quelle 
des  Josephus  gestanden  haben  und  von  ihm  unverändert  aufgenom- 
men worden  sind.  So  seltsam  diese  Annahme  auch  scheint,  so  ist 
sie  doch  nicht  ohne  weiteres  von  der  Hand  zu  weisen.  Sie  ist 
nicht  ohne  Analogie  in  der  alten  Geschichtschreibung.  Bei  Diodor 
kommt  mehrnmls  ein  /}//£fg  vor,  das  nicht  ihm,  sondern  nur  seiner 
Quelle  angeliören  kann  •'=').  Berühmt  ist  das  iinslg  in  der  Apostel- 
geschichte, das  sicher  von  dem  Verfasser  derselben  aus  seiner 
(Quelle  aufgenommen  ist.  Zu  Gunsten  von  Destinon's  Auffassung  kann 
besonders  noch  angeführt  werden,  dass  einigemal  sowohl  in  der  Arcliäo- 
logie  als  in  der  Parallelstelle  des  Eß//?^m  »/wt/aic-ww  sich  d(!rartige  Ver- 
weJHungHformeln  finden,  obwohl  btiide  Werke  unabhängig  von  ein- 
ander aus  der  gemeinsamen  Quelle  geschöpt  sind  |  {Anlt.  XiV,  7,  3 
init.  —  IkU.  Jud.  J,  8,  8.  ^.  XIV,  7,  3  fin.  =  B.  J.  I,  8,  9.     Vgl. 

22j  Di«  voIlutttndJgBU'ii  Uobensichton  dicHcr  Htellon  geben:  Dostinon, 
Die  Quellen  <leM  FluviuH  .loHepliUH  H.  21 — 2'.i,  und  Drüner,  UnterHn(rlnMi<;('ii 
flhcr  JimepliUM  H.  H2— 1*4.  Eine  IJcrichtigung  zu  DcHtinou  ».  bei  llnger, 
HiUungMborieliU*  der  Münclionor  Akudemio,  pliiloH.-philol.  und  lÜHt.  Cl.  1S07, 
B.  228. 

23;  Wftübiimuth,  Einleitung  in  da«  Studium  dttr  ulten  Gcochielito  8.9(3. 


[71]  §  3.  Quellen.  C.  Josephue.  93 

Niese,  Hermes  XI,  469;  die  Gegenbemerkungen  von  Unger 
S.  233  scheinen  mir  nicht  dnrchschlagend).  Andererseits  ist  an 
einigen  der  fraglichen  Stellen  der  unmittelbar  nachher  oder  vorher 
in  der  ersten  Person  sprechende  Schriftsteller  sicher  Josephns 
selbst  (so  XII,  5,  2  und  XllI,  12,  6).  Auch  lauten  die  verdächti- 
gen Formeln  genau  so  wie  die  sicher  von  Josephus  herrührenden 
(XIII,  10,  4  und  13,  5).  Es  hält  daher  schwer,  über  ein  non  liquet 
hinauszukommen.  Immerhin  dürfte  Destinon's  Annahme  sich  als 
die  wahrscheinlichste  empfehlen,  wobei  nur  an  Stelle  seines 
„Anonymus"  einfach  Nicolaus  Damascenus  oder  Strabo  als  Quelle 
des  Josephus  zu  setzen  sein  würde '^*). 

üeber  den  Charakter  des  Josephus  und  seine  Glaubwürdig- 
keit als  Geschichtschreiber  sind  die  widersprechendsten  Urtheile 
gefällt  worden.  In  der  alten  Zeit  und  im  Mittelalter  hat  man  ihn 
in  der  Regel  sehr  überschätzt,  wie  denn  Hieronymus  ihn  gar  den 
„griechischen  Livius"  nennt  ■^^;  in  neuerer  Zeit  ist  er  dafür  um  so 
schlimmer  von  der  Kritik  mitgenommen  worden.  Es  gilt  auch 
hier,  das  richtige  Maass  zu  halten.  Seinen  Charakter  wird  Nie- 
mand in  Schutz  nehmen  wollen.  Eitelkeit  und  Selbstgefälligkeit 
sind  die  Grundzüge  seines  Wesens.  Und  wenn  er  auch  nicht  der 
ehrlose  Vaterlandsverräther  war,  als  welchen  er  später  in  seiner 
Vita  sich  selbst  geschildert  hat,  so  hat  er  doch  den  Uebergang 
zu  den  Römern  und  den  innigen  Anschluss  an  das  flavische  Kaiser- 
haus mit  mehr  Gewandtheit  und  Gleichmuth  vollzogen,  als  es  einem 
um  den  Untergang  seines  Volkes  trauernden  Israeliten  geziemt 
hätte.  Auch  als  Schriftsteller  hat  er  seine  grossen  Schwächen. 
Aber  man  muss,  um  billig  zu  sein,  doch  sagen,  dass  gerade  das, 
worin  seine  Hauptsch wache  liegt,  ihm  schliesslich  nicht  zur  Un- 


24)  An  Destinon  haben  sich  angeschlossen:  Otto,  Leipziger  Studien  zur 
cluss.  Philologie,  11.  Bd.  Suppleraentheft  S.  231  fi".  Wachsmuth,  Einl.  iu 
das  Studiupa  der  alten  Gesch.  S.  443  f.  Buch  1er,  Jeicish  Qarterly  Review  IX, 
1897,  j9.  318— 325.  —  Anders  entscheiden  sich:  Gutschinid,  Kleine  Schriften 
IV,  372  f.  (hat  früher  an  eine  Schrift  des  Josephus  über  die  70  Jahrwochen 
des  Daniel  gedacht;  hielt  es  aber  später  für  möglich,  dass  Josephus  auf  eine 
Vorstudie  zur  Archäologie  verweist).  —  Niese,  Hist.  Zeitschr.  Bd.  76,  8. 
234—236  (hält  die  Verweisungen  „lediglich  für  eine  Phrase").  —  Drüner, 
Untersuchungen  über  Josephus  S.  70 — 94  (die  Verweisungen  beziehen  sich 
auf  eine  Arbeit  des  Josephus,  die  nicht  publicirt  worden  ist,  sondern  nur  als 
Vorarbeit  für  die  Archäologie  gedient  hat).  —  Unger,  Sitzungsberichte  der 
Münchener  Akademie,  philos.-philol.  und  histor.  Classe  1897,  S.  223—244 
(Josephus  hat  ein  Werk  über  die  Geschichte  von  Syrien,  nicht  nur  über  die 
der  Seleuciden  geschrieben). 

25)  Episf.  22  ad  Enstochmm  c.  35  {opp.  ed.  Vallarsi  I,  120):  Josephm, 
Graeeus  Limits. 


94  §  3.   Quellen.   C.  Josephus.  [71.  72] 

elire  gereicht:  er  schreibt  zur  Verherrlichung  seines  Volkes. 
In  diesem  Interesse  wird  die  ältere  Geschichte  im  Glorienscheine 
dargestellt.  Dasselbe  Interesse  hat  auch  die  Darstellung  der  spä- 
teren Zeit  beeinflusst.  Die  Pharisäer  und  Sadducäer  sind  philo- 
sophische Schulen,  welche  sich  mit  den  Problemen  der  Freiheit 
und  Unsterblichkeit  beschäftigt  haben.  Die  messianische  Hoffnung, 
welche  um  der  politischen  Ansprüche  willen,  die  sich  daran 
hefteten,  die  tiefste  Triebfeder  zum  Aufstand  gegen  Rom  war,  wird 
todtgesch wiegen ,  denn  das  Volk  soll  nicht  als  römerfeindlich  er- 
scheinen. Nicht  das  Volk  hat  den  Krieg  gegen  die  Eömer  gewollt, 
sondern  es  ist  nur  von  einigen  Fanatikern  dazu  verführt  worden. 
Nach  allen  diesen  Richtungen  hin  giebt  die  Darstellung  des  Josephus 
allerdings  ein  schiefes  Bild.  Im  übrigen  sind  seine  verschiedenen 
Werke  von  sehr  verschiedenem  Werthe.  Der  „Jüdische  Krieg" 
ist  ohne  Frage  viel  sorgfältiger  gearbeitet,  als  die  Archäologie. 
Er  giebt  eine  in's  kleinste  Detail  gehende  Darstellung  der  Ereig- 
nisse, an  deren  Zu  verlässigkeit  zu  zweifeln  kein  Grund  vorliegt. 
Die  langen  Reden,  welche  Josephus  seinen  Helden  in  den  Mund 
legt,  sind  natürlich  freie  rhetorische  Leistungen;  und  mit  den 
Zahlen  wii'd  man  es  auch  nicht  zu  genau  nehmen  dürfen.  Abei- 
diese  Schwächen  theilt  Josephus  mit  vielen  alten  Geschicht- 
schreibern; und  sie  beeinträchtigen  nicht  die  Zuverlässigkeit  des 
Uebrigen.  Nur  was  er  über  die  Vorgänge  bei  seiner  Gefangen- 
nahme in  Jotapata  sagt  (B.  J.  III,  8),  ist  von  diesem  günstigen 
Urtheile  auszunehmen. —  Erheblich  anders  steht  es  mit  der  Archäo- 
logie. Sie  ist  vor  allem  viel  nachlässiger  gearbeitet,  als  der 
jüdische  Krieg,  namentlich  in  den  letzten  Büchern,  welchen  man 
es  anmerkt,  dass  sie  in  der  Ermüdung  geschrieben  sind.  Und 
nicht  nur  nachläs.sig,  sondern  auch  mit  grosser  Freiheit  und  Will- 
kür sind  oft  die  Quellen  benützt,  wenigstens  da,  wo  wir  es  con- 
troliren  können  (s.  z.  B.  Grimm,  Kxeget.  Handb.  zum  ersten  Makka- 
bäerbuch  S.  XX VIII  f.),  woraus  sich  kein  günstiges  Vorurtheil 
für  das  Uebrige  ergiebt.  Doch  finden  sich  auch  einzelne  Beweise 
kritisch<;n  N'erlialtens  gegenüber  den  (Quellen  (Antt.  X\\\  1,  3. 
XVI,  7,  1.  XIX,  1,  10.  1,  14).  Natürlich  ist  der  Werth  in  den  ver- 
Kcliiedenen  Abschnitten  ein  sehr  verschicidener  je  nach  den  Quellen, 
welche  Inmützt  sind.  —  Die  schwächste  Leistung  ist  ohne  Zweifel 
die  Selbstbiographie,  ein  in  seltsamer  \'erl)len(liing  gesclnie- 
bener  Versuch,  die  'i'hatsachen  auf  den  Kopf  zu  st(;llen  durch  den 
Nachweis,  dass  er,  wälii-eiid  er  den  Aufstand  in  (Jaliläa  zu  organi- 
siren  hatte,  vh  eigentiieii  init^  dt-n  Ivöniern  gt^lnilten  habe. 

In  der  ciirivtlichuti  Kirche   iht  JoHnphu«   von  Anriui^  im    lUüsHig   gc'h'scn 
worden,  d«  noine  Worke  dnc  zweck mÜHsige  Ucboruicht  über  dio  Goachichtu 


[72.  73]  §  3.   Quellen.  C.  Josephus.  95 

des  jüdischen  Volkes  gaben.  Die  testimonia  veterum  über  Josephus  sind 
zusammengestellt  in  Havercamp's  Ausgabe,  in  den  Vorbemerkungen  zum 
ersten  Bande. 

Im  Abendlande  ist  er  durch  eine  lateinische  Uebersetzung  seiner 
sämmtlichen  Werke  (mit  Ausnahme  der  Vita)  und  ausserdem  durch  eine  freie 
lateinische  Bearbeitung  des  Bellum  Judaicum  verbreitet  worden.  Ueber 
die  Entstehungsgeschichte  dieser  Texte  liegen  folgende  äussere  Zeugnisse  vor : 
1)  Hieronymus,  cpist.  71  ad  Lucinium  c.  5  {opp.  ed.  ValUirsi  I,  434):  Porro 
Josephi  l'ibros  et  sanctorum  Papiae  et  Pulycarpi  Volumina  falsus  ad  te  rumnr 
pertulit  a  me  esse  translata :  quin  nee  otii  mei  nee  virium  est,  tantas  res  eadem 
in  alteram  linr/uam  exprimere  venustate.  —  Hieraus  folgt  nicht  nur,  dass 
Hieronymus  keine  Uebersetzung  des  Josephus  angefertigt  hat,  sondern  auch, 
dass  es  zu  seiner  Zeit  von  den  Werken  des  Josephus  oder  wenigstens  einem 
Theil  derselben  noch  keine  Uebersetzung  gegeben  hat;  denn  sonst  hätte  das 
Bedürfniss  nach  einer  solchen  ja  gar  nicht  vorgelegen.  —  2)  Cassiodorus 
[ho,  nicht  Cassiodorius,  ist  zu  schreiben,  s.  Mommsen,  Muuum.  Germ.,  Auetures 
antiquissimi  t.  XII],  De  institutione  div.  lit.  c.  17  {opp.  ed.  Garetitis  II,  520): 
Ut  est  Josephus,  paene  seeundus  Livius,  in  Hbris  antiquitatum  Judaicarum  täte 
diff'usiis,  quem  pater  Hieronymus  scribens  ad  Lucinum  Baetieum  propter  ttiayni- 
tudinetn  prolixi  ojieris  a  se  })erhd)et  non  potuisse  transferri.  Hüne  tarnen  ah 
amvHs  nostris,  qiioniam  est  sti/dilis  nimis  et  multiplex,  magno  labore  in  lihris 
rif/inti  diwbus  (nänd.  20  I  Bücher  Alterth.  und  2  Bücher  gegen  Apion)  converti 
fccivius  in  Latinum.  Qui  etiam  et  alios  septem  iibros  captiritatis  Jiuiaicae 
inirabili  nitore  conscripsit,  quorum  translatianem  alii  Hieronymo,  aiii  Ambrosio, 
alii  deputant  Rußno;  quae  dum  talilnis  ascribitur,  omnino  dictionis  eximiae 
merita  declarantur.  —  Hiernach  darf  als  sicher  angenommen  werden,  dass  die 
uns  erhaltene  lateinische  Uebersetzung  der  Alterthümer  und  der 
Bücher  gegen  Apion  auf  Veranlassung  des  Cassiodorus,  also  im 
sechsten  Jahrhundert  nach  Christo,  angefertigt  worden  ist.  Ganz 
unmotivirt  ist  es  aber  (wie  seit  Bernard  vielfach  geschehen  i8t\  diese  Ueber- 
setzung einem  gewissen  Epiphanius  zuzuschreiben,  lediglich  deshalb,  weil  Cas- 
siodorus zwei  Sätze  später  sagt,  dass  er  durch  diesen  die  historia  tripartita 
habe  bearbeiten  lassen.  —  Ungewiss  ist,  ob  die  Bemerkungen  des  Cassiodorus 
in  Betreff  des  Bellum  Judaicum  sich  auf  die  lateinische  Uebersetzung  be- 
ziehen, welche  man  dem  Rufin  zuzuschreiben  pflegt  (so  versteht  sie  z.  ß.  Niese, 
Jos.  opp.  VI,  p.  XX  not.  5),  oder  auf  die  freie  lateinische  Bearbeitung, 
welche  in  den  Ausgaben  den  Namen  des  Hegesippus  trägt  (so  z.  B.  Vogel, 
De  Hcgcsippo  p.  33).  Die  Bezeichnung  der  Arbeit  als  einer  translatio  lässt 
beide  Deutungen  zu.  Denn  auch  die  freie  Bearbeitung  ist  als  eine  Ueber- 
setzung angesehen  worden  (vgl.  die  Unterschrift  im  cod.  Ambrosianus:  Am- 
brosius  epi  de  greyo  transtutit  in  latinum).  Für  die  Beziehung  auf  Hegesipp 
spricht  aber,  was  Cassiodor  über  den  Stil  sagt.  Denn  wenn  auch  Rufin  in 
gutem  Latein  geschrieben  ist,  so  lassen  sich  dictionis  eximiae  merita  doch  nur 
der  in  Sallust'schem  Stile  geschriebenen  Arbeit  Hegesipp's  nachrühmen.  Ist 
letztere  gemeint,  so  würde  aus  den  Worten  Cassiodor's  zweierlei  folgen :  1)  dass 
diese  Arbeit  anonym  war,  denn  Cassiodorus  kennt  nur  Vermuthungen  in  Be- 
treff des  Verfassers;  2)  dass  die  wörtliche  Uebersetzung  zur  Zeit  des  Cassio- 
dorus noch  gar  nicht  existirt  hat;  denn  sonst  hätte  er  nicht  von  dieser  schweigen 
und  nur  die  freie  Bearbeitung  erwähnen  können,  da  er  doch  sagen  will,  dass 
für  Uebertragung  des  Bell.  Jud.  iu's  Lateinische  bereits  gesorgt  sei.  Um  die 
Frage  mit  Sicherheit  entscheiden  zu  können,  müsste  untersucht  werden,  ob  die 


96  §  3.   Quellen.   C.  Josephus.  [73.  74] 

älteren  lateinischen  Scliriftsteller  bis  zum  neunten  Jahrhundert  (aus  welchem 
die  ältesten  Handschriften  des  sog  Rufin  herrühren)  das  Bell.  Jud.  in  der 
Form  des  sog.  Rufin  oder  in  der  Form  des  sog.  Hegesipp  benützen.  Die  Her- 
kunft der  wörtlichen  üebersetzung  von  Rufin  ist  auf  alle  Fälle  unwahrschein- 
lich, da  in  dem  Katalog  der  Rufin'schen  Uebersetzungsarbeiten  bei  Oennadius, 
De  mris  illustr.  e.  17  [Hieronymi  opp.  ed.  Vallarsi  II,  978)  keine  Üebersetzung 
des  Josephus  erwähnt  wird. 

Die  freie  lateinische  Bearbeitung  Ae9>  Bellum  Judaicum  trägt  in 
den  Ausgaben  den  Namen  des  Egesippus  oder  Hef/esippus.  Das  ist  sicher 
nur  Corruption  aus  Josephus,  griech.  ^IcjoTjnog  'IwOTjnnog  ^Iwamnoq,  lat.  Joscpus 
Joseppus  Josippus  (dies  die  ältesten  Formen,  erst  seit  dem  9.  Jahrh.  findet  sich 
in  den  Handschriften  Josephus,  s.  Niese's  Ausg.  des  Josephus  t,  I  proleff.  p.  V). 
Denn  in  den  ältesten  Anführungen  wird  das  Werk  einfach  unter  dem  Namen 
des  Josephus  citirt,  so  bei  Eucherius  im  5.  Jahrh.  und  noch  bei  Widukind, 
dem  Geschichtsschreiber  der  Sachsen,  im  10.  Jahrhundert  (s.  Vogel,  De  Her/e- 
sippo  p.  32 — 49,  Theol.  Litztg.  1881,  545).  Auch  in  den  ältesten  Handschriften, 
einem  Ämbrosianus  saec.  VII/VIII  und  einem  Cassellan.  sacc.  VIII/IX,  wird 
in  den  Columnen-Ueberschriften  lediglich  Josepjms  Josephus  als  Verfasser 
genannt.  In  einem  eod.  Neapol.  saec.  IX  lautet  die  Unterschrift  des  3.  Buches: 
cxplicit  htstoriarum  iosepi  liber  tertius,  incipit  ciusdem  liher  quartus  [Niese 
t.  VI  p.  XIX  not).  Daneben  werden  allerdings  auch  schon  frühe  die  Namen 
des  Ambrosius  und  Hegesippus  genannt.  In  dem  etwas  jüngeren  ersten 
Theile  des  cod.  Ämbrosianus  {saec.  VIII/IX)  lautet  die  Unterschrift  des  ersten 
Buches:  Josippi  [von  jüngerer  Hand  corrigirt  in  Egesippi]  liber  primus  cxplicit. 
Incipit  scciindus.  \  Atnlrrosius  epi  de  grcgo  transtulit  in  lalinum.  Ein  cml. 
Bemens.  saec.  IX  nennt  den  Hegesippus,  ein  Palat.-Vatican.  saec.  IX/X  den 
Ambrosius;  noch  jüngere  Handschriften  bald  den  einen,  bald  den  anderen 
(s.  überhaupt:  Reifi'erscheid,  Sitzungsber.  der  Wiener  Akad.  ])hilo8.-liist.  Cl. 
Bd.  50,  18Ü7,  S.  441  f.  Bd.  Ü7,  1871,  S.  473— 47G.  Caesar,  Obscrmtiones  p.  IV, 
VIT.  Vof/el,  De  Hegesippo  p.  4 — 8.  Der«.,  Zeitschr.  für  die  österr.  Gymnas. 
1883,  8.  244.  Niese,  Joscphi  opp.  I  p.  XXVII  not.).  Interessant  ist  eine  von 
Traube  (Rhein.  Museum,  Bd.  XXXIX,  1884,  S.  477  f.)  mitgetlieilte  Stelle  in 
einem  Briefe  des  Spaniers  Alvar  (neuntes  Jahrh.),  worin  dieser  seinem  Gegner 
sagt:  .icito  quia  nihil  tibi  ex  Egesippi  posui  lurbis,  sed  ex  Josippi  vestri  doctoris, 
dabei  aber  eine  Stelle  unseres  Hegesippus  meint!  Es  kennt  also  dieses  Werk 
nur  unter  dem  Namen  des  Josephus,  sein  Gegner  aber  bereits  unter  dem  des 
Hegesippus.  —  Bei  diesem  Thatbestand  kann  von  einer  sicheren  Bezeugung 
der  Autorschaft  des  Ambrosius  (für  welche  besonders  ReiHerscheid,  Sitzuiigs- 
berichto  der  Wiener  Akad,  philos.-hist.  Cl.,  Bd.  50,  1807,  S.  442,  eingetreten 
ist)  nicht  die  Iltuie  sein.  Sie  ist  eine  blosse  Vennnthung,  auf  welche  man 
gerathcn  ist,  weil  auch  Ambrosius,  wie  Hieronyinus  und  Uufinus,  ein  Haupl- 
Vcrinittlcr  griechisch-tlK'ologischer  liiteratur  für  das  Abeiullaiul  war.  Aller- 
<liiigH  Htaninit  nun  das  Werk  aus  der  Zeit  des  grossen  Mailänder  IJischofs 
(zwcit<!  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts),  aber  höchst  walirsclieinlich  nicht  von 
ihm,  wie  nunuintlicli  durch  die  eingehenden  Untersuchungen  von  Vogel  (/>r 
IlrjfcjiipjHt  IHHl,  vgl.  das  Referat  in  der  Theol.  T^lteraturztg.  1881,  544  fl.)  dar- 
gotlinn  worden  iHt.  Klebs  setzt  die  Abfassung  um  .'195  n.  Chr.  (Festschrift 
für  Frie«liander  189.5,  H.  233-237).  —  Das  Werk  ist,  obwoiil  die  Alten  es  als 
eine  Ui'horHetzung  dos  JoHophuH  angesithen  hiilxin,  tliutHäcliIich  v'iuo  freie  Be- 
arbeitung doHHolbon.  Dor  Text  des  Josephus  ist  vieltiicli  gekürzt,  zuweilen 
durch  Zuthaten  orgftnzt  (die  unifangruichste  Einschaltung  ist  diu  über  Simon 


[74.  75]  §  3.    Quellen.   C.  JoHephuH.  97 

Magus  III,  2;  sonst  sind  besonders  geographische  Bemerkungen  hinzugefugt). 
Die  sieben  Bücher  des  Josephus  sind  in  fünf  zusammengezogen. 
Im  Vorwort  erwähnt  der  Bearbeiter  ein  früheres  Werk  über  die  Geschiclite 
der  jüdischen  Könige  nach  den  vier  Königsbüchern.  Seinen  christlichen 
Standpunkt  bringt  er  wiederholt  zur  Geltung  {II,  12.  V,  2.  32.  44).  Josephus 
wird  von  ihm  wie  ein  fremder  Autor  citirt  (I,  1  §  8.  II,  12,  an  letzterer  Stelle 
dreimal:  lin.  11,  18,  49  cd.  Wefjer).  Er  fühlt  sich  also  nicht  als  Uebersetzer, 
sondern  als  Autor  (s.  bes.  Klebs  a.  a.  O.).  —  Die  erste  Ausgabe  erschien  zu 
Paris  1510.  Seitdem  ist  das  Werk  oft  gedruckt  worden,  unter  anderem  auch 
bei  Qallamli,  Biblioth.  patrum  t.  VII  (unter  dem  Namen  des  Ambrosius)  und 
bei  Migne,  Patroi.  Lat.  t.  XV.  Die  beste  Ausgabe  ist:  Henesippus  qui  dicitur 
sive  Egeaippus  de  hello  Judaieo  ope  oodicis  Casellani  reeognitus,  ed.  Weber, 
opus  im/rtc  Weberi  intcmiptum  absolvit  Caesar,  Marburg  1864  (vorher  in  9 
üuiversitätsprogrammen,  Marburg  1857 — 1863.  Die  Programm-Ausgabe  ist  un- 
vollständig, indem  beim  Uebergang  von  einem  Programm  zum  andern  jedes- 
mal ein  kleines  Stück  fehlt!!).  —  Ein  Abdruck  des  Weber'schen  Textes  findet 
sich  in  SancH  Ambrosii  opera  omnia  ed.  Ballerini  t.  VI  (Medial.  1883)  eol. 
1—276.  —  S.  überhaupt:  Joh.  Fred.  Gro novit  Obserratorum  in  seriptoribus 
ecclesiasticis  Monobiblos  {Daventriae  1651),  capp.  1,  6,  11,  16,  21,  24.  —  Oudin, 
De  Script,  ecel.  t.  II  (1722)  col.  1026—1031.  —  Fabricius,  Biblioth.  lat.  mediae 
et  infimac  netatis  t.  III  (1735)/).  582—584.  —  Mensel,  Biblioth.  bist.  I,  2,  '2ß2sq. 

—  Maxochins,  Dissertatio  qua  Egesippi  sive  eeriits  Ex-Josij»pi  de  exfiUlio 
Ilicrosolymitano  historia  S.  Avibrosio  restituitur  (verkürzt  bei  GallamU,  Biblioth. 
patr.  t.  VII  proleg.  p.  XXVIII  sqq.).  —  Cäsar's  Abhandlung  am  Schluss  der 
Weber'schen  Ausgabe.  —  Teuffei,  Gesch.  der  röm.  Literatur  (4.  Aufl.  1882) 
§  433,   5 — 6.  —  Mayor,  Bibli^jraphical  Cltte  to  laiin  literature  (1875)  p.  179. 

—  Frid.  Vogel,  ''Oixoioxrixeq  Sallustianae  (in:  Ada  seminarii  philolof/iei 
Erlangensis  I,  1878).  —  Caesar,  Observationes  nonnullae  de  Josepho  latino 
qui  Hegesippiis  coeari  solet  emeudando,  Marburgi  1878  [Imi.  lect.).  —  Frid. 
Vogel,  De  IJegesippo  qui  dicitur  Josephi  interprete,  Erlang.  1881.  —  Ders. 
in:  Zoitsihr.  für  die  österr.  Gymnas.  1883,  S.  241— 249.  Ders.  in:  Romanische 
Forh<cliuiigcn  Bd.  I,  1883,  S.  415—417.  —  Cäsar,  Anzeige  von  Vogel's  Disser- 
tation in:  Jiüirbb.  für  dass.  Piniol.  Bd.  125,  1882,  S.  65— 75.  —  Ron  seh.  Die 
kwikalischen  Eigenthümlichkeiten  der  Latinität  des  sog.  Hegesippus  (Ro- 
manische Forschungen  Bd.  I,  1883,  S.  256— 321).  Ders.,  Ein  frühes  Citat  aus 
dem  lat.  Hegesippus  (Zeitschr.  für  wissensch.  Theol.  1883,  S.  239—241).  Beide 
Aufsätze  wieder  abgedr.  in:  Rönsch,  Collectanea  philologa,  1891,  p.  32 — 89 
und  256  f.  —  Traube,  Zum  latein.  Josephus  (Rhein.  Museum  Bd.  XXXIX, 
1884,  S.  477  f').  —  Lipsius,  Die  apokryphen  Apostelgeschichten  und  Apostel- 
legendeu  II.  Bd.,  1.  Hälfte  (1887)  S.  194—200.  |  —  Bardenhewer  in  Wetzer 
und  Weite's  Kircheulex.  2.  Aufl.  V,  1585  f.  —  Ihm,  Studia  Ambrosiana 
(Jahrbb.  für  class.  Philol.  17.  Supplbd.  1.  Heft  1889)  S.  61—68  [tritt  wieder 
für  die  Autorschaft  des  Ambrosius  ein].  —  Klebs,  Das  lateinische  Geschichts- 
werk über  den  jüdischen  Krieg  (Festschr.  zum  fünfzigjährigen  Doctorjubiläum 
Ijudwig  Friedländer  dargebracht  von  seinen  Schülern  1895,  S.  210—241). 

Die  lateinische  Uebersetzung  der  Werke  des  Josephus  erschien 
zuerst  gedruckt  bei  Johann  Schüssler  in  Augsburg  1470.  Von  da  bis  zum 
Erscheinen  der  ersten  griechischen  Ausgabe  ist  sie  fast  unzähligemal  gedruckt 
worden;  zum  letztenmal  meines  Wissens  1617  (denn  die  lateinischen  üeber- 
setznngen,  welche  den  meisten  Ausgaben  des  griechischen  Textes  beigegeben 
sind,  sind  moderne  Arbeiten;  nur  die  in  ihren  Anfängen  steckengebliebene  Aus- 
Schüier,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  7 


98  §  3.  Quellen.  C.  Joseplius.  [75] 

gäbe  von  Bemard  hat  den  Vet.  Lat.).     Die  beste  Ausgabe  des  Vet.  Lot.  ist 
(nach  Niese,   Josephi  opp.  I  p.  LVIII,    vgl.  Gutschmid,   Kleine  Schriften  IV, 
380  f.)  die  Baseler  von  1524.    Die  späteren  sind  vielfach  nach  dem  griechischen 
corrigirt.  Eine  auf  umfassender  Handschriften-Benützung  beruhende  kritische 
Ausgabe  hat  erst  in  neuester  Zeit  Boysen  begonnen  als  vol.  XXXVII  des 
Wiener  Catpus  scriptorum  ecclesiasticonim  latinorum.    Erschienen  ist  bisher 
nur  die  Ausgabe  der  Bücher  contra  Apionem,   die  besonders  nothwendig  war, 
weil   die   früheren  Drucke   derselben   einen   lückenhaften  Text  boten   [Flavii 
Josephi  opera  ex  versione  latirm  antiqua  edidit  .  .  Carolus  Boysen,  pars  VI: 
De  Jtidaeorimi  vetustate  sive  contra  Apionem  libri  II,  Wien  1898).   —   Näheres 
über  den  Charakter  der  alten  lateinischen  Uebersetzung   und    über  die  Aus- 
gaben s.  in  den  Prolegomenis  von  Ittig  und  Havercamp  (II,  2,  57  ff.);  ferner 
bei  Fontanini,   Eistoria  literaria  Aquileiensis,    1742,  p.  392 — 403   (cit.  von 
Fabrie.-Harl.  V,   22);   Fabricius,   BibHoth.  graec.  ed.  Hartes  V,  22  f.,  27  ff.; 
Fürst,  Biblioth.  Jud.  II,  118  ff.    Gutschmid,  Kleine  Schriften  IV,  378—380. 
Niese,    Prolegomena   zu   den    einzelnen   Bänden    seiner  Ausgabe.     Boysen 
a.  a.  O.   —   Eine  durch  ihr  Alter   {saec.  VI/VII)  und   ihr  Material  (Papyrus) 
merkwürdige  Handschrift  der  lat.  Uebersetzung  von  Antt.  VI— X  (mit  Lücken) 
befindet  sich  auf  der  Ambrosiana  in  Mailand.    S.  über  diese:  Muratari,  Antiqiii- 
tates  Italicae  III,  919  s^-.;  Reifferscheid,  Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie, 
philos.-hist.  Kl.  Bd.  67  (1871),   S.  510—512.    Niese,  Josephi  opp.  I  p.  XXVIII. 
Eine  syrische  Uebersetzung  von  Bell.  Jud.  Buch  VI  enthält  die  grosse 
Peschittho-Handschrift  der  Ambrosiana  in  Mailand  [B.  21  inf.),  und  zwar  als 
fünftes  Makkabäerbuch.    Den  Anfang  davon  hat  Ccriani  herausgegeben  in: 
Monum.  sacra  et  prof.  t.  V  fasc.  2  (1871)  p.  181 — 192.    Der  vollständige  Text  ist 
enthalten  in  der  photolithographischen  Nachbildung  der  ganzen  Handschrift: 
Translatio  Syra  Pescitto  Veteris  Testamenti  ex  codice  Ambrosiano  sec.  fere  VI 
photolithographice  edita  curante  et  adnotante  Antonio  Maria  Ceriani,  2  Bde. 
in  4  Thln.,  Mailand  187Ü— 1883  (Theol.  Literaturzeitung  1884,  col.  27).  —  Vgl. 
Kottek,  Das  sechste  Buch  de»  Bellum  Judaicum,  nach  der  von  Ceriani  photo- 
lithographisch edirten  Peschitta-Handschrift  übersetzt  und  kritisch  bearbeitet, 
Berlin  188(i  (meint,  dass  diese  syrische  Uebersetzung  nicht  aus  dem  griechischen, 
sondern  aus  dem  aramäischen  Original  des  Josephus  geflossen  sei;  dagegen: 
Th.  N.  im  Lit.  Centralbl.  1886,  881—884).    Niese,  Jos.  opp.  vol.  VI,  p.  XXI 
sq.  LXII. 

Ueber  die  unter  dem  Namen  des  Josippon  oder  Joseph  Sohn  Gorion's 
bekannte  freie  hebräische  Bearbeitung  des  Josephus  s.  unten  bei  der  rabbi- 
II Ischen  Literatur. 

Ueber  die  Handscliriften  des  griechischen  Textes  geben  die  Prole- 
gomena zu  den  bislierigei»  AuHgabcn  nur  sehr  ungenügende  Auskunft.  Erst 
durch  Nieso  ist  das  liandHchriftliche  Material  in  erschöpfender  Weise  durch- 
forHcht  worden.  Die  Prolegomena  zu  den  einzelnen  Bänden  seiner  Ausgabe 
geben  darüber  reichhaltigen  AiifHcliluHH.  Die  folgende  üebersicht  über  die 
wichtigsten  Handschriften  HÜmmtlichcr  Werke  ist,  mir  von  Niese 
zum  Abdruck  an  dieser  Stolle  vor  Vollendiinj;  s(  ine  r  Aus^^iilic  frciiiullichBt 
Oberlmuaen  worden.  Ich  lasse  sie  hier  Btehen,  du  sie  das  Nolhwendigste  kurz, 
xuMinmenfaiiHt. 

,  J)io  einzelnen  Werke  des  Josephus  sind  gesondert  üborliofert;  die  jüdischen 
Altcrthttmer  verfallen  wicthTiitn  in  zwei  HÄlften,  deren  Jede  ilire  bcsondore 
Ueborlicrcriutg  hnt." 

„Die  zahlreichen  Uaudschrilii  n    il(  -   H'/Inm  Judaicum  zerfallen    in    zwei 


[75.  76]  §  3,    Quellen.    C.  Josephus.  99 

Hauptclassen,  Die  wichtigsten  Vertreter  der  ersten  sind  der  Parisinus  gr.  1425, 
Amhrosianus  D.  super.  .50  (beide  aus  dem  elften  Jahrhundert),  und  Marcianus  383 
aus  dem  zwölften  Jahrhundert.  Die  zweite  Classe  hat  drei  verschiedene  Typen. 
Als  Vertreter  des  einen  Typus  mag  der  Vatican.  148,  der  Palatino  -  Vaiic.  284  | 
und  der  Lipstensis  genannt  werden ;  dem  zweiten  gehört  der  Laurent,  plut.  (39 
cod.  19  an;  dem  dritten  der  Urbinas  «.84;  alle  diese  Handschriften,  die  nam- 
haftesten Exemplare  ihrer  Gattung,  gehören  dem  elften,  nur  der  Palatino- 
Vatic.  284  dem  zwölften  Jalirhundert  an.  Von  den  beiden  Classen  ist  die 
erstgenannte  die  bessere.  Neben  dem  griechischen  Texte  kommt  dann  die  alte 
lateinische,  vulgo  dem  Rufin  zugeschriebene  und  jedenfalls  vorcassiodorische 
Uebersetzuug  in  Betracht,  die  keiner  von  beiden  Classen  ausschliesslich  an- 
gehört, sich  aber  in  vielen  Stücken  der  besseren  zugesellt.  Auch  die  noch 
ältere  lateinische  Bearbeitung  des  Ambrosius,  der  sog.  Hegesippus,  kommt  für 
Kritik  und  Textgeschichte  in  Betracht." 

„Auch  die  Handschriften  der  Bücher  I — X  der  Antiquitäten  zerfallen  in 
zwei  Classen:  die  erste  bessere,  in  zwei  Exemplaren  erhaltene,  dem  Paris  in. 
1421  und  Bodleianus  miscelt.  gr.  180,  und  die  zweite,  welche  alle  übrigen 
Handschriften  umfasst,  von  denen  der  Marcianus  gr.  381,  Vindoban.  hist.  gr.  2, 
Parisin.  1419  und  Laurent,  plut.  69  cod.  20  genannt  sein  mögen." 

„Weniger  ausgeprägt  sind  die  Classenunterschiede  im  zweiten  Theile  der 
Alterthümcr  (Buch  XI— XX  nebst  Vita).  Die  älteste  und  beste  ist  der  Palatino- 
Vatiean.  n.  14,  snec.  X,  in  welchem  leider  die  Bücher  XVHI — XX  ausgefallen 
sind,  während  die  Vita  noch  erhalten  ist.  Es  folgt  der  Ämbrosianus  F.  128 
sup.,  saec.  XI,  der  Latirent.  plut,  69  cod.  10,  saec.  XV,  der  Laurent,  plut.  69 
cod.  20  und  der  Leidensis  F.  13  [soll  heissen  16  J.,  s.  Theol.  Litztg.  1892,  515]. 
Letztere  beide  haben  nur  die  Bücher  XI— XV.  In  diesen  Handschriften 
sind  die  Urkunden  in  Buch  XIV,  10  vollständig  erhalten.  Die  übrigen,  unter 
wekihen  der  Vatican.  147  Erwähnung  finden  mag,  haben  dieselben  ganz  oder 
zum  Theil  ausgelassen." 

„Für  die  Ueberlieferung  der  Antiquitäten  ist  dann  noch  eine  in  mehreren 
Handschriften  erhaltene  und  von  Zonaras  benützte  Epitome  von  Bedeutung, 
die  etwa  im  neunten  oder  zehnten  Jahrhundert  angefertigt  sein  mag.  Sie  gehört 
für  den  ersten  Theil  der  schlechteren  Classe  an,  und  nimmt  für  den  zweiten 
Theil  eine  Mittelstellung  ein.  [Der  Text  dieser  Epitome  ist  jetzt  von  Niese 
herausgegeben:  Flavii  Josephi  Antiqtiitatum  Judaicarum  Epitoma, ed  B.  Niese, 
Marburg,  9  Uuiv.-Programme,  1887—1896.  Ueber  die  Benützung  der  Epitome 
durch  Zonaras  s.  ausser  Niese's  Prolegomena  zu  vol.  lund  III  auch  Büttner- 
Wobst  in:  Gommentationes  Fleckeisen ianae  1890,  p.  126  sq.].  —  Auch  die 
Antiquitäten  sind,  und  zwar  auf  Veranlassung  Cassiodor's,  ins  Lateinische 
übersetzt  worden.  Der  dieser  Uebersetzung  zu  Grunde  liegende  Text  war 
für  die  erste  Hälfte  ein  Vertreter  der  schlechteren  Classe :  im  zweiten  Theil 
berührt  sie  sich  bald  mit  dieser  bald  mit  jener  Handschrift.  Die  Vita  ist 
weder  in  die  Epitome  noch  in  die  Uebersetzung  mit  inbegriffen  worden." 

„Endlich  von  den  Büchern  contra  Apionem  giebt  es  nur  eine  in  Betraclit 
kommende  griechische  Handschrift,  Laurentianus  plut.  69  cod.  22,  saec.  XI. 
Neben  dieser  hat  die  ebenfalls  cassiodorische  lateinische  Uebersetzung,  die  in 
allen  gedruckten  Exemplaren  [ausser  der  neuesten  Ausg.  von  Boysen]  lücken- 
haft ist,  eine  sehr  grosse  kritische  Bedeutung.  Neben  ihr  dann  besonders 
noch  die  Anführungen  des  Eusebius,  die  freilich  nur  einzelne  Stücke  dieser 
wichtigen  Schrift  wiedergeben". 


100  §  3.  Quellen.   C.  Josephus.  [76.  77J 

Ausgaben  und  Literatur. 

Die  erste  Ausgabe  des  griechischen  Textes  der  Werke  des  Josephus  er- 
schien   bei  Frobenius    und  Episcopius  zu  Basel  1544  (besorgt  durch  Arnold 
Peraxylus  Arien).  —  Ihr  folgten  die  Genfer  Ausgaben  von  1611  und  1634.  — 
Diesen  wieder  die  mit  gelehrten  Prolegomenis  versehene  Ausgabe  von  Ittig 
(Leipzig,  1691,  auf  dem  Titel  steht  fälschlich   Coloniae).  —  Unvollendet  blieb 
die  auf  neuer  Handschriftencollation  beruhende  und  mit  einem  reichhaltigen 
exegetischen  Apparat   versehene   Ausgabe   von   Bernard   {Antiquitatum  Jud. 
libri  qtiatuor  priores  et  pars  mofpia  quinfi,   De  hello  Jucl.  Über  primus  et  pars 
secundi,  Oxoniae  1700).  —  Einen  nach  |  Handschriften    verbesserten  Text   der 
sämmtlichen   Werke   gab   erst   Hudson    (2  Bde.  Fol,    Oxonü  1720).   —  Ein 
Repertorium  alles  bis  dahin  Geleisteten,  auch  neue  CoUationen,  jedoch  keinen 
verbesserten  Text,  gab  Havercamp   (2  Bde.  Fol.,  Ämstelaedami,  lAu/d.-Bat., 
UÜrajeeti  1726).  —  An    ihn  schlössen  sich  an  die  Handausgaben  von  Ober- 
thür  (3  Bde.  8o,  Lipsiae  1782—1785)    und  Richter   (6  Bdchen.  gr.  12»,  Lips. 
1826 — 1827).  —  Auf  Grund  des  Havercamp'schen  Materiales  ist  der  Text  hier 
und  da  verbessert  bei  Dindorf  (2  Bde.  Lex.-8o,  Paris  1845—1847).  —  Diesem 
folgt  die  Handausgabe  von  Bekker  (6  Bdchen.  8",  Lipsiae,  Teuhier  1855 — 1856). 
—  In  keiner  dieser  Ausgaben,  auch  nicht  bei  Hudson  und  Havercamp,  ist  der 
handschriftliche   Apparat   in    irgend   genügender   Weise   herangezogen.     Seit 
Havercamp  hat  überhaupt  keiner  der  genannten  Herausgeber  sich  wieder  um 
die  Handschriften  gekümmert.    Nur  für  das  Bellum,  Judai<nim  lieferte  Card- 
well  eine  achtungswerthe  Separat- Ausgabe,    für  welche  wenigstens  ein  Theil 
der  besseren  Handschriften  verglichen  wurde  {Flavii  Josephi  De  hello  Jiulnico 
libri  Septem   ed.   Cardio  eil,    2  Bde.   S**,    Oxonii   1837).   —  Eine    umfassende 
CoUation  aller  besseren  Handschriften  ist  erst  in  neuester  Zeit  durch  Niese 
vorgenommen   worden.     Als    Resultat    seiner   Beraühiingen    liegt  jetzt   eine 
kritische  Ausgabe  vor,    welche    durch    die   Reichhaltigkeit   des    mitgetheilten 
Apparates  alles  Bisherige   weit  übertrifll,   wenn   auch  zu  bedauern  ist,   dass 
Niese   in  der  Constituining   des   Textes   zuweilen   zu   einseitig   einer   Hand- 
schriflenclasse  folgt    [Flavii  Josephi  opera   cdidif  et  ai>paratu   critico   itistruxit 
Benediclus  Niese,   6  Bde.   gr.  S»,    Bcrolini   1887,   1885,   1892,  1890,  1889,  1894 
[dieser  6.  Bd.  in  Gemeinschaft  mit  Destinon];  dazu  als  7.  Bd.  ein  sorgfältiger 
Index  1895)  —  Hieraus  eine  Handausgabe  des  Textes  ohne  kritischen  Apparat: 
Flavii  Josej)hi  opera  reeotjiiovit  B.  Niese,  0  Bde.  8",  Bcrol.  1888    1895.  —  Auf 
Grund  von  Niese's  Apparat  giebt  eine  eigene  Recension:  Flavii  Josephi  opera 
omnia  recAxjuovil  Naher,   6  Bde.  8",    lApsiac,  'Ihilmer  1888 — 1896   (Ersatz  für 
Bekker'H  Ausgabe].  —  Die  Vita  erschien  in  einer  Soparat-Ausgabe  von  Henke 
(HruunKcliweig  1786).  —  S.  überh.  über  die  Ausgaben;  Faln-idus,  Bihlioth.  (rracc. 
vd.  Jlarles  V,  31  fl".   Fürst,  Biblioth.  JuJaica  II,  117  1".    Graessc,  Tresor  de  livres 
rare»  et  pr6cicux  t.  III  (1862)  p.  480—484.    Gntschmid,   KieÄe  Schriften   IV, 
380—382.    NicKC,  Prolegomena  zu  Bd.  I,  V  und  VI  seiner  Ausgabe. 

Zur  Textkritik  und  Sprache:  Krtusti,  Obscrvatianes  philoloyico- 
criticae  in  Aritit(/j)hanis  huIk-h  et  Flav.  Josephi  untiq,  Jiid,  Lips.  1795.  — 
llolwcrda,  JOmcwUUionuvi  Flaviannrum  spccinicn,  (loritic.hmtii\S\l.  —  Der«., 
Ohaerva/iimcM  critiefiti  in  Flarii  ,/osephi  Aidif/nilatuni  .luddinariim  librum  XVIII 
(MnemoHifnn  \^'Ä,  p.  111  —  141).  -  Hekkcr,  Varianten  zum  Josephus  (uns 
einom  Berliner  rod.  pajnjr.,  Fragmente  von  Buch  M  — 19  dcT  Arciiäologie  ent- 
haltend), in  den  MoruitHber.  der  Berliner  Akademien  1860,  8.  224—230.  — 
{Wetlcrnia  nti),    I-'k  ,  i  i^ln,  um  >  i  tilbliothenic  Fnuliiiw:  lApsivnsis  liltris  mann 


[77.  78]  §  3.   Quellen.   C.  Josephus.  101 

scriptis  pars  altera,  Ldps.  1866  (CoUation  zu  Bell.  Jud.  Buch  V  aus  cod.  Lips.). 

—  L.  Diu  dort",  Ueber  Josephos  und  dessen  Sprache  (Neue  Jahrbb.  für 
rhilol.  und  Pädag.  Bd.  99,  1869,  S.  821—847).  —  Wollenberg,  Recementur 
LXXVII  loci  ex  Flavi  Josephi  scriptis  exccrpii  qui  ex  conlectaneis  Constantini 
Aitgusti  Porphyr ofienetae  nsgl  dQezTJg  xal  xaxiag  in  codice  Petresciano  extant. 
Berlin  1871.  —  Naber,  übservationes  criticae  in  Flavium  Josephum  (Mnemo»yiie 
Xin,  1885,  p.  263—284,  352-399).  —  Destinon,  De  Flavii  Josephi  bello 
Jiulaico  recensendo  ad  Benedictum  Niese  epistula  erüica,  Kiel,  Progr.  1889.  — 
C.  Raab,  De  Flavii  Josephi  eloctihhne  qiuiestiones  criticae  et  observationes 
f/rammaticae,  Erlaiigae  Diss.  1890.  —  Erh.  Jahn,  Ofjservationes  criticae  in 
Flavii  Josephi  antiquitaiibus  Jtidaieis,  Erlangae  Diss.  1891  [zu  Buch  I — II].  — 
Wilh.  Schmidt,  De  Flavii  Josephi  eloeutione  observationes  criticae  (Jahrbb. 
für  class.  Philol.  XX.  Supplbd.  1893,  S.  345—550).  —  Herwerden,  Gammen- 
tafiones  Flavianae  {Mneniosyne  XXI,  1893,  S.  225—263).  —  Enthoven,  Ad 
Flavii  Josephi  antiquitates  Jtulaicas  {Mnemosyne  XXII,  1894,  S.  15 — 22).  — 
Krenkel,  Josephus  und  Lucas,  der  schriftstellerische  Einfluss  des  jüdischen 
Geschiditschreibers  auf  den  christlichen,  1894  (hierin  bes.  S.  283—336:  Jo- 
sephus' Einfluss  auf  Lucas'  Sprache).  —  Drüner,  Untersuchungen  über 
Josephus,  1896   (hierin:  S.   1—34:    Josephus  als  Nachahmer  des  Thukydides) 

—  Liexenberg,  Sttidia  Flaviana,  Observationes  criticae  in  Flavi  Josephi  Anti- 
quitates Jwlaieas,  Schiedam  1899  (hauptsächlich  zu  den  zehn  ersten  Büchern, 
s.  die  Anz.  von  Wen  dl  and,  Berliner  philol.  Wochenschr.  1900,  Nr.  9). 

Uebersetzungen.  Ueber  die  alten  Uebersetzungen  s.  oben  S. 95ft". — 
Neuere  lateinische  Uebersetzungen  sind  enthalten  in  den  Ausgaben  von 
Hudson,  Havercamp,  Oberthür  und  Dindorf.  —  Eine  deutsche  Ueber- 
setzung  erschien  bereits  vor  der  ersten  griechischen  Ausgabe  nach  dem 
Lateinischen  von  Caspar  Hedio,  Strassburg  1531;  dann  von  demselben  nach 
dem  Griechischen  revidirt,  Strassburg  1561.  Ueber  andere  deutsche  Ueber- 
setzungen aus  dem  16. — 18.  Jahrhundert  s.  Fabridus,  Bihlioth.  Graec.  ed. 
Hartes  V,  31,  38,  48;  Fürst,  Biblioth.  Jud.  II,  121—123.  Es  seien  hier  nur 
noch  genannt  die  Uebersetzungen  der  sämmtlichen  Werke  von:  Ott  (zuerst 
in  0  Octavbänden  Zürich  1735,  dann  etwas  vermehrt  in  1  Folioband  Zürich 
1736),  Cotta  (Tübingen  1736),  Demme  (Josephus'  Werke,  übers,  von  |  Cotta 
und  Gfrörer;  das  Ganze  von  neuem  nach  dem  Griechischen  bearbeitet  etc.  etc. 
durch  C.  R.  Demme,  7.  Aufl.  Philadelphia  1868—1869,  Schäfer  und  Koradi); 
die  Uebersetzungen  der  Alterthümer  von  K.  Martin  (2  Bde.,  Köln  1852—1853, 
2.  Aufl.  von  Kaulen  1883,  3.  Aufl.  1892),  von  Clementz  (2  Bde.,  Halle  1900), 
des  11.  und  12.  Buches  der  Alterthümer  von  Horschetzky  (Prag  1826),  des 
13.  Buches  der  Alterthümer  von  Horschetzky  (Gross-Kanisa  1843);  des 
jüdischen  Krieges  von  Friese  (mit  Vorrede  von  Oberthür,  2  Thle.,  Altona 
1804—1805),  von  Gfrörer  (2  Thle.,  Stuttgart  1836),  von  Paret  (6  Bdchen., 
Stuttg.  1855)  und  von  Kohout  (Linz  1901,  mit  sachlichen  Erläuterungen); 
der  Selbstbiographie  von  Eckhardt  (Leipzig  1782),  von  Friese  (Altona  1806) 
und  von  M.  J.  in  der  Bibliothek  der  griechischen  und  römischen  Schriftsteller 
über  Judenthum  und  Juden,  Bd.  2  (Leipzig  1867,  Oskar  Leiner);  der  Schrift 
gegen  Apion  von  Frankel  (Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Juden- 
thums  1.  Jahrg.  1851/52,  mit  einigen  Kürzungen),  von  Paret  (Stuttgart  1856) 
und  von  M.  J.  in  der  Biblioth.  der  griech.  und  röm.  Schriftsteller  über  Juden- 
thum und  Juden,  Bd.  2  (1867).  —  Unter  den  Uebersetzungen  in  andere  mo- 
derne Sprachen  ist  besonders  geschätzt  wegen  ilirer  Beigaben  die  englische 
Uebersetzung  der  Vita    und   des  jüdischen  Krieges    von    Traill   {The  Jewish 


102  §  3.    Quellen.    C.  Josephus.  [78.  79] 

War  of  Flarius  Josephiis,  a  new  Translaiion  by  R.  Traill,  edited  by  J.  Taylor, 
London  1862  und  öfters).  Erwähnt  seien  noch:  The  Works  of  Flavüis  Josephus, 
Whiston's  translation  revised  by  Shilleto,  3  vols.  Lo»«?»«  1890?  (die  Revision 
ist  mangelhaft,  s.  The  Äcademy  1890,  15.  Febr.  Nr.  928,  p.  116).  Oeuvres 
eompletes  de  Flavius  Josephe,  avee  tme  notier  biographiqiie  par  Buchon,  Paris 
1894?  (Abdruck  der  alten  Uebersetzung  von  d'Andilly,  s.  Berliner  philol. 
Wochenschr.  1894,  715  f.).  Von  einer  neuen  französischen  Uebersetzung,  welche 
unter  Theod.  Reinach 's  Leitung  erscheinen  soll,  liegt  der  erste  Band  vor: 
Oeuvres  eompletes  de  Flavius  Josephe  traduites  en  fran^is  sous  la  direetion  de 
Theodore  Reinach,  t.  I,  Äntiquites  Judaiques,  livres  I — V,  tradiietimi  de 
Julien  Weill,  Paris  1900.  —  Ueber  andere  Uebersetzungen  in's  Englische, 
Französische,  Italienische  etc.  s.  Fabrieius,  Bibl.  Gr.  ed.  Harles  V,  30  ft". ; 
Fürst,  Bibl.  Jud.  U,  123—127. 

Allgemeine  Literatur  über  Josephus   (die  ältere  s.  bei  Fabricius- 
Harles,Bibl.  Qr.  V,49— 56;  Fürst,  Bibl.  Jud.  II,  127—132).  —  Gerh.  Joh.  Vossius, 
De  historieis   Qraeois   [ed.  1.  1624)   II,   8,   ed.  Westerm.   1838  p.  238—243.  — 
Havercamp's    Ausgabe   II,   2,    S.  57  ff.   —    Ceillier,  Histaire  generale  des 
auteurs  saeres  et  eeclesiastiques  I,  Paris  1729,  p.  552 — 580.  —  Gave,  Scriptorum 
ecclesiasticorum  historia  literaria  I,  Oxon.  1740,  p.  32 — 36.  —  Mensel,  Biblio- 
theca  historica  I,  2  (1784)  p.  209  — 236.  —  Oberthür  in:  Fahn'cius,  Bibliotheca 
graeca  ed.  Harles  t.  V,    1796,  p.  1 — 64.  —  Jost,    Geschichte  der  Israeliten  11 
(1821)  Anhang  S.  55—73.  —  Scholl,  Gesch.  der  griech. Literatur  II  (1830)  S. 
383 — 389.  —  Lewitx,   Quaestionu7n  Flarlanarum  speeiinen,  Regioni.  Pr.  1835. 
Ders.,  De  Flavii  Josephi  fide  atqiie  auctoritate,  Königsberg  1857.  —  Hoevell, 
Flavii  Josephi  vita;  quatenus  per  vitae  opportunitates  ad  conscribendam  historiam 
atque  antiquitatcm  Hebraieam  idoneus  fuit?  etc.    Traj.  ad.  Rh.  1835.  —  Ghasles, 
De  l'auiorite  historique  de   Flavius-Josiphe.    Paris  1841.  —  Egger,    Examen 
critique  des  historiens  anciens  de  la  vie  et  du  regne  d'Äuguste   (Paris  1844)  p. 
189—209.  —  Bahr,  Art.  Josephus  in  Pauly's  Real.-Enc.  der  class.  Alterthums- 
wissensch.  II  (1846),  S.  242 — 244.  —  Creuzer,  Josephus  und  seine  griechischen 
und  hellenistischen  Führer   (Theol.  Stud.  und  Krit.  1853,  S.  45—86).    Ders., 
Rückblick  auf  Josephus  etc.  (ebendas.  8.  906—928).  —  Paret,  Art.  Josephus 
in  Herzog's  Real-Enc.  1.  Aufl.  Bd.  VII  (1857)  S.  24—29.  —  Reuss,  Art.  Jo- 
sephus in  Ersch  und  Gruber's  Encykl.  der  Wissensch.  und  Künste,  II.  Section, 
31.  Thl.  (1855)  8.  104—116.     Ders.,  Flarius  Joseph,  in  der  Strassburger  Reruc 
de  ThSologte  1859,  p.  253—319.    Ders.,  Gesell,  der  lieil.  Schriften  A.  T.'s  1881 
§  16.  —  Farrar,   Art.  Josephus  in  Killo'.^  Cyrln/iaedia,  of  Bibiical  lAlerature. 
—  Terwogt,    Ilet  leren  van  den  joodschen  geschirdscliriji'cr  Flavius  Josephus, 
t7/rccA/ 1863.  —  Baunigarten,  Der  Hchriftsteih'riHche  Charakter  des  Josephus 
(Jnhrbb.   für   doutsche  Theol.   1864,   S.  616— (WH).  -  Huiisrath,   Ueber  den 
jfldiMchen  OcHchichtsciireiber   und  Staatsmiuui  Flav.  Jo8cj)hus  (SyboPs  Histor. 
Zoltochr.  Bd.  XII,  18<M,  8.  285—314).    Ders.,  NcutcHtanumtl.  Zoitgcsch.  2.  Aufl. 
IV,   ÖG-74.    —    Ewald,    GeHch.  des  Volke«   Israel    3.  Aufl.   VI,    7(K)  n.   VII, 
80—110.  —  Nicolai,   Griech.    I-itcniturgeHcli.,    neue    Bearb.    II,   2   (1877)    S. 
663 — 659.  —  Baerwald,  |  .JoHcphuH  in  Galili'la,  seiii  Verhältniss  zu  den  l'nr- 
tden  inftbemmdore  fu  Justus  von  Tiberius  und  Agrippa  II,  Breslau  1877.  — 
lienan,  /y«  fratuftlen  {1H77)  p.  131  sqq.  2'.V.)  nqq.  —  Kdershoim,  Art.  .losephus 
in:  Smith  and  Wnce,  IHrllonary  of  Christian  hiitgra/ihy  rol.  III,  1882,  p.  441  — 
400.  —  Reich,  Zur  GnncMiH  des  Tuliniid,  derTalnmd  und  die  Iliuuor  (2.  Aufl. 
1808,  8.  Ö9-W)).  —  OutHchniid,  Kl.-ine  SrliriClcri  Md.   IV,   1H93,   8.  336— 384 
{über  JoMophuN   im  Atigemeinen,   als    Kinleitimg   zur    Hrklärung  der  Bücher 


[79]  §  3.   Quellen.    C.  JoHephus.  103 

gegen  Apion).  —  Korach,  Ueber  den  Werth  des  Josephus  als  Quelle  für  die 
römische  Geschichte,  Thl.  I:  bis  zum  Tode  des  Augustus,  Leipziger  Diss.  1895. 

—  Wachsmuth,  Einleitung  in  das  Studium  der  alten  Geschichte,  1895,  S. 
438—449.  —  Niese,  Der  jüdische  Historiker  Josephus  (Historische  Zeitschr. 
Bd.  76, 1896,  S.  193— 237).  —  Vogelstein  und  Rieger,  Geschichte  der  Juden 
in  Rom,  Bd.  I,  1896,  S.  100—108.  —  Unger,  Zu  Josephos  [fünf  Artikel  über 
Einzelfragen]  (Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie,  philos.-philol.  und 
histor.  Classe  1895,  S.  551—604.  1896,  S.  357—397.  1897,  S.  189-244).  — 
Peter,  Die  geschichtliche  Literatur  über  die  römische  Kaiserzeit  Bd.  I,  1897, 
S.  394—401. 

Ueber  den  theo!,  und  philos.  Stjandpunkt  des  Josephus:  Bret- 
schneider,  Capita  tJieologiae  Jtulaeointm  dogniaticae  e  Flavii  Josephi  seriptis 
collecta,  Viteh.  1812.  —  Gfrörer,  Philo  II,  356—367.  —  Dähne,  Jüd.-alex. 
Religionsphilosophie  II,  240—245.  —  Lutterbeck,  Die  neutestamentl.  Lehr- 
begriflfe  I,  1852,  S.  410— 412.  —  Paret,  Ueber  den  Pharisäismus  des  Josephus 
(Theol.  Stud.  und  Krit.  1856,  S.  809— 844).  —  E.  Ger  lach.  Die  Weissagungen 
des  A.  T.'s  in  den  Schriften  des  Fl.  Josephus  (1863)  8.  6—19.  —  Langen, 
Der  theologische  Standpunkt  des  Flavius  Josephus  (Theol.  Quartalschr.  1865, 
S.  3—59).  —  Poznanski,  Ueber  die  religionsphilosophischen  Anschauungen 
des  Flavius  Josephus,  Breslau  1887.  —  Lewinsky,  Beiträge  zur  Kenntniss 
der  religionsphilosophischcn  Anschauungen  des  Flavius  Josephus,  Breslau  1887. 

—  Bertholet,  Die  Stellung  der  Israeliten  und  der  Juden  zu  den  Fremden, 
1896,  S.  291—294. 

Ueber  den  alttestaraentl.  Kanon,  welchen  Josephus  voraussetzt  (bes. 
contra  Apion.  I,  8),  s.  die  Einleitungen  in's  Alte  Testament  von  Eichhorn, 
Betholdt,  Hävernic  k,  Keil,  De  Wette- Schrader,  Bleek-Well- 
hausen  und  Anderen,  die  Abhandlungen  über  die  Geschichte  des  alttestamentl. 
Kanon's  von  Movers  [Loci  quidam  historiae  canonis  Vet.  Test,  illustrati  1842), 
Weite  (Theol.  Quartalschr.  1855),  Dill  mann  (Jalirbb.  für  deutsche  Theol. 
1858),  Strack  (Art.  Kanon  des  A.  T.  in  Herzog's  Real-Enc.  3.  Aufl.  Bd.  IX, 
1901),  Schmiedel  (Art.  Kanon  in  Ersch  und  Grubers  Encykl.  Section  II,  Bd. 
32,  1882),  Buhl,  Wildeboer  und  Anderen  (s.  die  Literatur  unten  Bd.  II,  8. 
305  f.),  ferner:  Christ.  Fried.  Schmid,  Enarratio  sententiae  Flav.  Jos.  de  libris 
V.  T.  Viteh.  V211.  —  Treuen fels  in  Fürst's  Literaturblatt  des  Orients,  Bd. 
X,  1849,  und  XI,  1850.  —  Reuss,  Nouvelle  Revue  1859,  p.  284—289.  —  Deren- 
bourg,  Histoire  de  la  Palestine  p.  478—480. 

Ueber  die  Benützung  des  hebräischen  Grundtextes  und  der 
Septuaginta  (hebräische  Sprachkenntnisse):  Joh.  Gottl.  Carpxov,  Oritiea 
Sacra,  Lips.  1748,  p.  945 — 954.  —  Ernesti,  Exercitationum  Flavianarum 
prima,  Lips.  1756.  Mit  zwei  coroUariis  auch  in  dessen  Opuscc,  phil.  erit. 
Lugd.  Bat.  1776.  —  Michaelis,  Oriental.  und  exeget.  Bibliothek  V,  1773, 
Nr,  84;  VII,  1774,  Nr.  116.  —  Gesenius,  Gesch.  der  hebr.  Sprache  und 
Schrift  1815,  S.  80 — 82.  —  Spittler,  De  ttsu  versionis  Alexandrinae  apud 
Josephum,  Qotting.  1779.  —  Scharfenherg,  De  Josephi  et  versionis  Aleocan- 
drinae  consensii,  Lips.  1780.  —  Bloch,  Die  Quellen  des  Flavius  Josephus 
(1879),  S.  8—22.  —  Siegfried,  Die  hebräischen  Worterklärungen  des  Jo- 
sephus (Stade's  Zeitschr.  für  die  alttestamentl.  Wissensch.  1883,  S.  32 — 52).  — 
A.  Mez,  Die  Bibel  des  Josephus,  untersucht  für  Buch  V — VII  der  Archäo- 
logie. Basel  1895.  —  Ein  Verzeichuiss  der  hebr.  Etymologien  des  Josephus 
auch  in  Vallarsi's  Ausgabe  des  Hieronymus  III,  745 — 752. 


104  §  3.    Quellen.   C.  Josephus.  [79.  80] 

üeber  die  Behandlung  der  biblischeu  Geschichte  (Verhältniss 
zur  Haggada  und  Halacha,  freie  Umbildung):  Zunz,  Die  gottesdienstlichen 
Vorträge  der  Juden  S.  120.  —  Anton  Theod.  Hartmann,  Die  enge  Ver- 
bindung des  A.  T.'s  mit  dem  Neuen  (1831)  S.  464 — 514.  —  Burg  er,  Essai  sur 
l'usage  que  Fl.  Jos.  a  fait  des  livres  canvniques  de  l'  A.  T.  Strasb.  1836.  — 
Ger  lach,  Die  Weissagungen  des  A.  T.  in  den  Schriften  des  Fl.  Jos.  1863.  — 
Duschak,  Josephus  Flavius  und  die  Tradition,  Wien  1864.  —  Plaut,  Flavius 
Josephus  und  die  Bibel,  Berlin  1867.  —  Tachauer,  Das  Verhältniss  des 
Flav.  Josephus  zur  Bibel  und  zur  Tradition,  Erlangen  1871.  —  Bloch,  Die 
Quellen  des  Fl.  Josephus  (1879)  S.  23— 53.  —  Edersheim,  Art.  Josephus  in: 
Smith  atid  Wace,  Dictimutry  of  ehrist.  hiogr.  III,  454 — 457.  —  Ranke,  Welt- 
geschichte ni.  Tbl,  I  2.  Abth.  (1883)  S.  12—41.  —  Olitzki,  Flavius  Josephus 
und  die  Halacha,  1.  Tbl.  1885.  Ders.,  Flavius  Josephus  und  die  Halacha, 
2.  Tbl.  (Magazin  für  die  Wissensch.  des  Judeuth.  XVI,  1889,  S.  169—182). 
Ders.,  Der  jüdische  Sklave  nach  Josephus  und  der  Halacha  (ebendas.  S. 
73—83).  —  Grünbaum,  Die  Priestergesetze  bei  Flavius  Josephus,  1887. 

Ueber  die  Chronologie  und  den  Kalender  des  Josephus:  Brineh, 
Chronologiae  et  hisloriue  Fl.  Josephi  exanien,  Hafniac  1701  (auch  in  Havercamp's 
Jo.sephu8  II,  2,  287—304).  —  Spanheim  in  Havercamp's  Jos.  II,  2,  407  f.  — 
Garpxov,  Oritica  sacra  p.  954—957.  —  Junker,  Ueber  die  Chronologie  des 
Flavius  Josephus,  Conitz  1848.  —  Journal  of  Saered  Literature  vol.  V,  185U, 
p.  60 — 81.  —  Journal  of  Sacred  Literature  and  BUdical  Record  vol.  VII,  1858, 
p.  178—181.  —  M.  Niebuhr,  Gesch.  A.ssurs  und  Babel's  (1857)  S.  105—109, 
347— 361).  —  Ewald,  Gesch.  des  Volkes  Israel  II,  524  f.  —  Preuss,  Die 
Zeitrechnung  der  Septuaginta  vor  dem  vierten  Jahre  Salomos,  Berlin  1859 
(angez.  von  Gutschmid,  Lit.  Centralbl.  1861  =  Kleine  Schriften  II,  291).  — 
Kuenen,  De  stammboom  van  doi  masoretischen  tekst  des  0.  Testanu^its  {Ver- 
slagen en  Mededcelingen  der  hminkl.  Akademie  van  Wetenschappen,  Afdeeliug 
Ijelierkunde,  Tweede  reeks,  deel  HI,  1873,  p.  289—339,  über  Josephus:  321  fl'.). 
Deutsch  in:  Gesammelte  Abhandlungen  von  Kuenen,  1894,  S.  82—124. 
Dazu  Bousset,  Zeitschr.  für  die  alttest.  Wissensch.  1900,  S.  136-147.  — 
Destinon,  Die  Chronologie  des  Josephus,  Kiel  1880.  —  Schlatter,  Eupo- 
lemu8  als  Chronolog  und  seine  Beziehungen  zu  Josephus  und  Manetho  (Theol. 
Stud.  und  Krit.  1891,  S.  633—703).  Ders.,  Zur  Topographie  und  Geschiclite 
I'ahlstinas  1893,  S.  360— 367  (über  den  Kalender).  —  Niese,  Zur  Chronologie 
des  J<>He|)huH  [über  den  Kalender,  die  K'iilHcrjuhre  und  die  Clironologie  der 
Hasnionäerl  (Hermes  XXVIII,  1893,  S.  ÜM-229).  Unger,  Die  Tagdatu  des 
JoHeph<»M  (Sitzungsbc^richte  (Wr  Münchener  Akademie,  pliilos.-pliih)!.  und  liistor. 
(JlaMKe  189:{,  IUI  II,  S.  4.'»3— 492).  —  Unger,  Zu  .losephos,  11:  Die  Uegiennigs- 
jahre  <h5r  makkal)äiHchen  Fürsten  (Sitziingsbericlitt!  1896,  S.  H57— :J82).  111: 
Kt'giuniiigHJahro  der  Kaisorzoit,  1.  Kaiserjahre,  2.  Fürsteiijahre  (ebendas.  S. 
38:^—397).  —  Uolier  die  Art,  wie  Josc^phuH  <lie  Kuiserjalire  rechnet,  h.  ausser 
NlfHo  und  Unger  auch  Knaake,  Zeitschr.  für  iutli.  Theol.  1871,  S. 224—247, 
und  Wli'Hi'ler,  ebenchis.  1872,  H.  55—63. 

Ueber  die  (inclijdi  der  zweiten  Hälfte  der  Archäologie:  Nuss- 
hnnm,  OlimrralioiicH  in  Flavii  Josrpbi  Antiquitales  l.ib.  XII,  3  --  Xill,  14. 
tH*$ert.  itmw/.  1875  (vgl.  Theol.  Utztg.  1876  Nr.  13).  HIoch,  Die  (.iuclleu 
tlen  FlavhiN  JcwephuH  in  «eintfr  Anhäologi««,  li(!ii)/,ig  1879  (vgl.  'J'heol.  Litztg. 
1870,  Nr.  24).  —  DuHtinon,  Diu  C^uellen  des  Flavius  .losephuH  in  der  .lud. 
Ar«h.  BiM-h  XII-  XVn  -  Jüd.  Krieg  ilueh  I.  Kiel  1882  (vgl.  Theol.  I.itztg. 
1882,  Nr.  17).  —  Bctiomnnn,  Die  Quellen  des  Flavius  JosephuH  in  der  jüdi- 


[80]  §  3.   Quellen.   C.  Josephus.  105 

sehen  Archäologie  Buch  XVIII— XX  ==  Polenios  II,  cap.  VII— XIV,  3.  Dissert. 
1887.  —  Otto,  StraJjotns  taiOQixdJv  imofivtjfidxcuv  fra{/7tieiita  (Leipziger  &itudien 
zur  clasH.  Pliilol.  11.  Bd.,  Öupplementheft  1889)  S.  225—244.  —  Will  rieh, 
Juden  und  Griechen  vor  der  makkabäischeu  Erhebung,  1895.  —  Drüner, 
Untersuchungen  über  JoHephus,  Marburg,  Diss.  1890.  —  Büchler,  Les  sources 
(le  Flavius  Josephe  tlans  ses  antiquites  XII,  5,  1 — XIII  [soll  heissen:  XII,  5 — 
XIII,  7J  {Revue  des  etudes  juives  t.  XXXII,  1896,  p.  179—199.  XXXIV,  1897, 
p.  Ü9 — 93).  Der 8.,  The  sources  of  Josephus  for  the  history  of  Syria  in  Änli- 
quüies  XII,  3— XI1I,14  {Jewish  Quarterly  Review  IX,  1897,  p.  311—349), 

Ueber  die  mitgetheilten  Actenstücke  (bes.  aus  der  Zeit  des  Cäsar 
und  Augustus);  Oronovius,  Decreta  Roniatui  et  Asiutica pro  Judaeis  etc.,  Lugth 
li(it.  1712.  —  Krebs,  Decreta  Roriuvwrum  pro  Judaeis  facta  e  Josepfio  collecta 
et  eommenfario  ülustrata,  Lips.  17G8.  —  Egyer,  Examen  critique  des  historietis 
anciens  de  la  vie  et  du  rhgne  d^ Auguste  1844,  p.  193 — 200.  —  Ders.,  Etudes 
historiques  sur  les  traites  publies  1860,  p.  \Qi'i  sqq.  —  Bonnetty,  Atmales  de 
Philosophie  chretienne  t.  IX,  5«  serie  (cit.  von  Deluunay,  Phihu  d'Alexaudrie  p. 
Wi'i  sq.).  —  Mendelssohn,  Seuati  consutta  Rotuanorum  qua?  sunt  in  Josephi 
Antiquitatibus  [Acta  Societatis  philol.  Lips.  ed.  Ritsc/ielius  t.  V,  1875,  p.  87 — 288). 
Vgl.  Theol.  Literaturzeitung  1870  Nr.  15  (woselbst  auch  die  specielle  Literatur 
üher  Antt.  XIV,  8,  5  zusammengestellt  ist).  —  Niese,  Bemerkungen  über  die 
Urkunden  bei  Josephus  Archäol.  B.  XIII,  XIV,  XVI  (Hermes  Bd.  XI,  1870, 
8.  400 — 488).  Hierzu  die  Replik  von  Mendelssohn,  Rhein.  Museum  Neue 
Folge  Bd.  XXXII,  1877,  S.  249—258.  —  Wieseler,  Einige  Bemerkungen  zu 
den  römischen  Urkunden  bei  Josephus  Antt.  12,  10;  14,  8  und  14,  10  (Theol. 
Stud.  und  Krit.  1877,  S.  281—298).  —  Rosenthal,  Die  Erlässe  Cäsars  und 
die  Senatsconsulte  im  Josephus  Alterth.  XIV,  10  nach  ihrem  historischen  In- 
halt untersucht  (Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1879, 
8.  170—183,  210—228,  300-322).  —  Kiudlmann,  Utrum  litterae  quae  ad 
(Jlaudiwn  Tiberium  iviperatorem  apud  Josephum  referuntur,  ad  eum  referetuUte 
sint  riecne,  quaeritur.  Mährisch-Neustadt,  Progr.  1884.  —  Judeich,  Cäsar  im 
Orient,  1885,  8.  110 — 141.  —  Grätz,  Die  Stellung  der  kleiuasiatischen  Juden 
unter  der  Römerherrschaft  (Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Juden- 
thums  1880,  S.  327—340).  Ders.,  Gesch.  der  Juden  Bd.  III  (4.  Aufl.  1888) 
S.  055—071.  —  Viereck,  Serrno  graeciis  qiuj  senatus  populusque  Romanus 
niayistratusque  popuU  Rontani  usque  ad  Tiberii  Caesaris  aetatem  in  scriptis 
piddicis  usi  sunt  examinatur  [Oottingae  1888)  p.  91 — 110.  —  Schlatter,  Zur 
Topographie  und  Geschichte  Palästina's  1893,  S.  1—28,  321—324  (Gesch.  von 
Jope).  —  Unger,  Zu  Josephos,  I :  Die  unpassend  eingelegten  Senatusconsulte 
[Antt.  XIV,  8,  5.  XIII,  9,  2.  XIV,  10,  22]  (Sitzungsberichte  der  Münchener 
Akademie,  philos.-philol.  und  histor.  Classe  1895,  S.  551 — 004).  —  Buch  1er, 
Die  priesterlichen  Zehnten  und  die  römischen  Steuern  in  den  Erlässen  Cäsars 
(Festschr.  zum  80.  Geburtstage  M.  Steinschneiders  1890,  S.  91 — 109). 

Die  Literatur  über  das  sogenannte  Zeugnissvon  Christo  (J.«rt.XVIH, 
3,  3),  welche  in  der  Regel  auch  Allgemeineres  über  Josephus  bietet,  s.  unten  §  17. 

Ueber  die  geographischen  Angaben  des  Josephus  (und  deren  nur 
relative  Zuverlässigkeit):  Robinson,  Palästina II,  53  Ö".  und  sonst.  —  Raumer, 
Palästina  (4.  Aufl.  1800)  S.  400—471.  —  Berggren,  Flavius  Josephus  der 
Führer  und  Irreführer  der  Pilger  im  alten  und  neuen  Jerusalem,  Leipzig  1854. 
—  Arnold,  Die  Bibel,  Josephus  und  Jerusalem;  Sammlung  und  Beleuchtung 
aller  Stellen  der  Bibel  und  des  Josephus,  welche  auf  die  Topographie  Jerusa- 
lem's  Bezug  nehmen,  2  Abthlngn.    Halle  1865 — 66.  —  Zur  Erläuterung  der! 


106  §  3.   Quellen.  C.  Josephus.  [81] 

geographischen  Angaben:  Gust.  Boettger,  Topographisch-historisches  Lexicon 
zu  den  Schriften  des  Flavius  Josephus,  Leipzig  1879. 

Zur  Erläuterung  der  Schrift  gegen  Apion:  Cruice,  De  Flavii  Jo- 
sephi  in  atictoribus  contra  Apionem  afferendis  fide  et  auctoritate,  Paris  1844. 
—  Creuzer,  Theol.  Stud.  und  Krit.  1853,  S.  64  ff".  —  Kellner,  De  fragmentis 
Manethonianis  quae  apud  Josephum  contra  Apionem  I,  14  et  I,  26  sunt.  Mar- 
burgi  1859.  —  Zipser,  Des  Flavius  Josephus  Werk  „Ueber  das  hohe  Alter 
des  jüdischen  Volkes  gegen  Apion"  nach  hebräischen  Originalquellen  erläutert, 
Wien  1871.  —  J.  G.  Müller,  Des  Flavius  Josephus  Schrift  gegen  den  Apion, 
Text  und  Erklärung,  Basel  1877.  —  Gutschmid,  Kleine  Schriften  Bd.  IV, 
1893,  S.  336—589  (Commentar  zu  contra  Apion.  I,  1 — 22  nebst  einer  allge- 
meinen Einleitung  über  Josephus).  —  Rühl,  Die  tyrische  Königsliste  des 
Menander  von  Ephesus  (Rhein.  Museum  N.  F.  Bd.  48,  1893,  S.  565—578). 

D.  Griechische  und  römische  Schriftsteller. 

Es  kann  hier  nicht  unsere  Absicht  sein,  alle  diejenigen  grie- 
chischen und  römischen  Schriftsteller  aufzuzählen,  welche  irgend- 
wie einen  Beitrag  zu  unserer  Geschichte  geliefert  haben;  sondern 
nur  diejenigen  werden  zu  nennen  sein,  deren  Beiträge  von  einigem 
Belang  sind.  Für  die  eigentliche  Geschichte  des  jüdischen  Volkes 
liefern  die  uns  erhaltenen  griechischen  und  römischen  Historiker 
nur  wenige  Notizen.  Von  grösserem  Werth  ist,  was  wir  zur  all- 
gemeinen Charakteristik  des  Judenthums  aus  den  gleichzeitigen 
Autoren,  besonders  den  Satirikern  (Horaz,  Juvenal)  entnehmen 
können.  Die  Texte  der  einen,  wie  der  anderen  Art  sind  gesam- 
.  melt  bei  Rein  ach,  Textes  dauteurs  grecs  et  romains  relatifs  au  Ju- 
ddistne  1895.  Ausser  diesen  direct  auf  die  Juden  bezüglichen. 
Texten  kommen  aber  namentlich  in  Betracht  diejenigen  Historiker, 
aus  welchen  die  Geschichte  von  Syrien  während  der  seleucidischen 
und  römischen  Herrschaft  zu  schöpfen  ist.  Denn  die  Geschiclite 
Palästina's  hängt  in  unserem  Zeitraum  aufs  engste  mit  der  allge- 
meinen Geschichte  von  Syrien  zusammen.  Die  Historiker,  welche 
diese  behandeln,  gehören  darum  auch  zu  den  Quellen  unserer  Ge- 
schichte.   Die  wichtigeren  von  ihnen  sind  folgende'): 


1)  Sänimtlicho  hier  genannte  Autoren  liegen  in  neueren  Toxt-AuHgabcn  vor, 
namentlich  in  den  Bammlungen  von  Didot  in  Paris  (liier  die  griecliiHciieii  mit 
InU'iniRcher  UcborHetziing)  und  Teubner  in  Leipzig.  -  -  Bibliographische  Vorzeich- 
niMH«  der  AuHgaben  und  d<'r  Literatur  über  Jeden  giebt:  Engelmann,  liililü>- 
thrra  neriptonmi  rtasHtcoruni,  8.  Aufl.,  bearb.  von  l'reuHS,  2  Bde.  1S8() — 1882. 
Die  fortlauft^nde  Literatur  verzeiclinet  die  vierteljälirlicii  bei  ('.•ilvury  in  Herliu 
erMchoinunde  UMinifura  jihilologira  rlasnira,  —  Zur  iiäriisteii  (Jriciitiriing  (liciu-ii 
die  iM'treH'enden  Artik(fl  in  I'auly'H  Real-Encyc,l<»|»ä(li('  der  <biHsiMclicii  Aiter- 
tliiimNwiMMMiHchnfl,  und  flie  Werke  von  Ni<'<»lai  ((IrieciiiHclieLitcrHlurgcHcliicIite, 
3  «<l«.  lH7;t~lH7H)  undTiMiffe!  ((ieMch.  der  römiHclien  Literatur,  \.  Atill.  beurb. 
von  Hrbwnb...  1HH2;  0.  Aufl.  18JMt). 


[81.  82]      §  3.    Quellen.    D.  Griechische  und  römische  Schriftsteller.  107 


I.  Griechische  Schriftsteller. 

1.  Polyhius  aus  Megalopolis  in  Arkadien.  Er  war  einer  der 
tausend  vornehmen  Achäer,  welche  im  J.  166  vor  Chr.  unter  der 
Anklage'  römerfeindlicher  Gesinnung  nach  Eom  weggeführt  und 
dort  (beziehungsweise  in  Italien)  sechzehn  Jahre  lang  zurückge-  | 
halten  wurden.  Während  seines  langen  Aufenthaltes  in  Rom  und 
Italien  reifte  in  ihm  die  Ueberzeugung  von  der  inneren  Berechti- 
gung und  Nothwendigkeit  der  römischen  Weltherrschaft.  Diese 
hat  er  auch  in  seinem  grossen  Geschichtswerke  zum  Ausdruck  ge- 
bracht, das  in  40  Büchern  die  allmähliche  Ausbildung  der  römi- 
schen Weltmacht  vom  J.  220—144  vor  Ohr.  darstellte.  Erhalten  sind 
davon  nur  die  ersten  fünf  Bücher  vollständig,  von  den  übrigen 
nur  mehr  oder  weniger  umfangreiche  Fragmente,  namentlich  in  den 
Kxcerptensammlungen  des  Constantinus  Porphyrogennetus  (vgl. 
oben  S.  52).  Für  unsere  Geschichte  kommen  nur  die  letzten 
15  Bücher,  XXVI— XL,  in  Betracht.  Buch  XXVI  c.  10  gedenkt 
er  zuui  erstenmale  des  Antiochus  Kpiphanes. 

2.  Diodorus.  Geb.  zu  Agyrium  in  Sicilien  (daher  Siculus)] 
lebte  zu  Cäsars  und  Augustus'  Zeit.  Er  schrieb  eine  grosse  Uni- 
versalgeschichte aller  Zeiten  und  Völker,  welche  er  BißXiod-rjxii 
nannte.  Sie  bestand  aus  40  Büchern,  umfasste  einen  Zeitraum  von 
elfliundert  Jahren  und  reichte  bis  zur  Unterwerfung  Galliens  und 
Britanniens  durcli  ('äsai'.  Erhalten  sind:  Buch  I— V  (die  Urge- 
schichte Aegyptens  und  Aethiopiens,  der  Assyrer  und  der  anderen 
Völker  des  Orients,  sowie  der  Griechen),  Buch  XI — XX  (vom  Be- 
ginn des  zweiten  Perserkrieges  480  vor  Chr.  bis  zur  Geschichte  der 
Nachfolger  Alexanders  des  Grossen  302  v.Chr.);  von  den  übrigen 
Büchern  nur  Fragmente,  hauptsächlich  in  den  Excerptensammlun- 
gen  des  Constantinus  Porphyrogennetus  (vgl.  oben  S.  52).  Ein  Theil 
der  letzteren  ist  erst  durch  neuere  Publicationen  bekannt  geworden 
{Excerpta  Vaticana  bei  Mai,  Script,  vet.  nov.  coli.  t.  II,  und  Excerpla 
Escurialensia  bei  Müller,  Fragm,  hist.  graec.  t.  II,  p.  VII — XXVI  und 
Feder,  Excerpta  e  Polyhio,  Diodoro,  Dionysio  Hai.  atque  Nicoiao  Dam.. 
3  Thle.  1848—1855),  daher  auch  erst  in  die  neueren  Gesammt- 
Ausgaben  aufgenommen.  —  Für  uns  kommt  Diodor  in  Betracht 
von  Buch  XXIX,  32  {ed.  Mülle)-)  an,  wo  er  zum  erstenmale  des 
Antiochus  Epiphanes  gedenkt. 

3.  Strabo  aus  Amasia  (Afidaeia)  im  Pontus,  lebte  um  60  vor 
bis  20  nach  Chr.  (genau  lässt  sich  weder  das  Geburts-  noch  das  Todes- 
jahr bestimmen).  Von  seinen  Werken  sind  nur  die  gegen  Ende 
seines  Lebens  geschriebenen  rea)yQag)ixa  (in  17  Büchern)  erlialten, 
bekanntlich  eine  Hauptquelle  für  die  alte  Geographie.    Unter  den 


1Ö8  §  3.   Quellen.    D.  Griechische  und  römische  Schriftsteller.      [82.  83] 

zahlreich  eingestreuten  geschichtlichen  Notizen  befinden  sich  auch 
manche,  welche  für  die  Geschichte  von  Syrien  von  Werth  sind. 
In  der  Beschreibung  Palästina's  (XVI,  2,  25—46  p.  758—765)  hat 
Strabo,  ausser  anderen,  eine  Quelle  benützt,  welche  die  Zustände 
der  vorpouipejanischen  Zeit  darstellte;  denn  er  bezeichnet  das 
durch  Alexander  Jannäus  zerstörte  Gaza  als  (isvovaa  sQrjftog 
(XVI,  2,  30),  I  ohne  die  durch  Gabinius,  wenn  auch  an  etwas  an- 
derer Stelle,  erfolgte  Neugi'ündung  zu  erwähnen  (vgl.  Bd.  II,  S.  86  f.); 
auch  ist  für  seinen  Gewährsmann  die  gewaltsame  Judaisirung  von 
Jope  und  Gazara  (Gadara)  noch  in  frischer  Erinnerung  (XVI,  2, 
28 — 29).  Vielleicht  stammen  die  Angaben  aus  Posidonius,  welchen 
Strabo  hier  öfters  citirt  {p.  750,  755,  757,  764). 

4.  Plutarchus.  Geb.  um  50  nach  Chr.  zu  Chäronea  in  Böotien. 
Trajan  verlieh  ihm  die  consularische  Würde  und  Hadrian  ernannte 
ihn  zum  Procurator  von  Griechenland.  Ausserdem  wissen  wir,  dass 
er  in  seiner  Vaterstadt  das  Amt  eines  Archon  verwaltet  und  mehr- 
mals die  Leitung  der  Feste  des  pythischen  Apollo  geführt  hat.  Er 
starb  um  120  nach  Chr.  —  Von  seinen  Werken  kommen  für  uns 
in  Betracht  die  Biographien  {ßioi  jtaQaXXrjXoi)  ausgezeichneter 
Männer  Griechenlands  und  Roms,  von  welclien  meist  zwei,  ein 
(h-ieche  und  ein  Römer,  neben  einander  gestellt  werden.  Erhalten 
sind  davon  etwa  50,  worunter  besonders  die  des  Crassus,  Pom- 
pejus,  Cäsar,  Brutus  und  Antonius  sich  mit  unserer  Geschichte 
berühren. 

5.  Appianus.  Von  Appian's  Leben  ist  nur  wenig  bekannt. 
Er  selbst  sagt  von  sich  am  Schlüsse  der  Vorrede  seines  Geschichts- 
werkes'^):  „Ich  bin  Appianus,  aus  Alexandria,  gelangte  zu  den 
ersten  Ehrenstellen  jn  meinem  Vaterlande,  und  führte  als  Rechts- 
anwalt Processe  zu  Rom  vor  den  Gerichtshöfen  der  Kaiser,  bis  diese 
mich  für  würdig  erachteten,  ihr  Procurator  zu  werden".  Aus  ver- 
Hcliiedeiien  Stellen  seines  Werkes  geht  hervor,  dass  er  unter  Trajan, 
Hadrian  und  Antoninus  Pins  gelebt  hat.  Die  Abfassung  seines  (le- 
schichtswerkes  fällt  unter  Antoninus  Pius,  um  150  nach  Chr.  Es 
behandelt  die  Geschieht«;  Roms  in  24  Büchern.  Jedoch  wählte  Appian 
statt  der  gewöhnlichen  synchronistischen  Methode  die  cthnogra- 
phiKche,  „indem  er  die  (jeschichte  der  Ereignisse  eines  jeden  ein- 
/A'\\un\  LandcK  ununterbrochen  bis  zu  sein(!r  Vereiiiignng  mit  Rom 
liindureji  führte,  nnd  damit  also  die  Geschichte  lloms  in  eine  Rc^ihe 
von  8pecialgeHchichten  der  einzelnen  mit  dem  i-ömischen  Reich 
vereiiiJj(t,<Mi  Länder  und  Völker  zerlegte,  deren  Geschichte  er  von 

2)  f^nniavbq  'Akt^avdffv^,   ^s  To  npütttt  rixcav  <?v  tQ  natQlfU,   xal  dlyaii 
ir'l*tSfiii  OfvayopevaaQ  inX  ttüv  (iaatXfatv,  fi^xp^  /'^  ayaJv  inixifonfvHV  tj^ltaauv". 


[83.  84]      §  3.    Quellen.   D.  Griechisc-he  und  rüniische  Schriftsteller.  109 

ihrem  ersten  Berührungspunkte  mit  Rom  bis  zu  ihrer  Unterwerfung 
durchgeht,  indem  er  zugleich  kurz  die  Geschichte  der  früheren 
Zeit  vorangestellt  hat"  (Bahr  in  Pauly's  Real-Enc.  1.  Aufl.).  Kr- 
lialten  sind  von  den  24  Büchern  folgende:  Von  I — V  und  IX  nur 
Bruchstücke.  Vollständig  dagegen:  VI  'ißr/Qixi^  (seil.  lotoQia), 
VII  ^Avvißa'ix'^,  VIII  Aißvxrj  xal  KaQxr^öovixri ,  XI  HvQiaxrj  xdi 
UaQd^ixri  (hiervon  |  ist  aber  die  parthische  (leschichte  verloren), 
XII  Mi&Qiöartiog,  XIII— XVII  'E(jg)vXia  d.  h.  die  Bürgerkriege, 
XXIII  Aaxixri  oder  'UXvqixi^.  Die  erhaltenen  5  Bücher  der  Bürger- 
kriege (XIII — X\'II)  werden  gewöhnlich  als  A])j)ian.  Civ.  I,  II,  III, 
IV,  V  citirt,  die  übrigen  Bücher  nach  ihrem  Inhalte:  Libyca 
(oder  Punica),  Syriaca  etc. 

6.  Dio  Cassius  (oder  richtiger  Cassius  Dio).  Geb.  zu  Nicäa 
in  Bithynien  um  155  n.  Chr.;  betrat  in  Rom  die  öffentliche  Lauf- 
bahn, wurde  nach  einander  Aedil,  Quästor,  Prätor  und  um  221 
Consul.  Als  Proconsul  vei^waltete  er  die  Provinz  Afrika.  Im 
.1.  229  zog  er  sich  vom  öifentlichen  Leben  zurück.  Ueber  sein 
späteres  Leben,  wie  auch  über  die  Zeit  seines  Todes  fehlen  uns 
alle  Nachrichten.  —  Die  Ausarbeitung  seines  grossen  Werkes  über 
die  römische  Geschichte  fällt  wahi;scheinlich  um  211—222  n.Chr.; 
es  wurde  jedoch  von  ihm  noch  bis  z.  J.  229  fortgeführt.  Es  be- 
stand aus  80  Büchern  und  umfasste  die  ganze  römische  Geschichte 
von  der  Ankunft  des  Aeneas  in  Latium  bis  z.  J.  229  n.  Chr.  Er- 
halten sind:  von  den  34  ersten  Büchern  nur  kleine  Fragmente; 
bedeutendere  Stücke  von  B.  XXXV  u.  XXXVI,  sodann  B.  XXXVII— 
LIV  incl.  vollständig  (von  den  Kriegen  des  Lucullus  und  Pompejus 
mit  Mithridates  bis  zum  Tode  des  Agrippa  im  J.  12  vor  Chr.);  von 
B.  LV — LX  incl.  wieder  bedeutendere  Bruchstücke ;  vom  Uebrigen 
aber  (B.  LXI— LXXX)  nur  der  von  Xiphilinus  im  11.  Jahrh.  ge- 
fertigte Auszug  (für  die  34  ersten  Bücher  fehlt  auch  dieser). 

IL  Lateinische  Schriftsteller. 

1.  Cicero.  Geb.  den  3.  Januar  106  zu  Arpinum;  gest.  den 
7.  December  43,  als  Opfer  der  Proscriptionen  des  Antonius  und 
Octavianus.  Cicero's  Reden  und  Briefe  sind  bekanntlich  eine 
Hauptquelle  für  die  Geschichte  seiner  Zeit  und  so  insonderheit  auch 
für  die  Geschichte  von  Syrien  während  der  Jahre  57 — 43  vor  Chr. 

2.  Livius.  Geb.  zu  Patavium  (Padua)  695  a.  U.  =  59  v.  Chr., 
gest.  ebendaselbst  770  a.  ?7.  =  1 7  n.  Chr.  Sein  grosses  Geschichts- 
werk behandelte  die  Geschichte  Roms  vom  Ursprung  der  Stadt  bis 
zum  Tode  des  Drusus  in  142  Büchern.  Erhalten  sind  nur  35  Bücher, 
nämlich  die  erste,  dritte,  vierte  Dekade  und  von  der  fünften 


110  §  3-   Quellen.   D.  Griechische  und  römische  Schriftsteller.      [84.  85] 

die  erste  Hälfte.  Für  ims  kommt  nur  die  erste  Hälfte  der  fünften 
Dekade  Buch  XLI— XLV  in  Betracht,  welche  die  Jahre  178—167 
V.  Chr.  umfasst.  Doch  sind  auch  die  Inhaltsangaben  der  späteren, 
verloren  gegangenen  Bücher  von  Werth. 

3.  Monumentum  Ancyranum.  Augustus  hinterliess  bei 
seinem  Tode  unter  Anderem  eine  Uebersicht  seiner  wichtigsten 
Regierungshandlungen,  welche  auf  eherne  Tafeln  übertragen  und  vor  | 
seinem  Mausoleum  aufgestellt  werden  sollte  {Sueton.  Aug.  101: 
indicem  rerum  a  se  gestarum,  quem  vellet  incidi  in  aenacis  tabtdis, 
quae  ante  Mausoleum  statuerentur).  Diese  Uebersicht  ist  uns  fast 
vollständig  dadurch  erhalten,  dass  sie,  im  lateinischen  Text  und  in 
griechischer  Uebersetzung,  auch  auf  die  Marmorwände  des  Au- 
gustus-Tempels  zu  Ancyra  in  Galatien  eingegraben  wurde.  Was 
hier  vom  lateinischen  Texte  fehlt,  wird  durch  die  Bruchstücke  der 
griechischen  Uebersetzung  soweit  ergänzt,  dass  nur  unbedeutende 
Lücken  bleiben.  Ein  anderes  Exemplar  des  griechischen  Textes 
befand  sich  in  einem  Tempel  zu  Appollonia  in  Pisidien,  wovon 
ebenfalls  Bruchstücke  erhalten  sind.  —  Dieses  umfangreiche  in- 
schriftliche Denkmal  ist  neben  Dio  Cassius  und  Suetonius  unsere 
Hauptquelle  für  die  Geschichte  des  Augustus.  —  Die  neuesten  und 
correctesten  Ausgaben  sind:  1)  Ferro t,  Exploration  archeologiqne 
de  la  Gaiatie  et  de  la  Bithynie  etc.  [1862— ]  1872,  pl.  25—29.  2)  Corp. 
Inscr.  Lat.  t.  III,  1873,  p.  769—799,  1054,  1064.  3)  Bergk,  Augusti 
rerum  a  se  gestarum  indicem  ed.,  1873.  4)  Mommsen,  Res  gestac 
divi  Augusti,  ex  monumentis  Ancyrnno  et  Apollonicnsi  iteruni  cdidit\ 
aecedunt  tahulae  undecim,  Baiol.  1883  (mit  reichhaltigem,  sachlichem 
Commentar). 

4.  Tacitus.  Geb.  um  55  nach  Chr.,  wurde  im  Jahre  88  Prätor 
und  97  Consul  (nicht  98,  s.  Wachsmuth,  Va\\\.  in  das  Studium  der 
alten  Gesch.  S.  677  Anm.).  Die  Zeit  seines  Todes  ist  unbekannt. 
Doch  scheint  er  den  Anfang  von  Hadrian's  Regierung  noch  erlebt 
zu  haben,  also  etwa  um  120  gcistorben  zu  sein.  -  \'on  sein<'n 
hist4)ri8chen  Werken  sind  bekanntlich  die  Annalen,  welche  in 
16— 18  Büchern  (der  Umfang  ist  nicht  sicher  bekannt)  die  Zeit  des 
Tiberius,  (.'aligula,  (Üaudius  und  Nero  (also  die  Jahre  14—68  n.  V\\y.) 
behandeln,  die  wichtigste  Quelle  für  die  Geschichte  dieser  Zeit 
und  so  uucli  für  di(;  Geschichte  von  Syi'ien.  Sie  sind  annalistiscli 
geordnet,  ho  dass  sie  eine  sichtM'e  Festst(dlung  dei*  (Hironologii^ 
ermiiglichen.  Leider  fehlt  in  der  Mitte  ein  grosses  Stück.  Krluiltcn 
sind:  I— IV  ganz,  V  und  VI  tlieilweisfs  XI  W\  (jedoch  am  An- 
fang lind  Knde  verstümmelt).  Das  Ki'lialtene  umfjisst  di(!  Zeit  des 
Tiberius,  die  zweit<j  Hälfte  der  Kcgierung  des  Claudius  und  die 
de8  Neru  (mit  AuKnahme  des  ScIiIussüb).  —  Auch  von  dem  anderen 


[85.  86J      §  3.   Quellen.   D.  Griechische  und  römische^  Schriftsteller.  m 

Hauptwerke,  den  Historien,  welche  in  12—14  Büchern  die  Zeit 
des  Galba,  Otho,  Vitellius,  Vespasianus,  Titus  und  Doniitianus  (also 
die  Jahre  68 — 96  n.  Chr.)  umfassten,  ist  nur  ein  Stück,  näiulich 
Buch  I— IV  und  ein  Theil  von  Buch  V  erhalten,  die  Jahre  68—70 
behandelnd.  Von  Interesse  für  uns  ist  darin  besonders  V,  1 — 13, 
wo  Tacitus  in  wenigen  Zügen  eine  Uebersicht  über  die  Geschichte 
des  jüdischen  Volkes  bis  auf  den  Krieg  des  Titus  giebt. 

5.  Suetonius.  In  Betreff'  seiner  Lebenszeit  wissen  wir,  dass 
seine  Jugend  in  die  Regierungszeit  Doniitian's  (81—96  n.  Chr.)  fällt, 
dass  er  unter  Trajan  (98—117)  die  Würde  eines  Tribun  bekleidete 
und  unter  Hadrian  (117 — 138)  magister  epistolarum  wurde,  von  dem- 
selben aber  wieder  seine  Entlassung  erhielt.  Unter  seinen  Schriften 
kommen  für  uns  nur  die  Vitae  XII  Imperatomm  in  Betracht.  Die 
XII  Imperator  es  sind:  Caesar,  Augustus,  Tiherius,  Caligula,  Clau- 
dius,   Nero,    Galba,   Otho,    Vitellius,    Vespasianus,    Titus,    Domitianns. 

6.  Trogus  Pomp  ejus  (Justinus).  Trogus  Pompejus  schrieb 
unter  Augustus  eine  Universalgeschichte  von  Ninus  bis  auf  seine 
Zeit  in  44  Büchern,  unter  besonderer  Berücksichtigung  der  Ge- 
schichte Macedoniens  und  der  Diadochenreiche,  stoftreich,  sorgfältig 
und  nach  guten  griechischen  Quellen.  —  Das  Werk  selbst  ist  ver- 
loren. Erhalten  sind  nur  die  Inhaltsverzeichnisse  (prologi)  der  44 
Bücher,  und  ein  Auszug,  welchen  ein  gewisser  Justinus,  wahr- 
scheinlich im  Zeitalter  der  Antonine,  angefertigt  hat.  Selbst  dieser 
kurze  Auszug  ist  noch  so  inhaltreich,  dass  er  für  uns  eine  wich- 
tige Quelle  für  die  Geschichte  der  Seleuciden  bildet. 

E.  Die  rabbinische  Literatur. 

Vgl.  bes.  Zunz,  Die  gottesdienstlichen  Vorträge  der  Juden,  1832  (grund- 
legendes Hauptwerk  für  die  Geschichte  der  Midrasch-Literatur).  2.  Aufl.  hrsg. 
von  Brüll,  1892.  —  Steinschneider,  Art.  „Jüdische  Literatur"  in  Ersch 
und  Gruber,  Allgem.  Encyklop.  Section  II,  Bd.  27,  1850.  —  Winter  und 
Wünsche,  Die  jüdische  Literatur  seit  Abschluss  des  Kanons,  eine  prosaische 
und  poetische  Anthologie  mit  biographischen  und  literargeschichtlichen  Ein- 
leitungen, 3  Bde.  1894—1896  [Chrestomathie  aus  dem  Gebiete  der  gesammten 
jüdischen  Literatur  seit  Abschluss  des  Kanons].  —  Strack,  Einleitung  in  den 
Thalmud,  3.  Aufl.  1900.  —  Für  das  Bibliographische:  Jo.  Christoph  Wolf, 
Bibliotheea  hebraea,  4  Bde.  1715 — 1733.  —  Fürst,  Bibliotheca  Judaica,  3 Bde. 
1849 — 1863.  —  Steinschneider,  Catalogus  libronitn  hebraeoruni  in  Bibliotheca 
Bodleiana,  Berol.  1852 — 1860.  —  [Zedner),  Catahgue  of  tfie  hebreiv  books  in  thc 
lihrary  of  the  British  Museum,  London  1867.  Dazu:  Catalogtie  uf  hebrew  books 
in  the  British  Musemn  acquired  during  the  years  1868 — 1892,  by  van  Straalen, 
London  1894  (532  p.  A").  —  Löwy,  Catahgue  of  Hehraica  and  Judaica  in  the 
library  of  tlie  Corporation  of  the  city  of  London,  London  1891  (,232  p.  8).  — 
Wiener,  BibliotJieca  Friedlandiana.  Catalofjus  librorum  impressorum  hebrae- 
oruni in  Museo  Asiaiico  imperialis  Academiae  scientiaruiu  Petropolitanae  asser- 


112  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [86.  87] 

vatorum.  1893  fl'.  (in  hebr.  Sprache).  —  M.  Schwab,  Repertoire  des  artides 
relatifs  ä  Vhistoire  et  ä  la  litterature  juives  parus  dans  les  periodiques  de  1783 
«1898.  Vf^partie,  Paris,  Durlacher,  1899.  2.  et  3.  partie  idOO  [en  autographie). 
—  Strack,  Bibliographischer  Abriss  der  neuhebr.  Literatur,  in:  Lehrb.  der 
neuhebr.  Sprache  und  Lit.  von  Siegfried  und  Strack  (1884),  S.  93  ff. 

Unter  „rabbinischer  Literatur"  verstehen  wir  diejenige  Litera- 
tur, welche  aus  der  berufsmässigen  Arbeit  der  „Eabbinen",  d.  h. 
der  Schriftgelehrten  erwachsen  ist.  Diese  Arbeit  bestand,  zwar 
nicht  ausschliesslich  aber  doch  vorwiegend,  in  gelehrter  Bearbei- 
tung des  Textes  der  heiligen  Schrift;  und  zwar  hat  eine  solche 
Bearbeitung  in  zweierlei  Hinsicht  stattgefunden.  Einerseits  hat 
man  das  Gesetz  durch  juristische  Discussion  immer  feiner  ausge- 
bildet; andererseits  hat  man  auch  die  heilige  Geschichte  und  die 
religiösen  und  ethischen  Vorstellungen  durch  gelehrte  Combina- 
tionen  bereichert  und  weiter  entwickelt.  Aus  der  Thätigkeit  der 
ersteren  Art  entstand  die  Halacha  oder  das  traditionelle 
Recht,  aus  der  Thätigkeit  der  anderen  Art  erwuchs  die  Hag- 
gada  oder  die  nicht-juristische  Lehre  (Legende,  Dogmatik, 
Ethik).    Näheres  über  beide  siehe  §  25,  III. 

Die  Halacha  und  die  Haggada  sind  jahrhundertelang  nur 
mündlich  fortgepflanzt  worden,  wobei  für  jene  die  strenge  Forde- 
rung unveränderter  Weiterüberlieferung  bestand,  während  bei  dieser  | 
der  subjectiven  Einsicht  und  Phantasie  ein  grösserer  Spielraum 
verstattet  war.  Die  schliessliche  Fixirung  beider  in  um- 
fangreichen und  mannigfaltigen  Literaturwerken  ist  eben 
die  rabbinisclie  Literatur.  Die  Entstehung  dieser  Literatur 
fällt  fast  ausnahmslos  erst  jenseits  des  von  uns  behandelten  Zeit- 
raumes. Nur  die  haggadische  Bearbeitung  der  (icnesis,  welche 
unter  dem  Namen  der  „Jubiläen"  bekannt  ist,  gehört  noch  unserer 
Zeit  an;  ebenso  die  ältesten,  aber  uns  nicht  erhaltenen,  Aufzeich- 
nungen der  Halacha.  Fast  die  gesammte  uns  erhaltene  „rab- 
binische Literatur"  reicht  aber  nicht  weiter  als  bis  in  die 
letzten  Decennien  des  zweiten  .lahrliunderts  n.Chr.  hinauf. 
TrotzdcMU  ist  sie  eine  unschätzbare  QucUc  fiir  das  Zeitalter  Cliristi; 
denn  die  Grundlagen  des  hier  lixiiicn  Tiaditions-Stromcs  gehen 
niciit  nur  in  die  Zeit  Christi,  sondern  noch  weit  hinter  dieselbe 
zurück. 

Die  Halacha  ist  theils  in  engem  Anschluss  an  den 
Schrifttext,  also  in  Form  von  Commentaren  zu  diesem  aufgezeichnet 
worden,  fln'ils  in  sysirniHtisclicr  Oidnnng,  indem  die  Kcchts- 
materien  nacii  Haciiliciien  Gesiciitspunklcii  giiippiri  wurden.  I)i(^ 
"Werke  der  letzteren  Art  liaben  selir  bald  die  llcnschaft  erlangt, 
nämlich:  l)DieMiHChna,  2)dieToaei)lita,  3)der  jerusaL mische 


[87.  88]  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  113 

Talmud,  4)  der  babylonische  Talmud.  Man  kann  sie  unter 
dem  Gresammtbegritt"  der  talniudischen  Literatur  zusammen- 
fassen. In  allen  ist  mit  der  Halacha  auch  Haggada  gemischt,  am 
wenigsten  in  der  Mischna,  am  meisten  im  babylonischen  Talmud. 

Die  Haggada  ist  vorwiegend  in  Form  von  Commentaren  zum 
Schrifttext  aufgezeichnet  worden.  Sowohl  die  halachischen  als  die 
haggadischen  Commentare  fasst  man  unter  dem  Gesammtbegriff  der 
Mi  drasch  im  zusammen. 

Die  traditionelle  Auffassung  des  Schrifttextes  ist  auch  in  den 
aramäischen  Uebersetzungen  oder  den  Targumim  zum  Aus- 
druck gekommen.  Auch  sie  sind  daher  hier  zu  nennen,  obwohl  sie 
in  der  uns  erhaltenen  Form  wahrscheinlich  um  Jahrhunderte  von 
der  Zeit  Christi  getrennt  sind. 

Endlich  sind  als  Niederschlag  historischer  Tradition  noch  einige 
geschichtliche  Werke  zu  erwähnen,  welche  auf  die  von  uns 
behandelte  Periode  Bezug  haben. 

I.  Die  talmudische  Literatur. 

1.  Die  Mischna. 

Das  Wort  nstpia  {stat.  constr.  n?BT3,  verschieden  von  nstjp  stat. 
constr.  SiSTöü)  wird  von  den  Kirchenvätern  stets  durch  öevtegmoic 
wiedergegeben  ').    Dies  ist  richtig,  insofern  das  Verbum  nsü  seiner 

1)  Eine  reiche  Sammlung  patristischer  Stellen  findet  man  bei  Hody,  De 
bihliormn  textibus  originalibus  etc.  (1705)  p.  238—240.  —  Ich  hebe  folgendes 
hervor:  Hieronymus,  epist.  121  ad  Algasiani,  qiiaest.  X  {opp.  ed.  Vallarsi  I, 
883  s^.):  Quantae  tradititmes  Pharisaeoriwi  sint,  quas  hfxlie  vocant  SevtSQoiasig, 
et  qtia)ii  aniles  fabulae,  evolvere  neqiieu.  Xeque  enim  Hbri  patitur  magnitiulo, 
et  pleraqtie  tarn  turpia  sunt,  ut  erubescani  dicere.  —  Idem,  epist.  18  ad  Dania- 
»um  c.  20  {Vallarsi  I,  62):  Sed  ne  rideamur  aliquid  praeterisse  earum,  quas 
Jiidaei  vocant  öevtSQojaeiQ,  et  in  quibus  unicersam  scientiam  ponunt.  —  Idein, 
comment.  in  Jes.  8  {Vallarsi  IV,  123):  Sammai  ifiitur  et  Hellel  ....  qtiorum 
prior  dissipator  interpretatur,  seqvens  profanus;  eo  quod  per  traditiones  et  ötv- 
TSQtüaeig  suas  legis  praecepta  dissiparerit  afque  maeulaverit.  —  Idem,  in  Jes.  59 
(  I  'allarsi  IV,  709) :  contemnentes  legem  dei  et  seqnentes  traditiones  hominum,  quas 
Uli  öevTSQüiaetg  voeant.  —  Idem.  in  Exeeh.  36  {VaJlarsi  V,  422):  Neqiie  enim 
juxta  Juilaicas  fabulas,  quas  Uli  SevxfQioaeiq  appellaut ,  gemmatam,  et  auream 
de  caelo  exspectamus  Jerusalem.  —  Idem  in  Hos.  3  {Vallarsi  W,  29):  Traditiones 
bomimim  et  öemsgcöascav  somnia  diligentes.  —  Idei7i  in  Matth.  22,  23  (T  a//«rs«  VII, 
177):  Pharisaei  traditionum  et  obserrationum,  quas  Uli  dsvTSQwastg  vocant,  justi- 
tinm  praeferebant.  —  Die  Stellen  aus  Epiphanius  s.  unten,  Anm.  24.  —  In 
den  Consta.  apostol.l,^',l\,b\  VI,  22  heisst  der  rituelle  Theil  des  mosaischen 
Gesetzes  öevxsQwaiq,  im  Unterschied  vom  wahren  vöfjioq  oder  dem  Sittengesetz. 
Jene  6svTSQ(oaiq  ist  den  Juden  erst  auferlegt  worden,  nachdem  sie  das  goldene 
Kalb  augebetet  hatten  (irrig  ist  es.  unter  öevxhQwatq  hier  das  Deuteronomium 
Schür  er,  Geschichte  I.  8.  u.  4.  Aufl.  8 


\l^  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [88.  89] 

Grundbedeutung  nach  allerdings  öevTegovv  „wiederholen"  heisst-'). 
Allein  im  späteren  Sprachgebrauch  ist  „rep et iren"  geradezu  so 
viel  wie  .,das  mündliche  Gesetz  lehren  oder  lernen"  {traditiones 
docere  oder  discere);  denn  die  Einübung  dieses  Lehrstoffes  geschah 
in  der  Weise,  dass  der  Lehrer  mit  den  Schülern  die  Materien  immer 
wieder  und  wieder  durchsprach,  also  repetirte,  oder  auch  dadurch, 
dass  der  Schüler  sie  für  sich  repetirte  ^).  Daher  ist  nDilJtt  (eigentlich 
„Repetition"')  ohne  weiteres  =  „Gesetzeslehre",  und  zwar  die  münd- 
liche Gesetzeslehre  im  Unterschied  von  der  geschriebenenThora*).| 
Das  mit  dem  Namen  „Mi  seh  na"  schlechthin  bezeichnete  Werk 
ist  die  älteste  uns  erhaltene  Codification  des  traditionellen  jüdischen 
Rechtes.  Der  Stoif  ist  hier  sachlich  geordnet,  in  sechs  „Ordnungen" 
(CTip)  eingetheilt,  mit  zusammen  60  „Tractaten"  (nins©^,  Sing. 

zu  verstehen :  so  nach  demVorgang  mancherKirchenväter  auch  noch  C.Schmidt, 
>'achrichten  der  Gott.  Ges.  der  Wissensch.  1898,  S.  185  flf.). 

Die  Lehrer  der  ösvrsQiöasig  heissen  ösvzeQooTal,  Euseb.  Praep.  ev.  XI,  5,  3; 
Xn,  1,  4  ed.  Gaisford  (p.  513c,  574«  ed.  Viger).  —  Hieronymus  indes.  3  {opp. 
ed.  Vallarsi  TV,  58).  Idem  in  Jes.  10  {Vallarsi  IV,  141).  Idem  in  Halme.  2 
{Vallarsi  VI,  023):  Ätidim  Liddae  quendam  de  Hebraeis,  qui  sapiens  apnd  illos 
et  (Jfrr6()Cür>/$  rocabatur,  narrantem  hujusmodi  fabidam. 

2)  So  im  biblischen  Hebräisch.  Vgl.  auch  Sanliedrin  XI,  2  (=  etwas 
wiederum  thun). 

3)  njffi  =  „lehren",  z.  B.  Taanith  IV,  4:  nsiüJ  S\i5inn  'n  r\^r\  -p  „so  pflegte 
R.  Josua  zu  lehren".  Vgl.  Hieronymus,  epist.  121  ad  Ah/asiam  qtiaest  X 
{ed.  Vallarsi  I,  884  sq.) :  si  qtiando  certis  diebtts  traditiones  sttas  exponunt  disci- 
pulis  suis,  solent  dicere:  ol  oo<pol  öevregwaiv,  id  est,  sapientes  docent 
traditiones.  —  In  der  Bedeutung  „lernen"  z.  B.  Aboth  III,  7:  „wer  auf 
dem  Wege  geht  und  repetirt  (nsiici)  und  seine  Repetition  unterbricht  (p'^Dtai 
inattJio)  und  sagt:  Wie  schön  ist  dieser  Baum,  wie  schön  ist  dieser  Acker!  dem 
rechnet  es  die  Schrift  an,  als  liätte  er  sein  Leben  verwirkt".  —  Aboth  II,  4: 
„Sage  nicht:  Wenn  ich  Zeit  habe,  will  ich  lernen  (nsujx);  denn  vielleicht  wirst 
du  keine  Zeit  haben".  —  Noch  einige  Beispiele  bei  Strack,  Einl.  in  den 
Thalmud  (2.  Aufl.  1894)  S.  1.  —  Richtig  erklärt  auch  Lagard e  (Mittheilungen 
IV,  1891,  S.  190  f.):  nsir  eigentlich:  noch  einmal  sagen,  daher  =  lehren,  und 
—  lernen.  Bacher,  Die  älteste  Terminologie  der  jüdischen  Schriftauslegung, 
1899,  8.  193  f. 

4)  Zuweilen,  wie  an  der  in  Anm.  3  citirten  Stelle  Abotk  III,  7,  lässt  sich 
nswxs  mit  „Repetition"  übersetzen ;  zuweilen  mit  „Unterricht",  m  Aboth  III,  8: 
„Wer  ein  Stück  von  seinem  Gesetzesuntcrricht  (nrsmia«  nriK  nai)  vergisst,  dem 
rechnet  es  die  Schrift  an,  als  ob  etc."  In  der  Regel  aber  heisst  es  einfach  die 
traditionelle  Gesetzeslehre,  namentlich  im  Unterschied  von  Kip«  (dem 
Schrilttext),  Kidduachin  I,  10;  Aboth  V,  21.  In  Fällen,  wo  man  später  anders 
lehrte  als  früher,  heisst  die  frühere  Lehre  njittJttn  "?«?«,  Kefhidjofh  V,  3; 
N<uir  VI,  1;  Oittin  V,  6;  Sanhedrin  III,  4;  Mt^joth  VII,'  2.  Von  Halacha 
untenobeidet  sich  MiHchna  so,  dass  enteres  die  GcHctzostradition  int,  .sofern 
•ie  rechtliche  Geltung  hat,  letzteres  dieselbe,  Hofcrn  sie  GegetiNtand  des  Unter- 
richtet ist  Vgl.  auch  Bucher,  Die  älteste  Terminologie  der  jüdischen  Sclirifb- 
«otlegUDg,  1890,  8.  122  f. 


[89.  90]  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  115 

n^ött).  In  unseren  gedruckten  Ausgaben  ist  deren  Zahl  durch  Thei- 
lung  einiger  auf  63  erhöht^).  Jeder  Tractat  ist  wieder  in  „Capitel" 
(D''pnB)  eingetheilt;  jedes  Capitel  in  „Lehrstücke"  (ni"?»»).  Die 
Capiteleintheilung  ist  sehr  alt;  die  Abtheilung  und  Zählung  der 
„Lehrstücke"  aber  jung,  und  in  den  gedruckten  Ausgaben  vielfach 
anders  als  in  den  Handschriften.  —  Die  Sprache  der  Mischna  ist 
hebräiscli;  ihr  Inhalt,  wie  sich  von  selbst  versteht,  fast  nur  hala- 
chisch.  Nur  zwei  Tractate  {Aboth  und  Middoth)  sind  haggadisch; 
und  ausserdem  findet  sich  Haggada  in  geringem  Umfang  zuweilen 
am  Schluss  der  Tractate  oder  zur  Erläuterung  einzelner  Halacha's  ^). 
Namen  und  Inhalt  der  63  Tractate  sind  folgende'): 

Erster  Seder,  z^lfy,  '0. 

1.  Berachoth,  risna,  von  den  Segenssprüchen  und  Gebeten. 

2.  Pea,  nxB,  von  der  Ackerecke,  die  bei  der  Ernte  für  den  Armen 

unabgeerntet  stehen  bleiben  muss,  und  überhaupt  vom  An- 
recht des  Armen  an  den  Bodenertrag  (nach  Lev.  19,  9 — 10. 
23,  22.    Deut.  24,  19—22). 

3.  Demai,  "'Ktt^,  von   der  Behandlung  der  Früchte,   hinsichtlich 

deren  es  zweifelhaft  ist,  ob  sie  schon  verzehntet  sind  oder 
nicht. 

4.  Kilajim,  S'^xbs,  von  der  widergesetzlichen  Mischung  des  Hetero- 1 

genen  im  Bereich  der  Thiere,  der  Pflanzen  und  der  Kleidung 
(nach  Lev.  19,  19.  Beut.  22,  9—11).  Vgl.  Hamburger,  Real- 
Enc.  Suppl.  II,  1891,  S.  136-138:  „Mischung  der  Arten". 

5.  Schebnth,  n'^^'^ntt?,  vom  Sabbathjahre. 

6.  Terumoth,  nhtJ'^nn,  von  den  Heben  an  die  Priester. 

7.  Maaseroth,  n'Tite^tt,  vom  Zehnt  an  die  Leviten. 

S.  Maaser  scheni,  "^2©  1©?^,  vom  zweiten  Zehnt,  welcher  nach  Ab- 
gabe des  ersten  ausgesondert  und  (nach  Deut.  14,  22flF.)  zu 
Jerusalem  verzehrt  werden  musste. 


5)  Nach  der  ursprünglichen,  z.  B.  im  cod.  de  Rossi  138  erhaltenen  Anord- 
nung, bilden  Baba  kamma,  Baba  mexia  und  Baba  bathra  zusammen  nur  einen 
Tractat,  ebenso  SanJiedrin  und  Makkoth  zusammen  nur  einen.  Vgl.  auch  Strack 
in  Herzog's  Real-Enc,  2.  Aufl.,  XVIII,  300  f.  Ders.,  Einleitung  in  den  Thal- 
raud  S.  7. 

6)  Vgl.  Zunz,  Die  gottesdienstlichen  Vorträge  der  Juden,  S.  86  f.  — 
Eine  Uebersicht  sämmtlicher  Haggada's,  die  in  der  Mischna  vorkommen,  s.  in 
Pinner 's  Uebersetzung  des  Tractates  Berachoth,  Einl.  Fol.  1«. 

7)  Eine  genauere  Inhaltsangabe  giebt  Pressel  in  Herzog's  Real-Enc, 
1.  Aufl.,  XV,  620-639.  Strack,  ebendas.  2.' Aufl.  XVIII,  305—328.  Ders., 
Einleitung  in  den  Thalmud  S.  13 — 44.  —  Die  obigen  Inhaltsangaben  sind 
grossentheils  dem  „Erklärenden  Verzeichniss"  in  Delitzsch  's  Römerbrief  (1870) 
S.  113 — 118  entnommen. 

8* 


Uß  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [90.  91] 

9.  Ghalla,  n^H,  von  der  Teighebe  (dem  24tei  beim  Backen  für  den 

Hausbedarf,  dem  48*«^  beim  Backen  für  den  Verkauf),  welche 
nach  Num.  15,  17  ff.  den  Priestern  gegeben  wurde. 

10.  OrJa,  nbny,  vom  Verbot,  die  Früchte  neugepflanzter  Bäume  in 

den  ersten  drei  Jahren  zu  geniessen  (nach  Lev.  19,  23 — 25). 

11.  Bikkurim,  D'^n^iSS,  von  Darbringung  der  Erstlinge  des   Land- 

baues. 

Zweiter  Seder,  i^h«  'o. 

1.  Schabbath,  natD,  von  der  Sabbathfeier. 

2.  Erubin,  V?^"i?»  '^^^  ^^^  Verbindung  getrennter  Räumlichkeiten 

für  den  Zweck  freierer  Bewegung  am  Sabbath. 

3.  Pesachim,  DH'^DB,  von  der  Passafeier. 

4.  Schekalim,  D'^bpTö,  von   der  Halbsekel-   oder  Didrachraensteuer 

{Exod.dO,  iiflf.  Matth.  17.  24). 

5.  Joma,  Xül'',  von  dem  „Tage",  d.  h.  dem  grossen  Versöhnungs- 

tage. 

6.  Sukka,  nSD,  vom  Laubhüttenfest. 

7.  Beza,  ns'^a,  oder  Jörn,  tob,  Sit3  DT^,  ob  man  ein  an  einem  Feier- 

tage gelegtes  Ei  essen  dürfe?  sowie  über  Feiertags-  und 
Sabbathheiligung  überhaupt. 

8.  Bosch  haschana,  nSTJSn  ü«l,  vom  Neujahrsfeste. 

9.  Taanith,  n*^??!?,  von  den  Fast-  und  Trauertagen. 

10.  Megilla,  nsaiG.  vom  Lesen  der  ,.Rolle",  d.  i.  des  Buches  Esther 

und  überhaupt  von  der  Feier  des  Purimfestes. 

11.  Moed  katan,  "jüp  'iT\'ü,  von  den  Zwischenfeiertagen  zwischen 

dem  ersten  und  letzten  Feiertage  der  Hauptfeste.  Der  Zu- 
satz katan  dient  dazu,  den  Tractat  vom  ganzen  Seder  3foi'd 
zu  unterscheiden  {Derenbourg,  Revue  des  Müdes  juives  XX, 
1890,  p.  136  sq.). 
12  Chagiga,  na'^sn,  von  der  Pflicht,  an  den  drei  Haui)tfesten  opfernd 
in  Jerusalem  zu  erscheinen. 

Dritter  Seder,  D"«©;  'o. 

1.  ./rh'imoih,  niioa';',  von  der  Levirats-  oder  Schwagerehe  (nach 

Deut.  25,  5—10). 

2.  Krthuboth,  niniPis,  von  den  Eheverträgen. 

3.  Nedarim,  D''ll3,  von  den  (iclllbden,  besonders  von  deren  Gültig- 

keit bei  Frauen  (nach  Lev.  '11  und   Sunt.  30).  | 

4.  Na»ir,  TT3,  vorn  Nasiräat  (nacli  Num.  6  und  30). 

5.  Sota,  nc'io,  vom  Verfahren  geg(;n  die  des  Ehebruchs  Verdäoli- 

tige  (nach  S'um.  5,  11—31). 


[91]  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  117 

6.  Gittin,  'j'^CDa,  vom  Scheidebrief  (t:a)  und  dem,  was  in  der  Ehe- 

scheidung Eechtens  ist. 

7.  Kidduschin,  "J'^löl'np,  von  der  Verlobung. 


Vierter  Seder,  i^pvs  '0. 

1.  Baba  kamma,  XTSp  «23,  „die  erste  Pforte"    (=die  erste  Abthei- 

lung, näml.  des  dreitheiligen  Gesammtwerkes  von  den  Schä- 
digungen), handelt  von  den  Rechtsfolgen  der  mannigfachen 
Arten  von  Schädigung  des  Einen  durch  den  Andern. 

2.  Baha  mexia,    »Ti'a  »na,    „die    mittlere    Pforte",    handelt   von 

Klagen  u.  Forderungen,  besonders  in  dem  Verhältnisse  des 
Abmiethers  zum  Miethsherrn,  des  Arbeiters  zum  Arbeitgeber, 
des  Entlehners  zum  Leiher. 

3.  Baba  bathra,   »Hfin  «23,   „die  letzte  Pforte",  von  den  im  Ge- 

sellschaftsleben einflussreichsten  bürgerlichen  Rechtsverhält- 
nissen. 

4.  Sanhedrin,  "j'^ninso,  vom  Synedrium  und  der  Criminaljustiz. 

5.  Makkoth,  ms73,  von  der  Strafe  der  Geisselung. 

0.  Schebuoth,  m:?imij,  vom  Eide  und  Vergehungen  am  Heiligen. 

7.  Edujoth,  n'T^iy,   „Zeugnisse",   enthält   streitige  Lehrsätze   aus 

allen  Gebieten,  deren  traditionelle  Geltung  von  berühmten 
Autoritäten  „bezeugt"  ist®). 

8.  Aboda  sara,  HIT  !Ti'l3y,  vom  Götzendienst  und  überhaupt  vom 

Heidenthume. 


8)  Der  Name  dieses  Tractates  soll  nach  Levy  (Neuhebr.  Wörterb.  III,  620) 
Edijoth  ausgesprochen  werden,  und  Strack  (in  Herzog's  Real-Enc,  2.  Aufl., 
XVIII,  319)  hat  sich  verleiten  lassen,  dieser  Forderung  zu  folgen.  Allein  das 
einzige  Beispiel,  auf  welches  sich  Lev-y  beruft,  nämlich  malkijoth,  trifll  nicht 
zu,  da  auch  in  diesem  Falle  die  richtige  Aussprache  malktijoth  lautet.  Ebenso 
ist  für  chamäh  die  Pluralform  chanujoth  handschriftlich  gesichert  (z.  B.  cod.  de 
h'ossi  138  hat  Abada  sara  I,  4  und  Tohoroth  VI,  3  mii:n).  Strack  selbst 
schreibt  in  der  Einleitung  in  den  Thalmud  (2.  Aufl.  1894)  S.  33  wieder  Edujjoth. 
—  Da  viele  Sätze  des  Tractates  Edujoth  auch  in  anderen  Tractaten  wieder- 
kehren, so  entsteht  die  Frage,  ob  sie  aus  den  anderen  Tractaten  hier  zusam- 
mengestellt oder  umgekehrt  aus  Tractat  Edujoth  in  die  anderen  Tractate  auf- 
genommen sind.  Für  ersteres  z.  B.  Lewy,  Ueber  einige  Fragmente  aus  der 
Mischna  des  Abba  Saul  (Berlin  1876)  S.  13;  für  letzteres:  Schwartz,  Die 
C^ontroversen  der  Schammaiten  und  Hilleliten,  I  (Wien  1893)  S.  71—73;  Klüger, 
Ueber  Genesis  und  Composition  der  Halacha-Sammlung  Edujoth,  1895  (hier 
S.  115 — 117  auch  ein  Verzeichniss  der  Parallelstellen).  —  Dünner  (Monats- 
schr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1871,  S.  33—42,  59—77)  meint, 
dass  unser  Tractat  nur  eine  Auswahl  aus  einer  ursprünglich  viel  reicheren 
Sammlung  sei. 


118  §  3.    Quellen.  E.  Die  rabbinische  Literatur.  [91.  92] 

9.  Aboth,  rriax,  oder  Pirke  Aboth,  nilS  ''pis.  eine  Sammlung  von 
Sentenzen  der  berühmtesten  Schriftgelehrten  etwa  vom  -L 
200  vor  Chr.  bis  200  nach  Chr.^). 
10.  Eorajotk,  n'i''n'in,  „Entscheidungen",  von  unvorsätzlichen  Ver- 
gehungen, die  durch  irrige  Entscheidungen  des  Synedriums 
herbeigeführt  werden,  und  von  unvorsätzlichen  Vergehungen 
des  Hohenpriesters  und  Fürsten.  | 

Fünfter  Seder,  a^ü-p:  'o. 

1.  Sebachim,  D'^nnr.  von  den  Schlachtopfern. 

2.  Menachoth,  nina^,  von  den  Speisopfern. 

3.  Chullin,  '}''^in,  von  der  richtigen  Methode  beim  Schlachten  nicht 

zu  opfernder  Thiere  und  vom  Genuss  derselben. 

4.  Bechoroth,  PiTTiD^,  von  der  Heiligung  der  Erstgeburt  bei  Men- 

schen und  Vieh. 

5.  Arackin,  V?"^?»  „Schätzungen",  handelt  nach  Lev.  27  vom  Aus- 

lösen der  Personen  und  Dinge,  die  für  den  Dienst  des  Heilig- 
thums  sich  selbst  geweiht  hatten  oder  von  Andern  geweiht 
worden  waren. 

6.  Temura,    ny\'ü'r\,    vom    Austausch    gottgeweihter   Dinge   (Ler. 

27,  10).  ' 

7.  Kerithotk,  Din'^'ns,  von  der  Strafe  der  Ausrottung,  oder  vielmehr: 

was  die  zu  thun  haben,  welche  unvorsätzlicherweise  ein  mit 
Ausrottung  bedrohtes  Verbot  übertreten  haben. 

8.  Metla,   nb'^^tt,    von  Veruntreuung  gottgeweihter  Dinge  (nach 

Num.  5,  6—8). 

9.  Tamid,  l'^'QT-},  vom  täglichen  Morgen-  und  Abendopfer  und  über- 

haupt vom  täglichen  Tempeldienst. 

10.  Middothj  T\^l%  von  den  Maassen  und  Kinriclitungen  des  Tempels. 

11.  Kinnim,  O'^Jp,  vom  Taubenopfer  der  Armen  (nach  Lev.  5,  1  bis 

10  und  12,  8). 

Sechster  Seder,  niiniD  'o 

1.  KeUm,  D'^bi,  von  den  Hausgeräthen  und  deren  Reinigung.  Vgl. 

Oraubart,  Le  viriiable  auieur  du  Tratte  K6lim  (Revue  des  itudcs 
juivea  t.  XXXI 1,  1806,  p.  200—225). 

2.  Ohaloth,  nlbn«,  von  Verunreinigung  der  Zelte  und  Häuser,  ins- 

besondere durch  einen  Todten  (nach  Num.  19). 

3.  Ntgcrim^  B**^,  vom  Aussatze. 


9)  Kein  Traotat  der  MincliDa  ist  so  oft  godruckt  und  Obersetzt  worden,  wie 
4ieMr.    Einige  neuere  Ausgaben  sind  in  Md.  11 1,  S.  1«i*;  f.  genannt. 


[92.  93]  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  HQ 

4.  Para,  nnß,  von  der  rotheii  Kuh,  d.  i.  von  der  Entsündigung  der 

durch  Leichen  Verunreinigten  (nach  Num.  19). 

5.  Tohoroth,  fTilrtü,  von  den  geringeren  Arten  von  Unreinigkeit 

6.  Mikwaoth,  nixipJlD,  von  dem  zum  Baden  (Mikwa,  Bassin,  Tauche) 

und  Waschen  geeigneten  Wasser. 

7.  Nidda,  m?,  von  den  ünreinigkeiten  des  weiblichen  Geschlechts- 

lebens. 

8.  Machschirin,  T'n'^üDTO,  eigentlich    ^tauglich  Machendes",   handelt 

von  den  Flüssigkeiten,  welche  auf  Früchte  fallend  sie  zur 
Unreinigkeitsannahme  oder  nicht  dazu  qualificiren  (nach  Lev. 
11,  34.  38). 

9.  Sabim,  0*^31,  von  den  Eiter-  und  Blutflüssigen. 

10.  Tehul  jom,  QT^  bl2p,  „Gebadeter  des  Tages**,   handelt  von  der 
Unreinigkeit,  welche  weggebadet  wird,  aber  bis  Sonnenunter- 
gang haftet 

11.  Jadajim,ü'^'V,  von  der  Verunreinigung  und  reinigenden  Waschung 

der  Hände. 

12.  Ukzin,  'j'^spi^,  von  der  Verunreinigung  der  Früchte  durch  ihre 
Stiele  und  Schaalen  oder  Hülsen. 

Ueber  das  Alter  und  die  Entstehungsverhältnisse  dieses 
Werkes  lassen  sich  aus  den  im  Texte  selbst  gegebenen  Anhalts- 
punkten noch  annähernd  sichere  Resultate  gewinnen.  In  unzäh- 
ligen Fällen,  wo  die  Ansichten  der  Gelehrten  über  einzelne  Ge- 
setzesfragen auseinander  gingen,  wird  nicht  nur  die  Ansiclit  der 
Majorität,  sondern  auch  die  Ansicht  des  oder  der  dissentirendeu 
Gelehrten  unter  Nennung  ihres  Namens  angeführt.  Auf  diese 
Weise  werden  etwa  150  Autoritäten  in  der  Mischna  citirt;  die 
meisten  allerdings  nur  ganz  selten,  einige  aber  fast  durch  alle 
Tractate  hindurch.  Die  am  häufigsten  citirten  Autoritäten  sind 
folgende  10). 

Erste  Generation  (um  70—100  nach  Chr). 

Rabban  ' ')  Jochanan  ben  Sakkai  (23  mal).  —  R.  Zadok  oder 
Zadduk  (?)  12).  —  R.  Chananja,  Vorsteher  der  Priester,  D'^SHsn  po 
(12  mal).  —  R.  Elieser  ben  Jakob  (?)>3). 

10)  Da  die  Ausgaben  in  Betreff"  der  Namen  hier  und  da  schwanken,  so  be- 
merke ich,  dass  die  von  mir  gegebenen  Zählungen  auf  dem  Texte  der  soge- 
nannten Jost'schen  Mischna- Ausgabe  (Berlin,  Lewent  1832—1834)  beruhen. 

11)  Ueber  den  Titel  Rabban  s.  Bd.  II,  S.  316.  Das  blosse  R.  bedeutet  Rabbi. 

12)  Der  Name  R.  Zadok  oder  richtiger  Zadduk  kommt  16mal  vor.  Wahr- 
scheinlich sind  aber  ein  älterer  und  ein  jüngerer  Träger  dieses  Namens  zu 
unterscheiden. 

13)  Der  Name  R.  Elieser  ben  Jakob  kommt  40mal  vor.  Wahrscheinlich 
sind  auch  hier  zwei  gleichnamige  Träger  desselben  zu  unterscheiden. 


120  §  ^-   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [93.  94] 

Zweite  Generation  (um  100—130  nach  Chr.). 

A.  A eitere  Gruppe:  Eabban  Gamaliel  [II]  (84  mal).  —  R. 
Josua  [ben  Chananja] '^)  (146  mal).  —  E.  Elieser  [ben  Hyrkanos] 
(324  mal).  —  R.  Eleasar  ben  Asarja  (38  mal).  —  R.  Dosa  ben  Ar- 
chinos  (19  mal).  —  R.  Eleasar,  Sohn  des  R.  Zadduk  (?)'&). 

B.  Jüngere  Gruppe:  R.  Ismael  (71  mal).  —  R.  Akiba  [ben 
Joseph]  (278  mal).  —  R.  Tarphon  (51  mal).  —  R.  Jochanan  ben 
Nuri  (38  mal).  —  R.  Simon  ben  Asai  oder  Ben  Asai  schlechthin  i 
(4  +  21  mal).  —  R.  Jochanan  ben  Beroka  (11  mal).  —  R.  Jose 
der  Galiläer  (26  mal).  —  R.  Simon  ben  Nannos  oder  Ben  Nannos 
schlechthin  (5  +  5  mal).  —  Abba  Saul  (20  mal).  —  R.  Juda  ben 
Bethera  (16  mal). 

Dritte  Generation  (um  130—160  nach  Chr.). 

R.  Juda  [ben  Hai  oder  richtiger  Elai]  (609  mal).  —  R.  Jose 
[ben  Chalephta]  (335  mal).  —  R.  Meir  (33 1  mal).  —  R.  Simon  [ben 
Jochai]  (325  mal).  —  Rabban  Simon  ben  Gamaliel  [II]  (103  mal). 
—  R.  Nehemia  (19  mal).  —  R.  Chananja  ben  Antigonos  (13  mal). 

Vierte  Generation  (um  160—200  n.  Chr.). 

Rabbi  [d.  h.  R.  Juda  ha-Nasi  oder  ha-kadosch]  (37  mal).  —  R. 
Jose,  Sohn  des  R.  Juda  [ben  Elai]  (14  mal). 

Die  hier  vorausgesetzte  Chronologie  ist  zwar  nicht  in  allen 
einzelnen  Fällen,  aber  doch  in  ihren  Grundzügen  vollkommen  sicher. 
Zunächst  lässt  sich  die  Gleichzeitigkeit  der  Männer  je  einer  Gene- 
ration daraus  constatiren,  dass  sie  in  der  Mischna  mehr  oder  weniger 
häufig  mit  einander  disputirend  eingeführt  werden.  So  finden  wir 
z.  B.  Rabban  Gamaliel  11,  R.  Josua,  R.  Klieser  und  R.  Akiba  häufig 
im  Verkehre  miteinander,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  R.  Akiba 
als  ein  jüngerer  Zeitgenosse  der  drei  zuerstgenannten  erscheint'^'). 
Ebenso  disputiren  R.  Juda,  R.  Jose,  R.  Meir  und  R.  Simon  oft  mit 
einander.  Und  so  lässt  sich  auch  von  den  anderen  hier  genannten 
Gelehrten  mit  mehr  oder  weniger  Sicherheit  die  Zugehörigkeit  zu 
einer  der  vier  (jenerationen  nachweisen.  —  Ferner  ist  aber  auch 
die  Aufeinanderfolge  der  Generationen   durch  ähnliche  Angaben 


14)  Dmenigen  Vater-Namon ,  wulcliu  iu  der  MiHchuu  iu  der  llo^cl  nidit 
geoaimt  werden,  lind  \n  Klnmtncra  geseut 

16)  In  BetrefT  dienen  Namenn,  welcher  22inal  vorkommt,  gilt  dasselbe  wie 
bei  R.  Zmdduk. 

16)  Die  Belege  n.  M.  II,  S.  370  u.  371  (§  25,  Anm.  80  u.  88). 


[94.  95]  g  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  121 

der  Mischna  gesichert.  R.  Josira  und  R.  Elieser  waren  Schüler 
des  Rabban  Jochan'an  ben  Sakkai^');  auch  R.  Akiba  wird  noch 
als  solcher  bezeichnet  '*^).  Mit  den  Männern  der  zweiten  Gene- 
ration hängen  wiederum  die  der  dritten  durch  persönliche  Beziehun- 
gen zusammen'^),  u.  s.  w.  —  Endlich  sind  auch  zur  Feststellung 
der  absoluten  Chronologie  ausreichende  Anhaltspunkte  vorhanden, 
Rabban  Jochanan  ben  Sakkai  hat  verschiedene  Anordnungen  ge- 
troffen, „nachdem  der  Tempel  zerstört  war"  •^);  er  hat  also  un- 
mittelbar I  nach  diesem  Ereigniss  gelebt.  Hiermit  stimmt,  dass  der 
um  eine  Generation  jüngere  Akiba  als  Zeitgenosse  Barkochba's 
und  Märtyrer  im  hadrianischeu  Kriege  erwähnt  wird.  Und  daraus 
ergiebt  sich  dann  das  Weitere  2'). 

Mit  unserer  Statistik  ist  nun  schon  der  Beweis  geliefert,  dass 
die  Mischna  gegen  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  n.  Chr. 
redigirt  sein  muss;  denn  bei  späterer  Abfassung  wäre  zu  er- 
warten, dass  auch  noch  spätere  Autoritäten  angefüln-t  würden. 
In  der  That  wird  die  Abfassung  des  Werkes  dem  R.  Juda  ha- 
Nasi  oder  ha-kadosch  (auch  „Rabbi"  schlechtweg  genannt) 
gegen  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  n.  Chr.  zugeschrieben  22).  — 


17)  Äboth  II,  8.    Vgl.  Edujoih  VIII,  7.    Jadojitn  IV,  3  fin. 

18)  Sota  V,  2. 

19)  R.  Jose  trifft  eine  Entscheidung  in  Gegenwart  des  R.  Akiba  {Therumoth 
IV,  13).  —  R.  Juda  hörte  noch  den  R.  Tarphon  [Nedartm  VI,  6).  —  R.  Simon 
uimmt  Theil  an  einer  Disputation  gegen  R.  Akiba  (Machschirin  VI,  S).  — 
R.  Jose,  Juda  und  Simon  berichten  über  die  Ansichten  des  R.  Elieser  und 
R.  Josua  [Keritlwth  IV,  2-3). 

20)  Sukka  III,  12.     Rosch  haschana  IV,  1.  3.  4.     Menachoth  X,  5. 

21)  Die  Belege  für  alle  obigen  Ansätze  mitzutheilen ,  würde  hier  zu  weit 
führen.  In  einigen  Fällen,  wo  die  Mischna  keinen  Aufschluss  giebt,  sind  die 
übrigen  Quellen  (Tosephta  und  Talmude)  heranzuziehen.  Ueber  die  Männer 
der  ersten  und  zweiten  Generation  s.  näheres  in  Bd.  II,  S.  36G — 380;  über  die 
der  dritten  und  vierten  Generation  s.  die  in  Bd.  II,  S.  351  erwähnte  Literatur, 
namentlich  die  Artikel  in  Hamburger's  Real-Enc.  für  Bibel  und  Talmud, 
Abthl.  II,  auch  Strack  in  Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl.  XVIII,  348—350.  Ders., 
Einleitung  in  den  Thalmud,  2.  Aufl.  S.  83  ft".  —  Ich  bemerke  noch,  dass  ich 
die  beiden  Gruppen  der  zweiten  Generation  mit  Absicht  nicht  als  zwei  „Gene- 
rationen" bezeichnet  habe;  denn  sie  hängen  unter  sich  näher  zusammen,  als 
beide  insgesammt  mit  der  ersten  und  dritten  „Generation".  Strack,  welcher 
noch  in  Herzog's  Real-Enc.  a.  a.  O.  fünf  Generationen  gezählt  hatte,  ist  in 
der  Einl.  in  den  Thalmud  2.  Aufl.  meiner  Zählung  beigetreten. 

22)  Vgl.  über  ihn:  Bodek,  Marcus  Aurelius  Antoninus  als  Zeitgenosse  und 
Freund  des  Rabbi  Jehuda  ha-Nasi  (auch  unter  dem  Titel:  Römische  Kaiser  in 
jüdischen  Quellen,  Thl.  I)  1868.  —  Gelbhaus,  Rabbi  Jehuda  Hanassi  und  die 
Redaction  der  Mischna,  Wien  1876  [soll  heissen:  1880].  Vgl.  hierzu  Strack, 
Theol.  Literaturzeitung  1881,  52  ft".  —  Hamburger,  Real-Enc.  für  Bibel  und 
Talmud,  Abth.  II,  S.  440—450  (Art.  „Jehuda  der  Fürst").  —  Fürst,  Antoninus 


122  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [95.  96] 

Unsere  Statistik  lehrt  aber  noch  ein  Weiteres.  Es  ist  klar,  dass 
ein  paar  tausend  Angaben  über  die  Ansichten  einzelner  Gelehrter 
nicht  gedächtnissmässig  überliefert  werden  konnten.  Wenn  in 
einem  gegen  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  redigirten  Werke 
von  den  verschiedensten  Gelehi-ten  früherer  G-enerationen  noch  je 
ein  paar  hundert  einzelne  Entscheidungen  niitgetheilt  werden  (von 
K.  Juda  ben  Elai  über  sechshundert!),  so  müssen  dafür  schriftliche 
Vor  [lagen  zu  Gebote  gestanden  haben.  Der  Befund  der  Statistik 
macht  es  aber  wahrscheinlich,  dass  der  abschliessenden  Re- 
daction  bereits  zwei  ältere  Schichten  schriftlicher  Auf- 
zeichnungen vorangegangen  sind,  eine  aus  der  Zeit  der 
zweiten  Generation  und  eine  aus  der  Zeit  der  dritten  Generation. 
Zu  Gunsten  dieser  Vermuthung  sprechen  auch  noch  gewisse  Er- 
scheinungen im  Texte  der  Mischna  selbst  ^s),  sowie  einige,  freilich 
dunkle  und  verworrene  üeberlieferungen  ■^*).     Die  noch  von  man- 


und  Babbi  (Magaziu  für  die  Wissensch.  des  Judenth.  XVI.  Jahrg.  1880, 
S.  41—45).  —  Bacher,  Die  Agada  der  Tannaiten  Bd.  II,  1890,  S.  454—486.  — 
D.  Ho  ff  mann,  Die  Antoninus-Agadot  im  Talmud  und  Midrasch  (Magazin 
für  die  Wissensch.  des  Judenth.  XIX.  Jahrg.  1892,  S.  33—55,  245—255).  — 
Noch  einige  Literatur  bei  Strack  in  Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl.  XVIII,  .349. 
Einl.  in  den  Thalmud  S.  86.  —  Ueber  die  Zeit  und  das  Todesjahr  des  R.  Juda 
ha-Nasi  haben  eingehende  Verhandlungen  stattgefunden  zwischen  ßapoport 
und  Jost  (in  der  hebr.  Zeitschrift  Kerem  Chemed  und  anderwärts,  s.  Fürst's 
Bihlioth£ca  Judaica  II,  48,  und  die  ausführliche  Darlegung  bei  Bodek  a.a.O. 
S.  11 — 64,  auch  Jost.  Gesch.  des  Judenthuras  und  seiner  Secten  II,  118  f.). 
Rapoport  nimmt  192  n.  Chr.  als  Todesjahr  an,  Jost  219/220.  Die  Gründe  für 
beides  sind  nicht  sehr  sicher,  doch  dürfte  Rapoport's  Ansicht  die  wahrschein- 
lichere sein,  während  freilich  der  von  ihm  behauptete  freundschaftliche  Ver- 
kehr zwischen  Juda  und  Marc  Aurel  sehr  problematisch  ist.  Vgl.  wegen  des 
letzteren  Punktes  Geiger's  Jüdische  Zeitschrift  1869,  S.  150—159;  Fürst 
und  Hoffmann  a.  a.  0. 

23)  Kelim  f'in.  „R.  Jose  sagte:  Heil  dir  Kelim  (ö'^bs  ";''"iu:i<),  dass  du  mit 
Unreinheit  anfängst  und  mit  Reinheit  endigst!"  Hieraus  erhellt,  dass  eine 
Redaction  des  Tractates  Kelim  zur  Zeit  des  R.  Jose  (ben  Chalephta]  stattge- 
funden hat.  —  Auf  verschiedene  Schichten  in  der  (sei  es  mündlichen  oder 
Hchriftlichen)  Fixirung  der  Tradition  deuten  auch  solche  Stellen,  wo  über  den 
Sinn  der  von  älteren  Gelehrten  aufgestellten  Sätze  verhandelt  wird,  z.  B. 
Ohalnth  II,  3.     Tuhm-oth  IX,  3. 

24)  Epiphaniua  haer.  33,  9  ip.  224  erl.  Petav.):  AI  yuQ  nttgadooetq  rwv 
TiQtaßvxhQtov  ötvxfQ(üaei(i  napa  toTq  '[ovSalotq  Xfyovrai.  lilal  «J^  avrai  xüoi^agfc:' 
filtt  fihv  t)  fiq  ovofiu  Ma)vai(oq  (pepo/ikP^'  6fvTi\>a  6h  i]  xov  xalovßt'vov  'Paßßl 
/ixtßd'  tgltt)  )idAa  f/toi  'lovia'  Tfrapri/  xiöv  doJv  /iaaftwvalov.  Fast  glcicli- 
laut«nd  äussert  Mich  Epiphanius  noch  an  einer  Hridcrcn  Stelle,  /mcr.  15  (/;.  33  eii. 
Peinv.):  äemtQ(oafi(;  Sh  na(t'  avtolq  xfuaaQK;  i,aav  fila  (xlv  flq  ovofxa  Mcuvaiwq 
to6  npo'pijtov,  devx/pa  öl  flg  xov  öuhlaxalov  avtdiv  lixlßav  o'vxo)  xakovfjievov 
1j  BoQttxlßav  &XXtj  «5J-  ^Iq  xov  livöav  i]  "Avvav  zbv  xal  'lo!öav  Itiq«  öh  tiq  xoig 
vioi/i  kaafdatvttlov.    Ganz  verworren  ist  eine  dritte  Stolle,  /lurr.  12  {/>.  332  ed. 


[96]  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  123 

chen  jüdischen  Gelehrten  festgehaltene  Ansicht,  dass  schriftliche 
Aufzeichnungen  nicht  vor  der  Zeit  des  Juda  ha-Nasi,  ja  selbst 
unter  diesem  noch  nicht  stattgefunden  hätten,  stützt  sich  auf  das 
angebliche  Verbot  einer  schriftlichen  Aufzeichnung  der  Halacha. 
dessen  Alter  und  Tragweite  aber  selbst  fraglich  isf^^).  —  Jeden- 


Petav.):  /näd^s  .  .  .  nöis  öh  >]  napäSoaig  avToZ<;  yiyovs  tüJj'  nQeaßvxeQwv,  xal 
evQTjaeiq  oxi  tov  (xiv  daßlä  fxexa  xt/v  ix  BaßvXdivoi;  inävoSov,  xov  de  'Axißü  xal 
ngo  x<5v  Baßvlcuvtxwv  aiyfia?.(oaiwv,  ysyivrjxai,  x<Lv  6s  vlütv^Aaaufnuvalov  iv  -iQO- 
voiQ  l4?.s§äväQov  xal  kvxiüxov.  —  Unter  der  „Deuterose  des  Moses"  ist  das  Deute- 
ronomium  zu  verstehen,  unter  der  „Mischna  der  Hasmonäer"  vermuthlicli  die 
Anordnungen  des  Johannes  Hyrkanus,  welcher  die  pharisäischen  Satzungen 
beseitigte  und  dadurch  ein  neues  Recht  schuf.  Ein  Ck)dex  dieses  hasraonäischen 
Rechtes  wird,  wie  es  scheint,  Megillath  Taauith  §  10  erwähnt;  vgl.  hierzu 
Derenbourfj,  Histuire  de  la  PaJestine  p.  103.  —  Von  einem  „Ordnen"  der 
Halachoth  durch  R.  Akiba  ist  auch  Tosephta  Sabiyn  I  die  Rede  {ed.  Zucker- 
mandel p.  076,  33 :  Q'^T^a^rb  msbn  -no^  vorp:i  'n  n'^najs),  während  unter  der 
„Mischna  des  R.  Akiba"  Satihedrin  III,  4  wohl  nur  dessen  mündliche  Lehre 
zu  verstellen  ist.  Vgl.  überhaupt  über  Akiba's  Thätigkeit  als  Redactor:  Zunz, 
Die  gottesdienstlichen  Vorträge  der  Juden,  S.  46.  Jost,  Gesch.  des  Juden- 
thums  II,  112.  Grätz,  Gesch.  der  Juden  IV,  430  f.  Schlatter,  Der  Chro- 
nograph aus  dem  zehnten  Jahre  Antonius  (Texte  und  Unters,  von  Gebhardt 
und  Harnack  XII,  1)  1894,  S.  87-89. 

25)  Genaueres  hierüber  s.  bei  Strack  in  Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl.  XVIII, 
331—337.  Einleitung  in  den  Thalmud  2.  Aufl.  8.49—62.  Nach  Grätz  (Monats- 
schrift für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1873,  S.  35)  war  die  Mischna 
im  vierten  Jahrhundert  (!!)  noch  nicht  niedergeschrieben  (I!).  —  Für  die 
Annahme  schriftlicher  Mischna-Sammlungen  vor  derjenigen  des  R. 
Juda  ha-Nasi  ist  in  neuerer  Zeit  vor  allem  Franke  1  eingetreten  [Hodegetica 
in  Mischnam  1859),  welcher  eine  Mischna  des  R.  Akiba  und  eine  solche  des 
R.  Meir  statuirte.  Vgl.  ferner:  Lewy,  Ueber  einige  Fragmente  aus  der 
Mischna  des  Abba  Saul,  Berlin  1876  (Programm  der  Hochschule  für  die 
Wissenschaft  des  Judenthums  in  Berlin);  hierzu  die  Anzeige  in:  Magazin  für 
die  Wissensch.  des  Judenth.  IV,  1877,  S.  114—120.  —  Derenbourg,  Histoire 
de  la  Palest  ine  p.  399— 401.  —  Derenbourg,  Essai  de  restüufion  de  Vancienve 
redaction  de  Massechet  Kippoiirim  {Reime  dex  etudesjuives  t.  VI,  1883,  jö.  41—80). 
—  D.  Hoff  mann,  Die  erste  Mischna  und  die  Controversen  der  Tannaim 
(Jahresbericht  des  Rabbiner-Seminares  in  Berlin  1882)  —  Derselbe,  Be- 
merkungen zur  Kritik  der  Mischna  (Magazin  für  die  Wissensch.  des  Judenth. 
VIII,  1881;  IX,  1882;  XI,  1884).  —  Lern  er.  Die  ältesten  Mischna-Composi- 
tionen  (Magazin  für  die  Wissenschaft  des  Judenth.  XIII,  1886).  —  Strack  in 
Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl.  XVIII,  335—337.  Ders.,  Einl.  in  den  Thalmud 
2.  Aufl.  S.  59 — 62.  —  Derenbourg  fasst  seine  Ansicht  folgendermaassen  zu- 
sammen (Pevue  VI,  41):  Chi  sait  qu'  il  y  eiit,  depuis  la  destruetion  du  second 
femple  jusqu'  au  commencement  du  troisieme  siede  apres  l'ere  vulgaire,  diffe- 
rentes  redactions  de  la  Mischnäh.  La  premiere  redaction  complete  parait  avoir 
ete  entreprise  par  R.  Akiba  avant  la  guerre  d'Adrien.  Lors  de  la  reouverture 
des  Ecoles  sous  le  premier  Antonin,  R.  Meir  reprit  le  metne  travail;  enfm 
R.  Jehouda,  le  patriarche,  descendant  de  la  celebre  famillc  de  Hillel,  eomposa  le 
Code  qui  devait  servir  de  base  ä  toutes  les  etudes  rabbiniques  posterieures. 


124  §  3.   Quellen.   E,  Die  rabbinische  Literatur.  [96.  97.  98] 

falls  ist  soviel  |  sicher,  dass  in  der  Mischna  das  jüdische  Eecht  in 
derjenigen  Ausbildung  codificirt  ist,  welche  es  vom  Ende  des  ersten 
bis  zum  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  nach  Chr.  in  den  Schulen 
Palästina's  erhalten  hat. 

2.  Die  Tosephta. 

Die  Mischna  des  R.  Juda  ha-Nasi  ist  allgemein  zu  kanonischem 
Ausehen  gelangt  und  hat  als  Grundlage  für  die  weitere  Rechts- 
entwickelung gedient.  Nicht  zu  demselben  Ansehen  gelangte  eine 
andere  uns  erhaltene  Sammlung,  die  sogenannte  Tosephta  (xnäpoin, 
additamentum)  '^%  Auch  der  hier  gesammelte  Stoif  gehört  im  Wesent- 
lichen noch  dem  Zeitalter  der  Tannaim  an  (ö''S?3n  aram.  =  öev- 
TSQorai,  die  Gelehrten  des  Zeitalters  der  Mischna).  Die  Anordnung 
ist  ganz  dieselbe  wie  in  der  Mischna.  Von  den  63  Tractaten  der 
Mischna  fehlen  in  der  Tosephta  nur  Aboth,  Tamid,  Middoth  und 
Kinnim.  Die  übrigen  59  Tractate  (nicht  bloss  52,  wie  Zunz,  Die 
gottesdienstlichen  Vorträge  S.  50  t  angiebt)  haben  ihre  genaue 
Parallele  in  der  Tosephta.  Beide  sind  also  nahe  verwandt.  Die 
Art  dieses  Verwandtschaftsverhältnisses  ist  zwar  noch  nicht  hin- 
reichend aufgehellt.  Es  darf  aber  zweierlei  als  ziemlich  sicher 
bezeichnet  werden:  1)  dass  die  Tosephta  nach  dem  Plane  der 
Mischna  angelegt  ist  und  eine  „Ergänzung"  derselben  sein  will| 
(wie  ihr  Name  besagt),  und  2)  dass  den  Redacteuren  für  ihr  Untei-- 
nehmen  Quellen  zu  Gebote  gestanden  haben,  welche  älter  sind  als 
unsere  Mischna.  Daher  werden  einerseits  in  der  Tosephta  bereits 
Autoritäten  der  nachmischnischen  Zeit  citirt,  während  andererseits 
die  Tosephta  nicht  selten  den  ursprünglichen  und  vollständigen 
Wortlaut  erhalten  hat,  wo  die  Mischna  schon  einen  abgekürzten 
Text  giebf^').  Die  Haggada  tritt  in  der  Tosephta  viel  stärker  auf 
als  in  der  Mischna. 

Eine  vollständige  Separat-Ausgabe  der  Tosephta  ist  erst  in  neuerer  Zeit 
von  Zuckermandel  veranstaltet  worden:  Toscfta  nach  den  Erfurter  und  Wiener 
HandHchriften  mit  ParallelHtellen  und  Varianten,  herausgegeben  von  M.  S. 
Zuckermandel,  Pasewalk  1880.  Supplement,  enthaltend Uebersicht, Register, 

20)  Nicht  zu  verwechseln  mit  den  Tosapfwth,  den  Erläuterungen  des  baby- 
loniHchen  Talmuds  aus  den  franKÖHiHchon  Ual)l)in(>iischuleii  des  Mittelalters; 
H.  üb«r  diese  Tosaphisten  Zunz,  Zur  GcHcliicIite  und  Literatur  (1845)  S.  29  fl'. 

27)  Dieser  Thatbestand  hat  Zuckeruiutidol  zu  der  sicher  unrichtigen 
Annahme  veritihrt,  dass  „die  uns  erhaltene  ToKcphta  die  urH|>rünglichen  Tlieilu 
der  paUitinensischen  Mischna  enthalte,  welche  den  Text  zur  jerusalomischen 
(«emarabildetei  während  unmTc  MiHchrui  aus  derToHcphta  iti  den  babylonischen 
Amoraachulen  all  theÜH  verkürzter,  theils  atneudirtcr  gültiger  neuer  Codex 
hervorgegangen  i«t'<  (MooataBchr.  1874,  S.  189). 


[98.  99]  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  125 

und  Glossar,  Trier  1882—1883.  Hierzu  die  Recension  von  Schwarz  in  der 
Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1881,  S.  85 — 95.  —  Zwei 
andere  in  neuerer  Zeit  begonnene  Ausgaben  sind  meines  Wissens  nicht  zum 
Abschluss  gekommen,  nämlich:  1)  La  Tosephta,  Hvraison  Serdim,  avec  le  com- 
mentaire  Hosek  Schlomoh  etc.  etc.  par  Lev.  Friedlaender,  Presbourg  1889. 
Dasselbe,  Hvraison  Naschim  1890.  2)  Tosifta  juxta  Mischnarum  ordiiiem  re- 
composita  et  commentario  instructa  auctore  Adolpho  Schwarx,  Pars  I,  ordo 
Sera'im,  Vilna,  impr,  liomni,  1890  (hierüber:  Magazin  für  die  Wissensch.  des 
Judenth.  XVIII,  1891,  S.  145—154).  —  Auf  den  zweiten  Seder  beschränkt  sich: 
M.  Friedmann,  Die  Toseftoth  zu  den  Mischna-Tractaten  Seder  Moed,  Thl. 
1—3,  1899—1001.  —  Ueber  die  Erfurter  Handschrift  (jetzt  in  Berlin):  Zucker- 
mandel, Die  Erfurter  Handschrift  der  Tossefta,  Berlin  1876,  und  Lagarde, 
Symmicta  I,  1877,  S.  153—155.  —  Früher  war  die  Tosephta,  abgesehen  von 
Separat-Ausgaben  einzelner  Theile,  nur  gedruckt  in  den  Ausgaben  des  Alfasi. 
S.  hierüber  und  über  unvollständige  Separat-Ausgaben:  Fürst,  Bibliotheca 
Judaica  I,  34—36,  173.  Steinschneider,  Catalofjus  libroruvi  hebr.  in  hiblioth. 
Bodleiana  col.  647  sq.  1087  sqq.  {Zedner)  Catalof/ue  of  the  liebrew  books  in  the 
librarif  of  the  British  Museum  p.  366  sq.  1hl. 

Ein  grosser  Theil  der  Tosephta  (zu  31  Tractaten)  ist  in  Ugolini  Thesaurus 
antiquitatum  sacrarnm  in's  Lateinische  übersetzt;  nämlich  t.  XVII: 
Schabbath,  Erubin,  Pesachim;  t.  XVIII:  Die  übrigen  neun  Tractate  des  zweiten 
Seder;  t.  XIX  folgende  acht  Tractate  des  fünften  Seder:  Sebachim,  Menachoth, 
Chullin,  Bechoroth,  Temura,  Me'ila,  Kerithoth,  Arachin;  t.  XX:  Die  sämmtlichen 
elf  Tractate  des  ersten  Seder. 

Ueber  die  Tosephta  überhaupt:  Zunz,  Die  gottesdienstlichen  Vorträge 
der  Juden  (1832)  S.  50  f.  87  f.  —  Dünner,  Halaehisch-kritisohe  Forschungen 
(Monatsschr,  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1870,  S.  298—308,  355— 
364).  —  Dünner,  Die  Theorien  über  Wesen  und  Ursprung  der  Tosephta 
kritisch  dargestellt,  Amsterdam  1874.  —  Zuckermandel,  Verhältniss  der 
Tosifta  zur  Mischna  und  der  jerusalemischen  Gemara  zur  babylonischen 
(Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1874—1875).  —  Schwarz, 
Studien  über  die  Tosifta  (Monatsschr.  1874 — 1875).  —  Zuckermandel,  Tosefta- 
Varianten  (Monatsschr.  1880—1881).  —  Schwarz,  Die  Tosifta  des  Tractates 
Sabbath  in  ihrem  Verhältnisse  zur  Mischna  kritisch  untersucht,  Karlsruhe  1879 
(hierzu  die  Anzeige  in:  Magazin  für  die  Wissensch.  des  Judenth.  IX,  1882, 
S.  105—112).  —  Schwarz,  Die  Tosifta  des  Tractates  Erubin  in  ihrem  Ver- 
hältnisse zur  Mischna  kritisch  untersucht,  Karlsruhe  1882  (hierzu:  N.  Brüll, 
Jahrbb.  für  jüd.  Gesch.  und  Lit.  VII,  1885,  S.  140—144).  —  D.  Hoffmann, 
Mischna  und  Tosefta  |  (Magazin  für  die  Wissensch.  des  Judenth,  IX,  1882, 
S.  153—163).  —  Hamburger,  Real-Enc.  für  Bibel  und  Talmud  Abth.  II, 
S.  1225—1227  (Art.  „Tosephta").  —  N.  Brüll,  Begriff  und  Ursprung  der 
Tosefta  (Jubelschrift  zum  neunzigsten  Geburtstag  des  Dr,  L.  Zunz,  Berlin  1884, 
S.  92—110).  —  Pick,  Die  Tosefta-Citate  und  der  hebräische  Text  fZeitschr. 
für  die  alttestamentl.  Wissensch.  1886,  S.  23—29).  —  Strack  in  Herzog's 
Real-Enc.  2.  Aufl.  XVIII,  298  f.    Ders.,  Einl.  in  den  Thalmud  2.  Aufl.  S.  58. 


3.  Der  jerusalemische  Talmud. 

Auf  Grund  der  Mischna  wurde  die  juristische  Discussion  in  den 
Schulen  Palästina's,  besonders  in  Tiberias,  im  dritten  und  vierten 


126  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinisclie  Literatur.  [99.  100] 

Jahrhundert  mit  imermüdlichem  Eifer  fortgesetzt.  Durch  Codificirung 
des  hierdurch  aufs  neue  angesammelten  Stoffes  entstand  im  vierten 
Jahrh.  nach  Chr.  der  sogenannte  jerusalemische,  richtiger  palästi- 
nensische Talmud'^^).  In  demselben  wird  der  Text  der  Mischna 
Satz  für  Satz  vorgenommen  und  durch  immer  weiter  sich  verlie- 
rende casuistische  Distinction  erläutert.  Zur  Erläuterung  werden 
nicht  nur  die  Ansichten  der  „Amoräer"  (der  Gelehrten  der  nach- 
mischnischen  Zeit),  sondern  vielfach  auch  noch  Lehrsätze  aus  dem 
Zeitalter  der  Mischna  herangezogen.  Solche  Sätze  aus  älterer  Zeit, 
welche  in  der  Mischna  keine  Aufnahme  gefunden  haben,  nennt 
man  Barajtha's  (Kn'^'ia,  ,,extranea''  seil,  traditio).  Sie  werden  im 
Talmud  in  hebräischer  Sprache  citirt,  während  im  Uebrigen  die 
Sprache  des  Talmud  die  aramäische  ist.  —  Die  Abfassungszeit  des 
palästinensischen  Talmud  ergiebt  sich  daraus,  dass  zwar  noch  die 
Kaiser  Diocletian  und  Julian  erwähnt  werden,  aber  keine  jüdischen 
Autoritäten,  die  später  als  um  die  Mitte  des  vierten  Jahrhunderts 
anzusetzen  wären  2^).  —  Neben  der  Halacha,  welche  den  Haupt- 
Inhalt  bildet,  findet  sich  auch  reichlich  haggadischer  Stoffe«).  —  | 
Ob  der  palästinensische  Talmud  sich  je  über  die  ganze  Mischna 
erstreckt  habe,  ist  streitig.  Erhalten  ist  uns  derselbe  nur  zu  den 
vier  ersten  Sedarim  (mit  Ausnahme  der  Tractate  Edujoth  und  Aboth) 
und  zum  Tractat  Nidda-*'). 


28)  "Tsna^ri  ist  =  „Lehre",  z.  B.  Sota  V,  4—5;  VI,  3.  nnitn  i>inbri  Peal,\\ 
Kethnhoth  V,  6;  Kerithoth  VI,  9.  Vgl.  Bacher,  Die  älteste  Terminologie 
der  jüdischen  Schriftauslegung  S.  94 — 96,  199 — 202.  —  Die  beiden  ßestand- 
theile  des  Talmud,  nämlich  den  zu  Grunde  liegenden  Mischna-Text  und  die 
erläuternde  Discussion,  pflegt  man  auch  als  „Mischna"  und  „Gemara"  zu 
unterscheiden  (»"^ttS,  von  "i^s  vollenden).  Dieser  Spracligebrauch  ist  aber  dem 
jüdischen  Alterthum  noch  fremd.  Im  Talmud  selbst  heisst  die  sogenannte 
Gemara  immer  „Talmud",  s.  Strack,  Theol.  Literaturzeitung  1880,  388  (in 
der  Recension  von  Wünsche,  Der  jerusalemische  Talmud),  Herzog's  Real-Enc. 
2.  Aufl.  XVIII,  299  (nach  Laties,  Sat/gio  tli  giwite  e  correxioni  al  lessico  talmu- 
ilico,  Turin  1879).    Einl.  in  den  Thalmud  S.  3. 

29)  8.  bes.  Z  u  n  z ,  Die  gottesdienstlichen  Vorträge  S.  52  f.  Die  Stellen 
über  Diocletian  au(^h  bei  Lif/htfoot,  Ccniwia  chorogr.  Matthaeo  praeniissa 
f.  81  {opp.  II,  228).  KrauBH,  Griechische  und  lateinische  Lehnwörter  im 
Talmud  etc.  II,  1899,  8.  212. 

30)  Die  haggadiHchcn  Stücke  sind  zusammengestellt  in  dem  Werk  Jepho 
mar  eh  (nxnij  ni^)  des  Samuel  Japhe  (10.  ,Fuhrh).  8.  hierüber:  Wolf,BHMofh. 
Jleftr.  I,  n(i4.  Ili',  1109.  IV,  995.  Füml,  BUtlioth.  .lud.  II,  \).  90.  Stein- 
»ehneider,  Catal.  col.  2427.  {Zedner)  Gatal.  of  thr  British  Mn.smm  p.  750 «7. 
Strack  in  Henog'i Real-Enc.  2.  Aufl. XVIII,  3(Wf.  Einl.  in  den  Thalmud  8.122.  — 
Eine  dentcche  Uebersetcang  der  haggadischcn  8tüike  giebt:  WihiHche,  Der 
Jemaalemifche  Talmnd  in  seinen  haggadischcn  Bcstandthcilen  zum  erst(  u 
Male  in't  Deutoche  flbertragen,  Zürich  1880. 

31)  Hpurcn  von   dem  Vorliandensein   anderer  Theile  s.  bei  Zunz,   Die 


[100]  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  127 

4.  Der  babylonische  Talmud. 

Durch  Abba  Areka,  genannt  Rab,  einen  Schüler  des  K, 
Juda,  soll  die  Mischna  nach  Babylonien  gebracht  worden  sein  ^•). 
Auch  in  den  dortigen  Schulen  wurde  sie  als  Grundlage  für  die 
fortschreitende  juristische  Discussion  benützt.  Das  unabsehbare 
Anschwellen  des  Stoffes  führte  auch  hier  allmählich  zur  Codifi- 
cirung.  Dieselbe  ist  wahrscheinlich  im  fünften  Jahrhundert  nach 
Chr.  unternommen,  aber  erst  im  sechsten  Jahrhundert  zum  Ab- 
schluss  gebracht  worden.  —  Auch  im  babylonischen  Talmud  wer- 
den häufig  Aussprüche  älterer  Gelehrter  in  hebräischer  Sprache 
citirt.  Die  Sprache  des  Talmud  selbst  ist  der  aramäische  Dialect 
Babyloniens.  —  Die  Haggada  ist  hier  noch  reichlicher  vertreten 
als  im  palästinensischen  Talmud  •^^).  —  Auch  der  babylonische  Tal- 
nmd  erstreckt  sich  nicht  über  die  ganze  Mischna.  Es  fehlen  darin: 
Der  1.  Seder  ganz  ausser  Berachoth;  im  2.  Schekalim;  im  4.  Edujoth 
und  Aboth;  im  5.  Middoth  und  Kinnim  und  die  Hälfte  von  Tamid; 
der  6.  ganz  ausser  Nidda  (s.  Zunz  S.  54).  Er  erstreckt  sich  also 
nur  über  36 V2  Tractate,  während  im  palästinensischen  39  Tractate 
behandelt  sind.  Trotzdem  hat  der  babylonische  mindestens  den 
vierfachen  Umfang  des  palästinensischen,  ist  in  Europa  seit  dem 
Mittelalter  eifriger  studirt  worden  und  steht  in  weit  höherem 
Ansehen  3*).  | 


gottesdienstlichen    Vorträge    S.  54.    Strack    in   Herzog's   Real-Enc.  XVIII, 
337  f.    Einl.  in  den  Tlialmud  S.  63-65. 

32)  S.  über  ihn:  Mühlfelder,  Rabh  ein  Lebensbild  zur  Geschichte  des 
Talmud,  Leipzig  1871. 

33)  S.  Zunz  S.  94.  —  Gesammelt  ist  die  Haggada  aus  dem  babylonischen 
Talmud  in  dem  Werk  En  Jakob  (n'lp?^  'p?)  oder  En  Jisrael  (bjtnil";!  'pr)  des 
Jakob  Chabib  (15.  Jahrb.).  S.  hierüber:  Wolf,  Bibliuth.  Hehr.l\'b^\  III, 
456  f.  IV,  806  f.  Zunz  S.  94.  Fürst,  Biblioth.  Jud.  I,  151  f.  Steinsehneider, 
Catal.  col.  1196  ff.  (Zedner),  Catalogue  of  the  British  Museum  p.  746.  Strack 
in  Herzog's  Real-Enc.  XVIII,  364  f.  Einl.  iu  den  Thalmud  S.  122.  —  Eine 
deutsche  Uebersetzung  der  Haggada's  im  babylonischen  Talmud  giebt: 
Wünsche,  Der  babylonische  Talmud  in  seinen  haggadischen  Bestandtheilen 
wortgetreu  übersetzt  und  durch  Noten  erläutert,  1.  Halbbd.  1886,  2.  Halbbd. 
in  4  Abtheilungen  1887—1889. 

34)  Da  der  erste  und  letzte  Seder  mit  Ausnahme  je  eines  Tractates 
[Berachoth  und  Niddxi)  keine  Gemara  haben,  so  zählte  man  zuweilen  nur  vier 
Sedarim  (s.  Loeb,  Revue  des  ettules  juives  t.  XVI,  1888,  p.  282— 2S6).  —  In 
Betreff  der  Citationsweise  ist  zu  merken,  dass  die  Tractate  der  Mischna 
nach  Capiteln  und  Mischna's,  die  des  palästinensischen  Talmud's  ent- 
weder ebenso  oder  nach  den  Seitenzahlen  der  Krakauer  Ausgabe,  die  des 
babylonischen  Talmud's  nach  den  in  allen  Ausgaben  identischen  Seiten- 
zahlen citirt  werden.  Es  bezieht  sich  demnach  z.  B.  M.  Berachoth  IV,  3  (auch 


128  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [101] 

Auch  nach  Abschluss  des  Talmud  hat  die  juristische  Discussion 
niemals  geruht.  Sie  ging  fort  im  Zeitalter  der  Geonim  (7.  bis 
10.  Jahrb.),  und  wurde  weiter  gepflegt  in  den  Schulen  der  arabi- 
schen und  europäischen  Juden  des  Mittelalters  und  der  neueren 
Zeit  Unter  den  zahlreichen  Werken,  welche  der  Bearbeitung  und 
Darstellung  des  jüdischen  Rechtes  in  dieser  späteren  Zeit  gewidmet 
sind,  mögen  zwei  wegen  des  grossen,  fast  kanonischen  Ansehens, 
das  sie  gewonnen  haben,  hier  noch  genannt  sein:  die  Mischne 
Thora  oder  Jad  ha-chasaka  des  Moses  Mairaonides  (geb.  1135, 
gest.  1204)  und  der  Schulchan  Aruch  des  Joseph  Karo  (geb. 
1488,  gest.  1575).  Eine  gute  Uebersicht  über  die  Geschichte  dieser 
ganzen  jüdisch-rechtlichen  Literatur  nebst  kurzen  Textproben  geben 
Kaminka  und  Back  in:  Winter  und  Wünsche,  Die  jüdische 
Literatur  seit  Abschluss  des  Kanons  Bd.  11,  1894,  S.  1—63,  341—605. 
Vgl.  auch  Steinschneider  in  Krsch  und  Grubers  Encycl,  Section  II, 
Bd.  27,  1850.  S.  361  ft".  387 ft'.  (im  Artikel:  Jüdische  Literatur). 

Die  Literatur  zur  Mischna  und  den  beiden  Talmuden  (Ausgaben,  Ueber- 
setzungen,  Erläuterungsschrifteu)  verzeichnen:  Wolf,  Bihlioth.  Hebr.  II, 
700-724,  882— ni3,  IV,  321—327,  437—445.  Winer,  Handb.  der  theol.  Lite- 
ratur I,  523—525.  Fürst,  Biblioth.  Jiidaica  II,  40—49,  94—97  (Mischna  und 
paläst.  Talmud).  Steinschneider,  Catalogiis  librorwn  liebraeorum  in  Biblio- 
theca  Bodleiana  (1852-18(30)  col.  209—294.  {Zedner)  Catalogue  of  the  hebrew 
Imoks  in  the  library  of  the  British  Museum.  (1867)  p.  545—555,  739—751.  Raph. 
Rabbinovicz,  Kritische  Uebersicht  der  Gesammt-  und  Einzelausgaben  des 
babylon.  Talmud's  seit  1484,  München  1877  (hebr.  geschrieben).  Strack  in 
Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl.  XVIII,  342  ft'.,  357— 368.  Ders.,  Einl.  in  den 
Tlmlmud,  2.  Aufl.  S.  72  ft".  10<3— 130.  Max  Freudenthal,  Zum  Jubiläum  des 
ersten  Talmuddrucks  in  Deut.*ichland  (Monatsschrift  für  Geschichte  und 
Wissensch.  des  Judenth.  1898,  S.  80  fl".  134  ft".  180  ft".  229  ft".  278  ft".).  Bischoff, 
Kritische  Geschichte  der  Thalmud-Uebcrsetzungen  aller  Zeiten  und  Zungen. 
Frankf.  a.  M.  1899.  —  Wir  heben  nur  Folgendes  hervor: 

Ausgaben  und  Uebersetzungcn  der  Mischna: 

Mischna  sive  totiiu  Hebraeorum  juris,  rittium,  antiquitatum  ac  Icyum  oralium 
syatema  cum  ela/riasimoruni  linlMnorum  Maimonidis  et  Bartetiorae  eommen- 
tariis  intrgris  etc.  Latin itate  donavit  ac  notis  illustrnvit  Ouil.  Suren- 
husiuM.    V)  voll.  fol.  Arnstnlaed.  1698—1703. 

MiHciina  etc.,  aus  dem  TI<0»r.  übersetzt,  umHchricbcn  und  mit  Anmerkungen 
erlÄuUirt  von  Joh.  Jak.  Rabe.  (J  Thlc.,  Onol/.lmch  17()0-17()3  (ohne 
hebr.  Text).  —  Die  Ucbersotzung  ist  oft  zu  paraphraBtisch. 

'iri  ns««  •'i-jD  neu:,  6  Thie.,  Berlin,  J.  Lewent,  1882-1834  [herausgegeben 
Auf  VcrRtiHtaltung  der  GesellHchafl  von  Freunden  der  Thora  und  Wissen- 


bloM:  Beraeholh  IV,  3)  auf  die  Mischna, /er.  Berachoth  IV,  3  auf  den  i)alästi- 
Denninchen  Talmud,  hob.  Berachoth  28^  (auch  bloss  Berachoth  28'*)  auf  den 
babylooUcben  Talmud. 


[101.  102]  §  3.    Quellen.    E.  Die  rabbinische  Literatur.  129 

Schaft  zu  Berlin  unter  Leitung  von  J.  M.  Jost].  —  Punktirter  Text  mit 
deutscher  Uebersetzung  in  hebräischer  Schrift  und  einem 
kurzen  hebr.  Commentar. 

The  Mishna  on  which  the  Palestinian  Talmud  rests,  edited  from  Oie  uniqtie 
manuscripl  preserved  in  the  University  Library  of  Cambridge  Add.  470,  1 
by  Lowe.  Cambridge  1883  (genauer  Abdruck  einer  werthvollen  Cambridger 
Handschrift,  die  jedoch  nicht  die  „einzige"  in  ihrer  Art  ist,  da  cod.  de 
Rossi  138   zu  Parma   denselben  Text,   vielleicht  noch   besser,    darbietet). 

Mischnajoth,  Die  sechs  Ordnungen  der  Mischna.  Hebräischer  Text  mit 
Punktation,  deutscher  Uebersetzung  und  Erklärung,  von  A.  Sammter. 
Thl.  I,  Ordnung  Seraim,  Berlin  1887,  Thl.  II,  Ordnung  Moed,  fortges. 
von  Baneth,  18S7  ft".  Thl.  III,  Ordnung  Naschim,  herausgeg.  von  Petu- 
chowski,  189G  ft",  Thl.  IV,  Ordnung  Nesikin,  hrsg.  von  D.  Hoffmann, 
1893—1898  (wenn  diese  noch  in  der  Fortsetzung  begriffene  Ausgabe  voll- 
endet sein  wird,  wird  sie  für  den  Handgebrauch  des  christlichen 
Theologen  am  empfehlenswerthes ten  sein;  die  deutsche  Ueber- 
setzung schliesst  sich  eng  an  die  Jost'sche  an,  ist  aber  mit  deutscheu 
Lettern  gedruckt). 

Ausgaben  des  hebräischen  Textes  mit  kurzen  hebräischen  Commentaren  sind 
zu  allen  Zeiten  in  grosser  Zahl  erschienen,  in  neuerer  Zeit  z.  B.  bei  Sitten- 
feld in  Berlin  1863,  Cohn  in  Berlin  1876,  und  anderwärts. 

des  palästinensischen  Talmud: 

Die  editio  prineeps  erschien  bei  Bomberg  in  Venedig,  fol.,  ohne  Jahreszahl 
(nach   Wolf,  Bihl.  Hei»-.  IV,  439  im  J.  1523  oder  1524). 

Ausserdem  erschienen  nur  noch  drei  vollständige  Ausgaben  zu  Krakau  1609,  ] 
zu  Krotoschin  1866,  und  zu  Shitomir  in  4  Bden.  fol.  1860—1867.  —  Einige 
andere  sind  in  den  Anfangen  stecken  geblieben  (Herzog's  Real-Enc. 
XVIII,  343). 

Eine  lateinische  Uebersetzung  eines  grossen  Theiles  des  palästinensischen 
Talmud  (19  Tractate)  s.  in  Ugolini  Tfiesaurus  antiqq.  saer.,  nämlich 
t.  XVII:  Pesachim,  t.  XVIII:  Schekalim,  Joma,  Sukka,  Bosch  ha^chaua, 
Taanith,  Megilla,  Chagiga,  Beta,  Moed  katan;  t.  XX:  Maaseroth,  Challa, 
Orla,  Bikkurim;  t.  XXV:  Sanhedrin,  Makkoth;  t.  XXX:  Kidduschin,  Sota, 
Kethuboth. 

Eine  französische  Uebersetzung  ist  in  neuerer  Zeit  von  M.  Schwab 
unternommen  worden.  Bd.  I  erschien  zuerst  unter  dem  Titel:  Trait^ 
des  Berachoth  du  Talmud  de  Jimsaletn  et  du  Talmud  de  Babylone, 
tradtcit  pour  Ja  premiire  fois  en  fran^ais  par  M.  Schwab,  Paris  1871. 
Die  folgenden  Bände  unter  dem  Titel:  Le  Talmud  de  Jerusalem,  fraduif 
puitr  la  premiere  fois  par  Moise  Schwab,  und  zwar  t.  II  1878  (Pea,  Demai, 
Kilajim,  Schebiith),  III  1879  iTerumoth,  Maaseroth,  Maaser  scheni,  Challa, 
Orla,  Bikkurim),  IV  1881  (Schabbath,  Erubin],  V  1882  (Pesachim,  Joma, 
Schekalim),  VI  1883  (Sukka,  Roseh  haschana,  Taanith,  Megilla,  Chagiga, 
Moed  katan),  VII  1885  (Jebamoth,  Sota),  VIII  1886  (Kethuboth,  Nedarim. 
Gittin),  IX  1887  (Gittin  Schluss,  Nasir,  Kidduschin),  X  1888  (Baba 
kamma,  Baba  mezia,  Baba  bathra,  Sanhedrin  1—6).  XI  1889  (Sanhedrin 
Schluss,  Makkoth,  Schebuotli,  Aboda  sara,  Horajoth,  Xidda)  [hiermit  voll- 
ständig]. Bd.  I  in  neuer  Aufl.  u.  d.  T.:  Le  Talmud  de  Jerusalem  etc.  f.  I. 
nouvelle  Mition,  TraitS  des  Berakhoth,  Paris  1890. 
Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  9 


130  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [102.  103 

Wünsche ,  Der  jerusalemische  Talmud  in  seinen  haggadischen  Bestandth eilen 
in's  Deutsche  übertragen,  Zürich  1880  (giebt  nur  die  haggadischen  Stücke!). 

des  babylonischen  Talmud: 

Die  editio  princeps  erschien  bei  Bomberg  in  Venedig  in  12  Eden.  fol.  1520  ff. 
(mit  dieser  Ausgabe  stimmen  alle  folgenden  in  den  Seitenzahlen  genau 
überein). 

Unter  den  zahlreichen  späteren  Ausgaben  ist  keine,  welche  kritischen  Grund- 
sätzen genügte;  namentlich  hat  die  christliche  Censur  arge  Verwirrung- 
angerichtet (s.  in  der  Kürze:  Strack  in  Herzog's  Eeal-Enc.  XVIII,  343  f. 
Einl.  in  den  Thalmud  S.  73  ff.). 

Gut  ausgestattete  Drucke  erschienen  in  neuerer  Zeit  z.  B.  bei  Sittenfeld  in 
Berlin,  12  Bde.  fol.  1862—1868,  in  Wien  1864—1872,  in  Warschau 
1876—1878,  und  anderwärts. 

Eine  Octav-Ausgabe  besorgte  M.J.Landau:  Talmud  Babli,  mit  Raschi, 
Tosaphot  und  allen  bekannten  Zugaben  herausgeg.  von  M.  J.  Landau. 
Neue  Ausg.  24  Bde.  8.  Prag  1840—1846  (vgl.  über  diese  Ausg.  Fürst' s 
Literaturbl.  des  Orients  1841,  Nr.  36.  47—48). 

Eine  Ausgabe  in  gr.  4.  mit  deutscher  Uebersetzung  hat  L.  Goldschmidt 
begonnen  (Der  babylonische  Talmud,  hrsg.  nach  der  ed.  princeps  nebst 
Varianten  etc.,  möglichst  wortgetreu  übersetzt  und  mit  kurzen  Erklärungen 
versehen  von  Laz.  Goldschmidt,  Berlin  1896  ff. ;  von  Bd.  III  an,  Sukkah  etc., 
1898  ff.,  auch  die  Uebersetzung  für  sich  allein).  Ausgabe  und  Ueber- 
setzung leiden  aber  an  starken  Mängeln,  s.  Theol.  Litztg.  1896,  477. 
1898,  631. 

Uebersetzungen  in  abendländische  Sprachen  giebt  es  bis  jetzt  (so  lange 
Goldschmidt's  und  Rodkinson's  Ausgaben  nicht  vollendet  sind)  nur  zu 
einzelnen  Tractaten  oder  ausgewählten  Stücken. 

In  Ogolini  Thesaurus  sind  drei  Tractate  des  babylonischen  Talmud  in's 
Lateinische  übersetzt:  /.  XIX:  Sebachim  und  Mcnachoth,  f.  XXV:  Sanhedrin. 

Der  Talraudische  Tractat  Brachoth  von  den  Lobsprüchen  als  das  erste  Buch 
in»  ersten  Theil,  nach  der  HieroBolymitan.  und  Babylon.  Gemara.  Uebers, 
und  erläutert  von  Rabe,  Halle  1777. 

Le  Talmud  de  Bnhylone  Iraduit  en  langue  franfaise  et  compliti  par  cehii  de 
Jinisalem  et  par  d'  autrea  numuments  de  l'antiquitö  jnda'iqtw,  par  fabM 
L.  Chiarini,  vol.  I.  (Berarhoth),  Leipxic  1831. 

Talmud  Babli.  Tractat  Berachoth.  Mit  deutscher  Uebersetzung  etc.  von 
PinniT,  Berlin  1842.  | 

Aboda  Sara  oder  der  Götzendienst.  Ein  Tractat  aus  dem  Talmud.  Die 
Mischna  »ind  die  Gemara,  letztere  zum  erstenmalo  vollständig  übersetzt  etc. 
von  Ford.  (^lir.  Ewald,  Nürnberg  1856  (Neue  Titel-Ausg.  18(>8). 

Talmud  linhyltmirum,  Tractat  Baba  Mezia.  Mit  deutscher  Uebersetzung  und 
Erklaning  von  A.  Hammter.    Berlin  1876  [—  1879]. 

Der  Tractat  Taanit  des  babylonischen  Talmud  zum  eratonmale  ins  Deutsche 
flhertraKon  et<'.  von  PtraHcliun,  Halle  1883. 

Der  Traktat  Mcgilia  nclmt  Tosafat  voIlständiK  in's  Deutsche  übertragen  von 
Rawicz,  Frankftjrt  a/M.  1HK3  (wisHciiBchartlich  kaum  branchbar). 

Der  Traktat  Rone h  ha-Schanah,  mit  BcrückMichtigung  der  meisten  Tosafot 
In'i  Deutliche  übertrajr<'n  von  Uawicz,  Frankftjrt  a/M.  1886  (etwas  bosser 
al»  da«  Torige). 


[103]  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinieche  Literatur.  131 

A  Translation  of  thc  Treatise  Chag igah  from  the  Babylmiian  Talmud,  tcith 
introduction,  notes,  ylossary  and  indices,  by  Streune,  CambrüUje  1891. 

New  edition  of  thc  Bahylonian  Talmud,  original  text,  edited,  corrected,  farmtdated 
and  tran><lated  into  cnglish  by  Rodkinson.  Neic  York,  New  Talmud  Publi- 
shing Company.    Bis  1900  erschienen  10  Bde.  (bis  Baba  kamma  incl.). 

Der  Tractat  Sanhedrin,  in's  Deutsche  übertragen  und  mit  erläuternden  An- 
merkungen versehen  von  Rawicz,  Frankfurt  a/M.  1892. 

Der  Tractat  Kethuboth,  unter  steter  Berücksichtigung  der  französ.  Ueber- 
setzung  von  Rabbinowicz  in's  Deutsche  übertragen  und  kommentirt  von 
Eawicz,  2  Theile,  Frankfurt  a/M.  1898-19(X). 

Ueber  die  Uebersetzung  von  Goldschmidt  e.  oben  bei  den  Ausgaben. 

Die  civil-  und  criminalrechtlichen  Abschnitte  giebt  in  französischer  Ueber- 
setzung: J.  M.  Eabbinotcicx,  Legislation  civile  du  Thalmud,  traduit  et 
annote.  Traite  Kethouboth,  Paris  1873.  —  Derselbe,  Legislation  crimi- 
nelle du  Thalmud  (Sanhedrin  und  Makkoth),  Paris  1876.  —  Derselbe, 
Legislation  civile  du  Thahmtd,  Bd.  I  1880  (die  civilrechtlichen  Stellen  aus 
26  Tractaten  von  Berachoth  bis  Kidduschin),  Bd.  II  III  IV,  1877  1878 
1879  (die  Tractate  Baba  kamma,  mezia  und  bathra),  Bd.  V  1879  (die  ci\il- 
rechtlichen 'Stellen  aus  30  Tractaten  von  Baba  bathra  bis  ükzin). 

Wünsche,  Der  babylonische  Talmud  in  seinen  haggadischen  Bestandtheilen 
wortgetreu  übersetzt  ete,  1.  Halbbd.  1886,  2.  Halbbd.  in  4  Abtheilungen 
1887—1889  (nur  die  haggadischen  Stücke!). 

Zur  Textkritik. 

Paph.Rabbinovicx ,  Variae  lectiones  in  Mischnam  et  in  Talmud  Babylonicum 
quum  ex  aliis  libris  antiquissimis  et  seriptis  et  impressis  tum  e  codice  Mo- 
nacensi praestantissimo  collectae  annotatianibus  instrudae  (hebr.  geschrieben), 
M— XV,  München  1867-1886.  Nach  dem  Tode  des  Verf.  (tl888)  fortges. 
von  Ehrentreu,  t.  XVI,  1897. 

Lebrecht,  Handschriften  und  erste  Gesammtausgaben  des  Babylonischen 
Talmud  (Wissenschaftliche  Blätter  des  Beth  ha-Midrasch  in  Berlin  1862, 
Nr.  1)  [nur  über  die  Handschriften]. 

Ueber  die  Handschriften  vgl.  ferner:  Pinner,  Uebersetzung  des  Tract.  Berachoth, 
Vorrede  S.  9  f.  —  Beer  in  Frankel's  Monatsschr.  1857,  S.  456-458.  — 
Steinschneider,  Hebräische  Bibliographie  Bd,  VI,  1863,  S.  39  ff.  — 
Strack  in  Herzogs  Real-Enc.  2.  Auti.  XVIII,  340—342.  Einl.  in  den 
Thalmud  S.  67—72. 

Ueber  die  Ausgaben  s.  die  oben  S.  128  genannte  Literatur,  bes.  Rabbinovicz 
und  Strack. 

Sprachliche  Hülfsmittel: 

Buxtorf,  Lexicon  Chaldaicnm,  Talmudicum  et  Rabbinicum,  Basileae,  /bZ.,  1640. 

—  Einen  neuen  Abdruck  veranstaltete  B.  Fischer,  Leipzig  1874. 
Levy,  Chaldäisehes  Wörterbuch  über  die  Targumim  und  einen  grossen  Theil 

des  rabbinischen  Schriftthums,  2  Bde.  1867 — 1868. 
Levy,  Neuhebräisches  und  Chaldäisehes  Wörterbuch  über  die  Talmudim  und 

Midraschim,    Bd.  I  1876   ('x-t\   II  1879  (n-b),  III  1883  (a— S),  IV  1889. 

(B-n). 
Aruch  complefum  sive  Lexicon  rocahula  et  res  quae  in  libris  Targum,ieis ,    Tal- 

■     9* 


132  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [103.  104J 

mudids  et  Midraschicis  continentur,  explieans  Nathane  filio  Jechielis 
....  eritice  illtistrat  et  edit  A.  Kohut  (in  hebr.  Sprache).  8  Bde. 
1878—1892.  —  Hierüber:  Bacher,  Zeitschr.  der  DMG.  XLVII,  S.  487-514. 

Jastrotc,  Ä  Dictionary  of  the  Tarqumim,  the  Talmud  Babli  and  Yeriishalmi 
and  tlie  Midrashic  Ldterature.  Thl.  1 — 9,  1886 — 1897.  —  Vgl.  die  Anzeige 
in  der  Retme  des  etudes  juives  t.  XVI,  1888,  p.  154 — 159.  | 

Dal  man.  Aramäisch -neuhebräisches  Wörterbuch  zu  Targum,  Talmud  und 
Midrasch,  mit  Vokalisation  der  targum.  Wörter  nach  südarabischen  Hand- 
schriften und  besonderer  Bezeichnung  des  Wortschatzes  des  Onkelostargum, 
unter  Mitwirkung  von  Schärf  bearbeitet,  1.  Theil,  1898. 

Ant.  Theodor  Hartmann,  Thesauri  linguae  Hebraicae  e  Mischna  au{jendi  par- 
ticula  I.  II.  III.  Rostochii  1825 — 1826  (eine  fleissige  Sammlung  des  nicht- 
biblischen Sprachmateriales  der  Mischna). 

Fürst,  Olossarium  (jraeeo-hehraeum  oder  der  griechische  Wörterschatz  der 
judischen  Midraschwerke,  1891. 

Krau  SS,  Griechische  und  lateinische  Lehnwörter  im  Talmud,  Midrasch  und 
Targum,  2  Thle.  1898—1899.  —  Vgl.  überhaupt  die  unten  Bd.  II,  S.  44 
genannte  Literatur. 

Bacher,  Die  älteste  Terminologie  der  jüdischen  Schriftauslegung.  Ein  Wörter- 
buch der  bibelexegetischen  Kunstsprache  der  Tannaiten.    1899. 

Geiger,  Lehrbuch  zur  Sprache  der  Mischna.    Breslau  1845. 

Dukes,  Die  Sprache  der  Mischna,  lexikographisch  und  grammatisch  betrachtet. 
Esslingen  1846. 

Weiss,  nssrisn  ',1©^  aBUJ^a,  Studien  über  die  Sprache  der  Mischna,  Wien  1867 
(hebr.). 

Strack  und  Siegfried,  Lehrbuch  der  neuhebräischen  Sprache  und  Literatur. 
Karlsruhe  1884  (daselbst  S.  107  ff.  noch  mehr  hierher  gehörige  Literatur). 

Stein,  Das  Verbiim  der  Mischnasprache,  Berlin  1888. 

Hill  ei.  Die  Nominalbildung  in  der  Mischnah,  Frankfurt  1891. 

Siegfried,  Beiträge  zur  Lehre  von  dem  zusammengesetzten  Satze  im  Neu- 
hebräischen  (Semitic  Studies  in  niemory  of  Alex.  Kohut,  Berlin  1897, 
p.  543-556). 

Sachs,  Die  Partikeln  der  Mischna,  1898. 

Mannes,  Ueber  den  Einfluss  des  Aranulischen  auf  den  Wortschatz  der  Mischna 
an  Nominal-  »ind  Vorbnlstämmen,  1.  Theil,  Posen  1899. 

Luxxatto,  Ehmenti  grammaticali  del  Caldeo  Biblicn  e  dcl  dialetto  Tahniidiro 
Babiionese,  I'adua  1865.  —  Deutsch  unter  dem  Titel:  Grammatik  der 
bibliHch-chaldäischen  Sprache  und  d«'H  Idioms  des  Talmud  Babli.  Aus 
dem  Italien,  heraiisg.  von  Krüger,  Breshju  1873. 

Dal  man,  Graniniatik  des  jüdisch-palästiniHchen  AramäiHch.  Nach  den  Idio- 
men deH  palÜHtin.  Talmud  und  Midrasch,  des  Onkelostargum  {Cod.  Socini S4) 
und  der  jeruHulcnilHrlicn  Targume  zum  rcntntiMicii.    Leipzig  1894. 

Rosen herg,  Da«  aramälMche  Vcrbum  im  bnbylotiiHchcn  Talmud,  Ticipziger 
DlsM.  1887,  Marburg  1H88  (auch  im  Magazin  für  die  WisHonsch.  des  .ludciitli. 
XIV,  1887,  8.  Ü1-H9,  l.')4-lKi>). 

Schlesinger,  Dan  arartiäiHche  Verbum  im  jcruHulciuischcii  Talmud,  Strass- 
burger  Dis«.  1H80  (auch  im  Magazin  für  die  Wisscnsch.  des  Judenth.  XVI. 
1880,  8.  1-40,  84—116,  156-168). 

Lieberroann,  Das  Pronomen  und  duH  Adverbium  (Ich  babylonisch-talmudiscluti 
Dialekte«,  1^. 


[104.  105]  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  133 

Allgemeine  Literatur  über  die  Mischna. 

Am  eingehendsten  sind  die  Entstehungsverhältnisse  der  Mischna  behandelt  in 
folgenden  drei  hebräisch  geschriebenen  Werken: 

Frankel,  riJü^sn  "ism,  Hodegetica  in  Mischnam  librosque  cum  ea  conjunctos 
Toseßa,  Mechllta,  Sifra,  Sifrt.  P.  I.  Introductio  in  Mischnam.  Lips.  1859.  — 
Hierzu:  n:^^n  "^s^rt  '^BOb  nrBBI  niCDir,  Additamenta  et  index  ad  librum 
Hodegetica  in  Mischnam,  Lips.  I8(i7. 

Jak.  Brüll,  nrr?2n  S12?3,  Einleitung  in  die  Miscbnah,  enthaltend  das  Leben 
und  die  Lehrmethode  der  Gesetzeslehrer  von  Esra  bis  zum  Abschlüsse  der 
Mischnah,  Frankf.  1870.  —  Derselbe,  Einleitung  in  die  Mischnah,  IL 
Plan  und  System  der  Mischnah,  Frankf.  1884. 

Weiss,  i'^ir-iini  -in-i  -m,  Zur  Geschichte  der  jüdischen  Tradition.  L  Thl.  Von 
den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Zerstörung  des  zweiten  Tempels,  Wien  1871.  — 
II.  Thl.  Von  der  Zerstörung  des  zweiten  Tempels  bis  zum  Abschluss  der 
Mischna,  1876.  —  IIl.  Thl.  Vom  Abschluss  der  Mischna  bis  zur  Vollendung 
des  babylonischen  Talmuds,  1883.  —  IV.  Thl.  Vom  Abschluss  des  Talmuds 
bis  Ende  des  5.  Jahrtausends  jüd.  Z.  R.,  1887.  —  V.  Thl.  Vom  Anfang 
des  sechsten  Jahrtausends  jüd.  Zeitrechnung  bis  zur  Vertreibung  der  Juden 
aus  Spanien,  1891. 

Jost,  Gesch.  der  Israeliten  seit  der  Zeit  der  Makkabäer  IV,  103  ff.  —  Der- 
selbe, Gesch.  des  Judenthums  und  seiner  Secten  II,  114—126. 

Zunz,  Die  gottesdienstlichen  Vorträge  der  Juden  (1832)  S.  45  f.  86  f.  106  f. 

Grätz,  Gesch.  der  Juden  (2.  Aufl.)  IV,  210—240,  419—422,  430  f.,  479-485. 
494  f.  —  Derselbe,  Beiträge  zur  Wort-  und  Sacherklärung  der  Mischna 
(Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1871).  —  Derselbe, 
Die  Mischna  in  mündlicher  üeberlieferung  erhalten  (Monatsschr.  1873, 
S.  35—41). 

Dünner,  Veranlassung,  Zweck  und  Entwickelung  der  halachischen  und 
halachisch-exegetischen  Sammlungen  während  der  Tannaim-Periode,  im  Um- 
risse dargestellt  (Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1871). 

Dünner,  R.  Juda  ha-Nasi's  Antheil  an  unserer  Mischnah  (Monatsschr.  1872, 
S.  161— 178,  218—235).  —  Derselbe,  Der  Einfluss  anderer  Tannaiten  auf 
R.  Jehuda  Hanassi's  Halachah-Feststellung  (Monatsschr.  1873,  S.  321  ff. 
361  ff.). 

Schiller- Sxinessy,  Art.  Mishnah  in  der  Encyclopaedia  Britannica  «0/.  XVI 
(1883)  p.  502-508.  | 

Hamburger,  Real-Encyclopädie  für  Bibel  und  Talmud,  Abth.  H,  188!^, 
S.  789—798  (Art.  „Mischna"). 

Rosenthal,  Ludw.,  lieber  den  Zusammenhang  der  Mischna,  ein  Beitrag  zu 
ihrer  Entstehungsgeschichte.  1.  Thl.  Die  Sadducäerkämpfe  und  die  Mischna- 
sammlungen  vor  dem  Auftreten  Hillel's,  1890.  2.  Thl.  Vom  Streite  der 
Bet  Schammai  und  Bet  Hillel  bis  zu  Rabbi  Akiba,  1892. 

Die  oben  S.123  genannten  Abhandlungen  von  Lewy  (1876),  Derenbourg(1883), 
D.  Hoffmann  (Progr.  1882,  Magazin  1881—1884),  Lern  er  (1886). 

lieber  die  in  der  Mischna  citirten  Gelehrten  (die  „docfores  Misnici")  s.  die 
Literatur  in  Bd.  II  S.  351  (§  25,  IV). 

Geiger,  Einiges  über  Plan  und  Anordnung  der  Mischna  (Geiger's  Wissen- 
schaft!. Zeitschr.  für  jüdische  Theologie  Bd.  II,  1836,  S.  474—492). 


134  J;  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur,  [105] 

Cohn,  Aufeinanderfolge  der  Mischnaordnungen  (Geiger"s  Jüdische  Zeitschr.  für 

Wissenscb.  und  Leben  Bd.  IV,  1S66,  S.126-140). 
Landsberg,  Plan  und  System  in  der  Aufeinanderfolge  der  einzelnen  Miscbna's 

(Monatsschr.  1873,  S,  208—215). 
Derenbourg,  Les  seetions  et  les  traites  de  la  Mischnah  {Revue  des  ettules  juives 

t.  m,  1881,  p.  205—210). 
lieber  die  verschiedene  Reihenfolge  der  Tractate  in  einigen  Haupt-Handschriften 

und  Ausgaben    s.  die  tabellarische  Uebersicht  von  Strack  in  Herzogs 

Real-Enc.    2.  Aufl.  XVHI,  302-304.    Ders.,  Einleitung  in  den  Thalmud, 

2.  Aufl.  S.  9—12. 

Dünner,    Einiges    über   Ursprung    und   Bedeutung    des    Tractates   Edajoth 

(Monatsschr.  1871,  S.  33—42,  59—77). 
Klüger,   Ueber  Genesis  und  Composition   der  Halacha  -  Sammlung  Edujot. 

Breslau,  1895. 
Jellinek,  Die  Composition  der  Pirke  Aboth  (Fürst's  Literaturbl.  des  Orients 

1S49,  Nr.  31.  34.  35). 
Frankel,  Zum  Tractat  Aboth  (Monatsschr.  1858,  S.  419—430). 
N.  Brüll,  Entstehung  und  ursprünglicher  Inhalt  des  Tractates  Abot  (Jahrbb. 

für  jüd.  Gesch.  und  Literatur  VII.  Jahrg.  1885,  S.  1—17). 
Graubart,  Le  reritable  auteur  du  traite  Kelim  {Revue des  etudes  juives  t.  XXXII, 

1896,  p.  200-225). 

Riege r,  Versuch  einer  Technologie  und  Terminologie  der  Handwerke  in  der 
Mi§näh,  1.  Theil:  Spinnen,  Färben,  Weben,  Walken,  1S94. 

VogeUtein,  Die  Landwirthschaft  in  Palästina  zur  Zeit  der  Miänäh,  1.  Theil: 
Der  Getreidebau,  1894. 

Löwy,  Die  Technologie  und  Terminologie  der  Müller  und  Bäcker  in  den 
rabbinischen  Quellen.    Bern,  Diss.  1898. 

Kren  gel,  Das  Hausgerät  in  der  Misnah,  1.  Theil,  1899. 

Ein  Verzeicbniss  sämmtlicher  in  der  Mischna  citirten  Stellen  des  Alten 
Testamentes  s.  bei  Pinner,  Tract.  Berachoth,  Einl.  Fol.  2\^. 

Ueber  den  palästinensischen  Talmud: 

Argumente  gegen  die  allgemein  angenommene  Meinung,    als  hätte  der  Jeru- 

Bchalmi  der  Redaction  des  babylonischen  Tulmuds  vorgelegen,  in  Fürst's 

Literaturbl.  des  Orients  1.S43,  Nr.  48-51. 
Frankel,   Einiges   über  die  gegenseitigen  Beziehungen  des  jerusalemischen 

und  babylonischen  TalmudH  (Monatsschr.  ftlr  Gesch.  und  Wissenscb.  dos 

Judenth,  1851/52,  S.  30— 40.    70-80). 
Frankel,  •'«^»inTi  6tl3i3  (hebräisch)  mit  dem  lateinisclien  Titel:  Tntrodurlio 

in    Talmud  Jlicrosolymüanum.     Breslau,   1870  (Vom  Verf.  angez.  in   der 

M«»nntH8*hr.  1870,  8.  40—44). 
Geiger,  J>ie  jeruHulomische  Gomara  im  GeMannntorgnnismUH  der  talmudischen 

Literatur  ( Jüdinc  he  Zeitschr.  f.  Wisscnsch.  und  Lel)en,  1870,  S.  278—300). 

—  Vgl.:  Der  jerusulemiw  lie  Talmud  im  Liclitc  Geiger'scher  Hypothesen 

(MonaUtchr.  für  (i.  und  W.  dos  J.    1H71,  S.  120-137). 
Wifiocr,  OibcHh  JcriiHchnlaim,  Eine  Studie  über  Wchi-u,  Quellen,  Entstehung, 

AbtchluHR  und  über  rion  Verf.  de»  jeruHalemit.  Talmud».    Hrsg.  und  mit 

krit.  Bemerkungen  verHchen  von  Smolensky.   Wien,  Horzfeld  und  Bauer. 

1872  (84  8.  gr.  B). 


[105.  106]  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur,  135 


Ueber  die  beiden  Talmude  überbaupt: 

Wolf,  BiblioÜieca  Hebraea  II,  657—993.     IV,  320—456. 
Waehner,  Antiquitates  Ebraeonim  Vol.  I  (1743)  p.  231—584.  | 
Jost,  Gescb.  der  Israeliten  seit  der  Zeit  der  Makkabäer,  Bd.  IV  (1824),  S.  222  f. 

323—328,  nebst  dem  Excurs  „Ueber  den  Talmud  als  historische  Quelle", 

im  Anhang  S.  264—294. 
Zunz,  Die  gottesdienstl.  Vorträge  S.  51 — 55.    94. 

Pinner,  Compendium  des  hierosolym.  und  babylon.  Talmud.     Berlin  1832. 
Pinuer,    Einl.  in  den  Talmud,   vor  seiner  Ausg.  und  Uebers.  des  Tractates 

Berachoth  (24  Bl.  in  Fol.).  —  Daselbst  Fol.  1—12  auch  die  Vorrede  des 

Maimonides  zum  Seder  Seraim  (hebr.  und  deutsch). 
Fürst,  Die  literarischen  Vorlagen  des  Talmuds  (Literaturbl.  des  Orients  1850, 

Nr,  1  und  fF.).  — Vgl.  auch  Fürst,  Kultur-  und  Literaturgesch.  der  Juden 

in  Asien.    1.  Th.    1849. 
Franke  1,   Ueber   den   Lapidarstyl  der  talmudischen  Historik  (Monatsschr. 

1851/52,  S.  203—220.    403-421). 
Grätz,   Die  talmudische  Chronologie  (Monatsschr.  f.  G.  u.  W.  des  Judenth. 

1851/52,  S.  509—521). 
Grätz,  Gesch.  der  Juden  IV,  384.    408—412  (und  überh.  d.  ganze  4.  Bd.). 
Jost,  Gesch.  des  Judenthums  II,  202—212. 
Frankel,   Beiträge  zur  Einl.  in  den  Talmud  (Monatsschr.  1861,  S.  186—194. 

205—212.    258—272). 
Pressel,   Art.   „Thalmud"   in   Herzog's   Real-Enc.    1.  Aufl.   Bd.  XV   (1862) 

S.  615—664. 
Deutsch,  Der  Talmud.    Aus  dem  Engl.  (72  S.  8)  Berlin  1869. 
Bedarride,  Etüde  sur  le  Talmud  (142  />.  81.     Montpellier  1869. 
Auerbach,   Das  jüdische  Obligationenrecht,   Bd.  I,   1870.  —   Giebt  in  der 

ausfuhrlichen  Einleitung  u.  a.  S.  62—114  eine  Entstehungsgeschichte  des 

Talmud. 
N.  Brüll,  Die  Entstehungsgeschichte  des  babylonischen  Talmuds  als  Schrift-' 

Werkes  (Jahrbb.  für  jüd.  Gesch.  und  Literatur  11.  Jahrg.  1876,  S.  1—123). 
Davidson,  Art.  „Talmud"  in  Kitto's  Oyclopaedia  of  Biblical  Literature. 
Derenbourg,  Art.  „Talmud"  lu'Lichicnherger's,  Encyelopedie  des  scienees  reli- 

gieuses  t.  XII,  p.  1009—1038. 
Hamburger,  Real-Encyclopädie  für  Bibel  und  Talmud  Abth.  II  (1883)  Art. 

„Talmud,  Talmudlehrer,  Talmudscliulen"  (S.  1155—1164)  und  die  zahlreichen 

Artikel  über  die  einzelnen  Lehrer. 
Weiss,  Zur  Gesch.  der  jüd.  Tradition,  III.  Th.  1883  (s.  oben  S.  133). 
Bloch,  Einblicke  in  die  Geschichte  der  Entstehung  der  talmudischen  Literatur, 

Wien  1884   (hierzu  Brüll's  Jahrbb.  für  jüd.  Gesch.  und  Lit.  VII,  1885, 

S.  101—106). 
Grätz,  Zur  Chronologie  der  talmudischen  Zeit  (Monatsschr.  1885,  S.  433—453, 

481—496). 
Strack,  Art.  „Thalmud"  in  Herzog's  Real-Encyklopädie  2.  Aufl.  Bd.  XVIII, 

S.  297—369  (mit  reichhaltigen  und  sorgfältigen  Literaturangaben). 
Strack,  Einleitung  in  den  Thalmud,  2.  Aufl.  1894  (erweiterter  Abdr.  aus  Her- 
zog's Real-Enc).  3.  Aufl.  1900  (anastatischer  Neudruck  mit  2  S,  Nachträgen). 
Pressel,   Die  Zerstreuung  des  Volkes  Israel,   3.  Heft.    Der  Thalmud,    1888. 
Darmesteter,  Le  Tahnnd  {Actes  et  conßrences  de  la  Sociiti  des  etudes  juires 


136  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [106.  107] 

1889  [Beilage  zur  Revue  des  etudes  juives  1889]  p.  CCCLXXXI  sqq),  abge- 
druckt in:  Dor7nesteter,  Beliques  scientiftques  vol.  I,  1890,  j)-  1 — 53. 

Reich,  Zur  Genesis  des  Talmud,  der  Talmud  und  die  Römer,  2.  Aufl.  1893. 

Mielxiner,  Introduction  to  the  Talmud.  Historical  and  literary  introduction. 
Legal  hermeneutics  ofthe  Talmud.  Talm,udical  term,inology  andmethodohgy. 
Oiälines  of  talmudical  ethics.  Appendix:  Key  to  the  abbreviations  iised  in 
the  Talmild  and  its  eommentaries.  Oincinnati  1894  (293  S.)-  Vgl.  Theol. 
Litztg.  1894,  (536. 

Stein,  Materialien  zur  Ethik  des  Talmud.  1.  Die  Pflichtenlehre  des  Talmud, 
1894. 

L  iv  i,  La  cloture  du  Talmud  et  les  Saboraim  {Revue  des  etudes  juives  t.  XXXIII, 
1896,  p.  1—17.  XXXIV,  1897,  p.  241—250)  [am  Schluss  des  zweiten  Ar- 
tikels nennt  sich  der  Verf.  Halivi\. 

Bernfeld,  Der  Talmud,  sein  Wesen,  seine  Bedeutung  und  seine  Geschichte, 
1900  (120  S.). 

In  den  Ausgaben  des  babylonischen  Talmud's  (Bd.  IX,  am 
Schluss  der  vierten  Ordnung)  befinden  sich  noch  einige  Stücke,  die 
nicht  zum  Codex  gehören,  aber  z.  Th.  noch  aus  talmudischer  Zeit 
herrühren: 

a)  Die  Ahoth  derabbi  Nathan,  eine  Erweiterung  der  Pii'ke 
Abothy  mit  mancherlei  Nachrichten  über  das  Leben  der  Weisen  und  ] 
anderen  haggadischen  Abschweifungen.  Ihre  jetzige  Fassung  haben 
sie  erst  in  nachtalmudischer  Zeit  erhalten. 

Eine  von  dem  gewöhnlichen  gedruckten  Texte  abweichende  Recensiou  dieses 
Tractates  ist  herausgegeben  worden  von  S.  Taussig  BiIj\ü  ms  [Neweh  Schalom) 
I.  Thl.  enthaltend  Aboth  di  R.  Nathan  in  einer  von  der  gedruckten  abweichen- 
den Recension,  Seder  Tannaim  w'Amoraim  und  Variauten  zu  Pirke  Aboth, 
aus  Handschriften  der  köuigl.  Hof-  und  Staatsbibliothek  zu  München  heraus- 
gegeben und  erläutert,  München  1872.  —  Beide  Recensionen  giebt;  Schechtcr, 
Aboth  de  Rabbi  Nathan,  hujus  libri  reccnsiones  duas  collatis  variis  apud  biblio- 
tliecOrS  et  publicas  et  privatas  cudicibus  cdidit,  Wien,  Lippe  1S87  (hierzu  die  An- 
zeige in  der  Monatsschr.  für  (Sesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1887,  S.  374 
blB  383,  und  Brüll,  Jahrbb.  für  jüd.  Gesch.  und  I.itteratur  IX,  1889,  S.  133  bis 
139).  —  Eine  lateinische  Uebersetzung  des  gewöhnlichen  Textes  ist:  Tractatus 
de  I'atrilms:  Rabbi  Nathane  auctorc,  in  lingnam  Latinam  translatus  opera 
Franciaei  Tailcri,  Landint  1G54.  — Vgl.  übcrluiupt:  Wolf,  Biblioth.  Hebt:  II, 
S.'iS— 867.  —  Zunz,  Die  gottcKdienstliclien  Vorträge  S.  108 f  —  Geiger's 
WisHcnschaftl.  Zcitschr.  für  jüdische  Theol.  VT,  20fl".  —  Fürst,  Biblioth.  Mi- 
dnica  III,  19f.  —  Steinachneider,  Catal.  Biblioth.  Bodl.  col.  2032ft'.  —  [Zedner), 
CiUalugue  of  the  British  Museum  p.  748.  —  Cahn,  Pirke  Aboth  (1875)  8.  VIII f. 
—  Hamburger,  Real-Enc.  Supplementband  S.  5 f.  —  Strack  in  Herzog's 
Re»l-Enc.  2.  Aufl.  XVIII,  328.  Dcfh.,  Eitil.  in  den  Thalmud  2.  Aufl.  S.  44f.  — 
Proben  in  deutHcher  Uebersetzung  bei  Winter  und  Wünsche,  Die  jüdische 
Littontnr  leit  AbBchluMS  de«  Kanons  I,  (ilU— 630. 

b)  Die  sogenannten  kleinen  Tractate  (über  diese:  Jost, 
(tesch.  des  Judenth.  U,  237  f.  Steinschneider,  Catal  col.  278. 
Zedner,  Catal.  p.  748  «7.  Strack  in  llrrzogs  Real-Knc.  XVIII,  328. 


[107.  108]  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  137 

Ders.  Einl.  in  den  Thalnmd  2.  Aufl.  S.  44—46.  Uebersetzungsproben 
bei  Winter  und  Wünsche,  Die  jüdische  Litteratur  seit  Abschluss 
des  Kanons  Bd.  I,  1894,  S.  601— 650): 

1.  Sopherim,  über  Schreibung  der  Gesetzesrolle  und  verschie- 
dene Synagogengebräuclie.    Aus  nachtalmudischer  Zeit. 

Separat- Ausgabe :  Masechet  Soferim.  Der  talmudische  Tractat  der  Schreiber, 
nach  Handschriften  herausgegeben  und  commentirt  von  Joel  Müller,  Leipzig 
1878  (angez.  von  Strack,  Theol.  Litztg.  1878,  626ft'.).  —  Vgl.  überhaupt:  Zunz 
S.  95f.  Steinsehneider,  Catal.  col.  270.  278.  Zedner,  Gatal.  p.  749.  Ham- 
burger, Real-Enc.  Supplementband  S.  104.  Strack  a.  a.  O.  Winter  und 
Wünsche  I,  603—609. 

2.  Ebel  rabbathi  oder  euphemistisch  Semachoth  [nicht  Sim- 
choth],  Über  Leichenbestattung  und  dabei  zu  beobachtende  Ge- 
bräuche. Schon  im  Talmud  citirt.  Zunz  S.  90.  Brüll,  Jahrbb. 
für  jüd.  Gesch.  und  Lit,  I.  Jahrg.  1874,  S.  1  —  57  (bestreitet,  dass 
der  im  Talmud  citirte  Tractat  identisch  sei  mit  dem  uns  erhaltenen). 
Hamburger  Suppl.  S.  51—53.  Klotz,  Der  talmudische  Tractat 
Ebel  rabbathi  oder  S'machoth,  nach  Handschriften  und  Parallel- 
stellen bearbeitet,  übersetzt  und  mit  erläuternden  Anmerkungen 
versehen,  Königsberg,  Diss.  1890.  Winter  und  Wünsche  I,  609 
bis  614. 

3.  Kalla,  über  ehelichen  Umgang  und  Keuschheit  überhaupt. 
Nach  Zunz  S.  89  f.  wahrscheinlich  älter  als  der  jerusalemische 
Talmud. 

4.  Derek  erez  rabba,  über  gesellige  Pflichten.  Zunz  S.  110  f. 
Hamburger  Supplementband  S.  50  f.  Goldberg,  Der  talmudische 
Tractat  Derech  Erez  Eabba.  1.  Heft,  Breslau  1888.  Winter  und 
Wünsche  I,  630—634.  Krauss,  Le  traite  talmndique  „Derech  Ere^'' 
(Revue  des  etudes  juives  XXXVI,  1898, />.  27—46,  205—221.  XXXVII, 
1898,  p.  45-64). 

5.  Derek  erez  siita,  Vorschriften  für  Gelehrte.  Zunz  S.  110 
bis  112.  Hamburger  Suppl.  S.  50  f.  Separat-Ausgabe :  Der  tal- 
mudische Tractat  Derech  Erex  Sutta  nach  Handschriften  und  sel- 
tenen I  Ausgaben  mit  Parallelstellen  und  Varianten,  kritisch  be- 
arbeitet, übersetzt  und  erläutert  von  Abr.  Tawrogi,  Königsberg 
1885.    Winter  und  Wünsche  I,  634—646.    Krauss  a.  a.  0. 

6.  Perek  schalom,  Über  Friedfertigkeit.  Zunz  S.  110,  112. 
Winter  und  Wünsche  I,  647—650. 

Sieben  ähnliche  kleine  Tractate  hat  in  neuerer  Zeit  Eaphael 
Kirch  heim  herausgegeben  unter  dem  Titel  ni:t2p  ninDOü  ynü 
m'^'abTÖTl'',    Septem    lihri  Talmudici  parvi  Hierosolymitani ,    Frankfurt 


138  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [108.  109] 

aM.  1851.  Es  sind  folgende:  1.  Massecheth  Sepher  Thora;  2.  31. 
Mesusa;  3.  M.  Tephillin;  4.  M.  Zizith;  5.  M.  Abadim;  6.  M. 
Kuthim;  7.  M.  Gerim.  —  Der  6.  Tractat  erschien  noch  besonders 
erläutert  unter  dem  Titel  yniZIÜ  "^"CTQ,  Introductio  in  lihrum  Talm. 
de  Samaritanis,  Frankfurt  a.  M.  1851.  —  Ueber  den  Tractat  Gerim, 
der  schon  früher  bekannt  war,  vgl,  Zunz  S.  90.  Winter  und 
Wünsche  I,  616—618.  Er  ist  jünger  als  der  Talmud.  —  Ueber 
alle  sieben:  Hamburger,  Real-Enc.  Supplementband  S.  95  (Art. 
„Kleine  Tractate").  Strack,  in  Herzogs  Eeal-Enc.  XVIII,  328  f. 
Ders.  Einl.  in  den  Thalmud  S.  46. 

n.  Die  Midraschim. 

In  der  Mischna  und  den  beiden  Talmuden  ist  das  jüdische 
Recht  (die  Halacha)  in  systematischer  Ordnung  codificirt.  Eine 
andere  Classe  rabbinischer  Schriftwerke  schliesst  sich  eng  an  den 
Schrifttext  an,  denselben  Schritt  für  Schritt  commentirend.  Diese 
Commentare  oder  Midraschim  (c^icnitt)  sind  theils  halachi- 
schen,  theils  haggadischen  Inhaltes.  In  den  älteren  (Mechilta, 
Siphra,  Siphre)  wiegt  die  Halacha  vor;  die  jüngeren  (Rabboth  und 
folgende)  sind  fast  ausschliesslich  haggadisch.  Jene  stehen  nach 
Alter  und  Inhalt  der  Mischna  sehr  nahe ;  diese  gehören  einer  spä- 
teren Zeit  an  und  sind  nicht  das  Product  der  juristischen  Dis- 
cussion,  sondern  der  Niederschlag  der  in  den  Synagogen  gehaltenen 
erbaulichen  Vorträge.  Eine  Gruppe  für  sich  bilden  also  zunächst 
die  folgenden  drei  Werke: 

1.  Mechilta,  «nb-^Dü,  über  einen  Theil  des  Exodus. 

2.  Siphra,  «nso,  über  Le Vitien s. 

3.  Siphre  oder  Siphri,  ''ito,  über  Numeri  und  Deuterono- 
mium. 

Alle  drei  werden  im  Talmud  liäufig  benützt,  Siphra  und 
Siphre  auch  ausdrücklich  citirt  (Zunz,  Die  gottesdienstl.  Vorträge, 
S.  46,  48;  über  Mechilta  s.  Geiger's  Zeitsdir.  1860,  S.  125).  Sie 
rühren  ihrer  Grundlage  nach  wohl  nocli  aus  dem  zweiten  .lahrli. 
nach  Chr.  her,  sind  aber  später  überarbeitet  worden.  Die  Mechilta 
wird  dem  R.  Ismael  zugeschrieben  (s.  über  ilin  lid.  II,  S.  374  f). 
Dies  beruht  jedoch  nur  darauf,  dass  in  der  Mechilta  wie  in 
Siphre  besonders  häufig  Aussprüche  R.  IsmaeVs  und  seiner  Schule 
citirt  werden.  Probh-maiisch  ist  die  Meinung  ricjger's  dass  die  j 
(Grundlage  von  Mechilta  und  Siplire.  (une.  ältere  lialiichische  Hich- 
tuug  repräHentire,  welche  bereits  von  Mischna,  iSiphra  und  Tosephta 
verlassen  sei  (Geigers  Zeitschr.  1860,  S.  99).  Die  liuggada,  ist 
in  Siphra  nnr  Hchwach  veilreten;  stärker  in  Mec.liilla;  und  in  Siphre 


[109]  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbiniscbe  Literatur.  I39 

„sind  beträchtliche  Stücke  fast  ausschliesslich  Haggada,  welche 
zusammen  drei  Siebentheile  dieses  Werkes  ausmacht"  (Zunz, 
S.  84  f.).  —  Die  Sprache  dieser,  wie  der  übrigen  Midraschim ,  ist 
hebräisch. 

Ueber  die  älteren  Ausgaben  dieser  drei  Midraschim  s.  Wolf,  Bibliotheca 
Hebraea  II,  1349—1352,  1387—1389.  IV,  1025,  1030 f.  -  Fürst,  Biblioth.  Jii- 
daica  II,  7()f.  III,  125  —  126.  —  Steinschneider ,  Catalogns  l ihr orum  Hehr,  in 
Bibliotheca  Bodleiana  (Berol.  1852—1860)  col.  597  sq.  627  sq.  —  (Zedner),  Cata- 
logue  of  tlie  hebrew  books  in  the  library  of  the  British  Museum  (1867)  p.  515  sq. 
699 sg.  —  Neuere  Ausgaben  sind: 

jtnb'^STa.  Mechilta.  Der  älteste  halachiscbe  und  hagadische  Commentar 
zum  zweiten  Buch  Moses.    Krit.  bearbeitet  v.  J.  H.  Weiss.     Wien  1865 

"isi  riTSU:  -ISO  br  bxyia^''  *inm  xr^'^sia  nco,  Mechilta  de  Rabbilsmael, 
der  älteste  halachiscbe  und  hagadische  Midrasch  zu  Exodus.  Nach  den  ältesten 
Druckwerken  herausgegeben,  mit  kritischen  Noten,  Erklärungen,  Indices  und 
einer  ausführlichen  Einleitung  versehen  v.  M.  Fried  mann.  Wien  1870  (hierzu 
die  Anzeige  in  der  Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1870, 
S.  278-284). 

Eine  lateinische  Uebersetzung  diet Mechilta  s.  in  ügolini,  Thesau- 
rtts  antiqq.  sacr.  t.  XIV. 

"131  D''3n3  HTir  ^BD  xin  n-i  "«m  K-ito  mit  Commentar  {„Hatora  vehamitva") 
herausgeg.  v.  M.  L.  Malbim.    Bucharest,  1860.    4. 

"131  öi3n3  nnir  -iBD  Xin  2-1  im  xibo,  auch  unter  dem  Titel:  Sifra, 
Barajtha  zum  Leviticus,  mit  dem  Commentar  des  Abraham  ben  David  etc. 
herausgeg.  von  J.  H.  Weiss.     Wien  1862. 

Eine  lateinischeUebersetzung  de»  Siphra  s.  in  Ugolini,  Thesaurus 
t.  XIV. 

"^nsD.  Sifre  debi  Rab,  der  älteste  halachiscbe  und  hagadische  Midrasch  zu 
Numeri  und  Deuteronomium.    Herausgeg.  v.  M.  Friedmann.     Wien  1864. 

Eine  lateinische  Uebersetzung  des  StpAre  s.  in  Ugolini,  Thesauruji 
t.  XV. 

Vgl.  über  die  genannten  drei  Midraschim  überh.:  Wolf,  Bibl.  Hehr.  II, 
1349s(7?.  \^S-sqq.  III,  1202,  1209.  IV,  1025,  lOSOsy.  —  Zunz,  Die  gottes- 
dienstlichen Vorträge  S.  46—48,  84f  —  Frankel,  Hodegetica  in  Mischnam 
p.  307 sqq.  —  Derenbourg,  Histoire  de  la  Palestine  p.  393—395.  —  Joel, 
Notizen  zum  Buche  Daniel.  Etwas  über  die  Bücher  Sifra  und  Sifre,  Breslau 
1873.  —  Weber,  System  der  altsynagogalen  palästinischen  Theologie  (1880) 
S.  XIX  «5^5-.  —  Strack,  Art.  „Midrasch"  in  Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl.  IX, 
1881,  S.  752f.  —  Hamburger,  Real-Enc.  Abth.  II,  S.  721-724,  1166f.  (Art. 
„Mechilta"  und  „talmudische  Schriften").  —  Schiller-Sxinessy,  Art.  Mishnah 
in  der  Encyclop.  Britamm-a  vol.  XVI,  1883,  p.  507  sq.  —  D.  Hoff  mann,  Be- 
merkungen zur  Kritik  der  Mischna  (Magazin  für  die  Wissensch.  des  Judenth. 
XI.  Jahrg.  1884,  S.  17-30).  —  D.  Hoffmann,  Zur  Einleitung  in  die  halachi- 
schen  Midraschim.  Beilage  z.  Jahresbericht  des  Rabbiner-Seminars  zu  Berlin 
1886— 18S7  (verzeichnet  S.  24  die  am  häufigsten  im  Siphra  vorkommenden 
Autoritäten,  S.  38-40  die  in  der  Mechilta,  S.  54  die  im  Siphre  zu  Numeri; 
ein  vollständiges  Register  der  Tannaim  in  Mechilta,  Siphra  und  Siphre  s. 
S.  82—90).  —  Königsberger,  Die  Quellen  der  Halacha,  1.  Tbl.  Der  Midrasch, 
1800  (handelt   über  unsere  drei  halachischen    Midraschim  und   deren    ältere 


140  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [109.  110] 

Grundlagen).  —  Bacher,  Die  Agada  der  Tannaiten  II,  78f.  —  Strack,  Einl. 
in  den  Thalmud  2.  Aufl.  S.56f. 

Ueber  Mechilta  und  Siphre:  Geiger,  Urschrift  und  Uebersetzungen  der  | 
Bibel  S.  4S4 — 450.  —  Derselbe,  Jüd.  Zeitschr.  für  Wissensch.  und  Leben 
1866,  S.  96-126.  —  Ebendas.  1871,  S.  8—30.  —  Pick,  Text -Varianten  aus 
Mechilta  und  Sifre  (Zeitschr.  für  die  alttestamentl.  Wissensch.  1886,  S.  101 — 
121).  —  Blau,  Beiträge  zur  Erklärung  der  Mechilta  und  des  Sifre  (Festschrift 
zum  80.  Geburtstage  M.  Steinschneider's  1896,  S.  21—40). 

Ueber  Mechilta:  Frankel,  Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des 
Judenth.  1853,  S.  388—398.  1854,  S.  149—158,  191—196.  —  Rosenthal, 
Einiges  über  die  Agada  in  der  Mechilta  {Semitie  Studics  in  mcmory  of  Alex. 
Kohut,  Berlin  1897,  p.  463—484). 

Ueber  Siphra:  Frankel,  Monatsschr.  1854,  S.  387—392,  453—461.  — 
Geiger,  Jüd.  Zeitschr.  XI,  1875,  S.  50—60. 

Ausser  diesen  drei  uns  erhaltenen  Midraschim  hat  es  noch  ähnliche  hala- 
chische  Midraschim  gegeben,  welche  nur  durch  Auszüge  in  späteren  Midrasch- 
werken,  namentlich  dem  (in  einer  Berliner  Handschrift  erhaltenen)  Midrasch 
Haggadol,  bekannt  sind;  nämlich: 

1.  Eine  Mechilta  des  R.  Simon  ben  Jochai  zum  Exodus.  S,  darüber: 
Lewy,  Ein  Wort  über  die  Mechilta  des  R.  Simon  (Jahresbericht  des  jüdisch- 
theologischen Seminars  zu  Breslau)  1889.  Dazu:  Magazin  für  die  Wissensch. 
des  Judenthums  XVI,  1889,  S.  63—72. 

2.  Ein  zweiter  oder  kleiner  Siphre  zu  Numeri  (Siphre  siita,  staiT  ''"iB'iG). 
Hierüber  Zunz,  Die  gottesdienstlichen  Vorträge  S,  48.  N.  Brüll,  Der  kleine 
Sifre  (Jubelschrift  zum  siebzigsten  Geburtstage  des  Prof.  Dr.  H.  Grätz, 
Breslau  1887,  S.  179—193).  D.  Hoffmann,  Zur  Einleitung  in  die  halachischen 
Midraschim  S.  59— 66.  Königsberger,  Die  Quellen  der  Halacha  S.  111— 127. 
Sehechter,  Fragment  ofthe  Sifre xuta  {Jewish  Qhiarterly  ReviewYI,  1894,  p.  656 — 
663).  Königsberger,  xant  "^-ibD,  Sifr^  Siita  d.i.  e\g.  SifrSNmneri  (in  2.  Biecen- 
sion)  zum  ersten  Male  nach  dem  handschriftlichen  Midrasch  ha-gadol,  Jalkut 
Simeoni  u.  a.  gesammelt  und  mit  Anmerkungen  versehen,  nebst  einer  aus- 
führlichen Einleitung  herausgegeben,  1.  Lfrg.  Frankf.  1894.  Dazu  Epstein, 
Revue  des  etndes  juivcs  XXIX,  1894,  p.  316  «<?.  Bacher,  Jetvish  Quarterly 
Review  VIH,  1896,  p.  329—333. 

3.  Ein  Midrasch  z>im  Deuteronomium,  welchen  Hoflmann  wegen  seiner 
Verwandtscluift  mit  der  Mechilta  als  „Mechilta  zum  Deuteronomium"  be- 
zeichnet hat.  Hierüber:  D.  Hoffmann,  Magazin  für  die  Wissensch.  des 
Judenth.  XVI,  1889,  8.  193—197.  Ders.  in:  Jubelsc^lirift  zum  70.  Geburtstage 
de«  Dr.  Hildesheimer,  Berlin  1890,  8.  83—98. 

Die  nun  folgenden  Midraschim  enthalten  alle  fast  nur  Haggada. 

4.  Jiahhoth,  man,  oder  Midrasch  Rnbbolh,  Plim  ©"litt. 

Eine  Sanuiilung  von  Midraschim  zum  Peiitateuch  und  den  fünf 
Megilloth  (Hohesli(id,  Ruth,  Klagelieder,  Koheleth,  Ksther),  welche 
/u  sehr  verschifdeuen  Zeiten  entstanden  sind;  später  aber  unter 
obigem  Namen  zu  einem  Ganzen  vereinigt  wurden. 

a)  Jhretichith  rabba,  zur  Genesis.  Nach  Zunz  im  6.  Jahrh. 
In  Palästina  redigirt.  Die  letzten  fünf  Kapitel  (zu  Gen.  47,  28  if., 
daher  nach  dem  Anfangswort  '^rt*;'^  auch  Vaicchi  rabba  genannt) 


[110.  111]  §  3,    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  141 

sind  bedeutend  jünger,  nach  Zunz  S.  255  f.  im  11.  oder  12.  Jahrh. 
entstanden.  Vgl.  überhaupt:  Zunz  S.  174—179,  254—256.  Dazu 
die  kritischen  Bemerkungen  von  Theodor,  Monatsschr.  für  Gesch. 
und  Wissensch.  des  Judenth.  Bd.  38,  1894,  S.  517—523.  Lerner, 
Anlage  des  Bereschith  rabba  und  seine  Quellen  (Magazin  für  die 
Wissensch.  des  Judenth.  Bd.  VII,  1880  und  VIII,  1881 ;  auch  separat 
1882).  Theodor,  Der  Midrasch  Bereschit  rabba  (Monatsschr.  für 
Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  Bd.  37  —  39,  1893—1895). 
Wünsche,  Der  Midrasch  Bereschit  Rabba,  ins  Deutsche  übertragen, 
Leipzig  1881. 

Verscliieden  von  Bereschith  rabba  ist  ein  viel  jüngerer  Midrasch  Bereschith- 
rabbathi,  über  welchen  zu  vgl.  Epstein,  Magazin  tür  die  Wissensch.  de» 
Judenth.  XV,  1888,  S.  65-99. 

b)  Schemoth  rabba,  ZU  Exodus.  Verdankt  seine  Entstehung 
einer  ähnlichen  Feder  wie  Vaiechi  rabba,  also  etwa  im  11.  oder  12. 
Jahrh.  entstanden.  Zunz  S.  256—258.  Wünsche,  Der  Midrascii 
Schemot  Rabba,  in's  Deutsche  übertragen,  Leipzig  18S2. 

c)  Vajjikra  rabba,  zu  Leviticus.  Nach  Zunz  etwa  um  die 
Mitte  des  7.  Jahrh.  in  Palästina  redigirt.  Zunz  S.  181 — 184. 
Theodor,  Zur  Composition  der  agadischen  Homilien  (Monatsschr. 
für  Gesch.  und  Wissenschaft  des  Judenthums  1881,  S.  500—510). 
Wünsche,  Der  Midrasch  Wajikra  Rabba,  in's  Deutsche  übertragen, 
Leipzig  1884. 

d)  Bamidbar  rabba,  zu  Numeri.  Nach  Zunz  von  zwei  ver- 
schiedenen Verfassern,  welche  beide  bereits  Pesikta,  Tauchuma. 
Pesikta  rabbathi  und  Werke  noch  späterer  Rabbinen  benützten. 
Den  zweiten  Verfasser  setzt  Zunz  in's  12.  Jahrh.  Vgl.  überhaupt 
Zunz  S.  258—262.  Wünsche,  Der  Midrasch  Bemidbar  Rabba,  in's 
Deutsche  übertragen,  Leipzig  1885.  | 

e)  Debarim  rabba,  zu  Deuteronomium.  Nach  Zunz  um  das 
J.  900  redigirt.  Zunz  S.  251—253.  Wünsche,  Der  Midrasch  De- 
barim Rabba,  in's  Deutsche  übertragen,  Leipzig  1882. 

f)  Schir  haschirim  rabba,  zum  Hohenliede,  auch  Agadath 
Chasith  genannt  (nach  einem  Stichworte  des  Anfangs).  Gehört  zu 
den  jüngeren  Midraschim,  ist  aber  „vermuthlich  älter  als  Pesikta 
rabbathi".  Zunz  S.  263  f.  Chodowski,  Observationes  criticae  in  Midrasch 
schir  haschirim  secundum  cod.  Monac.  50  Orient.  Halle  1877.  Theo- 
dor, Zur  Composition  der  agadischen  Homilien  (Monatsschr.  1879. 
S.  337  ft".,  4U8ft'.,  455  ff.  1880,  S.  19  ff.).  Wünsche,  Der  Midrasch 
Schir  ha-Schirim,  ins  Deutsche  übertragen,  Leipzig  1880. 

.    Verschieden   hiervon   ist   eine  A>/adath  Shir  hashirim,   welche    Schechter 
herausgegeben    hat   [Je/rish   Quarterlij  Review  VI,    1S94,  p.  672—697.       VII, 


142  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [111] 

1895,  p.  145 — 163,  auch  separat  1896;  dazu  Corrections  and  Notes,  JQS.  VII, 
1895,  p.  729—754,  VIII,  1896,  p.  289—320).  Derselbe  Text,  nebst  ähnlichen 
über  Ruth,  Echa  und  Koheleth,  ist  auch  herausgegeben  von  Buber,  Midrasch 
Suta,  Berlin  1894.  Vgl.  dazu  die  Kritik  von  Schechter,  Monatsschr.  für 
Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  Bd.  39,  1895,  S.  562—566.  —  Wieder 
einen  anderen  Midrasch  Schir  haschirim  hat  Grünhut,  Jerusalem  1897, 
herausgegeben.  Vgl.  über  diesen  Bacher,  Revue  des  ätides  juives  XXXV ,  1897, 
p.  230—239. 

g)  Midrasch  Ruth,  etwa  gleichzeitig  mit  dem  vorigen.  Zunz 
S.  265.  Wünsclie,  Der  Midrasch  Ruth  Rabba,  iii's  Deutsche  über- 
tragen, Leipzig  1883.  Hartmann,  Das  Buch  Ruth  in  der  Midrasch- 
Literatur,  Frankf.  a.  M.  1901. 

h)  Midrasch  Echa,  ZU  den  Klageliedern,  auch  Echa  rabbathi 
genannt.  Nach  Zunz  in  der  zweiten  Hälfte  des  7.  Jahrh.  in  Pa- 
lästina redigirt.  Zunz  S.  179 — 181.  J.  Abrahams,  The  sources  of 
the  Midrash  Echah  Babbah,  Leipziger  Dissert.  1881.  Winkler,  Bei- 
träge zur  Kritik  des  Midrasch  Threni,  Giessen,  Diss.  1894.  Krit. 
Ausgabe:  Midrasch  Echa  Rabbathi,  hrsg.  von  Buber,  Wilna  1899. 
Wünsche,  Der  Midrasch  Echa  Rabbati,  in's  Deutsche  übertragen, 
Leipzig  1881. 

i)  Midrasch  Koheleth  oder  Koheleth  rabba,  etwa  aus  derselben 
Zeit  wie  der  Midrasch  zum  Hohenliede  und  zu  Ruth.  Zunz  S.  265  f. 
Grünhut,  Kritische  Untersuchung  des  Midi*asch  Koheleth,  L  1892. 
Wünsche,  Der  Midrasch  Koheleth,  in's  Deutsche  übertragen, 
liCipzig  1880. 

k)  Midrasch  Esther  oder  TIagadath  Megilla.  Benützt  bereits 
den  (nach  Zunz  S.  151  f.)  im  10.  Jahrh.  geschriebenen  Josippon  und 
wird  erst  seit  dem  13.  Jahrh.  citirt.  Zunz  S.  264  f.  Wünsche,  Der 
Midrasch  zum  Buche  Esther  in's  Deutsche  übertragen,  Leipzig 
1881. 

Nahe  verwandt  hiermit,  nach  Jellinek  und  Buber  ursprünglicher,  ist  der 
,.Midra«ch  Abba  Gorion"  (herausgeg.  von  Jellinek,  Bet  ha-Midrasch  J,  1853, 
!5.  1 — 18,  und  von  Buber,  Sammlung  agadiwcher  Commentare  zum  Buche  Ester, 
Wilna  1886;  vgl.  auch  N.  Brüll,  Jahrbb.  für  jüd.  Gesell,  und  Literatur  VIII. 
Jahrg.  1887,  8.  148—154,  welcher  sich  gegen  Jellinek's  und  Buher's  Ansicht 
auMpricht).  —  Eine  andere,  au«  Südarabien  Htammcmlt'  Midruschcompilation 
zum  Buche  Esther  hat  Ruber  1897  herauHgcgcben  (vgl.  darüber:  Bacher,  Mo- 
natMHchr.  für  OcHch.  und  WisnenHcli.  deH  .Tudcntli.  IM.  II,  1S97,  S.  350-356). 
~  Wieder  eine  andere  (Kanter  in:  Srmilir  Sludirs  n,  im  monj  of  Alex.  Kohul 
1S97,  ;;.  167—178  (Ganter  hält  dieHcn  von  ihm  licrhn  ■  i  :■.  hcncii  Midrasch  für 
(Ion  &lt«Mtcn  Midraach  zu  EHther;  die  ilaudsclirift  .sUuiinii  iiikIi  ihtn  huh  dem 
10.  Jabrfa.).  —  Auch  da»  Hog.  Targum  Hcheni  zu  EhIIh  i  i-i  iIlm  ntlich  ein 
Midniicb.     8.  die  Literatur  darüber  unten  bei  denTargiiniiin. 

U«b«r  •Itnmtlicho  liahholh  und  deren  AuBgaben  vgl.  überhaupt:  Wolf, 
BihUoth.  //«6r.  II,  1423-1427.  111,1215.  IV,  1032  »17.  105K  «7.  Steinschnridcr, 


[111.  112]  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  143 

Catalogus  libr.  Hebr.  in  Biblioth,  Bodl.  col.  589—594.  (Zedner),  Catalogue  of 
the  hebrew  books  in  Üie  library  of  the  British  Museum  p.  539—542.  —  Strack, 
Art.  „Midrasch"  in  Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl.  Bd.  IX,  1881,  S.  753—755. 
—  Schiller- Sxinessy ,  Art.  Midrash  in  der  Encyclop.  Britcmnica  vol.  XVI, 
1883,  p.  285  sqq.  —  Theodor,  Die  Midrasciiim  zum  Pentateuch  und  der  drei- 
jährige palästinensische  Cyclus  (Monatsschr.  für  G.  u.  W.  des  J.  1885,  1SS6, 
1887)  [sucht  zu  zeigen,  dass  die  Capitel- Abtheilung  der  Midraschim  auf  dem 
dreijährigen  palästinensischen  Cyclus  beruht].  —  Hamburger,  Real-Enc. 
Supplementband  S.  107 — 111  (Art.  „Midrasch  Rabba").  —  Ausgaben  mit  hebr, 
Commentaren  sind  auch  in  neuerer  Zeit  mehrfach  erschienen,  z.  B.  Warschau 
1S74,  Wilna  1878. 

5.  Pesikta,  xrip-^OB. 

Die  Pesikta  behandelt  nicht  ein  ganzes  biblisches  Buch,  son- 
dern die  biblischen  Lectionen  der  Festtage  und  der  bedeutenderen 
Sabbathe  des  ganzen  Jahres,  und  zwar  bald  die  pentateuchischen, 
bald  die  prophetischen  Lectionen  dieser  Tage  (Zunz  S.  190).  — 
Da  das  Werk  in  der  späteren  Literatur  häufig  citirt  wird,  so  konnte 
bereits  Zunz,  ohne  einen  zusaininenhängenden  Text  zu  kennen, 
die  Anlage  desselben  im  Wesentlichen  richtig  reconstruiren.  Der 
vollständige  Text  ist  erst  durch  Bub  er  1868  herausgegeben 
worden.  —  Bei  den  vielfachen  Berührungen  mit  Bereschith  rabba, 
Vajjikra  rabba  und  Echa  rabbathi  glaubte  Zunz  (S.  195)  den  Text 
der  Pesikta  als  den  abhängigen  ansehen  zu  müssen  und  setzte 
daher  ihre  Abfassung  erst  um  700  nach  Chr.  an.  So  auch  noch 
Geiger,  Weiss  (Zur  Gesch.  der  jüd.  Trad.  III)  und  Hamburger. 
Umgekehrt  halten  Buber,  Berliner  und  Theodor  die  Pesikta  für 
älter  als  jene  Midraschim.  —  Ursprünglich  muss  sie  mit  der  Lec- 
tion  zum  Neujahrstag  begonnen  haben  (Zunz  S.  191,  Geiger, 
Zeitschr.  1869,  S.  190),  während  sie  in  den  Handschriften,  welchen 
Biiber  folgt,  mit  dem  Chanukafeste  beginnt.  —  Die  Bezeichnung 
unseres  Werkes  als  „Pesikta  des  Rab  Kahana"  ist  nur  irrthümliche 
Abkürzung  von  „Pesikta  des  R.  Abba  b.  Kahana";  und  diese  Be- 
zeichnung ruht  hinwieder  nur  darauf,  dass  die  Pesikta  nach  der 
ursprünglichen  Anordnung  mit  einem  Ausspruch  des  R.  Abba  b. 
Kahana  begonnen  hat  (Bacher,  Die  Agada  der  paläst.  Amoräer 
III,  609). 

Ausgabe:  xrp'^bB,  Pesikta.  Die  älteste  Hagada,  redigirt  in  Palästina  von 
Rab  Kahana.  Herausgeg.  nach  einer  in  Zefath  vorgefundenen  und  in  Aegypten 
copirten  Handschrift  durch  den  Verein  Mekixe  Nirdamim.  Mit  kritischen  Be- 
merkungen, Verbesserungen  und  Vergleichungen  der  Lesearten  anderer  drei 
Handschriften  in  Oxford,  Parma  und  Fez,  nebst  einer  ausfuhrlichen  Einleitung 
von  Salomon  Buber.  Lyck  1868.  —  Deutsche  Uebersetzung:  Wünsche,  Pe- 
sikta des  Rab  Kahana,  nach  der  Buber'schen  Textausgabe  in's  Deutsche  über- 
tragen, Leipzig  1885.  —  Bloch,  Uebersetzungsprobe  aus  der  Pesikta  derab 
Kahana  (Festschrift  zum  80.  Geburtstage  M.  Steinschneiders  1896,  S.  41—71). 


144  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [112.  113j 

Vgl.  überhaupt:  Zunz  S.  185—226.  —  Carmoly,  Pesikta  (Monatsschr.  f. 
G.  u.  W.  d.  J.  1854,  S.  59-65).  —  Grätz,  Gesch.  der  Juden  IV,  495  f.  — 
Geiger,  Jüdische  Zeitschr.  für  Wissensch.  und  Leben  1869,  S.  187 — 195.  — 
Berliner,  Anzeige  von  ßuber's  Ausgabe  in:  Monatsschr.  f.  G.  u.  W.  d.  J. 
1873,  S.  182—189.  —  Theodor,  Zur  Composition  der  agadischen  Homilieu 
(Monatsschr.  1879,  S.  97  ff.  164  ft'.  271  ff.).  —  Weber,  System  der  altsynag. 
paläst.  Theol.  S.  XXIL  —  Strack,  Art.  „Midrasch"  in  Herzog's  Real-Enc. 
2.  Aufl.  Bd.  IX,  1881,  S.  755  f.  —  Bloch,  Studien  zur  Aggadah  (Monatsschr. 
1885  und  1886).  —  Hamburger,  Real-Enc.  Supplementband  S.  117  fl'.  (Art. 
„Pesikta"). 

Ausser  dieser  Pesikta  de-Eab  Kahana  oder  „Pesikta"  schlecht- 
hin giebt  es  noch  zwei  Werke  desselben  Namens: 

a)  Pesikta  rabbathi,  welche  ähnlich  wie  die  ältere  Pesikta 
die  biblischen  Lectionen  gewisser  Festtage  und  Sabbathe  des  jü- 
dischen Jahres  behandelt.  Entstehungszeit:  zweite  Hälfte  des 
9.  Jahrh.  (Zunz  S.  244).    Vgl.  überhaupt:  Zunz  S.  239—251.  | 

b)  Pesikta  sutarta.  Ein  Midrasch  zum  Pentateuch  und  den 
fünf  Megilloth  von  R.  Tobia  ben  Elieser  aus  Mainz  im  Anf.  des 
12.  Jahrh.  Den  Namen  Pesikta  hat  man  diesem  Werk  ganz  mit 
Unrecht  beigelegt,  da  es  mit  den  beiden  anderen  Werken  dieses 
Namens  keine  Aehnlichkeit  hat.  —  Vgl.  Zunz  S.  293—295.  Eine 
lat.  Uebersetzung  s.  in  Ugolini  Thesaurus  antiqq.  sacr.  t. 
XV.  XVI. 

üeber  beide  Werke  und  deren  Ausgaben:  Wolf,  Biblioth.  Eehr.  I,  391, 
720  «7.  IV,  1031.  Fürst,  IMlioth.  Jud.  II,  160.  III,  427.  Steinschneider, 
Catal.  Uhr.  Hebr.  in  Biblioth.  Bodl.  cot.  631  sq.  2674  sq.  {Zedner),  Catal.  of  the 
hebrew  books  in  the  library  of  the  British  Museum  p.  633.  758.  —  Strack  in 
Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl.  IX,  756  f.   (daselbst  auch  über  neuere  Ausgaben). 

—  Hamburger,   Real-Enc.    Supplementband   S.  119—122    (Art.  „Pesikta"). 

—  Livi,  Im  Pesikta  rabbati  et  le  4»  Kxra  {Perue  des  etudes  jiiives  t.  XXIV, 
189:.',  p.  281—285).  —  Bacher,  Die  Agada  der  paläst.  Amoräer  III,  1899, 
8.  493  ff.  (Verhältniss  der  Pesikta  rabbathi  zu  Tanchuma). 

Ueber  die  in  Pesikta  rabbathi  <:  28  erwähnte  Stadt  Bari,  wohin  Israeliten 
durch  Nebukadnezar  (=-  Titas?)  deportirt  wurden  (ob  Bari  in  Unteritalien?) 
«.  LSci,  Remie  des  6tudcs  jui/es  t.  XXXII,  1896,  p.  278—282,  Bacher,  ebendas. 
XXXIII,  1890,  p.  40—45,  Krauss,  Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch. 
de»  Judenth.  Bd.  41,  1897,  8.  654—564  (Bari  -»  Berytus),  Bacher,  ebendas. 
8.  604-612.  -  Sonstige  Einzelheiten:  Bacher,  RdMJ.  XXXIII,  45  .s</.  Levi 
ibid.  XXXV,  224  sqq. 

Eine  „Neue  Pesikta",  welche  sich  an  Pesikta  nihbutlii  anschliesst,  aber 
kürzer  und  volksthünilicher  ist  als  diese,  hat  Jcilint^k  in  soineni  Bet  ha- 
MldrwKjh  Tbl,  VI,  1877.  8.  36-70,  hcniusgegc^ben. 

6.  Pirke  derahhi  Elieser,  ITy^bK  'm  ''pit,  oder  Barajthn 
derabbi  Klieaer,  "iT^b«  '11  Xn'^'^ia. 

Ein  haggadisches  Werk  in  54  Capitoln,  welches  im  Wesent- 
lichen dem  (4ang  der  pentateuchischen  (»eschichte  folgt,  besonders 


[113.  114]  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  145 

ausführlich  bei  der  Schöpfung  und  dem  ersten  Menschen  und  dann 
wieder  bei  den  Patriarchen  und  der  mosaischen  Zeit  verweilend. 

—  Es  ist  frühestens  im  8.  Jahrh.  geschrieben  (Zunz  S.  277). 

Vgl.  Wolf,  Bibl  Hebt:  I,  178  s?.  III,  110.  IV,  1032.  —  Zunz  S.  271— 278. 

—  Sachs,  Bemerkungen  über  das  gegenseitige  Verhältniss  der  ßeraita  des 
Samuel  und  der  Pirke  de  R.  Elieser  (Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch. 
desJudenth.  1851/52,  S.  277— 282).  —  Strack  in  Herzog's  Real-Enc.  IX,  759  f. 

—  Hamburger,  Real-Enc.  Suppl.  S.  122  f.  —  Levi,  Elements  chretiens  dans 
le  Pirke  Rabbi  Eliexer  {Remie  des  etwles  ßiives  t.  XVIII,  1889,  p.  83—89).  — 
Eine  Inhaltsübersicht  giebt  P inner  in  der  Ein!,  zu  seiner  üebersetzung  des 
Tract.  Berachoth  (1842)  fol.  16*.  —  Verzeichniss  der  Ausgg.  etc.  bei  Fürst, 
Bibiioih.  Jiul.  I,  232.  Steinschneider,  Catal.  col.  633  sq.  Zedner,  Catal.  p.  221. 

—  Eine  lat.  Üebersetzung  gab  Guil.  Henr.  Vorstius,  Capitula  R.  Elieser  ex 
Hebraeo  in  Latinum  trunslata,  Liujd.  Bat.  1644.  —  Proben  in  deutscher  Üeber- 
setzung: Winter  und  Wünsche,  Die  jüdische  Literatur  I,  656 — 665.  — 
Ueber  die  Verschiedenheit  der  Barajtha  derabbi  Elieser  von  der  Barajtba 
R.  Samuel's  s.  Zunz  in  Steinschneider's  Hebr.  Bibliographie  Bd.  V  (1862) 
S.  15  ff. 

7.  Tanchuma  KÄ'in:^  oder  Jelamdenti  "^rittb^. 

Ein  Midrasch  zum  Pentateuch.  Zunz  setzt  die  Abfassung  des- 
selben, wie  er  in  dem  gedruckten  Vulgärtext  vorliegt,  in  die  erste 
Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  und  nimmt  an,  dass  er  in  Europa, 
etwa  in  Griechenland  oder  im  südlichen  Italien  entstanden  ist 
(S.  236  f.).  Den  Namen  Jelamdenu  erhielt  er,  weil  in  ihm  häufig 
die  Formel  gebraucht  ist:  „Es  belehre  uns  unser  Lehrer"  {jelamdenu 
rabbenu).  —  Dass  beide  Bezeichnungen,  Jelamdenu  und  Tanchuma, 
sich  ursprünglich  auf  denselben  Midrasch  beziehen,  hat  Zunz 
S.  226—229  nachgewiesen.  Doch  haben  dem  Verfasser  des  |  Jalkut 
zwei  verschiedene  Recensionen  vorgelegen,  welche  er  als  Jelamdenu 
und  Tanchuma  unterscheidet  (Zunz  S.  229  f.).  Und  der  gedruckte 
Vulgärtext  ist  wieder  von  beiden  zu  unterscheiden  als  eine  ver- 
kürzte Bearbeitung  des  „Tanchuma",  so  dass  also  im  Ganzen 
drei  Recensionen  bekannt  sind  (s.  Theodor,  Monatsschr.  1885, 
S.  38 f.  Hamburger.  Real-Enc.  Suppl.  S.  154 f.).  Den  älteren  Text 
des  „Tanchuma"  hat  Bub  er  1885  herausgegeben.  Von  „Jelamdenu" 
ist  bis  jetzt  kein  vollständiger  Text  bekannt.  Gegen  Bubers  An- 
sicht, dass  der  von  ihm  herausgegebene  Tanchuma  älter  sei  als 
Bereschith  rabba,  Pesikta  und  babylonischer  Talmud  s.  Neubauer, 
Eevue  des  etudes  juives  XIII,  225  sq.  N.  Brüll,  Jahrbb.  für  jüd.  Gesch. 
und  Litteratur  VIII,  121  ff.  Immerhin  ist  Tanchuma  der  älteste 
haggadische  Midrasch  zum  ganzen  Pentateuch  (Zunz  S.  233). 
Ja  Bacher  hat  es  wahrscheinlich  gemacht,  dass  wirklich  Tanchuma, 
der  letzte  bedeutende  palästinensische  Aggadist  (um  400  n.  Chr.), 
den  Grund  zu  diesen  Midraschwerken  gelegt  hat. 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  10 


146  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [114.  115] 

Ueber  den  gedruckten  Vulgärtexf  und  dessen  Ausgaben:  Wolf,  Biblioth. 
Eebr.  I,  1159  sg.  III,  1166  s?.  IV,  1035.  Fürst,  Bibl.Jud.,  III,  409.  Stein- 
sehneider, CataL  col.  596  s^.  Zedner,  Gatal.  ;x  543.  —  Neuere  Ausgaben  er- 
schienen z.  B.  in  Stettin  1864,  Warschau  1875. 

Midrasch  Tanchuma.  Ein  agadischer  Commentar  zum  Pentateuch  von 
Rabbi  Tanchuma  ben  Rabbi  Abba.  Zum  ersten  Male  nach  Handschriften  aus 
den  Bibliotheken  zu  Oxford,  Rom,  Parma  und  München  herausgegeben  etc.  von 
Salomon  Buber,  3  Bde.   Wilna  1885. 

Fragmente  des  Jelamdenu  und  Tanchuma  giebt  J ellin ek,  Bet  ha-Midrasch 
Thl.  VI,  1877,  S.  79 — 105.  Fragmente  des  Jelamdenu:  Neubauer,  Le  midrasch 
Tanchuma  et  extraits  du  Yelamdinu  et  de  petits  midraschim  {Revue  des  etudes 
juires  t.  XIII,  1886,  p.  224—238,  t.  XIV,  1887,  p.  92-113).  Grünhut,  Scfcr 
ha-likk-utim,  Thl.  1—5,  Jerusalem  1898—1901  (Frankfurt  a.  M.,  Kauftmann); 
enthält  in  Thl.  1—2  unter  Anderem:  Kritische  Untersuchungen  über  Tanchuma 
und  Jelamdenu  [in  hebr.  Sprache],  in  Thl.  4 — 5:  Collectaneen  aus  Jelamdenu 
zum  4.  und  5.  B.  M.  —  Proben  aller  drei  Recensionen  in  deutscher  Uebcr- 
setzüng:  Winter  und  Wünsche,  Die  jüdische  Literatur  seit  Abschluss  des 
Kanons  I,  1894,  S.  411—432. 

Ueberhaupt:  Zunz  S.  226—238.  —  Weber,  System  S.  XXIV  f.  — 
Strack  in  Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl.  IX,  757  f.  —  Theodor,  Buber's  Tan- 
chuma (Monatsschr.  f.  G.  u.  W.  d.  J.  1885,  S.  35—42,  422—431).  —  Bacher, 
Zu  Buber's  Tanchuma-Ausgabe  (Monatsschr.  18S5,  S.  551— 554).  —  Theodor, 
Die  Midraschim  zum  Pentateuch  und  der  dreijährige  palästinensische  Cyclus 
(Monatsschr  1885,  1886,  1887,  s.  oben  S.  143).  —  Hamburger,  Real-Enc, 
Supplementband  S.  154  f.  (Art.  „Tanchuma").  —  N.  Brüll,  Jahrbb.  für  jüd. 
Gesch.  und  Litteratur  VIIL  Jahrg.  1887,  S.  121—144.  —  Bacher,  Die  Agadu 
der  paläst.  Amoräer  III,  1899,  S.  500-514. 

8.  Jalkut  Schimoni,  *>i'ü^'tO  ülpb"'  (von  'Jpb  sammeln). 

Ein  grosses  midrasisches  Sammelwerk  über  die  ganze  hebrä- 
ische Bibel,  in  welchem  nach  Art  der  patristischen  Catenen  zu 
jeder  einzelnen  Stelle  die  auf  dieselbe  beziigliclicn  Auslegungen 
älterer  Werke  zusammengestellt  werden.  Nach  Zunz  S.  299f.  ist 
das  Werk  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrh.  verfasst.  —  Als  Verf. 
wird  ein  R.  Sinn'on  haddarsclian  genannt,  als  Vaterland  oder 
Wohnsitz  desselben  Frankfurt  a.  M.  Zunz  V(a-niutlit't,  dass  es  Simcon 
Kara  war,  der  im  Anfang  des  i[\.  Jahrh.  im  südlichen  Deutsch- 
land lebte.  I 

V^i.  Wolf,  liihl.  llvhr.  1,  \\2^)8q.  in,  1138.  —  Zunz  S.  295-303.  - 
Rapoport  im  Kerem  Clietiied  WM,  4  ft'.  (hebr.  gcsclir).  —  Fürst,  Bihtioth.Jud. 
III,  327  «9.  —  SteinHchncidcr,  GaJaL  rol.  2600—2604.  —  Zedner,  CataL 
p.KU.  —  Struck  in  Herzog'«  Rfal-Enc.  IX,  7')8.  —  Epstein,  xnp  -(lyau:  "n 
•»31713»  öipb-Tii,  Krakau  1891  (angoz.  in:  Jewish  QuartrHi/  lirrinr  IV,  1H!)2, 
p.  \hl  Kq.  Thcol.  Litztg.  1892,  257).  —  Oantcr,  Im  sourrc  de  Yalhoid  II  (Herne 
den  HudM  juivcH  t.  XXV,  1892,  p.  U-M)  [Yalkout  II  —  der  zweite  Thoil  (Ich 
Jalkut,  Aber  die  Proplieten  und  Hagingraplicn].  —  Epstein,  Le  Yalkout 
Srhiineoui  et  le  Yalkout  Ita-Makhiri  [UdFJ  XXVI,  1893,  p.  75-82).  -  Neuere 
Auiig.  t.  B.  Warnchau  1870—77. 


[115.  116]  §  3.    Quellen.    E.  Die  rabbinische  Literatur.  447 

III,  Die  Targumim. 

Auch  die  Targum im  oder  die  aramäischenUebersetzungen 
des  Alten  Testamentes  gehören  zur  „rabbinischen  Literatur", 
insofern  auch  in  ihnen  die  traditionelle  Auffassung  des  Schriftt6xtes 
zum  Ausdruck  gebracht  ist.  Namentlich  gilt  dies  von  denjenigen, 
welche  nicht  eine  streng  wörtliche,  sondern  eine  paraphrastische 
Wiedergabe  des  Textes  bieten.  —  Wir  erwähnen  hier  nur  die  Tar- 
gume  zum  Pentateuch  und  zu  den  Nebiim,  da  die  Targume  zu  den 
Kethubim  wegen  ihres  späten  Ursprungs  für  uns  von  geringerer 
Wichtigkeit  sind. 

1.  Onkelos  zum  Pentateuch.  Die  wenigen  Notizen,  welche 
sich  im  Talmud  über  die  angebliche  Person  des  Onkelos  finden, 
lassen  ihn  bald  als  einen  Schüler  und  Freund  des  älteren  Gamaliel 
erscheinen,  wornach  er  um  die  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  nach  Chr. 
gelebt  haben  würde;  bald  als  einen  Zeitgenossen  des  R.  Elieser 
und  R.  Josua,  wornach  er  in  der  ersten  Hälfte  des  zweiten  Jahr- 
hunderts gelebt  hätte.  Nur  darin  stimmen  sie  überein,  dass  er 
Proselyte  gewesen  sei^^).  Die  aramäische  Pentateuch-Uebersetzung, 
welche  ihm  zugeschrieben  wird,  unterscheidet  sich  von  allen  andern 
Targumen  durch  ilu-e  fast  peinliche  Wörtlichkeit  ^s).  Nur  an  wenigen, 
meist  dichterischen  Stellen  {Gen.  49,  Xum.  24,  Deut.  32—33)  wird  sie 
durch  bildliche  Auslegung  zur  Haggada^').  Sonstige  Abweichungen 
vom  Texte  haben  nur  den  Zweck,  die  Anthropomorphismen  und 
überhaupt  unwürdig  scheinende  Ausdrücke  und  Vorstellungen  von 
Gott  zu  beseitigend'^).  Die  Sprache  des  Onkelos  ist  nach  Geiger 39) 
und  Frankel^®)  das  Ostaramäische  (Babylonische).  Nöldeke  hat  sie 
früher^*)  für  „eine  etwas  jüngere  Entwickelung  des  schon  in  einigen 
Büchern  des  Alten  Testaments  angewandten   palästinischen  Ara- 


35)  S.  die  Stellen  bei  De  Wette-Schrader,  Einl.  in  das  A.  T.  S.  124  f. 
Frankel,  Zu  dem  Targum  der  Propheten  S.  4. 

36)  Nöldeke,  Die  alttestamentl.  Literatur  S.  257  f. 

37)  Zunz,  Die  gottesdieustl.  Vorträge  S.  02.  —  Proben  der  üebersetzung 
bei  Volck,  Art.  „Thargumim"  in  Herzog's  ßeal-Enc.  2.  Aufl.  XV,  366—369. 
Winter  und  Wünsche,  Die  jüdische  Literatur  seit  Abschluss  des  Kanons 
I,  65-67. 

38)  Vgl.  Volck  S.  369.  Langen,  Das  Judenthum  in  Palästina  S.  209  ff., 
268  ff.  Maybaum,  Die Anthropomorphien  undAnthropopathien  bei  Onkelos  etc. 
Breslau  1870.  Geiger,  Jüdische  Zeitschr.  für  Wissensch.  und  Leben  1871, 
S.  96—102.  Ginsburger,  Jahrbb.  für  prot.  Theologie  1891,  S.  262—280, 
430—458. 

39)  Jüdische  Zeitschrift  1871,  S.  93. 

40)  Zu  dem  Targum  der  Propheten  S.  5  f. 

41)  Die  alttestamentl.  Literatur  S.  257. 

10* 


148  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [116] 

mäismus"  erklärt,  seine  Ansicht  aber  später  dahin  präcisirt,  dass 
Onkelos  ein  palästinisches,  in  Babylonien  redigirtes  Erzeugniss  sei, 
„dem  sprachlich  im  Allgemeinen  der  altpalästinische  Character  be- 
wahrt ist,  während  im  Einzelnen  sehr  viel  von  babylonischer  Mund- 
art eingedrungen  ist"^-).  Dalman  bestreitet  diesen  Einfluss  babylo- 
nischer Mundart  oder  will  ihn  doch  auf  ein  Minimum  reduciren^  3). 
Schon  frühzeitig  gelangte  Onkelos  zu  hohem  Ansehen.  Der  babylo- 
nische Talmud  und  die  Midraschim  führen  häufig  Stellen  aus  ihm 
an  ^^).  Und  später  hat  man  ihm  sogar  eine  eigene  Masora  gewidmet  '*^). 
Gedruckt  wurde  er  sehr  oft;  z.  B.  in  den  rabbinischen  Bibeln  von 
Bomberg  und  Buxtorf  und  in  der  Londoner  Polyglotte.  Eine  Separat- 
Ausgabe  hat  Berliner  veranstaltet^*^).  Dieselbe  giebt  den  Text 
der  Ausgabe  von  iSabionetta  v.  J.  1557  wieder,  welche  „bei  der 
Umsetzung  und  zugleich  Uebertragung  der  babylonischen  Vocali- 
sation  in  das  bei  uns  übliche  System  die  wesentlichsten  Eigen- 
thümlichkeiten  der  babylonischen  Weise  bewahrt  hat"  (Berliner 
11,  133).  Bei  dieser  Uebertragung  ist  jedoch  sehr  willkürlich  ver- 
fahren worden.  Eine  sichere  Grundlage  für  die  Herstellung  einer 
richtigen  Vocalisation  bieten  erst  die  in  neuerer  Zeit  bekannt  ge- 
wordenen, aus  Süd- Arabien  stammenden  Handschriften  mit  „babylo- 
nischer' (oberer,  supralinearer)  Vocalisation.  Vgl.  darüber  die  unten 
genannten  Arbeiten  von  Merx,  Landauer,  Kautzsch,  Barn- 
stein u.  A. 

2.  Jonathan  zu  den  Propheten.  Jonathan  ben  Usiel  soll 
ein  Schüler  Hillel's  gewesen  sein,  und  würde  demnach  in  den 
ersten  Decennien  unserer  Zeitrechnung  gelebt  haben  ^').  Das  ihm 
zugeschriebene  Targum  erstreckt  sich  über  sämmtliche  Nebiim,  also 
über  die  historischen  Bücher  des  Alten  Testamentes  und  die  eigent- 
lichen Propheten.  Von  dem  Targum  des  Onkelos  unterscheidet  es 
sich  dadurch,  dass  es  weit  mehr  paraphrastisch  ist,   als  jenes. 


42)  Lit  Centralbl.  1877,  Sp.  305. 

43)  Die  Worte  Jchu  I,  1898,  S.  67. 

44)  S.  die  Stellen  bei  Zunz  S.  63  f. 

45)  Vgl.  darüber  Zeitschr.  der  Deutschen  M()rjj;ciiläud.  QeBellscli.  1864, 
8.  648—657  (Mittbeilung  Geiger's  über  eine  Abhandlung  Luzzatto'e).  —  Aus- 
gab«: Berliner,  Die  .Massorah  zum  Tnrgtim  Onkelos.  Leipzig  1877  (hierzu 
die  Anzeige  in  der  Tlu-ol.  IJtztg.  1877,  137  f.).  —  Landauer,  Die  Masorah 
znm  Onkelos,  auf  Grund  neuer  Quellen  lexikalisch  geordnet  und  kritisdi  he- 
Irachtet,  Amsterdam  lH(Ki. 

46j  Targum  Onkelon.  Heruungegrben  und  erläutert  von  A.  Berliner. 
1.  ThL  Text,  2.  Tbl,  Noten.  Einleitung  und  Rtigister.  Berlin  1884.  Vgl.  Tiieoi. 
Litztg.  1884,  401-405. 

47;  B.  die  Stellen  bei  De  Wette-ßchrader  8.  126.    Volck  8.  30»  f. 


[116.  117]  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  149 

„Schon  ZU  den  historischen  Büchern  macht  Jonathan  oft  den  Aus- 
leger: zu  den  eigentlichen  Propheten  geht  diese  zu  wirklicher  Hag- 
gada  werdende  Auslegung  fast  ununterbrochen  fort"  *'*).  Von  seiner 
Sprache  gilt  dasselbe,  was  oben  von  Onkelos  gesagt  worden  ist. 
Auch  Jonathan  gelangte  bald  zu  grossem  Ansehen,  und  wird  eben- 
falls in  Talmud  und  Midraschim  häufig  citirt^'^).  Gedruckt  ist  er 
gleich  Onkelos  sehr  oft;  z.  B.  in  den  Rabbinen-Bibeln  von  Bomberg 
und  Buxtorf  und  in  der  Londoner  Polyglotte.  Eine  Hand-Ausgabe 
auf  Grund  eines  codex  Reuchlinianus  hat  Lagarde  veranstaltet*®).  | 

Nach  den  obigen  traditionellen  Anschauungen  würden  die  Tar- 
gume  des  Onkelos  und  Jonathan  etwa  um  die  Mitte  des  ersten 
Jahrhunderts  nach  Chr.  geschrieben  sein,  in  welche  Zeit  sie  in  der 
That  Zunz  und  noch  manche  Neuere  setzen.  Aber  diese  Meinung 
ist  besonders  von  Geiger  erschüttert  worden.  Eine  Reihe  von  Mo- 
menten deutet  nämlich  darauf  hin,  dass  beide  in  Babylonien  redigirt 
worden  sind,  wo  eine  gelehrte  Thätigkeit  der  Rabbinen  erst  im 
dritten  Jahrhundert  nach  Christo  begann.  Geiger  nimmt  daher  an, 
dass  beide  Targume  erst  im  vierten  Jahrhundert  in  Babylonien  ver- 
fasst  oder  richtiger  redigirt  wurden'^');  und  Frankel  stimmt  ihm 
im  Wesentlichen  bei,  indem  er  nur  den  Onkelos  etwas  früher,  in's 
dritte  Jahrhundert  verlegt^^).  Letzteres  möchte  aus  dem  Grunde 
richtig  sein,  weil  Onkelos  bereits  von  Jonathan  benützt  wird*^). 
Die  Ansicht,  dass  das  Prophetentargum  im  vierten  Jahrhundert 
redigirt  ist,  wird  auch  durch  die  Tradition  bestätigt;  denn  der 
babylonische  Talmud  citirt  dasselbe  stets  als  das  „Targum  des  R. 
Joseph",  eines  babylonischen  Lehrers  aus  dem  vierten  Jahrhundert  *<). 
Was  aber  Onkelos  betrifft,  so  scheint  er  nicht  einmal  existirt,  ge- 
schweige denn  das  nach  ihm  benannte  Targum  verfasst  zu  haben. 
Denn  die  Notiz,  welche  der  babylonische  Talmud  (Megilla  3a)  über 


48)  Zunz  S.  63.  —  Ueber  den  Charakter  der  üebersetzung  und  Paraphrase 
des  Jonathan  s.  bes   Frankel,  Zu  dein  Targum  der  Propheten  S.  18-40. 

49)  S.  die  Stellen  bei  Zunz  63  f. 

50)  Prophetae  Chaldaice.  Paulus  de  Lagarde  e  ßde  codicis  Reuchliniani 
edidit.  Lips.  1872.  —  Proben  des  Textes  mit  babylonischer  Punktation  s.  bei 
Marx,  Chrestomathia  targumica,  1888. 

51)  Urschrift  S.  164.    Jüdische  Zeitschrift  1871,  S.  86.    1872,  S.  199. 

52)  Zu  dem  Targum  der  Propheten  S.  8—11. 

53)  Zunz  S.  63.    De  Wette-Schrader  S.  126  f.    Frankel  S.  13  f. 

54)  Frankel,  Zu  dem  Targum  der  Propheten  S.  10:  „Alle  Stellen,  die 
im  bab.  Talmud  unter  dem  Namen  des  R.  Joseph  angeführt  werden,  finden 
sich  in  unserem  heutigen  Targum  Jonathan",  Diese  Versicherung  Frankel's 
und  die  daraus  gezogenen  Schlüsse  scheinen  mir  nicht  entkräftet  durch  die 
Gegenbemerkungen  von  Schiller-Szinessy,  Eneyclopaedia  Britaimica  XXIU, 
64«,  und  Dalman,  Grammatik  des  jüdisch-palästinischen  Aramäisch  S.  10  f. 


150  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [117.  118] 

Onkelos  und  dessen  aramäische  Pentateucli-Uebersetzung  giebt, 
findet  sich  in  der  Parallelstelle  des  jerusaleniischen  Talmud  in  Be- 
zug auf  Aquila  und  dessen  gi-iechische  Uebersetzung  0er.  Mecjilla 
I,  9).  Und  Letzteres  ist  jedenfalls  das  Ursprünglichere.  Auch  sonst 
werden  oibpr»  und  ob'^py  mit  einander  verwechselt  ^%  Es  scheint 
daher,  dass  man  in  Babylonien  die  alte  und  richtige  Kunde  von 
einer  Pentateuch-Uebersetzung  des  Proselyten  Aquila  fälschlich 
auf  das  anonyme  aramäische  Targum  übertrug,  und  dass  der  Name 
ci5pD1S5  nur  durch  Corruption  aus  ob'^ps?  entstanden  ist  ^^).  —  Wenn 
sonach  die  beiden  Targume  erst  im  dritten  und  vierten  Jahrhundert 
redigirt  sind,  so  ist  doch  kein  Zweifel,  dass  sie  auf  älteren  Arbeiten 
ruhen  und  nur  den  Abschluss  eines  Processes  von  mehreren  -Jahr- 
hunderten bilden.  Die  Mischna  kennt  bereits  aramäische  Bibel- 
Uebersetzungen  5").  Das  Neue  Testament  stimmt  zuweilen  in  der 
Auffassung  alttestament  lieber  Stellen  auffallend  mit  den  Targumen 
überein  (vgl.  z.  B.  Eph.  4,  8),  ein  deutlicher  Beweis,  dass  die  letz- 
teren ihrem  Stoife  nach  bis  in  die  apostolisclie  Zeit  hinaufreichen. 
Auch  wird  eines  Targums  zum  Hiob  ausdrücklich  aus  der  Zeit 
vor  der  Tempelzerstörung  gedacht'''^).  Ja  selbst  aus  der  Zeit  des 
Johannes  Hyrkanus  haben  sich  Bruchstücke  in  unseren  Targumen 
erhalten*^).  Aus  alledem  erhellt,  dass  in  unseren  Targumen  ein 
Material  verwerthet  ist,  an  dessen  Herbeischaffung  viele  Genera- 
tionen gearbeitet  haben;  und  dass  auch  schriftliche  Aufzeichnungen 
den  jetzt  uns  vorliegenden  Arbeiten  bereits  vorangingen.  Bei 
dieser  Entstehungsgeschichte  würde  sich  auch  der  sprachliche 
Charakter,  falls  Nöldeke  in  Betreff  desselben  Recht  hat,  genügend 


55)  De  Wette-Schrader  S.  124. 

50)  Vgl.  Herzfeld,  Gesch.  des  Volkes  Ji.>*racl  III,  61—64.  Grätz,  Gesch. 
der  Juden  IV,  438.  Geiger,  Jüdische  Zeitsclir.  1871,  S.  86  f.  Frankel,  Zu 
dem  Targum  der  l*ropheten  S.  4,  H  f.  Berliner,  Targum  Onkelos  II,  98.  — 
Die  Existenz  eines  von  Aquila  verschiedenen  Onkelos  ist  neuerdings  wieder 
von  Friedmann  vertheidigt  worden  (Onkelos  und  Akylas,  Jahresbericht  der 
Uraelitisch-theol.  Lehranstalt  in  Wien,  ISÜü),  während  Hausdorff  die  grie- 
chische Bibelübersetzung  und  das  aramäist-he  Pentateu(;htargum  einem  und 
demselben  Aquila  ziiH(lirci))cn  möchte,  der  nodi  im  ersten  Jahrhundert  nach  Chr. 
gelebt  haben  «oll  und  darum  mit  dem  im  Neuen  Testamente  erwähnten,  nur 
flitchlich  fllr  einen  Christen  gcluiltenen  A(|uihi  identisch  sein  soll!!  (Monats- 
»chrifi  1804,  8.  246  ff.  280  M'.).  Heide  haben  aber  gtsgen  die  obigen  durch- 
schlagenden Argumente  nichts  Triftig<'s  vorzubringen  gewusstund  lassen  in  ihren 
eigenen  Aufstellungen  kritische  BcbärJe  und  Nücliterulieit  vormissen.  Gegen 
Friedmann  a.  auch  Blau,  Jmüh  Quarterly  Jicrüw  IX,  1897,  p.  727—740. 

57)  Ja(U0im  IV,  5. 

68)  Zun E,  Die  gottetdienitl.  Vorträge  B.  61  f. 

59)  Nöldeke,  Die  altteitamentl.  Literatur  8.  256. 


[118.  119]  §  3.   Quellen.    E.  Die  rabbinische  Literatur.  151 

erklären.    Denn  es  kann  nun  trotz  der  Kedaction  in  Babylonien 
der   palästinensische  Sprachcharakter  nicht  mehr  auffallend  sein. 

3.  Pseudo-Jonathan  und  Jeruschalmi  zum  Pentateuch. 
Ausser  Onkelos  giebt  es  noch  zwei  Targume  zum  Pentateuch,  von 
welchen  das  eine  sich  über  den  ganzen  Pentateuch,  das  andere 
nur  über  einzelne  Verse  und  oft  über  abgerissene  Woi-te  erstreckt. 
Ersteres  wird  dem  Jonathan  ben  Usiel  zugeschrieben;  letzteres 
in  den  Ausgaben  als  Targum  Jeruschalmi  bezeichnet.  Dass 
ersteres  nicht  von  dem  Verfasser  des  Propheten-Targums  herrühren 
könne,  ist  längst  anerkannt.  Zunz^^)  hat  zu  zeigen  versucht,  dass 
Pseudo-Jonathan  und  Jeruschalmi  nur  zwei  verschiedene  Eecen- 
sionen  eines  und  desselben  Targums  sind:  dass  beide  von  älteren 
Autoritäten  {Aruch  und  Elia)  unter  dem  Namen  „Targum  Jeru- 
schalmi" citirt  werden;  und  dass  auch  die  jetzt  fragmentarische 
Recension  den  älteren  Autoren  noch  vollständig  vorgdegen  hat. 
Geiger  glaubt,  dass  das  Fragmenten-Targum  von  Anfang  an  nur 
„eine  Sammlung  einzelner  Glossen",  nicht  etwa  zu  Pseudo-Jonathan, 
sondern  zu  der  Ur-Recension  war*»').  Nach  Seligsohn  und  Volck 
wäre  Jeruschalmi  „nicht  Fragment  einer  früher  vollständigen  Para- 
plirase,  sondern  ein  haggadisches  Supplement  und  eine  Sammlung 
von  Marginalglossen  und  Varianten  zu  Onkelos;  Pseudo  Jonathan 
aber  eine  auf  dieser  Basis  im  Ganzen  mit  derselben  Tendenz  ver- 
fasste  spätere  Redaction  des  Jeruschalmi"  ^2)_  Bacher  hält  das 
Fragmenten-Targum  für  eine  Sammlung  von  Bruchstücken  des 
ältesten  palästinensischen  Targum's.  Auf  Grundlage  des  letzteren 
sei  einerseits  Onkelos  entstanden,  andererseits  Pseudo-Jonathan, 
und  zwar  dieser  bereits  unter  Benützung  des  Onkelos ^^j.  Bass- 
freund kommt  auf  Grund  umsichtiger  Untersuchung  zu  dem  Resul- 
tate, dass  sowohl  dem  Fragmententargum  als  dem  Pseudo-Jonathan 
ein  „Targum  Jeruschalmi"  zu  Grunde  liegt  (das  übrigens  auch  erst 
nachtalmudischen  Ursprungs  sei),  dass  aber  beide  auch  den  Onkelos 
zur  Voraussetzung  haben,  indem  das  Fragmenten-Targum  nur  Zu- 
sätze zu  Onkelos  aus  dem  Jeruschalmi  gebe,  während  Pseudo- 
Jonathan auf  Grund  von  Onkelos  und  Jeruschalmi  gearbeitet  sei^*). 
Im  Wesentlichen  zu  denselben  Resultaten  ist  auch  Ginsburger 
gekonmien '''^).     Jedenfalls   sind  Pseudo-Jonathan  und  Jeruschalmi 


60)  Die  gottesdienstl.  Vorträge  S.  6ö— 72. 

61)  Urschrift  uud  üebersetzungen  der  Bibel  S.  455. 

62)  Herzog's  Real-Enc.  1.  Aufl.  XV,  681.    2.  Aufl.  XV,  372. 

63)  Zeitschr.  der  deutschen  morgenl.  Geaellsch.  1874,  S.  60. 

64)  Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  Bd.  40,  1896. 

65)  Monatsschr.    für   Gesch.  und  Wissensch.    des  Judenth.  Bd.  39,    1895, 
97  ft".    Bd.  41,  1897,  S.  289  ff. 


152  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinisclie  Literatur.  [119] 

aufs  nächste  mit  einander  verwandt  und  werden  am  besten  als 
Jeruschalnii  I  und  II  bezeichnet.  Denn  die  Zurückfühnmg-  des 
vollständigen  auf  Jonathan  ist  wahrscheinlich  nur  aus  irriger  Auf- 
lösung der  Abbreviatur  v'n  (=  ^^abOlT^  aia-in)  entstanden  ^'0.  Zum 
Targum  des  Onkelos  verhält  sich  dieses  in  doppelter  Recension 
überlieferte  Targum  „wie  Midrasch  zum  schlichten  Wortverständ- 
niss.  Onkelos  ist  nur  zuweilen  Ausleger;  der  Hierosol5'mitaner 
nur  zuweilen  Uebersetzer"  (Zuuz  S.  72).  „Seine  Sprache  ist  ein 
palästinensischer  Dialekt  des  Aramäischen;  daher  müssen  wir  ihm 
Syrien  oder  Palästina  als  Vaterland  zuweisen,  was  auch  die 
älteste  ihm  ertheilte  Benennung  [bsnt?')  fi«  Diann]  ^ ')  rechtfertigt" 
(Zunz  S.  73)  Was  die  Zeit  betrifft,  so  kann  Pseudo- Jonathan,  da 
bereits  die  Namen  einer  Frau  und  Tochter  Muhammed's  vorkommen, 
nicht  früher  als  im  siebenten  oder  achten  Jahrhundert  redigirt  wor- 
den sein*^^).  Aber  neben  diesen  späten  Bestandtheilen  enthält  er 
auch,  wie  die  anderen  Targume,  ja  vielleicht  noch  mehr  als  diese, 
Stücke  aus  ältester  Zeit,  wie  er  denn  überhaupt  „eine  Vorraths- 
kammer  von  Ansicliten  der  verschiedenen  Jahrhunderte"  ist*^^).  — 
Beide  Recensionen  sind  öfters  gedruckt  worden;  unter  anderem 
auch  in  der  Londoner  Polyglotte. 

Die  Literatur  über  die  Targume  und  deren  Ausgaben  s.  bei  Wolf, 
Biblioth.  Hebr.  II,  1189  sqq.  Le  Long,  Bibliotheca  sacra  ed.  Maseh  Part.  II 
vol.  1  (1781)  p.  23—49.  Rosenmüller,  Handbuch  für  die  Literatur  der  bibl. 
Kritik  und  Exegese  Bd.  III  (1799)  S.  3— lü.  Fürst,  Biblioth.  Jiul.  II,  105-107. 
III,  48.  Steinschneider,  Catal.  libr.  Hebr.  in  Biblioth.  Bodl.  cot.  165—174. 
Berliner,  Targum  Onkelos  (1884)  II,  175-200.  Volck  in  Herzog's  Real- 
Enc.  2.  Aufl.  Bd.  XV  (1885)  8.  375—377.  Buhl,  Kanon  und  Text  des  A.  T. 
(1891)  8.  168  ft".  Dal  man,  Grammatik  des  jüdiaoh-paläHtinisdien  Aramäiath 
1894,  8.  8-12.  Nestle  in  Herzog-Hauck's  Keal-Enc.  3.  Auti.  Bd.  III,  B.  103  H. 
—  Wir  heben  nur  folgendes  hervor. 

Ueber  die  Targume  überhaupt: 

Ilelrtcus,  De  chcUdaieis  Iribliorum  paraphrasibus,  Giessen  1612.  (Nach  Winor, 
Grammatik  des  bibl.  und  targum.  Chaldnismus  8.  1  Anm.,  ist  das,  was  die 
neueren  Werke  über  Einl.  in's  A.  T.  ül)er  die  Targume  enthalten,  grossen- 
theils  auH  Hclvicus  und  Curj)z<)V  geschöpft). 

Carpxov  (J„h.  aottlol,),  Criticn  sacra    Vet.  Test.  (1728)  ;).  430-481. 

Wolf,  Bibliotheca  IMmiea  vol.  II,  1135-1191.     IV,  730—734. 

Eichhorn,  Einleitung  in  «Ihm  Alte  Testament  Bd.  II  (4.  Aufl.  1823),  S.  1—123. 

Zunz,  Die  gottcMdicnstlichcn  Vorträge  der  Juden  (1832)  8.  61—83.  | 

Oe)  Zunc  8.  71. 

87)  Zun»  a  0Ö.    Geiger,  Urschrift  8.  KW. 

68)  Zun«  8.  75—77.     Geiger  H.  165.     Nöldoke,   Die  alttestamentliche 
Literatur  8.  269. 

69)  NOldeke,  Die  ulttt-Htamentliciie  Literatur  8.  259. 


[120]  §  3.   Quellen.    E.  Die  rabbinische  Literatur.  153 

Hävernick,  Handb.  der  histor.-krit.  Einl.  in  das  A.  T.  I,  2  (1837),  S.  73—89. 

—  2.  Aufl.  von  Keil  Bd.  I  (1854),  S.  387—402. 
Gfrörer,  Das  Jahrhundert  des  Heils  (1838)  I,  36—59. 
Fürst's  Literaturbl.  des  Orients  1840,  Nr.  44—47. 
Frankel,    Einiges  zu  den  Targumim  (Zeitschr.  für   die  religiösen  Interessen 

des  Judenth.  1846,  S.  110—120). 
Hcrzfeld,  Gesch.  des  Volkes  Jisrael  Bd.  III  (1857)  S.  61  ff.  551  ff. 
Geiger,  Urschrift  und  Uebersetzungen  der  Bibel  (1857)  S.  162—167. 
Volck,  Art.  „Thargumim"  in  Herzog's  Real-Enc.  1.  Aufl.  XV  (1862)  S.  672—683. 

2.  Aufl.  XV  (1885)  S.  865—377. 
Etheridge,   The   Targums  of  Onkelos  and  Jonathan  ben  Uxxiel  on  the  Penta- 

teuch;  with  the  fragmeiits  of  Jerusalem  Targum:  from  the  Chaldee,    2  Bde. 

London  1862—1865. 
Langen,  Das  Judenth.  in  Palästina  (1866),  8.  70-72,  209—218,  268  ft'.  418  ff. 
Nöldeke,  Die  alttestauientliche  Literatur  (1868)  S.  255—262. 
Deutsch,  Art.  „Versions  Ancient^^  in  Smith' s  Dictionary  of  the  Bihle,  amerikau. 

Ausg.  IV,  3395—3424. 
Davidson,  Art.  „Targum"  in  Kitto's  Cyclopaedia  of  Biblical  Literatur.    Eben- 

das.  auch  die  Artikel  „Onkelos"  und  „Jonathan"  von  Ginsburg. 
De  Wette-Schrader,  Lehrb.  der  histor.-krit.  Einl.  in  die  kanon.  und  apokr. 

Bücher  des  A.  T.  (1869)  S.  123—129.   —   Ueberhaupt  die  Einll.  in's  Alte 

Testament,   z.  B.   von   Keil,    Kaulen,    Bleek-Wellhausen,    Beuss 

(Gesch.  der  heiligen  Sehr.  A.  T.'s)  u.  A. 
ßöhl,  Forschungen  nach  einer  Volksbibel  zur  Zeit  Jesu  (1873)  S.  140— 168. 
Siegfried,  Philo  von  Alexandria  (1875)  S.  281  ff. 

Weber,  System  der  altsynagogalen  palästinischen  Theologie  (18S0)  S.XI — XIX. 
Hamburger,  Real-Enc.  für  Bibel  und  Talmud,  Abth.  H,  S.  1167— 1195  (Art. 

„Targum  etc."). 
Merx,  Bemerkungen  über  die  Vocalisation  der  Targume  (Abhandlungen  und 

Vorträge  des  fünften  internationalen  Orientalisten-Congresses  zu  Berlin  1881, 

II,  1 :  Abhandlungen  und  Vorträge  der  semitischen  und  afrikanischen  Sec- 

tion,  Beriin  1882,  S.  142—225). 
Merx,  Johannes  Buxtorfs  des  Vaters  Targumcommentar  Babylonia  (Zeitschr. 

für  wissenschaftl.  Theol.  1887,  S.  280—299,  462—471.     1888,  S.  41—48). 
Merx,    Chrestomathia  Targumica ,  quam  .  .  ,  ad  Codices  rocalibus  Babylonicis 

instructos  edidit.    Berlin  1888  (umfangreiche  Textproben  mit  supralinearer 

Vocalisation). 
Landauer,  Studien  zu  Merx'  Chrestomathia  Targumica  (Zeitschr.  für  Assyrio- 

logie  III,  188S,  S.  263—292). 
Schiller-Szinessy,  Kri.  „Targum"  in:  Encyclopaedia  Britannica  «0/.  XXIII, 

p.  62-65. 
Buhl,  Kanon  und  Text  des  A.  T.  (1891)  S.  168-184. 
Ginsburger,  Die  Anthropomorphismen  in  den  Thargumim  (Jahrbb.  für  prot. 

Theologie  1891,  S.  262—280.    43u— 458). 
Hausdorff,  Zur  Geschichte  der  Targumim  nach  talmudischen  Quellen  (Mo- 

natsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  Bd.  38,  1894,  S.  203  ft". 

241  ff.  289  ff). 
Nestle,    Art.    „Bibelübersetzungen,  jüdisch-aramäische"   in   Herzog-Hauck's 

Real-Enc.   3.  Aufl.   Bd.  III,  1897,  S.  103—110, 
Die  Lexika  und  Grammatiken  über  die  Sprache  der  Targume  s.  oben  S.  131 1. 


154  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [120.  121] 

üeber  Onkelos: 

Winer,  De  Chikeloso  ejusque  paraphrasi  chaldaica,  Lips.  1820. 

Luxxatto,  "la  3!T1x  Philoxenus  sive  de  Onkelosi  chaldaica  Pentateiichi  versione 

(hebr.  geschr.).     Wien  1830. 
Rödiger,  Art.  „Onkelos"  in  Ersch  und  Gruber's  Allgem.  Encyklop.  Bection  III, 

Bd.  3  (1832)  S.  468  f. 
Levy,   Ueber  Onkelos  und  seine  Uebersetzung  des  Pentateuch  (in  Geiger's 

Wissenschaftl.  Zeitschr.  für  jüdische  Theologie  Bd.  V,  1844,  S.  175—198. 

Die  Fortsetzung  in  Fürst's  Literaturbl.  des  Orients  1845,  S,  337  fF.  354  ff.). 
Anger,   De  Chikelo  Chaldaico  quem  ferunt  Pentateiichi  paraphraste  et  quid  ei 

rationis  intercedat  cum  Akila  Qraeco  Veteris  Testamenti  interprete.   2  Parti. 

Ups.  1846. 
Pressel,  Art.  „Onkelos"  in  Herzog's  Eeal-Enc.  1.  Aufl.  X  (1858)  S.  613  f. 
Schönfelder,  Onkelos  und  Peschittho.    Studien  über  das  Alter  des  Onkelos '- 

sehen  Targums.    München  18G9.  | 
31aybaum,    Die  Anthropomorphien    und   Anthropopathien  bei  Onkelos  und 

den  spätem  Targumim   mit   besonderer   Berücksichtigung  der  Ausdrücke 

Memra,  Jekara  und  Schechintha.     Breslau  1870. 
Geiger,  Das  nach  Onkelos  benannte  babylonische  Thargum  zum  Pentateuch 

(Jüdische  Zeitschr.  für  Wissenschaft,  und  Leben  1871,  S.  85 — 104). 
Neubürger,    Onkelos   und    die    Stoa    (Monatsschr.    f.    G.  u.  W.    d.  J.  1873, 

S.  566-568.    1874,  S.  48). 
Bachejr,  Das  gegenseitige  Verhältniss  der  pentateuchischen  Targumim  (Zeitschr. 

d.  DMG.  1874,  S.  59—71). 
Singer,   Onkelos   und  das  Verhältniss   seines  Targums  zur  Halacha,  Berlin 

1881. 
Berliner,  Targum  Onkelos,  herausgegeben  und  erläutert,  2.  Thl.  Noten,  Ein- 
leitung und  Register,  Berlin  1884. 
Bchefftel,  Biure  Onkelos,  Schoiien  zum  Targum  Onkelos,  nach  dem  Tode  des 

Verf.  herausg.  von  Perles  (in  hehr.  Sprache).    München  1888. 
KnutZBch,  Mittheilung    über  eine   alte    Handschrift    des    Targum  Onkelos 

{codex  Socini  Nr.  84).     Halle'sches    Osterprogramm ,   1893    [südarabische 

HaadHchr.  mit  oberer  Puuktation]. 
Harnstein,    The  Tarf/nm    of  Onkelos  to  Genesis.     A  critical  inquiry  into  tlie 

valuc  of  thc  text  cxhilntcd  by  Ycmcn  MSS.  voniparcd  with  that  of  the  European 

reeension    tof/cthcr    icith    somc     spccimen   chaptcrs    of    the    Oricntal    te:rt. 

Txmdon,  1890.    Hierzu  die  Anz.  von  Kautzsch,  Theol.  Litztg.  189G,  567. 
Fried  mann,  Onkelos  und  Akylas.      Juhresber.  der  israelitisch-theol.  Lehr- 
anstalt in  Wien,  189U. 
Dicttricb,  Einige  grammatiBche  Beobachtungen  zu  drei  im  British  Museum 

befindlichen  jemenitiBchcn  HandBcliriften    dos  Onqelostargums  (Zeitschr. 

für  die  altteHt.  WiHBenHch.  1900,  B.  148—159). 
ßredcrck,  Bemerkungen  über  die  Art  der  Uebersetzung  im  Targum  Onkelos 

(Theol.  Stud.  u.  Krit.  1901,  8.  351—377). 

Ueber  Jonatbau  zu  den  Propheten: 

Frankel,  Zu  dem  Targum  der  Propheten, Breslau  1872  (hierzu  die  Anzeigen 
ron  Nöideke  in  den  Gott.  gel.  Anz.  1872,  8.  828—834,  und  von  Geige 
in  der  Jfldiaohen  Zeituchr.  1872,  H.  198-201). 


[121]  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  ^55 

Klostermann,  Anzeige  von  Lagarde's  Ausgabe,  in  den  Studien  und  Kritiken 
1873,  S.  731-767. 

Bacher,  Kritische  Untersuchungen  zum  Prophetentargum.  Nebst  einem  An- 
hange über  das  gegenseitige  Verhältniss  der  pentateuchischen  Targumim 
(Zeitschrift  der  deutschen  morgenländischen  Gesellschaft  Bd.  XXVIII,  1874, 
S.  1—72). 

Klein,  Bemerkungen  zu  Bacher'e  „Kritischen  Untersuchungen  etc."  (Zeitschr. 
der  DMG.  XXIX,  1875,  S.  157—161).  —  Bacher,  Gegenbemerkungen  etc. 
(ebendas.  S.  319  f.). 

Cornill,  Das  Targum  zu  den  Propheten  (Zeitschr.  für  die  alttestamentl. 
Wissenschaft  1887,  S.  177—202). 

Adler,  A  specimen  of  a  commentary  and  collated  iext  of  the  Targum  to  the 
propkets.    Nahum  (Jewish  Quarterly  Review  VII,  1895,  />.  630— 657). 

Bacher,  Notes  on  the  critique  of  the  text  of  the  Taryum  of  the  prophets  [JQR. 
XI,  1899,  p.  651—655). 

Praetorius,  Das  Targum  zu  Josua  in  jemenischer  Ueberlieferung,  Berlin 
1899.    Hierzu  die  Anz.  von  Bacher,  Theol.  Litztg.  1900,  164. 

Praetorius,  Das  Targum  zum  Buch  der  Richter  in  jemenischer  Ueberliefe- 
rung, Berlin  1900.    Hierzu  Bacher,  Theol.  Litztg.  1901,  131. 

Ueber  Jonathan  und  Jeruschalmi  zum  Pentateuche: 

Winer,  De  Jonathanis    in  Pentateuchum  paraphrasi  chatdaiea.    Erlang.   1823. 

Petermann,  De  dtiabus  Pentateucki  paraphrasibiis  chaldaicis.  P.  I.  De  indole 
paraphraseos  quae  Jonathanis  esse  dicitnr.    Berolin.  1829. 

Bär,  Geist  des  Jeruschalmi  (Pseudo- Jonathan),  in:  Monatsschr.  für  Gesch. 
und  Wissensch.  des  Judenth.  1851/52,  S.  235-242. 

Seligsohn  und  Traub,  Ueber  den  Geist  der  Uebersetzung  des  Jonathan 
ben  Usiel  zum  Pentateuch  und  die  Abfassung  des  in  den  Editionen  dieser 
Uebersetzung  beigedruckten  Targum  Jeruschalmi  (Monatsschrift  1857, 
S.  96—114,  138—149). 

Geiger,  Das  jerusalemifeche  Thargum  zum  Pentateuch  (Urschrift  etc. 
S.  451—480). 

Seligsohn,  De  duabus  Hierosolymitanis  Pentateucki  paraphrasibus.  Breslau 
1858. 

Bacher,  Das  gegenseitige  Verhältniss  der  pentateuchischen  Targumim 
(Zeitschr.  der  DMG.  1874,  S.  59-71). 

Gronemann,  Die  Jonathan'sche  Pentateuch-Uebersetzung  in  ihrem  Verhält- 
nisse zur  Halacha,  Leipzig  1879. 

Lagarde,  Eine  vergessene  Handschrift  des  sogenannten  Fragmententargums 
(Nachrichten  von  der  königl.  Gesellsch.  der  Wissensch.  zu  Göttingen  1888, 
S.  1-3). 

Ejistein,  Tosefta  du  Targoum  Yeroiischahni  {Revue  des  etudes  jiiives  t.  XXX, 
1895,  p.  44-51). 

Ginsburger,  Die  Thargumim  zur  Thoralection  am  7,  Pesach-  und  1.  Scha- 
buoth-Tage  (Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  Bd.  39, 
1895,  S.  97  fl:  167  ff.  193  ff.). 

Rass freund,  Das  Fragmenten-Targum  zum  Pentateuch,  sein  Ursprung  und 
Charakter  und  sein  Verhältniss  zu  den  anderen  pentateuchischen  Tar- 
gumim (Monatsschr.  f.  G.  u.  W.  d.  J.  Bd.  40,  1896,  S.  1  ff.  49  ff.  97  ft:  145  ff. 
241  ff.  353  ff.  396  rt.;  auch  separat). 


156  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [121.  122] 

Ginsburger,  Zum  Fragmententhargum  (Monatssehr.  f.  G.  u.  W.  d.  J.  Bd.  41, 

1897,  S.  289  fF.  340  ft'.). 
Ginsburger,  Das  Fragmententhargum  (Thargum  jeruschalmi  zum  Pentateuch). 

Berlin  1899  (XVI,  122  S.). 
Dal  man,  Die  Handschrift  zum  Jonathantargum  des  Pentateuch,  Add.  27031 

des  Britischen  Museum   (Monatssehr.  f.  G.  u.  W.  d.  J.  41,  1897,  S.  454— 

456).   —    üeber  dieselbe  Handschr.    auch    Barnstein,   JQR.  XI,  1899, 

p.  167—171. 

üeber  das  Targum  scheni  zu  Esther: 

Reis,  Das  Targum  scheni  zu  dem  Buche  Esther,  Verhältniss  des  edirten 
Textes  desselben  zu  dem  eines  handschriftlichen  Codex  (Monatssehr.  f. 
G.  u.  W.  d.  J.  1876,  S.  161  ft".  276  ft'.  398  ff.). 

ßeiss.  Zur  Textkritik  des  Targum  scheni  zu  dem  Buche  Esther  (Monatssehr. 
1881,  S.  473-477). 

Munk,  Targum  scheni  zum  Buche  Esther,  nebst  variae  lectiones  nach  handschr. 
Quellen  erläutert  und  mit  einer  literarhistor.  Einleitung  versehen,  1876. 

Gas  sei.  Das  Buch  Esther,  ein  Beitrag  zur  Gesch.  des  Morgenlandes,  aus  dem 
Hebr.  übersetzt,  historisch  und  theologisch  erläutert,  1.  Abth.  Im  An- 
hang: Die  Uebersetzung  des  zweiten  Targum,  1878  (vgl.  Theol.  Litztg. 
1879,  220).  —  Ders.,  Aus  Literatur  und  Geschichte,  Abhandlungen,  1885 
(hierin  auch  eine  Ausg.  des  Targum  scheni  zu  Esther). 

Gelbhaus,  Die  Targumliteratur,  vergleichend  agadisch  und  kritisch  philo- 
logisch beleuchtet,  1.  Hft.    Das  Targum  scheni  zum  Buche  Esther,  1893. 

David,  Das  Targum  scheni,  nach  Handschriften  herausgegeben  und  mit 
einer  Einleitung  versehen,  1898. 

üeber  dieTargume  zu  den  anderen  Hagiographen  s.  die  Literatur  bei  Nestle, 
Herzog-Hauck's  Real-Enc.  3.  Aufl.  III,  109  f.  I 


IV.  Geschichtliche  Werke. 

Ausser  Talmud,  Midraschim  und  Targumiiii  sind  noch  folgende, 
in  den  Kreisen  des  rabbinischen  Judenthunis  entstandene  Werke 
hier  zu  nennen,  da  sie  zu  unserer  (beschichte  irgendwie  in  Beziehung 
stehen.  Als  historische  Quelle  ist  freilich  nur  das  zuerst  genannte 
von  Werth. 

1.  Megillath  'I'aanith,  eigentlich  „das  Fastenbuch",  ein  Ver- 
zeichnisa derjenigen  Tage,  an  welclien  w<'gen  der  Erinnerung  an 
irgend  ein  freudiges  Ereigniss  (bes.  aus  der  Makkabäerzeit)  nicht 
gefastet  werden  durfte.  Die  Feststellung  solclier  Tage  ist  schon 
Judith  8,  0  vorausgesetzt"^),  llnst^r  Verzeicliniss  wird  bereits  in 
d«*r   Mischna   {Tnanith  11,  8)   citirt.   und   scheint   im  ersten  Jahrh. 

70)  Judith  S,  (5:  tvr]axtvtv  näaa(i  raq  ^fdipai;  r»/,'  /^Qfvaewg  avzfjq  x^Q^i 
nQn(taßfldx<uv  xul  aa(i(iäxtuv  xal  n{)ovovf4Tivi<5v  xal  vov/htivköv  xal  bo()Ttüv  xal 
XaQfioavvuiv  nüxov  ^lupai^i.. 


[122.  123]  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  157 

nach  Chr.  redigirt  zu  sein.  Der  Text  ist  aramäisch;  der  weit  spä- 
tere Comnientar  hebräisch.  —  Das  früher  wenig  beachtete  Werk- 
chen ist  besonders  von  Grätz  und  Deren bourg  historisch  ausge- 
beutet worden. 

Ausgabe  mit  lat.  Uebersetzung:  Joh.  Meyer,  Tractatus  de  temporibus  s. 
etfestis  diebus  Hehraeonim  etc.  Accedit  r'^rrn  rbjia  volumcn  de  jejunio.  Amste- 
laedami  1724.  —  Eine  Ausg.  des  aramäisch-hebräischen  Textes  nach  der  ed. 
prineeps  und  der  Amsterdamer  Ausgabe  von  1711,  unter  Vergleichung  des 
cod.  de  Rossi  117  (zu  Parma)  und  einiger  Handschriften-Fragmente  der  bodle- 
janischen  Bibliothek  zu  Oxford  gab  Neubauer,  Mediaecal  Jeuish  Chroniclesll 
(=  Anecdota  Oxoniensia,  Semit ic  Series  col.  I  pari  VI)  Oxford  1895,^.3  —  25. — 
Nur  den  aramäischen  Text  mit  französ.  Uebersetzung  geben:  Derenbourg , 
Histoire  de  la  Palestine  (18Ü7)  p.  439 — 446,  und  Schwab  (s.  unten);  den 
aramäischen  Text  mit  deutschen  Anmerkungen:  Dal  man,  Aramäische  Dia- 
k'ctproben  189G,  S.  1—3,  32—34. 

Vgl.  überhaupt:  Wolf,  Biblioth.  Hebr.  I,  68  f.  384  f.  II,  1325  ft".  III, 
1195  fi:  IV,  1024.  —  Fürst,  Bibl.  Jud.  I,  9  (unter  Abraham  ha-Lewi).  — 
Steinschneider,  Catal.  libr.  Hebr.  in  biblioth.  Bmll.  col.  582.  —  {Zedner), 
Catal.  of  the  British  Museum  p.  517.  —  Zunz.  Die  gottesdienstl.  Vorträge  der 
Juden  S.  127— 128.  —  Pinuer  in  der  Einl.  zu  seiner  üebers.  des  Traci.  ßera- 
choth  fol.  12«.  —  Herz  fei  d,  Gesch.  des  Volkes  Jisrael  I,  266.  —  Ewald, 
Gesch.  des  Volkes  Israel  IV,  497  f.  VII,  402  f.  —  Grätz,  Gesch.  der  Juden 
Bd.  III,  3.  Aufl.  S.  597-615  (Note  1)  und  685  «".  (Note  26).  4.  Aufl.  S.  559— 
577  (Note  1).  —  Wellhausen,  Die  Pharisäer  und  die  Sadducäer  (1874) 
S.  56 — 63.  —  Schmilg,  Ueber  Entstehung  und  historischen  Werth  des 
Siegeskalenders  Me'/illath  Taanith,  Leipzig  1874.  —  Joel  Müller,  Der  Text 
der  Fastenrolle  (Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1875, 
S.  43—48,  139—144).  —  Brann,  Entstehung  und  Werth  der  Megillat  Taanit 
(Monatsschr.  1876,  S.  375  ff.  410  ft".  445  ft".).  —  P.  Cassel,  Kritisches  Send- 
schreiben über  die  Probebibel.  II.  Messianische  Stellen  des  Alten  Testaments. 
Angehängt  sind  Anmerkungen  über  Megillath  Taanith,  Berlin  1885.  —  Ham- 
burger, Real-Enc.  für  Bibel  und  Talmud,  Supplementband  S.  104—107  lArt. 
„Megillath  Taanith").  —  M.  Schu-ab,  La  Megillath  Taanith  ou  „Annirersaires 
historiqties"  [Actes  du  onxihne  conf)res  international  des  Orientalistes,  Paris 
1897,  quatrie-me  Seetion,  Paris  1898,  p.  199 — 259,  auch  separat).  Ders.,  Quel- 
ques notes  sur  la  Meghillath  Taanit  [Revue  des  etudes  juives  t.  XLI,  1900, 
p.  266-268). 

2.  Seder  olam,  auch  Seder  olam  rabba  genannt,  eine  Erläu- 
terung der  biblischen  Geschichte  von  Adam  bis  auf  die  Zeit 
Alexanders  des  Grossen,  mit  einigen  Notizen  über  die  spätere  Zeit. 
—  Es  wird  im  Talmud  citirt  und  dem  R.  Jose  ben  Chalephta 
(um  130—160  nach  Chr.)  zugeschrieben;  letzteres  nur  deshalb,  weil 
R.  Jose  darin  9  mal  als  Autorität  citirt  wird. 

Viel  jünger,  frühestens  im  8.  Jahrh.  geschrieben,  ist  das  Seder 
olam  sutta,  ein  genealogisches  Werk,  das  zunächst  die  biblische 
Zeit  behandelt  und  dann  die  ununterbrochene  Reihe  der  babylo- 
nischen Exilfürsten  geben  will. 


158  §  3.    Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [123] 

Ausgabe  beider  mit  lat.  Uebersetzung:  Ghronicou  Hehraeorum  majus  et  minus, 
tat  ine  vertit  et  contmentar.  perpet.  illustravit  J.  Meyer.  Acced.  ejusd.  dissertt.  3. 
Amstelaedami  lü99.  —  Neue  Ausgaben  des  Seder  Olam  rabba:  1)  nach  der 
Amsterdamer  Ausgabe  von  1711  und  einer  bodlejanischen  Handschrift  vom  J. 
1315  unter  Vergleichung  einiger  anderer  Handschriften  von  Neuhauer,  Me- 
diaeval  Jeicish  Chronieles  H  (=  Anecdota  Oxoniensia,  Semitic  Series  vol.  I,  part 
VI)  Oxford  1805,  p.  26—67.  2)  Von  Eatner,  Seder  Olara  rabba,  die  grosse 
Weltchronik,  nacli  Handschriften  und  Druckwerken  herausgegeben,  mit  kriti- 
schen Noten  und  Erklärungen  versehen,  Wilna  1897  (dazu  dessen  „Einleitung", 
s.  unten).  Vgl.  ^JQR.  IX,  740.  Revue  des  etudes  juives  XXXVI,  118  sq.  — 
Einen  Abdruck  des  Seder  olam  sutta  giebt  auch  Neubatier,  Mediaeval  Jeicish 
Chronieles  II  p.  68 — 73  (das  Folgende  gehört,  trotz  der  Columnen-Ueberschrift, 
nicht  mehr  dazu),  und  nach  einem  fehlerhaften  cod.  de  Rossi:  Schechter, 
Monatsschr.  f.  G.  u.  W.  d.  J.  Bd.  39,  1895,  S.  23—28;  ein  Stück  des  Textes 
(soweit  er  sich  auf  die  Exilsfursten  bezieht)  in  kritischer  Bearbeitung: 
F.  Lazarus  in  BrüU's  Jahrbb.  für  jüd.  Geschichte  und  Litteratur  X,  1890, 
S.  157—170. 

Vgl.  überhaupt:  Wolf,  Biblioth.  Hebr.  I,  492—499.  IV,  1029  s?.  —  Fürst, 
Biblioth.  Jud.  II,  107  s?.  —  Steinschneider,  Catal.  Bodl.  col.  1433 — 1437.  — 
{Zedner),  Catal.  of  the  Brit.  Mus.  p.  689  sq.  —  Zunz,  Die  gottesdienstlichen 
Vorträge  S.  85.  135 — 139.  —  Ewald,  Göttinger  gel.  Anzeigen  1858,  S.  1456  ft". 
Gesch.  des  Volkes  Israel  I,  290  f.  VII,  71.  —  Fürst,  Literaturbl.  des  Orients 
1846,  S.  547—552.  —  Grätz,  Gesch.  der  Juden  IV,  200.  —  Hamburger, 
Real-Enc.  Supplementbd.  S.  132  f.  —  Ratner,  nni  obis?  -lönVi  xin^a  [auf  der 
Rückseite  des  inneren  Titels:  Einleitung  zum  Seder  Olam],  Wilna  1894  (in 
hebr.  Sprache;  werthvoU,  s.  RdEJ.  XXVIII,  301-304.  JQR.  VII,  348  sq.).  — 
Winter  und  Wünsche,  Die  jüdische  Literatur  seit  Abschluss  des  Kanons 
III,  299  ft".  304  ff".  (Proben  in  deutscher  Uebersetzung).  —  Rühl,  Der  Ursprung 
der  jüdi.schen  Weltära  (Deutsche  Zeitschr.  für  Geschichtswissensch.  Neue 
Folge  II,  1897/98,  S.  185-202  und  Nachtr.  S.  342—344)  [zeigt,  dass  das  Seder 
Olam  bereits  nach  der  jüdischen  Weltära  vom  J.  3760  vor  Chr.  rechnet]. 

3.  Mcgilloth  Antioehus,  richtij^er  '^SSIttOn  •>:!  rhyn,  eine  kurze 
legeiidarische  Gescliichte  der  Bedrückungen  des  Antioclius  Kpiplianes 
und  der  Siege  der  Hasmonüer;  aus  nachtalnnidischer  Zeit,  histüriscli 
wertlilos.  —  Der  ursprüngliche  aramäische  Text  ist  erst  in  neuerer 
Zeit  gedruclit  worden;  die  zahlreichen  älteren  Drucke  geben  eine 
hebräische  Uebersetzung,  die  sich  aucli  noch  handscliriftlich  er- 
halten hat. 

Ueber  die  Haudsclirilicn  des  aramäischen  und  des  h«'l)räi^tlM'n  'icxtcs  s. 
Curtitß,  The  Naniu  Machnbee  (Leipzig  1876)  ;>.  36  «77.  Mrrx,  ChrtstonKithia 
tartjumiea  1888  p.  XVI  (verzeichnet  zwei  HandHcliriftcn  des  Britisclicn  .Museums 
[Orient,  23111,  2212],  welche  den  anuu.  T<'.\t  mit  luihyloniHclicr  l'unctution  ent- 
halten).  Oaiitcr  in  Heiner  Ausg.  S.  15  f.  Uelxjr  die  Ausgaben:  (iawtcr 
ebendfti.  Dalmun,  Grammatik  des  jüdisch-palÜHtinischen  Aramäisch  1894, 
8.  0.  —  Den  hehr.  Text  mit  lat.  Uebersetzung  giebt  Bartolocci,  Biblioth. 
rabbin.  I,  'Mi  tqq.  Hieraus  die  lat.  Uebersetzung  allein:  Fahrte  ins,  Codcr, 
paeudepigr,  Vet.  Tut.  I,  1105  «77.  —  Neuere  Au«g.  des  hebr.  Te.xte»:  Jellivek, 
Bei  ha-Midra»ch,  I,  18.'S3,  p.  142—146.  —  Der  animäiBclie  Text  ist  zuerst  lienuis- 


[123.  124]  §  3.    Quellen.    E.  Die  rabbinische  Literatur,  159 

gegeben  worden  von  Filipowski  1851  {The  chaice  ofpearls  .  .  .  to  which  is 
adde/l  tlie  book  of  Antiochus,  published  for  the  first  time  in  Äramic,  Hebrew  aud 
Engh'sh  hy  H.  Filipowski,  London  1851).  Ferner  von:  2)  Toprower  nach 
einer  Leipziger  Handschrift  in :  Kebod  fiu-Lebanon  X,  1874,  S.  17 — 28.  3)  Jelli- 
nek,  Bet  ha-Midrasch  VI,  1877,  i).  4 — 8.  4)  Gaster  in:  Tramactions  of  the 
ninth  internationul  Congress  of  Orient alists,  held  in  London  1892,  vol.  II,  London 
1893,  p.  1—32  (nach  sechs  Handschriften,  mit  Einleitung  und  engl.  Uebersetzung). 
5)  Abrahams,  Jewish  (^arterly  Review  XI,  1899,  p.  291—299  (kürzerer  Text 
in  abweichender  Recension). 

Vgl.  überhaupt:  Wolf,  Biblioth.  Hebr.  I,  204  sg.  III,  130.  —  Fürst, 
Bihlioth.  Jiul.  II,  317.  —  Steinschneider,  Catal.  Bodl.  col.  206  sq.  —  {Zedner), 
Catctl.  of  the  Brit.  Mns.  p.  51.  —  Zunz  S.  134.  —  Ewald,  Gesch.  IV,  375.  — 
Josephson,  Die  Sagen  über  die  Kämpfe  der  Makkabäer  gegen  die  Syrer, 
Leipziger  Dissert.,  Breslau  1889.  —  Harkavy,  Studien  und  Mittheilungen  aus 
der  Kaiserlichen  Bibliothek  zu  St.  Petersburg  V.  Tbl.  Leben  und  Werke  des 
Saadjah  Gaon,  1.  Heft  1891,  S.  205—209  (iu  hebr.  Sprache,  in  den  Schriften 
des  Vereins  Mekixe  Nirdamim).  —  Gaster  in  seiner  Ausg.;  dazu  Neubauer, 
JQR.  VI,  1894,  p.  570—576.  —  Grünhut,  Das  Buch  Antiochus,  kritisch  unter- 
sucht, erläutert  und  übersetzt,  Jerusalem,  1894.  —  Krauss,  Le  livre  des 
Asmoneens  {Revue  des  Stitdes  juives  t.  XXX,  1895,  p.  214 — 219). 

4.  Josippon  oder  Joseph  hen  Gorion  (Josephus  Oorionides). 
Unter  diesem  Namen  existirt  ein  in  hebräischer  Sprache  ge- 
schriebenes Werk,  welches  nach  dem  gewöhnlichen,  am  häufigsten 
gedruckten  Texte  eine  Geschichte  des  jüdischen  ^'olkes  von  Adam 
bis  zur  Zerstörung  des  Tempels  durch  Titus  giebt.  Daneben 
existiren  aber  noch  drei  andere  Recensionen:  1)  ein  hebräischer 
Text,  in  welchem  gi'osse  Stücke  des  Vulgärtextes  fehlen;  er  ist 
nach  der  editio  princeps  wieder  herausgegeben  worden  von  Seb. 
Münster  1541.  2)  Eine  abkürzende  arabische  Uebersetzung,  welche 
im  Wesentlichen  mit  dem  Vulgärtexte  parallel  geht.  3)  Das  im 
4.  Bande  der  Londoner  Polyglotte  gedruckte  sog.  arabische  Makka- 
bäerbuch.  Letzteres  beginnt  mit  der  Tempelberaubung  durch 
Heliodor,  wie  sie  das  zweite  Makkabäerbuch  erzählt,  und  endigt  mit 
der  Ermordung  sämmtlicher  Mitglieder  der  hasmonäischen  Familie 
durch  Herodes  den  Grossen.  Aber  auch  die  von  Münster  nach- 
gedruckte editio  princeps  des  hebräischen  Textes  schliesst  eben 
hiermit.  Da  auch  der  arabische  Auszug,  obwohl  er  bis  zur  Zer- 
störung Jerusalems  durch  Titus  geht,  betitelt  ist  „Das  Buch  der  Mak- 
kabäer", so  vermuthet  Wellhausen  wohl  mit  Recht,  dass  das  ur- 
sprüngliche Werk  wirklich  nur  eine  Geschichte  der  ..Makkabäer". 
d.  li.  der  hasmonäischen  Dynastie  war,  in  dem  Umfang,  wie  er 
durch  das  arabische  Makkabäerbuch  geboten  wird.  Was  der  Vulgär- 
text vorher  und  nachher  hat,  scheinen  spätere  Zuthaten  zu  sein, 
wofür  auch  der  Charakter  der  Einleitung  spricht,  welche  nur 
dürftige  Bruchstücke    der  jüdischen    (und  römischen)  Geschichte 


160  §  3.   Quellen.   E.  Die  rabbinische  Literatur.  [124] 

bis  zur  Makkabäerzeit  giebt,  und  zwar  mit  starken  Abweichungen 
in  den  verschiedenen  Recensionen.  Die  Quellen  des  ursprünglichen 
Werkes  waren  das  zweite  Makkabäerbuch  und  Josephus  in  latei- 
nischer üebersetzung.  Trieb  er  meint  freilich,  dass  der  Verfasser 
noch  das  echte  Werk  des  Jason  von  Cyrene  und  das  grosse  Ge- 
schichtswerk des  Nicolaus  Damascenus  benützt  habe;  es  ist  aber 
handgreiflich,  dass  der  Verfasser  nur  aus  den  obengenannten  ab- 
geleiteten Quellen  geschöpft  hat.  Die  Fortsetzung  des  Werkes 
bis  zur  Zerstörung  des  Tempels  durch  Titus  ist  aus  derjenigen 
lateinischen  Bearbeitung  von  Josephus'  Bellum  Judaicum,  welche 
man  „Hegesippus"  zu  nennen  pflegt,  entnommen,  während  für  die 
vorangestellte  Einleitung  (bis  zur  Makkabäerzeit)  trübe  Legenden 
wie  der  Alexander-Roman,  daneben  auch  Daniel,  Esra  und  Esther 
mit  den  apokryphen  Zusätzen  benützt  sind.  Die  überschwänglichen 
Elogien  des  Joseph  ben  Gorion  als  Verfassers  des  Buches  finden 
sich  nur  im  hebräischen  Vulgärtext;  sie  fehlen  in  den  drei  anderen 
Recensionen  (Wellhausen  S.  46).  Die  Verwechselung  des  Flavius 
Josephus,  Sohn  des  Matthias,  mit  Joseph  ben  Gorion  erklärt  sich 
aus  der  Benützung  des  Hegesippus.  Im  echten  Josephus  ist  näm- 
lich in  dem  Verzeichniss  der  Befehlshaber  für  den  jüdischen  Krieg 
[Bell.  Jud.  II,  20,  3—4)  an  der  Spitze  Joseph  Sohn  Gorion's  und 
am  Schlüsse  Joseph  Sohn  des  Matthias  genannt,  worauf  dann  des 
letzteren  Thaten  in  Galiläa  erzählt  werden.  Im  Hegesippus  (III, 
3,  2 — 3)  ist  aus  Versehen  Joseph  Sohn  des  Matthias  ausgelassen, 
so  dass  der  Schein  entstehen  konnte,  als  ob  der  Befehlshaber 
Galiäa's  (Flavius  Josephus)  mit  jenem  Joseph  Sohn  Gorion's  iden- 
tisch sei").  Das  Vaterland,  sowohl  des  ursprünglichen  Werkes 
als  der  Ueberarbeitung,  ist  sicher  Italien,  wie  besonders  die  Namens- 
formen und  geographische  Notizen  beweisen.  Die  Entstehung  der 
vulgären  (überarbeiteten)  Recension  setzt  Zunz  S.  150 — 152  in  die 
erste  Hälfte  des  zehnten  Jahrh.  nach  Chr. 

Unter  den  zahlreichen  Ausgaben  de«  Vulgfirtextes  ist  besonders  hervor- 
saheben:  Josephus  Oorionides  s.  Josephus  Hchrairits  juxta  rcndam  cdit.  latine 
eer»U9  et  cum  exemplari  Cimstantinop.  vallatun  atqiie  »u/is  iUnsIrattts  a  J.  F. 
lireithaupto,  Qothac  17U7  (hebr.  und  lat.).  Dieselbe  mit  neuem  Titel  Oothac 
et  lApa.  1710.  —  Eine  lut.  Üebersetzung  dieses  Textes  mit  einleitenden  Unter- 
HUcbungen  gab  auch  Joh.  Oagnier,  Josippon  sirc  Josephi  bcu  (lorionis  bistorUie 
JwUtietie  lH/ri  8CC,  ex  hehraco  Inline  vertit  etc.  Chron.  1706.  —  Die  editio  priiieeps, 
wcleho  den  kürzeren  Text  giebt  (ohne  Ort  und  Jahreszahl,  Mantua  vor  1480?) 
ist  DAcbgcdnickt  von  Heb.  Münster  (Josephus  Ifebrairus  diu  dcsidvratissimua 


71)  Diesen  Ha«liverlialt  hat  zuerst  Kapoport  erkannt,  s.  Zunz,  Die 
gOttc'sdieDstlk'ben  Vorträge  der  Juden  8.  149;  dann  Trieber  S.  :W(1  f.  Well- 
bansen  8.  49. 


[124]  §  3.    Quellen.    E.  Die  rabhinische  Literatur,  ißl 

opera  Seb.  Münster i,  Basti.  1541),  jedoch  mit  Weglassung  der  einleitenden 
Capitel  (Trieber  S.  381).  —  lieber  eine  in  Beirut  gedruckte  Ausgabe  der  ara- 
bischen Version  {Tarih  Yusifus  el-Yahudi,  Beirut,  1872)  s.  Vogelstein  und 
Rieger,  Gesch.  der  Juden  in  Rom  I,  485  f,  —  Eine  ausführliche  Inhaltsan- 
gabe der  arabischen  Version  (nach  einer  Pariser  Handschrift)  nebst  Unter- 
suchungen über  die  Entstehung  des  Werkes  giebt:  Wellhausen,  Der  ara- 
bische Josippus  (Abhandlungen  der  Göttiuger  Gesellsch.  der  Wissensch.,  phil.- 
hist.  Classe,  Neue  Folge  Bd.  1,  No.  4,  1897).  —  Ueber  eine  aethiopische  Version, 
von  welcher  es  Handschriften  in  London ,  Berlin  und  Frankfurt  a.  M.  giebt, 
s.  Gold  Schmidt,  Die  abessinischen  Handschriften  der  Stadtbibliothek  zu 
Frankfurt  a.  M.  (1897)  :^.  5-9. 

Vgl.  über  das  Werk  und  dessen  Ausgaben  überhaupt:  Otidin,  De  seript. 
eceles.  t.U,col.  1032—1062.  —   Wolf,  Bibliotk.  Hehr.  I,  508—523.  IH,  387—389. 

—  Mensel,  Biblioth.  hist.  I,  2  (1784)  p.  230—239.  —  Fabricins,  Biblioth. 
(jraee.  ed.  Hartes  V,  50—59.  —  Fürst,  Biblioth.  Jtul.  II,  111—114.  —  Stein- 
schneider, Catal.  Bodl.  cot.  1547—1552.  —  {Zedner),  Catal.  of  the  Brit.  Mus. 
{j.  344  «(/.  —  Zunz,    Die   gottesdienstlichen  Vorträge  der  Juden   S.  146—154. 

—  Delitzsch,  Zur  Gesch.  der  jüd.  Poesie  (1830)  S.  37—40.  —  Külb,  Art. 
„Josephus  Gorionides"  in  Ersch  und  Gruber's  Allg.  Encycl.  Sect.  II,  Bd.  23 
(1844)  S.  184.  —  Levi,  Le  Yosippon  et  le  Roman  d' Alexandre  {Revue  des  etiutes 
juives  t.  XXVIII,  1894,  p.  Ul  sq.).  —  Trieber,  Zur  Kritik  des  Gorionides 
(Nachrichten  der  Göttinger  Gesellsch.  der  Wissensch.,  phil.-hist.  Classe,  1895, 
S.  381—409);    vgl.  auch  Monatsschr.  f.  G.  u.  W.  d.  J.   Bd.  39,    1895,    S.  143  f. 

—  Gunxboiirg,  Quelques  tnofs  sur  le  Yosippon  [Revue  des  etndes  juives  t.  XXXI, 
1895,  p.  283—288).  —  Vogelstein  und  Rieger,  Gesch.  der  Juden  in  Rom 
Bd.  I,  1896,  S.  185-200,  483  ft".  —  Winter  und  Wünsche,  Die  jüdische 
Literatur  seit  Abschluss  des  Kanons  III,  1896,  S.  309—314  (Proben  in  deutscher 
Uebersetzung).  —  Fraenkel,  Die  Sprache  des  Josippon  (Zeitschr.  der  DMG. 
Bd.  50,  1890,  S.  418—422).  —  Büchler,  Das  apokryphische  Esrabuch  (Monats- 
schrift f.  G.  U.W.  d.  J.  Bd.  41,  1897,  S.  1  ff.  49^.  97  ff.).  —  Wellhausen 
a.  a.  O.  —  Neubauer,  Pseudo-Josejihus,  Joseph  ben  Gorion  iJeivish  Quarterltj 
Review  XI,  1899,  p.  355—364).  —  Willrich,  Judaica,  1900,  S.  170— 174. 

Benützt  ist  Josippon  auch  in  einer  hebräischen  Chronik,  welche  sich 
handschriftlich  seit  1887  in  der  bodlejanischen  Bibliothek  zu  Oxford  befindet, 
und  deren  erste  Hälfte  (bis  zum  Tode  des  Judas  Makkabäus  reichend)  von  Gaster 
in  englischer  Uebersetzung  herausgegeben  worden  ist  [Oriental  Transtation 
Fund,  New  Series  IV:  Ttie  Chronicles  of  Jerahmeet  or  tlie  Hebreiv  Bibte  historiale 
etc.  transtated  .  .  .  Inj  M.  Gaster,  London,  Royal  Asiatic  Society  1899).  Der 
Compilator  der  Chronik  ist  nicht,  wie  man  nach  dem  von  Gaster  gewählten 
Titel  meinen  sollte,  Jerachmeel,  sondern  ein  gewisser  Eleasar  ben  Ascher, 
der  Levite,  der  nach  einem  Kalenderfragment  im  Anfang  des  Bandes  im  J. 
1325  n.  Chr.  geschrieben  zu  haben  scheint.  Er  hat  aber  allerdings  die  Chronik 
eines  gewissen  Jerachmeel  ben  Schelomoh  benützt,  der  etwa  im  11.  oder 
12.  Jahrh.  gelebt  haben  mag.  Beide  benützen  den  Josippon,  und  zwar  Je- 
raclimeel,  wie  es  scheint,  ohne  die  einleitenden  Capitel.  Vgl.  auch  Neubauer, 
JQR.  XF,  1899,  p.  304—380.  Bousset,  Theol.  Litztg.  1900,  col.  262—266. 
Fraenkel,  Theol.  Litztg.  1900,  cot.  452. 


Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  11 


Erster  Theil. 


Politische  Geschichte  Palästina's 

vom  J.  175  vor  Chr.  bis  135  nach  Chr. 


Erste  Periode. 

Von  Aiitiochus  Epiplianes  bis  zur  Eroberung 
Jerusalem's  durch  Ponipejus. 

Die  makkabäische  Erhebung  und  die  Zeit  der  Freiheit 
175—63  V.  Chr. 


Da  die  Geschichte  Israel's  in  dieser  Periode  vielfach  mit  der 
Geschichte  von  Syrien  verflochten  ist,  geben  wir  zunächst  eine 

Uebersiclit  über  die  Geschichte  von  Syrien 

im  letzten  Jahrhundert  der  Seleucidenherrsehaft 

(175-65  V.  Chr.). 

Quellen: 

Exiscbi  Chromconim  lihri  duo  ed.  Alfr.  Schoene  rol.  II  Berol.  1860,  rnl.  I 
1875  (hierin  namentlich  der  Abschnitt  aus  Porphyrius,  s.  darüber  unten). 
Eine  gute  Orientierung  über  Eusebius'  Chronik  giebt  Wachsmuth,  Ein- 
leitung in  das  Studium  der  alten  Geschichte  (1895)  S.  163 — 176;  über  die 
Bearbeitung  durch  Hieronymus:  Schöne,  Die  Weltchronik  des  Eusebius 
in  ihrer  Bearbeitung  durch  Hieronymus,  Berlin  1900.  —  Auch  die  Chronik 
des  Sulpicius  Severus  {ed.  Halm  1866)  enthält  einiges  Beachtenswerthe, 
s.  Bernays,  Ueber  die  Chronik  des  Sulpicius  Severus  1861,  S.  61— <;3 
(=  Bernays,  Ges.  Abhandlungen  II,  181 — 185). 

Zerstreute  Nachrichten  bei  Polyhiiis,  Diodorus,  Livius,  Jusfimts.  — 
Eine  gedrängte  Uebersicht  giebt  Appiafius. 

Buch  Daniel  c.  11  und  dazu  der  Commentar  des  Hieront/mus  [Opp.  ed. 
Vallarsi  V,  701 — 724).  Kommt  nur  noch  für  Antiochus  Epiphanes  in 
Betracht. 

Die  beiden  Makkabäerbücher,  besonders  das  erste.  Den  Bericht  desselben 
ergänzt  Josephus  {Antt.  XII  und  XIII)  namentlich  für  die  Geschichte 
der  Seleuciden  durch  werthvoUe  Notizen  aus  anderen  Schrittstellern. 

Von  Wichtigkeit  sind  endlich  die  zahlreichen  datirten  Münzen.  Die  Literatur 
darüber  s.  oben  S.  20  f.  Hervorzuheben  sind  bes.:  Eck  hei,  Mionnet, 
de  Saulcy,  der  Katalog  des  Britischen  Museums  von  Gardner  und  der 
des  Pariser  Münz-Cabinets  von  Babelon. 


106  Uebersicht  über  die  Geschichte  von  Syrien.  [127.  128] 


Literatur: 

Foy-  Vaillant,    Sekucidarum  imperium  sive  Historia  regum  Syriae  ad  fidem 

nunmmatum  accomodata,  Paris  1681. 
Froelich,   Annales  compendiarii  regum  et  renim  Syriae  numis  veteribus  illu- 

strati,  Viennae  1744,  editio  altera  1750.  | 
Clinton,  Fasti  Hellenici.    The  civil  and  literary  chronology  of  Oreece  and  Rome, 

vol.  III,   from   the  CXXIV'ä  olympiad  to   ihe  death   of  Äugtistus,    Oxford 

(1830),  second  ediiion  1851,  p.  310—350. 
Schlosser,   Universalhistorische  Uebersicht   der  Geschichte   der  alten  Welt 

und  ihrer  Cultur.    II,  2.    1829. 
Niebuhr,  Vorträge  über  alte  Geschichte.  III.  1851.    (Vgl.  auch:   Niebuhr, 

„Historischer  Gewinn  aus  der  armenischen  Uebersetzung  der  Chronik  des 

Eusebius",  in  den  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  aus  den  Jahren 

1820—21,  hi8t.-phiIol.  Klasse  S.  37—114;  auch  in  Niebuhr's  Kl.  Schriften 

I,  179—304). 
Fiat  he,  Geschichte  Macedoniens  und  der  Reiche,  welche  von  macedonischen 

Königen  beherrscht  wurden,  Bd.  II,  1834. 
[Droysen,  Geschichte  des  Hellenismus,  2  Bde.,  1836—1843.    Zweite  Auflage, 

mit   Einschluss   der   Gesch.   Alexanders   des   Grossen,   in    6  Halbbänden 

1877 — 1878.  —  Dieses  Hauptwerk   über  die  Geschichte   des  Hellenismus 

kommt   für  uns  nicht  mehr  in  Betracht,   da  es  mit  dem  J.  221  vor  Chr. 

abbricht.] 
Stark,  Gaza  und  die  philistäische  Küste  (auch  unter  dem  Titel:  Forschungen 

zur  Geschichte  und  Alterthumskunde  des  hellenistischen  Orients)  1852. 
Adolf  Kuhn,   Beiträge  zur  Geschichte  der  Seleukiden  vom  Tode  Antiochos' 

VII  Sidetes  bis  auf  Antiochos  XIII  Asiatikos  129— 64  v.Chr.  Altkirch  i.  E., 

Gymnasialprogramm  1891. 
Holm,   Griechische  Geschichte   von  ihrem   Ursprünge   bis   zum  Untergange 

der  Selbständigkeit  des  griechischen  Volkes,  4.  Bd. :  Vom  Tode  Alexanders 

bis  zur  Einverleibung  der  letzten  makedonischen  Monarchie  in  das  römische 

Reich  [30  vor  Chr.].    Beriin  1894. 
Niese,   Geschichte   der  griechischen   und   makedonischen  Staaten   seit  der 

Schlacht  bei  Chaeronea,   1.  Thl.:    bis  281  v.  Chr.  1893.    2.  Thl:    bis  188 

V.  Chr.  1899  [eingehendste  Darstellung  nächst  Droysen]. 

Eine  gute  Uebersicht  des  Quellenmateriales  giebt  Clinton 
a.  a.  0.  —  Für  die  Feststellung  des  chronologischen  Rahmens  sind 
di«'  Hauptquellen:  1)  Der  Abschnitt  aus  Porphyrius  in  der 
Chmnik  des  Eusebius  und  Eusebius'  eigene  Ansätze  in  seiner 
Chronik.  2)  Einzelne  Angaben  des  ersten  Makkabiierbuches. 
Die  seleucidische  Aeni,  n.irii  wt-lchrr  dasselbe  daiirt,  bc/j^innt  wahr- 
scheinlich nicht  im  llcilj.^i.,  .sniidmi  im  Frühjahr  312  vor  Ciir.  (s. 
obenS.32ff.).  3)  Die  Münzen,  i\<'yri\  Daten  übersichtlich  zusammen- 
gestellt sind  bei  de  Saulcy,  lA  ///-  /  v  .sur  Ics  monnaies  dnt6ca  des 
SÜeudden.  /'"/^  l^7l  mul  h«'i  Uabdun,  Cataloyuc  des  monnaies  yrccqnes 
de  la  Hihh  ,  Les  rois  de  Syrie  etc.  Paria  1890  (in  der 

ausfUhrlfchen  EiulciUiiig). 


[128.  129]  Uebersicht  über  die  Geschichte  von  Syrien.  157 

Porphyrius,  der  bekannte  neuplatonische  Pliilosoph  (3.  Jahrh.  nach  Chr.), 
hat  ein  chronologisches  Werk  geschrieben,  für  welches  er  die  besten  Quellen 
sorgfältig  benützt  hat.  Aus  demselben  theilt  Eusebius  in  seiner  Chronik  die 
Geschichte  der  Ptolemäer  {Ens.  Chron.  ed.  Schoene  I,  159  sqq.)  und  der  mace- 
(lonischen  Könige  mit  (Fiis.  Chron.  ed.  Schoene  I,  229  sqq.).  Aus  derselben 
Quelle  stammt  aber  ohne  Zweifel,  obwohl  Porphyrius  hierbei  nicht  genannt 
ist,  der  ganz  gleichartige  Abschnitt  über  die  Geschichte  der  Seleuciden  [Euseb. 
Chron.  ed.  Schoene  I,  247—264).  Der  Text  der  eusebianischen  Chronik  ist  uns 
für  dieses  Stück  vollständig  nur  in  armenischer  Uebersetzung  erhalten  (zuerst 
herausgegeben  von  Äuche'r,  Eusebii  Chron.  vol.  I,  1818,  für  Schöne's  Ausgabe 
aufs  Neue  von  Petermann  in's  Lateinische  übertragen).  Bruchstücke  des  griechi- 
schen Textes  enthält  eine  Pariser  Handschrift,  aus  welcher  sie  bereits  Scaliger 
im  Anhang  zu  seinem  Thesaurns  temporum  1606  und  neuerdings  Gramer 
{Aneedota  Oraeca  e  eodd.  manuscriptis  Bibliothecae  regiae  Parisiensis  vol.  II, 
1839,  p.  115  sqq.)  publicirt  haben.  Den  armenischen  und  griechischen  Text 
(ersteren  nach  Aucher's  Uebersetzung)  nebst  historischem  Commentar  giebt  auch 
Carol.  Müller,  Fragmcnta  historicorum  Graecorum  III,  706 — 717  (unter  den 
Fragmenten  des  Porphyrius). 

Porphyrius  fixirt  in  diesem  Abschnitt  die  Chronologie  der  Seleuciden  nach 
der  Olympiaden-Aera,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  er  nur  ganze  Jahre 
rechnet,  daher  das  Jahr,  in  welchem  ein  Regierungswechsel  stattgefunden  hat, 
noch  als  volles  Jahr  dem  Vorgänger  anrechnet,  und  die  Regierung  des  Nach- 
folgers erst  mit  dem  folgenden  Jahre  beginnen  lässt.  Wenn  er  also  z.  B.  die 
Regierung  des  Antiochus  Epiphanes  mit  Ol.  151,  3  beginnen  lässt,  so  hat  sie 
factisch  Ol.  151,  2  begonnen.  (Etwas  anders,  aber  zu  künstlich,  beurtheilt  die 
Sache  Unger,  Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie,  philos.-philol.  und 
bist.  Classe,  1895,  Heft  II  S.  300  ff.).  Zu  bemerken  ist  ferner,  dass  er  bei 
dem  häufigen  Auftreten  von  Thronprätendenten  die  Regierung  des  siegreichen 
Prätendenten  erst  von  dem  Jahre  an  rechnet,  in  welchem  sein  Gegner  unter- 
legen ist. 

Aus  welchen  Quellen  Porphyrius  geschöpft  hat,  lässt  sich  aus  folgender 
Mittheilung  des  Hieronyraus  schliessen,  die  freilich  nicht  auf  die  Chronik  des 
Porphyrius,  sondern  auf  dessen  Buch  über  Daniel  Bezug  nimmt,  Hieran, 
praefat.  in  Daniel,  {opp.  ed.  Vallarsi  V,  621  sq.):  Ad  intelligendas  autem  extre- 
mas  partes  Danielis  multiplex  Oraecorum  historia  necessaria  est:  Sutorii  videlicet 
Callinici,  Diodori,  Hieromjmi,  Polyldi,  Posidonii,  Claudii  Theonis  et  Amlroniei 
coqnomento  Alipii,  quos  et  Porphyrius  esse  sequiitum  se  dicit;  Josephi 
qtioque  et  corum  quos  ponit  Josephus,  praecipueque  nostri  Livii  et  Pompeii  Trogi 
atque  Justini,  qui  omnem  extraemae  visionis  narrant  historiam. 

So  werthvoll  die  Arbeit  des  Porphyrius  auch  ist,  so  darf  sie  andererseits 
doch  nicht  überschätzt  werden.  Seine  Olympiadenangaben  sind  augen- 
scheinlich „erst  durch  Rechnung  aus  den  Regierungsjahren  ge- 
funden" (Gutschmid,  Geschichte  Iran's  und  seiner  Nachbarländer  1888, 
S.  77  Anm.),  und  haben  daher  nicht  den  Werth  unmittelbarer  traditioneller 
Zeugnisse.  Ueberdies  sind  im  armenischen  Texte  die  Ziffern  nicht  selten 
corrumpirt.  Zur  Controle  dienen  die  eigenen  Ansätze  des  Eusebius  in  seinen 
Canones  (Buch  II  der  Chronik).  Um  ein  ürtheil  über  den  Werth  beider  zu 
ermöglichen,  stellen  wir  die  Angaben  des  Porphyrius  und  die  Ansätze' in 
den  Canones  des  Eusebius  neben  einander,  und  zwar  letztere  nach  der  Ueber- 
lieferung  des  Hieronymus,  welche  besser  ist,  als  die  der  armenischen  Ueber- 
setzung. 


168 


Uebersicht  über  die  Geschichte  von  Svrien. 


!120] 


Porphyrius 
{Euseb.  Chron.  l.  c.)        Olymp. 
Seleucus  I         32  Jahre,  erstes  117,1 

letztes  124,4 
Antiochus  I      19  Jahre,  erstes  125,1 

letztes  129,3 

Autiochus  II     19  Jahre,  erstes  129,4 

[im  Index  15]  letztes  135,3 

Seleucus  II       21  Jahre,  erstes  133,3 

letztes  138,2 
Seleucus  III       3  Jahre,  erstes 

letztes  139,1 
Antiochus  III  36  Jahre,  erstes  139,2 

letztes  148,2 
Seleucus  IV      12  Jahre,  erstes  148,3 

letztes  151,1 
Antiochus  IV   11  Jahre,  erstes  151,3 

letztes  154,1 
Antiochus  V     IV2  Jahre,  erstes 

letztes 
Deraetrius  I     12  Jahre,  erstes  164,4 

letztes  157,4 

Alex.  Balas         5  Jahre,  erstes  157,3 

(im  Index  15]  letztes  158,4 

Deraetrius  II      3  Jahre,  erstes  100,1 

letztes  160,3 
Antiochus  VII    9  Jahre,  erstes  100,4 

letztes  162,4 

Deraetrius  II     4  Jahre,  erstes  lö2,2 

[nach  der Gefangensch.j    letztes  164,1 

AntiochusVIII  11  Jahre,  erstes  164,2 

[Index  26]  letztes  166,4 

Antiochus  IX    18  Jahre,  erstes  167,1 

letztes  17 1,1 

Philippus  |2  Jahre  erstes  171,3 

nach  Index  griech.]    [griech.  Text] 


Eusebius 
{Ch-on.  II,  117—133).        Olymp. 
Seleucus  I        32  Jahre,  erstes  117,1 

letztes  124,4 
Antiochus  I      19  Jahre,  erstes  125,1 

letztes  129,3 
Antiochus  II     15  Jahre,  erstes  129,4 

letztes  183,2 
Seleucus  II       20  Jahre,  erstes  133,3 

letztes  138.2 
Seleucus  III       3  Jahre,  erstes  138,3 

letztes  139,1 
Antiochus  III  36  Jahre,  erstes  139,2 

letztes  148,1 
Seleucus  IV      12  Jahre,  erstes  148,2 

letztes  151,1 
Antiochus  IV   11  Jahre,  erstes  151,2 

letztes  153,4 
Antiochus  V        2  Jahre,  erstes  154,1 

letztes  154,2 
Deraetrius  I      12  Jahre,  erstes  154,3 

letztes  157,2 
Alex.  Balas       10  Jahre,  erstes  157,3 

letztes  159,4 
Deraetrius  II      3  Jahre,  erstes  16'^,! 

letztes  160,3 
Antiochus  VII    9  Jahre,  erstes  160,4 

letztes  162,4 
Deraetrius  II     4  Jahre,  erstes  163,1 

letztes  163,4 
AntiochusVIII  12  Jahre,  erstes  164,1 

letztes  166,4 

Antiochus  IX   18  Jahre,  erstes  167,1 

letztes  171,2 

Pliilippus  2  Jahre,  erstes  171,3 

letztes  171,4 


Die  Abweichungen  beider  Tabellen  sind  ira  Texte  des  Porphyrius  durch  fette 
Ziflern  hervorgehol)en.  An  manchen  Stellen  sind  aiigcnsdioinlich  die  Zifl'ern  des 
Porphyrius  corrumpirt.  Eine  wirkliche  Abweichung  findet  aber  statt  vom 
TodoHJahr  des  Antiochus  III  an  bis  zu  dem  des  Deraetrius  1. 
W<!nn  rann  liier  die  Feliler  der  Text-Ueberlieforung  corrigirt,  so  sind  durch- 
gängig die  Ansätze  des  Porphyrius  um  lin  .lahr  später  als  die  des 
Kusebiu»«.  Wülirend  nun  die  meisten  Gch'lirtcn  (audi  ich  in  der  2.  Aufl. 
dh'HCH  Buclu'h)  biMhcr  dem  Porphyrius  gefolgt  sind,  liat  Niese  in  seiner 
,JCritik  der  beiden  Makkabäerbücher"  1!MK),  S.  78-81  (  ^  Hermes  Bd.  3;., 
H.  491— 497)  durch  Ileruuziehung  anderweitig<'r  Daten  überzeugend  dargethnii. 
dwn  an  dicHeni  Punkte  di«-  Ansätze  des  EuHel)ius  den  Vorzug  ver- 
dionon.  Nur  wird  rann  nicht,  wie  Nicwe  thut,  «He  Abweichung  bei  Porpliyrius 
nun  einer  nncliträ>;liehen  Bedaetinn  seine»  Textes  zu  erklären  hoben  (was 
»olltc  zu  eluor  »olehen  veranloMst  haben?).   Vielmehr  sind  <lie  Ansätze  in  deti 


[120.  130]  Uebersicht  über  die  Geschichte  von  Syrien.  169 

Conones  des  Eusebius  offenbar  unabhängig  von  dem  im  ersten  Buch  seiner 
Chronik  mitgetheilten  Texte  des  Porphyrius.  Eine  ähnliche  Differenz 
findet  auch  statt  bei  Demetrius  II  und  Antioclius  VIII  (bei  ersterem 
ist  162,2  Textfehler  für  103,2). 


Antioclius  IV  Epiphanes  (175—164  vor  Chr). 

Er  war  der  Solin  Antioclius'  III  des  Grossen  und  Bruder  des 
Seleucus  IV  Philopator  (187—175  vor  Chr.).  Während  der  Regie- 
rung des  letzteren  lebte  er  als  Geisel  in  Rom.  Seleucus  ermög- 
lichte ihm  die  Rückkehr,  indem  er  seinen  Sohn  Demetrius  als  Geisel 
nach  Rom  sandte.  Noch  ehe  aber  Antiochus  in  der  Heimath  an- 
kam, war  Seleucus  durch  Heliodor  ermordet  worden.  So  bemäch- 
tigte sich  Antiochus  des  Thrones,  der  eigentlich  seinem  Neffen  De- 
metrius gebührt  hätte  {Appian.  Syr.  45).  —  Antiochus  starb  nach 
elfjähriger  Regierung  wälirend  eines  Feldziiges  gegen  die  Parther 
164  V.  Chr. 

Die  elf  Regierungsjahre  sind  bezeugt  durch  Porphyrius  [Bus.  Chron.  ed. 
Schoene  I,  253,  263*5.),  Hieronymus  (ad  Daniel.  11,  21  sq.)  und  Sulpicius  Seve- 
rüs  { Chron.  II,  22).  —  Den  Regierungsantritt  setzt  das  erste  Makkabäerbueh 
(I  M.  1,10)  auf  137  aer.  Sei.  =  176/175  vor  Chr.  Porphyrius  rechnet  als  erstes 
Jahr  Ol.  151,  3,  Eusebius  151,  2-  Da  nach  dem  oben  Bemerkten  Eusebius  vor- 
zuziehen ist,  und  da  auch  er  wie  Porphyrius  als  erstes  volles  Jahr  eines  Re- 
genten immer  dasjenige  rechnet,  welches  auf  den  Regierungswechsel  folgt,  so 
fällt  der  Regierungsantritt  Ol.  151,  1  =  176/175  vor  Chr.,  was  mit  dem  ersten 
Makkabäerbuche  stimmt.  —  Der  Tod  des  Antiochus  fallt  nach  Eusebius  Ol. 
153,  4  =  165/164  vor  Chr.,  nach  dem  ersten  Makkabäerbuche  (I  M.  6,  16)  149 
oer.  Sei.  =  164/163  vor  Chr.,  wornach  er,  wenn  die  Angaben  genau  sind,  in  das 
zweite  Viertel  des  Jahres  164  v.  Chr.  zu  setzen  sein  würde.  Für  diese  An- 
setzung  spricht  auch  die  Dift'erenz  zwischen  Eusebius  und  Porphyrius,  die 
daraus  zu  erklären  sein  wird,  dass  man  nach  den  Quellen  zweifelhaft  sein 
konnte,  ob  der  Tod  Ol.  153,  4  oder  Ol.  154,  1  (==  164/163  vor  Chr.)  zu  setzen  sei.  — 
Datirte  Münzen  des  ^  Antiochus  giebt  es  aus  den  Jahren  138—149  Sei.  {de 
Satdq/  p.  13,  Babelon  p.  CIX,  CX  sq.).  Da  die  Münze  vom  J.  149  keine  Auf- 
schrift hat,  ist  es  nicht  sicher,  ob  auch  sie  noch  dem  Antiochus  IV  gehört 
(Niese  S.  82  =  Hermes  35,  495). 

Die  Chronologie  der  ägyptischen  Feldzüge  des  Antiochus,  die  auch 
für  die  jüdische  Geschichte  in  Betracht  kommt ,  ist  streitig.  Sicher  ist  nur, 
dass  der  letzte  168  v.  Chr.  fällt;  aber  die  Zahl  der  Feldzüge  und  die  Zeit  des 
ersten  ist  kaum  mit  Sicherheit  zu  ermitteln.  Auch  das  Buch  Daniel,  welches 
nur  von  zwei  Feldzügen  spricht  (11,  25  ö'.),  hilft  hier  nichts,  denn  es  erwähnt 
selbstverständlich  nur  die,  welche  mit  einer  Digression  nach  Jerusalem  endigten. 
Die  Beschränkung  der  Feldzüge  auf  die  Jahre  169—168  scheint  mir  durch 
Niese  nicht  erwiesen  zu  sein.  Vielmehr  dürfte  mit  der  Mehrzahl  der  Forscher, 
z.  B.  auch  Wilcken,  als  wahrscheinlich  anzunehmen  sein,  dass  der  erste  Feld- 
zug 170  zu  setzen  ist.  Hiermit  stimmt,  dass  das  erste  Makkabäerbueh  einen 
ägyptischen  Feldzug  zuerst  für  das  Jahr  143  aer.  Sei.  =  170/169  vor  Chr. 
voraussetzt  (I  M.  1,  20),  und  zwar  die  Rückkehr  von  demselben  noch  für  den 


170  Uebersicht  über  die  Geschichte  von  Syrien.  [130] 

Herbst  170  vor  Chr.  Nnr  das  zweite  Makkabäerbuch  weicht  ab,  insofern  es 
denselben  Feldzug  bereits  als  den  zweiten  bezeichnet  (II  M.  5,  1).  Bei  der 
UnZuverlässigkeit  dieser  Quelle  giebt  uns  dies  aber  nicht  die  Berechtigung, 
schon  für  das  J.  171  einen  Feldzug  anzunehmen.  Vgl.  überhaupt  über  diese 
Frage:  Droysen,  De  Lagiday-um  regno  Ptolemaeo  VI  Philometore  rege,  1831, 
p.  56-69  (=  Droysen,  Kleine  Schriften  II,  1894,  S.  405—418),  Jo.  Christ. 
Conr.  Hofmann,  De  bellis  ab  Antioeho  Epiphane  adversus  Ptolemaeos  gestis, 
Erlangae  1835,  Hitzig,  Das  Buch  Daniel  S.  202—208,  Stark,  Gaza  und  die 
philistäische  Küste  S.  430 — 434,  Grimm,  Das  erste  Buch  der  Maccabäer  S.  15 f. 
Job.  Friedr,  Hoff  mann,  Antiochus  IV  Epiphanes,  1873,  S.  36—58.  Grätz, 
Geschichte  der  Juden  II,  2  (1876)  S.  436— 443.  Wilcken  in  Pauly-Wissowa's 
Real-Enc.  I,  2472  ff.  und  Anmerkungen  zu  Droysen  (Kleine  Schriften  II,  440  f-)- 
Niese,  Kritik  der  beiden  Makkabäerbücher  S.  89— 93  =  Hermes  35,  502 — 506. 
lieber  Antiochus  überhaupt  vgl.  ausser  der  oben  S.  166  genannten  Lite- 
ratur auch  die  Artikel  in  Pauly-Wissowa's  ßeal-Encyclopädie  der  class. 
Alterthumswissen Schaft,  Herzog's  Real-Enc.  und  in  den  biblischen  Wörter- 
büchern von  Win  er  und  Schenkel.    Noch  einiges  s.  bei  §  4. 


Antiochus  V  Eupator  (164—162). 

Der  Sohn  des  vorigen ;  beim  Regierungsantritt  erst  neun  Jahre 
alt  (so  Appian.  Syr.  46  und  66;  die  Angabe  des  Porphyrius,  dass  er 
zwölf  Jahre  alt  war,  ist  mit  Wilcken  zu  verwerfen,  weil  dann  sein 
Vater  als  Geisel  in  Rom  geheirathet  haben  müsste).  Während 
seiner  nur  1  '/j  bis  2jährigen  Regierung  war  er  nur  ein  Werkzeug  in 
der  Hand  seines  Feldherrn  und  Vormundes  Lysias  und  wurde 
nebst  diesem  auf  Befehl  seines  Vetters  Demetrius  162  vor  Chr. 
ermordet. 

Die  Angaben  über  die  Regierungsdauer  schwanken  zwischen  anderthalb 
(ßo  Porphyrius  im  Summarium  Eus.  C/iru7i.  cd.  Schoetie  I,  263  sq.)  und  zwei 
Jahren  (m  Joseph.  Antt.  XII,  10,  1.  Eusch.  Chron.  II,  126  sq.  adann.  Ahrah.  1852). 
Anfangs-  und  Endtermin  ergeben  sich  aus  der  Chronologie  des  Vorgängers 
und  Nachfolgers.  — Vgl.  im  Allgemeinen  auch  die  Artikel  in  Pauly-Wisso- 
wa's und  Herzog's  Real-Enc.  und  in  den  Wörterbüchern  von  Winer  und 
Schenkel. 

Demetrius  I  Soter  (162—150). 

Der  Sohn  des  Seleucus  Philopator.  Er  war  von  diesem  als 
Geisel  nach  Rom  geschickt  worden,  entfloh  aber  von  dort  und  be- 
mächtigte sich,  indem  er  seinen  Vetter  Antiochus  Eupator  er- 
morden liess,  der  Herrschaft  162  vor  Chr. 

Im  Jahre  153  erhob  sich  gegen  ihn  als  Thr()ni)räti'ndeiit 
Alexander  Balas,  der  sich  für  einen  Sohn  des  Antiochus  i^'.pi- 
pbanes  ausgab  und  demnach  der  rechtmässige  Erbe  des  syrischen 
Thrones  zu  sein  beanspruchte.  Demetrius  flel  im  Kampf  gegen 
diesen  150  v.  Chr.  I 


[131]  Uebersicht  über  die  Geschichte  von  Syrien.  171 

Die  Flucht  des  Demetrius  aus  Rom  und  was  ihr  vorherging,  beschreibt 
sehr  anschaulich  Polybius,  der  als  Freund  des  Demetrius  dabei  selbst  zu  den 
handelnden  Personen  gehörte  {Polyh.  XXXI,  12.  19—22).  —  Sowohl  Polybius 
(III,  5)  als  Porphyrius  (Eus.  Chron.  ed.  Schoene  I,  255.  203  sq.)  und  Eusebius 
schreiben  dem  Demetrius  eine  zwölfjährige  Regierung  zu,  Josephus  eine  elf- 
jährige {Äntt.  XIII,  2,  4).  Den  Beginn  setzt  das  erste  Makkabäerbuch  (I  3/. 
7,1)  151  aer.  Sei.  =  162/161  vor  Chr.  Porphyrius  giebt  als  erstes  volles  Re- 
gierungsjahr Ol.  154,  4,  demnach  als  Jahr  des  Regierungsantrittes  Ol.  154,  3 
=  162/161  vor  Chr.,  Eusebius  je  ein  Jalir  früher,  also  Regierungsantritt  163/162 
vor  Chr.  Die  datirten  Münzen  gehen  angeblich  (nach  de  Satilcy  p.  18  sq.)  von 
150  bis  162  aer.  Sei.  Indessen  können  als  sicher  gelesen  nur  die  vom  J.  154  bis 
162  aer.  Sei.  =  159  158  bis  151  150  vor  Chr.  gelten  {Babelanp.CXiX,  CXXII).— 
Ueber  das  Jahr  der  Erhebung  des  Alexander  Balas  s.  unten.  —  Als  Todes- 
jahr des  Demetrius  giebt  der  überlieferte  Text  des  Porphyrius  Ol.  157,  4. 
Da  dies  eine  dreizehnjährige  Regierungsdauer  ergeben  würde,  so  ist  zu  lesen 
Ol.  157,  3  =  150/149  vor  Chr.  Eusebius  hat  Ol.  157,  2  =  151/150  vor  Chr. 
Nach  I  Makk.  10,  50  u.  57  fällt  der  Tod  des  Demetrius  nicht  später  als 
162  aer.  Sei.  =  151/150  vor  Chr.  —  Vgl.  über  Demetrius  im  Allgemeinen  auch 
die  Artikel  in  Pauly's  Real-Enc.  der  class.  Alterthumswiss.,  Win  er 's  Real- 
wörterb.  und  Schenkel's  Bibellexikon. 


Alexander  Balas  (150—145). 

Wie  Alexander  dem  Demetrius  die  Herrschaft  entrissen  hatte, 
so  erhob  sich  gegen  ihn  liinwiederum  der  Sohn  des  Demetrius, 
ebenfalls  Demetrius  mit  Namen.  Mit  diesem  (Demetrius  II)  ver- 
band sich  Ptolemäus  Philometor  von  Aegypten.  Alexander  ward 
von  letzterem  bei  Antiochia  besiegt,  floh  nach  Arabien  und  wurde 
dort  meuchlings  ermordet  145  v.  Chr.  Schon  am  fünften  Tage 
nach  jener  Schlacht  brachte  man  dem  Ptolemäus  das  Haupt  Alexan- 
ders {Jos.  Antt.  XIII,  4,  8). 

Die  Münzen  Alexander's  gehen  angeblich  (nach  de  Saulcy  p.  26  sq.)  von 
160  bis  168  aer.  Sei.;  sicher  sind  nur  die  Daten  von  162  bis  167  aer.  Sei.  = 
151/150  bis  146/145  vor  Chr.  [Bahelon  p.  CXXIII  sq.).  —  In  das  Jahr  160  Sei. 
=  153/152  v.  Chr.  setzt  das  erste  Makkabäerbuch  sein  Auftreten  gegen  Deme- 
trius I  (I  M.  10,  1),  und  zwar  wird  153  vor  Chr.  anzunehmen  sein,  da  es  noch 
vor  dem  Laubhütten  fest  des  genannten  Jahres  war  (I  M.  10,  21).  —  Seine 
eigentliche  Regierung  berechnen  Porphyrius  und  Josephus  {Antt.  XIII,  4,  8) 
zu  fünf  Jahren.  Den  Anfang  setzt  der  überlieferte  Text  des  Porphyrius  Ol. 
157,  3,  das  Ende  Ol.  158,  4.  Da  dies  nach  der  Rechnungsweise  des  Porphyrius 
sechs  Jahre  ergeben  würde,  so  ist  statt  ersterer  Zahl  wahrscheinlich  zu  lesen 
157,  4  (also  factisch  157,  3  =  150/149  vor  Chr.).  Eusebius  setzt  ihn  ein  Jahr 
früher  (151/150  vor  Chr.).  —  Den  Tod  Alexander's  setzt  das  erste  Makkabäer- 
buch 167  Sei.  =  146/145  vor  Chr.  (I  M.  11,  19).  Das  Datum  des  Porphyiius 
Ol.  158,  4  ist  =  145/144  vor  Chr.  Das  Jahr  145  vor  Chr.  als  Todesjahr  des 
Alexander  Balas  ist  sicher  wegen  des  fast  gleichzeitig  erfolgten  Todes  des 
Ptolemäus  Philometor  (Strack,  Die  Dynastie  der  Ptolemäer  1897,  S.  184,  198. 


172  üebersicht  über  die  Geschichte  von  Syrien.  [131.  132] 

Niese,  Kritik  S.  81  =  Hermes  35,  494).  —  Vgl.  über  Alexander  im  Allgemeinen 
auch   die  Artikel   bei   Pauly-Wissowa,   Herzog,  Winer  und  Schenkel. 


Demetrius  II  Nicator  (145—138). 
Antiochus  VI  (145—?).    Tryplio  (?— 138). 

Dem  Demetrius  machte  wiederum  einer  der  Feldherrn  Alexan- 
der's,  Diodotus,  genannt  Tryplio,  im  Namen  des  unmündigen 
Sohnes  des  Alexander,  Antiochus  VI,  die  Herrschaft  streitig.  ] 

Trypho  trachtete  indess  selbst  nach  dem  Thron,  liess  seinen 
Mündel  Antiochus  ermorden  und  machte  sich  zum  König.  Bald 
darnach  (nach  anderen  Quellen  noch  vorher)  unternahm  Demetrius 
einen  Feldzug  gegen  die  Parther,  in  dessen  Verlauf  er  von  den 
Parthern  gefangen  genommen  wurde,  138  v.  Chr.  Trypho  aber 
wurde  von  Antiochus  VII  Sidetes,  dem  Bruder  des  Demetrius, 
bekämpft,  in  Dora,  dann  in  Apamea  eingeschlossen  und  gezwungen, 
sich  selbst  den  Tod  zu  geben  {Straho  p.  668,  Jos.  Anft.  XIII,  7,  2, 
Appian.  Syr.  68). 

Die  Erhebung  des  Demetrius  gegen  Alexander  Balas  fallt  nach  1  Makk. 
10,  67  in  das  Jahr  165  Sei.  =  148/147  vor  Chr.,  sein  Regierungsantritt  167  Sei.  = 
146/145  V.  Chr.  (I  M.  11,  19).  Die  Münzen  gehen  von  167  bis  173  Sei.  =  146/145 
bis  140/139  vor  Chr.  {Babelon  p.  CXXXI  sq.).  —  Von  Antiochus  VI  giebt  es 
Münzen  aus  den  Jahren  167  l)is  170  Sei.  =  146/145  bis  143/142  vor  Chr.  {Babelon 
p.  CXXXV),  von  Trypho  solche  mit  den  Jahreszahlen  HI  (de  Saukn  p.  42, 
Melan/jes  de  Xumisviatiqiie  t.  II,  1877,  p.  82  sq.)  und  IV  {0 ardner,  Catal.  of 
Orccii  Cuins  p.  60,  Tiahelon  p.  CXXXVIII).  Josephus  giebt  die  Regierungszeit 
de»  Antiochus  VI  auf  vier  Jahre  an,  die  des  Trypho  auf  drei  Jahre  (-<4h^^  XIII, 
7, 1—2).  Hiernach  würde  erstore  145—141,  letztere  141 — 138  vor  Chr.  fallen,  oder 
auch,  was  nacli  den  Münzen  nälier  liegt,  145  —  142  und  142—138  v.  Chr.  Hiermit 
Btinirat  im  Allgemeinen,  dass  Porphyrius  und  Eusebius  dem  Demetrius  nur 
eine  dreijäiirige  Regierungszeit  geben  (nändich  vor  seiner  Geiangenschaft,  Eus. 
Chron.  ed.  Schnenc  I,  257.  2(53  sq.),  und  zwar  von  Ol.  160,  1  (also  (sutisrch  159, 
4  —  141/140  vor  Chr.)  bis  Ol.  160,  3  —  138;  137  vor  Chr.  Augenscheinlich  rechnen 
Poq)hyriu8  und  Eusebius  die  Regierung  des  Demetrius  erst  von  der  Beseitigung 
(B«;»iegung  oder  Ermordung)  des  Antiochus  VI  an.  Annähernd  harmonirt  mit 
dem  Hishcrigcn  auch  die  Clironologie  des  ersten  Makkubäerbuches,  welches  die 
Ermordung  des  Antir»cl)us  durch  Tryidio  ungelahr  um  170  Sri.  -  v.  143/142  vor 
Chr.  erwähnt  (I  M.  13,  31  vgl.  mit  13,  41).  Keine  belangreiche  Differenz  ist 
CM  endlich,  wenn  im  ersten  Makkubäerhuche  (I  M.  14,  1)  der  partliisclu'  Feldzug 
den  Demetrius  vom  J.  172  Sei.  —  141/140  vor  Chr.  an  datirt  wird,  bei  Por- 
pliyriu«  dagegen  von  Ol.  160,  2  -•  139,130  vor  Chr.  an.  In  starkem  Wider- 
ipnicii  mit  dem  BiMlierigen  steht  es  dagegen,  wenn  nuinchc  Schriftsteller 
(Jo$.  Ann.  XIII,  ö,  11.  7,  1.  Appim.  Stjr.  67.  68.  Juxlin.  XXXVI,  1)  die  Er- 
mordung de»  AntiorhuM  VI  durch  Trypho  erst  in  die  Zeit  des  parthisclien 
Fetdzugrs  de«  Deuirtrius,  ja  nmli  der  (}efiingennnhme  d('ssell)en,  setzen.  Hier- 
gegen «pricht  nicht  nur  die  Chronologie  des  ersten  Mukkabäcrbuches,  sondern 


[132.  133]  Uebersicht  über  die  Geschichte  von  Syrien.  173 

auch  der  Umstand,  dass  dann  für  Trypho  keine  3  — 4jährige  Regierung  bliebe, 
die  doch  nach  Josephus  und  den  Münzen  anzunehmen  ist.  Denn  Trypho's 
Tod  fällt  etwa  gleichzeitig  mit  der  Gefangennahme  des  Demetrius  durch  die 
Parther  138  vor  Chr.  (s.  unten  bei  Antiochus  Sidetes).  Es  scheint  mir  daher 
nicht  richtig,  wenn  manche  neuere  Kritiker  den  zuletzt  genannten  Quellen  den 
Vorzug  vor  I  Makk.  geben.  —  Vgl.  über  diese  Frage  und  über  Antiochus  VI 
und  Trypho  überhaupt:  Sanclemente,  De  vulgaris  aerae  emendatione  1793, 
p.  269—274.  Clinton,  Fasti  Hellenici  III,  331.  Müller,  Frcu/m.  /lisf.  Graee. 
t.  II  2^.  XX.  Mendelssohn  in  Ritschl's  Ada  soeietatis  philol.  Lipsiensis  t. 
V,  1875,  yj.  105 — 112.  Nussbaum,  Obscrrationes  in  Flavii  Josephi  Antiquitatea 
1875,  p.  43—49.  Gutschmid,  Geschichte  Iran's  (1888)  S.  51-53.  Die  Artikel 
bei  Pauly-Wissowa,  Herzog,  Winer  und  Schenkel.  — Ueber  die  Kämpfe 
zwischen  Demetrius  und  Antiochus  VI  auch:  Wilcken,  Hermes  Bd.  29,  1894, 
S.  441  f.  I 


Antiochus  VII  Sidetes  (138—129). 

So  lange  Demetrius  Gefangener  der  Parther  war,  hatte  nun 
Antiochus  VII  unbestritten  die  Herrschaft  in  Syrien.  —  Im  J.  130 
unternahm  er  einen  Feldzug  gegen  die  Parther,  auf  welchem  er 
im  J.  129  V.  Chr.  seinen  Tod  fand.  Noch  während  des  Krieges 
hatte  der  Partherkönig  den  Demetrius  aus  der  Gefangenschaft  ent- 
lassen, damit  er  die  Herrschaft  in  Syrien  an  sich  reisse  und  da- 
durch den  Antiochus  zur  Rückkehr  zwinge. 

Ueber  den  Beinamen  Sidetes  vgl.  Porphyrius  {Eus.  Chron.  ed.  Schoene  I,  255) : 
in  Sida  iirle  educatus,  quapropicr  Sidetes  iitique  vocahatitr.  Die  Stadt  Side  liegt 
in  Pamphylien.  —  Das  Auftreten  des  Antiochus  VII  gegen  Trypho  tallt  nach 
I  Makk.  15,  10  in  das  Jahr  174  Sei.  =  139/138  vor  Chr.  Porphyrius  und  Eu- 
sebius  rechnen  seine  Regierung  von  Ol.  160,  4  an  (also  factisch  Ol.  160,  3 
=  138/137  vor  Chr.).  Die  Münzen  beginnen  mit  174  Sei.  =  139/138  vor  Chr. 
und  gehen  bis  183  Sei.  =  130/129  vor  Chr.  {Bahelon  p.  CXL  sq.;  das  Datum 
184,  welches  de  Sauley  p.  46  giebt,  ist  wahrscheinlich  falsch  gelesen).  —  Der 
Beginn  des  parthischen  Feldzuges  kann  nach  Livius  nicht  später  als  130  vor 
Chr.  fallen  {Liv.  Epit.  59  erwähnt  unmittelbar  vorher  den  Consul  M.  Peperna 
COS.  130,  unmittelbar  nachher  den  Consul  C.  Sempronius  cos.  129).  Porphyrius 
und  Eusebius  setzen  den  Tod  des  Antiochus  nach  neunjähriger  Regierung  Ol. 
162,  4  =  129/128  vor  Chr.  Nach  Justin.  XXXVIII,  10  fällt  er  in  den  Winter, 
nach  Diodor.  XXXIV,  15  sq.  in  das  Frühjahr,  also,  wenn  wir  Livius  folgen, 
Anfang  129  (so  mit  Recht  Gutschmid,  Wilcken  bei  Pauly-Wissowa  u.  A.).  — 
Bei  diesem  Sachverhalt  haben  einige  Münzen  des  Antiochus  mit  den  angeb- 
lichen Jahreszahlen  185  und  186  Sei.  (letztere  =  127/126  vor  Chr.)  den  Histo- 
rikern grosse  Schwierigkeiten  gemacht.  Man  hat  theils  die  Echtheit  ihres  Datums 
bezweifelt  (so  Tochon  d'Ännecy,  Dissertation  sur  l'epoque  de  la  mort  d'Än- 
tiochus  VII  Erergetes  Sidetes,  roi  de  Syrie,  sur  deux  medailles  antiques  de  ce 
prince,  et  sur  un  passage  du  11«  liv^re  des  Maccliabies,  Paris  1815,  p.  61—64), 
theils  angenommen,  dass  auch  nach  dem  Tode  des  Antiochus  noch  Münzen 
mit  dessen  Namen  geprägt  worden  sind  (so  Niebuh r.  Kl.  Schriften  I,  251  f.). 
Man  darf  als  sicher  annehmen,  dass  das  Datum  falsch  gelesen  ist  (s.  Xuss- 


174  Uebersicht  über  die  Geschichte  von  Syrien.  [133.  134] 

bäum,  Obserrationes  p.  51).  —  Vgl.  überhaupt:  Gunipach,  Ueber  den  alt- 
jüdischen Kalender,  1848,  S.  316—334.  Ders.,  Hülfsbuch  der  rechnenden 
Chronologie,  1853,  S.  81 — 89.  Mendelssohn  in  Ritschl's  Acta  societatis  j)Jnlol. 
Lipsiensis  t.  V,  1875,  f».  205— 280-  Nussbaum,  Observationes  in  Flavii  Josephi 
Antiquitates,  1875,  p.  49 — 54.  Gutschmid,  Geschichte  Irans,  Tüb.  1888,  S. 
70—17.    Die  Artikel  bei  Pauly-Wissowa,  Herzog,  Winer  und  Schenkel. 


Deraetrius  II  Nicator  zum  zweiten  male  (129—125). 
Alexander  Zabinas  (128—122?). 

Nach  zehnjähriger  parthischer  Gefangenschaft  (so  Porphyrius 
bei  Euseb.)  war  nunmehr  DemetriusII  wieder  König  von  Syrien. 
Gegen  ihn  wurde  alsbald  durch  Ptolemäus  Physkon  ein  Gegen- 
könig aufgestellt  in  der  Person  des  Alexander  Zabinas,  eines 
angeblichen  Sohnes  des  Alexander  Balas.  Demetrius  wurde  von 
ihm  bei  Damaskus  besiegt,  musste  fliehen  und  wurde,  als  er  in 
Tyrus  landen  wollte,  ermordet.  | 

Von  Demetrius  existiren  angeblich  Münzen  mit  den  Daten  180  bis  187 
aer.  Sei.  =  133  132  bis  126/125  vor  Chr.  {de  Saulcy  p.  51-52).  Wenn  die  Lesung 
Oberall  richtig  wäre,  so  würde  anzunehmen  sein,  dass  noch  während  der  par- 
thischen  Gefangenschaft  des  Demetrius  Münzen  mit  seinem  Namen  geprägt 
wurden  (so  de  Sauley  p.  55).  In  Wahrlieit  sind  die  Daten  180—182  höchst 
zweifelhaft;  sicher  nur  die  von  183—187  Sei.  =  130/129  bis  126/125  vor  Chr. 
{Nussbaum,  Observationes  p.  52  sq.  Gardiier,  Catal.  of  greek  coins  p.  76  sq. 
Bunbury,  Num.  Chroniele  1883,  p.  100  sqq.  Babelon  p.  CXLI,  CXLV).  —  Por- 
phyrius und  Eusebius  schreiben  dem  Deraetrius  nach  seiner  Gefangenschaft 
noch  eine  vierjährige  Regierung  zu.  Als  Beginn  hat  der  überlieferte  Text  des 
Porphyrius  Ol.  162,  2,  wofür  sicher  zu  lesen  ist  Ol.  163,  2  (also  faetisch  Ol. 
163,  1  —  128/127  vor  Clir.),  als  Todesjahr  Ol.  164,  1  =  124/123  vor  Chr.  Eu- 
HebiuH  hat  je  ein  Jahr  früher,  als  Todesjahr  deumach  125/124  vor  Chr.  Dass 
dies  richtig  ist,  wird  durch  die  Münzen  bestätigt;  denn  die  Münzen  des  An- 
tiochu»  VII r  Grypos  und  der  Kleopatra  beginnen  bereits  mit  d.  J.  187  Sei.  — 
120/125  vor  Chr.  {de  Saulcy  p.  61  sq.  IMwlon  p.  CLIII,  172  f.)  —  Vgl  über 
Demetrius  auch  die  Artikel  bei  Pauly,  Winer  und  Schenkel.  —  Für 
Alexander  Zabinas  geben  Porphyrius  und  Eusebius  keine  directen  Daten. 
Seine  Münzen  gehen  von  184  bis  190  Sei.  —  129/12S  bis  123/122  vor  Chr.  [de 
Saulcy  p.  57,  Gardner,  Catal.  of  greek  coina  p,  81—84,  linnhury,  Num.  Ghnmictr 
1883,  p.  103  sq.  Babelon  p.  GL). 

Seleucus  V  (125). 

F'olgte  Keint'in  Natcr  Demetrius  in  der  R('gi('nin<r;  w.ird  aber 
bald  nach  «einem  UegicningsHiitritt  auf  Anstiflcn  seiner  eigenen 
MniU'v  entiordet. 


[134.  135]  Uebersicht  über  die  Geschichte  von  Syrien.  175 

Antiochus  VIII  Grypos  (125—113). 

Der  Bruder  des  vorigen.  Er  hatte  noch  mit  dem  Gegenkönig 
Alexander  Zabinas  zu  kämpfen,  besiegte  ihn  aber  im  dritten 
Jahre  seiner  Eegierung  (also  123/122  v.  Chr.)  und  Hess  ihn  hin- 
richten (so  Justin.  XXXIX,  2,  vgl.  auch  Diodor.  XXXIV,  28;  nach 
Porphyrius  brachte  er  sich  selbst  durch  Gift  um's  Leben.) 

Nach  elf-  bis  zwölfjähriger  Regierung,  113  vor  Chr.,  wurde 
Antiochus  VIII  Grypos  aus  der  Herrschaft  verdrängt  durch 
Antiochus  IX  Kyzikenos,  der  väterlicherseits  sein  Vetter,  müt- 
terlicherseits sein  Bruder  war.  Antiochus  Grypos  zog  sich  nach 
Aspendos  zurück. 

Daa  Verwandtschaftsverhältniss  zwischen  beiden  ist  folgendes.  Kleopatra, 
die  Tochter  des  Ptolemäus  Philonietor  von  Aegypten,  die  bereits  die  Gemahlin 
des  Alexander  Balas  gewesen  war  I  Makk.  10,  58,  hatte  sich  von  diesem  wieder 
getrennt  und  den  Demetrius  II  Nicator  geheirathet  I  Makk.  11,  12.  Aus  dieser 
.  Ehe  stammten  Seleucus  V  und  Antiochus  VIII  Grypos.  Während  aber  Deme- 
trius sich  bei  den  Parthern  befand,  heirathete  Kleopatra  dessen  Bruder,  An- 
tiochus VII  Sidetes,  Joseph.  Antt.  XIII,  7,  1.  Aus  dieser  Ehe  stammte  An- 
tiochus IX  Kyzikenos,  Joseph.  Antt.  XIII,  10,  1,  Appian.  Syr.  68.  Por- 
phyrius bei  Etiseb.  Chron.  ed.  Schoene  I,  260:  tw  ofio/irjTQit})  d6fX<p(5  kvriöxttt 
xai  &v£\pio)  xtt  ix  nargog.  —  Vgl.  überhaupt  über  die  Genealogie  der  Seleueiden 
die  Stammtafel  am  Schluss  dieses  Bandes. 

Die  Regierungszeit  des  Antiochus  VIII  bis  zu  seiner  Verdrängung  durch  | 
Antiochus  IX  berechnet  Porphyrius  zu  elf  Jahren,  und  zwar  von  Ol.  164,  2 
(also  factisch  Ol.  164,  1  =  124/123  vor  Chr.)  bis  Ol.  166,  4  =  113/112  vor  Chr. 
Eusebius  giebt  zwölf  Jahre,  indem  er  den  Beginn  mit  Recht  ein  Jahr  früher 
setzt  (125/124  vor  Chr.).  —  Auf  den  Münzen  erscheint  Antiochus  VIII,  so  lange 
seine  Mutter  Kleopatra  lebte,  als  deren  Mitregent,  später  allein.  Die  Münzen 
der  ersteren  Art  gehen  von  187  bis  192  Sei.  =  126  125  bis  121/120  vor  Chr. 
{de  Saulcy  p.  61  sq.  Babelon  p.  CLIII,  172—176).  Die  eigenen  Münzen  des 
Antiochus  VIII  beginnen  angeblich  mit  190  Sei.  =  123  122  vor  Chr.  [de  Saulcy 
p.  65  sq.).  Indessen  sind  die  Zahlen  190  und  191  höchst  wahrscheinlich  falsch 
gelesen;  das  erste  sichere  Datum  ist  192,  so  dass  sich  diese  Münzen  an  die 
der  ersteren  Art  anschliessen  {Babelon  p.  CLV).  Vgl.  überh.:  Adolf  Kuhn, 
Beiträge  zur  Geschichte  der  Seleukiden  1891,  S.  14  ff.  Wilcken  in  Pauly- 
Wissowa's  Real-Euc.  I,  2480  ff. 

Antiochus  IX  Kyzikenos  (113—95). 
Antiochus  VIII  Grypos  (111—96). 

Zwei  Jahre  lang  war  nun  Kyzikenos  alleiniger  Regent.  Aber 
im  J.  111  kehrte  Grypos  zurück  und  entriss  seinem  Vetter  den 
grössten  Theil  von  Syrien.  Nur  Cölesyrien  blieb  dem  Kyzikenos 
[Porj)hyr.  bei  Euseh.  I,  260:  xgarsl  fiev  avToq  ZTJg  ^vglag,  6  öh  KvCi- 
xTjvog  rrJQ  KoiXfjg).  So  war  das  Reich  getheilt;  und  die  beiden 
Vettern  (und  Brüder)  bekämpften  sich  nun  gegenseitig. 


176  Uebersicht  über  die  Geschichte  von  Syrien.  [135.  136] 

Antiochus  Grypos  starb  15  Jahre  nach  seiner  Rückkehr,  96 
vor  Chr.  (nach  Jos.  Antt.  XIII,  13,  4  durch  Meuchelmord).  Seine 
Rechte  und  Ansprüche  vererbten  sich  auf  seinen  Sohn  Seleucus  VI. 
Dieser  erhob  sich  sofort  gegen  Antiochus  Kyzikenos  und  besiegte 
denselben  bei  Antiochia.  Um  der  Gefangenschaft  zu  entgehen,  nahm 
sich  Antiochus  noch  während  der  Schlacht  selbst  das  Leben  95 
vor  Chr.  {Forphyr.  bei  Euseb.  I,  260). 

Dem  Antiochus  IX  Kyzikenos  giebt  Porphyrius  achtzehn  Regienings- 
jahre,  von  Ol.  167,  1  (also '  factisch  Ol.  166,  4  =  113/112  vor  Chr.)  bis  Ol. 
171,  1  =  96/95  vor  Chr.  Statt  der  letzteren  Ziffer  ist  wahrscheinlich  zu  lesen 
171,  2  =  95/94  vor  Chr.,  wie  Eusebius  hat.  —  Die  sicheren  Daten  der  Münzen 
gehen  von  199  bis  216  Sei.  =  114  113  bis  97/96  vor  Chr.  [Babclou  p.  CLXII). 
Die  Daten  196  und  197,  welche  de  Saiilcy  p.  72  sq,  giebt,  sind  unsicher  [Ba- 
belon  l.  c).  Nach  ihnen  würde  das  Auftreten  des  Antiochus  IX  schon  196  Sei. 
=  117/116  vor  Chr.  zu  setzen  sein.  Dass  es  einige  Zeit  vor  113  vor  Chr.  fällt, 
ist  allerdings  wegen  Liv.  epit.  62  anzunehmen  (Kuhn  S.  19,  Wilcken  a.  a.  O.). 
Das  Jahr  113  ist  also  das  Jahr  des  entscheidenden  Sieges  des  Antiochus  IX 
über  Antiochus  VIII.  —  Die  Kückkehr  des  Antiochus  VIII  Grypos  setzt 
Porphyrius  Ol.  167,  2  =  111/110  vor  Chr.  und  giebt  ihm  von  da  an  noch  fünf- 
zehn Regierungsjahre  bis  Ol.  170,  4  =  97/96  vor  Chr.  Josephus  schreibt  dem 
.Vntiochus  Grj'pos  im  Ganzen  eine  29jährige  Regierung  zu,  also  125—96  vor  Chr. 
(Jos.  Antt.  XIII,  13,  4).  —  Das  Jahr  111  wird  bestätigt  durch  eine  in  Paphos 
auf  Cypern  gefundene  In.schrift,  aus  welcher  Wilcken  den  Nachweis  ge- 
führt hat,  dass  Antiochus  VIII  damals  eine  neue  Zählung  seiner  Regierungs- 
jahre begonnen  hat  (Hermes  Bd.  29,  1S94,  S.  436  ff.).  Die  Inschrift  enthält 
ein  Schreiben  des  Antiochus  an  den  König  Ptolemäus  Alexander  von  Cypern, 
in  welchem  Antiochus  mittheilt,  dass  er  eben  jetzt,  und  zwar  im  dritten 
Jahre  seiner  Regierung,  der  Stadt  Seleucia  Pieriae  die  Freiheit  verliehen 
habe.  Seleucia  hat  aber,  wie  anderweitig  feststeht,  die  Freiheit  im  J.  U'8 
vor  Chr.  erhalten.  —  Vgl.  überhaupt  über  Antiochus  VIII  und  IX:  Ad.  Kuhn, 
Beiträge  zur  Gesch.  der  Seleukiden  S.  18—31.  Wilcken  in  Pauly-Wissowa's 
Real-Enc.  I,  2480—2484;  auch  „Hern>es"  ßd.  29,  S.  436-450. 

Während  der  nächsten  12  Jahre  (95—83  v.  Chr.)  folgten  nun 
fast  ununterbrocluMir  Kämpfe  zwischen  den  fünf  Söhnen  des  An- 
tiochus (irypos  (nämlich:  Seleucus  VI,  Antiochus  XI,  Thi- 
lippus,  Denietrius  III  Eukärus  und  Antiochus  XII)  und  dem 
öohne  de.s  Antioclius  Kyzikenos:  Antiocliu.s  X  Kusebes  {Joseph. 
Antt.  XIII,  13,  4.  14,  3.  15,  1.  rurphijrius  bei  Euscb.  C/iron.  cd.  Scliocnc 
I,  259— 2(>2.  Appian.  Syr.  ü9;  dazu  Clinton  p.  340—342.  Kulm, 
liciiriiKii  S.  32—39.  Wilcken  in  I'auly-Wissowa's  Real-Enc.  Art. 
Antiochus  X  bis  XII). 

Sie  endigten  damit,  dass  Tigranes,  der  Krmig  von  Armenien, 
sich  des  syrischen  Reiches  bemächtigte.  Dessen  Herrschaft  über 
Syrien  währte  14  .lahre  (83- üü  v.  Chr.).  | 

Die  EinzeIhdt«D  n\ntl  (nach  JoHephuM,  der  hier  am  auHführlichsten  ist) 
folKcode.   Antiochu«  X  EanebeM  bekriegte,  um  seinen  Vater  zu  rächen,  den 


[136]  Uebersicht  über  die  Geschichte  von  Syrien.  \'jf 

Seleucus  VI,  besiegte  ihn  und  trieb  ihn  nacli  Cilicien,  wo  er  von  den  Bürgern 
von  Mopsvestia  wegen  Erpressungen  getödtet  wurde.  Darauf  übernahm  dessen 
Bruder  AntiochueXI  den  Kampf  gegen  Antiochus  Eusebes,  verlor  aber  gegea 
ihn  Schlacht  und  Leben.  Nun  trat  der  dritte  Bruder,  Philippus,  gegen  An- 
tiochus Eusebes  auf  und  wusste  sich  wenigstens  eines  Theiles  von  Syrien  zu 
bemächtigen,  während  der  vierte  Bruder,  Demetrius  Eukärus,  einen  andern 
Theil  mit  der  Hauptstadt  Damaskus  an  sich  gerissen  hatte.  Da  Porphyrius 
und  Eusebius  das  Jahr  Ol.  171,  3  =  94/93  vor  Chr.  als  erstes  volles  Jahr  des 
Philippus  rechnen,  sein  Auftreten  also  in's  vorhergehende  Jahr  setzen,  und 
da  es  von  Demetrius  Münzen  aus  dem  J.  217  Set.  =  96/95  vor  Chr.  giebt 
(s.  unten),  so  wird  das  Auftreten  beider  noch  95  v.  Chr.  stattgefunden  haben 
(Kuhn  S.  34  f.).  Die  beiden  Brüder,  Philippus  und  Demetrius, 
herrschten  nun  eine  Zeit  lang  über  je  einen  Theil  von  Syrien. 
Auch  Antiochus  Eusebes,  der  nach  Josephus  schon  damals  im  Kampf 
gegen  die  Parther  gefallen  sein  soll,  scheint  in  Wahrheit  in  einem  Theile  von 
Syrien  sich  behauptet  zu  haben  (s.  unten).  Nach  einiger  Zeit  (88  oder  87  vor  Chr.) 
bekriegte  Demetrius  den  Philippus,  belagerte  ihn  in  Beröa  (östlich  von  An- 
tiochia),  ward  jedoch  selbst  gefangen  genommen  und  starb  in  der  Gefangen- 
schaft. Nun  war  ausser  Antiochus  Eusebes  noch  Philippus  und  der  jüngste 
Bruder  Antiochus  XII  übrig,  die  sich  nun  ebenfalls  gegenseitig  bekämpften. 
Antiochus  aber  fiel  in  einer  Schlacht  gegen  den  Araberfürsten  Aretas,  worauf 
letzterer  sich  Cölesyriens  bemächtigte.  Schliesslich  fiel  dann  ganz  Syrien  in 
die  Hände  des  Tigranes.  (Nacli  Appian.  Syr.  48.  69  lebte  und  regierte  An- 
tiochus X  Eusebes  noch,  als  sich  Tigranes  Syriens  bemächtigte,  ja  nach 
Justin.  XL,  2  und  Porphyrius  bei  Euseb.  I,  262  lebte  er  sogar  noch,  als  Pom- 
pejus  dem  syrischen  Reich  ein  Ende  machte.  Letzteres  beruht  jedenfalls  auf 
einer  Verwechselung  des  Antiochus  X  Eusebes  und  Antiochus  XIII  Asiaticus, 
welche  beide  Appian  genau  unterscheidet.  Ersteres  aber  ist  allerdings  wahr- 
scheinlich, da  Appian  hier  gute  Quellen  gehabt  zu  haben  scheint.  Es  wird 
also  anzunehmen  sein,  dass  Antiochus  Eusebes  einen  Theil,  Philippus  und 
Aretas  andere  Theile  von  Syrien  inne  hatten,  als  Tigranes  sich  des  Reiches- 
bemächtigte). 

Für  die  Chronologie  der  Jahre  95 — 83  geben  die  Münzen  einige  Anhalts- 
punkte [de  Sanlcy  p.  75 — 80,  Gardner,  Catal.  of  yreek  coins  p.  ^ö  sqq.,  Babelon 
p.  CLXIX,  CLXXII).  Doch  lässt  sie  sich  nicht  mehr  in  allen  Einzelheiten 
fixiren.  Von  Philippus  giebt  es  datirte  Münzen  aus  den  Jahren  221  bis 
229  Sei.  =  92/91  bis  84/83  vor  Chr.  {de  Sanlcy  p.  78\  von  Demetrius  solche 
aus  den  Jahren  217  bis  224  Sei.  =  96,95  bis  89/88  vor  Chr.  {Gardner  p.  101,. 
Eckkel  III,  245,  Babe/on  p.  CLXXII),  von  Antiochus  XII  solche  vom  J.  22& 
Sei.  =  87/86  vor  Chr.  {Xumismatic  Ckrmicle  1890,  p.  327  sq.)  und  vom  J.  227 
Sei.  =  86/85  vor  Chr.  (Imhoof-Blumer,  Monnaies  grecques  1883,  p.  437).  Räthsel- 
haft  sind  Münzen  des  Philippus,  die  in  Antiochia  geprägt  sind  und  die  Jahres- 
zahlen 19,  20,  21,  22,  24,  30  tragen  {de  Sauley  p.  79,  Babelon  p.  CLXIX,  202  f). 
Sie  können  nicht  Regierungsjahre  des  Philippus  bedeuten,  da  dieser  nicht  so 
lange  regiert  hat.  Zwar  setzt  Porphyrius  voraus,  dass  Philippus  bis  zur  Zeit 
des  Pompejus  gelebt  hat  [Euseb.  Chron.  I,  262).  Allein  nach  Diodor.  fr.  34 
(bei  Müller,  Fraym.  hist.  yraee.  t.  II  p.  XXIV  sq.)  ist  dieser  Philippus,  der 
zur  Zeit  des  Pompejus  als  Prätendent  auftrat,  ein  Sohn  unseres  Philippus, 
also  Enkel  des  Antiochus  Grypos  (s.  auch  Müller  a.  a.  O.).  Es  bleibt  dem- 
nach nur  die  Annahme  übrig,  dass  jene  Zahlen  Jahre  einer  localen  antioche- 
nischen  Aera  bedeuten,  welche  etwa  113  vor  Chr.  begonnen  hat. 
Schüler,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  12 


"178  Uebersicht  über  die  Geschichte  von  Syrien.  [136.  137] 

Die  Zeit  des  T  ig  ran  es  ergiebt  sich  daraus,  dass  er  nach  Appian.  Sy?-.  4S. 
70  und  Justin.  XL,  1 — 2  (nach  richtiger  Lesart)  vierzehn  Jahre  über  Syrien 
herrschte.  Das  Ende  seiner  Regierung,  nämlich  seine  Besiegung  durch  Lucullus, 
fällt  aber,  wie  aus  der  römischen  Geschichte  bekannt  ist,  in  d.  J.  69  v.  Chr. 

Nach  der  Besiegung  des  Ti graues  durch  Lucullus  wurde 
Syrien  noch  nicht  sofort  von  den  Körnern  in  Besitz  genommen. 
Lucullus  überliess  es  einem  Sohne  des  Antiochus  Eusebes,  An- 
tiochus  XIII  Asiaticus  (69—65  v.  Chr.).  Erst  Pompejus  machte 
auf  seinem  Siegeszuge  durch  Asien  der  Herrschaft  der  Seleuciden 
definitiv  ein  Ende,  65  v.  Chr.  {Amnan.  Syr.  49;  70.  Justin.  XL,  2. 
Clinton  p.  344—348).  Syrien  wurde  nun  römische  Provinz  {Plutarch. 
Pomp.  39). 

Appian.  Syr.  70  sagt,  dass  Pompejus  den  Antiochus  abgesetzt  habe,  nach- 
dem er  während  der  Behinderung  des  Pompejus  nur  ein  Jahr  regiert  habe 
{ßaai/.svoavra  iv  raig  dayoUaiq  xaiq  UofinTjiov  inl  h>  fxovov  erog).  Auf  Grund 
dessen  nimmt  Kuhn  (Beiträge  S.  44  f.)  für  Antiochus  nur  eine  einjährige  Re- 
gierung an  und  zwar  68—67  v.  Chr.  Aber  Antiochus  war  zunächst  König  von 
Lucullus'  Gnaden,  und  Pompejus  ist  erst  66  nach  Asien  gekommen.  Appian 's 
Notiz  ist  also  dahin  zu  verstehen,  dass  Antiochus  nach  der  Ankunft  des  Pom- 
pejus noch  ein  Jahr  lang  König  war  (Wilcken,  Art.  Antiochus  XIII  in  Pauly- 
Wissowa's  Real-Enc). 

Pompejus  sandte  zunächst  im  J.  65  von  Armenien  aus  seine  Legaten  nach 
Syrien;  im  J.  64  kam  er  selbst;  die  definitive  Ordnung  der  dortigen  Verhält- 
nisse fallt  erst  63/62  vor  Chr.  {Clinton,  Fasti  Hcllenici  III,  S4ö  sq.  Fischer, 
Römische  Zeittafeln  S.  215  ff.).  —  In  das  Jahr  65  oder  64  fallen  wahrscheinlich 
die  Wirren,  von  welchen  Diodor  fr.  34  (l)ei  Müller,  Fraijni.  //ist.  graec.  t.  II, 
p.  XXIV  «^.)  berichtet.  Antiochus  XIII  Asiaticus  suchte  sich  mit  Hülfe 
des  Sampsigeram  (von  Emesa)  in  der  Herrschaft  zu  behaupten.  Gleichzeitig 
wurde  ihm  dieselbe  von  Philippus,  dem  Sohne  des  Philippus  und  Enkel  des 
Antiochus  Grypos,  streitig  gemacht,  der  zu  diesem  Zwecke  die  Untcrstützutig 
des  Araberfürsten  Azizus  nachsuchte.  Aber  Antiochus  wurde  von  Sanipsigeram 
gefangen  genommen  und  sj)äter  getödtet,  und  Philippus  entging  nur  durch  die 
Flucht  den  Nachstellungen  des  Azizus. 

Durch  diese  Nachricht  des  Diodor  von  dem  Ende  des  Antiochus  Asia- 
ticus fällt  auch  von  selbst  die  Vernuithung  älterer  Forscher,  dass  Antiochus 
Asiaticus  da«  kleine  Königreich  (^Jonunagene  erhalten  habe  und  der  Stifter  der 
Dynastie  von  Commagene  geworden  sei  (s.  dagegen  Clinton  />.  346— 348). 
Richtig  ist  aber,  das«  die  Dynastie  von  Conunngcnc  durch  Verscliwägcrung  \\\\i 
den  Helcuciden  zUHammenhängt.  S.  hierüber  die  Inschriften  Corp.  Inscr.  Graec. 
n.  .'JÜ2  —  Corp.  Inner.  Lnt.  t.  HI  n.  552  —  ('orp.  Inser.  Atticarnm  f.  III,  1  //. 
657,  und  bcHon<lers  Le  Bati  et  Wnddinyton ,  Insrription.^  t,  III,  2n.  13(1'' (zu 
EphcHUK).  Letztere  er^vühnt  einen  ßaaiXiu  ItU'xloyov  Ofov  Jlxaiov  ^Ennpavij 
4>tXo(fwnatov  xal  ^»lUXX^va,  x6v  iy  ßuaiUwQ  Mt&paöäxov  KaXhvixov  xal 
ßaoiXlaarii  Aaodlxriq  (ifüq  'luXmUXtpov  rJ/C  iy  ßaatXtwi  llvnoxov  'KnupavoZi; 
^iXofi^TOQOS  KaXXivlxov.  Derselbe  Antiochus  mit  (h^rscilx'n  (iciicalo^ic  auch 
Ulf  dem  von  ihm  selbst  errichteten  priiciitvollfu  (inihdciikmal  in  Ncninid- 
Dagh,  wo  die  Titulatur  auf  verschiedenen  Inschriften  wiederholt  wird  (II  u- 
maoD  und  Puchstein,  Reisen  in  Kloinnsien  und  Nordsyrien,  1890,  S.  232—353, 


[137.  138]  Uebersicht  über  die  Geschichte  von  Syrien.  179 

vorher:  Puchstein,  Bericht  über  eine  Reise  in  Kurdistan,  Sitzungsberichte 
der  Berliner  Akademie  1883,  S.  49  ft'.).  Der  Antiochus,  welchem  diese  In- 
schriften gelten,  ist  ein  König  von  Commagene,  der  andere  Antiochus,  der 
Vater  der  Laodike,  ohne  Zweifel  ein  Seleucide,  nach  Waddington  Antiochus 
XIII  Asiaticus,  nach  Mommsen  Antiochus  VIII  Grypos;  letzteres  sicherlich 
richtig,  denn  Antiochus  VIII  Grypos  heisst  auf  Münzen  'Ennpav^q,  bei  Por- 
phyrius  und  Josephus  Äntt.  XIII,  12,  2  <Pt}.o/^j]Tw(),  und  der  Beiname  KaX).mxoq, 
welchen  Mommsen  noch  nicht  nachweisen  konnte,  ist  seitdem  auch  bestätigt 
worden  durch  Inschriften  von  Delos  {Bulletin  de  correspondance  hellemque  t. 
VII,  1883,  p.  346;  VIII,  1884,  p.  105s?.).  Die  Vermuthung  Gutschmid's 
(Geschichte  Iran's,  1888,  S.  80  Anm.),  dass  seine  Tochter  Laodice  identisch 
sei  mit  der  von  Josephus  Antt.  XIII,  13,  4  erwähnten  Laodice,  ist  nicht  wahr- 
scheinlich (Kuhn,  Beiträge  S.  36,  Anm.  6).  —  Vgl.  überh.  Mommsen,  Die 
Dynastie  von  Commagene  (Mittheilungen  des  deutschen  archäologischen  In- 
stitutes in  Athen,  Bd.  I,  1876,  S.  27 — 39).  Marquardt,  Römische  Staats- 
verwaltung Bd.  I,  2.  Aufl.  1881,  S.  39Sfr.  Babeluti  l.  c.  p.  CCVIII— CCXVIII, 
217 — 223.  Humann  und  Puchstein  a.  a.  O.  T/ieod.  Reinach,  La  dijnastie 
de  Commaf/me  {Revue  des  etudes  grecques  t.  III,  1890,  j>.  362 — 380).  Wilcken 
in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  I,  2487  ff".  (Art.  Antiochus  Nr.  37—40).  Proso- 
jwgraphia  imperii  Roniani  I,  82*5.  II,  166.  Wroth,  Catalogue  of  the  greek 
Coins  of  Oalatia,  Cappadocta  and  Syria  [in  the  Brit.  Mus.]  1899,  p.  104 — 111 
u.  Introd.  p.  XLIII  sqq.  \ 


§  4.   Die  Religrioiisnoth  und  die  Erhebung 
(175-165  vor  Chr.). 

Quellen:  I  Mahk.  1—4.    II  Makk.  4—11. 

Josephus  Antt.  ym,  5 — 7.  Auszug  daraus:  Zotiaras  Annal.  IV,  19—20. 
Buch  Daniel  c.  11,  21 — 45  und  dazu  der  Commentar  des  Hieronymus 

{Opp.  ed.  Vallarsi  V,  711—724). 
Einige  Data  aus  Megillath  Taanith  bei  Derenbourg,  Histoire  de  la 

Palestine  p.  59 — 63. 

Literatur:  Die  oben  (S.  166)  genannten  Werke  über  die  syrische  Geschichte 

von  Foy-Vaillant,  Froelich,  Clinton, Flathe.  Starku.A. 
Die  Untersuchungen    und  Commentare   über   die  Makkabäerbücher 

von  Wernsdorff,  Michaelis,  Grimm,  Keil  u.  A,  (s.  Bd.  HI, 

S.  145). 
Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  (3.  Aufl.)  IV,  372—407. 
Herzfeld,  Geschichte  des  Volkes  Jisrael  II,  219—261. 
Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  IL  367—395. 
Grätz,  Geschichte  der  Juden  Bd.  II,  2,  S.  268-3.52. 
Reu  SS,  Gesch.  der  heil.  Schriften  Alten  Testaments  §  451—460. 
Hoff  mann   (Joh.  Friedr.),    Antiochus  IV   Epiphanes,   König   von 

Syrien.    Leipzig  1873. 
Wiederholt,  Antiochus  IV  Epiphanes  nach  der  Weissagung  Dan.  11, 

12* 


180  §  -i-   Die  Religionsnotli  und  die  Erhebung.  [138] 

21—12,  3  und  der  Geschichte    (Tüb.  Theol.  Quartalschr.  1874, 

S.  5ö7— 031). 
Wilcken    in   Pauly-Wissowa's   Real-Enc.   der   class.   Alterthums- 

wissensch.  I,  1894,  col.  2470—2476  (Art.  Antiochos  IV). 
Renan,  Histoire  du  peuple  iV Israel  IV,  1893,  p.  297—368. 
Wellhausen,  Israelitische  und  jüdische  Geschichte  2.  Ausg.  1895, 

S.  230—245.    4.  Ausg.  1901,  S.  241—261. 
Willrich,  Juden  und  Griechen  vor  der  makkabäischen  Erhebung 

(1895)  S.  115— ]25.    Dazu  Wellhausen,  Gott.  Gel.  Anz.  1895, 

S.  947—957. 
Bertholet,    Die  Stellung   der  Israeliten   und   der  Juden   zu    den 

Fremden  (1896)  S.  208  flf. 
Buch  1er,  Die  Tobiaden  und  die  Oniaden  im  IL  Makkabäerbuche 

und  in  der  verwandten  jüdisch-hellenistischen  Litteratur,  1899. 

Vgl.  Theol.  Litztg.  1900,  364. 
Niese,   Kritik  der  beiden  Makkabäerbücher  nebst  Beiträgen  zur 

Geschichte  der  makkabäischen  Erhebung,  1900  (Separat- Abdruck 

aus:  Hermes  Bd.  35,  S.  268-307,  453—527). 
Menke's  Bibelatlas,  Bl.  IV  Specialkarten  über  „Judäa  und  PhÖ- 

nicieu  zur  Zeit  des  Antiochus  Epiphanes"  u.  A. 

Seit  den  Eroberungen  der  Assyrer  und  Chaldäer  hatte  das 
jüdische  Volk  seine  politische  Selbständigkeit  verloren.  Das  nörd- 
liche Zehnstännne-Reich  war  schon  den  Assyrern  erlegen,  das  süd- 
liche Reich  Juda  den  Chaldäern.  Von  den  Chaldäern  war  die 
Herrschaft  auf  die  Perser  übergegangen;  von  den  Persern  nach 
zweihundertjähriger  Dauer  auf  Alexander  den  Grossen  ')•  In  den  | 

1)  Nach  Josep/ius  Antt.  XI,  8,  4—5  soll  Alexander  auch  in  Jerusalem 
geopfert  haben.  Die  Erzählung  ist  im  Detail  jedenfalls  unhistorisch.  Die 
Sache  an  sich  wäre  nicht  unmöglich.  Vgl.  überliaupt:  Fiat  he,  Gesch.  Mace- 
donien»  I,  310  AT.  Henrichsen,  Das  Verhältnis«  der  Juden  zu  Alexander 
dem  Grossen  (Stud.  und  Krit.  1871,  S.  458—480).  Blümmer,  Alexander  der 
Großse  in  Jerusalem.  Festschr.  Büdingen  1872.  Reuss,  Gesch.  der  heil. 
Schriften  A.  T.'s  §  426.  Bois,  Alexandre  le  Grand  et  les  Juifs  eti  Palestine 
(Revue  de  ihiol.  et  de  phi/os.  Laumnne,  1890—1891).  Willrich,  Juden  und 
Griechen  S.  1 — 13.  Büchler,  La  rclation  de  Josbphe  concemant  Alcjceindre  le 
Orarul  (Rerue  des  (tudes  juirca  t.  XXXVI,  1898,  p.  1—26).  — Auch  die  später© 
jüdiMclie  Legende  hat  sicli  viel  mit  Alexander  beschäftigt.  S.  Vogclstein, 
Beiträge  zur  Al('Xan<lerHage  (Moiiatf<Hclir.  f.  Gesch.  und  Wissenscli.  des  Judenth. 
Bd.  XV,  \m\,  S.  121—134,  161—178).  Donath,  Die  AlexanderHHge  in  Tal- 
mud und  Midrafch  mit  HückHicht  auf  JosepliUH  Flavius,  Pseudo-Callisthenes 
und  die  mohammedanisclie  Alexandersage,  Fulda  1873  (Rostocker  Dissert.). 
Hamburger,  Keal-Enc.  für  Bibel  und  Talmud,  Abtli.  II,  Art.  „Alexander 
der  OronM!".  lAri,  La  fjqciule  d*  Alexandre  dana  le  Talmud  (Renie  des  efiulcs 
juire*  I.  II,  1881,  p.  293—300).  L6ri,  Les  tradnetiona  Idlmiiquea  de  /'  Imioire 
Ugendairr  tP  Aleraudre  {Rente  des  iludes  jitirea  f.  III,  1881,  p.  238-275).  Leri, 
hl  Uf/endc  d'  Alexandre  dana  le  Talmud  et  le  Midratich  (Ifevuc  di'n  Hudcs  juircu 
I.  VII,  1883,  fi.  78—0.3).  LUvi,  I^e  royat/e  r/'  Alexandre  au  Paradia  {Revue  des 
ilude$  Jttireti  l.  XII,  188*1,  />.  117  »7.).    injOsV«  r'»*»bnn '0,  hebräischer  Text  mit 


{139]  §  4.   Die  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  181 

Stürmen  der  Diadochenzeit  bildete  Palästina  ein  Hauptstreitobject 
zwischen  Ptoleinäus  Lagi  und  dessen  Gegnern  und  hatte  daher 
bald  diesen  bald  jenen  Herrn.  Während  des  dritten  Jahrhunderts 
gehörte  es  mit  geringen  Unterbrechungen  zum  Reiche  der  Ptole- 
mäer.  Im  Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts  aber  gelang  es  An- 
tiochus  dem  Grossen,  Phönicien  und  Palästina  dauernd  an  sich  zu 
reissen.  An  Stelle  der  Ptolemäer  traten  nun  die  Seleuciden  als 
Oberherren  des  jüdischen  Volkes"-). 

Schon  im  Anfang  der  persischen  Herrschaft  war  den  Juden 
gestattet  worden,  sich  als  religiöse  und  politische  Gemeinde 
neu  zu  organisiren.  Die  Form  aber,  in  welcher  das  jüdische  Staats- 
wesen nach  dem  Exil  wiederhergestellt  wurde,  war  eine  wesentlich 
andere  als  ehedem.  Es  war  von  nun  an  ein  Priesterstaat.  Wie 
es  in  erster  Linie  die  religiösen  Interessen  gewesen  waren,  welche 
den  Antrieb  zur  Neubegründung  gegeben  hatten,  so  war  auch  die 
Form  des  neuen  Staatswesens  mehr  die  einer  religiösen  als  die 
einer  politischen  Gemeinde.  Die  Priester  hatten  hier  den  mass- 
gebenden Eiufluss,  mindestens  seit  der  Zeit  Esra's.  Ja  ein  Prie- 
ster bildete  auch  das  politische  Oberhaupt  der  Gemeinde. 
Denn  der  sogenannte  „Hohepriester*'  ist  keineswegs  nur  der  oberste 
Cultusbeamte,  sondern  zugleich  auch  das  Staatsoberhaupt,  soweit 
eben  die  Staatshoheit  nicht  durch  den  Grosskönig  und  dessen  Be- 
amte ausgeübt  wurde.  Die  Würde  des  Hohenpriesters  war 
lebenslänglich  und  erblich^).  Ihm  stand  — vermuthlich  schon 


Einleitung  von  Levi,  in:  l'^hs  ^Sp,  Sammelband  kleiner  Beiträge  aus  Hand- 
schriften, Jahrg.  II,  Berlin  188G,  Verein  Mekixe  Nirdamim  (s.  Revue  des  etudes 
jtnves  t.  XIV,  1887,  p.  299  sq.  Brüll,  Jahrbb.  für  jüd.  Gesch.  und  Litteratur  IX, 
1889,  S.  144).  Levi,  Revue  des  etiides  juives  t.  XXVIII,  1894,  p.  147  «g.  Levi, 
Un  nouveau  Roman  d'  Alexandre  (Festschr.  zum  80.  Geburtstage  M.  Stein- 
schneiders 1896,  S.  235-237,  und  hebr.  Text  S.  142—163).  Vogelstein  und 
Rieger,  Gesch.  der  Juden  in  Rom  Bd.  I,  1896,  S.  189  f.  483  ft".  —  Diese  jüdi- 
schen Legenden  sind  z.  Th.  Abzweigungen  des  fast  bei  allen  Culturvölkern 
verbreiteten  Alexander -Romanes,  über  welchen  zu  vgl.  Zacher,  Pseudo- 
Kallisthenes,  1867.  Krumbacher,  Gesch.  der  byzantinischen  Literatur,  2. Aufl. 
1897,  S.  849—852  und  die  dort  genannte  Literatur. 

2)  S.  das  Nähere  in  den  oben  (S.  166)  genannten  Werken  über  die  syrische 
Geschichte.  Dass  seit  der  Schlacht  bei  Panias  (198  v.  Chr.)  Phönicien  und 
Palästina  dauernd  im  Besitz  der  Seleuciden  geblieben  ist,  hat  namentlich  Stark 
(Gaza  S.  403  ft".  423  fl".)  gezeigt.  Vgl.  auch  Wilcken  in  Pauly-VVissowa's  Real- 
Enc.  I,  2466.  2471  f.  Ders.  in:  Droysen,  Kleine  Schriften  II,  433.  Niese, 
Gesch.  der  griech.  und  makedonischen  Staaten  II,  674. 

3)  S.  das  Verzeichniss  der  Hohenpriester  von  Josua,  dem  Zeitgenossen 
Serubabel's,  bis  Jaddua  bei  Nehem.  12,  10 — 11.  Jaddua  war  ein  Zeitgenosse 
Alexander's  des  Grossen  {Joseph.  Antt.  XI,  7,  2.  8,  7).  Die  Nachfolger  Jaddua's 
waren  nach  Josephus: 


182  •!•   Die  Keligiousnoth  und  die  Erhebung.  [139.  140] 

in  der  ]  persischen  Zeit,  jedenfalls  seit  Beginn  der  griechischen 
Herrschaft  —  ein  Aeltesten-Eath,  die  ysQovola,  zur  Seite,  als  deren 
Haupt  und  YoUzugs-Organ  eben  der  Hohepriester  zu  betrachten 
ist  Wie  weit  die  Verwaltung  und  Rechtsprechung  in  der  Hand 
dieser  einheimischen  Behörde  lag,  und  wie  weit  sie  durch  die  per- 
sischen resp.  griechischen  Oberherren  ausgeübt  wurde,  das  entzieht 


Onias  I,  Sohn  Jaddua's  {A7itL  XI,  8,  7,  nach  I  Maid:  12,  7.  8.  20  ein  Zeit- 
genosse des  Königs  Areus  von  Sparta  309—265  v.  Chr.). 
Simon  I  der  Gerechte,   Sohn  des  vorigen  {Antt.  XII,  2,  4;    vgl.  Bd.  II, 

S.  352,  355). 
Eleasar,  Bruder  des  vorigen  {Antt.  XII,  2,  4,  nach  dem  Aristeasbuch  ein 

Zeitgenosse  des  Ptolemäus  II  Philadelphus  283 — 246  v.  Chr.). 
Manrasse,  Oheim  des  vorigen  {Antt.  XII,  4,  1). 

Onias  11,  Sohn  Simon's  des  Gerechten  {Antt.  XII,  4,  1—2,  zur  Zeit  des 
Ptolemäus  III  Euergetes  246—  221 ;  doch  fehlt  in  einigen  guten  Hand- 
schriften Antt.  XII,  4,  1  die  nähere  Bezeichnung  des  Ptolemäus;  vgl. 
überh.  die  folg.  Anm.), 
Simon  II,   Sohn  des  vorigen   {Antt.  XII,  4,  10,  vgl.  Sirach  50,    1  ff.  III 

Makk.  2,  1). 
Onias  III,  Sohn  des  vorigen  {Antt.  XII,  4,  10,  zur  Zeit  des  Seleucus  IV 
und  Antiochus  Epiphanes  175  v.  Chr.,  daher  in  der  Vorgeschichte  der 
makkabäischen  Erhebung  erwähnt  II  Makk.  c.  3—4,  Jos.  Antt.  XII,  5,  1). 
Der  von  Pseudo-Hekatäus  (bei  Jos.  contra  Apio?i.  I,  22  ed.  Niese  §  187) 
als  Zeitgenosse  des  Ptolemäus  Lagi  erwähnte  Hohepriester  Ezekias  wird  von 
Josephus  in  seiner  Geschichtsdarstellung  nicht  berücksichtigt.  Zur  Kritik  der 
ganzen  Liste  vgl.  Willrich,  Juden  und  Griechen  S.  107  ff.,  der  zwar  über 
das  Ziel  hinaus  schiesst,  aber  darin  Recht  haben  wird,  dass  dieselbe  nicht 
als  sichere  und  lückenlose  Ueberlieferung  gelten  kann.  Seltsam  ist  nament- 
lich das  genealogische  Verhältniss  von  Eleasar,  Manasse  und  Onias  II  zu  ein- 
ander. Auch  die  Verflechtung  in  den  Aristeus-Roman  und  in  die  legendarische 
Geschichte  vom  Steuerpächter  Joseph  macht  die  Liste  unsicher.  —  Die  christ- 
lichen Chronisten  {Eusebitis,  Denmnstr.  ecang.  ed.  Oaisford  VI  11,  2,  62 — 72, 
£u8ebiu8,  Chron.  cd.  Schoene  II,  114—124,  Chronicon  paschale  cd.  Din- 
dorf  I,  302—339,  356  sq.,  390  sq.,  Syncellus  cd.  Dindorf  I,  484,  512,  525, 
X(fovoYQa(pBlov  aivtofiov  bei  Fktscb.  Chron.  ed.  Schoene  t.  I,  append.  col.  95, 
und  Andere)  lial)en  diesen  jüdinchen  Hohenpriestern  besondere  Aufmerksam- 
keit gewidmet  und  dabei,  wie  es  die  chroniHtiHiIio  Anordnung  erforderte,  die 
Zfit  eint!«  Jeden  genau  ü.xirt.  Man  sieht  über  aus  ihren  Angaben,  dass  ilinen 
krine  andere  Quelle  zu  Gebote  gestanden  hat  als  Josephus.  Ihre  Ansätze 
HJnd  daher  rein  willkürlich;  und  jeder  Versuch,  mit  Hülfe  derselben  die 
Chronologie  genauer  festzustellen,  von  vornherein  verfehlt  (ganz  besonders  der 
von  H«Tzfeld,  Gesch.  II,  308  tl".,  der  sogar  das  pseudoplülonischo  breviurium 
tnnjtornm  benützt,  über  weleiies  zu  vgl.  Fabricius,  liHtlioth,  graec.  cd.  Hartes  IV, 
743,  und  die  Artikel  über  Anniiis  von  Vitt^rbo  von  Fahririits,  liihlioth.  (jrncc. 
1.  AuMg,  XIV,  211—219,  und  Wiidder  in  Ernch  und  CJriiher's  Allg.  Encykl. 
ftectioD  I  Bd.  4,  8.  183— 1H5).  —  Eine  eingehende  Untersucliiiug  über  die 
HohenprieMt«r listen  der  byzantiniselieu  Chronisten  giebt:  Gel/.er,  Julius  Afri- 
canu»  Bd.  II,  1886,  S.  170—176. 


[140.  141]  §  4.    Die  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  183 

sich  unserer  näheren  Kenntniss.  Unter  den  griechischen  Ober- 
herren wird  die  politische  Selbständigkeit  der  jüdischen  Commune 
nicht  geringer,  sondern  eher  grösser  gewesen  sein  als  früher  (vgl. 
überhaupt  §  23,  IIIj.  Die  Hauptsache  war  ohne  Zweifel  die  Zah- 
lung von  Steuern.  Dieselben  sollen  bis  Onias  II  vom  Hohenpriester 
persönlich  (ßx  rmv  iöicov)  in  einer  Pausch-Summe  von  zwanzig 
Talenten  entrichtet  worden,  später  an  einen  Unternehmer  verpachtet 
gewesen  sein^). 

Der  Umfang  dieses  —  relativ  doch  ziemlich  selbständigen  — 
jüdischen  Staatswesens  beschränkte  sich  wahrscheinlich  auf  das 
eigentliche  Judäa,  d.  h.  die  südlich  von  Samarien  gelegene 
Provinz,  welche  annähernd  dem  Umfang  des  früheren  Reiches  Juda 
entsprach.  Ausgeschlossen  waren  davon  die  sämmtlichen  Küsten- 
städte, welche  vorwiegend  heidnische  Einwohner  hatten  und  ihrer- 
seits selbständige  Communen  bildeten  (?.  §  23,  I).  Wie  weit  diese 
heidnischen  Gebiete  in  das  Binnenland  hereinreichten,  sieht  man 
namentlich  daraus,  dass  auch  Ekron  und  Gazara  nicht  zu  Judäa 
gehörten.  Ekron  ist  erst  zur  Zeit  Jonathan's  (I  Makk.  10,  88—89), 
Gazara  erst  zur  Zeit  Simons  (I  Makk.  13,  43 — 48)  mit  dem  jüdischen 
Gebiete  vereinigt  und  judaisirt  worden  (über  die  Lage  beider  s 
unten  §  6  und  7).  Auch  das  ganze  Ostjordanland  gehörte  nicht 
zum  jüdischen  Gebiete.  Wir  finden  dort  theils  ebenfalls  helle- 
nistische Communen  (s.  §  23,  I),  theils  unabhängige  Völkerschaften 
unter  einheimischen  Führern  ^).   Im  Westjordanland  bildeten  gegen 


4)  Joseph.  Antt.  XII,  4,  1  ft".  —  Der  Unternehmer,  der  sie  damals  pachtete^ 
heisst  Joseph,  Sohn  des  Tobias.  Der  Beginn  seiner  Pacht  wird  nach  dem 
herkömmlichen  Text  von  Antt.  XII,  4,  1  in  die  Zeit  des  Ptolemäus  III  Euer- 
getes  verlegt;  aber  der  Beiname  des  Königs  fehlt  in  einigen  guten  Hand- 
schriften und  ist  wahrscheinlich  interpolirt,  denn:  1)  Josephus  erwähnt  schon 
vorher  die  Hochzeit  des  Ptolemäus  V  Epiphanes  mit  Kleopatra,  der 
Tochter  des  Antiochus  d.  Gr.  von  Syrien.  2)  Die  Gemahlin  des  K<)nigs  heisst 
in  der  ganzen  Erzählung  von  der  Steuerpacht  des  Joseph  stets  Kleopatra 
[Antt.  XII  §  167.  185.  204.  217  ed.  Niese).  Eine  solche  hat  es  aber  in  Aegypten 
erst  seit  jener  Heirath  des  Ptolemäus  V  193/192  gegeben  (Strack,  Die  Dy- 
nastie der  Ptolemäer  S.  183,  196).  Darnach  würde  freilich  die  ganze  Steuer- 
pacht des  Joseph,  welche  22  Jahre  dauerte  {Antt.  XII,  4  §  186  u.  224),  in  die 
Zeit  fallen,  als  Palästina  bereits  zu  Syrien  gehörte  und  Kleopatra  nur  gewisse 
Gefiille  von  dort  als  Mitgift  bezog  (s.  oben  Anm.  2),  während  die  Erzählung 
voraussetzt,  dass  Palästina  zu  Aegypten  gehörte.  Der  historische  Hintergrund 
der  Erzählung  ist  also  unmöglich,  und  auch  die  Details  derselben  sind  offen- 
bar legendarisch.  Sofern  ihr  historische  Thatsachen  zu  Grunde  liegen,  sind 
sie  in  die  Zeit  vor  198  v.  Chr.  (Eroberung  Palästina'«  durch  Antiochus  d.  Gr.) 
zu  setzen.    Vgl.  auch  die  unten  Bd.  II,  S.  75  genannte  Literatur. 

5)  Als  ein  solcher  ist  wohl  jener  Timotheus,  rjyoinsvoq  der  Ammoniter. 
zu  betrachten,  gegen  welchen  Judas  der  Makkabäer  kämpfte  (I  i/oAJfc.  5,  6. 11. 


184  §  4-   I^i^  Eeligionsnoth  und  die  Erhebung,  [141] 

Ende  des  dritten  und  im  Anfang  des  zweiten  Jahrliuuderts  „Judäa" 
und  „Samarien-'  je  einen  besonderen  Verwaltungsbezirk  neben 
„Cölesyrien'"  und  „Phönicien'"^).  Galiläa  wird  nicht  als  solcher 
erwähnt;  es  gehört-e  also  zu  einem  der  vier  eben  genannten;  aber 
schwerlich  zu  Judäa,  von  dem  es  örtlich  geschieden  war.  Nun  be- 
hauptet freilich  Pseudo-Hekatäus,  dass  Alexander  der  Grosse  den 
Juden  Samarien  als  steuerfreies  Gebiet  verliehen  habe').  Allein 
selbst  wenn  diese  Angabe  zuverlässiger  wäre  als  sie  ist,  so  gilt 
sie  jedenfalls  nicht  mehr  für  die  Zeit  der  Seleucidenherrschaft,  da 
noch  unter  dem  makkabäischen  Hohenpriester  Jonathan  es  als  be- 
sondere Gunstbezeugung  des  Königs  Demetrius  II  erwähnt  wird, 
dass  er  drei  vo,uoi  von  Samarien  abgetrennt  und  mit  Judäa 
vereinigt,  und  dieses  ganze  Gebiet  den  Juden  steuerfrei  überlassen 
habe^).  Herkömmlicherweise  hat  also  das  Gebiet  des  jüdischen 
Hohenpriesters  nur  Judäa  umfasst.  Und  zwar  Judäa  im  engeren 
Sinne  (ohne  Galiläa);  denn  so  ist  es  augenscheinlich  an  den  an- 
geführten Stellen  des  ersten  Makkabäerbuches  gemeint^).  | 


34.  37.  40).  Denn  dass  er  ein  über  die  Ammoniter  gesetzter  Strateg  dea 
Königs  von  Syrien  war,  ist  bei  der  Unabhängigkeit  der  dortigen  Stämme, 
welche  uns  die  Erzählung  I  Makk.  9,  35-42  sehr  deutlich  illustrirt,  nicht 
wahrscheinlich.  —  Auch  Aretas,  der  zvQavvog  der  Nabatäer  (II  Makk.  5,  8), 
gehört  hierher. 

6)  Dies  sieht  man  aus  den  beiden  ganz  gleichartigen  Angaben  Jos.  Anit. 
XII,  4,  1  u.  XII,  4,  4. 

7)  Pseudo-Hecataeus  bei  Joseph,  contra  Apion.  II,  4  (Niese  §  43):  t^v 
SafittQfLTiv  y^oQav  ngoai&Tjxev  tyjtv  aitolg  ttifOQO?.6yi]rov. 

8)  I  Makk.  11,  34:  kardxafifv  ovv  avroiq  tcc  ts  oQta  tfjg^Iovöafaq  xal  rovg 
rpelg  vo/iovg  lAtpalgefia  xal  Avööa  xal  ^Pafta&t/jt'  nQOOSTb&tjoav  tj7  ^Jovöain 
uno  xFig  Safiapektöog.  Vgl.  11,  28.  Versprochen,  aber  nicht  ausgeführt,  war 
diese  Schenkung  schon  früher  (I  Makk.  10,  30.  38),  bestätigt  wurde  sie  durch 
Antiochus  VI  (I  Makk.  11,57). 

9)  „Judäa"  nel)en  „Samarien"  kann  nur  Judäa  im  engeren  Sinne,  also 
die  sQdlichc  Provinz  sein.  Dies  entupriclit  auch  dem  sonstigen  Sprachgebrauch 
de«  ersten  .Makkabäerbuches,  in  welchem,  so  viel  ich  sehe,  stets  unter  yfi^Ioida 
oder  'JovSala  das  eigentliche  Judäa  zu  verstehen  ist  (s.  z.  li.  I  M.  12,  46— .'')2]. 
Der  bei  Josephus,  im  Neuen  Testamente  und  in  der  Mischna  herrschende 
Sprachgebrauch,  welcher  „Judaa",  „Samarien"  und  „Galiläa"  als  drei  be- 
Honchfrc  Landschaften  unterscheidet  (s.  §  22.  I),  ist  also  schon  in  der  Makka- 
bäerzeit  fest  ausgebildet.  Erkennt  man  aber  an,  dass  an  den  angefüiirten 
Steilen  (I  Makk.  10,  30.  38.  11,  28.  34)  Judäa  im  engeren  Sinne  gemeint  ist, 
•O  ergiebt  sich  die  Consequenz,  dass  nicht  nur  vor  IJeginn  der  makkabäischen 
Erhebung,  nonclcrn  auch  noch  unter  den  mukk!il)äiscli(>n  Iloiienpriestern  Jo- 
nathan xnul  Simon  die  Landschalt  (Jalilüa  niciit  zum  (Sebiet  des  jü- 
«ÜHchen  Hohenpriesters  gehört  hat.  Denn  es  ist  immer  nur  von  Judäa 
und  den  drei  dazu  geüchlagcnen  vofiol  von  Samarien  die  ]led(!.  Nur  I  Makk. 
10,  30  heisst  es,  dass  mit  Judfia  drei  vofiol  von  „Saniari<>n  und  Galiläa" 
vereinigt  werden  sollen.    Aber  einerseits  ist  dies  diimals  gur  iiidit  zur  Aus- 


[142.  143]  §  4.   Die  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  185 

Mit  dem  Umfang  Jiidäa's  im  politischen  Sinn  fiel  nicht  zu- 
sammen die  Ausdehnung  der  jüdischen  Bevölkerung.  Eben 
der  Umstand,  dass  man  in  der  Makkabäerzeit  Werth  legte  auf  die 
Vereinigung  der  drei  genannten  südlichen  Districte  Samarien's 
(I  Makh.  11,  34:  Ephraim,  Lydda  und  Ramathaira)  mit  .Tudäa, 
lässt  uns  vermuthen,  dass  die  Bevölkerung  in  diesen  Districten 
eine  vorwiegend  jüdische  war,  mit  anderen  Worten,  dass  sie  nicht 
mit  den  schismatischen  Samaritanern  auf  dem  Garizim  opferten,  son- 
dern in  Jerusalem,  und  in  religiöser  Gemeinschaft  mit  den  dortigen 
Juden  standen''').  Aber  auch  in  der  Landschaft  Galiläa  und 
ebenso  in  Gilead,  also  im  Ostjordanland,  muss  im  Anfang  des 
zweiten  Jahrhunderts  eine  beträchtliclie  Anzahl  Juden  gewohnt 
haben,  welche  in  religiöser  Gemeinschaft  mit  Jerusalem  standen; 
denn  es  war  eine  der  ersten  Thaten  der  makkabäischen  Brüder 
nach  Wiederherstellung  des  Cultus,  dass  sie  ihren  Glaubensgenossen 
in  Galiläa  und  Gilead,  welche  von  den  Heiden  bedrängt  wurden. 
Hülfe  brachten:  Simon  zog  nach  Galiläa,  Judas  nach  Gilead  (I  Makk. 
5,  9—54).  Die  Art,  wie  sie  Hülfe  brachten,  zeigt  uns  jedoch  an- 
dererseits, dass  damals  noch  nicht  die  compacte  Masse  der 
Bevölkerung  jener  Landschaften  jüdisch  war.  Denn  weder 
Simon  noch  Judas  brachten  die  Landschaften  als  solche  unter  jü- 
dischen Schutz.  Sondern  nachdem  Simon  die  Heiden  in  Galiläa 
geschlagen  hat,  führt  er  die  sämmtlichen  Juden  aus  Galiläa 
und  Arbatta  (wohl  =  n^an?,  die  Niederungen  am  Jordan)  sammt 
Weibern  und  Kindern  und  aller  Habe  mit  sich  nach  Judäa,  um 
sie  dort  sicher  zu  bergen  (I  Makk.  \  5,  23) '  •).    Und  ebenso  verfährt 

führung  gekommen;  und  sodann  können  nach  der  genauen  Parallele  der  an- 
deren Stellen  auch  hier  nur  die  drei  vofioi  im  Süden  Samaria's  gemeint  sein. 
Es  ist  also  entweder  ra?.i}.aiag  Interpolation,  oder  „Samarien  und  Galiläa" 
bezeichnen  als  Landschaftsuamen  zusammen  die  Provinz  Samarien.  Es  ist 
demnach  erst  durch  die  Eroberungen  des  Johannes  Hyrkanus  und 
seiner  Nachfolger,  wie  Samarien  und  SkythopoliS;  so  auch  Galiläa  politisch 
mit  dem  jüdischen  Gebiete  vereinigt  worden. 

10)  Beachte,  wie  gerade  in  der  Stelle  I  Makk.  11,  34  das  „opfern  in  Jeru- 
salem" als  Charakteristicum  derer  hervorgehoben  wird,  welchen  die  Steuer- 
freiheit verliehen  wird. 

11)  Ueber  den  Sinn  von  I  Mokk.  5,  23  bemerkt  Keil  in  seinem  Commen- 
tar:  ,,In  rovc  iv  Fa)..  x.  iv  ^Agß  liegt  nicht,  dass  er  alle  bundestreuen  Juden 
jener  Landschaften  nach  Judäa  übergeführt  habe,  da  ndvxaq  nicht  dabei  steht. 
Joseph.  {Antt.  XII,  8,  2)  hat  daher  die  Worte  nur  auf  die  von  den  Heiden  ge- 
fangen gehaltenen  Juden  bezogen,  wofür  aber  der  Wortlaut  keinen  Anhalt  bietet. 
Wahrscheinlich  sind  nur  die  gemeint,  welche  aus  Furcht  vor  neuen  Angriffen 
der  Heiden  nach  Judäa  übersiedeln  wollten  und  diesen  Wunsch  dem  Simon 
zu  erkennen  gegeben  hatten".  Das  mag  insofern  richtig  sein,  als  Niemand 
zur  Uebersiedelung  gezwungen  wurde.  Jedenfalls  aber  sind  alle  ge- 
meint, denen  es   mit  ihrem  Judenthum  Ernst  war.    Dies  beweist  die 


185  §  4.   Die  Eeligionsnoth  und  die  Erhebung.  [143.  144] 

Judas  mit  den  in  Gilead  wohnenden  Juden,  nachdem  er  dort  die 
Heiden  besiegt  hat  (I  Makk.  5,  45—54).  Man  sieht  also  deutlich, 
dass  die  Juden  in  Galiläa  und  Gilead  noch  eine  Diaspora  unter 
den  Heiden  bildeten;  und  die  ersten  Makkabäer  sind  keineswegs 
darauf  ausgegangen,  jene  Landschaften  zu  judaisiren,  sondern  sie 
haben  umgekehrt  die  jüdische  Bevölkerung  aus  denselben  heraus- 
gezogen. Erst  seit  Johannes  Hyrkanus  oder  einem  seiner  Nach- 
folger (wahrscheinlich  seit  Aristobul  I)  ist  dies  anders  geworden. 
Die  innere  Entwickelung  des  Judenthums  von  der  Zeit 
Esra's  bis  zur  Makkabäerzeit,  ja  bis  zur  Begründung  des  Talmud, 
lässt  sich  nur  in  sehr  allgemeinen  Umrissen  skizziren.  Genauer 
bekannt  ist  uns  nur  der  Ausgangspunkt:  das  durch  Esra  eingeführte 
priesterliche  Gesetz  (5.  Jahrh.  vor  Chr.);  und  dann  wieder  der  End- 
punkt: die  Codificirung  des  jüdischen  Rechtes  in  der  Mischna 
(2.  Jahrh.  nach  Chr.).  Zwischen  beiden  Grenzen  liegt  ein  Zeit- 
raum von  sechs  Jahrhunderten.  In  welchem  Stadium  der  Ent- 
wickelung stand  das  Judenthum  beim  Ausbruch  der  makkabäischen 
Erhebung?  Wir  können  nur  sagen:  es  befand  sich  bereits  auf 
dem  Weg  zu  den  Resultaten,  die  uns  in  der  Mischna  fertig  vor- 
liegen; und  die  Makkabäerzeit  war  eben  die  Zeit  der  grössten 
Krisis,  welche  es  je  wälirend  dieses  ganzen  Zeitraums  zu  bestehen 
gehabt  hat.  Es  wurde  der  Versuch  gemacht,  die  Grundlagen  der 
bisherigen  Entwickelung  zu  vernichten,  das  jüdische  Volk  zu  den 
heidnischen  Culten  überzufüliren.  Das  Resultat  war  die  erneute 
Befestigung  der  durch  Esra  |  begründeten  Richtung,  die  emsige 
Fortarbeit  am  theoretischen  Ausbau  des  Gesetzes  und  an  der  prak- 
tischen Durchführung  des.selben.  —  Das  Gesetz,  welches  Esra 
eingeführt  hatte,  war  im  Wesentlichen  Cultusgesetz.  Die  Reli- 
gion Israels  ist  hier  in  feste  gesetzliche  Formen  gebracht,  um  sie 
sicher  zu  stellen  gegen  Beeinflussung  durch  das  Heidcnthum.  In  der 
Form  eines  von  Gott  selbst  gegebenen  (Gesetzes  wurde  dem  Juden 
gesagt,  was  er  als  treuer  Diener  Jahve's  zu  thun  habe:  welche 
Festtage  er  zu  feiern,  welche  Opfer  er  darzubringen,  welche  Ab- 

auHfÜhrlichere  parullcle  Erzählung  über  dtiH  VerfahreQ  de»  Judas  in  Oilend 
(I  M.  5,  45—54;  da«  Fehlen  von  nävtai  in  I  .1/.  5,  23  iiiacht  natürlich  keinen 
Unterschied).  Vgl.  J.  D.  MichaeÜH,  Deutseho  UeborHctzung  dew  «THten  JJnclis 
der  Maccabäer  S.  108:  „So  wie  ich  den  Vors  verstehe,  ist  die  Meinung:  Simon 
nahm  alle  in  Galiläa  wohnende  Juden  mit  Hieb  nneli  Judiia,  weil  h'w  mich 
Hfinem  Abzüge  neuer  Gefahr  und  Ueberfall  der  Heiden  uuHguHet/t  gewcHiMi 
»cyo  würden.  Eben  so  verstand  ihn  auch  der  Syrer".  Griunn,  Exegot.  Ilandb. 
8.  83:  ,>Der  Vera  macht  keinen  anderen  Eindruck,  als  duHH  .luduH  Hümtliehe 
geseUestreuen  Juden  aui  Galiläa  und  der  Jordatumc!  mit  Hieli  muh  .Jndäii 
genommen  habe,  um  sie  nach  seinem  Wegzuge  nicht  neuen  Gelahruu  uuhzu- 
■etoen". 


[144.  145]  §  4.   Die  Religionsnotli  und  die  Erhebung,  igy 

gaben  er  au  die  den  Cultus  vollziehende  Priesterschaft  zu  leisten, 
welche  religiösen  Ceremonien  er  überhaupt  zu  beobachten  habe. 
Die  Pünktlichkeit  in  der  Beobachtung  aller  dieser  Vorschriften 
war  von  nun  an  ein  Gradmesser  der  Frömmigkeit.  Und  um  solche 
Pünktlichkeit  zu  ermöglichen,  wurde  für  authentische  Interpretation 
gesorgt.  Männer  von  Fach,  die  „Schriftgelehrten"  widmeten  sich 
berufsmässig  dem  Studium  und  der  immer  subtileren  Auslegung 
des  Gesetzes.  Die  Fronnnen  aber  sahen  ihr  höchstes  Verdienst 
darin,  das  so  ausgelegte  Gesetz  mit  Eifer  und  Gewissenhaftigkeit 
zu  erfüllen.  Dass  man  auf  diesem  Wege  im  zweiten  Jahrhundert 
vor  Chr.  schon  ziemlich  weit  gekommen  war,  zeigt  uns  eben  die 
Geschichte  der  makkabäischen  Erhebung.  Es  gab  Kreise,  welche 
das  Sabbathgebot  so  streng  nahmen,  dass  sie  sich  lieber  wehrlos 
niedermachen  Hessen,  als  dass  sie  durch  Ergreifen  des  Schwertes 
das  Sabbathgebot  verletzt  hätten  (I  Makk.  2,  32—38).  Zu  dem  Ideal 
der  Frömmigkeit,  welches  der  Verfasser  des  Buches  Daniel  eben 
damals  seinen  Glaubensgenossen  vor  Augen  führte,  gehört  in  erster 
Linie  auch  dies,  dass  man  sich  nicht  durch  den  Genuss  heidnischer 
Speise  verunreinige  {Daniel  c.  1). 

Neben  dieser  gesetzlichen  Eichtung  gingen  aber  in  Palästina 
seit  der  Zeit  Alexanders  des  Grossen  Einflüsse  und  Bestrebungen 
ganz  anderer  Art  einher,  welche  sich  je  länger  desto  deutlicher  als 
der  gefährlichste  Feind  jener  erwiesen:  die  Tendenzen  des 
Hellenismus.  Es  war  der  grossartige  Plan  Alexanders  gewesen^ 
ein  Weltreich  zu  stiften,  das  nicht  nur  durch  die  Einheit  der  Herr- 
schaft, sondern  auch  durch  die  Einheit  der  Sprache,  Sitte,  Bildung 
zusammengehalten  würde.  Alle  \'ölker  des  Orients  sollten  mit 
hellenischer  Cultur  gesättigt  und  durch  diese  geistige  Macht  zu 
einem  grossen  Ganzen  verbunden  werden.  Daher  trug  er  Sorge 
dafür,  dass  seinen  Heeren  überall  griechische  Colonisten  auf  dem 
Fusse  folgten.  Neue  nur  von  Hellenen  bewohnte  Städte  wurden 
gegründet,  und  auch  die  alten  wurden  mit  griechischen  Colonisten 
versorgt.  So  wurde  über  halb  Asien  ein  Netz  griechischer  Cultur 
ausgespannt,  welches  dazu  bestimmt  war,  alles  dazwischen  liegende 
Gebiet  in  seine  Gewalt  zu  bekommen.  Alexanders  Nachfolger 
setzten  sein  |  Werk  fort;  und  es  ist  ein  glänzendes  Zeugniss  für 
die  Macht  der  griechischen  Cultur,  dass  sie  die  Mission,  welche 
Alexander  ihr  zugewiesen  hat,  in  hohem  Maasse  erfüllt  hat.  Ganz 
Vorderasien  ist  in  der  That,  wenn  auch  nicht  in  den  breiten  Massen 
der  Bevölkerung,  so  doch  in  den  höheren  Schichten  der  Gesell- 
schaft hellenisirt  worden.  Auch  in  Palästina  war  dieser  Process 
um  den  Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts  in  vollem  Gange.  Es 
lässt  sich  zwar  nicht  nachweisen,  dass  alle  diejenigen  Städte,  die 


18§  §  4.   Die  Eeligionsnoth  und  die  Erhebung.  [145.  146J 

wir  Inder  römischen  Zeit  als  hellenistisclie  Städte  kenneu  lernen 
(s.  §  22,  II  und  23,  I),  schon  im  Beginn  der  Makkabäerzeit  helle- 
nisirt  waren.  Von  der  Mehrzahl  derselben  darf  dies  aber  als  sicher 
angenommen  werden.  Manche  sind  bereits  von  Alexander  dem 
Grossen,  andere  von  seinen  Nachfolgern  hellenisirt  worden;  überall 
war  das  Griechenthum  im  Vordringen  begriffen '2).  Gaza  stand, 
wie  seine  Münzen  beweisen,  schon  in  vorhellenistischer  Zeit  in 
lebhaftem  Handelsverkehr  mit  Griechenland;  seit  der  Eroberung 
durch  Alexander  war  es  ein  macedonischer  Waftenplatz;  Josephus 
bezeichnet  es  als  jt6Xig^EXXt]vig^^).  Anthedon  verräth  sich  schon 
durch  den  Namen  als  griechische  Gründung.  In  Askalon  sind 
Münzen  Alexanders  des  Grossen  geprägt  worden ^^).  Jope  ist  der 
alte  Sitz  des  Mythus  von  Perseus  und  Andromeda  und  war  in  der 
Diadochenzeit  ein  macedonischer  Waffenplatz.  Apollo nia  ist, 
obwohl  es  auch  einen  gleichbedeutenden  semitischen  Namen  hat 
(Arsuph,  s.  Bd.  II  S.  103  f.),  doch  vermuthlich  erst  in  griechischer 
Zeit  gegründet,  denn  Apollo  war  der  Stammgott  der  Seleuciden 
(s.  Bd.  II,  S.  28).  Stratons-Thurm  hat  zwar  griechischen  Namen, 
ist  aber  wohl  eher  eine  Gründung  der  Sidonier.  Dagegen  war 
Dora  möglicherweise  schon  im  fünften  Jahrhundert  vor  Chr.  vor- 
übergehend den  Athenern  tributpflichtig.  In  Ake,  dem  späteren 
Ptolemais,  befand  sich  schon  zur  Zeit  des  Isäus  und  Demosthenes 
eine  griechische  Handelsniederlassung;  die  dort  geprägten  Alexander- 
Münzen  sind  sehr  zahlreich;  in  der  Diadochenzeit  war  es  ein  wich- 
tiger Waffenplatz;  seine  eigentliche  Hellenisirung  und  Neugründung 
als  Ptolemais  ist  ein  Werk  des  Ptolemäus  II  Philadelphus.  — 
Zu  diesen  Küstenstädten  kommen  auch  noch  eine  Anzahl  von 
Städten  im  Binnenlande.  Bestimmt  wissen  wir  von  Samaria,  dass 
es  bereits  durch  Alexander  den  ('irossen  colonisirt  |  wurde.  Sky- 
thopolis  kommt  schon  im  dritten  .lahrhundert  unter  diesem  grie- 
chischen Namen  vor;  ebenso  früh  das  Paneion  (die  Grotte  am 
Ursprung  des  .lordan  als  Heiligthum  des  Pan).  Mit  Skythopolis 
zu.sainmen  erwähnt  Polybius  (V,  70)  für  die  Zeit  Antiochus'  des 
(irossen  (218  vor  Clir.)  eine  unter  diesem  Namen  sonst  nicht  be- 
kannte bedeutende  Stadt  Philoteria  am  See  (Jenezareth,  die  ihren 
Namen  walirsclieinlicli  w'w,  die  gh-iclinjimigc  Sfadf  in  (^berägypten 
von  einer  Schwester  des   Ptolemäus  11  Pliihidelphus   hatte'-').   — 

12)  ft.  die  Nachweine  in  §  22,  II  und  23,  I.  Ueber  die  Gründungeu 
Alexünden*  den  OrosRcn  und  Heiner  Nachfolger  auch;  Droysen,  Geschichte 
det  Hellenlnnnn  2.  Aufl.  Thl.  III,  2  8.  202ff.  Bn'JfV.  I^tnrk,  Gnza  und  dio 
pbiliiitiiiiichc  KüHte  8.  447— 459. 

13)  Jon.  Jkll.  Jud.  II,  0,  3.    Für  du«  Uebrige  h.  IJd.  II  S.  84  f. 

14)  Die  NachwciHO  für  diene  und  viele  der  fidgenden  Angaben  s.  in  §  23,  I. 
15^  lieber  da«  obcrfigyptiNehe  Philotera  («o  wird  dieHCH  geschrieben)  n. 


[146.  147]  §  4.   Die  ßeligionsnoth  und  die  Erhebung.  Jgg 

Von  den  Städten  des  Ostjordanlandes  werden  Hippus  und  Gadara 
bestimmt  als  jioXaiq  'EXJLrji'iötg  bezeichnet'^).  Pella  und  Dium 
sind  nach  macedonischen  Städten  benannt  und  vielleicht  schon  von 
Alexander  dem  (grossen,  spätestens  in  der  Diadochenzeit  gegründet. 
Die  Zurückführung  Gerasa's  auf  die  ytQovnq  (Veteranen)  Alexan- 
ders des  Grossen  ist  freilich  nur  eine  et3'niologische  Spielerei.  Sicher 
aber  ist  die  alte  Hauptstadt  der  Ammoniter  unter  dem  Namen 
Philadelphia  von  Ptolemäus  11  Philadelphus  hellenisirt  worden. 
Im  Allgemeinen  spricht  endlich  das  zweite  Makkabäerbuch  von 
jcoXtiq  'EXXririösg  in  der  Unigebung  Judäa's  (II  3Iakk.  6,  8). 

Mitten  in  diesem  Kranz  hellenistischer  Städte  konnte  sich 
natürlich  auch  das  kleine  Judäa  dem  Einfluss  gi'iechischen  Wesens 
nicht  entziehen.  Mehr  und  mehr  drang  auch  hier  der  Hellenismus 
ein.  Schon  die  Bedürfnisse  des  täglichen  Lebens  nöthigten  dazu, 
sich  die  griechische  Weltsprache  anzueignen;  wie  wäre  sonst  Handel 
und  Verkehr  mit  dem  Auslande  möglich  gewesen?  Mit  der  Sprache 
kamen  aber  auch  die  Sitten  und  Gewohnheiten,  ja  die  ganze  Cultur 
der  Griechen.  Im  Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts  müssen  die 
Fortschritte  des  Hellenismus  in  Palästina  schon  ziemlich  erhebliche 
gewesen  sein.  Denn  nur  so  lässt  es  sich  erklären,  dass  ein  Theii 
des  Volkes,  namentlich  die  Höherstehenden  und  Gebildeten,  bereit- 
willig auf  die  Hellenisirungspläne  des  Antiochus  Epiphanes  ein- 
gingen, ja  ihm  selbst  damit  entgegenkamen  *').  —  Hätte  man  diesem 
Process  seinen  ruhigen  Fortgang  gelassen,  so  hätte  vermuthlich 
auch  das  Judenthum  in  Palästina  mit  der  Zeit  eine  Gestalt  ange- 
nommen, in  welcher  es  kaum  noch  zu  erkennen  gewesen  wäre,  noch 


Straho  p.  769.  Unser  Philoteria  in  Palästina  hat  diesen  Namen  wohl  nur  vor- 
übergehend geführt  und  wird  mit  irgend  einer  sonst  unter  anderem  Xameu 
bekannten  Stadt  identisch  sein.  Eine  Spur  seiner  Existenz  finden  wir  noch 
unter  Alexander  Jannäus  (s.  §  10  am  Schluss). 

16)  Jos.  Bell.  Jiul.  II,  6,  3. 

17)  Vgl.  über  die  Verbreitung  griechischer  Bildung  in  Palästina  zur  Mak- 
kabäerzeit,  und  zwar  auch  bei  gut  jüdisch-gesinnten  Männern:  Freudenthal, 
Alexander  Polyhistor  (1875)  S.  127 — 129.  Freudenthal  macht  namentlich  auf 
folgendes  aufmerksam:  1)  Das  Aristeasbuch  setzt  als  selbstverständlich  voraus, 
dass  die  palästinensischen  Gelehrten,  welche  zur  Uebersetzung  des  Pentateuches 
nach  Alexaudria  berufen  werden,  des  Griechischen  mächtig  sind.  2)  Der  Enkel 
des  Jesus  Sirach,  welcher  dessen  Sprüche  in's  Griechische  übersetzt  hat,  ist  von 
Geburt  Palästinenser.  3)  Auch  der  griechische  Uebersetzer  des  Buches  Esth(  r 
ist  Palästinenser  (laut  der  Unterschrift  des  Buches  bei  den  LXX).  —  Nament- 
lich aber  scheint  sogar  der  jüdische  Hellenist  Eupolemus,  von  dessen  Werk 
uns  noch  Bruchstücke  erhalten  sind  is.  Thl.  111,351—354),  mit  jenem  Palästi- 
nenser Eupolemus  identisch  zu  sein,  welchen  Judas  der  Makkabäer  als 
Führer  einer  jüdischen  Gesandtschaft  nach  Rom  schickte  (I  Makk.  8,  17. 
II  Makk.  4,  11). 


190  §  -i-    ^^^  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  [147.  148] 

viel  synki-etistischer  als  dasjenige  eines  Philo.  Denn  es  gehört  zum 
Wesen  des  Hellenismus,  auch  der  religiösen  Culte  sich  zu  bemäch- 
tigen und  diese  wenigstens  in  griechisches  Gewand  zu  kleiden.  So 
sehen  wir  es  in  Syrien  wie  in  Aegypteu.  Auch  in  Judäa  wäre  es 
vermuthlich  nicht  anders  gegangen,  wenn  die  Dinge  ihren  ungestör- 
ten Verlauf  genommen  hätten.  Zwar  hat  sich,  je  vollkommener  das 
gesetzliche  Judenthura  einerseits  und  der  Hellenisnnis  andererseits 
sein  inneres  Wesen  zur  Entfaltung  brachte,  desto  schärfer  der 
Gegensatz  zwischen  beiden  gespannt.  Es  bildeten  sich  innerhalb 
des  jüdischen  Volkes  selbst  zwei  entgegengesetzte  Par- 
teien: die  Partei  der  Griechenfreunde  und  die  Partei  der 
„Frommen"  (c'^i'^Dn,  \4oi6alot  I  3Iakk.  2,  42.  7,  13),  welche  an 
dem  strengen  Ideal  der  Schriftgelehrten  festhielten.  Aber  die  ganze 
Vorgeschichte  der  makkabäischen  Erhebung  macht  es  wahrschein- 
lich, dass  die  ersteren  bereits  die  Oberhand  hatten.  Es  war  alles 
auf  dem  besten  Wege,  dem  Hellenismus  Thür  und  Thor  zu  öffnen. 
Den  ., Frommen"  schien  nichts  anderes  übrig  zu  bleiben  als  zur 
Sekte  zu  werden.  Da  erfolgte  der  Umschwung  gerade  dadurch, 
dass  ein  unverständiger  Despot,  Antiochus  Epiphanes,  das 
Werk  des  Hellenismus  radical  und  mit  roher  Gewalt  zur  Vollendung 
bringen  wollte.  Der  jüdische  Cultus  sollte  gänzlich  abgeschafft, 
rein  griechische  Culte  eingeführt,  alle  jüdischen  Ceremonien  mit 
einemmale  verboten  werden.  Eben  dieser  radicale  Versuch  hat 
das  genuine  Judenthum  gerettet.  Nun  erhob  sich  niclit  nur  die 
strenge  Partei  der  Chasidim,  sondern  die  breite  Masse  des  Volkes 
zum  Kampf  für  den  alten  (Tlauben.  Und  die  weitere  Entwickelung 
der  Dinge  hat  dann  zur  völligen  Verdrängung  des  Hellenismus  vom 
jüdischen  Boden  wenigstens  in  religiöser  Beziehung  geführt.  So 
weit  unsere  Kenntniss  reicht,  ist  dies  das  einzige  Beispiel,  dass  ein 
orientalischer  ( "ult  die  Beeinflussung  durch  den  Hellenismus  völlig 
von  sich  fern  gehalten  liat. 

Antiochus  IV  Epiphanes,  der  Sohn  Antiochus  des  Grossen, 
war  seinem  Bruder  Seleucus  IV,  nachdem  dieser  durch  seinen  | 
Minister  Heliodor  ermordet  worden  war,  in  der  Regierung  von  Syrien 
gefolgt  (175—164  v.  Chr.)  '^).    Er  war  eine  echte  Despoten-Natur, 


18)  Ucber  die  nülioren  UinHtätidc,  unter  welclicn  AiitiocIiUH  IV  zur  Kegio- 
rang  knru,  h.  Apjiian.  Sijr,  40.  JohmincH  Antinrh,  hei  Müller,  Fragtii.  Iiisl,  yr^ 
IV,  Ö5S  (fr.  58 1.  I)tt7.u  (lUtschniid,  Der  zcihnte  Orlcclienkönig  im  Jauche 
Daniel  (Ubcin.  Muhcuui  N.  F.  Bd.  XV,  l«Oü,  S.  31(5—318  -  Kleine  ISelirilten 
n,  175—179).  —  Nncli  App^ian.  St/r.  4.')  war  die  Vertreibung!;  llelindorH  und 
die  EinaetzuDg  do>  AntiochuH  IV  durch  den  König  KunuuicH  von  IVrgmnuiu 
bewirkt  worden.  Ein  lOlircudocrct,  wcIcIich  uuh  dicMcni  AiiIiihh  die  Antiocliener 
dem  Eumencn  nuHMtdlteti,  int  durch  die  dcutDchen  AuHgruliungen  in  l'ergniuuin 


148.  149]  §  4.    Die  Religionsuoth  und  die  Erhebung.  191 

«xcentrisch  und  unberechenbar,  bald  verschwenderisch  freigebig  und 
in  affectirter  Weise  mit  dem  gemeinen  Mann  fraternisirend,  dann 
wieder  grausam  und  tyrannisch,  wie  sein  Verfahren  gegen  Judäa 
uns  zeigt.  Die  Charakteristik,  welche  Polybius  von  ihm  ent- 
wirft, schildert  ihn  namentlich  nach  der  ersteren  Seite  hin.  Es 
heisst  hier  !'■*): 

„Gleich  als  ob  er  zuweilen  aus  dem  Palaste  den  Dienern  ent- 
wischte, erschien  er  bald  da  bald  dort  in  der  Stadt  in  Gesellschaft 
von  Einem  oder  Zweien  einherschlendernd.  Besonders  oft  fand  man 
ihn  in  den  Werkstätten  der  Silber-  und  Goldschmiede,  wo  er  den 
Formgiessern  und  den  anderen  Arbeitern  vorschwatzte  und  seine 
Kunstliebe  ihnen  zu  erkennen  gab.  Dann  liess  er  sich  wieder  zu 
vertraulichem  Verkehr  mit  den  nächsten  besten  Leuten  aus  dem 
Volke  herab  und  zechte  mit  den  gemeinsten  Fremden,  die  eben  an- 
wesend waren.  Wenn  er  aber  erfuhr,  dass  junge  Leute  irgendwo 
ein  Gelage  hielten,  so  kam  er,  ohne  sich  angemeldet  zu  haben,  mit 
Horu  und  Dudelsack  schwärmend  dahergezogen,  so  dass  die  Meisten, 
durch  den  seltsamen  Anblick  erschreckt,  sich  auf  und  davon  mach- 
ten. Oft  auch  legte  er  sein  königliches  Gewand  ab  und  eine  Toga 
an  und  ging  als  Bewerber  um  ein  Amt  auf  das  Forum.  Er  nahm 
dann  die  Einen  bei  der  Hand,  die  Anderen  umarmte  er  und  bat  sie, 
ihm  doch  ihre  Stimme  zu  geben,  bald  für  das  Amt  eines  AediVs, 
bald  für  das  eines  Volkstribun's.  Wenn  er  dann  das  Amt  erlangt 
hatte,  und  nach  römischer  Sitte  auf  dem  elfenbeinernen  Stuhle  sass, 
so  nahm  er  Kenntniss  von  den  Verträgen,  welche  auf  dem  Forum 
abgeschlossen  wurden,  und  sprach  Recht  mit  viel  Eifer  und  Gewissen- 
haftigkeit.   Die  verständigen  Leute  wussten  daher  nicht,  was  sie 


1885  zu  Tage  gefordert  worden.    S.  Fränkel,  Die  Inschriften  von  Pergamon 
(1890)  S.  86  f. 

19)  Polyb.  XXVI,  10:  'ßg  ttnoöiögdaxvjv  ix  x^q  «vArJs  ivioTS  zovq  &SQa- 
novrag  ov  xvxoi  tfjq  noXswq  dkvcov  iipalvsxo  SevxsQoq  xal  xgixoq.  MuXiaxa 
6h  TCQoq  xoZq  UQyvQOxonsiotq  evQiaxexo  xal  x(>^t?o;rof/o/s,  evQT]OikoY<5v  xal 
ipi?.oxsxvwv  TiQoq  xovq  xogevxäq  xal  xovq  aXXovq  xe'/(yixaq.  ^Ensixa  xal  fxexu 
öi]^oxo)V  dv^QCüTKüv  ovyxaxaßaivcüv  wfxlkei  (p  xv-/oi,  xal  fisxa  x(öv  nagsTiiör]- 
ßovvxcov  Sevwv  ovvstiivs  xüjv  svxsXeaxäxcov.  Oxe  ös  xwv  vswxtQoav  ata&oixo 
xivaq  avvevcoxovfjievovq  onov  ötjnoxe,  ovöifiiav  sfxtpaaiv  noiijaaq  nuQfjv  STiixio- 
fiai^wv  /usxa  xsgaxlov  xal  ai/xtputviaq,  aiaxe  xovq  noXkovq  6iä  x6  napäöo^ov 
dvtoxa/xivovq  (psvyeiv.  IloXXdxiq  6h  xal  xtjv  ßaaiXixrjv  aTiod-sf^evoQ  iad-Tjxa 
XTjßevvav  avaXaßwv  nsgajSL  xaxa  xtjv  dyoQav  dQxaiQ£iJidL,(ov,  xal  xoiq  fihv 
Se^iovfxevoq,  xovq  6h  xal  nfQinxiaacov  nagsxaXfi  (phQeiv  avxv)  xtjv  rpTJipov, 
Tioxh  /uhv  wq  dyoQavöfioq  yhrjxai,  noxh  6h  xal  wq  6i]ßaQxoq-  IV/cuv  6h  xijq 
ciQXV'i  ^«i  xa&laaq  inl  xov  iXecpävxivov  öUfQOv  xaxa  xo  naga  '^Pwfxaloiq  s&oq, 
6i?'jxove  xwv  xaxa  xtjv  dyogav  ycyvofisvwv  ovvaXkayfiäxcDV  xal  6isxgiv£  fxszu 
TioXkfjq  anovö^q  xal  TtQoS-vfxiaq.     'E^  wv  sie  dnogiav  riye  xcüv  dvS-gwntov  xovq 


192  §  ^-   I^ie  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  [149.  150] 

Über  ihn  sagen  sollten.  Die  einen  meinten,  er  sei  ein  einfacher 
und  schlichter  Mann,  die  anderen,  er  sei  wahnsinnig.  Denn  auch  im 
Austheilen  von  Geschenken  war  er  ähnlich.  Den  Einen  gab  er 
beinerne  Würfel,  den  Anderen  Datteln,  wieder  Anderen  Gold.  Und 
wenn  er  zufällig  welchen  begegnete,  die  er  noch  niemals  gesehen 
hatte,  so  gab  er  ihnen  unerwartete  Geschenke.  In  den  Opfern  aber, 
welche  er  in  den  Städten  darbringen  liess,  und  in  den  Ehren,  welche 
er  den  Göttern  erwies,  übertraf  er  alle  anderen  Könige.  Beweis 
dafür  sind  der  Zeus-Tempel  zu  Athen  und  die  Bildsäulen  um  den 
Altar  zu  Delos.  Er  pflegte  auch  in  den  ööentlichen  Bädern  zu 
baden,  wenn  sie  von  gewöhnlichen  Leuten  ganz  voll  waren,  wobei 
ihm  dann  Gefässe  mit  den  kostbarsten  Salben  gebracht  wurden. 
Als  nun  einst  Einer  sagte:  Glücklich  seid  ihr  Könige,  da  ihr  solche 
Salben  habt  und  so  herrlich  duftet,  da  ging  er,  ohne  etwas  zu  dem 
Menschen  gesagt  zu  haben,  am  folgenden  Tage  dahin,  wo  jener 
badete  und  liess  ihm  ein  grosses  Gefäss  mit  der  kostbarsten  Salbe» 
der  sogenannten  stacte,  über  das  Haupt  giessen;  worauf  Alle  sich  er- 
hoben und  herbeistürzten,  um  mit  der  Salbe  sich  zu  waschen.  Wegen 
der  Schlüpfrigkeit  des  Bodens  aber  fielen  sie  nieder  und  erregten 
Gelächter.  Auch  der  König  selbst  war  darunter".  —  So  weit 
Polybius.  Aehnliches  berichten  Diodor  und  Livius.  Besonders 
heben  sie  auch  seine  Prachtliebe  und  seine  Freigebigkeit  her- 
vor. Glänzende  Spiele,  prachtvolle  Bauten,  königliche  Geschenke» 
das  waren  seine  Liebhabereien  -").  Li  allem  aber  neigte  er  zu  sinn- 
losen Extremen,  weshalb  schon  Polybius  ihn  ijtifiavTjg  statt  t-jti- 
(puvTjq  nannte  21). 

imfixtZq'  ol  fikv  yag  dfpeXfj  xtvä  atzov  iivai  inekafißccvov,  ol  ök  (laivöfjifvov^ 
Kai  yuQ  nfpl  zag  öwQeaq  ^v  naQan}.r)aioq'  ^öiöov  yuQ  zolg  fxhv  daz()ayä?.ovg 
SoQxaÖdovq,  zoTg  dh  (poLVixoßakuvovq,  u).).oig  dh  y_Qvaiov.  Kcü  i^  (xTtarvt'iatwg 
6i  ziaiv  ivtvyxavwv,  ovg  ftrj  boQuxti  nozi,  idlöov  äwQfdg  unQoaöox^xovq.  '£V 
d«  xatg  npog  zug  noXsig  d-valatg  xal  zaig  ngoq  zoig  Btovg  zifxaTg  Tcävzag  ine^)- 
ißuXt  zovg  ßißuailtvxoiaq.  Tovzo  d'  uv  rtg  z(x/ut'jQaizo  ex  ts  zov  TcaQ*  *1Ö;/- 
valoig  'OXvfinieiov  xal  nSv  nifjl  zöv  iv  Jjjhi)  ßiu/adv  ('v6()iäviu)v.  'MXovto  dt  xup 
xolg  irjfioaloig  ßa).aviioig,  oxe  ÖTj/ioxcüy  t,v  zu  ßakavfla  ntnkrjQWfx^va,  xiQUfAiwv 
tlatptQOfikvuiv  avz(p  (xvqwv  zwv  no).ixtltax((x<ut>.  "Ote  xal  zivog  tinövtog, 
MuxÜqioI  iaxe  vfitlg  ol  ßaaiXilg  xal  ol  xoioixoig  xQt^t^^'^-oi  xal  uöioäöisg  ijöv, 
xal  HTjöiv  xbv  up&ptonov  n()00tmwv,  onov  ixtlvog  xy  t^rig  ikovxo,  innatli^wv 
inoi^aiv  avioü  xuiuyvOfivai  xfjg  xe<fukf,g  fiiyiazov  xe()clfiioy  nokvxtkeozäxov 
UVifOv,  z^g  axaxtijg  xakovf^kvtjg,  (ug  Ttuvtag  avaaxavtag  xrkltaitcu  ?.oi/xtvovi 
tip  nv(ft[>,  xal  öiä  xfjv  y?.i(r/QÖx^xa  xazanlnxovzag  yilwxa  nuQ^x^iv,  xa^dnf(> 
xal  ttvziv  xov  ßaoiXia. 

20)  Vgl.  überhaupt  aucli  I'u/i/Ij.  XXVIU,  18,  3.  XXIX,  9,  13.  XXXI,  3i'.  — 
Diodor.  XXIX,  32.  XXXI,  10  (ed.  Müller).  —  Livius  XLI,  20.  —  l'toltnmcm  VII 
bei  Müller,  Fragm.  hinl.f/r.  III,  180.  —  Ileliodir.  ki  Miilkr,  Fragni.  hlst.f/r.  1V,425. 

21)  AlhenaeUM  litf.  X  p.  430  (in  den  AuHgabcn  dcw  l'vlybim  XXVI,  10): 
Ilohi/ßioq  h  xi  Sxtfi  xal  tlxoax^  x<üv  'laioQiwv  xaktl  uvzdv  'EnifAuv^  xal  otx 


[150]  §  4.    Die  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  193 

Bei  einem  solchen  Charakter  darf  man  die  Motive  seines  Vor- 
gehens gegen  Judäa  nicht  allzutief  suchen.  Im  Wesentlichen  hat 
sie  Tacitus  richtig  beurtheilt,  wenn  er  sagt,  Antiochus  habe  den 
Juden  ihren  Aberglauben  nehmen  und  griechische  Sitten  beibringen 
wollen,  sei  aber  durcli  den  Krieg  mit  den  Parthern  verhindert 
worden,  „das  widerliche  Volk  cultivirter  zu  machen"  '^-).  Sein  Be- 
streben war,  überall  den  Glanz  griechischer  Cultur  zu  befördern. 
In  Judäa  kam  ihm  dabei  eine  einheimische  Partei  entgegen.  Es 
war  selbstverständlich,  dass  er  diese  unterstützte  und  ihr  das  Regi- 
ment in  Judäa  überliess.  Als  aber  das  jüdische  Volk  diesen  Be- 
strebungen theilweise  Widerstand  entgegensetzte,  reizte  das  nur 
die  Laune  des  Despoten.  Das  widerspenstige  Volk  wurde  zunächst 
gezüchtigt  durch  die  Plünderung  der  reichen  Schätze  seines  Tem- 
pels, die  dem  geldbedürftigen  König  ohnehin  sehr  verlockend  sein 
mussten.  Dann,  als  der  Widerstand  fortdauerte,  wurde  radical 
durchgegriffen:  der  jüdische  Cultus  gänzlich  abgeschafft,  alle  jüdi- 
schen Ceremonien  schlechthin  verboten  und  die  völlige  Hellenisirung 
mit  roher  Gewalt  durchzusetzen  versucht. 


^Eni(pavrj  6ia  Tuqngä^fiq.  —  Der  Beiname 'ß'TTi^eviy'ff  ist  eigentlich  Abkürzung 
von  Qtoq  ^ Em<pavi]q,  wie  Antiochus  auf  Münzen  sich  nennt,  und  bedeutet  „der 
Gott,  der  in  die  Erscheinung  tritt,  sich  oflenbart".  Auf  ägyptischen  Texten 
wird  er  übersetzt  „der  Gott,  der  herauskommt,  hervortritt"  seil,  wie  die  Morgen- 
sonne, Horos,  am  Horizont  (Wilcken  in:  Droysen's  Kleine  Schriften  II,  1S94, 
S.  440).  Der  Beiname  identificirt  also  den  König  mit  dem  als  siegreichem 
Gott  in  die  Erscheinung  tretenden  jungen  Horus  (so  Ed.  Meyer,  Berliner 
philol.  Wochenschr.  1895,  Sp.  333).  Der  erste,  der  ihn  gefülirt  hat,  ist  Ptole- 
mäus  V  von  Aegypten;  dann  Antiochus  IV  von  Syrien.  Seitdem  ist  er  bei 
den  Seieuciden  häufig.  Er  ist  nachweisbar  bei  Alexander  Balas,  Antiochus  VI, 
VIII,  XI,  XII,  Seleucus  VI,  Philippus;  auch  bei  den  commagenischen  Königen 
Antiochus  I  und  IV  (siehe  die  Belege  bei  Babelon,  Catalogue  des  monnaies 
yrecques  de  la  Bibliotheque  nationale,  Les  rois  de  Stjrie,  1890).  Gutschmid, 
Kl.  Schriften  IV,  108  f.  weist  darauf  hin,  dass  die  ersten  Träger  dieses  Bei- 
namens „lauter  Könige  sind,  die  durch  ihre  Thronbesteigung  einem  herrschen- 
den Nothstande  ein  Ende  machten  oder  doch  ein  Ende  zu  machen  vorgeben 
konnten".  Er  erklärt  daher:  „der  sichtbare  Hilfe  bringende  Gott".  Vgl.  über- 
haupt über  die  Beinamen  der  hellenistischen  Könige:  Gutschmid,  Kleine 
Schriften  IV,  107 — 122  (dazu:  Ed.  Meyer  a.  a.  0.).  Kaerst,  Rhein.  Museum 
Bd.  .52,  1897,  S.  65  ff",  (in  der  Abhandlung  über  den  Alexander-  und  Ptolemäer- 
kult).  Strack,  Die  Dynastie  der  Ptolemäer  1897,  S.  110—145.  Zu  der  Vor- 
stellung, dass  der  König  eine  Epiphanie  der  Gottheit  ist,  auch:  Hu  mann  und 
Puchstein,  Reisen  in  Kleiuasien  und  Nordsyrien  1890,  S.  338,  342  (die  hier 
mitgetheilte  grosse  Inschrift  des  Königs  Antiochus  I  von  Commagene  zeigt, 
dass  der  König  mit  diesem  Gedanken  vollen  Ernst  macht).  Kornemann  in: 
Beiträge  zur  alten  Geschichte,  herausg.  von  Lehmann  I,  1,  1901,  S.  83,  95,  97. 

22)  Tacit.  Hist.  V,  8:  rex  Antiochus  demere  superstitionem  et  mores  Orae- 
corum  dare  adnisus,  qitominus  taeterrimam  gentem  in  melius  rnutaret,  Partborum 
hello  prohibitus  est. 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  13 


194  §  "i-   ^^®  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  [150.  151] 

Au  der  Spitze  der  altgläubigen  Partei  iu  Judäa  stand  beim 
Regierungsantritt  desAntiochusEpiplianes  der  damalige  Hohepriester 
OniasIII.  Das  Haupt  der  Grieclienfreunde  war  sein  eigener  Bruder 
Jesus,  oder,  wie  er  sich  lieber  mit  griechischem  Namen  nannte, 
Jason ■-^).  Die  Neigung  zu  griechischem  Wesen  war  in  Jerusalem 
bereits  so  stark,  dass  die  Grriechenfreunde  den  Versuch  wagen 
konnten,  die  Herrschaft  an  sich  zu  reissen  und  ihre  Bestrebungen 
mit  Gewalt  durchzuführen.  Jason  versprach  dem  König  grosse 
Geldsummen  (ob  als  einmalige  Gabe  oder  als  regelmässige  Steuer, 
ist  nicht  ganz  deutlich),  wenn  er  ihm  das  Hohepriesterthum  über- 
tragen, ihm  die  Errichtung  eines  Gymnasiums  und  eines  Ephebeion's 
gestatten  und  endlich  genehmigen  wolle,  „die  Einwohner  Jerusa- 
lem's  als  Antiochener  aufzuschreiben"  {tov?  ev  ^ leQoooXvfioig  \ivri- 
oxBl?  dvaygatpai,  d.  h.  ihnen  Titel  und  Rechte  von  Antiochenern  zu 
verleihen)-^).  Bereitwillig  ging  Antiochus  auf  alles  ein.  Onias  : 
wurde  verdrängt,  Jason  wurde  Hoherpriester^^).  Die  Hellenisirung 
wurde  nun  mit  Energie  betrieben.  Zwar  ist  nicht  davon  die  Rede, 
dass  der  jüdische  Cultus  angetastet  worden  wäre.  Im  Uebrigen 
aber  wurden  „die  gesetzlichen  Einrichtungen  abgeschafft  und  un- 
gesetzliche Gewohnheiten  eingeführt"  (II  M.  4,  11).  Ein  Gym- 
nasium wurde  unterhalb  der  Burg  erbaut;  die  Jugend  von  Jeru- 
salem übte  sich  in  den  gymnastischen  Künsten  der  Griechen.  Selbst 
Priester  verliessen  ihren  Dienst  am  Altar  und  nahmen  an  den 
Wettspielen  in  der  Palästra  Theil.  Die  Verachtung  jüdischer  Sitte 
ging  soweit,  dass  manche  künstlich  ihre  Beschneidung  beseitigten-''). 

23)  Dass  Jason  ursprünglich  Jesus  hiess,  sagt  Jo.sep/ms  Antt.  XII,  5,  ]. 

24)  Ueber  die  Bedeutung  der  Formel  s.  die  Commentare  von  Grimm  und 
Keil  zu  II  Makk.  4,  9.  Vgl.  auch  die  Geschichte  von  Ptolemai8§23,  I 
rBd.  II  8.  113  f.). 

25)  II  Makk.  4,  7—10.  —  Abweichend  ist  die  Erzählung  des  Josephus. 
Während  nämlich  nach  II  Makk.  Onias  abgesetzt  und  später,  als  auch  Jason 
die  hohepriesterliche  Würde  wieder  verloren  hatte,  ermordet  wurde  (II  Makk. 
4,  .33—34),  berichtet  Josephus  einfach,  dass  nach  dem  Tode  des  Onias  sein 
Bruder  Jesus  die  hohepriosterliche  Würde  erhalten  habe  {Antf.  XII,  5,  1: 
dno&avovTOQ  ^Ovlov  xov  uQxifQioii  T<p  ddeX^ip  avrov  'Iijoov  z^v  d()xteQU)avvtjv 
'Avxio/of  didwatv).  Aber  die  Erzählung  des  Josephus  ist  oflenlmr  »elir  ^<unlmu- 
riiK:h  und  ungenau,  und  die  des  2.  Makkabäerbuches  wird  bestätigt  durch 
Daniel  9,  20;  11,  22,  insofern  diese  Stellen  wahrscheinlich  auf  Onias  111  zu 
deuten  sind. 

26)  H.  nb.Th.  II  Makk.  1,  11-17,  I  Makk.  1,  11—15.  Joscp/i.  AnH.  XII,  h,  1. 
—  Die  Bencitigung  der  Beschneidung  (I  M,  1,  15:  hnoltjaav  havxolt:  ttXQoßvoritti) 
hat  den  Zweck,  Mich  dem  Spott  der  Heiden  in  den  Bädern  und  RingNchulcu  zu 
entziehen.  Sie  scheint  nach  mancherlei  Andeutungen  auch  H])äter  noch  i'ifters 
vorgekommen  zu  »»ein.  S.  bes.  Paulus  I  Kor.  7,  18.  K/iip/Kuiiiut,  De  tncnofiritt 
et  pondtrUms  g  10.    Mit  Unrecht  läugnet  Hieronymus  die  Möglichkeit  der  Ope- 


[151.  152]  ö  4.   Die  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  195 

In  echt  hellenistischer  Weitherzigkeit  sandte  Jason  sogar  eine  Bei- 
steuer zu  den  Festopfern  für  Herakles  bei  Gelegenheit  der  vier- 
jährigen Spiele  in  Tyrus,  was  freilich  den  jüdischen  üeberbringern 
so  anstössig  war,  dass  sie  baten,  das  Geld  zum  Schiffsbau  zu  ver- 
wenden-"). 

Drei  Jahre  lang  (also  wohl  174—171)  verwaltete  Jason  in 
dieser  Weise  sein  Amt.  Dann  fiel  er  durch  die  Umtriebe  eines 
Nebenbuhlers,  der  sein  Werk  in  schlimmerer  Weise  fortsetzte.  Ein 
gewisser  Menelaus  (nach  II  MakK:  4,23  vgl.  mit  3,4  aus  dem 
Stamme  Benjamin,  also  nicht  aus  priesterlichem  Geschlecht) 
wusste  es  durch  noch  grössere  Geldversprechungen  dahinzubringen, 
dass  Jas(tn  vertrieben  und  ihm  das  hohepriesterliche  Amt  über- 
tragen wurde  28).    Er  erregte  namentlich  dadurch  die  Erbitterung 

ration  {aäv.  Jovinian.  I,  21  =  opp.  ed.  Vallarsi  II,  270;  comm.  in  Jes.  52, 1  — 
opp.  ed.  Vall.  IV,  601  sq.).  —  Vgl.  flberh.  Buxtorf,  Lex.  Chald.  col.  1274  sqq 
{s.  V.  T^IC»).  Lossius,  De  epispasmo  Judaico  (auch  in  Ugolini  Thes.  .XXII). 
Groddek,  De  Judaeis  praepiiHum  attrahentibtts  (bei  Schoettgen,  Horae  hebr.  I, 
1159—1177,  und  in  Uf/olini  Thes.  XXII).  Lightfoot,  Horae  hebr.  zu!  Kor.  7, 
18  {opp.  II,  899).  Wolf,  Ciirae  phil.  in  Nov.  Test,  zu  I  Kor.  7,  18.  Wet- 
stein,  Nov.  Test,  zu  I  Kor.  7,  18.  Fabricius,  Biblioth.  graee.  ed.  Hartes  III, 
695  (über  Symmachus).  Lübkert,  Der  jüdische  imanaofioi;  (Stud.  und  Krit. 
1835,  S.  657-664).  Win  er  RWB.  Art.  „Beschneidung"  gegen  Ende.  Grimm, 
Commentar  zu  I  Makk.  1,  15.    Steiner  in  Schenkel's  Bibellex.  I,  410. 

27)  II  Makk.  4,  18—20.  —  Analog  dem  Verhalten  Jason's  ist  das  eines  ge- 
wissen NixiJTag  ^lüaovog  ^leQoaoXvftixrjg  in  Jasus,  an  der  Küste  Kariens  zwischen 
Milet  und  Halikarnassus,  der  um  die  Mitte  des  zweiten  Jahrh.  vor  Chr.  die 
Feier  der  diovvaia  durch  einen  Geldbeitrag  unterstützte  {Le  Bas  et  Wadiliugton, 
Inscriptions  t.  III  n.  294).  Er  könnte  sogar  ein  Sohn  unseres  Jason  ge- 
wesen sein. 

28)  II  Makk.  4,  23—27.  —  Nach  Josephus  Antt.  XU,  5,  1  (vgl.  XV,  3,  1 ; 
XIX,  6,  2;  XX,  10,  3)  hiess  Menelaus  eigentlich  Onias  und  war  ein  Bruder 
des  Jason.  Wenn  aber  ersteres  richtig  ist,  dann  ist  letzteres  sehr  unwahr- 
scheinlich, denn  dann  hätten  zwei  Brüder  Onias  geheissen.  Also  wird  das 
II.  Makkabäerbuch  in  Betreff'  der  Herkunft  des  Menelaus  Recht  haben.  —  Auf 
Seite  des  Menelaus  standen  nach  Jos.  Antt.  XII,  5,  1  und  Bell.  Jud.  I,  1,  1 
Ol  Tcoßiov  nalöSi;.  Daraus  folgt  aber  nicht,  wie  Manche  meinen,  dass  er  selbst 
„Tobiade"  war.  Im  Gegentheil,  die  Art,  wie  Josephus  „die  Söhne  des 
Tobias"  neben  Menelaus  nennt,  spricht  gegen  diese  Vermuthung.  Nach 
Joseph.  Antt.  XII,  4,  2  war  der  Begründer  der  Tobiadenfamilie  mit  einer 
Schwester  des  Hohenpriesters  Onias  II  vermählt.  Sie  waren  also  mit  der 
alten,  von  Menelaus  verdrängten  hohenpriesterlichen  Familie  verwandt.  Auch 
noch  Onias  III  war  einem  „Hyrkanus,  Sohn  des  Tobias",  der  im  Tempel 
Gelder  deponirt  hatte,  freundlich  gesinnt  (II  Makk.  3,  11).  Jetzt  aber  gehörten 
„die  Söhne  des  Tobias"  zu  den  extremsten  Griechenfreunden.  Sie  waren,  wie 
schon  II  Makk.  3,  11  zeigt,  liervorragende  Geldmänner.  Der  Reichthum  der 
Familie  war  begründet  worden  durch  Joseph,  den  Sohn  jenes  Tobias,  der 
mit   der  Schwester   des    Onias   II  vermählt   war   {Antt.  XII,  4,  2).     Er  hatte 

13* 


196  §  4-    Die  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  [152] 

des  Volkes,  dass  er  sich  au  den  Tempelgeräthen  vergriff.  Auch 
war  er  der  Urheber  der  Erniorduug  des  früheren  Hohenpriesters 
Onias  III,  der  das  Asyl  des  Heiligthums  zu  Daphne  aufgesucht 
hatte,  von  dort  aber  herausgelockt  und  meuchlings  ermordet  wurde  '■^■*). 
Jason  hatte  indess  noch  nicht  auf  das  Hohepriesterthum  ver- 
zichtet. Im  J.  170,  als  Antiochus  auf  seinem  Zuge  gegen  Aegypten 
begriffen  war,  gelang  es  ihm  durch  einen  Handstreich,  sich  Jeru- 
salem's  zu  bemächtigen,  und  seinen  Nebenbuhler  zur  Flucht  auf  die 
Burg  zu  nöthigen.  Eben  dieser  Erfolg  Jason's  soll  (nach  der  Dar- 
stellung des  zweiten  Makkabäerbuches)  die  Veranlassung  gewesen 
sein  zu  dem  directen  Einschreiten  des  Königs  gegen  Jerusalem. 
Antiochus  sah  darin  einen  Abfall  von  seiner  Hoheit  und  beschloss, 
die  abtrünnige  Stadt  zu  züchtigen  3''). 


22  Jahre  lang  von  den  Ptolemäern  die  Steuern  von  Coelesyrien,  Phoenieien, 
Judäa  und  Samarien  gepachtet  (vgl.  oben  S.  183).  Sein  Sohn  Hyrkanus 
erregte  durch  seine  Verschwendung  das  Missfallen  des  Vaters  und  zog  sich 
ins  Ostjordanland  zurück,  wo  er  sich  eine  Burg  baute  {Antt.  XII,  4,  2—11 ; 
über  die  erhaltenen  Eeste  dieser  Ansiedelung,  auf  welchen  auch  der  Name 
Tobia  inschriftlich  vorkommt,  s.  die  Literatur  unten  Bd.  II,  S.  49).  Wenn  man 
annelimen  darf,  dass  Joseph  auch  einen  Sohn  Namens  Tobias  hatte,  so  würde 
der  Stammbaum  der  Familie  folgendermassen  herzustellen  sein: 

Tobias,  verh.  mit  der  Schwester  des  Onias  II. 

Joseph 


7  Söhne  (darunter  Tobias?)    Hyrkanus 
{Ann.  XII,  4,  6)  1 


Hvrkanus      ol  Twßiov  naiöeg 
(II  ^lakk.  3,  11) 

29)  S.  überh.  II  Makk.  4,  27—50.  Für  die  Geschichtlichkeit  der  Erzählung 
vom  Tode  des  Onias:  Niese,  Kritik  der  beiden  Makkabüerbüchor  S.  OGf.  =  Her- 
mes Bd.  35,  S.  609f.  (gegen  Willrich  und  Wellhausen).  Zur  Erläuterung  auch: 
Gutflchmid,  Kleine  Schriften  II,  177f.  (in  dorn  Aufsatz  über  den  zehnten 
Griechenkönig  im  Buche  Daniel).  —  Auf  die  Ermordung  des  Onias  III  1)1- 
zieht  «ich  wahrscheinlich  Daniel  9,  20.  11,  22.  Vgl.  dazu  bes.  Fell,  Ein 
exegetisches  Riithscl  des  A.  T.  (Theol.  Quurtalschr.  1892,  S.  355—395).  Marti, 
Dm  Buch  Daniel,  1901  (zu  9,  26).  Fell  schaltet  nach  -px  "("iNt  ein  und  übcr- 
»etzt:  „Eh  wird  ausgerottet  ein  Gesalbter,  während  ihm  doch  keine  Ungesetz- 
lichkeit eignete".  Freilich  sieht  F.  darin  einen  Beweis,  dass  die  Stelle  iiuC 
Christti«  gehe. 

30)  11  Afakk.  6,  1 — 11.  —  Da«  zweite  Makkabäerbuch,  nach  welchem  oben 
die  VorgcBcliichte  der  inukkabäisclien  Krliebuiig  dargeKtellt  ist,  ist  eine  trübe 
Quelle,  deren  Bericht  nur  in  Erniangelnng  einen  besseren  hier  eine  Stelle 
floden  durfte.  Man  bat  neuerdings  diese;  irül»;  (iuelle  durch  eine  mehr  oder 
weniger  hypothcHonreiehe  Kritik  klarer  zu  maelien  versucht  (Scli latter, 
ZdUchr.  für  die  alttost,  WisHenHeh.  XIV,  1891,  S.  145fr.  Willrich,  Wcll- 
hauNen,   BQchter   in    den  oben  S.  ISO  imgeführtcn  Werken).    I>;i  aber  die 


[152.  1531  §  4.   Die  Religionsnoth  uud  die  Erhebung.  197 

Als  er  gegen  Ende  des  Jahres  170  aus  Aegypten  zurück- 
kehrte 3'),  marschirte  er  selbst  mit  seinem  Heere  nach  Jerusalem, 
richtete  dort  ein  grosses  Blutbad  an,  und  plünderte  die  unermesslichen 
Schätze  des  jüdischen  Tempels,  wobei  ihm  Menelaus  selbst  behülf- 
lich  gewesen  sein  soll.  Alle  Kostbarkeiten,  darunter  auch  die  drei 
grossen  goldenen  Geräthe  im  Inneren  des  Tempels:  den  Räucheraltar, 
den  siebenarmigen  Leuchter  und  den  Schaubrodtisch  (s.  über  diese 
Thl.  II  S.  285f.)  schleppte  er  mit  sich  nach  Antiochia32). 

Der  Leidenskelch  der  gläubigen  Israeliten  war  aber  noch  nicht 
geleert  und  das  Schlimmste  stand  noch  bevor.  Zwei  Jahre  später 
im  J.  1G8  hatte  Antiochus  abermals  einen  Zug  gegen  Aegypten 
unternommen.  Diesmal  aber  waren  ihm  die  Römer  entgegengetreten. 
Der  römische  Feldherr  Popilius  Laenas  hatte  ihm  einen  Senats- 
beschluss  überbracht,  in  welchem  er  aufgefordei-t  wurde,  falls  er  nicht 
der  Feind  der  Römer  sein  wollte,  seine  Pläne  auf  Aegypten  ein  für  | 
allemal  aufzugeben;  und  als  Antiochus  erklärte,  sich  die  Sache  über- 
legen zu  wollen,  hatte  ihm  Popilius  jenes  bekannte  kurze  Ultimatum 
gestellt,  indem  er  mit  dem  Stabe  einen  Kreis  um  ihn  beschrieb,  und 
ihm  ein  gemessenes  Jvravda  ßovXtvov'^  zurief.  Wohl  oder  übel 
hatte  Antiochus  sich  den  Forderungen  der  Römer  fügen  müssen  ^^). 
Mit  diesem  Scheitern  seiner  ägyptischen  Pläne  scheint  es  zusam- 
menzuhängen, dass  Antiochus  gerade  jetzt  den  vernichtenden  Schlag 
gegen  die  jüdische  Religion  unternahm  ^*).  War  in  Aegypten  nichts 


Basis  dieser  Kritik  noch  unsicherer  ist,  als  die  Erzählung  des  II.  Makkabäer- 
buches  selbst,  so  glaube  ich  nicht,  dass  auf  diesem  Wege  unsere  historische 
Einsicht  bereichert  wird.  Eine  wichtige  Rolle  spielen  bei  diesen  Hypothesen 
die  oberflächlichen  Noti/en  im  Bell.  Jud.  I,  1,  1,  wo  der  innere  Zwist  in 
Judäa  lediglich  als  ein  Streit  der  jüdischen  Svvaxoi  um  die  Herrschaft  {ntgl 
övvaarsiag)  dargestellt  wird.  Die  einen  stützen  sich  auf  den  König  von  Syrien, 
die  anderen  auf  den  von  Aegypten.  Die  Anhänger  des  Ptolemäus  {ol  ÜToki- 
ßalcp  TiQoaixovzeq)  werden  auf  Betrieb  der  Anderen  durch  Antiochus  IV  ge- 
stürzt. Dies  alles  beweist  freilich,  dass  hier  eine  griechische,  vomll.  Mak- 
kabäerbuche  unabhängige  Quelle  benützt  ist,  zugleich  aber  auch, 
dass  ihr  Verfasser  die  Dinge  nur  sehr  aus  der  Ferne  durch  die  Brille  des 
heidnischen  Beobachters  kennt  und  von  den  inneren  Vorgängen  in  Judäa 
nichts  weiss. 

31)  Nach  I  Makk.  1,  20  ==  Joseph.  Antt.  XII,  5,  3  im  Jahre  143  aer.  Sei.  = 
170/169  vor  Chr. 

32)  I  Makk.  1,  20-24.  Josephus  XII,  5,  3.  II  Makk.  5,  11—21.  —  Für  die 
Thatsache  der  Tempelplünderung  beruft  sich  Josephus  contra  Apionem  II,  7  auch 
auf  das  Zeugniss  des  Polijbius,  Strabo,  Nicolaus  Damascemts,  Timagenes,  Castar, 
Apollodoriis. 

33)  Polyb.  XXIX,  11.  Diodor.  XXXI,  2  {ed.  Müller).  Livius  XLV,  12. 
Appian.  Sijriaca  c.  60.    Justin.  XXXIV,  3.    Vgl,  Daniel  11,  29  f. 

34)  Dieser  Zusammenhang  ist  namentlich  im  Buch  Daniel  angedeutet, 
Dan.  11,  30  f. 


198  §  4-   Die  Religionsnoth  und  die  Erhebung,  [153] 

mehr  zu  erreichen,  so  wollte  er  um  so  energischer  seine  Pläne  in 
Judäa  durchsetzen.  Er  sandte  einen  Obersteuereinnehnier  nach 
Judäa  (sein  Name  wird  I  Makk.  1,29  nicht  genannt;  nach  II  Makk. 
5,  24  hiess  er  Apollonius),  mit  dem  Auftrag,  Jerusalem  radical  zu 
hellenisiren^^).  Die  jüdische  Einwohnerschaft,  die  sich  nicht  fügen 
wollte,  wurde  mit  Gewalt  ausgerottet:  die  Männer  hingemordet, 
Weiber  und  Kinder  als  Sklaven  verkauft.  Wer  konnte,  verliess  die 
Stadt,  An  Stelle  der  vernichteten  jüdischen  Bevölkerung  siedelten 
Fremde  sich  daselbst  an.  Jerusalem  sollte  fortan  eine  grie- 
chische Stadt  sein^^).  Um  die  Durchführung  der  Massregel 
auf  die  Dauer  zu  sichern,  wurden  die  Mauern  der  Stadt  niederge- 
rissen; die  alte  Davidstadt  aber  neu  befestigt  und  zu  einer  starken 
Burg  umgebaut,  in  welcher  fortan  eine  syrische  Besatzung  lag. 
Diese  Besatzung  blieb  auch  während  aller  späteren  Er- 
folge der  Makkabäer  im  Besitze  der  Burg  und  hielt  die 
Oberherrschaft  der  syrischen  Könige  in  allen  Wechselfällen  auf- 
recht. Erst  26  Jahre  später  (142141  vor  Chr,)  gelang  es  Simon, 
sich  der  Burg  zu  bemächtigen  und  damit  die  Unabhängigkeit  der 
Juden  zu  besiegeln  3').  | 


35)  Die  Sendung  dieses  Apollonius  fällt  nach  I  M.  1,  29,  verglichen  mit 

1,  20  und  1,  54,  in  das  Jalir  145  aer.  Sei.  =  168/167  vor  Chr. 

36)  I  Afakk.  1.  29—40.  II  Makk.  5,  23—26.  Joseph.  Antt.  XII,  5,  4.  — 
Dass  es  hauptsächlich  auf  eine  Vernichtung  der  jüdischen  Bevölkerung  und 
auf  eine  Besiedelung  mit  griechischen  (oder  gräcisirendeu)  Einwohnern 
abgesehen  war,  sieht  man  aus  I  M.  1,  38,  vgl,  auch  I  M.  1,  30—32,  II  M.  5, 
24.  Es  war  also  ganz  dasselbe  Verfahren,  das  die  Juden  später  selbst  gegen 
Jope  und  Gazara  eingeschlagen  haben  (I  Makk.  13,  11  u,  43 — 48),  Ueber  den 
Erfolg  der  Massregel  s,  I  M.  2,  18,    3,  35,  45, 

37)  Eine  axQOTCohq  von  Jerusalem  wird  schon  in  den  vorhergehenden  Jahren 
Afters  erwähnt  (II  Makk.  4,  12,  27.  5,  5).  Diese  kann  aber  nicht  identiscli  sein 
mit  der  erst  jetzt  durch  Antiochus  Epiphaues  erbauten  Burg.  Vielmehr  wird 
die  Akropolis  des  II.  Makkabäerbuclies  die  unmittelbar  beim  Tempel,  und 
zwar  nördlich  von  demselben  gelegene  Burg  sein,  die  wir  bereits  aus  Nehetn. 

2,  8.  7,  2  kennen.  Sie  ist  auch  gemeint  in  der  Beschreibung  des  Aristeas 
(ed.  Wendtand  §  100—104)  und  in  der  Geschichte  des  Antiochus  d,  Gr.  {Jos. 
Antl.  XII,  3,  3  §  13.3,  138).  Sputer  wurde  sie  von  den  ITusnumücrn  neu  gebaut 
(Antt.  XV,  11,  4  g  403,  XVIII,  4,  3  §  91),  und  dann  wi.dcruiu  von  Herodes, 
der  sie  Antouia  nannte.  VcrHchiedou  von  di('^<  i  I  < mpclburg  ist 
aUo  die  Burg,  welche  Autiochus  jetzt  bauen  lii  -^s,  I  .]A//./,  1,  33— 36, 
Joaeph.  Antt.  XII,  5,  4,  während  die  Mauern  der  Stadt  niedergerisscti  wurden 
I  M.  1,  31,  Ueber  die  Einnahme  der  Akra  durcli  Sinmn  s.  I  Makk.  13,  49—52. 
In  der  Zwi«>lienzelt  wird  sie  oft  erwähnt  (I  Makk.  2,  31.  3,  45.  4,  2.  4,  41.  0, 
18-21.  20.  32.  7,  32.  9,  52-53,  10,  0-9.  10,  32.  11,  20f.  11,  41.  12,  30. 13,  21). 
—  Die  Lage  dieHcr  Akra  ist  eine  der  vieluniHtrittensten  Fragen  in  der 
Topographie  von  Jerusalem.  Es  scheint  mir  aber  ein  sichcrcM  Kcsultat  der 
neueren   Unteniuchutigeu,   dni«H   hIc   auf   dem   Hüdliclicn  Ausläufer   des 


[154]  §  4.    Die  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  199 

Die  Vernichtung  der  jüdischen  Bevölkerung  Jerusalem's  war 
nur  ein  Mittel  zu  dem  Hauptzweck,  auf  welchen  es  dem  Antiochus 
ankam.  Im  ganzen  Lande  sollte  die  jüdische  Religion  ausgerottet 
und  griechische  Götterculte  eingeführt  werden.    Die  Beobachtung 


östlichen  Hügels,  also  südlich  vom  Tempelberg  gelegen  hat.  Zunächf^t 
steht  ausser  Frage,  dass  sie  an  Stelle  der  alten  Davidsstadt  erbaut  war  (I  Makk. 
1,  33.  2,  31.  7,  32.  14.  36).  Die  Davidsstadt  hat  aber  nach  Nehem.  3,  15  oflfen- 
bar  in  der  Nähe  des  Siloah  gelegen,  also  südlich  vom  Tempel,  und  zwar  nicht 
auf  dem  grossen  Westhügel,  auf  welchem  noch  heute  die  Hauptmasse  der 
Stadt  liegt,  sondern  auf  einer  selbständigen  Erhebung  des  östlichen  Höhen- 
zuges, d.  h.  des  Tempelberges.  Denn  der  Zion,  auf  welchem  die  Davidsstadt 
lag  (n  Sam.  5,  7.  I  Reg.  8,  1),  ist  nicht,  wie  die  spätere  christliche  Tradition 
will,  der  Westhügel,  sondern  derjenige  Höhenzug,  auf  welchem  auch  der  Tempel 
lag,  also  der  üsthügel.  Das  beweist  gerade  der  Sprachgebrauch  des  ersten 
Makkabäerbuches,  für  welches  „Zion"  und  „Tempelberg"  identische  Begrifte 
sind.  S.  I  Makk.  4,  37—60.  5,  54.  6,  48-62.  7,  33.  Die  Beweiskraft  dieser 
Gründe  wäre  gewiss  längst  anerkannt,  wenn  nicht  die  heutigen  Terrainver- 
hältnisse entgegenzustehen  schienen.  Denn  gegenwärtig  ist  südlich  vom  Tem- 
pelplatz keine  Bodenerhebung  mehr  wahrzunehmen,  welche  für  eine  Burg 
geeignet  wäre.  Dass  es  aber  früher  anders  war,  ist  durch  die  Nachgrabungen 
Gut  he' 8  bestätigt  worden,  wornach  „eine  ziemlich  tief  eingeschnittene,  aller- 
dings noch  nicht  vollständig  nachgewiesene  Einsattelung,  die  von  Nordwest 
nach  Südost  streicht,  den  südlichen  Ausläufer  vom  übrigen  Tempelberg  trennte, 
so  dass  eine  Festung  auf  dem  Rücken  dieses  Ausläufers  von  Natur  nach  allen 
Seiten  geschützt  war"  (Furrer  in  der  Anzeige  von  Güthe's  „Ausgrabungen 
bei  Jerusalem"  in  der  Theol.  Literaturzeitung  1884,  378).  —  Die  hier  vor- 
getragene Ansicht  über  die  Lage  der  Akra  ist  vertreten  durch:  Olshausen 
Zur  Topographie  des  alten  Jerusalem,  Kiel  1833,  S.  6fl".  Caspari,  Theol. 
Stud.  und  Krit.  1864,  S.  309 — 328.  Ders.,  Chronologisch-geographische  Ein- 
leitung in  das  Leben  Jesu  Christi  (1869)  S.  232ft'.  Menke,  Bibelatlas  (1868) 
Blatt  V.  Riess,  Tüb.  Theol.  Quartalschr.  1870.  S.  181—215.  Ders.,  Biblische 
Geographie  (1872)  S.  95—97.  Klaiber,  Zeitschr.  des  deutschen  Palästina- 
Vereins  Bd.  in,  1880,  S.  189—213.  IV,  1881,  S.  18-56.  XI,  1888,  S.  1—37. 
Spiess,  Das  Jerusalem  des  Josephus  (1881)8.32—42.  Guthe,  Zeitschr.  des 
DPV  Bd.  V,  1882,  S.  313—332.  Mühlau,  Art.  „Zion"  in  Riehm's  Wörterb. 
Stade,  Gesch.  des  Volkes  Israel  I,  267  f.  Birch,  Palest  ine  Exploration  Fumt 
Quarterly  Statements  1877 ft".  bes.  1893.  Buhl,  Geographie  des  alten  Palästina 
S.  142f.  —  Gegen  obige  Ansicht  haben  sich  noch  erklärt:  Gatt,  Theol. 
Quartalschr.  1884.  S.  34-84.  Ebendas.  1889,  S.  77—125.  Ders.,  Die  Hügel 
von  Jerusalem,  1897.  Rückert,  Die  Lage  des  Berges  Sion,  1898  (Biblische 
Studien  von  Bardenhewer  HI,  1).  Ders.,  Art.  „Sion"  in  Wetzer  und  Weite's 
Kirchenlex.  2.  Aufl.  XI,  1899,  S.  347—355.  Alfons  Schulz,  Theol.  Quartal- 
schr. 1900,  S.  356 — 389.  Gatt,  Sion  in  Jerusalem,  wie  es  war  und  wo  es  lag. 
Nach  den  Angaben  der  alten  Urkunden  mit  Bezug  auf  die  diesbezüglichen 
Ansichten  der  Gelehrten,  1901  (142  S.).  —  Sonstige  Literatur  s.  oben  S.  15 
und  bei  Arnold,  Art.  „Zion"  in  Herzogs  Real-Enc.  1.  Aufl.  XVIII,  620—622. 
Schultz,  Art.  „Jerusalem"  ebendas.  2.  Aufl.  VI,  575.  Köhler,  Lehrb.  der 
bibl.  Gesch.  II,  1,  274.  Rückert,  in  Wetzer  und  Weite's  Kirchenlex. 
XI,  355. 


200  §  •!•   I^ie  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  [154.  155] 

aller  jüdischen  Satzungen,  namentlich  auch  des  Sabbaths 
und  der  Beschneidung,  wurde  bei  Todesstrafe  verboten; 
der  jüdische  Cultus  abgeschaift.  In  allen  Städten  Judäas  musste  ! 
den  heidnischen  Gröttern  geopfert  werden.  Für  die  Durchführung 
der  königlichen  Befehle  sorgten  Aufseher,  welche  überallhin  ge- 
schickt wurden.  Wo  man  sich  nicht  freiwillig  fügte,  wurde  der  Ge- 
horsam mit  Gewalt  erzwungen.  Je  einmal  im  Monat  wurde  Controle 
geübt:  bei  wem  ein  Gesetzbuch  gefunden  wurde,  wer  ein  Kind  hatte 
beschneiden  lassen,  verfiel  der  Todesstrafe.  In  Jerusalem  wurde 
am  15.  Kislev  des  Jahres  145  aer.  Sei.,  also  im  December  168  vor 
Chr.,  auf  dem  grossen  Brandopferaltar  ein  heidnischer  Altar  gebaut 
und  am  25.  Kislev  zum  erstenmale  auf  demselben  geopfert  (I  M. 
1,  54  u.  59;  dies  ist  der  „entsetzliche  Gräuel",  ümi'ü  f^ftü^  oder 
zr©  l^lp©,  LXX:  ßöekvyfia  ttjc  SQrjficoöewg,  von  dem  das  Buch 
Daniel  spricht,  Dan.  11,  31;  12,  11).  Das  Opfer  galt  nach  der  An- 
gabe des  zweiten  Makkabäerbuches  dem  olympischen  Zeus, 
welchem  der  Tempel  zu  Jerusalem  geweiht  wurde  ^s).  Am  Fest  der 
Dionysien  mussten  die  Judeu  mit  dem  Epheu  bekränzt  in  bacchan- 
tischem Aufzug  einherschreiten^ä). 

Von  dem  freudigen  Märtyrermuthe,  mit  welchem  damals  ein 
Theil  des  Volkes  für  den  alten  Glauben  eintrat,  erzählt  das  zweite 
Makkabäerbuch  wunderbare  Dinge.  In  breiter  Rhetorik  schildert 
es,  wie  ein  neunzigjähriger  Greis  Namens  Kleasar  und  sodann 
sieben  Brüder  nach  einander  unter  den  Augen  ihrer  Mutter  und  zu- 
letzt diese  selbst  den  Zeugentod  erlitten  ^*^).  Man  kann  diese  Einzel- 
heiten dahingestellt  lassen.  Thatsache  ist,  dass  weite  Kreise  des 
Volkes  trotz  aller  Gewaltmassregeln  dem  Glauben  und  der  Sitte 
ihrer  Väter  treu  blieben.  Zu  ihrer  Stärkung  hat  eben  damals  ein 
unbekannter  Verfasser  unter  dem  Namen  Daniel's  eine  Mahu- 

38)  Bevan  (Journal  of  Hetlcnic  Studies  XX,  1900,  p.  2G— 30)  verrauthot, 
da«8  der  Cultas  in  Wahrheit  dem  Antiochus  selbst  gegolten  habe,  der  sich 
aU  ZeuB  OlympioH  habe  verehren  lassen. 

39)  8.  überhaupt  I  Mulck.  1,  41-64.  II  Makk.  6, 1—11.  Josq>//its  .1////.  XII, 
5,  4.  Daniel  7,  25.  8,  11  f.  0,  27.  11,  31  ff  12,  11.  —  Der  Kislev  des  Jahns 
145  aer.  Sei.  (I  M.  1,  54)  ist  nicht,  wie  man  zuweilen  angegeben  iindct,  =  De- 
cember lfJ7,  nondern  —  December  KiS  v.  ('hr.  —  Nach  II  Makk.  0,  7  wurden 
die  .luden  auch  bei  der  monatlichen  Feier  des  königlichen  (reburtstngcs  zum 
OpferscIiinauH  gezwungen;  wegen  der  monatlichen  (Teburtstagsl'cicr  vgl. 
meinen  Aufsatz  in  der  Zeitschrift  für  die  neutestamontliche  Wissenschaft  1901, 
f*.  4R— 52. 

10)  11  Makk.  6.  18—7,  42.  Die  Geschichte  bildet  auch  das  Thema  de» 
I.  .MakkiibfuTbuche»  fs.  Bd.  11 1  S.  303—397),  und  ist  auch  in  der  sj)!iteren 
jiidi-<  li(  II  Literatur  behandelt  worden,  s.  Zunz,  Die  gottesdionst liehen  Vor- 
iiiiirr  (l<  r  .Fii(I<n  8.  124.  Ucber  ihre  Verwendung  in  der  christlich-asketischen 
l,it«r(ifiir  H.  J'.d.  ni  8.  302. 


[155.  156]  §  4.   Die  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  201 

und  Trostschrift  ausgehen  lassen,  in  welcher  er  seinen  Glaubens- 
genossen theils  Geschichten  der  Vorzeit  zur  Mahnung  und  Er- 
munterung vorhält,  theils  in  kühner  Glaubenszuversicht  den  baldigen 
Sturz  der  Heidenherrschaft  und  den  Uebergang  des  Weltregiraents 
auf  das  Volk  Gottes  in  Aussicht  stellt  (s.  B.  III,  S.  186—190).  Die 
Wirkung  dieser  Schrift  wird  man  nicht  gering  anschlagen  dürfen. 
Zu  dem  passiven  Widerstand  gesellte  sich  bald  die  offene 
Empörung  —  menschlich  angesehen,  ein  tollkühnes  Unternehmen; 
denn  |  wie  konnte  das  kleine  Volk  der  Juden  auf  die  Dauer  der 
Macht  des  Königs  die  Spitze  bieten?  Aber  der  religiöse  Enthu- 
siasmus fragt  nicht  nach  der  Möglichkeit  des  Erfolges.  Die  An- 
regung zum  Aufstand  gab  ein  Priester  der  Classe  Jojarib  Namens 
Mattathias  und  dessen  fünf  Söhne  (Johannes,  Simon,  Judas, 
Eleasar,  Jonathan)  in  dem  Städtchen  Modein**).    Als  dorthin 


41)  I  Makk.  2,  1-5.  Josephtts  Antt.  XII,  G,  1.  —  Die  Familie  ist  nicht 
erst  damals  nach  Modein  übergesiedelt,  wie  es  nach  2,  1  scheinen  könnte, 
sondern  hatte  längst  daselbst  ihren  Wohnsitz  (13,25).  Der  Name  des  Ortes 
lautet  im  ersten  Makkabäerbuclie  nach  überwiegender  Bezeugung  Mwdssiv  oder 
MwÖsiv  (so  Fritzsche  I  MiiÄ-.  2,  1.  15.  23.  70.  13,  25.  30;  nur  9,  19:  Mcoäesi/i), 
bei  Josephus  giebt  Niese  Afitt.  XII,  6,  1:  iv  Mwöai,  ö,  2:  rijv  Mwödiv,  6,  4: 
ivMcaöat,  11,  2:  rr^v  Mwössiv,  XIII,  0,  5  §210:  ^v  MiuÖeei,  Bell.Jud.  I,  1,  3:  dno 
xitifii]q  Mwösftv  vvofia  (also  in  den-4«/^deklinirt,  aber  mit  starkem  Schwanken  der 
Handschriften;  es  kommen  auch  die  Formen  autTals  Acc.vor).  In  Eusebius'  Ono- 
masticou  haben  die  Ausgaben  MTjöffi'fi,  Hieronymus  Modeim  (so  gewiss  auch  Eu- 
sebius ursprünglich!.  Hieroiiymus,  Conim.  adJes.  30,  2  opp.  ed.  VallarsilY,  402: 
Modim.  Mit  den  Formen  auf  im,  in  und  i  verhält  es  sich  wie  bei  Sepphoris 
(s.  Bd.  II,  S.  1G3).  Der  Plural  ist  bald  auf  hebräische,  bald  auf  aramäische 
Weise  gebildet,  bald  abgeschlitlen.  In  der  Mischna  Pesachim  IX,  2  und  Cha- 
giga  III,  5  schwankt  die  Lesart  zwischen  Q'^r'^Ti'a  und  r'^?''TiB,  und  zwar  so, 
dass  letztere  Form  an  beiden  Stellen  überwiegend  bezeugt  ist.  Sie  hat  eine 
überraschende  Bestätigung  erhalten  durch  die  Bemerkung  der  Mosaikkarte  von 
Medaba:  Mcoössi/^  tj  vvv  M(oSi&a  {Reine  biblique  VI,  1897,  p.  174,  Schulten, 
Abhandlungen  der  Göttinger  Ges.  der  Wissensch.,  philol.-hist.  KL,  N.  F.  Bd.  IV 
Nr.  2,  1900,  S.  18,  94).  Aus  Moditha  ist  das  moderne  Medije  geworden,  wie 
aus  Susitha  Susije  (Hippos,  s.  Bd.  II,  120).  Vgl.  Clermont-Qanneau, 
Reciieil  d'archeologie  Orientale  II,  170.  Ein  Mann  aus  Modein  heisst  Aboth  III, 
11  "^STl^an  (der  hier  erwähnte  Elieser  aus  Modein  kommt  häufig  in  der  Mechilta 
vor,  s.  das  Verzeichniss  der  Stellen  bei  D.  Hoffmann,  Zur  Einleitung  in 
die  halachischen Midraschim,  18S7,  S.83;  auch  Bacher,  Monatsschr.  für  Gesch. 
und  Wissensch.  des  Juden th.  1882,  S.  529—554  =  Die  Agada  der  Tannaiten  I, 
194 — 219).  —  Für  die  Bestimmung  der  Lage  ist  entscheidend:  1)  die  That- 
sache,  dass  man  das  dort  von  Simon  für  seine  Eltern  und  seine  vier  Brüder 
erbaute  prachtvolle  Grabdenkmal  vom  Meere  aus  sehen  konnte  (I  Makk.  13, 
27 — 30:  sig  x6  &s(oQsIa&ai  inö  nairwv  xtüv  nXiövtwv  xrjv  &äXaaaav,  die  von 
Le  Camus,  Revue  biblique  I,  109  ft'.  und  Buhl,  Geogr.  S.  198  bestrittene  gewöhn- 
liche Auffassung  dieser  Worte  scheint  mir  doch  die  richtige).  2)  Die  Angabe 
des  Eusebius,  welcher  den  Ort  noch  gekannt  hat,  Onouiast.  ed.  Lagarde  p.  281: 


202  §  4.   Die  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  [156.  157] 

der  königliche  Beamte  kam,  um  zur  Darbringung  des  heidnischen 
Opfers  aufzufordern,  weigerte  sich  Mattäthias,  dem  Befehl  zu  ge- 
horchen. ,,Wenn  auch  alle  Völker,  sprach  er,  im  Reiche  des  Königs 
von  dem  Dienst  ihrer  Väter  abfallen,  so  will  doch  ich  mit  meinen 
Söhnen  und  Brüdern  in  dem  Bund  unserer  Väter  wandeln.  |  Gott 
behüte  uns,  dass  wir  das  Gesetz  und  die  Gebote  verlassen."  Als 
er  sah,  wie  ein  jüdischer  Mann  opfern  wollte,  erschlug  er  den- 
selben an  dem  Altar.  Auch  den  königlichen  Beamten  tödtete  er 
und  zerstörte  den  Altar '*^). 


MrjSselß,  xwßT]  n?.rjaiov  dioa7i6?.fü)g,  o&ev  i^aav  ol  MaxxaßaToi,  (bv  xalra 
juvTjfxara  slq  IVt  vvv  dfixvwrai,  ebenso  Hierovyymis,  Onomast.  ed.  Laf/arde p.  140: 
Modeim,  vicus  juxta  Diospolim,  wide  fuerunt  Maccabaei,  quoriim  hodieque 
ibidem  sepidcra  monstrantur.  Es  hat  also  in  der  Nähe  von  Lydda  (Diospolis) 
gelegen,  und  zwar  in  hoher  Lage,  also  gegen  das  Gebirge  zu.  Hiernach  kann 
keine  Rede  davon  sein,  dass  es  mit  dem  heutigen  Soba,  2V2  St.  westlich  von 
Jerusalem,  identisch  wäre,  wohin  es  die  Mönchstradition  verlegt  (Tob  1er, 
Topographie  von  Jerusalem  II,  896  ft'.).  Es  darf  vielmehr  jetzt  als  ausgemacht 
gelten,  dass  das  heutige  Dorf  el-Medljeh,  östlich  von  Lydda,  am 
Eingang  des  Gebirges,  die  Lage  des  alten  Modein  bezeichnet.  So  zuerst 
der  Franziskaner  Emmanuel  Forner  (in  Je  Monde  1866,  nach  Gu^rin's  An- 
gabe), femer:  Neubauer,  Geographie  du  Talmud  1868,  p.  99.  Fritzsche  in 
Schenkel'»  Bibellex.  IV,  233.  Sandreczkiim  „Ausland"  1871,  Nr.  86.  Onerin 
Description  de  la  Palestine,  Samarie  II,  55 — 64,  395,  404 — 413,  415 — 426,  Qalilee  I, 
46—57.  Mühlau  in  Riehm's  Handwörterb.  des  bibl.  Alterthums  S.  1009  f. 
The  Survey  of  Western  Palestine,  Memoirs  brj  Conder  and  Kitchener  II,  297  sq. 
341—352;  dazu  Bl.  XIV  der  grossen  englischen  Karte.  Clennont-Oanneau , 
Archaeolof/ical  liesearches  in  Palestine  vol.  II,  1896,  p.  358 — 376. 

42)  I  Makk.  2,  15—26.  Joseph.  Antt.  XII,  6,  2.  Zum  Bericht  des  Josephus 
über  Mattäthias :  Büchler,  Rente  des  etu/ies  juives  t.  XXXIV,  1897,  p.  69 — 76. 
Niese,  Kritik  der  beiden  Makkabäerbücher  S.  100 ft".  =  Hermes  Bd.  35,  S.  513 ft". 
—  Imll.Makkabäerbuche  wird  Mattäthias  nicht  erwähnt.  Niese  ist 
daher  geneigt,  seine  Existenz  zu  bestreiten  (Kritik  S.  44—47  =  Hermes  35, 
457—460),  wie  er  überhaupt  dem  zweiten  Makkabäerbuch  den  Vorzug 
vor  dem  ersten  giebt  (Kritik  S.  52  f.  =  Hermes  35,  465  f.).  Er  sieht  im 
ernten  Makkabäerbuche,  soweit  es  mit  dem  zweiten  parallel  geht  (c.  1 — 7),  nur 
eine  tendentiöse,  im  dynastiHchen  Interesse  zurecht  gemaclite  Bearbeitung  der- 
»elben  Quelle,  welche  auch  dem  zweiten  zu  (irunde  liegt,  nämlich  des  Jason 
von  Cyrene  (Kritik  S.  94  —  Hermes  35,  507).  Ich  halte  es  für  ganz  unmög- 
lich, durch  diesen  Gesichtspunkt  die  starken  Dillerenzen  zwischen  dem  ersten 
und  zweiten  Makkabücrbuclie  zu  erklären.  Sie  sind  nur  verständlich  unter 
der  Voraussetzung,  dass  beide  uiuibliängig  von  einander  sind  und  auf  ganz 
voncliicdenc  Bericht-Erstattung  zurückgehen.  Dabei  mag  in  einzelnen  Fällen 
die  des  zweiten  den  Vorzug  vor  der  andern  verdienen,  im  Grossen  und 
Ganzen  nljer  scheint  mir  die  bisherige  Meinung  von  dem  hiilieren 
Werth  des  ersten  Buches  durch  Niese'H  Kritik  nicht  erschüttert 
cn  »ein.  Die  Abweichungen  sind  aber  von  der  Art,  dass  eine  eklektiwclie 
B«nfltzung  beider  Bericlito  unmöglich  ist.  Die  Darstellung  kann  daher  nur 
nn  vorfalircM,  dass  sie  clem  einen  folgt  und  an  den  wichtigeren  Punkten  di(f 
Abweichungen  des  Anderen  anmerkt. 


[157.  158]  §  4.   Die  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  203 

Nunmehr  floh  er  mit  seinen  Söhnen  in's  Gebirge.  Aber  bald 
zeigte  ihm  ein  trauriger  Vorfall,  dass  blosse  Flucht  so  viel  wie 
Untergang  bedeute.  Zahlreiche  Gesinnungsgenossen  hatten  sich 
ebenfalls  in  die  Schlupfwinkel  der  Wüste  zurückgezogen.  Hier 
wurden  sie  von  einer  Abtheilung  der  syrischen  Besatzung  von 
Jerusalem  aufgesucht,  am  Sabbath  angegriffen  und,  da  sie  wegen 
des  Sabbath's  keinen  Widerstand  leisteten,  mit  Weibern  und 
Kindern  bis  auf  den  letzten  Mann  niedergemacht  ^3).  Ein  solches 
Martyrium  schien  dem  thatkräftigen  Mattathias  ein  schlechter 
Dienst  für  die  Sache  Gottes  zu  sein.  Er  und  die  Seineu  beschlossen, 
zur  That  zu  schreiten  und  nöthigenfalls  auch  am  Sabbath  den 
Kampf  nicht  zu  scheuen.  Jetzt  schlössen  sich  ihm  auch  die 
„Frommen"  (AoLÖaloi  =  S'^*7''pn)  an,  d.  h.  eben  jene  Gesetzestreuen, 
die  bisher  nur  im  Dulden  ihre  Stärke  gesucht  hatten  **).  Mattathias 
sammelte  nun  alle  streitbaren  Männer,  die  zum  Kampf  für  den 
Glauben  bereit  waren,  zog  mit  ihnen  im  Lande  umher,  zerstörte 
die  Altäre,  tödtete  die  abgefallenen  Juden,  beschnitt  die  unbe- 
schnittenen Knaben,  und  1  ermuthigte  allenthalben  zu  offenem  Wider- 
stand gegen  die  heidnischen  Verfolger^ ^). 


43)  I  Makk:  2,  27-38.    Joseph.  Änit.  XII,  G,  2. 

44)  Die  Lesart  awaycoyt]  katSalatv  I  M.  2,  42  ist  von  Fritzsehe  mit  Kecht 
in  den  Text  aufgenommen  worden.  Dass  die  Asidäer  nicht  mit  dem  Kreise 
des  Mattathias  identisch  sind,  ist  namentlich  von  Wellhausen  (Pharisäer  und 
Sadducäer  S.  78—8(5)  richtig  betont  worden.  Sie  haben  zwar  damals  mit  den 
Makkabäern  gemeinsame  Sache  gemacht,  sich  aber  später  (I  M.  7,  13)  wieder 
von  ihnen  getrennt.  Vgl.  auch  Lucius,  Der  Essenismus,  1881,  S.  91  f.,  und 
Bd.  11  S.  403f.  dieses  Werkes.  Uebertrieben  ist  die  richtige  Beobachtung  Well- 
liausens  bei  Montet,  Essai  sur  les  origines  des  partis  saduceen  et  pharisien 
1883,  p.  139—142,  161  fi:  bes.  177—188.  —  Das  Wort  n-i-i-^cn  ist  schon  im  Alten 
Testamente  häufig  (z.  B.  Ps.  30,  5.  31,  24.  37,  28)  und "  heisst  einfach  „die 
Frommen";  bezeichnet  aber  insonderheit  diejenigen,  die  es  mit  der  Frömmigkeit, 
d.  h.  Gesetzlichkeit,  besonders  ernst  nahmen  (so  auch  Mischna  Berachoth  V,  1. 
Sukka  V,  4.  Chagiga  II,  7.  Sota  III,  4.  IX,  15).  Es  ist  daher  im  Wesentlichen 
derselbe  Kreis,  der  später  den  Parteinameu  der  „Pharisäer"  erhielt.  —  Aus  der 
Literatur  ist  noch  zu  nennen :  Drusius,  De  Hasidaeis,  quorum  mentio  in  Ubris 
Machahaeorum,  libellus,  \GOS.  Serarius,  Trihaeresion,  1004:.  Scaliger,  Elen- 
dms  Trihacresii  Serarii,  1605  (alle  drei  zusammen  in:  Triglandius,  Triton 
scriptorum  i/hisfnum  de  tribus  Judfteorum  sectis  si/ntagma,  2  Bde.  Delphis  1703; 
vgl.  den  Bericht  über  die  Controverse  bei  Daniel,  Art.  „Pharisäer"  in  Ersch 
und  Gruber's  Encykl.  Section  III,  Bd.  22,  S.  18,  und  Bernays,  Jos.  Justus 
Scaliger  S.  82  f.  206  fl'.)  Carpxov,  Apparafus  historico-crifieus  p.  165—172. 
Herzfeld,  Gesch.  des  Volkes  Jisrael  Bd.  IH,  S.  357  ü\,  384,  395  f.  Ham- 
burger, Real-Encyclop.  für  Bibel  und  Talmud,  Abth.  II  S.  132  ft".  (Art. 
„Chassid").  Lehmann,  Hassidim  rischonim  {Rente  des  etndes  juives  t.  XXX, 
1895,  p.  182—187). 

45)  I  Makk.  2,  39—48.    Joseph.  Antt.  XII,  6,  2. 


204  §  4.  Die  Eeligionsnoth  und  die  Erhebung.  [158 

Nicht  lange  sollte  es  ihm  vergönnt  sein,   in  dieser  Weise  zu 

wirken.    Bald  nach  dem  Beginn  der  Erhebung,  im  J.  167/166  vor 

Chr.  (I  Jf.  2,  70:  146  aer.  Sei.)  starb  Mattathias,  nachdem  er  zuvor 

noch  seine  Söhne  zur  Fortsetzung  des  Werkes  ermahnt  und  den 

Simon  als  Mann  des  Rathes,   den  Judas  als  Führer  im  Kampf 

empfohlen  hatte.    Unter  grosser  Trauer  wurde  er  zu  Modein  be- 
stattet ^  6), 

So  trat  nun  Judas  an  die  Spitze  der  Bewegung.  Sein  Beiname 
o  Maxxaßaioq,  nach  welchem  man  die  ganze  Partei  die  „makka- 
bäische"  zu  nennen  pflegt,  bezeichnet  ihn  wahrscheinlich  als  schlag- 
fertigen Krieger  (=  nii^'ö,  der  Hammer?) ^ ').    „Er  glich  dem  Löwen 


46)  I  Makk.  2,  49—70.    Joseph.  Antt.  XII,  6,  3—4. 

47)  Ueber  die  verschiedenen  Deutungen  des  Namens  s.  Conr.  Iken,  De 
Juda  Maccabaeo  (in:  Symbolae  literariae,  tom.  Ipars  1,  Bremae  174:4,  p.  170 — 194), 
Winer  RWE.  I,  631  f.  (Art.  „Judas"),. Grimm,  Exeget.  Handb.  zu  I  Makk. 
S.  IX  f.  Die  früher  (bes.  im  17.  Jahrh.)  herrschende  Ableitung  des  Namens 
aus  den  Anfangsbuchstaben  von  üin';'  ß^^*?  '^?^?  "^^  [Exod.  15,  11)  würde 
ernstliche  Erwägung  verdienen,  wenn  das  Wort  zunächst  Losung  der  Partei 
gewesen  wäre,  wie  das  christliche  Ix^vg.  Es  ist  aber  zunächst  Beiname  des 
Judas  (6  Mttxxaßaloq).  In  neuerer  Zeit  erkhirt  man  gewöhnlich  =  ti3;3n 
„Hammer".  Gegen  diese  Deutung  hat  namentlich  Ctirtiss  Bedenken  erhoben 
(The  Name  Machahee,  Leipzig  1876;  vgl.  Theol.  Literaturztg.  1876,  436 f,  Her- 
zog's Real-Enc.  2.  Aufl.  I,  505  f).  Er  schreibt  "^2313  und  erklärt  nach  Jes.  43, 
17  the  exlinguisher,  „der  Auslöscher"  d.  h.  Vemichter  seiner  Feinde.  Das  ist 
mlDdestens  sehr  problematisch.  Von  Curtiss'  Bedenken  sind  die  aus  der  Ortho- 
graphie hergenommenen  hinfällig,  da  wir  die  ursprüngliche  hebräische  Form 
nicht  mehr  kennen.  Denn  alle  späteren  Texte,  sowohl  die  rabbinischen  (welche 
übrigens  bald  '^ns^s  bald  "^ap^  schreiben),  als  die  lateinischen  gehen  auf  den 
griechischen  Text  des  ersten  Makkabäerbuches  (d  Muxxaßaloq)  zurück.  Curtiss 
meint  freilich,  dass  Hieronymus  eine  hebräische  Form  "»a:^  gekannt  haben 
müsse,  weil  er  Mnchabaeus  schreibe.  Aber  es  ist  sehr  unwahrscheinlich,  dass 
Hieronymus  so  geschrieben  hat.  Im  Onomasticon  s.  v.  Modchn  giebt  Lagarde 
Maccabaei  (s.  oben  Anm.  41);  und  in  der  Schrift  de  viris  illudribus  c.  IJJ 
liat  Bernoulli  (1895)  nach  den  b(^Hten  Hundscliriften  ebenfalls  Mnccabeorum. 
Auch  sonst  ist  das  Alter  der  Form  Machnhaeus  sehr  fniglicii.  In  der  späteren 
Ueberlieferung  der  lateinischen  Texte  scheint  sie  allerdings  vorherrschend  zu 
«ein  (ho  z.  B.  Vet.  Lat.  bei  Joseph,  ed.  Niese  vol.  III  p.  117,  19.  121,  6.  128, 
24.  130,  \\:  ul  acmper;  vgl.  Zahn,  Gesch.  des  neutest.  Kanons  II,  167);  aber 
Mufcabetia  int  vermiithlich  älter  (s.  die  NachweiHC  von  Jülicher,  Theol.  Litztg. 
1891,  221,  in  der  Anzeige  von  Zahn'«  Gesch.  des  neutest.  Kiinons;  dnzn  Bcrc/er, 
Noticf»  et  extrait«  den  M(niiincrita  de  In  liibliothhiue  Nationale  t.  XXX IV,  2,  1893, 
p.  147  «77.).  Das  griechiHche  Maxxafittloi  spricht  alter  eher  für  licbr.  "^Dp^S, 
al»  für  ■'SS«,  obw<»hl  auch  letzteres  nicht  unmöglich  ist.  JU>achtenswerth  ist 
dagegen  der  Einwand  von  OurtisH,  dass  n^jr^j  im  A.  T.  (I  Itet/.  6,  7;  Jes.  44, 
12;  Jer,  10,  4;  auch  Jndic.  4,  21)  nicht  den  grossen  Streit-  oder  Schmiede- 
hammer (der  sonst  yoij  oder  yt^  oder  «J'^MB  heisst),  sondern  den  kleineren 
Arbeitulmromer  bezeichnet.    Aber  sollte  dies  Bedciikiii  cnfscliciihwHl  sein? 


[158.  159]  §  4.  Die  Religioasnoth  und  die  Erhebung.  205 

in  seinem  Tliun  und  war  wie  ein  junger  Löwe,  der  nach  Beute 
brüllt",  so  cliarakterisirt  ihn  das  erste  Makkabäerbuch  (I  M.  3,  4)  — 
ein  ritterlicher  Held,  kühn  und  thatkräftig,  nicht  die  Möglichkeit 
des  Erfolges  erwägend,  sondern  mit  Begeisterung  Gut  und  Blut  für 
die  grosse  Sache  einsetzende^).  Die  Erfolge,  die  er  errungen  hat,  | 
konnten  freilich  bei  den  ungleichen  Machtverhältnissen  doch  nur 
vorübergehende  sein.  Und  die  Sache,  die  er  vertrat,  wäre  verloren 
gewesen,  wenn  es  nur  auf  das  Schwert  angekommen  wäre. 

Zunächst  nahm  die  Erhebung  den  glücklichsten  Verlauf.  Schlag 
auf  Schlag  erfocht  Judas  entscheidende  Siege,  bis  zur  Wiederher- 
stellung des  jüdischen  Cultus  auf  dem  Zion.  Eine  syrische  Streit- 
macht unter  Führung  des  Apollonius  (es  ist  wohl  derselbe,  von 
welchem  oben  S.  198  die  Rede  war),  wurde  von  Judas  geschlagen ; 
Apollonius  selbst  getödtet.  Das  erbeutete  Schwert  desselben  führte 
Judas  von  nun  an  in  allen  Kämpfen  e^).  Auch  ein  zweites  syrisches 
Heer,  welches  Seron,  der  „Oberbefehlshaber  der  syrischen  Macht", 
dem  Judas  entgegenführte,  wurde  von  ihm  bei  Beth-horon  (nord- 
westlich von  Jerusalem)  siegi'eich  zurückgeworfen^**). 

Der  König  sah  sich  genöthigt,  zur  Bekämpfung  des  Aufstandes 
in  Judäa  energische  Massregeln  zu  ergreifen.  Während  er  selbst 
im  J.  166/165  vor  Chr.  (I  M.  3,  37  :  147  aer.  Sei)  einen  Feldzug 
gegen  die  Parther  unternahm ^i),  Hess  er  den  Lysias  als  Reichs- 
verweser und  Erzieher  des  unmündigen  Antiochus  V.  in  Syrien 
zurück  und  ertheilte  ihnl  den  Auftrag,  ein  grosses  Heer  nach  Judäa 
zu  senden,  um  die  rebellischen  Juden  zu  vernichtend'^).  Lysias 
sandte  drei  Feldherren,  den  Ptolemäus,  Nikanor  und  Gorgias, 
mit  zahlreicher  Truppenmacht  nach  Judäa.  Die  Niederlage  der 
Juden  schien  so  zweifellos,  dass  bereits  fremde  Kaufleute  in  das 
syrische  Lager  kamen,  um  die  zu  erwartenden  jüdischen  Sklaven 
zu  kaufen  ^^). 


48)  Vgl.  überhaupt  die  Charakteristik  I  Makk.  3,  1—9. 

49)  I  Makk.  3,  10—12.    Joseph.  Äntt.  XII,  7,  1. 

50)  I  Makk.  'S,  13—26.  Jos.  l.  c.  —  BaiQ^toQwv  ist  das  alttestamentliche 
"inh  n^a,  nacli  Eiiseb.  Onomast.  ed.  Lagarde  p.  233  zwölf  m.  p.  von  Jerusalem 
in  nordwestlicher  Richtung,  daher  identisch  mit  dem  heutigen  Beit-ur.  S.  Ro- 
binson, Palästina  III,  273—283.  Raumer,  Palästina  8.180.  Ouirin,  Deserip- 
tion  de  la  Palestim,  Judee  I,  338—344.  lieber  die  alte  und  die  heutige  Namens- 
form: Kampf fmej^er,  Zeitschr.  des  DPV.  XVI,  S.  23.  Ueber  die  Lage: 
Schick' 8  Karte  der  weiteren  Umgebung  von  Jerusalem,  Zeitschr.  des  DPV. 
XIX,  1896. 

51)  1  M.  3,  31.     Jhcit.  Eist.  V,  8. 

52)  I  Makk.  3,  27—37.    Joseph.  Äntt.  XII,  7,  2. 

53)  I  Makk.  3,  38—41.  Joseph.  Äntt.  XII,  7,  3.  II  Makk.  8,  8-11.  Nach 
dem  zweiten  Makkabäerbuche  war  Ptolemäus  der  Statthalter  von  Cölesvrien 


206  §  4.  Die  Eeligionsnoth  und  die  Erhebung.  [159.  160] 

Inzwischen  waren  auch  Judas  und  die  Seinen  nicht  unthäti^ 
gewesen.  Da  Jerusalem  von  den  Heiden  besetzt  war,  sammelte 
Judas  seine  Streitkräfte  in  Mizpa,  dem  alten  Vorort  Israel's  in 
der  Richterzeit,  nicht  weit  von  Jerusalem  5^).  Es  war  jetzt  nicht 
mehi"  bloss  |  eine  kleine  Schaar  begeisterter  Kämpfer,  sondern  ein 
stattliches  jüdisches  Heer,  das  er  hier  in  militärischer  Weise 
organisirte:  „er  bestellte  als  Führer  des  Volkes  Obersten  über  je 
tausend  und  je  hundert  und  je  fünfzig  und  je  zehn."  Durch  Gebet 
und  Fasten  bereitete  man  sich  auf  den  ungleichen  Kampf.  In  der 
Gegend  von  Emmaus,  westlich  von  Jerusalem,  am  Ausgang  des 
Gebirges,  traten  die  Heere  einander  gegenüber  ^^). 

Während  das  syrische  Hauptheer  im  Lager  bei  Emmaus  blieb, 
suchte  Gorgias  mit  einer  starken  Abtheilung  desselben  das  jüdische 
Heer  auf.  Als  Judas  davon  hörte,  wich  er  ihm  aus  und  griff  in- 
zwischen das  Hauptheer  bei  Emmaus  an.  Sein  ermunternder  Zu- 
spruch trieb  die  Juden  zu  solcher  Tapferkeit  an,  dass  das  syrische 
Heer  vollständig  geschlagen  wurde.  Als  die  Abtheilung  des  Gorgias 
zurückkam,  sah  sie  bereits  das  Lager  in  Brand  und  die  Juden  bereit, 
den  Kampf  auch  mit  ihnen  aufzunehmen.  Ohne  einen  solchen  zu 
wagen,  flohen  auch  sie  auf  philistäisches  Gebiet.  Der  Sieg  der 
Juden  war  ein  vollständiger  (166/165  v.  Chr.)  ^^). 


und  Phönicien,  der  die  militärischen  Operationen  dem  Nikanor  und  Gorgias 
übertrug.  —  Jüdische  Sklaven  wurden  in  den  folgenden  Jahren  in  der 
That  bis  nach  Griechenland  verkauft,  s,  Bil.  III,  S.  27. 

54)  Maaot}(pa  I  M.  3,  46  ist  das  alte  n^ar,  das  in  der  Richterzeit  der  reli- 
giös-politische Mittelpunkt  Israel's  gewesen  war  [Jndic.  c.  20 — 21,  I  Sam.  7,  5  ti". 
10,  17  ff.).  Nach  I  Makk.  3,  46  lag  es  xartvavri  ^leQovaaXrj/Lt,  also  nicht  weit 
von  Jenisalera.  Genauer  ist  die  Lage  nicht  mehr  mit  Sicherheit  zu  bestimmen. 
8.  flberh.:  Robinson,  Palästina  II,  356—362.  Raumer,  Palästina  S.  213. 
Smend  in  Riehm's  Handwörterb.  des  bibl.  Alterth.  S.  1003  f.  Guerin,  JiaUe  I, 
39.'> — 402.  Tleidet,  Htriic  Inblique  III,  1804,  ;>.  321  sqq.  Verschiedene  neuere 
Hypothesen  über  die  Lage  verzeichnet  Benzinger,  Zeitschr.  des  DPV.  XVIII, 
1895,  8.  224  t. 

55)  I  MakL  3,  42—60.  Joseph.  Antt.  XII,  7,  3.  —  'Efifiaovfx  I  M.  3,  40  u. 
57,  in  der  römischen  Zeit  Hauptort  einer  Toparchie,  existirt  noch  heute  unter 
dem  Namen  Amwda  (das  neutestumcntliche  Emmaus  ist  wahrscheinlich  ein 
anderer,  nahe  bei  Jerusalem  gelegener  Ort).  Vgl.  ülx-rh.  IJd.  II  S.  lS3f.,  und 
die  dort  genannte  Literatur. 

56)  1  Makk.  4,  1—25.  Joncph.  Autt.  XII,  7,  4.  II  Makk.  s,  12  n;  —  Die 
Chronologie  crglebt  »«ich  durch  Combination  von  I  M.  3,  37  (147  acr.  Sei.)  mit 
4, 28  (iv  Tif)  fxoß^^H'  ivtavtip  oder  was  dasselbe  ist  (•v  xtj»  ^Q'/^onhw  ivtavxip  — 
im  folgenden  Jahre)  und  4,  62  (148  aer.  Sei).  Die  erwälintcn  Ereignisse  fallen 
aluo  no<-h  in  «la«  Jnhr  147  aer.  Sei.  —  1ÖÖ/165  v.  Chr.,  ob  aber  166  oder  105 
V.  Chr.  lÜHnt  »ich  nicht  entscheiden.  —  Als  feindlichen  Feldiierrn  iietmt  das 
ernte  Ifakkablerbuch   nur  den  Gorgias,    das  zweite   nur   den   Nikanor, 


[160.  161]  §  4.  Die  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  207 

Im  folgenden  Jahre  (165,164  v.  Chr.,  und  zwar  wie  der  weitere 
Verlauf  zeigt,  noch  im  Herbst  165  v.  Chr.)  führte  Lysias  selbst 
ein  neues,  noch  stärkeres  Heer  nach  Judäa.  Er  griff  nicht  direct 
vom  Norden  her  an,  sondern  kam  vom  Süden,  von  Idumäa  aus 
(I  M.  4, 29),  gegen  Judäa  angezogen.  Er  muss  also  Judäa  um- 
gangen haben,  sei  es  nun,  wie  Hitzig  (S.  393)  vermuthet,  im 
Osten  um  das  todte  Meer  herum,  oder,  was  wahrscheinlicher  ist, 
im  Westen,  indem  er  an  der  philistäischen  Küste  entlang  und  um 
das  Gebirge  herum  gezogen  war.  Bei  ßeth-zur,  südlich  von 
Jerusalem  an  der  Strasse  nach  Hebron^'),  kam  es  zum  Treffen. 
Obwohl  das  syrische  |  Heer  weit  überlegen  war,  erfocht  Judas 
auch  diesmal  einen  vollständigen  Sieg,  so  dass  Lysias  sich  ge- 
nöthigt  sah,  nach  Antiochia  zurückzukehren,  um  neue  Streitkräfte 
zu  sanmieln^^). 

beides  vermuthlich  richtig,  insofern  ersterer  die  Streifschaar,  letzterer  das 
Hauptheer  befehligte,  lieber  sonstige  Dirterenzen  zwischen  I  und  II  Makk. 
in  Betreff'  dieses  Feldzuges  8.  Niese,  Kritik  S.  53—55  =  Hermes  35,  466—468. 

57)  Bai^aovga  Oi  undr«)  I  M.  4,  29.  61.  6,  7.  26.  31.  49.  50.  9,  52.  10,  14. 
11,  65.  14,  7.  33,  ist  das  auch  im  A.  T.  häufig  erwähnte  "1S  r*^?,  nach  Euseb. 
Onmnast.  ed.  Lagarde  p.  235  sq.  zwanzig  m.  p.  yfidlieh  von  Jerusalem  in  der 
Richtung  nach  Hebron  [xal  exi  vvv  xcu/ui]  Btj&owqu}  xaXiTrai  i/.&ovTtov  dno 
AiXiag  eig  Xsßgwv  iv  sl'xoai  arjfxeloig),  was  durch  die  Lage  des  heutigen  Be^ä- 
Sur  in  der  Nähe  von  Hulhut  annähernd  bestätigt  wird  (die  Entfernung  ist 
f actisch  etwas  geringer).  Die  Entfernung  zu  4  +  2+14  mit.  pass.  giebt  auch 
der  Pilger  von  Bordeaux  [Itinera  Hierosolymitana  ed.  Geyer  1898  p.  25).  Der 
Ort  heisst  bei  ihm  Bethasora,  auf  der  Mosaikkarte  von  Medaba  Bs&aovpu 
(Schulten,  Abhandl.  der  Gott.  Ges.  der  Wissensch.  phil.-hist.  Cl.  N.  F.  IV,  2 
1900  S.  22, 98).  Ueber  die  heutige  Namensform:  Kampffmeyer,  Ztschr.  d.  DPV. 
XVI,  24.  Ueberhaupt:  Robinson,  Neuere  Forschungen  S.  362  f.  Raumer, 
Pal.  S.  181  f.  Guerin,  JiaUe  III,  288—295.  The  Stirvey  of  Western  Palestine, 
Memoirs  by  Conder  and  Kitchener  III,  311  «</.  324  sj.,  dazu  Bl.  XXI  der 
grossen  englischen  Karte. 

58)  I  Makk.  4,  26—35.  Joseph.  Antt.  XII,  7,  5.  II  Makk.  11,  1—15.  —  Die 
Identität  von  II  M.  11,  1 — 15  mit  I  M.  4,  26—35  kann  nicht  wohl  zweifelhaft 
sein  (s.  Grimm  zu  beiden  Stellen).  Aber  die  Berichte  weichen  freilich  in  zwei 
Hauptpunkten  stark  von  einander  ab.  1)  Das  erste  Makkabäerbuch  weiss 
nichts  von  einem  Friedensschluss  nach  diesem  Feldzug,  während  das  zweite 
von  einem  solchen  berichtet,  und  zum  Belege  dafür  vier  Briefe  (des  Lysias, 
des  Königs  und  römischer  Gesandter)  mittheilt,  II  M.  11,  16 — 38.  Die  Echt- 
heit dieser  Briefe  und  damit  die  Geschichtlichkeit  der  Darstellung  wird  noch 
von  N  i  e  s  e  vertheidigt  (Kritik  S.  63  fl'.  76  =  Hermes  35,  476  ff".  489);  unter  etwas 
anderen  Gesichtspunkten  auch  von  ünger,  Sitzungsberichte  der  Münchener  Aka- 
demie, philos.-philol.  und  bist.  Cl.  1895,  Heft  II  S.  285  ff".  —  2j  Das  IL  Makka- 
bäerbuch setzt  diesen  Feldzug  des  Lysias  erheblich  später,  erst  nach 
derWiedereinweihung  des  Tempels,  und  giebt  die  Ereignisse  der  folgenden 
Zeit  auch  sonst  in  anderer  Reihenfolge.  Die  Abweichungen  beider  Erzählungen 
hat  Niese  (Kritik  S.  56  =  Hermes  35,  469)  durch  folgende  Tabelle  veranschaulicht: 


208  §  4.   Die  Religionsnoth  und  die  Erliebung.  [161] 

Nach  diesem  zweifachen  glücklichen  Erfolge  nahm  Judas  auch 
wieder  Besitz  von  Jerusalem  und  richtete  sein  Augenmerk  auf  die 
Wiederherstellung  des  Gottesdienstes.  Die  Burg  von  Jerusalem 
war  zwar  noch  von  syrischen  Truppen  besetzt.  Allein  Judas  liess 
sie  durch  seine  Leute  fortwährend  in  Schach  halten,  so  dass  die 
Arbeiten  am  Tempel  durch  sie  nicht  gestört  werden  konnten.  So 
geschützt  ging  man  an  s  Werk.  Alles  Unreine  wurde  aus  dem 
Tempel  hinausgeschafft.  Der  Brandopferaltar,  der  durch  heidnische 
Opfer  entweiht  worden  war,  wurde  gänzlich  niedergerissen  und  ein 
neuer  an  seiner  Stelle   erbaut  s^).    Die  heiligen  Geräthe  wurden 


I.  Makk.  c.  4  ft:  II.  Makk.  c.  8  ff. 

Sieg  über  Gorgias  und  Nikanor.  Sieg  über  Gorgias  und  Nikauor. 

1.  Feldzug  des  Lysias.  Besetzung  Jerusalems. 
Besetzung  Jerusalems  Tod  des  Epiplianes  (c.  9). 

und 
Reinigung  des  Tempels.  Reinigung  des  Tempels  (c.  10). 

Nachbarkämpfe  (c.  5).  Regierungsantritt  Eupators. 

Tod  des  Epiphanes  Nachbarkämpfe. 

und 
Regierungsanfang  Eupators  (c.  6).  1.  Feldzug  des  Lysias 

und  Friede  (c.  11). 

2.  Feldzug  des  Lysias  mit  Eupator.  Neue  Nachbarkämpfe  (c.  12). 

2.  Feldzug  des  Lysias  mit  Eupator. 
Friede  mit  den  Juden.  Friede  mit  den  Juden  (c.  13). 

Die  abweichende  Reihenfolge  geht,  wie  Niese  S.  60  f.  =  Hermes  35,  473  f. 
hervorhebt,  in  der  Hauptsache  darauf  zurück,  dass:  1)  die  kleineren  Kriegs- 
züge gegen  die  Nachbarn,  welche  im  IL  Makkabäerbuch  auf  verschiedene  Zeit- 
punkte vertheilt  sind,  im  I.  Makkabäerbuche  c.  5  zusammengerückt  sind, 
2)  der  Tod  des  Antiochus  Epiphanes  im  I.  Buch  etwa  ein  Jahr  später  füllt  als 
im  anderen,  3)  der  erste  Angriff  des  Lysias  um  etwa  ebensoviel  früher  gesetzt  wird, 
„also  diese  beiden  Ereignisse,  der  Tod  des  Antiochus  und  das 
Unternehmen  des  Lysias  in  den  beiden  Makkabäerbüchern  unge- 
fähr den  Platz  getauscht  haben".  Niese  giebt  in  allen  drei  Punkten 
dem  II.  Makkabäerbuche  den  Vorzug.  Aber  der  Versuch,  die  Abweichungen 
des  I.  Buche«  als  absichtliche,  durch  bestimmte  Reflexionen  des  Verf.  hervor- 
gerufene zu  erklären  (8.  55—63  --=  Hermes  35,  468—476),  scheint  mir  nur  in 
B(!treff  des  ersten  gelungen,  und  auch  hier  nur  insoweit,  als  die  Zusammen- 
legung des  zeitlich  Auseinanderiiegenden  durch  ein  gewisses  schriftstellerisches 
Interesse  nahe  gelegt  war. 

69)  Die  Steine  von  dem  heidnischen  Opfcraltur  (oder  vielleicht  von  mehre- 
ren solclieii  Altären)  wurden  „an  einen  unreinen  Ort"  getragen,  also  aus  dem 
Terapelbezirk  hinaUHgoHchufll  (I  M.  4,  43).  Die  Steine  des  clienmligen  jüdischen 
Brandopfürultars  dagegen  wurden  auf  dem  Tompell)erg  an  (jinen  i)assenilen  Ort 
gelegt  „bis  ein  Prophet  aufstünde,  der  über  sie  Bescheid  gäbe"  (I  M,  4,  46). 
Mach  Mitcfuut  MiMdh  I,  6  wurden  die  Steine  des  jüdischen  Altars  in  einer 
AD  der  Grenze  den  inneren  Voriiofe»,  aber  nicht  mehr  auf  „heiligem"  Boden 
gtlegeneo  Kammer  niedergelegt.    Mit  I  M.  4,  -l.'J  u,  46  <H)ml)itiirt  Dcroihoiint 


[IGl.  162]  §  4.   Die  Religionsnoth  und  die  Erhebung.  209 

neu  angefertigt,  und  nachdem  alles  vollendet  war,  wurde  der  Tempel 
unter  grossen  Festlichkeiten  aufs  Neue  eingeweiht.  Es  geschah 
dies  (nach  I  Makk.  4,  52)  am  25.  des  Monats  Kislev  im  Jahre  14& 
aer.  Sei  =  December  165  v.  Chr.,  gerade  an  demselben  Tage,  an 
welchem  drei  Jahre  zuvor  zum  erstenmale  der  Altar  durch  heid- 
nisches Opfer  entweiht  worden  war  ^'^).  Acht  Tage  hindurch  dauer- 
ten die  Festlichkeiten;  und  es  ward  beschlossen,  alljährlich  durch 
Wiederholung  der  Feier  das  Andenken  an  jene  Ereignisse  zu  er- 
neuern^'). I 

Die  Wiedereinweihuug  des  Tempels  bildet  den  ersten  Abschnitt 
in  der  Geschichte  der  makkabäischen  Erhebung.  Bisher  waren  die 


p.  60—61  zwei  dunkle  Stellen  in  Megillath  Taanith  (§  17  u.  20),  wornach  die 
Steine  des  jüdischen  Altares  am  23.  Marcheschwan  (November),  die  des  heid- 
nischen etwas  später  am  3.  Kislev  (Dezember)  w^eggeschaff't  worden  wären. 
Die  Erklärung  beider  Stellen  ist  jedoch  fraglich.  Vgl.  auch  Schwab,  Actes 
du  onxieme  Congrcs  international  des  Orientalistes ,  Paris  1897,  IV««  Section, 
Paris  1898,  p.  213—215. 

60)  Das  Datum  des  25.  Kislev  als  des  Tages  der  Tempelweihe  giebt  auch 
Megillath  Taanith  §  23.    Vgl.  Derenbourg  p.  62.     Schwab  l.  c.  p.  216  s?. 

61)  Vgl.  überhaupt:  I  Makk.  4,  36—59.  Joseph.  Antt.  XII,  7,  6—7.  II  Makk. 
10,  1—8.  —  Von  hier  an  datirt  also  das  „Fest  der  Tempelweihe",  xa 
iyxaivia  Ev.  Juh.  10,  22.  Vgl.  Joseph.  Antt.  XII,  7,  7:  xal  i^  ixslvov  fiixQt 
öevQO  TTjV  soQTTjv  uyoftev  xaXovvxeq  avrrjv  (pöira  (weil  man  an  demselben 
Lichter  anzuzünden  pflegte,  vgl.  Baha  kamma  VI,  6  und  Maimonides).  Nach 
II  Makk.  10,  6  wurde  es  nach  Art  des  Laubhüttenfestes  gefeiert  und  heisst  daher 
II  Makk.  1,  9  geradezu  „das  Laubhüttenfest  des  Monats  Kislev".  Zur  Feier 
desselben  werden  in  den  beiden  dem  zweiten  Makkabäerbuch  vorangestellten 
Briefen  auch  die  ägj'ptischen  Juden  aufgefordert  (die  Literatur  darüber  s.  Bd.  III 
S.  363  f.).  Hebräisch  heisst  es  ns:n  Megillath  Taanith  §  23  (acht  Tage  lang 
zu  feiern).    Bikkurim  I,  6.    Posch  haschana  I,  3.     Taanith  II,  10.    Megilla  III, 

4.  6.  Mocd  kutan  III,  9.  Baba  kamma  VI,  0.  Eine  ausführliche  Beschreibung 
der  Feier  in  nachtalmudischer  Zeit  giebt  Maimonides,  Hilchoth  Megilla  tca- 
Chanukha  c.  III— IV  (im  dritten  Buche  seines  grossen  Werkes  Jad  ha-chasaka 
oder   Mischne  Tora,   deutsche  Uebersetzung,   Petersburg  1850—1852,   Bd.  II, 

5.  532-542);  Bodenschatz,  Kirchliche  Verfa.ssung  der  heutigen  Juden  II, 
248 — 251;  Schröder,  Satzungen  und  Gebräuche  des  talmudisch-rabbinischen 
Judenthums  (1851)  S.  159—163.  —  Beim  Synagogen-Gottesdienst  wurde  am  Cha- 
nukafest  Num.  7  gelesen  [Megilla  III,  6),  der  Fest-Psalm  ist  Ps.  30  (Tractat 
Soferim  XVIII,  2,  dazu  Joel  Müller,  Masechet  Soferim  1878,  S.  251).  Daher 
ist  Ps.  30  überschrieben  T'^'zTi  n:3n~iiir.  —  Vgl.  überh.  S.  Kr  aus  s,  La  fite 
dt  Hanoucca  [Revue  des  etudes  jtiives  t.  XXX.  1895,  p.  24—43,  204—219).  Dazu 
Lcvi,  ebendas.  XXX,  220—231.  XXXI,  1895,  p.  119  s^.  Krauss,  ebendas. 
XXXII,  1896,  p.  39—50.  Die  Artikel  „Kirchweihfest"  in  Win  er 's  EWB., 
Schenkel's  Bibellex.  (von  Dillmann)  und  Riehm's  Handwörterb.  des  Bibl. 
Altertums;  auch  Oehler  Art.  „Feste  der  Juden"  in  Herzog's  Real-Enc.  1.  Aufl. 
IV,  389,  2.  Aufl.  IV,  543  f.,  und  die  Commentare  zu  I  Makk.  4,  59  (Michaelis, 
Grimm,  Keil)  und  Ev.  Joh.  10,  22  (L i ght foo t  Bbrae  hebr.,  Wetstein  Am-. 
Test.,  Wolf  Curae  phil.  u.  A.). 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Anfl.  14 


210  §  5.  Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (165-161).  [162.  163] 

Kämpfe  der  Glaubenstreueu  stets  von  Erfolg  gekrönt  gewesen.  Von 
Sieg  zu  Sieg  hatte  Judas  die  Seinen  geführt.  Die  Zukunft  musste 
nun  beweisen,  ob  ihre  Kraft  ausreichend  und  ihre  Begeisterung 
nachhaltig  genug  war,  um  das  in  raschem  Lauf  Errungene  dauernd 
zu  behaupten. 


§  5.  Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (165—161  v.  Chr.). 

Quellen:  I  Makk.  5—9,  22.    II  Makk.  12—15. 

Josephtis,  Antt.  XII,  8 — 11.     Auszug  daraus:   Zonaras,   Annal.  IV, 

20—22. 
Megillath  Taanith  §  30  bei  Derenhourg ,  Histoire  p.  63. 
[Die  dem  Judas  von  de  Saulcy,  Recherchcs  p.  84  sg.  zugescliriebe- 

nen  Münzen  gehören  vielmehr  Aristobul  I,  s.  §  9]. 

Literatur:  Die  Werke  über  die   syrische  Geschichte  von  Foy-Vaillant, 

Froelich,  Clinton,  Flathe,  Stark  u.  A. 
Die  Untersuchungen  und  Commentare  über   die  Makkabäerbücher 

von  Wernsdorff,  Michaelis,  Grimm,  Keil  u.  A.  | 
Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV,  407-422. 
Herzfeld,  Geschichte  des  Volkes  Jisrael  II,  272—290. 
Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  395—421. 
Grätz,  Geschichte  der  Juden  Bd.  II,  2  S.  352—376. 
Renan,  Histoire  riu  peuple  d' Israel  IV,  1893,  p.  369  sqq. 
Wellhausen,     Israelitische    und    jüdische    Geschichte    2.   Aufl. 

S.  245—250.    4.  Aufl.  S.  261-266. 
H.Weiss,  Juda.s  Makkabäus,  ein  Lebensbild.  Freiburg  1897,  Herder. 
Art.  „Judas  Makk."  in  Wiuer's  RWB.  und  Schenkels  Bibellex. 

(letzterer  von  Fritzscbe). 

Während  der  nächsten  anderthalb  Jahre  nach  der  Wieder- 
einweiliung  des  Tempel's  (bis  Sommer  103  v.  Ohr.)  blieb  Judas 
Herr  von  Judäa.  Die  syrische  ( 'entralgewalt  kümmerte  sich  nicht 
um  die  dortigen  Dinge,  da  sie  anderweitig  in  Anspruch  genonmien 
war.  So  konnte  Judas  ungehindert  auf  Befestigung  seiner  Herr- 
schaft bedacht  sein.  Der  Tempelberg  wurde  mit  stjirken  Fest- 
ungswerken versehen.  An  der  Slldgrenze  Judäa's  wurde  Beth-zur, 
das  den  Schlüssel  zu  Judäa  bildete,  ebenfalls  stark  befestigt  und 
mit  ein<tr  jüdischen  Besatzung  belegt').  NumenMich  aber  wurden 
KriegHzüge  in  die  angrenzenden  Gebiete  unternommen,  theils 

\]  I  Makk.  4,  00-61.  Joneph.  Aitit.  Xll,  7,  7.  -  Both-zur  wird  in  der 
folgenden  Gotchichte  noch  oft  uJh  wiciitigcr  Punkt  erwähnt.  8.  die  oben  S.  207 
dtirton  Stellen. 


(1(53.  164]  §  5.   Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (165—161).  211 

,zum  Schutze  der  dort  wohnenden  Juden,  theils  zur  Befestigung  der 
eigenen  Macht.  Die  Edomiter,  Bajaniter  und  Amnioniter, 
die  sich  alle  feindlich  gezeigt  hatten,  wurden  nach  einander  ge- 
züchtigt 2). 

Bald  kamen  auch  Klagen  aus  Gilead  (also  dem  Ostjordan- 
land) und  aus  Galiläa  über  Verfolgungen,  welchen  die  dort  woh- 
nenden Juden  von  Seite  der  Heiden  ausgesetzt  waren.  Es  wurde 
beschlossen,  Beiden  Hülfe  zu  bringen.  Nach  Galiläa  zog  Simon 
mit  dreitausend  Mann,  nach  Gilead  Judas  mit  achttausend  Mann^). 
In  beiden  Fällen  war  es  nicht  auf  eine  dauernde  Eroberung  jener 
Landschaften  abgesehen.  Sondern  nachdem  Simon  gegen  die  Heiden 
in  Galiläa  „viele  Schlachten"  geliefert  hatte,  nahm  er  die  dortigen 
Juden  sammt  Weibern,  Kindern  und  aller  Habe,  und  führte  sie 
unter  grossem  Jubel  nach  Judäa,  wo  sie  sicher  geborgen  waren  ^). 
Ebenso  verfuhr  Judas  in  Gilead.  In  einer  Reihe  siegreicher  Kämpfe, 
namentlich  im  Norden  des  Ostjordanlandes,  warf  er  die  dortigen 
Stämme,  als  deren  Führer  ein  gewisser  Timotheus  erscheint,  nieder,  \ 
sammelte  dann  alle  Israeliten  in  Gilead,  Gross  und  Klein,  Weiber 
und  Kinder  mit  aller  Habe,  und  führte  sie  wohlbehalten,  nachdem 
er  sich  noch  bei  Ephron  (einer  sonst  nicht  bekannten  Stadt  des 
Ostjordanlandes)  den  Durchzug  hatte  erkämpfen  müssen,  über  Beth- 
sean  (Skythopolis)  nach  Judäa  ^). 

Für  die  Zeit  der  Abwesenheit  des  Simon  und  Judas  aus  Judäa 
war  die  Leitung  der  dortigen  Dinge  einem  gewissen  Joseph  und 
Asarja  übertragen  worden.    Beide  unternahmen  gegen  die   aus- 


2)  I  Makk.  5,  1—8.  Joseph.  Antt.  XII,  8,  1.  —  Die  edoiuitische  Landschaft 
Ak rabattine  I  M.  5,  3  hat  ihren  Namen  von  dem  Höhenzug  Akrabbim 
Nwn.  34,  4;  Josua  15,  3;  Jtidic.  1,  36,  und  ist  nicht  zu  verwechseln  mit  der 
bekannteren,  im  Norden  Judäa's  gelegenen  Toparchie  Akrabattene.  S.  darüber 
Bd.  II  S.  182. 

3)  I  Makk.  5,  9-20.    Joseph.  Antt.  XII,  8,  1—2. 

4)  I  MaJck.  5,  21—23.  Joseph.  Antt.  XII,  8,  2.  Zur  Erklärung  von  I  M.  5, 
23  vgl.  oben  S.  185. 

5)  I  Makk.  5,  24-54.  Joseph.  Antt.  XII,  8,  3-5.  Vgl.  II  Makk.  12,  10-31. 
Für  das  Geographische  vgl.  auch  Grätz,  Gesch.  der  Juden  II,  2,  S.  4.53—459. 
Furrer,  Zeitschr.  des  DPV.  XII,  1889,  S.  151.  Buhl,  ebenda«.  XIII,  1890, 
S.  41—43.  Furrer,  das.  S.  198ft".  van  Kasteren,  das.  S.  212ff.  Buhl 
Studien  zur  Topographie  des  nördlichen  Ostjordanlandes,  Leipzig  1894.  — 
Ephron  ist,  wie  Grätz  richtig  bemerkt,  wohl  identisch  mit  dem  von  An- 
tiochus  d.  Gr.  eroberten  rs(p(}Ovq  oder  retpQovv  [Polyb.  V,  70,  12).  So  auch 
Buhl,  Studien  S.  17f.,  der  den  Namen  in  dem  heutigen  Wad  el-Ghafr 
wiederfindet  und  die  Stadt  Ephron  in  der  Nähe  von  Irbid  sucht,  wo  noch 
heute  ein  Wachtthurm  [Kasr  Wad  el-Ohafr)  die  Stelle  beherrscht,  an  welcher 
die  grosse  Hauran- Strasse  das  Thal  überschreitet  {Schumacher,  Northern 
Adjhin  1890,  p.  179,  181). 

14* 


•212  §  5.  Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (165-161).  [164.  165] 

drückliche  Weisung  des  Judas  einen  Kriegszug  gegen  Janinia, 
wurden  aber  von  Gorgias  (der  also  seit  seiner  Niederlage  bei 
Emmaus  in  Pliilistäa  geblieben  war)  mit  empfindlichen  ^'erluste^ 
zurückgeschlagen.  Das  erste  Makkabäerbuch  unterlässt  nicht,  bei 
dieser  Gelegenheit  darauf  hinzuweisen,  dass  es  eben  die  Familie 
der  Makkabäer  war,  „durch  deren  Hand  die  Rettung  Israels  ge- 
schehen sollte"^). 

Judas  aber  setzte  seine  Kriegszüge  weiter  fort.  Er  zog  wieder 
gegen  die  Edomiter,  belagerte  und  zerstörte  Hebron;  zog  dann 
über  Marissa  (so  ist  I  M.  5,  66  statt  Samaria  zu  lesen)  ins  Land 
der  Philistäer,  überfiel  Asdod,  zerstörte  die  dortigen  Altäre  und 
Götterbilder  und  kehrte  mit  reicher  Beute  nach  Judäa  zurück"). 
Es  handelt  sich,  wie  man  sieht,  schon  nicht  mehr  um  den  Schutz 
des  jüdischen  Glaubens,  sondern  um  Befestigung  und  Ausdehnung 
der  jüdischen  Macht. 

Unterdessen  hatten  sich  auch  die  Dinge  im  syrischen  Reiche 
geändert.  Antiochus  Epiphanes  hatte  mit  seinen  Unterneh- 
mungen im  Osten  des  Reiches  ebensowenig  Glück  gehabt,  wie  seine 
Feldherren  in  Judäa.  Er  war  bis  in  die  Landschaft  Elymais  vor- 
gedrungen, war  aber,  nachdem  er  einen  vergeblichen  Versuch  ge- 
macht hatte,  I  die  reichen  Scliätze  eines  dortigen  Tempels  der  Ar- 
temis sich  anzueignen,  zum  Rückzug  nach  Babylon  gezwungen 
worden  und  unterwegs  in  der  persischen  Stadt  Tabä  im  J.  164 
vor  Chr.  (I  M.  6,  16:  149  aei-.  Sei.  =  164,163  V.  Chr.)  gestorben^). 

6)  I  Makk.  5,  18—19,  55—62.  Joseph.  Äntt.  XII,  8,  6.  Ueber  Jamnia  s. 
Hd.  n,  S.  98  f. 

7)  I  Makk.  5,  63—68.  Statt  Zanugftav  I  M.  5,  66  hat  Joseph.  Antt.  XII, 
8,  6  MuQiaaav,  ebenso  der  lateinische  Text  des  codex  Sanf/cttnanensis.  Vgl. 
auch  II  ^fnkk.  12,  35.  Marissa,  im  A.  T.  HCia,  ist  eine  sehr  bekannte  Stadt 
im  Süden  Judäa'.s,  damals  edoraitisch  {Anff.  XIII,  9,  1),  nach  Euseh.  Onomast. 
ed.  Lagardc  p.  279  in  der  Nfihe  von  Eleuthoropolis,  d.  h.  gerade  zwischen 
Hebron  und  Asdod.  Es  ist  dalier  die  vf)n  Joscplius  gebotene  Lesart  sicher 
die  richtige,  wie  z.  B.  schon  Grotius,  Rclnnd.  Michaeli«  angenommen  haben. 
Grimm  findet  zwar  die  Erwälinimg  eines  blossen  Diirclizugcs  durch  Marissa 
unmotivirt.  Dieser  Durchzug  wird  aber,  wie  Keil  mit  Hecht  bemerkt,  deshalb 
erwähnt,  weil  dort  eine  Anzahl  Priester  in  unüberlegtem  Kampf  ihren  Tod 
fanden  (5,  67).    Ueber  Asdod  s.  Bd.  II.  S.  96 f. 

8)  I  Makk.  0,  1—16.  Joseph.  Antt.  XII,  9,  1.  Poltjb.  XXXI,  11.  rorphi/rim 
bei  Hieron.  zu  Daniel  11,  44—45  {Iliernn.  opp.  ed.  Vallarsi  V,  722).  —  Statt 
der  Artemis  iPohjh.)  nennt  Appinn.  Syrinca  r.  06  die  Aphrodite.  Wegen  der 
Chronologie  vgl.  oben  H.  169.  —  Die  Erzählungen  des  zweiten  MakkabäcrbuclieH 
(1,  13—16  und  r.  9)  sind  Mngenluift.  Vgl.  darüber  Niese  a.  a.  0.  8.  Kl  f.  -- 
Herme«  35,  407f.  Willrich,  Judnicn  1900,  S.  142—144.  —  Einen  gewagten 
Vemuch,  y.ur  Bestimmung  de»  Orte«,  wo  Antiochus  starb,  dio  Angaben  bei 
Daniel  11,  45  herniiziiziehen,  macht  GrÄtz,  Monatsbchr.  für  Geschichte  und 
WiMenioh.  den  Judenth.  1S83,  H.  241-254. 


[165.  166]  §  5.   Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (165-161).  213 

Er  hatte  noch  vor  seinem  Ende  einen  seiner  FeldheiTen,  Phi- 
lip.pus,  zum  Reichsverweser  und  Vormund  seines  Sohnes  An- 
tiochus  V  Eupator  ernannt.  Statt  dessen  aber  bemächtigte  sich 
Lysias  der  Person  des  jungen  Königs  und  der  obersten  Gewalt 
im  Reiche^). 

Zum  Einschreiten  gegen  die  abtrünnigen  Juden  wäre  es  viel- 
leicht noch  lange  nicht  gekommen,  wenn  nicht  direct  von  Judäa 
aus  die  dringende  Aufforderung  dazu  nach  Antiochien  gelangt 
wäre.  Judas  belagerte  jetzt  (I  M.  6,  2U  :  150  aer.  Sei.  =  163  162  vor 
Chr.)  die  syrische  Besatzung  in  der  Burg  von  Jerusalem.  Einige 
von  der  Besatzung  entkamen  trotz  der  Belagerung  und  begaben 
sich  in  Verbindung  mit  Vertretern  der  griechischen  Partei  unter 
den  Juden  zum  König,  um  ihm  die  Nothwendigkeit  des  Ein- 
schreitens vorzustellen.  Namentlich  die  Vertreter  der  griechisch- 
jüdischen Partei  klagten  darüber,  wie  viel  sie  von  ihren  feindlichen 
Volksgenossen  zu  leiden  hätten:  dass  Viele  von  ihnen  getödtet,  ihre 
Habe  geraubt  worden  sei*^). 

Erst  jetzt  rattte  man  sich  in  Antiochia  wieder  zu  energischem 
Handeln  auf.  Lysias  selbst,  in  Begleitung  des  unmündigen  Königs, 
stellte  sich  an  die  Spitze  eines  gewaltigen  Heeres,  mit  welchem 
er  nach  Judäa  zog.  Er  griff  wieder  von  Süden  her  an  und  be- 
lagerte zuerst  Beth-zur.  Judas  sah  sich  genöthigt,  die  Belagerung 
der  Burg  von  Jerusalem  aufzuheben  und  dem  König  entgegen- 
zuziehen. Bei  Beth-sacharja,  zwischen  Jerusalem  und  Beth-zur, 
trafen  die  Heere  zusammen  ^  ^).  Es  zeigte  sich  alsbald,  dass  gegen- 
über ernstlichen  Anstrengungen  der  syrischen  Macht  die  Juden 
auf  die  Dauer  trotz  aller  Tapferkeit  nicht  im  Stande  waren,  sich 
siegreich  zu  behaupten.  Muthig  gingen  sie  in  den  Kampf.  Der 
eigene  Bruder  des  Judas,  Eleasar,  that  sich  vor  Allen  hervor: 
er  glaubte  den  Elephanten  entdeckt  zu  haben,  auf  welchem  der 
junge  König  sich  befand,  drängte  sich  vor,  stach  den  Elephanten 
nieder  und  wurde  von  der  Last  des  zusammenstürzenden  Thieres 
erdrückt.  Seine  Selbstaufopferung  und  alle  Anstrengungen  der  Juden 


9)  I  Makk.  6,  14—17.    Joseph.  Antt.  XII,  9,  2. 

lOj  I  Makk.  6,  18—27.    Joseph.  Antt.  XII.  9,  3. 

11)  BaiS-^ax«Qicc  I  3/.  6,  32,  nach  Joseph.  Antt.  XII,  9,  4  siebzig  Stadien 
von  ßetli-zur  (nach  Norden),  noch,  heute  Beit-Sakaria.  S.Robinson,  Neuere 
Forschungen  S.  371  f.,  Eaumer,  Palästina  S.  181.  6 uerin,  Judde  III,  316—319. 
The  Survey  of  Western  Palestine,  Memoirs  hy  Conder  and  Kitcliener  III,  35  sq. 
108,  dazu  Bl.  XVII  der  grossen  engl.  Karte.  Schick' s  Karte  der  weiteren 
Umgebung  von  Jerusalem  J  2  (Zeitschr.  des  DPV.  XIX,  1896 1,  dazu  Text 
a.  a.  0.  S.  175.  —  Unrichtig  identificirt  Ritter,  Erdkunde  XVI,  205—207 
Beth-sacharja  mit  edh-Dholieriyeh,  wornach  es  südwestlich  von  Hebron  liegen 
würde. 


214  §  5.  Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (165—161).  [166.  167] 

waren  aber  umsonst.  Das  jüdische  Heer  wurde  geschlagen,  und 
zwar  so  entscheidend,  dass  das  königliche  Heer  bald  darauf  vor 
den  Mauern  Jerusalems  erschien  und  den  Zion  (d.  h.  den  Tenipel- 
berg)  belagerte  '^j. 

Auch  Beth-zur  musste  sich  ergeben  und  erhielt  eine  syrische 
Besatzung.  Die  auf  dem  Zion  Belagerten  litten  aber  bald  Maugel 
an  Lebensmitteln,  da  wegen  des  Sabbathjahres  keine  Vorräthe 
vorhanden  waren  i^).  Die  völlige  Unterwerfung  der  Juden  schien 
nahe  bevorstehend,  als  plötzlich  Lysias  wegen  der  Vorgänge  in 
Syrien  sich  veranlasst  sah,  den  Juden  unter  milden  Bedingungen 
Frieden  zu  gewähren.  Jener  Philipp  us  nämlich,  welchen  Antiochus 
Epiphanes  zum  Eeichsverweser  und  Vormund  des  unmündigen 
Antiochus  V  eingesetzt  hatte,  war  im  Anzug  gegen  Antiochia, 
um  sich  der  Herrschaft  zu  bemächtigen.  Um  gegen  ihn  freie  Hand 
zu  haben,  gewährte  Lysias  den  Juden  eben  das,  worum 
bisher  gekämpft  worden  war:  die  freie  Ausübung  ihrer 
Religion.  Es  sollte  ihnen  fortan  gestattet  sein,  „nach  ihren 
Satzungen  zu  wandeln  wie  früher".  Unter  dieser  Bedingung  zogen 
die  auf  dem  Zion  Belagerten  ab;  die  Befestigungen  desselben 
wurden  geschleift  (angeblich  gegen  das  eidliche  Versprechen  des 
Königs).  Die  Unterwerfung  der  Juden  war  wiederher- 
gestellt, aber  mit  Erreichung  des  Zieles,  um  dessent- 
willen  sie  fünf  |  Jahre  zuvor  sich  gegen  die  syrische 
Herrschaft  erhoben  hatten'^). 

Das  Zugeständniss,  das  Lysias  und  Antiochus  V  den  Juden  im 
eigenen  Interesse  gemacht  hatten,  ist  von  keinem  der  folgenden 
Könige  aufgehoben  worden.  Keiner  ist  auf  den  tlua-ichten  Ein- 
fall des  Antiochus  Epiphanes,  die  Juden  gewaltsam  zu  ethnisiren, 


12)  I  Makk.  G,  28—48.  Joseph.  Antt.  XII,  9,  3—6.  Bi'U.  Jud.  I,  1,  5; 
II  Makk.  13,  1—17.  Die  Niederlage  wird  im  ersten  Makkabäerbuohe  (6,  47) 
nnr  sehr  schüchtern  angedeutet;  im  zweiten  Makkabäerbuch  ist  sie  sogar  in 
einen  Sieg  verwandelt II  S.  darüber  Grinnn,  Exeget.  Handb.  zu  I  Makk. 
8.  103,  zu  II  Mnkk.  S.  ini  f.  Dass  hier  das  erste  Makkabäerbuch  den  Vorzug 
verdient,  erkennt  auch  Niese  an  (Kritik  8.  77  —  Hermes  35,  490). 

13)  I  Makk.  6,  49-64.  Joseph.  Antt.  XII,  9,  5.  II  Makk.  13,  18-22.  Die 
Erwähnung  des  Sabbathjahres  (I  .V.  0,  49:  oxi  adßßaxov  ^v  xtj  yy,  0,  53: 
Ata  x6  VßSofiov  hog  tlvai)  zeigt  uns,  dass  die  ErcigniHHc  noch  in  das  J.  163 
V.  Chr.  fallen.  Denn  das  Jahr  150  aw.  Set.  (in  welchem  wir  uns  nadi  I  .1/.  Li, 
20  Vgl.  mit  7,  1  befinden)  läuft  nach  der  Rechnung  des  ersten  Miikkuhäcrbuches 
von  Frtilijalir  103  bis  Frühjahr  162  v.  Chr.  Das  Sabbathjalir  nhvr  beginnt 
immer  im  Herbint  (Müehna  Rasch  haschana  I,  1).  Da  nun  Ixnits  Mangel  im 
Lebensmitteln  eingetreten  war,  so  muss  es  die  zweite  Hälfte  des  SnhbutlijaliroH 
ggweeen  mId,  nachdem  im  Winter  und  Frühjahr  die  Felder  nicht  bestellt  worden 
waren;  also  Sommer  103  v.  Chr. 

14)  I  yiakk.  8,  65-02.    Joseph.  Amt.  XII.   l»,  0-7.    II  Mnkk.  13,  23-20. 


[167.  168]  §  5.  Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (165—161).  215 

zurückgekommen.  Der  jüdische  Cultus,  der  durch  Judas  den 
Makkabäer  wiederhergestellt  worden  war,  hat  auch  in  allen 
Wechselfällen  der  folgenden  Zeit  im  Wesentlichen  unangetastet 
fortbestanden.  Dies  ist  wohl  zu  beachten,  um  ein  richtiges  Urtheil 
über  die  folgenden  Kämpfe  zu  gewinnen.  Das  Ziel  des  Kampfes 
ist  jetzt  ein  anderes,  als  bisher.  Es  handelt  sich  nicht 
mehr  um  den  Bestand  der  Religion,  sondern  —  wie  einst 
in  der  Vorgeschichte  der  raakkabäischen  Erhebung  —  um  die 
Herrschaft  der  griechenfreundlichen  oder  der  nationalen 
Partei  innerhalb  des  jüdischen  Volkes  selbst.  Es  ist 
wesentlich  ein  innerjüdischer  Kampf,  an  welchem  sich  die 
syrischen  Oberherren  nur  insofern  betheiligten,  als  sie  bald  diese, 
bald  jene  der  beiden  jüdischen  Parteien  unterstützten  und  an  die 
Spitze  der  Landesregierung  stellten.  In  gewissem  Maasse  kamen 
dabei  freilich  auch  die  religiösen  Interessen  in  Betracht.  Denn 
die  griechische  Partei  ging  in  ihrer  Befijrderung  des  griechischen 
Wesens  weiter,  als  es  ihren  nationalen  Gegnern  mit  der  Religion 
Israels  vereinbar  schien.  Aber  das  Fundament  stand  doch  nicht 
mehr  in  Frage  *^). 

Durch  die  Ereignisse  der  letzten  Jahre  war  die  griechenfreund- 
liche Partei  in  Judäa  von  der  Leitung  der  Geschäfte  verdrängt, 
ja  überhaupt  unterdrückt  worden.  Thatsächlich  stand  Judas  an 
der  Spitze  des  jüdischen  Volkes  '^).  Es  ist  begreiflich,  dass  die 
Gegen  partei  diese  Thatsache  nicht  ruhig  hinnahm,  sondern  ihrer- 
seits wieder  Anstrengungen  machte,  an's  Ruder  zu  kommen.  Es 
geschah  das  aber  erst,  nachdem  in  Syrien  abermals  ein  Thron- 
wechsel eingetreten  war.  Antiochus  V  und  Lysias  hatten 
zwar  jenen  Philippus,  der  ihnen  die  Herrschaft  streitig  machen 


15)  Vgl.  Wellhausen,  Pharisäer  und  Saddueäer  S.  84:  „Das  Jahr  162 
ist  das  eigentliche  Ende  des  jüdischen  Religionskrieges.  Hinterher  ward  nicht 
mehr  um  den  Glauben,  sondern  um  die  Herrschaft  gestritten." 

16)  Wer  seit  Wiederherstellung  des  Cultus  das  hohepriesterliche  Amt 
verwaltet  hat,  geht  aus  dem  ersten  Makkabäerbuch  nicht  hervor.  Nominell 
war  noch  Menelaus  Hoherpriester,  der  erst  von  Antiochus  V  Eupator  eben 
damals,  als  dieser  den  Juden  die  entscheidenden  Concessionen  machte,  hin- 
gerichtet worden  sein  soll,  und  zwar  deshalb,  weil  Menelaus  durch  seine 
schlechten  Rathsehläge  indirect  die  Empörung  der  Juden  verschuldet  habe 
{Joseph.  Antt.  XII,  9,  7.  Vgl.  II  Makk.  13,  3—8).  Menelaus  konnte  aber  natür- 
lich während  der  factischen  Herrschaft  des  Judas  keine  hohenpriesterlichen 
Functionen  ausüben.  Sollte  etwa  Onias  IV,  der  Sohn  Onias'  III,  fungirt 
haben,  der  nach  Josephus  beim  Tode  seines  Vaters  noch  unmündig  gewesen 
war  [Antt.  XII,  5,  1),  und  der  eben  jetzt  nach  Aegypten  ging,  weil  nach  der 
Hinrichtung  des  Menelaus  nicht  ihm,  sondern  dem  Alkimus  das  hohepriester- 
liche Amt  übertragen  wurde  {Antt.  XII,  9,  7)? 


216  §  ö.   Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (165—161).  fl68] 

wollte,  nach  kurzem  Kampfe  überwältigt  i').  Aber  bald  wurden 
sie  selbst  durch  einen  neuen  Thronprätendenten  aus  dem  Wege 
geschafft.  Demetrius  I,  nachmals  mit  dem  Beinamen  Soter  — 
der  Sohn  des  Seleucus  IV  Philopator,  also  Neffe  des  Antiochus 
Epiphanes  und  Vetter  des  Antiochus  Eupator  —  der  bisher  als 
Geisel  in  Rom  gelebt  und  den  römischen  Senat  vergeblich  um  die 
Erlaubniss  zur  Rückkehr  in  seine  Heimath  ersucht  hatte,  wusste 
von  dort  heimlich  zu  entkommen  und  landete  in  Tripolis  an  der 
phönicischen  Küste  ^^).  Es  gelang  ihm  bald,  sich  einen  Anhang 
zu  verschaffen^^);  ja  die  eigenen  Kriegsleute  des  Königs  Antiochus 
lieferten  diesen  und  seinen  Vormund  Lysias  dem  Demetrius  aus. 
Auf  dessen  Befehl  wurden  beide  ermordet  und  Demetrius  ward 
König,  162  v.  Chr."^^).  Der  römische  Senat  war  anfangs  über  die 
Flucht  des  Demetrius  sehr  bestürzt;  doch  wusste  sich  Demetrius 
auch  von  seiner  Seite  bald  die  Anerkennung  als  König  zu  ver- 
schaffen ^i). 

Bald  nach  dem  Regierungsantritt  des  Demetrius  machten  nun 
die  Häupter  der  hellenistisch-jüdischen  Partei,  an  ihrer  Spitze  ein 
gewisser  Alkimus  (oder  wie  sein  hebräischer  Name  eigentlich 
lautete  Jakim)^-^)  Vorstellungen  beim  König  wegen  ihrer  Unter- 
drückung durch  die  Partei  des  Judas.  Judas  und  seine  Brüder 
hätten  gerade  die  Anhänger  des  Königs  getödtet  oder  aus  dem  Lande 
vertrieben.  Dieser  Gesichtspunkt  schlug  natürlich  bei  Demetrius 
durch.  Alkimus  wurde  zum  Hohenpriester  ernannt,  und 
gleichzeitig  ein  syrisches  Heer  unter  Führung  des  Bacchides  nach 
Judäa  geschickt,  um  den  Alkimus  nöthigenfalls  mit  Gewalt  in  sein 
Amt  einzusetzen  23). 


17)  I  MaJck.  6,  03.    Joseph.  AtUt.  XII,  9,  7. 

18)  FmscI).  Cfirm.  ed.  Schoene  I,  254  (— =  SyncelL  ed.  Dindorf  I,  550  sqX 
II  Makk.  14,  1. 

19)  Justin.  XXXIV,  3:  Delatus  in  Syriam  secumio  farore  omnium  excipitur. 

20)  I  ^fnkk.  7,  1-4.  Joseph.  Ayitt.  "xil,  10,  1.  IT  Makk.  14,  1-2.  Livius 
Epit.  XLVI.     Appian.  Syr.  c.  47.     Wegen  der  Chronologie  s.  oben  S.  170  f. 

21)  Polyh.  XXXI,  23.    XXXII,  4. 

22)  Joseph.  Antt.  XII,  9,  7:  ''Akxt(AO<:  o  xal  'laxetfiOi;  xk7]{hi<:.  In  der  Ueber- 
»k'ht  Antt.  XX,  10  nennt  JosephuH  ihn  nur  'Idxitxoq.  Auch  im  Text  des  ersten 
MÄkkabfierbucbe«  I  M.  7,  5.  12.  20.  21.  23.  25,  und  e.  9,  54-57,  sowie  II  Makk. 
14,  3,  haben  verHchiedcne  HundHchriften  den  Zusatz  b  xal  ^laxifioi. 

23;  I  Makk.  7,  5—9.  Josqth.  Anlf.  XII.  10,  1-2.  II  Makk.  14,  3-lU.  — 
Vtu:h  Joseph.  AtUt.  XII,  9,  7  wäre  AlkimuH  «cbon  von  Antiochus  V  Euputor 
tum  Uohenprie«ter  ernannt  worden.  Nach  II  Makk.  14,  3  (f.  soll  er  l)ereitH 
früher  einninl  Hohcrf)rieMter  geweuen  »ein.  Vgl.  Ober  ihn  überh.  Wilckon  in 
I'nuly-WJHHowu'H  Hcal-Knc  I,  1643.  Hvf/y  in;  Cheyuc  aml  Black,  Kncyclopaedia 
JMiiru  I,  Klüfl. 


[169.  170]  §  5.    Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (165-161).  217 

Es  ist  für  die  Bestrebungen  der  Makkabäer  sehr  charakteristisch, 
wie  die  Dinge  sich  nun  weiter  entwickelten.  Der  Widerstand  gegen 
Alkimus  von  Seite  der  streng-jüdischen  Partei  war  keineswegs 
ein  allgemeiner.  Infolge  der  beruhigenden  Zusicherungen,  welche 
ergab,  wurde  er  gerade  von  den  Vertretern  der  strengsten 
Eichtung,  von  den  Schriftgelehrten  und  den  „Frommen" 
(Aoiöaioi  IM.  7,  13)  als  legitimer  Hoherpriester  aus  dem 
Geschlechte  Aaron's  anerkannt.  Nur  Judas  und  sein  An- 
hang verharrten  im  Widerstände.  Sie  trauten  den  Zusagen  des 
Alkimus  nicht  und  glaubten  ihre  religiösen  Interessen  nur  dann 
gesichert,  wenn  sie  auch  die  Herrschaft  hätten  2^). 

Der  Erfolg  hat  gezeigt,  dass  sie  nicht  Unrecht  hatten.  Eine 
der  ersten  Thaten  des  Alkimus  war,  dass  er  sechzig  Mann  von  der 
Partei  der  Asidäer  hinrichten  liess.  Das  flösste  zwar  Furcht  und 
Schrecken  ein,  schärfte  aber  auch  wieder  den  Gegensatz.  Trotz- 
dem hielt  Bacchides  seine  Anwesenheit  in  Judäa  nicht  mehr  für 
nüthig.  Indem  er  eine  Militärmacht  zum  Schutze  des  Alkimus  in 
Judäa  liess,  kehrte  er  selbst  nach  Syrien  zurück.  So  waren  nun 
Alkimus  und  Judas  im  Wesentlichen  darauf  angewiesen,  ihre 
eigenen  Kräfte  gegen  einander  zu  messen.  Der  ofiene  Kampf 
zwischen  beiden  Parteien,  der  nun  begann,  schien  aber  mehr  und 
mehr  sich  zu  Gunsten  der  Makkabäer  zu  neigen,  so  dass  Alkimus 
sich  genöthigt  sah,  zum  König  zu  gehen  und  um  neue  Unterstützung 
zu  bitten  2^). 

Demetrius  sandte  nun  einen  andern  Feldherrn,  den  Nikanor, 
abermals  mit  einem  grossen  Heere  nach  Judäa.  Nikanor  suchte  zu- 
nächst durch  List  sich  der  Person  des  Judas  zu  bemächtigen.  Allein 
Judas  erhielt  davon  Kunde,  und  der  Anschlag  misslang.  Darauf 
kam  es  bei  Kapharsalama^*^)  zu  einem  Trefl'en,  das  für  |  Nikanor 


24)  I  MaJck.  7,  10—15.  Joseph.  Antt.  XII,  10,  2.  Das  zweite  Makkabäer- 
buch  (II  M.  14,  6)  identificirt  fälschlich  die  Asidäer  mit  der  Partei  des  Judas. 
S.  darüber  Wellhausen,  Pharisäer  und  Sadducäer  S.  79  fF. 

25)  I  Makk.  7,  16—25.  Joseph.  Antt.  XII,  10,  2—3.  Ueber  das  I  M.  7,  19 
erwähnte  Bezeth  s.  Schlatter,  Zeitschr.  des  DPV.  XIX,  225. 

26)  Die  Lage  des  Ortes  ist  unbekannt.  Die  Ausleger  des  ersten  Makka- 
bäerbuches  (Michaelis,  Grimm,  Keil  zu  I  M.  7,  31)  setzen  ihn  südlich  von 
Jerusalem,  „da  Nikanor  nach  dem  Verluste  der  Schlacht  sich  nach  Jerusalem 
und  dann  nach  Beth-horon  zurückzieht"  (Keil).  Dieser  Grund  ist  aber  nicht 
zwingend.  Eine  wirkliche  Niederlage  hat  Nikanor  bei  Kapharsalama  gar  nicht 
erlitten,  da  sein  Verlust  nur  500  Mann  betrug  (so  ist  I  M.  1,  32  zu  lesen  statt 
vulfj.  5000).  Man  kann  sich  die  Sache  daher  so  vorstellen,  dass  Nikanor,  nach- 
dem er  bei  Kapharsalama  nichts  Entscheidendes  gegen  Judas  ausgerichtet 
hatte,  sich  zunächst  Jerusalems  versichern  wollte,  wo  er  an  der  Besatzung  der 
Burg  einen  Rückhalt  hatte.     Unter  diesen  Umständen   steht  nichts  im  Wege, 


218  §  5.  Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (165—161).  [170] 

ungünstig  verlief.  Er  kam  dann  nach  Jerusalem  und  liess  dort 
seine  Wuth  an  den  unschuldigen  Priestern  aus.  Während  sie 
ihn  ehrerbietig  begrüssten,  verspottete  und  verlachte  er  sie  und 
drohte,  wenn  ihm  nicht  Judas  und  sein  Heer  ausgeliefert  würden, 
bei  seiner  siegreichen  Wiederkehr  den  Tempel  den  Flammen  preis- 
zugeben 2"). 

Darauf  rückte  er  wieder  aus  in  die  Gegend  von  Beth-horon 
(nordwestlich  von  Jerusalem),  wo  er  Verstärkungen  aus  Syrien  an 
sich  zog.  Judas  lagerte  ihm  gegenüber  bei  Adasa^s).  Am  13.  Adar 
161  vor  Chr.  kam  es  zum  Entscheidungskampf,  der  mit  einer 
völligen  Niederlage  der  Syrer  endigte.  Nikanor  selbst  fiel  im  Ge- 
tümmel. Als  seine  Leute  dies  sahen,  warfen  sie  die  Waffen  weg 
und  ergriffen  eilig  die  Flucht.  Die  Juden  jagten  ihnen  nach,  um- 
ringten sie  und  machten  sie  (wie  wenigstens  das  erste  Makkabäer- 
buch  behauptet)  bis  auf  den  letzten  Mann  nieder.  Jedenfalls  muss 
der  Sieg  ein  gewaltiger  und  entscheidender  gewesen  sein.  Denn 
zum  Andenken  an  denselben  wurde  von  der  Zeit  an  der  1 3.  Adar 
(ungefähr  unserm  März  entsprechend)  alljährlich  als  „Nikanor  stag'^ 
festlich  begangen  '^^).  \ 


Kapharsalama  nordwestlich  von  Jerusalem  zu  setzen  und  es  mit  dem  im 
11.  Jahrhundert  erwähnten  Carvasalim  bei  Ramleh,  nicht  weit  von  Lydda,  zu 
identificiren  (so  Robinson,  Pal.  II,  255;  Ewald  IV,  419).  Ein  ö^ü  "iBD  auch 
im  Talmud  {Reland,  Pal.  p.  690;  Neubauer,  O^of/raphie  du  Talmud  p.  173),  und 
bei  arabischen  Geographen  (Gildemeister,  Zeitschr,  des  DPV  VIT,  170.  Guij 
le  Strange,  Palest  ine  under  the  Moslems  p.  471  59.). 

27)  I  Makk.  7,  26—38.    Joseph.  Antt.  XII,  10,  4-5.    II  Makk.  14,  11—36. 

28)  *Adaad  I  M.  7,  40.  45,  nach  Joseph.  Antt.  XII,  10,  5  dreissig  Stadien 
von  Beth-horon,  vermuthlich  identisch  mit  demkrfaaa  in  der  Nähe  von  Gophna, 
welches  Eusebius  kennt  {Onomast.  ed.  Lagarde  p.  220:  xal  ^avt  vvv  xatfirj  iyyvg 
rov<fv<5v).  Es  lag  also  nordöstlich  von  Beth-horon.  Verschieden  davon 
ist  das  gleichnamige  nt^nn  im  Stamme  Juda  (Jbswa  15,  37,  Mischna  ErulnnY,  6), 
dji«,  eben  weil  es  zum  Stamme  Juda  gehörte,  nicht  in  der  Nähe  von  Gophna 
gelegen  haben  kann,  wie  Eusebius  irrig  annimmt  (s.  dagegen  schon  Hieronymus, 
Onomast.  ed.  Lagarde  p.  93).  V^gl.  die  Artikel  „Adusa"  und  „Hadasa"  in  den 
Wörterbüchern  von  Winer,  Schenkel  und  Itiehm.  —  Mit  unserem  Adnsa 
wird  von  Manchen  eine  RuinenBtätte  Khirbd  Adasa  an  der  grossen  Strasse 
nördlich  von  Jerusalem  identiflcirt  [Oufrin,  Jtulie  III,  5—6,  The  Sttrvcg  uf 
Wettern  Palestine,  Memotrs  l»/  Conder  and  Kitchener  III,  30.  105  s^.,  dazu 
Bl.  XVII  der  engl.  Karte.  G.  A.  Smith,  Historical  Oeographg  jk  291).  Die 
Identität  »cheint  mir  sehr  fraglich,  da  Khirbet  Adasa  etwa  sechzig  Stadien 
von  Beth-horon,  und  nicht  gegen  Gophna,  sondern  in  südöstlicher  Richtung 
Hegt.  —  Clermont-Oanneau,  Archacological  Uesearches  in  Palestine  II 
p.  1ü$q.  sucht  AdoKa  in  Hadetheh,  zwischen  Beth-horon  und  Gcser,  3(t  Stadien 
voD'enterem  entfernt,  unter  Berufung  auf  1  M.  7,  45.  Aber  aus  dieser  Stelle 
folgt  nicht,  dniis  Adnua  zwischen  Beth-horon  und  Gesor  lag. 

29)  I  Makk.  1,  89-50.     Jo$eph.  Antt.   XII.   10,   5.     II  Makk.  15,   1-36. 


[171]  §  5.   Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (165—161).  219 

Judas  war  hiermit  aufs  Neue  Herr  der  Situation.  In 
diese  Zeit  verlegt  Josephus  den  Tod  des  Alkimus  und  datirt  von 
da  an  das  Hohepriesterthuni  des  Judas.  Allein  der  Tod  des  Alki- 
mus fällt  nach  dem  ersten  Makkabäerbuche  erheblich  später;  und 
dass  Judas  überhaupt  hohepriesterliche  Functionen  ausgeübt  hat, 
ist  sehr  uuAvahrscheinlich  ^o). 

Das  Richtige  an  der  Auffassung  des  Josephus  ist  aber  dies, 
dass  Judas  nun  thatsächlich  an  der  Spitze  des  jüdischen  Gemein- 
wesens stand.  Und  es  war  sein  bewusster  Plan,  sich  oder  wenigstens 
seine  Partei  dauernd  in  dieser  beherrschenden  Stellung  zu  be- 
haupten. Die  Ereignisse  hatten  ihn  aber  gelehrt,  dass  dies  nur 
möglich  sei  unter  völliger  Loslösung  vom  syi'ischen  Reiche.  Der 
syrische  König  hatte  ja  eben  mit  Waffengewalt  der  gegnerischen 
Partei  die  Herrschaft  in  Judäa  sichern  wollen.  Es  galt  also,  das 
syrische  Joch  überhaupt  abzuschütteln.  Um  dies  zu  erreichen, 
wandte  Judas  sich  an  die  Hülfe  der  Römer.  Diese  waren 
seit  den  Kämpfen  mit  Antiochus  dem  Grossen  (192 — 189  v.  Chr.) 
an  den  Vorgängen  im  syrischen  Reiche  aufs  Lebhafteste  inter- 
essirt  und  überwachten  dieselben  mit  argwöhnischem  Auge.  Wieder- 
holt griifen  sie  mit  ihrem  Machtspruch  in  die  Angelegenheiten 
Syriens  ein  ^i).    Alle  centrifugalen  Bestrebungen  daselbst  konnten 


Megillath  Taanith  §  30  (bei  Derenbonrg  p.  63;  Schwab,  Actes  du  onxieme 
Congres  des  Orientalistes,  IVwe  Seetion,  1898,  p.  219  sq.).  —  Das  Jahr,  in  wel- 
ches die  Niederlage  des  Nikanor  fällt,  wird  im  I.  Makkabäerbuch  nicht  direct 
angegeben,  kann  aber  nach  I  M.  7,  1  vgl.  mit  9,  3  nur  das  Jahr  151  aer.  Sei. 
=  162/161  vor  Chr.  sein.  Der  Adar  151  «er.  Sei.  ist  aber  =  März  161  vor  Chr. 
Das  Bedenken,  welches  gegen  diese  Datirung  in  der  1.  Aufl.  dieses  Buches 
geltend  gemacht  wurde  (dass  dann  für  die  Ereignisse  seit  dem  Regierungs- 
antritt des  Demetrius  der  Zeitraum  zu  kurz  sei),  kann  ich  nicht  mehr  als 
stichhaltig  anerkennen. 

80)  Ueber  den  Tod  des  Alkimus  s.  I  'Slalh.  9,  54—56.  Ueber  das  Höh e- 
priesterthum  des  Judas:  Joseph.  Antt.  XII,  10,  6.  11,  2.  An  sich  wäre 
es  nicht  undenkbar,  dass  Judas  auch  die  hohenpriesterlichen  Functionen  usur- 
pirt  hätte.  Aber  das  erste  Makkabäerbuch  sagt  davon  nichts;  auch  war  in  der 
Person  des  OniasIV  (s.  oben  S.  215)  ein  legitimer  Prätendent  vorhanden,  der 
doch  wohl  von  Judas  als  solcher  respectirt  worden  ist.  Josephus  selbst  sagt  an 
einer  anderen  Stelle  ausdrücklich,  dass  nach  dem  Tode  des  Alkimus  das  hohe- 
priesterliche Amt  sieben  Jahre  lang  unbesetzt  geblieben  sei  {Antt.  XX,  10: 
öieös^axo  6a  ovötlq  avxov,  dXXu  öiexäXeoev  rj  nöXiq  ivtavroig  knrä  x<"qIq  «Vz'f* 
(}e(og  ovaa).  Hiermit  fallen  von  selbst  auch  die  Ausführungen  von  Wieseler 
(Stud.  u.  Krit.  1877,  S.  293— 298)  und  Grätz  (Gesch.  der  Juden  II,  2  S.  .365  fi". 
Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1883,  S.  1—6). 

31)  So  wurde  Antiochus  Epiphanes  durch  Popilius  Länas  zum  Auf- 
geben Aegypten's  genöthigt  (s.  oben  S.  197).  Nach  dem  Tode  des  Antiochus 
Epiphanes  verlangte  der  römische  Senat  von  Antiochus  Eupator  und  seinem 


220  §  5.   Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (165—161).  [171.  172] 

von  vornherein  ihrer  Unterstützung  gewiss  sein.  Es  war  daher 
sehi'  naheliegend,  dass  Judas  den  Versuch  machte,  mit  Hülfe  der 
Kömer  die  momentan  errungene  Freiheit  sich  dauernd  zu  sichern. 
In  anschaulicher  Weise  schildert  uns  das  erste  Makkabäerbuch, 
wie  Judas  von  den  Thaten  und  der  Macht  der  Römer  gehört  hatte ; 
und  wie  ihn  dies  veranlasste,  um  ihre  Hülfe  nachzusuchen.  Gerade 
die  Incorrectheiten,  die  dabei  mit  unterlaufen,  vergegenwärtigen 
uns  deutlich  das  Maass  dessen,  was  man  damals  in  Judäa  von  den 
Römern  wusste.  Judas  sandte  also  zwei  Männer  seiner  Partei,  den 
Eupolemus,  Sohn  des  Johannes,  und  den  Jason,  Sohn  des  Eleasar, 
als  G-esandte  nach  Rom  (ersterer  vielleicht  identisch  mit  dem 
Eupolemus,  den  wir  als  hellenistischen  Schriftsteller  kennen,  s.  Bd. 
III  S.  351 — 354).  Das  Ziel,  welches  er  dabei  im  Auge  hatte,  war 
ausgesprochenermassen  die  Abschüttelung  des  syrischen  Joches 
(I  M.  8,  18:  rov  agai  xov  ^vyov  ajc  avrcäv).  Der  römische  Senat 
schenkte  den  jüdischen  Gesandten  gerne  Gehör;  und  es  kam  ein 
Freundschaftsvertrag  zu  Stande,  dessen  wesentlichste  Be- 
stimmungen die  waren,  dass  die  Juden  den  Römern  und  ebenso 
die  Römer  den  Juden  im  Kriegsfalle  Beihülfe  leisten  sollten,  jedoch 
nicht  unter  ganz  gleichen  Bedingungen,  und  in  jedem  Falle,  „wie 
es  die  Umstände  erforderten"  (I  M.  8,  25  u.  27:  oog  av  6  xaiQog 
vjtoyQa^fj).  Es  lag  also  ziemlich  im  Belieben  der  Römer,  wie  weit 
sie  sich  dadurch  gebunden  erachten  wollten-'-). 


Vormunde   Lysias   bedeutende  Reduction   der    syrischen   Streitkräfte    [Pohjb. 
XXXI,  12.    Ajrpian.  Syriaca  c.  46). 

32)  I  MaJck.  c.  8.  Joseph.  Antt.  XII,  10,  6.  —  Ein  älinlicher  Freundschafts- 
vertrag  zwiHcheu  Rom  und  Astypalüa  vom  J.  105  vor  Clir.  ist  durcli  eine 
Inschrift  bekannt,  Corp.  Inscr.  dracc.  n.  2485  -^  Ini^criptiones  Oraecac  insu/a- 
rum  fnsc.  III,  1898,  n.  173  (auch  bei  Ricks,  Manual  of  greek  historicaliiiscn'p- 
tions,  Oxford  1882,  p.  347—349).  —  Zur  Erläuterung  und  Beurthciluug  von 
I  Makk.  8  vgl.  ausser  den  Commentareu  (Michaelis,  Grimm,  Keil)  bes.: 
Grimm,  Zeitschr.  für  wissenschaftl.  Theol.  1874,  8. 231—238  (mit  Mittheilungen 
von  Mommsen)  und  Mendelssohn  in  llitschl's  Acta  societatis  philologae 
Lipsieruis  t.  V,  1875,  p.  91 — 100.  —  Während  noch  Mommsen  und  Men- 
delssohn keine  Bedenken  gegen  die  Echtheit  des  Vertrages  I  .1/.  8,  23—30 
hutt<;n,  wird  dicselbo  neuerdings  bestritten.  Am  weitesten  geht  in  der  radi- 
kalen Kritik  Will  rieh,  indem  er  alle  diplomatischen  nczicliungiMi  zwischen 
Juden  und  lÜinirrn  zur  Zeit  der  drei  makkabüisciicn  Hrüder  Judas,  Jonathan 
und  Bimon  aus  der  (tcHchichte  streicht  und  dioselben  erst  unter  Johannes 
Hyrkan  I  beginnen  lässt  (Judaica  19(X),  S.  62—85).  Dies  ergiebt  sich  für  ihn 
auH  der  Bemerkung  in  dem  Erlasse  Cäsars  (^Antt.  XIV,  10,  6),  dass  die  Juden 
Jope  liesassen,  seitdcni  sie  mit  den  It<"tniern  in  frcnndsciiaftlicher  Beziehung 
Mtnnden  i'lonnrjv  re  noXtv,  ijv  on'  dQx^i<i  l'ox"^  ^^  'lonialoi  noiovfxtvot  xijv  rtQog 
^IhitfialovQ  <n).luv,  avxujv  flvai  xaOux;  xal  r6  Tutuitov).  Jope  ist  nun  allenlingM 
erst  nnt<'r  Jonathan  in  jüdisciien  Besitz  gekonunen.  Eben  darum  aber  trid't 
dan  Argument  für  die  Zelt  äimons  jedenfalls  nicht  zu.    Es  trifft  aber  über- 


[172.  173]  §  5.   Die  Zeit  Judas'  des  Makkabäers  (1G5-161).  221 

Gleichzeitig  mit  dem  Abschluss  dieses  Vertrages  erliessen  die 
Römer  ein  Schreiben  an  Demetrius,  worin  sie  ihm  jedes  feind- 
liche Vorgehen  gegen  die  Juden,  als  die  Bundesgenossen  der  Römei-, 
untersagten  ^^).   Ihr  Machtspruch  kam  zu  spät.    Demetrius  handelte 
so  rasch  und  energisch,   dass  die  Katastrophe  des  Judas  bereits 
vollendet  war,  ehe  von  einem  Einschreiten  der  Römer  die  Rede  sein 
konnte  ^^).    Unmittelbar   nachdem  er  die  Nachricht  von  dem  Tod 
und  der  Niederlage  des  Nikanor  erhalten   hatte,   sandte  er  eine 
grosse  I  Streitmacht  unter  Bacchides  nach  Judäa,  welche  bereits 
im  ersten  Monat   des  Jahres  152  aer.  Sei  =  April  161   vor  Chr. 
(I  M.  9,  3),   also  nur  ein   bis  zwei   Monate   nach  dem  Falle   des 
Nikanor,  in  der  Nähe  von  Jerusalem  eintraf  3^).    Bacchides  lagerte 
bei  Berea  (Beerzath,   Berzetho),  Judas  bei  Elasa  (auch  Eleasa 


haupt  nicht  zu,  denn  jene  Stelle  beweist  nur,  dass  die  Juden  dem  Cäsar  vor- 
stellten, Jope  sei  ihr  alter  und  rechtmässiger  Besitz.  Subtile  historische 
Untersuchungen  über  die  Berechtigung  dieses  Anspruchs  wird  Cäsar,  der 
Judenfreund,  schwerlich  angestellt  haben.  Andererseits  entspricht  die  Er- 
zählung des  I.  Makkabäerbuches  über  die  Beziehungen  des  Judas  zu  den 
Römern  so  sehr  der  geschichtlichen  Situation,  dass  zu  Zweifeln  darüber  kein 
Anlass  vorliegt.  Etwas  anderes  ist  die  Frage  nach  der  Echtheit  des  Vertrages 
I  M.  8,  23 — 30.  Diese  wird  z.  B.  auch  von  Niese  bestritten,  der  im  Uebrigen 
die  Beziehungen  des  Judas  zu  den  Römern  für  historisch  hält  (Kritik  S.  88  f. 
=  Hermes  35,  501  f.).  Wenn  man  aber  bedenkt,  dass  zwischen  dem  Original 
und  dem  uns  vorliegenden  Wortlaut  das  Zwischen-Glied  einer  hebräischen 
Uebersetzung  liegt,  so  sehe  ich  nicht,  welche  Gründe  gegen  die  Echtheit  ent- 
scheiden sollen.  Für  dieselbe  dürfte  namentlich  sprechen,  dass  die  Vertrags- 
bestimmungen zum  Nachtheil  der  Juden  ungleich  sind  (Grimm, 
Zeitschr.  f.  w.Th.  1874,  234).  Will  rieh  selbst  hält  übrigens  die  Urkunde  für 
echt,  setzt  sie  aber,  weil  sie  bei  Josephus  {Äntt.  XII,  10,  6)  nach  dem  „Hohen- 
priester Judas"  datirt  ist,  in  die  Zeit  des  Aristobul  I,  der  auch  Judas  hiess 
(Judaica  S.  71  ff.).  Das  heisst  dem  Josephus,  der  hier  nur  das  I.  Makkabäer- 
buch  benützt,  viel  Ehre  erweisen. 

33)  I  Makk.  8,  31—32. 

34)  Nach  dem  Zusammenhang  des  ersten  Makkabäerbuches  ist  anzu- 
nehmen, dass  Judas  die  Gesandtschaft  erst  nach  dem  Sieg  über  Nikanor 
abgeordnet  hat.  Unter  dieser  Voraussetzung  kann  er  die  Rückkehr  der  Ge- 
sandten gar  nicht  mehr  erlebt  haben.  Denn  sein  Tod  fällt  nur  ein  bis  zwei 
Monate  nach  dem  Sieg  über  Nikanor.  Vgl.  Grimm,  Exeget.  Handb.  zu 
I  Makk.  S.  131. 

35)  Wegen  der  Berechnung  des  Datums  vgl.  oben  S.  34.  —  Da  Nikanor 
am  13.  Adar  (=  d.  letzten  Monat  des  jüdischen  Jahres)  fiel  (I  ^f.  7,  43.  49), 
Bacchides  aber  „im  ersten  Monat"  152  aer.  Sei.  vor  Jerusalem  erschien  (I  3/. 
9,  3),  so  bleibt  für  das  [Anrücken  des  syrischen  Heeres  ein  Spielraum  von 
IV2  Monaten,  was  wohl  genügt.  „Sollten  aber  doch  jemanden  die  45  Tage 
zu  wenig  dünken,  so  könnte  ich  ihm  noch  mit  30  oder  31  anderen  zu  Hülfe 
kommen.  Das  Jahr  dürfte  nur  ein  Schaltjahr  gewesen  seyn,  d.  i.  den  einge- 
schalteten Mond  Veadar  gehabt  haben"  (Michaelis,  Anni.  zu  I  J/.  9,  3). 


222  §  5.   Die  Zeit  Judas'  des  Makk^bäers  (165—161).  [173] 

und  Alasa  geschrieben)  ^6).  Die  Uebermacht  der  Syrer  war  so 
augenfällig,  dass  man  in  den  Reihen  des  Judas  selbst  kein  Ver- 
trauen auf  den  Sieg  mehr  hatte.  Massenweise  liefen  seine  Leute 
davon.  Mit  wenigen  Getreuen  wagte  Judas  trotzdem  todesmuthig 
den  Verzweiflungskampf.  Der  Ausgang  war  vorherzusehen:  die 
Schaar  des  Judas  wurde  aufgerieben,  er  selbst  fiel  im  Kampfe. 
Seinen  Brüdern  Jonathan  und  Simon  blieb  nur  die  Genugthuung, 
ihn  im  Grabe  seiner  Väter  in  Modein  bestatten  zu  können 3'). 

Mit  dem  Untergang  des  Judas  war  endgültig  der  Beweis  ge- 
liefert, dass  es  ein  aussichtsloses  Unternehmen  der  Nationalpartei 
war,  sich  mit  Gewalt  der  syrischen  Uebermacht  entgegenzustemmen. 
So  glänzend  auch  die  vorübergehenden  Erfolge  des  Judas  gewesen 
waren:  er  hatte  sie  doch  in  erster  Linie  dem  Leichtsinn  und  der 
Selbstüberhebung  der  Gegner  zu  danken.  An  dauernde  kriegerische 
Erfolge  war  nicht  zu  denken,  so  lange  die  syrische  Macht  noch 
einigermassen  festgefügt  war.  Die  folgende  Zeit  hat  auch  nicht 
einmal  vorübergehende  Waffenerfolge  in  der  Art,  wie  Judas  sie  er- 
rungen hat,  aufzuweisen.  Was  die  makkabäische  Partei  schliess- 
lich erreicht  hat,  hat  sie  durch  freiwillige  Zugeständnisse  der  ein- 
ander bekämpfenden  syrischen  Thronprätendenten  und  überhaupt 
infolge  der  inneren  Zerrüttung  des  syrischen  Reiches  erlangt.  ] 


36)  Beide  Orte  sind  nicht  sicher  nachweisbar.  Statt  BtQ^av  haben  einige 
Handschriften  Be7]Q'C,tt&,  Josephus  Ana.  Xll,  11,  1  Btig'Qrid-o),  BaQL,T}&w,  Bi^^tjU-w 
(vgl.  Schlatter,  Zeitschr.  des  DPV.  XIX,  225).  Es  ist  dalier  wohl  mit  Furrer 
(brieflich)  Bir  ez-Zeit  bei  Gophna  (nordwestl.)  zu  vergleichen,  s.  über  dieses: 
Guerin,  JtuUe  III,  33—34,  The  Survey  Metnoirs  II,  329,  dazu  die  grosse  engl. 
Karte  BI.  XIV  Mr.  —  Elasa  kann  das  heutige  Ilasa  sein,  nahe  (nordwest- 
lich) beim  oberen  Beth-horon,  s.  The  Survey  Memoirs  III,  115,  dazu  die  grosse 
engl.  Karte  Bl.  XVII  Ls.  —  Die  Notiz  I  M.  9,  15  t(oq  ^ÄC,<öxov  oQovq  giebt 
keinen  Anhaltspunkt,  da  hier  sicher  nicht  an  das  bekannte  Azotus  zu  denken 
ist,  sondern  höchst  wahrscheinlich  Text-Corruption  vorliegt.  Josephus  Äntt. 
XII,  11,  2  hat  M^XQ^i  ■'^?'*  (oder  'ü^o)  opovg.  Furrer  (brieflich)  vermuthet,  dass 
der  Berg  gemeint  sei,  auf  welchem  BrjQt,T}ihu)  lag,  so  dass  also  in  der  zweiten 
Hälfte  diese»  ürtsnamena  der  Name  des  Berges  stecken  würde.  Zu  der  An- 
nulime,  das«  kiuq  lil^wxov  durch  Uebersetzungsfehler  aus  "inn  n'.iirx  („bis  au 
den  FuHM  des  Berges")  entstanden  sei  (Michaelis),  liegt  augesiclits  der 
»clilechton  Tcxt-Ueberlieferuug  kein  ausreichender  Grund  vor. 

87)  I  Makk.  9,  1-21.    Joseph.  Anlt.  XII,  11,  1—2. 


[174j  §  6.   Die  Zeit  Jonathan's  (161—143).  223 

§  6.  Die  Zeit  Jonathan's  (161-143  vor  Clir.). 

Quellen:  I  Makk.  9,  23—10,  30. 

Josephus  Antt.  XIII,  1 — 6.  Auszug  daraus :  Zonaras  Ännal.  IV,  22 — 24. 
[Die    dem   Jonathan  von  de  Saulcy,   Recherches  p.  85 — 93   zuge- 

schriebeaen  Münzen  gehören  dem  Alexander  Jannäus,  s.  §  10]. 
Literatur:  Die  Werke  über  die    syrische   Geschichte  von    Foy- Vaillant, 

Froelich,  Clinton,  Flathe,  Stark  u.  A. 
Die  Untersuchungen  und  Comnientare  über   die  Makkabäerbücher 

von  Wernsdorff,  Michaelis,  Grimm,  Keil  u.  A. 
Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV,  422-434. 
Herzfeld,  Geschichte  des  Volkes  Jisrael  11,  296—320. 
Grätz,  Geschichte  der  Juden  Bd.  III,  4.  Aufl.  (=  Gesch.  der  Ju- 

däer  von  dem  Tode  Juda  Makkabi's  etc.  1888),   S.  1—23. 
Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  421  —  450. 
Benan,  Histoire  du  peuple  d' Israel  IV,  d&o  sqq. 
Wellhausen,    Israelitische    und   jüdische   Geschichte    2.  Aufl. 

S.  250—256.     4.  Aufl.  S.  206—272. 
Art.    „Jonathan"   in  Winer's   RWB.    und   Schenkel's   Bibellex. 

(letzterer  von  Fritzsche). 

Die  Kraft  der  jüdischen  Nationalpartei  war  durch  die  Niederlage 
und  den  Tod  des  Judas  völlig  vernichtet.  Die  griechenfreundliche 
Partei,  an  ihrer  Spitze  der  Hohepriester  Alkimus,  konnte  die  vom 
König  ihr  zuerkannte  Herrschaft  ungehemmt  ausüben.  Soweit  sich 
noch  Widerstand  regte,  wurde  er  gewaltsam  unterdrückt.  Die 
Freunde  des  Judas  wurden  aufgesucht  und  zu  Bacchides  gebracht, 
der  „an  ihnen  Rache  nahm".  Die  „Ungerechten"  und  „Gottlosen" 
(so  nennt  das  erste  Makkabäerbuch  die  Gegner  der  Makkabäer) 
hatten  das  Regiment  in  Judäa^). 

Die  Freunde  des  Judas  waren  aber  noch  nicht  gewillt,  auf 
allen  Widerstand  zu  verzichten.  Sie  wählten  den  Jonathan,  den 
Bruder  des  Judas,  zu  ihrem  Anführer,  „auf  dass  er  ihren  Streit 
führe"  2).  An  ernsthafte  Unternehnmngen  war  freilich  zunächst 
nicht  zu  denken.  Man  musste  erst  allmählich  wieder  die  Kräfte 
sammeln  und  die  günstige  Gelegenheit  abwarten.  Die  Thaten,  von 
denen  wir  zunächst  hören,  lassen  die  Gefährten  Jonathan's  mehr 
im  Lichte  einer  Freibeuterschaar  als  in  dem  einer  religiösen  Partei 
erscheinen.  Da  ihre  bewegliche  Habe  in  Judäa  nicht  sicher  war, 
sandten  sie  dieselbe  unter  Führung  des  Johannes,  eines  Bruders 
Jonathan's,  zu  den  befreundeten  Nabatäern.  Unterwegs  wurde 
Johannes  mit  seinem  Tross  bei  Medaba  (im  Ostjordanland)  von  dem 
räuberischen  Stamm  der  „Söhne  Jambri's"  überfallen,  weggeschleppt 


1)  I  Makk.  9,  23—27.    Josej^h.  Antt.  XIII,  1,  1. 

2)  I  Makk.  9,  28—31.    Joseph,  l.  c. 


224  §  ö.   Die  Zeit  Jonathan's  (161—143).  [174.  175] 

und  getödtet^).  Um  dafür  Rache  zu  nehmen,  zogen  Jonathan  und 
Simon  über  den  Jordan  und  überfielen  die  Söhne  Jambri's,  als 
diese  eben  mit  einem  grossen  Hochzeitszuge  unter  festlichem  Ge- 
pränge I  daherkamen.  Viele  wurden  erschlagen,  die  Uebrigen  flohen 
in's  Gebirge.  Bei  der  Rückkehr  wurden  Jonathan  und  die  Seinen 
am  Jordan  von  Bacchides  und  einer  syrischen  Streitmacht 
empfangen  und  in  schweres  Gedränge  gebracht,  retteten  sich  aber 
durch  Schwimmen  über  den  Jordan^). 

Bacchides  traf  inzwischen  Anstalten,  um  die  Unterwerfung 
Judäa's  unter  die  syrische  Oberhoheit  besser  als  bisher  zu  sichern. 
Er  befestigte  die  Städte  Jericho,  Emmaus,  Beth-horon, 
Bethel,  Thamnatha,  Pharathon,  Tephon,  und  versah  sie  mit 
syrischen  Besatzungen.  Desgleichen  verstärkte  er  die  Befesti- 
gungen von  Beth-zur,  Gazara  und  der  Burg  von  Jerusalem. 
Endlich  nahm  er  die  Söhne  angesehener  Juden  als  Geiseln,  und 
verwahrte  sie  in  der  Burg  von  Jerusalem^). 


3)  Statt  viol  ^Aßßg'i,  wie  Michaelis,  Grimm  und  Fritzsche  I  M.  9,  36 — 37 
mit  Compl.  Syr.  und  Jos.  [ol  /ifza^alov  TialAsg)  lesen,  ist  wohl  die  vulgäre  LA. 
viol  'lafißgl  beizubehalten.    Nach  Swete  haben  co(i.  Alex.  ^lafißgdv,  'lufißgir, 

Yen.  'lufißQsi,  'lafißgi,  Sin.  ^Afißgei,  'lafißgi  corr.  in  jl/ußgi  Clermout-Gan- 
neau  vergleicht  den  Eigennamen  "117:5%  der  auf  einer  in  der  Nähe  von  Medaba 
gefundenen  aramäischen  Inschrift  vorkommt  {Journal  Asiatique  VIII»"«  Serie 
t.  XVII,  1891,  p.  538  sqq.  und  bes.  Rccucil  d'  archeologie  Orientale  II,  207 — 215). 

4)  I  Makl:  9,  32—49.  Joseph.  Antt.  XIII,  1,  2—4.  —  Der  Kampf  mit 
Bacchides  hat  auf  dem  östlichen  Ufer  des  Jordan  stattgefunden.  Denn  der 
Bericht  I  M.  9,  43—49  nimmt,  nach  der  eingeschalteten  Erzählung  I  M.  9,  35—42, 
die  Notiz  I  M.  9,  34  {Baxxi^v:  •  •  V^-^^^  •  •  Ttigav  tov  'logöävov)  wieder  auf. 
Wenn  also  Jonathan  und  die  Seinen  sich  durch  Schwimmen  über  denFluss 
retteten,  so  kamen  sie  an  das  westliche  Ufer  und  blieben  wohl  in  der  Wüste 
Judäa's  (vgl.  0,  33).  Es  ist  daher  irrig,  wenn  z.  B.  Hitzig  (II,  422  f.)  die  Sache 
HO  auffasst,  als  ob  Jonathan  von  Bacchides  in's  Oatjordanland  verdrängt  wor- 
den sei.    Vgl.  Keil's  Commentar  S.  160. 

5)  I  MaJck.  9,  50-53.  Joseph.  Antt.  XIII,  1,  3.  —  Die  meisten  der  ge- 
nannten Städte  sind  auch  sonst  bekannt.  Ueber Emmaus  s.  Bd.  II  S.  183 f., 
über  Beth-horon  oben  S.  205.  —  Bethel  ist  die  bekannte  altisraelitische 
Cultstatte,  nach  Euscb.  Onomast.  ed.  Loyarde  p.  209  zwölf  röm.  /////.  pass.  nörd- 
lich von  Jerusalem.  —  Tamnatha  ist  hebr.  nr:BP  oder  nsrPi,  Name  dreier 

TT      I      .  T     \      •   ' 

Orte  im  Süden  Palästina'«,  h.  Bd.  II,  S.  182  f.  Am  bekanntesten  ist  darunter 
n*D"r:T2ri,  wo  das  Grab  JoHua's  sich  befand.  Nach  dem  überlieferten  Texte 
von  I  -U.  9,  r/)  Märe  Tamnuthu-Pharathon  als  ein  Ortsname  zu  bctrnclitcii. 
Wahrscheinlich  haben  aber  Josrjdt.,  Syr.  und  Yd.  Ltit.  das  Eiclitige,  intlciii 
nie  zwiMchcn  beiden  Namen  xal  lesen.  Pharathon  ist  hebr.  'irrio,  eine 
Stadt  im  Stamme  Ephraim,  .///(/«c.  12,  13.  15,  vielleicht  das  heutige  Fcrata  süd- 
wcKtlich  von  Nablus  (llobinsoD,  Neuere  biblische  Forschungen  8. 175.  On6rin, 
Satnnrie  11,  179  f.  KanipfTmcycr,  Ztschr.  des  DPV.  XVI,  00).  Sowohl  dieses 
Pirathon  als  Thimnath-Scrach  geliörten  aber  zu  Saniarien  (nach  I  Makk.  11, 
31)     Es  int  daher  fraglich,  ob  nicht  andere,  gleichnamige  Orte  in  .liidän  gc- 


[175.  176]  §  6.   Die  Zeit  Jonathan's  (IGl— 143).  225 

Um  diese  Zeit,  im  zweiten  Monat  des  Jahres  153  aer.  Sei.  = 
Mai  160  vor  Chr.  (I  31.  9,  54),  erregte  der  Hohepriester  Alkimus 
durch  ein  gottloses  Unternehmen  das  Aergerniss  der  gesetzlich  Ge- 
sinnten. Er  riss  die  Mauer  des  inneren  Vorhofes  nieder  und  „zerstörte 
so  die  Werke  der  Propheten".  In  seinem  bald  darauf  einge  tretenen 
Tode  sah  man  die  gerechte  Strafe  Gottes  für  solchen  Frevel  *^).    Das 


meint  sind.  Furrer  (brieflich)  vergleicht  Fara  zwischen  Jerusalem  und  Jericho, 
„wo  man  den  Aufgang  durch  den  Wadi  Kelt  sperren  konnte".  —  Ts^wv  oder 
Tscpoj  hält  man  gewöhnlich  für  hebr.  racn.  Wenn  dies  auch  sicherer  wäre  als 
es  ist,  so  wäre  doch  noch  ungewiss,  welche  unter  den  alttestamentlichen  Städten 
dieses  Namens  gemeint  ist  (s.  Mühlau  in  Kiehm's  Wörterb.  S.  1612,  Art. 
„Tappuah",  und  S.  185,  Art.  „Beth-Tappuah").  —  Ueber  Beth-zur  s.  oben 
S.  207,  über  Gazara  unten  §  7  (Geschichte  Simon's). 

6)  I  Makk.  9,  54—56.  Joseph.  Äntt.  XII,  10,  6  (Josephus  setzt  den  Tod 
des  Alkimus  noch  vor  den  Tod  des  Judas,  s.  oben  S.  219).  Die  Niederreissung 
kam  nach  9,  54  nur  theilweise  zur  Ausführung.  —  Es  ist  streitig,  was  unter 
dem  Tel/og  rfjg  avlr/g  rtüv  ayiwv  rfjq  iawxtQaq  I  M.  9,  54  zu  verstehen  sei. 
Im  Tempel  der  herodianischen  Zeit  war  der  innere  Vorhof  (d.  h.  der  „Vorhof ' 
im  eigentlichen  und  engeren  Sinne)  zunächst  von  einer  starken  Mauer  um- 
geben. Ausserhalb  dieser  lief  eine  schmale  Terrasse  herum  (der  sogenannte 
Chet),  von  welcher  Stufen  in  den  äusseren  Vorhof  hinabführten.  Unterhalb 
der  Stufen  lief  noch  eine  niedrige  Brustwehr  herum  (der  sogenannte  Soreg, 
a*!"!©),  welche  die  Grenze  bezeichnete,  über  die  hinaus  kein  Heide  nach  innen 
vordringen  durfte.  Da  das  erste  Makkabäerbuch  von  einem  rsTxoq  spricht, 
80  scheint  es  zweifellos,  dass  die  wirkliche  Mauer  des  Vorhofes  gemeint  ist. 
Andererseits  finden  wir  in  der  Mischna  die  Tradition,  dass  der  Soreg  von  den 
griechischen  Königen  ('(T^  ^zb^)  an  dreizehn  Stellen  eingerissen  worden  sei, 
und  dass  man  diese  dreizehn  „Lücken"  (ni^'ne)  später  geschlossen  und  zum 
Andenken  daran  die  dreizehn  Verbeugungen  gegen  dieselben  angeordnet  habe 
{Middoth  II,  3).  Es  liegt  nahe,  diese  Tradition  mit  unserem  Factum  zu  com- 
biniren,  in  welchem  Falle  XH^oq  als  ungenaue  Uebersetzung  von  aiio  zu  be- 
trachten wäre  (so  z.  B.  Grätz,  Gesch.  der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  10  f.  564  f. 
Mouatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1876,  S.  395 ff".;  dagegen: 
Herzfeld,  Gesch.  des  Volkes  Jisrael  II,  348  Anm.  111,  Derenbourg,  Histoire 
p.  65  not.  3).  Allein  es  ist  sehr  fraglich,  ob  bei  den  einfacheren  Verhältnissen 
des  vorherodianischen  Tempels  überhaupt  Mauer  und  Soreg  bereits  neben 
«inander  existirt  haben.  Jedenfalls  lag  das  Anstössige  in  dem  Unter- 
nehmen des  Alkimus  darin,  dass  er  die  Grenze  zwischen  dem  „hei- 
ligen" Vorhofsraum  und  dem  unheiligen  Aussenraum  beseitigte, 
und  dadurch  den  Heiden  auch  den  Zutritt  zu  ersterem  freigab. — 
Sicher  irrig  ist  die  Meinung,  dass  unter  dem  „inneren  Vorhof  nur  der  soge- 
genannte Priestervorhof  zu  verstehen  sei,  also  unter  dem  rst/oq  die  Schranke, 
welche  innerhalb  des  eigentlichen  Vorhofes  wieder  den  Raum  für  die  Priester 
von  dem  Raum  für  die  Israeliten  trennte  (so  z.  B.  Keil  und  Büchler,  Jeuish 
Quarterly  Review  X,  1898,  p.  708  sq.).  Denn  diese  Schranke  war  kein  xelxoq, 
sondern  ein  ÖQvcpaxxoq  {Antt.  XIII,  13,  5)  oder  ysiaiov  {Bell.  Jud.  V,  5,  6,  vgl. 
Antt.  VIII,  3,  9),  und  hat  vor  Alexander  Jannäus  wahrscheinlich  gar  nicht 
existirt  (die  Ausdrucksweise  Antt.  XIII,  13,  5  ist  allerdings  undeutlich).  Die 
€cv).i]  iacDZSQa  ist  vielmehr  ohne  Zweifel  dasselbe,  was  bei  Josephus  »/  svöov 
Schür  er,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  15 


226  §  6-    Die  Zeit  Jonathan's  (161—143).  [176.  177J 

hohepriesterliche  Amt  scheint  zunächst  nicht  wieder  besetzt  worden 
zu  sein'). 

Bald  nach  dem  Tode  des  Alkimus  kehrte  Bacchides,  da  er 
die  Unterwerfung  Judäa's  gesichert  glaubte,  nach  Syrien  zurück  s). 
Es  folgt  nun  ein  Zeitraum  von  sieben  Jahren  (160 — 153| 
vor  Chr.),  über  welchen  das  erste  Makkabäerbuch  fast 
nichts  berichtet.  Diese  sieben  Jahre  müssen  aber  von  grosser 
Bedeutung  für  das  Wiedererstarken  der  makkabäischen 
Partei  gewesen  sein.  Denn  am  Schlüsse  dieses  Zeitraums  er- 
scheint sie  als  die  eigentlich  regierungsfähige  Partei,  welche  that- 
sächlich  Judäa  in  Händen  hat,  um  deren  treue  Ergebenheit  sich 
daher  die  einander  bekämpfenden  syrischen  Könige  bemühen.  Nur 
durch  eine  Episode  wird  das  Dunkel  dieses  Zeitraumes  in  dem 
Bericht  des  ersten  Makkabäerbuches  erhellt.  Zwei  Jahre  nach  dem 
Abzug  des  Bacchides,  also  158  vor  Chr.,  machte  die  herrschende 
griechenfreundliche  Partei  der  Juden  dringende  Vorstellungen  am 
königlichen  Hofe  wegen  des  Wiedererstarkens  der  makkabäischen 
Partei.  Dies  hatte  zur  Folge,  dass  Bacchides  wieder  mit  einer 
grösseren  Militärmacht  kam,  um  den  Jonathan  und  die  Seinen  zu 
vernichten.  Deren  Anhang  war  aber  bereits  wieder  so  stark,  dass 
Bacchides  nicht  leicht  mit  ihnen  fertig  wurde.  Ein  Theil  verschanzte 
sich  unter  Simon's  Führung  in  Bethbasi  in  der  Wüste  (einem 
sonst  nicht  bekannten  Orte),  und  wurde  hier  von  Bacchides  ver- 
gebens belagert.  Mit  einem  anderen  Theile  unternahm  Jonathan 
Streifzüge  im  Lande.  Als  Bacchides  merkte,  wie  schwierig  die 
ihm  zugemuthetete  Aufgabe  sei,  wurde  er  unwillig  über  die 
gi'iechisch-jüdische  Partei,  die  ihn  in  solche  Verlegenheiten  ge- 
bracht habe,  machte  mit  Jonathan  Frieden  und  kehrte  nach  Syrien 
zurück  ^). 

Die  jüdischen  Parteien  mochten  nun  zusehen,  wie  sie  sich  mit 
einander  vertnigen.  Das  scheint  denn  die  Folge  gehabt  zu  haben, 
dass  Jonathan  mehr  und  mehr  wieder  die  Herrschaft  an  sich  riss. 
„Es  ruhte  das  Schwert  in  Israel,  und  Jonathan  wohnte 
in  Michmas;  und  er  begann  das  Volk  zu  richten,  undver- 


«i^;.jy  {BeU.  Jud.  V,  6,  6  fin.\  b  ivöoxtQO^  neglßoXot  (Bell.  Jud.  V,  1,  2),  o  ivroq 
ntelßoXo{  (Avtt.  XV,  11,  6),  to  hSoxiQoi  Uqov  {B.  ./.  IV,  5,  1.  V,  3,  1  fin. 
VI,  1,  8),  rd  l'vSov  Uqov  {B.  ./.  VI,  4,  4  fin.),  x6  el'aoj  lepdv  (B.  J.  VI,  2,  7), 
t6  iaw^tv  UqSv  (B.  ./.  VI,  4,  1)  heisHt,  hIho  dor  Vorliof  im  oigciitliclK'n  und 
engeren  Binne,  zu  welchem  alle  iHraclitcn,  aber  keine  Ueidon,  Zutritt  linttcn. 
Vgl.  auch  Bd.  II,  8.  272 f.  u.  285-288. 

7)  Die«  nimmt  aueli  JoHophuH  nn,  Antt.  XX,  10. 

8)  I  Makk.  0,  ß7.    Joseph.  Antf.  XIII,  1,  ö. 

9)  I  Makk.  0,  67—72.    Joaeph.  Antt.  XIII,  1,  5—6. 


[177.  178]  §  6.    Die  Zeit  Jonathan's  (161—143).  227 

tilgte  die  Gottlosen  aus  Israel",  mit  dieser  lakonischen  Notiz 
geht  das  erste  Makkabäerbuch  über  die  folgenden  fünf  Jahre 
hinweg  1^).  Das  kann  nur  heissen,  dass  Jonathan,  während  das 
officielle  Synedrium  von  Jerusalem  noch  mit  Griechenfreunden  be- 
setzt war,  in  Michmas  eine  Art  von  Nebenregierung  etablirte, 
welche  allmählich  den  Haupteinfluss  im  Lande  gewann,  so  dass  sie 
sich  sogar  erlauben  durfte,  die  „Gottlosen"  d.  h.  die  Griechenfreunde 
zu  „vertilgen"  (äcpavi^eiv).  Die  Griechenfreundschaft  hatte  eben 
keinen  |  Boden  im  Volke.  Letzteres  hatte  doch  ein  deutliches  Be- 
wusstsein  davon,  dass  der  Hellenismus,  wenn  er  auch  die  Religion 
Israels  bestehen  liess,  mit  dem  Ideal  der  Schriftgelehrten  unver- 
träglich sei.  Sobald  daher  der  Druck  von  oben  aufhörte,  wandte 
sich  die  Masse  des  Volkes  den  national-jüdischen  Bestrebungen  zu. 
Die  Makkabäer  hatten  daher  bald  wieder  das  Volk  hinter 
sich.  Und  dies  ist  der  Grund,  weshalb  während  der  nun 
beginnenden  syrischen  Thronstreitigkeiten  die  einander 
bekämpfenden  Prätendenten  sich  wechselseitig  um  die 
Gunst  der  Makkabäer  bemühten.  Die  syrischen  Könige  hatten 
nicht  mehr  die  Kraft,  dem  Volke  eine  hellenistische  Regierung  zu 
octroyiren,  sondern  mussten  darauf  bedacht  sein,  die  Juden  sich 
günstig  zu  stimmen.  Das  war  aber  nur  möglich  unter  Führung 
der  Makkabäer.  Freilich  beförderte  man  durch  deren  Begünstigung 
zugleich  die  Bestrebungen,  die  thatsächlich  auf  eine  Loslösung  vom 
syrischen  Reiche  ausgingen. 

Im  Jahre  160  aet:  Sei.  =  153/152  V.  Chr.,  und  zwar,  wie  das 
Folgende  zeigt,  noch  153  v.  Chr.  (I  M.  10,  1  u.  21)  trat  Alexander 
Balas,  ein  Jüngling  niedriger  Herkunft  und  lediglich  ein  Werk- 
zeug der  gegen  Demetrius  verbündeten  Könige,  ß\s  Prätendent 
gegen  letzteren  auf  ^').    Der  despotische  Demetrius  war  im  Lande 


10)  I  Makk.  9,  73.  Joseph.  Antt.  XIII,  1,  6.  —  Maxfiaq  ist  das  alttestament- 
liche  D'crri,  nach  Etiseb.  {Onomast.  ed.  Lagarde  p.  280)  neun  röm.  mil.  pass. 
nördlich  von  Jerusalem  in  der  Nähe  von  Rama,  noch  heute  Makhmas.  S. 
Robinson,  Palästina  11,  327—329.  Raumer,  Pal.  S.  212.  Ouirin,  Jvdie 
III,  63 — 65.  The  Survey  of  Western  Palestine,  Memoirs  by  Conder  and 
Kitchener  III,  12  u.  149,  dazu  Bl.  XVII  der  engl.  Karte.  Kampffmeyer, 
Zeitschr.  des  DPV.  XVI,  50.  Schick,  Karte  der  weiteren  Umgebung  von 
Jerusalem,  Zeitschr.  des  DPV.  XIX,  1896. 

11)  Das  Nähere  ist  Folgendes:  In  Smyrna  lebte  ein  Knabe  (jtfiQaxlaxoq 
Diodor.)  Namens  Balas  (Justin.),  der  mit  Antiochus  Eupator  grosse  Aehnlich- 
keit  hatte  und  sich  für  einen  Sohn  des  Antiochus  Epiphanes  ausgab,  in 
Wahrheit  aber  von  niedriger  Herkunft  war  [sortis  cxtremae  juvenis,  Justin.). 
Diesen  liess  Attalus  II,  König  von  Pergamum,  zu  sich  kommen,  setzte  ihm 
das  königliche  Diadem  auf,  gab  ihm  den  Namen  Alexander  und  stellte  ihn 
als   Thronprätendenten   gegen    Demetrius   auf  {Diodor.  bei  Müller,   Fragm. 

15* 


228  §  6-    Die  Zeit  Jonathan's  (161—143).  [178.  179] 

selbst  I  unbeliebt,  um  so  grösser  daher  die  Gefahr,  die  demselben 
von  der  Macht  der  verbündeten  Könige  drohte.  Auch  von  den 
Juden  war  zu  befürchten,  dass  sie  dem  Gegner  zufallen  würden, 
wenn  dieser  ihnen  die  Einsetzung  einer  nationalen  Eegierung  be- 
willigen würde.  Dieser  Gefahr  suchte  nun  Demetrius  dadurch  zu- 
vorzukommen, dass  er  dem  Jonathan  selbst  Anerbietungen  machte. 
Er  gab  ihm  Vollmacht,  Kriegsvölker  zu  sammeln,  um  damit  dem 
König  beizustehen,  und  bewilligte  dafür  die  Auslieferung  der 
jüdischen  Geiseln,  die  noch  in  der  Burg  von  Jerusalem  verwahrt 
wurden.  Mit  dieser  Yollmacht  versehen  kam  Jonathan  nach 
Jerusalem.  Die  Geiseln  wurden  in  der  That  ausgeliefert  und  den 
Eltern  zurückgegeben.  Jonathan  aber  ergriff  nun  formell 
Besitz  von  Jerusalem  und  befestigte  die  Stadt  und  den  Tempel- 
berg. Auch  die  syrischen  Besatzungen  der  meisten  von  Bacchides 
erbauten  Festungen  wurden  zurückgezogen.  Nur  in  Beth-zur  und 
in  der  Burg  von  Jerusalem  blieben  dieselben^^) 

Demetrius  war  in  seinen  Anerbietungen  an  Jonathan  aber  doch 
nicht  weit  genug  gegangen.  Er  wurde  sofort  von  Alexander 
Balas  überboten.  Dieser  ernannte  den  Jonathan  zum  Hohen- 
priester der  Juden  und  sandte  ihm  zum  Zeichen  fürstlicher 
Würde  den  Purpur  und  das  Diadem.  Jonathan  zögerte  nicht,  diese 
neuen  Anerbietungen  zu  ergreifen.  Am  Laubhüttenfest  des  Jahres 
160  aer.  Sei,  also  im  Herbst  153  v.  Chr.,  legte  er  das  heilige  Ge- 
wand an*').    Er   war  nun  mit  einemmale  auch  formell  das 


Hut.  Oraee.  II  praef.  p.  XII,  n.  14.  Justin.  XXXV,  1).  Unter  Führung  des 
Heraklides,  des  ehemaligen  Finanzministers  des  Antiochus  Epiphanes, 
welchen  Demetrius  aber  vertrieben  hatte  {Appian.  Si/r.  45.  47),  begab  sich 
Alexander  nach  Rom  und  bewarb  sich  um  die  Anerkemnuig  dos  römischen 
Senates.  Obwohl  der  Betrug  ott'enbar  war,  ging  der  Senat  doch  darauf  ein 
und  sagte  ihm  seine  Unterstützung  zu  [Polyb.  XXXIII,  14  und  16).  Ausser- 
dem ward  Alexander  nidit  nur  von  Attalus  II  von  Pcrpamum,  sondern  auch 
von  PtoleniäuH  VI  Philonictor  von  Aegypten  und  Ariaratht's  V  von 
Kappadocien  unterstützt  {.Itmtw.  XXXV,  1.  Strabo  XIII,  4,  2  /*.  024.  Appian. 
Syr.  67.  Euseb.  Chrun.  cd.  Schoene  I,  255);  und  das  Volk  in  Syrien  selbst  war 
wegen  des  flbermüthigeii  und  uiürrisciicn  W.  . n-  ilr<  !)t'im'trius  dem  neuen 
Pritendenten  entschieden  günstig  gestiiiiini  /'/  /  /  und  .Justin,  a.  a.  O.  vgl. 
Joteph.  Anil.  XIII,  2,  1).    So  begann  Alex   n  1   i  n    1 '. metrius  den  Krieg 

„Mikui  ferme  orienli»  viribtu  auhcindm"  \.lii.->ii„.).  —  Au?^  dieser  Darstellung 
(Tgl.  bet.  Jiutin,)  geht  auch  hervor,  dass  es  unrichtig  ist,  wenn  man  nach  dem 
Vorgang  des  Jotephua  {Antt.  XIII,  4,  S:  'AXv^(tvA^o(i  o  HüXa<:  Xeyö/xfvoi) 
,3*i**"  *!■  Beinameii  des  Alexander  betrachtet.  Vielmehr  war  ersteres  sein 
eigentlicher  Name,  wie  ihn  denn  Strabo  XVI,  2,  8  p.  751  richtig  rbv  Bukav 
*4Xif9v6^oif  nennt. 

12)  I  Makk.  10,  1-14.    Joseph.  Avil.  XITI,  2,  1. 

13)  I  Makk'.  10,  15-21.    Joseph.  Antt.  XIII.  2.  2-:{. 


[179]  §  6.    Die  Zeit  Jonathan's  (161—143).  229 

Oberhaupt  des  jüdischen  Volkes.  Die  griechische  Partei 
war  von  der  Regierung  in  Judäa  verdrängt  und  ist  nie 
wieder  zu  derselben  gelangt.  Denn  Jonathan  hat  seine 
Stellung  auch  in  allen  Wechselfällen  der  folgenden  Jahre  behauptet. 
Durch  die  Gunst  der  Verhältnisse  war  ihm  zugefallen,  was  Judas 
mit  aller  Tapferkeit  nicht  zu  erringen  vermocht  hatte. 

Als  Demetrius  von  Jonathan's  Uebergang  zur  Partei  des 
Alexander  Balas  hörte,  versuchte  er,  durch  noch  grössere  Ver- 
sprechungen ihn  wieder  auf  seine  Seite  zu  locken.  Die  Gnaden- 
erweise, die  er  ihm  in  Aussicht  stellte,  waren  unglaublich:  die 
Steuern  sollten  erlassen  sein,  die  Burg  von  Jerusalem  den  Juden 
übergeben  werden,  das  jüdische  Gebiet  durch  drei  Bezirke  von 
Samarien  vergrössert  werden,  der  Tempel  mit  reichen  Schenkungen 
und  Privilegien  ausgestattet,  der  Bau  der  Mauern  Jerusalems  aus 
königlichen  Mitteln  bestritten  werden  i*).  | 


14)  I  Makk.  10,  22—45.  Joseph.  Antt.  XIII,  2,  3.  —  Obwohl  es  an  sich 
sehr  glaublich  ist,  dass  Demetrius  damals  mehr  versprochen  hat,  als  er  zu 
halten  gesonnen  war,  so  gehen  die  Anerbietungen ,  welche  der  Brief  I  M.  10, 
25 — 45  enthält,  doch  über  alles  wahrscheinliche  Maass  hinaus:  Freilassung 
aller  kriegsgefangenen  jüdischen  Sklaven  im  ganzen  Reiche  des  Demetrius 
(10,  33),  Schenkung  der  Stadt  Ptolemais  an  den  Tempel  (10,  39),  reiche  Bei- 
steuer für  den  Tempel  aus  königlichen  Geldern  (10,  40),  Erneuerung  des  Tem- 
pelbaues und  der  Stadtmauern  auf  königliche  Kosten  1 10,  44 — 45).  Auffallend 
ist  auch  die  Parallele  von  10,  36—37  mit  dem  Aristeas-Brief  {ed.  Wend- 
land §  13).  Wie  nach  letzterem  Ptolemäus  Lagi  30,000  Juden  als  Besatzungs- 
truppen in  den  Festungen  verwendet  hat,  so  verspricht  Demetrius  a.  a.  0., 
30,000  Juden  (dieselbe  Zahl!)  in  sein  Heer  aufzunehmen  und  zu  Festungs- 
Besatzungen  zu  verwenden.  Die  Vermuthung,  dass  dies  aus  der  Feder  eines 
jüdischen  Autors  stammt,  der  den  Aristeas-Brief  gekannt  hat,  ist  kaum  ab- 
zuweisen. Man  wird  also  annehmen  dürfen,  dass  es  sich  mit  dem  Brief  ähn- 
lich verhält,  wie  mit  den  Reden,  welche  die  alten  Autoren  ihrer  Geschichts- 
darstellung einverleiben.  Der  jüdische  Verfasser  lässt  den  Demetrius  das 
schreiben,  was  der  damaligen  Situation  angemessen  war,  und  wovon  er  wohl 
allgemeine  Kunde  hatte.  Insoweit  scheint  mir  die  Kritik  Willrich's  (Judaica 
1900,  S.  52—58)  berechtigt.  Vgl.  auch  Kautzsch,  Uebers.  der  Apokryphen 
S.  20 ff.  Dagegen  liegt  m.  E.  kein  Grund  vor,  den  Brief  als  späteren  Ein- 
schub  in  das  erste  Makkabäerbuch  zu  betrachten,  und  ihn  als  Fälschung  aus 
römischer  Zeit,  ja  erst  aus  der  Zeit  Caligula's  anzusehen  (Willrich  S.  56). 
Für  die  Fälschung  in  römischer  Zeit  soll  nach  Willrich  die  Erwähnung  der 
Kopfsteuer  10,  29  entscheidend  sein,  die  erst  durch  Augustus  eingeführt 
worden  sei,  wie  Wilcken  (Griechische  Ostraka  I,  245 f.)  nachgewiesen  habe. 
Letzteres  wird  für  die  äg}'ptische  „Kopfsteuer"  zutreffend  sein  (Wilcken  giebt 
die  Vermuthung  mit  aller  Reserve).  Für  die  syrischen  Verhältnisse  ist  damit 
schlechterdings  nichts  bewiesen.  Es  ist  im  Gegentheil  sicher  bezeugt  (worauf 
Ed.  Meyer  mich  aufmerksam  gemacht  hat),  dass  es  im  Seleucidenreiche  eine 
„Kopfsteuer"  gegeben  hat.  In  Ärisfotelis  Occonmn.  II,  1,  4  (Didot'sche  Ausg. 
Bd.  I,  S.  639)  heisst  es,  die  Einkünfte  der  oaxQamxrj  otxovofxla  seien  folgende 


230  §  6-    Die  Zeit  Jonathan's  (161—143).  [180] 

Jonathan  war  klug  genug,  auf  die  Anerbietungen  des  Demetrius 
nicht  einzugehen.  Es  war  vorauszusehen,  dass  Demetrius  der 
Macht  seiner  Gegner  erliegen  werde.  Sollte  er  aber  als  Sieger 
aus  dem  Kampfe  hervorgehen,  so  war  nicht  zu  erwarten,  dass  er 
weit  gehende  Versprechungen  halten  würde.  Jonathan  blieb  also 
auf  Seite  des  Alexander  Balas,  und  hatte  dies  nicht  zu  bereuen. 
Demetrius  ward  i.  J.  150  vor  Chr.  von  Alexander  und  seinen  Ver- 
bündeten besiegt  und  verlor  in  der  Schlacht  selbst  das  Leben. 
Alexander  ward  Königin). 

Noch  in  demselben  Jahre,  150  vor  Chr.  (I  M.  10,  57  :  162  aer. 
Sei.),  bot  sich  eine  Gelegenheit,  bei  welcher  Jonathan  von 
Alexander  mit  den  höchsten  Ehren  und  Auszeichnungen  bedacht 
wurde.  Alexander  hatte  nämlich  bei  König  Ptolemäus  Philo  metor 
von  Aegypten  um  die  Hand  von  dessen  Tochter  Kleopatra  an- 
gehalten. Ptolemäus  hatte  sie  ihm  zugesagt;  und  beide  Könige 
kamen  nun  in  Ptolemais  zusammen,  woselbst  Ptolemäus  seine 
Tochter  dem  Alexander  zuführte  und  die   Hochzeit  mit  grossem 


sechs:  dno  yfjg,  and  näv  iv  xy  x^Q^  lälwv  yivofiivwv ,  dno  iftnoQOJv,  and 
xs/.üiv,  dno  ßoaxTjfidzcuv,  dno  zwv  akkwv.  Ueber  letztere  wird  dann  noch 
näher  bemerkt:  e'xri]  Sh  tj  dno  rtüv  a?.Xu)v  inixEipdkaiöv  rs  xal x^i^Qc^vü^tov 
nQOoayoQEvofisvT].  Die  „Kopfsteuer"  ist  also  hier  gleichbedeutend  mit  „Ge- 
werbesteuer", und  war  sicherlich  nicht,  wie  die  ägyptisch-römische,  eine  für 
ganze  Kategorien  der  Bevölkerung  gleiche,  sondern  eine  prozentual  verschiedene 
„Personalsteuer"  (wie  denn  der  Ausdruck  auch  sonst  in  diesem  allgemeinen 
Sinne  gebraucht  wird,  vgl.  Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  Bd.  11, 
1870,  S.  191—19(3,  und  meine  Bemerkungen  Theo!.  Litztg.  1900,  588).  Die 
angeführte  aristotelische  Schrift  „stammt  aber  aus  dem  3.  Jahrh.  v.  Chr.  und 
zwar  aus  Asien,  und  ist  in  ihren  kurzen  allgemeinen  Angaben  die  wichtigste 
Quelle  für  die  Kenntniss  des  Finanzwesens  im  Seleucidenreich"  (Ed.  Meyer; 
Wilcken  setzt  ihre  Grundlage  sogar  in  die  Zeit  Alexanders  des  Gr.,  s.  Hermes 
Bd.  80,  1901,  S.  187—200).  Damit  ist  also  eine  „Kopfsteuer"  für  das  Seleuci- 
denreich direct  bezeugt.  Im  1.  Makkabüerbuch  10,  29  ist  übrigens  der  Aus- 
druck „Kopfsteuer"  gar  nicht  gebraucht  (sondern  nur  in  dem  Paralleltext  des 
JosephuH,  welchen  Willrich  S.  53  fälschlich  für  den  ursprünglichen  hält, 
Antt.  XIII,  2,  3  §  50:  vnhp  xi(paXi\<i).  Immerhin  ist  es  wegen  der  Parallele 
mit  einer  verwandten  Stelle  im  Briefe  Antiodius'  des  Gr.  {Jos.  Antt.  XII,  3,  8) 
wahrHcheinlich,  dass  unter  den  (poQOi  eine  PersonalHteuer  oder  „Kopfsteuer" 
in  jenem  allgemeinen  Sinne  zu  verstehen  ist.  Aber  ein  Beweis  für  Abfassung 
in  röuiiHclier  Zeit  liegt  in  ihrer  Krwähnung  nach  allem  Bisherigen  in  keiner 
Weise.  Eine  „Fftlschung"  des  Briefes  des  Denietriijs  erst  in  dieser  Zeit  ist 
Mchon  wegen  der  Beleuchtung,  in  welcher  hier  der  Kriegsdienst  im  königliclien 
Heere  erscheint,  unmöglich.  Unter  den  llömern  haben  die  Juden  den  Kriegs- 
dienst nicht  mehr  als  etwas  Ehrenvolles  angesehen. 

16)  I  Mnkk.  10,  40-50.  Jo$ephu»  Antt.  XIII,  2,  4.  Polyb.  III,  5.  Justin. 
XXXV,  1.  Appiau.  St/r,  e.  67.  —  Am  ausführlichsten  ist  der  Tod  des  Deme- 
trius erz&hlt  von  Josophus  a.  a.  0.,  dessen  Schilderung  bestätigt  wird  diinii 
Justin:  invieto  animo  inter  eonfertissimoa  fortisatme  di'micans  cecidit. 


[180.  181]  §  6.    Die  Zeit  Jocathan's  (161—143).  231 

G  epränge  gefeiert  wurde.  Dorthin  lud  Alexander  auch  den  Jonathan 
ein  und  empfing  ihn  mit  grosser  Auszeichnung.  Zwar  fanden  sich 
auch  Abgesandte  der  griechenfreundlichen  Partei  in  Judäa  ein, 
die  gegen  Jonathan  klagten.  Aber  der  König  schenkte  ihnen  kein 
Gehör,  sondern  überhäufte  den  Jonathan  nur  noch  mehr  mit  Aus- 
zeichnungen. Er  Hess  ihn,  mit  dem  Purpur  bekleidet,  neben  sich 
sitzen,  und  ernannte  ihn  zum  axQaxrjyoq  und  (itQiöaQxrjc, 
vermuthlich  für  das  Gebiet  von  Judäa,  womit  also  die  bereits 
thatsächlich  ausgeübten  politischen  Befugnisse  formell  bestätigt 
wurden '  ^). 

Während  der  nächsten  Jahre  wurde  Jonathan  in  der  errunge- 
nen Stellung  von  keiner  Seite  her  gefährdet.  Die  griechische  Partei 
war  zum  Schweigen  gebracht.  Alexander  Balas  war  ein  unfähiger, 
nur  den  sinnlichen  Genüssen  ergebener  Regent,  der  nicht  daran 
dachte,  die  dem  jüdischen  Hohenpriester  gemachten  Zugeständnisse 
wieder  zu  beschränken*").  Die  syrische  Oberhoheit  bestand  zwarj 
noch  fort.  Da  aber  Jonathan  und  seine  Partei  in  Judäa  regierten, 
so  waren  die  bisherigen  Ziele  der  Makkabäer  thatsächlich  erreicht. 
Bald  brachten  jedoch  die  syrischen  Thronumwälzungen  neue  Ge- 
fahren, zugleich  aber  auch  neue  Gelegenheit  zur  Erweiterung  der 
politischen  Macht.  Wir  sehen  den  Jonathan  nun  als  Partei- 
gänger bald  des  einen  bald  des  anderen  der  syrischen 
Thronprätendenteu,  in  geschickter  Weise  die  Schwäche 
des  syrischen  Reiches  zur  Stärkung  der  jüdischen  Macht 
ausnützend.  Die  Ziele  der  makkabäischen  Bestrebungen 
werden  abermals  höher  gesteckt.  Es  genügt  nicht  mehr,  dass 
die  Partei  Jonathan's  im  Inneren  unangefochten  regiert.  Die  Ver- 
legenheiten des  syrischen  Reiches  werden  dazu  benützt,  die  Gren- 
zen des  jüdischen  Gebietes  theils  durch  Schenkung  sich  erweitern 
zu  lassen,  theils  mit  eigener  Gewalt  zu  erweitern  und  endlich  mit 
zäher  Beharrlichkeit  auf  die  völlige  Loslösung  des  jüdischen  Staates 
vom  syrischen  Reiche  hinzuarbeiten. 


16)  I  Makk.  10,  51—66.  Joseph.  Anit.  XIII,  4,  1—2.  —  axQuxrjySq  und 
pLSQiöaQxrjq  etwa  so  viel  wie  Militär-  und  Civilgouverneur.  Das  Nähere  bei 
Grimm  zu  I  M.  10,  65.  Zu  beachten  ist  übrigens,  dass  trotz  der  Ernen- 
nung Jonathan's  zum  ox Qaxriyöq  doch  noch  eine  syrische  Be- 
satzung in  der  Burg  von  Jerusalem  blieb. 

17)  Ueber  Alexander's  Charakter,  s.  Diodor.,  bei  Müller,  Frctgm.  Hist. 
Graec.  II,  praef.  p.  XVI,  n.  19  (er  spricht  von  einer  ;ravTfA^?  dövvafxla  t^q 
tpvx^q  avTOv).  —  Livius  Epit.  50:  In  Syria,  quae  eo  tempore  stirpe  generis 
parem  regi  Maceclonum,  inert ia  socordiaqiie  siviilem  Prusiae  regem  habebat,  jacente 
eo  in  ganea  et  histris,  Ammonius  regnabat.  —  Justin.  XXXV,  2:  Alexandrum 
insperatae  opes  et  alienae  felicitatis  omamenta  velut  captwn  inter  scortorinn 
f/reges  desidem  in  regia  tenebant. 


232  §  6-    Die  Zeit  Jonathan's  (161—143).  [181.  182] 

Gegen  den  unwürdigen  Schwächling  Alexander  Balas  erhob 
sich  im  J.  147  vor  Chr.  (I  M.  10,  67  :  165  aer.  Sei.)  Demetrius  II, 
ein  Sohn  Demetrius'  I,  als  Gegenkönig.  Auf  seine  Seite  trat  als- 
bald auch  der  Statthalter  Cölesyriens  Apollonius,  während  Jo- 
nathan auf  Seite  Alexanders  blieb.  Darüber  kam  es  zwischen 
Apollonius  und  Jonathan  zum  Kampf,  in  welchem  Jonathan  Sieger 
blieb.  Er  vertrieb  eine  Besatzung  des  Apollonius  aus  Jope,  schlug 
dann  ein  Heer  unter  Führung  des  Apollonius  in  der  Nähe  von 
Asdod,  zerstörte  Asdod  und  den  dortigen  Tempel  des  Dagon  und 
kehrte  mit  reicher  Beute  nach  Jerusalem  zurück'^).  Zum  Danke 
für  diese  Unterstützung  schenkte  ihm  Alexander  Balas  die  Stadt 
Ekron  und  deren  Gebiet*^). 

Aber  Jonathan  war  der  Einzige,  der  dem  Alexander  gegen} 
Demetrius  beistand.  Die  Bewohner  von  Antiochia  und  die  eigenen 
Soldaten  Alexander's  erklärten  sich  für  Demetrius ^o).  Ja  selbst 
sein  Schwiegervater  Ptolemäus  stellte  sich  auf  des  Letzteren 
Seite,  nahm  dem  Alexander  die  Kleopatra  wieder  und  gab  sie  dem 
neuen  Prätendenten  zur  Gemahlin"^').  Auch  führte  Ptolemäus  ein 
starkes  Heer  gegen  Alexander,  mit  welchem  er  ihn  am  Fluss 
Oen oparas  in  der  Ebene  von  Antiochia  besiegte.  Alexander  floh 
nach  Arabien  und  endigte  dort  durch  die  Hände  von  Meuchelmör- 
dern. Unmittelbar  darauf  starb  auch  Ptolemäus  an  den  in  der 
Schlacht  erhaltenen  Wunden^'-).  So  wurde  Demetrius  König 
145  vor  Chr.  (I  M.  11,  19  :  167  aer.  Sei.,  vgl.  dazu  oben  S.  171  f.). 

Als  Verbündeter  des  Alexander  Balas  hatte  Jonathan  dem 
Demetrius  feindlich  gegenübergestanden.   Wie  es  scheint,  fühlte  er 


18)  I  Makk.  10,  67—87.  Joseph.  Äntt.  XIII,  4,  3-4.  Josephus  stellt  die 
Sache  irrig  so  dar,  als  ob  Apollonius  auf  Seite  des  Alexander  Balas 
gestanden  hätte.  —  Ueber  Jope  und  Asdod  s.  Bd.  II,  S.  9Ü  W.  96  f. 

19)  I  Makk.  10,  88—89.  Joseph.  Äiitl.  XIII,  4,  4  (Josephus  motivirt  die 
Schenkung  damit,  dass  Alexander  Balas  sich  den  Anschein  habe  geben  wollen, 
als  ob  sein  Feldherr  Apollonius  gegen  des  Königs  Willen  den  Jonatlian  ange- 
griflen  habe!),  — ^x;<apüJv  ist  da»  altphilistiiische 'inp?,  nach  Euscl).  {Onojtit ist. 
ctl.  Lof/arde  p.  218)  zwischen  Asdod  und  Janinia  gegen  Osten  zu,  daher 
wahrsclicinlich  idt-ntisch  mit  dem  licutigeu  Akir  östlich  von  Jamnia.  S.  Ro- 
biniou,  Palästina  III,  230—233,  Raumer,  Pal.  S.  185.  Oucrin,  Jiulcc  II, 
3ö — 44.  The  Survey  of  Western  Palestine,  Memuirs  by  Gonder  and  Kitchencr 
IT,  406;  dazu  Bl.  XVI  der  engl.  Karte.  Kampffmeyer,  Zeitschr.  des  DP V. 
XVI,  68. 

20)  Jmiin.  XXXV,  2. 

21)  I  Makk.  11,  1—13.  Joseph.  Äntt.  XIII,  4,  5—7.  IHodor.  bei  Müller, 
Pragm.  hint.  f/racc.  II,  p.  XVI  n.  19,  Lirhcs  Epit.  52. 

22)  I  Makk.  11,  14-19.  Joseph.  Antt.  XIII,  4,  8.  Ihodor.  bei  Müller, 
Fraißn.  II  /;.  XVI  n.  20.  Ldviua  Epit.  52.  —  Die  Oertlichkeit  der  Schlacht 
giebt  >'   ■'-  XVI,  2,  8  /;.  751. 


[182]  §  Ü.    Die  Zeit  Jonathan's  (161—143).  233 

sich  jetzt  stark  genug,  den  Versuch  einer  gewaltsamen  Loslösung 
vom  syrischen  Eeiche  zu  wagen.  Er  belagerte  in  aller  Form  die 
Burg  von  Jerusalem,  in  welcher  noch  eine  syrische  Besatzung  lag. 
Wiederum,  wie  so  oft  in  ähnlichen  Fällen,  war  es  die  Gegenpartei 
im  eigenen  Volke  (die  avögeq  jraQccvofioi  und  avofioi,  wie  sie  I  M. 
11,  21.  25  heissen),  welche  den  syrischen  König  auf  das  revolutionäre 
Unternehmen  aufmerksam  machte.  Demetrius  lud  infolge  dessen  den 
Jonathan  zur  Verantwortung  nach  Ptolemais  vor.  Aber  Jonathan 
war  kühn  genug,  sich  Zugeständnisse  von  Demetrius  zu  ertrotzen. 
Er  liess  die  Belagerung  zunächst  noch  fortsetzen,  begab  sich  mit 
reichen  Gescheuken  nach  Ptolemais  und  forderte  von  Demetrius 
Ueberlassung  di'eier  Bezirke  Samariens  an  Judäa  und  Steuerfi'eiheit 
für  dieses  ganze  Gebiet.  Es  waren  dies  einige  der  wesentlichsten 
Punkte  unter  den  Anerbietungen,  die  bereits  Demetrius  I  dem 
Jonathan  gemacht  hatte.  Demetrius  wagte  nicht,  die  Forderungen 
abzulehnen.  Er  genehmigte  die  Vereinigung  der  drei  sama- 
ritanischen  Bezirke  Ephraim,  Lydda  undRamathaim  mit 
Judäa,  überlies  das  so  vergi*össerte  Judäa  dem  Jonathan  als  steuer- 
freies Gebiet  und  bestätigte  ihn  in  allen  Würden,  die  er  bisher 
gehabt  hatte.  Von  der  Burg  von  Jerusalem  ist  dabei  nicht  die 
Rede.  Augenscheinlich  waren  jene  Zugeständnisse  der  Preis,  um 
welchen  Jonathan  die  Aufhebung  der  Belagerung  zusagte"").  | 


23)  I  Makk.  11,  20—37.  Joseph.  Antt.  XIII,  4,  9.  —  Bestätigung  der  bis- 
herigen Würden:  I  M.  11,  27.  Die  drei  Bezirke:  11,  34  (vgl.  10,  30.  38.  11, 
28.  57).  Steuerfreiheit:  11,34—35. — ktpaiQS/jta  ist  höchst  wahrscheinlich  jenes 
Ephraim,  wohin  Jesus  kurz  vor  dem  Passa  sich  zurückzog  (Ev.  Joh.  11,  54), 
nach  Josephus  Bell.  Jud.  IV,  9,  9  in  der  Nähe  von  Bethel,  nach  Eu^eb.  {Onomast, 
ed.  Lagarde  p.  254)  zwanzig  röm.  mil.  pass.  nördlich  von  Jerusalem  [xal  eoti 
vvv  xojfiT]  'EipQaslfi,  fisyioTTj  tisqI  t«  ßogsia  AlXlag  utg  dno  atjfislwv  x),  und 
fünf  m.  p.  östlich  von  Bethel  (Hieron.  Onoinast.  eil.  Lagarde  p.  94:  et  est  hodie 
viciis  Efreni  in  quinto  miliario  Bethelis  ad  ortefitem  respiciens,  der  parallele 
griech.  Text  des  Euseb.  p.  222  ist  lückenhaft).  Auch  Di-iEx  II  Sam.  13,  23  und 
•piES'  II  Chron.  13,  19  ist  wohl  derselbe  Ort.  Vermuthungen  über  seine  Lage 
8.  bei  Robinson,  Palästina  II,  333 — 338,  Ouirin,  Judielll,  45^51.  Buhl, 
Geogr.  des  alten  Palästina  S.  177.  Hei d et  Art.  Ephrem  in:  Vigouroux,  Dicti- 
onnaire  de  laBiblell,  1885  sqq.  — lieber  Lydda,  das  heutige  Ludd,  s.  Bd. II, 
S.  183.  —  '^Pa(jLaM(i  ist  sicherlich  die  bekannte  Stadt  Samuel's  I  Sam.  1,  1 
D'^Bis  C^r52'^,  sonst  kurzweg  frann  genannt,  deren  Lage  freilich  noch  sehr 
streitig  ist.  Nach  I  Sam.  1,  1  lag  sie  auf  dem  Gebirge  Ephraim.  Eusebius 
setzt  sie  in  die  Nähe  von  Diospolis-Lydda  ( Onoinast.  ed.  La/u  p.  225  sq.  'AQpLu^\pL 
^eiipd'  Tiohg '^Ekxavd  xal  Haßovrjk'  xtlxai  de  avxri  nXtjaiov  JioanöXstuq,  üS-sv 
r/V  ^Iu>OTj<p,  iv  evayyeXioiq  dno  !4pi/jia&iag.  Bei  Eieronymus  Onom.  ed.  Lag.  p.  96 
lautet  die  Stelle:  Armathem  Sophim  civitas  Heleanae  et  Samuhelis  in  regione 
Thamnitiea  juxta  Diospoliin,  unde  fuit  Joseph,  qui  in  evangeliis  de  Ari- 
mathia  seribitur).    Für   die   Richtigkeit   dieser  Angabe   spricht   eben   unsere 


234  §  G.    Die  Zeit  Jonathan's  (lül— 143).  [183.  184] 

Ein  solches  Zurückweichen  des  syrischen  Königs  vor  den  jüdi- 
schen Forderungen  wäre  zehn  Jahre  früher  noch  undenkbar  ge- 
wesen. Aber  jetzt  war  die  Kraft  der  Seleuciden  gebrochen.  Keiner 
der  syrischen  Könige  war  fortan  seines  Thrones  sicher.  Und 
Jonathan  wusste  diese  Schwäche  mit  ebensoviel  Glück  als  Geschick 
auszunützen.  Auch  die  nächsten  Jahre  gaben  ihm  reichlich  Ge- 
legenheit zur  Fortsetzung  seiner  Annexionspolitik.  Demetrius  hatte 
kaum  jene  Zugeständnisse  gemacht,  als  er  sich  zu  neuen  Ver- 
sprechungen genöthigt  sah,  um  in  schwerer  Gefahr  die  Unter- 
stützung Jonathan's  zu  erlangen.  Ein  gewisser  Diodotus,  genannt 
Trypho,  aus  Apamea'-^^),  ein  ehemaliger  Feldherr  des  Alexander] 
Balas,  -wTisste  sich  der  Person  des  unmündigen  Sohnes  Alexander's, 
mit  Namen  Antiochus,  der  bei  einem  Araber  Imalkue  erzogen 
wurde,  zu  bemächtigen  und  stellte  ihn  als  Gegenkönig  gegen 
Demetrius  auf  2=).    Die  Lage  wurde  für  Demetrius  höchst  bedenk- 


Stelle  I  M.  11,  34,  wornach  die  Stadt  bis  zur  Zeit  Jonathan's  zu  Samarien 
gehört  hatte.  Vielleicht  ist  sie  identisch  mit  dem  heutigen  Beü  Rima,  nord- 
östlich vonLydda,  in  der  Nähe  von  Thamna  (so  Furrer  in  Schenkel's  Bibellex. 
Art.  „Rama").  Verschieden  davon  ist  ein  anderes  Rama  im  Stamme  Benjamin, 
das  viel  näher  bei  Jerusalem  gelegen  hat  (gegen  Graf,  Stud.  und  Krit.  1854, 
S.  858  ff.  und  Mühlau  in  Riehm's  Wörterb.  Art.  „Rama",  welche  beide  Orte 
identificiren).  Vgl.  Oesenius,  Thesati/nis  p.  1275,  Thenius,  Die  Bücher 
Samuels,  zu  I  Sam.  9,  4,  derselbe  in:  Biblische  Studien  von  Geistlichen  des 
Königreichs  Sachsen,  herausg.  von  Käuft'er,  Bd.  II  (1843)  S.  134  ff.  Wiuer 
RWß.  Art.  „Rama". 

24)  Joseph.  Antt.  XIII,  5,  1:  ^Tra^ufvf  xh  yivoq.  Genauer  Strabo  XVI, 
2,  10  p.  752:  6t]Xoi  6h  Tijv  övvafiiv  xairtjv  {seil,  rfjq  l4nafielag)  t]  re  xov  TgtipcD- 
voq  imxXrjd-hxoti  Jioöoxov  naQav^T]ai(;  xal  hni&eaig  ry  ßaaiXeln  x<äv  ^vqvjv, 
ivzev&ev  oQ/AtjO^ivxoi.  'Eyeyivrjxo  fzhv  yag  iv  KaatavoZq,  (fQovQltp 
Zivi  x^i  ^nafiiwv  yi}«;,  xgaipeli  S'  iv  x^  ^Anaixein  xal  avaxa&slq  xw 
ßuniXiZ  xal  rof^  negl  avxöv,  insiöti  vewxegtXfiv  wQfiTjosv,  ix  xi'jq  nokewq  xavttjg 
^ayj  T«c  oiifOQfxuQ  xal  rwv  negtoixlöwv,  Aaglorjg  xe  xal  xwv  Kaatavwv  xal 
MfyÜQwv  xal  'AnoXXu}vla(;  xal  aXXwv  xoiovxcdv,  dl  avvetiXovy  el<;  X))t>  llnd/ntiav 
änaaai.  —  Die  um  ihrer  Stärke  willen  berülimte  Festung  Apanieu  lag  am 
Oronte«,  BÜdlidi  von  Antiochia.  Vgl.  Strabo  XVI,  2,  8—10  p.  751—753. 
Ritter,  Erdkunde  XVII, 2, 1070.  1076—1080.  Benzinger  in Pauly-Wissowa's 
Real-Enc.  s.  v. 

25)  I  Makk.  11,  39—40.  64.  Josephus  Antt.  XIII,  5,  1  u.  3.  Diodor.  hv\ 
Müller,  Frwirn.  hüt.  graee,  t.  W  p.  XVII  n.  21.  Livius  Epit.  52.  —  Irrthünilich 
iH-nnt  .l/>/>/an.  i^r.  08  den  jungen  König  Alexander.  —  Der  Name  (IcHAruhcrs 
Elfiukxoval  oder  'IfiaXxovi  1  M.  11,  .'JD  int  —  isb'a'',  was  auf  piilmyronischcn 
Inmhriftcu  vorkommt,  h.  Nöldoke  bei  Euting,  Nabatäischu  Inschriften  (1885) 
H.  74.  Jotepßtu»,  Syr.  und  der  lat.  Text  des  ood.  Sangertn.  setzen  hier  dafür 
.MnlrhuH,  Diodor.  Jamblichu«  (was  auch  nichts  anderes  ist  als  isb'a^ 
grierli.  "lünXixoQ  WadditifjUtn,  Iiiscr.  n,  2614,  'länuXiyoq  ihiil  221(1«,  7a/i;.f;fo[{J 
Quarttrty  SteUemtnU  1806,  p.  340  (im  Hauran),  'IdiiXixo[(i\  Bulletin  de  corr.  hell. 


[184.  185]  §  6.    Die  Zeit  Jonathan's  (161—143).  235 

lieh,  da  seine  eigenen  Truppen  deseiürten  und  die  Einwohner 
Antiochia's  eine  feindliche  Haltung  einnahmen.  In  dieser  Gefahr 
versprach  er  dem  Jonathan  die  Uebergabe  der  Burg  von  Jerusalem 
und  der  anderen  Festungen  Judäa's,  wenn  Jonathan  ihm  Hülfs- 
truppen  stellen  wolle.  Jonathan  sandte  alsbald  dreitausend  Mann, 
welche  gerade  rechtzeitig  kamen,  um  dem  König  bei  dem  nun  aus- 
brechenden Aufstand  in  Antiochia  kräftige  Unterstützung  zu  leisten. 
Wesentlich  durch  ihre  Mitwirkung  wurde  der  Aufstand  unterdrückt. 
Mit  dem  Dank  des  Königs  und  mit  reicher  Beute  kehrten  die  jüdi- 
schen Truppen  nach  Jerusalem  zurück'-^^). 

Demetrius  hielt  aber  die  gegebene  Zusage  nicht.  Auch  hatte 
es  bald  den  Anschein,  dass  er  dem  neuen  Prätendenten  unterliegen 
werde.  Mit  Hülfe  der  übergegangenen  Truppen  des  Demetrius  be- 
mächtigten sich  Trypho  und  Antiochus  der  Hauptstadt  Antiochia 
und  gewannen  somit  die  Herrschaft  im  Centrum  des  Reiches.  Un- 
verzüglich suchten  sie  auch  den  Jonathan  auf  ihre  Seite  zu  ziehen : 
Antiochus  bestätigte  ihn  im  Besitz  alles  dessen,  was  Demetrius  ihm 
verliehen  hatte.  Zugleich  wurde  sein  Bruder  Simon  zum  könig- 
lichen Strategen  von  der  tyrischen  Leiter  bis  zur  Grenze 
Aegyptens  ernannt-'). 

Angesichts  der  Treulosigkeit  und  der  Schwäche  des  Demetrius 
fand  es  Jonathan  ebenso  berechtigt  als  nützlich,  zu  Antiochus  [ 
überzugehen.  Er  stellte  sich  also  auf  dessen  Seite  und  unternahm 
in  Verbindung  mit  seinem  Bruder  Simon  die  Unterwerfung  der 
Judäa  zunächstliegenden  Reichsgebiete  unter  den  neuen  Präten- 
denten. In  erster  Linie  war  es  dabei  auf  diejenigen  Gebiete  ab- 
gesehen, über  welche  Simon  zum  Strategos  bestellt  war.  So  zog 
Jonathan  an  der  Spitze  jüdischer  und  syrischer  Truppen  gegen  die 
Städte  Askalon  und  Gaza.  Ersteres  erklärte  freiwillig  seine 
Unterwerfung  unter  Antiochus;  letzteres  erst,  nachdem  Jonathan 
Gewalt  gebraucht  hatte.  Er  zwang  die  Stadt  zur  Stellung  von 
Geiseln  und  nahm  diese  mit  nach  Jerusalem  ■^*^).    Dann  zog  Jonathan 


XXI,  1897,  p.  59  (in  der  Gegend  von  Damaskus);   lat.  Jamlieus,  Corp.  Inser. 
Bhenan.  ed.  Brambach  n.  1233). 

26)  I  Makk.  11,  38.  41—52.    Joseph.  Antt.  XIII,  5,  2—3. 

27)  I  Makk.  11,  53-59.  Josejih.  Antt.  XIII,  5,  3—4.  —  Die  xXlixa^  Tvqov 
■oder  TvQiwv  ist  nach  Joseph.  Bell.  Jud.  II,  10,  2  ein  hoher  Berg,  hundert  Sta- 
dien nördlich  von  Ptolemais.  Durch  die  Ernennung  zum  axgaxrjyoq  über  das 
genannte  Gebiet  wurde  Simon  ein  königlicher  Beamter  in  hervor- 
ragender Stellung,  und  zwar  ausserhalb  Judäa's.  Die  Stellung  musste 
freilich  erst  gegenüber  den  Strategen  des  Demetrius  errungen  werden.  Vgl. 
Stark,  Gaza  S.  491  f. 

28)  I  Makk.  11,  60—62.  Joseph.  Antt.  XIII,  5,  5.  —  Ueber  Askalon  und 
Gaza  s.  Bd.  II,  S.  92iF.  84 ft'.    Es  ist  wohl  zu  beachten,  dass  Jonathan  hier  als 


236  §  6.    Die  Zeit  Jonathan's  (161-143).  [185.  186] 

nach  dem  nördlichen  Galiläa  und  lieferte  in  der  Ebene  von  Hazor 
den  Strategen  des  Demetrius  eine  Schlacht,  die  für  ihn  anfangs  un- 
günstig verlief,  schliesslich  aber  mit  einem  Sieg  endigte  29).  Gleich- 
zeitig belagerte  Simon  die  Festung  Beth-zur  im  Süden  Judäa's, 
wo  noch  eine  dem  Demetrius  ergebene  Besatzung  lag.  Nach  längerer 
Belagerung  zwang  er  die  Stadt  zur  üebergabe  und  legte  eine  Ju- 
diths Besatzung  hinein^^). 

Ueber  diesen  Fortschritten  in  der  Befestigung  seiner  Macht  ver- 
gass  Jonathan  nicht,  sich  auch  durch  diplomatische  Beziehungen 
mit  auswärtigen  Völkern  weitere  Stützpunkte  zu  schaffen.  Er 
schickte  zwei  Gesandte,  Numenius  und  Antipater  nach  Rom, 
um  den  schon  zu  Judas'  Zeit  geschlossenen  Freundschafts-Ver- 
trag mit  den  \  Römern  zu  erneuern^').  Dieselben  Gesandten  über- 
brachten auch  Schreiben  des  Hohenpriesters  und  Volkes  der  Juden 
nach  Sparta  und  an  andere  Orte,  um  freundschaftliche  Be- 
ziehungen mit  ihnen  anzuknüpfen   und  zu  pflegen  ^2).    Bei  dieser 


Parteigänger  des  Antiochus  und  Trypho  handelt.  Es  war  also  nicht  darauf 
abgesehen,  diese  Städte  mit  dem  jüdischen  Gebiete  zu  vereinigen, 
sondern  nur  darauf,  sie  zum  Anschluss  an  die  von  Jonathan  ver- 
tretene Partei  zu  zwingen. 

29)  I  Makk.  11,  63—74.  Joseph.  Antt.  XIII,  5,  6—7.  —  'AaojQ  I  M.  11,  67 
ist  ni^in  Josua  11,  1.  10—13.  12,  19.  19,  36.  Judic.  4,  2.  17.  I  Sam.  12,  9. 
I  Eeg.  9,  15.  II  Reg.  15,  29,  nach  Joseph.  Antt.  V,  5,  1  (vgl.  Josua  11,  5)  in 
der  Nähe  des  See's  Semechonitis  oder  Merom-See's  {vniQxeitai  ttjg 
Stfxsxütvinöot  klfivTji),  also  im  äussersten  Norden  Palästina's.  Der  Name  ist 
wahrsclieinlich  noch  erhalten  in  dem  heutigen  MerJ  lladlreh  (Ebene  Hadireh) 
und  Jebel  Hadireh  (Berg  Hadireh),  westlich  vom  Merom-See,  an  dem  grossen 
in  den  Merom-See  laufenden  Wady  (s.  Bi.  IV  der  grossen  engl.  Karte).  Das 
in  der  Nähe  liegende  el-Khurcibeh  „die  Ruinen"  betrachtet  Robinson  als  die 
Lage  der  Stadt  Hazor.  S.  überh.  Robinson,  Neuere  biblische  Forschungen 
8.  479  ff.  Ouirin,  Galilec  II,  363-368.  The  Survey  of  Western  Palestine, 
Memoira  by  Conder  and  Kitchener  I,  204.  Auch  Raumer,  Pal.  S.  127  f, 
Buhl,  Geogr.  8.  236,  und  die  Artikel  „Hazor".  oder  „Hasor"  in  den  Wörter- 
bQchem  von  Winer,  Schenkel  und  Riehm.  Verfehlt  ist  die  Anualime  von 
Ritter,  Erdkunde  XV,  1,  260—265,  welcher  Hazor  nordöstlich  vom  Merom- 
See  setzt.  DasH  es  auf  der  westlichen  Seite,  ein  wenig  südlidi  von  Kedes, 
gelegen  hat,  beweist  I  Ma/cU.  11,  63.  67.  73. 

80)  I  Makk.  11,  66—66.    Joseph.  Antt.  XIII,  5,  6. 

31)  I  Makk.  12, 1—4;  die  Namen  der  Gesandten:  12,  16.  Joseph.  Antt.  XIII, 
5,  8.  —  Vgl.  Mendelssohn  in  Ritschl's  Acta  Sooietatis  phiiologae  Lipsiensis^ 
t.  V,  1876,  p.  101-104. 

32)  I  Makk.  12,  2:  n^d^  SnapttaraQ  xal  xonovQ  ixipovt.  Das  Schrei- 
ben an  die  Spartaner  speciell:  I  Makk.  12,  5—23.  Joseph.  Antt.  XllI,  5,8.  Die 
Antwort  der  Spartaner:  I  Makk.  14,  16—23.  —  Die  Authentio  der  Urkunden 
unterliegt  begkflndeten  Zweifeln,  s.  Grimm,  Das  erste  Buch  der  Maccabäer 
8.  180—191,  211.    Kautztch,  Ucbers.  der  Apokryphen  S.  28-30. 


[186]  §  6.     Die  Zeit  Jonathan'«  (161—143).  237 

Oelegenlieit  wird  auch  bemerkt,  dass  solche  Beziehungen  der  Juden 
zu  auswärtigen  Vljlkern  nicht  ohne  Beispiel  aus  älterer  Zeit 
waren.  In  dem  Schreiben  an  die  Spartaner  beruft  sich  Jonathan 
darauf,  dass  schon  der  König  Aren s  von  Sparta  an  den  jüdischen 
Hohenpriester  Onias  ein  freundschaftliches  Schreiben  gerichtet 
habe33).  | 


33)  I  Malck.  12,  7—8.  19—22.  Joseph.  Antt.  XII,  4,  10.  XIII,  5,  8.  —  Der 
Name  des  spartanischen  Königs  ist  in  den  Handschriften  des  1.  Makkabäer- 
buches  seltsam  entstellt.  I  M.  12,  7  lautet  er  Ja^sTog,  I  M.  12,  20  'OviaQtjg 
{wofür  aber  noch  der  cod.  Sin.  das  bessere  oviaagijg  hat,  d.  h.  'Ov/«  "Aqtjq,  denn 
der  seltsame  Name  Oniares  ist  nur  durch  Zusammenziehung  mit  dem  vorher- 
gehenden Namen  des  Onias  entstanden).  An  beiden  Stellen  hat,  wie  sich  aus 
Joseph,  und  Vet.  Lat.  constatiren  lässt,  ursprünglich  ^Apeiog  gestanden.  Die 
correctere  Form  ist  Aqsvq  (so  die  griechischen  Schrift.steller  und  die  Inschrift 
Corpus  Inscriptionum  Atticarum  t.  II,  1  n.  332  ==  Hicks,  Manual  of  greek  hi- 
■storieal  inscriptions,  Oxf.  1882,  p.  286  sq.  =  Dittetiberger,  Sylloge  inso-ipt.  graec. 
n.  163).  Spartanische  Könige  dieses  Namens  hat  es  zwei  gegeben:  Arcus  I, 
der  nach  Diodor.  XX,  29  vierundvierzig  Jahre  lang  regierte,  und  zwar  309—265 
vor  Chr.,  und  Arcus  II,  der  um  255  vor  Chr.  regierte,  aber  schon  als  Kind 
von  acht  Jahren  starb,  Pausan.  III,  6,  6  (s.  über  die  spartanischen  Könige: 
Clinton,  Fasti  Hellenici  II,  255—271,  Niese  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc. 
Art.  „Arcus",  Schoeffer  ebendas.  Art.  ,3a8ileus").  Da  Onias  II  schwerlich 
noch  mit  Areus  II  gleichzeitig  war,  so  werden  Arcus  I  und  Onias  I  gemeint 
sein  (sicher  irrig  ist  die  Combination  des  Josephus  Antt.  XII,  4,  10,  der  das 
Schreiben  in  die  Zeit  des  Onias  III  herabrückt).  Die  Beziehungen  zwi- 
schen Beiden  würden  also  in  die  Zeit  der  Diadochen  fallen,  wo 
die  Spartaner  im  Kampf  mit  Antigonus  und  dessen  Sohn  Demetrius  Poliorketes 
wohl  auf  den  Gedanken  kommen  konnten,  ihrem  Gegner  durch  Agitationen 
im  Orient  Schwierigkeiten  zu  bereiten.  —  Vgl.  überh.  über  die  Beziehungen 
zwischen  Juden  und  Spartanern:  Qottl.  Wernsdorf,  Commentatio  historieo- 
eritiea  de  fide  historiea  lihrorum  Maccabaieoritm  1747,  p.  140 — 171.  H.  J.  E. 
Palmer,  De  epistolamm,  quas  Spartani  atque  Judaei  invicem  sibi  misisse  di- 
cuntur,  veritate.  Darmst.  1828.  Grimm,  Exeget.  Handb.  zum  1.  Makkabäer- 
buoh  S.  184  fl'.  210  f.  Die  Artikel  „Sparta,  Spartaner"  in  den  biblischen  Wörter- 
büchern von  Winer,  Schenkel  und  Riehm.  Originell  ist  der  Einfall  von 
Hitzig,  die  Spartaner  in  Klein- Asien  zu  suchen  (Zeitschr.  der  deutschen 
morgenländ.  Gesellsch.  Bd.  IX,  1855,  S.  731—737,  Gesch.  des  Volkes  Israel  II, 
345 — 349),  nicht  minder  der  von  Büchler,  darunter  die  Griechen  von  Cyrenaica 
•zu  verstehen  (Die  Tobiaden  und  die  Oniaden  S.  126  ff.).  —  Die  Fiction  einer 
Verwandtschaft  zwischen  Juden  und  Spartanern,  mit  welcher  die 
Spartaner  ihr  Schreiben  motiviren  (I  M.  12,  6—7.  21;  vgl.  II  M.  5,  9),  ist  im 
Zeitalter  des  Hellenismus  nicht  unerhört.  Vgl.  P.  E.  Jablonski,  De  Lace- 
■daemoniorum  ciimJudaeis  cognatione  {opusc.  III,  p.  261—286).  Schon  Jablonski, 
wie  Freudenthal,  Alexander  Polyhistor  S.  29  Anm.,  verweist  zur  Erläuterung 
auf  Steph.  Byx.  s.  v.  ^lovSaia  .  .  .  wq  K).avöioq  ^lovXioq,  and  OvSalov  ^7taQX<ov 
kvoq  ix  OrjßTjg  (xfxu  Jiovvaov  iaxQaxevxöxog.  (Ueber  Ovöalog  s.  Pape-Benseler, 
Wörterb.  der  gr.  Eigennamen;  Fränkel,  Die  Inschriften  von  Pergamon  S.  66 
n.  118).  In  einem  Decret  der  Pergamener  [Jos.  Antt.  XIV,  10,  22)  ist  auch 
von  freundschaftlichen  Beziehungen  der  Juden  und  Pergamener  zur  Zeit  Abra- 


238  §  6.    Die  Zeit  Jonathan's  (161—143).  [187 

Die  Kämpfe  Jonathan's  gegen  Demetrius  gingen  inzwischen 
fort  und  wurden  von  ihm  so  gefühi-t,  dass  er  dabei  nicht  nur  das 
Interesse  des  Trypho  und  Antiochus,  sondern  auch  sein  eigenes  im 
Auge  behielt.  Bald  nach  der  Niederlage,  welche  die  Truppen  des 
Demetrius  in  der  Ebene  von  Hazor  erlitten  hatten,  kam  ein  neues 
Heer  des  Demetrius  gegen  Jonathan  angerückt.  Dieser  zog  ihm 
diesmal  noch  viel  weiter  nach  Norden  entgegen,  bis  in  die  Land- 
schaft Hamath,  nördlich  vom  Libanon.  Es  kam  jedoch  gar  nicht 
zum  entscheidenden  Kampfe,  da  das  syrische  Heer  auswich 3*). 
Jonathan  wandte  sich  darauf  gegen  den  arabischen  Stamm  der 
Zabadäer,  dann  nach  Damaskus  und  von  da  wieder  südwärts. 
Als  er  nach  Jerusalem  zurückgekehrt  war,  sorgte  er  für  stärkere 
Befestigung  der  Stadt  und  schnitt  durch  Errichtung  einer  hohen 
Mauer  die  syrische  Besatzung  der  Burg  vom  Verkehr  mit  der  Stadt 
ab^^).  Schon  vor  Jonathans  Eückkehr  hatte  Simon  eine  jüdische 
Besatzung  nach  Jope  gelegt;  jetzt  befestigte  er  auch  Adida  in 
der  „Sephela"  d.  h.  in  der  Niederung  im  Westen  Judäa's^*^).  | 


hams  die  Rede.    Vgl.  auch  J.  G.  Müller,  Die  Semiten  in  ihrem  Verhältnis» 
zu  Chamiten  und  Japhetiten  (1872)  S.  101. 

34)  I  Makk.  12,  24—30.  Joseph.  Anit.  XIII,  5,  10.  —  Auf  das  hier  und  im 
Folgenden  erzählte  Factum  will  Derenbourg ,  Eütoire  de  la  Palestinc  p.  99 — 100 
die  Notiz  in  Megillath  Taanith  §33  beziehen:  „Am  17.  Adar,  da  sich  die  Hei- 
den gegen  das  Häuflein  der  Schriftgelehrten  im  Bezirk  von  Chalcis  und  Zab- 
däa  erhoben  hatten,  ward  dem  Hause  Israel  Rettung."  Diese  Combination 
scheint  mir  doch  sehr  gewagt,  obwohl  auch  Wellhausen  (Pharisäer  und 
Sadducäer  S.  58)  geneigt  ist,  ihr  beizustimmen.  —  Ueber  „Hamath"  s.  die 
Wörterbücher  von  Win  er,  Schenkel,  Riehm  und  Ritter,  Erdkunde  XVII^ 
2,  1031  ff. 

35)  I  Makk.  12,  31—37.    Joseph.  Antt.  XIII,  5,  10—11. 

36)  I  Makk.  12,  33—34.  38.  Joseph.  Antt.  XIII,  5, 10.  —  2"f(/)jjAa  (so  auch 
LXX  Jerem.  32,  44.  33,  13.  Obadja  19.  II  Chran.  26,  10)  ist  =  n>Bd,  die 
Niederung  westlich  vom  Gebirgslande  Judäa's.  In  der  Mischua  Sdicbüth  IX,  2 
wird  zwischen  "^"h  rbtUJ  (Niederung  bei  Lydda)  und  Bi-nn  nbcia  (südliche 
Niederung)  unterschieden.  Ebenso  Ilicroni/mu.s,  commcnt.  in  Obadj.  19  {»pp.  «A 
Vallarai  VI,  381):  qui  autevi  habitabant  in  Sephcla  id  est  in  campest ribus, 
Liddam  et  Kmmaus,  IHonpuUm  scilicet  Ntcopotimque,  significans  .  .  .  Alii  vero 
putani  cum  Sephelam  ül  est  campestrcm  rcf/iancni,  qtiac  circa  Eleuthcropotim  est, 
rcpromitti  etc.  Unbestimmter  Euscbius,  Onomast.  ed.  Lagardc  p.  296:  Se<p7]Xtt  . . 
xai  tti  tTt  vlv  Se(piji.ä  xaXtltai  .  avxt]  ^atlv  näaa  ij  ntpi  xt]v  'Ekev^^eQonohv 
ntdivfi  '^tüdo.  npöt  ßoQQÜv  xul  övaßüq.  An  unserer  Stelle  ist  die  Gegend  von 
Lydda  g«;mfint.  —  'Adidci  1  M.  12,  38  u.  13,  13  ist  T^nn  Ksrn  2,  33.  Nch.  7,  37. 
11,  31.  Im  der  Mischna  ArachinW,  6  wird  T^nn  als  eine  der  alten  Städte  er- 
wähnt, welche  «clion  zur  Zeit  Josua's  mit  Mauern  umgeben  waren.  Ein  R.  Jakiui 
au«  Chndid  kommt  l'Alujuth  Vil,  5  vor  (der  gedruckte  Vulgürtext  hat  hier  frei- 
lich Tin  odor  inn,  alle  besseren  Zeugen  ab(!r  T^"in).  (JriechlHcli  "Aäöida  o(ler/l*(5« 
•och  bei  Joaephus  Antt.  XIII,  0,  4.     15,  2.     Ikll.  .lud.  IV,  9,  1.    Nach  letzterer 


[188]  §  6.    Die  Zeit  Jonathan's  (161—143).  239 

Alle  diese  Operationen  wurden  von  Jonathan  und  Simon  an- 
geblich im  Interesse  des  unmündigen  Königs  Antiochus  und  seines 
Vormundes  Trypho  unternommen.  Der  letztere  scheint  aber  das 
Erstarken  der  jüdischen  Macht  nachgerade  doch  bedenklich  gefun- 
den zu  haben.  Und  nicht  mit  Unrecht.  Denn  je  mehr  die  eigene 
Kraft  der  Juden  wuchs,  desto  näher  lag  die  Gefahr  ihrer  völligen 
Loslösung  vom  syrischen  Reiche.  Es  ist  daher  sehr  verständlich, 
dass  Trypho,  sobald  Demetrius  ihm  freie  Hand  liess,  sich  gegen 
Jonathan  wandte.  Nach  dem  ersten  Makkabäerbuche  geschah 
dies,  weil  Trypho  sich  selbst  die  Krone  aufsetzen  und  Jonathan 
dies  nicht  dulden  wollte.  Das  mag  wohl  sein;  nur  werden  die 
Motive  auf  Jonathan's  Seite  nicht  sowohl  moralische  als  politische 
gewesen  sein^"). 

Trypho  kam  also  mit  einem  Heere  nach  Palästina,  um  der 
bedenklich  um  sich  greifenden  jüdischen  Macht  Schranken  zu  setzen. 
Bei  Beth-sean  (Skythopolis)  traf  er  mit  Jonathan  zusammen. 
Die  Begegnung  war  zunächst  noch  eine  freundliche,  obwohl  Jonathan 
wie  Trypho  ein  gi'osses  Heer  bei  sich  hatte.  Trypho  suchte  das 
Misstrauen  Jonathan's  zu  beseitigen,  indem  er  ihn  mit  Ehrenbe- 
zeugungen überhäufte.  Er  stellte  ihm  vor,  dass  ein  grosses  Heer 
überflüssig  sei,  da  sie  nicht  auf  Kriegsfuss  mit  einander  stünden. 
Jonathan  möge  ihm  nur  mit  weniger,  auserlesener  Mannschaft  nach 
Ptolemais  folgen;  dann  werde  er  ihm  diese  Stadt  und  „die  übrigen 
Festungen  und  Truppen"  (es  sind  wohl  die  zwischen  der  tyrischen 
Leiter  und  der  Grenze  Aegyptens  gemeint,  über  welche  Simon  als 
Strategos  gesetzt  war)  übergeben ^s).  Jonathan  liess  sich  durch 
diese  Vorspiegelungen  wirklich  täuschen ;  er  entliess  sein  Heer  und 
folgte  dem  Trypho  mit  nur  tausend  Mann  nach  Ptolemais.  Aber 
kaum  war  er  dort  eingezogen,  als  er  in  Gewahrsam  genommen  und 
seine  Leute  meuchlings  niedergemacht  wui'den^^).  | 


Stelle  beherrschte  es  die  Hauptstrasse,  welche  (von  Westen,  also  von  Jope 
aus)  nach  Jerusalem  führte.  Hierzu  stimmt,  dass  es  Esra  2,  33,  Neh.  7,  37 
mit  Lydda  und  Ono  zusammen  genannt  wird.  Identisch  ist  daher  wahrschein- 
lich das  von  Euseb.  und  Hieron.  erwähnte  Aditha  juxta  Diospolim  quasi  ad 
orientalem  plagam  respiciens  {Onomast.  ed.  Lagarde  p.  93),  noch  heute  Haditheh 
östlich  von  Lydda.  S.  die  Wörterbücher  von  Winer,  Schenkel,  Riehm; 
ferner:  Raumer,  Palästina  S.  168f.  Ou4rin,  SamarieH,  64 — 67.  The  Sur- 
vey  of  Western  Palestine,  Memoirs  by  Conder  and  Kitchener  H,  297,  322; 
dazu  Bl.  XIV  der  grossen  englischen  Karte. 

37)  I  Makk.  12,  39—40.    Joseph.  Antt.  XIII,  6,  1. 

38)  Ueber  Beth-sean   oder   Skythopolis   s.   Bd.  II,   S.  134  ff".;    über 
Ptolemais:  Bd.  II,  S.  111  ff. 

39)  I  Makk.  12,  41-53.    Joseph.  Antt.  XIII,  0,  1—3. 


240  §  6-    Die  Zeit  Jonathan's  (161—143).  [189] 

Die  Nachricht  von  diesem  treulosen  Vorgehen  Trypho's  erregte 
in  Judäa  gi'osse  Bestürzung.  Es  war  naturgemäss,  dass  Simon, 
der  einzige  überlebende  der  fünf  makkabäischen  Brüder,  die  Leitung 
der  Dinge  übernahm.  Durch  Beschluss  einer  Volksversammlung 
wurde  er  formell  zum  Führer  gewählt.  Seine  ersten  Thaten  waren 
die  Beschleunigung  der  Befestigung  Jerusalems  und  die  defini- 
tive Besitzergreifung  von  Jope.  Letzteres  hatte  bisher  noch 
nie  zum  jüdischen  Gebiete  gehört.  Aber  schon  in  seiner  Eigen- 
schaft als  Strateg  über  die  Küstengebiete  hatte  Simon  eine  jüdi- 
sche Besatzung  dorthin  gelegt  (s.S.  238).  Jetzt  wurden  die  heid- 
nischen Einwohner  aus  Jope  vertrieben,  die  Stadt  judai- 
sirt  und  mit  dem  jüdischen  Gebiete  vereinigt^^). 

Trypho  kam  nun,  indem  er  den  Jonathan  als  Gefangenen  mit 
sich  führte,  mit  einem  Heere  nach  Judäa.  Bei  Adida  versperrte 
ihm  Simon  mit  seinen  Truppen  den  Einmarsch  in  das  Innere.  Darauf 
sandte  Trj'pho  an  Simon  Gesandte  und  Hess  ihm  wissen,  dass  er 
den  Jonathan  nur  deshalb  gefangen  halte,  weil  er  das  Geld  für  die 
ihm  übertragenen  Aemter  schulde.  Wenn  das  Geld  bezahlt  und 
zur  Bürgschaft  künftiger  Treue  die  Söhne  Jonathans  als  Geiseln 
gestellt  würden,  werde  er  denselben  freilassen.  Obwohl  nun  Simon 
alles  Geforderte  schickte,  wurde  Jonathan  doch  nicht  freigelassen. 
Trypho  suchte  vielmehr,  indem  er  das  Gebirge  umging,  über  Adora 
(in  Idumäa)  vom  Süden  her  nach  Jerusalem  vorzudringen.  Als  er 
auch  daran  durch  starken  Schneefall  gehindert  wurde,  nahm  er 
seinen  Marsch  nach  Gilead  (also  in's  Ostjordanland),  Hess  den  Jo- 
nathan zu  Baskama  ermorden  und  kehrte  nach  Syrien  zurück^'). 

Simon  trat  hiermit  thatsächlich  an  die  Stelle  seines  Bruders 
als  Hoherpriester  der  Juden.  Er  Hess  die  Gebeine  Jonathan's  aus 
Baskama  holen  und  begrub  ihn  neben  seinen  Eltern  und  seinen 
drei  Brüdern  in  der  Heimath  Modein.  Ueber  dem  gemeinsamen 
Grab  Hess  Simon  später  ein  praclitvolles  Denkmal  erricliten^-).  1 

40)  I  Makk.  13,  1—11.  Joseph.  Antt.  XIII,  6,  3.  —  Ueber  Jope  s.  Bd.  II, 
8.  m  fr. 

41)  I  MakL  13,  12—24.  Joseph.  Antt.  WU,  (5,  4—5.  Adora  ist  eine  idu- 
mftische  Stadt,  welche  Hpäter  von  Joliamu'»  Hyrkanue  erobert  wurde  {Antt.  XIII, 
0,  1;  8.  unten  g  8).  —  Bankama,  wofür  JoHophus  Baska  hat,  ist  sonst  unbe- 
kannt. Nach  dem  Zunammcnhang  der  Erzälihing  ist  es  im  Ostjordnnhuid  zu 
«uchen.  Furrcr  (Zcitschr.  des  1)PV.  XII,  151)  vergleicht  teil  l>a\iih;  einen 
iMolirten  Hügel  im  Wadi  ijoramajc,  ÖHtlich  vom  Nord-Ende  des  Sch's  (icneza- 
reth  (u.  Schumachers  Karte  in  der  Ztschr.  des  DPV.  XXil,  1899).  Ein 
sicherer  Beweif  für  diese  ZuHammeuHteliuug  iat  nicht  zu  i'Uhrcu  (Buhl,  Gcogr. 
8.  241). 

42)  I  Makk.  13,  26—30.  Joseph.  Antt.  XIII,  0,  5.  —  Das  Grabdenkmal  zu 
liodein  iiat  noch  zur  Zeit  des  EusebhiH  oxistirt.    S.  oben  8.  201  f. 


[190]  §  7.    Simon  (142—135).  241 


§  7.  Simon  (142—135  TOr  Chr.)  0- 

Quellen:  I  Makk.  13,  31—10,  22. 

Joseph.  Antt.  XIII,  6  —7.    Auszug  daraus:  Zonaras  Annal.  IV,  24.  V,  1. 

Einige  Data  aus  Megillath  Taanith  s.  bei  Derenhotirg  j).  67—69. 

lieber  die  Sekel-Münzen,  welche  von  Vielen  dem  Simon  zugeschrie- 
ben werden,  s.  Beilage  IV. 
Literatur:  Die  Werke  über   die   syrische   Geschichte  von  Foy-Vaillant, 
Froelich,  Clinton,  Flathe,  Stark  u.  A. 

Die  Untersuchungen  und  Commentare  über  die  Makkabäerbücher 
von  Wernsdorff,  Michaelis,  Grimm,  Keil  u.  A. 

Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV,  434—446. 

Herzfeld,  Geschichte  des  Volkes  Jisrael  II,  320 — 334. 

Grätz,  Geschichte  der  Juden  Bd.  III,  4.  Aufl.  (=  Gesch.  der  Ju- 
däer  von  dem  Tode  Juda  Makkabi's  etc.  1888)  S.  50—63. 

Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  450 — 459. 

Well  hausen,    Israelitische    und    jüdische    Geschichte    2.  Aufl. 
S.  256—258.    4.  Aufl.  S.  272—274. 

Art.  „Simon"  in  W ine r 's  RWB  und  Schenkel'sBibellex.  (letzterer 
von  Fritzsche). 

Durch  die  Thaten  und  Erfolge  Jonathan's  war  die  makkabäische 
Partei  weit  über  ihre  ursprünglichen  Ziele  hinausgeführt  worden. 
Ursprünglich  hatte  man  ja  nichts  anderes  gewollt  als  die  Wieder- 
herstellung des  jüdischen  Cultus  und  die  Gewährung  freier  Aus- 
übung der  jüdischen  Religion.  Schon  Judas  war  aber  mit  EiTeichung 
dieses  Zieles  nicht  mehr  zufrieden  gewesen.  Er  und  seine  Partei 
wollten  nun  auch  die  Herrschaft  im  Innern  des  Landes.  Zur  Zeit 
Jonathan's  ist  auch  dieses  Ziel  vollständig  erreicht  worden.  Durch 
die  Ernennung  Jonathan's  zum  Hohenpriester  wurde  die  Regierungs- 
gewalt in  die  Hände  der  makkabäischen  Partei  gelegt,  die  griechen- 
freundliche Partei  verdrängt.  Auch  dies  genügte  aber  jetzt  nicht 
mehr.  Die  Gunst  der  Verhältnisse,  die  Schwäche  des  syrischen 
Reiches  verlockte  dazu,  nach  vollständiger  Abwerfung  der  syrischen 
Oberhoheit  zu  trachten.  Die  letzten  Thaten  Jonathan's  sind  schon 
bedeutende  Schritte  nach  diesem  Ziele  hin.  Die  Bedeutung  der 
Regierung  Simon's  besteht  darin,  dass  er  das  Werk  Jo- 


1)  Das  Todesjahr  Jonathan's  wird  im  ersten  Makkabäerbuehe  (das  überhaupt 
zwischen  11,  19  und  13,  41  keine  Jahreszahl  nennt)  nicht  angegeben.  Da  aber 
nach  13,  41  f.  und  14,  27  die  Jahre  Simon's  vom  J.  170  aer.  Sei.  =  143/142 
vor  Chr.  an  gezählt  wurden,  so  ist  Jonathan's  Tod  wohl  Ende  143  oder 
Anfang  142  vor  Chr.  (in  den  Winter,  I  M.  13,  22)  zu  setzen.  Hiermit 
stimmt  auch,  dass  Josephus  dem  Simon  eine  achtjährige  Regierung  (142 — 135) 
zusehreibt,  Antt.  XIII,  7,  4,  während  die  Angabe,  dass  Jonathan  vier  Jahre 
Hoherpriester  gewesen  sei  {Antt.  XIII,  6,  5),  irrig  ist.  Ebenso  falsch  sind  die 
sieben  Jahre  Antt.  XX,  10,  3. 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  t   Anfl.  16 


242  §  7.    Simon  (142—135).  [190.  191] 

nathan's  vollendet  und  das  jüdische  Volk  völlig  unab- 
hängig vom  syrischen  Reiche  gemacht  hat. 

In  Syrien  standen  noch  DemetriusII  undTrypho  als  Vor- [ 
mund  des  unmündigen  Antiochus  VI  einander  gegenüber.  Trypho, 
der  bisher  nur  als  Vertreter  seines  unmündigen  Pfleglings  aufge- 
treten war,  Hess  um  diese  Zeit  die  Maske  fallen,  Hess  den  An- 
tiochus VI  ermorden  und  setzte  sich  selbst  die  Krone  auf  2). 

Für  Simon  war  es  nach  dem  letzten  feindlichen  Auftreten 
Trypho's  selbstverständlich,  dass  er  sich  wieder  an  Demetrius  an- 
schloss.  Er  that  dies  aber  nur  um  den  Preis,  dass  Demetrius  die 
Freiheit  der  Juden  anerkannte.  Während  er  eifrig  an  den  Festun- 
gen Judäa's  bauen  Hess,  sandte  er  eine  Gesandtschaft  an  Demetrius, 
„um  dem  Lande  Steuerfreiheit  zu  erwirken".  Da  Demetrius  that- 
sächlich  im  Süden  des  Reiches  keine  Macht  mehr  hatte,  lag  es  in 
seinem  Interesse,  den  Grossmüthigen  zu  spielen  und  den  Juden  alle 
Wünsche  zu  gewähren.  Er  bewilligte  also  nicht  nur  Erlass  der 
noch  rückständigen  Abgaben,  sondern  auch  volle  Steuerfreiheit 
für  die  Zukunft 3).  Damit  war  die  politische  Selbständig- 
keitJudäa's  anerkannt;  es  war,  wie  das  erste  Makkabäerbuch 
sich  ausdrückt,  „das  Joch  der  Heiden  von  Israel  genommen".  Um 
dieser  Thatsache  Ausdruck  zu  geben,  begann  man  jetzt  (170  aer. 
iSH  =  143142  vor  Chr.)  auch,  sich  einer  eigenen  Zeitrechnung 
zu  bedienen.  Man  datirte  Urkunden  und  Verträge  nach  Jahren 
Simon's  des  Hohenpriesters  und  Fürsten  der  Juden^).  | 


2)  I  Mahk.  13,  31—32.  Josephus  Anit.  XIII,  7,  1.  Diodor.  bei  Müller, 
Frof/m.  hüt.  graec  t.  II  p.  XIX  n.  25.  Ldvius  Epit.  55.  Appian.  Syr.  c.  68. 
J?«/m.  XXXVI,  1.  —  Die  Ennordung  geschah  durch  Wundärzte.  Vgl.  Livius: 
Alexandri  filius,  rex  Syriae,  deeem  annos  admodttm  hahens,  a  Diodoto,  gut  Try~ 
pfum  coffnominabatur,  tutore  suo,  per  fraudem  orcisus  est  eorrupti\<^  medicis,  qui 
illum  calctäi  dolore  eoiisumi  ad  popuUnn  mentiti,  dum  seeant,  occidenmt.  Jo- 
stphus',  Tov  fthv  (uf  xftQiL,6(ievoq  anof^ävoi  öitJYysile.  —  Josephus  und  die 
nichtjüdischen  Quellen  setzen  die  Ernionlnng  des  Aiitioduis  VI  etwns  später, 
nach  der  Qefangennahme  des  Demetrius  II  durch  die  Parther.  Das  erste 
Makkflbfierbuch  gedenkt  derselben  in  dem  obigen  Zusammenhang,  noch  ehe 
Demetrius  seinen  Feldzug  gegen  die  Parther  unternalim.  Zu  Gunsten  seiner 
Darstellung  sprechen  namentlich  die  Münzen.  Vgl.  über  diese  Differenz 
oben  B.  172  f. 

3)  Orfitz,  Gesch.  der  Joden  Bd.  III,  4.  Aufl.  8.  5G6,  und  Derenboury 
p.  69  besiehen  hierauf  Meg.  Taanith  §  (3.  Damach  wäre  der  27.  Ijjar  (—  Mai) 
der  Tag  de«  Steuererlasses. 

4)  I  Makk.  18,  33—42;  vgl.  14,  27.  Joseph.  Anlt.  XIII,  0,  0.  —  In  Justin's 
AuMCtig  auB  Trogns  Pompejus  wird  die  Freiheit  der  Juden  bereits  von  De- 
metrius I  an  datirt.  Er  sagt  von  Antiochus  VII  8i(letes  {Justin.  XXXVI, 
1,  10):  Judasot  quoqtset  qui  in  Maccdunieo  imperio  auh  Dnnctrio  palre  armia  se 
in  lib0rttU«m  pindicavtrant,  gubeyit  istutt/^a/rcwill  Mrrzbaclicr,  Zcitschr.  f.  Num. 
V,  310  frutre  leten,  well  Demetrius  II  gemeint  sei).    Jbid.  XXXVI,  3,  0:  A  De- 


[192]  §  7.   Simon  (142—135).  243 

Mit  dieser  Notiz  des  ersten  Makkabäerbuches  pflegt  man  eine 
numismatische  Thatsache  zu  combiniren.  Es  giebt  jüdische  Sekel- 
und  Halb-Sekel-Münzen,  welche  nach  Ansicht  der  meisten  Numisma- 
tiker zur  Zeit  Simon's  geprägt  sein  sollen.  Sie  tragen  auf  der  einen 
Seite  die  Aufschrift  msip  nbülT'  oder  nOTipn  2'^bT0Ti\  auf  der 
anderen  Seite  je  nach  dem  Gewicht  entweder  bsic  bptt?  (Sekel 
Israel's)  oder  bpün  "^in  (halber  Sekel).  Sowohl  die  ganzen  als  die 
halben  Sekel  sind  mit  einer  Jahreszahl  versehen,  und  zwar  sind 
von  beiden  Arten  Exemplare  mit  den  Jahreszahlen  K,  3,  5,  i  (I, 
11,  in,  IV),  von  den  ganzen  Sekeln  auch  ein  Exemplar  vom  Jahr 
n  (V)  bekannt^).  Die  hier  vorausgesetzte  Aera  hält  man  eben  für 
die  im  ersten  Makkabäerbuche  erwähnte  Aera  Simon's.  Nun  sind 
freilich  diese  Münzen,  wenn  sie  überhaupt  zur  Zeit  Simon's  geprägt 
sind,  nicht  eigentlich  als  Münzen  Simon's,  sondern  als  Münzen 
der  städtischen  Commune  von  Jerusalem  zu  betrachten,  indem  Jeru- 
salem analog  den  hellenistischen  Communen  als  Beherrscherin  von 
ganz  Judäa  zu  denken  ist  (vgl.  §  23,  I  und  II).  Auch  die  Jahres- 
zahlen auf  den  Münzen  würden  demgemäss  nicht  Jahre  Simon's, 
sondern  Jahre  einer  städtischen  Aera  von  Jerusalem  sein, 
wie  ja  auch  andere  Städte  Phöniciens  (Tyrus,  Sidon,  Askalon)  gegen 
Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  vor  Chr.  zum  Zeichen  ihrer  er- 
rungenen Freiheit  eigene  Zeitrechnungen  begonnen  haben*^).  Trotz- 
dem wäre  es  möglich,  dass  die  auf  den  Münzen  angewandte  Aera 
mit  den  im  ersten  Makkabäerbuche  erwähnten  „Jahren  Simon's" 
identisch  ist,  denn  das  erste  Jahr  Simon's  ist  eben  zugleich  das 
erste  Jahr  der  jüdischen  Freiheit^).  Schwierigkeiten  macht  aber, 
dass  trotz  der  grossen  Zahl  der  Sekelmünzen  bis  jetzt  nur  ein  ein- 
ziges Stück  mit  der  Jahreszahl  V  nachgewiesen  ist,  und  höhere 
Jahreszahlen  gar  nicht,  während  die  Aera  Simon's  nach  IM.  13, 
41 — 42  und  14,  27  im  J.  170  aer.  Sei.  begonnen  hat,  und  Simon  erst 
im  J.  177  aer.  Sei  gestorben  ist  (I  M.  16,  14),  also  auf  seinen 
Münzen  mindestens  noch  die  Jahreszahlen  VI  und  VII  zu  erwarten 
wären.  Merzbacher  hat  daher  angenommen,  dass  die  Aera  Simon's 
im  ersten  Makkabäerbuche  um  zwei  Jahre  zu  früh  angesetzt  sei. 


metrio  cum  descivissent,  amicitia  Romanorwn  petita  primi  omnium  ex  orienta- 
libus  libertatem  accepenmt,  facile  tunc  liomanis  de  alieno  largientibtis. 

5)  Die  Literatur  über  diese  Sekel-Münzen  s.  unten  Beilage  IV. 

6)  Tyrus  hat  eine  Aera  vom  J.  126  vor  Chr.,  Sidon  eine  solche  vom  J.  111, 
Askalon  von  104.  S.  hierüber  die  in  Bd.  II  S.  72  genannten  Werke  (bes.  Noris 
und  Eckhel),  über  Askalon  auch  Bd.  II  S.  93  f. 

7)  Die  betreffende  Notiz  des  ersten  Makkabäerbuches  lautet  (I  M.  13,  42): 
xal  riQ^axo  6  Xabq  'laQarjX  ygüifSiv  iv  ralg  avyyQacpaXq  xal  avvak?.dyfiaaiv' 
^'Erovq  TtQwzov inl  2^lfiatvoqdQ)^ieQe<og  ftsydkovxal  axQaxTjyov xal^yovfievov 
^lovöaltov. 

16* 


244  §  7.   Simon  (142-135).  [192.  193] 

Der  wirkliche  Anfangspunkt  derselben  sei  das  dritte  Jahr  Simon's 
{172  aer.  \  Sei.  =  141/140  vor  Chr.),  in  welchem  Simon  durch  Yolks- 
beschluss  zum  erblichen  Hohenpriester  erklärt  worden  ist 
(I  Makh.  14,  25 — 49).  Eben  damals  erst  habe  auch  Demetrius  den 
Juden  die  genannten  Freiheiten  verliehen.  Der  Verfasser  des 
ersten  Makkabäerbuches  habe  aber  irrthiimlich  das  officielle  „erste" 
Jahr  Simons  mit  seinem  factischen  ersten  Jahre  verwechselt^). 
Die  Gründe  für  diese  Hypothese  sind  von  Merzbacher  scharfsinnig 
und  bestechend  entwickelt;  sie  erweisen  sich  aber  bei  näherer 
Prüfung  doch  nicht  als  stichhaltig^).  Die  schlichte  und  bestimmte 
Angabe  des  ersten  Makkabäerbuches,  dass  man  im  J.  170  aer.  Sei 
begonnen  habe,  nach  Jahren  Simons  zu  zählen  (13,  41 — 42.  vgl. 


8)  Merzbacher  in  Sallet'sZeitscbr.  fürNumismatik  ßd.V,  1878,  S. 292— 319. 
Ibm  folgt  Madden,  Coins  of  the  Jeus  (1881)  p.  65—67, 

9)  Merzbacher  beruft  sich  namentlich  auf  folgendes:  1)  In  dem  Volks- 
beschluss  vom  J.  172  aer.  Sei.  vravde  unter  Anderem  bestimmt,  dass  alle  Ur- 
kunden in  Simon's  Namen  geschrieben  werden  sollen  (I  M.  14,  43:  onwi;  yQÜcpwv- 
rac  inl  xdj  ovö/xazt  avrov  näaai  avyyQacpal  iv  tj/  y,(ÖQn).  Wenn  dies  damals 
erst  beschlossen  wurde,  könne  mau  nicht  schon  zwei  Jahre  früher  begonnen 
haben,  die  Urkunden  und  Verträge  nach  Jahren  Simon's  zu  datiren,  wie  I  M. 
13,  42  behauptet  wird  (ygä^siv  iv  raig  avyyQaipalg  xal  avva?.?.dyfiaaiv"Evovg 
ngoitov  inl  I^lfiwvog  x.  r.  ?..).  Allein,  auch  wenn  wir  zugeben,  dass  yQccifSiv 
inl  T(p  ovofxau  so  viel  ist  wie:  nach  Jahren  Simon's  datiren,  so  wird  bei  dieser 
Argumentation  doch  die  Bedeutung  jenes  Volksbeschlusses  falsch  beurtheilt. 
Durch  denselben  ist  überhaupt  nichts  Neues  eingeführt,  sondern  nur  das  schon 
Vorhandene  feierlich  bestätigt  und  sanctiouirt  worden  (vgl.  unten  S.  249). 
2)  Ein  Hauptgewicht  legt  Merzbacher  darauf,  dass  in  der  Motivirung  des 
Volksbeschlusses  vom  J.  172  aer.  Sei.  unter  Anderem  hervorgehoben  wird,  dass 
der  König  Demetrius  den  Simon  als  Hohenpriester  bestätigt  und  ihm  grosse 
Ehre  erwiesen  habe,  weil  er  gehört  hatte,  dass  die  Römer  die  Ge- 
sandten Simon's  ehrenvoll  aufgenommen  hätten  (I  M.  14,  88—40). 
Demnach  falle  der  Freibrief  des  Demetrius  später  als  Simon's  Gesandtschaft 
nach  iiom,  welche  172  aer.  Sei.  dorthin  abging  (I  M.  14,  24  vgl.  mit  14,  1). 
Also  könne  jener  Freibrief,  aus  dessen  Anluss  man  eben  begonnen  habe,  nach 
Jahren  Simon's  zu  datiren,  nicht  schon  170,  sondern  erst  172  or;-.  &/.  erlassen 
worden  sein,  unmittelbar  vor  dem  Volksboscliluss.  ])ie8e  Argumentation  be- 
weist aber  zu  viel.  Zur  Zeit  des  VolksbcHchlusses  war  Simon'«  Gesandtschaft 
nach  Iiom  noch  unterwegs  (vielleicht  auch  noch  nicht  einmal  dieses;  sie  kam 
erut  im  J.  174  aer.  Sri.  zurück,  s,  I  M.  15,  15  vgl.  mit  15,  lU).  Wenn  also 
durch  ihren  Erfolg  der  Freibrief  des  Demetrius  veranlasst  wäre,  so  müsste 
dieiier  noch  Bi)uter  fallen  als  der  Volksbeschluss,  was  natürlich  auch  Merz- 
bacbcr  nicht  annimmt.  Die  Angabe,  das«  der  Freibrief  des  Demetrius  durcii 
den  Erfolg  der  römiHcheii  Gesandtschaft  Simon's  veraidasst  sei,  ist  also  über- 
haupt nicht  haltbar.  Sie  ist  eine  ungenaue  Wiedcrgal)e  der  Thutsache,  dass 
fflr  Denietrius'  Verhalten  gegenüber  den  Juden  allerdings  deren  sclion  lauge 
beNtchcndcN  freundHcliaftliches  VerhültnisH  zu  den  Hörnern  massgebend  war 
{vgl  Kcir«  Commeiitar  S.  233  Anm.).  Damit  fiillt  aber  dieses  Argument  zu- 
Mmnien. 


[193.  194]  §  7.    Simon  (142—135).  245 

14,  27),  wird  dadurch  nicht  erschüttert.  Auch  ist  Merzbachers 
Hypothese  eben  doch  nur  auf  gestellt,  um  die  obengenannte  Schwie- 
rigkeit, welche  die  Jahreszahlen  der  Sekel  darbieten,  zu  beseitigen. 
Ausser  dieser  Schwierigkeit  erheben  sich  aber  auch  noch  andere 
Bedenken  gegen  die  Annahme,  dass  die  Sekel  unter  Simon  geprägt 
seien lö).  Sie  darf  daher,  obwohl  sie  von  den  meisten  Numisma- 
tikern gebilligt  wird,  als  unwahrscheinlich  bezeichnet  werden^*). 
Der  Freibrief  des  Demetrius  örtheilte  Privilegien,  die  im  Grunde 
Demetrius  gar  nicht  zu  vergeben  hatte.  Es  war  Sache  Simon' s, 
dieselben  zur  That  und  Wahrheit  zu  machen  gegenüber  der  ihm 
gefährlicheren  Macht  Trypho's.  Zur  Befestigung  seiner  Stellung 
suchte  Simon  vor  allem  noch  in  den  Besitz  zweier  ihm  wichtigen 
Festungsplätze  zu  gelangen:  der  Stadt  Gazara  und  der  Burg  von 
Jerusalem,  beidemal  mit  glücklichem  Erfolge.  Gazara,  das  alte 
Geser,  nicht  weit  von  Emmaus-Nikopolis  in  westlicher  Richtung, 
am  Ausgang  des  Gebirges,  war  bisher  eine  heidnische  Stadt  ge- 
wesen. Sein  Besitz  war  für  die  Juden  von  Wichtigkeit,  weil  es  zu 
den  Plätzen  gehörte,  welche  die  Pässe  des  Gebirges  und  damit 
die  Verbindung  zwischen  Jerusalem  und  der  von  den  Juden 
bereits  annectirten  Hafenstadt  Jope  beherrschten.  Simon  er- 
öffnete gegen  die  Stadt  eine  kunstgerechte  Belagerung,  er- 
oberte sie,  vertrieb  alle  heidnischen  Einwohner  aus  derselben  und 
siedelte  daselbst  „Männer  an,  welche  das  Gesetz  beobachteten"* 2)^ 


101  Nach  I  Makk.  15,  6  hat  erst  Antiochus  VII  Sidetes  (174  aer.  Sei 
=  139/138  vor  Chr.)  dem  Simon  das  Münzrecht  verliehen.  Immerhin  ist  auf 
diesen  Punkt  kein  Gewicht  zu  legen,  da  dies  sehr  wohl  die  nachträgliche  Be- 
stätigung eines  schon  früher  usurpirten  Rechtes  sein  kann.  —  Bedenklicher 
ist,  dass  die  Münzen  von  Simon's  unmittelbarem  Nachfolger  Johannes  Hyr- 
kan  von  ganz  anderer  Art  sind.  Es  würde  also  ein  sehr  schroffer  Wechsel 
in  der  Art  der  Münzprägung  stattgefunden  haben. 

11)  Näheres  über  die  Sekelmünzen  und  deren  Alter  s.  Beilage  IV.  —  Ausser 
den  Sekeln  werden  von  manchen  Numismatikern  auch  die  Kupfermünzen  mit 
der  Aufschrift  Obv.  •p'^-.i  nbxj?,  Rev.  rn-x  r.'.-a  (der  Befreiung  Zion's,  Jahr  IV) 
in  die  Zeit  Simon's  gesetzt.  Die  Anhaltspunkte  hierfür  sind  noch  unsicherer 
als  die  in  Betreff  der  Sekelmünzen.  Entschieden  falsch  und  jetzt  allgemein 
aufgegeben  ist  die  Meinung  älterer  Numismatiker,  dass  die  Münzen,  welche 
den  Namen  Simon  tragen,  dem  Makkabäer  Simon  angehören.  S.  über  diese 
beiden  Kategorien  ebenfalls  Beilage  IV. 

12)  I  Makk.  13,  43—48;  vgl.  14,  34.  Joseph.  Äntf.  XIII,  6,  6.  Strabo  p.  759  t 
iv  ÖS  T(p  fifta^v  xal  y  Fadagig  s'oxiv,  ^v  xal  avtrjv  i^iöiäaavxo  ol  'lovöalot 
(das  von  Strabo  hier  erwähnte  Gadaris  ist  eben  das  Gebiet  von  Gazara).  —  Die 
Handschriften  des  ersten  Makkabäerbuches  haben  an  unserer  Stelle  (I  M.  13, 43} 
rdtiKv.  Dass  statt  dessen  rd'C,aQa  zu  lesen  ist,  beweist  nicht  nur  der  parallele 
Text  des  Josephus,  sondern  auch  der  Text  des  ersten  Makkabäerbuches  an 
den  übrigen,  auf  unseren  Bericht  zurückblickenden  Stellen  (I  3/.  13,  53.  14,  7. 
34.   15,  28.    35.    16,  1.    19.   21).    Es  ist  das  alttestamentliche  nts,   eine  bedeu- 


246  §  7.    Simon  (142-135).  [194] 

Zum  Statthalter  von  Gazara  wurde  Simon's  Soliu  Joliaiines  be- 
steUt»3).  I 

tende  kanaanitische  Stadt,  über  deren  hage  Eusebius  {(hiomast.  ed.  Lagat-de 
p.  244)  bemerkt:  xal  vvv  xaksizai  rat,äQa  xüj/xtj  Nixondlswg  dneyovaa  otj/xst- 
oig  (f  iv  ßopeloig.  Diese  Angabe  des  Eusebius  hat  sich  durch  die  neueren 
Forschungen  bestätigt.  Denn  der  von  Clermont-Ganneau  im  J.  1873  ent- 
deckte Tell-Dschezer,  unmittelbar  bei  Abu  Shusheh,  liegt  in  der  That  vier 
röm.  mil.  pass.  von  Emmaus-Nikopolis,  wenn  auch  mehr  in  westlicher,  als  in 
nördlicher  Richtung.  Zu  dieser  Ortslage  stimmen  auch  die  Voraussetzungen 
des  A.  T.'s  und  des  ersten  Makkabäerbuches,  namentlich  I  M.  4,  15,  aber  auch 
I  Jlf.  7,  45  (eine  Tagereise  weit  von  Adasa)  und  I  M.  14,  34  (r^v  Fd^aQu  xtjv 
inl  Ttüv  ogloov  ^^oJrov,  dass  das  Gebiet  von  Gazara  an  das  von  Asdod  grenzte, 
ist  bei  der  grossen  Ausdehnung  dieser  Stadtgebiete  sehr  wohl  möglich).  End- 
lich sind  in  der  Nähe  von  Tell-Dschezer  in  den  Jahren  1874—1898  mehrere 
Inschriften  mit  dem  Namen  von  ^t5  entdeckt  worden,  welche  wahrscheinlich 
die  Sabbathgrenze  der  Stadt  bezeichnen,  nämlich:  1)  im  J.  1874  entdeckte 
Clermont-Ganneau  zwei  hebräisch-griechische:  "iT5  öün  AXxiov,  und  eine  nur 
hebräisclie,  alle  drei  nicht  weit  von  einander  entfernt,  etwa  800  Meter  östlich 
von  Tell-Dschezer  (die  Lesung  der  nur  hebräischen  ist  unsicher).  2)  Im  J.  1881 
entdeckte  Clermont-Ganneau  eine  dritte  hebräisch-griechische,  ebenfalls  in  der 
Nähe  der  anderen,  3)  Im  J.  1898  entdeckte  Lag  ränge  eine  vierte  hebräisch- 
griechische, gleichlautend  mit  den  anderen  ("iT5  ünn  Akxcov),  aber  südlich  von 
Tell-Dschezer,  ungefähr  in  gleicher  Entfernung  davon,  wie  die  anderen  östlich. 
"iTJ  onn  kann  nur  heissen  „Grenze  von  GezeT",''AXxiog  ist  wohl  der  Name 
des  Beamten,  der  die  Inschriften  anfertigen  Hess.  Es  darf  somit  als  sicher 
gelten,  dass  damit  die  Lage  des  alten  Geser  oder  Gazara  tixirt  ist.  Vgl. 
Clermont-Oanneau,  Bulletin  de  la  Societe  de  geographie  Scr.  VT,  t.  5, 
Paris  1873,  p.  123  sqq.  (war  mir  nicht  zugänglich).  Clermont-Oanneau, 
Comptes  rendus  de  l'  Acadimie  des  Inscriptions  et  Belles-Lcttres  de  Vatmie  1874, 
p.  201.  213  sq.  Palestine  Exploration  Fund  Qiiarterly  Staieiticnts  1873,  p.  78  sq. 
1874,  p.  56;  27Q  sqq.  1875,;).  5;  "-isqq.  Mühlau  in  Riehm's  Wörterb.  des 
bibl.  Altertums  Art.  „Geser".  The  Survey  of  Western  Palestine,  Memoirs  hy 
Conder  and  Kitchener  II,  417;  428—440;  dazu  Bl.  XVI  der  englischen  Karte 
(rechts  oben,  bei  Abu  Shusheh).  Clermont-Ganneau,  Revue  critique  1881, 
Nr.  50  p.  476.  Ders.  in:  Archives  des  missions  scicntißques,  troisirmc  siric 
t.  XI,  1885,  p.  243 fij.  Ebers  und  Guthe,  Palästina  II,  192  ff.  455.  Chwol- 
Bon,  Corpus  Insor.  Hcbraicarum  (1882)  col.  58—60;  225;  iab.  1  n.  2  u.  2«. 
Clermont-Oanneau,  Recueil  d'  Archäologie  Orientale  I,  1888  ;>.  351—391. 
{Mont  Qisart  der  Kreuzfalirer  identlHcli  mit  Gczer).  Clermont-Oanneav, 
Archaeological  Beaearehes  in  Palestine  II,  1890,  p.  224—275  (zuHiinuuciifuBsend). 
Clermont-Oanneau,  Comptea  rendus  de  l'  Acad.  des  Itiscr.  et  Bcltes-Lcltrea 
1808,  p.  080—694  (abgedr.  in:  Reeueil  rf'  Arcli.  Orientale  III,  1899,  ;).  11(5— 126, 
lievue  biblique  VIII,  1800,  p.  100—117,  englisch:  Quarterhj  Statcmmts  1899, 
p.  118—127).  Clermont-Oanneau,  Recueil  rf'  Arch.  or.  111,  264— 268  (mit 
4  Tafeln  und  einem  Bericht  des  P.  Lagrange,  der  uudi  nbifvilr.  ist  in:  Com- 
pie*  rendu*  de  f  Ae.  de»  Insor.  1800,  p.  247—261  imd  //»v"  //W/V//»  VI II, 
422—427).  —  Aeltere  Literatur  über  Geser:  Winer'H  i:\\i;.  ini.l  s.luMikcr.s 
Bibellex.  Art.  „Geser".  Grimm,  Exeget.  Handb.  zu  I  i////.  i,  ii.  Raumer, 
Pallstina  8.  191.  OuSrin,  Judie  1,  26-20. 
13)  I  Mnkk.  13,  63.   10,  1.   10.   21. 


[195.  196]  §  7.   Simon  (142-135).  247 

Bald  nach  der  Eroberung  Gazara's  zwang  Simon  auch  die 
syrische  Besatzung  der  Burg  von  Jerusalem  durch  Hunger  zur 
Uebergabe.  Schon  lange  waren  die  nationalen  Bestrebungen  der 
Makkabäer  auf  dieses  Ziel  gerichtet;  denn  so  lange  die  Burg  in 
den  Händen  der  syrischen  Könige  war,  waren  die  Juden  die  Unter- 
thanen  der  letzteren.  Jetzt  gelang  es  dem.  Simon,  auch  dieses  Boll- 
werkes Herr  zu  werden.  Am  23.  Tage  des  zweiten  Monats 
des  Jahres  171  aer.  Sei.  =  Mai  142  vor  Chr.  zog  er  mit  grossem 
Gepränge  in  die  Burg  ein*'*).  | 

Da  die  syrischen  Könige  den  Vorgängen  in  Judäa  keine  Auf- 
merksamkeit schenken  konnten,  so  folgten  für  Judäa  zunächst 
einige  Jahre  ungetrübten  Glückes  und  Friedens.  Als  eine 
solche  Zeit  wird  überhaupt  die  Regierung  Simon's  im  ersten  Makka- 
bäerbuche  charakterisirt.  Dabei  werden  als  seine  Hauptverdienste 
die  Erwerbung  Jope's  als  Hafen  und  die  Eroberung  von  Gazara, 
Beth-zur  und  der  Burg  von  Jerusalem  hervorgehoben*^).    Ausser- 


14)  I  Makk.  13,  49—52;  vgl.  14,  7.  36-37.  Joseph.  Antt.  XIII,  6,  6.  Das 
Datum  des  23.  Ijjar  (dies  ist  der  zweite  Monat)  giebt  ausser  I  M.  13,  51  auch 
MerjUlalh  Taanith  §  5.  Vgl.  Grätz,  Gesch.  der  Juden  Bd.  III,  4.  Aufl.  S.  565. 
Derenbourg  p.  67.  Schwab,  Actes  du  onxieme  Congres  des  orientalistes, 
IV*»e  Section,  p.  222.  Wenn  die  Voraussetzung  richtig  ist,  dass  die  Seleuciden- 
Aera  des  ersten  Makkabäerbuches  im  Frühjahr  (Nisan)  beginnt,  so  ist  der  Ijjar 
171  =  Mai  142  vor  Chr.  —  Mit  dem  Bericht  von  der  Eroberung  der  Burg 
verbindet  Josephus  Antt.  XIII,  6,  6  (vgl.  Bell.  Jud.  V,  4,  1)  die  merkwürdige 
Notiz,  dass  nicht  nur  die  Burg  zerstört,  sondern  auch  der  ganze  Hügel,  auf 
welchem  die  Burg  gelegen  habe,  in  dreijähriger  ununterbrochener  Arbeit 
vom  Volk  abgetragen  worden  sei,  damit  der  Tempelplatz  höher  sei  als  die 
Stelle  der  ehemaligen  Burg.  Da  das  erste  Makkabäerbuch  nichts  davon  er- 
wähnt, sondern  im  Gegentheil  sagt,  dass  Simon  die  Burg  befestigt  und  eine 
jüdische  Besatzung  in  dieselbe  gelegt  habe  (I  M.  14,  36—37;  vgl.  auch  15,  28), 
so  kann  die  Abtragung  keinesfalls  in  die  Zeit  Simons  fallen.  In  der  Parallel- 
stelle des  Bell.  Jud.  V,  4,  1  ist  sie  aber  auch  nur  allgemein  als  Werk  der 
Hasmonäer  bezeichnet.  In  dieser  Form  ist  die  Notiz  gewiss  richtig,  denn 
die  Stelle,  wo  die  Burg  gelegen  hat,  ist  jetzt  in  der  That  fast  eben,  während 
sie  ehedem  eine  andere,  zur  Anlage  der  Burg  geeignete  Gestalt  gehabt  haben 
muss.  ünhistorisch  ist  also  nur,  dass  Josephus  Antt.  XIII,  6,  6  die  Abtragung 
noch  zur  Zeit  Simon's  erfolgen  lässt.  Dies  ist  nach  I  Makk.  14,  36 — 37  und 
15,  28  allerdings  nicht  möglich.  Vgl.  über  die  ganze  Frage  die  oben  (S.  198f ) 
genannte  Literatur;  auch  Crome,  Art.  „Jerusalem"  in  Ersch  und  Gruber's 
AUgem.  Encyklop.  Section  II,  Bd  15  (wo  S.  291 — 295  die  Geschichte  der  Akra 
ausführlich  dargestellt  ist  und  die  Gründe  gegen  den  Bericht  des  Josephus, 
aber  zum  Theil  auf  Grund  falscher  Prämissen,  entwickelt  sind);  Grimm, 
Exeget.  Handb.  zu  I  Makk.,  S.  22  f.  205. 

15)  I  Makk.  14,  4 — 7.  Vgl.  auch  die  Motive  in  dem  Volksbeschluss  I  M. 
14,  33 — 37.  An  beiden  Stellen  wird  zusammengestellt,  was  im  Zusammenhang 
der  Erzählung  des  ersten  Makkabäerbuches  bereits  früher  berichtet  ist;  vgl. 


248  §  7.   Simon  (142—135).  [196.  197] 

dem  wird  namentlich  auch  seine  Sorge  für  die  geistige  und 
materielle  Wohlfahrt  des  Landes,  für  strenges  Recht  und 
für  Durchführung  des  jüdischen  Gesetzes  gerühmt.  „Man 
baute  sein  Land  im  Frieden  und  das  Land  gab  sein  Gewächs  und  - 
die  Bäume  auf  den  Ebenen  brachten  ihre  Frucht.  Aelteste  sassen 
in  den  Strassen  und  beredeten  sich  über  des  Landes  Bestes,  und 
die  Jünglinge  kleideten  sich  in  Ehren  und  Gewänder  des  Krieges. 
Die  Städte  versah  er  mit  Lebensmitteln  und  rüstete  sie  aus  mit 
Befestigungszeug,  so  dass  sein  Name  «und  seine  Ehre  bis  an  das 
Ende  der  Erde  genannt  wurden.  Er  schaffte  dem  Lande  den 
Frieden,  und  Israel  freute  sich  mit  grosser  Freude.  Und  Jeder 
wohnte  unter  seinem  Weinstock,  unter  seinem  Feigenbaum,  und 
Niemand  war,  der  sie  erschreckte.  Und  Niemand  bekriegte  sie 
mehr  im  Lande  und  die  Könige  waren  in  jener  Zeit  gedemüthigt. 
Und  er  half  allen  Elenden  seines  Volkes  auf;  er  hielt  über  dem 
Gesetze  und  vertilgte  |  jeglichen  Abtrünnigen  und  Uebelthäter.  Er 
machte  das  Heiligthum  herrlich  und  vermehrte  die  Geräthe  des 
Heiligthums"  ^^). 

In  diesen  Worten  des  ersten  Makkabäerbuches  konmit  das 
Gefühl  der  Befriedigung  zum  Ausdruck,  welches  die  Mehrheit  des 
Volkes  über  Simon's  Regierung  empfand.  Das  letzte  Ziel  der  makka- 
bäischen  Bestrebungen  war  erreicht.  Die  Regierung  war  in  den 
Händen  der  nationalen  Partei,  das  Land  war  unabhängig  von  sy- 
rischer Oberhoheit.  So  erntete  Simon  nun  auch  die  letzte  Frucht 
der  gemeinsamen  Arbeit:  die  formelle  Legitiuiirung  seiner 
Familie  als  der  regierenden  hohenpriesterlichen  Familie 
von  Seite  des  Volkes.  Es  war  ja  ein  Act  der  Usurpation  ge- 
wesen, durch  welchen  die  Söhne  des  Mattathias  zur  Herrschaft  ge- 
langt waren.  Bis  zum  Ausbruch  der  makkabäischen  Erhebung  war 
die  hohepriesterliche  Würde  in  einer  anderen  Familie  erblich  ge- 
wesen. Durch  den  Gang  der  Ereignisse  war  diese  verdrängt  wor- 
den. Die  makkabäischen  Brüder  hatten  die  Führung  der  natio- 
nalen Partei  übernommen,  und  die  syrischen  Könige  Imtten  ilinen 
die  hohepriesterliche  Würde  übertragen.  Es  war  für  den  Bestand 
der  Herrschaft  Simon's  von  gi'össter  Bedeutung,  dass  die  Recht- 
mä«8igkeit  seiner  Regierung  für  seine  Person  und  seine  Nachkom- 


ttbcr  Bcth-zur  1  M.  11,  ü5  f.,  über  Jopc  I  M.  12.  :«  f.  Ki  11,  über  Gazara 
und  die  ßurg  I  M.  13,  43—52. 

10)  I  Makk.  14,  8 — 16  (die  Uebewetzunj!;  nacl»  JUmsi-iis  liibolwerk).  —  Auf 
das  »treoge  Verfaliren  Bimon'i  gegen  die  AbtrünniKtn  beziehen  Grätz  (Bd.  JII, 
4.  Aufl.  8  Wiö)  und  Derenbourg  (HUtoire  p,  08  «y.)  die  Notiz  Metjülath 
Taanith  g  15. 


[197.  198]  §  7.   Simon  (142-135).  249 

luen  durch  eiuen  Volksbeschluss  ausdrücklich  anerkannt  wurde. 
Ein  solcher  Act  erfolgte  im  dritten  Jahre  der  Kegierung  Sinion's. 
Am  18.  Elul  des  Jahres  172  aer.  Sei.  =  September  141  vor  Chr. 
wurde  in  einer  grossen  Versammlung  „der  Priester  und  des  Volkes 
und  der  Oberen  des  Volkes  und  der  Aeltesten  des  Landes"  be- 
schlossen,  dass  Simon  Hoherpriester  und  Kriegsoberster 
und  Volksfürst  {aQxt^Qivg,  0TQaxi)y6q  und  ed^i^apx^/s)  der  Juden 
sein  solle,  und  zwar  „auf  ewig,  bis  ein  zuverlässiger  Prophet  auf- 
stände" (I  M.  14,  41)*').  Durch  die  letztere  |  Formel  wird  ange- 
deutet, dass  dieser  Volksbeschluss  so  lange  gelten  solle,  als  nicht 
durch  eine  authentische  Kundgebung  Gottes  etwas  anderes  verfügt 
werde.  Bis  dahin  also  wurden  Simon's  Würden  für  „ewig"  d.h. 
erblich  erklärt.  Die  Bedeutung  des  Volksbeschlusses  liegt  nicht 
sowohl  darin,  dass  ihm  neue  Würden  übertragen,  als  vielmehr 
darin,  dass  die  Würden,  die  er  bereits  hatte,  legitimirt  und  für 
erblich  erklärt  wurden.  Es  wurde  damit  eine  neue  hoheprie- 
sterliche und  fürstliche  Dynastie,  die  der  Hasmonäer  be- 
gründet'^).   Der  Wortlaut  des  Volksbeschlusses  wurde  auf  eherne 


17)  S.  überh.  I  Makk.  14,  25—49.  Der  Inhalt  des  Decretes  14,  41—46  wird 
durch  ein  ort  14,  41  von  dem  vorhergehenden  ^xovo&tj  14,  40  abhängig  ge- 
macht. Dass  dieses  ou  nothwendig  zu  tilgen  ist,  haben  die  Ausleger  längst 
erkannt.  —  Die  Titulatur  Simon's  ist  dreitheilig,  wie  sich  aus  folgenden, 
im  Wesentlichen  übereinstimmenden  Stellen  ergiebt,  I  M.  13,  42:  inl  JHfiotvoq 
uQxiSQeioq  fisyakov  xal  oxQaxi]yov  xal  rjyovfxsvov  'lovSaiiuv.  I  M.  14,  41 — 42: 
Tov  tlvai  ttvxüJv  ^ifxwva  r,yovixtvov  xal  aQXUQka  ....  xal  xov  eivai  ^n  aiTtüv 
axQarrjyöv.  I  -1/.  14,  47:  ßpyf<fP*f^*''f'*'  ^^^  eivai  axpaxTjyoq  xal  iBvÜQyjiq  xüiv 
^lov^ai(i)v  xal  Uq6(ov.  Weniger  vollständig  I  J/.  15,  1:  UgtT  xal  id-vag^y  xdüv 
'Iovöai<j)v,  15,  2:  Uqh  fieydlw  xal  i&vdgxQ.  Auch  in  der  Stelle  I  .V.  14,  27 
inl  Sificüvog  aQyjeQiux;  ivaaga/zt).  gehören  die  räthselhaften  Worte  dvaa- 
QUfit?.  oder  ivaaaQafit?.  sicher  zur  Titulatur,  aaga^iik  ist  vermuthlich  bs  er  "ito, 
also  =  id^vÜQ/Tjg.  Räthselhaft  bleibt  das  sv.  Ich  vermuthe,  dass  ursprünglich 
0£yev==  po  dagestanden  hat;  denn  dies  entspricht  dem  griechischen  axgaxTjyog 
(vgl.  Bd.  II  S.  265).  Andere  Erklärungsversuche  s.  bei  Win  er  RWß.  Art. 
„Saramel",  Schenkel's  Bibellex.  V,  179.  Michaelis,  Grimm  und  Keil 
in  ihren  Commentaren  zu  I  M.  14,  27.    Derenbourg,  Histoire  p.  67.  450  sj'. 

18)  Vgl.  über  die  Bedeutung  des  Volksbeschlusses  namentlich  auch  Lu- 
cius, Der  Essenismus  (1881)  S.  86—88.  —  Der  Familien-Name  der 
Dynastie  ist  ol  liaafiotvalov  nalösq  {Jos.  Vita  1;  Äntt.  XX,  8,  11.  XX,  10), 
x6  kaa/iia)vaiü)v  ysvog  [Äntt.  XV,  11,  4),  ol  ^AaafiwvaZot  [Bell.  Jud.  II,  16,  3; 
V,  4,  1),  nach  dem  im  ersten  Makkabäerbuche  nicht  erwähnten  Ahnherrn 
kaafziovaZog  {Äntt.  XII,  6,  1;  XIV,  16,  4;  XVI,  7,  1),  in  der  Mischna  Middoth  I,  6 
">X3lSTi;n  "1:3  oder  ilT^m  1:3  (letztere  Form  in  der  von  Lowe  herausgegebenen 
Cambridger  Handschrift),  im  Targum  Jonathan  I  Sam.  2,  4  '^xn^^'n  r^n;  an- 
dere rabbinische  Stellen  s.  bei  Levy,  Chald.  Wörterb.  und  Neuhebr.  Wörterb. 
s.  V.  'i>^3l"2T!;n.  —  Wellhausen  (Pharisäer  und  Sadducäer  S.  94  Anm.)  hat  die 
Vermuthung  ausgesprochen,  dassHasmon  der  Grossvater  des  Mattathias  ge- 
wesen sei,  indem  I  Makk.  2,  1  statt  xov  Sv/jts<ov  gestanden  habe  ben  chaschmon. 


250  §  7.   Simon  (142—135).  [198] 

Tafeln   aufgezeichnet    und    diese   im  Vorhof  des  Tempels  aufge- 
stellt'9). 

Zur  Legitimirung  durch  das  Volk  kam  bald  auch  die  Aner- 
kennung von  Seite  der  Römer.  Um  die  Zeit  jenes  Volks- 
beschlusses sandte  Simon  eine  Gresandtschaft  unter  Führung  des 
Numenius  nach  Eom,  welche  einen  goldenen  Schild  von  tausend 
Minen  Gewicht  überbrachte  und  um  Erneuerung  des  Bündnisses 
bat.  Die  Gesandtschaft  wurde  vom  Senat  wohlwollend  aufgenom- 
men und  erlangte  einen  Senatsbeschluss,  welcher  den  Juden  den 
ungeschmälerten  Besitz  ihres  Gebietes  garantirte.  Von  dem  Inhalt 
des  Senatsbeschlusses  wurden  die  Könige  von  Aegypten,  Syrien, 
Pergamum,  Kappadocien  und  Parthien  und  viele  selbständige 
kleinere  Staaten  und  Communen  Griechenland's  und  Kleinasiens  in 
Kenntniss  gesetzt,  indem  ihnen  zugleich  aufgetragen  wurde,  die  aus 
Palästina  zu  ihnen  geflüchteten  Uebelthäter  dem  jüdischen  Hohen- 
priester auszuliefern -0).    Der  Wortlaut  des  Senatsbeschlusses  liegt] 


19)  I  Makk.  14,  27.  48—49.  —  Der  im  I.  Makkabäerbuche  mitgetlieilte 
Wortlaut  der  Urkunde  (14,  27 — 45)  giebt  sich  als  ein  uvriyQa(pov  des  authen- 
tischen Textes  (14,  27).  Hiebei  fallt  jedoch  die  Bemerkung  14,  38—40  auf, 
dass  Demetrius  den  Simon  deshalb  als  Hohenpriester  bestätigt  habe,  weil 
er  gehört  hatte,  dass  die  Eömer  die  Gesandtschaft  Simon's  ehrenvoll  aufge- 
nommen hätten.  Der  Freibrief  des  Demetrius  für  die  Juden  (I  M.  13,  30 — 40 
vgl.  oben  S.  242)  fallt  ja  einige  Jahre  früher  als  die  Gesandtschaft  Simon's 
an  die  Römer,  die  eben  jetzt,  etwa  gleichzeitig  mit  unserem  Volksbeschlusse, 
erst  abging  und  noch  8i)äter  zurückkehrte.  Wenn  also  in  der  sonstigen  Er- 
zählung unseres  Buches  die  Thatsachen  richtig  angegeben  sind,  so  kann  das 
angegebene  Verhältniss  nicht  richtig,  demnach  der  mitgetheilte  Wortlaut  des 
Volksbeschlusses  nicht  in  allen  Einzelheiten  authentisch  sein.  Er  scheint 
mehr  eine  freie  Reproduction  als  eine  diplomatisch  genaue  Abschrift  zu  sein. 
S.  Grimm,  Das  erste  Makkabäerbuch  8.  219  f.  Zu  der  Annahme,  dass  er 
erst  von  einem  späteren  Interpolator  eingefügt  sei  (Will rieh,  Juden  und 
Griechen  S.  69  f.  Kautzsch,  Uebers.  der  Apokr.  S.  29),  scheint  mir  kein 
Anlass  vorzuliegen. 

20)  Vgl.  überh.  I  M.  14,  24  u.  15,  15—24.  —  Das  erste  Makkabäerbuch 
spricht  80,  als  ob  die  Römer  sclion  vorher  aus  eigenem  Antrieb  ein  Schreiben 
an  die  Juden  wegen  Erneuerung  des  JJündnisses  L'crichtet  hätten  (I  Molch.  14, 
16  ff.).  Das  ist  schwerlich  historisch.  —  Naeli  I  U.  1 1,  24  vgl.  mit  14,  25  fl". 
mflsHte  man  annehmen,  dass  die  QesandtHchall  >eli(iii  vor  dem  Volkslieschluss 
vom  18.  Ehil  172  acr.  Sei.  —  September  Ml  vor  Chr.  nli;  . m  .n  wäre.  Das 
ist  kaum  denkbar,  da  sie  erst  im  J.  174  aer.  Sei.  --  13IV13S  vor  Clir.  zurück- 
kam (I  M.  15,  10  U.  15).  VlelU'icht  hat  der  Verf.  die  Notiz  vor»  dem  Al)gang 
der  Gcsnndtschaft  dcMhalb  vor  dem  llerieht  ülnr  den  V()lksl)esehluss  eiiigo- 
schaltct,  weil  «-r  naeh  der  »mgcnuuen  Wiedergalic  <lcs  \ OlkHheKchhiHseH  I  .¥.14, 
40  diesen  bereits  als  eine  Wirkung  der  (icHaiidtHchaft  aiisali.  —  Zu  beiiierketi 
ist  noch,  dass  das  Verzeichniss  der  Htajiten,  an  welciie  (bis  röirüsciie  Rund- 
schreiben gerichtist  ist  (I  3/.  15,  16.  22—23),  den  damaligen  Verlu'iltnisseii  ent- 
spricht.    Denn  fast  alle  einzelnen  kleinen  Stallten   und  ('onmiunen. 


[199]  '     §  7.   Simon  (142-135).  251 

uns  wahrscheinlich  in  dem  von  Josephus  Antt.  XIV,  8,  5  mitge- 
theilten  Senatsconsult  vor,  das  Josephus  erst  in  die  Zeit  Hyrkan's  II 
setzt.  Die  in  dieser  Urkunde  vorausgesetzten  Verhältnisse  sind 
nämlich  ganz  dieselben  wie  in  I  Makk.  14,  24  u.  15,  15 — 24:  jüdische 
Gesandte,  deren  einer  Nu menius  hiess,  überbrachten  einen  golde- 
nen Schild  mit  der  Bitte  um  Erneuerung  des  Bündnisses,  und  der 
Senat  beschloss  infolge  dessen,  die  autonomen  Städte  und  Könige 
anzuweisen,  dass  sie  die  Integrität  des  jüdischen  Gebietes  respec- 
tirten.  Die  betreifende  Senatssitzung  fand  nach  Josephus  statt  döoig 
JexEfißQiaig  =  13.  December,  unter  Leitung  des  Prätors  Lucius 
Valerius.  Möglicherweise  ist  daher  letzterer  identisch  mit  dem 
„Consul  Lucius",  welcher  nach  IM.  15,  16  das  Rundschreiben  an 
die  Könige  und  Städte  ausgefertigt  hat^').  Doch  kann  damit  auch 
der  eine  der  Consuln  des  Jahres  139  v.  Chr.,  L.  CalpurniusPiso 
gemeint  sein,  der  nach  der  richtigen  Lesart  bei  Valer.  Max.  I,  3,  2 
mit  seinem  Vornamen  nicht  Cneius,  sondern  Lucius  hiess--).    Jeden- 


welche  neben  den  Königen  von  Aegypten,  Syrien,  Pergamum, 
Kappadocien  und  Parthien  genannt  werden,  waren  damals  in  der 
That  weder  den  Römern  noch  einem  jener  Könige  unterthänig. 
Vgl.  die  Nachweise  bei  Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  Bd.  I,  2.  Aufl. 
1881,  S.  333  fl".  und  sonst;  auch  Gilbert,  Handbuch  der  griech.  Staatsalter- 
thümer  Bd.  II,  1885,  passim.  Mommsen,  Römisches  Staatsrecht  III,  1  (1887) 
S.  670.  Brandis  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  II,  1540  f.  (s.  v.  Asia).  Ungar, 
Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie,  philos.-philol.  und  bist.  Cl.  1895, 
S.  563  flF.  —  Willrich,  Judaica  S.  76  erhebt  gegen  die  Liste  zweierlei  Ein- 
wände: 1)  dass  Demetrius  von  Syrien,  an  welchen  das  Schreiben  nach  I  3/.  15, 
22  auch  gerichtet  war,  sich  damals  schon  in  parthischer  Gefangenschaft  be- 
funden habe,  2)  dass  Cypern  und  Cyrene,  welche  neben  dem  Könige  von  Aegypten 
genannt  werden,  damals  noch  zu  Aegypten  gehörten.  Aber  Nr.  1  ist  nicht 
erweislich  (vgl.  oben  S.  172  f.),  und  Nr.  2  ist  nicht  auffallend,  da  die  Römer 
sich  wohl  erlauben  konnten,  an  die  ägyptischen  Gouverneure  von  Cypern  und 
Cyrene  extra  zu  schreiben.    Vgl.  Unger  a.  a.  O. 

21)  So  Mendelssohn  (in  der  unten  angeführten  Schrift,  indem  er  an- 
nimmt, dass  aus  dem  „Prätor"  infolge  der  Uebersetzung  in's  Hebräische  und 
aus  dem  Hebräischen  wieder  in's  Griechische  I  M.  15,  16  irrthümlich  ein 
„Consul"  geworden  sei. 

22)  So  Ritschi  und  Andere.  —  Die  Identität  des  Senatsconsultes  bei 
Josephus  Antt.  XIV,  8,  5  mit  dem  durch  die  Gesandtschaft  Simon's  veranlassten 
ist  schon  von  Ewald  (Gesch.  des  Volkes  Israel  3.  Aufl.  IV,  438)  und  Grimm 
(Exeget.  Handb.  zu  I  Makk.  S.  226  f.)  angenommen  worden.  Unabhängig  von 
ihnen  ist  Mendelssohn  zu  derselben  Ansicht  gelangt  und  hat  sie  näher  be- 
gründet. Durch  seine  Untersuchung  über  diese  und  die  -damit  zusammen- 
hängenden Fragen  ist  in  den  Jahren  1873—1877  eine  ganze  Literatur  hervor- 
gerufen worden,  S.  Mendelssohn,  De  senati  consulti  Romanonim  ab  Josepho 
Antiq.  XIV,  8,  5  relati  temporibus ,  Lips.  1873  (aufgenommen  in  Ritschl's  Acta 
soeiefatis  philologae  Lipsicnsis  t.  V,  Lips.  1875).  —  Ritschi,  Eine  Berichtigung 
der  republicanischen  Consularfasten,  zugleich   als  Beitrag  zur  Geschichte  der 


252  §  7.    Simon  (142—135).    .  [199.  200] 

falls  I  wird  die  Anwesenheit  der  jüdisclien  Gesandten  zu  Rom  in 
das  J.  139  vor  Chr.  fallen,  denn  sie  kamen  im  J.  174  aer.  Sei.  = 


römisch-jüdischen  internationalen  Beziehungen  (Rhein.  Museum  Bd.  28,  Jahrg. 
1873,    S.  586—614).   —   Eitschl,   Nachtrag  hierzu   (Rhein.  Museum,  Bd.  29, 
Jahrg.  1874,    S.  337  ff.).   —    Grimm,   Ueber  I  Makk.  8  und  15,  16—21  nach 
Mommsen's  und  Ritschl's  Forschungen    (Zeitschr.  für  wissensch.  Theol.  1874, 
S.  231 — 238).  —  Lange,  in  Bursian's  Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der 
class.  Alterthumswissensch.  Bd.  I  (für  1873)  S.  872 — 876.  —  Mommsen,   Der 
Senatsbeschluss  Jos.  Antt.  XIV,  8,  5  (Hermes  Bd.  IX,  1875,    S.  281—291).  — 
Mendelssohn  und  Ritschi,   Nochmals   der   römische  Senatsbeschluss  bei 
Josephus  Antt.  XIV,  8,  5  (Rhein.  Museum  Bd.  30,  Jahrg.  1875,  S.  419—435).  — 
Keil,  Commentar  über  die  Bücher  der  Makkabäer  (1875)  S.  239  ff. — Wieseler, 
Theol.  Studien  u.  Krit.  1875,  S.  524  ff.  —  Grimm,  Die  neuesten  Verhandlungen 
über  den  „Consul  Lucius"  I  Makk.  15,  16  (Zeitschr.  für  wissensch.  Theol.  1876, 
S.  121—132).  —  Wieseler,  Theol.  Stud.  u.  Krit.  1877,  S.  281—290.   —   Ju- 
deich, Cäsar  im  Orient  (1885)  S.  129—136.  —  Viereck,  Sermo  Oraecus,  quo 
senatus  popubisque  Romanus  etc.  usisunt,  Gotting.  1888,  p.  103 — 106.  —  ünger, 
Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie,  philos.-philol.  und  hist.  Classe  1895, 
S.  553—575.   —  Willrich,   Juden  und  Griechen  (1895)  S.  71  f.   —  Josephus 
bemerkt  Antt.  XIV,  8,  5,  nachdem  er  den  Wortlaut  des  Senatsconsultes  mit- 
getheilt  hat,  xavxa  iyivixo  inl  '^Yqxgvov  ägxiSQtojq  xal  i&vÜQXov  hovq  ivaxov 
fiTjvcg  Ilavefxov.    Er  meint   damit  Hyrkan  II.    Mommsen   und   nach   ihm 
Jude  ich  verlegen  auf  Grund  dessen  das  Senatsconsult  in  das  J.  47  vor  Chr., 
als  Cäsar  die  Dinge  in  Syrien  ordnete;  und  Willrich  versichert,  dass  Momm- 
sen „unwiderleglich  nachgewiesen"  habe,   dass  die  Urkunde  in  die  Zeit  Hyr- 
kan's  II  gehöre.    In  Wahrheit   ist  Mommsen's  Ansicht   unmöglich,   weil   das 
J.  47  nicht  das  neunte  Jahr  Hyrkan's  II  war,   weder  als  d^x'^Q^^'?  noch  als 
iS^väpxii'    Ersteres  war  er  schon  seit  63  vor  Chr.  und   letzteres   ist   er  erst 
durch  Cäsar  wieder  geworden.    (Die  Datirung  Mommsen's  von  den  Verfügungen 
des  Gabinius  an  ist  unmöglich,   weil  durch  Gabinius  dem  Hyrkan  nichts  ge- 
geben, sondern  alle  politische  Macht  genommen  worden  ist,  s.  Mendelssohn,. 
Rhein.  Museum  Bd.  30,    1875,   S.  424  f.    Bd.  32,  1877,   S.  256).    Auch  konnte 
den  Juden  im  J.  47  nicht  die  Sicherheit  ihrer  „Häfen"  garantirt  werden,  wie 
in   dem  SC  geschieht,   weil   sie  seit  Pompejus  keine  mehr  hatten  (erst  nach 
dem  J.  47  erhielten  sie  Jope  wieder  durch  Cäsar's  Gunst).    Weit  eher  kommt 
daher  die  Ansicht  Scaliger's  und  Aelterer  in  Betracht,  welche  durch  Viereck 
und  Unger  erneuert  worden  ist,  dass  das  neunte  Jahr  Hyrkan's  I.  gemeint 
Hci.    Aber  die  Gleichheit  der  Verhaltnisse  von  I  M.  15,  16—21  und  Jos.  Antt. 
XIV,  8,  ß  iMt  80  gross,  daxs  die  Annahme  der  Identität  nicht  abzuweiseii  sein 
wird.    Diese  erkennt  z.  B.  auch  Willrich  an.    Die  Frage  dürfte  sich  denmach 
(labin  stellen,  ob  man  in  Betrefl'  der  Datirung  dem  I.  Makkabäerbuche,  welche» 
in  der  Urkunde  selbst  den  Namen  Simou's  nennt  (15,  17),  oder  dem  Joscphu» 
den  Vorzog  geben  hoII.    Ist  dem  aber  ho,  dann  scheint  mir  die  Autorität  des 
letzteren  allerdingH  zu  «chwach,  um  die  des   erstercn  aiiHziiHtcilun.    Für  die 
Zeit  Simon'*  Kpricbt  auch,  dass  in  dem  Senatsconsult  ,1«//.  XIII,  !),  2,  weiches 
in  die  erste  Zeit  Hyrlcans  gebort,  höchst  wabrHcheinlieli  auf  unNcr  Seiiatsi^on- 
•alt  Bezug  genommen  ist  —  Gegen  die  Ansetzuug  unseres  <b'C'  auf  das  J.  139 
vor  Chr.  macht  Mommsen  als  entscheidenden  Grund  geltend,  dass  die  be- 
treflende  Seoatssitzung  nach  Josephus  im  Tempo!  der  Cnncord ia  ih  t(^ 


[200]  §  7.   Simon  (142-135).  253 

139/138  vor  Chr.  nach  Palästina  zurück  (1  M.  15,  10  u.  15).  Mit 
dieser  Gesandtschaft  wird  auch  das  Auftreten  einer  jüdischen  Pro- 
paganda in  Eom  im  J.  139  v.  Chr.  zusammenhängen,  von  welchem 
wir  durch  eine  Notiz  des  Valerius  Maximus  wissen 23). 

Die  Regierung  Simon's  sollte  indess  nicht  ganz  so  ungestört 
verlaufen  wie  bisher.  Auch  er  wurde  noch  einmal  in  die  syrischen 
Angelegenheiten  verwickelt.  Dort  trat  eben  um  diese  Zeit  Dem e- 
trius  IL  vorläufig  vom  Schauplatze  ab.  Er  hatte  sich  in  einen 
langwierigen  Krieg  mit  dem  parthischen  König  Mithridates  I 
eingelassen,  der  damit  endigte,  dass  Demetrius  von  letzterem  im 
J.  138  V.  Chr.  gefangen  genommen  wurde ■■^*).  An  Stelle  des  Demetrius 
übernahm  nun  sein  Bruder  Autiochus  VII  Sidetes  den  Kampf 
gegen  Tryp ho.  Wie  alle  syrischen  Prätendenten,  die  ihren  Thron 
erst  erobern  mussten,  beeilte  sich  auch  Antiochus,  die  Juden  mit 
Gunstbezeugungen  zu  überhäufen.  Er  hatte  in  Rhodus  von  der 
Gefangennahme  des  Demetrius  gehört.  Noch  vor  seiner  Landung 
an  der  syrisch-phönicischen  Küste  („von  den  Inseln  des  Meeres  aus") 
erliess  er  ein  Schreiben  an  Simon,  worin  er  ihm  alle  Privilegien 
der  früheren  Könige  bestätigte  und  ihm  namentlich  auch  das  Münz- 
recht verlieh  25).    Bald  darauf,  noch  im  J.  174  aer.  Sei.  =  139,1381 

xfjg  ^Ofiovolag  vaip)  stattgefunden  habe,  während  der  Concordia-Tempel,  in 
welchem  die  Senatssitzungen  später  gehalten  zu  werden  pflegten,  erst  im  J. 
121  erbaut  worden  sei.  Momnisen  selbst  erwähnt  aber  einen  anderen  Tempel 
der  Concordia,  welcher  schon  im  J.  366  vor  Chr.  durch  M.  Furius  Camillus 
erbaut  {Plutarch.  CatnilL  42)  und  durch  Tiberius  erneuert  worden  ist  (On'd.  Fasti  I, 
641 — 648);  und  Ritschi  hat  überzeugend  dargethan,  dass  dieser  zu  einer  Senats- 
sitzung sehr  wohl  geeignet  war  (Rhein.  Museum  1875,  S.  428— 432).  Vgl.  auch 
Art.  Concordia  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  IV,  831—833  (wo  aber  die  ver- 
schiedenen Localitäten  nicht  genügend  auseinander  gehalten  werden). 

23)  Valerius  Maximiis  I,  3,  2:  Ide?)i  (nämlich  der  Prätor  Hispalus)  Judaeos, 
qui  Sahaxi  Joris  cidtu  Romanos  inficere  mores  conati  erant,  repetere  domos  suas 
coepit.  Vgl.  hierzu  Bd.  III,  S.  28  f.  —  Die  durch  den  Prätor  ausgewiesenen 
jüdischen  Proselytenmacher  können  freilich  nicht  die  Gesandten  selbst  sein, 
wohl  aber  Leute  aus  ihrem  Gefolge.  Damit  erledigen  sich  die  Bemerkungen 
von  Wellhausen  (Israelit,  und  jüd.  Gesch.  2.  Ausg.  S.  258)  und  Willrich 
(Judaica  S.  63).  Es  kann  doch  nicht  zufallig  sein,  dass  beide  Thatsachen 
genau  in  dasselbe  Jahr  fallen. 

24)  I  Makk.  14,  1—3.  Josephus  Antt.  XIII,  5,  11.  Äppian.  Syr.  67.  Justin. 
XXXVI,  1.  XXXVIII,  9.  Fuseb.  Chronic,  ed.  Schoene  I,  255  sq.  Syncell.  ed. 
Dindorf  I,  554.  Ueber  die  Chronologie  s.  oben  S.  172  f.  —  Fast  sämmtliche 
Quellen  nennen  den  Partherkönig  A  r  s  a  c  e  s ,  was  nach  Strabo  XV,  1,  36  p.  702 
und  Justin.  XLI,  5  der  gemeinsame  Name  aller  parthischen  Könige  war.  Nach 
Justin.  XXXVIII,  9  wurde  aber  Demetrius  gefangen  genommen  von  dem  Vor- 
gänger jenes  Phraates,  der  ihn  nachmals  wieder  frei  Hess.  Der  Vorgänger 
des  Phraates  war  aber  nach  Justin.  XLI,  6;  XLII,  1  Mithridates  I. 

25)  I  Makk.  15,  1—9.  —  Zur  Erläuterung  von  dno  rojv  vt]amv  VTJq  ^aXäoarjq 
I  M.  15,  1  dient  Appian.  Syr.  c.  68:  nvd^ö/uevog  tv  'Pööio  negl  rTJq  al/falwatai;. 


254  §  7.   Simon  (142-135).  [201] 

V.  Chr.  (I  M.  15,  10),  landete  Antiochus  in  Syrien  und  gewann  rasch 
die  Oberhand  über  Trypho.  Letzterer  musste  nach  Dora,  der 
starken  Festung  an  der  phönicischen  Küste,  fliehen  und  wurde  hier 
von  Antiochus  belagertes).  Zwar  gelang  es  dem  Trypho,  von  da 
wieder  zu  entkommen.  Er  floh  über  Ptolemais^'^)  und  Orthosias^s) 
nach  Apamea.  Aber  hier  wurde  er  aufs  Neue  belagert  und  kam 
bei  der  Belagerung  um's  Leben^^). 

Sobald  Antiochus  auch  nur  einigen  Erfolg  gegen  Trypho  er- 
rungen hatte,  nahm  er  gegen  die  Juden  eine  andere  Haltung  an. 
Noch  während  der  Belagerung  von  Dora  schickte  ihm  Simon  zwei- 
tausend Mann  Hülfstruppen  und  ausserdem  Silber  und  Gold  und 
Waifen  zur  Unterstützung.  Antiochus  wies  aber  das  Anerbieten 
zurück,  widerrief  alle  früheren  Zusagen  und  sandte  einen  seiner 
Vertrauten,  den  Athenobius,  nach  Jerusalem,  um  von  Simon  die 
Herausgabe  der  eroberten  Städte  Jope  und  Gazara  und  der  Burg 
von  Jerusalem,  sowie  aller  anderen  von  den  Juden  in  Besitz  ge- 
nommenen Orte  ausserhalb  Judäa's  zu  verlangen.  Wenn  Simon  sie 
nicht  zurückgeben  wolle,  so  solle  er  für  alles  zusammen  die  Summe 
von  tausend  Talenten  (als  einmalige  Abfindungssumme)  bezahlen. 
Die  Forderungen  waren  durchaus  berechtigte,  da  die  Juden  für 
ihre  Eroberungen  keinen  Rechtstitel  geltend  machen  konnten.  Aber 
Simon  weigerte  sich,  darauf  einzugehen;  er  erklärte  sich  nur  zur 
Zahlung  von  hundert  Talenten  bereit.  Mit  diesem  Bescheid  kehrte 
Athenobius  zum  König  zurück ^o). 

Antiochus  war  entschlossen,  seine  Forderungen  mit  Gewalt 
durchzusetzen.    Während  er  selbst  noch  mit  Trypho  zu  thun  hatte. 


26)  I  Makk.  15,  10—14.  Josephus  Antt.  XIII,  7,  1—2.  —  Ueber  Dora  s. 
Bd.  II,  S.  108-110. 

27)  Charax  bei  Steph.  Byx.  s.  v.  dwgoq  (hiernach:  Müller,  Fragm.  hist.  graec.. 
III,  644  n.  40). 

28)  I  Makk.  15,  37.  —  Orthosias  liegt  nördlich  von  Tripolis  nn  der  phö- 
niciBchen  Künte.  S.  Ritter,  Erdkunde  XVI I,  1,  805 «".  Winer  RWIJ.  s.  t\, 
Kneucker  in  Schenkel'«  ßibellex.  IV,  370 f.  Gildemeister,  Zeitschr.  des 
DPV.  III,  247  f. 

29)  Josephus  Antt.  XIII.  7,  2.  —  Vgl.  auch  Appian.  St/r.  68  und  Straho  XIV, 
5,  2  p.  (368.  Letzterer  sagt  von  Trypho:  tovrov  fthv  ovv  ^vtloxot  b  Jrjfitjrplov 
xatttxhlaaQ  «?(?  u  /«'p/"*'  ijväyxaae  öifQyäaaa&ai  xo  acöfxa. 

'df))  I  Mftkk.  15,  25—36.  Joscj)//.  Antl.  XI 11,  7,  2—3.  Die  K«'fordertc  Siimnie 
von  taUHcnd  Talenten  kann  nur  aln  ciiiiiiiilif^f^  AbfiiKluiifjssuninui  fi;cnu'int  Hciii. 
Abtretungen  einzelner  Städte  gegfu  grosHc  Qeldzulihin^'cii  kiimcn  aucli  HoiiHt 
vor  (vgl.  die  luMchrift  EB(tlimunazar'a  über  die  Ahtrcttmg  V(tn  .Toim;  und  Dora 
an  die  Kidonier,  unten  Bd.  II,  8.  100).  Ein  dauernder  Tribut  von  tauHCMid 
Talenten  für  ein  paar  Städte  wfiro  auRHer  allem  VerhältiiiHH  gewesen,  da  z.  W. 
ipfitcr  «lau  ganze  Gebiet  de»  Arclielau«,  welche«  grüHser  war  als  dasjenige 
Bimon'«,  nur  ü(X)  Talente  jährlich  abwarf  {Anll.  XVII,  11,  4). 


[201.  202]  §  7.   Simon  (142—135).  255 

Übertrug  er  seinem  Feldherrn  Kendeb aus  die  Bekämpfung  Simon's. 
Kendebäus  schlug  sein  Hauptquartier  in  Jamnia  auf,  befestigte 
Kedron  (wahrscheinlich  das  heutige  Katra  in  der  Nähe  von  Jamnia) 
und  machte  Einfälle  in  Judäa^').  Simon  ]  war  durch  sein  Alter 
verhindert,  persönlich  noch  einmal  zu  Felde  zu  ziehen.  Er  sandte 
daher  seine  Söhne  Judas  und  Johannes  mit  einem  Heere  gegen 
Kendebäus.  Beide  rechtfertigten  das  Vertrauen,  das  ihr  Vater  in 
sie  gesetzt  hatte.  In  einer  entscheidenden  Schlacht  wurde  Kende- 
bäus vollständig  besiegt.  Da  Judas  verwundet  war,  übernahm 
Johannes  die  Verfolgung  und  jagte  die  Feinde  bis  Kedron  und  bis 
in  das  Gebiet  von  Asdod.  Als  Sieger  kehrte  er  nach  Jerusalem 
zurück  ^2). 

So  lange  Simon  lebte,  wurde  der  Angiüff  von  Seite  des  An- 
tiochus  nicht  wiederholt. 

Es  schien  somit,  dass  dem  Simon  ein  ruhiges  Ende  im  Frieden 
beschieden  sei.  Allein  es  sollte  dem  nicht  so  sein.  Wie  alle  seine 
Brüder,  so  starb  auch  er  eines  gewaltsamen  Todes.  Sein  eigener 
Schwiegersohn  Ptolemäus,  welcher  Strateg  über  die  Ebene  von 
Jericho  war,  hatte  hochfahrende  Pläne.  Er  wollte  sich  der  Herr- 
schaft bemächtigen  und  sann  darauf,  mit  List  Simon  und  seine 
Söhne  aus  dem  Wege  zu  schauen.  Als  daher  Simon  im  Monat 
Schebat  des  Jahres  177  aer.  Sei.  =  Februar  135  vor  Chr.  (I  M.  16, 
14)  auf  einer  Rundreise,  auf  welcher  er  die  Städte  des  Landes  be- 
sichtigte, auch  den  Ptolemäus  in  der  Feste  Dok  bei  Jericho  be- 
suchte, veranstaltete  Ptolemäus  ein  grosses  Gelage  und  liess  während 
desselben  den  Simon  und  zwei  seiner  Söhne,  welche  bei  ihm 
waren,  Mattathias  und  Judas,  meuchlings  ermorden^'). 

So  wurde  auch  der  letzte  von  den  Söhnen  des  Mattathias  zu 
seinen  Vätern  versammelt. 


31)  I  Makk.  15,  38—41.  Joseph.  Antt.  XIII,  7,  3.  Ueber  Kedron  s.  Buhl, 
Geogr.  S.  188.  —  KsvSfßaloq  i.st  wohl  so  viel  wie  Kavövßevq,  von  der  Stadt 
Kdvövßa  in  Lycien,  Steph.  Byx.  s.  v.,  Plin.  Hist.  nat.  V,  101.  Benndorf  und 
Niemann,  Reisen  in  Lykien  und  Karlen  (1884)  S.  133. 

32)  I  Mahk.  16,  1—10.    Joseph,  l.  c. 

33)  I  Makk.  16,  11—17.  Joseph.  Antt.  XIII,  7,  4.  —  Jdx  I  31.  16,  15  ist  jeden- 
falls identisch  mit  Jaywv  Joseph.  Atitt.  XIII,  8, 1 ;  Bell.  Jud.  I,  2,  3.  Der  Name 
hat  sich  noch  erhalten  in  dem  Namen  der  Quelle  Ain  ed-Duk,  nördlich  von 
Jericho  am  Rande  des  Gebirges,  an  einer  zur  Anlage  einer  Festung  sehr  geeig- 
neten Stelle.  S.  Robinson,  Palästina  II,  559.  Ritter,  Erdkunde  XV,  1,  460. 
Raumer,  Palästina  S.  184.  Mühlau  in  Riehm's  Wörterbuch,  Art.  „Doch". 
Ouirin,  Samarie  I,  218 — 222.  The  Survey  of  Western  Palestine,  Memoirs  by 
Conder  and  Kitehener  III,  173;  190;  209;  dazu  Bl.  XVIII  der  grossen  eng- 
lischen Karte.  Clermont- Ganneau,  Archaeological  Rescarches  in  Palestine 
vol.  II,  1896,  p.  20—23.    van  Kasteren,  Revue  biblique  VI,  1897,  p.  99—104. 


256  §  8.  Johannes  Hyrkanus  (135-104).  [202.  203] 


§  8.   Jollannes  Hyrkanus  I  (135-104  Yor  Chr.)  ')• 

Quellen:  Nicht  erhalten  ist  die  I  MahJc.  16,  23—24  erwähnte  Geschichte  des 

Johannes  Hyrkanus. 
Joseph.  .In«.  XIII,  8—10.    Bell.  Jiid.  I,  2.     Zonaras  Annal.Y,  1-2 

(Auszug  aus  Jos.).  | 
Mischna  Maaser  scheut  V,  15;  Sota  IX,  10.    Sonstige  rabbinische 

Traditionen  bei  Derenbourg  p.  70 — 82. 
Die  Münzen  am  vollständigsten  bei  Madden,   Coins  of  the  Jens 

(1831)  p.  74—81. 
Literatur:  Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV,  446—502. 

Grätz,  Geschichte  der  Juden  III,  4.  Aufl.  1888,  S.  64—117. 

Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  459—472. 

Werner,  Johann  Hyrkan,   ein  Beitrag  zur  Geschichte  Judäas  im 

zweiten  vorchristlichen  Jahrhundert.    Wernigerode  1877. 
Hamburger,  Real-Enc.  für  Bibel  und  Talmud,  Abth.  II  S.  421—426. 
Wellhausen,  Die  Pharisäer  und  die  Sadducäer  (1874)  S.  89—95. 


1)  lieber  die  Chronologie  derHasmonäer  vgl.  Niese,  Hermes  Bd.  28, 
1893,  S.  216 — 228.  Unger,  Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie,  philos.- 
philol.  und  bist.  Gl.  1896,  S.  357—382.  Es  ist  hierüber  Folgendes  zu  bemer- 
ken. Josephus  giebt  als  Regierungszeit  der  Fürsten  von  Johannes  Hyr- 
kanus I  bis  Alexandra  inclus.  folgende  Data: 

Johannes  Hyrkan    .    .  31  Jahre  [Anit.  XIII,  10,  7). 

Aristobul  I 1      -       [Änti.  XIII,  11,  3). 

Alexander  Jannaus     .  27      -       [Antt.  XIH,  15,  5). 

Alexandra  .....  9  -  (^w«.  XIII,  16,  6). 
Dieselben  Zahlen  giebt  Jos.  noch  an  zwei  anderen  Orten,  Antt.  XX,  10 
und  Bell.  Jud.  I,  2 — 5.  Für  Hyrkan  haben  zwar  an  der  einen  Stelle  [Antt. 
XX,  10)  die  Ausgaben  von  Hudson  bis  Bekker  nur  30  Jahre  {xQiäxovxa  ö"  iv 
eieai).  Aber  Niese  giebt  nach  entscheidendem  Zeugniss  der  Handschriften 
auch  hier  31  {cod.  Ambr.  XQiaxovcahv  hi],  cudd.  Med.  u.  Vat.  TQiaxovzahv 
hof,  80  auch  die  Ausgaben  vor  Hudson).  Eine  Ditterenz  liegt  nur  Bell.  Jud. 
I,  2,  8  vor,  wo  für  Hyrkan  33  Jahre  gegeben  werden.  Vielleicht  ist  aber  auch 
dies  nur  ein  alter  Schreibfehler,  denn  die  lat.  Bearbeitung  des  Hegesippus  hat 
dafür  trigesimo  et  prhno  anno  (cd.  Weber  1,  1,  10).  S.  Niese,  Hermes  28, 
8.  217,  schwankender  in  der  Ausg.  des  Jkll.  Jud.  Prulcg,  p.  LXII.  Jedenfalls 
ist  31  das  Richtige,  da  JoHephus,  wenn  er  überiiaupt  33  geschrieben  hat,  dies 
in  den  Antt.  auf  Grund  besserer  KeuntnJHs  corrigirt  hat. 

Als  feste  Punkte  geben  «ich;  1)  Der  Tod  Simon's  im  Monat  SchebAt 
d.  J.  177  aer.  Sei.  —  Febr.  135  v.  Clir.  (I  Makk.  16,  14)  und  2)  der  Beginn  des 
Bruderkrieges  zwischen  Aristobul  11  und  Hyrkun  II,  unmittelhnr  niicli  dem 
Tode  der  Alexandra,  nach  Jos.  Antt.  XIV,  1,  2  im  3.  Jahre  der  177.  Olym- 
plade ■—  SouirAer  70—09  v.  Chr.,  und  zwar  unter  den  Consuln  (J.  Ilnrlnisius 
und  Q.  MeteUua  Creticua.  Diese  waren  Consuln  i.  J.  69  v.  Chr.  Der  Beginn 
Jene«  Bruderkrieges  und  Homlt  auch  der  Tod  Alcxnndra's  würde  hieriuich  in 
die  erstt!  Hallte  dos  Jahren  09  v.  Chr.  fallen.  Nur»  mIikI  aber  vom  J.  135  bis 
fVi  nur  (Mi  Jahre,  wfihrcnd  wir  <lurch  Addition  der  ol)igen  liegierungsjahre  68 


[203]  §  8.   Johannes  Hyrkanus  (135—104).  257 

Da  das  Hohepriesterthum  und  Fürstenthum  in  Simon's  Hause 
für  erblich  erklärt  worden  war,  so  war  sein  überlebender  dritter 


erhalten  würden.  Ich  habe  daher  in  der  1.  und  2.  Aufl.  dieses  Buches  ange- 
nommen, dass  Josephus,  indem  er  vom  Zeitpunkt  des  Regierungsantrittes  an 
ohne  Rücksicht  auf  das  Kalenderjahr  rechnet,  den  letzten  Jahresbruchtheil 
immer  als  volles  Jahr  genommen  habe,  so  dass  also  factisch  für  jeden  Re- 
genten ein  gewisser  Jahresbruchtheil  in  Abzug  zu  bringen  sein  würde.  Dies 
entspricht  indessen  nicht  der  bei  den  alten  Historikern  und  Chronographen 
üblichen  Rechnungsweise,  welche  volle  Jalire  in  der  Weise  rechnen,  dass  das 
Kalenderjahr,  in  welchem  ein  Regierungswechsel  stattgefunden  hat,  entweder 
dem  abgehenden  oder  dem  antretenden  Regenten  voll  angerechnet  wird  (vgl. 
oben  S.  168  die  Listen  des  Porphyrius  und  Eusebius).  Aus  diesem  Grunde 
glaubt  Niese  a.  a.  O.,  dass  die  von  Josephus  gegebenen  Regentenjahre  ein- 
fach zu  addiren  seien,  demnach  der  Tod  der  Alexandra  in  das  J.  67  v.  Chr. 
zu  setzen  sei.  Eine  Bestätigung  dafür  findet  er  darin,  dass  Alexandra  den 
Abgang  des  Tigranes  aus  Syrien  (69  v.  Chr.)  um  einige  Zeit  überlebt  haben 
müsse,  und  darin,  dass  Josephus  für  Alexandras  Nachfolger  Hyrkan  II  und 
Aristobul  II  zusammen  nur  3  Jahre  und  9  Monate  rechnet  (Hyrkan  3  Mo- 
nate Äntt.  XV,  6,  4,  Aristobul  3  Jahre  6  Monate  Antt.  XIV,  6, 1  §  97).  Damit 
werde  der  Zeitraum  zwischen  Alexandra's  Tod  und  Aristobuls  Absetzung  durch 
Pompejus  (67—63  v.  Chr.)  eben  ausgefüllt.  Diesen  Ansätzen  steht  nun  freilich 
die  Angabe  des  Olympiaden-  und  Consulen-Jahres  Antt.  XIV,  1,  2  entgegen. 
Man  wird  aber  mit  Niese  diese  Instanz  nicht  als  entscheidend  ansehen  dürfen. 
Denn  Josephus  ist  in  seinen  Synchronismen,  die  er  vermuthlich  einem  chrono- 
graphischen Handbuch,  etwa  dem  Castor  (s.  oben  S.  73  f.)  entnimmt,  nicht 
immer  glücklich ;  entschieden  falsch  ist  es  z.  B.,  wenn  er  Antt.  XHI,  8,  2  das 
erste  Jahr  des  Johannes  Hyrkanus  in  die  162.  Olympiade  (=  Sommer  132  bis 
128  v.  Chr.)  setzt.  So  scheint  auch  der  fragliche  Ansatz  auf  einer  irrigen 
Combination  zu  beruhen,  vielleicht  der  Gleichsetzung  von  Alexandra's  Tod 
mit  der  Besiegung  des  Tigranes  durch  LucuUus  (69  v.  Chr.).  Die  Chronologie 
der  Hasmonäer  wird  demnach  folgendermassen  herzustellen  sein: 

Johannes  Hyrkan.     .     .  135 — 104. 

Aristobul  I 104—103. 

Alexander  Januäus  .     .  103 — 76. 
Alexandra 76 — 67. 

Statt  der  hier  vorausgesetzten  Berechnung  der  Regentenjahre  ist  freilich 
noch  eine  andere  möglich.  Es  können,  unter  Zugrundelegung  des  Kalender- 
jahres, die  Regierungsjahre  in  der  Weise  gerechnet  sein,  dass  der  Bruchtheil 
des  Kalenderjahres  am  Anfang  und  am  Schlüsse  der  Regierung  immer  als 
volles  Jahr  gerechnet  ist.  Nach  dieser  Rechnungsweise  giebt  Josephus  z.  B. 
die  Regierungsjahre  des  Herodes  (s.  die  Bemerkungen  am  Schluss  von  §  15). 
Dann  würde  aber,  um  bei  der  Addition  die  richtige  Gesammtsumme  zu  er- 
halten, für  jeden  Regenten  ein  Jahr  in  Abzug  zu  bringen  sein;  und  man 
müsste,  um  auf  den  von  Josephus  angegebenen  Endpunkt  69  vor  Chr.  zu 
kommen,  für  Johannes  Hyrkan  33  Jahre  in  Ansatz  bringen  (nach  Bell.  Jiul. 
I,  2,  8).  Diesen  Weg  schlägt  Unger  ein.  Aber  schon  die  Bevorzugung  des 
Bell.  Jud.  ist  sehr  bedenklich.  Ueberdies  muss  Unger  die  für  Aristobul  II 
angegebenen  31/2  Jahre  durch  Textverbesserung  in  6V2  Jahre  verwandeln,  um 
Schür  er,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  17 


"258  §  8-   Johannes  Hyrkanus  (135—104).  [203.  204] 

Sohn  Johannes  Hyrkanus,  der  sich  als  Statthalter  in  Gazara| 
befand,  sein  rechtmässiger  Nachfolger  2).  Gegen  ihn  waren  daher 
die  nächsten  Unternehmungen  des  Prätendenten  Ptolemäus,  der 
den  Yater  und  die  beiden  Brüder  ermordet  hatte,  gerichtet.  Un- 
mittelbar nach  jener  That  sandte  Ptolemäus  Meuchelmörder  nach 
Gazara,  um  den  Johannes  aus  dem  Wege  zu  schaffen.  Dieser  war 
indess  durch  befreundete  Boten  bereits  gewarnt  und  Hess  die 
Mörder  sofort  bei  ihrer  Ankunft  niedermachen.  Dann  eilte  er 
nach  Jerusalem,  und  es  glückte  ihm  auch  hier,  dem  Ptolemäus  zu- 
vorzukommen. Als  letzterer  ankam,  fand  er  die  Stadt  bereits  in 
der  Gewalt  des  Hyrkanus  3). 

Ptolemäus  zog  sich  darauf  in  die  Feste  Dagon  (jedenfalls 
identisch  mit  Dok)  in  der  Nähe  von  Jericho  zurück.  Hier  belagerte 
ihn  Hyrkan  und  würde  auch  ohne  Zweifel  die  Stadt  bald  erobert 
und  den  Mörder  seinem  verdienten  Schicksal  überliefert  haben,  wenn 
nicht  die  Eücksicht  auf  seine  Mutter  ihn  daran  gehindert  hätte. 
Diese  befand  sich  nämlich  in  der  Gewalt  des  Ptolemäus.  Und  so 
oft  nun  Hyrkan  zum  Sturm  schreiten  wollte,  liess  Ptolemäus  sie 
auf  die  Mauer  führen  und  drohte,  sie  herabzustürzen,  falls  Hyrkan 
nicht  von  seinem  Vorhaben  abstände.  Dies  lähmte  sein  Vorgehen. 
Und  so  zog  sich  die  Belagerung  in  die  Länge,  bis  sie  wegen  des 
Sabbathjahres  von  selbst  aufgehoben  werden  musste.    Ptolemäus 


alle  Angaben  des  Josephus  zu  retten.  Damit  ist  doch  thatsächlich  anerkannt, 
dass  ohne  Verwerfung  der  einen  oder  der  anderen  Angabe  des  Josephua  nicht 
zum  Ziel  zu  kommen  ist.  Unter  diesen  Umständen  dürfte  Niese's  Auflassung, 
welche  nicht  die  ofhcielle,  sondern  die  für  historische  Schemata  übliche  Kech- 
nungHweise  voraussetzt,  die  wahrscheinlichste  sein, 

2)  Den  Beinamen  Hyrkanus  erklären  Eusebius  und  Andere  daraus,  dass 
Johannes  die  Hyrkanier  besiegt  habe  {Ktiseb.  Chroti.  ed.  Schoene  II,  130  sq., 
griechisch  bei  Syncell.  I,  548:  'i'pAfavovg  vixi}aa(;'^YQxavbq  (ovofxda^ri,  latein.  bei 
liier onymua:  adversum  Hyrcanos  bellum  (/crcns  Jlyrcani  nomai  accepit;  hier- 
nach Sulpiciua  iSeverus  II,  2G:  qui  cum  adversum  Hyrcano.'t,  yentetn  rali- 
disaiinam,  cyregie  puynasset,  Jlyrcani  coynomcn  accepit).  7a\  (tunHton  dieser 
Erklärung  kann  man  anführen,  das»  JolianncH  in  der  That  an  dem  Feldzuge 
de«  AntiochuH  VII  Sidetes  gegen  die  Parther  theilgenommen  hat  (s.  untt'n). 
Allein  HJe  scheitert  nn  der  Thatsache,  dass  der  Name  Hyrkanus  in  jüdischen 
KreiHcn  «chon  lange  vor  JohuuncH  Hyrkanus  auftaucht  [Joseph.  Antt.  XII,  4, 
0—11.  II  Makk.  3,  11).  Vermuthlich  ist  er  also  zu  erklären  nacii  Analogie 
von  •'^ain  ?i|'n?  Baba  mexia  VII,  »,  "^nj^n  D^nj  Schabbath  II,  1.  Nasir  V,  4. 
Baba  Itathra  V,  2.  Nach  Hyrkafiien  sind  Juden  namentlich  durch  Artuxerxes 
OcbUM  deportirt  worden  (».  Bd.  III  H.  Ü).  Ein  von  dort  stammendcfr. lüde,  der 
•ich  in  Palictina  uiedergclasHen  liatte,  wurde  zunächst  für  seine  Person  6'Y(fxa- 
pSf  geoAOot.    Und  dadurch  hat  sich  der  Name  dann  cingcbtlrgert. 

Si  T  Makk.  10,  10—22.    .hscph.  Antt.  XIII,  7,  4. 


[204.  205]  §  8.   Johannes  Hyrkanus  (135—104).  259 

war  dadurch  befreit,  Hess  aber  trotzdem  Hyrkan's  Mutter  ermorden 
und  entfloh  dann*). 

So  hatte  Hyrkan  durch  ihn  Eltern  und  Geschwister  verloren, 
ohne  dass  es  ihm  gelungen  wäre,  an  ihm  Rache  zu  nehmen. 

Es  kam  jedoch  noch  Schlimmeres  über  ihn.  Antiochus  VII 
Sidetes  hatte  bisher  —  wir  wissen  nicht  weshalb,  vermuthlich 
weil  die  syrischen  Angelegenheiten  ihn  in  Anspruch  nahmen  — 
nichts  weiter  gegen  Judäa  unternommen.  Er  war  aber  nicht 
Willens,  auf  die  einst  an  Simon  gestellten  Forderungen  zu  ver- 
zichten. Noch  im  ersten  Jahre  Hyrkan's  (135,134  vor  Chr.)  fiel  er 
in  Judäa  ein,  verheerte  das  ganze  Land  und  belagerte  schliesslich 
den  Hyrkan  in  der  Hauptstadt  Jerusalem  ^).    Er  liess  um  die  ganze 


4)  Joseph.  Amt.  XIII,  8,  1.  Bell.  Jud.  I,  2,  3—4.  —  Wegen  des  Sabbath- 
jahres  vgl.  oben  S.  35  f. 

5)  In  Betreff  des  Datums  stimmen  die  Angaben  der  Quellen  nicht  überein. 
Nach  Josephus  Antt.  XIII,  8,  2  fand  der  Einfall  des  Antiochus  statt  xexÖQxw 
ixhv  STfi  tfjq  ßaaiXslag  avTOv,  nQwxtp  de  xfjg'^YQxavoii  dgxfiQ,  oXvfnuäöi  kxaxoaxy 
xal  e^Tjxoai^  ötvxeQa.  Das  vierte  Jahr  des  Antiochus  und  das  erste  des  Hyr- 
kanus sind  beide  =  135/134  vor  Chr.,  die  162.  Olympiade  dagegen  geht  von 
132-128  V.  Chr.  In  die  letztere  Periode,  und  zwar  Ol.  162,  3  =  130/129  vor  Chr. 
setzt  Porphyrius  die  Einnahme  Jerusalem 's  durch  Antiochus  {Euseb.  Chron. 
cd.  Schoene  I,  255:  Jiidaeosque  hie  stibegit,  per  obsidionem  muros  urbis  evertebat, 
atque  electissimos  ipsorum  trucidabat  anno  tertio  CLXII.  olympiadis).  Eine  Ver- 
einigung dieser  Angaben  wäre  nur  möglich  durch  die  Annahme,  dass  der  Krieg 
sich  vier  Jahre  lang  hingezogen  hätte,  was  nicht  wahrscheinlich  ist.  Mehr 
als  ein  Jahr  wird  allerdings  für  denselben  angenommen  werden  müssen,  da 
allein  die  Belagerung  Jerusalems  über  ein  Jahr  gedauert  zu  haben 
scheint.  Denn  Josephus  gedenkt  im  Beginn  derselben  des  Untergangs  der 
Plejaden  {Antt.  XIII,  8,2:  6vo(iivrjqnXeiaöoq\  der  im  November  stattfindet 
{Plinius  Ilist.  Nat.  II,  47,  125:  post  id  aequinoctium  diebus  fere  quattuor  et 
quadrof/inta  vergiliarum  occasus  hiemeni  inchoat,  quod  tempus  in  III.  iduus 
Novembres  incidere  consuevit).  Und  die  Belagerung  war  noch  nicht  aufgehoben, 
als  das  folgende  Laubhüttenfest  herankam,  also  October  (vgl.  Clinton, 
Fasti  Helletiici  III,  333).  Einjährige  Belagerungen  sind  in  der  Geschichte 
jener  Zeit  nichts  Seltenes,  s.  Samaria  {Antt.  XI II,  10,  3),  Gaza  {Antt.  XTTT, 
13,  3),  Gadara  (zehn  Monate,  Antt.  XIII,  13,  3).  —  Die  Uebereinstimmung  des 
Josephus  und  Porphyrius  hinsichtlich  der  162.  Olympiade  scheint  die  Richtig- 
keit dieser  Angabe  zu  verbürgen.  Andererseits  spricht  für  das  erste  Jahr 
Hyrkan's  die  innere  Wahrscheinlichkeit  der  Sache  (es  ist  schwer  glaublich, 
dass  Antiochus  erst  130,  d.  h.  acht  Jahre  nach  seinem  Regierungsantritt,  gegen 
die  Juden  vorgegangen  sein  soll),  sowie  der  Umstand,  dass  die  richtige  Gleich- 
setzung des  1.  Jahres  Hyrkan's  und  des  4.  Jahres  des  Antiochus  aus  einer 
guten  Quelle  stammen  muss.  Auch  würde  bei  dem  Ansatz  des  Porphyrius 
130/129  V.  Chr.  die  Belagerung  Jerusalems  in  dasselbe  Jahr  fallen,  in  welches 
höchst  wahrscheinlich  der  Feldzug  des  Antiochus  gegen  die  Parther  fällt  (s. 
oben  S.  173).  Ich  glaube  daher,  dass  das  nur  durch  den  unzuverlässigen  ar- 
menischen   Text    des   Eusebius   gebotene   Jahr    Ol.  162,   3  zu   verwerfen  ist. 

17* 


260  §  8-    Johannes  Hyrkauus  (135—104).  [205.  206] 

Stadt  herum  einen  Wall  und  Graben  ziehen  und  schnitt  den  Be- 
lagerten alle  Zufuhr  ab.  Hyrkan  seinerseits  suchte  durch  Ausfälle 
die  Belagerer  zu  beunruhigen.  Um  mit  den  Lebensmitteln  länger 
auszureichen,  Hess  er  den  nicht  waffenfähigen  Theil  der  Einwohner 
aus  der  Stadt  weisen.  Allein  Antiochus  Hess  sie  nicht  durch  und 
jagte  sie  wieder  zurück,  so  dass  sie  zwischen  der  Stadt  und  dem 
Kreis  der  Belagerer  umherirren  mussten  und  Viele  durch  Hunger 
umkamen.  Erst  zum  Laubhüttenfest  nahm  Hyrkan  sie  wieder  in 
die  Stadt  auf.  Für  dieses  Fest  liess  er  zugleich  bei  Antiochus  um 
siebentägigen  Waffenstillstand  bitten.  Antiochus  gewährte  nicht 
nur  diesen,  sondern  schickte  sogar  noch  Opfergaben  in  die  Stadt, 
damit  sie  im  Tempel  dargebracht  würden.  Diese  glimpfliche  Be- 
handlung machte  dem  Hyrkan  Muth  und  er  hoö'te  nun  bei  etwaiger 
Capitulation  auf  günstige  Bedingungen.  Er  schickte  daher  eine 
Gesandtschaft  au  Antiochus  und  liess  sich  nach  denselben  er- 
kundigen. Nach  mehrfachen  Verhandlungen  kam  ein  Ueberein- 
kommen  zu  Stande.  Darnach  mussten  |  die  Juden  die  Waffen  aus- 
liefern, für  Jope  und  die  übrigen  ausserhalb  Judäas  gelegenen 
Städte,  welche  sie  erobert  hatten,  Steuern  entrichten,  Geiseln  stellen 
und  ausserdem  noch  500  Talente  bezahlen.  Die  Bedingungen  waren 
immerhin  unerfreulich.  Nach  Lage  der  Dinge  musste  Hyrkan 
jedoch  froh  sein,  um  diesen  Preis  die  Aufhebung  der  Belagerung 
und  den  Abzug  des  syrischen  Heeres  zu  erlangen.  Auch  die 
Mauern  der  Stadt  wurden  geschleift''). 

In  die  Zeit  dieses  Krieges  gehört  wahi-scheinlich  das  römische 


Dagegen  ist  es  wohl  möglich,  dass  der  Krieg  sich  von  134  bi.s  132,  d.  h.  bis 
in  den  Anfang  der  162.  Olympiade  hingezogen  hat. 

6)  Joseph.  Antt.  XIII,  8,  2—3.  Diodor.  XXXIV,  1  cd.  Müller.  PorphyHus 
bei  Euseb.  Chron.  ed.  Schoeue  I,  255.  Justin.  XXXVI,  1 :  Judacos  qiioqtie,  qui 
in  Macedonico  inipcrin  suh  Dcmefrio  paire  annis  se  in  lihertatcm  rindicaverant, 
Btiljcgit.  —  Die  Worte  des  Joseplius  xaihlks  öe  xal  xijv  aretfävrjv  xFjg  nö^ecag 
wollen  Manche  (z.  B.  Winer  IIWB.  1,  05  Anni.,  ürätz,  Gesch.  ill  4.  Aufl. 
8.  67  f.)  nicht  von  einer  Zerstörung  der  ganzen  Mauer,  sondern  nur  von  einer 
solchen  der  Mauerkrone  verstehen,  in  welchem  Falle  die  Darstellung  des  .To- 
«ephuB  von  der  des  Diodor  und  Porphyrius  abweichen  würde.  Eine  solche 
Deutung  ist  ab(T  nicht  nothwendig.  .jctleiifiills  ist  nach  Diodor  und  Poiphy- 
rius  die  Mauer  selbst  geselileifl  worden.  Unter  den  späteren  N'eidiensten 
Johannes  Ilyrkan's  wird  I  Makk.  IG,  23  naiuentlicli  der  Wiedcraiifbnu  der 
Mauern  hervorg»'hoben.  —  Die  von  Antioelius  gelbnli  rtc  Stiiuiiie  soll  Hyrkan 
dadurch  aufgebracht  haben,  dass  er  aus  demGr.ilir  I  »i  vid 's  dreitausend 
Talente  entnehmen  liess  (so  Josephm  Aiitt.  VII,  lä,  ii,  witluciid  ./ow/)/«/.'»  .!««. 
XIII,  8,  4  nur  davon  spricht,  dass  Hyrkan  die  geraubte  Summe  zur  Unter- 
haltung einen  Höldncrlieeros  verw('ndet  habe).  \'gl.  über  das  (iral)  David'« 
auch  Sehern.  3,  10.  Jos,  Aufl.  XV],  7,  1.  Apostolgescli.  2,  29.  Nach  Xc/icm. 
d,  16—16  lag  M  im  Baden  der  8tudt,  nicht  weit  vom  tSiloali. 


[206]  g  8.   Johannes  Hyrkanus  (135-104).  261 

Senatsconsult,  welches  Josephus  Antt.  XIII,  9,  2  mittheilt.  Es  wird 
darin  vorausgesetzt,  dass  ein  König  Antiochus  den  Juden  Jope, 
Gazara  und  andere  Städte  im  Widerspruch  mit  dem  Willen  des 
Senates  im  Kriege  entrissen  habe  {jioXeiicöv  tXaßev  'Avrioxog 
jtaQci  To  Ttjg  övyxXrjTov  doy/ia),  weshalb  von  dem  jüdischen  Volke 
(vjto  örjfiov  Tov  'lovöcucov)  eine  Gesandtschaft  nach  Rom  geschickt 
worden  war  mit  der  Bitte,  der  Senat  möge  dahin  wirken,  dass 
den  Juden  das  von  Antiochus  ihnen  Entrissene  wieder  zurückgegeben 
werde.  Der  Senat  beschloss  darauf  zwar,  die  fpiXia  und  ovfi/iaxict 
mit  den  Juden  zu  erneuern ;  die  Entscheidung  über  ihre  Bitte  aber 
verschob  er,  bis  die  eigenen  Angelegenheiten  ihm  Zeit  Hessen  (orav 
djio  Tcöv  lölcov  Tj  ovyxXTjTog  evöxoX/jorj).  Da  die  Juden  die  Städte 
Jope  und  Gazara  unter  einem  früheren  Antiochus  nicht  besessen 
haben,  und  da  die  Herausgabe  beider  Städte  die  Haupt- 
forderung war,  welche  Antiochus  YII  noch  zur  Zeit 
Simons  an  die  Juden  gestellt  hatte  (I  MakL:  15,  28),  so  ist 
kaum  daran  zu  zweifeln,  dass  eben  er  in  unserem  Senatsconsulte 
gemeint  ist.  Er  muss  also,  was  auch  an  sich  wahrscheinlich  ist, 
den  Krieg  mit  Wegnahme  dieser  Städte  begonnen  haben;  und  die 
Juden  suchten,  noch  während  der  Krieg  im  Gange  war,  um  die 
Unterstützung  der  Römer  nach  unter  Berufung  auf  den  schon  zur 
Zeit  Simon's  gefassten  Senatsbeschluss.  —  Da  die  Römer  trotz  der 
zugesicherten  <piXla  und  ovfifiaxla  die  Juden  zunächst  sich  selbst 
überlassen  haben,  so  ist  es  einigermassen  auffallend,  dass  Antiochus 
beim  Friedensschluss  den  Juden  die  bereits  weggenommenen  Städte 
gegen  Zahlung  eines  Tributes  zurückgegeben  hat.  ^'ielleicht  ist 
dieser  relative  Verzicht  daraus  zu  erklären,  dass  doch  noch  vor 
dem  Friedensschluss  ein  Eingreifen  der  Römer  stattgefunden  hat. 
Es  liegt  nämlich  nahe,  in  diese  Zeit  auch  noch  ein  anderes  Senats- 
consult zu  setzen,  welches  (wohl  irrthümlich)  in  einen  Volks- 
beschluss  der  Pergameuer  eingeschoben  ist  und  von  Josephus 
Antt.  XIV,  10,  22,  mitgetheilt  wird.  Dieses  Senatsconsult  ist  ver- 
anlasst durch  eine  von  „dem  Volk  der  Juden  und  dem  Hohenpriester 
Hyrkan"  abgeschickte  Gesandtschaft  und  lautet  dahin,  dass  der 
König  Antiochus,  der  Sohn  des  Antiochus,  den  Juden  die  Festungen 
und  Häfen  und  das  Land,  das  er  ihnen  abgenommen  habe,  zurückgeben 
müsse,  und  dass  Niemand  aus  dem  jüdischen  Gebiete  etwas  zoll- 
frei ausführen  dürfe  ausser  der  König  Ptolemäus,  der  Bundes- 
genosse und  Freund  der  Römer,  und  dass  die  Besatzung  aus  Jope 
zu  entfernen  sei  (rijv  ev  'l6:jtJt7]  (pQovQav  axßaXelv).  Da  auch  hier 
die  Wegnahme  jüdischer  Städte  und  Häfen  durch  einen  Antiochus 
vorausgesetzt  wird  und  Jope  ein  Haupt-Streitobject  bildet,  so  ist 
die  Vermuthung  berechtigt,  dass  dieses  Senatsconsult  sich  auf  die- 


262  §  8.   Johannes  Hyrkanus  (135—104).  [207] 

selben  Verhältnisse  bezieht,  wie  das  vorige.  Es  würde  sich  daraus 
erklären,  dass  Antiochus  die  bereits  eroberten  Städte  den  Juden 
gegen  Zahlung  eines  Tributes  zurückgegeben  hat.  Freilich  niüsste 
dann  hinsichtlich  des  Namens  eine  Textcorruption  angenoiiinien 
werden,  denn  Antiochus  VII  Sidetes  war  nicht  ein  Sohn  des 
Antiochus,  sondern  des  Demetrius.  Diese  an  sich  missliche  An- 
nahme ist  deshalb  nicht  unstatthaft,  weil  keiner  der  späteren 
Seleuciden  (es  könnte  nur  noch  Antiochus  IX  Kyzikenos  in  Betracht 
kommen)  den  Juden  gegenüber  mit  solcher  Machtentfaltung  auf- 
getreten ist,  wie  es  von  dem  hier  erwähnten  Antiochus  voraus- 
gesetzt wird.  Die  Angaben  passen,  soweit  wir  durch  Josephus 
unterrichtet  sind,  nur  auf  Antiochus  VII.  Immerhin  ist  angesichts 
des  überlieferten  Textes  eine  sichere  Entscheidung  nicht  möglich. 
Wenn  beide  Senatsconsulte  noch  in  die  Zeit  des  Krieges  zwischen 
Antiochus  VII  und  Hyrkan  I  fallen,  so  muss  eine  längere  Dauer 
desselben  angenommen  werden'). 


7)  Die  obige  Combination,  wonach  die  beiden  Senatsconsulte  in  die  Zeit 
dieses  Krieges  fallen  würden,  ist  empfohlen  worden  durch  Mendelssohn  in 
Bitschl's  Acta  soeietatis  philologae  Lipsiensis  t.  V,  1875,  p.  123 — 158  (vorher 
separat:  Mendelssohn,  De  setiati  eonsiätis  Romanorum  ab  Josepho  Äntiq. 
Xni,  9,  2;  XIV,  10,  22  relatis  commentatio,  Leipzig  1874);  vgl.  das  Referat  in 
der  Theol.  Literaturzeitung  1876,  392  f.;  auch  Mendelssohn,  Rhein.  Museum 
1875,  S.  118  f.  (gegen  Gutschraid).  Zur  Emendation  der  Namen  in  J^««.  XIII, 
9,  2:  Mommsen's  Bemerkungen  zum  Senatscousult  von  Adramyttium,  Ephe- 
meris  epigr.  IV,  217.  —  Mendelssohn's  Combinationen  sind  von  Allen,  welche 
seitdem  die  beiden  Senatsconsulte  behandelt  haben,  abgelehnt  worden.  S. 
GutBchmid's  Recension  im  Lit.  Centralblatt  1874,  Nr.  38  (=  Kleine  Schrif- 
ten II,  303 — 315).  —  Viereck,  Sermo  graecns,  quo  scnafiis  populiisqiie  Roma- 
nua  etc.  tisi  sunt,  1888,  p.  93 — 96.  —  Adolf  Kuhn,  Beiträge  zur  Gesch.  der 
Seleukideu,  1891,  S.  26 f.  —  Schlatter,  Zur  Topographie  und  Gesch.  Palä- 
Htinaa,  1893,  S.  3— 14.  — Wellhausen,  Israelitische  und  jüdische  Geschichte, 
2.  Aufl.  1895,  8.  259,  262.  —  Unger,  Sitzungsberichte  der  Müncheuer  Akademie, 
philos.-philol.  uud  bist.  Gl.  1895,  S.  575—604.  —  Th.  Reinach,  Revue  des 
äudea  juives  t.  38,  1899,  p.  161—171.  —  Willricli,  Judaica  1900,  S.  09—71. 
—  Zur  geographischen  Erläuterung  von  Antt.  XIII,  9,  2  s.  auch  J.  L6vy, 
Aiiiiviq  et  Ilrjyal  {Revue  des  itudcs  juives  t.  41,  19(X),  p.  170—180).  —  Die 
MeiMten  beziehen  nur  Antt.  XIII,  9,  2  auf  Antiochus  VII  Sidetes,  dagegen 
Antt.  XIV,  10,  22  auf  Antiochus  IX  Kyzikenos,  lleinach  und  Willricli 
beide  öenatHconsulte  auf  letzteren.  Bei  Antt.  XIII,  !),  2  denken  die  Meisten 
nicht  nn  «lie  Zeit  wfiliirntl  .1.-  Kri. ■■..-,  .,,11. Im,  nn  <\\r  Zi  ii  luicli  demselben. 
EntMchcidcnd  »liirilr  -ull  -(in.  .i.i^~  .ii>  lu.ii-.  Iü  u  (h-:iih1iiii  r«  xazu  rov  nö- 
Xt/iov  ixtlvov  y>T]<pia&ivra  vno  ^Avxwyj)r  rückj^iin^^i^'  -^ciniiclil  li.ilxn  wollen. 
Aber  stHtt  yfrfipuj&iyta  hat  eine  gute  Clusse  von  JlandHciirirtcn  <i:i^  srli\vi(>riu;o 
V^Aarff^^^vra („angetastet,  angerührt"  —  verBuchsweise  untmi  ihhh  n,  vrl.  i  A\ 
Nakum  3,  1),  wa«  noiit  den  filteren  Herausgebern,  Hn<hnti  11  iv,  i  imp,  oImi- 
thflr,  aufzunehmen  sein  wird  (der  alte  Lateiner  hm  (in    in    \n- 

netzung  nach   dem  Friedensschlusi   spricht,  dass  beim  I  ih  InisscIiliiHK  den 


[207.  208]  §  8.   Johannes  Hyrkanus  (135—104).  263 

Die  Kämpfe  dieser  ersten  Jahre  Hyrkan's  hatten  aufs  Neue 
gezeigt,  dass  der  kleine  jüdische  Staat  nur  so  lange  von  syrischer  \ 
Oberhoheit  sich  frei  machen  konnte,  als  das  syrische  Reich  in  sich 
selbst  ohnmächtig  war.  Bei  dem  ersten  kräftigen  Auftreten  des 
Antiochus  war  die  einst  von  Simon  errungene  Freiheit  wieder 
verloren  gegangen.  Hyrkan's  Abhängigkeit  von  Antiochus  VII 
nöthigte  ihn  auch,  an  dem  Feldzuge  desselben  gegen  die  Parther 
im  J.  130  V.  Chr.  theilzunehmen.  Doch  ist  er  in  die  Katastrophe 
desselben  nicht  verwickelt  worden®). 


Juden  Jope  und  die  anderen  Städte  gegen  Tributzahlung  zurückgegeben  wurden, 
während  sie  zur  Zeit,  als  die  jüdische  Gesandtschaft  sich  beim  Senat  beschwerte, 
in  den  Händen  des  Antiochus  waren.  Daher  nehmen  z.  B.  Gutschmid  und 
Schlatter  an,  dass  Antiochus  sie  factisch  gar  nicht  herausgegeben  habe,  was 
bei  der  gerühmten  svasßeia  des  Antiochus  doch  eine  sehr  missliche  Auskunft 
ist.  Das  Senatsconsult  scheint  mir  also  vortrefflich  für  die  Zeit  des  Krieges 
zu  passen,  wenn  man  nur  annimmt,  dass  der  Krieg  schon  einige  Zeit  gedauert 
hat,  ehe  es  zur  Belagerung  Jerusalems  gekommen  ist.  —  Viel  schwieriger  ist 
die  Entscheidung  über  Ätitt.  XIV,  10,  22.  Ein  schwerwiegendes  Argument 
gegen  Mendelssohn's  Combination  ist  hier  die  Bezeichnung  des  Königs  als 
„Antiochus,  Sohn  des  Antiochus".  Wenn  dies  richtig  ist,  so  kann  in 
der  That  nur  Antiochus  IX  Kyzikenos  gemeint  sein  (denn  Antiochus  VII  Si- 
detes  war  ein  Sohn  des  Demetrius  I,  und  Antiochus  VIII  Grypos  ein  Sohn 
des  Demetrius  II).  Nun  wird  aber  von  diesem  Antiochus  vorausgesetzt,  dass 
er  den  Juden  „Festungen  und  Häfen  und  Land  abgenommen  habe",  (Antt. 
XIV,  10,  22:  (pQOVQia  xal  Xifxivaq  xal  pftüpa»»  xal  si'  xi  aXko  d^pelXsto 
ccvrdiv),  und  dass  er  insonderheit  im  Besitz  von  Jope  war.  Wenn  man  auch 
letzteres  mit  Gutschmid  noch  aus  der  Zeit  des  Antiochus  VII  herleiten  wollte, 
so  müsste  doch  auf  alle  Fälle  Antiochus  IX  selbst  sehr  bedeutende  Eroberungen 
in  Palästina  gemacht  haben  und  so  mächtig  aufgetreten  sein,  dass  die  Juden 
sich  veranlasst  sahen,  römische  Unterstützung  nachzusuchen.  Das  widerspricht 
aber  allem,  was  wir  über  Antiochus  IX  wissen.  Josephus  betont  in  den 
stärksten  Ausdrücken,  dass  er  nichts  gegen  Johannes  Hyrkanus  ausrichten  konnte. 
Wenn  Antiochus  etwas  Schlimmes  unternehmen  wollte,  „legte  Hyrkan  offen  seineu 
eigenen  Willen  an  den  Tag"  und  verachtete  den  Antiochus  IX  wie  seinen 
Bruder  Antiochus  VIII  {Ätitf.  XIII,  10,  1).  Mit  ägyptischer  Unterstützung 
verwüstete  Antiochus  zwar  das  Land  Hyrkan's  nach  Räuber-Art,  wagte  aber 
keinen  offenen  Kampf  gegen  ihn,  weil  er  dazu  zu  schwach  war  {Ä?itt.  XIII, 
10,  2),  Man  wird  doch  annehmen  müssen,  dass  Josephus  diese  Schilderung 
nicht  selbst  gemacht,  sondern  in  seinen  Quellen  gefunden  hat.  Kann  aber 
von  einem  solchen  Regenten  das  angenommen  werden,  was  in  dem  Senats- 
consult vorausgesetzt  wird?  Er  müsste  ein  neuer  Antiochus  VII  gewesen 
sein  und  die  Thaten  seines  Vaters  wiederholt  haben.  Unwahrscheinlich  ist 
auch,  dass  Hyrkan  gegen  die  Eroberungen  des  Antiochus  IX  den  Rechtsschutz 
der  Römer  zur  Aufrechterhaltung  des  status  quo  nachgesucht  haben  soll, 
während  doch  er  selbst  damals  Eroberungen  machte.  Die  Schwierigkeiten 
scheinen  mir  hier  also  ebenso  gross  wie  bei  Mendelssohn's  Combinationen,  so 
dass  ich  eine  bestimmte  Entscheidung  nicht  wagen  möchte. 

8)  Äntt.  XIII,  8,  4  (mit  Berufung  auf  Nikolaus  Damascenus). 


264  §  8-   Johannes  Hyrkanus  (135-104).  [208] 

Der  Tod  des  Antiochus  auf  dem  parthischen  Feldzuge  129 
V.  Chr.  war  für  Hyrkan  eine  günstige  Fügung^).  An  seine  Stelle 
trat  jetzt  in  Syrien  wieder  der  schwache  Demetrius  II,  der  schon 
zuvor  von  den  Parthern  aus  der  Gefangenschaft  entlassen  worden 
war  ^%  Er  wurde  sofort  in  innere  Kämpfe  verwickelt,  die  ihn 
nöthigten,  die  Juden  sich  selbst  zu  überlassen. 

Alsbald  machte  Hyrkan  die  veränderte  Lage  sich  zu  Nutze. 
Ohne  sich  um  Demetrius  zu  kümmern,  begann  er  beträchtliche  Gre- 
biete  in  der  Nachbarschaft  Judäa's  an  sich  zu  reissen:  im  Osten 
Norden  und  Süden.  Zuerst  zog  er  in's  Ostjordanland  und  eroberte 
M  e  d  ab  a  nach  sechsmonatlicher  Belagerung  •  ^).  Dann  wandte  er  sich 
gegen  Norden,  nahm  Sichem  und  den  Berg  Garizim  ein,  unter- 
warf die  Samaritaner  und  zerstörte  ihren  Tempel.  Endlich  zog 
er  gegen  Süden,  nahm  die  idumäischen  Städte  Adora  und  Maris sa 
ein  und  zwang  die  Idumäer,  die  Beschneidung  und  das  jüdische 
Gesetz  anzunehmen ^ -).    Die  Politik  der  Eroberung,  welche 


9)  Ueber  den  Feldzug  und  Tod  des  Antiochus  s.  Justin.  XXXYIII,  10. 
XXXIX,  1.  Dioclor.  XXXIV,  15—17  cd.  Mii/lcr.  Livius  Epit.  59.  Appian. 
Syr.  68.  Josephus  Äntt.  XIII,  8,  4.  Porphyr ius  bei  Euseb.  Chron.  ed.  Schoene  I, 
255.  —  In  Betreff  der  Chronologie  vgl.  oben  S.  173. 

10)  Ueber  Demetrius  n  vgl.  Jitstin,  XXXYl,  1:  Demetrius,  et  ipse  verum 
successu  corruptus,  vitiis  adulesceixtiae  in  segnitiam  labitur  tantumque  contemptttm 
apud  omnes  inertiae,  qttantum  odium  ex  stiperbia  pater  habucrat,  contraxit.  — 
Andererseits  spricht  Justin.  XXXIX,  1  auch  von  einer  superbia  regis,  quae 
conversatiime  Parthicae  cnidelitatis  intolerabilis  facta  erat.  —  Ueber  die  Thaten 
und  Schicksale  des  Demetrius  während  seiner  Gefangenschaft  sowie  seine 
endliche  Freilassung  s.  Justin.  XXXVI,  1.  XXXVIII,  9—10.  Appian.  Syr.  67.  08. 
Joseph.  Antt.  XIII,  8,  4.    Porphyrius  bei  Euseb.  Chron.  ed.  Schocnc  I,  255. 

11)  Modaba  ist  eiue  bekannte,  schon  auf  der  Mesa-Insdirift  erwähnte 
Stadt  des  Ostjordanlandes,  südlich  von  Hesbon,  deren  Name  und  Kuinen 
noch  heute  erhalten  sind;  im  Alten  Testamente  X2"iia  Num,  21,  30.  Josiia 
13,  ü.  10.  JesQJa  15,  2.  I  Chrun.  19,  7.  Vgl.  I  Mali:  9,  36.  Jos.  Antt.  XIII, 
1,  2.  XIII,  15,  4.  XIV,  1,  4.  Ptokm.  V,  17,  6.  VIII,  20,  20.  Stephanus  Byx. 
M,  V.  (über  den  von  Steph.  Byx.  citirten  Uranius  s.  Müller,  Fragm.  bist,  yracc. 
IV,  623  «77  ).  Misrhna  Mihcaoth  VII,  1.  Euseb.  Onoviast.  ed.  lAtgardc  /j.  279. 
—  Reland,  PaJaent.  p.  893.  Seetzen,  Reisen  durch  Syrien  I,  407  f.  IV,  223. 
Ritter,  Erdkunde  XV,  2  S.  1181-1185.  Winer  KWB.  s.  v.  Bädcker- 
Socin,  Pai.  3.  Aufl.  8.  191  f.  The  surrey  of  Eastem  Palestine  rot.  l,  1889, 
p,  178—183.  Benzinger,  Ztschr.  dos  DPV.  XIV,  1891,  8.  73.  Sfjoitrni, 
Revue  Inbliquc  I,  1892,  p.  617—644.  Kainpffmcyer,  Ztschr.  des  DPV.  XVI, 
1893,  B.  49  (Aber  die  alte  und  die  heutige  Namoiisform).  Schumacher, 
Zcitwchr.  de»  DPV.  XVIII,  1895,  S.  113— 125,  mit  IMan  (Tafel  II).  Brünnow, 
Mittheilungen  und  Nachrichten  de«  DPV.  1895,  8.  72.  Ba beton,  Lrs  mon- 
naic«  de  Medalta  (Comptrs  rcndiin  de  P  Acad,  des  Insrr.  et  Betlrs-Lctlrcs  1898, 
p.  388—804).   —   Ueber  die  in  Mcdaba  gefundene  MoHaikkarto   h.   oben  S.  10. 

12)  Joiieph.  Antt.  XIII,  9,  1.     Bell.  Jud.  I,  2,  ü.    Vgl.  .1////.  XV,  7,  9.  — 


[208.  209]  §  8.   Johannes  Hyrkanus  (135—104).  265 

schon  Jonathan  [  und  Simon  begonnen  hatten,  wurde  so  von  Hyrkan 
in  der  kräftigsten  Weise  fortgesetzt.  Der  rein  weltliche  Charakter 
seiner  Politik  zeigt  sich  aber  noch  besonders  darin,  dass  er  diese 
Kriege  nicht  mehr  mit  einem  jüdischen  A'olksheere,  sondern  —  als 
der  erste  der  jüdischen  Fürsten  —  mit  einem  gedungenen  Söldner- 
heere führte  '3). 

Ermöglicht  wurde  dem  Hyrkan  dieses  selbstherrliche  Auftreten 
durch  die  innere  Schwäche  des  syrischen  Reiches.  DemetriusII 
beging  gleich  nach  dem  Wiederantritt  seiner  Regierung  die  Thor- 
heit,  den  Ptolemäus  VII  Physkon  von  Aegypten  mit  Krieg  zu 
überziehen.  Dafür  stellte  dieser  nun  einen  Thronprätendeuten  gegen 
ihn  auf  in  der  Person  eines  jungen  Aegypters,  den  er  für  einen 
Adoptivsohn  des  Antiochus  Sidetes,  nach  Anderen  für  einen  Sohn 
des  Alexander  Balas  ausgab  •^)  und  Alexander  nannte  (von  den 
Syrern  erhielt  derselbe  den  Beinamen  Zabinas,  d.  h.  der  Er- 
kaufte) ^^).  Von  letzterem  wurde  Demetrius  bei  Damaskus  besiegt, 
musste  nach  Ptolemais  und  von  da  zu  Schiff  nach  Tyrus  entfliehen 
und  wurde  dort,  als  er  eben  landen  wollte,  ermordet,  125  v.  Chr.**^). 

Alexander  Zabinas  hatte  aber  seinerseits  wieder  mit  dem 
Sohne  des  Demetrius,  Antiochus  VIII  Grypos,  um  die  Herrschaft 
zu  ringen.  So  musste  er  schon  aus  Noth  mit  Hyrkan  in  Frieden 
und  Freundschaft  leben  ^').  | 


Adora  ist  das  heutige  Dura,  westlich  von  Hebron,  s.  Robinson,  Palast.  III, 

206  ff.  Oueriii,  Jiidee  III,  35Ssqq.  Ueber  Marissa  s.  oben  S.  212  (zu  I  Makk. 
5,  66).  —  Infolge  der  Judaisirung  durch  Johannes  Hyrkanus  haben  sich  die 
Idumäer  später  ganz  als  Juden  betrachtet  (Ä"//.  J»rf.  IV,  4,  4).  Die  jüdische 
Aristokratie  freilich  liess  sie  nur  als  ijfutovdaloi  gelten  und  hat  schon  des- 
halb den  Idumäer  Herodes  als  unebenbürtig  betrachtet  {Äntt.  XIV,  15,  2: 
Hq(ü6>j  .  .  I6i(6xy  xe  ovxi  xal  TJoi/u«/^  rovxtaxiv  Tjfiiiovdalü)). 

13)  Joseph.  Antt.  XIII,  8,  4. 

14)  Ersteres  nach  Justin.  XXXIX,  1 ;  letzteres  nach  Porphyritis  bei  Euseb. 
Ckron.  ed.  Schoeftie  I,  257  sq. 

15)  Den  Beinamen  Zabinas  (sr'^rT  auch  Esra  10,  48)  erklärt  Purphyrius 
bei  Euseb.  Cliron.  ed.  Schoene  I,  258  richtig  durch  dyoQaaxöq.  —  Die  Ortho- 
graphie schwankt  zwischen  Zeßiväg  {Joseph.  Antt.  XIII,  9,  3),  Zaßiväq  (Diodor. 
ed.  Müller  XXXIV,  22,  Pai-phi/rius  bei  Euseb.  l.  c,  Inschrift  bei  fjetrotine,  Re- 
ciieil  des  inseriptioiis grecques  et  latines  de  tEgyptell,  61),  Zabbinaeus  {Jtistin. 
Prolog.  XXXIX).     S.  überhaupt  Letronne  l.  e.  II,  Q2sq. 

16)  Joseph.  Antt.  XIII,  9,  3.  Justin.  XXXIX,  1.  Porphyrius  bei  Euseb. 
Ckron.  ed.  Schoene  I,  257  sq.  —  Ueber  seinen  Tod  bes.  Justin  a.  a.  O. :  Cum 
Tyruni  religione  se  templi  defensurus  petisset,  navi  egrediens  praefectijussu  inter- 
p,citur.  —  Nach  Appian.  Syr.  68  war  seine  Gattin  Kleopatra  die  Urheberin 
des  Mordes.  Vgl.  Livius  Epit.  60:  Motus  quoque  Syriae  refenintur,  in  quibus 
Cleopatra  Demetrium  virum  suum  —  interemit. 

17)  Joseph.  Antt.  XIII,  9,  3:  (pO.iav  TioiHxai  ngbq    Yqxuvov  xov  ugyiSQia. 


266  §  8.   Johannes  Hyrkanus  (135-104).  [210] 

Nach  einigen  Jahren,  etwa  122  v.Chr.,  unterlag  Alexander  Zabinas 
seinem  Gegner.  Antiochus  YIII  Grypos  besiegte  ihn  und  liess  ihn 
hinrichten  (nach  Anderen  brachte  er  sich  selbst  durch  Gift  ums 
Leben,  s.  oben  S.  175).  —  Nun  folgte  zwar  einige  Zeit  der  Ruhe, 
während  deren  Antiochus  YIII  Grypos  unbestritten  die  Herr- 
schaft in  Syrien  hatte  ^^).  Trotzdem  unternahm  auch  er  nichts 
gegen  Johannes  Hyrkan.  Er  hatte  nicht  mehr  den  Ehrgeiz,  das 
syrische  Reich  in  seinen  alten  Grenzen  wiederherzustellen.  Im 
Jahre  113  wurde  er  durch  seinen  Vetter  und  Stiefbruder 
Antiochus  IX  Kyzikenos  verdrängt,  der  zunächst  zwei  Jahre 
lang  ganz  Syrien  beherrschte,  und  sodann,  als  ihm  Antiochus 
Grypos  im  J.  111  den  grösseren  Theil  von  Syrien  wieder  entriss, 
sich  gerade  in  dem  an  Palästina  angrenzenden  Theile,  in  Cöle- 
syrien  behauptete  * 9). 

Von  Antiochus  IX  Kyzikenos,  der  also  vom  J.  113—95 
v.  Chr.  die  Herrschaft  in  Cölesyrien  hatte,  entwirft  uns  Diodorus 
folgendes  Bild  ^o) :  „Antiochus  Kyzikenos,  kaum  zur  Herrschaft  ge- 
langt, verfiel  in  Trunksucht  und  unwürdige  Schwelgerei  und  in 
Bestrebungen,  die  einem  König  durchaus  nicht  geziemen.  Er  hatte 
nämlich  Gefallen   an   Schauspielern  und  Komödianten   und  über- 


18)  Justin.  XXXIX,  2,  9:  Parta  igitur  regni  securitaie  Qrypus  octo  annis 
quietem  et  ipse  habuit  et  regno  praestitit.  —  Justin  erwähnt  unmittelbar  vorher 
den  unfreiwilligen  Tod  der  Kleopatra,  der  Mutter  und  bisherigen  Mitregentin 
des  Antiochus  VIII  (121/120  vor  Chr.  s.  oben  S.  175).  Er  meint  mit  seinen 
acht  Jahren  also  die  Zeit  von  da  bis  zur  Verdrängung  des  Antiochus  VIII 
durch  Antiochus  IX  (113).  Diese  Zeit  war  aber  nicht  durchweg  eine  Zeit  der 
Ruhe,  da  Antiochus  IX  schon  einige  Zeit  vor  113  gegen  seinen  Bruder  aufge- 
treten ist  (s.  oben  S.  176,  Kuhn,  Beiträge  zur  Gesch.  der  Seleukiden  S.  19, 
Wilcken  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  I,  2481).  Noch  weniger  richtig  ist 
es  freilich,  wenn  Josephus  so  spricht,  als  ob  Antiochus  VIII  während  dieser 
ganzen  Zeit  mit  seinem  Bruder  Antiochus  IX  zu  kämpfen  gehabt  habe  {Äntt. 
XIII,  10,  1).  Vgl.  übrigens  zur  Erläuterung  von  Äntt.  XIII,  10,  1  auch  Wil- 
cken, Herme»  Bd.  29,  1894,  S.  448  f. 

19)  Porphyrius  bei  Euseb.  Chron.  cd.  Schoene  I,  260.  .Joseph.  Antt.  XIII, 
10,  1.    Justin.  XXXIX,  2—3.    Appian.  Syr.  69. 

20)  Diodor.  XXXIV,  34  ed.  Müller:  'O  Uvrioxog  6  Kvt,ixt}Voq  ägxlwq  nuQfi- 
Xijtptoq  XTjv  ßaaikilav,  i^^neaev  elq  fji^&aq  xal  xQvtftiv  dyervfj  xal  ^tjXwjunra 
ßaaiXflaf  dlXoTQUurara.  'Exaipe  yag  ulfioiq  xal  ngoöfixtatq  xal  xaOöXov  näai 
ToTf  Ottvfiaxonoiotg ,  xal  xd  xovxtov  iniXT]6tv/naxa  fiaviydvt-iv  l(piXoTin(lxo. 
*ETitxtj6ivat  dh  xal  vtvQOtmaaxdv  xal  61  avxov  xivitv  ^(öa  ntvxantjxr]  xaxäQyv{)a 
xal  xaxuxQvaa  xal  VxtQa  nkelova  xoia^xa  fiTjxavi'iftaxa.  Ovx  tlxt  äh  kXfnoXewv 
oidh  SpydvoßV  noXioQXTixixöiv  xaxaaxeväq,  u  xal  öö^av  fieydXrjv  xal  xpc/o«  d^to- 
Xöyovf  äv  napioxixo.  *Evf&ovaltt  oh  xal  nQoq  xwijyfnlaq  dxalQovQ,  xal  nol- 
Xäxiq  vixxwQ  XdOQtf  xtöv  <f>lXatv  ftfxd  SvoTv  ij  xqiiDv  olxexwv  ^^(wv  inl  xt^v  x<ÖQav, 
imv^yti  X/ovtaq  xal  nagSäXtiq  xal  hq  dyplovf.  IJaQaßdXwq  6h  av(inXex6(ievoq 
aXSyoiq  UijQloiq,  noXXdxiq  r/A/>fv  elq  xovq  ^axdxovq  xiv6viovq. 


[210.  211]  §  8.   Johannes  Hyrkanus  (135—104).  267 

haupt  an  allen  Gauklern  und  bestrebte  sich,  deren  Künste  zu 
lernen.  Auch  trieb  er  eifrig  das  Marionettenspiel  und  bemühte 
sich,  fünfellenlange  versilberte  und  vergoldete  Thiere,  die  sich 
von  selbst  bewegten,  und  andere  derartige  Kunststücke  zu  ver- 
fertigen. Sturm-  und  Belagerungsmaschinen  dagegen,  die  doch 
grossen  Euhiu  und  beträchtlichen  Nutzen  bringen,  baute  er  nicht. 
Aber  leidenschaftlich  liebte  er  auch  abenteuerliche  Jagden  und 
ging  oft  des  Nachts  ohne  Wissen  seiner  Freunde  mit  zwei  oder 
drei  Dienern  hinaus  auf's  Land,  um  Löwen  und  Panther  und  Eber 
zu  jagen.  Dabei  kam  er  oft,  indem  |  er  sich  in  tollkühne  Kämpfe 
mit  wilden  Thieren  einliess,  in  die  äusserste  Lebensgefahr". 

Wir  sehen,  es  sind  die  Traditionen  von  weiland  Antiochus  IV, 
die  hier  in  verschlechterter  Auflage  wieder  auftauchen.  Von  einem 
Herrscher,  dessen  Interesse  an  solchen  Dingen  hing,  hatte  Hyrkan 
nicht  viel  zu  fürchten.  So  ist  denn  thatsächlich  seit  dem  Tode 
des  Antiochus  Sidetes  (129  v.  Chr.)  Judäa  wieder  völlig 
unabhängig  von  Syrien  gewesen.  Die  einst  von  Antiochus 
Sidetes  auferlegten  Abgaben  wurden  an  keinen  der  folgenden  Könige 
mehr  entrichtet.  „Weder  als  Unterthan  noch  als  Freund  hat  ihnen 
Hyrkan  noch  irgend  etwas  geleistet"  ^ ')• 

In  den  letzten  Jahren  seiner  Regierung  unternahm  Hyrkan 
abermals  Eroberungszüge  in  die  Nachbargebiete.  Nachdem  er  schon 
früher  die  Gegend  um  Sichern  und  den  Berg  Garizim  unterworfen 
hatte,  richtete  er  jetzt  seine  Angriffe  gegen  die  Stadt  Samaria, 
deren  Einwohner  ihm  Anlass  zu  Klage  gegeben  hatten.  Er  Hess 
sie  durch  Wall  und  Graben  einschliessen  und  übertrug  die  Leitung 
der  Belagerung  seinen  Söhnen  Antigonus  und  Aristobul.  Die 
bedrängten  Samaritaner  riefen  den  Antiochus  Kyzikenos  zu 
Hülfe,  der  zwar  bereitwillig  kam,  aber  von  den  Juden  zurückge- 
schlagen wurde.  Sodann  ein  zweites  Mal  zu  Hülfe  gerufen  brachte 
Antiochus  ägyptische  Hülfstruppen  mit,  welche  PtolemäusLathu- 
rus  gestellt  hatte,  und  verwüstete  mit  deren  Hülfe  das  jüdische 
Gebiet,  ohne  aber  etwas  Entscheidendes  auszurichten.  Nach  grossen 
Verlusten  verliess  Antiochus  den  Kriegsschauplatz,  indem  er  die 
Fortsetzung  des  Kampfes  seinen  Feldherren  Kallimander  und 
Epikrates  übertrug.  Von  diesen  wurde  der  Eine  von  den  Juden 
geschlagen  und  verlor  sein  Leben,  während  der  Andere,  Epikrates, 


21)  Joseph.  Antt.  XIII,  10,  1 :  ovxe  cug  vnrjxoog  ovxe  o)q  (fikog  ai^TOic  ovSsv 
STi  naQsTxsv.  —  Ein  anderes  Bild  würde  sich  freilich  ergeben,  wenn  die  Weg- 
nahme jüdischer  Festungen  und  Häfen  durch  einen  Antiochus,  welche 
in  dem  Senatsconsult  Antt,  XIV,  10,  22  vorausgesetzt  wird,  durch  Anti- 
ochus IX  erfolgt  wäre.  Er  müsste  dann  den  Juden  gegenüber  eine  ähnliche 
Macht  entfaltet  haben,  wie  sein  Vater  Antiochus  VII.  Vgl.  hierüber  oben  S.  263. 


268  §  8-   Johannes  Hyrkanus  (135—104).  [211.  212J 

auch  nichts  ausrichtete,  jaSkythopolis  durch  Verrath  den  Juden 
übergab.  So  fiel  Samaria  nach  einjähriger  Belagerung  in  die  Hände 
der  Juden  und  wurde  völlig  dem  Erdboden  gleichgemacht  --).  —  | 
Die  jüdische  Legende  erzählt,  dass  am  Tage  des  entscheidenden 
Sieges  des  Antigonus  und  Aristobul  über  Antiochus  Kyzikeuos  das 
Ereigniss  dem  Johannes  Hyrkan  beim  Darbringen  des  Eäucher- 
opfers  im  Tempel  durch  eine  himmlische  Stimme  verkündigt 
worden  sei^»). 

Das  Bisherige  ist  alles,  was  uns  an  äusseren  Ereignissen  aus 
der,  wie  es  scheint,  glänzenden  Eegierung  Hyrkan's  bekannt  ist. 
Es  ist  wenig  genug.  Aber  fast  noch  dürftiger  sind  die  zuverlässigen 
Nachrichten  über  die  Verhältnisse  im  Innern.  Einiges  ist  zu- 
nächst zu  schliessen  aus  den  Aufschriften  der  Münzen 2^).    Die- 


22)  Joseph.  Antt.  XIII,  10,  2-3.  Bell.  Jud.  I,  2,  7.  Im  Bell.  Jud.  wird 
nicht  Antiochus  Kyzikenos,  sondern  Antiochus  Aspendios,  d.  h.  Grypos, 
als  derjenige  genannt,  welchen  die  Juden  zu  Hülfe  riefen.  Dann  müssten  die 
Ereignisse  früher  fallen,  in  die  Zeit  als  Antiochus  Grypos  noch  unbestritten 
die  Herrschaft  in  ganz  Syrien  hatte.  Dazu  passen  aber  nicht  die  Angaben 
über  Ptolemäus  Lathurus  (s.  unten).  —  Nach  dem  Bell.  Jud.  wäre  Skytho- 
polis  nicht  durch  Verrath  den  Juden  überliefert,  sondern  von  ihnen  erobert 
worden  (vgl.  über  diese  bedeutende  Stadt  Bd.  II,  S.  134 — 137).  Auf  die  da- 
malige Besitz-Ergreifung  von  Skythopolis  durch  die  Juden  bezieht  sich  wohl 
auch  Mef/illath  Taanith  §  8.  Vgl.  Grätz,  Gesch.  der  Juden  III,  4.  Aufl. 
S.  566  f.  Derenbourg  p.  74.  Schwab,  Actes  du  onxibme  Congrcs  des  Orien- 
talistes,  IVme  Seeliofi  p.  227  sq.  —  Der  Tag  der  Eroberung  Samaria 's  war 
nach  MegillcUh  Taanith  der  25.  Marcheschwan  {==  November).  S.  Grätz  III, 
4.  Aufl.  S.  566;  Derenbourg,  Histaire  p.  72 sq.  Schivab  l.  c.  p.  227.  Das 
Jahr  ergiebt  sich  annähernd  daraus,  dass  einerseits  Antiochus  Kyzikenos 
bereits  im  ungestörten  Besitze  Cölesyriens  war  (seit  111  v.  Chr.),  andererseits 
PtolemäuB  Lathurus  noch  Mitregent  seiner  Mutter  Kleopatra  war  (bis 
107  v.  Chr.,  8.  Strack,  Die  Dynastie  der  Ptolemäer,  1897,  S.  185,  202  f.).  Die 
Eroberung  Samaria's  füllt  also  jedenfalls  zwischen  111 — 107  v.Chr., 
wuhrscheinlich  nicht  lange  vor  107,  denn  Kleopatra  war  über  Ptolemäus  wegen 
der  dem  Antiochus  geleisteten  Hülfe  so  erzürnt,  dass  sie  ihn  „fast  schon" 
aus  der  Herrschaft  vertrieben  hätte  [Jus.  Antt.  XIII,  10,  2;  oaov  ovnu)  x^q 
dgx^i  uvtbv  ixßfßkTjxvlai). 

28)  Joseph.  Antt.  XIII,  10, 3.   Die  rabbinischen  Stellen  bei  Derenbourg p, 74. 

24)  8.  fliier  die  Münzen:  De  Saulcy,  Recherches  1854,  p.  95—102.  — 
Cnvedoni,  Bibl.  Numismatik  II,  13—18.  —  I^evy,  Gesch.  der  jüd.  Münzen 
8.46—63.  —  Maddcn,  Ilistorg  of  Jeunsh  Coinngc  1864  p.  51—61.  —  Keichardt 
in  den  Wiener  Numinmut.  Monatsheften  Bd.  III,  1867,  8.  108— lOH.  —  De 
Sautey,  Numumtatic  Chronicle  1H7\,  p,  236  ."7.  —  Ders.,  Reime  arckvologiqnc 
Nouv.  Sine  XXIII,  1872,  ;;.  8-13.  —  Merzbachcr,  Zeitschr.  für  Numis- 
matik III,  1876,  8.  100—195.  —  Madden,  Coim  ofthc  Jcivh  1881  ;;.  74-81 
(hier  üiui  3faterial  am  volUtäudigsten).  —  Beichardt,  Num,  Chronicle  1882, 
p.  806  «9. 


[212.  213]  §  8.   Johannes  Hyrkanus  (135—104).  269 

selben  tragen  —  und  analog  auch   die   der  nächsten   Nachfolger 
Hyrkan's  —  die  Aufschrift: 

D'^Tin^n  nnm  bian  "jn^n  ■jrnini 
oder:  ü'^TiiT'n  inn  oxi  5ian  prn  pmrr' 
Die  Lesung  des  vorletzten  Wortes  ist  streitig.    Wahrschein- 
lich ist   zu   lesen:   cheber  hajjehudim;   und   unter  cheber  (wörtlich: 
Gemeinschaft,  Genossenschaft)  wird  nicht  sowohl  die  ysQovoia,  als 
vielmehr  die  gesammte  Volksgemeinde  zu  verstehen  sein-^).    Die 
Umschrift  lautet  sonach:  „Jochanan  der  Hohepriester  und  die 
Gemeinde  der  Juden"  oder   „Jochanan   der  Hohepriester, 
Haupt  der  Gemeinde  der  Juden".    Dieser  officielle  Titel  zeigt 
uns,  dass  sich  Johannes  Hyrkan  doch  in  erster  Linie  noch  als 
Priester  fühlte.    Wie  in  der  vormakkabäischen  Zeit,  so  ist  auch 
jetzt  noch  das  jüdische  Gemeinwesen  ein  Priesterstaat;  und  der 
an  der  Spitze  stehende  Oberpriester  ist  nicht  Autokrat,  sondern 
nur  das  Haupt  der  Gemeinde.    Die  Münzen,  wenigstens  die  der 


25)  Die  Vermuthungen,  welche  über  die  Bedeutung  von  nan  aufgestellt 
worden  sind,  sind  zum  Theil  recht  seltsamer  Art.  Eine  Uebersicht  giebt 
Madden,  Coins  ofthe  Jens  p.  77  sq.  Man  hat  erklärt  "irt^  =  „doctor,  Gelehrter" 
(Reichardt)  oder  =  „Freund"  (de  Saulcy,  Recherches  p.  84,  Beinie  Num.  1864, 
p.  382,  später  von  ihm  aufgegeben)  oder  "ish  =  „Feldherr"  (Ewald,  Gott.  gel. 
Anz.  1855,  S.  043,  Arnold  in  Herzogs  Reäl-Enc.  1.  Aufl.  IV,  760;  das  Wort 
wie  seine  Bedeutung  ist  erst  von  Ewald  erfunden;  auf  den  Münzen  mit  n^n  UJXi 
liest  Ewald  nani  "axn  und  erklärt  „oberster  Feldherr",  Gott.  gel.  Anz.  1862, 
S.  844).  —  Die  Aufschrift  C^Tirr^n  i^n  irstn  zeigt,  dass  ~2n  nothwendig  eine 
Corporation  ist,  als  deren  Haupt  sich  Hyrkan  bezeichnet.  Es  ist  daher 
(wie  Hos.  6,  9.  Prov.  21,  9)  zu  lesen  isn,  und  es  kann  nur  fraglich  sein,  ob 
damit  ein  Collegium  im  engeren  Sinne,  also  der  jüdische  Senat  gemeint  ist, 
(so  Geiger,  Urschr.  S.  121  f  Levy,  Jüdische  Münzen  S.  50.  Madden,  History 
p.  54 — 50,  ders.  Coins  of  the  Jeus  p.  78,  Derenbourg,  Histoire  p.  83,  Wellhausen, 
Pharisäer  S.  28  f.,  de  Saulcy,  Melanges  de  Numisinatique  II,  1877,  p.  80,  Well- 
hausen, Israelit,  und  jüd.  Geschichte  2.  Aufl.  S.  270.  Renan,  Histoire  du  peuple 
d'Israä  t.  V,  1893,  p.  40),  oder  die  jüdische  Gesammtgemeinde  (so  Cave- 
doni,  Bibl.  Numismat.  II,  14,  derselbe  in  Grote's  Münzstudien  V,  19,  Hitzig, 
Gesch.  S.  473,  Reuss,  Gesch.  der  heil.  Sehr.  A.  T.'s  §  503,  Merzbaeher,  Zeitschr. 
für  Numism.  III,  1876,  S.  190,  196  f  Nestle,  Zeitschr.  für  die  alttest.  Wissen- 
schaft XV,  1895,  S.  288—290  [inn  =  s»voq,  mit  unhaltbarer  Begründung], 
Kennedy,  Art.  Monney  in  Hastings'  Dictionary  of  the  Bible  III,  425  [lan  =  to 
xoivov]).  Sowohl  der  Ausdruck  „Gemeinschaft  der  Juden"  als  der  sonstige 
Sprachgebrauch  {Mischna  Beraehoth  IV,  7,  worüber  Bd.  II  S.  432  zu  vgl.) 
spricht  entschieden  für  letztere  Bedeutung.  Renan  beruft  sich  zwar  für  die 
Bedeutung  senatus  auf  die  grosse  phönicische  Inschrift  von  Marseille,  Corpus 
Jnscr.  Semit,  t.  I  u.  165 ;  dort  kommt  aber  n^n  lediglich  in  der  auch  im  Rab- 
biuischen  ganz  gewöhnlichen  Bedeutung  coUega  vor  (lin.  2  und  19:  die  beiden 
Sufleten  a:~i2ni  =  et  coUegae  eonan,  vgl.  den  Commentar  p.  228«;  es  sind 
höchst  wahrscheinlich  die  übrigen  Beamten  gemeint,  nicht  der  Senat).  Die 
Inschrift  beweist  also  nichts. 


270  §  8-   Johannes  Hyrkanus  (135—104).  [213.  214] 

ersten  Gattung,  sind  nicht  nur  in  seinem  Namen,  sondern  zugleich 
in  dem  der  Gemeinde  geprägt.  Andererseits  ist  es  ein  Beweis  des 
wachsenden  fürstlichen  Bewusstseins,  dass  Johannes  seinen  Namen 
auf  die  Münzen  setzen  liess.  Er  ist  unter  den  jüdischen  Fürsten 
der  erste,  der  dies  gethan  hat.  Ja  auf  den  Münzen  der  zweiten 
Gattung  lässt  er  die  „Gemeinde"  weg  und  bezeichnet  statt  dessen 
sich  selbst  nach  seiner  Doppelwürde  als  „Oberpriester"  und  als 
„Haupt  der  Gemeinde  der  Juden". 

In  Betreff  der  inneren  Politik  Hyrkan's  während  seiner 
dreissigj ährigen  Regierung  steht  wenigstens  eine  Thatsache  fest  — 
und  zwar  eine  solche  von  grösster  Bedeutung:  der  Bruch  mit  den 
Pharisäern  und  die  Anlehnung  an  die  Sadducäer.  Diese  beiden 
Parteien  treten  jetzt  zum  erstenmal  unter  diesen  Namen  auf  den 
Schauplatz  der  Geschichte.  Ihre  Anfänge  liegen  weit  zurück; 
ihre  Consolidirung  unter  obigen  Namen  scheint  eine  Folge  der 
raakkabäischen  Bewegung  gewesen  zu  sein 2*^).  Die  Pharisäer 
sind  nichts  anderes  als  die  Partei  der  strengen  Eiferer  für  das 
Gesetz:  im  Wesentlichen  dieselben  Kreise,  welchen  wir  im  Anfang 
der  makkabäischen  Bewegung  unter  dem  Namen  der  Frommen 
oder  Chasidim  begegnet  sind.  Den  äussersten  Gegensatz  zu  ihnen 
bildeten  damals  die  extremen  Griechenfreunde,  welche  den 
Hellenisirungsbestrefeangen  des  Antiochus  Epiphanes  so  weit  ent- 
gegen kamen,  dass  sie  nicht  nur  auf  dem  Gebiete  des  bürgerlichen 
Lebens,  sondern  sogar  auf  dem  des  religiösen  Cultus  dem  Helle- 
nismus die  Thore  öffneten.  Diese  extremen  Griechenft-eunde,  welche 
ihren  Anhang  besonders  unter  der  vornehmen  Priestersclmft  liatten, 
sind  durch  die  Stürme  der  makkabäisdien  Bewegung  weggefegt 
worden.  Stimmen  dieser  Art  durften  fortan  im  Verbände  des 
jüdischen  Gemeinwesens  sich  nicht  mein*  vernehmen  lassen.  Aber 
die  Grundlage,  auf  welcher  jene  Richtung  erwuchsen  war,  war 
darum  doch  geblieben:  es  war  |  die  wesentlich  weltliche,  jedem 
religiösen  Enthusiasmus  abgeneigte  Richtung  der  vornehmen  Priester- 
Bchaft.  Auf  den  Boden  des  mosaischen  Gesetzes  wollten  sie  sich 
fortan  wohl  stellen.  Aber  was  über  den  Buchstaben  desselben 
liinausging,  lehnten  sie  mit  kühler  Vornehmheit  ab.  Ihre  eigent- 
lichen Interessen  galten  mehr  dem  Diesseits  und  der  Gegenwart  als 
dem  .Jenseits  und  der  Zukunft.  Dicjse  Richtung,  welche  vorwiegend 
unter  den  vornehmen  Priestern,  dcMi  „Söhnen  Zadok's"  vertreten 
war,  hiess  nun  die  der  Zadokiten  oder  Sadducäer'-^"). 

2ü>  J'  rwiiliiit  nie  zuerst  zur  Zeit  (Ich  Jonnthan,  Antt.  XIII,  6,  0. 

27)  I^i.i..Mn  ul>er  Weueu  un«l  Urnprurif;  der  PliiiriHÜcr  und  Sadducäer 
•.  in  §  2(5. 


[214.  215]  §  8.   Johannes  Hyrkanus  (135—104).  271 

Die  Makkabäer  gehörten  von  vornherein  weder  der  pharisäi- 
schen noch  der  sadducäischen  Richtung  an.  Der  Eifer  für  das 
Gesetz,  der  ihnen  das  Schwert  in  die  Hand  gedrückt  hatte,  verband 
sie  zwar  mit  den  Chasidäern,  welche  anfangs  auch  an  dem  Be- 
freiungskampfe theilnahmen.  Aber  schon  bald  gingen  beide  ver- 
schiedene Wege,  mehr  neben  einander  als  mit  einander.  Den 
Chasidäern  lag  nichts  an  der  politischen  Herrschaft  und  politischen 
Freiheit.  Den  Makkabäern  waren  dies  sehr  wesentliche  Punkte. 
Ihr  ursprüngliches  Ziel,  die  Erhaltung  der  väterlichen  Religion, 
gaben  sie  zwar  auch  später  nicht  auf.  Aber  je  länger  desto  mehr 
verbanden  sich  für  sie  damit  ganz  andere  politische  Ziele.  Eben 
dies  letztere  brachte  sie  andererseits  den  Sadducäern  nahe.  Als 
politische  Emporkömmlinge  konnten  die  Makkabäer  es  nicht  wagen, 
den  einfluss reichen  sadducäischen  Adel  zu  ignoriren.  Man  darf 
als  selbstverständlich  annehmen,  dass  in  der  ytQovoia  der  makka- 
bäischen  Zeit  auch  die  „Sadducäer'  vertreten  waren.  —  Trotz 
alledem  standen  doch  in  religiöser  Beziehung  die  Makkabäer  ur- 
sprünglich den  Pharisäern  weit  näher  als  den  Sadducäern.  Sie 
waren  die  Beschützer  des  väterlichen  Glaubens  und  väterlichen 
Gesetzes.  Noch  von  Hyrkan  wird  bestimmt  vorausgesetzt,  dass  er 
in  der  ersten  Zeit  seiner  Regierung  in  der  Gesetzesbeobachtung  den 
Pharisäern  folgte.  Denn  die  Abschaffung  der  pharisäischen  Satzungen 
bildete  die  Hauptanklage,  welche  das  strengere  Judenthum  gegen 
ihn  erhob  28). 

Diese  Doppelstellung  der  Makkabäer  macht  den  Umschwung 
begreiflich,  der  im  Laufe  der  Regierung  Hyrkan's  sich  vollzog. 
Je  mehr  die  politischen  Interessen  bei  ihm  in  den  Vordergrund 
traten,  um  so  mehr  traten  die  religiösen  zurück.  In  demselben 
Maasse  aber  musste  Hyrkan  sich  den  Pharisäern  entfremden  und 
den  Sadiducäern  näher  kommen.  Ein  inniges  Zusammengehen  mit 
den  Pharisäern  war  bei  dem  stark  weltlichen  Anstrich  seiner 
Politik  auf  die  Dauer  unmöglich.  So  ist  es  denn  sehr  glaublich, 
dass  er  mit  den  Pharisäern  offen  gebrochen  und  sich 
rückhalts  los  der  sadducäischen  Richtung  hingegeben  hat 

Die  äussere  Veranlassung  zum  Bruche  wird  von  Josephus  und 
dem  Talmud  übereinstimmend  folgendermassen  erzählt.  Hyrkan 
richtete  einmal,  als  viele  Pharisäer  bei  ihm  zu  Gaste  waren,  an 
dieselben  die  Bitte,  sie  möchten  doch,  wenn  sie  sähen,  dass  er 
etwas  Ungesetzliches  thue,  ihn  darauf  aufmerksam  machen  und  ihn 
auf  den  rechten  Weg  weisen.    Alle  Anwesenden  waren  aber  seines 


28)  Josephus  sagt  sogar  Antt.  XIII,  10,  5:  ^o^j/r^s  d"  aixdiv  xai  YQxavog 
iysyovst  xat  aipööga  in    avxuiv  r'/yanüro. 


272  §  8.    Johannes  Hyrkauus  (135—104).  [215.  216] 

Lobes  voll.  Nur  Einer,  Eleasar,  erhob  sich  und  sagte:  „Da  du 
die  Wahrheit  zu  erfahren  wünschest,  so  wisse:  wenn  du  gerecht 
sein  willst,  so  lege  die  hohepriesterliche  Würde  nieder  und  begnüge 
dich,  über  das  Volk  zu  herrschen".  Als  Hyrkan  nach  der  Ursache 
fragte,  erwiederte  jener:  „Weil  wir  von  den  Alten  hören,  dass 
deine  Mutter  unter  König  Antiochus  Epiphanes  gefangen  gewesen 
ist".  Diese  Behauptung  war  aber  unrichtig,  weshalb  Hyrkan  höchst 
aufgebracht  wurde.  Als  dann  Hyrkan  den  Pharisäern  die  Frage 
vorlegte,  welche  Strafe  Eleasar  verdient  habe,  sagten  diese: 
„Schläge  und  Bande".  Hyrkan,  der  glaubte,  dass  auf  eine  solche 
Lästerung  der  Tod  gehöre,  wurde  nun  noch  zorniger  und  glaubte, 
dass  Eleasar  im  Einverständniss  mit  seinen  Parteigenossen  die 
Schmähung  gegen  ihn  ausgesprochen  habe.  Fortan  sagte  er  sich 
ganz  von  den  Pharisäern  los,  verbot  bei  Strafe  die  Beobachtung 
der  von  ihnen  aufgestellten  Gesetze  und  schloss  sich  an  die  Sad- 
ducäer  an"^^). 

Die  Erzählung  trägt  zwar  in  ihrer  anekdotenhaften  Form  den 
Stempel  der  Legende  auf  der  Stirne  und  ist  von  Josephus  wohl 
nur  aus  der  mündlichen  Tradition  geschöpft.  Trotzdem  darf  die 
Thatsache  als  sicher  betrachtet  werden,  dass  Hyrkan  sich  ent- 
schieden von  der  pharisäischen  Eichtung  abgewandt  und  die 
pharisäischen  Satzungen  abgeschalft  hat.  Denn  es  war  eine  be- 
wusste  Reaction  gegen  die  seit  Hyrkan  befolgte  Politik,  als 
Alexandra  die  pharisäischen  Gesetze  wiedereinführte^**).  Ein 
paar  einzelne  durch  Hyrkan  beseitigte  Satzungen  werden  in  der 
Mischna  aufgezählt.  Angesichts  der  Gesammt-Opposition  Hyrkan  s 
gegen  alles  pharisäische  Wesen  |  sind  aber  die  von  der  Mischna 
aufgezählten  Stücke  nur  als  zufällig  herausgegrittene  Einzelheiten 
zu  betrachten^'). 


29)  Joseph.  Ann.  XIII,  10,  5-6.  Dio  nibbinische  Tradition  bei  Grätz  III 
4.  Aufl.  8.  684  fl".  (Noto  11).  Derenhoiirg  p.  79—80.  Montet,  Lc  prcim'er 
eonflit  enire  Pfiarmens  et  Saduciens  d'  aprh  trois  documenls  orimtatu  [Jo- 
sephuH,  Talmud  und  der  snniaritnn.  Chronist  Abulfath]  {Journal  asiatiqiie  VIII»"« 
Sirie  t.  IX,  1887,  p.  415-423).  Levi,  Revue  des  iHmles  juires  t.  XXXV,  1897, 
p.  218 — 223.  —  Zur  Surhc  HclbHt  vgl.  bes.  auch  Well  hausen,  Die  Pharisäer 
und  die  Sadducäer  (1874)  8.  89—05. 

30)  Jo$eph.  Antt.  XIII,  16,  2. 

31)  Macuw  tcheni  V,  15  —  Sota  IX,  10:  „Jochanan  der  Hohepriester 
■cbaflVB  da«  Bekenntnisa  für  den  Zehnt  ab.  Derselbe  Hchatllc  das  8ingeu  des 
Vertet:  Erwache  (/V.  44,  24)  und  da»  Verwunden  (der  OpCiTtliicrc?)  nl).  Ferner 
war  bis  zu  Heiner  Zeit  (an  den  Zwischcnfeiertagen?)  der  IlaiDincr  in  .TeruHulcin 
in  Thiitigkeit.  Endlich  briiuclite  man  in  seiner  Zeit  nicht  wegen  Demai  /,ii 
fragen  (d.  h.  nicht  zu  fragen,  ob  von  gekauftem  Getreide  der  Zehnt  schon  ent- 
richtet wl)."  —  Ueber  den  zum  Theil  sehr  dunkeln  Sinn  dieser  Sätze  s.  die 


[216.  217]  §  8.   Johannes  Hyrkanus  (135—104).  273 

Beim  Rückblick  auf  Hyrkan's  Regierung  preist  Josephus  ihn 
glücklicli,  dass  er  „dreier  der  grössten  Dinge  von  Gott  gewürdigt 
worden  sei:  der  Herrschaft  über  das  Volk  und  der  priesterliclien 
Würde  und  der  Prophetengabe".  Alles  in  allem  erscheint  Hyrkan's 
Regierung  dem  jüdischen  Geschichtsschreiber  als  eine  hervorragend 
glückliche  32).  Er  hat  Recht,  wenn  man  politische  Macht  als  den 
Maassstab  des  Glückes  betrachtet.  Nachdem  schon  Hyrkan's  Vor- 
fahren durch  die  Erwerbung  von  Jope  und  Gazara  und  andere 
Eroberungen  im  Westen  das  jüdische  Gebiet  bis  an  das  Meer  vor- 
geschoben hatten,  hat  Hyrkan  durch  neue  Eroberungen  im  Osten, 
Süden  und  Norden  und  durch  die  Sicherung  der  Unabhängigkeit  von 
Syrien  einen  jüdischen  Staat  geschaffen,  wie  er  seit  dem  Untergang 
des  Zehnstämmereiches,  ja  seit  der  Reichstheilung  nach  Salomo's 
Tode  nicht  mehr  bestanden  hatte. 

Unter  den  grossen  Grabdenkmälern  in  der  Umgebung  Jerusa- 
lem's  wird  von  Josephus  in  seiner  Geschichte  des  jüdischen  Krieges 
auch  das  des  „Hohenpriesters  Johannes"  häufig  erwähnt  ^3). 


§  9.    Aristobul  I  (104—103). 

Quellen:  Joseph.  Antt.  XIII,  11.    Bell.  Jud.  I,  3.    Zonaras  Annal.  V,  3  (Aus- 
zug aus  Josephus). 
Die  Münzen  am  vollständigsten  bei  Madden,   Cains  of  the  Jews 
(1881)  p.  81—83.  I 
Literatur:  Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV,  502—504. 
Grätz,  Geschichte  der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  118—123. 
Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  11,  473—475. 


Commentare  in  Surenhusius'  Mischna  I,  287 f.  III,  295 fl'.  Herzfeld, 
Gesch.  III,  249  f.  Derenbourg,  Histoire  p.  71.  Die  obige,  aus  der  Jost'schen 
Mischna-Ausgabe  entnommene  Uebersetzung  fusst  auf  den  im  Talmud  gegebe- 
nen Erklärungen,  deren  Richtigkeit  aber  sehr  fraglich  ist;  s.  bes.  Herzfeld, 
a.  a.  O.  —  Ueber  das  Bekenntniss  für  den  Zehnt  s.  Deut.  26,  12—15.  Joseph. 
Antt.  IV,  8,  22.  Mischna  Maa^er  schmi  V,  6—15.  Hot  fing  er,  De  decimis 
Judaeorum  (1713)  p.  204—227,  —  Erwähnt  sei  noch,  dass  Para  HI,  5  Jochanan 
unter  denjenigen  Hohenpriestern  genannt  wird,  zu  deren  Zeit  nach  dem  Gesetz 
I\um.  19  eine  rothe  Kuh  verbraunt  wurde. 

32)  Joseph.  Antt.  XIII,  10,  7. 

33)  Joseph.   Bell.  Jud.   V,  6,  2.    7,  3.    9,  2.     11,  4   {ed.  Mese   §  259.   304, 
356,  468).    VI,  2,  10. 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  lg 


274  §  9-  Aristobul  I  (104—103).  [217.  218] 

Johannes  Hyrkan  hinterliess  fünf  Söhne  *).  Nach  seinem  Willen 
sollte  aber  die  Regierung  auf  seine  Gemahlin  übergehen  2),  während 
für  den  ältesten  Sohn  Aristobul  wohl  nur  das  Hohepriesterthum 
bestimmt  war.  Damit  war  jedoch  dieser  nicht  zufrieden.  Er  stiess 
seine  Mutter  in's  Gefängniss,  gab  sie  dort  dem  Hungertode  preis 
und  übernahm  selbst  die  Regierung  3).  —  Auch  seine  sämmtlichen 
Brüder  mit  Ausnahme  des  Antigonus  liess  er  in's  Gefängniss 
werfen.  Nur  zu  letzterem  hatte  er  solches  Vertrauen,  dass  er  ihn 
an  der  Regierung  Antheil  nehmen  liess.  Gerade  diese  bevorzugte 
Stellung  wurde  aber  dem  Antigonus  verderblich.  Sie  zog  ihm 
viele  Neider  zu,  deren  Intriguen  es  schliesslich  gelang,  den 
Aristobul  zum  Mörder  des  geliebten  Bruders  zu  machen.  Man 
stellte  ihm  vor,  dass  Antigonus  selbst  nach  der  höchsten  Gewalt 
strebe.  Aristobul  wurde  dadurch  argwöhnisch  und  gab  seiner 
Leibwache  den  Befehl,  falls  Antigonus  bewaifnet  zu  ihm  komme, 
ihn  niederzumachen.  Gleichzeitig  forderte  er  seinen  Bruder  auf, 
unbewaffnet  zu  ihm  zu  kommen.  Die  Feinde  des  Antigonus  aber 
bestachen  den  Boten  und  Hessen  ihm  statt  dessen  melden,  Aristobul 
habe  vernommen,  dass  er  sich  neue  Waffen  und  neues  Rüstzeug 
angeschafft  und  bäte  ihn,  bewaffnet  zu  ihm  zu  kommen,  damit  er 
seine  Rüstung  sehe.  So  that  Antigonus  und  ward,  als  er  nichts 
ahnend  in  die  Burg  einzog,  von  der  Leibwache  niedergemacht. 
Aristobul  soll  nach  geschehener  That  bittere  Reue  empfunden  haben, 
und  diese  Reue  soll  seinen  Tod  beschleunigt  haben  ^). 

Diese  ganze  Familientragödie  —  wenn  man  sie  für  historisch 
halten  darf  —  lässt  den  Charakter  Aristobul's  in  sehr  dunkelm 
Lichte  erscheinen.  Es  ist  lediglich  das  Interesse  der  Herrschaft, 
das  ihn  beseelte.  Alle  Rücksichten  der  Pietät  werden  diesem  ge- 
opfert. Auch  sonst  entfernte  sich  Aristobul  noch  weiter  als  sein 
Vater  von  den  alten  Traditionen  der  Makkabäer.  Das  monarchische 
Selbstgefühl  trieb  ihn,  den  Königstitel  anzunehmen,  den  von 
nun  an  seine  Nachkommen  bis  zur  Zeit  des  Pompejus  führten^).  | 
Die  griechische  Cultur,  gegen  deren  Umsichgreifen  einst  die 
Makkabäer  aufgetreten  waren,  wurde  von  ihm  direct  begünstigt,; 

1)  Joseph.  Antt.  XIII,  10,  7. 

2)  Job.  Antt.  XIII,  11,  1:  ixelv^v  yap  ''Ypxavos  xdiv  oXoiv  xvqIuv  xaxaXe- 
).olmt.    Ebenso  Bell.  Jud.  I,  3,  1. 

.3)  Antt.  XIII,  11,  1.  BeU.  Jud.  1,  3,  1.  —  Ueber  die  Chronologie  s. 
oben  S.  266  f. 

4)  Antt.  XIII,  11,  1-3.    Bell,  Jud.  I,  3,  1—6. 

6)  Antt.  XIII,  11,  1.  BeU.  Jud.  I,  3,  1.  —  Wenn  Strabo  XVI,  2,  40, 
p.  762  dlM  von  Alexander  Jannäus  berichtet,  bo  hat  er  eben  die  kurze 
Begtemng  Arlatobnrs  fibenehen.  —  PricHtcrkönige  gab  es  z.  B.  auch  in 
BidoD.    Vgl.  Bd.  II,  8.  216. 


[218.  219]  §  9.   Aristobul  I  (104—103).  275 

ob  er  auch  den  Titel  ^^tXeXXrjv  geführt  hat,  ist  aus  den  Worten 
des  Josephus  nicht  sicher  zu  entnehmen  6).  Da  schon  sein  Vater 
Hyrkan  seinen  Söhnen  lauter  griechische  Namen  gegeben  hat 
(Aristobul,  Antigonus,  Alexander),  so  darf  man  annehmen,  dass  schon 
er  die  von  Aristobul  eingeschlagene  Richtung  angebahnt  hat. 

Auf  den  Münzen  hat  Aristobul  weder  von  dem  Königstitel 
noch  von  seinem  griechischen  Namen  Gebrauch  gemacht.  Er  nennt 
sich  hier  „Juda,  Hoherpriester".  Denn  die  Münzen  mit  der 
Aufschrift 

gehören,  wie  zuerst  Cavedoni  erkannt  hat,  eben  unserem  Aristobul, 
der  mit  seinem  hebräischen  Namen  Juda  hiess').  —  Wie  sehr 
Aristobul  trotz  seiner  Griechenfreundschaft  doch  noch  auf  jüdischem 
Boden  stand,  zeigt  uns  die  wichtigste  Thatsache,  die  überhaupt 
aus  seiner  kurzen  Regierung  berichtet  wird:  die  Eroberung  und 
Judaisirung  der  nördlichen  Districte  Palästina's.  Er 
unternahm  einen  Kriegszug  gegen  die  Ituräer,  eroberte  ein  grosses 
Stück  ihres  Landes,  vereinigte  dieses  mit  Judäa  und  zwang  die 
Einwohner,  sich  beschneiden  zu  lassen  und  nach  dem  jüdischen 
Gesetze  zu  leben ^).  Die  Ituräer  haben  ihre  Sitze  am  Libanon^}. 
Da  Josephus  |  nicht  sagt,  dass  Aristobul  „die  Ituräer"  unterworfen 
habe,  sondern  nur,   dass  er  ein  Stück  ihres  Landes  erobert  und 


6)  Äntt.  XIII,  11,  3:  ;(()j;/MaT/<rac  /tev  (piXiXXriv.  Nach  dem  Zusammenhang 
heisst  dies  wahrscheinlich  nicht  „er  nannte  sich  4'iXei.XTjv",  sondern  „er  benahm 
sich  als  Griechenfreund".  —  Den  Titel  ^iU/.Xtjv  führte  z.  B.  Arsaces  VII  und 
andere  parthische  Könige  [Mionnet,  Description  de  medailles  antiqties  V,  650  sqq.), 
ein  Antiochus  von  Kommagene  (s.  oben  S.  178  f.),  ein  nabatäischer  König  Aretas 
(s.  Beilage  II). 

7)  Äntt.  XX,  10:  'lovöa  x(p  xal  kgiatoßoikia  xXjj&iyti.  —  Ueber  die  Münzen 
(welche  de  Saulcy  ursprünglich  dem  Judas  Makkabäus  zuschrieb)  s.  de  Saulcy, 
Becherches  p.  84.  Cavedoni,  Bibl.  Numismatik  II,  18 f.  Levy,  Gesch.  der 
jüd.  Münzen  S.  53 — 55.  Madden,  Histary  p.  61— ö3.  Eeichardt,  Wiener 
Numismat.  Monatshefte  III,  1867,  S.  108  f.  De  Saulcy,  Numismatie  Chronicle 
1871,  p.  238.  Merzbacher,  Zeitschr.  für  Numismatik  III,  1876,  S.  196. 
Madden,  Coins  of  the  Jews  p.  81 — 83.  —  Die  griechischen  Münzen,  welche  de 
Saulcy,  Becherches  p.  102 — 104  dem  Aristobul  zugeschrieben  hatte,  gehören 
der  Julia  (=  Livia,  Wittwe  des  Augustus),  s.  Cavedoni,  Bibl.  Numismatik  II, 
19.  50  f.  Ders.  in  Grote's  Münzstudien  V,  19  f. 

8)  Joseph.  Äntt.  XIII,  11,  3:  noXefxiqaaq  ^xovQalav  xal  noXXrjv  avräiv 
z^g  Xojgag  xy  'lovöaicc  nQoaxxTjadfiSvog  x.  r.  X.  —  Strabo  nach  Kmagenes 
(bei  Joseph,  l.  c):  ^(ÜQavxe  yaQ  avxolg  TiQoaexxTJaaxo  xal  x6  /xeQog  xov  xwv 
IxovQaiojv  e&vovg  ipxeiwaaxo  x.  x.  X. 

9)  Strabo  p.  753.  755.  756.  Inschrift  aus  der  Zeit  des  Quirinius,  Ephemeris 
epigraphica  IV,  538  =  Coiy.  Inscr.  Lat.  III  Suppl.  n.  6687.  [Ituraeos  in  Li- 
bano  monte).    Vgl.  auch  Beilage  I  am  Schlüsse  dieses  Bandes. 

18* 


276  §  9.  Aristobul  I  (104—103).  [219] 

judaisirt  habe,  da  ferner  Graliläa  bisher  noch  nicht  zum  Gebiet 
des  jüdischen  Hohenpriesters  gehört  hatte  (s.  S.  183  f.;  auch  die 
Eroberungen  Hyrkan's  hatten  sich  nördlich  nur  bis  Samaria  und 
Skythopolis  erstreckt),  und  da  die  Bevölkerung  Galiläa's  bisher 
noch  eine  mehr  heidnische  als  jüdische  war  (s.  S.  185  f.),  so  ist 
die  Vermuthung  gerechtfertigt,  dass  das  von  Aristobul  eroberte 
Stück  in  der  Hauptsache  eben  Galiläa  war,  und  dass  erst  durch  ihn 
die  wirkliche  Judaisirung  Galiläa's  bewerkstelligt  wurde  i^). 
Jedenfalls  hat  er  das  Judenthum  nach  Norden  hin  weiter  vor- 
geschoben, wie  es  Hyrkan  nach  Süden  hin  gethan  hatte. 

Aristobul  starb  nach  nur  einjähriger  Regierung  an  einer  schmerz- 
haften Krankheit  ^1).  Da  das  Urtheil  der  heidnischen  Historiker 
über  ihn  ein  günstiges  ist^^),  so  kann  der  Verdacht  nicht  unter- 
drückt werden,  dass  die  berichteten  Grausamkeiten  gegen  seine 
Verwandten  ihm,  dem  Sadducäer  und  Griechenfreuud,  von  den 
Pharisäern  angedichtet  worden  sind. 


§  10.    Alexander  Jaunäus  (103—76). 

Quellen:  Joseph.  Antt.  XIII,  12-15.  Bell.  Jtid.  I,  4.  Zonaras  Ännal.  Y,  4 
(Auszug  aus  Josephus). 

SynceUus  ed.  Dindorf  I,  558  sq.  (geht  auf  eine  von  Josephus  unab- 
hängige Quelle  zurück). 

Rabbinische  Traditionen  bei  Derenbourg  p.  95 — 102. 

Die  Münzen  am  vollständigsten  bei  Madden,  Coins  of  the  Jews 
(1881)  p.  83—90.  I 


10)  Für  obige  Auffassung  spricht  auch,  dass  die  Gebiete  nördlidi  und  öst- 
lich von  Galiläa  noch  zur  Zeit  der  Herodiancr  vorwiegend  heidnisch  waren. 
8ie  können  also  nicht  bereits  durch  Aristobul  judaisirt  worden  sein.  Dann 
kann  aber  das  von  Aristobul  judaisirte  Stück  kaum  etwas  Anderes  als  Galiläa 
sein.  Das»  Josephus  den  ihm  geläufigen  Landschaftsnameu  Galiläa  nicht 
nennt,  erklärt  sich  aus  der  Benützung  einer  nicht-jüdischen  Quelle.  —  Eine 
Schwierigkeit  könnte  num  höchstens  darin  finden,  dass  bereits  Johannes 
Hyrkan  seinen  Sohn  Alexander  Jannäus  in  Galiläa  erziehen  Hess 
(Antt.  XIII,  12,  1).  Aber  vielleicht  soll  damit  gerade  gesagt  werden,  dass 
Hjrrkan  seinen  Sohn,  der  von  der  Thronfolge  fern  gehalten  werden  sollte, 
ausser  Laudos  erziehen  Hess.  Möglich  wäre  auch,  dass  Hyrkan  die  süd- 
lichen Theile  Galiläa's  bereits  besessen  hat.  Dann  würde  das  Obige  nur  von 
den  nördlichen  gelten.  Die  Notiz  über  Alcxandcr's  Erziehung  in  Galiläa  ist 
flbrigens  durch  den  Zusammenhang,  in  welciiom  sie  steht,  ohnehin  verdächtig. 
—  Vgl.  über  die  Judalulrung  Galiläa's  durch  Aristobul  auch  IM.  II  S.  (5  f. 

11)  Antt.  XIII.  11,  3.    Bell.  Jud.  I,  3,  0. 

12)  Straho  nnrh  Thnagenea  (hei  Joseph .  .\ntt.  XIII,  11,  3):  inietxi^i  re  iyiveto 
ohtos  6  dvinf  xal  nolla  rotq  'lovöalotq  •/Q'l'^'f^'^i- 


[220]  §  10.   Alexander  Januäus  (103—76).  277 

Literatur:  Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV,  504—512. 
Grätz,  Geschichte  der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  123-135. 
Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  475—488. 
Hamburger,  Real-Enc.  für  Bibel  und  Talmud  Abth.  II,  S.  430 — 434 

(Art.  „Janai,  Alexander"). 
Menke's  Bibelatlas  Bl.  IV,  Specialkarte  über  „Judäa  und  Phönice 

zur  Zeit  des  Alexander  Jannäus". 

Als  Aristobul  gestorben  war,  entliess  seine  Gemahlin  Salome 
(oder  Salma?)  Alexandra  die  drei  Brüder  Aristobul's,  welche  der- 
selbe gefangen  gehalten  hatte,  aus  dem  Gteföngniss  und  erhob  den 
ältesten  von  ihnen  Alexander  Jannäus  zum  König  und  Hohen- 
priester ^),  indem  sie  ihm  gleichzeitig  ihre  Hand  reichte  ^). 

Alexander  Jannäus  (103— 76) 3)  war  während  seiner  27 
jährigen  Regierung  fast  fortwährend  in  äussere  und  innere  Kriege 
verwickelt,  die  meist  muth willig  durch  ihn  provocirt  waren  und 
keineswegs  immer  glücklich  für  ihn  ausfielen. 

Zuerst  zog  er  gegen  die  Bürger  von  Ptolemais  zu  Felde ^), 
besiegte  sie  und  schloss  die  Stadt  ein.  Die  Ptolemaiten  wandten 
sich  an  den  ägyptischen  Prinzen  Ptolemäus  Lathurus,  der,  von 
seiner  Mutter  Kleopatra  vom  Throne  gestossen,  damals  in  Cypern 
herrschte,  um  Hülfe.  Ptolemäus  kam  mit  einem  Heere;  und 
Alexander  hob  aus  Furcht  vor  ihm  die  Belagerung  auf^).  —  Er 
suchte  nunmehr  durch  List  den  Ptolemäus  sich  vom  Halse  zu 
schaifen,  indem  er  offen  mit  ihm  Friede  und  Freundschaft  schloss, 
mittlerweile  aber  heimlich  dessen  Mutter  gegei;  ihn  zu  Hülfe  rief. 
Ptolemäus  ging  anfangs  bereitwillig  auf  das  Bündniss  ein.  Als 
er  aber  hörte,  dass  Alexander  heimlich  seine  Mutter  gegen  ihn  zu 
Hülfe  gerufen  habe,  brach  er  den  Frieden  und  rückte  mit  einem 
Heere  gegen  Alexander.  Er  eroberte  und  plünderte  die  Stadt 
Asochis  in  Galiläa^)  und  stellte  sich  dann  dem  Alexander  bei 


1)  Äntt.  XIII,  12,  1.    Bell.  Jud.  I,  4,  1. 

2)  Letzteres  ist  allerdings  nirgends  ausdrücklich  bezeugt.  Da  aber  Jo- 
sephus  die  Gemahlin  Aristobul's  Salome  (oder  Salma?)  Alexandra  nennt 
[Antt.  XIII,  12,  1),  welche  beide  Namen  auch  die  Gattin  des  Alexander  Jan- 
näus führte,  so  ist  an  der  Identität  nicht  zu  zweifeln.  Vgl.  Ewald  IV,  504. 
Hitzig  II,  476.    lieber  den  hebräischen  Namen  der  Alexandra  s.  unten  §  11. 

3)  Ueber  die  Chronologie  s.  oben  S.  25G  f. 

4)  Ueber  Ptolemais,  das  alte  Akko,  eine  der  bedeutendsten  phönicischen 
Küstenstädte  in  iinmittelbarer  Nachbarschaft  Galiläa'«,  s.  Bd.  II,  S.  111 — 115. 

5)  Antt.  XIII,  12,  2—4. 

6)  Asochis  wird  von  Josephus  auch  in  seiner  Vita  öfters  erwähnt  ("^'^41. 
45.  68).  Es  lag  nahe  bei  Sepphoris  [Antt.  XIII,  12,  5:  ixixqov  anw&sv, 
Vita  45:  naQa  öh  SsTKptaQitcvv  slgliacaxlv  xaxaßävrsg),  und  zwar  in  der  Ebene 
{Vita  41.  45),  also  jedenfalls  in  der  heutigen  Ebene  el-Battof.    Vermuthungen 


278  §  10-   Alexander  Jannäus  (103—76).  [220.  221] 

Asophon  (oder  Asaphon)  am  ]  Jordan'^)  gegenüber.  Alexander 
hatte  ein  stattliches,  treif  lieh  bewaffnetes  Heer.  Das  des  Ptolemäus 
war  weit  weniger  gut  bewaffnet;  allein  seine  Leute  waren  ge- 
wandter und  vertrauten  auf  die  taktische  Kunst  ihres  Feldherrn 
Philostephanus.  Da  der  Fluss  die  beiden  Heere  trennte,  so 
setzte  das  ägyptische  Heer  über  denselben;  und  Alexander  Hess 
dies  ruhig  geschehen,  indem  er  es  um  so  sicherer  aufzureiben  hoffte. 
Auf  beiden  Seiten  wurde  tapfer  gefochten ;  und  das  Heer  Alexander's 
gewann  anfangs  sogar  Vortheile.  Allein  nun  wusste  der  ägyptische 
Feldherr  durch  geschickte  Manöver  einen  Theil  des  jüdischen 
Heeres  zum  Weichen  zu  bringen;  und  als  einmal  ein  Theil  floh, 
konnten  sich  auch  die  übrigen  nicht  mehr  halten.  Das  ganze 
jüdische  Heer  ergriff  die  Flucht;  die  Aegypter  jagten  ihnen  nach 
und  verfolgten  sie  unter  stetem  Morden,  „bis  das  Schwert  ihnen 
vom  Morden  stumpf  wurde  und  die  Hände  erlahmten"  s). 

Das  ganze  Land  stand  nun  dem  Ptolemäus  offen.  Aber  nun 
sandte  Kleopatra  ein  Heer  nach  Palästina,  um  der  wachsenden 
Macht  ihres  Sohnes  rechtzeitig  zu  begegnen.  Während  dieses 
Heer  in  Palästina  operirte,  gelang  es  dem  Ptolemäus,  sogar  bis 
Aegypten  vorzudringen.  Er  wurde  aber  von  dort  wieder  ver- 
trieben und  musste  sich  nach  Gaza  zurückziehen;  und  Kleopatra 
nahm  Besitz  von  ganz  Palästina.  Als  sie  die  Macht  in  Händen 
hatte,  riethen  ihr  einige  ihrer  Vertrauten,  das  jüdische  Land  wieder 
mit  Aegypten  zu  vereinigen.  Aber  den  Vorstellungen  ihres  jüdischen 
Feldherrn  Ananias  gelang  es,  sie  von  diesem  Plane  abzubringen 
und  vielmehr  zu  bewegen,  mit  Alexander  ein  Bündniss  zu  schliessen. 
Ptolemäus  konnte  sich  jetzt  im  jüdischen  Lande  nicht  mehr  länger 
halten  und  zog  sich  wieder  nach  Cypern  zurück.  Ebenso  nahm 
auch  Kleopatra  ihr  Heer  aus  Palästina  zurück;  und  Alexander 
war  wiederum  Herr  im  Lande  ^). 

Nun  konnte  er  wieder  an  Eroberungen  denken.    Er  begann 

Aber  seine  Lage  b.  bei  Bobinson,  Neuere  biblische  Forschungen  S.  143  f. 
Ouirin,  OaliUe  T,  494—497.  Vgl.  auch  Bitter,  Erdkunde  XVI,  760  f.  Rau- 
mer, Palästina  8.  121. 

7)  *Aato<puv  oder  *Aaa<piJiv  (wie  ein  Theil  der  Handschriften  hat),  nicht 
weiter  bekannt.  Violleicht  —  ^il)^  Joaita  13,  27.  Vgl.  Grütz  III,  124.  Hitzig II, 
478.  Seh  latter,  Zeitschr.  des  DPV.  XIX,  1896,  8.  224.  —  Furrer  (brieflich) 
vergleicht  Kirbeth  Umm  Sabony  westlich  vom  Jordan  zwischen  Wadi  el  ßireh 
nnd  Wadi  el  Eschscheb  {The  Survey  Memoirs  II,  125,  dazu  die  grosse  engl. 
Karte  Bl.  IX  Qj). 

8)'!Ba>c  oh  xal  6  al6ri(foq  aikoTi;  ^fißXiv^  xrelvovoi  xal  al  x,^lQ£(i  nagel- 
BijOttv.    Vgl.  überhaupt:  Jos.  Antt.  XIII,  12,  4—5. 

9)  Antt.  XIII,  13,  1-3. 


[221.  222]  §  10    Alexander  Jannäus  (103—76).  279 

damit  im  Osten  des  Jordan,  indem  er  Gadara*<>)  und  die  starke 
Festung  Aniathus  am  Jordan  ^i)  einnahm,  ersteres  erst  nach  zehn- ! 
monatlicher  Belagerung.  Dann  wandte  er  sich  gegen  Philistäa,  er- 
oberte Raphia,  Anthedon  und  zuletzt  das  altberühmte  Gaza* 2). 
Ein  volles  Jahr  lag  Alexander  vor  der  Stadt  und  bemächtigte 
sich  schliesslich  nur  durch  Yerrath  derselben,  worauf  er  sie  der 
Plünderung  und  den  Flammen  preisgab  *=^). 

Die  Eroberung  Gaza's  muss  im  J.  96  v.  Chr.  stattgefunden  haben, 
da  um  dieselbe  Zeit  Antiochus  VIII  Grypos  starb  i*). 

Kaum  war  nach  aussen  hin  Ruhe  eingetreten,  so  gab  es  Kämpfe 
im  Innern.  Der  unheilvolle  Gegensatz  der  Parteien,  der  schon  in 
Hyrkan's  Regierung  hinein  seine  Schatten  geworfen  hatte,  machte 
Alexander  s  Regierung  zu  einer  auch  im  Innern  besonders  bewegten 
und  kampfreichen.  Die  rabbinische  Legende  berichtet  freilich  von 
Reibereien  zwischen  dem  König  und  den  pharisäischen  Schul- 
häuptern, die  sehr  harmloser  Art  waren,  mehr  kindische  Neckereien 
als  ernsthafte  Kämpfe.  Ihre  Erzählungen  sind  aber  historisch  so 
völlig  werthlos,  dass  sie  hier  nur  als  Zeugniss  des  absonderlichen 
Geschmackes  und  der  ebenso  absonderlichen  Moral  des  talmudischen 
Judenthums  eine  Stelle  finden  können.  Der  Held  ist  Simon  ben 
Schetach,  der  berühmte  Pharisäer,  angeblich  ein  Bruder  von 
Alexander's  Gemahlin.  Von  seinen  Thaten  am  Hofe  wird  folgendes 
erzählt'^).  Es  kamen  einst  300  Nasiräer  nach  Jerusalem,  um 
dort  die  vorgeschriebenen  Opfer  darzubringen.  Simon  fand  Mittel 
und  Wege,  die  Hälfte  von  ihnen  davon  zu  dispensiren.  Bei  der 
anderen  Hälfte  aber  vermochte  er  es  nicht  und  bat  daher  den 
König,  die  Kosten  dafür  zu  bestreiten,  indem  er  vorgab,  dass  er, 


10)  Es  ist  das  aus  der  evangelischen  Geschichte  bekannte  Gadara,  süd- 
östlich vom  See  Genezareth,  damals  eine  bedeutende  hellenistische  Stadt. 
Näheres  s.  Bd.  II,  S.  122—126. 

11)  Äntt.XIII,l3,3:  fityiatov  SQVfiCc  tdiv  vnsQ  tov  ^oQÖdvijv  xaTojXTjfiivwv, 
später  der  Sitz  eines  der  fünf  von  Gabinius  errichteten  Synedrien  {Jos.  Antt.  XIV, 
5,  4.  Bell.  Jud.  I,  8,  5).  Nach  Eusebius  lag  es  21  mil.  pass.  südlich  von  Pella 
{Euseb.  Onomast.  ed.  Lagarde  p.  219:  Xsyezai  de  xal  vvv  lifxad-ovi;  xcufii]  iv  Ty 
IIsQala  xy  xattotegq:,  üekkcSv  öisatcüaa  arj/xtloig  xa  elq  votov).  Diese  Angabe 
stimmt  zu  der  Lage  der  heutigen  ßuinenstätte  Amatha  in  der  Nähe  des 
Jordan,  nördlich  vom  Jabok.  S.  überhaupt:  Bitter,  Erdkunde  XV,  2,  1031  f. 
Raum  er,  Pal.  S.  242.  Kuhn,  Die  städtische  und  bürgerl.  Verfassung  des 
römischen  Reichs  II,  364  f. 

12)  Ueber  Raphia,  Anthedon  und  Gaza  s.  Bd.  II  S.  82—91. 

13)  Antt.  XIII,  13,  3.    Bell.  Jud.  I,  4,  2. 

14)  Antt.  XIII,  13,  4. 

15)  S.  Derenbourg  p.  96 — 98  (bes.  nach  Bereschith  rabba  c.  91).  Levi, 
Bevtie  des  ettides  jmves  t.  XXXV,  1897,  p.  213—217.  Vgl.  auch  Grätz  III, 
4.  Aufl.  S.  127.    703  f.  (Note  13). 


280  ^  10.   Alesander  Jannäus  (103—76).  [222.  223] 

Simon,  die  eine  Hälfte  bestreiten  werde.    Der  König  ging  dar- 
auf ein.    Als  er  aber  erfuhr,   dass  Simon  ihn  belogen  habe,  ward 
er  sehr  aufgebracht;  und  Simon  rausste,  um  seinem  Zorne  zu  ent- 
gehen, sich  verborgen  halten.    Einige  Zeit  darauf  kamen  parthische 
Gesandte  an  den  königlichen  Hof  und  wünschten  den  berühmten 
Rabbinen  zu  sehen.    Der  König  wandte  sich  an  seine  Gemahlin,  | 
die  Simon's  Versteck  wusste,  und  bat  sie,  ihren  Bruder  zu  bewegen, 
dass  er  hervorkomme.  Die  Königin  liess  sich  das  Versprechen  geben, 
dass  ihm  nichts  zu  Leide  geschehen  solle  und  bewog  ihn,  zu  kom- 
men.   Kaum  eingetreten  setzte  sich  Simon  zwischen  den  König  und 
die  Königin;  worauf  sich  zwischen  ihm  und  dem  König  folgendes 
Gespräch   entspann.     Der  König:    Weshalb    bist  du   entflohen? 
Simon:  Weil  ich  hörte,   dass  mein  Herr  und  König  gegen  mich 
erzürnt  sei.    Der  König:   Und  warum  hast  du  mich  betrogen? 
Simon:  Ich  habe  dich  nicht  betrogen.    Du  hast  dein  Geld  gegeben 
und  ich  meine  Weisheit.    Der  König:  Aber  warum  hast  du  mir 
dies  nicht  gesagt?   Simon:  Wenn  ich  es  dir  gesagt  hätte,  so  hättest 
du  es  mir  nicht  gegeben.    Der  König:  Weshalb  hast  du  Platz  ge- 
nommen zwischen  dem  König  und  der  Königin?    Simon:  Weil  im 
Sirach  geschrieben  steht:   Halte  hoch  die  Weisheit  und  sie  wird 
dich  erhöhen.    Sie  wird  dich  setzen  zwischen  Fürsten  {Sir.  11, 1).  — 
Der  König  liess  ihm  darauf  Wein  reichen  und  bat  ihn,  das  Tisch- 
gebet zu  sprechen.    Simon   begann:   „Gepriesen  sei  Gott  für  die 
Nahrung,  welche  Jannai  und  seine  Genossen  empfangen  haben".  — 
„Du  bleibst  also  noch  immer  starrköpfig,  sagte  der  König,  ich  habe 
noch  niemals  den  Namen  Jannai's  im  Tischgebet  gehört".  —  „Konnte 
ich  sagen,  erwiderte  Simon,  wir  preisen  dich  für  das,  was  wir  ge- 
gessen haben,  da  ich  doch  nichts  empfangen  habe?"  —  Der  König 
gab  Befehl,  dass  man  dem  Simon  zu  essen  bringe;  und  als  dieser 
damit  fertig  war,  sagte  er:  „Gepriesen  sei  Gott  für  das,  was  wir 
gegessen  haben". 

Die  wirklichen  Kämpfe  Alexanders  mit  den  Pharisäern  und 
dem  von  ihnen  geleiteten  Volke  waren  von  ganz  anderem  tragischem 
Ernste.  Die  tieferen  Gründe  derselben  liegen  in  der  Entwickelung, 
welche  die  inneren  Verhältnisse  überhaupt  seit  Begininduiig  der 
liasnionäischen  Dynastie  genommen  hatten.  Beim  Volke  gewannen 
die  Pharisäer  immer  mehr  an  Macht  und  Einfluss.  Die  Politik  der 
Hasmunäer  entfernte  sich  immer  weiter  von  deren  Bestrebungen 
und  stellte  sich  zu  ihnen  je  länger  desto  schroffer  in  (legensatz. 
Nur  mit  Ingrimm  konnte  man  es  sehen,  dass  ein  wilder  Kriegs- 
inanii  wie  AlexuiMh-r  .lannäus  den  Dienst  um  lleiligthuiii  jils  llolier- 
priester  v»'rsaii,  gewiss  nicht  mit  peinliciicr  Beobachtung  der  von 
den  Pharisäern  für  göttlich  gehaltenen  Satzungen.     Eben  bei  Aus- 


[223.  224]  §  10.   Alexander  Jannäus  (103—76).  281 

Übung  seines  priesterlichen  Dienstes  soll  es  zum  erstenmal  zur 
(jifenen  Empörung  gekommen  sein.  Am  Laubhüttenfeste,  wo  jeder 
Theilnehmer  einen  Palmzweig  (2b'b,  (polvis)  und  eine  Citrone  (ai"in«, 
xLTQiov)  als  Feststrauss  zu  tragen  pflegte,  wurde  Alexander  einst, 
als  er  eben  am  Altar  stand,  um  zu  opfern,  vom  versammelten  Volke 
mit  den  Citronen  geworfen.  Zugleich  verhöhnte  man  ihn  durch  den  \ 
Zuruf,  dass  er  der  Sohn  einer  Kriegsgefangenen  und  des  Opfer- 
dienstes unwürdig  sei.  Alexander  war  nicht  der  Mann,  dies  ruhig 
aufzunehmen.  Er  liess  seine  Soldtruppen  einschreiten  und  sechs- 
tausend Juden  niederhauen  1^).  Seitdem  war  die  Erbitterung  des 
Volkes  so  gross,  dass  nmn  nur  auf  passende  Gelegenheit  wartete, 
um  das  verhasste  Joch  abzuschütteln. 

Bald  gerieth  Alexander  durch  seine  Kriegslust  in  neue  Ver- 
wickelungen. Er  zog  gegen  die  arabischen  Stämme,  welche  östlich 
vom  Jordan  wohnten,  und  machte  unter  ihnen  die  Moabiter  und 
Galaaditer  tributpflichtig.  Das  schon  früher  einmal  eroberte  aber 
nicht  festgehaltene  Amathus  wurde  jetzt  zerstört.  Dann  begann 
er  Feindseligkeiten  gegen  den  arabischen  König  Obedas;  gerieth 
aber  während  der  Kämpfe  mit  ihm  in  der  Landschaft  Gaulani- 
tis  (?)'")  einst  in  einen  Hinterhalt,  in  welchem  er  so  in's  Gedränge 
kam,  dass  er  kaum  das  nackte  Leben  rettete.  Als  Flüchtling  kam 
er  nach  Jerusalem.  Hier  aber  wartete  seiner  ein  übler  Empfang. 
Die  Pharisäer  benützten  den  Zeitpunkt  der  politischen  Schwäche 
Alexander's,  um  seine  Macht  auch  im  Inneren  zu  brechen.  Es  er- 
hob sich  ein  oftener  Aufstand  gegen  ihn;  und  Alexander  hatte 
sechs  volle  Jahre  lang  mit  fremden  Miethstruppen  gegen  sein 
eigenes  Volk  zu  kämpfen.  Nicht  weniger  als  50000  Juden  sollen 
in  dieser  Zeit  der  inneren  Kämpfe  um's  Leben   gekommen   sein. 

16)  Jos.  Antt.  XIII,  13,  5.  Bell.  Jud.  I,  4,  8.  —  Im  Talmud  [Sukka  48*) 
wird  erzählt,  dass  einst  ein  Saddncäer  beim  Laubhüttenfest  die  übliche 
Wasserlibation  nicht  an  den  Altar,  sondern  auf  die  Erde  gegossen  habe,  wofür 
ihn  das  Volk  mit  den  Citronen  gcM-orfen  habe.  Alexander's  Name  wird  nicht 
genannt.  Möglicherweise  ist  er  gemeint.  Aber  „die  Erzählung  des  Josephus 
wird  nicht  verbessert,  wenn  man  das  Motiv  ihres  talmudischen  Widerhalls  ein- 
flickt" (Wellhausen,  Pharisäer  und  Sadducäer  S.  96).  So  Grätz  III,  4.  Aufl. 
S.  128  f.  704  f.  (Note  13).    Derenbourg  p.  9S  sq.  not. 

17)  Die  Ortsangabe  lautet  Bell.  Jud.  I,  4,  4  xazä  ttjv  FavXdvjiv.  Dies  ist 
das  alte  "i^iä,  die  Hauptstadt  der  Landschaft  Gaulanitis,  östlich  vom  See 
Genezareth.  In  den  Antt.  XIII,  13,  5  hat  die  beste  Handschrift  xaxa  Fadaga 
xitifitjv  TTj^  Xovöäviöoq.  Statt  FdSaQfx  haben  andere  Handschriften  Fagaöa  oder 
XaQaÖQii,  statt  lovddviöoq  die  meisten  Falaadixiöo:;.  Schon  wegen  der  Be- 
zeichnung als  xiüfiT]  kann  nicht  die  bekannte  Stadt  Gadara  gemeint  sein.  Die 
richtige  Form  des  Landschaftsnamens  ist  wohl  (wegen  B.  J.  I,  4,  4)  FavXa- 
vlxiSog. 


282  §  10.   Alexander  Jannäus  (103—76).  [224.  225] 

Als  Alexanders  Macht  endlich  erschöpft  war,  bot  er  die  Hand 
zum  Frieden.  Allein  die  Pharisäer  wollten  diese  Lage  der  Dinge 
zu  einem  vollständigen  Sieg  ihrer  Partei  ausbeuten.  Als  daher 
Alexander  fragte,  was  sie  von  ihm  verlangten  und  unter  welchen 
Bedingungen  sie  sich  zur  Ruhe  und  zum  Gehorsam  verstehen  wür- 
den, sagten  sie,  sie  verlangten  nur  seinen  Tod.  Zugleich  riefen 
sie  den  Demetrius  III  Eukärus,  einen  Sohn  des  Antiochus 
Grypos  und  damals  Beherrscher  eines  Theiles  von  Syi'ien,  zu  Hülfe '^) 
—  etwa  um  d.  J.  88  v.  Chr.i^).  \ 

Demetrius  kam  mit  einem  Heere.  Die  jüdische  Volks- 
partei vereinigte  sich  mit  ihm  bei  Siehe m;  Alexander 
wurde  vollständig  geschlagen,  verlor  alle  seine  Miethstruppen 
und  musste  in's  Gebirge  flüchten^*').  Aber  nun  scheint  doch 
bei  manchen  der  mit  Demetrius  verbündeten  Juden  der  na- 
tionale Gedanke  wieder  erwacht  zu  sein.  Sie  wollten  lieber  in 
einem  freien  jüdischen  Staate  einem  hasmonäischen  Fürsten  unter- 
than  sein,  als  dem  Reiche  eines  seleucidischen  Epigonen  einver- 
leibt werden.  Sechstausend  Juden  gingen  zu  Alexander  über;  und 
Demetrius  zog  sich  infolge  dessen  wieder  in  sein  Land  zurück.  Die 
übrigen  Juden,  die  noch  im  Aufruhr  verharrten,  versucliten  zwar 
allein  mit  Alexander  fertig  zu  werden.  Sie  wurden  aber  von  ihm 
in  mehreren  Schlachten  besiegt  und  viele  von  ihnen  getödtet.  Die 
Häupter  des  Aufstandes  flüchteten  zuletzt  nach  Bethome  oder 
Bemeselis'^'),  wo  sie  von  Alexander  belagert  wurden.  Nach  Er- 
oberung der  Stadt  brachte  sie  Alexander  als  Gefangene  nach  Jeru- 
salem und  liess  dort  —  wie  wenigstens  Josephus  berichtet  —  mitten 
in  der  Stadt,  während  er  mit  seinen  Buhlerinen  einem  Gelage 
sich  hingab,  vor  seinen  Augen  etwa  800  der  Gefangenen  kreuzigen 
und  während  sie  noch  lebten,  vor  ihren  Augen  ihre  Kinder  und 
Weiber  hinschlachten.  Seine  Gegner  in  Jerusalem  geriethen  da- 
rüber in  solchen  Schrecken,  dass  sie  —  8000  an  der  Zahl  —  bei 


18)  Äntt.  Xlir,  13,  6.    BeU.  Jud.  I,  4,  3—4. 

19)  Nämlich  mehr  als  aechs  Jahre  nach  der  Eroberung  Gaza's  (96  v.  Chr.), 
aliio  nach  JK)  v.  Chr.,  aber  noch  vor  86  v.  Chr.,  da  ew  von  Antiochus  XII, 
welcher  erHt  nach  den»  Sturze  des  Demetrius  III  Eukürua  als  IFerrfichcr 
auftrat,  eine  Münze  vom  J.  228  a^.  Sei.  —  87/86  vor  Chr.  giebt  {Nnmi'stnatir 
ChrottirJr,  181X),  p.  327  «7.),  wie  auch  eine  solche  vom  J.  227  «w-r.  Sri.  ^  80/85 
vor  Chr.  (Imhoof-Blumer,  Monnaies  grecques  1883  p.  437).  Vgl.  überhaupt 
flbor  die  Chronologie  oben  8.  177. 

2(J)  Antt.  XIII.  14,  1-2.    BeU.  Jud.  I,  4,  4—5. 

21)  Enteret  nach  Antt.  XIII,  14,  2;  letzteres  nach  BeU.  Jud.  I,  4,  6.  KcincH 
Ton  beiden  ist  nachweisbar.  Allerlei  Vermuthungen  bei  Ewald  IV,  500. 
Oritz  in,  131.  Hitzig  II,  482.  Furrer  brieflich:  „Bethome  ist  Betuni 
auf  dem  gleichen  Höhenrücken  wie  Nebi  Schamwil". 


[225.  226]  §  10.   Alexander  Jannäus  (103—76).  283 

Nacht  sich  flüchteten  und,  so  lange  er  lebte,  das  jüdische  Land 
mieden  ^■'^). 

Von  nun  au  hatte  Alexander,  so  lange  er  noch  regierte,  im 
Inneren  Frieden.    Nicht  so  nach  aussen. 

Das  Reich  der  Seleuciden  lag  zwar  damals  schon  im  Todes- 
kampfe. Seine  letzten  Zuckungen  brachten  aber  doch  auch  Judäa 
noch  in  Bewegung.  Antiochus  XII,  der  jüngste  unter  den  fünf 
Söhnen  des  Antiochus  Grypos,  lag  gleichzeitig  mit  seinem  Bruder 
Philippus  und  mit  dem  Araberkönig  in  Krieg.  Als  er  einst  be- 
absichtigte, seinen  Weg  nach  Arabien  durch  Judäa  zu  nehmen, 
wollte  ihm  dies  Alexander  Jannäus  verwehren,  indem  er  von 
Jope  bis  Kapharsaba  einen  mächtigen  Wall  und  Graben  auf- 
werfen und  ersteren  durch  hölzerne  Thürme  befestigen  Hess.  Aber 
Antiochus  steckte  das  Ganze  in  Brand  und  zog  darüber  hinweg  23).| 

Da  Antiochus  im  Kampfe  gegen  den  Araberkönig  seinen  Tod 
fand  und  der  letztere  (er  wird  jetzt  Aretas  genannt)  seine  Herr- 
schaft bis  Damaskus  ausdehnte,  so  war  dieser  von  nun  an  der 
mächtigste  und  gefährlichste  Nachbar  der  Juden.  Im  Süden  und 
Osten  grenzte  Palästina  an  Gebiete,  die  im  Machtbereiche  der 
Araber  lagen.  Alsbald  bekam  auch  Alexander  Jannäus  ihre  Macht 
zu  fühlen.  Er  musste  vor  einem  Angriff  des  Aretas  bis  Adida 
(mitten  in  Judäa)  zurückweichen,  erlitt  hier  eine  empfindliche  Nie- 
derlage und  konnte  nur  durch  Zugeständnisse  den  Abzug  des  Araber- 
königs erkaufen''^''). 

Glücklicher  verliefen  die  Feldzüge,  welche  Alexander  Jannäus 
während  der  nächsten  drei  Jahre  (etwa  83 — SO  v.Chr.)  in 's  Ost- 
jordanland  unternahm,  um  nach  dieser  Richtung  hin  seine  Macht 
zu  erweitern.  Er  eroberte  Pella,  Dium,  Gerasa,  zog  dann 
weiter  nördlich  und  nahm  Gaulana,  Seleucia  und  zuletzt  die 
starke  Festung  Gamala  ein.  Als  er  nach  solchen  Thaten  nach 
Jerusalem  zurückkehrte,  wurde  er  diesmal  mit  Freuden  vom  Volke 
empfangenes). 


22)  Antt.  XIII,  14,  2.    Bell.  Jud.  I,  4,  5—6. 

23)  Antt.  XIII,  15,  1.  Bell.  Jud.  I,  4,  7.  —  Kapharsaba  (xao  -iB3),  noch 
heute  Kefr  Saba,  nordöstlich  von  Jope,  ist  das  spätere  An tipatris.  S.  Bd.  II, 
S.  156  f. 

24)  Antt.  XIII,  15,  2.  Bell.  Jud.  I,  4,  8.  —  Ueber  Adida  (n^nn)  s.  oben 
S.  238  f.  (zu  I  Makk.  12,  38).  Es  lag  östlich  von  Lydda  und  beherrschte  die 
Strasse  von  Jope  nach  Jerusalem.  —  Ueber  Aretas  und  die  arabischen  Könige 
überhaupt  s.  Beilage  II  am  Schlüsse  dieses  Bandes. 

25)  Antt.  XIII,  15,  3.  Bell.  Jud.  1,  4,  8.  —  Die  genannten  Orte  liegen 
sämmtlich  östlich  vom  Jordan.  Ueber  Pella,  Dium  und  Gerasa  s.  Bd.  11, 
S.  137—144.  Josephus  nennt  Bell.  Jud.  I,  4,  8  nur  Pella  und  Gerasa,  AtUt. 
XIII,  15,  3  nur  Dium  und  Essa,  letzteres  sicher  Text-Corruption  für  Gerasa, 


284  §  10.   Alexander  Jannäus  (103—76).  [226.  227] 

Nicht  lange  darnach  fiel  er  infolge  von  Trunksucht  in  eine 
Krankheit,  die  ihn  während  der  drei  letzten  Jahre  seines  Lebens 
(79 — 76)  nicht  verliess.  Trotzdem  liess  er  von  kriegerischen  Unter- 
nehmungen nicht  ab,  bis  er  endlich  mitten  im  Kriegsgetümmel 
während  der  Belagerung  der  Feste  Ragaba  der  Krankheit  und  den 
Anstrengungen  erlag,  76  vor  Chr.  -^).  Sein  Leichnam  wurde  nach 
Jerusalem  gebracht,  wo  er  unter  grossem  Gepränge  bestattet 
wurde '-'). 

Unter  den  von  ihm  geprägten  Münzen  sind  vor  allem  von 
Interesse  die  zweisprachigen  mit  der  Aufschrift: 

^b^n  inrin^  H  BA^IAES>^  AAESANAPOY 

Sie  waren  schon  den  älteren  Numismatikern  bekannt;  aber  erst 
de  Saulcy  hat  die  richtige  und  seitdem  allgemein  gebilligte  An- 
sicht ausgesprochen,  dass  die  hebräische  Aufschrift  uns  den  hebräi- 
schen Namen  Alexanders  giebt-^^).    Jannai  ist  also  Abkürzung  aus 


da  die  näheren  Angaben  in  Betreff  beider  Orte  ganz  identisch  sind.  Für  Dium 
haben  die  Handschriften  an  unserer  Stelle  die  Form  Jia,  die  auch  sonst  vor- 
kommt (s.  Bd.  II,  S.  141).  —  Gaulana  ist  das  alte  ')Vi5,  östlich  vom  See 
Genezareth,  wovon  die  Landschaft  Gaulanitis  ihren  Namen  hat  {Deut.  4,  43. 
Josua  20,  8.  21,  27.  I  Chron.  6,  56).  Eusebius  kennt  es  noch  als  grosses  Dorf 
(Ono)nast.  ed.  Lagarde  p.  242:  xal  vvv  FavXoyv  xaXeTxaL  xcifxt]  fzeyiazt]  iv  rff 
Baxavain).  Seine  Lage  ist  aber  nicht  mehr  nachzuweisen.  Eine  unsichere 
Vermuthung  darüber-  bei  Furrer,  Zeitschr.  des  DPV.  XII,  1889,  S.  151. 
Buhl,  Geogr.  S.  247.  —  Seleucia  wird  von  Josephus  auch  in  der  Geschichte 
des  jüdischen  Krieges  öfters  er^vähnt  [Bell.  Jiid.  II,  20,  6.  IV,  1,  1.  Vita  37). 
Nach  Bell.  Jud.  IV,  1,  1  lag  es  am  See  Semechonitis ;  noch  heute  Selukije 
südöstlich  vom  Hule-See.  —  Ueber  Ganiala,  dessen  Eroberung  durch 
Vespasian  von  Josephus  Bell.  Jud.  IV,  1  ausführlich  erzählt  wird,  s.  §  20. 

26)  Atitt.  XIII,  15,  5.  Bell.  Jud.  I,  4,  8.  —  Ragaba  lag  nach  Josephus 
im  Gebiete  von  Gerasa  {iv  toTg  rtQaatjvütv  oqok;),  also  östlicli  vom  Jordan. 
Es  kann  identisch  sein  mit  dem  in  der  Mischna  {MenacJioth  VIII,  3)  erwähnten 
a5"i  in  Peräa,  welches  treffliches  Oel  lieferte;  aber  nicht  wohl  identisch  mit 
'£'(>ya  15  mtl.  pas8.  westlich  von  Gerasa  [Eusch.  Onomast.  ed.  Lagarde  p.  216), 
wie  Raumer  will  (Pal.  S.  255),  denn  letzteres  muss  längst  in  der  Gewalt  des 
Alexander  Jannäus  gewesen  sein.  Aus  demselben  Grunde  verbietet  sich  auch 
die  Identificirung  mit  dem  heutigen  Ragib  in  der  Nähe  von  Amathus.  Vgl. 
überhaupt  auch  Ritter,  Erdkunde  XV,  2,  1041  f.    Buhl,  Geogr.  S.  259. 

27)  Antt.  XIII,  10,  1.  Das  Grabmal  Alexanders  erwähnt  Josephus  BelL 
Jiul.  y,  1,  3. 

2H)  8.  überhaupt  über  die  Münzen  des  Alexander  Jannäus:  J^oA;Ae/,  Podr. 
Siim.  Vet.  III,  477—480.  —  Mionnet,  Description  de  mMaillea  antiques  V, 
5<»2  «7.  Sitppl.  VIII,  378.  —  De  Sanlcg,  liecherches  mr  la  Numismatiqne 
jiulaüjue  p.  85—93,  105  sq.  (schreibt  die  Münzen  des  Hohciipricstcrs  Jonatliau 
dem  Makkabfier  Jonatlinn  zu).  —  Cavedoni,  Bibl.  NumiHUiatik  11,  19—22.  — 
Lcvy,  Gench.  der  jtid.  Münzen  8.  56—60.  —  Madden,  Iliddnj  of  Jewish 
Coinaf/rp.  68—70.  —  Üavedoni  in  Grote's  Münzstudien  V,  20  f.  —  Ucichurdt, 


[227.  228]  §  10.   Alexander  Jannäus  (103—76).  285 

Jonathan,  nicht  wie  man  früher  meinte  aus  Jochanan-^).    Steht 
aber  der  Name  Jonathan  für  Alexander  fest,  dann  sind  ihm  auch 
die  Hohenpriestermünzen  zuzuschreiben  mit  der  Aufschrift: 
Dnn^n  "um  biyn  )ran  ^nsini  (oder  inD-i) 

Der  Typus  dieser  Hohenpriestermünzen  ist  derselbe  wie  bei 
den  Münzen  des  Johannes  Hyrkan  und  Aristobul.  Die  zweisprachigen 
Königsmünzen  sind  eine  Neuerung  Alexanders  ^o). 

Durch  die  Eroberungen  Alexanders  waren  die  Grenzen  des 
jüdischen  Staates  jetzt  weit  über  den  schon  unter  Johannes  Hyrkan I 
erreichten  Umfang  hinausgeschoben.  Im  Süden  waren  die  Idumäer 
unterworfen  und  judaisirt.  Im  Norden  reichte  Alexanders  Macht 
bis  Seleucia  am  Merom-See.  Die  Meeresküste,  an  welcher  einst 
Jope  die  erste  Erwerbung  der  Makkabäer  gewesen  war,  stand  nun 
fast  ganz  unter  jüdischer  Herrschaft.  Mit  alleiniger  Ausnahme  von 
Askalon,  das  seine  Unabhängigkeit  sich  zu  erhalten  gewusst  hatte, 
waren  alle  Küstenstädte  von  der  Grenze  Aegyptens  bis  zum  Karmel 
von  Alexander  erobert  '^ ').  Aber  auch  das  Ostjordanland  vom  Me- 
rom-See bis  zum  todten  Meere  stand  ganz  unter  seiner  Botmässig- 
keit;  darunter  eine  Anzahl  bedeutender  Städte,  welche  bisher  ein 
Sitz  der  griechischen  Cultur  gewesen  waren,  wie  Hippos,  Gadara, 
Pella,  Dium  und  andere^-). 


Wiener  Numismat.  Monatshefte  III,  1867,  S.  109— 111.  —  De  Saulcy,  Numis- 
matic  Ghroniele  1871,  j).  238  sq.  —  Madden,  Niim.  Chron.  1874,  306—308.  — 
Merzbacher,  Zeitschr.  für  Numismatik  III,  1876,  S.  197—201  und  201—206 
(s.  unten  Anm.  30).  —  Madden,  Coins  of  tfie  Jews  p.  83 — 90.  —  Stickel, 
Zeitschr.  des  deutscheu  Pal.-Ver.  VII,  1884,  S.  212. 

29)  Vgl.  Ewald,  Gott.  gel.  Anz.  1855,  S.  650.  Ders.,  Gesch.  IV,  504. 
Levy  S.  115.  Derenbourg  p.  95  not.    Madden,  Coins  of  the  Jetcs  p.  83  not. 

30)  Von  den  Hohenpriester-Münzen  mit  der  contrahirten  Namensform  '\rz^ 
sind  manche  auf  Königs-Münzen  Alexander's  aufgeprägt.  Merz- 
bacher schreibt  daher  alle  mit  der  Namensform  ')ri3'^  dem  Nachfolger  Alexan- 
ders, Hyrkan  II,  zu.  So  sehr  diese  Hypothese  auch  durch  den  Befund  der 
Münzen  begünstigt  wird,  muss  sie  doch  dahingestellt  bleiben,  da  für  Hyrkan  II 
der  Name  Jonathan  nicht  nachweisbar  ist. 

31)  Josephus  Antt.  XIII,  15,  4  nennt  ausdrücklich  als  damaligen  Besitz 
der  Juden:  ßinokorura  (an  der  ägyptischen  Grenze,  südlich  von  Raphia), 
Eaphia,  Gaza,  Anthedon,  Azotus,  Jauinia,  Jope,  Appollonia,  Stra- 
tonsthurm  (hierzu  Bd.  II  S.  82—108).  Aber  auch  Dora  muss  zum  Gebiet 
Alexanders  gehört  haben.  Denn  Stratonsthurm  und  Dora  hatten  früher  einem 
Tyrannen  Zoilus  gehört,  der  von  Alexander  unterworfen  worden  war  {Antt. 
XIII,  12,  2  u.  4).  Dagegen  ist  es  nicht  zufallig,  dass  Askalon  fehlt.  Es 
war  seit  dem  J.  104  vor  Chr.  eine  unabhängige  Stadt,  wie  die  von  ihm  ge- 
brauchte Aera  und  die  Anerkennung  seiner  Freiheit  durch  die  Römer  beweist 
(s.  Bd.  II  S.  93  f.) 

32)  Eine  Uebersicht  über  den  Umfang  des  jüdischen  Gebietes  beim  Tode 


286  §  10.  Alexander  Jannaus  (103—76).  [228.  229] 

Dieses  Eroberimgswerk  war  aber  zugleich  ein  Zerstörungswerk. 
Es  galt  nicht,  wie  einst  die  Eroberungen  des  grossen  Alexander,  der 
Förderung,  sondern  der  Vernichtung  der  griechischen  Cultur.  Denn 
darin  war  Alexander  Jannäus  noch  immer  Jude,  dass  er  die  eroberten 
Gebiete,  soweit  es  ging,  den  jüdischen  Sitten  unterwarf.  Wenn  die 
eingenommenen  Städte  sich  dazu  nicht  verstehen  wollten,  wurden 
sie  I  verwüstetes).  Namentlich  wurden  von  diesem  Schicksal  die 
grossen,  bisher  blühenden  Küstenstädte  und  die  griechischen  Städte 
im  Ostjordanland  betroffen.  Erst  die  Römer,  Pompejus  und  Gabi- 
nius,  haben  diese  Trümmerstätten  wieder  aufgebaut  und  ihnen  zu 
neuer  Blüthe  verholfen. 


§  11.    Alexandra  (76—67). 

Quellen:  Joseph.  Antt.  Xin,  16.    BeU.  Jud.  I,  5.    Zonaras  Anncd.  V,  5  (Aus- 
zug aus  Josephus). 
Rabbinische  Traditionen  bei  Derenbourg  p.  102 — 112. 
Die  Münzen  bei  Madden,  Coins  of  the  Jews  (1881)  p.  91  sq. 


Alexanders  giebt  Josephus  Antt.  XIII,  15,  4.  Vgl.  dazu:  Tuch,  Quaestiones 
de  Flavii  Josephi  libris  historicis  [Lips.  1859)  p.  12—19.  Zur  Ergänzung  dient 
das  Verzeichniss  der  den  Arabern  abgenommenen  Ortschaften  Antt.  XIV,  1, 
4  fin.  —  Eine  ähnliche  Uebersiclit,  nach  einer  von  Josephus  unabhängigen 
Quelle,  giebt  der  byzantinische  Chronist  Oeorr/ius  Syncellus  cd.  Dindorfl, 
658  aq.  Ueber  den  Werth  dieses  Berichtes  s.  Geizer,  Julius  Africanus  Bd.  I 
(1880)  8.  250 — 258.  Syncellus  geht  zunächst  auf  Julius  Africanus  zurück,  dieser 
aber  auf  eine  ältere  jüdische  Quelle,  wahrscheinlich  Justus  von  Tiberias  (s. 
oben  8.  61  f.).  Er  nennt  mehrere  Städte,  die  bei  Josephus  fehlen,  z.  B.  Abila, 
HippoB,  Philoteria.  Bedeutsam  ist  namentlich  die  Erwähnung  von  Philo- 
teria,  da  dieser  Ortsname  in  der  späteren  Zeit  ganz  unbekannt  ist.  Nach 
Polyhiu»  V,  70  war  es  zur  Zeit  Antiochus'  des  Grossen  eine  der  bedeutendsten 
8tädte  am  See  Genezareth  (^  6k  <t>iXoxepla  xtlxat  ■nag'  avxriv  xi]v  Xlfivrjv,  elg  ^v 
d  xaXovßivoq  'loQSdvrjii  noxaßoq  elaßaXXatv  x.  x.  A.).  Sonst  kommt  es  nur 
noch  vor  bei  Stephanus  Byx.  s.  v.  {hoxi  xal  KoiXijg  Svgiag  ^ukwxiga,  wq  Xäga^ 
iv  SyöStft  xpov<;fc5i',  über  Oharax  s.  Müller,  Frngm,  Uta'.  Uracc.  III,  i^SÜ  .^qq.). 
Vgl,  auch  oben  8.  188.  —  Eine  kartographische  Uebersiclit  des  jüdischen 
Gebietes  zur  Zeit  des  Alezander  Jannäus  h.  bei  Menke,  Bibohitlus  Bl.  IV. 
SS)  Die«  ist  wenigstens  von  Pella  ausdrücklich  ])czeugt  Antt.  XIll,  15,  4: 
xavxtjv  6e  xuxlaxaxpav,  ovx  imoaxofthatv  x<5v  ivoixovvxcov  eiq  ra  ndxQia  xdiv 
'lovdalutv  l&ri  fiexaßaXfa&ai.  (Das  von  Niese  getilgte,  aber  von  fast  allen 
Handschriften  gebotene  ovx  ^'^^  vnoaxofxi'vwv  ist  Hi<'hcr  bci^ubchulten,  da  Honst 
der  Text  sinnlos  wird).  —  Die  Tbatsachc  der  Zerstörung  wird  auch  bei  manchen 
anderen  Stftdten  erwfthnt,  oder  sie  folgt  doch  daraus,  dass  Pompejus  und  Ga- 
binius  sie  wieder  aufbauen  Hessen  (Antt.  XIV,  4,  4.  5,  :{.  Ikll.  Jud.  I,  7,  7. 
8,  4.    8.  bes.  Antt.  XIV,  6,  S:  tAc  n6kti(;  noXvv XQ^vov  ^gij/iovq  yevoiiivaq). 


[229]  §  11.   Alexandra  (76—67).  287 

Literatur:  Joh.  Müller  (praeside  G.  G.  Zetttier),  De  Alexandra  Judaeorum 
regina  tanquam  specimine  sapientis  ex  hac  gente  foeminae.  Att- 
dorffi  1711. 

Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV,  512—515. 

Grätz,  Geschichte  der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  136—150. 

Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  488—490. 

Wellhausen,  Die  Pharisäer  und  die  Sadducäer  (1874)  S.  97—99. 

Deutsch,  Die  Regierungszeit  der  judäischen  Königin  Salome 
Alexandra,  1901. 

Nach  Alexander's  letztwilliger  Verfügung  ging  das  Königthum 
an  seine  Gemahlin  Alexandra  über,  die  hinwiederum  ihren  ältesten 
Sohn  Hyrkan  zum  Hohenpriester  ernannte').  Alexandra,  mit 
hebräischem  Namen  Salome  oder  vielleicht  Salma  (76—67  v.  Chr.) 
war  in  allen  Stücken  das  Gegentheil  ihres  Gemahles  2).    Während 


1)  Antt.  XIII,  16,  1—2.  Bell.  Jiid.  I,  5,  1.  —  Münzen  sind  von  Alexandra 
nur  ein  paar  mit  der  Aufschrift  BA2JAIS.  AAEaäNJ.  bekannt.  S.  de  Sautcy, 
Recher ches  p.  100.  Cavedoni,  Bibl.  Numismatik  II,  23.  Levy,  Gesch.  der 
jüd.  Münzen  S.  61.  Madden,  Eistory  p.lQ—12.  Reichardt,  Wiener  Numis- 
mat.  Monatshefte  III,  1867,  S.  Ulf.  Madden,  Num.  Chrmiete  1874,  308-310. 
Merzbacher,  Zeitschr.  für  Numismatik  III,  1876,  201.   Madden,  Coins  Ql  sq. 

2)  Ueber  die  Chronologie  s.  oben  S.  256  f.  —  Der  hebräische  Name  der 
Alexandra  ist  nicht  mit  Sicherheit  festzustellen.  In  rabbinischen  Quellen  wird 
sie  inaV»«:,  •jlJ'^isblü,  ns^bus  genannt  {Derenbourg  p.  102).  Vielleicht  sind  alle 
diese  Formen  Verstümmelungen  eines  ursprünglichen  'p'^SobB,  was  inschrift- 
lich als  jüdischer  Frauenname  vorkommt  [Clermont-Ganneau,  Archaeologicat 
Researches  I,  1899,  p.  386 — 392,  eine  Tochter  des  Herodes  heisst  ^alafixpia 
Joseph.  Antt.  XVIII,  5,  4).  Bei  Eusebius  Chron.  ad  ann,  Abr.  1941  heisst  sie 
Alexandra  quae  et  Salina  (so  übereinstimmend  die  armenische  Uebersetzung 
und  Hieronymus,  s.  Euseb.  Chron.  ed.  Schoene  II,  134,  135).  Ebenso  bei  den 
Nachfolgern  des  Eusebius,  Chron.  pasckale  ed.  Dindorf  I,  351  (^Af ^avrfpag  XTJq 
SaXlvaq),  Syncellus  ed.  Dindorf  1,  559  {SaXiva  fj  xal  kXt^dvdQa).  Hiernach 
ist  auch  bei  Euseb.  Chron.  ed.  Schoene  I,  130  statt  des  überlieferten  ^aaXiva 
nicht  mit  Gutschmid  JSaXllva,  sondern  SaXiva  zu  lesen.  Vgl.  auch  Hierony- 
mus, Comment.  ad  Daniel  9,  24  sqq.  {opp.  ed.  VallarsiY,  687):  Alexandra  qtiae 
et  Salina  vocabatur  (Hieronymus  übersetzt  hier  Euseb.  Demonstr.  evang.  VIII, 
2,  wo  aber  unser  griechischer  Text  gerade  diese  Worte  nicht  hat).  Dieselbe 
Form  auch  in  den  von  Eusebius-Hieronymus  abhängigen  lateinischen  Chro- 
niken; so  bei  Prosper,  Chronica  minora  ed.  Mommsen  I,  403  [Alexandra  quae 
et  Salina),  Chronik  von  511,  Chronica  minora  ed.  Mommsen  I,  638  (ebenso), 
Pseudo-Isidor,  Chronica  minora  II,  499  marg.  (Salina  Alexandra).  —  Eusebius 
hat  den  Namen  sicherlich  aus  Josephus  Antt.  XIII,  12,  1  geschöpft,  wo  die 
Gemahlin  Aristobul's  I,  die  ohne  Zweifel  mit  der  Gemalilin  des  Alexander 
Jannäus  identisch  ist,  in  zwei  Handschriften  ^aUva  heisst,  währisnd  die 
übrigen  mit  Epitome  und  Vet.  Lat.  2ttX(öfirj  haben  {2!akwfiT]  ^  yvvTj  avxov, 
XsyofxevTj  de  vno  ''EXXtjvojv  'AXe^ävöga).  Da  Josephus  den  hebräischen  Namen 
der  Alexandra  sonst  nirgends  nennt,  ist  das  Material  für  eine  sichere  Ent- 
scheidung nicht  ausreichend.  Die  späten  und  schlecht  überlieferten  rabbi- 
nischen Texte  helfen   nichts.    Es  liegt  nahe,  mit  Wellhausen  (Israelitische 


288  §  11-   Alexandra  (76—67).  [229.  230] 

er  die  Pharisäer  hasste  und  von  ihnen  gehasst  wurde,  war  sie 
mit  ihnen  befreundet  und  Hess  ihnen  die  Zügel  der  Regierung. 
Während  er  ein  Despot  war  nach  orientalischem  Muster,  war  sie 
eine  gottesfürchtige  Regentin  nach  dem  Herzen  der  Pharisäer; 
ihre  Regierung  nach  pharisäischem  Maassstab  gemessen  untadelig. 
Alexander  soll  auf  dem  Sterbebette  seiner  Gemahlin  gerathen 
haben,  mit  den  Pharisäern  Frieden  zu  schliessen  ^).  Mag  dies  Wahr- 
heit sein  oder  nicht,  Thatsache  ist  jedenfalls,  dass  Alexandra  vom 
Beginn  ihrer  Regierung  an  sich  ganz  und  gar  auf  die  Seite  der 
Pharisäer  stellte,  ihren  Forderungen  und  Wünschen  G-ehör  schenkte 
und  insonderheit  allen  seit  Johannes  Hyrkan's  Zeit  abge- 
schafften pharisäischen  Satzungen  wieder  Gesetzeskraft 
verlieh.  Die  Pharisäer  waren  zu  ihrer  Zeit  thatsächlich  die  Herren 
im  Lande.  „Den  Namen  des  Königthum's  hatte  sie;  die  Macht 
aber  hatten  die  Pharisäer.  Sie  riefen  Flüchtlinge  zurück  und  be- 
freiten Gefangene,  und  waren  mit  einem  Worte  in  Nichts  von  un- 
beschränkten Herrschern  verschieden"  ^).  Solche  Machtfülle  konnten 
sie  nur  ausüben,  wenn  sie  in  der  obersten  Behörde,  der  Gerusia, 
ein  ausschlaggebender  Factor  waren.  Diese  muss  also  damals 
eine  wesentliche  Umgestaltung  erfahren  haben.  Während  sie  bis- 
her eine  Vertretung  des  Adels  und  der  Priester  war,  musste  sie 
jetzt  auch  die  pharisäischen  Schriftgelehrten  in  ihren  Schooss  auf- 
nehmen ^).  —  In  diese  Zeit  der  pharisäischen  Reaction  mag  auch 
eine  Reihe  von  Triumphen  der  Pharisäer  fallen,  von  welchen  die 
rabbinische  Ueberlieferung  zu  berichten  weiss.  Allein  die  authen- 
tischen Nachrichten,  welche  darüber  der  „Fastenkalender"  {Megil- 
lath  Taanith,  d.  h.  das  Verzeichniss  der  freudigen  Gedenktage,  an 


und  jüdische  Geschichte,  2.  Aufl.  S.  268)  als  ursijrüngliche  Form  Saliua  zu 
vermuthen.  Da  dies  aber  im  A.  T.  nur  als  Mäunernanie  v(^rk(immt  (Vater 
des  Boas,  Euth  4,  20,  1  Chron.  2,  11),  so  ist  auch  dies  problematisch. 

3)  Äntt.  XIII,  15,  5.  —  Nach  dem  Talmud  [Sota  22b  bei  Derenbourg 
p.  101)  soll  er  ihr  gerathen  haben:  „Fürclite  weder  die  Pharisäer,  noch  die, 
welche  es  nicht  sind;  sondern  fürchte  die  Heuchler,  die  sich  den  Schein  von 
Pharisäern  geben;  deren  Thateu  sind  wie  die  Simri's  und  die  einen  Lohn 
fordern  wie  Pinehas". 

4)  Ault.  XIII,  16,  2:  Ilävxa  rofc  ^'UQiaaioiq  inixQi'nfi  noiuv,  oii  xul  tö 
nXtj&ot  ixi'ktvae  ntt&apxf^v,  xal  ei'  xi  dt  xal  twv  vofAi(Ji(ov'YQxuvoq  6 
ntvBe(fh(;  avr^ff  xaxilvaev  wv  elai]veyxav  ol  'PcQiaaToi  xaxa  xijv 
natftffav  nufuSoaiv,  xovxo  nuXiv  dnoxaxi'axrioe.  To  /jihv  ovv  ovo/na 
tiji  ßaaiXelaq  elxev  avxij,  xtiv  Jh  dvvafiiv  o\  <I>aQioaloi'  xal  yccQ  <pvyttö«^  ovxoi 
xaxfiyov  xal  öea/icixag  lAiov,  xal  xa9äna^  ovöiv  öianoxdiv  öinpegov.  Vgl. 
auch  Ball.  Jud.  I,  ö,  2. 

6)  Die  Bedeutung  der  Regierung  Alexandra*»  für  die  Umgestaltung  des 
Syoedriami  bat  WellluiuMen,  Israelit,  und  jüd.  Gesch.  2.  Aull.  S.  209—272 
treflbnd  hervorgehoben. 


[230.  231]  §  11.   Alexandra  (76—67).  289 

welchen  nicht  gefastet  werden  durfte)  giebt,  sind  so  kurz  und 
räthselhaft,  dass  sie  keine  wirklichen  Aufschlüsse  geben.  Und  der 
ganz  späte  hebräische  Conimentar  dazu  giebt  lediglich  werthlose 
Phantasien 6).  Auch  die  Notiz  der  |  Mischna,  dass  Simon  ben 
Schetach  einst  in  Askalon  80  Weiber  habe  erhängen  lassen,  ist 
schon  deshalb  unbrauchbar,  weil  dieser  berühmte  Rabbine  in  As- 
kalon überhaupt  nichts  zu  sagen  hatte').  Geschichtliche  Kunde 
ist  also  lediglich  aus  Josephus  zu  schöpfen.  Und  das  Bild,  das 
uns  dieser  entwirft,  lässt  an  Anschaulichkeit  nichts  zu  wünschen 
übrig.  Die  Pharisäer  gingen  im  Bewusstsein  ihrer  Machtfülle  so 
weit,  dass  sie  die  ehemaligen  Rathgeber  des  Königs  Alexander 
(welche  diesem  zur  Ermordung  der  800  Aufständischen  gerathen 
hatten)  hinrichten  Hessen.  Dieses  despotische  Gebahren  Hess  sich 
denn  doch  der  Adel  von  Jerusalem  nicht  gefallen.  Eine  Gesandt- 
schaft desselben,  darunter  der  eigene  Sohn  der  Alexandra,  Aristo- 
bul,  begab  sich  zur  Königin  und  bat  sie,  dem  Treiben  der  Phari- 
säer Einhalt  zu  thun;  und  die  Königin  musste  sich  wohl  oder  übel 
dazu  verstehen^). 

In  der  äusseren  Politik  bewies  Alexandra  Umsieht  und  Energie  ^). 
Doch  sind  keine  bedeutenderen  politischen  Ereignisse  aus  ihrer 
Regierungszeit  zu  verzeichnen.  Das  bedeutendste  ist  ein  Kriegszug 
ihres  Sohnes  Aristobul  nach  Damaskus,  der  jedoch  resultatlos  ver- 
lief i^).  Das  syrische  Reich  war  damals  in  den  Händen  des  armeni- 
schen Königs  Tigranes.  Dieser  nahm  allerdings  gegen  Ende  der 
Regierung  Alexandra's  eine  bedrohliche  Haltung  an.  Der  gefürch- 
tete Einfall  in  Judäa  unterblieb  jedoch,  theils  weil  Alexandra  durch 
reiche  Geschenke  sich  den  Frieden  erkaufte,  theils  und  noch  mehr, 
weil  eben  damals  die  Römer  unter  Lucullus  in  das  Reich  des 
Tigranes  einfielen,  wodurch  dieser  genöthigt  wurde,  seine  Pläne 
auf  Judäa  aufzugeben  i^). 


0)  lieber  die  Megillath  Taanith  s.  oben  S.  156  f.  —  Die  etwa  in  Betracht 
kommenden  Notizen  sind  Megillath  Taanith  §§  1.  2.  10.  19.  24.  Dazu  Grätz, 
Gesch.  der  Juden  Bd.  III,  4.  Aufl.  S.  567—572  (Note  1).  Derenhotiry  p.  \02sq. 
Seh IV ab,  Actes  du  o?ixievie  Congres  des  Onentalistes,  IV»»«  Sectian  p.  2Z^  sq. 
Zur  Kritik  bes.  Wellhausen,    Die  Pharisäer  und  die  Sadducäer   S.  56—63. 

7)  M.  Sanhedrin  VI,  4.  —  Derenbourg  bezieht  dies  p.  69  auf  Simon  den 
Makkabäer,  dann  aber  im  Widerspruch  hiermit  p.  106  doch  auf  Simon  ben 
Schetacli.  Vgl.  auch  Jost,  Gesch.  des  Judenthums  I,  242.  Grätz,  Gesch. 
der  Juden  III,  146  f.  —  Askalon  gehörte  gar  nicht  zum  jüdischen  Reiche. 
S.  oben  S.  285. 

8)  Antt  XIII,  16,  2—3.    Bell.  Jud.  I,  5,  3. 

9)  Antt.  XIII,  16,  2  u.  6.    Bell.  Jud.  I,  5,  2. 

10)  Antt.  XIII,  16,  3.    Bell.  Jtid.  I,  5,  3. 

11)  Antt.  XIII,  16,  4.    Bell.  Jud.  I,  5,  3. 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  19 


290  §  11-   Alexandra  (76—67).  [231.  232] 

Im  Ganzen  wurde  Alexandra's  Eegierung  vom  Volke  als  eine 
Zeit  des  Glückes  empfunden.  Wie  nach  aussen,  so  war  auch  im 
Inneren  Ruhe.  Die  Pharisäer  waren  zufriedengestellt;  und  da  sie 
das  Volk  in  der  Hand  hatten,  so  war  auch  dieses  der  gottesfürch- 
tigen  Königin  günstig  gestimmt.  In  der  pharisäischen  Tradition 
werden  selbstverständlich  die  Tage  Alexandra's  als  ein  goldenes 
Zeitalter  gepriesen,  in  welchem  selbst  der  Boden  des  Landes  — 
wie  um  die  Frömmigkeit  der  Königin  zu  belohnen  —  von  einer  | 
wahrhaft  wunderbaren  Fruchtbarkeit  war.  „Unter  Simon  ben  Sche- 
tach  (und  der  Königin  Salome)  fiel  der  Regen  an  den  Sabbath- Vor- 
abenden, so  dass  die  Weizenkörner  so  gross  wurden  wie  Nieren, 
die  Gerstenkörner  wie  Olivenkerne  und  die  Linsen  wie  Golddenare; 
die  Schriftgelehiten  sammelten  solche  Körner  und  bewahrten  Proben 
davon  auf,  um  den  künftigen  Geschlechtern  zu  zeigen,  wohin  die 
Sünde  führt"  i^). 

Die  Pharisäer  waren  aber  doch  nicht  so  ausschliesslich  im  Be- 
sitze der  Macht,  dass  es  ungefährlich  für  die  Königin  war,  sich  allein 
auf  sie  zu  stützen.  Noch  war  die  Macht  des  sadducäischen  Adels 
nicht  gebrochen.  Und  die  Unzufriedenheit  dieser  Kreise  war  um 
so  bedenklicher,  als  an  ihrer  Spitze  Alexandra's  eigener  Sohn 
Aristobul  stand.  Auf  welchem  schwankenden  Boden  die  Königin 
sich  befand,  musste  sie  selbst  noch  gegen  Ende  ihres  Lebens  er- 
fahren. Als  sie  im  Alter  von  73  Jahren  ernstlich  erkrankte,  und 
zu  erwarten  war,  dass  ihr  älterer  Sohn  Hyrkan  in  der  Regierung 
ihr  folgen  werde,  erachtete  Aristobul  die  Zeit  für  gekommen,  die 
Fahne  des  Aufruhrs  zu  entfalten.  Als  die  Zahl  seiner  Anhänger 
rasch  wuchs,  geriethen  die  Aeltesten  des  Volkes  ^  3)  und  Hyrkan 
in  grosse  Besorgniss  und  machten  der  Königin  Vorstellungen,  wie 
nöthig  es  sei,  Maassregeln  gegen  ihn  zu  ergreifen.  Die  Königin 
gab  die  nöthigen  Vollmachten  hierzu,  starb  aber,  noch  ehe  es  zum 
Kampfe  kam,  im  J.  67  v.  Chr.  '*). 


12)  Taanith  23a,  bei  Derenbourg  p.  111;  Wünsche,  Der  babylonische 
Talmud  Bd.  I,  1886,  8.  464.  —  Im  Text  von  Taatntk  28a  ist  nur  Simon  ben 
ßchetach  genannt,  nicht  die  Königin  {Dercnhoury  p.  102  not.  2).  Die  Commen- 
tutori'n  nehmen  aber  wohl  mit  Becht  an,  dass  die  Zeit  der  Alexandra  ge- 
meint HCi. 

13)  xüiv  'lovöaltuv  ol  nptaßvriQot. 

14)  Antl.  XIII,  10,  5-ü.  Bell.  Jud.  I,  5,  4.  —  Der  Tod  Alcxiiudra'H  lullt 
wahrMcheinlich  07  v.  Chr.    8.  oben  8.  257. 


[232.  233]  §  12.   Aristobul  II  (67—63).  291 


§  12.    Aristobul  II  (67-63). 

Quellen:  Josephtis  Antt.  XIV,   1—4.    Bell.  Jud.  I,  6—7.     Zonaras  Annah  V, 

5 — 6  (Auszug  aus  Josephus). 
RabbiniBche  Traditionen  bei  Derenbourg  p.  112 — 118. 
Literatur:  Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV,  515—524. 
Grätz,  Geschichte  der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  151 — 105. 
Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  490—500. 
Korach,  Ueber  den  Werth  des  Josephus  als  Quelle  für  die  römische 

Geschichte  Thl.  I  (Leipzig,  Diss.  1895}  S.  16-33. 
Menke's  Bibelatlas,  Bl.  IV,  Specialkarte  über  „Judäa  und  Phönice 

nach  den  Einrichtungen  des  Pompejus  und  Gabinius". 

Der  Stern  der  Hasmoiiäer  neigte  sich  seinem  Untergange  zu. 
Nach  Alexandras  Tode  begann  sofort  ein  Bruderkrieg  zwischen 
ihren  Sühnen  Aristobul  II  und  Hyrkan  II,  der  schon  nachj 
wenigen  Jahren  damit  endete,  dass  die  Freiheit,  welche  man 
gegen  die  Syrer  erkämpft  hatte,  an  die  Römer  verloren  ging. 
Alexandra  war  eben  in  dem  kritischen  Momente  gestorben,  als  ihr 
Sohn  Aristobul  im  Begriffe  stand,  sich  mit  Gewalt  der  Herrschaft 
zu  bemächtigen.  Ihr  rechtmässiger  Nachfolger  war  ihr  ältester^) 
Sohn  Hyrkan,  der  schon  während  der  Regierung  seiner  Mutter  die 
liohepriesterliche  Würde  bekleidet  hatte.  Er  trat  auch  die  Re- 
gierung an.  Allein  sein  Bruder  Aristobul  war  keineswegs  ge- 
willt, auf  seine  Pläne  zu  verzichten.  Er  rückte  mit  einem  Heere 
gegen  Hyrkan.  Bei  Jericho  kam  es  zur  Schlacht  in  welcher 
viele  von  Hyrkan's  Kriegern  zu  Aristobul  übergingen  und  dadurch 
dem  letztern  den  Sieg  verschafften.  Hyrkan  floh  auf  die  Burg 
von  Jerusalem,  musste  sich  aber  hier  dem  Aristobul  ergeben.  Nun 
kam  es  zwischen  beiden  Brüdern  zu  einem  Friedensschlüsse  nach 
welchem  Hyrkan,  der  ohnehin  ein  schwacher  und  unthätiger 
Charakter  war,  auf  die  königliche  und  hohepriesterliche 
Würde  verzichtete  und  beide  seinem  Bruder  Aristobul  abtrat 
Dafür  wurde  er  von  diesem  im  ungestörten  Genuss  seiner  Ein- 
künfte gelassen  2). 

Damit  war  indess  die  Sache  keineswegs  erledigt.  Denn  nun 
mischte  sich  der  Idumäer  Antipater  oder  Antipas,  der  Vater  des 


1)  Antt.  XIII,  16,  2.    XIV,  1,  3.   3,  2. 

2)  Antt.  XIV,  1,  2.  Bell.  Jud.  1,  6,  1.  —  Nach  Antt.  XV,  6,  4  hatte 
Hyrkan's  Herrschaft  drei  Monate  gewährt.  —  Unrichtig  ist  es,  wenn  Grätz III, 
154,  Holtzmann,  Gesch.  des  Volkes  Isr.  II,  212  und  Der enbourg  p.  113  an- 
nehmen, Hyrkan  habe  die  hohepriesterliche  Würde  behalten.  Dass  dies 
nicht  der  Fall  war,  geht  schon  aus  Antt.  XIV,  1,  2  hervor  {avzov  ös  ^f/v 
dnQayfxövwg);  und  ist  Antt.  XV,  3,  1,  XX,  10  ausdrücklich  gesagt. 

19* 


292  §  12.   Aristobul  II  (67—03).  [233.  234] 

nachmaligen  Königs  Herodes,  in"s  Spiel  ^).  Dessen  Vater,  der  eben- 
falls Antipater  liiess,  war  von  Alexander  Jaunäus  als  Statthalter 
{oTQarrjyoc)  von  Idumäa  eingesetzt  worden;  und  sein  Sohn  scheint 
ihm  in  dieser  Stellung  gefolgt  zu  sein.  Dieser  aber  sah  wohl, 
dass  er  sich  bei  der  Eegierung  des  schwachen  und  unmännlichen 


3)  Ueber  die  Herkunft  der  Familie  existiren  die  widersprechendsten  Nach- 
richten.   Nach   Nicolaus   Damascenus    (bei  Joseph.  Antt.  XIV,  1,  3)   soll 
Antipater  ein  Nachkomme  der  ersten  aus  Babylon  zurückgekehrten  Juden  ge- 
wesen sein.    Da  dieser  Behauptung   alle  anderen  Quellen  widersprechen,    so 
hat  Josephus  sicherlich  Recht,  wenn  er  darin  lediglich  eine  Schmeichelei  des 
Nicolaus  Damascenus  gegen  Herodes  erblickt  (/.  c. :  xavxa  6h  Xtysi  ■/aQiC,ifJLevoq 
^Hqojö^).    Nach  Josephus  war  Antipater   ein  Idumäer  von  vornehmer  Her- 
kunft {Bell.  Jud.  I,  6,  2:  yhoq  ö'  rjv  ^löovfiaiog,  TiQoyövcav  xe  evexa  xal  nXovxov  xal 
r^S  äV.Tjg  laxvoq  ngwxevcav  xov  eS-vovg).    Justinus  Martyr  dagegen  führt  als 
Behauptung  der  Juden  an,  dass  er  ein  Askalonite  gewesen  sei  {Dial.  c.  Tryph. 
c.  52:  '^Hqüjötjv  ^AaxaXwvixTjv  ysyovsvai).     Und  diese  Ansicht  tritt  bei  Julius 
Africanus  in  der  bestimmteren  Gestalt  auf,  dass  Antipater's  Vater  Herodes 
ein  Hierodule  des  Apollo  in  Askalon  gewesen  sei  und  dass  Antipater  als  Knabe 
von   den   Idumäern    bei    der  Plünderung  des   Apollotempels  geraubt  worden 
und  dann  bei  den  räuberischen  Idumäern  als  ihresgleichen  aufgewachsen  sei 
{Jul.  African.  epist.  ad  Aristidem  bei  Euseh.  Hist.  eccl.  I,  7,  11,  vgl   I,  6,  2—3; 
ebenso  in  der  aus  der  Chronik  des  Julius  Africanus  citirten  Stelle  bei  Syncell. 
ed.  Dindorf  I,  561).    An  Julius  Africanus  schliessen  sich  an:  Eusch.  Chron.  ed. 
Schoene  I,  130.  II,  134,  138.     Chron.  pasehale  ed.  Dindorf  l,  351.  358.     Sitlpicius 
Severus  II,  26.    Epiphanius  haer.  20,  1,    und  andere  christliche  Schriftsteller. 
Josephus  und  Julius  Africanus  stimmen  im  Grunde  in  Betreft'  der  idumäischeu 
Herkunft  überein;  nur  dass  diese  nach  Josephus  eine  vornehme,  uacli  Africanus 
eine  geringe  war  (er  hebt  ausdrücklich  die  Armuth  hervor);   auch  nennt  Jo- 
sephus den  Vater  Antipater's  ebenfalls  Antipater,  Africanus  dagegen  Herodes. 
Für  askalonitische  Herkunft  sprechen  gewisse  Beziehungen  des  Königs  Herodes 
zu  dieser  Stadt   (s.  Bd.  II  S.  94  f ).    Audi  ist  es  immerhin  bemerkenswerth, 
das»  gerade  die  Namen  Antipater  und  Herodes   auch   sonst  in  Askalon  vor- 
kommen  (ein   Antipatros   aus  Askalon    auf  einer   Grabschrift  zu   Athen, 
Cr/rp.  Inscr.  Semit,  t.  I  n.  115  '=  Corp.  Inner.  Aitic.  II,  3  n.  2836,  ein  Herodes 
au«  Askalon  auf  einer  (trabschrift  zu  Puteoli,   Corp.  Inscr.  Lot.  t.  X  n.  1746). 
Im  Uebrigeu  aber  hat  die  Erzählung  des  Julius  Africanus  so  viel  Gehässiges, 
dasR  der  Verdacht  jüdischer  oder  christlicher  Erdichtung  nicht   unterdrückt 
werden  kann.    Julius  Africanus  beruft  sich  für  dieselbe  auf  die  (jyyytvffc;  Jesu 
ChriHti  {Euael}.  IHM.  eccl.  I,  7, 11:  xov  yoiv  owxfjQog  oi  xaxa  oÜQxa  avyytvelg  .... 
nuQldoauv  xal  xavxa,    vgl.  I,  7,  14:    oi  nQonQtjfit'voi  önjnöawoi  xakov/xevoi 
dik  xljV  n(>6g  x6  auiTr'/Qtov  yt'vog  avvd<piiuv),   sclicint  sie  also  aus  christlicher 
Quelle  gcHchüpft  zu  hal)en.     Für  ihre  (Jhiultwürdigkeit  sind  iM'sonders  einge- 
treten: Stark,  Gaza  und  die  philistäischc  Küste  S.  535  f.  und  Geizer,  Julius 
Africanu«  I,  258—201.    Vgl.  überhaupt  auch  Ewald  IV,  518.    Keim  in  Schen- 
keln Bibcllexikon  III,  27.    Hcnnn,  Hvitoire  du pcuple  d' Israel  V,  H\.  Wilcken 
Id  Tauly-WlsMowa'«  R<>al-Enc.  I,  250{>   (Art.  Antipatros).      Schlatter,   Der 
ChroDOKrapii  aus   dem   zelintcn  Jahre  Antonin'H  (Texte  und  Untorsucliungen 
von  Oehhardt  und  Hartuick  XII,   1,  1S!)4)  H.  33  f.  37  H".  [sehr  gewagte  llypo- 
theten  Ober  die  Quelle  der  Nachricht]. 


[234.  235]  §  12.   Aristobul  II  (67—63).  293 

Hyrkan  viel  besser  stehen  würde  als  unter  dem  kriegerischen  und 
thatkräftigen  Aristobul.  Er  setzte  also  alle  Hebel  in  Bewegung, 
um  Aristobul  zu  stürzen  und  dem  Hyrkan  wieder  zur  Herrschaft 
zu  verhelfen.  Zuerst  wusste  er  sich  unter  den  angesehensten 
Juden  selbst  einen  Anhang  zu  verschaffen,  indem  er  ihnen  vor- 
stellte, dass  doch  Aristobul  gegen  alles  Recht  den  Thron  einnehme, 
während  Hyrkan  der  rechtmässige  Herrscher  sei.  Dann  machte 
er  sich  an  Hyrkan,  spiegelte  ihm  vor,  dass  sein  Leben  in  Gefahr 
sei,  so  lange  Aristobul  die  Herrschaft  habe  und  dass  er  schon  um 
deswillen  ihn  wieder  stürzen  müsse.  Der  träge  und  gleichgültige 
Hyrkan  schenkte  ihm  Anfangs  kein  Gehör.  Endlich  aber  hatten 
Antipater's  Umtriebe  doch  Erfolg.  Er  hatte  nämlich  auch  den 
arabischen  Fürsten  Aretas  mit  in's  Bündniss  gezogen  und  diesem 
das  Versprechen  abgenommen,  den  Hyrkan,  falls  er  zu  ihm  flüchte, 
als  Freund  aufzunehmen.  Nun  endlich  entschloss  sich  Hyrkan,  den 
Vorstellungen  Antipater's  nachzugeben.  In  Begleitung  desselben 
floh  er  bei  Nacht  aus  Jerusalem  und  begab  sich  nach  Petra,  der 
Hauptstadt  des  Aretas  *).  Diesem  versprach  er,  er  wolle  ihm  nach 
Wiedererlangung  der  Herrschaft  zwölf  Städte,  welche  Alexander 
Jannäus  den  Arabern  [  abgenommen  hatte,  wieder  zurückgeben, 
wogegen  Aretas  ihm  seine  Unterstützung  zur  Wiedererlangung  des 
Thrones  zusagte^). 

Demgemäss  zog  also  Aretas  mit  einem  Heere  gegen  Aristobul 
und  besiegte  ihn  in  einer  Schlacht.  *  Infolge  des  Sieges  ging  ein 
grosser  Theil  von  Aristobul's  Truppen  zu  Hyrkan  über;  ja  das 
ganze  Volk  schloss  sich  an  letzteren  au.  Nur  wenige  blieben  dem 
Aristobul  treu,  so  dass  dieser  sich  auf  den  Tempelberg  zurück- 
ziehen musste,  wo  er  von  Aretas  und  Hyrkan  belagert  wurde. 
Aus  der  Zeit  dieser  Belagerung  erzählt  Josephus  einige  P^pisoden, 
welche  für  die  damalige  jüdische  Frömmigkeit  höchst  charakteri- 
stisch sind.  Auf  Seite  Hyrkan's  befand  sich  nämlich  ein  gewisser 
Onias,  der  dadurch  grosse  Berühmtheit  erlangt  hatte,  dass  er  einst, 
als  er  bei  grosser  Dürre  Gott  um  Regen  gebeten  hatte,  sofort 
erhört  worden  war.  Diesen,  oder  vielmehr  die  unwiderstehliche 
Macht  seines  Gebetes,  wollte  man  dazu  benützen,  um  die  Be- 
lagerten zu  verderben.  Man  führte  ihn  in's  Lager  und  forderte 
ihn  auf,  über  Aristobul  und  dessen  Anhänger  feierlich  den  Fluch 
Gottes  zu  erflehen.  Statt  aber  dies  zu  thun,  trat  Onias  in  die 
Mitte  und  sprach:  „0  Gott,  du  König  aller  Dinge,  da  die  jetzt 
um   mich  Stehenden   dein  Volk  sind,   die  Belagerten   aber  deine 


4)  Ueber  Petra  als  Hauptstadt  des  nabatäischen  Reiches  s.  Beilage  II  am 
Schhasse  dieses  Bandes. 

5)  Äntt  XIV,  1,  3-4.    Bell.  Jud.  I,  6,  2. 


294  §  12.   Aristobul  II  (67-63).  [235.  236] 

Priester,  so  bitte  ich  dich,  du  wollest  weder  jene  gegen  diese  er- 
hören, noch  ausführen,  was  diese  gegen  jene  erflehen".  Das  Volk 
aber  war  mit  dieser  brüderlichen  Gesinnung  des  Onias  so  wenig 
einverstanden,  dass  es  ihn  sofort  steinigte  •').  Im  Anschluss  hieran 
berichtet  Josephus  noch  ein  anderes  Ereigniss,  das  ebenfalls  auf 
die  Belagerer  nicht  gerade  ein  günstiges  Licht  wirft.  Es  kam 
nämlich  das  Passafest  heran'),  an  welchem  die  Priester,  die  sich 
in  Aristobul's  Umgebung  befanden,  um  jeden  Preis  die  gesetzlichen 
Opfer  darbringen  wollten.  Es  gebrach  ihnen  aber  an  Opferthieren 
und  sie  wussten  auf  keine  andere  Weise  sich  welche  zu  verschafien, 
als  dadurch,  dass  sie  die  Leute  Hyrkan's  gegen  Bezahlung  um 
welche  bitten  Hessen.  Diese  verlangten  1000  Drachmen  für  das 
Stück.  Der  Preis  war  zwar  unerhört.  Aber  trotzdem  gingen  die 
Belagerten  darauf  ein  und  liessen  das  Geld  durch  eine  Mauer- 
öflfnung  nieder.  Die  Belagerer  jedoch  nahmen  das  Geld  zwar  in 
Empfang,  behielten  aber  die  Thiere  für  sich.  Für  diese  Bosheit 
traf  sie  denn  auch,  wie  Josephus  meint,  ]  bald  die  verdiente  Strafe. 
Es  kam  nämlich  ein  gewaltiger  Sturm,  der  alle  Feldfrüchte  ver- 
nichtete, so  dass  der  Modius  Weizen  elf  Drachmen  kostete^). 

Während  dies  in  Judäa  vorging,  hatte  Pomp  ejus  bereits 
seinen  Siegeszug  durch  Asien  begonnen  ^).  Er  hatte  im  J.  66  den 
Mithridates  besiegt  und  in  demselben  Jahre  die  freiwillige 
Unterwerfung  des  Ti graues  angenommen.  Während  er  nun  selbst 
weiter  in  Asien  vordrang,  sandte  er  im  J.  65  ^^)  den  Scaurus  nach 
Syrien.  Als  dieser  nach  Damaskus  kam,  hörte  er  von  dem  Bruder- 
krieg in  Judäa  und  zog  daher  unverzüglich  dorthin,  um  aus  dem 
Streit  der  Brüder  für  sich  Nutzen  zu  ziehen.  Er  war  kaum  in 
Judäa  angekommen,  als  vor  ihm  Abgesandte  sowohl  von  Aristobul 
als  von  Hyrkan  erschienen.  Beide  baten  ihn  um  seine  Gunst  und 
Unterstützung.    Aristobul  bot  ihm  dafür  400  Talente;  und  Hyrkan 

6)  Antt.  XIV,  2,  1.  —  Die  Geschichte  von  der  Erhörung  des  Onias,  al« 
er  einHt  um  Regen  betete,  findet  sich  in  sehr  drastischer  Auanialnng  auch  in 
der  Misehna  Taanüh  III,  8.  Er  lieisst  dort  bsran  "«sin  (bjy-a  angeblich  =  der 
Kreiszieher,  weil  er  in  einem  Kreise  stehend  betete).  Vgl.  auch  Derenbourg 
p.  112  «7.    Wünsche,  Der  babylonisclie  Talmud  I,  454 — 457. 

7)  Eb  mu8R  das  Passafest  des  Jahres  05  v.  Chr.  gewesen  sein.  Denn  un- 
mittelbar darnach  kam  Scaurus  nach  Judäa. 

8)  Antt.  XIV,  2,  2.  —  Vgl.  auch  die  rabbinische  Tradition  bei  Deren- 
bourg p.  llStq. 

9)  üeber  den  Krieg  des  Porapejus  in  Asien  (60—62  v.Chr.)  vgl.  Clinton, 
FomU  hellenioi  III,  174—180  {adann.  00-62).  E.  W.  Fischer,  Rom.  Zeittafeln 
8.212-220.  226  f.  Mommsen,  RiVmische  Gesdi.  (5.  AuH.)  111,  113-154. 
Peter,  Geschichte  Rom's  (2.  Aufl.)  II,  101-108. 

10)  Clinton,  Ftut.  Thll.  MI,  Uh  rrnt. 


[236.  237]  §  12.   Aristobul  II  (67—63).  295 

konnte  nun  nicht  zurückstehen  und  bot  ebensoviel.  Scaurus  aber 
traute  dem  Aristobul  eher  zu,  dass  er  im  Stande  sein  würde,  sein 
Anerbieten  zu  erfüllen,  und  schlug  sich  auf  seine  Seite.  Er  befahl 
dem  Aretas,  sich  zurückzuziehen;  sonst  werde  er  ihn  für  einen 
Feind  der  Römer  erklären.  Aretas  wagte  nicht,  sich  zu  wider- 
setzen und  hob  die  Belagerung  auf,  worauf  Scaurus  nach 
Damaskus  zurückkehrte.  Aristobul  aber  rückte  dem  abziehenden 
Aretas  nach  und  brachte  ihm  noch  eine  empfindliche  Niederlage  bei  *  •). 
Die  römische  Gunst,  um  welche  sich  Aristobul  so  eifrig  bemüht 
hatte  und  unter  deren  Schutz  er  nun  sicher  zu  sein  glaubte,  sollte 
für  ihn  und  das  Land  verhängnissvoll  werden.  Er  selbst  Hess  es 
zwar  an  nichts  fehlen,  um  sich  auch  die  Gunst  des  Pom pejus,  wie 
die  des  Scaurus  zu  erwerben.  Er  schickte  dem  Pompejus  ein  kost- 
bares Geschenk,  nämlich  einen  aus  Gold  gefertigten  Weinstock  im 
Werth  von  500  Talenten,  welchen  noch  Strabo  in  Rom  im  Tempel 
des  kapitolinischen  Jupiter  aufgestellt  gesehen  hat '-).  Allein  |  dies 
alles  konnte  den  Aristobul  doch  nicht  retten,  sobald  Pompejus 
es  für  gut  fand,  seine  Gunst  ihm  zu  eutzielien  und  sie  dem  Hyrkan 
zuzuwenden.  Pompejus  brach  im  Frühjahr  des  Jahres  63  aus 
seinen  Winterquartieren  in  Syrien  auf*=^),  unterwarf  die  grossen 
und  kleinen  Dynasten  im  Libanon  ^^)  und  kam  über  Heliopolis  und 


11)  Anit.  XIV,  2,  3.    BeU.  Jud.  I,  6,  2-3. 

12)  Äntt.  XIV,  3,  1.  —  Die  Worte  tovto  fiävtot  zo  ötÖQOv  laroQi^xafisv 
xal  7]fxslg  dvaxelfxevov  iv  '^Pd/ufj  x.  z.  k.  sind  nicht  Worte  des  Josephus.  sondern 
gehören  noch  zu  dem  Citate  aus  Strabo,  wie  der  weitere  Verlauf  zeigt  (es  wird 
noch  einmal  der  Werth  des  Weinstockes  angegeben,  den  Josephus  vorher  be- 
reits angegeben  hat).  Josephus  könnte  ihn  zwar  bei  seinem  ersten  Besuche  in 
Rom  im  J.  64 — 65  nach  Chr.  noch  gesehen  haben.  Er  würde  aber  dann  die 
Bemerkung  nicht  unterlassen  haben,  dass  dies  vor  dem  grossen  Brande  ge- 
wesen sei.  Denn  im  J.  69  nach  Chr.  brannte  das  Capitol  nieder  [Tacit.  Hut. 
III,  71—72.     Sueton.  Vitell.  15.    Dio  Cass.  LXV,  17). 

13)  Nach  Diu  Cass.  XXXVII,  7  brachte  Pompejus  den  Winter  64/63  in  der 
Stadt  Aspis  zu  (die  Lage  derselben  ist  nicht  bekannt). 

14)  Unter  den  unterworfenen  Dynasten  erwähnt  Josephus  Äntt.  XIV,  3,  2 
auch  einen  Juden  Silas,  Tyrann  von  Lysias.  Ein  ähnlicher  kleiner  Dynast 
ist  vermuthlich  auch  der  Baechins  Judaeus,  dessen  Unterwerfung  durch  eine 
Münze  des  A.  Plautius,  Aedil  im  J.  54  v.  Chr.,  verewigt  ist.  S.  ßeinach,  Actes 
et  Conferences  de  la  societe  des  etudes  juives  1887  (Beilage  zur  Revue  des  etudes 
juives  1887)  p.  CXCVI  s^.  =  Les  monnaies  juives  p.  28  sq.     Babelon,   Revue 

beige  de  Nwnismatique  1891,  p.  5—24.  Klebs  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc. 
n,  2789.  Die  Münze  z.B.  auch  bei  Babelon,  Monnaies  de  la  republique  ro- 
maine  t.  II,  1886,  p.  324  sq.  Die  Meinung  des  Duc  de  Luynes,  dass  Bacchius 
der  hebräische  Name  des  Aristobul  II  sei  {Revue  numismatique  1858  p.  384), 
ist  ganz  unmöglich.  In  modificirter  Form  hat  Babelon  diese  Hypothese  auf- 
genommen {Revue  beige  de  Numismatique  1891).  Er  übersetzt  Bacchius  Ju- 
daetis  „der  jüdische  Bacchus-Priester"  und  glaubt,  dass  Aristobul  so  genannt 


296  §  12.   Aristobul  II  (67—63).  [237.  238] 

Chalcis  nach  Damaskus  ^^).  Hier  erschienen  vor  ihci  gleichzeitig 
drei  jüdische  Parteien;  nicht  nur  Aristobul  und  Hyrkan, 
sondern  auch  eine  Gesandtschaft  des  Volkes.  Hyrkan  klagte,  dass 
Aristobul  gegen  alles  Kecht  die  Herrschaft  an  sich  gerissen  habe; 
Aristobul  vertheidigte  sich  damit,  dass  er  auf  die  Unfähigkeit 
Hyrkan's  hinwies.  Das  Volk  aber  wollte  von  beiden  nichts  wissen, 
verlangte  Abschaffung  des  Königthums  und  Wiederherstellung  der 
alten  priesterlichen  Verfassung '  ^).  Pompejus  hörte  sie  an,  ver- 
schob aber  vorläufig  die  Entscheidung  und  erklärte,  alles  ordnen 
zu  wollen,  wenn  er  mit  dem  beabsichtigten  Zug  gegen  die  Nabatäer 
fertig  sein  würde.  Bis  dahin  möchten  sich  alle  Parteien  ruliig 
verhalten*').  | 

Aristobul  war  jedoch  hiermit  keineswegs  zufrieden  und  ver- 
rieth  seine  Unzufriedenheit  dadurch,  dass  er  in  Dium,  bis  wohin 
er  den  Pompejus  auf  dem  Zug  gegen  die  Nabatäer  begleitet  hatte, 


worden  sei  auf  Grand  der  Meinung,  dass  die  Juden  den  Bacchus  verehrten 
{Phitarch.  Syinpos.  IV,  5.  Tacit.  Eist  V,  5,  vgl.  unten  Bd.  III  S.  103).  Auch 
dies  ist  doch  sehr  künstlich  und  unwahrscheinlich,  denn  1)  auf  der  ganz  gleich- 
artigen Münze  des  Scaurus  über  die  Unterwerfung  des  Aretas  wird  dieser  einfach 
und  deutlich  als  Rex  Aretas  bezeichnet  (beide  Münzen  haben  dasselbe  Bild, 
einen  knieenden  Orientalen,  welcher  bittend  die  Hand  erhebt  und  ein  Kameel 
am  Zügel  hält);  2)  von  einer  Betheiligung  des  A.  Plautius  bei  der  Unter- 
werfung Aristobul's  ist  nichts  bekannt.  Eher  könnte  der  Jude  Bacchius  iden- 
tisch sein  mit  dem  von  Josephus  Antt.  XIV,  3,  2  erwähnten  Dionysius  von 
Tripolis,  wie  Reinach  vermuthet. 

15)  Antt.  XIV,  3,  2.  Der  Text  der  meisten  Handschriften  lautet  hier: 
SifX&üiv  öh  Toc  TiöXeig  tjJv  xe^H).iovno).iv  xal  xfjv  XaXxiSa  xal  tu  öieiQyov  ogog 
vnepßa?.u)v  t>jv  xoUtjv  jtQoaayoQEVofxivtjv  2^vgiav  dno  xf\q  Ü^XItjq  siq  dafiaaxdv 
rjxev.  Hieraus  würde  sich  die  unmögliche  Marschroute:  Heliopolis-Chalcis- 
Pella-Damaskus  ergeben.  Mit  Recht  hat  daher  Niese  das  von  der  besten 
Handschrift  [eod.  Palat.)  gebotene  aXXrji  statt  ütXkTjg  aufgenommen  („das  Ge- 
birge überschreitend,  welches  Coelesyrien  vom  übrigen  Syrien  trennt").  'H  aXXt] 
SvqIu  im  Unterschied  von  xolXri  auch  XIV  §  79  (nach  Niese)  und  Philo,  Le- 
ijat.  (ul  Cajmn  §  36  ed.  Mang.  II,  587.  Vgl.  Niese,  Proleff.  zu  Bd.  III,  p.  XXII. 
—  Noch  ist  zu  bemerken,  dass  der  goldene  Weinstock  Aristobul's  erst 
in  DamaskuH  dem  Pompejus  überreicht  wurde  {Antt.  XIV,  3,  1).  Jo- 
MCphuii  erwähnt  dies  freilich  schon,  ehe  er  den  Vormarsch  des  Pompejus  aus 
Syrien  über  Heliopolis  und  Chalcis  gegen  Damaskus  berichtet,  wodurch  der 
Schein  entHteht,  als  ob  Pompejus  zweimal  nach  Damaskus  gekommen  wäre 
('J4  und  (13).  Allein  augenscheinlich  verhält  sich  die  Bache  so,  dass  Josephus 
die  Noiix  über  den  goldenen  Weinstock  aus  einer  anderen  Quelle, 
und  nicht  ganz  am  richtigen  Orte,  in  den  Zusammenhang  der 
H«upt-Er«fthlung  eingefügt  hat.  Vgl.  Niese,  Hermes  Bd.  XI,  1876, 
8.  471. 

lö)  Antt.  XIV,  3,  2.    Diodor.  XL.  2  ed.  Müller. 

17)  Antt.  XIV,  3,  3. 


[238]  §  12.   Aristobul  II  (67-63).  297 

sich  plötzlich  von  diesem  trennte  ^^).  Pompejus  schöpfte  Verdacht, 
verschob  den  Zug  gegen  die  Nabatäer  und  marschirte  sofort  gegen  Ari- 
stobul. Er  berührte  Pella,  überschritt  bei  Skythopolisden  Jordan 
und  betrat  bei  Korea  {Kogiai)  den  Boden  des  eigentlichen  Judäa  '^). 
Von  hier  aus  schickte  er  Boten  nach  Alexandreion,  wohin  Aristobul 
sich  geflüchtet  hatte,  und  forderte  ihn  auf,  die  Feste  zu  übergeben. 
Nach  längerem  Zögern  und  mehrfachen  Unterhandlungen  that  dies 
Aristobul,  ging  aber  gleichzeitig  nach  Jerusalem,  um  sich  hier  zum 
Widerstand  zu  rüsten'-^).  Pompejus  folgte  ihm  über  Jericho  und 
erschien  alsbald  in  der  Nähe  von  Jerusalem.  Aber  nun  verlor 
Aristobul  den  Muth.  Er  begab  sich  iu's  Lager  des  Pompejus,  be- 
schenkte ilin  auf's  Neue  und  versprach,  ihm  die  Stadt  zu  übergeben, 
falls  Pompejus  die  Feindseligkeiten  einstellen  wolle.  Pompejus  war 
dess  zufrieden  und  schickte  seinen  Feldherrn  Gabin ius  ab,  um 
von  der  Stadt  Besitz  zu  nehmen,  während  er  den  Aristobul  im  Lager 
zurückbehielt.  Allein  Gabinius  kehrte  unverrichteter  Dinge  wieder 
zurück,  denn  die  Leute  in  der  Stadt  hatten  ihm  die  Thore  ver- 
sperrt. Darüber  war  Pompejus  so  erbittert,  dass  er  den  Aristobul 
gefangen  nehmen  liess  und  nun  unmittelbar  vor  die  Stadt  rückte  2*). 
In  Jerusalem  waren  jetzt  die  Meinungen  getheilt.  Die  Anhänger 
Aristobul's  wollten  von  Frieden  nichts  wissen  und  sich  bis  aufs 
Aeusserste  vertheidigen.  Die  Anhänger  Hyrkan's  dagegen  sahen  in 
Pompejus  ihren  Bundesgenossen  und  wollten  ihm  die  Thore  öffnen. 


18)  üeber  die  Lage  von  Di  um  und  die  Lesart  an  unserer  Stelle  s.  Bd.  II 
S.  140.  Ueber  die  Marschroiite  des  Pompejus  überhaupt:  Menke's  Bibel- 
atlas Bl.  IV. 

19)  Ueber  die  Lage  von  Korea  s.  bes.  Gildemeister,  Zeitschr.  des  deut- 
schen Palästina- Vereins  IV,  1881,  S.  245 f.  Grätz,  Monatsschr.  für  Gesch. 
und  Wissenseh.  des  Judenth.  1882,  S.  14 — 17.  G.  A.  Smith,  Historical  Geo- 
graphy  of  fhe  Holy  Land  p.  853  (der  über  Zschokke  ungenau  berichtet; 
Zschokke,  Beiträge  zur  Topographie  der  westliehen  Jordans'au  1866,  S.  69 
identificirt  Koreae  nicht  mit  Karawa,  sondern  mit  Kariut).  Clermont-  Gan- 
neau,  Archaeological  Besearches  in  Palestine  II,  45  not.  —  Gildemeister  iden- 
tificirt Koreae  mit  Kecht  mit  dem  heutigen  Karaua  am  Wadi  Faria  in  der 
Jordan-Ebene,  kaum  zwei  Stunden  nördlich  vom  Berg  Sartaba.  Die  nahe  ge- 
legene Festung  Alexandreion  muss  dann  eben  der  Berg  Sartaba  sein.  Auch 
auf  der  Mosaikkarte  von  Medaba  ist  Kogeovq  südlich  von  Skythopolis  ge- 
zeichnet (Schulten,  Abhandlungen  der  Göttinger  Ges.  der  Wissensch.,  phil.- 
hist.  Kl.  N.  F.  IV,  2,  S.  5).  Pompejus  marschirte  also  von  Skythopolis  in  der 
Jordan-Ebene  direct  südlich  bis  Jericho.  Hiernach  ist  auch  die  auf  älteren 
Hypothesen  beruhende  Zeichnung  der  Marschroute  in  Menke's  Bibelatlas  zu 
berichtigen. 

20)  Antt.  XIV,  3,  3—4.    Bell.  Jiid.  I,  6,  4-5. 

21)  Antt.  XIV,  4,  1.  Bell.  Jnd.  I,  6,  6-7,  1.  Das  Lager  des  Pompejus 
wird  auch  Bell.  Jud.  V,  12,  2  erwähnt. 


298  §  12.   Aristobul  II  (67-63).  [238.  239] 

Letztere  waren  iu  der  Mehrzahl  und  führten  ihr  Vorhaben  aus. 
Die  Stadt  wurde  dem  Pompejus  übergeben,  der  seinen 
Legaten  Piso  hineinschickte  und  ohne  Schwertstreich 
von  derselben  Besitz  nehmen  Hess.  Aber  die  Kriegspartei 
hatte  sich  schon  zuvor  auf  dem  Tempelberg  gesammelt  und  rüstete 
sich  dort  zum  Widerstand-^-). 

Der  Tenipelberg  war  damals  wie  auch  später  der  festeste  Punkt 
in  Jerusalem.  Nach  Osten  und  Süden  fiel  er  steil  ab.  Auch  im 
Westen  war  er  durch  eine  tiefe  Schlucht  von  der  Stadt  getrennt. 
Nur  im  Norden  verlief  das  Terrain  eben;  aber  auch  hier  war  durch 
starke  Befestigungswerke  der  Zugang  fast  unmöglich  gemacht.  In 
diesem  mächtigen  Bollwerk  also  hatten  sich  die  Anhänger  Aristobul's 
verschanzt;  und  Pompejus  musste  sich  wohl  oder  übel  zu  einer  regel- 
rechten Belagerung  entschliessen.  Wie  es  die  Natur  der  Dinge  mit 
sich  brachte,  ersah  er  sich  die  nördliche  Seite  als  Angriffspunkt 
aus.  Ein  Wall  wurde  aufgeworfen,  und  auf  demselben  die  grossen 
Belagerungsmaschinen,  die  man  von  Tyrus  hatte  kommen  lassen, 
aufgestellt.  Lange  Zeit  widerstanden  die  mächtigen  Mauern  dem 
Anprall  der  Geschosse.  Endlich  nach  dreimonatlicher  Belagerung 
gelang  es,  an  einer  Stelle  Bresche  zu  schiessen.  Ein  Sohn  des 
Dictator's  Sulla  war  der  erste,  der  mit  seiner  Mannschaft  durch 
dieselbe  eindrang.  Andere  folgten  nach.  Es  entstand  ein  furcht- 
bares Blutbad.  Die  Priester,  die  eben  mit  Opfern  beschäftigt  waren, 
wollten  sich  in  Ausübung  ihres  Berufes  nicht  irre  machen  lassen 
und  wurden  am  Altare  niedergehauen.  Nicht  weniger  als  12000 
Juden  sollen  in  dem  allgemeinen  Gemetzel  umgekommen  sein.  Es 
war  im  Spätherbst  des  Jahres  63,  unter  Cicero's  Consulat,  nach 
Josephus  gerade  am  Versöhnungstag  (?),  nach  Dio  Cassius  an  einem 
Sabbath,  als  die  heilige  Stadt  vor  dem  römischen  Imperator  ihr 
Haupt  neigte").  | 


22)  Antt.  XIV,  4,  2.    Bell.  Jud.  I,  7,  2. 

23)  Antt.  XIV,  4,  2-4.  Bell.  Jtid.  I,  7,  3-5.  Dio  Gaas.  XXXVII,  16. 
Im  Allgemeinen  auch  Sfrafjo  XVI,  2,  40  p.  762  sq.  Livius  Rpit.  102.  Taeitus 
Hut.  V,  9.  Appian.  Syr.  50.  Mührülat.  106.  —  Versühnungstng,  xy  tijf 
vtiartlai  f/ft/^Qn:  Antt.  XIV,  4,  3.  Sabbath,  ^v  r^  rov  Kqovov  rjn^Qn:  Dio 
data.  XXXVII,  16,  Vgl.  Strabo  a.  a.  ü.  Der  VerHÖiinuiigstag  fällt  auf  den 
10.  Tischri  {—  October).  Dehh  .ToscpliuH  rlicacn  mit  dem  „Fa»ttiigo"  meint, 
kann  nach  dem  feststehenden  jfldiflchen  .Spraehgcbraucho  nicht  /wcifcllmft  Hein 
(i.  Apoitelgesch.  27,  9.  Joseph.  Antt.  XVII,  6,  4.  XVII 1,  4,  3,  §  94.  Philo, 
Vita  Mob.  Itb.  II  §  4,  de  victimi»  §  3,  de  septenario  i}  23  [IlauptHtoUe],  legnf. 
ad  Ck^um  |  89  [ed.  Mangey  II,  138.  239.  296.  591].  Mischua  Mcmwhoth  XI  //«. 
Wt  ef,  im  Talmud  «an  vmrt  Dalman,  Grammatik  (U>h  jü(lis(h-i)alä»t.  Ara- 
mliach  8.  196).  —  Der  dritte  Monat  'nt^l  xqIiov  fi7,va  Antt.  XIV,  4,  3)  ist 
nicht  der  dritte  Mooat  den  Jahr  de»  jüdiHchen  oder  den  griechiHchen, 


[240]  §  12.   Aristobul  II  (67—63).  299 

Pompejus  selbst  drang  in  das  Allerheiligste  ein,  das  sonst  nur 
der  Fuss  des  Hohenpriesters  betreten  durfte.  Doch  liess  er  die 
Schätze  und  Kostbarkeiten  des  Tempels  unberührt  und  trug  auch 
Sorge  dafür,  dass  der  Gottesdienst  ungestört  seinen  Fortgang  nahm. 
Ueber  die  Besiegten  hielt  er  strenges  Gericht.  Die  Urheber  des 
Krieges  wurden  mit  dem  Beile  hingerichtet;  die  Stadt  und  das  Land 
tributpflichtig  gemacht  (ry  x^Q9  '^f^^  ^<>^?  'leQoooXvfioig  (-jciraTrsi 
<poQov)  ^^).  Die  Grenzen  des  jüdischen  Landes  wurden  stark  redu- 
cirt.  Säramtliche  Küstenstädte  von  Raphia  bis  Dora  wur- 
den den  Juden  abgenommen;  ebenso  alle  nicht -jüdischen  Städte 
im  Ostjor dan lande  wie  Hippos,  Gadara,  Pella,  Dium  und  andere; 
ferner  Skythopolis  und  Samaria  mit  ansehnlichem  Gebiet«.  Alle 
diese  Städte  wurden  unmittelbar  dem  Statthalter  der  neugegründe- 
ten römischen  Provinz   Syrien    unterstellt  ^s).     Das    verkleinerte 


sondern  der  dritte  Monat  der  Belagerung,  wie  Josephus  ausdrücklich  sagt, 
IMl.  Jvd.  I,  7,  4:  rpizo)  yaQ  nrjvl  Trjq  noXiOQXiaq.  Bell.  Jiid.  V,  9,  4:  zgial 
yovv  fxtjal  noXiogxriO'hxsq.  —  Herzfeld  (in  Frankel's  Monatsschr.  für  Gesch. 
und  Wissensch.  des  Judenth.  1855,  S.  109—115)  vermuthet  mit  Recht,  das 
Datum  des  Versöhnungstages  beruhe  auf  einem  Irrthum  des  Josephus.  der  in 
seinen  heidnischen  Quellen  gefunden  habe,  dass  die  Eroberung  an  einem 
Fasttage  stattgefunden  habe,  womit  aber  im  Sinne  der  Quellen  nicht  der 
Versöhnungstag,  sondern  (nach  dem  in  der  griechisch-römischen  Welt  ver- 
breiteten Irrthum,  dass  die  Juden  am  Sabbath  zu  fasten  pflegten,  s.  Siieton. 
Aug.  76.  Justin.  36,  2,  14.  Petron.  fragm.  37  ed.  Büeheler,  auch  bei  Reiimch, 
Textes  d'auteurs  grecs  et  romains  1895,  p.  266)  der  Sabbath  gemeint  sei.  Dies 
wird  dadurch  fast  zur  Gewissheit,  dass  Josephus  Antt.  XIV,  4,  3  unter  seinen 
Gewährsmännern  den  Strabo  (nämlich  dessen  Geschichtswerk)  citirt,  der  in 
seiner  Erdbeschreibung  XVI,  2,  40  p.  763  sich  über  die  Eroberung  Jerusalem's 
also  äussert:  xaxeXccßexo  {seil.  Ilofxnjjiog)  6*  wq  (paai,  TTjg^aag  ttjv  rt^g  vtjazsiai 
^/iSQuv,  Tjvlxa  dnelxovro  ol  ^lovöaToi  navrdg  SQyov.  Hier  haben  wir  in  der 
That  den  Sabbath-Fasttag.  Aber  auch  wenn  hiemach  der  Versöhnungstag 
nicht  bezeugt  ist,  so  ist  doch  daran  festzuhalten,  dass  die  Eroberung  in  den 
Spätherbst  fällt.  Denn  die  lange  Reihe  von  Ereignissen,  die  zwischen  dem 
Aufbruch  des  Pompejus  (im  Frühjahr  63,  A?itt.  XIV,  3,  2)  und  der  Eroberung 
der  Stadt  in  der  Mitte  lag,  kann  sich  nicht  innerhalb  weniger  Monate  abge- 
sponnen haben.  Es  ist  also  schlechterdings  unmöglich,  dass  die  Eroberung 
schon  im  Juni  soll  stattgefunden  haben  (M'ie  Grätz  III,  162  und  Hitzig  II, 
498  f.  meinen  infolge  ihrer  irrigen  Auffassung  des  „dritten  Monates"). 

24)  A7itt.  XIV,  4,  4.  Bell.  Jud.  I,  7,  6.  —  Vgl.  Cicero  pro  Ftaeco  67: 
Chi.  Pompejus  captis  Hierosolymis  victor  ex  illo  fano  nihil  attigit. 

25)  Vgl.  über  diese  Städte  und  ihre  Stellung  unter  den  Römern  §  23,  I 
(Bd.  II,  S.  72—153).  Das  Verzeichniss  bei  Josephus  Antt.  XIV,  4,  4,  Bell.  Jud.  I, 
7,  7  ist  nicht  vollständig.  Er  nennt  nur  die  wichtigsten.  Ohne  Zweifel  haben 
nicht  nur  sämmtliche  Küstenstädte  ihre  Freiheit  erhalten,  sondern  auch  alle 
diejenigen  Städte  des  Ostjordanlandes,  welche  seitdem  die  soge- 
nannte Dekapolis  bildeten.  Denn  bei  fast  allen  Städten  der  Dekapolis 
lässt  sich  aus  den  Münzen  nachweisen,  dass  sie  die  pompejanische  Aera  führ- 


300  §  12-   Aristobul  II  (67—63).  [240.  241] 

jüdische   Gebiet   erhielt   Hyrkan  II  als  Hoherpriester  ohne   den 
Königstitel  ^ß).  | 

Nachdem  Pompejus  so  die  Verhältnisse  in  Palästina  geordnet 
hatte,  liess  er  den  Scaurus  als  Statthalter  in  Syrien  zurück, 
während  er  selbst  wieder  nach  Kleinasien,  zunächst  nach  Cilicien 
eilte.  Den  Aristobul  nahm  er  als  Kriegsgefangenen  mit  sich. 
Ebenso  dessen  beide  Töchter  und  die  Söhne  Alexander  und  Au- 
tigonus,  wovon  jedoch  der  erstere  unterwegs  zu  entkommen 
wusste^').  —  Als  im  J.  61  Pompejus  unter  grossem  Gepränge  in 
Rom  seinen  Triumph  feierte,  musste  auch  der  jüdische  Priester- 
könig, der  Nachkomme  der  Makkabäer,  vor  dem  Wagen  des  Trium- 
phator's  einherschreiten  ^s).  Ausser  Aristobul  und  seiner  Familie 
führte  Pompejus  noch  eine  grosse  Zahl  jüdischer  Gefangener  mit 
sich,  die,  später  freigelassen,  die  römische  Judengemeinde  zu  einer 
zahlreichen  und  blühenden  machten  ^9). 

Mit  den  Anordnungen  des  Pompejus  war  die  Freiheit  des  jü- 
dischen Volkes  nach  kaum  achtzigjährigem  Bestände  (wenn  wir 
von  142  an  rechnen)  wieder  zu  Grabe  getragen.  Pompejus  war 
zwar  klug  genug,  in  den  inneren  Verhältnissen  des  Landes  nichts 
Wesentliches  zu  ändern.  Er  liess  die  hierarchische  Verfassung 
unangetastet  und  gab  dem  Volke  den  von  den  Pharisäern  begün- 
stigten Hyrkan  II  zum  Hohenpriester.  Aber  die  Unabhängigkeit 
des  A'olkes  war  dahin,  und  der  jüdische  Hohepriester  war  ein 
Vasall  der  Römer.    Dies  Resultat  war  freilich  unvermeidlich,  so- 


ten;  vgl.  hierüber  die  Bd.  II  S.  72  genannten  Werke  von  Noris,  Belleij, 
Eckhel,  Sanclemente,  Mionnet,  de  Saulcy.  Pompejus  ist  also  der  Be- 
gründer der  Dekapolis.  Alle  zu  ihr  gehörigen  Städte,  ferner  Saraaria  und 
Hämintliche  Küstenstädte,  verdankten  dem  Pompejus  die  Wiederherstellung  ihrer 
coramunalen  Freiheit,  die  ihnen  einst  von  den  Juden  geraubt  worden  war. 

26)  Ann.  XIV,  4,  4.  Bell.  Jud.  I,  7,  ü— 7.  Vgl.  Äntt.  XX,  10,  §  244:  tc5  61 
*Ypxttvtö  ndXiv  T^v  ciQXifQtoaivriv  dno6ov(;  tj}v  (ihv  xov  Mvovq  ngoaxaalav 
inixQixpt,  diäSrjfia  6h  <poQ(lv  ixciXvaev. 

27)  Antt.  XIV,  4,  6.    BeU.  Jud.  I,  7,  7. 

28)  Vgl.  die  ßesehreibuDg  de»  Triumphes  bei  Plutarch.  Pomp.  45. 
Appian.  MUhridnt.  117.  Pliniua  Iltst.  Nat.yiI,dS.  Drumanii,  Geschichte 
RomH  IV,  484 — 489.  Schön,  Das  <apitolini8che  Verzeichniss  der  röinischen 
Triumphe  (1893)  S.  57  f.  —  Irrthüinlirii  meint  Appian  a.  a.  0.,  Aristobul  sei 
nach  dem  Triumpli  gctödtet  worden,  während  er  vielmehr  erst  im  J.  49  um- 
kam (s.  den  Iblgeuden  §). 

29)  Vgl.  Philo,  De  Icgationc  ad  Cajum  §  23  {Opp.  ed.  Matvjetj  II,  568). 
Die  AnAoge  der  Jfldischen  Gemeinde  in  Born  liegen  vor  dem  J.  Ol;  denn 
•obon  all  FUccna  Htatthalter  von  Asien  war  (62—01  vor  dir.),  wurden  jüdische 
Gelder  «un  Italien  aungeftihrt  {Oicero  pro  Flacco  28.  vgl.  Bd.  III,  S.  29f.). 


[241]  §  12.    Aristobul  II  (67—63).  301 

bald  einmal  die  Römer  in  Syrien  Fuss  gefasst  hatten.  Denn  ihre 
Macht  war  eine  andere,  als  die  der  seleucidischen  Epigonen.  Und 
selbst  der  kräftigste  und  bei  dem  Volke  beliebteste  Fürst  hätte 
auf  die  Dauer  der  Uebermaeht  der  Römer  nicht  Widerstand  leisten 
können.  Aber  erleichtert  wurde  den  Römern  ihr  Eroberungswerk 
dadurch,  dass  das  Land  in  sich  selbst  uneinig  und  die  streitenden 
Parteien  verblendet  genug  waren,  den  Schutz  und  die  Hülfe  der 
Fremden  anzurufen.  Von  dem  Geiste,  der  hundert  Jahre  zuvor 
das  Volk  in  den  Kampf  geführt  hatte,  war  hier  nichts  mehr  zu 
spüren.  | 


Zweite  Periode. 

Von  der  Eroberung  Jerusalem's  durch 
Pompejus  bis  zum  badrianiscben  Kriege, 

Die  römisch-herodianische  Zeit,  63  v.  —  135  n.  Chr. 


Palästina  stand  fortan,  wenn  es  auch  nicht  unmittelbar  der 
Provinz  Syrien  einverleibt  war,  doch  unter  der  Oberaufsicht  des 
römischen  Statthalters  von  Syrien.  Es  theilte  daher  in  dieser  Pe- 
riode noch  viel  mehr  als  in  der  vorigen  die  Geschicke  von  Syrien, 
weshalb  wir  auch  hier  wieder  einen  Ueberblick  über  die  Geschichte 
dieses  Landes  voranschicken. 

Uebersicht  über  die  Greschichte  der  römischen  Provinz 
Syrien  vom  J.  65  v.  Chr.  bis  70  n.  Chr. 

Quellen: 
Für  die  Zeit  der  Republik  und  der  Bürgerkriege  (65—30)  sind  die  Hauptquellen 

Josephus,  Dio  Cassius,  Appianus,  Cicero  und  Plutarchus. 
Für  die  Kaiserzfit  (30  V.  Chr.  —  70n.  Chr.):  Josephus,  Dio  Cassius,  Taci- 

tus  und  Suetonius. 

Literatur: 

Noria,  Cenotaphia  Pisana  Caii  et  Lucii  Caesarunt  disscrtationibtis  illiistrata^). 
Venetiis  1081.  —  Giebt  Diss.  II,  cap.  16,  p.  267—335  ein  Verzeichniss  der 
Statthalter  von  Syrien  vom  J.  707—822  a.  V.  (47  a.  Chr.  —  69  p.  Chr.). 

Schopf iin,  Chronologin  liomanorum  Syriae praefectorum  etc.  in:  Cofnnictitationcs 
hintoricue  et  rriticac.  Basileac,  1741,  p.  465—497.  —  Behandelt  die  jraiize 
Zeit  von  PompejuH  bin  zum  jüdischen  Krii-j^'  unter  Vcspasian  und  Titus. 

Saiiclemente,  De  vulf/aris  aerac  emcndutionc  lihri  quaiuor,  lioninc  1793,  Fol.  — 
SanclemenUt  beHpricht  lib.  III,  3—4  {p.  330—349)  die  Statthalter  Syrienw 
von  M.  TitiuM  (unter  Augustus)  bis  Cn.  Piuo  (unter  TibcriuH);  auHHcrdem 
lib.  IV,  3—6  ip.  418—448)  specieJl  noch  denQuiriniuö  und  desKcn  Schätzung. 


1)  Die  beiden  Caetaru  sind  die  Söbao  Agrippa'H   und  Julia's,  alHo 
Enkel  det  Anguatus.  Der  ältere,  Ca^xnn,  starb  4  j».  C,  der  jüngere,  Lucius,  2  p.  C. 


[242. 243]  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  303 

Bor(jhesi,  Sul  preside  della  Syria  cd  tempo  della  morte  di  N.  S.  Gesa  Cristo, 
1847  (abgedr.  in:  Oeuvres  complites  de  Bcirtolomeo  Borghesi  vol.  V,  1869, 
p.  79—94). 

Zumpt,  De  Syria  Romanoruni provincia  cd)  Caesare  Augusto  ad  T.Vespasiamtm,] 
in:  Commentationes  epigraphicae  F.  II,  1854,  p.  71 — 150.  Vgl.  auch:  Zumpt, 
Das  Geburtsjahr  Christi,  1869,  S.  20—89. 

Gerlach  (Hermann),  Die  römischen  Statthalter  in  Syrien  und  Judäa  von  69 
vor  Christo  bis  69  nach  Christo.    Berlin  1865. 

Mommsen,  De  P.  Sulpicn  Quirini  titido  Tibiirtino,  in:  Res  gestae  divi  Attgtisti, 
2.  Aufl.  1883,  p.  161—182. 

Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  Bd.  I  (2.  Aufl.  1881),  S.  415—422 
(giebt  eine  kurze  Liste  der  Statthalter). 

Kellner,  Die  römischen  Statthalter  von  Syrien  und  Judäa  zur  Zeit  Christi 
und  der  Apostel  (Zeitschr.  f.  kathol.  Theologie  18S8,  S.  460-486).  —  Be- 
handelt die  Statthalter  von  Syrien  vom  J.  44  vor  Chr.  bis  zur  Zerstörung 
Jerusalems. 

Liebenam,  Forschungen  zur  Verwaltungsgeschichte  des  römischen  Kaiser- 
reichs, 1.  Bd.  Die  Legaten  in  den  römischen  Provinzen  von  Augustus  bis 
Diocletian,  1888  (S.  359-389:  Syrien). 

Ganter,  Die  Provinzialverwaltung  der  Triumvirn,  Strassb.  Diss.  1892  (S.  40 
bis  44:  Die  Statthalter  Syriens  vom  J.  41—27  vor  Chr.). 

Kor  ach,  Ueber  den  Werth  des  Josephus  als  Quelle  für  die  römische  Ge- 
schichte, Thl.  I  (Leipzig,  Diss.  1895)  S.  34—54,  88—105. 

Ueber  die  Organisation  und  Geschichte  der  Provinz  Syrien  im 
Allgemeinen  s.  Kuhn,  Die  städtische  und  bürgerliche  Verfassung  des  röm. 
Reichs  Bd.  II,  1865,  S.  161 — 201.  —  Marquardt,  Römische  Staatsverwal- 
tung I,  2.  Aufl.  S.  392—430.  —  Mommsen,  Römische  Geschichte  Bd.  V, 
1885,  S.  446 — 552.  —  Vgl.  auch  Bormann,  De  Syriae provinciae  Rornanae 
partibus  capita  nonnulla,  Berol.  1865. 

Ueber  die  römische  Provinzialverfassung  überhaupt  handeln:  Rein, 
Art.  provincia  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  142 — 155.  —  Kuhn,  Die  städtische 
und  bürgerliche  Verfassung  des  römischen  Reichs  bis  auf  die  Zeiten  Ju- 
stinians,  2  Bde.  1864—1865.  —  Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  I, 
2.  Aufl.  1881,  S.  497-567.  —  Herzog,  Geschichte  und  System  der  rö- 
mischen Staatsverfassung,  2.  Bd.  2.  Abth.  System  der  Verfassung  der 
Kaiserzeit,  1891.  —  Vgl.  auch  Mommsen,  Römisches  Staatsrecht  III,  1 
(1887)  S.  590—832. 

Im  Zusammenhang  mit  der  römischen,  jüdischen  und  neutesta- 
mentlichen  Geschichte  ist  die  Geschichte  der  Provinz  Syrien  behan- 
delt in  dem  Regestenwerke  von  Lewin,  Fasti  Sacri,  London  1865  (geht 
vom  J.  70  vor  bis  70  nach  Chr.;  vgl.  oben  S.  19).  —  Hier  im  Index  s.  v. 
Syria  auch  eine  Liste  der  Statthalter. 

Die  römische  Geschichte  überhaupt  behandeln  in  Form  von  Regesten 
(Quellennachweisen  mit  Chronologie):  Clinton,  Fasti  Hellenici  vol.  III. 
Derselbe,  Fasti  Romani  vol.l.  —  Ernst  Wilh.  Fischer,  Römische  Zeit- 
tafeln von  Roms  Gründung  bis  auf  Augustus'  Tod,  Altona  1846.  —  Vgl. 
auch  die  bekannten  Werke  von:  Mommsen,  Röm.  Geschichte  Bd.  III 
(5.  Aufl.  1869),  von  SuUa's  Tode  bis  zur  Schlacht  von  Thapsus  (78—46  v. 
Chr.).  Peter,  Gesch.  Roms  Bd.  II,  2.  Aufl.  1866,  Bd.  III,  1867,  Bd.  III, 
2,  1869  (bis   zum    Tode  Marc  Aureis  180  n.  Chr.).    Ihne,  Römische  Ge- 


304  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [243.  244] 

schichte  Bd.  VII:  Die  Bürgerkriege  bis  zum  Triumvirat,  1890.  Bd.  VIII: 
Das  Triumvirat  bis  zum  Kaiserthum,  1890.  —  Für  die  Zeit  der  Republik : 
Drumann,  Gesch.  Eoms  in  seinem  Uebergange  von  der  republikanischen 
zur  monarchischen  Verfassung,  oder  Pompejus,  Cäsar,  Cicero  und  ihre  Zeit- 
genossen, 6  Bde.  1834—1844  (2.  Aufl.  von  Groebe  1.  Bd.  1899).  Ludw. 
Lange,  Römische  Alterthümer,  Bd.  III,  2.  Aufl.  187G  (^behandelt  die  Ge- 
schichte des  üebergangs  von  der  Republik  zur  Monarchie).  —  Für  die 
Kaiserzeit:  Hock,  Rom.  Gesch.  vom  Verfall  der  Republik  bis  zur  Voll- 
endung der  Monarchie  unter  Constantin,  Bd.  I  in  3  Abthlgn.  1841 — 50  (geht 
nur  bis  zum  Tode  Nero's).  Schiller,  Geschichte  der  römischen  Kaiser- 
zeit Bd.  I  in  2  Abthlgn.  1883  (bis  Diokletian),  Bd.  II,  1887  (bis  Theodosius 
d.  Gr.).  Gardthausen,  Augustus  und  seine  Zeit,  2  Bde.  in  4  Abthlgn. 
1891—1896. 

Die  Geschichte  Syriens  in  dieser  Periode  zerfällt  naturgemäss 
in  zwei  Abtheilungen,  wovon  die  eine  die  Zeit  der  Republik,  die 
andere  die  Kaiserzeit  umfasst.  1 

I.  Die  Zeit  des  Untergangs  der  Republik,  65—30  v.  Chr. 

1.  Syrien  unter  dem  vorwiegenden  Einfluss  des 
Pompejus  (65 — 48). 

M.  Aemilius  Scaurus  65.  62. 

Er  kam,  von  Pompejus  gesandt,  im  J.  65  nach  Damaskus,  das 
schon  zuvor  von  LoUius  und  Metellus  besetzt  worden  war  {Joseph. 
Antt.  XIV,  2,  3.  Bell.  Jud.  I,  6,  2.  CUnton,  Fast.  Hell.  III,  346). 
Vom  J.  64 — 63  war  Pompejus  selbst  in  Syrien  (Ankunft  im  J. 
64,  C0S8.  L.  Jul.  Caesar,  C.  Mareius  Figulus,  nach  Dio  Cass.  XXXVII, 
6.  Ueberwintert  in  Aspis:  Dio  Cass.  XXXVII,  7.  Erobert  i.  J.  63 
Jerusalem  und  kommt  i.  J.  62  nach  Italien,  Clinton  und  Fischer 
ad  ann.  62).  Bei  seinem  Weggang  liess  Pompejus  den  Scaurus 
in  Syrien  {Ajypian.  Si/r.  51.  Joseph.  Antt.  XIV,  4,  5).  Dieser  brachte 
den  schon  von  Pompejus  beabsichtigten  Feldzug  gegen  den  Araber- 
könig Aretas  zur  Ausführung  {.Joseph.  Antt.  XIV,  5.  1.  Bell.  Jud. 
I,  8,  1).  Hierauf  bezieht  sich  die  Münze  mit  der  Aufschrift  Rex 
Aretas,  M,  Seaur.  Aed.  cur.,  ex  S.  C.  {Echhel,  Doctr.  Num.  V,  131  == 
Bahelon,  Monnaies  de  la  r6pnhlique  romaine  t.  I,  1885,  ]>.  120  .S7.).  — 
Ein  Khrendecret  der  Tyrier  für  Scaurus  hat  Renan  mitgetheilt 
(Mission  de  PhSnicie  j).  533  sq.).  Aus  Jope  nahm  Scaurus  das  Skelett 
de8  Mecrungclieuers  mit,  welchem  Andromeda  ausgesetzt  gewesen 
war  {Plm.  lli.st.  Nal.  IX,  5,  11).  —  Vgl.  über  ihn  überhaupt:  Dru- 
mann, (jeschichte  Roms  I,  28—32,  Borghesi,  Oeuvres  II,  185  ft'. 
Gauinitz,  Leipziger  Studien  zur  class.  Philol.  Bd.  II  (1879)  S. 
249—28«,  bes.  S.  250.     I'anly-Wissowa,  Real-Enc.  1,  5SSf. 

Mareius  Philippus  61 — 60. 
Zwischen  Scaurus  und  Gabinius  waren  nach  Appian.  Sijr.  51 


[244.  245]  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  305 

Marcius  Pliilippus  und  Leiitulus  Marcellinus  je  zwei  Jahre 
lang  Statthalter  von  Syrien  {xmvdt  (liv  Ixatigo)  öisryq  iTQi(pO-t] 
XQovog),  beide  mit  prätorischeni  Rang.  Da  G-abinius  Anfang  57 
nach  Syrien  kam,  müssen  auf  Marcius  Philippus  die  Jahre  61—60, 
auf  Lentulus  Marcel linus  die  Jahre  59 — 58  kommen.  Vgl.  Clinton  III, 
346  gegen  Noi-is  p.  223  und  Schäpflin  p.  466,  welche  für  beide  zu- 
sammen nur  zwei  Jahre,  59  und  58,  rechnen.  Das  Eichtige  auch 
bei:  Lewin,  Fasti  sacri  n.  101  U.  103,  Godt,  Quomodo  j^rovinciae  Ro- 
manae  per  decennium  hello  civili  Caesariano  antecedens  administratae  sint 
(Kiel  1876)  p.  7—8. 

Lentulus  Marcellinus  59 — 58. 
Vgl.  zum  Vorigen.    Auch  er,  wie  sein  Vorgänger,  hatte  noch 
mit  den  Arabern   zu  kämpfen   (Appian.  Syr.  51).    Vgl.  über  ihn: 
Münzer  in   Pauly -Wisse wa's  Real-Enc.  IV,  1389  f.  s.  v.   Cornelius 
n.  228.  I 

A.  Gahinius  57 — 55. 
Wegen  der  steten  Beunruhigung  Syriens  durch  die  Araber 
wurde  im  J.  58  beschlossen,  fortan  Proconsuln  dorthin  zu  schicken 
{Apjnan.  Syr.  51);  und  zwar  sandte  man  zunächst  den  A.  Gabini us, 
den  einen  der  Cousuln  des  Jahres  58  {Plutarch.  Cicero  c.  30),  der 
demnach  Anfang  57  nach  Syrien  kam  -).  —  Er  benützte  seine  Ge- 
walt vor  allem  zu  ungeheuren  Erpressungen  (Dio  Cass.  XXXIX, 
55.  56.  Auch  Cicero  spricht  oft  von  seiner  grenzenlosen  Habsucht; 
z.  B.  pro  Sestio  c.  43:  Es  sei  bekannt  „Gabinitim  liaurire  cotidie  ex 
jyaratissimis  atque  opulentissimis  Syriae  gaxis  inumerabile  pondus  auri, 
hellimi  infetre  quiesceniibus,  ut  eorum  veteres  illibatasque  divitias  in  pro- 
fundissimum  libidinum  suarum  gurgitem  profunda^''.  De  provinciis 
consularibus  e.  4:  ,Jn  Syria  imperatore  illo  nihil  aliud  [neque  gestum] 
neque  actum  est  nisi  jjactiones  pecuniarum  cum  tyrantiis,  decisiones, 
direptiones,  latrocinia,  caedes^').  —  Gabinius  war  ein  Günstling  und 
unbedingter  Anhänger  des  Pomp  ejus  und  trat  daher,  wo  Pompejus 
mit  dem  Senat  in  Couflict  kam,  auf  des  ersteren  Seite,  wie  u.  a. 
sein  ägyptischer  Feldzug  beweist.  Er  war  nämlich  i.  J.  56  ^)  bereits 
auf  einem  im  Staatsinteresse  entschieden  wünschenswerthen  Zug 
gegen  die  Parther  begriffen,  als  er  von  Pompejus  den  Auftrag  er- 


2)  Denn  die  Consuln  und  Prätoren  gingen  damals  unmittelbar  nach  Ablauf 
ihres  Amtes  in  die  Provinz.  Erst  im  J.  52  wurde  dies  dahin  geändert,  dass 
immer  fünf  Jahre  dazwischen  liegen  mussten.  Vgl.  Marquardt,  Römische 
Staatsverwaltung  I  (2.  Aufl.  18S1)  S.  522.  * 

3)  Diese  Zeitbestimmung  ergiebt  sich  daraus,  dass  die  Einsetzung  des 
Ptolemäus  Anfang  55,  etwa  im  März  oder  April  stattfand.  Fischer  S.  247. 
Strack,  Die  Dynastie  der  Ptolemäer  (1897)  S.  187,  209  f. 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  20 


306  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [245. 246] 

hielt,  den  durch  einen  Volksaufstand  aus  Alexandria  vertriebenen 
König  Ptolemäus  Auletes  wieder  einzusetzen.  Ptolemäus  selbst 
gab  diesem  Auftrag  durch  ein  Geschenk  von  10,000  Talenten  den 
nöthigeu  Nachdruck.  Diese  beiden  Gründe  wogen  für  Gabinius 
schwerer,  als  der  entgegenstehende  Wille  des  Senates  und  das  be- 
stehende Eecht,  welches  dem  Proconsul  strenge  verbot,  die  Grenzen 
seiner  Provinz  zu  überschreiten.  Er  stellte  den  Zug  gegen  die 
Parther  ein,  zog  nach  Aegypten,  besiegte  das  ägyptische  Heer,  wobei 
sich  namentlich  der  junge  M.  Antonius,  der  nachmalige  Triumvir, 
auszeichnete,  und  setzte  den  Ptolemäus  wieder  als  König  ein,  An- 
fang 55  V.  Chr.  {Dio  Cass.  XXXIX,  56—58.  Cicero  in  Pison.  c.  21. 
Joseph.  Äntt.  XIV,  6,  2.  Plutareh.  Anton,  c.  3.  Appian.  Syr.  51. 
Fischer,  Eöm.  Zeittafeln,  S.  244.  247.).  In  Rom  wurde  er  deshalb, 
besonders  auf  Cicero's  Betrieb,  noch  i.  J.  55  „dfe  majestate^^  ange- 
klagt. Der  Process  war  bereits  im  Gange,  als  er  im  Septbr.  54  — 
nachdem  inzwischen  Crassus  die  Provinz  erhalten  hatte  —  in  Rom 
ankam  {Cicero  ad  Quint.  fr.  III,  1,  5—7).  Seinem  Gelde  und  demj 
Einfluss  des  Pompejus  gelang  es  zwar,  in  dieser  Sache  ein  frei- 
sprechendes Urtheil  zu  erwirken.  Aber  seiner  grenzenlosen  Er- 
pressungen wegen  wurde  er,  obwohl  jetzt  Cicero  selbst,  durch 
Pompejus  dazu  bestimmt,  seine  Vertheidigung  übernahm,  zur  Ver- 
bannung verurtheilt  {Dio  Cass.  XXXIX,  59 — 63  cf.  55.  Appian.  Syr. 
51.  Civ.  11,  24.  Cicero  ad  Quint.  fr.  III,  1 — 4;  pro  Rabirio  Postumo 
c.  8  und  12).  —  Vgl.  über  ihn  überhaupt:  Drumann,  Gesch.  Roms 
III,  40—62.    Pauly's  Real-Enc.  111,  565—571. 

M.  Licinius  Crassus  54 — 53. 
Im  J.  60  hatten  Cäsar,  Pompejus  und  Crassus  das  sog. 
erste  Triumvirat  geschlossen.  Im  J.  56  war  dasselbe  bei  einer  Zu- 
.sammenkunft  zu  Luca  erneuert  worden.  P^ine  Folge  davon  war  es, 
dass  im  J.  55  zwei  der  Triumvirn,  Pompejus  und  Crassus,  das 
Consulat  erlangten.  Während  sie  das  Consulat  bekleideten,  liess 
hieb  Pompejus  die  Verwaltung  von  Spanien,  Crassus  die  von 
Syrien,  jeder  auf  fünf  Jahre,  ertlieilen  {Dio  Cass.  XXXIX,  33—36. 
Liv.  Epit.  105.  Plutareh.  Pomp.  52.  Crass.  15.  Appian.  Civ.  11,  18). 
Crassus  verliess  noch  vor  Ablauf  seines  Consulates  im  Novbr.  des 
J.  55  (h.  Clinton  ad  ann.  54.  Fischer,  Zeittafeln  S.  250)  Rom  und 
ging  nach  Syrien*).  —  Im  J.  54  unternahm  er  einen  Feld  zu  g 
gegen  die  Parther  und  drang  bis  über  den  Kuplirntvor,  kehrte 


4)  Er  kann  Jedoch  nicht  mit  HcKitm  des  Jnhre«  in  Kyrion  eingetroffen 
«ein,  da  er  einen  Uuterfeldherm  vorauMHchickte,  um  von  Gubinius  die  Provinz 
XQ  flbemehmen  — ,  der  flbrigen«  von  Gabinius  abgewicHun  wurde  [Dio  Cass. 
XXXIX,  (KJ). 


[246.  247]  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  307 

aber  wieder  zurück,  um  in  Syrien  den  Winter  zuzubringen.  Im 
Frühjahr  53  erneuerte  er  den  Feldzug,  ging  bei  Zeugma  über  den 
Euphrat,  erlitt  aber  eine  empfindliche  Niederlage  und  musste  sich 
nach  Karrä  zurückziehen.  Da  er  auch  hier  sich  nicht  halten  konnte, 
.setzte  er  den  Rückzug  weiter  fort  und  war  schon  bis  an  die  arme- 
nischen Gebirge  gelangt,  als  der  parthische  Feldherr  Suren a  ihm 
Frieden  anbot  unter  der  Bedingung,  dass  die  Römer  auf  das  Ge- 
biet jenseits  des  Euphrat  verzichteten.  Crassus  war  geneigt,  auf 
die  Verhandlungen  einzugehen,  wurde  aber,  als  er  sich  unter  geringer 
Bedeckung  zu  Surena  begeben  wollte,  von  parthischen  Schaaren 
verrätherisch  überfallen  und  ermordet,  53  v.  Chr.  (nach  Ovid.  Fast.  VI, 
465 :  V  Idiis  Junias  =  9.  Juni.  S.  Clinton  und  Fischer  ad  ann.  53). 
Viele  seiner  Leute  geriethen  in  parthische  Gefangenschaft:  einem 
Theil  gelang  es,  zu  entfliehen;  ein  anderer  Theil  war  schon  früher, 
unter  Führung  des  Quästors  CassiusLonginus,  nach  Syrien  ent- 
kommen {Dia  Cass.  XL,  12—27.  Plutarch.  Crass.  17—31.  Liv.  Epit. 
106.  Justin.  XLII,  4).  —  Vgl.  über  Crassus  überhaupt:  Drumann, 
Gesch.  Roms  IV,  71—115.  Pauly's  Real-Enc.  IV,  1064—1068.  üeber 
den  parthischen  Feldzug:  Gutschmid,  Geschichte  Irans  und  seiner 
Nachbarländer  (1888)  S.  87—93  und  die  von  Gutschmid  S.  171  f. 
erwähnte  Literatur.  Regling,  De  belli  Parthici  Crassiani  fontibus. 
Diss.  1899. 

C.  Cassius  Longinus  53 — 51. 
Nach  dem  Tode  des  Crassus  übernahm  Cassius  Longinus 
den  Oberbefehl  in  Syrien.  Die  Parther  machten  jetzt  Einfälle  in 
das  römische  Gebiet,  drangen  im  J.  51  sogar  bis  Antiochia  vor. 
wurden  aber  von  Cassius  im  Herbst  d.  J.  51  glücklich  wieder  zurück- 
geschlagen {Dio  Cass.  XL,  28—29.  Joseph.  Antt.  XIV,  7,  3.  lAv. 
Epit.  108.  Justin.  XLII,  4.  Cicero  ad  Atticum  V,  20;  ad  Familiär. 
II,  10;  Philipp.  XI,  14.  Drumann  II,  117  ff.  Pauly-Wissowa's  Real- 
Enc.  III,  1727  ff.  lieber  die  Chronologie  bes.  Fischer,  Zeittafeln 
S.  260  f.)  s). 

M.  Calpurnius  Bihulus  51 — 50- 
Auf  Cassius  Longinus  folgte  (nach  Cicero  ad  Familiär.  II,  10;  ad 
Attic.  V,  20.  Dio  Cass.  XL,  30)  ein  Bibulus.  Appiayi.  Syr.  51  nennt 
denselben  Aevxiog  BvßXog.  Allein  durch  das  Zeugniss  des  Cicero 
ad  Familiär.  XII,  19,  XV,  1  und  3,  Livius  Epit.  108  und  Caesar 
Bell.  Civ.  III,  31  steht  vielmehr  fest,  dass  es  M.  Bibulus  war,  der 


5)  Cicero  war  damals  (August  51— Juli  50;  vgl.  Fischer,  Zeittafeln  S.  263. 
209)  Proconsul  von  Cilicien  und  rühmt  sich,  auch  zur  Vertreibung  der  Parther 
mitgewirkt  zu  haben  (vgl.  bes.  ad  Familiär.  XV,  1—4). 

20* 


308  üebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [247.  248] 

College  Cäsar's  im  Consulat  im  J.  59.  —  Er  kam  im  Herbst  d.  J. 
51  nach  Syrien  {Cicero  ad  Attic.  V,  18  und  20).  —  Auch  er  hatte 
noch  mit  den  Parthern  zu  thun  (vgl.  Cicero  ad  Familiär.  XII,  19), 
wusste  sich  derselben  aber  dadurch  zu  entledigen,  dass  er  sie  gegen 
einander  in  Streit  brachte  (nach  Dio  Cass.  XL,  30  noch  im  J.  51, 
coss.  M.  Marcellus,  Sul2).  Rufus).  Vgl.  Cicero  ad  Attic.  YII,  2  suh 
fi?i.:  Partlii  reinnte  Bibulum  semivivum  reliquerunt.  —  Cicero,  der 
-gleichzeitig  die  benachbarte  Provinz  Cilicien  verwaltete,  nennt  ad 
Atticum  VI,  1,  13  den  Bibulus  unter  denjenigen,  welche  in  Ver- 
waltung ihrer  Provinz  ,;valde  honeste  se  gerunf.  —  Vgl.  auch  Fischer, 
Zeittafeln  S.  264  f.  lieber  Bibulus  überhaupt:  Drumann,  Gesch. 
Koms  II,  97—105.    Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  III,  1368  f. 

Vejento  50/49. 
.^Bibulus  de  provincia  decessit,   Vejentonem  jjraefecit^''  schreibt  Cicero 
Anfang  Decbr.  d.  J.  50  (ad  Attic.  VII,  3,  5). 

Q.  Metellus  Scij^io  49 — 48. 

Als  in  den  ersten  Tagen  des  Jahres  49  der  Bürgerkrieg 
zwischen  Cäsar  und  Pompejus  zum  Ausbruch  kam,  wurden  von 
der  I  pompejanischen  Partei  die  Provinzen  neu  vertheilt  und  u.  a. 
4em  Schwiegervater  des  Pompejus,  Q.  Metellus  Scipio,  der 
i.  J.  52  das  Consulat  bekleidet  liatte,  die  Provinz  Syrien  über- 
tragen {Caesar  Bell.  Civ.  I,  6.  Vgl.  Cicero  ad  Atticum  IX,  1).  —  Er 
führte  noch  gegen  Ende  des  J.  49  zur  Unterstützung  des  Pompejus 
zwei  Legionen  aus  Syrien  herbei  und  überwinterte  mit  denselben 
in  der  Gegend  von  Pergamum  {Caesar  Bell  Civ.  III,  4  und  31).  Im 
folgenden  Jahre  setzte  er  nach  Macedonien  über  und  vereinigte 
sich  kurz  vor  der  Schlaclit  bei  Pharsalus  mit  Pompejus  {Caesar 
Bell.  Civ.  III,  33.  78—82).  In  der  Schlacht  bei  Pliarsalus  befehligte 
er  das  Centrum  des  pompejanischen  Heeres  {Caesar  Bell.  Civ.  III,  88). 
—  Vgl.  über  ihn  überhaupt:  Drumann,  Gesch.  Roms  II,  44—49. 
Pauly's  Real-Enc.  II,  32—34. 

2.  Die  Zeit  (Täsar's  (47-44). 

Sextus  Caesar  47 — 46. 
Nach  der  Sclilacht  bei  Pharsahis  (9.  Aug.  48)  folgte  Cäsar 
4ein  Pompejus  zur  See  nach  Aegyptcn  und  traf  dort  Anfang  Octobci- 
ein,  nachdem  kurz  zuvor  (28.  S(;ptbr.)  Pompejus  ermordet  worden 
war.  Wider  Erwart«Mi  wurde  er  in  Aegypten  in  einen  Krieg  mit 
König  PtohiinJlUH  vt-rwickelt,  (h*r  ihn  9  Monate  lang  {Appian.  Cm  11, 90) 
dort  zuriic.khielt.  Krst  Anfang  Juni  47  konnte  er  von  Aegypten 
aufbrecht'M  und  ging  nun  «-iligst  (Diu  Cnss.  X\Al,  41:  rax^i  noXlo) 
XQt]Oa(i^voii)  über  tSyrien  nach  Kleinasicn,  nni  den  l'linniaces,  den 


[248.  249]  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  röinischeu  Provinz  Syrien.  3Q9 

König  von  Pontus,  zu  bekriegen  {Auct.  de  Bell.  Alexandr.  c.  33.  65  ff. 
Plutarch.  Caesar  49.  50.  Sueton.  Caesar  35.  Äppian.  Civ.  II,  91)^). 
—  Bis  dahin  war  Syrien,  wie  es  scheint,  ziemlich  sich  selbst  über- 
lassen gewesen.  Erst  jetzt,  während  seines  kurzen  Aufenthaltes 
daselbst  (nach  Cicero  ad  Attic.  XI,  20  war  Cäsar  Anfang  Juli  47 
[nach  damaligem  röm.  Kalender]  in  Antiochia)  ordnete  Cäsar  die 
Verhältnisse  in  Syrien,  indem  er  einen  seiner  Verwandten,  den 
Sextus  Cäsar,  zum  Statthalter  einsetzte  {Bell.  Alexandr.  c.  66. 
Dio  Cass.  XLVII,  26.  Vgl.  Josefph.  Antt.  XIV,  9,  2).  —  Manche  Städte 
Syriens  erhielten  damals  durch  Cäsar  werthvoUe  Privilegien  und 
begannen  deshalb  eine  neue  Zeitrechnung  {aera  Caesariana),  so  Anti- 
ochia, Gabala,  Laodicea,  Ptolemais  (s.  Xoiis,  Annus  et  epochac 
Syromacedonum  ed.  Lips.p.  \  162  sqq.  270  sqq.  293  sqq.  424  sqq.  Eckhel, 
Doctr.  Num.  Vet.  III,  279  sqq.  313  sqq.  315  sqq.  423  sqq.).  Vgl.  Bell. 
Alexandr.  65:  commorattis  fere  in  omnibus  civitatibus,  qiuie  majore  sunt 
dignitate,  praemia  hene  meritis  et  viritim  et  publice  trihuit.  Marquardt, 
Römische  Staatsverwaltung  I,  397.  Ueberhaupt:  Judeich,  Caesar 
im  Orient,  kritische  Uebersicht  der  Ereignisse  vom  9.  Aug.  48  bis 
October  47.  Leipzig  1885.  Zur  Chronologie:  Otto  Ed.  Schmidt, 
Der  Briefwechsel  des  M.  TuUius  Cicero  (1893)  S.  224  f. 

Caecilius  Bassus  46. 
Während  Cäsar  im  Jahre  46  noch  mit  der  pompejanischen 
Partei  in  Afrika  zu  kämpfen  hatte,  suchte  ein Pompejaner,  Cäcilius 
Bassus,  sich  der  Herrschaft  in  Syrien  zu  bemächtigen.  Er  wurde 
zwar  von  Sextus  geschlagen,  wusste  aber  diesen  durch  Meuchel- 
mord aus  dem  Wege  zu  schaffen,  die  Soldaten  fiir  sich  zu  gewinnen 
und  sich  so  zum  Herrn  von  Syrien  zu  machen  [Dio  Cass.  XLVII, 
26—27.  Liv.  Epit.  114.  Joseph,  ^n«.  XIV,  11,  1.  Etwas  abweichend 
Appian.  Civ.  III,  77.  IV,  58;  hierzu  Drumann,  Gesch.  Roms  II,  125  bis 
127.    Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  III,  1198  f.). 

C.  Antistius  Vetns  45. 
Gegen  Cäcilius  Bassus  führte  Antistius  Vetus  die  Sache 
der  cäsarianischen  Partei ").   Er  belagerte  im  Herbst  45  den  Bassus 


6)  Den  Weg  von  Aegjpten  nach  Syrien  und  von  Syrien  nach  Cilicien  legte 
Cäsar  zur  See  zurück;  vgl.  Joseph.  Antt.  XIV,  8,  3.  9,  1.  Atict.  de  Bell. 
Alexandr.  66:  „eadem  classe,  qua  venerat,  p?-oficiscittir  in  Cilieiam".  An  der 
früheren  Stelle,  Bell.  Alex.  33:  „s«c  rebus  omnibus  confectis  et  collocatis  ipse 
itinere  terrestri  profectus  est  in  Syriam^'  sind  die  Worte  „itinere  terrestri^^  wohl 
zu  streichen. 

7)  Aus  Cicero  ad  Familiär.  XII,  19  ersehen  wir,  dass  Cäsar  einst  den 
Q.  Cornificius  zum  Statthalter  von  Syrien  bestimmte  (Cicero  schreibt  dem 
Cornificius:    „Belhim,    quod  est  in  Syria,  Syriamque  provinciam  tibi  tributam 


310         Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [249. 250] 

in  Apamea;  konnte  indess  nichts  Entscheidendes  gegen  ihn  aus- 
richten, da  die  Parther  dem  Bassus  Hülfe  brachten  {Dio  Cass. 
XLVn,  27.  Vgl.  Joseph.  Antt.  XIV,  11,  1.  Die  Zeitbestimmung  nach 
Cicero  ad  Ätticum  XIV,  9,  3  und  Dio  Cass.  L  c:  öia  rov  ^tLiicöva). 
Vgl.  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  I,  2558.  Prosopographia  imperii 
Bomani  I,  88. 

L.  Statius  Murcus  44. 
Zur  Bekämpfung  des  Cäcilius  Bassus  schickte  Cäsar  (wohl  An- 
fang 44)  den  L.  Statius  Murcus  mit  drei  Legionen  nach  Syrien. 
Derselbe  wurde  unterstützt  durch  den  Statthalter  von  Bithynien 
<^.  Mar  eins  Crispus,  der  ebenfalls  drei  Legionen  zur  Verfügung 
hatte.  Von  beiden  wurde  Bassus  aufs  Neue  in  Apamea  belagert 
(Appian.  Civ.  III,  77.  IV,  58.  Dio  Cass.  XLVII,  27.  Joseph.  Antt.  XIV, 
11,  1.     Vgl.  Strabo  XVI,  p.  752). 

3.  Syrien  unter  der  Verwaltung  des  Cassius  (44— 42). 

G.  Cassius  Longinus  44 — 42. 
Eine  neue  Wendung  der  Dinge  brachte  die  Ermordung  Cäsar's 
am  15.  März  44.  Unter  den  Verschworenen,  welche  die  That  voll- 
brachten, war  neben  M.  Brutus  der  hervorragendste  C.  Cassius 
Longinus,  derselbe,  der  in  den  Jahren  53—51  Syrien  glücklich 
gegen  die  Angriffe  der  Parther  vertheidigt  hatte.  Er  war  von 
Cäsar  bereits  für  das  Jahr  43  zum  Statthalter  von  Syrien  designirt 
worden  {Appian.  Civ.  III,  2.  IV,  57).  Nach  Cäsar's  Tod  aber  wusste 
es  M.  Antonius  dahin  zu  bringen,  dass  Syrien  dem  Dolabella, 
dem  Cassius  dagegen  eine  andere  Provinz  (Cyrene?)  übertragen 
wurde  {Appian.  Civ.  III,  7—8.  IV,  57).  Cassius  fügte  sich  jedoch 
nicht  diesen  Anordnungen,  sondern  ging  in  die  von  Cäsar  ihm  be- 
stimmte Provinz  Syrien,  wo  er  gegen  Ende  des  Jahres  44  an- 
kam, noch  ehe  Dolabella  eingetroffen  war  {Appian.  Civ.  III,  24. 
IV,  58.    DU)  Cass.  XLVII,  21.  26)^).  —  Zur  Zeit  seiner  Ankunft 


•MM  a  Caesare  ex  tuia  litterit  oognovi^*).  Da  der  Brief  nicht  datirt  ist,  so  hi^st 
»ich  in  Betreff  der  Zeit  nichts  Sicheres  sagen.  Ganter,  in  seiner  sorgfältigen 
Monographie  über  Cornificiu»  (Philologus  Bd.  Uli,  1894,  S.  132— 140),  setzt 
den  Brief  in  den  Sommer  40  und  nimmt  an,  dass  CornificiuH  thatsächlich 
in  der  zweiten  Hfilile  des  J.  46  Statthalter  von  Syrien  gewesen  sei  (a.  a.  0. 
S.138f.).  Da  aber  unsere,  fQr  diese  Zeit  reichlich  fliexHCuden,  hlHtoriHclHMi  (Quellen 
nichts  davon  erw&bnen,  so  bleibt  die  Suche  prohlonuitisch.  Es  kann  auch  ein 
Plan  gewesen  sein,  der  nicht  zur  AiiHriilirnng  ifckommcn  ist. 

8)  Ueber  dio  Vorhaudlungen  in  iJctrclV  der  Provinzen  wäiircnd  des  Jahres 
U  •.  NIheres  bei  Dramann,  OeHch.  Komih  I,  i:i9— 144;  II,  123  f.  L'auly's 
Bttü'Enc.   1.   Aufl.   TI,    IOC  f.     Lauge,   UüniiHchu   Alterthünicr  III,   2.  Autl. 


[250. 251]  Ueberßicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  311 

wurde  Cäcilius  Bassus  noch  von  Statins  Murcus  und  Marcius 
Crispus  in  Apamea  belagert.  Es  gelang  ihm,  die  beiden  letzteren 
für  sich  zu  gewinnen,  worauf  auch  die  Legion  des  Bassus  zu  ihm 
überging  (wie  Cassius  selbst  im  März  und  Mai  43  an  Cicero  be- 
richtet, Cicero  ad  Familiär.  XII,  U  und  12.  Vgl.  ad  Brut.  II,  5. 
Philippie.  XI,  12,  30.  Äppian.  Civ.  III,  78.  IV,  59.  Bio  Cass.  XL VII,  28. 
Joseph.  Antt.  XIV,  11,  2.  Drumann  II,  128).  —  So  hatte  Cassius 
beträchtliche  Streitkräfte  zur  Verfügung^),  als  Dolabella,  der 
sich  im  Interesse  des  Antonius  mittlerweile  Kleinasiens  bemächtigt 
hatte,  im  J.  43  auch  in  Syrien  einfiel  und  bis  Laodicea  (am  Meere, 
südl.  von  Antiochia)  vordrang  (Appian.  Cic  III,  78.  IV,  60.  Dio 
Cass.  XL VII,  29—30).  Cassius  belagerte  ihn  dort  {Cicero  ad  Familiär. 
XII,  13—15)  und  zwang  ihn  zur  Uebergabe,  worauf  Dolabella  sich 
durch  einen  Soldaten  seiner  Leibwache  den  Kopf  abschlagen  Hess 
{Appian.  Civ.  IV,  60—62.  Dio  Cass.  XL VII,  30.  Drumann  II,  129  ff"., 
574  ff".  Wegehaupt,  P.  Cornelius  Dolabella,  1880.  Gardthausen, 
Augustus  und  seine  Zeit  I,  1,  S.  151  ff'.  II,  1,  S.  63  f.  Münzer  in 
Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  IV,  1300  ff".  *.  v.  Cornelius  n.  141).  — 
Nach  Besiegung  des  Dolabella  wollte  Cassius  sich  nach  Aegypten 
wenden,  wurde  aber  statt  dessen  von  Brutus  dringend  nach  Klein- 
asien gerufen,  42  v.  Chr. '<^).  |  Er  Hess  also  seinen  Neffen^') 
mit  einer  Legion  in  Sj'rien  zurück  {Appian.  Civ.  IV,  63),  kam  mit 


S.  498  ff".  P.  Krause,  Appian  al^  Quelle  für  die  Zeit  von  der  Verschwörung 
gegen  Cäsar  bis  zum  Tode  des  Decimus  Brutus  Thl.  I,  1879,  S.  12ff".  Schiller, 
Gesch.  der  röm.  Kaiserzeit  I,  22  ff".  Otto  Eduard  Schmidt,  Jahrbb.  für  class. 
Philol.  13.  Supplementband,  1884,  S'.  700—712.  Gardthausen,  Augustus  und 
seine  Zeit  I,  1,  S.  56  0".  II,  1,  S.  25  f.  P.  Oroebe,  De  legibus  et  senattisconsul- 
tis  anni  710  quaestiones  ehr  onolog  icae,  IHss.  Berol.  1893.  Fröhlich  in  Pauly- 
Wissowa's  Real-Enc.  III,  1731.  Schwartz,  Hermes  Bd.  33,  1898,  S.  185 
bis  244. 

9)  Von  den  genannten  drei  Feldherrn  hatte  Cassius  den  Crispus  und 
Bassus  auf  ihren  Wunsch  entlassen,  den  Statins  Murcus  aber,  mit  Belassung 
seiner  bisherigen  Würde,  bei  sich  behalten  (IHo  Cass.  XLVII,  28). 

10)  Van  der  Chijs,  De  Herode  M.  ;>.  18  hat  gegen  Fischer,  Röm.  Zeit- 
tafeln S.  328  richtig  gezeigt,  dass  der  Ruf  des  Brutus  an  Cassius  nicht  schon 
43,  sondern  erst  42  erging,  nämlich  erst  geraume  Zeit  nach  Cicero's  Tod. 
t  7.  Decbr.  iS  {Plutarch.  Brut.  28),  und  als  bereits  Octavian  und  Antonius 
im  Begriffe  waren,  nach  Griechenland  überzusetzen  [Ajipian.  IV,  63).  Dagegen 
irrt  er,  wenn  er  den  Cassius  im  J.  43/42  in  Aegypten  überwintern  lässt,  da 
vielmehr  aus  Appian.  IV,  63  das  Gegentheil  erhellt.  Das  Richtige  hat  Hitzig  II, 
517.  Vgl.  auch  Mendelssohn  in  Ritschl's  Acta  Societatis philol.  Lipsiensis  V, 
1875,  p.  251  sq. 

11)  Der  Name  desselben  ist  nicht  genannt.  In  der  Schlacht  bei  Philippi 
fiel  ein  Neffe  des  Cassius,  Namens  L.  Cassius  (.lj>pm«.  IV,  135).  Vielleicht 
ist  der  letztere  mit  jenem  identisch,  wie  Noris,  Cenot.  Pis.  p.  280  annimmt. 


312  üebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.         [251] 

Brutus  in  Smyrna  zusammen,  unternahm  dann  einen  Zug  gegen 
Ehoclus.  vereinigte  sich  in  Sardes  wieder  mit  Brutus  und  zog  nun 
mit  ihm  nach  Macedonien,  wo  im  Spätherbst  des  J.  42  bei  Philippi 
die  Heere  der  Verschworenen  von  M.  Antonius  und  Octavian 
besiegt  wurden,  und  Cassius,  wie  sein  Gefährte  Brutus,  durch 
Selbstmord  endete  {Appian.  Civ.  IT,  63 — 138.  Dio  Cass.  XL VII, 
31—49.     Plutarch.  Bruhis  28—53). 

4.  Syrien  unter  der  Herrschaft  des  M.  Antonius  (41—30). 

Decidius  Saxa  41 — 40. 

Nach  der  Schlacht  bei  Philippi  ging  Octavian  nach  Italien, 
während  sich  Antonius  zunächst  nach  Griechenland  und  dann  nach 
Asien  wandte  {Plutarch.  Anton.  23 — ^4).  Auf  seinem  Zug  durch  Asien 
traf  er  im  J.41  in  Tarsus  zum  erstenmalemitKleopatra  zusammen, 
die  ihn  durch  ihre  Reize  so  zu  fesseln  wusste,  dass  Antonius  ihr 
nach  Aegypteu  folgte,  wo  er  den  Winter  41/40  in  Unthätigkeit  und 
Schwelgerei  zubrachte  {Plutarch.  Anton.  25—28).  —  Ehe  er  nach 
Aegj'pten  ging,  ordnete  er  im  J.  41  die  Verhältnisse  in  Syrien  i^), 
trieb  allenthalben  ungeheuren  Tribut  ein  {Appian.  Civ.  V,  7)  und  Hess 
den  Decidius  Saxa  als  Statthalter  zurück  {Dio  Cass.  XLVIII,  24. 
Liv.  Epit.  127). 

Im  Frühjahr  40  verliess  Antonius  Aegypten  und  kam  im 
Sommer  d.  J.  nach  Italien,  in  der  Absicht,  den  Octavian  zu 
bekämpfen-,  schloss  aber  nach  einigen  unbedeutenden  Plänkeleien 
mit  ihm  zu  Brundisium  einen  Vertrag,  wornach  die  Provinzen 
zwischen  Octavian  und  Antonius  in  'der  Art  getheilt  wurden,  dass 
jenem  der  Westen,  diesem  der  Osten  zufiel  {Appian.  Civ.  V,  52 — 65. 
Dio  Cass.  XL VIII,  27—28.  Die  Grenze  bildete  Scodra,  jetzt  Sku- 
tari,  in  Illyrien,  Ajjjmm.  V,  65) '3).  Antonius  blieb  etwa  noch  ein 
Jahr  in  Italien,  während  welcher  Zeit  er  verschiedene  Vasallen- 
könige, u.  a.  auch  den  Herodes,  ernannte'^),  und  ging  dann  | 


12)  Wo  er  bereitH  unter  Gabinius  gedient  hatte.    S.  oben  S.  .306. 

13)  Ueber  die  Zeit:  Kromayer,  Die  Zeit  des  BrundiBinischen  Friedens 
und  AntODin»  Abreise  nach  Griechenland  im  Jahre  39  (Hermes  Bd.  2U,  1894, 
8.  606—663)  [Fricden8«chlu88:  Sept.  40,  Abreise  nadi  Griechenland:  früliostons 
Ang./8ept.  30]. 

14)  Appian.  Civ.  V,  75:  "at^  di  ng  xal  ßaaiXiaq,  ov^  Soxi/naaeisv,  inl 
»f>6fOii  iQtt  xttayfilvoii,  IJuvxov  (ilv  JuQtlov  xov  4'a^vaxovf  toi  MiQqiSÜzov, 
iSovnattuv  61  xal  2ttnaQi<ov^HQipöi}v,^Afivvtav  6h  niat6cliv,  xal  UoXi'nwva 
ßigovi  KiXtxlaQ,  xal  iripovq  ii  IktQa  f&vtj.  —  Noch  einiKe  Ernonnungdn  aus 
«piterer  Zelt  (86/36)  bei  Dio  Gaaa.  XLIX,  32.  Vgl.  Plutarch.  Anton.  .30:  noX- 
XoXq  ixuffCiino  xtxQOQxifii  xo^  ßaadtla^  if^vcüv  ftfyäkwv,  i6itirai^  olai,  nokXovq 
i  d^gptTto  ßadtXiluq. 


[252.  253]  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  313 

im  Herbst  39  nach  Athen  {Appian.  V,  75 — 76.  Dio  Cciss.  XL VIII,  39), 
wo  er,  jedoch  mit  Unterbrechungen,  bis  zum  Frühjahr  36  verweilte 
(Urumann,  Gesch.  Roms  I,  441  f.  447  f.). 

Zu  der  Zeit,  als  Antonius  sich  von  Octavian  die  Herrschaft 
über  den  Osten  zusichern  Hess,  war  bereits  ein  grosser  Theil  des 
östlichen  Gebietes,  namentlich  die  ganze  Provinz  Syrien,  an  die 
Parther  verloren  gegangen.  Dieselben  waren  im  J.  42  (um  die- 
selbe Zeit  als  Cassius  Syrien  verliess,  Appian.  Civ.  IV,  63)  von 
Cassius  zum  Bündniss  gegen  Antonius  und  Octavian  aufgefordert 
worden.  Es  kam  aber  damals  nichts  zu  Stande,  da  bei  Philippi 
die  Entscheidung  fiel,  ehe  die  lange  hingezogenen  Verhandlungen 
zum  Abschluss  gediehen.  Allein  Labienus,  das  Haupt  jener  Ge- 
sandtschaft, blieb  am  parthischen  Hofe  und  wusste  durch  seine 
unablässigen  Vorstellungen  den  König  Orodes  endlich  zu  einem 
Angriff  auf  das  römische  Gebiet  zu  bewegen.  Vielleicht  noch  im 
Herbst  41,  spätestens  im  Frühjahr  40  fiel  ein  grosses  parthisches 
Heer  unter  Anführung  des  Labienus  und  Pacorus,  des  Sohnes 
des  Königs  Orodes,  in  Syrien  ein,  besiegte  den  Decidius  Saxa 

—  der  selbst  getödtet  wurde  — ,  eroberte  ganz  Syrien,  Phönicien 
(nur  mit  Ausnahme  von  Tyrus)  und  Palästina  und  drang  schliess- 
lich nach  Kleinasien,  ja  bis  an  die  jonische  Küste  vor  {Dio 
Cass.  XLVIII,  24—26.  A2rpian.  Syr.  51.  Civ.  V,  65.  Plutarch.  Anton.  30. 
Liv.  Epit.  1 27).  —  üeber  die  Chronologie  s.  bes.  Bürcklein,  Quellen 
und  Chronologie  der  römisch-parthischen  Feldzüge  in  den  Jahren 
713—718  d.  St.  (Leipz.  Dissert.  1879)  S.  49—51.  Ueberhaupt: 
Mommsen,  Römische  Geschichte  V,  357  ff.  Gutschmid,  Geschichte 
Irans  und  seiner  Nachbarländer  (Tüb.  1888)  S.  93  ft".  und  die  von 
Gutschmid  S.  171  f.  erwähnte  Literatur.  Gardthausen,  Augustus 
und  seine  Zeit  I,  1,  S.  224  ff   II,  1,  S.  107  ff'. 

P.   Ventidius  39—38. 

Antonius  sandte  gegen  Ende  des  Jahres  40  (so  Bürcklein;  nach 
gewöhnlicher  Annahme  erst  39)  den  P.  Ventidius  mit  einem  Heere 
nach  Asien.  Dieser  trieb  (im  J.  39)  den  Labienus  bis  an  den 
Taurus  zurück,  besiegte  ihn  hier  in  einer  entscheidenden  Schlacht 
(worauf  Labienus  selbst  gefangen  und  getödtet  wurde),  eroberte 
Cilicien,  besiegte  am  Amauus,  dem  Grenzgebirge  zwischen  Cilicien 
und  Syrien,  auch  den  Pharnapates,  den  Unterfeldherrn  des 
Pacorus,  und  nahm  nun  ohne  Mühe  von  Syrien  und  Palästina  Be- 
sitz I  {Dio  Cflss.  XLVIII,  39—41.  Liv.  Epit.  127.  Plutarch.  Anto7i.  33)^^). 

—  Im  J.  38  wiederholten  die  Parther  ihren  Einfall,  erlitten  aber 


15)  Dass  dies  alles  noch  im  J.  39  geschah,  erhellt  aus  Dio  Cass.  XLVIII, 
43   inif. 


314  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.         [253] 

in  der  Landschaft  Kj'rrestike  durch  Ventidius  eine  völlige  Nieder- 
lage, bei  welcher  auch  Pacorus  seinen  Tod  fand,  an  demselben 
Tage,  an  welchem  15  Jahre  zuvor  Crassus  gefallen  war,  also  V.  Mus 
Junias  =  %.J\mi  (Dio  Cass.  XLIX,  19—20.  Liv.  Epit.  128.  Plutarck. 
Anton,  di.  Vgl.  Dio  Cass.  XLIX,  21:  h  rf]  avry  riniga  kxatSQov 
Tov  sTovg  d{ig)6rsQa  ovifrjvsx^^)-  —  Ventidius  wandte  sich  nun 
gegen  Antiochus  von  Komagene.  Während  er  denselben  in 
Samosata  belagerte,  kam  Antonius  selbst  an,  entliess  den 
Ventidius  und  setzte  die  Belagerung  fort.  Er  richtete  aber  nicht 
viel  aus,  begnügte  sich  mit  einer  scheinbaren  Unterwerfung  des 
Antiochus  und  kehrte  nach  Athen  zurück,  indem  er  den  C.  Sosius 
als  Statthalter  in  Syrien  zurückliess  {Dio  Cass.  XLIX,  20—22. 
Plutarch.  Anton.  34).  Ventidius  feierte  am  27.  November  38  in  Eom 
einen  Triumph  ex  Tauro  monte  et  Partheis  ^^).  —  Ueber  die  Chronologie 
s.  Bürcklein  a.  a.  0.  S.  51—61. 

G.  Sosius  38.  37. 
Sosius  vollendete  die  Unterwerfung  von  Syrien,  indem  er 
namentlich  den  jüdischen  König  Antigonus,  den  Schutzbefohlenen 
der  Parther,  besiegte  und  Jerusalem  eroberte,  um  den  von  Antonius 
zum  König  ernannten  Her  ödes  daselbst  einzusetzen  (Dio  Cass. 
XLIX,  22  verlegt  dies  noch  in  d.  J.  38,  coss.  Ap.  Claudius  Pulcher, 
C.  Norhanus  Flaccus.  Vgl.  aber  unten  §  14).  Sosius  erhielt  dafür 
den  Imperator-Titel  und  einen  Triumph  {ex  Judaea)  bewilligt,  den 
er  aber  erst  am  3.  September  34  feierte^').  Vgl.  überhaupt  Pro- 
sopographia  imperii  Botnani  III,  253  sq. 

Im  J.  36  kam  wieder  Antonius  selbst  in  den  Orient.  Er 
wollte  einen  entscheidenden  Schlag  gegen  die  Parther  führen, 
zog  mit  grosser  Heeresmacht  gegen  sie,  richtete  aber  nichts  aus 
und  musste  nach  Beginn  des  Winters  unter  ungeheuren  Verlusten 
wieder  zurückkehren  (vgl.  Gutschmid,  Geschichte  Irans,  S.  97 — 101. 
Gardthausen,  Augustus  I,  1,  S.  290  if.  II,  1,  S.  149  ff.  Kromayer, 
Hermes  Bd.  31,  1896,  S.  70—104).  —  Noch  ehe  er  gegen  die 
Parther  aufgebrochen  war,  im  Frülijahr  36,  war  er  in  Syrien 
wieder  mit  Kleopatra  zusammengekommen.    Und  nach  der  Rück- 


16)  8.  die  römischen  Triumplial-Fast.n  /.mn  J.  710:  P.  Ventidius  P.  f. 
procoi,  ex  Tauro  .  .  monte  et  Partlnix  r.  A',  Ihcnu.  [Corp.  Itiscr.  Lat.  I,  1,  ed. 
2.  p.  CO,  76—77, 180.  G.  Schön,  Da»  capiinlinis.  lic  Verzeichniss  der  römischen 
Triomphe,  1893,  S.  61). 

17)  Imperator-Titel  nach  den  Münzen  Hu/"/"//,  Monuaies  de  la  repul)lique 
romaim  II,  1880,  p.  404).  —  Triumi.lml-l'astrri  zum  J.  720:  C.  Sosius  0.  f.  T. 
n,  proeoi.  §x  Judaea  an.  DCOXIX  J/I.  Noim.s  Septeiuhr.  ( Corp.  Inscr.  Lat.  /.  c 
ScliOn  «.  a.  O.). 


[253.  254]  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  3 1 5 

kehr  von  dem  unglücklichen  Zug-,  gab  er  sich  in  Lenke  Konie 
(zwischen  Sidon  und  Berytus)  abermals  mit  ihr  den  gewohnten 
Schwelgereien  hin  {Dio  Cass.  XLIX,  23—31.  Plutarch.  Anton.^^—h\). 
—  Er  folgte  ihr  dann  (noch  vor  Ende  des  J.  36,  s.  Fischer,  Zeit- 
tafeln S.  358  f.)  nach  Aegypten  und  blieb  dort  bis  zum  J.  33,  den 
ausgesuchtesten  Genüssen  und  Ausschweifungen  ergeben,  welche 
nur  durch  ein  paar  kurze  Feldzüge  nach  Armenien  (in  den 
Jahren  34  und  33)  unterbrochen  wurden  [Dio  Cass.  XLIX,  33. 
39 — 41.  44.  Plutarch.  Anton.  52—53.  Drumann,  Gesch.  Roms  I, 
461—467.  Pauly's  Real-Enc.  I,  1,  2.  Aufl.  S.  1178.  Gardthausen  I, 
1,  331  ff.  II,  1,  165  ff.    Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  I,  2608).  1 

Aus  dieser  und  der  nächstfolgenden  Zeit  (bis  zur  Schlacht  bei 
Actium)  sind  uns  noch  zwei  Statthalter  von  Sj'rien  bekannt. 

L.  Munacius  Plancus  35. 
Im  J.  35  [coss.  L.  Cornificiits  und  Sext.  Pompejus,  Dio  Cass. 
XLIX,  18)  wurde  Sextus  Pomp  ejus,  der  von  Octavian  besiegt 
nach  Klein-Asien  geflohen  war,  daselbst  getödtet.  Appian.  Civ.  Y, 
144  erwähnt,  es  sei  ungewiss,  ob  den  Befehl  dazu  Antonius  selbst 
oder  Plancus,  der  Statthalter  von  Syrien,  gegeben  habe  {slol  ^  di 
nXayxov,  ovx  Avtcovlov  XtyovOiv  tJtiaxBlXai,  agxovra  ^vQtag).  Wir 
sehen  aus  dieser  gelegentlichen  Notiz,  dass  damals  L.  Munacius 
Plancus  Statthalter  von  Syrien  war.  Er  gehörte  zu  den  ver- 
trautesten Freunden  des  Antonius,  ging  aber  noch  vor  Ausbruch 
des  Krieges  zwischen  Octavian  und  Antonius  im  J.  32  zu  ersterem 
über  (Dio  Cass.  L,  3).  —  Vgl.  über  ihn  überhaupt:  Drumann,  Gesch. 
Roms  IV,  207—213.  Pauly's  Real-Enc.  V,  204—208.  Borghesi, 
Oeuvres  II,  83  ff.    Prosopogr.  imperii  Romani  II,  390  —  392. 

L.  Calpurnius  Bihulus  32.  31? 
Appian.  Civ,  IV,  38  erwähnt  unter  den  Proscribirten,  die  sich 
später  mit  Antonius  und  Octavian  aussöhnten,  gelegentlich  auch 
den  L.  Bibulus:  „Bibulus  aber  versöhnte  sich  [mit  Antonius  und 
Octavian]  zur  selben  Zeit  wie  Messala  und  leistete  dem  Antonius 
als  Schiffsbefehlshaber  Dienste  und  überbrachte  oft  dem  Antonius 
und  Octavian  gegenseitig  Friedensverträge  und  wurde  von  An- 
tonius zum  Statthalter  von  Syrien  ernannt  und  starb, 
während  er  noch  Statthalter  war"^^).  Da  Bibulus  hiernach 
als  Statthalter  von  Sj'rien  starb,  nach  dem  Zeugniss  seiner  Münzen 
aber  mindestens  im  J.  33  noch  gelebt  hat  (Drumann  II,  106),  so 


18)  BlßovXoq  6h  ianslaazo  afxa  toJ  Msaadka,  xat  evavtxQxtiosv  jIvtwvIw, 
SiaXXayäg  re  noXXdxiq  'Avrwvüo  xal  KalauQi  ig  d).Xi]Xovq  inoQd^fisvae,  xal 
oxQazTjyoq  dneSsix^^  Sv^iag  in  livrcoviov,  xal  azQartjywv  szi 
avT^g  UTif&avev. 


316  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [254. 255] 

setzen  Xoris,  Cenot.  Pis.  p.  286,  Schöpflin  p.  Vll  und  Andere  mit 
Recht  diese  Statthalterschaft  in  die  Zeit  des  Krieges  zwischen 
Antonius  und  Octavian.  Tgl.  auch  Drumaun  II,  105  f.  Borghesi, 
Oeuires  II,  92  tf.  Lewin,  Fasti  sac?7  n.  581.  Ganter,  Die  Proviuzial- 
verwaltung  der  Triumvirn,  1892,  S.  43  f.  Pauly-Wissowa's  Eeal- 
Enc.  III,  1367  f.  Die  Münzen  bei  Babelon,  Monnaies  de  la  repuhlique 
romaine  t.  I,  1885,  p.  304  sq. 

Antonius  war  mittlerweile  immer  mehr  der  Sklave  von 
Kleopatra's  Launen  geworden.  Er  hatte  sich  sogar  bestimmen 
lassen,  ihr  und  ihren  Kindern  römisches  Gebiet  zu  schenken.  So 
erhielt  Kleopatra  Cölesyrien  oder,  wie  Dio  Cassius  statt  dessen 
sagt,  einen  gi'ossen  Theil  des  Landes  der  Ituraeer,  deren  König 
Lysanias  getödtet  wurde,  ferner  Phönicien  bis  zum  Eleutherus 
mit  Ausnahme  von  Tyrus  und  Sidon,  Stücke  von  Judäa  und 
Arabien,  welche  deren  Königen  Herodes  und  Malchus  abgenommen 
wurden  |  {Joseph.  Antt  XY,  3,  8.  4,  1—2.  Bell.  Jud.  I,  18,  5.  Dio  Cass. 
XLIX,  32.  Plutarch.  Anton.  36;  über  die  Zeit  dieser  Schenkungen 
s.  unten  §  15).  Kleopatra s  Sohn  Ptolemäus,  den  sie  dem  Antonius 
geboren  hatte,  erhielt  etwas  später  Syrien  bis  zum  Euphrat  und 
Phönicien,  während  Cölesyrien  seiner  Mutter  verblieb  (so  Plutarch. 
Anton.  54,  vgl.  Dio  Cass.  XLIX,  41).  S.  überhaupt:  Mommsen,  Res 
yestae  divi  Augusii  2.  Aufl./).  118.  Gardthausen,  Augustus  und  seine 
Zeit  I,  1,  336  f  II,  1,  168  f  Kromayer,  Hermes  29,  1894,  S.  571 
bis  585.  —  Diese  Schenkungen  wurden  freilich  vom  Senate  nicht 
bestätigt  {Dio  Cass.  XLIX,  41).  Und  die  Herrlichkeit  des  Antonius 
ging  jetzt  bald  zu  Ende.  Nach  dem  letzten  armenischen  Feldzug 
v.  J.  33  ging  er  nach  Griechenland.  Während  er  dort  war,  kam 
im  J.  32  der  Krieg  zwisclien  ihm  und  Octavian  zum  Ausbruch, 
und  schon  im  folgenden  Jahre  wurde  durch  die  Schlacht  bei  Actium 
(2.  Septbr.  31)  der  Herrschaft  des  Antonius  für  immer  ein  Ende 
gemacht 

II.  Die  Kaiserzeit. 
30  V.  Chr.  —  70  n.  Chr. 

1.  Octavian  US  Augustus  (30  vor  bis  19.  Aug.   14  nach  Chr). 

Q.  DidiuB  30  V.  Chr. 
Nach  der  Schlacht  bei  Actium  floh  Antonius  nach  Aegypten. 
Octavian  folgte  ihm,  musste  aber  wegen  vorgerückter  Jalireszeit 
in  Samos  überwintern  {Sucton.  Atiy.  17).  Erst  im  .1.  30  zog  er  auf 
dem  Landwege  durch  Asien  und  Syrien  [Asiae  Syriaeque  drcuitu 
Aefjyptum  petit,  Suetm.  Aug.  17)  nacli  Aegypten,  wo  es  am  1.  Aug. 
d.  J.  30  vor  den  Tlion-n  Alcxjindrin's  nocli  cinninl  zu  einem  Treifen 


[255. 256]  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  317 

kam,  in  welchem  Antonius  geschlagen  wurde,  während  gleichzeitig 
seine  Flotte  zu  Octavian  überging.  Infolge  dessen  gaben  Antonius 
und  Kleopatra  sich  selbst  den  Tod;  und  Octavian  war  nunmehr 
unumschränkter  Gebieter  im  römischen  Reiche  {Dio  Cass.  LI,  1 — 14. 
Phitarch.  Anton.  69—80.  Vgl.  Clinton  ad  ann.  30.  Fischer,  Zeit- 
tafeln S.  370  f.). 

In  dieser  Zeit,  zwischen  der  Schlacht  bei  Actium  und  dem  Tode 
des  Antonius  (Septbr.  31  —  Aug.  30),  wird  ein  Q.  Didius  als  Statt- 
halter von  Syrien  erwähnt,  der  die  arabischen  Stämme  aufreizte, 
die  Schiffe,  welche  für  Antonius  im  arabischen  Meerbusen  erbaut 
worden  waren,  zu  verbrennen;  und  die  Gladiatoren,  welche  von 
Kyzikus  aus  dem  Antonius  zu  Hülfe  eilen  wollten,  am  Durchzug 
nach  Aegypten  verhinderte,  wobei  auch  der  König  Herodes  ihm 
Hülfe  leistete  {Dio  Cass.  LI,  7.  Joseph.  Antt.  XV,  6,  7).  —  Es  scheint, 
dass  dieser  Didius  noch  von  Antonius  eingesetzt  worden  war,  aber 
nach  der  Schlacht  bei  Actium,  als  er  sah,  dass  die  Sache  des 
Antonius  verloren  war,  die  Partei  des  Octavianus  ergriff  ^3).  | 

Gegen  Ende  des  Jahres  30  kam  Octavian  auf  der  Rückkehr 
aus  Aegypten  wiederum  nach  Syrien  und  ordnete  wohl  jetzt  erst 
die  Verhältnisse  daselbst  {Dio  \Cass.  LI,  18.  Den  Winter  30/29 
brachte  Octavian  in  Asien  zu). 

M.  Messalla  Corvinus  29. 
Jene  Gladiatoren,  welche  Didius  am  Zug  nach  Aegypten  ver- 
hindert hatte,  wurden  von  Messalla  (d.  h.  M.  Messalla  Cor- 
vinus, dem  Cons.  d.  J.  31)  nach  verschiedenen  Orten  hin  vertheilt 
und  gelegentlich  getödtet  {Dio  Cass.  LI,  7).  Messalla  muss  also  nach 
Didius  Statthalter  von  Syrien  gewesen  sein.  Wegen  Appian.  Civ.  IV, 
38  meint  Ganter  (Die  Provinzialverwaltuug  der  Triumvirn  S.  44), 
dass  Messalla's  Verwaltung  von  Syrien  erst  nach  seiner  gallischen 
Statthalterschaft  (28—27)  fallen  könne,  weil  nämlich  Appian  dort 
nach  Messalla's  Theilnahme  an  der  Schlacht  bei  Actium  zunächst 
seine  Sendung  nach  Gallien  erwähnt.  Aber  dies  schliesst  nicht 
aus,  dass  seine  Verwaltung  von  Syrien  dazwischen  fällt.  \'gl.  über 
ihn  überh.  Prosopogr.  imperii  Jlomani  III,  363 — 368. 

M.  Tullius  Cicero  28? 
Aus  A^ypian.  Civ.  IV,  51  wissen  wir,  dass  M.  Tullius  Cicero 
(der  Sohn  des  Redners),  nachdem  er  im  J.  30  das  Consulat  bekleidet 


19)  Diese  Vermuthung  wird  von  Ganter  (Die  Provinzialverwaltung  der 
Triumvirn  S.  44)  abgelehnt.  Sie  ergiebt  sich  aber  als  wahrscheinlich  aus  dem 
Umstände,  dass  Didius  schon  sehr  bald  nach  der  Schlacht  bei  Actium  als 
Herr  von  Syrien  erscheint. 


318  üebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.         [256] 

hatte,  auch  Statthalter  von  Syrien  gewesen  ist.  Allein  über  die 
Zeit  seiner  Verwaltung  ist  nichts  Sicheres  bekannt.  Schöpflin  2h  478 
und  Zumpt  II,  74  s$.,  lassen  ihn  unmittelbar  auf  Messalla  folgen. 
Mommsen  war  früher  geneigt,  ihn  erst  in  die  Zeit  nach  dem  J.  741 
a.  U.  =  13  V.  Chr.  zu  setzen  {Res  gestae  divi  Augusti  l.Aufl.  S.  114  f), 
lässt  aber  jetzt  die  Zeit  seiner  Statthalterschaft  unbestimmt  {ibid, 
2.  Aufl.  S.  165).  Die  Worte  Appian's  sind  der  Ansicht  Schöpflin's 
und  Zumpt's  mindestens  günstig-^).  Die  Inschrift,  auf  welcher 
Cicero  als  Statthalter  von  Syrien  erwähnt  wird  {Oi'elli  Inscr.  laL 
n.  572),  gilt  jetzt  für  unecht  (Corj).  Inscr.  LaL  t  X,  falsae  n.  704*, 
Mommsen,  Res  gestae  Aug.p.  165  not).  —  Vgl.  überhaupt  Drumann  VI, 
711—719.  Pauly's  Eeal-Enc.  VI,  2,  2232ff.  Prosopogr.  imperü  Romani 
III,  338—340. 

Im  J.  27  fand  die  bekannte  Theilung  der  Provinzen 
zwischen  Augustus  und  dem  Senate  statt.  Augustus  hatte 
nämlich  bis  dahin  alle  Provinzen  durch  seine  Legaten  verwaltet. 
Nun  aber  gab  er  einen  Theil  derselben  an  den  Senat  zurück,  indem 
er  nur  die  wichtigeren,  namentlich  diejenigen,  deren  Behauptung 
noch  schwierig  war,  für  sich  behielt.  Unter  den  letzteren  befand 
sich  auch  Syrien,  das  an  und  für  sich  eine  der  wichtigsten  Pro- 
vinzen war  und  wegen  der  steten  Bedrohung  seiner  Ostgrenze  eines 
starken  militärischen  Schutzes  nicht  entbehren  konnte^').  | 


20)  ^Enl  «J*  ixelvoig  avxov  o  Kalaag,  iq  dnoXoylav  tfjq  Kix^Qcavog  ixSSaecog, 
lep^a  re  evd-vg  an^cpTjvs  xal  vnarov  ov  TtoXv  votsqov  xal  HvQi'ag  arQccTTjyov.  — 
Es  lag  dem  Augustus  daran,  das  dem  Vater  zugefügte  Unrecht  an  dem  Sohne 
möglichst  bald  und  gründlich  wieder  gut  zu  machen.  Er  wird  ihm  also  bald 
nach  dem  Consulat,  nicht  erst  17  oder  mehr  Jahre  nachher,  die  Provinz  über- 
tragen haben. 

21)  Vgl.  Ober  diese  Theilung  der  Provinzen  bes.  Dio  Cass.  LIII,  12;  auch 
Strabo  XVII,  ;>.  840.  Sueton.  Awj.  47.  —  Die  näheren  Bestimmungen, 
welche  Augustus  über  die  Verwaltung  der  Provinzen  tlicils  jetzt,  theils 
später  (nach  Fischer,  Rom.  Zeittafeln  S.  380,  bezüglich  der  westlichen  Provinzen 
in  den  Jahren  27—24,  bezüglich  der  östlichen  in  den  Jahren  22—19)  traf,  sind 
im  Wesentlichen  folgende  (h.  bes.  l>io  Cass.  LIII,  13—15.  Marquardt,  llü- 
miscbe  Staatsverwaltung  Bd.  I,  2.  Aufl.  1881,  S.  543-r)57;  luuh  Mommsen,. 
Kömische«  Staatsrecht  1.  Aufl.  II,  1,  217-240,  vgl.  I,  303-308); 

a.  Für  die  senatoriHchcn  Provinzen.  Sic  zerflelon  in  zwei  Classen, 
in  solche,  welche  von  gewesenen  Consu In,  und  soh-hc,  wcldic  von  gewesenen 
Pr&to reo  verwaltet  wurden.  ConsulariHch  waren  nur  Afrika  und  Asien, 
alle  flbrigen  waren  prätorisch.  —  Alle  Statthalter  wurden,  je  auf  ein  Jalir, 
durch's  Loos  gewfthlt;  jedoch  rauHsten,  wie  es  die;  lex  Pompcja  vom  J.  52  be- 
■timmt  hatte,  «wischen  der  Verwaltung  des  Mtädtischen  Amtes  und  dem  Abgang 
in  die  Provinz  mindestens  fünf  Jahre  in  der  Mitte  liegen;  häufig  war  die  Frist 
eine  Iftngcro.  Die  beiden  zunächst  berechtigt (ui  (y'onsuln  looKten  um  die  beiden 
consulariscben  Provinzen,  Afrika  «uid  Asien  idie  ruühstberechtigten  waren  nicht 


[257.  258]  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  319 

Varro  bis  23. 
Unmittelbar  vor  Agrippa  s  Sendung  nach  dem  Orient  (23  v.  Chr.) 
wird  ein  Varro  als  Statthalter  von  Syrien  erwähnt  {Joseph.  Äntt. 
XV,  10,  1.  Bell.  Jud.  I,  20,  4).  Ob  dies  einer  der  sonst  bekannten 
Varronen  war,  lässt  sich  nicht  bestimmen ;  ebensowenig,  wann  erj 
nach  Syrien  gekommen  ist.  —  Ztimpt,  Commentt.  epigr.  II,  75 — 78 
identificirt  unsern  Varro  mit  dem  von  Dio  Cass.  LIII,  25  und 
Strabo  IV,  6,  7  p.  205  erwähnten  Terentius  Varro,  der  im  J.  25 
als  Legat  des  Augustus  die  Salasser  (eine  Völkerschaft  in  Gallia 
Transpadand)  unterwarf  und,  wenigstens  nach  der  Vermuthung  von 
Zumpt,  im  J.  24  starb.  Zumpt  setzt  deshalb  seine  Verwaltung  von 
Syrien  in  die  Jahre  28 — 26  ^2).  Allein  aus  Josephus  geht  mit  Be- 
stimmtheit hervor,  dass  unser  Varro  noch  in  Syrien  war,  als  Augustus 


immer  die  ältesten,  s.  Zippel,  Die  Losung  der  konsularischen  Prokonsuln  in 
der  früheren  Kaiserzeit,  Königsberg,  Progr.  1883);  ähnlich  die  nächstberechtigten 
Prätoren  um  die  prätorischen  Provinzen  (sicheres  ist  jedoch  hierüber  nicht 
bekannt).  —  Die  Statthalter  sämmtlicher  senatorischen  Provinzen 
hiessen  proconsules,  gleichviel  ob  sie  gewesene  Consuln  oder  nur  gewesene 
Prätoren  waren;  doch  hatten  die  procotisules  Afrieae  et  Asiae  12  Lictoren,  die 
übrigen  deren  6.  —  Keiner  der  Statthalter  in  den  senatorischen  Provinzen 
hatte  ein  Heer  zur  Verfügung,  sondern  nur  ein  kleines  Commando,  soweit  es 
zur  Aufrechterhaltung  der  Ordnung  nöthig  war.  Eine  Ausnahme  machte  nur 
Afrika,  wo  eine  Legion  stand,  die  aber  später  dem  Legaten  von  Numidien 
übergeben  wurde. 

b.  Für  die  kaiserlichen  Provinzen.  Auch  sie  zerfielen  in  solche,  die 
von  gewesenen  Consuln,  und  solche,  die  von  gewesenen  Prätoren  verwaltet 
wurden,  wozu  dann  noch  einige  kamen,  die  von  blossen  Rittern  verwaltet 
wurden.  —  Alle  Statthalter  wurden  selbstverständlich  vom  Kaiser  ernannt,  von 
dessen  Ermessen  allein  es  auch  abhing,  wie  lange  sie  ihr  Amt  behielten.  — 
Sowohl  die  Statthalter  der  consularischen,  als  die  derprätorischen 
Provinzen  (zu  den  ersteren  gehörte  Syrien)  hiessen  legati  Augusti  pro 
praetore  {Dio  Cass.  LIII,  13:  rovg  äe  extQOvq  vnö  re  havxov  alQSIa&at  xal 
TCQeaßevxäq  avxov  dvxiaxQaxriyovq  xs  6vofiät,£a&ai,  xav  ix  xdiv  vnaxsv- 
x6x<üv  wat,  öiexa^e.  Auf  Inschriften:  LEG  •  AVG  •  PR  •  PR  •  lieber  spätere 
Abweichungen  von  dieser  Regel  s.  Waddington,  Inscriptions  de  la  Syrie,  Er- 
läuterungen zu  n.  2212  und  2602)  und  hatten  sämmtlich  fünf  Lictoren  (nicht 
sechs,  wie  man  früher  auf  Grund  einer  falschen  Lesart  bei  Dio  Cassius  meinte, 
s.  dagegen  Mommsen,  Staatsrecht  I,  308,  Marquardt,  Staatsverwaltung  I, 
550).  —  Im  Unterschiede  von  den  Statthaltern  der  senatorischen  Provinzen 
hatten  sie,  als  Zeichen  der  militärischen  Gewalt,  das  paludamentum  und  zogen 
cum  gladio  aus. 

22)  In  die  hierdurch  entstehende  Lücke  zwischen'jVarro  und  Agrippa  setzt 
Zumpt  den  C.  Sentius  Saturninus.  Da  nämlich  Z.  die  tiburtinische  In- 
schrift (s.  unten  bei  Quirinius)  auf  Saturninus  bezieht,  nimmt  er  für  diesen  eine 
zweimalige  Statthalterschaft  in  Syrien  an,  wovon  eben  die  erste  in  die  Jahre 
26 — 28  fallen  soll.  —  Sämmtlichen  Combinationen  Zumpt's  ist  Wandel  bei- 
getreten (^Theol.  Stud.  und  Krit.  1892,  S.  109—115). 


320  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [258. 259] 

dem  Herodes  die  Landschaft  Trachonitis  schenkte-^),  was  Zumpt 
mit  Recht  iu  das  Ende  des  Jahres  24  oder  Anfang  23  verlegt. 
Damals  muss  also  Varro  noch  in  Syrien  gewesen  sein,  weshalb 
er  mit  jenem  nicht  identisch  sein  kann.  —  Andererseits  ist  auch 
die  Ansicht  Mommsen's  {Res  gest.  7;.  165  sq.)  unwahrscheinlich, 
dass  Varro  ein  Legat  des  Agrippa  gewesen  sei.  Denn  Josephus 
setzt  den  Varro  in  die  Zeit,  ehe  Agrippa  nach  dem  Orient  ge- 
sandt wurde. 

M.  Agrippa  23 — 13. 
Im  J.  23  schickte  Augustus  den  M.  Agrippa,  seineu  ver- 
trauten Freund  und  Rathgeber  —  der  bald  darauf  im  J.  21  auch 
sein  Schwiegersohn  wurde  —  nach  Syrien  {Dio  Cass.  LIII,  32). 
Josephus  bezeichnet  ihn  als  den  „Stellvertreter  des  Cäsar 
in  dem  Gebiete  jenseits  des  jonischen  Meeres"  (Äntt.  XV, 
10,  2:  rmv  jisgav  'loviov  öidöoxog  Kaioagi).  Er  hatte  also  jeden- 
falls sehr  ausgedehnte  Vollmachten;  mehr,  als  ein  gewöhnlicher 
legatus  Caesaris.  Nach  Joseph.  Antt.  XVI,  3,  3  hatte  er  diese  Stellung 
(die  öiolxrjoig  rcöv  sjtl  T?jq  ^Aaiaq)  zehn  Jahre  lang,  also  bis 
zum  J.  13  V.  Chr.  —  Agi'ippa  ging  freilich  im  J.  23  gar  nicht 
nach  Syrien,  sondern  verweilte  vom  J.  23—21  in  Mytilene  auf  der 
Insel  Lesbos  und  kehrte  dann  nach  Rom  zurück  {Dio  Cass.  LIII,  32. 
LIV,  6.  Sueton.  Aug.  66.  Vgl.  Joseph.  Antt.  XV,  10,  2.  Fischer, 
Rom.  Zeittafeln  S.  388.  392).  Dann  war  er  vier  Jahre  lang  im 
Abendlande  thätig  und  kam  erst  im  J.  17  oder  16  wieder  in  den 
Orient,  wo  er  bis  zum  J.  13  verblieb  {Dio  Cass.  LIV,  19.  24.  28. 
Joseph.  Antt.  XVI,  2,  1—3,  3  fin.  Fischer,  Zeittafeln  S.  402— 408)  •-^^). 
Er  war  also  während  der  10  Jahre  keineswegs  innner  im  Orient,  | 
geschweige  denn  in  Syrien.  Allein  da  —  mit  Mommsen  zu  reden  — 
Agrippa's  Stellung  zu  Augustus  mehr  die  eines  cnllega  minor,  als 
die  eines  adjutor  war  {Res  gest.  p.  164),  so  konnte  er  seine  Amts- 
gewalt wohl  auch  in  absentia  durch  Legaten  ausüben,  wie  er  denn 
in  der  That  gleich  im  J.  23  von  Lesbos  aus  seine  Legaten  {rovg 


23)  AugusttiH  befahl  dem  Varro,  die  Räuberbanden  in  Trachonitis  zu  ver- 
nichten, und  Hchenkte  gh'ichzeitig  die  LiiiidHchaf't  dem  Herodes.  Vgl.  bes. 
Antt.  XV,  lU,  1 :  KalauQ  öh  dvtvtx^kvimv  zovzwv  dvikyQatfiv  i^tketv  t«  XyotTj- 
(fta,  z^v  öh  yatqav  'Hgipdg  nQoahtifJLtv. 

24;  im  Juni  d.  J.  17  war  Agrippa  bei  der  Feier  der  tudi  meculurcs  noch 
in  Ilom  {Ephemerin  epii/raphica  VIII,  2,  1892,  p.  225—274).  Dagegen  ist  es 
niciit  richtig,  dass  Agrippa  noch  bei  der  Feier  der  actiuclien  Spiele  im  Herbst 
lö  in  Il<)m  gowosen  »ei  (Oardthausen ,  Augustus  II,  2,  485).  Nadi  l>io  Casx. 
LIV,  19  fin.  bentritt  Agrippa  nur  die  Kosten.  Im  Vorhcrj^clu'iidcii  wird  g(>- 
imde  getagt,  dMs  Augustus  ihn  sclioti  nucii  Syrien  gesandt  liuiic  \z6v  zeyug 
*Ay(flnnttv  ig  tfjv  Xvflav  ttv&iq  ioxd).xti). 


[259]         Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  32 1 

vjioöTQaxriyovq  Bio  Cass.  LIII,  32)  nach  Syrien  sandte.  Er  ist  also 
für  diese  Zeit,  mindestens  für  die  Jahre  23—21  und  17—13,  als 
Statthalter  von  Syrien  zu  betrachten  ^s). 

Indie  Jahre 21—19  v.  Chr.  fällt  der  zweijährige  Aufenthalt 
des  Augustus  im  Orient  {Dio  Cass.  LIV,  7 — 10.  Fischer,  Zeit- 
tafeln S.  392-396.    Vgl.  Joseph.  Äntt.  XV,  10,  3.    Bell.  Jud.  I,  20,  4). 

M.  Titius,  um  10  v.  Chr. 
Um  die  Zeit,  als  Herodes  zum  drittenmal  nach  Rom  reiste 
(wahrscheinlich  im  J.  10  v.  Chr.,  s.  unten  §  15  die  Chronologie 
des  Herodes),  wird  als  Statthalter  von  Syrien  M.  Titius  erwähnt 
(Joseph.  Äntt.  XVI,  8,  6).  Er  war  Cousul  im  J.  31  V.  Chr.  —  Näheres 
über  die  Zeit  seiner  Verwaltung  lässt  sich  nicht  festsetzen.  Vgl. 
über  ihn  auch  Strdbo  XVI,  1,  2%  p.  748,  Mommsen,  Res  gest.  div. 
Äug.  p.  166,  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2,  2011  f.  Prosop.  imp.  Rom.  III, 
328  sq. 

C.  Sentius  Saturninus  9 — 6. 
Auf  Titius  folgte  Sentius  Saturninus  {Josejjh.  XVI,  9,  1),  der 
im  J.  19  das  Consulat  bekleidet  hatte.  Josephus  nennt  neben  ihm 
noch  den  Volumnius  als  KaiouQog  7]ysficov.  Aber  letzterer  muss 
dem  ersteren  untergeordnet  gewesen  sein,  da  der  Oberbefehl  in 
einer  Provinz  stets  in  einer  Hand  war.  Sentius  Saturninus  wird 
noch  erwähnt  Jos.  Äntt.  XVI,  10,  8.  11,  3.  XVII,  1,  1.  2,  1.  3,  2. 
—  In  die  Zeit  seiner  Amtsführung  setzt  TertuUian  den  Census, 
wälirend  dessen  Christus  geboren  wurde,  TertuUian.  adversus  Mardon. 
W,  19:  sed  et  census  constat  actos  sub  Äugusto  nunc  in  Judaea  per 
Sentium  Saturninum,  apud  quos  genus  ejus  inquirere  potuissent.  Die 
Notiz  ist  mit  der  Darstellung  des  Josephus  unvereinbar  und  sicher 
irrig.  Vertheidigt  wird  sie  von  Wandel,  Der  römische  Statthalter 
C.  Sentius  Saturninus  (Theol.  Stud.  und  Krit.  1892,  S.  105—143). 
Vgl.  auch  dessen  Bemerkungen  in:  Neue  kirchl.  Zeitschr.  1892, 
S.732— 735.  —  Ueber  Sentius  Saturninus  überh.:  Prosopogr.imp.  Rom. 
III,  199  s?. 


25)  Mommsen  (Res  gestae  p.  163—165)  hält  die  im  Obigen  wiederge- 
gebene Darstellung  des  Josephus  insofern  für  ungenau,  als  Agrippa  für  das 
ganze  Reich  eine  Art  von  Mitregentschaft  besessen  habe,  für  den  Occident 
nicht  weniger  als  für  den  Orient.  Doch  erkennt  auch  Mommsen  an,  dass 
Agrippa  diese  Mitregentschaft  im  Auftrag  des  Kaisers  und  an  Stelle  kaiser- 
licher Legaten  bald  im  Orient,  bald  im  Occident  ausgeübt  habe.  Insofern  sei 
die  Darstellung  des  Josephus  nicht  ganz  unberechtigt  [aliquatenus  excusatiir). 
—  Vgl.  über  Agrippa  überh.  auch  Dessau,  Prosopographia  imperii  Romani 
III,  439  sqq. 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  n.  4,  Aufl.  21 


322  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [259. 260] 

P.  Quintilius  Varus  6 — 4  V.  Chr. 
Der  unmittelbare  Nachfolger  des  Saturninus  war  Quintilius 
Yarus  {Joseph.  Antt.  XYII,  5,  2),  Consul  im  J.  13  v.  Chr.,  derselbe, 
der  später  den  unglücklichen  Feldzug  gegen  Deutschland  unternahm. 
Durch  das  Zeugniss  von  Münzen  (bei  Eckhel,  Doctr.  Num.  vet.  III, 
275,  Mionnet  Y,  156,  Mtisei  Sanclementiani  Numismata  selcda  Pars  II, 
1809  lih,  lY  p.  71  sq.  Leake,  Numismata  Hellenica,  1854,  Äsiatic  Greece, 
p.  15,  143,  Catalogue  of  the  greek  coins  in  the  British  Museum,  Galatia^ 
Cappadocia  and  Syi'ia  1899,  p.  158  sq)  steht  fest,  dass  Yarus  in  den 
Jahren  25,  26,  27  der  aera  Actiaca  Statthalter  von  Syrien  war.  Das 
25.  Jahr  der  actischen  Aera  geht  —  da  dieselbe  mit  dem  2.  Septbr. 
31  beginnt  —  vom  Herbst  7  bis  Herbst  6  v.  Chr. ^ß).  Yarus  muss 
also  vor, Herbst  6  v.  Chr.  nach  Syrien  gekommen  sein.  Er  blieb 
aber  daselbst  bis  nach  dem  Tode  des  Herodes  {Joseph.  Antt.  XYII, 
9,  3.  10,  1.  10,  9.  11,  1)  d.  h.  bis  in  den  Sommer  des  Jahres  4  v.  Chr. 
oder  länger.  Ueber  seine  Amtsführung  in  Syrien  sagt  Vellejus  II, 
117,  2:  Varus  .  .  .  pecuniae  vero  quam  non  coniemptor,  Syria  cuiprae- 
fuerat  declaravit,  quam  pauper  divitem  ingressus  dives  pauperem  reliquit. 
Ygl.  über  ihn  auch  Mommsen,  Pes  gestae  p.  166.  Prosopogr.  imp. 
Pom.  III,  118—120. 

P.  Sulpieius  Quirinius  3—2  V.  Chr.(?). 
Aus  den  Jahren  3 — 2  v.  Chr.  ist  uns  kein  Statthalter  von  Syrien 
direct  bezeugt.  Es  lässt  sich  aber  durch  Combination,  auf  Grund 
einer  Stelle  des  Tacitus,  ziemlich  wahrscheinlich  machen,  dass  um 
diese  Zeit  P.  Sulpieius  Quirinius  (Consul  im  J.  12  v.  Chr.)  Statt- 
halter von  Syrien  war.  Tacitus  gedenkt  nämlich  Annal.  III,  48  des 
Todes  des  Quirinius  im  J.  21  n.  Chr.  {coss.  Tiber.  lY,  Di-us.  II) 
und  giebt  bei  dieser  Gelegenheit  folgenden  Bericht  über  ihn :  Con- 
sulatum  8ub  dito  Augu^to,  mox  expugnatis  per  Ciliciam  Ilomonadensium 
caateUis  insignia  triumjM  adeptus,  datusque  rector  Oaio  Caesari  Armeniam 
optinenti'^'').  Des  Krieges  gegen  die  Homonadenser  gedenkt  auch 
Strabo  XII,  6,  5  p.  569  mit  folgenden  Worten:  'Exelvovg  öh  {rovg 
'Ofiovadiag)  KvQlviog  lS,BJt6QihrjO£  Xifim  xaX  rer QaxioxiXlovg  avÖQag 
i^ooyQT/ce  xal  cvvcpxioev  elg  rag  lyyvg  JtoXeig,  trjv  6h  x^Q^^  ajriXi3tBv 
iQtlfiov  rmv  Iv  dxft(].    Quirinius  besiegte  also  (;iiist  die  Honiona- 

20)  Ueber  den  Gebrauch  der  actiHchcii  Aera  in  den  syriHclicn  Städten  vgl. 
auch  Kaestner,  De  aeria  quae  ab  imperio  Caeaaria  Ootavtani  constäuto  ini- 
tium  fluxerint.  Dü$.  Lip*.  1800.  üeber  ihren  Gebrauch  in  Phönicien:  Gler- 
mottl-Oanneau,  lieeueü  tPareMologie  Orientale  II,  1808,  />.  207—299. 

27)  Die  folgenden  Worte  „!Piberium  —  colucrat"  sind  nach  MoniiuHoii, 
Jies  ge$t.  p.  174  $q.  nicht  mit  dem  Vorhergehenden,  sondern  mit  dem  Folgenden 
tu  verbinden. 


260.  261]  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  325 

denser,  wofür  ihm  die  Ehrenzeichen  des  Triumphes  zuerkannt 
wurden,  und  zwar  geschah  dies  nach  seinem  Consulate  (12  v.  Chr.), 
aber  noch  ehe  er  dem  C.  Cäsar  bei  dessen  Aufenthalt  in  Armenien 
als  Rathgeber  beigegeben  wurde  (3  nach  Chr.,  s.  Fischer,  Rom.  Zeit- 
tafeln S.  430).  Nun  konnte  aber  ein  Krieg  immer  nur  von  dem 
Statthalter  derjenigen  Provinz  geführt  werden,  in  welcher  oder 
von  welcher  aus  der  Krieg  zu  führen  war.  Quirinius  muss  also 
damals  Statthalter  derjenigen  Provinz  gewesen  sein,  zu  welcher 
die  Homonadenser  gehörten  oder  von  welcher  aus  der  Krieg  gegen 
sie  zu  führen  war.  Da  die  Homonadenser  im  Taurusgebirge  wohnten, 
könnte  man  an  die  Provinzen  Asien,  Pamphylien,  Galatien, 
Cilicien,  Syrien  denken.  Hie  von  kommen  aber  die  di-ei  ersten 
sofort  in  Wegfall,  da  sie  keine  Legionen  hatten,  mithin  die  Statt- 
halter derselben  überhaupt  keinen  Krieg  führen  konnten  ■^^).  Cilicien 
aber  war  in  jener  Zeit  wahrscheinlich  (nach  dem  übereinstimmenden 
Urtheile  von  Zwnpt,  Cotnmentt.  epigr.  II,  95 — 98,  Geburtsjahr  Christi 
S.  57— 61,  I  Viüd  Mo7nmsen,  lies  gest.  p.  112  sq.]  bestritten  von  A.  Hilgen- 
feld,  Zeitschr.  f.  wissensch.  Theol.  1892,  S.  509.  1893,  1.  Bd.  S.  199  ff.) 
nur  ein  Theil  der  Provinz  Syrien,  jedenfalls  wie  auch  Pamphylien 
und  Galatien,  keine  consularische  Provinz,  während  Quirinius  den 
Krieg  gegen  die  Homonadenser  als  gewesener  Consul  geführt  hat 
(ein  gewesener  Consul  aber  wurde  nie  in  eine  prätorische,  d.  h. 
von  gewesenen  Prätoren  verwaltete  Provinz  gesandt).  Es  bleibt 
somit  nur  übrig,  dass  Quirinius  zur  Zeit  jenes  Krieges 
mit  den  Homonadensern  Statthalter  von  Syrien  war^^). 
Da  aber  diese  Statthalterschaft  in  die  Zeit  vor  dem  Jahre  3  nach 
Chr.  fällt  (nämlich  in  die  Zeit,  ehe  er  dem  C.  Cäsar  in  Armenien 
als  Rathgeber  beigegeben  wurde),  so  kann  sie  nicht  identisch  sein 
mit  der  von  Josephus  erwähnten  vom  J.  6  nach  Chr.  (s.  unten). 
Es  bleibt  vielmehr  für  dieselbe  nur  der  Zwischenraum  zwischen 
Varus  und  C.  Cäsar,  also  die  Jahre  3—2  vor  Chr.,  übrig ^o). 


28)  Vgl.  in  Betreff  Asiens  auch  Joseph.  B.  J.  II,  16,  4  {ed.  Niese  §  366). 

29)  In  welchem  Verhältniss  zu  den  Römern  die  Homonadenser  vor  ihrer 
Unterwerfting  durch  Quirinius  gestanden  haben,  ist  schwer  zu  entscheiden  und 
für  unsere  Frage  ohne  Belang.  Wahrscheinlich  standen  sie  schon  vor  jener  Zeit 
unter  der  Oberaufsicht  des  Statthalters  von  Cilicien  resp.  Syrien  (sofern  jenes 
mit  diesem  vereinigt  war).  Aber  auch  wenn  dies  nicht  der  Fall  war,  so  hat 
doch  Quirinius  von  Syrien  aus  und  als  dessen  Statthalter  den  Krieg  gegen 
sie  geführt. 

30)  In  die  Zeit  zwischen  Agrippa  und  Titius  (wenn  überhaupt  zwischen 
beiden  eine  Lücke  ist)  kann  sie  deshalb  nicht  wohl  fallen,  weil  wenigstens  in 
der  Regel  auch  die  kaiserlichen  Provinzen  erst  geraume  Zeit  nach  Verwaltung 
des  städtischen  Amtes  (also  hier  des  Consulates)  ertheilt  wurden. 

21* 


324  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [261. 262] 

Auf  diese  Combination  (in  welcher  Zumpt,  Commentt.  epigr.  II, 
90—98,  Geburtsjahr  Christi  S.  43 — 62,  und  Mommsen,  Bes  gest.  div. 
Äug.  p.  172  sq.  vollkommen  übereinstimmen)  ist  allein  die  Annahme 
einer  früheren  Statthalterschaft  des  Quirinius,  vor  der  von  Josephus 
erwähnten  vom  J.  6  n.  Chr.,  zu  gründen.  Denn  die  Inschrift, 
welche  man  in  dieser  Frage  beizuziehen  pflegt,  kann  hiefür  nichts 
beweisen.  Sie  beweist  zwar,  dass  der  Betreffende,  dem  sie  gilt, 
zweimal  Statthalter  von  Syrien  war  3').  Ob  sie  aber  auf  Quirinius 
zu  beziehen  ist,  ist  eben  die  Frage,  da  der  Name  auf  der  Inschrift 
nicht  erhalten  ist.  Der  Hauptgrund,  weshalb  Mommsen  und 
Andere  sie  auf  Quirinius  beziehen,  ist  eben  der,  dass  sie  die  dop- 
pelte Statthalterschaft  des  Quirinius  aus  anderweitigen  Quellen 
(Tacitus  und  Josephus)  für  erwiesen  halten.  Es  |  ist  also  nicht  die 
Annahme  einer  doppelten  Statthalterschaft  des  Quirinius  auf  die 
Inschrift  zu  stützen,  sondern  umgekehrt  die  Beziehung  der  Inschrift 
auf  Quirinius  auf  den  anderweitig  erbrachten  Nachweis  seiner 
doppelten  Statthalterschaft  =^2) 


31)  Doch  ist  selbst  dies  bezweifelt  worden.  S.  Strauss,  Die  Halben  und 
•die  Ganzen  S.  75f.  Wieseler,  Beiträge  zur  richtigen  Würdigung  der  Ew. 
S.  41  f.  Rud.  Hilgenfeld,  Zeitschr.  für  wissenschaftl.  Theologie  1880,  S.  98—114. 
A.  Hilgenfeld  ebendas.  1892,  S.  509  f.  1893,  1.  Bd.  S.  215  f.  Namentlich  die 
beiden  letzteren  suchen  zu  zeigen,  dass  das  iterum  nur  mit  leg.  pr.  pr.  divi 
Augusti  zu  verbinden  sei,  und  demnach  nur  besage,  dass  der  Betreflende,  als 
er  zum  zweitenmal  leyaius  Äugtisti  geworden  sei,  die  Verwaltung  von  Syrien 
«rlialten  habe.    S.  dagegen  Mommsen,  Res  gest.  p.  162. 

32)  Die  Inschrift  wurde  im  J.  1764  in  der  Nähe  von  Tibur  gefunden  und 
im  J.  1765  zum  erstenmale  bekannt  gemacht.  Bereits  Sanclemente  {Dr  vul- 
garis aerae  eviendatione  1793,  p.  414—426)  bezog  sie  auf  Quirinius;  nach  ihm 
Borghesi,  Henzen,  Nipperdey,  Bergmann,  Mommsen,  Gerlach, 
Liebenam,  Marucchi.  Dagegen  bezieht  Zumpt  {Comm.  ep.  11,  109 — 125, 
Geburtsjahr  Christi  S.  72—89)  dieselbe  auf  C.  Sentius  Saturninus.  Zumpt 
macht  gegen  Quirinius  hauptsächlich  geltend,  dass  er  Proconsnl  von  Afrika 
gewesen  sei  {Comm.  cp.  H,  115  sq.  Geburtsj.  80—83).  Mommsen  bestreitet 
dies  und  sucht  umgekehrt  nachzuweisen,  dass  Sentius  Siituniinus  Proconsul 
vou  Afrika  gewesen  sei  (Res  gest.  dir.  Aug.  p.  168.  170  s(].).  Jenes  würde  aller- 
dings gegen  Quirinius  entscheiden,  dieses  gegen  Saturninus,  da  nie  ein  und 
derselbe  Proconsul  von  Afrika  und  von  Asien  gewesen  sein  kann  (s.  o])en 
8.  318f.),  welch'  letzteres  der  auf  der  Inschrift  Genannte  war.  A.  Hilgenfeld 
<Z«it«chr.  f.  wissensch.  Theol.  1893,  1.  Bd.  8. 190-222)  hält  zwar  di(>  Beziehung 
der  Inschrift  auf  (Quirinius  auch  für  sehr  wahrscheinlich,  nimmt  aber  nicht 
«Ine  cwefmalige  Statthalterschaft  desselben  von  Syrien,  sondern  eine  Statt- 
haltenchAft  1)  von  Cilicien,  2)  von  Syrien  an  (vgl.  Anm.  31 1.  Wir  können 
dlMe  Fragen  hier  füglicii  m  suspenso  lassen,  geben  aber  der  Vollständigkeit 
halber  den  Text  der  Inschrift  (s.  denselben  auch  Corj),  Inscr.  Lat.  t.  XIV'  n. 
3013;  ein  schönes  Fn«Himilc  bei  Marucchi,  Art.  Ogrimis  in:  Vigouroux,  Dic- 
tionnaire  de  In  BUdr  II,  1187  f.)  mit  den  Ergänzungen  Mommsen's: 


[262.  263]  Uebersicht  über  die  Geßchichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  325 

C.  Caesar  1  vor  Chr.  —  4  nach  Chr.  (?). 

Im  J.  1  V.  Chr.  (753  a.  U.)  sandte  Augustus  seinen  erst  acht- 
zehnjährigen Enkel  C.  Cäsar  (den  Sohn  des  Agiüppa  und  der  Julia) 
nach  dem  Orient,  um  die  Parther  und  Armenier,  welche  die  römische 
Autorität  nicht  mehr  anerkennen  wollten,  wieder  zur  Unterwerfung 
zu  zwingen.  Cäsar  ging  zunächst  nach  Aegypten,  dann,  wahrschein- 
lich noch  vor  Ende  des  Jahres  1  v.  Chr.,  nach  Syrien  (ohne  Palä- 
stina zu  berühren,  Sueton.  Äug.  93).  Hier  blieb  er  wahrscheinlich 
während  des  Jahres  1  n.  Chr.,  und  ging  dann  erst  weiter  gegen 
die  Parther  (2  n.  Chr.)  und  Armenier  (3  n.  Chr.).  Nachdem  er  die 
Angelegenheiten  geordnet  hatte,  rief  ihn  Augustus  nach  Rom  zu- 
rück. Er  starb  aber  auf  der  Rückkehr  am  21.  Febr.  des  J.  4  nach 
Chr.  zu  Limyra  in  Lycien  {Zonaras  X,  36.  Dio  Cass.  LV,  10*  nebst 
dem  Auszug  des  XiphiUnus.  Vellejus  Paterculus  II,  101 — 102.  Tac. 
Ann.  I,  3.  Das  Datum  des  Todes  nach  dem  Cenotaphium  Pisanum, 
Corp.  Inscr.  Lat.  XI,  n.  1421.  Vgl.  Clinton  ad  ann.  1  a.  C.  —  Ap.  C. 
Fischer,  Rom.  Zeittafeln  S.  426—431.  Prosopographia  impeni  Romani 
II,  174  sq.).  —  Nach  Zonar.  X,  36  hatte  C.  Cäsar  proconsularische 
Gewalt  {Tr}v  tS,ovaiav  amm  t/jv  dp^vJiarop  töcoxEp);  nach  |  Orosius 
VII,  3  war  er  gesandt  ad  ordinandas  Aegypti  Syriaeque  provincias; 
nach  Sueton.  Tiber.  12  war  er  Orienti  praepositus.  Er  wird  also 
während  dieser  Zeit  auch  die  Verwaltung  von  Syrien  gehabt  haben. 
Vgl.  Mommsen  p.  165. 

Zumpt  (Geburtsjahr  Christi  S.  32—40)  bestreitet  dies  ent- 
schieden, indem  er  annimmt,  dass  neben  C.  Cäsar  ordnungsmässige 
legati  Auyusti  in  den  kaiserlichen  Provinzen  sich  befanden,  nur 
dass  Cäsar  selbstverständlich  überall,  wohin  er  kam,  höhere  Gewalt 
hatte,  als  die  Statthalter  der  betreffenden  Provinzen.  Zumpt  macht 
für  seine  Ansicht  hauptsächlich  geltend,  dass  im  andern  Falle 
Augustus  sich  aller  Macht  im  Orient  begeben  haben  würde,  was 
nicht  anzunehmen  sei.  Allein  dieser  Grund  ist  nicht  stichhaltig; 
denn  dann  müsste  ebenso  anzunehmen  sein,  dass  neben  Agi'ippa 
sich  ordnungsmässige  legati  Caesaris  in  den  Provinzen  befanden, 
was  doch  auch  Zumpt  nicht  annimmt.  Für  Mommsen's  Ansicht 
(die  übrigens  schon  von  Baron  ins  in  seinen  Atinal.  und  von  Schöpf - 


bellum  gessit  cum  f/etite  homonaden- 

sium  quae  interfecerat  amyntam 

/EGEM  .  QVA  •  REDACTA  .  IN  •  VOIestatem        imp.  caesaris 
AVGVSTI  .  POPVLIQVE  •  ROMANI  •  SENATV«        dis  immortalibus 
SVPPLICATIONES  •  ßlNAS  .  OB  •  EES  -  PEOSPere  ab  eo  gestas  et 
IPSI  .  ORNAMENTA  •  TRlVMPHa/m        decreuü 

PRO  •  CONSVL  .  ASIAM  •  PROVINCIAM  •  OFtinuit  legatus  pr.  pr. 
DIVI    AVGVSTI    «TERVM  •  SYRIAM  ■  ET  •  THoenicen  optinuü 


326  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [263.  264] 

lin  vertreten  ist)  spricht  theils  der  Umstand,  dass  uns  keine 
Jegaii  Äugusti  aus  jener  Zeit  bekannt  sind  (wiewohl  dies  bei  der 
Dürftigkeit  der  Quellen  allerdings  erklärlich  wäre),  theils  und  be- 
sonders das  Zeugniss  des  Orosius  VII,  3,  dass  C.  Cäsar  gesandt 
wurde  ad  ordinandas  Aegyjyti  Syriaeque  provincias.  Man  sieht  nicht 
ein,  weshalb  Augustus  ihm  die  Ordnung  der  Verhältnisse  in  Aegyp- 
ten  und  Syrien  übertragen  haben  sollte,  wenn  doch  zugleich  kaiser- 
liche Legaten  in  jenen  Provinzen  sich  befanden  ^^^^ 

Abgesehen  hiervon  sind  auch  die  positiven  Vermuthungen 
Zumpt's  über  die  damaligen  Legaten  von  Syrien  sehr  gewagt.  Er 
nimmt  an,  dass  die  dem  jungen  Cäsar  beigegebenen  Rathgeber 
(rectores)  immer  zugleich  Statthalter  von  Syrien  waren.  Solche 
rectores  waren  nach  Zumpt  zuerst  P.  Sulpicius  Quirinius  {Tae. 
Ann.  III,  48);  nach  diesem  M.  Lollius  {Sueton.  Tiber.  12);  und  zu- 
letzt C.  MarciusCensorinus  {Vellejus  Paterc.  II,  102).  Vgl.  Cotrim, 
epigr.  II,  98—104.  107  sq.  Geburtsjahr  Christi  S.  40—43.  62—71.  — 
Allein  Quirinius  war  nicht  vor,  sondern  nach  Lollius  Rath- 
geber des  Cäsar,  nämlich  erst  im  J.  3  n.  Chr.,  als  Cäsar  bereits  in 
Armenien  war  {Tac.  Ann.  III,  48:  datusque  rector  Gaio  Caesari  Är- 
meniam  optinenti),  nachdem  Lollius  bereits  während  des  parthi- 
schen  Aufenthaltes  im  J.  2  n.  Chr.  gestorben  war  {Vell.  a.  a.  0.). 
Vgl.  Mommsen,  lies  gest. ;;.  173—175.  Ueber  die  Chronologie  Fischer, 
Zeittafeln  S.  428—430.  —  Ausserdem  ist  es  fraglich,  ob  auch  Cen-1 
sorinus  unter  diese  rectores  Caesaris  zu  rechnen  ist.  Er  wird 
wenigstens  nicht  ausdrücklich  als  solcher  bezeichnet  3^).  —  Und 
schliesslich  schwebt  überhaupt  die  Hypothese,  dass  diese  rectores 
zugleich  die  Statthalter  von  Syrien  waren,  völlig  in  der  Luft. 

L.  Volusius  Saturninus  4 — 5  u.  Chr. 

Consul  suffeclus  im  J.  12  V.  Chr.  —  Durch  eine  Münze  wissen 
wir,  dass  er  im  J.  35  der  actischen  Aera  =  Herbst  757—758  a.  U. 
oder  4 — 5  n.  Chr.  Statthalter  von  Syrien  war  {Eckhel,  Doctr.  Num.  III, 


33)  Bei  Germanicus  (h.  unten  17—19  n.  Chr.)  fand  allerdings  ein  solches 
Verhältni«»  statt.  Allein  die  Parallele  mit  diesem  triftt  deshalb  nicht  zu,  weil 
der  nUHHtrauischc  TiberiuH  die  Macht  des  Germanicus  durch  seine  Legaten 
paraly»ircn  wollte,  wozu  Augustus  keinen  (irund  hatte. 

34)  Die  ganze  ötelle  bei  Vell.  II,  102  lautet:  Quo  tempore  M.  Lolli,  quem 
vehUi  modertUorem  Juventac  flli  stti  Augustus  esse  vuluerat,  pcrfula  et  pleim  suh- 
doli  00  vernUi  auimi  nrnsilia,  per  Parthuvi  iudicata  Caesari,  fama  vohjavit. 
Omfm  mor»  iulra  pauojs  dies  furfuita  au  nduntaria  fuerit  ii/uuro.  Sed  quam 
htme  d$eei$U$e  laetati  homiuea,  taui  paulo  post  ul>isse  Crusoriuum  in  iisdem 
pro9imcii$  graviier  tulit  civüas,  riruvi  dcmcrcudU  hüminibus  (jcuitmn.  —  Die 
Worte  „in  iüdem  provinciü"  aind  allerdings  der  Annahme  günstig,  dass  Cen- 
•orinus  daMelbe  Amt  hatte,  wie  LoIUum. 


[264]         Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  327 

275  sq.     Mionnet  V,  156.  Musei  Sanclementiani  Numismata  selecta  Pars 

II,  1809  Üb.  IV,  p.  73.  Catalogue  of  the  greek  coins  in  the  British  Mu- 
seum, Galatia,  Caj^adocia  and  Syria  1899,  ^;.  159.  Auch  im  Berliner 
Museum).     Vgl.  Prosoj^ographia  imp)erii  Romani  III,  482  sq. 

P.  Sulpicius  Quirinius  6ff. ^^). 
Nach  der  Verbannung  des  Archelaus,  des  Ethnarchen  von 
Judäa,  im  J.  6  n.  Chr.  kam  P.  Sulpicius  Quirinius  nach  Syrien 
und  nahm  unmittelbar  nach  seiner  Ankunft  den  Census  in  Judäa 
vor  {Josei^h.  Antt.  XVII,  13,  5.  XVIII,  1,  1.  2,  1).  Wie  lange  er 
Statthalter  von  Syrien  geblieben  ist,  lässt  sich  nicht  bestimmen.  — 
Auf  seine  Thätigkeit  in  Syrien  nimmt  auch  eine  Inschrift  Bezug, 
welche  lange  Zeit  für  unecht  gegolten  hat,  deren  Echtheit  aber 
jetzt,  nachdem  die  zweite  Hälfte  im  Original  wieder  aufgefunden 
worden  ist,  als  zweifellos  gilt  (s.  bes.  Mommsen,  Eiiliemeris  epi- 
graphica  vol.  IV,  1881,  p.  537 — 542  =  Corj).  Inscr.  Lat.  III  Suppl.  n. 
6687;  auch  Leeoultre,  De  censu  Quiriniano,  LausannaelSS3,p.AS — 51; 
ein  Facsimile  des  wiederaufgefundenen  Stückes  bei  De  Rossi, 
Bullettino  di  archeologia  cristiana  1880,  tav.  IX,  vgl.  p.  174).  —  Auf 
der  Inschrift  sagt  ein  Q.  Aemilius  Q.  f.  Pal.  Secundus  von  sich  unter 
anderem:  jussu  CJuirini  censum  egi  Apamenae  cit^itatis  millium  homi- 
n{um)  civium  CXVII.  Idetn  missu  Quirini  adversus  Ituraeos  in  Libano 
monte  castellum  eorum  cepi.  —  Vgl.  über  Quirinius  überhaupt:  Lie- 
benam,  Forschungen  I,  S.  364—368.  A.  Hilgenfeld,  Zeitschr.  für 
wissensch.   Theol.    1893,    1.  Bd.  S.  196—222.     Prosqjogr.  imp.  Rom. 

III,  287—289. 

Q.  Caecilius  Greticus  Silanus  12 — 17. 
Consul  im  J.  7  n.  Chr.  —  Dass  er  spätestens  im  J.  12  n.  Chr. 
als  Statthalter  nach  Syrien  gekommen  ist,  beweisen  seine  Münzen, 
auf  welchen  die  Jahreszahlen  42,  43,  44,  45,  47  der  actischen  Aera 
vorkommen  {Eckhel,  Docir.  Num.  III,  276.  Miomiet  V,  156—159.  276. 
Musei  Sanclementiani  Xum.  sei  P.  II  Hb.  IV,  p.  73  sq.  Leake,  Xumis- 
mata  Hellenica,  Asiatic  Greece,  p.  15.  Catalogue  of  the  greek  coins  in 
the  British  Museum,  Gal.  Capp.  and  Sijr.  p.  159,  169,  273  [die  vom 
J.  42—45  sind  in  Antiochia,  die  vom  J.  47  in  Seleucia  geprägt; 
die  vom  J.  45  haben  den  Kopf  des  Tiberius  und  das  Datum  A  = 
erstes  Jahr  des  Tiberius,  die  vom  J.  47  den  Kopf  des  Tiberius 
und  das  Datum  F  =  drittes  Jahr  des  Tiberius].  Das  Berliner 
Museum  besitzt  solche  aus  den  Jahren  43,  44,  45,  47).    Das  J.  42 


35)  Dies  ist  die  am  besten  bezeugte  Namensform  (z.  B.  Corp.  Inscr.  Lat. 
VIII  n.  G8).  Vgl.  über  dieselbe  überhaupt:  Woolsey,  Bibliotheea  sacra  1S18, 
p.  499-513.    Prosop.  imp.  Rom.  III,  288. 


328  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [264.  265] 

aer.  Act.  ist  =  Herbst  764—765  a.  U.  oder  11—12  n.  Chr.  Sancle- 
mente,  De  vulgaris  aerae  emendat.  p.  348  nennt  auch  eine  Münze  vom 
J.  41.  Da  er  a;ber  selbst  in  seinem  späteren  Werke  {3Ius.  Sand. 
Num.  sei.)  diese  Münze  nicht  mehr  erwähnt,  und  da  sie  unter  den 
zahlreichen  Münzen  des  Silanus  sonst  nirgends  vorkommt,  so  wird 
ihre  Existenz  von  Klebs  mit  Eecht  bezweifelt  {MA  Lesefehler  für 
MA).  Die  letzte  Münze  des  Silanus  (47  aer.  Act.)  ist  aus  dem  J. 
16—17  p.  Chr.  Uebereinstimmend  damit  berichtet  Tacitus  Ann.  II,  | 
43  die  Abberufung  des  Silanus  durch  Tiberius  im  J.  17  n.  Chr.  — 
Vgl  auch  Tac.  Ann.  II,  4.  Joseph.  Antt.  XVIII,  2,  4.  Mommsen,  Res 
gestae  p.  166.  Klebs,  Prosopogr.  imp.  Rom.  I,  250—252.  Groag  in 
Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  III,  1212. 

2.  Tiberius  (19.  Aug.  14  bis  16.  März  37). 

Cn.  Calpurnitis  Piso  17 — 19. 

Im  J.  17  (wohl  gegen  Ende  des  Jahres)  sandte  Tiberius  seinen 
Neffen  und  Adoptivsohn  Germanicus  nach  dem  Orient,  um  ver- 
schiedene Angelegenheiten  daselbst  zu  ordnen.  Derselbe  erhielt  eine 
höhere  Macht  als  die  Statthalter  der  Provinzen,  in  welche  er  kam 
(decreio  patrum  permissae  Germanico  provinciae  quae  mari  dividunhir, 
majusqtie  imperium,  quoquo  adisset,  quam  iis  qui  sorte  aut  missu  prin- 
cipis  ohtinerent.  Tac.  Ann.  II,  43).  Gleichzeitig  wurde  Silanus  ab- 
berufen und  an  seine  Stelle  Cn.  Calpurnius  Piso  (Cons.  im  J.  7 
v.  Chr.)  zum  Statthalter  von  Syrien  ernannt,  ein  Mann  von  herrsch- 
süchtigem und  unbeugsamem  Charakter  {ingenio  violentus  et  ohscquii 
ignarus,   Tac.  Ann.  II,  43). 

Germanicus  ging  zunächst  nach  Griechenland,  wo  er  zu  Anfang 
des  Jahres  18  sein  zweites  Consulat  antrat,  dann  über  Byzanz, 
Troja,  an  der  jonischen  Küste  entlang  nach  Rhodus  und  von  hier 
nach  Armenien.  Nachdem  er  dort  die  Angelegenheiten  geordnet 
hatte,  kam  er  nach  Syrien,  wohin  ihm  bereits  Piso  vorausgeeilt  war 
{Tac.  Ann.  II,  53 — bl)^%  Bei  dem  herrschsüchtigen  Charakter 
Piso's  konnten  Feindseligkeiten  zwischen  beiden  niclit  ausbleiben. 
Doch  hatten  dieselben  zunächst  keine  weiteren  Folgen  {Tac.  Ann.  II, 
57 — 58).  Im  J.  19  unternahm  Germanicus  eine  Reise  nach  Aegyp- 
ten,  hauptsächlich  um  die  Alterthümer  des  Landes  zu  erforsclien 
{Tac  Ann.  II,  59—61).  Als  er  nach  Syrien  zurückkam,  erkrankte 
er  bald  und  starb  am  10.  Octbr.  d.  J.  19.  Allgemein  gab  man  dem 
Piso  Schuld  an   seinem  Tode  {Tac.  Ann.  II,  69—73.    Clinton,  Fasti 

86)  Doch  kann  Pitto  auch  erst  im  J.  18  nach  Syrien  gekommen  sein,  da 
er  aaf  der  Hioreive  in  RboduH  mit  Germanicua  zusammengetroffen  war  {Tac. 
Ann.  II,  55). 


[265,  266]  Uebersicht  über  die  Geschiebte  der  römischen  Provinz  Syrien.  329 

Romani  I,  p.  4).  Bereits  vor  dem  Tode  des  Germanicus  war  Piso 
aus  Syrien  abgereist,  da  ihm  Germanicus  befohlen  hatte,  die  Provinz 
zu  verlassen  {Tac.  Ann.  II,  70).  Vgl.  über  Piso  überh.  Prosopogr. 
imp.  Rom.  I,  281  sq.  Pauly-Wissowas  Real-Enc.  III,  1380  f.   (Calpur- 

nius  n.  70). 

Cn.  Sentius  Saturninus  19 — 21. 

Nach  dem  Tode  des  Germanicus  übertrugen  seine  Feldherren 
dem  Cn.  Sentius  Saturninus  (Consul  im  J.  4  n.  Chr.)  den  Ober- 
befehl in  Syrien  {Tac.  Ann.  II,  74).  Piso  aber  erhielt  auf  der  Rück- 
reise in  der  Nähe  der  Insel  Kos  die  Nachricht  von  Germanicus' 
Tod  und  beschloss  nun,  sich  Syriens  mit  Gewalt  zu  bemächtigen.! 
Er  landete  in  Cilicien,  bemächtigte  sich  der  Feste  Kelenderis 
{KEXivötQig,  Strabo  p.  670.  700;  vgl.  Joseph.  Antt.  XVII,  5,  1.  Ä  J.  I, 
31,  3),  musste  sich  aber  hier  dem  Sentius  ergeben  unter  der  Be- 
dingung, nach  Rom  zurückzukehren  {Tac.  Ann.  II,  75 — 81).  —  Er 
kam  zu  Anfang  des  Jahres  20  nach  Rom,  wurde  hier  von  den 
Freunden  des  Germanicus  angeklagt,  entzog  sich  aber  durch  Selbst- 
mord der  Verurtheilung  {Tac.  Ann.  III,  8 — 15). 

Wie  lange  Sentius  Saturninus  noch  in  Syrien  blieb,  ist 
nicht  bekannt.  Er  wird  als  legalus  Caesaris  erwähnt  auf  einer  in 
Nikopolis  (an  der  Grenze  von  Syrien  und  Cilicien,  am  Meerbusen 
von  Issus)  gefundenen  Inschrift,  welche  frühestens  aus  dem  Jahre 
21  nach  Chr.  {Tiber.  IV  cos.)  herrührt  {Ephenieris  epigraph.  vol.  V, 
1884,  j5.  573  n.  nZ^  =  Coip.  Inscr.  Lat.  III  Svppl.  n.  6703).  Hier- 
nach scheint  er  auch  formell  zum  Statthalter  von  Syrien  ernannt 
worden  zu  sein ;  denn  in  diesem  Sinne  ist  der  Titel  leg.  Caes.  wahr- 
scheinlich zu  verstehen  (s.  Mommsen's  Bemerkungen  a.  a.  0.).  Vgl. 
Rrosop.  imp.  Rom.  III,  200. 

L.  Aelius  Lamia  bis  32. 
Aus  Tac.  Ann.  I,  80,  Sueton.  Tiber.  41.  63,  wissen  wir,  dass  Ti- 
berius  mehrmals  Legaten  ernannte,  ohne  sie  wirklich  in  ihre  Pro- 
vinz abgehen  zu  lassen  {Tac:  qua  haesitniione  poslremo  eo  provectus 
est,  ut  mandaverit  quibusdam  provincias,  quos  egredi  urbe  non  erat  pas- 
surus).  Von  dieser  Maassregel  wurde  unter  anderen  auch  L.  Ae- 
lius Lamia  betroffen,  über  welchen  Tacitus  Ann.  VI,  27  gelegent- 
lich seines  Todes  Folgendes  berichtet:  Extremo  anni  (33  p.  Chr.) 
mors  Aelii  Lamiae  funere  censorio  celebrata,  qui  administrandae  Su- 
riae  imagine  tandem  exsolutus  urbi  praefuerat.  Genus  Uli  decorum, 
vivida  senectus;  et  non  permissa  provincia  dignationem  addiderat. 
Wir  sehen  hieraus,  dass  Aelius  Lamia  unmittelbar,  nachdem  er 
von  der  imago  administrandae  Suriae,  d.  h.  von  der  scheinbaren, 
nicht  wirklichen  Verwaltung  von  Syrien  befreit  worden  war,  zum 


330  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [266.  267] 

praefectus  urhi  ernannt  wurde-  Das  Amt  des  pracfedus  iirhi  erhielt 
er  aber  erst  nach  dein  Tode  des  L.  Piso,  s.  Dio  Cass.  LVIII,  19: 
rov  re  Iliocüva  rbv  JtoXiaQxov  rsXevtrjöavra  örmooia  racp^  srifiT]Osv, 
Öjcbq  Jtov  xal  aXXoiq  £/a()t^6ro  •  xal  Aovxiov  avz  avrov  Aafilav 
avd-slXsTO,  ov  xQOJtaXai  r^  ^vgla^'')  ngoara^aq  xazeixsv  hv  xy 
^Pcofi^].  Da  nun  Piso  nach  Tac.  Ann.  VI,  10  und  Dio  Cass.  a.  a.  0. 
im  J.  32  starb,  so  ist  Aelius  Lamia  in  diesem  Jahre  zum  j^rae- 
fectus  urhi  ernannt  worden  und  war  somit  bis  dahin,  wenigstens 
dem  Namen  nach,  Statthalter  von  Syrien  {Ziimpt,  Commentt.  epigr. 
II,  131  sq.  Geburtsjahr  Christi  S.  184.  265).  —  1  Dem  scheint  frei- 
lich Josephus  zu  widersprechen.  Er  erzählt  nämlich,  dassA grippal, 
ehe  er  König  von  Judäa  wurde,  einst  den  Pomponius  Flaccus, 
den  Statthalter  von  Syrien  und  Nachfolger  des  Aelius  Lamia  (s. 
unten),  besuchte  (Antt.  XVIII,  6,  2—3),  darauf  nach  mancherlei 
Abenteuern  nach  Rom  kam  und  hier,  nachdem  er  bereits  einige 
Zeit  in  Rom  gewesen  war,  seinen  Freigelassenen  Eutychus  wegen 
Diebstahls  verklagte,  worauf  dieser  vor  Piso,  den  praefectus  urbi, 
geführt  wurde  {Aiitt.  XVIII,  6,  5).  Es  scheint  daraus  hervorzugehen, 
dass  Flaccus  bereits  geraume  Zeit  vor  dem  Tode  des  Piso  Statt- 
halter von  Syrien  war;  wornach  Lamia  nicht  bis  dahin  dieses  Amt 
gehabt  haben  könnte.  Allein  in  Wahrheit  erweist  sich  bei  genau- 
erer Untersuchung  diese  Argumentation^^)  nicht  als  stichhaltig. 
Jener  Piso  nämlich,  vor  welchen  Eutychus  geführt  wurde  {Jos. 
Antt.  XVIII,  6,  5),  kann  unmöglich  der  im  J.  32  verstorbene  sein, 
da  der  ganze  Vorfall,  wie  später  in  der  Geschichte  des  Agrippa 
(§  18)  gezeigt  werden  wird,  erst  im  J.  36  n.  Chr.  gespielt  hat  3^). 


37)  So  liest  Dindorf  statt  arganä. 

38)  Sie  ist  bes.  von  Wieseler  in  seinem  Streit  gegen  Keim 's  Chrono- 
logie des  Lebens  Jesu  vorgetragen  worden.  S.  Wieseler,  Beiträge  zur 
richtigen  Würdigung  der  Ew.  S.  8  Anm.  „Beweis  des  Glaubens",  Jahrgang 
1870,  Aprilheft,  S.  170  (hier  nimmt  Wieseler  an,  dass  Flaccus  „etwa  im  J. 
27  n.  Chr.  Syrien  angetreten  habe").  Theo).  Stud.  und  Krit.  1875,  S.  533 
bis  636. 

39)  Um  seine  Ansicht,  dass  der  Aiitt.  XVIII,  6,  5  erwähnte  Piso  der  im 
J.  32  verstorbene  sei,  aufrecht  zu  erhalten,  muss  Wie  sei  er  zu  sehr  gewagten 
Annahmen  seine  Zuflucht  iiclmien.  Er  muss  1)  annehmen,  dass  zwi.schon  der 
Ergreifung  de«  Eutychus  und  seinem  Verhör  vor  Tiberius  volle  vier  Jahre 
In  der  Mitte  l,i  .  n  ;  '  ;i,  «l,  im  .l.i-  Verliür  liat  zweifellos  erst  im  Herbst 
36,  ein  hallic-  .l.iln  mm  dein  Judr  d<s  Tiberius  stattgefuiideu  {Antl.  XVIII, 
0,  7.  Bell.  Jud.  II,  0,  6).  Mit  Kecht  erklärt  Kein»  (Protestant.  Kinhenzei- 
tODg  1809,  Nr.  61,  col.  1218)  die»  für  ein  Unding,  während  Wieseler  (Beweis 
des  Glaubens  1870,  8. 109)  cntHchieth-u  daran  festhielt.  Er  muss  aber  2)  eine 
gewaltsame  Textflndcrung  im  Josephus  vomeiimen.  Denn  derselbe  Piso  wird 
nnmfttelbar  darauf  [Antt.  XVIII,  (i,  10)  noch  einmal  erwähnt,  und  zwar  erst 
nach  dem  Tode  des  Tiberius,  Frühjahr  37.    Hier  streieiit  daher  Wicscler  den 


|267. 268]  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  331 

Wir  haben  es  also  hier  mit  einem  andern  Piso  zu  thun,  der  später 
(36—37)  ipraefectus  M^•5^■  war'*^),  weshalb  seine  Er  wähnung  zur  Ent- 
scheidung der  Frage,  wann  Flaccus  dem  Laraia  gefolgt  sei,  über- 
haupt nichts  austrägt.  —  Demnach  haben  wir  uns  einfach  an  die 
Worte  des  Tacitus  zu  halten,  wornach  Lamia  bis  zum  Antritt  seiner 
Stadtpräfectur,  d.  h.  bis  zum  J.  32,  die  Scheinverwaltung  von 
Syrien  hatte*').  Wann  sie  ihm  übertragen  wurde,  lässt  sich  nicht 
bestimmen.  Jedenfalls  hatte  er  sie  lange  Zeit,  wie  aus  dem  „tawrf«m" 
des  Tacitus  und  dem  „oiQOJiaXai"  des  Dio  Cassius  erhellt*'-^).    Vgl. 


Namen  (Beiträge  S.  8  f.  Beweis  des  Glaubens  1870,  S.  168).  Er  muss  aber 
3)  eine  weitere  Textänderung  vornehmen.  Denn  Josephus  sagt  Antt.  XVIII, 
5,  3  ausdrücklich,  dass  Agrippa  erst  ein  Jahr  vor  dem  Tode  des  Tiberius 
{iviavrüi  ngorsgov  7/  xekfvxriaai  TißeQiov)  nach  Rom  gekommen  sei,  also  nicht 
32,  sondern  36.  Hier  macht  Wieseler  aus  dem  einen  Jahr  durch  Text- 
änderung deren  mehrere  (Beiträge  S.  13  f.  Beweis  des  Gl.  1870,  S.  169).  S. 
dagegen  Keim,  Prot.  Kirchenzeitg.,  1869,  Nr.  51,  col.  1217.  Ueberhaupt  gegen 
Wieseler  auch  Sevin,  Chronologie  des  Lebens  Jesu  2.  Aufl.  1874,  S.  84—87. 

40)  Das  Geschlecht  der  Galpurnii  Pisones  war  um  jene  Zeit  sehr  zahlreich 
(s.  über  sie:  Mommsen,  Ephemeris  epigr.  I,  143 — 151,  226  sq.  Klebs,  Pro- 
sopographia  imperii  Pomanil,  279—288,  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  III,  1374 ff.). 
Da  sie  zur  höchsten  Aristokratie  gehörten,  sind  nicht  wenige  von  ihnen  zu 
hohen  Aemtern  gelangt.  Es  ist  daher  nicht  auffallend,  dass  zwei  Pisones  kurz 
nach  einander  das  Amt  des  praefectus  urbi  bekleidet  haben.  Die  Verschieden- 
heit beider  ist  von  allen  competenten  Forschem  anerkannt.  Der  bekanntere 
ist  der  im  J.  32  verstorbene  (s.  über  ihn  Tae.  Ann.  VI,  10—11.  Prosopogr. 
imp.  Rom.  I,  286  n.  249.  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  III,  1396  f.  n.  99).  Der 
andere,  welcher  nach  Jos.  im  J.  36 — 37  praef.  urbi  war,  war  ein  Sohn  des  oben 
S.  328  f.  genannten,  im  J.  20  verstorbenen  C/i.  Calpurnius  Piso  und  hiess  ur- 
sprünglich wie  sein  Vater  0)i.,  musste  aber  nach  dessen  Verurtheilung  den 
Vornamen  Lucius  annehmen  (s.  über  ihn  Borghesi,  Oeuvres  III,  325  sq.; 
Mommsen,  Index  zu  PHn.  epist.  ed.  Keil  p.  405;  Henzen,  Acta  fratrttm 
Arvalium  (1874)  Index  p.  180  sq.  Prosopogr.  imp.  Rom.  I,  283  n.  237,  Pauly- 
Wissowa's  Real-Enc.  III,  1383  f.  n.  76). 

41)  Gerlach  (S.  49—52)  nimmt  an,  dass  Flaccus  bereits  im  J.  22  nach 
Syrien  gekommen  sei.  Er  stützt  sich  dabei  auf  Joseph.  Antt.  XVIII,  6,  1—3 
und  Suetofi.  Tiber.  42.  Allein  aus  ersterer  Stelle  folgt  nicht,  wie  G.  will,  dass 
der  Besuch  des  Agrippa  bei  Flaccus  bereits  in  das  Jahr  24  (nämlich  bald 
nach  dem  Tode  des  Drusus  f  23)  fällt;  und  in  der  letzteren  Stelle  bezieht 
sich  das  confestim  nur  auf  die  Worte:  Püoni  praef ecturam  urbis  detulit,  womit 
die  Stelle  ihre  Beweiskraft  verliert.  Die  Worte  des  Tacitus  gestatten  nicht, 
die  Amtszeit  des  Aelius  Lamia  auf  ein  bis  zwei  Jahre  einzuschränken  und 
zwischen  seiner  Enthebung  vom  Statthalterposten  und  der  Ernennung  zum 
Stadtpräfecten  einen  längern  Zwischenraum  anzunehmen.  Gerlach  hat 
auch  selbst  jene  Ansicht  später  aufgegeben  (Zeitschr.  für  luth.  Theol.  1869, 
S.  48). 

42)  Aus  der  Thatsache,  dass  um  das  J.  30  factisch  kein  Statthalter  in 
Syrien  war,  ist  vielleicht  der  Umstand  zu  erklären,  dass  Luc.  3,  1  kein  solcher 
genannt  ist. 


332  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [268. 269] 

Über  Aelius  Laiuia  überh.:   Prosopogr.  imp.  Rom.  I,  18  sq.     Pauly- 
Wissowa's  Real-Enc.  I,  522. 

L.  Pomponius  Flaccus  32—35  (?). 
Da  Lamia  im  J.  32  des  Statthalterpostens  enthoben  wurde,  wird 
Flaccus  (Consul  im  J.  17  n.  Chr.)  in  demselben  Jahre  ihm  gefolgt 
sein.  Des  Flaccus  Tod  berichtet  Tacitus  Ann.  YI,  27  im  unmittel- 
baren Anschluss  an  die  obige  Stelle  über  Aelius  Lamia  mit  folgen- 
den WoKten:  ,,exim  [nämlich  nach  dem  Tode  des  Ael.  Lamia]  Flacco 
Pomponio  Suriae  pro  praetore  defuncio  recitantur  Caesaris  literae,  quis 
incusabat  egregium  quemque  et  regendis  exereitihus  idoneum  abnuere  id 
munus,  seque  ea  necessiiudine  ad  preces  cogi,  per  qiias  consularium  aliqui 
capessere  provincias  adigerentur,  oblitus  Arruntium,  ne  in  Hispaniam 
pergeret,  decumum  jam  annum  attineri^'.  Da  Tacitus  dies  noch  unter 
den  Ereignissen  des  Jahres  33  berichtet,  so  ist  die  nächstliegende 
Annahme  die,  dass  der  Tod  des  Flaccus  noch  in  dieses  Jahr 
fällt.  Und  dies  ist  auch  fast  allgemeine  Ansicht.  Indess  ist  doch 
auch  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  Tacitus  aus  sach- 
lichen Gründen  die  Berichte  über  Lamia  und  Flaccus  zusammen- 
gestellt hat  und  dass  der  Tod  des  Flaccus  erst  später  fällt  ^2).  In 
der  That  hat  Keim^'')  es  zu  einem  ziemlichen  Grad  von  Wahr- [ 
scheinlichkeit  erhoben,  dass  Flaccus  erst  im  J.  35  gestorben  ist. 
Dafür  spricht  nämlich  1)  die  Bemerkung  des  Tacitus,  dass  damals, 
beim  Tode  des  Flaccus,  Arruntius  bereits  zehn  Jahre  lang  am 
Abgang  in  seine  Provinz  Spanien  gehindert  worden  sei.  Unter 
Hispania  kann  nur  Ilispania  ciierior  gemeint  sein  (denn  die  ulterior 
war  Senatsprovinz,  s.  Tac.  Ann.  IV,  13).  Dieses  war  aber  erst  seit 
dem  J.  25  erledigt  {Tac.  Ann.  IV,  45).  Demnach  kann  das  zehnte 
Jahr  des  Arruntius  erst  in  d.  J.  35  fallen.  2)  Agrippa  I  kam  im 
Frühjahr  36  {iviavtfo  jtQortgov  //  raZEVT^cai  Tißegtov,  Jos.  Anit. 
XVIII,  5,  3)  nach  Rom,  nachdem  er  nicht  lange  zuvor  den  Flaccus 
in  Syrien  besucht  hatte  (Joseph.  Antt.  XVIII,  6,  2—3).  Rechnen 
wir  für  die  allerdings  mit  Hindernissen  verbundene  Fahrt  des 
Agrippa  vom  Besuch  des  Flaccus  bis  nach  Rom  {Jos.  Antt.  XVIII, 
6,  3—4)  selbst  ein  volles  Jahr,  so  müsste  Flaccus  immer  noch  im 
J.  35  in  Syrien  gewesen  sein.  —  Zu  Gunsten  des  Jahres  35  als 
Todesjahr  des  Flaccus  spricht  endlich  noch,  dass  sich   dann   der 


43)  DaM  Tacitus  nicht  Überali  die  Zeitfolge  streng  einhält,  iut  z.  B.  aus 
Atm,  XII,  23  zu  sehen,  wo  der  Tod  (Ich  Königs  Agrippa  I  (f  44)  unter  den 
EreigniiseD  de«  Jahres  49  erwähnt  wird. 

44)  8.  bes.  Protestant  Kirchenzeitung  1800,  Nr.  51,  col.  1216f.;  auch: 
Gesch.  Jesu  I,  628.  III,  400  f.  Zustimmend  äussert  sich  auch  Liebenam, 
ForschttDgeD  zur  Vorwaltungsgeschichte  des  röm.  KuiHcrreicha,  1.  Bd.  Die 
Legaten  in  den  römischen  Provinzen  (188S)  S.  267. 


[269. 270]  Uebersicbt  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  333 

Nachfolger  Vitellius,  der  jedenfalls  im  J.  35  nach  Syrien  kam, 
unmittelbar  anschliesst,  während  im  andern  Fall  eine  Lücke  ent- 
stehen würde. 

Eine  Münze  von  Fl  accus  aus  dem  Jahre  82  der  aera  Cae- 
sariana^^)  =  Herbst  786—787  a.  U.  oder  33—34  n.  Chr.  s.  bei  Eckhel, 
Doctr.  Kum.  III,  279,  Mionnet  V,  167,  Musei  Sanclementiani  Numis- 
mata  seleda  P.  II  lih.  IV,  jj.  75;  Catalogue  of  the  greeJc  coins  in  the 
British  Museum,  Galatia,  Cajjpadocia  and  Syria,  p.  170;  auch  im 
Berliner  Museum.  —  Vgl.  überhaupt  auch  Sueton.  Tiber.  42.  Pauly's 
Real-Enc.  V,  1878  f.  Henzen,  Ada  fratrum  Arvalium  (1874)  Index 
p.  195.  Prosop.  imp.  Rom.  III,  76. 
L.   Vitellius  35—39. 

Im  J.  35  sandte  Tiberius  den  L.  Vitellius  (Cons.  im  J.  34), 
den  Vater  des  nachmaligen  Kaisers,  als  Legaten  nach  Syrien  {Tac. 
Ann.  VI,  32)^6).  Tacitus  stellt  ihm  das  Zeugniss  aus,  dass  er,  im 
Gegensatz  zu  seinem  spätem  Leben,  die  Provinz  tadellos  verwaltet 
habe  {eo  de  homine  haud  sum  ignarus  sinistram  in  urhe  famam,  pleraque 
foeda  memorari,  ceterum  in  regendis  provinciis  prisca  virtute  |  egit).  — 
Im  J.  39  wurde  er  von  Caligula  abberufen  und  erhielt  als  Nach- 
folger den  Petronius  {Josej)h.  Antt.  XVIII,  S,  2)^').    Vgl.   über- 


45)  Dieselbe  beginnt  im  Herbst  705  a.  U.  (18  Jahre  früher  als  die  actische 
Aera);  vgl.  Noris,  Annus  et  epochae  Syromacedonum  III,  4,  ed.  Lips.  p.  \&lsqq.; 
Sanelemente,  De  vulgaris  aerae  emendatione  p.  224—229;  Eckhel,  Doctr. 
Kum.  III,  279ff.;  Ideler,  Handb.  der  Chronol.  I,  460  ff. 

46)  Nach  den  Worten  des  Tacitus  „cunctis  quae  apud  orientem  parabantur 
L.  Vitelliuni  praefeeit"  ist  vielleicht  anzunehmen,  dass  Vitellius  einen  weiteren 
Wirkungskreis  als  die  Provinz  Syrien  erhalten  hat.  Doch  nennt  Tacitus  selbst 
ihn  Ann.  VI,  41  „praeses  Suriae";  ebenso  Joseph.  Antt.  XVIII,  4,  2  [Svplag 
T^v  -^ysfxoviav  f^^'»').  Aehnlich  Sueton.  Vitell.  2.  Dio  Cass.  LIX,  27.  Plin. 
Eist.  Nat.  XV,  83.  Er  war  also  jedenfalls  Statthalter  von  Syrien,  hatte  aber 
vielleicht  ausserdem  noch  weitergehende  Vollmachten. 

47)  Nach  Josephus  hat  es  den  Anschein,  als  ob  die  Abberufung  des  Vitellius 
und  die  Ankunft  des  Petronius  erst  in  den  Herbst  40  falle.  Petronius  be- 
zieht nach  seiner  Ankunft  Winterquartiere  in  Ptolemais  {Antt.  XVIII,  8,  2). 
Die  sofort  begonnenen  Verhandlungen  mit  den  Juden  fallen  in  die  Saatzeit 
{Antt.  XVIII,  8,  3.  8,  6)  d.  h.  November  oder  December,  s.  Win  er  RWB.  II, 
342.  Darauf  berichtet  Petronius  an  Caligula,  welcher  den  Brief  kurz  vor 
seinem  Tode  (24.  Januar  41)  empfängt  und  beantwortet  {Antt.  XVIII,  8,  8-9: 
xal  TsXevzä  /^hv  ov  /isza  rtokvv  yQÖvov  ri  yQatpai  xm  TIexQ(oviü)  t^v  —  imaToXjjv). 
Josephus  also  scheint  die  Ankunft  des  Petronius  in  den  Herbst  40  zu  setzen. 
Nach  dem  entscheidenden  Zeugnisse  Philo's  dagegen  [Legat,  ad  Ca/.  §  33,  ed. 
Mang.  II,  583)  war  Petronius  bereits  zur  Erntezeit  (also  April,  s.  Win  er  RWB.I, 
340)  in  Palästina,  und  zwar  mit  Truppen,  die  er  erst  vom  Euphrat  abgerufen 
hatte  {Leg.  ad  Caj.  §  31,  M.  II,  576).  Er  wird  daher  sicherlich  schon  im  J.  39 
nach  Syrien  gekommen  sein.  So  auch  Liebenam,  Forschungen  zur  Verwal- 
tungsgeschichte des  römischen  Kaiserreichs,  1.  Bd.  S.  374. 


334  Uebersicht  über  die  Geschiebte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [270.  271| 

liaupt  auch  Sueton.  Vitell  2.  Dio  Cass.  LIX,  27.  Plin.  Ilist.  Nat.  XV,  83. 
Pauly's  Real-Enc.  VI,  2,  2682  f.  Liebenam,  Forschungen  zur  Ver- 
waltungsgeschichte des  römischen  Kaiserreichs,  l.Bd.  S.  373.  Prosop, 
imp.  Born.  III,  451. 

3.  Caligula  (16.  März  37  bis  24.  Januar  41). 

P.  Petronius  39—42. 
Petronius  wurde  im  J.  39  von  Caligula  nach  Syrien  geschickt 
(s.  d.  Vorigen).  Durch  eine  Münze  (bei  Eckhel,  Dodr.  Num.  III,  280, 
Mionnet  V,  167,  Mus.  Sanclement.  l.  c.  p.  76;  auch  im  Berliner  Museum) 
wissen  wir,  dass  er  nocli  Statthalter  war  im  J.  90  der  cäsarischen 
Aera  ==  Herbst  794—795  a.  ü.  oder  41 — 42  n.  Chr.,  also  noch  etwa 
ein  Jahr  lang  während  der  Eegierung  des  Claudius.  —  Vgl.  über 
ihn  Joseph.  Antt.  XVIII,  8,  2 — 9.  XIX,  6,  3.  Philo,  Legat,  ad  Caj. 
§  31—34,  ed.  Mang.  II,  576—584.  Pauly's  Real-Enc.  V,  1402.  Prosop^ 
imp.  Rom.  III,  26. 

4.  Claudius  (24.  Januar  41  bis  13.  Octbr.  54). 

C.  Vibius  Marsus  42 — 44. 
Als  Nachfolger  des  Petronius  sandte  Claudius  den  C.  Vibius 
Marsus  [Cons.  suff.  im  J.  17  n.  Chr.)  nach  Syrien  [Joseph.  Antt.  XIX,, 
6,  4).  Er  hatte  mehrmals  Gelegenheit,  das  römische  Interesse 
gegen  König  Agrippa  zu  wahren  {Antt.  XIX,  7,  2.  8,  1).  Seine  Ab- 
berufung erfolgte  bald  nach  dem  Tode  des  Agrippa  (f  44),  also  Ende 
44  oder  Anfang  45  {Antt.  XX,  1,  1).  —  Vgl.  auch  Tac.  Ann.  XI,  10 
(letztere  Stelle  beweist  nicht,  dass  Marsus  im  J.  47  noch  Statt- 
halter von  Syrien  war;  denn  Tacitus  holt  dort,  in  der  Geschichte  | 
des  Jahres  47,  die  frühere  parthische  Geschichte  nach.  S.  Zumpt, 
Comm.  IT,  137.  Gerlach  S.  67).  Ueberhaupt:  Pauly's  Eeal-Enc. 
VI,  2,  2571.    Prosop.  imp.  Harn.  III,  422. 

C.  Cassius  Longinus  45 — 50. 
Auf  Marsus  folgte  C.  Cassius  Longinus  {Joseph.  Antt.  XX, 
1,  1),  Cons.  suff.  im  J.  30  n.  Chr.  Er  war  zu  seiner  Zeit  als  Rechts- 
gelehrter berühmt  {ceteros  praeminebat  peritia  legum,  Tac.  Ann.  XII,  12), 
ja  Begründer  einer  eigenen  3 urmtaniichulQ  {Cassianae  scholae  princei)s 
et  jjarens,  Plin.  epist.  Vll,  24,  8).  Münzen  von  ihm  aus  den  Jahren 
94  und  96  aer.  Caea.  —  45/46  und  47/48  n.  Chr.  giebt  Kcktiel,  Dodr. 
Num.  III,  280,  Mionnet  V,  167;  Mvs.  Snndmi.  l.  c.  j>.  76  (sicher  ist 
nur  die  vom  J.  96,  8.  Prosop.  imp.  llorn.).  Tacitus  erwähnt  ihn  noch 
im  J.  49  als  Statthalter  von  Syrien  {Ann.  XII,  11-12).  Niclit 
lange  darauf  scheint  er  von  C'luudius  abberufen  worden  zu  sein. 


[271.  272]  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  335 

lieber  seine  späteren  Schicksale  s.  Tac.  Ann.  XVI,  7  und  9.  Sueton. 
Nero  37.  üeberhaupt:  Digest.  I,  2,  2,  51.  Kudorff,  Eömische  Rechts- 
gesch.  I,  169  f.  Teuffei,  Eöm.  Literaturgesch.  §  298,  3.  Mommsen, 
Index  zu  Min.  epist.  ed.  Keil  p.  406.  Lieben  am,  Forschungen  zur 
Verwaltungsgesch.  1.  Bd.  S.  375 f.  Prosop.  imp.  Eom.l,  314 sq.  Pauly- 
Wissowa's  Real-Enc.  III,  1736  ff.  {Cassius  n.  60).  Sammlung  der 
juristischen  Fragmente:  Lenel,  Palingenesia  juris  cinlis  I,  109 — 126. 
Bvemer,  JurisprudentiaeAntekadrianae  quae  supersunt  11, 2, 1901,  p.9 — 79. 

G.  Ummidius  Quadratus  50 — 60. 
Im  J.  51  wird  von  Tacitus  {Ann.  XII,  45)  Ummidius  Qua- 
dratus als  Statthalter  von  Syrien  erwähnt.  Er  mag  daher  wohl, 
wie  Zumpt  (II,  138)  annimmt,  im  J.  50  dorthin  gekommen  sein. 
Münzen  von  ihm  aus  den  Jahren  104—108  aer.  Caes.  =  b5l5Q  bis 
59/60  n.  Chr.  giebt  Eckhel,  Doctr.  Num.  III,  280,  Mionnet  V,  159. 
Sicher  sind  nur  die  vom  J.  104,  105  und  106.  S.  Mus.  Sanclement. 
l.  c.  p.  76,  Leake,  Numismata  Helknica,  Asiatic  Greece,p.  16.  Catalogtie 
of  the  greek  coins  in  the  British  Museum,  Gal.  Capp.  and  Syr.  p.  160, 
173;  auch  im  Berliner  Museum  {Prosop.  imp.  Rom.).  Er  starb  als 
Statthalter  von  Syrien  im  J.  60  {Tac.  Ann.  XIV,  2ß)*^).  —  Seine 
Laufbahn  (er  war  schon  im  J.  14  n.  Chr.  Quästor  ge-^^^esen)  giebt 
die  Inschrift:  ürelli  Inscr.  Lat.  n.  3128  =  /ws<t.  Regni  Neap.  n.  4234  = 
Corp.  Inscr.  Lat.  X  n.  5182.  Sein  voller  Name  G.  Ummidius  Durmius 
Quadratus  auch  auf  einer  ehernen  Tafel,  welche  den  Eid  der  Ein- 
wohner von  Aritium  in  Lusitanien  beim  Regierungsantritt  Caligula's 
enthält  {Oi-elU  n.  3665=  Gorp.  Inscr.  Lat.  II  n.  172=  Ephemeris 
epigr.  V  p.  155).  —  Vgl.  über  ihn  auch  Tac.  Ann.  XII,  54.  XIII, 
8—9.  Joseph.  Antt.  XX,  6,  2.  Pauly's  Real-Enc.  V,  743.  Nipperdey 
zu  Tac.  Annal.  XII,  45.     Prosopogr.  imp.  Rom.  III,  468  f. 

5.  Nero  (13.  Octbr.  54  bis  9.  Juni  68). 

Gn.  Domitius  Gorbulo  60 — 63. 
Nach  dem  Tode  des  Ummidius  Quadratus  im  J.  60  kam  Do- 
mitius Corbulo  als  Statthalter  nach  Syrien  {Tac.  Ann.  XIV,  26).  | 
Ueber  seine  Thaten  daselbst  s.  Tac.  Ann.  XV,  1—17.  Dio  Gass. 
LXII,  19  ff.  Eine  Verordnung  von  ihm  erwähnt  der  Zolltarif  von 
Palmyra  (Hermes  Bd.  19,  1884,  S.  514).  Er  behielt  die  Provinz 
bis  zum  J.  63,  in  welchem  Jahre  ihm  ein  höheres  Imperium  ertheilt 
wurde,  während  nach  Syrien  ein  anderer  Sattthalter  geschickt 
wurde,  Tac.  Ann.  XV,  25:  Suriae  exsecutio  Gitio  [?],  copiae  militares 
Gorbuloni  permissae  et  quinta  decuma  kgio  ducente  Mario  Gelso  e  Panno- 


48)  Zumpt  II,  138  giebt  das  J.  61  an.    Aber  was  Tac.  Ann.  XIV,  20—28 
berichtet  wird,  fällt  in  d.  J.  60,  coss.  Nero  IV,  Cornelius  Cossus. 


336  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  [272. 273] 

nia  adjecta  est.  Scrihitur  tetrarchis  ac  regibus  praefeetisque  et  procu- 
ratorihus  et  qui  praetorum  finitimas  provineias  regebant,  jussis  Corhulonis 
obsequi,  in  tantum  ferme  modum  auda  jiotestate^  quem  populus  Romanus 
Cn.  Pompejo  bellum,  piraticv.yn  gesturo  dederat.  Der  Name  des  Be- 
treffenden, welcher  die  Provinz  Syrien  erhielt,  ist  nicht  mit  Sicher- 
heit festzustellen.  Die  Handschrift  hat  Citius.  Die  Herausgeber 
vermuthen  Cincius,  C.  Itius,  Cestius.  Am  wahrscheinlichsten  ist 
Cestius,  da  wir  diesen  ohnehin  im  J.  65  als  Statthalter  von  Syrien 
vorfinden  (so  die  Meisten,  z.  B.  Zumpt,  Comm.  ep.  II,  141).  —  Ueber 
Corbulo's  Tod  (im  J.  67)  s.  Dio  Cass.  LXIII,  17.  Eine  in  Armenien 
gefundene  Inschrift  vom  J.  64  n.  Chr.,  auf  welcher  er  leg.  Aug.  pro 
pr.  heisst,  S.  Ephemeris  epigr.  V  /).  25  =  Corp.  Inscr.  Laf.  III  Suppl.  n. 
6741 — 6742.  Seine  Tochter  Domitia  wurde  die  Gemahlin  Domitian's 
{Dio  Cass.  LXVI,  3.  Corp.  Inscr.  Lat.  XIV  n.  2795).  Ueberhaupt : 
Pauly's  Real-Enc.  II,  1218  f  Teuffei,  Rom.  Literaturgesch.  §  291,3 
(und  die  hier  erwähnten  Monographien  von  Held  1862,  und  Wolff- 
gramm  1874).  Liebenam,  Forschungen  zur  Verwaltungsgeschichte 
1.  Bd.  S.  169  f.  Prosopogr.  imp.  Rom.  II,  20  sq.  Zur  Würdigung  Cor- 
bulo's: Gutschmid,  Geschichte  Irans  und  seiner  Nachbarländer  (1888) 
S.  131  Anm. 

C.  Cestius  Gallus  63 — 66. 
Wenn  die  obige  Vermuthung  richtig  ist,  so  kam  Cestius 
Gallus  schon  im  J.  63  nach  Syrien.  Jedenfalls  war  er  im  J.  65 
dort,  da  er  Ostern  66  (im  zwölften  Jahre  Nero's  =  Octbr.  65—66 
Joseph.  Antt.  XX,  11,  1.  Bell.  Jud.  II,  14,  4)  nach  Jerusalem  kam. 
nachdem  er  längere  Zeit  zuvor  schon  in  Syrien  gewesen  war  {Bell. 
Jud.  II,  14,  3).  Münzen  von  ihm  aus  dem  J.  114  und  115  der  cä- 
sarischen Aera  =  65/66  und  66  67  n.  Chr.  s.  bei  EckM,  Doctr.  Num. 
III,  281  sq.  Mionnet  V,  169.  Suppl.  VIII,  131.  Leake,  Numismata 
Hellenica,  Asiatic  Oreece  p.  16.  Catal.  of  the  Brit.  Mus.,  Oal.  Capp. 
and  Si/r.  p.  175.  —  Unter  ihm  kam  im  Mai  66  (im  Monat  Artemisios, 
Bell.  Jufl.  II,  14,  4)  der  jüdische  Krieg  zum  Ausbruch,  von  welchem 
Cestius  Gallus  nur  das  Vorspiel  erlebte.  Denn  er  starb  noch 
im  Winter  66/67  „durch  (beschick  oder  üeberdruss"  {fato  auf  tacdio 
oeeidü,  Tac.  Jlist.  V,  10)^').  \'gl.  überli.  Prosojiogr.  imp.  Rom.  1,  340. 
Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  III,  2005  ff. 

C.  Licinius  Mucianua  67  —  69. 
Während  Palästina  zu  einer  selbständigen  Pntvinz  gemacht  und 
dem  Vespasian  übertragen  wurde,  wurde  iSyricn  dem  C.  |  Licinius 


49)  OeitiuH  GalluK  war  noch  im  Winter  0(5/07  in  Syrien  (.Joseph.  Vita 
6.  48.  66.  07.  71).  Vor  Desitin  (Ich  yrülijahr«  über  wurde  die  Führung  de« 
Krieget  dem  VespuHian  übertrafen  (/W/.  Jn<l.  11 1.  1  2). 


[273]         Uebersicht  über  die  Geschichte  der  römischen  Provinz  Syrien.  337 

Mucianiis  zugetheilt  ^t^).  Joseplius  erwähnt  ihn  im  J.  67  während 
der  Belagerung-  von  Gaiuala  {Bell.  Jud.  IV,  1,  5)  und  im  J.  69  bei 
der  Erwählung  Vespasian's  zum  Kaiser  {Bell.  Jud.  IV,  10,  5—6). 
Vgl.  auch  Tac.  Eist.  I,  10.  Jos.  Antt.  XII,  3,  1.  Münzen  von  ihm 
aus  der  Zeit  des  Galba  (9.  Juni  68  bis  15.  Jan.  69)  und  des  Otho 
(15.  Januar  bis  16.  April  69)^0  bei  Eckhel  III,  282,  Mimnet  \,  169. 
Suppl.  VIII,  131.  Catal.  of  the  Brit.  Mus.,  Gal.  Capp.  and  Syi:  p.  176; 
auch  im  Berliner  Museum.  —  Im  Herbst  69  führte  er  zur  Be- 
kämpfung des  Vitellius  ein  Heer  aus  Syrien  nach  Rom  (Joseph. 
Bell.  Jud.  IV,  11,  1.  Tac.  Hist.  II,  82  sq.  Sueton.  Vespas.  6.  Dia 
Cass.  LXV,  9),  wo  er  zwar  erst  nach  dem  Tode  des  Vitellius 
(t  20.  Decbr.  69)  eintraf,  dann  aber  eine  Zeit  lang  die  höchste  Ge- 
walt in  Händen  hatte  {Joseph.  Bell.  Jud.  IV,  11,  4.  Tac.  Hist.  IV, 
11.  39.  49.  80.  Dio  Cass.  LXV,  22.  LXVI,  2).  —  Vgl.  über  ihn  auch: 
Borghesi,  Oewüre^IV,  345— 353.  Pauly's  Real-Enc.IV,  1069f.  L.  Brunn, 
De  C.  Licinio  Muciano,  Lips,  1870.  Teuffei,  Rom.  Literaturgesch. 
§  314,  1.  Henzen,  Acta  fratrum  Arvalimn,  Index  p.  190  s^.  Liebeuam, 
Forschungen  zur  Verwaltungsgeschichte  I,  257  f.  Prosop.  imp.  Rom. 
II,  280  f. 

Die  folgenden  Statthalter  von  Syrien  kommen  für  uns  nicht 
mehr  in  Betracht,  da  Palästina  nunmehr  von  Sji'ien  getrennt  blieb. 
Die  Statthalter  Palästiua's  von  der  Zeit  Vespasians  bis  Hadrian 
s.  in  8  21. 


50)  Ueber  die  Erhebung  Palästina'«  zu  einer  selbständigen,  von  einem  Be- 
amten senatorischen  Ranges  verwalteten  Provinz  s.  Kuhn,  Die  städtische  und 
bürgerliche  Verfassung  des  römischen  Reichs  II,  179  f.  183 — 189.  Marquardt, 
Rom.  Staatsverwaltung  I,  419.  —  Tacit.  Hist.  I,  10:  Suriam  et  qtiattuor  legiones 
obtinehat  Licinius  Muciamis  . . .  bellum  Judaeicum  Flavius  Vespasianus  [ducem 
cum  Nero  delegerat)  tribus  legionibus  administrabat.  Tac.  Hist.  11,  5:  Ceterum 
hie  Suriae,  ille  Judaeae  praepositus ,  vicinis  provinciamm  administrationibus 
invidia  discordes ,  exitu  demum  Neronis  positis  odiis  in  medium  consuluere. 
Auch  Aurelius  Victor,  De  Caesarib.  c.  9,  epit.  c.  9  schreibt  die  Einrichtung  der 
Provinz  Palästina  dem  Vespasian  zu.  —  Im  Gegensatz  hierzu  meint  Pick  (in 
Sallet's  Zeitschr.  für  Numismatik  Bd.  XIII,  1885,  S.  197—200),  Vespasian  habe 
nicht  Palästina  als  besondere  Provinz  erhalten ;  seine  Competenz  sei  vielmehr 
zu  denken  als  „die  eines  legatus  Augusti  pro  praetore  höherer  Ordnung  ohne 
bestimmte  Provinz,  der,  mit  der  Führung  eines  Krieges  beauftragt,  den  ge- 
wöhnlichen Statthaltern  übergeordnet  ist".  Diese  Auffassung  ist  aber  mit  den 
präcisen  Worten  des  Tacitua  nicht  vereinbar. 

51)  Beide  Münzen  tragen  das  J.  117  aer.  Caes.  und  bieten  eben  dadurch 
einen  sichern  Anhaltspunkt  für  die  Berechnung  der  Aera. 


Schür  er,    Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  22 


338  §13.   Hyrkanll  (63—40);  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  [273.274] 

§  13.    Hyrkan  II  (63—40);  Emporkommen  Antipater's 
und  seiner  Söhne  Phasael  und  Herodes. 

Quellen:  Joseph.  Antt.  XIV,  5—13.     Bell.  Jud.  I,  8—13.    Zonaras  Ännal.  V, 

7 — 9  (Auszug  aus  Josephus).  ] 
Literatur:  Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV,  524—538. 

Grätz,  Geschichte  der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  167—189. 

Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  500—523. 

Schneckenburger,  Neutestamen tl.  Zeitgeschichte  S.  166—173. 

Hausrath,  Neutestamentl.  Zeitgeschichte  2.  Aufl.  I,  179—203. 

Letcin,  Fasti  sacri  p.  8 — 54. 

Unger,  Zu  Josephos,  Art.  IV:  Die  Eepublik  Jerusalem  (Sitzungs- 
berichte der  Münchener  Akademie,  philos.-philol.  und  hist.  Gl. 
1897,  S.  189—222).  —  Behandelt  die  Zeit  von  57—47  vor  Chr., 
will  aber  hierüber  genaueres  feststellen,  als  unsere  Quellen 
gestatten. 

Bei  der  Dürftigkeit  der  Quellen  ist  es  schwer,  sich  genaue 
Rechenschaft  zu  geben  über  die  Stellung,  welche  Palästina  nun- 
mehr zu  den  Römern  einnahm.  So  viel  ist  gewiss,  dass  es  tribut- 
pflichtig war  {Jos.  Antt.  XIV,  4,  4.  Bell.  Jud.  I,  7,  6)  und  unter 
der  Oberaufsicht  des  römischen  Statthalters  von  Syrien  stand.  Aber 
die  Frage  ist,  ob  es  unmittelbar  der  Provinz  Syrien  einverleibt  wurde 
oder  nicht.  Doch  spricht  für  letzteres  namentlich  die  spätere  Be- 
merkung des  Josephus,  dass  durch  die  Maassregel  des  Gabinius,  der 
Palästina  in  fiinf  Gebiete  zertheilte,  das  Land  „von  der  Herrschaft 
Eines"  befreit  worden  sei  {doftevcog  6e  rrjg  Ig  tvog  kjtixgarelag 
iktvd-eQCüi^tVTSg  xo  XoiJiov  aQiOTOxgarla  öicpxovvzo,  B.  J.  I,  S,  5). 
Hyrkan  wird  demnach  an  der  Spitze  der  Regierung  des  Landes 
gestanden  haben  und  nur  der  Oberaufsicht  des  römischen  Statt- 
halters unterworfen  gewesen  sein  ')• 

Nach  dem  Abzüge  des  Pompejus  folgten  zunächst  für  Palästina 
einige  Jahre  der  Ruhe.  Scaurus  sowohl  als  seine  beiden  Nach- 
folger Marcius  Philippus  und  Lentulus  Marcellinus  hatten 
zwar  noch  mit  den  Arabern  zu  thun  '^).  Auf  die  (Tcschicke  Palä- 
stina's  war  dies  von  keinem  Einflüsse.  Im  J.  57  aber  suchte  Ari- 
stobnrs  Sohn  Alexander,  der  auf  dem  Wege  nacli  Rom  aus  der 
Gefangenschaft  entkommen  war  (s.  oben  S.  300),  sicli  der  Herrscliaft 
in  Palästina  zu  bemächtigen.  Es  gelang  ihm,  «nn  Hcjcr  von  10000 
Schwerbewaffneten  und  IfiOO  l?<'it('rn  zu  sammeln  und  die  Festungen 
Alexandreion,  Hyrkania  und  .M.icliiirus  in  seine  Gewalt  zu  bekom- 


l)8oftUChKuhn,  Die  »tädtiHclic  und  liürgcrl.  Vcrrnssunpdos  röm.  Rt-iclis  II, 
163.    MendeUiohn  in  RitHclil'«  Ada  soa'et.  philnl.  L/psi,  iisis  V,  102. 
2)  Jo$eph.  Anit.  XIV,  ß,  1.    Hell.  .lud.  I,  ö.  1.  Appian.  iSyr.  51. 


[274.275]  §13.    Hyrkan  II  (63—40);  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  339 

men^).  Gabinius,  der  eben  damals  als  Proconsul  nach  Syrien 
gekommen  war,  sandte  zunächst  seineu  Unterfeldherrn  M.  A  ntonius, 
den  nachmaligen  Triumvir,  gegen  ihn;  und  folgte  bald  mit  dem 
Hauptheere  nach.  Alexander  wurde  in  einem  Treffen  bei  Jerusalem 
besiegt  und  zog  sich  in  die  Festung  Alexandreion  zurück.  Hier 
wurde  er  von  Gabinius  belagert  und  musste  sich  demselben  ergeben, 
scheint  aber  —  gegen  Uebergabe  der  Festungen,  |  die  in  seinem 
Besitze  waren  —  die  Freiheit  erlangt  zu  haben*).  Gleichzeitig 
nahm  Gabinius  eine  wichtige  Aenderung  in  den  politischen  Ver- 
hältnissen Palästina's  vor.  Er  Hess  nämlich  dem  Hyrkan  nur  die 
Sorge  für  den  Tempel,  nahm  ihm  aber  seine  politische  Stellung, 
indem  er  das  Land  in  fünf  Bezirke  {ovvoöoi^  avviÖQia)  zer- 
theilte  mit  den  Hauptstädten  Jerusalem,  Gazara,  Amathus, 
Jericho  und  Sepphoris^).    Was  unter  diesen  fünf  ovvoöoi  oder 


3)  Ueber  Alexandreion  s.  S.  297.  Die  Lage  von  Hyrkania  ist  unbe- 
kannt. Machärus,  noch  heute  J/Arawr,  lag  östlich  vom  todten  Meere.  Näheres 
über  diese  bedeutende  Festung  s.  §  20. 

4)  Joseph.  Äntt.  XIV,  5,  2—4.    Bell.  Jud.  I,  8,  2—5. 

5)  Joseph.  Antt.  XIV,  5,  4.  Bell.  Jud.  I,  8,  5.  —  Ueber  Amathus  im  Oßt- 
jordanland  s.  oben  S.  279;  über  Sepphoris  in  Galiläa  s.  Bd.  II  S.  162—167. 
Die  übrigen  drei  lagen  im  eigentlichen  Judäa.  Ueber  Gazara  s.  oben  S.  245 f. 
Josephus  hat  sowohl  Antt.  XIV,  5,  4  als  Bell.  Jud.  I,  8,  5  die  Form  Gadara. 
Damit  ist  aber  selbstverständlich  nicht  das  hellenistische  Gadara  in  Peräa  ge- 
meint, das  eine  vorwiegend  heidnische  Bevölkerung  hatte  und  durch  Pompejus 
vom  jüdischen  Gebiete  getrennt  worden  war;  aber  auch  nicht  ein  von  Schlatter 
(Zur  Topographie  und  Geschichte  Palästinas  1893,  S.  44— 51)  statuirtes  jüdisches 
Gadara  im  Süden  Peräa's,  dessen  Existenz  durch  Jos.  B.  J.  IV,  7,  3  nicht  er- 
wiesen ist;  sondern  es  ist  das  durch  Simon  den  Makkabäer  judaisirte  Gazara, 
für  welches  auch  sonst  die  Form  Gadara  vorkommt;  so  Joseph.  Antt.  XII,  7,  4 
in  einem  Theil  der  Handschriften  (=  I  Makk.  4,  15).  Auch  bei  Strabo  XVI, 
2,  29  p.  759  ist  unter  FuöaQlq,  i]v  xal  avifjv  i^iöiäaavxo  01  'lovSaZoi  das  Gebiet 
von  Gazara  zu  verstehen,  das  er  freilich  mit  Gadara  in  Peräa  verwechselt  (aus 
letzterem  stammten  die  von  ihm  erwähnten  berühmten  Männer).  In  einer 
Notitia  episcopatuum  findet  sich  "^Psysatv  ruöÜQiov  in  der  Nähe  von  Azotus,  ver- 
schieden von  räöeiga  zwischen  Pella  und  Capitolias  [Hieroelis  Synecdemus  et 
notüiae  graecae  episcopat.  ed.  Parthey  1866,  p.  144).  Auf  einer  Synode  zu  Je- 
rusalem vom  J.  536  waren  gleichzeitig  anwesend  ein  Bischof  ^ÄQÜ^ioq  Paöagcov 
und  ein  Bischof  6sö6(OQoq  FaöaQwv.  Es  hat  also  zwei  Gadara  in  Palästina 
gegeben  {Le  Quien,  Oriens  christianus  t.  III,  p.  595  sq.).  Noch  einige  Belege 
giebt  Geizer,  Zeitschr.  des  DPV.  XVII,  1894,  S.  38-41,  gegen  welchen 
Schlatter  ebendas.  XVIII,  1895,  S.  73—81  nichts  Triftiges  vorgebracht  hat, 
vgl.  Geiz  er  XVIII,  106  f.  Die  Aussprache  Gadara  ist  ein  Aramaismus;  denn 
der  Wechsel  von  hebr.  T  und  aram.  ^  ist  nicht  selten  (Kautzsch,  Grammatik 
des  Biblisch- Aramäischen  1884  §  10,  1  Anm.  a).  Vgl.  überh.  auch  Kuhn, 
Die  städtische  und  bürgerliche  Verfassung  des  röm.  Eeichs  II,  365 — 367. 
Menke's  Bibelatlas  Bl.  IV. 

22* 


340  §  13.   Hyrkan  II  (63—40);  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  [275.  276] 

awdÖQia  zu  verstehen  sei,  ist  nicht  ganz  deutlich  ^).  Man  kann  an 
Steuerbezirke  oder  an  Gerichtssprengel  {conventus  juridici)  denken "'). 
Für  ersteres  spricht  der  Ausdruck  owteXeiv  {B.  J.  I,  8,  5:  oi  (j* 
iva  ovvxEXmoiv  de  *Afja&ovvTa),  für  letzteres  der  Ausdruck  ovvoöoi 
{B.  J.  I,  8,  5).     Möglicherweise  fielen  beide   nicht  aus;einander^). 


6)  Josephus  sagt  ÄntL  XTV,  5,  4:  nevrs  6s  awsSgia  xaxaoxr]oaq  slq  l'aag 
fiolgaq  öisveifis  ro  l'ö-vog,  xal  inokizsvovro  oi  fiiv  iv  '^leQoaoXvfioig  ol  6s  iv 
ra6äQ0iq  ol  6s  iv  jifia&ovvzi,  xsTagzoi  6"  rjoav  iv  IsQiy^ovvxi,  xal  x6  nsfiitxov 
iv  Sa7t<pwQ0ig  x^q  FaXilaiaq.  Kai  ol  fisv  dntjXXayfisvoi  6vvaaxsiaq  iv  aQioxo- 
xgaxia  6ifiyov.  —  Bell.  Jud.  I,  8,  5:  xa9-iaxaxo  xfjv  alktjv  noXixdav  [nämlich 
ausser  der  Fürsorge  für  den  Tempel]  inl  ngoaxaaicc  xwv  aQiaxwv.  JieiXev 
6s  nüv  x6  s&voq  slg  nsvxe  avv66ovg,  x6  (ikv  ''IsQOooXvixoiq  ngoaxä^aq,  x6  6s 
ra6dQ0tq,  ol  6s  'Iva  avvxeXdiaiv  slg  jifxa&ovvxa,  xb  6s  xsxagxov  slg  "^IsQixovvxa 
xsx/.fjQwxo,  xal  X(p  Tisfxnxw  2s7t<pa)Qig  dne6slxB^7]  noXig  xfjg  FaXiXaiag.  jiofxsvcjq 
6s  XTJg  i§  svbg  inixQaxelag  iXsvS^SQCoS-svxsg  vö  Xoinov  uQioxoxQaxiq  6icoxovvxo. 

7)  Bei  Einrichtung  einer  Provinz  pflegten  die  Römer  das  Land  in  Steuer- 
bezirke zu  theilen,  deren  jeder  um  eine  grössere  Stadt  gruppirt  war.  Die 
Communalbehörde  einer  solchen  Stadt  diente  zugleich  den  Eömern  als  Steuer- 
behörde, indem  sie  für  den  Eingang  der  Steuern  in  ihrem  Bezirk  zu  sorgen 
hatte.  Grösser  als  diese  Steuerbezirke  waren  in  der  Regel  die  Gerichts- 
sprengel (eonventtis  juridici).  Zum  Zweck  der  Civilrechtspflege  (nur  um  diese. 
handelt  es  sich)  wurde  nämlicli  von  Zeit  zu  Zeit  an  gewissen  Orten  Gerichts- 
tag gehalten,  zu  welchem  die  deputirten  Richter  des  Bezirkes  zusammenkamen, 
um  unter  dem  Vorsitz  des  Statthalters  die  seit  dem  letzten  Gerichtstag  auf- 
gelaufenen Processe  zu  erledigen.  S.  Marquardt,  Römische  Staatsverwal- 
tung I  (1881)  S.  500  f.  Rudorff,  Römische  Rechtsgeschichte  II  (1859)  S.  5. 13 
Kornemann,  Artikel  conventus  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  IV,  11 73 ff.  Eine 
anschauliche  Schilderung  eines  solchen  convetitus  giebt  Dio  Chrysost.  XXXV,  15  tt". 

8)  Für  eonventtis  juridici  hält  die  Synedrien  des  Gabinius  z.  B.  Kuhn, 
Die  städtische  und  bürgerl.  Verfassung  des  röm.  Reichs  II,  336,  367.  Men- 
delssohn (in  Ritschl's  Acta  societatis  philol.  lApsicnsis  V,  163)  wagt  keine 
Entscheidung  und  erklärt  nur  das  für  sicher,  dass  den  Juden  durch  die  Maass- 
regel des  Gabinius  der  Rest  von  Freiheit,  den  Pompejus  ihnen  gelassen  hatte, 
genommen  worden  ist.  Unger  (Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie, 
philoB.-philol.  und  bist.  Gl.  1897,  S.  101—199)  meint,  die  fünf  Bezirke  seien 
weder  Steuerbi'zirke  noch  Gerichtssprcngel,  sondern  ropul)licuniHchc  Geniein- 
wescn  mit  aristokratiBclier  VcrfjiHsung;  avvi6Qiov  bezeicluie  den  regierenden 
Senat,  avvo6og  dio  zu  gewissen  Zeiten  sich  verHammelnde  Bürgerschaft.  Dio 
MaasHregel  bedeute  nicht  die  Einverleibung  in  die  Provinz  Syrien,  sondern  die 
Zertheiluog  des  jfldbchen  Gebiete»  in  fünf  „tributpflichtige  Froistiuitcn".  Für 
diese  AuffaMUDg  «pricht  ju  nmnches  in  den  Worten  des  .Tos(>i)hus  {iv  aQiaxo- 
tCQtttUf  difiyoVf  inl  nQoaxuala  xüiv  d{)laiujv,  uQiaxoxQaxla  dupxovvxo).  Sic 
scheitert  aber  m.  E.  an  dem  Ausdruck  ovvo6og,  der  für  VolksvcTsamnilungcn 
stAdtischer  GemeiuwoHcn  meinüs  Wisaena  nicht  vorkounnt.  Kr  wird  gc-bmucht 
ffir  die  Landtage  politiaoher  Verbände  und  ähnli(tli(>  KcpräHcututiv-Vcrsaium- 
Inngen;  auch  (tir  die  Fest-Vernammlungen  religiöser  Vereinig  tiixl  für  diese 
selbst  (Kornemann,  De  civibus  Jiunianis  in  provvnoiin  iniprrü  consistnitihus  1892, 
p.  2\  $q.    Ziebartli,  Das  griechische  Vereinswesen  1896,  S.  136—138.    Pfiilo  in 


[276]  §13.   Hyrkan  II  (63— 40) ;  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  34 1 

Jedenfalls  bedeutet  die  Maassregel  des  Gabinius  die  Beseitigung 
des  Restes  politischer  Macht,  welche  Hyrkan  noch  besessen  hatte. 
Nachdem  schon  Pompejus  ihm  den  Königstitel  genommen  hatte, 
wurde  er  jetzt  aller  politischen  Befugnisse  entkleidet  und 
auf  seine  priesterlichen  Functionen  beschränkt.  Das  Land 
wurde  in  fünf  Bezirke  getheilt,  die  von  Hyrkan's  Herrschaft  „be- 
freit" wurden.  Die  Einrichtung  ist  freilich  nicht  von  langer 
Dauer  gewesen.  Durch  die  Anordnungen  Cäsars  ist  sie  wieder  be- 
seitigt worden. 

Bald  darauf,  im  J.  56,  wurde  das  Land  aufs  Neue  in  Aufre- 
gung versetzt  durch  Aristobul  und  seinen  Sohn  Antigonus,  die 
beide  ebenfalls  aus  der  römischen  Gefangenschaft  entkommen  waren. 
Aristobul  war  durch  das  misslungene  Unternehmen  seines  Sohnes 
Alexander  so  wenig  gewitzigt,  dass  er  vielmehr  nun  dasselbe 
versuchte,  was  jenem  misslungen  war.  Aber  auch  er  war  nicht 
glücklicher.  Eine  römische  Heeresabtheilung  trieb  ihn  und  das 
kleine  Heer,  das  er  gesammelt  hatte,  mit  leichter  Mühe  über  den 
Jordan  zurück.  Er  versuchte  sich  in  Machärus  zu  vertheidigen ; 
musste  sich  aber  schon  nach  zweitägiger  Belagerung  ergeben  und 
wurde  aufs  Neue  als  Gefangener  nach  Rom  geschickt.  Seine  Kin- 
der jedoch  wurden  vom  Senat  in  Freiheit  gesetzt  ^).  Eben  damals 
unternalim  Gabinius  gegen  den  Willen  des  Senates  den  Feldzug 
nach  Aegypten,  um  den  Ptolemäus  Auletes  wieder  zum  König  ein- 


Flaccum  §  17,  Mangey  II,  537:  &iaaoi  xaxa  xtjv  nöXiv  slal  noXvdv&gconoi  — 
avvoöoi  xal  xXlvat  7tpoaovofiäL,ovtai  vno  xdiv  iy^iogimv.  Zahlreiche  Beispiele 
bei  Latyschev,  Inscn'ptiones  orae  septentr.  Ponti  Euxini  vol.  II,  1890).  Aber 
für  die  von  Unger  angenommene  Bedeutung  hat  auch  er  selbst  keinen  Beleg 
beibringen  können.  Andererseits  erklärt  sich  der  Umstand,  dass  Josephus 
das  einemal  von  avviÖQia,  das  anderemal  von  avvoöoi  spricht,  am  besten,  wenn 
es  sich  um  „Gerichte"  und  „Gerichtsversammlungen"  handelt.  Dass  die  Römer 
bei  Einrichtung  einer  Provinz  namentlich  mit  Organisation  von  Gerichts- 
sprengeln  vorgingen,  sehen  wir  z.  B.  aus  Strabo  XIII,  4,  12  p.  629  (die  Gebiete 
von  Phrygien,  Karlen  und  Lydien  sind  schwer  auseinander  zu  halten,  da  die 
Römer  die  alten  nationalen  Grenzen  nicht  beibehalten  haben,  uXXa  a'rsQOV 
TQÖnov  öiarä^ai  tag  öioixijaeig,  iv  alg  rag  dyoQalovg  [seil,  rifiegag  ==  Gerichts- 
tage] Ttoiovvxtu  -xal  rag  öixaioöoaiag).  Die  Steuerbezirke  waren  in  der  Regel 
kleiner.  Das  bestätigt  sich  auch  für  Judaea.  Denn  die  sogenannten  „To- 
parchien"  der  römischen  Zeit  sind  gewiss  in  erster  Linie  Steuerbezirke  (s.  Bd.  II, 
181 — 186).  Einige  von  ihnen  (Gophna,  Emmaus,  Lydda,  Thamna)  sind  schon 
für  die  Zeit  des  Cassius,  43  vor  Chr.,  nachweisbar  (Bd.  II,  S.  186).  Diese 
kleineren  Bezirke  können  aber  wieder  in  grössere  zusammengefasst  gewesen 
sein.  Insofern  ist  es  also  doch  möglich,  dass  die  fünf  Gerichtssprengel  zu- 
gleich Steuerbezirke  waren. 

9)  Joseph.  Ann.  XIV,    6,   1.     Bell.  Jud.  I,  8,  6.     Dia  Cass.  XXXIX,  56. 
Plutarch.  Anton.  3. 


342  §13.   Hyrkann  (63-40);  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  [276.277] 

zusetzen  (s.  oben  S.  305  f.).  Als  er  im  J.  55  von  dort  zurückkehrte, 
hatte  er  wiederum  mit  einem  Aufstand  in  Judäa  zu  thun.  Alexander 
hatte  einen  neuen  Versuch  gemacht,  sich  der  Herrschaft  zu  be- 
mächtigen und  wenigstens  einen  Theil  des  Volkes  für  sich  gewon- 
nen. Seinem  Treiben  wurde  jedoch  auch  diesmal  wieder  ein  baldiges 
Ziel  gesetzt  10). 

Im  J.  54  kam  an  Stelle  des  Gabinius  der  Triumvir  M.  Li  ein  ins 
Gras  SU  s  als  Proconsul  nach  Syrien.  Während  schon  Gabinius  das 
Land  durch  Erpressungen  hart  bedrückt  hatte,  so  erlaubte  sich 
Crassus  offenen  Eaub.  Pompejus  hatte  bei  der  Eroberung  des 
Tempels  die  reichen  Schätze  desselben  unangetastet  gelassen.  |  Diese 
alle  nahm  nun  Crassus  in  seinen  Besitz:  an  baarem  Gelde  allein 
2000  Talente:  ausserdem  an  Werthgegenständen  8000  Talente  i^).  — 
Palästina  wurde  indess  bald  von  seiner  Habgier  befreit,  da  er  im 
J.  53  auf  dem  Zuge  gegen  die  Parther  seinen  Tod  fand. 

Während  der  Jahre  53—51  hatte  C.  Cassius  Longinus,  der 
Quästor  des  Crassus,  die  oberste  Gewalt  in  Syrien.  Er  hatte  nicht  nur 
die  Parther  abzuwehren,  sondern  auch  die  immer  noch  vorhandenen 
aufständischen  Elemente  in  Palästina  zu  unterdrücken.  Aristobul 
zwar  befand  sich  in  römischer  Gefangenschaft;  und  seine  Söhne 
hatten  vorläufig  keine  Lust,  ihr  Glück  aufs  Neue  zu  versuchen. 
Aber  ein  gewisser  Pitholaus  übernahm  nun  ihre  Rolle  und  sammelte 
die  unzufriedenen  Elemente.  Er  gelangte  freilich  eben  so  wenig 
wie  jene  zum  Ziel.  Denn  das  schliessliche  Resultat  seines  Unter- 
nehmens war  dies,  dass  er  selbst  hingerichtet  und  30000  der  Unruh- 
stifter als  Sklaven  verkauft  wurden '2). 

Mit  dem  J.  49  beginnt  die  für  Italien,  wie  für  die  Provinzen 
gleich  verhängnissvolle  Zeit  der  Bürgerkriege,  für  die  Provinzen 
hauptsächlich  dadurch  verhängnissvoll,  dass  sie  die  ungeheuren 
Summen  liefern  mussten,  deren  die  kriegführenden  Parteien  be- 
durften. Wälirend  dieser  zwanzig  .lahre,  von  Cäsar's  Uebergang 
über  den  Rubico  bis  zum  Tode  des  Antonius  (49—30),  spiegelt 
sich  die  ganze  römische  Geschichte  in  der  Geschichte  von  Syrien, 
und  so  auch  in  der  von  Palästina,  wieder.  Jede  Wendung  der 
ersteren  ist  auch  eine  Wendung  der  letzteren;  und  nicht  weniger 
als  viermal  liat  Syrien  und  Palästina  in  dieser  kurzen  Zeit  den 
Herrn  gewechscdt. 

Als  im  Anfang  des  Jahres  49  Pompejus  und  die  Senatspartei 
aus  Italien  geflohen  waren,  und  Cäsar  sich  Ronfs  beinächtigt  hatte, 
wollte  dieser  u.  a.  sich  auch  des  gefangenen  Aristobul  für  seine 

10)  Jo$eph.  AtUl.  XIV,  6,  2—3.    Bell.  Jud.  I,  8,  7. 

11)  Jo$eph.  Antt.  XIV,  7,  1.    BeU.  Jud.  I,  8,  8. 

12)  Joitph.  Ault.  XIV,  7,  3.    Bell.  Jud.  I,  8,  9. 


[277.278]  §13.   Hyrkan  II  (63—40);  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  343 

Zwecke  bedienen.  Er  entliess  ihn  aus  der  Haft  und  gab  ihm  zwei 
Legionen,  damit  er  mit  diesen  in  Syrien  gegen  die  pompejanische 
Partei  kämpfe.  Allein  die  in  Rom  zurückgebliebenen  Anhänger 
des  Pompejus  vereitelten  das  Unternehmen,  indem  sie  den  Aristo- 
bul  durch  Gift  aus  dem  Wege  räumten.  Gleichzeitig  fiel  auch  der 
eine  von  Aristobul's  Söhnen,  Alexander,  als  Opfer  des  römischen 
Bürgerkrieges.  Auch  er  mochte  wohl  als  Anhänger  Cäsar's  auf- 
getreten sein ;  und  wurde  nun  auf  ausdrücklichen  Befehl  des  Pom- 
pejus von  Q.  Metellus  Scipio,  dem  Schwiegervater  des  Pompejus 
und  damaligen  Proconsul  von  Syrien  (s.  oben  S.  308),  zu  Antiochia 
enthauptet  •  3).  | 

Nach  der  Schlacht  bei  Pharsalus  (9.  Aug.  48)  und  dem  Tode 
des  Pompejus  (28.  Sept.  48)  schlugen  sich  Hyrkan  und  sein  alter 
Freund  Antipater  sofort  auf  Cäsar's  Seite  *^).  Sie  begrifien  wohl, 
dass  ihr  Heil  nunmehr  von  seiner  Gnade  abhänge  und  beeilten  sich 
daher,  ihm  ihre  Dienstfertigkeit  zu  beweisen.  Cäsar  war  nach 
seiner  Landung  in  Aegypten  (Octbr.  48)  in  einen  Krieg  mit  König 
Ptolemäus  verwickelt  worden.  Zu  seiner  Unterstützung  führte 
Mithridates  von  Pergamum  im  Frühjahr  47  ein  Hülfsheer  nach 
Aegypten  ^5).    Als  dieser  bei  Pelusium  auf  Schwierigkeiten  stiess, 


13)  Joseph.  Antt.  XIV,  7,  4.  Bell  Jud.  I,  9,  1-2.  —  Dass  Cäsar  den 
Aristobul  nach  Palästina  sandte,  erwähnt  auch  Dio  Cass.  XLI,  18. 

14)  Antipater  wird  jetzt,  noch  vor  dem  Eingreifen  Cäsar's  in  die  Ver- 
hältnisse Palästina's,  als  Procurator  von  Judäa  bezeichnet;  so  nicht  nur  von 
Josephus  {Antt.  XIV,  8,  1:  0  twv  ^ovöalwv  im/uslTjTijg} ,  sondern  auch  von 
Strabo,  der  sich  wieder  auf  Hypsikrates  beruft  {Jos.  Antt.  XIV,  8,  3:  xov  tfji; 
'loväalaq  inifisXrixriv).  Möglicherweise  hat  er  diese  Stellung  durch  Gabinius  er- 
halten, der  wegen  Antipaters  vielfacher  Verdienste  um  die  römische  Sache,  „die 
Angelegenheiten  Jerusalems  nach  Antipaters  Willen  ordnete"  {Antt.  XIV,  6,  4: 
xaxaatTjaüf^evoq  öh  Faßivioq  xa  xaxä  xi/v  leQoaoXvfjiiXüiv  n6).iv  wq  rjv  hvxi' 
ndxQu)  &£kovxt,  Bell.  Jiul.  I,  8,  7:  Faßivioq  ik&utv  slg'lsQoaöXvfia  n^og  x6  'Avxi- 
ndxQov  ßovXrjfia  xaxeaxijaaxo  xtjv  nohxsiav).  Da  dies  eine  Einrichtung  sein 
muss,  die  mit  den  übrigen  Anordnungen  des  Gabinius  nicht  im  Widerspruch 
stand,  so  darf  man  vielleicht  annehmen,  dass  dem  Antipater  die  oberste  Ver- 
waltung der  Steuern  im  jüdischen  Gebiete  übertragen  wurde.  Denn  ini/AeXtjxijg 
ist  ein  Verwaltungsbeamter,  in  erster  Linie  Finanzbeamter.  Jedenfalls  kann 
Antipater  nicht  ein  politischer  Beamter  im  Dienste  Hyrkan's  gewesen  sein, 
da  Hyrkan  seit  der  Maassregel  des  Gabinius  überhaupt  keine  politische  Stellung 
mehr  hatte.  Wenn  er  also  handelt  i^  ivxoX^g  'Yqxuvov  [Antt.  XTV,  8,  1),  so  ist 
dies  zu  erklären  aus  der  geistigen  Autorität,  die  Hyrkan  als  Hoherpriester  hatte 
{Antt.  XIV,  5,  1:  xax'  ivxoXtjv'YQxavov  gehört  in  eine  Zeit,  wo  Hyrkan  noch 
eine  politische  Stellung  hatte).  Ueber  Antipater's  Verdienste  um  die  römische 
Sache  in  der  Zeit  zwischen  63-48  v.  Chr.  s.  Antt.  XIV,  5,  1.  2.  6,  2.  3.  7,  3. 
Bell.  Jud.  I,  8,  1.  3.  7.  9.  Ueber  Antipater  überh.:  Wilcken  in  Pauly-Wisso- 
wa's  Real-Enc.  I,  2509  ff. 

15)  Bell.  Alexandr.  c.  26. 


344  §13.  Hyrkanll  (63—40);  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  [278.279] 

kam  ihm  Antipater  im  Auftrage  Hyrkan's  mit  3000  Mann  jü- 
discher Truppen  (die  wohl  zu  diesem  Zwecke  erst  gesammelt  wor- 
den waren)  zu  Hülfe  und  veranlasste  auch  die  benachbarten  Dy- 
nasten zur  Stellung  von  Hülfstruppen.  Mit  seinen  Truppen  leistete 
Antipater  dem  Mithridates  nicht  nur  bei  der  Einnahme  von  Pelu- 
sium,  sondern  auch  während  des  ganzen  ägyptischen  Feldzuges  sehr 
wesentliche  Dienste.  Nicht  geringere  Verdienste  erwarb  sich  Hyr- 
kan  dadurch,  dass  er  die  ägyptischen  Juden  veranlasste,  sich  auf 
Cäsafs  Seite  zu  schlagen  ^^), 

Als  daher  Cäsar  nach  Beendigung  des  alexandrinischen  Krieges 
im  Sommer  47  nach  Syrien  kam,  und  die  ihm  huldigenden  Dynasten] 
durch  Gnadenerweisungen  belohnte  i^),  wurden  auch  Hyrkan  und 
Antipater  reichlich  bedacht.  Zwar  erschien  auch  Antigonus,  der 
noch  übrig  gebliebene  Sohn  des  Aristobulus,  vor  Cäsar,  klagte 
über  das  gewaltthätige  Sichvordrängen  des  Antipater  und  Hyrkan 
und  machte  seine  älteren  und  besseren  Eechte  geltendes).  Aber 
Cäsar  schätzte  die  Zuverlässigkeit  und  Brauchbarkeit  jener  Beiden 
höher  als  die  des  Antigonus,  ignorirte  des  letzteren  Ansprüche,  und 
wandte  seine  Gunst  ausschliesslich  den  Beiden  zu.  Schon  vor  der 
Intervention  des  Antigonus  scheint  Hyrkan  als  Hoherpriester  be- 
stätigt und  dem  Antipater  das  römische  Bürgerrecht  und  Steuer- 
freiheit verliehen  worden  zu  sein'^).  Jetzt  wurde  Hyrkan  zum 
i&paQxi]c  der  Juden  ernannt,  d.  h.  in  die  von  Gabinius  ihm 
genommene  politische  Stellung  wiedereingesetzt;  Anti- 
pater aber  zum  Procurator  {kjtltQOJtoq)  von  Judäa  ernannt  (also 
in  der  schon  bisher  von  ihm  bekleideten  Stellung  bestätigt).  Gleich- 
zeitig wurde  die  Erlaubniss  zum  Wiederaufbau  der  Mauern  Jeru- 
salems ertheilt^o). 


16)  Antt.  XIV,  8,  1—3.  Bell.  Jml.  1,  9,  3—5.  —  In  dem  Decrete  Cäsars 
Antt.  XIV,  10,  2  wird  die  Zahl  der  jüdischen  Hülfstruppen  nur  auf  15()0  an- 
gegeben. 

17)  Bell.  Alexandrin.  65:  reges,  tyramios,  dt/nastas  prorinciae  fhtitimos,  qui 
otnnes  ad  eum  concurreraut,  reccptos  in  fidem  ewmlicionibus  inpositis  prorinciae 
tuendae  ac  defendcndae  dimUlit  et  aihi  et  popnlo  Romano  amicissimos. 

18)  Antt.  XIV,  8,  4.    Bell.  Jud.  l,  10,  1-2. 

19)  Antt.  XIV,  8,  3:  'Ygxavtp  (ikv  xriv  dQxiCQOiOvvriv  ßeßaivjaaq,  'AvxinaxQip 
Hk  nolixtluv  iv'^Paifiji  dovq  xal  driXetav  navTaxov.    Ebonso  Bell.  Jnd.  I,  9,  5. 

20)  Anll.  XIV,  8.  5:  'YQxavhv  fthv  dnoSflxvvaiv  dpyjfofa  .  . .  ['AvT/natQOv] 
inlxQonov  anodhlxvvat  t^c  ^lovöulaq.  'EnixQlnfi  61  xal  YQxavip  xa  xyi  na- 
Xifldoi  dvanxT)aai  xilx^.  Aohnlich  JML  Jt/d.  I,  10,  3.  —  DicHe  Verfügungen 
scbeiDen  von  den  in  der  vorigen  Aiiint-rkung  orwjlhntcn  vrrKcliicdcMi  zu  sein, 
die  einen  vor,  die  anderen  nach  der  Intervention  den  AntigontiM  erlaHsen  (ho 
Mendelitohn  in  Ritachl'«  Acta  hoc.  philo/.  Ups.  V,  100 «77.  Judoicli,  Cäsar 
im  Orient,   1886,  8.  123  f.;   m.  bcH.  Bell.  Jud.  I,  10,  1:   Uvriyovog  .  .  .  ylvexai 


[279.  280]  §  13.    Hyrkan  II  (63—40);  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  345 

Näheres  über  die  Verfügungen  Cäsars  erfahren  wir  durch  die 
von  Josephus  Antt.  XIV,  10,  2 — 10  mitgetheilten  Urkunden,  die  aber 
leider  so  schlecht  und  lückenhaft  überliefert  sind,  dass  sich  über 
manche  Stücke  kein  sicheres  Urtheil  mehr  gewinnen  lässt  2 1).  Sicherj 
ist,  dass  das  Schreiben  Cäsars  an  die  Sidonier  Antt.  XIV,  10,  2  aus 
dem  Jahre  47  herrührt,  und  das  eigentliche  Ernennungsdecret 
Cäsar's  für  Hyrkan  vom  J.  47  enthält  2'-').  Hiernach  ist  Hyrkan 
zum  erblichen  e&vagx'jQ  und  ccQxisQsvg  der  Juden  ernannt,  in  allen 
Rechten,  die  ihm  als  Hohenpriester  nach  jüdischem  Gesetze  zu- 
kamen, bestätigt,  und  den  Juden  die  Gerichtsbarkeit  in  jüdischen 
Angelegenheiten  zugestanden  worden.  Auch  wurde  Hyrkan  für 
sich  und  seine  Kinder  zum  „Bundesgenossen"  der  Römer  ernannt, 
und  bestimmt,  dass  rönjische  Truppen  in  seinem  Lande  nicht  über- 
wintern oder  Contributionen  erheben  sollten -^3).  —  Ob  in  dasselbe 


nagaöo^iog  lAvrindtQa)  /isi^ovoq  ngoxon^g  aiTtog).  Jedenfalls  ist,  wie  aus  den 
gleich  zu  besprechenden  Decreten  Cäsars  erhellt,  Hyrkan  durch  Cäsar  zum 
Hohenpriester  mit  politischen  Befugnissen,  aQXifQevq  und  i^väQXfl<i, 
ernannt,  also  in  die  von  Gabinius  ihm  genommene  politische  Stellung  wieder 
eingesetzt  worden.  —  Das  von  Josephus  Antt.  XIV,  8,  5  mitgetheilte  Senats- 
consult  gehört  wahrscheinlich  in  eine  viel  frühere  Zeit.    S.  oben  S.  251 — 253. 

21)  Vgl.  über  sie  bes. :  Mendelssohn  in.  BAt^ahV?,  Acta  societatis  philologae 
Ldpsimsis  t.  V,  1875,  p.  191—246  (hierzu  das  Referat  in  der  Theol.  Literatur- 
zeitung 1876,  Nr.  15,  col.  394  f.)  und  Niese,  Hermes  Bd.  XI,  1876,  S.  483—488 
(hiergegen:  Mendelssohn,  Rhein.  Museum,  Neue  Folge  Bd.  XXXII,  1877, 
S.  249—258);  auch:  Wieseler,  Beiträge  zur  richtigen  Würdigung  der  Evan- 
gelien (1869)  S.  75  ff.  Derselbe,  Theol,  Stud.  u.  Krit.  1877,  S.  290  ff.  Rosen- 
thal, Monatschr.  für  Gesch.  u.  Wissensch.  des  Judenth.  1879,  S.  176  ff.  216  ff. 
300  ff.  M  o  m  m  s  e  n ,  Römische  Geschichte  V,  501  f.  J  u  d  e  i  c  h ,  Cäsar  im  Orient 
(1885)  S.  119 — 141  (nur  über  die  Vorgänge  und  Urkunden  des  Jahres  47, 
wohin  Judeich  auch  Antt.  XIV,  8,  5  verlegt).  Grätz,  Gesch.  der  Juden 
Bd.  III,  4.  Aufl.  1888,  S.  660 — 671.  Viereck,  Sermo  graecus  qtio  senatiis  po- 
pulusque  Rommms  .  .  .  iisi  stmt  {Ootting.  1888)  p.  96 — 103.  Schlatter,  Zur 
Topographie  und  Geschichte  Palästinas,  1893,  S.  14—28,  321—324  [die  desul- 
torische  Behandlung,  welche  die  Decrete  hier  erfahren,  entzieht  sich  jeder 
Kritik].  Buch  1er,  Die  priesterlichen  Zehnten  und  die  römischen  Steuern  in 
den  Erlässen  Caesars  (Festschr.  zum  80.  Geburtstage  M.  Steinschneiders,  1896, 
S.  91 — 109).  —  Die  ältere  Literatur  s.  oben  S.  105,  und  bei  Bloch,  Die  Quellen 
des  Flavius  Josephus  S.  144  ff. 

22)  Cäsar  nennt  sich  in  demselben  avxoxQÜzmQ  xal  dQXKQBvq,  öixzdxtoQ  x6 
ösvxeQOv  [imperator  et  pontifex  maximus,  dictator  II).  Cäsar's  zweite  Dictatur 
geht  nach  Mommsen  {Corp.  Inscr.  hat.  t.  l  ed.  2  p.  40—42)  vom  October  48 
bis  Ende  46,  nach  Ganter  (Zeitschr.  für  Numismatik  Bd.  19,  1895,  S.  190— 195) 
von  October  48  bis  April  46.  Da  der  Titel  Consul  in  der  Titulatur  fehlt, 
während  Cäsar  in  den  Jahren  48,  46,  45  und  44  das  Consulat  bekleidet  hat, 
so  muss  das  Schreiben  in  das  J.  47  fallen. 

23)  Antt.  XIV,  10,  2:  öia  ravxaq  xuq  atxlag  ^Yqxuvov  'AXs^dvÖQOV  xal  xa 
rsxvci  avxov  ^&väQxaq^lov6al(ov  eivai,  dQXiSQOjavvriv  xs  'lovöoücov  6iä  navxbq 


346  §13.   Hyrkanll  (63— 40);  Antipater,  PhasaelundHerodes.  [280.  281] 

Jahr  noch  andere  Urkunden  gehören,  ist  ungewiss;  sicher  dagegen, 
dass  Hyrkan  nicht  lange  vor  Cäsars  Tod,  wohl  gegen  Ende  des 
Jahres  45  vor  Chr.,  eine  Gesandtschaft  nach  Rom  schickte,  welche 
einen  Senatsbeschluss  mit  neuen  Vergünstigungen  für  die 
Juden  erwirkte.  Der  Anfang  dieses  Senatsbeschlusses  (unter  Cä- 
sars vierter  Dictatur  und  fünftem  Consulate,  also  44  vor  Chr.) 
liegt  Antt.  XIV,  10,  7  vor.  Das  Datum  desselben  ist  wahrschein- 
lich erhalten  in  Antt.  XIV,  10,  10:  jcqo  jtivrs  eiöcöv  ^aßQovaQicov 
=  9.  Februar.  Da  er  nicht  sogleich  im  Aerarium  niedergelegt 
worden  war,  so  wurde  nach  Cäsars  Tod,  unter  den  Cousuln  Anto- 
nius und  Dolabella,  ry  jcqo  tqicöv  slöätv  'AjtqüMcov ,  also  am 
11.  April  44  vor  Chr.,  ein  neuer  Senatsbeschluss  gefasst,  durch 
welchen  die  Niederlegung  des  früher  gefassten  Beschlusses  im  Ae- 
rarium angeordnet  wurde  {Antt.  XIV,  10,  9 — 10).  Da  der  neue 
Beschluss  rein  formeller  Art  ist,  erfahren  wir  dadurch  nichts  über 
den  Inhalt  der  den  Juden  zugestandeneu  Rechte.  Auch  |  das  Bruch- 
stück des  früheren  Beschlusses  Antt.  XIV,  10,  7  enthält  nur  die 
formelle  Einleitung.  Höchst  wahrscheinlich  sind  uns  aber  andere 
Bruchstücke  desselben  unter  den  Fragmenten  Jos.  Antt.  XIV,  10, 
3—6  erhalten.  Doch  beginnen  eben  hier  die  Schwierigkeiten  der 
Untersuchung.  Es  fragt  sich,  welche  Stücke  dem  Senatsbeschluss 
vom  J.  44  angehören,  und  welche  etwa  aus  früheren  Jahren  (47 
oder  sonst)  herrühren.  Bei  der  Verderbtheit  der  Texte  wird  ein 
sicheres  Resultat  nie  zu  gewinnen  sein  2^).    Die  Hauptmasse  des 


^XSiv  xaxa'xu  nargia  1'^,  elval  re  avxov  xal  roiq  nolöaq  avxov  ovfxfidxovq 
rißlv,  exi  xe  xal  iv  xolq  xax'  avÖQU  (fiXoig  dgiS-fisTaS-ai'  öaa  xs  xaxa  xovq  lölovq 
avxtöv  vdfiovg  iaxlv  dgxi^Qo^xixä  i]  (piXäv&Qwna,  xavxa  xtXevio  xaxtxfi-v  avxov 
xal  xa  xi'xva  avxov.  uv  de  fitxa^v  yhrixai  xiq  t,TiXTjatq  negl  xtjg  'lovöalwv 
dywyrjt,  agtaxei  fioi  xglatv  ylvta^ai  nag'  avxolq.  nagax^ifiaaiav  öl  i]  xgfjf^ccTcc 
nguaaea&ai  ov  öoxifxa'C^o).  —  Zur  Auslegung  vgl.  Mendelssohn  a.  a.  O. 
8.  195—197,  Mommsen,  Römische  Geschichte  V,  501  f. 

24)  Die  Urkunden  Antt.  XIV,  10,  3—4  entlialten  Huchlich  kaum  etwas  an- 
dere« als  das  Dekret  Cüsars  vom  J.  47  {Antt.  XIV,  10,  2).  Da  sie  aus  eiueni 
Jahre  herrühren,  in  welchem  Cäsar  Consul  war  (die  Ziffer  des  Consuhito»  fehlt), 
aÜM)  entweder  aus  dem  Jahre  40,  45  oder  44,  so  hält  sie  MendelHsohn  [Acta 
Soc.  phil.  Ltpa.  V,  206—211)  wohl  mit  Recht  für  ßruchstücike  eines  Seuats- 
consultes  vom  J.  46,  welches  die  Verfügungen  Cüsar's  vom  J.  47  einfach  be- 
Htfltigte  (Ober  die  Bestätigung  feldhorrlicher  Verträge  durch  den  Senat  s.  üher- 
haupt:  Mommsen,  Rom.  Staatsrecht  111,  2,  1888,  S.  IIÜO-IIOH).  —  Die  Stücke 
XIV,  10,  6—6  enthalten  sehr  specielle  BeBtiinniungcn  über  das  Abgabenwesen 
und  acbeinen  zuMunmenzugehören.  Nach  dem  Atifimg  von  XIV,  10,  5  gehören 
Nie  in  da«  J.  44  (Oifar's  fOnftet  Oonsulat).  Ilicrmit  steht  aber  im  Wider- 
spruch, dam  darin  die  Erlaubnis«  zum  Bau  der  Mauern  Jerusalems  ertheilt 
wird  (XIV,  10,  6),  die  doch  schon  im  J.  47  ertheilt  worden  ist  {Antt.  XIV,  8,  5. 
Beti.  Jud.  !,  10.  H>;  wie  denn  auch  thatsftchlich  bereits  damals   der  Bau  aus- 


[281.282]  §  13.   Hyrkanll  (63—40);  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  347 

inhaltreichen  Stückes  Atitt.  XIV,  10,  6  gehört  höchst  wahrschein- 
lich in  das  Jahr  44  v.  Chr.  Unter  den  hiernach  den  Juden  ge- 
währten Zugeständnissen  sind  die  wichtigsten  die,  dass  ihnen  Jope, 
„welches  die  Juden  von  Anfang  an  besessen  hatten,  |  seit  sie  mit 
den  Kömern  Freundschaft  geschlossen  hatten",  als  Eigenthum  über- 
lassen wurde,  dass  ihnen  ferner  die  Dörfer  in  der  grossen 
Ebene,  welche  sie  früher  besessen  hatten,  abgetreten  wurden,  und 
dass  ihnen  endlich  auch  noch  andere  Ortschaften,  welche  „den  mit 
den  Römern  verbündeten  Königen  von  Syrien  und  Phönicien  gehört 
hatten",  übergeben   wurden  ^s).     Verrauthlich  waren    dies    lauter 


geführt  worden  ist  (Äntt.  XIV,  9,  1.  Bell.  Jitd.  I,  10,  4).  In  das  Jahr  47  führt 
ferner  das  Datum  Antt.  XIV,  10,  6:  Fatog  Kalaag,  avtoxQäxatQ  x6  ÖevxsQOv 
(soll  heissen  avxoxQäxwQ,  öixxaxiog  xb  SevxsQov).  Endlich  finden  sich  in  Äntt. 
XIV,  10,  6  verschiedenartige  Bestimmungen  über  Jope,  welche  verschiedenen 
Zeiten  anzugehören  scheinen.  Auf  Grund  alles  dessen  nimmt  Mendelssohn 
(Acta  Soc.  phil.  Lips.  V,  197  sqq.)  an,  dass  die  Stücke  XIV,  10,  5 — 6  zwar  dem 
Senatsconsult  vom  J.  44  angehören,  dass  aber  im  Anfang  desselben  (XIV,  10, 
5  und  6a)  ein  Decret  Cäsars  aus  dem  Jahr  47  citirt  werde.  Dieses  Decret 
unterscheidet  Mendelssohn  von  dem  in  Antt.  XIV,  10,  2  mitgetheilten.  Das 
eine  (XIV,  10,  2)  sei  vor  der  Intervention  des  Antigonus,  das  andere  (XIV, 
10,  5  und  6a)  nach  derselben  erlassen.  (Diese  Combination  ist  schwerlich  zu- 
lässig, da  nach  dem  Ernennungsdecret  Atitt.  XIV,  10,  2  Antigonus  nicht  mehr 
wagen  konnte,  Gegenvorstellungen  zu  machen.  Im  Uebrigen  aber  ist  Mendels- 
sohn's  Hypothese,  dass  die  Stücke  Antt.  XIV,  10,  5  und  6a  in  das  Jahr  47  ge- 
hören, sehr  ansprechend).  Die  neuen  Beschlüsse  des  Senatsconsultes  vom  J.  44 
findet  Mendelssohn  nur  in  der  zweiten  Hälfte  von  Antt.  XIV,  10,  6  (etwa  von 
den  Worten  oaa  xs  nexä  xavxa  eaxov  an).  —  Niese  (Hermes  XI,  S.  483  ff.) 
schreibt  sämmtliche  Stücke  Antt.  XIV,  10,  3—6  dem  Senatsconsult  vom  J.  44 
zu,  indem  er  annimmt,  dass  die  früher  etwa  von  Cäsar  mündlich  gegebene  Er- 
laubniss  zum  Bau  der  Mauern  erst  jetzt  vom  Senat  formell  ertheilt  worden 
sei,  und  indem  er  Antt.  XIV,  10,  6  statt  x6  dsvxegov  liest  xö  d*  (zum  vierten 
male).  —  Viereck  {Sermo  f/raecus  etc.  p.  101)  stimmt  wieder  mehr  mit  Men- 
delssohn überein.  Er  setzt  XIV,  10,  3—4  und  6a  in  das  J.  47  (XIV,  10,  3 
Senatsconsult,  XIV,  10,  4  und  6a  Edict  Caesars),  XIV,  10,  5  in  das  J.  44  (Edict 
Caesars),  und  hält  wie  Mendelssohn  XIV,  10,  6b— 7  für  Fragmente  des  Senats- 
consultes vom  Februar  44,  auf  welches  in  dem  Senatsconsult  vom  April  44 
(XIV,  10,  10)  Bezug  genommen  wird. 

25)  Antt.  XIV,  10,  6.  —  Wenn  es  richtig  ist,  dass  der  Anfang  von  XIV, 
10,  6  einem  Decret  vom  J.  47  angehört,  so  würde  schon  damals  ein  Theil  der 
Steuern  Jope's  den  Juden  überlassen  worden  sein  (es  ist  nämlich  mit  dem  alten 
Lateiner  zu  lesen:  öncjq  xeXüiaiv  insQ  XTjg'^IfQoao?,vfzixwv  noJ.ecjg'IoTirjvoi, 
ine^ciiQOVftevov  xov  kßdofiov  sxovg).  Jedenfalls  haben  sie  es  im  J.  44  ganz  als 
Eigenthum  erhalten  {'lonijv  öh  noXiv,  iqv  dn  dgxv?  fö;fov  'lovöaioi  notov- 
fisvoi  XTjv  ngög  Pwfxaiovq  <piUav,  avxtüv  sivat,  xa&wg  xal  xb  tiqwxov,  ■qfüv 
dQsaxer  (pögovq  xs  [vnsQ  zu  tilgen]  xavxriq  xfjq  nöXiwq  ^Ygxavbv  s^^iv  [dies 
beizubehalten]  x.  x.  L).  —  Völlig  dunkel  ist,  wer  unter  „den  mit  den  Römern 
verbündeten  Königen  von  Syrien  und  Phönicien",  welche  einige  der  den  Juden 
jetzt  übergebenen  Gebiete  früher  besessen  hatten,  zu  verstehen  sei.    Möglicher- 


348  §  13.   Hyrkan  II  (63—40);  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  [282.283] 

Gebiete,  welche  einst  Pompejus  den  Juden  abgenommen  hatte.  Unter 
den  zurückerstatteten  Orten  war  besonders  Jope  als  Hafeuplatz 
von  grossem  Werthe. 

Durch  Cäsar's  Gunst  erhielten  auch  die  Juden  ausserhalb 
Palästina's  wichtige  Privilegien.  Die  alexandrinischen  Juden  wurden 
im  Besitze  des  Bürgerrechtes  geschützt  2^);  den  Juden  Kleinasiens 
wurde  die  ungehinderte  Ausübung  ihrer  Religion  verbürgt'-").  Es 
war  überhaupt  Cäsar's  Bestreben,  die  Provinzialen  zufrieden  zu 
stellen,  um  das  Eeich  zu  sichern.  Aber  von  keinem  der  auswär- 
tigen Völker  wurde  nachmals  sein  Tod  so  sehr  beklagt,  wie  von 
den  Juden  28). 

Der  schwache  Hyrkan,  der  in  Palästina  zum  „Ethnarchen" 
der  Juden  eingesetzt  worden  war,  hatte  nur  dem  Namen  nach  die 
Eegierung.  In  Wahrheit  übte  dieselbe  der  kluge  und  thätige  An- 
tipater. Ja  er  ernannte  jetzt  sogar  seine  beiden  Söhne  Phasael 
und  Herodes  zu  Statthaltern  {oTQaTrjyoi),  den  einen  in  Jerusalem, 
den  andern  in  Galiläa 29).  Herodes,  der  uns  hier  zum  erstenmale 
begegnet,  war  damals  ein  junger  Mann  von  25  Jahren  3°).  Aber 
schon  jetzt  gab  er  Beweise  jener  Energie,  die  ihn  nachmals  auf 
den  Thron  gebracht  hat.  In  Galiläa  machte  ein  Räuberhauptmann 
Namens  I^zechias  mit  einer  zahlreichen  Bande  das  Land  unsicher. 
Herodes  bemächtigte  sich  seiner  Person  und  Hess  ihn  nebst  vielen 
seiner  Gesellen  hinrichten^')-    Mit  diesem  summarischen  Verfahren 


weise  sind  es  Dynasten,  welchen  Pompejus  jüdisches  Gebiet  geschenkt  hatte. 
Vielleicht  ist  aber  auch  der  Text  verdorben,  wie  überhaupt  auch  andere  Un- 
klarheiten auf  die  schlechte  Ueberlieferung  des  Textes  zurückzuführen  sein 
werden.  Vgl.  zur  Auslegung  von  Äntt.  XIV,  10,  5 — 6:  Mendelssohn  in 
Ritschl's  Acta  societatis  philol.  Lipsiaisis  t.  V,  p.  199  sqq.  234  sqq.  Mommsen,. 
Römische  Geschichte  V,  501  f.    Viereck  a.  a.  O.  S.  100. 

26)  8.  Bd.  III,  8.  80. 

27)  Antt.  XIV,  10,  8  und'  20—24.  —  Die  hier  zusammengestellten  Decrete 
Hind  zwar  nicht  direct  von  Cäsar  erlassen,  gehen  aber  höchst  wahrscheinlich 
auf  seine  Anregung  zurück.    S.  auch  Bd.  III,  8.  G7  f. 

28)  Siieton.  Caea.  84:  In  summo  puhlico  luctu  cxterarum  gentium  multüudo 
eirciilndm  suo  quoeque  more  lamctitata  est,  praecipueque  Judaciy  qui  etiam 
noetihiis  corUinuis  huatum  frcqnentarunt. 

29)  Antt.  XIV,  9,  2.    B.  J.  I,  10,  4. 

.SO)  Der  überlieferte  Josephustext  Antt.  XIV,  9,  2  hat  16.  Die  Zahl  25, 
welche  Dindorf  »ind  Bekker  in  den  Text  gesetzt  haben,  ist  lediglich  Conjoctur. 
DieHcIlN;  iitt  aber  nothwendig:  1)  weil  ein  Knabe  von  15  Jahren  uniuiiglich 
Hchon  die  Bolle  npielen  konnte,  die  Herodes  bereits  spielte,  2)  weil  Herodos 
bei  »einem  Tode  als  ungefiihr  siebzigjährig  bezeichnet  wird  [Antt.  XVII,  (i,  1: 
Mul  yuQ  nt(fl  hoQ  hßöofirjxoaxov  tiv,  liell.  Jttd.  I,  33,  1 :  ^v  nhv  ycep  ^örj  axeöov 
kOv  ißdofii^xona).  Vgl.  Havercamp's  Anm.  zu  Anff.  XiV,  9,  2,  van  der  (MiiJH, 
D»  Htrodf  Maf/7iii  p.  1. 

81)  Antt.  XIV,  9,  2.    B.  ./.  I,  10,  5. 


[283.284]  §  13.   Hyrkan  II  (63—40);  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  349 

war  man  freilich  in  Jerusalem  wenig  einverstanden.  Die  dortige 
Aristokratie  sah  darin  einen  Eingrift'  in  die  Rechte  des  Synedriums, 
dem  allein  es  zustehe,  Todesurtheile  zu  fällen;  und  verlangte 
daher  von  Hyrkan,  dass  er  den  jungen  Herodes  zur  Verantwortung 
ziehe.  Hyrkan  ging  darauf  ein  und  lud  den  Herodes  vor  das 
Synedrium  zu  Jerusalem.  Herodes  erschien  zwar;  doch  nicht,  wie 
es  einem  Angeklagten  geziemte,  im  Trauergewande,  sondern  im 
Purpur  und  von  einer  Leibwache  umgeben.  Als  er  so  vor  das 
Synedrium  trat,  verstummte  die  Anklage,  und  Herodes  wäre  ohne 
Zweifel  freigesprochen  worden,  wenn  nicht  der  berühmte  Pharisäer 
Sameas  (Schemaja?)  sich  erhoben  und  seinen  CoUegen  das  Ge- 
wissen geschärft  hätte.  Nun  war  man  geneigt,  dem  Rechte  seinen 
Lauf  zu  lassen  und  den  Herodes  zu  verurtheilen.  Allein  Hyrkan 
hatte  von  Sextus  Cäsar,  dem  Statthalter  von  Syrien,  Befehl  er- 
halten, den  Herodes  freizusprechen.  Als  er  daher  sah,  wie  die 
Dinge  eine  gefährliche  Wendung  nahmen,  hob  er  die  Sitzung  auf 
und  rieth  dem  Herodes,  sich  heimlich  aus  der  Stadt  zu  entfernen. 
Herodes  that  dies;  kam  aber  bald  darauf  mit  einem  Heere  gegen 
Jerusalem  angezogen,  um  für  die  ihm  widerfahrene  Schmach  sich 
zu  rächen.  Nur  den  di'ingendsten  Vorstellungen  seines  Vaters  Anti- 
pater gelang  es,  seinen  Groll  zu  beschwichtigen  und  ihn  von 
oiFener  Gewaltthat  zurückzuhalten.  Er  kehrte  nach  Galiläa  zurück, 
indem  er  sich  damit  tröstete,  wenigstens  seine  Macht  gezeigt  und 
seinen  Gegnern  einen  heilsamen  Schrecken  verursacht  zu  haben. 
—  Während  dieses  Conflictes  mit  dem  Synedrium  war  er  |  von 
Sextus  Cäsar  zum  Statthalter  von  Cölesyrien  {azQaxriybq  rrjg 
KoiXrjg  UvQiag)  ernannt  worden  3^). 

Dies  alles  geschah  noch  im  J.  47  oder  Anfang  46.  Im  Jahr  46, 
während  Cäsar  gegen  die  Pompejaner  in  Afrika  zu  kämpfen  hatte, 
wusste  sich  ein  Pompejaner,  Cäcilius  Bassus  zum  Herrn  von 
Syrien  zu  machen,  indem  er  den  Sextus  Cäsar  durch  Meuchelmord 
aus  dem  Wege  schaifte.  Er  wurde  wiederum  von  den  Cäsarianern 
unter  Führung  des  C.  Antistius  Vetus  im  Herbst  45^^)  in  Apamea 
belagert  (s.  oben  S.  309  f.).  Bei  dem  Heere  des  Letzteren  befanden 
sich  auch  Truppen  Antipater 's,  welche  dieser  als  einen  neuen 
Beweis  seiner  Ergebenheit  gegen  Cäsar  der  cäsarischen  Partei  zu 


32)  Joseph.  Antt.  XIV,  9,  3—5.  Bell.  Jwl.  I,  10,  6—9.  Die  Scene  vor  dem 
Synedrium  kennt  auch  die  rabbinische  Tradition.  Nur  sind  dort  die  Namen 
durchweg  andere.  Statt  Hyrkan:  Jannai,  statt  Herodes:  ein  Sklave  Jan- 
nai's,  statt  Schemaja:  Simon  ben  Schetach.  S.  Derenbourg,  Eist,  de  la 
Palestine  p.  146—148. 

33)  Nicht  47,  wie  Hitzig  II,  514  annimmt.  S.  dagegen  Cicero  ad  Atticum 
XIV,  9,  3. 


350  §13.   Hyrkanll  (63-40);  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  [284.285] 

Hülfe  gesandt  hatte  3*).  Der  Kampf  der  beiden  Parteien  ging  in- 
dess  unentschieden  fort;  und  auch  der  neue  Statthalter  L.  Statius 
Murcus,  der  Anfang  44  nach  Syrien  kam  und  durch  den  Statt- 
halter von  Bithynien  MarciusCrispus  unterstützt  wurde,  richtete 
nichts  Entscheidendes  gegen  Cäcilius  Bassus  aus. 

Mittlerweile  war  am  15.  März  44  Cäsar  ermordet  worden. 
Seinen  Tod  zu  rächen  und  sein  Werk  fortzusetzen,  war  M.  An- 
tonius entschlossen.  Aber  die  anfänglich  zurückhaltende  Stellung 
desselben  hielt  auch  die  Verschworenen  von  entscheidenden  Schritten 
•  ab.  Erst  als  er  mit  offener  Feindschaft  gegen  sie  hervortrat,  gingen 
die  Häupter  der  Verschwörung  nach  dem  Orient,  um  dort  Streit- 
kräfte zu  sammeln:  M.  Brutus  nach  Macedonien,  C.  Cassius  nach 
Syrien.  Als  Letzterer  gegen  Ende  des  Jahres  44  nach  Syrien 
kam,  wurde  noch  Cäcilius  Bassus  von  Statius  Murcus  und 
Marcius  Crispus  in  Apamea  belagert.  Obwohl  die  Letzteren 
bisher  der  Partei  Cäsar's  angehört  hatten,  stellten  sie  doch  ihre 
Heere  dem  Cassius  zur  Verfügung,  Statius  Murcus  auch  seine 
Person.  Auch  die  Legion  des  Cäcilius  Bassus  ging  zu  Cassius  über  ^s). 
So  war  Cassius  Herr  von  Syrien  und  im  Besitz  einer  beträcht- 
lichen Streitmacht.  Aber  zum  Unterhalt  des  gi'ossen,  bald  noch 
mehr  anwachsenden  Heeres  waren  ungeheure  Geldmittel  nöthig. 
Und  dazu  musste  auch  das  kleine  jüdische  Land  seinen  Theil  bei- 
tragen. Es  wurde  ihm  eine  Abgabe  von  700  Talenten  auferlegt,  bei 
deren  Aufbringung  sich  Antipat:er  und  sein  Sohn  Herodes  be- 
sonders dienstfertig  zeigten.  Denn  mit  demselben  Eifer,  mit 
welchem  sie  sich  einst  die  Gunst  Cäsar's  erwarben,  suchten  sie 
sich  nun  die  des  Cassius  zu  verdienen.  Wie  nützlich  dieser  Eifer 
war,  zeigten  abschreckende  Beispiele  in  Judäa  selbst.  Die  Ein- 
wohner der  Städte  Gophna,  Emmaus,  Lydda  und  Thamna  wurden, 
da  sie  ihren  Antheil  nicht  aufbrachten,  von  Cassius  als  Sklaven 
verkauft  3<i).  Der  junge  Herodes  aber  wurde  zum  Lohne  für  die 
geleisteten  Dienste  von  Cassius,  wie  früher  schon  von  Sextus  Cäsar, 
zum  Statthalter  {atQarrjyog)  von  Cölesyrien  ernannt  3'). 

Um  diese  Zeit  (43  v.  Chr.)  wurde  Antipater  das  Opfer  per- 
si'mlicher  Feindschaft.    Ein  gewisser  Malichus^'^)  strebte,  älnilich 

34)  Antt.  XIV,  11,  1.     Bell.  Jud.  I,  10,  10. 

'{.O)  Die  Nftchweiue  b.  oben  8.  310  f. 

:{f>)  Anlt.  XIV,  11,  2.    Bell.  Jud.  I,  11,  1-2. 

:{7)  Antt.  XIV,  11,  4.    Bell.  Jud.  I,  11,  4. 

.iH)  Sr-iri  Nninc  wird  von  Josephas  durchweg  MdXixoq  geBchrieben  (fast 
oliiif  Viirianti-n  in  den  HanclHchriftcii).  wiihrciid  in  iinderon  Füllen,  z.  K  für 
die  gleiclinaniigcn  nHlMitiÜMtlii-n  Könige,  die  Scliroibuiig  MüXxo(i  die  vorlicrr- 
Rchendc  ixt.     hiKcliriftlich  kommen  ixMd«*  Formen  nicht  selten  vor,  aueserdeni 


[285.  286]  §  13.   Hyrkan  II  (63-40);  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  351 

wie  Antipatei',  nach  einer  einflussreichen  Stellung  in  Judäa.  Hierbei 
stand  ihm  aber  vor  allem  Antipater  im  Wege.  Er  musste  daher, 
wenn  anders  er  zum  Ziele  gelangen  wollte,  sich  dieses  entledigen. 
Durch  Bestechung  gewann  er  den  Mundschenk  Hyrkan's,  der  den 
Antipater,   als  er  einst  bei  Hyrkan  speiste,  durch  Gift  tödtete^^). 

Herodes  übernahm  es,  den  Tod  seines  Vaters  zu  rächen.  Als 
Malichus  eben  damit  umging,  seine  Pläne  zu  verwirklichen  und 
sich  zum  Herrscher  in  Judäa  aufzuwerfen,  ward  er  einst  von 
Meuchelmöderu,  die  Herodes  im  Einverständniss  mit  Cassius  ab- 
gesandt hatte,  in  der  Nähe  von  Tyrus  ermordet^*). 

Nachdem  Cassius  Syrien  verlassen  hatte  (42  v.  Chr.),  brachen 
noch  schlimmere  Zeiten  über  die  Provinz  herein.  Hatte  Cassius 
unerschwingliche  Summen  erpresst,  so  entstand  jetzt  in  der  sich 
selbst  überlassenen  Provinz  ein  Zustand  völliger  Anarchie,  in 
welchem  nur  das  Eecht  des  Stärkeren  galt.  In  dieser  Zeit  machte 
auch  Antigonus  einen  Versuch,  mit  Unterstützung  des  Ptole- 
mäus  Mennäi  von  Chalcis  sich  der  Herrschaft  in  Palästina  zu  be- 
mächtigen. Diesen  Versuch  schlug  zwar  Herodes  mit  Glück  und 
Geschick  zurück,  er  konnte  aber  nicht  hindern,  dass  Marion,  der 
Tyrann  von  Tyrus,  einzelne  Stücke  galiläischen  Gebietes  an  sich 
riss4<).  I 

Eine  neue  Krisis  für  Palästina  und  insonderheit  für  die  beiden 
Idumäer  Phasael  und  Herodes  trat  ein,  als  im  Spätherbst  des 
Jahres  42  Brutus  und  Cassius  bei  Philippi  von  Antonius  und 
Octavianus  besiegt  worden  waren.  Ganz  Asien  fiel  damit  in 
die  Hände  des  Antonius.  Die  Lage  war  für  Phasael  und  He- 
rodes um  so  bedenklicher,  als  in  Bithynien  (wohl  Anfang  41)  eine 
Gesandtschaft  des  jüdischen  Adels  vor  Antonius  erschien  und 
sich  über  die  Beiden  beklagte.   Doch  wusste  Herodes  durch  sein 


auch  MaXf^oQ-  InWaddington's  Inscriptions  greeques  et  latines  de  la  Syrie 
findet  sich  (nach  Chabot's  Index)  MäXixog  n.  2022»,  2123,  2133,  2578,  2613,  2614, 
2615,  MäXxog  n.  2041,  2043,  2072,  2077,  2115,  2130,  2177,  2217,  2272,  2513,  2547, 
2598,  2608,  2627,  2645,  MäXfxo<;  n.  1964,  2026,  2195,  2196,  2226,  2230. 

39)  Antt.  XIV,  11,  4.    Bell.  Jud.  I,  11,  4. 

40)  Antt.  XIV,  11,  6.  Bell.  Jud.  I,  11,  8.  —  Die  Ermordung  An tipater's 
fand  vor  der  Eroberung  Laodicea's  (Sommer  43,  s.  oben  S.  311)  statt,  die  des 
Malichus  unmittelbar  nach  derselben,  beides  also  im  J.  43  (Antt.XTV,  11,  6. 
Bell  Jud.  I,  11,  7). 

41)  Antt.  XIV,  12,  1.  Bell.  Jud.  I,  12,  2-3  —  In  der  Darstellung  des 
Josephus,  welche  auf  Nicolaus  Damascenus  zurückgeht,  ist  der  Umstand  ver- 
schleiert, dass  Herodes  die  Eroberungen  der  Tyrier  nicht  liindern  konnte.  Er 
erhellt  aber  aus  dem  späteren  Schreiben  des  Antonius,  welches  den  Tyriern  die 
Herausgabe  der  eroberten  Ortschaften  befahl  (s.  unten  Anm.  43). 


352  §  13.   Hyrkan  II  (63—40);  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  [286.  287] 

persönliches  Erscheinen  die  Klage  vorläufig  zu  vereiteln  ^2).  Bald 
darauf,  als  Antonius  in  Ephesus  weilte,  erschien  vor  ihm  eine  Ge- 
sandtschaft Hyrkan's,  welche  darum  bat,  dass  Antonius  die  Frei- 
lassung der  von  Cassius  als  Sklaven  verkauften  Juden  und  die 
Herausgabe  der  von  den  Tyriern  eroberten  Ortschaften  befehlen 
möge.  Antonius  übernahm  bereitwillig  die  Rolle  des  Beschützers 
aller  Rechte  und  erliess,  unter  kräftigen  Ausfällen  auf  das  wider- 
rechtliche Gebahren  des  Cassius,  die  entsprechenden  Befehle^ 3). — 
Später  (im  Herbst  41),  als  Antonius  nach  Antiochia  gekommen 
war,  erneuerten  die  vornehmen  Juden  ihre  Klagen  gegen  Phasael 
und  Herodes.  Allein  auch  diesmal  hatten  sie  keinen  Erfolg.  An- 
tonius war  schon  vor  vielen  Jahren,  als  er  unter  Gabinius  in 
Syrien  gedient  hatte  (57 — 55),  der  Gastfreund  Antipater's  gewesen. 
Dieser  Freundschaft  erinnerte  er  sich  jetzt.  Und  da  überdies 
Hyrkan,  der  auch  nach  Antiochia  gekommen  war,  den  beiden 
Brüdern  ein  günstiges  Zeugniss  ausstellte,  so  ernannte  Antonius  den 
Phasael  und  Herodes  zu  Tetrarchen  des  jüdischen  Gebietes^*). 
Hyrkan  war  damit,  was  er  jedenfalls  nicht  bedauerte,  seiner  po- 
litischen Stellung  enthoben.  Er  hatte  sie  ohnehin  schon  längst 
nur  dem  Namen  nach  gehabt. 

Die  Zeit  der  Anwesenheit  des  Antonius  in  Syrien  war  für 
die  Provinz  eine  Zeit  schweren  Druckes.  Sein  schwelgerisches 
Leben  verzehrte  erstaunliche  Summen;  und  diese  mussten  die  Pro- 
vinzen liefern.  So  wurden  denn  überall,  wohin  Antonius  kam,  j 
schwere  Abgaben  eingetrieben;  und  auch  Palästina  hatte  dabei 
seinen  Antheil  zu  tragen  ^^). 

Im  J.  40,  während  Antonius  theils  von  Kleopatra  in  Aegypten 
festgehalten  wurde,  theils  durch  die  italisclien  Angelegenheiten 
in  Anspruch  genommen  war,  erfolgte  der  grosse  Einfall  der 
Parther,  der  ganz  Vorderasien  mit  ihren  wilden  Schaaren  über- 


42)  Antt.  XIV,  12,  2.    Dell.  Jud.  J,  12,  4. 

43)  ArUt.  XIV,  12,  2.  Die  Actenstücke  (ein  Schreiben  des  Antonius  au 
Hyrkan  und  zwei  Schreiben  an  die  Tyrier):  Antt.  XIV,  12,  8—5.  Das  eine 
Schreiben  an  die  Tyrier  {Antt.  XIV,  12,  4)  bezieht  sich  namentlich  auf  die 
Herausgabe  der  eroberten  Ortschaften,  das  andere  {Antt.  XIV,  12,  5)  auf  die 
Freilassang  der  jfldischen  Sklaven.  Auch  an  die  Städte  Sidoii,  Antiocliia  und 
AraduN  ergingen  ähnliche  Schreibon  {Anlt.  XIV,  12,  (5).  \f\.  zu  den  Acten- 
stflcken:  Mendelssohn  in  Ritschl's  Ada  Socictatis  pkibloyac  lApsknsis  t.V, 
1875.  p.  254-263. 

44)  Antt.  XIV,  13,  1.    Ikll.  Jud.  I,  12,  6. 

45)  Appian.  Oiv.  V,  7:  ^EmnaQiwv  öh  4>QX/ylav  te  xal  Mvolav  xal  FaXaraq 
xolq  iv  kaln,  KannaSoxlav  xe  xal  KiXixluv  xal  ^i^rQlav  rr/v  xollrjv  xal  llaXat- 
axivTiv  xal  r^v  'Ixavpalav  xal  '6aa  &XXa  yivri  Ji!vQ(oy,  unaatv  iotf^opuQ  inißakXt 
ßttQtlaq. 


[287.288]  §  13.   Hyrkan  II  (63—40);  Antipater.  Phasael  und  Hemdes.  353 

schwemmte.   Und  bei  dieser  Gelegenheit  gelangte  auch  Antigonus, 
wenigstens  auf  einige  Zeit,  an  das  Ziel  seiner  Wünsche. 

Als  die  Parther  unter  Pacorus  und  Barzaphranes  (ersterer 
war  der  Sohn  des  Königs  Orodes,  letzterer  ein  parthischer  Sa- 
trap) ^ß)  bereits  das  nördliche  Syrien  besetzt  hatten,  wusste  sie 
Antigonus  durch  grosse  Versprechungen  dazu  zu  bewegen,  ihm 
zur  Erlangung  des  jüdischen  Thrones  behülflich  zusein.  Pacorus 
zog  an  der  phönicischen  Küste  entlang,  Barzaphranes  im  Innern 
des  Landes  gen  Süden.  Pacorus  sandte  eine  Abtheilung  unter 
Anführung  eines  königl.  Mundschenkes,  der  ebenfalls  Pacorus 
hiess,  nach  Jerusalem.  Ehe  diese  dorthin  kam,  war  es  bereits 
dem  Antigonus  gelungen,  unter  den  Juden  sich  einen  Anhang  zu 
sammeln  und  mit  diesem  in  Jerusalem  einzudringen,  wo  es  nun 
zwischen  ihm  und  Phasael  und  He  rode  s  tägliche  Gefechte  gab*'). 
Mittlerweile  kam  die  parthische  Schaar  unter  Pacorus.  Dieser 
gab  vor,  Friede  stiften  zu  wollen,  und  forderte  den  Phasael  auf, 
sich  zu  Barzaphranes  zu  begeben,  damit  dieser  den  Streit  schlichte. 
Obwohl  Herodes  seinen  Bruder  ernstlich  warnte,  ging  Phasael 
doch  in  die  Falle  und  begab  sich  sammt  Hyrkan  und  Pacorus 
(dem  Mundschenk)  in  das  Lager  des  Barzaphranes.  Eine  kleine 
Abtheilung  parthischer  Reiter  blieb  in  Jerusalem  zurück*").  Im 
parthischen  Lager  warf  man  bald  die  Maske  ab  und  legte  die 
Beiden,  Phasael  und  Hyrkan,  in  Fesseln*^).  Als  Herodes  davon 
hörte,  beschloss  er,  da  er  zum  offenen  Widerstände  zu  schwach 
war,  aus  Jerusalem  zu  entfliehen.  Ohne  dass  die  Parther  es 
merkten,  führte  er  den  weiblichen  Theil  seiner  Familie  nebst  den 
Kindern  aus  der  Stadt  und  brachte  sie  auf  die  Festung  Masada, 
die  er  seinem  Bruder  Joseph  zur  Vertheidigung  übergab  ^"^).  Unter- 
wegs hatte  I  er  an  der  Stelle,  wo  er  später  die  Festung  Herodeion 
baute,  noch  einen  Kampf  mit  den  ihm  feindlich  gesinnten  Juden 
zu  bestehen.     Doch  erwehrte   er  sich  glücklich   ihres  Angriffes. 


46)  Die  Schreibung  BaQ^a^Qavrji;  scheint  mir  durch  das  überwiegende, 
freilich  stark  variirende  Zeugnis»  der  Handschriften  geboten,  obwohl  man  nach 
Analogie  anderer  persischer  Namen  Bag^atpagvi^g  erwarten  sollte.  Die  von 
Niese  bevorzugte  Schreibung  Ba^atpQavtjg  ist  durch  die  handschriftliche  Ueber- 
lieferung  nicht  gerechtfertigt. 

47)  Anit.  XIV,  13,  3.     Bell.  Jud.  I,  13,  1—2. 

48)  Antt.  XIV,  13,  4—5.    Bell.  Jud.  I,  13,  3. 

49)  Antt.  XIV,  13,  5-6.    Bell.  Jud.  1,  13,  4—5. 

50)  Masada  lag  auf  einem  steilen  Felsen  am  westlichen  Ufer  des  todten 
Meeres.  Im  vespasianischen  Kriege  war  es  die  letzte  Zufluchtsstätte  der  Auf- 
ständischen, die  erst  nach  mühevollen  Belagerungsarbeiten  von  den  Römern 
bezwungen  wurde  (73  nach  Chr.).  Ueber  ihre  Lage  und  Geschichte  s.  unten 
§  20  gegen  Ende  (woselbst  auch  die  neuere  Literatur  verzeichnet  ist). 

Schürer,  Geschichte  I    3.  u.  4.  Aufl.  23 


354  §  13.  Hyrkan  II  (63—40) ;  Antipater,  Phasael  und  Herodes.  [288. 289] 

Nachdem  er  so  seine  Angehörigen  in  Sicheriieit  gebracht  hatte, 
setzte  er  selbst  seine  Flucht  weiter  nach  Süden  fort,  zunächst  nach 
Petra  in  Arabien  ^*). 

Die  Parther  Hessen  sich  durch  die  Freundschaft  mit  Anti- 
gonus  nicht  abhalten,  das  Land  nebst  der  Hauptstadt  zu  plündern. 
Phasael  und  Hyrkan  aber  wurden  dem  Antigonus  zur  Verfügung 
gestellt.  Dem  Hyrkan  wurden,  damit  er  zum  Hohenpriester  ein 
für  allemal  untauglich  sei,  die  Ohren  abgeschnitten.  Phasael  da- 
gegen entzog  sich  den  Händen  seiner  Feinde  dadurch,  dass  er  sich 
den  Kopf  an  einem  Felsen  zerschmetterte,  nachdem  er  zuvor  noch 
die  freudige  Kunde  von  der  glücklichen  Flucht  seines  Bruders  er- 
halten hatte. 

Darauf  führten  die  Parther  den  Hyrkan  als  Gefangenen  mit 
sich  und  setzten  den  Antigonus  zum  König  ein  ^2), 


§  14.    Antigonus  (40-37). 

Quellen:  Joseph.  Antt.  XIV,  14—16.   Bell.  Jud.  I,  14—18,  3.   Zonaras  Annal.  V, 

10 — 11  (Auszug  aus  Josephus). 
Literatur:  Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV,  538—543. 

Grätz,  Geschichte  der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  190—197. 

Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  523 — 533. 

Schneckenburger,  Zeitgeschichte  S.  173—175. 

Hausrath,  Zeitgesch.  2.  Aufl.  I,  200-210.  | 

Lewin,  Fasti  sacri  p.  .52—62. 

Bürcklei  n,  Quellen  und  Chronologie  der  römisch-parthischen  Feld- 
züge iu  den  Jahren  713—718  d.  St.    Dissertat.  1879. 

Darmestet'er,  Les  Parthes  ä Jerusalem  {Journal asiatiqiw,  IX*"«  Serie, 
t.  IV,  1894,  p.  43—54)  [allgemeine  Betrachtung  darüber,  dass 
die  Parther  damals  den  Juden  als  Freunde  erschienen]. 


ßl)  Antt.  XIV,  13,  6—9.    Bell.  Jud.  I,  13,  6—8. 

52)  Antt.  XIV,  13,  9—10.  Bell.  Jud.  I,  13,  9—11.  —  Irrthünilich  nennt  Dio 
Om».  XLVIIl,  20  den  Aristobul  statt  des  Antigonus.  —  Uehcr  die  Ereig- 
niHHC  der  Jahre  43—40  giebt  Julius  Africanus  bei  Oeonj.  Syncell.  ed.  Din- 
dorf  l,  581  sq.  und  Byncellus  selbst  cd.  Dindorf  I,  576  sq.  und  579  je  einen 
kurzen  Bericht,  der  einiges  von  Josephus  abweichende  enthält  und  wulirschein- 
lich  auf  eine  andere  Quelle  (Justus  von  Tibcrias?)  zurückgeht.  Am  bemerkcns- 
worthcHt«n  ist,  djiss  liiernHch  Phasael  niclit  als  Gefangener  sich  selbst  das 
I>oben  nimmt,  sondern  in  der  Schlacht  fällt  (Jul.  Afric.  bei  Synccll.  1,  581: 
^»aauTikoq  6h  Iv  xy  fiäxv  uvaigeltai).  Auch  wird  die  Summe,  welche  Oassius 
in  PaÜittina  eintrieb,  nicht  auf  700,  sondern  auf  K(X)  TahMite  angegeben  (Si/u- 
eelL  I.  676).  Vgl,  überhaupt:  Golzer,  Julius  Africanus  I,  201- -205.  Man  Jial 
Jedo<rh  kein  Ilocbt,  dieüo  kurzen  Notizen  dem  Hehr  eingehenden  Bcrichto  des 

Jonephii-   v..r/i!yi.'hcn. 


[289.  290]  §  14.   Antigonus  (40—37).  355 

Antig 011  US  oder,  wie  er  nach  dem  Zeugniss  der  Münzen  mit 
seinem  hebräischen  Namen  hiess,  Mattathias  hatte  somit  durch 
parthische  Gnade  das  erreicht,  was  sein  Vater  und  Bruder  vergeb- 
lich erstrebt  hatten.  Wie  seine  Ahnen  seit  Aristobul  I,  so  nannte 
auch  er  sich  nunmehr  „König"  und  „Hoherpriester"  (auf  Münzen: 
BAGIAE2C  ANTirONOY  blÄH  pDri  JT'nntt)  i). 

Des  Herodes  Hoffnungen  ruhten  einzig  und  allein  auf  römi- 
scher Hülfe.  Ohne  Petra  zu  berühren  —  denn  der  Araberfürst 
Malchus  hatte  sich  seinen  Besuch  verbeten  —  ging  er  nach  Ale- 
xandria und  schiffte  sich  von  da,  obwohl  bereits  die  Herbststürme 
begonnen  hatten,  nach  Rom  ein.  Unter  mancherlei  Gefahren  ge- 
langte er  über  Rhodus  und  Brundusium  nach  Rom,  wo  er  alsbald 
dem  Antonius  sein  Leid  klagte 2).  Was  etwa  an  der  Gunst  des- 
selben noch  mangelte,  wusste  Herodes  durch  Geld  zu  gewinnen. 
Und  so  geschah  es,  dass  er,  nachdem  auch  Octavian  seine  Zu- 
stimmung gegeben  hatte,  in  feierlicher  Senatssitzung  zum  König 
von  Judäa  erklärt  wurde.  Durch  ein  Opfer  auf  dem  Capitol  und 
Festmahl  bei  Antonius  wurde  die  Ernennung  gefeiert  3). 

Von  der  Ernennung  bis  zum  wirklichen  Besitz  war  nun  frei- 
lich noch  ein  weiter  und  schwerer  Schritt.  Vorläufig  waren  die] 
Parther  und  ihr  Schützling  Antigonus  noch  im  Besitz  des  Landes. 
Die  Ersteren  wurden  zwar  im  J.  39  durch  Ventidius,  den  Legaten 
des  Antonius,  aus  Syrien  vertrieben  (s.  oben  S.  313  f.).    Allein  von 


1)  Vgl.  über  die  Münzen  des  Antigonus:  Eckhel  III,  480 — 481.  Mionnet 
V,  563  «9.  De  Sa'jtlcy,  Eecherches p.  \0Q — 113.  Ca v edon i,  Bibl.  Numismatik 
II,  23—25.  Levy,  Gesch.  der  jüdischen  Münzen  S.  65—67.  Madden,  History 
of  Jewish  Coinage  p.  76 — 79.  Keichardt  in  den  Wiener  Numismat.  Monats- 
heften Bd.  III,  1867,  S.  114—116.  De  Saulcy,  Xumismafic  Chronicle  .1871, 
p.  243  sq.  Madden,  Numismatic  Chronicle  1874,  p.  314 — 316.  Merz|bacher, 
Zeitschr.  für  Numismatik  III,  1876,  S.  209—213.  Madden,  Coins  of  the  Jetcs 
p.  99—103. 

2)  Antt.  XIV,  14,  1—3.    Bell.  Jud.  I,  14,  1—3. 

3)  Antt.  XIV,  14,  4—5.  Bell.  Jud.  I,  14,  4.  Vgl.  Appian.  V,  75  (s.  oben 
8.  312).  —  Die  Ernennung  fällt  noch  in  das  J.  40,  unter  das  Consulat  des 
On.  Dom\itius  Calvinus  und  C.  Asinius  Pollio  (J.m//.  XIV,  14,  5).  Aber 
jedenfalls  ziemlich  au  das  Ende  des  Jahres,  da  es  bereits  Spätherbst  war,  als 
sich  Herodes  in  Alexandria  einschiffte  {A.  XIV,  14,  2.  B.  J.  I,  14,  2).  Die  An- 
gabe des  Josephus,  dass  die  Ernennung  noch  in  der  184.  Olympiade  geschehen 
sei  {A.  XIV,  14,  5),  ist  demnach  unrichtig,  denn  diese  lief  im  Sommer  40  ab. 
Auch  die  gleichzeitige  römische  Geschichte  verlangt,  die  Ernennung  in  den 
Herbst  zu  setzen,  da  Antonius  und  Octavianus  nicht  früher  nach  Rom 
kamen.  Vgl.  Sanclemente,  De  vulgaris  aerae  emendatione  p.  360 — 366;  van 
der  Chijs,  De  Herode  Magno  p.  31 — 35.  —  Dagegen  ist  es  sicher  unrichtig, 
wenn  Gumpa'ch,  Ueber  den  altjüdischen  Kalender  S.  238—250,  die  Ernennung 
erst  in  den  Herbst  39  setzt. 

23* 


356  §  14.   Antigonus  (40-37).  [290] 

Antigonus  trieb  Veutidiiis  nur  hohen  Tribut  ein  und  Hess  ihn  im 
üebrigen  ungestört.  Und  ein  G-leiches  that  nach  dem  Abzug  des 
Yentidius  dessen  ünterfeldherr  Silo^). 

So  standen  die  Sachen,  als  Her  ödes  im  J.  39  in  Ptolemais 
landete.  Er  sammelte  rasch  ein  Heer;  und  da  nun  auch  Ventidius 
und  Silo  im  Auftrag  des  Antonius  ihn  unterstützten,  machte  er 
bald  Fortschritte.  Zuerst  fiel  Jope  in  seine  Hände.  Dann  auch 
Masada,  wo  die  Seinen  bisher  belagert  worden  waren.  Mit  dem 
Erfolg  wuchs  auch  die  Zahl  seiner  Anhänger;  und  so  konnte  er 
selbst  daran  gehen,  Jerusalem  zu  belagern.  Doch  richtete  er  dabei 
vorläufig  nichts  aus,  da  die  römischen  Truppen  Silo's,  welche  ihn 
unterstützen  sollten,  eine  schwierige  Haltung  annahmen  und  in  die 
Winterquartiere  entlassen  werden  raussten^). 

Im  Frühjahr  38  erneuerten  die  Parther  ihren  Einfall  in  Syrien. 
Während  nun  Ventidius  und  Silo  gegen  sie  zu  kämpfen  hatten, 
suchte  Her  ödes  das  Land  sich  vollends  zu  unterwerfen  und  von 
den  zahlreichen  Abenteurern  zu  säubern.  Namentlich  Galiläa  barg 
in  seinen  unzugänglichen  Höhlen  grosse  Schaaren  von  Briganten. 
Aber  selbst  dieser  wusste  Herodes  habhaft  zu  werden,  indem  er 
seine  Soldaten  in  grossen  Kasten  (^.dQvaxeo)  von  der  Höhe  der 
Felswände  herabliess  und  ihnen  so  den  Zugang  zu  den  Höhleu  er- 
möglichte ^). 


4)  Ana.  XIV,  14,  ü.    Bell  Jnd.  1,  15,  2.    Dio  Cass.  XLVIII,  41. 

5)  Antl.  XIV,  15,  1—3.    Bi'U.  Jud.  I,  15,  3—6. 

(j)  Antt.  XIV,  15,  5.  Bell.  Jud.  I,  16,  4.  —  Nacli  Anit.  XIV,  15,  4,  B.  J. 
I,  16,  2  befanden  sich  diese  llölilen  in  der  Nahe  von  Arbela.  Der  dortigen 
Höhlen  gedenkt  Josephus  auch  .sonst  noch  öfters  {An/t.  XII,  11,  1.  Uta  37). 
Die  BeHchreibiing.  welche  er  Aiitl.  XIV,  15,  5  --  Jl.  J.  I,  16,  4  giebt,  stimmt 
genau  mit  der  Besehaflenheit  der  Höiilen,  welche  sich  noch  heute  in  der  Nähe 
von  Jrbid  (Arbed),  nicht  weit  vom  See  Genezareth  nordwestlicli  von  Tibcrias, 
beßnden.  Es  kann  daher  kein  Zweifel  sein,  dass  Irbid  mit  Arbela  identisch 
ist,  und  die  dortigen  Höhlen  mit  den  von  Josephus  beschriebenen.  Darum 
sind  wir  aber  nicht  berechtigt,  gegenüber  der  vielfach  bezeugten  ITcberlicftM-ung 
Arbcda  zu  schreiben,  wie  Wellhauscn  wollte  (2.  Aufl.  H.  250,  anders  4.  Aufl. 
S,  266).  S.  dagegen  Schlatter,  Zeitschr.  des  DPV.XIX,  185)6,  S.222f.  Die  Form 
A  rbela  hat  JoHcplius  ftlnfmal,  dazu  kommt  I  .l/fl/.A-.O,  2  und  rabbinisch  b^ix,  denn 
der  Ort  mit  der  alten  Synagoge  {Carmolt/,  Itineraircs  1847,  ;).  131,  259)  ist 
Mchcr  unser  Arbel  '-  Jrbid  (vgl.  Bd.  II  8.  445  f.);  auch  in  anderen  Fällen  ist 
wahrscheinlich  diese»  gemeint  (Neubauer,  Oiographic  du  Talmud  p.  219).  Der 
Uebergang  von  /  in  d  ist  allerdings  auffallend,  aber  nicht  ohne  Analogie;  vgl. 
»ram.  *ltK  neben  ^t«  (Kautzsch,  Grammatik  des  Biblisch-Animüischen  S.  63, 
Kamplftneyer,  ZeltHchr.  des  DPV.  XV,  1S92,  S.  32  f.),  üdysseus  und  Ulysses. 
Ueber  anser  Arbela  überhaupt  s.  Ilobinaon,  Palästina  III,  532(1'.  Guirin, 
OtMU»  I,  1Ö8— 203.  The  Survcy  of  Western  Paleatine,  Metmirs  hy  Condcr  and 
Kilehener  I,  409—411  (Beschreibung  von  Kulat  Ihn  Man,  wie  die  Felsen- 
burg bei  den  Höhlen  jetzt  hcisst);  dazti  Blatt  VI  der  grossen  englischen  Karte. 


[290.  291]  §  14.    Antigonus  (40—37).  357 

Mittlerweile  wurden  die  Partlier  abermals  von  Ventidius  be- 
siegt (9.  Juni  ;}8).  Und  dieser  wandte  sich  nun  gegen  Autiochus 
von  Komniagene  und  belagerte  ihn  in  seiner  Hauptstadt  Samosata. 
Während  der  Belagerung  kam  Antonius  selbst  vor  Samosata  an.: 
Diese  Gelegenheit,  seinen  Gönner  zu  sprechen,  konnte  Herodes  nicht 
vorübergehen  lassen.  Denn  er  hatte  guten  Grund,  sich  über  die 
bisher  ihm  widerfahrene  Unterstützung  zu  beklagen.  Er  begab 
sich  also  nach  Samosata,  um  dem  Antonius  seine  Aufwartung  zu 
machen.  Dieser  nahm  ihn  sehr  gnädig  auf;  und  da  bald  darauf  die 
Uebergabe  von  Samosata  erfolgte,  so  beauftragte  Antonius  den 
Sosius,  den  Nachfolger  des  Ventidius,  dem  Herodes  kräftigen  Bei- 
stand zu  leisten^). 

In  Palästina  war  es  während  der  Abwesenheit  des  Herodes  übel 
hergegangen.  Joseph,  der  Bruder  des  Herodes,  welchem  dieser 
mittlerweile  den  Oberbefehl  übertragen  hatte,  war  von  einem  Heere 
des  Antigonus  geschlagen  worden  und  selbst  im  Kampfe  gefallen, 
worauf  Antigonus  ihm  das  Haupt  hatte  abschlagen  lassen.  Infolge 
dessen  hatten  sich  auch  die  Galiläer  wieder  gegen  Herodes  erhoben 
und  hatten  dessen  Anhänger  im  See  Genezareth  ertränkt^). 

Herodes  erfuhr  den  ganzen  Hergang  in  Antiochia  und  eilte 
nun,  den  l'od  des  Bruders  zu  rächen.  Galiläa  wurde  ohne  Mühe 
wieder  unterworfen.  Bei  Jericho  traf  er  auf  das  Heer  des  Anti- 
gonus, wagte  indess,  wie  es  scheint,  keinen  Kntscheidungskampf. 
Krst  als  Antigonus  sein  Heer  getheilt  und  den  einen  Theil  unter 
Papp  US  nach  Samaria  entsandt  hatte,  suchte  Herodes  diesen  auf. 
Bei  Isana  traf  er  mit  ihm  zusammen.  Pappus  griff  zuerst  an, 
wurde  aber  von  Herodes  vollständig  geschlagen  und  in  die  Stadt 
geworfen,  wo  nun  alles,  was  nicht  durch  die  Flucht  sich  retten 
konnte,  zusammengehauen  wurde.  Pappus  selbst  fand  dabei  seinen 
Tod.  Mit  Ausnahme  der  Hauptstadt  fiel  dadurch  ganz  Palästina 
in  die  Hand  des  Herodes.  Und  nur  der  Anbruch  des  Winters  hin- 
derte ihn,  die  Belagerung  Jerusalem's  sofort  zu  beginnen^). 


Frei,  Zeitsclir.  des  deutsehen  Palästina- Vereins  IX,  1886,  S.  108  fl'.     Legendre 
in   Viyouruux,  IHctiunnaire  de  l<i  Bible  I,  884 — 886  (mit  Abbildung). 

7)  Antt.  XIV,  15,  7—9.    Bell.  Jud.  1,  16,  6—7. 

8)  Anit.  XIV,  15,  10.    Bell.  Jud.  I,  17,  1—2. 

9)  Anit.  XIV,  15,  11—13.  Bell.  Jud.  I,  17,  3—8.  —  Statt  I:EANA  [A.XIY, 
15,  12)  hat  B.  J.  I,  17,  5  KANA,  was  wohl  nur  Textverderbniss  ist.  Nach  dem 
Zusammenhang  der  Erzählung  lag  der  Ort  entweder  im  südlichen  Samarien  oder 
im  nördlichen  Judäa;  denn  Pappus  war  nach  Samarien  entsandt  worden,  He- 
rodes aber  traf  mit  ihm  zusammen,  indem  er  von  Jericho  her  kam.  Ohne 
Zweifel  ist  daher  unser  Isana  identisch  mit  !^!l?j'^,  welches  II  Chron.  13,  19 
neben  Bethel  genannt  wird  ibei  Josepkus,  Antt.  VIII,  11,  3  'laavd).    Wahrschein- 


358  §  14.   Antigonus  (40—37).  [291.  292] 

Im  Frühjahr  37,  sobald  die  Jahreszeit  es  erlaubte,  lagerte  sich 
Herodes  vor  der  Hauptstadt  und  begann  mit  den  Belagerungsarbeiten. | 
xlls  dieselben  im  Gange  waren,  verliess  er  auf  kurze  Zeit  das  Heer 
und  begab  sich  nach  Samaria,  um  dort  seine  Hochzeit  mit  Ma- 
ri amme,  einer  Enkelin  Hyrkan's,  mit  welcher  er  schon  seit  fünf 
Jahren  (42  v.  Chr.  s.  Antt  XIV,  12,  1.  B.  J,  I,  12,  3)  verlobt  war, 
zu  feiern  1*^). 

Nach  Beendigung  der  Hochzeit  kehrte  er  wieder  in's  Feldlager 
zurück.  Nun  traf  auch  Sosius  mit  einem  starken  Heere  vor  Jeru- 
salem ein;  und  Beide  leiteten  jetzt  gemeinsam  den  Angriif  auf  die 
Stadt.  Wie  Pompejus  so  griffen  auch  sie  vom  Norden  her  an.  Hier 
erhoben  sich  die  mächtigen  Wälle;  und  hier  begannen  die  Wurf- 
maschinen ihre  Arbeit.  Vierzig  Tage  nach  Beginn  der  Beschiessung 
wurde  die  erste  Mauer  genommen;  nach  weiteren  fünfzehn  Tagen 
auch  die  zweite.  Aber  immer  war  der  innere  Vorhof  des  Tempels 
und  die  Oberstadt  noch  in  den  Händen  der  Belagerten.  Endlich 
wurden  auch  diese  erstürmt;  und  die  Sieger  mordeten  nun  in  der 
Stadt,  was  ihnen  in  die  Hände  fiel.  Antigonus  selbst  fiel  dem 
Sosius  zu  Füssen  und  flehte  ihn  um  Gnade.  Dieser  hatte  seinen 
Scherz  mit  ihm,  nannte  ihn  Antigene  und  Hess  ihn  in  Fesseln  legen. 
Des  Herodes  grösste  Sorge  war  es,  sich  seiner  römischen  Freunde 
baldmögliclist  zu  entledigen.  Denn  das  Morden  und  Plündern  in 
seiner  nunmehrigen  Hauptstadt  konnte  ihm  nicht  erwünscht  sein. 
Durch  reiche  Geschenke  wusste  er  endlich  den  Sosius  nebst  seinen 
Truppen  zum  Abzug  zu  bewegen  * ').  | 


lieh  ist,  wie  Clermont-Ganneau  vermuthet,  der  Name  noch  erhalten  in  dem 
heutigen  Ain  Sinia,  nur  wenig  nördlich  von  Bethel.  Vgl.  Clermont-Gan- 
neau, Journal  asiatiquc,  Scptihne  Serie,  t.  IX,  1877,  p.  490—501.  Quarterly 
Statements  \%11,  p.  20G  sq.  Zeitschr.  des  DPV.  I,  41  f.  Quer  in,  Snmarie  II, 
.38.  The  Survey  etc.  Mcmoirs  II,  291.  302;  dazu  ßl.  XIV  der  grossen  engl.  Karte 
(rechte  unten).  Clerraont-Qanneau,  Archacological  Jicsearches  in  Palcstiue 
vol.  II,  1800,  p.  287-  294. 

10)  Antt.  XIV,  15,  14.  B.  J.  I,  17,  8.  —  Mariamme  {MaQiäfi/xri,  niclil. 
MuQiauvTi  ist  zu  schreiben)  war  eine  Tochter  Alexander'«,  des  Sohnes  Ari- 
stobul's  II,  und  der  Alexandra,  einer  Tochter  Hyrkan's  TI  {Antt.  XV, 
%  6).  —  Sie  war  übrigens  schon  die  zweite  Gemahlin  des  Herodes.  Seine  erste 
hiesi  Doris,  von  welcher  er  einen  Sohn  Namens  Antipater  hatte  [Antt. 
XIV,  12,  1). 

11)  Antt.  XIV,  16,  1—3.  Bell.  Jud.  I,  17,  9. 18, 1—3.  Dio  Gass.  XLIX,  22. 
Seneca  Suas.  II,  21:  Sosio  Uli  qui  Judaeoa  suhegerat.  Taoit.  JTist.  V,  9:  Jndaros 
0.  8o»iui  iubegü.  lieber  den  Imperator-Titel  und  den  Triumph  dos  Sosius  rx 
Judaea  i.  oben  8.  314.  —  Der  Zeitpunkt  der  Eroberung  Jcrusalcin's 
wird  von  den  beiden  Quellen,  die  uns  zu  Gebote  stcOicn,  verschieden  ange- 
goboo.  Dio  Chi».  XLIX,  22  setzt  sie  noch  in  das  Consulat  des  Olaudius 
und  Norbanns,  88  v.  Chr.     Ihm  folgen  Clinton,  Faati  Hell,  III  p.  222  ^q. 


[293]  §  14.   Antigonus  (40—37).  359 

Damit  war  Herodes,  fast  drei  Jahre  nach  seiner  Ernennung, 
in   den  wirklichen   Besitz   der  Herrschaft  gelangt.    Antigonus] 


{ad  ann.  38),  p.  299  sq.  und  Fischer,  Rom.  Zeittafeln  S.  350,  indem  sie  den 
December  38  als  Zeitpunkt  der  Eroberung  annehmen.  Josephus  dagegen  sagt, 
sie  sei  geschehen  unter  den  Consuln  M.  Agripp  a  und  Caninius  Gallus, 
37  V.  Chr.  {Antt.  XIV,  16,  4).  Ihm  folgen  fast  alle  Neueren;  und  es  kann  in 
der  That  keine  Frage  sein,  dass  der  kurze  und  summarische  Bericht  des  Dio 
Cassius  gegenüber  der  ausführlichen  und  detaillirten,  auf  oflenbar  sehr  guten 
Quellen  ruhenden  Erzählung  des  Josephus  gar  nicht  in  Betracht  kommen 
kann.  Aus  letzterer  geht  aber  unzweifelhaft  hervor,  dass  die  Eroberung  erst 
im  J.  37  stattgefunden  hat.  Wir  wissen,  dass  Pacorus  am  9.  Juni  38  von 
Ventidius  besiegt  worden  war.  Ventidius  wandte  sich  darauf  gegen  An- 
tiochus  von  Kommagene  und  belagerte  ihn  in  Samosata.  Erst  als  die  Be- 
lagerung im  Gange  war  (vgl.  bes.  Plutarch.  Anton.  34),  also  frühestens  im  Juli 
38,  kam  Antonius  vor  Samosata  an.  Er  empfing  dort  den  Besuch  des  Herodes 
und  Hess,  als  Samosata  nach  langer  Belagerung  {Flut.  Anton.  34:  xfjq  de  no- 
hoQxlag  fi^xog  Xafxßavovarjq)  capitulirt  hatte  und  er  selbst  wieder  nach  Athen 
zurückkehrte,  den  Sosius  mit  dem  Befehl  zurück,  den  Herodes  zu  unter- 
stützen {Atitt.  XIV,  15,  8—9).  Es  war  also  bereits  Herbst  38,  als  Herodes 
diese  Unterstützung  empfing;  imd  der  Bericht  des  Josephus  lässt  keinen  Zweifel 
darüber,  dass  noch  ein  Winter  dazwischen  lag,  ehe  die  Eroberung  Jerusalem's 
erfolgte  (Antt.  XIV,  15,  11:  noXXov  Y^eifioivoq  xaxaQgayivxoq.  15,  12:  ;(«^<«»' 
sneaxe  ßa&vg.  Hierauf  15,  14:  Xi^^avzoq  6s  toü  ;f  f t  ^(övo?.  Und  endlich 
IG,  2:  &£Qog  xs  yag  riv).  Demnach  kann  die  Eroberung  Jerusalems  erst  im 
Sommer  37  stattgefunden  haben  (vgl.  Sanclemente,  De  vulgaris  a,era£  emen- 
datione  p.  366—371;  Ideler,  Handb.  der  Chronologie  II,  390;  gegen  Clinton 
bes.  vati  der  Chijs,  de  Herode  Magno  p.  35—41;  auch  Ewald  IV,  646;  Le- 
win, Fasti  sacri  p.b^  sq.;  Bürcklein,  Quellen  und  Chronologie  der  römisch- 
parthischen  Feldzüge,  1879,  S.  61—65;  Kellner  im  „Katholik"  1887,  zweite 
Hälfte  S.  65—75.  Gardthausen,  Augustus  und  seine  Zeit  I,  1  (1891)  S. 
239  f.  II,  1,  S.  118—121.  Kromayer,  Hermes  Bd.  29,  1894,  S.  563-571. 
Gardthausen,  Rhein.  Museum  1895,  S.  311—314.  Unger,  Sitzungsberichte 
der  Münchener  Akademie,  philos.-philol.  und  bist.  Cl.  1895,  S.  273—277  (in 
der  Abh.  über  die  Seleukidenära  der  Makkabäerbücher).  Korach,  Ueber  den 
Werth  des  Josephus  als  Quelle  für  die  römische  Geschichte,  Theil  I,  Leipzig, 
Diss.  1895,  S.  47 — 50).  —  Aber  nun  gehen  die  Meinungen  wieder  auseinander. 
Joseph,  Antt.  XIV,  16,  4  sagt,  die  Eroberung  sei  geschehen  x^  soqx^  XTJg 
VTjaxeiag,  womit  er  ohne  Zweifel  den  grossen  Versöhnungstag  (10.  Tischri  = 
üctober)  meint.  Ihm  folgen  van  der  Chijs,  Ewald,  Lewin,  Kellner, 
Gardthausen,  Unger  u.a.  Dagegen  hat  besonders  Herzfeld  („Wann  war 
die  Eroberung  Jerusalem's  durch  Pompejus,  und  wann  die  durch  Herodes?" 
in  Frankel's  Monatsschrift  f.  Gesch.  u.  Wissensch.  des  Judenth.  1855,  S.  109 
bis  115),  zu  zeigen  versucht,  dass  die  Eroberung  schon  früher,  im  Sommer, 
müsse  stattgefunden  haben,  und  man  wird  ihm  in  der  That  beistimmen  müssen. 
Herodes  hat  jedenfalls  die  Belagerung  begonnen,  sobald  es  die  Jahreszeit 
irgend  erlaubte  [Xij^avTog  xov  x^^f^^^^og),  also  wahrscheinlich  im  Februar, 
spätestens  im  März.  Sie  kann  daher,  obwohl  sie  nach  Bell.  Jud.l,  18,  2  fünf 
Monate  gedauert  hat,  sich  schwerlich  bis  in  den  October  hingezogen  haben. 
Vielmehr  wird  etwa  im  Juli  37  die  üebergabe  erfolgt  sein  (so  auch 


360  §  14.   Antigonus  (40—37).  [294] 

wurde  von  Sosius  nach  Antiochia  abgeführt  und  dort  —  dem 
Wunsche  des  Herodes  entsprechend  —  auf  Antonius'  Befehl  mit 
dem  Beile  hingerichtet.  Es  war  das  erstemal,  dass  die  Römer  an 
einem  Könige  ein  solches  Urtheil  vollzogen*-). 

Der  Herrschaft  der  Hasmonäer  war  hiermit  für  immer  ein 
Ende  gemacht. 


§  15.    Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.). 

Quellen:  Joseph.  Antt.  XV.  XVI.  XVII,  1—8.    Bell.  Jud.  I,  18—33.    Zonaras 
Annal.  V,  12—26  (Auszug  aus  Josephus). 
Ueber   die   nicht   erhaltenen  Werke  des  Herodes,  Ptolemüus, 
Nico  laus    Damascenus    und    Justus    von   Tiberias  s.  oben 
S.  48-63. 


Kromayer).  Die  hoQX^  trjq  vrjazslag,  welche  Josephus  in  seinen  heidnischen 
Quellen  vorfand,  wird  also  wieder,  wie  bei  der  Eroberung  durch  Pompejus, 
nicht  der  Versöhnungstag,  sondern  ein  gewöhnlicher  Sabbath  gewesen  sein, 
wie  denn  Dio  Cassius  auch  hier  wieder  sagt,  dass  die  Stadt  iv  xy  xov  KqÖvov 
Tj/itQtt  genommen  worden  sei  (XLIX,  22).  —  Noch  ist  der  Angabe  des  Jo- 
sephus zu  gedenken,  dass  die  Einnahme  erfolgt  sei  xo)  xqItu)  (xrivl  {Antt.  XIV, 
in,  4).  Damit  ist  jedenfalls  nicht  der  dritte  Monat  des  Olynipiadeujahres  ge- 
meint (so  V.  d.  Chijs p.  35  und  Gardthausen),  denn  die  griechischen  Monate 
werden  niemals  gezählt;  sondern  entweder  der  dritte  Monat  des  jüdischen 
Kalenders  oder  der  dritte  Monat  der  Belagerung.  Ersteres  nehmen  Grätz 
III,  4.  Aufl.  S.  196  und  Hitzig  II,  532  an  und  setzen  daher  die  Eroberung 
in  den  Juni  37.  Aber  jedenfalls  kann  dies  nicht  die  Meinung  des  Josephus 
sein,  da  er  ja  zugleich  die  Eroberung  auf  den  Versöhnungstag  verlegt.  Es 
ist  daher  vorzuziehen,  darunter  den  dritten  Monat  der  Belagerung  zu  ver- 
Htehen.  Die  drei  Monate  sind  dann  wohl  vom  Beginn  der  Beschicssung  {Atitt. 
XIV,  IG,  2)  an  gerechnet,  die  fünf  Monate  den  Bell.  Jml.  dagegen  vom  Beginn 
der  Schanzarbeiten  an  (Antt.  XIV,  15,  14).  Vgl.  Herzfeld  a.  a.  ().  S.  113  f 
Unger  8,  270.  (Lewin  schwankt;  Kromayer  nu'int,  das  T(</r<;>  /irjvl  sei  von 
Josephus  gedankenlos  ans  dem  Bericlit  über  die  Eroberung  Jerusalems  durch 
Pomi»ejuH  herüberg(!nommen).  —  Auf  vhwr  argen  Ueberseiiätzuiig  des  Josip- 
pon  (Josephus  Gorionides)  beruht  es,  wenn  Trieber  (Naeliriciiten  von  der 
Göttinger  GesellHch.  der  Wissensch.,  i)liil.-liist.  Cl.  1895,  8.  402—405)  nach 
dieHem  raittelaltt-rlichen  Fabulanten  die  Eroberung  auf  den  Fasttag  des  vierten 
Bionat«,  d.  h.  den  17.  Tharnnrns,  setzen  will. 

Kntffcliicden  falsch,  weil  allen  sichern  elironologiselien  Daten  wider- 
Nprechend,  i«t  die  Mtiiniing  von  (iumpacli  (Ueber  den  alljüdiselieii  Kiih'iider 
H.  268—277)  und  (Jaspari  (Chronologiseh-ge.ographiHelie  Isinleilung  in  das 
Ivcben  Jena  Cliristi  H.  18  If.),  dass  dio  Eroberung  erst  im  J.  71H  a.  ('.  36 
V.  Chr.  erfolgt  «lei. 

12)  Antt.  XIV,  16,  4.  XV,  1,  2  (wo  Josephus  auch  einc^  Stelle  aus  dem 
verloren  gegangenen  GeHclilchtHworko  des  Straho  mittheilt).  Bell.  Jud.  T,  18,3. 
IMo  Ca»$.  XMX,  22.     Plutnrch.  Antntt.  .36. 


[294.  295]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  36I 

Rabbinische  Traditionen  bei  Derenbourg  p.  149—165. 

Die   Münzen   am   vollständigsten   bei  Madden,  Coins  of  Ifie  Jews 

(1881)  p.  105—114. 
Literatur»):  Ewald,  Geschiclite  des  Volkes  Israel  IV,  543—585. 
Grätz,  Geschichte  der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  197—245. 
Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  534—559. 
Schneckenburger,  Zeitgeschichte  S.  175 — 200. 
Hausrath,  Zeitgeschichte  2.  Aufl.  I,  210-275. 
Winer,  Realwörterbuch  I,  481—483. 
Arnold  in  Herzog's  Real-Enc.     1,  Aufl.  VI,  8—14. 
Keim,  Geschichte  Jesu  T,  173—189. 
— ,  Schenkel's  ßibellexikon  III,  27-38. 
Van  der  Chijs,  Dissertatio  ehronologico-historica  de  Herode  Maffno, 

Judaeorum  rege.    lAiyd.  Bat.  1855. 
De  Sau  leg,  Histoire  d'HSode,  rot  des  Jui/s.     Paris  1867. 
Lew  in,  Fasti  sacri  or  a  key  to  tlie  chronxjhtgy  uf  the  New  Tesiatnefit, 

1865,  p.  62—127. 
Sieffert  in  Herzog's  Real-Enc.    2.  Aufl.  VI,  47—55.   3.  Aufl.  Vil, 

760—769. 
Reuss,  Gesch.  der  heil.  Schriften  A.  T.'s,  1881,  §  541—545. 
Momms'en,  Römische  Geschichte  V,  503—507. 
V'ickers,  The  historg  of  Herod,  or  anotfier  look  at  a  man  emerging ' 

from  twetity  cetituries  ofcahanny,  1885.  New  ed.  1901  (eine  Rettung !). 
Kellner,  Die  Regierungszeit  des  Herodes  und  ihre  Dauer  (Katholik 

1887,  Zweite  Hälfte,  S.  64—82,  166-182). 
A.  Röville,    Herodes   der  Grosse,   ein  Kapitel  aus  der  jüdischen 

Geschichte  (Deutsche  Revue,  18.  Jahrg.  1893,  2.  Bd.  S.  83-99, 

221—230,  361—376,  3.  Bd.  S.  78-89). 
A.  Riville,  Les  Herodes  et  le  reve  Herodien  {Revue  de  Vlnstoire  des 

religions  t.  28,  1893,  p.  283—301,  t.  29,  1894,  p.  1—24). 
Renan,  Histoire  du  peuple  d'Israel  V,  1893,  p.  248—304. 
Wellhausen,  Israelitische  und  jüdi.sche  Geschichte.    2.  Aufl.  S. 

307—329.    4.  Aufl.  S.  323-346. 
Menke's  Bibelatlas,  ßl.  IV,  Specialkarte  über  „Judäa  und  Phüuice 

nach  den  Einrichtungen  des  M.  Antonius"  und  Bl.  V,  Special- 
karte   über  „Judäa    und  Nachbarländer   zur  Zeit  von  Christi 

Geburt".  I 


v.Chr.«.  U. 
37  (717) 


Chronologische  Uebersicht-). 

Eroberung  Jerusalems  (etwa  im  Juli). 
Hinrichtungen,    Antt.    XV,    1,   2,   vgl.   XIV,   9,   4   fin. 
B.  J.  I,  18,  4. 


1)  Die  ältere  Literatur,  unter  welcher  bes.  Noldii  Historia  Idumaea  her- 
vorzuheben ist,  s.  in  Winer 's  RWB.  I,  483.  485  f. 

2)  Wir  schicken  diese  voraus,   da  im  Folgenden  die  chronologische  Ord- 
nung nicht  überall  festgehalten  ist. 


362 


§  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.). 


[295.  296] 


v.Chr.a.C7. 
36  (718) 

35  (719) 


34  (720) 


Hyrkan  II  kehrt  aus  der  parthischen  Gefangenschaft 
zurück,  Antt.  XV,  2,  1—4. 

Anfang  des  Jahres:  Aristobul  III,  der  Bruder  Ma- 
riamme's  wird  auf  Betrieb  seiner  Mutter  Alexandr.a 
von  Herodes  zum  Hohenpriester  ernannt,  Antt.  XV, 
2,  5-7;  3,  13). 

Ende  d.  J.:  Aristobul  III  wird  auf  Veranstaltung  des 
Herodes  (bald  nach  dem  Laubhüttenfest)  zu  Jericho 
im  Bade  ertränkt,  rrjv  aQxtsQcoövvrjv  xaraoxfoi'  svl- 
avrov,  Antt.  XV,  3,  3.    B.  J.  I,  22,  2. 

Herodes  wird  von  Antonius  nach  Laodicea  vorge- 
laden, um  sich  wegen  des  Todes  Aristobul's  zu  ver- 
antworten; wird  aber  von  Antonius  gnädig  entlassen, 
Antt.  XV,  3,  5  und  8—9^). 

Joseph,  der  Gemahl  von  Herodes'  Schwester  Salome, 
hingerichtet,  Antt.  XV,  3,  9. 

Antonius  schenkt  der  Kleopatra  das  phönicische  Küsten- 
land, mit  Ausnahme  von  Tyrus  und  Sidon,  und  Stücke 
von  Arabien  und  Judäa  (von  letzterem  namentlich  | 
das  Gebiet  von  Jericho),  Antt.  XV,  4,  1—2.  B.  J.  I, 
18,  5^).  1 


3)  Die  Ernennung  erfolgte,  nachdem  Alexandra  einige  Zeit  zuvor  die  Bild- 
nisse des  Aristobul  und  der  Mariamme  dem  Antonius  nach  Aegypten  ge- 
sandt hatte  {Antt.  XV,  2,  G.  B.  J.  I,  22,  3:  üq  AXymxov).  Da  nun  Antonius 
erst  Ende  30  nach  Aegypten  gekommen  ist  (s.  oben  8.  314  f.),  kann  die  Ernen- 
nung nicht  wohl  früher  als  Anfang  35  erfolgt  sein. 

4)  Da  Aristobul  nach  dem  Obigen  Ende  35  gestorben  ist,  so  fällt  diese 
Vorladung  nach  Laodicea  in  das  Frühjahr  34,  als  Antonius  den  Feldzug 
gegen  Armenien  unternahm  {JHo  Casn.  XLTX,  39);  also  nicht,  wie  Viele  an- 
nehmen, in  das  Jahr  30,  als  Antonius  gegen  die  Parther  zog.  Das  Richtige 
hat  van  der  Ghija.  —  Wenn  Josephus  sagt,  Antonius  sei  damals  gegen  die 
Parther  gezogen  {Antt.  XV,  3,  9),  so  ist  dies  zwar  ungenau,  aber  nicht  gerade 
unrichtig.  Denn  Antonius  gab  in  der  That  vor,  gegen  die  Parther  zu  ziehen 
M.  IHo  Cass.  a.  a,  O.  Uebrigcns  sagt  Josephus  auch  B.  J.  I,  18,  5  irrthümlich 
„Parther"  statt  „Armenier".  —  Der  Antt.  XV,  3,  9  erwähnte  Feldzug  {inl 
nÜQ^ovq)  ist  demnach  identisch  mit  dem  Antt.  XV,  4,  2  erwähnten  {^n  /Ip^uf- 
vlttv). 

6)  Diese  Schenkungen  erwähnen  auch  Plutarch.  Anton.  3(5  {4>otvlxrjv,  xol- 
Ai/y  Svglttv,  KvTtQOv,  KtXixlaq  noXX^v,  l'ti  6h  rfj(:  re  'lovöalwv  ti/v  to  ßäkattfiov 
ipigovoav  xal  tfjf  Nafiaxalwv  'ÄQaßlaq  oarj  ngbi  i^v  ivTtiq  dnoxklvei  {tükaoaav), 
und  IHo  CaKS.  XLIX,  32  {noXXa  fthv  zfjq  liQußlaq  r^C  Tf  MäXxov  xal  TTjq  twv 
IxvQulmv,  tov  yig  Avaavlav  .  .  ,  uni'xxtivtv  .  .  .,  noXka  dl  xal  xi/Q  <I'otvlx^<: 
tijt  XI  flaXaiaxlvtji,  KpTitrjq  xt  xiva  xal  h'vQtjvriv  xr'jv  xf  Kvkqov).  Heide;  ver- 
logen nie  io  da«  Jahr  30,  und  zwar  Plutarch  noch  vor  J3egiiin  des  purtliiHclicii 
FeldsugfM,   DIo   ütt«»luH    nach    der  Kütkkelir  von  rlcmHcll)en  (vgl.  Kroinuycr, 


[297]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  363 

v.Chr.a.Z7. 

Kleopatra  bei  Herodes  in  Jerusalem,  Antt.  XV,  4,  2. 
B.  J.  I,  18,  5. 


Hermes  1894,  S.  571  f.).  Nach  Josephus  dagegen  hat  die  Schenkung  der 
Stücke  von  Arabien,  Judäa  und  Phöuicien  im  J.  34  stattgefunden,  als  Anto- 
nius im  Begriff  war,  gegen  Armenien  zu  ziehen.  Denn  dass  dieser  Feldzug 
AiUt.  XV,  4,  1—3,  B.  J.  1,  18,  5  gemeint  ist,  kann  bei  Vergleichung  mit  Dio 
Gass.  XLIX,  39—40  nicht  zweifelhaft  sein.  Die  Zeitbestimmung  des  Plutarch 
und  Dio  Cassius  erhält  eine  scheinbare  Bestätigung  durch  die  Notiz  des  Por- 
phyrius.  dass  Kleopatra  ihr  sechzehntes  Regierungsjahr  auch  als  erstes  gezählt 
habe,  weil  ihr  Antonius  in  diesem  Jahre,  nach  dem  Tode  des  Lysimachus 
(soll  heissen  Lysanias),  das  Königreich  Chalcis  verliehen  habe  (Porphyr,  bei 
Euseb.  Ghron.  ed.  ScJioene  I,  170:  xb  ö'  exxaiötxazov  (ovofida&t]  xb  xal  ng(Zxov, 
ineiSri  xekevxi^oavxoQ  Avaiftä/ov  [1.  ytvaaviov]  xtjq  iv  J^vQia  XalxlSoq  ßaatlecag, 
MaQXoq  kvxwviog  o  avxoxQaxioQ  xrjv  xs  XaXxiöa  xal  xovq  ntgl  avxijv  xonovq 
naQiöwxe  xy  KXeonäxQo).  Diese  doppelte  Zählung  der  Regierungsjahre  der 
Kleopatra  ist  auch  bezeugt  durch  zwei  Münzen  und  zwei  Inschriften.  Auf 
einer  Münze  der  Kleopatra  findet  sich  auf  der  Rückseite  der  Kopf  des  Anto- 
nius und  das  Datum  txovq  xa  xov  xal  :  &i:ä  vetoxspa  (so  Feuardent,  Collections 
Giovanni  di  Demetrio,  Numismatique,  Egtjpte  aneienne  P.  I,  Paris  s.  a.  [1870] 
p,  135;  andere  Herausgeber  lesen  nach  dem  Datum  ^eäq  vewt^Qaq,  s.  Mionnet, 
Description  de  medailles  t.  VI,  p.  33  n.  267,  Suppl.  VIII,  p.  321  sq.  n.  410, 
Letronne,  Itevue  numismatique  1843,  p.  178,  Sallet,  Zeitschr.  für  Numismatik 
XIV,  1887,  S.  379  f.;  Exemplare  mit  beiden  Lesarten  giebt  Forrer,  Revue 
beige  de  Numismatique  1900,  p.  279  sq.;  sonstige  Literatur  über  die  Münze  s. 
bei  Feuardent  a.  a.  0.).  Auf  einer  anderen  Münze  mit  dem  Kopf  der  Kleo- 
patra [findet  sich  auf  der  Rückseite  BH  (Berytus)  und  das  Doppeldatum  LE 
und  LAK,  d.  h.  Jahr  6,  Jahr  21  (Feuardent  a.  a.  O.  S.  128.  Forrer,  Hernie  beige 
de  Num.  1900,  p.  284  sq.).  Eine  Inschrift  trägt  das  Datum  LK  xov  xal  E 
{Letronne,  Bectieil  des  inscriptions  greeques  et  latines  de  VEgypte  II,  125  =  Gorp. 
Inscr.  Graec.  n.  4931 — 4932  =  Lepsius,  Denkmäler  aus  Aegypten,  Bd.  XII, 
Blatt  88,  Inscr.  Gr.  n.  264,  dazu  Krall,  Wiener  Studien  Bd.  V,  1883,  S.  313f.). 
Eine  andere  Inschrift,  deren  Lesung  freilich  nicht  ganz  sicher  ist,  ist  datirt 
LIB  xov  xal  d,  Jahr  19  =  Jahr  4  (Strack,  Die  Dynastie  der  Ptolemäer  1897, 
S.  272  n.  158).  Da  nun  das  16.  Jahr  der  Kleopatra  nach  der  gewöhnlichen 
Zählung  ihrer  Regierungsjahre  gleich  36  vor  Chr.  ist  (nach  Letronne  II,  98: 
Herbst  37  bis  Herbst  36),  so  beginnt  mit  eben  diesem  Jahre  ihre  neue  Aera. 
Ob  Porphyrius  den  Grund  derselben  richtig  angegeben  hat,  wird  von  Neueren 
bezweifelt  (Feuardent  S.  135,  Kromayer,  Hermes  1894,  S.  582—585,  Strack  S. 
211 — 213).  Imraerliin  wird  durch  seine  Angabe  bestätigt,  dass  Kleopatra  das 
Reich  des  Lysanias  im  J.  36  erhalten  hat.  Bei  näherer  Betrachtung  spricht 
aber  diese  Notiz  des  Porphyrius  nicht  zu  Gunsten  des  Plutarch  und  Dio 
Cassius,  sondern  vielmehr  zu  Gunsten  des  Josephus.  Weshalb  nennt  Porphy- 
rius nur  das  Königreich  Chalcis,  nicht  auch  Phönicien  und  die  anderen  Ge- 
biete, die  viel  bedeutender  sind  als  Chalcis?  Offenbar  weil  Chalcis  die 
erste  Schenkung  war  und  die  anderen  erst  später  nachgefolgt 
sind.  Eben  dies  ist  aber  auch  die  Voraussetzung  des  Josephus.  Als  Herodes 
sich  vor  Antonius  in  Laodicea  verantwortet  hatte,  berichtet  er  alsbald  nach 
Hause:  Antonius  habe  der  Kleopatra  ihre  Bitte  um  Verleihung  von  Judäa 
abgeschlagen,  da  sie  durch  Verleihung  von  Cölesyrien  abgefunden  sei    (Antt. 


364  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [297] 


V.  Chr.  a.U. 
32  (722) 


Krieg  des  Herodes  mit  den  Arabern  (nacli  Ausbrncli 
der  Feindseligkeiten  zwischen  Antonius  und  Octavian), 
Antt.  XV,  5,  1.    B.  J.  I,  19,  1—3. 


XV,  3,  8  fin.).  Kurz  darauf  hat  dann  Kleopatra  ihr  Verlangeii  wenigstens 
theilweise  durchgesetzt:  sie  erhielt  Stücke  von  Judäa  und  Arabien  und  einen 
Theil  Phöniciens  {Antt.  XV,  4,  1).  Hiernach  ist  sicher,  dass  die  Verleihung 
von  „Cölesyrien",  womit  eben  das  Gebiet  des  Lysanias  gemeint  ist,  den  anderen 
Schenkungen  vorausgegangen  ist.  Plutarcb  und  Die  Cassius  fassen 
zeitlich  auseinander  Liegendes  zusammen.  Die  genauere  Dar- 
stellung hat  Josephus.  —  Im  Gegensatz  zu  dieser  Auffassung  hat  Kro- 
mayer,  Zeit  und  Bedeutung  der  ersten  Schenkung  Marc  Antons  an  Cleopatra 
(Hermes  Bd.  29,  1894,  S.  571 — 585)  wieder  sämmtliche  von  Plutarch  und  Dio 
Cassius  a.  a.  O.  erwähnte  Schenkungen  in  das  Frühjahr  36,  vor  Beginn  des 
parthischen  Feldzuges,  gesetzt.  Entscheidend  hiergegen  scheint  mir:  1)  Die 
Schenkungen  sind  aus  obigen  Gründen  sicher  nicht  alle  gleichzeitig  erfolgt. 
2)  Nach  dem  detaillirten,  offenbar  nus  guter  Quelle  geschöpften  Bericht  des 
Josephus  ist  die  Schenkung  eines  Stückes  von  Judäa  an  Kleopatra  erst  einige 
Zeit  nach  der  Ermordung  Aristobul's  erfolgt;  sie  hatte  noch  nicht  statt- 
gefunden zu  der  Zeit,  als  Herodes  wegen  dieser  That  sich  vor  Antonius  ver- 
antworten musste  {Antt.  XV,  3,  8  fin.).  Die  Ermordung  Aristobid's  setzt  aber 
auch  Kroraayer  (S.  573)  in  den  Winter  35/34,  und  Herodes'  Heise  nach  Lao- 
dicea  ins  Frühjahr  34.  Es  ist  hiemach  unmöglich,  die  Schenkung  schon  ins 
Frühjahr  30  zu  setzen.  3)  Von  Kromayers  Argumenten  für  seine  Aulfassung 
iBt  nur  eines  bestechend  (S.  578):  Der  Araberkönig,  welchem  gleichzeitig  mit 
Herodes  ein  Stück  abgenommen  wurde,  hat  seinen  Tribut  eine  Zeit  lang 
{xqÖvov  xivu)  richtig  bezahlt;  dann  wurde  er  säumig,  bis  endlich  Herodes  von 
Antonius  den  Befehl  erhielt,  im  Interesse  Kleopatra's  gegen  ihn  kriegerisch 
einzuschreiten  {Antt.  XV,  4,  4.  5,  1).  Da  dies  geschah,  als  der  Krieg  zwisehen 
Antonius  und  Octavian  zum  Ausbruch  kam,  so  sei  zur  Entwickelnng  dieser 
Dinge  nicht  genügend  Spielraum,  wenn  nuin  die  Schenkung  erst  34  setze.  In 
der  That  bleiben  nur  zwei  Jahre  (Frülijahr  34  bis  Frühjalir  32).  Diese  dürften 
aber  doch  genügen.  Jedenfalls  kann  man  elier  in  diesem  Punkte  den  Bericht 
des  Josephus  für  ungenau  erkh'iren,  als  alles  Andere  bei  ihm  unistosseii.  Nod» 
weniger  durclischhigend  sind  die  anderen  Argumente  Kromayer's  (S.  574  f). 
Kleoputru  war  um  jene  Zeit,  als  Antonius  ihr  Stücke  von  Judäa,  Arabien  und 
Phönieien  schenkte,  bei  Antonius  in  Syrien  und  luit  ilin  dann  bis  an  den 
Euphrat  begleitet  {Antt.  XV,  4,  1—2).  Daraus  folgt  aber  nicht,  dass  dies  der 
Feldzug  vom  J.  30  war;  es  kann  (tbonso  gut  beim  Feldzug  vom  J.  34  der  Fall 
gewcHen  sein,  wenn  auch  Antonius  damals  nicht  lange  in  Syrien  verweilte 
und  niclit  über  d(>n  Euphrat,  HotnUtm  an  deniselixtn  entlang  mich  Nikopolis 
in  Klein-Armenien  ging  {l>io  Cans.  XLIX,  \Vd).  .IcdcnCnlls  meint  .losepims  den 
Feldzug  vom  J.  34.  In  diese  Zc^it  verlegt  (fr  auch  die  Jlinriclitung  des  I^ysa- 
diaM  (Antt.  XV,  4,  1  :  dnoxxivvvaiv),  also  später  als  die  Verschenkung  seines 
GebictcH.  Wenn  andere  Quellen  beid(;H  zusammen  in  das  ,f.  30  setzen,  so  ist 
diuN  kein  miNreictheuder  Grund,  «h^n  detaillirteren  Bericht  des  Josephus  zu 
verwürfen  und  anzunehmen,  dusH  er  cigiuitlich  in  diesem  Zusammenhang  von 
KreigtiiNNen  dei  Julires  .'{<i  spreche.  --  Vgl.  im  Allgemeinen  über  dic!  Sclien- 
kuogen  de«  Antoniu«  an  Kleoputru  auch  oben  S.  310. 


[297.  298] 


§  15.    Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.). 


365 


v.Chr.«.  r/. 

31  (723)     Erdbeben  in  Palästina,  Anlt.  XV,  5,  2.  B.  J.  I,  19,  3: 
xar    eroq  fitv  ZTJq  ßaciXsiag  kßöo/jov,   dxftdC^ovrog  6h 
Tov  jteQl  AxTiov  jtoXtfiov,  aQXf^l^tPov  eaQoq^). 
Herodes  besiegt  die  Araber,  Antt.  XV,  5,  2 — 5.    B.  J. 

I,  19,  3-6. 
Nach  der  Schlacht  bei  Actiura  (2.  Sept.)  ergreift  He- 
rodes die  Partei  des  August us,  indem  er  den  Di- 
dius  im  Kampfe  gegen  die  Gladiatoren  des  Antonius 
unterstützt,  Antt.  X\',  6,  7.  B.  J.  I,  20,  2.  Vgl.  oben 
S.  317. 

30  (724)    Frühjahr:  Hyrkan  11  hingerichtet,  Antt.  XV,  6,  1—4. 
B.   J.   I,    22,   1,    jcXiico    (ilv    fj    oyöo^xovra    ysyovmq 
Irvyyiavkv  tri]  {Anlt.  XV,  6,  3) '). 
Herodes  reist  zu  Augustus  nach  Rhodus  und  wird 
von  ihm  als  König  bestätigt,  Antt.  XV,  6,  5—7.   B.  J. 
I,  20,  1—3. 
Er  empfängt  den  Augustus  auf  dessen  Marsch  nach 
Aegypten    in    Ptolemais,    Antt.    XV,    6,    7.    B.  J. 
I,  20,  3. 
Herbst:   Herodes  reist  zu   Augustus  nach   Aegypten 
und    erhält   von    ihm   Jericho    zurück,    ausserdem 
Gadara,    Hippos,    Samaria,    (Taza,    Anthedon, 
Jope,  Stratonsthurm,  Antt.  XV,  7,  3.  B.J.  1,20,3. 
Ende  d.  J.:  Er  geleitet  den  Augustus  auf  der  Rück- 
kehr  aus  Aegypten  bis  Antiochia,  Antt.  XV,  7,  4. 
29  (725)     Ende    d.    J.:    Mariamme    hingerichtet,    Antt.  XV,    7, 
4—6.    />'.    ./.   I,  22,   3—5    (J.  XV,  7,  4:  ?  xh  v.jtoipia 
\       TQEfponivy}    jTaQtrsivtv    tviavrov   firjxoc,    t|  ov   jraQa 
I       KaioaQog  IlQfoörjo.  vJto<nQS<f)£i). 
28  ?        Alexandra  hingerichtet,  Antt.  XV,  7,  8. 
25  (729)    Kostobarus,  der  zweite  Gemahl  der  Salome,  und  die 
Söhne    des    Babas    hingerichtet,    Antt.    XV,    7,    10 
(die  Zeit  ergiebt  sich  aus  der  Angabe  der  Salome: 
OTi    öiaOco^oivTO    Jtao'    «vrrä   ;f()oroJ'   Iviavrcöv    r/dr/ 


6)  Das  7.  Jahr  des  Herodes  ist  =  31/30  vor  Chr.  und  zwar  vom  1.  Nisan 
bis  1.  Nisan  gerechnet.  S.  die  Anm.  am  Schluss  des  §.  —  Das  Erdbeben  wird 
demnacli  in  den  Nisan  d.  Jahres  31  fallen.  Auch  sonst  wird  der  Nisan  als  Früh- 
lings-An  fang  betrachtet.  S.  Bell.  Jud.  IV,  8,  1  {vtco  ttjv  uq-/Jj^  ^ov  saQog) 
vgl.  mit  IV,  7,  3  {rfTQÜöi  diaxQOv).  Nach  Mischna  Taanith  I,  2,  Nedarim 
Vin,  5,  Baba  mexia  VIII,  6  rechnete  man  die  Regenzeit  vom  Laubhüttenfest 
bis  Passa,  also  bis  Mitte  Nisan,  oder  auch  bis  Ende  Nisan. 

7)  Zonaras  Annal.  V,  14  /?«. :  jjv  iraiv  oySorjxovTa  ngog  Ivi.  Auch  ein 
Theil  der  Josephus-Handschriften  hat  81. 


366  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [298] 

v.Chr.a.t7; 

öcoöexa  [al.  öexaövo].,  nämlich  seit  der  Eroberung  Je- 
rusalem's  im  J.  37). 
Vierjährige    Kampfspiele    eingeführt.    In   Jerusalem 
Theater    und    Amphitheater    erbaut,    Antt.    XV, 
8,  1.     • 
?  Verschwörung  gegen  Herodes,  Antt.  XV,  8,  3—4. 

(27=727)    Samaria  neu  gebaut  und  zu  IChren  des  Augustus  Se- 
baste  genannt,  Antt.  XV,  8,  5.  B.  J.  I,  21,  2  8).  | 

8)  Die  Neugründung  von  Saraaria  wird  von  Noris  [Annvs  et  epochae 
Syromacedmium  V,  5,  1,  ed.  Lips.  p.  531 — 536)  und  Eekhel  [Doctr.  Num.  III, 
440  sq.)  in  das  Jahr  729  a.  U.  ==  25  v.  Chr.  gesetzt  (vorsichtiger  Sanclemente: 
nicht  früher  als  727,  nicht  später  als  729,  s.  Musei  Sanclementiani  numismata 
selecta  P.  II,  Hb.  IV,  p.  303—308).  Nach  Josephus  hat  es  allerdings  den  An- 
schein, als  ob  die  Neugründung  729  falle.  Denn  unmittelbar  nachdem  er  XV, 
8,  5  von  ihr  berichtet  hat,  fährt  er  XV,  9,  1  fort:  xccra  xovxov  fihv  ovv  rov 
iviavröv,  XQiaxaiS^xaxov  ovxa  xrjg  '^Hq(Ö6ov  ßaoi^siag.  Das  13.  Jahr  des  He- 
rodes begann  aber  am  1.  Nisan  729  a.  U.  =  25  v.  Chr.  Allein  die  Münzen 
von  Samaria  (s.  bes.  Mionnet,  Deseription  de  midailles  antiques  V,  513 — 516, 
Supplement  VIII,  356 — 359,  und  de  Saule'y,  Numismatiquc  de  la  Terrc  Sainte 
p.  275—281)  setzen  eine  frühere  Epoche  voraus.  Schon  die  Münze  Caracalla's 
mit  der  Jahreszahl  242  {Mionnet,  Stippl.  VIII,  358  =  de  Saiäcy  p.  280)  niHhigt, 
über  das  Frühjahr  729  zurückzugehen ;  denn  Caracalla  wurde  im  April  970  a. 
U.  ermordet.  Noch  weiter  rückwärts  führt  eine  Münze  Nero's  mit  der  Jahres- 
zahl 94  {Mionnet,  Suppl.  VIII,  357).  Aus  ihr  erhellt,  dass  die  (Epoche  von 
Samaria  vor  dem  Juni  728  a.  U.  begann;  denn  Nero  starb  im  Juni  821  a. 
U.  Die  Lesung  der  Jahreszahl  94  ist  allerdings  nicht  sicher  (s.  de  Sanlci/  p. 
276  sq.);  doch  ist  ein  Hauptgrund,  weshalb  de  Saulcy  die  Richtigkeit  der 
Lesung  bezweifelt,  eben  der,  dass  die  Jahreszahl  94  mit  der  vorausgesetzten 
Epoche  von  25  v.  Chr.  nicht  vereinbar  ist.  Andererseits  darf  auch  nicht  viel 
weiter  zurückgegangen  werden,  nämlich  nicht  weiter  als  bis  zum  IG.  Januar 
727  a.  U.,  an  welchem  Tage  Augustus  erst  den  Titel  Seßaaxdq  —  wornach 
die  Stadt  genannt  wurde  —  annalira  (s.  Cot-p.  Inscr.  Lat.  t.  I  cd.  2,  p.  307  sq., 
Mommsen,  Res  geslae  divi  Augusti  cd.  2,  p.  149,  dcrs.,  lUmiischcs  Staatsrecht 
II,  2,  706.  Neumann,  Art.  „Augustus"  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  II,  2370). 
Ohnehin  beweist  eine  Münze  der  Julia  Domna,  der  Gemahlin  des  Septimius 
ScveruM,  mit  der  Jahreszahl  220  {Mionnrt  V,  514]f.  •=  de  ISaulcf/  p.  279),  dass 
«lio  Epoche  der  Stadt  jedenfalls  nacl»  dem  Sommer  726  a.  V.  bogunii,  da 
nämlicli  Septimiu»  Severus  erst  im  Sommer  946  a.  U.  zur  Kegicrung  kam. 
Hetzen  wir  nun  vorauH,  dass  die  Epoche  von  Samaria  wie  die  der  nicisten  sy- 
riBchen  Städte  im  Herbst  begann,  so  wird  der  Herbst  727  a.  U.  als 
Epoche  unziiituiinion  Kein.  Die  Neugriitidung  von  Sainuria  fand  also 
wuhrHcheinlicii  im  J.  727,  jedenfalls  vor  dem  Frühjahr  729,  d.  h.  vor  dem 
llj.  Jahre  de»  Herodes  statt. 

Aber  diet»er  Widerspruch  dcir  Münzen  mit  der  scheinbaren  Chronologie  des 
JoNcphuH  ist  nicht  die  einzige  Schwierigkeit,  di(t  uns  hier  begegnet.  Schon  die 
Hinrichtung  Kowtobur'M  XV,  7.  10  fiel  ja  in  da»  13.  Jalir  des  Herodes.  Hierauf 
wird  XV,  B,  1—0  eine  gunzo  Ileiho  von  EreiguisBcn  erzählt,  iVw  umnüglich  alle 


[299] 


§  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.). 


367 


v.Chr.  a.?7. 
25  (729) 


25  (729) 


Hungersiioth  und  Pest  (xara  xovrov  (ilv  ovv  xov  evi- 
avxüv,  TQioxaiödxarov  ovru  rrjg  ^HqojÖov  ßaOiXtiag  = 
25/24  V.  Chr.,  von  Nisan  zu  Nisan),  Antt.  XV,  9,  1. 

Die  Hungersnoth  dauert  auch  im  folgenden  Jahre, 
24/23  V.  Chr.,  nocli  fort  (Antt.  XV,  9,  1),  als  Petro- 
nius  Statthalter  von  Aegypten  war  {Antt.  XV,  9,  2). 

Herodes  stellt  500  Mann  Hülfstruppen  zu  dem  Feldzug 
des  Aelius  Gallus  nach  Arabien,  Antt.  XV,  9,  3, 
vgl.  Strabo  XVI,  4,  23,  p.  780:  avfj/jaxcop,  <dv  ijöav 
^lovöaloi  fiep  jtevraxootoi.  —  Der  Feldzug  endete  im 
folgenden  eJahre,  24  v.  Chr.,  verlustreich  und  ohne 
greilbare  Resultate^).  \ 


in  ein  Jahr  zusammenfallen  können.  Und  darauf  befinden  wir  uns  XV,  9,  1 
noch  immer  im  13.  Jahre  des  Herodes.  Dazu  kommt,  das«  der  ganze  Abschnitt 
XV,  8,  1—5  offenbar  nach  sachlichen  Gesichtspunkten  gearbeitet  ist,  indem 
Josephus  hier  zusammenstellt:  wie  Herodes  durch  gesetzwidrige  Handlungen 
Anstoss  und  Aergerniss  erregte,  wie  die  Missstimmung  des  Volkes  in  Worten 
und  Thaten  sich  äusserte,  und  welche  Vorkehrungen  Herodes  traf,  um  die 
zum  Aufruhr  geneigten  Massen  im  Zaume  zu  halten.  Beachten  wir  dies  alles 
und  erinnern  wir  uns,  dass  Josephus  nach  mehreren  Quellen  gearbeitet  hat, 
(s.  oben  S.  84),  so  wird  es  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich,  da;8s  in  der 
Hauptquelle  des  Josephus  der  Abschnitt  XV,  9,  1  sich  unmittel- 
bar an  XV,  7,  10  anschloss,  dass  dagegen  XV,  8,  1—5  aus  einer  an- 
dern Quelle  eingeschaltet  ist,  und  dass  die  Worte  xaxä  z'ovrov 
fisv  ovv  xov  ivLavxov  Qic.  von  Josephus  aus  sein^er  Hauptquelle 
unverändert  herübergenommen  wurden  und  sich  in  deren  Texte  nicht 
auf  die  Zeit  der  Neugründung  Samaria's.  sondern  auf  die  Zeit  der  Hinrich- 
tung Kostobar's  bezogen.  Auf  diese  Weise  finden  alle  Schwierigkeiten  ihre 
Lösung. 

9)  Die  eingehendste  Beschreibung  des  Feldzuges  giebt  Strabo  XVI,  4, 
22-24  p.  780—782;  kürzer  Dio  Cassius  LIII,  29.  Plinius  Eist.  Nat.  VI,  28, 
160  sq.  Monnmenttim  Ancyranum  V,  18  sq.  (bei  Mommsen,  Res  gestae  divi 
Augusti  cd.  2,  p.  105).  —  Vgl.  überhaupt:  H,  Krüger,  Der  Feldzug  des  Ae- 
lius Gallus  nach  dem  glücklichen  Arabien  unter  Kaiser  Augustus  (62  S.  8), 
Wismar  1862.  Mommsen,  Res  gestae  divi  Aiigiisti  ed.  2.  1883,  p.  105—109. 
Ders.,  Römische  Geschichte  V,  608 ff.  Schiller,  Gesch.  der  röm.  Kaiserzeit 
Bd.  I,  1883,  S.  198-201.  Joh.  Schmidt,  Philologus  Bd.  XLIV,  1885,  S.  463 
bis  469.  Schiller,  Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  class.  Alterthums- 
wisfc-ensch.  Bd.  48,  S.  251—257.  Gardthausen,  Augustus  und  seine  Zeit  I, 
2  (1896)  S.  788  ff.  II,  2  (1896)  S.  447  ff.  Für  das  Geographische  ausser  den  bei 
Schiller  (Kaiserzeit  I,  201)  genannten  Werken  von  Forster,  Mannert  und 
Ritter  auch  noch:  Fresnel,  Journal  asiatique,  troisieme  serie  t.  X,  1840,  p. 
83—96,  177—181,  Forbiger,  Handb.  der  alten  Geographie  II,  748 ff.  Sprenger, 
Journal  of  the  royal  asiatic  society,  New  Series  vol.  VI,  1873,  p.  121—141,  Ders.", 
Die  alte  Geographie  Arabiens,  1875,  S.  226—229.  Kiepert,  Lehrb.  der  alten 
Geographie,  1878,  S.  187.     Glaser,   Skizze   der  Geschichte  und   Geographie 


368  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [300] 


v.Chr.  a.J7. 
? 


Herodes  baut  sich  einen  königlichen  Palast  und  hei- 
rathet  die  Priesterstochter  Mari  am  nie,  Äntt.  XV, 
9,  3  (der  Name:  B.  J.  I,  28,  4.    29,  2.  30,  7). 

Die  Erbauung  Cäsarea's  wird  begonnen,  Antt.  XV,  9, 
6.    Da  die  Erbauung  nach  zwölfjähriger  Arbeit  im 


Arabiens,  Bd.  II,  1890,  S.  43—73    (vgl,    die  Anz.   von  Aug.  Müller,  Göttinger 
gel.  Anz.  1891,  S.  369—380).    D.  H.  Müller,   Art.  „Arabia"  in  Pauly-Wisso- 
wa's  Real-Enc.  II,  344—359.    Socin,  Art.  „Arabien"  in  Herzog-Hauck's  ßeal- 
Enc.  3.  Aufl.  I,  762—770.  —  Dio  Cassius  verlegt  den  ganzen  Feldzug  in  das 
zehnte  Consulat   des  Augustus   24  vor  Chr.  =  730  a.  U.     Nach  Strabo  aber 
hat  der  eigentliche  Feldzug  erst  stattgefunden,  nachdem  Aelius  Gallus  schon 
im  Jahre  zuvor  unter  grossen  Verlusten  nach  Leuke  Korne  übergesetzt  war 
und  hier  wegen   der  zahlreichen  Erkrankungen  in  seinem  Pleere  den  Winter 
hatte   zubringen   müssen    {Strabo  XVI,  4,  24,  p.  781:  r,vayxdaQ^)]  yovv  z6  zs 
dfc'pos  xal   xov   ysifidiva   6iavs?Jaai   avTo&i   zovg  dad-svovvzaq  dvaxz(u/isvoi). 
Der  ganze  Feldzug  umfasste   also   die  Jahre   25 — 24  v.  Chr.     Dies  darf  als 
sicher  gelten.    Streitig  ist  dagegen,  ob  Aelius  Gallus  den  Feldzug  als  Statt- 
halter Aegypten's  gemacht  hat,  und  Petronius  in  dieser  Würde  ihm  gefolgt 
ist,  oder  ob  umgekehrt  zur  Zeit  des  arabischen  Feldzuges  Petronius  Statthalter 
von  Aegypten   war   und  Gallus   ihm    gefolgt  ist.     Wir  wissen  bestimmt,  dass 
beide  das  Amt  eines  pracfectus  Acffi/pti  bekleidet  haben  (s.  über  Aelius  Gallusi 
Strabo  p.  118  u.  800,  Dio  Cass.  LIH,  29,  über  Petronius:  Strabo p.  788  u.  819, 
Dio  Cass.  LIV,  5,  Plinius  VI,  29,  181).    Wir  wissen   ferner,   dass  Petronius 
mehrere  Feldzuge   gegen  Aethiopien   unternommen   hat,   welche  ungefähr  in 
dieselbe  Zeit  fallen  wie  der  Zug  des  Gallus  nach  Arabien  {Motmni.  Äncyran. 
V,  18  sq.'.  Meo  jussu  et  auspicio  durli  sti7it  duo  excrcitus  codetn  fcre  temporein 
Aclkiopiam  et  in  Arahiam  quac  appMatur  ciidacnunt,  Stral>o  XVII,  1,  54  p.  820 sq. 
Dio  Cass.  LIV,  5.     Plinius  Ilist.  Nat.  VI,  29,  181  .s-*^. ;  nach  Strabo  waren  die 
Aethiopier  in  die  Tliebais  eingefallen,  als  die  Besatzung  Aegypten's  durch  den 
Wegzog  des  Aelius  Gallus  geschwächt  war;   hierdurch  wurde  die  Expedition 
des  Petronius  nothweudig.    Dio  Cassius  setzt  dieselbe  in  das  Jahr  22  v.  Chr.). 
Krüger  und  Schiller  nehmen  nun  au,  dass  Aelius  Gallus  den  Feldzug  nach 
Arabien  nicht  als  Statthalter  Aegypteus,  sondern  in  besonderer  Mission  unter- 
nommen hat,  und  erst  nach  der  Rückkehr  von  dem  Feldzug  in  der  Statthalter- 
schaft Aegyptens  auf  Petronius  gefolgt  ist;  Mommsen,  Schmidt,  Gardt- 
hauHcn  dagegen  nehmen  an,  dass  Aelius  Gallus  den  arabischen  Feldzug  als 
Statthalter  Aegyptcns   gemacht   hat,    und    dass  Petronius   sein  Nachfolger  in 
Aegypten   war.     Für   letztere   Combination   spricht:   1)  Dio  Cassius  LIII,  29 
bezeichnet  den  Gallus  zur  Zeit  des  arabischen  Feldzuges  ausdrücklich  als  o 
xfiQ  AlyvJiTOv  &QX<ov.    2)  Dio   Cassius   setzt   den    äthioj)i8chen    Feldzug   zwei 
Jahre  später  als  den  arabischen  (diesen  24,  jenen  22  v.  Chr.).     Da  nach  Strabo 
sicher  zwei  äthiopische  Feldzüge  des  Petronius  zu  unterscheiden  sind,  so  fiiilcn 
dicwdben  ;wohI    23—22,   vielleiciht   24— 22  v.  Chr.     In  der  zweiten  Hälfte 
(Ich  Jahres  ^24    wird  Petronius   auf  Gallus   als  Htattlnilter  Aegyp- 
ten« gefolgt  sein,  nachdem  er  wohl  zuvor  schon  dessen  Stellvertreter  ge- 
wesen  war   (so   auch  Haakh  In  Pauly's  Enc.  V,  1401).    Vgl.  auch  Prosopoffr. 
imperü  Ilomani  n.  v.    Aitlitis  n.  135,  Petronius  n.  li)ü. 


[301] 


S  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.). 


369 


Y.Ghr.a.U. 


23  (731) 


22  (732) 

20  (734) 


J.  10  V.  Chr.  vollendet  wurde   (s.  unten),  so  müssen 
die  Arbeiten  im  J.  22  begonnen  haben. 

Die  Söhne  der  ersten  Mariamme,  Alexander  und  Ari- 
stobul,  werden  zur  Erziehung  nach  Rom  geschickt, 
Antt.  XV,  10,  1. 

Augustus  schenkt  dem  Herodes  die  Landschaften  Tra- 
chon,  Batanäa  und  Auranitis,  Antt.  XV,  10,  1, 
B.  J.  I,  20,  4  {B.  J.\  ntxa   Ttjv  xqcotijp  'AxTid6a)^% 

Herodes  besucht  den  Agrippa  in  Mytilene  auf  Les- 
bos,  Antt.  XV,  10,  2i')- 

Augustus  kommt  nach  Syrien  und  schenkt  dem  He- 
rodes das  Gebiet  des  Zenodorus,  Antt.  XV,  10, 
3:  ^]6tj  avTOV  rrjg  ßaOiXtiag  ejCTaxaiÖExarov  jtagsXQ^ov- 
Tog  erovc  (das  17.  Jahr  des  Herodes  ging  am  1.  Nisan 
d.  J.  20  V.  Chr.  zu  Ende),  B.  J.  I,  20,  4:  Ixu  ötxaxm 
jcaXiv  eX&mv  elg  rr/p  kjtaQxiav  (nämlich  vom  Ende 
d.  J.  30  an  gerechnet).  —  Dio  Cass.  LIV,  7  setzt  die 
Reise  des  Augustus  nach  Syrien  in  das  Consulat  des 
M.  Appulejus  und  P.  Silius  (734  a.  U.)  —  Auch  Bio 
Cass.  LIV,  9  gedenkt  jener  Schenkung. 

Pheroras  zum  Tetrarchen  von  Peräa  ernannt,  Antt.  XV, 
10,  3,  B.  J.  I,  24,  5,  vgl.  30,  3. 

Herodes  erlässt  ein  Drittel  der  Steuern,  Antt.  XV, 
10,  4. 

Beginn  des  Tempelbaues,  Antt.  XV,  11,  1:  oxtco- 
xitiöexccTov  rrjg  ^Hgcodov  ßaOiXelag  ysyovoroc  EViavrov 
(=20  19)'2).  I 


10)  Die  actischen  Spiele  wurden  am  2.  Sept.  gefeiert,  zum  erstenmale  im 
J.  28,  dann  in  den  Jahren  24,  20,  16  etc.  Jene  Gebietserweiterung  fand  also 
statt  „nach  Ablauf  der  ersten  Actiade",  d.  h.  Ende  24  oder  Anfang  23.  S. 
Zumpt,  Comnientt.  epif/raph.  II,  76. 

11)  Josephus  sagt  nur,  Herodes  habe  den  Agrippa  nsQl  Mvzikrivrjv  xfif^tc- 
^ovra  besucht.  Da  Agrippa  vom  Frühjahr  23  bis  Frühjahr  21  in  Mytilene 
war,  kann  dies  der  Winter  23/22  oder  22/21  gewesen  sein. 

12)  Nach  B.  J.  I,  21,  1  im  15.  Jahre,  was  entweder  unrichtig  ist,  oder  sich 
auf  die  ersten  Vorbereitungen  zum  Bau  bezieht.  Dass  der  Tempelbau  im  J. 
20/19  begann,  ist  darum  völlig  sicher,  weil  er  ja  in  demselben  Jahre  begann, 
in  dessen  Anfang  der  Kaiser  nach  Syrien  kam,  was  nach  Dio  Cass.  LIV,  7 
im  Frühjahr  oder  Sommer  des  Jahres  20  vor  Chr.  geschah.  —  Der  Bau  der 
Vorhöfe  dauerte  acht  Jahre,  der  Bau  des  eigentlichen  Tempelhauses  andert- 
halb Jahre  {Antt.  XV,  11,  5—6;  es  ist  nicht  deutlich,  ob  diese  8  +  IV2  Jahre 
zu  addiren  sind  oder  ob  letztere  mit  den  ersten  anderthalb  Jahren  der  ge- 
sammten  Bauzeit  identisch  sind).  Nach  Vollendung  des  Tempelhauses  wurde 
eine  grosse  Festlichkeit  veranstaltet.    Da  diese  mit  dem  Tage  des  Regierungs- 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  24 


370  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [302] 

v.Chr. a.U.  '■ 

18  od.  17  !  Herodes  holt  seine  Söhne  Alexander  und  Aristobul 
aus  Koni  heim  (erste  röm.  Eeise  d.  H.)  ^^),  Antt.  XVI, 

I,  2.  —  Da  Herodes  den  Augustus  in  Italien  traf, 
Augustus  aber  erst  im  Sommer  19  dorthin  zurück- 
kehrte, so  fällt  die  Reise  des  Herodes  jedenfalls  nach 
Mitte  des  Jahres  19;  aber  noch  vor  Sommer  16,  da 
Augustus  vom  Sommer  16  bis  Frühjahr  13  in  Gallien 
war '4). 

15  (739)    Agrippa  besucht  den  Herodes  in   Jerusalem,   Antt. 
XVI,    2,  1    {Philo,   Legat,   ad    Cajum    §  37,    ed.  Mang. 

II,  589).  —  Er  verlässt  Judäa  wieder  vor  Ende  des 
Jahres:  BJtißaivovrog  xov  x^tficöi^og^^). 


antrittes  des  Herodes  zusammenfiel  (Antt.  XV,  11,  6),  so  begann  der  Tempel- 
bau —  wofern  wir  den  Regierungsantritt  richtig  in  den  Juli  gesetzt  haben 
(S.  359)  —  im  Winter,  also  Ende  des  Jahres  20  (784)  oder  Anfang  19  (735).  — 
Wenn  es  demnach  Ev.  Jok.  2,  20,  zur  Zeit  eines  Passafestes,  heisst,  dass  der 
Tempel  in  46  Jahren  gebaut  worden  sei  [xeaasQÜxovxa  xal  f|  ersotv  wxoöo- 
fiTjO^T]  o  vaoq  ovtoq),  so  führt  dies,  jenachdem  das  46.  Jahr  als  laufend  oder 
als  abgelaufen  betrachtet  wird,  auf  das  Passa  780  (=  27  n.  Chr.)  oder  781  (=  28 
n.  Chr.).  Letzteres  ist  wohl  das  Richtige.  S.  Wieseler,  Chronolog.  Synopse 
S.  165  f.  Beiträge  S.  156  ff.  Sevin,  Chronologie  des  Lebens  Jesu,  2.  Aufl. 
S.  11—13. 

13)  Nämlich  seit  seiner  Thronbesteigung,  also  abgesehen  von  der  Reise 
im  J.  40/39. 

14)  Noris,  Cenotaphia  Pisana,  Diss.  11,  cap.  6,/).  150 — 153,  setzt  die  frag- 
liche Reise  des  Herodes  in  d.  J.  737  =  17  v.  Chr.  Für  die  Chronologie  der 
Geschichte  des  Augustus  s.  die  Nachweise  bei  Ernst  Wilh.  Fischer,  Römische 
Zeittafeln  8.  395  ff. 

15)  Fischer,  Röm.  Zeittafeln  8.  402  und  van  der  Chijs  p.  55  setzen 
den  Besuch  des  Agrippa  in  das  J.  17  und  den  Gegenbesuch  des  Herodes  in 
das  J.  16,  indem  sie  von  der  Voraussetzung  ausgehen,  dass  Agrippa  gleich 
nach  seiner  Ankunft  im  Orient  nacli  Palästina  gekommen  sei.  Aber  Joscphus 
sagt  dies  keineswegs;  und  nicht  einmal  dies  ist  sicher,  dass  Agrippa  schon  im 
J.  17  in  den  Orient  gekommen  ist,  da  nach  der  unbestimmten  Angabe  des 
Dio  Cass.  LIV,  19  dies  ebensogut  im  J.  16  wie  17  geschehen  sein  kann.  Dass 
aber  Agrippa  erst  im  J.  15  nach  Palästina  kam  und  Herodes  erst  im  J.  14  zu 
Agrippa  nucli  Kleinasien,  ergiebt  sich  daraus,  dass  Herodes  den  Agri|)j)a  da- 
mals in  SiDopo  traf  auf  desHcn  Feldzug  nach  der  Krimm,  welcher  Zug  nach 
Dio  CasB.  LIV,  24  (vgl.  Kuseb.  Chnm.  ad  ann.  Al/r.  2ÜU3)  in  das  J.  14  fällt. 
6o  auch  Letoin,  Fastiaacrip.  97,  Hitzig  II,  548,  Keim  im  Bibellex.  111,33. 
Sehr  Hcbwach  sind  die  (Jrüridc,  um  derentwillen  Voigt  die  Expedition  des 
Agrippa  na<;h  dem  Bosporus  in  das  Jahr  15  setzen  wollte.  S.  W.  v.  Voigt, 
(,/ao  nntu)  Agrippa  cxpalitiimctn  ßosponiiKrm  fcrcrit  (Griechische  Studien,  JJer- 
mnnii  Lip»iuM  zum  Mci-lizigHtcn  GchiirtHtago  «hirgcltruciit,  1894,  8.  127 — 134). 
FQr  doM  J.  14  auch:  GurdtliauHcn,  AugustiiH  und  seine  Zeit  I,  2,  840fr. 
H.  2,  4ÖK  d'      D-'Hmiii     J\ns,. ,,(„,)■.   hni>riii  h'oniiiiii  III,    111. 


[302.  303] 


§  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.). 


371 


V.  Chr.  a.U. 
14  (740) 


13  (741) 


12  (742) 


Herodes  bei  Agrippa  in  Kleinasien,  Antt.  XVI,  2, 
2  —  5  {eaQog  rjJtdyEXO  övpzvxtW  avtw).  Vgl.  auch 
Antt.  XII,  3,  2 ;  Nicolaus  Damasc.  bei  Müller,  Fragm. 
Hist.   Graec.  III,  350. 

Nach  der  Rückkehr  er  las  st  er  ein  Viertel  der  Steuern, 
Antt.  XVI,  2,  5.  1 

Beginn  des  Zerwürfnisses  mit  den  Söhnen  der  Mari- 
amme, Alexander  und  Aristobul.  —  Antipater 
an  den  Hof  gezogen,  Antt.  XVI,  3,  1  —  3.  B.  J.  I, 
23,  1. 

Antipater  wird  mit  Agrippa  nach  Rom  gesandt, 
um  sich  dem  Kaiser  vorzustellen,  Antt.  XVI,  3,  3; 
B.  J.  I,  23,  2  (über  die  Zeit  vgl.  Dio  Cass.  lÄV,  28. 
Fischer,  Zeittafeln  S.  408). 

Herodes  geht  mit  seinen  Söhnen  Alexander  und  Ari- 
stobul nach  Rom,  um  sie  beim  Kaiser  zu  verklagen 
(zweite  röm.  Reise  d.  H.).  Er  trifft  den  Kaiser  in 
Aquileja,  Augustus  versöhnt  die  Streitenden.  — 
Antipater  kehrt  mit  nach  Judäa  zurück,  ^n^.XVI, 
4,  1—6.    B.  J.  I,  23,  3-5  i^).  | 


16)  Schon  Noris,  Cenotaphia  Pisana,  Diss.  II,  eap.  6,  p.  153—157,  und 
Sanelemente,  De  vulijaris  aerae  emendatione  p.  334  sq.  haben  diese  Reise 
des  Herodes  mit  Recht  in  das  J.  12  vor  Chr.  (742  a.  U.)  gesetzt;  ebenso  z. 
B.  Zumpt  [Caesaris  Atiyusti  index  rerum  a  se  gestarum  sive  Monumentuiii 
Ancyranum  edd.  Franx  et  Zumpt,  1845,  p.  59),  Mommsen  {Res  gestae  divi 
August  i  ed.  2.  1883,  p.  61),  Kor  ach  (Die  Reisen  des  Königs  Herodes  nach 
Rom,  Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  Bd.  38,  1894,  S. 
529 — 535).  Entscheidend  ist  die  Thatsache,  dass  während  der  damaligen  An- 
wesenheit des  Herodes  in  Rom  Augustus  Spiele  veranstaltete  und  „Ge- 
schenke an  das  römische  Volk  vertheilte"  {Jos.  Antt.  XVI,  4,5: 
'^HQiüSriq  fihv  iöwQelxo  Kaiaaga  XQiccxoaloiq  zaXdvxoig  &sag  xe  xal  öiavofiag 
71010V fisvov  x(p  ''PwfzaicDV  ö'^fiip).  Im  Monumentum  Ancyranum  111,  7 — 21 
(bei  Mommsen,  Res  gestae  etc.  ed.  2.,  p.  58  sq.)  giebt  nämlich  Augustus  ein 
vollständiges  und  chronologisch  geordnetes  Verzeichniss  der  Spenden  {eongi- 
aria),  welche  er  während  seiner  Regierung  an  das  Volk  hat  vertheilen  lassen 
(vgl.  über  diese  Congiarien  der  römischen  Kaiser:  Marquardt,  Römische 
Staatsverwaltung  Bd.  II,  1876,  S.  132  ff.,  Rostowzew,  Art.  congiarium  in 
Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  IV,  875  fl".).  Es  sind  im  Ganzen  acht.  Die  fünfte 
fand  statt  während  des  zwölften  tribunicischen  Jahres  des  Augustus  {tribu- 
nicia  potestate  duodecimum,  d.  h.  zwischen  Juni  742  und  Juni  743  a.  U.;  vgl. 
über  die  Berechnung  der  tribunicischen  Jahre  des  Augustus:  Mommsen, 
Römisches  Staatsrecht  II,  2,  S.  753  ft'.),  die  sechste  erst  im  achtzehnten  tribu- 
nicischen Jahre  und  zwölften  Consulate  des  Augustus  {tribunieiae  potestatis 
duodevicensirnum,  consid.  XII,  letzteres  =  749  a.  ?7.  =  5  vor  Chr.).  Zwischen 
diesen    beiden    Terminen    hat    also    überhaupt    keine    derartige 

24* 


372 


§  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.). 


[304] 


v.Chr.  a.Z7. 
10  (744) 


10? 


Die  Einweihung  von  Cäsarea  fällt  sig  oyöoov  xal 
elxoorov  eroq  xrjq  aQxrjg  (=  10/9),  Antt.  XVI,  5,  1; 
nachdem  zwölf  Jahre  daran  gebaut  worden  war,  Antt. 
XV,  9,  6:  s^STsXso&^r]  öcoösxasrel  XQovm  (XVI,  5,  1 
wohl  irrig:  zehn  Jahre),  lieber  den  Bau  vgl.  auch  B. 
J.  I,  21,  5-8. 

Der  Zwist  in  Herodes'  Familie  wird  immer  schlimmer 
und  complicirter,  Antt.  XVI,  7,  2—6,  B.  J.  I,  24, 
1—6. 

Herodes  sucht  durch  Folterung  der  Anhänger  Alex  an- 
der's  dessen  Schuld  festzustellen;  Alexander  ge- 
fangen gesetzt;  Antt.  XVI,  8,  1—5.   B.  J.  I,  24,  7—8. 

Archelaus,  König  von  Kappadocien,  der  Schwieger- 
vater Alexander's,  bringt  noch  einmal  eine  Versölinung 


Schenkung  stattgefunden.  Das  Datum  der  ersteren  lässt  sich  noch  ge- 
nauer fixiren,  und  zwar  auf  das  Jahr  742,  denn  in  diesem  Jahre  erwähnt  sie 
sowohl  Dio  Cassius  LIV,  29,  als  ein  Inschriften-Fragment  (Fasti  Rijiatranso- 
nenses,  s.  Cor]).  Inscr.  Lat.  t.  I  ed.  2,  p.  62,  fr.  e  =  t.  IX  n.  5289).  Sie  fällt 
also  in  die  zweite  Hälfte  des  Jahres  742  a.  U.  =  12  vor  Chr.  Ihr  Betrag  war 
sehr  erheblich.  An  mindestens  250000  Bürger  wurden  je  400  Sesterze  ==  100 
Denare  vertheilt,  im  Ganzen  also  mindestens  25  Millionen  Denare  (nahe  an 
20  Millionen  Mark  deutscher  Reichswährung).  —  Da  in  unserem  Falle  die 
Schenkung  vom  Jahre  5  nicht  in  Betracht  kommen  kann,  kann  es  sich  nur 
um  diejenige  vom  J.  12  handeln.  Dass  in  diesem  Jahre  Augustus  nach  Aqui- 
leja  gekommen  ist,  ist  zwar  nicht  direct  bezeugt.  Es  kann  aber  sehr  wohl 
der  Fall  gewesen  sein,  aus  Anlass  des  pannonischen  Feldzuges  des  Tiberius, 
der  in  dieses  Jahr  fällt  (Dio  Cass.  LIV,  31,  vgl.  Stteton.  Atoj.  20:  h'cliqna  [bella] 
per  legatos  administravit,  ut  tarnen  quilmsdam  Pavnonicis  atque  Oermanicis 
aut  interreniret  aiit  non  longa  abesset  Rnvemtam  vel  Mediolanium  vcl  Aqnileiam 
usque  ab  nrbe  progrcdiens).  Die  Spiele,  welche  Josepkus  Antt.  XVI,  4,  5 
neben  den  öiavofxal  erwähnt,  sind  wohl  nicht  diejenigen,  welche  Augustus  im 
J.  742  am  Feste  der  römischen  „Panathenäen"  [qiänqtiatrus),  im  März  gegeben 
hat  {Dio  Cass,  LIV,  28),  da  die  von  Joscphus  erwähnten  später  falh>n  müssen. 
Wie  vielmehr  nach  I>i»  Cass.  LIV,  29  die  Congiarien  dieses  Jaliros  durch 
Agrippa's  Tod  veranlasst  sind,  so  sind  wolil  auch  unter  den  Spielen  die  zu 
Agrippa'HTodtcnfeier  veranstalteten,  freilich  erst  fünf  Jahre  später  ausgeführten, 
aber  doch  sicherlich  schon  damals  vorbereiteten,  zu  verstehen  (so  Monunsen, 
nach  Dio  Oaas.  LV,  8).  —  In  der  1.  Aufl.  dieses  Buches  habe  ich  die  fragliche 
Reise  de»  Herodes  nach  Rom,  im  AnHchluss  an  van  der  Chijs,  in  das  Jahr 
10  gesetzt,  well  Dio  Casaius  LIV,  .'Jö  in  diesem  Jahre,  nicht  aber  im  J.  12, 
aasdrArklich  eine  Abwesenheit  des  Augustus  von  Rom  erwähnt  (durch  welche 
der  Atifcntlialt  in  Aquilcja  veranlasst  sein  kann).  Dieses  Argument  kann  aber 
gcgunflb<>r  dem  aus  den  Kchenkungen  entnommenen  nicht  in  Hetraciit  koninien. 
EbenHO  wenig  Icommt  in  Betracht,  das»  Josephus  Atitt.  XVI,  5,  1  sagt,  um 
diese  Zeit  {ntgl  xov  XQ^^o^  rovtov)  sei  Cäsarea  eingeweiht  worden,  was 
allerdings  erst  im  J.  10  geschehen  ist. 


[304.  305] 


§  15.   Herodeß  der  Grosse  (37 — 4  v.  Chr." 


373 


\.  Chr.  a.U. 


9? 

8? 


7? 


zwischen  Herodes  und  seinen  Söhnen  zu  Stande,  Antt, 
XVI,  8,  6,  B.  J.  I,  25,  1-6. 

Herodes'  dritte  Reise  nach  Rom,  Anit.  XVI,  9,  1 1').    | 

Kriegszug  gegen  die  Araber,  Anit  XVI,  9,  2. 

Herodes  in  Ungnade  bei  Augustus,  Anit  XVI,  9,  3. 

Herodes  erpresst  durch  Folterungen  abermals  belastende 
Aussagen  gegen  Alexander  und  Aristobul,  lässt 
beide  gefangen  setzen  und  verklagt  sie  bei  Augustus 
wegen  Hochverrathes,  Antt  XVI,  10,  3—7.  B.  J.  I,  26, 
3.   27,  1. 

Augustus,  durch  Nicolaus  Damascenus  wieder  für  He- 
rodes gewonnen  {Antt  XA'l,  10,  8—9),  giebt  ihm  Voll- 
macht, mit  den  Söhnen  nach  eigenem  Ermessen  zu 
verfahren,  Antt  XVI,  11,  1.    B.  J.  I,  27,  1. 

Alexander  und  Aristobul  zu  Berytus  zum  Tode  ver- 
urtheilt  und  zu  Sebaste  (Samaria)  erdrosselt,  Antt 
XVI,  11,  2—7.   B.  J.  I,  27,  2—6  '«). 


17)  Die  Zeit  dieser  dritten  Reise  lässt  sich  nicht  sicher  bestimmen.  In 
der  ersten  Aufl.  dieses  Buches  habe  ich  sie  mit  Noris  und  van  der  Chijs 
in  das  J.  8  v.  Chr.  gesetzt.  Für  Noris  (welcher  Cenotaphia  Pisana,  Diss.  II 
e.  6  p.  157  sq.  eine  genauere  Zeitbestimmung  für  unmöglich  erklärt,  dann  aber 
Diss.  II  c.  16  §  9  p.  302  sich  für  jenes  Datum  entscheidet)  ist  das  Maass- 
gebende, dass  Herodes  den  Augustus  in  Rom  getroffen  habe,  Augustus  aber 
in  den  Jahren  10  und  9  von  Rom  abwesend  gewesen  sei.  Allein  er  war  in 
jenen  Jahren  keineswegs  immer  von  Rom  abwesend.  Van  der  Chijs  S.  57  f. 
entnimmt  das  Haupt- Argument  aus  Belt  Jiid.  1,  21,  12.  Hiernach  ist  Herodes 
einst,  als  er  nach  Rom  reiste,  bei  den  olympischen  Spielen  als  Kampfrichter 
aufgetreten.  Die  olympischen  Spiele  wurden  gefeiert  in  den  Jahren  20,  16, 
12,  8  etc.  v.  Chr.  Da  nun  die  früheren  Reisen  des  Herodes  nach  van  der 
Chijs  in  keines  dieser  Jahre  fallen,  so  könne  es  sich  nur  um  die  letzte  Reise 
handeln,  welche  demnach  in  das  J.  8  falle.  Wir  haben  aber  in  der  vorigen 
Anmerkung  gezeigt,  dass  die  zweite  Reise  in  das  J.  12  fallt.  Die  eingehendste 
Untersuchung  hat  Sancleviente,  De  vulgaris  aerae  emendatione  p.  338  sqq. 
angestellt.  Er  kommt  zu  dem  Resultate,  dass  die  fragliche  Reise  des  Herodes 
schon  in  d.  J.  10  v.  Chr.  zu  setzen  sei,  hauptsächlich  deshalb,  weil  die  Er- 
eignisse, welche  sich  von  da  an  bis  zum  Abgang  des  syrischen  Statthalters 
Sentius  Saturninus  abgespielt  hätten,  einen  Zeitraum  von  mindestens  drei 
vollen  Jahren  erforderten  (jo.  340a:  ad  minus  integrum  triennium  exposcunt). 
Saturninus  ist  aber  nicht  später  als  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  6  abge- 
gangen (s.oben  S.321  f.).  Die  Ansätze  Sanclemente's  sind  in  derThat  ansprechend, 
aber  freilich  nicht  zwingend.  Es  bleibt  auch  das  J.  9  für  diese  Reise  des 
Herodes  möglich.  —  Korach,  Monatsschr.  f.  G.  u.  W.  d.  J.  1894,  S.  533—535, 
bestreitet  überhaupt  die  dritte  Reise  des  Herodes.  Seine  Gründe  sind  aber 
wenig  überzeugend. 

18)  Da  zur  Zeit  der  Verurtheilung  {Antt.  XVI,  11,  3)  und  auch  noch  einige 
Zeit  darnach  [Antt.  XVII,  1,  1.  2,  1.  3,  2)  Saturninus  Statthalter  von  Syrien 


374 


§  15.  Herodes  der  Grosse  (37 — 4  v.  Chr.). 


[305.  306] 


v.Chr.  a.t7: 


6? 


5  (749) 


4  (750) 


Antipater  an  Herodes'  Hof  allmächtig,  Antt.  XVII,  1, 
1.   2,  4.   B.  J.  1,  28,  1.   29,  1. 

Hinrichtungen  verdächtiger  Pharisäer,  Antt.  XVII,  2, 4. 

Antipater  geht  nach  Eom,  Antt.  XVII,  3,  2.  B.  J.  I, 
29,  2. 

Erstes  Testament  des  Herodes,  worin  er  den  Anti- 
pater oder,  wenn  dieser  vor  ihm  sterben  sollte,  den 
Herodes,  den  Sohn  der  zweiten  Mariamme,  zum 
Nachfolger  ernennt,  Antt  XVII,  3,  2.    B.  J.  I,  29,  2.  | 

Anfang  d.  Jahres:  Pheroras^,  des  Herodes  Bruder,  stirbt, 
Antt.  XVII,  3,  3.  B.  J.  I,  29,  4. 

Herodes  erfährt  Antipater's  feindliche  Anschläge,  Antt. 
XVII,  4,  1—2.    B.  J.  I,  30,  1—7. 

Antipater  kehrt  nach  Judäa  zurück,  Antt.  XVII,  5, 
1 — 2.  B.  J.  I,  31,  3—5;  sieben  Monate  nachdem  He- 
rodes jene  Entdeckung  gemacht  hatte,  Antt.  XVII,  4, 
3.    B.  J.  I,  31,  2. 

Antipater  vor  Gericht;  sucht  sich  vergeblich  zu  ver- 
theidigen  und  wird  in  I'esseln  gelegt,  Antt.  XVII,  5, 
3—7.    B.  J.  I,  32,   1—5. 

Herodes  erstattet  Bericht  an  den  Kaiser,  Antt.  XVII, 

5,  7—8.     B.  J.  I,  32,  5. 

Herodes  erkrankt  und  macht  ein  zweites  Testament, 
in  welchem  er  seinen  jüngsten  Sohn  Antipas  zum 
Thronfolger  ernennt,  Antt.  XVII,  6,  1.    B.  J.  I,  32,  7. 

Volksaufstand  unter  Führung  der  Rabbinen  Judas  und 
Matthias,  von  Herodes  streng  geahndet,  AnttXXll, 

6,  2-4.   B.  J.  I,  33,  1—4. 

Herodes'  Krankheit  wird  schliinmer.  Antt.  XVIl,  6,  5. 
B.  J.  I,  33,  5. 

Antipater  nach  eingetroffener  Krlaubniss  des  Kaisers 
hingerichtet,  Antt.  XVII,  7.    B.  J.  I,  33,  7. 

Herodes  ändert  abermals  das  Testament,  indem  er  den 
Arclielaus  zum  König,  den  Antipas  und  Phi- 
lip pus  dagegen  zu  Tetrarchen  «"rnciint.  Antt.  X\'ll, 
8,  1.    B.  J.  I,  33,  7. 

Herodes  stirbt,  flinf  Tage  nach  (h-r  llinricliluiig  Anti- 
pater's, ßaOiXtvoaq  fitO'  o  (uv  aviTlbv  Urrlyoror,  ittj 


war,  HO  fSlIt  die  Vonirtlicihinp;  wohl  in  dun  .hilir  7,  denn  .Surtmiiinus  giiijj; 
nicht  iipftter  aU  in  «Icr  cTHtcn  Hälft»'  (Ich  .lulircH  (1  nun  Hyricn  nl»  (n.  oben  S.  321  f.). 
8o  tirthoilt  mvU  Sanolemente  (De  viilgariH  aerar  etnrtKlationr  p.  MQ):  Beryti 
eonoüium  Jiabüum  fuil  tabenU  anno  U.  c.  Varr.  747. 


[306.  307]  §  15.    Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  375 

v.Chr. a.U.  \ 

TtooaQa  xcu  TQiaxovra,   -wed^'  o   dh  vjto    Pcoy.ai(ov 
äjteötöeixTO.  tjtza  xal  roidxovTa,  Anif.  XVII,  8,  1. 
'       B.  J.  I,  33,  8''*). 

Herodes-^")  war  wie  zum  Herrscher  geboren.  Von  Natur  er- 
freute er  sich  eines  kräftigen,  ausdauernden  Körpers,  den  er  früh  | 
an  Strapazen  aller  Art  gewöhnt  hatte.  Er  war  ein  ebenso  treff- 
licher Reiter,  wie  gewaltiger  Jäger.  Im  Wettkampf  war  er  ge- 
fürchtet. Seine  Lanze  traf  sicher  und  sein  Pfeil  fehlte  selten  das 
Ziel  21).  Im  Kriegshandwerk  war  er  von  Jugend  an  geübt.  Schon 
als  Fünfundzwanzigjähriger  hatte  er  sich  Ruhm  erworben  durch 
seinen  Feldzug  gegen  die  Räuber  in  Galiläa.    Und  noch  in   den 


19)  üeber  das  Todesjahr  des  Herodes  s.  die  Anmerkung  am  Schluss  des  §. 

20)  Der  Name  '^HQwSijg  (von  >)()ö>?)  kommt  auch  sonst  vor,  s.  Corp.  Inscr. 
Qraec.  Index  p.  92,  Pape-Benseler,  Wörterb.  der  griech.  Eigennamen  s.  v., 
Win  er,  RWB.  I,  481  Anm.  4.  Von  dem  attischen  Redner  Antiphon,  5.  Jahrh. 
vor  Chr.,  besitzen  wir  eine  berühmte  Rede  ntQl  tov  "^HgiäSov  (povov  (s.  Pauly- 
Wissowa's  Real-Enc.  I,  2528).  Im  Jahr  60  vor  Chr.  finden  wir  einen  Archon. 
Herodes  in  Athen  {Clinton,  Fasti  Hell.  III,  182.  Pauly-Wissowa's  Real.-Euc.  II, 
592).  In  Cicero's  Briefen  wird  öfters  ein  Athenieuser  Herodes  erwähnt,  welcher 
der  Lehrer  von  Cicero's  Sohn  war  [Cicero  ad  Atiieum  II,  2,  2.  XIV,  IG,  3. 
XV,  10,  A).  Im  zweiten  Jahrlxundert  nach  Chr.  lebte  der  berühmte  Herodes 
Atticus,  der  Lehrer  des  Kaisers  Marc  Aurel  (s.  über  ihn :  Pauly's  Real-Enc.  I, 
2,  2.  Aufl.  S.  209(3 — 2104;  Prosoporjr.  imperii  Rom.  I,  353 — 360  s.  v.  Claudius). 
—  Da  der  Name  ohne  Zweifel  aus  '^HQioiöijg  contrahirt  ist,  so  ist  die  Schrei- 
bung mit  Jote  «»/ftscr/p^?««  ('//^wJj;?)  sicher  vorzuziehen.  Auf  Inschriften  findet 
sich  HQwiSrjq  {Corp.  Inscr.  Oraec.  h.  3155;  4893;  Le  Bas  et  Waddington,  In- 
scriptions  t.  III,  n.  3;  Corp.  Inscr.  Attic.  II,  3  //.  1672.  Bulletin  de  corr.  liell. 
XII,  359;  Inscr.  graec.  Graeciae  septentrioimlis  t.  I  ».  314;  Fränkel,  Die  In- 
schriften von  Pergamon  1890,  S.  140),  HQwiSaq  {Corp.  Inser.  Oraec.  n.  2197«  [t.ll 
p.  1028];  n.  571410110  =  Kaibel,  Inser.  Graec.  Sicil.  et  Ital.  n.  645  lin.  180; 
Inscr.  Graec.  Insularuni  Rhodi  etc.  n.  112,  lin.  3;  n.  329;  Dittenberger,  Syllofje 
ed.  2  n.  514  lin.  7,  845  lin.  12,  859  lin.  19.  Bulletin  de  corr.  hell.  XVII,  349); 
HQCJiSeioq  {Corp.  Inscr.  Graec.  n.  5774/5775  =  Kaibel,  Inscr.  Sicil.  et  Ital.  n. 
645  lin.  15,  42,  55,  87,  89,  114).  Von  den  Josephus-Handschriften  hat 
der  sehr  correct  geschriebene  cod.  Atnbrosianus  durchgängig 
HQWiÖTjg  {Niese  III  p.  VII).  Das  Etymolof/icuni  magnum  ed.  Gaisford  p.  437, 
56  sagt  s.  V.  Hqwiöijq'  "E^ei  to  i  TiQoaysyga/ufihov  etc.  Gebilligt  wird  diese 
Schreibung  von  Lobeck,  Paralip.  grannn.  graec.  p.  229,  Pathologiae  graeci 
Sermons  elementa  I,  280.  Durchgeführt  ist  sie  von  Weste  Ott  und  Hort  in 
ihrer  Ausgabe  des  Neuen  Testamentes.  Vgl.  deren  Bemerkung  II,  314  (HQwörjq 
is  icell  supported  by  inscriptions  and  manifestly  right)  und  Gregory's  Prole- 
gomena  zu  Tischendorfs  Nov.  Test.  ed.  crit.  oetava  major  p.  109.  Dass  die 
jüngeren  Inschriften  (s.  die  Nachweise  im  Corp.  Inscr.  Graec.  Index  p.  92)  und 
die  Münzen  durchgängig  HQcoörjg  schreiben,  bildet  keine  Gegen-Instanz ,  da 
diese  das  Jota  subscriptum  überhaupt  nicht  auszudrücken  pflegen. 

21)  Vgl.  überhaupt  die  Schilderung  B.  J.  I,  21,  13. 


376  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [307.  308] 

letzten  Jahren  seines  Lebens,  als  hoher  Sechziger,  führte  er  per- 
sönlich den  Kriegszug  gegen  die  Araber  22).  Selten  versagte  ihm 
der  Erfolg,  wo  er  selbst  ein  kriegerisches  Unternehmen  leitete. 

Von  Charakter  war  er  wild  und  leidenschaftlich,  hart  und  un- 
beugsam. Feinere  Gefühle  und  zartere  Regungen  waren  ihm  fremd. 
Wo  nur  immer  sein  Interesse  es  zu  fordern  schien,  griff  er  mit 
eherner  Hand  durch,  und  mochte  es  auch  Ströme  Blutes  kosten. 
Selbst  die  nächsten  Verwandten,  selbst  das  leidenschaftlich  geliebte 
Weib  schonte  er  nicht,  sobald  „die  Sache  es  wollte*'. 

Dabei  war  er  klug  und  gewandt  und  in  den  Mitteln  erfinde- 
risch. Meisterhaft  verstand  er  es,  die  zu  ergreifenden  Massregeln 
den  jedesmaligen  Verhältnissen  anzupassen.  So  hart  und  uner- 
bittlich er  gegen  alle  war,  die  in  seiner  Gewalt  standen,  so  bieg- 
sam und  geschmeidig  war  er  gegen  Höherstehende.  Sein  Blick 
war  umfassend  und  sein  Urtheil  scharf  genug,  um  einzusehen,  dass 
bei  der  damaligen  Weltlage  nur  durch  die  Gunst  und  mit  Hülfe 
der  Römer  etwas  auszurichten  war.  Darum  war  es  unverbrüch- 
licher (jrundsatz  seiner  Politik,  an  der  römischen  Freundschaft 
festzuhalten  unter  allen  Umständen  und  um  jeden  Preis,  Und  er 
wusste  diesen  Grundsatz  mit  Glück  und  Geschick  durchzuführen. 

So  paarte  sich  in  seinem  Wesen  Klugheit  mit  Thatkraft. 

Aber  diese  vornehmsten  Herrschergaben  wurden  in  Bewegung 
gesetzt  durch  einen  unersättlichen  Ehrgeiz.  All'  sein  Dichten  und 
Trachten,  all'  sein  Denken  und  Thun  war  stets  auf  das  eine  Ziel 
gerichtet:  Erweiterung  seiner  Macht,  seiner  Herrschaft,  seines 
Ruhmes  23j.  Dieser  mächtige  Hebel  erhielt  all'  seine  Kräfte  in  rast- 
loser Thätigkeit.  Schwierigkeiten  und  Hindernisse  waren  für  ihn 
nur  ebenso  viele  Reizmittel  zu  erhöhter  Anstrengung.  Und  diese 
Beweglichkeit,  dieses  unermüdliche  Streben  hat  ihn  bis  in  sein 
hohes  Alter  nicht  verlassen. 

Nur  durch  Vereinigung  all'  dieser  Eigenschaften  war  es  mög- 
lich, unter  so  schwierigen  Verhältnissen  in  seiner  Art  so  Grosses 
zu  leihten,  wie  er  unläugbar  geleistet  hat  2-*). 

22)  Antt.  XVI,  9,  2. 

23)  Vgl.  die  scutrettende  Charakteristik  von  JoHcplius  Antt.  XVI,  5,  4. 

24)  Ein  Portrfit  HerodcB'  d.  Gr.  besitzen  wir  leider  nieht.  Im  Tempel 
zu  8ia  bei  Kannwat  muB»  »ich  eine  Porträt-Stntuo  des  llerodoH  befunden  Imben; 
CM  ist  aber  nur  die  ßaüis  dernelben  erhalten  {Lc  Bas  et  W'addini/Ion,  fnsrrip- 
tioru  t.  III  11.  2304,  ».  unten  Anm.  Ol).  Im  J.  1H94  hrnehte  die  JSutiormlzeituug 
V.  5.  Juli,  .Morgen- AuHgabe  (und  vermutlilieh  andi  andere  Zcitim^jen)  foljrende 
Notiz:  „Die  kaiaerliche  Kremitage  in  PeterHhnrg  ist  in  dicHen  Tnu;en  um  ein 
werthvollcM  Kunntwurk  bereichert  worden  (siel).  Eine  \MUU\  den  KiWiij^s 
llcroden  dex  (trosiien  wird  («tc!i  aus  dem  in  .TeruHalem  bcOndlie.iien  ureliäo- 
logi"'-!"  '>  ^I<iM«.tun  der  ru«»itchon  Pal&atinu-MiHMion  in  die  liekuuutu  Peter»- 


[308]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  377 

Seine  Regierimg  lässt  sich  in  drei  Perioden  theilen^^).  Die 
erste  Periode,  die  etwa  von  37—25  reicht,  ist  die  Periode  der  Be- 
festigung seiner  Herrschaft.  Er  hat  noch  mit  mancherlei  feind- 
lichen Mächten  zu  kämpfen,  geht  aber  schliesslich  aus  dem  Kampfe 
mit  allen  siegreich  hervor.  Die  zweite  Periode  von  25—13  ist 
die  Zeit  der  Blüthe.  Die  römische  Freundschaft  steht  auf  dem 
Höhepunkt.  Agrippa  besucht  den  Herodes  in  Jerusalem.  Herodes 
wird  wiederholt  vom  Kaiser  empfangen.  Es  ist  zugleich  die  Zeit 
der  gi'ossen  Bauten,  überhaupt  der  Arbeiten  des  Friedens.  Die 
dritte  Periode  von  13—4  ist  die  Zeit  des  häuslichen  Elendes. 
Alles  andere  tritt  hier  zurück  hinter  den  Wirren  im  eigenen  Hause 
des  Herodes. 

I. 

In  der  ersten  Zeit  seiner  Regierung  hatte  Herodes  mit  viererlei 
feindlichen  Mächten  zu  kämpfen:  dem  Volk,  dem  Adel,  der  has- 
monäischen  Familie  und  —  Kleopatra. 

Das  Volk,  das  ganz  in  den  Händen  der  Pharisäer  war,  ertrug 
die  Herrschaft  des  Idumäers,  des  Halbjuden  und  Römerfreundes, 
nur  mit  innerem  Widerstreben  2^).  Es  rausste  des  Herodes  erste 
Sorge  sein,  sich  seines  Gehorsams  zu  versichern.   Durch  äusserste 


burger  Kunstsammlung  übergeführt.  Die  Büste  war  vor  einigen  Jahren  vom 
Archimandriten  Antonius,  dem  Vorsteher  der  genannten  Mission,  bei  einer 
archäologischen  Forschung  gefunden  und  nach  wissenschatitlicher  Untersuchung 
derselben  als  die  des  Königs  Herodes  erkannt  worden.  Dasselbe  ist  um  so 
werthvoller,  als  es  bisher  die  einzige  Büste  jenes  Herrschers  ist,  die  überhaupt 
existirt".  —  Die  Erwähnung  des  russischen  Archimandriten  Antonius  als  früh- 
eren Besitzers  macht  es  zweifellos,  das«  hier  derselbe  Porträt-Kopf  gemeint  ist, 
über  welchen  Clermont-Ganneau,  Archaeological  JResearches  in  Falestine 
vol.  I,  1899,  p.  259—266,  ausführlich  handelt  (mit  Abbildung).  Der  Kopf  scheint 
allerdings  eine  fürstliche  Person  darzustellen,  da  er  mit  einem  Lorbeerkranz 
geschmückt  ist,  welcher  über  der  Stirne  durch  ein  rundes  Medaillon,  auf  wel- 
chem ein  Adler  in  Bas-Relief  zu  sehen  ist,  zusammengehalten  wird.  Aber  der 
Fundort  Jerusalem  macht  es  (wie  Clermont-Ganneau  richtig  bemerkt)  unmög- 
lich, dass  es  sich  um  Herodes  oder  einen  seiner  Nachkommen  handelt,  da 
diese  in  Jerusalem  selbst  nicht  so  stark  das  jüdische  Bilder- Verbot  verletzt 
haben  würden.  Clermont-Ganneau  wollte  ursprünglich  an  Hadrian  denken, 
hat  dies  aber  wegen  der  starken  Verschiedenheit  des  Porträt  wieder  aufge- 
geben. Der  Kopf  ist  auch  nicht  in  die  Eremitage  nach  St.  Petersburg  ge- 
kommen (jedenfalls  nicht  bis  1898),  soll  sich  vielmehr  in  der  russischen  Ge- 
sandtschaft in  Constantinopel  befinden  (Clermont-Ganneau  a.  a.  0.  S.  259  Anm.). 

25)  Vgl.  Keim  im  Bibellexikon,  der  jedoch  die  Perioden  etwas  anders  ab- 
grenzt.   Auch  Ewald  macht  drei  Abschnitte:  S.  551— 560,  560—570,  571—585. 

26)  '^H/xtiovöaiog  heisst  Herodes  Anit.  XIV,  15,  2.  Die  Idumäer  waren  erst 
durch  Johannes  Hyrkan  bekehrt  worden.  S.  oben  S.  264.  Ueber  die  Her- 
kunft des  Herodes  s.  S.  292. 


378  §  lö.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [308.  309] 

Strenge  wusste  er  die  widerstrebenden  Elemente  niederzuhalten ; 
die  fügsameren  durch  Gunst- und  Ehrenbezeugungen  zu  gewinnen. 
Gute  Dienste  leisteten  dem  Herodes  dabei  selbst  zwei  Pharisäer, 
Polio  (Abtaljon)  und  dessen  Schüler  Sameas  (Schemaja  oder 
Schammai?).  Sie  sahen  in  der  Herrschaft  des  Fremdlings  eine  Zucht- 
ruthe  Gottes,  die  man  eben  als  solche  willig  tragen  müsse").  — 
Unter  dem  Adel  von  Jerusalem  gab  es  noch  zahlreiche  Anhänger 
des  Antigonus.  Herodes  entledigte  sich  ihrer,  indem  er  45  der 
Vornehmsten  und  Reichsten  hinrichten  liess.  Durch  Einziehung 
ihres  Vermögens  kam  er  zugleich  in  den  Besitz  reicher  Geldmittel, 
deren  er,  um  seinen  Gönner  Antonius  bei  guter  Laune  zu  erhalten, 
so  sehr  bedurfte  2^). 

Unter  den  Mitgliedern  der  hasmonäischen  Familie  war  es  be- 
sonders des  Herodes  Schwiegermutter  Alexandra,  die  Mutter 
Mariamme's,  die  ihm  mit  unverholener  Feindschaft  begegnete.  Der 
alte  Hyrkan  war  zwar  aus  der  parthischen  Gefangenschaft  zurück- 
gekehrt 29);  er  hatte  aber  von  jeher  auf  gutem  Fusse  mit  Herodes 
gestanden.  Und  dies  Einvernehmen  dauerte  auch  jetzt  noch  un- 
gestört fort.  Da  er  seiner  körperlichen  Verstünmielung  wegen  das 
hohepriesterliche  Amt  nicht  wieder  übernehmen  konnte,  erwählte 
Herodes  einen  ganz  unbekannten  und  unbedeutenden  babylonischen 
Juden  aus  priesterlichem  Geschlecht  Namens  Ananel  zum  Hohen- 
priester'"). Aber  eben  dies  betrachtete  Alexandra  als  eine  Ver- 
letzung hasmonäischer  Privilegien.  Nach  ihrer  Ansicht  wäre  ihr 
junger  Sohn  Aristobul,  der  Bruder  Mariamme's,  der  allein  zum 
Hohenpriesterthura  Berechtigte  gewesen.  Sie  setzte  daher  alle 
Hebel  in  Bewegung,  ihr  Recht  durchzusetzen.  Namentlich  wandte 
sie  sich  an  Kleopatra,  damit  diese  durch  ihren  Kinfluss  bei  An- 
tonius dahin  wirke,  dass  Herodes  zur  Einsetzung  des  Aristobul 
gezwungen  werde.  Auch  Mariamme  lag  ihrem  Gatten  mit  Bitten 
zu  Gunsten  des  Bruders  an.  So  sali  sich  Herodes  endlich  gencithigt, 
den  Ananel  abzusetzen  (was  ungesetzlich  war,  da  der  Hohepriester 
sein  Amt  lebjjnslüiiglidi  verwaltete)  und  den  jungen,  erst  siebzehn- 
jährigen Aristobul  zum  Holieiipriester  einzusetzen  (Anfang  35)^'). 


27)  AnU.  XV,  1,  l;  vgl.  XIV,  9,  Aßn.  Ueber  Polio  und  Sameas  s.  Bd.  11, 
S.  368  f. 

28)  AnU.  XV,  1,  2;  vgl  XIV,  9,  4  ßn.    B.  ./.  I,  18.  4. 

29)  AnU.  XV,  2,  1—4. 

iJO)  AnU.  XV,  2,  4.  —  Herodes  selbst  konnte  die  Würde  nicht  übernolimen, 
da  er  nicht  einmal  vollbürtiger  Judo,  geschweige  denn  aus  priüstcrliclicm  Go- 
loblechtr  war. 

81)  AnU.  XV,  2,  5—7.  3,  1.  —  In  Betreff  der  Chronologie  verweise  ich 
ein  nir  iiii......,i  .Ml«'  -li"  nt.iirn  Ucbersicht. 


[309.  310]  §  15.   Herodes  der  Gro.«se  (37—4  v.  Chr.).  379 

Der  Friede  war  indess  nicht  von  langer  Dauer.    Herodes  sah 

—  I  und  nicht  mit  Unrecht  —  in  allen  Gliedern  der  hasmonäischen 
Familie  seine  natürlichen  Feinde.  Namentlich  des  Argwohns  und 
Misstrauens  gegen  Alexandra  konnte  er  sich  nicht  entschlagen 
und  Hess  dieselbe  sorgfältig  bewachen.  Dies  fand  hinwiederum 
Alexandra  unerträglich  und  sann  darauf,  sich  der  Beaufsichtigung 
durch  die  Flucht  zu  entziehen.  Die  Särge  waren  schon  bereit,  in 
denen  sie  sich  und  ihren  Sohn  Aristobul  des  Nachts  zur  Stadt 
hinaustragen  lassen  wollte,  um  dann  zur  See  nach  Aegypten  zu 
Kleopatra  zu  entfliehen.  Aber  das  Vorhaben  wurde  verrathen  und  ver- 
eitelt und  diente  nur  dazu,  das  Misstrauen  des  Herodes  zu  schärfen  '^'^). 

—  Als  nun  vollends  beim  nächsten  Laubhüttenfest  (35  v.  Chr.)  das 
Volk  dem  jungen  Aristobul,  während  er  als  Hoherpriester  fun- 
girte,  ofien  zujubelte,  da  stand  bei  Herodes  der  Entschluss  fest, 
sich  zunächst  einmal  des  Aristobul  als  seines  gefährlichsten  Neben- 
buhlers zu  entledigen.  Bald  bot  sich  die  Gelegenheit  dazu.  Herodes 
war  einst  zu  Jericho  von  Alexandra  zu  einem  Gastmahl  geladen 
worden.  Als  nun  nach  dem  Mahle  der  junge  Aristobul  sich  mit 
Andern  im  Bade  ergötzte,  wurde  er  von  einigen  Gefährten,  die 
Herodes  gedungen  hatte,  wie  zum  Scherze  untergetaucht  und  so 
lange  unter  Wasser  gehalten,  bis  er  ertrunken  war.  Nach  ge- 
schehener That  heuchelte  Herodes  die  tiefste  Trauer  und  vergoss 
Thränen,  die  aber  kein  Mensch  für  aufrichtig  hielt  ^3). 

Alexandra,  die  den  wahren  Sachverhalt  wohl  durchschaute, 
agitirte  wieder  bei  Kleopatra,  damit  Herodes  für  die  That  von 
Antonius  zur  Verantwortung  gezogen  würde.  Antonius,  der  seit 
dem  Frühjahr  36  sich  wieder  im  Orient  und  in  den  Schlingen  der 
Kleopatra  befand,  unternahm  eben  damals  (Frühjahr  34)  einen  neuen 
Zug  nach  dem  Osten,  angeblich  gegen  die  Parther,  in  Wahrheit 
gegen  den  Armenierkönig  Artavasdes.  Als  er  nun  nach  Lao- 
dicea  (wohl  Laodicea  am  Meere,  südlich  von  Antiochia)  kam, 
wurde  dorthin  —  denn  Alexandra  hatte  durch  Kleopatra  wirklich 
ihren  Wunsch  durchgesetzt  —  auch  Herodes  vorgeladen,  um 
Eechenschaft  zu  geben  wegen  der  That.  Herodes  wagte  nicht, 
sich  zu  widersetzen  und  stellte  sich,  wenn  auch  schweren  Herzens, 
bei  Antonius  ein.  Selbstverständlich  kam  er  aber  nicht  mit  leerer 
Gasse.  Dieser  Umstand  und  seine  gewandten  Vorstellungen  ver- 
mochten bald  alle  Wolken  zu  zerstreuen.  Er  wurde  freigesprochen 
und  kehrte  nach  Jerusalem  zurück  3*). 


32)  Antt.  XV,  3,  2. 

33)  Antt.  XV,  3,  3—4.    Bell.  Jud.  I,  22,  2. 

34)  Antt.  XV,  3,  5.    8—9. 


380  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [310.  311] 

Seine  Abwesenheit  war  Veranlassung  zu  neuen  Missheilig-  \ 
ketten.  Er  hatte  bei  seinem  Weggang  seinen  Oheim  Joseph  (der 
zugleich  sein  Schwager  war,  da  er  seine  Schwester  Salome  zur 
Gattin  hatte)  zum  ßeichsverweser  bestellt  und  ihm  auch  die  Sorge 
für  Mariamme  übertragen.  Da  er  seinen  Gang  zu  Antonius  für 
gefährlich  hielt,  hatte  er  dem  Joseph  befohlen,  falls  er  nicht  zurück- 
kommen sollte,  auch  die  Mariamme  zu  tödten;  denn  seiner  leiden- 
schaftlichen Liebe  war  der  Gedanke  unerträglich,  dass  die  Geliebte 
je  ein  Anderer  erhalten  könnte.  Als  er  nun  zurückkehrte,  ver- 
läumdete  die  Salome  ihren  eigenen  Gatten,  als  habe  er  sich  un- 
erlaubten Umgangs  mit  Mariamme  schuldig  gemacht.  Herodes  gab 
der  Verläumdung  anfangs,  da  Mariamme  ihre  Unschuld  betheuerte, 
kein  Gehör.  Als  er  aber  erfuhr,  dass  Mariamme  um  jenen  ge- 
heimen Befehl  wusste,  den  der  geschwätzige  Alte  ihr  als  Beweis 
der  besonderen  Liebe  des  Herodes  mitgetheilt  hatte,  glaubte  He- 
rodes darin  eine  Bestätigung  jener  Anklage  zu  finden  und  liess  den 
Joseph,  ohne  ihn  gehört  zu  haben,  hinrichtend^). 

Die  vierte  feindliche  Macht  in  dieser  ersten  Zeit  des  Herodes 
war  Kleopatra.  Sie  hatte  schon  bisher  durch  ihre  Verbindung 
mit  Alexandra  dem  Herodes  trübe  Tage  bereitet.  Noch  schlimmer 
aber  war,  dass  sie  nun  ihre  Macht  über  Antonius  auch  dazu  be- 
nützen wollte,  sich  Gebietszuwachs  zu  verschaffen.  Antonius  gab 
anfangs  ihren  Forderungen  kein  Gehör.  Endlich  aber,  noch  während 
jenes  Zuges  gegen  Armenien  im  J.  34,  liess  er  sich  docli  herbei, 
ihr  die  ganze  phönicische  und  philistäische  Küste  südlich  vom 
Eleutherus,  nur  mit  Ausnahme  von  Tyrus  und  Sidon  ^^)  und  ausser- 
dem einen  Tlieil  des  arabischen  (lebietes  und  den  schönsten  und 
fruchtbarsten  Theil  von  dem  Königreiche  des  Herodes,  die  be- 
rühmte Landschaft  von  Jericho  mit  ihren  Palmen-  und  Balsam- 
pflanzungen zu  schenken  ^").    An  Widerstand  von  Seite  des  Herodes 

35)  AnU.  XV,  3,  5-0.  9.  Ueber  die  Parallelstelle  B.  J.  l,  22,  4—5  e.  unten 
Anm.  51. 

36)  Vgl.  die  Karte  in  Menke's  Bibelatlas. 

37)  Die  Landschaft  von  Jericho  war  damals  die  fruchtbursti' und  au  Er- 
trägniitiicn  reichste  Gegend  von  Palästina.  Am  beBtimmtostcu  wird  dies  von 
Strabo  XVI,  2,  41  p.  7ö3  und  Jusrpints  lirll.  Jud.  IV,  8,  3,  hervorgehoben.  Bei 
7fp/xop5  befand  sich  nach  Ktrabo  der  Palmen wald  (o  (poivixwv)  in  einer  Aus- 
dehnung von  hundert  Btadien,  und  der  Balsamgarten  {o  xov  ßakaafiov 
nuQuAnaoq),  welcher  das  kostbare  als  Heilmittel  gebrauchte  BnlHaiu-Hiirz  lieferte. 
Aueh  .ToHephtiH  hebt  die  I)att<;lpalme  und  die  BalsamKlmide  mIh  die  beiden 
HHUpt-CuIturgewäeliHe  der  Gegend  liervor.  Das  infolge  seines  WuHHerreich- 
thuniH  und  M-irieH  heissen  Klinuis  besonders  ertragr(>iehe  Gebiet  Mehät/.t.IoHephus 
auf  zwari/.ig  Htadien  Breite  unci  siebzig  .Stadien  Länge.  Da  beide  Erzeugnisse 
ho«-li  im  l'reiNe  xtanden  (vgl.  Stniln,  XVll,  1,  15  p.  H(K)i,   nennt   JoHc^pliu«  mit 


[312]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  381 

Recht  diese  Gegend  ein  &£Tov  yjaglov,  iv  (p  datpi^rj  xa  anavi(6xaxa  xal 
xäXXioxa  yevväxai  {Bell.  Jud.  IV,  8,  3).  Auch  sonst  hebt  er  bei  jeder  Gelegen- 
heit die  Fruchtbarkeit  der  Gegend  von  Jericho  mit  ihren  Palmen-  und  Balsam- 
pfianzungen  hervor  {Antt.  IV,  6,  1.  XIV,  4,  \  =  B.  J.  I,  6,  6.  Antt.  XV,  4, 
2  = -B.  /.  I,  18,  5).  An  einer  Stelle  nennt  er  sie  bestimmt, die  fruchtbarste 
von  Judäa  {B.  J.  I,  6,  6:  xb  xijg  ^lovöaiaq  nioraxov).  Herodes  dehnte  später 
die  Palmenpflanzungen  bis  Phasaelis  aus  (s.  Bd.  II,  S.  158).  Archelaus  baute 
bei  Jericho  eine  neue  Wasserleitung  zur  Bewässerung  des  dortigen  Palmen- 
waldes {Antt.  XVII,  13,  1).  —  Auch  bei  Trogus  Pompejiis  ist  nach  der  richtigen, 
von  Rühl  hergestellten  Lesart,  Jericho  als  Mittelpunkt  der  Palmen-  und  Balsam- 
pflanzungen des  Jordanthaies  genannt  (Justin's  Auszug  XXXVI,  3):  Opes  genti 
ex  vectigalibus  opobalsami  crevere,  quod  in  bis  tantwn  regionibus  gignitur.  Est 
namque  vallis,  qtiae  eontinuis  montilnis  velut  muro  quodam  ad  instar  hortorum 
clauditur.  Spatium  loci  ducenta  jugera;  nomine  Ericus  dicitur.  In  ea  silva  est 
et  ubertate  et  amoenitate  insignis,  siquidem  palmeto  et  opobalsameto  distin- 
guitur  (folgt  eine  Beschreibung  der  Balsamstaude,  welche  ähnlich  wie  der 
Weinstock  gezogen  werde  und  jährlich  zu  bestimmter  Zeit  den  Balsam  aus- 
schwitze). —  Diodorus  Sic.  verlegt  die  Palmen-  und  Balsampflanzungen  im 
Allgemeinen  in  die  Nähe  des  todten  Meeres,  indem  er  nach  Beschreibung  des 
letzteren  also  fortfährt  (II,  48,  9;  fast  wörtlich  ebenso  XIX.  98,  4):  ^AyaS^ri  d^  iaxl 
(poivix6(pvrog  ....  rivtxai  6h  negl  xovg  xonovg  xovxovg  iv  avi.(üvi  xivi  xal  x6  xa- 
kovfxtvov  ßttXaafiov,  ig  ov  rcQoaoöov  ka/nngav  [XIX,  98,  4:  aSgav]  Xaußdvovaiv, 
ovöa/jov  /ihv  xfjg  «AAi/^  otxovutvrjg  svgiaxofihvov  xoi/  <pvxov  xovxov,  xijg  6'  i^ 
avxov  '/CQtiag  stg  (pagfxaxa  xoig  taxQoZg  xaik'  VTiSQßokf^v  sv&exovaT/g.  —  Nach 
Plinitis  waren  die  Datteln  von  Jericho  die  vorzüglichsten  der  Welt,  Hist.  Kat. 
XIII,  4,  44:  sed  ut  copia  ibi  [in  Aethiopiae  fine]  atque  fertilitas,  ita  nobilitas 
in  Judaea,  nee  in  tota,  sed  Hiericunte  maxume,  quamquam  laudatae  et  Archelaide 
et  Phaselide  atque  Liviade,  gentis  ejusdem  convallibus.  Vgl.  XIII,  4,  2ö:  Jiidaea 
rei'O  incluta  est  vel  magis  palmis.  XIII,  4,  49:  Servantur  hi  demum  qui  nas- 
cuntur  in  salsis  atque  sabulosis,  iit  in  Judaea  atque  Cyrenaica  Africa.  Die 
ausführliche  Erörterung  des  Plinius  über  den  Balsam  [Bist.  Nat.  XII,  25,  111 
bis  123)  beginnt  mit  folgenden  Worten :  Sed  omnibus  odorUnis  praefertur 
balsamum,  uni  terranim  Judaeae  concessum,  qnonüam  in  duobus  tantum  horti^, 
uiroque  regio,  altero  jw/erum  XX  non  amplius,  altera  pauciorum.  Die  Ge- 
winnung des  Balsam's  geschieht  dadurch,  dass  die  Rinde  mit  steinernen,  nicht 
eisernen,  Instrumenten  geritzt  wird,  worauf  der  dicke  Saft  hervorquillt  und  in 
kleinen  Gefässen  aufgefangen  wird.  —  Auch  Tacitus  Hist.  V,  6  nennt  als 
eigenthümliche  Erzeugnisse  Palästina's  balsamum  et  palmae.  Die  Gewinnung 
des  Balsam's  beschreibt  er  ähnlich  wie  Plinius  (vgl.  auch  Strabo  p.  763  und 
Josephus  XIV,  4,  \  ^  B.  J.  I,  (>,  6).  —  Dass  die  Palmen  in  Palästina  „immer" 
(d.  h.  in  jedem  Jahre)  eine  geniessbare  Frucht  geben,  hebt  auch  Pausanias 
als  besonderen  Vorzug  hervor  (er  sagt  IX,  19,  8  vom  Heiligthum  zu  Mykalessus 
in  Böotien.-  <Poivixfg  öe  npo  xov  isgov  7i6(pvxaaiv  ovx  ig  unav  iöwöifiov 
naQexöfzsvoi  xagnov,  wansQ  iv  x^  TlaXaiaxiv^).  Auch  dem  Horatius  war  der 
materielle  Werth  dieser  Plantagen  bekannt.  Um  ein  Beispiel  besonders  fetten 
und  ertragreichen  Grundbesitzes  anzuführen,  spricht  er  von  Herodis  palmetis 
pinguilms  [Epist.  II,  2,  184).  —  Nach  Dioscorides  I,  18  wuchs  der  als  Heil- 
mittel verwendete  Balsam  nur  in  Judäa  und  Aegypten  (ßäXaafzov  .  .  .  yevvw- 
fxsvov  iv  fJiövy  'lovöaicc  xaxä  xtva  avXaiva  xal  iv  Atyvnxcp).  —  Die  Existenz  der 
Palmenwälder  von  Jericlio  lässt  sich  durch  etwa  zwei  Jahrtausende  hindurch 
verfolgen.     Schon    im    Alten  Testamente    heisst    Jericho    „die    Palmenstadt" 


382  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37-4  v.  Chr.).  [313] 

war  1  nicht  zu  denken,  und  er  niusste  nun  sein  eigen  Land  von 
Kleopatra  in  Pacht  nehmen  ^s).  Ja  er  nmsste  noch  gute  Miene 
zum  bösen  Spiel  machen  und  die  Kleopatra,  als  sie  auf  der  Rück- 
kehr vom  Euphrat,  bis  wohin  sie  den  Antonius  begleitet  hatte,  in 
Judäa  vorsprach,  mit  allen  Ehren  empfangen  und  königlich  be- 
wirthen.  Als  sie  aber  auch  ihn  in  ihre  Netze  zu  ziehen  suchte, 
war  er  klug  genug,  sich  nicht  näher  mit  ihr  einzulassen  ^9;. 


(C'iTQrin  n*'5,  Deut.  34,  3;  Judic.  1,  16;  3,  13;  II  Chron.  28, 15).  Von  griechischen 
Schriftstellern  erwähnt  bereits  Theophrastus,  der  Schüler  des  Aristoteles,  die 
Palmen-  und  Balsampflanzungen  des  Jordanthaies.  Von  den  Piümen  sagt  er, 
dass  nur  an  drei  Orten  Cölesyriens  mit  salzigem  Boden  solche  wachsen,  deren 
Früchte  zum  Aufbewaliren  geeignet  sind  {hist.  plant.  II,  6,  2:  r^e  Svfjiag  6s 
rijg  Koü.7]q,  iv  ;)  y'  oi  nltlazoi  zvyx«voiatv,  iv  tqioI  /lövoig  zönoig  akfxwöeaiv 
tlvai  xovg  övvafikvovg  S-T]aavQiL,saS-ai,  II,  6,  8:  d-7]aavQit,eo&ai  6h  fiövovg  6vvaai}al 
<paai  Twv  iv  JS'tp/ß  rovg  iv  zw  aikwvi.  Dieser  avkwv  Syriens,  wo  die  Palmen 
wachsen,  erstreckt  sich  nach  II,  6,  5  bis  zum  rothen  Meere).  Ueber  den  Balsam 
sagt  er  hist.  plant.  IX,  6,  1;  Tb  6s  ßä?.oa/j.ov  yhszai  f^sv  iv  ziö  avXwvi  z(5 
nsgl  2vQiav.  TIuQa6elaovg  rf'  tlvai  (paai  6vo  [lovovg,  zbv  ßsv  öaov  si'xoai 
nXiÜ^Qwv  xov  d'  sxsqov  noXliö  iläxxova  (hiernach  Plinius  an  der  oben  an- 
geführten Stelle).  In  der  Mischna  wird  erwähnt,  dass  die  Einwohner  Jericho's 
die  Palmen  zu  pfropfen  pflegten  {Pesachim  IV,  8).  Den  reichen  Ertrag  hebt 
auch  eine  Descriptio  orbis  aus  dem  vierten  Jahrhundert  nach  Chr.  hervor 
{Müller,  Geographi  gr.  minores  II,  513  sqq.  c.  31:  Nicolaum  vero  palmulam 
invenies  abnndare  in  Palaestina  rcgione,  in  loco  qui  dicitur  Hiericho).  Die 
Existenz  der  dortigen  Palmenwälder  bezeugen  noch  die  christlichen  Pilger 
Arculfus  im  siebenten  Jahrhundert  (s.  Tobler  et  Molinier,  Itinera  Ilierosolymitana 
I,  1879,  p.  176  •=  Geyer,  Itinera  Hierosol.  1898,  p.  263  sq.)  und  Saewulfus  im 
Anfang  des  zwölften  Jahrhunderts  (s.  GiiMn,  Samarie  I,  49).  Im  Jahre  1838 
«ah  Robinson  dort  noch  einen  (!)  Palmbaum  (Robinson,  Palästina  II,  537), 
welcher  im  Jahre  1888  nur  noch  ein  Stumpf  war  (Zeitschr.  dos  DPV.  XI,  98). 
—  Vgl.  überhaupt  die  Artikel  „Balsam",  „Dattelpalme",  „Jericho"  in  Winer's 
RWB.  Ritter,  Erdkunde,  XIII.  Tbl.  S.  760—858  (geogr.  Verbreitung  der 
Dattelpalme).  Theobald  Fischer,  Die  Dattelpalme,  ihre  geographische  Ver- 
breitung und  culturhistor.  Bedeutung,  1881  (=  Petermanu's  Mittheilungen,  64. 
Ergänzungsheft).  Anderlind,  ZeitsClir.  des  deutschen  Palästina- Vereins 
Bd.  XI,  1888,  S.  97—99  (Vorkommen  der  Dattelpalme  im  heutigen  Syrien). 
Fonck,  Ktreifzügc  durch  die  biblische  Flora  (Biblische  Studien,  herausg.  von 
Banienhewer  V,  1,  IIKK))  S.  6-10:  Palmen,  152—155:  Balsam.  Wagler,  Art. 
„Balsambaum"  in  PuuIy-VVissowa'B  Real-Enc.  II,  2836»;  Benzinger,  Art. 
,3alsam"  in  Ilcrzog-Uauck,  Rt;al-Ene.  3.  AuÜ.  II,  374  f.  —  Ueber  Jericho  und 
Uragcbung:  RobinHon,  Palübtina  II,  516—555.  Ritter,  Erdkunde  XV,  1, 
5<J0— 534.  Tobler,  Topographie  von  Jerusalem  11,642—669.  Sepp,  Jerusalem 
und  da»  heilige  Land  2.  Aufl.  I,  720—734.  Gudrin,  Samarie,  I,  46—53. 
Bädeker-Socin,  PalÜHtinu  3.  Aufl.  8.  166  f.  The  Surrtg  af  Western  Palcsline, 
McmuirM  hy  Conder  and  Kitchener  III,  222  (Plan  der  VVusHerleitnngon  bei 
Jericho  aiiH  römiHchcr  Zeit);  dazu  Bl.  XVIII  der  grossen  englischen  Karte. 

38)  AuU.  XV,  4,  1—2.  ß.  J.  I,  18,  5.  — •  Ptularck.  Anton.  3()  und  Vio  (V/.s.w. 
\IAX,  32  verlegen  diene  Schenkung  in  eine  frühere  Zeit.    Vgl.  oben  8.  362  f. 

3Ü)  Antf.  XV,  I    "      fi  J.  I.  IH,  5. 


[313.  314]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  3g3 

So  verstrichen  die  ersten  4—5  Jahre  des  Herodes  unter  man- 
nigfachen Kämpfen  um  die  eigene  Existenz.  Neue  Sorgen  brachte 
im  J.  32  der  Ausbruch  des  Krieges  zwischen  Antonius  und 
Octavianus.  Herodes  wollte  mit  einer  stattlichen  Streitmacht  demj 
Antonius  zu  Hülfe  eilen;  erhielt  aber  statt  dessen  auf  Betrieb 
Kleopatra's  von  Antonius  den  Auftrag,  den  Araberkünig  zu  be- 
kriegen. Dieser  hatte  nämlich  in  der  letzten  Zeit  den  Tribut  an 
Kleopatra  nicht  mehr  regelmässig  bezahlt  und  sollte  nun  dafür 
gezüchtigt  werden.  Und  Kleopatra  wollte,  "dass  der  Krieg  dem 
Herodes  übertragen  werde,  damit  die  beiden  Vasallenfürsten  sich 
gegenseitig  schwächen  und  aufreiben  möchten.  So  zog  also  He- 
rodes statt  gegen  Octavian  vielmehr  gegen  den  Araberkönig.  An- 
fangs war  er  glücklich.  Als  aber  Athenio,  der  Strateg  der  Kleo- 
patra, den  Arabern  zu  Hülfe  kam,  erlitt  er  eine  empfindliche  Nieder- 
lage und  sah  sich  genöthigt,  den  grossen  Krieg  einzustellen  und 
sich  nur  auf  Raub-  und  Plünderungszüge  zu  verlegen^'*). 

Währenddem  kam  im  Frühjahr  31  ein  neues  Unglück  über  ihn, 
indem  ein  furchtbares  Erdbeben  das  Land  heimsuchte,  durch  welches 
30ÜÜ0  Menschen  um's  Leben  kamen.  Herodes  wollte  nun  mit  den 
Arabern  wegen  des  Friedens  unterhandeln.  Diese  aber  tödteten 
die  Gesandten  und  erneuerten  ihren  Angriff.  Herodes  musste  all' 
seine  Beredsamkeit  aufbieten,  um  seine  entmuthigten  Truppen  zu 
einem  abermaligen  Kampf  zu  bewegen.  Aber  diesmal  bewährte  sich 
wieder  sein  altes  Kriegsglück.  Er  schlug  das  arabische  Heer  voll- 
ständig in  die  Flucht  und  zwang  auch  den  Rest  desselben,  der  sich 
in  eine  Festung  geflüchtet  hatte,  bald  zur  Uebergabe.  Stolz  auf 
diesen  glänzenden  Erfolg  kehrte  er  nach  Hause  zurück  ^'). 

Bald  darauf  (2.  Sept.  31)  fiel  bei  Actium  die  Entscheidung, 
durch  welche  Antonius  für  immer  die  Herrschaft  verlor.  Es  war 
zugleich  ein  schwerer  Schlag  für  Herodes.  Aber  mit  der  ihm 
eigenen  Gewandtheit  ging  er  rechtzeitig  in  das  Lager  des  Siegers 
über  und  fand  bald  Gelegenheit,  seinen  Gesinnungswechsel  durch 
die  That  zu  bekunden.  In  Kyzikus  befand  sich  eine  Schaar  von 
Gladiatoren  des  Antonius,  die  sich  im  Voraus  auf  die  Spiele  ein- 
übten, durch  welche  Antonius  seinen  Sieg  über  Octavian  verherr- 
lichen wollte.  Als  diese  nun  von  der  Niederlage  und  Flucht  des 
Antonius  hörten,  wollten  sie  nach  Aegypten  ihrem.  Herrn  zu  Hülfe 
eilen.  Aber  Didius,  der  Statthalter  von  Syrien,  verwehrte  ihnen 
den  Durchzug  und  Herodes  leistete  ihm  hierbei  eifrigen  und  er- 
folgreichen Beistand^-). 


40)  Antt.  XV,-  5,  1.    ß.  J.  I,  19,  1—3. 

41)  Antt.  XV,  5,  2-5.    B.  J.  I,  19,  3—6. 

42)  Antt.  XV,  6,  7.    B.  J.  I,  20,  2.     Diu  Cass.  LI,  7. 


384  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [314.  315] 

Nachdem  er  so  einen  Beweis  seiner  Gesinnung  abgelegt  hatte, 
konnte  er  sich  dem  Augustus  vorstellen.  Um  aber  auf  alle  Fälle 
sicher  zu  sein,  Hess  er  zuvor  noch  den  alten  Hyrkan,  den  Ein- 
zigen, der  ihm  als  näher  zum  Thron  Berechtigter  gefährlich  sein 
konnte,  aus  dem  Wege  schaffen.  Dass  Hyrkan  durch  Conspiration 
mit  dem  Araberkönig  seinen  Tod  verschuldet  habe,  wie  in  den 
eigenen  Jahrbüchern  des  Herodes  behauptet  war,  ist  bei  dem  Cha- 
rakter und  dem  hohen  Alter  Hyrkan's  sehr  unwahrscheinlich. 
Andere  gleichzeitige  Schriftsteller  haben  ausdrücklich  seine  Un- 
schuld behauptet.  Für  Herodes  war  bei  seiner  kritischen  Lage 
das  blosse  Dasein  Hyrkan's  ein  hinreichendes  Motiv  zu  der  blutigen 
That.  So  fiel  auch  der  letzte  Hasmonäer,  ein  Denkmal  vergangener 
Zeiten,  mehr  als  achtzigjährig  als  Opfer  des  Argwohn's  und  Ehr- 
geizes des  Herodes  ^^^j. 

Nun  machte  sich  Herodes  auf  den  Weg  zu  Augustus,  der  den 
Winter  31/30  grössteutheils  in  Samos  zugebracht  hatte  *^).  Er  traf 
ihn  (Frühjahr  30)  in  Rhodus.  Bei  der  Zusammenkunft  spielte 
Herodes  den  Kühnen,  rühmte  sich  seiner  Freundschaft  mit  Anto- 
nius und  der  Dienste,  die  er  ihm  geleistet  und  wollte  dadurch  be- 
weisen, wie  nützlich  er  denjenigen  sei,  deren  Partei  er  einmal 
ergriffen  habe.  Augustus  gab  auf  diese  Reden  wohl  nicht  allzu- 
viel, fand  es  aber  doch  nützlich,  den  ebenso  klugen  und  thatkräf- 
tigen,  wie  römerfreundlichen  Idumäer  für  sich  zu  gewinnen.  Er 
war  sehr  gnädig  gegen  ihn  und  bestätigte  ihn  als  König.  Mit  diesem 
frohen  Bescheid  kehrte  Herodes  in  die  Heimath  zurück*^). 

Bald  darauf,  im  Sommer,  zog  Augustus  von  Klein- Asien  kom- 
mend an  der  phönicischen  Küste  entlang  gen  Aegypten,  und  Herodes 
versäumte  nicht,  ihn  in  Ptolemais  mit  allem  Pomp  zu  empfangen 
und  dafür  zu  sorgen,  dass  das  Heer  während  des  Marsches  bei  der 
heissen  Jahreszeit  keinen  Mangel  leide***). 

Nachdem  Augustus  in  Aegypten  mit  Antonius  bald  fertig 
geworden  war,  und  dieser,  wie  Kleopatra,  sich  selbst  den  Tod  ge- 
gegeben hatte  (Aug.  30),  besuchte  Herodes  abermals  den  Augustus, 
ohne  Zweifel,  um  ihm  (ilück  zu  wünschen  und  dafür  womöglich 
belohnt  zu  werden.  Letzteres  gt^lang  ihm  aucli.  Denn  Augustus 
gab  ihm  jetzt  nicht  nur  das  Gebiet  von  Jericho  zurück,  sondern 
dazu  auch  (iadara,  Hippos,  Samaria,  Gaza,  Anthedon,  Jope 
und  ötratonsthurm*').— Als  Beweis  seiner  Erkenntlichkeit  gab 

43)  Äntt.  XV,  0,  1-4.    B.  J.  I,  22,  1. 

44)  Sueton.  Aug.  e.  17. 

46)  Antt.  XV,  6,  6-7.   B.  ./.  I,  20,  1—3. 

46)  Atül,  XV,  0,  7.   B.  J.  I,  20,  3. 

47)  Antt.  XV,  7,  3.   B.  ./.  I,  2<),  3.  —  Ucbor  alle  diese  Städte  s.  §  23,  T. 


[315.  316]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37-4  v.  Chr.).  385 

Herodes  seinem  Gönner  bei  dessen  Eückkehr  aus  Aegypten  (Ende 
30)  abermals  das  Geleite  bis  Antiochia  *s).  | 

Wälirend  so  die  äussere  Gefahr  sich  in  Glück  verwandelte, 
erlebte  Herodes  im  eigenen  Hause  nichts  als  Jammer.  Schon  als 
er  nach  Rhodus  reiste,  hatte  er  die  Mariamme  der  Obhut  eines 
gewissen  Soemus  anvertraut  und  diesem  wieder  denselben  Befehl 
ertheilt,  wie  einst  dem  Joseph  ^9).  Mariamme  hatte  es  auch  diesmal 
wieder  erfahren  und  dem  Herodes  nach  dessen  Rückkehr  unver- 
holene Beweise  ihrer  Abneigung  gegeben  •^*^).  Der  Mutter  des  He- 
rodes (Kypros)  und  seiner  Schwester  Salome,  welche  beide  der 
stolzen  Mariamme  schon,  längst  abhold  waren,  war  dieses  Miss- 
verhältniss  sehr  erwünscht,  und  sie  wussten  es  durch  die  schänd- 
lichsten Verläumdungen  zu  steigern.  Schliesslich  bestach  Salome 
den  Mundschenk  des  Königs,  damit  er  angebe,  Mariamme  habe  ihm 
einen  Gifttrank  gegeben,  um  ihn  dem  Herodes  zu  reichen.  Als 
Herodes  dies  vernahm,  Hess  er  den  Eunuchen  Mariamme's  darüber 
auf  der  Folter  verhören.  Dieser  wusste  zwar  nichts  von  dem  Gift- 
trank, bekannte  aber,  dass  Marianmie  ihren  Gemahl  hasse  wegen 
des  Befehles,  den  er  dem  Soemus  gegeben  habe.  Als  nun  Herodes 
hörte,  dass  auch  Soemus,  wie  einst  Joseph,  den  Befehl  verrathen 
habe,  sah  er  darin  wieder  einen  Beweis  unerlaubten  Umgangs  und 
schrie  wie  rasend,  nun  habe  er  ja  einen  Beweis  der  Untreue  seines 
Weibes.  Soemus  ward  sofort  hingerichtet;  Mariannne  durch  ein 
gerichtliches  Verfahren  verurtheilt  und  ebenfalls  hingerichtet 
(Ende  29)5«).  | 

48)  Anit  XV,  7,  4. 

49)  Änit.  XV,  6,  5. 

50)  Äntt.  XV,  7,  1—2. 

51)  Antt.  XV,  7,  3—6.  —  Eine  fabelhafte  talmudische  Nachricht  über  den 
Tod  der  Mariamme  s.  bei  Deretibourg  p.  151.  —  Zur  Kritik  der  von  uns  wieder- 
gegebenen Erzählung  des  Josephus  bemerkt  Destinon  (Die  Quellen  des  Flavius 
Josephus  1882,  S.  113):  „Es  ist  auffallend,  wie  gleichmässig  die  Vorgänge  ver- 
laufen, welche  sich  an  die  beiden  Reisen  des  Königs  zum  Antonius  und  Augustus 
knüpfen  [Antt.  XV,  3,  5— G  u.  9,  XV,  6,  5;  7,  1—6).  Beide  Male  lässt  er  seine 
Gemahlin  unter  der  Obhut  eines  Vertrauten  zurück,  mit  dem  Befehle,  sie  zu 
tödten,  wenn  ihm  selbst  etwas  zustossen  würde;  beide  Male  theilen  die  Wächter 
in  wohlgemeinter  Absicht  ihr  das  Geheimniss  mit;  der  König  kehrt  heim,  er- 
fährt es,  vermuthet  grössere  Vertraulichkeit  und  lässt  die  Schuldigen  hin- 
richten   Dazu  kommt,  dass  im  Jüd.  Krieg  der  zweite  Bericht  gänzlich 

fehlt  {B.  J.  I,  22,  4—5) :  hiemach  tödtet  Herodes  den  Joseph  sowohl  als  auch 
Mariamme  gleich  nach  seiner  Rückkehr  vom  Anontius.  Man  möchte  glauben, 
dass  der  Doppelbericht  in  der  Archäologie  auf  ein  und  dasselbe  Ereigniss 
sich  beziehe;  Josephus  fand  den  zweiten  Bericht  vielleicht  in  einer  Neben- 
quelle, hielt  ihn  in  Folge  der  abweichenden  Angabe  des  Namens  Soemus  für 
verschieden  von  demjenigen  seiner  Hauptquelle  und  knüpfte   ihn,   um    sich 

Schürer,  Geschiebte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  25 


386  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [317] 

In  Herodes'  Verhältniss  zu  Mariamme  offenbarte  sich  die  ganze 
Wildheit  und  Sinnlichkeit  seines  Wesens.  Unbändig  und  leiden- 
schaftlich wie  seine  Liebe  war  auch  sein  Hass,  sobald  er  sich  von 
seinem  Weibe  betrogen  glaubte.  Aber  ebenso  unbändig  und  leiden- 
schaftlich war  nun  auch  seine  Sehnsucht  nach  der  Geliebten,  die 
er  selbst  gemordet.  Um  seinen  Schmerz  zu  betäuben,  suchte  er 
Zerstreuung  in  wilden  Vergnügungen,  Trinkgelagen  und  Jagden. 
Aber  selbst  sein  starker  Körper  ertrug  die  übermässige  Aufregung 
nicht.  Während  er  in  Samaria  jagte,  erkrankte  er  und  musste 
daselbst  krank  liegen  bleiben.  Da  man  an  seinem  Aufkommen 
zweifelte,  sann  Alexandra  darauf,  für  den  Fall  seines  Todes  sich 
die  HeiTSchaft  zu  sichern.  Sie  wandte  sich  an  die  Befehlshaber 
der  beiden  Burgen  von  Jerusalem  und  suchte  dieselben  für  sich  zu 
gewinnen.  Aber  diese  machten  dem  Herodes  davon  Anzeige,  und 
Alexandra  —  die  es  schon  längst  mehr  als  Andere  verdient 
hätte  —  ward  nun  ebenfalls  hingerichtet  (etwa  28  v.  Chr.)  ^^). 

Allmählich  genas  Herodes  wieder  und  fand  bald  Gelegenheit 
zu  neuer  Blutarbeit.  Ein  vornehmer  Idumäer  Kostobarus  war 
von  Herodes  bald  nach  seinem  Regierungsantritt  zum  Statthalter 
von  Idumäa  eingesetzt  und  später  mit  Salome,  deren  erster  Ge- 
mahl Joseph  im  J.  34  hingerichtet  wurde,  verheirathet  worden. 
Schon  in  dieser  ersten  Zeit  hatte  er  insgeheim  mit  Kleopatra  gegen 
Herodes  conspirirt,  war  aber  von  Herodes  auf  Bitten  der  Salome 
wieder  begnadigt  worden  ^^).  Jetzt  aber  wurde  Salome  selbst  ihres 
Gemahles  überdrüssig,  und  um  sich  seiner  zu  entledigen,  griff  sie 
zum  Mittel  der  Denunciation.  Sie  wusste,  dass  ihr  Gemahl  die 
Sühne  des  Babas^^),  wie  es  scheint,  weitläufige  Verwandte  des 


nichts  entgehen  zu  lassen,  an  die  Eeise  des  Herodes  zum  Augustus  an".  — 
Man  würde  dieser  Auffassung  ohne  weiteres  beizustimmen  haben,  wenn  nicht 
andererseits  feststünde,  dass  das  Bellum  Judaicum  vielfach  dieselbe  Quelle, 
di<'  au(;h  in  den  Antiquitates  benützt  ist,  in  stark  verkürzter  Form  wiedergiebt, 
un«l  wenn  nicht  ausdrücklich  in  der  zweiten  Erzählung  der  Antiquitates  die 
erste  vorausgesetzt  würde  (XV,  7,  1 :  xaq  ^Iwarj-no)  äoihiaaq  ^rtoXcti  drffivt]- 
ßdvtvtv).  Dass  sich  dieselbe  Geschichte  fast  in  der  gleichen  Form  wiederholt 
hat,  ist  allerdings  tjnwahrscheinlich.  Aber  es  scheint  mir  wnhrschcinlicli,  dnss 
beide  Erzählungen  schon  in  der  Hauptquelle  des  Joscplius  gestanden  haben, 
namentlich  auch  deshalb,  weil  an  beiden  Stellen  die  Erzählung  der  häuslichen 
Vorgänge  enge  mit  der  Darstellung  der  politischen  (leschichto  verbunden  ist 
(an  beiden  BU'llen  ist  die  politische  Geschichte  zwischen  Anfang  und  Ende 
der  häuMlichen  Vorgänge  «'ingeschoben). 

W)  Anlt.  XV,  7,  7-K. 

5.3)  Antt.  XV,  7,  !). 

64)  Statt  ßaßaq  liest  Niese  mit  nxl.  I'al.  2^af{ßai,  sagt  über  selbst:  utrum 
teriu»  diffirilr.  tlirtu.  Der  Name  liaßaq  lindcit  sich  inschriftlich  bei  Euting, 
8it«ungiibcrichte  der  Berliner  Akademie  IHHn,  H.  (185,  Tafel  XI  n.  HO.  —  Ein 


[317.  318]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37-4  v.  Chr.).  387 

liasiuonäisclien  Hauses,  denen  Herodes  leit  der  Eroberung  Jerusa- 1 
lems  vergeblich  nachgespürt  hatte,  bei  sich  verborgen  habe.  Dies 
meldete  sie  ihrem  Bruder.  Herodes  war,  als  er  es  hörte,  kurz  ent- 
schlossen. Kostobarus  wurde  saramt  seinen  Schützlingen,  deren 
Versteck  Salome  verrathen  hatte,  ergriffen  und  hingerichtet 
(25  V.  Chr.).  Und  Herodes  konnte  nun  beruhigt  sich  sagen,  dass 
aus  der  ganzen  Verwandtschaft  des  alten  Hyrkan  keiner  mehr 
übrig  sei,  der  ihm  den  Thron  streitig  machen  könnte  ^^).  —  Damit 
schliesst  die  erste  Periode,  die  Periode  des  Kampfes  mit  den  feind- 
lichen Mächten. 

IL 

Die  Zeit  von  25—13  ist  die  Zeit  des  Glanzes  und  Genusses, 
wenn  auch  nicht  des  ungestörten  und  ungetrübten  Genusses. 

Zum  Glänze  der  Zeit  gehörten  vor  allem  gi'ossartige  Bauten. 
In  allen  Provinzen  wetteiferte  man  damals  in  der  Pflege  des  Kaiser- 
cultus  und  in  der  Feier  vierjähriger  Festspiele  zu  Ehren  des  Cäsar  s. 
Zu  ersterem  Zwecke  wurden  Kaiser-Tempel  {Kaioageia)  errichtet; 
zu  letzterem  Theater,  Amphitheater,  Stadien  und  Hippodrome.  Auch 
neue  Städte  gründete  man  zu  Ehren  des  Cäsar  s  und  nannte  sie 
nach  seinem  Namen.  Provinciarum  pleraeque  super  templa  et  aras 
ludos  quoque  quinquennales  paene  oppidatim  constituerunt.  Reges 
amici  atque  socii  et  singuli  in  suo  quisque  regno  Caesareas  urbes  con- 
diderunt'"^).  Alle  diese  Bestrebungen  ergriff  Herodes  mit  der  ihm 
eigenen  Energie.  Aber  auch  in  Errichtung  anderer  Bauten  zu 
Nutz-  und  Luxuszwecken  und  in  Neugründung  ganzer  Städte  war 
er  unermüdlich^'). 

In  Jerusalem  erhob  sich  ein  Theater;  in  der  Ebene  (bei  Jeru- 

''ain  '{2  xna  Kerithoth  VI,  3;  ein  «33  p  mirf^  Erubin  II,  4—5;  Jebamoth 
XVI,  3.  5.  7.  Edujoth  VI,  1.  VIII,  2  (die  Cambridger  Handschrift  hat  viermal 
xnn  13,  dreimal  X3X  p). 

55)  Äntt.  XV,  7,  10.  Am  Schlüsse  der  Erzählung  sagt  Josephus  ausdrück- 
lich: (ü'ffTf  slvai  fiTjöev  vnöXomov  ix  x^q  ''Yqxkvov  avyysvsiag.  Es  ist  damit 
wohl  nur  die  männliche  Verwandtschaft  gemeint.  Denn  nach  Antt.  XVII,  5, 2  fin. 
lebte  noch  etwa  zwanzig  Jahre  später  die  Tochter  des  Antigonus,  des  letzten 
hasmonäischen  Königs,  welche  mit  Herodes'  ältestem  Sohne  Antipater  ver- 
mählt war. 

5G)  Sueton.Äur/.ö9—Q0.  Vgl.  überhaupt  über  den  Elaisercultus  Bd.  II,  S.  26f., 
über  die  Festspiele  ebendas.  S.  35 — 40. 

57)  Ueber  die  Bauten  des  Herodes  vgl.  Hirt,  üeber  die  Baue  Herodes  des 
Grossen  überhaupt,  und  über  seinen  Tempelbau  zu  Jerusalem  insbesondere 
(Abhandlungen  der  histor.-philol.  Klasse  der  Berliner  Akademie  aus  den  Jahren 
1816—17,  S.  1 — 24);  van  der  Chijs,  de  Herode  Magno,  p.  55 — 57.  Drüner, 
Untersuchungen  über  Josephus  (Marburg,  Diss.  1896)  S.  57 — 69:  Die  Ueber- 
lieferung  über  die  Bauten  des  Herodes. 

25* 


388  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [318.  319] 

salem)  ein  Ainpliitheatei»^^).  Einige  Zeit  später  (um  24)  baute 
sich  Herodes  einen  königliclien  Palast,  bei  welchem  Marmor  und 
Gold  in  Menge  verschwendet  waren.  Er  war  mit  starken  Be- 
festigungen versehen  und  diente  so  zugleich  als  Castell  für  die 
Oberstadt  ^^).  Schon  zur  Zeit  des  Antonius  hatte  er  die  Burg 
nördlich  vom  Tempel  umbauen  lassen  und  zu  Ehren  seines  Gönners 
Antonia  genannt  ^ö).  —  In  den  nichtjüdischen  Städten  seines  Reiches 
und  weiterhin  in  der  Provinz  Syrien  baute  er  zahlreiche  Tempel, 


58)  Antt.  XV,  8,  1:  xal  S^saxQOv  iv''hQoaoXv(ioi(;  ipxoöofiTjOiv,  ai&ig  x  iv 
TU*  neSlo)  fieyiazov  dfjicpid-suxQOv.  Auch  das  Hippodrom  in  Jerusalem,  das 
gelegentlich  erwähnt  wird  [Antt.  XVII,  10,  2;  B.  J.  II,  3,  1),  ist  wohl  von 
Herodes  erbaut;  desgleichen  das  Theater,  Amphitheater  und  Hippodrom  in 
Jericho  (s.  hierüber  Bd.  II  S.  40).  —  Interessante  Mittheilungen  über  ein 
von  ihm  entdecktes  Theater  bei  Jerusalem  macht  Schick  in:  Palestine 
Exploration  Fund,  Quarterly  Statement  1887,  p.  161 — 166  (mit  Plänen).  Das- 
selbe liegt  südlich  von  der  Stadt  (südsüdwestlich  vom  Bir-Ejub,  nördlich  vom 
Wadi  Jasul;  die  Entfernung  vom  Wadi  Hinuom  ist  nicht  viel  grösser,  als  die 
des  letzteren  von  der  heutigen  Stadtmauer).  Der  halbkreisförmige  Zuschauer- 
raum ist  noch  mit  Sicherheit  zu  erkennen;  er  ist  in  den  natürlichen  Felsen 
eingehauen  an  der  Nordseite  eines  Hügels,  so  dass  die  Zuschauer  den  Blick 
auf  die  Stadt  hatten.  Der  Durchmesser  unterhalb  der  Sitzreihen  beträgt  132 
engl.  Fuss;  die  Sitzreihen  steigen  in  einem  Winkel  von  37  Grad  regelmässig 
an.  Seltsam  ist  nur,  dass  Schick  seine  interessante  Entdeckung  ein  Amphi- 
theater nennt,  da  seine  Zeichnung  und  Beschreibung  keinen  Zweifel  lassen, 
das»  68  sich  vieiraehr  um  ein  Theater  handelt  (das  Amphitheater  war  stets  _ 
ein  geschlossener  länglicher  Kreis,  in  dessen  Mitte  sich  die  Arena  für 
Gladiatorenkämpfe  und  Thierhetzen  befand;  das  Theater  dagegen  ein  Halb- 
kreis, an  dessen  offener  Seite  sich  die  Bühne  für  dramatische  Darstellungen 
befand).  Schick  ist  zu  seiner  irrigen  Benennung  dadurch  veranlasst  worden, 
dass  nach  Josephus  das  Theater  des  Herodes  sich  iv  'IeQoaolvfxo<g  befand, 
während  der  von  Schick  entdeckte  Platz  ausserhalb  der  Stadt  liegt.  Er  selbst 
muBH  aber  zugeben,  dass  seine  Entdeckung  sich  auch  keineswegs  ^v  xiö  neSUp 
befindet,  was  nach  Josephus  beim  Ami)liitlieater  des  Herodes  der  Fall  war. 
Wenn  also  iv  'ifQoaokvfioig  bedeutete  „iruicrlialb  der  Stadtmauer",  dann  könnte 
der  von  Scliick  entdeckte  Platz  weder  das  Theater  noch  das  Ampliithcater  des 
Herode«  sein.  Jene  Erklärung  ist  aber  keineswegs  nothwendig;  und  daher 
die  Identificirung  des  Schick'schen  Tlicatcrs  mit  dem  des  Herodes  sehr  wohl 
möglich  und  walirscheinlich.  Auch  bei  der  Restauration  der  Stadt  durch 
Hadrian  wird  man  den  von  Herodes  einmal  hcrgerlclitctcn  Platz  nicht  vcr- 
laMHcn  haben. 

WO  Antt.  XV,  U,  3.  /?.  J.  I,  21,  1.  Vgl.  die  ncHchrcibiing  li.  J.  V,  4,  3-4.  -- 
Ein  Thunn  vom  I'alaHto  des  Heroili  >-  i-t  noch  licutc  (licilwcisc  (^halten,  der  so- 
genannte DavidHtliurm.  8.  li  i.  ilmiig  von  Schick,  Zcitschr.  des 
deutlichen  PalfiMtinavoreins  I,  Ih.  ,  .  .  ^j.u    Z',1. 

ÖO)  Antt.  XV,  8,  ß.  11,  4.  XVIII,  4,  3.  B.  ./.  I,  21,  1.  Vgl.  die  Beschrei- 
bung D.  J.  V,  5,  8.  Tacü.  Hut.  V.  11  fm.  Uobcr  die  ältere  Geuchichtf  dicHcr 
Burg  M.  oben  8.  106  Aom. 


[319.  320]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  389 

naiiientlicli  solche  zu  Ehren  des  Cäsar's  (Kaioagtia),  und  liess  sie 
aufs  Herrlichste  mit  Bildwerken  ausschmücken^').  | 

Eine  ganze  Anzahl  neuer  Städte  erhob  sich  auf  sein  Geheiss 
aus  dem  Boden.  Das  alte  Samaria,  das  seit  der  Zerstörung  durch 
Johannes  Hyrkan  bereits  durch  Gabinius  wieder  aufgebaut  worden 
war,  baute  er  aufs  Glänzendste  um  und  gab  ihm  den  Namen  Se- 
baste^2j_  Damit  nicht  zufrieden  ging  er  um  das  J.  22  an  ein  noch 
grossartigeres  Unternehmen,  indem  er  an  der  Küste  an  Stelle  des 
bisherigen  Stratonsthurm's  eine  neue  Stadt  im  grossartigsteu  Maass- 
stabe anlegte,  welcher  er  den  Namen  Cäsarea  gab.  Als  besonders 
merkwürdig  erwähnt  Josephus  den  grossartigen  Hafen  der  Stadt. 
Um  die  einlaufenden  Schiffe  vor  den  Stürmen  zu  sichern,  wurde 
weit  ins  Meer  hinein  ein  gewaltiger  Damm  aufgeworfen,  wozu  das 
Material  aus  erheblicher  Ferne  herbeigeschaö't  werden  musste.  Auf 
dem  Damme  wurden  Wohnungen  für  die  Schiffer  errichtet  und  vor 
denselben  Anlagen  für  die  Spaziergänger.  Mitten  in  der  Stadt 
war  ein  Hügel,  auf  welchem  ein  Tempel  für  den  Kaiser  erbaut 
wurde,  der  schon  weit  vom  Meere  aus  gesehen  werden  konnte. 
Zwölf  v(jlle  Jahre  wurde  an  der  Stadt  gebaut.  Und  als  sie  vol- 
lendet war,  wurde  sie  im  28.  Jahre  des  Herodes  (=  10/9  v.  Chr.) 
mit  grossem  Pompe  eingeweihte^). 

Aber  Herodes'  Baulust  hatte  sich  noch  nicht  genug  gethan. 
An  Stelle  des  alten  Kapharsaba  legte  er  eine  Stadt  an,  welche  er 
zu  Ehren  seines  Vaters  Antipatris  nannte.  Bei  Jericho  baute 
er  eine  Burg,  welche  er  nach  seiner  Mutter  Kypros  nannte.  Im 
Jordanthale  nördlich  von  Jericho  gründete  er  in  einer  bisher  un- 
bebauten aber  fruchtbaren  Gegend  eine  neue  Stadt  und  nannte  sie 
nach  seinem  Bruder  Phasaelis  e^).    Das  alte  Anthedon  stellte  er 


.  61)  Äntt.  XV,  9.  5.  B.  J.  I,  21,  4.  Vgl.  Antt.  XV,  10,  8.  B.  J.  I,  21,  3 
(Tempel  zu  Paneion).  Auch  die  neugebauten  Städte  Sebaste  und  Cäsarea  er- 
hielten je  einen  Augustus-Tempel.  —  De  Vogüe  und  Waddington  fanden  zu 
Sia  (V2  Stunde  von  Qanawät,  am  westlichen  Fusse  des  Hauran)  die  Trümmer 
eines  Tempels  aus  der  herodianischen  Zeit  (abgebildet  bei  de  Vogüe,  Syrie 
Centrale,  Architecture  Civile  et  Religietise,  pl.  2  et  3).  Unter  denselben  fand  sich 
auch  folgende  Unterschrift  einer  ehemaligen  Bildsäule  des  Herodes:  [Ba]aiXsZ 
Hqwösi  xvQÜp  ^Oßaloaxoq  Saoöov  ^B-ijxa  zov  dvögtävza  xaZq  iftaig  6a7iävai[q]. 
Le  Bas  et   Waddington,  Inseriptions  Orecques  et  Latines  f.  III,  n.  2364. 

62)  Antt.  XV,  8,  5.  B.  J.  I,  21,  2.  Strabo  XVI,  p.  760.  Näheres  s.  Bd.  II, 
S.  149—153;  über  die  Zeit  der  Erbauung  s.  oben  S.  366. 

63)  Antt.  XV,  9,  6.  XVI,  5,  1.  Ä  J.  I,  21,  5-8.  Vgl.  auch  Antt.  XV,  8,  5. 
Plinim  Eist.  Nat.  V,  13,  69.  Ueber  die  sonstige  Geschichte  von  Cäsarea  s. 
Bd.  II,  S.  104—108;  über  den  Augustustempel :  Bd.  II,  S.  27. 

<J4)  Antt.  XVI,  5,  2.  B.  J.  I,  21,  9.  Ueber  Antipatris  und  Phasaelis 
8.  Bd.  II,  S.  156—158. 


390  §  15-   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [320.  321] 

neu  her  und  nannte  es  zu  Ehren  Agrippa's  Agrippeion^^).  Sich 
selbst  zu  Ehren  nannte  er  zwei  neue  Festungen  Herodeion;  die 
eine  lag  im  Gebirge  gegen  Arabien  zu;  die  andere  an  der  Stelle, 
wo  er  einst  nach  seiner  Flucht  aus  Jerusalem  den  Kampf  mit  den 
ihm  nachsetzenden  Juden  zu  bestehen  gehabt  hatte,  drei  Stunden 
südlich  von  Jerusalem.  Letztere  war  auch  mit  prachtvollen  Wohn- 
räumen für  den  König  ausgestattet ''*^).  Die  schon  von  den  Has- 
monäern  erbauten,  aber  durch  Gabinius  zerstörten  Festungen 
Alexandreion  und  Hyrkania  versah  er  mit  neuen  Befestiguugs- 
werken^^);  desgleichen   die  Festungen  Machärus  und  Masada, 


65)  B.  J.  1,  2\,  8.  Vgl.  Antt.  XIII,  13,  3.  B.  J.  I,  4,  2  (an  den  beiden 
letzteren  Stellen  lautet  der  Name  Agrippias).  Ueber  die  sonstige  Geschichte 
der  Stadt  s.  Bd.  II,  S.  90  f. 

66)  B.  J.  I,  21,  10.  üeber  die  zweitgenannte  bedeutendere  Festung  s.  auch 
Antt.  XV,  9,  4;  vgl.  Antt.  XIV,  13,  9.  B.  J.  I,  13,  8.  In  der  römischen  Zeit 
war  sie  Hauptort  einer  Toparchie  [B.  J.  III,  3,  5,  Plin.  Hist.  Nat.  V,  14,  70; 
Herodium  cum  oppido  inlustri  0usdem  nominis),  im  vespasianischen  Krieg  eine 
der  letzten  Zufluchtsstätten  der  Aufständischen  [B.  J.  VII,  6,  1).  Nach  B.  J. 
IV,  9,  5  lag  Herodeion  in  der  Nähe  von  Thekoa  {aT^aronsSsvaccf/evog  de 
xard  tiva  xwfiTjv,  dexovh  xakeTzai,  ngog  zovg  iv  'HgwSflio  tpQovQovq,  oneg  t]v 
n).Tialov),  nach  Antt.  XIV,  13,  9;  XV,  9,  4;  B.  J.  I,  13,  8;  I,  21,  10  sechzig 
Stadien  südlich  von  Jerusalem.  Da  nun  das  heutige  Tekua  mehr  als  sechzig 
Stadien  von  Jerusalem  entfernt  ist,  muss  Herodeion  etwas  nördlich  davon 
gelegen  haben.  Vgl.  auch  Petrus  Diaconus  (bei  Geyer,  Itinera  Hierosolymitana 
1898,  p.  110):  in  quo  itinere  (von  Jerusalem  nach  Thekoa)  contra  mons  est, 
qitem  excavavit  Erodes  et  fecit  sibi  palatium  supe)-  hcremnm  contra  marc  mor- 
tuum.  Hiernach  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  der  steile  Kegel,  welcher  jetzt 
von  den  Europäern  der  Frankenberg,  von  den  Einheimischen  Dschebol- 
el-Fureidiß  (Paradies,  ßaumgarten)  genannt  wird,  mit  Herodeion  identisch 
ist.  Die  Entfernung  von  Jerusalem  beträgt  in  der  Luftlinie  nach  der  grossen 
engl.  Karte  genau  8  röra.  mit.  pass.  =  64  Stadien.  Auf  dem  Hügel  sind  noch 
lieute  die  Reste  der  runden  Thürme  erhalten,  welche  Herodes  nach  der  Be- 
schreibung des  Josephuö  (Antt.  XV,  9,  4  =  5.  J.  I,  21,  10)  daselbst  erbaut 
hat.  Auch  die  Spuren  der  steinernen  Treppe,  welche  nadi  Joscphus  hinauf- 
führte, sind  noci»  nachweisbar.  Vgl.  überhaupt:  Robinson,  Palästina  II, 
392—398.  Tobler,  Topographie  von  Jerusalem  II,  565— 572.  Sepp,  Jenisu- 
lem  2.  Aufl.  I,  643  f.  De  Sautcy,  Voyage  en  Terre  Sainte  I,\i\S  sqq.  Guörin, 
JutUe  III,  122—132.  ßädekcr-Socin,  Palästina  3.  Aufl.  S.  136.  Schick. 
Zeit«chr.  de»  deutschen  Palästina- Vereins  III,  1880,  8.  88—99  (mit  Plänen). 
The  Survey  of  Western  Paleatine,  Mmioirs  l»f  Conder  and  Kitchener  III, 
316  fg.  330— 332.  Ebers  und  Gutlie,  Palästina  T,  158f.  Öhlmann.Dle 
Fortochrittc  der  Ortskunde  von  Palästina,  1.  Thl.  (Norden  1HH7)  8. 17f.  Seh  lat- 
ter, Zur  Topographie  und  Oeschiehte  Palästina's  (189.'})  H.  12011".  Iliiiil.  Oeo- 
grapbie  S.  167.  Schick's  Karte  der  wtüteren  Umgebung  von  .leruHalem, 
Zeitwhr.  (k-s  DPV.  XIX,  1H96. 

67)  Beide  FevtUDgon  werden  /,ii<r.si  zur  Zeit  der  Alexandra  erwälint  (.1»//. 
Xni,  16,  3).  In  Alezandreion  erwartete  Aristobul  die  Ankunft  des  PonqH'jns, 
muMte  ihm  aber  die  Festung  übergcilKiu  {Anit.  XIV,  3,  4.  B. ./.  I.  (;,  5).   Beide 


[321.  322]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37-4  v.  Chr.).  391 

welche  beide  er  auch  mit  königlichen  Palästen  schmückte ^^).  Mi-! 
litärischen  Zwecken  diente  auch  die  Neugründung  von  Gaba  in 
Galiläa  und  Esbon  in  Peiäa,  wohin  er  Militärcolonien  legte ^^1. 

Auch  weit  über  die  Grenzen  von  Palästina  hinaus  verkündigten 
Bauwerke  die  Freigebigkeit  des  Herodes.  Den  Rhodiern  baute 
er  auf  seine  Kosten  den  pythischen  Tempel.  Der  Stadt  Nikopolis, 
die  von  Augustus  bei  Actium  gegründet  worden  war,  half  er  die 
meisten  öifentlichen  Gebäude  aufführen.  InAntiochia  liess  er  zu 
beiden  Seiten  der  Hauptstrasse  Säulengänge  errichten'^).  Als  er 
einst  nach  Chios  kam,  spendete  er  eine  gi-osse  Summe  zur  Wieder- 
erbauung der  im  mithridatischen  Kriege  zerstörten  Säulenhalle''). 
In  Askalon  baute  er  Bäder  und  Brunnen.  Auch  Tyrus  und  Sidon, 
Byblus  und  Berytus,  Tripolis,  Ptolemais  und  Damaskus 
wussten  von  dem  Glänze  des  herodischen  Namens  zu  erzählen.  Ja 
bis  nach  Athen  und  Lacedämon  reichten  die  Spuren  seiner 
Freigebigkeit "-). 


Festungen  wurden  von  Gabinius  geschleift,  da  sie  dem  Alexander  bei  dessen 
Aufstand  als  Bollwerke  gedient  hatten  [Antt.  XIV,  5,  2-4.  B.  J.  I,  8,  2—5). 
Alexandreion  wurde  von  Pheroras  wieder  befestigt  {Antt.  XIV,  15,  4.  B.  J.  I, 
16,  3).  Hyrkania  diente  lange  Zeit  der  Schwester  des  Autigonus  als  Zu- 
fluchtsstätte; erst  kurz  vor  der  Schlacht  bei  Actium  brachte  es  Herodes  in 
seine  Gewalt  {B.  J.  I,  19,  1).  Die  neuen  Befestigungen,  welche  Herodes  an 
beiden  Plätzen  anlegte,  waren  so  bedeutend,  dass  er  sie  dem  Agrippa  bei 
dessen  Besuch  als  Merkwürdigkeit  zeigte  {Antt.  XVI,  2,  1).  —  Die  Lage  von 
Hyrkania  ist  nicht  bekannt.  Alexandreion  ist  wahrscheinlich  identisch  mit 
dem  heutigen  Berg  Sartaba  am  Rande  der  Jordan-Ebene  nördlich  von  Je- 
richo (s.  oben  S.  297). 

68)  Machärus  war  zuerst  durch  Alexander  Jannäus  befestigt  worden 
{B.  J.  VII,  6,  2).  Die  Neubauten  des  Herodes  beschreibt  Josephus  ausführ- 
lich B.  J.  VII,  6,  2.  —  Masada  soll  schon  von  dem  Hohenpriester  Jonathan 
befestigt  worden  sein  (B.  J.  VII,  8,  3),  was  aber  kaum  möglich  ist,  da  das 
jüdische  Gebiet  zur  Zeit  Jonathans  sich  nicht  bis  Masada  erstreckte.  Ueber 
die  Neubauten  des  Herodes  s.  B.  J.  VII,  8,  3.  —  Beide  Festungen  spielten 
noch  einer  wichtige  Rolle  im  vespasianischen  Kriege.  Ueber  ihre  Lage  und 
Geschichte  s.  Näheres  §  20  gegen  Ende. 

69)  Antt.  XV,  8,  5.  Vgl.  B.  J.  III,  3,  1.  Näheres  über  beide  s.  Bd.  II, 
S.  153—156. 

70)  A?ttt.  XVI,  5,  3. 

71)  Antt.  XVI,  2,  2. 

72)  B.  J.  I,  21,  11.  —  Auf  einer  Inschrift  zu  Athen  {Corp.  Itiser.  Oraec.  n. 
361  =  Corp.  Inscr.  Attie.  III,  1  n.  556)  wird  Berenike,  die  Tochter  Agrippa's  I, 
genannt:  ^fyaAtwv  ßaaiXsojv  svsgysxwv  xfjg  nöXewq  sxyovog.  —  Vielleicht  be- 
zieht sich  auf  Herodes  den  Grossen  auch  die  Inschrift  Corp.  Inscr.  Attic.  III, 
1  n.  550:  '0  dTjfiog  ßaai^a  ^Hqwötjv  gjikoQcofiaiov  svegysoiag  svsxsv  xal  evvoiag 
xfig  sig  havTov  (zu  Athen).  Eine  andere  ähnliche  {CIA.  HI,  1  n.  551)  ist  wegen 
abweichender  Titulatur  wohl  auf  einen  anderen  Herodes  (Herodes  von  Chalkis  ?) 
zu  beziehen. 


392  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [322] 

Das  grossartigste  aber  unter  all"  seinen  Bauwerken  war  der 
Neubau  des  Tempels  von  Jerusalem.  Der  alte  von  Seru- 
babel  erbaute  Tempel  entsprach  nicht  mehr  dem  Glänze  der  neuen 
Zeit.  Die  Paläste  in  seiner  Nähe  übertrafen  ihn  an  Pracht.  Aber 
er  sollte  nun,  wie  es  sich  gebührte,  dieser  glänzenden  Umgebung 
angepasst  werden.  Der  Umbau  begann  im  18.  Jahre  des  Herodes 
(=  20/19  V.  Chr.  oder  734/35  a.  U).  Nachdem  das  Tempelhaus 
vollendet  war,  wurde  er  vorläufig  eingeweiht;  doch  wurde  noch 
lange  Zeit  darnach  daran  gebaut;  und  erst  wenige  Jahre  vor 
seiner  Zerstörung,  zur  Zeit  des  Albinus  (62 — 64  nach  Chr.)  wurde 
er  wirklich  vollendet.  Seine  Pracht  war  sprichwörtlich.  „Wer 
nicht  den  Bau  des  Herodes  gesehen  hat,  hat  nie  etwas  Schönes 
gesehen"  lautete  ein  Sprichwort  der  damaligen  Zeit^^)^  | 


73)  Ueber  die  Geschichte  der  Erbauung  s.  Antt.  XV,  11.  B.  J.  I,  21,  1.  An 
der  ersteren  Stelle  giebt  Josephus  auch  eine  eingehende  Beschreibung  des 
ganzen  Tempelplatzes  mit  seinen  prachtvollen  Säulenhallen.  (Ein  Bruchstück 
einer  wahrscheinlich  von  Herodes'  Bau  stammenden  Säule  s.  bei  Clennont- 
Ganneau,  Arckaeological  Researches  in  Palestine  vol.  I,  1899,  p.  254 — 258).  Die 
inneren  Vorhöfe  und  das  eigentliche  Tempelhaus  sind  am  genauesten  be- 
schrieben Bell.  Jud.  V,  5.  Mit  dieser  Beschreibung  des  Josephus  stimmt  im 
Wesentlichen  überein  die  in  der  Mischna  im  Tractat  Middoth  gegebene.  Eine 
ganz  kurze  Beschreibung  s.  bei  Philo,  De  monarchia  Hb.  II  §  2  [ed.  Matu/ey 
II,  223  sq.).  —  Das  jüdisclie  Sprichwort  und  andere  rabbinische  Traditionen 
8.  bei  Dercnbourg  p.  152  —  154.  —  Bei  aller  Pracht  stand  der  Tempel  doch 
dem  Palast  des  Herodes  nach  (B.  J.  I,  21,  1).  —  Ueber  die  Zeit  der  Erbauung 
g.  oben  S.  369  f.  Vollendung  zur  Zeit  des  Albinus:  Antf.  XX,  9.  7.  —  Ueber 
die  Muassregeln,  mittelst  deren  man  eine  Störung  dos  Cultus  wälirend  des 
Baues  zu  verhüten  wusste,  s.  Edujoth  VIII,  6:  „R.  Elieser  sagte:  Ich  habe 
gehört,  das»,  als  man  den  Tempel  (^s'^n)  baute,  mau  Vorhänge  (C^^^P)  um 
den  Tempel  machte  und  Vorhänge  um  den  Vorhof;  und  zwar  baute  man  die 
Mauer  beim  Tempel  ausserhalb  der  Vorhänge,  beim  Vorhof  aber  innerhalb 
der  Vorhänge".  —  Während  am  Tempel  gebaut  wurde,  soll  es  immer  nur 
Nachts  geregnet  haben  {Jos.  Antt.  XV,  11,  7.  Dcrcnboim/  p.  152  .sr?.).  -  Auf 
Grund  der  von  Josephus  und  im  Tractat  Middr)t/i  gegebenen  RcHclircibimg  ist 
der  Tempel  dcH  Herodes  in  der  neueren  Literatur  unzäliligcnuil  bcluindelt 
worden.  Die  wichtigste  ältere  Literatur  verzeichnet  Haneberg,  Die  religiösen 
Altcrthümer  der  Bibel,  2.  Aufl.  18Ö9,  8.  2(30—205.  Zusammenfassende  Dar- 
stellungen geben  die  Artikel  über  den  Tempel  in  Win  er 's  Realwörtcrb.  (11, 
678—591),  Schonkera  Bibellex.  (V,  479—484)  und  Ilielnu's  Handwörterb. 
(8.  103Ö— 164Ö),  «owie  die  Handbücher  über  die  jüdisclien  Altcrthümer  von 
De  Wette,  Keil,  Haneberg  und  Andern  (s.  oben  S.  11).  Die  Angaben 
des  Josephuf  sind  gut  zuHaninHüigcHtellt  bei  Spiess,  Das  Jerusalem  des  Jo- 
wfphus,  1881,  S.  46-94;  dazu  Zeitschr.  des  DPV.  XV,  1892,  S.  234-250  (über 
die  königliche  Halle).  Vgl.  auch  die  oben  S.  387  genannte  Abhandlung  von 
Hirt.  Die  DifTcrcnzen  zwiHchen  JosephuH  und  der  Mischna  untersucht: 
Hildcshcimcr,  Die  Beschreibung  des  herodianlHchcn  TompclH  im  Tractate 
Middoth  und  bei  Flaviu«  JoHcphuM  (JahroKbcricIit  des  HiilibiiicrScmiuarH  für 
dflj»   orUiodoxc  Judcnth.   Berlin    1870/77).     HpekiiJatioiirn    üImt  .lic  Maassvcr- 


[323.  324]  §  15.    Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  393 

Neben  den  Bauten  gehörten  zum  Glänze  der  augusteischen 
Zeit  auch  pomphafte  Spiele.  Auch  in  dieser  Beziehung  blieb 
Herodes  nicht  hinter  den  Anforderungen  der  Zeit  zurück.  Nicht  | 
nur  in  dem  vorwiegend  heidnischen  Cäsarea,  sondern  auch  in 
Jerusalem  stiftete  er  vierjährige  Kampfspiele  '^).  In  den  Augen 
des  gesetzlichen  Judenthums  waren  diese  heidnischen  Schau- 
stellungen mit  ihrer  Nichtachtung  des  Lebens  von  Menschen  und 
Thieren  ein  schweres  Aergerniss,  das  nur  unter  dem  Drucke  der 
äusseren  Gewalt  ertragen  wurde '^).  Der  Kifer  des  Königs  ging 
aber  soweit,  dass  er  sogar  die  alten  olympischen  Spiele  freigebig 
unterstützte '6). 

Wie  unermüdlich  und  verschw^enderisch  er  auch  sonst  Cultur 
und  Luxus  jeder  Art  pflegte,  können  wir  aus  gelegentlichen  Mit- 
theilungen des  Josephus  entnehmen.  Sehr  verdienstlich  war  die 
Colonisirung  der  bisher  nur  von  räuberischen  Nomaden  durch- 
streiften Landschaften  östlich  vom  See  Genezareth'').    Mit  grossem 

hältnisse  stellt  an:  0.  Wolff,  Der  Tempel  von  Jerusalem  und  seine  Maasse. 
Graz  1887.  —  Für  Entscheidung  der  topographischen  Einzelfragen,  nament- 
lich in  Betreff"  des  äusseren  Tempelplatzes  und  seiner  Thore  ist  auch  eine 
Kenntniss  des  heutigen  Zustandes  unerlässlich.  Genaue  Beschreibungen 
desselben  geben:  De  Vogiie,  Le  temple  de  Jerusalem,  18()4,  und  Schick,  üeV^ 
cl  Makdas  oder  der  alte  Tempelplatz  zu  Jerusalem,  wie  er  jetzt  ist,  1887  (wieder 
abgedruckt  in:  Schick,  Die  Stiftshütte,  der  Tempel  in  Jerusalem  und  der 
Tempelplatz  der  Jetztzeit,  1896).  Eine  Untersuchung  des  Alters  der  verschie- 
denen ßestaudtheile  der  heutigen  Umfassungsmauer  s.  bei  Perrot  et  Cki- 
piex,  Histoire  de  V  art  dans  l'  antiquite  t.  IV,  1887,  p.  17ü — 218.  Werthvolle 
Materialien  zur  Topographie  des  heutigen  Tempelplatzes  enthalten  die  Arbeiten 
von  Rosen,  de  Saulcy,  der  Band  über  ,, Jerusalem"  in  The  Survey  of  Western 
Palestine  (1884)  nebst  den  zugehörigen,  im  grössten  Maassstabe  ausgeführten 
Plans,  Elevations,  Sections  (1884).  und  überhaupt  fast  alle  oben  S.  13—17  an- 
geführten Werke  über  die  Topographie  von  Jerusalem.  —  Der  gewöhnlichen 
Ansicht,  dass  der  heutige  Umfang  des  Tempelplatzes  sich  mit  dem  von  Herodes 
hergestellten  decke,  widersprechen  Fergusson,  The  temples  of  the  Jeics  and 
the  other  buildinf/s  in  the  Haram  Area  at  Jerusalem,  Landoti  1878,  und  Robert- 
son Smith  in  seinem  Artikel  Temple  in  der  Encyclopaedia  Britannica  t.  XXIII, 
1888,  p.  168—171. 

74)  In  Cäsarea:  Aiitt.  XVI,  5,  ].  B.  J.  1,  21,  8.  In  Jerusalem:  Ätitt.XY, 
8,  1.  —  Die  Ausdrücke  xatä  nevxaixriQiöa  {Antt.  XVI,  5,  1),  nevraexriQixol 
äywvsg  [B.  J.  I,  21,  8)  und  nav^yvgtg  xfjq  nevxaexTjglSog  {Antt.  XV,  8,  1)  wollen 
nicht  besagen,  dass  die  Spiele  alle  fünf  Jahre,  sondern  dass  sie  alle  vier  Jahre 
gefeiert  wurden  (nach  unserer  Ausdrucksweise).     S.  Bd.  II,  S.  38. 

75)  Ueber  die  Beurtheilung  der  Spiele  von  Seite  des  gesetzlichen  Juden- 
thums s.  Bd.  II,  S.  45  f.  und  die  dort  genannte  Literatur. 

76)  Antt.  XVI,  5,  3.    B.  J.  I.  21,  12. 

77)  Antt.  XVI,  9,  2  (Ansiedelung  von  dreitausend  Idumäem).  Antt.  XVII, 
2,  1 — 3  (Ansiedelung  einer  Colonie  babylonischer  Juden \  Vgl.  auch  unten 
§  17a  und  22,  I  (Bd.  II,  S.  13). 


394  §  lö.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v,  Chr.).  [324.  325] 

Luxus  stattete  er  die  Parkanlagen  in  seinem  Palaste  zu  Jeru- 
salem aus.  Spaziergänge  und  Wasserkanäle  durchzogen  den  Garten: 
überall  sah  man  Wasserbehälter  mit  ehernen  Kunstwerken,  durch 
welche  das  Wasser  ausströmte.  In  der  Nähe  derselben  standen  viele 
Thürme  mit  gezähmten  wilden  Tauben 'S).  Die  Taubenzucht 
scheint  eine  besondere  Liebhaberei  des  Königs  gewesen  zu  sein; 
sie  ist  sogar  die  einzige  Veranlassung,  um  derentwillen  sein  Name 
in  der  Mischna  erwähnt  wird.  „Herodianische  Tauben"  sind  hier 
so  viel,  wie  Tauben,  welche  in  der  Gefangenschaft  gehalten 
werden'^).  |  Es  scheint  also,  dass  Herodes  zuerst  in  Judäa  wilde 
Tauben  in  geschlossenen  Behältern  gehalten  und  gezüchtet  hat. 

Um  in  den  Augen  der  griechisch-römischen  Welt  sich  als  Mann 
von  Bildung  auszuweisen,  umgab  sich  Herodes  —  der  im  Innern 
seines  Herzens  stets  ein  Barbar  blieb  —  mit  einem  Kreise  grie- 
chisch-gebildeter Männer.  Die  obersten  Staatsämter  waren  griechischen 
Rhetoren  anvertraut;  bei  allen  wichtigeren  Angelegenheiten  bediente 
er  sich  ihres  Rathes  und  ihrer  Beihülfe.  Der  bedeutendste  unter 
ihnen  war  Nicolaus  Damascenus,  ein  Mann  von  umfassender 
Gelehrsamkeit,  in  Naturwissenschaften  bewandert,  mit  Aristoteles 
vertraut  und  als  Geschichtsschreiber  weitberühmt  ^o)     j^j.  genoss 

78)  B.  J.  V,  4,  4:  TtolXol .  .  .  nvQyoi  neXstüöwv  rifiigoav  (daselbst  überhaupt 
die  Beschreibung  des  Parkes). 

79)  In  der  Mischna  kommt  der  Name  des  Herodes  nur  an  folgenden  zwei 
Stellen  vor:  Schabbath  XXIV,  3:  „Man  darf  am  Sabbath  den  Bienen  und  Tau- 
ben im  Taubenschlag  nicht  Wasser  vorsetzen,  wohl  aber  den  Gänsen  und 
Hühnern  und  herodianischen  Tauben  (niiDinn  '^3l'>)".  —  Chidlin  XII,  1 :  Das 
Gesetz  Deut.  22,  6 — 7  (dass  man  aus  einem  Vogelnestc  nur  die  Jungen  aus- 
nehmen dürfe,  die  Mutter  aber  fliegen  lassen  müsse)  gilt  nur  von  solchen 
Vögeln,  die  im  Freien  nisten,  z.  B.  Gänsen  und  Hülinern,  aber  nicht  von  solchen, 
die  im  Hause  nisten,  z.  B.  herodianischen  Tauben  (nT^on-in  '^l^^).  —  An  beiden 
Stellen  sind  „herodianisclie  Tauben"  so  viel  wie  Tauben,  die  in  Gefangenschaft 
gehalten  werden  im  Unterschiede  von  den  frei  herumfliegenden.  Die  Josephus- 
»telle  (J3.  ./.  V,  4,  4)  zeigt  uns,  dass  es  sich  um  wilde  Tauben  {neXeiäösq),  nicht 
um  Haus-Tauben  {nfQiaxeQul]  handelt.  Die  Lesart  nT^onin  [hachrc^ijoth)  wird 
Hchon  im  babylonischen  Talmud  zu  ChuHtn  XII,  1  neben  der  anderen  crwülint, 
ist  aber  siclier  falsch.  —  Der  .\rueh  (das  rabbinischc  Lexikon  des  Nuthan  ben 
Jechicl)  gii'bt  ».  v,  yr^  folgende  Erkhirung:  „Der  König  Herodes  Hess  Taul)on 
auM  der  Wüste  kommen  und  zü(;htetc  sie  an  bewohnter  Stätte".  Bei  Lcctüre 
dietter  Stelle  ist  dem  gclehrtcui  Drusius  das  MissguHchick  passirt,  9,tni%  jonim 
(Tauben)  zu  lesen  jevanim  (Ctrieclien),  wornacth  er  die  ''HQu)6iavol  Mattk.  22,  10 
erklärte  als  die  Griechen,  welche  jder  König  Herodes  aus  d(T  Wüste  geholt 
und  an  bewohnter  Stätte  gezüchtet  hat.  Vgl.  Buxtorf,  Lct.  Cha/d.  nol.  »)3() 
bii  (532  («.  p.  "»OTin;.  —  Ueberhaupt:  Winer's  RWB.,  Sehen kcTs  Bn)ellex. 
un<I  Kichnrs  Handwftrterb.  Artt.  „Taube",  Leyrer  in  Horzogn  Rc.-il-Eiic. 
Art.  „Tauben  in  Pttlästlna"  (2.  Aufl.  XV,  215-218).  Lorcntz,  Die  Taube  im 
Alt43rthumc,  Leipzig  1880. 

80)  Vgl.  über  ihn  oben  8.  5U-67. 


[325.  326]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  395 

das  unbedingte  Vertrauen  des  Herodes  und  wurde  von  ihm  mit 
allen  schwierigeren  diplomatischen  Missionen  betraut.  Neben  ihm 
stand  sein  Bruder  Ptolemäus,  gleichfalls  ein  vertrauter  Freund 
des  Königs.  Ein  anderer  Ptolemäus  stand  an  der  Spitze  der 
Finanzverwaltung  und  hatte  den  Siegelring  des  Königs  ^^).  Ferner  | 
finden  wir  in  der  nächsten  Umgebung  des  Königs  zwei  Griechen 
Andromachus  und  Gemellus,  welch'  Letzterer  der  Erzieher  von 
Herodes'  Sohn  Alexander  war*^^).  Endlich  begegnet  uns  in  den  Ver- 
handlungen nach  Herodes'  Tode  ein  griechischer  Rhetor  Iren  aus'*'). 
Auch  vornehme  (j riechen  weilten  vorübergehend  als  Oäste  am 
Hofe  des  Königs;  soder  Koer  Euaratus^^)  und  der  übelberufene 
Lacedämonier  Eurykles,  der  nicht  wenig  dazu  beitrug,  das  Zer- 
würfniss  des  Herodes  mit  seinen  Söhnen  zu  steigern  ^5). 


81)  Dass  am  Hofe  des  Herodes  zwei  Männer  Namens  Ptolemäus  zu 
unterscheiden  sind,  erhellt  mit  Sicherheit  aus  den  Vorgängen  unmittelbar  nach 
seinem  Tode.  Damals  stand  Ptolemäus,  der  Bruder  des  Nicolaus  Damascenus, 
auf  Seite  des  Antipas  {Antt.  XVII,  9,  4;  Ä  J.  II,  2,  3),  während  gleichzeitig 
ein  anderer  Ptolemäus  die  Interessen  des  Archelaus  vertrat  (Äntt.  XVII,  8,  2 
=  B.  J.  I,  33,  8;  Antt.  XVII,  9,  3  u.  5  =  B.  J.  II,  2,  1  u.  4).  Durch  letzteren 
Hess  Archelaus  in  Rom  dem  Kaiser  die  Rechnungen  des  Herodes  und  dessen 
Siegelring  überreichen  {Äntt.  XVII,  9,  5:  Kalaag  dsliQXi^Mov  elanefxipavroQ . . . . 
Tovq  XoyiOfiovq  rdiv'^Hgojdov  XQrjudxtav  avv  tö»  arjfiavz^Qi  xofilt,ovTa  TIxoXffialov, 
B.  J.  II,  2,  4:  kpx^^-f^og  ....  xov  öaxxvXiov  xov  naxQOii  xal  xovg  Xoyovg  flantfi' 
nee  Sia  TlxoXsfialov).  Derselbe  hatte  bei  Lebzeiten  des  Herodes  dessen  Siegel- 
ring in  Verwahrung  und  las  bei  seinem  Tode  das  Testament  vor  [Antt.  XVII, 
8,  2  =  J5.  J.  I,  33,  8).  Identisch  mit  ihm  ist  wohl  der  dioixjjTJjg  xmv  xfiq 
ßaaiXsiag  ngayfiäxoDV  [Antt.  XVI,  7,  2—3)  und  der  an  der  Parallelstelle  hierzu 
B.  J.  I,  24,  2  erwähnte.    Vgl.  auch  Antt.  XVI,  8,  5. 

82)  Antt.  XVI,  8,  8. 

83)  Antt.  XVII,  9,  4.    B.  J.  II,  2,  3. 

84)  Euaratus  (so  ist  Antt.  XVI,  10,  2,  Bell.  Jud.  I,  2ß,  5  zu  lesen)  ist 
vielleicht  identisch  mit  Pdioq  ^lovXiog  Evagäxov  v\6g  Evdgaxog,  der  in  einer 
Liste  von  Priestern  des  Apollo  in  Halasarna  auf  der  Insel  Kos  um  12  vor 
Chr.  vorkommt  (Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1901,  S.  484,  488j. 
Der  Name  Evdgaxog  kehrt  allerdings  in  dieser  Liste  öfters  wieder  und  kommt 
in  Kos  auch  sonst  vor  [Paton  and  Ricks,  Inseriptions  of  Cos,  1891,  Index  p.  371). 

85)  Antt.  XVI,  10,  1.  B.  J.  1,  26,  1—4.  —  Eurykles  wird  von  Josephus 
als  vornehmer  Mann  bezeichnet  (Antt.  l.  c.  ovx  aarj/nog  xwv  ^xeZ).  lieber  seine 
späteren  Schicksale  sagt  Josephus  A?itt.  XVI,  10,  1  fin.,  dass  er  in  Lacedämon 
sein  intrigantes  Treiben  fortgesetzt  und  darum  wegen  vieler  Uebelthaten 
schliesslich  aus  seinem  Vaterlande  verbannt  Avorden  sei.  Im  Bell.  Jud.  I,  2(j, 
4  heisst  es  genauer,  dass  er  zweimal  beim  Kaiser  verklagt  worden  sei,  weil  er 
ganz  Achaia  in  Aufruhr  brachte  und  die  Städte  plünderte  {inl  xö)  axdasatq 
i(i7iXfjaai  XTjv  kxcciav  xal  negiöveiv  xag  noXsig),  und  darum  verbannt  worden 
sei.  Er  ist  also  wohl  identisch  mit  jenem  Eurykles,  welcher  nach  Strabo 
die  Lacedämonier  „in  Unruhe  versetzte,  indem  er  meinte,  die  Freundschaft 
des  Kaisers   über   das  Maass  zu  ihrer  Beherrschung  missbrauchen  zu  dürfen; 


396  §  15-    Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [326] 

Mit  dem  Judenthum  des  Herodes  war  es  nach  alledem  sehr 
schwach  bestellt.  Sein  Ehrgeiz  ging  darauf,  Bildung  und  Cultur 
zu  fördern.  Eine  andere  Bildung  als  die  hellenistische  hat  aber  die 
damalige  Welt  kaum  gekannt.  So  hat  er  auch  für  seine  Person 
unter  Leitung  des  Nicolaus  Damascenus  in  die  Philosophie,  Rhe- 
torik und  Geschichtsschreibung  der  Griechen  sich  einführen  lassen, 
und  sich  gerühmt,  den  Hellenen  näher  zu  stehen,  als  den 
Juden ^<^).  Die  Cultur  aber,  die  er  über  sein  Land  auszubreiten  sich 
bemühte,  war  im  Wesentlichen  die  heidnisch-griechische.  Selbst 
heidnische  Tempel  hat  er  in  den  nicht-jüdischen  Städten  seines 
Reiches  errichtet.  —  Unter  diesen  Umständen  ist  es  von  Inter- 
esse zu  beobachten,  welche  Stellung  zum  Gesetz  und  zu  den 
nationalen  Anschauungen  seines  Volkes  er  einnahm.  Die  phari- 
säisch-nationale Richtung  war,  besonders  seit  der  Reaction  unter 
Alexandra,  zu  einer  so  starken  Macht  herangewachsen  und  im 
Volke  so  fest  gewurzelt,  dass  Herodes  unmöglich  an  eine  gewalt- 
same Hellenisirung  im  Stile  des  Antiochus  Epiphanes  denken  konnte. 
Er  war  klug  genug,    in   vielen  Punkten   die  Anschauungen   der 


»eine  Herrschaft  hörte  aber  bald  auf,  indem  jener  (Augustus)  starb  und  sein 
Sohn  (Tiberius)  von  dieser  ganzen  Freundschaft  sich  abwandte"  (Strabo  VIIT, 
5,  5  p.  306:  vewazl  d'  EvQvxXtjg  avtovq  irdga^s  öö^ag  dnoxQVf^aai^ai  ry  h'al- 
auQoq  (piXiic  nsga  xov  fiergiov  uqoq  zt/v  iniataaiav  avzwv,  inavaazo  (J*  t}  UQxh 
zaytwg,  ixflvov  fxhv  7iaQax(ü(itjoavzog  tig  xb  ;u()ffüv,  xov  rf*  xAov  zfjv  ipiklav 
untaxQaßuhov  zrjv  xotavzTjv  nüaav,  die  richtige  Erklärung  der  öfters  miss- 
verstandenen Stelle  hat  Diüoibei-f/er,  Syllofie  inscr.  gr.  ml  n.  300  gegeben;  die 
Alleinherrschaft  des  Eurykles  in  Sparta  fällt  hiernach  in  die  letzten  Jahre 
des  Augustus).  Au  einer  andern  Stelle  nennt  ihn  Strabo  (VTII,  5,  1  p.  3ü3) 
0  xwv  Aaxeöttifxovlwv  riytfiwv.  Auch  auf  Münzen  erscheint  sein  Name  wie 
der  eines  Fürsten.  Seinen  vollen  Namen  C.  Julius  Euryklos  giebt  die  In- 
Rchrift  Dittenber;/er,  Syllogc  ed.  2  n.  360;  vgl.  auch  31)1.  3ö2.  In  Korinth  erbaute 
er  ein  Bad,  in  Sparta  ein  Gymnasium  {Patisaii.  JI,  3,  5.  III,  14,  (5).  Spiele, 
die  von  ihm  oder  ihm  zu  Eliren  gestiftet  waren,  wurden  no(;h  später  gefeiert 
(Corp.  Inscr.  Or.  n.  1239,  20.  n.  124Ü,  32.  n.  1378,  .ö:  Kaiaägna  xal  Ki\nxkeia, 
n,  1425,  5:  z&  ßeyäXa  Kv{>vxXhu).  Vgl.  über  iiin  überhaupt:  Weil,  Mitthcil- 
ungeu  des  archäol.  Instituts  in  Athen  VI,  1881,  S.  10  If.  Dessau, /Vüäojuo^/'. 
imjierii  Uomani  II,  189  {.luiius  n.  19H). 

8«})  Antt.  XIX,  7,  'A'."E}.XTiai  nXfov  ij  lovSaloig  olxflwg  fxf'^-  --Heber  die 
humHiiiHtiHclicn  Studien,  die  Herodes  unter  Anleitung  des  Nicolaus  DniuiiscenuH 
inncht<!,  H.  NirotnuH  DmndsrvniiH  bei  Müller,  Frai/m.  1li'<t.  (iiave.  \\\,'Mi^) sq.: 

'H(i<;fö^g  naXtv  AmtitUtlg  xhv  (piXooo^lug  fptuT« ,  inti^vftTjoe  nuXtv  ^tjxo- 

fix^^,  xal  TiiMoXaov  T/vctyxagf  avQ{trizoQeveiv  avzal,  xal  xoivi^  iQQyizÖQivov. 
AiUii  rf*  laroplag  avtov  [^pmg]  iXaßhv,  ^naiviaarTog  NixoXäov  zo  n{)&yfm  xal 
nitXixtxutxttzov  ilvai  Xfyovzoi,  XQf'i<'iMov  rfJ-  xal  ßamXfl,  wg  zä  zt5v  nQoxfQ(Dv 
((tya  xal  niffi^nQ  taropolij.  --  —  'lix  xovzov  nXiwv  tlg  Pw/aiy  lOQ  Kataaim 
'llini]Atj<i  inf,ytxo  x6v  NixoXuov  ö/uoC  inl  t^/C  aviJ}«  >''/«''V  xal  xoivi^  lipiXo- 
oöipow. 


[32(J.  327]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  397 

pharisäischen  |  Partei  zu  respectiren.  So  ist  es  vor  allem  be- 
merkenswerth,  dass  seine  Münzen  kein  Menschenbildniss  tragen, 
sondern  nur  unschuldige  Symbole,  ähnlich  denjenigen  der  Makka- 
bäermünzen;  höchstens  eine,  vielleicht  der  letzten  Zeit  des  Herodes 
angehörige  Münze  hat  das  Bild  eines  Adlers^'').  Beim  Tempelbau 
war  er  ängstlich  bemüht,  alles  Anstössige  zu  vermeiden.  Das 
eigentliche  Tempelhaus  Hess  er  nur  von  Priestern  bauen,  und  er 
selbst  wagte  es  nicht,  den  Innern  Tempelraum  zu  betreten,  zu 
welchem  der  Zutritt  nur  den  Priestern  gestattet  war^'*).  Auf 
keinem  der  vielen  Prachtgebäude  in  Jerusalem  waren  Bilder  an- 
gebracht. Und  als  das  Volk  einst  die  kaiserlichen  Siegestropäen, 
die  im  Theater  zu  Jerusalem  aufgestellt  wurden,  mit  Misstrauen 
aufnahm,  indem  es  dieselben  für  Statuen  hielt,  die  mit  \\'aäen  be- 
kleidet seien,  liess  Herodes  in  Gegenwart  der  angesehensten 
Männer  die  Tropäen  abnehmen  und  zeigte  ihnen  zu  allgemeiner 
Heiterkeit  die  leeren  Holzgerüste ^'^j.  Als  der  Araber  Sylläus 
sich  um  die  Hand  von  Herodes'  Schwester  Salome  bewarb,  wurde 
von  ihm  verlangt,  dass  er  die  jüdischen  Gebräuche  annehme  {eyyQa- 
(pTjvai  Tolg  xmv  'lovöaimv  iO^toi),  woran  dann  die  Heirath  scheiterte  ^^). 
Einige  der  angesehensten  Pharisäer,  unter  welchen  besonders  Polio 
und  Sameas  genannt  werden,  hielt  Herodes  sogar  in  hohen  Ehren 


87)  Ueber  die  Münzen  des  Herodes  s.  Eckhel  III,  483—486.  Mionnet 
V,  565.  Cavedoni,  Bibl.  Numismatik  I,  52 f.  54— .07.  De  Sauley,  Recherches 
sur  la  Numismatique  judmqve  p.  127 — 133.  Cavedoni,  Bibl.  Numism.  II, 
25 — 31.  Levy,  Gesch.  der  jüd.  Münzen  S.  67 — 72.  Madden,  History  of  Je- 
wish  Coinage  p.  81—91.  Cavedoni  in  Grote's  Munzstudien  V,  21 — 25.  De 
Sauley,  Numismatic  ChronielelSll,  p.  245  —  247.  Madden,  Num,  Chron.  1875, 
p.  43—45.  Madden,  Coins  of  the  Je/es  p.  105 — 114.  —  Die  Münzen  haben  die 
einfache  Aufschrift  BASIAESiS  HPS2J0Y  und  verschiedene  Embleme;  einige 
die  Jalireszahl  III  (L  F).  Die  Jalireszahl  15  (EI),  welche  von  einigen  Nurais- 
matikern  angegeben  wird,  beruht  wahrscheinlich  auf  falscher  Lesung  (s.  Madden, 
Histot-y  p.  86  sq.  Coins  p.  109  not.).  Ein  Porträt  findet  sich  auf  keiner  der- 
selben; dagegen  ist  es  wahrscheinlich,  dass  eine  kleine  Kupfermünze  mit  einem 
Adler,  welche  in  verschiedenen  Exemplaren  zu  Jerusalem  gefunden  wurde, 
Herodes  dem  Grossen  angehört,  nicht  dem  Herodes  von  Chalcis,  der  nie  in 
Jerusalem  regiert  hat  (s.  de  Sauley,  Recherches  p.  131,  Wieseler,  Beiträge  zur 
richtigen  Würdigung  der  Evangelien  S.  86—88,  Madden,  Coins  p.  114;  für  He- 
rodes von  Chalcis:  Cavedoni  II,  35,  Levy  S.  82,  und  Madden  früher,  Histon/ 
p.  111 — 113).  Reinach  nimmt  an,  dass  sie  in  die  letzte  Zeit  des  Herodes  ge- 
höre, wo  er  die  jüdischen  Gefühle  weniger  geschont  habe  als  früher  (Reinach, 
Les  monnaies  juives  1887,  p.  32  =  Actes  et  Conferences  de  la  Societe  des  etudes 

juives  [Beilage  zur  Rcvtte  des  etudes  juives]  1887,  p.  CXCVIII). 

88)  Antt.  XV,  11,  5—6. 

89)  AntL  XV,  8,  1-2. 

90)  Antt.  XVI,  7,  6. 


398  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [327.  328] 

und  I  Hess  ihnen  selbst  die  Verweigerimg  des  Unterthaneneides  un- 
gestraft hingehen  ^ '). 

Aber  freilich  eine  strenge  Beachtung  pharisäischer  Anschau- 
ungen war  bei  seinen  Culturbestrebungen  nicht  möglich  und  lag 
auch  nicht  in  seiner  Absicht.  Zuweilen  hob  er,  was  er  mit  der 
einen  Hand  gegeben  hatte,  mit  der  andern  wieder  auf.  Nachdem 
er  beim  Tempelbau  ängstlich  den  pharisäischen  Forderungen  genügt 
hatte,  Hess  er  schliesslich  wie  zum  Spott  einen  Adler  über  dem 
Tempelthore  anbringen ^-l  Theater  und  Amphitheater  waren 
an  sich  schon  heidnische  Gräuel.  Die  griechische  Umgebung  des 
Königs,  die  Verwaltung  der  Staatsgeschäfte  durch  Männer  grie- 
chischer Bildung,  die  Entfaltung  heidnischen  Glanzes  mitten  im 
heiligen  Lande,  die  Beförderung  hellenistischer  Culte  an  den 
Grenzen  Judäa's,  im  eigenen  Lande  des  Königs,  dies  alles  wog  jene 
Concessionen  an  den  Pharisäismus  reichlich  wieder  auf  und  verlieh 
trotz  derselben  der  Regierung  des  Herodes  einen  mehr  heidnischen 
als  jüdischen  Charakter.  Das  Synedrium,  das  nach  der  An- 
schauung des  Volkes  die  einzige  zu  Eecht  bestehende  Behörde  war, 
verlor  unter  Herodes  alle  Bedeutung,  so  dass  man  selbst  an  seiner 
Existenz  gezweifelt  hat ^3).  Die  Hohenpriester,  die  er  nach 
Gutdünken  ab-  und  einsetzte,  waren  seine  Oreaturen  und  überdies 
zum  Theil  Alexandriner,  also  von  der  Cultur  beleckt  und  darum 
den  Pharisäern  anstössig^^.  Die  Behandlung  des  Hohenpriester- 
thums  ist  geradezu  typisch  für  die  innere  Politik  des  Königs.  Wie 
er  einerseits  den  alten  sadducäischen  Adel  wegen  seiner  liasmo- 
näischen  Gesinnung  mit  rücksichtsloser  Roheit  bei  Seite  gestossen 
hat  (s.  oben  S.  378),  so  hat  er  doch  andrerseits  auch  die  Phari- 
säer nichts  weniger  als  zufriedengestellt.  Deren  Ideale  gingen 
weit  über  die  Concessionen  des  Königs  hinaus,  und  die  pharisäischen 
Freundschaften  waren  nur  Ausnahmen  •'•^).  ^ 

Bedenkt  man,  dass  zu  dieser  Missaclitung  der  Anschauungen 
und  der  wirklichen  oder  vermeintlichen  Rechte  des  Volkes  noch 
der  Druck  schwerer  Steuern  kam,  so  ist  es  begreiflich,  dass 
seine  Herrschaft  nur  mit  Murren  ertragen  wurde.    Aller 


91)  Ann.  XV,  1,  1.    10,  4. 

02)  Antt.  XVII,  0,  2.    7?.  J.  I,  33,  2. 

93)  Doch  darf  dicHcIbe  nU  sicher  nagenommen  wtirden.    S.  Bd.  II,  S.  194  f. 

04)  Vgl.  über  die  Hohonpriostcr:  Studien  uikI  Kritiken,  1872,  8.  698—600; 
und  unten  §  23,  IV  (Bd.  II,  8.  210  f.). 

05)  Wellhaunen,  Die  Phuriuäer  und  die  ÖiKiducii.r  S.  U);'— 10!),  Imt  zwiir 
mit  llficht  hervorgehoben,  dnSH  die  PhariHäor  noeli  ciicr  mii  lIcnMleH  ziifrieden 
«ein  koniit«o  alH  die  BaddueUcr.  Aber  er  hat  dienen  rielitigen  (iidiinkin  (l<i<  li 
SU  Rtark  turcentuirt. 


[328.  329]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  399 

äussere  ]  Glanz  konnte  dem  Volke  nur  zuwider  sein,  solange  er 
durch  Bedrückung  der  Bürger  und  mit  Hintansetzung  der  väter- 
lichen Satzungen  gewonnen  war.  Die  meisten  Pharisäer  er- 
kannten die  Regierung  des  römischen  Vasallenkönigs  überhaupt 
nicht  als  zu  Recht  bestehend  an  und  verweigerten  zweimal 
den  Eid  der  Treue,  den  Herodes  zuerst  für  sich  und  dann  auch 
für  den  Kaiser  forderte  ^<^).    Die  allgemeine  Missstimmung  machte 


96)  Die  beiden  Fälle  der  Eid  Verweigerung,  welche  Antt.  XV,  10,  4  und 
XVII,  2,  4  berichtet  werden,  scheinen  verschiedene  zu  sein.  An  der  ersteren 
Stelle  heisst  es,  dass  Herodes  seine  Feinde  auf  alle  Weise  verfolgt  habe;  „das 
übrige  Volk  aber  erlaubte  er  sich  mittelst  Eides  zur  Treue  anzuhalten  und 
zwang  es,  ihm  eidlich  zu  geloben,  während  seiner  Regierung  die  Ergebenheit 
zu  bewahren"  (Antt.  XV,  10,  4:  to  cJ'  äkXo  nkrj^oq  ogxotg  tj^Iov  ngbq  xtjv 
nlaxtv  vnuyea&ai,  xccl  avvijväyxa^ev  ivw/nozov  avxw  t//v  evvoiav  ij  /a^v  öta- 
(pvXd^eiv  inl  XTjq  aQX^iQ  o/ioloyslv).  Es  handelte  sich  also  um  einen  Eid  der 
Treue  für  den  König.  Die  Pharisäer,  welche  ihn  verweigerten,  gingen  ans 
Rücksicht  auf  Polio  und  Sameas  straflos  aus;  desgleichen  die  Essäer;  die 
andern  Eidverweigerer  wurden  bestraft.  An  der  anderen  Stelle  wird  berichtet, 
dass,  als  das  ganze  jüdische  Volk  dem  Kaiser  und  dem  König  eidlich  Ergeben- 
heit gelobte,  mehr  als  6000  Pharisäer  nicht  schwuren  {Antt.  XVII,  2,  4:  navxog 
yovv  xov  'lovSaixov  ßfßaiwaavxoq  6i  opxwv  r]  fitjv  sivofjaai  Kaiaagi  xal  xoZq 
ßuailttoq  TiQäyfxaat,  o'iös  ot  avdgsq  ovx  wfioaav,  ovxeq  vnhg  k^axia^iXioi).  Hier 
scheint  der  Eid  für  den  Kaiser  die  Hauptsache  gewesen  zu  sein.  Die  sich 
weigernden  Pharisäer  wurden  mit  einer  Geldstrafe  belegt,  welche  die  Gattin 
des  Pheroras  bezahlte.  —  Die  letztere  Stelle  ist  meines  Wissens  der  älteste 
Beleg  dafür,  dass  in  der  Kaiserzeit  nicht  nur  Soldaten  und  Be- 
amte, sondern  auch  das  Volk  in  Italien  und  in  den  Provinzen  dem 
Kaiser  den  Eid  der  Treue  zu  leisten  hatte.  Nur  wenige  Jahre  jünger 
ist  der  erst  im  J.  19C0  entdeckte  Eid  der  Paphlagonier  für  Augustus.  Weitere 
Belege  haben  wir  aus  der  Zeit  des  Tiberius,  Caligula  und  Trajan.  1)  Der  Eid 
der  Paphlagonier  für  Augustus,  dessen  Wortlaut  durch  eine  von  Cumont 
im  J.  1900  entdeckte  Inschrift  erhalten  ist,  ist  datirt  vom  12.  Consulate  des 
Augustus,  5—3  vor  Chr.,  und  vom  3.  Jahre  der  Provinz  (exovg  xqIxov,  da 
Paphlagonien  im  Herbst  6  vor  Chr.  Provinz  wurde,  ist  das  Datum  =  43 
vor  Clir.,  s.  Revue  des  etudes  f/reeqves  1901  p.  37).  Die  Einwohner  haben  ihn 
also  wenige  Jahre,  nachdem  Paphlagonien  Provinz  geworden  war,  geleistet. 
Die  Eidesformel  zeigt  nahe  Verwandtschaft  mit  den  in  den  asiatischen  Mon- 
archien üblichen;  der  römische  Kaiser  ist  auch  in  dieser  Hinsicht  der  Nach- 
folger der  einheimischen  Herrscher  (s.  Cumont,  Comptes  rendns  de  l'Acad.  des 
Inscr.  et  Belles-Lettres  1900,  p.  087—691,  Bezne  des  etudes  f/recqiies  1901,  p.  26—45). 

2)  Beim  Regierungsantritt  des  Tiberius  schwuren  zuerst  die  obersten  Be- 
amten in  verba  Tiberii  Caesaris,  sodann  senatus  milesque  et  populus  {Tac, 
Annal.  I,  7).  In  Betreff  der  Provinzen  vgl.  Tac.  Annal.  I,  34:  Oermanicus 
....  Sequauos,  proximas  et  Belgarum  civitates  in  verba  ejus  [Tiberii]  advjit. 

3)  Beim  Regierungsantritt  des  Caligula  wurde  alsbald  allen  Provinzialen  der 
Eid  der  Treue  gegen  den  neuen  Kaiser  abgenommen.  In  Palästina  geschah 
es  durch  den  syrischen  Statthalter  Vitellius,  der  eben  in  Jerusalem  anwesend 
war,  als  die  Nachricht  vom  Tode  des  Tiberius  eintraf  [Joseph.  Antt.  XVIII,  5,  3: 
wQxiae  XTjv  nkrjS^vv  in    svvoia  xy  Faiov).     Denselben   Eifer   entfaltete   man 


400  §  15.    Herodes  der  Grosse  (37-4  v.  Chr.).  [329.  330] 

sich  auch  ein  mal,  noch  in  der  früheren  Zeit  seiner  Regierung  (uui 
das  J.  25?),  in  einer  Verschwörung  Luft.  Zehn  Bürger  ver- 
schworen sich,  den  König  im  Theater  zu  ermorden.  Ihr  Plan 
schlug  freilich  fehl,  da  er  vorher  verrathen  wurde.  Als  sie  eben 
zur  That  schreiten  wollten,  wurden  sie  ergriffen,  vor  Herodes  ge- 
führt und  sofort  zum  Tode  verurtheilt^^). 

Um  das  widerspenstige  Volk  im  Zaume  zu  halten,  griff  Herodes 
seinerseits  zu  Mitteln  der  Grewalt;  und  so  wurde  seine  Regierung 
je  länger  desto  mehr  despotisch.  Die  Festungen,  die  er  theils 
neu  gründete,  theils  stärker  befestigte,  dienten  nicht  nur  zum 
Schutze  gegen  äussere  Feinde,  sondern  ebenso  zur  Niederhaltung 
des  eigenen  Volkes.  Die  wichtigsten  waren  Herodeion,  Alexan- 
dreion, Hyrkania,  Machärus,  Masada,  wozu  noch  die  Militär- 
colonien  zu  Gaba  in  Galiläa  und  Esbon  in  Peräa  kamen  (vgl. 
oben  S.  390  f.).  Besonders  nach  Hyrkania  wurden  viele  politische 
Verbrecher  transportirt,  um  dort  auf  immer  zu  verschwinden  ^'^).  — 
Als  Stütze  seiner  Regierung  gegen  innere  wie  äussere  Feinde  hatte 
Herodes  ein  zuverlässiges  Söldnerheer,  in  welchem  sich  zahl- 
reiche Thracier,  Germanen  und  Gallier  befanden ^^).  — Kndlich 
abersuchteerdurchstrengePolizeimaassregeln  jeden  Aufstands- 
versuch im  Keime  zu  ersticken.    Alles  müssige  Einherschlendern 


gleichzeitig  in  ßoeotien  (Inschrift  von  Akraephia,  Corp.  Insor.  Or.  Qraeoiae 
Septentrion.  I  n.  2711)  und  im  fernen  Spanien.  Die  Formel  des  Eides,  welchen 
am  11.  Mai  37  n.  Chr.,  also  kaum  zwei  Monate  nach  dem  Tode  des  Tiberius, 
die  Bürger  des  Städtchen.'*  Aritium  in  Lusitanien  dem  Caligula  geschworen 
haben,  ist  uns  durch  eine  eherne  Tafel  noch  erhalten  {Corp,  Inscr.  Lut.  t.  II 
n.  172,  dazu  Mommsen's  Erläuterungen  in:  Epheineris  epvir.  t.  V  p.  154—158). 
Im  Wesentlichen  übereinstimmend  mit  dieser  lateinischen  Eidesformel  ist  der 
griechische  Eid  der  Bürger  von  Assus  in  Troas  für  Caligula,  welcher  durch 
eine  i.  J.  1881  daselbst  gefundene  Erztafel  bekannt  geworden  ist.  Auch  er 
trägt  noch  das  Datum  der  Consuln  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  37.  Der  Kern 
dieser  griechischen  Formel  lautet:  'O/AW/aev  ....  evvoi^asiv  Fakp  lialaagi 
SeßaaTtfi  xal  r<»  ovfinavrc  ol'xw  avrov,  xal  iplkovq  xe  xglveiv,  ovg  av  avrog 
nQoaiQfjZtti,  xal  iyßQOVQ  ovq  uv  avtnq  nQo[iäXXr}xai  {Epliemcris  cpvjraphica  V, 
164 — 168).  4)  Für  die  Zeit  Trajan's  erfahren  wir  gelegentlich  durch  Plinius, 
das«  damals  die  Provinzialen  alljährlich  am  Tage  des  Regierungsantritts  des 
Kaisera  dlesüm  den  Eid  der  Treue  erneuerten  [Plin.  epist.  ad  Trojan.  52  [«/.  ÜO]; 
dient  f  domine,  quo  aervanti  imperium,  dum  suscipia,  quanta  mereris  lactUia 
cMtravimuH  ....  praeivimua  et  PommilUonibuH  jus  jurandum  moir  so/lrtmn, 
eadem  provincialihus  cerlante  pietalc  jurantihus.  Ihvl.  103  \nl.  104]  Traümus 
PHnno'.  Digm  imperii  mei  debita  laetitia  ot  rrlnjümr  nimmi/ilonihus  et  prnrin- 
eialibui  praeeunte  te  celebratum  Mtenter  coi/novi  lilir.ri»  tuU).  —  Vgl.  über- 
haupt MommHen,  Itöm.  Staatsrecht  3.  Aufl.  II,  703. 

Ö7)  Äutt.  XV,  8,  3-4. 

Ü8)  Amt.  XV,  10,  4 

00)  Autt.  XVn,  V,  :;      /;   ./.  |,  :;!,  ♦). 


[330.  331]  §  15.    Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  401 

auf  den  Strassen,  alle  Zusammenkünfte,  ja  selbst  das  Zusammen- 
gehen auf  den  Strassen  war  untersagt.  Und  wo  etwa  dawider  ge- 
handelt wurde,  erhielt  der  König  sofort  durch  geheime  Spione  davon 
Nachricht.  Ja  er  soll  zuweilen  in  höchst  eigener  Person  das  Ge- 
schäft des  Spionirens  übernommen  haben  "^''). 

Um  gerecht  zu  sein,  muss  aber  doch  anerkannt  werden,  dass 
seine  Regierung  auch  ihre  guten  Seiten  hatte.  Unter  den  Bauten 
waren  gar  manche  nützliche.  Man  denke  nur  an  den  Hafen  von 
Cäsarea.  Durch  seine  starke  Hand  wurden  geordnete  Zustände  |  gc- 
schaifen,  unter  deren  Schutz  Handel  und  Wandel  gedeihen  konnten. 
Auch  machte  er  wenigstens  zuweilen  Versuche,  durch  Beweise  von 
Grossmuth  seine  Unterthanen  zu  gewinnen.  So  erliess  er  einmal, 
im  J.  20,  ein  Drittel  der  Abgaben 'O'),  ein  andermal,  im  .T.  14,  ein 
Viertel  derselben  "^2).  Geradezu  bewundernswerth  war  die  Energie, 
mit  welcher  er  der  grossen  Hungersnoth,  welche  im  Jahre  25  über 
das  Land  hereinbrach,  zu  steuern  suchte.  Selbst  sein  eigen  Tafel- 
geschirr soll  er  damals  in  die  Münze  geschickt  haben '^^). 

Aber  das  Volk  hatte  für  dergleichen  Wohlthaten  angesichts 
der  sonstigen  Uebel  nur  ein  sehr  schwaches  Gedächtniss.  Und  so 
war  seine  Regierung  im  Grossen  und  Ganzen  zwar  glänzend,  aber 
nicht  glücklich. 

Der  Glanzpunkt  seiner  Regierung  war  die  äussere  Politik; 
in  dieser  Beziehung  hat  er  unläugbar  Grosses  geleistet.  Er  wusste 
sich  das  Vertrauen  des  Augustus  in  solchem  Maasse  zu  erwerben, 
dass  ihm  durch  kaiserliche  Gunst  der  Umfang  seines  Landes  etwa 
verdoppelt  wurde. 

Es  ist  hier  der  Ort.  die  staatsrechtliche  Stellung  eines 
rex  so  eins  im  damaligen  römischen  Reiche  in  ihren  wesentlichsten 
Punkten  zu  charakterisiren  '<**).  Die  Abhängigkeit,  in  welcher  alle 
Könige  diesseits  des  Kuphrat  von  der  römischen  Macht  standen, 
kam  vor  allem  darin  zum  Ausdruck,  dass  keiner  die  königliche  Ge- 
walt ausüben  und  den  Kfinigstitel  führen  durfte,  ohne  ausdrück- 
liche Genehmigung  des  Kaisers  (mit  oder  ohne  Bestätigung  durch 


100)  Äntt.  XV,  10,  4. 

101)  Antt.  XV,  10,  4. 

102)  Äntt.  XVI,  2,  5. 

103)  Äntt.  XV,  9,  1-2. 

104)  Vgl.  darüber:  Kuhn,  Die  städtische  und  bürgerliche  Verfassung  des 
römischen  Reichs  Bd.  II,  1865,  S.  21—33.  Bohn,  Qua  condicione  juris  reges 
socii  populi  Romani  fuerint,  Berolini  [1877].  Mommsen,  Rönaisches  Staats- 
recht III,  1,  1887,  S.  645—715.  —  Die  Schrift  von  W.  T.  Arnold,  Roman 
System  of  provincial  administration,  London  1879  (citirt  von  Marquardt,  Rom. 
Staatsverwaltung  I,  2.  Aufl.  S.  500),  war  mir  nicht  zugänglich. 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  26 


402  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [331.  332] 

deu  Senat)  ^^^).  Der  Titel  wurde  in  der  Eegel  nur  solchen  Fürsten 
zugestanden,  die  ein  Gebiet  von  etwas  grösserem  Umfang  be- 
herrschten; die  kleineren  mussten  sich  mit  dem  Titel  eines  Tetrarchen 
oder  ähnlichen  begnügen.  Die  Verleihung  galt  nur  der 
Person  des  jeweiligen  Inhabers  und  erlosch  mit  dessen 
Tode  von  selbst.  Erbliche  Monarchien  hat  es  im  Bereiche  der 
römischen  Machtsphäre  überhaupt  nicht  gegeben.  Auch  der  vom 
Vater  zum  Nachfolger  eingesetzte  Sohn  durfte  sein  Eegiment  erst 
dann  antreten,  wenn  er  vom  Kaiser  bestätigt  war.  Diese  Bestä-| 
tigung  wurde,  wenn  Gründe  dazu  vorhanden  waren,  versagt,  und 
es  wurde  dann  das  väterliche  Gebiet  entweder  dem  Sohne  nur  in 
verkleinertem  Umfange  und  mit  geringerem  Titel  verliehen,  oder 
einem  Andern  gegeben  oder  auch  unter  unmittelbare  römische  Ver- 
waltung genommen  (zur  Provinz  geschlagen).  Dies  alles  lehrt  ge- 
rade die  Geschichte  der  herodianischen  Dynastie,  wird  aber  auch 
durch  alle  übrigen  Nachrichten  bestätigt.  —  Der  Titel  socius  et 
amicus  popnli  Romani  {(piXoq  xal  ovififiaxog  Pofiaicov)  scheint  als 
besondere  Auszeichnung  nur  Einzelnen  verliehen  worden  zu  sein, 
so  dass  nicht  alle,  welche  thatsächlich  diese  Stellung  einnahmen, 
auch  formell  diesen  Titel  führen  durften  ^^o)  Der  Besitz  des  rö- 
mischen Bürgerrechtes  ist  zwar  nur  für  wenige  ausdrücklich 
bezeugt,  aber  bei  allen  als  wahrscheinlich  anzunehmen.  Die  Familie 
des  Herodes  besass  es  bereits  durch  Antipater,  den  Vater  des  He- 
rodes'®'). Seit  Caligula  wurden  auch  senatorische  Ehrenrechte 
(prätorischer  und  consularischer  Eang)  zuweilen  an  ver- 
bündete Könige  verliehen  i"^).  —  Beschränkt  war  ihre   Gewalt 


105)  Herodes  hatte  sein  Königthum  öooei  KalaagoQ  xal  ööyßaxi  ^Poifialwv, 
Antt.  XV,  6,  7. 

106)  Auch  bei  Herodes,  welcher  Antt.  XVII,  9,  6  tflXoq  xal  ovfi/uaxoQ  heisst, 
bezweifelt  Bohn  p.  14  not.  29,  ob  ihm  der  Titel  officiell  zukam.  Aber  die 
av/i/iaxia  des  Königs  Agrippa  I  (des  Enkel»  des  Herodes)  mit  dem  römischen 
Benato  und  Volke  zur  Zeit  des  Kaisers  C'laudiua  ist  durch  eine  Münze  bezeugt 
{Madden,  Coins  of  thc  Jctcs  p.  13i5  sq.;  vgl.  unten  §  18).  Da  dessen  Macht- 
Htellung  sicher  keine  grössere  war,  als  die  seines  Grossvaters,  so  wird  auch 
letzterer  officiell  als  av/n/iaxog  der  Römer  anerkannt  gewesen  sein.  Selbst  in 
Bezug  auf  Hyrkau  II,  der  von  Caesar  doch  nur  zum  i&vd(>XT]g  eingesetzt  wurde, 
beiüMt  es  in  desHcu  Ernennungsdecret  Antt.  XiV,  10,  2:  slval  rt  avrov  xal 
Tovi  natöat  avtoü  av/ifidxovg  tj/jiIv.  —  Ueber  den  Titel  aviicus  populi  lio- 
niani  s.  Pauly-WisHowa'H  Ileal-Enc.  I,  1832  f.  Ferrenbach,  Die  amici pojin/i 
lOnnani  republicanischer  Zeit,    tjtraasburg,  Diss.  1805. 

107)  Antt.  XIV,  H,  3.     B.  J.  I,  9,  5. 

108)  AKripi)a  I  erhielt  zuerst  prätorischen  Rang  {Philo  in  Flacc.  §  6, 
Mang.  II,  r>23),  sptttcr  <!ouHulariBclien  (Dio  Cnsg.  LX,  8);  Horodes  von  Chalcis 
prItoriMcbcn  {Dia  Qua.  Und.),  Agrippa  II  ebenfalls  pr&toriBohen  (/>/o  Cos«. 
LXVI,  16).  —  Die  Verleihung  senatoriHcher  Ehrenreehte  {omamenta,  tt/iat)  an 


[332.  333]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  403 

iianientlich  in  folgenden  Punkten.  1)  Sie  durften  weder  Bündnisse 
mit  anderen  Staaten  abschliessen,  noch  selbständig  Krieg  führen, 
also  überhaupt  Hoheitsrechte  nur  innerhalb  der  Grenzen  ihres 
eigenen  Landes  ausüben.  2)  Sie  hatten  das  Kecht  der  Münz- 
prägung nur  in  beschränktem  Umfange.  Die  Prägung  von  Gold- 
münzen scheint  fast  allen  verboten  gewesen  zu  sein;  manchen  auch 
die  Prägung  von  Silbermünzen.  Zu  den  letzteren  gehörten  Hero- 
des und  seine  Nachfolger;  wenigstens  sind  uns  von  sämmtlichen 
herodianischen  Fürsten  nur  Kupfermünzen  erhalten.  Diese  That- 
sache  ist  besonders  lehrreich,  da  sie  uns  zeigt,  dass  Herodes  keines- 
wegs, wie  es  nach  manchen  Wendungen  bei  Josephus  scheinen 
könnte,  zu  den  bevorzugtesten  unter  diesen  Königen  gehörte '*'^). 
3)  Eine  wesentliche  |  Verpflichtung  war  die  Stellung  von  Hülfs- 
truppen  im  Falle  eines  Krieges,  sowie  die  Sicherung  der  Reichs- 
grenze gegen  auswärtige  Feinde.  Auch  Leistungen  in  Geld  wurden 
bei  besonderen  Veranlassungen  wohl  verlangt.  Ein  regelmässiger 
Tribut  scheint  aber  während  der  früheren  Kaiserzeit  von  den 
Königen  nicht  erhoben  worden  zu  sein.  Nur  von  Antonius  ist  es 
bezeugt,  dass  er  Könige  einsetzte  exl  (pogoiq  rsrayfiiifoig.  Auch 
später  ist  Aehnliches  wieder  vorgekommen.  Eine  feste  Regel 
scheint  es  aber  nicht  gegeben  zu  haben.  Dass  Herodes  unter 
Augustus  einen  Tribut  gezahlt  hat,  ist  nach  allem,  was  wir  wissen, 
nicht  wahrscheinlich*'"').  —  Die  Hoheitsrechte,  welche  den  ab- 


Nicht- Senatoren  ist  zuerst  unter  Tiberius  vorgekommen  (Moramsen,  Rom. 
Staatsrecht  1.  Aufl.  I,  375  f.).  Es  handelt  sich  dabei  lediglich  um  das  Recht, 
bei  öffentlichen  Gelegenheiten  unter  den  Senatoren  Platz  nehmen  und  mit 
den  Insignien  der  betreuenden  Beamtenclasse  auftreten  zu  dürfen  (Mommsen 
a.  a.  O.  I,  373  f.  377  f.). 

109)  Vgl.  über  das  Münzrecht  der  reges  socii:  Mommsen,  Geschichte  des 
römischen  Münzwesens,  1800,  S.  661 — 736.  Ders.,  Römisches  Staatsrecht  III,  1, 
S.  709 — 714.    Bahn,  Qua  condicione  juris  etc.  p.  42 — 49. 

110)  Ueber  das  Verfahren  des  Antonius  s.  Appian.  Civ.  V,  75.  Aus  der 
späteren  Kaiserzeit  ist  zu  erwähnen,  dass  zur  Zeit  Lucian's  der  König  Eupato  r 
von  Bosporus  einen  jährlichen  Tribut  an  den  Statthalter  von  Bithynien  zahlte 
{Lucian.  Alexander  c.  57:  ev&a  iyih  naganXeovraq  ftptbv  Boanogiavoig  rivag 
TiQsaßfiq  nag'  EvndroQog  xov  ßaaiXicog  ig  zfjv  Bi&vviav  dniövxag  inl  xofitäy 
TTJg  insreiov  owrä^ecog).  Ueber  Herodes  und  seine  Nachkommen  s.  Näheres 
unten  in  dem  Excurs  über  die  Schätzung  des  Quirinius  (§  17,  Anhang  I). 
Für  die  Annahme,  dass  die  reges  socii  einen  regelmässigen  Tribut  entrichten 
mussten,  ist  besonders  Huschke  eingetreten  (Ueber  den  zur  Zeit  der  Geburt 
Jesu  Christi  gehaltenen  Census,  1840,  S.  99 — 116).  Ihm  folgt  Marquardt, 
Römische  Staatsverwaltung  I,  1881,  S.  405 — 408  (in  Betreft" Judäa's).  Dagegen: 
Bahn,  Qiia  condicione  juris  etc.  p.  55— 64.  — Mommsen,  Staatsrecht  III,  1,  683 
beschränkt  sich  auf  die  Bemerkung,  dass  die  abhängigen  Fürstenthümer  „schon 
unter  der  Republik"  feste  Jahrtribute  zahlten;  erkennt  aber  an,  dass  „nach 
der  älteren  römischen  Auffassung"  das  Bundesgenossenrecht  die  Geldleistung 

26* 


404  §  15.   Herodea  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [333.  334] 

hängigen  Königen  belassen  wurden,  umfassten,  unter  den  ange- 
gebenen Einschränkungen,  die  gesammte  innere  Verwaltung  und 
Eechtspflege.  Sie  hatten  unbeschränkte  Gewalt  über  Leben  und 
Tod  ihrer  Unterthanen.  Ihr  gesammtes  Gebiet  wurde  überhaupt 
nicht  als  zur  Provinz  gehörig  betrachtet.  Sie  konnten  an  ihrer 
Landesgrenze  Zölle  nach  Belieben  erheben  und  die  Steuerverwal- 
tung selbständig  ordnen.  Auch  ihr  Militär  stand  unter  ihrem 
eigenen  Befehl  und  wurde  von  ihnen  selbst  organisirt. 

Die  hierdurch  angewiesene  Stellung,  welche  dem  Eifer  des 
Einzelnen  hinreichenden  Spielraum  Hess,  hat  Herodes  nach  allen 
Kräften  ausgebeutet.  Er  benützte,  wie  auch  Andere  zu  thun  pflegten, 
jede  Gelegenheit,  sich  dem  Kaiser  vorzustellen  und  ihm  seine  Er- 
gebenheit zu  beweisen'*').  Schon  im  J.  30  hatte  er  mehrmals  den 
Augustus  aufgesucht  *' 2).  Zehn  Jahre  später,  im  J.  20,  kam  Augustus 
wieder  nach  Syrien,  und  Herodes  versäumte  nicht,  ihm  abermals 
seine  Aufwartung  zu  machen'*^).  Im  J.  18  oder  17  holte  Herodes 
seine  beiden  Söhne,  Alexander  und  Aristobul,  die  in  Rom  zur  Er- 
ziehung waren,  von  dort  ab  und  wurde  bei  dieser  Gelegenheit 
auch  vom  Kaiser  huldvoll  empfangen  **^).  Und  später  war  er  noch 
zweimal  [  bei  Augustus  (in  den  Jahren  12  und  10,9  v.  Chr.)""^). 
Auch  mit  Agrippa,  dem  vertrauten  Freunde  und  Schwiegersohn 
des  Augustus,  stand  Herodes  in  freundschaftlichem  Verhältniss 
und  Verkehr.  Während  Agrippa  in  Mytilene  verweilte  (23—21  v. 
Chr.),  empfing  er  dort  den  Besuch  des  Herodes*"^).  Im  J.  15  kam 
Agrippa  selbst  nach  Judäa  und  opferte  im  Tempel  zu  Jerusalem 
eine  Hekatombe.  Das  Volk  war  über  den  judenfreundlichen  Römer 
80  entzückt,  dass  es  ihn  unter  Segenswünschen  bis  zum  Schiff  ge- 
leitete, ihm  Blumen  streuend  und  seine  Frömmigkeit  bewundernd  "'). 


ausBchliesBt  (S.  681),  und  daas  aiuh  später  die  Tributzahlung  der  Bundesge- 
noBHcn  „weniger  durch  allgemeine  Regelung,  als  durch  Festsetzung  von  Fall 
zu  Fall"  herbeigeführt  wurde  (S.  683). 

111)  Vgl.  Sudan.  Aug.  60:  Ifeffes  amici  cUque  aocii  ....  saepe  regnis  re- 
lielis,  mm  lütmae  modo  sed  et  provincias  pcraf/ranti  cotidiana  officm  foffati  ac 
sine  regio  inaigni,  morc  clieniitim  praestitcrwit. 

112)  8.  oben  8.  3S4  f. 

113)  Anlt.  XV,  10,  3.  —  Nach  Judäa  scheint  Augustus  nicht  gekoninion 
m  sein. 

114)  Amt.  XVI,  1,  L'. 

llß)  Amt.  XVI,  4,  1-6  uuil  n,  1.    Vgl.  oben  8.  371  ff. 

116)  Amt.  XV.  10,  2. 

117)  Amt.  XVI,  2.  1.  Philo,  Legat,  ad  Cajum  g  37  {ed.  Mang.  II,  589): 
n*<pri/irj^tl<;  ßvQla  na(ftnift^^  ßixQ^  hfilvtav,  ovx  vnft  fiiäQ  ndXfwg,  aXX'  vnt) 
xFiq  x*"C«5  anuaijq,  «pvXXoßoXovfitvvi;  xt  xnl  l>itvfin^6fitvo<i  i-n*  tvotßt/n.  —  In 
Betreff  der  Hekatombe  Tgl.  Bd.  II,  8.  302  (dagelbst  8.  300-305  überhaupt  über 


[334.  335]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  405 

Im  folgenden  'Frühjahr  (14  v.  Chr.)  erwiederte  Herodes  den  Besuch 
des  Agrippa;  und  da  er  wusste,  dass  Agrippa  einen  Zug  nach  der 
Krimm  beabsichtigte,  brachte  er  sogar  eine  Flotte  mit,  um  ihm 
Beistand  zu  leisten.  In  Sinope  traf  er  seinen  hohen  Freund  und 
durchzog  dann  mit  ihm,  nachdem  die  kriegerische  Angelegenheit 
erledigt  war,  einen  grossen  Theil  von  Kleinasien,  überall  Gaben 
spendend  und  Bittgesuche  erledigend  ""*).  —  Die  Beziehungen  zu 
Augustus  und  Agrippa  waren  so  innige,  dass  Schmeichler  behaupteten, 
Herodes  sei  dem  Augustus  nach  Agrippa  und  dem  Agrippa  nach 
Augustus  der  Liebste'*^). 

Diese  römischen  Freundschaften  trugen  denn  auch  ihre  Früchte. 
Schon  im  J.  30,  als  Herodes  bei  Augustus  in  Aegypten  war,  hatte 
er  von  ihm  bedeutenden  Gebietszuwachs  erhalten  (s.  oben 
S.  384).  Neue  Schenkungen  kamen  später  dazu.  Herodes  hatte 
im  J.  25  zu  dem  Feldzuge  des  Aelius  Gallus  nach  Arabien  fünf- 
hundert Mann  auserlesene  Hülfstruppen  gestellt  '^o).  Möglicherweise 
steht  damit  im  Zusammenhang,  dass  er  bald  darauf,  im  J.  23,  um 
die  Zeit,  als  er  seine  Söhne  Alexander  und  Aristobul  zur  Erziehung 
nach  Rom  schickte,  die  Landschaften  Trachon,  Batanäa  und 
Auranitis  erhielt,  die  bisher  von  räuberischen  Nomaden  bewohnt 
waren,  mit  welchen  der  benachbarte  Tetrarch  Zenodorus  gemein- 
same Sache  gemacht  hatte  *^').  Als  einige  Jahre  später  im  J.  20 
Augustus  nach  Syrien  kam,  schenkte  er  dem  Herodes  auch  noch  die! 
eigene  Tetrarchie  des  Zenodorus,  die  Landschaften  Ulatha 
und  Panias  und  das  umliegende  Gebiet,  nördlich  und  nordöstlich 
vom  See  Genezareth '22j.  Gleichzeitig  erhielt  Herodes  die  Erlaub- 
niss,  seinen  Bruder  Pheroras  zum  Tetrarchen  von  Peräa  zu  er- 
nennen'^^j  Und  wie  unbedingt  das  Vertrauen  war,  das  Augustus 
in  ihn  setzte,  erhellt  besonders  daraus,  dass  er  (vielleicht  nur  für 
die  Zeit  der  Abwesenheit  Agrippa  s  vom  Orient,  s.  oben  S.  320)  den 
Procuratoren  von  Syrien  (Cölesyrien?)  den  Befehl  gab,  in  allen 
Angelegenheiten  den  Rath  des  Herodes  einzuholen  '-*). 


das  Opfern  von  Heiden  in  Jerusalem).  —  Ueber  Agrippa  und  Herodes  s.  auch 
Gardthuusen,  Augustus  und  seine  Zeit  I,  2,  838  ff'.   II,  2,  486  ff'. 

118)  Antt.  XVI,  2,  2—5.  Vgl,  Nieolaiis  Damase.  bei  Müller,  Fragm.  Eist. 
Oraec.  III,  350. 

119)  Antt.  XV,  10,  3.    B.  J.  I,  20,  4. 

120)  Antt  XV,  9,  3.     Sfrabo  XVI,  4,  23  p.  780.    Näheres  s.  oben  S,  367  f. 

121)  Antt.  XV,  10,  1.  B.  J.  I,  20,  4.  —  Die  genannten  Landschaften  liegen 
sämmtlich  östlich  vom  See  Genezareth.  Vgl.  über  sie  §  17»;  über  Zenodorus: 
Beilage  I. 

122)  Antt.  XV,  10,  3.    B.  J.  I,  20,  4.    Bio  Cass.  LIV,  9. 

123)  Antt.  XV,  10,  3.    B.  J.  I,  24,  5. 

124)  Antt.  XV,  10,  3.    B.  J.  I,  20,  4.    Die  etwas  dunkeln  Worte  in  Betreff 


406  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [335.  336] 

Nicht  unerwähnt  darf  bleiben,  dass  Herodes  seinen  Einfluss  bei 
den  römischen  Herren  auch  dazu  benützte,  die  Juden  in  der 
Diaspora  gegen  alle  Bedrückung  und  Schmälerung  ihrer  Rechte 
von  Seite  der  nicht-jüdischen  Welt  sicher  zu  stellen  ^^s).  go  kam 
die  Machtstellung  des  jüdischen  Königs  auch  denjenigen  Juden  zu 
Gute,  die  nicht  unmittelbar  unter  seinem  Regimente  standen. 

Die  Zeit  um  20—14  war  die  glänzendste  seiner  Regierung. 
Trotz  der  Abhängigkeit  von  Rom  braucht  seine  Regierung,  was 
äussern  Glanz  betrifft,  einen  Vergleich  mit  den  besten  Zeiten  des 
Volkes  nicht  zu  scheuen.  Im  Innern  freilich  war  Vieles  faul.  Nur 
widerwillig  ertrug  das  Volk  das  halb-heidnische  Regiment  des  Idu- 
mäers,  und  nur  seine  eiserne,  despotische  Faust  vermochte  einen 
Ausbruch  der  gährenden  Masse  zu  hindern. 

III. 

Die  letzten  neun  Jahre  des  Herodes  (13 — 4)  sind  die  Zeit  des 
häuslichen  Elendes.  Besonders  sein  unheilbares  Zerwürfniss  mit 
den  I  Söhnen  der  Mariamme  wirft  in  diese  Zeit  einen  tiefen,  dunklen 
Schatten  ^-^^). 

Herodes  hatte  eine  zahlreiche  Familie.  Im  Ganzen  hatte 
er  zehn  Frauen,  was  allerdings,  wie  Josephus  hervorhebt,  nach  dem 
Gesetz  gestattet,  aber  doch  auch  ein  Beweis  seiner  Sinnlichkeit 
war '27^^    Seine  erste  Gemahlin  war  Doris,  von  welcher  er  einen 


der  Procuratoren  lauten  Antt.XV,  10,  3:  iyxaTa/ilyvvai  6'  avvhv  [Niese  avTfiv] 
xolq  iniTQonsvovai  t;]«  Svgla<;  ivrstXdfifvoq  /aeta  Trjg  ixsivov  yvcifjitjQ  xä  nävia 
notfZv.  Etwas  anders  B.  J.  I,  20,  4:  xattazTjas  öh  avxov  xnl  SvQi'icg  oXijq  inl- 
XQonov,  .  .  .  cüc  pirjöhv  i^ely  Slxa  x^g  ixtlvov  ovfißovXlicg  xoiq  iniXQÖnoiq 
öioixtlv.  —  Es  kann  sich  der  Natur  der  Sache  nach  niclit  um  eine  fbrineUe 
Unterordnung  der  I'rocuratoren  von  Syrien  unter  Herodes  handeln,  sondern, 
wie  auch  der  Ausdruck  avfißovXlnq  an  der  letzteren  Stelle  zeigt,  nur  darum, 
daitfl  die  Procuratoren  (die  Finanzbeamten  der  Provinz)  angewiesen  wurden, 
sich  des  Rathes  des  Herodes  zu  bedienen.  Auch  ist  statt  2v()laq  oXrjq  (resp. 
£vptaq)  vielleicht  zu  lesen  ^vglaq  xoiXriq.  Vgl.  Miiniuardt,  Römische  Staats- 
verwaltung I,  1881,  S.  408.  —  Allzu  ernsthaft  wird  man  die  Notiz  überliaupt 
nicht  nehmen  dürfen,  da  sie  augenscheinlich  der  glorificirenden  Feder  des 
NicolauH  Damascenus  entstammt. 

125)  Antl.  XVI,  2,  3-5.    Vgl.  auch  XVI,  6,  1-8.    XI 1,  3,  2. 

120)  Es  fiillt  in  diese  Zeit  noch  manches,  was  schon  im  vorigen  Absclmitt 
behandelt  ist.  Aber  die  Abgrenzung  der  Perioden  kann  überhaupt  keine  feste 
sein.  Im  Allgemeinen  ist  jedenfalls  richtig,  dass  die  liiiusliclKMi  Kiim]>i(>  in 
den  Jahnui  13—4  das  vorherrschende  Moment  sind. 

127)  Job.  B.  ./.  I,  24,  2  fin.  Anfl.  XVll,  1,  2:  nnt(>tov  y(\(t  nÄn'oaiv  hxavxip 
riiilv  avvoixtlv.  Nach  Mi$ohna  Sanhedrin  II,  4  waren  dem  Ki'mig  aclitzelin 
Frauen  gestattet.  Wie  viel  ein  Privatmann  haben  dürfe,  wird  in  d(!r  Mischiui 
nicht  ausdrOcklich  gesagt;  es  wird  aber  vorausgesetzt,  dass  er  vier  \m  fünf 
h«boii  dürfe  (vier:  JebamöthlV,\\\  Kelhuhoth\,  1-0;  fttnf:  KeHthoth  Ml,  7; 


[336.  337]  §  15.    Herodes  der  Grosse  (37-4  v.  Chr.).  407 

Sohn  Antipater  hatte  '^s).  Beide  waren  von  Herodes  Verstössen 
und  Antipater  durfte  nur  zu  den  hohen  Festen  in  Jerusalem  er- 
scheinen *29j^  Ijii  j^  37  hatte  Herodes  die  Mariamme,  die  Enkelin 
Hyrkan's,  geheirathet  (s.  oben  S.  358),  welche  ihm  fünf  Kinder 
gebar,  drei  Söhne  und  zwei  Töchter.  Von  den  Söhnen  starb  der 
jüngste  in  Rom  '^^X  die  beiden  älteren  Alexander  und  Aristobul 
sind  eben  die  Helden  der  folgenden  Geschichte '  ^  •).  Die  dritte  Ge- 
mahlin, welche  Herodes  um  d.  J.  24  heirathete,  hiess  ebenfalls  Ma- 
riamme.  Sie  war  die  Tochter  eines  angesehenen  Priesters,  der 
aus  Alexandria  stammte  und  von  Herodes  zu  eben  der  Zeit,  als 
er  die  Tochter  heirathete,  zum  Hohenpriester  ernannt  wurde  *32), 
Von  dieser  hatte  er  einen  Sohn  Namens  Herodes 'ä^).  Von  den 
übrigen  sieben  Frauen,  die  Josephus  Antt.  XVII,  1,  3  und  B.  J.  1, 
28,  4  sorgfältig  verzeichnet,  sind  von  Interesse  nur  noch  die 
Samariterin  |  Malthake,  die  Mutter  des  Archelaus  undAntipas, 
und  Kleopatra  aus  Jerusalem,  die  Mutter  des  Philippus. 

Um  das  J.  23  sandte  Herodes  die  Söhne  der  ersten  Mariamme, 
Alexander  und  Aristobul,  zur  Erziehung  nach  Rom,  wo  sie  im 
Hause  des  Asinius  PoUio  gastliche  Aufnahme  fanden''^).  Etwa 
fünf  Jahre  später,  im  J.  18  oder  17,  holte  er  sie  selbst  von  dort 
wieder  ab  und  behielt  sie  von  nun  an  am  Hofe  zu  Jerusalem  *  3^). 
Sie  mochten  jetzt  etwa  Jünglinge  von  17 — 18  Jahren  sein.  Wie 
die  Sitte  der  Zeit  und  des  Landes  es  mit  sich  brachte,  wurden  sie 

vgl.  im  allgemeinen  auch  Kidduschin  II,  7 ;  Bechoroth  \lti,  4).  Hiermit  stimmt 
merkwürdig  Justin.  Dial,  c.  Tri/ph.  c.  134:  ße).xiöv  iativ,  vfiäg  t<p  d^eiö  mea&ai 
jj  xolg  dovvetoig  xul  TV(pXoig  äiöuaxdXotg  v/lköv,  oitiveg  xid  ßsxi^i  vvv  xal 
xiaau{mg  xal  nivrs  s^^iv  vfxäg  yvviäxug  (xaazov  avyx(ii(JOvai.  Vgl.  dazu  Otto'ß 
Anmerkung  und  Winer,  Realwörterb.  Art.  „Vielweiberei".  Noch  im  deut- 
schen Mittelalter  kam  bei  den  Juden  Polygamie  vor,  s.  über  die  Geschichte 
derselben  bei  den  Juden:  Leop.  Low,  Gesammelte  Schriften  Bd.  III,  1893, 
S.  33—86. 

128)  Antt.  XIV,  12,  1.  —  Nach  Antt.  XVII,  5,  2  war  Antipater  mit  einer 
Tochter  des  letzten  Hasmonäers  Autigonus  vermählt. 

129)  Antt.  XVI,  3,  3.    B.  J.  I,  22,  1. 

130)  B.  J.  I,  22,  2. 

131)  Die  beiden  Töchter  hiessen  Salampsio  und  Kypros.  Ihre  Nach- 
kommenschaft verzeichnet  Josephus  Atitt.  XVIII,  0,  4.  —  Der  Name  SaXa/uxpici 
ist  gleich  hebr.  -(liijabaj,  was  inschriftlich  als  hebräischer  Frauenname  vorkommt 
{Clennont-Oanneau,  Archaeologiml  Researches  I,  1899,  p.  386—392). 

132)  Antt.  XV,  9,  3.  Der  Name  Mariamme :  B.  J.  I,  28,  4  und  sonst.  Jo- 
sephus nennt  Antt.  XV,  9,  3  den  Vater  Simon,  den  Grossvater  Boethos. 
Nach  andern  Stellen  sclieint  Boethos  selbst  der  Vater  gewesen  zu  sein.  S. 
Stud.  und  Krit.  1872,  S.  .099  f.  und  unten  §  23,  IV  (Bd.  II,  S.  217). 

133)  Antt.  XVII,  1,  2. 

134)  Antt.  XV,  10,  1. 

135)  Antt.  XVI,  1,  2. 


408  §  15-   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [337.  338] 

bald  verheirathet.  Alexander  erhielt  eine  Tochter  des  kappa- 
docischen  Königs  Archelaus  Namens  Glaphyra,  Aristobul  eine 
Tochter  von  Herodes'  Schwester  Salome  mit  Namen  Berenike  ^^^). 
Obwohl  somit  die  hasmonäische  und  die  idumäische  Linie  des  hero- 
dischen  Hauses  durch  Verschwägerung  auf's  Engste  mit  einander 
verbunden  waren,  standen  sie  sich  doch  wie  zwei  feindliche  Lager 
gegenüber.  Die  Söhne  der  Mariamme  mochten  wohl  im  Bewusst- 
sein  ihres  königlichen  Blutes  mit  einigem  Stolz  auf  die  idumäische 
Verwandtschaft  herabsehen,  und  diese,  voran  die  würdige  Salome, 
vergalt  den  Hochmuth  jener  durch  gemeine  Verläumdung.  So  be- 
gann schon  jetzt,  nachdem  die  Söhne  kaum  in's  Vaterhaus  zurück- 
gekehrt waren,  der  Knoten  sich  zu  schürzen,  der  nachmals  immer 
unlösbarer  sich  verwirrte.  Doch  liess  Herodes  sich  vorläufig 
durch  jene  Verläumdungen  in  der  Liebe  zu  seinen  Söhnen  nicht 
beirren'^'). 

Das  böse  Gewissen  des  Königs  war  indess  für  eine  solche  Saat 
von  Verläumdungen  ein  zu  fruchtbarer  Boden,  als  dass  dieselbe 
nicht  allmählich  hätte  Wurzel  schlagen  und  Früchte  bringen  sollen. 
Er  musste  sich  ja  sagen,  dass  es  das  natürliche  Erbtheil  der  Söhne 
war,  den  Tod  der  Mutter  zu  rächen.  Und  wie  nun  Salome  immer 
wieder  und  wieder  ihm  die  Gefahr  schilderte,  die  von  den  Beiden 
ihm  drohe,  da  fing  er  schliesslich  doch  an,  es  zu  glauben  und  die 
Söhne  mit  Argwohn  zu  betrachten  ^^% 

Um  ihrem  aufstrebenden  Sinn  ein  Gegengewicht  entgegenzu-| 
stellen  und  ihnen  zu  zeigen,  dass  noch  ein  Anderer  vorhanden  sei, 
der  möglicher  Weise  den  Thron  erben  könne,  rief  er  den  verstossenen 
Antipater  wieder  zu  sich  und  sandte  ihn  bald  darauf  in  Beglei- 
tung des  Agrippa,  der  eben  damals  im  J.  13  den  Orient  verliess, 
nach  Rom,  damit  er  sich  dem  Kaiser  vorstelle  '='^).  Damit  aber  gab 
er  dem  schlimmsten  Feinde  seines  häuslichen  Friedens  das  Heft  in 
die  Hand.  Denn  Antipater  war  von  nun  an  unablässig  bemüht, 
durch  Verläumdung  seiner  Stiefbrüder  sich  den  Weg  zum  Thron 


136)  AnU.  XVI,  1,  2.  ßerenike  war  eine  Tochter  der  Salome  und  des 
KoMlobar  (Antt.  XVIII,  6,  4).  Sie  wird  auch  von  Stralto  XVI,  2,  46  p.  766 
erwähnt.  —  Der  König  Archelaun  von  Kuppadocien  regierte  von  30  vor  Chr. 
biM  17  nach  Chr.  {Dio  Ccuif.  XLIX,  32.  LVIl,  17.  Tacit.  Amml.  II,  42.  Cli?i- 
lon,  FuMti  Ilellmici  III,  448.  Marciuardt,  RömiHche ' Staatsverwaltung  I, 
1881,  8.  365 f.  Reinach,  Remir  Nionismniiquc  1880,  p.  402—400.  Wilcken 
in  Pauly-WiNROwa'i  Boal-Enc.  II,  451.  Klebe,  Prosopogr.  impeni  Uoniani  I, 
12'i.    MQnzcn  auch  Rente  Numietnatique  1898,  p.  601  )■ 

137)  Antt.  XVI,  1,  2. 
188)  Antt.  XVI,  3,  1-2. 

199)  Antt.  XVI,  3.  3.    B.  J.  I,  23,  1-2. 


[33S.  339]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37-4  v.  Chr.).  409 

» 

ZU  bahnen.  Bei  Alexander  und  Aristobul  ging  der  Wechsel 
in  der  Stimmung  ihres  Vaters  auch  nicht  spurlos  vorüber.  Seinen 
Argwohn  erwiederten  sie  mit  unverholener  Abneigung  und  klagten 
bereits  öffentlich  über  den  Tod  der  Mutter  und  über  die  kränkende 
Behandlung,  die  ihnen  widerfahre  ^^^).  So  wurde  die  Kluft  zwischen 
Vater  und  Söhnen  immer  tiefer,  bis  endlich  Herodes  im  J.  12  den 
Entschluss  fasste,  die  Söhne  beim  Kaiser  zu  verklagen.  Er 
machte  sich  selbst  mit  den  beiden  auf  den  Weg  und  erschien 
zu  Aquileja  vor  dem  Kaiser  als  Ankläger  seiner  Söhne.  Dem 
milden  Ernst  des  Augustus  gelang  es  diesmal  noch,  die  Streitenden 
zu  versöhnen  und  den  Hausfrieden  wieder  herzustellen.  Mit  Dank 
gegen  den  Kaiser  kehrten  Vater  und  Söhne  zurück;  und  auch  An- 
tipater  schloss  sich  ihnen  an  und  heuchelte  Freude  über  die  Ver- 
söhnung'^'). 

Kaum  war  man  zu  Hause,  so  begann  das  alte  Spiel  von  Neuem. 
Antipater,  der  jetzt  wieder  in  der  Umgebung  des  Königs  war, 
setzte  das  Verläumdungswerk  unermüdlich  fort,  und  von  den  Ge- 
schwistern des  Herodes,  Salome  und  Pheroras,  wurde  er  darin 
getreulich  unterstützt.  Auf  der  anderen  Seite  nahmen  auch 
Alexander  und  Aristobul  eine  immer  feindseligere  Haltung 
an'''"^).  So  war  der  Friede  zwischen  Vater  und  Söhnen  bald 
wieder  dahin.  Der  Argwohn  des  Königs,  der  von  Tag  zu  Tag 
neue  Nahrung  erhielt,  wurde  immer  krankhafter  und  grenzte  nach- 
gerade an  Gespensterfurcht '^3)^  Er  liess  jetzt  die  Anhänger 
Alexander's  auf  der  Folter  verhören,  zunächst  ohne  Erfolg,  bis 
endlich  Einer  unter  den  Qualen  der  Folter  belastende  Aussagen 
machte.  Daraufhin  wurde  Alexander  gefangen  gesetzt'**).  — 
Als  der  kappadocische  König  Archelaus,  der  Schwiegervater 
Alexander's,  von  den  wüsten  Zuständen  am  jüdischen  Hofe  hörte, 
begann  er  für  Tochter  und  |  Schwiegersohn  zu  fürchten  und  begab 
sich  nach  Jerusalem,  um,  wenn  irgend  möglich,  Versöhnung  zu 
stiften.  Er  stellte  sich  vor  Herodes  sehr  erzürnt  über  den  un- 
gerathenen  Schwiegersohn,  drohte  seine  Tochter  wieder  nach  Hause 
zurückzunehmen,  und  that  überhaupt  so  grimmig,  dass  Herodes 
selbst  die  Partei  seines  Sohnes  ergriff  und  ihn  dem  Archelaus  gegen- 
über in  Schutz  nahm.  Durch  solche  List  brachte  der  schlaue 
Kappadocier  die  gewünschte  Versöhnung  zu   Stande  und  konnte 


140)  Äntt.  XVI,  3,  3. 

141)  Antt.  XVI,  4,  1—6.    B.  J.  I,  23,  8—5. 

142)  Antt.  XVI,  7,  2  ft".    B.  J.  I,  24,  1  tf. 

143)  Vgl.  bes.  Antt.  XVI,  8,  2.  5.    B.  J.  I,  24,  8. 

144)  Antt.  XVI,  8,  4.    B.  J.  I,  24,  8. 


410  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [339.  340] 

befriedigt  wieder  heimkehren '^^).  —  So  wurde  noch  einmal  durch 
eine  kurze  Windstille  der  wilde  Sturm  unterbrochen. 

In  dieser  bewegten  Zeit  hatte  Herodes  auch  noch  mit  äussern 
Feinden,  ja  mit  kaiserlicher  Ungnade  zu  kämpfen.  Die  raublustigen 
Trachoniten  wollten  sich  seinem  straffen  Regimente  nicht  mehr 
fügen,  und  etwa  vierzig  der  schlimmsten  Störenfriede  fanden  in  dem 
benachbarten  Arabien,  wo  ein  gewisser  Sylläus  au  Stelle  des 
schwachen  Königs  Obodas  die  Herrschaft  führte,  willige  Aufnahme. 
Als  Sylläus  die  Auslieferung  derselben  verweigerte,  unternahm 
Herodes  mit  Bewilligung  des  syrischen  Statthalters  Saturuinus 
einen  Kriegszug  nach  Arabien  und  erzwang  sich  sein  Eecht  ^^^).  — 
Aber  nun  agitirte  Sylläus  in  Rom,  stellte  die  Sache  als  unerlaubten 
Landfriedensbruch  dar  und  wusste  es  wirklich  dahin  zu  bringen, 
dass  Herodes  beim  Kaiser  ernstlich  in  Ungnade  fieP^T^  _Ujjj  gj^b 
wegen  seines  Verfahrens  zu  rechtfertigen,  schickte  Herodes  eine 
Gesandtschaft  nach  Rom,  und  als  dieselbe  nicht  vorgelassen  wurde, 
noch  eine  zweite,  letztere  unter  Führung  des  Nicolaus  Damas- 
cenus  '^*). 

Mittlerweile  ging  der  Familienzwist  seinem  tragischen  Ende 
mit  raschen  Schritten  entgegen.  Die  Versöhnung  war  selbstver- 
ständlich nicht  von  langer  Dauer.  Um  das  Unglück  voll  zu  machen, 
kam  jetzt  auch  ein  intriganter  Lacedämonier  Eurykles  an  den 
Hof,  der  den  Vater  gegen  die  Söhne  und  die  Söhne  gegen  den 
Vater  aufhetzte  ^*^).  Daneben  setzten  die  übrigen  Mächte  der  Ver- 
läumdung  ihr  Werk  fort.  Endlich  gedieh  die  Sache  so  weit,  dass 
Herodes  den  Alexander  und  Aristobul  gefangen  setzte  und  sie 
beim  Kaiser  wegen  hocliverrätheri scher  Pläne  verklagen  liess^^^^). 

Nicolaus  Damascenus  hatte  unterdessen  seine  Aufgabe  ge-| 
löst  und  den  Kaiser  wieder  für  Herodes  gewonnen'^').  Als  daher 
die  Boten  mit  der  Klage  nach  Rom  kamen,  fanden  sie  Augustus 
bereits  in  günstiger  Stimmung  und  übergaben  sofort  ihre  Acten. 
Augustus  gab  dem  Herodes  ^'()llmacht  zu  eigenem  Vorgehen  in  der 
Sache,  rieth  ihm  jedoch,  zu  Berytus  einen  Gerichtshof  aus 
römischen  Beamten  und  seinen  eigenen  Freunden  niederzusetzen 
und  von  diesem  die  Schuld  der  Söhne  untersuchen  zu  lassen''^). 

14Ö)  AnH.  XVI,  8,  6.    B.  J.  I,  25,  1-6. 

146)  ArUt.  XVI,  9,  1-2. 

147)  Antl.  XVI,  9,  .1.  Vgl.  Nicolnua  Damme,  bei  Müller,  tVagm.  Eist. 
Oraeo,  III,  301.    Feder,  Excorpta  Kscurialenaia  p.  fW. 

148)  Antl.  XVI,  9,  4. 

149)  Anlt.  XVI,  10,  1.  B.  J.  I,  26,  1—4.    üebor  EurykleH  h.  oben  S.  395 f. 
160)  Antl.  XVI,  10,  5-7.    B.  ./.  I,  27,  1. 

löl)  Anlt.  XVI,  10,  8—9.    Nieolcma  Dama$c.  a.  a.  0. 

152)  Antl.  XVI,   11,   1.     li.  J.  1,  27,  1.  —  BerytUH  wunlo   von  Augustus 


[340]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  411 

Herodes  befolgte  den  Rath  des  Kaisers.  Der  Gerichtshof  sprach 
fast  einstimmig  das  Todesurtheil.  Nur  der  Statthalter  Satu minus 
und  seine  drei  Söhne  waren  dagegen.  —  Noch  konnte  es  zweifelhaft 
sein,  ob  Herodes  das  Urtheil  vollziehen  lassen  würde;  ein  alter 
Soldat,  Teron,  wagte  es  sogar,  öffentlich  zu  Gunsten  der  Verur- 
theilten  aufzutreten.  Aber  der  Alte  und  noch  300  Andere,  die  als 
Anhänger  Alexander's  und  Aristobul's  denuncirt  waren,  büssten  da- 
für mit  dem  Leben;  und  das  Urtheil  wurde  nun  ohne  Säumen  voll- 
zogen. Zu  Sebaste  (Samaria),  wo  dreissig  Jahre  zuvor  Mariamme's 
Hochzeit  gefeiert  worden  war,  wurden  ihre  Söhne  durch  den  Strang 
hingerichtet  (wahrscheinlich  im  J.  7  v.  Chr.)^^').  | 


wohl  deshalb  empfohlen,  weil  es  römische  Colonie,  also  ein  Hauptsitz 
römischen  Lebens  in  der  Nähe  Palästina'»  war.  Nach  Straho  XVI.  2,  19  p. 
755  sq.  hat  Agrippa  in  ßerytus  zwei  Legionen  angesiedelt  (d.  h.  die  Veteranen 
von  solchen).  Dies  wird  im  J.  15  bei  Gelegenheit  von  Agrippa's  Besuch  in 
dortiger  Gegend  geschehen  sein  (vgl.  oben  S.  370  f.).  Eusebius  setzt  die  Grün- 
dung der  Colonie  Berytus  (nach  dem  Text  des  Hieronymus,  der  dem  arme- 
nischen vorzuziehen  ist)  in  das  Jahr  2003  Abr.  oder  das  30.  des  Augustus 
[Euseb.  Chron.  ed.  Schoette  II,  143),  d.  h.  14  vor  Chr.  (denn  Eusebius  rechnet 
das  J.  43  vor  Chr.  als  erstes  Jahr  des  Augustus).  Augustus  sagt  im  Monu- 
mentum  Äncyranian  III,  22  sqq.,  dass  er  im  J.  14  vor  Chr.,  consulibiis  M. 
Grosso  et  On.  Lentulo,  an  Municipien  grosse  Summen  bezahlt  habe  für  Län- 
dereien, welche  er  Veteranen  angewiesen  habe  {Monimsen,  Res  gestae  divi  Au- 
gusti  ed.  2.  p.  62—65).  Die  beiden  Legionen  waren  die  leg.  V  Mac.  und  VIII 
Aufi.  [Eekhel,  Doetr.  Num.  III,  356,  Mommsen,  l.  c,  p.  119,  Babelon,  Catalot/tie 
p.  CLXIV).  Der  volle  Name  von  Berytus  als  Colonie  lautet:  Colania  Julia 
AiMfiista  Felix  Berytus  {Corp.  Itiscr.  Laf.  f.  III  n.  161.  165.  166.  6041).  Vgl. 
auch  Plin.  Eist.  Nat.  V,  20,  78.  Joseph.  Bell.  Jud.  VII,  3,  1.  Digest.  L,  15, 
1,  1.  7.  8,  3.  Die  Münzen  bei  Eekhel,  Doetr.  Num.  111,354—359;  Mionnet, 
Descr.  de  midailles  ant.  V,  334—351,  Suppl.  VIII,  238—250;  Babelon,  Cata- 
logtie  des  monnaies  grecques  de  la  Bibltotheque  yiationale,  Les  Perses  Ächeme- 
nides  etc.,  1893,  p.  166—191;  Rouvier,  Journal  international  d'arclieologie  nu- 
mismatique  1900,  p.  263 — 312;  über  die  autonomen  Münzen:  Rouvier,  Revue 
numisrn.  1898,  p.  437—456,  640—658).  —  Robinson,  Palästina  HI,  725  ff'. 
Ritter,  Erdkunde  XVII,  62—64,  432—456.  Zunipt,  Commentt.  epigr.  I,  379. 
Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  I,  2.  Aufl.  S.  427  f.  Pauly-Wisso- 
wa's  Real-Enc.  III,  321  f.  Gardthausen,  Augustus  und  seine  Zeit  I,  2, 
839  f.  II,  2,  487  f.  —  In  der  späteren  Kaiserzeit,  mindestens  seit  dem  dritten 
Jahrhundert  nach  Chr.,  war  in  Berytus  eine  berühmte  Hochschule  für 
römisches  Recht  [Codex  Justin.  I,  17,  2,  9.  X,  49,  1.  Robinson  S.  726, 
Ritter  S.  436  f.  Marquardt  S.  428).  Deren  Anfange  können  recht  wohl  schon 
zur  Zeit  des  Augustus  vorhanden  gewesen  sein  (Hitzig,  Gesch.  des  Volkes 
Israel  II,  554). 

153)  Antt.  XVI,  11,  2—7.  B.  J.  I,  27,  2-6.  Nicol.  Damasc.  bei  Müller, 
Fragm.  hist.  graec.  III,  351  sq.  Feder,  Excerpta  Eseurialensia  p.  65.  —  Vgl. 
überhaupt:  Delitzsch,  Jüdisches  Handwerkerleben  zur  Zeit  Jesu,  2.  Aufl. 
1875  (S.  51—69:   „Ein  Junitag  aus  dem  letzten  Jahrzehnt  des  vorchristlichen 


412  §  15-   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [341] 

Aber  der  Friede  kehrte  damit  nicht  iu  Herodes'  Haus  zurück. 
Antipater  war  nun  zwar  am  Hofe  allmächtig  und  genoss  das 
unbedingte  Vertrauen  seines  Vaters.  Aber  dies  genügte  ihm  nicht. 
Er  wollte  die  Herrschaft  ganz  haben  und  konnte  den  Tod  des 
Vaters  kaum  erwarten.  Einstweilen  suchte  er  sich  durch  reiche 
Geschenke  einen  Anhang  zu  verschaffen  und  hielt  geheime  Zu- 
sammenkünfte mit  Herodes'  Bruder  Pheroras  (dem  Tetrarchen 
von  Peräa),  hinter  welchen  man  nichts  Gutes  vernmthete.  Salome, 
die  alte  Schlange,  hatte  dies  bald  ausgekundschaftet  und  hinter- 
brachte es  wieder  dem  König '^^).  So  wurde  allmählich  auch  das 
Verhältniss  zwischen  Herodes  und  Antipater  ein  gespanntes; 
und  Antipater  fand  es  für  gut,  um  dem  Conflict  auszuweichen,  sich 
nach  Rom  schicken  zu  lassen.  Dass  indess  Herodes  noch  kein  ernst- 
liches Misstrauen  gegen  ihn  hegte,  geht  aus  dem  Testamente  hervor, 
in  welchem  er  eben  damals  den  Antipater  zum  Thronfolger  er- 
nannte; nur  für  den  Fall,  dass  Antipater  vor  Herodes  stürbe,  war 
Herodes,  der  Sohn  der  Hohenpriesterstochter  Mariamme,  als  Nach- 
folger genannt  ^^^j. 

Während  Antipater  in  Rom  war,  starb  Pheroras  *^").  Damit 
erfüllte  sich  auch  Antipaters  Geschick.  Peinige  Freigelassene  des 
Pheroras  kamen  zu  Herodes  und  zeigten  ihm  an,  es  sei  zu 
vermuthen,  dass  Pheroras  vergiftet  worden  sei;  Herodes  möge  die 
Sache  doch  näher  untersuchen.  Bei  der  Untersuchung  ergab  sich, 
das  allerdings  Gift  vorhanden  war,  dass  dieses  aber  von  Anti- 
pater herrühi-te  und  nicht  für  Pheroras  bestimmt  war,  sondern 
diesem  von  Antipater  nur  übergeben  war,  damit  er  es  dem  Herodes 
beibringe.  Auch  erfuhr  Herodes  jetzt  durch  die  Sklavinen  von 
Pheroras'  Haus  alle  Aeusserungen,  die  Antipater  bei  jenen  ge- 
heimen Zusammenkünften  gethan  hatte,  seine  Klagen  über  das 
lange  Leben  des  Königs,  über  die  Unsicherheit  seiner  Aussichten 
und  anderes  mehr'").  Nun  konnte  Herodes  über  die  feindlichen 
Anschläge  seines  Lieblingssolines  nicht  mehr  im  Zweifel  sein.  Unter 
allerlei  Vorspiegelungen  rief  er  ihn  aus  Rom  zurück,  um  ihn  zu 
Hanse  vor  Gericht  zu  stellen.  Antipater,  der  nichts  Arges  alinte, 
kam  und  wurde  zu  seiner  grossen  Ueberraschung  —  denn  obwohl 

JcruMaloiiiM"),  —  Ueber  die  ötrafe  der  KrdrosHelun>^  bei  (\ou  Juden:  Mhrhna 
Sanhidrin  VII,  1.  3;  auch:  Terumolh  VII,  2;  Kcthuholh  IV,  \\\  Sanhcdrin  VI, 
6  fin.  IX,  3.  6.  XI,  1;  bei  den  Itömern:  Kein,  Art.  Inqucus  in  Pauly's  Real- 
Enc.  IV,  771. 

164)  Antt.  XVII,  1,  1.    2,  4.    B.  J.  I,  28,  1.  2i),  1. 

165)  Amt.  XVII,  3,  2.    B.  J.  I,  2fi,  2. 
156)  Atttt.  XVII,  3.  3.    B.  J.  I,  2»,  4. 

167)  Antt.  XVII,  4,  1-2.    B.  ./.  I,  30,  1-7. 


[341.  342]  §  15.    Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  413 

seit  der  ]  Entdeckung  seiner  Anschläge  sieben  Monate  verstrichen 
waren,  hatte  er  doch  niciits  davon  erfahren  —  beim  Eintritt  in 
den  königlichen  Palast  gefangen  genommen''^**).  Andern  Tags 
wurde  er  unter  Anwesenheit  des  syrischen  Statthalters  Varus 
vor  Gericht  gestellt.  Da  er  angesichts  der  thatsächlichen  Beweise 
nichts  zu  seiner  Vertheidigung  vorzubringen  wusste,  Hess  Herodes 
ihn  in  Fesseln  legen  und  erstattete  hierauf  Bericht  an  den  Kaiser  i^^). 

Herodes  war  jetzt  nahe  an  siebzig  Jahren.  Auch  seine  Tage 
waren  gezählt.  Er  litt  an  einer  Krankheit,  von  welcher  er  nicht 
mehr  genesen  sollte.  In  einem  neuen  Testamente,  welches  er  jetzt 
machte,  ernannte  er  seinen  jüngsten  Sohn  Antipas,  den  Sohn  der 
Samariterin  Malthake,  zum  Nachfolger  *^<>). 

Während  seiner  Krankheit  musste  er  auch  noch  erfahren,  wie 
sehnlich  das  Volk  nach  Befreiung  von  seinem  Joche  seufzte  und  den 
Augenblick  herbeiwünschte,  wo  es  sein  halb-heidnisches  Regiment 
abschütteln  konnte.  Als  sich  die  Nachricht  verbreitete,  dass  die 
Krankheit  unheilbar  sei,  wiegelten  zwei  Rabbinen,  Judas,  Sohn  des 
Sariphäus,  und  Matthias,  Sohn  des  Margaloth,  das  Volk  auf,  damit 
es  den  anstössigen  Adler  vom  Tempelthore  herunterreisse*^').  Nur 
zu  leicht  fanden  sie  Gehör;  und  unter  grossem  Tumult  wurde  das 
gottgefällige  Werk  vollbracht.  Herodes  indess  war  trotz  seiner 
Krankheit  immer  noch  stark  genug,  Todesurtheile  zu  fällen,  und 
Hess  die  Haupträdelsführer  lebendig  verbrennen  '^-). 

Die  Tage  des  alten  Königs  gingen  nun  zu  Ende.  Die  Krank- 
heit wurde  immer  schlimmer  und  führte  rasch  die  Auflösung  herbei. 
Auch  die  Bäder  von  Kallirrhoe,  jenseits  des  Jordan,  wohin  der 
König  sich  begab,  brachten  keine  Heilung  mehr'^^)^   ^js  er  nach 

158)  Antt.  XVII.  4,  3.    5.  1—2.    B.  J.  I,  31,  2-5. 

159)  Antt.  XVII,  5,  3-7.  B.  J.  I,  32,  1—5.  —  Vgl,  überhaupt  auch  Nieo- 
latis  Damasc.  bei  Müller  III,  352  sq.  Feder  p.  66  sq. 

160)  Antt.  XVII,  6,  1.    B.  J.  I,  32,  7. 

161)  Die  Namen  der  Rabbinen  lauten  Antt.  XVII,  6,  2:  ^lovdaq  o  ^uqi- 
tpaiov  xa)  Mat&iag  o  MaQyaX<v9^ov  {Niese  MfQya}.(ö^ov\,  dagegen  B.  J.  I,  33, 
2:  ^oiöaq  xe  vloq  2eTC(po)Qaiov  [Niese  SsiKpsgaiov]  xal  Max&lag  irsgoq  Muq- 
yakov. 

162)  Antt.  XVII,  6,  2—4.     B.  J.  1,  33,  1—4. 

163)  Antt.  XVII,  6,  5.  5.  J.  I,  33,  5.  —  Kallirrhoe  wird  auch  erwähnt 
von  Plin.  Hist.  Nat.  V,  16,  72;  Ptolem.  V,  16,  9;  Hieronymus,  Quaest.  in  Gen. 
10,  19;  auf  der  Mosaikkarte  von  Medaba  {^eg/xa  xaXXiQorjg,  s.  Schulten, 
Abhandlungen  der  Göttinger  Ges.  der  Wissensch..  philol.-hist.  Kl.  N.  F.  IV, 
2,  1900,  S.  13)  und  in  der  rabbinischen  Literatur  (Krauss,  Griech.  und  lat. 
Lehnwörter  im  Talmud  etc.  II,  550:  nnlsp).  Die  jüdische  Tradition  identificirt 
Kallirrhoe  und  biblisch  r'3  Oen.  10,  19  (Targum  Jenis.  zu  Oen.  10,  19,  Bere- 
schith  rabba  c.  37);  hiernach  Hieronymus,  Quaest.  Eebr.  in  Qenes.  10,  19  [opp. 
ed.  Vallarsi  III,  321) :  hoc  tantum.  adnotandum  videtur,  quod  Lise  ipsa  sit  quae 


414  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [342.  343] 

Jericho  zurückgekehrt  war,  soll  er  noch  den  Befehl  gegeben  haben, 
die  angesehensten  Männer  des  Volkes,  die  er  in  der  Rennbahn  da- 1 
selbst  hatte  einsperren  lassen,  bei  seinem  Tode  niederzuschiessen, 
damit  er  eine  würdige  Todtenklage  habe  ^^*).  Unter  allen  Schmerzen, 
die  seine  Krankheit  ihm  bereitete,  erlebte  er  noch  die  Genugthuung, 
seinen  Sohn  An  tipat  er,  den  Hauptanstifter  seines  häuslichenElendes, 
zum  Tode  zu  befördern.  Noch  in  den  letzten  Tagen  seines  Lebens 
traf  die  Erlaubniss  des  Kaisers  zur  Hinrichtung  Antipater's  ein, 
die  auch  bald  dai'auf  vollzogen  wurde  i*^^). 

Wenige  Tage  vor  seinem  Tode  änderte  Herodes  noch  einmal 
sein  Testament,  indem  er  den  Archelaus,  den  älteren  Sohn  der 


nunc  CaUirhoi'  dicihii;  iibi  aquae  calidae  prorwnpentes  in  mare  moriuum  de- 
fluunt.  —  Für  die  nähere  Bestimmung  der  Lage  kommen  zwei  noch  heute 
existirende  warme  Quellen  (oder  Quellen-Gruppen)  in  Betracht:  1)  Die  Quellen 
im  Wadi  Zerka  Main,  einige  Stunden  oberhalb  von  dessen  Mündung  in  das 
todte  Meer;  s.  über  diese:  Seetzen,  Reisen  II,  336—338.  Robinson,  Phy- 
sische Geographie  S.  176  f.  Kersten,  Zeitschr.  des  DPV.  II,  208  f.  Conder, 
The  Survey  of  Eastem  Palestine  vol.  I,  1889,  p.  102.  Buhl,  Geogr.  S.  50 f. 
Legendre  Art.  Callirrhoe  in  Vir/ouroux,  Dictionnaire  de  la  Bible  II,  69 — 72. 
2)  Die  Quellen  von  Es-Sara,  am  todten  Meere,  eine  halbe  Stunde  südlich  von 
der  Mündung  des  Wadi  Zerka  Main;  über  diese:  Dechent,  Zeitschr.  des 
DPV.  VII,  196  fl'.  Buhl  S.  41.  Die  Meisten  identificiren  Kallirrhoe  mit 
ersteren,  namentlich  deshalb,  weil  diese  nach  Ausweis  der  erhaltenen  Strassen- 
züge  im  Alterthum  die  berühmteren  waren  (Buhl  S.  123).  Dechent  hingegen 
sucht  Kallirrhoe  in  den  Quellen  von  Es-Sara  (Zeitschr.  des  DPV.  VII,  1884, 
8.  196 — 201),  wohl  mit  Recht;  denn  1)  nur  von  diesen  kann  gesagt  werden, 
dass  sie  in  das  todte  Meer  fliessen,  wie  Josephua  und  Hieronymus  von  den 
Quellen  von  Kallirrhoe  sagen  (die  anderen  fliessen  in  den  Wadi  Zerka,  der 
erst  ein  paar  Stunden  später  in  das  todte  Meer  mündet).  2)  Die  Quellen  im 
Wadi  Zerka,  ein  paar  Stunden  oberhalb  von  dessen  Mündung,  sind  otlenbar 
identisch  mit  dem  Orte  BaaQaq,  welclieu  Josepiius  Bell.  Jtid.  VII,  6,  3  be- 
schreibt (in  der  Schlucht  nördlich  von  Machärus,  mit  verschiedenen  heissen 
Quellen).  Diese  Quellen  von  Baaru  werden  auch  erwähnt  von  Hieronymus 
{Eusel).  Onomast.  ed.  La//arde  p.  102:  juxta  Baani  in  Ar  ab  ia,  itbi  aqua«  calidas 
«jxmtc  humuH  eifert),  in  der  Lebensbeschreibung  Petrus'  des  Ibcrer's  (Rauhe, 
Petrus  der  Iberer  1895,  S.  82  u.  87),  und  auf  der  Mosaikkarte  von  Modaba 
(denn  das  verstümmelte  .  .  agov,  welches  durch  die  beigefügte  Vignette  als 
Ort  warmer  Quellen  charakterisirt  ist,  ist  sicher  zu  Baapov  zu  ergänzen,  s. 
Hchultcn  a.  u.  0.  8.  12  f.).  Nach  der  Mosaikkarte  sind  aber  Baiiru 
und  Kallirrhoe  versciiiedeu,  was  oiineliiii  schon  deshalb  wahrscticiiilicli 
ittt,  weil  JosepliUH  bei  der  Beschreibung  von  Biuiras  den  Namen  Kullirrhoe 
nicht  erwähnt  Also  wird  letzteres  mit  den  Quellen  südlich  von  der  Mündung 
de«  Zerka  identisch  sein. 

l«4)  Antt.  XVII,  6,  6.  B.  J.  I,  33,  Ü.  Der  Befehl  wurde  nicht  ausgeführt 
(Anlt.  XVII,  8,  2.  n.  J.  I,  33,  8).  —  Vgl.  die  fthnliclu«  rabbinisrhe  Tradition 
bei  Derenhuurg  p.  1(J4  aq. 

165)  AfUt.  XVII,  7.    B.  ./.  I,  33,  7.    Mcolat^  Damanc.  a.  ii.  < ). 


[343]  §  15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  415 

Malthake,  zum  König  ernannte,  dessen  Bruder  Antipas  zum  Te- 
trarchen  von  Galiläa  und  Peräa,  und  den  Philippus,  den  Sohn 
der  Jerusalemiterin  Kleopatra,  zum  Tetrarchen  von  Gaulanitis, 
Trachonitis,  Batanäa  und  Panias'^''). 

Endlich,  fünf  Tage  nach  der  Hinrichtung  Antipater's,  starb 
er  zu  Jericho,  unbetrauert  von  den  Seinen  und  gehasst  vom 
ganzen  ^'olke  (4  v.  Chr.)^^').  —  Ein  pomphafter  Leichenzug  ge- 


166)  Äntt.  XVII,  8,  1.    B.  J.  I,  33,  7  u.  8. 

167)  Änit.  XVII,  8,  1.  B.  J.  I,  33,  8.  —  üeber  den  Zeitpunkt  seines 
Todes  s.  Fröret,  Eclaircissement  sur  Vannee  et  siir  le  ternps precis  de  la  mort 
d'Herode  le  Oratid,  roi  de  Judee  {Mimoires  de  l'Academie  des  inscriptions  et 
helles-lettres  alte  Serie  t.  XXI,  1754,  p.  278—298).  Sanclemente,  De  vulgaris 
(terae  emendatione  1793,  p.  307—394  (Hauptwerk).  Wurm  in  Bengel's  Archiv, 
Zweiten  Bandes  erstes  Stück,  1816,  S.  26 — 39  (werthvoll  wegen  der  astrono- 
mischen Mittheilungen).  Ideler,  Handbuch  der  Chronologie  II,  389 — 393. 
W  lese  1er,  Chronologische  Synopse  S.  50— 57.  Seyffarth,  Ckronologia  sacra 
S.  80—85.  Gumpach,  Ueber  den  altjüdischen  Kalender  (1848)  S.  236—238. 
Van  der  Chijs,  De  Herode  Magno  p.  62  sq.  Lewin,  Fasti  sa,cri  (1865)  p. 
IX — XXII.  Caspari,  Chronologisch-geogr.  Einleitung  in  das  Leben  Jesu 
Christi  (1869)  S.  26— 30.  Quandt,  Zeitordnung  und  Zeitbestimmungen  in  den 
Evangelien  (1872)  S.  4-12.  Sevin,  Chronologie  des  Lebens  Jesu  (2.  Aufl.  1874) 
S.  54— 70.  Riess,  Das  Geburtsjahr  Christi  (1880)  S.  6— 57,  189— 224.  Schegg, 
Das  Todesjahr  des  Königs  Herodes  und  das  Todesjahr  Jesu  Christi,  1882. 
Riess,  Nochmals  das  Geburtsjahr  Jesu  Christi  (1883)  S.  1—68.  Sattler, 
Das  Jahr  749  nach  Erbauung  Roms  das  wahre  Geburtsjahr  Jesu  (Allgem.  Zei- 
tung 1883,  Beilage  Nr.  72).  Mimain,  La  connaissanee  des  temps  evangeliques 
(1886)  p.  53—59.  Kellner  im  „Katholik"  1887,  Zweite  Hälfte  S.  75—82, 
166—182. 

Herodes  starb  kurz  vor  einem  Passa  {Antt.  XVII,  9,  3.  B.  J.  II,  1,  3),  also 
im  März  oder  April.  Da  Josephus  sagt,  er  habe  37  Jahre  nach  seiner  Er- 
nennung, 34  nach  der  Eroberung  Jerusalems  regiert  {Antt.  XVII,  8,  1.  B.  J.  I, 
33,  8),  so  könnte  es  scheinen,  als  ob  er  (vom  Jahre  40,  resp.  37  an  gerechnet) 
im  J.  3  V.  Chr.  gestorben  wäre.  Allein  wir  wissen,  dass  Josephus  auch  sonst  — 
nach  unsern  Begriffen  —  ein  Jahr  zu  viel  rechnet.  So  zählt  er  von  der  Er- 
oberung Jerusalems  durch  Pompejus  bis  zu  der  durch  Herodes  27  Jahre  {Antt. 
XIV,  16,  4),  während  es  nur  26  sind  (63—37);  von  der  Eroberung  durch  He- 
rodes bis  zu  der  durch  Titus  107  Jahre  {Aiitt.  XX,  10),  während  es  nur  106 
sind  (717—823  a.  V.);  im  Frühjahr  31  zählt  er  bereits  das  siebente  Jahr  des 
Herodes  {Antt.  XV,  5,  2.  B.  J.  I,  19,  3),  während  es  erst  das  sechste  war  ^^von 
Juli  37  an).  Es  geht  daraus  hervor,  dass  er  die  Jahresbruchtheile  für  volle 
Jahre  zählte;  und  zwar  rechnete  er  wahrscheinlich  (wie  es  auch  die  Mischna 
voraussetzt,  vgl.  Bosch  haschana  I,  1:  D'^sbab  njirn  ttJK"i  'll5''32i  1^X2)  die  Re- 
gierungsjahre der  Könige  von  Nisan  zu  Nisan  (so  z.  B.  auch  Nöldeke  bei 
Gardthausen,  Augustus  II,  1,  120;  Unger,  Sitzungsberichte  der  Münchener 
Akad ,  philos.-philol.  und  bist.  Cl.  1896,  S.  361,  391  ff.).  Ist  dies  der  Fall,  so 
würde  das  34.  Jahr  des  Herodes  am  1.  Nisan  des  Jahres  4  v.  Chr.  beginnen, 
und  Herodes  müsste  demnach,  da  er  vor  dem  Passa  starb,  zwischen  1.  und  14. 
Nisan  d.  J.  4  v.  Chr.  gestorben  sein.    Dass  dies  in  der  That  die  richtige 


416  §  15.    Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [344] 

BechnuDg   ist,    wird   bestätigt   durch  ein  astronomisches  Datum 
und  durch  die  Chronologie  der  Nachfolger  des  Herodes. 

1.  Kurz  vor  Herodes'  Tod  war  eine  Mondfinsterniss  eingetreten  {Anft. 
XVII,  6,  4).  Dies  passt  nur  auf  das  Jahr  4  v.  Chr.,  in  welchem  in  der  Nacht 
vom  12.— 13.  März  in  Jerusalem  eine  Mondfinsterniss  statt  hatte,  während  es 
in  den  Jahren  3  und  2  v.  Chr.  in  Palästina  überhaupt  keine  solche  gegeben 
hat  (Wurm  S.  34  f.  Ideler  S.  391  f.  Ginzel,  Specieller  Kanon  der  Sonnen- 
und  Mondfinsternisse  für  das  Ländergebiet  der  klassischen  Alterthumswissen- 
schaften  und  den  Zeitraum  von  900  vor  Chr.  bis  600  nach  Chr.,  Berlin  1899 
[Hauptwerk  über  diesen  Gegenstand]  S.  195 — 196).  Nur  im  J.  5  vor  Chr., 
15.  Sept.,  und  im  J.  1  vor  Chr.,  9.  Januar,  haben  auch  Mondfinsternisse,  die 
in  Jerusalem  sichtbar  waren,  stattgefunden  (Ginzel  a.  a.  0.).  Aber  an  diese 
kann  wegen  der  übrigen  Daten  nicht  gedacht  werden  (für  das  J.  1:  Riesa 
a.  a.  O.).  —  Das  Passa  (15.  Nisan)  fiel  im  J.  4  vor  Chr.  auf  den  11.  April 
(Ginzel  a.  a.  O.). 

2.  Die  Chronologie  zweier  Nachfolger  des  Herodes,  des  Archelaus  und 
Antipas,  fordert  das  J.  4  v.  Chr.  =  750  a.  TL  als  Todesjahr  des  Herodes. 

a)  Ar  che  laus.  Er  wurde  nach  Bio  Cass.  LV,  27  im  J.  759  a.  f".  (unter 
den  Consuln  Aemilius  Lepidus  und  L.  Arruntius)  von  Augustus  abgesetzt,  im 
zehnten  Jahre  seiner  Regierung  (so  Antt.  XVII,  13,  2,  vgl.  Vita  e.  1,  wodurch 
die  frühere  Angabe  B.  J.  II,  7,  3:  „im  neunten"  corrigirt  wird).  Also  Re- 
gierungsantritt: 750  a.  U. 

b)  Antipas.  Er  wurde  im  Sommer  39  nach  Chr.  =  792  o.  U.  (s.  unten 
§  17b)  von  Caligula  abgesetzt.  Da  wir  noch  Münzen  von  ihm  aus  dem  43. 
Jahre  seiner  Regierung  haben,  fällt  sein  Regierungsantritt  spätestens  in  das 
J.  750  a.  U. 

Es  liefern  somit  alle  Data  das  Resultat,  dass  Herodes  im  J.  4  vor  Chr. 
"=  750  a.  U.,  kurz  vor  dem  Passa,  gestorben  ist.  —  Für  dieses  Resultat,  wenig- 
stens in  Betreff  des  Jahres,  haben  auch  die  meisten  neueren  Forscher  sidi 
entschieden  (unter  den  obengenannten:  Freret,  Sanclemente,  Ideler,  Wieseler, 
Gumpach,  van  der  Chijs,  Lewin,  Sevin,  Schegg,  Sattler,  Moniain);  nahe  kom- 
men ihm:  Wurm  (4  oder  3  vor  Chr.),  Quandt  und  Kellner  (3  vor  Chr.);  stärker 
weichen  ab:  Caspari,  Riess  (1  vor  Chr.)  und  Seyffarth  (1  nach  Clin). 

Im  Einzelnen  sei  noch  bemerkt:  1)  Die  Sitte,  einen  Bruchtheil  des  Ka- 
lenderjahres am  Anfang  und  Ende  der  Regierung,  selbst  wenn  er  noch  so 
klein  war,  als  volles  Regier» iigHJahr  zu  zählen,  steht  für  Aegypten  ausser 
Zweifel.  Nicht  nur  die  Jahre  der  Ptolemäer,  sondern  auch  die  der  römischen 
Kaiser  wurden  in  Aegypten  in  dieser  Weise  gezählt  (Ideler,  Handb.  der  Chro- 
nologie I,  117  ff.  Momnisen,  Römisches  Staatsrecht  1.  Aufi,  II,  2,  758  fl'.).  Später 
wurde  dies  au«h  HUSHerhalb  Aegyptens  für  die  Zählung  der  Kaiserjahro  üblich 
(Mommseii  I,  501  f.  H,  2,  756  f!'.).  Unger  glaubt,  da8.s  Joseplius  auch  die  Re- 
gieningNJHhre  der  HasmonSer  in  dieser  Weise  gezählt  hat  (s.  oben  S.  256  f.). 
Schwach  begründet  Ist  der  Widerspruch,  welchen  Gumpach  8.  223—236  gegen 
die  von  uos  vertretene  Auffassung  erhoben  hat.  —  2)  Von  der  Münze  des 
Antipas  vom  J.  43  [MF)  sind  jetzt  drei  Exempluro  bekannt  {MmMen,  Goina 
of  the  Jetc»  1881,  p.  121  sq.,  zwei  nach  Letu)nnnnt,  'IVhor  fie  Ni(»n'stn<iliqitr  p. 
125  pl.  LIX  n,  10  u.  20,  eines  nach  rfß  Saulcij,  M^ilaivics  ih:  Nin/tisni<i(i(iiu;  t. 
\l,  1877,  p.  02).  Ihre  Existenz  steht  also  atiHHcr  Zweifel.  H(  liwicrigkcilcm 
machen  aber  Münzen  mit  den  angeblichen  Daten  44  (MJ)  und  45  (iW/i').  Die 
Münze  vom  J.  44  (MJ)  ist  nicht  nur  von  dem  wenig  zuvi-rläHsigcn  Vaillant 
bettcbriehon  worden,  sondern  aucli  in  einem  lnindHcliriftlicIicn  RiMHcbcridit  von 


[343.  345]  §  15.    Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  417 

leitete  die  |  königliche  Leiche  von  Jericho  acht  Stadien  weit  in 
der  Richtung  nach  Herodeion,  wo  die  Beisetzung  stattfand*^®). 


Galand,  der  sie  im  J.  1G74  bei  Jericho  gefunden  hat  (mitgetheilt  bei  Friret, 
Memoires  de  V  Academie  des  inscr.  et  belles-lettres  t.  XXI,  1754,  p.  292  sq^].  Ein- 
gehend haben  sich  mit  ihr  namentlich  Sanclemente  p.  315—319  und  Eekhel, 
Doctr.  Niim.  III,  487  sq.  beschäftigt.  Beide  vermuthen,  dass  das  Datum  un- 
richtig gelesen  sei  (es  heisse  wohl  Ad  =  34).  Vgl.  pro  und  contra  auch: 
Ideler  S.  391,  Madden,  History  p.  99,  ders.  Coins  p.  122,  Riess  1880  S.  55—57, 
Sattler  a.  a.  O.,  Memain  S.  448  f.  Kellner  S.  176.  Die  Gründe  Eckhel's  sind 
sehr  einleuchtend ;  er  weist  namentlich  darauf  hin,  dass  die  von  Galand  be- 
scliriebene  Münze  nach  ihrer  sonstigen  Beschaffenheit  mit  denjenigen  vom  J. 
34  übereinstimme,  aber  nicht  mit  denjenigen  vom  J.  43.  Misslich  ist  nur,  dass 
es  bei  Fröret  S.  293  in  Bezug  auf  Galaud's  Beschreibung  heisst:  les  lettres  de 
Pepoque  Md  soiit  tr^-nettemeiit  fifiuries  dans  son  mauuscrit  et  absolument 
siparSes  Vtine  de  l'autre.  Aber  die  Zeichnung  iu  Galand's  Manuscript  ist 
doch  nicht  entscheidend;  die  Münze  selbst  ist  im  Originale  nicht  mehr  nach- 
weisbar. Neuerdings  ist  aber  sogar  eine  Münze  mit  der  Jahreszahl  45  (ME) 
aufgetaucht,  welche  Sattler.  Gymnasial-Prof.  in  München,  im  J.  1886  er- 
worben hat  (s.  darüber  die  Mittheilung  von  Wandel,  Neue  kirchl.  Zeitschrift 
1894,  S.  302  f.).  Nach  einer  von  Wandel  mir  mitgetheilten  Abbildung  ist  sie 
verwandt  mit  der  Münze  vom  J.  43,  denn  sie  hat  auf  der  Rückseite  die  Auf- 
schrift raicD  KaiaaQi  Feg  Ss.  Wenn  das  Datum  ME  wirklich,  wie  versichert 
wird,  deutlich  zu  lesen  ist,  so  dürfte  hier  eine  Fälschung  vorliegen.  Auf  keinen 
Fall  kann  der  Tod  des  Herodes  früher  als  750  a.  U.  angesetzt  werden.  Eher 
würde  man  sich  entschliessen  müssen,  die  Regierungszeit  des  Antipas  bis  793 
auszudehnen,  womit  man  freilich  der  Münze  vom  J.  45  auch  noch  nicht  ge- 
recht würde.  —  3)  Die  Versuche,  den  Todestag  des  Herodes  mit  Hülfe  der 
jüdischen  Tradition  näher  zu  bestimmen,  sind  haltlos.  In  der  alten  Mef/illath 
Taanith  werden  allerdings  der  7.  Kislev  und  der  2.  Schebät  als  Freudentage 
bezeichnet  (s.  Text  und  Uebersetzung  bei  Derenbourg,  Histoire  jo.  442 — 446, 
§  21  u.  25).  Aber  erst  der  ganz  späte  und  von  jeder  wirklichen  Tradition 
verlassene  Commentar  dazu  bemerkt,  dass  der  7.  Kislev  der  Todestag  des 
Herodes  und  der  2.  Schebät  der  Todestag  des  Jannai  sei  (über  die  Werth- 
losigkeit  des  Commentares  s.  bes.  Wellhausen,  Pharisäer  und  Sadducäer 
S.  56—63,  vgl.  auch  oben  S.  156  f.).  Den  7.  Kislev  nimmt  z.  B.  Kellner 
an  (Katholik  1887,  zweite  Hälfte,  S.  180—182).  Da  aber  zum  2.  Schebät  von 
Jannai  erzählt  wird,  dass  er  die  vornehmsten  Juden  gefangen  gesetzt  und  be- 
fohlen habe,  nach  seinem  Tode  sie  hinzurichten,  so  nehmen  manche  jüdische 
Gelehrte  eine  Verwechselung  mit  Herodes  an  und  setzen  den  Tod  des  letzteren 
auf  den  2.  Schebät  (so  Grätz,  Gesch.  der  Juden  Bd.  III,  4.  Aufl.  S.  572  f. 
[Note  1].  Brunn,  De  Herodis  qui  die itur  Maf/ni  filiis  1873,  p.  S  sq.).  Die  eine 
Notiz  ist  so  werthlos  wie  die  andere. 

168)  Äntt.  XVII,  8,  3fin.:  tjsaav  öi  inl  ^Hgcpösiov  ardSia  oxzw.  Bell.  Jvd. 
I,  33,  9/?w.:  axa6lov(i  ob  ixonlaO^ri  x6  adifia  öiaxoaiovq  siq'^HQwdeiov.  — 
Erstere  Stelle  besagt,  wie  weit  der  feierliche  Zug  mitging,  letztere  giebt  die 
Entfernung  von  Jericho  bis  Herodeion  an.  Die  LA.  sßöofi^xovra,  welche  B. 
J.  1,  33,  9  von  zwei  Handschriften  geboten  wird,  will  die  Entfernung  von  Je- 
rusalem angeben  und  kann  eben  darum  nicht  die  ursprüngliche  sein.  Es  ist 
ohne  Zweifel  die  bedeutendere  der  beiden  gleichnamigen  Festungen  gemeint 

Schür  er,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  27 


418  §15.   Herodes  der  Grosse  (37—4  v.  Chr.).  [345.  346] 

Blutig,  wie  der  Anfang,  war  auch  das  Ende  seiner  Regierung. 
Die  bessere  Zeit  liegt  in  der  Mitte.  Aber  auch  in  den  besseren 
Tagen  war  er  ein  Despot  und  im  Ganzen,  bei  allem  Glänze  seiner 
Regierung,  „doch  nur  ein  gemeiner  Mensch"  (Hitzig  II,  559).  Der 
Beiname  des  „Grossen",  durch  welchen  man  ihn  von  seinen  macht-j 
loseren  Nachkommen  gleichen  Namens  zu  unterscheiden  pflegt,  ist 
nur  berechtigt,  wenn  er  eben  in  diesem  relativen  Sinne  genommen 
wird  »«9). 


§  16.    Die  Wirren  nach  Herodes'  Tod  (4  vor  Chr.). 

Quellen:  Joseph.  Antt.  XVII,  9—11.    Bell.  Jud.U,  1— G.    Zonaras  Ännal.  VI, 

1 — 2  (Auszug  aus  Josephus). 
Nicolaus  Damasce^ms  bei  Müller,  Fragm.  Hist.  Oraec.  III,  353  sq. 

Feder,  Excerpta  Escurialensia  p.  67 sq. 
Literatur:  Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV,  585—594. 
Grätz,  Geschichte  der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  246—253. 
Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  559 — 562. 
Schneckenburger,  Zeitgeschichte  S.  200 — 203. 
Hausrath,  Zeitgeschichte  2.  Aufl.  I,  275—283. 
Lew  in,  Fasti  saeri,  ad  ann.  4. 
Brann,  De  Herodis  qui  dicitur  Magni  fUiis  patrem  in  imperio  se- 

ctttis,  pars  I,  1873  (behandelt  nur  die  Ereignisse  des  Jahres  4 

V.  Chr.). 
Menke's  Bibelatlas  Bl.  V:  „Judäa  und  Nachbarländer  zu  Christi 

und  der  Apostel  Zeit". 

Durch  das  letzte  Testament  des  Herodes  war  Archelaus  zum 
Nachfolger  im  Königthum  ernannt  worden.  Ks  musste  nun  dessen 
erste  Sorge  sein,  vom  Kaiser  die  Bestätigung  der  väterlichen  An- 
ordnung zu  erwirken;  und  zu  diesem  Behufe  gedachte  er  sich  nach 
Rom  zu  begeben.  Aber  ehe  er  dorthin  abgehen  konnte,  hatte  er 
noch  einen  Aufstand  in  Jerusalem  zu  dämpfen.    Das  Volk  konnte 


(s.  oben  8.  390),  deren  Entfernung  von  Jericho  nahe  an  zweihundert  Stadien 
betrigt.  Da  Herodes  hier  bestattet  wurde,  »o  ist  das  /xvtjfxhTov  des  Herodes 
bei  JcruRalem  {B.  J.  V,  3,  2;  12,  2)  nur  ein  Denknuil,  nicht  das  eigentliche 
Grab.  Schick  glaubt  da«  fivrj/ieTov  des  HerodcH  gefunden  zu  haben,  und 
midnt,  es  kannten  lii<'r  die  Frauen  des  Herodes  bestattet  gewesen  sein  (Zeit- 
sclirift  des  DVV.  XVI,  1H93,  8.  202—206).  Ebenso  Scjourne,  h'cvue  biblique 
lÖiJ'J,  p.  207-273  (vgl.  Zeitschr.  des  DPV.  XVIT,  223 f.). 

1(50)  In  dicseni  Shine  ist  der  BciiuniH;  b  ft^yet^  wohl  auch  schon  von  Jo- 
iie)ihus  gemeint  an  der  einzigen  8tclle,  an  welcher  er  ihn  gebraucht  (Antt* 
XVIIT,  r.   41. 


[346.  347]  §  16.   Die  Wirren  nach  Herodes'  Tod  (4  v.  Chr.;.  419 

die  Hinrichtung  der  beiden  Rabbineu  Judas  und  Matthias  nicht 
so  leicht  vergessen  und  verlaugte  von  Archelaus  stürmisch  die  Be- 
strafung der  Rathgeber  des  Herodes.  Archelaus  versuchte  zunächst 
in  Güte,  sie  von  ihrem  Verlangen  abzubringen.  Als  aber  dies  nichts 
half,  sondern  nur  eine  Steigerung  des  Tumultes  zur  Folge  hatte, 
Hess  er  —  da  die  Sache  wegen  des  eben  bevorstehenden  Passa- 
festes,  wo  immer  eine  grosse  Volksmenge  sich  in  Jerusalem  zu  ver- 
sammeln pflegte,  bedenklich  war  —  eine  Abtheilung  Soldaten  gegen 
die  im  Tempel  Versammelten  vorgehen,  um  den  Tumult  mit  Gewalt 
zu  unterdrücken.  Aber  die  Abtheilung  war  zu  schwach,  um  gegen 
die  erregten  Massen  etwas  auszurichten.  Ein  Theil  der  Soldaten 
wurde  vom  Volke  gesteinigt;  die  übrigen  ergriffen  sammt  dem  An- 
führer die  Flucht.  Jetzt  luusste  Archelaus  seine  ganze  Streitmacht 
aufbieten;  und  erst  mit  Hülfe  dieser  gelang  es,  unter  gi-ossem  Blut- 
vergiessen  den  Aufstand  zu  unterdrücken ').  | 

Nachdem  so  Archelaus  durch  Gewalt  sich  Ruhe  verschafft  hatte, 
eilte  er  nach  Rom,  indem  er  seinen  Bruder  Philippus  als  Verweser 
des  Reiches  zurückliess.  Kaum  war  er  fort,  so  umchte  sich  auch 
Antipas  auf  den  Weg  nach  Rom,  um  ebenfalls  seine  Ansprüche 
geltend  zu  machen.  Er  hatte  durch  das  letzte  (dritte)  Testament 
des  Herodes  nur  Galiläa  und  Peräa  erhalten,  während  er  im  früheren 
(zweiten)  als  eigentlicher  Thronfolger  eingesetzt  gewesen  war.  Da- 
her wollte  er  nun  dem  Kaiser  vorstellen,  dass  eigentlich  ihm,  nicht 
dem  Archelaus  das  Königthum  gebühre.  Gleichzeitig  mit  Archelaus 
und  Antipas  waren  auch  viele  Angehörige  des  herodianischen 
Hauses  in  Rom  anwesend,  und  diese  traten  nun  ebenfalls  gegen 
Archelaus  auf  und  wünschten  am  liebsten,  dass  Palästina  unter 
unmittelbar  römische  Verwaltung  komme;  oder  wenn  dies  nicht 
geschehe,  wollten  sie  jedenfalls  den  Antipas  lieber  als  den 
Archelaus  '^). 

So  agitirten  die  Söhne  des  Herodes  in  Rom  gegen  einander. 
Augustus,  in  dessen  Hand  die  Entscheidung  lag,  berief  einstweilen 
in  seinen  Palast  eine  berathende  Versammlung,  in  welcher  die  feind- 
lichen Brüder  ihre  beiderseitigen  Ansprüche  geltend  machen  sollten. 
Für  Antipas  sprach  ein  gewisser  Antipater,  während  für  Archelaus 
der  ehemalige  Minister  des  Herodes  Nicolaus  Damascenus  das  Wort 
führte.  Ein  jeder  suchte  den  Kaiser  theils  durch  Gründe,  theils 
durch  Verdächtigungen  des  Gegners  auf  seine  Seite  zu  bringen. 
Als  Augustus  die  beiden  Parteien  vernommen  hatte,  neigte  er  sich 


1)  Antt.  XVII,  9,  1—3.    B.  J.  II,  1,  1—3. 

2)  Antf.  XVII,  9,  3—4.   B.J.  II,  2,  1—3.    Xicolaus  Damascenus  bei  Müller 
III,  353. 

27* 


420  §  16.    Die  Wirren  nach  Herodes'  Tod  (4  v.  Chr.).         [347.  348] 

mehr  auf  Seite  des  Archelaus  und  erklärte  diesem,  dass  er  der 
Würdigste  sei,  den  königlichen  Thron  zu  besteigen.  Doch  wollte 
er  die  Sache  noch  nicht  sofort  entscheiden  und  entliess  daher  die 
Versammlung,  ohne  ein  endgültiges  ürtheil  gefällt  zu  haben  3). 

Ehe  aber  in  Rom  die  Frage  wegen  der  Thronfolge  entschieden 
wurde,  brachen  in  Judäa  neue  Unruhen  aus.  Schon  bald  nach  des 
Archelaus  Abreise  hatten  die  Juden  wieder  tumultuirt,  waren  aber 
von  Varus,  dem  Legaten  von  Syrien,  zur  Ruhe  gewiesen  worden. 
Varus  war  dann  nach  Antiochia  zurückgekehrt,  indem  er  zur  Auf- 
rechterhaltung der  Ruhe  eine  Legion  in  Jerusalem  zurückliess. 
Allein  kaum  war  er  fort,  so  brach  der  Sturm  abermals  los.  Der 
Kaiser  hatte  nämlich  nach  Herodes'  Tod  bis  zur  Ordnung  der  Thron- 
folge einen  Procurator,  Sabinus^  nach  Palästina  geschickt.  Dieser 
bedrückte  das  Volk  auf  alle  Weise  und  benahm  sich  in  jeder  Be- 
ziehung rücksichtslos.  Daher  kam  es  unmittelbar  nacli  dem  Abzug 
des  Varus  wieder  zu  einem  Aufstand.  Es  war  gerade  das  Pfingst- 
fest  und  deshalb  viel  Volk  in  Jerusalem  anwesend.  Sie  theilten 
sich  in  drei  Haufen,  und  griffen  an  drei  Stellen  die  Römer  an:  im 
Norden  des  Tempels,  südlich  bei  der  Rennbahn  und  im  Westen  der 
Stadt  beim  königlichen  Palaste.  Zum  heftigsten  Kampfe  kam  es 
zunächst  beim  Tempel.  Die  Römer  drangen  siegreich  gegen  den 
Tempelplatz  vor;  aber  die  Juden  leisteten  hartnäckigen  Widerstand, 
stiegen  auf  die  Dächer  der  Hallen,  welche  den  Tempelplatz  rings 
umgaben,  und  warfen  von  hier  aus  Steine  auf  die  Soldaten  herab. 
Die  letzteren  mussten  zum  Feuer  ilire  Zuflucht  nehmen,  steckten 
die  Hallen  in  Brand  und  bemächtigten  sich  auf  diese  Weise 
endlich  des  Tempeiberges.  Als  erwünschte  Beute  fiel  ilineii  der 
Tempelschatz  in  die  Hände,  wovon  Sabinus  selbst  40U  Talente  für 
8ich  wegnahm^). 

Allein  diese  erste  Niederlage  der  Aufständischen  war  nur  das 
Signal  zu  einer  weiteren  Ausdehnung  des  Aufruhrs.  In  Jerusalem 
schlug  sich  ein  Tlieil  der  Soldaten  des  Herodes  zu  den  Aufstän- 
dischen; und  infolge  dessen  gelang  es  diesen,  den  Sabinus  sammt 
s«?iner  Streitmacht  förmlich  im  Palast  des  Herodes  zu  belagern-'). 
In  der  Nähe  von  Sepphoris  in  Galiläa  sammelte  .ludas.  der  Sohn 
jenes  Ezj'chiu.s  niit  welchen»  Jlerodcs  einst  zum  Aerger  des  Syne- 
driunis  so  kurzen  IM-ocess  geuuicht  hatte  (s.  oben  S.  'MS),  eine  Schaar 
um  sicii,  bfinächtigte  sich  der  im  königlichen  Arsenal  .lufhcwaliiteu 
Wttft'en,   theilte  diese  unter  seine  (gesellen  ;nis  und  machte  damit 


8)  AfUt.  xvn,  ü,  5-7.  n.  j.  n,2, 4-7. 

4)  Ann.  xvn,  10,  1—2.    B.  J.  II,  3,  1-3. 
6)    '""    yV!l,  10,  3.    B.  J.  H,  H,  4. 


[348.  349J  §  16.    Die  Wirren  nach  Herodes'  Tod  (4  v.  Ctir.).  421 

ganz  Galiläa  unsicher.  Ja  er  soll  nach  der  Königskrone  getrachtet 
haben '^).  In  Peräa  sammelte  ein  gewisser  Simon,  ein  ehemaliger 
Sklave  des  Herodes,  eine  Bande  und  Hess  sich  von  dieser  zum  König 
ausrufen,  wurde  aber  bald  darauf  von  einer  römischen  Abtheilung 
besiegt  und  büsste  mit  dem  Leben ').  Endlich  wird  von  einem  ehe- 
maligen Hirten  Namens  Athronges  berichtet,  dass  er  sich  die 
königliche  Krone  aufgesetzt  habe  und  mit  seinen  vier  Brüdern 
längere  Zeit  hindurch  das  Land  unsicher  gemacht  habe^).  —  Es 
war  eine  Zeit  allgemeiner  Verwirrung,  aus  welcher  jeder  für  sich 
möglichst  viel  Vortheil  zu  ziehen  suchte. 

Als  Varus  von  diesen  Vorgängen  Kunde  erhielt,  brach  er 
mit  den  beiden  Legionen,  welche  er  noch  hatte,  von  Antiochia  auf, 
um  1  die  Ordnung  in  Palästina  wiederherzustellen.  Unterwegs 
schlössen  sich  auch  arabische  Hülfstruppen,  von  König  Aretas  ge- 
sandt, sowie  andere  Hülfstruppen  ihm  an.  Mit  dieser  Streitmacht 
säuberte  er  zunächst  Galiläa.  Sepphoris,  wo  jener  Judas  sein  Un- 
wesen getrieben  hatte,  ward  in  Brand  gesteckt  und  die  Einwohner 
als  Sklaven  verkauft.  Darauf  zog  Varus  nach  Samaria,  das  er 
aber  verschonte,  da  es  sich  am  Aufstande  nicht  betheiligt  hatte, 
und  rückte  dann  vor  Jerusalem,  wo  noch  immer  die  dort  stationirte 
Legion  von  den  Juden  im  königlichen  Palast  belagert  wurde. 
Varus  hatte  hier  leichtes  Spiel.  Denn  als  die  Belagerer  die  starke 
römische  Macht  heranrücken  sahen,  verloren  sie  den  Muth  und  er- 
griffen die  Flucht  Damit  war  Varus  Herr  der  Stadt  und  des 
Landes.  Sabinus  aber,  der  wegen  des  Tempelraubes  und  anderer 
Uebergriffe  kein  gutes  Gewissen  hatte,  machte  sich  eiligst  aus  dem 
Staube.  Varus  Hess  nun  seine  Truppen  das  Land  durchstreifen, 
um  die  Aufständischen,  die  sich  noch  überall  in  kleinen  Schaaren 
umhertrieben,  einzufangen.  Zweitausend  von  ihnen  Hess  er  an"s 
Kreuz  schlagen,  während  er  der  Masse  des  Volkes  Verzeihung 
widerfahren  Hess.  Nachdem  er  so  den  Aufstand  unterdrückt  hatte, 
kehrte  er  nach  Antiochia  zurück^). 

6)  Antt.  XVII,  10,  5.    B.  J.  II,  4,  1. 

7)  Antt.  XVII,  10,  U.    B.  J.  II,  4,  2. 

8)  Antt.  XVII,  10,  7.    B.  J.  II,  4,  3. 

9)  Antt.  XVII,  10,  9—10.  11,  1.  B.  J.  II,  5,  1—3.  —  Dieser  Krieg  de» 
Varus  wird  als  einer  der  verheerendsten  auch  contra  Apion.  I,  7  erwähnt 
(zwischen  dem  des  Pompejus  und  dem  des  Vespasian).  Der  Name  des  Varus 
ist  daher  wahrscheinlich  auch  herzustellen  in  einer  corrumpirten  Stelle  des 
Seder  olam  s.  fin.,  in  welcher  es  heisst,  dass  „vom  Kriege  des  Asveros  bis 
zum  Kriege  des  Vespasian  achtzig  Jahre"  seien,  Dl^abis  "is  Oi^^lDi«  hia  DlB^lEa 
njf  n*i3'2ir  öir'^DEGX  bir.  Obwohl  die  Zahl  achtzig  etwas  zu  hoch  gegriöen  ist 
und  obwohl  die  besten  Textzeugeu  DTi'ilcx  bieten,  ist  doch  höchst  wahrschein- 
lich zu  lesen  Ci^',   Varos  (so  Grätz,  Gesch.  der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  2-19  u. 


422  §  16.   Die  Wirren  nach  Herodes'  Tod  (4  v.  Clir.).         [349.  350] 

Während  dies  Id  Judäa  vorging,  harrten  in  Rom  Archelaus 
und  Antipas  noch  der  Entscheidung  des  Kaisers.  Ehe  diese  er- 
folgte, erschien  vor  dem  Kaiser  auch  noch  eine  Gesandtschaft 
des  Volkes  aus  Judäa,  welche  verlangte,  dass  keiner  der  Hero- 
dianer  zum  König  eingesetzt  werde,  sondern  dass  ihnen  nach  ihren 
eigenen  Gesetzen  zu  leben  gestattet  werde.  Und  um  dieselbe  Zeit 
fand  sich  endlich  auch  Philippus,  der  letzte  der  drei  Brüder,  die 
von  Herodes  mit  einem  Gebiete  bedacht  worden  waren,  in  Rom 
ein,  um  ebenfalls  seine  Ansprüche  geltend  zu  machen  und  zugleich 
diejenigen  seines  Bruders  Archelaus  zu  unterstützen  ^^).  Diesen 
vielerlei  |  Ansprüchen  gegenüber  musste  Augustus  endlicli  eine 
Entscheidung  trelfen.  In  einer  Versammlung,  welche  er  eigens  zu 
diesem  Zwecke  im  Tempel  des  Apollo  anberaumte,  hörte  er  zu- 
nächst die  Gesandten  des  jüdischen  Volkes.  Diese  zählten  ein 
langes  Register  all'  der  Schandthaten  auf,  welche  Herodes  sich  er- 
laubt hatte,  und  suchten  dadurch  ihre  Forderung  zu  begründen, 
dass  überhaupt  kein  Herodianer  mehr  in  Palästina  zur  Herrschaft 
gelange,  sondern  dass  ihnen  gestattet  werde,  unter  römischer  Ober- 
herrschaft nach  ihren  eigenen  Gesetzen  zu  leben.  Als  sie  geendet 
hatten,  erhob  sich  Nicolaus  Damascenus  und  führte  für  seinen 
Herrn  Archelaus  das  Wort*').  Nachdem  so  Augustus  beide 
Theile  angehöi-t  hatte,  traf  er  nach  einigen  Tagen  seine  Ent- 
scheidung. Durch  dieselbe  wurde  das  Testament  des  Herodes  in 
allen  wesentlichen  Punkten  bestätigt.  Archelaus  erhielt  das  ihm 
zugedachte  Gebiet:  Judäa,  Samaria,  Idumäa;  nur  die  Städte  Gaza, 
Gadara  und  Hippos  wurden  davon  abgetrennt  und  zur  Provinz 


•714  ff,  [Note  18];  Dercnhourg,  Uistoire  p.  194.  Brann,  De  Ifcnxlis  qui  di- 
etiur  Magni  filiis  p.  24  sq.).  In  Botreff  der  Textüberlieferuiig  vgl.  Salzer, 
Magazin  für  die  Wissensch.  des  Judenth.  IV,  1877,  S.  141—144,  und  die  neu- 
eren Ausgaben  des  Seder  ülani  von  Neubauer,  Mediacral  Jewisli  Chronicles, 
II  {Anecdola  Oxom'ensia,  Semitic  tierics  vol.  1,  Part  VI)  1895,  p.  U6,  und  Rat- 
ner, Seder  Oluin,  die  grosse  Weltchronik,  Wilnu  1897,  S.  145.  Hiernach  ist 
die  ganze  Stelle  unten  (§  21,  II  Anhang)  im  Zusammenhang  niitgetlieilt. 

10)  Atitt.  XVII,  11,  1.  B.  J.  II,  0,  1.  —  Die  hier  erzählten  Tliutsaclien 
iinben  unverkennbar  den  äusseren  Rahmen  für  das  Glcichuiss  von  den  anver- 
trauten Pfunden  {Iaw..  19,  12  ff.)  geliefert.  Vgl.  bes.  Vers  12:  „Ein  Edler 
[Archelaus]  zog  fern  in  ein  Land  [Rom],  dass  er  ein  Reich  [Judäa)  eiiiiu'ihmi", 
und  «lanri  wiederkäme".  14:  ,, Seine  Hürger  aluT  wiircn  ilim  friud,  und  schick- 
ten HotMchaft  liintcr  ihm  her,  uufl  liessen  sagen:  Wir  wollen  iiidit,  dass  dieser 
Über  unH  herrsche".  —  Mit  Unrecht  will  Sevin  (Chronoh)gie  des  Leliens  Jesu. 
Ih74,  8.  128—130)  an  die  von  Josephus  Antt.  XVI II,  f),  1  erwälnite  Reise  des 
AntipaH  denken.  Denn  bei  dieser  fehlt  gerade  ein  IIanpti)unkt:  die  (lesandt- 
Mchaft  und  der  Protest  des  Volkes.  Ja  wir  wissen  üb(>rhau])i  nicht  (>inniii1, 
waM  der  Zweck  jener  Reise  war. 

11)  Ana.  XVII,  !  II.  ./.  II,  (J,  2. 


[350]  §  16.   Die  Wirreu  nach  Herodes'  Tod  (4  v.  Clir.).  423 

Syrien  geschlagen;  und  statt  des  Königstitels  erhielt  er  den  Titel 
Ethnarch.  Antipas  erhielt  Galiläa  und  Peräa  mit  dem  Titel 
Tetrarch;  Philipp us  ebenfalls  als  Tetrarch  die  Landschaften 
Batanäa,  Trachonitis  und  Auranitis.  Archelaus  bezog  aus  seinen 
-Ländern  ein  Einkommen  von  600  Talenten,  Antipas  200  Talente 
und  Pliilippus  100.  Auch  Salome,  die  Schwester  Herodes  des  Gr., 
erhielt  den  ihr  zugedachten  Antheil,  die  Städte  Jamnia,  Azotus, 
Phasaelis  und  500,000  Silberstücke;  dazu  noch  den  Palast  in 
Askalon^-).  —  Salome    lebte    im  Genüsse    dieser   Besitzungen! 


12)  Antt.  XVII,  11,  4—5.  B.  J.  II,  6,  3.  Im  Allgemeinen  auch  Nicolaus 
Damascenus  bei  Müller,  Fragm.  III,  354.  Strabo  XVI,  2,  46  p.  765.  —  Ueber 
die  im  Obigen  genannten  Städte  (Gaza,  Gadara,  Hippos,  Jarania,  Azotus, 
Phasaelis)  s.  §  23,  I.  —  Der  Titel  idvaQxrjq  bezeichnet  oftenbar  einen  etwas 
höheren  Rang  als  der  Titel  xexQtxQyriq.  Ersteren  führten  z.  B.  die  hasmonäischen 
Fürsten  vor  Annahme  des  Königstitels  (I  Makk.  14,  47.  15,  1—2).  Er  wurde 
auch  dem  Hyrkan  II  durch  Caesar  verliehen  [Antt.  XIV,  10,  2);  vgl.  über- 
haupt: Winer'.s  Real-Wörterb.  s.  f.  und  Weiss  in:  Herzog-Hauck,  Real-Enc. 
3.  Aufl.  V,  558—560.  Viel  häufiger  ist  der  Titel  tstqüqx^?-  Herodes  der 
Grosse  und  sein  Bruder  Phasael  hatten  ihn  bereits  durch  Antonius  erhalten 
(Antt.  XIV,  13,  1.  B.  J.  I,  12,  5).  Im  J.  20  v.  Chr.  wurde  Pheroras  zum 
Tetrarchen  von  Peräa  eingesetzt  {Antt.  XV,  10,  3.  B.  J.  I,  24,  5).  —  Der  Aus- 
druck TfTQaQX'a  ist  zuerst  bei  Euripides  in  Bezug  auf  Thessalien  nachweis- 
bar. Dieses  war  von  Alters  her  in  vier  Bezirke  getheilt  {Harpocration,  Lex. 
ed.  Dindorf  s.  i\  TexQaQxia  ....  xal  'Agiaioxllric;  6s  iv  r^  xotv^  OsxxaXaiv 
TcoXixeiq  inl  l4Xeva  xov  Uvqqov  öijiQfja&al  (pTjaiv  eig  6'  fioigag  x^v  OixxaUav. 
Ueber  das  Alter  des  Aleuas  und  über  die  Verfassungsgeschichte  von  Thessa- 
lien überhaupt  s,  Gilbert,  Handbuch  der  griechischen  Staatsalterthümer  Bd. 
II,  1885,  S.  5-17.  Toepffer  Art.  „Aleuadai"  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc. 
I,  1372  f.).  Euripides  lässt  daher  am  Schlüsse  seiner  Alcestis  den  Admetus 
sagen:  „Den  Bürgern  und  jeder  Tetrarchie  befehle  ich  nun,  Tänze  aufzuführen 
und  Opfer  darzubringen  etc."  (Eurip.  Alcest.  1154:  ^arot?  de  näa^  r'  iwtnat 
xfXQaQx^f}  etc.).  Als  König  Philipp  von  Macedonien  ganz  Thessalien  unter 
seine  Herrschaft  brachte,  setzte  er  über  jede  xsxQÜg  einen  äQX<^^  [Harpocration 
l.  c.  oxi  äh  4*iXin7ioq  xa9-^  sxdaxrjv  xovxiuv  xäv  fxoiQuJv  agxovxa  xaxsaxrjaf 
SeörjXcaxaaiv  uXXoi  xs  xal  GsönofiTiog  iv  xy  n6').  Mit  Bezug  hierauf  sagt  De- 
mosthenes,  Philippus  habe  in  Thessalien  Tetrarchien  eingesetzt  (Demosth. 
Philipp.  III,  26:  äkXa  ßexxaXla  nöiq  eyjt;  ovxl  xag  noXixeiag  xal  xaq  noXeiq 
avTtöv  TiaQ^grixai  xal  xsxgagx^'^?  xarsaxTjatv).  Bei  Euripides  und  Demosthenes 
bedeutet  also  xexgaQxia  eine  „Viertelsherrschaft"  (Regierung  über  eine  xexQÜq, 
weshalb  auch  xsxQaöaQxla  vorkommt).  Ebenfalls  in  diesem  ursprünglichen 
Sinne  kommt  der  Ausdruck  in  Galatien  vor.  Ueber  dieses  herrschten,  nach 
der  Beschreibung  Strabo's,  zwölf  Tetrarchen,  nämlich  je  vier  über  jeden 
der  drei  Stämme  der  Trokmer,  Tolistobogier  und  Tektosagen  [Strabo  XII,  5, 
1  p.  566  sq. ;  ungenauer  Plin.  H.  N.  V,  146).  Als  die  Mehrzahl  derselben  durch 
Mithridates  ermordet  worden  war  [Appian.  Mithridat.  46),  ordnete  Pompejus 
die  Verhältnisse  so,  dass  er  über  jeden  der  drei  Stämme  je  einen  Tetrar- 
chen setzte.  Später  wurde  deren  Zahl  auf  zwei,  zuletzt  auf  einen,  den  Dejo- 
tarus,    reducirt   [Strabo   XII,   5,    1  p.   567,   dazu  die  ausführliche  Darstellung 


424  §  16-   I>ie  Wirren  nach  Herodes"  Tod  {A  v.  Chr.).         [351.  352] 

noch  etwa  12—14  Jahre.  Sie  starb  um  d.  J.  lo  nach  Chr.  (zur 
Zeit  des  Procurators  M.  Ambibulus)  und  vermachte  ihre  Besitzungen 
der  Kaiserin  Livia'^). 


dieser  Verhältnisse  bei  Niese,  Rhein.  Museum  Bd.  3S,  1883,  S.  583-600,  und 
Zwintscher,  De  Oalatarum  tetrarehis  et  Amynta  reqe  qiiaestiones,  Lips.  1892, 
;>.  1—26).  Obwohl  aber  der  Titel  Tetrarch  so  seine  ursprüngliche  Bedeutung 
ganz  verloren  hatte,  wurde  er  doch  beibehalten;  denn  der  Königstitel,  welchen 
einige  daneben  führten,  bezog  sich  nicht  auf  Galatien,  sondern  auf  andere 
Besitzungen  {Strabo  XII,  3,  13  p.  547;  XIII,  4,  3  p.  625;  Niese  a.  a.  O.).  Mit 
völliger  Abstreifung  seines  ursprünglichen  Sinnes  begegnet  uns 
aber  der  Titel  xetgägyrriq  auch  sonst  sehr  häufig  in  der  römischen  Zeit.  Er 
bezeichnet  jetzt  einfach  einen  kleinen  abhängigen  Fürsten,  dessen 
Rang  und  Machtstellung  geringer  ist  als  die  eines  Königs.  Solche 
Tetrarchen  scheint  es  besonders  in  Syrien  sehr  viele  gegeben  zu  haben. 
Vgl.  Plinms,  Hist.  Nat.  V,  74:  intercursant  cinguntque  hos  urbes  [Decapoleos] 
ietrarchiae,  re{/norum  instar  sinffulae;  ibid.  11:  Deeapolitana  regio  praedictaeque 
cum  ea  ietrarchiae;  ibid.  81:  Kaxerinorum  tetrarchia;  ibid.:  tetrarchias  duas  quae 
Granucomatitae  vocantur;  ibid.  82:  tetrarchiam  quae  Mammisea  appellatur;  ibid.: 
tetrarchias  in  regna  descriptas  barbaris  tiominibtts  XVJtl.  Joseph.  Vita  11: 
sxyovog  ^osfxov  xov  nsgl  zov  Aißavov  xfXQagxovvxoq.  Antonius  verschenkte 
„Tetrarchien  und  Königreiche"  {Phit.  Anton.  3(5:  no'/.Xolq  iya()i'C,exo  xexQüQx^aq 
xal  ßaaiXslag  i&v<üv  fieydXwv).  Zu  dem  Heere  des  Varus,  4  v.  Chr.,  gehörten 
auch  Hülfstruppen,  welche  rj  ßuoiXeTg  i}  xivsc  xexpaQyai  xoxs  naQsTxov  {Joseph. 
Antt.  XVII,  10,  9  init.).  Zur  Zeit  Nero's  wurden  „die  Tetrarchen  und  Könige" 
in  Asien  angewiesen,  den  Befehlen  des  Corbulo  zu  gehorchen  [Tacit.  Anna!. 
XV,  25:  scribitur  tetrarehis  ac  regibus  praefectisque  et  procuratoribus  .  .  .ju^sis 
Corbiäonis  obsequi).  Und  so  werden  überhaupt  in  der  römischen  Zeit  sehr 
oft  neben  den  reges  auch  die  tetrarchae  als  kleine  Fürsten  untergeordneten 
Banges  erwähnt  (z.  B.  Cicero,  in  Vatinimn  12,  29;  pro  Bnlbo  5,  13;  pro  Milone 
28,  76;  Philipp.  XI,  12,  31.  Caesar,  Bell.  Civ.  III,  3.  Ikll.  Alex.  78.  Horat. 
Sat.  I,  3,  12.  Noch  mehr  Beispiele  in  der  unten  angeführten  Literatur).  Nälier 
bekannt  sind  uns  ausser  den  galatischen  Tetrarclien  und  den  herodia- 
n lachen  Fürsten  namentlich  die  Tetrarchen  von  Chalcis  oder  Ituräa:  Pto- 
lemäuH,  Lysanias,  Zenodorus  (s.  über  diese:  Beilage  I).  Bei  der  geringen 
Bedeutung  dieser  kleinen  P^ürsten  ist  es  nicht  zu  verwundern,  dass  der  Titel 
tetpcpzjyc  auf  luHchriften  und  Münzen  verhältnissmässig  selten  vorkommt. 
Von  InHcliriften  vgl.  Corp.  Inscr.  Oraec.  «.4033;  4058;  liidlettino  dell'  Instituto 
di  corrixp.  nrclieol.  1873,  p.  227  —  Hermes  XIV,  475  (sümnitlicli  auf  gahitisclie 
Tetrarchen  bezüglich);  Corp.  In-fcr.  Graec.  n.  2502;  liiillctiti  de  rorrespondnnce 
htllenif/ur.  t.  III,  1879,  p.  365  «q.  (beide  auf  HcrodcH  Antipan  ])c/,üglich);  (>orp. 
Inacr.  (Jraec.  n.  4521;  4523  —  Uenau,  Mittsion  de  Phfiilricp.  317—319  (Dynastie 
von  Chalciff).  Von  Münzen  kommen  auHHcr  denjenigen  desPhilippus  und  Herodes 
Antipa»  nur  die  den  Ptolemäus,  Lysanins  und  Zenodorus  in  Bctnuht  (s.  Beilage  II. 
—  Vgl.  Oberhaupt:  Strphanus,  Thesaurus  s.  v.  TtX()cci>XTiii  und  Ttxpai>xta, 
Forrnttini,  lAsxiemt  h.  v.  Irtrarrhcn  und  tetrarchia,  Wiiier,  Realwörter!).  II, 
003.  Keim  in  Schenker«  Hibellex.  V,  487— 4W).  Boiin,  (,hia  r audio ione  juris 
rtg$$  $oeii  popull  limnanl  f'iirriut  (1H77)  p.  9—11.  NicHc,  Oalution  und  seine 
Tttrarchen  (Khcin.  MuH.inn  IM.  :!S,  1KS:{.  8.583—600).  Zwintscher  a.a.O. 
13)  Anit.  XVIU,  2, 


[352.  353]  §  16.   Die  Wirren  nach  Herodes'  Tod  (4  v.  Chr.).  425 

Das  ehemalige  Reich  des  Herodes  war  demnach  jetzt  in  drei 

Gebiete  zertheilt,   von  welchen   zunächst  jedes   seine   eigene  Ge- 
schichte hat. 


§  17.   Die  Söhne  des  Herodes. 

a.  Philippus  (4  V.— 34  n.  Chr.).    Sein  Gebiet  römisch 
(34-37  n.  Chr.). 

Quellen:  Joseph.  Äntt.  XVIII,  2,  1.    4,  6.  6,  10.    B.  J.  II,  9,  1.  6. 

Ueber  die  Münzen  s.  unten. 
Literaturl):  Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  V,  95—97.    VI,  319. 

Win  er,  RWB.  II,  250. 

Leyrer  in  Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl.  XI,  618. 

Keim,  Geschichte  Jesu  I,  206 f.     Schenkel's  Bibellex.  III,  40—42. 

Lewin,  Fasti  sacri  (s.  Index  p.  408). 

Brann,  Die  Söhne  des  Herodes,   1873  (Separat- Abdruck  aus  der 
Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.)  S.  77 — 87. 

Der  Umfang  des  Gebietes,  welches  Philippus  erhalten  hatte, 
wird  von  Josephus  an  den  verschiedenen  Stellen  verschieden  an- 1 
gegeben^).  Fassen  wir  alles  zusammen,  so  umfasste  es  die  Land- 
schaften Batanäa,  Trachonitis,  Auranitis,  Gaulanitis, 
Panias;  nach  Ev.  Luc.  3,  1  auch  Ituräa^).    Die  genannten  Land- 


1)  Das  Gründlichste  über  „Herodes'  Söhne  und  Enkel"  sind  die  betreflen- 
den  Artikel  von  Keim  in  SchenkeTs  Bibellexikon.  —  Aeltere  Literatur  s. 
auch  bei  Reuss,  Gesch.  der  heil.  Schriften  A.  T.'s  §  558. 

2)  Antt.  XVII,  8,  1.  11,  4.  XVIII,  4,  6.  B.  J.  II,  6,  3.  An  der  letzteren 
Stelle  folgt  nach  Batanäa,  Trachon  und  Auranitis  noch  ixigri  xiva  xov  Zrivatvoq 
oi'xov  ra  nsgl  ^afjivsiav.  So  der  gedruckte  Vulgär-Text  mit  zwei  Handschriften ; 
statt  'Idfivsiav  haben  drei  Handschriften  'Iwarw,  zwei  'Ivav.  Es  ist  sicherlich 
IlavsidSa  zu  lesen,  nach  Ä7iU.  XVII,  8,  1. 

3)  Batanäa  entspricht  dem  alttestamentlichen  Basan  ("^^S),  Euseb.  Ono- 
mast, ed.  Lagardc  p.  232  oben:  Baadv  ....  avTij  Baaavlxiq  ij  vvv  xaXovfiivrj 
Baravaia.  Doch  hatte  das  alte  Basan  einen  weiteren  Umfang  als  das  spätere 
Batanäa.  Man  verstand  unter  jenem  das  ganze  Gebiet  jenseits  des  Jordan 
zwischen  dem  Hermon  im  Norden  und  der  Landschaft  Gilead  im  Süden,  mit 
östlicher  Aiisdehnung  bis  Salcha  (am  Süd -Abhang  des  Hauran),  s.  Deut.  3, 
10.  13.  Josua  12,  4.  13,  11  f.  13,  30  f.  17,  1.  5.  I  Chran.  5,  23.  Innerhalb 
dieses  Gebietes  liegen  aber  auch  die  späteren  Landschaften  Trachonitis,  Aura- 
nitis und  Gaulanitis;  so  dass  also  Batanäa  nur  ein  Theil  des  alten  Basan  ist. 
Doch  wird  der  Ausdruck  auch  von  Späteren  zuweilen  noch  im  weiteren  Sinne 
gebraucht,  z.  B.  Joseph.  Vita  11  med.  /asxcc  xwv  iv  Baxavala  TQaxavixwv.  Da 
als    die  Hauptstädte  von  Basan   die    Städte  Astaroth   und  Edrei   genannt 


426    §  17.  a.  Philippus  (4  v.— 34  u.  Chr.).  Sein  Gebiet  römisch  (34—37).  [353.  354] 

schafteil  ]  waren  säinintlicli  keine  alten  Stammlande  des  jüdischen 
Volkes,  sondern  grösstentheils  erst  in  späterer  Zeit  mit  dem  jüdischen 

werden  (Josua  12,  4;  13,  11  f.  13,  30  f.),  so  wird  man  aunelimen  dürfen,  dass 
diese  auch  den  Mittelpunkt  des  späteren  Batanäa  bezeichnen.  Edrei,  später 
Adraa,  heute  Der'a,  liegt  fast  genau  in  der  Mitte  zwischen  der  Südspitze 
des  See's  Genezareth  und  dem  südlichen  Ende  des  Hauran-Gebirges.  Dass 
Astaroth  und  Adraa  in  Batanäa  liegen,  hebt  auch  noch  Eusebius  hervor  (0??o- 
ttiast.  ed.  Lagarde  p.  209,  213,  268,  Artikel  lAoTaQü>9-  KaQvaeiv,  'AoTagcöd-  und 
KuQvaslfi  ^araQoJd^).  Das  griechische  Bazavala  auch  bei  Polyh.  XVI  =  Joseph. 
Antt.  XII,  3,  3  und  Ptolem.Y,  15,  26.  —  Eine  auf  genauen  Vermessungen  be- 
ruhende Karte  des  südlichen  Batanäa  (nördlichen  Adschlnn)  mit  Einschluss 
des  westlichen  Hauran  giebt  Schumacher,  Zeitschr.  des  DPV.  XX,  1897. 

Trachonitis  oder  auch  6  Tqccx(ov  (so  Joseph.  Antt.  XIII,  16,  5;  XV,  10,  1. 
B.  J.  II,  6,  3,  und  die  Inschrift  von  Mismie)  ist  das  rauhe  Plateau  südlich 
von  Damaskus  bis  gegen  Bostra  hin,  welches  heute  dieLedscha  heisst.  Es 
liegt  also  nordöstlich  von  dem  eigentlichen  Batanäa.  Beweisend  hiefür  sind 
folgende  Daten.  Auf  einer  Inschrift  zu  Mismie,  dem  alten  Phäna  im  Norden 
der  Ledschä,  wird  dieser  Ort  als  //.TjzQOxwßla  xov  Tgaxfnvoq  bezeichnet  {Corp. 
Inscr.  Oraec.  n.  4551  ==  Le  Bas  et  Waddington,  Inscriptions  t.Wl  n.  2524). 
Strabo  erwähnt  die  Tgöxatveg  als  zwei  Hügel  in  der  Nähe  von  Damaskus 
(Strato  XVI,  2,  20  p.  756:  vK^pxstvrat  d'  avz^g  ovo  ksyo/jevoi  Xötpoi  TQtixoävsg, 
vgl.  auch  XVI,  2,  16  p.  755).  Eusebius  setzt  Trachonitis  stets  iu  die  Nachbar- 
schaft von  Bostra  {Onomast.  s.  v.  'Ivovgaia  ed.  Lagarde  p.  268:  T()ax(ovlTig  6h 
xaXfirai  r]  nagaxeifiivT]  x^Q'^  ^Ü  ^OVf^tp  ^Ü  xaxa  BöaxQav  xfjq  lioaßlag.  Und, 
8.  V.  KavdO-  p.  269:  xeTxat  de  xal  sxi  xal  vvv  ^v  TQaxöivi  nXrjaiov  lioaz^xöv. 
Ibid.  s.  V.  TQaxcovZxiq  p.  298:  Boxiv  6h  xal  inixeiva  BooxQÖiv  xaza  rfjv  e^rj/iov 
ngoq  voxov  wq  inl  Ja/ncaxöv).  Auch  in  einer  rabbinischen  Erörterung  über 
die  Grenzen  Palästina's  kommt  „Trachon  in  der  Nähe  von  Bostra"  vor  {jer. 
Schebiith  VI,  1  fol.  36t,  Tosephta  Schebiith  IV  ed.  Ziickermandd  p.  66,  10,  Siphre 
Abschnitt  Ekeb  gegen  Ende;  der  jerus.  Talmud  hat  nnsiab  nnnian  X3i3"i:3 
[„Trachon,  welches  an  Bostra  grenzt"],  ebenso  eine  Haudsclirift  der  Toaephta; 
eine  andere:  nnaa  BiPirm  S«l3ia  [„Tracliou  an  der  Grenze  Bostra's"] ;  vgl.  zu 
der  ganzen  Stelle:  Xeubauer,  Geographie  du  Tahmui  p.  10 — 21,  und  bcson- 
derH  HildcHheimer,  Beiträge  zur  Geographie  Palästinas,  Berlin  1886  [über 
Trachon:  S.  55—57]);  die  rubhiniBchen  Stellen  überhaupt  bei  Krauas,  Grie- 
chische und  lateinische  Lehnwörter  im  Talmud  etc.  II,  275.  Die  Targume 
Hetzen  K3l3ia  für  das  biblische  Argob  {Onkelos  Detä.  3,  4.  13  f.).  Plinius  er- 
wälint  Trachonitis  in  der  NachbarHchaft  von  Panias  {Plin.  IL  N,  V,  74),  Ptolc- 
müuH  die  T^axuivlztct  'Agaftsq  östlich  von  Batanäa  (Plolem.  V,  15,  26;  letztere 
Htelle  erklärt  freilich  Waddington,  Comptot  remlus  de  l'  Acad.  des  inscr.  1865, 
p.  102  sq.,  in  der  Weise,  dass  vrclmchr  umgekelirt  das  oigcntliclic  Batanäa  öst- 
lich von  Trachonitis  liegen  würde;  aber  seine  Erklärung  ist  schwerlicl»  zu 
billigen).  —  Für  die  Bourtheilung  von  Ev.  Lno.  3,  1  ist  von  Interesse,  dass 
I'bilo,  oder  vielmehr  Agrippa  in  dem  von  Philo  mitgetheilten  Briefe,  für 
MÜmnitliclK!  Landschafti'n  des  Philippus  die  abgekürzte  Bezeichnung  ztiv 
Tquxo>vIxiv  Xtyouhtiv  gebrauclit  (wie  für  die  Landschaften  des  llerodes  Anti- 
ptts  die  B<'Z«'lcluiung  xi)v  r((XtXal(cv,  beides  «  parte  putiori  wie  bei  Lucas, 
n.  Philo,  hgai.  ad  (Jajuin  g  41,  cd.  Mang.  11,  .593 ////.).  Kbcnso  auch  Josephus 
HelbMt  Aldi.  XVIII,  5,  4:  'PiUnnt^  . .  .  T(;7  xtXQd{>x^  rr/f  Tpaxtovlxt6oq,  unmittel- 
bar vorher  von  Antipa«:  xifv  6h  PaXikaiuji'  xerpnpxiav  ovroq  elxev. 


[354.  355]  §  17.  a.  Pliilippus  (4  v.— 34  n.  Chr.).  Sein  Gebiet  römiscii  (34—37).     497 

Lande  vereinigt  worden.    Die  Bevölkerung  war  eine  gemischte; 
und  das  |  nicht-jüdische  (syrische  oder  griechische)  Element  sogar 


Auranitis  ist  das  von  Exechiel  47,  16.  IR  erwähnte  "i'^'H,  das  auch  in  der 
Mischna  Bosch  haschaiia  II,  4  als  eine  der  Stationen  für  die  Feuersignale  von 
Judäa  nach  Babylon  vorkommt  (die  Handschriften  haben  hier  theils  ■■'.l''rT, 
theils  "psri).  Da  Ghmvran  nach  dem  Zusammenhang  der  Mischna  ein  Berg 
sein  muss,  so  ist  Auranitis  ohne  Zweifel  die  Umgebung  des  Gebirgsstockes, 
der  noch  heute  Dschebel  Hau  ran  heisst.  —  Eine  Karte  des  Hauran-Ge- 
bietes,  nach  Stübel's  Messungen  und  anderen  Quellen,  giebt  H.  Fischer. 
Zeitschr.  des  DPV.  XII,  1889  (die  Karte  bedarf  der  Berichtigung,  s.  Mitthei- 
lungen und  Nachrichten  des  DPV.  1899,  S.  12  f.). 

Gaulanitis  hat  seinen  Nameu  von  dem  Ort  Golan,"  der  in  der  Bibel  zu 
Basan  gerechnet  wird  {JDeut.  4,  43.  Josxia  20,  8.  21,  27.  I  Ghron.  6,  56.  Euseh. 
Onomast.  ed.  Lagarde  p.  242).  Josephus  unterscheidet  Ober-  und  Unter-Gau- 
lanitis,  und  bemerkt,  dass  in  letzterem  die  Stadt  Gamala  liege  {Be/l.  Jud.  IV, 

1,  1;  nach  derselben  Stelle  lag  Gamala  östlich  vom  See  Genezareth).  Nach 
Bell.  Jiul.  III,  3,  1  bildete  Gaulanitis  die  östliche  Grenze  von  Galiläa.  Hier- 
nach ist  Gaulanitis  im  Wesentlichen  derselbe  Landstrich,  der  noch  heute  der 
Dscholan  heisst,  nämlich  die  Niederung  östlich  vom  Jordan  von  dessen  Ur- 
sprung bis  zur  Südspitze  des  See's  Genezareth.  —  Eine  auf  genauen  Ver- 
messiingen  beruhende  Karte  des  Dscholan  mit  Einschluss  von  Panias,  giebt 
Schumacher,  Zeitschr.  des  DPV.  IX,  1886.  Ergänzungen  dazu,  mit  Wieder- 
holung der  Karte,  Bd.  XXII,  1899. 

Die  Landschaft  Panias  an  den  Quellen  des  Jordan  (s.  über  den  Ort  Panias 
Bd.  II,  S.  158—161)  hatte  früher  dem  Zenodorus  und  vor  diesem  zum  Reich 
der  Ituräer  gehört  (s.  Beilage  I  am  Schluss  dieses  Bandes).  Insofern  ist 
die  Angabe  des  Lukas  nicht  ganz  unrichtig,  dass  Philippus  auch  überlturäa 
geherrscht  habe.  Aber  jene  Landschaft  bildete  freilich  nur  ein  kleines  Stück 
des  ehemaligen  Ituräer-Reiches.  Die  eigentlichen  Ituräer  hatten  ihre  Wohn- 
sitze im  Libanon  (s.  Beilage  I)  und  standen  in  den  Jahren  38 — 49  nach  Chr. 
unter  der  Herrschaft  eines  gewissen  Soemus  [Dio  Cass.  LIX,  12.  Taeit.  XII, 
23),  während  gleichzeitig  Agrippa  I  die  ganze  Tetrarchie  des  Philippus  in  Besitz 
hatte  (Joseph.  Antt.  XVIII,  6,  10.  XIX,  8,  2).  Die  Hauptmasse  des  ituräischen 
Gebietes  kann  also  nicht  zum  Gebiet  des  letzteren  gehört  haben  (s.  Keim, 
Bibellex.  III,  41).  Sicher  unrichtig  ist  Wetzstein's  Meinung,  dass  Ituräa 
am  Ost-Abhang  des  Haurau  zu  suchen  sei. 

Vgl.  überhaupt  über  die  genannten  Landschaften:  Bei  and,  Palaestina 
^>.  106— 110,  193-203.  Oesenius,  Tfiesaunis p.  2i9  sq.  4ö8  sq.  26Ö sq.  Ritter, 
Erdkunde  XV,  800—1001.  Raumer,  Palästina  S.  226  fl".  Die  Artikel  über 
Basan,  Trachonitis,  Havran  oder  Hauran  und  Golan  in  den  biblischen  Wörter- 
büchern von  Winer,  Schenkel  und  Riehm.  Fr.  W.  Schultz  in  Herzog's 
Real-Enc.  2.  Aufl.  II,  112-116  (Art.  Basan).    Cless  in  Pauly's  Real-Enc.  VI, 

2,  2038  f.  (Art.  Trachonitis).  Kuhn,  Die  städtische  und  bürgerl.  Verfassung 
des  röm.  Reichs  II,  381  f.  384  f.  Porter,  Historico-geofjraphical  history  of 
Bashan  (Joiirnal  of  Sacred  Literature,  New  Series  vol.  VI,  1854,  p.  281—313). 
Derselbe,  Five  years  in  Da?nascus,  1855,  II,  250—275.  Wetzstein,  Reise- 
bericht über  Hauran  und  die  Trachonen,  1860,  S.  36  f.  82—92.  Ders.  im 
Anhang  zu  Delitzsch's  Hiob-Commentar.  Waddington,  Comptes  rendus  de 
/'  Äcademie  des  inscriptions  et  helles-lettres  1865,  p.  82—89,  102—109.    (Die  Ab- 


428       §1'^-  «•  Pliilippus  (4  V.— 34  n.  Chr.).  Sein  Gebiet  römisch  (34—37).       [355J 

vorwiegend  *).    Philippus  selbst  war  unter  den  Söhnen  und  Enkeln 
des  Herodes  eine  wahre  Ausnahme.    Während  alle  andern,   dem 


handlung  von  Nöldeke,  Zeitschr.  der  DMG.  1875,  S.  419  ff.  bezieht  sich  auf 
das  sechste  Jahrh.  nach  Chr.).  Schumacher,  Across  the  Jordan:  being  an 
exploration  and  surveij  of  pari  of  Hauran  and  Jaulan ,  London  1886.  D  e  r  s. , 
Northern  Äjlmi,  London  1890..  Schumacher,  Der  Dscholan,  zum  ersten  Male 
aufgenommen  und  beschrieben,  mit  Karte  (Zeitschr.  des  DPV.  IX,  1886, 
S.  165—363;  Ergänzungen  dazu  Bd.  XXII,  1899,  S.  178— 188).  Schumacher, 
Das  südliche  Basan,  zum  ersten  Male  aufgenommen  und  beschrieben,  mit  Karte 
(Zeitschr.  des  DPV.  XX,  1897,  S.  65—227).  Guthe,  Zeitschr.  des  DPV.  XII, 
1889,  S.  230 ff.  Hans  Fischer,  ebendas.  S.  248  ff.  (gute  Uebersicht  der  neueren 
Arbeiten  zur  Erforschung  des  Hauran-Gebietes).  Buhl,  Studien  zur  Topo- 
graphie des  nördlichen  Ostjordanlandes,  Leipzig  1894.  George  Adam  Smith, 
Historical  Qeography  of  the  Holy  Land,  1894,  p.  538—547,  554,  665  sqq.  (mit 
Bibliographie).  Ewing,  Quarterly  Statements  1895,  p.  73—82  (über  die  Grenze 
zwischen  Auranitis  und  Arabia).  Rindfleisch,  Die  Landschaft  Hauran  in 
römischer  Zeit  und  in  der  Gegenwart  (Zeitschr.  des  DPV.  XXI,  1898,  S.  1—46). 
Guthe,  Art.  „Basan"  in  Herzog-Hauck's  Eeal-Enc.  3.  Aufl.  II,  422—425.  Ders., 
Art.  „Gaulanitis"  ebendas.  VI,  378 — 382.  Ders.,  Art.  „Ituräa"  ebendas.  IX, 
543  f.  Benzinger,  Art.  „Batanaia"  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  III, 
115 — 118.  Driver,  Art.  „Bashan''  in:  Cheync  and  Black,  Encyclop.  Biblica  I, 
495—498. 

In  Betreff  der  Südgrenze  der  Tetrarchie  des  Philippus  lässt  sich  con- 
statiren,  dass  die  Gegend  des  heutigen  Bosra  und  Salkhat  (südl.  vom  Hauran) 
nicht  mehr  zu  seinem  Gebiete  gehörte,  wie  die  in  diesen  Städten  aufgefundenen 
Inschriften  mit  den  Namen  der  arabischen  Könige  Mal chus  und  Aretas  be- 
weisen. S.de  Vogüe,  Syrie  centrale,  Inscriptions  semitiques  (1868),  p.  103.107 
—  Corp.  Inscr.  Semit.  P.  II  Aram.  n.  174.  182.  Dagegen  gehörte  Hebrdn 
am  südlichen  Abliange  des  Hauran  noch  zu  seinem  Gebiete.  Denn  eine  da- 
selbst gefundene  aramäische  Inschrift  ist  nicht  nach  den  Regierungsjaliren 
eines  arabischen  Königs,  sondern  nach  Jahren  des  Claudius  datirt  („im  Monat 
Tischri  im  siebeuten  Jahre  des  Kaisers  Claudius"  =  47  nacl»  Chr.,  s  de 
Vogüe  p.  100  ==  Cmp.  Inscr.  Semit.  P.  II  Aram.  n.  170).  Man  darf  daraus 
schliessen,  dass  Hebrau  zum  Gebiete  des  Philippus  gehörte,  weh-hes  im  J.  37 
an  Agrippa  I  kam  und  nach  dessen  Tod  unter  römische  Verwaltung  genom- 
men wurde.  Vgl.  <lie  Bemerkungen  bei  Le  Bas  et  Waddington,  Insvrip- 
tiom  t.  III,  zu  n.  2286. 

4)  In  Batanäa  hatte  Herodes  d.  Gr.  in  den  letzten  Jahren  seiner  Regie- 
rung jüdiHche  CoIoiuHten  aus  Babylon  unter  Führung  eines  gewissen  Zaniaris 
angesiedelt  und  sie  mit  dem  Privilegium  vollständiger  Abgabenfreiheit  ausge- 
stattet, das  auch  von  Phili|)puH  nocli  im  Wesentlichen  respeetirt  wurde.  8.  Antt. 
XVII,  2,  1—3.  Zur  GcKchielite  dieser  Colonie  vgl.  auch  Jos.  Vita  11.  De 
Saulcy,  Mottnaie»  des  Znmaridca  {Nuiiiismatic  Chronicle  1871 ,  /;.  157 — 161) 
[diene  „Münzen  der  Zuniariden"  sind  üusserst  problematisch].  —  In  Tradio- 
nitis  hatte  cbcnrallH  Herodes  d.  Gr.  3(KX)  Idumäer  angesiedelt,  welche  die 
Aufgabe  hatten,  die  Sicherheit  des  Landes  gegenüber  den  räuberischen  Ein- 
wolmera  aufrecht  zu  erhalten.  S.  Antt.  XVI.  9,  2.  —  Die  Mehrheit  der  Be- 
w<»hner  war  aber  eine  lieidniMclii',  wie  schon  die  grosse  Anzahl  der  jetzt  nod» 
dort  vorhandenen  griechischen  Inschriften  beweist.    Vgl.  im  Allgemeinen  auch 


[355.  356]  §  17.  a.  Pliilippus  (4  v.-34  n.  Chr.).  Sein  Gebiet  römisch  (34—37).     429 

Vater  und  Grossvater  nachschlagend,  ehrgeizig,  herrschsüchtig, 
gegen  die  Unterthanen  hart  und  tyrannisch  waren,  wird  von 
Philippus  nur  Rühmliches  berichtet  Seine  Regierung  war  eine 
milde,  gerechte  und  friedliche.  Den  Traditionen  seines  Vaters  blieb 
er  nur  darin  treu,  dass  auch  er  seinen  Ruhm  in  gi-ossartigen  Bauten 
suchte.  Namentlich  wird  von  ihm  die  Erbauung  zweier  Städte  be- 
richtet. Das  alte  Panias  an  den  Quellen  des  Jordan  nördlich  vom 
See  Genezareth  baute  er  in  grösseren  Dimensionen  aus  und  gab 
ihm  zu  Ehren  des  |  Kaisers  den  Namen  Cäsar ea.  Es  wurde  im 
unterschied  von  dem  bekannteren  Cäsarea  am  Meere  Cäsarea 
Philipp!  genannt,  unter  welchem  Namen  es  bekanntlich  auch  in 
der  evangelischen  Geschichte  erwähnt  wird  {Mt.  16,  13.  Mc  8,  27). 
Die  andere  Stadt,  welche  er  neu  baute,  war  das  am  Einfluss  des 
Jordan  in  den  See  Genezareth  gelegene  Bethsaida^),  das  er  zu 
fahren  der  Tochter  des  Augustus  Julias  nannte^).  Gelegentlich 
erzählt  Josephus  von  ihm,  dass  er  zuerst  entdeckt  und  nachgewiesen 
habe,  dass  die  vermeintliche  Jordanquelle  bei  Panias  ihr  Wasser 
mittelst  eines  unterirdischen  Zuflusses  aus  der  sogenannten  Phiala 
erhalte.  Philippus  bewies  dies  dadurch,  dass  er  in  die  Phiala  Spreu 
werfen  liess,  welche  dann  bei  Panias  wieder  herauskam'). 

Sonst  wissen  wir  über  seine  Regierung  nur  noch,  was  Josephus 
bei  Gelegenheit  seines  Todes  bemerkt^):  „Er  bewies  bei  seiner  Re- 


B.  J.  III,  3,  5:   oixovai  de  avrriv  (itydöeq  *Iovdalol  zs  xal  2^vgoi,   und  Bd.  II, 

S.  13. 

5)  Wahrscheinlich  verschieden  von  dem  neutestamentlichen ;  doch  s.  Bd.  II, 
S.  162. 

6)  Antt.  XVIII,  2,  1.  B.  J.  II,  9,  1.  —  Ueber  beide  Städte,  die  Zeit  ihrer 
Erbauung  und  ihre  sonstige  Geschichte  s.  Bd.  11,  S.  158—162. 

7)  B.  J.  III,  10,  7.  Nach  der  Beschreibung  des  Josephus  kann  die  „Phiala" 
kaum  etwas  anderes  sein  als  der  heutige  Birket  Kam.  Dann  aber  ist  die 
von  ihm  erzählte  Geschichte  nach  den  Niveau- Verhältnissen  nicht  möglich. 
S.Ritter,  Erdkunde  XV,  1,  174—177.  Robinson,  Palästina  III,  614  ft'. 
Derselbe,  Neuere  biblische  Forschungen  S.  522  ft".  Ouerin,  Oalilee  II, 
329—331.     Schumacher,  Zeitschr.  des  DPV.  IX,  1886,  S.  256  f.  (mit  Karte). 

8)  Antt.  XVIII,  4,  6:  Tskswä  —  ntxgiov  iv  olq  ^qx^  nagaaxufv  tbv  xqö- 
nov  xal  dnQayfiOva.  dlaixav  fxhv  yag  xb  nüv  iv  x^  yl  x^  vnoxeXeT  inoisTxo- 
TiQooöoi  S'  rjaav  avröj  avv  6).lyoiq  X(Dv  inilexzcov,  xal  zov  ^gotov  eiq  ov  exQive 
xa&eL,6fxevog  fv  xaZg  oSoTg  hnofihov,  onöre  xiq  vTiavxiäaag  iv  ZQSia  yivoixo 
ttvTw  inißorjQüv,  oidsv  ek  dvaßokaq  rliX  ix  xov  o^tog  idQvaewg  xov  &q6vov 
y  xal  xvxot  ytvo/uivtjq  xa&st,6fxsvoq  i^XQoäro,  xal  xifxwgiaq  xi  inexlfia  xoZq 
alovoi  xal  ^(pin  xovq  döixwq  iv  iyxXi^fiaai  yevoßivovq.  —  Das  Sitzen  des 
Richters  auf  der  sella  war  eine  nothwendige  Formalität,  ohne  welche  der 
Spruch  nicht  rechtskräftig  war.  Beispiele:  Ev.  Matth.  27,  19.  Joh.  19,  13, 
Act.  25,  6.  Josephus  Bell.  Jiui.  II,  9,  3  (Pilatus);  II,  14,  8  (Florus);  III,  10,  10 
(Vespasian).    Ueberhaupt  über  die  sella  eiinilts  und  das  Sitzen  der  Magistrate: 


430    §  1 '•  "•  Ptilippus  (4  V. — 34  n.  Chr.).  Sein  Gebiet  römisch  i34 — 37).  [356. 357] 

gieruug  eine  bescheidene  und  friedliebende  Gesinnung.  Sein  ganzes 
Leben  brachte  er  in  seinem  eigenen  Lande  zu.  Wenn  er  ausging, 
war  er  nur  von  wenigen  Auserwählten  begleitet  und  hatte  stets 
den  Sessel,  auf  welchem  er  Recht  sprach,  bei  sich.  Su  oft  ihm 
Einer  begegnete,  der  seiner  Hülfe  bedurfte,  liess  er  ohne  Aufschub 
sofort,  wo  immer  er  sich  befinden  mochte,  den  Sessel  niedersetzen, 
hörte  den  Fall  an,  verurtheilte  die  Schuldigen  und  entliess  die  un- 
schuldig Angeklagten".  —  Aus  seinem  Privatleben  wissen  wir  nur, 
dass  er  mit  Salome,  der  Tochter  der  Herodias,  verheirathet  war, 
ohne  dass  aus  dieser  Ehe  Kinder  entsprossten  ^).  —  Seiner  politi- 
schen Gesinnung  nach  war  er  ein  entschiedener  Freund  der  Kömer 
und  legte  Werth  auf  die  Gunst  der  Kaiser.  Es  erhellt  dies  nicht 
nur  aus  den  Städtenamen  Cäsarea  und  Julias,  sondern  auch  daraus, 
dass  auf  seinen  Münzen  das  Bildniss  des  Augustus  und  Tiberius 
geprägt  war  —  zugleich  der  erste  Fall,  dass  Münzen  eines  jüdischen 
Fürsten  überhaupt  ein  Bildniss  trugen  *^). 


Rein  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  1,  9ü0.    Moni  rasen,  Römisches  Staatsrecht  I, 
315  ff. 

9)  Antt.  XVIII,  5,  4. 

10)  Dabei  ist  freilich  zu  bedenken,  dass  das  Gebiet  des  Philippus  vorwiegend 
heidnisch  war.  — Vgl.  über  die  Münzen:  L'ckhcl  111,  A^O  sq.  MionnctV, 
5üO sq.  Letiormaiit,  Tresor  de  numisniatiqne  p.  126  jo/.  LX  ni  1 — 2.  3Ia dcleti , 
History  p.  lUO— 102.  De  Saulcy,  Notes  sur  /es  momtaies  de  Philippe  le  ietrarquc 
(Äntiuaire  de  la  Soctete  fran^aise  de  Niimismatiqtie  et  d^  Archeologie  t.  111, 
I8(i8 — 1873,  p.  262—265).  Madden,  Numismatie  Chronicle  1875,  ;;.  52 — 5b. 
Madden,  Coiiis  of  thc  Jeics,  1881,  p.  123  —  127  (hier  am  vollständigsten).  De 
Saulcy,  Monnaie  inedite  de  Philippe  le  tetrarqtie  [Ämniaire  de  la  Societe  fr.  de 
Num.  et  d'Arch.  t.  V  [=  Seconde  Sirie  t.  IJ  fasc.  3,  1879,  p.  181  sq.).  —  Die 
Mün7-en  haben  auf  der  einen  Seite  den  Namen  des  Philippus  4>lAinilOY 
TETPAPXÜY,  mit  dem  Bilde  eines  Tempels  und  den  Jahreszahlen  12,  10,  19, 
33,  37  (die  Jahreszahl  lli  =  12  bei  Madden,  Coins  p.  125  und  auf  einem  von 
Madden  noch  nicht  erwähnten  Exemplare  bei  de  Saulcy,  Anmiaire  V,  3,  181  sq.). 
Die  von  Mionnet  angegebenen  Jahreszahlen  26  und  29  hält  de  Saulcy  für 
falxch  gelcHCD.  Die  Münze  vom  J.  37  (zuerst  mitgetlieilt  von  Madden,  Uistury 
p.  102)  int  aUH  dem  letzten  Jahre  des  Philippus  -=  33/34  nach  Chr.  Die  Mün- 
zen vom  J.  12  und  16  (—  8/9  und  12/13  nadi  Chr.)  haben  auf  der  anderen 
beltc  den  Kopf  des  Augustus  und  die  Aufschrift  KAICAPI  CEliACTil 
(fragmcntariHcliJ,  die  vom  J.  19,  33  und  37  den  Kopf  des  Tiberius  mit  äiiu- 
licher  Aufschrift;  die  vom  J.  37  den  vollon  Namen  TlUEinOC  CEliACTüC 
KAICAP.  —  Der  auf  allen  Münzen  abgebildete  Tempel  ist  wohl  der  Augustus- 
tempel  zu  PaniiiH,  welchen  Uerode»  d.  Gr.  erbaut  hatte  {Aiitf.  XV,  10,  3.  Ji.J.  1, 
21,  3).  Der  Typus  int  aUo  ganz  heidnisch.  —  JJild  und  Namen  des 
KaiHcrM  findet  »ich,  auch  auf  den  Münzen  mandier  aiidcrcii  abhängigen  Könige 
ih;Uou  von  der  Zeit  den  AugUMtus  an;  doch  giebt  es  auch  solche,  auf  weichen 
noch  jeder  HinweiH  auf  die  höhere  kaiserliehe  Autorität  fehlt.  S.  Hohn,  (,ht(t 
condiciuuc  'uris  reges  aocii  populi  Uomuni  fucrinl,  1S77,  p.  45—49. 


[357.  358]  §  17.  a.  Philippus  (4  v.— 34  n.  Clir.).  Sein  Gebiet  römisch  (34—37).     43 1 

Philippus  starb  nach  37 jähriger  Regierung  im  2u.  Jahre  des 
Tiberius  (=33/34  nach  Chr.),  und  wurde  in  dem  von  ihm  selbst 
erbauten  Grabmal  beigesetzt  ^  i).  Sein  Gebiet  wurde  der  Provinz 
Syrien  zugetheilt,  behielt  aber  seine  eigene  Steuerverwaltung  ^  2), 
und  wurde  schon  nach  wenigen  Jahren  wieder  einem  Herodäer  ver- 
liehen. Kaiser  Caligula  schenkte  nämlich  unmittelbar  nach  seinem 
Regierungsantritt  (März  37  n.  Chr.)  die  Tetrarchie  des  Philippus 
dem  Agrippa,  einem  Sohne  des  von  seinem  Vater  Herodes  hin- 
gerichteten Aristobul,  also  Enkel  des  Herodes  und  der  Mariamme  ^^). 


b.  Herodes  Aiitipas  (4  v.— 39  u.  Chr.j. 

Quellen:  Joaeph.  Antt.  XVIII,  2,  1  u.  3.    4,  5.    5,   1-3.      7,  1—2.    B.  J.  II, 

9,  1.   6. 
Im  N.  T.:  Matth.  14,  1—11.    Marc.  6,  14—28.    Luc.  3,  19  f.    9,  7—9. 

13,  31  f.    23,  7—12. 
Ueber  die  Münzen  s.  unten. 
Literatur:  Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  V,  99—108.   VI,  320—322. 
Hausrath,  Zeitgeschichte  2.  Aufl.  I,  284  fl'.  325  fl'.  II,  207  ff.  221  ff. 
Winer,  Realwörterb.  I,  484. 
Wieseler  in  Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl.  I,  465 f.  Ders.,  Chronolog. 

Synopse  S.  55.  174.  238  ff. 
Keim   in  Schenkel's    Bibellex.    III,   42—46.     Geschichte   Jesu   I, 

203—206.    574  ff    621  ff.    II,  509  ff.   615.  III,  379  ff   484  ff. 
Ger  lach  in  d.  Zeitschr.  f.  luth.  Theol.  1869,  S.  32-53. 
Leiviii,  Fasli  sacri  (s.  Index  p.  408). 
Brann,  Die  Söhne  des  Herodes,  1873  (Separatabdruck  aus  der  Mo- 

uatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.)  S.  17—76. 

Einen  bessern  Antheil  als  Philippus  hatte  bei  der  Theilung 
des  väterlichen  Erbes  sein  Stiefbruder  Antipas  oder,  wie  er  von 
Josephus  häufig,  auf  Münzen  und  im  Neuen  Testamente  stets  ge- 
nannt wird,  Herodes  erhalten,  ebenfalls  wie  jener  mit  dem  Titel 
eines  Tetrarchen  ^).    Sein   Gebiet  (Galiläa  und  Peräa)  war  zwar 


11)  Antt.  XVIII,  4,  6.  —  Das  20.  Jahr  des  Tiberius  beginnt  d.  19.  Aug. 
33  n.Chr.;  das  37.  des  Philippus  endigt  (wenn  wir  v.  Nisan  zu  Nisan  rechnen, 
vgl.  S.  415  f.)  im  Frühjahr  787  a.  U.  =  34  p.  Chr.  Philippus  starb  also  im  Winter 
33  34  n.  Chr. 

12)  Antt.  XVIII,  4,  6. 

13)  Antt.  XVIII,  6,  10.    B.  J.  II,  9,  6. 

1)  So  wird  er  richtig  auch  Matth.  14,  1,  Ltic.  3,  19  genannt;  dagegen 
Marc.  6,  14  ungenau  ßaaiXevq.  —  Da  Herodes  Antipas  der  einzige  Herodes 
ist,  welcher  den  Titel  Tetrarch  führte,  so  beziehen  sich  ohne  Zweifel  auf  ihn 


432  §  l"?-   ^-  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  [358.  359] 

durch  I  die  sogenannte  Dekapolis,  welche  sicn  zwischen  Galiläa 
nnd  Peräa  wie  ein  Keil  hineindrängte,  in  zwei  Theile  gespalten  ^). 
Aber  dafür  wurde  er  reichlich  entschädigt  durch  den  Umstand, 
dass  die  Hälfte  davon  das  schöne,  fruchtbare  und  dichtbevölkerte 
Galiläa  bildete  mit  seinen  kräftigen  und  tapfern,  freilich  auch  die 
Freiheit  liebenden  Einwohnern  3).  Seinem  Charakter  nach  war 
Antipas  ein  ächter  Sohn  des  alten  Herodes,  klug,  ehrgeizig  und 
prachtliebend,  nur  weniger  thatkräftig  als  der  Vater  ^).  Für  seine 
Schlauheit  haben  wir  ein  vollgültiges  Zeugniss  aus  dem  Munde 
Jesu,  der  ihm  bekanntlich  einst  das  Prädikat  eines  „Fuchses"  er- 
theilte').  Es  war  allerdings  Klugheit  nöthig,  um  die  Galiläer  im 
Zaume  zu  halten  und  die  Grenzen  Peräa's  gegen  die  raublustigen 
Araber  zu  schützen.  Zur  Sicherheit  Galiläas  baute  er  das  von 
den  Soldaten  des  Varus  durch  Feuer  zerstörte  Sepphoris  (s.  oben 
S.  421)  wieder  auf  und  umgab  es  mit  festen  Mauern.  Und  zum 
Schutze  von  Peräa  befestigte  er  Betharamphtha  und  nannte  es 


die  beiden  folgenden  Inschriften,  welche  zugleich  von  seinen  Reisen  in's  Aus- 
land Zeugniss  geben: 

a)  Auf  der  Insel  Kos  {Corp.  Inscr.  Graec.  n.  2502  =  Paton  atul  Hieks , 
Inscriptions  of  Cos  n.  75,  vgl.  Herzog,  Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie 
1901,  S.  494): 

'^HqiÜSov  tov  ßaaiX^(oq  vlov, 

xexQUQxnVy 
4>iXla)v  lly^MOV,  (pvasi  6s  Nlxcavog, 
TOV  avTOv  ^ivov  xal  (piXov. 

b)  Auf  der  Insel  Delos  {Bulletin  de  correspondance  helleniqtie  t.  III,  1879, 
p.  365«?.): 

'O  6fjfj.oq  6  'A[d^Tjvala)v  xal  ol] 
xaToixo[vvT6g   t^v   vrjaov] 
'^HQiödrjv  ßaaiXk[o)q  ''Hqwöov  vlbv] 
TfXQÜQxrjv  a()fT^[c  evsxev   xal  evvol-] 
aq  x^q   elq    kavxov[q  .   .   .  dvt&rjxav]. 

2)  Vgl.  die  Karte  in  Menke's  Bibelatlas.  —  Ueber  die  Dekapolis  [Matth. 
4,  25.    Marc,  ö,  20.  7,  31)  b.  Bd.  II,  S.  116—148. 

3)  Vgl.  die  BeHchreibung  Galiläa's  Bell  Jiid.  III,  3,  2-3.  10,  8.  Gut  he, 
Art.  „Oalilüa"  in  Ilerzog-IIauck's  Rcal-Enc.  3.  Aufl.  VI,  336—344.  —  Ueber  die 
Grenzen  von  Galiläa  und  Peräa  h.  Bd.  II,  8.  5— H. 

4)  Jodcphus  nennt  ihn  {Ayüt.  XVIII,  7,  2)  dyandiv  xt/v  t/avxlav. 

6)  Luc.  13,  32.  —  Den  Fuch»  wollen  Hofinann  (Schriftboweis  II,  1,315), 
Gerlach  (ZeitHchr.  f.  liith.  Thcol.  1K09,  H.:W)  und  Volk  mar  (Die  FA-aiigrlion, 
1870,  8.  4Ö9f.)  nicht  aln  Symbol  der  Schlauheit,  sondern  der  oll'enen  Räuberei 
betrachten.  8.  dagegen  Keim,  Gesell.  Jesu  II,  615,  und  JlamburgtM-,  Real- 
Encyklop,  f.  Bibel  und  Talmud  Abth.  I  (1870),  Art.  „Fuchs".  Im  Talmud  wird 
der  Fueh»  aJindrüeklieh  als  der  bezeichnet  „den  nuin  nennt  den  Listigsten  unter 
den  Thieren"  nnTiauj  np»  y^by  ')'<naiHu;  {b.  livrarholk  611'). 


[359.  360]  §  17.   b.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  433 

nach  des  Kaisers  Gemahlin  Li  vi  as,  später  Julias^).  Auch  waren 
es  sicherlich  politische  Motive,  die  ihn  zur  Heirath  mit  der  Tochter 
des  Araberkönigs  Aretas  bestimmten').  Er  glaubte  dadurch  besser 
als  durcli  alle  Befestigungen  sein  Land  vor  den  Einfällen  der 
Araber  sicher  zu  stellen;  und  vielleicht  war  es  Augustus  selbst, 
der  ihn  zu  dieser  Heirath  bewogen  hat*^). 

Wie  alle  Herodäer  liebte  auch  Herodes  Antipas  luxuriöse  Bauten. 
Besonders  hervorragend  in  dieser  Beziehung  war  der  Bau  einer 
glänzenden  Hauptstadt,  welchen  er  zur  Zeit  des  Tiberius  unter- 
nahm^). Er  wählte  dazu  „die  beste  Gegend  Galiläas"  {Jos.  rolg 
XQaxioroiq  ....  trjq  FaXikaiag),  das  Westjufer  des  See's  Genezareth, 
in  der  Nähe  der  warmen  Quellen  von  Emmaus.  Die  Wahl  des 
Platzes  war  freilich  in  einer  Beziehung  keine  glückliche.  Denn 
giirade  der  Platz,  an  welchem  die  Stadt  gebaut  wurde,  war,  wie 
sich  bei  den  Grabarbeiten  herausstellte,  eine  alte  Begräbnissstätte, 
deren  Bewohnung  —  da  jede  Berührung  von  Gräbern  auf  sieben 
Tage  verunreinigte  ^^)  —  den  gesetzestreuen  Juden  unmöglich  war. 
Herodes  musste  daher,  um  nur  Bewohner  für  die  Stadt  zu  be- 
kommen, viele  Fremde,  Abenteurer  und  Bettler  zwangsweise  an- 
siedeln, wodurch  die  Bevölkerung  eine  sehr  gemischte  wurde.  An 
prachtvollen  Gebäuden  aber  liess  sie  nichts  zu  wünschen  übrig. 
Sie  hatte  u.  a.  ein  araöiov ' ')  und  einen  königlichen  Palast,  der 
freilich  durch  seine  Thierbilder  Anstoss  erregte  und  zur  Zeit  des 
Krieges  mit  den  Römern  dem  jüdischen  Fanatismus  zum  Opfer 
fieP'"^).  Auch  eine  jüdische  jrQooevx^,  ein  (leyiorov  otxjjfia,  fehlte 
nicht '  3).  Die  Verfassung  der  Stadt  war  ganz  nach  hellenistischem 
Muster.  Sie  hatte  einen  Rath  {ßovXri)  von  6U0  Mitgliedern  mit 
einem  aQxmv  und  einem  Ausschuss  der  öixa  jigcörot,  auch  Hyp- 
archen  und  einen  Agoranomos.  Zu  Ehren  des  Kaisers  erhielt  die 
neue  Hauptstadt  den  Namen  Tiberias^*). 


6)  Änit.  XVIII,  2,  1.  B.  J.  II,  9,  1.  —  Ucber  beide  Städte  und  über  den 
Wechsel  der  Namen  Livias  und  Julias  s.  Bd.  II,  S.  102—169. 

7)  Äntt.  XVIII,  5,  1.  — Ueber  Aretas  und  die  nabatäischen  Könige  über- 
haupt 8.  Beilage  II. 

8)  Vgl.  Sueton.  Äug.  c.  48:  Reges  soeios  etiam  inter  semet  ipsos  necessitu- 
dinibus  midttis  junxit,  promptissimus  affinitatis  cujusque  atque  ainicitiae  conci- 
liator  et  fautor. 

9)  Ueber  die  Zeit  der  Erbauung  von  Tiberias  s.  Bd.  II,  S.  170 f. 

10)  Num.  19,  16.  Jos.  Äntt.  XVIII,  2,  3.  Die  näheren  Bestimmungen 
über  Verunreinigung  durch  Gräber  s.  Mischna  Olutloth  XVII.  XVIII. 

11)  B.  J  II,  21,  6.    III,  10,  10.     Vita  17.  64. 

12)  Vita  12. 

13)  Vita  54. 

14)  Vgl.   über   die  Erbauung   von  Tiberias   überhaupt:    Äntt.  XVTII,  2,  3. 
Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  28 


434  §  17.   b.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  [360.  361] 

Zur  Zeit  des  Pilatus  (26 — 36  n.  Chr.)  betheiligte  sich  Antipas 
saninit  seinen  Brüdern  mit  Erfolg  an  einer  Klage  gegen  Pilatus 
wegen  Aufstellung  anstössiger  Weiheschilde  im  Palaste  zu  Jeru- 
salem '  ^).  Und  wie  er  hier  die  jüdischen  Forderungen  vertrat,  so 
wagte  er  auch  sonst,  trotz  der  heidnischen  Bauten  zu  Tiberias, 
doch  nicht,  sich  den  Ansprüchen  des  Judenthums  völlig  zu  ent- 
ziehen —  auch  in  diesem  Punkte  ein  ächter  Sohn  des  Herodes. 
Aus  dem  Evangelium  wissen  wir,  dass  er  zu  den  Festen  nach 
Jerusalem  kam  ]  {Luc.  23,  7),  und  seine  Münzen  tragen  so  wenig 
ein  Bildniss,  wie  die  des  alten  Herodes'*^). 

Die  Klage  gegen  Pilatus  fand  wahrscheinlich  erst  nach  dem 
J.  31  statt'').  Auch  was  wir  sonst  noch  von  Herodes  Antipas 
wissen,  fällt  in  die  spätere  Zeit,   etwa  in  die  letzten  zehn  Jahre 


B.  J.  n,  9,  1.    Vita  9.  Näheres   über  die  Stadt  und  ihre  Verfassiingsverhält- 
nisse  s.  Bd.  II,  S.  109-174. 

15)  Philo,  Legat,  ad  Cajum  §  38  (ed.  Mang.  II,  589  sq.).  —  Pliilo  nennt 
zwar  den  Namen  des  Antipas  nicht,  erwähnt  aber,  dass  „oi  ßaaiX^wg  ['Hqw- 
öov]  vielg  xiTTageg  ovx  aTtoösovreq  x6  xe  ft^twfia  xal  xaq  xvxctQ  xcöv  ßaaiXswp" 
sich  vor  allem  der  Sache  annahmen.  Es  sind  damit  jedenfalls  zunächst  Plii- 
lippus  und  Antipas  gemeint  (Archelaus  befand  sich  seit  d.  ,1.  G  n.  Chr. 
nicht  mehr  in  Palästina),  Fraglich  bleibt  aber,  wer  die  beiden  andern  sind. 
Wir  kennen  nämlich  aus  Antt.  XVII,  1,  3.  B.  J.  I,  28,  4  noch  drei  Söhne  des 
Herodes,  welche  in  Betracht  kommen  können:  1)  Herodes,  S.  der  Mariamme; 
2)  Herodes,  S.  der  Kleopatra;  3)  Phasael,  S.  der  Pallas. 

16)  Ueber  die  Münzen  des  Herodes  Antipas  vgl.  Eckhel  III,  486—490. 
Mionnet  V,  566.  Lenormant,  Träsor  de  Nuinismxitique  p.  125  pt.  LIX  n. 
l(i — 20.  Cavedoni,  Biblische  Numismatik  I,  53;  58-60.  Levy,  Gesch.  der 
jOd.  Münzen  S.  80.  Maddcn,  Jlistory  p.  95 — 99.  De  Saulcg,  Numismatik 
Chronicle  1871,  p.  254.  Madden,  Num.  Chronide  1875,  p.  47—49.  De  Sau  leg, 
Melanges  de  Numismatique  t.  II,  1877,  p.  92.  Maddcn,  Coins  of  the  Jeirs, 
1881,  p.  118 — 122  (hier  am  vollständigsten).  —  Die  Miinzcn  zerfallen  in  zwei 
ClasBen:  1)  Die  eine  hat  die  Aufschrift  HPSidOY  TETPAPXOY  mit  den 
Jahreszatilen  33,  34,  37,  38;  auf  der  anderen  Seite  den  Namen  der  Stadt 
TIBEPIAS.  2)  Die  andere  Classe  hat  die  Aufschrift  HPSi^HS  TETP.APXHH, 
auf  der  anderen  Seite  rAJü  KAICAPI  FliPMANIKSi.  Von  dieser  Classe 
flind  nur  drei  Exemplare  Hicher  nachgewiesen,  sämmtlich  mit  der  Jalireszahl 
Afr  —  43  (d.  h.  39  40  nach  Chr.).  Da  (lies  höclist  wuhrMchcinlich  das  letzte 
Jahr  de»  Hermleg  AntipaH  war,  ho  ist  die  Existenz  von  Münzen  mit  den  .liihres- 
ZAhlen  44  und  45,  welclie  Einige  geben,  höchst  fraglich.  S.  hierüber  oben 
8.  417.  —  Die  Münzen  des  Antipas  mit  dem  Namen  des  Kaisers  (ohne 
Bild)  Ht<!hen  in  der  Mitt*;  zwischen  den«n  Herodes  des  Grossen,  welche  weder 
Nanu-n  noch  Bild  des  Kaiwers  haben,  und  denen  des  I'hilippus,  welche  beides 
hallen. 

17)  Wie  aus  Philo,  lAigat,  ad  Cajtim  §  24  (ed.  Mangeij  11,  509)  zu  schliessen, 
wonitti'h  Tiberius  bei  Lebzeiten  Sejan's  (t  31)  den  .Juden  ungiluHtig  ge- 
Htimmt  war,  dagegen  nacli  dem  Tode  desselben  strenge  mif  Schomin^  ihrer 
rellgf^M'n  Eigenthflmlichkeiten  hielt. 


[361.  302]  §  17.   b.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  435 

seiner  Regierung.  Er  stand  in  dieser  Zeit  fast  ganz  unter  der  Ge- 
walt einer  Frau,  die  für  ihn  die  Ursache  einer  Reihe  unheilvoller 
Verwickelungen  wurde.  Als  er  einst  —  wir  wissen  nicht,  zu  welchem 
Zwecke,  auch  nicht  genau  zu  welcher  Zeit  —  eine  Reise  nach  Rom 
machte,  besuchte  er  vor  der  Abreise  seinen  Stiefbruder  Herodes, 
den  Sohn  der  Hohenpriesterstochter  Marianime,  der  im  ersten  Testa- 
mente des  Herodes  zum  eventuellen  Thronfolger  bestimmt  gewesen 
war  (s.  oben  S.  412).  Dieser  war  verjuählt  mit  Herodias,  einer 
Tochter  des  im  J.  7  v.  Chr.  hingerichteten  Aristobul  '^).  Aus  der 
Ehe  beider  stammte  Salome,  die  Gemahlin  des  Tetrarchen  Philip- 
pus,  der  demnach  nicht,  wie  die  Evangelien  wollen,  de#  erste  Ge-[ 
mahl,  sondern  der  Schwiegersohn  der  Herodias  gewesen  ist'^).  Als 
nun  Antipas  im  Hause  seines  Bruders  einkehrte,  fand  er  Gefallen 
an  Herodias  und  machte  ihr  einen  Heirathsantrag,  auf  welchen 
die  ehrgeizige  Frau  bereitwilligst  einging.  Es  ward  verabredet, 
dass  Antipas  nach  der  Rückkehr  von  Rom  seine  Gemahlin,  die 
Tochter  des  Aretas,  Verstössen  und  mit  Herodias  Hochzeit  machen 
solle.  Mit  diesem  Versprechen  reiste  er  nach  Rom.  Als  er  zurück- 
kehrte, bat  ihn  seine  Gemahlin,  die  mittlerweile  von  den  Ab- 
macliungen  Kunde  erhalten  hatte,  er  möge  sie  nach  Machärus 
bringen  lassen,  der  starken  Festung  östlich  vom  todten  Meere. 
Da  Antipas  nicht  ahnte,  dass  seine  Gemahlin  von  seinen  geheimen 
Plänen  wisse,    erfüllte   er  ihren   Wunsch.     Aber  kaum  war  die 


18)  Vgl.  über  Herodias:  Winer,  RWB.  I,  480.  Keim  in  Schenkei's  ßibel- 
lexikon  III,  46—49. 

19)  Antt.  XVIII,  5,  4.  —  Als  erster  Gemahl  der  Herodias  istPhilippus 
genannt:  Mare.  6,  17.  An  der  Parallelstelle  Matlh.  14,  3  fehlt  der  Name  im 
God.  D  und  ist  von  Tischendorf  {ed.  VIII)  eingeklammert,  vielleicht  mit  Recht. 
Bei  Lue.  3,  19  dagegen,  wo  ihn  der  textus  receptus  ebenfalls  hat,  ist  er  sicher 
zu  streichen.  —  Da  nach  Josephus  nicht  der  Tetrarch  Philipp us,  sondern 
der  oben  genannte  Herodes  der  erste  Gemahl  der  Herodias  war,  so  ist  die 
Angabe  des  Marcus  ein  entschiedenes  Versehen.  Freilich  wollen  Viele  (da- 
runter selbst  Winer,  RWB.  Art.  „Philippus")  dieses  Versehen  dadurch  besei- 
tigen, dass  sie  diesem  Herodes  den  Namen  Herodes  Philippus  geben,  der 
demnach  —  von  dem  Tetrarchen  wohl  zu  unterscheiden  —  von  Marc,  gemeint 
sei.  Allein  es  wäre  schon  auffallend,  dass  Josephus  und  das  N.  T.  sich  in 
die  beiden  Namen  gerade  getheilt  haben  sollten;  noch  sonderbarer,  dass  der 
alte  Herodes  zwei  Söhne  Namens  Philippus  gehabt  haben  sollte.  Wenn  man 
als  Analogie  hiefür  den  Namen  Herodes  beizieht,  welchen  mehrere  seiner 
Söhne  führten,  so  trift't  dies  nicht  zu;  denn  dies  war  Familienname.  Und 
ebensowenig  zutreffend  ist  die  Analogie  der  beiden  Brüder  Antipater  und 
Antipas;  denn  dies  sind  ja  wirklich  verschiedene  Namensformen.  Es  bleibt 
nichts  anderes  übrig,  als  das  Versehen  des  Evangelisten  al.«;  solches  anzuer- 
kennen. Vgl.  Volkmar,  Theol.  Jahrbb.  1846,  S.  363-383.  Ewald  V,  103. 
Keim,  Gesch.  Jesu  I,  585.    Bibellexikon  III,  47. 

28* 


436  §  17.   b.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  [362.  363] 

Aretas-Tochter  in  Machärus  angelaügt,  so  entfloh  sie  von  dort  zu 
ihrem  Vater  und  theilte  ihm  mit,  welche  freundschaftlichen  Ge- 
sinnungen ihr  Gemahl  gegen  sie  hege.  Von  da  an  stand  der  Araber- 
könig mit  Herodes  Antipas  auf  gespanntem  Fusse  ^o).  |  Dieser 
aber  scheint  die  Heirath  mit  Herodias  alsbald  in's  Werk  gesetzt 
zu  haben. 

In  die  Zeit  dieser  Heirath  oder  bald  darnach  fällt  das  Auf- 
treten Johannes  des  Täufers  und  Jesu  Christi,  welche  beide 
auch  im  Gebiete  des  Antipas  ihre  Wirksamkeit  entfalteten,  der 
Täufer  in  Peräa ''''),  Jesus  in  Galiläa.  Ueber  Johannes  den  Täufer 
giebt  Josephus  folgenden  Bericht '^^j.    „Er  war  ein  trefflicher  Mann 


20)  Antt.  XVIII,  5,  1.  —  Ueber  Machärus  s.  oben  S.  390f.  und  §  20  gegen 
Ende.  Nach  dem  herkömmlichen  Josephus-Texte  soll  Machärus  damals  dem 
Araberkönig  gehört  haben ;  denn  es  heisst,  dass  die  auf  Flucht  sinnende 
Fürstin  schon  zuvor  (Boten)  gesandt  habe  elq  xov  MaxaiQovvxa  xoxs  naxQl 
ttvxrlq  vnoxeX^  (so  alle  Ausgaben  seit  ed.  prine.  bis  Hudson,  Havercamp  und 
Dindorf  inclus.,  nur  Bekker  conjicirt  xov  t^  statt  xoxe).  Das  wäre  höclist 
auffallend,  da  Machärus  sonst  immer,  vorher  und  nachher,  zum  jüdischen  Ge- 
biete gehört  hat  (schon  Alexander  Jannäus  hat  es  befestigt,  desgleichen  He- 
rodes der  Grosse,  B.  •/.  VII,  6,  2;  Herodes  Antipas  setzte  Johannes  den  Täufer 
dort  gefangen;  im  vespasianischen  Kriege  war  es  eine  der  letzten  Zufluchts- 
stätten der  Aufständischen,  B.  J.  II,  18,  6.  VII,  6).  Auch  in  unserer  Geschichte 
wäre  68  merkwürdig,  wenn  Herodes  so  arglos  seiner  Gemahlin  die  Reise  nach 
einer  ihm  nicht  gehörigen  Festung  gestattet  hätte.  Hitzig  (Gesch.  des  Volkes 
Israel  S.  567)  hat  dalier  die  Notiz  für  einen  Einschub  erklärt.  Andere  haben 
über  die  Gründe  des  mehrmaligen  Bositzwechsels  die  verschiedensten  Ver- 
muthungen  aufgestellt.  In  Wahrheit  steht  im  Josephus-Text  gar  nichts  davon, 
dass  Machärus  damals  dem  Araberkimig  gehört  hat;  denn  alle  Handschriften 
haben  (nach  Niese)  elq  xöv  MaxaiQOvvia  x<p  xs  naxQl  avx^Q  vnoxeXei  (nicht 
vnoxfXfj).  Das  kann  nur  heissen:  „nach  Machärus  und  an  das  ihrem 
Vater  Untertbänige"  (an  die  ihrem  Vater  unterthänigen  Stämme),  vgl. 
Tlieol.  Litztg.  1890,  044.  Damit  ist  alles  in  Ordnung.  Die  von  Naber  auf- 
genommene Conjectur  Loman's  {Theol.  TijiUchr.  1891  p.  .304)  tlq  xöv  Maxai- 
Qotvta  X(f)  '^HQiööy  xöi  xe  natgl  aixTq  vnoxekfj  ist  nocli  unglücklicher  als  die 
der  ed.  jrrinc.  —  Bei  der  Reise  durch  das  arabische  Gebiet  wurde  die  Tochter 
den  AretaH  unterstützt  von  den  „Strategen"  ihres  Vaters.  Der  Titel  KSPndst 
kommt  auch  auf  nabatäischen  Inschriften  häufig  vor,  s.  Bd.  11,  S.  44,  An- 
merkung llü. 

21)  Der  Schauplatz  der  Wirksamkeit  des  Täufers  mag  allerdings,  wie 
Keim  (GcHch.  Jesu  1,  404~49<5)  annimmt,  vorwiegend  das  diesseitige  Jordan- 
ufer, also  Judfia,  gewesen  sein.  Aber  JedcnfullH  hat  er  auch  aiif  dem  jensei- 
tigen Ufer  in  Poräa  gewirkt,  wie  nicht  nur  der  viertem  Evangelist  (1,  28.  3,26. 
10.  40),  «ondern  auch  die  Thatsachc  der  OefangeiMichmutig  durch  Antipas 
verlangt.     Dies  giel)t  auch  Keim  ((iesrh.  .Jesu  1,  .'^221'.)  zu. 

22)  Antt.  XVIII,  ö,  2:  Kxflvn  xovrov  'HiKpfirjq  dyador  /Jj^Jj;«,  xal  xoiq 
*IoiSaloti  XBktvovra,  dQtviiv  inaaxoxxuv  xal  xa  nQiq  nlkt/kovq  öixaioavv^  xal 
npht  t6v  Ofiv  fvatßtln  xQ^»ß^votq,  ßanxinfi(p  avvihai-  o'vxo)  yug  rf>)  xal  x^v 
ßänxiniv  tinodtxx^v  avxtp  tpavulalkat,  /lii  in)  rivdiv  ufjiaQtäAujv  naQatxtjan  xq(i>- 


[3ö3.  364]  §  17.   b.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  437 

und  ermahnte  die  Juden,  sich  der  Tugend  zu  befleissigen  und  Ge- 
rechtigkeit gegen  einander  und  Frömmigkeit  gegen  Gott  zu  üben 
und  zur  Taufe  zu  kommen.  Denn  also  werde  auch  die  Taufe  ihm 
angenehm  sein,  wenn  man  sie  nicht  gebrauche,  um  Vergehungen 
abzubitten,  sondern  zur  Reinigung  des  Körpers,  indem  nämlich  die 
Seele  schon  zuvor  durch  Gerechtigkeit  gereinigt  ist.  Als  nun  auch 
andere  sich  zu  ihm  wandten  (denn  sie  wurden  durch  das  Hören 
seiner  Reden  aufs  höchste  gehoben),  so  fürchtete  Herodes,  es  möchte 
sein  so  gewaltiger  Einfluss  auf  die  Menge  einen  Aufstand  herbei- 
führen (denn  alles  schienen  sie  auf  seinen  Rath  zu  thun);  und  er 
hielt  es  darum  für  besser,  seinen  etwaigen  Neuerungsplänen  durch 
Hinrichtung  zuvorzukommen,  als  nach  geschehenem  Umsturz  den 
erlittenen  Unfall  bereuen  zu  müssen.  So  ward  Johannes  infolge  des 
Argwohns  des  Herodes  gefesselt  in  die  vorhin  erwähnte  Festung 
Machärus  gebracht  und  daselbst  getödtet".  —  Dieser  Bericht  des| 
Josephus,  wenn  anders  er  von  ihm  herrührt,  und  die  Nachrichten 
des  Neuen  Testamentes  über  den  Täufer  und  sein  Verhältniss  zum 
Tetrarchen  Herodes  ergänzen  sich  gegenseitig.  Was  Josephus  über 
den  Inhalt  der  Busspredigt  des  Täufers  sagt,  ist  freilich  sehr  dem 
Geschmack  der  gebildeten  griechisch-römischen  Welt  angepasst.  In 
dieser  Hinsicht  sind  die  kurzen  Angaben  der  synoptischen  Evan- 
gelien getreuer  und  zuverlässiger -^ä).  Dagegen  ist  es  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  der  eigentliche  Grund  der  Gefangensetzung  des 
Täufers  durch  Antipas  (wie  Josephus  angiebt)  Furcht  vor  politischen 
Unruhen  war.    Der  gewaltige  Volksprediger  hat  ja  ohne  Zweifel 


(ihwv,  dkk'  ^(p  ayveta  tov  aci/naroQ,  are  öt]  xai  XTJq  ^>vxfj<i  Sixaioavp^  nQOfx- 
xexai^aifßivriq.  Kai  xwv  akXvov  avozQfipondvwv  \xal  yay  ^qS^ijouv  inl  nktlaxov 
x^;  dxQodast  xwv  Xöywv)  Seiaaq  ''ügwöriq  xd  inl  xoaovöe  mbavbv  avioi  xotq 
ävd-Qüjnoiq  /urj  inl  dnoaxäaei  xivl  (pigoi  [nävxa  yäg  iu'xeaav  ov/ußovX^  xy 
ixeivov  nQÜ^ovzeq),  noXv  xqbIxxov  ^ysZxai,  n(jiv  xi  vevixtQOv  i^  avxov  ysvka&ai, 
nQoXaßCov  dveXtiv  xov  fitxaßoXfjg  ygyofxivTjg  sie:  ngay^axa  i^neawv  fisxavotiv. 
Kai  o  (xhv  vnoxpltt  xy  H(}iö6ov  öio/uiog  si<;  xov  Maxuiyotpxa  ntft<pd-elq,  xb 
nQoeiQtjßSvov  ipQovQiov,  xaviy  xxlvvvxai. 

23)  Vgl.  zur  Erläuterung  der  Josephusstelle :  Volkmar,  Jesus  Nazareuu» 
(1882)  S.  332 — 334.  Klöpper,  Ein  paar  Bemerkungen  zu  dem  Urtheil  des 
Josephus  über  Johannes  den  Täufer  (Zeitschr.  für  wissensch.  Theol.  1885, 
S.  1 — 20).  Loman,  Het  berieht  van  Flatdus  Josephus  aangaande  de  oorxaak  en 
het  datum  der  executie  van  Johannes  den  dooper,  vergeleken  met  de  verhalen  der 
sytioptiei  {Theol.  Tijdsehr.  1891,  p.  293—315).  —  Auch  in  der  sonstigen,  fast 
nuabsehbaren  Literatur  über  Johannes  den  Täufer  wird  auf  die  Josephusstelle 
in  der  Regel  irgendwie  Rücksicht  genommen.  S.  bes.  Keim,  Gesch.  Jesu  I, 
4()9-523.  Belser,  Ueber  Johannes  den  Täufer  (Theol.  Quartalschr.  1890, 
S.  355—399).  Die  ältere  Literatur  bei  Win  er,  Realwörterb.  Art.  „Johannes 
der  Täufer".  Hase,  Leben  Jesu  §  42  und  75.  Reuss,  Gesch.  der  heil. 
Schriften  Alten  Testaments  (1881)  §  561. 


438  §  1~-   ^'-  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  [364.  365] 

eine  mächtige  Bewegung  hervorgerufen,  die  zwar  zunächst  religiöser 
Art  war.  aber  sicherlich  nicht  ohne  Beimischung  eines  politischen 
Momentes.  Denn  die  Masse  des  ^  olkes  vermochte  damals  religiöse 
und  politische  Hoffnungen  nicht  streng  zu  sondern.  Es  ist  darum 
sehr  glaublich,  dass  Antipas  von  der  Wirksamkeit  des  Täufers 
politische  Unruhen  befürchtete  und  ihn,  als  er  seine  Wirksamkeit 
nach  Peräa  ausdehnte,  gefangen  setzen  Hess.  Daneben  können  doch 
auch  die  Evangelien  {Matth.  14,  3  f  Marc.  6,  17  f.  Luc.  3,  19  f.) 
Kecht  haben,  wenn  sie  sagen,  er  habe  dies  gethan,  weil  Johannes 
seine  Ehe  mit  Herodias  tadelte.  Beide  Angaben  schliessen  sich 
nicht  gerade  aus  -*).  —  Den  Ort,  wo  Johannes  eingekerkert  wurde, 
nennen  die  Evangelien  nicht.  Aus  Josephus  erfahren  wir,  dass  es 
Machärus  war,  die  starke  Festung  im  Osten  des  todten  Meeres '^^).| 
Nach  Josephus  könnte  es  scheinen,  als  ob  der  Gefangensetzung  des 
Täufers  die  Hinrichtung  unmittelbar  gefolgt  sei.  Aus  den  Evan- 
gelien aber  sehen  wir,  dass  Herodes  den  Täufer  längere  Zeit  ge- 
fangen hielt,  unschlüssig,  was  er  mit  ihm  thun  solle  2^).    Die  Ent- 


24)  Die  Josephusstelle  ist  dem  Origenes  bekannt  {contra  Geis.  I,  47).  Eu- 
»ebius  citirt  sie  vollständig  {Hist.  eccL  I,  11,  4—6.  Demonstr.  cvang.  IX,  5,  15). 
Ihre  Echtheit  ist  nur  selten  angefochten  worden  (auch  Volk  mar  setzt  sie 
ohne  weiteres  voraus;  gegen  dieselbe:  J.  Chr.  K.  v.  Hofmann,  Die  heil. 
S'.hrift  Neuen  Testaments,  VII.  Thl.  3.  Abth.  Der  Brief  Jakobi  1876,  S.  4 f.). 
Zu  ihren  Gunsten  spricht  allerdings,  dass  die  Motive  für  die  Gefangensetzung 
und  Hinrichtung  des  Täufers  so  ganz  anders  angegeben  werden  als  in  den 
Evangelien.  Da  aber  Josephus  an  anderen  Stellen  sicher  von  christlicher 
Hand  interpolirt  worden  ist,  so  darf  man  auch  hier  nicht  allzusehr  auf  die 
Echtheit  vertrauen.  Bedenken  erweckt  namentlich  das  günstige  Urtheil  über 
Johannes,  der  doch  nur  nach  gewissen  Seiten  hin  dem  Josephus  sympathisch 
sein  konnte,  nämlich  als  Asket  und  Moralprediger,  aber  nicht  als  der  das 
Volk  mächtig  aufregende  Prophet  des  kommenden  Messias. 

25)  Diejenigen  Forscher,  welche  auf  Grund  des  herkömmlichen  Joscphus- 
tcxtes  annehmen,  dass  Machärus  noch  kurz  zuvor  dem  Aretas  gehört  habe. 
Buchen  zu  erklären,  wie  es  nun  in  den  Besitz  des  Antipas  gekommen  ist. 
Keim  (Geeeh.  Jesu  I,  622.  Protestant.  Kirchenzeitg.  1869,  Nr.  51,  co\.  1218 f.) 
nimmt  an,  das«  Antipas  die  Festung  im  Beginn  des  noch  zu  erwähnenden 
KriegcB  gegen  Aretas  erobert  habe.  Wiesel  er  meint  (Chronolog.  Synopse 
8.  244  f.  Beiträge  S.  5.  13.  Beweis  des  Glaubens  1870,  S.  166),  dass  Aretas 
die  Festung  dorn  Herodes  auf  Geheiss  des  Tibcrius  habe  abtreten  müssen.  — 
Gcrlach  (Zeituchr.  f.  luth.  Th.  186!»,  S.  49-51)  glaubt,  dass  die  Festung 
überluiupt  nie  dem  Aretas  gehört  habe,  sondern  nur  die  Stadt  Machärus  ihm 
eine  Zeit  lang  Tribut  bezahlt  habe;.  —  Am  seltsamsten  ist  Sevin's  Ansicht, 
duMM  MucbäruM  »ich  noch  im  Besitz  des  Aretas  befunden  habe,  als  Herodes 
AntipaM  den  TÄufor  io  dieser  Burg  seines  Schwiegervaters  gefangen  setzen  und 
hinrichten  liensü  (Kevin,  Chronologie  des  Lebetis  Jesu  2.  Aufl.  S.  96,  überii. 
8.  Wi-Ü«). 

26)  Malth.  14,  0.  Marc.  6,  2().  Matth.  U,  2—6.  Vgl.  K(!im,  Gesch.  Jesu 
I.  :>H3f.      HauHratb,   Zeitgcsch.  2.  Aufl.  I,  331.    Weiss,  Murcusev.  S.  217  f. 


[3ö5.  3Ü6]  §  17.    b.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  439 

Scheidung  führte  schliesslich  Herodias  herbei,  die  Hauptfeindin 
des  strengen  Busspredigers.  Als  einst  zur  Feier  des  Geburtstages 
des  Antipas  27)  im  ]  Palaste  zu  Machärus  —  denn  dorthin  ist  der 

27)  Die  Bedeutung  von  ytviaia  {Mt.  14,  6.  Mc.  6,  21)  ist  streitig.  S.  Wolf, 
Curae  phil.  et  crit.  in  N.  T.,  ad  Matth.  14,  6  (ausführliches  Referat  über  die 
Ansichten  Aelterer),  Kuinoel,  Gomm.  in  Ev.  Matth.,  ad  Matth.  14,  6,  über- 
haupt die  Ausleger  zu  Mt.  14,  6.  Me.  6,  21;  ferner:  Wieseler,  Synopse  S. 
2!i2ff.  Beiträge  S.  182f.  Keim  II,  51(3.  Hausrath  I,  334.  Statt  der  ge- 
wöhnlichen Bedeutung  „Geburtstag"  wird  nämlich  von  manchen  Auslegern  die 
Bedeutung  „Tag  des  Regierungsantrittes"  angenommen.  Diese  Bedeutung  ist 
aber  im  Bereiche  der  griechischen  Literatur  schlechterdings  nicht  nachweisbar. 
Denn  wenn  gelegentlich  der  Tag  des  Regierungsantrittes  yivt^XioQ  öiaörtiiaxoq 
(Inschr.  des  Antiochus  von  Commagene  bei  Humann  und  Puchstein,  Reisen  in 
Kleinasien  und  Nordsyrien  S,  274)  oder  natalis  imperii  {Spartian.  Vita  Hadr. 
4,  Capitolin.  Vita  Pertinac.  15,  beide  in  den  Scriptores  Historiae  Atu/ustae)  ge- 
nannt wird,  so  ist  damit  nicht  bewiesen,  dass  ytvib^Xioq  oder  yevtaioq  ohne 
Zusatz  auch  diese  Bedeutung  haben  kann  (für  natalis  resp.  natalicia  ist  dieser 
Gebrauch  erst  in  einem  Kalender  des  vierten  Jahrh.  nach  Chr.  nachweisbar, 
s.  Mommsen,  Staatsrecht  II,  2,  3.  Aufl.  S.  812  f.).  Auch  das  rabbinische  Ma- 
terial, auf  welches  man  sich  stützt,  ist  sehr  schwach.  Die  Grundstelle  ist 
Mischna  Ähoda  sara  I,  3:  „Folgendes  sind  die  Feste  der  Heiden:  Die  Calendae 
und  die  Saturnalia  und  die  xQaxriaeiq  \p^nXT\p]  und  der  Tag  der  ytviaia  der 
Könige  (D'^sbt:  bö  X'<D'>3'^a  OT^)  und  der  Tag  der  Geburt  und  der  Tag  des  Todes. 
So  R.  Meir.  Die  Gelehrten  sagen:  Nur  ein  Sterbefall,  wobei  öflentlich  ein 
Verbrennen  stattfindet,  ist  mit  Götzendienst  verbunden;  wo  aber  dies  nicht 
der  Fall  ist,  ist  kein  Götzendienst."  Eine  Erklärung  der  Ausdrücke  wird  in 
der  Mischna  nicht  gegeben.  Im  palästinensischen  Talmud  (jer.  Aboda  sara  I 
fol.  39c)  wird  if^D'^S'^a  Di''  erklärt  durch  JTT'bn  DT«  „Geburtstag".  Im  babylo- 
nischen Talmud  {bab.  Aboda  sara  10a)  wird  ausführlich  über  die  Bedeutung 
discutirt,  dabei  Gründe  zu  Gunsten  der  Erklärung  „Geburtstag"  angeführt, 
aber  schliesslich  der  Erklärung  T^bo  13  ")'^T''QrT2T!5  DT'  „Tag,  an  welchem  man 
den  König  eingesetzt  hat",  der  Vorzug  gegeben  (s.  Levy,  Neuhebr.  Wörterb. 
I,  349a,  und  den  Wortlaut  der  ganzen  Discussion  in  deutscher  üebersetzung 
in:  Abodah  Sarah  übers,  von  Ferd.  Chr.  Ewald,  2.  Ausg.  1868,  S.  70 f.).  We- 
sentlich hierauf  stützt  sich  die  von  vielen  Neueren  angenommene 
Erklärung  „Tag  des  Regierungsantrittes".  Da  aber  die  Palästinenser 
in  solchen  Dingen  ohne  Zweifel  besser  Bescheid  wussten  als  die  Babylonier, 
die  meistens  nur  ratlien,  ohne  etwas  zu  wissen,  so  kann  die  Erklärung  der 
letzteren  gegenüber  allen  anderen  Instanzen  nicht  in  Betracht  kommen  (so 
auch  Dal  man,  Theol.  Literaturzeitung  1889,  172,  in  der  Anzeige  von  Strack 's 
Aboda  sara).  Auch  der  Zusammenhang  der  Mischna  spricht  für  die  Erklärung 
„(  Jeburtstag".  Denn  D*'0'^ti"\p  ist  höchst  wahrscheinlich  der  Tag  der  Erlangung 
der  Herrschaft.  Also  muss  X'^D'^S'^a  davon  verschieden  sein.  Der  daneben  ge- 
nannte „Tag  der  Geburt"  ist  aber,  wie  die  weitere  Erörterung  in  der  Mischna 
zeigt,  nicht  der  Jahrestag  der  Geburt,  sondern  nur  der  eine  Tag,  an  welchem 
ein  Kind  geboren  worden  ist.  Auch  im  Targum  jer.  zu  Qen.  4U,  20  steht  Dl"^ 
X'^O'^Di  in  der  Bedeutung  ,, Geburtstag".  Vgl.  über  den  rabbinischen  Sprachge- 
brauch überhaupt:  Grätz,  Monatsschr.  1871,  S.  228 ff',  [irrig:  Feier  des  Todes- 
tages].   Krauss,   Byzantinische   Zeitschr.  II,  538f.     Ders.,  Griechische  und 


440  §  17.   b.  Herodes  Antipas  (4  v— 39  n.  Chr.).  [366] 

lat.  Lehnwörter  im  Talmud  u.  s.  w.  II,  1809,  S.  180.     Blau,  Revtie  des  etudes 
juires  XXVII,  1893,  p.  298  sq.    Lewy,  Philologus  LH,  1893,  S.  733—735. 

Die  Sitte  der  Geburtstagsfeier  von  Fürsten  und  Privatpersonen  ist 
sehr  alt.  Schon  die  Genesis  erwähnt  den  Geburtstag  Pharao's  {Oen.  40,  20; 
dazu  Dillmann).  König  Amasis  von  Aegypten  soll  einst,  als  er  noch  ein 
Privatmann  war,  seinem  Vorgänger  dem  König  Patarmis  bei  dessen  Geburts- 
tagsfeier iyevB^Xia  intveJ.ovvTt  IlardQfiiöi)  einen  prachtvollen  Blumenkranz 
überreicht  haben  {Hellam'cus  bei  Athenamis  XV  p.  680  =  Müller,  Fragm.  bist. 
gr.  I,  60).  Plato  erwähnt,  dass  ganz  Asien  den  Geburtstag  des  Perserkönigs 
feiere  (Plato.  Alcih.  I,  p.  121:  ßaaü.stoq  yeved-Xta  ccnaoa  &vei  xal  hoQxoQei  ^ 
kala).  Vgl.  überh.  Wetstein,  Nov.  Test.  I,  411  (zu  Mattk.  14,  6).  K.  F.  Her- 
mann, Lehrbuch  der  griech.  Privatalterthümer  3.  Aufl.  von  Blümner,  1882, 
8.  235f.  501.  P au ly 's  Real-Enc.  Art.  iVato/ts  rfVes.  Marquardt,  Das  Privat- 
leben der  Römer  Bd.  I,  1879,  S.  244  f.  Ernst  Curtius,  Geburtstagsfeier  im 
Alterthum,  Festrede  (Monatsberichte  der  Berliner  Akademie  1876,  S.  31—37  = 
Alterthum  und  Gegenwart,  Gesammelte  Reden  und  Vorträge  Bd.  II,  15 — 21). 
Da  in  der  Bibel  die  Geburtstagsfeier  durch  ein  grosses  Mahl  nur  bei  Pharao 
und  Herodes  Antipas  erwähnt  wird,  so  sind  Origenes  und  Hieronymus  der 
Meinung,  dass  nur  böse  Menschen  dergleichen  thun  [Origenes  in  Matth.  tom. 
X  c.  22,  Hieronymus,  Opp.  ed.  Vallarsi  VII,  101,  beide  in  ihren  Bemerkungen 
zu  Matth.  14,  6).  —  Die  herodianischen  Fürsten  haben  ausser  dem  Geburtstag 
(vgl.  ausser  Herodes  Antipas  auch  Agrippa  I,  Jos.  Äntt.  XIX,  7,  1)  auch  den 
Tag  des  Regierungsantrittes  gefeiert  (Äntt.  XV,  11,  6).  Auch  diese  Doppelsitte 
war  sehr  verbreitet.  Das  Decret  von  Canopus  (unter  Ptolemäus  III,  230/238 
vor  Chr.)  ist  beschlossen  von  Priestern,  welche  zusammengokominen  waren 
tlg  r^v  nifinzTjv  xov  Jiov,  iv  y  äyetat  t«  yev^&ha  xov  ßaaiXtwq,  xal  dq  xriv 
ni/anxTjv  xal  fbcaöa  xov  aixov  fXTjvoq,  iv  tj  nagekaßev  xi]v  ßaaiXelav  naga  xofi 
naxftoq  (Lepsius,  Pas  bilingue  Decret  von  Kanopus,  1866  =  Strack,  Die  Dynastie 
der  Ptolemäer  1897,  S.  227  ff.  lin.  5—6).  Das  Decret  von  Rosette  (unter  PtolemäusV, 
196  vor  Chr.)  erwähnt  xi}v  XQiaxdSa  xov  MeaoQTj,  iv  jj  xd  yfit&Xia  xov  ßaotXewq 
dyexai,  öfiolwq  6h  xal  [xf;v  xov  Tlaw(pi  'enxaxaiöexdxjjv\,iv  y  naQ^kaßsvxfjv ßaotkelav 
naga  xov  naxQÖq  {Ijitronne,  Rccueil  des  inscr.  grecques  et  lat.  de  i'E;iypte  I, 
241  sqq.  =  Strack  S.  240  ff.  lin.  46—47,  vgl.  zu  beiden  Decreten  auch  Niese, 
Gesch.  der  griech.  und  makedon.  Staaten  II,  171,  673).  Nach  beiden  Decreten 
wurden  die  Tage  nicht  nur  jährlich,  sondern  auch  monatlii-h  gefeiert  (Cano- 
pus lin,  33—34,  dazu  Lepsius,  Einl.  S.  9,  Rosette  lin.  48).  Der  König  Antio- 
chu8  T  von  Commagene  (1.  Jahrh.  vor  Chr.)  sagt  uns  in  der  selbstverfassten 
Inf^chrift  auf  seinem  Grabmal :  Sci/xaioq  fxhy  yag  ifxov  yeviS-Xiov  Avövaiov 
ixxaiSfxäxT]v,  diairinaxoq  6h  Amov  dsxäxrjv  difi^gwaa  fxeydkwv  daifxovlwv  int^a- 
vtittiq  (Humaiin  und  Puchstcin,  Reisen  in  Klciiuisien  und  Nordsyrien  1890,  S. 
274,  InHchr.  II  b  lin.  13  tt".).  Auch  die  Feier  dieser  Tage  war  nicht  nur  jähr- 
lich, Monderu  au<"h  monatlich  (III  a  lin.  8  —  14;  vgl.  über  monatliche  Gcburts- 
tagHfeler  auch  II  Makk.  6,  7,  Puchstein  a.  a.  0.  S.  337,  Rohde,  Psyche  2.  Aufl. 

1,  235,  und  meinen  Aufsatz  in  der  Zeitschr.  für  die  ncutestam.  Wissenscli.  1901, 
8.  48— .'i2,  W()rnH<li  die  Ausführungen  von  Willrich,  Juduica  S.  104  zu  ergänzen 
reap.  zu  berichtigen  Bind).  In  Rom  wurden  die  Geburtstage  derKaiscr  wie  dieTage 
ihrex  RegieningNantrltt(>n  als  «(flV.-ntlicIic  Festtag«»  gefeiert  (Cor/^  Inscr.  Lat.  1. 1  ed. 

2,  p.  301—303,  MomniHcn,  IWmiHcheH  Staatsreclit  II,  2,  3.  Aufl.  1K87,  S.  812  f) 

Auch  die  (}eburtMtag<f  ViTstorbcjicr  wurden  geA'icrt.  S.  über  die  Häu- 
figkeit diener  8itt<*  die  angeführte  Literatur  und  Rolide,  Psyche  I,  235  f  Auf 
der  eben  geuaonten   Ffi-chriO  dc"  AntificIiiiM  I  vrm  ConiniMfcne  trifl't  der  König 


[366]  §  17.   b.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  441 

ganze  Vorgang  zu  verlegen-^)  — ein  grosses  Gelage  gehalten  wurde, 
erregte  die  Tochter  der  Herodias,  Salome  (sie  war  noch  ein  xoqccoiov 
ML  14,  1 1.  Mc.  6,  22.  28,  also  noch  nicht  mit  Philippus  verheirathet), 
durch  ihren  Tanz  so  sehr  das  Wohlgefallen  des  Tetrarchen,  dass 
dieser  ihr  jeden  erdenkbaren  Wunsch  erfüllen  zu  wollen  versprach. 
Sie  forderte,  von  ihrer  Mutter  dazu  aufgestachelt,  das  Haupt  des 
Täufers.  Und  Herodes  war  schwach  genug,  den  Wunsch  alsbald 
zu  erfüllen  und  den  Täufer  ira  Kerker  zu  Machärus  enthaupten  zu 
lassen  ^^). 


genaue  Bestimmungen  über  die  Art,  wie  nach  seinem  Tode  für  alle  Zeiten 
sein  Geburtstag  jährlich  und  monatlich  gefeiert  werden  soll  (III  b,  lin.  10  fl'.). 
Der  attische  Sprachgebrauch  hat  ytvt&Xia  und  ysviata  so  unterschieden, 
dass  ersteres  in  Bezug  auf  Lebende,  letzteres  in  Bezug  auf  Verstorbene  ge- 
braucht wurde  {Ammonius:  yevid^Xia  xäaatxai  ^nl  xdJv  t.ainwv  .  .  .  yfvsaia  6h 
inl  xöiv  xe&vfjxotwv,  iv  ^  txaaxoq  rifjitQa  xsxBlsviijxe  [diese  Grundangabe  ist 
falsch;  sie  trifft  nur  für  den  christlichen  Sprachgebrauch  zu],  vgl.  überh.  die 
Bemerkungen  der  Grammatiker  bei  Wetstein,  Nov.  Test.  I,  411 ;  Stephamis, 
Thes.  s.  V.  yevsaiog).  Im  späteren  Griechisch  wird  aber  yfvtaia  auch  von 
Lebenden  gebraucht  (Alciphron  Hb.  III  epist.  18  u.  55,  in:  Epistolographi  gr. 
ed.  Hercher.  Joseph.  An/t.  XII,  4,  7  §  196,  XII,  4,  9  §  215,  an  letzterer  Stelle 
haben  einige  codd.  yeve&Xttj)).  Bei  Philo  de  opif.  mundi  §  30  ed.  Mang.  I,  21 
hat  eine  Handschr.  und  die  Aiisgaben  vor  Mangey  xov  xoapiov  ytv(aiov,  die 
richtige  Lesart  ist  hier  ytvi&Xiov.  Dio  Cassius  gebraucht  ysviaia  nur  in  Be- 
zug auf  Verstorbene  (47,  18.  56,  46.  57,  14.  59,  11.  24.  60,  5.  67,  2.  77,  12), 
während  er  in  Bezug  auf  Lebende  stets  ytvt&lia  sagt  (44,  4.  51,  19.  54,  8.  26. 
30.  34.  55,  6.  56,  25.  29.  58,  2.  60,  12.  17). 

28)  Die  Evangelien  (Matth.  und  Marc.)  setzen  augenscheinlich  voraus,  dass 
das  Gelage  an  dem  Orte  stattfand,  wo  der  Täufer  gefangen  lag  (s.  Meyer  zu 
Mt.  14,  10  ff.)  Dies  war  aber  Machärus.  Und  hier  kann  in  der  That  das  Ge- 
lage stattgefunden  haben.  Denn  Machärus  hatte  einen  prachtvollen  Palast, 
welchen  Herodes  d.  Gr.  einst  hatte  erbauen  lassen  [Bell.  Jud.  VII,  6,  2).  Es 
ist  also  kein  Grund  vorhanden,  den  Vorgang  —  wie  Wieseler  (Synopse  S.  250f. 
Beiträge  S.  5)  thut  —  nach  Julias  zu  verlegen.  Die  Evangelien  schweigen 
überhaupt  in  Betreff  des  Ortes.  Denn  aus  Marc.  6.  21  ist  nicht  nothwendig 
zu  schliessen  (wie  Keim,  Gesch.  II,  511.  Bibellex.  III,  48,  und  Volk  mar. 
Die  Evang.  S.  369,  wollen),  dass  Marcus  Galiläa,  d.  h.  Tiberias,  als  Schauplatz 
voraussetze. 

29)  Matth.  14,  6—11.  Mare.  6,  21—28.  Luc.  9,  9.  —  Bei  Marc.  6,  22  haben 
sehr  gewichtige  Text-Zeugen  xfjq  &iyaxQ6g  avxov  "Hgiaöiddoc  (gebilligt  von 
Volkmar  und  Westcott-Hort).  Hiernach  hätte  das  Mädchen  selbst  Herodias 
geheisseu  und  wäre  eine  Tochter  des  Herodes  Antipas,  niclit  bloss  der  He- 
rodias gewesen.  Allein  ein  Kind  aus  der  Ehe  des  Antipas  mit  Herodias  hätte 
damals  höchstens  ein  paar  Jahre  alt  sein  können;  andererseits  wissen  wir  aus 
Josephus  Antt.  XVIII,  5,  4,  dass  Herodias  aus  ihrer  ersten  Ehe  eine  Tochter 
Namens  Salome  hatte.  Auch  erscheint  ja  in  der  evangelischen  Erzählung 
selbst  das  Mädchen  sonst  nur  als  Tochter  der  Herodias.  Die  Notiz,  welche 
sich  nach  jener  Lesart  bei  Marcus  ergeben  würde,  ist  daher  auf  keinen  Fall 
historisch   richtig,    mag   die  Lesart   auch  noch  so  alt  sein.  —  Ueber  die   Gr- 


442  §  17.   b.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  [366.  367] 

Noch  ehe  Johannes  vom  Schauplatze  abgetreten  war,  war  bereits 
djr  „Stärkere",  auf  welchen  er  hingewiesen  hatte,  aufgetreten  und 
hatte  begonnen,  in  Galiläa  das  Evangelium  zu  verkündigen.  Auch 
er  konnte  von  dem  Landesherrn  nicht  unbemerkt  bleiben.  Doch 
erfühl'  Antipas  von  den  Thaten  Jesu  erst,  als  der  Täufer  bereits 
hingerichtet  war.  Daher  wähnte  der  von  seinem  bösen  Gewissen 
Gepeinigte,  dass  der  Täufer  wieder  auferstanden  sei  und  sein  ge-| 
waltiges  Werk  fortsetze  ^ö).  Um  Gewissheit  zu  erhalten,  wünschte 
er  den  Wundermann  zu  sehen,  der  in  Kapernaum  predigte  und 
alles  Volk  gewann  ^^).  Doch  suchte  er  mit  der  Zeit  sich  auch 
seiner  zu  entledigen;  aber  nicht  durch  Gewalt,  sondern  durch  List. 
Er  gewann  die  Pharisäer  für  sich,  damit  diese  Jesum  durch  die 
A  orspiegelung,  dass  Herodes  ihm  nach  dem  Leben  trachte,   zum 


fangensetzung  und  Hinrichtung  des  Täufers  im  Allgemeinen  vgl.:  Keim,  Gesch. 
Jesu  I,  574 ff.  II,  509 ff.  Sevin,  Chronologie  S.  124—128;  und  die  oben  Anm. 
23  genannte  Literatur.  —  Die  Erzählung  der  Evangelien  enthält  manches,  was 
Bedenken  erregen  kann;  namentlich  dass  Salome  noch  als  p^opaöiov  bezeichnet 
wird,  während  man  nach  Josephus  meinen  sollte,  dass  sie  um  28—30  nach  Chr. 
längHt  mit  dem  im  J.  4  vor  Chr.  zur  Regierung  gelangten  und  im  J.  34  n.  Chr. 
verstorbenen  Tetrarchen  Philippus  vermählt  war  (s.  oben  S.  430).  Aber  gerade 
dieser  schwächste  Punkt  erweist  sich  bei  genauerer  Untersuchung  als  nicht 
unwahrscheinlich.  Die  aus  Josephus  sich  ergebenden  Thatsachen  fasst  Gut- 
schmid  Iblgendermassen  zusammen  (Literarisches  Centralblatt  1874,  Sp.  522 
=  Kleine  Schriften  II,  318,  in  der  Anzeige  von  Braun,  Die  Söhne  des  Herodes): 
„Aristobulos,  Salome's  zweiter  Gemahl,  war  ein  Sohn  des  Herodes  voji  Chalkis 
von  Mariam,  der  Tochter  Joseph's  und  der  Olympias,  einer  Schwester  des 
Archelaos,  die  nach  7,  aber  vor  4  v.  Chr.  geheirathet  hatte.  Also  konnte  Ma- 
riam frühestens  5  v.  Chr.,  ihr  Sohn  Aristobxilos  kaum  vor  14  n.  Chr.  geboren 
ßein.  Dies  giebt  einen  ungefähren  Anhalt  für  die  Bestimmung  des  Alters  der 
Salome,  die  wir,  da  ihre  zweite  Elie,  aus  der  drei  Söhne  entsprossen,  offenbar 
eine  rechtzeitige  gewesen  ist,  nicht  ohne  Noth  viel  älter  als  Aristobulos  werden 
machen  dürfen,  Philippos,  ihr  erster  Gemahl,  war  4  oder  doch  3  v.  Chr.  in 
regierungsfähigem  Alter,  also  spätestens  21  v.  Chr.  geboren.  So  gross  der 
Altersubstand  beider  unzweifelhaft  war,  so  werden  wir  ihn  doch  ohne  Un- 
wiihrHcheinlicIikoit  nicht  zu  mehr  als  30  Jahren  veranschlagen  dürfen:  dies 
würde  als  Hpätesten  Termin  für  die  Geburt  der  Salome  das  Jahr  10  n.  Chr. 
ergeben,"  Gntschmid  nimmt  diihcr  etwa  10  n.  Clir.  als  Geburtsjahr  der  Sa- 
lome an,  und  hält  es  wohl  für  möglich,  dass  sie  im  J.  28  noch  ein  xognaiov 
war,  und  darauf  als  etwa  19jährige  den  49jäiirigen  geheirathet  iiat.  —  Auf 
einer  Münze  Aristoburs  ist  uns  auch  das  Bild  seiner  Gemahlin  Salome 
erhalten.    8.  unten  Beilage  I  gegen  Schluss. 

30)  Mt.  14,  If.    Mr..  0,  14-16.    Iaic.  9,  7-9. 

31)  Lue.  9,  9.  —  Unter  den  Jüngerinen  Christi  befand  sich  audi  die  Frau 
eines  Beiimten  des  Antipas  [Imc.  H,  3:  'Iwdvva  yvv^  Xovt,ä  iniT()dnnv'HQ<üdov). 
Der  Name  MTIS  au(;h  auf  einer  nabatäischen  Grabschrift  {Burkitt,  Exposüor 
1WM.    F.i-r  j,    im    122). 


[367.  368]  g  17.   h.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  443 

freiwilligen  Verlassen  des  Landes  bewegen  sollten  3-).  Der  Plan 
war  zwar  schlau  augelegt,  verfehlte  aber  doch  seine  Wii'kung, 
da  Jesus  ihn  durchschaute.  Später  freilich  verliess  Jesas  ohne- 
hin Galiläa,  um  seinen  Todesweg  nach  Jerusalem  anzutreten.  Und 
hier  erlebte  auch  Antipas,  der  zum  Passafeste  in  Jerusalem  sich  auf- 
hielt, 1  noch  die  Befriedigung,  den  räthselhaften  Unterthan  kennen 
zu  lernen.  Pilatus  sandte  ihm  den  Gefangenen  zu,  damit  er  als 
Landesherr  das  von  der  jüdischen  Hierarchie  geforderte  Todes- 
urtheil  spreche.  Aber  Antipas  Hess  sich  nicht  darauf  ein,  sondern 
begnügte  sich  damit,  Jesum  zu  verspotten  und  ihn  wieder  an  Pilatus 
zurückzusenden  '^^). 

Die  Chronologie  der  Wirksamkeit  des  Täufers  und  Jesu  Christi, 
die  man  bisher  besonders  auf  Luc.  3,  1,  auch  Joh.  2,  20  baute,  ist  in  neuerer 
Zeit  von  Keim 3*)  völlig  aus  den  Angeln  gehoben  worden.  Während  man 
früher  fast  nur  darüber  stritt,  ob  das  Jahr  30  oder  31  als  Todesjahr  Christi 
anzunehmen  sei,  setzt  Keim  die  Hinrichtung  des  Täufers  Ende  34  (Gesch. 
Jesu  III,  489.  493),  den  Tod  Christi  auf  Ostern  35  (ebendas.  III,  493).  Sein 
Hauptgrund  ist  folgender.  Josephus  bemerkt  Äntl.  XVIII,  5,  2,  dass  die 
Niederlage,  welche  Herodes  Antipas  im  Kriege  mit  dem  Araberkönig  A ra- 
ta s  im  J.  36  erlitt  (s.  unten),  vom  Volke  als  Strafe  für  die  Hinrichtung  Jo- 
hannes' des  Täufers  betrachtet  worden  sei.  Demnach,  sagt  Keim,  müsse  die 
Hinrichtung  möglichst  in  die  Nähe  des  Jahres  36  gesetzt  werden ;  und  da  nun 
Jesus  wegen  der  Absetzung  des  Pilatus  vor  Ostern  36  nicht  später  als  Ostern 
35  gestorben  sein  könne,  sei  der  Tod  Jesu  Ostern  35,  die  Hinrichtung  des 
Täufers  Ende  34  anzusetzen.  Auch  noch  ein  anderer  Grund  erfordere  diese 
späte  Ansetzung.  Der  Angriff  des  Aretas  gegen  Antipas  war  die  Rache 
für  die  Verstossunji-  der  Tochter  des  Erstereu  durch  Letzteren.  Demnach 
müssen  beide  Ereignisse  in  möglichste  Nähe  gerückt  werden.  Und  da  nun 
die  Hinriditung  des  Täufers  jedenfalls  erst  nach  der  Verstossung  der  Aretas- 
Tochter  und  der  Heirath  mit  Herodias  stattfand,  könne  auch  aus  diesem 
Grunde  der  Tod  des  Täufers  und  Christi  nicht  schon  29  resp.  30  erfolgt  sein. 

Gegen  diese  Berechnung  hat  bes.  Wieseler  (a.  a.  0.)  eine  Reihe  von  Grün- 
den geltend  gemacht,  die  freilich  nicht  alle  glücklich  sind.    Er  sucht  nament- 

32)  So  wenigstens  wird  Luc.  13,  31—32  von  vielen  Auslegern  verstanden, 
und  wohl  mit  Recht;  vgl.  auch  Keim  II,  615. 

33)  Luc.  2.3,  7—12.  Vgl.  Gerlach,  Zeitschr.  f.  luth.  Tli.  1869,  S.  40—42. 
Keim  III,  379 ff. 

34)  S.  Der  geschichtliche  Christus  (3.  Aufl.  1866),  S.  224—240.  Geschichte 
Jesu  von  Nazara  I  ^1867),  S.  621  ff.  III  (1872),  S.  484  ff.  Protestantische  Kirchen- 
zeitung 1869,  Nr.  49  und  51.  —  Zustimmung  fand  Keim  bei  Holtzmann, 
Hausrath,  Sevin,  Schenkel,  Giemen;  im  Wesentlichen  auch  bei  Hitzig, 
WL'k'her  sogar  das  Jahr  36  als  Todesjahr  Jesu  berechnet  (s.  das  Verzeichniss 
der  Nachfolger  bei  Keim  III,  489.  502;  hierzu  noch:  Sevin,  Chronologie  des 
Lebens  Jesu,  2.  Aufl.  1874;  Giemen,  Die  Chronologie  der  paulinischen  Briefe 
1893,  S.  181—187).  —  Gegen  Keim  s.  bes.  Wieseler,  Beiträge  (1869)  S.  3—16. 
Beweis  des  Glaubens,  Jahrg.  1870,  S.  163—173;  auch  Bratke,  Zur  Frage 
nach  dem  Todesjahre  Christi  (Stud.  und  Krit.  1892.  S.  734—757). 


444  §  17-   b.  Herodes  Antipas  (4  v.-39  n.  Chr.).  [368.  369] 

lieh  aus  dem  Aufenthalte  Agrippa's  bei  Antipas  (s.  unten  §  18)  die  frühere 
Heirath  der  Herodias  zu  beweisen.  Als  nämlich  Agrippa  von  Antipas  als 
Agoranomos  von  Tiberias  angestellt  wurde,  war  Antipas  bereits  mit  Herodias 
vermählt.  Später  wurde  dann  Agrippa  von  Antipas  Verstössen,  hielt  sich 
darauf  eine  Zeit  lang  bei  Flaccus,  dem  Legaten  von  Syrien,  auf  und  kam 
dann  nach  Rom,  wo  er,  oder  vielmehr  sein  Freigelassener  Eutychus,  mit  dem 
Stadtpräfecten  Piso  in  Berührung  kam  [Äntt.  XVIII,  6,  2—5).  Da  nun  —  so 
argumentirt  Wieseler  —  Flaccus  im  J.  83,  Piso  sogar  schon  32  starb,  müsse 
die  Heirath  der  Herodias  mindestens  vor  dem  J.  32  (nach  W.  im  J.  29)  statt- 
gefunden haben.  Allein  wir  sahen  bereits,  dass  jener  Piso  nicht  der  im  J.  32| 
verstorbene,  sondern  ein  späterer  war,  und  dass  Flaccus  möglicher-  ja  wahr- 
scheinlicherweise erst  35  gestorben  ist  (s.  oben  S.  330—333).  Hiermit  ist  also 
nichts  zu  beweisen. 

Die  Hauptklippe  aber,  an  welcher  Keim 's  Chronologie  scheitern  wird,  ist 
die  bestimmte  Angabe  Luc.  3,  1,  dass  der  Täufer  im  15.  Jahre  des  Tiberius 
(=  August  28  bis  August  29  n.  Chr.)  aufgetreten  sei,  welche  Angabe  freilich 
Keim  als  unglaubwürdig  verwirft.  Man  braucht  nun  die  Zuverlässigkeit  des 
Lucas  nicht  zu  überschätzen  (und  in  Betreff  der  Schätzung  des  Quirinius  hat 
er  sich  allerdings  bedeutend  geirrt).  Aber  das  ist  doch  wohl  unmöglich,  dass 
hier  ein  Irrthum  von  vollen  fünf  Jahren  vorliegen  soll.  Augenscheinlich  hat 
Lucas  auf  Erforschung  dieses  Zeitpunktes  grosse  Sorgfalt  verwendet.  Wir 
haben  also  hier  nicht  sowohl  seine  Ansicht,  als  vielmehr  die  der  gesammten 
Christenheit  seiner  Zeit  vor  uns  3*).  Sollte  es  möglich  sein,  dass  diese  über 
das  Todesjahr  ihres  Herrn  um  volle  fünf  Jahre  im  Irrthum  war?  Es  müssten 
stärkere  Gründe  vorliegen,  als  die  aus  Josephus  entnommenen,  um  uns  zu 
dieser  Annahme  zu  berechtigen. 

Die  Gründe  des  Josephus  sind  ja  nichts  weniger  als  zwingend.  Das  ist 
allerdings  richtig  und  auch  allgemein  anerkannt,  dass  die  Niederlage  des  An- 
tipas im  J.  36,  etwa  ein  halbes  Jahr  vor  dem  Tode  des  Tiberius  (März  37) 
stattfand.  Dass  aber  das  Volk  darin  nicht  ein  göttlitrhes  Strafgericht  für  die 
Hinrichtung  des  Täufers  habe  erblicken  können,  wenn  diese  7  Jahre  zurück 
lag,  wird  sich  nicht  behaupten  lassen.  Ein  paar  Jahre  mehr  thun  hier  nichts 
zur  Sache.  Denn  der  Pharisäismus  wusste  solche  Causalzusammenhängc  auch 
bei  grosser  zeitlicher  Entfernung  aufzudecken.  Sodann:  dass  die  Verstossung 
der  Aretaa-Tochter  (nebst  Heirath  der  Herodias)  und  der  Krieg  mit  dem 
Araberkönig  einander  unmittelbar  gefolgt  sein  müssten,  ist  wiederum  nicht 
zu  beweisen,  Josephus  sagt  ausdrücklich,  dass  von  ersterer  nur  der  Anfang 
der  Feindschaft  zwischen  Antipas  und  Aretas  datirte  (Antt.  XVIII,  5,  1:  o  6h 
dQxh'*'  ^Z^C<*C  tavtrjv  notTjaanfvoqu   und  da.'^s  später  noch  andere  Ursachen, 

35)  WahrHrlieinlich  war  (hin  Resultat  der  Forschungen  des  Lucas  dies,  dass 
GhriHtufl  Ostern  30  gestorben  ist.  Von  hier  an  rechnet  er  nun,  indem  er  wohl 
nur  ein  Jalir  für  seine  ö(Ieritli<'hc  Wirksamkeit  annahm  {Luc.  4,  19 — 21),  ein 
Jahr  zurück  und  findet  so  das  15.  Jalir  des  Til)crius  als  Zeit  des  öflentlichen 
Auftretens  des  Täufers  und  Ciiristi  (über  die  Rechnung  der  Regieruiigsjahre 
de«  Tiberius  s.  uucli  Kucstncr,  De  aeria  quuc  ab  inipcrio  Cavaaris  Ocluriaid 
etmntüuto  initium  diuxrint,  IHss.  lAps.  1890,  p,  \%8q.).  —  Ebenfalls  auf  das 
J.  30  aln  Tode»«jahr  Christi  führt  uns  Jnh.  2,  20;  nur  dass  Johannes,  der  eine 
zwnljfthrige  Wirksamkeit  Christi  voraussetzt,  (his  Auftreten  in  das  J.  28 
vrrh'Kt.    Vgl.  oben  8.  370. 


[3G9.  370]  §  17.   b.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  445 

nämlich  Grenzstreitigkeiten  hinzukamen.  Ja  Keim  selbst  giebt  die  Möglich- 
keit zu,  die  Heirath  in's  J.  32—33  zu  setzen  (Geschichte  Jesu  I,  6301  Warum 
also  nicht  in's  Jalir  '29,  wenn  doch  einmal  ein  Zwischenraum  mehrerer  Jahre 
angenommen  werden  muss?  Hausrath,  der  im  üebrigen  Keim  beistimmt, 
setzt  sie  sogar  in's  J.  27  und  hebt  damit  den  Hauptgrund,  auf  welchen  seine 
Ansicht  sich  stützt,  selbst  wieder  auf  (Zeitgesch.  1.  Aufl.  I,  331,  334;  in  der 
2.  Aufl.  I,  320,  328  ist  das  Resultat  beibehalten,  die  Begründung  aber  weg- 
gelassen). 

Nach  alledem  werden  wir  uns  an's  N.  T.  zu  halten  und  den  Tod  Christi 
auf  Ostern  30,  den  des  Täufers  in's  J.  29,  und  die  Heirath  der  Herodias  etwas 
früher,  vielleicht  noch  29,  vielleicht  einige  Jahre  früher  zu  setzen  haben  (Gut- 
echmid,  Lit.  Centralbl.  1874,  Sp.  523  =  Kleine  Schriften  H,  319  setzt  sie 
etwa  26  n.  Chr.) 

Die  Verbindung  mit  Herodias  brachte  dem  Antipas  wenig 
Segen.  Der  Araberkönig  Aretas  konnte  es  nicht  vergessen,  dass 
Antipas  um  ihretwillen  seine  (des  Aretas)  Tochter  Verstössen  hatte. 
Die  hieraus  entsprungene  Feindschaft  erhielt  durch  Grenzstreitig- 
keiten in  Galaaditis  —  denn  so  ist  statt  Gamalitis  oder  Gamalike 
wohl  zu  lesen  36)  —  neue  Nahrung.  Endlich  im  J.  36  kam  es 
zwischen  beiden  Nachbarn  zum  Krieg,  der  damit  endigte,  dass  das 
Heer  des  Antipas  völlig  geschlagen  wurde  ^'').  Der  Besiegte  wusste 
sich  nicht  anders  zu  helfen,  als  den  siegreichen  Gegner  beim  Kaiser 
Tiberius  zu  verklagen  3^). 

Als  Tiberius  von  dem  kühnen  Beginnen  des  Araberfürsten  ver- 
nahm, gab  er  dem  Vitellius,  dem  Statthalter  von  Syrien,  alsbald 
gemessenen  Befehl,  den  Aretas  lebendig  oder  todt  in  seine  Gewalt 
zu  bekommen.  Vitellius  entschloss  sich  zwar  nur  ungern  zu  dem 
Unternehmen,  da  er  dem  Antipas  nicht  sehr  gewogen  war.  Aber 
dem  kaiserlichen  Befehl  konnte  er  sich  nicht  widersetzen  und  rüstete 
daher  zum  Krieg  gegen  Aretas.  Während  er  sein  Heer  mit  Um- 
gehung Judäa's  gegen  Petra  marschiren  liess,  kam  er  selbst  zum 
Besuche  nach  Jerusalem,  wo  eben  ein  Fest,  wahrscheinlich  das 
Passafest  ^^),  gefeiert  wurde.    Drei  Tage  verweilte  er  daselbst.    Am 


86)  Die  Gegend  von  Gamala  gehörte  zu  der  ehemaligen  Tetrarchie  des 
Philippus,  kann  also  nicht  zwischen  Aretas  und  Antipas  streitig  gewesen  sein. 
Dagegen  lag  die  Landschaft  GalaadLtis  (Gilead)  auf  der  Grenze  ihres  Ge- 
bietes. Aus  rAAAA/IITIi:  konnte  aber  leicht  PAMAAITIS  werden.  Das 
von  Niese  aufgenommene  FafxahxTj  scheint  eine  noch  weitere  Corruption  zu 
sein  Der  Text  ist  ohnehin  an  der  fraglichen  Stelle  {Änit.  XVIII,  5,  1)  defect. 
Vgl.  Ke^m  in  der  Prot.  Kirchenzeitung  1869,  Nr.  51,  col.  1218. 

37)  Die  Zeitbestimmung  ergiebt  sich  daraus,  dass  die  Niederlage  des  An- 
tipas, wie  das  Folgende  lehrt,  nicht  lange,  etwa  ein  halb  Jahr  vor  dem  Tode 
des  Tiberius  (März  37)  stattfand. 

38)  Atitt.  XVIII,  5,  1. 

39)  Vgl.  Keim,  Gesch.  Jesu  III,  486 f.  Sevin,  Chronologie  des  Lebens 
Jesu  2.  Aufl.  S.  75—77. 


446  §  17.    b.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  [370.  371] 

vierten  erhielt  er  die  Nachricht  vom  Tode  des  Tiberius  (f  16.  März 
37).  Er  glaubte  damit  seines  Auftrages  entbunden  zu  sein  und 
kehrte  sammt  seinem  Heere  nach  Antiochia  zurück  ^^).  Die  Nieder- 
lage des  Antipas  blieb  somit  ungerächt. 

Um  diese  Zeit  finden  wir  unsern  jüdischen  Tetrarchen  auch 
einmal  am  Euphrat  anwesend  bei  wichtigen  Verhandlungen  zwischen 
Vitellius  und  dem  König  der  Parther.  Es  scheint  aber,  dass 
der  Bericht  des  Josephus  hierüber  nicht  frei  von  Irrthum  ist.  Wir 
wissen  |  nämlich,  dass  in  den  Jahren  35  und  36  der  parthische 
König  Artabanus  den  Römern  wiederholt  zu  schaffen  machte. 
Eine  günstige  Wendung  schien  einzutreten,  als  er  durch  die 
Drohungen  des  Vitellius  und  den  Abfall  seiner  eigenen  Unter- 
thanen  zur  Flucht  in  die  entlegeneren  Provinzen  bewogen  wurde, 
worauf  Vitellius  im  Sommer  36  mit  dem  von  den  Römern  auf- 
gestellten Prätendenten  Tiridates  am  Euphrat  zusammenkam  und 
ihm  die  Herrschaft  über  das  Partherreich  übertrug.  Aber  noch 
vor  Ende  desselben  Jahres  kehrte  Artabanus  zurück,  verdrängte 
den  Tiridates  und  bemächtigte  sich  wieder  der  Herrschaft'*')-  — 
Später  veranstaltete  Vitellius  eine  Zusammenkunft  mit  Artabanus 
am  Euphrat,  bei  welcher  Artabanus  mit  den  Römern  Frieden  schloss 
und  zur  Bürgschaft  dafür  seinen  Sohn  Darius  als  Geisel  stellte^-). 
Bei  dieser  Zusammenkunft  war  nach  Josephus  auch  Herodes 
Antipas  anwesend.  Er  bewirthete  den  Vitellius  und  Artabanus  in 
einem  auf  der  Euphratbrücke  errichteten  kostbaren  Zelte  und  be- 
eilte sich  nach  Abschluss  der  Verhandlungen,  das  günstige  Resultat 
derselben  dem  Kaiser  zu  melden  —  eine  Dienstfertigkeit,  welche 
ihm  Vitellius  sehr  übel  anrechnete,  da  er  liierdurch  seinem  officiellen 
Berichte  zuvorkam  ••3).  —  Joseplius  verlegt  nun  diese  Zusammen- 
kunft noch  in  die  Zeit  des  Tiberius  und  betrachtet  die  hieraus 
entstandene  Spannung  zwischen  Vitellius  und  Herodes  Antipas  als 
die  Ursache,  weshalb  Ersterer  nach  dem  Tode  des  Tiberius  den 
Feldzug  gegen  Aretas  sofort  wieder  einstellte.  Allein  Suetonius 
und  Die  Cassius  sagen  ausdrücklich,  und  das  Schweigen  des  Tacitus 

40)  Antt.  XVIII,  ß,  1.  3.  —  Da  die  kaiserlichen  Legaten  ihr  Amt  nur  diircli 
perHf)!) liehen  Auftrag  des  KaiHorH  Imtten,  so  erlosch,  strong  gciioinnien,  jeder 
Auftrug  mit  dem  Tode  den  Kaisers.  S.  MouniiHCMi,  Rümisches  Stuutsrocht 
1.  Aufl.  II,  1,  2;J5.    II,  2,  873. 

41)  Tncit.  Annal.  VI,  31—37.  41— 44  (wegen  der  Zoitbestimnmnp:  vgl.  auch 
VI,  3S  Auf.),  Dio  Canii.  LVIII,  26.  Joseph,  Anll.  XVI II,  4,  A.  —  Dii-  Zeit- 
beMtimmuug  ergiebt  nieh  nun  TacitUB. 

42)  Suctim.  Caligtä.  14.  VUell.  2.  Dio  Oasa.  LIX,  27.  Joseph.  Antt.  XVIII, 
4,  &.  —  I)(*n  DariuH  erwähnen  (ausser  Josephus)  uucli  fh'u  Caaa.  LIX,  17  und 
Suei<m.  Caliy.  10  als  im  J.  89  in  Rom  anwesend. 

48)  Joaeph.  Antt.  XVIII,  4,  6. 


[371.  372]  §  17.    b.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Clir.).  447 

im  6.  Buch  der  Aniialen  beweist  es  indirect,  dass  die  Zusainmen- 
kunft  zwischen  Vitellius  und  Artabanus  erst  unter  Caligula  statt- 
fand. Josephus  ist  also  jedenfalls  in  einer  Beziehung  im  Irrthum; 
nur  könnte  es  fraglich  sein,  in  welcher  Beziehung.  Ist  es  richtig, 
dass  Herodes  Antipas  sich  bei  parthischen  Verhandlungen  am 
Euphrat  in  der  Zeit  des  Tiberius  betheiligte,  so  müsste  es  bei  der 
Verhandlung  zwischen  Vitellius  undTiridates  im  Sommer  36  {Tac. 
Ann.  VI,  37)  gewesen  sein.  Ist  es  aber  richtig,  dass  er  bei  den 
Verhandlungen  zwischen  Vitellius  und  Artabanus  betheiligt  war, 
so  kann  es  erst  in  der  Zeit  des  Caligula  gewesen  sein.  Letzteres 
ist  höchst  wahrscheinlich  der  wahre  Sach  verhalt.  Denn  im  Sommer 
36  war  Herodes  durch  den  Krieg  mit  Aretas  in  Anspruch  ge- 
nommen'**). 

Hatte  Antipas  schon  die  Einbusse  durch  Aretas  im  letzten 
Grunde  seiner  Leidenschaft  für  Herodias  zu  danken,  so  brachte  ihn 
schliesslich  der  Ehrgeiz  seiner  Frau  auch  noch  um  Herrschaft  und 
Freiheit.  Es  war  eine  der  ersten  ßegitrungshandlungen  des  neutn 
Kaisers  Caligula,  dass  er  dem  Agrippa,  dem  Bruder  der  Hero- 
dias, die  ehemalige  Tetrarchie  des  Philippus  verlieh  nebst  dem 
Königstitel.  Agrippa  blieb  anfangs  noch  in  Rom.  Aber  im  zweiten 
Jahre  Caligula's  (März  38—39)  kam  er  nach  Palästina  und  trat 
daselbst  als  König  auf.  Das  Glück  des  einst  tief  verschuldeten 
Abenteurers,  der  selbst  einmal  hülfesuchend  vor  Antipas  erschienen 
war,  erregte  den  Neid  der  Herodias,  die  daher  in  ihren  Gatten 
drang,  doch  auch  beim  Kaiser  um  den  Königstitel  anzuhalten. 
Herodes  Antipas  war  nicht  sehr  geneigt,  darauf  einzugehen. 
Endlich  aber  musste  er  dem  Drängen  seiner  Gemahlin  nachgeben 
und  den  Bittgang  nach  Rom  antreten,  auf  welchem  Herodias  ihn 
begleitete.  Ihnen  folgte  aber  auf  dem  Fusse  ein  Abgesandter 
Agrippa's,  Fortunatus,  mit  einer  Anklageschrift  gegen  Herodes 
Antipas,  worin  dieser  alter  und  neuer  Vergehungen,  des  Einver- 
ständnisses mit  Sejan  (t  31)  und  mit  dem  Partherkönig  Artabanus, 


44)  Vgl.  Hitzig,  Gesch.  d.  Volkes  Isr.  II,  568.  Hausrath,  Zeitgescli. 
2.  Aufl.  II,  209—211.  Auch  Usserius  und  Tillemont  {Histoire  des  Empereurs 
Vol.  I,  Venise  1732,  p.  139  sq.  und  Note  4  zu  Caligula)  urtheilen  schon  ebenso. 
—  Vgl.  über  die  parthische  Geschichte  überhaupt:  Gutschmid,  Geschichte 
Irans  und  seiner  Nachbarländer,  1888,  und  die  daselbst  S.  171  f.  genannte 
Literatur.  Eine  Uebersicht  des  Quellenmaterials  bei  Clinton,  Fasti  Romani  II, 
1850, />.  243—263.  Ueber  die  römisch-parthischen  Beziehungen  auch  Schiller's 
Gesch.  der  röm.  Kaiserzeit  Bd.  I  und  Mommsen's  Rom.  Geschichte  Bd.  V, 
S.  339  ff.  Ueber  die  parthischen  Könige  der  römischen  Kaiserzeit  (z.  B.  Arta- 
banus, Tiridates)  auch  die  betr.  Artikel  in  der  Prosopographia  imperii 
Romani,  und  in  Paul v-Wissowa's  Real-Enc.  (hier  über  Artabanus  Bd.  II, 
S.  1293  ff.). 


448  §  17.   b.  Herodes  Antipas  (4  v. -39  n.  Chr.).      [372.  373.  374] 

beschuldigt  wurde.  Zum  Beweise  dafür  wurde  auf  seine  Waffen- 
vorräthe  hingewiesen.  Beide  Theile  kamen  gleichzeitig  in  Bajä 
bei  Caligula  an.  Als  dieser  Bitte  und  Anklage  vernommen  hatte, 
fragte  er  den  Antipas,  wie  es  sich  mit  den  WaiFenvorräthen  ver- 
halte. Und  als  Antipas  dieselben  nicht  in  Abrede  stellen  konnte, 
schenkte  Caligula  auch  den  übrigen  Beschuldigungen  Glauben,  ent- 
setzte den  Antipas  seiner  Tetrarchie  und  verbannte  ihn  nach 
Lugdun  um  in  Gallien^  ^).  Der  Herodias  wollte  er,  als  einer  Schwester 
Agrippa's,  ihren  Privatbesitz  lassen.  Aber  die  stolze  Frau  ver- 
schmähte die  kaiserliche  Gnade  und  folgte  ihrem  Gatten  in  die 
Verbannung.  Die  Tetrarchie  erhielt  als  neuen  Beweis  kaiserlicher 
Gnade  der  Kläger  Agrippa-*^).    Herodes   Antipas  ]  starb   in   der 


45)  So  Jos.  Antt.  XVIII,  7,  2;  dagegen  Bell.  Jud.  II,  9,  6  dq  Snavlav 
oder  ^lanavlav  (was  Niese  gegen  alles  handschriftliche  Zeugniss  in  FakUav 
corrigirt).  Da  es  in  Gallien  ausser  dem  bekannten  Lugdunum  (=  Lyon)  noch 
ein  anderes  Lugdunum  am  Nord-Abhang  der  Pyrenäen  im  Gebiete  der  Gon- 
veime,  daher  lAigdunum  Convenarum,  gegeben  hat,  so  könnte  dieses  gemeint 
sein.  Dann  würde  sieh,  weil  es  an  der  spanisclien  Grenze  lag,  am  leiclitesten 
die  irrige  (in  den  Antiquitates  corrigierte)  Angabe  des  Bell.  Jud.  erklären.  In 
diesem  Sinne  entscheiden  sich  z.  B.  Schiller,  Gesch.  der  röm.  Kaiser- 
zeit I,  383.  O.  Hirschfeld,  Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1895, 
S.  399,  Anm.  1.    Ueber  die  Hypothese  von  Lewin  s.  die  nächste  Anm. 

46)  Antt.  XVIII,  7,  1—2.  B.  J.  II,  9,  0.  NaA  letzterer  Stelle  wäre  Agrippa 
selbst  dem  Herodes  Antipas  auf  dem  Fusse  gefolgt,  nacli  Antt.  hat  er  vielmehr 
den  Fortunatus  gesandt^  Ueber  die  Ditlerenz  hinsichtlich  des  Ortes  der  Ver- 
bannung s.  die  vorige  Anm.  Lewin  {Fasli  saeri  n.  1561)  meint,  dass  das 
definitive  Urtiieil  von  Caligula  erst  bei  dessen  Aufenthalt  in  Lyon  im  J.  40 
gesproclien  worden  sei,  und  dass  Josephus  den  Ort  der  Urtheilssprcchung  und 
den  Ort  der  Verbannung  verwechselt  habe,  eine  künstliche  Hypothese,  welche 
dem  Josephus  nur  gröbere  Fehler  aufbürdet,  um  die  kleineren  zu  heben.  — 
Die  Zeit  der  Absetzung  des  Antipas  ergiebt  sich  tlieils  aus  Antt.  XVIII,  7, 
1 — 2  vgl.  mit  (i,  11,  theiis  aus  XIX,  8,  2.  An  letzterer  Stolle  heisst  es  von  Agrippa  : 
TfttaQaq  fihv  ovv  inl  Patov  Kalaagoq  ißaalkevaev  iviavrovg,  tfjq  fPiXlnnov  fihv 
n-rQapyJaq  fiq  rgutlav  UQ^aq,  r<ü  rfrdprw  6^  xal  triv  H^iodov  TCQnaeiXrjipiöq. 
Da  nun  Caligula  von  März  37  bis  Jaiuuir  41  regierte,  so  erliiolt  Agrippa  die 
Ti'trarchie  dos  Antipas  Anfang  40.  —  Nach  Antt.  XVIII,  6,  11  aber  war  Agrippa 
im  zweiten  Jahre  Caligula's  (März  38—39)  nach  Palästina  zurückgekehrt,  und 
zwar  mit  ßeuQtzuug  der  Passatwindo  (ivrjalai,  Philo  in  Flaootim  §  5.  ed. 
Man//.  II,  521),  wc^lche  vom  20.  Juli  an  30  Tage  lang  wehen  {P/miu.s,  Hi\st. 
Not.  II,  47).  Dfinnach  mag  er,  da  or  sich  unterwegs  noch  in  Aloxandria  auf- 
hielt {Philo  a.  a.  0.),  etwa  Ende  September  38  in  Palästina  finget  rollen  sein. 
Dh  nun  die  AbsetzuDg  des  Antipas  damit  in  engem  Zusammenhange  stand, 
■<»  Mcheint  sie,  wenn  auch  nicht  mehr  38,  so  doch  39  (erfolgt  zu  sein.  In  der 
That  lässt  sich  beweisen,  dass  sie  nicht  früher  und  nicht  später 
alt  Sommer  39  erfolgt  ist.  Nicht  früher;  denn  das  4.3.  Jahr  des  Antipas, 
aUR  welchem  wir  noch  Münzen  haben,  begann  erst  am  1.  Nisan  792  a.  U. 
"»  30  D.  Chr.  Aber  auch  nicht  später.  Caligula  war  uämlicli  vom  Herbst  39 
HIh  31.  AugUHt  40   von   Rom   abwesend   auf  einem    Feldznge   mich  Gallien, 


[374]  §  17.   h.  Herodes  Antipas  (4  v.— 39  n.  Chr.).  449 

Verbannung.    Eine  verworrene  Notiz  bei  Dio  Cassius  scheint   zu 
besagen,  dass  er  von  Caligula  hingerichtet  wurde*'). 


c.  Archelaus  (4  t.— 6  n.  Chr.).    Sein  Gebiet  unter  römischen 
Procuratoren  (6—41  n.  Chr.). 

Quellen:  Joseph.  Antt.  XVII,  13.  XVIII.  1—4.  8.  Bell.  Jud.  II,  7-10. 
Philo,  De  le//atione  ad  Cajum  {Opp.  ed.  Matif/ey  II,  545 — 600). 
lieber  die  Münzen  s.  unten. 

Germanien  und  Britannien  {üio  Cass.  LIX,  21 — 25.  Stieton.  Calig.  17.  43  —  49: 
Einzug  in  Rom  „natali  suo",  d.  h.  31.  Aug.  s.  Stieton.  Califj.  8.  Vgl.  überhaupt 
Riese,  Der  Feldzug  des  Caligula  an  den  Rhein,  Neue  Heidelberger  Jahrbb.  VI, 
189(3,  S.  152 — 162).  Da  nun  die  Absetzung  des  Antipas  geschah,  während 
Caligula  in  Bajä  sich  befand,  da  sie  ferner  wegen  Joseph.  Antt.  XIX,  8,  2, 
wornach  Agrippa  noch  unter  Caligula  ein  Jahr  regiert  hat,  nicht  erst  nach  dem 
germanischen  Feldzug  stattgefunden  haben  kann  (was  auch  deshalb  unmöglich 
ist,  weil  Agrippa  vom  Herbst  40  bis  zum  Tode  Caligula's  sich  wieder  in  dessen 
Umgebung  befand.  Philo,  Legat,  ad  Caj.  §  35  ff.  ed.  Mang.  II,  584  tf.  Joseph. 
Antt.  XVIII,  8,  7  ff.  Dio  Cass.  LIX,  24  (vgl.  §  17  c.  und  §  18],  während  er 
zur  Zeit  der  Absetzung  des  Antipas  in  Palästina  war,  sowie  deshalb,  weil  er 
nach  Philo,  Legat,  ad  Caj.  §,  41,  ed.  Mang.  II,  593  im  Herbst  40  bereits  im 
ßes'itze  von  Galiläa  war  [vgl.  auch  Joseph.  Antt.  XVIII,  8,  4  Anf ,  woraus  zu 
schliessen,  dass  Tiberias  damals  nicht  mehr  dem  Herodes  Antipas  gehörte]),  — 
so  muss  sie  nocli  vor  den  germanischen  Feldzug,  d.  h.  vor  Herbst  39  fallen. 
Im  J.  39  war  Caligula  zweimal  in  Campanien  [Bajä,  Puteoli),  einmal  nach  Dio 
Cass.  LIX,  13  und  sodann  nach  Dia  Cass.  LIX,  17.  Sueton.  Calig.  19.  Doch 
war  er  nach  der  zweiten  Anwesenheit  schon  zur  Zeit  seines  Geburtstages 
(31.  August)  wieder  in  Rom  {Dio  Cass.  LIX,  20.  Sueton.  Calig.  26),  worauf 
dann  der  germanische  Feldzug  folgte.  Die  Absetzung  des  Antipas  in 
Bajä  fällt  demnach  vor  den  81.  Aug.  39  n.  Chr.  Da  aber  Agrippa  die 
Tetrarchie  des  Antipas  erst  Anfang  40  erhielt  {Jos.  Antt.  XIX,  8,  2),  so  ist 
wohl  mit  Noris  {Opp.  II,  062 sg.)  und  Wieseler  (Chronologie  des  apostol. 
Zeitalters  S.  130)  zwischen  der  Absetzung  des  Antipas  und  der  Verleihung 
seiner  Tetrarchie  an  Agrippa  ein  mehrmonatlicher  Zwischenraum  anzunehmen, 
und  letztere  erst  in  die  Zeit  des  gallisch-germanischen  Feldzuges  Caligula's 
zu  setzen.  —  Vgl.  überhaupt  Noris,  De  nummo  Eerodis  Antipae  [Opera  II, 
col.  646 — 665);  Sanclemente,  De  vulgaris  aerae  emendatione  p.  307 — 315.  — 
Ueber  die  Münze  des  Herodes  Antipas  mit  der  angeblichen  Jahreszahl  44, 
welche  eine  Fortdauer  seiner  Regierung  bis  zum  J.  40  n.  Chr.  beweisen 
würde,  s.  oben  8.  416  f.  und  434.  Wäre  ihre  Existenz  sicher,  so  müsste  man 
mit  Lewin  die  Absetzung  des  Antipas  nicht  in  die  Zeit  von  Caligula's 
Aufenthalt  in  Bajä,  sondern  in  die  Zeit  seines  gallischen  Feldzuges  verlegen, 
also  einen  starken  Fehler  bei  Josephus  annehmen.  Noch  stärkere  Correcturen 
der  überlieferten  Geschichte  würde  die  ebenfalls  oben  erwähnte  Münze  vom 
J.  45  des  Herodes  Antipas  erfordern,  wenn  ihre  Echtheit  sicher  wäre. 

47)  Dio  Cass.  LIX,  8:  {Caligula)  lAy^imiav  xov  xov  ''H^mSov  eyyovov  Xvaaq 
TS  ...  .  xal  r^  xov  nunnov  ag^^  ngoaxä^ag,  xov  aöeX(p6v  rj  xal  xov  viov  ovx 
Schür  er,    Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  29 


450  §  17.    c.  Archelaus  (4  vor— 6  nach  Chr.),  [374.  375] 

Literatur:  Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV,  594.  V,  49— 95.  VI,  319, 

322—332.  343. 
Grätz,   Geschichte   der  Juden  III,  4.  Aufl.    S.  253-271,  315-317, 

341—344. 
Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  562 f.   573—583. 
Hausrath,  Zeitgesch.  2.  Aufl.  I,  287—308.   II,  199—270. 
Keim,  Geschichte  Jesu  I,  194—202.   III,  3590".  447  ft'.  485  ff.  uud 

Art.  „Archelaus"  in  SchenkePs  Bibellexikon  III,  38-40. 
Gerlach,  Zeitschrift  f.  luth.  Theol.  1869,  S.  30-32.  —  Ders.,  Die 

römischen  Statthalter  in  Syrien  und  Judäa  S.  44—48.   53—65. 
Winer,  RWB.  I,  82  f.  (Archelaus)  und  II,  261-263  (Pilatus). 
Brann,    Die    Söhne    des    Herodes,    1873    (Separatabdr.    aus    der 

Monatsschr.  f.  Gesch.  u.  Wissensch.  d.  Judenth.)  S.  1 — 16. 
Lew  in,  Fasti  sacri,  ad  ann.  4  ante  Chr, — 41  p.  dir. 
Mommsen,  Römische  Geschichte  V,  508 ff. 
Kellner,  Die  römischen  Statthalter  von  Syrien  und  Judäa.   2.  Art. 

Die  kaiserlichen  Procuratoren  von  Judäa  (Zeitschr.  f.  kathol. 

Theol.  1888,  S.  630  ff".).  | 
Kellner,   Politische   und   administrative  Zustände  von  Palästina 

zur  Zeit  Christi  (Der  Katholik  1888,  I,  S.  47 — 63)  [summarische 

Uebersicht  seit  Pompejus]. 
Menke's  Bibelatlas  Bl.  V,  Specialkarte  über  „Judäa  und  Nachbar- 
länder zur  Zeit  des  Pontius  Pilatus". 

Das  eigentliche  Judäa  nebst  Samaria  und  Iduiiiäa  (mit  den 
grossen  Städten  Cäsarea,  Samaria,  Jope  und  Jerusalem,  aber  ohne 
Gaza,  Gadara  und  Hippos)  war  bei  der  Theilung  dem  Arclielaus, 
dem  älteren*)  Bruder  des  Antipas,  zugesprochen  worden,  zwar  nicht, 
wie  Herodes  es  bestimmt  hatte,  mit  dem  Königstitel,  sondern  nur 
mit  dem  eines  Ethnarchen -).  Doch  hatte  Augustus  ihm  auch 
das  Königthum  versprochen,  falls  er  sich  dessen  würdig  erweisen 
werde  3).  Auch  Archelaus  nannte  sich,  wie  Antipas,  auf  Münzen 
und  sonst  mit  dem  Familiennamen  Herodes^). 


'ini  x<5v  naxQwwv  dneari^tjaev,  ukka  xal  xaria^a^e.  Obwohl  das  Verwandt- 
scbaftsverhältniisH  nicht  stimmt,  kann  damit  doch  nur  Herodes  Antipas  gemeint 
Bein.  Verbannte  liinzurichten,  war  ül)crhau])t  Caligula's  Gewohulieit,  Sueton. 
Calif/.  28.  Dio  Casa.  LIX,  18.  Philo  in  Flaccum  §  21  cd.  Mang.  II,  543  fin. 
Lewin,  Fasti  sacri  n.  1562.  —  Nach  Josep/ms  Bell,  Jud.  II,  9,  6  starb  Antipas 
in  der  VerbannuDf;.  Ueber  den  Widerspruch  hinsichtlich  des  Ortea  zwischen 
B.  J.  II,  9,  6  und  Antl.  XVIII,  7,  2  s.  oben  S.  448.  Da  luich  B.  J.  Antipas 
von  Tornliercin  nach  Spanien  verbannt  worden  und  dort  gestorben  ist,  ho  hat 
man  kein  Recht,  die  widersprechenden  Angaben  des  •loscphu.'*  so  zu  combi- 
niren,  danH  nuin  eine  spätero  Versetzung  des  Verbannten  von  Lyon  nach 
Spanien  annimmt. 

1)  jy.  J.  i,  32.  7.   33,  7. 

2)  Ungenau  hoiiiHt  er  Matth.  2,  22  und  Jos.  Antt.  XV IH,  4,  3  ßaailti^.  — 
Ueber  den  Titel  iltvdpxfj'i  »•  "'»e»  ^-  423. 

3)  Antl.  XVII,  11,  4.    B.  ./.  II,  6,  3. 

4)  ]^i  Joitephut  lioiHHt  er  zwar  nirgends  IIcrodeH,  wnlil  aber  bei  Pio  Üa.s.s. 


[375]  §  17.   c.  Archelaus  (4  vor— 6  nach  Chr.).  451 

Unter  den  Söhnen  des  Herodes  geniesst  er  den  schlechtesten 
Ruf.  Seine  Herrschaft  war  loh  und  tyrannisch '").  Die  Hohenpriester 
setzte  er  nach  Belieben  ab  und  ein^).  Besondern  Anstoss  erregte 
seine  Heirath  mit  Glaphyra,  der  Tochter  des  kappadocischen 
Königs  Archelaus.  Diese  war  in  erster  Ehe  mit  Alexander,  dem 
im  J.  7  V.  Chr.  hingerichteten  Stiefbruder  des  Archelaus,  vermählt 
gewesen  (s.  oben  S.  408).  Nach  dessen  Tode  nahm  sie  Juba,  der 
König   von   Mauritanien'),    zur    Ehe.      Nach    Auflösung    dieser 


LV,  27.  Und  dass  die  Münzen  mit  der  Aufschrift  HP^JOY  EBNAPXOY 
ihm  augehören,  kann  nicht  zweifelhaft  sein;  denn  ausser  ihm  führte  kein  Hero- 
däer  den  Titel  i&vuQx^Q-  Es  ist  dies  zuerst  erkannt  worden  von  Scipto  Maff^us 
Antt.  Qall.  p.  113  (citirt  von  Eckhel  III,  484).  Eckhel  ist  wenigstens  geneigt, 
ihm  beizustimmen  {„Forte  verlor  est  eonjectura  Scipionis  Maff^i  etc.").  Gegen- 
wärtig ist  es  allgemein  anerkannt.  —  Bemerkenswerth  ist,  dass  auch  die  Mün- 
zen des  Archelaus  kein  Bildniss  tragen.  —  Vgl.  über  dieselben  überhaupt: 
Cavedoni,  Bibl.  Numismatik  I,  53.  57  f.  II,  32 f.  De  Sauley,  I^echerclies 
p.  133  sq.  Levy,  Gesch.  der  jüd.  Münzen  S.  73  f.  Madden,  History  p.  91—95. 
Cavedoni  in  Grote's  Münzstudien  V,  25  f.  De  Sauley,  Numismattc  Cftro- 
nicle  1871,  p.  248 — 250.  Madden,  Num.  Chron.  1875,  ^h  sq.  Madden,  Coitis 
of  the  Jeivs  p.  114—118. 

5)  'Sinoxriq  xal  xvgavviq  wird  ihm  Antt.  XVII,  13,  2  vorgeworfen.  Vgl.  auch 
B.  J.  II,  7,  3. 

6)  Antt.  XVII,  13,  1. 

7)  Es  ist  derselbe,  der  als  Schriftsteller  sich  bekannt  gemacht  hat.  Die 
Nachrichten  über  ihn  und  die  Fragmente  seiner  Schriften  sind  gesammelt  bei 
Müller,  Fraym.  Eist.  Graec.  III,  4(35—484.  Vgl.  auch  Clinton,  Fasti  Hell. 
2.  ed.  III,  578««?.  Pauly's  Real-Enc.  IV,  345.  Nicolai,  Griech.  Literatur- 
gesch.  II,  185  f.  La  Blanchere,  De  rege  Jnba  regis  Juhue  filt'o,  Paris  1883 
(hier  noch  mehr  Literatur).  Suse  mihi,  Gesch.  der  griech.  Literatur  in  der 
Alexandrinerzeit  Bd.  II,  1892,  S.  402—414  (mit  reichen  Literaturangaben). 
Prosopographia  imperii  Romani  II,  156.  —  Juba  war  als  Kind  (ßgeipog  App., 
xofiiöij  vjjnioq  Plut.)  im  J.  4ü  v.  Chr.  von  Cäsar  im  Triumphe  mit  aufgeführt 
worden  [Appian.  II,  101.  Plutarch.  Caesar,  c.  55).  Im  J.  29  v.  Chr.  erhielt  er 
von  Augustus  sein  väterliches  Reich  Numidien  {Dio  Cass.  LI,  15).  Vier  Jahre 
später,  25  v.  Chr.,  gab  ihm  Augustus  statt  dessen  die  Länder  des  Bocchus 
und  Boguas  {Mauritania  Tinfjitana  und  Caesariensis)  und  einen  Theil  von 
Gätulien  {Dio  Cass.  LIII,  26).  Er  lebte  noch  im  J.  18  nach  Chr.  {Müller  III, 
466)  und  ist,  wie  sich  auf  Grund  der  Münzen  feststellen  lässt,  erst  im  J.  23 
n.  Chr.  gestorben  {Mommsen,  Ephemeris  epitjr.  I,  278.  Marquardt,  Römische 
Staatsverwaltung  I,  1881,    S.  482.     Rühl,    Jahrbb.  f.  class.  Philol.  117.  Bd., 

1878,  S.  542—544  [vertheidigt  das  Jahr  23  n.  Chr.  als  Todesjahr  Juba's  gegen 
Niese's  Bestreitung  im  Hermes  XIII,  1878,  S.  35  f.  Anm.].  Schiller  in  Bursian's 
Jahresber.  XV,  497  f.     Paul   Meyer,   Leipziger  Studien  zur  class.  Philol.  II, 

1879,  S.  72.  Vogel,  Philologus  Bd.  41,  1882,  S.  517.  La  Blanchere,  De  rege 
Juba  p.  85.  Susemihl  II,  405  [sämmtl.  für  23  n.  Chr.]).  —  Die  Ehe  mit  Gla- 
l>hyra  tallt  wahrscheinlich  in  die  Jahre  1  vor  bis  4  nach  Chr.,  wofern  die  Ver- 
muthung  Müller's  (a.  a.  O.)  richtig  ist,  dass  Juba  den  C  Caspar  auf  desscu 
orientalischer  Expedition  begleitet  und  bei  dieser  Gelegenheit  Glaphyra  keu- 

29* 


452  §  17.   c.  Archelaus  (4  vor— 6  nach  Chr.).  [376.  377] 

Ehe  ^)  lebte  Glaphyra  im  Hause  ihresVaters.  Hier  lernte  Archelaus  sie 
kennen,  verliebte  sich  in  sie  und  nahm  sie  zur  Frau,  indem  er  seine 
Gemahlin  Mariamme  verstiess.  Da  Glaphyra  von  Alexander 
Kinder  hatte,  war  die  Ehe  ungesetzlich  und  erregte  darum  grossen 
Anstoss^).  Freilich  war  die  Ehe  nicht  von  langer  Dauer;  denn 
Glaphyra  starb  bald  nach  ihrer  Ankunft  in  Judäa'*'),  nachdem  sie 
zuvor  noch  einen  merkwürdigen  Ti-aum  gehabt  hatte,  in  welchem 
ihr  erster  Gatte  Alexander  ihr  erschienen  war  und  ihren  bevor- 
stehenden Tod  ihr  angekündigt  hatte  ^i). 

Fast  selbstverständlich  ist  es,  dass  Archelaus  als  Sohn  des 
Herodes  auch  auf  Bauunternehmungen  sich  verlegte.  Der  Palast 
von  Jericho  wurde  aufs  prachtvollste  restaurirt.  Eine  Wasser- 
leitung musste  den  Palmenpflanzungen,  welche  er  in  der  Ebene 
(nördlich  von  Jericho)  neu  anlegte,  von  dem  Dorfe  Neara  aus  das 
nöthige  Wasser  zuführen.  Sich  selbst  zu  Ehren  gründete  er  einen 
Ort  Namens  Archelais  ^^^^  | 

Aber  diese  schönen  und  nützlichen  Unternehmungen  konnten 


nen  gelernt  habe.  —  Auf  Glaphyra  bezieht  sich  vielleicht  eine  Inschrift  zu 
Athen,  welche  Mommsen  folgendermassen  zu  ergänzen  vorschlägt  {Ephemeris 
epigr.  I,  277  sq.  =  Corp.  Inscr.  Attic.  III,  1  n.  549) : 

'H  ßovXij  xai  [o  6f]iJLoq[ 

ßaaü.caaav  [FkarpvQav] 

'Aqx^^^ov  d-vylatiga,  'loßa] 

yvvaZxa  [dgexiiq  evexa]. 

8)  Josephus  sagt  „nach  dem  Tode  des  Juba",  was  aber  unrichtig  ist.  S. 
die  vorige  Anm. 

9)  Vgl.  aberliaupt  Antt.  XVII,  13,  1  und  4.    B.  J.  II,  7,  4. 

10)  Met*  oXlyov  TTjg  d(pl^swq  X9^*'<^^  ^-  •^-  H»  7>  ^• 

11)  Antt.  XVII,  13,  4.    B.  J.  II,  7,  4. 

12)  Antt.  XVII,  13,  1.  —  Ueber  die  Palraenpflanzungen  bei  Jericho 
8.  oben  8.  380  f.;  über  da«  Dorf  Archelais  Bd.  II,  S.  149.  Es  lug  nach  der 
taf/ula  Pcutinger.  {cd.  Konr.  Miller  1888)  an  der  Strasse  von  Jericho  nach  Sky- 
thopolis',  [12  mtl.  pass.  nördlich  von  Jericho,  12  +  12  mil.  pass.  südlich  von 
SkythopoÜB.  Da  die  wirkliche  Entfernung  zwischen  Jericho  und  Skythopolis 
etwa  fünfzig  mil.  pass.  beträgt,  so  steckt  in  den  Zalilen  irgendwo  ein  Felder. 
Nimmt  man  die  Entfernung  von  12  mil.  pass.  zwischen  Jericho  und  Archelais 
aln  richtig  an,  so  kommt  letzteres  ein  wenig  südlich  von  Phasaclis  (nicht  nörd-' 
lieh,  wie  vielfach  angenommen  wird)  zu  liegen.  Für  diese  Ansctzung  spricht 
FolgeodeR.  Archelais  war,  wie  rhasaeÜH,  durcli  seine  Palmciiptliin/.iingeu 
berühmt  (Jb».  Antt.  XVHl,  2,  2.  1'liniti.s  llist.  NaI.  Xill,  4,  44).  .Mim  wird 
aluo  die  von  Archelaus  neu  angelegti-n  Pflanzungen,  für  welche  er  das  Wasser 
von  Neara  herleiten  Hchh,  eben  in  der  Umgt'bung  des  von  ihm  gegründeten 
Archelais  zu  Buchen  haben.  Nun  ist  alter  Neara  höchst  wahrscheinlich  iden- 
tlx'h  mit  dem  von  EuHcbius  (Onomasl.  ed.  Ijoyardc  p.  283)  erwähnten  NooqüQ; 
welche»  nur  6  mil.  paaa.  von  Jericho  entfernt  war.  Also  wird  auch  Archelais 
nicht  allzuweit  davon  gelegen  haben. 


[377.  378]  §  17.   c.  Archelaus  (4  vor— 6  nach  Chr.).  453 

die  Unterthanen  mit  seiner  Missregierung  nicht  aussöhnen.  Nach- 
dem man  über  neun  Jahre  lang  sein  Regiment  ertragen  hatte,  begab 
sich  eine  Deputation  der  jüdischen  und  samaritanischen  Aristokratie 
nach  Rom,  um  bei  Augustus  Beschwerde  gegen  ihn  zu  führen.  Die 
Klagepunkte  müssen  sehr  gravirend  gewesen  sein.  Denn  der  Kaiser 
sah  sich  veranlasst,  den  Archelaus  nach  Rom  zu  berufen  und  ihn, 
nachdem  er  ihn  verhört  hatte,  seiner  Regierung  zu  entsetzen  und 
nach  Vienna  in  Gallien  zu  verbannen,  im  J.  6  nach  Chr.  Auch 
ihm  war,  wie  seiner  Gemahlin,  durch  einen  bedeutsamen  Traum 
sein  Schicksal  vorherverkündigt  worden  i'). 

Das  Oebiet  des  Archelaus  wurde  unter  unmittelbar 
römische  Verwaltung  genommen,  indem  es,  als  ein  Annexum 
der  Provinz  Syrien,  einen  eigenen  Statthalter  aus  dem  Ritter- 
stande erhielt'"*).  Mit  dieser  Thatsache  wurde  die  Lage  Judäas 
eine  wesentlich  andere  als  zuvor.  Herodes  der  Grosse  und  seine 
Söhne  hatten  trotz  aller  römischen  Freundschaften  doch  so  viel 
Verständniss  für  |  die  Eigenthümlichkeiten  des  Volkes,  dass  sie  — 
einzelne  Ausnahmen  abgerechnet  —  seine  heiligsten  Gefühle  nicht 
nmthwillig  verletzten.  Schon  die  Klugheit  gebot  in  diesem  Punkte 
Vorsicht  und  Zurückhaltung.  Den  Römern  dagegen  fehlte  fast  alles 
Verständniss  des  eigenthümlich-jüdischen  Wesens.  Wie  ihnen  die 
religiösen  Anschauungen  der  Pharisäer  und  die  Fülle  von  Satzungen, 
welche  das  tägliche  Leben  wie  ein  Netz  umspannten,  unbekannt 
waren,  so  hatten  sie  auch  keine  Ahnung  davon,  dass  ein  ganzes 
Volk  um  äusserlicher  und  scheinbar  gleichgültiger  Dinge  willen 
des  äussersten  Widerstandes  selbst  bis  zum  Tod  und  zur  Selbst- 
vernichtung fähig  sein  könne.  Die  Juden  hinwiederum  sahen  in 
den  einfachsten  Verwaltungsmaassregeln,  wie  gleich  Anfangs  in  der 
Vornahme  des  Census,  einen  Eingriff  in  die  heiligsten  Rechte  des 
Volkes  und  kamen  von  Tag  zu  Tag  mehr  zu  der  Einsicht,  dass 
die  unmittelbar  römische  Verwaltung,  die  sie  noch  beim  Tode  des 


13)  Äntf.  XVII,  13,  2—3.  B.  J.  II,  7,  3.  Dio  Cass.  LV,  27.  Ohne  den 
Namen  des  Archelaus  zu  nennen,  sagt  Strabo  XVI,  2,  46  p.  765,  dass  ein  Sohn 
des  Herodes  iv  (pvy^  öitxekei  naga  xoTq  l4X?.6ßQi^i  FaXäraiq  Xaßwv  oi'xrjaiv. 
Vienna,  südlich  von  Lyon,  war  die  Hauptstadt  der  Allobroger.  —  Was  die 
Chronologie  betrifft,  so  setzt  Dio  Cass.  LV,  27  die  Verbannung  des  Arche- 
laus in  das  Consulat  des  Aemilius  Lepidus  und  Lucius  Arruntius,  6  nach  Chr. 
Hiermit  stimmen  die  Angaben  des  Josephus  {Äntt.  XVII,  13,  2:  im  zehnten 
Jahre  des  Archelaus,  B.  J.  II,  7,  3:  im  neunten).  —  Nach  einer  Notiz  des 
Hieronymus  zeigte  man  bei  Bethlehem  das  Grab  des  Archelaus  {Ono- 
mast, ed.  Lagarde  p.  101 :  sed  et  propter  eandem  Bethleem  regis  quondam  Jiidaeae 
Arehelai  tumulus  ostendüur).    Hiernach  würde  er  in  Palästina  gestorben  sein. 

14)  Amt.  XVII,  13,  5.    XVIII,  1,  1.    B.  J.  II,  8,  1. 


454  §  l''-  <?.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6 — 41  n.  Chr.).    [378.379] 

Herodes  gewünscht  hatten  '^),  mit  den  Rechten  der  Theokratie  un- 
vereinbar war.  So  war  selbst  beim  besten  Willen  von  beiden 
Seiten  Spannung  und  Feindschaft  unvermeidlich.  Dieser  gute  Wille 
war  aber  nur  theilweise  vorhanden.  Die  obersten  Spitzen  der 
Regierung  waren  zwar  (mit  Ausnahme  der  Zeit  Caligula's)  bereit, 
Zugeständnisse  zu  machen  und  Schonung  zu  üben,  zum  Theil  in 
sehr  weitgehendem  Maasse.  Aber  ihre  guten  Absichten  wurden 
immer  wieder  durchkreuzt  durcli  den  Unverstand  der  Procuratoren, 
nicht  selten  auch  durch  grobe  Rechtsverletzungen  von  Seite  der- 
selben. Diese  Beamten  niederen  Ranges  waren,  wie  alle  kleinen 
Herren,  vor  allem  erfüllt  von  dem  Bewusstsein  ihrer  selbstherrlichen 
Gewalt,  und  haben  durch  ihre  Uebergriffe  die  ohnehin  gereizte 
Stimmung  des  Volkes  schliesslich  so  weit  gesteigert,  dass  es  sich 
in  wilder  Verzweiflung  in  den  Vernichtungskampf  stürzte. 


Da  die  politischen  Verhältnisse  Judäa's  in  den  Jahren 
6—41  n.  Chr.  im  Wesentlichen  dieselben  waren,  wie  diejenigen 
ganz  Palästina's  in  den  Jahren  44 — 66  n.  Chr.,  so  fassen  wir 
in  der  folgenden  Darstellung  beide  Perioden  zusaiunien  und  ent- 
nehmen das  Material  sowohl  aus  der  einen  als  aus  der  anderen 
Periode  ^^). 

Judäa  (und  später  ganz  Palästina)  wurde  nicht  im  eigentlichen  j 
Sinne  der,Provinz  Syrien  einverleibt,  sondern  erhielt  einen  eigenen 
Statthalter  aus  dem  Ritterstande,  der  nur  in  einem  gewissen 
Abhängigkeitsverhältnisse  vom  kaiserlichen  Legaten  von  Syrien 
stand").  Es  gehörte  also  in  die  dritte  Classe  der  kaiserlichen  Pro- 
vinzen, nach  Strabo's  Aufzählung'^).  Und  diese  dritte  Classe  ist 
als  eine  Ausnahme  von  der  Regel  zu  betrachten.  Denn  die  meisten 
kaiserlichen  Provinzen  wurden,  wie  diejenigen  des  Senates,  von 
Männern  senatorischen  Ranges  verwaltet,  die  grösseren  (wie  Syrien) 


16)  Antl.  XVll,  11,  2.    B.  J.  TI,  6,  2. 

16)  Vj?l.  Hihr allda,  De  statu  Jiuiaeae provinciae auh proouratoribus,  Frmiecq. 
1098  (auch  in:  Th^snunia  novus  thcol.-philol.  rdd.  Hase  et  I/crn  II,  520  sqq.).  — 
Krt'nkel,  Art.  „Verwaltung"  in  Sclienkcl's  Bibellex.  V,  (K)l  f.  —  llieliin's 
Handwörterb.  Art.  „Ilönior".  —  MoniniHca,  Rom.  Gesch.  V,  609  fr.;  nnd  ühcr- 
Itaupt  die  obeo  8.  449  f.  genannto  Literatur. 

17)  Jo».  B.  J.  II,  8,  1 :  xf\<i  ik  kQXf^dov  xt^l'^t  f ^?  inuQxlav  neQiyQaqjelarn 
inlxQonoq  rfjf  Innixfji  noQU  'Pwfialoti  rd^ewi  Kutniuvioi  ni'fjnexai.  — 
Antt.  XVIII,  1,  1:  Koindvioq  ...  xayixaroq  xwv  Inn^tov,  iiytioofjifvoQ  'lov- 
Satwv  x(j  inl  näaiv  ^^ovalff. 

18)  Slraho  XVII,  H,  26  p.  840:  tlq  Ä'c  M^v  ninnn  xoiq  ^nifAektjao/nivovQ 
vTttxixoiq  &vd(ftiq,  «ic  uq  (Ä  axQttxtiyixoiq,  elq  aq  öh  xal  )n7tixovi. 


[379.  380]    §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (G— 41  n.  Chr.).  455 

von  gewesenen  Consiiln,  die  kleineren  von  gewesenen  Prätoreu '  ^). 
Nur  einzelne  Provinzen  wurden  ausnahmsweise  unter  Statthalter 
ritterlichen  Ranges  gestellt,  nämlich  diejenigen,  in  welchen  wegen 
einer  besonders  zähen  und  eigenartigen  Oultur  oder  wegen  Uncultur 
eine  strenge  Durchführung  der  gewöhnlichen  Ordnungen  unthun- 
lich  erschien.  Das  bekannteste  Beispiel  ist  Aegypten.  Sonst  sind 
es  namentlich  Gebiete  mit  einer  noch  halb-barbarischen  Bevölke- 
rung, welche  in  dieser  Weise  verwaltet  wurden '^'^). 

Der  herrschende  Titel  dieser  ritterlichen  Statthalter  ist  pro- 
curator,  ejtizQOjrog'^^).  Es  scheint  zwar,  dass  Augustus  wie  in 
Aegypten  so  auch  anderwärts  den  Titel  praefectus  (=  tjcaQXog)  ge- 
wählt hat^^).  Sehr  bald,  mindestens  seit  Claudius,  ist  aber  —  mit 
Ausnahme  Aegyptens  —  der  Titel  procurator  vorherrschend  ge-| 
worden.  Josephus  nennt  den  Statthalter  Judäas  in  der  Regel 
BjÜTQOjcog,  zuweilen  ejtagxog  oder  ^yeficov  ^'■^).  Im  Neuen  Testamente 
ist  ^yeficov  {=  praeses)  herrschend  2*).    Dass  sjtltQojeog  {procurator) 


19)  Näheres  s.  oben  S.  318  f.  —  Die  Bezeichnung  des  kaiserlichen  Statt- 
halters von  Syrien  als  „Proconsul",  deren  sich  manche  Theologen  bedienen 
(z.  B.  Gerlach,  Hausrath,  Krenkel),  ist  ein  Verstoss  gegen  das  A-B-C  der 
römischen  Alterthüraer.  Nur  zur  Zeit  des  Pompejus,  bis  48  vor  Chr.,  wurde 
Syrien  von  „Proconsuln"  verwaltet. 

20)  Die  wichtigsten,  ausser  Aegypten,  nennt  Taeit.  Hist.  I,  11 :  duae  Mauri- 
tantae,  Eaetia,  Norieuni,  Thracia  et  qmte  aliae  procurator ihus  cohibentur.  Ein 
vollständiges  Verzeichniss  giebt  Hirschfeld,  Sitzungsberichte  der  Berliner 
Akademie  1889,  S.  419—423.  —  Vgl.  auch:  Marquardt,  Römische  Staats- 
verwaltung I,  1881,  S.  554 f.,  Liebenam,  Beiträge  zur  Verwaltungsgeschichte 

I,  188Ü,  S.  26-30. 

21)  Vgl.  über  die  Präsidial-Procuratoren  überhaupt:  Mascovius,  De pro- 
curatore  Caesaris,  Altorf.  1724  (auch  in  dessen  opusc.  jurid.  et  philol.  1776, 
p.  1—30).  —  Rein,  Art.  procurator  Caesaris  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  1,  88—90. 
—  Winer,  Bibl.  Realwörterbuch  II,  276  f.  (Art.  Procuratoren).  —  Marquardt, 
Römische  Staatsverwaltung  Bd.  I,  1881,  S.  554 ft".  —  Am  eingehendsten:  Hirsch- 
feld, Die  ritterlichen  Provinzialstatthalter  (Sitzungsberichte  der  Berliner 
Akademie  1889,  S.  417—442). 

22)  S.  hierüber:  Hirschfeld,  Sitzungsber.  1889,  S.  425—427. 

23)  inixQonog  an  folgenden  Stellen:  B.  J.  II,  8,  1.  9,  2.  11,  6  (in  der 
Parallelstelle  Antt.  XIX,  9,  2  hiaQxoq).  Antt.  XX,  6,  2.  B.  J.  II,  12,  8.  ini- 
Xitoneiwv  Antt.  XX,  5,  1.  imxQonrj  Antt.  XX,  5, 1  ßn.  11,  1  s.  fin.  B.  J.  II,  12,  1. 
14,  1.  —  'inuQxoq  Antt.  XVIII,  2,  2.   XIX,  9,  2  (in  der  Parallelstelle  B.  J.  II, 

II,  6  tniTQonoq).  XX,  9,  1.  B.  J.  VI,  5,  3  (§  303:  inl  rov  nagä  'Pw/xai'oiq 
enuQXO'^'}  §305:  zov  6"  AXßivov  öieQoncüvrog,  oirtog  yag  magxoq  riv).  —  ^yTjao- 
fievoq  Antt.  XVIII,  1,  1.  rjyefxwv  Antt.  XVIII,  3,  1.  nQoaztiaofievoq  Antt.  XX, 
7,  1.  —  miiifXrii^q  Atüt.  XVIII,  4,  2.  —  Inndgxnq  ^ntt.  XVIII,  6,  10  fin. 

24)  Ev.  Matth.  27,  2.  11.  14.  15.  21.  27.  cap.  28,  14.  Lue.  3,  1.  20,  20.  Actor. 
23,  24.  26.  33.  cap.  24,  1.  10.  cap.  26,  30.  —  TJyefxwv  heisst  überhaupt  praeses, 
und  wird  daher  auch  von  den  Statthaltern  anderer  Kategorien  gebraucht. 


456  §17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6 — 41  n.  Chr.).    [380.381] 

der  correcte  Titel  ist,  wird  aucli  durch  anderweitige  Zeugnisse  be- 
stätigt ^s).  Im  Allgemeinen  wird  dieser  Titel  für  alle  kaiserlichen 
Finanzbeamten  gebraucht  (während  praefectus  mehr  ein  militärischer 
Titel  ist).  Solche  Finanzprocuratoren  gab  es  auch  in  allen  anderen 
Provinzen,  sowohl  den  kaiserlichen,  als  denen  des  Senates  ^6),  Sie 
wurden  nicht  nur  aus  dem  Ritterstande,  sondern  auch  aus  der  Zahl 
der  kaiserlichen  Freigelassenen  genommen  2^).  Diejenigen  Procura- 
toren dagegen,  welche  eine  Provinz  zu  verwalten  hatten,  wurden 
wegen  des  damit  verbundenen  militärischen  Commando's  nur  aus 
dem  Ritterstande  genommen.  Es  war  eine  unerhörte  Neuerung,  als 
unter  Claudius  die  Procuratur  von  Judäa  einem  Freigelassenen, 
dem  Felix,  übertragen  wurde  (s.  unten  §  19). 

Dem  Legaten  von  Syrien  scheinen  die  Procuratoren  Judäa's] 
nur  insofern  untergeordnet  gewesen  zu  sein,  als  ersterer  das 
Recht  und  die  Pflicht  hatte,  in  Fällen  der  Noth  mit  seiner  höheren 
Gewalt  einzugreifen  28).  Zwar  drücken  sich  die  Schriftsteller  zu- 
weilen so  aus,  als  ob  Judäa  der  Provinz  Syrien  einverleibt  worden 
sei.   Aber  sie  bleiben  sich  dabei  nicht  constant  29).    Die  Ausrüstung 


25)  Schreiben  des  Kaisers  Claudius  bei  Joseph.  Antt.  XX,  1,  2:  Kovanl^t 
«Pttöio  T(ö  ifi(p  iniXQÖiKp.  —  Tacit.  Ännal.  XV,  44:  Christus  Tiberio  imperi- 
tante  per  procuratorem  Pontium  Pilatum  supplicio  adfectus  erat.  ibid.  XII,  54: 
praedas  ad  procuratores  referre  .  .  .Jus  statiiendi  etiam  de  procuratoribus 
(es  sind  Cumanus  und  Felix  geraeint).—  Das  von  Hirschfeld,  Sitzungsber. 
S.  425  f.,  beigebrachte  Material  scheint  mir  nicht  ausreichend,  um  die  Ver- 
muthung  zu  begründen,  „dass  auch  in  Judäa  in  der  ersten  Kaiserzeit  der 
Titel  praefectus  gelautet  habe",  obwohl  man  dies  als  möglicli  zugeben  muss. 

26)  Marquardt  I,  555  f. 

27)  Vgl.  über  diese  Finanzprocuratoren  (ausser  der  in  Anm.  21  genannten 
Literatur):  Eichhorst,  Quaestionum  epigraphicarum  de  procuratoribus  impera- 
torum  Romanorum  apecimm,  1801.  —  Hirschfeld,  Untersuchungen  auf  dem 
Gebiete  der  römischen  Verwaltungsgeschichte,  1.  Bd.  Die  kaiserlichen  Ver- 
waltungsbeamten bis  auf  Diocletian,  1877  (erschöpfendste  Behandlung).  — 
Liebenam,  Beiträge  zur  Verwaltungsgeschichtc  des  römischen  Kaiserreichs.  I. 
Die  Laufbahn  der  Procuratoren  bis  auf  die  Zeit  Diocletians,  188(5.  —  Viel 
Material  geben  die  Indices  zum  Corp.  Inscr.  Lat.  Vgl.  auch  Corp.  Inscr.  Oraee. 
Index  p.  36  (».  v.  inlzQOnoq  Stßaatof}).  Ilaencl,  Corpus  Legum,  Indcn-  s.  v. 
procuraior.  Dirksev,  Manuale  latinitatis  fotitium  riiris  rlr.  Rom.  (1837)  s.  v. 
procuraior. 

28)  Vgl.  zum  Folgenden:  Mommsen,  Köm.  (Jescli.  V,  .')()!)  Anin.  ITirsch- 
feld,  SitzungHbcrichto  der  Berliner  Akademie  1889,  8.  440—442. 

29)  JoMephuM  Bagt  Antt.  XVII  fhi.  t^c  ^^  'Aex^^hcov  zo5('«C  vnoTt-Xovi  Tuwa- 
vtfiTi^tlaiiq  xy  Xvpmv.  Da  er  aber  gleich  darauf  (Antt.  XVili,  1,  1)  .ludäa  eine 
nfooBijxtj  T^c  ^VQlaq  nennt,  ho  will  er  es  wohl  nicht  als  eigentlichen  Bestand- 
tbcil,  sondern  nur  hIk  Appendix  der  Provinz  Syrien  bezeichnen.  Nach  B.  J. 
n,  8,  1  ist  daM  Land  deH  Arehelaiis  zu  einer  Provinz  (also  einer  selbständigen) 
gemacht    worden,   t»Jc  di  *AQX(>aov  xci^<>ßC  f^C  ina^x^av  THQiyQa<pflariq.    Ja  in 


[381.382]    §17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  457 

des  Procurators  mit  einem  militärischen  Commaudo  und  mit  selb- 
ständiger Jurisdiction  verlieh  ihm  ohne  Weiteres  eine  Stellung, 
vermöge  deren  er  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  inner- 
halb seiner  Provinz  ebenso  selbständig  war,  wie  die  Statthalter  der 
anderen  Provinzen.  Dagegen  hatte  allerdings  der  Legat  von 
Syrien  nach  freiem  Ermessen  einzugreifen,  wenn  Unruhen  zu  be- 
fürchten waren  oder  sonst  ernstere  Schwierigkeiten  sich  ergaben. 
Kr  verfügte  dann  in  Judäa  selbständig,  als  dem  Procurator  Ueber- 
geordneter  3*^).  Ob  ditse  höhere  Gewalt  so  weit  ging,  dass  er  auch 
den  Procurator  zur  Verantwortung  ziehen  konnte,  erscheint  frag- 
lich, da  in  den  beiden  Fällen,  in  welchen  dies  geschah,  der  be- 
treifende Legat  wahrscheinlich  mit  besonderer  Vollmacht  aus- 
gerüstet war  31).  I 

Die  Residenz  des  Procurators  von  Judäa  war  nicht  Jerusalem 
sondern  Cäsarea^-).  Da  die  Wohnung  des  Oberfeldherrn  oder 
Statthalters  praetorium  hiess,  so  ist  das  jiqcuxcoqiov  xov  'IIqojöov 
in  Cäsarea  (Apgesch.  23,  35)  wohl  nichts  anderes  als  ein  von  Herodes 


Bezug  auf  die  Verhältnisse  nach  Agrippa's  Tod  behauptet  Josephus  sogar  be- 
stininit;  der  Legat  von  Syrien  sei  nicht  über  das  Künigreicli  des  Agrippa 
gesetzt  worden  {Äntt.  XIX,  9,  2),  während  er  freilich  unmittelbar  darauf  be- 
richtet, dass  derselbe  doch  in  die  dortigen  Verhältnisse  einzugreifen  hatte 
{Antt.  XX,  1,  1).  —  Tadtus  erwähnt  im  J.  17  n.  Chr.  Syrien  und  Judäa  als 
zwei  Provinzen  neben  einander  [Anna!.  II,  42:  promnciae  Suria  atque  Judaea), 
und  sagt  von  der  Ordnung  nach  König  Agrippa's  Tod,  Hist.  V,  9:  Claudius  .... 
Judaeam  proviticiam  equitibus  Ronianis  aut  libertis  permisit.  Wenn  er  daher 
dieselbe  Thatsache  an  einer  andern  Stelle  {Annal.  XII,  23)  mit  den  Worten 
berichtet:  Ituraeique  et  Judaei  defunctis  regibus,  Sohaemo  atque  Agrippa,  pro- 
vinciae  Suriae  additi,  so  ist  das  additi  wohl  ebenso  zu  verstehen,  wie  die 
TiQoad^^XT}  des  Josephus.  Auf  keinen  Fall  wird  man,  weil  Tacitus  diese  No- 
tiz erst  im  J.  49  nachholt,  während  er  sie  schon  beim  J.  44  hätte  bringen 
sollen,  daraus  auf  eine  Aenderung  der  Verhältnisse  im  J.  49  schliessen  dürfen, 
wie  Bor  mann  gethan  hat  (s.  unten  §  18/?«.).  —  Auch  Suetonius  bezeichnet 
Judäa  schlechtweg  als  „Provinz"  {Sueton.  Claud.  28 :  Felicetu,  quem  cohortibus 
et  alis  provinciaeque  Judaeae  praeposuit). 

30)  Beispiele:  Petronius  {Antt.  XVIII,  8,  2—9.  B.  J.  II,  10,  1—5);  Cas- 
sius  Longinus  {Antt.  XX,  1,  1);  Cestius  Gallus  [B.  J.  II,  14,  3.  16,  1. 
18,  9  ff.). 

31)  Von  Vitellius,  welcher  den  Pilatus  absetzte  {Antt.  XYllI,  4,2),  sagt 
Tacitus  Annal.  VI,  32:  eunctis  quae  apud  orientem  parabantur  L.  Viteltium 
praefecit.  Von  Ummidius  Quadratus,  welcher  den  Cumauus  nach  Rom 
schickte  {Jos.  Antt.  XX,  6,  2;  B.  J.  II,  12,  6),  heisst  es  ausdrücklich  Tacit. 
Annal.  XII,  54:  Claudius  .  .  .jus  statuendi  etiam  de   pi-ocuratoi-ibus  dederat. 

32)  Antt.  XVIII,  3,  1.  B.  J.  II,  9,  2  (Pilatus).  Antt.  XX,  5,  4.  B.  J.  II, 
12,  2  (Cumanus).  Apostelgesch.  23,  23—33  (Felix),  ibid.  25,  1—13  (Festus). 
Jos.  B.  J.  14,  4  fin.  15,  6  fin.  17,  1  (Florus).  —  Tacit.  Hist.  II,  78:  Caesaream 
.  .  .  Judaeae  caput. 


458  §1'^-  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6 —41  n.  Chr.).    [382.383] 

erbauter  Palast,  welcher  dem  Procurator  als  Wohnung  diente.  — 
Bei  besonderen  Veranlassungen,  namentlich  an  den  hohen  jüdischen 
Festen,  wo  wegen  der  in  Jerusalem  zusammenströmenden  Volks- 
massen besondere  Vorsichtsmaassregeln  nöthig  waren,  kam  der 
Procurator  nach  Jerusalem  und  wohnte  dann  in  dem  ehemaligen 
Palaste  des  Herodes^^).  Das  Prätorium  zu  Jerusalem,  in  welchem 
Pilatus  zur  Zeit  der  Verurtheilung  Jesu  Christi  residirte  {Malth. 
27,  27.  Marc.  15,  16.  Joh.  18,  28.  33.  19,  9),  ist  also  eben  der  uns 
wohlbekannte  Palast  des  Herodes  an  der  Westgrenze  der  Stadt  ^*). 
Er  war  nicht  nur  eine  fürstliche  Wohnung,  sondern  zugleich  ein 
starkes  Kastell,  in  welchem  mehrmals  (bei  den  Aufständen  im  J.  4 
vor  Chr.  und  im  J.  66  nach  Chr.)  grössere  Truppenabtheilungen 
sich  gegen  anstürmende  Volksmassen  vertheidigen  konnten^^).  Daher 
wird  bei  der  Anwesenheit  des  Procurators  auch  die  ihn  begleitende 
Truppenabtheilung  hier  ihr  Quartier  gehabt  haben  (vgl.  Matth.  27, 27. 
Marc.  15,  16). 

In  Betreff  der  Militärverhältnisse  ist  vor  allem  daran  zu 
erinnern,  dass  das  römische  Heer  der  Kaiserzeit  in  zwei  streng 
geschiedene  Kategorien  zerfiel:  die  Legionen  und  die  Auxiliar- 
truppen^^).  Die  Legionen  bildeten  die  eigentlichen  Kerntruppen, 
nur  aus  römischen  Bürgern  bestehend  (Provinzialen,  welche  in  die 
Legionen  eingereiht  wurden,  erhielten  das  Bürgerrecht).  Jede 
Legion  bildete  ein  geschlossenes  Ganze  zu  10  Cohorten  oder  60 
Centurien,  zusammen  etwa  5000—6000  Mann 37).  Die  Auxiliar- 
truppen  bestanden  aus  Provinzialen,  welche,  wenigstens  in  der 
früheren  Kaiserzeit,  in  der  ]  Regel  nicht  das  Bürgerrecht  hatten. 
Ihre  Bewaffnung  war  leichter  und  weniger  einheitlich  als  die  der 
Legionen;  vielfach  wurden  die  nationalen  Eigenthümlichkeiten  hier 
beibehalten.  Das  Fussvolk  derselben  war  in  Cohorten  formirt, 
deren  Stärke  verschieden  war  (entweder  zu  500  oder  zu  1000  Mann), 
die  Reiterei  in  alae,  ebenfalls  von  verschiedener  Stärke  3^).   Cohorten 


33)  B.  J.  II,  14,  8.  15,  5.     Philo,    Legat,   ad  Caj.   S  38  {Mang.  II,  585»  sq.). 

34)  Vgl.  den  Artikel  „Richthau«"  in  Winer's  Realwörterb.  und  Riehm's 
Handwörterbuch. 

36)  ÄfUt.  XVII,  10,  2—3.  B.  J.  II,  3,  1—4.  17,  7—8.  Vgl.  die  Beschrei- 
bung B.  J.  V,  4,  3—4. 

30)  Vgl.  über  dn«  rttmische  Heerwesen  überhaupt:  Marquardt,  Römiache 
ßtaatMverwaltung  II.  3<)7— 501. 

37)  Marqimr«lt  II,  .359.  441.  —  Ueber  die  Frage,  seit  wann  Provinzialen 
unter  Verleihung  de«  Bürgornsclitvs  in  die  Legionen  eingereiht  wurden,  a. 
ßeeck,  Die  Zusanimensetzuug  '1<t  l\Mi«('rl«>i'ionf>Ti  iHlwin.  Mnm'iim  N.  F.  Bd. 
48,  189.%  8.  Ö(yi-Ö21). 

88)  Marquardt  II,  453-457. 


[383]  §17.   c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  459 

und  alae  wurden  nach  der  Völkerschaft  henannt,   aus  welcher  sie 
ausgehoben  waren  ^^j. 

Für  die  von  Procuratoren  verwalteten  Provinzen  lässt  sich 
nun  als  Regel  feststellen,  dass  in  denselben,  und  unter  dem  Com- 
mando  der  Procuratoren,  nur  Auxiliartruppen  standen^**). 
Diese  Regel  wird  auch  durch  die  Verhältnisse  Judäa's  bestätigt. 
Nur  in  Syrien  standen  Legionen,  zur  Zeit  des  Augustus  drei,  seit 
Tiberius  vier^*).  In  Judäa  aber  standen  bis  zur  Zeit  Vespasians 
nur  Auxiliartruppen,  und  zwar  zumeist  solche,  die  im  Lande  selbst 
ausgehoben  waren'*-).  Die  Ehre  und  die  Last  dieser  Aushebungen 
fiel  allein    der   nicht-jüdischen  Bevölkerung   Palästina's 


39)  So,  um  nur  einige  Beispiele  aus  Palästina  und  Syrien  zu  nennen:  cohors 
Asealonitarum,  Cauathenormn,  Damascenorum,  Ituraeorum,  Sebastenorum,  Tyrio- 
nim.  Andere  Beispiele  in  reicher  Fülle  geben  die  Indices  zum  Corp.  Inscr. 
Lat.  Eine  Zusammenstellung  des  Materiales  bei  Mom rasen,  Ephemer is  epigr. 
V,  164 — 200.  Noch  vollständiger:  Cichorius,  Art.  ala  in  Pauly-Wissowa's 
Real-Encyclop.  I,  1224—1270.    Ders.,  Art.  cohors  ebendas.  IV,  231— S.': 6. 

40)  Hirschfeld,  Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1889,  S.  431  bis 
437.    Marquardt  II,  518. 

41)  Drei  Legionen  unter  Augustus:  Jos.  Antt.  XVII,  10,  9.  B.  J.  II,  3,  1. 
5,  1;  vier  unter  Tiberius:  Tacit.  Annal.  IV,  5.  (Da  in  Aegypten  unter  Au- 
gustus drei,  unter  Tiberius  nur  zwei  Legionen  standen,  s.  Strabo  XVII,  1,  12, 
p.  797,  Tac.  Annal.  IV,  5,  so  ist  inzwischen  wohl  eine  der  ägyptischen  Legi- 
onen nach  Syrien  verlegt  worden;  Pfitzuer  S.  24  vermuthet:  die  leg.  XII  Fulm.). 
—  Von  den  vier  syrischen  Legionen  sind  zwei  sicher  bekannt,  die  leg.  VI 
Ferrata  {Tac.  Amial.  II,  79.  81.  XIII,  38.  40.  XV,  6.  26)  und  leg.  X  Fre- 
tensis  {Tac.  Annal.  II,  57.  XIII,  40.  XV,  6).  Die  beiden  anderen  sind  wahr- 
scheinlich leg.  III  Gallica  {Tac.  Annal.  XIII,  40.  XV,  6.  26;  sie  hatte  nach 
Tac.  Hist.  III,  24  schon  unter  M.  Antonius  gegen  die  Parther  gekämpft),  und 
leg.  XII  Fulminata  {Tac.  Annal.  XV,  6.  7.  10.  26).  —  S.  bes.  Mommsen, 
Res  gestae  Augtu^ti  2.  ed.  1883  p.  68  not.  2.  Ueberhaupt:  Grotefend  Art. 
legio  in  Pauly's  Real-Enc.  IV,  868— 901.  Marquardt,  Rom.  Staatsverwaltung 
II,  43011".  Stille,  Historia  legionum  auxiliorumque  inde  ab  excessu  divi  Au- 
gusti  usque  ad  Vespasiani  tempora,  Kiliae  1877.  P fitzner,  Geschichte  der 
römischen  Kaiserlegionen  von  Augustus  bis  Hadrianus,  Leipzig  1881.  Do- 
maszewski,  Die  Dislocation  des  römischen  Heeres  im  J.  66  n.  Chr.  (Rhein. 
Museum  N.  F.  Bd.  47,  1892,  S.  207—218). 

42^  Vgl.  über  die  Besatzungs Verhältnisse  Judäa's  bis  Vespasian:  Schürer, 
Zeitschr.  für  wissensch.  Theol.  XVIII,  1875,  S.  413—425.  Egli,  ebendas. 
XXVII,  1884  [auf  dem  Titel  irrthümlich  1883],  S.  10—22.  Mommsen,  Her- 
mes XIX,  1884,  S.  217  Anm.  Hirschfeld,  Sitzungsberichte  der  Berliner 
Akademie  1889,  S.  433  f.  Der  Aufsatz  von  Samuel  Krauss,  Die  römischen 
Besatzungen  in  Palästina  (Magazin  für  die  Wissensch.  des  Judenth.  XIX,  1892, 
S.  227—244,  XX,  1893,  S.  105—133)  handelt  nicht  über  die  Truppen,  sondern 
über  die  Orte,  au  welchen  Besatzungen  lagen,  und  berücksichtigt  nur  die 
spätere  Kaiserzeit;  giebt  auch  über  diese  mehr  rabbinische  Phantasien  als 
haltbare  Resultate.    ' 


460  §  1^-  <'•  Judäa  imter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).    [383.  384] 

ZU.  Die  Juden  waren  davon  befreit.  Dies  ist  wenigstens  |  für  die 
Zeit  Cäsar's  bezeugt '*^)  und  darf  auch  für  die  Kaiserzeit  als  sicher 
angenommen  werden  nach  allem,  was  wir  Positives  über  die 
palästinensischen  Truppen  bis  Vespasian  wissen.  So  auffallend 
uns  diese  ungleiche  Behandlung  der  Bevölkerung  erscheint,  so  ent- 
spricht sie  doch  vollkommen  dem,  was  uns  sonst  über  das  Con- 
scriptionsverfahren  der  Römer  bekannt  ist.  Je  nach  der  Brauch- 
barkeit der  Einwohner  und  dem  Vertrauen,  das  man  ihnen  schenkte, 
wurden  die  Provinzen  in  sehr  verschiedener  Weise  und  verschie- 
denem Maasse  zum  Heeresdienst  herangezogen^^). 

Für  die  Jahre  6—41  n.  Chr.  fehlen  uns  directe  Nachrichten 
über  die  in  Judäa  liegenden  Truppen.  Es  ist  aber  sehr  wahrschein- 
lich, dass  die  „Sebastener"  (d.  h.  die  im  Gebiet  von  Sebaste  == 
Samaria  ausgehobenen  Soldaten),  welche  uns  später  begegnen,  schon 
damals  einen  wesentlichen  Bestandtheil  der  Besatzung  bildeten.  In 
den  Kämpfen  nach  dem  Tode  des  Herodes,  4  vor  Chr.,  focht  auf 
Seite  der  Römer  der  tüchtigste  Theil  der  Truppen  des  Herodes, 
nämlich  ^sßaozTjvol  tqloxLXioi,  unter  dem  Befehl  des  Rufus  und 
Gratus,  von  welchen  jener  die  Reiter,  dieser  das  Fussvolk  befehligte ^5). 
Die  so  bewährten  Truppen  hat  Archelaus  ohne  Zweifel  beibehalten, 
und  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  sie  nach  dessen  Absetzung  6 
nach  Chr.  von  den  Römern  übernommen  wurden,  dann  vom  J.  41—44 
von  Agrippa,  und  nach  dessen  Tode  wieder  von  den  Römern.  Da- 
für spricht  nämlich  Folgendes.  Beim  Tode  Agrippa's  44  n.  Chr. 
gaben  die  in  Cäsarea  liegenden  Truppen  des  Königs,  es  waren 
KaiaaQBiq  xal  ^^eßaazrjvol,  in  sehr  ungeziemender  Weise  ihre  Freude 
über  den  Tod  des  judenfreundliclien  Herrschers  zu  erkennen.  Um 
das  Andenken  Agi-ippa's  zu  ehren,  wollte  der  Kaiser  diese  Truppen, 
nämlich  ttjv  IXrjv  tööv  Kaioagtov  xal  xcov  21eßaOT?]v<av  xal  rag 
jtivTB  öjttlgaq  (also  eine  alu  Reiter  und  fünf  Cohorten)  zur  Strafe 


43)  Antt.  XIV,  10,  6:  xal  öncji  /nrjöslg  nrjxe  äQX<"*'  /"'/^f  aT(>aTr]ydg  ^ 
TtfeaßtvzfiQ  iv  roTg  öpotf  x<5v 'lovSalwv  dviaxä  arftfiaxluv  [dn/Ai  Moiimisen, 
BAm.  Geecb.  V,  501  Anm.).  Dit-Hen  von  allen  Haudscliriftcn  miHser  cod.  Pal. 
gebotenen  Text  giebt  auch  der  alte  Lateiner  wieder  (ut  nulltts  vel  prcscs  vel 
dux  vel  legaiua  in  fhiibttn  Judeonmi  atixüia  coUigat).  Der  von  Niese  aufge- 
nommene Text,  welcher  nur  die  Autorität  des  cod.  Pal.  für  sich  hat,  ist  iiier- 
D»ch  »chwerlieh  zw  billigen.  -  Die  kleinasiatisehen  Juden  wurden  bei  den 
Conicriptionen  der  l'ompcjaner  im  J.  4i>  vom  Kriegsdienst  befreit  {Jos.  Antt. 
XIV,  10,  1.3.  14.  1(J.  18.  19),  und  diese  Befreiung  ihnen  sechs  Jalire  npüter, 
48  V.  Ohr.,  durch  Dolabella  l)eBtätigt  (Jos.  Antt.  XIV  Ki,  11—12).  Vgl.  Bd. 
III,  ö.  73. 

44)  Vgl.  Mommsen,  Die  Conscriptionsordnunf:  iin  iDinischen  Kaiserzeit 
(Herme«  Bd.  XIX,  1H84,  8.  1—79,  210-284). 

46)  B.  J.  II,  .%  4.    4,  2-3.    Vgl.  Antt.  XVII,  Kl,  8  (f. 


[384.  385]    §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  461 

nach  dem  Pontus  verlegen.  Durch  eine  Petition  setzten  sie  es  aber 
durch,  dass  sie  in  Judäa  bleiben  durften,  von  wo  sie  erst  durch 
Vespasian  entfernt  wurden  ^^).  Hieraus  erhellt,  dass  die  Truppen  j 
Agrippa's  ohne  Weiteres  von  den  Römern  übernommen  wurden^'). 
Man  darf  daher  annehmen,  dass  in  derselben  Weise  auch  nach  der 
Absetzung  des  Archelaus  verfahren  worden  war.  Und  es  stimmt 
merkwürdig,  dass  die  ala  Reiter  und  die  fünf  Cohorten  Fussvolk 
(wenn  wir  die  letzteren  zu  500  Mann  rechnen)  zusammen  3000 
Mann  ergeben,  also  dieselbe  Zahl  sebastenischer  Soldaten,  die  für 
das  Jahr  4  vor  Chr.  bezeugt  ist.  —  Während  der  Jahre  44 — 66 
n.  Chr.  werden  diese  Truppen  noch  öfters  erwähnt.  Der  Procurator 
Curaanus  führte  von  Cäsarea  aus  gegen  die  Juden  die  ala  Sehaste- 
norum  und  vier  Cohorten  Fussvolk  ^^).  Bei  den  Streitigkeiten 
zwischen  den  jüdischen  und  heidnischen  Einwohnern  Cäsarea's 
pochten  die  letzteren  darauf,  dass  die  römischen  Truppen  in  Cäsarea 
zum  grössten  Theil  aus  Cäsareensern  und  Sebastenern  bestanden  ■*^). 
Endlich,  im  J.  67  konnte  Vespasian  zu  seinem  Heere  aus  Cäsarea 
fünf  Cohorten  und  eine  ala  Reiter  heranziehen^^),  also  dieselben 
Abtheilungen,  die  schon  im  J.  44  dort  gestanden  hatten.  Wahr- 
scheinlicli  sind  mit  unseren  sebastenischen  Truppen  auch  die  auf 
Inschriften  öfters  erwähnten  Sebasteni  identisch**).   Auch  die  ojisIqu 


4ö)  Äntt.  XIX,  9,  1—2. 

47)  Analoge  Fälle  sind  auch  sonst  bekannt.  S.  Mommsen,  Hermes  XIX, 
51.    217  f. 

48)  Äntt.  XX,  (3,  1:  t^v  zdiv  Ssßaarijvdiv  t?.Tjv  xal  nel^cSv  ziaaaQa  xdyfiaTU. 
B.  J.  II,  12,  5:  fxiav  t'Aj/v  \miswv  xaXov/nsvtjv  Sfßaarijvcöv. 

40)  Äntt.  XX,  8,  7:  /iiya  (pQovovvreg  ^nl  x(5  xovi;  nkelorovg  xiöv  vno  '^Pto- 
fiaiovQ  ixetas  axQaxsvo/iivwv  Kaiaageig  slvai  xal  ^(ßaaxrivovq.  In  der  Paral- 
lelstelle B.  J.  II,  13,  7  ist  nur  von  „Syrern"  die  Rede. 

50)  B.  J.  III,  4,  2. 

51)  Es  kommen  vor:  ala  I  Flavia  Sabastenorum  [Ephemeris  epigr.  V,  p.  390 
n.  699),  ala  gemina  Sebastenorum  [Corp.  Inscr.  Lat.  t.  VIII  n.  9358.  9359),  ala 
Sebastenorum  {Ephem.  epigr.  V  p.  4ö9  n.  1000),  cohors  I  Sabastenorum  (Corp. 
Inscr.  Lat.  t.  III  n.  2916,  ob  die  Ziffer  I  auf  richtiger  Lesung  beruht,  ist  nach 
einer  anderen  Copie  zweifelhaft,  s.  Ephem.  IV  p.  113  n.  370  =  Corp.  Inscr. 
Lat.  III  Stippl.  n.  9984).  Eine  coh.  I  Seb{astenorum)  miliaria  stand  im  J.  139 
in  Palästina  (Militärdiplom,  Revue  biblique  VI,  1897,  p.  598—604  =^  Retnie 
archeol.  3.  Serie  t.  31,  1897,  p.  442 — 444).  —  Obwohl  es  auch  noch  andere 
Städte  Namens  Sebaste  gegeben  hat,  ist  es  doch  wegen  des  aus  Josephus  be- 
kannten Materiales  wahrscheinlich,  dass  diese  Truppen  aus  dem  palästinen- 
sischen Sebaste  stammen.  So  auch  Mommsen,  Hermes  XIX,  217.  Zur  Be- 
gründung dieser  Ansicht  macht  Cichorius  (Pauly-Wissowa's  Real-Encycl.  I, 
1260)  noch  geltend,  dass  zwei  der  genannten  Inschriften  die  Anwesenheit  der 
ala  Sebastenorum  in  Mauretanien  beweisen,  während  eine  ala  I  Thracum  Mau- 
retana  vor  dem  J.  86  n.  Chr.  nach  Palästina  gekommen  ist  (s.  unten  Anm.  68.). 
Die  Regimenter  scheinen  also  ausgetauscht  worden  zu  sein.  —  Die  von  Momm- 


462  §  ^^-  ^-  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6 — 41  n.  Chr.).    [385. 386] 

SEßaoxT},  die  zur  Zeit  der  Gefangenschaft  Pauli  um  60  n.  Clir.  in 
Cäsarea  lag  (Apgesch.  27,  1),  ist  ohne  Zweifel  eine  der  fünf  Cohorten, 
die  wir  aus  Josephus  kennen.  P^in  Irrthuni  ist  es  aber,  wenn  manche 
Theologen  gemeint  haben,  auch  der  Ausdruck  ojislga  Ueßaoz'^  sei 
gleichbedeutend  mit  OTcüga  Usßaorrpöjv.  Das  ist  nicht  möglich. 
Zsßaorri  ist  vielmehr  genaue  Uebersetzung  von  Augnsta,  einem  sehr 
häufig  bei  Auxiliartruppen  vorkommenden  Khrenprädicat.  Die  |  be- 
treffende Cohorte  hiess  also  wahrscheinlich  cokors  Augusta  Sebaste- 
narum.  In  Cäsarea  nannte  man  sie  schlechtweg  cjtelQa  I^eßaoT'^, 
da  dies  zur  Unterscheidung  von  den  übrigen  genügte  ^2).  —  Auf- 
fallend ist  dagegen  nach  unseren  Resultaten,  dass  in  Cäsarea  um 
das  Jahr  40  u.  Chr.  eine  ajtslQa  'iraXixrj  gelegen  haben  soll  (Apgesch. 
10,  1),  worunter  wahrscheinlich  eine  aus  römischen  Bürgern  Italiens 
gebildete  Cohorte  zu  verstehen  ist^^).    Eine  solche  kann  natürlich 


sen  ausgesprochene  Vermuthung,  dass  unter  den  fünf  Cohorten  in  Cäsarea 
sich  auch  eine  coh.  Äscaloniiarum  und  eine  coh.  Canathenonim  befunden  habe 
(Hermes  a.  a.  O.,  Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1805,  S.  501  f.),  ist 
mit  den  bestimmten  Angaben  des  Josephus  unvereinbar,  denn  dieser  sagt  von 
der  gesammten  Garnison  Caesarea's,  dass  sie  zum  grossten  Theile  aus 
Caesareensern  und  Sebastenern  bestanden  habe  {Antt.  XX,  8,  7,  s.  den  Wort- 
laut oben  Anm.  49;  das  Gleiche  erhellt  auch  aus  Antt.  XIX,  9,  1 — 2).  Also 
kann  unter  den  fünf  Cohorten  sich  nicht  eine  Cohorte  von  Askaloniten  und 
eine  solche  von  Canathenern  befunden  haben. 

52)  Näheres  hierüber  s.  in  der  Zeitschr,  für  wissensch.  Theol.  1875,  S.  416 
bis  419.  —  Das  Ehrenprädicat  Augusta  wird  bei  den  drei  Legionen,  welche  es 
führten,  von  dem  Geographen  Ptolemäus  durch  J^eßaaxrj  wiedergegeben  {Ptol. 
II,  3,  30.  IV,  3,  30.  II,  9,  18).  Es  ist  also  niclit  auflallend,  dass  dasselbe 
Prädicat  bei  einer  Auxiliar- Cohorte  ebenso  wiedergegeben  wird.  —  Da  die  von 
Josephus  erwähnte  ala,  obwohl  sie  aus  Cäsareensern  und  Sebastenern  bestand 
{Antt.  XIX,  9,  2),  doch  nur  ala  Scbastenonim  hiess  {B.  J.  II,  12,  5),  so  wird 
auch  bei  den  Cohorten  unter  den  gleichen  Verliältnissen  dieselbe  Benennung 
vorauszueetzen  sein,  also  cohortes  Sel>astenoruni.  Dafür  sprechen  auch  die  In- 
Bchriften.  —  Die  Polemik  Monimsen's  gegen  die  obigen  Aufstellungen 
(Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1895,  S.  501  f.)  beruht  in  erster  Linie 
darauf,  da»»  er  infolge  eines  schlimmen  Missverständnisses  mir  gerade  diejenige 
Annicht  zuBcbrcibt,  die  ich  bekämpfe  (Seßaaiij  sei  —  Seßaaxijvdiv).  Sie  ist 
hIho  in  der  IlaiiptMache  gegenstandslos.  Für  die  von  mir  angenommene  ver- 
kürzt«^ Tituhitur  [^fßaaxi  •-"  Augusta  ohne  Nennuog  der  Vülkerscluift,  aus 
weli'hcr  die  Cohorte  gebildet  ist)  bringt  Mommseii  selbst  einig(!  tredendc  Be- 
lege: cohorn  II  Auguula,  [liramhach,  Corp.  hiscr.  lihcti.  1450),  rohor.s  III  Augusta 
{Corp,  hiHrr.  ImI.  VI  n.  3508).  Insofern  seine  Tolemik  sich  auch  gegen  Au- 
dcrcH  richtet,  kann  i(rh  nicht  finden,  dass  meine  durch  die  (Quellen  begrüiuleteii 
Aufittellutigen  da<lurch  entkräftet  worden  sind.    Vgl.  die  vorige  Anm. 

53)  Vgl.  Z«'itHchr.  für  wisHonsch.  Theol.  1875,  8.  422-425.  —  Auf  Inschrifteii 
kommen  vor  (m.  die  Nuchweise  bei  Mommsen,  Kphetnerü  cpigr.  V  p.  2-li>  und 
Oichoriu»  in  Pnuly-WiHHOwa'«  lical-Enc.  IV,  304):  coh,  I  Halioa  civium  Roma- 


[386]  §17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  463 

unter  dem  jüdischen  König  Agrippa,  also  41 — 44  n.  Chr.,  nicht  in 
Cäsarea  gedient  haben.  Aber  auch  vorher  ist  es  nach  den  obigen 
Ausführungen  nicht  wahrscheinlich.  Die  Erzählung  vom  Haupt- 
mann Cornelius  steht  also  auch  in  dieser  Hinsicht  unter  dem  Ver- 
dacht, Verhältnisse  einer  späteren  Zeit  in  eine  frühere  zurück  ver- 
legt zu  haben.  Dass  längere  Zeit  hindurch,  wenigstens  von  b9 
bis  157  n.  Chr.,  eine  cohors  Italica  in  Syrien  gestanden  hat,  ist  aller- 
dings durch  drei  Inschriften  bezeugt  (s.  Anm.  53). 

Wir  haben  bisher  nur  die  Besatzungsverhältnisse  Cäsarea's 
kennen  gelernt.  Auch  in  anderen  Städten  und  Orten  Palästinas 
lagen  kleine  Besatzungen.  Beim  Ausbruch  des  jüdischen  Krieges 
im  J.  66  finden  wir  z.  B,  eine  römische  Besatzung  in  der  Burg  von 
Jericho  und  in  Machärus^^);  in  ganz  Samarien  waren  solche 


norum  voluntariorum  [Corp.  Inscr.  Lat.  t.  XIV  n.  171),  coh.  II  Italica  öivium 
Romanarum  . . .  exercitus  Syriaci  (Arohäologisch-epigr.  Mittheilungen  aus  üester- 
reich-Ungarn  XVIII,  1895,  S.  218  =  Corp.  Inscr.  Lat.  III  Suppl.  n.  13483«), 
coh.  II  Italica  civium  Ronianorttm,  erwähnt  unter  den  Cohorten  qtiae  sunt  in 
Suria  sub  Aitidio  Comeh'ano  legato,  157  n.  Chr.  (Militärdiplom  vom  J.  157  n. 
Chr.,  gefunden  in  Bulgarien,  mitgetheilt  von  Bormann,  Jahreshefte  des  öster- 
reichischen archäologischen  Institutes  Bd.  III,  1900,  S.  21  f,  dazu  die  Bem.  S.  29), 
cohors  miliaria  Italica  voluntarioi~um  quae  est  in  Syria  [Gruter  p.  434  n.  1  == 
Corp.  Inscr.  Lat.  XI  n.  0117),  coh.  II  Italica  {Corp.  Inscr.  Lat.  t.  VI  «.  3528). 
Die  letzten  vier  sind  höchst  wahrscheinlich  identisch  (Cichorius  und  Bormann). 
—  In  einer  Stelle  Arrian's  (Aeies  contra  Alanos  in:  Arriani  Scripta  minora 
ed.  Hercher  1854)  wechselt  der  Ausdruck  jJ  aneiQU  r}  'it'aXixij  mit  ol  ^Ixa).ol  {ed. 
Blancard  p.  102  u.  99).  Hiernach,  und  nach  den  drei  erstgenannten  Inschriften 
ist  eswahrscheinlich,  dass  eine  coh.  Italica  vorwiegend  aus  römischen  Bürgern  Ita- 
liens bestand.  —  Von  besonderem  Interesse  unter  den  obigen  Inschriften  ist  die 
von  Bormanu  in  den  Arch.-epigr.  Mitth.  XVIII,  218  mitgetheilte  Grabschrift 
aus  Carnuntum  in  Pannonien,  an  der  Donau  unterhalb  Wien's.  Sie  lautet 
vollständig:  Proctilns  Rabili  f(ilitis)  Col{lina)  Philadehphia)  mil{es)  optio  co- 
h{ortis)  II  Italic{ae)  cyimum)  R{omanoruni  centuria)  F[aus]tini,  ex  vexil{lariis?) 
sagit{tariis?)  exer{citus)  Syriaci  stip{endiorum)  VII.  vixit  an{nos)  XXVI.  Apu- 
leius  frate{r)  ({aciundum)  c{tiravit).  Da  Proculus  im  syrischen  Heere  gedient 
hat,  und  da  der  Name  Rabihis  syrisch  ist  {Rabulas,  Fabel),  so  ist  ohne  Zweifel 
das  palästinensische  Philadelphia  gemeint.  Verschiedene  Umstände  machen 
es  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  Grabschrift  vor  73  n.  Chr.  gesetzt  ist,  dass 
also  die  vexillatio  zu  den  Truppen  gehörte,  welche  Mucianus  Ende  69  aus 
Syrien  nach  dem  Abendlande  geführt  hat  (Bormann  a.  a.  0.  S.  223  f.).  Nach 
Ramsay  {Eocpositor,  Sept.  1896,  p.  194 — 201)  sollen  damit  meine  Zweifel  hin- 
sichtlich Act.  10,  1  widerlegt  sein.  Da  aber  nicht  einzusehen  ist,  inwiefern 
die  Existenz  einer  cohors  Italica  in  Syrien  um  69  n.  Chr.  auch  die  Existenz 
einer  solchen  in  Judaea  um  40  n.  Chr.  beweisen  soll,  so  ist  Ramsay's  Be- 
hauptung nur  ein  Beweis  für  die  Blindheit  apologetischen  Eifers.  Vgl.  auch 
meine  Entgegnung  im  Expnsitor  Dec.  1896,  p.  469 — 472. 
54)  B.  J.  II,  18,  G. 


464  §  1^-  ^-  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.1.    [386.  387] 

vertheilt*^);  in  der  grossen  Ebene  stand  ein  decurio^^);  in  As- 
kalon  (das  aber  wohl  nicht  zum  Gebiet  des  Procurators  gehörte)! 
eine  Cohorte  und  eine  ala  ^').  Vespasian  legte  im  Winter  67/68  in 
alle  unterworfenen  Dürfer  und  Städte  Besatzungen,  in  jene  unter 
Decurionen,  in  diese  unter  Centurionen  ^®).  Dies  war  freilich  eine 
aussergewölmliche  Maassregel,  die  wir  für  Friedenszeiten  nicht  vor- 
aussetzen dürfen. 

In  Jerusalem  lag  nur  eine  Cohorte.  Denn  der  in  der  Apostel- 
geschichte so  oft  erwähnte  x«>i<«(>Xo?  (genauer  Act.  21,31:  ;ft-i/a()xog 
TTJg  ö.7r£/();y§  =  „Befehlshaber  der  Cohorte")  erscheint  durchweg  als 
der  Höchst-Commandirende  in  Jerusalem  ^9).  Hiermit  stimmt  auch 
die  Angabe  des  Josephus,  dass  in  der  Antonia  stets  ein  ray/ia  der 
Römer  gelegen  habe^**),  denn  rdyfia  ist  hier  nicht,  wie  sonst  oft, 
eine  Legion,  sondern  wie  in  der  oben  Anm.  48  citirten  Stelle  eine 
Cohorte.  Die  Burg  Antonia,  welche  Josephus  als  Standquartier 
bezeichnet,  lag  nördlich  vom  Tempel.  An  zwei  Stellen  führten 
Stufen  {xavaßaösig)  von  der  Antonia  nach  dem  Tempelplatz  hinab  ^ '). 
Eben  diese  Situation  ergiebt  sich  auch  aus  der  Apostelgeschichte. 
Denn  als  Paulus  bei  dem  Tumult  im  Tempel  von  den  Soldaten  in 
Gewahrsam  genommen  worden  war  und  von  da  in  die  Kaserne 
(jraQEfjßoXrj)  abgeführt  werden  sollte,  wurde  er  wegen  des  Volksge- 
dränges von  den  Soldaten  die  Stufen  (rovg  avaßad-fiovq)  hinaufge- 
tragen und  hielt  dann  mit  Einwilligung  des  Chiliarchen  von  den 
Stufen  aus  [noch  eine  Ansprache  an  das  Volk  (Act.  21,  31 — 40)^^). 
Der  Befehlshaber  der  Antonia,  der  wohl  mit  dem  Chiliarchen 
identisch  ist,  heisst  bei  Josephus  auch  (pQovQaQxoc^'^).  Die  directe 
Verbindung  der  Burg  mit  dem  Tempelplatz  war  wichtig,  da  letzterer 
stets  überwacht  werden  musste.  An  den  hohen  Festen  wurden 
auf  den  Säulenhallen,  welche  den  Tempelplatz  umgaben,  Wachen 
aufgestellt*^).  —  Aus  einer  Stelle  der  Apostelgeschichte  (23,  23) 
sehen  wir,  dass  der  jerusalemischen  Cohorte  auch  eine  Abtheilung 


66)  B.  J.  III,  7,  32:  (fQOVQaJq  i  S^afiagelrtq  oXr]  SielXijnro. 

60)  Jot.   Vita  24:  Alßottioq  b  dfxdSapx<*i  o  tov  fisyalov  ntSlov  tfjv  hqo- 
axualav  ntniaxivßhoq. 

57)  li.  J.  III,  2,  1. 

68)  n.  J.  IV,  8,  1. 

69)  ApKCHch.  21,  31—37.  cap.  22,  24-29.  eap,  23, 10.  16—22.  cap.  24,  7.  22. 
6(»)  Jo».  B.  J.  V,  6,  8:  xaB^^ato  yap  äel  in'  avrry?  tdyfta  ^PoD/aalojv. 

61)  n.  J.  V,  5,  8. 

62)  Die  naptfißoX^  —  „Kanerne"  wird  erwähnt:  Ar.L  21,  34.  37.  oap.  22,  24. 
oap.  23,  10.  lü.  32. 

63)  Antt.  XV,  11,  4.    XVIII,  4,  3. 

64)  //.  J.  V,  6,  8.     Antt.  XX,  5,  .^.     7?.  J.  TI,  12,  1.     Anft.  XX,  8,  11. 


[387.  388]    §  17.  e.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  465 

Reiter  beigegeben  war,  was  sehr  häufig  vorkam ^^).  Räthselhaft 
sind  aber  die  an  derselben  Stelle  (23,  23)  neben  den  gewöhnlichen 
Soldaten  und  den  Reitern  noch  erwähnten  öe^ioXdßoi  (von  Xaß^ 
der  Griif,  also:  „die  auf  der  rechten  Seite  den  Griff  haben  oder 
machen").  ]  Da  der  Ausdruck  in  der  sonstigen  Literatur  nur  noch 
zweimal,  und  zwar  ebenfalls  ohne  Erläuterung  vorkommt,  so  sind 
wir  nicht  mehr  im  Stande,  ihn  zu  erklären.  Nur  soviel  scheint 
sicher,  dass  er  eine  besondere  Art  von  Leichtbewaffneten  (Wurf- 
spiessschützen  oder  Schleuderern?)  bezeichnete^). 

Nach  dem  grossen  Krieg  vom  J.  66 — 73  n.  Chr.  wurden  die 
ßesatzuugsverhältnisse  Palästina's  wesentlich  andere.  Der  Statt- 
halter war  jetzt  nicht  mehr  ein  Procurator  ritterlichen  Standes, 
sondern  ein  Legat  senatorischen  Ranges  (in  der  ersten  Zeit  ein  ge- 
wesener Prätor,  später  ein  gewesener  Consul).  Auf  der  Stätte  des 
zerstörten  Jerusalems  hatte  eine  Legion,  die  kgio  X  Fretensis,  ihr 
Standquartier  (s.  unten  §  20  gegen  Ende).  Die  einheimischen 
Truppen,  welche  Jahrzehnte  lang  die  Besatzung  Cäsarea's  gebildet 
hatten,  wurden  von  Vespasian  in  andere  Provinzen  verlegt  e').  An 
ihre  Stelle  traten  Auxiliartruppen  fremden  Ui-sprungs,  zum  Theil 
aus  dem  fernsten  Westen  ^'^).  —  Die  späteren  Kriege  brachten  wieder 
manche  Veränderungen.  Nach  dem  hadrianischen  Kriege  wurde 
die  Besatzung  Palästina's  wesentlich  verstärkt.  Statt  einer  Legion 
erhielt  es  jetzt  deren  zwei^^),  und  die  Zahl  der  Auxiliar-Truppen 
wurde  ebenfalls  bedeutend  vermehrt'"). 


65)  Man  unterschied  hiernach  cohortes  pedttatae  und  eqidtalae.  S.  Mar- 
quardt,  Staatsverwaltung  II,  455.  Cichorius  in  Pauly-Wissowa's  Real- 
Enc.  IV,  235. 

66)  Was  man  darüber  weiss,  oder  vielmehr  nicht  weiss,  ist  gut  erörtert  in 
Meyer 's  Commentar  zur  Apostelgeschichte.  Eine  gewagte  Erklärung  versucht 
Egii,  Zeitschr.  f.  wiss.  Theol.  1884,  S.  21. 

67)  Jos.  Antt.  XIX,  9,  2. 

68)  Auf  einem  Militärdiplom  vom  J.  86  n.  Chr.  {Corp.  Insci:  Lat.  t.  III 
p.  857  Dipl.  XIV)  werden  Veteranen  erwähnt,  die  in  Judäa  gedient  haben, 
und  zwar  in  alis  duahus  quae  appellantur  veterana  Gaetulorum  et  I  Thraeum 
Mauretana  et  cohortibus  qnattuor  I  Augusta  Lusitanonim  et  1  et  II  Thraeum 
et  11  Gantabrorum.  —  Thracische  Truppen  hatte  übrigens  schon  Herodes  der 
Grosse  gehabt  {Antt.  XVII,  8,  3.    B.  J.  I,  33,  9). 

69)  Kohden,  De  Palaestina  et  Arabia  provincns  Romanis  1885,  p.  31,  vgl. 
unten  §  21,  I  Anfang. 

70)  Auf  einem  in  Palästina  gefundenen  Militärdiplom  vom  J.  139  n.  Chr. 
{Revue  biblique  VI,  1897,  p.  598 — 604  ==  Revue  archeologiqtie  3.  Sdrie  t.  31,  1897, 
p.  442—444,  dazu  die  ergänzende  Notiz  Comptes  rendus  de  l'Acad.  des  Inscr. 
1897,  p.  680)  werden  erwähnt  alae  III  (IUI?)  et  cohortes  XII  quae  .  .  .  sunt  in 
Syria  Palaestina,  nämlich  1)  die  alae  Qallorum  et  Thraeum  et  Antoniniana 
Gallorum  et  VII  Phrygum,  und  2)  die  cohortes  I  Thraeum  müiaria  et  I  Sebaste- 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Anfl,  30 


466  §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  u.  Chr.).   [388. 389} 

Neben  den  Truppen  des  stehenden  Heeres  wurde  von  den  Pro- 
vinzialstatthaltern zuweilen  auch  ein  „Landsturm"  organisirt;  d.h. 
es  wurde  für  besondere  Bedarfsfälle  vorübergehend  die  waffen- 
fähige Bevölkerung  zum  Kriegsdienst  aufgeboten,  ohne  dauernd 
organisiii:  zu  werden.  Ein  Fall  dieser  Art  ist  die  Bewaffnung  der 
Samaritaner  durch  Cumanus  zum  Zweck  des  Kampfes  gegen  die 

Juden"). 

Wie  die  Statthalter  senatorischen  Ranges,  so  hatten  auch  die 
Procuratoren  ausser  dem  militärischen  Commando  zugleich  die  oberste 
Gerichtsbarkeit  in  ihrer  Provinz "2).  Dieselbe  ist  von  den  Pro-j 
curatoren  Judäa's  nur  in  ausserordentlichen  Fällen  gehandhabt 
worden.  Denn  die  gewöhnliche  Rechtspflege,  sowohl  in  Criminal- 
als  in  Civilsachen,  lag  in  der  Hand  der  einheimischen  Gerichte  (s. 
Bd.  II,  S.  208— 2 10) '3).  —  Die  richterliche  Competenz  der  Statt- 
halter umfasste  auch  das  Recht  über  Leben  wn^^o^,  jus  gladü 
oder  potesias  gladii '  ^).    Dass  dies  auch  von  den  procuratorischen 


norum  miliaria  et  I  Damascenorum  et  I  Montanonim  et  I  Flavia  eivium  Boma- 
norum  et  I  et  II  Oalatarum  et  III  et  IUI  Braearum  et  IUI  et  VI  Petraeontm 
et  V  Gemina  eivium  Riynianorum. 

71)  Antt.  XX,  6,  1:  äva).aß(hv  t?/v  xwv  ZeßaaTTjvwv  D.tjv  xal  7itt,(jJv  räo- 
oaga  Tay/ittta,  zoig  xs  Safiagsiraq  xa&orckioaf.  Andere  Beispiele  bei 
Marquardt,  Staatsverwaltung  II,  520  f. —  Mit  diesen  zeitweiligen  Forma- 
tionen ist  nicht  zu  verwechseln  die  besonders  in  der  späteren  Kaiserzeit  vor- 
kommende Provinzialmiliz,  welche  eine  dritte  Kategorie  des  stehenden  Heeres 
neben  den  Legionen  und  Auxilien  bildete.  S.  über  diese:  Mommsen,  Hermes 
XIX,  1884,  S.  219  fr.    Ebendas.  XXII,  1887,  S.  547  ff. 

72)  S.  in  Betreff  der  Procuratoren:  Hirschfeld,  Sitzungsberichte  der 
Berliner  Akademie  1889,  S.  437—439.  Ucber  „das  statthalterliche  Strafrecht" 
überhaupt  s.  Mommsen,  Kömisches  Strafrecht  (1899)  S.  229—250. 

73)  In  irgend  welchem  Maasse  gilt  das  Gesagte  überhaupt  von  der  Rechts- 
pflege in  den  Provinzen,  e.  Mommsen,  Staatsrecht  II,  1,  S.  244:  „Die  ordent- 
liche Criminaljiirisdiction  steht  in  den  Provinzen  bei  den  einzelnen  Gemeinden, 
während  die  Htatthalterliche,  gleich  der  consularischen  in  Italien,  wenigstens 
formell,  als  ausKerordentliche  zu  betrachten  ist." 

74)  Dtfjcst.  I,  18,  G,  8  (aus  Ulpian,  Anfang  des  3.  Jalirh.  ii.  ('hr.):  Qui  nni- 
versag  provincias  rcgunt,  jus  gladii  habent  et  in  metallian  dandi  potestas  eis 
permissa  est,  —  Der  technische  Ausdruck  ^ms  gladii  auch  bei  Lamprid.  Vita 
Aleceandri  Severi  c.  49  {honorca  juris  gladii),  Firmicus  Mntenius  Mathes,  III, 
4,  13  (edd.  Kroll  et  Hkutsch  fasn.  I,  1897:  in  magnis  administrationilms  juris 
gladii  deeemit  potestaiem)  und  an  den  in  der  nächsten  Anm.  angeführten 
Stellen;  noch  Einige«  bei  Forccllini  Jjcx.  s.  v,  gladius.  Sonst  auch  potcstan 
gladii  (Digest.  I,  10,  ü  ;;r.  —  L,  17,  70.  II,  1,  .'i  fsäiuiiitlich  uns  Ulpian]).  — 
Der  technische  Gebrauch  beider  Ausdrücke  scheint  vor  dem  Anfang  des  dritten 
Jahrhunderts  n.  Chr.  nicht  nachweisbar  zu  sein  (die  Acten  der  l'erpetna  und 
FeUcita«  gehören  in  die  Jahre  201—209  n.  Chr.,  ß.  Herzog's  Eeal-Enc.  Artikel 
Perpetua.  Au«1j  die  Inschriften  reichen  kaum  höher  hinauf).  —  Literatur 
über  dM  Jus  gladii  i.  in  Pauly'H  Keal-Enc.  Artikel  f/lidlius  und  imperium  mciKf». 


[389.390]   §17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (G— 41  n.  Chr.).  457 

Statthaltern  gilt,  ist  durch  einige  Inschriften  bezeugt"^).  In  Betreff 
Judäa's  sagt  Josephus  ausdrücklich,  dass  der  Procurator  iitxQt  xov 
xxeivuv  e^ovaiav  erhalten  habe'^).  Dieses  Recht  des  Statthalters 
über  Leben  und  Tod  erstreckte  sich  seit  dem  dritten  Jahrhundert ) 
n.  Chr.  aucli  über  die  römischen  Bürger;  jedoch  mit  der  Ein- 
schränkung, dass  gegen  das  Urtheil  des  Statthalters  an  den  Kaiser 
appellirt  werden  konnte").  In  der  früheren  KaLserzeit  stand,  wie 
es  scheint,  dem  auf  Leib  und  Leben  angeklagten  römischen  Bürger 
das  weitergehende  Recht  zu,  schon  im  Beginn  des  Processes  und 
in  jedem  Stadium  desselben  den  Kaiser  „anzurufen",  d.  h.  zu  ver- 
langen, dass  die  Untersuchung  in  Rom  geführt  und  das  Urtheil 
vom  Kaiser  selbst  gesprochen  werde  '^).  Die  unbedingte  Strafgewalt 


75)  S.  die  Zusammenstellungen  bei  Marquardt,  Staatsverwaltung  I,  1881, 
S.  557  Anm.  3,  Mommsen,  Staatsrecht  II,  1,  1874,  S.  246.  Hirschfeld, 
Sitzungsberichte  1889,  S.  438.  Mommsen,  Römisches  Strafrecht  S.  244.  — 
Es  gehören  eigentlich  nur  zwei  Inschriften  hierher:  Orelli  luscr.  Lat.  n. 
3388  =  Corp.  Inscr.  Lat.  IX  n.  5439:  proc.  Alpium  Atractianar{tirn)  et  Poeni- 
nar{um)  jur{e)  glad{ii),  und  Corp.  Inscr.  Lat.  VIII  n.  9367  vgl.  Ephem.  epigr.  V 
p.  461  n.  968:  praeses  {seil.  Mauretaniae  Caesariensis)  jure  gla[dii\.  —  Von 
anderer  Art  sind  die  folgenden  beiden  Fälle:  Orelli  n.  3664  =  Corp.  Inscr. 
Lat.  II  11.  484:  proc.  prov.  M[oe]siae  inferioris,  ejusdem  provineiae  jus  gladii, 
und  Corp.  Inscr.  Lat.  III  n.  1919  (nebst  Add.):  proc.  centenarnis  provineiae 
Li[bu)niae  jure?]  gladi.  Da  Mösien  und  Liburnien  sonst  einen  Statthalter 
höheren  Ranges  hatten,  so  haben  die  hier  erwähnten  Procuratoren  „ohne 
Zweifel  nur  ausnahmsweise  Capitaljurisdiction  ausgeübt"  (Hirschfeld).  Voll- 
kommen deutlich  ist  dies  bei  dem  (Finanz-)Procurator  von  Africa,  welcher 
zur  Zeit  des  Martyriums  der  Perpetua  und  Felicitas  interimistisch  für  den 
verstorbenen  Proconsul  das  jus  gladii  ausübte,  s.  Acta  Perpetuae  et  Felicitatis 
c.  6  (bei  Puitiart,  Acta  Martynmi  ed.  2.  1713,  p.  95,  und  Munter,  Primordia 
ccclesiae  Africanae  1829,  p.  234;  neue  Ausgaben  von  Robinson  in  den  Texta 
and  Studies  I,  2  ,1891,  und  von  Franchi  de'  Cavalieri  in  der  Römischen  Quartal- 
schrift, 5.  Supplementheft  1896):  Hilarianus  procurator,  qui  tunc  loco  procon- 
sulis  Minnci  Timiniani  defuticti  jus  gladii  acceperat.  In  dem  zuerst  von  Harris 
und  Giöbrd,  London  1890,  herausgegebenen  griechischen  Text  lautet  die  Stelle: 
IkaQiavog  rig  inlxQonoi  oq  xöxe  xov  äv^vnäxov  ÜTio&avcvxog  Mivovxiov 
^Onmavov  i^ovalav  et^ipsL  [xaxaigaq  (die  Frage,  ob  der  lateinische  oder  der 
griechische  Text  Original  sei,  ist  controvers,  s.  den  Bericht  von  Ehrhard,  Die 
altchristliche  literatur,  1.  Abth.  1900,  S.  582—586).  —  Auf  den  beiden  erst- 
genannten Inschriften  hält  Hirsch  fei  d  den  Zusatz  jure  gladii  wohl  mit  Recht 
für  „pleonastisch"  (da  alle  Provinzialstatthalter  das^ws  «//«^/«Vbesassen),  während 
Mommsen  (Strafrecht  a.  a.  O.)  aus  dem  Vorkommen  des  Zusatzes  schliesst, 
dass  die  procuratorischen  Statthalter  dieses  Recht  nicht  eo  ipso  besassen. 

76)  Jos.  B.  J.  II,  8,  1. 

77)  Vgl.  die  in  Bd.  III  S.  87  genannte  Literatur,  zu  welcher  noch  hinzu- 
zufügen ist:  Mommsen,  Rom.  Strafrecht  (1899)  S.  242  f. 

78)  Apgesch.  25,  10  ft:  21.   26,  32.    Plin.  Epist.  X,  96  [al.  97):  Ftierunt  alii 
similis  amentiae,  quos  quia  cives  Romani  erant  adnotavi  in  urbem  remütendos. 

.30* 


468  §  17-  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (G— 41  n.  Chr.).    [390.  391] 

des  Statthalters  erstreckte  sich  also  nur  auf  die  Provinzialen.  Es 
war  I  eine  grobe  Eechtsverletzung,  als  Florus  im  J.  66  in  Jerusalem 
Juden,  welche  die  römische  Eitterwürde  besassen,  an's  Kreuz  schlagen 
liess"9).  Auch  Provinzialen  konnten  aber  vom  Statthalter  zur  Ab- 
urtheilung  nach  Rom  geschickt  werden,  wenn  derselbe  wegen  der 
Schwierigkeit  des  Falles  die  Entscheidung  dem  Kaiser  überlassen 
wollte®").  —  Die  aus  den  Evangelien  bekannte  Thatsache,  dass  der 


Mommsen,  Staatsrecht  II,  1,  244—246.  Ders.,  Strafrecht  S.  242  f.  Ders., 
Zeitschr.  für  die  neutestamentl.  Wissensch.  Jahrg.  II,  1901,  S.  90—96  (in  der 
Abhandhiug  über  „Die  Rechtsverhältnisse  des  Apostels  Paulus").  —  Trotz  der 
geringen  Zahl  der  Beispiele  kann  die  obige,  auch  von  Mommsen  vertretene 
Auffassung  kaum  einem  Zweifel  unterliegen.  Das  Verfahren  geht  darauf  zurück, 
dass  zurZeit  der  Republik  der  römische  Bürger  befugtwar,  „jeden  ausserhalb  Rom 
fungirenden  Magistrat  in  einem  solchen  Process  als  Ricnter  zu  recusiren  und 
denselben  demnach  vor  die  hauptstädtischen  Behörden  zu  bringen;  weiter 
darauf,  dass  mit  dem  Beginn  des  Principats  für  den  republikanischen  Magistrat 
und  die  Comitien  theils  wahrscheinlich  die  Consuln  und  der  Senat,  theils  der 
neue  Herrscher  substituiert  wurden"  (Mommsen,  Zeitschr.  für  die  neutest. 
Wissensch.  1901,  S.  95).  Der  deutlichste  Fall  ist  der  des  Apostels  Paulus. 
Aus  demselben  ist  zu  schliessen,  dass  der  Statthalter  nicht  unter  allen  Um- 
ständen verpflichtet  war,  den  angeklagten  römischen  Bürger  zur  Aburtheilung 
nach  Rom  zu  schicken;  denn  der  Procurator  nimmt  den  Process  Pauli  selbständig 
in  die  Hand,  obwohl  er  über  dessen  römisches  Bürgerrecht  (nach  Apgescb. 
22,  25  ff.  23,  27)  orientirt  war;  und  Paulus  lässt  sich  dies  ruhig  gefallen,  ohne 
dagegen  zu  protestireu.  Erst  nach  zwei  Jahren  spricht  Paulus  das  für  den 
weiteren  Verlauf  entscheidende  Wort:  Kaiaaga  inixaXovfiai  (Apgesch.  25,  11). 
Man  muss  hiemach  annehmen,  dass  der  Procurator  auch  einen  römischen 
Bürger  aburtheilen  konnte,  insofern  dieser  nicht  dagegen  protestirte.  Nur 
wenn  der  Angeklagte  selbst  das  Verlangen  stellte,  in  Rom  abgeurtheilt  zu 
werden,  rausste  der  Statthalter  diesem  Verlangen  Folge  geben.  Dass  der 
Statthalter  aber  jene  Befugniss  hatte,  ist  vollkommen  begreiflich.  Denn  er 
war  in  jeder  Hinsicht  Beauftragter  des  Kaisers;  auch  sein  Gericht  war  also 
„kaiserliches  Gericht"  (Apgesch.  25,  10:  haxux;  inl  xov  ß/j/aazog  KalaaQoq  sl/xi). 
Eben  darum  ist  es  auch  ganz  verständlich,  dass  ein  angeklagter  römischer 
BQrger  sich  diesem  Gericht  freiwillig  unterwerfen  konnte,  wie  es  Paulus  zu- 
nächst that;  denn  das  kaiserliche  (Tcricht  des  Statthalters  bot  ihm  unter  nor- 
malen Verhältnissen  denselben  Schutz,  wie  das  kaiserliche  Gericht  in  Rom; 
und  die  Verzögerung  des  Processes  durch  eine  Reise  nach  Rom  war  keine 
Annehmlichkeit.  Nur  wenn  der  Angeklagte  der  Unparteilichkeit  des  Statt- 
halters nicht  traute,  hatte  er  ein  Interesse  daran,  die  Verlegung  des  Processes 
nach  Rom  zu  verlangen.  Von  diesem  Rechte  macht  Paulus  Gebrauch,  als  er 
sieht,  das»  der  Procurator  ihn  nach  jüdischen  Maassstäben  riciitcii  will.  — 
Das«  dieses  Recht  nur  dem  römiHchcn  Bürger,  nicht  auch  jedem  rrovinzialen 
zustand,  darf  als  sicher  gelten,  obwohl  Paulus  bei  seiner  Appellation  sein 
Bflrgerrw'lit  gar  nicht  erwähnt  (Apgesch.  25, 10  ff.).  Provinziahsu  werden  ohne 
welt^Tes  vom  Procurator  gerichtet  {Jos.  Anit.  XX,  1,  1.  ß,  2.  B.  J.  II,  13,  2. 
Kreuzigung  Jesu  Christi  durch  Pilatus). 

7»)  Ji.  J.  11,  14,  9. 

80)  Beiipielc:  Jok.  Antl.  XX,  ü,  2.    11  J.  IT,  12,  0  (Ummidius  Quadratus 


[391]  §17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  469 

Procurator  von  Judäa  zum  Passafeste  einen  Gefangenen  fi-eizugeben 
pflegte,  beruhte  wohl  auf  einer  Spezial-Ermächtigung  des  Kaisers. 
Denn  das  Recht  der  Begnadigung  kam  sonst  den  Statthaltern 
nicht  zu^'). 

Obwohl  der  Statthalter  als  Einzelrichter  zu  entscheiden  hatte, 
bediente  er  sich  doch  häufig  des  Beirathes  seiner  comites.  Es  waren 
dies  theils  die  höheren  Beamten  seines  Gefolges,  theils  jüngere  Leute, 
welche  im  Interesse  ihrer  eigenen  Ausbildung  den  Statthalter  be- 
gleiteten. Sie  unterstützten  ihn  nicht  nur  in  den  Verwaltungsge- 
schäften, sondern  dienten  ihm  auch  bei  der  Eechtsprechung  als 
consilium,  övfißovXiov  (Apgesch.  25,  12)^2j_  | 


schickte  die  Vornehmsten  der  Samaritaner  und  Juden  nach  Rom);  Äntt.  XX, 
8,  5.  B.  J.  II,  13,  2  (Felix  den  Eleasar  und  andere  Zeloten) ;  Jos.  Vita  3  (Felix 
einige  jüdische  Priester).  Apgesch.  27,  1  (Festus  den  Paulus  xal  xivaq  kreQOVQ 
ösafiüJTai). 

81)  S.  Hirschfeld,  Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1889,8.439. 
—  Ueber  das  Begnadigungsrecht  überhaupt:  J.  Merkel,  Abhandlungen  aus 
dem  Gebiete  des  römischen  Rechts,  1.  Heft,  1881. 

82)  Einen  solchen  Beirath  finden  wir  bei  Beamten  verschiedener  Kategorien 
und  in  Ausübung  verschiedener  Functionen.  Der  Proconsul  Q.  Fabius  Maxi- 
mus schrieb  144  vor  Chr.  an  die  Behörden  von  Dymae,  C(ny>.  Inscr.  Graee. 
n.  1543:  nepl  (ov  tu  xaxa  nigoq  ön^l^ofiev  iv  HdxQaiq  fiixa  xov  tiuqovxoq 
ovvßovXiov.  —  Sulla  traf  in  Griechenland  eine  Verfügung  zu  Gunsten  des 
Tempels  des  Amphiaraos  in  Oropus  dnb  avvßovXlov  yvw/irjg  {Hn.  39,  42—43, 
55—56  des  sogleich  zu  nennenden  Actenstückes).  Als  diese  von  den  römischen 
Steuerpächtern  nicht  beachtet  T^nirde,  schritt  der  Senat  ein.  Dessen  Beschluss 
v.  J.  73  vor  Chr.  ist  vorbereitet  durch  einen  Spruch  der  Consuln  unter  Zu- 
ziehung eines  Beirathes  von  15  Senatoren  (Hn.  6:  iv  avvßovXitp  jiaQrjoav,  Hn. 
29:  dno  owßovXiov  yvci/^Tjq,  Hn.  58:  iv  xw  owßovXiip  noQf/aav,  s.  Mommsen, 
Hermes  XX,  1885,  S.  268—287).  —  Das  Ernennungsdecret  Cäsars  für  Hyrkan 
beginnt  {Jos.  Antt.  XIV,  10,  2):  ^ovXioq  KaXaaQ  ....  ßexa  avfxßovXiov  yvoißtiq 
inexQiva.  —  Sueton.  Tiber.  33:  magistraHbiis  pro  tribimaU  cognoscentihiis  ple- 
mmque  se  off'erebat  consHiarium.  —  Den  Verlauf  einer  Berathung,  welche  Pe- 
tronius  als  Statthalter  von  Syrien  mit  seinen  assessores  hielt,  schildert  Philo 
Legat,  ad  Gajuni  §  33,  ed.  Mang.  II,  582  sq.  (§  33  ==  II,  582:  ine^avdaxag  6h 

ftsrä  xdv  avviSQO)v  ißovXevsxo  xä  ngaxxea ....  xiveq  ovv  rjoav  al  yvai/jiai 

§  34  mit.  =  II,  583 /?n.:  dnoös^afASvwv  de  xf/v  inivoiav  xwv  ovvtÖQcov  xsXsvei 
ygäiptad-ai  xaq  imaxoXäq).  —  Ein  avfißovXiov  des  Statthalters  von  Aegypten 
wird  erwähnt  in  einem  Edict  aus  der  Zeit  des  Antoninus  Pius  (Aegyptische 
Urkunden  aus  den  königl.  Museen  zu  Berlin,  Griechische  Urkunden  Bd.  I 
Nr.  288).  —  Lamprid.  Vita  Alexandri  Scveri  c.  46:  Adsessoribiis  salaria  instituit. 
-—  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  II  n.  2129:  co?nes  et  adsessor  legati  ad  [census  accip.'l], 
coDies  et  adsessor  procos.  provinciae  Galliae  [Xarbon.].  —  Eine  deutliche  Vor- 
stellung von  der  Zusammensetzung  eines  solchen  Consiliums  giebt  uns  ein 
Urtheilsspruch  des  Proconsuls  von  Sardinien  vom  J.  68  n.  Chr.  (erhalten  auf 
einer  Bronzetafel,  mitgetheilt  von  Mommsen,  Hermes  II,  1867,  S.  102—127 
=  Cotp.  Inscr.  Lat.  X  n.  7852).    Derselbe  enthält  die  protocoUarische  Bemer- 


470  §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  [392] 

Die  Vollstreckung  der  Todesurtheile  geschah  in  der  Regel 
durch  Soldaten.  Zwar  hat  Le  Blant  in  einer  gelehrten  Abhand- 
lung nachzuweisen  versucht,  dass  die  damit  Beauftragten  nicht 
Soldaten  gewesen  seien,  sondern,  wie  in  Rom  zur  Zeit  der  Republik, 
Clvilpersonen,  dass  sie  also  in  die  Kategorie  der  apparitores,  d.  h. 
der  nichtmilitärischen  Dienerschaft  des  Statthalters  gehörten  ^^). 
Allein  die  entgegengesetzte  Ansicht  darf  mindestens  in  Betreff  der 
von  kaiserlichen  Statthaltern  gefällten  Todesurtheile  als  sicher  be- 
trachtet werden  s^).  Die  kaiserlichen  Statthalter  waren  Militär- 
gouverneure; ihre  richterliche  Gewalt  daher  ein  Ausfluss  der  mili- 


kung:  In  consilio  fuet-unt  M.  Julius  Romulus  leg.  pro  pr.,  T.  Atilius  Sabinus 
q.  pro  pr.,  M.  Stertinius  Rufus  f.,  Sex.  Aelius  Modestus,  P.  Lucreihis  Clemens, 
M.  Domitius  Vitalis,  M.  Lusitis  Fidus,  M.  Stertinius  Fiifus.  Also  ausger 
dem  Legaten  und  dem  Quästor  noch  sechs  andere  Beisitzer.  —  Aehnliclie 
Verzeichnisse  der  Beisitzer  geben  auch  der  obengenannte  Senatsbeschluss  für 
Oropus  (Hermes  XX,  268  ff.)  und  das  Edict  des  Statthalters  von  Aegypten  aus 
der  Zeit  des  Antoninus  Pius  (Berliner  Urkunden  n.  288).  —  Auch  die  Kaiser 
bedienten  sich  eines  solchen  Beirathes,  Jos.  Antt.  XVI,  6,  2  (Augustus) :  eSo^B 
fioi  xttl  r(p  ifi(p  avfißovXiq).  Ueber  ein  Consilium  unter  dem  Vorsitz  des 
Claudius,  an  welchem  25  Senatoren  theilnahmen,  s.  oben  S.  67  f.  —  Vgl.  über- 
haupt: Geib,  Gesch.  des  röm.  Criminalprocesses  (1842)  S.  243  ff.  Mommseu, 
Hermes  IV,  1870,  S.  123.  Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  I,  1881, 
S.  531  ff.  Mommsen,  Hermes  XX,  1885,  S.  287  Anm.  Ders.,  Römisches 
Strafrecht  S.  137—141.  D eis s mann.  Neue  Bibelstudien  1897,  S.  65.  Hitzig, 
Die  Assessoren  der  römischen  Magistrate  und  Richter,  1893.  Secck,  Art. 
Adsessor  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  I,  423  ff.  und  Art.  Comites  ebendas.  IV, 
623  ff.  Liebenam,  Art.  Consilium  ebendas.  IV,  915  ff.  Die  Ausleger  zu 
Apgesch.  25,  12,  und  die  Lexica  zum  N.  T.  s.  v.  avfißovXiov. 

83)  Le  Blant,  Recherches  sur  les  bourreatix  du  Christ  et  sur  Ics  ageuts 
charges  des  executions  capitales  chex  les  lioinains  {Memoires  de  V Acadeniie  des 
insor.  et  Mlcs-lettres  XXVI,  2,  1870,  p.  127—150).  —  Ueber  die  apparitores  über- 
haupt H.  Mommsen,  De  apparitorifnts  magistratuum  Romanorum  (Rhein.  Mu- 
seum N.  F.  VI,  1848,  S.  1 — 57).  Naudet,  Mimoire  sur  la  cohorte  du  preteur 
et  le  personuel  administratif  dans  les  provinces  romaines  [Memoires  de  PAcad. 
des  inscr.  XXVI,  2,  p.  499-555).  Mommsen,  Staatsrecht  1.  Aufl.  I,  250-293. 
Marqnardt,  Staatsverwaltung  I,  533.  Habcl,  Art.  apparitores  in  Pauly- 
Wissowa's  Real-Enc.  II,  101—194.  —  In  die  Kategorie  dieser  apparitores  ge- 
hören dig  acribae,  lictores,  accensi,  nomcnclatorcs,  vialores,  praecones. 

84)  Gegen  Le  Blant  s.  Naudet,  Memoire  sur  cette  double  question:  1.  thhe 
partieuMre,  Sont-ee  des  soJdata  qui  ont  cruciße  Jesus- ChriM?  2.  thbsc  g^ih-ale, 
Le$  $oldat$  romairu  prentUent-ils  wie  part  active  dans  les  supjilices?  {Memoires 
de  VAead.  de»  ituor.  XXVI,  2,  1870,  p.  151-187).  —  Auch:  Geib,  (iesch.  dos 
röra.  Criminalprocesses  8.  671  f.  Rein  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  1,  1()4()  (Ar- 
tikel «m/m/üi).  Mommsen,  RömiHchoH  Strafrecht  S.  915  u.  !t23 f.:  „Unter  dem 
Principat . . .  rerschwinden  bei  der  Leitung  der  Exccutionen  die  hürgerlic  lnii 
OfBcialen  und  wird  da«  Icriegsrechtiiche  Vorfahren  auf  den  bürgerlichen  Straf- 
procpsH  abertragen".  024:  „Die  Leitung  dos  Acten  hat  ein  h<"»hcrcr  oder  nie- 
derer OfRzior,  die  Vollstreckung  in  der  Regel  der  spcculator". 


[392.  393]   §  17.  c.  Judäa  unter  röniischeu  Procuratoren  (6—41  u.  Chr.).  47 1 

tärischen^-'^).  Nun  ist  aber  zweifellos,  und  auch  von  Le  Blant  nicht 
bestritten,  dass  die  Todesurtheile  an  Soldaten  durch  Soldaten  voll- 
zogen wurden  ^6).  Nach  Le  Blanfs  Ansicht  würde  sich  demnach 
ergeben,  dass  der  Statthalter  die  Urtheile  an  Soldaten  durch  andere 
Organe  hätte  vollziehen  lassen  als  an  Civilpersonen.  Das  ist  an- 
gesichts des  militärischen  Charakters  seiner  richterlichen  Gewalt 
äusserst  unwahrscheinlich;  und  es  giebt  auch  positive  Gründe  für 
die  andere  Ansicht.  Die  vielen  Hinrichtungen  vornehmer  Männer 
und  Frauen  zur  Zeit  des  Claudius  und  Nero  sind  durchweg  durch 
Militärpersonen,  zum  Theil  höhere  Offiziere,  vollzogen  worden s^). 
Zahlreiche  Beispiele  ähnlicher  Art  bietet  die  Geschichte  der  folgen-] 
den  Kaiser^^).  Wenn  es  sich  dabei  auch  nicht  um  ordentliche  Ge- 
richte handelt,  so  erhellt  daraus  doch  so  viel,  dass  eine  derartige 
Verwendung  von  Soldaten  das  Nächstliegende  war.  Sodann  wer- 
den nicht  selten  spcculatores  als  Vollstrecker  von  Hinrichtungen 
erwähnt ^^).    Diese  waren  sicherlich  Soldaten;  denn  1)  die  specw/a- 


85)  Dio  Cass.  LIII,  13.    Momuisen,  Staatsrecht  II,  1,  245. 

86)  S.  z.  B.  Sueton.  Galiff.  32:  Saepe  in  conspectu  prandeutis  lel  comissan- 
tis  .  .  .  miles  decollaiidi  artifex  quibuscwnque  e  custodia  capita  amputabat.  — 
TertuUiau  fragt  in  seiner  Schrift  de  corona  viilitis  c.  11,  um  die  Unvereinbar- 
keit des  christlichen  Glaubens  mit  dem  Soldatendienst  darzuthun:  et  vincula 
et  carcerem  et  tortnenta  et  supplicia  administrabit,  nee  suarum  lätor  ityitnat'um  i 
Die  Stelle  beweist  mindestens,  dass  Soldaten  zur  Vollstreckung  von  Todes- 
urtheilen  verwendet  wurden,  selbst  wenn  man  hier  mit  Le  Blant  nur  an  Hin- 
richtung von  Soldaten  denken  will. 

87)  Tac.  AmiaL  XI,  37  f.  XII,  22.  XIV,  8.  59.  XV,  59  fl'.  64  f.  67.  69. 
Auch  schon  früher:  Tac.  Ännal.  I,  53. 

88)  Naudet  l.  c.  p.  171. 

89)  Ev.  Marc.  6,  27:  dnoaxaikaq  6  ßaaiXevi;  OTiexovXdzoQa  iTthagev  iviyxai 
vfjv  x£(pa}Lt]v  avzov.  —  Seneca,  De  ira  I,  18,  4:  Tunc  centurio  suppticio  prae- 
positus  condere  gladium  speculatorem  jubet.  —  Idem,  De  benefieiis  III,  25:  spe- 
culatoribus  occurrit  nihilque  se  deprecari,  quominus  imperata  peragerent,  dixit 
et  deinde  cervicem  porrexit.  —  Firmicus  Maienius  Mathes.  VIII,  26  {ed.  Basil. 
1533,  p.  234):  spiculatores  faciet,  qui  nudatu  gladio  homimon  amputeiit  cervices- 

—  Digest.  XL VIII,  20,  6  (aus  Ulpian):  neque  spcculatores  tdtro  sibi  vindicent 
neqice  optiones  [optio  in  der  militärischen  Sprache  =  der  Diener  eines  Centurio 
oder  Decurio]  ea  desiderent,  quibus  spoliatur,  quo  momento  quis  punittis  est  (die 
bei  der  Hinrichtung  beschäftigten  Soldaten  durften  also  später  nicht  mehr, 
wie  zur  Zeit  Christi,  die  Kleider  des  Hingerichteten  unter  sich  vertheilen).  — 
Hieronymus,  Epist.  1  ad  Innocentium  c.  S:  jam  spiculator  exterritus  et  non  cre- 
dens  ferro,  mucroiiem  aptabat  in  jugidum  etc.  —  Acta  Cypriani  c.  5  (bei  Rui- 
nart, Acta  martyrum  ed.  2.,  1713  p.  218):  cum  venisset  aiitem  spiculator  etc.  — 
Acta  Claudii,  Asferii  et  alior.  c.  4  {Ruinart  p.  268) :  Euthalius  commentariensis 
dixit  ....  Archelaus  spiculator  dixit.    Beide  auch  c.  5  s.  fin.  {Ruinart  p.  269). 

—  Acta  Rogaiiani  et  Donatiani  c.  6  {Ruinart  p.2S>2):  adhuc  ministris  imperans, 
lü  post  expensa  supplicia  a  spiculatore  capite  triincarentur.     Tunc  lictoris  insa- 


472  §  17.   c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).    [393.  394J 

tores  kommen  überhaupt  häufig  als  militärische  Charge  vor^^j,  und 
2)  an  verschiedenen  der  angeführten  \  Stellen  werden  die  erwähnten 


ia  ....  lancea  militari  perfossas  cervices  heatissiniorwn  gladio  vibrante  prae- 
cidit.  —  Linus,  De  passimie  Petri  et  Pauli  lib.  II  s.  fin.  [Bibliotheca  maxima 
patruin  Lugd.  t.  II  p.  73) :  Spiculator  vero  in  altum  brachia  elevans  eum  tota  vi 
percussit  et  caput  qjus  abscidit  ....  statimqtie  de  eorpofre  ejus  unda  laetis  in 
vestimenta  militis  exiluit.  —  Vita  Bacchi  junior is  martyris  ed.  Combefis.  p.  114 
(ich  gebe  das  Citat  nach  Du  Gange  Glossar.):  AvoxtiqoxsqÖv  ze  rov  onsxov- 
XäxoQa  v7ioßXs\pd/ievog  stfTj'  Ts/ive  xQixaxägaxs.  —  Aiich  in  der  rabbinischen 
Literatur  kommt  "ii::^pBD  öfters  in  der  Bedeutung  „Scharfrichter"  vor.  S.  bes. 
die  in  extenso  mitgetheilten  Stellen  bei  Levy,  Neuhebr.  Wörterb.  III,  573; 
auch  Buxtorf,  Lex.  Ghald.,  Levy,  Chald.  Wörterb.  s.v.,  Sehoettgen,  Hoirte 
hebr.  ad  Marc.  6,  27.  Krauss,  Griech.  und  lat.  Lehnwörter  im  Talmud  etc. 
II,  1899,  S.  409.  —  In  einigen  Glossarien  wird  ansxovXäxwQ  durch  diioxe<ptt' 
li^tov,  dnoxstpaXiax^g  wiedergegeben  (Wetstein,  Nov.  Test,  zu  Marc.  6,  27, 
Schleusner  Lex.  in  N.  T.  s.  v.).  —  Die  Form  spiculator  ist  Corruption  aus  spe- 
culator,  was  durch  zahlreiche  Inschriften  als  die  correcte  Form  bezeugt  ist. 
Von  spiculum  kann  es  nicht  abgeleitet  werden,  da  dann  spiculatus  zu  erwarten 
wäre,  nach  Analogie  von  pilatus,  loricatus,  hasfatus  {Fritxsche,  Ev.  Marc. 
p.  232  s?.). 

90)  Speculator  heisst  zwar  überhaupt  „Späher,  Wächter"  (z.  B.  Tertul- 
lian.  adv.  Marcion.  II,  25:  spcculatorem  vineae  vel  horti  fui;  häufig  auch  in 
Hieronymus'  Bibel-Uebersetzung  z.  B.  Jesaia  56,  10.  Jerefni.  6,  17.  Exech.  33, 
7.  Hos.  9,  8).  Am  häufigsten  aber  kommen  speeulatores  im  Militärwesen  vor, 
als  Spione  (Livius  XXII,  33.  Caesar  Bell.  Galt.  II,  11.  Suefon.  Äug.  27)  und 
Eilboten  {Sueton.  Calig.  44.  Ta^it.  Eist.  II,  73;  den  Zusammenhang  beider 
Bedeutungen  sieht  man  am  besten  aus  I/ivius  XXXI,  24:  ni  speculator  —  he7ne- 
rodromos  rocant  Oraeci,  ingens  die  uno  cursu  einefientes  spatium  —  contempla- 
ttis  regium  agmen  ex  specula  quadam  praegressus  nocte  media  Athenas  pei'- 
venisset),  sowie  als  Leibwache  der  Kaiser  {Sueton,  Clattd.  35.  Tacit.  Ilist.  II, 
11.  33,  daher  bei  Suidas  durch  dopi;^o()05  wiedergegeben).  In  letzterer  Eigeu- 
Hchaft  bildeten  sie  noch  zur  Zeit  Vespasian's  ein  besonderes  Corps  neben  den 
anderen  Prätorianer-Cohorten  {Tac.  Ilist.  II,  11.  33.  Cotp.  Inscr.  Lat.  t.  III 
p.  853  Dipl.  X);  später  wurde  jeder  Prätorianer-Cohorte  eine  Anzahl  speeula- 
tores beigegeben  (Cauer,  Ephemeris  epigr.  IV,  464,  Hirsch feld,  Sitzungs- 
berichte der  Berliner  Akademie  1891,  S.  854—856),  wie  denn  auch  jede  Legion 
fehn  specnJatores  liatte.  Auf  Inschriften  kommen  häufig  speeulatores  vor,  die 
entweder  in  den  Legionen  oder  in  den  Prätorianer-Cohorten  dienten  (zusam- 
mengeHtellt  bei  Caner,  Ephemeris  epigr.  lY,  459—466).  Ihre  Verwendung  als 
Scharfrichter  (h.  die  vorige  Anm.)  scheint  auf  ilirer  Eigenschaft  als  Sicher- 
hcit«wächter  zu  beruhen.  —  Vgl.  Oberhaupt:  Laur.  Lundii  Diss.  de  specula- 
tftre,  Ilafn.  1703.  Juh.  Wilh.  Oollingii  Diss.  de  speculator ibus  vctcrum  Ro- 
mamn-mn,  pracside  Chr.  (Hotll.  Schwartxio,  AUorfti  1726  (ancii  in*  Thesaurus 
noeus  theol.-philol.  edd.  Hase  et  Ikcn  II,  405—412).  Du  Cangc,  Olossariuni. 
med.  et  inf.  Lat.  und  Forcellini  IjCx.  lat.  s.v.  Scheiffele  in  Pauly's  Rcal- 
Knc.  VI,  1,  13ü4f.  Schleusner  Lex,  in  Nov.  Ihst.  s.  v.  Die  Ausleger  zu  iJV'. 
Marc  6,  27  (bcH.  WetHtein  iS'o».  TeM.,  W o\{  Ourae  philol.  in  N.  7'.,  Kuiuoel, 
FritKNchc).  Mar(|uardt,  llömiHche  Staatsverwaltung  I,  560.  II,  530. 
Hiricbfcld,  Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1891,  S.  866. 


[394.  395]    §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  473 

sjjeeulaiores  bestimmt  als  Soldaten  charakterisirt  ^ ') ;  also  werden  die 
mit  demselben  Titel  und  denselben  Functionen  anderwärts  erwähnten 
doch  auch  Soldaten  gewesen  sein.  Wenn  Le  Blant  sich  nament- 
lich darauf  beruft,  dass  an  manchen  Stellen  der  Ausdruck  speculator 
mit  dem  Ausdruck  lictor  und  anderen,  die  ein  nichtmilitärisches 
Amt  bezeichnen,  wechsele  ^^j^  so  beweist  dies  nur  eine  Laxheit 
des  Sprachgebrauches.  Man  kann  daher  mit  demselben  Rechte 
umgekehrt  sagen:  jene  Ausdrücke  werden  nun  auch  zur  Bezeich- 
nung von  Militärpersonen  verwendet  ^3).  Jm  Neuen  Testamente 
werden  sowohl  bei  der  Kreuzigung  Christi  |  als  bei  der  Gefangen- 
nahme Pauli  die  Vollzugsorgane  otgaricörai  genannt  und  auch 
deutlich  als  solche  charakterisirt^^). 

Die  dritte  Hauptfunction  der  procuratorischen  Statthalter  — 
neben  Truppen-Commando  und  Jurisdiction  —  war  die  Finanz- 
verwaltung.  Ja  von  ihr  haben  diese  ritterlichen  Statthalter  ihren 
Titel.  Denn  „Procuratoren"  heissen  überhaupt  die  kaiserlichen 
Finanzbeamten.  Da  über  die  Arten  der  Steuern  und  den  Modus 
der  „Schätzung"  das  Wesentliche  in  dem  Anhang  über  den  Census 
des  Quirinius  (§  17,  Anhang  1)  bemerkt  werden  wird,  so  sei  hier 
nur  hervorgehoben,   dass  die  Steuern  aus  Judäa  als  einer  kaiser- 


91)  So  nicht  nur  Seneca  De  ira  I,  18,  4  (wo  es  sieh  um  Hinrichtung  eines 
Soldaten  handelt),  sondern  auch  Acta  Rogatiani  et  Donatiani  c.  6  {lancea  mili- 
tari) und  Linus  De  passione  Petri  et  Pauli  s.  fin.  (vestimenia  militis).  — 
Militärische  Chargen  sind  auch  —  zwar  nicht  ausschliesslich  aber  doch  vor- 
wiegend —  die  neben  den  speculaiores  als  Vollzugsorgane  bei  Hinrichtungen 
erwähnten  optiones  und  commentarienses  (erstere  Digest.  XLVHI,  20,  6;  letztere 
Acta  Claiidii,  Asterii  et  alior.  c.  4 — 5).  S.  Marquardt  II.  527.  529  f.  Cauer, 
Ephemeris  cpigr.  IV,  441—452.  424 sj.  —  Theophylact  erklärt  in  seinem 
Commentar  zu  Marc.  G,  27  speculator  durch  aTgariwzTjg  oq  TiQog  z6  (povtv- 
fiv  titaxtai. 

92)  Speculator  und  lictor  gleichbedeutend :  Hieronymus  epist.  1  ad  lunoceu- 
tium  c.  7 — 8;  ebenso  Acta  Rogatiani  et  Donatiani  c.  6  [Rtiinart  p.  282). 

93)  Der  lictor  war  allerdings  kein  Soldat,  sondern  gehörte  in  die  Classe 
der  apparitorea,  (9.  die  oben  Anm.  83  genannte  Literatur).  Er  hatte  aber  schon 
in  der  älteren  Zeit  die  Todesstrafe  nur  an  römischen  Bürgern  zu  vollziehen 
und  in  der  Kaiserzeit  wahrscheinlich  überhaupt  nicht  mehr  (Pauly's  Eeal-Enc. 
s.  V.  Mommsen,  Staatsrecht  1.  Aufl.  I,  301  f.). 

94)  axQaxKÖtai  Ei\  Matth.  27,  27.  Marc.  15,  16.  Luc.  23,  36.  Joh.  19,  2. 
2^  sq.  32.  34.  Act.  ap.  21,  35.  23,  23.  27,  31  f.  42.  28,  16.  —  Jesus  mit  einer 
Lanze  durchbohrt  [Joh.  19,  34).  —  Ein  Centurio  bei  der  Kreuzigung  Jesu 
{Marc.  15,  39.  44  f.  Matth.  27,  54.  Luc.  23,  47);  desgleichen  bei  der  Geisselung 
Pauli  [Act.  22,  25  f.).  Die  ganze  Haft  Pauli  war  eine  militärische.  Daher  stets 
Centurionen  als  Aufseher  (,1c/.  23,  17.  24,  23.  27,  Iff.)  Vgl.  über  die  mili- 
tärische Gestaltung  des  Gefangnisswesens  in  der  Kaiserzeit  den  ganzen  Ab- 
schnitt der  Digesten  de  custodia  et  exhibitione  reorum  [Digest.  48,  3)  und  Hirsch- 
feld,  Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1891,  S.  858. 


474  §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuraloren  (6—41  n.  Chr.).    [395.  396] 

liehen  Provinz  niclit  in  die  Senatscasse  (das  aerarium),  sondern  in 
die  kaiserliche  Casse  (den;?sci^)  flössen  ^^).  Judäa  hat  also  im  eigent- 
lichen Sinne  seine  Steuern  „dem  Cäsar"  entrichtet  {Ev.  Mt.  22,  17  ff. 
Mc.  12,  14  ff.  Luc.  20,  22  ff.),  was  von  den  Senatsprovinzen  nur  in 
gewissem  Maasse  gesagt  werden  kann.  —  Dem  Zwecke  der  Steuer- 
erhebung diente  wahrscheinlich  die  Eintheilung  Judäa's  in  elf 
Toparchien  (s.  Bd.  II  S.  181—186).  Bei  der  Eintreibung  scheinen 
die  Eömer  sich  der  Yermittelung  der  jüdischen  Behörden  bedient 
zu  haben,  wie  das  auch  sonst  üblich  war  (s.  Bd.  II  S.  187).  — 
Dass  die  Steuern  drückende  waren,  sieht  man  aus  der  Beschwerde, 
welche  die  Provinzen  Syrien  und  Judäa  im  J.  17  n.Chr.  erhoben ^^). 
Von  den  Steuern  im  eigentlichen  Sinne  sind  zu  unterscheiden 
die  Zölle,  d.  h.  die  unregelmässigen,  indirecten  Abgaben,  besonders 
die  Abgaben  auf  Waaren  bei  deren  Ueberführung  über  die  Landes- 
grenze ^').  Solche  gab  es  in  allen  Provinzen  des  |  römischen 
Reiches.  Das  eigentliche  Musterland  in  dieser  Hinsicht  war 
Aegypten,  welches  das  Steuerwesen  mit  einer  Subtilität  ausgebildet 


95)  Ueber  den  Unterschied  beider  s.  Marquardt,  Römische  Staatsver- 
waltung II,  292  ft".  —  Die  Trennung  hat  ohne  Zweifel  von  Anfang  an  bestan- 
den, auch  wenn,  wie  Hirschfeld  annimmt,  die  Centralisirung  der  kaiserlichen 
Gassen,  also  die  Begründung  eines  einheitlichen  Fiscus,  erst  unter  Claudius 
erfolgt  ist  (Hirschfeld,  Untersuchungen  etc.,  1.  Bd.  Die  kaiserlichen  Ver- 
waltungsbeamten, 1877,  S.  1  ff.). 

96)  Tac.  Annal.  II,  42:  provinciae  Syria  atque  Judaea,  fessae  oneribus,  de- 
rninutionem  trilmti  orahant. 

97)  Vgl.  hierüber:  Wetstein,  Nov.  lest.  I,  314—316  {ad  Matth.  5,  46).  — 
Pauly's  Real-Enc.  Artikel  portorium,  ptiblicani,  vectigal.  —  Marquardt,  Rö- 
mische Staatsverwaltung  II,  261  ff.  289 ff.  —  Winer,  Real wörterb.  Art.  „Zoll". 

—  Leyrer  in  Herzog's  Real-Enc.  Art.  „Zoll"  (1.  Aufl.  XVIII,  652f.  2.  Aufl. 
XVn,  551f.).  —  Herzfeld,  Handelsgesch.  der  Juden  des  Alterth.  (1879)  S. 
159—162.  —  Hamburger,  Real-Enc.  für  Bibel  und  Talmud  IL  Abth.  Art. 
„Zoll".  —  Levy,  Neuhebr.  Wörterb.  III,  113—115  (Art.  Dsia,  xos?3  etc.).  — 
Goldechmid,  Les  impots  et  droits  de  douane  en  Jttdee  saus  Ics  h'omains  {Revue 
des  itudes  juivea  t.  XXXIV,  l'S97,  p.  192—217)  [bes.  über  die  verschiedenen 
Arten  von  Abgaben:  oars,  nbia^ns,  äijftöata,  annona,  äyyaQSta,  DDp  =  ceiisus]. 

—  Naquet,  Des  impots  indirecta  chcx  les  Romaitis  sous  la  rfpiibliquc  et  sous 
fempire,  Paris  1875  (Bur«ian'8  Jahresbericht  Bd.  19,  S.  466ff.).  —  Cagnat, 
Atttde  hiatoriquc  sur  les  impots  indirects  chex  les  Romains  jusqu'  aux  invasions 
de»  barlmre»,  Paris  1882  (BurHian'«  Jaliresber.  Bd.  36,  8.  245  ft'.).  —  Vigi6, 
6ttide$  sur  ies  impöts  imlircda  rumaiiiH;  des  douanes  dans  Pevipire  romain, 
1884.  —  Thibaut,  Ijes  douane»  chex  les  Romains,  Paris  1888  {Revue  eritique 
1880,  Nr.  7).  —  RoHtowzew,  Eine  neue  Inschrift  aus  Halikarnass  (Archäo- 
logisch-epigr.  Mitthcilungen  aus  Oesterreich-Ungarn  XIX,  1896,  S.  127—141) 
[mit  UntcrKiichungen  über  dos  ZollwcBcn  der  Kaiscrzeit].  —  Inschriftliches 
Material  über  die  vectvjalia  geben  die  Indi(*eH  zum  Corpus  fusor.  Lat.  Son- 
•tigM  Material  h.  bei  Haenel,  Corpus  Ixigum,  Index  p.  271. 


[396.  397]    §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (0—41  n.  Chr.).  475 

liat,  die  alle  luoderne  Findigkeit  liinter  sich  lässt;  kein  Gegen- 
stand und  keine  Function  des  Erwerbslebens  war  hier  unbesteuert; 
auch  seine  Lage  als  nothwendiger  Durchgangspunkt  für  den  leb- 
haften indisch- europäischen  Handel  hat  es  vortrefflich  auszunützen 
verstanden  ^^).  Aber  auch  in  Palästina  kannte  man  bereits  in  der 
persischen  Zeit  indirecte  Abgaben,  z.  B.  das  „Wegegeld"  ('sfbri^ 
Esra  4,  13.  20.  7,  24).  —  Der  Umfang  der  Zollgebiete  war  je 
nach  den  Umständen  gewiss  verschieden.  Im  Allgemeinen  wird 
man  annehmen  dürfen,  dass  jede  Provinz  des  römischen  Reiches 
ein  eigenes  Zollgebiet  bildete  ^^).  Aber  auch  die  von  den  Römern 
als  autonom  anerkannten  Staaten  und  Connuunen  —  und  deren 
Zahl  war  ziemlich  gross  —  hatten  das  Recht,  selbständig  Zölle  an 
ihren  Grenzen  zu  erheben  ^^^).  Zu  den  schon  früher  bekannten 
Beweisen  hierfür  ist  in  neuerer  Zeit  ein  weiterer  hinzugekommen: 
eine  grosse  Inschrift  (griechisch  und  aramäisch),  welche  den  Zoll- 
tarif der  Stadt  Palmyra  zur  Zeit  Hadrians  enthält '<")•  Man  sieht 
daraus,  dass  Palmyra  —  obwohl  es  damals  eine  römische  Stadt  |  war 
in  demselben  Sinne  wie  manche  andere  autonome  Communen  inner- 
halb des  römischen  Reiches  —  doch  seine  Zölle  selbständig  ver- 


98)  Ein  überreiches  Material  über  das  ägyptische  Steuerwesen  in  der  grie- 
chischen und  römischen  Zeit  geben  die  noch  zu  tausenden  erhaltenen  Steuer- 
quittungen auf  Ton-Scherben  (Ostraka).  Vgl.  die  erschöpfende,  auch  die  No- 
tizen der  Schriftsteller  und  die  Papyrustexte  verwerthende  Darstellung  von 
Wilcken,  Griechische  Ostraka  aus  Aegj'pten  und  Nubien,  2  Bde.  1899. 

99)  Wenigstens  für  manche  derselben  lässt  sich  dies  nachweisen.  S.  Mar- 
quardt,  II,  263  ff. 

100)  Marquardt  I  (1881)  S.  79.  Mommsen,  Römisches  Staatsrecht  III, 
1,  691.  —  S.  bes.  Livius  XXXVIII,  44:  senatus  consultum  factum  est,  ut  Am- 
braciensibus  suae  res  omnes  redderentiir ;  in  Über  täte  essetü  ac  legibus  suis  iite- 
reiitur;  portoria  quae  vellent  terra  marique  caperent,  dum  eorum  in- 
mtines  Romani  ac  socii  nominis  Latini  essent.  —  Plebiscit  für  Termessus  in 
Pisidien  vom  J.  71  vor  Chr.  {Coty.  Inscr.  Lot.  t.  I  n.  204)  col.  II  lin.  31  sqq.: 
Qiiam  legem  portorieis  terrestrihus  maritumeisque  Termenses  majores  Phisidae 
eapiundeis  intra  suos  flneis  deixserint,  ea  lex  ieis  portorieis  capiundeis  esto,  dum 
neiquid  porforl  ab  ieis  eapiaiur,  quei  publica  p'opuli  Romani  vectigalia  redempta 
habelnmt. 

101)  Die  Inschrift  ist  im  J.  1881  von  dem  Fürsten  Lazarew  entdeckt 
worden.  —  Der  aramäische  Text  ist  am  besten  herausgegeben  von  Schroeder 
(Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1884,  S.  417—436),  der  griechische 
mit  reichhaltigem  sachlichem  Commentar  von  Dessau  (Hermes  XIX,  1884, 
S.  486—583),  beide  nach  einem  Abklatsch  von  Euting.  —  Beide  Texte,  mit 
deutscher  Uebersetzung  und  Erläuterungen  zum  aramäischen  Text,  auch  von 
Reckendorf  (Zeitschr.  der  deutschen  morgenländ.  Gesellsch.  1888,  S.  370—415). 
—  Weniger  correct  sind  die  früheren  Publicationen  von  De  Vogüe  {Journal 
asiatique  Vlllme  serie  f.  I,  1883,  p.  231—245,  t.  II,  1883,  p.  149—183)  und 
S  ach  au  (Zeitschr.  der  deutschen  morgenländ.  Gesellsch.  1883,    S.  562 — 571). 


476  §  1^-  ^-  Jiidäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  [397] 

waltete  und  den  Ertrag  derselben  genoss.  Es  versteht  sich  daher 
auch  von  selbst,  dass  die  mit  Eom  „verbündeten"  Könige  und 
Tetrarchen  an  ihren  Grenzen  im  eigenen  Interesse  Zölle  erheben 
durften '^^),  nur  mit  der  Einschränkung,  dass  die  römischen  Bürger 
{Romani  ae  sodi  nominis  Laiini,  wie  es  bei  Livius  heisst)  davon 
eximirt  waren  ^^^^^  Die  zur  Zeit  Jesu  Christi  in  Kapernaum,  an 
der  Grenze  Galiläa's,  erhobenen  Zölle  (J/^.  9, 9.  Jfc.  2, 14.  ivc.5,27) 
flössen  daher  ohne  Zweifel  nicht  in  den  kaiserlichen  Fiscus,  sondern 
in  die  Casse  des  Herodes  Antipas.  Dagegen  in  Judäa  wurden 
damals  die  Zölle  im  Interesse  des  kaiserlichen  Fiscus  erhoben. 
Wir  wissen  aus  den  Evangelien,  dass  in  Jericho,  also  an  der 
östlichen  Grenze  Judäa's,  ein  aQxtreXmvfjg  war  {Luc.  19,  1 — 2).  In 
der  Hafenstadt  Cäsar ea  wird  im  J.  66  n.  Chr.  unter  den  einfluss- 
reichen Männern  der  dortigen  Judenschaft  ein  reXcovtjg  Johannes 
erwähnt -^^).  Durch  Plinius  ist  bekannt,  dass  die  Kaufleute,  welche 
den  Weihrauch  aus  dem  Inneren  Arabiens  über  Gaza  exportirten, 
nicht  nur  den  Arabern  beim  Durchzug  durch  deren  Gebiet,  sondern 
auch  den  römischen  Zollpächtern  (letzteren  vermuthlich  in  Gaza) 
hohe  Zölle  zu  entrichten  hatten  i^^).  —  Ausser  den  Eingangs-  und 
Ausfuhrzöllen  hat  es  natürlich,  wie  anderwärts  so  auch  in  Judäa, 
noch  indirecte  Abgaben  anderer  Art  gegeben,  z.  B.  einen  Markt- 
zoU  in  Jerusalem,  welcher  durch  Herodes  eingeführt,  aber  im 
J.  36  n.  Chr.  durch  Vitellius  abgeschafft  wurde  i^c). 


102)  Von  Caligula  sagt  Sueton.  Cal.  lü:  si  quibtis  regna  restituit,  adjedt  et 
omnem  fmclum  vectigalionim  et  reditiim  medii  temporis.  Das  Ungewöhnliche 
war  wohl  nur  das  Letztere. 

103)  S.  Mommsen,  Staatsrecht  III,  1,  691  und  die  in  Aum.  100  citirten 
Stellen.  —  Auch  zu  Gunsten  Anderer  haben  die  Römer  zuweilen  willkürliche 
Ausnahmen  festgestellt  So  wird  in  dem  Senatsconsult  Jos.  Antt.  XIV,  10,  22 
(wahrscheinlich  für  Hyrkan  I,  s.  oben  S.  262f.)  den  Juden  zwar  gestattet,  au 
iliren  Grenzen  Zölle  zu  erheben,  aber  mit  der  Bedinguug,  das.s  der  König  vou 
Aegypten  davon  eximirt  sei. 

104)  Jos.  Jkll.  Jtul.  II,  14,  4. 

105)  Plinius  Ilist.  Nat.  XII,  63—05:  Keehi  non  potest  niai  per  Oebaiiitas, 
it<iqtte  et  horum  regi  penditur  vectir/al  ....  lam  quaeumquc  Her  est  aliubi  pro 
aqua  atiubi  pro  pahulo  atit  pro  mansionibus  varüsqiic  portoriis  pendimt,  ul 
$umptua  in  aingulos  eameloa  X  DCLXXXVIII  ad  nostrmn  litus  (nämlich  bis 
Gaza)  coUigat,  iterumque  imperi  noafri  pnbticauis  penditur.  —  Zölle, 
die  von  uncultivirten  Volkgstämmen  erhoben  wurden,  kommen  nucli  Hoiist  vor. 
8o  mtiMton  die  Kuuflcute,  die  von  Syrien  nach  Babylonicii  Hmidcl  trieben, 
di-n  duzwlMcrhen  woiuicnden  Stämmen  Zölle  entrichten,  und  zwiir  waren  die 
(ixr]vlTat,  d.  h.  die  Zfltbcwohner  der  Wüste,  darin  gemässigter  als  die  (pvXuQXO^ 
zu  beiden  Holten  des  Kuphrat  {Strcüm  p.  748). 

100)  Jos.  Ann.  XVII,  8,  4  ßn.  Ibid.  XVIII,  4,  .•}:  Oj/r/AA/Of  xa  ri'kt]  xwv 
uivovfjihoiv  xatfnütv  (tvirjaiv  tli;  xo  nup  Toff  Terry  xaroixovai.  Vgl.  auch  die 
oben  Anm.  97  genannte  Abhandlung  von  GoldHclimicl. 


[397.398]   §17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6 — 41  n.  Chr.).  477 

Die  Erhebung  der  Zölle  geschah  nicht  durch  staatliche 
Beamte,  sondern  durch  Pächter,  die  sogenarmten publicani,  welche 
den  Zoll  eines  bestimmten  Bezirkes  gegen  eine  feste  jährliche  Summe 
pachteten,  wobei  sie  den  etwaigen  höheren  Ertrag  als  Gewinn  ein- 
zogen, während  sie  umgekehrt  bei  Minder-Ertrag  den  Schaden  zu 
tragen  hatten  1^^).  Dieses  System  war  im  ganzen  Alterthum  sehr 
verbreitet  und  kam  vielfach  nicht  nur  bei  Zöllen,  sondern  sogar 
bei  den  eigentlichen  Steuern  zur  Anwendung.  So  wurden  z.  B.  zur 
Zeit  der  ptolemäischen  Herrschaft  in  Palästina  die  Abgaben  jeder 
Stadt  jährlich  an  den  Meistbietenden  verpachtet  ^'^^).  In  der  römischen 
Kaiserzeit  wurde  das  System  der  Verpachtung  bei  den  Steuern 
(Grund-  und  Personalsteuer)  nicht  mehr  angewandt.  Diese  wurden 
jetzt  durch  staatliche  Beamte  eingezogen,  in  den  Senatsprovinzen 
durch  den  Quästor,  in  den  kaiserlichen  Provinzen  durch  einen 
(dem  Statthalter  beigegebenen)  kaiserlichen  Procurator^*^^);  in  den 
von  einem  Ritter  verwalteten  Provinzen,  wie  Judäa,  war  der 
Statthalter  selbst  zugleich  Procurator.  Die  Zölle  dagegen  wurden 
auch  in  der  Kaiserzeit  noch  allgemein  am  publicani  verpachtet'"'); 


107)  Vgl.  Rein,  Art.  jmblicani  in  Pauly's  Real-Enc.  —  Marquardt, 
Römische  Staatsverwaltung  II,  289 ff".  —  Conr.  Gottfr.  Dietrich,  Beiträge  zur 
Kenntniss  des  römischen  Staatspächtersystems,  1877.  —  Prax,  Essai  stir  les 
societes  vectifjaliennes  precidi  d'un  expose  sommaire  du  Systeme  fiscal  des  Romains, 
Montauban  1884.  —  Rimondiere,  De  la  levie  des  impöts  en  droit  romain, 
Paris  1886.  —  Dietrich,  Die  rechtlichen  Grundlagen  der  Genossenschaften 
der  römischen  Staatspächter,  I  u.  II,  Meissen,  Progr.  1889  u.  1898.  —  Deloume, 
Les  manieurs  d'argent  ä  Rome  Jusqu'  ä  rempire.  Les  grandes  compagnies  de 
Publicains  etc.  2ine  Mition,  Paris  1892.  —  Ziebarth,  Das  griechische  Vereins- 
wesen, 1896,  S.  19-26.  —  Wilcken,  Griechische  Ostraka  I,  513-G30. 

108)  Jos.  Antt.  XII,  4,  3:  bxvxs  Ss  xav'  ^xslvov  tov  xaiQOv  ndvtag  dvaßai- 
veiv  roig  ix  x<öv  nöXetov  xüiv  tTjg  HvQtag  xal  «Poivixrjg  nQioxovg  xal  agyovxag 
inl  xfiv  tüiv  xiXdiv  ö>V?Jv  xax^  sxog  öe  zavxa  xoig  övvaxolg  x<5v  h  hxäaxy 
noXei  inlnQuaxev  6  ßaatXsvg.  Ibid.  XII,  4,  4:  ivaxdorjg  6e  xfjg  riixtgag  xaQ-' 
Tjv  sf/sXXs  xcc  xiXri  ningdaxeod^ai  xäiv  Ttölswv.  —  Vgl,  auch  XII,  4,  5.  Aus 
letzterer  Stelle  erhellt  deutlich,  dass  es  sich  nicht  um  Zölle,  sondern  um 
Steuern  {(poQOi)  handelte.  Die  wichtigste  davon  war  die  Kopfsteuer  {Antt. 
XII,  4,  1:  rag  lölag  e'xaotoi  xwv  imarinwv  (Jvotvxo  naxQiöag  (poQoXoyelv,  xal 
avva&Qoli^ovrsg  xb  ngoaxiray/xsvov  xE(pdXaiov  xolg  ßaaiXsvaiv  ixsXovv).  Aber 
es  gab  auch  noch  andere  Steuern ;  denn  die  jerusalemische  Priesterschaft  war 
durch  Antiochus  den  Grossen  befreit  worden  <Lv  vnsg  xijg  xs(paX^g  xeXovai 
xal  xov  ors<pttvixixov  (poQOv  xal  xov  vnsQ  xwv  dXXcav  [ßAtöv?]  {Antt.  XII,  3,  3), 
—  Wegen  Erwähnung  der  Kopfsteuer  will  Willrich  diese  Texte  erst  der 
römischen  Zeit  zuweisen;  s,  dagegen  oben  S.  229  f, 

109)  Marquardt,  Staatsverwaltung  II,  303. 

110)  Marquardt  II,  302f.  —  Das  Gesagte  bestätigt  sich  auch  für  Aegypten; 
in  der  Ptolemäerzeit  wurden  alle  Abgaben  verpachtet;  in  der  Kaiserzeit 
herrschte  ein  gemischtes  System :  Verpachtung  und  directe  Erhebung  (Wilcken, 
Griechische  Ostraka  I,  515—555,  572—601). 


478  §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).   [398.  399] 

SO  ohne  Zweifel  auch  in  Judäa.  Die  entgegengesetzte  Meinung 
Wieselefs  beruht  lediglich  auf  Missverständniss  ^  ^ ').  In  der  oben 
(Anm.  105)  citirten  Stelle  des  Plinius  ist  ausdrücklich  gesagt,  dassj 
für  den  aus  Arabien  über  Gaza  ausgeführten  Weihrauch  auch  an 
die  römischen  puhlicani  ein  Zoll  entrichtet  werden  musste.  Bei  der 
Allgemeinheit  des  Systems  darf  man  annehmen,  dass  auch  die  Landes- 
fürsten wie  Herodes  Antipas  sich  desselben  bedienten.  Selbst 
städtische  Communen  wie  Palmyra  Hessen  die  Zölle  nicht  durch 
städtische  Beamte  erheben,  sondern  verpachteten  sie  an  Unter- 
nehmer •!-).  —  Die  Pächter  hatten  selbstverständlich  wieder  ihre 
Unterbeamten,  die  wohl  durchgängig  aus  der  einheimischen  Be- 
völkerung genommen  wurden.  Aber  auch  die  Generalpächter 
mussten  keineswegs  nothwendig  Eömer  sein.  Die  oben  (S.  476)  er- 
wähnten Zolleinnehmer  von  Jericho  und  Cäsarea  hiessen.  Zacchäus 
und  Johannes,  waren  also  Juden.  Da  sie  als  wohlhabende  und 
angesehene  Leute  geschildert  werden,  haben  sie  sicherlich  nicht 
zu  der  untersten  Classe  der  Zöllner  gehört  i' 3).  —  Die  Höhe  des 
zu  erhebenden  Zolles  war  zwar  von  der  Behörde  vorgeschrieben. 
Da  aber  diese  Tarife,  wie  uns  das  Beispiel  von  Palmyra  zeigt,  in 
der  älteren  Zeit  oft  sehr  unbestimmt  waren,  so  blieb  der  Willkür 
und  Habsucht  der  Zolleinnehmer  ein  weiter  Spielraum  oifen.  Die 
Ausnützung  dieses  Spielraumes  und  die  auch  nicht  seltene  Ueber- 


111)  Wieseler  (Beiträge  zur  richtigen  Würdigung  der  Evangelien  1869, 
S.  78  f.)  stützt  sich  für  seine  Ansicht  auf  Jus.  Antt.  XIV,  10,  5  ijirixe  i^yoXa- 
ß(5ai  Tivei).  Hier  handelt  es  sich  aber  gar  nicht  um  Zölle,  sondern  um  Ab- 
gaben vom  Bodenertrag.  Ueberdies  waren  diese  speciellen  Verfügungen  Cäsar's 
in  der  Kaiserzeit  durch  die  inzwischen  erfolgten  Umwälzungen  längst  antiquirt. 

112)  In  dem  Beeret  des  Rathes  von  Palmyra  an  der  Spitze  des  Zolltarifes 
der  Stadt  zur  Zeit  Hadrian's  (Hermes  XIX,  490,  vgl.  oben  Anm.  101)  heisst 
es:  in  dem  älteren  Zolltarif  seien  sehr  viele  Gegenstände  nicht  iuifgeführt  ge- 
wesen; man  habe  daher  in  den  Pachtvertrag  [rt]  fxia&waft)  immer  die  Be- 
stimmung aufgenommen,  der  Einnehmer  {xov  teXwvovvta)  solle  den  Zoll  er- 
heben nach  Tarif  und  Herkommen.  Darüber  sei  es  aber  zwischen  den 
Kaiif  leuten  und  den  Einnehmern  oft  zu  Streitigkeiten  gekommen.  Daher  habe 
nun  der  Ratl»  beschloHsen,  dass  die  Behörden  der  Stadt  die  fehlenden  Gegen- 
stände ermitteln  und  in  d('n  nächsten  Pachtvertrag  (ry  ^vyiaza  fxia&waei)  auf- 
nehmen sollen,  unter  Hinzu fügung  der  „herkömmlichen"  Taxe  (die  also  da- 
durch fixirt  werden  soll).  Wenn  dieser  Tarif  von  dem  l'ächter  {nö  /uia&ov- 
Hivtf)  ttcceptirt  sei,  dann  »olle  er,  wie  der  frühere  Tarif,  durch  Eingrabuug 
auf  eine  steinerne  Tafel  zur  öflentlichen  KcnntniHH  gcliracht  werden.  Die  Be- 
br»rdcn  aber  sollen  dafür  sorgen,  dass  der  l'ächler  [xov  fuaDox'furov)  niclits 
widerrechtlich  fordere. 

113)  Die  Behauptung  Tertullian's,  dass  allo  /üllticr  llcidrn  i^'cwosin 
seien  (fie.  pudioit.  c.  !)),  ist  sclion  von  Hieronymus  mit  Iteciit  l)istiittcn  wor- 
den (epist.  21  ad  Datncuium  c.  3,  opp,  ed.  Vallarsi  I,  72). 


[399.  400]    §  17,  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  479 

schreituug  desselben  hat  sie  bei  der  Bevölkerung  zu  einer  ver- 
hassten  Classe  von  Menschen  gemacht.  Es  ist  noch  milde  aus- 
gedrückt, wenn  der  Jambendichter  Herondas  sagt,  dass  „jede  Thüre" 
vor  den  Zolleinnelimern  schaudere  ^'^).  Im  Neuen  Testamente  ist 
„Zöllner  und  Sünder''  fast  gleichbedeutend,  und  bei  heidnischen 
Schriftstellern  finden  sich  ähnliche  Urtheile"^);  auch  in  der 
rabbinischen  Literatur  erscheinen  die  Zolleinnehmer  (]'^ppi'a)  in 
wenig  günstigem  Lichte  ^'^).  —  Andererseits  war  auch  das  Publikum 
in  I  Ersinnung  von  Mitteln  und  Wegen  zur  Defraudirung  des  Zolles 
damals  schon  ebenso  erfinderisch  wie  heutzutage  ^''j. 

Innerhalb  der  Schranken,  welche  mit  den  dargestellten  Ein- 


114)  Herondas  [ed.  Crusius  1892)  VI,  64:  zoi-q  yiiQ  nXatvaq  nüaa  vvp  &vqij 
(pQiaaei.    Vgl.  Wilcken,  Griechische  Ostraka  I,  5ö8. 

115)  Lueian.  Necyomant.  11:  Moiyol  xal  noQvoßoaxol  xul  ze?.divai  xal 
xoXaxeq  xal  ovxo(pävzai  xal  b  xoiolxoq  ofiilog  xwv  nävra  xvxiuvxtuv  iv  r^  ßitp. 
Noch  mehr  Material  dieser  Art  bei  Wetstein,  Nor.  Test.l,  314—316.  Winer 
RWE.  Art.  „Zoll". 

116)  Nach  Baba  kamma  X,  1  darf  man  nicht  Geld  einwechseln  aus  der 
Kasse  der  Zolleinnehmer,  auch  nicht  Almosen  von  ihnen  annehmen  (weil  näm- 
lich ihr  Geld  als  geraubtes  Gut  gilt).  Haben  dagegen  Zolleinnehmer  Einem 
den  Esel  weggenommen  und  einen  anderen  dafür  gegeben,  oder  Räuber  ihm 
sein  Gewand  geraubt  und  ein  anderes  dafür  gegeben,  so  darf  man  dies  be- 
halten, weil  der  Eigenthümer  es  schon  aufgegeben  hat  [Baba  kamma  X,  2).  — 
Nach  Nedarim  III,  4  darf  man  Räubern  und  Zolleinnehmem  mittelst  Gelübdes 
versichern,  eine  Sache  sei  Eigenthum  der  Priester  oder  des  Königs,  auch  wenn 
dies  nicht  wahr  ist  (!).  —  Durchweg  erscheinen  also  die  Zolleinnehmer  ("pDr^o) 
auf  gleicher  Stufe  mit  den  Räubern.  Vgl.  auch  Wünsche,  Neue  Beiträge 
zur  Erläuteriiug  der  Ew.  1878,  S.  71  f.  Herzfeld,  Handelsgesch.  der  Juden 
S.  161  f.  Hamburger,  Real-Enc.  Art.  „Zoll",  Levy,  Neuhebr.  Wörterb.  III, 
114.  —  Dass  unter  'pcsi«  Zolleinnehraer  im  eigentlichen  Sinne  zu  verstehen 
sind,  sieht  man  auch  aus  dem  Gebrauche  desselben  Wortes  (XO:^,  ^t*^0:^)  auf 
dem  Zolltarif  von  Palmyra.  D2a  =  „Abgabe"  auch  schon  im  Alten  Testa- 
mente {N'um.  31,  28.  37—41). 

117)  Kelim  XVII,  16  wird  erwähnt  „ein  Stock  mit  einem  Behälter  für 
Perlen",  nämlich  zum  Zweck  der  Zolldefraudation.  —  Bei  Erörterung  des  Ver- 
botes, Kleider  anzuziehen,  die  aus  Leinen  und  Wolle  gemischt  sind  {Lev.  19, 
19.  Deut.  22,  11),  wird  Kilajim  IX,  2  bemerkt,  dass  dies  unter  keinen  Um- 
ständen erlaubt  sei,  „auch  nicht  um  den  Zoll  zu  defraudiren"  (02^ri  3i35^).  — 
Anhangsweise  sei  hier  noch  auf  die  Stelle  Schabbath  VIII,  2  hingewiesen,  wo 
als  Beispiel  eines  kleinen  Stückes  Papier,  das  am  Sabbath  nicht  aus  einem 
Bereich  in  einen  andern  getragen  werden  darf,  ein  "ilä;?  der  Zolleinnehmer 
erwähnt  wird.  Die  Ausleger  verstehen  darunter  eine  Quittung,  die  an  einer 
Zollstätte  ausgestellt  wird,  damit  man  an  der  nächsten  (etwa  auf  der  andern 
Seite  des  Flusses)  frei  passiren  kann.  Die  sprachliche  Erklärung  ist  freilich 
schwierig,  da  n^^p  sonst  „Verbindung"  bedeutet  (z.  B.  ein  Knoten  am  Strick, 
oder  ein  Gelenk  am  menschlichen  Körper).  Sollte  es  etwa  ein  Zettel  sein, 
durch  welchen  eine  „Verbindung"  zwischen  zwei  Zollstätten  hergestellt  wird? 


480  §  1^-  '^-  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  u.  Chr.).   [400.  401] 

richtungen  von  selbst  gegeben  waren,  geuoss  das  jüdische  Volk 
doch  noch  ein  erhebliches  Maass  von  innerer  Freiheit  und 
Selbstverwaltung^ 'S).  —  Der  Eid  der  Treue,  welchen  das 
Volk  dem  Kaiser,  vermuthlich  beim  jedesmaligen  Kegierungswechsel 
zu  leisten  hatte,  bewegte  sich  —  wenn  wir  nach  Analogien  ur- 
theilen  dürfen  —  in  ziemlich  allgemeinen  Formeln,  wie  er  ja  auch 
schon  zur  Zeit  des  Herodes  geleistet  worden  ist^'^).  Die  innere 
Verfassung  zur  Zeit  der  Procuratoren  charakterisirt  Josephus, 
im  Gegensatz  zum  monarchischen  Regiment  des  Herodes  und 
Archelaus,  mit  den  Worten'-*^):  dQioroxQaria  (ihv  t]v  ?)  jtoXirsia, 
ri]v  öh  jtQooraoiav  rov  'i&^vovg  ol  ccQXisQ^l?  sjtsjriöravpTo.  Er  sieht 
also  in  dem  Wechsel,  der  nach  der  Absetzung  des  Archelaus  ein- 
trat, einen  Uebergang  von  der  Monarchie  zur  Aristokratie,  indem 
er  —  und  nicht  mit  Unrecht  —  den  römischen  Procurator  nur  als 
Aufsichts  behörde,  das  aristokratische  Synedrium  aber  als  die  eigent- 
lich regierende  Behörde  betrachtet.  Der  jeweilig  fuugirende  Ober- 
priester, welcher  zugleich  den  Vorsitz  im  Synedrium  führte,  ist 
ihm  der  jiQooraxrjq  rov  Idvovq.  Allerdings  sind  gerade  diese 
Hohenpriester  von  der  Aufsichtsbehörde  nach  freiem  Ermessen 
ab-  und  eingesetzt  worden.  Aber  auch  hierin  haben  die  Römer 
sich  gewisse  Beschränkungen  auferlegt.  Nachdem  in  den  Jahren 
6—41  n.  Chr.  die  Ernennungen  durch  die  römischen  Statthalter 
(entweder  den  Legaten  von  Syrien  oder  den  Procurator  von  Judäa) 
vollzogen  worden  waren,  ist  in  der  Zeit  von  44—66  n.  Chr.  das 
Recht  der  Ernennung  an  jüdische  Fürsten  (Herodes  von  Chalcis 
und  Agrippa  II)  übertragen  worden,  obwohl  diese  nicht  in  Judäa  re- 
gierten. Und  in  beiden  Perioden  ist  bei  den  Ernennungen  nicht 
rein  willkürlich  verfahren,  sondern  dabei  der  Vorrang  gewisser 
Familien  (Phiabi,  Boethos,  Ananos,  Kamith)  respectirt  worden'-'). 
Wichtiger  ist,  dass  das  Synedrium  die  Gesetzgebung  und 
Jurisdiction  in  sehr  weitem  Umfang  ausgeübt  hat,  wohl  in  weiterem, 
als  es  im  Durchschnitt  bei  den  nichtautonomen  Gemeinden  des 
römischen  Reiches  der  Fall  war'*'*'^).    Die  Rechtslage  war  im  all- 


118)  Vgl.  zum  Folgenden:  Mommsen,  Rom.  Oesch.  V,  511  tf. 
IIÜ)  Vgl.  ül)tThftiipt  oben  S.  399 f.  —  Sicher  bezeugt  ist  die  Eidesleistung 
beim  liegierungHuntritt  Culigula's,  Jos.  Antt.  XVIII,  5,  3. 

120)  Antt.  XX,  10  A". 

121)  Die  Holego  h.  IJd.  II,  ö.  214—224,  und  in  meiner  Ablinudlung  über 
die  dgxtunl^  im  Neuen  Testamente  (Stud.  und  Krit.  1872,  S.  593— (iü7).  — 
Uebor  den  VorHitz  der  Hohenpriester  im  .Synedrium:  Bd.  II,  S.  202—206. 

122)  Ueber  die  Stellung  der  nichtiuitonomen  Unterthiinon  8.  Mommsen, 
Rftmlucheii  WtuatHreeht  III,  1,  71ü— 7Ü4,  bes.  744  IK  Mittcin,  Reiehsreclit  und 
Volk«recht  in  ilen  ÖHtllclien  Provinzen  deH  römiHclien  KaiHorreichs  (1891) 
H.  9Uff.  Izeigt,  danN  auch  die  unterthänigen  titüdte  ihre  eigenen  Gerichte  hatten]. 


[401.  402]    §  17.  c.  Jiidäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  \^\ 

gemeinen  die,  dass  den  von  Rom  als  „frei"  oder  „autonom"  an- 
erkannten Gemeinden  ihre  eigene  Gesetzgebung  und  Jurisdiction 
ausdrücklich  garantirt  war,  im  Princip  sogar  auch  über  die  dort 
wohnenden  römischen  Bürger.  In  den  unterthänigen,  nichtautouomen 
Gemeinden  (zu  welchen  Judäa  gehörte)  war  der  factische  Zustand 
annähernd  derselbe '^Sj^  aber  mit  der  doppelten  Einschränkung: 
1)  dass  dieser  |  factische  Zustand  nicht  verbürgt  war,  und  2)  dass 
die  dort  wohnenden  römischen  Bürger  ihr  eigenes  Recht  und  ihre 
eigene  Gerichtsbarkeit  hatten.  Das  Wichtigste  war  der  erste  Punkt. 
Die  römischen  Behörden  grift'en  infolge  dessen  sowohl  in  die  Gesetz- 
gebung als  in  die  Jurisdiction  der  nichtautonomen  Gemeinden  nach 
Belieben  ein.  In  Judäa  scheint  dies  nur  in  geringem  Maasse  ge- 
schehen zu  sein.  Man  darf  annehmen,  dass  die  Civilrechtspflege 
ganz  in  den  Händen  des  Synedriums  und  der  einheimischen  Be- 
hörden lag:  jüdische  Gerichte  entschieden  nach  jüdischem  Gesetz. 
Aber  auch  beim  Criminalrecht  war  dies  fast  ganz  der  Fall,  nur 
mit  der  Einschränkung,  dass  Todesurtheile  der  Bestätigung  durch 
den  römischen  Procurator  bedurften.  Dabei  entschied  auch  dieser, 
wenn  es  ihm  beliebte,  nach  dem  Maassstabe  des  jüdischen  Rechtes, 
wie  die  Verurtheilung  Jesu  Christi  zeigt '''^^).  Selbst  römische  Bürger 
waren  von  den  Anforderungen  des  jüdischen  Gesetzes  nicht  ganz 
eximirt.  Zwar  als  der  Procurator  Festus  den  Apostel  Paulus  nach 
jüdischem  Rechte  aburtheilen  wollte,  scheiterte  dies  an  dem  Wider- 
spruch des  Apostels  (vgl.  oben  S.  4  67  f.).  Aber  das  jüdische  Gesetz, 
dass  ein  Heide  den   inneren  Vorhof  des  Tempels  nicht  betreten 


—  Die  singulare  Stellung  Judäa's  hebt  Geib  (Gesch.  des  römischen  Criminal- 
processes  S.  485  f.)  viel  zu  einseitig  liervor:  „Bios  eine  Provinz,  ....  Judäa 
nämlich,  machte,  wenigstens  in  der  früheren  Kaiserzeit,  von  allen  bisher  be- 
schriebenen Einrichtungen  eine  Ausnahme.  Während  nämlich  in  den  übrigen 
Provinzen  die  gesammte  Criminaljurisdiction  in  den  Händen  des  Statthalters 
vereinigt  war,  und  blos  in  den  allerwichtigsten  Fällen  die  obersten  Reichs- 
behörden, sowie  in  den  allerunbedeutendsten  Sachen  die  Municipalbeamten  zu 
■entscheiden  hatten,  war  es  hier  Grundsatz,  dass  wenigstens  wegen  Religions- 
verbrechen der  Hohepriester  mit  dem  Synedrium  selbst  Todesurtheile  aus- 
sprechen durfte,  zu  deren  Vollziehung  jedoch  wieder  die  Bestätigung  des  rö- 
mischen Procurators  erfordert  wurde".  —  Diese  Darstellung  von  Geib  ist  des- 
halb unzutreffend,  weil  er  die  Lage  Judäa's  in  der  früheren  Kaiserzeit  ver- 
gleicht mit  den  allgemeinen  Zuständen  der  späteren  Kaiserzeit.  Vgl.  da- 
gegen Mommsen  und  Mitteis  a.  a.  O. 

123)  Mommsen,  Römisches  Staatsrecht  HI,  1,  S.  748:  „Dem  materiellen 
Umfange  nach  ist  die  Competenz  der  einheimischen  Behörden  und  Gerichte 
in  den  Unterthanengemeinden  schwerlich  enger  bemessen  gewesen  als  in  den 
fÖderirten;  wie  in  der  Verwaltung  und  der  Civiljurisdiction  finden  wir  die- 
selben auch  im  Administrativprocess  und  in  Crimiualsachen  thätig". 

124)  Näheres  s.  Bd.  II,  S.  208-210. 

Schürer,  Gescbiclite  I.  3.  u.  -4.  Aufl.  31 


482  §  1'^-  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).    [402. 403] 

dürfe,  war  von  der  röniisclien  Behörde  anerkannt;  und  ein  Jeder, 
der  es  übertrat,  wurde  mit  dem  Tode  bestraft,  selbst  wenn  er 
römischer  Bürger  Avar^-^).  —  Eine  Einschränkung  dieser  weit- 
gehenden Competenz  —  freilich  eine  sehr  wesentliche  —  lag  nur 
darin,  dass  der  Procurator  und  dessen  Organe  jederzeit  nach  eigenem 
Ermessen  eingreifen  konnten. 

Der  jüdische  Cultus  wurde  nicht  nur  geduldet,  sondern  stand, 
wie  die  ebengenannte  Bestimmung  in  Betreif  des  Tempels  zeigt, 
unter  staatlichem  Schutz  '26).  Der  kosmopolitische  Zug,  welcher  | 
die  damalige  heidnische  Frömmigkeit  charakterisirt,  machte  es  sogar 
möglich,  dass  vornehme  Eömer  für  den  jüdischen  Tempel  Weih - 
gesc henke  stifteten  und  Opfer  daselbst  darbringen  Hessen '-'). — 
Die  staatliche  Aufsicht  über  den  Tempel,  namentlich  auch  über 
die  umfangreiche  FinanzverAvaltung  desselben,  scheint  in  den  Jahren 
6—41  n.  Chr.  durch  die  römischen  Behörden  geführt  worden  zu 
sein.  In  den  Jahren  44 — 66  n.  Chr.  war  sie  denselben  jüdischen 
Fürsten  übertragen,  welche  auch  das  Eecht  hatten,  die  Hohen- 
priester zu  ernennen,  nämlich  dem  Herodes  von  Chalcis  und  dann 


125)  Jos. Bell.  Jud.y  1,2,  A;  bestätigt  durch  die  von  Clermont-Ganneaii 
gefundene  Inschrift.  Vgl.  Bd.  II,  S.  200,  272  f.  —  Dieser  Punkt  ist  auch  für 
die  Beurtheilung  des  Processes  Pauli  von  Wichtigkeit.  Denn  eine 
Hauptanklage  der  Juden  war  eben  die,  dass  Paulus  einen  „Griechen",  den 
Trophimus,  mit  in  den  Tempel  genommen  habe  (Apgesch.  21,  28 — 29).  Man 
suchte  also  wohl  dem  Procurator  begreiflich  zu  machen,  dass  Paulus  auch 
nach  römischem  Rechte  straffällig  sei,  da  er  gegen  jene  Specialbcstimmung 
sich  verfehlt  habe  (vgl.  bes.  Apgesch.  24,  6:  oq  xal  xo  uqov  ^nelgaasv  ßeßrj- 
küjotti).  Die  Behauptung  war  freilich  nicht  zutreffend,  da  jene  Gesetzesbe- 
stimmung nur  den  Trophimus,  nicht  den  Paulus  getroffen  haben  würde. 
Ueberdies  scheint  Paulus  den  Trophimus  in  Wahrheit  gar  nicht  mit  in  den 
Tempel  genommen  zu  haben  (vgl.  iv6fitt,ov  Apgesch.  21,  29). 

12Gj  Dieser  Schutz  erstreckte  sich  auch  auf  den  SynagogencuUus  und  die 
heiligen  Schriften.  Als  in  Dora  heidnisclie  Einwohner  in  der  jüdiscliou  Syna- 
goge eine  Statue  des  Kaisers  aufgestellt  hatten,  wurde  dem  Rathe  der  Stadt 
durch  den  Legaten  Petronius  befohlen,  die  Schuldigen  auHZulieforn  und  da- 
für zu  sorgen,  dass  solche  Störungen  in  Zukunft  nicht  wieder  vorkämen  {Jos. 
Antt.  XIX,  G,  3).  —  Ein  Soldat,  welcher  eine  Thora-llolle  muthwillig  zerrissen 
hatte,  wurde  durch  den  Procurator  Cumanus  hingerichtet  (Jos.  Antt,  XX,  5,  4. 
Bell.  Jud.  II,  12,  2). 

127)  öelbnt  der  Kaiser  Augustus  und  seine  Gemahlin  schenkten  dem 
Tempel  zu  Jerusalem  eherne  Weiukrüge,  dx^iazoipopoi  {Bell.  Jud.  V,  13,  G) 
und  andere  kostbare  Weihgeschenke  (Philo,  Let/at.  ad  Cojitni  8  23  u.  40,  cd. 
Mang.  II,  5(J9  init.,  592  fin.).  —  Marcus  Agrippa  stiftete  bei  seinem  Besuche 
10  Jerusalem  Weihgeschenke  (Philo,  Leg.  ad  Citjtim  g  37,  Mang.  II,  589),  und 
Hess  ein  Opfer  von  hundert  Rindern  darbringen  {Jon.  Antt.  XVI,  2,  1).  Auch 
Vltelliu»  opferte  daselbst  I.Jos.  Antt.  XVIII,  fi,  3).  Vgl.  (Iberhaupt  Bd.  II, 
8.  300-3CXi. 


[403. 404]   §  17.  c.  Judäa  unter  römiechen  Prociiratoren  (6—41  n.  Chr.).  483 

dem  Agrippa  II  i'^^).  Eine  Beschränkung  der  Cultusfreiheit,  die  an 
sich  sehr  liarmlos  war,  aber  von  den  Juden  drückend  empfunden 
wurde,  wurde  im  J.  36  beseitigt.  In  den  Jahren  6—36  nach  Chr. 
war  nämlich  das  Praclitgewand  des  Hohenpriesters  im  Gewahrsam 
des  römischen  Commaudauten  der  Burg  Antonia  und  wurde  nur 
viermal  im  Jahre  (an  den  drei  Hauptfesten  und  am  Versöhnungs- 
tage) zur  Benützung  ausgeliefert.  Auf  die  Bitten  der  Juden  ver- 
fügte Vitellius  im  J.  36  n.  Chr.  die  Freigebung  des  Gewandes.  Und 
als  der  Procurator  Cuspius  Fadus  im  J.  44  das  Gewand  wieder 
unter  römischen  Verschluss  bringen  wollte,  erwirkte  eine  jüdische 
Gesandtschaft  in  Rom  ein  Rescript  des  Kaisers  Claudius,  durch 
welches  die  Verfügung  des  Vitellius  bestätigt  wurde  •'-^). 

Auf  die  religiösen  Anschauungen  der  Juden  wurde  weit- 
gehende Rücksicht  genommen.  Während  in  allen  anderen 
Provinzen  der  Kaisercultus  eifrig  betrieben  und  dieser  Beweis 
der  Ehrerbietung  auch  als  selbstverständlich  vom  Kaiser  bean- 
sprucht 1  wurde,  ist  an  die  Juden  ein  dahingehendes  Ansinnen  — 
mit  Ausnahme  der  Zeit  Caligula's  —  niemals  gestellt  worden.  Man 
begnügte  sich  damit,  dass  täglich  zweimal  im  Tempel  zu  Jerusalem 
„für  den  Cäsar  und  das  römische  Volk''  geopfert  wurde. 
Das  Opfer  bestand  (für  den  Tag  im  Ganzen)  aus  zwei  Lämmern 
und  einem  Rind,  und  ist  nach  Philo  von  Augustus  selbst  Ix  xmv 
i6i(av  jiQoooöwv  gestiftet  worden,  während  Josephus  der  Meinung 
ist,  dass  es  auf  Kosten  des  jüdischen  Volkes  dargebracht  werde '^o). 
Auch  bei  ausserordentlichen  Veranlassungen  bethätigte  das  jüdische 
Volk  seine  loyale  Gesinnung  durch  grosse  Opfer  für  den  Kaiser'^'). 
In  der  Diaspora  sind  auch  in  den  Vorhöfen  der  Synagogen  Ehren- 
geschenke für  die  Kaiser  aufgestellt  worden '^^^^  —  Nächst  dem 


128)  Herodes  von  Chaleis:  Jos.  Aiitt.  XX,  1,  3  (t^v  i^ovaiav  tov  veai  xal 
rcüp  is^div  xQ^ßai^ov).  —  Agrippa  II :  Äntt.  XX,  9,  7  (t^v  im/xiXecav  xov  Isqov). 
—  Ueber  die  Finanzverwaltung  des  Tempels  s.  Bd.  II,  S.  266—271. 

129)  Jos.  Äntt.  XVIII,  4,  3.  XX,  1,  1—2.  Vgl.  XV,  11,  4.  —  Vgl.  über 
dieses  Praclitgewand  des  Hohenpriesters  Bd.  II,  S.  263  f.  Bei  der  Eroberung 
Jerusalems  durch  Titus  fiel  es  in  die  Hände  der  Römer  (Jos.  Bell.  Jud.  VI,  8,  3). 

130)  Philo,  Legat,  ad  Cajum  §  23  und  40  {Mang.  II,  569.  ö92).  Joseph. 
Bell.  Jud.  II,  lü,  4.  17,  2-4.  Cmtra  Apion.  II,  6  fin.  Näheres  s.  Bd.  II, 
S.  303  f. 

131)  So  dreimal  zur  Zeit  Caligula's,  Philo,  Legat,  ad  Cajum  §  45  {Mang. 
II,  598);  vgl.  auch  §  32,  M.  II,  580  (Opfer  beim  Regierungsantritt). 

132)  Philo,  Legat,  ad  Cajum  §  20  {Mang.  II,  565):  Mit  den  Synagogen  haben 
die  Alexandriner  zugleich  zerstört  raq  xwv  avroxQdxÖQwv  rtfxäg  aaniömv  xal 
axeipavwv  mr/Qvavjv  xal  axrjXwv  xal  iniyQatpwv.  Li  Flaccum  §  7  {ed.  Mang. 
II,  524):  „Wenn  man  die  Juden  der  Proseuchen  (Synagogen)  beraubt,  so  macht 
man  ihnen  auch  unmöglich  t^v  dq  xovq  (vf^ytiag  fvaeßeiav  ....  ovx  sxovxeg 
iSQoig  nfQißöXovg  oiq  ivöiaS^ijoovxai  x6  svx^Qtaxov Man  giebt  nicht,  sondern 

31* 


484  §1^-  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6 — 41  n.  Chr.).  [404] 

Kaisercultus  waren  für  die  Juden  besonders  austössig  die  Kaiser- 
bilder auf  den  Münzen  und  den  Feldzeichen  der  Soldaten. 
Auch  hierin  sind  sie  mit  Schonung  behandelt  worden.  Es  war 
zwar  nicht  zu  vermeiden,  dass  römische  Denare  mit  dem  Bilde 
des  Kaisers  in  Judäa  circulirten  {Ev.Mt.22,20.  il/c.  12, 16.  Lc.  20, 24), 
denn  Silber-  und  Goldmünzen  wurden  in  Judäa  nicht  geprägt. 
Aber  die  im  Lande  hergestellten  Kupfermünzen  trugen  auch  zur 
Zeit  der  römischen  Herrschaft  wie  unter  den  Herodianern  kein 
menschliches  Bild,  sondern  nur  den  Namen  des  Kaisers  und  un- 
schuldige Embleme '3^).    Die  Truppen  pflegten  in  Jerusalem  ohne! 


raubt  dadurch  roiq  xvgloig  rtfujv.  Denn  die  Proseuchen  sind  für  alle  Juden 
OQfiTjti^Qicc  TTJq  flg  xbv  asßaaxov  olxov  oai6xr}xo<;  ....  twv  rifüv  dvaiQs&eiacüv 
xig  STSQoq  dnoXelnexai  xonoq  ?}  XQonoq  xififjq;"  Vgl.  über  die  Aufstellung  von 
Ehrengeschenken  in  den  Vorhöfen  der  Synagogen  auch  unten  Bd.  III,  S.  52  f. 
133)  Vgl.  über  die  in  Judäa  zur  Zeit  der  Procuratoren  geprägten  Münzen : 
Eckhel,  Doctr.  Num.  III,  iQl  sq.  —  Mionnet,  Descript.  de  medailles  V,  552 
bis  555.  Suppl.  VIII,  377.  —  Cavedoni,  Bibl.  Numismatik  I,  Ü4-73,  150—162. 
—  De  Saulcy,  Revue  Numismatique  1853,  p.  186—201.  —  Ders.,  Recherches  etc. 
(1854)  p.  138—146,  149s«?.  pl.  VIII— IX.  —  Cavedoni,  Bibl.  Numism.  II,  39 
bis  53.  —  Mommsen,  Gesch.  des  röm.  Münzwesens  (1860)  S.  719.  —  Levy, 
Gesch.  der  jüd.  Münzen  S.  74—79.  —  Madden,  History  p.  134—153.  —  Ca- 
vedoni in  Grote's  Münzstudien  V,  27—29.  —  De  Saulcy,  Numismatique  de 
la  Terre  Sainte  (1874)  p.  69—78,  pl.  III— IV.  —  Madden,  Numismatic  Ckro- 
nicle  1875,  p.  169—195.  —  Madden,  Coins  of  the  Jeics  p.  170—187.  —  Stickel, 
Zeitschr.  des  deutschen  Palästina- Vereins  VIT,  1884,  S.  212—213.  —  Pick, 
Zeitschr.  für  Numism.  Bd  XIV,  1887,  8.  306—308.  —  Kaestner,  De  aeris 
quae  ab  imperio  Caesaris  Oetaviani  constituto  initium  dnxerint,  Diss.  Lips.  1890, 
p.  28 — 34.  —  Auf  den  Münzen  des  Augustus  mit  der  Aufschrift  KalaccQoq 
finden  sich  die  Jahreszahlen  33,  30,  39,  40,  41.  Wenn  die  Zalil  33  richtig  ge- 
lesen ist,  so  muHs  man,  wie  zuerst  Mommsen  vermuthet  hat,  die  augusteische 
Vera  vom  1.  Januar  727  a.  U.  =  27  vor  Chr.  als  Ausgangspunkt  annehmen. 
xiiernach  fallen  die  Münzen  in  die  Jahre  759—767  a.  U.  =  6  —  14  nach  Chr., 
WHH  genau  zu  den  liistoriHchen  Verhältnissen  stimmt.  Wegen  der  Uugewöhn- 
Hchkeit  dieser  Aera  bezweifelt  Pick  (Zeitschr.  f.  Numism.  XIV,  .306-308)  die 
Existenz  von  Münzen  mit  der  Zahl  33  und  nimmt,  wie  schon  ältere  Numis- 
matiker, die  actisclie  Aera  vom  Herbst  723  a.  U.  als  Ausgangspunkt  an.  Dann 
iMt  30—758/759  a.  U.  Die  Existenz  der  Jahreszalil  33  scheint  aber  gesichert. 
8.  heu.  Mad<len  und  Stickel  a.  a  0.  Am  unwahrHchcinlicIisteii  ist  die 
Meinung  von  Kaestner,  dass  die  Prägung  dieser  Münzen  sdion  unter  Arche- 
lans  begonnen  hal)e  fa.  a.  O.  8.  33),  denn  wir  haben  von  diesem  Fürsten  ja 
eigene  Münzen.  —  Die  Münzen  des  Tiberius  (mit  dem  meist  in  Abkürzung 
genchriclicncn  Namen  TißtQlov  KahaQoq)  sind  nach  Regierungsjahren  des 
TilieriuK  datirt;  es  finden  sieh  <lie  Zahlen  2,  3,  4  bis  18.  Auf  numchen  er- 
Nchcint  der  Name  der  Julia  nebc-ti  dem  des  Tilxtrius,  und  zwar  bis  zum 
10.  Jahre  des  Til)eriuH  —  2!»  n.  (üir.,  (hm  Todesjahre  der  Julia  (Livia)  Maiuhe 
Mflnzen  trng«-rj  nur  den  NauHiU  <l(;r  Julia.  Münzen  des  Claudius  giebt  es 
▼om  13.  und  14.  Jnliro   seiner  Regierung,   Münzen   des   Nero   vom  5.  Jahre. 


[405. 406]    §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6  - 41  n.  Chr.).  485 

die  Feldzeichen  mit  den  Kaiserbildern  einzuziehen.  Der  muth- 
willige  Versuch  des  Pilatus,  diese  Sitte  zu  durchbrechen,  scheiterte 
au  dem  zähen  Widerstand  des  Volkes;  Pilatus  sah  sich  selbst  ge- 
nothigt,  die  Kaiserbilder  wieder  aus  Jerusalem  zurückzuziehen  *3^). 
Als  der  Legat  von  Syrien  Vitellius  gegen  den  Araberkönig  Aretas 
zu  Felde  zog,  richtete  er  auf  die  dringenden  Vorstellungen  der 
Juden  seine  Marschroute  so  ein,  dass  die  Truppen  mit  den  Kaiser- 
bildern den  Boden  Judäa's  nicht  berührten  ^^s^i 

Soweit  es  sich  um  die  staatlichen  Einrichtungen  und  die  An- 
ordnungen der  höchsten  Behörden  handelte,  konnten  sich  also  die 
Juden  über  Mangel  an  Rücksichtnahme  nicht  beklagen.  Anders 
gestaltete  sich  freilich  die  Praxis.  Der  römische  Durchschnitts- 
beamte war  immer  wieder  geneigt,  über  diese  zarten  Rücksichten 
sich  hinwegzusetzen.  Und  das  Unglück  wollte  es,  dass  Judäa,  be- 
sonders in  den  letzten  Decennien  vor  dem  Kriege,  mehr  als  einen 
Statthalter  erhielt,  dem  die  Begrifl'e  von  Recht  und  Unrecht  ab- 
handen gekommen  waren.  Ueberdies  waren  auch  bei  der  peinlich- 
sten Schonung  der  jüdischen  Anschauungen  und  Gefühle  die  Ver- 
hältnisse an  sich  nach  jüdischen  Begriffen  ein  Hohn  auf  alles  höhere 
göttliche  Recht  des  auserwählten  Volkes,  das  —  anstatt  dem  Cäsar 
in  Rom  den  Zins  zu  zahlen  —  vielmehr  dazu  berufen  war,  über 
die  Völkerwelt  zu  herrschen '^^). 

Welch  schwierige  Aufgabe  die  Römer  sich  selbst  mit  der  Ein- 
verleibung von  Judäa  gestellt  hatten,   mussten  sie  gleich  bei  der 


Auf  letzteren  steht  nur  der  Name  des  Kaisers,  auf  denen  des  Claudius  auch 
der  seiner  Gemahlin  Julia  Agrippina. 

134)  Jos.  Antt.  XVIII,  3,  1.  B.  J.  II,  9,  2—3.  —  In  Betreff  der  militäri- 
schen Feldzeichen  sind,  wie  namentlich  Domaszewski  gezeigt  hat  (Doraa- 
szewski,  Die  Fahnen  im  römischen  Heere,  Abhandlungen  des  archäol.-epigr. 
Seminares  der  Universität  Wien,  5.  Heft  1885),  zwei  Kategorien  zu  unterschei- 
den: 1)  diejenigen,  welche  taktischen  Zwecken  dienten,  und  2)  diejenigen,  welche 
nur  symbolische  Bedeutung  hatten.  Erstere  bildeten  die  Hauptmasse;  zu  letz- 
teren gehören  die  Adler  der  Legionen  und  die  signa  mit  den  Kaiserbildem. 
[Den  Adlern  glaubt  indessen  Mommsen  auch  eine  gewisse  taktische  Bedeu- 
tung zuschreiben  zu  sollen,  s.  Archäologisch-epigraphische  Mittheilungen  aus 
Oesterreich-Uugarn  Jahrg.  X,  1886,  S.  1  ff.].  Die  Kaiserbilder  hatten  die  Form 
von  Medaillons  und  waren  an  gewöhnlichen  signis  befestigt.  Sowohl  bei  den 
Legionen  als  bei  den  Auxiliar-Cohorten  werden  imaginiferi  erwähnt  (Verzeich- 
niss  bei  Cauer,  Ephemeris  epi[ir.  IV,  p.  372—374).  —  Die  früheren  Procura- 
toren hatten  also  nur  die  nicht  mit  Kaiserbildern  versehenen  signa  (d.  h.  die 
gewöhnlichen,  zu  taktischen  Zwecken  dienenden)  mit  nach  Jerusalem  genom- 
men; Pilatus  aber  auch  die  Kaiserbilder. 

135)  Jos.  Antt.  XVIII,  5,  3. 

13G)  Dies  war  wenigstens  die  populäre  Anschauung.    An  sich  konnte  man 


486  §  ^7.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).    [406. 407] 

ersten  Verwaltimgsmaassregel,  welche  sie  daselbst  vornahmen,  er- 
fahren. Der  Kaiser  hatte  gleichzeitig  mit  dem  ersten  Procurator 
von  Judäa  Coponius  auch  einen  neuen  Legaten  Quir in ius  nach 
Syrien  gesandt.  Des  letzteren  Aufgabe  war  es  nun,  in  dem  neu- 
gewonnenen Gebiet  einen  Census  der  Bevölkerung  vorzunehmen, 
damit  die  Abgaben  nach  römischer  Weise  festgestellt  werden  konnten. 
Aber  kaum  hatte  Quirinius  (im  J.  6  oder  7  n.  Chr.)  mit  der  Aus- 
führung dieser  Maassregel  begonnen,  als  ihm  auch  allenthalben 
Widerstand  entgegentrat.  Nur  den  beschwichtigenden  Vorstellungen 
des  Hohenpriesters  Joazar,  der  wohl  einsah,  dass  oifener  Aufruhr 
zu  Nichts  führen  würde,  war  es  zu  danken,  dass  der  anfängliche 
Widerstand  allmählich  aufgegeben  wurde  und  man  mit  stummer 
Resignation  sich  in  das  Unvermeidliche  fügte,  so  dass  der  Census 
schliesslich  doch  vorgenommen  werden  konnte  '3^).  Aber  es  war 
kein  dauernder  Friede,  sondern  nur  Waftenstillstand  auf  unbe- 
stimmte Dauer.  Judas  aus  Gamala  in  Gaulanitis,  genannt  der 
Galiläer  ]  (sicherlich  identisch  mit  jenem  Judas,  Sohn  des 
Ezechias,  den  wir  oben  S.  420  f  bereits  kennen  lernten),  machte  es 
sich  in  Gemeinschaft  mit  einem  Pharisäer  Namens  Sadduk  zur 
Aufgabe,  das  Volk  zum  Widerstand  zu  reizen  und  im  Namen  der 
Religion  Abfall  und  Aufruhr  zu  predigen.  Sie  hatten  zwar  un- 
mittelbar keinen  durchschlagenden  Erfolg.  Aber  sie  erreichten 
doch  so  viel,  dass  sich  von  nun  an  von  den  Pharisäern  eine 
strengere,  fanatische  Partei  abzweigte,  die  der  patriotisch  Ent- 
schiedeneu oder,  wie  sie  sich  selbst  nannten,  der  Eiferer  oder 
Zeloten,  welche  nicht  in  stiller  Ergebung  abwarten  wollten,  bis 
durch  Gottes  Fügung  die  messianische  Hoifnung  Israels  sich  er- 
fülle, die  vielmehr  zu  deren  Verwirklichung  das  Schwert  ergreifen 
und  den  Kampf  mit  dem  gottlosen  Feind  aufnehmen  wollten '^^). 

freilich  von  denselben  religiösen  Prämissen  aus  auch  zu  dem  entgegengesetzten 
Resultate  kommen:  nümlich  dass  auch  das  heidnische  Regiment  von  Gott  ge- 
sandt sei  und  das«  man  sich  ilim  fügen  müsse,  so  lange  es  Gott  gefalle.  Aber 
diese  Betrachtung  ist  in  den  Jahren  6—06  n.  Chr.  je  länger  desto  mehr  zum 
(ilaubon  einer  Minderheit  geworden.  Vgl.  überhaupt  über  die  Stellung  des 
FhariMäiHmus  zur  Politik:  Bd.  II,  S.  805  f. 

137)  Nach  Anit.  XVIII,  2, 1  im  37.  Jahre  der  aera  Aetiaca  —  Herbst  769/700 
a.  U.  oder  0/7  nach  Chr.  Die  actische  Aera  beginnt  d.  2.  Sept.  723  o.  V.  « 
31  V,  Chr.  Vgl.  über  ihren  Gebranch  in  Syrien  oben  8.  322.  —  Die  Zeit- 
angabe des  JosepliUH  wird  dadurch  l)estätigt,  daHH  nach  DIo  Cass.  LV,  27 
Arc'hulftUH  im  J.  0  n.  Chr.  abgesetzt  wonh^n  war  (s.  oben  8.  453). 

138)  ZtjXmval,  vgl.  /w/o.  6,  16.  Act.  1,  13.  Bell.  Jud.  IV,  3,  9.  5,  1.  6,  3. 
VII,  8,  1.  —  Für  bibiisch-bebr&isch  «yp  findet  sich  im  späteren  Hebräisch  auch 
•«IP  und  l^pp  (•.  Buxiarf,  Lex.  ChcM.,  Levy,  Chahl.  Würtcrb.,  Dcrs.,  Ncuh(!br. 
Wört«rb.).    Von  letzterer  Form  Ut  durch  Vormittelung  des  Pltaal.  i<*3K3p  das 


[407,408]   §17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (G— 41  n.  Chr.).  487 

Ihren  Umtrieben  ist  es  zuzuschreiben,  dass  das  Feuer  des  Auf- 
ruhrs von  jetzt  an  ununterbrochen  unter  der  Asche  fortgliiunite, 
bis  es  endlich  60  Jahre  später  zur  mächtigen  Flamme  empor- 
loderte'39). 

Von  Coponius  und  seinen  Nachfolgern  ist  uns  zum  Theil 
nicht  mehr  als  der  Name  bekannt.  Im  Ganzen  waren  es  sieben 
Procuratoren,  welche  vom  J.  6 — 41  n.  Chr.  Judäa  verwalteten: 
l)  Coponius  etwa  6 — 9  nach  Chr.,  2)  Marcus  Ambibulus  {codd. 
Ufißißovxogy^^)  etwa  9—12  n.  Chr.,  3)  Annius  Rufus  etwa  12—15 
n.  Chr.,  4)  Valerius  Gratus  15—26  n,  Chr.,  5)  Pontius  Pilatus 
26—36  n.Chr.,  6)  Marcellus  36-37  n.Chr.,  7)  MaruUus  37— 41 
n.  Chr.^^').    Die  lange  Amtszeit  des  Valerius  Gratus  und  Pontius 


griechische  KavavaZoq  gebildet,  wie  Mt.  10,  4,  Mc.  .3,  18  zu  lesen  ist  statt  rec. 
KavavlzTjQ.  —  In  der  Mischna  Sanhedrin  IX,  0  und  Aboth  der abbi  Nathan  c.  G: 
*pX3p  oder  B'^SSj?.  Doch  sind  an  ersterer  Stelle  nicht  politische,  sondern  reli- 
giöse Eiferer  gemeint.  —  Vgl.  überhaupt:  Oppenheim,  Die  Kannaim  oder 
Zeloten  (Fürst's  Literaturblatt  des  Orients  1S49,  co/.  289— 202.  Press el  Art. 
„Zeloten"  in  Herzog's  Real-Enc.  1.  Aufl.  XVIII,  485 — 489.  Derenbourr/, 
Histoire  de  la  Palest  ine  p.  238.  Holtzmann  in  Schenkel's  Bibellex.  V,  707 
bis  709.  Reuss,  Gesch.  der  heil.  Schriften  A.  T.'s  §  560.  Hamburger, 
Real-Enc.  für  Bibel  und  Talmud  II.  Abth.  S.  12SG-1296.  Sieffert  in  Her- 
zog's Real-Enc.  2.  Aufl.  XVII,  488—491.  Wolf,  Curae  phil.,  Kuinoel, 
Fritzsche,  Meyer,  Bleek  und  andere  Ausleger  zu  Mt.  10,  4. 

139)  Vgl.  überhaupt:  Äntt.  XVIII,  1,  1  und  G.  B.  J.  II,  8,  1.  Apgesch. 
5,  37.  Art.  „Judas"  in  den  biblischen  Wörterbüchern.  Chr.  Alfr.  Körner, 
Judas  von  Gamala  (Jahresbericht  der  Lausitzer  Prediger-Gesellschaft  zu  Leip- 
zig 1883/84,  S.  5—12).  —  Auch  die  Nachkommen  des  Judas  thaten  sich  als  Ze- 
loten hervor.  Seine  Söhne  Jakobus  und  Simon  wurden  durch  Tiberius 
Alexander  hingerichtet  {Antt.  XX,  5,  2);  sein  Sohn  Menachem  (Manaim)  war 
einer  der  Hauptführer  beim  Beginn  des  Aufstandes  im  J.  66  (B.  J.  II,  17, 
8—9).  Ein  Nachkomme  des  Judas  und  Verwandter  des  Menachem  Namens 
Eleasar  leitete  die  Vertheidigung  von  Masada  im  J.  73  (B.  J.  II,  17,  9.  VII, 
8,  Iff.).  —  Ein  literarisches  Denkmal  der  zelotischen  Anschauungen  und 
Hoflnungen  ist  die  um  jene  Zeit  entstandene  Assumptio  Mosis  (s.  Bd.  III, 
213—222). 

140)  Das  von  den  Handschriften  überlieferte  Afxßißovxoq  ist  sicher  verderbt. 
Casaubonus  hat  Ambivius  vermuthet,  was  fast  alle  Herausgeber,  auch  noch 
Naber,  aufgenommen  haben.  Näher  liegt  Niese's  Vermuthung  Ambibulus. 
Ueber  das  Vorkommen  dieses  Namens  s.  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  s.  v.  (ein 
C.  Egrjkis  Ambibulus  war  Consul  im  J.  126  nach  Chr.,  ein  Varius  Ambibuhis 
wird  als  Consul  erwähnt  Corp.  Inser.  Lat.  X  n.  3864). 

141)  Vgl.  Antt.  XVIII,  2,  2.  4,  2.  6,  10  fin.  —  Die  Amtszeit  der  drei  ersten 
lässt  sich  nur  ungefähr  bestimmen.  Die  der  beiden  folgenden  ergiebt  sich 
daraus,  dass  Valerius  Gratus  11  Jahre  (XVIII,  2,  2),  Pontius  Pilatus 
10  Jahre  (XVIII,  4,  2)  im  Amte  war.  Pilatus  aber  wurde  abgesetzt,  ehe  Vi- 
tellius  zum  erstenmale  in  Jerusalem  war,  d.  h.  kurz  vor  Ostern  36  (wie  sich 
aus  der  Vergleichung  von  Antt.  XVIII,  4,  3  mit  5,  3  ergiebt).     Die  Amtszeit 


488  §17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (G — 41  n.  Chr.).    [408.409] 

Pilatus  entspricht  den  allgemeinen  Grundsätzen,  nach  welchen 
Tiberius  überhaupt  bei  Ernennung  von  Statthaltern  verfuhr.  Er 
liess  sie  im  Interesse  der  Provinzen  möglichst  lange  auf  ihren 
Posten,  weil  er  meinte,  dass  die  Statthalter  es  machen,  wie  die 
Fliegen  am  Körper  eines  Vei'wundeten :  wenn  sie  sich  einmal  voll- 
gesogen haben,  sind  sie  dann  massiger  in  ihren  Erpressungen, 
während  die  Neuen  damit  immer  wieder  von  vorne  anfangen  ^^^). 

Unter  den  Genannten  ist  besonders  Pontius  Pilatus  für  uns 
von  Interesse,  nicht  nur  als  Richter  Jesu  Christi,  sondern  auch 
weil  er  der  Einzige  ist,  über  welchen  wir  durch  Josephus  und 
Philo  einiges  Nähere  erfahren  ^^3).  Philo  (oder  vielmehr  Aprippa  I 
in  dem  Briefe,  welchen  Philo  als  von  ihm  geschrieben  mittheilt) 
nennt  ihn  |  „von  Charakter  unbeugsam  und  rücksichtslos -hart" 
(tt]V  (pvGLV  axaf/JcT]g  xai  fura  rov  av&aöovg  ccf/elXiXTog)  und  stellt 
ihm  ein  sehr  übles  Zeugniss  über  seine  Amtsführung  aus.  „Be- 
stechlichkeit, Gewaltthaten,  Eäubereien,  Misshandlungen,  Kränk- 
ungen, fortwährende  Hinrichtungen  ohne  Urtheilsspruch,  endlose  und 


der  beiden  letzten  endlich  ergiebt  sich  daraus,  dass  Marullus  unmittelbar 
nach  dem  Regierungsantritte  Caligula's  (März  37)  eingesetzt  wurde  {Antt. 
XVIII,  6,  10/?«.).  —  Eusebius  behauptet  {Hist.  eccl.  I,  9),  dass  Josephus  den 
Amtsantritt  des  Pilatus  in  das  12.  Jahr  des  Tiberius  (25/26  n.  Chr.)  setze,  was 
nur  insofern  richtig  ist,  als  dieser  Ansatz  sich  aus  Josephus  erschliessen  lässt. 
In  der  Chronik  setzt  Eusebius  den  Amtsantritt  des  Pilatus  in  das  13.  Jahr 
des  Tiberius.  Vgl.  dazu  meine  Bemerkungen  Zeitschr.  für  wissensch.  Theol. 
1898,  8.  31  f.  (überh.  über  die  Benützung  des  Josephus  durch  Eusebius  ebendas. 
S.  21-42). 

142)  Jos.  Antt.  XVIII,  6,  5.  —  Die  Fürsorge  für  die  Provinzen  bezeugt 
auch  Buetonius  {Tiber.  32:  praesidibus  onerandas  iributo  provincias  suadentibus 
rescripsit :  boni  pastoris  esse  tondere  pccns,  non  def/lubcre) ;  die  langen  Verwal- 
tungen auch  Tacitus  {AnTtat.  I,  80.  IV,  G).  Zur  Würdigung  des  Tiberius  vgl. 
auch  Keim's  Artikel  in  Schenkel's  BibcUexikon  V,  528—535. 

143)  Vgl.  über  ihn  ausser  der  oben  (S.  450)  genannten  Literatur:  Moti- 
vier,  De  Poniii  Pllati  in  causa  servatoris  agendi  ratioiie,  Ltigd.  Bat.  1825.  — 
Leyrer,  Art.  „Pilatus"  in  Herzog's  Beal-Enc.  —  Klöpper  in  Schcnkors 
Bibellcx.  IV,  581—585.  —  Renan,  Leben  Jesu  8.  338 f.  —  Warneck,  Pon- 
tius PilatUK  der  Richter  Jesu  Christi.  Ein  Gemälde  aus  der  Leidcnsgoscliichte. 
(210  S.  gr.  8.)  Gotha,  Perthes,  1867.  —  Woltjcr,  Pimtim  Pilatus,  ecnc  stndie, 
Amsterdam  1888.  —  Arnold.  Die  neronische  Christcnverfolgung  1888,  H.  llö 
bin  120  (Ober  die  Erwähnung  de«  Pilatus  bei  Tacit.  Annal,  XV,  44).  —  Gustav 
Adolf  Müller,  Pontius  Pilatus  der  fünfte  Procurator  von  Judiiii  und  Richter 
Jewi  von  Nazari'tli,  Htuttg,  1888  (gicbt  8.  V— VIII  ein  Vcrzcit  liniss  der  Spc- 
7.iHilit4THtur  ül)er  Pilatus,  vom  Beginn  der  BuchdruckcrkiiuHl  l)iH  zur  Gegen- 
wart, mehr  aln  hundert  Nummern!).  —  Hcluial»,  J'oiitiuH  IMlatus,  ein  Zeit- 
bild, 18iJ2,  (118  8.).  —  Purves,  Art.  J'ilate  in  Ihstings'  Jh'ctionar;/  of  (hr  IHhlr 
IM,  Hirirt, 


[409]  §  17.  c.  Judäa  unter  römißchen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  4g9 

unerträgliche  Grausamkeiten''  wirft  er  ihm  vor^*^).  Gleich  die 
erste  Handlung,  mit  welcher  sich  Pilatus  in  sein  Amt  einführte, 
war  charakteristisch  für  ihn,  den  Verächter  jüdischer  Sitten  und 
Privilegien.  Es  war  von  den  früheren  Procuratoren  stets  beob- 
achtet worden,  die  Truppen  ohne  die  Feldzeichen  mit  den  Kaiser- 
bildern in  Jerusalem  einziehen  zu  lassen,  um  nicht  durch  die- 
selben die  religiösen  Gefühle  der  Juden  zu  verletzen  (vgl.  hierüber 
oben  S.  484f.).  Pilatus  dagegen,  dem  solche  Schonung  als  unwürdige 
Schwäche  erscheinen  mochte ,  liess  die  Besatzung  von  Jerusalem 
bei  Nacht  mit  den  Kaiserbildern  in  die  Stadt  einziehen.  Als  das 
Volk  die  Sache  gewahr  wurde,  zog  es  in  hellen  Haufen  nach 
Cäsarea  und  bestürmte  den  Procurator  fünf  Tage  und  Nächte  lang, 
den  Gräuel  zu  beseitigen.  Endlich  am  sechsten  Tage  beschied 
Pilatus  das  Volk  in  die  Rennbahn,  in  welche  er  gleichzeitig  eine 
Abtheilung  Soldaten  beorderte.  Als  nun  die  Juden  auch  hier 
wieder  ihre  Klagen  fortsetzten,  gab  er  ein  Zeichen,  auf  welches 
hin  die  Soldaten  von  allen  Seiten  die  Menge  mit  gezücktem  Schwerte 
umringten.  Aber  die  Juden  blieben  standhaft,  entblössten  ihren 
Nacken  und  erklärten,  lieber  sterben  zu  wollen,  als  die  Gesetzes- 
verletzung zuzugeben.  Da  mochte  dem  Pilatus  weiterer  Wider- 
stand doch  bedenklich  erscheinen,  und  er  gab  Befehl,  die  anstössigen 
Bilder  aus  Jerusalem  zu  entfernen  ^^^). 

Einen  neuen  Sturm  erregte  es,  als  er  einst  zu  dem  jedenfalls 
sehr  nützlichen  Bau  einer  Wasserleitung  nach  Jerusalem  die 
reichen  Schätze  des  Tempels  verwendete.  Ein  solcher  Eingriff  in 
den  heiligen  Schatz  war  nicht  minder  anstössig,  als  die  Aufstellung 
der  Kaiserbilder.  Als  er  daher  während  des  Baues  einst  nach 
Jerusalem  kam,  wurde  er  wieder  von  einer  klagenden  und  schreien- 


144)  Philo,  De  legatione  ad  Cajum  §  38  ed.  Mang.  II,  590:  raq  öwgoSoxlaq, 
taq  vßgetg,  tag  aQnayaq,  zug  ulxiag,  tag  inTjQfiag,  rovg  dxQixovg  xal  inaXXr^- 
/.oig  (fövovg,  xljV  dvi]vvxov  xal  dQya?.t(uTdtTjv  cjfxotrjxa. 

145)  Äntt.  XVIII,  3,  1.  B.  J.  II,  9,  2—3  =  Euseb.  Hist.  eccl.  II,  6,  4.  — 
Nach  Euseb.  Demonstr.  evanff.YllJ  p.  A03  ist  diese  Geschichte  auch  von  Philo 
berichtet  worden  in  den  uns  nicht  erhaltenen  Partieen  seines  Werkes  über  die 
Judenverfolgungen  unter  Tiberius  und  Caligula  [avxu  örj  xavxa  xal  6  4>lXwv 
ovfxuoQXVQH,  rüg  arjfiaiag  (päaxwv  ras  ßaaihxdg  xov  HiXüxov  vvxxwq  av  xoj 
\tQM  uraütlvai).  Vgl.  hierzu  Bd.  III,  S.  528.  Dass  die  Aufstellung  der  Kaiser- 
bilder iv  xif  Uqw  geschehen  sei,  ist  dem  philonischen  Bericht  eigenthümlich 
(Josephus  spricht  nur  von  Jerusalem).  —  Nur  auf  ungenauer  Eeminiscenz  be- 
ruht es  sicher,  wenn  Origenes  von  Pilatus  sagt,  er  habe,  wie  später  auch 
Caligula,  das  Volk  zwingen  wollen  dvÖQiävxa  Kaloagog  dvai>tlvtti  iv  xw 
vaiü  {ccmm.  in  Matth.  ic7n.  XVII,  f.  25,  zu  Matth.  22,  15  fl'.).  So  auch  Hiero- 
nymus  zu  Matth.  24,  15  [Vallarsi  VII,  194):  puiest  atdtm  simph'cii^r  aut  de 
Äntickrisio  accipi  aut  de  imagine  Caesan's  quam  Pilahis  posuit  in  iemplo. 


490  §  1^'  ^'  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (G  —41  n.  Clir.).    [409.  410] 

den  Menge  umringt.  Er  hatte  aber  von  dem  beabsichtigten  Sturm 
schon  vorher  Kunde  erhalten  und  seinen  Soldaten  Befehl  gegeben,] 
in  bürgerlicher  Tracht  mit  Knütteln  bewaffnet  sich  unter  das 
"^'olk  zu  mischen.  Als  nun  die  Menge  von  Klagen  und  Bitten  zu 
Schimpfreden  überging,  gab  er  das  verabredete  Zeichen,  worauf 
die  Soldaten  die  unter  dem  Oberkleid  verborgenen  Knüttel  hervor- 
zogen und  unbarmherzig  auf  die  Menge  einhieben.  Viele  kamen 
dabei  um's  Leben.  Der  Widerstand  gegen  das  nützliche  Unter- 
nehmen war  zwar  hiermit  gebrochen;  aber  auch  der  Hass  gegen 
Pilatus  auf's  Neue  gesteigert  ^^^).  \ 


146)  Aiitt.  XVIII,  3,  2.  B.  J.  II,  9,  4  =  Euseb.  Eist  ecel.  II,  6,  6—7.  — 
Die  Länge  der  Wasserleitung  giebt  Josephus  Äntt.  XVIII,  3,  2  auf  zwei- 
hundert Stadien  an,  B.  J.  II,  9,  4  auf  vier  hundert;  so  hat  wenigstens  unser 
Josephus-Text,  die  lat.  Uebers.  und  Eusebius  {H.  E.  11,  6,  6)  haben  dagegen 
bei  Wiedergabe  der  letzteren  Stelle  dreihundert  Stadien.  Nach  diesen 
Maassangaben  kann  wohl  kein  Zweifel  sein,  dass  es  sich  um  eine  Wasser- 
leitung von  den  sogenannten  Salomonsteichen  südwestlich  von 
Bethlehem  her  handelt.  Von  dort  nach  Jerusalem  sind  im  Alterthum  zwei 
Wasserleitungen  erbaut  worden,  von  welchen  die  eine  noch  in  Trümmern  nach- 
weisbar, die  andere  im  Wesentlichen  vollständig  erlialten  ist.  1)  Die  erstere 
ist  kürzer  und  läuft  in  höherem  Niveau;  sie  beginnt  südlich  von  den  Salomons- 
teichen im  Wadi  Bijar,  geht  dann  durch  die  Teiche,  und  von  diesen  ohne 
stärkere  Krümmungen  nach  Jerusalem.  Die  Zeit  ihrer  Erbauung  oder  Er- 
neuerung lässt  sich  jetzt  mit  ziemlicher  Sicherheit  bestimmen,  da  Germer- 
Durand  auf  einem  von  ihr  herrührenden  Steine  die  Inschrift  cos.  J.  Clement. 
entdeckt  hat  {Clermont-  Oauneau,  Comptes  rendiis  de  l'Acad.  (Us  Iiiscr.  d 
Beiles -Lettres  1900,  p.  683—687  =  Recueil  d'  arcMologie  Orientale  t.  IV, 
p.  200—210.  lievue  bibliqtie  1901,  p.  106—109).  Damit  kann  nur  der  Consul  des 
Jahres  195  nach  Chr.,  Tineius  Clemens,  gemeint  sein.  Die  Erbauung  oder 
Erneuerung  lallt  also  erst  in  die  Zeit  des  Septimius  Severus,  Ende  des 
zweiten  Jahrh.  nach  Chr.  2)  Die  erhaltene  ist  länger  und  liegt  tiefer;  sie 
beginnt  noch  viel  weiter  südlich  im  Wadi  Arrub,  geht  dann  ebenfalls  durch 
die  Teiclie  und  von  diesen  in  grossen  Windungen  nach  Jerusalem.  Letztere 
Leitung  hält  Schick  für  die  jüngere,  denn  man  habe  eben  wegen  der  weiteren 
Herleitung  des  Wassers  die  in  höherem  Niveau  laufende  nicht  mehr  benützen 
können  und  daher  eine  neue  daneben  gebaut.  liire  Länge  beträgt  wegen  der 
Htarken  Windungen  nahe  an  400  Stadien,  ol)Wohl  die  directe  Linie  viel  weniger 
hIh  die  Hälfte  l)etrngen  würde.  Als  sie  schadhaft  geworden  war,  hat  man 
Mpäter  (wohl  im  Mittelalter)  Thonröhren  in  dieselbe  gelegt.  Wenn  Schick's 
A»ffa«Mung  richtig  ist,  würden  wir  in  keiner  der  beiden  Leitungen  das  Werk 
(Ion  niatuM  zu  erblicken  haben.  Aber  seine  Argumentation  ist  nicht  zwingend. 
Die  mit  geringerer  Ktuistfertigkeit  angelegte  längere  Leitung  kann  auch  die 
ältere  »ein.  Möglich  ist  auch,  dass  die  Arbeit  vom  J.  195  n.  Chr.  nur  die 
Erneuerung  einer  älteren  war.  Auf  alle  Fälle  darf  nach  der  Natur  der  Dingo 
angenommen  werden,  daas  e«  sictli  auch  bei  dem  Werk  des  Pilatus  um  eine 
I.«oitung  von  den  Balomoniiteichon  her  gehandelt  hat.  —  Im  jerusalemisclicn 
Talmud  findet  sich  die  Notiz,  dass  eine  WaBserlei tung  von  Etam  aus 
nach  dem  Tempel  führte  (j'-r-  •f<»nn   III  ful.  41,   bei    Liffhffoot,   De.icriptio 


[411]  §  17.  e.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (G— 41  n.  Chr.).  491 

Auch  das  Neue  Testament  enthält  Andeutungen  über  Volks- 
aufstände in  der  Zeit  des  Pilatus.  .,Es  kamen  einst  —  so  berichtet 
Luc.  13,  1  —  zu  Jesus  Leute,  welche  ihm  Kunde  brachten  in  Be- 
treff der  Galiläer,  deren  Blut  Pilatus  mit  ihren  Opfern  gemischt 
hatte".  Es  ist  daraus  zu  entnehmen,  dass  Pilatus  eine  Anzahl 
Galiläer,  während  sie  eben  mit  Darbringung  von  Opfern  in  Jeru- 
salem beschäftigt  waren,  niedermachen  Hess.  Doch  ist  etwas  Näheres 
über  diesen  Vorgang  nicht  bekannt.  Ebenso  wenig  wissen  wir  über 
„die  Aufrührer,  die  im  Aufruhr  einen  Mord  begangen  hatten"  [Marc. 
15,  7;  wg\.  Luc.  23,  19),  zu  welchen  u.  a.  auch  jener  Barabbas  ge- 
hörte, dessen  Freilassung  die  Juden  von  Pilatus  forderten. 

Wahrscheinlich  in  die  spätere  Zeit  des  Pilatus  fällt  ein  Ereig- 
niss,  über  welches  wir  durch  den  Brief  Agrippa's  I  an  Caligula. 
welchen  Philo  mittheilt,  Nachricht  erhalten.  Pilatus  hatte  aus  dem 
Vorfall  in  Cäsarea  zwar  gelernt,  dass  die  Aufstellung  von  Kaiser- 
bildern in  Jerusalem  gegen  die  Hartnäckigkeit  der  Juden  nicht 
durchzusetzen  sei.  Er  wollte  es  nun  wenigstens  mit  bildlosen 
Weiheschilden,  auf  welchen  der  Name  des  Kaisers  geschrieben  war, 
versuchen.  Solche  Schilde,  reich  vergoldet,  Hess  er  „weniger  um 
den  Tiberius  zu  ehren,  als  um  das  Volk  zu  betrüben"  in  dem  ehe- 
maligen Palaste  des  Herodes,  welchen  er  zu  bewohnen  pflegte,  auf- 
stellen. Aber  das  Volk  ertrug  auch  dies  nicht.  Man  wandte  sich 
zunächst  im  Verein  mit  dem  Adel  von  Jerusalem  und  den  vier 
Sühnen  des  Herodes  (welche  wohl  eines  Festes  wegen  in  der  Stadt 
anwesend  waren)  an  Pilatus,  um  ihn  zur  Entfernung  der  Schilde 
zubewegen.  Als  dies  keinen  Erfolg  hatte, richteten  die  angesehensten 
Männer,  darunter  gewiss  auch  jene  vier  Sühne  des  Herodes,  ein 
Bittgesuch  an  den  Kaiser,  damit  dieser  die  f]ntfernung  der  an- 
stössigen  Schilde  befehle.    Tiberius,  der  wohl  einsah,  dass  es  sich 


templi  c.  23,  opp.  I,  ül2).  In  der  That  lag  Etam  (03*^5)  nach  II  Chron.  11,  (j 
zwischen  Bethlehem  imd  Thekoa,  ohne  Zweifel  bei  der  Quelle,  die  noch  heute 
Ain  Atan  heisst,  in  unmittelbarer  Nähe  der  Salomonsteiche  (vgl.  Mühlau  in 
Kiehm's  Handwörterb.  Art.  Etam,  Schick,  Zeitschr.  des  DPV.  I,  152  f.).  — 
Die  genaueste  Beschreibung  des  heutigen  Zustandes  der  beiden  Wasser- 
leitungen giebt  Schick,  Die  Wasserversorgung  der  Stadt  Jerusalem  (Zeitschr. 
des  deutschen  Palästina- Vereins  I,  1878,  S.  132—176,  mit  Karte  und  Plänen  . 
—  Vgl.  auch:  Ritter,  Erdkunde  XVI,  272  ff.  Tobler,  Topographie  von 
Jerusalem  II,  84—95  (viel  historisches  Material).  Eine  anonyme  Abhandlung: 
Water  Supply  of  Jerusalem,  ancient  and  modern  (Journal  of  Sacred  Literatare 
aml  Biblical  Becord,  New  Series  vol.  V,  1864,  p.  133—157).  Zschokke,  Die 
versiegelte  Quelle  Salomos  (Theol.  Quartalschrift  1867,  S.  420—442).  The  Be- 
covery  of  Je?'usalem,  1871,  p.  233—267.  Ebers  und  Guthe,  Palästina  I, 
110 — 126,  150—154.  Lesetre,  Art.  Aquediie  in:  Vigouroux,  Dictionnaire  de  la 
Bible  I,  797—809,  Cook,  Art.  Conduiis  and  Beservoirs  in:  Cheyne  and  Black, 
Eneyclopaedia  Biblica,  und  die  oben  S.  15  genannte  geographische  Literatur. 


492  §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6 — 41  n.  Chr.).    [411.  412] 

nur  um  eine  nmthwillige  Herausforderung  von  Seite  des  Pilatus 
handelte,  befahl  diesem  alsbald  unter  Bezeugung  seines  äussersten 
Missfallens,  die  Schilde  aus  Jerusalem  wegbringen  und  im  Augustus- 
tempel  zu  Cäsarea  aufstellen  zu  lassen.  Dies  geschah  denn  auch. 
„Und  so  wurde  beides  gewahrt:  die  Ehre  des  Kaisers  und  die  ur- 
alte Sitte  der  Stadt'"  ^').  \ 

Schliesslich  bereitete  Pilatus  durch  seine  Rücksichtslosigkeit 
sich  selbst  den  Untergang.  Es  war  ein  alter  samaritanischer  Glaube, 
dass  auf  dem  Berge  Garizim  seit  Mose's  Zeiten  die  heiligen  Tempel- 
geräthe  vergraben  seien  ^^*).  Ein  samaritanischer  Pseudo-Prophet 
erbot  sich  einst  (im  J.  35  n.  Chr.),  diese  Geräthe  zu  zeigen,  wenn 
das  Volk  auf  dem  Garizim  erscheinen  wolle.  Die  leichtgläubige 
Menge  schenkte  ihm  Gehör;  und  in  grossen  Schaaren  sammelten 
sich  die  Samaritaner  bewaffnet  in  dem  Dorfe  Tirathana  am  Fusse 
des  Garizim,  um  von  hier  aus  den  Berg  hinauf  zu  wallfahrten  und 
das  heilige  Schauspiel  zu  sehen  i^^).  Aber  ehe  sie  ihr  Vorhaben 
ausfiihi'en  konnten,  wurden  sie  von  Pilatus  im  Dorfe  mit  starker 
Macht  angegriffen,  ein  Theil  getödtet,  ein  Theil  in  die  Flucht  ge- 
jagt, wieder  ein  anderer  Theil  gefangen  genommen.  Auch  von 
diesen  liess  Pilatus  die  Mächtigsten  und  Angesehensten  hin- 
richten ^^*>).  Die  Samaritaner  waren  sich  aber  bewusst,  dass  ihrer 
Garizim- Wallfahrt  keine  aufrührerischen  Absichten  zu  Grunde  ge- 
legen hatten  und  verklagten  deshalb  den  Pilatus  bei  Vitellius, 
dem  damaligen  Legaten  von  Syrien.  Ihre  Klage  hatte  wirklich 
den  Erfolg,  dass  Vitellius  den  Pilatus  zur  Verantwortung  nach 
Rom  schickte,  indem  er  die  Verwaltung  Judäa's  dem  Marcellus 
übertrug  •*•).  | 


147)  Philo,  Legat,  ad  Cajicm  §  38,  ed.  Mangey  II  589  s(?.  —  Dass  das  Er- 
eigniss  in  die  spätere  Zeit  des  Pilatus  fallt,  ist  wahrscheinlich  wegen  des  ent- 
schiedenen Einschreitens  des  Tibcrius.  Denn  nach  Philo,  Leg.  ad  Caj.  §  24, 
Mang.  II,  500,  hat  Tiberius  erst  seit  dem  Tode  des  Sejanus  (f  31  n.  Chr.) 
eine  freundlichere  Stellung  zu  den  Juden  eingenommen.  Sejanus 
war  nach  Philo  ein  Hauptfeind  der  Juden.  Auf  seinen  Einfluss  ist  sowohl 
die  Austreibung  der  Juden  aus  Rom  im  J.  19,  als  das  brüske  Auftreten  des 
Pilatus  in  Judäa  zurückzuführen. 

148)  Vgl.  auch  Petermann  in  Herzog's  Rcal-Enc.  1.  Aufl.  XIII,  373. 
Kautzüch,  ebenda«.  2.  Aufl.  XHI,  340.  348. 

149)  Tirathana   ist  vielleicht  das  heutige  Tire  (Buhl,  Geogr.  S.  200,  203). 
Vi))  Atitf.  XVI 11,  4,  1. 

151)  Antt.  XVIII,  4,  2.  Pilatus  Hcbh  sich  etwa  ein  Jiilir  Zeil  zu  der  Heise 
von  Judfia  na(th  Itoni,  denn  er  traf  in  Rom  erst  ein,  als  Tibcrius  gestorben 
war  (Antt.  l.  c).  Heine  weiteren  Schicksale  erwähnt  Joseplius  nicht.  —  Die 
christliche  Legende  lässt  den  Pilatus  entweder  durch  Si'lbstmord  enden 
oder  vom  Kaiwer  zur  Strafe  für  sein  Verfahren  gegen  ChristUK  hingerichtet 
werdoD.    1)   Für  die  ThatHache    des  Selbstmorde»  beruft  sich  Eusebius  in 


[413]  §  17.  c,  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6 — 41  n.  Chr.).  493 

Bald  darauf,   zum  Passafeste  des  Jahres  36  n.  Chr. '^-),   kam 
Vitellius  selbst  nach  Jerusalem  und  erwarb  sich  bei  dieser  Ge- 


der  Kirchengeschichte  anf  die  griechischen  Chronisten,  welche  „die  Olympia- 
den nebst  den  jeweiligen  Ereignissen"  aufgezeichnet  haben  [Hist.  eccl.  II,  7: 
laxoQOvaiv  ''EkXrivcDV  oL  täq  ^Okv/iniäöag  ufia  toTg  xaxa  /qovov^  nengayfiivoiq 
dvayQÜtpavteg).  In  der  Chronik  nennt  er  als  Quelle  „die  römischen  Historiker" 
(Euseb.  Chron.  ed.  Sc/ioene  II,  150  s?.:  a)  nach  dem  Armenischen :  Pontus  Pila- 
tus in  varias  calamitates  impHeitus  sihi  ipsi  manus  inferebat.  Narrant  autem 
qiii  Romanorum  res  seriptis  mandaverunt.  b)  nach  Syncell.  ed.  DindorfX,  624: 
növTiog  tliXüroq  enl  Faiov  KaiauQoq  noixÜ.aiq  nsQineawv  avfitpoQalq,  ojq 
(faaiv  Ol  XU  "^Pojfiakov  avyyQaxpüfievoi,  avxoipovetrcTjq  kavtov  iytvfxo.  c)  nach 
Hieronyraus:  Pontius  Pilatus  in  miiltas  incidens  calamitates  propria  se  manu 
interficit.  Scribunt  Romanorum  historici).  Die  wörtliche  Uebereinstimmung 
der  Chronik  mit  der  Kirchengeschichte  (vgl.  H.  E.  II,  7:  Toaavxccig  nsQineafTv 
....  avfKfOQalq  ....  avxo<povevxriv)  zeigt,  dasa  Eusebius  beidemale  dieselbe 
Quelle  benützt.  Anf  Eusebius  fussen  (direct  oder  indireet)  Cedrenus  ed.  Bekker 
I,  843  und  Oros.  VII,  5,  8.  Weiter  ausgeschmückt  ist  die  Legende  vom  Selbst- 
morde des  Pilatus  in  der  Apokrj'phen-Literatur,  z.  B.  in  der  Mors  Pilati  bei 
Tischendorf,  Erangelia  apocrypha  1876,  p.  456—458  (die  in  seinem  Leichnam 
hausenden  Dämonen  verursachen  überall  Schrecken,  weshalb  der  Leichnam 
von  Rom  nach  Vienna  an  der  Rhone,  von  da  nach  Laus^anne  transportirt  wird, 
bis  ihn  endlich  die  Leute  von  Lausanne  a  se  remorerunt  et  in  quodam  puteo 
montibus  cireumsepto  immerserunt ,  ubi  adhuc  ....  diabolicae  machinationes 
ebullire  dieuntur).  —  2)  Nach  einer  anderen  Gestalt  der  christlichen  Legende 
ist  Pilatus  von  Nero  hingerichtet  worden.  So  Malalas  ed.  Dindorf  p.  2r)0 
bis  257.  Johannes  Antiochenus  bei  MiUler,  Fragmenta  histarieorum  Graecorum 
IV,  574  (auch  bei  Faltrie.  Cod.  apocr.  N.  T.  III,  b04  sq.).  Suidas  Lex.  s.  r. 
Nsg(i}v.  Chronieon  paschale  ed.  Dindorf  I,  459.  Nach  der  apokryphischen 
llagdSoaig  UiXdxov  war  es  Tiber  ins,  der  den  Pilatus  hinrichten  Hess.  s.  den 
Text  bei  Thilo,  Codex  apocr.  N.  T.  p.  813—816,  Tisckendorf  Evang.  apocr.  p. 
449 — 455  (Pilatus  stirbt  hier  als  reumüthiger  Christ).  Eine  syrische  und  zwei 
arabische  Recensionen  der  üagüdooiq  sind  von  Marf/aret  Dunlop  Oibson 
]i erausgegeben  worden  (Sttcdia  sinaitica  No.  V,  London  1896,  s.  Theol.  Litztg. 
1896,  370).  —  Vgl.  Oberhaupt  zur  Pilatus-Sage  die  oben  S.  488  genannte  Litera- 
tur und  Keim,  Gesch.  Jesu  III,  450;  über  die  verschiedenen  Pilatus-Apo- 
krypha:  R.  Hofmann,  Art.  „Apokryphen"  in  Herzog-Hauck,  Real-Enc.  3.  Aufl. 
I,  658—660.  LipsiuB,  Die  Pilatus-Acten,  2.  Ausg.  1886.  Harnack,  Gesch. 
der  altchristl.  Literatur  I,  21—24,  907—909,  II,  1,  603—612.  James,  Apo- 
crypha anecdota  II  (=  Texts  and  studies  ed.  by  Robinson  V,  1)  1897,^3.  XLVs??. 
65—81.  V.  D  ob  schütz,  Christusbilder  1899  (Texte  und  Unters,  von  Gebhardt 
und  Harnack  N.  F.  Bd.  III)  S.  205  ff.  Ehrhard,  Die  altchristliche  Litteratur 
und  ihre  Erforschung  von  1884-1900,  1.  Abth.  S.  144—146.  —  Für  die  That- 
sache,  dass  Pilatus  in  der  That  eines  gewaltsamen  Todes  gestorben 
ist,  spricht  nicht  nur  die  Quellen-Angabe  bei  Eusebius  [oi  zu  '^Pm/xaltov  avyypa- 
rpdfxevoi),  sondern  auch  der  Umstand,  dass  Philo  in  seiner  Schrift  über  die 
Verfolger  der  Juden  ihn  besonders  behandelt  hat;  denn  Philo  behandelt 
hier  diejenigen  Verfolger  der  Juden,  welche  durch  einen  gewaltsamen  Tod  von 
Gott  gestraft  worden  sind  (s.  Bd.  III,  527  f.). 

152)  Dass  es  zur  Zeit  eines  Passafestes  war,  sagt  Joseph.  Antt.  XVIII,  4,  3. 


494  §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratorei;  (6—41  ii.  Chr.).  [413] 

legenlieit  die  Zuueiguiig  der  Bewolmer  der  Hauptstadt,  indem  er 
die  Abgaben  für  die  in  der  Stadt  verkauften  Früchte  erliess  und 
das  hoLepriesterliclie  Gewand,  das  seit  dem  Jahre  6  in  römischem 
Gewahrsam  lag,  zu  freiem  Gebrauche  herausgab  ^^^j. 

Nachdem  er  inzwischen  durch  die  parthischen  Angelegenheiten 
in  Anspruch  genommen  war  (s.  oben  S.  446),  führte  ihn  im  Früh- 
jahr 37  der  von  Tiberius  befohlene  Feldzug  gegen  Aretas  aber- 
mals nach  Jerusalem  (vgl.  S.  445  f.).  Auch  diesmal  bewies  er  wieder 
seine  verständige  Gesinnung  gegenüber  den  jüdischen  Eigenthüm- 
lichkeiten.  Der  Weg  von  Antiochia  gegen  Petra  hätte  ihn  nämlich 
sammt  seinem  Heere  eigentlich  durch  Judäa  geführt.  Aber  die 
römischen  Feldzeichen  waren  den  Juden  bekanntermasseu  ein 
Gräuel.  Und  so  schickten  sie  dem  Yitellius  bis  Ptolenmis  eine 
Gesandtschaft  entgegen,  welche  ihn  flehentlich  bat,  er  möge  doch 
das  Heer  nicht  mitten  durch  das  heilige  Land  führen.  Vitellius 
war  so  vernünftig,  ihre  Gründe  einzusehen;  liess  das  Heer  durch 
die  grosse  Ebene  marschiren  und  kam  allein  nach  Jerusalem.  Am 
vierten  Tage  seines  dortigen  Aufenthaltes  erhielt  er  die  Nachricht 
vom  Tode  des  Tiberius,  worauf  er  sammt  seinem  Heere  nach  Anti- 
ochia zurückkehrte'^^).  | 


Dass  es  dasjenige  des  Jahres  36  war,  ergiebt  sich  theils  daraus,  dass  Vi- 
tellius erst  im  Sommer  oder  Herbst  35  nach  Syrien  kam  {Tac.  Annal.  VI,  32), 
theils  daraus,  dass  bei  der  zweiten  Anwesenheit  des  Vitellius  in  Jerusalem 
gerade  die  Nachricht  vom  Tode  des  Tiberius  (t  10.  März  37)  eintraf  (Jos.  Antt. 
XVIII,  5,  3).  Zwischen  der  ersten  und  zweiten  Anwesenheit  des  Vitellius  in 
Jerusalem  muss  aber  jedenfalls  einige  Zeit  in  der  Mitte  gelegen  haben.  Vgl. 
bes.  Kei  m,  Gesch.  Jesu  III,  485—487;  Sevin,  Chronologie  des  Lebens  Jesu 
(2.  Aufl.  1874)  S.  75-80;  auch  Letcin,  Fasti  sacri  p.  LXVII  u.  247  n.  1493. 
Bohden,  De  Palaestina  et  Aralia  provinciis  Bomanis  1885,  p.  33 5*7. 

153j  Amt.  XVIII,  4,  3.    XV,  11,  4. 

154)  Antt.  XVIII,  5,  3.  —  Die  Bezeichnung  „die  grosse  Ebene"  schlecht- 
hiu  wurde  für  zwei  Ebenen  Palästina's  gebraucht,  wie  in  erschöpfender  Weise 
Bcliou  lieland,  Palaestina  p.  359—370  gezeigt  hat.  1)  Am  häufigsten  ist  diese 
Bezeichnung  für  die  Ebene,  welche  bei  Ptolcmais  beginnt  und  von  da  am 
Nord- Abhänge  des  Karmel  entlang  in  der  Richtung  nach  Süd-Ost  sich  hinzieht. 
An  ihrem  südÜHtlichcn  Ende  liegt  das  sclilachtcnbcrühnite  Jesreel  (Jisrcil, 
ixrnT*;,  auch  Esdrelom),  nach  welchem  die  Ebene  auch  beiuinnt  wurde.  Vgl. 
Judith  1,  5,  ibid.  ],  S:  zo  fAi'ya  ntdiov  'EadiiTjXwfx.  I  Ma/dc.  12,  49.  Joseph. 
Bell.  Jud.  II,  10,  2:  Ptolcmais  xaxu  xo  fifya  nsöiov  ixziofitvr].  Antt.  V,  1,  22. 
VIII,  2,  3.  XV,  8,  ö.  XX,  ü,  1.  Jkll.  Jud.  III,  3,  1.  4,  1.  Vita  24.  20.  02. 
WIner,  RcalwJirterb.  I,  680f.  (Artikel  „Jisreel").  Robinson,  ralästina  III, 
470fr.  Ritter,  Erdkunde  XVI,  OfcOH'.  0.  A.  Smith,  Ilistorical  (Icogniphii 
of  the  Holy  Land  p.  377—410.  Gutlic,  Art.  „JoHrccl"  in  Herzog-Hauck,  Ucal- 
Enc.  3.  Aufl.  Vllf,  731—733.  Lcgcndre,  Art.  Esdnlon  in:  Vixjouroux,  Die- 
lionnaire  dv  h  liihh  II,  1045—1949.  —  2)  DicHclbc  Ik'zeichnung  wurde  über  auch 
für  da*  Jordan-Thal  zwiKchen  dem  See  Genczarcth  und  <lt'iu  todtcn  Meere 


[414.  415]    §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (G—  41  n.  Chr.).  495 

Die  Regierung  Caligula's  (37—41  n.  Chr.)  wurde,  nach  dem 
Regimente  des  Menschenfeindes  Tiberius,  im  ganzen  Reiche  und  so 
auch  von  den  Juden  zunädist  freudig  begrüsst.  Da  Yitellius  gerade 
in  Jerusalem  weilte,  als  die  Nachricht  vom  Regierungswechsel  ein- 
traf, so  waren  die  Juden  unter  den  Völkerschaften  Syriens  die 
ersten,  welche  dem  neuen  Kaiser  den  Eid  leisteten  und  Opfer  für 
ihn  darbrachten '5'^).  Auch  die  ersten  anderthalb  Jahre  seiner 
Regierung  verliefen  noch  ruhig  für  die  Juden  1^*^).  Im  Herbste 
des  Jahres  38  n.  Chr.  brach  aber  in  Alexandria  eine  blutige 
Juden  jverfolgung  aus,  die  zwar  vom  alexandrinischen  Pöbel  in 
Scene  gesetzt  wurde,  deren  indirecter  Urheber  jedoch  der  Kaiser 
war'^').    In  seiner  Selbstüberhebung  und  geistigen  ümnachturg 


gebraucht,  Jos.  B.  J.  IV,  8,  2:  xo  niya  niöiov  xaXtixai,  dno  xtufiTjq  Ftwußiiv 
öifjxov  fitXQi  T^i  ^Äa<pa).xlxi6oq  ?.i(xvi]q  (Ginnabrin  ist  ohne  Zweifel  derselbe  Ort, 
welcher  B.  J.  III,  Ü,  7  Eunabris  oder  Seunabris  heisst,  in  der  Nähe  von  Ti- 
berias,  s.  Tuch,  (Juaestio  de  Fl.  Josephi  loco  B.  J.  IV;  8,  2,  Lijjs.  iSöO,  und 
Gust.  Boettger,  Topogr.-hist.  Lexicou  zu  den  Schriften  des  Fl.  Josephus 
1879,  S.  136,  228).  Antt.  IV,  (j,  1:  ini  xtp'lopödtu)  xaxu  xo  yiLyu  nidiov'^hQi- 
Xovvxog  dvxixQV.  Das  Jordan-Thal  ist  auch  gemeint  I  Makh.  5,  52  (=  Jos. 
Antt.  XII,  8,  5):  (Iq  xo  ntÖlov  xo  filya  xaxä  ngcawnov  Baibaüv  (wo  Keil, 
gegen  Grimm,  die  richtige  Erklärung  giebt;  die  Ebene  Jesreel  wurde  nicht 
bis  Beth-sean  =  Skythopolis  gerechnet,  vielmehr  lag  nach  Jos.  B.  J.  IV,  1,  8 
der  Berg  Tabor  „zwischen  Skythopolis  und  der  grossen  Ebene").  —  Eine  dritte 
Ebene,  nämlich  die  von  Asochis,  nördlich  von  Sepphoris  (vgl.  oben  8.  277), 
scheint  Vita  41  fin.  auch  als  ,.grosse  Ebene"  für  sich  bezeichnet  zu  sein.  Aber 
diese  hing  mit  der  Ebene  Jesreel  zusammen  und  ist  wohl  zu  ihr  gerechnet 
worden;  denn  nur  unter  dieser  Voraussetzung  ist  die  eben  genannte  Stelle 
B.  J.  IV,  1,  8  verständlich.  —  In  unserem  Falle  ist  die  bei  Ptolemais  begin- 
nende Ebene  gemeint.  Vitellius  Hess  das  Heer  durch  dieselbe  in  südöst- 
licher Richtung  marschirtn,  dann  vermuthlich  über  den  Jordan,  und  jenseits 
desselben  weiter  nach  Süden. 

155)  Philo  Legat,  ad  Caji.m  §  32  {oj)p.  cd.  Mangey  II,  580):  ruiu}  na^a- 
Xaßövxi  XJ,v  riyefiovlav  riixjüxoi  tü5v  xaxu  ^v^iav  dnüvxwv  rifitlq  avvjjaS-rjfifv, 
OinekXiov  xoxe  .  .  .  iv  x^  n6).ft  aiaxQlßovxoq,  w  xa  ne^l  xoixwv  ixofxiaOr] 
yQUf/fiuxa  ....  ÜQwxov  xo  rintxfQOv  Uqov  i6t§axo  xag  ineQ  X7,q  uqx^I?  raiov 
i^votag.  Vgl.  über  die  Opfer  auch  §  45  M.  II,  598.  Ueber  den  Eid:  Jos. 
Antt.  XVIII,  5,  3;  dazu  oben  S.  399  f. 

15Ü)  Jos.  Antt.  XVIII,  7,  2  fin.:  rüiog  dh  xov  fitv  nQüixov  inavxov  xal 
xvv  6^?7s  Tidvv  fxeyaXo^Qovwq  <^;j(>^to  xoJq  TiQÖyf/ccat  xal  /uixQiov  nagr/wv  av- 
xov  fiq  evvoiav  noXXriv  ngov^wg^i  naQu  x(  "^Pwfxaioiq  avxolq  xal  xoTq  vtitj- 
xöoiq. 

157)  Vgl.  über  die  Judenverfolgungen  unter  Caligula:  Tillemont,  Histoire 
des  empereurs  t.  I  [Venise  1732)  p.  AM — 462,  €29 — 632.  —  Lew  in,  Fasti  sacri 
{London  1865),  ad  ann.  38 — 41.  —  Delaunay,  Pfiilon  d' Alcxandrie,  ecrits  histo- 
riques,  inflnence,  lüttes  et  persectäions  des  Juifs  dans  le  monde  romain,  2.  ed. 
Paris  1870.  —  Huidekoper,  Judaism  at  Borne,  Netc  York  1876,  p.  199—222.  — 
Hausrath,  Neutestamentliche  Zeitgeschichte  Bd.  II,  2.  Aufl.  S.  225—251.  — 
Grätz,  Präcisirung  der  Zeit  für  die,  die  Judäer  betreflenden  Vorgänge  unter 


496  §  1^'  ^'  Jidäa  unter  römischen  Procuratoren  (6 — 41  n.  Chr.).    [415.  416] 

machte  er  mit  dem  Gedanken  der  göttlichen  Würde  des  Cäsars 
furchtbaren  Ernst,  Für  ihn  war  der  Kaisercultus  nicht  eine 
Foim  der  Huldigung,  welche  die  Kaiser  als  ein  Erbtheil  der 
griechischen  Könige  überkommen  hatten;  sondern  er  glaubte  wirk- 
lich an  seine  Gottheit  und  sah  in  der  Weigerung  des  Cultus  einen 
Beweis  der  Feindschaft  gegen  seine  Person '^^).  Während  des 
zweiten  Jahres  seiner  Regierung  scheint  dieser  Glaube  bereits  feste 
Gestalt  in  ihm  gewonnen  zu  haben  und  in  den  Provinzen  bekannt 
geworden  zu  sein.  Die  Provinzialen  entfalteten  einen  dem  ent- 
sprechenden Eifer.  Die  Juden,  welche  nicht  zu  folgen  vermochten, 
kamen  in  den  Ruf  der  Feindschaft  gegen  den  Cäsar.  Für  die 
judenfeindliche  Bevölkerung  Alexandria  s  war  dies  ein  willkommenes 
Motiv,  ihrem  Judenhass  freien  Lauf  zu  lassen;  denn  man  durfte 
voraussetzen,  durch  Verfolgung  der  Juden  den  Beifall  des  Kaisers 
zu  ernten.  Der  damalige  Statthalter  Aegypten's  A.  Avillius 
Fl  accus  war  schwach  genug,  um  seines  eigenen  Interesses  willen 
auf  die  Pläne  der  Judenfeinde  einzugehen.  Er  war  schon  unter 
Tiberius  fünf  Jahre  lang  (32—37  n.  Chr.)  Statthalter  von  Aegypten 
gewesen  und  hatte  in  dieser  Zeit  nach  dem  Zeugnisse  Philo's  sein 
Amt  tadellos  verwaltet '  ^^).    Unter  ]  Caligula  verlor  er  mehr  und 


dem  Kaiser  Caligula  (Monatsachr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1877, 
S.  97  ff.  145  ff..,  abgedruckt  in:  Gesch.  der  Juden  Bd.  III,  4.  Aufl.  S.  759—769). 
—  Mommsen,  Römische  Geschichte  V,  515—519.  —  Noch  einige  Literatur 
8.  ßd   III,  S.  530. 

1.58)  Philo,  Legat,  ad  Cajum  §  11—15  [ed.  Manq.  II,  556—561).  Joseph.  Antt. 
XVIII,  7,  2  ßn.  Si  1.  XIX,  1,  1  ff.  Dio  Cass.  LIX,  26.  28.  Sueton.  Calig.  22.  — 
Hausrath,  Zeitgesith.  II,  225  ff.  —  Ueber  den  Kaisercultus  überhiiupt  s.  die 
in  Bd.  II,  S.  27  genannte  Literatur  (zusammenfassend:  Drexler,  Art.  „Kaiser- 
kultus" in  Roscher'a  Lex.  der  griech.  und  röm.  Mythologie  II,  901—919,  und 
Korneman n,  Zur  Geschichte  der  antiken  Herrscherkulte,  in:  Beiträge  zur  alten 
Geschichte,  herausg.  von  C.  F.  Lehmann  I,  1,  1901,  S.  51—146). 

159)  Philo,  in  Flaecum  §  3  iriit.  ed.  Mangel/  II,  518:  ^E^aftlnr  yciQ  tijv 
inixQUTfiav  ).ttßuiv  nhte  fihv  tzt]  tu  nQüixa,  t.ö}VTO^  TißfQlov  KulaaQog,  f^v 
Tf  ilQTivrjv  öietpvXa^e  xal  o'vttuq  (vtövioQ  xal  ^QQwfAbvwq.  ntptjy^aaTO ,  a»c  rovc 
TtQÖ  aviov  nuvxaq  vitfgßaXfTv.  Vgl.  §  1—2,  jXInngrg  II,  517—518.  —  Der  Name 
des  FlaccuH  lauUjt  bei  Philo  in  Flacc.  §  1  'i'kuxxoq  !4ovi?.Xtog.  Ebenso  bei 
Euseb.  Chron.  etl.  Schoene  II,  150«7.  (ni^ch  Ilicronynms:  Flaccus  Aviliiis,  nach 
Syncelliis  ed.  IHndorf  I,  620:  <Pkuxxo<:  IXßthoq,  (^orrnmpirt  I,  615:  *I*XHXXoq 
^Aai)Mioq).  Den  vollen  Namen  giebt  eine  InHchrift  zu  Tentyra  in  Aegypten  aus 
der  Zeit  den  Tiberius  {Letmnne,  Rccueil  des  inscriplions  gr.  et  lat.  de  l' Kgyptc 
I,  Hl  nqq.  —  0)rp.  Inner.  (Iraee.  v.  4716  •  -  Lepsius,  Denkmäler  aus  Aegypten 
und  Aethiopien  Bd.  XII,  Blatt  76,  Inner,  (h:  n.  27):  inl  AvXov  linviXklov  'l>lüx- 
xov  ^yfudyoq.  Dio  Lesung  ist  zwar  an  vcMscliiedenen  Stellen  unsicher.  Der 
Vorname  Allov  ist  aber  nach  dem  FacHimilc  bei  Lepsius  gesicliert  (so  auch 
•chon  Letronne,  während  dn»  Cot-p.  Imer.  Av[xlov]  liest).  Bestätigt  wird  dies 
durch    da«   ol)en    B.  70  orwähnte   Papyrusfragmcnt,   welches   ein    Bniclistnek 


[4lGj  §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  497 

mehr  jeden  Halt.  Als  naher  Freund  des  Tiberius  stand  er  von 
vornherein  bei  Caligula  in  Ungnade.  Mit  dem  Tode  des  jungen 
Tiberius  (des  Enkels  des  Kaisers  Tiberius)  und  des  Prätorianer- 
Präfecten  Macro,  welche  beide  von  Caligula  zum  Selbstmorde  ge- 
zwungen wurden,  veilor  er  vollends  jede  Stütze  bei  Hof.  Seitdem 
gab  es  für  ihn  kein  anderes  Ziel  mehr  als  dies:  durch  jedes  Mittel 
sich  die  Gunst  des  jungen  Kaisers  zu  sichern.  Dadurch  wai'  auch 
sein  Verhalten  gegenüber  den  Juden  bedingt ^"^'O. 

Den  äusseren  Anlass  zum  Ausbruch  der  Judenverfolgung  gab 
die  Anwesenheit  des  jüdischen  Königs  Agrippa  in  Alexandria.  Er 
kam  auf  der  Heimreise  von  Rom  nach  Palästina  im  August  des 
Jahres  38  nach  Alexandria.  Obwohl  er  nach  Philo's  Versicherung 
jedes  herausfordernde  Auftreten  vermied,  war  doch  der  blosse 
Anblick  eines  jüdischen  Königs  für  den  Pöbel  Alexandria's  ein 
Aergerniss.  Agrippa  wurde  im  Gymnasium  zuerst  mit  Spottredeu 
verhöhnt,  dann  auch  durch  Aufführung  einer  Pantomime  lächerlich 
gemacht:  ein  Geisteskranker  Namens  Karabas  wurde  mit  nachge- 
ahmten königlichen  Insignien  bekleidet  und  spottweise  als  König 
begrüsst,  indem  man  ihn  auf  syrisch  MaQiv,  Herr,  anredete^**'). 
Der  einmal  in  Erregung  gebrachte  Pöbel  war  aber  damit  nicht  zu- 
frieden: man  verlangte  jetzt,  dass  in  den  jüdischen  Synagogen  (Philo 
nennt  sie  stets  jiQootvxai)  Statuen  (nämlich  des  Kaisers)  aufgestellt 
würden.  Flaccus  wagte  nicht  zu  widersprechen;  er  ging  vielmehr 
auf  alle  Forderungen  der  Judenfeinde  ein.  Und  diese  wurden,  je 
nachgiebiger  der  Statthalter  sich  zeigte,  desto  frecher.  Nach  ein- 
ander gestattet  Flaccus  die  Aufstellung  der  Bilder  in  den  Syna- 


eines  Erlasses  des  Flaccus  aus  dem  21.  Jahre  des  Tiberius  enthält  (mitgetheilt 
von  Nicole,  Revue  de  philologie  XXII,  1898,  p.  18—27).  Der  volle  Name  des 
Flaccus  lautet  hier  ebenfalls  AvXoq  AvoviX)Aoq  [sie\]  fpkaxxoq.  —  Erwähnt  wird 
Flaccus  auch  in  dem  Edict  des  Tiberius  Alexander,  Corp.  Inscr.  Chraec.  n. 
4957  lin.  27,  und  auf  einem  Ostrakon,  welches  seine  Anwesenheit  in  Theben 
für  das  J.  33  bezeugt,  Wilcken,  Griechische  Ostraka  aus  Aegypten  und 
Nubien  (1899)  Bd.  II  n.  1372:  siq  ttjv  nagovalav  *PXäxoq  [sic\]  TjyTjficiv  [siel] 
Lx  TtßfQiov  KaiaaQoq  l'eßaaTov,  MeaoQrj  is  (=  9.  August  33  n.  Chr.).  Das 
Datum  giebt  eine  willkommene  Bestätigung  der  Angaben  Philo's  über  die 
Amtszeit  des  Flaccus. 

löO)  Phiio,  in  Flaccum  §  3—4,  opp.  ed.  Mangey  II,  518 — 520.  —  lieber  den 
Tod  des  jungen  Tiberius  s.  auch  Philo,  Leg.  ad  Caj.  §  4 — 5  M.  II,  549  »j. 
Dio  Cass.  LIX,  8.  Suetou.  Calig.  23.  lieber  den  Tod  des  Nävius  Sertorius 
Macro  (seit  dem  Sturze  des  Sejanus  31  n.  Chr.  praefectus  praetorio,  s.  Pauly's 
Real-Enc.  V,  402,  Prosopographia  imperii  Roniani  II,  390):  Philo,  Legat,  ad 
Caj.  §  6—8  Mang.  II,  550—554.  Dio  Cass.  LIX,  10.  Sueton.  Calig.  2ü.  —  Der 
Tod  des  Tiberius  fällt  nach  Dio  Cass.  a.  a.  O.  noch  in  das  Jahr  37,  der  des 
Macro  in  das  Jahr  38. 

161)  Philo,  in  Flaccum  §  5-6,  M.  II,  521  sq. 

Schür  er,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  32 


498  §  1^-  <^-  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (0—41  n.  Chr.).    '416.  417] 

gogen,  erklärt  die  Juden  durch  ein  Edict  für  Nichtbürger  und  ge- 
stattet schliesslich  die  allgemeine  Verfolgung  derselben  ^^'^).  Furcht-] 
bare  Leiden  brachen  nun  über  die  jüdische  Bevölkerung  Alexandria's 
herein.  Ihre  Häuser  und  Kaufläden  wurden  geplündert,  die  Juden 
selbst  misshandelt,  ermordet,  ihre  Leichname  verstümmelt,  andere 
öffentlich  verbrannt,  wieder  andere  lebendig  durch  die  Strassen 
geschleift  Die  Synagogen  wurden  theils  zerstört,  theils  durch 
Aufstellung  von  Caligula's  Götterbild  geschändet;  in  der  grüssten 
Synagoge  stellte  man  das  Bild  Caligula's  auf  eine  alte,  schadhafte 
Quadriga,  die  man  aus  dem  Gymnasium  herbeischleppte^''^).  Der 
Statthalter  Fl  accus  Hess  nicht  nur  alles  ruhig  geschehen,  sondern 
ging  auch  seinerseits  mit  strengen  Maassregeln  gegen  die  Juden 
vor,  für  welche  nach  Philo's  Darstellung  kein  anderer  Grund  vorlag, 


162)  Philo,  in  Flaccum  §  6—8,  M.  II,  523—525.  —  Philo  unterscheidet  in 
dem  Verhalten  des  Flaccus  drei  Stadien:  1)  §  6/?n.:  imxQmentoi^aaadai  xriv 
ävä&Tjatv.  2)  §  8  init.:  oXlyaiq  varfgov  rifiegaiq  rl^rjai  nQoyQaf/fxa,  6i'  ov 
^evovq  xal  hnijXvöaq  rjnüq  dnsxaXei,  3)  ibid.  (ha  oval  rolq  nQoxfQOiq  xal  rgitov 
7iQoat&r]xsv,  iq'slq  wq  iv  aXmasi  xolq  i&iXovai  tioq&hv  'loröaiovq.  —  In  der 
Schrift  De  somniis  Hb.  II  §  18  (Mang.  1 ,  675)  erwähnt  Philo  einen  Statthalter 
von  Aeg}'pten  zu  seiner  Zeit  {yßfq  d'  ov  tiqwtjv  avÖQa  XLva  olöa  xcäv  tjysfjio- 
vtxdiv,  Sq  TT]v  TTQoaxaoiav  xal  ^nifjskstav  slxev  Aiyvnxov),  welcher  die  Juden 
zwingen  wollte,  die  Feier  des  Sabbaths,  insonderheit  des  sabbathlichen  Gottes- 
dienstes, aufzugeben  xal  xä  ä?.Xa  noitlv  naQu  xo  xaS((jx6q  s&oq.  Er  theilt 
auch  eine  Ansprache  mit,  welche  der  tyrannische  Statthalter  zu  diesem  Zwecke 
an  die  Juden  hielt.  Obwohl  sich  keine  specielleren  Hinweisungen  auf  die 
Verfolgung  unter  Caligula  finden,  nimmt  Lumbroso  doch  wohl  mit  Recht 
an,  dasB  Flaccus  gemeint  sei  (Archiv  für  Papyrusforschung  I,  291  f.). 

163)  Plünderung  der  Häuser:  Philo,  in  Place.  §  8  M.  II,  525  =  Legat,  ad 
Cßjum  §  18  M.  II,  663.  —  Ermordung  der  Juden:  in  Place.  §  9  M.  II,  526  sq.  = 
Legat,  ad  Cajum  §  19  M.  II,  564.  —  Zerstörung  und  Schändung  der  Synagogen 
iProseuchen):  Let/at.  ad  Cajum  §20  M.  II,  565.  —  Die  Plünderung  erstreckte 
»ich  nach  Philo  in  Place.  §  11  M.  II,  531  init.  auf  vierhundert  Häuser.  —  In 
der  2.  Aufl.  diese»  Buches  Bd.  II,  S.  858  habe  ich  (durch  Mangey  II,  564  Anni. 
und  KöHtlin,  Theol.  Jahrbb.  1854,  .398  verleitet)  mich  dahin  ausgesprodien, 
dflss  die  in  der  Leg.  ad  Cajum  geschilderte  Verfolgung  eine  andere  sei  als 
die  in  der  Schrift  adv.  Placcum  beschriebene.  Eh  ist  aber  sicher,  dass  beide 
identisch  sind,  wie  ich  mit  vielen  Anderen  schon  in  der  1.  Aufl.  dieses  Buches 
angenommen  hatte.  Die  Einzelheiten  sind  so  vcillig  dieselben,  das«  nuui  an 
der  Identität  nicht  zweifeln  kann.  Vgl.  bes.  in  Place.  §  9  «=  Leg.  ad  Cajum 
{$  10.  Zuweilen  ist  die  Uebercinstimmnng  eine  wörtliche.  So  in  Place,  g  9 
M.  627:  ipQvyavn  avkkhyovztq  xanvtp  xo  nXiop  i}  nvQl  6u<p'>Fipov  •»»  Ijcgat.  ad 
Ckufum  g  19  M.  564:  oi  dh  rinhpXtxxot  xannö  tA  nXtov  i]  nv(d  6ififi>tlQovxo 
Tflc  {ftffvyttvtudovq  vkr^q.  Trotzdem  hat  man  nicht  den  Kindnick  litcruriHcher 
AbbäDgigkeit.  Die  Verwandtschaft  ist  vielmehr  in  literarischer  Beziehung  eine 
Mhr  freie,  wie  sie  sich  von  selbst  ergicbt,  wenn  derselbe  Schriftsteller  die- 
•elben  Ereignisse  zu  vers«hiedcnen  Malen  darstellt,  lieber  den  (inind  der 
Wiederholung  s.  Bd.  III,  S.  629. 


[417,  418]    §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6 — 41  n.  Chr.).  499 

als  dass  die  Juden  den  Kaisercultus  verweigerten.  Er  Hess  acht- 
unddreissig  Mitglieder  der  jüdischen  Gerusia  gefesselt  in's  Theater 
schleppen  und  hier  vor  den  Augen  ihrer  Feinde  geissein,  so  dass 
ein  Theil  unter  den  Geisseihieben  starb,  andere  in  langes  Siech- 
thum  verfielen  *'^^).  Ein  Centurio  erhielt  Befehl,  mit  auserlesener 
Mannschaft  die  Häuser  der  Juden  nach  Waffen  zu  durchsuchen  ^^=). 
Jüdische  Frauen  wurden  vor  den  Zuschauern  im  Theater  zum 
Genuss  von  Schweinefleisch  gezwungen '*^*').  Flaccus  hatte  auch 
schon  vorher  seine  feindliche  Gesinnung  gegen  die  Juden  dadurch 
bewiesen,  dass  er  ein  Schreiben  der  jüdischen  Gemeinde  an  den 
Kaiser,  in  welchem  |  sie  die  ihm  von  jüdischer  Seite  zuerkannten 
Ehrenbezeugungen  darlegte,  nicht,  wie  er  versprochen,  abgesandt, 
sondern  zurückbehalten  hatte.  Dieses  Schreiben  wurde  jetzt  durch 
Agrippa  übersandt,  unter  Angabe  des  Grundes  der  Ver- 
zögerung'^'). 

Wie  die  Lage  der  alexandrinischen  Gemeinde  nach  der  acuten 
Verfolgung  vom  Herbst  38  bis  zum  Tode  Caligula's  (Januar  41) 
sich  weiter  gestaltete,  wissen  wir  nicht.  Flaccus  wurde  noch  im 
Herbst  38  plötzlich  auf  kaiserlichen  Befehl  als  Gefangener  nach 
Rom  abgeführt  und  nach  der  Insel  Andros  im  ägäischen  Meere 
verbannt,  wo  er  später,  gleichzeitig  mit  anderen  vornehmen  Exi- 
lirten,  auf  Befehl  Caligula's  getödtet  wurde  •^®).  Sein  Nachfolger 
war  C.  Vitrasius  PoUio"^^).    Als  höchst  wahrscheinlich  darf  an- 


164)  Phüo  in  Flace.  §  10  M.  II,  527—529. 

1(55)  Das  in  Aegypten  längst  bestehende  Verbot  des  Waflentragens  {(/.«xai- 
QOipoQla)  war  von  Flaccus  einige  Jahre  vorher  auf's  neue  eingeschärft  worden, 
8.  das  oben  S.  70  erwähnte  Papyrusfragment. 

16ö)  Philo  in  Flacc.  %  \\  M.  II,  529-531. 

167)  Philo  in  Flacc.  §  12  M.  II,  531—532. 

168)  Philo  in  Flacc.  §  12—21,  .¥.  II,  532—544.  —  Die  chronologischen 
Daten  für  die  bisher  erzählten  Ereignisse  führen  sämmtlich  auf  den  Herbst 
38  (vgl.  Lewin,  Fasti  sacri  n.  1534 — 1538).  Agrippa  kam  nach  Alexandria  mit 
Benützung  der  Passatwinde  {ixtjaioi,  in  Flacc.  §  5  M,  II,  521),  welche 
vom  20.  Juli  an  30  Tage  lang  wehen  {Plin.  Hist^r.  nat.  II,  47,  124.  XVIII,  28, 
270).  Die  Geisselung  der  achtunddreissig  Mitglieder  der  jüdischen  Gerusia  fand 
am  Geburtstage  Caligula's  statt  [in  Flacc.  §  10  M.  II,  529),  d.  h.  am 
31.  August  {Suetan.  Calvj.  8).  Die  bald  darauf  erfolgte  Wegführung  des  Flaccus 
fiel  in  die  Zeit  des  jüdischen  Laubhüttenfestes  {in  Flacc.  §  14  init.  M.  II, 
534),  also  September  October.  —  Das  Jahr  38  ergiebt  sich  aus  folgenden  zwei 
Daten:  1)  Agrippa  kehrte  im  zweiten  Jahre  Caligula's  aus  Rom  nach  Palä- 
stina zurück  [Joseph.  Antt.  XVIII,  6,  11).  2)  Die  jüdischen  Kaufläden  wurden 
geplündert,  als  sie  gerade  wegen  der  Trauerfeier  für  Drusilla,  die  Schwester 
Caligula's,  geschlossen  waren  {Philo  in  Flacc.  §  8  itf.  II,  525).  Diese  starb 
aber  im  J.  38  n.  Chr.  [Dio  Cass.  LIX,  10—11.    Prosopogr.  imp.  Rom.  II,  228). 

169)  Nach  Dio  Cass.  LIX,  10  hatte  Caligula  den  Macro  zum  Statthalter 

32* 


500  §  1^-  ^'  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  [  418.  419] 

genoTiimen  werden,  dass  die  Juden  bei  Caligula's  Lebzeiten  ihre 
Synagogen  nicht  wieder  zurückerhielten  und  dass  die  Frage  des 
Kaisercultus  fortdauernd  eine  brennende  und  die  Juden  bedrohende 
blieb.  Aus  dem  Umstände  aber,  dass  der  von  Caligula  ernannte 
Statthalter  Yitrasius  Pollio  auch  noch  unter  Claudius  im  Amte 
blieb,  darf  geschlossen  werden,  dass  eine  acute  Verfolgung  unter 
ihm  nicht  mehr  stattgefunden  hat;  denn  sonst  würde  Claudius,  der 
den  Conflict  zu  Gunsten  der  Juden  entschied,  ihn  nicht  im  Amte 
gelassen  haben.  Im  Jahre  40  n.  Chr.,  wahrscheinlich  im  Frühjahr, 
ging  aus  Anlass  der  noch  fortdauernden  Streitigkeiten  zwischen 
der  heidnischen  und  jüdischen  Bevölkerung  Alexandria's  je  eine 
Gesandtschaft  beider  Parteien  an  den  Kaiser,  um  sich 
gegenseitig  zu  verklagen  und  den  Kaiser  für  sich  zu  gewinnen. 
Der  Führer  der  jüdischen  Gesandtschaft  war  Philo,  der  Führer 
der  Gegner  der  Literat  Apion.  Der  Erfolg  war  für  die  Juden 
ungünstig.  Sie  wurden  vom  Kaiser  ungnädig  empfangen  und 
mussten  unverrichteter  |  Dinge  wieder  abziehen.  So  berichtet  in 
der  Kürze  Josephus  *'<>).  Einzelne  Erlebnisse  dieser  Gesandtschaft 
erwähnt  auch  Philo  in  seiner  Schrift  über  Caligula.  Es  ist  aber 
schwer,  die  fragmentarischen  Notizen  genauer  zu  fixiren.  Ohne 
die  Absendung  einer  der  beiden  Gesandtschaften  erwähnt  zu  haben, 
hebt  Philo  zunächst  hervor,  dass  die  Gesandten  der  Alexandriner 
den  Sklaven  Helikon,  einen  Günstling  Caligula's,  ganz  für  ihre 
Interessen  gewannen.    Als  die  Juden  dies  merkten,   machten  sie 

von  Aegypten  ernannt.  Dieser  wurde  aber,  noch  während  Flaccus  Stattlialter 
von  Aegypten  war,  zum  Selbstmorde  gezwungen  [Philo  in  Flacc.  §  3 — 4  M.  II, 
519),  kam  also  gar  nicht  zum  Antritt  seiner  Statthalterschaft.  Den  wirklichen 
Nachfolger  des  Flacciis  kennen  wir  durch  zwei  Inschriften  und  einen  Papyrus- 
Text.  1)  Auf  einer  zu  Assuan  in  Syene  gefundenen  Inschrift  wird  C.  Vitrasius 
Pollio  als  praef.  Acg.  erwähnt;  sie  ist  datirt:  atmo  III  C.  Caesnris  Awfusti 
Oermanici  III  [Sayce:  IUI]  Kai.  Maias,  d.  h.  20.  [Saycc  28.]  April  39  n.  Chr. 
{Revue  archiol.  trois.  ti^rie  t.  XXVIII,  1896,  p.  252,  nach  einer  andern,  von 
Sayce  angefertigten  Copie  in:  Procecdings  of  tfie  Society  of  Bibl.  Archacol. 
XVI IT,  1S9(J,  p.  108).  2)  Corp.  Imcr.  Gracc.  n.  4963:  hovi;  6  [Falov]  KaiaaQoq 
AvxoxQttXOQO(i  Seßaaxoii  inl  Ovitgaalov  FlwXlwyoq  ijyffiovog.  Wegen  der  Er- 
gänzung Falov,  nicht  Tifleplov  h.  Prosopmjraphia  imperii  liom.  III,  45(5.  3)  Eine 
IJittHchrifl  auf  Papyrus  vom  J.  40  oder  41  n.  Chr.  ist  gerichtet  Vaitai  Ovirga- 
atwi  IlwXlttovi  (Kr.nyon,  Ureek  Papyri  in  Ihc  BritiKh  Muscwn  ral.  II,  1898,  p.  168). 
4)  Aus  Pliti.  liint,  Na(.  36,  r>7  erhellt,  dass  Vitrasius  Pollio  auch  noch  unter 
ClaadiuR  im  Amt«  war  (stalua»  rx  co  (Jtaudio  Car.mri  procm-ator  eins  inurbcm 
nx  Aegypto  advexit  Vitrasius  Polio).  —  Vcrscliicdcn  v«»i)  ihm  int  der  von  Dio 
Ca$s,  68,  19  erwähnte  (f  32  n.  Ohr.). 

170)  Jos.  Antt.  XVIII,  8,  1.  —  Nacli  .loscjihns  Ixstandcn  beide  (iesHiidt- 
Nch«ftcn  aus  je  drei  Manu;  nach  Philo  {I,eg.  nd  Qijinn  §  4(5  M.  II,  6()Ü)  da- 
gegen die  JfidiHche  auH  fflnf  Mann. 


[419]  §17.   c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (G— 41  n.  Chr.).  50I 

auch  ihrerseits  die  gleichen  Anstrengungen,  aber  vergebens  •"'). 
Sie  beschlossen  dann,  eine  schriftliche  Darlegung  (welche  in  der 
Hauptsache  dasselbe  enthielt,  wie  die  „vor  Kurzem"  durch  König 
Agrippa  übersandte  Schrift)  dem  Kaiser  zu  überreichen.  Caligula 
empfing  die  jüdischen  Gesandten  zunächst  auf  dem  Marsfelde  bei 
Rom  und  versprach,  sie  bei  gelegener  Zeit  zu  hören  ^'^'^).  Die  Ge- 
sandten folgten  dann  dem  Kaiser  nach  Puteoli,  wo  sie  aber  nicht 
empfangen  wurden  *").  Erst  später,  wir  wissen  nicht,  um  wie  viel 
später,  fand  die  versprochene  Audienz  in  Rom  in  den  Gärten  des 
Mäcenas  und  Lamia  statt,  bei  welcher  der  Kaiser,  indem  er  seine 
Bauten  besichtigte  und  darauf  bezügliche  Anordnungen  traf,  die 
Juden  immer- hinter  sich  herziehen  Hess  und  ihnen  ab  und  zu, 
unter  dem  Beifall  der  gleichfalls  anwesenden  gegnerischen  Ge- 
sandten, eine  höhnische  Bemerkung  zuwarf,  bis  er  sie  endlich  ent- 
liess  mit  der  Aeusserung:  sie  seien  mehr  thörichte  als  bösartige 
Menschen,  da  sie  nicht  an  seine  Gottheit  glauben  wollten ''^^).  | 


171)  Philo,  Legat,  ad  Cajmn  §.25-26  M.  II,  570  (Helikon);  ibid.  §  27  M. 
II,  571  (die  Gesandten  der  Alexandriner);  ilrUI.  §  27— 28  JtT.  II,  571  s^'.  (die  ver- 
geblichen  Bemühungen  der  jüdischen  Gesandten  um  Gehör  bei  Helikon). 

172)  Philo,  Legat,  ad  Cajum  §  28  M.  II,  572  (der  Berichterstatter  spricht 
hier  gelegentlich  in  der  ersten  Person  von  sich). 

173)  Philo,  Legat,  ad  Cajum  §  29  M.  II,  573. 

174)  Philo,  Legat,  ad  Cajum  §  44—46  M.  II,  597—600.  —  In  dem  Berichte 
des  Philo  ist  auffallend,  dass  er  von  den  Bemühungen  der  alexandrinischen  und 
jüdischen  Gesandten  in  Rom  spricht,  ohne  ilire  Absendung  überhaupt  erwähnt 
zu  haben.  Möglicherweise  hat  der  uns  erhaltene  Text  eine  Lücke  (so  Masse- 
hieau,  Le  classement  des  oeuvres  de  Philan  [Bibliotkeque  de  l'Ecole  des  Hautes 
Etudes,  Section  des  Sciences  religieuses,  vol.  I,  Paris  1889]  p.  bosqq.).  Doch  scheint 
mir  diese  Annahme  nicht  unbedingt  nothwendig.  Denn  Philo  will  keineswegs 
die  Geschichte  dieser  Gesandtschaft  erzählen  (wie  man  nach  dem  falschen, 
nicht  von  Philo  herrülirenden  Titel  in  der  Regel  meint).  Sein  Thema  ist  viel- 
mehr dasselbe,  wie  in  Lactantius'  Schrift  de  mortibus  persecutorum:  dass  die 
Verfolger  der  Frommen  von  Gott  bestraft  werden  (so  richtig  Massebieau).  Wie 
bei  Flaccus,  so  werden  auch  bei  Caligula  zuerst  dessen  Frevelthaten  dargestellt, 
und  dann  das  göttliche  Strafgericht  (nur  ist  diese  zweite  Hälfte  der  Schrift 
über  Caligula  uns  nicht  erhalten).  Die  Juden  sind  also  hier  nicht  die  Haupt- 
personen, sondern  Caligula;  vollends  die  jüdische  Gesandtschaft  von  Alexandria 
nach  Rom  ist  gänzlich  Nebensache.  Hieraus  erklären  sich  vielleicht  auch 
andere  Schwierigkeiten.  Caligula  war  vom  Herbst  des  Jahres  39  bis 
zum  31.  August  40  von  Rom  abwesend  auf  einem  Feldzuge  nach 
Gallien  und  Germanien  (s.  oben  S.  448 f.).  Hat  der  zweimalige  Empfang 
der  Gesandtschaft  vor  oder  nach  dem  Feldzuge  stattgefunden?  Nach  Philo, 
Leg.  ad  Cajum  §  29  M.  II,  573  fin.  haben  die  Gesandten  die  Seereise  gemacht 
während  des  Winters  (xsifxwvog  /neaov).  Da  die  Angelegenheiten,  um  welche 
es  sich  handelte,  schon  durch  die  grosse  Verfolgung  vom  Herbst  38  brennend 
geworden  waren,  so  denkt  man  zunächst  an  den  Winter  38  39.  Dafür  scheint 
auch  zu  sprechen,   dass  es  von  der   schriftlichen  Apologie,   welche   die  Ge- 


502  §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).    [420.  421J 

Die  Dinge  blieben  in  Alexandria  wohl  in  der  Schwebe  bis  zum 
Tode  Caligula's.    Eine  der  ersten  Thaten  des  neuen  Kaisers  Clau- 
dius war  es,  dass  er  ein  Edict  erliess,  durch  welches  den  alexan- 
drinischen  Juden  alle  ihre  früheren  Privilegien  bestätigt  und  die 
ungehinderte  Ausübung  ihres  Gottesdienstes   aufs  neue  verbürgt 

sandten  dem  Kaiser  überreichten,  heisst,  sie  sei  ähnlichen  Inhalts  gewesen, 
wie  die  ngb  oXiyov  durch  Agrippa  bei  Gelegenheit  seines  Aufenthaltes  in 
Alexandria  übersandte  {Leg.  ad  Cajuni  §  28  M.  II,  572),  was  sich  ohne  Zweifel 
auf  die  oben  S.  499  erwähnte  Thatsache  bezieht.  Aus  diesen  Gründen  setzt 
Lewin  den  Abgang  der  Gesandtschaft  noch  Ende  38  {Fasti  sacri  n.  1539—1540), 
den  ersten  Empfang  auf  dem  Marsfelde  und  die  Uebersiedelung  nach  Puteoli 
Anfang  39,  vor  dem  gallisch-germanischen  Feldzug  {ibid.  n.  1551;  1557),  die 
zweite  Audienz  in  den  Gärten  des  Mäcenas  und  Lamia  aber  erst  nach  dem 
Feldzug,  Herbst  40  {ibid  w.  1600).  Ebenso,  wie  es  scheint,  Keim,  Gesch.  Jesu 
I,  235.  Diese  Anordnung  ist  aber  deshalb  unmöglich,  weil  die  Gesandten  in 
Puteoli  die  erste  Nachricht  davon  erhielten,  dass  Caligula  die  Aufstellung 
seiner  Statue  im  Tempel  zu  Jerusalem  angeordnet  habe  {Philo,  Legat,  ad  Cajum 
§29  M.  II,  573).  Dies  kann,  wie  die  folgende  Darstellung  zeigen  wird,  nicht 
vor  Frühjahr  40  der  Fall  gewesen  sein.  Man  ist  also  genöthigt,  auch  den 
ersten  Empfang  und  die  bald  darauf  folgende  Uebersiedelung  nach  Puteoli 
nach  dem  gallisch-germanischen  Feldzug,  Herbst  40,  zusetzen.  Dass 
Caligula  in  dieser  Zeit  noch  einmal  in  Puteoli  war,  darf  man  auch  aus  Plin. 
Histor.  nat.  XXXII,  1,  4  schliessen  (wo  von  einer  Rückfahrt  Caligula's  „von 
Astura  nach  Antium"  nicht  lange  vor  seinem  Tode  die  Rede  ist).  Die  zweite 
Audienz  in  den  Gärten  des  Mäcenas  und  Lamia  fand  jedenfalls  nach  dem 
Feldzug  statt;  denn  die  Gesandten  berufen  sich  hier  darauf,  dass  die  Juden 
für  den  Kaiser  geopfert  haben  xaxa  ztjv  O.nlöa  xfiq  FsQfxavixTiq  vlxrjq  (Le//.  ad 
Caj.  §  45  M.  II,  598).  Sind  demnach  die  Audienzen  der  Juden  bei  Caligula 
erst  in  den  Herbst  40  zu  setzen,  so  ist  zu  erwägen,  ob  etwa  ihre  winterliche 
Seereise  erst  in  den  Spätlierbst  40  fällt?  (so  namentlich  Grätz  in  der  oben 
ö.  495  f.  genannten  Abhandlung).  Dieser  Ansatz  wäre  aber  zu  spät,  da  es  dann 
unerklärlich  würde,  dass  die  Gesandten  erst  in  Pnteoli  von  den  Vorgängen 
in  Palästina  hörten,  die  dort  schon  seit  Anfang  des  Sommers  spielten.  Es 
wird  somit  anzunehmen  sein,  dass  die  Gesandten  noch  Ende  des  Winters  39/40 
reisten,  dann  in  Rom  auf  die  Rückkehr  Caligula's  warteten,  und  im  Herbst 
von  ihm  empfangen  wurden  (so  Tillemont,  llistoirc  des  ernpcreurs  t.  I  p.  457, 
Dclattnay,  P/nltm  d' Alej-andrie  ji.  180;  auch  Noris,  Ojrp.  II,  659s</.  und 
Sattclcmente,  De  viUf/aris  aerac  cnicndatümc  p.  313  [gegen  Noris'  Annahme, 
dass  die  von  Philo  g  44—45  geschilderte  Audienz  v  or  die  §  29  erwälmte  Ucber- 
siedelung  nach  Puteoli  falh;,  s.  Sunclentente  S.  313f.]).  Ob  num  aber  zu  dieser 
oder  jener  (Kombination  greift:  auf  aUc  Fälle  vermisst  man  in  Philo's  Dar- 
stellung nicht  nur  einen  Hericht  über  die  Absenciuiig  der  jüdisch-alexandriniHchen 
GesandtHchaft,  Hondern  auch  einen  zuHan)menhäiigendi'n  iJcricht  ühcr  ihre  Er- 
lebnisse in  Rom.  Noch  auffanerKh'r  int,  das«  Pliilo  über  die  Lu^^e  in  Aicxandrin 
selbst  vom  Herbst  38  bis  zum  'i'ocU!  Caligula's  gar  nichts  mittiicilt,  ho  dass 
man  auch  nicht  erfährt,  weHhalh  die  GcHandtsehaft  erst  etwa  IV2  Jahre  nach 
der  grossen  Verfolgung  abging.  Wenn  sich  auch  Manches  hiervon  aus  dem 
oben  angegebenen  /we<  kc  seiner  Sihrift  erklärt,  so  bleibt  doch  der  V^erdacht 
berofbtigt,  dass  uns  dieselbe  nicht  iutact  erhalten  ist. 


[421.422]   §17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6 — 11  n.  Chr.).  593 

wurde ''^j.  Die  Haupt-Anstifter  der  alexandrinisclien  Judenhetze 
wurden  zur  Verantwortung  gezogen.  Philo  nennt  als  solche  einen 
Isidorus  und  Lampon.  Durch  die  neueren  Papyrusfunde  wissen 
wir,  dass  ersterer  Gyninasiarch  war,  und  dass  beide  unter  Claudius 
zum  Tode  verurtheilt  und  hingerichtet  wurden  (s.  oben  S.  67  f.). 

Während  die  Gesandtschaft  der  Alexandriner  zu  Rom  auf  die 
kaiserliche  Entscheidung  harrte,  zog  auch  über  das  Mutterland 
Palästina  ein  schweres  Unwetter  herauf.  Seinen  Ursprung  hatte 
es  in  Jamnia,  der  philistäischen  Küstenstadt,  die  damals  vor- 
wiegend von  Juden  bewohnt  war.  Als  dort  die  heidnischen  Ein- 
wohner, um  ihren  Eifer  für  den  Cäsar  zu  zeigen  und  zugleich  die 
Juden  zu  ärgern,  dem  Kaiser  einen  rohen  Altar  errichteten,  wurde 
dieser  von  den  Juden  sofort  wieder  zerstört.  Dies  berichtete  der 
kaiserliche  Procurator  der  Stadt,  Herennius  Capito*'^),  an  den 
Kaiser;  und  dieser  gab  nun,  um  Rache  an  den  widerspänstigen 
Juden  zu  nehmen,  den  Befehl,  dass  sein  Bildniss  im  Tempel 
zu  Jerusalem  aufgestellt  werde"'}.  Da  vorauszusehen  war, 
dass  ein  solches  Verlangen  auf  heftigen  Widerstand  stossen  würde, 
erhielt  der  Statthalter  von  Syrien,  P.  Petronius,  Befehl,  die 
Hälfte  der  „am  Euphrat"  (d.  h.  in  Syrien)  stehenden  Armee  "^) 
nach  Palästina  zu  führen,  um  mit  ihrer  Hülfe  den  kaiserlichen 
Willen  durchzuführen.  Nur  schweren  Herzens  gehorchte  der  ver- 
ständige Mann  dem  knabenhaften  Verlangen  (Winter  39/40).  Wäh- 
rend er  die  Statue  einstweilen  in  Sidou  anfertigen  Hess,  beschied 
er  die  Häupter  der  Judenschaft  zu  sich  und  suchte  sie  in  Güte 
zur  Nachgiebigkeit  zu  bewegen.    Aber  vergeblich  "*).  | 

Bald  verbreitete  sich  die  Kunde  von  dem,  was  bevorstand, 
über  ganz  Palästina;   und  nun  zog  das  Volk   selbst  in   grossen 

175)  Jos.  Antt.  XIX,  5,  2. 

170)  Er  war  nicht,  wie  Philo  ihn  nennt,  ^6qwv  ixXoytvg  twp  t^s  'Iov- 
öaiag,  sondern  nur  0  XTJg  'la/xveiag  inlvQonoq  {Joseph.  Antt.  XVIII,  (3,  3). 
Jamnia  war  nämlich  kaiserlicher  Privatbesitz  [Antt.  XVIII,  2,  2).  —  Sollte  nicht 
auch  im  Texte  Philo's  'lafxvtiag  statt  'lovöaiag  zu  lesen  sein? 

177)  Philo,  Legat,  ad  Caj.  §  30,  M.  II,  blbsq. 

178)  Nach  Joseph.  Antt.  XVIII,  8,  2  zwei  Legionen;  nach  B.  J.  II,  10,  1 
drei.  Ersteres  ist  das  Richtige;  denn  in  Syrien  standen  vier  Legionen  (s.  oben 
S.  459).  Wenn  also  Philo  §  31  sagt  „die  Hälfte",  so  stimmt  dies  mit  Jos.  Antt. 
XVIII,  8,  2. 

179)  Philo  §  31,  M.  II,  576—579.  —  Die  Zeit  ergiebt  sich  daraus,  dass  die 
folgenden  Verhandlungen  zu  Ptojlemais  in  die  Zeit  der  Ernte,  also  zwischen 
Passa  und  Pfingsten,  und  zwar  des  Jahres  40  (wie  der  weitere  Verlauf  lehrt) 
fallen.  Da  aber  nach  Antt.  XVIII,  8,  2  Petronius  in  Ptolemais  Winterquartiere 
bezogen  hatte,  muss  er  im  Winter  39/40  dorthin  gekommen  sein.  Freilich  er- 
weckt Josephus  vielmehr  den  Anschein,  als  habe  dies  erst  im  Winter  40/41 
stattgefunden.    S.  oben  S.  333. 


504  §  1'^'  c-  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).    [422.  423] 

Schaaren  nach  Ptolemais,  wo  das  Hauptquartier  des  Petronius 
sich  befand.  „Wie  eine  Wolke  bedeckte  die  Menge  der  Juden 
ganz  Phönicien".  Wohl  geordnet,  in  sechs  Haufen  getheilt  (Greise, 
Männer,  Knaben;  Greisinen,  Frauen,  Mädchen),  erschien  die  Massen- 
deputation vor  Petronius.  Ihr  klägliches  Jammern  und  Flehen 
machte  auf  Petronius  solchen  Eindruck,  dass  er  beschloss,  alles 
zu  versuchen,  um  vorläufig  wenigstens  die  Entscheidung  hinaus- 
zuschieben ^^ö).  Die  volle  Wahrheit  —  dass  er  nämlich  wünschte, 
die  ganze  Unternehmung  einzustellen  —  durfte  er  freilich  dem 
Kaiser  nicht  schreiben.  Er  schrieb  ihm  vielmehr,  dass  er  um 
Aufschub  bitte,  theils  weil  die  Anfertigung  der  Statue  Zeit 
brauche,  theils  weil  die  Ernte  bevorstehe,  welche  abzuwarten 
räthlich  sei,  da  sonst  die  erbitterten  Juden  am  Ende  die  ganze 
Ernte  zerstören  möchten.  Als  Caligula  diesen  Brief  erhielt,  war 
er  sehr  ungehalten  über  die  Saumseligkeit  seines  Statthalters. 
Doch  wagte  er  nicht,  seinen  Zorn  merken  zu  lassen;  sondern 
schrieb  ihm  einen  anerkennenden  Brief,  in  welchem  er  seine  Um- . 
sieht  lobte  und  ihn  nur  ermahnte,  mit  der  Aufstellung  der  Statue 
doch  möglichst  bald  vorzugehen,  da  ja  die  Ernte  bereits  zu  Ende 
sein  könne '^1). 

Petronius  machte  aber  auch  jetzt  noch  nicht  Ernst  mit  der 
Sache,  sondern  liess  sich  aufs  Neue  in  Verhandlungen  mit  den 
Juden  ein.  Ja  noch  im  Spätherbst,  zur  Zeit  der  Saat  (November), 
finden  wir  ihn  in  Tiberias  40  Tage  lang  von  einer  nach  Tausen- 
den zälilenden  Volksmenge  umlagert,  welche  ihn  fiehentlicher  als 
je  zuvor  bat,  er  möge  doch  den  drohenden  Gräuel  der  Tempel- 
schändung vom  Lande  abwenden.  Als  endlich  auch  noch  Aristo- 
bulus,  der  Bruder  des  Königs  Agrippa,  und  andere  Verwandte 
desselben  ihre  Bitten  mit  denen  des  Volkes  vereinigten,  entschloss 
sich  Petronius  zu  dem  entscheidenden  Schritte,  den  Kaiser  um 
Zurücknahme  des  Befehles  zu  ersuchen.  Er  fülirte  sein  Heer  von 
Ptolemais  nach  Antiochia  zurück  und  stellte  in  einem  Briefe, 
welchen  er  zu  diesem  Zwecke  an  Caligula  schrieb,  ihm  vor,  wie 
aus  Gründen  der  Billig  keit  und  der  Klugheit  die  Verzichtleistung 
auf  jene  Maassregel  empfehlenswerth  sei  '^2). 

Mittlerweile  hatten  die;  Dinge  an  der  entscheidenden  Stelle  zu 
Rom  von  selbst  eine  günstigere  Wendung  genommen.    Der  König 

IKO)  Philo  g  32  f.  J»f.  II,  679-582.  Joseph.  Antt.  Will,?,,'!.  7?.  .7.  II,  10, 1-3. 

181)  Philo  li  33—34,  M.  II,  582—584.  Dit'Hcr  Bricl\vo(liBi>l  .•^clioiiit  nicht 
idenÜHch  zu  Hoin  mit  dem  von  JoHcplniH  Antt.WW],  8,  2  crwahiitfii.  Donii 
lctzt<;n'r  fililt  noch  vor  die  Verimndlutigen  in  l'tolciimiH. 

182)  JoKcph.  Antl.  XVIII,  8,  3— »5.  li.J.  II,  10.  3-5.  Die  Zurückfillirung 
dM  Ho<!n!M  wird  nur  U.  .f.  FI,  10,  5  erwülint. 


[423.  424]   §  17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  505 

Agrippa  I,  der  im  Frühjahr  (d.  J.  40  n.  Chr.)  Palästina  verlassen 
hatte,  traf  im  Herbste  bei  Caligula  in  Rom  (oder  Puteoli)  ein,  als 
dieser  von  seinem  germanischen  Feldzuge  bereits "  zurückgekehrt 
war'^^).  Er  hatte  von  den  Vorgängen  in  Palästina  noch  nichts 
vernommen.  Aber  das  Augenrollen  des  Kaisers  verrieth  ihm,  dass 
geheimer  Zorn  in  seinem  Innern  kochte.  Als  er  vergebens  nach 
einer  Ursache  desselben  suchte,  bemerkte  der  Kaiser  seine  Ver- 
legenheit und  theilte  ihm  in  höchst  ungnädigem  Tone  mit,  was  der 
Grund  seines  Zürnens  sei.  Der  König  gerieth  über  das  Gehörte 
dermassen  in  Schrecken,  dass  er  in  eine  Ohnmacht  tiel,  von  welcher 
er  sich  erst  am  Abend  des  folgenden  Tages  wieder  erholte  '^*). 
Nach  seinem  Erwachen  war  sein  erstes  Geschäft,  ein  Bittgesuch 
an  den  Kaiser  zu  richten,  in  welchem  er  ihn  namentlich  durch  den 
Nachweis,  dass  keiner  seiner  Vorfahren  je  etwas  Aehnliches  ver- 
langt habe,  zur  Zurücknalime  seines  Befehles  zu  bestimmen  suchte  ^^^). 
Wider  alles  Erwarten  hatte  der  Brief  Agrippa's  die  gewünschte 
Wirkung.  Caligula  Hess  dem  Petronius  schreiben,  dass 
im  Tempel  zu  Jerusalem  nichts  geändert  werden  solle. 
Freilich  war  die  Gnade  keine  ungemischte.  Denn  gleichzeitig  wurde 
verfügt,  dass  Niemand,  der  ausserhalb  Jerusalems  dem  Kaiser  Altäre 
oder  Tempel  errichten  wolle,  daran  gehindert  werden  dürfe.  Es 
war  damit  ein  gut  Theil  der  gemachten  Concession  wieder  zurück- 
genommen; und  nur  dem  Umstände,  dass  Niemand  von  dem  einge- 
räumten Rechte  Gebrauch  machte,  war  es  zu  danken,  dass  daraus 


183)  Dass  Agrippa  schon  im  Frühjahr  Palästina  verlassen  hatte,  ist  darum 
anzunehmen,  weil  er  von  den  Vorgängen  daselbst  bei  seiner  Ankunft  in  Rom 
noch  nichts  wusste.  Er  kann  aber  nicht  schon  in  Gallien  mit  Caligula  zusam- 
mengetroffen sein  (wie  Dio  Cass.  LIX,  24  voraussetzt),  sondern  erst  in  Rom 
oder  Puetoli,  einige  Zeit  nach  der  Rückkehr  Caligula's  von  seinem  Feldzuge 
(31.  Aug.  40).  Denn  hätte  die  von  Erfolg  gekrönte  Intervention  Agrippa's  schon 
in  Gallien  stattgefunden,  so  hätten  die  alexandrinischen  Gesandten  nicht  erst 
nach  Caligula's  Rückkehr,  und  nachdem  sie  dem  Kaiser  nach  Puetoli  gefolgt 
waren,  dort  von  den  schlimmen  Nachricliten  über  die  palästinensischen  An- 
gelegenheiten überrascht  werden  können,  wie  es  doch  der  Fall  war  (PAV/o  §  29, 
II,  573).  Die  Intervention  Agrippa's  muss  also  erst  nach  dieser  Zeit  stattge- 
funden haben.  Es  folgt  dies  ohnehin  daraus,  dass  Petronius  noch  im  Spät- 
herbst (zur  Zeit  der  Saat,  und  nicht  lange  vor  Caligula's  Tod,  also  etwa  No- 
vember) um  Aufhebung  des  Befehles  bittet.  Er  kann  also  die  dahin  lautende 
Entscheidung  Caligula's  damals  noch  nicht  in  Händen  gehabt  haben;  und 
diese  kann  demnach  nicht  früher  als  etwa  Septbr.  oder  Octbr.  in  Rom  erfolgt 
sein.  —  Dass  die  Intervention  Agrippa's  in  d.  J.  40  tällt,  erhellt  im  Allge- 
meinen auch  aus  dem  Inhalt  seines  Bittschreibens,  in  welchem  er  sich  bereits 
als  Besitzer  von  Galiläa  bezeichnet  {Philo  §  41,  II,  593  unten). 

184)  Philo  §  35.    II,  584—580. 

185)  Philo  §  36—41.    II,  586-594. 


506  §  1' •  "•  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  [424] 

keine  neuen  Unruhen  entstanden.  Ja  bald  gereute  es  den  Kaiser 
überhaupt,  jenes  Zugeständniss  gemacht  zu  haben.  Und  er  liess 
nun,  indem  er  von  der  in  Sidon  angefertigten  Statue  keinen  weiteren 
Gebrauch  machte,  zu  Rom  eine  neue  anfertigen,  welche  er  bei  seiner 
in  Aussicht  genommenen  Reise  nach  Alexandria  selbst  im  Vorbei- 
weg an  der  Küste  von  Palästina  absetzen  und  heimlich  nach  Jeru- 
salem bringen  lassen  wollte  ^^^).  Nur  der  bald  darauf  eingetretene 
Tod  des  Kaisers  verhinderte  die  Ausführung  dieses  Unternehmens. 
Wie  für  das  Land  Judäa,  so  war  auch  für  die  Person  des  Pe- 
tronius  der  Tod  des  Kaisers  eine  günstige  Fügung.  Als  nämlich 
Caligula  nachträglich,  nachdem  er  selbst  bereits  die  Einstellung  des 
Unternehmens  verfügt  hatte,  den  Brief  des  Petroniiis  mit  dem  darauf 
bezüglichen  Wunsche  erhielt,  gerieth  er  über  den  Ungehorsam  des 
Beamten  in  die  äusserste  Wuth  und  liess  ihm  sofort  den  Befehl  zu- 
gehen, zur  Strafe  dafür  sich  selbst  das  Leben  zu  nehmen.  Bald 
darauf  wurde  vielmehr  Caligula  ermordet  (24.  Januar  41  n.  Chr.); 
und  die  Nachricht  davon  erhielt  Petronius  27  Tage  bevor  die  Boten 
mit  dem  Selbstmordbefehl  eintrafen.  Denn  diese  waren  infolge  un- 
günstiger Fahrt  drei  volle  Monate  unterwegs  gewesen.  Von  Aus- 
führung des  Selbstmordbefehls  war  nun  ebenso  wenig  mehr  die  Rede 
wie  von  Aufstellung  der  Statue  iru  Tempel  zu  Jerusalem  i«^).  | 


186)  Phih  §  42—43.  II,  594—595  (die  beabsichtigte  Reise  nach  Alexandria 
wird  auch  §  33,  II,  583  und  Sueton.  Galig.  e.  49  erwähnt).  —  Etwas  anders 
erzählt  Josephus  (Antt.  XVIII,  8,  7—8)  die  Intervention  Agrippa's.  Kach 
ihm  wurde  Agrippa  einst,  als  er  durch  ein  glänzendes  Gastmahl  sich  die  be- 
sondere Zufriedenheit  Caligula's  erworben  hatte,  von  diesem  aufgefordert,  sich 
eine  Gnade  zu  erbitten ;  worauf  er  den  Kaiser  eben  um  Zurücknahme  des  Be- 
fehls zur  Aufstellung  seiner  Statue  im  Tempel  zu  Jerusalem  bat.  Das  Resultat 
war  auch  nach  Josephus  dasselbe:  dass  die  Bitte  gewährt  wurde. 

187)  Joseph.  Antt.  XVIII,  8,  8—9.  B.  J.  II,  10,  5.  —  Vgl.  überhaupt  auch 
die  jüdische  Tradition  bei  Derenbourg  p.  207  sq. 

Die  zeitliche  Aufeinanderfolge  der  berichteten  Ereignisse  werden  wir  uns 
etwa  folgendermassen  zu  denken  haben  (wobei  vorausgesetzt  wird,  dass  die 
>i"achrichten  von  Rom  resp.  Gallien,  bis  Jerusalem  und  umgekehrt  im  Durch- 
schnitt etwa  zwei  Monate  brauchten): 

Winter  39/40;  Petronius  erhält  von  Caligula  den  Befehl,  seine  ötatue 

im  Tempel  zu  Jerusalem  aufzustellen,   und  kommt  mit 
zwei  Legionen  nach  Palästina. 
April/Mai  40:  (als  die  Ernte  bevorstand)  Verhandlungen  in  Ptolemais. 

Erster  B<'riclit  des  Petronius  an  Caligula  {Philo  §  32 — 33. 
JoH.  Anll.  XVIII,  8,  2.     B.  J.  H.  10,  1—3). 
Juni:  (Jaligula  erliält  den  ersten  Bericht  des  Petronius  und  ant- 

wortet ilim,  indem  er  ihn  zur  Eile   maluit  {Philo  g  34). 
August:  PutroniuH  erhält  die  Autwort  Caligula's,  zögert  aber  noch 

mit  der  Entscheidung. 


[425]  §17.  c.  Judäa  unter  römischen  Procuratoren  (6—41  n.  Chr.).  597 

Der  neue  Kaiser  Claudius,  der  von  den  Soldaten  auf  den 
Thron  erhoben  wurde,  schenkte  unmittelbar  nach  seinem  Regierungs- 
antritt deniAgrippa  ausser  dem  Gebiete,  welches  er  schon  durch 
Caligula  erhalten  hatte,  auch  noch  Judäa  und  Samaria,  so  dass 
nun  wieder  ganz  Palästina  in  demselben  Umfang,  in  welchem  es 
einst  Herodes  d.  Gr.  besessen  hatte,  in  der  Hand  eines  Herodäers 
vereinigt  war^^^).  | 


Ende  September:     Agrippa  trifft  bei  Caligula  in  Rom  (oder  Puetoli)  ein,  er- 
fahrt das  Geschehene  und  intervenirt.    Caligula  sendet 
an  Petronius  die  Weisung,  das  Unternehmen  einzustellen 
{Philo  §  35-42.    Jos.  Antt.  XVIII,  8,  7-8). 
Anfang  November:  Verhandlungen  in  Tiberias  (zur  Saatzeit):   Petronius 
bittet  den  Kaiser,  auf  die  Aufstellung  der  Statue  zu  ver- 
zichten {Antt  XVIII,  8,  3—6.    B.  J.  II,  10,  3—5). 
Ende  November:      Petronius  empfangt  die  Weisung,  das  Unternehmen  ein- 
zustellen. 
Anfang  Januar  41:   Caligula  erhält   die  Bitte  des  Petronius,   auf  die   Auf- 
stellung der  Statue  zu  verzichten,  und  lässt  ihm  den  Be- 
fehl des  Selbstmordes  zugehen  (.4««.  XVIII,  8,  8). 
24.  Januar  41:  Caligula  ermordet. 

Anfang  März:  Petronius  erhält  die  Nachricht  vom  Tode  Caligula's. 

Anfang  April:  Petronius   erhält   den  Brief  mit  dem  Befehl  des  Selbst- 

mordes [Antt.  XVIII,  8,  9.  B.  J.  II,  10,  5). 
Das  Schema  bleibt  im  Wesentlichen  richtig,  auch  wenn  man  die  Zeit, 
welche  ein  Brief  von  Italien,  resp.  Gallien  nach  Palästina  und  umgekehrt 
brauchte,  in  einzelnen  Fällen  etwas  kürzer  anschlägt.  Als  Durchschnitt  wür- 
den 1 — 2  Monate  anzunehmen  sein.  Es  ist  aber  zu  bedenken,  dass  Caligula 
im  Sommer  noch  in  Gallien  war.  und  dass  im  Winter  die  Nachrichten  lang- 
sam und  unregelmässig  gingen.  Die  Hauptschwierigkeit  für  unsere  Chrono- 
logie ist  die,  dass  sowohl  Agrippa  als  die  jüdisch-alcxandrinische  Gesandt- 
schaft erst  etwa  im  September  von  Caligula's  Befehl  in  Betreff"  des  jeru- 
salemischen Tempels  hörten  (s.  oben  S.  501  f.  u.  S.  505),  während  nach  Philo  die 
Sache  schon  seit  der  Erntezeit  (April/Mai)  in  Palästina  öffentliches  Aufsehen 
erregt  hatte.  Schon  Tillemont  hat  aus  diesem  Grunde  die  letztere  Notiz 
Philo's  als  unhistorisch  preisgegeben  {Histoire  des  empereurs  t.  I,  Venise  1732, 
j).  030  s^.  [Notes  sur  la  ruine  des  juifs,  «o^e  IX]),  ebenso  in  neuerer  Zeit  Gr ätz 
(Monatsschr.  1877,  S.  97  ff",  145  ff".  =  Gesch.  der  Juden  Bd.  III,  4.  Aufl.  S.  7590".). 
Die  Angaben  Philo's  sind  aber  in  diesem  Punkte  so  bestimmt  und  detaillirt 
(§  33  M.  II,  583:  h  dx/uy  fxhv  yag  xbv  xov  aiiov  xaQnov  elvai  u.  s.w.,  vgl. 
§  34  fin.  M.  II,  584),  dass  diese  gewaltsame  Lösung  sehr  gewagt  erscheint. 
188)  Antt.  XIX,  5,  1.    B.  J.  II,  11,  5. 


508  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.  [426] 

Anhang  1.    Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1 — 5. 

Literatur*): 

Greswell,  Dissertations  upon  the  principles  and  arrangernent  of  a  Hannony  of 

the  Qospels,  3  voll.     Oxford  1830,  ro/.  I,  jo.  443— 524.    Ders.,  Supplementary 

Dissertations,  Oxford  1834,  p.  114 sgg.  (waren  mir  nicht  zugänglich). 
*Huschke,  Ueber  den  zur  Zeit  der  Geburt  Jesu  Christi  gehaltenen  Census. 

1840.    (125  S.). 
♦Wieseler,  Chronolog.  Synopse  der  vier  Evang.    1843,  S.  73 — 122. 
Hock,  Eömische  Geschichte  I,  2  (1843),  S.  392-426. 
*Huschke,  Ueber  den  Census  und  die  Steuerverfassung  der  früheren  römischen 

Kaiserzeit.    1847.  (208  S.). 
Winer  RWB.  Art.  „Quirinius"  und  „Schätzung". 
Gumpach,  Die  Schätzung  (Stud.  und  Krit.  1852,  S.  663—684). 
Lichtenstein,  Lebensgesch.  des  Herrn  Jesu  Christi  1856,  S.  78 — 90. 
Köhler,  Art.  „Schätzung"  in  Herzog's Eeal-Enc.  l.Aufl.  XHI,  1860,  S.4ü3— 467. 
Bleek,  Synoptische  Erklärung  der  drei  ersten  Ew.  (1862)  I,  66—75. 
Meyer  zu  Luc.  2,  1—2;  auch  die  Neubearbeitung  von  Weiss  und  überhaupt 

die  Comm,  zu  d.  St. 
Strauss,  Leben  Jesu  1864,  S.  336— 340.  —  Ders.,  Die  Halben  und  die  Ganzen 

1865,  S.  70—79. 
Aberle,   Ueber  den  Statthalter  Quirinius   (Tüb.  Theol.  Quartalschrift  1865, 

S.  103—148.    Ebendas.  1868,  S.  29—64.    Ebendas.  1874,  S.  663-687). 
Hilgenfeld,  Quirinius  als  Statthalter  Syriens  (Zeitschr.  f.  wissenschaftl.  Theol. 

1865,  S.  408—421.    Ebendas.  1870,  S.  151—167). 
Gerlach,  Die  römischen  Statthalter  in  Syrien  und  Judäa  1865,  S.  22—42. 
Lutteroth,  Le  recensement  de  Quirinius  en  Judee,  Paris  1865  (134  J9.). 
Wallen,   De  la  croyance  due  ä  l'evangilc  etc.    2«  edit.     Paris  1866   (mir  nur 

aus  Desjardins  bekannt). 
Deajardins,  Le  recenseinent  de  Quirinitis  [Revue  des  quest.  hist.  1«  annee  t.  H, 

1867,  p.  1 — 65)   [mit  Bezug  auf  Lutteroth,  Walion,  Aberle  u.  Mommsen]. 
RodbertUB,    Zur   Geschichte    der   römischen   Tributsteuern    seit  Augustus 

(Hildebrand's  Jahrbb.  für  Nationalökonomie  und  Statistik  Bd.  IV,  1865, 

8.341-427;  Bd.V,  1865,  S.  135-171,  241— 315;  Bd.  VHI,  1867,  S.  81-126, 

385-475)  [über  die  Lucasstelle:  V,  155  tt".]. 
Ewald,  Gesch.  des  Volkes  Israel  Bd.  V  (3.  Aufl.  1867),  S.  204—207. 
Keim,  Gesch.  Jesu  I,  398—405. 

Ebrard,  WiMHenschnftl.  Kritik  der  ev.  Gesch.  (3.  Aufl.  1868)  8.  198-234. 
♦Wiese  1er,  Beiträge  zur  richtigen  Würdigung  der  Ew.  1869,  S.  16—107.  — 

Der«.,  Stud.  u.  Krit.  1875,  8.  535-549. 
Catpari,  Chronol.-geogr.  Einlcit.  in  das  Leben  Jesu  Christi  1869,  8.  30—33. 
•Zumpt,  Das  GfburtHJulir  ChriHti  1869,  S.  20—224. 


1)  Die  aUHlühriichstrii  Moiiiiv'riipliicti  hIihI  diircli  einen  *  hervorgehoben.  — 
Die  ältere  LiU-ratiir  h.  bei  lla>-r.  Ld.eii  Jchu  i^Zi,h.  lluseiiko  IS-IO  p.  VIIL 
WlnerRWB.  II,  :'"  '      <t  /u  Luc.  2,  2.    Gumpacl»,  Stud.  u.  Krit. 

1802,    8.  ü<>3  f.      I)i'  .  auch  hv\  Leroultrc,    Ik   rmmi  Qiiin'iiiaiio 

(1883);».  7  Mq.,  Hieffert  in  iierzog's  lU-uI-Enc.  2.  Aufl.  XIH,  45.^  Marucchi 
in:   Vigouroux,  JJictionnairc  de  la  Bible  II,  löÜÜ,  col.  1190  f. 


[426. 427]    §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1 — 5.  509 

Woolsey,  Historieal  credibility  ofLuke  2, 1—5  [New  Englander  1869,  p.  674 — 723) 
[war  mir  nicht  zugänglich].  —  Ders.,  Anzeige  von  Zurapt's  Geburtsjahr 
Christi  [Bibliotheca  sacra  187(»,  p.  290—336)  [sorgfältig].  | 

Steinmeyer,  Die  Geschichte  der  Geburt  des  Herrn  und  seiner  ersten  Schritte 
im  Leben  (Apologetische  Beiträge  IV)  Berlin  1873,  S.  29—41. 

Sevin,  Chronologie  des  Lebens  Jesu  (1874)  S.  20—39. 

Schenkel's  Bibellexikon  Bd.  V,  S.  23—27  (Art.  „Quirinius"  von  Weizsäcker) 
und  S.  398-405  (Art.  „Steuern"  von  Kneucker). 

Hehle,  Theol.  Quartalschrift  1875,  S.  666-684,  1876,  S.  aö— 101  (Anz.  von 
Zumpt's  Geburtsjahr  Christi). 

Patrixi,  Dclla  descrixione  unieersale  mentovaia  da  San  Luca  e  delV  anno  in 
che  renne  esegnita  nella  Giudea,  Rom  1876  (war  mir  nicht  zugänglich). 

Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  Bd.  H,  1876,  S.  198—216  (=  2.  Aufl. 
besorgt  von  Dessau  und  Domaszewski  1884,  S.  204—223). 

Keil  (1879),  Schanz  (1883)  und  Hahn  (1892)  in  ihren  Commentaren  zu  Lucas. 

Riess,  Das  Geburtsjahr  Christi  (1880)  S.  66—78.  —  Ders.,  Nochmals  das  Ge- 
burtsjahr Jesu  Christi  (1883)  S.  59-68. 

Hofmann  (J.  Chr.  K.  v.)..  Die  heilige  Schrift  Neuen  Testaments  zusammen- 
hängend untersucht,  Thl.  VHI,  1  (1878)  S.  46  ft".    X  (1883)  S.  64  ff. 

Lecoultre,  De  censu  Quiriniano  et  anno  natiiitaiis  Christi  secundinn  Lucatii 
evunfielistam ,  Lausannac  1883  (100  p.).  Hierzu  die  Anzeige  in  der  Theol. 
Litztg.  1883,  481. 

Pölzl,  Art.  „Census"  in  Wetzer  und  Weite's  Kirchenlexikon  2.  Aufl.  Bd.  HL 
1884,  Sp.  1-7. 

Sieffert,  Art.  „Schätzung"  in  Herzog's  Real-Enc.  2.  Auflage.  XHI,  1884, 
S.  446—455. 

Mommsen,  Res  gestae  divi  Augusti,  ed.  2.  1883,  p.  175—177.  —  Ders.,  Römi- 
sches Staatsrecht  II,  1  (1874)  S.  391—394. 

Unger,  De  censibus  provinciarum  Romanarum  (Leipziger  Studien  zur  class. 
Philologie  Bd.  X,  1887,  S.  1 — 76)  [hauptsächlich  Zusammenstellung  der  In- 
schriften, auf  welchen  Schatzungsbeamte  erwähnt  werden]. 

Wandel,  Der  römische  Statthalter  C.  Sentius  Saturninus  (Theol.  Stud.  und 
Krit.  1892,  S.  105-143).  —Ders.,  Neue  kirchl.  Zeitschr.  1892,  S.  732— 744. 

Nebe,  Die  Kindheitsgeschichte  unseres  Herrn  Jesu  Christi  nach  Matthäus 
und  Lukas  ausgelegt  (1893)  S.  256—272. 

Zuhn,  Die  syrische  Statthalterschaft  u.  d.  Schätzung  d.  Quirinius  (Neue  kirchl. 
Zeitschr.  1893,  S.  633-654).  —  Ders.,  Einl.  in  das  N.  T.    II,  395  f.   415  f. 

B eiser,  Theol.  Quartalschrift  1896,  S.  1—24. 

Gardthausen,  Augustus  und  seine  Zeit  I,  2  (1896)  S.  913— 924.  II,  2(1896) 
S.  531—540. 

Vigouroux,  Le  Nouveau  Testament  et  les  decouvertes  archeologiques  modernes, 
2«  edit.  1896,  p.  89—130  (war  mir  nicht  zugänglich). 

Marne chi,  L'iserixione  di  Quirinio  nel  Museo  Lateranense  ed  il  censo  di  S. 
Luca,  Siena  1897.  —  Ders.,  Art.  Cyrinus  in:  Vigotironx,  Dictionnaire  de 
In  Bible  II,  1899,  col.  1186—1191. 

Bour,  V  inscription  de  (Juirinius  et  le  recensement  de  St.  Lue,  Rome  1897  (mir 
nur  durch  Ramsay  1898  S.  248  bekannt). 

Ramsay,  The  census  of  Quirinius  [Expositor  1897,  I,  p.  274—286,  425-435). 

Ramsay,  Was  Christ  born  at  Bethlehem?  1898  (280  S.).  Vgl.  Theol.  Litztg. 
1899,  079  und  Grenfell  and  Hunt,  Oxyrhynchus  Papyri  II,  1899,  p.  211—214. 

Kubitschek,  Art.  census  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  III,  1914—1924. 


510  §  ^'^-  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2, 1 — 5.    [427. 428] 

Es  ist  oben  (S.  486)  erwähnt  worden,  dass  nach  der  Verbannung 
des  Archelaus  der  kaiserliche  Legat  Quirinius  nach  Judäa 
kam  und  daselbst  (im  J.  6  oder  7  nach  Chr.)  eine  Schätzung  vor- 
nahm, d.  h.  eine  Aufzeichnung  der  Einwohner  und  ihres  Vermögens 
zum  Zwecke  der  Steuererhebung.  Einer  solchen  von  Quirinius 
vorgenommenen  Schätzung  gedenkt  auch  der  Evangelist  Lucas  2, 
1 — 5,  indem  er  sie  jedoch  in  die  letzte  Zeit  Herodes  des  Gr., 
also  um  etwa  10—12  Jahre  früher  verlegt.  Es  fragt  sich,  wie 
sich  diese  Nachricht  zu  der  ähnlichen  des  Josephus  verhält:  ob 
wirklich  zwei  verschiedene  von  Quirinius  geleitete  Schätzungen 
in  Judäa  stattgefunden  haben  oder  ob  Lucas  die  Schätzung  vom 
J.  7  nach  Chr.  irrthümlich  in  die  letzte  Zeit  Herodes  d.  Gr.  verlegt 
hat?  Um  über  diese  vielverhandelte  Frage  und  überhaupt  über 
die  Glaubwürdigkeit  der  Nachricht  des  Lucas  ein  sicheres  Urtheil 
fällen  zu  können,  ist  es  nöthig,  zunächst  das  römische  Steuer - 
wesen  während  der  Kaiserzeit  wenigstens  in  seinen  allge- 
meinsten Umrissen  kennen  zu  lernen. 

Der  ursprüngliche  römische  Census,  wie  er  sich  in  der  Zeit 
der  Republik  ausgebildet  hat 2),  war  eine  Einrichtung,  welche] 
sich  nur  auf  die  römischen  Bürger  erstreckte.  Er  bestand  in  einer 
Aufzeichnung  der  römischen  Bürger  und  ihres  Vermögens  zu  dem 
doppelten  Zweck:  1)  Der  Regelung  des  Kriegsdienstes  und  2)  der 
Erhebung  der  directen  Steuern.  Der  zu  Schätzende  hatte  sich  selbst 
beim  Censor  zu  melden  und  sein  Vermögen  anzugeben;  doch  war 
es  Sitte,  dass  der  Familienvater  die  Angaben  für  sich  und  die  ganze 
Familie  machte.  Für  die  Unterthanen  des  römischen  Volkes  gab 
es  zur  Zeit  der  Republik  keine  einheitlich  geregelte  Schätzung. 
Es  wurden  zwar  da  und  dort  Schätzungen  gehalten.  Aber  diese 
standen  weder  unter  sich,  noch  mit  dem  Census  der  römischen 
Bürger  in  einem  nähern  Zusammenhangt). 

In  der  Kaiserzeit,  wie  schon  in  der  letzten  Zeit  der  Republik, 
hatte  der  Census  der  römischen  Bürger  seine  ursprüngliche 
Bedeutung  vollständig  verloren;  denn  die  römischen  Bürger  (d.  h. 
also  ganz  Italien  und  die  Colonien  italischen  Rechts)  leisteten  nicht 
mehr  Kriegsdienst   und   bezahlten    auch   keine  directen  Steuern 

2)  Vgl.  über  den  BürgercenBUs  zur  Zeit  der  Republik:  Reiu,  Art.  ccimts 
in  Pauly's  Real-Enc.  II.  247-267.  Zumpt,  Das  Geburtsjahr  Chrinti  8.!)7— 110. 
De  Boor,  Fasli  cenaorii,  ßerol.  1873.  Momnisen,  Höiiii«»  Ikh  StnatHreclit  11, 
1  (1874)  8.  304—442.  E.  Herzog,  Geschichte  und  SyHtcm  der  römischen 
StaatHverfMSung  Bd.  I,  1884,  8.754—707.  Kubitschelc,  Art.  retmus  in  Tauly- 
WiRMowa'«  Real-Enc.  III,  1U14-1018. 

3)  Vgl.  Ober  den  ProvincialreniiuB  zur  Zeit  der  Republik:  Zumpt  a.a.O. 
8. 114—110.  Marquardt,  KömiHchü  KtaatHverwaltiing  II,  176— 1»7  (—  2.  Aufl. 
besorgt  ron  DcnHau  und  DoroaHzewHki  K.  löü— 2ü4). 


[428. 429]     §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.  511 

mehr*).  Wenn  daher  Au  gustus,  Claudius  und  Vespasianus  noch 
Schätzungen  römischer  Bürger  vornahmen,  so  geschah  dies  nur  zum 
Zwecke  der  Statistik  oder  wegen  der  damit  verbundenen  religiösen 
Feierlichkeiten,  nicht  aber  zum  Zwecke  der  Steuererhebung.  Grund- 
verschieden hiervon  war  der  Ce usus  der  Provinzen,  dessen  Haupt- 
zweck gerade  die  Regelung  der  Steuererhebung  war^).  Auch  in 
dieser  Beziehung  bestand  zwar  in  der  früheren  Kaiserzeit  noch  eine 
gi'osse  Verschiedenheit*').  Im  allgemeinen  aber  werden  doch  schon  | 
(Jamals  jene  Grundsätze  maassgebend  gewesen  sein,  welche  in  den 
späteren  juristischen  Quellen  {Digest.  L,  15:  De  cmsihus)  als  überall 
herrschend  vorausgesetzt  werden.  Aus  diesen  sehen  wir,  dass  es 
für  die  Provinzen  zwei  Arten  directer  Steuern  gab:  1)  Die 
Abgabe  vom  Bodenertrag,  tributum  soli  oder  agri,  und  2)  die 
Personalsteuer,  tributum  capitis'').  Die  erstere  wurde  theils  in 
Naturallieferungen,  theils  in  Geld  entrichtet^).  Unter  letzterer  (dem 

4)  Vgl.  über  den  Bürgercensus  in  der  Kaiserzeit:  Zumpt  S.  116—129. 
De  Boor,  i''as^iee«sornjo. 30— 33,  96— 100.  Mommsen,  Römisches  Staatsrecht 
(1.  Aufl.)  II,  1,  S.  310—312,  391  f.  II,  2  S.  1012  f.  —  Der  letzte  Bürgercensus, 
welcher  überhaupt  abgehalten  wurde,  war  derjenige  Vespasian's  v.  J.  74  u.  Chr. 

5)  Vgl.  über  den  Provinzialcensus  in  der  Kaiserzeit  die  oben  genannten 
Werke  und  Abhandlungen  von  Huschke  (1847),  Rodbertus,  Zumpt 
(S.  147—175),  Marquardt,  Unger,  Kubitschek,  ferner:  Rein,  Art.  tri- 
butum in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2,  S.  2125—2129.  Zachariä  von  Lingen- 
thal,  Zur  Kenntniss  des  römischen  Steuerwesens  in  der  Kaiserzeit  (Memoires 
de  l'aeademie  imperiale  des  sciences  de  St. ■  Peter sbourg,  VII.  Serie,  t.  VI,  N.  9, 
Petersb.  1863).  Beruh.  Matthiass,  Die  römische  Grundsteuer  und  das  Vecti- 
galrecht.  Erlangen  1882  (die  beiden  letzteren  besonders  für  die  spätere  Kaiser- 
zeit). Seeck,  Die  Schatzungsordnung  Diodetians  (Zeitschr.  für  Social-  und 
Wirth Schaftsgeschichte  von  Bauer  und  Hartmann  Bd.  IV,  1896,  S.  275—342). 
—  Für  Aegypten  haben  die  Papyrusfunde  ein  überreiches  Material  geliefert. 
S.  darüber  die  unten  Anm.  21  genannte  Literatur. 

6)  Zumpt  S.  156.    176.  187.  211  f.    Vgl.  auch  Marquardt,  II,  185—196. 

7)  Dass  es  nur  diese  beiden  Arten  directer  Steuern  gab,  erhellt  aus  Digest. 
L,  15,  8,  §  7  (aus  Paulus,  Anf.  d.  3.  Jahrb.):  Divus  Vespasianus  Caesarienses 
colonos  fecit,  non  adjecto,  ut  et  juris  Italici  essent;  sed  tributum  his  remisit  ca- 
pitis; sed  Divus  Titus  etiam  sohim  immune  factum  inierpretatus  est.  —  Vgl. 
Äppian.  Ldbtjca  135:  tolq  6h  XontoTq  (poQov  wgiaav  inl  xy  yy  xal  inl  xoiq  a(a- 
fxaaiv.  Dio  Cass.  LXII,  3.  Tertullian.  Apologet.  13:  agri  tribiäo  onustiviliores, 
hominum  capita  stipendio  censa  ignobiliora.    Pauly's  Real-Enc.  VI,  2,  2126. 

8)  Nach  Joseph.  B.  J.  II,  16,  4  §  382s<?.  386  lieferte  „der  dritte  Welttheil", 
d.  h.  das  nördliche  Afrika  mit  Ausnahme  Aegj-ptens,  jährlich  so  viel  Getreide, 
dass  davon  der  Bedarf  der  Stadt  Rom  auf  8  Monate  gedeckt  wurde ;  die  Stadt 
Alexandria  den  Bedarf  von  4  Monaten,  —  Dass  die  Grundsteuer  theils  in 
Naturalien,  theils  in  Geld  entrichtet  wurde,  gilt  auch  für  Aegypten,  über 
welches  wir  am  genauesten  unterrichtet  sind.  S.  Wilcken,  Griechische 
Ostraka  aus  Aegypten  und  Nubien  Bd.  I,  1899,  S.  194—215.  —  Mit  welcher 
Sorgfalt  in  Aegypten  schon  unter  den  ersten  Ptolemäem  die  Grundstücke  zum 
Zwecke  der  Besteuerung  aufgezeichnet  und  geschätzt  wurden,  zeigt  z.  B.  ein 


512  §  1^'  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quiriniue,  Luc.  2,  1—5.    [429. 430] 

tribuhim  capitis)  hat  man  verschiedene  Arten  persönlicher  Steuern 
zusamniengefasst,  nämlich  sowohl  die  Einkommensteuer,  welche  je 
nach  der  Höhe  des  Einkommens  verschieden  war,  als  auch  die 
eigentliche  Kopfsteuer,  welche  für  alle  copita  gleich  hoch  war^). 
In  Syrien  wurde  z.  B.  zur  Zeit  Appian's  eine  Personalsteuer  er- 
hoben, welche  ein  Procent  der  Schatzungssumme  betrug  i^).  In 
Aegypten  dagegen  ist  eine  Kopfsteuer  erhoben  worden,  welche 
zwar  nicht  ("wie  man  bisher  auf  Grund  des  Josephus  angenommen 
hat)  für  alle  Einwohner  schlechthin,  aber  doch  für  ganze  Kategorien 
der  Bevölkerung  gleich  war  *  ^).    Die  Abgaben  waren  in  j  der  früheren 


von  Grenfell  herausgegebener  grosser  Papyrus  aus  der  Zeit  des  Philadelphus 
{Grenfell,  Revenue  Laus  of  Ptolemy  Philadelphus,  Oxford  1896). 

9)  Huschke.  Census  der  Kaiserzeit  S.  175  ff".    Marquardt  a.  a.  O. 

10)  Appian.  Syr.  50:  no/j.nijiog  —  ttjv  fxeylarriv  nöhv  'lsQoa6?,vfia  xal 
ayiofXuvTjv  avzoTg  xartoxaxl>ev,  rjv  örj  xal  nro?.s,uaioq  o  npcäroq  Alyvnxov  ßaai- 
P.fr5  xad^ijQTjxsi,  xal  Oieanaoiavbq  av^iq  olxiai^eXoav  xaztaxaips,  xal  ^AöQiavbg 
avBig  in  ifiov.  Kai  dia  tuvv*  iatlv  'lovöaioiq  anaoiv  6  tpÖQoq  rüp  owfiäxwv 
ßagvTfQoq  tf/c  u?.?.rjq  nf()iovaiaq.  ^Eaxi  6e  xal  ^vgoiq  xal  KiXi^iv  ixriaioq, 
kxaxooxii  xov  xiurjfiaxoq  hxdoxu).  —  Was  Appian  hierin  Betreff"  der 
Juden  sagt,  ist  dunkel.  Statt  des  von  den  Handschriften  gebotenen  nsQiov- 
aiaq  haben  Viele,  auch  ich  früher,  nach  Musgrave  ntQiotxiaq  lesen  wollen,  so 
dass  der  Sinn  wäre:  Die  Juden  haben  eine  liöhere  Kopfsteuer  zu  bezahlen 
als  ihre  Nachbarsdiaft,  weil  nämlich  für  sie  seit  dem  vespasianischen  Kriege 
noch  das  öISqoxmov  liinzukam  [Joseph.  B.  J.  VII,  6,  (i,  Dio  Cass.  LXVI,  7). 
Aber  die  Ausdrucksweise  bleibt  auch  so  auff"allend.  Wilamowitz  sucht  daher 
durch  stärkere  Textänderung  zu  helfen  (Hermes  35,  S.  540 f.).  Behält  man 
den  überlieferten  Text  mit  ntgiovaiaq  bei,  so  muss  der  (p6(ioq  rtüv  awfzäxwv 
eine  Vermögenssteuer  sein,  nämlich  die  Steuer  auf  beweglichen  Besitz,  im 
Unterschied  von  der  Besteuerung  der  ukkrj  negiovaia,  d.  h.  des  Grundbesitzes. 
Jedenfalls  ist  im  Folgenden  gesagt,  dass  die  Syrer  und  Cilicier  eine  Per- 
»onalstcucr  von  einem  Procent  der  Schatzungssumme  zu  bezahlen  haben. 
Denn  als  Subject  ist  hier  nothwendig  (fögoq  xcöv  aw/näxiov  zu  ergänzen, 
nicht  bloHH  (poQoq,  wie  Wilcken  vorschlägt  (Griechische  Ostraka  I,  247).  Auch 
bei  den  Juristen  umfasst  ja  der  Ausdruck  trilndum  capitis  alle  Arten  persön- 
licher Steuer  im  Unterschied  von  der  Besteuerung  des  Bodens,  Irihidum  soii. 

11)  Ueber  die  Kopfsteuer  in  Aegypten  vgl.  bes.  Wilcken,  (iriechische 
Ostraka  I,  230 — 249,  und  dazu  die  Ergänzungen:  Archiv  für  Papyrus-Forschung 
I,  135 — 139  (nach  Kenyun,  Orcck  Papyri  in  thc  British  Museum  vol.  II,  1898, 
p.  17 — 05).  —  Wilcken  hat  auf  Grund  der  Ustraka  nachgewiesen,  dass  dio 
Kopfüteuer  nicht  in  ganz  Aegypten  die  gleiche  war,  sondern  dass  die  Höhe 
derselben  für  jede  GeJiioinde  besonders  festgesetzt  wurd*  (Ostraka  1,  234). 
Ja  nach  einem  Papyrus  aus  der  Zeit  Vcspasians  haben  in  Arsinoe  nicht  alle 
Kinwohner  die  gleiche  Kopfsteuer  bezahlt  (Archiv  I,  139:  330  zahlten  je  20 
Drachmen,  3  je  4(J  u.  s.  w.j  Vgl.  auch  Orm/rtl,  Hunt  and  Ihxjarth,  Faynin 
toten»  atul  Iheir  pajtyri,  1!MK),  p.  MAsq.  Hicriiacli  ist  zu  berichtigen,  was  man 
hiither  auf  Grund  des  JoMephuH  nngcnommen  hat.  Dieser  sagt  B.  .7.  11,  1(3,4 
g  385:  AtyvnxoQ  —  ntvxtixovxu  n{>6g  talg  knxaxoalaiq  l'xovaa  fxvinru^aq  av&pw- 
ntttv    A/^a    xüiv  'AXt^üvÖQUuv  xaxoixoivxtov,   tuq   Yvtaxiv  ix  xf/q  xaO-*  hxäaxrjv 


[430]  §  17.  Auhangl.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.  513 

Kaiserzeit  noch  sehr  mannigfacher  Art^^j,  oi^  Kopfsteuer  hatten 
auch  die  Frauen  und  die  Sklaven  zu  entrichten.  Nur  Kinder  und 
Greise  waren  ausgenommen.  In  Syrien  waren  z.  B.  die  Männer 
vom  14.,  die  Frauen  vom  12.  Jahre  au,  beide  bis  zum  65.,  zum 
Zahlen  der  Kopfsteuer  verpflichtet  ^^j  j^  Aegypten  dauerte  die 
Verpflichtung  vom  14.  bis  60.  oder  61.  Lebensjahre  '•).  —  Was  nun 
die  Provinzialschatzung,  d.  h.  die  Anfertigung  der  Listen  zum 
Behufe  der  Steuererhebung  betriöt,  so  geschah  sie  in  ähnlicher 
Weise,  wie  einst  die  Schätzung  der  römischen  Bürger'*).  Wie  von 
dieser,  so  werden  auch  von  jener  die  Ausdi-ücke  edere,  deferre  cen- 
sum,  profiteri  gebraucht;  woraus  erhellt,  dass  der  Pflichtige  selbst 
die  erforderlichen  Angaben  zu  machen  hatte,    die  von   den  Be- 


xeipaXriv  elacpoQäq  tex/i^Quad-at.  Man  hat  dies  bisher  allgemein  dahin  ver- 
standen, dass  Josephus  aus  dem  ihm  bekannten  Gesammt-Ertrag  der  Kopf- 
steuer durch  einfache  Division  die  Bevölkerungszahl  (T'/a  Millionen)  ermittelt 
habe  (so  auch  noch  Wilcken,  üstraka  I,  239,  der  darum  deu  Josephus  scharf 
kritisirt).  Dies  wäre  nicht  nur  wegen  der  eben  erwähnten  Ungleichheit  der 
Kopfsteuer,  sondern  auih  darum  thüricht,  weil  Kinder  und  Greise  von  der- 
selben befreit  waren.  Andererseits  haben  die  neueren  Untersuchungen  ergeben, 
dass  Joseplius  in  der  Rede  B.  J.  II,  10,  4  eine  höchst  zuverlässige  statistische 
Quelle  benutzt  hat  (Domuszewski,  lihein.  Museum  XL VII,  1892,  S.  207— 218); 
und  die  Papyrusfunde  haben  uns  gelehrt,  dass  die  römischen  Behörden  damals 
auf  Grund  der  periodischen  Volkszählungen  die  Einwohnerzahl  Aegyptens 
genau  kannten  (s.  die  unten  Anm.  21  u.  22  genannte  Literatur).  Es  schejnt 
mir  daher  sehr  wahrscheinlich,  dass  Josephus  die  Zahl  von  "Va  Millionen 
direct  aus  einer  amtlichen  Quelle  geschöpft  hat,  und  dass  nur  seine  Ausdrucks- 
weise eine  nachlässige  ist.  Statt  zu  sagen:  „wie  sich  aus  der  Kopfsteuer  er- 
giebt"  hätte  er  sagen  müssen:  „wie  sich  aus  den  für  die  Kopfsteuer  angefer- 
tigten Bevölkerungslisten  ergiebt".  So  urtheilt,  wie  ich  nachträglich  sehe, 
auch  Wilamowitz  (Hermes  Bd.  35,  1900,  S.  545  f.). 

12)  Vom  nördlichen  Afrika  sagt  Josephus  B.  J.  II,  1(3,  4  §  383:  xwqXqxGiv 
iiTjaiiuv  xaQTKÜv,  dl  ni]alv  oxz<v  x6  xata  trjv  '^Pcifxrjv  nXfjit^og  XQecpovai,  xal 
ۤu}&sv  navxoLwq  <poQo?.oyovvxai,  xal  xaig  XQelaiq  xrjq  ^ys/iovlaq  nagi- 
Xovaiv  bxoifxwq  xäq  £ca(f-0(jüq. 

I3j  Digest.  L,  15,  3  pr.  (aus  Ulpianus,  Anf.  d.  3.  Jahrb.):  Aetatem  in  cen- 
sendo  significare  necesse  est,  quia  quibusdam  aetas  tribiiit,  ne  tributo  onerentur; 
veluti  in  Syriis  a  qtiaiiiordecim  annis  masciäi,  a  duodeeim  feminae  tisque  ad 
seocagesirnum  quintum  annum  tributo  capitis  obligantur;  aetas  autem  spectatur 
censendi  tempore. 

14)  Wilcken,  Archiv  für  Papyrusforschung  I,  136  (auf  Grund  von  Ä'e- 
nyon,  Greek  Papyri  in  tlic  Brit.  Mus.  II).  —  Da  sich  bisher  unter  den  zahl- 
reichen Kopfsteuerquittungen  keine  solche  gefunden  hat,  die  für  eine  Frau 
ausgestellt  wäre,  so  nimmt  Kenyon  an,  dass  die  Frauen  in  Aegj'pten  von 
der  Kopfsteuer  befreit  waren.  Wilcken  hält  dies  trotz  jenes  gewichtigen 
Argumentes  doch  für  unwahrscheinlich. 

15)  Vgl.  überhaupt:  Huschke,  Census  der  Kaiserzeit  S.  192  ff.  Zumpt 
S.  170-175. 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aiitt.  33 


514  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2, 1—5.  [430] 

amten  nur  controlirt  wurden  '^).  Die  Angaben  hatten  in  den  Haupt- 
orten  der  einzelnen  Steuerdistricte  zu  geschehen  i');  und  zwar 
mussten  die  Grundstücke  in  derjenigen  Gemeinde  zur  Besteuerung 
angegeben  werden,  in  deren  Gebiet  sie  lagen  '§).  In  welcher  Weise 
die  Erneuerung  der  Schätzung  geschah,  ist  nicht  mehr  mit 
Sicherheit  zu  bestimmen.  Husch ke  nimmt  eine  zehnjährige 
Schatzungsperiode  an,  ähnlicli  der  fünfjährigen  Periode  beim  ehe- 
maligen Census  der  römischen  Bürger  *^).  Zumpt  bestreitet  die 
Richtigkeit  dieser  Annahme  und  glaubt,  dass  durch  ständige  Steuer- 
bureau's  für  fortlaufende  Berichtigung  der  Listen  gesorgt  war^o). 
Eine  deutliche  Vorstellung  von  der  periodischen  Erneuerung  der 
Steuerlisten  können  wir  uns  nur  in  Betreff  Aegypten's  machen 
auf  Grund  des  reichen  Materiales,  welches  die  dortigen  Papyrus- 
funde zu  Tage  gefördert  haben.  Es  fanden  dort  in  der  römischen 
Zeit  zwei  Arten  von  periodischen  „Aufzeichnungen"  {ajroyQag)ai) 
statt,  zu  welchen  die  Einwohner  selbst  das  Material  liefern 
mussten'-^').  1)  Alle  vierzehn  Jahre  musste  jeder  Hausbesitzer  eine 
Liste  sämmtlicher  Einwohner  seines  Hauses,  und  zwar  für  das 
vergangene  Jahr,  bei  der  Behörde  einreichen.  Diese  Aufzeich- 
nungen, welche  xaz  olxiav  djtoYQa<pai  hiessen,  dienten  wohl  haupt- 


16)  Huschke  S.  193.    Zumpt  S.  173. 

17)  Zumpt  S.  174. 

18)  Digest.  L,  1.5,  4,  §  2  (aus  Ulpianus,  Auf.  d.  3.  Jahrh.):  Is  rero,  qui 
agrum  in  alia  civitate  habet,  in  ea  civitate  profiteri  dcbct,  in  qiia  affer  est;  agri 
enim  tributiim  in  eam  civitatem  debet  levare,  in  Otitis  territorio  possidetur. 

19)  Census  der  Kaiserzeit  S.  57  ff. 

20)  Geburtsjahr  Christi  S.  168—170.  189.  205—201).  Vgl.  Hock,  Rom. 
Gesch.  I,  2,  406. 

21)  Vgl.  Wilcken,il;ro}'(>ayat  (Hermes  Bd.  XXVHI,  1893,  S.  230-251). 
—  Viereck,  Die  ägyptische  Steuereinschätzungs-Commission  in  römischer 
Zeit  (Philologus  Bd.  LH,  1893,  S.  219—247).  -  Wilcken,  Zn  Acn  xux'  olxiav 
dnoypa<pai  (Philologus  LH,  564 — 567).  —  Kenyon,  Classical  Ecincir  1893,  p. 
HO  (hat  gleichzeitig  mit  Wilcken  und  Viereck  den  vierzehnjährigen  Cydus 
erkannt).  —  Wilcken,  Griechische  Ostraka  aus  Aegypten  und  Nulnon  Bd.  I, 
1899,  435—469  (ZuHammenfassung  der  Resultate,  mit  reicherem  Material  als 
in  der  Abhandlung  vom  J.  1893).  —  Neues  Material,  das  in  Wilcken's  Ostraka 
noch  nicht  benfitzt  werden  konnte,  bieten:  Kenyon,  Oreek  Papyri  in  t he  Bri- 
H$h  Musetun  vol.  U,  1898,  p.  17—65  (iiicrzu:  Wilcken,  Archiv  für  l'apyrus- 
fornchung  I,  135—139).  —  ürcn feil  and  Hunt,  The  Oxyrhynrhits  Papyri,  Part 
U,  1H99,  p.  Ml  sqq.,  207  sqq.  ~  (Jren/ell,  Ihm  fand  Iloynrth,  Faymnloicns 
and  thcir  pajn/ri,  London  19(X),  Index  p.  353  .s.  r.  dnoyprupfoOai,  dnoyQUiii].  — 
Dio  Fortitctzungcn  de»  Werkes:  „Aegyptische  Urkunden  aus  den  königlichen 
Museen  zn  Berlin,  Griechische  Urkunden"  (dio  beiden  ersten  Bände  sind  1895 
und  1898  abgeschlossen).  —  Ein  Verzeichnis«  der  niehr  oder  weniger  erhaltenen 
und  bis  1899  publicirten  dnoyQa<pal  giebt  Wilcken,  Archiv  für  Papyrim- 
rorschung  I,  H.  15. 


[430]  §  17.  AuhaDg  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.  515 

sächlich  zur  Veranlagung  der  Kopfsteuer  und  zur  Aushebung  für 
den  Kriegsdienst'-'-^).  Der  Grund  der  vierzehnjährigen  Periode  ist 
vermuthlich  der,  dass  im  Alter  von  14  Jahren  die  Verpflichtung 
zur  Kopfsteuer  begann.  Eine  Ergänzung  der  Listen  durch  Geburts- 
Anzeigen  war  darum  innerhalb  der  Periode  nicht  erforderlich. 
Andererseits  scheinen  Todesfälle  regelmässig  bei  der  Behörde  an- 
gezeigt worden  zu  sein  "^3).  Auf  Grund  der  Listen  erfolgte  auch 
die  Prüfung  der  Steuerpflichtigkeit  {ijcixQioig)'-*).  2)  Jedes  Jahr 
niusste  jeder  Besitzende,  und  zwar  für  das  laufende  Jahr,  sein 
bewegliches  \'ermögen,  namentlich  den  Besitz  an  Vieh,  Schiffen 
und  Sklaven  schriftlich  angeben.  Auch  diese  „Steuerobjects-Dekla- 
rationen"  hiessen  unoyQMpcd-^).  Auf  Grund  der  Selbst-Anzeigen, 
welche  von  der  Behörde  controlirt  wurden,  wurde  dann  die  Steuer 
festgesetzt.  —  Aus  dem  14jährigen  Cyclus  der  Volkszählungen  ist 
vielleicht  in  Verbindung  mit  einer  fünfjährigen  Censusperiode,  von 


22)  Wie  es  scheint,  sind  diese  regelmässigen  Volkszählungen  erst  durch 
Augustus  eingeführt  worden.  Ueber  eine  wahrscheinlich  auf  das  J.  19/20 
n.  Chr.  bezügliche  s.  Qrenfell  and  Hunt,  Oxyrhynchus  Papyrill  p.  2Q1  sqq. 
Belege  für  die  Jahre  Gl/62,  75/7ü,  89/90,  103/104,  117/118,  131/132,  145/14(3,  159, 160, 
173  174,187/188,  201/202  nach  Chr.  verzeichnet  Wi Icke n.  Griechische  Ostraka 
I,  438  f.  (vieles  auch  schon:  Hermes  XXVIII,  244  f.). 

23)  Vgl.  über  die  Todes-Anzeigen:  Wilcken,  Griechische  Ostraka  I,  454  f. 
Kenyon,  Oreek  Papyri  in  the  Brit.  Mus.  II,  jo.  65— 1)8.  Wilcken,  Archiv  für 
Papyrusforschung  I,  139f.  Grenfell,  Hunt  and  Hoyarth,  Fayüm  towns  and 
tlieir  papyri  p.  138 — 140.  —  Anzeigen  über  die  seit  der  letzten  änoyQatpjj  er- 
folgten Geburten  scheinen  nicht  regelmässig  eingefordert  worden  zu  sein,  s. 
Wilcken,  Ostraka  I,  451  ff.  Unbestimmt:  Qrenfell,  Hunt  and  Hogarth  l.  e. 
p.  137  sq. 

24)  Wessely,  Epikrisis,  eine  Untersuchung  zur  hellenistischen  Amts- 
sprache (Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie,  philos.-hist.  CI.  Bd.  142,  1900, 
Nr.  IX).  —  Zeigt,  dass  inixQiatq  in  verschiedener  Beziehung  gebraucht  wird, 
namentlich  auch  als  Prüfung  der  Verpflichtung  oder  NichtVerpflichtung  zur 
Kopfsteuer. 

25)  Wilcken  hat  noch  in  seinen  „Ostraka"  I,  456 — 469  angenommen,  dass 
die  jährlichen  Vermögens-Anzeigen  sich  auch  auf  den  Grundbesitz,  nicht  nur  den 
beweglichen  Besitz,  erstreckten.  Dagegen  haben  Qrenfell  and  Hunt,  Oxy- 
rhynchiis  Papyri  II,  177  sqq.  auf  Grund  eines  Edictes  des  Marcus  Mettius  Ru- 
fus  vom  J.  90  {Oxyrh.  Pap.  II  n.  237  VIII,  27  ft".)  gezeigt,  dass  dieselben  nur 
den  beweglichen  Besitz  betrafen.  Allgemeine  Aufnahmen  des  Grundbesitzes 
fanden  nur  statt,  wenn  ein  Bedürfniss  dazu  vorlag,  und  wurden  in  jedem  ein- 
zelnen Falle  besonders  angeordnet,  wofür  eben  jenes  Edict  ein  Beispiel  liefert. 
Im  Uebrigen  wurden  die  amtlichen  Verzeichnisse  des  Grundbesitzes  auf  Grund 
der  bei  jedem  Besitzwechsel  zu  erstattenden  Anzeigen  auf  dem  Laufenden 
erhalten.  Dieser  Auflassung  hat  Mitteis  zugestimmt  (Archiv  für  Papyrus- 
forschung I,  187—189).  Auch  Wilcken  hält  (nach  brieflicher  Mittheilung) 
den  von  Grenfell  und  Hunt  erbrachten  Beweis  für  überzeugend. 

33* 


516  §  1^-  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.  [431] 

welcher  sich  Spuren  finden,  der  zuerst  in  Aegypten  nachweisbare 
15jährige  Indictionen-Cyclus  entstanden^''). 

Die  Aufgabe  des  Quirinius  im  J.  6/7  nach  Chr.  bezog  sich 
nicht  nur  auf  Judäa,  sondern  auf  ganz  Syrien.  In  Judäa  musste 
aber  gerade  in  diesem  Jahre  eine  römische  „Schätzung"  {axoTifitjoig) 
vorgenommen  werden,  weil  diese  Landschaft  nun,  nach  der  Ab- 
setzung des  Archelaus,  zum  erstenmale  unter  direct  römische  Ver- 
waltung genommen  wurde  ^'j.  Die  Ausdehnung  des  Census  über 
ganz  Syrien  ist  auch  bezeugt  durch  die  oben  S.  327  erwähnte  In- 
schrift des  Aemilius  Secuudus,  welcher  auf  Befehl  des  Quirinius 
den  Census  in  Apamea  vorgenommen  hat  {jussu  Quinni  censum 
egi  Apamenae  civitatis  millium  homin{um)  eivium  GXVII).  —  Das 
Jahr  6/7  nach  Chr.,  in  welchem  der  Census  in  Judäa  vorgenommen 
wurde  (s.  oben  S.  486),  trifit  merkwürdig  zusammen  mit  dem  vier- 
zehnjährigen Volkszählungs-Cyclus  in  Aegypten.  Wenn  wir  näm- 
lich diesen  Cyclus  bis  in  die  Zeit  des  Augustus  zurückführen 
dürfen,  so  würde  eben  im  J.  6/7  auch  in  Aegypten  eine  Volks- 


26)  So  Seeck,  Die  Entstehung  des  Indictionencyclus  (Deutsche  Zeitschrift 
für  Geschichtswissenschaft  Bd.  XII,  1896,  S.  279— 296);  ebenso:  Mitteis,  Aus 
den  griechischen  Pap5'rusurkunden,  Vortrag  (1900)  S.  12 — 15.  —  Ueber  die 
Spuren  einer  fünQührigen  Censusperiode  und  den  Ursprung  des  Indictionen- 
Cyclus  8.  auch:  Marquardt,  Staatsverwaltung  II,  236— 238  (=  2.  Aufl.  S.  243 
bis  245).  —  Aus  dem  in  dem  Edict  des  Tiberius  Alexander  Corp.  Inscr.  Oraec. 
4957  lin.  49  vorkommenden  Ausdruck  nevrasxia  darf  jedoeh  nicht  auf  eine 
schon  damals  in  Aegypten  übliche  fünQährige  Censusperiode  geschlossen  wer- 
den. S.  dagegen  Pauly-Wissowa's  Real-Enc  III,  1921  und  Wilcken,  Ostra- 
ka  I,  451. 

27)  Ich  stelle  hier  alle  Aeusserungen  des  Joscphus  über  die  Schätzung 
des  Quirinius  zusammen.  Antt.  XVII,  13,  5:  tf/g  rf'  'Aqx^^^ov  Z"'?«?  wroTf- 
Xoif  7iQoavffXT]i>flar}q  ty  Svpwv  n^/unsrai  Kvg^vioq  vno  Kaloagoq  dvi]Q  vnazi- 
xoQ,  dnoTifiTjaofisvog  te  ta  iv  £vgi(x  xal  xov  l/\QX(^äov  unoöwaonfvoq 
olxov  (der  Privatbesitz  des  Archelaus  wurde  zu  Gunsten  des  kaiserlichen  Fis- 
CU8  verkauft  oder  verpachtet).  —  An  diese  Bemerkung  am  Schlüsse  des  17. 
Buchen  scbliesst  sich  unmittelbar  folgende  am  Anfang  des  18.  an,  Antt.  XVIII, 

1,  1:  KvQTjviog  dh  .  .  inl  Svglaq  nagfjv,  vno  KalauQoq  öixaiodöxrjq  xov  ^9-vovg 
dneaxaXfiivog  xal  zi/XTjttjg  xwv  ovoiwv  yfVTjaöfierog,  Kwnwvtdg  xe  aiixw 
avyxaxanifintxai  .  .  .  i/yriadf^fvog  *Iov6alwv  .  .  .  JlaQtjv  öh  xal  Kvqijvioq  elg 
XTjV  'lovdalav  npoaOijxtjP  xF/q  Svfflaq  yevofju'vtjv  dnoxt/jiTjaofxsvöq  xf  avxcüv 
zag  oiolaq  xal  dnodwad/ufvoQ  xä  'A()xtXäov  xi'WO^xa.  ich  habe  die  Stelle 
in  diesem  Umfang  hicrlu-rgcHctzt,  weil  aucli  aus  ilir,  wenn  man  sie  im  Zu- 
Mmmenhftog  licnt,  hervorgeht,  (Iuhh  (^uiriniuH  in  ganz  Syrien  den  Census 
voreunehmeD  hatte.  Ueber  die  Ausführung  in  Judäa  hiÜHst  es  an  derselben 
Stelle  weiter:  iv  detvtp  «pfgovreq  tr/v  inl  xalq  dnoyQatpalq  dxQoaaiv  (es 
haben  alfm  bei  den  Aufzeichnungen  „Verhöre"  Htattgefundon).  —  Antt,  XVIII, 

2,  1 :  Kvpt/vioq  «Ä  .  . .  tvjv  dnoxifujaewv  nlQuq  ^x'^''"^"^-  —  Antt.  XX,  5,  2: 
hvgrjvlov  xfjq  lovSalag  tturjxtvovxoq  (ul  xißrjxov  Svxoq).  —  Hell.  .hui.  VII,  8,  1 : 


[431]  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.  517 

Zählung  stattgefunden  haben 2^).  Geht  man  noch  einen  Schritt 
weiter  zurück,  und  nimmt  man  an,  dass  der  Cyclus  auch  für 
Syrien  gilt,  so  würde  sich  auch  für  die  letzte  Zeit  des  Herodes 
eine  Volkszählung  in  Syrien  ergeben  (freilich  nicht  für  die  letzten 
Jahre  des  Herodes,  sondern  für  d.  J.  9/8  vor  Chr.).  Diesen  Com- 
binationen  ist  Ramsay  (in  den  oben  S.  509  genannten  Abhand- 
lungen) nachgegangen,  und  er  meint,  darin  eine  Rettung  des  Lucas 
finden  zu  dürfen.  Es  kann  darüber  aber  nur  dasselbe  gesagt 
werden,  was  oben  bei  der  cohors  Italica  bemerkt  werden  musste 
(S.  462  Anm.  53).  Denn  wenn  auch  alle  diese  Combinationen  zu- 
treß'end  wären,  so  würden  darum  doch  alle  Bedenken,  welche  wir 
sogleich  gegen  Lucas  vorzubringen  haben,  in  voller  Kraft  bleiben, 
da  eine  Volkszählung  im  Gebiete  der  römischen  Provinz  Syrien 
nicht  beweisen  würde,  dass  eine  solche  auch  im  Gebiete  des  Königs 
Herodes  stattgefunden  hat,  und  eine  Volkszählung  im  J.  9/8  vor 
Ohr.  unter  keinen  Umständen  in  die  Zeit  des  Quirinius,  sondern 
in  die  des  Sentius  Saturninus  fallen  würde.  Jene  Combinationen 
sind  aber  auch  sehr  unwahrscheinlich.  Der  vierzehnjährige  ägyp- 
tische Cyclus  ist  schwerlich  auch  für  Syrien  anzunehmen,  da  der 
Census  des  Quirinius  nicht  auf  einem  festen  Cyclus,  sondern  auf 
einer  besondern  Mission  des  Quirinius  beruhte,  wie  die  Aeusserungen 
des  Josephus  deutlich  zeigen.  Die  Sendung  nach  Judäa  im  J.  6  7 
n.  Chr.  war  aber  direct  durch  die  Absetzung  des  Archelaus  ver- 
anlasst. Das  zeitliche  Zusammentreffen  mit  dem  ägyptischen  Cyclus 
wird  daher  zufällig  sein.  Ueberdies  beginnen  die  directen  Zeug- 
nisse für  den  ägyptischen  Cyclus,  nach  dem  bis  jetzt  vorliegenden 
Material,  erst  mit  dem  J.  19/20,  resi).  20/21  n.  Chr. 

Lucas  sagt  nun  an  der  angeführten  Stelle  (2,  1 — 5) 2^),  es  sei 
um  die  Zeit  der  Geburt  Jesu  Christi,  also  jedenfalls  noch  während 
der  Regierung  Herodes  des  Gr.  {Luc.  1,  5.  Matth.  2,  1—22),  eine 
Verordnung  [öoy/ja)  vom  Kaiser  Augustus  ausgegangen,  dahin 
lautend,  dass  „die  ganze  Welt  aufgezeichnet  werde",  ajroyQd(p80&ai 
jtäoav  T?]v  oixovnivTjv.  Unter  der  „ganzen  Welt"  kann  nach  be- 
kanntem   römischem    Sprachgebrauch  nichts    anderes  verstanden 


Eleasar,  ein  Sohn  des  Judas  xov  nelauvroq  ^lovöaiovg  .  .  .  .  firj  noiüod^ai  tag 
dnoyQttcpdq,  ore  KvQTjviog  zifiTjxTjg  slg  ttjv  'lovöalav  ine/u'pS^rj. 

28)  Die  oben  Anm.  22  genannten  Jahre  sind  die  Jahre,  für  welche  die 
Angaben  zu  machen  waren.  Die  dnoygaipai  selbst  aber  haben  immer  im 
folgenden  Jahre  stattgefunden.  Demnach  muss,  wenn  wir  so  weit  zurück- 
gehen dürfen,  im  Jahre  6/7  eine  dnoyQa<fi^  für  das  Jahr  5  0  stattgefunden 
haben. 

29)  Vgl.  zur  Erklärung  ausser  den  Comnientaren  auch:  Wieseler,  Bei- 
träge S.  18—32.  Zumpt,  Geburtsjahr  S.  90-90.  188  ff.  Lecoultre,  De  censu 
Quiriniano  p.  11—27. 


518  §  !"•  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.    [431.  432] 

werden,  als  das  ganze  römische  Reich,  der  orbis  liomanus.  Streng 
genommen  umfasst  dieser  Begriff  sowohl  Italien  als  die  Provinzen. 
Doch  wäre  es  eine  verzeihliche  Ungenauigkeit  des  Ausdruckes, 
wenn  es  sich  etwa  factisch  dabei  nur  um  die  Provinzen  gehandelt 
haben  sollte  3^).  Ganz  unmöglich  ist  die  von  früheren  Auslegern 
zuweilen  beliebte  Beschränkung  des  Ausdruckes  auf  Palästina  ^i). 
Das  Yerbum  aTcoyQafpuv  heisst  zunächst  nur  „aufzeichnen'';  ist 
also  allgemeiner  als  das  bestimmte  änorifjav  „abschätzendes). 
Es  ist  aber  nicht  wohl  ein  anderer  Zweck  der  „Aufzeichnung" 
denkbar,  als  der  der  Besteuerung  (denn  vom  Kriegsdienst  waren 
wenigstens  die  Juden  frei);  und  jedenfalls  hat  Lucas  das  Wort  so 
verstanden,  da  er  diese  „Aufzeichnung"  V.  2  in  Verbindung  bringt 
mit  dem  bekannten  Census  des  Quirinius,  sei  es  nun  sie  mit  ihm 
identificirend  oder  von  ihm  unterscheidend.  Er  fährt  nämlich  V. 
2  fort:  avxrj  [ry]  ajtoyQacpr]  jtqcoti]  eysvsro  ■^ysfJovsvovTog  rrjc  ^vgiac: 
KvQi]viov.  Ob  der  Artikel  vor  ajtoyQa(p7]  aufzunehmen  ist  oder 
nicht,  lässt  sich  schwer  mit  Sicherheit  sagen,  da  für  beide  Les- 
arten gewichtige  Instanzen  vorliegen  '^^).  Jedenfalls  ist  die  Stellung 
jtQcoxri  lytvero  gegenüber  den  vereinzelten  Lesarten  tytvero  jtQcox)] 
(K)  und  iysvETo  ajioyQaq)?}  jtQmTT)  (D)  festzuhalten.  Für  den  Sinn 
ist  es  fast  gleichgültig,  ob  man  den  Artikel  beibehält  oder  nicht; 
denn  im  ersteren  Falle  ist  zu  übersetzen :  „Diese  |  Schätzung  fand 
als  erste  statt",  im  anderen  Falle:  „Diese  fand  als  erste  Schätzung 
statt '^),  während  Quirinius  Statthalter  von  Syrien  war".  Aber  es 
fragt  sich  nun,  in  welchem  Sinne  sie  Lucas  als  „erste"  bezeichnet. 
Will  er  damit  sagen,  es  sei  die  erste  allgemeine  Reichsschatzung 
gewesen  3'^),  oder  die  erste  römische  Schätzung  in  Judäa^''),  oder 
es  sei  die  erste  gewesen  unter  mehreren,  welche  Quirinius  hielt  3')? 
Die  erstere  Fassung  würde  ergeben,  dass  Lucas  an  eine  Mehrzahl 


30)  So  Wiesel  er,  Beiträge  S.  20—22. 

31)  So  Paulus,  Hug  u.  A. 

.32)  Vgl.  Wiese  1er  Bc-itr.  S.  10 f.  Zumpt  S.  94-9G.  Ucber  den  clas- 
«ischcD  (iebrnuch  von  anoypatf^  h.  Tiialhoim  in  Pauly-Wissowa's  Roal-Enc. 
I,  2822;  über  die  ägyptischen  dnoyQuipal  oben  S.  514  f. 

33)  Die  Mehrzahl  der  Handschriften  hat  den  Artikel;  er  fehlt  in  BD,  auch 
in  K.  weh-hcr  avxrjv  annyQatprjv  liest;  verworfen  wird  der  Artikel  von  Lach- 
mann,   Tregrlles.   Tischendorf  c^.  VIII,  Wieseler,  Weiss,  Westcott  und  Hort. 

34)  Biittmann,  Cürainniatik    des    ncutestamentl.  Sprachgcbraudis  S.  105. 

35)  So  HuHclike,  Urbcr  tU'U  zur  Zfit  der  (»eburt  Jesu  Cliristi  gehaltenen 
CenMUH,  H.  W»;  Köhler  in  Herzog's  Kcal-Hnc     1.  Aufl.  Xill,  400. 

»J)  8o  z.  B,  Wieseler,  Jlcitrage  H.  24.  27;  Hilgenfeld,  Zeitschr.  1870, 
8.  I.*i7;  Hock,  IWni.  Gesch.  I,  2,  417. 

37)  So  J5.  B.  Meyer-WeisB  z.  d.  St.  und  Zumpt,  Geburtsjahr  Christi 
8.  188— ÜK). 


[432. 433]    §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.  519 

allgenieiiier  Reichsschatzungen  glaubte.  Wenn  aber,  wie  sich  zeigen 
wird,  schon  die  eine  Reichsschatzung  unter  Augustus  problematisch 
ist,  so  ist  eine  mehrmalige  Wiederholung  derselben  noch  viel  pro- 
blematischer. Wir  werden  daher  gut  thun,  dem  Evangelisten  nicht 
unnöthigerweise  diesen  verschärften  Irrthum  unterzuschieben.  Die 
sodann  zunächst  sicli  darbietende  Fassung  ist  die  oben  an  zweiter 
Stelle  genannte;  und  wir  haben  bei  ihr  zumal  dann  stehen  zu 
bleiben,  wenn  sich  herausstellen  sollte,  dass  Quirinius  überhaupt 
nur  einmal  eine  Schätzung  in  Judäa  gelialten,  und  auch  Lucas 
diese  eine  gemeint  hat.  A'orläufig  betrachten  wir  daher  als  Sinn 
der  Worte  den,  dass  die  von  Augustus  angeordnete  allgemeine 
Reichsschatzung  für  Judäa  die  erste  war,  welche  überhaupt  von 
den  Rijmern  daselbst  vorgenommen  wurde,  und  dass  sie  geschah, 
während  Quirinius  Statthalter  von  Syrien  war.  —  Im  Folgenden 
(V.  3—5)  berichtet  Lucas  weiter,  dass  in  Ausführung  jenes  Gebotes 
Alle  (im  jüdischen  Lande)  gingen,  sich  aufzeichnen  zu  lassen,  ein 
Jeder  dg  xrjv  eavrov  jtoXiv^^),  d.  h.  wer  nicht  ohnehin  am  Stamm- 
sitz seiner  Familie  (seines  o/xoc)  sich  befand,  der  begab  sich  nun 
zum  Behufe  der  Aufzeichnung  dorthin.  Und  so  ging  auch  Joseph 
von  Galiläa  nach  Bethlehem,  darum  weil  er  aus  David's  Hause 
war,  um  sich  aufzeichnen  zu  lassen  sammt  Maria  seiner  Verlobten 
{üvv  MuQia^i  ist  mit  axoyQat\'ao&ai  zu  verbinden,  nicht  mit  dem 
viel  weiter  abliegenden  ävtßrf).  \ 

Dieser  Bericht  des  Lucas  erweckt  nun  aber  folgende  Bedenken: 

L  Von  einem  allgemeinen  Reichscensus  zur  Zeit  des 
Augustus  weiss  die  Geschichte  sonst  nichts. 

Apologetisch:  Huschke,  Census  z.  Zeit  d.  Geb.  J.  Chr.  S.  2 — 59.  Wie- 
seler, Synopse  S.  75—93.  Beiträge  S.  50—64.  Rodbertua,  Jahrbb.  für 
Nationalökonomie  und  Statistik  V,  145  ff.  241  ft".  Zumpt,  Geburtsjahr  Christi 
S.  147—160.  Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  II,  204  ft".  (=  2.  Aufl. 
8.  211  ff".).    Lecoultre,  De  censu  Quiriniano  p.  28—41. 

Die  Thatsache  eines  solchen  Reichscensus  hat  namentlich 
Huschke  durch  eine  Reihe  von  Daten  zu  beweisen  gesucht,  deren 
mangelnde  Beweiskraft  gegenwärtig  auch  von  den  entschiedensten 
Vertheidigern  des  lucanischen  Berichts  wenigstens  theilweise  aner- 
kannt wird.  So  beruft  sich  Huschke  (S.  11  If.)  und  auch  noch  Wie- 
seler "*^)  auf  das  rationaHwn  oder  hreviariuvi  totius  impeHi.,  ein  Ver- 
zeichniss  der  Hülfsquellen  des  gesammten  Reiches,  welches  Augustus 


38)  So  ist  nach  i^i^BÜLS  (mit  Tischendorf  cd.  VIII,  Weiss,  Westcott   und 
Hort)  zu  lesen,  statt  liec.  ftq  r^v  iöiav  nöJuv. 

39)  Synopse  S.  82  f.    Beiträge  S.  52.  93. 


520  §17,  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinhis,  Luc.  2, 1—5.     [433.434] 

als  guter  Finanzmann  sich  anlegte,  um  die  arg  zerrütteten  finan- 
ziellen Verhältnisse  des  Eeiches  wieder  in  Ordnung  bringen  zu 
können  {Sueton.  Äug.  28.  101.  Dio  Cass.  LIII,  30.  LVI,  33.  Tac. 
Änn.l,  11)  •*o).  Allein  mit  Recht  bemerkt  Zumpt  *  ^),  dass  dies  zwar 
für  den  geordneten  Zustand  der  Staatsverwaltung  spricht,  nicht 
aber  eine  Reichsschatzung  beweist  ^2)  —  Noch  unglücklicher  ist 
die  Berufung  Huschke's  (S.  37—45)  auf  Dio  Cass.  LIV,  35  und  LV, 
13 ;  denn  an  ersterer  Stelle  ist  lediglich  gesagt,  dass  Augustus  wie 
ein  Privatmann  sein  ganzes  Vermögen  {jcavxa  xa  vjtaQxovxa  ol) 
dem  Census  unterworfen  habe;  und  an  der  anderen  ist  nur  von 
einem  Census  der  römischen  Bürger  die  Rede^^).  —  Endlich  ist 
auch  der  Versuch  Huschke's  (S.45— 53),  das  Monummtum  Am%jranum 
(vgl.  über  dasselbe  oben  S.  110)  zu  einem  Zeugen  für  den  allge- 
meinen I  Reichscensus  zu  machen,  vollständig  misslungen;  wofür  es 
genügt,  auf  Wieseler**)  und  Marquardt*^)  zu  verweisen. 

Von  den  zahlreichen  Zeugen  für  den  allgemeinen  Reichscensus, 
welche  Huschke  zusammengebracht  hat,  bleiben  daher  nur  Cassio- 
dorus,  Isidorus  Hispalensis  und  Suidas*^).  Sie  sprechen  aller- 
dings zweifellos  von  einem  allgemeinen  Reichscensus  zur  Zeit  des 
Augustus*').  Allein  ihr  Zeugniss  verliert  dadurch  erheblich  an 
Werth,  dass  sie  alle  drei  Christen  waren  und  in  sehr  später  Zeit 
(im  6.,  7.  und  10.  Jahrhundert  nacli  Chr.)  gelebt  haben;  wodurch 
die  Vermuthung  sehr  nahe  gelegt  ist,  dass  sie  lediglich  aus  Lucas 
geschöpft  haben.    Das  confuse  Gerede  des  Spaniers  Isidorus  be- 


40)  Tacüus  beschreibt  a.  a.  O.  den  Inhalt  desselben  folgendermassen :  Opes 
publieae  continebantttr,  quanfum  civium  sociorumque  in  armis,  quot  c/asses, 
regna,  provinciae,  trihuta  aiit  rectigalia,  et  necessitates  ac  largitiones.  Quae 
cuncta  8ua  manu  perscripserat  Aw/ustus  aiklidcratqie  consilium  coercendi intra 
terminoa  imperii,  incertum  mctu  an  per  invidiam. 

41)  Geburtsjahr  Christi  8.  154. 

42)  Man  hat  aus  der  Angabe  des  Tacitus  sogar  herausgelesen,  dass  Au- 
gustus auc;li  in  den  Gebieten  der  reges  sociV  Schätzungen  gehalten  habe.  Aber 
wie  man  sieht,  ist  nicht  einmal  davon  die  Rede,  dass  die  regna  Tribut  zahlten, 
geschweige  denn  von  Srhatzimgen  in  ihren  Gebieten. 

43)  Vgl,  Wiese  1er,  Synopsc  S.  85—90.  Beiträge  S.  57.  Zumpt,  Ge- 
burt»). S.  120  155.  —  Die  Stelle  Dio  Cass.  LIV,  35  bezieht  auch  noch  Rod- 
bertuft  Jahrbb.  V,  169  fl".  auf  den  Provinzialcensus,  wenn  auch  mit  etwas 
anderer  Deutung  alii  Huschke. 

44)  Bynopse  8.  90-92.    Beiträge  8.  68—64. 

45)  BAm.  Staatsverwaltung  IT,  206. 

46)  Vgl.  Huschke  8.  3  n:  Wieso  1er,  Synopse  8.  77  f.  Beiträge  8.  63-50. 
Rodbortus  V,  241  fT.    Zumpt  H.  149—166.    Marquardt  II,  206f. 

47)  Die  betreuenden  Stellen  lauten: 

CaiMtodor.  Variaruin  III,  62:  Augusti  siquidem  temporilnis  orlns  Bo- 
manuM   agri$  divitu»  censugue  deaen'ptus  est,  ut  possessio  sun  nvili  hnheretur 


[434.  435]    §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.  521 

trachten  auch  Wieseler  ^^)  und  Zumpt^^)  nicht  als  selbständiges 
Zeugniss.  Bei  Suidas  liegt  die  Abhängigkeit  von  Lucas  auf  der 
Hand.  Cassiodorus  endlich  hat  allerdings  ältere  Quellen,  nament- 
lich die  Schriften  der  Feldmesser,  benützt.  Aber  wer  bürgt  uns 
dafür,  dass  er  die  Notiz  über  den  Census  nicht  aus  Lucas  herüber- 
genommen hat?  Jedenfalls  ist  es  misslich,  bei  dem  Schweigen  aller 
älteren  Quellen  (des  Monumentum  Äncyranum,  des  Dio  Casshts,  des 
Suetonius)  die  vereinzelte  Notiz  Cassiodor's  als  geschieh tliclies 
Zeugniss  zu  betrachten^'*).  —  Das  „Zeugniss"  des  Orosius,  auf 
welches  ßiess  wieder  grossen  Werth  gelegt  hat,  nachdem  es  von 
den  Meisten  längst  aufgegeben  war,  ruht  zweifellos  auch  nur  auf 
Lucas  ^  1). 

Eine  indirecte  Stütze  für  die  Annahme  eines  Reichscensus  zur 
Zeit  des  Augustus  haben  Manche  in  der  angeblichen  Reichsver- 
messung des  Augustus  gefunden.  Allein  auch  diese  ist  sehr  proble- 
matisch ^'^j.    Wir  wissen   zwar,   dass  Agrippa,   der   Freund  des 


ineerta,  quam  pro  tributorum  susceperat  quantitale  sohenda.  Hoc  auetor  Hy- 
rwnmetrieus  [so  die  edd.,  lies:  gramaticus]  rede(jit  ad  dogma  conseriptwn,  qtia- 
tenus  Studiosus  legendo  possit  agnoscere,  quod  deberet  oculis  absolute  ynonstrare. 

Isidor.  Etymologiaritm  V,  36,  4  {Opp.  ed.  Äreralo  III,  229«^.):  Era  sin- 
gulorum  annoinim  constituta  est  a  Caesare  Augusto:  quatido  primum  ce^isum 
exegit,  ae  romanum  orbcm  descripsit.  Dicta  auteni  era  ex  eo,  quod  omnis  orhis 
aes  reddere  professus  est  reipublicae.  —  lieber  die  spanische  Aera  vom  J.  38 
V.  Chr.,  deren  Ursprung  Isidorus  hier  erklären  will,  s.  Ideler,  Handbuch  der 
Chronologie  II,  422  fl'.  Pauly's  Real-Enc.  I,  1,  2.  Aufl.  Ö.  420 f.  (Artikel  aera). 
Heller  in  Sybel's  Hist.  Zeitschr.  Bd.  XXXI,  1874,  S.  13-32.  Pauly-Wis- 
sowa's  Real-Enc.  I,  639  f. 

Suidas,  Lex.  s.  v.  dnoygaip^:  '0  Öh  KalaoQ  Avyovorog  6  (iovaQXÜoaq 
ei'xoatv  avÖQaq  lolq  uQiaxovq  rbv  ßlov  xal  rov  rgönov  inü.f-^äfifvoq  inl  näaav 
TTjv  yfjv  rüjv  i7iT]x6(ov  i^inefiips,  dt'  wv  unoyQatpaq  inoitjouTO  X(üv  xt  (cvi^pw- 
nwv  xal  oxaiwv,  aixäQxr}  rivu  ngoaxä^aq  xöJ  ötjfxoaluj  fioi^av  ix  xoixiov  iia- 
(ptQtaöai.  AvxT]  ^  ilnoyQaipii  ngföxr]  iytvixo  xdJv  TtQO  aixov  xolc  xexxr,fxhoiq 
xi  /XTj  d^aiQOVfitvwv,  wq  eivai  xolg  evnoQOiq  ÖTjfiöaiov  tyxXrjfAa  xbv  nkoixov. 

48j  Synopse  S.  78. 

49)  Geburtsjahr  Christi  S.  151. 

50)  Auch  Moinmsen  urtheilt,  dass  Cassiodor  die  Notiz  über  den  Genius 
aus  Lucas  geschöpft  hat.  S.  dessen  Abhandlung  über  „Die  libri  colomarum" 
in:  „Die  Scliriften  der  römischen  Feldmesser"  herausgeg.  v.  Blume,  Lachmann 
und  Rudorft;  Bd.  II  (1852),  S.  177. 

51)  Oros.  VI,  22,  6:  Eodem  quoqiie  anno  [752  a.  U.]  tunc  primmn  idem 
Caesar  ....  censum  agi  singulanim  ubique  provinciaruni  et  censeri  omnes  ho- 
minis jussit,  quando  et  Deus  hämo  videri  et  esse  dignatus  est.  Tunc  i'/itur  nattts 
est  Christus.  Romano  censui  statim  adscriptus  ut  natus  est.  —  Vgl.  Riess, 
Das  Geburtsjahr  Christi  (1880)  S.  09  ft". 

52)  Das  Material  hierüber  ist  in  der  Kürze  gut  zusammengestellt  bei 
Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  Bd.  II,  S.  200—204  (2.  Aufl.  besorgt 
von  Dessau  und  Domaszewski  1884,  S.  207—211).    Daselbst  S.  200  (2.  Aufl. 


522  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1  —  5.     [435.  436] 

Augustus,  Material  für  eine  Weltkarte  gesammelt  hat,  und  dass 
diese  Weltkarte  nach  seinem  Tode  in  Marmor  ausgeführt  in  einer 
Säulenhalle  aufgestellt  wurde.  Jene  commentarii  Agrippa's  waren 
besonders  wegen  ilirer  zahlreichen  genauen  Maassangaben  werth- 
voU  ^3j.  Sehr  zweifelhaft  ist  aber,  ob  die  Maassangaben  Agrippa's 
auf  einer  allgemeinen,  durch  Augustus  vorgenommenen  Reichs- 
vermessung ruhten.  Dass  eine  solche  schon  ^  unter  Cäsar  begonnen 
und  unter  Augustus  vollendet  wurde,  wird  zwar  in  einigen  späten 
Cosraographien  (Julius  Honorius  und  Aethicus  Ister)  behauptet. 
Es  ist  aber  fraglich,  ob  diese  Notiz  auf  alte  Quellen  zurückgeht^*). 
Und  I  auch  wenn  Augustus  eine  allgemeine  Reichsvermessung  vor- 
genommen hat,  so  hatte  diese  mit  dem  Census  wahrscheinlich  gar 
nichts  zu  thuu.  Es  könnte  sich  dabei  —  wie  alles  geographisch- 
statistische Material  der  folgenden  Zeit  beweist  —  im  Wesentlichen 


S.  207)  ist  auch  die  Specialliteratur  angegeben,  zu  welcher  noch  hinzuzufügen 
ist:  F.  Philippi,  Zur  Reconstruction  der  Weltkarte  des  Agrippa,  1880. 
Schweder,  Beiträge  zur  Kritik  der  Chorographie  des  Augustus,  8  Thle.  1876 
bis  1883.  Detlefsen,  Untersuchungen  zu  den  geographischen  Büchern  des 
Plinius,  1.  Die  Weltkarte  des  M.  Agrippa,  Glückstadt  1884.  Cuntz,  Agrippa 
und  Augustus  als  Quellenschriftsteller  des  Plinius  in  den  geogr.  Büchern  der 
naturalis  historia  (Jahrbb.  für  class.  Philol.  17.  Supplbd.  1890,  S.  473—526). 
Traube,  Zur  Chorographie  des  Augustus  (Sitzungsberichte  der  Münchener 
Akademie,  philos.-philol.  und  bist.  Cl.  1891,  S.  406— 409).  Schweder,  Ueber 
die  Weltkarte  und  Chorographie  des  Kaisers  Augustus  (Jahrbb.  für  class. 
Philol.  1892,  S.  113—132).  Ders.,  Ueber  die  Weltkarte  luid  Chorographie  des 
Kaisers  Augustus  (Philologus  LIV,  1895,  S.  528-559.  LVI,  1897,  S.  130-162). 
Vgl.  auch  Hübner,  Grundriss  zu  Vorlesungen  über  die  röin.  Literaturgesch. 
4.  Aufl.  1878,  S.  180  (Literaturverzeichniss).  Teuffei,  Römische  Literatur- 
geschichte §  220,  12—13. 

53)  Die  daraus  erhaltenen  Notizen  (besonders  bei  Plinius)  sind  zusammen- 
gestellt von  Riese,  Oeographi  Latini  minores  (1878)  ;>.  1—8,  vgl.  auch  dessen 
Proleg.  p.  VII— XVII.  —  Das  Hauptr.eugniss  ist  Plinius  Jlist.  Nat.  111,2,  17: 
Af/rippam  qiiidem  in  tanta  viri  dilvientia  prcwterqiie  in  hoc  opere  ciira,  cum 
orbem  terrarum  orhi  speclanduoi  pro})osilunis  esset,  crrasse  quis  credat?  et  cum 
eo  dintm  Auf/ustumY  Is  ncnnque  conplcxam  cum  porticum  e.r  destinatiune  et 
commentariia  M.  Agrippae  a  sorore  qjiis  incfioatam  peregit.  —  Die  Notizen  bei 
Plinius  sind  wahrscheinlich  nicht  aus  der  Karte,  sondern  aus  Agrippa's  com- 
mentarii  entnommen.  S.  Riese  p.  IX.  Doch  sucht  Detlefsen  das  erstero  nach- 
zuweisen. 

64)  Die  Texte  des  Julius  Honorius  und  Aethicus  Ister  s.  bei  Rie- 
se, Oeographi  iMtini  minores  (187H)  p.  21—55  und  71—103.  Die  Notiz  über 
die  ReicIiHVermesHung  steht  bei  Beiden  ganz  im  Anfang.  —  Julius  Honorius 
int  iltcr  als  Cassiodor.  Eh  ist  aber  beinc-rivcnswerth,  dass  im  cod.  Parisin. 
4808  iaec.  VI,  welcher  die  ülteste  Recension  seincH  Werkes  enthält  (bei  Riese 
mit  A  bezeichnet),  die  Notiz  über  die  Reichsvermessung  fohlt.  —  Ueber  Ae- 
tliicu»  Ister  s,  Outschmid,  Kleine  Schriften  V,  418—425.  Berger  in  Pauly- 
NVIwwwa'i  Real-Eoc.  I,  697  fl. 


[43G]  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.  523 

nur  um  geographische  Ermittelungen,  vor  allem  um  eine  Ver- 
messung der  Strassen  mit  Distanzangaben  von  Ort  zu  Ort,  ge- 
handelt haben. 

Wenn  sonach  feststeht,  dass  —  von  Lucas  abgesehen  —  ein 
allgemeiner  Reichscensus  des  Augustus  geschichtlich  nicht  bezeugt 
ist,  so  bliebe  immerhin  die  Möglichkeit,  dass  eben  Lucas  allein  uns 
die  Kunde  davon  aufbewahrt  hat.  Allein  auch  diese  Möglichkeit 
bedarf  wieder  sehr  der  Einschränkung.  Vor  allem  kann  von  einem 
Reichscensus  nicht  die  Rede  sein,  sondern  höchstens  von  einem 
Census  der  Provinzen,  da  Italien  auszunehmen  ist  (vgl.  S.  510 f.). 
Aber  auch  hinsichtlich  der  Provinzen  bestand  wieder  der  grosse 
Unterschied,  dass  die  einen  von  Augustus  durch  seine  Legaten,  die 
andern  vom  Senat  verwaltet  wurden.  Es  ist  kaum  denkbar,  dass 
der  vorsichtige,  die  Rechte  des  Senates  möglichst  schonende  Augustus 
durch  ein  und  dasselbe  Edict  in  gleicher  Weise  einen  Census  für 
seine  Provinzen  und  für  die  des  Senates  angeordnet  haben  sollte  ^^). 


55)  Im  Allgemeinen  ist  wohl  anzunehmen,  dass  die  Kaiser  von  Anfang  an 
auch  in  den  Senatsprovinzen  das  Recht,  Schätzungen  anzuordnen,  für  sich  in 
Anspruch  genommen  haben.  Dio  Cass.  LIII,  17  rechnet  es  ganz  allgemein 
zu  den  Befugnissen  der  Kaiser,  dass  sie  anoypa^aq  noiovvtai.  Sie  mussten 
dieses  Recht  schon  deshalb  sich  reserviren,  weil  auch  die  Senatsprovinzen 
gewisse  Abgaben  an  den  kaiserlichen  Fiscus  zu  leisten  Latten,  weshalb  es 
auch  in  den  Seuatsprovinzen  kaiserliche  Procuratoren  gab  (Marquardt,  Staats- 
verwaltung I,  2.  Aufl.  1881,  S.  555  f.).  Es  ist  aber,  trotz  der  Dürftigkeit  des 
Materiales,  von  Mommsen  und  Hirschfeld  doch  bemerkenswerth  gefunden 
worden,  dass  kaiserliche  Schatzungsbeamte  in  Senatsprovinzen  für  das 
erste  Jahrhundert  der  Kaiserzeit  bis  jetzt  nicht  nachgewiesen  sind.  Unter 
den  von  Marquardt  II,  2.  Aufl.  1884,  S.  216  und  Unger  (Leipziger  Studien 
zur  class.  Philol.  X,  1887,  S.  1  ft".)  zusammengestellten  Beispielen  finden  sich 
zwei  lefiati  ad  census  accipiendos  in  Senatsprovinzen,  einer  in  Gallia  Narbo- 
nensis  (Unger  n.  1  =  Orelli-Henzen  Inser.  Lat.  n.  0153)  und  einer  in  Macedonien 
(Unger  n.  G  ==  Coi-p.  Inscr.  Lat.  t.  III  n.  14Ü3).  Der  erstere  war  aber  der 
ordnungsmässige,  vom  Senat  bestellte  Proconsul  und  ist  als  solcher  (vom 
Kaiser)  zugleich  mit  Abhaltung  des  Census  beauftragt  worden;  bei  dem  an- 
deren, der  mit  verkürzter  Titulatur  nur  cens[itor)  provinciae  Macedoniae  heisst, 
war  das  Verhältniss  vielleicht  dasselbe  (so  Unger).  Uebrigens  stammt  die  In- 
schrift erst  aus  dem  zweiten  Jahrhundert.  Ein  kaiserlicher /»rocwrator  ök^  ee«- 
sus  accipiendos  Macedoniae  (also  in  einer  Senatsprovinz  neben  dem  Proconsul) 
findet  sich  auf  einer  Inschrift  zu  Thysdrus  in  Afrika  (Unger  n.  31  =  Corp. 
Inscr.  Lat.  t.  VIII  n.  10500).  Dieselbe  stammt  aber  ebenfalls  erst  aus  dem 
zweiten  Jahrhundert  (Unger  p.  58  sq.).  Grosses  Gewicht  darf  man  freilich  auf 
diese  Thatsachen  nicht  legen,  denn  es  ist  möglich,  dass  auch  für  die  kaiser- 
lichen Provinzen  dasselbe  Verhältniss  gilt:  dass  nämlich  in  der  früheren  Kai- 
serzeit die  Statthalter  mit  dem  Schatzungsgeschäft  beauftragt  wurden,  und 
erst  später  besondere  Schatznngsbeamte  neben  den  Statthaltern  dasselbe  zu 
vollziehen  hatten  (so  Unger,  vgl.  unten  Anm.  137).  Die  Hauptsache  ist,  dass 
Augustus    nach  allem,  was  wir  von  ihm  wissen,  das  Bestreben  hatte,  die  Se- 


524       §  l'if  •  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.  [436. 437. 438] 

Dazu  kommt,  dass  wir  von  einigen  Provinzen  bestimmt  |  wissen, 
dass  zur  Zeit  des  Augustus  noch  kein  römischer  Census  daselbst 
stattgefunden  hat  ^^).  Was  wir  zugeben  können,  ist  daher  lediglich 
dies,  dass  zu  Augustus'  Zeit  in  vielen  Provinzen  Schätzungen  vor- 
genommen wurden^').  Und  dies  ist  allerdings  wahrscheinlich,  da 
das  Bedürfniss  hierfür  nach  den  Wirren  der  Bürgerkriege  vielfach 
vorhanden  gewesen  sein  wird,  und  Augustus  es  als  seine  Aufgabe 
betrachtete,  geordnete  Zustände  zu  schaffen.  Zumpt  legt  auch 
grosses  Gewicht  darauf,  dass  die  juristischen  Quellen  aus  dem  An- 
fang des  dritten  Jahrhunderts  {Digest  L,  15)  bereits  eine  grosse 
Gleichförmigkeit  in  Betreff  des  Schatzungswesens  voraussetzen  ^s). 
Wir  sind  aber  durch  nichts  berechtigt,  diese  Uniformirung  auf 
Augustus  zurückzuführen. 

Ein  weiteres  Bedenken  gegen  den  lucanischen  Bericht  ist  aber: 

IL  Durch  einen  römischen  Census  konnte  Joseph  nicht  zur 
Reise   nach    Bethlehem    und   Maria    nicht   zur   Mitreise 
dorthin  veranlasst  werden. 

Apologetisch:  Husch ke,  Census  z.  Zeit  d.  Geb.  J.  Chr.  S.  116—125. 
Wieseler,  Synopse  S.  105—108.  Beiträge  S.  65—69.  46—49.  Zumpt,  Ge- 
burtsjahr Christi  S.  193—196.  203  f.  | 

Beim  römischen  Census  musste  der  Grundbesitz  in  der  Gemeinde 
zur  Besteuerung  angegeben  werden,  in  deren  Gebiet  er  lag  (s.  oben 
S.  514).  Im  Uebrigen  hatte  der  zu  Schatzende  sich  an  seinem  Wohn- 
orte oder  am  Hauptorte  des  Steuerdistrictes,  innerhalb  dessen  er 
wohnte,  zum  Census  zu  melden.    Wenn  dagegen  Lucas  berichtet, 


natsprovinzen  als  selbständig  erscheinen  zu  lassen.  —  Vgl.  überluiupt  über 
das  kaiserliche  Sehatzungsrecht  in  den  Senatsprovinzen  (und  zugleich  gegen 
die  Annalmie  eines  Keiclisccnsus  unter  Augustus):  Mo  rumsen,  Staatsrecht 
1.  Aufl.  II,  1,  S.  392-394.  II,  2,  S.  945  f.  Hirschfeld,  Untersuchungeu  auf 
dem  Gebiete  der  römiHchen  Verwaltungsgeschic-hte  Bd.  I,  1877,  S.  17 — 19. 
Unger,  Leipziger  Studien  X,  S.  48—59  (Hirsclifcld  hält  es  sogar  für  wahr- 
Mcheinlich,  „da«H  in  der  Augusteischen  Verfassung  dem  Senate  in  seinen 
Provinzen  und  in  Italien  dieses  Hoheitsrecht  belassen  worden  sei"  S.  17). 

50)  Zumpt  8.  176  f. 

bl)  Darauf  kommt  im  Grunde  auch  Zumpt  hinaus;  vgl.  S.  147  f.  1631t'. 
211  f.  (nur  da«»  er  die  verschiedenartigen  und  zu  verschiedenen  Zeiten  gehal- 
tenen Provinzlalschatzungen  auf  ein  Edict  zurückführt).  Ebenso  Manjuardt, 
8t«at«ver\vttltung  II,  204  ü",  Lecunltre,  De  censu  Quiriniano  p.  2^ sqq.  und 
Aberle,  der  nicht  einmal  ein  Kdict,  sondern  nur  einen  Beschluss  des  Au- 
gnitUH  annimmt  (Theol.  Quartalschr.  1874,  8.664  (l.).  Die  Aniuilniio  eines 
BeichHconHUH,  wclciic  von  den  Genannten  nngebli<ii  vortheidigt  wird,  ist 
damit  thatHäcliüch  aufgegeben. 

W)  Zumpt  H.  166— IW. 


[438.439]     §17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.  525 

dass  Joseph  nach  Bethlehem  reiste,  weil  er  aus  dem  Hause  David's 
war,  so  ist  vorausgesetzt,  dass  die  Anfertigung  der  Steuerlisten  nach 
Stämmen,  Geschlechtern  und  Familien  geschehen  sei,  was  keines- 
falls römisch  ist.  Gewöhnlich  wird  daher  angenommen  (so  auch  von 
Wieseler  und  Zumpt),  dass  bei  jenem  Census  eine  Anbequemung 
an  jüdische  Sitte  stattgefunden  habe.  Nun  ist  allerdings  riclitig, 
dass  die  Römer  bei  derartigen  Maassregeln  sich  häufig  an  be- 
stehende Einrichtungen  anschlössen.  Aber  gerade  in  diesem  Falle 
wäre  eine  solche  vermeintliche  „Schonung"  höchst  auftällig,  da  diese 
Art  der  Schätzung  viel  lästiger  war  und  zu  viel  mehr  Incon- 
venienzen  führen  musste  als  die  römische.  Auch  ist  es  sehr  fraglich, 
ob  eine  Aufzeichnung  nach  Familien  und  Geschlechtern  überhaupt 
möglich  war,  da  bei  \'ielen  die  Zugehörigkeit  zu  dieser  oder  jener 
Familie  nicht  mehr  nachweisbar  war  ^^).  Auffällig  ist  ferner,  dass 
Lucas  den  Schein  erweckt,  als  sei  Maria  um  der  Schätzung  willen 
genöthigt  gewesen,  mitzureisen  (V.  5:  djioyQaipaoi^ai  ovv  MaQiafi). 
Eine  solche  Nöthigung  konnte  bei  einem  römischen  Census  nicht 
vorliegen.  Denn  wenn  auch  die  Frauen  zur  Kopfsteuer  heran- 
gezogen wurden  (s.  oben  S.  513),  so  brauchten  sie  doch  nicht  per- 
sönlich beim  Census  zu  erscheinen  ^^o)^  da  die  betreuenden  Angaben, 
wie  aus  der  Analogie  mit  dem  älteren  römischen  Census  zu  schliessen 
ist,  von  den  Familienvätern  gemacht  werden  konnten. 

III.  Ein  römischer  Census  konnte  überhaupt  in  Palästina 
zur  Zeit  des  Königs  Herodes  nicht  vorgenommen  werden. 

Apologetisch:  Huschke,  Census  z.  Zeit  d.  Geb.  J.  Chr.  S.  99—11(3. 
Wieseler,  Synopse  S.  93—98.  Beiträge  S.  79—94.  Zumpt,  Geburtsjahr 
Christi  S.  178—186.    212  f. 

Wenn  Quirinius  im  J.  7  nach  Chr.  einen  Census  in  Judäa 
vornahm,  so  war  dies  ganz  in  der  Ordnung.  Denn  Judäa  war  da-l 
mals  eben  zur  Provinz  gemacht  worden.  Nach  Lucas  dagegen  soll 
ein  römischer  Census  in  Palästina  stattgefunden  haben  zu  einer 
Zeit,  als  Palästina  unter  Herodes  d.  Gr.  noch  ein  selbständiges, 
wenn  auch  unter  römischer  Oberhoheit  stehendes  Königreich  war. 


59)  S.  Bd.  II  S.  260  f.  (der  15.  Ab,  an  welchem  nach  Mischna  Taanith  IV, 
5  „die  von  unbekannter  Abstammung"  das  Holz  für  den  Brandopferaltar 
lieferten,  wird  anderwärts  als  der  Tag  der  allgemeinen  Holzlieferung  be- 
zeichnet. Nur  einzelne  Stammhäuser  lieferten  an  besonderen  Tagen.  Auf 
diese  Stammhäuser  beziehen  sich  auch  die  sonst  [s.  Bd.  II  S.  229]  vorkom- 
menden Spuren  von  der  Erhaltung  der  Geschlechtsregister  bis  zum  Zeitalter 
Christi). 

60)  Wie  noch  Wieseler  Beitr.  46 — 49  und  Zumpt  203 f.  annehmen. 


526  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.    [439. 440] 

Dies  scheint  nach  allem,  was  wir  über  die  Stellung-  der  reges  socü 
za  den  Römern,  insonderheit  über  die  Stellung  des  Herodes  wissen, 
unmöglich  zu  sein.  Pomp  ejus  hatte  zwar  dem  jüdischen  Lande 
einen  Tribut  auferlegt''');  und  Cäsar  hatte  das x4.bgabenwesen  durch 
eine  Eeihe  von  Edicten  neu  geordnet ^^^^  Auch  Antonius  hatte 
dem  Herodes  bei  dessen  Ernennung  zum  König  einen  Tribut  auf- 
erlegt •^3).  Aber  gesetzt  auch,  dass  Herodes  diesen  Tribut  unter 
Augustus  fortzubezahlen  hatte,  so  ist  doch  nicht  denkbar,  dass  in 
seinem  Lande  eine  römische  Schätzung  sollte  vorgenommen  worden 
sein.  P^ine  solche  innere  Verwaltungsmaassregel  konnte  Augustus 
in  Palästina  anordnen,  als  es  Provinz  geworden  war;  nicht  aber, 
so  lange  es  das  Gebiet  eines  rex  sociits  war. 

Man  weist  zwar,   um  dies  denkbar  zu  machen,   auf  ähnliche 
Fälle  hin,   in  welchen  angeblich  im  Gebiete  eines  rex  socius  eine 
römische  Schätzung  stattgefunden   hat.     So   auf  eine   Stelle   des 
Tacitus  über  einen  bei  den  Cliten  gehaltenen  Census'^^j.    Tac.  Ann. 
VI,  41:   Pei'  idem  tempus   Clitarum  natio    Gappadoci  Ärchelao  siibiecia, 
quia  nostrum  in  modum  deferre  census,  pati  tributa  adigebatur,  in  iuga 
Tauri  moniis  abscessü  locorumque  ingenio  sese  contra  imbelles  regis  copias 
tuiabaiur.    Aber  hier  ist  ja  nicht  gesagt,  dass  im  Gebiete  des  Königs 
Archelaus  ein  römischer  Census  gehalten  worden  sei,  sondern  nur, 
dass  Archelaus  bei  den  ihm  unterworfenen  Cliten  einen  Census  nach 
römischem  Muster  {nostrum  in  modum)  habe    halten  wollen  *'^).  — 
Zumpt  glaubt  in  dem  Aufstande  Judas  des  Galiläers  aus  An- 
lass  des  quirinischen  Census  vom  J.  7  nach  Chr.  einen  Beweis  zu 
finden,  dass  dieser  Census  sich  nicht  nur  über  das  damals  zur 
Provinz   gemachte  Gebiet    des    Archelaus    (Judäa  und  Samaria), 
sondern  auch  über  Galiläa  erstreckt  habe,   indem   nämlich  jener 
seinen  Beinamen  vom  Schauplatz  seiner  Thätigkeit  erhalten  habe*'*'). 
Aber  Josephus  nennt  ausdrücklich  nur  das  Gebiet  des  Archelaus  als 
das  vom  Census  betrofiene''');  und  jener  Beiname  wird  umgekehrt 


61)  Amt.  XIV,  4,  4.    B.  J.  I,  7,  ö. 

(J2)  Antt.  XIV,  10,  6.    Vgl.  oben  8.  345  f. 

Ü3)  Appian.  Oiv.  V,  75:  HaxT}  6i  ng  xal  ßaaiXiaq,  ov<i  doxiixaatiev,  inl 
ifÖQoiq  &pa  Terayfiivotg,  llovvov  fihv  JaQflov  xbv  *PaQVttxov<i  xov  Mii^Qi- 
ddxov,  ^Idovfialatv  dh  xal  Safiapiwv  'HQifjötjv,  x.  x,  X. 

64)  Huschle e  8,  102— 1()4.    WicBclcr,   Synopsc  8.  94.    Beitrüge  8.  94. 

66)  üeber  ArchelHUH  vgl.  die  oben  8.  408  genannte  Literatur. 

66)  GeburtBJuhr  Chrinti  8.  191  Anm.  —  Ueber  den  lieinanion  dos  Judas 
R.  Ann.  XVIII,  1,  6:  b  Vaktkaloq  'lov6a<:,  ibitl.  XX,  0,  2:  'loiöa  xov  rahXaiov. 
Bell.  Jud.  II,  8,  1:  U^  uvi)(f  VakiXalo<i  'loiöai;.  ibid.  II,  17,  8:  'lovöa  xov  xa- 
kovfitvov  ra),i).ahv.    ApgeHch.  5,  37:  'lovöa^  b  rakikalOQ. 

67)  Anll.  XVIII,  1,  1:  noff^v  dk  xal  Kv^Tivioi  tlq  xt/v  lovöalav,  nQoaf^t'/xtjv 
tfii  l'vfluq   ytvoßhijv,   dnoTifitjaufitvSg  xt  aiituiv  xäq  ovalaf  xal  dnoStuaC' 


[440.441]    §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2, 1—5.  527 

gerade  daraus  zu  erklären  sein,  dass  Judas,  der  aus  Garaala,  also 
Gaulanitis  stammte  ''^),  was  man  wohl  im  weiteren  Sinn  zu  Galiläa 
rechnete,  nicht  in  Galiläa,  sondern  in  Judäa  den  Aufstand  leitete 
und  nun  von  den  Bewohnern  Judäa  s  nach  seiner  Heimath  „der 
Galiläer"  genannt  wurde  *^'^). 

Um  die  Unterthanenstellung  des  Herodes  und  damit  die  Mög- 
lichkeit eines  römischen  Census  in  seinem  Gebiete  zu  beweisen, 
erinnert  man  daran,  dass  er  nicht  selbständig  Krieg  führen  durfte  '^), 
dass  er  die  Erlaubniss  des  Kaisers  zur  Hinrichtung  seiner  Söhne 
einholte"''),  dass  seine  Unterthanen  auch  dem  Kaiser  den  Huldigungs- 
eid leisteten''^),  dass  sein  Testament  der  Bestätigung  des  Kaisers 
bedurfte''^);  ja  selbst  die  Kampfspiele  zu  Ehren  des  Augustus  und 
die  Kaisertempel  müssen  die  Möglichkeit  eines  Census  beweisen 
helfen'^).  Als  ob  aus  alledem  etwas  anderes  erhellte,  als  die  ohne- 
hin zweifellose  Abhängigkeit  des  jüdischen  Vasallenkönigs  von  dem 
römischen  Kaiser.  Auch  aus  den  jüdischen  Münzen  glaubt  Wieseler ' 
Kapital  zur  Vertheidigung  des  Lucas  schlagen  zu  können '^l  Hier- 
von ist  nur  beachtenswerth,  dass  es  palästinensische  Münzen  des 
Augustus  mit  den  Jahreszahlen  33,  36,  39,  40,  41  giebt,  die  unter 
Voraussetzung  der  actischen  Aera  (723  a.  U.)  z.  Th.  noch  in  die  Zeit 
des  Archelaus,  also  in  die  Zeit,  da  Judäa  noch  einen  einheimischen 
Fürsten  hatte,  fallen  würden.  Aber  sie  sind  wahrscheinlich  nach 
der  augusteischen  Aera  vom  1.  Januar  727  a.  U.  zu  berechnen,  wo- 
nach d.  J.  33  =  759  a.  U."^^).  —  Vollends  verfehlt  ist  es,  wenn  man 
sich   darauf  beruft,   dass  Augustus  den  Herodes  „unter  die  Pro- 


nevoQ  XU  ÄQXfXdov  jf(>?//iara.  Vgl.  überhaupt  die  oben  S.  516  angeführten 
Stellen.  Es  ist  auch  wohl  zu  beachten,  dass  die  Pharisäer  von  Judäa  ea 
sind,  welche  an  Jesum  die  Frage  wegen  des  Zinsgroschens  stellten  [Matth.  22, 
17.  Marc.  12,  14.  Lnc.  20,  22).  Galiläa  bezahlte  eben  damals  noch  keinen 
kaiserlichen  x>,vaog  oder  (poQoq. 

68)  Antt.  XVIII,  1,  1. 

69)  Dass  dies  richtig  ist,  erhellt  bes.  aus  B.  J.  II,  8,  1,  wo  Judas  ein  ßV^(> 
rahXaloq  genannt  wird,  was  nichts  anderes  heissen  kann,  als:  der  aus  Galiläa 
stammte. 

70)  Antt.  XVI,  9,  3. 

71)  Antt.  XVI,  10—11.    XVII,  5,  7.    XVII,  7. 

72)  Antt.  XVII,  2,  4.  Vgl.  über  diesen  Eid  oben  S.  399.  Er  wird,  wie 
man  nach  Analogie  einiger  uns  bekannten  Eidesformeln  annehmen  darf,  ziem- 
lich allgemeinen  Inhaltes  gewesen  sein. 

73)  Antt.  XVII,  8,  4.  11,  4—5. 

74)  Wieseler,  Beiträge  S.  90—92. 

75)  Beiträge  S.  83—89. 

76)  Vgl.  über  diese  Münzen  oben  S.  484  und  die  dort  genannte  Literatur. 
—  Die  angeblichen  Jahreszahlen  30,  31,  34,  35  sind  unsicher,  die  beiden  erstereu 
entschieden  zu  bezweifeln. 


528  §  l*^-  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.    [441.  442] 

curatoren  von  Syrien  eingereiht  habe,  indem  er  befahl,  alles  nach 

seiner  Meinung  zu  thiin"^'').    Denn  hieraus  erhellt  nicht  die  Unter- 

thauen Stellung  des   Herodes'^),   sondern  im  Gegentheil   das  hohe 

Vertrauen,  dessen  er  bei  seinem  Gönner  und  Freunde  genoss.    Und 

ähnlich  verhält  sich's  mit  der  von  Augustus  bei  vorübergehender 

Ungnade  einst  ausgesprochenen  Drohung  „or«  jcaXai  xQ(^fif:Vog  avrm 

<piXa),   vvp  vjtrjxocp   igriöExaC''   {Antt.  XVI,  9,  3),    welche   Stelle 

Wieseler  seltsamerweise  für  seine  Ansicht  verwendet  ^^). 

Eine    genaue    Definition    der    staatsrechtlichen    Stellung   des 

Herodes  ist  allerdings  schwer  zu  geben,   da  uns  Josephus  an  der 

Stelle,  wo  man  eine  solche  erwarten  sollte,  im  Stiche  lässf^^).    Im 

Jahre  30  wurde  nämlich  Herodes  durch  einen  Senatsbeschluss  in 

seinem  Königthume  aufs  Neue  bestätigt^').    Aber  über  den  Inhalt 

dieses  Beschlusses  theilt  Josephus  nichts  Näheres  mit.    Auch   die 

Bemerkung  des  Dio  Cassius,   dass  Augustus,  als  er  im  J.  20  die 

Verhältnisse  in  Syrien  definitiv  regelte,  „das  unterworfene  Gebiet 

nach  römischer  Weise  einrichtete,   die  Bundesgenossen  aber  nach 

ihrer  väterlichen  Sitte  herrschen  liess"^^)  —  ist  zu  allgemein,  als 

dass  sich  hieraus  |  etwas  Bestimmtes  folgern  Hesse.    Immerhin  ist 

sie  der  Annahme  eines  römischen  Census  im  Gebiete  des  Herodes 

nicht  günstig.    Und  das   Gleiche  gilt  von   den  Ausdrücken,  mit 

welche«  Josephus  die  Einziehung  Judäa's  als  Provinz  berichtet. 

Sie  beweisen  zur  Genüge,  dass  nach  der  Anschauung  des  Josephus 

Judäa  erst  von  da  an  römisches,  den  Römern  unterworfenes  Gebiet 
wurde  ^3) 

Weiter  als  diese  allgemeinen  Bemerkungen  führt  uns  eine  Be- 
trachtung des  Abgabenwesens  in  der  Zeit  des  Herodes,  soweit  es 
aus  Josephus  bekannt  ist.    Ueberall  finden  wir  hier,  dass  Herodes 


77)  Anti.  XV,  10,  3:  iyxava/ilyvvai  6' avxdv  rotq  iniXQonsvovai  tijQ  2:vQlag 
ivvti^d/jievog  (lexa  x7iq  ixtivov  yvw/jrjg  xa  nävxa  noiflv.  Etwas  anders  B.JA, 
20,  4:  xaxtoxfiae  öh  avxov  xal  £vgiag  ökrjg  iniiQonov  —,  utg  fitjöhv  i^slrj  ölx« 
XTJ(  ixelyov  avfißovXlag  xolg  iniiponoig  öioixelv.  —  Vgl.  hierzu  oben  8.  406. 

78)  Wie  noch  Wieseler  Beitr.  S.  89 f.  will. 

79)  öynopHC  8.  9(3.    Beiträge  8.  83. 

80)  Vgl.  über  die  Btaatsrechtliche  Stellung  der  reges  sooii  im  Allgemeinen 
oben  8.  401  ff. 

81)  Antt.  XV,  6,  7.    Vgl.  B.  J.  I,  20,  2-3. 

82)  IHo  Qua.  LIV,  9:  'O  6h  Atyovaxog  xh  fihv  vni^xoov  xaxä  xa  xvJv 
'Pat/ialmv  Itfhi  ditpxet,  xo  ih  Ivanovöov  ry  naxpltp  otplai  xQontijt  ei'a 
&(fXKH>ai. 

83)  Antt.  XVII,  13,  6;  'i'fjc  }iQxt>.dov  xtÜQag  vnoxekovq  nQoafSfirj^elaiji 
»jj  lifftov.  —  B.  J.  II,  8,  1:  T^c  /IpzfAaou  z^'p««  *'«  fnagx^'^v  nfQiyQa(pttaTjg 
—  n.J.  11,0,  1:  xijg  *AQXti^aov  ii^vatfxiag  ntxantaovayjq  flg  ina^x^av.  —  Anit. 
XVIII,  4,  8:  oh  {Archelai)  PwfAuIot  nafade^äfiivoi  xt)v  d()X>v. 


[442]  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc,  2,  1 — 5.  529 

selbständig  über  die  Steuern  verfügt,  und  nirgends  zeigt  sich  eine 
Spur  von  Abgaben  an  die  Römer.  Herodes  erlässt  bald  ein 
Drittelst),  bald  ein  Viertel ^^)  der  Abgaben.  Ja  die  jüdische 
Cülonie  in  Batanäa  befreit  er  von  aller  und  jeder  Abgabe^^). 
Nach  seinem  Tode  verlangen  die  Juden  von  Archelaus  Vermin- 
derung der  drückenden  Steuern  (über  die  also  doch  Archelaus 
zu  verfügen  hat)^'),  und  die  jüdische  Deputation  in  Rom  beklagt 
sich  über  die  Abgabenlast  unter  Herodes,  um  dadurch  ihren  Wunsch 
zu  begründen,  dass  nicht  wieder  ein  Herodäer  die  Herrschaft  über 
Palästina  erhalte.  Aber  von  römischen  Steuern  ist  keine  Rede^^), 
Man  sieht:  Herodes  verfügt  völlig  unumschränkt  über  das  Abgaben- 
wesen in  Palästina.  Es  wird  daher  —  selbst  wenn  er  einen  Tribut 
an  die  Römer  entrichtet  haben  sollte  —  jedenfalls  die  Behauptung 
aufrecht  zu  erhalten  sein,  dass  ein  römischer  Census  und  römische 
Besteuerung  in  seinem  Lande  nicht  können  eingeführt  worden  sein^^).! 

84)  Äntt.  XV,  10,  4. 

85)  Äntt.  XVI,  2,  5. 

86)  Antt.  XVII,  2,  1:  äieXTj)ts  r^v  x^9"^  inTjyyef.Xeto,  xal  aitovi 
(latpoQwv  dnriXXayfjisvovq.  änaacüv. 

87)  Äntt.  XVII,  8,  4.  —  Wie  sei  er  ist  freilich  kühn  genug,  die  Steuer, 
über  welche  die  Juden  sich  beklagen,  zu  einer  römischen  zu  machen;  Synopse 
S.  102  f.     Beiträge  S.  98  f. 

88)  Äntt.  XVII,  11,  2. 

89)  Die  Frage,  ob  Herodes  einen  Tribut  an  die  Römer  entrichtet  habe, 
ist  für  unsere  Frage  (nach  der  Möglichkeit  eines  römischen  Census)  gleich- 
gültig. Denn  die  Zahlung  einer  Pauschsumme  als  Tribut  ist  etwas  ganz  anderes 
als  die  directe  Besteuerung  der  einzelnen  Bürger  des  Landes  von  Seite  der 
Eöraer.  Auch  jenes  ist  aber  nicht  wahrscheinlich;  wenigstens  giebt  es  keinen 
Beweis  dafür.  Dass  Antonius  dem  Herodes  einen  Tribut  auferlegte  (4joj[>ia«. 
Civ.  V,  75,  8.  oben  S.  526),  beweist  nichts  für  die  Zeit  des  Augustus.  Wenn 
es  von  Caligula  heisst,  dass  er  bei  Wiedereinsetzung  von  Königen  in  ihr 
väterliches  Reich  diesen  „sowohl  den  vollen  Genuss  der  Einkünfte  als  auch 
den  Ertrag  der  Zwischenzeit"  (während  welcher  das  Königreich  eingezogen 
war)  zugewiesen  habe  {Suefon.  Calig.  16:  si  quibtts  regna  restituit,  adjecit  et 
fruetum  omnem  veetigalionim  et  reditum  medii  temporis),  so  darf  nicht  ge- 
schlos!<eu  werden,  dass  sonst  immer  das  Gegentheil  von  beidem  stattgefunden 
habe.  Denn  Sueton  will  damit  nicht  eine  besondere  Thorheit,  sondern  ein 
Wohlverhalten  Caligula's  berichten.  Das  Aussergewöhnliche  war  wohl  nur 
die  Ziirückerstattung  des  reditus  medii  temporis.  Immerliin  sieht  man  aus  der 
Stelle,  dass  es  für  diese  Dinge  keine  streng  bindende  Regel  gab.  Zur  Zeit 
Luciau's  zahlte  der  König  Eupator  von  Bosporus  einen  jährlichen  Tribut  an 
die  Römer  [Lucian.  Alexander  c.  57,  s.  den  Wortlaut  oben  S.  403).  Anderer- 
seits gab  es  aber  sogar  nSXtiq  avxövo/^wi  re  xal  (fögwv  dzeXsig  {Äppian.  Civ. 
I,  102);  und  es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  die  Könige  schlechter  gestellt 
waren.  Im  Allgemeinen  ist  die  Tributzahlung  für  die  spätere  Kaiserzeit,  wo 
die  Machtstellung  der  reges  socii  mehr  herabgedrückt  war,  wahrscheinliche^ 
als  für  die  frühere.     Vgl.  überhaupt  oben  S.  401  ff. 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  34 


530  §  1^-  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1 — 5.     [443.  444] 

IV.  Josephus  weiss  nichts  von   einem   römischen  Census 

in  Palästina  zur  Zeit  des  Herodes;  spricht  vielmehr  von 

dem  Census  des  Jahres  7  nach  Chr.  als  von  etwas  Neuem 

und  Unerhörtem. 

Apologetisch:  Wieseler,  Synopse  S.  98 — 105.   Beiträge  S.  94—104. 

Um  das  aus  Josephus  entnommene  argumentum  e  silentio  zu 
entkräften,  hat  man  zweierlei  Wege  eingeschlagen:  entweder  man 
hat  doch  auch  bei  Josephus  Spuren  eines  römischen  Census  zur 
Zeit  des  Herodes  zu  entdecken  gesucht  oder  man  hat  dem  Schweigen 
des  Josephus  alle  Beweiskraft  abgesprochen. 

Eine  Spur  jener  Art  glaubt  Wieseler  in  dem  Aufstande  des 
Judas  und  Matthias  kurz  vor  dem  Tode  des  Herodes  entdeckt 
zu  haben ^*'),  dessen  Ursache  der  Census  gewesen  sein  soll;  während 
doch  Josephus  so  deutlich  wie  möglich  eine  Ursache  ganz  anderer 
Art  angiebt^i).  Eine  weitere  Spur  sollen  die  detaillirten  Angaben 
über  die  Höhe  der  Einkünfte  von  Judäa,  Galiläa  und  Trachonitis 
sein,  welche  von  Josephus  bei  Erwähnung  der  Theilung  Palästina's 
unter  die  drei  Söhne  des  Herodes  gemacht  werden  ^2);  als  ob,  um 
diese  zu  kennen,  ein  Census,  vollends  ein  römischer  nöthig  gewesen 
wäre!  Weit  eher  beachtenswerth  ist,  dass  bei  jener  Theilung 
Augustus  die  Bedingung  stellte,  dass  der  Steueransatz  für  die 
Samariter  um  ein  Viertel  erniedrigt  werde,  da  sie  sich  nicht  am 
Krieg  gegen  Varus  betheiligt  liatten^^).  beachtenswerth,  weil  es 
das  einzige  Beispiel  eines  Eingriffs  des  Kaisers  in  das  Steuerwesen 
Judäa's  vor  seiner  Einziehung  als  römische  Provinz  ist.  Aber 
freilich  folgt  |  daraus  niclit,  wie  Wieseler  will^^),  dass  es  sicli  um 
eine  römische  Steuer  handelt.  Im  (^egentheil:  es  ist  überall  nur 
von  den  Abgaben  an  die  einheimischen  Fürsten,  Arclielaus,  Antipas 
und  Philippus  die  Rede;  und  gerade  die  Nichterwähnung  einer 
römischen  Steuer  an  diesem  Orte  spricht  dafür,  dass  eine  solche 
damals  noch  nicht  entrichtet  wurde.  —  Besonders  scharfsinnig  ist 
endlich  die  Argumentation,  mittelst  deren  Zumpt  den  gesuchten 
Census  (vor  dem  bekannten  vom  J.  7  nach  Chr.)  im  Josephus  ent- 

W))  Antt.  XVII,  0,  2.  Vgl.  Wiesel  er  Synopse  S.  100-105.  noiträgo 
8,  98— 1(>1. 

91)  S.  oben  H.  413. 

92)  Antt.  XVII,  11,  4.    B.  J.  11,  0,  3.    Vgl.  Wieselcr,  Beiträge  S.  99. 

93)  Antt.  XVII,  11,  4:  Tixu(fXov  /ifpovi  [Niese:  xn('{)iriv  noiQnv\  ovxoi 
xwv  if^ofwv  TiafaX^ktfvxo,  KuiottQoq  ttvtol^  xovtpioiv  \p7jif laufitvov  öia  xi>  fn) 
avvanoaxfjyai  xy  kotny  ni.t}&{i.     Vgl.  li.  J.  II,  ü,  3. 

94)  Beiträge  H,  99. 


[444.  445]    §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quiriuius,  Luc.  2,  1 — 5.  531 

deckt  hat.  Er  sagt^^),  aus  dem  Berichte  des  Josephus  über  die 
Schätzung  vom  J.  7  n.  Chr.  folge,  „dass  Quirinius  damals  nur  das 
Vermögen  der  Juden  schätzte,  also  diejenigen,  welche  arm  und 
ohne  Vermögen  waren,  nicht  berücksichtigte".  Da  nun  aber  die 
zur  Zeit  Christi  bestehende  Kopfsteuer  eine  Aufzeichnung  auch  der 
Vermögenslosen  voraussetze,  so  müsse  diese  schon  früher,  eben 
unter  Herodes  stattgefunden  haben.  Hierbei  wäre  nur  dreierlei 
noch  zu  beweisen,  nämlich  1)  dass  Quirinius  „nur  das  Vermögen" 
*der  Juden  schätzte,  2)  dass  in  Palästina  zur  Zeit  Christi  eine 
Kopfsteuer  auch  für  die  Vermögenslosen  bestand  ^^j,  und  3)  dass 
die  Einführung  der  letzteren  bereits  unter  Herodes  geschehen  sein 
müsse. 

In  Wahrheit  also  weiss  Josephus  von  einem  römischen  Census 
zur  Zeit  des  Herodes  nichts.  Man  ist  nun  freilich  geneigt,  auf 
argumenta  e  silentio  kein  Gewicht  zu  legen.  In  diesem  Falle  will 
es  aber  doch  etwas  sagen.  lieber  keine  Zeit  ist  Josephus  so  gut 
unterrichtet,  über  keine  so  ausführlich,  als  gerade  über  die  letzten 
Jahre  des  Herodes.  Es  ist  kaum  denkbar,  dass  eine  so  tief  in 
das  Mark  des  Volkes  einschneidende  Maassregel  wie  ein  römischer 
Census  aus  dieser  Zeit  von  ihm  übergangen  sein  sollte,  zumal  er 
den  Census  vom  J.  7  nach  Chr.  getreulich  berichtet,  der  doch  in 
eine  Zeit  fällt,  über  welche  Josephus  so  gut  wie  gar  nichts  weiss  ^'). 
Man  bedenke,  dass  ein  römischer  Census  nicht  spurlos  vorüber- 
gehen konnte,  sondern  so  gut  wie  der  vom  J.  7,  ja  noch  viel  mehr 
(denn  letzterer  wäre  ja  dann  nichts  Neues  mehr  gewesen)  einen 
Aufstand  hervorrufen  musste.  Das  letztere  Argument  glaubt  nun 
freilich  Zumpt  dadurch  zu  entkräften,  dass  er  den  Census  zur  Zeit 
des  Herodes  zu  einer  unschuldigen  Aufzeichnung  {axoyQacpii)  der 
Bevölkerung  zum  Zwecke  der  Kopfsteuer  macht,  während  der 
Census  vom  J.  7  eine  Vermögensabschätzung  {djcorifirjaig)  und  eben ; 
darum  so  anstössig  gewesen  sei^^).  Die  Kopfsteuer  soll  den  an  die 
Römer  zu  zahlenden  Tribut  ergeben  haben,  während  aus  der  Ver- 
mögenssteuer die  Kosten  der  inneren  Verwaltung  des  Landes  be- 
stritten  wurden  ^^).    Es  widerspricht  aber  allen  Thatsachen,   dass 


95)  Geburtsjahr  Christi  S.  201  f. 

9G)  Nach  Appian.  Syr.  50  (s.  oben  S.  512)  scheint  es  vielmehr,  dass  die 
Kopfsteuer  in  Syrien  nur  in  Form  einer  Einkommensteuer  bestand. 

97)  Vgl   oben  S.  84. 

98)  So  auch  schon  Eodbertus,  Jahrbücher  für  Nationalökonomie  und 
Statistik  V,  1865,  S.  155  fl'. 

99)  Zumpt,  Geburtsjahr  Christi  S.  19G-202.  Auch  Wieseler  hat  früher 
sich  dahin  geäussert  (Synopse  S.  107 ;  vgl.  95  f.  102  f.),  während  er  später  wieder 
von  Kopf-  und  Grundsteuer  sprach  (Beiträge  S.  98  f.j. 

34* 


532  §  l"^-  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.     [445.  446J 

der  an  die  Römer  zu  entrichtende  Tribut  lediglich  in  einer  für  jedes 
Caput  gleich  hohen  Kopfsteuer  bestanden  habe.  Sagt  doch  Appian 
ausdrücklich,  dass  die  Syrer  eine  Kopfsteuer  von  einem  Procent 
der  Schatzungssumme  bezahlten  '•^^).  Wenn  also  überhaupt  eine 
römische  Steuer  in  Palästina  eingeführt  wurde,  so  war  es  sicher- 
lich nicht  eine  reine  Kopfsteuer.  Und  selbst  dies  zugegeben,  so 
war  ja  auch  diese  eine  römische  Steuer.  Es  müsste  also  eine 
Zählung  der  Bevölkerung,  welche  die  Einführung  dieser  zum  Zweck 
gehabt  hätte,  ebenso  gut  einen  Aufstand  erregt  haben,  wie  eine 
Schätzung  der  Bevölkerung.  Endlich  aber  scheitert  jene  Unter- 
scheidung zwischen  der  von  Lucas  2,  2  erwähnten  anoyQa(pr)  und 
der  djioTifiTjöig  vom  J.  7  nach  Chr.  auch  daran,  dass  die  letztere, 
welche  den  Aufstand  des  Judas  Galiläus  veranlasste,  von  Lucas  in 
der  Apostelgeschichte  5,  37  mit  demselben  Worte  wie  die  angeb- 
liche Volkszählung  zur  Zeit  des  Herodes  erwähnt  und  die  «to- 
yQa(pri  schlechthin  genannt  wird,  zum  deutlichen  Beweis,  dass  er 
an  beiden  Stellen  dieselbe  Thatsache  meint. 

Das  entscheidendste  Argument  gegen  einen  Census  zur 
Zeit  des  Herodes  ist  aber  dies,  dass  Josephus  den  Census 
des  Jahres  7  nach  Chr.  als  etwas  völlig  Neues  und  für  die 
Juden  Unerhörtes  charakterisirt.  W^enn  Zumpt  das  Neue 
nur  in  der  Vermögensabschätzung  {djTorifnjoic)  finden  will,  und 
Wieseler  vollends  meint,  nur  die  Form  der  Abschätzung,  nämlich 
das  Verhör  (i)  dxQoaöic)  und  die  Nöthigung  zur  Beschwörung  der 
Aussagen  vor  heidnischem  Tribunal  mittelst  bestimmt  vorgeschrie- 
benen Eides,  sei  das  Neue  und  Anstössige  gewesen '<>'),  so  werden 
diese  feinen  Distinctionen,  die  man  etwa  aus  dem  Bericht  der  Anti- 
([uitäten  herausspinnen  kann,  sofort  zu  nichte,  sobald  wir  den 
parallelen  Bericht  im  Bellum  Judaicum  aufschlagen,  wo  Josephus (II, 
8,  1)  sich  folgendermassen  äussert:  ^jtl  tovtov  (unter  Coponius)  ric 
dvijQ  raXiXaloq  %v6ag  ovofta  dg  djtooraocv  ivfjye  rovg  ijnxojQtovg, 
xaxlCmp  el  (poQov  rt  'Pcofialoig  teXeIv  vjcofiBVovöi  xal  (dexa 
TOP  ^tov  otoovat  d^vrjTovg  ötöjiorag.  Das  Anstössige  war  also  nicht 
die  Vermögensabschätzung  oder  die  Form  derselben,  sondern  die 
römische  Steuer  als  solche.  Dasselbe  wird  auch  bei  den  sonstigen 
gelegentlichen    Krwähnungen   des   Aufstandes   vorausgesetzt.    Bell. 

Jutl.  VII,  8,  1:    lovda  rov  yitloavrog  'lovöalmv  ovx  oXlyovg (lij 

jtoitla&at  rag  djtoyQarpdg.    Ibid.  II,  17,  8:  %v6ulotg  optiöloag  oti 


100)  Appian.  Si/r.  W)  (n.  oben  8.  512).  Vgl.  iiurli  die  Cietroidclii-ffrungcn  von 
Afrika  und  Alexandriu,  oben  B.  ßll,  Anin.  8. 

101)  Beitrage  8.  05-07.  8tnd.  und  Krit.  1875,  8.  54(5.  Vgl.  Aiitt.  Will, 
1,1:  iv  ötivi^  <f>t(fOvxtq  Ttjv  ini  zali  dnoyQmfaTi  dxQÖaaiv  („duH  Vorhör 
bei  den  AufKeicIinungen"). 


[446.447]    §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1 — 5.  533 

'Pcofiaioig  vjceraoöovro  (ieta  rov  d^tov.  Dass  überhaupt  die  Römer 
eine  Steuer  in  Palästina  erheben  wollten,  das  war  ein  novum  et  in- 
auditum.  Auch  aus  den  oben  schon  citirten  Worten,  mit  welchen 
Josephus  die  Einziehung  Judäa's  als  Provinz  berichtet  {Antt.  XVII, 
13,  5:  xrjq  öh'Agxe^aov  xmQac,  v:roTeXovg  JtQoOiSfirid-eiOTjg  ry  Hv- 
Qcov),  wird  man,  wenn  man  es  genau  nimmt,  schliessen  müssen,  dass 
zur  Zeit  des  Herodes  und  Archelaus  keine  Abgaben  an  die  Römer 
bezahlt  wurden.  Denn  wenn  Judäa  erst  nach  der  Verbannung 
des  Archelaus  tributpflichtig  wurde,  so  folgt,  dass  es  dies  vor- 
her nicht  gewesen  ist.  Das  Gleiche  ergiebt  sich  auch  noch  aus  zwei 
anderen  Stellen.  Die  Tetrarchie  des  Philippus  nämlich  wurde  nach 
dessen  Tode  von  Tiberius  zur  Provinz  Syrien  geschlagen,  rovg  nivxoi 
(fOQOvg  IxtXevot  övXXeyofievovg  tv  rf]  rsTQaQxia  t^  ixsipov  ytvo- 
fjtpi;]  xarati&^eo&ai  {Antt.  XVIII,  4,  6).  Wenn  selbst  nach  dem  Tode 
des  Philippus  aus  seiner  Tetrarchie  keine  Steuern  in  den  römischen 
Fiscus  flössen,  so  wird  dies  noch  viel  weniger  bei  seinen  Lebzeiten 
der  Fall  gewesen  sein.  Ueber  die  jüdische  Colonie  in  Batanäa  aber, 
welche  Herodes  mit  dem  Privilegium  vollständiger  Abgabenfreiheit 
ausgestattet  hatte,  berichtet  Josephus  Antt.  XVII,  2,  2  Folgendes: 
Eyivtro  rj  x^^Q^  Ocpoöga  jtoXvavd^gmjtog  aöeia  rov  tjtl  jtäoiv  are- 
Xovg.  A  jtaQ£fisiV£V  avtotg  ^IIqcoöov  Ccöptog'  ^iXiytJtog  öh  öevzsQog 
[al.  vlbg]  kxdvov  JtagaXaßmv  r/jv  ccQXV^  oXiya  re  xai  eji  oXiyov 
uvTOvg  ejrQa^axo.  'Aygijtjtag  fiti>Toi  ys  o  (liyag  xai  6  Jtatg  avzov 
xal  oficoi'Vfiog  xai  Jtavv  i^ergvxcooav  avrovg,  ov  (livroi  ra  rijg 
iXevd-EQtag  xivetv  tjd-sXrjOav.  IJag'  cov  PmfiaToi  öe^afiEPOi  rt/v  uQyrjv 
rov  fihv  eXev&tQOv  xai  avro)  tfjQOvoi  t?jv  ä^iojOip,  sjtißoXalg  öh 
ratv  (pogmv  sig  t6  ütaiinav  ijiieoav  avrovg.  Daraus  erhellt  doch 
wohl  zur  Genüge,  dass  die  Erhebung  römischer  Steuern  in  jenem 
Gebiete  erst  begann,  als  es  nicht  mehr  unter  einheimischen  Fürsten 
stand,  während  vorher  lediglich  diese  (Herodes  d.  Gr.,  Philippus, 
Agrippa  I,  Agrippa  II)  Steuern  erhoben  oder  nicht  erhoben,  je- 
nachdem  sie  es  für  gut  fanden. 

Nach  alledem  ist  zu  urtheilen,  dass  römische  Steuern  in  Palästina 
zur  Zeit  des  Herodes  unmöglich  können  erhoben  worden  sein,  womit 
der  römische  Census  von  selbst  hinwegfallt.  ^^'^). 


102)  Schlatt er  (Zur Topographie  und  Geschichte Palästina's  1893,  S.23— 28) 
meint,  ich  hätte  im  Obigen  „das  Steuergesetz  Cäsars  unbeachtet"  gelassen. 
Das  ist  ein  Irrthum  seinerseits,  da  ich  dasselbe  wohl  beachtet  habe  (s.  oben 
S.  526  2.  Aufl.  S.  439).  Aber  die  Ordnungen  Cäsars  waren  durch  die  inzwischen 
eingetretenen  Umwälzungen  längst  umgestossen.  Schlatter  selbst  ist  mit  Recht 
der  Ansicht,  dass  Antonius  „das  Werk  Cäsars  definitiv  zerstört  habe"  (S.  23). 
Xur  für  die  Steuer-Ordnung  soll  das  nicht  gelten,  weil  es  der  Apologetik 
so  passt! 


534  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.    [447.  448] 

Das  Haiiptbedenken  gegen  den  Bericht  des  Lucas  ist  aber 
endlich: 

V.  Ein  unter  Quirinius  gehaltener  Census  konnte  nicht  in 

die  Zeit  des  Herodes  fallen,  da  Quirinius  bei  Lebzeiten 

des  Herodes  niemals  Statthalter  von  Syrien  war. 

Nicht  nur  Matthäus  (2,  Iff.),  sondern  auch  Lucas  (1,  5)  setzt 
voraus,  dass  Jesus  bei  Lebzeiten  des  Herodes  geboren  ist;  er  setzt 
also  den  von  ihm  erwähnten  Census  zweifellos  in  die  Eegierungs- 
zeit  des  Herodes.  Ausserdem  aber  sagt  er  auch,  dass  der  Census 
gehalten  worden  sei  ^ysfiovevovrog  rrjg  ZvQlaq  Kvqtjviov,  was  nichts 
anderes  heissen  kann  als:  „während  Quirinius  den  Oberbefehl  über 
Syrien  hatte",  d.  h.  während  er  Statthalter  von  Syrien  war^^^).  Nun 
wissen  wir  zwar,  dass  Quirinius  im  J.  6  n.  Chr.  als  Statthalter 
nach  Syrien  kam  und  dass  er  wahi-scheinlich  schon  früher,  nämlich 
3 — 2  V.  Chr.  dasselbe  Amt  bekleidet  hatte.  Aber  zur  Zeit  des  He- 
rodes kann  er  nicht  Statthalter  gewesen  sein.  Denn  vom  J.  9—6 
vor  Chr.  hatte  dieses  Amt  Sentius  Satu minus,  vom  J.  6 — 4 
Quintilius  Varus.  Letzterer  hatte  den  Aufstand  zu  bekämpfen, 
welcher  nach  dem  Tode  des  Herodes  in  Palästina  ausbrach,  war 
also  mindestens  noch  ein  halb  Jahr  nach  dem  Tode  des  Herodes  in 
Syrien.  Der  Vorgänger  des  Saturuinus  aber  war  Titius^^*).  Für 
Quirinius  bleibt  demnach  in  den  letzten  5—6  Jahren  des  Herodes 
—  und  nur  um  diese  kann  es  sich  ja  handeln  —  schlechterdings 
kein  Raum. 

Dieser  Punkt  hat  denn  auch  den  Vertheidigern  des  Lucas  die 
meisten  Schwierigkeiten  gemacht.  Und  ihre  Ansichten,  die  bis  dahin 
ziemlich  einstimmig  sind,  gehen  hier  sehr  mannigfaltig  auseinander. 
Wir  übergehen  die  älteren,  z.  Th.  sehr  willkürlichen  Lösungsver- 
suche (selbst  die  kühnsten  Textänderung(}n  liat  man  sich  erlaubt), 
und  beschränken  uns  darauf,  nur  diejenigen  zu  erwähnen,  welche 
in  der  (Gegenwart  noch  vertreten  sind'^*). 

1.  Lutte roth  hat,  um  die  obigen  exegetisdien  Thatsachen 
gründlich  zu  beseitigen,  folgende  originelle  Erklärung  ersonnen. 
Er  sagt*"*'):  Wenn  es  von  Johannes  dem  Täufer  Luc.  1,  80  heisst, | 
dasH  er  in  der  Wüste  blieb  icog  jjfitQag  dvaötl^tcog  cwtov  jiqoc;  top 
*IOQa^k,  80  ist  unter  der  dpdöei^ig  nicht  sein  öffentliches  Auftreten 


103)  Der  offizielle  Titel  int:  Icf/atua  Aitguati  pro  practore.    B.  obeu  S.  319. 
KA)  Die  Belege  s.  olx'n  H.  321  f. 

106)  Veracldinct  «irid  die  älteren  AuBichtcn  bei  Winer  IIWB.  II,  292-294. 
Bleekf  HynopHe  I.  70H'.    Meyer  z.  d.  St. 

106)  /-'•  rfrettnemeiU  de  Quirinius  eii  Judce,  Paria  1865,  p,  29—44. 


[448.  449]    §  17.  Anhang  I.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc,  2,  1—5.  535 

als  Bussprediger  zu  verstehen,  sondern  seine  „Vorstellung  vor 
dem  Volk"  als  zwölfjähriges  zur  Gesetzesbeobachtung 
verpflichtetes  Kind.  Auf  diesen  Zeitpunkt  bezieht  sich  dann 
die  folgende  Notiz,  dass  h  ratq  r/fitgaiq  exdvaig  das  Schatzungs- 
gebot des  Kaisers  erging  und  von  Quirinius  vollzogen  wurde,  wo- 
durch auch  Joseph  zur  Reise  nach  Bethlehem  veranlasst  wurde 
(dazu  wäre  er  freilich  als  Unterthan  des  Herodes  Antipas  gar  nicht 
verpflichtet  gewesen,  da  die  Schätzung  nur  Judäa  betraf;  aber  er 
wollte  durch  sein  freiwilliges  Erscheinen  sein  bethlehemitisches 
Heimathrecht  in  Erinnerung  bringen).  Lucas  setzt  also  ganz 
richtig  die  Schätzung  des  Quirinius  in  die  Zeit,  da  Jo- 
hannes der  Täufer  zwölf  Jahre  alt  war.  Der  Schluss  von 
Lucas  2,  5  ist  zu  übersetzen:  um  sich  schätzen  zu  lassen  mit  Maria, 
welche  er  einst  geheirathet  hatte,  als  sie  schwanger  war  (also  zwölf 
Jahre  vor  der  Schätzung).  Auf  diese  frühere  Zeit  greift  dann 
Vers  6  wieder  zurück:  Eben  dort  in  Bethlehem  waren  sie  auch,  als 
Maria  (zwölf  Jahre  vor  der  Schätzung)  ihren  ersten  Sohn  ge- 
bar u.  s.  w.  —  Die  Erklärung  gehört  zu  denjenigen,  die  man  um 
ihres  Scharfsinns  willen  bewundern  muss,  aber  nicht  zu  widerlegen 
braucht. 

2.  Huschke  i»'),  Wieseler  i^^),  E wald^*»»),  Caspari  ii»)  legen 
dem  Superlativ  jrQwrog  zugleich  (oder  ausschliesslich)  comparative 
Bedeutung  bei  und  übersetzen:  Diese  Schätzung  geschah  als  erste, 
bevor  (oder:  eher  als)  Quirinius  Statthalter  von  Syrien  war. 
Lucas  unterscheide  also  ausdrücklich  die  unter  Herodes  gehaltene 
Schätzung  als  frühere  von  der  späteren  unter  Quirinius  gehaltenen. 
Dass  diese  Uebersetzung  grammatisch  zur  Noth  sich  rechtfertigen 
lässt,  kann  man  zugeben  (vgl.  Kv.  Joh.  1,  15.  30)^").  Aber  damit 
ist  durchaus  nicht  bewiesen,  dass  sie  auch  die  richtige  ist.  Es  ist 
ja  schlechterdings  nicht  einzusehen,  wozu  Lucas  die  müssige  Be- 
merkung machen  sollte,  dass  diese  Schätzung  eher  stattfand,  als 
Quirinius  Statthalter  von  Syrien  war.  Weshalb  nennt  er  nicht  deU; 
Statthalter,  unter  welchem  sie  stattfand?  Man  sagt  freilich,  er 
unterscheide  den  früheren  Census  unter  Herodes  von  dem  spätem 


107)  Census  z.  Zeit  d.  Geb.  J.  Chr.    S.  78  ft". 

108)  Synopse  S.  116—121.  Beiträge  S.  20—32.  Stud.  und  Krit.  1875,  S.  546  ff. 

109)  Gesch.  d.  V.  Israel  (3.  Aufl.)  V,  205. 

110)  Chronolog.-geogr.  Einl.  in  d.  Leben  J.  Chr.  S.  31. 

111)  Freilich  nur  zurNoth;  denn  von  den  vielen  Beispielen,  welche  Huschke 
S.  83—85  für  ngdiTog  mit  gm.  compar.  beigebracht  hat,  bleiben,  wenn  wir  die 
völlig  unpassenden  ausscheiden,  nur  solche,  wo  zwei  parallele  oder  analoge  Be- 
griffe mit  einander  verglichen  werden,  nicht  aber,  wie  hier,  zwei  völlig  disparate 
(die  Schätzung  unter  Herodes  und  die  Statthalterschaft  dea  Quirinius). 


536  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1 — 5.     [449.  4öO] 

unter  Quirinius.  Aber  eben  dies  thut  Lucas  nach  jener  Uebersetzung 
in  Wahrheit  nicht.  Er  sagt  nicht:  „Diese  Schätzung  fand  eher 
statt  als  die  unter  Quirinius  gehaltene"  (was  etwa  heissen  inüsste: 
avTTj  i)  djcoyQaq)?]  jtQcor?]  tytvero  rtjq  Kvq7]viov  ^vgiag  rjytfiovtvov- 
Tog  yevofievrjg),  sondern:  „Diese  Schätzung  geschah  eher  als  Qui- 
rinius Statthalter  von  Syrien  war".  So  übersetzt  auch  Wieseler, 
und  die  Analogie  aller  von  ihm  (Synopse  S.  118  f.  Beitr.  S.  30—32) 
beigebrachten  Beispiele  ^'^^  gestattet  keine  andere  Uebersetzung. 
Aber  einen  passenden  Sinn  wird  schwerlich  ein  Unbefangener  in 
diesen  Worten  finden.  Und  dazu  kommt,  dass  Lucas  sich  so  miss- 
verständlich und  ungeschickt  als  möglich  ausgedrückt  hätte,  während 
doch  sonst  gerade  Deutlichkeit  und  Glätte  des  Ausdrucks  seine 
Sache  ist.  Niemand,  der  nicht  nach  halsbrechenden  Erklärungen 
sucht,  wird  jiqcott)  anders  denn  als  Superlativ  und  ^ysfiovtvovrog 
rriq  ^vQiaq  KvqtjvIov  anders  denn  als  genitivus  ahsolukis  nehmen 
können;  wie,  um  nur  einige  Autoritäten  anzuführen,  auch  Winer^^^), 
ßuttmannii^),  Zumptii^),  Bleekn«),  Meyer  (z.  d.  St.)  geurtheilt 
haben. 

3.  Gumpach»»^),  Lichtenstein  i'*^),  Köhler 'i^),  Stein- 
raeyer*2*),  J.  Chr.  K.  v.  Hofniann'^i)  betonen  kyivzxo  und  über- 
setzen: Diese  Schätzung  ,.kam  zur  Ausführung"  (Gumpach)  oder 
„wurde  vollzogen"  (Köhler,  Steinmeyer,  Hofmann),  während  Quirinius 
Statthalter  von  Syrien  war.  Lucas  unterscheide  den  Erlass  des 
Schatzungsbefehls  unter  Herodes  und  die  Ausführung  desselben 
10 — 12  Jahre  später  unter  Quirinius.  Diese,  scheinbar  einfachste, 
in  Wahrheit  freilich  schwächste,  Auskunft  scheitert  natürlich,  wie 
man  sofort  sieht,  an  der  Erzählung  von  Joseph's  und  Marias | 
Wanderung  nach  Bethlehem,  wornach  ja  nicht  nur  der  Schatzungs- 
befehl,   sondern  auch    dessen  Ausführung  noch  in  die  Zeit   des 


112)  Auch  Soj)h.  Antig.  G37— 638: 

ffiol  yäg  ovdflQ  «'f/o/c  ^otai  yafiOf 
fjifV^ov  (f/Qea&ai  aov  xat-oig  ijyovfxivov, 

WM  ZQ  übersetzen  ist:  „mir  wird  mit  Itecht  keine  Hochzeit  nielir  Wertli  liiiheu, 

als  daM  du  mich  wohl  leitcHt  (hIb  deine  edle  Führung)". 

113)  Grammatik  §  :}.'),  4,  Anm.  1. 

114)  Grammatik  dcH  nciiteHtamcntl.  Sprachgobr.  S.  74. 
116)  GeburtMJahr  CliriHti  S.  22. 

116)  Hynopt.  Krkl.  der  drei  crHten  Ew.  I,  71. 

117)  Stud.  und  Krit.  IH.OS.  W.  (}06-<J«9. 

118)  Leben»g<'Mcli.  d.  Herrn  J.  Chr.  S.  78  «'. 
110)  Herzog*«  Keal-Knc.    1.  Aufl.  XIII,  4(;:{  (!'. 

120)  Die  Getchichto  der  Geburt  duH  llurrii,  8.  3ij  11'. 

121)  Die  heilige  Schrift  Neuen  TeHtamentH  zuHammcnhängend  untcrsiulit 
ThI.  VTIT.  1.  H.  AW,  Thl.  X,  8.  04  IK 


[450]  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1 — 5.  537 

Herodes  fällt.  Einen  Sinn  hätte  jene  Erklärung  höchstens  dann, 
wenn  man  die  Kühnheit  hätte,  dem  einfachen  lytvETo  die  Bedeutung 
unterzulegen:  „kam  zum  Abschluss,  zur  Vollendung",  was  aber 
doch  auch  die  genannten  Ausleger  nicht  wagen'--). 

Eine  vermeintliclie  Verbesserung  hat  Ebrard '23]  angebracht, 
indem  er  avxri  ri  äjtoyQu(pi]  accentuirt  und  übersetzt:  die  Steuer- 
erhebung selbst  aber  geschah  erst,  als  Quirinius  Statthalter  von 
Syrien  war.  Lucas  unterscheide  also  nicht,  wie  jene  meinen,  die 
Anordnung  und  die  Ausführung  der  Vermögensabschätzung,  sondern 
die  Vermögensabschätzung  (und  zwar  sowohl  den  Befehl  dazu  als 
auch  ihre  Ausführung)  einerseits  und  die  darauf  basirte  Erhebung" 
der  Steuern  andererseits.  Es  wird  also  dem  Suhst.  anoyQa<f)i]  eine 
völlig  andere  Bedeutung  beigelegt,  als  dem  Verb.  djtoyQag:eod^ai, 
was  bei  dem  engen  Zusammenhang  der  Stelle  schlechterdings  un- 
möglich ist.  Das  eine  wie  das  andere  heisst  nichts  anderes  als: 
aufzeichnen,  Aufzeichnung,  und  im  engern  Sinne  werden  beide  be- 
sonders von  der  Abschätzung  und  Aufzeichnung  des  Vermögens  ge- 
braucht. Die  Behauptung,  dass  gerade  der  quirinische  Census 
gewöhnlich  mit  dem  Ausdruck  ajtoyQaq)?)  bezeichnet  wurde,  und 
infolge  dessen  dieses  Wort  (für  diesen  bestimmten  einzelnen  Fall) 
den  Sinn  von  Steuererhebung  erhalten  habe  (S.  224  f.  229  f.),  ist 
rein  aus  der  Luft  gegiiffön,  und  zu  einer  Begründung  derselben 
auch  nicht  einmal  der  Versuch  gemacht.  Denn  die  Berufung  auf 
Apgesch.  5,  37  und  Joseph.  Äntt.  XMII,  Itf.  wird  doch  nicht  für 
eine  solche  gelten  sollen.  Statt  avTrj  rj  djtoygafprj  müsste  es  etwa 
lieissen:  ?}  de  rmv  (poQmv  IxXoyr]  oder  eiojcgasi?  oder  dgl.  Schliess- 
lich widerspricht  jene  Ansicht  auch  der  Geschichte.  Denn  Quirinius 
hat  ja  im  J.  7  n.  Chr.  nicht  bloss  auf  Grund  einer  früheren  Schätzung 
die  Steuern  erhoben,  sondern  zunächst  und  vor  allem  selbst  eine 
djtoTi(it]Gig  vorgenommen''^*).  | 


122)  Vgl.  gegen  jene  Ansicht  bes.  auch  Wieseler,  Synopse  S.  114—11(3. 
Beiträge  S.  25  f. 

123)  Wissenschaftl.  Kritik  d.  ev.  Gesch.  (3.  Aufl.)  S.  227—231. 

124)  Neu  und  originell  ist  die  Entdeckung  Godet's,  der  ebenfalls  avz^ 
accentuirt,  aber  folgeudermassen  erklärt  {Conimentaire  sur  l'evangile  de  Saint 
Luc.  1871,  I,  100):  Luc  s' interromprait  (laus  so7i  redt,  pour  faire  reniarquer 
que  le  dinambrement  dont  il  parle  ici  a  eu  Heu  anter ieurement  ä  celui  qui  porte 
vulgairenietit  le  nom  de  premier.  Cette  epithete  donnee,  dans  le  langa;ie  ordi- 
naire,  au  cens  de  Quirinius,  semblait  en  effet  exclure  tout  cens  precMent.  Et 
il  importait  ä  Luc  de  faire  ressortir  qu'il  y  avait  reellement  eu  un  cens  avant 
celui  quon  appelait  le  premier,  et  qu'  il  n'ecrivait  pas  ä  la  legere  en  afßnnant 
un  pareil  fait.  —  Demgemäss  übersetzt  Godet:  „Quant  au  cens  mi'nie  ap- 
pelS  premier,  il  eu  Heu  sous  le  gouvernement  de  Quirinius^'^.  —  Die 
Erklärimg  ist  auch  in  der  3.  Aufl.  (1888—1889,  I,  lö9— 171)  noch  beibehalten. 


538  §  ^^-  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.     [4.51.  452] 

4.  Da  somit  durch  exegetische  Künste  nichts  zu  erreichen  ist, 
so  hat  man  endlich  auch  ohne  solche  die  Notiz  des  Lucas  als  ge- 
schichtlich zu  rechtfertigen  versucht,  indem  man  zu  historischeu 
Combinationen  seine  Zuflucht  nahm.  Ja  Hengstenberg  hat  ge- 
meint, seit  Entdeckung  der  berühmten  Inschrift,  welche  eine  doppelte 
Prätur  des  Quirinius  in  Syrien  bezeuge,  sei  nunmehr  alles  im 
Eeinen'25).  Dass  die  Inschrift  in  Wahrheit  nichts  beweist,  wird 
aus  unserer  obigen  Darstellung  von  selbst  hervorgehen  (S.  324). 
Aber  auch  mit  der  doppelten  Statthalterschaft  des  Quirinius  in 
Syrien,  die  allerdings  ganz  abgesehen  von  der  Inschrift  wahrschein- 
lich ist,  ist  für  die  Kechtfertiguug  des  Lucas  nichts  gewonnen. 
Denn  auch  die  erste  Statthalterschaft  des  Quirinius  kann  frühestens 
erst  ein  halb  Jahr  nach  dem  Tode  des  Herodes  begonnen  haben 
(s.  oben  S.  534),  während  nach  Lucas  Quirinius  schon  zur  Zeit  des 
Herodes  Statthalter  gewesen  sein  müsste.  Zumpt'^'')  und  nach 
ihm  Pölzl'27)  suchen  nun  dadurch  zu  helfen,  dass  sie,  auf  eine 
Stelle  TertuUian's  ^^s)  sich  stützend,  annehmen,  der  Census  sei  von 
Sentius  Saturninus  (9—6  v.  Chr.)  begonnen,  von  Quintilius  Varus 
(6 — 4  V.  Chr.)  fortgesetzt  und  von  Quirinius  während  seiner  ersten 
Statthalterschaft  beendigt  worden.  Von  letzterem  als  dem  Vollen|der 
des  Werkes  habe  sie  den  Namen  erhalten;  weshalb  auch  Lucas 
sage,  dass  sie  unter  ihm  stattgefunden  habe.    Was  nun  TertuUian 


125)  Vgl.  Evangel.  Kirchenzeitung  1865,  col.  5G  f.,  wo  er  sich  über  Strauss 
foIgenderma.S8en  äussert:  „Er  ist  so  wenig  orientirt  in  der  jetzigen  Lage  der 
Sache,  dass  er  ganz  zuversichtlicli  den  alten  Einwand  gegen  die  Schätzung 
bei  Lucas  wiederholt,  Quirinius  habe  erst  mehrere  Jahre  nach  Herodes  Tode 
die  Statthalterschaft  von  Syrien  übernommen,  ohne  eine  Ahndung  davon  zu 
haben,  dass  die  Frage  durch  die  Entdeckung  einer  lateinischen  Inschrift,  welche 
eine  doppelte  Prätur  des  Quirinius  in  Syrien  bezeugt,  schon  längst  in  ein 
ganz  anderes  Stadium  getreten  ist.  Diese  Inschrift  ist  schon  im  J.  1851  in 
einer  besonderen  Schrift  von  Bergmann  besprochen  und  in  einem  so  gangbaren 
Buche,  wie  der  Tacitus  von  Nipperdey  abgedruckt  worden.  Strauss  aber  weiss 
nichts  davon".  —  Und  Hengstenberg,  fügen  wir  hinzu,  scheint  von  Folgendem 
nichts  gewusst  zu  haben:  1)  dass  die  Inschrift  im  J.  1865  gerade  seit  100  Jahren 
bekannt  war,  2)  dass  sie  schon  von  Sandemente  (1793)  zur  Vortheidigung  des 
Lucas  verwendet  wurde,  3j  dass  sie  ein  Zeugniss  für  eine  doppelte  Prätur  des 
Quirinius  schlechterdings  nicht  enthält,  und  4)  dass  auch  mit  der  doppelten 
l'rütnr  des  Quirinius  rär  die  Rechtfertigung  des  Lucas  noch  gar  nichts  ge- 
wonnen ist. 

126)  üeburtnjahr  Christi  B.  207—224. 

127)  Wetzer  und  Weite's  Kirchenlex.  2.  Aufl.  Bd.  III  Sp.  5—7. 

128)  ThrtttU.  adr.  Marcion.  IV,  10:  Hed  et  ccmws  coiistat  aoioa  aub  Augiisto 
nunc  in  Jtidaea  per  Sentium  Saluminum,  apud  qtwa  ffenua  ^'ua  inquirere  po- 
Imtwnt. 


[452]  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1 — 5.  539 

betrifft,  so  sagt  Zumpt  selbst  an  einer  andern  Stelle  ^'^^),  dass  die 
Kirchenväter  „überhaupt  alles  geschichtlichen  Sinnes  bei  der  Auf- 
fassung der  evangelischen  Erzählung  entbehrten".  Auf  ihre  Notizen 
ist  daher  sicherlich  nichts  zu  bauen.  Im  Uebrigen  aber  ist  die 
Zumpfsche  Ansicht  doch  nur  ein  Rückfall  in  die  sub  Nr.  3  erwähnte 
Ansicht  von  Gumpach  u.  a.  Verhielte  sich  die  Sache  so,  wie  Zumpt 
meint,  so  müsste  entweder  statt  tysptto  ein  Verbum  wie  ersXio&t] 
stehen,  oder  es  müsste  statt  des  Quirinius  derjenige  Statt- 
halter genannt  sein,  in  dessen  Amtszeit  das  von  Lucas  be- 
richtete Factum  (die  Wanderung  Joseph's  und  Maria's  nach 
Bethlehem)  fällt  i^o^.  denn  Lucas  will  ja  doch  durch  Nennung  des 
Namens  die  Zeit  bestimmen,  von  welcher  er  spricht  So  wie  die 
Worte  lauten,  liegt  nothwendig  die  Vorstellung  zu  Grunde,  dass 
die  Geburt  Jesu  Christi  in  die  Zeit  des  Quirinius  falle,  was  eben 
unmöglich  ist.  Ueberdies  ist  es  undenkbar,  dass  die  äjioyQa^ri  in 
der  Weise,  wie  Zumpt  sie  sich  vorstellt,  nämlich  als  einfache  Auf- 
zeichnung der  Bevölkerung  ohne  Vermögensabschätzung,  3—4  Jahre 
gedauert  haben  sollte,  während  doch  die  viel  schwierigere  djtori- 
fitjoig  vom  J.  7,  die  noch  dazu  mit  dem  Widerstand  der  Bevölkerung 
zu  kämpfen  hatte,  im  Verlauf  von  höchstens  einem  Jahre  beendigt 
wurde  *^i). 

Mit  Zumpt  stimmt  Wandel  insofern  überein,  als  auch  erden 
Census  unter  Sentius  Saturninus  setzt.  Er  erkennt  dabei  aber 
offen  den  Irrthum  des  Lucas  an^^^j.  ,,Er  kannte  die  zweite  quiri- 
nische  Schätzung,  er  wusste,  dass  Quirinius  schon  einmal  um  die 
Zeit  von  Herodes'  Tod  in  Syrien  gewesen  war;  er  wusste  ferner, 
dass  Christus  zur  Zeit  einer  Schätzung  geboren  war,  und  kombi- 
nirte  irrig,  dass  diejenige  Schätzung,  unter  welcher  der  Heiland 
geboren  war,  ebenfalls  von  Quirinius  abgehalten  worden  sei  und 
in  dessen  erste  Prätur  falle". 

Den  Schwierigkeiten  von  Zumpt's  Auffassung  entgeht  man 
allerdings,  wenn  man  mit  Gerlach  ^33^^  Quandt'^^)  und  Hahn  ^^^j 

129)  Geburtsjahr  Christi  S.  189,  Anm.  —  Vgl.  auch  Wiese  1er,  Synopse 
S.  113,  Anm. 

130)  Also  nach  Zumpt  Sentius  Saturninus. 

131)  Denn  sie  begann  nach  der  Verbannung  des  Archelaus,  frühestens  im 
Sommer  759  a.  U.,  und  wurde  (nach  Antt.  XVIII,  2,  1)  vollendet  im  J.  37  der 
actischen  Aera  =  Herbst  759/üO,  also  spätestens  im  Herbst  760  (7  nach  Chr.). 

132)  Neue  kirchliche  Zeitschrift  1892,  S.  743. 

133)  Die  römischen  Statthalter  in  Syrien  und  Judäa  S.  33 — 35. 

134)  Zeitordnung  und  Zeitbestimmungen  in  den  Evangelien  (auch  u.  d. 
Titel:  Chronologisch-geographische  Beiträge  zum  Verständniss  der  heiligen 
Schrift.    I.  Chrouolog.  Beiträge.  1.  Abthlg.  Gütersloh  1872),  S.  18—25. 

135)  Das  Evangelium  des  Lucas  I,  177. 


540  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quiriuius,  Luc.  2,  1 — 5.    [452.453] 

annimmt,  dass  Quirinius  neben  Quiutilius  Varus  (6—4)  als  ausser- 
ordentlicher Legat  nach  Syrien  gesandt  worden  sei  und  als  solcher 
den  Census  vorgenommen  habe  ^^^).  Am  besten  und  präcisesten  hat 
diese  Ansicht  schon  San  demente  vertreten,  indem  er  annimmt, 
dass  Quirinius  als  legatus  ad  census  \  accipiendos  nach  Syrien  geschickt 
worden  sei,  und  zwar  mit  einem  höheren  Imperium,  als  der  da- 
malige ordnungsmässige  Legat  von  Syrien,  Sentius  Saturninus  ^^'). 
Allein  diese  Auskunft  erlauben  die  Worte  des  Evangelisten  schlechter- 
dings nicht,  da  rjye(iovEvovxoq  xTJg  2vQiaq  KvQi]viov  nichts  anderes 
heissen  kann,  als  „da  Quirinius  den  Oberbefehl  (oder,  was  dasselbe 
ist,  das  Amt  eines  Statthalters)  über  Syrien  hatte".  Lucas  be- 
trachtet also  ohne  Zweifel  den  Quirinius  als  den  ordnungsmässigen 
Legaten  von  Syrien.  Eben  dieses  Amt  hatte  aber,  wie  geschicht- 
lich feststeht,  in  der  letzten  Zeit  des  Herodes  nicht  Quirinius 
sondern  Sentius  Saturninus  (9 — 6)  und  dann.  Quintilius  Varus 
(6—4  vor  Chr.) '38).  _  Ein  Rückschritt  hinter  Sanclemente  ist  es, 
wenn  Ramsay  meint,  die  Gewalten  seien  so  getheilt  gewesen,  dass 
Saturninus,  resp.  Varus  die  innere  Verwaltung  von  Syrien  gehabt 
habe,  während  gleichzeitig  dem  Quirinius  wegen  des  Krieges  gegen 


136)  Was  Gerlach  S.  33 f.  über  die  Möglichkeit  zweier  Statthalter  in 
einer  Provinz  sagt,  beweist  nur  grobe  Unkenntniss  der  Verhältnisse.  S.  gegen 
ilin  Wieseler,  Beiträge  S.  43  f.  —  Besser  ist  es,  wenn  Quandt  annimmt, 
dass  Varus  unter  Quirinius  stand  (a.  a.  0.  S.  22).  Aber  nach  Josephus 
und  den  Münzen  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  Varus  der  oberste  Befehls- 
haber von  Syrien  war. 

137)  Sanclemente,  üe  vulgaris  aerae  emendatione  IV,  6  (p.  443— 44S).  — 
Da«  Material  über  die  ler/ati  und  procuratores  ad  census  accipiendos  findet 
man  zusammengestellt  bei  Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  Bd.  II, 
1876,  8.  209  (2.  Aufl.  von  Dessau  und  Domaszewski  1^84,  S.  215—216) 
und  Unger,  De  censibus  provincianim  liomanarum  (Leipziger  Studien  zur 
<;la88.  Philo].  Bd.  X,  1887,  S.  1—76).  —  Es  ist  noch  nicht  ausgemacht,  ob  es 
in  der  früheren  Kaiserzeit  überhaupt  besondere  Beamte  dieser  Art  neben 
den  ordnungsmässigen  Statthaltern  in  den  Provinzen  gegeben  hat.  Unger 
betitreitot  dies,  indem  er  nachzuweisen  sucht,  dass  in  der  früheren  Kaisorzeit 
die  Statthalter  selbst  mit  dem  Scliatzungsgeschäft  beauftragt  wurden,  und 
dass  erat  vom  zweiten  Jahrhundert  an  zuerst  in  den  Seniitsprovinzcn  und 
noch  später  in  den  kaiserlichen  Provinzen  besondere  Beamte  ritterlichen 
Standes  neben  den  Provinzialstattlmltern  die  Schätzungen  vorzunehmen  hatten. 
Kür  beide  Fälle  giebt  es  einzelne  sichere  Beispiele  (für  ersteren  ist  da«  älteste 
BoiHpiel  eben  Quirinius,  der  nach  Josephus  wie  nach  Lucas  Stattliultcr  und 
("ensor  zugleich  war;  vier  andere  Beispiele  stellt  Unger  8.  54  f.  zusammen). 
Da«  Material  {«t  aber  zu  dürftig,  um  sichere  Schlüsse  allgemeiner  Art  zu  ge- 
statten. 

13H)  Vgl.  gegen  jene  Ansicht  auch  Huschke,  Uebcr  den  zur  Zeit  der 
Geburt  Jesu  CliriHti  gehaltenen  Census  8.  75  f. 


[453]  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.  541 

die  Honionadenser  das  militärische  Commando  übertragen  war '3^). 
Das  wäre  doch  recht  seltsam,  wenn  Lucas  den  Census  gerade  nach 
demjenigen  Statthalter  datirt  hätte,  der  mit  der  inneren  Verwaltung, 
also  mit  dem  Census,  nichts  zu  thun  hatte!!  —  Die  Notiz  des 
Lucas  wäre  nur  dann  als  geschichtlich  zu  rechtfertigen,  wenn  sich 
nachweisen  Hesse,  dass  Quirinius  schon  zur  Zeit  des  Herodes  ord- 
nungsmässiger  und  alleiniger  Statthalter  von  Syrien  gewesen  ist. 
Ein  solcher  Nachweis  kann  aber  nie  geführt  werden,  da  —  trotz 
Aberle  —  das  Gegentheil  hiervon  feststeht '*<>).  | 

Einen  radicalen  Weg  zur  Rettung  des  Lucas,  den  bisher  m. 
W.  niemand  gewagt  hat,  hat  Zahn  eingeschlagen:  er  verwirft  ein- 
fach die  präcisen  Angaben  des  Josephus*^*).  Quirinius  sei  nur 
einmal  Statthalter  von  Syrien  gewesen,  aber  nicht,  wie  Josephus 
angiebt,  im  J.  6  7  n.  Chr.,  sondern  nach  dem  Tode  des  Herodes  im 
J.  4/3  vor  Chr.  (Beginn  der  Statthalterschaft:  einige  Monate  nach 
dem  Tode  des  Herodes,  Herbst  4  vor  Chr.,  s.  S.  647,  050).  Das 
Recht  zu  dieser  Kritik  des  Josephus  entnimmt  Zahn  aus  folgenden 
Beobachtungen.  Josephus  berichte  eine  zweimalige  Absetzung  des 
Hohenpriesters   Joasar:    1)   durch  Archelaus   nach  dem  Tode  des 


139)  The  Expositor  1897,  June  p.  431.  Was  Christ  hom  ad  Bethlehem  (1898) 
p.  238.    Vgl.  Theol.  Litztg.  1899,  679. 

140)  Aberle  (Quartalschr.  1865,  S.  129 ft".  1868,  S.  29  0".)  ist  durch  „die 
Wahrnehmung  von  der  grossen,  wir  möchten  fast  sagen,  canzleiraässigen  Pünkt- 
lichkeit, deren  sich  Lucas  in  solchen  Angaben  befleisst"  (1865,  S.  148)  zu  der 
Entdeckung  geführt  worden,  dass  Quirinius  in  der  That  in  der  letzten  Zeit 
des  Herodes  Statthalter  von  Syrien  war  und  nur  von  Augustus  noch  in  Rom 
zurückgehalten  wurde.  Quintilius  Varus  habe  deshalb  noch  auf  seinem  Po- 
sten bleiben  müssen,  so  dass  es  gleichzeitig  zwei  Statthalter  gab:  Quirinius 
war  es  de  jure,  Varus  de  facto.  Jenen  nenne  Lucas,  diesen  Josephus.  —  Gegen- 
über dieser  scharfsinnigen  Lösung  genügt  wohl  die  Bemerkung,  dass  Lucas 
uns  arg  hinter  das  Licht  geführt  hätte,  wenn  er  uns  statt  des  factischen  Statt- 
halters, der  doch  den  Census  geleitet  haben  mOsste,  nur  den  Statthalter  de 
jure  genannt  hätte.  Die  Worte  des  Lucas  gestatten  keine  andere  Erklärung, 
als  dass  Quirinius  factisch  Statthalter  von  Syrien  war. 

Nur  der  Vollständigkeit  halber  sei  hier  noch  erwähnt  die  Entdeckung  von 
Pfitzner  (Programm  des  Gymnasiums  zu  Parchim,  Ostern  1873,  S.  8  —  13), 
dass  Varus  zwar  im  Jahre  G  und  4  vor  Christo  Statthalter  von  Syrien  gewesen 
sei,  dazwischen  aber  im  Jahre  5  v.  Chr.,  welches  Jahr  von  Josephus  über- 
schlagen wird  (!!),  P.  Quirinius.  Wenn  Pfitzner  das  Werk  von  Eckhel,  Doctr. 
Niim.  III,  275  nicht  nur  citirt,  sondern  auch  nachgeschlagen  hätte,  so  würde 
er  sich  dort  eines  Bessern  belehrt  haben.  Die  Angaben  Eckhels  über  die 
Münzen  des  Varus  sind  durch  die  neueren  Publicationen  durchaus  bestätigt 
worden.    S.  oben  S.  322. 

141)  Zahn,  Die  syrische  Statthalterschaft  und  die  Schätzung  des  Quiri- 
nius (Neue  kirchliche  Zeitschrift  1893,  S.  633-654).  Ders.,  Einl.  in  das  Neue 
Testament  II,  395  f  415  f 


542  §  17.  Anhang  1.  Die  Schätzung  des  Quirinius,  Luc.  2,  1—5.  [454] 

Herodes  {Antt.  XVII,  13,  1)  und  2)  durch  Quirinius  zur  Zeit  des 
Census  vom  J.  6/7  nach  Chr.  {Antt  XVIII,  2,  1).  Kr  berichte  auch 
einen  zweimaligen  Aufstand  des  Judas:  1)  in  den  Wirren  nach 
dem  Tode  des  Herodes  {Antt.  XVII,  10,  5,  B.  J.  II,  4,  1,  vgl.  oben 
S.  420  f.)  und  2)  aus  Anlass  des  Census  unter  Quirinius  im  J.  6/7 
nach  Chr.  {Antt.  XVIII,  1,  1).  In  beiden  Fällen  habe  Joseplms  ein 
einfaches  Factum  verdoppelt;  beide  hingen  aber  mit  der  Schätzung 
zusammen.  Diese  falle  also  entweder  4/3  vor  Chr.  oder  6  7  n.  Chr. 
Lucas  zeige  uns,  dass  ersteres  das  Richtige  ist.  —  Der  Scharfsinn 
dieser  Kritik  ist  anziehend  und  bestechend.  Trotzdem  ist  sie  sicher 
zu  verwerfen.  Josephus  ist  über  die  Geschichte  der  Hohenpriester 
so  genau  unterrichtet,  und  die  Erzählungen  über  den  zweimaligen 
Aufstand  des  Judas  sind  so  verschieden,  dass  in  beiden  Fällen  die 
Annahme  einer  irrigen  Verdoppehmg  unberechtigt  ist.  Ebenso  un- 
berechtigt ist  die  Verwerfung  des  präcisen  Datums  über  die  Schä- 
tzung (^/2/^.  XVIII,  2,  1:  im  37.  Jahre  der  actischen  Aera),  welches 
dadurch  als  richtig  verbürgt  wird,  dass  die  Schätzung  unbedingt 
mit  der  Absetzung  des  Archelaus  zusammenhängt,  die  auch  nach 
Bio  Cass.  LV,  27  in  das  J.  6  nach  Chr.  fällt.  Aber  auch  wenn 
alle  Combinationen  Zahn's  richtig  wären,  so  wäre  damit  apologe- 
tisch gar  nichts  gewonnen.  Denn  auch  nach  Zahn  ist  Quirinius 
erst  einige  Monate  nach  dem  Tode  des  Herodes  Statthalter 
geworden  und  hat  erst  dann  den  Census  vorgenommen.  Das  Re- 
sultat ist  denn  auch  bei  Zahn,  dass  der  Irrthuni  des  Lucas  offen 
anerkannt  wird:  „Lukas  hat  etwas,  was  vor  dem  März  des  J.  4 
v.  Chr.  geschehen  sein  soll,  mit  einem  Ereigniss,  welches  frühestens 
am  Ende  desselben  Jahres  oder  im  Anfang  des  J.  3  v.  Chr.  sich 
zugetragen  hat,  als  gleichzeitig  betrachtet  und  in  innigste  Beziehung 
zu  demselben  gesetzt"  (S.  653  f.).  Den  mit  so  grossem  Kraftauf- 
wand in  Scene  gesetzten  apologetischen  Bemühungen  bleibt  darum 
nur  der  schwache  Trost,  dass  „im  Vergleich  mit  dem  Irrthum  des 
Josephus  das  chronologische  Versehen  des  Lucas  ein  geringes"  ist. 
Alle  Auswege  sind  verschlossen,  und  es  bleibt  nichts  anderes 
übrig,  als  anzuerkennen,  dass  der  Evangelist  auf  unbestimmte  Kunde 
hin  eine  Angabe  gemacht  hat,  welche  gegen  die  Thatsachen  der 
Geschichte  verstösst.  So  haben  u.  a.  auch  Hock  '^'^),  Mommsen  ''•^), 
Hase««),  Winer,  Bleek,  De  Wette '<'^),  Meyer,  Strauss, 
Hilgenfeld,  Keim,  Weizsäcker,  Sevin,  Lecoultre,  imWesent- 


142)  BAm.  QoRch.  I,  2,  S.  412  ff. 

143)  Ret  gettae  äivi  Aw/usti  ed.  2,  p.  176  aq. 

144)  Leben  Je»u  g  Zi. 

140)  Exegetifcheü  Hundh.  z.  d.  St. 


[454.  455]    §  17.  Anhangl.    Die  Schätzung  des  Quiriniue,  Luc.  2,  1—5.  543 

liehen  auch  Sieffert  geurtheilt  '^^).  Der  Verstoss  ist  ein  doppelter: 
1)  Lucas  schreibt  dem  Augustus  den  Befehl  zu,  dass  im  ganzen 
Reich  ein  Census  veranstaltet  werde.  Von  einem  solchen  Reichs- 
census  weiss  die  Greschichte  nichts.  Es  ist  möglich,  dass  Augustus 
in  vielen,  vielleicht  den  meisten  Provinzen  Schätzungen  hat  vor- 
nehmen lassen,  und  dass  Lucas  davon  eine  ungefähre  Kunde  hatte. 
Aber  diese  mannigfaltigen,  nach  Zeit  und  Art  verschiedenen  Pro- 
vinzialschatzungen  lassen  sich  nicht  auf  ein  einheitliches  Edict 
zurückführen.  Lucas  hat  also  hiÄ"  in  ähnlicher  Weise  generalisirt, 
wie  in  Betreff  der  Hungersnoth  unter  Claudius.  Wie  er  aus  den 
mehrfachen  Hungersnöthen,  welche  zur  Zeit  des  Claudius  ver- 
schiedene Reichsgebiete  in  ungewöhnlicher  Weise  heimsuchten,  eine 
kq)  oXrjv  rrjv  oixovfitvrjv  sich  erstreckende  Hungersnoth  macht 
(Apgesch.  11,  28,  dazu  unten  §  19),  so  mögen  auch  die  verschiedenen 
Provinzialschatzungen,  von  welchen  er  wusste,  sich  in  seiner  Vor- 
stellung zu  einer  Reichsschatzung  gestaltet  haben.  Sollte  die  Nach- 
richt von  einer  Reichsvermessung  durch  Augustus  historisch  sein 
(s.  oben  S.  521  f),  so  könnte  auch  diese  zur  Erzeugung  seines  Irr- 
thums  mitgewirkt  haben.  2)  Er  weiss  ferner,  dass  ungefähr  um 
die  Zeit  der  Geburt  Jesu  Christi  ein  Census  in  Judäa  durch  Qui- 
rinius  vorgenommen  worden  ist.  Durch  diesen  Census  erklärt  er  sich| 
die  Thatsache,  dass  die  Eltern  Jesu  von  Nazareth  nach  Bethlehem 
wanderten,  und  verlegt  ihn  daher  genau  in  die  Zeit  der  Geburt 
Christi,  noch  unter  Herodes,  d.  h.  um  10—12  Jahre  zu  früh.  Denn 
dass  Lucas  in  der  That  diese  bekannte  Schätzung  des  Quirinius 
meint  und  nur  sie  gekannt  hat,  wird  bestätigt  durch  die  Stelle  in 
der  Apostelgeschichte  (5,  37),  wo  er  von  ihr  als  „der  Schätzung" 
schlechthin  spricht. 

Wer  etwa  glaubt,  solche  „Irrthümer"  dem  Lucas  nicht  zutrauen 
zu  dürfen,  der  sei  nur  an  die  Thatsache  erinnert,  dass  Justin  der 
Märtyrer,  der  doch  auch  zu  den  Gebildeten  gehörte,  den  König 
Ptolemäus,  auf  dessen  Veranlassung  die  Bibel  in's  Griechische  über- 
setzt wurde,  für  einen  Zeitgenossen  des  Königs  Herodes  gehalten 
hat  {Apol.  1  c.  31).  Auch  Lucas  selbst  wird  von  anderen  Irrthümern 
nicht  frei  zu  sprechen  sein.  Denn  der  Theudas,  welchen  er  vor 
Judas  dem  Galiläer  auftreten  lässt  (Apgesch.  5,  36  tf.),  kann  kaum 
ein  anderer  Theudas  sein,  als  der  bekannte,  welcher  thatsächlich 
etwa  vierzig  Jahre  später  gelebt  hat  (s.  §  19). 

146)  Sämmtl.  an  den  oben  angeführten  Orten.  —  Sieffert  hält  zwar  an 
der  Annahme  fest,  dass  noch  unter  Herodes  auf  Befehl  des  Kaisers  ein  Cen- 
sus in  Palästina  gehalten  worden  sei,  giebt  aber  zu,  dass  die  beiden  Sehatzungen 
(die  unter  Herodes  und  die  unter  Quirinius)  von  Lucas  ,, nicht  deutlich  chro- 
nologisch auseinandergehalten,  sondern  für  seine  Vorstellung  in  eins  zusam- 
mengeflossen sind". 


544  §  17.   Anhang  2.    Das  Zeugniss  des  Josephus  von  Christo.    [455.  456j 


Anhang  2.     Das  sog.  Zeugniss  des  Josephus  von  Christo 
(Anif.  XVIII,  3,  3). 

Die  Literatur  darüber  verzeichnen:  Oberthür  in  Fabricius  Biblioth. 
Graec.  ed.  Hartes  i.Y,  49—56.  Fürst,  Biblioth.  Judaica  11,  127 — 132.  Hase, 
Leben  Jesu  §  9.  Winer  RWB.  I,  558.  Heinichen  in  seiner  Ausg.  v.  Eiisebii 
Scripta  Histariea  Vol.  III  (1870),  623'*sqq.  —  Die  älteren  Abhandlungen  sind 
abgedruckt  in  Havercamp's  Ausg.  d.  Josephus  II,  2,  186 — 286.  —  Einige 
Streitschriften  aus  der  Zeit  Richard  Simon's  verzeichnet  Bernus,  Notice  biblio- 
graphique  sur  Riclmrä  Simon  (Bäle  1882)  n.  110.  230.  238.  239. 

Aus  der  unabsehbaren  Menge  heben  wir  nur  folgende  Neuere  hervor: 

1.  Für  die  Echtheit: 

Bretsehneider,  Capita  theologiae  Judaeorum  dogmaticae  e  Fl.  Josephi  seriptis 

collecta  (1812),  p.  59—66. 
Böhm  er  t,  Ueber  des  Flavius  Josephus  Zeugniss  von  Christo.   1823. 
Schödel,  Flavius  Josephus  de  Jesu  Christo  testatus.    1840. 
Mayaud,  IjC  temoignage  de  Joseph.    Strasb.  1858. 
Langen,  Theol.  Quartalschrift  1865,  S.  51  flf. 

Danko,  Historia  revelationis  divinae  Novi  Testamenti  (1867),  p.  30S — 314. 
Mensinga,  Zeitschr.  f.  wissenschaftl.  Theol.  1889,  S.  388  (echt  „abgesehen  von 

möglichen  aber  noch  nicht  erwiesenen  Verunstaltungen  des  Textes"). 
Bole,   Flavius  Josephus  über  Christus   und   die  Christen   in   den  jüdischen 

Alterthümern  XVIII,  3.    Eine  Studie.    Brixen  1896   (72  S.).    Vgl.  Theol. 

Jahresber.  XVI,  158. 
Kneller,   Flavius  Josephus  über  Jesus  Christus  (Stimmen  aus  Maria-Laach 

53.  Bd.  1897,  S.  1-19,  161—174). 

2.  Für  Interpolation: 

Gieseler,  Kirchengeschichte  I,  1,  81  ff. 

Hase,  Leben  Jesu  §  9  („ganz,  oder  doch  zum  Theile,  unächt")- 

Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  V,  181—186. 

Paret  in  Herzog's  Real-Encykl.    1.  Aufl.  VII,  27-29.  | 

Heinichen  in  seiner  Ausgabe  von   Euseb.  Script.  Hist.  Vol.  III  {ed.  2.  1870) 

p.  023-654. 
Wieseler,  Des  JoHcpliiiH  Zeugnis.se  über  Christus  und  Jakobus,  den  Bruder 

de»  Herrn  (Juhrbb.  f.  tleutsdie  Theol.  1878,  S.  86  11".). 
Volk  mar,  Jesus  Nnzarenus  (1882)  S.  335—345. 
Ranke,  Weltgeschichte  III.  Thl.  2.  Abtlilg.  (1883)  S.  40 f. 
Schölten,  Theologiach  Tijdschrifl  1882,  p.  428— 4ßl  (vgl.  das  Referat  von  van 

Manen,  Jahrbb.  für  prot.  Theol.  1883,  8.  608  f.). 
Men$inga,  Thcoloijisch  'J\)dschrift  1883,  />.  145-152  (van  Manen,  Jalirbb.  für 

prot.  Theol.  1883,  S.  61  Hj. 
Gu»t.  Ad.  Müller,    ChriHtus   bei   Josephus   Flavius,   Innsbruck  1890  (53  8.). 

2.  durch  einen  Nachtrag  verni.  Aufl.  1805. 
Quttchmid,  Klebe  Schritten  IV,  352-354. 


[456]  §  17.   Anhang  2.    J  >a8  Zeugniss  des  Josephus  von  Christo.  545 

Asrausseu,  Josephus  und  das  Cbristenthum  (Deutsch-evangelische  Blätter  1896, 

S.  183—19]). 
Reinach,  Th.,  Josephe  sur  Jesus  {Revue  des  etudes  juives  ^XXXV,  1897,  p.l 18). 

3.  Gegen  die  Echtheit: 
Eichstaedt,  Flaviani  de  Jesu  Christo  testimonii  avB^fvtla  quo  jure  miper  rttrsus 

defensa  sit  quaest.  I— VI.  Jen.  1813—1841.  Quaestionibus  sex  super  Flaviano 

de  Jesu  Christo  iesti^nonio  auctarium  I— IV.    Jen.  1841—1845. 
Leicitx,  Quaestio7ium  Flavianarum  specimen.    Regiom.  Pi-uss.  1835. 
Retcss,  Nouvelle  Revue  de  Theol.  1859,  p.  312—319. 
Ernst  Gerlach,   Die  Weissagungen  des  Alten  Testamentes  in  den  Schriften 

des  Flavius  Josephus  und  das  angebliche  Zeugniss  von  Christo.    18G3. 
Keim,  Geschichte  Jesu  I,  11—15. 
Höhne,   Ueber  das  angebliche  Zeugniss  von  Christo  bei  Josephus,  Zwickau 

1871,  Gymnasialprogr. 
D'Avis,  Die  Zeugnisse  niclitchristlicher  Autoren  des  ersten  Jahrhunderts  über 

Christus  und  das  Christenthura,  Sigmaringen  1873,  Gymnasialprogr.  (S.  8; 

„wahrscheinlich  die  ganze  Stelle  .  .  .  eingeschaltet  oder  aber  vielleicht  .  .  . 

durch  Einschaltungen  verderbt"). 
Loman,    Theologisch  Tijdschriß  1882,  p.  593—601  (p.  596:    echte  Grundlage 

möglich,   aber  „kaum  wahrscheinlich",   vgl.  das  Referat  von  van  Manen, 

Jahrbb.  für  prot.  Theol.  1883,  S.  593—595,  614). 
Wandel,  Der  jüdische  Geschichtsschreiber  Flavius  Josephus  und  das  Cbristen- 
thum (Neue  kirchl.  Zeitschr.  1891,  S.  967—937). 
Niese,  De  testimonio  Christiano  quod  estapiul  Josephum  antiq.Jud.  XVIII  63  sj. 

[Marburgi,  Index  leetionum  hibem.  1893/94). 

In  nnsern  Handschriften  und  Ausgaben  des  Josephus  findet 
sich  Äntt.  XVIII,  3,  3  folgende  Stelle  über  Christus: 

rivBxai  OB  xaxa  tovxov  top  xQOvov  'irjoovg,  aog)6g  avrjQ,  d  ye 
avdga  avrov  Xiystv  XQV-  '^f^  y^Q  JiaQaöo^cov  tQycov  jtoirjt^g,  6i- 
öaCxaXog  avdQcojicov  xcöv  rjöovii  xaXijiyTj  ötxofiivmv  xal  jcoXXovc 
fiev  Jovöaiovg  jtoXXovg  61  xal  xov  'EXXrjPixov  ijirjyaysxo.  'O  Xql- 
oxog  ovxog  rjv.  Kai  avxov  kvöei^ei  x<x)V  jvqcoxoov  avÖQcöi^  jcüq  t/ftlp 
oxavQm  ajtixsxiiirjxoxog  üiXaxov,  ovx  sjcavoavxo  ol  x6  jtqcöxov 
avxov  ayajtrjOavxeg'  kfpavrj  yaQ  avxolg  xqixtjv  excov  rj^igav  jtaXiv 
^<x>v,  xööv  d^dmv  jTQOcprjxcöp  xavxd  xs  xal  aXXa  /jvgla  d-avfiaOia 
jrsQl  avrov  HQtjxoxmv.  Eiöixi  xe  vvv  xcöv  Kgioxiavcöv  äjco  xovöe 
wvofiaOfitvatv  ovx  ejteXiJte  xo  (pvXov. 

Niese's  Text  weicht  an  folgenden  Stellen  ab.  Z.  7  aviov  om.  —  Z.  8—9 
negl  aviov  ^avfiäaia.  —  Z.  10  wvo/iaafxevov.  —  An  allen  drei  Stellen  scheint 
es  mir  fraglich,  ob  Niese's  Lesarten  aufzunehmen  sind. 

„Zu  dieser  Zeit  lebte  Jesus,  ein  weiser  Mann,  wenn  anders 
man  ihn  einen  Menschen  nennen  soll.  Er  war  nämlich  ein  Thäter 
wunderbarer  Werke,  ein  Lehrer  der  Menschen,  die  mit  Freuden 
die  Wahrheit  aufnehmen.  Und  viele  Juden  und  viele  Hellenen  zog 
er  zu  sich  heran.  Er  war  der  Messias.  Und  als  ihn  auf  Anklage 
unserer  ersten   Männer  Pilatus   mit  dem  Kreuze   bestraft  hatte, 

Schür  er,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  35 


546  §  ^"-    Anhang  2.     Das  Zeugniss  des  Josephus  von  Christo.  [457] 

Hessen  nicht  ab  die,  welche  ihn  zuerst  geliebt.  Denn  er  erschien 
ihnen  nach  dreien  Tagen  wieder  lebendig,  nachdem  die  göttlichen 
Propheten  dieses  und  tausend  anderes  Wunderbare  über  ihn  gesagt 
hatten.  Noch  bis  heute  hat  das  Geschlecht  derer  nicht  aufgehört, 
die  von  ihm  Christen  genannt  sind". 

Die  Echtheit  dieser  Stelle  blieb  vom  vierten  Jahrhundert  an, 
wo   sie  bereits  Eusebius  und  Andere  citiren  {Euseh.  Hist.  eccl.  I, 
11.     Demonstr,   evang.   III,   3,    105 — 106   ed.    Gaisford.    Pseudo-Hege- 
sippus  De  hello  Judaico  II,  12),  das  ganze  Mittelalter  hindurch  un- 
angezweifelt;  ja  sie  hat  nicht  wenig  dazu  beigetragen,  das  Ansehen 
des  Josephus  in  der  christlichen  Kirche  zu  erhöhen;  man  bediente 
sich  ihrer  gerne  zum  Erweis  der  Wahrheit  der  evangelischen  Ge- 
schichte.   Erst  im  16.  Jahrhundert  regte  sich  die  Kritik,  und  seit- 
dem geht  der  Streit  pro  und  contra  bis  auf  den  heutigen  Tag  fast 
ununterbrochen  fort.    Man  sollte  billigerweise  wenigstens  darüber 
einig  sein,  dass  die  Worte  so,  wie  wir  sie  heute  lesen,  von  Jose- 
phus nicht  geschrieben  worden  sind.  Was  etwa  zu  ihren  Gunsten 
angeführt  wird,  kommt  gegenüber  den  sichern  Indicien  der  Unecht- 
heit  gar  nicht  in  Betracht.    Unsere  Handschriften  haben  sie  aller- 
dings einstimmig.    Aber  dies  will  wenig  besagen.    Abgesehen  von 
Vet.  Lat.  (aus  der  Zeit  Cassiodors)  und  der  Epitome  (etwa  aus  dem 
9.  oder  10.  Jahrb.,  s.  oben  S,  99)  ist  uns  Buch  XVIII  bis  XX  der 
Archäologie  nur  in  drei  Handschriften  erhalten,  deren  älteste  {Am- 
hrosianns  F.  128  sup.)   erst   aus   dem   elften  Jahrhundert  herrührt 
(s.  oben  S.  99)').    Die  Einstimmigkeit  der  Zeugen  beweist  also  nur 
das  relative  Alter  der  Einschaltung,  das  ohnehin  durch  Eusebius 
verbürgt  ist.    Den  alten  Citaten  seit  Eusebius  steht  der  Umstand 
gegenüber,   dass    Or  igen  es   oti'enbar  die  Stelle  nicht  in   seinem 
Josephustext  gelesen  hat;  denn  er  verräth  auch  da,  wo  man  es 
erwarten  sollte,  keine  Kenntniss  von  ihr  2).    Schon  die  äussere  Be- 


1)  Der  gleichalterige  Parisin.  1410,   welchen  Ger  lach  S.  107  als   älteste 
HandHchrift  nennt,  enthält  nur  die  ersten  zehn  Bücher  der  Archäologie. 

2)  Eh  kommen  hier  zwoi  Stellen  des  Origenes  in  Botracht.  1)  In  der  Er- 
läuterung zu  Matth.  13,  55  über  Jakobus,  den  Bruder  .Jesu  Christi,  hebt  er 
alH  merkwürdig  hervor,  dass  Josephus  diesem  ein  schönes  Zeugniss  ausstelle, 
obwohl  er  (Josephus)  doch  nicht  an  Jesum  als  den  Christ  geglaubt  habe, 
comm.  in  Matth.  tom.  X  c.  17  (Lommatzsch  III,  40):  xal  xu  i^avfxaaxöv  iativ, 
öxi  xdv  'I^aovv  Ti/jtLv  ov  xaxadf^äfjitvoq  flvai  XQiaxuv\,  ovS^v  t/xxov  'laxwßtjt 
dtxttioaivTip  ^/xapxvQTjat  xoauvxTjv.  2)  In  der  StreitseliriCt  gegen  Celsus  will 
Origenes  unter  Anderem  die  Ulaubwürdigkeit  des  Berichtes  über  die  Taufo 
Jesu  beweiMcn,  die  der  von  Celsus  als  Autorität  angeluhrte  .lüde  bestritten 
hat  {contra  Geh.  I,  41).  Zu  diesem  Zweck  stellt  er  contra  Crln.  I,  47  alles 
cusammcMi,  was  er  an  indirectem  Beweismaterial  im  Josephus  gefunden  hat, 
Dämlidi:  o)  die  Aeussorung  üImt  Johannes  den 'räuf'er,  l))  die  Aeusserung  über 


[457.  458]    §  17.    Anhang  2.    Das  Zeugniss  des  Josephus  von  Christo.  547 

Zeugung  ist  also  keine  einwandfreie.  Entscheidend  sind  aber  die 
inneren  Gründe.  Wenn  man  sich  auf  den  echt  josephinischen  Stil 
bernft,  der  übrigens  von  Niese  bestritten  wird,  so  ertheilt  man  da- 
mit nur  dem  Interpolator  das  Lob,  dass  er  seine  Sache  geschickt 
gemacht  habe.  Gegenüber  dem  nicht-josephinischen  Inhalt  kommt 
jedenfalls  der  Stil  nicht  in  Betracht.  Was  nun  den  Inlialt  betrifft, 
so  ist  klar,  |  dass  wer  die  Worte  o  XQioxog  ovzog  ijv  geschrieben 
hat,  einfache  in  Christ  war.  Denn  dass  ijv  nicht  gleich  ivofti^ero 
ist  und  nicht  heissen  kann:  er  war  der  Christus  des  Volksglau- 
bens, darüber  ist  kein  Wort  weiter  zu  verlieren.  Ebenso  ist  aber 
auch  gewiss,  dass  Josephus  kein  Christ  war.  Ergo:  ist  die  Stelle 
mindestens  interpolirt. 

Worüber  sich  streiten  lässt,  ist  lediglich  dies:  ob  die  Stelle 
interpolirt  oder  völlig  unecht  ist.  Versuchen  wir  einmal,  das  Xer- 
dächtige  auszuscheiden.  Schon  die  Worte  h  ys  avÖQa  avrbv  Xt- 
yuv  XQT}  setzen  offenbar  den  Glauben  an  die  Gottheit  Christi  vo- 
raus und  verrathen  den  christlichen  Interpolator^).  Das  Folgende 
riv  jtaQa6öB,cov  SQymv  Tcoirjxrjq  könnte  zur  Noth  Josephus  gesagt 
haben,  wenn  es  nur  nicht  der  Begründungssatz  der  unechten 
vorhergehenden  Worte  wäre!  Jedenfalls  stammen  wieder  die  Worte 
öiöaoxaXoq  avOQwjto^v  rcöf  i)6ov^]  rdkr/t^^ij  dtx<>litvcov  aus  christ- 
licher Feder.  Dass  o  Xgcorog  ovxog  ijv  nicht  von  Josephus  ist, 
versteht  sich  von  selbst.  Und  ebenso  sicher  hat  er  nicht  geschrie- 
ben: Ifpavri  avrolg  XQizrjv  txcuv  ?jfitQav  jtaXiv  Cätv,  xcbv  ^ticov 
jtQO(pr}xä>v  xavxa  xt  xal  aXXa  (ivgia  {^avfiaota  jtegl  avrov  €i()?jx6- 
xcov.  Endlich  fehlt  auch  den  Schlussworten  der  nöthige  Halt, 
sobald  die  Worte  o  XQioxog  ovxog  i/v  aus  dem  Texte  entfernt 
sind. 

Sehen  wir  uns  nun  die  also  beschnittene  Stelle  an,  so  finden 
wir,  dass  so  gut  wie  nichts  bleibt:  ein  paar  nichtssagende  Phrasen, 
die  so,  wie  sie  nach  unserer  Operation  zurückbleiben,  ebenfalls 
nicht  von  Josephus  geschrieben  sein  können.    Will  man  also  bei 


Jakobus,  den  Bruder  Jesu  Christi.  Letztere  wird  mit  folgenden  Worten  ein- 
geführt: o  6"  ttVTog  xaixoi  ye  dmaidiv  itp  *Ir}aov  (og  Xqiotij)  x.  t.  A.  So  hätte 
Origenes  sich  nicht  äussern  können,  wenn  er  die  berühmte  Stelle  gekannt 
hätte,  und  er  hätte  dann  auf  ihren  Gebrauch  an  der  letzteren  Stelle  sicher 
nicht  verzichtet,  da  sie  ihm  doch  viel  mehr  bot,  als  die  beiden  citirten. 

3)  Zahn,  Forschungen  zur  Gesch.  des  neutestamentl.  Kanons  VI,  1900, 
S.  302  Anm.  macht  auf  eine  verwandte  Stelle  in  den  Acta  Pilati  aufmerksam, 
wo  Joseph  von  Arimathia  Jesum  folgeudermassen  im  Geiste  anredet  {Evan- 
gelia  apocr.  ed.  Tischendorf  IST Q  p.  314):  ol'fioi,  ykvxvxaxs^Itjaov,  ig  dv&pojnwv 
(pike  e^aiaiiörars'  et  XQ^I  M^^'^  ^«i  av9 Qcanov  ovo/jtdL,siv  oe,  xbv  oia 
ovSenote  ntnolrjxev  avd^Qwnoq  &av/uaTa  i(»yaaäftivov.  Beachte  die  gleichartige 
Begründung  wie  bei  Josephus. 

35* 


548  §  1'^-   Anhang  2.    Das  Zeugniss  des  Josephus  von  Christo.    [458. 459] 

Annahme  der  Interpolation  stehen  bleiben,  so  ist  diese  jedenfalls 
nicht  als  einfache  Einschaltung  christlicher  Zusätze,  sondern  — 
mit  Ewald,  Paret  und  Anderen  —  als  vollständige  Umarbeitung 
des  ursprünglichen  josephinischen  Textes  zu  denken. 

Wenn  aber  doch  einmal  feststeht,  dass  von  dem  gegenwärtigen 
Text  kaum  ein  paar  Worte  von  der  Hand  des  Josephus  sind,  ist 
es  dann  nicht  gerathener,  auf  völlige  Unechtheit  zu  erkennen  und 
anzunehmen,  dass  Josephus  überhaupt  von  Christo  geschwiegen 
habe?  Dass  Letzteres  unmöglich  sei,  wird  sich  nicht  behaupten 
lassen.  Man  weiss,  dass  Josephus  sein  Volk  in  möglichst  günstigem 
Lichte  erscheinen  lassen  will.  Darum  spricht  er  von  der  messia- 
nischen  Hoffnung  so  wenig  als  möglich,  da  sie  seinen  gebildeten 
Lesern  nur  als  Thorheit  erscheinen  musste  und  überdiess  dem 
Günstling  der  Cäsaren  unbequem  war.  Denn  in  ihr  lag  ja  die 
Kraft  des  Widerstandes  gegen  Rom.  Johannes  des  Täufers  konnte 
nun  Josephus  allenfalls  gedenken,  ohne  der  messianischen  Hoffnung 
Erwähnung  zu  thun.  Bei  Christo  wäre  dies  nicht  mehr  möglich 
gewesen.  Er  konnte  weder  Christum  zu  einem  Tugendprediger 
machen,  wie  den  Täufer;  noch  die  christliche  Gemeinde  zu  einer 
Philosophenschule,  wie  die  Pharisäer  und  Sadducäer.  Darum  wird 
er  wohl  überhaupt  von  dieser  Erscheinung  geschwiegen  haben. 

Wenn  man  sich  zum  Erweis  des  Gegentheils  auf  die  spätere 
Erwähnung  des  Jakobus,  des  Bruders  Jesu  Christi  {Antt.  XX,  9,  1 : 
Tov  äösX(p6v  'l?jOov  Tov  Xsyofitvov  Xqiotov,  laxcoßog  ovofia  avTm) 
berufen  hat,  um  daraus  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  eine  Erwäh- 
nung Christi  vorhergegangen  sein  müsse,  so  ist  zu  antworten,  dass 
auch  die  Echtheit  dieser  Stelle  sehr  fraglich  ist.  Ja  man  iiniss 
umgekehrt  sagen:  gerade  die  Notizen,  die  wir  in  Betreff  des  Ja- 
kobus haben,  beweisen,  dass  Josephus  von  christlichen  Händen 
interpolirt  worden  ist.  Denn  Or  igen  es  hat  in  seinem  Josephus- 
text  eine  Stelle  über  Jakobus  gelesen,  die  sich  in  keiner  unserer 
Handschriften  findet,  die  also  ohne  Zweifel  eine  singulare,  in  den 
Vulgärtext  des  Josephus  nicht  übergegangene  christliche  Inter- 
polation war^). 

Wir  werden  also  die  Annahme  völliger  Unechtheit  als  die 
einfachere  der  Annahme  nur  theilweiser  Unechtheit  vorzuziehen 
haben. 

Eine  Spur  davon,  dass  unser  „Zeugniss"  im  christlichen  Alter- 
thum  noch  nicht  allgemein  verbreitet  war,  darf  man  vielleicht  auch 
in  eiiHMii  <'itate  finden,  auf  welches  Bratke  aufmerksam  gemacht 

4)  8.  unten  §  19  (In  dem  AbHchnitt  über  l'oiciuM  Fontu»)  und  die  du- 
Mlb«t  genannte  Literatur. 


[459]  §  17.    Anhaug  2.    Das  Zeugniss  des  Josephus  von  Christo.  549 

hat.  In  einem  apokryphen  Berichte  über  eine  angebliche  Dispu- 
tation zwischen  Griechen,  Juden  und  Christen,  welche  am  persischen 
Hofe  stattgefunden  haben  soll  (am  besten  herausgegeben  von 
Bratke,  Das  sogenannte  Religionsgespräch  am  Hof  der  Sasaniden, 
Texte  und  Untersuchungen  von  Gebhardt  und  Harnack,  Neue  Folge 
IV,  3,  1899)  werden  auch  jüdische  Zeugnisse  für  Christus  zusammen- 
gestellt, zuletzt  das  des  Josephus  {ed.  Bratke  p.  36,  lin.  S— 11): 
IcoOijtJtog  o  övyyga^evg  v^mv,  og  £iqi]X£  Jttgi  Xqioxov  dvögog  61- 
xaiov  xal  aya&ov,  ex  d^daq  xaQiroq  avaöeixd-ivtog  orjfitioig  xcd 
xEQaöLV  ev£Qy£TovvTog  jroXXovg.  In  diesen  Wollen  glaubte  Bratke 
früher  (Theol.  Literaturblatt  1894,  Nr.  16 — 17)  den  ursprünglichen 
Wortlaut  des  echten  Josephus-Zeugnisses  erblicken  zu  dürfen.  Im 
Commentar  zu  seiner  Ausgabe  (S.  223—227)  äussert  er  sich  zurück- 
haltender und  ist  zu  der  Annahme  geneigt,  dass  uns  hier  ein  un- 
echter Zusatz  zum  Josephus-Text  erhalten  sei,  welcher  verschieden 
ist  von  dem  dann  herrschend  gewordenen.  Für  diese  Annahme 
spricht  in  der  That  die  starke  Abweichung  des  W^ortlautes  dieses 
„Zeugnisses"  von  dem  uns  sonst  bekannten.  Es  ist  schwer,  in 
ersterem  nur  eine  freie  Bezugnahme  auf  letzteres  zu  sehen.  Dass 
im  christlichen  Alterthum  manche  Josephus-Handschriften  andere 
christliche  Einschübe  aufwiesen  als  die  in  unseren  Handscliriften 
erhaltenen,  beweisen  die  eben  erwähnten  Origenes-Citate  über  den 
Tod  des  Jakobus.  So  ist  es  möglich,  dass  dem  Verfasser  jener  apo- 
kryphen Disputation  nicht  das  uns  erhaltene,  sondern  ein  anderes 
„Zeugniss"  für  Christus  in  seinem  Josephus-Text  vorgelegen  hat. 


§  18.   Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41-44  n.  Chr.). 

Quellen:  Joseph.  Antt.  XVIII,  6.    XIX,  5—9.    Bell.  Jud.  II,  9.  11.    Zonaras 

Ännal.  VI,  7 — 11  (Auszug  aus  Josephus). 
Im  Neuen  Testam.:  Actor.  12. 

Rabbinische  Traditionen  bei  Derenbourg  p.  205—219. 
Die  Münzen  am  vollständigsten  bei  Madden,    Coins  of  the  Jeics 

(1881)  p.  129—139. 
Literatur:  Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  VI,  314—322.   340—361. 
Grätz,  Geschichte  der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  318—361. 
Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  568—571. 
Sehne ckenburger,  Zeitgeschichte  S.  211—215. 
Hausrath,  Zeitgeschichte  2.  Aufl.  II,  212-225.   266—283. 
Lewin,   Fasti  sacri  (1865)  ad.  ann.  31 — 44  (s.  daselbst  den  Index 

p.  389  sq.). 
Winer,  RVVß.  I,  484 f. 


550  §  18-   Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41-44  n.  Chr.).         [459.  460] 

Keim  in  Schenkel's  Bibellex.  III,  49—56. 

Hamburger,  Real-Enc.  Abth.  II,  Artikel  „Agrippa". 

De  Saulcy,  Etiide  chronologique  de  la  vie  et  des  monnaies  des  rois 
juifs  Agrippa  I  et  Äf/rippa  II,  1869  (s.  oben  S.  24).  | 

Gerlach,  Zeitschr.  f.  luth.  Theol.  1869,  S.  53—62. 

Menke's  Bibelatlas,  ßl.  V,  Specialkarte  über  „Judäa  und  Nachbar- 
länder in  den  letzten  Jahren  des  Königs  Agrippa  I". 

I. 

Als  Agrippa  I')  den  Thron  Herodes  d.  Gr.  bestieg,  hatte 
er  bereits  ein  wechselvolles  abenteuerliches  Leben  hinter  sich.  Er 
war  geboren  im  J.  10  vor  Chr.  2)  als  Sohn  des  nachmals  im  J.  7 
hingerichteten  Aristobul  und  der  Berenice,  einer  Tochter  Sa- 
lorae's  und  Kostobar's  ^).  Kurz  vor  dem  Tode  des  Grossvaters  war 
er  als  kaum  sechsjähriger  Knabe  zur  Erziehung  nach  Rom  ge- 
schickt worden.  Seine  Mutter  Berenice  wurde  hier  mitAntonia. 
der  Wittwe  des  älteren  Drusus,  befreundet,  während  er  selbst  sich 
an  den  jüngeren  Drusus,  den  Sohn  des  Kaisers  Tiberius,  anschloss. 
Der  p]influss  der  römischen  Gesellschaft  scheint  nicht  eben  ein 
günstiger  gewesen  zu  sein.  Er  gewöhnte  sich  an  Ueppigkeit  und 
Verschwendung,  die  besonders  nach  dem  Tode  seiner  Mutter  kein 
Maass  und  Ziel  mehr  kannte.  Sein  Vermögen  war  bald  verzehrt. 
Die  Schulden  häuften  sich.  Und  als  er  durch  den  Tod  des  Drusus 
(t  2.3  n.  Chr.)  auch  die  Stütze  bei  Hofe  verlor,  sah  er  sich  ge- 
nöthigt,  Rom  zu  verlassen  und  nach  Palästina  zurückzukehren  *).  Er 
begab  sich  nach  Malatha,  einer  Festung  in  Idumäa^),  und  dachte 
an  Selbstmord.  Als  dies  seine  Gattin  Kypros  erfuhr,  schrieb  sie 
an  Agrippa's  Schwester  Herodias,  die  damals  bereits  mit  Antipas 
vermählt  war,  und  flehte  deren  Hülfe  an.  Herodes  Antipas  Hess 
sich  herbei,  dem  bedrängten  Schwager  wenigstens  so  viel  zu  geben, 


1)  Das  Neue  T OHtament  {Actor.  12)  nennt  ilin  achlechtweg  Herodes.  Bei 
Joseplius  und  auf  Münzen  hcisHt  er  aber  stets  Agrippa. 

2)  Wie  aus  Antt.  XIX,  8,  2  erheHt,  womach  er  bei  seinem  Tode  (44  n.  Chr.) 
im  54.  Lebeusjahre  stand. 

3)  An/t.  XVIII,  5,  4. 

4)  Antt.  XVIII,  G,  1.  —  Wieseler  (Beweis  des  Glaubens  1870,  S.  168  f.) 
•etzt  die  Reise  Agrippa's  von  Rom  nach  Palästina  in  d.  J.  29  oder  .30,  was 
UDgefShr  richtig  «ein  wird.  Jedenfalls  fand  sie,  wie  das  Folgende  lehrt,  erst 
nach  der  Hoiratli  der  Ilcrodias  mit  Antipas  statt. 

ö)  Malaga  m\vt  Malnai^u  wird  auch  im  Onomasticüu  des  Eusebius  mehr- 
mals erwähnt  {ed.  Laijardc  ji.  214.  2')ü,  2(KJ).  Ks  lag  20  +  4  niü.  pass.  südlii'h 
von  Hebron,  wahrHclieinlidi  an  der  Stelle  des  heutigen  Teil  el-Milh.  S.  llo- 
biOMOD,  Palästina  III,  184  f.  (lu<\rin  Judh  III,  184-188.  Tke  Surveij  of 
Wettern  Palesline,  Mewoim  l»j  Conder  and  Kiichener  III,  404,  416  «7.;  du/u 
Jilatt  XXV  der  grossen  englischen  Karte. 


[469.  4G1]         §  18.    Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41  -44  n.  Chr.).  551 

als  zum  Leben  nöthig  war,  und  ihn  überdies  zum  Agoranoraos 
(Marktaufseher)  der  Hauptstadt  Tiberias  zu  ernennen.  Die  neue 
Lebensstellung  dauerte  freilich  nicht  lange.  Bei  einem  Gastmahl  zu  ; 
Tyrus  geriethen  die  beiden  Schwäger  einst  in  Streit,  der  damit 
endete,  dass  Agrippa  seine  Stellung  in  Tiberias  verliess  und  sich 
zum  römischen  Statthalter  Flaccus  nach  Antiochia  begab ^).  Aber 
auch  hier  war  seines  Bleibens  nicht  lange.  In  einer  Streitigkeit 
zwischen  den  Sidoniern  und  Damascenern  verwandte  sich  einst 
Agrippa  zu  Gunsten  der  letzteren,  scheinbar  uneigennützig,  in  Wahr- 
heit aber  von  ihnen  bestochen.  Als  dies  Flaccus  erfuhr,  kündigte 
er  ihm  die  Freundschaft  auf;  und  Agrippa  sah  sich  nun  abermals 
aller  Hülfsmittel  beraubt.  Er  beschloss  nun  aufs  Neue  in  Rom  sein 
Glück  zu  versuchen.  Nachdem  er  unterwegs  in  Ptolemais  bei  einem 
Freigelassenen  seiner  Mutter  Berenice  Namens  Petrus  eine  An- 
leihe gemacht,  dann  in  Anthedon  nur  mit  Mühe  den  Händen  Ca- 
pito's,  des  Procurators  von  Jamnia,  der  ihn  als  Schuldner  des 
Kaisers  festhalten  wollte,  entgangen  war,  endlich  in  Alexandria 
auf  den  Credit  seiner  Gattin  abermals  grosse  Summen  aufgenommen 
hatte,  kam  er  im  Frühjahr  36  nach  Italien")  und  machte  bei  Tibe- 
rius  auf  der  Insel  Capri^)  seine  Aufwartung^).  Der  Kaiser  ver- 
traute ihm  seinen  Enkel  Tiberius  zur  Aufsicht  an.  Ausserdem  ver- 
kehrte er  besonders  mit  Cajus  Caligula,  dem  Enkel  seiner 
Gönnerin  Antonia  und  nachmaligen  Kaiser.  Aber  aus  den  Schulden 
kam  er  auch  jetzt  nicht  heraus.  Ja,  um  die  alten  Gläubiger  zu 
befriedigen,  nmsste  er  immer  neue  und  grössere  Summen  auf- 
nehmen'<^).  Es  war  daher  begreiflich,  dass  er  sehnlichst  eine  Ver- 
besserung seiner  Lage  wünschte,  wozu  aber  nur  dann  Aussicht 
vorhanden  war,  wenn  statt  des  alten  Tiberius  der  befreundete 
('aligula  auf  den  Thron  kam.  Unvorsichtigerweise  sprach  er  einst 
diesen  Wunsch  in  Gegenwart  seines  Kutschers  Eutychus  offen 
gegen  Caligula  aus.  Als  er  nun  später  selbst  den  Eutychus  wegen 
Diebstahls  verklagte,  und  dieser  vor  den  Stadtpräfecten  Piso^^)| 

6)  Antt.  XVin,  6,  2. 

7)  Anft.  XVIII,  5,  3:  iviavz(p  uqoxsqov  j]  TsXsvTTjaai  Ttßkgiov.  —  Wie- 
seler verwirft  dieses  Datum  und  setzt  wegen  des  im  Folgenden  erwähnten 
Piso  die  Ankunft  Agrippa's  in  d.  J.  32  (Beiträge  S.  13:  „wahrscheinlich  31, 
spätestens  32";  aber  Beweis  des  Glaubens  1870,  S.  169  bestimmt:  „nicht 
vor  32"). 

8)  Wo  Tiberius  seit  dem  J.  27  {Tac.  Ann.  IV,  67)  bis  an  seineu  Tod  fast 
ohne  Unterbrechung  lebte. 

9)  Antt.  XVIII,  6,  3. 

10)  Antt.  XVIII,  6,  4. 

11)  Der  hier  erwähnte  Piso  kann  nicht  mit  dem  (nach  Tac.  Ann.  VI,  10) 
im  J.  32   verstorbenen    identisch  sein  (wie  Wieseler,  Beiträge  S.  8 ff.  will); 


552  §  18.   Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41—44  n.  Chr.).  [462] 

geführt  wurde,  meldete  Eutychus,  er  habe  dem  Kaiser  ein  wich- 
tiges Geheimniss  mitzutheilen.  Tiberius  Hess  die  Sache  anfangs 
unbeachtet* 2).  Als  aber  nach  einiger  Zeit'^)  das  Verhör  stattfand 
und  Tiberius  die  Aeusserung  Agrippa's  erfuhr,  Hess  er  ihn  sofort 
in  Fesseln  legen  und  in's  Gefängniss  abführen,  wo  Agrippa  nun 
bis  zum  Tode  des  Kaisers  (113.  März  37),  sechs  Monate  lang,  ver- 
blieb'*). 

Mit  dem  Tode  des  Tiberius  und  dem  Regierungsantritt  Cali- 
gula's  begann  für  Agrippa  die  Periode  des  Glückes.  Caligula  hatte 
kaum  die  Bestattung  des  Tiberius  abgewartet,  als  er  auch  schon 
seinen  Freund  aus  dem  Gefängniss  befreite  und  ihm  die  ehe- 
malige Tetrarchie  des  Philippus  und  die  des  Lysanias 
sanmit  dem  Königstitel  verlieh;  der  Senat  fügte  die  Verleihung  der 
Ehrenrechte  eines  Prätor's  hinzu '^).  Statt  der  eisernen  Kette, 
welche  er  getragen  hatte,  gab  ihm  Caligula  eine  gleich  schwere 
goldene'^).  Agrippa  blieb  aber  noch  IV2  Jahre  in  Rom.  Erst  im 
Herbst  d.  J.  38  kehrte  er  über  Alexandria  nach  Palästina  zurück, 
um  die  Angelegenheiten  seines  Reiches  zu  ordnen  "). 

Bald  darauf  erhielt  er  durch  kaiserliche  Gunst  noch  bedeuten- 
den Gebietszuwachs.  Es  ist  oben  (S.  448)  bereits  erzählt  worden, 
wie  Herodes  Antipas  im  J.  39  durch  eigene  Schuld  seiner  Te- 
trarchie verlustig  ging  und  Caligula  dieselbe,  doch  wahrscheinlich 
erst  im  J.  40,  ebenfalls  dem  Agrippa  schenkte. 

Im  Herbste  dieses  Jahres  finden  wir  Agrippa  abermals  in  Rom 
(oder  Puteoli),  wo  er  durch  seine  Fürsprache  es  dahin  brachte, 
dass  Caligula,  wenigstens  eine  Zeit  lang,  von  dem  Verlangen  nach 
Aufstellung  seiner  Statue  im  Tempel  zu  Jerusalem  abstand  (s.  oben 


denn  er  wird  noch  nach  dem  Todo  des  Tiberius  erwähnt,  Antt.  XVIII,  (5,  10. 
Vgl.  über  ihn  oben  S.  330  f.  —  Josephus'  nennt  ihn  au  beiden  Stellen  (pvXa^ 
Tfli  n6?.ewi.  lieber  andere  griechische  Bezeichnungen  des  praefechis  urbi  s. 
Mominsen,  Rom.  Staatsrecht  II,  2,  981. 

12)  A»U.  XVIII,  6,  5. 

13)  xQÖfOv  iyyevofitvov  (Antt.  XVIII,  0,  6),  woraus  Wieseler  vier  Jahre 
macht.    S.  Beweis  d.  Glaubens  1870,  S.  169. 

14)  Antt.  XVIII,  6,  6—7.    R  J.  II,  9,  5. 

16)  PhUo  in  Flaccum  5}  6,  ed.  Mang.  II,  523.  Vgl.  oben  S.  4(^2.  Die  Vei- 
leihuDg  geHchaii  nicht  durch  den  Kaiser,  sondern  durch  den  Senat,  s.  Philo  l.  c. : 
ßaadia  tcal  iplkov  KulaaQoq  xal  vno  r^c  'PwftaltDv  ßovlijg  xtxifirjulvov  axQd- 
TTjytxfxlf  TiftaTg. 

16)  Antt.  XVIII,  ö,  10.  B.  J.  II.  9,  0.  Philo  in  FInrrum  i  f)  liiit.  cd. 
Manif.  II,  r>20«7.  IHo  Casa.  LIX,  8.  —  Aus  der  Insclirift  zu  Kl-Mimchennef 
(bei  IjC  Hau  et  Waddington,  lTisrn)diou.<i  (hrcqtirs  et  iMtinen  t.  III,».  2211) 
Nchen  wir,  daMH  »ich  Agrippa's  Gebiet  bis  jenseits  des  llaurAn  erstreckte. 

17)  Antt.  XVIII,  (J,  11.  Philo  in  Fl.  §  6,  ed.  Mang.  TT,  B21.  Vgl.  oben 
8.  448  und  409. 


[462.  463]         §  18.    Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41—44  n.  Chr.).  553 

S.  505).  Er  blieb  dann  in  der  Umgebung  Caligula's;  war  auch  in 
Rom  anwesend,  als  sein  Gönner  am  24.  Januar  41  von  Chärea  er- 
mordet wurde;  und  trug  nicht  wenig  dazu  bei,  dass  der  schwache 
Claudius  den  Thron  der  Cäsaren  bestieg  1^).  Selbstverständlich 
war  er  nicht  der  Mann,  solche  Dienste  unentgeltlich  zu  leisten. 
Der  neue  Kaiser  musste  ihm  zum  Lohne  dafür  nicht  nur  die  bis- 
herigen Besitzungen  bestätigen,  sondern  auch  noch  Judäa  und 
Samaria  dazu  verleihen,  so  dass  er  nun  das  ganze  Reich  seines 
Grossvaters  in  seiner  Hand  vereinigte.  Ausserdem  erhielt  er  con- 
sularischen  Kang.  Zui'  Besiegelung  der  Schenkung  wurde  nach 
alterthümlicher  Sitte  ein  feierliches  Bündniss  auf  dem  Forum  ge- 
schlossen, die  Schenkungsurkunde  aber  in  eherne  Tafeln  eingegi-aben 
und  auf  dem  Capitolium  aufgestellt  ^^). 

IL 
Die  erste  Handlung,  mit  welcher  sich  Agrippa  bei  seiner  Rück- 
kehr in  Palästina  einführte,  ist  bezeichnend  für  den  Geist,  in 
welchem  er  fortan  die  Regierung  seines  Reiches  führte.  Es  war 
eine  That  der  Frömmigkeit.  Die  goldene  Kette,  welche  ihm  Cali- 
gula  bei  seiner  Befreiung  aus  dem  Gefängniss  verliehen  hatte,  hing 

18)  Antt.  XIX,  1—4.  B.  J.  II,  11.  Ueber  die  Vorgänge  bei  der  Thron- 
besteigung des  Claudius  s.  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  III,  2786  f. 

19)  Antt.  XIX,  5,  1.  B.  J.  U,  11,  5.  Dio  Cass.  LX,  8.  Josephus  drückt 
sich  so  aus,  als  ob  dem  Agrippa  die  Tetrarchie  des  Lysania.s  jetzt  neu  verliehen 
worden  wäre.  Da  er  aber  diese  schon  durch  Caligula  erbalten  hatte,  so  kann 
es  sich  nur  um  eine  Bestätigung  handeln.  Höchst  wahrscheinlich  hat  in  der 
Quelle  des  Josephus  gestanden,  dass  Agrippa  durch  die  Gunst  des  Claudius 
ausser  dem  ganzen  grossväterlichen  Reiche  auch  noch  die  Tetrarchie  des  Ly- 
sanias  besass.  —  Die  Schliessung  des  Bündnisses  ist  auf  einer  Münze  abge- 
bildet, deren  Umschrift  zwar  nicht  mehr  vollkommen  lesbar  ist,  auf  welcher 
aber  jedenfalls  von  einer  avfi/.taxia  des  Königs  Agrippa  mit  dem  römischen 
Senate  und  Volke  {ovvxXtjtoq  xal  örj/aog  'Pwiuaiwvj  die  Rede  ist.  S.  bes.  Rei- 
chard t  in  der  Numismat.  Zeitschr.  von  Huber  und  Karabacek  III,  1871, 
S.  83 — 88.  Mommsen  ebendas.  S.  449  f  Madden,  Numismatie  Chronicle 
1875,  p.  69—76.  Madden,  Coins  of  the  Jeus  1881,  p.  136  sj.  (unter  den  von 
Madden  hier  mitgetheilten  sechs  verschiedenen  Lesungsversuchen  ist  der  von 
Mommsen  der  glücklichste).  —  Dass  Claudius  überhaupt  ein  Freund  solcher 
alterthümlicher  Bündnisse  war,  sagt  Stmton.  C/aud.  25:  Cum  regibus  foedus  in 
foro  icit  porca  caesa  ac  vetere  fetialiiim  praefatione  adhibita. 

Auf  eine  Rückkehr  Agrippa's  I  oder  II  (möglicherweise"  die  damalige  des 
Agrippa  I)  bezieht  sich  die  Inschrift  von  El-Muschennef  bei  Le  Bas  et  Wad- 
dington, InsGriptions  Grecques  et  Latines  t.  III,  n   2211: 

'^YneQ  awxTiQlaq  xvgiov  ßaai- 

Xstuq  lAyQlTCTca  xal  inavoSov  xa- 

r*  fi'Xfjv  dioQ  xal  nuxglov  (?)..., 

Ofxovotag  xöv  oixov  loxoSö/nUjOSv]. 


554  §  18.   Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41-44  n.  Chr.).         [463.  464] 

er  „zum  Andenken  an  sein  früheres  Unglück  und  als  Zeugniss  der 
Umwandlung  zum  Bessern  innerhalb  des  Tempels  über  der  Schatz- 
kammer auf,  damit  sie  ein  Beweis  sei,  sowohl  dafür  dass  das 
Grosse  fallen  |  könne,  als  dafür,  das  Gott  das  Gefallene  wieder 
aufrichte"  ^o).  Zugleich  brachte  er  Dankopfer  dar,  „indem  er  keine 
Vorschrift  des  Gesetzes  ausser  Acht  liess",  und  bestritt  für  eine 
grosse  Anzahl  Nasiräer  die  Kosten,  welche  die  Erfüllung  ihres 
Gelübdes  erheischte  ^ '). 

Mit  solchen  Thaten  begann  der  einstige  Abenteurer  die  neue 
Regierung;  und  derselbe  Ton  klingt  fort  durch  die  drei  Jahre, 
während  deren  ihm  noch  zu  leben  und  zu  regieren  vergönnt  war. 
Es  waren  wieder  goldene  Tage  für  den  Pharisäismus;  ein  neues 
Zeitalter  der  Alexandra.  Darum  sind  auch  Josephus  und  der  Tal- 
mud einstimmig  in  der  Verkündigung  seines  Lobes.  „Gern  und 
fortwährend  wohnte  er  zu  Jerusalem  und  hielt  pünktlich  die  väter- 
lichen Satzungen.  Sein  Leben  war  tadellos  rein,  und  kein  Tag 
verging  ihm  ohne  das  gesetzliche  Opfer".  So  rühmt  Josephus  ^2); 
und  der  Talmud  weiss,  dass  er  wie  ein  einfacher  Israelite  eigen- 
händig die  Erstlinge  zum  Tempel  hinauftrug  ^^j.  Auch  nach  aus- 
wärts vertrat  er  die  Forderungen  des  Judenthuras.  Als  einst  in 
der  phönicischen  Stadt  Dora  eine  Anzahl  junger  Leute  eine  Bild- 
säule des  Kaisers  in  der  jüdischen  Synagoge  aufstellten,  erwirkte 
er  beim  Statthalter  von  Syrien  P.  Petronius,  dass  nicht  nur  für 
die  Zukunft  solcher  Gräuel  strenge  verboten,  sondern  auch   die 


20)  Antt.  XIX,  6,  1.  —  Die  goldenen  Ketten,  welche  nach  Mischna  Mid- 
doth  III.  8  an  der  Decke  der  Terapelvorhalle  hingen,  haben  damit  schwerlich 
etwaH  zu  thun  (gegen  Derenbourf/  p.  209). 

21)  Antt.  XIX,  6,  1. 

22)  Antt.  XIX,  7,  3:  ^Höela  yoiv  avttp  öiana  xal  avvfyjjg  iv  xoiq'^leQoao- 
Xvfioif  i]v,  xal  rä  narpta  xa&apwg  iiijQfi.  Jiä  naatji  yovv  uvxbv  riytv  ayvelag, 
oi'di  Tjfiipa  Tig  nagtaötvev  avzw  tjJc  vofxlßrjg  x^Qfvovaa  &volag.  —  Statt  t^? 
vofilfiTjf  (80  die  Epitnme,  unterstützt  durch  Vet.  JmI.:  hostiis  viduala  soUemnibtts) 
haben  unsere  drei  Handschriften  r«  vo/xi/ua,  ebenso  die  älteren  Ausgaben. 
Hudson,  Havercamp,  Obertiiür  lesen  xfig  vofxl/jiTjg,  Dindorf  und  l^ckker  haben 
en  ganz  gestrichen  (was  schon  Hudson  als  möglich  andeutet,  weil  za  vontfxa 
gleich  im  Folgenden  vorkommt),  Niese    xä  vofxtfja,  Naher  xfjg  vofxl/urjg. 

23)  Mischna  Iiikknrim  III,  4:  Wenn  der  Zug  mit  den  Erstlingen  der 
Feldfrüchte  an  den  Tempelberg  gelangte  „nahm  ein  Jeder,  selbst  König 
Agrippa,  Keinen  Korb  auf  die  Schulter  und  zog  hinauf,  bis  er  in  den  Vor- 
hof kam  etc."  —  Hier,  wie  überhaupt  bei  den  rabbinischen  Traditionen,  ist 
freilich  nicht  sicher,  ob  Agrippa  I  oder  II  gemeint  ist.  —  Ueber  die  Feier- 
lichkeiten bei  Darbringung  dc^r  Erstlinge  n.  axiHmr  Mi.sc/ifia  BUdurim  III,  1— !• 
auch  riiilo's  Tra<;tat  de  fentu  cMphitn  (upp.  ed.  liiclUer  V,  48—50  -  TLschcmhr/, 
Phiioma  p.  09—71),  (irätz,  Monatsschr.  1877,  8.  43311".  und  überhaupt  die  in 
Bd.  II,  8.  241)  gcDaDDte  Literatur. 


[4G4.  465]         §  18.   Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41—44  n.  Chr.).  555 

Schuldigen  zur  Rechenschaft  gezogen  wurden  -*).  Und  als  er  seine 
Tochter  Drusilla  mit  Kpiphanes,  dem  Sohne  des  Königs  Antiochus 
von  Kommagene  verlobte,  musste  ihm  jener  geloben,  die  Beschnei- 
dung anzunehmend^).  Um  solcher  Frömmigkeit  willen  genoss  er 
denn  auch  die  volle  Zufriejdenheit  des  von  den  Pharisäern  geleiteten 
Volkes;  was  sich  in  glänzender  Weise  zeigte,  als  er  im  J.  41  am 
Laubhüttenfest  nach  alter  Sitte  das  Deuteronomium  vorlasse)  und 
bei  der  Stelle  „Du  sollst  keinen  Fremdling  als  König  über  dich 
setzen,  der  nicht  dein  Bruder"  {Deut.  17,  15)  in  Thränen  ausbrach, 
weil  er  sich  davon  getroffen  fühlte.  Da  rief  das  Volk  ihm  zu: 
„Sei  nicht  bekünmiert,  Agrippa!  Du  bist  unser  Bruder!  Du  bist 
unser  Bruder!"  -'). 

Die  sorgfältige  Beobachtung  pharisäischer  Satzungen  scheint 
aber  nicht  der  einzige  Grund  seiner  Popularität  gewesen  zu  sein. 
Man  wird  ihm  auch  eine  gewisse  natürliche  Gutmüthigkeit  zuge- 
stehen müssen.  Josephus  wenigstens  schreibt  ihm  ein  gütiges  Wesen 
und  unbegrenzte  Wohlthätigkeit  zu-^).  Dass  er  für  geleistete 
Dienste  erkenntlich  war,  beweist  die  Ernennung  des  Silas,  eines 
treuen  Gefährten  seiner  früheren  Abenteuer,  zum  Oberbefehlshaber 
seiner  Truppen -^^j.  Freilich  nmsste  er  mit  diesem  Silas  üble  Er- 
fahrungen machen,  indem  er  von  ihm  häufig  in  unzarter  Weise  an 
das  frühere  Elend  und  die  geleisteten  Dienste  erinnert  wurde.    Um 


24)  ÄnU.  XIX,  6,  3. 

25)  Antt.  XX,  7, 1.  —  Epiphanes  weigerte  sich  später,  das  Versprechen  aus- 
zuführen, weshalb  es  nicht  zur  Hochzeit  kam. 

26)  Am  Schlüsse  jedes  Sabbathjahres,  d.  h.  im  Beginn  des  8.  Jahres,  musste 
am  Laubhüttenfest  das  Deuteronomium  gelesen  werden  {Deut.  31,  10  ff.  Sota 
VII,  8).  Da  nun  das  Jahr  68/69  ein  Sabbathjahr  war  (s.  oben  S.  35),  so  war 
auch  das  Jahr  40/41  ein  solches,  und  zwar  nur  dieses  während  Agrippa's  Re- 
gierung.   Demnach  fallt  jenes  Ereignis»  in  d.  J.  41. 

27)  M.  Sota  VII,  8.  Die  Aeusserung  des  Volkes  lässt  sich  auch  nach 
streng-pharisäischen  Begriflfen  rechtfertigen;  denn  wenn  Edomiter  (Idumäerj 
zum  Judenthum  übertraten,  so  wurden  deren  Nachkommen  schon  im  dritten 
Gliede  israelitische  Vollbürger  {Deut.  23,  8—9).  —  Hitzig  (II,  571)  bezieht 
die  Erzählung  auf  Agrippa  II,  und  Brann  (Monatsschr.  f.  Gesch.  und  Wissensch. 
des  Judenth.  1870,  S.  541 — 548)  giebt  sich  viel  Mühe,  die  Richtigkeit  dieser 
Beziehung  zu  beweisen;  während  die  Meisten  (s.  d.  Verzeichniss  bei  Braun 
S.  541)  Agrippa  I  vorziehen;  und  mit  Recht.  Denn  entschiedene  Pharisäer- 
freundschaft ist  von  Agrippa  I  weit  mehr  bezeugt,  als  von  seinem  Sohne.  Für 
Agrippa  II  wieder:  Büchler,  Die  Priester  und  der  Cultus  im  letzten  Jahr- 
zehnt des  jerusalemischen  Tempels  (Wien  1895,  Jahresber.  der  israelit.-theol. 
Lehranstalt)  S.  14  f. 

28)  Antf.  XIX,  7,  3:  ÜQavg  6  zponog  'AyQinna,  xal  UQÖq  nävzaq  x6  ev- 
sgysTixov  ofioiov. 

29)  Antt.  XIX,  6,  3. 


556  §  18-   Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41—44  n.  Chr.).         [465.  466] 

den  lästigen  Schwätzer  los  zu  werden,  niusste  Agrippa  ihn  in's 
Gefängniss  bringen  lassen.  Ein  neuer  Beweis  seiner  Gutniüthig- 
keit  war  es  aber,  dass  er  bei  der  nächsten  Feier  seines  Geburts- 
tages den  Gefangenen  rufen  Hess,  damit  er  an  den  Freuden  des 
Gelages  Theil  nehme;  allerdings  ohne  Erfolg,  denn  Silas  wollte 
von  Gnade  nichts  wissen  und  musste  darum  im  Gefängniss  bleiben  ^o). 
Seine  Sanftmuth  bewies  Agrippa  einst  dem  Pharisäer  Simon  ^0>! 
der  in  des  Königs  Abwesenheit  eine  Volksversammlung  in  Jeru- 
salem berufen  und  den  König  wegen  Gesetzesübertretung  ange- 
klagt hatte.  Agrippa  erhielt  davon  Nachricht  in  Cäsarea,  Hess- 
den  Simon  zu  sich  kommen,  im  Theater  neben  sich  sitzen  und 
sprach  zu  ihm  ruhig  und  sanft:  „Sage  mir  doch,  was  geschieht 
hier  Ungesetzliches?"  Beschämt  blieb  der  Schriftgelehrte  die  Ant- 
wort schuldig  und  wurde  vom  König  mit  Geschenken  entlassen^-). 
Zu  einer  pharisäisch-nationalen  Politik  gehörte  auch  Locke- 
ning  des  Abhängigkeitsverhältnisses  von  Eom.  Und  auch  hierin 
machte  Agrippa  wenigstens  ein  paar  schüchterne  Versuche.  Um 
die  Hauptstadt  Jerusalem  stärker  zu  befestigen,  begann  er  im 
Norden  der  Stadt  eine  neue  gewaltige  Mauer  zubauen,  die  nach 
Josephus'  Ansicht,  wenn  sie  vollendet  worden  wäre,  die  Stadt  un- 
einnehmbar gemacht  haben  würde.  Aber  leider  konnte  das  Werk 
nicht  zu  Ende  geführt  werden,  da  der  Kaiser  auf  Anrathen  des 
syrischen  Statthalters  Marsus  Einsprache  dagegen  erhob  ^'•^).  Noch 
bedenklicher  für  Rom  war  die  Fürstenversammlung,  welche  Agrippa 
bald  darauf  nacli  Tiberias  einlud.  Nicht  weniger  als  fünf  römische 
Vasallenfürsten:  Antiochus  von  Kommagene,  Sampsigeram  von 
Emesa,  Kotys  von  Klein- Armenien,  Polemon  von  Pontus  und 
Herodes  von  Chalkis  fanden  sich  zum  Besuche  bei  Agrippa  ein. 
Aber  auch  dieses  Unternehmen  wurde  von  Marsus  gestört.  Der 
.syrische  Statthalter  erschien  ebenfalls  in  Tiberias  und  liiess  die 
übrigen  Gäste  unverzüglich  nach  Hause  gehen  ^^).  | 

30)  Ana.  XIX,  7,  1. 

31)  Frankel,  Parke  ha-Mischna p.b8 sq.  hält  ilin  für  identisch  mit  Simon, 
dem  angeblicben  Sohne  Hiilel's  und  Vater  Gamulicl'H  I.  Aber  die  Existenz 
dieses  Simon  int  mehr  als  fragliel»  (s.  Bd.  II,  S.  364);  überdioH  würde  luuli  die 
Chronologie  nieht  stimmen,  da  Qamaliel  I  schon  vor  der  Zeit  Agrippa's  Sehul- 
haupt  war  (Act.  6,  34). 

82)  Anit.  XIX,  7,  4. 

33)  Anit.  XIX,  7,  2.  B.  J.  II,  11,  0.  V,  4,  2.  Vgl.  uucii  Derenbourg 
p.  218  f.  Die  ursprüngliehe  Nadisieht  des  KaiHcrs  gegen  den  Bmi  scheint 
Agrippa  durch  HeHlechung  scüner  llutiigcbcr  erliauft  zu  lud)en.  Vgl.  'farit.  Hist. 
V,  12:  per  avnritiam  ClawUdnoruvi  tanjiorum  nnplo  jure  vmniriuH  slnixere 
tnuroa  in  pacc  tamquam  ad  bellum. 

34)  Antt.  XIX,  8,  1.  —  Die  genannten  fünf  Könige  sind  alle  auch  sonst 
liekannt.    Wir  xtellen  das  Wesentliche  über  sl«^  hier  zusammen: 


[467]  §  18.   Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41—44  n.  Chr.).  557 

Eine  nothwendige  Consequenz  seiner  jüdischen  Politik  war 
es  endlich,  dass  der  sonst  gutniüthige  König  zum  Verfolger  der 

1)  Ueber  die  Dynastie  von  Kommagene  s.  die  oben  S.  178f.  genannte 
Literatur.  Im  J.  17  nach  Chr.  war  Kommagene  zur  römischen  Provinz  Syrien 
geschlagen  worden  [Tac.  Annal.  II,  42.  56);  im  J.  38  schenkte  es  Caligula  dem 
Antiochus  IV  {Dio  Cass.  LIX,  8),  der  zwar  später  von  Caligula  wieder  abge- 
setzt, aber  von  Claudius  im  J.  41  aufs  Neue  eingesetzt  wurde  (Dio  Cass.  LX,  8. 
Joseph.  Antt.  XIX,  5,  1)  und  nun  bis  72  n.  Chr.  regierte.  Er  wird  erwähnt 
Tac.  Ann.  XII,  55.  XIII,  7.  37.  XIV,  26.  Nach  Tac.  Eist.  II,  81  war  er  re- 
tiistis  opibus  ingens  et  mservtentium  regum  ditissimus.  Zum  jüdischen  Kriege 
unter  Nero,  Vespasian  und  Titus  stellte  er  wiederholt  Hülfstruppen   [Joseph. 

B.  J.  II,  18,  9.  III,  4,  2.  V,  11,  3).  Die  Geschichte  seiner  Absetzung  wird 
von  Josephus  ausführlich  erzählt  {B.  J.  VII,  7,  1—3).  —  Durch  die  Verlobung 
seines  Sohnes  Antiochus  Epiphanes  mit  Drusilla,  der  Tochter  des  Königs 
Agrippa,  sollten  verwandtschaftliche  Beziehungen  zwischen  beiden  Königen 
augeknüpft  werden  [Jos.  Antt.  XIX,  9,  11  Es  kam  aber  nicht  zur  Heirath, 
da  der  kommagenische  Prinz  sich  weigerte,  die  Beschneidung  anzunehmen 
{Jos.  Antt.  XX,  7,  1). 

2)  Ueber  die  Dynastie  von  Emesa  s.  Marquardt,  Römische  Staats- 
verwaltung I,  1881,  S,  403f.  —  Ein  Sampsigeram  wird  schon  zur  Zeit  des 
Pompejus  und  Caesar  erwähnt.  Ein  Nachkomme  von  ihm  ist  ohne  Zweifel  der 
an  unserer  Stelle  [Jos.  Antt.  XIX,  8,  1)  erwähnte,  dessen  Tochter  Jotape  den 
Aristobul,  den  Bruder  des  Königs  Agrippa  heirathete  [Jos.  Antt.  XVIII,  5,  4). 
Er  ist  wohl  auch  gemeint  auf  der    römischen  Inschrift   eines  Freigelassenen: 

C.  Julio  rcgis  Samsicerami  l[iberto)  Qlago  [Revue  archeol.  3.  Serie,  t.  37,  1900, 
p.  491).  —  Sein  Nachfolger  war  Azizus,  der  sich  mit  Drusilla,  der  Tochter 
Agrippa's,  verheirathete  {Jos.  Antt.  XX,  7,  1).  —  Diesem  folgte  im  J.  54  n.  Chr. 
sein  Bruder  Soemus  {Antt.  XX,  8,4),  der  in  den  Jahren  66 — 72  den  Römern 
wiederholt  Hülfstruppen  zuführte  [Jos.  B.  J.  II,  18,  9.  III,  4,  2.  Taeit.  Eist. 
II,  81.  Jos.  B.  J.  VII,  7,  1).  —  Unter  Domitian  wurde  Emesa  römisch;  der 
Name  Sampsigeram  {J^anaiyt^afioq)  kommt  aber  noch  in  einer  Inschrift 
vom  J.  78/79  n.  Chr.  daselbst  vor  {Le  Bas  et  Waddington,  Inseriptions  t.  III, 
«.2567,  neue  Copie  in:  Jahreshefte  des  österreichischen  archäol.  Institutes,  III, 
1900,  Beiblatt  col.  26),  auch  noch  im  J.  182/183  n.  Chr.  in  dortiger  Gegend 
[Waddington  n.  2564).  Er  ist  =  aram.  B"iS\!:att3,  de  Vogüe,  Syrie  Centrale,  In- 
seriptions p.  54  {n.  75).  Müller,  Wiener  Zeitschr.  für  die  Kunde  des  Morgen- 
landes VI,  1892,  S.  318. 

3)  Ueber  Kotys  von  Klein-Armenien  s.  Marquardt  I,  369,  Prosopographia 
imperii  Romani  I,  477.  Er  war  ein  Bruder  des  gleich  zu  nennenden  Königs 
Polemon  II  von  Pontus,  und  erhielt  sein  Reich  gleichzeitig  mit  diesem  durch 
die  Gunst  Caligula's  38  n.  Chr.  (Inschr.  von  Kyzikus,  s.  unten,  und  Dio  Cass. 
LIX,  12\  Tacitus  erwähnt  ihn  im  J.  47  n.  Chr.  {Annal.  XI,  9).  —  Im  J.  .54 
wurde  Klein-Armenien  durch  Nero  dem  Aristobul,  dem  Sohne  des  Herodes 
von  Chaleis  verliehen  (s.  unten  Beilage  I). 

4)  Die  Dynastie  der  Könige  von  Pontus  iu  der  römischen  Zeit  geht  auf 
den  Rhetor  Zeno  von  Laodicea  zurück,  der  sich  beim  Einfall  der  Parther 
und  des  Labienus  um  die  römische  Sache  verdient  gemacht  hatte  {Strabo  p.  660). 
Wie  es  scheint  zum  Dank  dafür  wurde  sein  Sohn  Polemon  von  Antonius 
zum  König  gemacht  {Strabo  p.  578).    Er  erhielt  zuerst  ein  Stück  von  Cilicien 


558  §  18-   Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41—44  n.  Chr.).  [467] 

jungen  Christengemeinde,  insonderheit  der  Apostel  wurde.    Jako- 
bus der  Aeltere,   Zebedäi  Sohn,  wurde   durch  ihn  zum  Märtyrer, 


[Appian.  Giv.  V,  75) ;  einige  Jahre  später  das  Königreich  Pontus  {Dio  Cass. 
XLIX,  25);  im  J.  33  auch  Klein-Armenien  [Dio  Cass.  XLIX,  33.  44).  Unter 
Augustus  wurde  er  als  König  von  Pontus  bestätigt  {Dio  Cass.  LIII,  25)  und 
erhielt  im  J.  14  auch  den  Bosporus  {Dio  Cass.  LIV,  24).  Er  wird  von  den 
Schriftstellern  auch  sonst  erwähnt  (s.  Prosopogr.  imp.  Rom.  III,  57  sq.;  auch 
Mommsen,  Ephemeris  epigr.  I,  274  sq.).  Als  er  um  d.  J.  8  vor  Chr.  gestorben 
war,  folgte  ihm  seine  Gemahlin  Pythodoris  in  der  Regierung  (s.  über  diese 
Mommsen,  Ephemeris  epigr.  I,  270 — 276.  Prosopogr.  imp.  Rom.  III,  111  sg.). 
Nach  einer  von  Mommsen  a.  a.  O.  besprochenen  Inschrift  von  Smyrna  war 
Pythodoris  die  Tochter  einer  Antonia,  also  vermuthlich  Enkelin  des  Tri- 
umvir's  M.  Antonius.  Ihr  Vater  war  Pythodorus,  ein  reicher  Bürger  von 
Tralles  {Strabo  p.  555  sq.  649).  Die  weitere  Genealogie  der  Familie  lässt  sich 
mit  Hülfe  der  beiden  von  Curtius  herausgegebenen  Inschriften  auf  einem  Ehren- 
denkmal der  Kyzikener  für  Antonia  Tryphaena,  die  Tochter  des  Polemon  I 
und  der  Pythodoris  (Monatsberichte  der  Berliner  Akademie  1874,  S.  7 — 20) 
folgendermassen  herstellen: 

Zeno  Antonia  verm.  mit  Pythodorus 

I  I 

Polemon  I  verm.  mit   Pythodoris 


Zeno  von 
Gross-Armenien  Antonia  Tryphaena  verm.  mit  Kotys  von  Thracien 

Tac.  Ann.  II,  56.  | 

^ ^1^^  .      — ,  ■     ■    „  , s 

Rhoemetalkes  Polemon  II  Kotys  von 

von  Thracien  von  Pontus  Klein-Armenien. 

und  Bosporus 
Vgl.  hierzu  bes.  Mommsen,  Ephemeris  epigraphica  II,  250 — 263;  auch 
Ramsay,  The  cities  and  bishoprics  of  Phrygia  I,  1895,  p-  42—46.  —  Pole- 
mon II  war  hiernach  nicht,  wie  Dio  Cass.lAX,  12  angiebt,  der  Sohn,  sondern 
der  Enkel  Polcnion's  I,  und  Tryphaena  niclit,  wie  man  früher  auf  Grund 
der  Münzen  angenommen  hat,  seine  Frau,  sondern  seine  Mutter  (vgl.  über  sie 
Prosopogr.  imp.  Rom.  I,  108  sq.;  ohne  Nennung  des  Namens  erwülint  sie  Strabo 
p.  556;  in  den  Acta  Pauli  et  Theclac  c.  36  kommt  eine  Königin  Tryphaena 
eine  Verwandte  des  Kaisers  vor;  offenbar  hat  der  Verf  unsere  Tryphaena  im 
Sinne,  die  durch  ihre  Grossmutter  Antonia  mit  dem  kaiserlichen  Hause  ver- 
wandt war,  H.  die  Genealogie  bei  Mommsen,  Ephemeris  II,  263).  —  Ueber 
Polemon  II  vgl.  MoraniHen,  E/thcmeris  II,  259  «7.  Prosop  imp.  Rom.  III,  50 
(hier  auch  die  Literatur  über  seine  Münzen,  zu  welcher  noch  liinzuzu- 
fügen  Bind:  Calalogue  of  (he  grrrk  coins  in  tlie  lirit,  Mus.,  Pontus,  Paphing.  de. 
1HS9,  p.  46«J.  Revue  Numismatique  1897,  p.  280.  Zeitschr.  für  Numismatik  XX, 
1807,  Ö.aü7— 2ÖÜ).  DieAuHführuiigen  von  Gutflchmid  über  Polemon  II  (Khein.Mus. 
18«4,  ö.  174-179  —  Kleine  Schriften  II,  351-357)  sind  jetzt  mehrfach  zu  berich- 
tigen. —  Nach  der  zweiten  Insdirift  auf  dem  Ehrendcnkiual  d(T  Kyzikciior  hat 
Caligula  die  drei  Söhne  der  Antonia  'rrypiiacna  in  ilirc  vätcrlidicn  Reiche 
eingesetzt.  Da  nach  den  Münzen  das  17.  Jalir  des  Polemon  II  gleieii  .^)4  n.(viir., 
•o  wurde  er  im  J.  38  n.  Chr.  Künig.  Vgl.  Dio  Cass.  LIX,  12.  Statt  des 
BotponiH  erhielt  er  (indem  er  Pontu«  belnclt)  im  J.  41  einen  Theil  von  Ci- 
Helen    (Diu  Ca$a.    lA'    h   ,b,l„.r  Jos.  Anit.  XX,  7,  3   Kiktxlag  ßaatXtvq).     Nero 


[4G7]  §  18.    Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41—44  a.  Chr.).  5^9 

und  Petrus  entging  nur  durch  ein  Wunder  seinen  Händen  ^^j.  — 
Uebrigens  war  er  nicht  nur  ein  Feind  der  Christen.  Auch  die 
heidnischen  Städte  seines  Gebietes  hassten  ihn  wegen  seiner  jüdi- 
schen Politik,  wie  der  unverhohlene  Jubel,  mit  welchem  die  Cäsa- 


gab  ihm  im  J.  GO  auch  einen  Theil  von  Kleiu-Armenien  (Tac.  Ann.  XIV,  26). 
Bald  darauf,  63  n.  Chr.,  wurde  das  Königreich  Pontus  concedente  Polematie 
römische  Provinz  (Sueton.  Nero  18,  über  das  Jahr:  Marquardt  I,  360).  Die  Be- 
zeichnung növToq  lloXeßfovtaxöq  hat  sich  aber  noch  lange,  bis  in's  byzantinische 
Mittelalter,  erhalten  {Ptolem.  V,  6,  4  u.  10;  Corp.  Inscr.  Lat.  III  n.  291  = 
Suppl.  n.  6818  [hier  Pontus  Polemoniantis] ;  Hierocles,  Synecdemus  ed.  Biirckhardt 
1893  p.  34 ;  die  Notitiae  episcopatuum  bei  Geizer,  Abhandlungen  der  Münchener 
Akademie,  I.  Cl.  XXI.  Bd.  III.  Abth.  1900,  S.  539,  554,  569,  585).  Die  von 
Manchen  aus  Tacit.  Hist.  III,  47  gezogene  Schlussfolgerung,  dass  Polemon  im 
J.  69  n.  Chr.  bereits  todt  gewesen  sei,  ist  nicht  begründet.  Er  hat  jedenfalls 
zur  Zeit  Galba's  noch  gelebt  und  in  einem  Theil  von  Cilicien  regiert  (Münze 
aus  der  Zeit  Galba's,  in  Cilicien  gefunden,  mit  der  Aufschrift  IloXsfuwv  ßaai- 
Afv?,  mitgetheilt  von  Prou,  Melanges  d'archeologie  et  d' histoire  VI,  1886, 
p.  284 — 286;  ein  anderes  Exemplar  in  der  Sammlung  Waddington's,  Retue 
Numismatique  1898,  p.  175  [hier  M.  Avx.  llole/xcDV  ßaailfvg];  über  eine  andere 
cilicische  Münze  Polenion's  s.  Marquardt  I,  386;  Prosop.  imp.  Botn.  III,  59; 
Hill,  Numismatic  Chronicle  1899,  p.  186).  Nur  eine  kurze  Episode  in  seinem 
Leben  war  seine  Elie  mit  Berenike,  der  Tochter  Agrippa's  I,  die  ihn  selbst 
zur  Heirath  beredete,  nachdem  sie  seit  dem  Tode  ihres  zweiten  Gemahles, 
des  Herodes  von  Chalkis  (f  48  n.  Chr.),  lange  Zeit  Wittwe  gewesen  war.  Pole- 
mon entschloss  sich  zur  Heirath  hauptsächlich  um  ihres  Reichthums  willen, 
und  nahm  zu  diesem  Zwecke  sogar  die  Beschneidung  an.  Als  aber  Berenike 
nach  kurzer  Zeit  ihn  wieder  verliess,  gab  er  auch  die  jüdischen  Sitten  wieder 
auf  (Jos.  Antt.  XX,  7,  3).  Da  Josephus  ihn  bei  Gelegenheit  dieser  Heiratii 
nur  als  Kihxlaq  ßaotXevg  bezeichnet,  fallt  dieselbe  wohl  erst  nach  63  n.  Chr., 
als  Polemon  das  Königreich  Pontus  nicht  mehr  besass.  —  Ein  Nachkomme 
von  ihm  ist  möglicherweise  der  durch  Münzen  bekannte  M.  Antonius  Pole- 
mon, Dynast  von  Olbe  in  Cilicien  {dvvdoTTjg  'Okßiwv,  s.  Prosop.  imp).  Rom  I, 
103),  welchen  Viele  in  die  Zeit  des  Triumvir  M.  Antonius  setzen  (so  noch 
Marquardt  I,  385  f  Gardthausen,  Augustus  und  seine  Zeit  II,  1,  S.  124  f. 
Hennig,  Symbolae  ad  Asiae  minoris  reyes  sacerdotes,  Diss.  lAps.  1893,  p.  26—49; 
Raillard,  Wiener  Numismat.  Zeitschr.  XXVII,  1895,  S.  23— 26;  Collection  Wad- 
dington, Revue  Numismatique  1S9S,  p.  174  [einige  von  diesen  identificiren  ihn 
mit  dem  Könige  Polemon  I  von  Pontus]);  gegen  diesen  Ansatz:  Mommsen, 
Ephemeris  epigr.  I,  275.  Eher  könnte  man  jenen  M.  Antonius  Polemon  identi- 
ficiren mit  dem  von  Strabo  p.  556  ohne  Nennung  des  Namens  erwähnten  Sohn 
des  Polemon  I  (so  Hill,  Numismatie  Chronicle  1899,  p.  181  —  207;  ders.  Catal. 
ofthe  greek  coins  in  the  Brit.  Mus.,  Lycaonia,  Isauria  and  Cilicia,  1900,  p.  LH  sqq. 
119  sqq.).  Ueber  die  Lage  von  Olbe  s.  Ramsay,  Historieal  geography  of  Asia 
Minor,  1890,  p.  364,  Heberdey  und  Wilhelm,  Reisen  in  Kilikien  (Denkschriften 
der  Wiener  Akademie,  phil.-hist.  Cl.  Bd.  44,  1896)  S.  84-91.  Hill,  Numis- 
matic Chronicle  1899,  p.  181. 

5)  Ueber  Herodes  von  Chalkis,    den  Bruder  Agrippa's  I,    s.  unten  Bei- 
lage I. 

35)  Ap.-Gesch.  12,  1—19. 


560  §  18.  Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41-44  n.  Chr.).  [467] 

reenser  und  Sebastener  die  Botscliaft  von  seinem  Tode  aufnalunen, 
beweist  3'^). 

Dass  Agrippas  pharisäische  Frömmigkeit  Herzenssache  war, 
ist  nach  seinem  früheren  Leben  mehr  als  unwahrscheinlich.  Wer 
fünfzig  Jahre  in  Schlemmerei  verbracht  hat,  von  dem  ist  nicht 
anzunehmen,  dass  er  am  Abend  seines  Lebens  aus  innerem  Trieb 
das  pharisäische  Joch  auf  sich  genommen  hat.  Ueberdies  haben 
wir  die  sichersten  Beweise,  dass  des  Königs  jüdische  Frömmigkeit 
nur  bis  an  die  G-renzmark  des  heiligen  Landes  reichte.  Jenseits 
derselben  war  er,  wie  sein  Grossvater,  ein  freigebiger  Förderer 
griechischer  Cultur.  So  wusste  namentlich  Berytus  viel  zu  er- 
zählen von  dem  heidnischen  Glänze,  den  er  dort  entfaltete.  Ein 
prachtvolles  Theater,  ein  Amphitheater,  Bäder  und  Säulenhallen 
Hess  er  auf  seine  Kosten  daselbst  errichten.  Zur  Einweihung  der 
Gebäude  wurden  Spiele  aller  Art  gefeiert,  unter  Anderem  im  Amphi- 
theater ein  Gladiatorenkampf,  bei  welchem  1400  Verbrecher  sich 
gegenseitig  abschlachten  mussten^'^).  Auch  in  Cäsarea  Hess  er 
Spiele  feiern  3^).  Ebendaselbst  standen  Bildsäulen  seiner  Töchter  3^). 
Auch  die  Münzen,  die  unter  Agrippa  s  Regierung  geprägt  sind, 
entsprechen  dem  bisher  geschilderten  Verhalten.  Nur  die  in  Jeru- 
salem geprägten  tragen  kein  Bildniss;  die  in  anderen  Städten  ge- 
prägten haben  theils  das  Bild  Agrippa's,  theils  das  des  Kaisers^").! 


3ü)  Antt.  XIX,  9,  1.  —  Die  Seßaartjvol  sind  Soldaten  aus  Samaria  (8e- 
baste),  welche  in  Cäsarea  in  Garnison  lagen.    Vgl.  oben  S.  402. 

37)  Antt.  XIX,  7,  5.  —  Die  Begünstigung  von  Berytus  erklärt  sich  daraus, 
dass  es  römische  Colonie  war.    Vgl.  oben  S.  411. 

38)  Antt.  XIX,  8,  2. 

39)  Antt.  XIX,  9,  1. 

40)  Vgl.  über  die  Münzen  Agrippa's  überhaupt:  Eckkel,  Doctr.  Num.Wl, 
491  »j.  —  Mionnet,  Deseription  de  mSdaitles  V,  5ü7 — 509.  —  Lenormant, 
Trisor  de  Numiamafique  p.  120  sg.  pl.  LX  n.  3—7.  —  Cavedoni,  Bibl.  Numis- 
matik I,  58  f.  01—04  (schreibt  alle  dem  Agrippa  IT  zu).  —  De  Saiilcy,  Uc- 
cherchcK  p.  lilsq.  —  Cavedoni,  Bibl.  Numismatik  II,  35 — 37.  —  Levy,  Gesch. 
der  jüd.  Münzen  8.  80  f.  —  Madden,  llistory  of  Jcivish  Coinatje  p.  103—111. 

—  De  Saulcy,  £lude  cfironolof/ü/tie  de  la  vie  et  des  nionnaies  des  rois  jiiifs 
Af/rippa  I  et  Af/rippa  II,  1809  (vgl.  oben  8.24).  —  Rcichardt  in  der  Wiener 
Numismat.  Zeituchr.  Bd.  III,  1871,  S.  83  fl".  —  Mommsen,  ebendas.  8.  449  fr. 

—  Madden,  Numismatic  Chronicle  1875,  p.  58—80.  —  Madden,  Coins  of  tfie 
Jews  1881,  p.  129—139.  —  8tickel,  Zoitschr.  des  deutsciu-n  Palästina- Vereins 
VII,  1884,  8.  213.  —  Am  häufigsten  sind  unter  den  Münzen  Agrippa's  die  bild- 
loMcn,  nur  mit  Kmblemen  (Sonnenscliirm?  und  drei  Achrcn)  vcrHehenen,  wolclie 
fHMt  ulle  die  Jahreszahl  VI  und  die  einfache  Aufsc-hrift  l>A(  Wi  'X  l)(  .AI  "j'll  )A 
tragen,  öie  sind  von  den  ältere«  NnmiHmatikern  dem  Agrippa  11  ziigesciiric- 
b<'n  worden,  wer«lcu  alMT  seit  dt"  Kaiilcy  W(fgen  ihres  Fundortes  Jerusalem  mit 
Ii«cht  dera  Agrippa  I  ziigetheilt.     I)i((  Existenz  von  Exemplaren  mit  anderen 


(468.  469]         §  18.    Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41—44  n.  Chr.).  561 

Die  Titulatur  Agrippa's  ist  dieselbe  wie  die  anderer  römischer 
Vasallenfürsteii  jener  Zeit.  Aus  einer  Inschrift  wissen  wir,  dass 
seine  Familie  in  die  gens  Julia  aufgenommen  war* 0;  und  aus  einer 
anderen,  dass  er  den  Titel  ßaoiXivg  fjtyag  fpiXoxatoaQ  evöeßi/g  xal 
^iXoQcofiaiog  führte  ^^j.    Aus  alledem  erhellt,  dass  seine  Zugeständ- 


jahreszahlen (V,  VIT,  VIII,  IX)  ist  sehr  fraglich.  Vgl.  bes.  de  Saulcy,  Ntt- 
mismatic  Chronicle  1871  p.  255:  »Tai  eneore  reeueilli  un  tris-gratid  nombre  de 
mannaies  d'  Agrippa  au  parasol,  cent  au  moins!  Toutes  Sans  exeeption  sont 
datees  de  l'an  VI.  Je  persiste  donc  plus  que  jamais  ä  nie  mefier  des  autres  dales 
qui  ont  eti  signalies.  —  Ausser  dieseu  eigenen  Münzen  Agrippa's  sind  unter 
seiner  Regierung  geprägt  worden:  1)  In  Cäsarea  am  Meere  {Kaioagia  t]  ngoq 
Seßaoid)  Xifxevi)  Münzen  mit  dem  Bilde  Agrippa's  und  der  Aufschrift  £aat- 
Xevq  fisyag  AyQinnaq  (piXoxaiaag.  2)  In  Cäsarea  Panias  Münzen  mit  dem 
Bilde  Caligula's  und  dem  (mehr  oder  weniger  defecten)  Namen  des  Kaisers, 
oder  auch  ohne  solchen.  3)  In  Tiberias  Münzen  mit  dem  Bilde  des  Clau- 
■dius,  auf  der  Rückseite:  eni  ßaade.  AyQin.  TißsQtswv.  Dazu  kommen  4)  die 
oben  Anm.  19  erwähnten  Münzen  zum  Andenken  an  das  „Bündniss"  zwischen 
Agrippa  und  dem  römischen  Volke.  Ueber  die  angeblich  in  Anthedon  ge- 
prägte Agrippamünze  s.  Bd.  II  S.  91,  und  Imhoof-Blumer  in  Sallet's  Zeitschr. 
f.  Numismatik  Bd.  XIII,  1885,  S.  139  f. 

41)  Auf  der  Inschrift  zu  Athen  Corp.  Inscr.  Qraec.  n.  361  =  Corp.  Inscr. 
Atticar.  III,  1  n.  556  heisst  seine  Tochter  Berenike  lovXia  BsQfveixrj  ßaalhaaa 
jLitydXT],  ^ovXlov  ^AyQinna  ßaaiXiatq  Q-vyaxiqQ.  —  Auch  für  andere  Mitglieder 
der  herodianischen  Familie  ist  der  Gentilname  der  Julier  bezeugt;  für  Agrippa 
II  durch  die  Inschrift  bei  Le  Bas  et  Waddington,  Inscriptions  t.  III  n.  2112. 
Ein  Schwiegersohn  Agrippa's  I  hiess  'lovXiog  kgxeXaog  [Jos.  Antt.  XIX,  9, 
1 ;  contra  Apion.  I,  9).  Wahrscheinlich  gehört  der  herodianischen  Familie  auch 
an  der  auf  einer  Inschrift  zu  Ephesus  erwähnte  Fdioq  ^lovXioq  ßaaiXswg 
jlXe^ttvögov  vlog  liyQinJtaq  xafilag  xal  dyTiaTQäzTjyog  t^i;  kaiag  (Hermes  IV, 
1870,  S.  190  =  Wood,  Discoveries  at  Ephesus,  hiscriptions  from  the  Great 
Theatre  p.  50  «.  5  =  Ancient  greek  inscriptions  in  the  Brit.  Mu.s.  P.  III  Sect. 
II,  1890,  p.  187;  vermuthlich  derselbe  ßaaiXevg  l4.Xe§avÖQog  wird  als  Consular, 
■vnauxög,  und  Verwandter  eines  vornehmen  Ancyraners,  Julius  Severus,  auch 
auf  einer  Inschrift  von  Ancyra  aus  der  Zeit  Trajan's  erwähnt,  Sitzungsberichte 
der  Berliner  Akademie  1901,  S.  25,  dazu  Mommsen  S.  28).  —  Vgl.  überhaupt 
■über  das  häufige  Vorkommen  des  Gentilnamens  der  Julier  bei  römischen 
Vasallenfürsten  der  Kaiserzeit:  Renan,  Mission  de  PhSnicie  p.  310.  Bohn, 
Qua  condicione  juris  reges  socii  populi  Romani  ftierint,  Berol.  1877,  p.  2ösq.  — 
Bemerkt  sei  noch,  dass  sowohl  der  Name  Julius  als  der  consularische  Rang, 
welchen  Agrippa  besass,  das  römische  Bürgerrecht  voraussetzt,  welches 
die  herodianische  Familie  bereits  seit  Antipater,  dem  Vater  Herodes  des 
•Grossen  besass  (s.  oben  S.  344). 

42)  Die  vollständigen  Titel  Agrippa's  I  und  H  giebt  uns  die  interessante 
Inschrift,  welche  Waddingtou  zu  Sta  ('/j  Stunde  von  Kanaudt,  am  westlichen 
Fusse  des  Haurun)  aufgefunden  hat  (Le  Bas  et  Waddington,  Inscriptions 
Orecques  et  Latines,  t.  III,  n.  2365;  als  später  Ewing  die  Inschrift  sah,  war 
sie  bereits  verstümmelt,  s.  Palestine  Exploration  Fund,  Qiiarterly  Statement 
1895,  p.  272).     Sie  lautet  nach  Waddington: 

Schiirer,    Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  36 


562  §  18-   Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41-44  n.  Chr.).  [469] 

nisse  an  den  Pharisäismus  lediglich  Sache  der  Politik  waren.  Im 
Ganzen  war  er  doch  ein  ächter  Nachfolger  des  alten  Herodes, 
„nur  milder  gerathen  und  etwas  klüger"  ^  3^.  Hatte  doch  auch  der 
Grossvater  sich  zu  Concessionen  an  den  Pharisäismus  bequemen 
müssen.  Agrippa  war  darin  nur  consequenter,  da  er  wohl  wusste, 
dass  der  Friede,  den  er  liebte,  auf  andere  Weise  nicht  zu  er- 
reichen war. 

Nicht  lange  erfreute  sich  das  Land  seiner  Herrschaft.  Nach 
kaum  mehr  als  dreijähriger  Regierung  (wenn  wir  vom  J.  41  an 
rechnen)  starb  er  im  J.  44  zu  Cäsarea  eines  plötzlichen  Todes '*'*).| 


'Eni  ßaoiXswQ  (leyaXov  'AyQinna  (pikoxalaagoq  siasßovg  xal  <piXoQa)fxa[l-] 
ov,  xov  ix  ßaacXicog  ixeydkov  ^AyQinna.  (piXoxaiauQoq  svaeßovg  xal  [^i-] 
?.o^(ialov,  AcpaQSvq  dneXfv&eQog  xal  'Ayplmiaq  vidg  ave^rjxav. 

Die  Titel  cpiXoxaiaaQ  und  (pikoQWfxaioq  kommen  in  damaliger  Zeit  sehr 
häufig  vor.  Zahlreiche  Beispiele  giebt  der  Index  des  Corp.  Inscr.  Oraec.  p,  165. 
Vgl.  auch  Mionnet,  Description  de  medmlles  antiqucs,  Tahles  p.  187  (daselbst 
p.  185,  186  auch  Beispiele  für  ßaaiXevq  fi^yaq  und  tvasß^g);  Bohn  l.  c.  p.  14. 
—  Am  genauesten  und  vollständigsten  stimmt  mit  der  Titulatur  der  beiden 
Agrippa  diejenige  der  Könige  von  Bosporus,  vom  Anfang  des  zweiten  bis  zum 
Ende  des  dritten  Jahrhunderts  nach  Chr.  S.  die  Zusammenstellung  bei  La- 
ty sehet,  Inscriptiones  antiqtiae  orae  septentrionalis  Ponti  Euxini  firaecae  et 
latinae  vol.  II,  1890,  p.  XL  VI— LH.  Z.  B.  Sauromates  I,  117  n.  Chr.  [Laty- 
schev  n.  39):  ßaatkea  fiiyav  TtßeQiov  lovhov  UaiQO//äxTjv  ....  (fdoxaioaga 
xal  (piXoQütfjiaiov  evasßtj.  Ebenso  Latysehev  n.  357  (diese  vielleicht  auf  Sau- 
romates II  zu  beziehen).  Reacuporis  IV,  250  n.  Chr.  {Latysehev  v.  44):  ßaai- 
kia  /iiyav  TißeQiov^IovXiov'PriaxovTiOQiv  (piXoxalaaga  xal  <piXoQ(ö[taiov  evaeßJj. 
Lateinisch  {Latysehev  n.  40  =  Corp.  Jnser.  Lat.  III  n.  783  =■  Wihnanns,  Exempla 
Inscr.  Lat.  n.  2689):  Regem  Ti.  Jul.  Sauromaten  amicum  imp{eratoris)  populi- 
q[ue)  R{omani) praestantissimum.  —  Ueber  den  Sinn  der  Titel  s.  Gutschmid, 
Kleine  Schriften  IV,  116 — 119.  Baadevg  fx/yag  drückt  aus,  dass  sein  Träger 
mehr  als  ein  Reich  in  seiner  Hand  vereinigte;  <piX6xaiaaQ  und  (fikoipcifiaiog 
Hind  zunächst  passivisch:  welchem  der  Caesar  und  das  römische  Volk  freund- 
lich sind  (vgl.  Jos.  Antt.  XIX,  5,  3:  ^lyglnna  xal  'Hg^öov  zwv  (pdzäxwv  fiot, 
Reinach,  Revue  des  ettides  jnives  XXXI,  1895,  p.  174);  doch  ist  die  Freundschaft 
natürlich  eine  gegenseitige. 

43)  Keim  im  Bibellex.  III,  .55. 

44)  Ueb(?r  die  Zeit  von  Agrippa's  Tod  handelt  ausführlich  Wieseler, 
Chronologie  den  apostol.  Zeitalters  S.  129—136.  Agrippa  starb,  nuclidein  er 
drei  volle  Jalire  über  ganz  PulÜHtinu  regiert  hatte  {Antt.  XIX,  H,  2:  xqIxov  6h 
hog  avttp  ßaoikeiovxt  xfjg  oXtj(  *Iov6alag  nenXt'nxoxo),  also  im  J.  44,  und  zwar 
bald  nach  dem  PaHsafcHto  (Arlor.  12,  3  ff.),  als  in  Cäsarea  Spiele  zu  Ehren  des 
KaittcfH  {tlg  xf/v  Kalaagog  xifiTjv,  vnhp  xf/g  ixslvov  awxriQlag,  Jos.  I.  e.)  gefeiert 
wurden.  Unter  letzteren  will  Wieselor  die  von  Herodes  d.  Gr.  gegründeten 
regolnifiMHigen  Kampfitpiclo  von  Cnsurea,  welche  alh^  4  .lahrc  gefeiert  wurden, 
verHt4!heD;  weshalb  er,  unter  der  VornuHHctzinig,  dass  sie  am  1.  August  begannen, 
den  Tod  Agrippa'»  auf  den  6.  August  setzt.  Alxr  schon  die  Voraussetzung, 
da»«  dicHC  am  1,  Augutt  gefeiert  wurden,  ist  eine  ganz  willkürliche;  uusser- 
dem  zeigen  «He  Worte  des  JosepliUH  {vrchf  vfjq  ixtlvov  acttijQlag)  deutlidi,  dasn 


[470]  §  18.   Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41—44  n.  Chr.).  563 

Die  beiden  Berichte,  welche  wir  darüber  haben  (Ap.-Gesch.  12, 
19—23  und  Joseph.  Antt.  XIX,  8,  2),  stimmen  bei  manchen  Ab- 
weichungen im  Einzelnen  doch  in  den  Hauptpunkten  überein  ^^). 
Die  Apostelgeschichte  erzählt,  dass  er  in  Cäsarea,  mit  dem 
königlichen  Gewände  angethan  auf  einer  Tribüne  {ßrjfia)  sitzend, 
eine  Rede  hielt  an  die  Gesandten  der  Städte  Tyrus  und  Sidon, 
auf  welche  er,  wir  wissen  nicht  weshalb,  erzürnt  war.  Während 
er  sprach,  rief  ihm  das  Volk  zu:  Das  ist  Gottes,  nicht  eines  Men- 
schen Stimme.  Alsbald  schlug  ihn  ein  Engel  des  Herrn,  darum 
dass  er  Gott  nicht  die  Ehre  gab;  und  er  ward  von  Würmern  ge- 
fressen und  gab  den  Geist  auf.  Nach  Josephus  war  er  in  Cäsarea 
anwesend,  als  dort  eben  Spiele  zu  Ehren  des  Kaisers  gefeiert 
wurden.  Am  zweiten  Tage  erschien  er  im  Theater  in  einem  Ge- 
wände, das  ganz  aus  Silber  gewirkt  war.  Als  das  Gewand  in  der 
Sonne  erglänzte,  riefen  die  Schmeichler  ihm  zu,  indem  sie  ihn  Gott 
nannten  i&^eov  jiQooayoQevovTsg)  und  ihn  um  seine  Gnade  anflehten. 
Der  König  liess  sich  die  Schmeichelei  gefallen.  Bald  darauf  sah 
er  auf  einem  Seile  den  Uhu  sitzen,  den  ihm  ein  Germane  als 
Todesboten  geweissagt  hatte '**^).  Er  wusste  nun,  dass  seine  Stunde 
geschlagen  hatte.  Alsbald  stellten  sich  auch  die  heftigsten  Schmerzen 
im  Unterleibe  ein.  Er  niusste  nach  Hause  getragen  werden  und 
war  nach  fünf  Tagen  eine  Leiche.  —  Man  sieht,  dass  die  Haupt- 
punkte: Cäsarea  als  Schauplatz,  das  Prachtgewand,  der  schmeich- 
lerische Zuruf,   der   plötzliche  Tod,  beiden  Berichten  gemeinsam 


überhaupt  nicht  an  regelmässige  Spiele  zu  denken  ist,  sondern  an  ausser- 
ordentliche, und  zwar  an  die  Spiele,  welche  zur  Feier  von  Claudius'  Rück- 
kehr aus  Britannien  im  Frühjahr  44  zu  Rom  {Dio  Cass.  LX,  23,  Pauly-Wisso- 
wa's  Real-Enc.  III,  2797)  und  darnach  wohl  auch  in  den  Provinzen  gefeiert 
wurden.  So  auch  Anger,  De  temporum  in  act.  ap.  ratione  p.  40;  Hausrath, 
Zeitgesch.  2.  Aufl.  II,  278  f.  Lew  in,  Fasti  sacri  p.  279  s^.  n.  1674.  (Die 
regelmässigen  vierjährigen  —  nicht  fünfjährigen,  s.  oben  S.  393  —  Spiele  von 
Cäsarea  würden  überhaupt  nicht  in  das  J.  44,  sondern  43  fallen,  da  sie  nach 
Antt.  XVI,  5,  1  im  28.  Jahre  des  Herodes  =  744  a.  U.  eingesetzt  worden 
waren,  also  im  J.  796  a.  U.  =  43  p.  Chr.  wiederkehrten). 

45)  Die  wesentliche  Uebereinstimmung  hebt  schon  Eusebius  Eist.  Eecl.  II,  10 
hervor,  indem  er  freilich  den  Uhu  des  Josephus  zu  einem  Engel  macht.  Vgl. 
auch:  Raniseh,  De  Lucae  et  Josephi  in  morie  Herodis  Agrippae  consensu.  Lips. 
1745.  Aus  neuerer  Zeit:  Gerlach,  Zeitschr.  f.  luth.  Theol.  1869,  S.  57—62. 
Krenkel,  Josephus  und  Lucas,  1894,  S.  203  ff",  (bemüht  sich  trotz  der  Diffe- 
renzen, die  Abhängigkeit  des  Lucas  von  Josephus  nachzuweisen).  —  Ueber 
den  in  einen  Engel  verwandelten  Uhu:  Heinichen,  Ehisebii  Scripta  histo- 
riea  III,  654—656. 

46)  Anlt.  XVIII,  6,  7.  —  lieber  den  Uhu  als  Unglücksvogel  s.  Hinius, 
Eist.  Nat.  X,  12,  34—35. 

36* 


564  §  18-   Herodes  Agrippa  I  (37,  40,  41—44  n.  Chr.).         [470.  471] 

sind,  wenn  auch  die  Einzelheiten  in  der  Ueberlieferung  sich  ver- 
schieden gestaltet  haben. 

Agrippa  hinterliess  ausser  drei  Töchtern  (Berenike,  Mariamnie 
und  Drusilla)  nur  einen  17jährigen  Sohp  Namens  Agrippa.  Der 
Kaiser  Claudius  wäre  geneigt  gewesen,  diesem  das  Reich  seines 
Vaters  zu  übergeben.  Aber  seine  Rathgeber  hielten  ihm  das  Be- 
denkliche der  Sache  vor.  Und  so  wurde  ganz  Palästina,  wie 
früher  schon  Judäa  und  Samaria,  als  römisches  Gebiet  einge- 
zogen and  einem  Procurator,  unter  Oberaufsicht  des  Statthalters! 
von  Syrien,  zur  Venvaltung  übergeben  ^'^).  Der  junge  Agi'ippa  blieb 
einstweilen  im  Privatstande. 


§  19.    Die  römischen  Procuratoren  (44—66  ii.  Chr.). 

Quellen:  Joseph.  Antt.  XX,  1  u.  5—11.    Bell.  Jud.  II,  11—14.    Zonaras,  Annal. 

VI,  12 — 17  (Auszug  aus  Josephus). 
Literatur:  Ewald,   Geschichte   des  Volkes  Israel  VI,   361—364.   540—563. 
633—641. 
Grätz,  Geschichte  der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  361  ff.  426  ff.  724  ff. 
Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  588—594. 
Schneckenburger,  Zeitgeschichte  S.  215—224. 
Hausrath,  Zeitgesch.  2.  Aufl.  II,  362  ff.  III,  331—374.  423—426. 
Lew  in,  Fasti  sacri  (1865)  ad  ann.  44 — 66. 
Gerlach,   Die  römischen  Statthalter  in  Syrien  und  Judäa,  1865, 

S.  67  ff 
Grätz,  Chronologische  Präcisiruug  der  Reihenfolge  der  letzten  rö- 
mischen Landpfleger  in  Judäa  etc.    (Monatsschr.  für  Gesch.  und 


47)  Antt.  XIX,  9,  1—2.  Ä  J.  II,  11,  6.  —  Bormann  (De  Syriae  pro- 
vineiae  Jiomanae  partibus  capita  nonntUla  1865,  p.  3 — 5)  nimmt  nn,  dass  Palä- 
MtiDA  vom  J.  44—49  durch  einen,  vom  Legaten  von  Syrien  unabhängigen  Pro- 
curator verwaltet  wurde,  aber  im  J.  49  n.  Chr.  zur  Provinz  Syrien  geschlagen 
wurde,  weil  nämlich  Tacitua  Ann.  XII,  23  erst  unter  den  EreigniHscii  des  Jahres 
49  berichtet:  Ituraci  et  Jwlaci  defunctis  regihu.'*,  Sohacmo  atquc  Agrippa,  pro- 
vindae  Suriae  addili.  Aber  man  Hiebt,  das«  der  Bericht  des  Tacitus  sehr 
stunmariitch  ist  und  zeitlich  AuHcinanderliegcndes  zusammenfaHst:  weshalb 
eine  solche  Folgerung  ni(;ht  aus  ihm  gezogen  werden  darf.  (Jerade  im  J.  44 
oder  4Ö,  unmittelbar  nach  dem  Tode  Agrippa's  I,  hat  der  Legat  von  Syrien 
CMtins  LoDginuH  in  die  VerhältniHse  Judäa's  eingegriffen.  Die  Solbstündig- 
keit  de«  ProcuratorH  von  Judäa  war  also  (lanials  nicht  grösser  als  später,  und 
sie  war  apiter  niciit  geringer  als  (lanialH.  Vgl.  im  Ailgcinciticn  oben  S.  4.56 f 
and  apeciell  gegen  Ikirmann  nucli  Marquardt,  KömiHciie  Staatsverwaltung 
Bd  I,  2.  Aufl.  1881,  8.  411,  Anm.  11. 


[471.  472]        §  19.  Die  römischen  Procuratoren  (44—66  n.  Chr.).  565 

Wissensch.  des  Judenth.  1877,  S.  401  ff.  443  ff".).  Vgl.  Gesch.  der 
Juden  III,  4.  Aufl.  S.  724  ff",  (wo  die  Abhandlung  aus  der  Mon^ts- 
schr.  fast  ganz  abgedruckt  ist). 

Rohden,  De  Palaestina  et  Arabia  provinciis  Romanis  quaestiones 
selectae  iBerol.  1885),  p.  34—36. 

Kellner,  Die  römischen  Statthalter  von  Syrien  und  Judäa  zur  Zeit 
Christi  und  der  Apostel.  Zweiter  Artikel.  Die  kaiserlichen  Pro- 
curatoren von  Judäa  (Zeitschr.  für  kathol.  Tlieol.  1888,  S.  630  ff".). 

Menke's  Bibelatlas  Bl.  V,  Specialkarte  über  „Judäa  und  Nachbar- 
länder zur  Zeit  des  Felix  und  Festus". 

Wenn  man  die  Geschichte  der  römischen  Procuratoren,  welchen 
nunmehr  Palästina  anvertraut  war,  überblickt,  so  möchte  man 
meinen,  dass  sie  alle  wie  nach  geheimer  Verabredung  planmässig| 
darauf  hinarbeiteten,  das  Volk  zum  Aufruhr  zu  treiben.  Selbst 
die  Besten  unter  ihnen  —  um  von  den  andern,  welche  alles  Recht 
mit  Füssen  traten,  ganz  zu  schweigen  —  hatten  doch  keine  Ahnung 
davon,  dass  ein  Volk  wie  das  jüdische  vor  allem  Schonung  seiner 
Kigenthümlichkeiten  verlangte.  Statt  Milde  und  Nachsicht  zu 
üben,  hatten  sie  allen  Lebensregungen  des  Volkes  nur  unerbittliche 
Strenge  entgegenzusetzen.  —  Verhältnissmässig  am  wenigsten  gilt 
dies  von  den  beiden  ersten  Procuratoren,  „welche,  da  sie  keine  der 
väterlichen  Sitten  beseitigten,  das  Volk  in  Frieden  erhielten"  0. 

1.  Der  erste  Procurator,  welchen  Claudius  nach  Palästina 
sandte,  war  Cuspius  Fadus  (44— ?)"^).  Er  hatte  gleich  beim  An- 
tritt seines  Amtes  Gelegenheit,  seinen  Sinn  für  Ordnung  an  den 
Tag  zu  legen.  Als  er  nach  Palästina  kam,  lagen  die  Bewohner 
von  Peräa  in  oft'enem  Kampf  mit  der  Stadt  Philadelphia^). 
Veranlasst  war  der  Kampf  durch  Streitigkeiten  über  die  Grenzen 
ihres  beiderseitigen  Gebietes.  Da  die  Peräer  der  schuldige  Theil 
waren,  Hess  Fadus  von  den  drei  Rädelsführern  den  einen  hinrichten, 
die  beiden  andern  des  Landes  verweisen.  —  Dass  aber  Fadus  bei 
aller  Rechtlichkeit  kein  Verständniss  für  die  Eigenthümlichkeiten 
des  jüdischen  Volkes  hatte,  beweist  sein  Verlangen,  dass  das 
hohepriesterliche  Prachtgewand,  welches  früher  (6 — 36) 
unter  römischem  Verschluss  gelegen  hatte,  dann  von  Vitellius  frei- 
gegeben worden  war  (s.  oben  S.  494),  wieder  der  römischen  Obhut 
anvertraut  werde  ^).  So  wurde  ohne  alle  Noth  durch  kleine  Plak- 
kereien  das  in  solchen  Dingen  äusserst  zarte  Gefühl  des  Volkes 
verletzt!    Glücklicherweise  waren  Fadus  und  der  wegen  dieser 


1)  B.  J.  II,  11,  6. 

2)  Antt.  XIX,  9,  2. 

3)  Ueber  Philadelphia  s.  Bd.  II,  S.  144—148. 

4)  Antt.  XX,  1,  1. 


566  §  19-   Die  römischen  Procuratoren  (44—66  n.  Chr.).        [472.  473] 

wichtigen  Angelegenheit  nach  Jerusalem  gekommene  syiische  Statt- 
halter Cassius  Longinusso  verständig,  wenigstens  zu  gestatten, 
dass  eine  jüdische  Gesandtschaft  nach  Eom  ging,  welche  durch 
Vermittelung  des  Jüngern  Agrippa  bei  Claudius  den  Befehl  er- 
wirkte, dass  in  der  Kleiderangelegenheit  alles  beim  Alten  zu 
bleiben  habe  5).  | 

Schlimmer  als  dieser  Conflict  war  ein  späterer,  bei  welchem 
es  bereits  zu  offenem  Kampf  und  Blutvergiessen  kam.  Ein  angeb- 
licher Prophet  Namens  Theu das  sammelte  eine  grosse  Schaar  von 
Anhängern  um  sich,  mit  welchen  er  an  den  Jordan  zog  unter  dem 
Vorgeben,  dass  er  durch  sein  blosses  Wort  den  Fluss  theilen  und 
ihnen  einen  leichten  Durchgang  gewähren  werde.  Es  sollte  dies 
wohl  nur  eine  Probe  seiner  göttlichen  Sendung  sein,  und  die  Haupt- 
sache, nämlich  der  Kampf  gegen  Rom,  erst  folgen.  Jedenfalls  er- 
schien dem  Fadus  die  Sache  bedenklich.  Er  schickte  eine  Abtheilung 
Reiter  gegen  Theudas,  welche  ihn  unversehens  überfiel,  einen  Theil 
seiner  Anhänger  tödtete  oder  gefangen  nahm,  und  ihm  selbst,  nach- 
dem er  ebenfalls  ergriffen  worden  war,  den  Kopf  abhieb,  welcher 
als  Zeichen  des  Sieges  nach  Jerusalem  gebracht  wurde''). 


5)  Anit.  XX,  1,  1—2.  Vgl.  XV.  11,  4.  —  Das  Schreiben  des  Claudius  an 
die  Behörden  von  Jerusalem,  worin  ihnen  diese  Entschliessung  des  Kaisers  mit- 
getheilt  wird  {Joseph.  Antt.  XX,  1,  2),  ist  datirt  vom  28.  Juni  45  n.  Chr.,  Claud. 
tribtmic.  potest.  V,  Consulat  des  Rufus  und  Pompeius  Silvanus  (über  diese 
C088.  suff.  8.  Klein,  Fasti  consulares  S.  33).  — Vgl.  auch:  Kindlmann,  Utnun 
litterae,  qitae  ad  Clatidium  Tiberium  imperatorem  apitd  Josephum  rcferuntur, 
ad  eum  refcretidae  sint  necne,  quaeritur.  Mährisch-Neustadt,  Progr.  1884  (war 
mir  nicht  zugänglich). 

6)  Antt.  XX,  5,  1  =»  Euseb.  Hist.  eccl.  II,  11.  —  Der  Name  Sivääq  kommt 
auch  sonst  vor  {Corp.  Inaor.  Oraec.  n.  2684.  3563.  3920.  5098,  Bulletin  de  cor- 
reap.  hell.  XI,  1887,  p.  21.3,  214,  215.  Wetstein,  Nuv.  Test,  zu  Act.  5,  36,  Pape- 
Benseler,  Wörterb.  der  griech.  Eigennamen  s.  ».).  Er  ist  Verkürzung  eines 
mit  &s6(:  zusammengesetzten  Namens  {ßsoSoaioq,  ßeöSoroc,  ßföSwQOi  oder 
dgl.;  die  Contraction  von  fo  in  ev  ist  namentlich  in  den  mit  &s6g  luid  xkiof 
zusammengesetzten  Eigennamen  sehr  häufig).  Auch  im  Rabbinischen  findet 
sich  Oimn  {Buaiarf,  Ijcx.  Chald.  col.  2565  ä(/.  Liffhtfoot,  Opp.  II,  704,  Schoettgcn, 
Horae  hel/r.  I,  423).  Doch  lautet  der  Name  des  Arztes  omn  Mischna  Becho- 
roth  IV,  4  nach  den  besten  Ilundschriftcn  Diniin  (so  die  Cambridger  Ilandschr. 
und  cod.  dt:  liosai  138).  —  Unser  Aufruhrer  Tlieudas  wird  b(^kanntlich  auch 
in  der  ApostelgCHchlchte  erwähnt  (Act.  5,  3()).  und  zwar  in  einer  Rede,  wekihe 
Gamaliel  geraume  Zeit  vor  dem  wirklichen  Auftrettiu  des  Tlieudas  gehalten 
haben  «oll.  Ja  sein  Auftreten  wird  dort  noch  vor  das  des  Judas  Galiläus 
(ü  n.  Chr.)  gesetzt.  Da  man  ein  so  starkes  Versehen  dem  Verfasser  der 
ApostelgcBchicht«;  nicht  zutrauen  wollte,  so  haben  viele  Theologen  zwei  ver- 
MChicdene  Aufruhrer  Namens  Theudas  angenommen,  wozu  aber  die  in  solchen 
Dingen  Mcliwacho  Autorität  der  Apostelgeschic-iite  niciit  berfchtigt.  Vgl.  hierüber 
pro  und  conlra:  Sonn  tag,  Theudas  der  Aufrührer  (Stud.  und  Krit.  1837,  8. 622  ff.). 


[473.  4741        §  19.    Die  römischen  Procuratoren  (44 — 66  n.  Chi.].  557 

2.  Der  Nachfolger  des  Fadus  war  Tiberius  Alexander  (bis 
48),  der  aus  einer  der  vornehmsten  jüdischen  Familien  Alexandria's 
stammte,  ein  Sohn  des  Alabarchen  Alexander  und  Nette  des  Philo- 
sophen Philo ').  Er  hatte  die  Religion  seiner  Väter  verlassen  und 
römische  Dienste  genommen.  Zu  seiner  Zeit  wurde  Palästina  von 
einer  grossen  Hungersnoth  heimgesucht  %   Das  einzige  Bemerkens- 


Zuschlag,  Theudas,  Anführer  eines  750  Ä.  in  Palästina  erregten  Aufstandes, 
Cassel  1849.  Wieseler,  Chronologische  Synopse  S.  103  f.  Ders.,  Beiträge 
zur  richtigen  Würdigung  der  Evangelien  S.  101  if.  Winer,  Realwörterb.  II, 
609  f.  Keim  in  Schenkel's  Bibellex.  V,  510—513.  Köhler  in  Herzog's  Real- 
Enc.  1.  Aufl.  XVI,  39-41.  K.  Schmidt  in  Herzog's  Real.-Enc.  2.  Aufl.  XV, 
553—557.  Zeller,  Die  Apostelgeschichte,  1854,  S.  132—137.  Lewin,  Fasti 
saeri  n.  903.  933.  1469.  Seh  latter,  Zur  Topographie  und  Gesch.  Palästinas, 
1893,  S.  129.  Krenkel,  Josephus  und  Lucas,  1894,  S.  162  ff".  Die  Commen- 
tare  zur  Apostelgesch.  von  Kuinoel,  De  Wette,  Meyer,  Overbeck, 
Wendt,  Nösgen  und  Anderen.  Aeltere  Literatur  bei  Wolf,  Giirae  philol.  in 
Nov.  Test,  zu  Act.  5,  36. 

7)  Antt.  XX,  5.  2.  XVIII,  8,  1.  —  Ueber  das  Amt  des  Alabarchen  s.  Bd. 
III,  S.  88  f. 

8)  Vgl.  über  diese  ausser  Antt.  XX,  5,  2  auch  Antt.  III,  15,  3.  XX,  2,  6. 
Ap.  Gesch.  11,  28 — 30.  Anger,  De  temporum  in  actis  apostolorum  rat ione  (1833) 
p.  41—49.  Wieseler,  Chronol.  des  apostol.  Zeitalters  S.  156—161.  Karl 
Schmidt,  Die  Apostelgeschichte  Bd.  I,  1882,  S.  157 — 164.  —  Josephus  er- 
wähnt die  Hungersnoth  zur  Zeit  des  Tiberius  Alexander,  deutet  aber  an,  das» 
sie  schon  unter  seinem  Vorgänger  begonnen  hat:  inl  tovroiq  6h  xa)  xov 
(leyav  Xi/nov  xarä  r^v  'lovöaiav  ovvißj]  yfvsa&ai.  Statt  inl  xovxoiq  liest  Niese 
nach  der  Epitome  inl  xovxov.  Aber  das  von  allen  Handschriften  gebotene 
ini  xovxoiq  wird  bestätigt  durch  Euseb.  Hist.  eccl.  II,  12,  1.  Zu  übersetzen 
ist  sicherlich  nicht  propter  haee  (so  Credner,  Einl.  S.  3.30),  auch  nicht  ad  haec 
oder  post  haec  (so  Keim,  Aus  dem  Urchristenthum  S.  19  Anm.),  sondern  horum 
temporibus,  wie  der  alte  Lateiner  hat  (über  diesen  incorrecten  Gebrauch  von 
inl  c.  Dat.  statt  Oen.  s.  Wahl,  Clavis  librorum  V.  T.  apocr.  s.  v.  inl,  auf  In- 
schriften: inl  Pafifilü)  MaQXidki  inixQX^  Alyvnxov  Letronne,  Reetieil  des  inscr. 
I,  153  =  Coi-p.  Inscr.  Oraec.  n.  4713  f.,  inl  Aovntoi  inaQXfoi  Alyvnxov  Kaibel, 
Inscr.  Graecae  Siciliae  et  Italiae  n.  2421,  2).  Hiermit  stimmt  es,  wenn  die 
Apostelgeschichte  die  Hungersnoth  ungefähr  um  die  Zeit  von  Agrippa's  Tod 
(44  n.  Chr.)  erwähnt.  —  Als  Bereich  der  Hungersnoth  nennt  Josephus  an  allen 
drei  Stellen  -nur  Judäa  (XX,  5,  2:  t^j»  ^lovöaiav,  III,  15,  3:  xtjv  x<^Q<xv  rjfxwv, 
XX,  2,  6:  xrjv  nöXiv).  Der  Verfasser  der  Apostelgeschichte  lässt  sie  sich  über 
die  ganze  Welt  erstreckenJll,  28:  i(p*  vXrjv  xfjv  olxovfxevrjv),  was  eine  ebenso 
ungeschichtliche  Generalisirung  ist  wie  beim  Census  des  Quirinius.  Allerdings 
ist  die  Regierung  des  Claudius  durch  assidiuie  sterilitates  heimgesucht  gewesen 
{Suetun.  Claud.  18),  und  zwar,  abgesehen  von  der  palästinensischen,  1)  durch 
eine  Hungersnoth  zu  Rom  im  Anfang  seiner  Regierung  [Dia  Cass.  LX,  IL 
Aiirel.  Victor  Caes.  4,  Münzen  bei  Eckhel,  Doctr.  Num.  VI,  238  s^.),  2)  durch 
eine  solche  in  Griechenland  im  8.  oder  9.  Jahre  seiner  Regierung  (Euseb. Ckron. 
ed.  Schoene  II,  152  s^'.,  nach  dem  Armenischen  und  nach  Hieronymus),  3)  durch 
eine  solche  in  Rom  im  11.  Jahre  seiner  Regierung  (so  Tacit.  Annal.  XII,  43, 


568  §  19.   Die  römischen  Procuratoren  (44—66  n.  Chr.).        [474,  475] 

werthe,  was  von  ihm  berichtet  wird,  ist,  dass  er  die  Söhne  Judas' 
des  Galiläers  Jakob iis  und  Simon  an's  Kreuz  schlagen  liess  — 
vermuthlich  weil  sie  ähnliche  Pläne  hegten  wie  einst  ihr  Vater  9).  j 

Wenn  schon  die  Zeit  dieser  ersten  Statthalter  nicht  ohne 
Störung  verlaufen  ist,  so  war  dies  alles  doch  noch  unbedeutend  im 
Vergleich  zu  dem,  was  folgte.  Schon  unter  dem  nächsten  Statt- 
halter Cumanus  gab  es,  nicht  ohne  Schuld  von  beiden  Seiten,. 
Volksaufstände  in  grösserem  Maassstabe. 

3.  Der  erste  Aufstand,  mit  welchem  Ventidius  Cumanus 
(48— 52)i<*)  zu  kämpfen  hatte,  war  hervorgerufen  durch  den  Muth- 


nach  Euseb.  Chron.  l.  c.  im  10.  oder  9.  Jahre,  für  das  10.  Jahr  auch  Gros.  VII, 
ö,  17).  Allein  eine  Ausdehnung  über  die  ganze  Welt  ist,  wie  an  sich  unwahr- 
scheinlich, 80  auch  nirgends  bezeugt. 

9)  Antt.  XX,  5,  2.  —  Tiberius  Alexander  diente  später  unter  Corbulo 
gegen  die  Parther  {Taeit.  Ann.  XV,  28),  wurde  dann  Statthalter  von  Aegj'pten 
{Joseph.  B.  J.  II,  15,  1.  18,  7.  IV,  10,  6.  Tacit.  Hist.  I,  11.  II,  74.  79.  Sueton. 
Vesp.  6)  und  war  der  hervorragendste  Rathgeber  des  Titus  bei  der  Belagerung 
von  Jerusalem  [B.  J.  V,  1,  6.  VI,  4,  3).  Sein  vollständiger  Name  lautet  auf 
einem  Edict,  welches  er  als  Statthalter  von  Aegypten  erlassen  hat:  Tiberius 
Julius  Alexander  {Corp.  Itiser.  Qraec.  n.  4957).  —  Die  Vermuthiing  von 
Bernays,  dass  ihm  die  pseudo-aristotelische  Schrift  nsQi  xoofxov  gewidmet 
sei,  ist  sehr  unwahrscheinlich,  obwohl  sie  von  Mommsen,  Rom.  Gesch.  V, 
494,  .566,  als  eine  sichere  Thatsache  behandelt  wird.  Nach  Zeller  will  jene 
Schrift  wirklich  von  Aristoteles  herrühren,  und  der  Augeredete  ist  Alexander 
der  Grosse  (s.  die  Literatur  hierüber  oben  S.  57).  —  Vgl.  über  Tiberius  Alexander 
überhaupt:  Rudorff,  Das  Edict  des  Tiberius  Julius  Alexander  (Rhein.  Mu- 
seum 1828,  S.  64-84,  133-190).  Franz,  Corp.  Insci:  Oraec.  zu  ».  4957. 
Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2  (1852)  S.  1943f.  Renier  in  den  Memoires 
de  l'Acadhnie  des  Imcr.  et  Belles-Letires  t.  XXVI,  1  (1867)  p.  294-302.  Lum- 
hroso,  liecherches  sur  l'economie  politique  de  t' Kgypte  sous  les  Lof/ides  [Turin 
1870)  p.  216  »r/.  Prosopographia  impcrii  Bomani  II,  164  s^^.  —  Die  Familie 
des  Tiberius  Julius  Alexander  blieb  auch  später  noch  im  römischen  Sttuits- 
dienst.  Ein  Julius  Alexander,  vielleicht  ein  Sohn  oder  Enkel  des  uusorigen, 
diente  als  Legat  unter  Trajan  im  Partlierkrieg  {Dio  Cass.  LXVIII,  30),  war 
CJoDHul  im  J.  117  und  Mitglied  des  Priestercollogiums  der  Arvaleu  118—119 
n.  Chr.  Seinen  vollen  Namen  Ti.  Julius  Alexander  Juliauus  geben  die 
Acten  der  Arvalen  (Corp.  Iiutcr.  Lat.  t.  VI  n.  2078.  2079;  vgl.  lienzen,  Acta 
fratrmn  Arvalium,  Index  p.  ISH,  Prosop.imp.Jiom.\\f\^hsq.).  Ein  TißiQioq 
*IovXio<;  'AXi^avdfoq,  BefelilHhubcr  der  coh.  I  F(aria  und  Agoninomo.s  über 
den  zweiten  Stadtbezirk  von  AKxuudria,  hat  im  21.  Jalire  des  Antouinus  Pius 
der  groHHcn  GiHtiti  Isis  eine  BildHäulo  errichtet  {Annalt  dell'  Instituto  di  cor- 
ri»p.  arcfteol.  1H75,  p.  15). 

10)  VcntidiuH  nach  Tar.  Ann.  XII,  54;  bei  Josephus  nur  Cii  maiius. — 
Di«'  Zeit  de»  AiiitHiintrittcH  des  CtimanuH  crgicbt  sich,  freilich  nur  uiijrefiilir, 
daraUM,  danM  JoHcplmn  gleichzeitig  den  Tod  des  Hcrodes  von  Cliulkis  im  8. 
Jahre  drM  (Maudius  •—  48  n.  Chr.  erwähnt  {Antt.  XX,  ß,  2).  Ohne  liinreichen- 
den  Gnuid  Hetzt  Wleieler  (Chronologie  de»  apostnl.  Zeitalters  S.  dS.  126  f.) 


[475.  476]        §  19.   Die  römischen  Procuratoren  (44—06  n.  Chr.).  56Ö 

willen  eines  römischen  Soldaten.  Ein  solcher  Hess  es  sich  nämlich 
beikommen,  beim  Passafeste,  wo  der  Sicherheit  wegen  immer  eine 
Abtheilung  römischer  Soldaten  im  Tempelvorhof  aufgestellt  war'*), 
die  festliche  Versammlung  durch  eine  unanständige  Geberde  zu 
verhöhnen.  Die  aufgebrachte  Menge  verlangte  vom  Procurator 
Genugthuung.  Und  da  dieser  zunächst  Versuche  machte,  sie  zu 
beschwichtigen,  ward  auch  er  mit  Schimpfreden  überschüttet,  bis 
er  endlich  die  bewaffnete  Macht  einschreiten  und  die  erregte 
Menge  zu  Paaren  treiben  Hess,  und  zwar  so  nachdrücklich,  dass 
(nach  Josephus'  Meinung)  durch  das  Gedränge,  welches  infolge 
der  Flucht  in  den  Strassen  entstand,  20000  (!)  Menschen  um's  Leben 
kamen  *  -). 

Lag  hier  die  Schuld  auf  römischer  Seite,  so  kam  dagegen  die 
nächste  Herausforderung  vom  Volke  selbst.  Ein  kaiserlicher  Diener, 
Namens  Stephanus  wurde  auf  öffentlicher  Strasse  nicht  weit  von 
Jerusalem  angegriffen  und  all'  seiner  Habe  beraubt.  Zur  Strafe  dafür 
wurden  die  Dörfer,  welche  in  der  Nähe  des  Schauplatzes  der  That 
lagen,  der  Plünderung  preisgegeben.  Leider  wollte  es  das  Unglück, 
dass  aus  dieser  Plünderung  beinahe  neues  Unheil  entstanden  wäre, 
indem  ein  Soldat  eine  Thorarolle,  welche  er  gefunden  hatte,  vor 
Aller  Augen  unter  Spott-  und  Hohnreden  zerriss.  Um  für  solche 
Gotteslästerung  Rache  zu  fordern,  begab  sich  eine  jener  beliebten 
Massendeputationen  zu  Cumanus  nach  Cäsarea;  und  dieser  fand 
es  diesmal  gerathen,  den  Uebelthäter  sogar  mit  dem  Tode  zu  be- 
strafen '  ^). 

Weit  ernster  und  blutiger  war  ein  dritter  Vorfall  unter  Cu- 
manus, der  auch  ihm  selbst  zwar  nicht  das  Leben,  aber  doch  das 
Amt»  kostete.  Galiläische  Juden,  welche  zum  Feste  nach  Jerusalem 
reisten  und  ihren  Weg  durch  Samaria  nahmen,  waren  in  einem 
samaritanischen  Dorfe  ermordet  worden.  Da  Cumanus,  der  von 
den  Samaritanern  bestochen  war,  sich  nicht  zur  Bestrafung  der 
Schuldigen  bewegen  Hess,   so  grilf  das  jüdische  Volk  zur  Selbst- 


den  Amtsantritt  des  Cumanus  erst  in  das  J.  50,  während  u.  a.  auch  Auger, 
De  tetnporum  in  actis  ap.  ratione  p.  44,  Gerlach,  Die  röm.  Statthalter  S.  71, 
Ewald,  VI,  549,  Hitzig  II,  5S9,  Lewin,  Fasti  n.  1719,  Grätz,  Monatsschr. 
1877,  S.  402—408  =  Gesch.  III,  4.  Aufl.  S.  725-728,  ßohden,  De  Palaestina 
p.  35  das  Jahr  48  annehmen. 

11)  Vgl.  B.  J.  V,  5,  8.    Antt.  XX,  8,  11. 

12)  Antt.  XX,  5,  3.  B.  J.  II,  12,  1.  An  letzterer  Stelle  hat  der  gedruckte 
Vulgärtext,  auch  noch  Naber,  vneQ  xovq  fivQiovq,  Niese  nach  guter  Bezeugung 
vnsQ  TQiafivQlovg,  dieselbe  Zahl  auch  Fuseb.  Chron.  ed.  Schockte  11,  \b2  sq.  \\n^ 
Eist.  eccl.  II,  19,  1,  ein  Beweis, '  dass  Eusebius  hier  dem  Bell.  Jud.  folgt,  vgl. 
meine  Bemerkungen  in  der  Zeitschr.  für  wissensch.  Theol.  1898,  S.  34. 

13)  Antt.  XX,  5,  4.    B.  J.  II,  12,  2. 


570  §  19-   I^Je  römischen  Procuratoren  (44—60  n.  Chr.).  [476] 

räche.  Unter  Anführimg  zweier  Zeloten  Eleasar  und  Alexander 
fiel  eine  grosse  bewaffnete  Schaar  in  Samaria  ein,  metzelte  Greise, 
Weiber  und  Kinder  nieder  und  verheerte  die  Dörfer.  Nun  aber 
fiel  Cumanus  mit  einem  Theil  seiner  Streitmacht  über  die  Zeloten 
her;  viele  wurden  getödtet,  andere  gefangen  weggeschleppt.  Mittler- 
weile erschienen  samaritanische  x\bgesandte  vor  Ummidius  Qua- 
dratus,  dem  Statthalter  von  Syrien,  und  beklagien  sich  bei  ihm 
wegen  des  Eaubzuges  der  Juden.  Gleichzeitig  klagte  aber  auch 
eine  jüdische  Gesandtschaft  bei  Quadratus  die  Samariter  und  den 
Cumanus  an,  der  sich  von  ihnen  habe  bestechen  lassen.  Quadratus 
kam  darauf  selbst  nach  Samaria  und  hielt  strenges  Gericht.  Alle 
von  Cumanus  gefangen  genommenen  Aufrührer  wurden  gekreuzigt; 
fünf  Juden,  welche  ausserdem  der  Theilnahme  am  Kampfe  über- 
wiesen waren,  enthauptet;  die  Vornehmsten  aber  sowohl  von  den 
Juden,  als  von  den  Samaritanern  wurden  sammt  Cumanus  selbst 
nach  Eom  geschickt,  um  sich  dort  zu  verantworten.  Der  Für- 
sprache des  jungen  Agrippa,  der  gerade  zu  Rom  anwesend  war, 
hatten  es  die  Juden  zu  danken,  dass  sie  zu  ihrem  Rechte  ge- 
langten. Die  Entscheidung  des  Claudius  lautete  nämlich  dahin, 
dass  die  Vornehmsten  der  Samariter,  welche  sich  bei  ihm  ein- 
gefunden hatten,  als  die  Schuldigen  hingerichtet  werden  sollten, 
Cumanus  aber  seines  Amtes  entsetzt  und  in  die  A'erbannung  ge- 
schickt werden  solle  '^).  I 


14)  Äntt.  XX,  6,  1-3.  B.  J.  II,  12,  3—7.  —  Von  dieser  Darstellung  des 
Josephus  weicht  die  des  Tacitus  Annal.  XII,  54  in  wesentlichen  Punkten  ab. 
Nach  ihm  war  Cumanu«  nur  Procurator  von  Galiläa,  während  gleichzeitig 
Felix  die  Verwaltung  von  Samaria,  uud  wohl  auch  von  Judäa,  hfniie  [Felix 
....  jam  pridem  Jiidaeac  impositus  ....  aetnulo  ad  deterrima  Ventidio  Oimmno, 
cui  pars  provinciae  habebaUir,  ita  divisae,  ut  htiic  Qalüaeoriim  natio,  Felici  Sa- 
marUae  parerent).  An  den  blutigen  Vorgängen  trugen  Felix  und  Cumanus  die 
gleiche  Schuld.  Quadratus  aber  verurtheilte  nur  den  Cumanus  und  Hess  den 
Felix  sogar  als  Richter  au  der  Urtheilsaprechung  theilneliincn.  —  Eine  Aus- 
gleichung der  Widersprüche  zwischen  Tacitus  und  Josephus  ist  niclit  m()glicli; 
denn  JosephuH  lÜHSt  darüber  keinen  Zweifel,  dass  nach  seinen  Voraussetzungen 
Cumanus  alleiniger  Statthalter  des  jüdischen  Gebietes  war,  und  Felix  erst  als 
Hein  Nachfolger  nach  Pulästina  kam.  Vgl.  bes.  die  bestimmte  Notiz,  dass  der 
Hoheprie8ter  Jonathan,  der  bei  der  Absetzung  des  Cumanus  in  Rom  war,  den 
Kaiser  um  Sendung  des  Felix  gebeten  habe  (unten  Anm.  15).  Es  scheint  aber 
kaum  zweifelhaft,  dass  die  sehr  detaillirto  Erzählung  des  Josephus  den  Vorzug 
vor  der  unbe«timniter  gchalteoen  des  Tacitus  verdient.  So  auch  Wurm,  Tü- 
binger Zelt«chr,  für  Theoh)gio  1833,  1.  Heft.  S.  14—21.  Anycr,  De  tcmporuni 
in  actin  apostolurum  ralione  p,  88—00.  Wieselcr,  Chronologie  des  apostol. 
Zeitalter»  8.67.  Winer,  Realwörterb.  Art.  Felix,  Letviu,  Fasti  sacrin.lTtl. 
—  Für  Tacltu«  im  WcMontlichen:  Nipperdey,  Anm.  zu  Tac.  Ann.  XIl,  51. 
';-"♦:'     MonatHSchr.   1S77,   S.  10311",  —  Gesch,  der  Juden  Bd.  111,   4.  Atifl. 


[477.  478]        §  19.  Die  römischen  Procuratoren  (44— 6G  n.  Chr.).  571 

4.  Auf  Wunsch  des  Hohenpriesters  Jonathan,  eines  der  jüdischen 
Vornehmen,  welche  Quadratus  nach  Rom  gesandt  hatte '^),  übertrug 
der  Kaiser  Claudius  die  Verwaltung  von  Palästina  einem  seiner 
Günstlinge,  dem  Bruder  des  mächtigen  Pallas,  Namens  Felix 
(52 — 60)'^).  Die  Amtsführung  dieses  Mannes  bildet  augenscheinlich 
den  Wendepunkt  in  dem  Drama,  welches  mit  dem  J.  44  begonnen 
und  im  J.  70  seinen  blutigen  Abschluss  erreicht  hat.  Während  die 
Zeit  der  beiden  ersten  Procuratoren  noch  verhältnissmässig  ruhig  | 
verlaufen,  unter  Cumanus  zwar  grössere  Volksunruhen,  aber  doch 
nur  einzeln  und  durch  Einzelne  veranlasst,  vorgefallen  waren,  brachte 
es  Felix  dahin,  dass  der  Aufruhr  permanent  wurde. 

Er  war  gleich  seinem  Bruder  Pallas  ein  Freigelassener  des 
kaiserlichen  Hauses*'),  und  zwar  wahrscheinlich  der  Antonia,  der 
Mutter  des  Claudius,  weshalb  sein  vollständiger  Name  Antonius 
Felix  lautet'^).    Die  Uebertragung  einer  Procuratur  mit  militäri- 

S.  725—728.    Roh  den,  De  Palaestina  et  AraMa  p.Zö.    Kellner,  Zeitschr.  für 
kathol.  Theol.  1888,  S.  639  f. 

15)  B.  J.  II,  12,  6.  Vgl.  Antt.  XX,  8,  5:  Ahrjaa/jievog  ixslvov  naQit  xov 
KalaoQog  ns/i<pS-^vai  tf^g  'lovöaiag  inixQonov. 

16)  Antt.  XX,  7,  1.  B.  J.  II,  12,  8.  Sueton.  Claud.  28.  —  Dass  Felix  im 
J.  52  sein  Amt  antrat,  ist  darum  wahrscheinlich,  weil  Joeephus  unmittelbar 
darauf  erwähnt,  dass  Claudius  nach  Ablauf  seines  12.  Jahres  (rz/c  uQxqg  Swös- 
xaxov  erog  i^öri  nsJiXTjQwxcig),  d.  h.  nach  dem  24.  Januar  53,  dem  Agrippa  II 
Batanäa  und  Trachonitis  verliehen  habe  {Antt.  XX,  7,  1).  Freilich  bleibt  dabei 
auch  das  Jahr  53,  welches  andere  annehmen,  als  möglich  offen.  Aber  für  52 
spricht,  dass  auch  Tacitus  {Ann.  XII,  54)  die  Absetzung  des  Cumanus  unter 
den  Ereignissen  dieses  Jahres  berichtet;  allerdings  mit  der  Voraussetzung,  dass 
Felix  schon  früher,  gleichzeitig  mit  Cumanus,  einen  Theil  Palästina's  verwaltet 
habe.  Wenn  auch  diese  Voraussetzung  schwerlich  richtig  ist  (s.  Anm.  14),  so 
wird  docli  das  Jahr  52  als  Zeit  der  Absetzung  des  Cumanus  festzuhalten  sein 

Vgl.  über  Felix  überhaupt  auch:  C.  W.  F.  Walch,  De  Feiice,  Judaeae 
procttratore,  Jenae  1747.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  III,  443  f.  Win  er, 
EWB.  I,  368  f.  Paret  in  Herzog's  Real-Enc.  1.  Aufl.  IV,  354  f.  K.  Schmidt, 
ebendas.  2.  Aufl.  IV,  518  f,  3.  Aufl.  VI,  28 f.  Kellner  in  Wetzer  und  Weite's 
Kirchenlex.  2.  Aufl.  IV,  1311  ff".  Overbeck  in  Schenkel's  Bibellex.  II,  263  f. 
V.  Rohden  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  I,  2616  fl'.  {s.  v.  Antonius  n.  54). 
Prosopographia  imperii  Roinani  I,  95. 

17)  T(ic.  Eist.  V,  9.     Sueton.  Claud.  28. 

18)  Antonius  Felix  bei  Tacit.  Hist.  V,  9.  —  Dieser  Name  und  der  Um- 
stand, dass  Pallas,  der  Bruder  des  Felix,  ein  Freigelassener  der  Antonia  war 
{Jos.  Antt.  XVIII,  6,  6),  spricht  dafür,  dass  auch  Felix  nicht  ein  Freigelassener 
des  Claudius,  sondern  seiner  Mutter  Antonia  war  (s.  Nipperdey  zu  Tac.  Ann. 
XI,  29  und  XII,  54).  —  Dass  Felix  auch  den  Namen  Claudius  geführt  habe 
(so  z.  B.  Winer  RWB.  Art.  „Felix"  und  Rohden,  De  Palaestina  et  Arabia  p.  35, 
anders  derselbe  in  Paulj'-Wissowa's  Real-Enc.  I,  2617),  ist  nicht  wahrscheinlich; 
denn  sowohl  bei  Joseph.  Antt.  XX,  7,  1  als  bei  Suidas  Lex.  s.  v.  KXavöiog  ist 
statt   K'/.avöiov  4>Ti).ixa   wohl    zu   lesen    KXavöiog  ^ijhxa   {seil,  nsfinsi,  resp. 


572  §  19.   Die  römischen  Procuratoren  (44—66  n.  Chr.).        [478.  479] 

schem  Commando  an  einen  Freigelassenen  war  etwas  Unerhörtes  und 
ist  nur  aus  dem  Einfluss  zu  erklären,  welchen  die  Freigelasseneu 
am  Hofe  des  Claudius  überhaupt  ausübten  ^^).  Felix  hat  denn  auch 
als  Procurator  von  Palästina  seine  Herkunft  nicht  verläuguet.  „In 
aller  Grausamkeit  und  Lüsternheit  hat  er  königliches  Recht  mit| 
sklavischer  Sinnesart  gehandhabt" :  in  diesen  Worten  fasst  Tacitus 
das  üitheil  über  ihn  zusammen-*'). 

Felix  war  dreimal  verheirathet.  Alle  drei  Gemahlinen  —  von 
welchen  uns  zwei  bekannt  sind  —  stammten  aus  königlichem  Ge- 
schlecht ^i).  Die  eine  war  eine  Enkelin  des  Triumvirs  M.  Antonius 
und  der  Kleopatra,  durch  welche  Felix  sogar  in  verwandtschaft- 
licher Beziehung  zum  Kaiser  Claudius  stand22).    Die  andere  war 


insoTTiasv).  Bei  Jos.  l.  c.  haben  zwar  unsere  drei  Handschriften  KXavöiov  (so 
auch  Niese).  Da  aber  die  Upitome  und  Vet  Lat.  den  nom.  KXavöioq  bieten, 
und  da  der  acc.  neben  <p]]lixa  sich  leicht  einschleichen  konnte,  so  haben  mit 
Recht  alle  Ausgaben  seit  Hudson  (ausser  Niese)  KXavöiog  hergestellt.  Auch 
bei  Suidas  ist  statt  des  handschriftlich  überlieferten  KXavöiov  die  Conjectur 
KXavöioq  wohl  mit  Recht  von  Bernhardy  gebilligt  und  von  Bekker  in  den  Text 
aufgenommen  worden.  Vgl.  im  Allgemeinen  über  die  Namen  des  Felix  auch 
Walch,  De  Feiice  p.  2—7. 

19)  Das  Ungewöhnliche  hebt  Sueton.  Ctaud.  28  hervor:  Felicem,  quem  co- 
hortibus  et  alis  provinciaeque  Judaeae  praeposuit.  Vgl.  dazu;  Hirschfeld, 
Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1889,  S.423.  —  Neben  den  Freigelasseneu 
hat  in  den  letzten  Jahren  des  Claudius  (49 — 54)  bekanntlich  auch  dessen  Ge- 
mahlin Agrippina  einen  unheilvollen  Einfluss  ausgeübt.  Von  iJirer  Macht- 
stellung geben  auch  palästinensische  Münzen  aus  dem  13.  und  14.  Jahre  des 
Claudius  Zeugnies,  auf  welchen  ihr  Name  (lovXia  lA-yginniva)  neben  dem  des 
Kaisers  erscheint  (Eckhe/,  Doctr.  Num.  IH,  498,  Mionnet,  Descrij)tii)n  de  7ne- 
dailles  V,  554,  Cavedoni,  Bibl.  Numismatik  I,  66.  H,  52,  De  Saulcy,  Re- 
cherckes  sur  la  Numismatique  Judäique  p.  149,  Madden,  History  of  Jewish 
Coinage  p.  151  sq..  De  Saulcy,  Numismatique  de  la  Terre  Saintep.  liisq.  Mad- 
den,  Numismatic  Chro?ncle  \815,  p.  \90  sq.  Madden,  Coinsofthe  Jens  p.lSisq. 
Stickel,  Zeitschr.  des  deutschen  Palästina-Vereins  VH,  1884,  S.  213).  — 
Wahrscheinlich  ist  auch  ein  Ort  im  ÜHtjordiinland  nach  ihr  benannt  worden, 
nämlich  das  zwischen  dem  Berg  Sartaba  und  dem  Hauran  gelegene  Ayr  ippiii  a , 
K:''I)'»n5S<  (ho  ist  Mischita  Rosch  haschana  11,  4  nach  der  von  Lowe  herausge- 
gebenen Cambridger  Handschrift  zu  lesen;  eine  Hamburger  Handschrift  und 
ed.  princepa  haben  Agropina,  der  jerusalomische  Talmud  und  cod.  de  /i'o*st  138: 
Oripina,  der  gedruckte  Vulgärtext  Gropina).  Der  Ort  kommt  nur  au  jener 
Btelle  der  Mischna  vor.  Die  griechische  Form  wird  Aygmmvaq  gelautet  liaben 
(vgl,  TißiQidQ  —  K^nau). 

20)  IIi$t.  V,  9:  per  omnem  aaevitiam  ae  libidinem  jus  regium  servili  inge^do 
exereuit. 

21)  Sueton.  Claud.  28  nennt  iiin  trium  rrginarum  maritum. 

22)  Tae.  Hitt.  V,  9:  iMisilla  Clcopatrae  et  Antonii  ncpte  in  mulriiiionium 
aeeepta,  ut  ejusdem  Antonii  Felix  prvgencr,  Claudius  nepos  esset.  —  Der  Name 
Dnuilla  beruht  wohl  auf  einer  Verwechselang  mit  (hr  aiKlcren  Oemalilin  des 


[479.  480]        §  19.   Die  römischen  Procuratoren  (44—66  n.  Chr.).  573 

die  jüdische  Prinzessin  Drusilla,  die  Tochter  Agrippas  I  und 
Schwester  Agrippa's  II;  und  die  Art,  wie  er  zu  ihr  kam,  dient  dem 
obigen  Urtheil  des  Tacitus  zur  Bestätigung.  Drusilla  war  beim 
Amtsantritt  des  Felix  etwa  14  Jahre  alt -3).  Bald  darauf  wurde 
sie  von  ihrem  Bruder  Agrippa  mit  Azizus,  dem  Könige  von  Emesa, 
verheirathet,  nachdem  ihr  erster  Verlobter,  ein  Sohn  des  Königs 
Antiochus  von  Kommagene,  die  Heirath  ausgeschlagen  hatte,  da  er 
die  Beschneidung  nicht  annehmen  wollte  -^).  Bald  nach  ihrer  Hoch- 
zeit sah  Felix  die  schöne  Königin,  entbrannte  von  Begierde  nach 
ihr  und  wusste  sie  durch  Vermittelung  eines  Magiers  aus  Cypern 
Namens  Simon  zur  Ehe  zu  bewegen.  Mit  Verletzung  des  Gesetzes, 
das  die  Ehe  einer  Jüdin  mit  einem  Heiden  strenge  verpönt,  reichte 
Drusilla  dem  römischen  Procurator  die  fland-^). 

Nicht  besser  als  das  Privatleben  des  Felix  ist  seine  öffentliche 
Wirksamkeit.  Als  Bruder  des  vielvermögenden  Pallas  „glaubte 
er  alle  Schandthaten  ungestraft  verüben  zu  dürfen" '^^).  —  Es  ist 
begreiflich,  dass  unter  einer  solchen  Regierung  die  Feindschaft 
gegen  Rom  gewaltige  Fortschritte  machte;  und  es  lassen  sich  die] 
verschiedenen  Stadien  ihrer  Entwickelung  bis  zur  höchsten  Höhe 
gerade  unter  Felix  und  durch  seine  Schuld  noch  mit  Deutlichkeit 
verfolgen  2'). 

Zunächst  gewannen  infolge  seiner  Missregierung  die  Zeloten, 
jene  Fanatiker  des  Römerhasses,  mehr  und  mehr  Anhang  unter 
der  Bürgerschaft.  Mit  welchem  Rechte  sie  Josephus  schlechtweg 
als  Räuber  bezeichnet,  mag  dahingestellt  bleiben.    Jedenfalls  waren 


Felix.  —  M.  Antonius  hatte  von  der  Kleopatra  zwei  Zwillings-Kinder:  Alex- 
ander und  Kleopatra  Selene,  und  einen  Sohn  Ptolemäus  Pbiladelphus 
{Dio  Cass.  XLIX,  32).  Wir  wissen  nicht,  wessen  Tochter  die  Frau  des  Felix 
war.  Kleopatra  Selene  war  mit  König  Juba  von  Mauretanien  vermählt  und 
starb  vor  5  vor  Chr.  {Prosopoffr.  imp.  Rom.  I,  413). 

23)  Wie  aus  Antt.  XIX,  9,  1  erhellt,  wornach  sie  —  die  jüngste  unter  den 
Töchtern  Agrippa's  I  —  beim  Tode  des  Vaters  sechs  Jahre  alt  war. 

24)  Antt.  XX,  7,  1. 

25)  Antt.  XX,  7,  2.  Vgl.  Ap.-Gesch.  24,  24.  Da  Azizus  im  ersten  Jahre 
des  Nero  starb  {Antt.  XX,  8,  4),  so  fällt  der  Vorgang  noch  in  die  Zeit. des 
Claudius,  53  oder  54  n.  Chr.  Vgl.  Wieseler,  Chronol.  des  ap.  Zeitalters  S.  80 f. 
—  Drusilla  gebar  dem  Felix  einen  Sohn  Namens  Agrippa,  der  „stammt  der 
Frau"  {avv  xy  yvvaixi,  es  ist  wohl  nicht  Drusilla,  sondern  die  Frau  des  Agrippa 
gemeint)  beim  Ausbruch  des  Vesuv  umkam  [Antt.  XX,  7,  2).  —  Vgl.  über  Dru- 
silla ausser  den  Artikeln  bei  Winer,  Herzog  und  Schenkel  auch  Gerlach, 
Zeitschr.  für  luth.  Theol.  1869,  S.  68  f. 

26)  Taeit.  Ann,  XII,  54:  cuncta  malefacta  sibi  impune  ratus  tanta  potentia 
subnixo, 

27)  Besonders  an  der  Hand  des  Berichtes  im  Bellum  Judaicum  (II,  13,  2—6), 
der  noch  durchsichtiger  ist,  als  der  in  den  Antiquitäten  (XX,  8,  5—6). 


574  §  19-   Die  römischen  Procuratoren  (44 — 66  n.  Chr.).  [480 

es,  wie  ihr  Anhang  unter  dem  Volke  beweist,  nicht  Räuber  ge- 
wöhnlicher Art;  und  ihre  Plünderungen  galten  wohl  nur  den  poli- 
tischen Gegnern.  I'elix,  der  in  seinen  Mitteln  nicht  sehr  wähle- 
risch war,  brachte  das  Haupt  ihrer  Partei,  den  Eleasar,  durch 
Verrath  in  seine  Hand  und  schickte  ihn  sammt  seinen  Gefährten, 
welche  er  ebenfalls  gefangen  hatte,  nach  Rom.  „Unermesslich 
aber  war  die  Zahl  der  Räuber,  welche  er  kreuzigen  Hess,  und 
der  Bürger,  welche  als  Verbündete  jener  aufgespürt  und  bestraft 
wurden"  28). 

Solche  verkehrte  Strenge  und  Grausamkeit  schuf  nur  neue 
Uebel29).  An  Stelle  der  „Räuber",  von  welchen  Felix  das  Land 
gesäubert  hatte,  traten  die  Sikarier,  eine  noch  fanatischere 
Fraction  der  Patrioten,  welche  geradezu  den  Meuchelmord  ihrer 
politischen  Gegner  sich  zur  Aufgabe  machten.  Mit  kleinen  Dolchen 
{sicae)  bewaffnet  —  von  welchen  sie  auch  den  Namen  hatten  '^^)  — , 
mischten  sie  sich  besonders  an  den  Festen  unter  die  Volksmasse 
und  stiessen  unvermerkt  im  Gedränge  ihre  Gegner  [rovq  öiatpo- 
Qovq,  d.  h.  die  Römerfreunde)  nieder,  nach  geschehener  That  Trauer 
heuchelnd  und  dadurch  der  Entdeckung  sich  entziehend.  Diese 
politischen  Morde  waren  so  häufig,  dass  bald  Niemand  mehr  in 
Jerusalem  sich  sicher  fühlte.  Unter  andern  fiel  den  Dolchen  der 
Sikarier  auch  der  Hohepriester  Jonathan  zum  Opfer,  der  als 
Mann  der  Mitte  den  Sikariern  ebenso  verhasst  war,  wie  dem  Pro- 
curator  Felix,  welchen  er  oft  zu  besserer  Verwaltung  seines  Amtes 
ermahnte,  damit  er  (Jonathan)  nicht  vom  Volke  darüber  getadelt 
werde,  dass  er  ihn  vom  Kaiser  als  Statthalter  erbeten  habe.  Felix 
wollte  den  lästigen  Mahner  sich  vom  Halse  schaffen  und  fand,  dass 
dies  am  einfachsten  durch  Meuchelmord  geschehe,  zu  welchem  sich 
die  Sikarier,  obwohl  sonst  des  Felix  Todfeinde,  gern  gebrauchen 
Hessen^*).  | 


28)  B.  J.  II,  13,  2.    Ana.  XX,  8,  6. 

29)  Tacü.  Ann.  XII,  54:  intempestivia  remediü  delicia  aooendebaf. 

30)  Anlt.  XX,  8,  10. 

31)  B.  J.  II,  13,  3.  Anit.  XX,  8,  5.  —  Die  Sikarier  werden  aiuh  noch 
wfihrcnd  den  Krieges  erwähnt,  wo  «ie  namentlich  die  FeHtunp  Musadn  in  IJesitz 
hatten,  h.  R  J.  II,  17,  (5.  IV,  7,  2.  9,  5.  VII,  H.  1  fK  10,  1.  11,  1.  Audi  der 
VerfauHcr  der  ApontelgeHchichte  kennt  sie  als  politiBchc«  Partei  {Act.  21,  38: 
rovg  TtT^axtaydlovg  ivSpaq  raJv  aixaQlwv).  —  Im  Lateinischen  ist  sicarius 
eine  gewöhnliche  Bezeichniinj!:  für  „Mörder".  So  heisst  z.  H.  daH  unter  Sulla 
erlaMNene  Ü<?H('tz  über  die  Mi:  ("nnirliii.  (k  Sirariis  (Pauly'.s  Real-Enc. 
IV,  9({9  und  (ihcrh.  d.  Ami  .  ,  .  i„  imIhh.  VI,  1,  1153  f.).  Auch  in  der 
Mimhna  kommt  cm  in  diesem  uliKemtiii«-!»  Hinnc  vor:  liihJcvriiii  I,  2;  II,  3; 
Oittin  V,  »J;  Mnchiirhirin  I,  <».  Denn  an  k(!in<'r  di«'H(r  Stellen  iwt  an  die  sicam 
all  politif*ch<-  Partei  zu  denken.     In  der  Stelle  Machachirin  I,  6  ist  davon  die 


[431.  482]        §  19.   Die  römischen  Procuratoren  (,44 — 66  n.  Chr.).  575 

Zu  den  politischen  Fanatikern  gesellten  sich  aber  noch  die 
religiösen,  „welche  zwar  reinere  Hände,  aber  noch  frevelhaftere 
Gesinnungen  hatten."  Mit  dem  Ansprüche  göttlicher  Sendung  auf- 
tretend regten  sie  das  Volk  zu  wilder  Schwärmerei  auf  und  führten 
die  gläubige  Menge  schaarenweis  in  die  Wüste,  um  ihr  dort  „Vor- 
zeichen der  Freiheit"  {ör]f/iia  iXev&sQiag)  zu  zeigen,  jener  Freiheit, 
die  in  Abwerfung  des  römischen  Joches  und  in  Aufrichtung  des 
Gottesreiches  (oder  mit  Josephus  zu  reden:  in  Neuerung  und  Auf- 
ruhr) bestand.  Da  religiöser  Fanatismus  immer  der  kräftigste  und 
nachhaltigste  ist,  so  hat  Josephus  allerdings  Recht,  wenn  er  sagt, 
dass  jene  Schwärmer  und  Betrüger  nicht  weniger  als  die  ,.Räuber" 
zum  Untergang  der  Stadt  beigetragen  haben.  Auch  erkannte  Felix 
wohl  das  Gefährliche  der  Sache  und  trat  überall  solchen  Unter- 
nehmungen mit  dem  Schwerte  entgegen32). — Das  berühmteste  Unter- 
nehmen dieser  Art  war  das  jenes  Aegypters,  dessen  auch  die 
Apostelgeschichte  (21,  38)  gedenkt.  Ein  ägyptischer  Jude,  der  sich  1 
für  einen  Propheten  ausgab,  sammelte  in  der  Wüste  eine  grosse 
Schaar  von  Anhängern  um  sich  (nach  der  Ap.-Gesch.  4000,  nach  Jos. 
30000),  mit  welchen  er  auf  den  Oelberg  ziehen  wollte,  indem  er  ver- 
hiess,  dass  aufsein  Wort  die  Mauern  Jerusalem»s  einstürzen  und  ihnen 
freien  Einzug  gestatten  würden.  Dann  wollten  sie  die  römische 
Besatzung  in  ihre  Gewalt  bekommen  und  sich  selbst  der  Herrschaft 


Rede,  dass  einst  Einwohner  Jerusalems  ihre  Feigenkuchen  aus  Furcht  vor  den 
D'^'ip'iO  im  Wasser  versteckten.  An  den  anderen  Stellen  wird  der  FaM  voraus- 
gesetzt, dass  ein  Raubmörder  sich  gewaltsam  ein  Grundstück  angeeignet  hat. 
Es  wird  erörtert,  wie  es  in  diesem  Fall  in  Betreff  der  Abgaben  zu  halten  sei 
{Bikkurim  I,  2;  II,  3),  und  ob  man  ein  solches  Grundstück  von  dem  Raub- 
mörder rechtskräftig  erwerben  könne  {Oittin  V,  6).  In  letzterer  Beziehung  heisst 
es,  dass  seit  dem  Krieg  (es  ist  wohl  der  hadrianische  gemeint)  verordnet  wor- 
den sei,  dass  der  Kauf  nur  dann  gültig  sei,  wenn  man  das  Grundstück  zuerst 
vom  rechtmässigen  Eigeuthümer  und  dann  vom  Raubmörder  erworben  habe, 
nicht  aber,  wenn  man  es  zuerst  vom  Raubmörder  und  dann  vom  Eigenthümer 
erworben  habe.  Hier  sind  unter  den  sicarii  wohl  eher  nichtjüdische  als  jü- 
dische „Raubmörder"  zu  verstehen.  Vgl.  überhaupt:  Grätz,  Gesch.  der  Juden 
IV,  422  f.  (der  mit  Unrecht  an  die  sicarii  als  jüdisch-politische  Partei  denkt). 
Derenbourg ,  Histoire  de  la  Palestine p.  280,  475  sqq.  Levy,  Neuhebr.  Wörterb. 
III,  518.  Grätz,  Das  Sikarikon-Gesetz  (Jahresbericht  des  jüdisch.-theol.  Se- 
minares,  Breslau  1892,  S.  3—18).  Rosenthal,  Das  Sikarikon-Gesetz  (Mo- 
natsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  Neue  Folge  1.  Jahrg.  1892/93, 
S.  1—6,57-63,105—110).  Krauss,  Byzant.  Zeitschr.  II,  511.  Ders.,  Griech. 
und  lat.  Lehnwörter  im  Talmud  II,  1899,  S.  392.  —  Die  correcte  Form  0'^-ip''0 
==  sicarii  findet  sich  Mackschirin  I,  6  (z.  B.  in  der  von  Lowe  herausgegebenen 
Cambridger  Handschrift).  Merkwürdig  ist  aber,  dass  an  den  übrigen  Stellen 
die  besten  Zeugen,  z.  B.  die  Cambridger  Handschrift,  constant  "jlp'^lp'io,  sica- 
ricon,  haben,  und  zwar  als  Sing.  masc.  =  „der  Mörder". 
32)  B.  J.  II,  13,  4.    Antt.  XX,  8,  6. 


576  §  19-   l^ie  römischen  Procuratoren  (44—06  n.  Chr.).  [482] 

bemächtigen.  Felix  Hess  dem  Propheten  freilich  nicht  Zeit,  das 
Wunder  in  Scene  zu  setzen,  sondern  zog  ihm  mit  seiner  Streit- 
macht entgegen,  tödtete  und  zerstreute  seine  Anhänger  oder  nahm 
sie  gefangen.  Der  Aegypter  selbst  aber  entkam  aus  der  Schlacht 
und  verschwand  32). 

Die  Folge  des  misslungenen  Unternehmens  war  eine  abermalige 
Kräftigung  der  antirömischen  Partei.  Die  religiösen  und  die  poli- 
tischen Fanatiker  (ot  yorixeq  xal  Xijotqlxoi)  verbanden  sich  nun  zu 
gemeinsamer  Thätigkeit  und  „brachten  Viele  zum  Abfall  und  er- 
munterten sie  zur  Freiheit,  indem  sie  denjenigen,  welche  der  römi- 
schen Herrschaft  gehorchten,  mit  dem  Tode  drohten  und  sagten, 
dass  die,  welche  freiwillig  die  Knechtschaft  wählten,  mit  Gewalt 
daran  gehindert  werden  würden.  Indem  sie  sich  nun  rottenweise 
durch  das  Land  vertheilten,  plünderten  sie  die  Häuser  der  Vor- 
nehmen, tödteten  diese  selbst  und  verbrannten  die  Dörfer,  so  dass 
ganz  Judäa  ihres  Wahnsinns  voll  wurde" 2*). 

So  hatte  es  die  Missregierung  des  Felix  am  Ende  glücklich 
dahin  gebracht,  dass  eine  grosse  Partei  des  Volkes  von  nun  an 
unablässig  mit  wildem  Terrorismus  den  Kampf  gegen  Rom  schürte 
und  nicht  ruhte,  bis  sie  endlich  ihr  Ziel  erreichte. 

Neben  diesen  wilden  Agitationen  der  Volksmänner  gingen  innere 
Streitigkeiten  im  Schoosse  der  Priesterschaft  wie  zur  Ergänzung 
neben  her.  Die  Hohenpriester  lagen  im  Kampf  mit  den  übrigen 
Priestern  und  konnten  es  sich  bei  dem  rechtlosen  Zustande,  der 
unter  Felix'  Regiment  in  Palästina  herrschte,  sogar  erlauben,  ihre 
Knechte  auf  die  Tennen  zu  schicken  und  mit  Gewalt  den  Zehnten, 
welcher  den  übrigen  Priestern  gebührte,  wegnehmen  zu  lassen,  so 
dass  manche  der  letzteren  durch  Mangel  umkamen  2^). 


33)  B.  J.  II,  13,  5.  Antt.  XX,  8,  6:  0  6h  Alyinxioq  avxbq  SiaÖQuq  ix  ttjq 
fi<ixii  t(<pcivi](;  iyiveio.  Ohne  Zweifel  glaubte  das  Volk  an  ein  wunderbares 
Entkommen  und  hofl'te  auf  eine  Rückkehr,  worauf  auch  Ap.-Gesch.  21,  38 
hindeutet.  —  Vgl.  auch  Euseb.  Hist.  Eccl.  II,  21.  —  Krenkel,  Josephus  uud 
LucaH  6.  240  ti; 

34)  D.  J.  II,  13,  (i.    Antt.  XX,  8,  ü. 

36)  Antt.  XX,  8,  8,  Vgl.  XX,  9,  2  (Ananias).  —  Ueber  die  Gewaltthätig- 
keit  der  hohenpriesterlichen  Familien  in  dieser  Zeit  klagt  auch  eine  talmu- 
ditche  Tradition,  bali.  Pemchim  Ö7a  (etwas  abweichend  Ihscphta  Menachoth  XIII, 
21,  ed.  Zuckcrmumlel  p.  h'A'ii  iin.  'A'iaqq.),  franz.  bei  Derenbourii,  Jfistoire  de  la 
Paleatine  p.  232  «7.,  deutsch  bei  Geiger,  Urschrift  und  Uebersetzungen  der 
Bibel  8.  110.  Sie  lautet:  „Weh'  mir  ob  des  IIiuihch  Hoc t hos',  weh'  mir 
ob  ihres  Spiesiies!  Weh'  mir  ob  des  Hauses  KatharoH',  weh'  mir  ob  ihrer 
Feder!  Weh'  mir  ob  des  HauncH  Ilanau'H,  weh'  mir  ob  iiircH  Schlungengc- 
xivchefl!  Wob'  mir  ob  den  HauMeB  iHmaer«  ben  Phabi,  weh'  mir  ob  ihrer 
FauNt!  öle  »ind  IIoheprieiit<!r,  ilire  8öhno  Schat/meiHter,  ihre  Schwiegersöhne 
TempeUufieher,  und  ilirc  Knechte  Hchlagen  dan  Volk  mit  Stöcken!" 


[482.  483]        §  19.  Die  römischen  Procuratoren  (44—66  n.  Chr.).  577 

In  die  letzten  zwei  Jahre  des  Felix  fällt  auch  die  Gefangen- 
schaft des  Apostels  Paulus  zu  Cäsarea,  von  welcher  die  Apostel- 
geschichte (c.  23 — 24)  berichtet.  Bekanntlich  hatte  der  Apostel  auch  ' 
eine  persönliche  Begegnung  mit  dem  römischen  Procurator  und 
seiner  Gemahlin  Drusilla,  -wobei  er  nicht  verfehlte,  den  beiden  von 
dem  zu  reden,  was  gerade  für  sie  besonders  nöthig  war:  „von 
der  Gerechtigkeit  und  von  der  Keuschheit  und  vom  zukünftigen 
Gericht"  36). 

Während  Paulus  in  Cäsarea  gefangen  lag,  spielte  daselbst  ein 
Kampf  zwischen  den  jüdischen  und  den  syrischen  Einwohnern  der 
Stadt  wegen  der  Gleichstellung  im  Bürgerrecht  {ioojtoXiTsla).  Die 
Juden  beanspruchten  einen  Vorzug,  da  Herodes  die  Stadt  gegründet 
habe.  Die  Syrer  wollten  begreiflicherweise  ihnen  diesen  Vorzug  nicht 
einräumen.  Längere  Zeit  hindurch  gab  es  zwischen  beiden  Par- 
teien üfi'ene  Strassenkämpfe.  Endlich  als  einmal  die  Juden  im  Vor- 
theil  waren,  schritt  Felix  ein,  brachte  die  Juden  mit  Gewalt  zur 
Euhe  und  gab  einige  ihrer  Häuser  den  Soldaten  zur  Plünderung 
preis.  Da  trotzdem  die  Unruhen  fortdauerten,  sandte  Felix  die  An- 
gesehensten von  beiden  Parteien  nach  Rom,  damit  durch  den  Kaiser 
die  Rechtsfrage  entschieden  werde  3').  Aber  noch  ehe  die  Sache 
zum  Austrag  gebracht  war,  wurde  Felix,  wahrscheinlich  im  J.  60, 
von  Nero  abberufen  3^).  | 


36)  Ap.-Gesch.  24,  24  f. 

37)  Antt.  XX,  8,  7.    B.  J.  II,  18,  7. 

38)  üeber  die  Zeit  der  Abberufung  des  Felix  und  des  Amtsantrittes  des 
Festus  9.  die  Erörterungen  von  Wurm,  Tübinger  Theol.  Zeitschr.  1833, 1.  Heft 
S.  8—25.  Anger,  De  temporum  in  actis  apostolorum  ratione  p.  88 — 113,  Wie- 
seler, Chronologie  des  apostol.  Zeitalters  S.  66—115,  Ders.,  Herzog's  Real- 
Enc.  1.  Aufl.  XXI,  553—558,  Ders.,  Beiträge  zur  richtigen  Würdigung  der 
Ew.  S.  322—328.  Ders.,  Zur  Gesch.  der  neutestamentl.  Schrift.  (1880)  8.  93  ff. 
Eine  anonyme  Abhandlung  „St.  Paul  and  Josephus"  im  Journal  of  Sa- 
cred  Literature,  New  Series  vol.  VI,  1854,  p.  160—183.  Lehmann,  Stud.  und 
Krit.  1858,  S.  313—330.  Leicin,  Fasti  sacri  p.  LXXU  sqq.  J.  Chr.  K.  von 
Hofmann,  Die  heilige  Schrift  neuen  Testaments  zusammenhängend  unter- 
sucht, Thl.  V,  1873,  S.  13—16.  Grätz,  Monatsschr.  1877,  S.  443  ff".  =  Gesch. 
der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  729  ff.  Aberle,  Zur  Chronologie  der  Gefangen- 
schaft Pauli  (Theol.  Quartalschr.  1883,  S.  553—572).  Kellner,  Art.  „Felix" 
in  Wetzer  und  Weite's  Kirchenlex.  2.  Aufl.  IV,  1311  ff.  (1886).  Ders.  im 
„Katholik"  Jahrg.  1887,  1.  Hälfte,  S.  146—151.  Ders.,  Zeitschr.  für  kathol. 
Theologie  1888,  S.  640—646.  Schanz,  Das  Jahr  der  Gefangennahme  des  hl. 
Apostels  Paulus  (Historisches  Jahrbuch  der  Görres-Gesellsch.  1887,  S.  199—222, 
mit  Nachtrag  von  Kellner  S.  222—224).  Wandel,  Zeitschr.  für  kirchl. 
Wissensch.  und  kirchl.  Leben  1888,  S.  169  ff".  V.  Weber,  Kritische  Geschichte 
der  Exegese  des  9.  Kapitels  des  Römerbriefes,  1889,  S.  177—197.  Kühn, 
Letzte  Reise  und  Todesjahr  des  Apostels  Paulus  (Neue  kirchl.  Zeitschr.  1896, 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  37 


578  §  19-   I^ie  romischen  Procuratoren  (44—66  n.  Chr.).        [483.  484] 

S.  271—277).  Bamsay,  A  fixed  date  in  the  life  of  St.  Paul  [Expositor  1896, 
May  p.  336—345).  Harnack,  Gesch.  der  altchristl.  Literatur  II,  1  (1897) 
S.  233—239.  Belser,  Zur  Chronologie  des  Paulus  (Theol.  Quartalschr.  1898, 
S.  353 — 379).  Erbes,  Die  Todestage  der  Apostel  Paulus  und  Petrus  und  ihre 
romischen  Denkmäler  (Texte  und  Untersuchungen  von  Gebhardt  und  Harnack 
N.  F.  IV,  ],  1899).  Zahn,  Einleitung  in  das  Neue  Testament  II,  634—689. 
—  Eine  genaue  und  sichere  Bestimmung  des  Jahres,  in  welchem  Felix  abbe- 
rufen wurde,  ist  leider  nicht  möglich.  Die  Versuche,  auf  Grund  der  Tages- 
Angaben  Act.  20,  6—7  ein  festes  Datum  für  die  Chronologie  des  Paulus  und 
damit  auch  des  Felix  zu  gewinnen  (Anger  S.  106 — 113,  Wieseler  S.  99—115, 
Ramsay  a.  a.  O.),  führen  nicht  zum  Ziel,  da  die  Voraussetzungen  zu  un- 
sicher sind.  Die  meisten  neueren  Forscher  nehmen  das  Jahr  60  als  walir- 
scheinlich  an  (so  Wurm,  Anger,  Wieseler,  der  Anonymus  im  Journal  of  S.  L,, 
Lewin,  Hofmann,  Aberle,  Schanz,  Wandel).  Einige  gehen  um  ein  oder  zwei 
Jahre  weiter  zurück  (Grätz  59,  Lehmann  58).  In  stärkerer  Weise  weichen 
nach  dem  Vorgang  einiger  Aelteren  (Bengel,  Süskind,  Rettig,  angeführt  von 
Anger  S.  96,  Wieseler  S.  72)  namentlich  Kellner,  V.  Weber  und  Harnack 
ab,  indem  sie  die  Abbenifung  des  Felix  ganz  in  den  Anfang  von  Nero's  Re- 
gierung, 54,  55  oder  56  n.  Chr.,  setzen.  Die  Gründe  für  diese  Annahme  sind: 
1)  In  der  Chronik  des  Eusebius  wird,  nach  dem  armenischen  Text,  die  Ab- 
berufung des  Felix  noch  in  das  letzte  Jahr  des  Claudius,  54  nach  Chr ,  ver- 
legt {Etis.  Chron.  ed.  Schoene  II,  152),  nach  dem  Text  des  Hieronymus  in  das 
zweite  Jahr  des  Nero  {Euseb.  Chron.  ed.  Schoene  II,  155).  2)  Als  Felix  nach 
seiner  Abberufung  in  Rom  von  den  Juden  verklagt  wurde,  erwirkte  ihm  Pallas 
Verzeihung  {Jos.  Antt.  XX,  8,  9).  Pallas  hatte  also  damals  noch  grossen  Ein- 
fluss;  er  fiel  aber  bereits  im  Anfang  von  Nero's  Regierung,  55  n.  Chr.,  in  Un- 
gnade {Tacit.  Ann.  XHI,  14).  Hiergegen  ist  zu  bemerken:  1)  Die  Ansätze 
in  der  Chronik  des  Eusebius  für  die  Geschichte  Judäa's  in  dieser  Zeit 
sind  lediglich  aus  Josephus  geschöpft,  haben  also  keinen  selbständigen 
Werth  (dies  glaube  ich  in  der  Zeitsclir.  für  wissensch.  Theol.  189?,  S,  21—42, 
durch  Vorführung  des  gesammten  Materiales  bewiesen  zu  haben).  Wo  Euse- 
bius bei  Josephus  keine  bestimmten  chronologischen  Anhaltspunkte  fand, 
macht  er  den  Ansatz,  so  gut  es  ging,  nach  eigenem  Ermessen.  Die  Abberu- 
fung des  Felix  setzt  er  in  das  zweite  Jahr  des  Nero  (denn  Hieronymus,  nicht 
der  Armenier,  haben  hier  den  echten  Text  des  Eusebius,  s.  Zeitschr.  für  wiss. 
Theol.  1898,  8.  35),  vermuthlich  deshalb,  weil  bei  Josephus  vorher  [Antt.  XX, 
8,  4)  das  erste  Jahr  des  Nero  erwähnt  war  (diese  Erklärung  scheint  mir  walir- 
Hcheinlicher,  als  die  künstliche,  welche  Erbes  gegeben  hat).  2)  Die  Amts- 
enthebung doB  Pallas  fand  schon  vor  dem  13.  Februar  55  nach  Chr.  statt 
(Dämlicli  vor  dem  Geburtstage  des  Britanniens  Tacit.  Annal.  XIII,  15,  vgl. 
Zeitsciir.  für  wies.  Theol.  1898,  S.  39;  das  Jahr  ist  nach  Tacitus  ganz  sicher); 
also  nur  wenige  Monate  nach  dem  Regierungsantritte  Nero's,  13.  Oct.  54. 
In  diese  kurze  Zeit  kann  unmöglich  Alles  sich  zusamnicndrüngen,  was  Jo- 
sephuH  aus  der  Amtsführung  des  Felix  während  der  Regierung  Nero's  be- 
richtet {Antl.  XX,  8,  1— Ü.  MI.  Jud.  II,  12,  8—14,  1).  Der  obige  Schluss  aus 
der  Oeschicbto  des  Pallas  ist  also  falsch;  es  ist  vielmehr  umgckclirt  aus  der 
Geschichte  des  Felix  zu  HchlieHsen,  <1asH  Pallas  trotz  seiner  Aintsenthcbung 
auch  splter  noch  oder  wieder  ein  Mann  von  KinflusH  war,  was  mit  der  Dar- 
■tellung  dei  Tacitus  durcluius  in  Kinklang  stellt  (Zeitschr.  f.  wiss.  Theol.  1898, 
8.  40).  —  Eio  enttcbeideiider  Grund  gegen  jene  früiie  Ansetzung  der  Abbc- 
rafbog  des  Felix  ergiebt  sicth  aus  dem  Aufstände  des  Aegy  ptcrs,  welcher 


[485]  §  19.   Die  römischen  Procuratoren  (44—66  n.  Chr.).  579 

5.  Als  Nachfolger  des  Felix  sandte  Nero  den  Porcius  Festiis 
(60—62)^^),  einen  rechtlich  gesinnten  Mann,  der  aber  nicht  mehr 
im  Stande  war,  das  durch  seines  Vorgängers  Schuld  unheilbar  ge- 
wordene Uebel  zu  heben. 

Bald  nach  dem  Amtsantritt  des  Festus  wurde  der  Streit 
zwischen  den  jüdischen  und  syrischen  Einwohnern  Cäsarea's 
durch  kaiserliches  Rescript  zu  Gunsten  der  letzteren  entschieden. 
Die  Abgesandten  der  Juden  konnten  in  Rom  mit  ihrer  Klage 
gegen  Felix  nicht  durchdringen,  da  Pallas  sich  für  seinen  Bruder 
verwandte.    Andererseits    gelang    es    den    beiden    syrischen    Ab- 


nach  Jos.  Antl.  XX,  8,  4—6,  Bell.  Jud.  II,  13,  1—5  in  die  Zeit  Nero's,  und 
wohl  nicht  ganz  in  die  erste  Zeit  desselben  fallt.  Dieser  Aufstand  gehörte  aber 
bereits  der  Vergangenheit  an,  als  Paulus  unter  Felix  gefangen  gesetzt  wurde 
{Act.  21,  38).  Dann  folgt  die  zweijährige  Gefangenschaft  Pauli  und  dann  erst 
die  Abberufung  des  Felix.  —  Wie  weit  man  mit  letzterer  herabgehen  nuiss,  lässt 
sich  nun  freilich  nicht  sicher  sagen.  Mit  einiger  Bestimmtheit  lässt  sich  nur 
der  terminus  ad  quem  dafür  angeben.  Sie  föUt  jedenfalls  in  den  Sommer, 
da  der  Apostel  Paulus,  der  nicht  lange  nach  dem  Abgange  des  Felix  nach 
Rom  eingeschifft  wurde,  um  die  Zeit  des  grossen  Versöhnungstages  (October) 
in  Kreta  anlangte  {Act.  27,  9).  Dieser  Sommer  kann  aber  nicht  wohl  ein 
späterer  als  der  des  Jahres  60  sein.  Da  nämlich  Felix'  zweiter  Nachfolger 
Albinus  spätestens  im  Sommer  62  nach  Palästina  gekommen  ist  (s.  diesen), 
so  würde  bei  der  Annahme,  dass  Felix  erst  im  Sommer  61  abging,  für  Fes- 
tus nur  ein  Jahr  bleiben,  was  angesichts  der  aus  seiner  Zeit  berichteten  Er- 
eignisse {Antt.  XX,  8,  9—11)  zu  kurz  erscheint.  Sehr  seltsam  ist  das  zu 
Gunsten  des  Jahres  61  aus  Jos.  ArUt.  XX,  8,  11  entnommene  Argument.  Weil 
nämlich  hier  bei  einem  Vorgang  einige  Zeit  nach  dem  Amtsantritt  des  Festus 
Poppäa  als  Frau  des  Nero  bezeichnet  wird,  was  sie  erst  im  J.  62  geworden 
ist  {Tac.  Ann.  XIV,  60),  so  meint  man  den  Amtsantritt  des  Festus  nicht  früher 
als  61  setzen  zu  dürfen.  Es  hindert  aber  nichts,  jenen  Vorgang  um  mehr 
als  ein  Jalir  nach  dem  Amtsantritt  des  Festus  zu  setzen.  Ueberdies  Hillt  die 
Vermählung  Nero's  mit  Poppäa  erst  etwa  gleichzeitig  mit  dem  Tode  des  Fes- 
tus, vielleicht  noch  etwas  später.  Da  jener  Vorgang  noch  in  die  Zeit  des 
Festus  fallt,  so  hat  Josephus  jedenfalls  die  Concubine  Nero's  proleptisch  als 
seine  Frau  bezeichnet.  —  Darf  somit  das  Jahr  60  als  terminus  ad  quem  fest- 
gehalten werden,  so  ist  es  andererseits  nicht  räthlich,  viel  weiter  zurückzugehen. 
Denn  zwei  Jahre  vor  dem  Abgang  des  Felix  beginnt  die  Gefangenschaft  Pauli. 
Zur  Zeit  der  Gefangennahme  Pauli  wird  aber  Felix  bereits  als  ix  noD.div 
ircüv  im  Amte  befindlich  bezeichnet  {Act.  24,  10).  Setzen  wir  die  Gefangen- 
nahme Pauli  in  das  J.  58,  so  war  Felix  damals  6  Jahre  im  Amt.  Viel  weniger 
können  es  nicht  wohl  sein.  Auch  die  sonstige  Chronologie  des  Lebens  Pauli 
gestattet  nicht,  seine  Gefangennahme  wesentlich  früher  zu  setzen.  Freilich 
bleibt  mindestens  auch  das  Jahr  57,  für  den  Abgang  des  Felix  also  das  J.  59 
als  möglich  offen.  Am  correctesten  ist  es,  mit  Wurm  zu  sagen:  frühestens 
58,  spätestens  61,  wahrscheinlich  60. 

39)  Antt.  XX,  8,  9.  B.  J  II,  14,  1.  —  Vgl.  über  Festus:  Winer,  EWß. 
I,  372 f.  Klaiber  in  Herzog's  Real-Enc.  1.  Aufl.  IV,  394.  Overbeck  in 
Schenkel's  Bibellex.  II,  275  f. 

37* 


580  §  19-   Die  römischen  Procuratoren  (44—66  n.  Ciir.).        [485.  486] 

gesandten,  einen  gewissen  Beryllus,  welcher  Nero's  Secretär  für 
die  griechische  Correspondenz  war"*^),  durch  Bestechung  für  sich 
zu  gewinnen  und  dadurch  ein  kaiserliches  Rescript  zu  erwirken, 
durch  welches  den  Juden,  die  zuvor  mit  der  Gleichstellung  mit 
den  Syrern  nicht  zufrieden  gewesen  waren,  sogar  diese  genommen 
und  die  ,;Hellenen"  für  die  Herren  der  Stadt  erklärt  wurden.  Die 
Erbitterung,  die  sich  infolge  dessen  der  Juden  in  Cäsarea  bemäch- 
tigte, brach  wenige  Jahre  später,  66  n.  Chr.,  in  aufrührerische 
Handlungen  aus,  die  Josephus  als  den  Beginn  des  grossen  Krieges 
betrachtet  41). 

Den  Apostel  Paulus,  welcher  von  Felix  als  Gefangener  zurück- 
gelassen worden  war  (Ap.-Gesch.  24,  27),  Hess  Festus  nach  mehr-] 
maligem  Verhör  auf  des  Apostels  eigenes  Verlangen,  als  römischer 
Bürger  vor  dem  Kaiser  gerichtet  zu  werden,  nach  Rom  abführen 
(Ap.-Gesch.  c.  25.  26.  27,  1—2;  vgl.  dazu  oben  S.  462  u.  488). 

Das  Sikarier-Ünwesen  blieb  unter  Festus  auf  derselben  Höhe, 
die  es  unter  Felix  erreicht  hatte.  Auch  jetzt  führte  ein  Gaukler 
(wie  ihn  wenigstens  Josephus  nennt)  das  Volk  in  die  Wüste,  indem 
er  denjenigen,  welche  ihm  folgen  wollten,  Erlösung  und  Befreiung 
von  allen  Uebeln  verhiess.  Festus  schritt  mit  aller  Strenge  da- 
gegen ein.  Aber  einen  bleibenden  Erfolg  konnte  er  nicht  mehr 
erzielen*^). 

Ueber  einen  Conflict  zwischen  den  Priestern  und  dem  König 


40)  Statt  des  von  allen  Handschriften  Antt.  XX,  8,  9  gebotenen  Beryllus 
haben  die  Ausgaben  seit  Hudson  und  Haverkamp  Burrus.  Erst  Niese  hat 
das  überlieferte  BtjqvXXov  wieder  hergestellt,  während  Naber  wieder  Bovqqov 
liest.  Diese  Conjectur,  auf  welche  man  sogar  wichtige  chronologische  Schlüsse 
gebaut  hat,  ist  darum  besonders  verfehlt,  weil  die  gegebene  Charakteristik 
{nai6ayo)yb<i  öh  ovxoq  t/v  xov  NiQwvog,  ra^iv  rfiv  inl  Tcüv'^ElXijvixäiv  inioroXdiv 
nentaxevfiivoQ)  gar  nicht  auf  Burrus,  den  bekannten  praefectus  praetor io,  passt, 
welchen  Josephus  sehr  wohl  als  solchen  kennt  [Antt.  XX,  8,  2).  Dieses  Ar- 
gument bleibt  auch  gegenüber  dem  Versuch  von  Henze,  die  Conjectur  Bur- 
rus wieder  zu  vertlieidigen  (Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  III,  319  s.  v.  Beryl- 
lus), in  voller  Kraft. 

41)  Antt.  XX,  8,  9.  B.  J.  II,  14,  4.  —  Die  beiden  Darstellungen  des  Jo- 
sephus weichen  in  einigen  Punkton  von  einander  ab.  Nach  Antt.  XX,  8,  9 
wären  die  Abgesandten  der  Juden  Cäsarea's  erst  nacli  dem  Amtsantritt  des 
FestOB  nach  Eom  gereist,  um  den  Felix  zu  verklagen.  Nucli  II  ./.  11,  18,  7 /in. 
sind  aber  Abgesandt«!  beidc-r  Parteien  sclioii  von  Felix  uadi  Honi  geschickt 
worden,  was  deshalb  walirsclicinlich  ist,  weil  auch  nach  Antt.  XX,  8,  9  sicii  Ab- 
gesandte der  Syrer  in  Rom  befanden.  —  Nach  B.  J.  II,  14,  4  hat  es  den  An- 
schein, als  ob  die  P^ntschciduDg  dos  Kaisers  erst  im  J.  0(5  geföUt  worden  wäre. 
Dies  ist  aber  nicht  möglich,  da  bei  den  Verhandlungen  Pallas  eine  entscliei- 
dende  Rolle  spielt«!,  welcher  im  J.  62  starb  {Tao.  Annal.  XIV,  05). 

42)  AtUl.  XX,  H,  10.    D.  J.  II,  14,  1. 


[486.  487]        §  19.   Die  römischen  Procuratoren  (44 -Ü6  n.  Chr.).  581 

Agrippa  II,  in  welchem  Festus  sich  auf  Seite  Agrippas  stellte, 
wird  unten  in  der  Geschichte  dieses  Königs  das  Nähere  berichtet 
werden. 

Nach  kaum  zweijähriger  Amtsführung  starb  Festus  während 
der  Verwaltung  seiner  Procuratur;  und  ihm  folgten  nun  nach  ein- 
ander zwei  Männer,  welche  —  getreue  Nachfolger  des  Felix  —  so 
viel  an  ihnen  lag,  dazu  beitrugen,  den  Conflict  zu  steigern  und 
seine  endliche  blutige  Lösung  herbeizuführen. 

In  der  Zwischenzeit  zwischen  dem  Tode  des  Festus  und  der 
Ankunft  seines  Nachfolgers  (62  n.  Chr.)  herrschte  in  Jerusalem 
völlige  Anarchie,  welche  der  Hohepriester  Ananos  —  ein  Sohn 
jenes  älteren  Ananos  oder  Annas,  der  aus  der  Leidensgeschichte  Jesu 
Christi  bekannt  ist  —  dazu  benützte,  um  seine  Feinde  durch  turaul- 
tuarischen  Spruch  verurtheilen  und  steinigen  zu  lassen.  Seine  Will- 
kürherrschaft war  jedoch  nicht  von  langer  Dauer,  da  ihn  der  König 
Agrippa  noch  vor  Ankunft  des  neuen  Procurators,  nachdem  er  nur 
drei  Monate  sein  Amt  bekleidet  hatte,  wieder  absetzte^').  —  Unter 
den  von  Ananos  Hingerichteten  soll  sich  auch  Jakobus,  der 
Bruder  Jesu  Christi  (o  döeXfpog  'fijöov  rov  Xsyofitvov  Xqiotov)  be- 
funden haben.  So  steht  wenigstens  in  unserem  jetzigen  Josephus- 
texte;  und  die  Worte  sind  genau  so,  wie  sie  unsere  Handschriften 
haben,  schon  von  Eusebius  bei  Josephus  gelesen  worden  ^^).  Trotz- 
dem liegt  der  Verdacht  christlicher  Interpolation  nahe,  zumal 
Origenes  bei  Josephus  eine  andere  Stelle  über  den  Tod  des  Jakobus 
gelesen  hat,  in  welcher  die  Zerstörung  Jerusalems  und  des  Tempels 
als  Strafe  Gottes  für  die  Hinrichtung  des  Jakobus  bezeichnet  war. 
Diese  steht  in  keiner  unserer  Josephus-Handschriften,  darf  also 
sicher  als  eine,  unserem  Vulgärtext  ferngebliebene  christliche  Inter- 
polation betrachtet  werden^ ^).    Auch  in  dem  Bericht  des  Hege- 


43)  Antt.  XX,  9,  1. 

44)  Euscb.  Hist.  eccl.  II,  23,  21—24,  wörtlich  =  Jos.  Antt.  XX,  9,  1. 

45)  Origenes  nimmt  dreimal  auf  diese  Josephus-Stelle  Bezug:  1)  Comment. 
in  Matth.  tom.  X,  c.  17  (zu  Matth.  13,  55):  „So  sehr  zeichnete  dieser  Jakobus 
im  Volk  durch  seine  Gerechtigkeit  sich  aus,  dass  Josephus  in  seiner  Archäo- 
logie, indem  er  die  Ursache  der  Zerstörung  des  Tempels  darlegen  will,  sagt, 
xaxa  fiTJviv  S^sov  xavxa  avxoTq  dmjvxtjxivai,  öiä  xa  elg  'läxwßov,  xov  aSskipöv 
'Itjoov  xov  Xsyofxsvov  XqioxoZ,  vn  avxwv  xexoX/XTj/xsva  ....  Aeyei  6i,  oxi  xal 
o  Xaoq  xavxa  ivo/ni^e  öiä  xov  'Idxcaßov  nsnovB-evac" .  2)  Contra  Celsum  I,  47: 
0  d'  avioq  .  .  .  I^tjxwv  xt/v  alxiav  xTjq  xwv  IsgoaoXvfxwv  nxwaewq  xal  xfiq  xov 
vaov  xa^aigiaeioq  ....  (priol  xavxa  avfißsßTjxsvai  xoTq  'lovdaloiq  xux*  ixölxTjaiv 
'laxwßov  xov  öixalov,  oq  i]v  döeXiphq^Iriaov  xov  ?.eYOfi6vov  Xgiaxov,  insiö^Tiep 
öixaioxaxov  avxöv  ovxa  dntxxsivav.  3)  Contra  Celsum  II,  13//«.  Tkoq  xa&eZXs 
T/)v  'leQovoah'jfi'  wq  fiiv  'Icuotjtioq  yQüipei,  diä  Idxwßov  xov  öixaiov,  xov  döe?.- 
<p6v  'iTjaov  xov  Xeyofitvov  Xgtaxov.    „Das  Urtheil  Schlatter's  (Der  Chrono- 


582  §  19-   Die  römischen  Procuratoren  (44—66  n.  Chr.).  [487] 

sippus  Über  die  Hinrichtung  des  Jakobus  ist  diese  in  enge  Ver- 
bindung mit  der  Zerstörung  Jerusalems  gebracht.  Das  Jahr  62 
als  Todesjahr  steht  also  keineswegs  fest^^).  | 


graph  aus  dem  zehnten  Jahre  Antonios,  1894,  S.  66—75),  dass  Orig.  den  Jos. 
gar  nicht  selbst  gelesen,  sondern  alles,  was  er  auf  Jos.  zurückführt,  aus  der 
angeblichen  Chronik  des  Judas  geschöpft  habe  ohne  die  Fähigkeit  oder  den 
Willen,  die  Angaben  des  Jos.  von  den  christlichen  Ausdeutungen  des  Judas 
zu  unterscheiden,  macht  den  grössten  und  gewissenhaftesten  Gelehrten  der 
alten  Kirche  zu  einem  eitlen  Windbeutel"  (so  bemerkt  treffend  Zahn,  For- 
schungen VI,  303  f.).  —  In  derselben  Form  wie  Origenes  contra  Gels.  I,  47 
(und  vermuthlich  nach  ihm)  citirt  die  Stelle  Eusebins  Eist.  ecel.  II,  23,  20. 
Auf  Eusebius  gehen  zurück  die  kurzen  Angaben  bei  Hieronymus,  De  viris 
iUustr.  e.  2  und  13,  adv.  Jovinian.  I,  39  {ppp.  ed.  Vallarsi  II,  301).  Die  grie- 
chische Uebersetzung  von  Hieron.  de  viris  illustr.  c.  13  ist  reproducirt  bei 
Suidas  Lex.  s.  v.  'IcaaTjnog.  Gegen  die  Annahme  Zahn's  (Forschungen  zur 
Gesch.  des  neutest.  Kanons  VI,  301—305),  dass  auch  Eusebius  und  der  Verf. 
des  Chranicon  paschale  die  Stelle  bei  Josephus  selbst  gelesen  haben,  und  zwar 
im  fünften  Buche  des  Bell.  Jud.  (Chron.  pasch,  ed.  Bonn.  I,  463),  spricht  1)  dass 
Eusebius  für  diese  Stelle  den  Fundort  bei  Josephus  nicht  angiebt,  während 
er  für  die  andere,  unmittelbar  darnach  citirte  Stelle  über  Jakobus  den  Fund- 
ort richtig  angiebt  {H.  E.  II,  23,  21;  fV  dxoatcü  t^s  dg^aioloyiaq),  2)  dass 
Origenes  als  Fundort  nicht  das  Bell.  Jud.,  sondern  die  Archäologie  nennt. 
Obwohl  man  die  Interpolation  eher  im  Bell.  Jud.  als  in  den  Antiquitates  er- 
warten würde,  wird  dem  Zeugnisse  des  Origenes  doch  mehr  zu  trauen  sein 
als  dem  des  Chron.  pasch.  Die  Notiz  des  letzteren  lautet  vollständig  (I,  463) : 
'lüjOTjnnoQ  latOQiZ  iv  r<«  nifxnzij)  käyo)  Tfjg  tt).(aa£(oq  oii  Irof?  xqIxov  Ovea- 
naaiavov  rj  SXcjaiq  t<5»'  'lovöalujv  ytyovsv,  tog  /uexcc  f/  htj  tj/S  yevofikVTjq  na^' 
aviwv  xvl/jiriq  xaxu  xov  'l^aov'  iv  <px(>övi]),  (prjai,  xal  *Iccxa)ßov  xov  döe).(fiv  xov 
xv(n'ov  xal  inlaxonov  %(JoaoXvfiwv  ytvofJLivov  vn  avx(Jäv  xqthxvio&Tivüi  xal  in 
aviwv  ävaiQS&ijvai  hOoßof-rj&tvxa.  Die  Anfangsworte  können  sich  nur  auf  das 
sechste  Buch  des  Bell.  Jud.  beziehen  und  sind  auch  insofern  falsch,  als  Josephus 
dieEinnahme  dos  Tempels  und  der  Stadt  nicht  in  das  dritte,  sondern  richtig  in  das 
zweite  Jahr Vespawians  setzt  (VI,  4, 8. 10, 1).  Was  aber  über  Jakobus  gesagt  wird, 
weicht  80  stark  von  Origenes  ab,  dass  der  Verf.  unmöglich  dieselbe  Josephus- 
Stelle  im  Auge  haben  kann  wie  dieser.  Um  so  stärker  ist  die  Uebereiustim- 
mung  mit  Hegesippus  (s.  Ann».  46).  Der  Verf.  scheint  also  aus  dem  Gedächt- 
nisse citirt  und  sich  in  Betrell'  des  Fundortes  beider  Notizen  geirrt  zu  haben. 
46)  Den  Bericht  Hegesipp'H  hat  uns  im  Wortlaut  Eusebius  erlialten  {Ilist. 
ecel.  II,  23,  11—18).  Nach  ihm  ist  Jakobus  von  der  Zinne  des  Tempels  herab- 
gcBtürzt,  dann  gesteinigt  und  zuletzt  von  einem  Walker  {yva(pevq)  mit  einem 
Wulkcrholz  to«lt  gcHclilagen  worden.  Der  Bericht  schlieest  mit  den  Worten: 
Kul  ev^vq  Ovtanaaiavoq  nohogxil  avtovq.  Auf  Hegesippus  gelten  zurück: 
Clemens  Alex,  bei  FAtaeh.  IL  K.  II,  1,  4  und  Kpiphaniua  hacr.  78,  14  (über  die 
Abhängigkeit  beider  von  HegeHippus  s.  Zahn,  Forschungen  VI,  271—273, 
268  M'.;  anders  in  Betrefl"  de»  Epiphanius:  Sclilatter  a.  a.  O.  S.  75—82).  Den 
naiien  Zu»animcnliang  der  llinriclitung  des  Jakobus  und  (Icr  Zerstörung  Je- 
ru»aIou)K  setzt  auch  EusebiuB  in  seiner  eigenen  Darstcillung  voraus.  Bist.  ecel. 
III,  11,  1:  fttxh,  T^v  'laxüflov  nagxvQiav  xal  xrjv  avtlxa  ytvofiivtjv  äkwuiv 
r^t  'h(fOVOaXtifi.     So  viel  SngenhaftcH  der  Hericlit  des  Hegesippus  iiucli  ent- 


[488]  §  19.   Die  römischen  Procuratoren  (44—66  n.  Chr.).  583 

6.  Dem  neuen  Procurator  Albinus  (62—64)*")  stellt  Josephus 
das  Zeugniss  aus,  dass  er  keine  Art  von  Schlechtigkeit  unversucht 
gelassen  habe.  Das  oberste  Princip  seines  Handelns  scheint  jedoch 
das  gewesen  zu  sein:  Geld  zu  nehmen,  von  wem  er  es  bekommen 
konnte.  Oeffentliche  wie  Privatcassen  waren  seinen  Plünderungen 
ausgesetzt;  und  das  ganze  Volk  hatte  unter  dem  Druck  seiner  Auf- 
lagen zu  leiden'*^).  Aber  er  fand  es  auch  nützlich,  von  den  beiden 
politischen  Parteien  im  Lande,  den  Römerfreunden  wie  ihren 
Cregnern,  sich  mit  Geld   gewinnen  zu  lassen.    Sowohl  von  dem 


hält,  Bo  ist  er  doch  in  chronologischer  Beziehung  mindeetens  ebenso  beachtens- 
wertli  wie  die  Stelle  bei  Joseph.  Antt.  XX,  9,  1,  welche  dem  Verdacht  der 
Interpolation  ausgesetzt  ist.  —  Noch  sei  bemerkt,  dass  das  Herabstürzen  von 
einer  Anhöhe  vor  Vollzug  der  Steinigung  vom  jüdischen  Recht  als  Regel  vor- 
geschrieben wird  (üfm-ÄHa  *San/«erfrm  VI,  4j. —  Vgl.  überhaupt  über  das  Todes- 
jahr des  Jakobus  und  über  die  Echtheit  der  Notiz  bei  Jos.  Antt.  XX,  9,  1: 
C/ericus,  Ars  critiea  P.  III  Sect.  I  c.  14,  Credner,  Einleitung  in  das  Neue 
Testament  S.  580—582  (gegen  die  Echtheit).  Rot  he,  Die  Anfänge  der  christl. 
Kirche  und  ihrer  Verfassung  S.  274—276  (wie  Credner).  Gieseler,  Kirchen- 
gesch.  I,  1,  4.  Aufl.  1844,  S.  125—127.  Koessing ,  Disscttatio  de  anno  quo 
mortem  obierit  Jacohus  frater  Domini,  Heidelb.  1857.  Gust.  Boettger,  Die 
Zeugnisse  des  Flavius  Josephus  von  Johannes  dem  Täufer,  von  Jesu  Christo 
und  von  Jakobus,  dem  Bruder  des  Herrn,  Dresden  1863.  Gerlach,  Die  Weis- 
sagungen des  Alten  Testaments  in  den  Schriften  des  Flavius  Josephus,  1863, 
S.  117  ff.  Ebben,  Genuinum  esse  Flavii  Josephi  de  Jacobo  fratre  Jesu  testi- 
monium,  Cleve  1864.  J.  Chr.  K.  v.  Hofmann,  Die  heil.  Schrift  neuen  Testa- 
ments zusammenhängend  untersucht  VII.  Tbl.,  3.  Abth.  1876,  S.  4  f.  Wie- 
seler, Jahrbb.  für  deutsche  Theol.  1878,  S.  99—109.  Volk  mar,  Jesus  Naza- 
renus,  1882,  B.  345—348.  Wandel,  Zeitschr.  für  kirchl.  Wissensch.  und  kirchl. 
Leben  1888,  S.  142-144.  Kellner,  Der  wahre  Todestag  [und  das  Todesjahr] 
Jakobus  des  Alphäiden  („Katholik"  Jahrg.  1888,  Erste  Hälfte  S.  394—399). 
Zahn,  Forschungen  VI,  301—305. 

47)  Die  Zeit  des  Amtsantrittes  des  Albinus  ergiebt  sich  aus  B.  J,  VI, 
5,  3,  §  300  fl".  Darnach  war  Albinus  bereits  Procurator,  als  zur  Zeit  eines 
Laubhüttenfestes  4  Jahre  vor  Ausbruch  des  Krieges  und  mehr  als  7  Jahre 
5  Monate  vor  Zerstörung  der  Stadt  ein  gewisser  Jesus,  Sohn  des  Ananos,  mit  einer 
Uuglücksweissagung  auftrat.  Beide  Data  fuhren  auf  das  Laubhüttenfest  62. 
Also  Amtsantritt  des  Albinus  spätestens  Sommer  62.  —  Der  Ansatz  von  Ramsay 
für  den  Tod  des  Festus  (Herbst  oder  Anfang  Winter  60)  und  den  Amtsantritt  des 
Albiuus  (Mai  oder  Juni  61,  s.  i>pos?Vor  ] 900,  Aug.  p.  81 — 105)  beruht  auf  einer 
Reihe  unbewiesenerVoraussetzungen,  namentlich  auf  der,  dass  die  Aera  Agrippas  II 
vom  J.  Gl  die  städtische  Aera  von  Neronias  sei,  also  die  Neugründung  dieser  Stadt 
in  d.  J.  Ol  falle  und  das  von  Josephus  vorher  Berichtete  [Antt.  XX,  9,  1 — 3)  noch 
etwas  früher.  —  Unser  Albinus  ist  wohl  identisch  mit  Lucceius  Albinus, 
der  unter  Nero,  Galba  und  Otho  Procurator  von  Mauretanien  war  und  wäh- 
rend der  Kämpfe  zwischen  Otho  und  Vitellius,  69  n.  Chr.,  von  der  Partei  des 
letzteren  um's  Leben  gebracht  wurde  {Tacit.  Eist.  II,  58—59).  Vgl.  Pauly's 
Real-Enc.  IV,  1158.    Rohden,  De  Pa/aestina  et  Arabia  p.  36. 

48)  B.  J  II,  14,  1. 


584  §  19-   l^ie  römischen  Procuratoren  (44—66  n.  Chr.).        [488.  489] 

römisch  gesinnten  Hohenpriester  Ananias,  der,  obwohl  nicht  mehr 
im  Amte,  doch  noch  ein  Mann  von  grossem  Einfluss  war,  wie  von 
seinen  Feinden,  den  Sikariern,  nahm  er  Geschenke  an  und  liess 
sie  dann  beide  ruhig  gewähren.  Er  gab  sich  zwar  den  Anschein, 
die  Sikarier  zu  bekämpfen.  Aber  gegen  Geld  konnte  jeder,  der 
etwa  gefangen  war,  seine  Freiheit  wieder  erlangen.  „Nur  wer 
nichts  gab,  wurde  als  üebelthäter  im  Gefängniss  gehalten" -»9).  Ja 
die  Sikarier  hatten  bald  noch  ein  anderes  Mittel  ausfindig  gemacht, 
ihre  gefangen  genommenen  Parteigenossen  in  Freiheit  zu  setzen. 
Sie  brauchten  nur  Anhänger  der  Gegenpartei  aufzugreifen.  Dann 
gab  Albinus  auf  Wunsch  der  letzteren  (von  welcher  er  ja  auch 
bestochen  war)  gegen  Loslassung  der  Römerfreunde  ebenso  viele 
Sikarier  fi-ei.  Einmal  ergriffen  die  Sikarier  den  Schreiber  des 
Tempelhauptmanns  Eleazar  (letzterer  war  ein  Sohn  des  Ananias)^*') 
und  erhielten  gegen  Freilassung  des  Schreibers  als  Gegenpräsent 
zehn  der  Ihrigen  ausgeliefei-t^').  Unter  solchen  Verhältnissen  ge- 
wann die  anti|römische  Partei  immer  mehr  an  Boden  oder,  wie 
Josephus  sich  ausdrückt,  „die  Kühnheit  der  Neuerungssüchtigen 
wurde  immer  verwegener"  ^^j  Und  da  andererseits  auch  ihre 
Gegner  freien  Spielraum  hatten,  so  herrschte  bald  völlige  Anarchie 
in  Jerusalem.  Es  war  ein  Krieg  Aller  gegen  Alle.  Am  tollsten 
trieb  es  der  Hohepriester  Ananias.  Er  liess  durch  seine  Knechte 
ganz  offen  den  Priestern  den  Zehnten  von  den  Tennen  wegnehmen 
und  diejenigen,  welche  sich  etwa  widersetzten,  mit  Schlägen  be- 
handeln'^3).  Auch  zwei  würdige  Verwandte  des  Königs  Agrippa, 
Kostobar  und  Saul  mit  Namen,  legten  sich  aufs  Räuberhand- 
werk^^),  und  mit  ihnen  wetteiferte  der,  der  des  Rechtes  Schirm 
und  Schutz  hätte  sein  sollen:  der  Procurator  Albinus  selbst"). 
Da  war  es  denn  nicht  einmal  etwas  besonders  Merkwürdiges, 
dass  einst  ein  Hoherpriester,  Jesus  Sohn  des  Damnäos,  mit  seinem 
Nachfolger  Jesus,  Sohn  des  Gamaliel,  förmliche  Strassenkämpfe 
aufführte,  weil  er  ihm  das  heiligt;  Amt  nicht  abtreten  wollte »ß). 
Als  Albinus  abberufen  wurde,  liess  er,  um  den  Bewohnern  der 

4»)  Antt.  XX,  9,  2.    B.  J.  II,  14,  1. 

50)  Statt  *Avavov  ist  ohne  Zweifel  'Avtuvlov  zu  lesen  (bo  auch  Niese  nach 
cud.  AmI/r.  und  Vet.  Lat.,  wahrend  Naber  das  falsche  kvavov  beibehalten  hat). 
Vgl.  II  ./.  II,  17,  2.    20,  4.    Dereribounj,  Uistuire  de  la  I'cUestino  js».  248,  not.  1. 

51)  Ana.  XX,  9,  3. 

52)  n.  J.  n,  U,  1. 

63)  Antt.  XX,  9,  2.  —  Vgl.  über  die  Qewaltthätigkeit  der  Hohenpriester 
oben  B.  676. 

64)  Antt.  XX,  9,  4. 
66)  //.  ./.  II,  14.  1. 
60)  AtiU.  XX,  9,  4. 


[489.  490]        §  19.   Die  römischen  Procuratoren  (44—66  n.  Chr.).  585 

Hauptstadt  noch  einen  Gefallen  zu  tliun  (und  wohl  auch  um  seinem 
Nachfolger  das  Amt  zu  erschweren)  alle  Gefängnisse  leeren,  die 
eigentlichen  Verbrecher  hinrichten,  die  übrigen  Gefangenen  aber 
in  Freiheit  setzen.  „So  wurden  die  Kerker  von  Gefangenen  leer, 
das  Land  aber  von  Räubern  voll"*'). 

7.  Der  letzte  Procurator  Gessius  Florus  (64—66)^^)  war 
zugleich  auch  der  schlimmste.  Er  stammte  aus  Klazomenä  und 
hatte  durch  Vermittelung  seiner  Gattin  Kleopatra,  welche  mit 
der  Kaiserin  Poppää  befreundet  war,  die  Procuratur  von  Judäa 
erhalten.  Für  die  Nichtswürdigkeit,  mit  welcher  er  sein  Amt  ver- 
waltete, weiss  Josephus  kaum  Worte  genug  zu  finden.  Im  Ver- 
gleich mit  ihm,  meint  er,  sei  Albinus  noch  ausnehmend  recht- 
schaffen (dixaiorarog)  gewesen.  So  maasslos  war  seine  Tyrannei, 
dass  die  |  Juden  darüber  den  Albinus  als  Wohlthäter  priesen. 
Während  Albinus  seine  Schandthaten  wenigstens  im  Verborgenen 
übte,  war  Florus  fi-ech  genug,  damit  öffentlich  zu  prahlen.  Das 
Berauben  Einzelner  schien  ihm  viel  zu  wenig.  Ganze  Städte 
plünderte  er  aus  und  ganze  Gemeinden  richtete  er  zu  Grunde. 
Wenn  die  Räuber  nur  mit  ihm  theilten,  so  konnten  sie  ungestöi-t 
ihr  Handwerk  ausüben*^). 

Durch  solchen  Muthwillen  ward  endlich  das  Maass  dessen,  was 
ein  Volk  zu  tragen  fähig  ist,  erschöpft.  Der  Zündstoff,  der  seit 
Jahren  angehäuft  war,  war  zur  ungeheuren  Masse  angewachsen. 
Es  bedurfte  nur  eines  Funkens;  und  der  Ausbruch  erfolgte  mit 
furchtbarer,  elementarer  Gewalt. 


Anhang.    Agrippa  II  (50 — 100  n.  Chr.). 

Literatur:  Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  Bd.  VI,  S.  555  ft'.  558.  637  f. 
und  sonst.    Bd.  VII,  S.  24  f. 
Lew  in,  Fasti  sacri,  ad  ann.  44—69  (s.  daselbst  den  Index  p.  390) 
Winer,  ßWB.  I,  485. 

Keim  in  Schenkel's  Bibellexikon  III,  56—65. 
Derenbourg,  Histoire  de  la  Palestine  p.  252—254. 


57)  Äntt.  XX,  9,  5. 

58)  Da  Florus  nach  Äntt.  XX,  11,  1  im  2.  Jahre  seiner  Verwaltung  stand, 
als  im  Mai  66  (JB.  J.  II,  14,  4)  der  Krieg  ausbrach,  so  wird  er  im  J.  64  sein 
Amt  angetreten  haben.  —  Der  Name  Öessius  Florus  ist  auch  durch  Taeit. 
Eist.  V,  10  bezeugt.  In  der  Chronik  des  Eusebius  ist  er  corrumpirt  in  riozioi 
4>kQiQog  (die  griech.  Form  hei  SyncelL  ed.  Dindorf  I,  637,  in  der  latein.  Bear- 
beitung des  Hieronymus  [Euseb.  Chron.  ed.  Schoe?ie  II,  157]  Cestius  Florus);  in 
der  armenischen  Uebersetzung  ist  daraus  Cestius  ßius  Flori  geworden  {Euseb. 
Chron.  ed.  Sckoene  II,  156,  zum  14.  Jahre  Nero's). 

59)  Ätitt.  XX,  11,  1.    B.  J.  II,  14,  2. 


586  §  19-   Anhang.   Agrippa  II  (50—100  n.  Chr.).  [490.  491] 

Hamburger,  Eeal-Enc.    Abth.  II,  Artikel  „Agrippa", 

De  Sauley,  Etüde  chronologique  de  la  vie  et  des  monnaies  des  rois 
juifs  Agrippa  I  et  Agrippa  II,  1869  (s.  oben  S.  24). 

Ger  lach,  Zeitschr.  für  luth.  Theol.  1869,  S.  G2-68. 

Brann,  Biographie  Agrippa's  II  (Monatsschr.  für  Gesch.  und 
Wissensch.  des  Judeuth.  XIX,  1870,  S.  433—444.  529—548.  XX, 
1871,  S.  13-2S). 

Baerwald,  Josephus  in  Galiläa,  sein  Verhältniss  zu  den  Parteien, 
insbesondere  zu  Justus  von  Tiberias  und  Agrippa  II.    Bres- 
lau 1877. 
"«^  Grätz,  Das  Lebensende  des  Königs  Agrippa  II  u.  s.w.  (Monats- 

schr. 1877,  S.  337  ff.).  Ders.,  Agrippa  II  und  der  Zustand 
Judäa's  nach  dem  Untergange  Jerusalems  (Monatsschr.  1881, 
S.  481  ff.). 

Erbes,  Das  Todesjahr  Agrippa's  II,  des  letzten  jüdischen  Königs 
(Zeitschr.  für  wissensch.  Theol.  1896,  S.  415-432). 

Die  auf  Agrippa  II  bezüglichen  Inschriften  sind  aus  Waddington 
zusammengestellt  in  der  Zeitschr.  für  wissensch.  Theol.  1873, 
Sr  248—255.    Ueber  Ergänzungen  hierzu  s.  oben  S.  27. 

Agrippa  II,  mit  seinem  vollständigen  Namen,  nach  Münzen 
und  Inschriften,  Marcus  Julius  Agrippa  ^),  der  Sohn  Agrippa's  I, | 
scheint  wie  fast  alle  Herodäer  in  Rom  erzogen  worden  zu  sein. 
Dort  finden  wir  ihn  wenigstens,  als  im  J.  44  sein  Vater  starb,  und 
Claudius  ihn  zum  Nachfolger  ernennen  wollte  ^j.  Dass  Letzteres 
auf  Betrieb  der  Rathgeber  des  Claudius  wegen  Agiippa's  Jugend 


1)  Vgl.  über  die  Münzen  Agrippa's  überhaupt:  Eckhel,  Doctr.  Xuin.lll, 
493—496.  —  Mionnet,  Description  de  medailles  V,  570-576.  Suppl.  VIII, 
280  sq.  —  Lenormant,  Tr^or  de  Nuviismatique  p.  127—130,  pl.  LX— LXII. 
—  Cavedoni,  Bibl.  Numismatik  I,  53  f.  61—64.  II,  38  f.  —  Levy,  Gesch.  der 
jüd.  Münzen  S.  82.  —  Madden,  History  of  Jeicish  Coinage  p.  113—133.  — 
De  Sauley,  iCtude  chronologique,  1869  (s.  oben  bei  der  allgera.  Literatur).  — 
Beichardt  in  der  Wiener  Numismat.  Zeitschr.  Bd.  III,  1871,  S.  83  ff.  — 
Mommsen  ebendas.  8.  449  ff.  —  Madden,  Numismatic  Chronicle  1875,  j».  101 
bis  139.  —  Madden,  Coins  of  the  Jews,  1881,  p.  139—169  (hier  am  vollstän- 
digsten). —  Erbes,  Zeitschr.  für  wissensch.  Theol.  1896,  S.  419  ff.  —  Der  Name 
Marcus  auf  einer  Münze  aus  der  Zeit  Nero's:  BaaiUoq  {sie)  Müqxov kyQinnov 
(Mudden,  Coins  p.  146).  Hiernach  ist  wahrKchcinlich  amh  eine  Inschrift  zu 
Heibon,  nicht  weit  von  Abila  Lysaniä,  folgendermassen  zu  ergänzen:  'Eni 
ßaatXkOt  fteyuXov  MttQxo[v  ....  Myp/nTio  ^iXo]xalaaQOi  xal  tfiXopwfialwv  {sie), 
Le  Bas  et  Waddington,  Insoriptions  /.  III  n.  2552.  —  Der  Name  Julius  auf 
ein«r  Inschrift  zu  El-IIit,  nördlich  vom  Hauran:  'Eni  ßuatXiw[i  ....  'Iov]Xlov 
'AyQlnna,  U  Bas  et  Waddingttm,  Imcriptiom  <.  111  n.  2112.  Die  Beziehung 
der  InHchrifl  auf  Agrippa  II  int  zwar  nicht  sicher  aber  sehr  wahrHcheinlich 
(s.  ZeitMclir.  f.  wisHcnMcli.  Theol.  1873,  8.  250).  Auch  olme  dicHcs  Zeiigniss 
Word«!  der  Name  JuliuH  für  Agrippa  II  als  HolbBtverHtändlich  vornuszusetzen 
■ein,  du  die  ganze  Fuinilio  ihn  geführt  hat.  S.  oben  8.  661. 
2)  Aldi.  XIX,  9,  2. 


[491.  492]  §  19.   Anhang.   Agrippa  II  (50—100  n.  Chr.).  557 

nicht  geschah,  ist  bereits  oben  erzählt  worden.  Der  Jüngling  blieb 
einstweilen  in  Eom  und  fand  dort  mehrfach  Gelegenheit,  durch 
seine  Verbindungen  bei  Hof  seinen  Landsleuten  nützlich  zu  sein. 
So  bei  dem  Streit  über  das  hohepriesterliche  Gewand^)  und  bei 
dem  Conflict  zur  Zeit  des  Cumanus^}.  Ihm  vorzüglich  war  es  zu 
danken,  dass  Cumanus  der  gerechten  Strafe  nicht  entging.  Mit 
letzterem  Vorfall  sind  wir  bereits  in's  Jahr  52  geführt.  Aber  schon 
vorher  war  ihm  von  Claudius  zur  Entschädigung  für  den  Ausfall 
des  väterlichen  Erbes  ein  anderes,  wenn  auch  kleineres,  König- 
reich verliehen  worden.  Nach  dem  Tode  seines  Oheim's  Her  ödes 
von  Chalkis  (s.  über  diesen  Beilage  I)  erhielt  er  nämlich,  doch 
wahrscheinlich  nicht  sogleich,  sondern  erst  im  J.  50,  dessen  König- 
reich am  Libanon  und  zugleich  —  was  jener  ebenfalls  gehabt 
hatte  —  die  Aufsicht  über  den  Tempel  und  das  Recht,  die  Hohen- 
priester zu  ernennen^).  Von  letzterem  Rechte  machte  er  durch  i 
häufige  Ab-  und  Einsetzung  von  Hohenpriestern  bis  zum  Ausbruch 
des  Krieges  im  J.  66  Gebrauch.  Wahrscheinlich  blieb  Agrippa 
nach  jener  Schenkung  zunächst  noch  in  Rom,  wo  wir  ihn  im  J.  52 
treffen,  und  trat  erst  nach  dieser  Zeit  die  Regierung  seines  König- 
reiches thatsächlich  an. 

Er  mag  kaum,  oder  vielleicht  noch  nicht  einmal,  nach  Pa- 
lästina zurückgekehrt  sein,  als  er  im  J.  53  (im  13.  Jahre  des 
Claudius)  gegen  Herausgabe  des  kleinen  Königreichs  Chalkis  ein 
grösseres  Gebiet  erhielt,  nämlich  die  Tetrarchie  des  Philippus 
(Batanäa,  Trachonitis,  Gaulanitis),  die  Tetrarchie  des  Lysanias 
(Abila)  und  den  Bezirk  des  Varus^).    Dieses   Gebiet  wurde  ihm 


3)  AntL  XX,  1    ,       XV,11,  4.    Vgl.  oben  S.  565. 

4)  AntL  XX,  6,  3.    Vgl.  oben  S.  570. 

5)  AntL  XX,  5,  2.  B.  J.  II,  12,  1.  Vgl.  AntL  XX,  9,  7:  "Eninlaxivzo  vno 
KKavöiov  Kaiaagoq  r^v  inifxiXsiav  tov  legov.  Von  der  Uebertragung  des 
Kechtes,  die  Hohenpriester  zu  ernennen,  ist  zwar  nirgends  die  Rede,  wohl 
aber  von  der  thatsächlichen  Ausübung  desselben  (vgl.  unten  §  23,  IV).  —  Dass 
die  Schenkung  erst  in  das  J.  50  fällt,  ist  aus  B.  J.  II,  14,  4  zu  schliessen, 
wornaoh  Agrippa  im  17.  Regierungsjahre  stand,  als  im  Monat  Arteniisios  (Ijjar) 
des  J.  66  der  Krieg  ausbrach.  Sein  17.  Jahr  begann  also  (wenn  wir,  Agrippa 
als  jüdischen  König  betrachtend,  nach  Mischna  Bosch  haschana  I,  1  vom 
1.  Nisan  zum  1.  Nisan  rechnen)  am  1.  Nisan  66,  und  sein  erstes  Jahr  frühestens 
am  1.  Nisan  50,  wahrscheinlich  noch  etwas  später.  Vgl.  Wieseler,  Chrono- 
log.  Synopse  S.  53,  Anm.  1.    Chronologie  des  ap.  Zeitalters  S.  68. 

6)  Antt.  XX,  7,  1.  B.  J.  II,  12,  8.  Zur  Tetrarchie  des  Lysanias  gehörte 
ohne  Zweifel  auch  Heibon  (nicht  weit  von  Abila  Lysaniä),  woselbst  die  oben, 
Anm.  1,  erwähnte  Inschrift  gefunden  wurde.  lieber  die  inuQyJa  Ovagov  giebt 
uns  Joseph.  Vita  c.  11  Aufschluss.  Denn  der  hier  erwähnte  Varus  (=  Noarus 
B.  J.  II,  18,  6),  welchen  Josephus  als  exyovog  J^oefiov  xov  nsQi  tov  Aißavov 
xiToaQXOvvxoq  bezeichnet,  ist  höchstwahrscheinlich  mit  unserm  Varus  identisch. 


588  §  19-   Anbang.   Agrippa  II  (50-100  n.  Chr.).  [492] 

nach  dem  Tode  des  Claudius  durch  Nero's  Gunst  noch  vergrössert 
durch  Hinzugabe  bedeutender  Stücke  von  Galiläa  und  Peräa,  näm- 
lich der  Städte  Tiberias  und  Tarichea  nebst  zugehörigem  Gebiet 
und  der  Stadt  Julias  nebst  14  umliegenden  Dörfern^).  | 


Hinwiederum  wird  sein  Vater  Soemus  kein  anderer  sein  als  der,  welcher  gegen 
Ende  des  J.  38  von  Caligula  ttjv  t(üv  ^IxvQaiwv  töjv  li^aßcov  erhielt  {Dio  Cass. 
LIX,  12),  welches  Gebiet  er  bis  zu  seinem  Tode  im  J.  49  beherrschte,  worauf 
es  der  Provinz  Syrien  einverleibt  wurde  {Tac.  Ann.  XII,  23).  Man  wird  nun 
annehmen  dürfen,  dass  seinem  Sohne  Varus  ein  Theil  des  Gebietes  am  Libanon 
vorläufig  noch  gelassen  wurde,  und  dass  dieses  die  änuQxia  OvÖcqov  ist,  welche 
Claudius  dem  Agrippa  schenkte.  —  Da  Agrippa  das  neue  Gebiet  erhielt  im 
13.  Jahre  des  Claudius  (24.  Januar  53  bis  dahin  54),  nachdem  er  4  Jahre  über 
Chalkis  geherrscht  hatte  [ävvaaxevaaq  ravtriq  sztj  reaoaQa);  da  ferner  sein 
viertes  Jahr  nach  unserer  obigen  Rechnung  am  1.  Nisan  53  begann,  so  wird 
die  Schenkung  gegen  Ende  53  anzusetzen  sein. 

7)  Antt.  XX,  8,  4.  B.  J.  II,  13,  2.  An  letzterer  Stelle  wird  auch  noch 
Abila  in  Peräa  genannt.  Vgl.  hierüber  Bd.  II,  S.  127  f.  Bei  Julias  denkt 
Schlatter  (Zur  Topogr.  und  Gesch.  Palästina's  S.  50)  nicht  an  Julias-Beth- 
saida,  sondern  an  Julias-Livias,  in  dessen  Nähe  es  auch  ein  Abel  oder  Abila 
gegeben  hat  (s.  Bd.  II,  S.  128  Anm.).  Dann  wären  diese  Besitzungen  also 
Enclaven  im  Süden  Peräa's  gewesen,  die  weit  vom  übrigen  Gebiete  Agrippa's 
getrennt  waren.  Zu  Gunsten  dieser  Annahme  scheint  der  Umstand  zu  spre- 
chen, dass  im  südlichen  Peräa,  angeblich  östlich  von  Philadelphia,  ein  In- 
schriften-Fragment gefunden  wurde,  aufweichen!  Agrippa's  Name  vorkommt 
(Clermont-Ganneau,  Comptes  rendus  de  VAcad.  des  Insor.  1898,  p.  811, 
ders.,  Arehaeological  Rcsearches  in  Palestine  vol.  I,  1899,  p.  499—501).  Aber 
der  Fundort  ist  nicht  sicher  (Wadi  el  Kittar?  östlich  von  Philadelphia),  und 
ebensowenig  die  Beziehung  der  Inschrift  auf  König  Agrippa  II  (sicher  lesbar 
sind  nur  <piXo  .  .  .  lov  AyQin  .  .  Koxxt]iov  Ax,  die  Ergänzung  <piXo[Qü)fxaiov] 
ist  nicht  sicher  und  die  Ergänzung  [IovX]iov  nach  den  vorhandenen  Resten 
unwahrscheinlich,  denn  vor  lov  steht  nicht  A,  sondern  N  oder  H).  Wenn 
überhaupt  einer  der  beiden  Könige  dieses  Namens  gemeint  ist,  wird  eher  au 
Agrippa  I  zu  denken  sein.  Das  Material  ist  also  in  keiner  Weise  ausreichend, 
um  düe  Hypothese  zu  begründen,  dass  sich  die  Besitzungen  Agrippa's  11  so 
weit  nach  Süden  erstreckt  haben.  —  In  welche  Zeit  die  Schenkung  Nero's 
fällt,  lässt  sich  nicht  siclier  ermitteln.  Auf  den  späteren  Münzen  Agrippa's 
Werden  seine  Kegieruiigsjalire  nach  einer  Aera  bereclmet,  welche  im  .lahro  (51 
beginnt.  Es  ist  möglich,  (laus  diese  Aera  ihren  Grund  eben  darin  hiit,  dass 
Agrippa  in  diesem  Jahre  dunli  Nero  jenen  Gebietszuwachs  erhielt  (so  z.  B. 
Keim,  Bibellex.  III,  58;  anders  Wiese  1er,  Chrouol.  des  apostol.  Zeitalters 
8.  90—92).  Dann  würde  die  Abtrennung  der  betrell'enden  Gebiete  von  Galiläa 
und  Peräa  unmittelbar  nach  dem  Abgang  des  Felix  und  dem  Amtsantritt  des 
FettUB  «tattgefundeu  haben.  Vielleicht  darf  in  diesem  Sinne  eine  gelegentliche 
Notiz  verstanden  werden,  wornach  Tiberias  unter  römischer  Herrschaft  blieb 
/M^XP*  'i^Xixoi  nQoiaxaiihov  xfiq  'lovöalaq  (Vita  9).  Doch  heisst  dieses  f/i/Qi 
an  sich  nicht  „bis  zum  Endo  der  Amtszeit  des  Felix".  Und  die  Vermutiiung 
wird  dadurch  unsicher,  dass  es  auch  eine  Aera  Agrippa's  gicbt,  wcilciie  im  J.  5ü 
beginnt.  Auch  lür  diese  könnte  mau  als  Grund  die  Üebietserwciterung  durch 
Nero  vermuthon  (»o  Grätz,  MonatHsdir.  1877,  B.  344—349,  indem  er  als  Grund 


[493]  §  19.   Anhang.   Agrippa  11  (50—100  n.  Chr.).  5g9 

Von  Agrippa's  Privatleben  ist  nicht  eben  Günstiges  zu  be- 
richten. Seine  Schwester  Berenike^),  welche  seit  dem  Tode  des 
Herodes  von  Chalkis  (48  n.  Chr.)  Wittwe  war  (s.  unten  Beilage  I), 
lebte  seitdem  im  Hause  des  Bruders  und  hatte  den  schwachen 
Mann  bald  so  mit  ihren  Netzen  umstrickt,  dass  man  ihr  —  der 
Mutter  zweier  Kinder!  —  das  Schlimmste  nachsagte.  Als  der 
Skandal  offenkundig  geworden  war,  beredete  Berenike,  um  allen 
Übeln  Nachreden  den  Boden  zu  entziehen,  den  König  Polemon 
von  Cilicien,  sie  zu  heirathen  und  sich  zu  diesem  Zwecke  be- 
schneiden zu  lassen.  Die  Heirath  fällt  wahrscheinlich  erst  nach 
63  n.  Chr.^).  Berenike  hielt  es  nicht  lange  bei  Polemon  aus,  sondern 


für  die  Aera  vom  J.  61  die  Neugründung  von  Cäsarea-Philippi  =  Neronias  an- 
nimmt, was  aber  deshalb  unwahrscheinlich  ist,  weil  dieses  Factum  zwar  für  die 
Stadt  Neronias,  aber  nicht  für  Agrippa  Anlass  zum  Beginn  einer  neuen  Zeitrech- 
nung werden  konnte).  —  Die  Äera  vom  J.  Gl  lässt  sich  mit  Sicherheit  berechnen 
nach  einigen  Münzen,  auf  welchen  das  26,  Jahr  des  Agrippa  mit  dem  12.  Con- 
sulate  des  Domitian  {Dom.  Cos.  XII)  gleichgesetzt  wird  (bei  Madden,  Coins  of 
the  Jews  p.  157  sq.),  und  nach  einer  anderen ,  auf  welcher  das  25.  Jahr  des 
Agrippa  ebenfalls  mit  dem  12.  Consulate  des  Domitian  gleichgesetzt  wird  (bei 
Madden,  Coins  p.  157).  [De  Saulcy  glaubt  freilich,  es  sei  hier  gar  nicht  das 
25.  und  26.  Jahr  des  Agrippa  gemeint,  sondern  das  25.  und  26.  Jahr  einer  stä- 
dtischen Aera  von  Cäsarea  Philippi,  s.  ^nde  chronolofjique  1869  und  Numisma- 
tique  de  la  Terre  Sainte  p.  315;  aber  das  Datum  lautet  em  ßa.  AyQ.  st.  xs', 
was  nur  heissen  kann:  unter  König  Agrippa  in  dessen  25.  Jahre  u  s.  w.  Ueber 
diese  Art  der  Datierung  vgl.  den  Prolog  des  Jesus  Sirach  und  die  dazu  unten 
Bd.  III,  S.  159  angeführten  Parallelen].  Da  das  12.  Consulat  Domitian's  in 
das  Jahr  86  n.  Chr.  lallt,  so  begann  das  26.  Jahr  des  Agrippa  eben  in  diesem 
Jahre,  und  demnach  die  Aera,  nach  welcher  er  rechnet,  im  J.  61  n.  Chr.  — 
Eine  fünf  Jahre  früher  beginnende  Aera  ist  bezeugt  durch  zwei  Münzen  und 
eine  Inschrift.  Die  beiden  Münzen  tragen  das  Datum  hovg  ai  xov  xal  W 
(Zahlzeichen  für  VI),  s.  Madden,  Coins  ofthe  Jews  p.  146.  Das  11.  Regierungs- 
jahr Agrippa's  nach  der  einen  Aera  ist  also  identisch  mit  dem  sechsten  nach 
der  anderen  Aera.  Dieselben  beiden  Äeren  sind  angewandt  auf  einer  in  Sa- 
nanien  im  Hauran  gefundenen  Inschrift:  hovq  X1^  xov  xal  Xß'  ßaaiUioq^Aygimia 
(Zeilschr.  des  deutschen  Palästina- Vereins  VII,  1884,  S.  121  f.  =  Archäol.- 
epigr.  Mittheilungen  aus  Oesterreich  VIII,  1884,  S.  189  f.  =  Critieal  Review 
of  theol.  and  philos.  Literature  IL,  1892  p.  56  =  Palest.  Expl.  Fund,  Quarterly 
Statement  1895  p.  58).  Auch  hier  beginnt  die  eine  Aera  um  fünf  Jahre  früher 
als  die  andere.  Da  man  nun  wohl  annehmen  darf,  dass  unter  den  verschie- 
denen Aeren  Agrippa's  die  jüngste  in  der  späteren  Zeit  die  gewöhnliche  war, 
da  ferner  nach  den  Münzen  vom  Jahre  86  die  gewöhnliche  die  vom  J.  61  war, 
so  muss  die  eine  im  J.  56,  die  andere  im  J.  61  begonnen  haben. 

8)  Vgl.  über  sie  Pauly's  Real-Enc.  I,  2,  2.  Aufl.  S.  2352.  Hausrathin 
Schenkel's  Bibellex.  I,  396-399.  Wilcken  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  HI, 
287  f.     Wahl,  De  regina  Berenice,  Thesis,  Paris  1893. 

9)  Polemon  war  von  38—63  n.  Chr.  König  von  Pontus.  Im  J.  41  erhielt 
er  dazu  auch  ein  Stück  von  Cilicien,  welches  er  behielt,  als  im  J.  63  Pon- 


590  §  19-   Anhang.   Agrippa  II  (50—100  n.  Chr.).  [493.  494] 

kam  wieder  zu  ihrem  Bruder  und  scheint  das  alte  Verhältniss 
fortgesetzt  zu  haben.  Wenigstens  sprach  man  noch  später  in  Rom 
ganz  offen  davon '**).  | 

In  der  äusseren  Politik  hat  Agrippa  auch  auf  das  geringe 
Maass  von  Selbständigkeit,  welches  sein  Vater  zu  erringen  suchte, 
verzichtet  und  war  unbedingt  der  römischen  Sache  ergeben.  Er 
stellte  Hülfstruppen  für  den  parthischen  Feldzug  im  J.  54 'i),  und 
als  im  J.  60  der  neue  Procurator  Festus  nach  Palästina  kam,  be- 
eilte er  sich  sammt  seiner  Schwester  Berenike,  unter  Entfaltung 
grossen  Glanzes  (fiera  jtoXXrjg  tpavrao'iaq)  ihm  die  Aufwartung 
zu  machen '2).  Seine  Hauptstadt  Cäsarea  Philippi  nannte  er  zu 
Ehren  des  Kaisers  Neronias,  und  die  Stadt  Berytus,  in  welcher 
schon  sein  Vater  heidnischen  Glanz  entfaltet  hatte,  hatte  ihm 
neue  Gnaden  zu  danken '3).  Seine  Münzen  tragen  fast  ausnahms- 
los die  Namen  und  Bildnisse  der  regierenden  Kaiser:  des  Nero, 
Vespasian,  Titus  und  Domitian.  Wie  sein  Vater,  so  liess  auch  er 
sich  ßaoiXevq  fiiyag  cpiXoxaioaQ  svoeßi^q  xal  cptXoQcofiaiog  nennen  ^^). 

Dass  er  im  Ganzen   mehr   auf  römischer,   als  auf  jüdischer 


tu8  römische  Provinz  wurde.  In  Cilicien  regierte  er  mindestens  bis  zur  Zeit 
Galba'a  (s.  die  Belege  oben  S.  558  f.).  Da  nun  Josephus  bei  Gelegenheit  der 
Heirath  Anit.  XX,  7,  3  ihn  nur  Kihxlag  ßaaiXsig  nennt,  so  fällt  dieselbe 
wahrscheinlich  erst  nach  G3  n.  Chr.  Dafür  spricht  auch,  dass  Berenike  seit 
dem  Tode  des  Herodes  von  Chalkis  (48  n.  Chr.)  bereits  lange  Zeit  Wittwe 
gewesen  war  {noXvv  XQOvov  iniXTjQsiGaaa).  Allerdings  finden  wir  Berenike 
seit  6()  n.  Chr.  wieder  in  Judaea.  Aber  für  die  nur  kurze  Zeit  dauernde  Ehe 
genügt  der  Spielraum  von  63—66  n.  Chr.  —  Nach  dem  Zusammenhang  bei 
Josephus  scheint  es  freilich,  als  ob  die  Heirath  noch  vor  den  Tod  des 
Claudius  (54  n.  Chr.)  falle.  Aber  dieser  Schein  ist  eben,  wie  sich  nun  zeigt, 
ein  trügerischer.  Am  wenigsten  macht  das  Alter  der  Berenike  Schwierigkeiten, 
da  sie  ja  noch  im  J.  70  den  Titus  in  ihre  Netze  gezogen  hat. 

10)  Anlt  XX,  7,  3.    Vgl.  Juvenal.  Sat.  VI,  156-160: 

adamas  notiasimus  et  Berenices 

In  digito  f actus  pretiostor;  hunc  dedit  olim 
Barbaras  inccstae,  dedit  hunc  Agrippa  sorori, 
Obsertant  ufti  festa  mero  pedc  sahbata  reges, 
Et  vetus  indulyet  senibus  dementia  porcis. 

11)  Taeit.  Ann.  XIII,  7. 

12)  Ap.-Gesch.  25,  13.  23. 

13)  Antt.  XX,  9,  4.  Der  Name  der  Stadt  Neronias  auch  auf  Münzen 
{Eflkhet  III,  343;  Mionnet  V,  316;  Madden,  IKstonj  of  Jetvish  Coinage  p.  116  bis 
117;  De  Satäoy,  Numismatique  de  la  Tcrre  Sainte  p.  316,  318;  Madden,  Coim 
of  the  J0U)$  p.  145—140).  Dass  nicht  Tiberias  —  also  sicherlich  Neronias  — 
die  Hauptstadt  war,  erhellt  aus  Vita  o.  0. 

14)  8o  heiHHt  er  auf  der  Inschrift  bei  Waddington  n.  2365  (S.  oben  8.  562); 
vgl.  auch  n.  26Ö2.  ßaadiiq  ftiy^'i  ^"^''  ^'  2135  und  Quarterly  Statement  185)5 
p.  188. 


[494.  495]  §  19.  Anhang.  Agrippa  II  (50—100  n.  Chr.).  591 

Seite  stand,  erhellt  auch  aus  einer  Episode,  die  noch  in  anderer 
Beziehung,  für  seine  Trägheit  und  Machtlosigkeit,  charakteristisch 
ist.  Wenn  er  in  Jerusalem  sich  aufhielt,  pflegte  er  den  ehemaligen 
Palast  der  Hasmonäer  zu  bewohnen"^).  Dieses  an  sich  schon 
hochgelegene  Gebäude  Hess  er  nun  durch  einen  thurmartigen  Auf- 
bau noch  bedeutend  erhöhen,  um  von  hier  aus  die  Stadt  und  den 
Tempel  überblicken  und  in  müssigen  Stunden  die  heiligen  Hand- 
lungen im  Tempel  beobachten  zu  können.  Den  Priestern  war 
dieser  träge  Zuschauer  unbequem,  und  sie  verspen-ten  ihm  durch 
Errichtung  einer  hohen  Mauer  die  Aussicht  Agrippa  wandte  sich 
nun  zwar  an  seinen  Freund,  den  Procurator  Festus,  um  Abhülfe; 
und  dieser  wollte  ihm  auch  beistehen.  Allein  eine  jüdische  Ge- 
sandtschaft, welche  eigens  in  dieser  Angelegenheit  nach  Rom  ging,  | 
setzte  es  durch  Vermittelung  der  Kaiserin  Poppäa  durch,  dass  die 
Mauer  stehen  blieb,  so  dass  Agrippa  fortan  auf  den  angenehmen 
Zeitvertreib  verzichten  musste'^). 

Trotz  seiner  unbedingten  Ergebenheit  gegen  Rom  suchte 
Agrippa  doch  auch  mit  dem  Judenthume  Fühlung  zu  halten.  Seine 
Schwäger,  Azizus  von  Emesa  und  Polemon  von  Cilicien,  mussten 
sich  bei  der  Heirath  der  Schwestern  die  Beschneidung  gefallen 
lassen'').  Die  rabbinische  Tradition  berichtet  von  gesetzlichen 
Fragen,  welche  der  Verwalter  Agrippa  s  oder  der  König  selbst  an 
den  berühmten  Schriftgelehrten  Rabbi  E lieser  gerichtet  habe'^). 
Ja  die  ebenso  lüderliche  als  bigotte  Berenike  finden  wir  sogar  ein- 
mal als  Nasiräerin  in  Jerusalem  1^).  Innere  Herzenssache  war 
sicherlich  Agrippas  Judenthum  so  wenig,  wie  das  seines  Vaters. 
Der  Unterschied  ist  nur  der,  dass  der  Vater  aus  Politik  sich  ent- 
schieden auf  Seite  der  Pharisäer  stellte,  der  Sohn  dagegen  seine 
Gleichgültigkeit  auch  äusserlich  mehr  zu  erkennen  gab.  Wenn  in 
der  Apostelgeschichte  erzählt  wird,  wie  Agrippa  und  Berenike 
aus  Neugierde  den  Apostel  Paulus  zu  sehen  und  zu  hören  wünschen, 
der  König  aber  auf  des  Apostels  begeistertes  Zeugniss  von  Christo 
nichts  anderes  zu  erwiedern  weiss,  als:  „Mit  Wenigem  überredest 
du  mich,   ein  Christ  zu  werden"  und  dabei  die  Sache  bewenden 


15)  Dieser  Palast  lag  nach  Antt.  XX,  8,  11  und  Bell.  Jud.  II,  16,  3  am 
sogenannten  Xystos,  einem  freien  Platz,  von  welchem  aus  eine  Brücke  direet 
nach  dem  Tempel  hinüberführte  {B.  J.  VI,  6,  2). 

16)  Antt.  XX,  8,  11. 

17)  Antt.  XX,  7,  1.  3. 

18)  Dercnbourg  p.  252-254.  Grätz,  Monatsschr.  1881,  S.  483—493.  Die 
Tradition  nennt  theils  den  Verwalter  Agrippa's,  theils  den  König  selbst  als 
Fragenden. 

19)  B.  J.  II,  15,  1. 


592  §  19-   Anhang.   Agrippa  II  (50—100  n.  Chr.).  [495.  496] 

lässt,  SO  sieht  man,  wie  er  zwar  von  allem  Fanatismus,  aber 
auch  von  aller  Innern  Theilnahme  für  religiöse  Fragen  weit  ent- 
fernt war  20). 

Seine  Sorgen  für  das  Judenthum  erstreckten  sich  nur  auf 
äusserliche,  z.  Th.  recht  geringfügige  Dinge.  Um  den  Tempel, 
dessen  Grund  sich  gesenkt  hatte,  zu  stützen  und  um  zwanzig 
Ellen  zu  erhöhen,  liess  er  mit  grossen  Kosten  vom  Libanon  Bau- 1 
holz  von  ungewöhnlicher  Grösse  und  Schönheit  herbeischaffen. 
Das  Holz  kam  aber  wegen  des  inzwischen  ausgebrochenen  Krieges 
nicht  einmal  zur  Verwendung  und  diente  später  zur  Errichtung 
von  Kriegsmaschinen 21).  Den  psalmensingenden  Leviten  gestattete 
er  auf  ihr  Ansuchen,  leinene  Gewänder  zu  tragen,  was  bis  dahin 
ein  Vorrecht  der  Priester  gewesen  war.  Für  solchen  Frevel  wider 
das  Gesetz  war  dann,  wie  Josephus  meint,  der  Krieg  die  gerechte 
Strafe22).  Als  zur  Zeit  des  Albinus  der  Bau  des  herodianischen 
Tempels  vollendet  war,  liess  er,  um  die  Menge  der  Bauleute  nicht 
unbeschäftigt  zu  lassen,  die  Stadt  mit  weissem  Mä^'mor  pflastern^^). 
„So  hatte  er  sich  wenigstens  noch  als  Kleiderkünstler,  Holzhauer, 
Pflasterer  und  wirklicher  Tempelinspector  um  das  sinkende  Jeru- 
salem verdient  gemacht"^'!). 

Als  im  Frühjahr  66  die  Revolution  ausbrach,  war  Agrippa 
eben  in  Alexandria,  um  den  dortigen  Statthalter  Tiberius  Alexander 
zu  begrüssen,  während  seine  Schwester  Berenike  wegen  eines 
Nasiräatsgelübdes  in  Jerusalem  weilte  2^).  Agrippa  eilte  sofort 
eben  dorthin,  und  beide  Geschwister  boten  nun  alles  auf,  um  den 
drohenden  Sturm  zu  beschwichtigen.  Aber  vergebens.  Es  kam 
in    Jerusalem   zum    offenen   Kampf  zwischen    der   Kriegs-   und 


20)  Ueber  den  Sinn  der  Worte  des  Agrippa  (Ap.-Gesch.  26,  28)  s.  bes. 
Overbeck  z.  d.  8t.  Sie  sind  wohl  nicht  ironisch,  sondern  ernstlich  zu  nohmeu. 
„Der  König  bekennt,  mit  den  wenigen  eben  gesprochenen  Worten  habe  ihn 
Paulus  geneigt  gemacht,  ein  Christ  zu  werden".  Aber  eben  darin,  dass  er 
nichtH  weiter  darauf  thut,  zeigt  sich  sein  Indift'erentismus.  —  Es  darf  freilich 
nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  statt  yevia9ai  sehr  gute  Zeugen  (xAB)  notijaai 
haben,  und  statt  nelf^fif  eine  HandHclirift  (A)  nfl&^,  was  zu  übersetzen  sein 
würde:  „Mit  Wenigem  glaubst  Du  mich  zum  Christen  zu  machen"  (so  z.  B. 
Blas»  und  Haussleiter  in  Herzog-Hauck's  Real-Enc.  3.  Aufl.  I,  25(3).  Allein 
nel&g  ist  zu  schwa(;h  bezeugt,  und  ohne  gleichzeitige  Aufnahme  dieser  Lesart 
liast  sich  noi^aai  nicht  überH(>tzen. 

21)  Ji.  J.  V,  1,  f).    Antt.  XV,  11,  3. 

22)  Anil.  XX,  9,  0.  —  Die  Combinationen,  welche  Grätz  (Monatsschr.  1886, 
8  07  fr.)  hieran  anknflpft,  sind  mehr  als  gewagt. 

•28)  Ana.  XX,  \),  7. 

24)  Keim  im  Bibellex.  III,  60. 

25)  li.  J.W,  lf>,  1. 


[49Ü.  497]  §  19.   Anhang.   Agrippa  II  (50—100  u.  Chr.).  593 

Friedenspartei,  wobei  namentlich  auch  des  Königs  Truppen,  die 
er  zu  Hülfe  gesandt  hatte,  auf  Seite  der  Friedenspartei  kämpften. 
Als  die  letztere  unterlag,  und  u.  a.  auch  Agrippa's  und  Berenike's 
Paläste  der  Volkswuth  zum  Opfer  gefallen  waren -*'),  war  für  ihn 
die  Wahl  der  Partei  entschieden.  Rückhaltslos  stand  er  während 
des  ganzen  Krieges  auf  Seite  der  Römer.  Schon  als  Cestius 
Gallus  seineu  unglücklichen  Zug  gegen  Jerusalem  unternahm,  be- 
fand sich  in  seinem  Gefolge  auch  König  Agrippa  mit  einer  an- 
sehnlichen Anzahl  Hülfstruppen'^").  Bei  dem  weiteren  für  die 
Juden  günstigen  Verlauf  des  Aufstandes  büsste  er  einen  grossen 
Theil  seines  Gebietes  ein.  Die  Städte  Tiberias,  Tarichea  und  Ga- 
mala  schlössen  sich  dem  Aufstaude  an.  Aber  der  König  blieb 
unerschütterlich  auf  römischer  Seite-^).  Nach  der  Eroberung | 
Jotapata's  im  Sommer  67  bewirthete  er  den  Oberfeldherrn  Yespa- 
sian  aufs  Glänzendste  in  seiner  Hauptstadt  Cäsarea  Philippi^s) 
und  konnte  bald,  nachdem  er  inzwischen  bei  der  Belagerung  Ga- 
mala's  noch  eine  leichte  Verwundung  davongetragen  hatte^**),  von 
seinem  Königreich  wieder  Besitz  nehmen;  denn  gegen  Ende  des 
Jahres  67  war  der  ganze  Norden  Palästina's  wieder  den  Römern 
unterworfen. 

Als  nach   dem  Tode   Nero's   (9.  Juni  6S)  Titus  nach  Rom 
reiste,  um  dem  neuen  Kaiser  Galba   zu   huldigen,  fuhr  aus  der- 


26)  B.  J.  II,  17,  a 

27)  B.  J.  II,  18,  9.  19,  3. 

28)  Das  Nähere  über  Agrippa's  Thätigkeit  während  des  Krieges  s.  bei  Keim, 
S.  60—63.  —  Agrippa  war  in  der  Zeit  zwischen  der  Niederlage  des  Cestiua 
Gallus  und  dem  Anmärsche  Vespasian's  nicht  in  Palästina  anwesend.  Er 
übertrug  die  Verwaltung  seines  Reiches  einem  gewissen  Noarus  oder  Varus, 
und  als  dieser  sich  grobe  Eigenmächtigkeiten  erlaubt  hatte,  einem  gewissen 
Aequus  Modius  {Bell.  Jucl.  II,  18,  6.  Vita  11  u.  36,  vgl.  24).  —  Unter  den 
genannten  drei  Städten  (Tiberias,  Tarichea,  Gamala)  war  Gamala  als  starke 
Festung  von  besonderer  Wichtigkeit.  Es  wurde  Anfangs  durch  Philippus, 
einen  Offizier  Agrippa's,  in  der  Treue  gegen  den  König  erhalten  (Vita  11).  Als 
aber  Philippiis  von  Agrippa  abgerufen  wurde,  trat  die  Stadt  auf  Seite  der  Auf- 
ständischen {Vita  35—37.  Bell.  Jttd.  II,  20,  4.  6.  II,  21,  7).  Agrippa  beauf- 
tragte nun  den  AequusModius,  Gamala  wieder  zu  nehmen  ( F«Ya  24).  Aber 
eine  siebenmonatliche  Belagerung  führte  nicht  zum  Ziele  {B.  J.  IV,  1,  2).  Ein 
anderer  Offizier  Agrippa's,  Sulla,  kämpfte  gegen  Josephus  {Vita  71—73).  — 
Agrippa  hielt  sich  bis  zum  Frühjahr  67  in  Berytus  auf  ( Vita  36.  65  ed.  Niese 
§  357),  erwartete  dann  sammt  seinen  Truppen  die  Ankunft  Vespasian's  in  An- 
tiochia  [B.  J.  III,  2,  4),  zog  mit  Vespasian  nach  Tyrus  {Vita  74)  und  Ptolemais 
(Vita  65  ed.  Niese  §  Bi2  sq.,  und  e.  74),  und  scheint  überhaupt  stets  in  der 
Umgebung  Vespasian's  geblieben  zu  sein  {B.  J.  III,  4,  2.  9,  7—8.  10,  10. 
IV,  1,  3). 

29)  B.  J.  III,  9,  7. 

30)  B.  J.  IV,  1,  3. 

Schür  er,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  38 


594 


§  19.    Anhang.    Agrippa  II  (50—100  n.  Chr.).  [497.  498] 


selben  Ursache  auch  Agrippa  mit  ihm.  Unterwegs  erhielten  sie 
die  Nachricht  von  Galba's  Ermordung  (15.  Januar  69).  Während 
nun  Titus  eiligst  zu  seinem  Vater  zurückkehrte,  setzte  Agrippa 
die  Reise  nach  Eom  foi-t,  wo  er  zunächst  auch  blieb  3^).  Nachdem 
aber  Yespasian  im  Juli  69  von  den  ägyptischen  und  syrischen 
Legionen  zum  Kaiser  ausgerufen  war,  beeilte  sich  Berenike  — 
die  überhaupt  eine  mächtige  Stütze  der  flavischen  Partei  war  — 
den  Bruder  zur  Huldigung  nach  Palästina  zu  rufen  ^ 2)  y^jj^  ^un 
an  befand  sich  Agrippa  in  der  Umgebung  des  Titus,  welchem 
Yespasian  die  Fortsetzung  des  Krieges  übertragen  hatte^^).  Als 
nach  der  Eroberung  Jerusalem's  Titus  u.  a.  auch  in  Cäsarea  Phi- 
lippi  glänzende  Spiele  gab,  war  ohne  Zweifel  auch  König  Agrippa  | 
zugegen  und  hat  als  ein  Römer  den  Untergang  seines  Volkes 
jubelnd  gefeiert^^). 

Nach  Beendigung  des  Krieges  ward  Agrippa  als  treuer  Bundes- 
genosse von  Vespasian  in  seinem  bisherigen  Königthum  nicht  nur 
bestätigt,  sondern  mit  bedeutendem  Gebietszuwachs  beschenkt,  über 
dessen  Umfang  wir  freilich  keine  nähere  Kunde  haben  3^).  Nur 
gelegentlich  erwähnt  Josephus,  dass  Arkaia  (Arka,  am  Nordende 
des  LibanoD,  nordöstlich  von  Tripolis)  zum  Königreich  des  Agrippa 
gehörte^^).    Wir  müssen  daraus  schliessen,  dass  seine  neuen  Be-| 


31)  B.  J.  IV,  9,  2.     Tacit.  Hist.  II,  1—2. 

32)  Tacit.  Hist.  II,  81. 

33)  Tacit.  Hut.  V,  1. 

34)  B.  J.  VII,  2,  1. 

35)  Pfiotius  giebt  in  seiner  Bibliotheca  cod.  33  folgenden  Auszug  aus  Justus 
von  Tiberias  über  Agrippa:  nagiXaßs  fihv  xt/v  (xqxv*'  ^^^  KXavSlov,  tiv^rjO^rj  6h 
inl  N^Qwvog  xal  l'r  t  fiäkXov  vno  Oveanaoiavov,  TfAfVT«  6h  era  xqIxio 
TQaXavov. 

3ö)  B.  J.  VII,  5, 1.  Josephus  erzälilt  hier,  dass  Titus  auf  dem  Marsch  von 
Berytus  nach  Antiochia  auch  den  sogenannten  Sabbuthfluss  berührte,  wekher 
fliesst  fiiaof  *Apxalaq  x^q  li-yglnna  ßaaiXelaq  xal  '^Pacpavalag.  Es  ist  also  eine 
Stadt  gemeint,  welche  nördlich  von  Berytus  lag,  und  daher  siclier  dasselbe 
Arcae,  welches  nach  den  alten  Itinerarien  zwischen  Tripolis  und  Autaradus 
lag,  10 — la  mil.  pas8.  nördlich  von  Tripolis  und  32  mit.  jiasn.  südlich  von  Anta- 
raduo  (18  mtl.  pass.:  Itincrarium  A?itonini  edd.  Parthey  et  Pinder,  1848,  p.  C8; 
16  mü.  paaa :  Itinerarium  Burdigalctise  cbendus.  p.  275  ■==  Itincra  llicrusolymi- 
tana  ed.  Geyer,  1898,  p.  18;  in  der  Zahl  32  Btimmen  beide  überein).  Der 
Mane  bat  sich  noch  heute  erhalten  in  einem  Dorfe  am  Nordende  des  Libanon 
an  der  Stelle,  welche  die  Itinerarien  angeben.  Die  Stadt  war  im  Altcrtlniin 
•ehr  bekannt.  Schon  die  Völkcrtafel  der  Genesis  kennt  die  Arkitcr  Cp"^?  den. 
10, 17).  JoicphuK  nennt  nie  Antt.  I,  C,  2  "Aqxtiv  xiiv  iv  x(f>  Aißävo)  (verschieden 
hiervon  iht  das  Antt.  V,  1,  22  erwähnte  Arke,  welches  viel  weiter  südlich  lag; 
Antt.  VIII,  2,  3  llcBt  Niese  /ixij,  dafür  aber  Antt.  IX,  14,  2 /1(»XJ/).  Plinitis 
Ilitt.  Nai.y,  18,  74  und  Ptolnn.W,  15,  21  nennen  lediglich  den  Namen.  Stephnmis 
Byx.  bemerkt:  'Aqxti,   ndXiq  fpoivlxrji,  »J  vCv'Aqxoi  xaXovfihjj.     Ilieronynuis 


[499]  §  19.   Anhang.    Agrippa  II  (50—100  n.  Chr.).  595 

Sitzungen  sich  sehr  weit  nach  Norden  erstreckten.  Wenn  Josephus 
in  der  Beschreibung  des  Gebietes  des  Agrippa  B.  J.  III,  3,  5  diese 
nördlichen  Besitzungen  nicht  erwähnt,  so  könnte  dies  darin  seinen 
Grund  haben,  dass  zur  Zeit  der  Abfassung  des  Bell.  Jud.  diese 
Gebietserweiterung  noch  nicht  erfolgt  war;  in  Wahrheit  erwälint 
sie  Josephus  schon  deshalb  nicht,  weil  er  an  jener  Stelle  gar  nicht 
das  ganze  Königreich  des  Agrippa  beschreiben  will,  sondern  nur 
diejenigen  Gebiete,  welche  mehr  oder  weniger  von  Juden  bewohnt 
waren  (vgl.  Bd.  II  S.  4).  Von  den  südlichen  Besitzungen  scheinen 
dem  Agrippa  einzelne  Gebiete  später  genommen  worden  zu  sein. 
Wenigstens  gehörte  zur  Zeit,  als  Josephus  seine  Archäologie  schrieb 
(93/94  n.  Chr.),  die  jüdische  Colonie  Bathyra  in  Batanäa  nicht  mehr 
zum  Gebiete  Agrippa's^"). 

giebt  zu  Oen.  10, 17  die  Erklärung:  Aracaeus,  qui  Areas  condidit,  oppidum  contra 
Tripolim  in  radieihus  Libani  sittim  (Qtiaest.  Hebr.  in  Genesin,  opp.  ed.  Vallai si 
III,  321).  In  der  Kaiserzeit  wurde  Arka  namentlich  bekannt  als  Geburtsort  des 
Alexander  Severus  [Lmnprid.  Alexander  Severus  c.  1.  5.  13.  Aurel.  Victor  Caes. 
c.  24).  Es  hiess  jetzt  auch  Caesarea  {Lamprid.  Alex.  Sev.  c.  13:  apud  Arcam 
Oaesaream,  Aurel.  Victor  Caes.  24:  cui  duplex,  Caesarea  et  Area,  nomen 
est).  Auf  Münzen  findet  sich  dieser  Name  schon  zur  Zeit  Marc  Aurel's  [Kaiaa- 
Qscav  xo)v  ev  reo  Aißavcj  oder  Kaiaapsiag  Aißavov).  Seit  Elagabal,  wenn  nicht 
schon  früher,  war  es  römische  Colonie,  auf  Münzen:  Col.  Caesaria  Iyib{ani).  Eine 
von  Renan  in  der  Nähe  von  Botrys  gefundene  Inschrift  bezieht  sich  auf  einen 
Grenzstreit  der  Cäsareenser  mit  den  Gigartenern  {Corp.  Inscr.  Lot.  t.  III  n.  183 
==  Renan,  Mission  de  Pfienicie  p.  149:  Fines  positi  inter  Caesarenses  ad  Libanum 
et  Oiffartenos  de  vico  Sidonior[um]  jussu  ....),  woraus  indessen  nicht  geschlossen 
werden  darf,  dass  ihre  compacten  Gebiete  sich  berührt  hätten  (s.  Mommsen's 
Bemerkungen  im  CJL  und  bei  Renan  a.  a.  O.;  die  Lage  von  Gigarta  ergiebt 
sich  aus  der  Aufzählung  bei  Plin.  Hist.  nat.  V,  78:  Botrys,  Qigarta,  Trier is, 
Calamos,  Tripolis).  Die  durch  Stephanus  Byz.  bezeugte  Pluralform  "U^iifat  wird 
bestätigt  durch  die  Itinerarien,  Hieronymus,  Socrates  (Hist.  eecl.  VII,  3ö)  und 
Hierocles  {Synecdemus  ed.  Parthey  p.  43).  —  Vgl.  überhaupt:  Belley,  Memoires 
de  l'Academie  des  inscriptiom  et  belles-lettres,  alte  Serie  Bd.  XXXII,  1768, 
S.  685—694.  Ritter,  Erdkunde  XVII,  1,  808 fl".  842.  Robinson,  Neuere 
biblische  Forschungen  S.  746  f.  755—759.  Forbiger,  Handb.  der  alten  Geo- 
graphie II,  672.  Pauly's  Real-Enc.  I,  2,  2.  Aufl.  S.  1423  f.  Kuhn,  Die 
städtische  und  bürgerl.  Verfassung  des  röm.  Reichs  II,  331  f.  Gesenius,  The- 
saurus p.  1073.  Win  er  RWB.  I,  86.  Baudissin,  Art.  „Arkiter"  in  Herzog's 
Real-Enc.  2.  Aufl.  I,  645  f.  3.  Aufl.  II,  55  f.  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  U, 
1117f.  Knobel,  Die  Völkertafel  der  Genesis,  1850,  S.  327 f.  Renan,  Mission 
de  Pheniciep.  Uösq.  Furrer,  Zeitschr.  des  deutschen  Palästina- Vereins  VIII, 
1885,  S.  18.  Neubauer,  La  geographie  du  Talmud  p.  299.  —  Ueber  die  Mün- 
zen: Belley  a.  a.  O.  Eckhel,  Doctr.  Num.  III,  360—362.  Musei  Sanclemen- 
tiani  numismata  selecta  Pars  II  lib.  IV  p.  197—202.  Mionnet  V,  356—358. 
Suppl.  VIII,  255—257.  De  Saulcy,  Annuaire  de  la  Societe  fr.  de  Num.  et 
d'Areheol.  t.  III,  2,  1869,  p.  270—275.  Derselbe,  Numismatique  de  la  Terra 
Sainte  p.  117—120. 

37)  Antt.  XVII,  2,  2.    Im  „Jüdischen  Krieg"  wird  Batanäa  noch  zum  Ge- 

38* 


596  §  19-   Anliang.   Agrippa  II  (50—100  n.  Chr.).  [499.  500] 

Im  Jahre  75  kam  das  Geschwisterpaar  Agrippa  und  Bere- 
nike  nach  Eom,  und  dort  spann  sich  jenes  weltgeschichtliche  Liebes- 
verhältniss  Berenike's  mit  Titus  weiter,  das  schon  in  Palästina 
angeknüpft  worden  war  ^^).  Die  jüdische  Königin  wohnte  bei  Titus 
auf  dem  Palatin,  während  ihi'  Bruder  mit  dem  Rang  eines  Prätor's 
bedacht  wurde.  Allgemein  glaubte  man  an  eine  nahe  Hochzeit,  die 
ihr  Titus  auch  versprochen  haben  soll.  Aber  die  Unzufriedenheit 
darüber  war  in  Rom  so  gross,  dass  Titus  sich  genöthigt  sah,  die 
Geliebte  zu  entlassen^^).  Nach  dem  Tode  Vespasian's  (23.  Juni  79)1 
kam  sie  abermals  nach  Rom.  Aber  Titus  war  zu  der  Einsicht  ge- 
langt, dass  sich  Liebschaften  nicht  mit  der  Würde  eines  Kaisers 
vertragen,  und  liess  sie  unbeachtete^).    Enttäuscht  wird  sie  wohl 


biete  des  Agrippa  gerechnet,  B.  J.  III,  3,  5.  —  Auf  einer  von  Ewing  in  Sür 
in  Trachonitis  gefundenen  Inschrift  kommt  vor  ein  ^HQwÖTjg  Avfiov  axQaxoTie- 
öuQxrioai  Innswv  xoXcovsitcüv  xal  azQaznorwv  xal  axQaxriy^aaq  ßaaiXel 
/isydXo)  'AyQinna  xvgio)  {Pal.  Expl.  Fund,  Quarterly  Statement  1895,  p.  138,  die 
Inschrift  ist  datirt  vom  J.  20,  nämlich  des  Agrippa).  Man  darf  vermutheu, 
dass  die  Innelq  xoXwvlxaL  eine  ßeitertruppe  sind,  welche  aus  den  Nachkommen 
der  von  Herodes  d.  Gr.  in  Trachonitis  und  Batanaea  angesiedelten  Colouisten 
gebildet  war  (s.  oben  S.  393,  428  und  Bd.  II,  S.  13).  Diese  haben  also  auch  noch 
unter  Agrippa  II  gedient. 

38)  Schon  die  Rückkehr  des  Titus  nach  Palästina  auf  die  Kunde  von  Galba's 
Tod  schrieben  die  Spötter  auf  Rechnung  der  Sehnsucht  nach  Berenike  {Ta/i. 
Hut.  II,  2). 

39)  Dio  Cass.  LXVI,  15.  Sueton.  Tit.  7:  insignem  reginae  Berenices  amo- 
rem  cui  etiam  nuptias  pollicitus  ferebatur.  —  Berenike  hatte  sich  schon  ganz 
wie  die  Gemahlin  des  Titus  benommen  {nuvxa  ijStj  wq  xal  yurij  avtov  ovaa 
inoisi,  Dio  Cass.  l.  c).  Annäherungen  an  sie  wurden  von  Titus  eifersüchtig 
geahndet  {Aurel.  Victor  Epit.  10:  Caecinam  consularem  adhibituin  coenae,  vix- 
dum  tridinio  egressum,  ob  suspiciojiem  stupratae  Berenices  nxoris  suae,  jugti- 
lari  jussit).  —  Vgl.  auch  Hau s rat h,  Zeitgesch.  2.  Aufl.  IV,  52 — 55. 

40)  Dio  Cass.  LXVI,  18.  Aurel.  Victor  Epit.  10:  ut  subiit  pondtis  regium, 
Berenicen  nuptias  suas  sperantem  regrcdi  domum  ....  praecepit.  Sueton.  Tit. 
7:  Berenicen  statim  ah  urbe  dimisit,  invitus  invitam.  —  Aurolius  Victor  und 
Sueton  sprechen  nur  von  einer  Entlassung  der  Berenike  nach  der  Thronbe- 
steigung des  Titus  (denn  auch  bei  Sueton  kann  das  statim  nur  in  diesem 
Sinne  verstanden  werden).  Dio  Cassius  unterscheidet  aber  deutlich  beide 
Fälle;  die  unfreiwillige  EntlasHung  vor  der  Thronbesteigung  und  die  Nichtbe- 
achtung Berenike's  nach  der  Tiironbesteigung.  —  Auf  ihren  Reisen  zwischen 
PalHstina  und  Rom  Hchcint  Ik-reniko  auch  in  Athen  Beziehungen  angeknüpft 
zu  haben,  welche  Rath  und  Volk  der  Athener  durch  folgend»^  Inschrift  ver- 
ewigten {Corp.  Inner.  Uraec.  n.  301  —  Corp.  Jnsor.  Atticar.  III,  1  n.  556;  über 
den  Namen  Julia  s.  oben  S.  5(51): 

^H  ßovXf]  17  i^  kpelov  ndyov  xal 
ri  ßovXtj  T(Sv  X   *<*^  "*  i^HOf  ^lov- 
).lav  litQhvtlxfjv  ßualhaonv 
fitydkrjv,  'lovXlov  ky^lnna  ßaai' 


[500]  §  19.   Anhang.   Agrippa  II  (50-100  n.  Chr.).  597 

nach  Palästina  zurückgekehrt  sein.  Der  Name  Julia  Berenike 
kommt  auf  lateinischen  Inschriften  ein  paarmal  vor.  Es  ist  mög- 
lich, dass  die  Trägerinen  desselben  irgendwie  (durch  Freilassung 
oder  durch  Abkunft  von  Freigelassenen)  mit  dem  Hause  der  jüdischen 
Prinzessin  zusammenhängen^  i). 

Von  ihrem,  wie  von  Agrippa's  späterem  Leben  ist  so  gut  wie 
nichts  mehr  bekannt.  Wir  wissen  nur  noch,  dass  Agrippa  mit 
Josephus  über  dessen  Geschichte  des  jüdischen  Krieges  correspon- 
dirte,  sie  um  ihrer  Zuverlässigkeit  willen  belobte  und  ein  Exemplar 
davon  kaufte  ^  2). 

Zahlreiche  Münzen  Agrippa's  bestätigen  die  Fortdauer  seiner 
Regierung  bis  zum  Ende  Domitian's.  Die  mehrfachen  Incorrect- 
heiten,  welche  in  Betreff  der  Kaisertitel  auf  diesen  Münzen  sich 
finden,  haben  den  Numismatikern  viele  Schwierigkeiten  gemacht. 
In  Wahrheit  sind  gerade  diese  Incorrectheiten  in  verschiedener 
Beziehung  lehrreich^  ^). 

kswq  S^vyaxtga  xal  fieyaXwv 
ßaaikiwv  evegyeidiv  tf/q  nö- 
Xecog  sxyovov 

41)  Auf  einer  Grabschrift  in  Rom  kommt  neben  anderen  Freigelassenen 
auch  eine  Julia  L.  l[iberta)  Berenice  vor  {Corp.  Inscr.  Lat.  I  n.  1020  =.VI  ;*. 
10588,  Facsimile  bei  Ritschl,  Priscae  latinitatis  manumenta  tab.  XCII  A).  Eine 
andere  Julia  Beronice  in  Rom :  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  VI  n.  20394.  —  Ein  Votiv- 
stein  in  Apulum  in  Dacien  ist  von  einem  Tribun  der  leg.  IUI  Flavia  gesetzt 
pro  Salute  Julias  Beroniees  contugis  (Jahreshefte  des  österreichischen  archäo- 
logischen Institutes  III,  1900,  Beiblatt  col.  183  f.) 

42)  Vita  65.     Contra  Apion.  I,  9. 

43)  Die  Literatur  über  die  Münzen  s.  oben  S.  586.  —  Der  Thatbestand 
ist  folgender.  Ausser  den  Münzen  aus  der  Zeit  Nero's  (s.  darüber  oben  S.  586, 
589)  giebt  es  Münzen  Agrippa's  1)  vom  Jahre  14,  18,  26,  27,  29  seiner  Regie- 
rung mit  der  Aufschrift  AvxoxQa[xoQL)  Ovsanaai{avip)  Kaiaagi  Seßaaxol, 
2)  vom  Jahre  14,  18,  19,  20,  26,  27,  29  des  Agrippa  mit  der  Aufschrift  Avxo- 
xQ[dxü)Q)  TlxoQ  KaZaaQ  2:6ßaa{x6g),  3)  vom  Jahre  14,  18,  19,  23,  24,  25,  26, 
27,  29,  35  des  Agrippa  mit  dem  Namen  Domitian's,  und  zwar  bis  zum  Jahr  23 
incl.  nur  do(iixiav6q  Kalaag,  vom  Jahr  24  an,  wenn  auch  nicht  constant, 
mit  dem  Zusatz  FeQfzavixog,  im  Jahr  35  Avxoxgd{xoQa)  dofxtxia{v6v)  Kaiactga 
riQfxavi{x6v).  S.  die  Belege  am  vollständigsten  bei  lfa*?rfe/?,  Coins  of  the  Jeivs, 
1881,  p.  148—159.  — .  Die  Uebereinstimmung  in  den  Jahreszahlen  auf  den 
Münzen  aller  drei  Flavier  lässt  es  nicht  zweifelhaft,  dass  auf  allen  diesen 
Münzen  dieselbe  Aera  angewandt  ist,  dass  also  Agrippa  in  seinem 
14.  Jahre  gleichzeitig  Münzen  mit  dem  Namen  des  Vespasian,  Titus  und  Do- 
mitian  geprägt  hat  u.  s.  f.  Die  angewandte  Aera  kann  aber  nur  die  vom  J.  61 
n.  Chr.  sein,  welche  auf  zweisprachigen  Münzen  Agrippa's  vom  25.  und  26.  Jahre 
seiner  Regierung  (=  Domitian.  Cos.  XII,  d.  h.  86  nach  Chr.)  gebraucht  ist 
(vgl.  oben  S.  589).  Hiernach  ergeben  sich  folgende  Resultate:  1)  Die  Münzen 
vom  J.  26,  27  und  29  sind  nach  dem  Tode  des  Vespasian  und  Titus  geprägt; 
trotzdem    fehlt   in    der  Titulatur  beider  Kaiser  das  Prädicat  Divus,  vielleicht 


598  §  19-    Anhang.   Agrippa  II  (50-100  n.  Chr.).  [5C0] 

In  einer  chronologischen  Notiz,  welche  durch  den  sog.  Chrono- 
gi'aphen  vom  J.  354  n.  Chr.  erhalten  ist,  wird  Agrippa' s  Regierung, 
wie  es  scheint,  bis  zum  J.  85  oder  86  n.  Chr.  gerechnet.  Obwohl 
dieser  Notiz  schon  wegen  der  schlechten  Text-Ueberlieferung  kein 
grosses  Gewicht  zukommt,  ist  es  doch  möglich,  dass  sie  auf  gute 
Ueberlieferung  zurückgeht.  Man  würde  aber  dann  das  J.  85  oder 
86  nicht  als  das  Todesjahr  Agrippa's^-*),  sondern  nur  als  das  Ende 
seiner  Eegierung  über  jüdisches  Gebiet  zu  betrachten  haben,  also 
als  das  Jahr,  in  welchem  ihm  unter  Anderem  die  jüdischen  Colonien 
genommen  wurden,  welche  (nach  Jos.  Äntt.  XVII,  2,  2)  zur  Zeit 
der  Abfassung  von  Josephus'  Archäologie  nicht  mehr  zu  seinem 
Gebiet  gehörten*^).  | 


aus  religiösen  Gründen.  2)  Die  Münzen  vom  J.  14  und  18  sind  noch  bei  Leb- 
zeiten Vespasian's  geprägt;  trotzdem  heisst  Titus  bereits  Ssßaaiöc.  So  in- 
correct  dies  ist,  so  bezeichnend  ist  es  für  die  Meinung,  die  man  im  Orient 
hinsichtlich  der  Stellung  des  Titus  hegte.  Er  galt  geradezu  als  Mitregent. 
3)  Die  Titulatur  Domitian's  ist  insoweit  correct,  als  er  auf  den  Münzen  vom 
J.  14 — 19  nur  Kalaag  heisst,  und  auf  den  Münzen  seit  dem  J.  24  (=  84  ii. 
Chr.)  den  Titel  PeQfxavixöq  führt,  welchen  er  in  der  That  im  J.  84  angenommen 
hat.  Dagegen  ist  ein  grober  Verstoss  das  Fehlen  des  Titels  üeßaaxöq,  zum 
Theil  auch  des  Titels  AmoxQdxojQ  auf  den  Münzen  vom  J.  23 — 35,  welche 
sämmtlich  in  Domitian's  ßegierungszeit  fallen  (83—95  n.  Chr.).  Die  Münzen 
zeigen  also,  „dass  man  in  Galiläa  mit  dem  Reiche  dieser  Welt  durchaus  nicht 
auf  dem  Laufenden  war"  (Mommsen).  Nur  die  zweisprachigen  Münzen  vom 
J.  26  haben  den  correcten  lateinischen  Titel:  Imp{erator)  Caes{ar)  divi  Vesp. 
tXilius)  Domitian{n8)  Au{gusttts)  Ger[manicvs).  —  Manche  Numismatiker,  be- 
sonders de  Saulcy  und  M  ad  den,  auch  Erbes,  Zeitschr.  für  wiss.  Theol. 
1890,  S.  423,  haben,  um  diesen  Resultaten  wenigstens  theilweise  zu  entgeheu, 
in  äusserst  gekünstelter  Weise  drei  bis  vier  verschiedene  Aeren  iür  diese 
Münzen  angenommen.  Die  richtigen  Gesichtspunkte  hat  in  überzeugender 
Weise  Mommsen  dargelegt  (Wiener  Numismat.  Zeitschr.  III,  1871,  S.  451 
bis  457). 

44)  So  Erbes,  der  in  seiner  Untersuchung  über  das  Todesjahr  Agrippu's 
(ZeitBchr.  für  wiss.  Theol.  I89ü,  S.  415-432)  diese  Stelle  zu  Grunde  legt. 

4Ö)  lieber  den  Chronographen  vom  J.  354  s.  Seeck  in  Pauly-Wissowa's 
Real-£nc.  III,  2477  iX.  —  lu  diesem  Sammelwerke  steht  am  Schlüsse  des  liher 
generutionis  folgender  cmnpvtus  (Cfironica  minora  saec.  IV.  V.  VI.  VII  ed. 
Mommsen  vol.l  —  Monum.  (icmi.,  Auct.  antiquiss.  IX,  1,  1892,  ;>.  140;  die  ver- 
wandten RocensioDen  de»  iU}€i- yentrationis  habe»  dieses  Stück  nicht):  Ex  quo  rrffo 
mundut  conatütdtu  est  uaque  ad  Oyrum  regem  Peraar  um  anni  sunt  Hill  X'CCCXVI. 
iUmde  Judei  reversi  sunt  in  Jttdeam  de  Babilonia  et  servienint  amius  CCXXX. 
deinde  cum  Alexander  Mggnua  Maoedo  devicit  Dariuvi  et  venu  in  Jiulcam  et  devicit 
P»r»e$  et  depoeuit  reynum  corum,  et  sub  Macedonibus  fticrunt  Judei  ann.  CCLXX. 
inde  reverti  »unt  ä  Macvdonibu»  ei  sub  suis  regibun  fvcnnd  usqtie  ad  Agrip- 
pa m,  qui  fumssimu»  ftiit  rex  Judaeorum  ann.  CCCXLV.  ilomm  ab  Agrippa 

UMf/ue  ad  L,  Septimum  Severum  urbis  conaulem  anni  snnt  [ ] 

VDCCCLXX.    Heruv$  a  Setero  mqur  nd  Eviilaanum  [sie]  et  Aquitinum  conas. 


[501]  §  19.    Anhang.   Agrippa  II  (50-100  n.  Chr.).  599 

Nach  dem  Zeugnisse  des  Justus  von  Tiberias^^)  starb  Agrippa 
im  3.  Jahre  Trajan's,  100  nach  Chr.;  und  es  ist  nicht  gerechtfertigt, 
die  Richtigkeit  dieser  Nachricht  zu  bestreiten,  wie  von  Tillemont 
und  manchen  Neueren  geschehen  ist^').  | 


anni  sunt  LVII.  ab  Emüiano  et  Aqiiiiino  usque  ad  Dioclecianum  IX  et  Maxi- 
mianum  VIII  cons.  anni  sunt  LV.  —  lieber  die  verschiedenen  Fehler  in  der 
Text-Ueberlieferung  dieses  Stückes  s.  Mommsen  a.  a.  O.  An  der  durch 
Punkte  augedeuteten  Stelle  ist  offenbar  etwas  ausgefallen.  Da  die  vorher 
genannten  Jahre  (4916  +  230  +  270  +  345)  die  Summe  5761  ergeben,  als 
Schlusszahl  aber  5870  genannt  ist,  so  muss  die  Ziffer  109  ausgefallen  sein  für 
die  Zeit  von  Agrippa  bis  zum  Consulat  des  Septimius  Severus, 
welches  194  n.  Chr.  fallt.  Das  Ende  von  Agrippa's  Regierung  würde  hiernach 
85  n.  Chr.  fallen.  Dies  trifft  nun  merkwürdig  zusammen  mit  dem  Datum  der 
zweisprachigen  Münzen  aus  dem  12.  Consulate  Domitian's,  86  n.  Chr.,  welche 
auf  der  Rückseite  das  Datum  tragen:  inl  ßaa{iXea)q)  AyQi{nna)  eT(ovq)  xc;,  resp. 
xe.  Die  Münzen  tragen  den  Vermerk  S  C,  sind  also  senatus  eonsulto  geprägt. 
Das  scheint  allerdings  dafür  zu  sprechen,  dass  damals  in  den  Verhältnissen 
Agrippa's  irgend  welche  Veränderung  eingetreten  ist.  Wenn  ihm  damals,  wie 
nach  dem  Chronographen  vielleicht  anzunehmen  ist,  die  jüdischen  Land- 
schaften genommen  worden  sind,  so  muss  er  doch  die  Gegend  um  Trachonitis 
behalten  haben,  denn  die  oben  S.  589  erwähnte  Inschrift  vom  J.  37  =  32 
seiner  Regierung  ißxovq  XC,  xov  xal  Xß  ßaaif.iatg  'AyQimia,  also  92  n.  Chr.),  ist 
in  Sanamen  an  der  Nordwestgrenze  von  Trachonitis  gefunden  worden. 

4Ü)  Bei  Photius  Bibliotheca  cod.  33,  s.  oben  S.  61. 

47)  Tillemont,  Histoire  des  empereurs  t.  I  [Venise  1732)  p.  646—648,  note 
XLI.  Jost,  Gesch.  der  Israeliten  Bd.  II,  Anhang  S.  103 f.  Brann,  Monats- 
schr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth.  1871,  S.  26 — 28.  Grätz,  Mo- 
natsschr.  1877,  S.  337—352.  Brüll,  Jahrbücher  für  jüd.  Gesch.  und  Literatur 
VII.  Jahrg.  1885,  S.  51 — 53.  Seh  latter,  Der  Chronograph  aus  dem  zehnten 
Jalire  Antonius  (=  Texte  und  Unters,  von  Gebhardt  und  Harnack  XII,  1) 
1894,  S.  40 ff.  Erbes  a.  a.  O.  —  Der  Hauptgrund,  weshalb  man  die  Nach- 
richt des  Justus  bei  Photius  theils  verwirft,  theils  durch  Textänderung  oder 
Umdeutung  zu  verbessern  sucht,  ist  der,  dass  man  meint,  die  Selbstbiographie 
des  Josephus  sei  unmittelbar  nach  dessen  Alterthümern,  also  im  J.  93  oder 
94  geschrieben.  Dann  müsste  allerdings  Agrippa  vor  dem  Jahre  93  gestorben 
sein;  denn  als  Josephus  die  Selbstbiographie  schrieb,  war  Agrippa  bereits 
todt  {Vita  65).  Aber  jene  Voraussetzung  ist  ohnehin  nicht  haltbar,  da  Jo- 
sephus beim  Abschluss  der  Alterthümer  die  Absicht  hatte,  das  Werk  in  an- 
derer Weise  fortzusetzen,  als  es  dann  später  durch  Anhängung  der  Vita  ge- 
schehen ist  (s.  hierüber  oben  S.  87  f.).  Ausserdem  hat  man  gemeint,  aus  Äntt. 
XVII,  2,  2  gehe  hervor,  dass  Agrippa  bereits  todt  war,  als  Josephus  die  Archäo- 
logie schrieb.  Aber  die  Stelle  beweist  nur,  dass  ihm  damals  Batanäa  nicht 
mehr  gehörte  (s.  oben  S.  595).  Endlich  hat  man  geglaubt,  die  ungünstigen 
Aeusserungen  des  Josephus  über  Agrippa  in  der  Archäologie  wären  undenkbar, 
wenn  Agrippa  damals  noch  gelebt  hätte  (so  bes.  Erbes,  Zeitschr.  für  wiss. 
Theol.  1896,  S.  426  f.).  Aber  woher  weiss  man  denn,  dass  Agrippa  und  Jo- 
sephus bis  an  ihr  Lebens-Ende  gute  Freunde  waren  ?  —  Die  Münzen  Agrippa's 
vom  35.  Jahre  seiner  Regierung  bezeugen,  dass  er  mindestens  im  J.  95  noch 


600  §  20.    Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  [502] 

Wie  es  scheint,  hinterliess  Agrippa  keine  Kinder  *s).  Sein  König- 
reich wurde  ohne  Zweifel  der  Provinz  Syrien  einverleibt. 


§  20.    Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.). 

Quellen:  Joseph.  Bell.  Jud.  II,  14 — VII  Schluss.  Vita  c.  4—74.  Zonaras, 
Annal.  VI,  18 — 29  (Auszug  aus  Jos.).  —  Ueber  den  sog.  Hege- 
sippus  8.  oben  S.  96  f.. 

Ueber  die  nicht  erhaltenen  Werke  des  Vespasianus,  Antonius  Julia- 
nus und  Justus  von  Tiberias  s.  oben  S.  57 — 63. 

Rabbinische  Traditionen  bei  Derenbourg  p.  255 — 295. 

Ueber  die  möglicherweise  aus  der  Zeit  dieses  Krieges  stammenden 
Münzen  s.  Beilage  IV. 
Literatur:  Ewald,  Gesch.  des  Volkes  Israel  VI,  641—813. 

Grätz,  Geschichte  der  Juden  III,  4.  Aufl.  S.  448—557. 

Hitzig,  Geschichte  des  Volkes  Israel  II,  594—629. 

Hausrath,  Neutestamentliche  Zeitgeschichte  2.  Aufl.  111,421 — 477. 

Renan,  Der  Antichrist  (deutsche  Ausgabe,  Leipzig  1873)  S.  180 
bis  238,  382-436. 

Schiller,  Geschichte  des  römischen  Kaiserreiches  unter  der  Re- 
gierung des  Nero  (1872)  S.  205—261.  —  Ders.,  Gesch.  der  rö- 
mischen Kaiserzeit  Bd.  I,  1883,  S.  381—400. 

Mommsen,  Römische  Geschichte  Bd.  V,  1885,  S.  529—540. 

Lewin,  The  siege  of  Jerusalem  by  Titus.  With  the  Journal  of  a 
recent  Visit  to  the  Holy  Oity,  and  a  general  Sketch  of  tJie  Topo- 
graphy  of  Jeitisalem  from  the  earliest  times  down  to  the  Siege. 
London  1863.  (499  p.  8.).  Vgl.  Gott.  gel.  Am.  1864,  S.  721  ff. 
—  Ders.,  Fasti  saeri  (1865)  p.  338-362. 

Ghampagny,  Rome  et  la  Judee  au  temps  de  la  chute  de  Neron  {ans 
66 — 72  apr^  Jestis- Christ),  2.  ed.  Paris,  1865,  t.  I,  p.  195—254, 
t.  II,  p.  55—200. 

De  Sautcy,  Les  detmiers  jours  de  Jerusalem.  Paris,  1866  (448  p. 
gr.  8.).  —  Vgl.  Gott.  gel.  Anz.  1868,  S.  899  ff".  | 


gelebt  hat  (vgl.  wegen  der  Berechnung  des  Datum's  Aum.  43).  Die  Insclirift 
mit  dem  Datum  hovq  A?'  rov  xal  Xff  ßaaiXdiaq  lAyQlrni«  führt,  wenn  wir  das 
letztere  Datum  vom  Jahr  61  an  rechnen  (vgl.  oben  Anm.  7),  in  das  J.  92  n. 
Chr.  —  Ueber  die  eigenartig  vermittelnde  Anschauung  Gutschmid's  s. 
oben  8.  88. 

48)  Ob  er  verhelrathet  war,  wissen  wir  nicht.  Im  Talmud  [hah.  Sukka  27a) 
wird  erzählt,  das«  der  Verwalter  Agrippa's  an  R.  Elieser  eine  Frage  richtete, 
bei  welcher  vorauBgesetzt  wird,  da««  der  Fragende  zwei  Frauen  hatte.  Auf 
Grund  dcHHen  «chrciben  Manche  dem  Agrippa  zwei  Frauen  zu,  indem  sie  an- 
nehmen, daiiH  der  Verwalter  die  Frage  im  Namen  des  Königs  gestellt  liabc  (so 
Derenhourtf  p.2b2—2TA,  Brann,  Monntsschr.  1871,  8.  13  f.).  Zu  dieser  Aiuiahme 
Hegt  aber  kein  Kuroichender  Grund  vor  (».  Grätz,  Monatsschr.  18S1,  8.  483  f.). 


[503] 


§  20.    Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  601 

1.  Ausbruch  und  Sieg  der  Kevolution  (66  nach  Chr.). 


Den  äusseren  Anlass  zum  Ausbruch  der  längst  drohenden  Em- 
pörung gab  eine  That  des  Florus,  die  nicht  eben  schlimmer  war, 
als  viele  andere,  aber  darum  empfindlicher,  weil  sie  zugleich  die 
religiösen  Gefühle  des  Volkes  verletzte.  Nachdem  er  bisher  nur 
die  Bürger  mit  seinen  Plünderungen  heimgesucht  hatte,  liess  er 
einst  es  sich  beikommen,  auch  den  Tempelschatz  um  17  Talente  zu 
erleichtern.  Da  hatte  die  Geduld  des  Volkes  ein  Ende.  Es  ent- 
stand ein  grosser  Tumult;  und  ein  paar  witzige  Köpfe  kamen  auf 
den  Einfall,  die  Geldgier  des  Procurators  zu  verspotten,  indem  sie 
Körbe  herumreichten  und  milde  Gaben  sammelten  für  den  armen 
unglücklichen  Florus.  Als  dieser  davon  hörte,  war  er  rasch  ent- 
schlossen, für  solche  Verhöhnung  blutige  Eache  zu  nehmen.  Mit 
einer  Abtheilung  Soldaten  kam  er  nach  Jerusalem  und  gab  trotz 
der  flehentlichen  Bitten  der  Hohenpriester  und  Vornehmen  einen 
Theil  der  Stadt  seinen  Soldaten  zur  Plünderung  preis.  Eine  grosse 
Anzahl  Bürger,  darunter  selbst  römische  Ritter  von  jüdischer  Ab- 
kunft, wurden  auf's  Gerathewohl  ergriffen,  gegeisselt  und  an's  Kreuz 
geschlagen.  Selbst  die  demüthigen  Vorstellungen  der  Königin  Be- 
renike,  welche  zufällig  in  Jerusalem  anwesend  war,  hatten  nicht 
vermocht,  der  Wuth  des  Procurators  und  seiner  Soldaten  Einhalt 
zu  thun*). 

Dies  geschah  am  16.  Artemisios  (Ijjar,  etwa  Mai)  des  Jahres  66 
nach  Chr.'^). 

Am  andern  Tag  stellte  Florus  das  Verlangen,  dass  die  Bürger- 
schaft zwei  Cohorten,  welche  von  Cäsarea  her  im  Anzüge  waren, 
feierlich  einhole,  um  dadurch  einen  thatsächlichen  Beweis  ihrer 
Unterwürfigkeit  und  reumüthigen  Gesinnung  abzugeben.  Obwohl 
das  Volk  nicht  sehr  geneigt  dazu  war,  brachten  es  doch  die  Hohen- 
priester dahin,  dass  man  sich,  um  Schlimmerem  vorzubeugen,  zu 
dieser  Demüthigung  verstand.  In  feierlichem  Zuge  ging  das  Volk 
den  beiden  Cohorten  entgegen  und  entbot  ihnen  freundlichen  Gruss. 
Aber  die  Soldaten,  angeblich  von  Florus  dahin  insfcruirt,  unterliessen 
es,  den  Gruss  zu  erwiedern.  Da  begann  das  Volk  zu  murren  und 
Schmähungen  gegen  Florus  auszustossen.  Die  Soldaten  griffen  als- 
bald zum  Schwert  und  jagten  die  Menge  unter  stetem  Morden  in 


1)  B.  J.  II,  14,  6—9.    15,  1. 

2)  B.  J.  II,  15,  2;  vgl.  II,  14,  4.  Antt.  XX,  11,  1  (im  zwölften  Jahre  Nero's). 
Mit  den  macedonischen  Monatsnamen  bei  Josephus  sind  factisch  die  jüdischen 
Monate  gemeint,  welche  nnr  ungefähr  den  Monaten  des  julianischen 
Kalenders  entsprechen.    Näheres  s.  Beilage  III. 


602  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.j.       [503.  504] 

die  Stadt  zurück.  Hier  entspann  sich  nun  ein  hitziger  Strassen- 1 
kämpf,  bei  welchem  es  dem  Volke  gelang,  sich  des  Tempelberges 
zu  bemächtigen  und  die  Verbindung  zwischen  diesem  und  der  Burg 
Antonia  abzubrechen.  Florus  mochte  wohl  einsehen,  dass  er  zu 
einer  gewaltsamen  Bezwingung  der  Massen  zu  schwach  war.  Er 
zog  sich  also  nach  Cäsarea  zurück,  indem  er  nur  eine  Cohorte  in 
Jerusalem  zurückliess  und  die  Häupter  der  Stadt  für  die  Beruhi- 
gung des  Volkes  verantwortlich  machte  3). 

Der  König  Agrippa  befand  sich  damals  in  Alexandria.  Als 
er  von  den  Unruhen  hörte,  eilte  er  nach  Jerusalem,  entbot  das 
Volk  zu  einer  Versammlung  nach  dem  Xystos  (einem  freien  Platze 
vor  dem  Palaste  der  Hasmonäer,  welchen  Agrippa  bewohnte)  und 
hielt  nun  von  seinem  Palaste  aus  eine  lange  und  eindringliche  Rede 
an  das  Volk,  um  es  zum  Aufgeben  des  doch  völlig  aussichtslosen, 
darum  unvernünftigen  und  verwerflichen  Widerstandes  zu  bewegen'*). 
Das  Volk  erklärte  sich  bereit,  zum  Gehorsam  gegen  den  Kaiser 
zurückzukehren.  Man  begann,  die  Hallen  zwischen  dem  Tempel- 
berg und  der  Antonia,  welche  man  eingerissen  hatte,  wieder  aufzu- 
bauen und  die  rückständigen  Steuern  einzusammeln.  Als  aber 
Agrippa  verlangte,  dass  man  auch  dem  Florus  wieder  Gehorsam 
leiste,  war  die  Geduld  des  Volkes  zu  Ende.  Mit  Hohn  und  Spott 
wurde  er  abgewiesen  und  musste  unverrichteter  Dinge  in  sein  König- 
reich zurückkehren^). 

Mittlerweile  war  es  den  Aufständischen  gelungen,  sich  der 
Festung  Masada  zu  bemächtigen.  Auf  Betrieb  Eleasar's,  des 
Sohnes  des  Hohenpriesters  Ananias,  wurde  nun  auch  beschlossen, 
das  tägliche  Opfer  für  den  Kaiser  einzustellen  und  überhaupt  keine 
Opfer  von  NichtJuden  mehr  anzunehmen.  Die  Einstellung  des  Opfers 
für  den  Kaiser  war  gleichbedeutend  mit  der  offenen  Erklärung  des 
Abfalls  von  den  Römern.  Alle  Versuche  der  Vornehmen,  sowohl 
der  Hohenpriester  wie  der  Pharisäer,  das  Volk  zur  Zurücknahme 
dieser  tollkühnen  Maassregel  zu  bewegen,  waren  vergebens.  Man 
beharrte  bei  dem  einmal  gefassten  Beschlüsse*^). 


3)  B.  J.  II,  15,  3-6. 

4)  B.  J.  II,  16,  1 — 5;  vgl.  15,  1.  —  Das  statistische  Detail  über  das  rö- 
mische Reich,  üiiH  JosepliUH  in  diese  Rede  Agrippa's  verwoben  hat,  hat  er  wohl 
nuB  einem  oHiciellen  VerzeicliniBse  geschöpft;  vgl.  Fricdlacnder,  De  fönte 
quo  Joaephus  B.  J.  II,  16,  4  usiia  ait.  liet/imotUi  {Index  tecliamtm)  1873.  Do- 
maizewiki,  Die  DiHlokation  dos  römischen  Heeres  im  J.  66  n.  Chr.  (Rhein. 
MuMum  N.  F.  47,  1H!I2,  8.  207—218). 

6)  B.  J.  II,  17,  1. 

6)  B.  J.  II,  17,  2—4.  —  Ueber  die  Festung  Masada  s.  unten  (gegen  Ende 
dieses  g).  —  Uobcr  das  tägliche  Opfer  für  den  Kaiser  h.  Bd.  II,  S.  303  f. 


[504.  505]       §  20.   Der  gro.«8e  Krieg  gegen  Rom  (06—73  n.  Chr.).  603 

Als  die  Friedenspartei —  zu  welcher  so  ziemlich  alle  einsich- 
tigen Männer  gehörten:  die  Hohenpriester,  die  angesehensten  der 
Pharisäer,  die  Verwandten  des  herodianischen  Hauses  —  als  diese  | 
sahen,  dass  in  Güte  nichts  auszurichten  sei,  beschlossen  sie,  zur 
Gewalt  ihre  Zuflucht  zu  nehmen.  Man  wandte  sich  zunächst  an 
König  Agrippa  um  Unterstützung.  Dieser  sandte  eine  Abtheilung 
von  3000  Reitern  unter  dem  Befehl  des  Darius  und  Philip pus, 
mit  deren  Hülfe  die  Friedenspartei  sich  der  Oberstadt  bemächtigte, 
während  die  Aufständischen  den  Tempelberg  und  die  Unterstadt 
besetzt  hielten.  Es  kam  nun  zum  erbitterten  Kampfe  zwischen 
beiden  Parteien.  Aber  die  königlichen  Truppen  waren  zum  Wider- 
stand gegen  die  wüthende  Volksmenge  zu  schwach  und  mussten 
ihr  die  Oberstadt  räumen.  Um  Rache  an  ihren  Gegnern  zu  nehmen, 
steckten  die  Aufständischen  die  Paläste  des  Hohenpriesters  Ana- 
nias,  des  Agrippa  und  der  Berenike  in  Brand'j. 

Wenige  Tage  darauf  —  es  war  im  Monat  Loos  (Ab,  etwa 
August)  —  gelang  es  ihnen  auch,  sich  der  Burg  Antonia  zu  be- 
mächtigen; worauf  sie  den  oberen  Palast  (des  Herodes),  in  welchen 
sich  die  Truppen  der  Friedenspartei  geflüchtet  liatten,  zu  belagern 
begannen.  Ein  erfolgreicher  Widerstand  von  Seite  der  Belagerten 
war  auch  hier  nicht  möglich.  Und  so  nahmen  es  die  Truppen  des 
Agrippa  gerne  an,  als  ihnen  freier  Abzug  gewährt  wurde.  Die 
römische  Cohorte  flüchtete  sich  in  die  di-ei  festen  Thürme  des 
Palastes  (mit  Namen  Hippikos,  Phasael  und  Mariamme),  während 
der  ganze  übrige  Theil  des  Palastes  am  6.  Gorpiaios  (Elul,  etwa 
September)  von  den  Aufständischen  in  Brand  gesteckt  wurde*^). 
Am  folgenden  Tage  wurde  der  Hohepriester  Ananias,  der  sich  bis 
dahin  verborgen  gehalten  hatte,  in  seinem  Verstecke  ergriffen  und 
ermordet^).  Die  einzige  schwache  Stütze,  welche  jetzt  der  Friedens- 
partei noch  übrig  blieb,  war  die  in  den  drei  Thürmen  des  Herodes- 
palastes  belagerte  römische  Cohorte.    Auch  sie  musste  schliesslich 


7)  B.  J.  II,  17,  4—6.  —  Die  von  Agrippa  gesandten  Truppen  standen  vno 
Aageuü  fihv  Xnnagx^o,  arpaxTjyip  öh  xü>  ^Jaxi/40v  ^iXlnnt}}  [B.  J.  II,  17,  4  fin.). 
Philippus  war  also  der  Oberbefehlshaber.  Er  war  der  Enkel  des  Babyloniers 
Zamaris,  der  zur  Zeit  Herodes  des  Grossen  eine  jüdische  Colonie  in  Batanäa 
begründet  hatte  {Antt.  XVII,  2,  3).  Vgl.  über  ihn  auch  BeU.  Jud.  II,  20,  1. 
IV,  1,  10.  Vita  11.  35.  36.  74.  —  Auf  einer  von  Waddington  mitgetheilten  In- 
schrift wird  erwähnt  ein  dofxjjörjg  [J]aQ7}ioq  magxoq  ßaaikiwg  /xeyäXov  'Ayglmia 
{Le  Bas  et  Waddington,  Inscriptions  t.  III  n.  2135),  der  wohl  mit  unserem  Da- 
reios  identisch  ist. 

8)  B.  J.  II,  17,  7 — 8;  vgl.  V,  4,  4.  —  Der  Anführer  der  Truppen  des  Agrippa, 
Philippus,  wurde  wegen  seines  Verhaltens  später  zur  Verantwortung  gezogen 
{Jos.  Vita  74). 

9)  B.  J.  II,  17,  9. 


604  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  [505.  506.  507] 

der  Uebermacht  weichen.  Gegen  Niederlegung  der  Waifen  wurde 
ihr  freier  Abzug  gewährt.  Aber  die  Aufständischen,  die  nunmehr 
Herren  der  ganzen  Stadt  waren,  krönten  ihren  Sieg  durch  ge- 
meinen Mord.  Die  römi' sehen  Soldaten  waren  kaum  abgezogen 
und  hatten  die  Waffen  niedergelegt,  als  sie  von  den  Juden 
meuchlings  überfallen  und  bis  auf  den  letzten  Mann  niedergemacht 
wurden'^). 

Während  so  der  Sieg  der  Revolution  in  Jerusalem  sich  ent- 
schied, kam  es  auch  in  vielen  anderen  Städten,  wo  Juden  und 
Heiden  zusammen  wohnten,  besonders  an  den  Grenzen  Palä- 
stina's,  zu  blutigen  Kämpfen.  Wo  die  Juden  in  der  Mehrzahl  waren, 
machten  sie  ihre  heidnischen  Mitbürger  nieder.  Und  wo  diese  das 
Uebergewicht  hatten,  fielen  sie  über  die  Juden  her.  Selbst  bis 
Alexandria  verbreiteten  sich  die  Wirkungen  des  Aufstandes  im 
Mutterlandes'). 

Endlich  nach  langem  Warten  und  Rüsten  machte  Cestius 
Gallus,  der  Statthalter  von  Syrien,  Anstalt,  den  Aufruhr  in  Judäa 
zu  dämpfen.  Mit  der  zwölften  Legion,  2000  auserlesenen  Mann- 
schaften aus  anderen  Legionen,  sechs  Cohorten  und  vier  Alen  Reiter, 
sowie  zahlreichen  Hülfstruppen,  welche  die  befreundeten  Könige 
(darunter  auch  Agrippa)  hatten  stellen  müssen,  brach  er  von  An- 
tiochia  auf,  rückte  über  Ptolemais,  Cäsarea,  Antipatris,  Lydda  — 
wo  er  zur  Zeit  des  Laubhüttenfestes  im  Monat  Tischri  (etwa 
October)  eintraf  —  endlich  über  Beth-horon  nach  Gabao  (Gibeon), 
50  Stadien  von  Jerusalem,  und  bezog  hier  ein  Lager  •'■').  Ein  Aus- 
fall, welchen  die  Juden  von  Jerusalem  aus  unternahmen,  brachte 
das  römische  Heer  zwar  in  gi'osse  Gefahr,  wurde  aber  schliesslich 
abgewiesen '  3).  Cestius  rückte  näher  an  die  Stadt  heran  und  lagerte 
auf  dem  sog.  Skopos,  sieben  Stadien  von  Jerusalem.  Vier  Tage 
später  am  30.  Hyperberetaios  (Tischri,  etwa  October)  besetzte  er, 
ohne  auf  Widerstand  zu  stossen,  die  nördliche  Vorstadt  Bezetha 
und  steckte  sie  in  Brand  *•*).  |  Als  aber  ein  hierauf  unternommener 


10)  B.  J.  II,  17,  10.  Vgl.  Mcgillath  Taanith  §  14:  „Am  17.  Ehil  zogen 
sich  die  Römer  jiuh  Judn  und  Jerusalem  zurück"  {Derenbourg  p.  443.  445. 
Hitzig  II,  600.  Schwof),  Ades  du  onxihme  Conffrls  international  des  Orienfalistes 
IVw  Sectum,  1888,  p.  247  sq.). 

11)  B.  J.  II,  18,  1—8.     Vita  6. 

12)  B.  J.  II,  18,  9—10.  10,  1.  —  raßttiü  ist  das  im  Alten  Testamente 
häufig  orwtthntc  Giboon,  noch  heute  ol-Dschib  nordwestlich  von  Jerusalem. 
8.  Winer,  Realwörterh.  Art.  „Qibeon".  Robinson,  Palästina  IT,  353  ff. 
Ottfrin,  JtuKe  I,  385—301. 

1.3)  B.  J.  II,  10,  2. 

14)  B.  J.  II,  10,  4.  —  Der  rp^onro«  wird  nocii  erwähnt  B.  J.  II,  19,  7.  V, 
2,  8.    3,  2.    ArUt,  XI,  8,  5:   ttq  xonov  xiva  l^tt<plv  [so  die  besten  Handschr.] 


[507]  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  605 

Angriff  auf  den  Tenipelberg  nicht  zum  Ziel  führte,  gab  er  weitere 
Versuche  auf  und  trat  uuverrichteter  Dinge  wieder  den  Rück- 
marsch an*  ^).  Josephus  weiss  sich  die  Ursachen  dieses  Rückzuges 
nicht  zu  erklären.  Wahrscheinlich  sah  Cestius  ein,  dass  seine 
Kräfte  zu  schwach  waren,  um  von  einem  Angriff  auf  die  wohl- 
befestigte und  kühn  vertheidigte  Stadt  wirklichen  Erfolg  hoffen  zu 
kimnen.  Mit  welcher  Entschlossenheit  und  welchem  Nachdruck 
der  Kampf  von  Seite  der  Juden  geführt  wurde,  musste  er  jetzt 
beim  Rückzuge  eifahreu.  In  einer  Schlucht  bei  Beth-horon,  durch 
welche  sein  Weg  ihn  führte,  sah  er  sich  plötzlich  auf  allen  Seiten 
von  den  Juden  umringt  und  mit  solcher  Macht  angegriffen,  dass 
sein  Rückmarsch  sich  in  eine  Flucht  verwandelte.  Nur  unter 
Zurücklassung  eines  grossen  Theiles  seines  Trosses,  namentlich 
auch  des  werthvollen  Kriegsmaterials,  das  den  Juden  später  treff- 
lich zu  Statten  kam,  gelang  es  ihm,  mit  dem  Kern  des  Heeres 
nach  Antiochia  zu  entkommen.  Unter  grossem  Jubel  zogen  die 
zurückkehrenden  Sieger  am  8.  Dios  (Marcheschwan,  etwa  November) 
in  Jerusalem  ein**'). 


Xeyofifvov  to  de  ovofia  xovxo  fiBTaipegöfiSvov  el<;  t^v  EX).jjvtxr]v  y^iSixav  2^xo- 
nov  [so  die  beste  Handschr.]  arj/xulvei.  ']''£:£  ist  araiuaisireude  Aussprache  für 
ts'^sis,  wie  der  Ort  in  der  'Mischna  Pesachim  111,  8  heisst.  Vgl.  auch  Light- 
foot,  Centnria  Matthaeo  praemissa  e.  42  (Opp.  II,  202).  Man  hatte  von  hier 
einen  schönen  Blick  auf  die  Stadt  {Äiitt.  XI,  8,  6.  B.  J.  V,  2,  3).  —  Die  Vor- 
stadt Bstfed'ä  wird  noch  erwähnt  B.  J.  II,  15,  5.  V,  4,  2.  5,  8  (die  von  Niese 
II,  15,  5  u.  19,  4  aufgenommene  Lesart  BsQ^e^d  ist  nicht  genügend  bezeugt). 
Sie  ist  die  nördlichste,  von  der  sogenannten  Mauer  des  Agrippa  eingeschlossene 
Vorstadt  {B.  J.  V,  4,  2).  Die  von  Josephus  gegebene  Erklärung  „Neustadt" 
{B.  J.  II,  l'J,  4.  V,  4,  2)  ist  sprachlich  nicht  ohne  Schwierigkeit;  man  sollte 
eher  erwarten  „Olivenort"  (Hn*^T  n'^2).  Da  überdies  an  der  ersteren  Stelle  die 
Handschriften  nicht  ri^v  xal  KaivönoXiv  sondern  xal  xijv  Kaiv6no)uv  haben 
(ersteres  ist  Conjectur  Rehind's),  so  hält  Weil  die  betreffende  Bemerkung  an 
der  anderen  Stelle  (V,  4,  2:  o  /xs&SQ/xrjvsvöfisvov  "EkXdöt  yXwaay  xaivrj  Xeyoa 
av  nökiq)  für  eine  spätere  Glosse  [Revue  des  eiudes  grecques  1896,  p.  2^  sq.). 
Mir  scheint  es  doch  fraglicli,  ob  die  Gründe  dazu  ausreichen. 

15)  B.  J.  II,  19,  5—7. 

16)  B.  J.  II,  19,  7—9.  Auffallend  ist,  dass  Josephus  dieses  Ereigniss  noch 
in  das  zwölfte  Jahr  Nero's  setzt  {B.  J.  II,  19,  9).  Da  bis  zum  Ende  des  1.  Jahrh. 
n.  Chr.  die  Regierungsjahre  der  Kaiser  vom  Tage  des  Regierungsantritts  an 
gezählt  wurden  (so  nach  Mommsen  und  Anderen  auch  ünger,  Sitzungsber. 
der  Münchener  Akad.,  philos.-philol.  u.  bist.  Gl.  1896,  S.  387),  Nero  aber  am 
13.  October  54  zur  Regierung  kam,  so  ging  das  zwölfte  Jahr  Nero's  nur  bis 
zum  13.  Oct.  66  n.  Chr.  Der  8.  Marcheschwan  fällt  aber,  mit  seltenen  Aus- 
nahmen, erst  nach  dem  13.  Oct.  Aus  diesem  Grunde  hat  Niese  (Hermes 
XXVIII,  1893,  S.  208  ff.)  jingenommen,  dass  Josephus  die  römischen  Kaiser- 
jahre in  jüdischer  Weise  gerechnet  habe,  das  Jahr  immer  mit  dem  Xanthikos 
(Nisan),  also  im  Frühjahr  beginnend  (dass  Niese  eigentlich  nicht  den  jüdischen, 


606  §  20-   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  [507] 

Vor  dem  Siegestaumel,  der  sich  jetzt  Jerusalem's  bemächtigte, 
mussten  alle  Friedensmahuiingeii  verstummen.  An  eine  Umkehr 
war  nach  solch  entscheidenden  Schlägen  nicht  mehr  zu  denken. 
Auch  die  Widerstrebenden  wurden  von  der  Macht  der  Verhältnisse 
mit  fortgerissen.  Die  unverbesserlichen  Kömerfreunde  verliessen 
die  Stadt.  Alle  übrigen  wurden  von  den  Aufständischen  theils  durch 
Gewalt  theils  durch  üeberredung  {rovg  (isv  ßia  rovg  de  jteid^ol) 
auf  ihre  Seite  gezogen'').  Man  ging  nun  daran,  den  Aufstand 
planmässig  zu  organisiren  und  sich  auf  den  zu  erwartenden  An- 
griff der  Eömer  zu  rüsten.  Charakteristisch  ist,  im  Unterschied 
von  der  späteren  Periode  des  Krieges,  dass  die  Männer,  welche  jetzt 
noch  die  Gewalt  in  Händen  hatten,  durchaus  den  höheren  Ständen 
angehörten.  Die  Hohenpriester,  die  angesehensten  Pharisäer  sind 
es,  welche  die  Organisation  der  Landesvertheidigung  leiteten.    Eine 


sondern  den  tyrischen  Kalender  voraussetzt,  thut  hier  nichts  zur  Sache);  und 
zwar  soll  das  erste  Jahr  Nero's  erst  vom  Frühjahr  55  an  {siel)  gerechnet  sein 
(Niese  a.  a.  O.  S.  212),  in  der  Weise,  wie  wir  das  allerdings  z.  B,  bei  dem 
chronologischen  Schematismus  des  Porphyrius  und  Eusebius  beobachtet  haben 
(s.  oben  S.  167  f.:  das  auf  den  Eegierungsantritt  folgende  volle  Kalenderjahr 
wird  erst  als  erstes  gerechnet).  Diese  Annahmen  sind  aber  im  höchsten  Grade 
unwahrscheinlich,  da  man  dem  Josephus  viel  zu  viel  Ehre  erweist,  wenn  man 
ihm  eine  eigene  äusserst  künstliche  Rechuungsweise  zutraut;  er  wird  sich  ein- 
fach an  das  damals  Uebliche  gehalten  haben.  Da  die  sonstigen  Gründe,  welche 
Niese  für  seine  Hypothese  anführt,  in  keiner  Weise  durchschlagend  sind,  so 
ist  für  unser  Datum  sicher  eine  andere  Erklärung  zu  suchen.  Die  walir- 
Hcheinlichste  scheint  mir  die,  dass  eine  Unachtsamkeit  des  Josephus  vorliegt, 
der  beim  Beginn  des  Aufstandes  B.  J.  II,  14,  4  das  zwölfte  Jahr  Nero's  er- 
wähnt hat  und  meint,  dass  dasselbe  auch  jetzt  noch  laufe.  Das  Datum  liegt 
ja  noch  ganz  nahe  an  der  Grenze  des  zwölften  Jahres.  Auf  eine  andere  Mög- 
lichkeit hat  ünger  in  seiner  Bestreitung  von  Niese's  Aufstellungen  (Sitzungs- 
berichte der  Münchener  Akademie,  philos.-philol.  und  bist.  Gl.  1896,  S.  383  ft".) 
hingewiesen.  Gerade  für  die  letzte  Zeit  Nero's  finden  sich  in  der  offiziellen 
Zählung  der  Regieningsjahre  Abweichungen  von  der  sonst  im  ersten  Jahr- 
hundert herrschenden  Weise,  indem  nicht  vom  Tage  des  Regierungsantritts 
an,  sondern  vom  bürgerlichen  Neujahr  1,  Januar  an  oder,  was  auch  möglich, 
vom  Antrittstag  der  Volkstribunen  10.  Dezember  an,  ein  neues  Regierungs- 
jahr gezählt  wurde;  und  zwar  geschah  auch  dieses  nicht  ohne  Schwanken, 
denn  es  findet  sich  für  Januar  60  sowohl  die  Zählung  als  7.,  wie  die  als  6. 
RegierungBJahr,  tr.  p.  VII  und  tr.  p.  VI  (Ungcr  u.  a.  O.  S.  388  f.).  Unger  hat 
auf  Grund  densen  angenommen,  dass  es  auch  eine  Zählung  gegeben  habe, 
womacli  der  erste  Bmchtheil  und  ein  volles  Kalenderjahr  zusammen  nur  als 
ein  Jahr  gerechnet  wurden.  Nach  dieser  Weise  würde  sich  das  Datum  des 
Jotephtu  erklären.  Aber  schon  dieVorauHsctzungUngers  ist  sehr  unwahrschein- 
lich, das«  lAngere  Zeit  (bis  66  n.  Chr.)  zwei  Zählungen  neben  einander  existirt 
haben,  und  ebenso  unwahrscheinlich,  duHs  Josephus  einer  Zählung,  die  jedcn- 
fklla  ganc  singulär  wftre,  gefolgt  sein  solltd. 
17)  Ä  J.  II,  20,  1.  3. 


[507.  508]       §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  607 

Volksversammlung,  welche  im  Tempel  gehalten  wurde,  erwählte 
die  Befehlshaber  für  die  Provinzen.  Mit  Vertheidigung  der  Haupt- 
stadt wurden  zwei  Männer,  Joseph  Sohn  Gorion's  und  der  Hohe- 
priester An  an  OS,  betraut.  Nach  Idumäa  sandte  man  Jesus  Sohn 
des  Sapphiasund  Eleazar  Sohn  des  Ananias,  beide  aus  hohen- 
priesterlichem Geschlecht.  Fast  jede  der  11  Toparchien,  in  welche! 
Judäa  getheilt  war,  erhielt  ihren  eigenen  Befehlshaber.  Nach  Ga- 
liläa endlich  wurde  Joseph  Sohn  des  Matthias,  der  nachmalige 
Geschichtsschreiber,  geschickt  ^®). 

Es  ist  keine  Frage,  dass  dem  jungen  Josephus  damit  die 
schwierigste  und  verantwortungsreichste  Aufgabe  zugefallen  war. 
Denn  hier  in  Galiläa  war  der  erste  Angi'iff  der  Römer  zu  erwarten. 
Viel  Gutes  in  kriegerischer  Beziehung  konnte  man  freilich  von  dem 
dreissigjährigen  Manne  kaum  erwarten ;  und  er  hat  seine  Ernennung 
gewiss  weniger  militärischen  Fähigkeiten,  als  seiner  Freundschaft 
mit  hochgestellten  Personen  zu  danken.  Eine  seltsame  Forderung 
in  der  That,  dass  ein  junger  Mann,  der  neben  angeborener  Schlau- 
heit höchstens  rabbinische  Bildung  aufzuweisen  hatte,  nun  plötzlich 
aus  der  friedlichen  Bevölkerung  Galiläa's  ein  Heer  bilden  und  da- 
mit dem  Angriff  kilegsgeübter  Legionen  und  in  Schlachten  er- 
grauter Feldherren  Stand  halten  sollte!  Wenn  man  ihn  selbst  hört, 
so  ging  er  wenigstens  mit  Eifer  an  die  Lösung  der  unlösbaren 
Aufgabe.  Für  die  Regierung  von  Galiläa  ernannte  er  nach  dem 
Vorbilde  des  Rathes  von  Jerusalem  ein  Collegium  von  70  Männern, 
welches  die  schwierigeren  Rechtsfälle  zu  entscheiden  hatte,  während 
für  geringere  Streitsachen  in  jeder  Stadt  ein  Rath  von  sieben 
Männern  ernannt  wurde '^).  Seinen  Eifer  für  das  Gesetz  wollte  er 
durch  Zerstörung  des  Palastes  von  Tiberias,  der  mit  gesetzwidrigen 
Thierbildern  ausgeschmückt  war,  beweisen.  Doch  waren  ihm  darin 
die  Revolutionsmänner  schon  zuvorgekommen  20).  Der  militärischen 
Seite  seiner  Aufgabe  suchte  er  vor  allem  durch  Befestigung  der 
Städte  zu  genügen.  Alle  ansehnlicheren  Städte  Galiläa's,  Jota- 
pata,  Tarichea,  Tiberias,  Sepphoris,  Gis-chala,  der  Berg 
Tabor,  auch  Gamala  in  Gaulanitis,  und  viele  kleinere  wurden  in 


18)  B.  J.  II,  20,  3—4.  Vita  7.  An  der  letzteren  Stelle  ist  Josephus  frech 
genug,  als  Zweck  seiner  Sendung  den  anzugeben :  Galiläa  zu  beruliigen !  (vgl. 
auch  Vita  14).  —  Wie  aus  Obigem  schon  erhellt,  hatte  die  Leitung  des  Auf- 
standes die  Gemeinde  von  Jerusalem  (to  xotvbv  t(Sv  %QoaokvfiiT(öv  Vita  12. 
13.  38.  49.  52.  60.  65.  70)  und  als  deren  Vertretung  das  Synedrium  (to  avvi- 
ÖQiov  T(5v  '^leQoaoXvnixüiv  Vitä  12). 

19)  B.  J.  II,  20,  5.     Vita  14. 

20)  Vita  12. 


608  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Eom  (66—73  n.  Chr.).       [508.  509] 

mehr  oder  weniger  vertheidigungsfähigen  Zustand  versetzt"^').  Mit  | 
besonderem  Stolz  aber  rühmt  er  seine  Bemühungen  um  Organisa- 
tion des  Heeres.  Nicht  weniger  als  100,000  Mann  will  er  aufge- 
bracht und  nach  römischem  Vorbilde  eingeübt  haben^-^). 

Während  er  so  zum  Krieg  gegen  die  Römer  rüstete,  erhob 
sich  in  seiner  eigenen  Provinz  gegen  ihn  eine  erbitterte,  ihn  offen 
mit  dem  Schwert  bekämpfende  Opposition.  Die  Seele  derselben 
war  Johannes  von  Gis-chala,  ein  kühner,  rücksichtsloser  Partei- 
gänger, der  von  glühendem  Hass  gegen  die  Römer  erfüllt  und  zum 
Kampf  auf's  Aeusserste  mit  ihnen  entschlossen  war.  Aber  während 
er  den  Tyrannen  Tod  und  Untergang  geschworen  hatte,  war  er 
selbst  in  seinem  Kreise  nicht  minder  ein  Tyrann.  Andere  über 
sich  zu  dulden  war  ihm  unerträglich.  Und  am  wenigstens  mochte 
er  dem  Josephus  Gehorsam  leisten,  dessen  zahme  Art  den  Krieg 
zu  führen  ihm  nicht  besser  als  Römerfreundschaft  deuchte.  So 
setzte  er  alles  daran,  den  ihm  verhassten  Mann  zu  beseitigen  und 
die  Bevölkerung  Galiläa's  ihm  abwendig  zu  machen  ^ 3).  Sein  Miss- 
trauen gegen  Josephus  war  allerdings  nicht  unbegründet.  Josephus 
kannte  die  Römer  zu  gut,  um  an  ein  wirkliches  und  endgültiges 
Gelingen  des  Aufstaudes  zu  glauben.  Er  war  von  vornherein  nur 
mit  halbem  Herzen  bei  der  Sache,  die  er  vertrat,  und  liess  dies 
zuweilen  etwas  unvorsichtig  durchblicken.  Einst  hatten  einige 
Jünglinge  aus  dem  Dorfe  Dabaritta  einem  Beamten  des  Königs 
Agrippa  reiche  Beute  abgenommen.  Josephus  liess  sich  die  Beute 
aushändigen  und  hatte,  wenn  wir  ihm  glauben  dürfen,  die  Absicht, 


21)  B.  J.  II,  20,  6.  Vita  37.  Vgl.  hierzu  Ritter,  Erdkunde  XVI,  757—771. 
Robinson,  Neuere  Forsch.  S.  105  fl".  —  Unter  den  obengenannten  sieben  wich- 
tigeren Plätzen  hat  sich  Sepphoris  niemals  der  Sache  der  Revolution  ange- 
schlossen, sondern,  so  lange  es  ohne  römischen  Schutz  war,  eine  lavirende 
Stellung  eingenommen,  daher  auch  den  Bau  seiner  Mauern  selbst  besorgt;  und 
sodann,  als  römische  Truppen  verfügbar  waren,  diese  bei  sich  aufgenommen. 
Nühercs  s.  Bd.  II,  S.  165  f.  —  Von  den  übrigen  sechs  Städten  oder  Festungen 
gehörten  drei,  Tarichea,  Tiberias  und  Gamala,  zum  Gebiete  des  Königs 
Agripi)a,  und  sind  zum  Theil  auch  erst  nach  inneren  Kämpfen  auf  die  Seite 
der  Revolution  getreten.  S.  bes.  über  Tiberias  Bd.  II,  S.  173,  über  Gamala 
oben  8.  6Ü3.  —  Eine  Sonderstellung  nahm  Gis-chala  ein,  wo  der  nachmals 
berühmt  gewordene  Revolutionsheld  Johannes  Sohn  Lcvi's  die  Herrschaft 
an  sich  riss.  Er  war  mit  der  lauen  Haltung  des  Josephus  unzufrieden  und 
überlicH»  daher  nicht  diesem  die  Befestigung  der  Stadt,  sondern  leitete  sie 
»elbst  (licll.  Jud.  II,  20,  0.  Vita  10.  38).  S.  überhaupt  über  die  Haltung  von 
GlB-chala  li.  J.  II,  21,  7.  10.  Vüa  10.  13.  16-18.  20.  25.  38.  —  Alle  hier  ge- 
nanoteD  «icbcn  Orte  werden  unten,  in  der  Geschichte  der  Wiederbesötzung 
Uiililäa'H  durch  die  Römer,  wituler  erwähnt  werden.  S.  daselbst  auch  die  geo- 
graphiHchcn  Notizen. 

22)  B.  J.  II,  20,  Ü-ö. 

23)  B.  J.  II,  21,  1—2.     Vüa  13. 


[509.  510]       §  20.    Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  6o9 

sie  dem  König  bei  günstiger  Gelegenheit  wieder  zurückzuerstatten. 
Als  das  Volk  diese  Absicht  merkte,  steigerte  sich  das  Misstrauen, 
das  ohnehin  durch  Johannes  von  Gis-chala  eiTegt  war,  zu  offener 
Empörung.  In  Tarichea,  wo  Josephus  sich  aufhielt,  entstand  ein 
grosser  Tunnilt.  Man  bedrohte  den  Verräther  mit  dem  Leben.  Nur 
durch  kläglichste  Selbstdemüthigung  und  niedrige  List  wusste 
Jo|sephus  die  drohende  Gefahr  zu  beschwörend^).  Einige  Zeit 
später  entging  er  in  Tiberias  nur  durch  feige  Flucht  den  von 
Johannes  von  Gis-chala  gegen  ihn  ausgesandten  Mördern  ^5).  Schliess- 
lich brachte  es  der  letztere  dahin,  dass  man  in  Jerusalem  be- 
schloss,  den  Josephus  abzusetzen.  Vier  der  angesehensten  Männer 
wurden  zu  diesem  Zwecke  nach  Galiläa  gesandt  und  ihnen  eine 
Abtheilung  Soldaten  von  2500  Mann  mitgegeben,  um  nöthigenfalls 
den  Beschluss  mit  Gewalt  durchzusetzen.  Aber  Josephus  wusste 
es  dahin  zu  bringen,  dass  der  Beschluss  rückgängig  gemacht  und 
die  vier  Gesandten  wieder  abberufen  wurden.  Als  sie  nicht  Folge 
leisten  wollten,  bemächtigte  er  sich  ihrer  Person  und  schickte  sie 
heim  nach  Jerusalem.  Die  Tiberienser,  welche  im  Aufruhr  be- 
harrten, unterwarf  er  mit  Gewalt,  womit  vorläufig  die  Ruhe  wieder- 
hergestellt war^*^).  Als  wenige  Tage  später  Tiberias  auf's  Neue 
abgefallen  war  —  und  zwar  jetzt  zu  Agrippa  und  den  Römern  — 
wurde  es  abermals  durch  List  unterworfen-'). 

In  Jerusalem  war  man  während  dieser  Zeit  nicht  unthätig  ge- 
blieben. Auch  dort  rüstete  sich  alles  zum  Empfang  der  Römer. 
Die  Mauer  wurde  ausgebessert,  Kriegsgeräth  aller  Art  angefertigt; 
die  Jugend  übte  sich  in  den  Waffen ^S). 

Unter  solchen  Vorbereitungen  war  das  Frühjahr  67  herange- 
kommen und  damit  die  Zeit,  in  welcher  der  Angriff  der  Römer 
zu  erwarten  war,  und  die  junge  Republik  ihre  Feuerprobe  zu  be- 
stehen hatte. 


24)  B.  J.  II,  21,  3—5.     Vita  26—30. 

25)  B.  J.  II,  21,  6.     Vita  16—18. 

26)  B.  J.  II,  21,  7.     Vita  38—64,  bes.  38—40,  60-64. 

27)  B.  J.  II,  21,  8—10.  Vita  32—34.  —  Die  Vita  (c.  68-69)  erzäiilt,  dass 
die  nQiöxoi  zfjg  ßovX^q  von  Tiberias  später  noch  einmal  an  Agrippa  schickten 
mit  der  Bitte  um  eine  Besatzung.  —  Tiberias  war,  wie  bei  der  gemischten 
Bevölkerung  vorauszusetzen  ist  und  Vita  9  ausdrücklich  bemerkt  wird,  theils 
römisch,  theils  antirömisch  gesinnt,  weshalb  es  bald  im  Bunde  mit  König 
Agrippa,  bald  im  Bunde  mit  Johannes  von  Gis-chala  erscheint.  Ueber  seine 
Haltung  im  Einzelnen  ist  aber  schwer  etwas  Sicheres  zu  sagen,  da  die  Dar- 
stellung in  der  Selbstbiographie  des  Josephus  eine  absichtlich  entstellte  ist. 
Im  Allgemeinen  vgl.  Bd.  II,  S.  173  und  über  Justus  von  Tiberias  oben 
S.  58  f. 

28)  B.  J.  II,  22,  1. 

Schür  er,  Geschichte  I.  3.  n.  4.  Aufl.  39 


610  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Korn  (66—73  n.  Chr.).       [510.  511] 

2.  Der  Krieg  in  Galiläa  (67  n.  Chr.). 

Der  Kaiser  Nero  hatte  die  Nachricht  von  der  Niederlage  des 
Cestius  in  Achaia  erhalten^^).  Da  dem  besiegten  Feldherrn  die 
Fortsetzung  des  Krieges  nicht  überlassen  werden  konnte  —  er| 
scheint  ohnehin  bald  darauf  gestorben  zu  sein 3^')  — ,  so  ward  der 
bewährten  Kraft  Vespasian's  die  schwierige  Aufgabe  der  Bändi- 
gung des  jüdischen  Aufstandes  übertragen.  Vespasian  traf  noch 
im  Winter  die  Vorbereitungen  für  den  Feldzng.  Während  er  selbst 
nach  Antiochia  reiste  und  hier  das  Heer  zusammenzog,  sandte  er 
seinen  Sohn  Titus  nach  Alexandria,  damit  er  ihm  von  dort  aus 
die  15.  Legion  entgegenführe ^i).  Sobald  es  die  Jahreszeit  erlaubte, 
brach  er  von  Antiochia  auf  und  rückte  nach  Ptoleraais,  wo  er 
die  Ankunft  des  Titus  erwarten  wollte.  Noch  ehe  dieser  eintraf, 
erschienen  bei  Vespasian  Abgesandte  der  galiläischen  Stadt  Sep- 
phoris  und  baten  um  eine  römische  Besatzung^^).    Vespasian  eilte, 


29)  B.  J.  II,  20,  1.    m,  1,  1. 

30)  Fato  aut  taedio  occidit,  sagt  Tacit.  Eist.  V,  10.  —  Im  Winter  66/67 
war  Cestius  Gallus  noch  in  der  Provinz.    S.  Vita  8.  43.  65.  67.  71. 

31)  Ä  J.  III,  1,  2-3.  —  Nach  dem  überlieferten  Texte  B.  J.  IIT,  1,  3 
hätte  Titus  aus  Alexandria  zwei  Legionen  herbeizuführen  gehabt,  xb  nefinxov 
xal  To  Öixaxov.  Allein  bei  der  Rückkehr  des  Titus  zu  Vespasian  heisst  es 
B.  J.  III,  4,  2:  x&xeT  (seil,  zu  Ptolemais)  xaxaXaßoov  xöv  naxigct  oval  xolq 
ttfia  avT(j)  xdyfiaaiv,  j]v  öh  tä  iTtiatjfioxaxa  xd  nsfinxov  xal  xb  öexaxov,  i^evy- 
wat  xb  ux^iv  im*  avxov  nevxexaiöixaxov.  Dies  kann  nur  heissen,  dass  er 
mit  den  zwei  bei  Vespasian  befindlichen  Legionen,  der  5.  und  10.,  die  von  ihm 
herbeigeführte  15.  vereinigte.  Hierzu  stimmt  auch,  dass  Titus  nach  Sueton. 
Tit.  4  während  des  Krieges  Befehlshaber  einer  Legion  war  [legicmi  praeposittis), 
also  der  fünfzehnten.  Demnach  ist  B.  J.  III,  1,  3  zu  verbessern  xb  nsvzexai- 
öixttTOV  (so  R«nier,  Memoires  de  VAcademie  des  inscr.  et  belles-lettres  t.  XXVI, 
1  p.  298  not.  8).  —  Unter  dem  hier  erwähnten  Alexandria  will  Mommsen 
(Böm.  Gesch.  V,  533)  nicht  das  bekannte  ägv-ptische,  sondern  Alexandria  am 
iHsischen  Meerbusen  verstehen.  Ebenso  Pick  in  Sallet's  Zeitschr.  für  Numis- 
matik XIII,  1885,  8.  200.  Mommsen's  Hauptgrund  ist,  „weil  der  Landmarsch 
von  Alexandria  am  Nil  nach  Ptolemais  mitten  durch  das  insurgirto  Gebiet  am 
Anfang  des  jüdischen  Krieges  so  von  Josephus  nicht  hätte  erzählt  werden 
können".  Aber  von  den  Küetenstädten  war  nur  Jope  „insnrgirt",  und  allen- 
falls AzotUH  und  Jamnia  unsicher  (s.  Bd.  II,  8.  97—102).  Daran  vorbcizu- 
marm-hiren,  war  für  ein  römisches  Heer  keineswegs  so  gefährlich,  dass  Jo- 
sephns  dies  hntU'.  erwähnen  müssen.  Andererseits  ist  „Alexandria"  schlecht- 
hin (so  ß.  J,  11 1,  1,  3.  4,  2)  sicher  das  ägyptische.  Ein  anderes  hätte  näher 
bezeichnet  werden  müssen. 

32)  //.  J.  HI,  2,  4.  —  Scpphoris  hatte  bereits  vor  der  Ankunft  Vespa- 
«ian's  «'Ine  römiHche  Besatzung  erhalten  {Vita  71.  B.  J.  III,  2,  4).  Ob  dioso 
inzwischen  zurückgezogen  worden  war,  oder  jetzt  nur  abgelöst  oder  verstärkt 
wurde,  ist  nicht  ganc  klar.    Vgl.  Bd.  II,  8.  166. 


[511.  512]       §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  QU 

ihrer  Bitte  zu  willfahren.  Eine  Abtheiiung  von  6000  Mann  unter 
Anführung  des  Placidus  wurde  als  Besatzung  in  die  Stadt  gelegt. 
So  waren  die  Römer  ohne  Schwertstreich  im  Besitz  eines  der  wich- 
tigsten und  festesten  Punkte  mitten  in  Galiläa 3^).  Bald  darauf, 
traf  auch  Titus  mit  seiner  Legion  ein.  Das  Heer,  welches  jetzt 
dem  Vespasian  zur  Verfügung  stand,  bestand  aus  drei  vollständigen 
Legionen  (der  5,,  10.  und  15.),  23  Auxiliar-Cohorten,  G  Alen  Reiterei, 
endlich  aus  den  Hülfstruppen  des  Königs  Agrippa,  der  Könige 
Antiochus  von  Kommagene,  Soemus  von  Emesa  und  Malchus  von 
Arabien,  im  Ganzen  etwa  60,000  Mann 3*). 

Als  alles  geordnet  war,  brach  Vespasian  von  Ptolemais  auf 
und  schlug  an  der  Grenze  von  Galiläa  ein  Lager.  Josephus  hatte 
schon  zuvor  bei  dem  Dorfe  Garis,  20  Stadien  von  Sepphoris  {Vita 
71),  ein  Lager  bezogen,  um  hier  den  Angriff  der  Römer  zu  er- 
warten. Die  Kriegstüchtigkeit  seines  Heeres  zeigte  sich  alsbald 
in  sehr  zweifelhaftem  Lichte.  Als  nämlich  das  Herannahen  Vespa- 
sian's  bekannt  wurde,  entschwand  der  Mehrzahl  der  jüdischen 
Truppen,  noch  ehe  sie  der  Römer  auch  nur  ansichtig  geworden 
waren,  der  Muth;  sie  flohen  auseinander;  und  Josephus  sah  sich 
genöthigt,  mit  dem  Rest  nach  Tiberias  zu  eilen ^^).  Ohne  Schwert- 
streich hatte  man  dem  Vespasian  das  flache  Land  von  Galiläa  ge- 
räumt.   Nur  die  Festungen  blieben  ihm  noch  zu  bezwingen. 

Josephus  berichtete  alsbald  nach  Jerusalem  und  verlangte,  falls 
man  überhaupt  den  Krieg  fortsetzen  wolle,  ein  Heer,  das  ,,den 
Römern  ebenbürtig"  sei  —  eine  Bitte,  die  nun  freilich  zu  spät 
kam^ß).  Die  Meisten  von  Josephus'  Heer  hatten  sich  nach  der 
starken  Festung  Jotapata  geflüchtet'^).    Auch  er  selbst  traf  am 


33)  B.  J.  III,  4,  1.  Vita  74.  —  Ueber  Placidus,  welcher  schon  vor  Ve- 
spasian's  Ankunft  in  Galiläa  gestanden  hatte,  s.  auch  Vita  43. 

34)  B.  J.  III,  4,  2. 

35)  B.  J.  III,  6,  2—3, 

36)  B.  J.  III,  7,  2. 

37)  Jotapata  kommt  in  der  Mischna  in  der  Form  nSTi*'  vor  (Ärachin 
IX,  6;  die  Cambridger  Handschrift  liat  riBn*^  mit  Resch,  aber  editio  prineeps 
und  cod.  de  Eossi  138:  rBm"^  Jodaphath,  auch  Aruch  nsT'  mit  Daleth).  Es  wird 
dort  als  eine  alte  Stadt  bezeichnet,  die  schon  seit  Josua's  Zeit  mit  Mauern 
umgeben  war  (vgl.  auch  Neubauer,  Geographie  du  Talmud  p.  203  sq.).  —  Die 
griech.  Aussprache  ^lazanaxa  (oder  ^(oxanäxri)  mit  x  statt  ^  ist  wohl  entstan- 
den durch  Analogie-Bildung  nach  ^Icoxcinrj,  einem  nicht  seltenen  griech.  Frauen- 
Namen.  —  Seine  Lage  ist  durch  E.  G.  Schultz  im  J.  1847  in  dem  heutigen 
Jefat,  direct  nördlich  von  Sepphoris,  wieder  entdeckt  worden.  S.  E.  G. 
Schultz,  Zeitschr.  der  deutschen  morgenländ.  Gesellsch.  Bd.  III,  1849,  S.49flf. 
59  ff.  Kitter,  Erdkunde  XVI,  764—768.  Eobinson,  Neuere  bibUsche  For- 
schungen S.  137  ff.  Guerin,  Galilee  I,  476—487.  The  Survey  of  Western 
Palestine,  Memoirs  by  Conder  and  Kitehenerl,  289;  311 — 313;   dazu  Blatt  V 

39* 


612  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).       [512.  513] 

(21.(?)  Arteinisios  (Ijjar,  etwa  Mai)  dort  ein,  um  in  eigener  Person 
die  Yertlieidigung  zu  leiten ^s).  Sclion  am  Abend  des  andern  Tages 
langt«  I  Vespasian  mit  seinem  Heere  vor  der  Stadt  an  und  es 
begann  nun  die  berühmte,  von  Josephus  mit  selbstgefälliger  Breite 
beschriebene  Belagerung  der  immerhin  nicht  unwichtigen  Bergfeste. 
Die  ersten  Angriffe  führten  zu  keinem  Resultat.  Es  musste  zu 
einer  regelrechten  Belagerung  geschritten  werden.  Ein  hartnäckiges 
Ringen  machte  die  Entscheidung  geraume  Zeit  zweifelhaft.  Was 
auf  der  einen  Seite  Kunst  und  Kriegserfahrung  that,  das  that  auf 
der  andern  der  Muth  der  Verzweiflung  und  die  Schlauheit  des  Ober- 
befehlshabers. Denn  so  wenig  Josephus  ein  Feldherr  im  eigent- 
lichen Sinn  des  Wortes  war,  so  sehr  war  er  ein  Meister  in  den 
kleinen  Listen  und  Kniffen.  Mit  grosser  Befriedigung  erzählt  der 
eitle  Mann,  wie  er  den  römischen  Feldherrn  über  den  Wassermangel 
in  der  Stadt  täuscht,  indem  er  von  Wasser  triefende  Kleider  an 
den  Brustwehren  aufhängen  lässt;  wie  er  für  Lebensmittel  sorgt, 
indem  er  seine  Leute  des  Nachts  in  Thierfelle  gekleidet  an  den 
römischen  Wachen  vorbeikriechen  lässt;  wie  er  die  Gewalt  des 
Widders  durch  herabgelassene  Spreusäcke  bricht;  wie  er  siedendes 
Oel  auf  die  Soldaten  herabgiessen  lässt  oder  gekochtes  griechisches 
Heu  auf  die  Sturmbrücken  schüttet,  infolge  dessen  die  Anstürmen- 
den ausgleiten  und  zurückweichen  müssen.  Aber  weder  durch  solche 
Künste  noch  durch  die  Kühnheit  der  Ausfälle,  wobei  einmal  sogar 
A'espasian  verwundet  wurde,  konnte  das  Schicksal  der  Stadt  ab- 
gewendet werden.  Nachdem  die  Belagerten  das  Aeusserste  geleistet 
hatten,  verrieth  ein  Ueberläufer,  dass  infolge  der  Ermüdung  selbst 
die  Wachen  am  Morgen  sich  des  Schlafes  nicht  mehr  erwehren 
konnten.  Das  machten  die  Römer  sich  zu  Nutze.  In  aller  Stille 
erklomm  Titus  eines  Morgens  mit  einer  kleinen  Abtheilung  die 


der  grosHen  englischen  Karte,    lieber  die  Belagerung  auch:   Aug.  Parcnt, 
Süge  de  Jotapata,  1866  (citirt  von  Renan,  Der  Antichriat  8.  220). 

38)  B.  J.  III,  7,  3.  —  Da  nach  B.  J.  IIT,  7,  38  und  8,  9  die  Belagerung 
47  Tage  dauerte  und  nach  B.  J.  111,  7,  30  am  ersten  Panemos  endigte,  so  kann 
die  Angabe  deH  21.  ArtemisioH  nicht  richtig  sein.  Niese  (Hermes  XXVIII, 
1803,  8.  202  f.)  bringt  die  47  Tage  heraus,  indem  er  vom  17.  Arteniisios  an 
rechnet,  da  die  Belagerungs-Arboiten  Vespasian 's  schon  vier  Tage  vor  der 
Ankunft  de»  JosephuH  begonnen  hätten  (B.  J.  III,  7,  8),  und  indem  er  dem 
ArtcmiHiofl  und  Daisios  je  31  Tage  giebt  (so,  wie  es  scheint,  schon  Gut- 
«chmid,  Kleine  Hchrifton  IV,  340,  während  Schlatter,  Zur  Topographie 
und  GcBchichtc  PalÜHtinas  8.  301,  ausserdem  noch  seine  QuellcnHcIioidung  zu 
Hfllfe  nimmt).  Aber  Ji.  J.  III,  7,  3  ist  gar  nicht  von  BclagertingHarbcilen, 
HOodcrn  von  Iier»tolhing  einer  LandstrasHC  vor  Mcginn  der  llclagcrung  die 
Rede.  Vgl.  gegen  Kiese  auch  Unger,  8itzungHbcric.litc  der  Münchener  Aka- 
demie, pliiloM..philoI.  und  bist.  Ülasse  1893,  Bd.  II,  8.  487—491. 


[513.  514]       §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  6I3 

Mauer,  stiess  die  schlafenden  Wachen  nieder  und  drang  in  die 
Stadt  ein.  Die  Legionen  folgten  nach;  und  die  überraschte  Be- 
satzung merkte  das  Eindringen  der  Römer  erst,  als  sie  schon  nicht 
mehr  zurückzudrängen  waren.  Was  den  Römern  in  die  Hände  fiel, 
Bewafi'nete  und  Uubewafl'nete,  Männer  und  Weiber  wurden  nieder- 
gestossen  oder  zu  Sklaven  gemacht;  die  Stadt  und  die  Festungs- 
werke wurden  dem  Erdboden  gleich  gemacht.  Es  war  am  1.  des 
Monats  Panemos  (Tammus,  etwa  Juli)  im  J.  67,  als  diese  wichtigste 
Festung  Galiläa's  den  Römern  in  die  Hände  fieP^). 

Joseph  US  hatte  sich  mit  40  Gefährten  in  eine  Cisterne  ge- 
flüchtet, welche  in  eine  Höhle  mündete.  Als  er  hier  entdeckt  wurde, 
wollte  er  sich  den  Römern  ergeben,  wurde  aber  von  seinen  Ge- 
fährten daran  gehindert.  Diese  Hessen  ihm  nur  die  Wahl,  entweder 
durch  ihre  oder  durch  eigene  Hand  mit  ihnen  zu  sterben.  Durch  | 
irgend  welchen  Betrug  —  er  will  vorgeschlagen  haben,  dass  mau 
nach  der  Reihe  des  Looses  sich  gegenseitig  niederstosse,  und  will 
durch  Zufall  des  Looses  als  der  Letzte  übrig  geblieben  sein  — 
wusste  Josephus  sich  ihren  Händen  zu  entziehen  und  führte  seinen 
Entschluss,  sich  den  Römern  zu  ergeben,  aus^^).  Als  er  vor  Vespa- 
sian  geführt  wurde,  nahm  er  Prophetenmiene  an  und  weissagte  dem 
Feldherrn  seine  künftige  Erhebung  zum  Kaiser.  Das  hatte  für 
ihn  wenigstens  den  Erfolg,  dass  er,  obwohl  gefesselt,  doch  schonen- 
der behandelt  wurde'"). 


39)  B.  J.  III,  7,  4-36. 

40)  B.  J.  III,  8,  1—8. 

41)  B.  J.  III,  8,  9.  Dio  Cass.  LXVI,  1.  Sueton.  Vesp.  e.  5.  Nach  Zonaras 
Annal.  XI,  16  hat  auch  Äppiamis  im  22.  Buche  seiner  römischen  Geschichte 
den  auf  Vespasian  bezüglichen  jüdischen  Orakelsprucli  erwähnt.  —  Unsere 
Alten  haben  die  Prophetengabe  des  Josephus  ernsthaft  untersucht.  Vgl. 
Olearius,  Fl.  Josephi  de  Vespasianis  ad  summum  imperii  fastigium  advehen- 
dis  vatieinium.  1699.  Strohbach,  De  Josepho  Ve»pasiano  imperium  praedicetite. 
Lips.  1748.  Irgend  etwas  Wahres  wird  an  der  Sache  wohl  sein.  Wahrschein- 
lich hat  Josephus  ein  paar  allgemeine  Phrasen  nachträglich  zu  einer  form- 
lichen Weissagung  umgestaltet.  Merkwürdig  ist,  dass  die  rabbinische  Tradition 
dieselbe  Weissagung  dem  R.  JochananbenSakkai  zuschreibt.  S.  Derenbourg 
p.  282.    —  Holwerda  {Verslagen  en  Medededingeti  der  koninkl.  Akademie  van 

Wetenschappen,  Afdeeling  Letterkunde,  Tueede  Beeks  deel  II,  1872,  p.  137  sq.)  hat 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  ähnliche  Orakel  dem  Titus  und  Vespasian 
auch  durch  heidnische  Priester  zu  Theil  wurden.  So  hat  Sostratus,  der 
Priester  der  Aphrodite  zu  Paphos  auf  Cypern,  dem  Titus,  als  er  das  dortige 
Orakel  befragte  und  günstige  Zeichen  erlangte,  in  geheimer  Unterredung  die 
Zukunft  geoöenbart  [Tacit.  Hist.  11,  4:  petito  secreto  futura  aperit.  Noch  deut- 
licher Sueton.  Tit.  c.  5:  aditoque  Paphiae  Vener^is  oraeido,  dum  de  navigatione 
consultt,  etiani  de  imperii  spe  conßrmaites  est).  Der  Priester  Basilides  auf  dem 
Karmel  verkündigte  dem  Vespasianus  auf  Grund  der  Opferzeichen:  quidquid 
est,  Vespasiane,   quod  paras,   seu  domum  extruere  sen  prolatare  agros  sive  am- 


614  §  '^0.   Der  grosse  Krieg  gegen  Eom  (66—73  n.  Chr.).       [514.  515] 

Am  4.  Panemos  brach  Yespasian  von  Jotapata  auf  und  mar- 
scliirte  zunächst  über  Ptolemais  nach  Cäsarea,  wo  er  den  Truppen 
einige  Rast  gönnte*^).  Während  die  Soldaten  von  den  Anstren- 
gungen der  Belagerung  sich  erholten,  reiste  der  Feldherr  nach 
Cäsarea  Philippi  zu  dem  befreundeten  König  Agrippa  und  feierte 
dort  20  Tage  lang  glänzende  Feste.  Hierauf  liess  er  durch  Titus 
die  Legionen  von  Cäsarea  (am  Meere)  holen  und  rückte  vor  Ti- 
berias,  das  angesichts  des  römischen  Heeres  freiwillig  die  Thorej 
öffnete  und  um  Agrippa's  willen  glimpfliche  Behandlung  erfuhr'*^). 
Von  da  ging's  weiter  nach  Tarichea^^).    Durch   einen  kühnen 


pliare  servitia,  datur  tibi  magna  sedes,  ingentes  f ermini,  miiltum  hominum  {Tacit. 
Eist.  II,  78.  Vgl.  Sueton.  Vespas.  c.  5:  Apnd  Judaeam  Carmeli  dei  oraculum 
consulenfem  ita  confirmavere  sortes,  ut  quidquid  cogitaret  voheretque  animo 
qttamlibet  magnum,  id  esse  proventurum  pollicerentur).  Freilich  fallen  diese 
heidnischen  Orakel  in  eine  spätere  Zeit  als  das  angebliche  des  Josephus. 

42)  B.  J.  III,  9,  1. 

43)  B.  J.  III,  9,  7-8. 

44)  TaQixtai  oder  TaQtxea  (beide  Schreibungen  kommen  vor)  hat  seinen 
Namen  von  dem  Einsalzen  der  Fische,  das  dort  betrieben  wurde  {Straho  XVI, 
2,  45  p.  764).  Es  wird  zuerst  erwähnt  zur  Zeit  des  Cassius,  der  bei  seiner 
ersten  Verwaltung  von  Syrien  im  J.  52  51  vor  Chr.  die  Stadt  mit  Gewalt  ein- 
nahm {Joseph.  Antt.  XIV,  7,  3.  Bell.  Jud.  I,  8,  9)  und  bei  seiner  zweiten  Ver- 
waltung wieder  dorthin  kam  (er  schrieb  im  J.  43  an  Cicero  „ex  castris  Tari- 
cheis", Cicero  ad  Famil.  XII,  11).  —  Nach  Joseph.  Vita  32  lag  es  dreissig 
Stadien  von  Tiberias,  nach  Bell.  Jud.  III,  10,  1  unmittelbar  am  See  Gene- 
zareth  am  Fuss  eines  Hügels  [vnciQSiog),  nach  Plin.  Bist.  Nat.  V,  15,  71  am 
südlichen  Ende  des  See 's  (a  meridie  Tarichea).  Hiernach  ist  es  wohl  in 
der  Nähe  des  heutigen  Kerak  beim  Ausfluss  des  Jordan  aus  dem  See  zu 
Buchen.  So  Robinson,  Palästina  III,  513.  Ritter,  Erdkunde  XV,  1,  344fr. 
Clesß  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2,  1602  f.  Caspari,  Chronol.-geogr.  Einlei- 
tung, 1869,  8.  68.  Co n der,  Palestine  Exploration  Fund,  Quarterly  Staienicnts 
1878,  p.  190—192.  Guerin,  Galilce  I,  275—280.  Kasteren,  Zeitschr.  des 
DPV.  XI,  1888,  S.  215  fl;  241  IK  Buhl,  Zeitschr.  des  DPV.  XIII,  1S90,  S.  38  tY. 
Ders.,  üeogr.  de»  alten  Palästina  S.  227  f.  Guthe,  Zeitschr.  des  DPV.  XIII, 
8.  281—285.  0.  A.  Smith,  Historical  Oeography  of  the  Holy  Land p.  Ab2his. 
454  (schwankend).  —  Manche  Neuere  meinen,  dass  die  Angaben  des  Josephus 
nöthjgen,  Tarichea  nördlich  von  Tiberias  zu  suchen,  etwa  an  der  Stelle  des 
heutigen  Medschdel.  So  Quandt,  Jiidüu  und  die  Nachbarschaft,  1873,  S.  107 f. 
Wilson,  Quarlerhj  Statements  1877,  10-13.  Kitchcner  cbendas.  1878,  S.  79. 
Furrer,  ZeitHchr.  des  DPV.  II,  1879,  S.  55-57.  XII,  1889,  S.  145-148.  Grätz, 
MonatHHchr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judcuth.  1880,  S.  48-1— 487. 
Spien»,  ZeitHchr.  do»  DPV.  VIII,  1885,  8.  95-99.  Frei,  cbendas.  IX,  1886, 
H.  103-108.  Ö  hl  mann,  Die  FortHchritte  der  ürtskunde  von  Palästina,  1.  Thl. 
(Norden  1887,  Progr.)  8.  12—14.  Allein  die  von  Josephus  angegebene  Marsch- 
route Vespwiian'»  beweist  keincHWcgs,  das»  Tarichea  tiördlich  von  Tiberias  ge- 
legen hat.  Vo»pu»iun  kam  allordiug»  von  Skyfhopolis,  also  vom  Süden,  nucii 
Tlberia«   (K  •^-  IH»  ^\  7).     E»   liegt   aber   kein    (irtind    vor,    ihn  von  da  den 


[515.  516]       §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (06—73  u.  Clir.).  615 

Handstreich  des  Titus  fiel  auch  dieses  im  Anfang  des  Monats  Gor- 
piaios  (Elul,  etwa  September)  in  die  Hände  der  Römer  ^^).  | 

In  Galiläa  war  jetzt  nur  noch  Gis-chala  und  der  Berg  Ta- 
bor  (Itabyrionj  in  den  Händen  der  Aufständischen;  ausserdem  in 
Gaulanitis  das  wichtige  und  starkbefestigte  Gamala^^).    Aufletz- 


Marsch  nach  Norden  fortsetzen  zu  lassen.  Vielmehr  bezog  er  nach  der  Ein- 
nahme von  Tiberias  ein  Lager  bei  dem  durch  seine  warmen  Quellen  berühm- 
ten Ammaus  oder  Ammathus  (letzteres  die  bessere  Lesart,  rabbinisch  Cham- 
matha,  s.  Bd.  11,  S.  170)  „zwischen  Tiberias  und  Tarichea"  (wie  aus 
Vergleichung  von  Bell.  Jtid.  IV,  1,  3  mit  III,  10,  1  erhellt).  Da  nun  noch 
heutzutage  die  berühmten  warmen  Quellen  von  Hammam  südlich  von  Tiberias 
liegen,  so  erhellt,  dass  Vespasian  nach  der  Einnahme  von  Tiberias  sich  wieder 
nach  Süden  gewandt  hat.  Es  wird  also  gerade  durch  die  Angaben  des  Jo- 
sephus  bestätigt,  dass  Tarichea  südlich  von  Tiberias  gelegen  hat.  Diejenigen, 
welche  Tarichea  nördlich  von  Tiberias  setzen,  müssen  auch  Ammathus  nörd- 
lich von  Tiberias  setzen,  und  dann  folgerecht  die  Identität  des  von  Josephus 
erwähnten  Ammathus  mit  dem  heutigen  Hammam  leugnen,  die  doch  als  sicher 
betrachtet  werden  darf;  vgl.  Bd.  II,  S.  170. 

45)  B.  J.  III,  10.  —  Sueton.  Tit.  4  schreibt  dem  Titus  die  Eroberung  von 
Tarichea  und  Gamala  zu,  letzteres  mit  Unrecht  —  Nach  der  üeberrumpe- 
lung  Tarichea 's  war  ein  Theil  der  Einwohner  in  Nachen  auf  den  See  ent- 
flohen. Vespasian  liess  sie  auf  Flössen  verfolgen ;  und  die  Flüchtlinge  fanden 
sämmtlich  durch's  Schwert  oder  in  den  Fluthen  ihren  Tod.  Dies  ist  vermuth- 
lich  die  „Vietoria  nacalis",  welche  durch  Münzen  verherrlicht  und  beim 
Triumphzug  durch  Schifte  bemerklich  gemacht  wurde  {B.  J.  VII,  5,  5:  noXXal 
öe  xal  v^ei  htiovzo).  Vgl.  Eckhel,  Doctr.  Num.  VI,  330.  Stange,  De  Tüi 
imperat.  vita  (1870)  p.  22.  Die  Münzen  bei  Cohen,  Medaüles  imperiales  ed. 
2.  t.  I,  1880,  p.  417  sq.  n.  632—639  (Vespasianus),  p.  460  n.  386—390  (Titus), 
p.  522 sg.  n.  636—638  (Domitian).     Madden,  Coins  of  the  Jeus  p.  223. 

46)  B.  J.  IV,  1,  1.  —  Gamala  (K^t:»)  wird  in  der  Mischna  Ärachin  IX, 
6  unter  den  Städten  erwähnt,  welche  angeblich  seit  der  Zeit  Josua's  mit 
Mauern  umgeben  waren.  Geschichtlich  nachweisbar  ist  seine  Existenz  seit 
Alexander  Jannäus  [Joseph.  Antt,  XIII,  15,  3;  B.  J.  1,4,  8).  Ueber  seine  Lage 
6.  verschiedene  Vermuthungen  bei:  Furrer,  Zeitschr.  des  deutschen  Palästina- 
Vereins  II,  1879,  S.  70—72.  XII,  1889,  S.  14S— 151.  Quer  in,  GcUilee  I,  317 
bis  321.  Merrill,  East  of  the  Jordan,  1881,  p.  161,  164,  168.  Gildemeister, 
Zeitschr.  des  DPV.  VIII,  242  f.  (hierzu  IX,  358—360).  Frei,  ebendas.  IX, 
121  rt:  Kasteren,  ebendas.  XI,  220—235.  Kasteren,  ebendas.  XIII,  1890, 
S.  215—218.  Benzinger,  ebendas.  XV,  1892,  S.  175.  Schlatter,  Zur  To. 
pographie  und  Gesch.  Palästinas  1893,  S.  311.  Buhl,  Studien  zur  Topographie 
des  nördl.  Ostjordanlandes  1894,  S.  19.  Ders.,  Geographie  des  alten  Palästina, 
S.  245  f.  —  Josephus  bezeichnet  Gamala  Bell.  Jud.  IV,  1,  1  als  eine  Stadt  im 
imtcren  Gaulanitis,  und  zwar  Tagixtivv  nvrixQvg  vneg  ztjv  XI/xvjjv  xei/jievTj. 
Er  giebt  an,  dass  es  auf  einem  Hügel  liege,  der  nach  beiden  Seiten  und  nach 
vorne  steil  abfalle  und  nur  nach  hinten  ebener  verlaufe;  am  südlichen  Ab- 
hänge seien  die  Häuser  der  Stadt  dicht  übereinander  gebaut.  Wegen  dieser 
Lage  „gegenüber  von  Tarichea  jenseits  des  See's"  haben  Viele  Gamala  mit 
el-Hösn   identificirt.     Da   dieses  aber  fast  sicher  mit  Hippus  identisch  ist 


616  §  20.  Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).      [516.  517J 

teres  richtete  Vespasian  zunächst  seine  Unternehmungen.  Die  Be- 
lagerung schien  bald  Erfolg  zu  haben.  Es  gelang  den  Römern, 
die  Mauern  zu  stürmen  und  in  die  Stadt  einzudringen.  Aber  hier 
stiessen  sie  auf  so  erbitterte  Gegenwehr,  dass  sie  unter  den  schwer- 
sten Verlusten  wieder  zurückweichen  mussten.  Die  Schlappe  war 
so  empfindlich,  dass  es  des  ganzen  Ansehens  Yespasian's  bedurfte, 
um  den  Muth  der  Soldaten  wieder  aufzurichten.  Endlich  am  23. 
Hyperberetaios  (Tischri,  etwa  October)  drangen  die  Römer  aufs 
Neue  in  die  Stadt  ein  und  wussten  sich  diesmal  ihrer  vollständig 
zu  bemächtigen*').  "S^'ährend  der  Belagerung  Gamala's  war  auch 
der  Berg  Tabor  (Itabyrion)  durch  eine  dorthin  entsandte  Abthei- 
lung eingenommen  worden*^).  1 

Die  Einnahme  Gis-chalas  überliess  Vespasian  dem  Titus  mit 
einer  Abtheilung  von  1000  Reitern.  Er  selbst  führte  die  5.  und 
15.  Legion  nach  Cäsarea  in  die  Winterquartiere,  die  10.  legte  er 
nach  Skythopolis *^).  Titus  hatte  mit  Gis-chala  leichtes  Spiel. 
Schon  am  zweiten  Tage  nach  seinem  Erscheinen  vor  den  Mauern 
der  Stadt  öffnete  ihm  die  Bürgerschaft  fi'eiwillig  die  Thore,  nach- 
dem in  der  Nacht  zuvor  Johannes  mit  seiner  Zelotenschaar  heim- 
lich die  Stadt  verlassen  hatte  und  nach  Jerusalem  geflohen  war  ^o). 


(b.  Bd.  II,  S.  121),  so  muss  Gainala  an  anderer  nicht  zu  nahe  liegender  Stelle 
gesucht  werden.  Am  ansprechendsten  ist  die  Vermuthung  von  Furrer, 
welchem  Kasteren  gefolgt  ist,  dass  der  Name  Gamala's  sich  erhalten  habe 
in  dem  heutigen  Dschamle  am  nähr  er-nikkacl  eine  Tagereise  östlich 
vom  See  Genczareth.  In  unmittelbarer  Nähe  liegt  ein  Hügel,  welcher  jetzt 
teil  el-ehdeb  oder  ras  el-hal  heisst.  Auf  diesen  passt  die  Beschreibung  des 
Josephus  genau,  namentlich  auch  darin,  dass  die  Ruinen  am  südlichen  Ab- 
hänge liegen.  Das  Bedenken,  welches  ich  früher  geltend  gemacht  habe,  dass 
man  von  einer  Stadt,  welche  eine  Tagereise  vom  See  entfernt  ist,  nicht  sagen 
könne,  sie  liege  ineg  zfjv  Xlfivrjv,  ist  nicht  entscheidend,  da  eine  solche  Aus- 
drucksweise bei  der  dominirenden  Lage  der  Stadt  wohl  möglich  ist;  der  Boden 
fallt  von  da  nach  dem  See  zu  beständig  ab.  Die  beste  Karte  der  Gegend  ist 
jetzt  Schumacher's  Karte  des  Ostjordanlands,  Blatt  II  (Zeitschr.  des  DPV. 
XX,  1897).  Beschreibungen  der  Lage  von  Dschamle  und  Umgegend  geben: 
Schumacher,  Äcross  thc  Jordan  1886,  p.  ^sq.  l^sq.  ^sq.  Kasteren, 
Zeitschr.  des  DPV.  XI,  2.'i3— 235  (hier  noch  gegen  die  Identität  von  Gninala 
und  Dscliamle);  XIII,  215-218. 

47)  Ä  J.  IV,  1,  2-10. 

48)  B.  J.  IV,  1,  8.  —  Ueber  die  Lage  des  Tabor  und  seine  «Icschichte 
».  KobinBon,  Palüutiiia  III,  451—470.  Ritter,  Erdkunde  X\  .  1,  :ii)l-404. 
Winer,  Rcalwörtcrb.  Art.  „Thabor".  Quirin,  Oalilie  l,  W'  M-:.  Thc  Sur- 
vey  of  Western  Palestine^  Mc^tnoira  l/jf  Conder  and  Kitchenet  1,  iiuSfl.  8H8ff. 
(mit  Plan:  I,  ;}88);  dazu  Blatt  VI  der  groBsen  engl.  Karte. 

49)  n.  J.  IV,  2,  1. 

60)  n.  ./.  IV,  2.  2—5.  —  (4iB-chala  heisHt  hebräiHch  Omch-Chalab,  a^n  u)n:, 
und  wird  In  der  MiBchna  auch  unter  den  Städten  genannt,  die  seit  der  Zeit 


[517.  518]       §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  617 

So  war  gegen  Ende  des  Jahres  67  der  ganze  Norden  Palästina's 
wieder  den  Römern  unterworfen. 

3.  Von  der  Unterwerfung  Galiläa's  bis  zur  Belagerung 
Jerusalem's  (68—69  n.  Chr.). 

Der  Misserfolg  des  ersten  Kriegsjahres  war  verhängnissvoll 
für  die  bisherigen  Leiter  des  Aufstandes.  Von  Seiten  der  fanati- 
schen Volkspartei  schrieb  man  —  und  nicht  mit  Unrecht  —  den 
unglücklichen  Verlauf  der  Dinge  dem  Mangel  an  Energie  in  der 
bisherigen  Leitung  des  Krieges  zu.  Die  Männer  des  Volkes  setzten 
daher  alles  daran,  sich  selbst  der  Lage  zu  bemächtigen  und  die 
bisherigen  Führer  zu  verdrängen.  Da  diese  nicht  freiwillig  ihre 
Stellung  räumten,  so  kam  es  im  Winter  67/68  in  Jerusalem  zu 
einem  furchtbar  blutigen  Bürgerkrieg  und  zu  Greuelscenen,  wie  sie 
ausserdem  nur  die  erste  französische  Revolution  aufzuweisen  hat. 

Das  Haupt  der  fanatischen  Volkspartei  oder,  wie  sie  sich  selbst] 
nannten,  der  Zeloten  war  Johannes  von  Gis-chala.  Er  kam,  nach- 
dem er  den  Händen  des  Titus  durch  die  Flucht  sich  entzogen 
hatte,  (etwa  Anfang  November  67)  mit  seiner  Schaar  nach  Jeru- 
salem und  suchte  das  Volk  für  sich  zu  gewinnen  und  zu  einer  kräf- 
tigeren und  kühneren  Fortsetzung  des  Krieges  anzufeuern.  Leicht 
gelang  es  ihm,  die  Jugend  auf  seine  Seite  zu  bringen.  Und  da 
auch  sonst  noch  allerlei  kriegslustiges  Gesindel  vom  Lande  in  die 
Stadt  zusammenströmte,  so  hatte  die  Partei  der  Zeloten  bald  die 
Oberhand  ^1).    Man  ging  nun  zunächst  daran,  die  der  Römerfreund- 


Josua's  mit  Mauern  umgeben  waren  (Äraehin  IX,  6).  Sein  Name  bedeutet 
„fette  Scholle".  In  der  That  lieferte  es  treffliches  Oel  (Joseph.  Vita  13,  Bell. 
Jiid.  II,  21,  2.  Tosepfäa  Menachoth  IX,  5.  Bab.  Menachoth  So''.  Neubauer, 
Geographie  du  Talmud  p.  230sg.).  Mach  Hierouymus  soll  es  die  Heimath  der 
Eltern  des  Apostels  Paulus  gewesen  sein  [de  viris  illustr.  c.  5;  comment.  in 
epist.  ad  Philemonem  vcrs.  23  =  opp.  ed.  Vallarsi  VII,  1,  762).  In  der  jüdi- 
schen Tradition  des  Mittelalters  war  es  berühmt  durch  seine  Rabbinengräber 
und  seine  alte  Synagoge  [Carmoly,  liineraires  de  la  Terre-Sainte,  1847,  p.  1336-j., 
156,  184,  262,  380,  452  sj.).  —  Es  lag  in  der  Nähe  des  Gebietes  von  Tyrus 
{B.  J.  IV,  2,  3/^«.)  und  ist  ohne  Zweifel  identisch  mit  dem  heutigen  el- 
Dschisch  im  nördlichen  Galiläa,  etwa  in  gleicher  geographischer  Breite  mit 
der  Südspitze  des  Meromsee's.  Von  der  alten  Synagoge  daselbst  sind  noch 
Trümmer  erhalten.  S.  überh.  Reland,  Palaestina  p.  812  sq.  Robinson,  Pa- 
lästina III,  639f.  Ritter,  Erdkunde  XVI,  770 f.  Renan,  Mission  de  Phenicie 
p.  778—780.  Guerin,  Oalilee  II,  94—100.  Tfie  Survey  of  Western  Palestine, 
Memoirs  by  Conder  and  Kitchener  1, 198,  224 — 226;  dazu  Bl.  IV  der  grossen 
engl.  Karte.  Krenkel,  Beiträge  zur  Aufhellung  der  Gesch.  und  der  Briefe 
des  Ap.  Paulus,  1890,  S.  14-16. 
51)  B.  J.  IV,  3,  1—3. 


618  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).       [518.  519J 

Schaft  Verdächtigen  zu  beseitigen.  Mehrere  der  vornehmsten  Männer, 
darunter  Antipas,  ein  Angehöriger  des  herodianischen  Hauses, 
wurden  eingekerkert  und  im  Gefängniss  ermordet  ^^^^  Darauf  wählte 
.man  einen  neuen  Hohenpriester  durch's  Loos;  denn  die  bisherigen 
gehörten  alle  der  aristokratischen  Partei  an.  Der  neugewählte, 
Phannias  (auch  Phanni,  Phanasus  u.  dgl.  geschrieben)  aus  Aph- 
tha,  verstand  zwar  nicht  das  Mindeste  vom  hohenpriesterlichen 
Dienst.  Aber  er  war  ein  Mann  aus  dem  Volk;  und  dies  war  die 
Hauptsache  ^^). 

Die  Männer  der  Ordnung,  Gorion  Sohn  Joseph's^^),  der  be- 
rühmte Pharisäer  Simon  Sohn  Gamaliers ^^),  die  beiden  Hohen- 
priester Ananos  Sohn  des  Ananos  und  Jesus  Sohn  GamalieVs, 
suchten  ihrerseits  sich  der  Zeloten  mit  Gewalt  zu  entledigen.  Sie 
ermahnten  das  Volk,  ihrem  wilden  Treiben  doch  Einhalt  zu  thun  ^•^). 
In  der  That  hatte  eine  Rede,  welche  Ananos  zu  diesem  Zwecke 
hielt  5"),  den  Erfolg,  dass  ein  Theil  der  Bevölkerung  sich  zu  offenem 
Kampf  gegen  die  Zeloten  ermannte.  Die  letzteren  waren  in  der 
Minderzahl  und  mussten  sich  vor  der  üebermacht  der  Gegner  in 
den  inneren  Tempelvorhof  zurückziehen,  wo  sie  vorläufig,  da 
man  die  heiligen  Thore  nicht  stürmen  wollte,  sorgfältig  bewacht 
wurden  ^^). 

Um  Unterstützung  zu  erhalten,  sandten  die  Zeloten  heimlich 
Boten  an  die  kriegslustigen  Idumäer  und  forderten  sie  unter  dem 
Vorwande,  dass  die  herrschende  Partei  in  Jerusalem  es  insgeheim 
mit  den  Römern  halte,  zur  Bundesgenossenschaft  auf.  Die  Idumäerj 
erschienen  vor  den  Mauern  der  Stadt,  wurden  aber,  da  man  von 
ihrer  Verbindung  mit  den  Zeloten  Kunde  erhalten  hatte,  nicht  ein- 
gelassen'^^).  In  der  Nacht  nach  ilirer  Ankunft  erhob  sich  ein 
furclitbares  Unwetter.  Der  Sturm  heulte  und  der  Regen  goss  in 
Strömen.  Unter  dem  Schutze  dieses  Unwetters  gelang  es  den 
Zeloten,  ihren  A'erbündeten  heimlich  die  Tliore  zu  öffnen  und  sie 
unbemerkt  einzulassen  ^^^).    Kaum  hatten  die  Idumäer  in  der  Stadt 


62)  n.  J.  IV,  3,  4-5. 

63)  ß.  J.  IV,  3,  6—8.    Vgl.  Deienbourfj  p.  269.    Ueber  das  Schwanken  der 
Namensform   den  Hoheupriestera   s.  £d.  II,  8.  220;   es  ist  jedenfalls  —  hebr. 

64)  Bo  nennt  ihn  Josephus  hier.    Er  ist  aber  wohl  identisch  mit  dem  oben 
(H.  007)  erwälintt-n  Joseph  Sohn  Gorion's.    So  auch  Derenbottrg  p.  270. 

65)  Vgl.  ober  ihn  auch  Vita'M.  39.  44.  00.   Derenbourg  p.  2:0 -212.  ^14  sq. 
m  R  J.  IV,  3,  9. 

67)  B.  J.  IV,  3,  10. 

68)  It.  J.  IV,  3,  12. 

69)  n.  J.  IV,  4,  1-4. 
ÖO)  B.  J.  IV,  4,  6-7. 


(519.  520J       §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  Ö19 

festen  Fuss  gefasst,  als  sie  auch  die  Arbeit  des  Mordens  und 
Plünderns  begannen,  worin  die  Zeloten  ihnen  getreulich  beistanden. 
Die  Ordnungspartei  war  zum  Widerstände  zu  schwach.  Der  Sieg 
der  Schreckensherrschaft  in  Jerusalem  war  entschieden.  Die  Wuth 
der  Zeloten  und  der  mit  ihnen  verbündeten  Idumäer  richtete  sich 
hauptsächlich  gegen  die  V^ornehmen,  Angesehenen  und  Wohlhaben- 
den. Alle  bisherigen  Führer  des  Aufstandes  wurden  als  angebliche 
Eijmerfreunde  aus  dem  Wege  geschafft.  Vor  allem  fielen  die  Hohen- 
priester Ananos  und  Jesus  ihrer  Mordgier  zum  Opfer''')-  Um 
dem  wilden  Treiben  gesetzlichen  Schein  zu  verleihen,  wurde  ein- 
mal auch  die  Komödie  einer  förmlichen  Gerichtsverhandlung  auf- 
geführt. Als  aber  der  hierzu  berufene  Gerichtshof  den  Angeklagten, 
ZacliariaM  Sohn  ßaruch's,  freisprach,  wurde  derselbe  von  ein 
paar  Zeloten  unter  dem  höhnischen  Zuruf:  „Hier  hast  du  auch 
unsere  Stimme*',  niedergestossen'^-). 

Als  die  Idumäer  des  Mordens  satt  waren  und  überdiess 
merkten,  dass  der  angeblich  drohende  A'errath  nur  verläumderischer- 
weise  den  ordnungsliebenden  Bürgern  Schuld  gegeben  wurde,  wollten 
sie  keine  Gemeinschaft  mehr  mit  den  Zeloten  haben  und  zogen 
wieder  von  dannen^^j^  U„i  g^  ungehinderter  setzten  die  Zeloten 
ihre  Schreckensherrschaft  fort.  Auch  Gorion  fiel  jetzt  unter  ihren 
Streichen.  Die  Partei  der  Wohlhabenden  und  der  Ordnungsfieunde 
war  bereits  so  eingeschüchtert,  dass  an  Widerstand  nicht  mehr  zu 
denken  war.  Johannes  von  Gis-chala  war  allmächtiger  Gebieter 
in  der  Stadt  e^). 

In  diese  Zeit,  wenn  nicht  schon  früher,  mag  auch  die  Flucht 
der  christlichen  Gemeinde  aus  Jerusalem  fallen.  Sie  verliess 
die  Stadt  „infolge  göttlicher  Weisung"  und  wanderte  nach  derj 
heidnischen,  und  darum  vom  Kriege  unberührten  Stadt  Pella  in 
Peräa  aus*^^). 

Vespasian's  Feldherren  waren  der  Ansicht,  dass  man  diese 
Zustände  ausnützen  und  alsbald  den  Angriff  auf  die  Hauptstadt 
unternehmen  müsse.  Sie  glaubten,  bei  den  inneren  Kämpfen  in 
der  Stadt  werde  man  sich  ihrer  mit  leichter  Mühe   bemächtigen 


Ol)  B.  J.  IV,  5,  1-3. 

62)  B.  J.  IV,  5,  4.  —  Diesen  Zacharias  will  man,  aber  seiir  mit  Unrecht, 
auch  Matth.  23,  35.  Lue.  11,  51  wiedergefunden  haben. 

63)  B.  J.  IV,  5,  5.    6,  1. 

64)  B.  J".  IV,  0,  1. 

65)  Euseb.  Rist.  ecnl.  III,  5,  2—3.  Epiphan.  haer.  29,  7 ;  de  mensuris  et  pon- 
deribus  §  15.  —  Die  Auswanderung  erfolgte  xuxd  xiva  xQV^fJ^ov  zolq  avtod-i 
öoxlpoig  öl'  dnoxaXvxptwq  ixöoHvxa  x.  x.  A.  {Euseb.  H.  E.  III,  5,  3).  —  Ueber 
Pella  s.  Bd.  II,  S.  137—140. 


520  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  [520J 

können.  Nicht  so  Vespasian.  Er  hielt  es  für  gerathener,  den 
Kampf  im  Innern  austoben  und  die  Kräfte  sich  selbst  verzehren 
zu  lassen^^).  Um  der  Hauptstadt  zu  dieser  Selbstvernichtung  Zeit 
zu  lassen,  richtete  er  seine  nächsten  Unternehmungen  gegen  Peräa. 
Noch  ehe  die  gute  Jahreszeit  eingetreten  war,  brach  er  von  Cäsarea 
auf,  besetzte  am  4.  Dystros  (Adar,  etwa  März)  des  Jahres  68 
Gadara,  das  selbst  zum  Schutze  gegen  die  römerfeindlichen 
Elemente  in  der  Stadt  eine  Besatzung  erbeten  hatte,  und  kehrte 
dann  wieder  nach  Cäsarea  zurück^^).  Eine  Abtheilung  von  3000 
Mann  zu  Fuss  und  500  Reitern,  welche  er  unter  Führung  des 
Placidus  zurückliess,  vollendete  die  Unterwerfung  von  ganz  Peräa 
bis  auf  M  a  c  h  ä  r  u  s  ^^).  Mit  Eintritt  der  bessern  Jahreszeit  ^ ^)  brach 
Vespasian  abermals,  jetzt  mit  dem  grössten  Theile  seines  Heeres, 
von  Cäsarea  auf,  besetzte  Antipatris,  nahm  Lydda  und  Jamnia 
ein,  Hess  vor  Emmaus  die  fünfte  Legion  zurück,  durchzog  er- 
obernd Idumäa,  wandte  sich  dann  über  Emmaus  wieder  nörd- 
lich, und  zog  durch  Samarien  an  Neapolis  (Sichern)  vorbei  über 
Korea  —  wo  er  am  2.  Daisios  (Sivan,  etwa  Juni)  eintraf —  nach 
Jericho'^).  Nach  Jericho  und  Adida  legte  er  römische  Be- 
satzungen, während  Grerasa(?)  durch  ein  abgesandtes  Detachement 
unter  Lucius  Annius  erobert  und  zerstört  wurde"). 

Das  Land  war  jetzt  soweit  unterworfen,  dass  man  die  Be- 
lagerung der  Hauptstadt  beginnen  konnte.  Vespasian  kehrte  daher 
nach  Cäsarea  zurück  und  war  eben  mit  den  Vorbereitungen  für 


66)  B.  J.  IV,  6,  2-3. 

67)  B.  J.  IV,  7,  3—4.  —  Ueber  Gadara  s.  Bd.  II,  S.  122—126.  Wegen 
der  Bezeichnung  als  fxijzQonoliQ  (B.  J.  IV,  7,  3)  kann  nicht  wohl  eine  andere 
Stadt  als  das  bekannte  Gadara  gemeint  sein,  obschon  der  Zusammenhang 
für  eine  südlichere  Lage  zu  sprechen  scheint,  s.  Bd.  II,  S.  125. 

68)  B.  J.  IV,  7,  4-0. 

69)  imö  xfjv  oqx^*'  ^ov  MafOf  B.  J.  IV,  8,  1. 

70)  B.  J.  IV,  8,  1.  —  Ueber  Korea  s.  oben  S.  297.  Die  übrigen  Städte 
sind  bekannt.  Die  fünfte  Legion  ist  wahrscheinlich  bis  zum  J.  70  in  dem 
befestigten  Lager  bei  Emmaus  geblieben,  vgl.  V,  1,  6.  2,  3.  Die  Inschriften 
von  Holdaten  dieser  Legion,  welche  bei  Emmaus  gefunden  wurden,  Htammen 
daher  vermuthlich  aus  dieser  Zeit  (Ephcmeris  epigr.  t.  V,  p.  620  v.  1446  -=> 
Corp.  Irmcr.  hat.  III  Suppt.  n.  6647;  eine  andere;  lievue  bibliqueW,  1897,  /).  131; 
eine  dritte:  Revue  bibliqtie  VII,  1898,  p.  270  —  Proceedinfjs  of  (he  .S'oc.  of  Bibl. 
Arrh.  XX,  1898,  p.  189).  Vgl.  über  alle  drei  auch  Glermmt-Oanncau,  Archaeo- 
loyical  lieaearche»  I,  1899,  p.  468.  Auf  allen  dreien  ist  der  Betroffende  als 
mil(es)  leg{üjniii)  V  Mao(edonioae)  bezeichnet. 

71)  B.  J.  IV,  9, 1.  —  Ueber  Adida  s.  oben  S.  238f.  Zur  Bevorzugung  der 
Lesart  dei  Lateinen  auuillam  (Schlattcr,  Zcitschr.  des  DPV.  XIX,  221)  liegt 
kein  Omnd  vor.  —  Qeraea  kann  nicht  die  berühmte  helleniHtischc  Stadt  der 
DekiipoliH  sein,  da  diese  sicher  auf  römischer  Seite  stund. 


[520.  521]       §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  621 

die  Belagerung  Jerusalem's  beschäftigt,  als  die  Nachricht  vom  Todel 
Nero's  (f  9.  Juni  68)  eintraf.  Damit  war  die  ganze  Lage  plötz- 
lich verändert.  Die  Zukunft  des  gesammten  Reiches  war  unsicher. 
Vespasian  stellte  daher  alle  kriegerischen  Unternehmungen  ein  und 
beschloss,  die  Weiterentwickelung  der  Dinge  abzuwarten.  Als 
die  Nachricht  von  Galba's  Erhebung  eintraf,  sandte  er  —  es  war 
mittlerweile  der  Winter  68/69  herangekommen  —  seinen  Sohn 
Titus  nach  Eom,  um  dem  neuen  Kaiser  zu  huldigen  und  seine 
Befehle  entgegenzunehmen.  Aber  schon  in  Korinth  erhielt  Titus 
die  Nachricht  von  Galba's  Ermordung  (f  15.  Januar  69),  worauf 
er  zu  seinem  Vater  nach  Cäsarea  zurückkehrte.  Vespasian  beob- 
achtete noch  fortwährend  eine  zuwartende  Haltung'^). 

Bald  nöthigten  ihn  die  Verhältnisse  wieder  zur  That  zu  schreiten. 
Ein  gewisser  Simon  Bar-Giora,  d.  h.  Sohn  des  Proselyten'^), 
ein  Geistesverwandter  Johannes  von  Gis-chala's,  von  ebenso  wildem 
Freiheitsdrange  beseelt  und  ebenso  wenig  einen  andern  über  sich 
duldend,  hatte  die  Zeit  der  Watfenruhe  benützt,  eine  Schaar  von 
Anhängern  um  sich  zu  sammeln,  mit  welcher  er  raubend  und 
plündernd  die  südlichen  Gegenden  Palästina  s  durchstreifte.  Ueber- 
all  bezeichnete  \'erwüstung  den  Weg,  den  er  mit  seiner  Horde  ge- 
zogen war.  Unter  anderem  war  es  ihm  auch  gelungen,  Hebron 
zu  überrumpeln  und  reiche  Beute  von  dort  wegzuschleppen"*). 

Vespasian  sah  sich  dadurch  veranlasst,  Judäa  noch  vollstän- 
diger, als  es  bisher  geschehen  war,  zu  besetzen.  Am  5.  Daisios 
(Sivan,  etwa  Juni)  des  Jahres  69  brach  er,  nachdem  er  ein  volles 
Jahr  die  Waffen  hatte  ruhen  lassen,  wieder  von  Cäsarea  auf,  unter- 
warf die  Bezirke  von  Gophna  und  Akrabata,  die  Städte  Bethel 
und  Ephraim  und  kam  bis  in  die  Nähe  von  Jerusalem,  während 
sein  Tribun  Cerealis  die  Stadt  Hebron,  da  sie  Widerstand 
leistete,  eroberte  und  zerstörte.  Bis  auf  Jerusalem  und  die  Städte 
Herodeion,  Masada  und  Machärus  gehorchte  jetzt  ganz  Palästina 
den  ßömeru^^). 

Noch  ehe  Simon  durch  diesen  Zug  Vespasian's  sich  an  der 
Fortsetzung  seiner  Raubzüge  durch  Idumäa  verhindert  sah,  hatten 


72)  B.  J.  IV,  9,  2.  Ausführlicher  über  die  Reise  des  Titus:  Tbcit.  Eist. 
II,  1-4. 

73)  Josephus  sagt  stets  vlcg  FidQU.  Die  Form  BagyiOQäq,  Bargiora  haben 
Dio  Cass.  LXVI,  7  und  Tacit.  Eist.  V,  12  (der  irrig  dem  Johannes  diesen  Bei- 
namen ertheilt).  X-)i''a  ist  die  aramäische  Form  für  15,  der  Proselyte;  s.  Bd.  III, 
S.  125. 

74)  B.  J.  IV,  9,  3-8. 

75)  B.  J.  IV,  9,  9.  —  Ueber  Gophna  und  Akrabata  s.  Bd.  H  S.  182. 
Ueber  Bethel  und  Ephraim  oben  S.  224  und  233. 


622  §  23.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).       [521.  522] 

sich  ihm  bereits  die  Thore  der  Hauptstadt  geöffnet.  Hier  hatte] 
bis  zum  Frühjahr  69  Johannes  von  Gis-chala  den  allmächtigen 
Tyrannen  gespielt.  Von  der  unter  seinem  Eegiment  in  Jerusalem 
eingerissenen  Unsittlichkeit  erzählt  Josephus  schauerliche  Dinge '^). 
Die  Bevölkerung,  die  seine  Herrschaft  längst  verwünscht  hatte, 
erblickte  in  dem  Auftreten  Simon  Bar-Giora's  eine  günstige 
Gelegenheit,  um  sich  des  einheimischen  Tyrannen  zu  entledigen. 
Auf  Anrathen  des  Hohenpriesters  Matthias  wurde  Simon  einge- 
laden, in  die  Stadt  zu  kommen.  Dieser  ging  bereitwilligst  darauf 
ein  und  hielt  im  Monat  Xanthikos  (Nisan,  etwa  April)  des  Jahres 
69  seinen  Einzug  in  Jerusalem.  Aber  während  man  gehofft  hatte, 
durch  ihn  von  der  Tyrannei  des  Johannes  befreit  zu  werden,  hatte 
man  jetzt  vielmehr  zwei  Tyrannen  in  der  Stadt,  die  sich  zwar 
gegenseitig  bekämpften,  aber  die  besitzenden  Bürger  als  ihre  ge- 
meinsamen Feinde  ansahen"). 

Vespasian  war  kaum  nach  Cäsarea  zurückgekehrt,  als  die 
Nachricht  eintraf,  dass  Yitellius  zum  Kaiser  erhoben  worden  sei. 
Da  kam  den  Legionen  in  Aegypten,  Palästina  und  Syrien  der  Ge- 
danke, dass  Sie  ebenso  gut  dem  Reiche  einen  Kaiser  geben  könnten, 
wie  ihre  Kameraden  im  Abendlande,  und  dass  Vespasian  des 
Thrones  würdiger  sei  als  der  Schlemmer  Vitellius.  Am  1.  Juli  69 
wurde  Vespasian  in  Aegypten  zum  Kaiser  ausgerufen.  Wenige 
Tage  darauf  folgten  die  palästinensischen  und  syrischen  Legionen. 
Noch  vor  Mitte  Juli  war  Vespasian  im  ganzen  Orient  als  Kaiser 
anerkannt'^). 

Nun  hatte  er  andere  Dinge  zu  thun,  als  den  Krieg  gegen  die 
rebellischen  Juden  fortzuführen.  Nachdem  er  in  Berytus  die 
Gesandtschaften  vieler  syrischen  und  anderer  Städte  empfangen 
hatte,  darauf  nach  Antiochia  gereist  war  und  von  hier  aus  den 
Mucianus  mit  einem  Heer  auf  dem  Landwege  nach  Rom  gesandt 
hatte '^),  begab  er  sich  nach  Alexandria.  Während  seines  dortigen 
Aufenthaltes  erhielt  er  die  Nachricht,  dass  seine  Sache  in  Rom 
gesiegt  hatte  und  Vitellius  ermordet  worden  war  (20.  December 


76)  B.  J.  rV,  9,  10. 

77)  B.  J.  IV,  9,  11-12;  vgl.  V,  13,  1. 

78)  B.  J.  IV,  10,  2-6.  Tacit.  Eist.  II,  79-81.  Sueton.  Vcsp.  G.  Das»  die 
figyptiscben  Legionen  die  ersten  waren,  welche  den  VenpaBian  zum  Kaiser 
ausriefen,  tagen  TacituH  und  Suetoniun;  nacli  JoBepbus  wären  die  palüstinen- 
HiBchen  vorangegangen.  Uebrigens  fand  die  Procianiation  in  Palästina  nach 
TarituH  „quintum  Noruu  Julüu",  nach  Suetouius  „V.  Jdus  Jul."  statt.  —  Nach 
seiner  Au8mf\ing  znm  Kaiser  schenkte  VcHpasian  dem  JoHcplius  in  dank- 
barer Erinnerung  an  seine  Weissagung  die  Freiheit  {B.  J.  IV,  10,  7). 

79)  Ä  J.  IV,  10,  «;.   11,  1.    T(icit.  Bist.  II,  81-63. 


[522.  523]       §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  623 

69).  Er  selbst  blieb  noch  bis  zum  Anfang  des  Sommers  70  in 
Alexanidria^"),  während  sein  Sohn  Titus,  dem  er  die  Fortsetzung 
des  jüdischen  Krieges  übertragen  hatte,  ein  Heer  nach  Palästina 
führte^i)- 

In  Jerusalem  war  während  dieser  Zeit  die  innere  Zerrüttung 
wieder  einen  Schritt  weiter  gediehen.  Statt  der  zwei  Parteien 
des  Johannes  und  Simon  gab  es  jetzt  deren  drei,  indem  von  der 
Partei  des  Johannes  sich  eine  neue  unter  Eleasar  Sohn  Simon's 
abgezweigt  hatte.  Simon  hatte  die  Oberstadt  und  einen  grossen 
Theil  der  Unterstadt  in  seiner  Gewalt,  Johannes  den  Tempel- 
berg und  Eleasar  den  inneren  Tempelvorhof.  Alle  drei  lagen 
unablässig  mit  einander  im  Kampf  und  machten  die  Stadt  zu 
einem  fortwährenden  Kriegsschauplatz.  Dabei  waren  sie  so  thöricht, 
die  ungeheuren  Getreide vorräthe,  die  in  der  Stadt  angehäuft 
waren,  in  Brand  zu  stecken,  um  sie  sich  gegenseitig  zu  entziehen, 
nicht  bedenkend,  dass  sie  damit  sich  selbst  die  Mittel  für  die 
Vertheidigung  raubten^^)^  —  "Während  so  Jerusalem  in  seinem 
eigenen  Fleisch  wühlte,  traf  Titus  die  Vorbereitungen  für  die 
Belagerung. 


80)  Nach  Joseph.  B.  J.  IV,  11,  5  wollte  Vespasian  nach  Rom  aufbrechen 
Xij^avTog  Tov  x^i^ßfüvoq.  Nach  Tacitus  wartete  er  in  Alexandria  die  Zeit  der 
Bommerlichen  Winde  und  die  Sicherheit  der  Seefahrt  ab  {Hist.  FV,  81:  statos 
aestivis  flatibus  dies  et  certa  maris  opperiebatur).  Ueber  seine  Reiseroute  s.  bes. 
Joseph.  B.  J.  VII,  2,  1.  Er  kam  aber  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  70 
nach  Rom.  S.  Schiller,  Gesch.  der  röm.  Kaiserzeit  1,500;  Chambalu,  Wann 
ist  Vespasian  im  J.  70,  Titus  im  J.  71  aus  dem  Orient  nach  Rom  zurück- 
gekehrt? (Philologus  Bd.  XLIV,  1885,  S.  502—517).  Chambalu  setzt  die  Ab- 
reise Vespasians  von  Alexandria  erst  in  den  August,  seine  Ankunft  in  Rom  in 
den  October  des  Jahres  70.  Letzteres  muss  allerdings  angenommen  werden, 
da  Titus  erst  im  November,  als  er  in  Berytus  den  Geburtstag  Vespasian's 
(17.  Nov.)  feierte,  die  Nachricht  von  der  glücklichen  Ankunft  Vespasian's  in 
Italien  erhielt  {Joseph.  Bell.  Jttd.  VII,  3,  1  vgl.  mit  4,  1). 

81)  B.  J.  IV,  11,  5.  Ueber  den  Marsch  des  Titus  von  Alexandria  bis 
Caesarea  s.  Chambalu,  Philologus  Bd.  LI,  1892,  S.  729 f.  —  Ueber  die  recht- 
liche Stellung  des  Titus  während  des  Krieges  s.  Pick,  Der  Imperatortitel 
des  Titus,  in:  Sallet's  Zeitschr.  für  Numismat.  Bd.  XIII,  1885,  S.  190-238 
(behandelt  auch  die  Zeit  vor  der  Ausrufung  des  Titus  zum  Imperator). 

82)  B.  J.  V,  1,  1—5.  Ta<dt.  Hist.  V,  12.  Ueber  die  Vernichtung  der  Ge- 
treidevorräthe  auch  die  rabbinische  Tradition  bei  Derenbourg  p.  281.  Ueber 
die  Verproviantirung  während  der  Belagerung:  Ad.  Büchler,  Zur  Verpro- 
viantirung  Jerusalems  im  Jahre  69/70  n.  Chr.  (Gedenkbuch  zur  Erinnerung  an 
David  Kaufmann,  1900)  [auch  über  die  Wasserversorgung;  hinsichtlich  der 
Versorgung  mit  Lebensmitteln  stützt  sich  Büchler  auf  die  legendarische  Er- 
zählung der  samaritanischen  Chronik  ed.  Juynboll  c.  47  über  die  Belagerung 
Jerusalems  durch  Hadrianül. 


624  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).       [523.  524] 


4.   Belagerung   und  Eroberung  Jerusalem's  (70  n.  Chr.)^*). 

Das  Heer,  welches  Titus  zur  Verfügung  hatte,  bestand  aus 
vier  Legionen.  Ausser  den  drei  Legionen  seines  Vaters,  der  5.,  | 
10.  und  15.,  hatte  er  auch  noch  die  12.,  die  schon  unter  Cestius 
in  Syrien  gestanden  und  den  Krieg  so  unglücklich  eröffnet  hatte. 
Dazukamen  die  zahlreichen  Hülfstruppen  der  verbündeten  Könige^*). 
Die  Befehlshaber  der  Legionen  waren:  Sextüs  Cerealis  für  die 
5.,  Larcius  Lepidus  für  die  10.,  Tittius  Frugi  für  die  15. Legion; 
der  Befehlshaber  der  12.  wird  nicht  genannt.  Als  oberster  Be- 
rather (wir  würden  sagen,  als  Chef  des  Generalstabs)  stand  dem 
Titus  der  ehemalige  Procurator  Judäas  Tiberius  Alexander 
zur  Seite^^).    Während  ein  Theil  des  Heeres  Befehl  erheilt,   vor 


83)  Der  kurze  Bericht  des  Dio  Cassini  LXVI,  4—6  über  die  Belagerung 
Jerusalems  giebt  einige  Einzelheiten,  welche  bei  Josephus  fehlen  (s.  die  Be- 
merkungen bei  Beinach,  Textes  d'auteurs  grecs  et  romains  relatifs  au  Juda- 
'isme,  1895,  p.  189  sqq.).  Sie  sind  indessen  nur  geringfügiger  Art,  und  es  lässt 
sich  nicht  sicher  ermitteln,  wo  sie  in  den  Bericht  des  Josephus  einzufügen 
sind.  —  Ueber  die  Geschichte  der  Belagerung  vgl.  auch  die  Monographien 
über  Titus:  Stange,  De  Titi  imperatoris  vitapart.  I,  Breslau  1870.  —  Double, 
Vie  de  Vempereur  Titus,  Paris  1876  (angez.  in  der  Revue  archeol.  N,  S.  XXXIII, 
1877,  279 — 282).  —  Steinwenter,  Titus  Flavius  Vespasianus  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Zerstörung  Jerusalems,  Graz  1876  (angez.  in  der  Ztschr. 
für  die  österr.  Gymn.  XXVIII,  1877,  S.  70).  —  Otto  Adalb.  Hoffmann,  De 
imperatoris  Titi  temporibus  rede  definiendis,  Marburg  1883  (gegen  dessen  An- 
sicht, dass  die  Monatsdaten  des  Josephus  nach  dem  julianischen  Kalender 
gegeben  seien,  s.  unten  Beilage  III). 

84)  B.  J.  V,  1,  6.  Tue.  Eist.  V,  1.  Vgl.  Cagnat,  L'annee  romaine  au 
siige  de  Jerusalem  {Actes  et  Conferences  de  la  Sociale  des  etudes  juives  1891  [Bei- 
lage zur  lievue  des  Uudes  juives  t.  XXII,  1891]  p.  XXVIII— LVIII). 

85)  B.  J.  VI,  4,  3.  Ueber  dio  genannten  Feldherren  vgl.  bes.  Lion  lie- 
nier ,  Memoire  aur  les  ofßciers  qui  assisth-ent  au  conseil  de  guerre  tenu  par 
Titus,  avant  de  livrer  Fassaut  du  temple  de  Jerusalem  (in  den  Mimoirc^  de  V  In- 
stitut de  France,  Academie  des  Inscriptions  et  Bei/es- Ijcttres,  t.  XXVI,  P.  1, 
1867,  p.  269— 321);  auch  die  betreffenden  Artikel  in  der  Prosopographia  imperii 
Itf/mani  (III,  415:  Sex.  Vettulenus  Cerialis,  11,263:  Larcius  Lepidus,  111,330: 
TittiuH  Frugi).  Ueber  Tiberius  Alexander  h.  oben  S.  568.  —  Der  Befehls- 
liabj'f  der  15.  Legion  heisst  nicht  Titus  Frugi,  wie  unsere  Handschriften 
d('M  Josephus  hüben,  sondern  M.  Tittius  Frugi.  8.  Lfon  Ji'rnier  p.  314.  — 
lUuiier's  Bemerkungen  über  Cerealis  sind  zu  berichtigen  nach  Monunsen, 
Kphemeria  epiffr.  IV,  499,  Corp.  Jmrr.  Lot,  I.  III  Suppl.  p.  1961  und  Hohden, 
De  Palaestina  et  Arabia  provinciis  Jlomanis  1H85  p.  37  (Rcnier  vermischt  zwei 
Cerealis  mit  uinandor;  unspr  Cerealis  auch  Inacr.  liegni  Neap.  n.  46HÖ  —  Corp. 
Inner.  ImI.  t.  X  n.  4862).  —  Tiberius  Julius  Alexander  wird  von  Josephus 
b«i:eichnflt  als  tcDv  arfattvfiuttuv  ai/ywv  \lic.ll,  Jiui.  V,  1,  6),  ndvtcuv  xuiv  öt()o- 
xtvfiuxwv  inuQXWv  [B.  J,  VI,  4,  3).     Ilicrmich   ergänzt  Monunmüi  nuf  der  In- 


[524.  525]       §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  625 

Jerusalem  zu  ihm  zu  stossen,  brach  Titus  selbst  mit  der  Haupt- 
macht von  Cäsarea  auf^^)  und  langte  wenige  Tage  vor  dem  Passa- 
feste  (14.  Nisan,  etwa  April)  des  Jahres  70  vor  den  Mauern  der 
heiligen  Stadt  an*^').  | 

Titus  war  den  Legionen  mit  600  Reitern  vorausgeeilt,  um  die 
Gegend  auszukundschaften,  und  hatte  sich  dabei  so  weit  vorgewagt, 
dass  er  durch  einen  Ausfall  der  Juden  in  die  äusserste  Gefahr  kam 
und  nur  seiner  persönlichen  Tapferkeit  seine  Rettung  zu  danken 
hatte^^).  Ueberhaupt  hatten  die  Römer  gleich  bei  ihrer  Ankunft 
von  dem  ungestümen  Muth  ihrer  Gegner  üble  Erfahrungen  zu 
machen.  Während  die  zehnte  Legion,  die  von  Jericho  gegen 
Jerusalem  angerückt  war,  noch  mit  Befestigung  ihres  Lagers  auf 
dem  Oelberg  beschäftigt  war,  wurde  sie  mit  solcher  Wucht  ange- 
griffen, dass  sie  beinahe  eine  völlige  Niederlage  erlitten  hätte.  Nur 
durch  persönliches  Eingreifen  des  Titus  wurde  die  weichende  Legion 
zum  Stehen  gebracht  und  der  Angriff  abgeschlagen®^). 

Die  Parteikämpfe  in  der  Stadt  ruhten  aber  auch  jetzt  noch 
nicht.  Als  die  Römer  schon  vor  den  Thoren  lagen,  kam  es  beim 
Passafeste  abermals  zu  einem  Gemetzel  im  Innern  der  Stadt.  Die 
Partei  Eleasar's  hatte  für  die  Festbesucher  die  Thore  des  Tempel- 
vorhofes geöffnet.  Johannes  von  Gis-chala  benützte  dies,  um  seine 
Leute  mit  versteckten  Waffen  sich  einschleichen  und  Eleasar  und 
die  Seinen  unversehens  überfallen  zu  lassen.    Die  Ueberraschten 


Schrift  von  Aradus  Corp.  Inscr.  Oraec.  t.  III  p.  1178  n.  4536  f.  =  Hermes  Bd. 
XIX,  1884,  S.  644:  [Tißepio]v  'lovliov  lll[e^dvSQOv  i7i]agxov  xov  'lovdai[xov 
argatov].  Tiberius  Julius  Alexander  war  also  „Generalstabs-chef.  Die  Stel- 
lung dieses  Beamten  von  Ritterrang  in  einem  von  einem  senatorischen  Feld- 
herrn befehligten  Heere  war  eine  ähnliche  wie  die  des  praefectus  praetorio  in 
der  vom  Kaiser  selbst  befehligten  Armee.  S.  Momrasen.  Hermes  Bd.  XIX, 
1884,  S.  644  ff".  Der 8.,  Ephemeris  epigraphiea  t.  V  p.  578  zu  n.  1344.  Corp. 
Inscr.  hat.  III  Suppl.  p.  1241  zu  n.  6809.  Pick  in  Sallet's  Zeitschr.  für  Nu- 
mismat.  Bd.  XIII,  1885,  S.  207  f. 

86)  B.  J.  V,  1,  6. 

87)  Wie  aus  V,  3,  1  erhellt;  vgl.  V,  13,  7.  —  Im  Heere  des  Titus  befand 
sich  auch  der  ältere  Plinius,  und  zwar  als  dvxfnixQonoq  des  Tiberius  Julius 
Alexander,  nach  Mommsen's  glücklicher  Ergänzung  der  Inschrift  von  Aradus 
Corp.  Inscr.  Oraec.  t.  III  p.  1178  n.  4536'".  Mit  Rücksicht  hierauf  sagt  Plinius 
in  der  Widmung  seiner  Naturgeschichte  an  Titus  (§  3):  nobis  quidem  qttalis 
in  castrensi  contiihemio.  S.  überh.  Mommsen,  Hermes  Bd.  XIX,  1884, 
S.  644 — 648.  Fabia,  Plin  l'ancien  a-t-il  assiste  au  süge  de  Jerusalem par  Titus? 
{Revue  de  philologie  N.  S.  XVI,  1892,  p.  149—155)  [bejaht  die  Frage  im  An- 
schluss  an  Mommsen,  gegen  Hirsch feld,  Mittheilungen  des  deutschen  archäol. 
Instituts,  römische  Abth.  Bd.  II,  1887,  S.  152]. 

88)  B.  J.  V,  2,  1—2. 

89)  B.  J.  V,  2,  4—5. 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  40 


626  §  '^-   I^er  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).       [525.  526] 

waren  zum  Widerstände  zu  schwach  und  mussten  den  Leuten  des 
Johannes  den  Yorhof  räumen.  Von  nun  an  gab  es  in  Jerusalem 
wieder  nur  zwei  Parteien:  die  des  Johannes  und  des  Simon^^). 
Um  die  nun  folgenden  Belagerungsarbeiten  zu  verstehen,  ist 
es  nöthig,  sich  wenigstens  ein  allgemeines  Bild  von  der  Lage  der 
Stadt  zu  verschaffen ^1).  Jerusalem  lag  auf  zwei  Hügeln,  einem 
grösseren  westlichen  und  einem  kleineren  östlichen,  welche  durch 
eine  tiefe  von  Norden  nach  Süden  gehende  Schlucht,  das  soge- 
nannte Tyropöon,  getrennt  waren.  Auf  dem  grösseren  westlichen 
Hügel  lag  die  Oberstadt,  auf  dem  kleineren  östlichen  die  Unter- 
stadt. Letztere  hiess  auch  „Akra",  weil  hier  früher  die  durch 
Antiochus  Epiphanes  erbaute  Burg  von  Jerusalem  gelegen  hatte^^^^ 
Nördlich  von  der  |  Akra  lag  der  Tempelplatz,  dessen  Umfang 
von  Herodes  bedeutend  erweitert  worden  war.  An  den  Tempel- 
platz schloss  sich  wiederum  im  Norden  die  Burg  Anton ia  an. 
Der  Tempelplatz  war  auf  allen  vier  Seiten  von  einer  starken 
Mauer  umgeben  und  bildete  so  für  sich  allein  eine  kleine  Festung. 
Ober-  und  Unterstadt  waren  von  einer  gemeinsamen  Mauer  um- 
geben, welche  an  die  westliche  Mauer  des  Tempelplatzes  sich  an- 
schloss,  dann  zunächst  nach  Westen  lief,  hierauf  in  einem  grossen 
südlichen  Bogen  Ober-  und  Unterstadt  umspannte,  und  endlich  an 
der  südöstlichen  Ecke  des  Tempelplatzes  endigte.  Ausserdem  uuiss 
aber  auch  die  Oberstadt  von  der  Unterstadt  durch  eine  von  Norden 
nach  Süden  am  Tyropöon  entlang  ziehende  Mauer  getrennt  ge- 
wesen sein.    Denn  Titus  musste,   als  er  bereits  im  Besitze  der 


90)  B.  J.  V,  3,  1.     ladt.  Bist.  V,  12  ßn. 

91)  Vgl.  die  Beschreibung  B.  J.  V,  4.  —  Aus  der  fast  unabsehbaren  Lite- 
ratur über  die  Topographie  von  Jerusalem  ist  das  Bemerkcnswerthere  oben 
S.  15  hervorgehoben.  Die  Hypothesen  der  neueren  Forscher  über  die  alte 
Topographie  sind  durch  Specialkarten  dargestellt  in  Menke's  Bibelatlas  Bl.V 
und  noch  vollständiger  bei  Zimmermann,  Karten  und  Pläne  zur  Topographie 
des  Alten  Jerusalem,  Basel  1876.  Die  besten  Pläne  des  heutigen  Jerusalem 
sind  die  von  Wilson  und  Zinimermann-Socin  (s.  oben  S.  17).  —  Die 
Resultate  der  neuesten  Forschungen  über  den  Lauf  der  Mauern,  nament- 
lich der  sogenannten  zweiten,  giebt  Buhl,  Geographie  des  alten  Palästina 
8.  Ißl  ff",  (dazu  den  Plan  S.  136),  hauptsächlich  nach  Schick,  Zeitschr.  des 
DPV.  VIII,  1885,  8.  245  fl".  und  Spies«,  ebendas.  XI,  1888,  S.  46  ff. 

92)  Die  Lage  der  Akra  und  Unterstadt  ist  der  umstrittenste  Punkt  in 
der  Topograj)hie  von  JeruHalem.  Bei  einer  methodischen  Verwerthung  der 
Qnellen  ücheint  mir  aber  die  obige  Ansetzung  sich  mit  Sicherheit  zu  ergeben. 
Vgl.  oben  8.  198 f.  Gerade  die  Geschichte  der  Belagerung  durcli  Titus  bestätigt 
dleMlbe.  Denn  Titus,  der  vom  Norden  her  vordringt,  kommt  erst  nach  Kiii- 
nahme  des  Tempclplat/eH  in  <len  Besitz  der  Unterstadt,  die  also  südlich  vom 
Tempelplatc  gelegen  haben  uiuhh.  Hie  erstreckte  sich  bis  zum  Siloa  (7^.  J. 
VI,  7.  2). 


[526.  527]       §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Eom  (66—73  n.  Chr.).  627 

Unterstadt  war,  erst  noch  seine  Sturmböcke  gegen  die  Mauer  der 
Oberstadt  richten.  —  Die  äussere  Mauer  stand  im  Westen,  Süden 
und  Osten  über  steilen  Abhängen;  nur  im  Norden  verlief  der  Boden 
ziemlich  eben.  Hier  schloss  sich  in  einem  nördlichen  Bogen  eine 
zweite  Mauer  an,  welche  die  ältere  Vorstadt  einschloss;  und 
dann  in  einem  noch  weiteren  nördlichen  Bogen  eine  dritte  Mauer, 
welche  von  Agrippa  J  begonnen  und  erst  während  des  Aufstandes 
nothdürftig  vollendet  worden  war.  Diese  dritte  Mauer  schloss  die 
sogenannte  Neustadt  oder  Vorstadt  Bezetha  ein^^j^ 

Wie  es  die  Lage  der  Stadt  von  selbst  erheischte,  richtete  Titus 
seinen  Angriff  gegen  die  nördliche  Seite,  also  zunächst  gegen  die 
äusserste  dritte  oder,  vom  Standpunkt  der  Angreifer  gesprochen, 
erste  Mauer.  Erst  jetzt,  als  die  Sturmböcke  an  drei  Stellen  ihre 
Arbeit  begannen,  verstummte  der  innere  Krieg;  und  die  beiden  Par- 
teien Johannes  von  Gis-chala's  und  Simon  ßar-Giora's  verbanden 
sich  zu  gemeinsamen  Ausfallen.  Bei  einem  derselben  kämpften  sie 
mit  solchem  Erfolg,  dass  nur  dem  Eingi-eifen  des  Titus  (der  selbst 
zwölf  der  Feinde  niederschoss)  die  Erhaltung  der  Maschinen  zu 
danken  war^^).  Nach  fünfzehntägiger  Arbeit  hatte  einer  der  ge-; 
waltigen  Sturmböcke  eine  Lücke  in  die  Mauer  gestossen,  die  Römer 
drangen  ein  und  wurden  am  7.  Artemisios  (Ijjar,  etwa  Mai)  Herren 
der  ersten  Mauer ^^). 

Es  begann  der  Angriff  auf  die  zweite  Mauer.  Fünf  Tage 
nach  Einnahme  der  ersten  musste  auch  diese  dem  Anprall  des 
römischen  Sturmbockes  weichen.  Titus  zog  mit  einer  auserlesenen 
Schaar  ein,  wurde  zwar  von  den  Juden  wieder  zurückgeworfen, 
gewann  sie  aber  vier  Tage  später  aufs  Neue  und  behauptete  sie 
jetzt  endgültig^^). 

Gleichzeitig  Hess  er  nun  gegen  die  Oberstadt  und  gegen  die 
Anton ia  Sturmwälle  aufwerfen,  zwei  gegen  diese  und  zwei  gegen 
jene;  jede  der  vier  Legionen  hatte  einen  zu  bauen.  Die  Ver- 
theidigung  der  Oberstadt  leitete  Simon  Bar-Giora,  die  der  Antonia 
Johannes  von  Gis-chala^').  Während  die  Arbeiten  im  Gange 
waren,  musste  Josephus  —  freilich  erfolglos  —  die  Stadt  zur 
Uebergabe  auffordern ^S).  Doch  begann  bereits  Maugel  an  Lebens- 
mitteln einzutreten,  infolge  dessen  viele  der  ärmeren  Einwohner 


93)  üeber  Bezetha  vgl.  oben  S.  605. 

94)  B.  J.  V,  6,  2—5.     Stieton.  Tit.  5:  duodedm  propttgnatores  totidem  sagit- 
iarum  eonfecit  ictibus. 

95)  B.  J.  V,  7,  2. 

96)  B.  J.  V,  7,  3—4;  8,  1-2. 

97)  B.  J.  V,  9,  2;  vgl.  11,  4. 

98)  B.  J.  V,  9,  3-4. 

40* 


628  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).      [527.  528] 

vor  die  Stadt  kamen,  um  sich  Lebensmittel  zu  suchen.  Wer  von 
ihnen  den  Römern  in  die  Hände  fiel,  ward  —  um  den  Belagerten 
Schrecken  einzujagen  —  im  Angesicht  der  Stadt  gekreuzigt  oder 
mit  verstümmelten  Grliedern  wieder  zurückgejagt^^). 

Am  29.  Artemisios  (Ijjar,  etwa  Mai)  waren  die  vier  Wälle 
vollendet.  Simon  und  Johannes  hatten  nur  die  Vollendung  ab- 
gewartet, um  nun  alle  Kraft  daran  zu  setzen,  die  Werke  ange- 
strengter, mühsamer  Arbeit  wieder  zu  zerstören.  Die  gegen  die 
Antonia  gerichteten  zerstörte  Johannes  von  Gis-chala  dadurch, 
dass  er  einen  unterirdischen  Gang  unter  sie  graben,  diesen  mit 
Pfählen  stützen  und  dann  die  Pfähle  in  Brand  stecken  Hess,  wo- 
durch die  Wälle  einsanken  und  mitverbranuten.  Zwei  Tage  später 
vernichtete  Simon  Bar-Giora  auch  die  gegen  die  Oberstadt  ge- 
richteten durch  Feuer**^''). 

Ehe  Titus  den  Bau  neuer  Wälle  versuchte,  griif  er  zu  einem 
andern  Mittel.  Er  liess  die  ganze  Stadt  mit  einem  ununterbrochenen 
Stein  wall  (relxog)  umgeben,  um  jede  Zufuhr  abzuschneiden  und  die 
Stadt  auszuhungern.  Mit  wunderbarer  Schnelligkeit  war  das  Werk 
in  drei  Tagen  vollendet.  Zahlreiche  Streifwachen  sorgten  dafür, 
dass  Niemand  hinauskam 'oi).  Die  Hungersnoth  erreichte  infolge 
dessen  |  in  der  Stadt  eine  furchtbare  Höhe;  und  wenn  auch  nur 
die  Hälfte  dessen  auf  Wahrheit  beruht,  was  die  erfinderische 
Phantasie  des  Josephus  erzählt,  so  war  sie  iumier  noch  schrecklich 
genug '®2).    Dass  unter  solchen  Umständen  Johannes  von  Gis-chala 


99)  B.  J.  V,  10,  2-5.    11,  1-2. 

100)  B.  J.  V,  11,  4-6. 

101)  B.  J.  V,  12, 1—2.  Ev.Iaic.  19,  43.  Aehnliche  Circuravallationen  kamen 
öfters  vor.  Am  berühmtesten  ist  die  von  Alesia  durch  Cäsar  {Bell.  Oall.  VII, 
69:  fossamque  et  tnaceriam  sex  in  altittidinem  pediim  praednxerant;  yus  muni- 
tionis,  quae  ah  Romanis  instituebatur,  circuiius  XI  milium  passuum  tcucbat). 
Auch  Manada  wurde,  ehe  man  zum  Angriffe  schritt,  durch  eine  solche  Uni- 
fasBungsmauer  eingeschlossen  {Jos.  Bell.  Jiid.  VII,  8,  2).  Grosse  Reste  der- 
selben sind  dort  noch  heute  erhalten.  Sie  war  aus  unbehauenen  Steinen  ohne 
Anwendung  von  Mörtel  errichtet  (s.  The  Survei/  of  Western  Palcstine,  Menioirs 
III,  421,  und  überhaupt  die  unten  Anm.  137  genannte  Literatur).  Vgl,  auch: 
Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  Bd.  II,  1876,  S.  509. 

1(J2)  B.  .7.  V,  12,  3.  13,  7.  VI,  3,  3;  vgl.  Ahoth  derabbi  Nathan  c.  6  (bei 
Dertnbourg  p.  2Hr)).  Bekannt  ist  die  Schauergcscliichti'  von  joncr  Maria  aus 
Beth-EHÖb,  welche  vom  Hunger  getrieben  ihr  eigenes  Kind  verzehrte.  8. 
Bell.  Jud.  VI,  3,  4;  Euseb.  IL  K  III,  «5;  Jlicrmt.  ad  Joel  1,  911'.  (opp.  cd.  Vallarsi 
VI,  178);  und  dio  Stelen  aus  Talmud  und  Midrasch  bei  Grätz  Bd.  III,  4.  Aufl. 
8.  637  (2.  Aufl.  8.  401).  —  UebrigenB  gehört  das  Verzehren  der  eigenen  Kinder 
zur  lierkömmlicbcn  Bcenerio  einer  Schilderung  des  KriegHeleu<les;  so  als  Droh- 
ung: Up.  26,  29.  Dmt.  28,  53.  Jrrmi.  19,  i).  Excrh.  5,  10;  als  Geschichte: 
II  Rtg.  6,  28—29.    Thren.  2,  20.  4,  10.    Barurh  2,  3. 


[528.  529]       §  2U.   Der  grosse  Krieg  gegen  Eom  (66—73  n,  Chr.).  629 

das  heilige  Oel  und  den  heiligen  Wein  zu  profanen  Zwecken  ver- 
wendete, kann  nur  ein  Josephus  ihm  zum  Vorwurf  machen '^3). 

Indessen  liess  Titus  auch  wieder  Sturuiwälle  bauen  und  zwar 
jetzt  vier  der  Antonia  gegenüber.  Das  Bauholz  dazu  musste,  da 
die  Umgegend  vollständig  entblösst  war,  aus  einer  Entfernung  von 
90  Stadien  (4'/2  Stunden)  herbeigeschafft  werden  ^"^).  Nach  21tägiger 
Arbeit  waren  sie  vollendet.  Ein  Ausfall,  den  Johannes  von  Gis- 
chala  zu  ihrer  Zerstörung  am  1.  Panemos  (Tammus,  etwa  Juli) 
unternahm,  misslang,  da  er  nicht  mehr  mit  der  frühern  Energie 
ausgeführt  war,  während  die  Römer  ihre  Wachsamkeit  verdoppelt 
hatten ^"^).  Kaum  hatten  die  Juden  sich  zurückgezogen,  so  be- 
gannen die  Sturmböcke  gegen  die  Mauer  zu  stossen;  zunächst  ohne 
wesentlichen  Erfolg.  Doch  war  die  Mauer  durch  die  Stösse  so  er- 
schüttert, dass  sie  bald  darauf  an  der  Stelle,  wo  die  Mauerbrecher 
gearbeitet  hatten,  von  selbst  einsank.  Die  Erstürmung  war  aber 
auch  jetzt  noch  schwierig,  da  Johannes  von  Gis-chala  schon  zu- 
vor hinter  ihr  eine  zweite  errichtet  hatte.  Auf  eine  ermunternde 
Ansprache  des  Titus  hin  machte  am  3.  Panemos  (Tammus,  etwa 
Juli)  ein  syrischer  Soldat,  Namens  Sabin us,  mit  elf  Kameraden 
den  Versuch,  die  Mauer  zu  |  erklimmen,  fiel  aber  mit  drei  seiner 
Gefährten  im  Kampf '<>ß).  Zwei  Tage  darauf  (5.  Panemos)  verbanden 
sich  etwa  20—30  andere,  um  den  Versuch  zu  erneuern.  Sie  er- 
steigen des  Nachts  heimlich  die  Mauer,  stossen  die  ersten  Posten 
nieder;  Titus  drängt  eiligst  nach  und  jagt  die  Juden  bis  auf  den 
Tempelplatz.  Von  hier  werden  die  Römer  zwar  wieder  zurück- 
geschlagen, behaupten  aber  die  Antonia,  die  alsbald  ge- 
schleift wird^oT). 

Trotz  Krieg  und  Hungersnoth  hatte  man  bisher  noch  immer 
das  tägliche  Morgen-  und  Abendopfer  regelmässig  dargebracht.  Am 
17.  Panemos  (Tammus,  etwa  Juli)  musste  es  endlich  eingestellt 
werden,  auch  jetzt  nicht  etwa  der  Hungersnoth  wegen,  sondern 
„aus  Mangel  an  Männern"  ^ •'S).  Da  eine  abermalige  Aufforderung 
des  Josephus  zur  Uebergabe  erfolglos  blieb,  und  ein  nächtlicher 
Angriff  eines  auserlesenen  Theiles  des  Heeres  auf  den  Tempelplatz 
resultatlos  verlief  <'9)^   so  traf  Titus  nun   die  Vorbereitungen   zu 


103)  B.  J.  V,  13,  6. 

104)  B.  J.  V,  12,  4. 

105)  B.  J.  VI,  1,  1-3. 

106)  B.  J.  VI,  1,  3-6. 

107)  B.  J.  VI,  1,  7—8.    2,  1. 

108)  B.  J.  VI,  2,  1.    Mischna  Taanith  IV,  6:  T^atj^!  ^^3  nars  nrr  nrr^".- 
Vgl.  über  das  tägliche  Morgen-  und  Abendopfer:  Bd.  II,  »S.  288  ff".  294  ff. 

109)  B.  J.  VI,  2,  1-6. 


630  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).      [529.  530] 

einem  regelrechten  Sturm  auf  den  befestigten  Tempelplatz.  Dieser 
bildete  ein  ziemlich  regelmässiges  Viereck,  das  ringsum  von  festen 
Mauern  umgeben  war,  längs  deren  im  Innern  überall  Säulenhallen 
herumliefen.  Innerhalb  dieses  grossen  Platzes  bildete  der  eben- 
falls auf  allen  Seiten  von  starken  Mauern  umgebene  innere  Vorhof 
einen  zweiten  vertheidigungsfähigen  Raum,  der  den  Belagerten 
auch  nach  Verlust  des  äusseren  Platzes  noch  Sicherheit  bot.  Titus 
musste  zunächst  der  äusseren  Mauer  Herr  zu  werden  suchen. 
Wieder  wurden  vier  Wälle  errichtet,  zu  welchen  das  Material  nun 
schon  100  Stadien  (5  Stunden)  weit  hergeholt  werden  musste  i^<^). 
Während  daran  gearbeitet  wurde,  fand  am  27.  Panemos  eine  An- 
zahl Römer  dadurch  ihren  Tod,  dass  sie  durch  den  Abzug  der  Juden 
von  der  Höhe  der  westlichen  'Säuleuhalle  sich  verleiten  Hessen, 
dieselbe  zu  erklimmen.  Sie  war  aber  vorher  von  den  Juden  mit 
brennbaren  Stoffen  angefüllt  worden.  Als  nun  die  Römer  oben 
waren,  steckten  die  Juden  die  Halle  in  Brand;  und  das  Feuer 
griff  mit  solcher  Schnelligkeit  um  sich,  dass  die  Soldaten  sich  nicht 
mehr  retten  konnten  und  in  den  Flammen  umkamen ''^). 

Als  die  Wälle  am  8.  Loos  (Ab,  etwa  August)  vollendet  waren, 
wurden  die  Widder  herbeigeschafft,  und  die  Sturmarbeit  begann. 
Aber  gegen  die  ungeheuren  Mauern  konnten  sie  nichts  ausrichten. 
Um  I  zum  Ziele  zu  kommen,  Hess  daher  Titus  an  die  Thore  Feuer 
legen  und  öffnete  so  den  Eingang  zum  äusseren  Tempelplatz  ^^ 2). 
Am  andern  Tage  (9.  Ab),  als  die  Thore  vollends  niedergebrannt 
waren,  hielt  Titus  Kriegsrath,  in  welchem  beschlossen  wurde,  den 
Tempel  zu  schonen '^  3).  Als  aber  Tags  darauf  (10.  Ab)  die  Juden 
rasch  hintereinander  zwei  Ausfälle  vom  inneren  Vorhof  aus  machten 
und  bei  dem  zweiten  Ausfall  von  den  Soldaten,  welche  mit  dem 
Löschen  des  Brandes  der  Säulenhallen  beschäftigt  ^ waren,  bis  in 
den  inneren  Vorhof  zurückgetrieben  wurden,  warf  ein  Soldat  eine 
Brandfackel  nach  einer  Kanmier  des  eigentlichen  Tempelhanses***). 
Wie  dies  dem  Titus  gemeldet  wurde,  eilt  er  hinzu;  die  Feldherren 
und  Legionen  ilim  nach.  Titus  befiehlt  zu  löschen.  Aber  in  dem 
wilden  Kampfe,  der  sich  nun  entspinnt,  werden  seine  Befehle  über- 
hört, und  das  Feuer  greift  immer  mehr  um  sich.  Noch  hoffte  Titus 
wenigstens  das  Innere  des  Tempelhauses  zu  retten  und  erneuert 


HO)  B.  J.  VI,  2,  7. 
lllj  ß.  J.  VI,  3,  1-2. 

112)  H.  J.  VJ,  4,  1—2.  Die  Anlegung  des  Feuers  erwähnt  auch  Dio  Gass. 
LXVI,  0,  »chroibt  hIo  aber  den  Juden  zu,  welche  zu  dioseni  Mittel  grillen, 
um  die  Bönier  am  Vordringen  zu  hindern,    Das  klingt  sehr  iinwnlirHclwMiilich. 

113)  B.  J.  VI,  4,  ^. 

114)  B.  J.  VT,  4,  4— ö. 


[530]  §  20.    Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66-73  n.  Chr.).  631 

die  Befehle  zum  Löschen.  Aber  die  Wuth  der  Soldaten  hört  nicht 
mehr  anf  seine  Befehle.  Statt  zu  löschen,  legen  sie  neue  Feuer- 
brände an;  und  das  ganze  herrliche  Werk  wird  rettungslos  ein 
Kaub  der  Flammen.  Dem  Titus  war  es  eben  noch  gelungen,  das 
Innere  zu  besichtigen,  ehe  es  von  den  Flammen  ergriffen  wurde  •'^).| 


115)  B.  J.  VI,  4,  6 — 7.  —  Das  Datum  des  Tempelbrandes  ist  nach  Obigem 
der  10.  Leos  =  Ab,  wie  Josephus  auch  B.  J.  VI,  4,  5  ausdrücklich  angiebt. 
Die  rabbinische  Tradition  setzt  die  Zerstörung  des  Tempels  auf  den  9.  Ab 
{Mischna  Taanith  IV,  6:  n*3TS?n  nrcxns  r^an  ann  nsja  nsirns)  und  zwar 
auf  den  Vorabend  desselben  [b.  Taanith  29" :  -xa  ns^n  ans,  Derenbourg  p.  291), 
d.  h.  nach  unseren  Begriffen  auf  den  8,  Ab.  Sie  betrachtet  also  den  Tag  als 
Zerstörungstag,  an  welchem  Titus  das  Feuer  an  die  Thore  des  Tempelplatzeß 
legen  Hess.  Nach  rabbinischer  Tradition  war  es  gerade  Sabbath-Ausgang, 
raa  "^XSl^,  als  der  Tempel  zerstört  wurde  (s.  oben  S.  35  und  Derenbourg 
]).  291).  Nach  Dio  Cass.  LXVl,  7  wurde  Jerusalem  zertört  iv  aviy  xy  xov 
KqÖvov  yjfi^Qti. 

Nach  der  Darstellung  des  Josephus,  welche  oben  wiedergegeben  ist,  hatte 
Titus  das  eigentliche  Tempelhaus  schonen  wollen  {B.  J.  VI,  4,  3).  Abweichend 
ist  die  Darstellung  des  Sulpieius  Severus  Ghron.  11,30:  Fertur  Titus  adhi- 
bito  consilio  prius  deliberasse,  an  templum  tanti  operis  ecerteret.  Etenim  non- 
nuUis  videbcUur,  aedem  sacratam  ultra  umnia  mortaiia  illustrem  nan  oportere 
deleri,  quae  servata  modestiae  Bomanae  testimoniwn,  diruta  perennem  erudeli- 
tatis  notam praeheret.  At  contra  alii  et  Titus  ipse  evertendum  in  primis 
templum  censebant,  quo  plenius  Judaeorum  et  Christianorum  relif/io  tolle- 
retur:  quippe  has  religiones,  licet  contrarias  sibi,  isdem  tarnen  ab  auctoribus 
profectas;  Christianos  ex  Judaeis  extitisse:  radice  sublata  stirpem  facile  peri- 
turam.  Mit  etwas  anderer  Motivirung  schreibt  auch  Orosius  VII,  9,  5 — 6 
die  Zerstörung  dem  Titus  zu.  Da  nun  Sulpieius  Severus,  wie  Bernays  nach- 
gewief<en  hat,  sonst  aus  Tacitus  schöpft,  so  hat  Bernays  angenommen,  dass 
auch  in  diesem  Punkte  seine  Darstellung  auf  Tacitus'  Historien,  die  uns  für 
diese  Zeit  nicht  erhalten  sind,  zurückgehe  und  den  Vorzug  vor  Josephus  ver- 
diene, der  den  Titus  von  der  «oto  cr^«fe/^^a^^s  habe  befreien  wollen  (Bernays, 
lieber  die  Chronik  des  Sulpieius  Severus,  1861,  S.  48—61  =  Gesammelte  Ab- 
handlungen II,  159—181).  Wie  Bernays  auch:  Gutschmid,  Jahrbb.  für  class. 
Philol.  1863,  S.  711  f.  =  Kleine  Schriften  V,  282  f.  und  ebendas.  IV,  345. 
Stange,  De  Tili  imperatoris  vita  P.  I,  1870,  p.  39—43;  Schiller,  Gesch.  der 
röm.  Kaiserzeit  I,  399.  Thiaucourt,  Revue  des  etudes  juives  t.  XIX,  1889, 
p.  ^ösqq.  Harnack,  Art.  „Sulpieius  Severus"  in  Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl. 
XV,  64f.  Niese,  Histor.  Zeitschr.  Bd.  76,  1896,  S.  203.  H.  Peter,  Die  ge- 
schichtliche Litteratur  über  die  römische  Kaiserzeit  Bd.  I,  1897,  S.  399  f.  La- 
vertujon,  La  Chroniqiie  de  Sulpice  Severe,  /m-e  II,  1899, />.  394— 400.  Schwan- 
kend äussern  sich:  Renan,  Der  Antichrist  S.  405—410,  und  Mommsen, 
Röm.  Gesch.  V,  538  f.  Gegen  Bernays:  Ewald,  Nachrichten  der  Göttinger 
Ges.  der  Wissensch.  1861,  S.  252—260.  Grätz,  Gesch.  der  Juden  III,  4.  Aufl. 
S.  538 f.  und  Hausrath,  Zeitgesch.  2.  Aufl.  III,  474.  Nur  allgemeines  Rai- 
sonnement,  ohne  Eingehen  auf  die  Quellenfrage,  giebt:  Illhardt,  Titus  und 
der  jüdische  Tempel  (Philologus  Bd.  XL,  1881,  S.  189-196)  [Titus  habe  die 
Absicht  gehabt,  den  Tempel  zunächst  zu  erhalten,  um  ihn  zu  beschauen  und 
zu  plündern,  dann  aber  doch  zu  zerstören].    Zu  einer  vermittelnden  Anschau- 


632  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  [531] 

Während  die  Eöiiier  alles,  was  ihnen  in  die  Hände  fiel,  Kinder 
und  Greise,  Priester  und  Nichtpriester,  niedermetzeln  und  den 
furchtbaren  Brand  noch  absichtlich  schüren,  damit  nichts  von  der 
Flamme  verschont  bleibe,  gelang  es  Johannes  von  Gis-chala 
mit  seiner  Zelotenschaar  in  die  Oberstadt  zu  entkommen.  Noch 
ehe  der  Tempel  ausgebrannt  war,  pflanzten  die  Legionen  im  Vor- 
hof ihre  Feldzeichen  auf  und  begrüssten  ihren  Feldherrn  als 
Imperator^  ^6). 


ung  ist  Valeton  auf  Grund  sehr  eingehender  Untersuchungen  gelangt  {I)e 
bedoelingen  van  Keixer  Vespasianus  omtrent  Jeruxalem  en  den  tempel  tijdens  het 
beleg  [  Verslagen  en  Mededeelingen  der  Koninklijke  Akademie  van  Wetenschappen, 
Afdeeling  Letterkunde,  IV.  reeks,  deel  3,  1899,  p.  87 — 116].  Derselbe,  Hieroso- 
lyma  capta  [Mnemosyne  N.  S.  w^.  XXVII,  1899,  p.  78  —  139]).  Valeton  meint, 
dass  Josephus  im  Einzelnen  nichts  positiv  Unrichtiges  sage,  aber  doch  durch 
Verschweigen  wichtiger  Thatsachen  einen  falschen  Schein  erwecke.  Er  ver- 
schweige: 1)  dass  im  Kriegsrath  ausdrücklich  beschlossen  wurde,  den  Tempel 
zu  besetzen,  also  im  Nothfall  mit  Gewalt  zvi  stürmen,  wenn  auch  nicht  zu 
zerstören,  2)  dass  der  Tempel  von  den  Juden  besetzt  war,  also  mit  Gewalt 
erstürmt  werden  musste.  Beides  gehe  aus  Dio  Cass.  LXVI,  6  und  indirect 
auch  aus  Josephus  selbst  (VI,  4,  5.  5,  1)  hervor.  Was  die  Quellen  Verhältnisse 
anlangt,  so  glaubt  Valeton,  dass  der  Bericht  des  Sulpicius  Severus  nicht 
auf  Tacitus,  sondern  seiner  Grundlage  nach  auf  Josephus  zurückgeht.  (Ta- 
citus  giebt  Hisf.  V,  13  die  Zahl  der  Belagerten  auf  6(X),000  an,  Josephus  B. 
J.  VI,  9,  3  die  Zahl  der  bei  der  Belagerung  Umgekommenen  auf  1,100,000; 
ebenso  Sulpicius  Severus  II,  30).  Sulp.  Sev.  habe  aber  den  Josephus  nicht 
direct  benützt,  sondern  durch  Vermittelung  einer  Quelle,  in  welcher  der  Be- 
richt des  Josephus  benützt  und  corrigirt  war  (Antonius  Julianus?).  Diese 
Correctur  entspreche  zwar  der  „höheren  Wahrheit",  gebe  aber  doch  auch  nicht 
genau  die  thatsächliche  Wahrheit  (Vers/,  en  Mededeel.p.  113).  —  Die  Benützung 
des  Tacitus  durch  Sulp.  Sev.  scheint  mir  in  der  That  in  diesem  Falle  schon 
wegen  der  angeführten  Zahlen  nicht  wahrscheinlich.  Ausserdem  kann  aber 
auch  die  im  Munde  des  Titus  unmögliche  Begründung  seines  Gutachtens  nicht 
so  bei  Tacitus  gestanden  haben.  Die  Thatsachen  selbst  dürften  annähernd 
so,  wie  Valeton  es  sich  vorstellt,  verlaufen  sein.  Jenachdem  der  Berichter- 
statter das  Hauptgewicht  darauf  legte,  dass  Titus  den  Tempel  besetzen  (nicht 
als  Ueiligtiium  unberülirt  lassen)  wollte,  oder  darauf,  dass  er  nicht  die  Ab- 
sicht der  Zerstörung  hatte,  konnte  der  Bericht  so  oder  so  gefärbt  werden. 
Eine  bestimmte  Directivc  von  Seite  Vespasian's  (welche  Valeton  annimmt) 
kann  aber  nicht  vorgelegen  haben.  Dann  wäre  ja  die  Berathung  überflüssig 
gewesen. 

116)  Ä  J.  VI,  B,  1—2.  BegrüSHung  des  Titus  als  Imperator:  B.  J.  VI, 
6,  1.  Sueton.  Tit.  6.  Dio  Caaa.  LXVI,  7.  Oroa.  VII,  ü,  (5.  Ueber  die  Bedeu- 
taog  des  Vorganges  bes.  Sueton.  l.  c.  (Titus  kam  in  den  Verdacht,  dass  er 
von  Vespasian  abfallen  und  sich  ziuii  selhständigc^n  Herrn  des  Orientes  machen 
wolle).  —  Näheres  bei  Teuffei  in  Pauly's  Keal-Enc.  VI,  2,  2490.  —  Momni- 
■  en,  Imperutortit«']  des  Titus  (Wiener  Numisniat.  Zeitschr.  Bd.  III,  1871, 
8.  4ft8 — 478).  —  F.  J.  Hoff  mann,  (^omodo  qtiandu  Titus  impcratur  [actus  ait, 
Jiomme  1H83.  —  Chambalu,  Der  Verfflssungsstreit  zwischen  Titus  und  Ves- 


(531.  532]       §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  633 

Mit  dem  Untergange  des  Tempels  war  das  Eroberungswerk 
noch  immer  nicht  vollendet.  Noch  galt  es  die  Oberstadt,  diese  letzte 
Zufluchtstätte  der  Belagerten,  zu  bezwingen.  Aufs  Neue  forderte 
Titus  den  Simon  und  Johannes  zur  Uebergabe  auf.  Die  Be- 
lagerten verlangten  aber  freien  Abzug,  dei"  ihnen  nicht  gewährt 
werden  konnte  i*').  Auf  Befehl  des  Titus  wurden  nun  die  von 
den  Römern  besetzten  Stadttheile:  der  Ophla,  das  Archiv,  das 
Rathhaus,  die  Unterstadt  bis  zum  Siloah,  in  Brand  gesteckt, 
während  |  gleichzeitig  die  Tyrannen  in  der  Oberstadt  mordeten 
und  plünderten  ^'^). 

Da  an  freiwillige  Ergebung  der  Belagerten  nicht  zu  denken 
war,  musste  uoch  einmal  zur  Errichtung  von  Wällen  geschritten 
werden.  Sie  wurden  theils  an  der  nordwestlichen  Ecke  der  Ober- 
stadt beim  Herodespalast,  theils  an  der  nordöstlichen  Ecke  in  der 
Nähe  des  sogenannten  Xystos  angelegt.  Am  20.  Leos  (Ab,  etwa 
August)  begann  der  Bau;  am  7.  Gorpiaios  (Elul,  etwa  September) 
war  er  vollendet.  Die  Sturmböcke  stiessen  bald  eine  Lücke  in 
die  Mauer,  durch  welche  die  Soldaten  mit  leichter  Mühe  eindrangen, 
da  die  Belagerten  in  ihrer  verzweifelten  Lage  keinen  ernsten 
Widerstand  mehr  leisteten''^).  Ein  Theil  machte  den  Versuch, 
sich  durchzuschlagen  und  die  Einschliessungsmauer  beim  Siloah  zu 
durchbrechen.  Sie  wurden  aber  zurückgewiesen  und  flüchteten 
sich  in  die  unterirdischen  Ciänge.  ünterdess  wurde  die  ganze  Ober- 
stadt von  den  Römern  besetzt.  Die  Feldzeichen  wurden  aufge- 
pflanzt und  der  Siegesgesang  angestimmt.  Mordend,  brennend  und 
plündernd  durchzogen  die  Soldaten  die  Stadt.  Nach  fünfmonat- 
licher Belagerung,  nachdem  man  Schritt  für  Schritt  mühsam  vor- 
dringend eine  Stellung  nach  der  andern  hatte  erringen  müssen, 
war  endlich  am  8.  Gorpiaios  (Elul,  etwa  September)  die  ganze 
Stadt  in  den  Händen  der  Sieger '^o). 

Wer  von  den  Einwohnern  noch  nicht  dem  Hunger  oder  Schwerte 
zum  Opfer  gefallen  war,  wurde  hingerichtet  oder  in  die  Bergwerke 
geschickt  oder  zu  Gladiatorenkämpfen  bestimmt.  Die  schönsten  und 
kräftigsten  Männer  wurden  für  den  Triumph  auserlesen.   Unter  den 


pasian  (Philologus  Bd.  XLIV,  1885,  S.  123— 131).  —  Pick,  Der  Imperatortitel 
des  Titus  (Saliet's  Zeitschr.  für  Numismatik  Bd.  XIII,  1885,  S.  190-238). 
Hierzu  Schiller  in  Bursian's  Jahresber.  Bd.  52,  S.  17— 25.  —  Mommsen,  Zu 
den  Münzen  des  Titus  (Saliet's  Zeitschr.  für  Numism.  Bd.  XIV,  1887,  S.  31 
bis  35). 

117)  B.  J.  VI,  6,  2—3. 

118)  B.  J.  VI,  6,  3.    7,  2-3. 
110)  B.  J".  VI,  8,  1—5. 

120)  B.  J.  VI,  8,  5.     10,  1. 


634  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).       [532.  533] 

Flüchtlingen,  welche  vom  Hunger  getrieben  aus  den  unterirdischen 
Gängen  hervorkamen,  fand  man  auch  Johannes  von  Gis-chala. 
Da  er  um  Gnade  bat,  schenkte  man  ihm  das  Leben,  warf  ihn 
aber  auf  Lebensdauer  ins  Gefängniss.  Erst  geraume  Zeit  später 
wurde  auch  Simon  Bar-Giora  ergrifi'en.  Er  wurde  als  Opfer 
für  den  Triumph  aufbewahrt ^^i).  Die  Stadt  wurde  dem  Erdboden 
gleichgemacht.  Nur  die  drei  Thürme  des  Herodespalastes :  Hippi- 
kos,  Phasael  und  Mariamme,  und  einen  Theil  der  Mauer  liess  man 
stehen,  erstere  als  Denkmäler  der  einstigen  Festigkeit  der  Stadt, 
letztere  als  Schutz  für  die  zurückbleibende  Besatzung.  Durch  eine 
Lobrede  auf  das  Heer,  Belohnung  hervorragender  Waflfenthaten, 
Dankopfer  |  und  Festschmaus  feierte  Titus  den  schwer  und  mit 
vielen  Opfern  errungeneu  Sieg '22)^ 

5.  Das  Nachspiel  des  Krieges  (71  —  73  n.  Chr.). 

Während  die  zehnte  Legion  als  Besatzung  in  Jerusalem  zurück- 
blieb, zog  Titus  mit  dem  übrigen  Theil  des  Heeres  nach  Cäsarea 
(am  Meere),  wo  die  Beute  niedergelegt  und  die  Gefangenen  in  Ge- 
wahrsam gebracht  wurden'^s).    Von  da  ging  Titus  nach  Cäsarea 


121)  B.  J.  VI,  9,  2.  4.    VII,  2,  1—2. 

122)  B.  J.  VII,  1,  1 — 3.  —  Von  den  drei  Thürmen  des  Herodespalastes  ist 
noch  heutzutage  einer  (nach  gewöhnlicher  Annahme  der  Hippikos,  nach  Schick 
der  Phasael)  unter  dem  Namen  „Davidstliurin"  erlialten.  Eine  genaue  Beschrei- 
bung giebt  Schick,  Zeitschr.  des  deutschen  Palästina-Vereins,  I,  226  ff.  Ab- 
bildungen z.  B.  in  Riehm's  Handwürterb.  I,  210  (Art.  „Burg");  Ebers  und 
Gut  he,  Palästina  Bd.  I,  S.  9. 

123)  B.  J.  VII,  1,  2—3.  —  Die  zehnte  Legion  stand  noch  zur  Zeit  des  Die 
Caasius  (Anfang  des  dritten  Jahrhunderts  n.  Chr.)  in  Judäa,  IHo  Cass.  LV, 
23.  Erst  Eusebius  erwähnt  sie  als  Besatzung  von  Aela  am  rothen  Meere  {Euseb. 
Onomast.  ed.  Lagarde  p.  210).  Inschriften,  aufweichen  sie  erwähnt  wird,  sind 
in  neuerer  Zeit  mehrfach  in  JoruHalem  gefunden  worden.  1)  Eine  kurze  und 
fragmentarische  ist  um  ausführiiclisten  besprochen  von  Glcrmont-  Ganneati, 
Comptes  rendtis  de  l'Acadimie  des  Insrriptwns  et  Bellcs-Lcttres  de  l'annie  1872, 
p.  1(33 — 170.  Dieselbe  auch  in:  Palestine  Exploration  Fuiid  Quarterly  Statement.« 
1871,  103.  Ephemcria  epigr.  II  p.  292  w.  345.  Corp.  Inscr,  hat.  111  Suppl.  v. 
♦W38.  The  Surrcy  of  Western  Palestine,  Jerusalem  p.  427.  2)  Eine  andere,  et- 
wa« nmfangreichcrc  ist  eingehend  behandelt  von  Zangemeistor,  Zeitschr. 
dea  DPV.  X,  1887,  S.  49-63.  XI,  1888,  S.  138.  Dieselbe  auch  bei  Merrill, 
Quarterly  Statements  1886,.  73.  Gorp.  Insor.  Lat.  111  Suppl.  n.  ()641.  Harris, 
8ome  interesting  Syrian  and  Palestinian  insoriptions,  1891,  p.  7  (hier  8.  (5—17 
nach  anderes  Material  zur  Gesch.  der  10.  Legion).  3)  Eine  dritte:  Quarterly 
Statement»  1898,  p.  36.  4)  Auch  Ziegel  mit  dem  Stempel  der  J^g.  X  Fre- 
tenei»  sind  unter  dem  Bchuttzum  Vorschein  gekoinineii.  S.  Glermont-Oan- 
neau,  Campte»  rendu»  de  VAcad.  des  Insor.  et  Brllcs-Lcltres  1872,  p.  158— 1(J3. 
Ephemeris  epigr.  II,  p.  203  n.  340.    Und.  I.  V  p.  (ilH  //.  1441.     Corp.  Imcr.  Lat. 


[533.  534]       §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  635 

Philip pi,  wo  ein  Theil  der  Gefangenen  Thierkämpfe  und  Gladia- 
torenspiele aufführen  musste'^^).  in  Cäsarea  aiu  Meere,  wohin  er 
sich  wieder  zurück  begab,  feierte  er  den  Geburtstag  seines  Bruders 
Domitian  (24.  October)  abermals  durch  glänzende  Spiele.  Ebenso 
in  Berytus  den  seines  Vaters  Vespasian  (17.  November).  Nach 
einem  längeren  Aufenthalte  in  Berytus^^s)  zogTitus  nach  Antiochia, 
unterwegs  in  den  Städten  überall  Spiele  feiernd,  bei  welchen  die 
jüdischen  Gefangenen  als  Gladiatoren  sich  gegenseitig  abschlachten 
nuissten.  Nach  kurzem  Aufenthalt  in  Antiochia  zog  er  weiter  nach 
Zeugma  am  Euphrat  und  von  da  wieder  zurück  nach  Antiochia; 
von  hier  nach  Aegypten.  In  Alexandria  entliess  er  die  Legionen. 
Von  den  Gefangenen  wurden  700  von  auserlesener  Schönheit,  sowie 
die  Anführer  Simon  und  Johannes  für  den  Triumph  bestimmt» 2 6), 
Nun  segelte  Titus  nach  Rom^^v),  wurde  von  seinem  Vater  und 
dem  Volke  mit  Jubel  empfangen  und  feierte  gemeinsam  mit  seinem 
Vater  und  Bruder  (im  J.  71)  einen  Triumph,  obwohl  der  Senat 
jedem    von    ihnen    einen   eigenen  zuerkannt  hatte ^^s).     Bei   dem 

III  Suppl.  n.  6651.  Gii  the,  Zeitschr.  des  DPV.  V,  1882,  Taf.  X  Fig.  A.  Merrill 
Quarterly  Statements  1885,  133.  Bei  neueren  Grabarbeiten  sind  überliaupt 
„eine  Anzahl  von  Ueberresten  der  zehnten  Legion"  gefunden  worden  (a  num- 
ber  of  relics  of  the  tenth  legion,  s.  Merrill,  Quarterly  Statements  1886,  72). 
Den  reichsten  Ertrag  lieferte  eine  grosse,  katakombenartige  Grabanlage  auf 
dem  Oelberge,  in  welcher  zahlreiche  Ziegel  mit  dem  Stempel  LXF  oder 
LXFre  gefunden  wurden,  die  als  Deckel  bei  einzelnen  Gräbern  verwendet 
waren  (s.  Schick,  Zeitschr.  des  DPV.  XH,  1889,  S.  198—199).  Ueber  zwei 
Ziegel  mit  Figuren  (der  eine  mit  einem  Schiff,  der  andere  mit  einem  Eber) 
8.  Michon,  Revue  biblique  t,  IX,  1900,  p.  101—105.  5)  Ueber  eine  Münze  der 
L.  X.  F.,  welche  in  Jerusalem  gefunden  wurde,  s.  de  Saulcy,  Eevtie  archeol. 
Nouvelle  Serie  t.  XX,  1869,  p.  251 — 260;  ders.,  Numismatique  de  la  Terre 
Sainte  p.  83  sj.  pl.  V  w.  3,  —  Ausserhalb  Jerusalems,  aber  in  Palästina 
kommen  Erwähnungen  der  zehnten  Legion  vor:  1)  Auf  einer  Inschrift  zu 
Amman  (Philadelphia):  [AJey  ösxätTjg  <P[qsz]  Pogöiüvriq,  The  Survey  of  Eastern 
Pal.  I  jo.  54,  dazu  Clermont-Ganneau,  Revue  archeol.  trois.  Serie  t.  XXVIII, 
1896,  p.  346.  2)  Auf  einer  Inschrift,  deren  Fundort  unsicher  ist  (nach  neueren 
Informationen  Clermont-Ganneau's  wahrscheinlich  Gadara) :  imp.  Caes.  Traian. 
Hadriano  Aug.  P.  P.  leg.  X  fret.  coh.  I,  s.  Clermont-Ganneau,  Comptes 
rendus  de  l'Acad.  des  Inscr.  1894,  p.  261.  Ders.,  Etudes  d'archeologie  Orientale 
t.  I,  1895,  p.  168—171.  Ders.,  Recueil  d' archeol.  Orientale  II,  299-302.  Auf 
dem  Steine,  welcher  sich  jetzt  in  Paris  befindet,  sind  auch  Figuren  eingegraben, 
u.  A.  Neptun  mit  dem  Dreizack,  woraus  man  schliessen  darf,  dass  die  Legion 
ihren  Beinamen  vom  Meere  hat  (Michon,  Revue  bibl.  l.  c.\ 

124)  B.  J.  VII,  2,  1. 

125)  B.  J.  VII,  3,  1:  ygoviatsgav  inonjaaxo  t^v  miSrj(x.lav. 

126)  B.  J.  VII,  5,  1-3. 

127)  Die  Ankunft  des  Titus  in  Eom  setzt  Chambalu  (Philologus  XLIV, 
1885,  S.  507—517)  „etwa  Mitte  Juni  71". 

128)  B.  J.  VII,  5,  3—7.    Dio  Cass.  LXVI,  7.    Der  Triumphbogen  des  Titus, 


636  §  20.    Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).       [534.  535] 

Triumphe  wurde  der  feindliche  Anführer  Simon  Bar-Giora  nach 
alter  Sitte  |  vom  Festzuge  weg  nach  dem  Carcer  geschleppt  und 
dort  hingerichtet  ^  29)^  Unter  den  Beutestücken,  welche  beim  Triumph- 
zuge einhergetragen  wurden,  befanden  sich  auch  die  beiden  kost- 
baren goldenen  Geräthe  aus  dem  Tempel  zu  Jerusalem:  der  Schau- 
brodtisch und  der  siebenarmige  Leuchter  ^^o)^    Vespasian  Hess  sie 


der  noch  heute  steht,  ist  erst  nach  dem  Tode  des  Titus  divo  Tito  errichtet 
worden.  Eine  Abbildung  und  Beschreibung  desselben  s.  unter  anderem  bei 
Reber,  Die  Ruinen  Roms  und  der  Campagna,  1863,  S.  397 — 400.  Beschrei- 
bung auch  bei  S.  Reinach,  Uare  de  Titus  {Ades  et  Conferences  de  la  Societe 
des  etudes  jiiives  [Beilage  zur  Revue  des  etudes  juives]  1890,  p.  LXV — XCI). 
Berliner,  Geschichte  der  Juden  in  Rom  I,  108 — 110.  lieber  die  Reliefs  bes. 
Philippi,  Ueber  die  römischen  Triumphalreliefe  und  ihre  Stellung  in  der 
Kunstgeschichte  (Abhandlungen  der  philol.-hist.  Classe  der  sächs.  Gesellsch. 
der  Wissensch.  Bd.  VI,  1874,  S.  245—306;  mit  Abbildungen:  Tafel  II— III). 
—  In  der  Aufschrift  des  Titusbogens  {Corp.  Inscr.  Lat.  t.  YI  n.  945)  wird  des 
jüdischen  Krieges  nicht  gedacht.  Dagegen  trug  ein  anderer,  im  14./15.  Jahr- 
hundert zerstörter  Titusbogen,  welcher  im  Circus  Maximus  gestanden  hatte, 
folgende  pomphafte  und,  soweit  es  sich  um  die  frühere  Geschichte  Jerusalems 
handelt,  unwahre  Inschrift  (datirt  vom  J.  81  n.  Chr.,  erhalten  durch  eine 
Handschrift  von  Einsiedeln):    Senatus  populusque  Romanus  imp.  Tito  Caesari 

divi  Vespasiani  f.  Vespasiano  Äugusto quod  praeceptis  patri{is)  consiliis- 

que  et  auspiciis  gentern  Jicdaeorum  domuit  et  urbem  Hierusolymam  omnibus  ante 
se  ducibus  regilms  gentibus  aut  frustra  petitam  aut  omnino  intemptatam  delevit 
(Piper,  Jahrbb.  für  deutsche  Theol.  1876,  S.  52—54;  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  VI 
«.944;  Darmesteter,  Revue  des  ettides  juives  t.  I,  1880,  p.  35  sq.;  de  Rossi, 
Inscriptiones  christianae  urbis  Romae  vol.  II,  1,  1888,  p.  25  n.  31;  über  die 
Echtheit:  Mommsen,  Berichte  der  sächs.  Gesellschaft  der  Wissensch.  philol.- 
hist.  Gl.  1850,  S.  303).  —  Die  Münzen  des  Vespasianus,  Titus  und  Domitianus 
mit  der  Aufschrift:  lovöuiaq  ealwxvcag,  Judaca  devicta,  Jiidaea  capta  und  ähn- 
lichen 8.  am  vollständigsten  bei  Madden,  Coins  of  the  Jeirs  1881,  p.  207—229. 
Vgl.  auch:  De  Sau  leg,  Recherches  sur  la  Numismatique  Judaique  p.  155  sj. 
Dera.,  Numismatique  de  la  Terre  Sainte  p.  79  sq.  Madden,  Historg  of  Jeivish 
Coinage  p.  183—197.    Ders.,  Numismatic  Chronicle  1876,  p.  45—55. 

129)  B.  J.  Vn,  5,  6.  Dio  Cass.  LXVI,  7.  —  Simon  wurde  „nach  dem 
über  dem  Forum  gelegenen  Ort"  geschleppt  {B.  J.  VII,  5,  6:  elq  zdv  inl  rtjg 
äyoQttt  iavQtxo  xonov).  Hierzu  bemerkt  Havercamp  richtig:  seil,  carcerem, 
quem  Livius  dicit  Foro  imminere.  Der  carcer  Mamertimis  lag  am  Forum. 
Hier,  und  zwar  in  dcHsen  unterem  Thoile,  dem  Tullianum,  wurden  z.  B.  aucli 
Jugurtha  und  die  catilinariHchen  Verschworenen  erdrosselt.  Uoborliaupt  i)flegte 
man  dort  Kriegsgefangene  durch  den  Strang  liinzurichteii.  IVcbcll.  Putlio, 
Tyranni  triginta  c.  22  (in:  Scriptores  Hisloriac  Angustae  cd.  Peter):  stratuju- 
lalus  in  carcere  captivorum  veterum  morc.  Ueber  den  Carcer  h.  Pauly'sReal- 
Enc.  Art.  Tullianum,  Gs^ll-Fels,  Rom  (1.  Aufl.)  11,  200fr.  Die  Werke  von 
Becker,  Jordan,  (iilbcrt  übc^r  die  Topograpliio  von  Rom,  Ilirsclifold, 
Blteungiberichte  der  Berliner  Akad.  1891,  S.  857  f.  Hülsen  in  Pauly-WiHso- 
wa'N  Real-Enc.  HI,  1081  f.    (Art.  carcen. 

180)  B.  .1.  vn,  '..  .',.     Ein.'  Abbildung   (I<t   Weiden  Stücke  ist  noch  iieuto 


[535]  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  637 

nachher  in  dem  von  ihm  erbauten  Tempel  der  Friedensgöttin  [Eiq/jv/], 
Fax)  aufbewahren '  ^ '),  der  unter  Commodus  niederbrannte  '3'^).  Ihren 
späteren  Aufbewahrungsort  kennen  wir  nicht.  Es  ist  aber  wahr- 
scheinlich, dass  sie  bei  der  Plünderung  Roms  durch  die  Vandalen 
im  J.  455  n.  Chr.  von  Geiserich  nach  Afrika  gebracht,  und  von 
da  durch  Belisar,  als  dieser  im  J.  534  dem  Vandalenreich  ein  Ende 
machte,  nach  Constantinopel  übergeführt  wurden i^s). 

Zur  Feier  des  Triumphes  gab  dem  Titus  die  Bezwingung  der 
Hauptstadt  allerdings  ein  Recht.  Aber  völlig  unterworfen  war 
Palästina  nach  nicht  Denn  noch  waren  die  Festungen  Herodeion, 
Machärus  und  Masada  in  den  Händen  der  Aufständischen.  Sie 
zu  bezwingen  wai-  die  Aufgabe  des  nunmehrigen  Statthalters  von 


auf  den  Reliefs  des  Titusbogena  zu  sehen  (s.  über  diesen  die  vorige  Anm.). 
Vgl.  dazu:  Eeland,  De  spoliü  templi  Hierosolymitani  in  areu  TUiano  Romae 
conspicuis,  Traj.  ad  Rh.  1716.  Neue  Ausgabe  von  Schulze  1775.  (Auch  in 
Ugolini  Thesaurus  t.  IX).  Sonstige  Literatur  über  den  Schaubrodtisch  und 
den  Leuchter  s.  unten  Bd.  II,  S.  286  f. 

131)  B.  J.  VII,  5,  7.  Der  Tempel  der  Fax  wurde  erst  im  J.  75  eingeweiht 
{Dio  Gass.  LXVI,  15).  —  Ein  in  Jerusalem  erbeutetes  Gesetzbuch  und  die 
purpurnen  Vorhänge  aus  dem  Tempel  Hess  Vespasian  in  seinem  Palaste  auf- 
bewahren {B.  J.  l.  c.) 

132)  Herodian.  I,  14,  2. 

133)  Vgl.   über   diese   späteren  Schicksale  der  Beutestücke:  Reland  l.  c. 
p.  133—138.    Gregorovius,  Geschichte  der  Stadt  Rom  im  Mittelalter  Bd.  I, 
2.  Aufl.  S.  201 — 204.     Sal.  Reinach,  Actes  et  Conferences  de  la  Societe  des  ettules 
jtiives  1890,  p.  LXXXIW sqq.    Berliner,  Gesch.  der  Juden  in  Rom  Bd.  I,  1893, 
S.  106 — 108.  —  Schon  unter  den  Schätzen,  welche  Alarich  in  Carcasson  auf- 
gehäuft hatte,  befanden  sich  „Kostbarkeiten  des  Königs  Salomo",  nämlich  viele 
mit  Edelsteinen  geschmückte  Geräthe,  welche  die  Römer  einst  aus  Jerusalem 
gebracht    hatten  [ngaaia    yuQ    Xi&og   avtcüv   xa    noXXa  ixalkvaniCev,  aiteg  i^ 
'^IspoaoXvfiOJV  PwfiaZoi  xo  nakaibv  elXov,  Frocop.  de  hello  Gothico  I,  12,  opp.  ed. 
Dindorf  t.  II  p.  67).     Aber  anderes,  und  darunter  wie  es  scheint  die  Tempel- 
geräthe,   muss  in  Rom  geblieben  sein,   denn  Geiserich  nahm  bei  der  Plün- 
derung Roms  im  J.  455  unter  Anderem  mit:  xsi/xi^lta  bXoxQvaa  xal  diäXi&a 
ixxXrjaiaaxixd,  xal  axevrj  ^EßgaCxu,  uneg  o  Oveanaatavov  Tixog  (leia  xtjv  aAö>- 
aiv  legoaokvfjKov  eiq  ''PwfXTjv  Tjyayev,  Theophanes,  Chronographia  rec.  de  Boor  f. 
I,  1883,  p.  109,   ebenso   Qeorgius  Cedremts  ed.  Bekker  t.  I  p.  606.    Änastasius 
Biblioth.   in    de   Boor's  Ausg.    des  Theophanes  II,   109.     Eben   diese  Stücke 
brachte  Belisar  im  J.  534  aus  Karthago  nach  Constantinopel  [Frocop.  de  hello 
Vandalico  II,  9  opp.  ed.  Dindorf  t.  I,  p.  AAbsq.:  iv  xoTg  xal  xä  'lovSalcav  xei- 
fjiriXia   tjv   ansQ    Ovsanaaiavov    Tlxoq  (Jtsxa   xijv  xwv  ""IsgoaoXvfiiov  aXwaiv  ig 
P(ufiT]v  ^vv  kxtQOig  xialv  rjveyxe,    ebenso   Theophanes,  Chronogr.  ed.  de  Boor  I, 
199,  und  Anastasius  Biblioth.  ebendas.  II,  138).    Als  ein  Jude  diese  sah,  soll 
er  einen  Vertrauten  des  Kaisers  darauf  aufmerksam  gemacht  haben,  dass  der 
widerrechtliche  Besitz  der  Stücke  das  Unheil  Rom's  und  Karthago'.^  gewesen 
sei,   worauf  Justinian  sie  alsbald  nach  Jerusalem  [ig  xwv  Xgiaxiavwv  xa  iv 
leQoaoXvftotg  Uqu)  bringen  Hess.    So  erzählt  Frocop.  l.  c. 


g38  §  20.    Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).      [535.  536] 

Palästina,  Liicilius  Bassus.  Bei  Herodeion  scheint  ihm  dies 
ohne  Schwierigkeiten  gelungen  zu  sein^^*).  Länger  währte  die  Be- 
lagerung von  Machärus^^^).  Doch  ergab  sich  auch  dieses,  noch 
ehe  es  zum  Sturm  kam,  gegen  Gewährung  freien  Abzuges.  Den 
Entschluss  zur  Uebergabe  soll  zuletzt  die  Gefangennahme  eines ! 
Jünglings,  Namens  Eleasar,  der  sich  bei  der  Vertheidigung  be- 
sonders hervorgethan  hatte,  zur  Reife  gebracht  haben.  Bassus 
drohte,  ihn  im  Angesicht  der  Stadt  zu  kreuzigen;  und  um  dies  zu 
verhindern,  übergaben  die  Juden  die  Stadt i^^).  Inzwischen  start) 
Lucilius  Bassus.  Seinem  Nachfolger  Flavius  Silva  fiel  die  Auf- 
gabe zu,  Masada  zu  nehmen' 3').    In  dieser  Festung  hatten  sich 

134)  B.  J.  VII,  6,  1.  —  Ueber  die  Lage  von  Herodeion  s.  oben  S.  390. 

135)  Machärus,  griech.  MaxaiQovq  (so  Josephus,  Strabo  XVJ,  2,  AO p.  IdB, 
Stephanus  Byx.  s.  v.),  heisst  im  semitischen  Meehawar,  "ni2?3  oder  "nsr-a  (in  der 
Mischna  Tamid  III,  8  haben  editio  princeps,  Cambridger  Handschrift  und  cod. 
de  Rossi  138  "ilisa,  Aruch  nnsa ;  beide  Formen  kommen  auch  sonst  vor,  doch 
ist  "nisa  das  gewöhnlichere.  Die  Aussprache  "ili?p,  Meehawar,  wie  in  cod.  de 
Rossi  138  punktirt  ist,  wird  bestätigt  durch  die  Lesart  "i11N3^,  welche  eine 
Münchener  Handschrift  Joma  39«  hat,  s.  Levy,  Neuhebr.  Wörterb.  III,  111  f. 
üeberhaupt:  Ldghtfoot,  Opp.  II,  582).  Dieser  semitischen  Form  kommen  am 
nächsten:  MaxaßsQ(oq  {Parthey,  Hieroclis  Synecdemus  et  Notitiae  graeeae  epis- 
copatuum  1866  p.  93)  und  Machaveron  (als  Accusativform,  Toller  et  Molinier, 
Itinera  Hierosolymitana  1879,  p.  326).  —  Nach  Bell.  Jud.  VII,  6,  2  war  Ma- 
chärus bereits  von  Alexander  Jannäus  befestigt  worden,  Gabinius  schleifte 
die  Festung  {Antt.  XIV,  5,  4.  B.  J.  I,  8,  5).  Herodes  d.  Gr.  befestigte  es 
aufs  Neue  (JB.  J.  VII,  6,  2).  üeber  seine  Bedeutung  s.  Plinius,  Hist.  Nat.  V, 
16,  72:  Machaerus,  secunda  quondam  arx  Judaeae  ah  Hierosolymis.  — 
Es  lag  an  der  südlichen  Grenze  von  Peräa  {B.  J.  III,  8,  3)  gegen  Arabien  hin/ 
(Antt.  XVIII,  5,  1).  Ohne  Zweifel  ist  es  das  heutige  Mkaur  östlich  vom 
todten  Meere.  S.  Seetzen,  Reisen  durch  Syrien  II,  330  ff.  IV,  378 f.  Ritter, 
Erdkunde  XV,  1,  577f.  Raumer,  Palästina  S.  264.  Keim,  Geschichte  Jesu 
I,  578  fr.  Hausrath,  Neutestamentl.  Zeitgesch.  2.  Aufl.  I,  329 f.  Parent, 
Machaerous,  Paris  1868  (227  p.).  Tristram,  The  Land  of  Moab  ed.  2.,  1874, 
p.2bZ8qq.  Duc  de  Luynes,  Voyage  d' Exploration  ä  lamer  niorte,  ä  Petra  et 
»ur  la  rive  gauche  du  Jourdain,  Paris  s.  a.  [1874],  Atlas,  Tafel  36 — 39.  Bä- 
deker-Socin,  Palästina  3.  Aufl.  8.  192 f. 

136)  B.  J.  VII,  6,  1-4. 

137)  Ueber  Masada  (d.  li.  >Tisa  Bergfeste,  bei  Strabo  XVI,  2,  44  p.  764 
(Orrumpirt  Moaaada)  h.  bes.  die  eingehende  Monographie  von  Tuch,  Masada, 
die  herodiuiiiHche  FolHcnfcHte,  nach  Fl.  Josephus  und  neueren  Beobachtungen, 
Leipzig  1863  (39  8.  4).  —  Es  soll  schon  von  dem  Iloliciipriestcr  Joiuithan  be- 
festigt worden  sein  [B.  J.  VIT,  8,  3),  was  aber  nicht  möglich  ist,  da  dessen 
Herrschaft  sich  nicht  so  weit  erstreckte;  zur  Zeit  Ilyrkan's  II  um  42  v.  Chr. 
wird  es  uIh  wichtige  Festung  erwähnt  (Antt.  XIV,  11,  7.  B.  J.  I,  12,  1);  bei 
dem  Einfall  der  l'arthcr  in  PalfisÜDa  diente  es  den  Angehörigen  des  Ilerodcs 
hIm  Michcrc  ZufluchUstatto  (,Antt.  XTV,  13,  8  f.  14,  6.  15,  1  f.  Bell.  Jud.  1, 13, 
7  f.  15,  1.  15,  3  f.).  Herodes  der  Gr.  befestigte  es  aufs  Neue  {B.  J.  VII,  8,  3). 
—  Na«li  //  ■/.  VII,  8,  3  lag  es  nahe  nni   westlichen  Ufer  des  todten  Meeres, 


[536.  537]       §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66-73  n.  Chr.).  639 

gleich  im  Beginn  des  Krieges  die  Sikarier  unter  Führung  Eleasar 's, 
des  Sohnes  Jairi  und  Nachkommen  des  Judas  Galiläus  ^^8)^  fest- 
gesetzt und  seitdem  behauptet.  Die  Belagerung  war  äusserst 
schwierig,  da  der  Fels,  auf  welchen  die  Stadt  gebaut  war,  nach 
allen  Seiten  so  hoch  und  jäh  abfiel,  dass  die  Annäherung  von  Be- 
lagerungsmaschinen fast  unmöglich  war.  Nur  an  einer  Stelle  — 
und  auch  hier  nur  nach  schwierigen  und  kunstvollen  Vorberei- 
tungen —  gelang  es,  einen  Mauerbrecher  aufzustellen.  Als  dieser 
eine  Lücke  in  die  Mauer  gestossen  hatte,  hatten  die  Belagerten 
hinter  derselben  bereits  ein  anderes  Bollwerk  von  Holz  und  Erde 
errichtet,  das  wegen  seiner  Elasticität  durch  den  Mauerbrecher 
gar  nicht  zerstöribar  war.  Aber  durch  Feuer  gelang  es,  auch 
dieses  Hinderniss  zu  beseitigen.  Als  Eleasar  sah,  dass  der  Sturm 
nicht  mehr  abzuweisen  sei,  hielt  er  eine  Ansprache  an  die  Be- 
satzung, in  welcher  er  sie  aufforderte,  zuerst  ihre  Angehörigen  zu 
ermorden  und  dann  sich  selbst  gegenseitig  den  Tod  zu  geben. 
Also  geschah's.  Wie  die  Bömer  einzogen,  gewahrten  sie  mit  Grauen, 
dass  ihnen  keine  Arbeit  mehr  übrig  blieb.  So  war  auch  das  letzte 
Bollwerk  des  Aufstandes  überwunden  (April  73  n.  riir.)*^'). 


nach  B.  J.  IV,  7,  2  nicht  weit  von  Engedi.  Ebenso  Piinius,  Bist.  Nat.  V,  17, 
73:  Inde  (seil,  von  Engedi  aus)  Masada  castellum  in  rupe  et  ipsum  haut  proeul 
Asphaliite.  Hiernach,  und  nach  der  Beschreibung,  welche  Josephus  B.  J.  VII, 
8,  3  von  der  Oertiichkeit  giebt,  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  es  mit  dem  heu- 
tigen S  ebb  eh  am  westlichen  Ufer  des  todten  Meeres  südlich  von  Engedi 
identisch  ist,  wie  zuerst  Smith  und  Robinson  erkannt  haben.  Die  Belage- 
rungsarbeiten der  Römer  vom  J.  73  sind  dort  noch  heute  deutlich  zu  erkennen. 
S.  überhaupt:  Robinson,  Palästina  II,  477  fl".  Wolcottuud  Tipping  in  der 
Zeitschr.  Bibliotheca  sacra,  New  York  1843  (war  mir  nicht  zugänglich).  Ritter, 
Erdkunde  XV,  1,  S.  655  ft".  De  Sauley,  Vuyage  autour  de  la  mer  morte,  Paris 
1853,  Bd.  I,  S.  199  fr.,  nebst  Atlas  pl.  XI— XIII.  Rey,  Voyafje  dans  le  Haou- 
ran  et  atix  bords  de  la  mer  morte  execute  pendant  les  annees  1857  et  1858  {Paris 
s.  a.),  Atlas  pl.  XXV — XXVI.  Tuch  a.  a.  O.  Sepp,  Jerusalem  und  das 
heilige  Land  2.  Aufl.  Bd.  I,  1873,  S.  821  ff.  (mit  Plan  und  Ansichten).  Bä- 
deker-Socin,  Palästina  3.  Aufl.  S.  143 — 144  (mit  Plan).  The  survey  of  Western 
Palestine,  Memoirs  by  Conder  and  Kitchener  III,  418 — 421  (mit  zwei  Plänen 
und  einer  Ansicht);  dazu  Bl.  XXVI  der  grossen  englischen  Karte,  v.  Do- 
maszewski,  Die  Principia  des  römischen  Lagers  (Neue  Heidelberger  Jahrbb. 
IX,  1900,  S.  141  ff.)  [beschreibt  das  Lager  des  Silva  nach  eigener  Aufnahme]. 

138)  B.  J.  II,  17,  9.    VII,  8,  1. 

139)  B.  J.  VII,  8,  1—7.  9,  1—2.  —  Nach  VH,  9,  1  geschah  der  Selbstmord 
der  Besatzung  von  Masada  am  15.  Xanthikos  (Nisan,  etwa  April).  Das  Jahr 
wird  nicht  genannt.  Da  aber  schon  zuvor  (VII,  7,  1)  das  vierte  Jahr  Vespa- 
sian's  erwähnt  wird,  welches  am  1.  Juli  72  begann  (vgl.  Tacit.  Eist.  II,  79),  so 
muss  die  Eroberung  Masada's  in  das  Frühjahr  73  fallen.  Vgl.  Ewald j  VI, 
811.  —  Niese  (Hermes  XXVIII,  1893,  S.  211  f.)  glaubt  wegen  des  Zusammen- 
hangs   der  Ereignisse    die  Einnahme  Masada's  in  das  Frühjahr  72  setzen  zu 


640  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (60—73  n.  Chr.).  [537] 

Nach  dem  Falle  Masada's  kam  es  auch  noch  in  Alexandria 
und  in  Cyrene  zu  jüdischen  Unruhen;  und  die  ersteren  hatten  die 
Schliessung  des  Oniastempels  in  Leontopolis  zur  Folge  i^*^).  Aber 
diese  Nachzuckungen  des  grossen  Aufstandes  im  Mutterlande  sind 
neben  diesem  kaum  der  Rede  werth.  Das  Schicksal  Palästina's  war 
mit  Masada's  Eroberung  besiegelt.  Das  Land  behielt  Vespasian  als 
Privateigenthum  und  Hess  es  für  eigene  Rechnung  verpachten*^'). 
Nur  an  800  Veteranen  vertheilte  er  Grundbesitz  in  Em  maus  bei 
Jerusalem** 2).    Die   bisherige  Terapelsteuer  von  zwei  Drachmenl 


müssen.  Das  4.  Jahr  Vespasians  gewinnt  er,  indem  er  annimmt,  dass  Jo- 
sephus  die  Kaiserjahre.  vom  L  Xanthikos  an  gerechnet  habe,  und  indem  er 
für  Vespasian  nicht  wie  bei  Nero  eine  Post-Datierung,  sondern  eine  Ante- 
Datierung  annimmt  (Beginn  des  1.  Jalires  am  1.  Xanthilios  69,  während  Ves- 
pasian factisch  erst  am  1.  Juli  69  zum  Kaiser  ausgerufen  wurde).  Diese 
Rechnung  ist  nach  dem  oben  Anm.  16  Bemerkten  sehr  unwahrscheinlich.  Der 
Zusammenhang  aber  nöthigt  keineswegs,  die  Einnahme  Masada's  schon  72  zu 
setzen. 

140)  B.  J.  VII,  10-11.     Vita  76. 

141)  B  J.  VII,  6,  6:  xeXeviov  nüaav  yijv  dnoöoa&ai  zwv  'Jovöaiwv  ov  yccQ 
xatwxtaev  ixsZ  nokiv,  iSlav  avr<5  xfjv  xcoQccv  tpvXäxTwv.  Mommsen  (Rom. 
Gesch.  V,  539  f.  Anm.)  findet  in  diesen  Worten  einen  Widerspruch.  Ein 
solcher  würde  aber  nur  bestehen,  wenn  man  dnoöoa&ai  in  der  Bedeutung 
„verkaufen"  nähme.  Es  heisst  aber  auch  „verpachten".  —  Das  Land  in  der 
unmittelbaren  Umgebung  Jerusalems  wurde  der  zehnten  Legion  angewiesen 
{Jos.   Vita  76). 

142)  B.  J.  VII,  6,  6:  oxtaxoaloig  de  növoiq  dnb  xflq  atgariäq  öia<pftfiivoiq 
X<oqIov  iöioxiv  flq  xatolxTiaiv,  6  xaXeltai  /xsv  h/jtfiaovg,  dnix^'^  6h  rwv 
'^IfpoaoXvfiwv  axaSlovq  XQtdxovxa.  Statt  xQidxovta  hat  von  den  sieben 
in  Niese's  Ausgabe  benützten  Handschriften  nur  eine  h^r'xovxa.  Da  dieses 
augenscheinlich  Emendation  nach  Ev.  Iaic.  24,  13  ist,  so  ist  ersteres  zweifellos 
die  richtige  Lesart.  Demnach  kann  unserEmmaus  nicht  identisch  se  in 
mit  dem  sonst  bekannten,  etwa  160 — 170  Stadien  von  Jerusalem 
entfernten  Emmaus,  welches  seit  der  Zeit  des  Julius  Africanus 
(Anfang  des  dritten  Jahrhunderts  nach  Chr.)  Nikopolis  hiess  (s.  über  dieses 
Bd.  II,  8.  183  f.  und  die  dort  genannte  Litteratur).  Freilich  behauptet  Sozo- 
menuB,  dass  das  letztere  schon  fiexa  xi/v  aXotaiv  ''legoaoXv/iojv  xal  rr/v 
xttxa  xwv  *IovSa(o}V  vlxijv  den  Namen 7,  Nikopolis  erhalten  habe  {Soxom.  Bist, 
eccl.  V,  21);  und  die  Münzen  von  Emmaus-Nikopolis  haben  angeblich  eine 
Aera  von  circa  70  nach  Chr.  (h.  darüber  Belley  in  den  Mimoires  de  l'Acad. 
des  inscr.  et  hcllcs-lettres,  alte  Serie  Bd.  XXX,  1764,  p.  294—306;  Eckhcl, 
Doctr.  Num.  III,  454;  Mionnet,  Dcscription  de  mSdaillcs  ant,  V,  bbOsq.  Suppl. 
VIII,  370;  De  Sauley,  Numismatiquc  de  la  Terrc  Sainte  p.  172—175,  406,  pl. 
VI,  .S — ß;  der«,  im  Annuaire  de  la  Soei6t6  fran^aise  de  Num.  et  d^Archiol.  t. 
III,  2,  1860,  p.  276—278;  dcrH.  in  Milanges  de  Numimtatiqm  t.  II,  1877, 
p.  \47  tq,).  Auf  (irund  dcsHcn  wird  trotz  der  Distanzangabe  des  Josephus  von 
Violen  die  Militärcolonic^  VcHpasiaiiH  mit  Kiiimuus-NikopoliH  idcntifi(nrt  (z.  B. 
auch  Kuhn,  Die  Htädt.  und  bürgerl.  VerfusHung  des  rüm.  Reidis  II,  356  f.; 
Marquardt,  Kftm,  Staatsverwaltung  Bd.  I,   2.  Aufl.  1881,   8.  428;   Geizer, 


[537.  538]       §  20.  Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66-73  n.  Chr.).  641 

Julius  Africanus  I,  S.  5 — 7;  schwankeud:  Grotefend  in  Pauly's  Beal-Enc. 
IIJ,  115).  Allein  der  Behauptung  des  Sozomenus,  welche  dieser  nur  gelegent- 
lich hinwirft  und  walirscheiulich  nur  aus  dem  Namen  Nikopolis  erschlossen 
hat,  steht  das  bestimmte  Zeugniss  des  Eusebius  und  anderer  Chronisten  gegen- 
über, wornach  Nikopolis  erst  zur  Zeit  des  Julius  Africanus  gegründet  worden 
ist  und  erst  damals  diesen  Namen  erhalten  hat  (nach  Euseb.  Chron.  ad.  ann. 
Abr.  2237,  ed.  Schoene  II,  178  s?.  =  Chron.  paschale  ed.  Dindorfl,  499  zur  Zeit 
des  Elagabal,  nach  Syncell.  ed.  Dindorfl,  670  zur  Zeit  des  Alexander  Severus; 
vgl.  überh.  auch :  Hieronymus,  De  viris  illustr.  c.  63  =  opp.  ed.  Vallarsi  II,  903, 
und  eine  anonyme  wahrscheinlich  aus  der  Kirchengeschichte  des  Philippus 
von  Side  um  430  n.  Chr.  stammende  Notiz,  welche  de  Boor  nach  einem  Codex 
Baroccianus  herausgegeben  hat  [Texte  und  Untersuchungen  zur  Gesch.  der 
altchristl.  Literatur,  herausg.  von  Gebhardt  und  Hamack  V,  2,  1888,  S.  169, 
174  f.];  noch  anderes  bei  Reland,  Palaestina  p.  759;  die  Hauptstelle  bei  Eu- 
sebius, Chron.  ed.  Schoene  II,  178  s?.  lautet  nach  dem  Armenischen:  In  Pa- 
lestina antiqua  Emaus  restaurata  est  Nicopoliscpie  vocata  eura  [praefectura]  et 
interpellatione  Julii  Africani  chronographi  ad  ref/em,  nach  Hieronymus:  In  Pa- 
laestina Nicopolis  quae  prius  Emmaus  vocabatur  urbs  condita  est,  lefjationis  in- 
dustriam  pro  ea  suseipiente  Julio  Africano  scribtore  temporum,  nach  dem  ChrO' 
nicon  paschale:  IlakaiatlvTjg  NixonoXtg  t]  ngoxtQov  ^Efifiaovg  ixxia^  noXiq, 
TiQeaßevovxoq  vueg  avrtjq  xal  nQo'iaxafi.evov  'lovXiov  litpgtxavov  xov  ra  xgovixi 
ovyygaxpaixhov).  Dass  dies  richtig,  und  die  Angabe  des  Sozomenus  falsch 
ist,  wird  dadurch  bestätigt,  dass  die  Schriftsteller  vor  Elagabal  nur  den  Namen 
Emmaus  kennen  (so  Plin.  Hist.  Nat.  V,  14,  70;  Ptolem.  V,  16,  7;  im  Itinerar. 
Antonini  kommt  es  überhaupt  nicht  vor) ;  auch  Josephus,  der  dieses  Emmaus 
häufig  erwähnt,  macht  nirgends  die  Bemerkung,  dass  es  jetzt  Nikopolis  heisse, 
während  er  sonst  solche  Bemerkungen  nicht  unterlägst.  Die  Existenz  von  Münzen 
des  palästinensischen  Nikopolis  vor  Elagabal  und  mit  einer  Aera  von  circa  70 
nach  Chr.  ist  aber  entschieden  zu  bezweifeln  (s.  die  kritischen  Bemerkungen 
de  Saulcy's  in:  Numismatique  de  la  Terre  Sainle  p.  172 — 175,  und  Momm- 
sen,  Ephemeris  epigraphiea  t.  V,  1884,  p.  619;  Corp.  Inscr.  Lat.  III  Suppl. 
p.  1216  zu  n.  6646  u.  6647;  die  von  de  Saulcy  im  Nachtrag  S.  406  mitgetheilte 
Münze  ist  von  sehr  unsicherer  Lesung;  in  den  M^langes  de  Numismatique  II, 
147  sq.  theilt  de  Saulcy  allerdings  mit,  dass  er  ein  Ekemplar  der  schon  von 
Belley  beschriebenen  Münze  vom  J.  72  aer.  Nicop.,  welche  nach  dem  Tode 
der  Faustina,  f  141  n.  Chr.,  geprägt  ist,  aus  Jerusalem  erhalten  habe.  Allein 
der  Fundort  Jerusalem  beweist  nicht,  dass  die  Münze  dem  palästinensischen 
Nikopolis  angehört).  Es  fehlt  also  jedes  zuverlässige  Zeugniss  für  die  Grün- 
dung von  Emmaus-Nikopolis  um  70  nach  Chr.  Gegen  die  Identität  der 
Militärcolonie  Vespasian's  mit  Emmaus-Nikopolis  ist  aber,  ausser  der  Distanz- 
angabe des  Josephus,  auch  folgendes  schlechthin  entscheidend:  1)  dass  die 
Militärcolonie  Vespasian's  von  Josephus  wie  ein  sonst  unbe- 
kannter Ort  erwähnt  wird  (xatgiov  o  xakeitai  'A/ijuaovq),  während  das  an- 
dere Emmaus  sehr  bekannt  war  und  auch  von  Josephus  an  früheren  Stellen 
des  Bell.  Jud.  schon  häufig  erwähnt  ist  (I,  11,  2.  16,  6.  H,  4,  3.  5,  1.  20,  4. 
IV,  8,  1.  V,  1,  6.  2,  3),  2)  dass  Josephus  nichts  davon  sagt,  dass  die 
Militärcolonie  Vespasian's  Nikopolis  genannt  worden  sei,  3)  dass 
für  Emmaus-Nikopolis  jedes  Merkmal  einer  Colonie  fehlt.  Unser 
Emmaus  {Bell.  Jud.  VII,  6,  6)  ist  vielmehr  höchst  wahrscheinlich  identisch  mit 
dem  neutestamentlichen  {Iaic.  24,  13),  indem  die  Distanzangaben  in  beiden 
Fällen  (30,  resp.  60  Stadien)  eben  nur  annähernd  richtige  sind.  Eine  an- 
Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  41 


642  §  20.   Der  grosse  Krieg  gegen  Rom  (66—73  n.  Chr.).  [539] 

musste  fortan  von  allen  Juden  an  den  Tempel  des  capitolinischen 
Jupiter  abgeliefert  werden ^^3).  Die  Bevölkerung  Palästina's  war 
verarmt  und  durch  den  siebenjährigen  Krieg  furchtbar  gelichtet. 
Eine  jüdische  Obrigkeit  (im  bisherigen  Sinne)  gab  es  nicht  mehr. 
Der  einzige  Mittelpunkt,  der  dem  Volke  geblieben  war,  war  sein 
Gesetz,  Um  dieses  sammelte  es  sich  nun  mit  ängstlicher  Treue  und 
mit  der  beharrlichen  Hoffnung,  dass  es  dereinst  auch  wieder  in 
einem  staatlichen  Gremeinwesen,  ja  in  der  Völker  weit  zu  praktischer 
Geltung  und  Anwendung  kommen  werde. 


§  21.    Von  der  Zerstörung  Jerusalems  bis  zum  Untergang 

Barkocheba's. 

I.  Die  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian. 

Während  Judäa  vor  dem  Kriege  unter  Statthaltern  ritterlichen 
Ranges  (Procuratoren)  gestanden  hatte,  erhielt  es  jetzt  Statthalter 


sprechende  Vermuthung  ist  es,   dass  unser  Emmaus,   in  welchem  Vespa.sian 
eine  römische  Colonie  ansiedelte,   identisch   sei   mit  dem  heutigen  Kulouie 
in    der  Nähe  Jerusalems   (so  Sepp,   Jerusalem   2.  Aufl.  I,  54 — 73;   Ewald 
Gesch.  VI,  729,  808;   Hitzig,  Gesch.  II,  623;   Oaspari,   Chronologisch-geo- 
graphische Einleitung  S.  207;    Keim,   Gesch.    Jesu   III,   555;    Furrer   in 
Schenkels  Bibellex.  II,  107  f.;  Fr.  W.  Schultz  in  Herzog's  Real-Enc.  2.  Aufl. 
XI,  771.    Buhl,  Geographie  des  alten  Palästina  S.  166,  186).    Ueher  Kulonie 
öberh.  s.  Robinson,  Palästina  II,  364.    Ders.,  Neuere  Forschungen  S.  207. 
Tobler,   Topographie  von  Jerusalem  II,   721  ff".     Guirin,   Judde  l,  25'i  sqq. 
The  Survey  of  Western  Palestine,   Memoirs  III,  17.  40.  132.     Schick 's  Karte 
der  weiteren  Umgebung  von  Jerusalem  (Zeitschr.  des  DPV.  XIX).    Die  xQ^vri 
KoXittvelaq,  3  mit.  pass.  von  Jerusalem,  wird  erwähnt  in  dem  von  pHi)adopulos- 
KerameuH  aus  cod.  Goisl.  303  herausgegebenen  MaQzvgiov  t(üv  aylwv  h^tjxovrtt 
viwv  ixuQxvQwv  (St.  Petersburg  1892,  in  den  Schriften  des  russischen  Palästina- 
Vereins)  8.  4.    Im  Talmud  wird  allerdings  behauptet,  dass  Kulonie  mit  dem 
in  der  Mischna  Sukka  IV,  5   erwähnten  «rti«   identisch   sei   [jcr.  Sukka  54 &, 
hob.  Sukka  4ß<»,    HildcHlieimer,   Beiträge   zur   Geogr.  Palästinas  -1886,    S.  27, 
Kahan,  Theol.  Litztg.  1898,  032).    Dieser  Meinung  kommt  aber  kein  Gewicht 
bei.   —    Die    InHchriften    von   Soldaten    der   legio  V  Macaionica ,    welciie  bei 
Kmmaun-Nikopolis  gefunden  worden  sind,  sprechen  nicht  für,   soiidern  gegen 
die  AnDahme,  das«  dicseH  eine  Milltänolonio  gewesen  »ei,  denn  die  Betreuen- 
den sind  nicht  aU  Veteraucn,  Houdern  nur  als  Soldaten  bezeichnet.    Die  iii- 
ichriflen  ttammeD  wahracbeinlich  aus  der  Zeit,  als  sich  bei  Emmaus  ein  be- 
festigtet Lager  der  fQnften  Legion  befand,  n.  oben  Anm   70. 

148)  Bell.  Juä.  VII,  ö,  6.    Dio  Oass.  LXVI,  7.    Vgl.  Bd.  H,  S.  260  f. 


[539.540]    §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.  §43 

aus  senatorischeui  Stande.  Die  frühere  (wenigstens  in  einzelnen 
Fällen  zu  Tage  tretende)  Unterordnung  unter  den  Statthalter  von 
Syrien  war  damit  beseitigt.  Der  officielle  Name  der  Provinz  war 
auch  jetzt,  wie  früher,  Judäa')-  Da  es  nur  eine  Legion,  die 
kg.  X  Fretensis,  als  Bejsatzung  hatte  (s.  oben  S.  634),  ausserdem 
nur  Auxiliartruppen  (s.  oben  S.  465),  so  war  der  Befehlshaber  der- 
selben zugleich  Statthalter  der  Provinz.  Es  scheinen  in  der  Regel 
Männer  prätorischen  Ranges  gewesen  zu  sein.  Erst  später,  wahr- 
scheinlich seit  Hadrian,  als  auch  noch  die  kg.  VI  Ferrata  nach 
Judäa  gelegt  wurde  und  nicht  mehr  ein  Legionslegat  zugleich 
Statthalter  war,  wurde  die  Provinz  von  Männern  consularischen 
Ranges  verwaltet^). 

Aus  der  Reihe  der  Statthalter  sind  uns  nur  einzelne  Namen 
bekannt 3).  Die  ersten  derselben,  die  noch  während  des  Krieges 
70 — 73  n.  Chr.  fungirten,  sind  schon  oben  kurz  erwähnt,  nämlich: 


L 


1)  Der  Name  Judaea  z.  B.  auf  dem  Militärdiplom  vom  J.  86  n.  Chr. 
(Corp.  Inscr.  Lat.  t.  III  j).  857  Dipl.  XIV),  auf  der  Inschrift  des  Pompejus 
Falco,  s.  uuten  S.  645  f.,  auf  der  Inschrift  des  Julius  Severus  [Corp.  Inscr. 
Lat.  t.  III  n.  2830),  auf  der  Münze,  welche  Hadrian's  Anwesenheit  in 
Judäa  feiert  {adventui  Ätig.  Judaeae,  bei  Madden,  Coins  of  the  Jeus  1S8\  p.  231), 
auf  der  Inschrift  eines  sonst  unbekannten  proc{urator)  Augiusti)  provineia{e) 
Jud{aeae)  v{ices)  a{<jens)  l{egati)  [Corp.  hiscr.  Lat.  t.  III  n.  5776),  auf  der 
Inschrift  eines  praef.  cohort.  IUI  Bracarum  in  Judaea  {Corp.  Inscr.  Lat. 
VIII  n.  7079),  und  anderwärts.  Später  wird  die  Bezeichnung  Syria  Palae- 
stina,  die  sich  schon  bei  Herodot  findet  (s.  Bd.  II,  S.  562).  herrschend.  Den 
ältesten  Beleg  für  den  amtlichen  Gebrauch  derselben  bietet  ein  Militärdiplom 
vom  J.  139,  welches  in  Palästina  gefunden  wurde,  s.  oben  S.  465  (§  17"  Anm.  70). 
Der  Name  Judäa  ist  aber  auch  dann  nicht  ganz  verschwunden.  Der  Geograph 
Ptolemäus  stellt  beide  neben  einander  {Ptol.  V,  16,  1).  Vgl.  Marquardt, 
Römische  Staatsverwaltung  Bd.  I,  2.  Aufl.  1881,  S.  421  Anm.  2.  P.  von 
Ilohden,  De  Palaestina  et  Arabia  provinciis  Romanis  quaestiones  selectae, 
1885,  p.  1—3. 

2)  Die  Belege  für  Obiges  s.  bei  vonRohden,  De  Palaestina  et  Arabia 
provinciis  Roma?iis  p,  30  sq.  —  Auf  einer  in  neuerer  Zeit  in  Jerusalem  ge- 
fundenen Inschrift  aus  der  Zeit  Caracalla's  wird  ein  M.  Junius  Maximus 
leg[atus)  Augg.  (d.  h.  duorum  Augustorum)  leg{ionis)  X  Frietensis)  erwähnt. 
Wegen  der  Bezeichnung  als  leg.  Augg.  hat  Zangemeister  bei  seiner  ersten 
Besprechung  der  Inschrift  (Zeitschr.  des  deutschen  Palästina- Vereins  X,  1887, 
S.  49 — 53)  angenommen,  dass  dieser  Legionsbefehlshaber  zugleich  Statthalter 
war.  Mit  Recht  hat  er  aber  selbst  in  einem  Nachtrag  (ebendas.  XI,  138)  be- 
merkt, dass  dann  die  Bezeichnung  pro  praetore  nicht  fehlen  würde.  Der  Be- 
treflende war  also  nur  Befehlshaber  der  Legion. 

3)  Vgl.  die  Zusammenstellungen  bei  Kuhn,  Die  städtische  und  bürgerliche 
Verfassung  des  röm.  Reichs  II,  184 f.;  Marquardt,  Römische  Staatsver- 
waltung Bd.  I,  2.  Aufl.  S.  419  f.;  von  Rohden,  De  Palaestina  et  Arabia  pro- 
vinciis Romanis,  1885,  p.  36 — 42;  Li  eben  am,  Forschungen  zur  Verwaltungs- 
geschichte des  röm.  Kaiserreichs  Bd.  I,  1888,  S.  239 — 244.  —  Grätz,  Die  rö- 

41* 


644  §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.   [540.  541] 

1.  Sex.  Vettulenus  Cerialis,  der  bei  der  Belagerung  Jeru- 
salems die  fünfte  Legion  befehligte  (s.  oben  S.  624).  Er  blieb  nach 
dem  Abgange  des  Titus  als  Befehlshaber  der  Besatzungstruppen, 
also  der  zehnten  Legion  und  der  ihr  beigegebenen  Abtheilungen, 
zurück  und  übergab  sie  dem  Lucilius  Bassus  {B.  J.  VII,  6,  1). 
Seinen  vollen  Namen  giebt  die  Inschrift  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  X  n.  4862. 

2.  Lucilius  Bassus,  der  die  Festungen  Herodeion  und  Ma- 
ehärus  einnahm  {Jos.  B.  J.  VII,  6,  1 — 6).  Er  starb  als  Statthalter 
{B.  J.  VII,  8,  1).  Ob  er  mit  einem  um  dieselbe  Zeit  mehrfach  vor- 
kommenden Sex.  Lucilius  Bassus  identisch  ist,  ist  ungewiss,  s.  Dessau, 
Prosopographia  imperii  Bomani  II,  302  sq.  —  Der  unter  ihm  dienende 
Procurator  L.  Laberius  (nicht  AißaQiog)  Maximus  {B.  J.  VII*  6,  6) 
wird  auch  erwähnt  in  den  Acten  der  Arvalpriesterschaft:  Corp. 
Inscr.  Lat.  t.  VI  n.  2059,  und  auf  dem  Militärdiplom  vom  J.  83 
n.  Chr.  Ephemeris  epigr.  Y  p.  612  sq.  =  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  III  Suppl. 
p.  1962  (nach  letzterem  war  er  damals  Statthalter  von  Aegypten),  | 
s.  Prosop.  imp.  Born.  II,  257  sq. 

3.  L.  Flavius  Silva,  der  Bezwinger  von  Masada  {Jos.  B.  J. 
VII,  8—9).  Er  wurde  im  J.  81  n.  Chr.  Consul.  Seinen  vollen  Namen 
L.  Flavius  Silva  Nonius  Bassus  geben  die  Acta  Arvalium,  Corp. 
Inscr,  Lat.  t.  VI  n.  2059.  Vgl.  Henzeu,  Acta  Arvalium  Index  p.  186. 
Dessau,  Prosop.  imp.  Rom.  II,  75. 

4.  M.  Salvidenus,  um  80  n.  Chr.,  bezeugt  durch  eine  palä- 
stinensische Münze  des  Titus  mit  der  Aufschrift  £'/7/i¥.  X4J0F- 
IAHN{OY),  Madden,  Coins  of  the  Jews  p.  218.  —  Er  ist  wohl 
identisch  mit  dem  M.  Salvidenus,  der  nach  einer  Münze  Domitian's 
Proconsul  von  Bithynien  war  {Mionnet  Suppl.  V  p.  2). 

5.  Cn.  Po m peius  Longinus,  86n.  Chr.  —  Auf  einem  Militär- 
diplom Domitian's  vom  J.  86  n.  Chr.  werden  die  Veteranen  von 
zwei  Alen  und  vier  Cohorten  erwähnt  qui . . .  sunt  in  Judaea  sub 
Cn.  Pompeio  Longino  {Corp.  Inscr.  Lat.  Ill  p.  857  Dipl.  XIV').  — 
AuH  einigen  Angaben  des  Diplomes  glaubte  Henzen  den  Schluss 
ziehen  zu  müssen,  dass  damals  in  Judäa  kriegerisclie  Unterneh- 
mungen stattgefunden  hätten.  Die  Schlussfolgerung  ist  indess 
keine  zwingende*).  —  Vielleicht  ist  unser  Cn.  Pompeius  Longinus 
identisch  mit  dem  gleichnamigen  cotis.  suff.  vom  J.  90,  und  mit  dem 


mischen  Legaten  in  .Tudüji  tintcr  Domitian  und  'J'rujun  nnd  ilire  BoKichnng 
zu  Juden  und  Clirinton  (MonutHHclir.  für  Goscli.  und  VVissiuiHch.  df»  Judontli. 
1886,  8.  17 — 34)  giebt  nur  ruhbiniHchu  Lugenden. 

4)  Henzen,  Jahrbüclier  den  Vurcins  von  AltcrtliuiiiHinMitKlcn  im  lUiciu- 
Undc  XIII,  1848,  S.  34—37.     Ihm  folgen:   DurnicH toter,    h'rrtw  <lrs  rtiuUs 


[541.542]   §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.  645 

Cn.  Aemilius  Cicatricula  Porapeius  Longinus,  welcher  im  J.  93  Statt- 
halter von  Moesia  superiornnö.  im  J.  98  Statthalter  von  Pannonien 
war(Eitterling,  Archäol.-epigr.  Mittheilungen  aus  Oesterreich-Ungarn 
XX,  1897,  S.  13,  und  über  die  Statthalterschaft  vom  J.  93:  Bormann, 
Jahreshefte  des  österreichisch-archäol.  Institutes  I,  1898,  S.  171, 174). 

6.  Atticus,  um  107.  —  In  zwei  Fragmenten  des  Hegesippus, 
welche  Eusebius  mittheilt,  wird  berichtet,  dass  Simeon,  der  angeb- 
liche zweite  Bischof  der  jerusalemischen  Gemeinde,  als  Märtyrer 
gestorben  sei  „unter  dem  Kaiser  Traj an  und  dem  Statthalter  At- 
ticus" (Kuseb.  Jlist.  eccl.  III,  32,  3:  exl  Tgalarov  KaloaQoq  xal 
vjiaxLxov  Attixov,  ibid.  III,  32,  6:  im  'Azrcxov  tov  vjtarixov).  In 
der  Chronik  des  Eusebius  wird  dieses  Ereigniss  in  das  zehnte  Jahr 
Trajan's  (107  n.  Chr.)  gesetzt  {Euseb.  Chron.  ed.  Schoene  11  p.  162  sq.\ 
im  Chronicon  paschale  ed.  Diridorf  I,  471  in  das  Consulat  des  Can- 
didus  und  Quadratus  105  n.  Chr.  Beide  Ansätze  haben  freilich 
nicht  den  Werth  traditioneller  Zeugnisse,  am  wenigsten  der  Ansatz 
im  Chronicon  paschale,  welches  nur  aus  Eusebius  schöpft.  —  Unser 
Atticus  ist  vermuthlich  identisch  mit  dem  gleichnamigen  Vater  des 
Herodes  Atticus.  Auffallend  ist  die  Bezeichnung  als  vjtanxog, 
da  andere  Statthalter  Judäa's  damals  dieses  Amt  vor  dem  Consulat 
bekleideten;  doch  vgl.  den  Folgenden.  —  Vgl.  überhaupt:  Wadding- 
ton, Fastes  des  provinces  asialiques  p.  192  sq.  Dittenberger,  Hermes 
XIII,  1878,  S.  67—89.  Klebs,  Prosop.  imp.  Rom.  I,  351—353.  Groag 
in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  III,  2677  f.  (Art.  Claudius  n.  71). 
Zahn,  Forschungen  zur  Gesch.  des  neutest.  Kanons  VI,  242. 

7.  Q.  Pompeius  Falco,  um  107 ff.  —  Den  cursus  honomm 
dieses  aus  den  Briefen  des  jüngeren  Plinius  bekannten  Mannes 
geben  die  Inschriften  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  X  n.  6321  und  Journal  of 
Hellenic  Studies  1890  p.  253  =  Dessau,  Inscr.  lat.  sei,  n.  1036.  Auf 
jener  heisst  er  unter  Anderem :  legiatus)  Aug{usti)  pr(o)  pr{aetore)  pro- 
vinc{iae)  [Jndaeae]  et  leg{ionis)  X  Fret{ens^is),  auf  dieser:  leg.  Aug.  leg. 
XFret.  etleg.pr.pr.provinciae  Judaeae  consulaHs  (=  vxaxixoq,  s.  Atticus). 

juives  I,  1880,  p.  37—41.  Schiller,  Gesch.  der  römischen  Kaiserzeit  I,  532. 
Dagegen:  Roh  den.  De  Palaestina  et  Arahia  p.  38  (nach  einer  Mittheiliing 
Mommsen's).  Gsell,  Essai  sur  le  rlgne  de  l'emperetir  Domifien,  1894 
{Bibtiotheqne  des  ecoles  fran^aises  d'Athenes  et  de  Borne  fasc.  65)  p.  287 — 289. 
—  Henzen's  Gründe  sind:  1)  Die  auf  dem  Diplom  erwähnte  coh.  I  Anf/usta 
Lusitanonim  stand  kurz  vorher  noch  in  Pannonien.  Sie  muss  also  eben  da- 
mals zur  Verstärkung  der  Garnison  Judäa's  dorthin  geschickt  worden  sein. 
2)  Die  Veteranen  erhalten  nach  dem  Diplom  zwar  die  Civität,  aber  nicht  die 
Entlassung  [honesta  missio);  man  hat  sie  also  noch  nöthig  gehabt.  Letzteres 
Argument  ist  nicht  entscheidend,  und  die  auf  dem  Diplom  erwähnte  eoh.  I 
Augusta  Lusitanortim  ist  verschieden  von  der  im  J.  85  in  Pannonien  nach- 
weisbaren coh.  I  Lusitanorum. 


646  §21, 1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.    [542.543] 

Nach  Plin.  Epist.  YII,  22  fällt  die  Statthalterschaft  von  Judäa  wahr- 
scheinlich um  107—110  n.  Chr.  Denn  in  dem  um  jene  Zeit  geschrie- 
benen Briefe  empfiehlt  Plinius  dem  Falco  einen  Freund  für  die  Stelle 
eines  Tribun.  Dies  kann  aber  nach  den  übrigen  Daten  des  cursus 
honorum  wohl  nur  zur  Zeit  seiner  Statthalterschaft  von  Judäa  ge- 
schehen sein.  —  Die  von  Plinius  an  Pompeius  Falco  gerichteten 
Briefe  sind  Plin.  epist  I,  23;  IV,  27,  YII,  22;  IX,  15.  Vgl.  über- 
haupt: Mommsen,  Hermes  III,  1869,  S.  51.  Plin.  epist  ed.  Keil  p.  422 
(Index  von  Mommsen);  Waddington,,  Fastcs  des  provinces  asiatiques 
p.  202 — 204;  Bohden  p.  39;  Liebenam,  Forschungen  I,  94  f;  Petersen 
und  Luschan,  Reisen  in  Lykien  (1889)  S.  123.  Bulletin  de  corresp. 
Ml.  XVII,  1893,  p.  305—307  (zwei  Ehren-Inschriften  für  Sossia 
PoUa,  die  Frau  des  Pompejus  Falco,  des  Proconsuls  von  Asien). 
Prosop.  imp.  Rom.  III,  134  {Roscius  n.  68). 

8.  Tiber ian US,  um  114.  —  Bei  Johannes  Malalas  ed.  Dindorf 
p.  273  wird  der  Wortlaut  eines  Schreibens  mitgetheilt,  welches 
Tiberianus,  der  Statthalter  von  Palaestina  prima,  an  Trajan  während 
dessen  Aufenthaltes  in  Antiochia,  114  n.  Chr.,  gerichtet  hat  (ej;  reo 
de  öiaTQißsiv  xov  avrov  TQa'iavov  ßaöiXia  ev  \4vTiox£ia  rrjg  JSvQtac 
ßovXsvofievov  ra  jtBQi  xov  jtoXt'fiov  sfirjvvoev  avrov  TißsQiavoq, 
riyeinhv  xov  jtQcoxov  IlaXaiöxivcov  'iO^vovg,  xavra).  Tiberianus  stellt 
darin  dem  Kaiser  vor,  dass  die  Christen  in  thörichter  Weise  sich 
selbst  zum  Martyrium  drängen,  und  bittet  um  Verhaltungsmaass- 
regeln.  Darauf  befiehlt  Trajan  ihm  und  allen  übrigen  Behörden 
im  ganzen  Reiche,  die  Verfolgungen  einzustellen.  Dieselbe  G-e- 
.schichte  berichtet  in  etwas  anderer  Form  auch  Johannes  Antiochemis 
(bei  Müller,  Fragmenta  hist  graec.  IV,  580  n.  111).  Die  Darstellung 
des  letzteren  ist  wörtlich  abgeschrieben  bei  Suidas  Lex.  s.  v.  TQa'iavog. 
Beide  Berichte,  die  im  Wesentlichen  ganz  übereinstimmen,  sind 
durch  ihren  Inhalt  höchst  verdächtig;  auch  hat  die  Theilung  Pa- 
lästina's  in  Palaestina  jrrima  und  secunda  nicht  vor  Mitte  des  vierten 
Jahrhunderts  stattgefunden  (gegen  die  Geschichtlichkeit  z.  B. 
Gieseler,  Kirchengesch.  I,  1,  4.  Aufl.  S.  129,  Overbeck,  Studien  zur 
Gesch.  der  altem  Kirche  I,  122,  Görres,  Zeitschr.  für  wissensch. 
Theo].  1878,  S.  38 f.  Keim,  Rom  und  das  Christenth.  1881,  |  S.  526 f.; 
für  dieselbe:  Wieseler,  Die  Christenverfolgungen  der  Cäsaren  1878, 
S.  126  ff.),  —  Die  Berichte  des  Malalas  und  Johannes  Antiocheiius 
berühren  sich  liier  und  an  vielen  anderen  Stellen  so  stark,  dass 
jedenfalls  Einer  aus  dem  Anderen  geschöpft  hat.  Da  Beide  wahr- 
Kcheinlich  im  sechsten  oder  um  den  Anfang  des  siebenten  Jahr- 
hunderts geschrieben  haben,  so  ist  es  streitig,  welchem  die  Priorität 
zukommt  Für  die  jetzt  vorwiegende  Ansicht;  dass  Malalas  der 
Aeltere  sei,    spricht  auch  der  Befund  an   unserer   Stelle;    denn 


[543.544]   §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.  647 

Malalas  tlieilt  das  Schreiben   des  Tiberianus  im  Wortlaute   mit, 
während  Johannes   Antiochenus  nur   dessen   Inhalt  umschreibt s). 

9.  Lusius  Quietus,  um  117  n.  Chr.  —  Dieser  hervorragende 
Feldherr  wurde,  nachdem  er  den  Aufstand  der  Juden  in  Mesopo- 
tamien unterdrückt  hatte,  zum  Statthalter  von  Judäa  ernannt  {Euseh. 
Hist.  eccl.  IV,  2,  5:  *Iov6aiaq  riyeumv  vjto  rov  avroxQdroQog  ave- 
ödxO^rj.  Euseb.  Ghron.  ed.  Schoene  II,  164,  zum  18.  Jahre  Trajan's 
[2131  Abr.],  griech.  bei  Syncellus  ed.  Dindorf  I,  657:  i^ysfKüv  rrjg 
'/ovöaiag  öia  tovto  xa&iöTarai).  Dio  Cassius  sagt  nur,  dass  er  nach 
dem  Consulat  (115  n.  Chr.)  Palästina  verwaltet  habe  {Dio  Cass. 
LXVIII,  32:  vjiaxevöai  xriq,  xe  IJaXaiöxhrjc  aQ2.ai).  Dass  Trajan 
einen  Legaten  consularischen,  nicht  bloss  prätorischen  Ranges  nach 
Palästina  schickte,  hat  seinen  Grund  wohl  in  den  damaligen  schwie- 
]-igen  Verhältnissen.  —  Von  Hadrian  wurde  Lusius  Quietus  abge- 
setzt {Spartian.  vita  Hadriani  c.  5:   Lusium  Quietnm cxarmavit) 

und  bald  darauf  hingerichtet  {ibid.  c.  7,  Dio  Cass.  LXIX,  2).  —  Vgl. 
überhaupt:  Borghesi,  Oeuvres  I,  500  sqq.    J'rosop.  imp.  Rom.  II,  308  sq. 

10.  Tineius  Rufus  132  n.  Chr.  —  Als  der  Aufstand  Bar- 
kocheba's  ausbrach,  war  ein  Rufus  Statthalter  von  Judäa  {Euseb. 
llist.  eccl  IV,  6,  1 :  ^Povg)og  ljcaQX(ov  xr/g  'lovöalag).  In  der  Chronik 
des  Eusebius  heisst  er  Tinnius  Rufus  {Euseb.  Chron.  ed.  ScJioene 
II,  166  sq.  ad  ann.  Abr.  2148,  griech.  bei  Synceü.  ed.  Dindorf  I,  660: 
Tjyitxo  6e  xrjg  'lovöaiag  TivvLog  'Powpog,  lat.  bei  Hieronymus:  tenente 
provinciam  Tinnio  Rufo);  bei  Hieron.  ad  Daniel.  9  s.  fin.  ed.  Vallarsi 
\ ,  695:  Timo  Rufo;  ad  Sachar.  8,  16  sqq.  ed.  Vallarsi  YI,  852:  T.  Annio\ 
Rufo  (so  die  älteren  Ausgaben;   die  Lesart  Turannio  Rufo  ist  nur 

5)  Vgl.  G.  Müller,  Fragm.  Hist.  Crraec.  IV,  536  (für  die  Priorität  des 
Joliannnes  Antiochenus).  —  Gutschmid,  Grenzboten  22.  Jahrg.  18G3,  I.  Se- 
mester 1.  Bd.  S.  345  f.  =  Kleine  Schriften  V,  415  f.  (für  die  Priorität  des 
Malalas).  —  Moramsen,  Hermes  VI,  1872,  S.  323—383.  —  Nicolai,  Griech. 
Literaturgesch.  III,  56  f.  96  f.  —  Stokes  in:  Smith  and  Wace,  Dictionary  of 
Christian  Biofjraphy  \\l,  1S7  sq.  —  Geiz  er,  Julius  Africanus  I,  74.  228  ff. 
II,  129  (für  die  Priorität  des  MalaJas).  —  Sotiriadis,  Zur  Kritik  des  Jo- 
hannes von  Antiochia,  in:  Jahrbb.  für  class.  Philol.,  IG.  Supplementband  1888, 
S.  1 — 126,  bes.  S.  GS— 83  (hält  wieder  den  Johannes  Antiochenus  für  älter).  — 
Patzig,  Unerkannt  und  unbekannt  gebliebene  Malalas-Fragmente,  Leipzig, 
Progr.  1891.  Ders.,  Johannes  Antiochenus  und  Johannes  Malalas,  Leipzig, 
Progr.  1892  (die  ersten  17  Bücher  des  Malalas  bald  nach  528  herausgegeben; 
Johannes  Antiochenus  Anf.  des  7.  Jahrb.).  —  Wachsmuth,  Einl.  in  das 
Studium  der  alten  Geschichte,  1895,  S.  190—194  (wie  Patzig).  —  Krumbacher, 
Gesch.  der  byz.  Litteratur  2.  Aufl.  1897,  S.  325-334  (Malalas:  6.  Jahrb.), 
334—337  (Johannes  Antiochenus:  Anf.  des  7.  Jahrb.).  —  Patzig,  Die  Ab- 
hängigkeit des  Job.  Antiochenus  von  Job.  Malalas  (Byzantin.  Zeitschr.  X,  1901, 
S.  40— 53\ 


648  §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.  [544] 

Vallarsi's  Conjectur).  Die  richtige  Form  ist  zweifellos,  wie  Bor- 
ghesi  gezeigt  hat,  Tineius  Rufus.  Denn  ein  Q.  Tineius  Rufus,  der 
unter  Commodus  Consul  war,  ist  durch  mehrere  Inschriften  bezeugt. 
Er  kann  der  Sohn  oder  Enkel  unseres  Rufus  gewesen  sein.  S. 
Borghesi,  Oeuvres  111,  ^1 — 64;  VIII,  189  s?.;  Renan,  V eglise  chretienne 
p.  192  sq.\  dazu  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  VI  n.  1978.  Prosop.  imp.  Rom. 
III,  321. 

Zur  Bewältigung  des  Aufstandes  wurde  auch  der  bisherige 
Statthalter  von  Syrien  Publicius  Marcellus  nach  Judäa  geschickt 
{Corp.  Inscr.  Graec.  n.  4033  ==  Archäol. -  epigi\  Mittheilungen  aus 
Oesterreich-Ungarn  Jahrg.  IX,  1885,  S.  118:  rivixa  IJovßUxiog  MaQ- 
xeXXog  öia  ti]v  xlv?]Oiv  rrjv  'lovöaXxrjv  (i£Taߣß7]X£i  ajib  ^VQiac,  die- 
selbe Angabe  auch  Corj).  Inscr.  Graec.  n.  4034).  Diese  Verstärkung 
der  Streitkräfte  Judäa's  wird  auch  von  Eusebius  erwähnt  (Euseh. 
Hist.  ecd.  IV,  6,  1:  OTQarimrixrjg  avrm  övfjfiaxiac  vjtb  ßaoiXemg 
xs/iq)d-elöTjg,  vgl.  Ghron.  ad  ann.  Abr.  2148). 

11.  Julius  Severus  135  n.  Chr.  —  Die  Unterdrückung  des 
jüdischen  Aufstandes  gelang  erst  dem  Julius  Severus,  der  von 
Britannien  aus,  wo  er  bisher  Statthalter  gewesen  war,  nach  Judäa 
gesandt  wurde  (Dio  Cass.  LXIX,  13).  Den  cursus  honorum  dieses 
Mannes  giebt  die  Inschrift  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  III  n.  2830,  wo  die 
höheren  Aemter  folgendermaassen  aufgezählt  werden:  Ieg{aio) }n-{o) 
pr{aetore)  impieratoris)  Traiani  Hadriani  Aug{itsti)  provinciae  Daciae, 
COS.,  leg.  pr.  pr.  provinciae  Moesiae  inferioris,  leg.  pr.  pr.  provinciae 
Brittaniae,  leg.  pr.  pr.  provinciae,  Judeae,  leg.  pr.  pr.  jyrovinciae 
Suriae.  Es  wird  hierdurch  des  Dio  Cassius  Angabe  bestätigt, 
dass  er  von  Britannien  aus  nach  Judäa  kam.  Dagegen  beruht 
die  Angabe  des  Dio  Cassius  oder  vielmehr  seines  ungeschickten 
Epitomators  Xiphilinus,  dass  er  nach  Beendigung  des  jüdischen 
Aufstandes  Statthalter  von  Bithynien  wurde  {Dio  Cass.  LXIX,  14), 
auf  Verwechselung  mit  einem  anderen  Severus.  Unser  Julius  Se- 
verus, welcher  im  J.  127  Consul  war,  heisst  Sextus  Julius  Severus 
{Corp.  Inscr.  hat.  t.  111  p.  874  Dipl-.  XXXT),  der  Statthalter  von 
Bithynien  aber  walirscheinlich  r{aiog)  'l{ovhog)  ^eovTJQog  (so 
Mominsen,  Sitzungsb(!richte  der  Berliner  Akad.  1901,  S.  26;  die 
Copien  der  beiden  Inschriften,  aufweichen  sein  Vorname  erhalten 
ist,  geben  entwed<?r  7V.  2^hOVijQog  [so  Cor]).  Inscr.  Graec.  n.  4033 
und  4034]  oder  77.  ^^oviiQog  \m  Archäol-epigr.  Mittheilungen  aus 
Ocflt<irrcich-lIngarn  IX,  118«=  Coip.  Inscr.  Graec.  n.  4033|;  da  der 
(teHchlechtsnaine  nicht  fehlen  kann,  hält  Mommsen  es  für  sicher, 
da«  r.  1.  zu  lesen  ist;  auf  der  neuen,  von  Mommsen  a.  a.  0.  S.  25 
niitgetheilten  Inschrift  ist  der  Vorname  nicht  erhalten).  Vgl.  über- 


[544.545]    §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.  649 

haupt:  Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  Bd.  I,  2.  Aufl.  1881, 
S.  353.    Rohden  S.  42.  |  rrosojh  imp.  Rom.  II,  lUsq. 

In  die  Liste  der  Statthalter  Judäa's  gehört  auch  ein  Cl(audius)  Patetiiius) 
Clement{ianus) ,  welcher  nach  einer  Inschrift  {Corp.  Inscr.  Lot.  t.  III  n.  5776) 
proc[urator)  Auf/{usti)  provineia(e)  Jud{aeae)  v{ic.es)  a{gens)  l{egati)  war,  also  Pro- 
curator  und  Vertreter  des  (gestorbenen  oder  abberufenen)  Statthalters.  Seine) 
Zeit  ist  aber  unbekannt.  Denn  aus  dem  Umstände,  dass  die  Provinz  nicht 
Syria  Palästina,  sondern  Judäa  genannt  wird,  kann  nicht  einmal  mit  Sicher- 
heit geschlossen  werden,  dass  die  Inschrift  vorhadrianisch  ist,  wie  Rohden 
S.  41  will.  Vgl.  über  ihn  auch  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  III,  2840  f.  (Art. 
Claudius  n.  262).  —  Ebenso  wenig  Aufschluss  geben  die  rabbinischen  Legenden 
über  einen  römischen  ^yefiwv,  welcher  verfängliche  Fragen  an  Jochanau  ben 
Sakkai,  Ende  des  ersten  Jahrh.  n.  Chr.,  gestellt  haben  soll.  Denn  die  schlechte 
Textüberlieferung  macht  es  unmöglich,  auch  nur  seinen  Namen  festzustellen. 
Er  heisst  jer.  Sanhedrin  19'^  oben  (Krakauer  Ausgabe)  C1U35K,  Agnitos  [Egna- 
tius?),  ebendas.  19'^  unten  Antotiinus,  ebendas.  19''  oben  Antigonus.  Anderwärts 
finden  sich  noch  andere  Formen.  Identisch  mit  ihm  ist  wohl  der  Hegemon 
Agnitos  ("jlTSSn  Dlo'^Dax),  welcher  nach  Sipkre  zu  Deut,  g  351  eine  ähnliche  Frage 
an  üamaliel  II,  Anfang  des  zweiten  Jahrh.  n.  Chr.,  gerichtet  haben  soll.  S. 
überh.  Derenbourg,  Histoire  de  la  Palaestine  p.  316 sj.  Levy,  Neuhebr. 
Wörterb.  I,  104^  108"  (Art.  DiüJJS  und  t3'i3''3'iö3i<);  Bacher,  Die  Agada  der 
Tannaiten,  I,  1884,  S.  39  f.  =  Monatsschr.  f.  Gesch.  und  Wissensch.  des 
Judenth.  1882,  S.  159 f.    Grätz,  Monatsschr.  1885,  S.  17  ff. 

Die  Residenz  des  kaiserlichen  Statthalters  war,  wie  schon 
früher  zur  Zeit  der  Procuratoren  so  auch  jetzt,  nicht  Jerusalem 
sondern  Cäsarea,  die  bedeutende  vonHerodes  dem  Grossen  erbaute 
Hafenstadt*^).  Sie  wurde  von  Vespasian  in  eine  römische  Colon ie 
umgewandelt  und  führte  officiell  den  Namen  coI{onia)  prima  Fl{avia) 
Äug{ustä)  Caesarensis  oder  Caesarea'').  Jerusalem  war  so  gründ- 
lich dem  Erdboden  gleichgemacht,  „dass  es  den  Besuchern  nicht 
einmal  den  Glauben  ermöglichte,  es  sei  je  bewohnt  gewesen"  ^).  Es 
war  zunächst  nur  ein  römisches  Lager,  in  welchem  wenn  nicht 
die  ganze  zehnte  Legion  so  doch  die  Hauptmasse  derselben  mit 
dem  zugehörigen  Tross  ihr  Standquartier  hatte  ^). 


6)  Nachdem  Flavius  Silva  Masada  erobert  hatte,  ging  er  zurück  nach 
Cäsarea  {Bell.  Jitd.  VII,  10,  1).  —  Auch  Tacitus  bezeichnet  Cäsarea  als  Jn- 
daeae  caput  {Tae.  Hist.  II,  78). 

7)  Näheres  s.  Bd.  II,  S.  107  f. 

8)  B.  J.  VII,  1,  1:  xov  rf'  ttkXov  anavxa  t^j  noXeotq  nsgißokov  ovratq  i^fo- 
fiäXiaav  ol  xaxaaxanxovxeq  wg  /irjöh  ncinox^  olx^&^vai  niaxtv  av  sxi  naQuo^eiv 
xolq  nQoaeXB^ovaL. 

9)  Vgl.  die  Ausführungen  bei  Gregorovius,  Sitzungsberichte  der  philos.- 
philol.  und  hist.  Classe  der  Münchener  Akadeoiie  1883,  S.  477  ff.  —  Im  J.  116 
n.  Chr.  stand  in  Jerusalem  auch  ein  Detachement  der  dritten  Legion,  vexülatio 
leg.  III  Cyr.  (Mittheilungen  und  Nachrichten  des  DPV.  1895,  S.  21  f.  Revue 
biblique  1895,  p.  239,  Quarterly  Statement  1895,  p.  130).  —  Ueber  die  Besatzungs- 
verhältnisse von  Judäa  im  Allgemeinen  s.  oben  S.  465. 


l~^ 


650  §  21i  I:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.   [545. 546] 

Ueber  sonstige  Veränderungen  in  der  Organisation  der  palästi- 
nensischen Stadtgemeinden  haben  wir  nur  vereinzelte  Nachrichten. 
In  welchem  Umfang  Vespasian  das  Land  als  Privatbesitz  behielt, 
geht  aus  der  unbestimmten  Angabe  des  Josephus  nicht  sicher  her- 
vor (s.  oben  S.  640).  Es  scheint  sich  nicht  bloss  um  das  eigent- 
liche Stadtgebiet  von  Jerusalem,  sondern  um  ganz  Judäa  —  dieses 
im  eigentlichen  und  engeren  Sinne  genommen  —  zu  handeln  (jtäoav 
yrjv  ratv  'lovöaicov).  Die  einzige  Neugründung,  die  Vespasian  hier 
vornahm,  war  die  Militärcolonie  Emmaus  (s.  oben  S.  640 f.).  In  Sa-i 
marien  ist  damals  das  rasch  emporblühende  Flavia  Neapolis 
gegründet  worden.  Denn  dass  dessen  Gründung  in  die  Zeit  Vespa- 
sian's  fällt,  beweist  nicht  nur  der  Name  und  die  Erwähnung  durch 
Plinius,  sondern  auch  die  Aera  der  Stadt,  deren  Anfangspunkt  um 
72  n.  Chr.  zu  setzen  ist^*').  Es  lag  an  der  Stelle  einer  Ortschaft, 
welche  früher  Mabortha  oder  Mamortha  hiess,  in  unmittelbarer 
Nähe  von  Sichem,  weshalb  es  auch  geradezu  mit  Sichem  identiflcirt 
wird  *  ^).    In  der  späteren  Kaiserzeit  war  es  eine  der  bedeutendsten 


10)  Der  volle  Name  bei  Justin.  Martyr.  apol.  I  c.  1:  dito  4>Xaovi'aq  Neag 
nöXeo)^  xriq  2vQiaq  Uakaiarivrjq  (hiernach  Eusel).  Eist.  eccl.  IV,  12).  Ebenso 
auf  Münzen.  Ueber  letztere  und  über  die  Aera  s.  Noris,  Annus  et  epochae 
Syromacedonum  V,  5,  2  {ed.  Lips.  p.  .537  —  552).  Eckhel,  Doctr.  Num.  111,433 
bis  438.  Musei  Sanclementiani  Numismata  selecta  Pars  II  lib.  IV,  p.  250 
bis  258.  Mionnet,  Description  de  medailles  V,  499—511.  Suppl.  VIII,  344 
bis  355.  De  Sanlcy,  Numismatiquc  de  la  Terre  Samte  p.  244—274,  p/.  XII 
bis  XIV. 

11)  Joseph.  Bell.  Jud.  IV,  8,  1:  naga  t^v  Neäno^.iv  xakoifitvrjv,  MaßoQ&a 
<ft  imo  TöJv  inixwQi'fav,  —  Plinius  Eist.  Nat.  V,  13,  69:  Neapolis  quod  antea 
Mamortha  dicehatur.  —  Euseb.  Onomast.  ed.  Laijarde  p.  200:  ^v'/kfJt  ^  xal 
Slxi/ia  ij  xal  SaXi]fi'  noXiq  'laxciß  vvv  ^QTj/xoq'  öelxvvrai  6h  6  rönoq  iv  jiqo- 
aazeioiq  Niaq  nöXswq.  Ibid.  p.  274  s.  v.  AovL,ä'  naQaxeifihvrj  Svxif*  clno  ^' 
aTjfitlov  Niaq  nokecoq  (wofür  im  Text  des  Hicronyraus  p.  135  wohl  richtiger: 
in  tertio  lapide  Neapoleos).  —  Pilger  von  Bordeaux  {Itincra  Eieroso lymitana  ed. 
Oeyer  1898.  p-  19--20):  Civitas  Neapoli.     Ibi  est  vions  Aijaxaren  [l.  Argarixin] 

inde  ad  pedem  monti^  ipsius  locus  est,  cid  nomen  est  Sichern.  —  Auch 

auf  der  Mosaik  karte  von  Medaba  sind  NeanoXtq  und  Sv^ff*  v  xai  Sixt/ia  7} 
xat  ZaXTjfi  als  zwei  verscliiedene  Orte  gezeichnet,  ebenso  auf  der  sogenannten 
HieronynniHkarte  (Schulten,  Abhandlungen  der  Göttinger  Gcsellsch.  der  VVis- 
MeoHch.,  phil.-hist.  Gl.  N.  F.  IV,  2,  1900,  8.  8—11,  83-87).  —  Anders  dagegen: 
Epiphan.  fiaer.  78,  2'.\:  iv  Stxlfioiq  xovvianv  iv  rg  NeanoXet.  Ebenso  haer.  80, 
1,  —  Hieronymus  Percf/r.  Paulae  bei  Ihblcr,  Palaestinap  descriptiones  p.  23 
(— ■  Hieron.  opp.  ed.  Vallarai  I,  703):  Sichem,  non  ut  plcriqiie  vrrantes  legunt 
Siehar,  quae  nunc  Neapolis  appellatur.  —  Vgl.  überhaupt:  Jfcland,  Palaestina 
p.  lOTM— 1010.  —  Robinson,  Palästina  IM,  336-352.  Ders.,  Neuere  bibl. 
Fomchungen  8.  167  fl'.  —  Ritter,  Erdkunde  XVl,  6.37—658.  —  Kuhn,  Die 
RtSdtbcbe  und  bUrgorl.  VorfaHHUiig  des  rüm.  Reichs  II,  56;  355;  'ii')();  364.  — 
Sepp,  Jerusalem  2.  Aufl.   II,  37-6Ö.  —  Oudrin,  Samarie  I,  3iK)— 424.  — 


[546.547]   §21,  I:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.  Q^l 

Städte  Palästinas  12).  Die  Einwohnerschaft  war  eine  rein  oder 
voiwiegend  heidnische,  wie  die  durch  die  Münzen  bezeugten  Culte 
beweisen.  Auf  nicht  wenigen  derselben  (seit  Hadrian)  ist  der  Gari- 
zini  abgebildet  und  auf  dessen  Gipfel  ein  Tempel,  der  nach  Dama- 
scius  dem  Zevg  vtpiorog  geweiht  war^^j^  j)ie  Festspiele  von 
Neapolis  gehörten  im  zweiten  Jahrhundert,  und  gewiss  auch  noch 
später,  zu  den  berühmtesten  in  Palästina'^).  —  In  die  Zeit  Nerva's 
oder  Trajans  fällt  die  Gründung  von  Capitolias  in  der  Dekapolis, 
dessen  Aera  im  J.  97  oder  98  n.  Chr.  beginnt'*).    Hadrian  gi-ündete 


Bädeker-Socin,  Palästina  3.  Aufl.  S.  218  ff.  —  The  Survey  of  Western 
Pulestine,  Memoirs  hy  Conder  and  Kitehener  II,  203—210,  dazu  Bl.  XI  der 
engl.  Karte.  —  Die  Artikel  über  „Sichern"  in  den  biblischen  Wörterbüchern 
von  Winer,  Schenkel  und  Riehni. 

12)  Von  SeptimiuH  Severus  wurde  ihm  dasj««  civitatis  entzogen  {Spartian. 
vita  Severi  c.  9),  von  demselben  aber  später  wiedergegeben  {Spartian.  vita  Se- 
veri  c.  14:  Falaestinis  poenam  remisit,  qtiam  ob  causam  Niqri  meruerant).  Unter 
Philippus  Arabs  wurde  es  römische  Colonie  (nach  den  Münzen).  Ammianus 
Marcellinus  nennt  es  als  eine  der  grössten  Städte  Palästina's  [Ammian.  XIV, 
8,  11). 

13)  Auf  den  zahlreich  erhaltenen  Münzen  (von  Dömitian  bis  zur  Mitte  des 
dritten  Jahrhunderts)  kommen  Serapis,  Apollo,  die  ephesinische  Diana  und 
andere  Gottheiten  vor.  Ueber  den  Tempel  auf  dem  Garizim  s.  Damascitis  bei 
Photius,  Bibliotheca  cod.  242  ed.  Bekker  p.  345''  (auch  bei  Rehiach,  Textes  d'au- 
teurs  i/recs  et  romains  relatifs  au  judäisme  p.  211  sq.):  iv  w  dioq  vxplaxov 
ayuöxaxov  Ugov.  Renan,  L'iglise  chritienne  p.  222.  Ueber  die  frühere  und 
spätere  Geschichte  des  Cultus  auf  dem  Garizim  s.  Eckhd,  Doetr.  Num.  III, 
434  und  unten  Bd.  II,  8.  16.  —  Die  Blüthe  hellenistischer  Culte  in  Neapolis 
bezeugt  auch  eine  in  neuerer  Zeit  daselbst  gefundene  marmorene  Drei- 
fussbasis,  auf  deren  Reliefs  Kämpfe  von  Göttern  und  Heroen  (namentlich 
des  Theseus  und  Herakles)  abgebildet  sind.  Nach  einer  daselbst  ange- 
brachten Inschrift  ist  der  Dreifuss,  vielleicht  auch  die  marmorene  Basis,  vom 
Stifter  aus  Athen  mitgebracht  worden.  S.  Zeitschr.  des  deutschen  Palästina- 
Vereins  VI,  230  f.  VII,  136  f.  —  Ein  weiteres  Zeugniss  ist  eine  Grabschrift, 
welche  lautet:  ßägaei  fiot  awofiat/jie  xaXrj,  t,dxoQog  yaQ  vnÜQXfiQ  Kovgaq 
Ilkovz^og,  nvaxriQiov  riq  yaQ'EXsvaeiv.  Die  Verstorbene  darf  also  eines  seligen 
Lebens  im  Jenseits  gewiss  sein,  weil  sie  an  den  eleusinischen  Mysterien 
theilgenonimen  hat  (dies  ist  doch  wohl  der  Sinn,  wenn  auch  das  Verb,  tjq 
Schwierigkeiten  macht,  s.  den  Text  in:  Comptes  rendus  de  l'Acad.  des  Inscr. 
et  Belles-Lettres  1898,  p.  öOsqq.). 

14)  S.  die  Inschrift  aus  der  Zeit  Marc-Aurel's  bei  Le  Bas  et  Wadding- 
ton, Inseriptions  t.  III,  2  n.  1620'*  (im  Wortlaut  mitgetheilt:  Bd.  II  S.  36). 

15)  Die  Aera  von  Capitolias  ergiebt  sich  aus  seinen  Münzen,  s.Noris, 
Ännus  et  epochae  Syromacedonum  III,  9,  4  {ed.  Lips.  p.  323—331).  Eckhel, 
Doctr.  Num.  III,  328 sg.  Musei  Sanc lerne ntiani  Niimismata  seleeta  P.  II 
Hb.  IV  p.  220-222.  Mionnet,  Descr.  de  medailles  V,  281—283.  Suppl.  VIII, 
192.  De  Saulcy,  Num.  de  la  Terre  Sainte  p.  304-307,  pl.  XVI  n.  9.  Cata- 
loyue  of  the  greek  coins  in  the  British  Museum,  Galatia,  Cappadoeia  and  Syria, 
1899,  p.  278.  —  Erwähnt  wird  Capitolias  von  Ptolem.  V,  15,  22.    Itinerar.  An- 


652  §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.   [547.548] 

Aelia  an  der  Stelle  Jerusalem's,  wovon  unten  in  der  Geschiebte 
des  Krieges  die  Kede  sein  wird.  Andere  Neugründungen  palästi- 
nensischer Städte  fallen  jenseits  der  von  uns  behandelten  Periode, 
so  die  von  Diocäsarea  =  Sepphoris  (unter  dem  neuen  Namen  seit 
Antoninus Pius  nachweisbar,  s.  Bd.  II,  S.  166 f.),  Diospolis  =  Lydda, 
Eleutheropolis  (beide  unter  Septimius  Severus)*^),  Nikopolis  = 
Emmaus  (unter  Elagabal). 

Eine  gewaltige  Umwälzung  brachte  die  Zerstörung  Jerusalems 
für  das  innere  Leben  des  jüdischen  Volkes  mit  sich.  Kein 
Synedrium  und  kein  Opferdienst  mehr  —  das  sind  die  beiden  grossen 
Thatsachen,  mit  welchen  von  selbst  eine  tiefgreifende  Umgestaltung 
der  jüdischen  Verhältnisse  gegeben  war.  Doch  ist  zunächst  fest-| 
zustellen,  dass  wirklich  der  Opferdien  st  aufgehört  hat^').  Nicht 


tonini  ed.  Wesseling.  p.  196  sq.  198.  Tabula  Peuting.  Hieroclis  Syneedem.  ed. 
Wesseling.  p.  720.  Patrum  Nicaenorum  nomina  edd.  Oelxer  etc.  1898  {Index  s.  v.). 
Geogr.  Ravennas  ed.  Pinder  et  Parthey  p.  84.  Concilsacten  bei  Le  Quien, 
Oriens  christianus  III,  715  sq.  Orelli,  Inscr.  Lat.  n.  941  =  Corp.  Inser.  Lat.  t. 
VI  n.  210  Ihid.  t.  X  n.  532.  Ephemeris  epigr.  t.  IV  p.  331  (/>  II),  t.  V  p.  211 
=  398  =  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  VIII  Suppl.  n.  18084  lin.  89.  Münzen  von 
Marc  Aurel  bis  Macrinus.  —  Irrthümlich  beziehen  Manche  (z.  B.  Kuhn,  Die 
städtische  und  bürgerl.  Verfassung  II,  372)  auf  unser  Capitolias  die  Notiz  des 
Juristen  Paulus  in  Digest.  L,  15,  8,  7:  similes  his  Capituhnses  esse  videntur 
(nämlich  wie  Cäsarea,  welches  als  Colonie  nicht  das  volle  jus  Italicum  hatte). 
Capitolias  war  nach  den  Münzen  avrovofiog,  also  nicht  römische  Colonie.  Pau- 
lus meint  Aelia  Capitolina  =  Jerusalem,  wie  die  parallele  Stelle  des  Ulpian 
Digest.  L,  15,  1,  6  beweist:  In  Palaestina  duae  fuerunt  coloniae,  Caesariensis  et 
Äetia  Capitolina,  sed  neutra  jus  Italicum  habet.  Das  Richtige  z.  B.  bei  Noris 
p.  32Ü.  Deyling,  Observationes  sacrae  V,  475  (der  irrthümlich  Noris  als  Ver- 
treter der  entgegengesetzten  Ansicht  nennt).  —  Ueber  die  Lage  von  Capito- 
lias haben  wir  nur  wenige  sichere  Anhaltspunkte.  Nach  der  Peutinger'schen 
Tafel  lag  es  an  der  Strasse  von  Gadara  nach  Adraa,  in  der  Mitte 
zwisclum  beiden.  Das  würde  auf  eine  Lage  direct  östlich  von  Gadara  führen. 
Nach  dem  Itinerarium  Antonini  aber  lag  es  an  der  Route  von  Gadara  nach 
DamascuH.  Danach  wäre  eine  mehr  nordöstliche  Lage  zu  vermuthen.  Da- 
für sprechen  auch  die  astronomischen  Bestimmungen  des  Ptolemäus,  der  es 
unter  gleicher  geographischer  Breite  mit  Hippus  setzt.  Es  scheint  mir  darum 
nicht  möglich,  es  mit  dem  heutigen  Beit  Ras  zu  identificiron  (so  Schumacher, 
Northern  Ajiun,  1800,  ;>.  I.'i4— lüK,  und  Benzingi^r  in  PauIy-WisHowa's  Real- 
Enc);  denn  dieses  liegt  etwas  südlich  von  der  Linie  Gadaru-Adnia.  —  Vgl. 
Ober  CapitoliaM  überluiupt:  lleland,  Palaest.  p.  {'Msq.  Ritter,  Erdkunde  XV, 
356.  821.  1000.  Raumer,  Palust.  S.  240.  Scetzen,  Reisen  (lierausg.  von 
Kniie)  IV,  18Ö  ff".  Kuhn,  Die  städtische  und  bürgerl.  Verf.  des  röm.  Reichs 
II,  872.  Benzinger  in  Pauly-Wissowa'»  Real-Enc.  III,  1529.  Buhl,  Geogr. 
det  Alten  Palästina  8.  250,  25U. 

16)  8.  Stark,  Gaza  und  die  philistäischo  Küste  S.  553. 

17)  Vgl.  den  Horgflltigcu  Nachweis  bei  Fri«'dmann  und  Grfitz,  Die  au- 
gebUchc  Fortdauer  de«  jüdischen  OpfercultuB  nach  der  Zerstörung  des  zweiten 


[548.549]   §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.  653 

nur  der  Hebräerbrief,  dessen  Abfassungszeit  zweifelhaft  ist,  sondern 
auch  Clemens  Romanus  und  der  Verfasser  des  Diognetbriefes,  welche 
sicher  nach  der  Zerstörung  Jerusalems  geschrieben  haben,  sprechen 
so,  als  ob  zu  ihrer  Zeit  der  jüdische  Opfercultus  noch  bestanden 
hätte  IS).  Ja  auch  Josephus  drückt  sich  ganz  ebenso  aus.  Nicht 
nur,  wo  er  im  Anschluss  an  das  Alte  Testament  den  jüdischen 
Opfercultus  beschreibt i^),  sondern  auch,  wo  er  scheinbar  von  den 
Sitten  und  Einrichtungen  seiner  Zeit  spricht,  gebraucht  er  das 
Präsens^o).  Sogar  bei  Erwähnung  des  Opfers  für  das  römische 
Volk  und  den  römischen  Kaiser  bedient  er  sich  dieser  Ausdrucks- 
weise, obwohl  dies  doch  lediglich  spätere  Sitte  und  nicht  Vor- 
schrift des  Alten  Testamentes  war^*).  Dazu  kommt,  dass  auch 
einzelne  Notizen  in  der  rabbinischen  Literatur  für  eine  Fortdauer 
des  Opferdienstes  nach  dem  Jahre  70  zu  sprechen  scheinen  ^^).  Es 
ist  begreiflich,  dass  auf  Grund  dieses  Materiales  von  Manchen  die 
Fortdauer  des  Opfercultus  behauptet  worden  ist.  An  sich  wäre 
dieselbe  wohl  möglich.  In  einer  interessanten  Stelle  der  Mischna 
bezeugt  R.  Josua^^):  „Ich  habe  gehört,  dass  man  Opfer  darbringen 
darf,  auch  wenn  kein  Tempel  da  ist;  dass  man  Hochheiliges 
[s.  hierüber  Bd.  II,  S.  247  f.]  essen  darf,  auch  wenn  keine  Scheide- 
wand (um  den  Vorhof)  da  ist;  dass  man  Heiliges  geringeren  Grades 
[s.  hierüber  Bd.  II,  S.  253]  und  zweiten  Zehnt  essen  darf,  auch 
wenn  keine  Mauer  um  Jerusalem  ist;  denn  die  erste  Einweihung 
hat  geheiligt  sowohl  für  ihre  Zeit  als  auch  für  die  zukünftige 
Zeit".  Es  würde  |  demnach  den  Anschauungen  der  Rabbinen  nicht 
unbedingt  widersprochen  haben,  wenn  man  nach  der  Zerstörung 


Tempels  (Theol.  Jahrbücher  1848,  S.  338—371).  —  Gegen  diese:  Friedenthal 
in  Fürst's  Literaturblatt  des  Orients  1849,  eol.  328—332.  —  Hiergegen  wieder: 
Friedmann,  ebendas.  401,  433,  465,  534,  548.  —  Darauf:  Friedenthal, 
ebendas.  492,  524,  573,  702.  —  Derenbourg,  Histoire  de  la  Palestine  p.  480 
bis  483. 

18)  Clemens  Rom.  c.  41.    Epist.  ad  Diognet.  c.  3. 

19)  Antt.  III,  9—10. 

20)  Contra  Apion.  II,  23. 

21)  Contra  Apion.  II,  6  s.  fin.:  facimus  autem  pro  eis  continua  sacrificia; 
et  non  solum  quotidianis  diebus  ex  impensa  communi  omnium  Judaeorum  talia 
celebratnus,  verum  ....  solis  imperatoribus  hunc  honorem  praecipuum  pariter 
exhibemus. 

22)  Am  beachtenswerthesten  ist  Pesachim  VII,  2,  wo  die  Frage  discutirt 
wird,  ob  man  das  Passa-(Lamm)  auf  einem  Rost  braten  dürfe.  „R.  Zadok 
sagte:  Einst  sprach  Rabban  Gamaliel  zu  seinem  Sklaven  Tabi:  Geh'  und 
brate  uns  das  Passa  auf  dem  Roste".  Da  ein  Sklave  Tabi  sonst  als  Diener 
Gamaliels  des  zweiten  um  90—110  n.  Chr.  genannt  wird  [Berachoth  11,  7; 
Sukka  II,  1),  so  scheint  auch  hier  dieser  letztere  gemeint  zu  sein. 

23)  Edujoth  VIII,  6. 


654  §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.    [549.550] 

des  Tempels  fortgefahren  hätte,  an  heiliger  Stätte  zu  opfern. 
Thatsächlich  ist  dies  aber  nicht  geschehen.  Bei  Aufzählung  der 
Unglückstage  Israels  heisst  es  schlechthin,  dass  am  17.  Tammus 
das  tägliche  Opfer  aufgehört  habe  (T^icrin  büa)-^),  ohne  dass  von 
Wiedereinführung  desselben  irgendwo  die  Rede  ist.  Bei  Be- 
schreibung der  Passafeier  in  der  Mischna  wird  die  Aufzählung 
der  Gerichte,  welche  auf  den  Tisch  kommen  müssen,  geschlossen 
mit  der  Bemerkung:  „Zui*  Zeit  des  Tempelbestandes  trug  man  das 
Passaopfer  selbst  auf'-^^);  letzteres  wurde  also  seit  der  Zerstörung 
des  Tempels  nicht  mehr  dargebracht.  In  den  gesetzlichen  Be- 
stimmungen über  Feststellung  des  Neumondes  heisst  es:  „So 
lange  der  Tempel  bestand,  durften  die,  welche  den  Neumond  er- 
blickt hatten,  jedesmal  den  Sabbath  verletzen  [um  zur  Bezeugung 
desselben  nach  Jerusalem  zu  kommen]  wegen  der  Anordnung  der 
Opfer  [für  die  Neumondsfeier]"  -^).  Das  übereinstimmende  Zeugniss 
dieser  Stellen  der  Mischna  wird  bestätigt  durch  andere,  womög- 
lich noch  directere  im  babylonischen  Talmud,  welche  schon  für 
die  Zeit  des  Eabban  Jochanan  ben  Sakkai,  Eabban  Gamaliel  II 
und  K.  Ismael,  also  für  die  ersten  Decennien  nach  der  Zerstörung 
des  Tempels,  das  Aufhören  des  gesammten  Opfercultus  voraus- 
setzen-^'). Endlich  tritt  auch  Justin  als  Zeuge  hierfür  ein.  Er^ 
sagt  seinem  Gegner  Trypho:  „Gott  gestattet  nirgends  das  Passa  zu 
opfern  ausser  an  dem  Ort,  wo  sein  Name  angerufen  wird,  wissend 
dass  nach  der  Passion  Christi  Tage  kommen  werden,  da  auch 
Jerusalem  euren  Feinden  übergeben  werden  wird  und  alle  Opfer 
aufhören  werden"  2^).  Und  an  einer  anderen  Stelle  sagt  Trypho 
selbst  auf  Justin's  Frage,  ob  es  denn  jetzt  noch  möglich  sei,  alle 
mosaischen  Gebote  zu  beobochten:  „Keineswegs,  denn  wir  wissen 
wohl,  dass  man  anderswo  weder  das  Passalamm  schlachten  noch 
die  Böcke  für  den  Versöhnungstag  noch  überhaupt  irgendwelclie 
andere  Opfer  darbringen  kann"^^).  —  Wenn  also  christliche  Schrift- 
steller und  I  Josephus  noch  lange  nach  der  Zerstörung  des  Tempels 
von  der  Darbringung  der  Opfer  im  Präsens  sprechen,  so  beschreiben 


24)  Taamth  IV,  6.    Vgl.  oben  8.  629. 

25)  PetaeMm  X,  B. 

26)  Rosch  hatchana  I,  4. 

27)  Bosch  haschana  31'',  Peaachim  72^  Sebaohim  60'>,  bei  Friedmunii  imd 
Qrfttz,  Theol.  Jaiirbb.  1848,  a  340  ff. 

28)  Justin.  Dial.  c.  Tnjph.  0.  40:  etädf  oxi  iXevaovtat  i^/iigai  fiexä  zb  nu' 
Otlv  xov  XQiaxSv,  cite  xal  6  xonoe  rr/c  'h^ovaaXii/x  xoTq  fx^QoXq  vficäv  naQU- 
öoO^atxai  xal  navaovxai  änuaut  anXdii  nQoa<poQal  yivöfxfvai. 

20)  Justin.  l>i(U.  c.  'Jh/ph.  c.  40:  üii-  yvwQl^o/iev  yä(>  ort,  laq  ^<p>j<:,  ovxe 
n(f6ßaxov  toO  itaaxa  dkXaxöae  &vtiv  övvaxov  oike  rov«  xy  vriaxda  xeXev- 
oBivxuQ  nQOOtpifia&ttt  xifid^ovi  oixe  räc  äXXat  anXwQ  andaa^  TiQoa(poQtt<;, 


[550.551]   §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.  (555 

sie  damit  nur,  was  gültiges  Recht  ist,  nicht  was  factisch  ausgeübt 
wurde.  Ganz  dasselbe  geschieht  in  der  Mischna  von  der  ersten 
bis  zur  letzten  Seite,  indem  alle  rechtsgültigen  Satzungen  als  be- 
stehende Sitte  dargestellt  werden,  auch  wenn  ihre  Ausübung  in- 
folge der  Zeitverhältnisse  unmöglich  war^"). 

Zwei  Thatsachen  von  grösster  Tragweite  stehen  demnach  lest: 
Die  Aufhebung  des  Synedriums  und  die  Einstellung  des 
Opfercultus^*).    Im  Synedrium  war  der  letzte  Eest  der  poli- 
tischen Selbständigkeit  des  Judenthums  verkörpert  gewesen,  und 
damit  auch  der  letzte  Rest  der  Macht  des  sadducäischen  Adels.  Der 
Einfluss  des  letzteren  war  schon  seit  den  Zeiten  der  Alexandra 
von    dem    übermächtigen    Pharisäismus    zurückgedrängt    worden. 
Immerhin  hatte  er  noch  etwas  zu  bedeuten,  so  lange   das   Syne- 
drium   bestand.     Denn    die    Competenzen   dieses   aristokratischen 
Senates  von  Judäa  waren  zur  Zeit  der  Procuratoren  ziemlich  weit- 
gehende;  und  an  der  Spitze  desselben  standen  die  sadducäischen 
Hohenpriester.    Nun    war  mit  dem  Untergang  Jerusalems  diese 
jüdische  Behörde  von  selbst  vernichtet:    eine  Commune  von  Jeru- 
salem gab  es  nicht  mehr.    Damit  verschwindet  der  Saddu-' 
cäismus   aus    der    Geschichte.  —  Der  Untergang  der  Stadt- 
hatte aber  auch  die  Einstellung  des  Opfercultus  und  damit  das 
allmähliche   Zurücktreten    des    Priesterthums    aus    dem 
öffentlichen    Leben   zur  Folge.    Nur    allmählich    vollzog  sich 
dasselbe.    Man  glaubte  noch  lange  nicht  daran,  dass  der  gegen- 
wärtige Zustand  ein  definitiver  sein  werde.    Es  schien  nur  eine 
Frage   der  Zeit,  wann  die  Priester  ihren  Dienst  wieder  würden 
aufnehmen  können.    Selbstverständlich  wurden  auch  alle  Abgaben 
nach  wie  vor  an  sie  entrichtet.    Nur  die  Abgaben,  welche  direct 
für  den  Unterhalt  des  Tempels  und  der  öffentlichen  Opfer  bestimmt 
waren,  wurden  von  den  Rabbinen  für  suspendirt  erklärt    Die  für 
den  persönlichen  Unterhalt  der  Priester  bestimmten  Leistungen 
blieben  nach  wie  vor  gesetzliche  Pflicht  und  wurden  überall,  wo 
Priester  |  waren,  diesen  gegeben  ^ 2),    j^i^^y  trotz  alledem  hatte  das 


30)  In  der  Notiz  über  Gamaliel  und  seinen  Sklaven  Tabi  ist  wohl  Gama- 
liel  I  gemeint  und  Tabi  hat  sich  nur  irrthümlich  eingeschlichen.  Doch  kann 
man  auch  annehmen,  dass  Tabi  als  Jüngling  dem  Grossvater  und  als  Greis 
dem  Enkel  gedient  hat  (so  Derenbourg),  oder  dass  der  Name  Tabi  in  der 
Familie  des  Sklaven  sich  ebenso  vererbt  hat  wie  der  Name  Gamaliel  in  der 
Familie  des  Herren  (so  Friedmann  und  Grätz). 

31)  Ueber  das  Aufhören  des  Synedriums  s.  auch  Sota  IX,  11  (im  Wortlaut 
mitgetheilt  Bd.  II,  S.  197). 

32)  Schekalim  YIIl,  8:  „Die  Schekalim  (Didrachmensteuer)  und  Bikkurim 
(Erstlinge  der  Feldfrüchte)  werden  nur  dargebracht,  wenn  der  Tempel  besteht ; 
aber  der  Zehute  des  Getreides  und  der  Zehnte  des  Viehes  und  die 


656  §21, 1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bia  Hadrian.    [551.552] 

Priesterthiim  jetzt,  wo  es  seinen  Dienst  nicht  mehr  verrichten 
konnte,  auch  seine  Bedeutung  verloren.  Es  war  ein  Denkmal  ver- 
gangener Zeiten,  welches  je  länger  desto  mehr  in  Auflösung  und 
Verfall  gerieth. 

In  das  Erbe  der  Sadducäer  und  Priester  traten  die 
Pharisäer  und  Rabb inen.  Sie  waren  vortrefflich  auf  den  An- 
tritt dieser  Erbschaft  vorbereitet.  Schon  seit  zwei  Jahrhunderten 
waren  sie  mehr  und  mehr  zur  führenden  Macht  geworden.  Nun 
fiel  ihnen  mit  einem  Male  die  Alleinherrschaft  zu.  Der  Untergang 
Jerusalems  bedeutet  nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  die  Aus- 
lieferung des  Volkes  an  den  Pharisäismus  und  die  Rabbinen;  denn 
die  Factoren,  welche  diesen  bisher  noch  entgegen  gestanden  hatten, 
waren  zur  Bedeutungslosigkeit  herabgesunken. 

Ein  Sammelpunkt  schriftgelehrter  Thätigkeit  scheint  nach  dem 
Untergang  Jerusalems  besonders  Jamnia  (Jahne)  geworden  zu  sein. 
Hier  wirkte  während  der  ersten  Decennien  nach  der  Zerstörung  des 
Tempels  Rabban  Jochanan  benSakkai,  am  Ende  des  ersten  und 
im  Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts  Rabban  Gamaliel  II,  um 
welchen  sich  ein  ganzer  Kreis  von  Gelehrten  gruppirte.  Die  be- 
rühmtesten Zeitgenossen  Gamaliel's  waren  R.  Josua  ben  Chananja 
und  R.  Eli  es  er  ben  Hyrkanos,  welch'  letzterer  in  Lydda  seinen 
Wohnsitz  hatte.  Jüngere  Zeitgenossen  und  Schüler  dieser  Männer 
waren  R.  Ismael,  R.  Akiba  und  R.  Tarphon  (s.  über  alle  diese 
Gelehrten  und  ihre  Zeitgenossen  Bd.  II,  S.  366—380). 

Von  diesen  Männern  und  ihren  zahlreichen  Collegen  und  Schü- 
lern wurde  die  Arbeit  am  Gesetz  mit  grösserem  Eifer  als 
je  fortgesetzt.  Es  war  als  ob  nach  dem  politischen  Untergang 
die  ganze  Kraft  der  Nation  sich  auf  ihre  eigentliche  und  höchste 
Aufgabe,  die  Pflege  des  Gesetzes,  concentrirte.  Alle  Materien  des-j 
selben,  Criminal-  und  Civilrecht  und  die  mannigfaltigen  religiösen 
Satzungen,  wurden  von  den  Gelehrten  mit  der  peinlichsten  Sorgfalt 
erörtert  und  von  den  Lehrern  den  Schülern  eingeprägt.    Dabei  war 


Erstgeburten  werden  dargebracht  |gleichvicl  ob  der  Tempel  besteht  oder 
nicht  besteht".  —  Diese  drei  Abgaben  sind  hier  nur  beispielsweise  als  die 
wichtigsten  genannt.  E«  blieb  z.  B.  auch  in  Kraft  die  Teruina  {Bikkurim 
II,  3)  und  die  Abgabe  der  drei  Stücke  beim  Schlachten,  nämlich  des 
rechten  Vorderfusses,  der  Kinnbacken  und  des  Magens  (Chullm  X,  1).  Näh- 
ere« über  alle  diese  Abgaben  s.  Bd.  II.  S.  248—255.  —  Die  Abgabe  des  rech- 
ten VorderfuHses  bezeugt  als  Sitte  seiner  Ztüt  der  Kaiser  Julian  bei  Gyrill. 
adv.  Julian.  p.'iGüA:  xalx6v  öt^idv  tufiov  diioaaiv  dnafx^i  ^of«  lepeiatv,  wo 
nicht  mit  Kcumann  (Kaiser  Julians  Bücher  gegen  die  (Miristen  1880,  8.  39) 
zu  Qbersetzen  ist  „den  rechten  Sclienkel",  sondern  „den  rc(;hten  Bug  (Vorder- 
fuss)";  denn  es  liegt  nicht  Uv.  7,  32,  sondern  Deut,  18,  3  zu  Grunde.  Vgl. 
auch  Friedmann  und  Grfitz,  Theol.  Jahrbb.  1848,  6.  360  ff. 


[552.553]    §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasiau  bis  Hadrian.  657 

es  völlig  gleichgültig,  ob  die  Zeitverhältiiisse  eine  Aasübung  dieser 
Satzungen  gestatteten  oder  nicht.  Alle  Subtilitäten  des  Tempel- 
dienstes, das  ganze  Ritual  des  Opferwesens  wurde  ebenso  tieissig 
und  ernsthaft  discutirt,  wie  die  Reinheitsgesetze,  das  Sabbathgebot 
und  andere  religiöse  Pflichten,  deren  Ausübung  thatsächlich  mög- 
lich war.  Nichts  kann  uns  eine  lebhaftere  Vorstellung  von  dem 
Glauben  des  Volkes  an  seine  Zukunft  erwecken,  als  die  Gewissen- 
haftigkeit, mit  welcher  von  den  Hütern  des  Gesetzes  auch  die  Vor- 
schriften über  den  Tempel-  und  Opferdieust  behandelt  wurden. 
Mochte  die  Zeit  der  Verwüstung  länger  oder  kürzer  dauern:  es 
musste  doch  wieder  einmal  der  Tag  der  Erneuerung  anbrechen. 
Daher  wurde  bei  der  schriftlichen  Aufzeichnung  des  jüdischen 
Rechtes  im  zweiten  Jahrhundert  in  das  corjjus  juris  (die  Mischna) 
auch  eine  Topographie  des  Tempels  (Tractat  Middoth)  und  eine  Be- 
schreibung der  täglichen  Dienstverrichtungen  der  Priester  (Tractat 
Tamid)  aufgenommen:  die  Nachkommen,  welchen  die  Wiederher- 
stellung des  Cultus  vergönnt  sein  würde,  sollten  wissen,  wie  es  einst 
zur  Zeit  der  Väter  gehalten  worden  war. 

Diese  Gelehrten,  welche  in  solcher  Weise  das  höchste  Gut 
Israels  pflegten,  bildeten  nun  noch  ausschliesslicher  und  unum- 
schränkter als  ehedem  die  höchsten  Autoritäten  des  Volkes. 
Die  Priester,  welche  sonst  die  wichtigsten  Vermittler  bei  Ausübung 
der  religiösen  Pflichten  gewesen  waren,  waren  zur  Unthätigkeit 
verurtheilt.  Aller  Eifer  der  Frommen  musste  sich  darauf  beschrän- 
ken, zu  thun,  was  die  Rabbinen  ihnen  vorschrieben.  Es  bedurfte 
keines  äusseren  Zwanges.  Was  die  angesehensten  Lehrer  festgestellt 
hatten,  das  betrachteten  die  Frounnen  ohne  Weiteres  als  verbind- 
lich. Ja  man  erkannte  sie  nicht  nur  als  Gesetzgeber  in  geistlichen 
und  weltlichen  Dingen  an,  sondern  man  unterwarf  sich  auch 
ihrem  Richterspruch  in  streitigen  Fällen,  selbst  in  den  Fragen 
des  Mein  und  Dein.  Es  ist  in  dieser  Zeit  gar  nichts  Auffallendes, 
wenn  z.  B.  R.  Akiba  lediglich  kraft  seiner  geistigen  Autorität 
einen  Mann  zu  400  Sus  Schadenersatz  verurtheilt,  weil  er  einer 
Frau  auf  der  Strasse  das  Haupthaar  entblösst  hatte  3^). 

Das  höchste  Ansehen  genoss  gegen  Ende  des  ersten  und  im 
Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts  nach  Chr.  der  Gerichtshof  zu 
Jamnia  (Jahne),  ein  Collegium  von  Gelehrten,  das  schwerlich  von 
der  römischen  Behörde  eine  weitgehende  Autorisation  hatte,  dasj 
aber  thatsächlich  an  die  Stelle  des  alten  Synedriums  von  Jerusalem 
trat  als  oberster  Gerichtshof  von  Israel.  Die  Anordnungen,  welche 


33)  Baba  kamma  VIII,  6.  —  Vgl.  überhaupt:  Chajes,  Les  juges  juifs  en 
Palesline  de  Pan  70  ä  Van  500  {Reriie  des  etudes  Juices  t.  XXXIX,  1899,  p.  39—52). 
Schürer,  Geschichte  I   3.  u.  4.  Aufl.  42 


658  §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasiau  bis  Hadrian,    [553.554] 

Kabban  Jochanan  ben  Sakkai  (in  Jabne)  nach  der  Zerstörung^ 
des  Tempels  traf,  um  gewisse  gesetzliche  Bestimmungen  den  ver- 
änderten Zeitverhältnissen  anzupassen,  wurden  als  maassgebend  be- 
trachtet 3^).  Kabban  Gamaliel  II  und  sein  Gerichtshof  über- 
wachte die  richtige  Handhabung  des  Kalenderwesens;  seinen  Ent- 
scheidungen unterwarf  sich  sogar,  obwohl  er  sie  für  irrig  hielt, 
der  ältere  R  Josua^^).  Ueberhaupt  galten  die  in  Jabne  getroffenen 
gesetzlichen  Entscheidungen  als  normativ  ^ß).  Ja  die  Succession 
Jabne's  in  die  Rechte  von  Jerusalem  wurde  so  sehr  als  die  Regel 
angesehen,  dass  man  es  als  eine  Ausnahme  constatirte,  wo  dies 
nicht  der  Fall  war  3').  Auch  in  Betreff  der  Mitgliederzahl  scheint 
man  das  jerusalemische  Synedrium  nachgeahmt  zu  haben.  Wenigstens 
ist  einmal  davon  die  Rede,  dass  „die  72  Aeltesten"  den  R.  Eleasar 
ben  Asarja  zum  Vorsitzenden  ernannten  ^^).  —  Man  darf  annehmen, 
dass  dieser  „Gerichtshof  von  Jabne  die  von  dem  jüdischen  Volk 
ihm  freiwillig  zugestandene  Autorität  nicht  nur  auf  dem  Gebiete 
des  Ceremonialgesetzes,  sondern  auch  auf  dem  Gebiete  des  Civil- 
ja  des  Criminalrechtes  zur  Anwendung  gebracht  hat.  Im  Civilrecht 
mag  er  dazu,  nach  Lage  der  allgemeinen  Gesetzgebung,  wirklich 
befugt  gewesen  sein.  Denn  die  römische  Gesetzgebung  hat,  soviel 
wir  constatiren  können,  den  jüdischen  Gemeinden  in  der  Diaspora 
überhaupt  die  Befugniss  zuerkannt,  in  Civilstreitigkeiten  ihrer  Mit- 
glieder Recht  zu  sprechen,  sofern  die  streitenden  Parteien  selbst 
die  Sache  vor  das  Gemeindegericht  brachten  ^^).  Aber  in  Criminal- 
sachen  wird  diese  Gerichtsbarkeit  mehr  eine  usurpirte  als  eine 
vom  Kaiser  zugestandene  gewesen  sein.  Sehr  anschaulich  und  zu- 
gleich authentisch  beschreibt  uns  diesen  Zustand  Origenes.  Er 
will  in  seiner  Verjtheidigung  der  Geschichte  von  Susanna  und 
Daniel  den  Nachweis  führen,  dass  die  Juden  recht  wohl  auch  im 


34)  Sukka  III,  12.  Roseh  haschana  IV,  1.  3.  4.  Mcnachoth  X,  5.  Deren- 
bourg,  IJütoire  de  la  Palesiinc  p.  304  sq. 

35)  Roach  haschana  II,  8-9.  —  Nach  EJvjoth  VII,  7  erklärte  man  einst 
in  Gamaliers  Abwesenheit  das  Jahr  für  ein  Schaltjahr  unter  der  Bedingung, 
das«  er  es  nach  seiner  Rückkehr  gcnclimigen  werde. 

36)  Kelim  V,  4.  Para  VII,  G.  Vgl.  auch  Bechoroth  IV,  5.  VI,  8  (wie  man 
in  Jabne  bei  Besichtigung  der  Erstgeburten  verfuhr). 

37)  Sanhedrin  XI,  4.    Posch  haschayia  IV,  2. 

88)  Sebachim  I,  3.    Jadqjim  III,  5.    IV,  2.    Vgl.  Bd.  li,  S.  370  f. 

39)  Joseph.  Antt.  XIV,  10,  17.  Cf)dex  Thcodosianus  II,  1,  10:  ex  conseiisu 
partium  in  civili  duntaxat  negntio.  Vgl.  Bd.  III,  8.  72,  77  f.  —  Nach  KdtQoth 
VII,  7  rciHtc  einst  Gnmaliitl  II  zum  Stattlialter  (Hegemon)  von  Syrien  (sollte 
hciRHcn:  Judäa),  „um  «'ine  Erlaubniss  von  ihm  zu  erlangen"  (iiBjna  mi^n  ^lab 
«•nioa).  E«  ist  möglich,  daHS  es  sich  dalxä  um  Verleihung  oder  Erweiterung 
oder  Ansfibung  richterlicher  BcfugnisHe  handelte. 


[554]  §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.  559 

babylonischen  Exil  ihre  eigene  Gerichtsbarkeit  gehabt  haben 
können.  Zum  Beweise  dafür  beruft  er  sich  auf  die  Zustände  in 
Palästina  zu  seiner  Zeit,  die  er  aus  eigener  Anschauung  kenne. 
Die  Macht  des  jüdischen  Ethnarchen  (so  nennt  ihn  Origenes)  sei 
eine  so  grosse,  dass  er  sich  in  nichts  von  einem  König  unterscheide 
(ö5c  fiTjÖev  öia^tQeiv  ßaoiXsvovTog  rov  t&vovg).  „Es  finden  auch 
heimlich  Gerichtsverhandlungen  statt  nach  dem  Gesetz,  und  Manche 
werden  zum  Tode  verurtheilt,  weder  mit  allgemeiner  Ermächtigung 
hierfür,  noch  auch  so,  dass  es  dem  Herrscher  verborgen  ist"^**). 
Dies  die  Zustände  im  dritten  Jahrhundert.  In  den  ersten  Decen- 
nien  nach  der  Zerstörung  Jerusalems  wird  man  noch  nicht  so  weit 
gewesen  sein.  Aber  man  war  doch  auf  dem  Wege  dazu.  —  An 
diese  jüdische  Centralbehörde  in  Palästina,  deren  Vorsitzender 
später  den  Titel  Patriarch  führte,  flössen  auch  die  Abgaben  aus 
der  Diaspora,  soweit  diese  eben  nach  der  Zerstörung  des  Tem- 
pels noch  entrichtet  wurden.  Wenigstens  für  die  spätere  Kaiser- 
zeit ist  dies  bestimmt  bezeugt.  Auch  in  diesem  Punkte  traten  die 
Rabbinen  an  die  Stelle  der  Priester.  Denn  ehedem  waren  die  Ab- 
gaben an  die  priesterliche  Centralcasse  in  Jerusalem  geliefert 
worden.  Jetzt  war  es  eine  rabbinische  Behörde,  welche  sie  durch 
ihre  apostoli  einsammeln  liess  und  für  ihre  angemessene  Verwen- 
dung sorgte  (s.  Bd.  III,  S.  77,  101). 

Aller  Eifer  für  das  väterliche  Gesetz  hatte  in  dieser  späteren 
Zeit  wenigstens  bei  der  grossen  Mehrzahl  der  Frommen,  seinen 
Lebensnerv  in  dem  Glauben  an  eine  herrliche  Zukunft  des 
Volkes.  So  war  es  schon  vor  der  grossen  Katastrophe;  so  in  ver- 
stärktem Maasse  auch  nach  derselben.  Wenn  man  jetzt  eifiiger 
als  je  um  die  peinliche  Erfüllung  der  Gebote  Gottes  sich  bemühte, 
so  war  die  stärkste  Triebfeder  hierzu  eben  der  Wunsch,  sich  dadurch 
der  künftigen  Herrlichkeit,  an  welche  man  zuversichtlicher  als  je 
glaubte,  würdig  zu  machen.  Ueber  diese  religiöse  Stimmung 
in  den  ersten  Decennien  nach  dem  Untergang  der  heiligen  Stadt 
geben  uns  die  damals  entstandenen  Apokalypsen  des  Baruch  und 
Esra  einen  ebenso  lebendigen  wie  authentischen  Aufschluss  (s.  über 
dieselben  Bd.  III,  S.  223—250).  Die  nächste  Folge  des  furchtbaren 
Schlages  war  freilich  eine  tiefe  Erschütterung  der  Gemüther.  Wie 
konnte  Gott  über  sein  auserwähltes  Volk  dieses  Unheil  herein- 
brechen lassen?  Aber  dieses  grosse  Räthsel  war  doch  nur  ein  be- 
sonderer Fall   des  allgemeinen  Räthsels:   wie  ist  überhaupt  dasl 


40)  Origenes,  Epistokt  ad  Africanum  §  14  (im  Wortlaute  mitgetheilt 
Bd.  U,  S.  197).  Mommsen,  Römisches  Strafrecht  (1899)  S.  120,  sieht  hierin 
„den  merkwürdigsten  Beleg  für  das  Toleriren  selbst  den  römischen  Ordnungen 
zuwiderlaufender  Institutionen  unter  der  Kaiserherrschaft". 

42* 


(560  §21,1:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.  [555] 

Unglück  der  Gerechten  und  das  Glück  der  Ungerechten  möglich? 
Durch  das  Dunkel  dieser  letzteren  Frage  hatte  das  fromme  Be- 
wusstsein  Israels  sich  längst  hindurchgerungen.  So  fand  es  auch 
jetzt  bald  die  lösende  Antwort.  Es  ist  eine  Züchtigung,  die  Gott 
über  das  Volk  um  seiner  Sünde  willen  verhängt  hat.  Sie  hat  ihre 
bestimmte  Zeit.  Wenn  das  Volk  sich  dadurch  zurechtweisen  lässt, 
so  wird  ihm  bald  der  verheissene  Tag  des  Heiles  anbrechen.  Das 
ist  der  Grundgedanke  jener  beiden  Apokalypsen;  und  ihr  Zweck 
eben  der,  das  Volk  in  seiner  Noth  zu  trösten,  seinen  Muth  und 
seinen  frommen  Eifer  zu  beleben  durch  den  Ausblick  auf  die  sicher 
und  bald  bevorstehende  Erlösung.  Der  zuversichtliche  Glaube  an 
diese  wurde  also  durch  die  schweren  Schläge  der  Zeit  nur  noch 
verstärkt,  befestigt,  belebt.  Aus  der  Trauer  um  den  Untergang  des 
Heiligthums  erwuchs  der  messianischen  Hofinung  neue  Nahrung, 
neue  Kraft.  Das  war  auch  für  die  politischen  Verhältnisse  bedeut- 
sam und  verhängnissvoll.  Denn  diese  messianische  Hoffnung  war 
eine  wunderbare'  Mischung  religiöser  und  politischer  Ideale.  Nie 
hat  man  auf  die  letzteren  verzichtet;  und  das  Gefährliche  war  eben 
ihre  Verbindung  mit  religiösen  Motiven.  Die  politische  Freiheit 
des  Volkes,  die  man  wünschte,  wurde  als  das  Ziel  der  Wege  Gottes 
angesehen.  Je  fester  man  dies  glaubte,  desto  leichter  setzte  mau 
sich  über  kühle  Erwägungen  des  menschlich  Möglichen  hinweg, 
desto  kühner  wurde  der  Muth,  auch  das  Unmögliche  zu  wagen. 
Diese  Stimmung  war  es  gewesen,  die  schon  zur  Zeit  Nero's  zum 
Aufstande  getrieben  hatte.  In  ihr  lagen  auch  jetzt  wieder  die 
Keime  zu  neuen  furchtbaren  Katastrophen. 

Unter  den  flavischen  Kaisern  (Vespasian,  Titus,  Domitian,  bis 
96  n.  Chr.)  scheint  es  zu  Conflicten  in  grösserem  Umfang  nicht  ge- 
kommen zu  sein.  Anlass  dazu  wäre  genügend  vorhanden  gewesen. 
Denn  das  Gebot,  die  einstige  Tempeisteuer  an  den  capitolinischen 
Jupiter  nach  Rom  abzuliefern  (s.  oben  S.  640  tf.),  war  eine  Verhöli- 
nung  der  religiösen  Gi^iühle  der  Juden,  die  jedes  Jahr  bei  Er- 
hebung der  Steuer  aufs  Neue  als  solche  empfunden  werden  miisste. 
Unter  Domitian  wurde  diese  Steuer  mit  grosser  Strenge  ein- 
getrieben, wi(5  überhaupt  dieser  Kaiser  als  entschiedener  (legner 
der  Juden  auftrat:  der  Uebertritt  zum  Judiintlium  wurde  mit  strenger 
Strafe  belegt"  . 

Von  einer  wirklidicn  Verfolgung  der  .luden  nach  der  Zer- 
stiiiTing  JeruHalcms,  noch  unter  Vespasian's  Regierung,  spricht  Ku- 
sebius  unter  I3.;rufung   auf    Ilegesippus.     Sowohl   \  espasian    als 

41)  Eintreibung  der  Steuer:  SnrUm.  Domitian,  12,  Verbot  des  Uebortrittes 
Jho  Ca$$.  LXVII,  14  (beide  btollen  im  Wortlaut  Hd.  III,  S.  70). 


[555.55(5]   §21,  I:  Zustände  in  Palästina  von  Vespasian  bis  Hadrian.  gm 

Doniijtian  uud  Trajan  Hessen  nämlich,  so  berichtet  Hegesippus, 
alle  Juden  aus  Davids  Geschlecht  mit  grossem  Eifer  aufspüren 
und  hinrichten,  damit  das  königliche  Geschlecht,  auf  welches  die 
Juden  ihre  Hoffnungen  setzten,  ausgerottet  werde  ^''^).  Dieser  Be- 
fehl führte  unter  Vespasi an  zu  einer  grossen  Verfolgung  der 
Juden* 3).  Es  lässt  sich  nicht  controliren,  wie  weit  diese  Erzäh- 
lung historisch  ist.  Schwerlich  ist  sie  ganz  aus  der  Luft  gegriffen; 
denn  dass  man  einen  Messias  aus  David's  Hause  erwartete,  ist 
zweifellos.  Die  P^xistenz  von  Davididen  konnte  also  wirklich  als 
eine  politische  Gefahr  angesehen  werden.  Aber  von  grosser  Aus- 
dehnung und  Bedeutung  kann  diese  „Verfolgung"  nicht  gewesen 
sein,  da  sonst  kein  Schriftsteller  etwas  davon  weiss.  —  Ob  unter 
Domitian  politische  Unruhen  in  Judäa  vorgekommen  sind,  ist 
ebenfalls  fraglich.  Aus  gewissen  Andeutungen  des  Militärdiplomes 
vom  J.  86  n.  Chr.  hat  man  geglaubt,  auf  solche  schliessen  zu 
müssen.  Indess  lassen  sich  diese  Schlussfolgerungen  nicht  zur  Ge- 
wissheit erheben  (s.  oben  S.  644  f.).  —  Von  furchtbarer  Gewalt  und 
Ausdehnung  waren  dagegen  die  Aufstände,  welche  unter  Trajan 
und  Hadrian  ausbrachen,  erstere  ausserhalb  Judäa's,  letztere  in 
Judäa  selbst. 


IL  Die  Kriege  unter  Trajan  (115—117). 

Quellen:  Dio  Cass.  LXVIII,  32. 

Euseb.  Eist.  Eccl.  IV,  2.    Ders.,  Chron.  ed.  Schuene  II,  IM  sq. 

Orosius  VII,  12   (fast  ganz  nach  des  Hieronymus  lateinischer  Be- 
arbeitung der  Chronik  des  Eusebius). 

Ueber  Papyrus- Fragmente,  welche  sich  auf  die  Juden-Verfolgung 
in  Alexandria  unter  Trajan  beziehen,  s,  oben  S.  65  f. 
Literatur:  Munter,   Der  jüdische   Krieg   unter   den  Kaisem   Trajan   uud 
Hadrian  (1821)  S.  10—29. 

Cassel,   in   Ersch  und  Gruber's  Encyklopädie,  Sect.  II,   Bd.  27, 
1850,  S.  12  f.  (im  Artikel  „Juden"). 

Grätz,  Geschichte  der  Juden  Bd.  IV,  S.  123  ff. 

Verenbourff,  Ilistoire  de  la  Palestine  p.  402 — 412. 

Neubürger,  Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth. 
1873,  S.  386-397. 

Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  VII,  390—396. 

Hausrath,  Neutestamentliche  Zeitgeschichte  2.  Aufl.  IV,  181 — 189. 

Renan,  Les  evangiles  (1877)  p.  503 — 512. 

42)  Euseb.  Eist,  eccllll,  12  (Vespasian);  ibid.  III,  19— 20  (Domitian  ;  ihid. 
III,  32,  3 — 4  (Trajan);  sämmtliclie  Angaben  nach  Hegesippus. 

43)  Euseb.  E.  E.  III,  12:  Oveanaaiavbv  fjitxa  Trjv  tcüv  '^TeQoao?.iu(ov  a?.watv 

Tiävrag  xovg  dno   ycvovQ  AaßlÖ dva'Qrjxela^ai  ngoarä^ai,   fikyiaxov 

Xi  'lovöaioig  ai:&ig  ix  xavxric.  öitoyfxov  inagxrjx)^f/vai  xf,g  aixiag. 


662  §  21,  11:  Die  Kriege  unter  Trajan  (115—117).  [556.  557] 

Volk  mar,  Zur  Chronologie  des  Trajanischen  Partherkrieges  mit 
Bücksicht  auf  die  Ignatiustradition  und  eine  neue  Quelle  (Rhein. 
Museum  Neue  Folge  Bd.  XII,  1857,  S.  481—511).  | 

Volkmar,  Der  parthische  und  jüdische  Krieg  Trajans  nach  den 
Quellen  (Zeitschr.  für  die  Alterthumswissensch.  XV.  Jahrg.  1857, 
Nr.  61—65). 

Volkmar,  Handbuch  der  Einleitung  in  die  Apokryphen,  I.  Thl. 
1.  Abth.    Judith.  1860. 

Dierauer  in  Büdinger's  Untersuchungen  zur  röm.  Kaisergesch.  I, 
1868,  S.  182  f. 

De  la  Berge,  Essai  sur  le  regne  de  Trajan  (1877)  p.  182 — 184. 

Schiller,  Geschichte  der  römischen  Kaiserzeit  I,  2(1883)  S.  561  f. 

Mommsen,  Römische  Geschichte  Bd.  V  (1885)  S.  542—544,  vgl. 
397  ff. 

Schlatter,  Die  Tage  Trajans  und  Hadrians  (Beiträge  zur  För- 
derung christlicher  Theologie  I,  3,  1897,  S.  1—100).  Dazu: 
Bacher,  Erreurs  ricentes  etc.  {Revue  des  Ütides  juives  t.  XXXVI, 
1898,  p.  197—204). 

Trajan  war  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  (114 — 117) 
fortwährend  in  Anspruch  genommen  durch  die  kühnen  Eroberungs- 
ziige  im  fernen  Osten  des  Reiches*'*).  Als  er  im  J.  115  eben  mit 
der  Eroberung  Mesopotamiens  beschäftigt  war,  begannen  die  Juden 
in'Aegiypten  und  Cyrene,  die  Abwesenheit  des  Kaisers  benützend, 
„wie' von  einem  wilden  Geist  des  Aufruhrs  fortgerissen,  sich  gegen 
ihre  nichtjüdischen  Landsleute  zu  erheben"*^).  Der  Aufstand  ge- 
wann im  folgenden  Jahre  (116  n.  Chr.)   eine  solche  Ausdehnung, 

44)  Ueber  Trajan's  Kriege  im  Oriente  vgl.  ausser  den  oben  genannten 
Arbeiten  von  Volkmar  besonders:  H.  Francke,  Zur  Geschichte  Trajan's 
(2.  AuBg.  1840)  S.  249 — 300.  Dierauer,  Beiträge  zu  einer  kritischen  Geschichte 
Trajans  S.  152—186  (in  Büdinger's  Untersuchungen  zur  römischen  Kaiserge- 
ßchichte,  I.  Bd.  1868).  De  la  Berge,  Essai  siir  le  regne  Je  Trajan  {Paris  1877) 
p.  149— IflO.  Schiller,  Geschichte  der  römischen  Kaiserzeit  I,  2  (1883) 
S.  6?5— 563.  Mommsen,  Römische  Geschichte  V,  397  ff.  Gutschmid, 
Geschichte  Irans  und  seiner  Nachbarländer  (1888)  S.  140 — 146. 

4.0)  Kusch.  Ilist.  Ercl.  IV,  2:  "Ev  xt  yccQ  lAXf^avSgda  xal  xy  Xoiny  Aiyinx(p 
xal  nQOOkXi  xaxu  Kvqi'ivtjv  wanfQ  vno  nvevfiaxoQ  dsnov  xtvog  xal  axaaiwöovq 
dvaft^imaöhxti  wQfitjvio  ngo^  xoiq  avvotxovq"EXXrjvaq  aiaaiät,fiv.  —  Ueber 
den  Krieg  in  Aegypten  ist  das  ältCHte,  leider  nur  kurze,  Zeugniss:  Apjnan^ 
(Hb.  II,  90.  Appian  berichtet  hier,  dass  Cäsar  dem  Andenken  des  Pompejus 
ein  Heiligthum  bei  Ah'xandria  geweiht  habe,  und  fährt  dann  fort:  önfQ  in^ 
i/iOtJ  xaztt  'Patfiaiwv  avxoxQuxoQa  T^aiavov,  f^oXXvvxa  xo  iv  Alyvnxip  'lov- 
dalutv  yhoq,  vnf»  xdiv  ^lovdalwv  ig  xag  xov  noXifxov  zpf'ßf  xttxrn)tl(pf>T].  —  Ohne 
7jw6iM  liezicht  Hi<;h  auf  dicHe  Zeit  auch  ein  Fragment  A  ppiun'H,  in  wch'hcm 
»er  erzählt,  wie  er  zur  Zeit  (Ich  KriegoH  mit  den  Juden  uuh  Aegypten  liube 
fliehen  niÜHHcn  iUrpiie  arrlii'ologifjue,  Noiir.  Serie  t.  XIX,  1869,  />.  101 — 110  — 
Muller,  Eragm.  hint.  gravc.  t.  W,  1,  p.  LXV  —  lirinarh,  Tcdcs  ä'autettrs grecs 
M   romainn  relatifs  au  Jtuluitrme  p.  163  sq.). 


1557.  558]  §  21,  II:  Die  Kriege  unter  Trajan  (115-117).  663 

dass  er  den  Charakter  eines  förmlichen  Krieges  annahm**^).    Der 
römische  Statthalter  von  Aegypten,  M.  Rutilius  Lupus,  scheint 


46)  Die  Chronologie  steht  nicht  ganz  fest.  Dierauer  und  Schiller 
nehmen  für  den  jüdischen  Aufstand  nur  das  Jahr  117  an,  Mommsen  116 — 117, 
Clinton  [Fasti  Rotmini  t.  I),  de  la  Berge  und  Andere  115 — 117  (erster  An- 
fang 115,  weitere  Ausdehnung  116).  Letzteres  wird  das  Richtige  sein.  Denn 
Eusebius  setzt  in  der  Chronik  den  Beginn  des  Aufstandes  noch  in  das  17.  Jahr 
Trajans  oder  ann.  Abrah.  2130  [Eiiseb.  Ghron.  ed.  Schoene  II,  164  sq.,  im  Texte 
dos  Hieronymus,  der  in  der  Regel  die  bessere  Ueberlieferung  giebt,  steht  die 
Notiz  bei  ann.  Abrah.  2130,  ebenso  in  einer  Handschrift  der  armenischen 
Uebersetzung).  Dies  ist  =  114  n.  Chr.  (nach  der  Reductionsregel,  welche 
Gutschmid  gegeben  hat.  De  temporum  notis,  quibus  Eusebius  utitur  in  Chro- 
nicis  canonibus  p.  27  sq.  =  Kleine  Schriften  I,  481  f.,  vgl.  Wachsmuth,  Einl. 
in  das  Studium  der  alten  Gesch.  S.  176).  In  der  Kirchengeschichte  drückt 
sich  Eusebius  {H.  E.  IV,  2)  so  aus:  ^<fjy  yovv  xov  avxoxQäxoQoq  flg  ivtavxbv 
cxtwxatdixarov  iXavvovroq  ai&iq  'lovöaliuv  xivTjaiq  inavaaräaa  x.  t.  X.  Er 
setzt  also  hier  den  Beginn  des  Aufstandes  gegen  Ende  des  17.  oder  Anfang 
des  18.  Jahres  Trajans.  Wenn  dies  auf  genauer  Ueberlieferung  beruht,  so 
würden  wir  auf  Ende  114  oder  Anfang  115  n.  Chr.  geführt  werden,  denn  das 
18.  Jahr  Trajans  ist  im  Wesentlichen  gleich  115  n.  Chr.,  mag  man  nun  das 
Jahr  vom  Tage  seines  Regierungsantrittes  an  rechnen  (Ende  Januar,  s.  über 
den  Todestag  Nerva's  Dierauer  S.  27  f ,  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  IV,  148  f.) 
oder  vom  tribunicischen  Neujahr  10.  December  au,  wie  es  seit  Trajan  im 
officiellen  Gebrauch  üblich  wurde  (ähnlich  wie  man  in  Aegypten  immer  mit 
dem  Beginn  des  ägyptischen  Kalenderjahres,  29.  oder  30.  August,  ein  neues 
Kaiserjahr  zu  zählen  begann).  —  Im  folgenden  Jalire,  also  im  19.  Jahre  Tra- 
jans =  116  n.  Chr.  und  zwar  während  Lupus  Statthalter  von  Aegypten  war, 
nahm  der  Aufstand  grössere  Ausdelinung  an  {Euseb.  H.  E.  IV,  2:  av^^aavxeq 
Tf  ilq  fxiya  ttjv  axdaiv  xiö  imövxi  iviavxiji  nöXeftov  ov  a/xixgov  avv^tpay, 
tjyovfitvov  XTjvixatxa  Aovnov  x^q  anclarjq  Alyvnxov).  Die  Richtigkeit  dieser 
Angaben  wird  durch  die  Chronologie  der  Statthalter  Aegypten's  be- 
stätigt, die  sicli  für  diese  Jahre  ziemlich  genau  feststellen  lässt,  vgl.  Franz 
im  Co}-p.  Inscr.  Oraec.  f.  III  p.  312.  P.  Meyer,  Zur  Chronologie  der praefecti 
Aegypti  im  zweiten  Jahrhundert  (Hermes  Bd.  32,  1897,  S.  210 — 234).  Ders., 
Das  Heerwesen  der  Ptolemäer  und  Römer  in  Aegypten,  1900,  S.  145 — 147. 

1)  M.  Rutilius  Lupus  war  schon  vor  dem  Soraftier  115  Statthalter 
von  Aegypten,  denn  auf  ein  Rescript  von  ihm  in  Sachen  einer  Soldaten-Ehe 
nimmt  eine  spätere  richterliche  Entscheidung  Bezug,  welche  vom  Juni  115,  L 
ij]  TQaiavov,  llavvi  i,  datirt  ist  [Bullettino  deW  Istituto  di  diritto  romano,  VIII, 
1895,  p.  157  [in  dem  hier  S.  155  ff.  mitgetheilten  Papyrus  sind  fünf  Urkunden 
vereinigt,  welche  sich  auf  Soldaten-Ehen  beziehen]).  —  Für  das  folgende  Jahr 
ist  er  als  Statthalter  Aegyptens  bezeugt  durch  die  Inschrift  eines  Tempels  in 
der  Oase  von  Theben  {Letronne,  Reeueil  des  inscriptions  grecques  et  latines  de 
PEgypte  I,  120  sq.  =  Corp.  Inscr.  Graec.  n.  4948:  inl  Mdgxov  'Povxiklov  Aov- 
nov  inuQxov  Alyvnxov  .  .  .  L  i^  avxoxgdxoQoq  Kalaagoq  Negota  T^aiavoü'.  .  . 
7iax,u)v  X,  das  Datum  entspricht  dem  24.  Mai  110  n.  Chr.;  eine  neuere  Copie* 
von  Schweinfurth,  Petermann's  Mittheilungen  1875,  S.  393,  giebt  statt  naxcav 
X  vielmehr  naxaiv  a,  was  auf  April  führen  würde).  —  In  einem  von  Grenfell 
und   Hunt   mitgetheilten   Papyrus    heisst   es,   dass  eine  Streitsache  gebracht 


664  §  21,  11:  Die  Kriege  unter  Trajan  (115-117).  [558] 

der  Macht  der  Juden  nicht  gewachsen  gewesen  zu  sein.  Diese  be- 
siegten in  einem  Treffen  die  „Hellenen"  und  zwangen  sie  zur  Flucht 
nach  Alexandria.    Hier  in  der  Hauptstadt  hatten   allerdings  die 


worden  sei  ml  rov  xqccxioxov  riysfiova'^Povxihov  [Ao\vnov.  Der  Papyrus  ist  zwar 
undatirt  aber  mit  einem  andern  Dokument  verbunden,  welches  vom  19.  Jahre 
Trajans  datirt  ist  [The  Oxyrhynchus  Papyri  ed.  by  Orenfell  and  Hunt  P.  I, 
1898,  n.  97).  —  Dass  Lupus  noch  im  Januar  117  n.  Chr.  Statthalter  von 
Aegypten  war,  lehrt  ein  Rescript  von  ihm,  welches  datirt  ist  L  x  f^eov 
TQttiavov  TZßi  öexÜT^  =  5.  Januar  117  n.  Chr.  (Aegj'ptische  Urkunden  aus 
den  königl.  Museen  zu  Berlin,  Griechische  Urkunden  Bd.  In.  114).  —  Ob  die 
Inschrift  bei  Kaibel,  Inser.  Graecae  Steil,  et  Ital.  n.  2421,  2  inl  Aovncoi  inagiiot 
AtyvTiTov  sich  auf  unsern  Lupus  bezieht,  ist  ungewiss.  Dagegen  ist  sicherlich 
dieser  gemeint  in  dem  auf  den  Juden-Aufstand  in  Alexandria  bezüglichen 
Papyrus-Fragment,  welches  oben  S.  65 f.  besprochen  ist.  Auf  eine  dnöösi^ig 
des  Lupus  wird  Bezug  genommen  in  einem  fragmentarisch  erhaltenen  Docu- 
ment  aus  späterer  Zeit  [Grenfell,  Hunt  and  Hogarth,  Fayüm  towns  and  their 
papyri,  1900,  p.  311,  n.  322). 

2)  Zur  Bezwingung  des  Aufstandes  in  Aegypten  und  Cyrene  sandte  Trajan 
den  Marcius  Turbo  (Euseb.  H  E.  IV,  2).  Dass  dieser  als  Statthalter  von 
Aegypten  zu  denken  ist,  ergiebt  sich  schon  aus  dem  Umstände,  dass  der 
Statthalter  von  Cyrene  kein  Heer  hatte,  Turbo  also  nur  als  Statthalter  von 
Aegypten  den  Aufstand  in  jenen  Gegenden  bekämpft  haben  kann.  Aus  Spar- 
tian's  vita  Hadriani  wissen  wir  aber  auch  direct,  dass  Hadrian  ihm  später 
Dacien  übertrug  tHuIo  Aeyyptiacae  praefecturae,  d.  h.  mit  Belassung  der  Ehren- 
rechte des  Statthalters  von  Aegj'pten  (Spartiati.  Hadrian.  c.  7,  vgl.  Letronne  I, 
164).  Turbo  war  also  der  Nachfolger  des  Lupus,  und  zwar  noch  zur  Zeit 
Trajan's  117  n.  Chr. 

3)  Schon  S'/a  Monate  nach  Trajan's  Tod,  nämlich  für  April  118  ist  durch 
eine  Inschrift  Rammius  Martialis  als  Statthalter  von  Aegypten  bezeugt 
{Ijclronne,  Rccueil  des  inscriptions  I,  153  n.  XVI  =  Corp.  Inscr.  Oraee.  n. 
4713'-:  6nl  'PafAfxlut  MagriccXi  iTXU{>X(f  Alyinxov  .  .  .  ß'  atxoxgdroQog  KctlaaQoq 
Tfaiavov  kdi>tavov  .  .  .  (pag/uov&l  xij',  das  Datum  ist  ==  23.  April  118  n.  Clir). 
Den  vollen  Namen  Q.  liammius  Martialis  gicbt  eine  in  Bubastis  gefundene 
Inschrift  {Revue  archcol.  trms.  Serie  t.  33,  1898,  p.  436). 

Marcius  Turbo  ist  alHo  Anfang  118  n.  Chr.  abgerufen  worden  (vgl.  mich 
Spartian.  Ifadr.  5:  Marrio  Turhove  Judaeis  conprcssis  ad  deprintendniu  tuvnil- 
tum  Maurdaiiinr  dcHtinatn).  Du  er  aber  den  Aufstand  bewältigte  noXktäg  fiä- 
yaiQ  iv  oi'x  oh'y(i)  xe  XQ"*'V  (/'•'"•■<*''•  ^f-  ^-  IV,  2),  ho  wird  seine  Tiiätigkcit  diis 
Jahr  117  aungefüllt  haben;  und  es  bestätigt  sich  somit,  dass  der  entscheidende 
Hleg  der  AufHtändiHchon  zur  Zeit  des  i^iupus  in  das  Juhr  116,  der  erste  An- 
fang der  Bewegung  in  das  Jahr  115  zu  setzen  ist.  —  V.  Meyer  meint,  dass 
der  ZwiHclienrHtun  zwIkcIumi  Lupus  und  Ranunius  Martialis  für  Turbo's  krie- 
gerJHcli«  Thätigkeit  zu  kurz  sei.  Kr  halt  daher  den  Turbo  nicht  für  einen 
ordnungHnuiHHigcn  Statthalter,  Hondern  für  einen  auHHcronlciitlicIicn  liCgaten 
nrhen  Lnpim  alM  Htatthulter  (JlernieH  .32,  H.  217  f).  Zu  dieser  an  sitih  iiixlist 
unwaiirnflu-inlichen  Couibinution  n«>thigt  aber  die  Chronologie  keiueswcgH. 
Ein  vnltc-M  Jahr  frenOgt  doch  auch  für  nollal  /idyai 


[558.  559]  §  21,  II:  Die  Kriege  unter  Trajan  (115—117).  ßß^ 

Grrieclieu  die  Oberhand:  die  dort  wohnenden  Juden  -wurden  er- 
griffen und  getödtet**').  | 

Um  so  schlimmer  wütheten  die  Juden  in  Cyrene.  Von  den 
Grausamkeiten,  welche  sie  hier  an  ihren  nichtjüdischen  Mit- 
bürgern verübten,  entwirft  Dio  Cassius  ein  schauerliches  Gemälde: 
sie  assen  ihr  Fleisch,  beschmierten  sich  mit  ihrem  Blut,  durch- 
sägten sie  von  oben  bis  unten  oder  gaben  sie  den  wilden  Thieren 
zur  Speise.  Die  Zahl  der  Ermordeten  soll  220000  betragen 
haben''^).  So  gewiss  hier  die  ausschweifendste  Phantasie  den 
Griffel  geführt  hat,  so  erhellt  doch  daraus  der  Umfang  und  die 
Bedeutung  dieses  Aufstandes.  Der  Anführer  der  cyrenaischen 
Judenschaft  —  welchen  sie  als  ihren  König  ausriefen  —  wird  von 
Eusebius  Lukuas  genannt,  von  Dio  Cassius  Andreas^^). 

Zur  Bezwingung  des  Aufstandes  sandte  Trajan  einen  seiner 
besten  Feldherren:   Marcius  Turbo ^").    Durch   langwierige  und 

47)  Euseb.  H.  E.  IV,  2.  Chrun.  ed.  Schoene  II,  lü4  sq.  [ad  ann.  Abr.  2130 
nach  HieronyrauB,  oder  2131  nach  dem  Annen.)  Gros.  VII,  12:  In  Alexandria 
autem  commisso  proetio  vidi  et  adtriti  sunt.  Vgl.  auch  Btixtorf ,  Lex  Chald. 
col.  99  s.  V.  «"^rnjor^S«.  Derenbourg  p.  410 — 412.  Wünsclie,  Der  jerusa- 
lemische Talmud  (1880)  S.  125  f.  —  In  der  Chronik  des  Eusebius  wird  zum 
1.  Jahre  Hadrian's  bemerkt,  dass  dieser  Kaiser  das  von  den  Juden  (oder  Römern  ?) 
zerstörte  Alexandria  wiederhergestellt  habe  {Eus.  Chron.  ed.  Schoene  II, 
lG4s}.,  nach  dem  Armenischen:  Adrianus  Alexandriam  a  Judaeis  subversam 
restauravit,  nach  Hieronymus:  Hadriatius  Alexandriam  a  Romanis  [sie]  sub- 
versam publicis  instauravit  expensis).  Die  Stadt  muss  also  stark  gelitten  haben, 
wenn  auch  eine  eigentliche  „Zerstörung"  sicherlich  nicht  stattgefunden  hat. 
S.  dagegen  Munter  S.  19 — 23.  Die  Vermuthung  Mommsen's,  dass  die 
Notiz  im  Text  des  Eusebius  gar  nicht  gestanden  hat  und  nur  durch  Miss- 
verständniss  des  armenischen  und  lateinischen  Uebersetzers  hereingekommen 
ist  (Rom.  Gesch.  V,  543),  lässt  sich  wegen  der  Uebereinstimmung  beider  nicht 
aufrecht  erhalten. 

48)  Dio  Cass.  LXVIII,  32.  Vgl.  Oros.  VII,  12:  Incredibili  deinde  motu  sub 
uno  tempore  Jiidaei,  quasi  rabie  efferati,  per  diver sas  terranim  partes  exar- 
serunt.  Nävi  et  per  totam  Libyam  adversus  incolas  atrocissima  bella  f/esserunt  : 
quae  adeo  tuhc  interfectis  cultoribtis  desolata  est,  ut  nisi  postea  Jladrianiis  im- 
perator  collectas  illuc  aliunde  colonias  deduxisset,  vacua  penitus  terra,  al>raso 
habitatore,  mansisset.  Aef/yptum  vero  totam  et  Cyrenen  et  T/iebaidam  cruenfis 
seditionibus  turbaverunt. 

49)  Euseb.  IV,  2.    Dio  Cass.  LXVIII,  32. 

50)  Sein  voller  Name  lautet  nach  einer  Inschrift  zu  Sarmizegethusa  in 
Dacien  (Orelli,  Inscr.  Lat.  n.  831  =  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  III«.  14G2):  Q.  Mar- 
cius Turbo  Fronto  Publieius  Severus.  Derselbe,  jedoch  verstümmelt,, 
auch  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  XIV  n.  4243.  —  Marcius  Turbo  wurde  nach  Be- 
zwingung des  jüdischen  Aufstandes  von  Hadrian  na(!h  einander  zum  Statt- 
halter von  Mauretanien,  Pannonien,  Dacien  (Spartian.  Iladrian.  c.  ofin.  dfin.  7) 
und  zum  praefcctus  praetorio  ernannt  [Spartian.  Hadrian.  c.  9,  Dio  Cass.  LXIX, 
18,  Corp.  Inscr.  Lat.  III  n.  1462),  und  wird  als  einer  der  tüchtigsten  Männer 


■QQQ  §  21,  II:  Die  Kriege  uuter  Trajau  (115—117).  [559.  560] 

hartnäckige  Kämpfe  {jtoXXalg  .udxaig  hv  ovx  oXiyo)  re  xQovco)  brachte 
•dieser  den  Krieg  zu  Ende  und  tüdtete  viele  tausende  von  Juden,  | 
nicht  nur  aus  Cyrene,  sondern  auch  aus  Aegypten,  welche  sich  an 
ihren  „König"  Lukuas  angeschlossen  hatten^ *). 

Auch  auf  die  Insel  Cypern  hatte  sich  der  Aufstand  ver- 
breitet. Unter  Anführung  eines  gewissen  Artemio  ahmten  hier 
die  Juden  das  Beispiel  ihrer  cyrenaischen  Glaubensgenossen  nach 
und  mordeten  240000  nichtjüdische  Einwohner  der  InseP^)  Auch 
•die  Hauptstadt  Salamis  wurde  von  ihnen  verwüstet ^^j  Ueber 
4ie  Unterdrückung  des  Aufstandes  haben  wir  keine  Nachrichten. 
Die  Folge  war,  dass  fortan  kein  Jude  die  Insel  betreten  durfte, 
und  wenn  er  durch  Sturm  an  ihre  Küste  verschlagen  wurde,  sterben 
musste^^). 

Endlich,  während  Trajan  bis  nach  Ktesiphon,  der  Hauptstadt 
■des  parthischen  Reiches,  vorgedrungen  war,  wurden  in  seinem 
Eücken  auch  die  Juden  in  Mesopotamien  unruhig.  Hier  an  der 
Grenze  des  Reiches  war  die  Sache  am  bedenklichsten.  Trajan  gab 
•dem  maurischen  Fürsten  Lusius  Quietus  —  der  zugleich  römi- 
scher Feldherr  war  —  Befehl,  die  Aufständischen  aus  der  Provinz 
wegzufegen  {exxa&ägai  rtjg  tjraQxiag  avtovg).  Mit  barbarischer 
•Grausamkeit  kam  Quietus  der  Weisung  nach.  Tausende  von  Juden 
büssten  mit  dem  Leben.  So  ward  die  Ruhe  wiederhergestellt;  und 
Quietus  wurde  zum  Lohne  dafür  zum  Statthalter  von  Palästina  er- 
nannt* 5). 


zur  Zeit  Hadrian's  bezeichnet  {Dio  Cass.  LXIX,  18,  Frontonis  epistulac  ed. 
Naber  p.  165),  der  aber  wie  viele  Seinesgleichen  auch  dem  Misstrauen  und 
•der  Feindschaft  Hadrian's  verfiel  {Spartian.  Hadrian.  c.  15).  Vgl.  Prosopo- 
f/raphia  imperii  romani  II,  339  sq. 

51)  Euseb.  H.  E.  IV,  2.  —  Nach  Euseb.  Chron.  ed.  Sc/iocne  II,  164 s?.,  Oros. 
VII,  12  hatte  sich  der  Aufstand  auch  über  die  Thebais  erstreckt. 

52)  Dio  Cass.  LXVIII,  32. 

53)  Eusel).  Chron.  ed.  Schocne  II,  lG4s7.  (zum  19.  Jalire  Trajan'e,  2132  Abr.), 
nach  dem  ArmeniHclien:  Sa/amiiiam  Cipri  insulac  ttrbcm  Judaci  adorti  sunt  et 
üraecos,  quos  ibi  nacti  sunt,  trucidarunt,  urbemque  a  ^undavtmiis  subvertcrunt ; 
griechisch    bei    Syncellus   cd.   Dindorf  I,  (557:    Tovq  iv  2^aXafilvi  tfjg  Kvtiqov 

^'ßXXrjvag  'lovSalot  dvt).6vtfq  rr/v  nöXiv  xari'axaipav.  —  Orosnis  VII,  12:  >Sane 
Salaminam,  urbcni   Cijpri,  intcrfcctis  omiiilnis  nccolis  (bicrcritnt. 

64)  IHo  Qua.  LXVIII,  32. 

66)  Euseb.  llüt.  Eccl.  IV,  2.  Chrun.  cd.  Schocne  11,  164  .sry.  (/um  18,  Jahre 
Trajan'H,  2131  Abr.).  Orosius  VII,  12.  IHo  Cass.  LXVIII.  32  (hier  auch  die 
PerHonulicn  über  Quietus).  —  Ueber  Lusius  (Quietus  v)j:1.  auch  oben  S.  647. 
Sein  Name  scheint  im  Text  der  Luscbianisciicn  Chronik  schon  früh  corrumpirt 
worden  zu  sein,  denn  IIi«'ronymuB  Uai  Lynias  (,>iiictnü,  und  Syncellus  («/.  X>m- 
iltjrf  I,  657;  Avalitq  Kvvroq,  Dio  richtige  Form  neben  Eu.sch.  Jh'st.  eccl.  ed. 
Ileinichen,  Dio  Oa»».  ed.  Dindorf,  hikIi  Spartian.  Hadrian.  e.  5. 


{5ü0.  5G1]  §  21,  II:  Die  Kriege  unter  Trajan  (115—117).  667 

Zum  völligen  Abschlu.ss  scheint  der  jüdische  Aufstand  erst  im 
Anfang  der  Regierung  Hadrian's  (117  n.  Chr.)  gekommen  zu  sein. 
Wenigstens  spricht  Eusebius  von  Unruhen,  welche  Hadrian  in 
Alexandria  zu  dämpfen  hatte^^);  und  der  Biograph  Hadrian's  be-| 
richtet,  dass  auch  Palästina  sich  rebellisch  gezeigt  habe 5^).  Jeden- 
falls scheint  aber  noch  im  ersten  Jahre  Hadrian's  die  völlige  Ruhe 
wiederhergestellt  worden  zu  sein.  —  Aus  einem  Papyrusfragmente 
wissen  wir,  dass  wegen  der  Kämpfe  in  Alexandria  auch 
die  dortigen  Führer  der  griechischen  Einwohner,  die  gewiss 
mitschuldig  an  den  Vorgängen  waren,  vom  Kaiser  zur  Verant- 
wortung gezogen  wurden  (s.  oben  S.  65  f.).  Ob  dies  noch  unter 
Trajan  oder  erst  unter  Hadrian  geschah,  lässt  sich  aus  dem  Bruch- 
stücke nicht  ersehen. 

Palästina  scheint  an  dem  Aufstande  nicht  in  erheblichem 
Maasse  betheiligt  gewesen  zu  sein.  Es  ist  dies  zwar  von  Volkmar 
und  Grätz  im  Interesse  ihrer  Auffassung  des  Buches  Judith  (das 
sie  in  diese  Zeit  setzen)  behauptet,  aber  von  anderen,  namentlich 
Lipsius,  wohl  mit  Recht  bestritten  wordenes).  Die  rabbinische 
Tradition  kennt  allerdings  einen  „Krieg  des  Quietus"  btD  oittbltf 
oi^ip^^);  aber  nichts  nöthigt  uns,  darunter  einen  andern  als  den 
wohlbekannten  Quietus-Krieg  in  Mesopotamien  zu  verstehen. 
In  Megillath  Taanith  §  29  ist  der  12.  Adar  als  „der  Tag  des  Trajanus", 


56)  Euseb.  Chron.  ed.  Schoene  II,  164s5.  (zum  1.  Jahre  Hadrian's,  2133  Abr.), 
nach  dem  Armenischen:  Adrianus  Judaeos  subegit  ter  [tertio]  contra  Romanos 
rebellantes,  nach  Hieronymus:  Tladrianus  Judaeos  eapit  seeundo  contra  Romanos 
rehellantes,  nach  Syncelhis:  *A6Qiav6q  lovSalovq  xaxa  'AXs^avdQtwv  ataaiät,ovzag 
ixökaatv. 

57)  Spartian.  Hadr.  c.  5:  Lycia  denique  ac  Palaestina  rebelies  animos 
efferebant. 

58)  Volkmar,  Theol.  Jahrbb.  1857,  S.  441-498,  und  bes.:  Das  Buch  Ju- 
dith (1860),  S.  56  fl:  64  ß".  83  ff.  90  ff.  Grätz,  Gesch.  der  Juden  IV,  439  ff. 
Gegen  sie  bes.  Lipsius,  Zeitschr.  für  wissenschaftl.  Theol.  1859,  S.  81 — 111. 
Im  Allgemeinen  auch  Hilgenfeld,  Zeitschr.  1858,  S.  270  ff.  und  1861,  S.  338  ff. 
Derenboiirg  p.  405.  Fritzsche  in  Schenkel's  Bibellex.  III,  448  ff.  Renan, 
Les  evanr/iles  p.  509.    Gregorovius,  Hadrian  (3.  Aufl.  1884)  S.  27,  35 — 38. 

59)  Misckna  Sota  IX,  14  und  Seder  Olain  sub  fin.  An  beiden  Stellen  ist 
nämlich  statt  der  vulgären  Lesart  Di::*^a  ^;r  on^sbiB  zu  lesen:  öu''p  ^125  DIB^IB. 
S.  Grätz  IV,  439  ff.  Volkmar,  Judith  S.  83— 90.  Lipsius,  Zeitschr.  für 
wiss.  Theol.  1859,  S.  97-104.  Derenbourg  S.  404  f.  Salzer,  Magazin  für 
die  Wissensch.  des  Judenth.  IV,  1877,  S.  141—144.  Rühl,  Deutsche  Zeitschr. 
für  Geschichtswissenschaft,  Neue  Folge  II,  1897  98,  S.  194  ff.  (in  der  Abhand- 
lung über  den  Ursprung  der  jüdischen  Weltära).  Dazu  Nachtrag  S.  342  f.  — 
In  der  Mischnasteile  haben  cz^^p  oder  Oiu'^p:  1)  eine  Handschrift  der  königl. 
Bibliothek  zu  Berlin  (Mss.  Gr.  Fol.  567,  früher  im  Privatbesitz ;  es  ist  dieselbe, 
auf  welche  sich  bereits  Grätz  berufen  hat);  2)  die  von  Lowe  1883  herausge- 
gebene Cambridger  Handschrift  {University  Ädditional  470,  1).    In  der  Stelle 


6ö8  §  21,  11:  Die  Kriege  uuter  Trajan  (115—117).  [561.  562] 

Dis'^'^niü  ai'i,  bezeichnet 60)^  iin(i  ^^r  Comraentar  dazu  erzählt,  dass 
dieser  Tag  gefeiert  werde  zum  Andenken  an  folgende  Begeben- 
heit^ i):  Zwei  Brüder,  Julianus  und  Pappus,  wurden  in  Laodicea 
von  Trajanus  ergriifen,  worauf  dieser  ihnen  höhnisch  zurief:  Ihr 
Gott  möge  sie  nun  erretten,  wie  einst  den  Chananja,  Mischael  und 
Asarja.  Die  beiden  ]  Brüder  erwiderten,  dass  weder  er  noch  sie 
eines  solchen  Wunders  würdig  seien;  wohl  aber  werde  Gott  ihr 
Blut  von  ihm  fordern,  wenn  er  sie  tödte.  Noch  ehe  aber  Trajan 
den  Ort  verliess,  kam  ein  Befehl  von  Rom,  infolge  dessen  er  hin- 
gerichtet wurde.  Diese  Fabel  (die  schon  darum  gar  keine  Be- 
achtung verdient,  weil  Trajan  als  abhängiger  Beamter  gedacht  ist) 
soll  nun  ein  Hauptbeweis  für  den  Trajanus-Krieg  in  Judäa  seinJ 
Aber  man  sieht,  dass  darin  weder  von  Krieg,  noch  von  Judäa 
(sondern  ausdrücklich  von  Laodicea)  die  Rede  ist''^).  —  Das  Ein- 
zige, was  zu  Gunsten  der  Volkmarschen  Ansicht  spricht,  sind  die 
oben  citirten  Worte  des  Spartianus,  wornach  Palästina  im  Anfange 
von  Hadrian's  Regierung  rehelks  animos  efferehat.  Darnach  scheint 
es  allerdings  nicht  völlig  ruhig  geblieben  zu  sein.  Aber  zu  einem 
wirklichen  Kriege  ist  es  schwerlich  gekommen.  Sonst  würden 
unsere  Quellen  doch  etwas  davon  sagen. 


Anhang.    Der  Text  des  Seder  Olam  über  die  letzten 
jüdischen  Kriege. 

Die  neuen  Ausgaben  des  Seder  Olam  von  Neubauer  (1895) 
und  Ratner  (1S97)  —  s.  die  Titel  oben  S.  158  —  bieten  für  die 
Herstellung  eines  kritischen  Textes  werthvoUes  Material.    N en- 


de» Seder  Olam  haben  ebenfalls  erhebliche  Zeugen  diese  Lesart  (s.  den  unten 
initgetheilten  kritischen  Apparat).  An  der  letzteren  Stelle  ist  Glü'^p  auch  durcb 
den  Zusammenhang  gefordert,  denn  es  werden  hier  vom  Krieg  des  Veapasianus 
bis  zum  Kriege  des  Dia'^p  52  Jahre,  von  da  bis  zum  Kriege  des  Ben-Kosiba. 
(Bar-Kochba)  16  Jahre  gerechnet.  Auch  in  der  Mischnastelle  folgt  auf  den 
„Krieg  des  VeHpasianuH"  der  „Krieg  des  ÖB'^p"  und  auf  diesen  „der  letzte 
Krieg"  (d.  h.  der  des  JJarIcochba). 

(30)  Derenbottrg  p.  443.  446.  Ueber  die  Namensform  ClJ'^'i^tia,  'jl'^n'^a  etc.  s. 
Derenhourg  p.  4(j8.  Die  Form  Cl5''*<"iia  giebt  auch  Neufxiuer,  Mcdiacval  Jewish 
ChronirJeH  II,  1H95,  p.  lü,  nach  cd.  Anislerd.  1711;  ebenso  bah.  Tamiith  18ft. 
I)ng«'gcn  jtir.  Mcgilla  7Üc,  jer.  Tamntk  (16«  'il'^n'^a,  wie  Dalniuii,  Araniiiische 
l)iulcktprol)en  (1806)  S.  2,  hiernach  auch  in  Megillath  Taauith  losen  will. 

Ol)  8.  Dcrcnhnnrg  p.  4(M!  f.  Grütz  IV,  445(1".  Volknnir,  Judith  S.  90 
bis  KX).    LipsluH,  Zeitschr.  1H59,  8.  104—110.    Text  bei  Nruhaucr  l.  c.  p.  19. 

62)  Wahrsc'heinlich  liegt  der  Hage  <!ine  dunkle  Erinnerung  daran  zu  Grunde, 
<\tmn  LusiuH  (^uietuH,  der  Bedränger  der  Juden,  von  Hadrian  abberufen  und 
«ipSt4>r  hingerifht<'t  wurde  (Spnrfian.  Iladr.  f)  und  7). 


{562]       §  21,  II.  Anh.  Der  Text  des  Seder  Olam  über  d.  letzten  jüd.  Kriege.     ßöQ 

bau  er  giebt  den  Text  nach  dem  Amsterdamer  Druck  von  1711 
und  einer  bodlejanischen  Handschrift  vom  J.  1315  n.  Chr.  (im 
kritischen  Apparat  mit  0  bezeichnet).  Ausserdem  vergleicht  er, 
wenigstens  für  unsere  Stelle,  noch  fünf  Handschriften  (oder  Hand- 
schriften-Fragmente): zwei  andere  bodlejanische  {d  und  e),  zwei 
Handschriften  von  Parma  (P  und  p)  und  die  schon  durch  eine 
Mittheilung  von  Grätz  (Monatsschr.  f.  G.  u.  W.  d.  J.  1866,  S.  79  f.) 
bekannte  Handschrift  Halberstamm's  {h)^^).  Ratner  vergleicht 
nur  drei  Handschriften  (s.  seine  „Einleitung"  1894,  S.  160—162), 
nämlich:  1)  die  Haupthandschrift  der  Bodlejana,  2)  die  grosse 
Münchener  Talmud-Handschrift  (w)  und  3)  die  Handschrift  Halber- 
stamm's; zieht  aber  in  weitem  Umfang  das  Material  heran, 
welches  die  Auszüge  aus  unserem  Werke  bei  späteren  Autoren, 
namentlich  im  Jalkut,  liefern.  Das  neue  Material  begünstigt  m.  E. 
für  unsere  Stelle  durchweg  die  Lesarten,  welche  schon  Salz  er 
(Magazin  für  die  Wissenschaft  des  Judenthums  IV,  1877,  S.  141 
bis  144),  hauptsächlich  nach  der  Handschrift  Halberstamm's  und 
nach  der  von  Asarja  de  Rossi,  Meor  Enajim  c.  19  benützten, 
empfohlen  hatte.  Der  Text  unserer  Stelle  (Neubauer  S.  66,  Ratner 
S.  145  f.)  lautet  hiernach  folgendermaassen: 

,n3ü  D131QO  oiD-^osDii  bü   2Q.,^u^r)  -]3?   ^ 011^*10«  bo  oiübica 

,n3Tö  ''D'^mD'i  D'^üün  ^oi^^p  bo  oi^bis  i:?  on3'^c£Ci<  bü  ciTabisr 
,rT3«  ®T"^  'xmiD  p  '^riÄnbü  ly   ^vs'^zy  b»  oittbiEüi 
'•^nsn^i  D^30  ©b«  KiniD  p   ^n^nbai 
„Vom  Kriege   des  Asverus  (Varus?  s.  oben  S.  421)  bis  zum 
Kriege  Vespasiaus  sind  achtzig  Jahre,  und  zwar  während  der  Tempel 
noch  stand.    Vom  Kriege  Vespasians  bis  zum  Kriege  des  Quietus 
sind  zweiundfünfzig  Jahre,  und  vom  Kriege  des  Quietus  bis  zum 
Kriege  des  Ben-Kosiba  sechzehn  Jahre.    Der  Krieg  des  Ben-Kosiba 
dauerte  drei  und  ein  halbes  Jahr". 

Variae  leetiones  (Unerhebliches  und  ganz  Singuläres  ist  nicht  berück- 
sichtigt; über  einige  Fälle,  in  welchen  ich  über  die  Genauigkeit  der  Angaben 
Neubaiier's  Zweifel  hegen  musste,  haben  die  Herren  Cowley  in  Oxford  und 
Abb6  Perreau  in  Parma  mir  gütigst  Auskunft  ertheilt).  1.  e  CIT^IDX 
(so  Cowley),  P  h  Dinnin  (Neubauer  giebt  diese  Variante  zu  GIS^DECX,  oflen- 
bar  aus  Versehen;  nach  Grätz,  Monatsschr.  18G6,  S.  80,  und  Ratner  gehört  sie 
hierher).  —  2.  OinbiB  0,  de  Rossi  und  Jalkut  add.  Q'i?2l"\  bttj.  —  3.  Oehpm 
0'>3'^a  (dagegen  d  P  DlC3*ip  [wie  Cowley  und  Perreau  bestätigen],  ebenso  de  Rossi 
und  der  Druck  von  1711).  —  4.  Die  Lesart  des  Textes  (auch  n"3  geschrieben) 


63)  Grätz  hat  den  Besitzer  früher  Mandel  stamm  genannt,  und  dies  dann 
a.  a.  O.  in  Halber stadt  berichtigt,  was  eben  so  falsch  ist!  S.  über  die 
Handschrift:  Joel  Müller  in  seiner  Ausgabe  der  Masechet  Soferim  (1878)  S.33ff. 


670      §  21,  II.  Anh.  Der  Text  des  Seder  Olam  über  d.  letzten  jüd.  Kriege.       [562] 

ist  gesichert  durch  0  d  h  p,  de  Rossi,  Jalknt.  Dagegen  m  D'^riT''.  ü'^u;P"r,  c  P 
Hz.  —  5.  Die  Zeugen  für  DiB'i::  und  Dlir'ip  sind  hier,  soweit  aus  den  mir  zu- 
gänglichen Notizen  zu  ersehen  ist,  dieselben  wie  oben,  nur  dass  0  hier  Sl:5'<p 
hat  (diese  Handschrift  hat  also  an  beiden  Stellen  verschieden,  wie  mir  Cowley 
bestätigt).  Eatner  nennt  als  Zeugen  für  Clii^^p  auch  den  Jalkut.  Neubauer 
giebt  im  Text  C-'^p  und  nennt  als  Zeugen  für  Ol::'^^  nur  e,  was  den  falschen 
Schein  erweckt,  als  ob  alle  Anderen  hier  Glü'ip  hätten.  —  6.  f^'OTib-o  hier  und 
im  Folgenden  (9)  bei  Neubauer  ohne  Variante.  Auch  aus  Eatner  ist  zu 
schliessen,  dass  die  verglichenen  Handschriften  so  lesen;  dagegen  Easchi,  de 
Eossi  und  Jalkut  ri:bn.  —  1.  m  K2D3  "i2.  —  8.  Als  LA  von  0  h  m,  de  Eossi, 
giebt  Eatner  T"l3 ,  was  wohl  nur  seine  eigene  Umschreibung  für  V'i  ist.  — 
9.  s.  Anm.  6.  —  10.  So  nach  Eatner  0  h  de  Eossi  und  Jalkut  (über  h  de 
Eossi  und  Jalkut  s.  auch  Salzer);  die  Eichtigkeit  dieser  Lesart  wird  durch 
andere  Zeugnisse  bestätigt  (s.  unten  in  der  Geschichte  Hadrian's).  Für  ir^tü 
nach  Neubauer  resp.  Eatner  auch  jd  und  m,  während  der  Druck  von  1711  und 
die  codd.  d  und  e  (nach  Cowley's  Mittheilung)  hsnai  ü'^Sü:  in;r  haben.  In  m 
fehlt  nsHTSl;  die  Angaben  Neubauer's  erwecken  den  irrigen  Schein,  als  ob  diea 
auch  in  den  anderen  Handschriften  ausser  d  der  Fall  sei. 


IIL  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135) 


Quellen:  Dio  Cass.  LXIX,  12—14. 

Euseb.  Hist.  Eccl.  IV,  6.     Ders.,   Chron.  ed.  Schoene  II,  IGG— 1G9. 
Ueber  Aristo  von  Pella  s.  oben  S.  63 — 65. 

I 

Eabbinische  Traditionen  bei  Derenbourg  p.  412—438.  Zusaramen- 
Btclhing  der  rabbinischen  Texte,  welche  sich  auf  die  Geschichte 
Beth-thers  beziehen,  bei  Lebrecht,  Bether  S.  43—50,  vgl.  eben- 
das.  20  f. 

Ueber  die  Münzen  s.  Beilage  IV. 

Literatur:  Basnage,  IJistoire  des  Juifs  t.Yll  (nach  anderer  Zählung  ^  XI) 
1716,  p.  328—378. 

Tillemont,  Histoire  des  empereurs  t.  II  {Venise  1732)  p.  285 — 290. 

Munter,  Der  jüdische  Krieg  unter  den  Kaisern  Trajan  und  Ha- 
drian, 1821  (eingehendste  Monographie). 

CasBcl,  in  Ersdi  und  Grnber's  Eiicyklopädie,  Sect. II  Bd.  27,  1850, 
8.  13—16  (im  Artikel  „Juden"). 

Herzfeld,  Zur  Geschichte  des  Barkochba  (Monatsschr.  für  Gesch. 
und  Wissensch.  des  Judenth.  1856,  S.  101—111). 

Grütz,  GcHchichtc  der  Juden  Bd.  IV,  2.  Aufl.  S.  138—183. 

JoHt,  Gt'Kchlchtc  des  Judenthums  und  seiner  Sekten  II,  75—83. 
.Derenbourg,  IlUloire  de  la  Palcstine  p.  412—438. 

Neubürger,  Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth. 
1873,  S.  43.'}    445,  529-536. 

Robinson,  rulÜHtina  11,  19H— 205. 

The  Jewüh  War  undcr  Hadrian  and  Trajan  [Journal  of  Saercd 
lAtcralure,  vol.  VIT,  1851,  p.  439—44(3).  | 

Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel  VU,  396—482. 


[563]  §  21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132-135).  67t 

Hausrat h,  Neutestamentliche  Zeitgesch.  2.  Aufl.  IV,  327 — 342. 

Renan,  L'efjlise  chretienne  (1879)  p.  180—228,  541—553.  —  Ders..^ 
Revue  historique  t.  II,  1876,  p.  112 — 120. 

Salzer,  Der  Aufstand  des  Bar-Cochba  (Magazin  für  die  Wissensch. 
des  Judenth.  III,  1876,  S.  121— 139,  173—190.  IV,  1877,  S.17— 38). 

Hamburger,  Keal-Enc.  für  Bibel  und  Talmud  Abth.  II,  Artikel: 
Akiba,  Barkochba,  Bethar,  Hadrian,  Hadrianische  Verfolgungs- 
edikte. 

Derenbourg,  Quelques  Notes  sur  la  guerre  de  Bar  Kozeba  {Melange»- 
publies  par  l'ecole  des  hautes  Üudes,  Paris  1878,  p.  157 — 173). 

Darmesteter,  Notes  ijngraphiqites  etc.  {Revue  des  itudes  jiiives  t.ly 
1880,  p.  42—55). 

Schiller,  Gesch.  der  röm.  Kaiserzeit  I,  2,  1883,  S.  612-615. 

Mommsen,  Römische  Geschichte  V,  544 — 546. 

Gregorovius,  Der  Kaiser  Hadrian  (3.  Aufl.  1884)  S.38f.  147—153, 
188—216. 

Gregorovius,  Die  Gründung  der  römischen  Colonie  Aelia  Capi- 
tolina  (Sitzungsberichte  der  philos.-philoi.  und  bist.  Classe  der 
Münchener  Akademie  1883,  S.  477-508). 

Schwarz,  Der  Bar-Kochbaische  Aufstand,  Brunn  1885  (werthlos, 
s.  Bursian's  Jahresber,  der  class.  Alterthumswiesensch.  48,  282  f.). 

Schlatter,  Zur  Topographie  und  Geschichte  Palästina's  (1893) 
S.  135—151. 

V.  Rohden  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  I,  512—515  (in  dem  Ar- 
tikel Äelius  n.  64  =  Hadrian). 

Schlatter,  Die  Tage  Trajans  und  Hadrians  (=  Beiträge  zur  För- 
derung christlicher  Theologie  I,  3,  1897,  S.  1—100),  —  Dazu: 
Bacher,  Erreurs  ricentes  etc.  {Revue  des  itudes  jiiives  XXXVI, 
1898,  p.  197—204).    A.  Meyer,  Theol.  Litztg.  1898,  100. 

Eine  spätjüdische  Legende  erzählt,  dass  in  den  Tagen  des  R. 
Josuaben  Chananja  (also  zur  Zeit  Hadrian's)  die  heidnische 
Regierung  angeordnet  habe,  dass  der  Tempel  gebaut  werden  dürfe. 
Die  Samaritaner  hätten  aber  Gegenvorstellungen  gemacht.  Und 
infolge  dessen  hätte  der  Kaiser  die  Erlaubniss  zwar  nicht  zurück- 
genommen, wohl  aber  angeordnet,  dass  der  Neubau  nicht  ganz  auf 
der  Stelle  des  alten  Tempels  errichtet  werden  dürfe,  was  einer 
thatsächlichen  Verhinderung  gleichkam.  Da  hätten  die  Juden  im 
Thale  von  Beth-Rimraon  sich  zusammengerottet.  R.  Josua  aber 
habe  ihnen,  um  sie  zu  beruhigen,  die  Fabel  vom  Löwen  und  Storch 
erzählt:  wie  der  Storch  froh  sein  musste,  seinen  Kopf  unversehrt 
aus  dem  Rachen  des  Löwen  gezogen  zu  haben,  so  sollten  auch  sie 
froh  sein,  unter  einer  heidnischen  Regierung  in  Frieden  leben  zu 
können  ^4).  —  Der  historische  Werth  dieser  Legende  ist  gleich  Null; 
und  doch  bildet  sie  die  Hauptgrundlage  für  die  von  manchen  neueren 


64)  Bereschith  rabba  c.  64.     S.  die  Stelle  im  Urtext  und  in  französischer 
Uebersetzung  bei  Derenbourg,  Histoire  de  la  Palestine  p.  416  sg.    Text  und 


()72  §  ''-'l.  in-.  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).    [5(33.5(54] 

Gelehrten  aufgestellte  Ansicht,  dass  Hadrian  die  Wiedererbauung 
■des  jüdischen  Tempels  gestattet  habe,  und  dass  die  Zurücknahme 
•dieser  Erlaubuiss  die  eigentliche  Ursache  des  grossen  Judenauf-| 
Standes  gewesen  sei^^).  Man  beruft  sich  zur  Bestätigung  dieser 
Ansicht  allerdings  auch  auf  christliche  Nachrichten.  Allein  auch 
4iese  sind  wenig  geeignet  dieselbe  zu  stützen.  Chrysostomus,  Ce- 
drenus  und  Nicephorus  Callistus  sagen  nur,  dass  die  Juden  zur 
Zeit  Hadrian's  sich  empört  und  den  Versuch  gemacht  hätten,  den 
Tempel  wieder  zu  bauen,  und  dass  Hadrian  dieses  Unternehmen 
vereitelt  habe;  das  Chronicon  paschale  spricht  von  einer  Zerstörung 
des  thatsächlich  erbauten  Tempels  durch  Hadrian  ^^).  Von  einer 
ursprünglich  gegebenen  und  dann  wieder  zurückgenommenen  Er- 
iaubniss  zum  Tempelbau  durch  Hadrian  ist  also  gar  nicht  die  Rede; 
das  Unternehmen  des  Tempelbaues  gehört  vielmehr  schon  zu  den 
Acten  des  Aufruhrs.  Eine  scheinbare  Stütze  hat  jene  Hypothese 
lediglich  in  einer  Stelle  des  Barnabasbriefes,  deren  Erklärung 
aber  fraglich  ist.  Barnabas  will  zeigen,  dass  die  Gesetzesbeobacli- 
tung  der  Juden  nicht  die  von  Gott  gewollte  sei.  Ihr  Sabbath  sei 
nicht  der  wahre.  „Und  fast  wie  die  Heiden  haben  sie  Gott  in 
einem  Tempel  verehrt".  Zum  Erweis  nun  des  heidnischen  Cha- 
rakters des  jüdischen  Tempels  citirt  Barnabas  c.  16  die  Weissagung 
Jesajas  (Jes.  49,  17):  „Siehe  die,  welche  diesen  Tempel  zerstört 
habeil,  werden  ihn  selbst  wieder  bauen",  und  fährt  dann  fort  (16, 
4):  ylverat'  öia  yctQ  rb  jioXefietv  avrov:  xad^^]Qt&^r]  vjro  ratv  kx^Qcöv 
vvv  xdl  avTOi  [xal]  ol  rcöv  ixt) Qcöi'vjT7]QtTaiai^oixoöo(ii^oovoiv  avrov. 
Nur  wenn  das  eingeklammerte  xal  beibehalten  wird,  ist  hier  die 
Erwartung  ausgesprochen,  dass  jetzt  die  Juden  und  Heiden  ge- 
meinsam den  Tempel  (also  den  jüdisclien)  aufbauen  werden.  Bei 
Tilgung  des  xal  ist  der  Gedanke  der,  dass  die  Heiden  selbst  den 
Tempel  bauen,  nämlich  für  licidnische  Zwecke.  Die  letztere  Les- 
art verdient  aber  aus  äusseren  (i runden  den  Vorzug.  Barnabas 
scheint  also  auf  den  beabsichtigten  heidnischen  Bau  Hadrian 's  an- 
zuspielen®').  —   Von   der  |  angeblichen   Erlaubuiss   Hadrian's  zur 


latein.  UrberHctzung  bei  Volkmar,  Judith  8.108—111.  Deutsch  bei  Wünsclie, 
Der  MidraHch  BereKchit  Ruhba  (I8H1)  S   307  f. 

m)  So  Volkmiir,  Juditli  8.  lÜS  fJ".  131  ff.  Grütz,  Ge8di,  der  Juden  IV, 
13S  ff.  442  fr.  Drrenhourg,  IliHloirc  p.  AVI  sqq.  Neubürger,  Mouutsselir. 
fQr  Gewh.  und  WiHHeiiHch.  de«  Judenth.  1H73,  8.  433fl'  Haunrath,  Zeitgeaeh. 
IV,  32Sf.  Balzer,  Magazin  HI,  127  ff.  Hamburger,  Heal-Enc.  Art.  „Ha- 
drian".    Kd.  Uiggeniuicb,  IJaHeler  Kin  lienfreund   18!U),  Nr.  5  u.  ü. 

(Mi)  Die  Ht<!llen  HJnd  gOHaniincit  von  Munter  8.  04  I".  und  Volivuiar,  Ju- 
dith 8.  131—134.     Vgl.  auch  unten  Anni.  113. 

Ü7)  Dan  xal   wird    nur   durcb   den  iSinaüicua  geboten;  bei  allen  übrigen 


[Ü05J  §21,111:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  673 

Wiedererbauung  des  jüdischen  Tempels  ist  demnach  bei  Unter- 
suchung der  Ursachen  des  Aufstandes  gänzlich  abzusehen  ^^).  Eine 
solche,  wenigstens  unter  activer  Förderung,  ist  auch  aus  inneren 
Gründen  unwahrscheinlich.  Denn  Hadrian  hat  zwar  die  grie- 
chisch-römischen Culte  eifrig  gepflegt,  die  fremden  aber  ver- 
achtet*^»). 


Textzeugen  fehlt  es.  —  Die  oben  gegebene  Erklärung  (vom  heidnischen 
Bau)  ist  z.  B.  vertreten  durch  Lipsius,  Schenkel's  Bibellex.  I,  371  f.;  ein- 
gehend und  überzeugend  begründet  von  Harnack,  Gesch.  der  altchristl.  Lit- 
teratur  II,  1,  1897,  S.  423 — 427.  Zustimmend,  wenn  auch  nur  mit  einem 
„wahrscheinlich",  äussert  sich  Ehrhard,  Die  altchristl.  Litteratur  I,  1900, 
S.  83 f.  —  Von  der  Unterstützung  des  jüdischen  Baues  durch  die  Heiden 
hat  die  Worte  namentlich  Volkmar  gedeutet,  und  zwar  noch  vor  Entdeckung 
des  cod.  Sinaiticus,  unter  Voraussetzung  der  Lesart  ohne  xal  (Theol.  Jahrbb. 
1856,  S.  351-361  und  sonst);  ihm  folgen  z.  B.  J.  G.  Müller,  Erklärung  des 
Barnabasbriefes  (1869)  S.  334—340,  Harnack,  Patrum  apostol.  opera  1,2  ed.  2 
(1878)  p.  LXX— LXXIT,  und  ich  selbst  in  der  1.  Aufl.  dieses  Buches.  Mit 
besonderer  Lebhaftigkeit  Seh  latter.  Zur  Topographie  und  Geschichte  Palä- 
stina's  S.  148  f.  Die  Tage  Trajan's  und  Hadrian's  S.  61  fl".;  auch  Ed.  Rig- 
genbach,  Baseler  Kircheufreund  a.  a.  O.  —  Andere  erklären  die  Worte  me- 
tapliorisch  von  der  Erbauung  des  geistlichen  Tempels  durch  die  Heiden- 
christen. So  z.  B.  Hilgenfeld,  Zeitschr.  für  wissensch.  Theol,  1870,  S.  116 
bis  121;  ders.,  Barnabae  epistula  ed.  2,  1877,  p.  II9 — 123;  Wieseler,  Jahrbb. 
für  deutsche  Theol.  1870,  S.  012—614;  Chr.  Job.  Riggenbach,  Der  sogenannte 
Brief  des  Barnabas  (1873)  S.  41—45.  Funk,  Theol.  Quartalschr.  1897,  S.  623 
bis  633.  Aber  nach  dem  Wortlaut  der  Stelle  handelt  es  sich  augenscheinlich 
um  Wiedererbauung  des  eigentlichen  Tempels.  Barnabas  will  sagen:  Dieser 
war  nicht  besser  als  ein  heidnischer,  wie  er  denn  jetzt  thatsächlich  von  Heiden 
wiedergebaut  wird.  Beachte  besonders  das  avzov  am  Schlüsse.  Gegen 
Weizsäcker 's  Deutung  vom  Bau  Serubabel's  (Zur  Kritik  des  Barnabasbriefes 
1863,  S.  21  fl")  entscheidet  das  vvv  und  das  Futurum. 

68)  Vgl.  Renan,  L'^/lise  chretienne  p.  24.  Schiller,  Gesch.  der  röm. 
Kaiserzeit  I,  613.    Gregorovius,  Hadrian  3.  Aufl.  S.  38f. 

69)  Spartian.  vita  Hadriani  c.  22  (in  den  Script ores  Historiae  Augustae  ed. 
Peter):  saera  Romana  diligentissime  curavit,  peregrina  contempsit.  —  Nach 
Schlatter  (Die  Tage  Trajan's  und  Hadrian's  S.  67  Anm.)  thut  diese  Notiz 
„gar  nichts  zur  Sache".  Er  selbst  construirt  die  Ursachen  des  Auf  Standes 
folgendermassen  (Die  Tage  Trajan's  und  Hadrian's  S.  59—67).  Der  Bamabas- 
brief  sagt  uns,  dass  Hadrian  den  Bau  des  jüdischen  Tempels  angeordnet  hat. 
Wir  wissen  auch,  dass  derselbe  unter  Dach  gekommen  und  soweit  fertig  ge- 
worden ist,  dass  man  den  Versöhnungstag  wieder  feiern  konnte.  Es  schien 
alles  auf  dem  besten  Wege.  Da  brach  plötzlich  der  Conflict  aus,  weil 
die  Juden  das  Opfer  für  den  Kaiser  verweigerten  (S.  66  f.  60  f.).  Letzteres  ist 
bezeugt  durch  die  Erzählung  über  einen  gewissen  Bar  Kamsa  {bab.  Qittin 
55*— 56»  und  Midrasch  Ecfia  rabbathi  zu  Thren.  4,  2,  erstere  Stelle  deutsch  bei 
Wünsche,  Der  babylonische  Talmud  in  seinen  haggadischen  ßestandtheileu 
übersetzt  II,  1,  1887,  S.  146 f,  letztere  bei  Wünsche,  Der  Midrasch  Echa 
rabbati,  ins  Deutsche  übertragen,  1881,  S.   135  f.).     Dieser  fühlte  sich  durch 

Schürer,    Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  43 


674  §21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  [565] 

Nur  zwei  Nachrichten  über  die  Ursachen  des  grossen  Auf- 
standes kommen  ernstlich  in  Betracht.  Spartian  sagt'^*):  moverunt 
ea  tempestate  et  Judaei  bellum,  quod  vetdbantur  mutilare  genitalia.  Dio 
Cassius  dagegen  berichtet '^ ') :  „Als  Hadrian  zu  Jerusalem  eine 
eigene  Stadt  an  Stelle  der  zerstörten  gründete,  welche  er  Aelia 
Capitolina  nannte,  und  an  der  Stelle  des  Tempels  ihres  Gottes 
einen  anderen  Tempel  für  Zeus  errichtete,  da  erhob  sich  ein  grosser 
und  langwieriger  Krieg.  Denn  die  Juden  hielten  es  für  einen 
Gräuel,  dass  Fremde  in  ihrer  Stadt  sich  ansiedelten  und  fremde 
Heiligthümer  in  ihr  gegründet  wurden".  Da  Spartian  nur  den 
einen,  Dio  Cassius  nur  den  andern  Grund  nennt,  so  erscheint  es 
fraglich,  ob  man  beide  ohne  weiteres  combiniren  darf.  Gregorovius 
verwirft  die  Angabe  Spartian's  und  hält  ausschliesslich  die  des  Dio 
Cassius  für  glaubwürdig.  In  der  That  scheint  ein  Verbot  der  Be- 
schneidung ohne  besondere  Veranlassung  dem  milden  Charakter 
Hadrian's  wenig  zu  entsprechen,  so  begreiflich  es  als  ein  Mittel 
zur  Vernichtung  der  Juden  nach  der  Niederwerfung  des  Aufstandes 
ist  '2).  Trotzdem  wird  die  Notiz  Spartian's  aufrecht  zu  erhalten |  sein. 


die  Behandlung,  die  er  bei  einem  Gastmahle  erfahren  hatte,  durch  die  Rabbi- 
nen  beleidigt  und  verläumdete  darum  die  Juden  beim  Kaiser,  indem  er  sagte, 
sie  würden  ein  vom  Kaiser  gesandtes  Opfer  nicht  annelmien.  Der  Kaiser 
sandte  darauf  ein  fettes  Kalb.  Der  Verläurader  aber  brachte  dem  Thiere 
heimlich  eine  Verletzung  bei  (wodurch  es  zum  Opfer  untauglich  wurde).  Da 
die  Juden  es  infolge  dessen  in  der  That  nicht  annahmen,  sandte  der  Kaiser 
den  Nero  und  bald  darauf  den  Vespasian  und  der  Tempel  wurde  zerstört.  — 
Trotz  des  anekdotenhaften  Charakters  der  Erzählung  behandelt  Schlatter 
sie  als  liistorische  Nachricht,  verlegt  sie  in  die  Zeit  Hadrian's,  macht  aus 
einem  Opfer,  welches  vom  Kaiser  gesandt  wurde,  das  Opfer  für  den  Kaiser  und 
gewinnt  so  die  obige  Construction.  Dabei  verwirft  er  alle  wirklichen  Quellcn- 
berichte  (Spartianus  und  Dio  Cassius)  und  macht  dann  uns  Andern,  die  wir 
uns  an  dieselben  halten,  den  Vorwurf,  dass  wir  „die  Quellen  nicht  hören"!! 
(8.  67  Anm.).  In  der  späteren  populären  Darstellung  Schlatters  (Israels  Ge- 
Hchichte  von  Alexander  d.  Gr.  bis  Hadrian  1901,  S.  324  f.)  ist  übrigens  von 
Bar  Kamsa  nicht  mehr  die  Rede,  sondern  die  frühere  Darstellung  (Zur  Topo- 
graphie und  Geschichte  Palästina'«  S.  149 — 151)  erneuert,  dass  gerade  die  Er- 
laubnisH  Hadrian's  zur  Erbauung  des  jüdischen  Tempels  den  Aufstand  vernn- 
iasHt  habe,  weil  man  darin  „das  Gotteszeichen"  sah,  dass  nun  das  mcssianische 
Reich  aufzurichten  sei.  Damit  ist  fQr  Sclilatter  „der  Gang  der  Dinge  völlig 
durchtiichtig". 

70)  Spartian.  Iladr.  14. 

71)  Dio  Casa.  LXIX,  12. 

72)  Vgl.  Gregorovius,  Sitzungsberichte  der  philo8.-philol.  und  bist. 
CUsM  der  Mflnchcner  Akndomie  1883,  S.  499(1'.  Dcrs.,  Der  Kaiser  Hadrian 
8.  188  ff.  —  Zu  Gunsten  von  Gregorovius*  Ansicht  kimnte  man  auch  die 
Qoellenverhältnisse  geltend  machen.  Sowohl  Dio  Cassius  als  Spartianus 
gehen  theilweise  auf  die  Selbstbiographie  Hudrian's  zurück  (s.  Dio  Cass.  LXIX, 


[566]  §  21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  675 

Um  sie  richtig  zu  würdigen,  muss  man  sich  dessen  erinnern, 
dass  die  Beschneidung  nicht  nur  den  Juden  eigenthüm- 
lich  war'3).  Herodot  nennt  als  Völker,  bei  welchen  sie  von  Alters- 
her üblich  war,  die  Kolcher,  Aegypter  und  Aethioper;  von  den 
Aegyptern  sei  sie  auch  zu  den  Phöniciern  und  „Syrern  in  Palä- 
stina" (d.  h,  den  Juden)  gekommen.  Von  den  Phöniciern  nimmt  er 
„die  mit  Hellas  in  Verkehr  stehenden"  aus'^).    Wie  Herodot,  so 


11:  dg  kÖQiavog  ygaipei,  Spartian.  1,  1:  in  libris  vüae  suae  Hadriamis  tpse 
commemorat,  7,  2:  ut  ipse  in  vita  stm  dicit,  vgl.  auch  3,  3;  3,  5).  Bei  Dio 
Cassius  folgt  aber  die  Geschichte  des  Judenkrieges  fast  unmittelbar  auf  das 
Citat  aus  der  Selbstbiographie  und  kann  sehr  wohl  aus  ihr  geschöpft  sein  (so 
Dürr,  Die  Reisen  des  Kaisers  Hadrian  1881,  S.  14);  bei  Spartian  dagegen 
liegen  die  Verhältnisse  nicht  so  günstig.  Wenn  sich  auch  nicht  nachweisen 
lässt,  dass  gerade  die  Notiz  über  den  Judenkrieg  aus  einer  anderen  Quelle 
Staramt  (so  Dürr  a.  a.  O.  S.  82,  dagegen:  Plew,  Quellenuntersuchungen  zur 
Gesch.  des  Kaisers  Hadrian  1890,  S.  53,  der  erst  von  14,  8  an  andere  Quellen- 
verhältnisse annimmt),  so  haben  doch  die  neueren  Untersuchungen  über  die 
Scriptares  historiae  Atigustae  überhaupt  ergeben,  dass  diese  so,  wie  sie 
vorliegen,  eine  späte  Arbeit  sind,  in  welcher  das  zu  Grunde  liegende  Quellen- 
material mannigfach  überarbeitet  und  mit  fragwürdigen  Stoffen  untermischt 
ist,  S.  in  der  Kürze:  Wachsmut h,  Einleitung  in  das  Studium  der  alten 
Geschichte,  1895,  S.  690 — 693  (der  aber  die  Lage  wohl  etwas  zu  peasimistisch 
beurtheilt). 

73)  lieber  die  Verbreitung  der  ßeschneidung  s.  Meiners,  De  circumcisi- 
onis  oriffine  et  cattsis  {Gommentationes  societat.  seient.  Gottingensis  vol.  XIV, 
1800,  p.  207—224).  Die  Artikel  „Beschneidung"  in  Er  seh  und  Gruber's 
Allg.  Encycl.  I.  Section,  9.  Tbl.  S.  265—270  (von  A.  G.  Hoffmann),  Winer's 
RWB.,  Schenkel's  Bibellex.  (von  Steiner),  Herzog-Hauck,  Real-Enc, 
3.  Aufl.  II,  660-662  (von  Orelli);  ferner:  De  Wette,  Lehrb.  der  hebräisch- 
jüdischen Archäologie  4.  Aufl.  1864,  S.  207 — 210,  Nowack,  Lehrbuch  der  he- 
bräischen Archäologie  I,  167  ft".  Ebers,  Aegypten  und  die  Bücher  Mose's  I, 
278 ff.  J.  B.  Friedreich,  Zur  Bibel,  naturhistorische,  anthropologische  und 
raedicinische  Fragmente,  1848,  II,  39 — 165.  Ploss,  Das  Kind  in  Brauch  und 
Sitte  der  Völker  2.  Aufl.  1882,  Bd.  I  S.  342—372.  Ders.,  Geschichtliches  und 
Ethnologisches  über  Knabenbeschneidung  (Deutsches  Archiv  für  Geschichte 
der  Medicin  Bd.  VIII,  1885,  S.  312—343).  Glassberg,  Die  Beschneidung  in 
ihrer  geschichtlichen,  ethnographischen,  religiösen  und  medicinischen  Bedeu- 
tung, zum  ersten  Male  umfassend  dargestellt,  1896  (355  S.).  Vgl.  die  Anz.  in: 
Monatsschr.  f.  Gesch.  und  Wissensch.  d.  Judenth.  1897,  S.  376ff.  Lesctre, 
Art.  Circoncision  in:  Vigouroux,  Dictionnaire  de  la  Bible  H,  772 — 780. 
Reitzenstein,  Zwei  religionsgeschichtliche  Fragen,  1901,  S.  1—46. 

74)  Herodot.  II,  104:  fiovvoi  ndvrwv  dv&gcünwv  KöXxoi  xal  Alyvnxioi 
xttl  Ai&ioneq  nsQirdfivovrat  ktc  agy^riq  xa  alöola.  4>oivixfq  6h  xal  2!vgoc  ol 
iv  tj7  IlaXaiaxivy  xal  avxol  6/xoXoyiovai  nag  Alyvnxlwv  fisfia&ijxivai,  SvQiot 
rfe  ol  nsgl  OeQ/xwöovxa  xal  Ilag&eviov  noxafiov  xal  MdxQwveg  ol  xovxoiai 
daxvyslxovsg  iovxsg  dnb  KöXxotv  <paal  vscaaxl  /xe/xa&ijxivaf  ovxoi  yuQ  etac  ol 

nsQixafxvofiSvoi  dvd-Qwmov  fiovvoi. 4>oivix(üv  oxooi  xfi'^EXXdSi  ini/xlayov- 

xai    ovxhi  Alyvnxiovq   fxifxtovxai    xaxa  xä   alöola,  dki.a  x<öv  iniyivofiivwv  oi 

43* 


676  §  21,  HI:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  [566J 

sprechen  auch  andere  Schriftsteller  ganz  im  Allgemeinen  davon, 
dass  „die  Aegypter"  die  Beschneidung  geübt  haben '^).  So  all- 
gemein gefasst  ist  die  Notiz  wohl  nicht  zutreifend,  denn  bei  Jeremia 
9,  24 — 25  wird,  nach  richtigem  Verständniss  der  Stelle,  voraus- 
gesetzt, dass  die  Aegypter  unbeschnitten  waren.  Die  Beschneidung 
scheint  also  nui*  in  engeren  Kreisen,  bei  den  Höhergestellten,  ge- 
übt worden  zu  sein.  Jedenfalls  sind  in  der  römischen  Zeit  in 
Aegypten  nur  die  Priester  regelmässig  beschnitten  worden'^). 
Allgemein  war  dagegen  die  Beschneidung  auch  bei  den  Arabern"), 


TiiQtTafivovai  T«  alöola.  —  Josephus,  der  diese  Stelle  zweimal  citirt  {Äntt. 
"VIII,  10,  3  und  fi.  Apion.  I,  22),  bemerkt  beidemale,  dass  mit  den  „Syrern  in 
Palästina"  nur  die  Juden  gemeint  sein  können. 

75)  Herodot  auch  11,  36  {Alyvnztoi  6h  nsQitäfxvovTai).  —  Agatharchides  in: 
Geogrctplii  graeei  minores  ed.  Carol.  Müller,  I,  154  (die  Troglodyten  xad-äneQ 
Alyvnriovg  ndvrag).  —  Diodor.  I,  28  (Die  Aegypter,  und  nach  ihnen  die 
Kolcher  und  Juden).  III,  32  (die  Troglodyten  wie  die  Aegypter;  Diodor 
schreibt  in  diesem  Abschnitt  den  Agatharchides  fast  wörtlich  ab).  —  Strato 
XVII,  2,  5  p.  824.  —  Philo  de  circumcisione  §  1,  ed.  Mang.  II,  210.  —  Celsus 
bei  Origenes  contra  Gels.  V,  41  (die  Aegypter  und  Kolcher  hatten  die  Be- 
schneidung schon  vor  den  Juden);  vgl.  I,  22,  V,  48. 

76)  Artapanus  bei  Euseh.  Praep.  evang.  IX,  27,  10  ed.  Gaisford  (Artapanus 
schrieb  vor  Alexander  Polyhistor,  also  spätestens  Anfang  des  ersten  Jahr- 
hunderts vor  Chr.).  —  Joseph,  contra  Apion.  II,  13  {ixeZvoi,  nämlich  die  ägyp- 
tischen Priester,  anavreg  xal  neQixifivovxaL  xal  xoifidiov  äntxovxai  ßQ(o- 
ftttTüJv).  —  Horapollon  ed.  Leemans  I,  \A  p.  23.  —  Origenes,  Comment.  in  ep. 
ad  liom.  Hb.  II  c.  13  ed.  Lommaixsch  VI,  138  s^'.  [apud  Aeggptios  .  .  .  nullus 
aut  geometriae  studebat  aut  astronomiae  .  .  ,  malus  certe  astrologiae  et  geneseos 
.  .  secreta  rimabatur,  nisi  circumcisione  suscepta.  Sacerdos  apud  eos,  aruspex 
aut  quorumlibet  sacrorum  ministe)'  vel,  ut  Uli  appellant,  propheta  omms  cireum- 
cisus  est,  lAleras  quoque  sacerdotales  veterum  Aegptiorum,  quas  hicroglyphicas 
appellant,  nemo  discebat  nisi  circumcisus  etc.)  Id.,  in  Jercm.  hom.  V,  14  ed. 
Lommaixsch  XV.  171.  —  Hierotiymus,  Comm.  ad  Oal.  5,  1  opp.  ed.  Vallarsi 
VII,  477.  —  Epiphanius,  haer.  30,  33.  —  Dass  die  Beschnoidung  in  Aegypten 
nicht  allgemein  war,  beweist  auch  die  Geschichte  Apion's  {Jos.  c.  Apion. 
11,  13). 

77)  Oen.  17,  23—27  {Beschneidung  Ismaels  im  Alter  von  dreizehn  Jahren). 

—  JuKcph.  Anti.  I,  12,  2  (.AQftßfQ  6k  fxfTtt  hoq  xpiaxatdixarov).  —  Ep.  Bamab. 
c.  !):  7if()txixf4T]xat  .  .  .  xal  näq  Sv()0q  xal  ^Apatp  xal  nävteg  ol  IfQeTg  x<Sv 
elSw).utv  (nur  tlicilwciHC  richtig).  —  Origenes,  Gomm.  in  Oen.  t.  III  c.  10  ed. 
IjommatxHch  VIII,  '.\.\,  citirt  von  FAiseh.  Praep.  evang.  VI,  11,  69  ed.  Gaisford 
{xwv  di  iv  ^lapiatjllxaig  xolq  xutu  xijv  /ipaßlav,  xoiovde,  a>c  nävxaq  TTf-Qixf(ji- 
pta&at  XQioxutdtxafXflQ'  xovxo  yuQ  \axÖQrixai  nf^l  avxiSv).  Id.  in  rp.  ad  liom. 
l,  II  c.  13,  LommatxHch  VI,  130  {non  soliim  Aeggptiorum  sacerdotcs  et  hiero- 
phanlas  wioa  «mmc  cirrumcisione  sed  et  Arabes  et  Aethiopca  et  Phoenices 
alttiHqtui).  —  Ilieron.  comm.  ad  Oal.  5,  1,  ed.  Vallarsi  VII,  477  [ajunt  enim 
H  Aeygpli  aacerdotes  et  Ismaelitas  et  Madianaeos  praeputium  non  habere). 

—  Kpiph.  haer.  3<J,  33.  —  Uobor  dio  Beachneidung  bei  den  heutigen  Arabern: 


[566]  §21,111:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  677 

während  die  Iduinäer  und  Ituräer  (also  die  nächsten  Nachbarn  der 
Juden  im  Süden  und  Norden)  erst  bei  ihrer  gewaltsamen  Judaisi- 
rung  durch  die  hasmonäischen  Fürsten  Johannes  Hyrkan  und 
Aristobul  I  die  Beschneidung  empfangen   haben 'S). 

Wenn  hiernach  im  Gebiete  des  römischen  Reiches  die  Juden  nicht 
die  Einzigen  waren,  welche  die  Beschneidung  übten,  so  ist  es  von 
vornherein  nicht  wahrscheinlich,  dass  das  Verbot  nur  ihnen  gegolten 
haben  soll.  In  der  That  zeigen  schon  die  Gesichtspunkte,  von 
welchen  das  Verbot  ausging,  dass  dasselbe  ein  allgemeines  war. 
Hadrian  hat  zunächst  das  bereits  von  Domitian  erlassene  Ver- 
bot der  Castrirung  verschärft;  sie  sollte  „gemäss  der  kx  Cornelia''^ 
d.  h.  wie  Mord  bestraft  werden'*).  Mit  der  Castrirung  wurde 
aber  die  ßeschneidung  auf  gleiche  Stufe  gestellt,  wie 
aus  einem  späteren  Rescript  des  Antoninus  Pius,  welcher  den  Juden 
die  Beschneidung  wieder  gestattete,  zu  ersehen  ist^*^).  Hadrian  hat 
also  die  Beschneidung  als  barbarische  Sitte  allgemein  verboten, 
nicht  etwa  nur  den  Juden  um  der  Religion  willen.  Daher  ist 
unter  Antoninus  Pius  das  allgemeine  Verbot  in  Kraft  geblieben, 
während  gerade  den  Juden  um  ihrer  Religion  willen  die  Be- 
schneidung wieder  gestattet  wurde^').    Directe  Zeugnisse  für  die 


Steinschneider  bei  Glassberg  a.  a.  O.  S.  253 ff.    Wellhausen,  Skizzen 
und  Vorarbeiten  III,  154  f. 

78)  Joseph.  Ann.  XIII,  9,  1.  11,  3.  —  Auch  bei  Jerem.  9,  24—25  wird, 
nach  richtigem  Verständniss  der  Stelle,  vorausgesetzt,  dass  die  Aegypter,  Edo- 
miter,  Animoniter  und  Moabiter  unbeschnitten  waren.  Es  beruht 
auf  irriger  Auslegung,  wenn  auf  Grund  dieser  Stelle  Justin.  I>ia,l.  c.  Tryph. 
e.  28  [ed.  Otto  II,  ed.  3  p.  96)  und  Hieronymtis,  Comm,  in  Jerem.,  ad  hunc  loe. 
[opp.  ed.  Vallarsi  IV,  910)  annehmen,  dass  die  genannten  Völker  beschnitten 
waren  (doch  Hieronymus  nur:  qttorum,  plerumque  pars  circumcisa  est). 

79)  Digest.  XL VIII,  8,  4,  2  (aus  Ulpianus):  Divus  Hadriamis  rescripsit: 
Constitutum  quidem  est,  ne  spadones  fierent,  eos  autem,  qui  hoc  crimine  arcfue- 
rentur,  Corneliae  legis  poena  teneri  etc.  —  Gemeint  ist  die  lex  Cornelia 
de  sicariis  et  veneficis.  Ein  Verbot  der  Castrirung  hatte  schon  Domitian  er- 
lassen {Dio  Cass.  LXVII,  2.  Sueton.  Domit.  7).  Durch  Hadrian  wurde  aber 
nun  die  Todesstrafe  darauf  gesetzt,  und  zwar  für  den  Einwilligenden  selbst 
wie  für  den  Arzt  {Digest,  l.  c.).  S.  überh.  Hitzig,  Art.  castratio  in  Pauly- 
Wissowa's  Real-Enc.  III,  1772     Mommsen,  Römisches  Strafrecht  (1899)  S.637f. 

80)  Modestinus,  Digest.  XL VIII,  8,  11  pr. :  Circumcidere  Judaeis  ßlios  suos 
tantum  rescripto  divi  Pii  permittitur :  in  non  eiusdeni  religiotiis  qui  hoc  fecerit, 
castrantis  poena  irrogatur.  — Vgl,  Mommsen,  Römische  Geschichte  V, 
549.  Ders.,  Römisches  Strafrecht  S.  638.  Hitzig  Art.  circumcisio  in  Pauly- 
Wissowa's  Real-Enc.  III,  2570  f. 

81)  Modestinus,  Digest.  XL VIII,  8,  11  pr.  (s.  vorige  Anm.).  —  Paulus, 
Sent.  V,  22,  3 — 4  (in  Huschke's  Jurisprudentiae  antejustinianae  quae  supersunt, 
ed.  5.,  Lips.  1886):  Cives  Romani,  qui  se  Judaico  ritu  vel  serros  suos  circumcidi 
patiuntur  bonis  ademptis  in  insuiam  perpetuo  releganiur;  medici  capite  pimiuv- 


678  §  21,  in :  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  [5G6] 

Allgemeinheit  des  Verbotes  haben  wir  in  Betreff  der  Araber, 
Samaritaner  und  Aegypter.  1)  Im  nabatäischen  Arabien  ist 
durch  die  Römer  die  bis  dahin  herrschende  Beschneidung  abge- 
schafft worden^2).  2)  Den  Samaritanern  war  sie  zur  Zeit  des 
Origenes  bei  Todesstrafe  verboten^^}.  3)  In  Aegypten  bedurften 
die  Priester  in  der  zweiten  Hälfte  des  zweiten  Jahrhunderts  nach 
Chr.  in  jedem  einzelnen  Falle  einer  besonderen  behördlichen 
Genehmigung  zum  Vollzug  der  Beschneidung.  Nur  wenn  die 
priesterliche  Abstammung  und  die  körperliche  Makellosigkeit,  also 
die  Tauglichkeit  zum  Priesterdienst  nachgewiesen  war,  wurde  die 
Erlaubniss  zur  Beschneidung  des  Knaben  ertheilt^^).  Im  Allgemeinen 
war  sie  also  verboten. 


tur.  Judaei  si  alienae  nationis  comparatos  servos  circumcidei-unt,  auf  deportantur 
aut  capite  puniuntur. 

82)  In  dem  syrischen  Dialog  über  das  Fatum,  welcher  dem  Bar  de  san  es 
zugeschrieben  wird,  wird  als  Beispiel  dafür,  dass  oftmals  Könige  bei  Eroberung 
fremder  Länder  deren  Gesetze  abgeschafft  und  die  eigenen  eingeführt  haben, 
ohne  dass  die  Sterne  dies  gehindert  hätten,  vor  Allem  dies  angeführt,  dass  erst 
kürzlich  die  Römer  nach  der  Eroberung  Arabiens  die  dortigen  Gesetze,  insonder- 
heit die  Beschneidung,  abgeschafft  \vktien.  {Cureton,  Spicilegmm  Syriaciwi 
1855, p.30;  in  dem  etwas  verkürzten  griechischen  Text  bei  Euseb.  Praep.  evang.YJ, 
10,  41  ed.  Gaisford  wird  das  Verbot  der  Beschneidung  nicht  erwähnt).  Der- 
selbe Autor  spricht  unmittelbar  darauf  von  der  Beschneidung  der  Juden  als 
einer  bestehenden  Sitte.  —  Vgl.  Nöldeke,  Zeitschr.  der  deutschen  morgen- 
länd.  Gesellsch.  Bd.  39,  1885,  S.  343  (der  auf  diese  Stelle  aufmerksam  ge- 
macht hat). 

83)  Origenes,  contra  Gels.  II,  13  bemerkt,  dass  die  Christen  die  Einzigen 
seien,  die  um  ihres  Glaubens  willen  verfolgt  würden,  und  fährt  dann  fort: 
^AAo  (pi^ati  xi(i,  OTi  xal  2afiaQ€ig  Siä  tfiv  havzwv  &eoaißsiav  ÖKoxovxai.  tlpog 
ov  TOiavta  igovfiev  wg  [so  ist  statt  ol  zu  lesen]  aixuQioi  öia  rfjv  nsQiroftTjv, 
a>q  uxQwxTjQiät^ovxfQ  naga  rovq  xad-earwrag  vofiovg  xal  rä  ^loväaioiq  avyxe- 
yiuQTjfiiva  fiovoiq,  dvaiQOvvxai.  Also  nicht  um  des  Glaubens  willen,  sondern 
um  der  Beschneidung  willen  werden  sie  „als  Mörder"  (gemäss  der  lex  Cornelia 
de  sicariis)  bestraft,  da  die  Beschneidung  nur  den  Juden  gestattet  ist. 

84)  Diese  interessante  Thatsache  ist  erst  durch  die  neueren  Papyruafunde 
bekannt  geworden.  S.  Krebs,  Zeitschr.  für  ägyptische  Sprache  und  Alter- 
thumskunde  Bd.  31,  1893,  8.  37  f  Ders.,  Aus  dem  Tagebuch  des  römischen 
OberpriesterH  von  Aegypten  (Philologus  Bd.  53,  1894,  S.  577—587)  [hier  auch 
die  Urkunde  aus  der  Zeitschr.  f.  äg.  Spr.  u.  Alterth.  wiederholt].  Reitzeu- 
«tein,  Zwei  religionsgeschichtliclie  Fragen  nach  ungedruckteu  griechischen 
TfXtC'U  der  StrasHburger  Bibliothek,  1901,  S.  1— 40.  —  Krebs  behandelt  zwei 
Berliner  I'apyruHtcxtc  (Aegyptische  Urkunden  aus  den  königl.  Miisecn  zu  Berlin, 
ii rivvhifn'.]w  Urkunden  Bd.  I  Nr.  347  und  82),  von  welchen  der  eine  zwei  gleich- 
zeitige Urkunden  vom  J.  171  n.  (^hr.  enthält,  der  andere  eine  solche  vom 
J.  IK.'j  n.  Chr.  Der  von  Rcitzenstein  herauHgegcbcnc  Strassburger  Text  ent- 
liält  eine  Urkunde  auH  der  Zeit  des  Anloninus  Plus.  Das  rechtliche  Verfahren 
Ut  nach  allen  vier  Urkunden   im  WeBentlichen   dasselbe.    Ein  Priester,   der 


[5b6.567]    §  21,  III:  Der  grosse  Aufttand  unter  Hadrian  (132—135).  679 

Das  Verbot  der  Beschneidung,  welches  Hadrian  erliess,  war 
demnach  nicht  speciell  gegen  das  Judenthum  gerichtet;  |  aber  es 
versteht  sich  von  selbst,  dass  dieses  sich  davon  tödtlich  getroffen 
fühlte.  Dazu  kam  nun  das  Andere,  dass  Hadrian  auf  den  Trümmern 
Jerusalems  eine  neue  heidnische  Stadt  errichten  wollte.  Auch 
hierbei  war  das  leitende  Motiv  nicht  Feindschaft  gegen  das  Juden- 
thum: glänzende  Bauten  und  Städtegründungen  gehörten  überhaupt 
zum  Lebenswerk  Hadrian's.  Aber  auch  diese  Maassregel  musste 
das  Judenthum  als  einen  Schlag  in's  Angesicht  empfinden.  So 
lange  Jerusalem  in  Trümmern  lag,  konnten  die  Juden  die  Hoffnung 
auf  Wiederherstellung  hegen.  Die  Gründung  einer  heidnischen 
Stadt,  die  Errichtung  eines  heidnischen  Tempels  an  heiliger  Stätte 
machte  diesen  Hoffnungen  in  grausamer  Weise  ein  Ende.  Es  war 
ein  Gräuel  gleich  dem  einst  von  Antiochus  Epiphanes  verübten, 
und  wurde  wie  damals  mit  einem  allgemeinen  Aufstande  des 
empörten  Volkes  beantwortet.  —  Beide  Gründe  sind  also  an  sich 
nicht  unwahrscheinlich.  Ein  Zusammenwirken  beider  ist  nament- 
lich dann  wohl  denkbar,  wenn  beide  Maassregeln  Hadrian's  zeit- 
lich nicht  allzuweit  auseinanderfallen. 

Ueber  die  Zeit,  zu  welcher  der  Bau  von  Aelia  Oapitolina 
begonnen  wurde,  finden  sich  in  den  Quellen  verschiedene  Angaben. 
Epiphanius  will  wissen,  dass  Hadrian  47  Jahre  nach  der  Zerstörung 
Jerusalems,  als  er  auf  seinen  Reisen  dorthin  kam,  den  Befehl  zur 
Wiedererbauung  der  Stadt  (nicht  des  Tempels)  gegeben  und  den 
A(iuila  damit  beauftragt  habe^^).  Diese  Zeitbestimumng  würde  in 
das  Jahr  117  n.  Chr.,  unmittelbar  nach  Hadrian's  Regierungsantritt 

seinen  Sohn  beschneiden  lassen  will,  hat  zunächst  eine  Eingabe  an  den  Stra- 
tegen seiner  Heimath  zu  machen,  der  dann  entweder  selbst  oder  durch  einen 
stellvertretenden  Beamten  {diaöixofisvoq  xfjv  aiQuxrjylav  Berl.  171  B  und  185) 
auf  Grund  der  Einwohner-Listen  {xat'  olxlav  unoYQUtpai  Strassb.)  die  priester- 
liche Abstammung  des  Knaben  [xb  yivoq  Berl.  185)  bescheinigt,  Dass  es  sich 
um  die  priesterliche  Abstammung  handelt,  war  schon  nach  den  Berliner 
Urkunden  kaum  zu  bezweifeln  und  wird  durch  die  Strassburger  bestätigt 
(ßovkö/iievoi  itQaxtxcJg  negnt/xveiv).  Mit  dieser  Bescheinigung  begeben  sich 
Vater  und  Sohn  nach  Memphis  zum  dortigen  römischen  Oberpriester  von  ganz 
Aegypten,  der  nun  durch  seine  priesterlichen  Beamten  den  Knaben  unter- 
suchen lässt,  ob  er  keinen  körperlichen  Fehler  hat  {el  arj/ielöv  xt  t;(ot  o  natg, 
Berl.  171  u.  185).  Erst  wenn  constatirt  ist,  dass  der  Knabe  „fehlerlos"  {aarjßoq), 
also  zum  Priesterdienst  tauglich  ist,  ertheilt  der  Oberpriester  die  schriftliche 
Erlaubniss  zur  Beschneidung.  (Urkundliche  Bezeugung  der  priesterlichen  Ab- 
stamnumg  und  körperliche  Makellosigkeit  wird  bekanntlich  auch  von  den 
jüdischen  Priestern  gefordert,  s.  unten  Bd.  II,  S.  227—231).  —  Als  Analogon 
mag  erwähnt  werden,  dass  der  Statthalter  von  Aegypten  ausnahmsweise  auch 
die  Castrirung  gestatten  konnte  {Justin.  Äpol.  1  c.  29). 
85)  Epiphanius,  De  inensuris  et  ponderibus  §  14. 


680  §  21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).     [5G7.  568] 

führen.  Damals  befand  er  sich  allerdings  im  Orient;  aber  Epi- 
phanius  denkt  augenscheinlich  an  eine  seiner  späteren,  von  Rom 
aus  unternommenen  grossen  Reisen,  womit  seine  Zeitangabe  jeden 
Werth  verliert^ ^).  Das  Chronicon  pasclmle  setzt  die  Gründung  von 
Aelia  in  das  Jahr  119  n.  Chr.,  aber  nur  deshalb  weil  es  auch  den 
grossen  Judenaufstand  in  dieses  Jahr  setzt,  nach  dessen  Unter- 
drückung eben  Aelia  gegründet  worden  sei^').  Mit  der  Zeitbe- 
stimmung für  den  Judenaufstand,  welche  erweislich  falsch  ist,  fallt 
auch  die  für  die  Gründung  von  Aelia^^).  Als  eine  Folge  des  Auf- 
standes betrachtet  auch  Eusebius  die  Gründung  der  Stadt^^).  Das 
ist  richtig,  sofern  der  Plan  erst  damals  durchgeführt  wurde.  Aber 
nach  Dio  Cassius  ist  nicht  zu  bezweifeln,  dass  der  Bau  schon  vor 
dem  Aufstande  begonnen  wurde,  und  zwar  nicht  sehr  lange  vorher. 
Denn  er  sagt,  dass  die  Juden,  die  über  den  Bau  entrüstet  waren, 
doch  ruhig  blieben,  so  lange  Hadrian  in  Aegypten  und  Syrien  weilte ; 
dass  sie  aber  losbrachen,  sobald  er  jene  Gegenden  verlassen  hatte^^). 
Hiernach  darf  angenommen  werden,  dass  die  Gründung  in  die  Zeit 
von  Hadrian's  Aufenthalt  in  Syrien  130  n.  Chr.  fällt. 

Hadrian  kam  damals  —  es  war  auf  seiner  letzten  grossen  Reise 
in  den  Orient  —  von  Griechenland  aus  nach  Syrien,  von  da  nach 
Aegypten  und  dann  wieder  nach  Syrien^')-  Durch  Inschriften 
und  Münzen  ist  festgestellt,  dass  er  im  J.  130  in  Syrien  war,  im 
November  130  in  Aegypten,  also  131  wieder  in  Syrien^-).   Ueber- 


86)  Als  brauchbar  ist  dieselbe  verwerthet  von  Dürr,  Die  Reisen  des  Kaisers 
Hadrian  8.  IG.    Dagegen:  Gregorovius,  Sitzungsberichte  1883,  S.  489. 

87)  Chrunicon  paschale  ed.  Dindorf  I,  474. 

88)  8.  auch  Gregorovius,  Sitzungsberichte  1883,  8.  493  f.  — Ohne  jeden 
Anhalt  in  den  Quellen  ist  Renan's  Annahme  der  Gründung  um  122  {U&jlise 
chrStienne  p.  26). 

89)  Euseb.  Hut.  eccl.  IV,  6. 

90)  IHo  Cass.  LXIX,  12. 

91)  Diese  Route  nennt  bestimmt  Dio  Cass.  LXIX,  11 — 12. 

92)  Dass  Hadrian's  Aufenthalt  in  Aegypten  in  das  J.  130  fiillt  (womit  das 
Uebrige  von  selbst  gegcl)en  ist),  hat  bereits  Eckhcl  erwiesen  [Docirina  Nn- 
morum  VI,  489-491).  Ihm  folgen:  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  III,  1035 
(Artikel:  Hadrianus);  Clinton,  Fasti  Romani  t.  I,  1845,  ad  ann.  129—131 
p.  Chr.;  Letronne,  liecueil  de$  inscriptions  r/recqties  et  latines  de  PEgypte  f.  II 
1848.  p.  364—367;  Dürr,  Die  Reisen  des  Kaisers  Hadrian,  1881,  S.  02- G.5. 
V.  Roh  den  in  Pauly-Wissowa'«  Real-Enc-.  I,  510  f.  Noch  mehr  Literatur  l)ci 
Dörr  8.  7 — 8.  —  Die  flauptbeweise  sind:  1)  Eine  Inschrift  zu  Palmyni  vom 
.1.  [4)42  aer.  Sei.  —"  130/131  nach  Chr.  setzt  eine  vorhergehende  Anwesenheit 
Hadrian'«  in  Palmyra  voraus  {De  Vogiii,  Syrie  CefUrak,  Inscriptions  de  Pal- 
tnyre  n.  16,  Le  Bas  et  Waddington,  Inscriptions  t.  III  n.  2585).  2)  Dio 
Mflnsen  von  Gaza  aus  der  Zeit  Hadrian's  haben  eine  Aera  vom  J.  130  u.  Chr., 
deren  Anlaai  aicherlich  Hadrian's  Anwesenheit   in  Gaza   und   die   dabei  der 


[568.  569]    §21,111:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  681 

all  wohin  er  kam,  förderte  er  die  Aufgaben  der  Cultur:  Kunst- 
und  I  Nutzbaiiten  wurden  errichtet,  Festspiele  eingeführt:  allen 
Provinzen  wurde  er  ein  restitutor^^).  Auch  in  den  Städten  Palä- 
stina's  begegnen  wir  seinen  Spuren.  Caesarea  und  Tiberias  hatten 
seitdem  ein  'Aögiaveiov,  Gaza  eine  jtav^yvQig  'AÖQtavi^,  Petra 
nannte  sich  zum  Dank  für  die  Wohlthaten  des  Kaisers  'AÖQiavii 
Uirga^^).  Seine  Anwesenheit  in  Judäa  ist  verewigt  durch  Münzen 
mit  der  Aufschrift  adventui  Aug{usti)  Judaeae^^). 

Mit  diesen  Bestrebungen  des  Kaisers  hängt  ohne  Zweifel  auch 
die  Gründung  von  Aelia  zusammen.    Noch  Plinius  nennt  Jerusalem 


Stadt  erwiesenen  Wohlthaten  waren  (s.  hierüber  die  in  Bd.  II  S.  86  genannte 
Literatur;  das  Jahr  1  der  neuen  Aera  ist  =  190/191  der  gewöhnlichen  Aera 
von  Gaza,  also  =  130  n.Chr.).  3)  In  Alexandria  sind  zur  Feier  von  Hadrian 's 
Anwesenheit  Münzen  geprägt  worden,  von  welchen  die  meisten  vom  J.  15  da- 
tirt  sind,  eine  aber  vom  J.  14.  Da  das  15.  Jahr  Hadrian's  nach  der  in  Aegypten 
üblichen  Zählung  am  29.  August  130  n.  Chr.  begann,  so  wird  Hadrian's  An- 
kunft in  Alexandria  in  den  August  130  zu  setzen  sein,  Rohden  a.  a.  O.;  vgl. 
auch  schon  Eckhel  VI,  489  sq.  4)  Das  genaueste  Datum  liefert  eine  Inschrift 
auf  der  Memnonstatue  bei  Theben,  aus  welcher  erhellt,  dass  Hadrian  im 
15.  Jahre  seiner  Regierung  im  Monat  Athyr  daselbst  gewesen  ist.  Das  Datum 
entspricht  dem  November  130  n.  Chr.  (s.  den  Wortlaut  der  Inschrift  schon 
bei  Eckhel  und  Clinton,  correcter  bei  Letronne  II.  365  und  Dürr  S.  123,  auch 
im  Corp.  Inscr.  Graec.  n.  4727;  ein  genaues  Facsimile  bei  Lepsius,  Denk- 
mäler aus  Aegypten  und  Aethiopien ,  Bd.  XII ,  Blatt  78,  Inscr.  Graec.  n.  91). 
Ueber  die  in  Aegypten  übliche  Zählung  der  Kaiserjalire,  speciell  der  Jahre 
Hadrian's  s.  Ideler,  Handbuch  der  Chronologie  I,  117  ff. 

93)  Vgl.  überhaupt:  Dürr,  die  Reisen  des  Kaisers  Hadrian  S.  4f  Gre- 
gorovius.  Der  Kaiser  Hadrian  3.  Aufl.  S.  468ff.  —  Auf  zahlreichen  Inschrif- 
ten heisst  Hadrian  atoxiqQ,  obaaxriq,  eveQyirrji;,  xziaxriq.  S.  die  Texte  bei  Dürr, 
S.  104 ff.  Auf  Münzen  Hadrian's  finden  sich  folgende  Aufschriften :  restitutori 
Achaiae,  restitutori  Africae,  restitutori  Arabiae,  restitutori  Asiäe,  restitutori  Bi- 
thyniae,  restitutori  Galliäe,  restitutori  Hispaniae,  restitutori  Italiae,  restitutori 
Libyae,  restitutori  Macedoniae,  restitutori  Nicomediae,  restittäori  orbis  terrarum, 
restittdori  Phrygiae,  restitutori  Siciliae.  S.  Eckhel,  Doctr.  Num.  Yl,  4^ — 500. 
Cohen,  Medailles  imperiales  ed.  2.  t.  II,  1882,  p.  209—214. 

94)  Ein  lAÖQiävfiov  in  Caesarea  wird  erwähnt  auf  einer  dortigen  Inschrift 
aus  christlicher  Zeit  {Revue  biblique  1895,  p.  75  sq.  Palesiine  Expl.  Fund  Quar- 
terly  Statement  1896,  p.  87).  —  Ueber  Tiberias  s.  Epiphan.  haer.  30,  12:  vaoq 
6s  (jisyiaxoq  iv  x^  nokfiTCQOvniJQxe'  xdxa,  oi/iai,  'Aöpidveiov  xovxo  ixä?.ovv.  — 
Ueber  Gaza  Chronicon  paschale  ed.  Dindorf  I,  474:  xal  ixü  taxriaev  navi'iyvgiv 
.  .  .  xal  e'(og  xov  vvv  ^  navi^yvQK;  ixeivij  ?.syexai  köQtav^.  —  Die  Münzen  von 
Petra  mit  der  Aufschrift  llögiavTj  Btxga  hei  Mionnet,  Description  de  medailles 
V,  587 — 589.  Suppl.  VIII,  387  sj.  De  Saulcy,  Numismatique  de  la  Terre  Sainte 
p.  351—353. 

95)  Eckhel,  Doctr.  Num.  VI,  495*5'.  Madden,  Coins  of  the  Jews  (1881) 
p.  231.  Cohen,  Medailles  imperiales  ed.  2.  t.  II  p.  llOsg'.  Die  Münzen  sind  in 
Rom  geprägt  [S.  C).  —  Analoge  Münzen  giebt  es  fast  für  alle  Provinzen,  s. 
Eckhel  VI,  486-  501.     Cohen  II,  107—112. 


682  §21,111:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  [569.570] 

longe  clarissima  urhium  orientis,  non  Judaeae  modo^^).  Diese  berühmte 
Stadt  lag  nun  in  Trümmern  oder  war  doch  nur  ein  römisches 
Lager.  Was  konnte  es  für  den  Kaiser  Verlockenderes  geben,  als 
sie  in  neuem  Glänze  erstehen  zu  lassen?  Aber  der  neue  Glanz 
sollte  selbstverständlich  ein  heidnischer  sein.  Ein  Tempel  des  ca- 
pitolinischen  Jupiter  sollte  sich  da  erheben,  avo  einst  der  Tempel 
des  Judengottes  gestanden  hatte.  Das  war  das  Verhängnissvolle. 
Die  Juden  waren  durch  das  vielleicht  nicht  lange  vorher  erlassene 
Verbot  der  Beschneidung  schon  aufs  Aeusserste  gereizt.  Nun  kam 
dieser  neue  Gräuel  hinzu.  Damit  waren  die  Dinge  reif  zur  Ent- 
scheidung. Man  verhielt  sich  noch  ruhig,  so  lange  der  Kaiser  in 
Aegypten  und  dann  zum  zweiten  Mal  in  Syrien  weilte.  Als  er 
aber  nicht  mehr  in  der  Nähe  war,  also  wohl  132  n.  Chr.,  brach 
der  Aufstand  aus:  an  Ausdehnung,  innerer  Kraft  und  zerstörenden 
Folgen  mindestens  ebenso  gewaltig  wie  der  zur  Zeit  Vespasian's. 
Nur  an  |  der  Dürftigkeit  der  Quellen  liegt  es,  wenn  er  für  unser 
Bewusstsein  hinter  jenem  zurücktritt^'). 

Der  Führer  des  Aufstandes  wird  in  den  christlichen  Quellen 
Kocheba  oder  Barkocheba  genannt,  von  den  rabbinischen  Bar- 
kosiba  oder  Benkosiba^^).  Das  eine  wie  das  andere  ist  nur  ein 
Beiname;  ersteres  bezeichnet  ihn  als  den  „Stern"  oder  „Sternen- 
sohn", in  Anlehnung  an  Niim.  24,  17,  welche  Stelle  E.  Akiba  auf 
ihn  deutete^^);  letzteres  ist  entweder  Benennung  nach  seinem  Vater 


96)  Plin.  Eist.  Nat.  V,  14,  70. 

97)  Aus  Dio  Cass.  LXIX,  12  erhellt,  dass  die  Gründung  von  Aelia  in  die 
Zeit  von  Hadrian's  erster  Anwesenheit  in  Syrien  (130)  fallt,  der  Ausbruch 
des  Aufstandes  aber  nach  seiner  zweiten  Anwesenheit  (131),  also  wohl  132 
n.  Chr.  In  der  That  setzt  die  Chronik  des  Eusebius  den  Beginn  des  Aufstandes 
in  das  16.  Jahr  Hadrian's  oder  aun.  Abrah.  2148  =•  132  n.  Chr.  {Euseb.  Ghron. 
ed.  Schoene  II,  HiQsq.). 

98)  Xoxfßäi  und  Ghochelias  hcisst  er  in  der  Chronik  des  fhiscb.  und  Hie- 
ronymus  ad  ann.  AI/r.  2149  [ed.  Schoene  II,  168^5'.,  die  griechische  Form  bei 
Syncell.  ed.  JHndorf  I,  6(50);  ebenso  bei  Orosius  VII,  13  [ed.  Zauf/enieister). 
BaQxotxißo^  bei  Justin.  Mart.  apol.  I,  31  (ed.  Otto)  und  Euseb.  Rist.  eecl.  IV, 
6  (ed.  Heinichen);  die  Justinstelle  auch  bei  Etiseb.  Jlist.  crel.  IV,  8.  Barelio- 
chahojt  bei  Hieron.  adv.  Itußn.  III,  31  (opj).  ed.  VallarsiW,  .'i55)).  —  lu  den  rab- 
binischen Quellen  dagegen  stets  KS'^Tns  "is  oder  «n'^Ti:  p  {Drrenboun/,  llistoire 
p.  423,  Lebrecht,  Hether  8.  13).  In  der  Stelle  des  Seder  Ohm  hat  nur  die 
MOnchener  Hundschrifl  «333  ">a  (s.  oben  H.  6ü9f.).  —  Vgl.  über  ihn  überhaupt: 
Buxtorf,  IjCX,  Chald.  r-ol.  1028  («.  v.  3T3).  Derenbourff,  Histoirc  p.  423 sqq. 
Salzor,  Magazin  für  dio  Wiasensch.  dos  Judenth.  IIT,  IS-HK  Lebrecht, 
Bether  (1877)  8.  12-20.  Hamburger  Real-Enc.  Artikel  „Harkochba".  Levy, 
Neuhrbr.  W5rterb.  II,  312.  KloBterninnn  iti  Herzog- Hauck's  Real-Enc. 
8.  Aufl.  II,  403-405. 

W)J«r.  Taanith  IV  fol.  68''  (Krakauer  Aung):  „K.  Simon  lu-n  Jochui  über- 


{570.  571]    §21,111:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  683 

(der  Sohn  des  Kosiba)  oder  nach  seiner  Heimath  (der  aus  Kosiba) 
und  ist  erst  ganz  spät  und  vereinzelt  in  Anspielung  auf  seinen 
Misserfolg  „der  Lügner"  gedeutet  worden  i^<>).  Der  Beiname  Ko-i 
cheba  oder  Barkocheba  ist  augenscheinlich  gewählt  wegen  des 
Gleichklanges  mit  Barkosiba*^^),  scheint  aber  ziemlich  gebräuch- 

licferte:  R.  Akiba  mein  Lehrer  erklärte  die  Stelle  „Es  geht  ein  Stern  (2312) 
nus  Jakob  hervor"  (Nuui.  24,  17)  folgendermassen :  „Es  geht  6<nTl3  aus  Jakob 
hervor".  Als  R.  Akiba  den  Barkosiba  sah,  sprach  er:  Das  ist  der  König 
Messias,  Da  sprach  zu  ihm  R.  Jochanan  ben  Torta:  Akiba,  es  wird  Gras  aus 
deinen  Backen  wachsen,  und  der  Sohn  David's  wird  noch  nicht  gekommen 
sein"  (s.  den  Text  auch  bei  Lebrecht,  Bether  S.  44,  deutsch  bei  Wünsche, 
Der  jerusalemische  Talmud,  1880,  S.  157).  —  Die  richtige  Erklärung  von 
Kocheba  =  dar^Q  auch  bei  Euseb.  Eist.  eecl.  IV,  6  und  Syncell.  I,  6ö0.  Nach 
Euseö.  l.  c.  hat  auch  Barkocheba  selbst  sich  für  einen  (potaxriQ  i^  ovQavoi) 
ausgegeben. 

100)  Die  Deutung  =  ntia  „Lügner"  findet  sich  erst  im  Midrasch  Echa  rab- 
bathi,  s.  Levy,  Neuhebr.  Wörterb.  II,  312  (Text  bei  Lebrecht,  Bether  S.  46, 
deutsch  bei  Wünsche,  Der  Midrasch  Echa  rabbati,  1881,  S.  100).  Da  Bar- 
kosiba oder  Benkosiba  die  stehende  Benennung  ist,  auch  im  Munde  Solcher, 
welche  ihn  hochstellen  (wie  des  Akiba),  so  kann  es  an  sich  nicht  eine  schlimme 
Bedeutung  haben.  Kosiba  ist  entweder  der  Name  seines  Vaters  (so  früher 
Derenbourg,  Histoire  p.  423,  not.  3)  oder  seiner  Heimath.  Im  letzteren  Falle 
ist  aber  sicher  nicht  an  a'^Tsx  im  Stamme  Ascher  =  Ekdippa,  zwischen  Tyrus 
und  Ptolemais,  zu  denken  (wie  Derenbourg,  Melanges  publiis  par  l'ecole  des 
hautes  dticdes  1878,  p.  157 sg.  vorgeschlagen  hat),  sondern  an  einen  Ort  in  Ju- 
daea.  —  Ein  XSTIS  wird  I  Chron.  4,  22  erwähnt.  Wenn  dieses  identisch  ist  mit 
'Z'-^lz  Oen.  38,  5  und  3''T2i<  Josua  15,  44,  Micha  1,  14,  wie  gewöhnlich  ange- 
nommen wird,  so  lag  es  in  der  Ebene  {Sephela)  von  Judaea  (nach  Ju^iia  15, 
33  ft'.).  —  Ein  christliches  Kloster  Choziba  zwischen  Jerusalem  und  Jericho 
wird  vom  6.  bis  12.  Jahrh.  öfters  erwähnt  (Euagrius,  Ecclesiastical  history  ed. 
by  Bidex  and  Parmetiticr,  1898,  ^.157  [^v  Xoi'?//?«  xy  ftävÖQa,  mit  Beschreibung 
der  Lage  zwischen  Jerusalem  und  Jericho].  Tobler,  Topographie  von  Jerusa- 
lem II,  963  f.,  über  die  Lage:  Schick  und  Marti,  Zeitschr.  des  DP V.  III,  1880, 
S.  12  f.,  Pilgerfahrt  des  russischen  Abtes  Daniel,  1113—1115,  Zeitschr.  des 
DPV.  VII,  1884,  S.  32,  Buhl,  Geogr.  S.  176).  Es  ist  gegründet  von  Joftannes 
Choxebäa,  der  später  um  536  Bischof  von  Caesarea  war  (Acta  Sanctottim 
BoUatul.  Oct.  XII,  587—593,  dazu  Änalecta  Bolland.  VII,  366).  Ueber  einen 
Georgias  Choxebita  (iv  T<p  Xü}t,tßä)  s.  Acta  Sanct.  Jan.  I,  483,  Mai  I  p.  XII 
und  bes.  Änalecta  Bolland.  VII,  95—144,  336—359,  VIII,  209  *r/.  Ueber  Mm- 
cula  Mariae  in  Ckoxiba  [iv  x^  f^ov^  Xsyofihn  Xw'Qißä)  s.  Änalecta  Bolland. 
VII,  360 — 372  (dieses  Material  zusammengestellt  von  Kohler,  Revue  de  l'Orient 
latin  t.  V,  1897,  p.  502,  495,  483  sj.).  —  Ein  Kueiziba  existirt  noch  heute 
südwestlich  von  Thekoa,  zwischen  Thekoa  und  Halhul,  s.  The  Surrey  of  We- 
stern Palestine,  Memoirs  III,  358,  dazu  die  grosse  engl.  Karte  ßl.  XXI  L  c. 
101)  Eben  darum  kann  Barkocheba  nicht  Benennung  nach  der  Heimath 
sein  („aus  Kocheba"  —  so  schon  Rcland,  Palaestina  p.  121  sqq.  und  neuer- 
dings Ed.  Riggenbach,  Beiträge  zur  Förderung  christlicher  Theologie  V,  4, 
1901,  S.  105 — 107).  Ein  Dorf  Kwxaßd  hat  es  allerdings  in  Batanaea  gegeben, 
Ei4seb.  Eist.  eccl.  I,  7,  14.     Epiphanius  haer.  30,  2  u.  18. 


684  §21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132— 135).  [571] 

lieh  geworden  zu  sein,  da  die  cliristlichen  Quellen  nur  ihn  kennen. 
Den  eigentlichen  Namen  des  Mannes  haben  uns  die  Münzen  er- 
halten. Denn  es  ist  kaum  daran  zu  zweifeln,  dass  die  Simon s- 
münzen,  welche  theils  sicher,  theils  höchst  wahrscheinlich  in  der 
Zeit  dieses  Aufstandes  gesprägt  sind,  eben  von  dem  Führer  de» 
Aufstandes  herrühren;  dieser  war  aber  Barkocheba.  Die  im  ersten 
Jahre  geprägten  haben  die  Aufschrift:  „Simon  Fürst  Israel's" 
(bi^nüi  «"^tOD  ^lyatJ),  die  im  zweiten  Jahre  geprägten  nur  den 
Namen  „Simon"  ("iiyüC).  Auf  einigen  ist  ein  Stern  über  einem 
Tempel  abgebildet.  Ausser  den  Simonsmünzen  giebt  es  vom  Jahr  I 
auch  Münzen  mit  der  Aufschrift:  „Eleasar  der  Priester"  ("iT^b» 
in:)!!).  Es  scheinen  also  damals  zwei  Männer  an  der  Spitze  des 
Aufstandes  gestanden  zu  haben:  neben  dem  Fürsten  Simon  der 
Priester  Eleasar.  Aus  dem  zweiten  Jahre  giebt  es  keine  Eleasar- 
münzen  mehr^''^^^  Da  in  spätrabbinischen  Quellen  der  auch  sonst 
bekannte  K.  Eleasar  oder  Elieser  aus  Modein  als  Oheim  des 
Barkosiba  bezeichnet  wird*"^),  so  hat  man  die  Yermuthung  auf- 
gestellt, dass  dieser  mit  dem  auf  den  Münzen  genannten  „Priester 
Kleasar"  identisch  sei'^*}.  Aber  von  Eleasar  aus  Modein  wird 
nirgends  bemerkt,  dass  er  Priester  war.  Auch  scheint  die  richtige 
Form  seines  Namens  Elieser  zu  sein^^*^),  womit  die  Combination 
von  selbst  hinwegfällt.  Bei  der  Häutigkeit  des  Namens  sind  auch 
andere  Combinationen  ohne  zureichende  Grundlage  *o^). 


102)  S.  über  die  Münzen  überhaupt  Beilage  IV.  —  Die  Münzen  mit  dem 
Stern  z.  B.  bei  Madden,  Coins  of  the  Jews  (1881)  p.  239,  244.  —  L.  Ham- 
burger hat  in  seinem,  durch  Mittheilung  neuen  Materiales  werthwoUen.  Auf- 
satz über  „Die  Silber-Münzprägungen  während  des  letzten  Aufstände»  der 
Israeliten  gegen  Rom"  (Zeitschr.  für  Numismatik  XVIII,  1892,  S.  241—348) 
die  Meinung  de  Saulcy's  erneuert,  dass  der  „Fürst  Simon"  identisch  sei 
mit  Rabban  Simon,  Sohn  des  Gamaliel  II  (a.  a.  O.  S.  311,  nach  S.  319  ist 
dies  sogar  „apodiktisch  sicher").  Da  die  angebliche  Nasi- Würde  dieses  Simork 
aber  eine  Legende  ist  (in  den  Quellen  heisst  er  nur  „llubban",  s.  oben  S.  120> 
vgl.  auch  Bd.  II,  S.  205  f.),  so  ist  diese  Combination  Hamburger's  ebenso  ver- 
fehlt, wie  manches  andere  in  den  historischen  Excursen,  mit  welchen  er  sein 
numißmatiHchcs  Material  zu  erläutern  versucht  hat.  Auch  aus  chronologischen 
Gründen  ist  jene  Combination  unmöglich. 

103)  Midrasch  zu  Kcha  II,  2.  Oittin  57a  (bei  Dereiibotirg  p.  424,  433).  S. 
über  Eleasar  aus  Modein:  Bach  er,  Die  Agada  der  Tannaiten  (1884)  S.  194— 219. 

104)  So  Ewald,  Goschichte  VII,  418.  De  Saulcy,  Revue  Numismatique 
1806,  p.  44. 

106)  Diese  Form  giebt  D.  Ho  ff  mann,  Zur  Einleitung  in  die  halachischen 
Midraschim  (Berlin,  JahrcHbericht  <lcs  Rabbincr-SeminarM  1887)  S.  83.  Auch 
die  Cambridger  MiHchna-HandHchrift  liat  Aboth  III,  11  ntS'^b. 

lOö)  Hamburger,  ZeitMchr.  für  NumiHmutik  XVIIl,  1892,  S.  311  ff.  denkt 
tax  Eleanar  ben  Atiaija,  der  allcrdingH  PricHtcr  war,  fSchlatter  (Die  Tage  Tra- 
Janii  und  HndrianH,  8.  64—61)  an  Ehasur  bcn  Charsom. 


[571.  572]   §21,111:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  685 

Die  Deutung  des  „Sternes",  der  aus  Jakob  aufgehen  soll,  auf 
Barkosiba  zeigt  uns,  dass  man  in  ihm  den  Messias  erblickt  hat. 
R  Akiba,  der  berühmteste  Gesetzeslehrer  in  damaliger  Zeit,  soll 
ihn  bestimmt  als  solchen  erklärt  haben ^'^').  Und  wenn  auch  nicht 
alle  CoUegen  Akiba's  ihm  beipflichteten,  so  hatte  er  doch  das  Volk 
auf  seiner  Seite.  Wie  zur  Zeit  Vespasian's  so  glaubte  man  auch 
jetzt  die  Tage  gekommen,  da  die  alte  Weissagung  der  Propheten 
sich  erfüllen  und  Israel  das  Joch  der  Heiden  abschütteln  würde. 
Die  christliche  Legende  will  auch  wissen,  dass  Barkocheba  das 
Volk  durch  trügerische  Wunder  bethört  habe'^^).  —  Eben  wegen 
des  I  messianischen  Charakters  der  Bewegung  war  es  den  Christen 
unmöglich,  sich  irgendwie  daran  zu  betheiligen.  Sie  konnten  ihren 
Messias  nicht  verleugnen,  um  den  Führer  der  politischen  Revolu- 
tion als  solchen  anzuerkennen.  Daher  wurden  sie  von  dem  neuen 
Messias  mit  ganz  besonderer  Heftigkeit  verfolgt,  wie  Justin  der 
Märtyrer  und  Eusebius  bezeugen  ^^^). 

Der  Aufstand  verbreitete  sich  rasch  über  ganz  Palästina;  wo 
nur  immer  feste  Plätze,  Burgen,  Höhlen,  unterirdische  Gänge  einen 
Schlupfwinkel  boten,  da  sammelten  sich  die  Kämpfer  für  einhei- 
mische Sitte  und  Freiheit.  Eine  offene  Schlacht  vermieden  sie: 
aber  von  ihren  Verstecken  aus  verheerten  sie  das  Land  und  be- 
kämpften Alle,  die  nicht  ihrer  Sache  zugethan  waren '  ^^).  —  Auch 
Jerusalem  ist  sicher  von  den  Aufständischen  besetzt  worden.  Die 
Zweifel,  welche  von  Manchen  dagegen  erhoben  worden  sind,  stützen 
sich  hauptsächlich  darauf,  dass  in  den  besseren  Quellen  (Dio  Cas- 
sius  und  Eusebius'  Kirchengeschichte)  von  einem  Kampf  um  Jeru- 


107)  S.  die  in  Anm.  99  citirte  Stelle;  auch  Bacher,  Die  Agada  der  Tan- 
naiten,  S.  291  f.  —  Ueber  Akiba  überhaupt:  Bd.  II,  S.  375—377  und  die  dort 
genannte  Literatur. 

108)  Hieronymus,  adv.  Rufin.  III,  31  [opp.  ed.  Vallarsi  II,  559).  Hierony- 
nius  sagt  hier  seinem  Gegner  Rufinus,  er  speie  Feuer  tä  ille  Barchochabas, 
auctor  seditionis  Judaieae,  stipulam  in  ore  sttccensam  anheiitu  ventilabat,  ut 
flammas  evomere  putaretur. 

109)  Justin.  Martyr.  Apol.  I,  31:  Kai  yiiQ  ^v  X(j^  vvv  yeyfvi^fihtjt  lovSa'ixq) 
noXifjuo  BaQX"*X^ß^?'  o  x^g  'lovöalutv  dnooxüaeux;  dtjxrjyixi^q,  Xgiaxtavovq  fio- 
vovq  tlg  xt/iWQiaq  Ssiväg,  tl  fxij  d^ivoivxo  'Irjaovv  xov  Xpiatov  xai  ßXaatpTj/uoifv, 
ixiXtvev  dnäyea&ai.  —  Euseb.  Chron.  ed  Schoene  U,  \ij8sq.  ad.  ann.  Abr.  2149 
(nach  dem  Armenischen):  Qui  dux  rebellionis  Jiidaearum  erat  Chochebas,  muJtos 
e  Christianis  dirersis  suppliriis  affecit,  quia  nolebant  proccdere  cum  iUo  ad  pu- 
f/nam  contra  Romanos.  Ebenso  die  lateinische  Bearbeitung  des  Hieronymus 
(bei  Schoene  a.  a.  O.)  und  Syncell.  ed.  Dindorfl,  ü6(».    Vgl.  auch  Gros.  VII,  13. 

110)  Dio  Gass.  LXIX,  12.  —  Vgl.  Hieronymus  Chron.  ad  ann.  Abr.  2148 
[Euseb.  Chron.  ed.  Schoene  II,  IGT):  Judaei  in  arma  versi  Palesiinam  depopu- 
lati  sunt.  Der  armenische  Text  des  Eusebius  hat:  Judaei  rebellarunt  et  Pale- 
stinensium  terram  invasertint. 


686  §21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).   [572.  573] 

salem  nicht  die  Rede  ist.  Aber  wie  unsäglich  dürftig  sind  über- 
haupt diese  Quellen!  Schon  aus  inneren  Gründen  ist  es  wahr- 
scheinlich, dass  die  anfangs  siegreichen  Aufständischen  sich  auch 
Jerusalems  bemächtigt  haben  werden,  welches  damals  nicht  eine 
stark  befestigte  Stadt,  sondern  nur  ein  römisches  Lager  war. 
Bestätigt  wird  aber  diese  Vermuthung  durch  zweierlei  Zeugnisse. 
Zunächst  durch  die  Münzen^^^).  Gerade  die  am  sichersten  in  diese 
Zeit  zu  setzenden  Münzen  tragen  auf  der  einen  Seite  den  Namen 
Simon's  (p^PttTr»),  auf  der  anderen  die  Aufschrift  übiölT  minb, 
lecheruth  Jeruschalem,  „der  Freiheit  Jerusalems".  Also  die  Befreiung 
Jerusalems  ist  von  Simon  durch  Münzen  verherrlicht  worden.  Es 
giebt  aber  unter  den  in  diese  Zeit  gehörigen  Münzen  auch  solche, 
welche  ausser  dem  Datum  „Jahr  I  der  Befreiung  Israels"  oder  j 
„Jahr  II  der  Freiheit  Israel's"  nur  den  Namen  der  Stadt  Jeru- 
salem (abHJ'n'')  tragen.  Diese  sind  also  von  der  Stadt  selbst  im 
eigenen  Namen  geprägt  worden,  woraus  wir  sehen,  dass  dieselbe 
sowohl  im  ersten  als  im  zweiten  Jahre  in  den  Händen  der  Auf- 
ständischen war.  Zu  diesem  Zeugnisse  der  Münzen  kommt  das  des 
Zeitgenossen  Appian,  durch  welchen,  wie  später  erwähnt  werden 
wird,  die  Thatsache  der  Rückeroberung  Jerusalems  durch  die  Römer 
verbürgt  ist^^^)^  —  Ob  man  in  diesen  unruhigen  Kriegsjahren  so- 
fort auch  mit  der  Wiedererbauung  des  jüdischen  Tempels  be- 
gonnen   hat,    mag  dahingestellt  bleiben.    Spätchristliche  Quellen 


111)  8.  hierüber  Beilage  IV. 

112)  Die  Besetzung  Jerusalems  durch  die  Aufständischen  ist  bestritten 
worden  (ohne  nähere  Begründung)  von  Gas  sei,  Art.  „Juden"  in  Ersch  und 
Grubers  Encyklopädie  Section  II,  Bd.  27,  S.  14  und  Jost,  Gesch.  des  Juden- 
thums  II,  79  Anm.  Auch  Renan  erklärt  sie  für  „wenig  wahrscheinlich"  (in 
der  Abhandlung:  Jerusalem  a-t-clle  iti  assiigic  et  detruite  une  troisicvie  fois 
sous  Adrien?  in:  Retme  historique  t.  II,  1876,  p.  112 — 120  =  Uiglise  chr4lienne 
1879,  p.  541 — 553,  sein  Schlussurtheil  ist:  qtie  l'occupation  de  J^usalem  ait  iti 
un  ipisode  eourt  de  Uulite  guerre,  cela  est  strictement  possihh;  c'est  pmi probable. 
cependant,  s.  Revue  II,  119  =  L'i(jiise  chritienne  p.  551).  —  Gregorovius  hält 
auf  Grand  der  Münzen  wenigstens  eine  vorübergehende  Bositzniihnie  Jerusa- 
lems durch  die  Rebellen  für  „wahrscheinlich",  bestreitet  aber,  dass  es  ein 
ernsthaftcH  Kampfobject  gewesen  sei  (Der  Kaiser  Hadrian  3.  Aufl.  S.  194, 
200  f.  SitzungHbcrichto  der  Münchoner  Akademie  1883,  S.  502—505).  Aehn- 
lich  öalzer,  Magazin  für  die  Wiasensch.  dos  Judenth.  IV,  2211".  —  Jm  Allge- 
meinen ist  die  ßcHetzung  JeruBalems  durch  diu  Aufständischen  von  den  Mci- 
iit<m  anerkannt,  z.  B.  Deyling,  Obaervationea  aacrae  t.  V,  Lips.  1748,  /*.  455—460 
(in  der  Abluindlung:  Aeliae  Oapitolina«  origvnea  et  historia),  Munter,  Der 
jadi«cbe  Krieg  8.  60  fT.  00  ff.,  auch  Schiller,  Gesch.  der  röm.  Kuiscrzcit  I, 
612  Anm.,  Mommnen,  Bömiache  Geschichte  V,  545.  Schlattcr,  Zur  Topo- 
graphie und  QoMchichte  Palistina'f  8.  140—146.  Den.,  Die  Tage  Trajans 
und  HadrianM  8.  40—49. 


[573.574]    §21,  III:  Der  grosse  Aufstaud  uuter  Hadrian  (132— 135).  687 

sprechen  davon;  und  die  Absicht  dazu  wird  sicherlich  bestanden 
haben  »13).  j 

Ueber  den  Gang  des  Krieges  wissen  wir  fast  nichts.  Als  er 
ausbrach,  war  Tineius  Eufus  Statthalter  von  Judäa»*^).  Da  er 
mit  seinen  Truppen  den  Aufständischen  nicht  gewachsen  war,  so 
drang  die  Empörung  nicht  nur  in  Palästina  siegreich  durch,  sondern 
verbreitete  sich  auch  über  die  Grenzen  des  Landes  hinaus.  Ja 
an  den  jüdischen  Aufstand  schlössen  sich  unruhige  Elemente  an- 
derer Art  an,  so  dass  schliesslich  „so  zu  sagen  die  ganze  Welt  in 
Bewegung  war"»'^).  Es  waren  die  höchsten  Anstrengungen  nöthig, 
um  des  Aufruhrs  Herr  zu  werden.  Zahlreiche  Truppen  aus  anderen 
Provinzen  wurden  zur  Verstärkung  herangezogen;  „die  besten 
Feldherren"  nach  Palästina  abcommandirt'"^).  Auch  der  Statthalter 


113)  Von  einem  Versuch  zur  Wiedererbauung  des  Tempels  zur  Zeit  Ha- 
drian's  spricht  Chrysostoinus,  Orat.  adv.  Judaeos  V,  10  (er  sucht  hier  zu 
zeigen,  dass  die  Zerstörung  des  Tempels  nach  Gottes  Willen  erfolgt  sei.  Wenn 
nämlich  die  Juden  nicht  wieder  versucht  hätten,  den  Tempel  zu  bauen,  so 
könnten  sie  sagen:  Wenn  wir  gewollt  hätten,  hätten  wir  ihn  auch  wieder 
bauen  können.  Nvvl  de  avrovg  deixvvfxt,  ozi  ovx  äna^,  ovde  ölg,  dkXa  xal  rplg 
^TtixsiQrjaaviag  xal  ^ayevvag,  nämlich  unter  Hadrian,  Constantin  und  Julian). 
—  Qeorgius  Cedrenus  ed.  Bekker  I,  437  berichtet:  i(p  ov  araaiaadvxwv 
X(5v  'lovöaliov  xal  xöv  iv  '^hgoaoXvßOig  vaöv  oixoöofi^aat  ßovXtjQtvxwv  OQyl- 
^srat  xax*  avziöv  atpoöga  xal  noXsfiov  ysvofiivov  fxeza^v  avslXev  i^  avxüiv  iv 
r]fi£Qa  (juä  fivQidöag  vr\ .  In  der  weiteren  Ausführung  berührt  sich  dann  Ce- 
drenus so  stark  mit  Chrysostomus,  dass  man  sieht,  er  hat  entweder  direct  aus 
Chrysostomus  oder  aus  derselben  Quelle  wie  dieser  geschöpft.  —  Denselben  Be- 
richt reproducirt  auch  Nicephorus  Callistus  Eccl.  hist.  III,  24  {Müpie,  Pa- 
trol.  graec.  t.  CXLV).  —  Das  Chronic on  paschale  behauptet,  dass  Hadrian 
bei  der  Erbauung  von  Aelia,  nach  Unterdrückung  des  Aufstandes,  den  jüdi- 
schen Tempel  zerstört  habe  {ed.  Dindorf  I,  474:  xa^^iXwv  xbv  vaov  xwv  ^ov- 
öalwv  xov  iv'^IegoaoXv/xoig). —  Ein  grosses  Gewicht  ist  auf  alle  diese  Zeugnisse 
nicht  zu  legen. 

114)  Ueber  die  richtige  Form  seines  Namens  s.  oben  S.  647  f. 

115)  Dio  Gass.  LXIX,  13:  näarig  (og  etnelv  xivov/xevijg  inl  xovxü)  x^g  ol- 
xovfzsvrjg. 

116)  Truppenverstärkungen:  Euseb.  Hist.  eccl.  IV,  6,  1.  Chron.  ad  ann. 
Abr.  2148.  —  Feldherren:  Dio  Cass.  LXIX,  13:  xovg  xgaxiaxovg  x(5v  axQaxTj- 
ydiv  0  lidQiavög  in  avxovg  snsfitpev.  —  Durch  Inschriften  lässt  sich  feststellen, 
dass  folgende  Truppen  am  Kriege  theilnahmen  (s.  Darmesteter,  Eemie  des  äudes 

juives  t.l,  1880,  /).  42— 49;  Schiller,  Gesch.  der  röm.  Kaiserzeit  I,  614  Anm.; 
Offord,  Roman  inscriptions  relating  to  Hadrian' s  Jetcish  war,  in:  Proceedings 
of  tke  Society  of  biblical  archaeology  vol.  XX,  1898,  p,  59 — 69,  189;  sehr  incorrect 
sind  die  Angaben  bei  Gregorovius,  Der  Kaiser  Hadrian  S.  199):  1)  Die  leg. 
III  Cyrenaica,  die  von  Augustus  bis  Trajan  in  Aegypten  gestanden  hatte 
und  seit  Trajan  die  Besatzung  der  neugegründeten  Provinz  Arabien  bildete 
(Pfitzner,  Geschichte  der  römischen  Kaiserlegionen  1881,  S.  227  f.;  P.  Meyer, 
Jahrbb.  f.  class.  Philol.   1897,    S.  585—594;    eine  vexillatio  leg.  III  Gyr.  stand 


688  §21>  ill-  J^er  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  [574] 

schon  im  J.  116  in  Jerusalem,  s.  Mittheilungen  und  Nachrichten  des  DPV. 
1895,  S.  21  f.).  Ein  Tribun  derselben  wurde  beschenkt  donis  militaribus  a  divo 
Hadriano  ob  Judaicam  expeditionem  {Orelli-Henxen,  Inscr.  Lat.  n.  6501  =  Corp. 
Inscr.  Lat.  t.  XIV  n.  3610);  ein  Centurio  derselben  ab  imp.  Hadriano  corona 
aurea  torquibus  armillis  phaleris  ob  bellum  Judeicum  {Orelli  n.  832  =  Inscr. 
Begni  Neap.  n.  3542  =  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  X  n.  3733).  —  2)  Die  leg.  III 
Oallica,  welche  wahrscheinlich  seit  Augustus  zur  Besatzung  von  Syrien  ge- 
hörte (s.  oben  S.  459,  Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  Bd.  II,  1876, 
S.  432  ff.,  Pfitzner  S.  228  ff.).  Ein  emeritus  derselben  wurde  beschenkt  ex  vo- 
luntate  imp.  Hadriani  Aug.  torquibus  et  armillis  aureis,  ohne  Zweifel  aus  An- 
lass  des  jüdischen  Krieges  (Orelli  n.  3571).  —  3)  Selbstverständlich  hat  auch 
die  leg.  X  Fretensis  als  Besatzung  von  Judäa  (s.  oben  S.  634f.)  den  Krieg 
mitgemacht;  ein  Centurio  derselben  wurde  beschenkt  ab  divo  Hadriano  ob 
bellum  Judaicum  corona  aurea  torquibus  armillis  phdleris  (Bulletiti  de  corre- 
spondance  helUnique  1888,  p.  424  sqq.  =  Revue  des  etudes  juives  t.  XVII,  1888, 
p.  299  sq.  =  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  III  Suppl.  n.  7331).  —  4)  Auch  die  leg.  VI 
Ferrata  hat  vermuthlich  theilgenommen;  denn  sie  hatte  bisher  zur  Besatzung 
Syriens  gehört  und  bildete  seit  der  Zeit  Hadrian's  mit  der  leg.  X  Fretensis 
zusammen  die  Besatzung  Judäa's  (s.  S.  465,  643).  Dagegen  ist  die  Betheiligung 
der  leg.  IV  Seythica,  welche  Darmesteter  annimmt,  sehr  unwahrscheinlich; 
8.  hierüber  die  nächste  Anmerkung.  —  5)  Von  Auxiliar-Cohorten,  deren  ohne 
Zweifel  eine  grössere  Anzahl  betheiligt  waren,  wird  inschriftlich  erwähnt  die 
coh.  IV  Lingonum,  deren  Befehlshaber  beschenkt  wurde  vexillo  miliitari) 
a  divo  Hadriano  in  expediiio?ie  Judaica  [Orelli- Henxen  n.  5480  ==  Corp.  Inscr. 
Lat.  t.  VI  n.  1523).  Durch  ein  Militärdiplom  vom  J.  139  n.  Chr.  sind  uns 
zwölf  Cohorten  bekannt,  welche  damals,  also  einige  Zeit  nach  dem  Kriege, 
in  Palästina  standen  (s.  oben  S.  465  f.).  Manche  von  ihnen  werden  schon 
am  Kriege  theilgenommen  haben,  doch  nicht  alle  (z.  B.  die  coh.  I  Damasc.  hat 
noch  im  J.  135  in  Aegypten  gestanden  s.  Bd.  II,  S.  120).  —  6)  Ein  Detachement, 
welches  am  jüdischen  Kriege  theilnahm,  wird  auch  erwähnt  Corp.  Inscr.  Lat. 
t.  VI  n.  35* '5:  Sex.  Attius  Senecio  praef.  alae  I  Fl.  Qactulorum,  trib.  leg.  X 
Oerninae,  missiis  a  Divo  Hadriano  in  expeditione  Judaica  ad  vexilla(tion€s  dedu- 
eendas?).  Wie  es  scheint,  war  das  Detachement  von  der  leg.  X  Oeminu,  welche 
in  Pannonien  stand,  genommen.  Auf  einer  in  Bittir  (Beth-ther)  gefundenen  In- 
schrift werden  Detachemeiits  der  leg.  V  Macecimica  und  leg.  XI  Claudia  er- 
wähnt (8.  unten  S.  694  f.).  Man  darf  wohl  annehmen,  dass  die  Inschrift  aus  der 
Zeit  Hadrian's  stammt.  —  7)  Auch  die  syrische  Flotte  (c/ffS6«s  ASy/riaca) 
hatte  einzugreifen,  denn  ihr  Befehlshaber  wurde  beschenkt  donis  militaribus 
a  divo  Hadriano  ob  bellum  Judaicum  (Orelli- Henxen  n.  6924  =  Ifenier,  Inscrip- 
iions  de  l'Algerie  n.  3518  —  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  VIII  n.  8934).  Vgl.  über  die 
Byrinche  Flotte  übcrh.  Fiebiger  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  III,  2642  f.  (im 
Art.  elassis).  Pcrdrixet,  Revue  archcol.  trois.  Serie  t.  32,  1898,  p.  41—49.  Fcr- 
rero,  Memoria  della  It.  Accal,  di  Ihri/w,  Serie  II  t.  XLIX,  1900,  p.  236—239. 
—  Auf  eine  Thätigkcit  der  Flotte  in  einem  bellum  Judacicum  deutet  auch  die 
fragmcnti|ri«chc  Inschrift  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  VI  n.  1565.  Auch  hierbei  darf 
wohl  an  den  hadriuniHclicri  Krieg  gedacht  werden  (so  Mominsen,  Ejihcmeris 
epigr.  III,  p.  331).  —  Auf  einer  ElircnitiHchrift  für  einen  gewissen  P.  Lncilius 
Oamala  zu  Ontia  bei  llrxn  wird  ein  bellum  navate  orwälint,  für  welches  die 
Gemeinde  von  Ostia  eine  starke  Beisteuer  geleistet  hat.  Du  (li(>Her  Ijucilius 
Oamala  nach  einer  anderen  InHchrift  zur  Zeit  des  Hadrian,  Antoninus  Pins 
und  Man-  Aur<'l  gelebt  hat,  mo  kiuuite  man  el)enfalls  an  den  Judenkrieg  Ha- 


[575.  570]    §  21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132-135).  (jSQ 

von  Syrien  PubliciusMarcellus  eilte  seinem  bedi'ängten  CoUegen 
zu  Hülfet*').  Es  scheint  aber,  dass  Rufiis  noch  während  längerer 
Zeit  den  Oberbefehl  behielt;  denn  Eusebius  nennt  überhaupt  keinen 
anderen  römischen  Befehlshaber,  und  spricht  so,  als  ob  durch 
Ruf  US  auch  die  Unterdrückung  des  Aufstandes  erfolgt  wäre"^). 
Auch  in  rabbinischen  Quellen  erscheint  „Turranius  Rufus"  (D3"nt3 
cisin)  als  der  damalige  Hauptfeind  der  Juden  "^).  Durch  Dio 
Cassius  aber,  |  dessen  Angaben  hier  durch  ein  inschriftliches  Zeug- 
niss  bestätigt  werden,  wissen  wir,  dass  in  der  letzten  Zeit  Julius 
Severus,  einer  der  hervorragendsten  Feldherren  Hadrian's,  den 
Oberbefehl  hatte  und  dass  diesem  die  Unterdrückung  des  Auf- 
standes gelang.  Er  wurde  zur  Führung  des  Krieges  aus  Britannien 
herbeigerufen  und  hatte  noch  geraume  Zeit  mit  Bekämpfung  des 
Aufstandes  zu  thun.  In  einer  offenen  Schlacht  war  nichts  auszu- 
richten.   Ueberall  mussten  die  Rebellen   einzeln  aufgesucht  und, 


drian's  denken.  Es  ist  aber  wahrscheinlich  der  Marcomannenkrieg  Marc  Au- 
rel's  gemeint.  S.  die  beiden  Inschriften  in  den  Amiali  deW  Instituto  1857, 
p.  'i'l^sqq.  und  zur  Erläuterung  besonders  Momrasen,  Ephemeris  epigr.  t.  III, 
1877,  p.  319-332. 

117)  Corp.  Inscr.  Oraec.  n.  4033  und  4034  (erstere  =  Archäol.-epigr.  Mit- 
theilungen aus  Oesterreich-Ungarn  IX,  118).  Auf  beiden  fast  gleichlautenden 
Inschriften  wird  erwähnt,  dass  Severus  (über  seinen  Vornamen  s.  oben  S.  648) 
Befehlshaber  der  leg.  IV  Scythiea  war  und  Syrien  commissarisch  verwaltete, 
als  Publicius  Marcellus  wegen  des  jüdischen  Aufstandes  Syrien  verlassen  hatte 
[üiovTiQov  .  .  .  ^ysfiova  Xeyedüvog  S  2xv&ixfjg  xal  öioxjqaavxa  xa  iv  Svgla 
ngayfiara,  rjvlxa  üovßAlxioq  M  'pxeXloq  Siä  t^v  xivrjaiv  xriv  'Iov6a'ixr}v  /isxaßf- 
ßrixsi  und  I^vgiaq).  Publicius  Marcellus  führte  also  einen  Theil  der  sy- 
rischen Besatzung,  welche  aus  drei  oder  vier  Legionen  bestand  (Pfitzuer  S.  187), 
nach  Judäa,  während  Severus  die  Verwaltung  Syriens  commissarisch  über- 
nahm, vermuthlich  unter  Beibehaltung  seines  Legionscommando's.  Die  leg. 
IV  Scythiea  ist  demnach  wahrscheinlich  in  Syrien  geblieben. 

118)  Euseb.  Hist.  eccl.  IV,  6,  1:  noXifiov  re  vofiu)  xag  x<^Q«g  avxwv  i^avSga- 
7iodit,6fievog 

119)  bab.  Taanith.  29»  bei  Derenbourg,  Histoirep.  422.  üeberhaupt:  Schoett- 
ge.n,  Ilurae  hebraicae  II,  953 — 957.  Buxtorf,  Lex.  Chald.  col.  916  (s.  r.  "p::). 
Levy,  Neuhebr.  Worterb.  II,  149  s.  v.  013"na.  Bacher,  Die  Agada  der  Tan- 
naiten,  1884,  S.  294 — 300  =  Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judenth. 
1883,  S.  303  fr.  347  ff.  —  Die  Form  DlBin  Dis-iio  ist  wohl  nur  Corruption  aus 
Tineius  Rufus.  Der  Name  Tiirraniiis  kommt  zwar  vor  [Prosopogr.  imp.  Rom. 
III,  344,  sogar  ein  ^AnöXavaxog  TvQccviog  'Pov(pog  in  Phrygien,  Mittheilungen 
des  deutschen  archäol.  Instituts,  Athen.  Abth.  XXV,  1900,  S.  407).  In  unserem 
Falle  aber  ist  Tineius  durch  Eusebius  entscheidend  bezeugt  (s.  oben  S.  647 f.). 
Im  jerusalemischen  Talmud  haben  die  älteren  Ausgaben  (z.  B.  auch  die  Kra- 
kauer) an  mehreren  Stellen,  Berachoth  IX  fol.  14b  unten,  Sota  V  fol.  2Uc  unten, 
Oisinaoiaiu  Tunustnifus,  wo  das  t  zwischen  s  und  r  zur  Erleichterung  der 
Aussprache  eingeschoben  zu  sein  scheint  wie  in  Istrahel,  Esdras  und  ähnlichen 
Formen. 

Schür  er,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  44 


690  §  21,111:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).   [576.577] 

WO  sie  in  Höhlen  sich  verborgen  hielten,  durch  Abschneiden  der 
Zufuhr  aufgerieben  werden.  Erst  nach  langwierigen  und  verlust- 
reichen Einzelkämpfen  gelang  es  endlich,  sie  im  ganzen  Lande 
., aufzureiben  und  zu  vertilgen  und  auszurotten"  {xaraxgi'tpaL  xal 
exTQvxmOai  xal  sxxoipai)^'^^). 

Wo  Hadrian  während  des  Krieges  weilte,  ist  nicht  mit  voller 
Sicherheit  festzustellen.  Wahrscheinlich  befand  er  sich  während 
der  kritischen  Jahre  selbst  auf  dem  Kriegsschauplatze.  Er  hatte 
Syrien  verlassen,  als  der  Aufstand  ausbrach.  Die  schlimmen  Nach- 
richten scheinen  ihn  dann  zur  Rückkehr  nach  Judäa  veranlasst  zu 
haben.  Denn  seine  Anwesenheit  auf  dem  Kriegsschauplatze  wird 
nicht  nur  von  der  rabbinischen  Legende  vorausgesetzt ^^i),  sondern 
auch  durch  einige  inschriftliche  Daten  und  durch  einen  Brief 
Hadrians  an  den  Architekten  ApoUodorus  wahrscheinlich  ge- 
macht ^22)^  I  Seine  Anwesenheit  in  Eom  ist  erst  wieder  für  den  Mai 

120)  Dio  Class.  LXIX,  13.  —  Dass  Julius  Severus  aus  Britannien  nach 
Judäa  gerufen  wurde,  zeigt  auch  die  Inschrift  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  III  n.  2830, 
welche  den  ganzen  cursus  honorum  desselben  giebt  (s.  oben  S.  648). 

121)  Oittin  57"  bei  De7-enbourg  p.  433  «(7. 

122)  Bestritten  wird  Hadrian's  Anwesenheit  z.  B.  von  Gregorovius,  Der 
Kaiser  Hadrian  3.  Aufl.  8.  197;  vorausgesetzt  wird  sie,  ohne  nähere  Begrün- 
dung, z.  B.  von  Dürr,  Die  Reisen  des  Kaisers  Hadrian,  1881,  S.  65,  Mommsen, 
Rom.  Gesch.  V,  545;  auf  Grund  der  rabbinischen  Quellen  angenommen  von 
Lebrecht,  ßether  8.  37,  und  Anderen.  Einen  Beweis  aus  den  Inschriften 
versuchen  Darmesteter,  Eevue  des  chides  juives  I,  49—53,  8chiller,  Gesch. 
der  römischen  Kaiserzeit  I,  613  Anm.,  Rohden  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc. 
I,  513.  In  Betracht  kommen  folgende  Daten:  1)  Ein  Q.  Lollius  war  legatus 
imp.  Hadriani  in  expedHicme  Judaica,  qua  donatus  est  hasta  pura  corona  aurea 
(Orelli-IIenxen  n.  6500  =  Henier,  Inscriptions  de  l'A/gerie  n.  2319  =  Corp. 
Iiiscr.  Lat.  t.  VIII  n.  6706).  Der  Ausdruck  legatus  imp.  ohne  weitereu  Zusatz 
kann  wohl  nur  Bezeichnung  eines  persönlichen  Adjutanten  sein,  der  in  der 
unmittelbaren  Umgebung  des  Kaisers  sich  befand.  2)  Auf  einer  freilich  sehr 
fragmentarischen,  aber  jedenfalls  in  die  spätere  Zeit  Hadrian's,  höchst  wahr- 
scheinlich 134  oder  135  n.  Chr.  gehörigen  Inschrift  wird  gesagt,  dass  er  [la- 
byjrUnu  max{imi8  rcmjmblicam  ab  ho)stc  liberavcrit  {Orc/Ii-Tfenxen  71.  5457  ■=  Corj). 
Insor.  IxU.  t.  VI  n.  974).  Da  in  diese  spätere  Zeit  nur  der  jüdische  Krieg 
mit,  so  scheint  sich  die  Inschrift  auf  Hadrian's  Thätigkeit  in  diesem  zu  be- 
zieben (b.  Hcnzen's  Bemerkungen).  Freilich  setzen  die  labures  maximi  nicht 
nothwendig  Hadrian's  Anwesenheit  auf  dem  Kriegsschauplatz  voraus,  weshalb 
BohdcD  die  Beweiskraft  der  Inschrift  bestreitet.  —  3)  Auf  einen  interessanten 
Brief  Hadrian's  an  den  Architekten  ApoUodorus  hat  IMew  auf- 
merksam gemacht  (Qucllenuntersuchungen  zur  Geschiciito  des  K^lisers  Hadrian, 
1890,  8.  92—96;  der  Inhalt  des  Briefes  wird  von  Apcillodonis  selbst  in  der 
Einleitung  zu  seinen  I'oliorketika  wiedergegeben).  „Hadrian  hat  diirnach  in 
dringender  Loge  den  ApuUodor  um  schleunige  Uebersendung  von  Kathsclilägen 
fttr  die  Erbauung  von  Belagerungsmaschinen  ersucht,  und  zwar  zur  Belagerung 
nieht  von  StAdten,  sondom   von  Volksstämnicn   oder  -nuissen,  welche  sich  an 


[577]  §  21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  691 

des  Jahres  134  bezeugt ^■'3).  Er  wird  zurückgekehrt  sein,  sobald 
der  Erfolg  gesichert  war,  ohne  den  völligen  Abschluss  der  Opera- 
tionen abzuwarten. 

Ueber  das  Schicksal  Jerusalem 's  schweigen  sowohl  Dio  Cas- 
sius  als  Eusebius.  Es  bildete  jedenfalls  nicht  in  der  Weise  wie  im 
Vespasianischen  Kriege  den  Mittelpunkt  des  Kampfes.  Seine  Be- 
festigungen waren  nur  ungenügende.  Wenn  es  den  Aufständischen 
gelungen  war,  die  römische  Besatzung  von  dort  zu  vertreiben,  so 
konnte  auch  die  Wiedereinnahme  keine  allzuschwere  Aufgabe  für 
eine  genügende  römische  Truppenmacht  sein.  Dass  aber  doch  eine 
gewaltsame  Einnahme  stattgefunden  hat,  ist  nach  dem  Zeugnisse 
des  Zeitgenossen  Appian  nicht  zu  bezweifeln  ^24^  Wenn  Appian 
von  einer  Zerstörung  {xaTaoxa:;tT6iv)  spricht,  so  ist  das  insofern 
gewiss  richtig,  als  eine  gewaltsame  Einnahme  nicht  denkbar  ist 
ohne  eine  gewisse  Zerstörung.  Aber  allerdings:  das  Object  der- 
selben war  nach  der  gründlichen  Arbeit  des  Titus  nur  noch  ein 
beschränktes.  Und  andererseits  werden  die  Römer,  nachdem  sie 
einmal  Herren  der  Stadt  waren,  im  Zerstören  nicht  weiter  gegangen 
sein,  als  es  für  den  Zweck  der  Neugründung  von  Aelia  nöthig  war. 
Eine  Belagerung  der  Stadt  setzt  auch  Eusebius  in  seiner  Demon- 
stratio evangelica  voraus '^ 5).  Manche  Kirchenväter  (Chrysostomus, 
Hieronymus  und  Andere)  behaupten,  dass  Hadrian  die  Keste  der 
alten  Stadt,  welche  nach  der  Zerstörung  durch  Titus  übrig  ge- 
blieben waren,  vollends  zerstört  habe.  Sie  wollen  im  Grunde  da- 
mit nur  sagen,   dass  Hadrian  der  alten  jüdischen  Stadt  vollends 


günstig  gelegenen  Punkten  des  Gebirges  verschanzt  hatten.  Auf  diese  Auf- 
forderung hat  Apollodor  eiligst  Zeichnungen  mit  den  nöthigen  Erläuterungen 
entworfen  und  zwar  viele  und  mannigfaltige,  die  allen  Möglichkeiten  gerecht 
werden  sollten,  da  er  selbst  die  betreffenden  Gegenden  nicht  kannte"  (Plew 
S.  93).  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  sich  dies  auf  den  jüdischen  Krieg 
bezieht;  und  der  Brief  Hadrian's  scheint  aus  der  dringenden  Situation  selbst 
heraus  geschrieben  zu  sein. 

123)  Corp.  Inser.  Oraec.  n.  5906  =  KaiM.,  Inscr.  Or.  Sicü.  et  Ital.  n.  1054^. 
Dürr,  Die  Reisen  des  Kaisers  Hadrian  S.  33. 

124)  Appian.  Syr.  50:  t^v  /nfylazTjv  nöXiv  %Qoa6Xv/xa  — ,  r^v  Öt]  xal  ürole- 
liaToq  b  nQÖixoq  Alyvnzov  ßaaiXtvq  xad-^Q^xsi,  xal  Oveanaaiuvbq  av9-iq  olxi- 
ai^eXaav  xartaxaxpe,  xal  l4.6Qcavbq  av&iq  in   efxov- 

125)  Euseb.  Demonstr.  evang.  VI,  18,  10  ed.  Oaisford.:  die  Weissagung  des 
Sacharja  14,  2  i^skeiaerac  rö  ^fiiav  ZTJq  nokfwq  iv  alx/^aXwoia  hat  sich  zur 
Zeit  Vespasian's  erfüllt;  die  andere  Hälfte  der  Stadt,  d.  h.  der  Einwohnerschaft, 
ist  dann  zur  Zeit  Hadrian's  belagert  und  vertrieben  worden,  ro  Xoinbv  rijq 
ndksojq  /is^oq  ij/jitav  noXiOQxrjd-hv  avSiq  i^eXavvexai,  (oq  i§  ixslvov  xal  slq 
SevQO  Tcdixnav  aßazov  avzoTq  yevh&ai  zov  xönov.  Eusebius  spricht  also  nicht 
von  einer  Zerstörung  der  Stadt,  sondern  nur  einer  Vertreibung  der  jüdischen 
Einwohnerschaft  nach  vorausgegangener  Belagerung. 

44* 


692  §  '^^>  11^-  ^^^  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).    [577.  578] 

ein  Ende  bereitet  und  eine  neue  heidnisclie  an  ihrer  Stelle  errichtet 
habe^26\^  jn  ^^y  Mischna  wird  erwähnt,  dass  Jerusalem  am  9.  Ab | 
mit  dem  Pfluge  überzogen  worden  sei.  Es  ist  dabei,  wie  der  Zu- 
sammenhang zeigt,  die  Zeit  Hadrian's  gemeint.  Im  babylonischen 
Talmud  und  von  Hieronymus  wird  die  That  dem  Eufus  zuge- 
schrieben; nur  sprechen  beide  nicht  von  einem  Pflügen  der  Stadt 
sondern  des  Tempelplatzes  ^^tj,  Beachtenswerth  ist  höchstens  die 
kurze  Notiz  der  Misclina.  Durch  den  Eitus  sollte  aber  wohl  nicht 
die  Zerstörung,  sondern  die  Neugründung  angedeutet  werden;  und 
die  Handlung  wird  daher  schon  vor  Ausbruch  des  Aufstandes  statt- 


126)  Chrysost.  adv.  Judaeos  V,  11:  xa  ksixpava  dipaviaaq  nävva.  —  Gedren. 
ed.  Bekker  I,  437:  xal  r«  (isv  naXaia  Xelipava  rf/g  nö?.fwg  xal  xov  vaov  xaxe- 
QBinwaaq  xTiL,ei  veav  'IfQovoaXjjfi.  —  Niccphorus  Callist.  Eccl.  bist.  III,  24:  oaa 
j'f  Hi,v  xy  nö)si  7ifQisXel<p&r]  tijg  ix  TcäXai  olxoöofxTjq  Xeixpava  i^einwaai  xal 
navrdnaatv  dtfavlaai.  —  Hieronymus  Comment.  in  Jes.  1,  5  {opp.  ed.  Vallarsi 
IV,  15):  post  Titum  et  Vespasianum  et  ultimam  eversionem  Jerusalem  sub  Aelio 
Hadriano  usque  ad  praesens  tempus  nullum  remedium  est.  Idem,  in  Jerem. 
31,  15  {Vallarsi  IV,  1065):  suh  Hadriano,  quando  et  urhs  Jerusaletn  siibversa 
est.  Idem,  in  Exech.  c.  5  {Vallarsi  V,  49):  post  quinquafjinta  annos  sub  Aelio 
Hadriano  zisque  ad  solum  incensa  civitas  atque  deleta  est  ita  ut  pristinum  quoquc 
nomen  amiserit.  Idem,  in  Exech.  c.  2i  {Vallarsi  V,  277):  post  quinqua/jinta 
annos  sub  Hadriano  civitas  aeterno  igne  consumta  est.  Idem,  in  Daniel  c.  9 ßn. 
{Vallarsi  y,  696).  Idem,  in  Joel  1,  4  {Vallarsi  VI,  171):  Aelii  quoque  Hadriani 
xumtra  Judaeos  expeditionem  legimus,  qui  ita  Jerusalem  murosque  sul)vertit,  ut 
de  urbis  reliquiis  ac  favillis  sui  nominis  Aeliam  conderet  ciritatem.  Idem,  in 
Habacuc  2,  14  {Vallarsi  VI,  622):  usque  ad  extremas  ruinas  Hadriani  eos  per- 
duxit  obsidio.  Idem,  in  Sachar.  8,  19  {Vallarsi  VI,  852).  Idein.  in  Sachar. 
11,  4 — 5  {Vallarsi  VI,  88.5).  —  Stellen  aus  anderen  Kirchenscliriftstellern  bei 
Munter  8.  69—71. 

127)  Mischna  Taanith  IV,  (5  werden  fünf  Unglücksfälle  am  17.  Tammus 
und  fünf  Unglückställe  am  9.  Ab  aufgezählt.  In  letzterer  Beziehung  heisst 
es:  „Am  9.  Ab  ward  über  unsere  Vorfahren  verhängt,  dass  sie  nicht  in's  Land 
eingehen  sollten,  und  wurde  der  Tempel  zum  ersten-  und  zum  zweitenmale 
zerstört  und  Beth-ther  erobert  und  Jerusalem  mit  dem  Pfluge  überzogen"  (nujnns 
"iVH).  Der  babylonische  Talmud,  hab  Tnnnilli  2!la  (bei  Dercnhourg  p.  4'J2)  be- 
richtet näher,  dass  fs  Turnus  Rufus  (01B"l">  DJiia)  war,  weicher  den  Pflug  über 
den  Tempelplatz  (bs'^nn.  so  heisst  es  hier,  nicht  l'^rn)  ziehen  liess.  —  Die 
ganze  Stelle  findet  sieh  fast  wörtlich  auch  bei  Hicroinpnvs,  der  sich  dabei  aus- 
drüi  klich  auf  die  jüdische  Tradition  beruft  {cof/imur  igitur  ad  Ilebracos  recur- 
rere),  ad  Sarharj.  8,  19,  ojrp.  ed.  Vallarsi  VI,  802:  In  quinto  niense,  qui  apud 
IxitinoH  appcllatur  Augustua,  quum  propter  cx/iloraforcs  terrae  saiirtae  scditio 
ttrla  amct  in  popnlo,  jusni  sunt  nionlern  noti  asrrndcrt',  scd  per  quadrnyiida  an- 
iu)H  lungin  ad  trrrnni  snnrfnm  rirruire  iHspcndÜH,  ut  crrrptis  diiubus,  Coleb  et 
JoHtic,  omnrs  in  fulUndiiie  cadcrent.  In  hoc  nicnsc  et  a  Nolntthoitonosor  et  mnlta 
poHt  nancula  a  Tilo  et  Vcspa^iavo  tcviptum  ./erosnli/niis  inceiisum  est  alque  de- 
hlnicium;  capta  urb»  lielhcl  \\.  liet/uir],  ad  quam  niuKa  millia  coxfitycrnnt 
Judacorum;  aratum  temptum  in  ignotniniam  fentis  opprcssae  a  T.  Annio  [1.  Tin- 
II  tu]  Kufn. 


[578.579]    §21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135».  693 

gefunden  haben  ^^s).  Gänzlich  fabelhaft  ist,  was  in  der  samarita-! 
nischen  Chronik  über  die  Eroberung  Jerusaleuis  durch  Hadrian 
erzählt  wird'^s). 

Die  letzte  Zufluchtsstätte  Barkocheba's  und  seiner  Anhänger 
war  die  starke  Bergfestung  Beth-ther '3^),  nach  Eusebius  nicht 
sehr  weit  von  Jerusalem,  sicherlich  an  der  Stelle  des  heutigen 
Bittir,  drei  Stunden  südwestlich  von  Jerusalem '^i).    Eine  in  Bittir 


128)  Dass  man  über  Jerusalem  den  Pflug  gezogen  haben  sollte  zum  Zeichen 
der  Verwüstung,  ist  nicht  wahrscheinlich,  da  ja  eben  eine  Neugründung  beab- 
sichtigt war.  Wohl  aber  kann  dieser  Ritus  gerade  beim  Beginn  der  Gründung 
vorgenommen  worden  sein,  als  Initiationsact.  Der  Ritus  war  in  beiden  Fällen 
derselbe;  s.  Sercius  ad  Virf/il.  Aenekl.  IV,  212:  cum  conderetur  nova  eivitas, 
aratrum  adhibitum,  ut  eodcm  ritu  quo  eondita  subvertahir.  Eine  genaue  Be- 
schreibung des  Ritus  giebt  die  von  Servius  zu  Virgil.  Aencid.  V,  755  citirte 
Stelle  des  Varro. 

129)  Chronicon  Samaritamim ,  Arabice  conscriptum,  cui  titulus  est  Liber 
Josuae,  ed.  Juynboll  {Lugd.  Bat.  1848)  c.  47.  —  Die  Hoffnungen,  welche 
Munter  S.  12  auf  die  Veröffentlichung  dieser  Chronik  setzte,  haben  sich 
durchaus  nicht  bestätigt. 

130)  Der  Name  der  Stadt  lautet  bei  Eusebius  Eist.  eccl.  IV,  6  Bi^&rji} 
{aeeus.  Bid^&T]Qa),  oder  nach  einigen  Handschriften  Bi&dTjQ,  B^&&tiq,  Rufin 
Bethar.  Im  jerusalemischen  Talmud  Taanith  IV  fol.  68d— 69a,  wo  der  Name 
häufig  vorkommt,  fast  constant  "ipn'^n,  nur  ganz  vereinzelt  nr'ia.  In  der  Mischna 
Taanith  IV,  G  haben  die  Cambridger  und  eine  Hamburger  Handschrift  npr.'^a, 
ed.  princeps  und  cod.  de  Fosst  138  'nr.*^2,  eine  Berliner  Handschrift  nra.  Noch 
einiges  Material  giebt  Im.  Low  bei  Krauss,  Griechische  und  lateinische 
Lehnwörter  im  Talmud  etc.  II,  1899,  8.  153  f.  Die  richtige  Form  ist  ohne 
Zweifel  nrin*ia,  Beth-ther.  —  Auf  Grund  des  gedruckten  Vulgärtextes  der 
Mischna  wird  vielfach  angenommen,  dass  unser  Ort  auch  Challa  IV,  10  er- 
wähnt sei.  Dort  ist  aber  nach  dem  Zusammenhang  ein  Ort  ausserhalb  des 
Landes  Israel  gemeint,  und  die  richtige  Lesart  ist  daselbst  •".1P*'''2,  Be-jittur. 
—  Auch  an  anderen  Stellen,  wo  man  unseren  Ort  erwähnt  glaubte,  ist  dies 
äusserst  fraglich.  So  bei  Joseph.  Bell.  Jial  IV,  8,  1,  wo  ein  Dorf  B^xaQiq 
„mitten  in  Idumäa"  erwähnt  wird.  Eher  kann  man  vergleichen  Bai&riQ,  das 
nach  einigen  Handschriften  des  Septuagintatextes  Josiia  15,  59  unter  den 
Städten  Juda's  in  der  Nähe  von  Bethlehem  genannt  wird  {cod.  Vat.  hat  ßsd^^g, 
aber  Alex.  Baid^Q,  ebenso  las  Hieronymus,  comm.  in  Micham  5,  2  opp.  ed. 
Vallarsi  VI,  490);  femer  Bui&^fJQ,  welches  der  Text  des  cod.  Alex.  I  Chroti. 
0,  59  (6,  44)  neben  Beth-schemesch  nennt.  In  der  Stelle  des  Hohenliedes  2, 
17  ist  nna  überhaupt  nicht  Nomen  proprium,  sondern  Appellativum.  üeber 
Bethar  südlich  von  Cäsar ea  s.  die  nächste  Anm. 

131)  Bei  Bestimmung  der  Lage  hat  man  sich  mehrfach  von  irrigen  An- 
haltspunkten leiten  lassen.  Im  Itinerarittm  Antonini  und  beim  Pilger  von 
Bordeaux  wird  ein  Bethar  südlich  von  Cäsarea  au  der  Strasse  nach  Lydda  er- 
wähnt; und  die  rabbinische  Legende  weiss  zu  erzählen,  dass  das  Blut  der  in 
Beth-ther  Erschlagenen  grosse  Felsstücke  mit  sich  fortwälzte,  bis  es  in's  Meer 
floss  {jer.  Taanith  IV  fol.  69a  oben,  Text  bei  Lebrecht,  Bether  S.  45,  französ. 
bei  Derenboiirfi,  Histoire  p.  434,  deutsch  bei  Wünsche,  Der  jenisalemische  Tal- 


694  §21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  [579] 

gefundene  Inschrift,  auf  welcher  Detachements  {vexülationes)  der 
legiö  V  Macedonica  et  XI  Claudia  erwähnt  werden,  darf  wohl  in 
diese  Zeit  gesetzt  und  als  Bestätigung  dafür  betrachtet  werden, 
dass  hier  der  Schauplatz  des  letzten   grossen  Kampfes  zwischen 


mud,  1880,  S.  159).  Auf  Grund  dessen  haben  Manche  angenommen ,  dass  es 
in  der  Nähe  des  Meeres  gelegen  habe  und  mit  jenem  Bethar  identisch  sei. 
Wer  indess  der  rabbinischen  Legende  folgen  will,  muss  ihr  auch  ganz  folgen; 
sie  bemerkt  aber  ausdrücklich,  dass  das  Blut  von  Beth-ther  bis  in's  Meer  floss, 
obwohl  Beth-ther  vierzig  mil.  pass.  davon  entfernt  war  (s.  Derenbourg's  und 
Wünsche's  Uebersetzung  von  jer.  Taanith  IV  fol.  69a;  erst  noch  spätere  Quellen, 
denen  die  Sache  doch  zu  toll  war,  haben  die  Entfernung  auf  vier  oder  ein 
mil.  pass.  reducirt,  s.  Derenbourg  S.  434  Anm.  4).  Jenes  Bethar  der  Itinerarien 
kann  schon  deshalb  nicht  mit  unserem  Beth-ther  identisch  sein,  weil  es  in 
vorwiegend  heidnischer  Gegend  und  in  der  Ebene  lag,  also  sicher  nicht  ein 
militärisch  wichtiger  Punkt  im  jüdischen  Kriege  war.  Einen  sicheren  Anhalts- 
punkt zur  Bestimmung  der  Lage  bietet  allein  die  Angabe  des  Eusebius,  dass 
€S  nicht  weit  von  Jerusalem  entfernt  war  {HisL  eccl.  IV,  6:  xwv'^IeQO- 
ooX.v/jt<ov  ov  aq>66Qa  noQQw  öisatwaa).  Es  ist  hiernach  kaum  zu  bezweifeln, 
dass  es  mit  dem  heutigen  Bittir,  etwa  drei  Stunden  südwestlich  von  Jeru- 
salem identisch  ist.  Vgl.  Schick's  Karte  der  weiteren  Umgebung  von  Jeru- 
salem (Zeitschr.  des  DPV.  XIX,  1896;  Bittir  ist  jetzt  Station  der  Eisenbahn 
von  Jope  nach  Jerusalem).  Eine  steile  Landzunge,  die  nur  im  Süden  mit 
dem  Gebirge  zusammenhängt,  ragt  dort  ins  Thal  herein.  Die  Oertlichkeit  ist 
also  für  eine  Festung  vortrefflich  geeignet;  auch  sind  noch  Spuren  einstiger 
Befestigung  vorhanden.  Endlich  sind  von  da  bis  zum  Meere  in  der  That,  wie 
der  jerusalemische  Talmud  angiebt,  ungefähr  vierzig  mil.  pass.  (in  der  Luft- 
linie 31).  Die  Identität  dieser  Oertlichkeit  mit  Beth-ther  wird  daher  mit  Recht 
angenommen  von:  Ritter,  Erdkunde XVI,  428 f.  (unter  Berufung  aufWilliams). 
Tobler,  Dritte  Wanderung  nach  Palästina  (1859),  S.  101—105.  Quirin, 
Juddell,  387—395.  Sepp,  Jerusalem  2.  Aufl.  I,  647—650.  Renan,  Les  han- 
ffiles  1877,  p.  20—29.  Der«.,  L'dglise  chräienne  1879,  p.  202  sg'.  Derenbourif, 
Mtlanyes  publiis  par  l'ecole  des  hautcs  itudes  1878,  p.  160 — 165.  The  Survey  of 
Western  l'alesiine,  Memoirs  by  Conder  and  Kitchener  III,  20,  dazu  Blatt  XVII 
der  grossen  englischen  Karte.  Schlatter,  Zur  Topogr.  und  Gesch.  Palästina'» 
8.  135  fl'.  Buhl,  Geogr.  S.  165.  —  Die  Identität  mit  Bethar  südlich  von  Cäsaren 
wird  angenommen  von:  Cassel  in  Ersch  und  Gruber's  Encykl.  Section  II, 
Bd.  27,  8.  14.  Grätz,  Gesch.  der  Juden  IV,  156.  Ewald,  Gesch.  VII,  416  f. 
Gott.  gel.  Auz.  1868,  8.  2030  fl'.  Gregorovius,  Hadrian  8.  191.  202  f.  — 
Noch  andere:  Herzfcld  in  Frankel's  Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch. 
den  Judcnth.  1856,  8.  105 — 107  (— ^  Betaris  in  Idumäa).  Robinson,  Neuere 
bibl.  Foritchuogcn,  8.  348  fi'.  (— »  Bethel).  Neubauer,  Odof/raphie  du  Talmud 
p.  103 — 114  (•—  Betii-Hchemesch,  das  er  aber  an  die  Stelle  des  heutigen  Bittir 
«etzt,  iiiHoforn  al80  richtig).  Leb  recht,  Bcthcr,  die  fragliche  Stadt  im  ha- 
drianiHcii-Jüdischen  Kriege,  1877  (Bether  —  veteraW,  wonnt  die  alte  Burg  von 
Seppboritt  gemeint  Hein  hoIIü).  Ilamburger,  Rcal-Enc.  Art.  „Bethar"  (im 
allgeincinun  richtig,  aber  unbcHtinimt:  „auf  den  Bergen  Judüa's").  —  Material 
Ober  ßeth-tjjer  aucl»  bei  Buxturf,  Lex.  C/mld.  s.  v.  "ipa,  Liyhl/oot,  Centuria. 
MaUhaeo  praemüita  c.  52  ("/'/'    I'.  208  .-*</.). 


[580.  581]   §  21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132^135).  695 

Römern  und  Juden  wari^i).  Nach! langer  und  hartnäckiger  Ver- 
theidigung  ward  auch  dieses  Bollwerk  erobert  im  18.  Jahre 
Hadrian's  =  134/135  nach  Chr. »33),  nach  rabbinischer  Tradition  am 
9.  Ab»34)  Bei  (jer  Eroberung  fand  auch  Barkocheba,  „der  Ur- 
heber ihres  Wahnsinns,  die  gebührende  Strafe"  ^^s).  üeber  die 
Einzelheiten  der  Belagerung  und  Eroberung  fehlen  uns  alle  Nach- 
richten. Zwar  weiss  die  rabbinische  Legende  |  allerlei  darüber  zu 
erzählen;  aber  diese  Ausgeburten  der  wildesten  Phantasie  ver- 
lohnen sich  nicht  einmal  wiederholt  zu  werden.  Nur  das  möchte 
etwa  erwähnenswerth  sein,  dass  vor  der  Eroberung  R.  Eleasar, 
der  Oheim  Barkochebas,  von  diesem  getödtet  worden  sein  soll, 
da  er  ihn  fälschlich  im  Verdachte  des  Einverständnisses  mit  den 
Römern  hatte  i^^). 

Mit  dem  Falle  Beth-ther's  war  der  Krieg  nach  etwa  3  »/Jähriger 
Dauer  (132—135)  beendigt»").    Während  desselben  waren   auch| 


132)  S.  Glermont-Qanneau,  Gomptes  rendus  de  l'Acad.  des  Inser.  ei 
Beiles- Lettr es  1894,  p.  \^sq.  Ders.,  Ettides  d^archeolofjie  Orientale  t.  I,  1895 
p.  141  sq.  und  bes.  Archaeohgical  researches  in  Palestine  t.  I,  1899,  p.  465  sqq. 
—  Clermont-Ganneau  liest:  et  Victar  ceiitur.  rexill.  leg.  V.  Mac.  et  XI.  Cl. 
Eine  andere,  wie  es  scheint,  weniger  genaue  Copie  giebt  Germer- Durand, 
Hernie  biblique  1894,  p.  614. 

133)  Erneb.  H.  E.  IV,  6. 

134)  Mischna  Taanith  IV,  6  und  Hieroni/rntts,  Comm.  in  Sachar.  8,  19  = 
opp.  ed.  Vallarsi  VI,  852  (s.  den  Wortlaut  oben  Anm.  127).  —  Wenn  man 
dieser  Tradition  überhaupt  Glauben  schenken  darf,  so  ist  wohl  der  Ab  des 
Jahres  135  gemeint;  denn  der  Krieg  hat  sich  wahrscheinlich  bis  in  dieses  Jahr 
hinein  erstreckt. 

135)  Euseb.  IL  E.  IV,  6. 

136)  Die  Legenden  über  den  Fall  von  Beth-ther  finden  sich  hauptsächlich 
jer.  Taanith  IV  fol.  68''— 69»  (deutsch  bei  Wünsche,  Der  jerusalemische  Tal- 
mud 1880,  S.  157—160)  und  Midrasch  Ecfia  rabbathi  c.  II  (deutsch  bei  Wün- 
sche, Der  Midrasch  Echa  rabbati  1881,  S.  100—102).  Die  Texte  sind  zusam- 
mengestellt bei  Lebrecht,  Bether  S.  44  ff.  Ueber  ihr  Verhältniss  zu  einander 
B.  Leb  recht,  S.  20  f.  —  Die  Geschichte  vom  Tode  des  Eleasar  auch  bei 
Dere.nbouTff,  Histoire  p.  433  s^.  —  Bei  der  Schilderung  des  furchtbaren  Blut- 
bades, welches  die  Römer  anrichteten,  gebraucht  die  rabbinische  Legende 
dieselbe  Hyperbel,  deren  sich  auch  der  Verfasser  der  Offenbarung  Johau- 
uis  bedient:  dass  nämlich  das  Blut  den  Pferden  bis  an  die  Nüstern  ging  {Äpuc. 
Joh.  14,  20:  bis  an  die  Zügel,  axQi  x<öv  xakivwv  x<öv"nnü)v).  Schon  lÄgthfoot, 
Opp.  II,  127,  und  Wetstein,  Nor.  Test,  haben  in  ihren  Anmerkungen  zu  Apoc. 
14,  20  die  Parallelen  aus  jer.  Taanith  69«  und  MUlrasch  Ec/ia  rabbathi  c.  II 
angeführt.  Vgl.  auch  Henoch  100,  3:  „Ein  Boss  wird  bis  an  seine  Brust  im 
Blute  der  Sünder  waten". 

137)  Dass  „der  Krieg  des  Ben-Kosiba"  3V2  Jahre  gedauert  habe,  sagt  das 
Seder  Olam  (s.  oben  S.  669;  die  Lesart  3'/2  ist  sicher  die  richtige;  nicht  ebenso 
sicher  lässt  sich  sagen,  ob  n^h^a  „Krieg"  oder  msba  „Regierung"  zu  lesen 
ist.    Gegen  die  Lesart  n^rba  macht  Ruh  1,  Deutsche  Zeitschr.  für  Geschichts- 


696  §  21,  ill:  Der  grosBe  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  [582] 

manche  Kabbinen  den  Märtyrertod  gestorben.    Die  spätere   lie- 
gende hat  besonders  den  Tod  von  zehn  solchen  Märtyrern,   dar- 


wissensch.  N.  F.  II,  1897/98,  S.  194,  geltend,  dass  dieselbe,  nach  vorhergehen- 
dem ÖIB^IS,  ebenso  wirke,  wie  wenn  man  im  Deutschen  sagen  wollte:  „von 
der  Bataille  von  Jena  bis  zur  Schlacht  von  Leipzig".  Bei  der  starken  Be- 
zeugung von  r^n^a  ist  dies  aber  nicht  durchschlagend.  Der  Wechsel  von 
polemos  und  milchama  scheint  darauf  zu  beruhen,  dass  jenes  den  Krieg  eines 
Feindes,  dieses  den  Kampf  eines  Israeliten  bezeichnet.  Salz  er,  der  einige 
Hauptzeugen  für  rrn^a  noch  nicht  kannte,  wagt  keine  Entscheidung.  Da 
die  „Regierung"  des  Ben-Kosiba  annähernd  von  derselben  Dauer  gewesen 
sein  wird,  wie  der  „Krieg"  desselben,  so  ist  die  Frage  nicht  von  grossem 
Belang).  —  Auch  Hieronymus  erwähnt  als  Ansicht  einiger  Hebraei,  dass  die 
letzte  Jahrwoche  Daniel's  (Daniel  9,  27)  sich  vertheile  auf  die  Zeit  Vespasian's 
und  Hadrian's  {comm.  in  Daniel  Q  fm.  =  opp.  ed.  Vallarsi  V,  696:  tres  auteni 
anni  et  sex  menses  sub  Hadriano  supputantur,  quando  Jerusalem  omnino  sub- 
versa  est  et  Judaearum  gens  catervatim  caesa).  Im  jerusalemischen  Talmud 
werden  die  31/2  Jahre  als  Zeit  der  Belagerung  Beth-ther's  genannt  (jer.  Taanith 
IV  fol.  68'*  bei  Lebrecht  S.  44,  Wünsche  S.  158);  im  Midrasch  Echa  werden 
3*2  Jahre  für  die  Belagerung  Jerusalems  durch  Vespasian  und  3'/2  Jahre  für 
die  Belagerung  Beth-ther's  durch  Hadrian  angegeben  {Derenbourg  p.  431).  — 
Obwohl  diesen  Zeugnissen  kein  sehr  grosses  Gewicht  zukommt,  so  ist  es  doch 
richtig,  dass  der  Krieg  etwa  3' 2  Jahre  gedauert  hat  (die  späteren  Quellen 
verwechseln  die  Dauer  der  Belagerung  Beth-ther's  mit  der  Dauer  des  Krieges). 
Dass  der  Anfang  in  das  J.  132  fällt,  ist  oben  S.  682  gezeigt.  Das  Ende  fällt 
nach  Euseb.  H.  E.  IV,  6  in  das  18.  Jahr  Hadrians  =  134/135  n.  Chr.,  und 
zwar  nicht  134  sondern  135.  Denn  auf  Inschriften  aus  dem  J.  134  führt  Ha- 
drian noch  nicht  den  Titel  Imp[erator)  II,  welchen  er  aus  Anlass  des  jüdischen 
Krieges  angenommen  hat.  Der  Krieg  war  also  damals  noch  nicht  beendigt 
(vgl.  Anm.  139).  S.  auch  Rohden  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  I,  514  f.  — 
Seltsam  verkehrt  ist  es,  Avenn  jüdische  Gelehrte  wie  Cassel  (Ersch  und  Gru- 
ber»»  Encyklop.  Art.  „Juden"  S.  14 f.),  Herzfeld  (Monatsschr.  1856,  S.  107—111) 
und  Bodek  (M.  Aurelius  Antoninus  1868,  S.  50—54),  im  Widerspruch  mit  allen 
sicheren  Daten  den  Fall  Beth-ther's  etwa  zehn  Jahre  früher  setzen,  Cassel  und 
Herzfeld  122,  Bodek  125  n.  Chr.  Sie  folgen  dabei  dem  jerusalemischeu  Tal- 
mud, welcher  die  Eroberung  Beth-ther's  52  Jahre  nach  der  Zerstörung  Jeru- 
Hülems  setzt  {jer-  Taatiith  IV  fol.  69»:  nm-^a  niL'S  nsu:  D'^nuji  D'^t'Hri  naix  "iDii  'n 
ttnptsn  n-'a  pnn  nnxb,  über  nirs  =-  „brachte  zu,  existirte  noch",  wie  Kohc- 
leth  0,  12,  B.  Salzer,  Magazin  III,  175  f.).  Diese  Angabe  beruht  auf  einer  Vcr- 
wechseluTig  dos  hadrianisdien  Krieges  mit  dem  „Krieg  des  Quietus",  welchen 
das  Seder  Ülam  .52  Jaiire  nach  dem  veHpasianischen  setzt  (s.  oben  ö.  669). 
Der  Irrthum  wird  auch  dadunth  nicht  besser,  dass  Hieronymus  ihn  nachspricht, 
epint.  129  ad  Dardanvnt  c.  7  {Vallarsi  I,  974):  deindc  civitatis  usqtw  ad  Ha- 
i/rianum  prineipem  per  quinquagiiüa  annos  mausere  rcUquiac.  Idein,  camni. 
in  Ju,  e,  6  *.  fin.  {Vallarsi  IV,  lÜO):  quando  post  (iniios  fvrnie  quinquaginta 
Hadriamts  venerit  et  terram  Jndaia?n  pmitus  fiirril  dr/irardatus.  Ideni,  conini. 
in  Eneeh.  e.  6  {Vallarsi  V,  49).  Idr.yn,  comm.  in  ICxrr/i.  c  24  (  Vallarsi  V,  277); 
die  beiden  letzteren  Stellen  im  Wortlaut  oben  Anm.  126.  —  Auch  die  Auto- 
ritit  de«  Ohronicon  paschale,  welches  den  hadrianischeii  Krieg  in  das  J.  lli) 
setzt  («rf.  IHvdnrf  f,  474 1,  ist  nicht  von  der  Art,  duHs  seine  Aiigalx!  die  ander- 


[582]  §21,111:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  697 

unter  auch  des  R.  Akiba,  durch  dichterische  Ausschmückung  ver- 
herrlicht ^3®). 

Aus  Anlass  des  Sieges  wurde  Hadrian  zum  z weitenmale  als 
Imperator  begrüsst'^^).    Julius  Severus   erhielt  die  ornamental 


weitigen  Zeugnisse  erschüttern  könnte.  —  Im  Wesentlichen  richtig  ist  die  An- 
gabe des  Seder  Olam,  dass  der  Krieg  des  Ben-Kosiba  16  Jahre  nach  dem  Krieg 
des  Quietus  falle  (s.  oben  S.  669). 

138)  Nach  bab.  Berachoth  61'»  wurde  R.  Akiba  dadurch  zu  Tode  gemar- 
tert, dass  ihm  das  Fleisch  mit  eisernen  Kämmen  vom  Leibe  gerissen  wurde. 
Er  aber  betete  während  dessen  das  Schnia,  und  als  er  eben,  der  Vorschrift 
gemäss,  beim  Worte  Echad  {Deut.  6,  4)  lange  anhielt,  hauchte  er  seine  Seele 
aus.  Da  ertönte  eine  Bath  Kol  (Stimme  vom  Himmel)  und  sagte:  Wohl  dir 
R.  Akiba,  dass  ausging  deine  Seele  bei  Echad.  —  Auch  sonst  wird  in  der  äl- 
teren Midrasch-Literatur  und  im  jerusalemischen  und  babylonischen  Talmud 
gelegentlich  der  Märtyrertod  dieses  oder  jenes  Rabbineu  erwähnt.  Die  Zu- 
sammenstellung von  zehn  Märtyrern  findet  sich  dagegen  erst  in  Midraschim 
der  naclitalmudischen  Zeit.  Einige  Texte  giebt  Jellinek,  Midrasch  Ele  Es- 
kera  nach  einer  Handschrift  der  Hamburger  Stadtbibliothek  zum  ersten  Mal 
nebst  Zusätzen  herausgegeben  1853;  derselbe,  Bet  ha-Midrasch  Bd.  H,  64 
bis  72  und  VI,  19—35.  Vgl.  ferner:  Zunz,  Die  gottesdienstlichen  Vorträge 
der  Juden  S.  142.  Grätz  in  der  Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des 
Judenth.  1851/52,  S.  307—322.  Gesch.  der  Juden  IV,  175  ö".  Möbius,  Mi- 
drasch Ele  Eskera,  die  Sage  von  den  zehn  Märtyrern,  metrisch  übersetzt,  1854. 
Derenbourg  p.  436.  Hamburger,  Real-Enc.  für  Bibel  und  Talmud,  Supple- 
mentband I  (1886),  S.  155—158:  Art.  „Zehn  Märtyrer"  (hier  die  relativ  beste 
Orientierung).  Seh  latter.  Die  Tage  Trajan's  und  Hadrian's  S.  12  ff.  —  Bi- 
bliographische Nachweisungen  auch  bei  Steinschneider,  Catal.  librunon 
lirl)r.  in  Biblioth.  BodL  col.  585,  n.  3730—3733. 

139)  In  der  Titulatur  Hadrian's  fehlt  der  Titel  imp{eraior)  II  noch  auf  zwei 
Militärdiploraen,  welche  vom  2.  April  und  15.  September  134  n.  Chr.  datirt  sind 
{Corp.  Inscr.  Lat.  t.  III  p.  877  u.  878,  Dipl.  XXXIV  und  XXXV,  letzteres 
auch  Coi-p.  Inscr.  Lat.  t.  X  n.  7855).  Auch  auf  anderen  Inschriften  vom  J.  134 
fehlt  er  {Corp.  Inscr.  Lat.  t.  VI  n.  973,  Inscr.  Regni  Neap.  n.  5771  =  Corp. 
Inscr.  Lat.  t.  IX  n.  4359).  Entscheidend  ist  namentlich  das  Zeugniss  der  Mili- 
tärdiplome, welche  in  der  Titulatur  genau  zu  sein  pflegen.  —  Auch  für  das 
J.  135  {Hadr.  trib.  pot.  XIX)  ist  der  Titel  bis  jetzt  nicht  mit  Sicherheit  nach- 
gewiesen. Vielleicht  sind  aber  einige  Inschriftenfragmente,  auf  welchen  sich 
die  Zahl  XIX  und  die  Buchstaben  teru  finden,  zu  ergänzen  Hadr.  trib.  pot. 
XIX  imp.  iterum  (so  Hübner,  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  II  n.  478).  —  Sicher  nach- 
weisbar ist  der  Titel  imp.  II  für  das  Jahr  136  {Hadr.  trib.  pot.  XX),  s.  Orelli, 
Inscr.  Lat.  n.  813  u.  2286=Cor/j.  Inscr.  Lat.  t.  VI  n.  975  u.  976;  auch  auf  einer 
Inschrift,  welche  dasselbe  Datum  {Hadr.  trib.  pot.  XX)  trägt,  aber  wahrschein- 
lich ganz  im  Beginn  dieses  Jahres,  nämlich  December  135  n.  Chr.  gesetzt  ist, 
Corp.  Inscr.  Lat.  t.  XIV  n.  3577=4235  (die  tribunicischen  Jahre  begannen  da- 
mals im  December).  —  Hadrian  hat  also  den  Titel  imp.  II  im  J.  135  ange- 
nommen, ohne  Zweifel  aus  Anlass  der  glücklichen  Beendigung  des  jüdischen 
Krieges.  Vgl.  Darmes  teter,  Bevne  des  etudes  juives  I,  ö3.  Schiller,  Gesch. 
der  röm.  Kaiserzeit  I,  614,  Anm.  4.  Roh  den  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc. 
I,  514. 


698  §  21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).   [583.  584] 

triumphalia,  Oüüziere  und  Mannschaften  die  üblichen  Belohnungen*^*'). 
Der  Sieg  war  durch  schwere  Opfer  errungen.  So  gross  waren  die 
Verluste,  dass  Hadrian  in  seinem  Schreiben  an  den  Senat  die  üb- 
liche Eingangsformel,  dass  ,,er  und  das  Heer  sich  wohl  befinde", 
wegliess***).  Noch  schlimmer  als  die  directe  Einbusse  an  Mann- 
schaft war  die  Verödung  der  fruchtbaren  und  wohlhabenden  Pro- 
vinz. „Ganz  Judäa  war  nahezu  eine  Wüste".  50  Festungen,  985 
Dörfer  waren  zerstört,  580,000  Juden  (?)  im  Kampfe  gefallen,  un- 
gerechnet die  durch  Krankheit  oder  Hunger  umgekommenen *'*'^). 
Unzählig  war  die  Menge  derer,  die  als  Sklaven  verkauft  wurden. 
Auf  dem  Jahrmarkt  an  der  Terebinthe  bei  Hebron  wurden  sie  in 
so  grosser  Zahl  feilgeboten,  dass  ein  jüdischer  Sklave  nicht  j 
mehr  als  ein  Pferd  galt.  Was  man  hier  nicht  losschlagen 
konnte,  wurde  nach  Gaza  gebracht  und  hier  verkauft  oder  nach 
Aegypten  geschafft,  wobei  viele  durch  Hunger  und  Schiifbruch 
umkamen*  ^3). 

Mit  der  Hauptstadt  Jerusalem  ward  jetzt  ausgeführt,  was 
schon  vor  dem  Krieg  beabsichtigt  war:  sie  wurde  in  eine  römische 
Colonie  mit  dem  Namen  Aelia  Capitolina  verwandelt*^*).    Um 


140)  Ueber  Julius  Severus  s.  Corp.  Inscr.  Lot.  t.  III  n.  2830:  Huic  senaius 
auetore  imperatore  Trajano  Hadriano  Augtisto  omamenta  triumphalia  deerevit 
ob  res  in  Juclea  prospere  gestas.  Julius  Severus  ist  vielleicht  der  letzte,  dem 
diese  Auszeichnung  zu  Theil  wurde  (s.  Moinmsen,  Rom.  Staatsrecht  I,  378).  — 
üeber  die  Belohnungen  von  Offizieren  und  Mannschaften  s.  oben  Anra.  116 
n.  122.  —  Die  Münze  mit  der  Aufschrift  exercitus  Jtuiaieus  ist  nicht  (wie  z.  B. 
Grätz,  Gesch.  der  Juden  IV,  164  annimmt)  eine  Denkmünze,  wodurch  dem 
Heere  Anerkennung  für  die  im  Kriege  geleisteten  Dienste  gezollt  werden 
sollte.  Denn  es  giebt  viele  analoge  Münzen  für  Provinzen,  in  welchen  zur 
Zeit  Hadrian's  kein  Krieg  stattgefunden  hat  [Eckhel,  Docir.  Num.Yl,  486  sj^. 
Cohen,  Medailles  imperiales  ed.  2.  t.  II,  1882,  p.  Ib^sqq.).  Ueberdies  ist  ihre 
Existenz  fraglich.  Sie  wird  von  Eckltel  VI,  496  nach  älteren  Autoritäten  ge- 
geben, ist  aber  gegenwärtig  nicht  mehr  nachweisbar  [Renan,  L'iglise  chrUienne 
p.  209  not.).    Cohen  liat  sie  daher  nicht  aufgenommen. 

141)  />/«  CftsH.  LXIX,  14.  Vgl.  Fronto,  De  hello  Parthico  s.  init.  (ed.  Mai 
1823,  p.  20ü'-Fronlonis  epistulac  cd.  Naber  1867  p.  2\1  sq.):  Quid?  avo  vesho 
Hadriano  imperium  optinente  quantum  mititum  a  Judnets,  quantum  ab  Britann  is 
eaesum'f 

142)  Dio  Ca$$.  LXIX,  14. 

143)  JUeron.  ad  Saeharj.  11,  5  (Vallarsi  VI,  885);  ad  Jerern.  31,  15  (Val- 
lart*  IV,  1066).  Chronioon  pasnhalc  ed.  IHndorf  I,  474.  S.  die  Stollen  bei 
Mflnter  8.  86 f.  113.  Ueber  die  Terehintho  ])ei  Hebron:  Josej)h.  Bell,  Jnd. 
IV,  9.  7. 

144)  Vgl.  Ober  die  Grflndung  von  Aelia  Oberhaupt:  Deylin;i,  Aeliae  Capi- 
toUnae  origine»  et  historia  (Observationes  sacrae  P.  V,  lAps.  1748,  p.  433—400). 
Mflnter,  Der  Jüdixchn  Krieg  8.87  fr.  Robinson,  Palästina  II,  108—205. 
Kuhn,  Die  atAdtinchc  und  bürgerliche  VcrfiisHung  des  röm.  ReidiH  II,  357  tK 


[584.  585]   §  21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  699 

den  rein  heidnischen  Charakter  der  Stadt  dauernd  zu  sichern, 
wurden  die  noch  anwesenden  Juden  vertrieben  und  heidnische 
Colonisten  angesiedelt '^  5).  Kein  Jude  durfte  fortan  das  Gebiet  der 
Stadt  betreten;  wer  sich  dort  blicken  liess,  wurde  mit  dem  Tode 
bestraft' 46).  Der  officielle  Name  der  neugegründeten  Stadt  lautet 
auf  den  Münzen  Col{onia)  Ael{ia)  Cap{itolina) ;  die  Schriftsteller  nennen 
sie  in  der  |  Eegel  nur  Aelia^^').    Ihre  Verfassung  war  die   einer 


Benan,  Uegiise  ehretienne  p.2\ — 30,223 — 226.  Gregorovius,  Die  Gründung 
der  römischen  Colonie  Aelia  Capitolina  (Sitzungsberichte  der  philos.-philol. 
und  hist.  Classe  der  München  er  Akademie  1883,  S.  477 — 508).  Ders.,  Der 
Kaiser  Hadrian,  3.  Aufl.  1884,  S.  209—216.  Q er mer -Durand,  Aelia  Capito- 
lina {Revue  bihlique  I,  1892,  p.  369—387). 

145)  Dio  Cass.  LXIX,  12.  Euseb.  Eist.  eecl.  IV,  6.  Demomlr.  evang.  VI, 
18,  10  ed.  Qaisf.  (letztere  Stelle  im  Wortlaut  oben  Anm.  125).  Malalas  ed. 
Dindorf  p.  279. 

146)  Justin.  Apol.  I,  47:  oxi  de  <pvXaaasrai  v<p  vfnöv  dna)g  fxrjdelQ  ^v  avi^ 
ysvTjtai,  xal  &ävaxoq  xaxa  xov  xaxaXa/xßavofitvov  'lovSaiov  elaiövxoq  wgiaxai, 
«xQißwq  inlaxaa&e.  Dial.  e.  Tryph.  c.  16;  92.  Aristo  von  Pella  bei  Euseb. 
Hist.  eccl.  IV,  6:  (uq  äv  ftrji'  i§  dnönxov  Q^tcagoUv  x6  naxg(pov  e6a(poq  (vgl. 
über  Aristo  oben  8.  63 — 65).  Tertullian.  adv.  Judaeos  c.  13  init.:  de  longinquo 
eam  oeulis  tantum  videre  permissum  est  (scheint  bewusste  Abänderung  der 
Worte  des  Aristo  zu  sein,  um  die  volle  üebereinstimmung  mit  Jes.  33, 17  her- 
beizuführen, 8.  Grabe,  Spicile>j.  patr.  II,  131  sq.,  Routh,  Reliqtiiae  sacrae  I, 
\OA:Sq.,  Otto,  Corpus  apolof/et.  IX,  358,  Harnack,  Texte  und  Untersuchungen 
I.  1 — 2,  S.  128).  Tertullian.  Apologet,  c.  21:  quibus  nee  advenarum  jure  terram 
putriam  saltim  vestigio  salutare  conceditur.  Euseb.  Denwnstr.  evang.  VI,  18,  10 
ed.  Gaisford.  Euseb.  Chron.  ed.  Schoene  II,  168  ad  ann.  Alyr.  2151  (nach  dem 
Armenischen:  e.t  hoc  inde  tempore  etiam  ascendere  Hierosolymam  ontnino  pro- 
hibiti  sunt  primum  Dei  voluntate,  deinde  Romanorum  mandato).  Hieronymus, 
Comm.  in  Jes.  6,  11  sqq.  ed.  Vallarsi  IV,  1(X).  Idem  in  Jerem.  18,  15  ed.  Val- 
larsi  IV,  971:  nullus  Judaeortirn  terram  quondam  et  ttrbem  sanctam  ingredi 
lege  permUtitur.  Idem  in  Daniel  IX  fin.  ed.  Vallarsi  V,  696 :  ut  Judaeae  quoque 
finibus  pellerentur.  Noch  andere  Stellen  bei  Renan,  Vlißise  chritienne  p.  221, 
not.  1.    Zahn,  Gesch.  des  Neutestamentl.  Kanons  II,  2,  S.  679,  Anm.  1. 

147)  Den  Namen  Aelia  Capitolina  (ausgeschrieben)  geben  Dio  Cass.  LXIX, 
12,  Ulpian  Digest.  L,  15,  1,  6,  und  Tabula  Petäing.  {Helya  Capitolirm).  Bei 
Ptolem.  V,  16,  8  und  VIII,  20,  18  hat  der  gedruckte  Vulgärtext  an  beiden 
Stellen  Alkla  Kanixwhdg.  —  Auf  Meilensteinen  findet  sich:  Kok.  AiXias  Ka- 
7itx<oX.  {Clermont- Oanneau,  Recueil  d'  archeol.  Orientale  I,  280 — 284=  Cbrp.  Inscr. 
Lat.  t.  III  Suppl.  n.  6649,  ähnlich  Revue  biblique  1895,  p.  69.  71.  240),  also 
nicht  ausgeschrieben.  —  Aelia  heisst  sie  nach  dem  Familiennamen  Hadrian's, 
Capitolina  nach  dem  capitolinischen  Jupiter.  —  Die  Münzen  bei:  Eckhel, 
Doctr.  Num.  III,  441 — 443.  Mionnet,  Description  de  medailles  antiques  Y, 
516—522.  Suppl.  VIII,  360—363.  De  Saulcy,  Recherehes  stir  la  Numismatique 
judaiqm  p.  171—187.    Cavedoni,  Biblische  Numismatik  II,  68— 73.   Madden, 

History  of  Jeivish  Coinage  ;>.  211— 231.  Reich ardt  in  der  Wiener  Nuraismat. 
Zeitschr.  Jahrg.  I,  1869,  S.  79—88.  Kenner,  Die  Münzsammlung  des  Stiftes 
St.  Florian  in  Ober-Oesterreich,  1871.     De  Saulcy,  Numismatique  de  la  Terre 


700  §  21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (13ii— 135).   [585.  öSß\ 

römischen  Colonie,  doch  hatte  sie  nicht  das  jus  Italicum^*^).  Selbst- 
verständlich fehlte  es  ihr  nicht  an  den  üblichen  Prachtbauten; 
das  Chronicon  paschale  nennt:  ra  ovo  örjftooia  xal  xo  &sarQov  xal 
ro  TQtxafiaQov  xal  ro  reTQavvficpov  xal  to  öcoöexaJtvXov  zo  jiqIv 
6vofiaC,6fisvov  dvaßa&fiol  xal  rrjv  xoögav^^^  Am  südlichen  Stadt- 
thore,  gegen  Bethlehem  zu,  soll  das  Bild  eines  Schweines  ange- 
bracht gewesen  sein '5^).  Der  Hauptcultus  der  Stadt  war  der  des 
capitolinischen  Jupiter,  welchem  an  der  Stelle  des  ehemaligen 
jüdischen  |  Tempels  ein  Tempel  errichtet  wurde i^').   In  demselben 


Sainte,  1874,  p.  83 — 109.  Madden,  Numismatic  Chronicle  1876,  p.  55 — ü8. 
Madden,  Coins  of  the  Jetcs,  1881,  p.  247—275  (hier  das  Material  am  voll- 
ständigsten). 

148)  Ulpian,  Digest.  L,  15,  1,  6:  In  Palaestina  duae  fuerunt  coloniae,  Cae- 
sariensis  et  Aelia  Capitolina,  sed  neutra  jus  Italicmni  habet.  —  Paulus,  Digest. 
L,  15,  8,  7:  similes  his  (nämlich  wie  die  Cäsarienser,  welche  nicht  das  volle 
jus  ItaUcum  hatten)  Capitidenses  esse  videntur.  —  Eine  Ehreninschrift,  welche 
die  Behörden  der  Colonie  dem  Antoninus  Pius  gesetzt  haben,  giebt  de  Sauley, 
Voynge  aiäour  de  la  mer  morte  II,  204,  dazu  Atlas  pl.  XXIV  n.  Q  =  Le  Bas  et 
Waddington,  Inscriptions  III,  2  n.  1895  =  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  III,  n.  116  und 
Suppl.  n.  6639:  Tito  Ael{io)  Hadriano  Antonino  Aug.  Pia  P.  P.  pmitifiici} 
Aiigur{i)  d{ecreto)  d{ecurionum).  Vgl.  auch  Marquardt,  Römische  Staatsver- 
waltung I,  2.  Aufl.  1881,  S.  428.  Die  Münzen  der  Colonie  gehen  bis  Valerian 
(253—260).  —  Nach  dem  Chronicon  paschale  ed.  Dindorf  I,  474  war  die  Stadt 
in  sieben  Bezirke  getheilt:  xal  i/xigtatv  t^v  nöXiv  dq  knxu  ä/4(po6a  xal 
ear^aev  dv&pwnovg  lölovq  d(/<poddQx<'ii  *fßi  kxaavu)  dfiipoddQx^  dnsveifibv 
ttfi<poSov. 

149)  Chron.  pasch,  ed.  Dindorf  I,  474.  Dazu  Schiatter,  Zur  Topogr.  und" 
Gesch.  Palästinas  S.  141  f.  Ders.,  Der  Chronograph  aus  dem  zehnten  Jahre 
Antonins  (Texte  und  Unters,  von  Gebhardt  und  Harnack  XII,  1,  1894)  S.  Soft 
—  KöÖQu  ist  lat.  qtimlriim.  Der  Pilger  von  Bordeaux  erwähnt  in  Hebron  ein 
Grabdenkmal  der  Patriarchen  per  quadriim  ex  lapidilnis  mirae  pulchritudinis 
iltinera  Hierosolym.  ed.  Geyer  p.  25),  in  Jerusalem  beim  Teich  Siloa  einen 
(/iiadriporticum  {ib.  p.  22). 

150)  Ilieron.  Chron.  ad  ann.  Abr.  2152  {Euscb.  Chron.  ed.  Schoene  11, 
1(J9):  Aelia  ali  Aelio  Hadriano  eondita,  et  in  fronte  ejus  portac  qua  Beihlfem 
egredimur  sua  scalptua  in  marmore  signiftcans  Romanae  potcstali  snl>jäcere 
Juäaeos.  —  Das  Bild  de«  Schweines  oder  richtiger  eines  Ebers  findet  sich  auch 
auf  einer  in  Jerusalem  gefundenen  Münze  der  leg.  X  Frctensis,  welche  do 
Sauley  publicirt  hat  (Revue  archcologique,  Nour.  Serie  t.  XX,  1869,  p.  251— 
2(K),  und  de  Sauley,  Numismatiquc  de,  la  Terrc  Sainte  p.  S'isq.  pl.  V  n.  3); 
deftglelchen  auf  einem  in  Jerusalem  gefundenen  Stempel  der  Icf.  X  Fret. 
(Miehon,  Revue  bibtique  1900,  p.  101— 1U5).  Vgl.  überhaupt  über  Thierbildcr 
an f  den  Mflncen  der  Legionen:  DomaHzcwski,  Die  Fahnen  im  römischen 
Heere,  1886,  8.  M— 06.  Dem.,  Die  Thierbildcr  der  Signa  (Archäol.-epigr.  Mit- 
theilungen ans  Oeaterreich  XV,  1892,  8.  182    19.'!). 

1.01)  Dio  Oae».  LXIX,  12.  —  Das  Bild  Jupiter'»  findet  sich  öfters  auf  den 
Mflnzeu  von  Aelia.  —  liäthMelliaft  ist  die  Notiz  des  Jlippolytus  in  einem 
syrisch  erhaltenen  Fragment  zu  Mntth.  24,  15  ff.:  „VeHpiiHiniuis  hat  kein  Güt/.en- 


[586]  §  21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  701 

scheint  auch  die  Statue  Hadrian's  gestanden  zu  haben,  von  welcher 
christliche  Schriftsteller  sprechen  ^^^).  Auf  den  Münzen  kommen 
als  Gottheiten  der  Stadt  ausser  Jupiter  noch  vor:  Bacchus,  Serapis, 
Astarte,  die  Dioskuren.  Ein  Heiligthum  der  Aphrodite  (Astarte) 
stand  da,  wo  nach  der  christlichen  Ueberlieferung  sich  das  Grab 
Christi  befunden  hatte '^3),  oder  nach  einer  anderen  Version  ein 
Heiligthum  des  Jupiter  an  der  Stelle  des  Grabes  und  ein  Heilig- 
thum der  Venus  an  der  Stelle  des  Kreuzes  Christi"*^). 


bild  im  Tempel  aufgerichtet,  sondern  vielmehr  jene  Legion,  welche  Trajanus 
Quintus,  ein  römischer  Befehlshaber,  hinstellte,  errichtete  dort  ein  Götzen- 
bild Namens  Köre"  (Hippolytus  Werke,  Berliner  Ausg.  I,  2,  1897,  hrsg.  von 
Achelis  S.  244  f.;  vgl.  Harnack,  Tlieol.  Litztg.  1889,  525  ff.  Ders..  Texte 
und  Unters.  VI,  3,  S.  130,  132  f.).  —  Da  der  Tempel  Hadrians  dem  Jupiter 
geweiht  war,  zwischen  Vespasian  und  Hadrian  aber  schwerlich  eine  heidnische 
Cultusstädte  auf  dem  jüdischen  Tempelplatz  existirt  hat,  so  kann  die  Notiz 
nicht  wohl  auf  die  Zeit  bis  Hadrian  einschliesslich  sich  beziehen.  Sie  ist  aber 
vor  allem  deshalb  auffallend,  weil  Hippolj'tus  nach  dem  ganzen  Zusamraen- 
liang  beweisen  will,  dass  Matth.  24,  15  ff.  sich  auf  die  künftige  Zeit  des 
Antichrist  beziehe.  Wie  kann  er  die  Stelle  dann  doch  auf  irgend  eine  ge- 
schichtliche Thatsache  beziehen?  Das  widerspricht  m.  E.  völlig  dem  Zusam- 
menhang. Nimmt  man  noch  hinzu,  dass  wir  nur  einen  Römer  in  hervor- 
ragenderer Stellung  kennen,  welcher  Trajanus  Quintus  hiess,  nämlich  den 
Kaiser  Decius  (mit  vollem  Namen:  C.  Messius  Quintus  Trajanus  Decius),  so 
scheint  mir  die  Vermuthung  berechtigt,  dass  uns  hier  eine  spätere  Glosse  eines 
licsers  aus  der  decianischen  Verfolgungszeit  vorliegt. 

152)  Hieronymus,  Comm.  in  Jes.  2  9  [Vallarsi  IV,  37):  ubi  quondam  erat 
templum  et  religio  dei,  ibi  Hadriani  statua  et  Joris  idoJum  coUocatum  est.  — 
Idem,  Comm.  in  Matth.  24,  15  {Vallarsi  YVL,  194):  potest  autem  simpliciter  aut 
de  Äntichristo  actipi  aut  de  imagine  Caesaris,  quam  Pilatus  posuit  in  templo, 
aut  de  Hadriani  equestri  statua  quae  in  ipso  sancto  sanetorum  loco  usque  in 
praesentem  diem  stetit.  —  Da  hiemach  die  Statue  Hadrian's  an  der  Stelle  des 
jüdischen  Tempels  gestanden  hat,  wo  nach  Dio  Cassius  der  Jupitertempel  er- 
richtet wurde,  und  da  sie  von  Hieronymus  an  der  ersteren  Stelle  mit  dem 
Jupiterbilde  zusammen  genannt  wird,  so  hat  sie  wohl  im  Jupitertempel  ge- 
standen. Vgl.  auch  Chrysost.  orat.  adv.  JudaeosY,  11.  Cedrenus  ed.  Bekker  l, 
438  {oxTjaaq  to  eavTov  hSwXov  iv  rüt  vatp).  Nicephorus  Callist.  Eecl.  hist.  III, 
24.  —  Der  Pilger  von  Bordeaux  spricht  von  zwei  Statuen  Hadrian's  {Itinera 
Hierosolym.  ed.  Geyer  p.  22:  stmt  ibi  et  statuae  duae  Hadriani). 

153)  Euseb.  vita  Gonstantini  III,  2ü.  Constantin  Hess  an  dieser  Stelle  be- 
kanntlich eine  Kirche  erbauen.  Nach  der  späteren  Legende,  welche  Eusebius 
noch  nicht  kennt,  wurde  bei  der  Freilegung  des  Grabes  in  der  Nähe  desselben 
(las  Kreuz  Christi  gefunden  [Socraies  Hist.  eccl.  I,  17;  Soxomenus  Hist.  eccl. 
II,  1,  und  Andere;  vgl.  Robinson,  Palästina  II,  208  ff.  Holder,  Inventio 
sanctae  crucis,  1^89.  Nestle,  De  saneta  cruee,  1889.  Ryssel,  Zeitschr.  für 
Kirchengesch.  XV,  18it4,  S.  222—243.  Nestle,  Byzantin.  Zeitschr.  IV,  1895, 
S.  319—345.  Glos,  Kreuz  und  Grab  Jesu,  1898  [unkritisch,  s.  Theol.  Litztg. 
1898,  539]). 

154)  Hieronymus,  Epist.  58  ad  Paulinum  c.  3  {Vallarsi  I,  321):  Ah  Hadriani 


702  §  21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).    [586.  587] 

Die  völlige  Ethnisirung  Jerusalems  war  die  Durchführung 
eines  Werkes,  das  einst  Antiochus  Epiphanes  vergeblich  versucht 
hatte.  Auch  noch  in  anderer  Beziehung  waren  die  Maassregeln 
Hadrian's  den  damaligen  ähnlich.  Das  Verbot  der  Beschnei- 
dung, das  schon  vor  dem  Kriege  und  nicht  speciell  gegen  die 
Juden  erlassen  worden  war  (s.  oben  S.  674  if.),  ist  jetzt  |  ohne  Zweifel 
aufrecht  erhalten  worden.  Erst  unter  Antoninus  Pins  wurde  den 
Juden  wieder  die  Beschneidung  ihrer  Kinder  gestattet  (s.  oben 
S.  677).  Die  jüdische  Tradition,  welche  dieses  Verbotes  ebenfalls 
gedenkt,  behauptet,  dass  auch  die  Feier  des  Sabbaths  und  das 
Studium  des  Gesetzes  untersagt  gewesen  sei^^^).  Mag  diese  Nach- 
richt zuverlässig  sein  oder  nicht  —  schon  das  Verbot  der  Beschnei- 
dung war  nach  jüdischen  Begriffen  gleichbedeutend  mit  einem 
Verbot  der  jüdischen  Beligion  überhaupt.  Solange  dasselbe  auf- 
recht erhalten  wurde,  konnte  von  einer  Beruhigung  des  jüdischen 
Volkes  nicht  die  Rede  sein.  In  der  That  hören  wir  auch  zur  Zeit 
des  Antoninus  Pius  wieder  von  einem  Aufstands  versuch,  welcher 
gewaltsam  unterdrückt  werden  musste^^*^).  Die  römische  Staats- 
gewalt hatte  hier  nur  die  Wahl:  entweder  Duldung  der  religiösen 
Ceremonien  oder  völlige  Vernichtung  des  Volkes.  Man  darf  wohl 
annehmen,  dass  die  Erkenntniss  dieser  Alternative  den  Kaiser  An- 
toninus veranlasst  hat,  die  Beschneidung  wieder  zu  gestatten  und 
Duldung  zu  üben. 

Unter  Hadrian's  Nachfolger  ist  also  im  Wesentlichen  wieder  der- 
jenige Stand  der  Dinge  herbeigefühi*t  worden,  welcher  seit  Vespa- 
sian  bestanden  hatte.  Er  entsprach  keineswegs  den  politischen 
Idealen  der  Juden.  Aber  sie  konnten  in  religiöser  Beziehung  damit 
zufrieden  sein.  Gerade  die  Vernichtung  ihrer  politischen  Existenz 
hat  dazu  geführt,  dass  diejenigen  Mächte  die  Alleinherrschaft  er- 
langten, welche  das  unverfälschte  Judenthum  vertraten:  der  Phari- 
säismus  und  Rabbinismus. 

temporibut  tuque  ad  impcriuvi  Constantini  per  annos  circiter  ceniuni  octopinta 
in  looo  re$urrectionü  simulacrum  Jotns,  in  crucis  rupe  statua  ex  mannore  Ve- 
neria a  gentibu$  posita  colehatur.  —  Die  Abweichung  de«  Ilieronymus  von 
Eiuebias  hat  ihren  Grund  oflcubar  in  der  Legende  von  der  Auffindung  dos 
KrencM.  Noch  SocratcH  und  Sozomenus  sprechen,  wie  EuHebiu«,  nur  von 
einem  Heiligthum  der  Aphrodite.  Wegen  der  Auffindungsgeseliichte  hiHsen 
•ie  aber  dasvelbe  Howohl  die  Btelle  de«  Grabes  als  die  der  Kreuzigung  ein- 
nehmen. HicronytnuH  dagegen  Htattet  jeden  der  beiden  heiligen  Orte  mit  einem 
besonderen  Götzen-Idol  aue. 

155)  Derenbourg  ;:>.  430.  Ilainburger,  Real-Enc.  für  Bibel  und  Talmud, 
II.  Abth,  8.328— .%2  (Artikel:  „lliKirianiHcho  Verfolgungsedikte").  St^hlatter, 
Die  Tage  Tr^an«  nn-i  ii.i.iri;i.is  s.  f)— 12. 

166)  CapHohn.  AhI'.hiiiu.  I'nr  r.  5  (in  den  Soriptores  Ilistoriae  Atigustae 
kI.  Pder):  Judaeot  rcMlatitr    c.niuiili  per  prcutsidea  ac  Ictjatos. 


[587,  588]    §  21,  III:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132—135).  703 

Die  Entwickelung  ging  nun  in  den  Bahnen  weiter,  welche  durch 
die  grosse  Umwälzung  infolge  der  Zerstörung  Jerusalems  vorge- 
zeichnet waren.  Ohne  politische  Heimath,  nur  durch  die  ideale 
Macht  des  gemeinsamen  Gesetzes  zu  einer  Einheit  zusammen- 
geschlossen, haben  die  Juden  fortan  nur  um  so  eifriger  dieses  gemein- 
same Gut  festgehalten  und  gepflegt.  Dadurch  ist  freilich  auch  die 
Scheidewand  zwischen  ihnen  und  der  übrigen  Welt  immer  scliroffer 
geworden.  Während  in  der  Blüthezeit  des  hellenistischen  Juden- 
thums  die  Grenzen  zwischen  jüdischer  und  griechisch-römischer 
Weltanschauung  zu  zerfliessen  drohten,  haben  jetzt  die  Juden  und 
ihre  Gegner  mit  vereinten  Kräften  dafür  gesorgt,  dass  die  Kluft 
immer  tiefer  wurde.  Der  zur  Menschheitsverbrüderung  geneigte 
jüdische  Hellenismus  ist  verschwunden;  das  echte,  alle  Gemein- 
schaft I  mit  heidnischem  Wesen  verabscheuende  pharisäische  Juden- 
thum  hat  die  Alleinherrschaft  gewonnen.  Aber  auch  die  heidnische 
Welt  ist  ablehnender  geworden:  das  Zuströmen  der  Massen  zur 
jüdischen  Gottesverehrung  hat  aufgehört,  theils  weil  andere  geistige 
Mächte,  vor  allem  das  Christenthum,  eine  grössere  Zugkraft  aus- 
übten, theils  aber  auch  weil  die  staatliche  Gesetzgebung,  ohne  die 
seit  Cäsar  verbürgte  Duldung  der  jüdischen  Religion  aufzuheben, 
doch  dem  weiteren  Umsichgreifen  des  Judenthums  gesetzliche 
Schranken  entgegenstellte. 

So  sind  die  Juden  immer  mehr  das  geworden,  was  sie  ihi^eui 
Wesen  nach  waren:  Fremdlinge  in  der  heidnischen  Welt.  Die 
Wiederherstellung  eines  jüdischen  Staatswesens  im  heiligen  Lande 
war  und  blieb  für  immer  ein  Gegenstand  der  religiösen  Hoffnung, 
welche  sie  mit  lebendiger  Zuversicht  festhielten.  Der  Abstand 
zwischen  Ideal  und  Wirklichkeit  war  aber  zunächst  —  und  noch 
.lahrhunderte  lang  —  so  schroff  und  hart,  dass  sie  die  Hauptstadt 
ihres  gehofften  Reiches  nicht  einmal  als  Fremdlinge  betreten  durften. 
Noch  im  vierten  Jahrhundert  war  ihnen  nur  einmal  im  Jahre,  am 
Tage  der  Zerstörung  Jerusalems  (9.  Ab),  das  Betreten  der  Stadt 
erlaubt,  um  au  der  Stelle  des  Tempels  ihre  Klagegebete  verrichten 
zu  können.  Mit  ergi-eifenden  Worten  schildert  Hieronymus,  wie  die 
-luden  an  diesem  Tage  in  erbarmungswürdigem  Aufzuge  daherzu- 
kommen pflegten,  ihre  Klage  verrichteten  und  durch  Geld  von  den 
römischen  Wachen  die  Erlaubniss  zu  längerem  Verweilen  an  der 
Klagestätte  erkauften  ^^'):  Usque  ad  praeseniem  diem  perfidi  coloni 
post  interfectionem  servoriim  et  ad  exiremum  filii  dei  excepto  phnctu 
^rrohihenhir  ingredi  Jerusalem,  et  ut  ruinam  suae  eis  flere  liceat  civi- 
tatis pretio  redimunt,  ut  qui  quondam  eme^-ant  sanguinem  Christi  emant 


157)  Hieron.  ad  Zephan.  1,  15  sq.  {ed  Vallarsi  VI,  692). 


704  §21,111:  Der  grosse  Aufstand  unter  Hadrian  (132— 135 1.    [588.  589] 

lacrymas  suas  et  ne  fletus  quidem  eis  gratuitus  sit.  Videos  in  die,  quo 
capta  est  a  Romanis  et  diruta  Jerusalem,  venire  populum  luguhrem, 
confltiere  deoxpitas  muliereulas  et  senes  pannis  annisque  obsitos,  in  cor- 
poribus  et  in  habitu  suo  iram  Domini  demonstrantes.  Congregatur  turba 
miserorutn;  et  patibulo  Domini  cortiscante  ac  radiante  avaoraOu  ejus, 
de  oUveti  monte  quoqu£  crucis  fulgente  vexillo,  plangere  ruinas  templi 
sui  populum,  miserum  et  tamen  non  esse  miserabilem:  adhuc  fletus  in 
genis  et  livida  brachia  et  sparsi  nines,  et  miles  mereedem  postulat,  ut  Ulis 
flere  plu^s  liceat.  Et  dubitat  aliquis,  quum  haec  videat,  de  die  iribula- 
tix)nis  et  angustiae,  de  die  calamitatis  et  miscride,  de  die  tenebrarum  et 
caliginis,  de  die  nebulae  et  turbinis,  de  die  tubae  et  clangoris?  Habent 
enim  et  in  luctu  tubas,  et  juxta  prophetiam  vox  sollennitatis  versa  est  in 
planctum.  Ululant  super  cineres  \  sanctuarii  et  super  altare  destru/itum. 
et  super  civitates  quondam  munitas  et  super  excelsos  angulos  tem,pli,  de 
quibus  qu^ondam  Jacobum  fratrem  Domini  praedpitaverunt^^'^). 


158)  Vgl.  auch  Origenes,  in  Josuam  homii.  XVII,  1  {ed.  Lommatxsch  XI, 
152  s?.):  Si  ergo  veniens  ad  Jerusalem  civitatem  terrenam,  o  Judaee,  invenies  eam 
subversam  et  in  cineres  ac  favillas  redactam,  noli  flere  sieut  nunc  facitis  tan- 
quam  pueri  sensibus;  noli  lamentari,  sed  pro  terrena  require  coelestem.  —  Itine- 
rarium  Burdigalense  (Iliiwra  Hierosolymitana  ed.  Geyer  p.  22):  est  et  non 
longe  de  Statuts  [Hadriani]  lapis  perlusus,  ad  quem  veniunt  Judaei  singulis  annis, 
et  unguenl  cum  et  lamentant  se  cum  gemitu,  et  vestimenta  sua  scindunt  et  sie 
recedunt.  —  Noch  einige  Stellen  bei  Renan,  Ueglise  chreiienne  p.  221  not.  3. 


Beilagen. 


Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  45 


Beilage  I. 
Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene. 

Literatur: 

Noris,   Amins   et  epochae   Syromacedonum   III,   9,   3,  ed.   Lips.  p.  316 — 322 

(Gesch.  der  Stadt  Chalcis). 
Belley,    Ohservations   sur   les   medailles  du  tetrarque  Zenodore  {Memoires  de 

l'Acadimie   des   Inscriptions   et   Belles-LeUres,   alte  Serie  t.  XXVIII,  1761, 

p,  545—556). 
Munter,  De  rebus  Itiiraeonim,  Hafniae.  1824  (erschöpfende  Monographie). 
Win  er,  Biblisches  Realwörterb.  Artikel  „Abilene"  (I,  7  f.)  und  „Ituräa"  (I,  622). 
Scheukel's  Bibcllexikon,  dieselben  Artikel. 
Ei  e  hm 's  Handwörterbuch   des   biblischen  Altertums,   dieselben  Artikel,   und 

„Lysanias". 
Herzog's  Real-Ene.  2.  Aufl.  I,  87—89  (Artikel  „Abilene"  von  Wieseler)  und 

VII,  261  f.  (Art.  „Ituräa"  von  Rüetschi). 
Cless,  Art.  „Ituräa"  in  Pauly's  Real-Enc.  der  class.  Alterthumswissensch.  IV, 

387—340. 
Ritter,  Erdkunde  XVII,  1,  S.  14—16  (über  die  Ituräer). 
Kuhn,   Die   städtische   und   bürgerliche  Verfassung  des  römischen  Reichs  II 

(1865)  S.  169—174  (über  die  Dynastien  von  Chalcis,  Abilene  und  Ituräa). 
Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  I,  2.  Aufl.  1881,  S.  400—403  (über  die 

Dynastien  von  Chalcis  und  Abilene). 
Wiesel  er,  Beiträge  zur  richtigen  Würdigung  der  Evangelien  (1869)  S.  196—204 

(Lysanias  von  Abilene). 
De  Saulcy ,  Recher ches  sur  les  monnaies  des  tetrarques  hereditaires  de  la  Chalci- 

dene  et  de  r Abilene  (Wiener  numismatische  Monatshefte  von  Egger,  5.  Bd. 

1.  Abth.  [1869]  S.  1-34). 
Reichardt,   Numismat.   Zeitschrift,   herausgeg.   von  Huber   und  Karabacek, 

Bd.  II,  1870,  S.  247—250  (Anzeige  der  Abhandlung  de  Saulcy's). 
lienan,  Memoire  sur  la  dynastie  des  Lysanias  d' Abilene  {Memoires  de  l'Acadimie 

des  Inscriptions  et  Belles-Lettres  t.  XXVI,  2,  1870,  p.  49—84). 
G.  A.  Smith,   Art.   Ituraea   in:   Hastings'  Dictionary   of  the  Bible  II,  521  s^'. 

Ders.,  Ilistorical  Oeography  of  the  Holy  Land  p.  544—547,  554. 
Guthe  in  Herzog-Hauck's  Real-Enc.  3.  Aufl.  I,  99—101  (Art.  „Abilene")  und 

IX,  543  f.  (Art.  „Ituräa"). 

Unter  den  Söhnen  Ismael's  wird  im  Alten  Testamente  auch 
ein  '\'^12^_  genannt  {Gen.  25,  15.  I  Chron.  1,  31.  5,  19).  Es  ist  ohne 
Zweifel  derselbe  Stamm,  der  uns  in  der  späteren  Geschichte  unter 

45* 


708  Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.    [593.  594] 

dem  Namen  der  ^IrovQaloi  oder  ^IrvQaloi  begegnet').  In  griechischen 
Quellen  werden  sie  erst  spät  erwähnt^);  zuerst  bei  dem  jüdischen 
Hellenisten  Eupolemus  (Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  vor  Chr.), 
welcher  |  die  Ituräer  unter  den  von  David  bekämpften  Stämmen 
nennt^).  Dann  wissen  wir  aus  Josephus  und  dessen  Gewährs- 
männern Strabo  und  Timagenes,  dass  der  jüdische  König  Ari- 
stobul  I  (104—103  V.  Chr.)  die  Ituräer  bekämpft  und  ihnen  ein 
Stück  ihres  Landes  abgenommen  hat  {Antt.  XIII,  11,  3).  Und 
von  da  an  werden  sie  häufig  erwähnt.  Sie  werden  bald  als 
Syrer  bald  als  Araber  bezeichnet '*).  Da  sie  Gen.  25,  15  auf  Ismael 
zurückgeführt  werden,  sind  sie  von  Hause  aus  wohl  ein  arabischer 
Nomaden-Stamm,  der  aber  dann  im  Bereiche  der  aramäischen 
Cultur  sesshaft  geworden  ist  und  mit  aramäischen  Elementen  sich 
vermischt  hat.  Daher  sind  die  Eigennamen  ituräischer  Soldaten, 
welche  auf  lateinischen  Inschriften  vorkommen,  meist  aramäisch 
(syrisch) 5).  —  Zur  Zeit  der  römischen  Eroberung  waren  sie  noch  ein 


1)  Inschriftlich  findet  sich  auch  die  Form  ^laxovQaloq.  So  auf  zwei  In- 
schriften in  Atil  bei  Kanatha  im  Hauran  (Mittheilungen  und  Nachrichten  des 
DPV.  1899,  S.  83  f.  n.  42:  'AXe^avögov  Ma\lfiov  ßovXevrov  'laxovgaiov,  n.  43: 
jiXt^vSQOv  'Paoi^dov  ßov]).evTOv  'IaTovQa[lov].  Dieselben  zwei  Inschriften  auch 
bei  Clcrmont-Oanneau,  Recueil  d'archeologie  Orientale  IV,  118  f). 

2)  Eine  Bemerkung  bei  Well  hausen,  Israelitische  xind  jüdische  Geschichte 
2.  Aufl.  8.  183  Anm.  1  (4.  Aufl.  S.  191  Anm.  1)  tflingt  so,  als  ob  die  bei  der 
Belagerung  von  Tyrus  durch  Alexander  {Arrian.  II,  20,  4)  erwähnten  „Araber" 
des  Libanon  schon  dort  „Ituräer"  genannt  würden.  Das  ist  indessen  nicht 
der  Fall. 

3)  Euseb.  Praep.  evang.  IX,  30:  J^rgcttivaai  6"  avzov  xal  inl  ^ISor/xaiovg 
xal  UfifiavlraQ  xal  Mataßltaq  xal  ^Ixovgaiovq  xal  Naßaxalovq  xal  Naß- 
dalovq. 

4)  Appian.  Civ.  V,  7:  xrjv  ^IxovQolav  [od.  7rov()a/cwv?]  xal  öaa  aXla  yevrj 
ZvQwv.  —  Vifnus  Sequester  cd.  Hcsscl  p.  155:  Ithyrci  rel  Itfuirci  Si/rii.  —  Auch 
Plinius  Ilisl.  Nat,  V,  23,  81  nennt  Itnracorum  gcntem  unter  den  Völkern  Sy- 
rien's.  —  Dia  Cass.  LIX,  12:  xi,v  xdiv  *IxovQaia)v  xüiv  lAQußmv.  —  Straho 
p.  766  verbindet  'Ixovoaloi  xs  xal  'Apaßsi.  Ebenso  ;;.  756.  —  Epiphan.  hacr. 
19,  1 :  ano  xTn  Naßaxixfjq  /(Jp«?  xal  'hov^alaq.  —  Vgl.  Eupolemus  bei  Euscb. 
I^aep,  evang.  IX,  30. 

6)  E«  kommen  z.  B.  vor  Bargathca,  Baramna,  Beliabtis,  Brichehis  (alle  vier 
auf  einer  Inschrift,  Munter  de  rebus  Ituraeorum  p.  AOsq.,  corrccter  im  Cor]». 
Itierr.  IxU.  t.  III  v.  4371),  Mom'mus,  Jerombal  [Munter  p.  42  —  Cknp.  Jnsrr. 
lihenan.  cd.  Brambach  n.  1234),  Jfancl,  Jamlicm  {Munter  p.  42  sq.  ^  Branihach 
n.  1233  —  Wilmanns,  Ecmtpla  Itisrr.  Lat.  n.  1530).  —  Vgl.  dazu  Munter  p.  8 
bis  10.  —  Die  meiHt<>n  dicHcr  Niimen  sind  auch  sonst  in  Syrien  nachweis- 
bar. Baga&iji  Watidington  Insor.  n.  2703  —  Journal  asiatiqtui  Neur.  S6rie  t. 
XVI,  1900,  p.  274.  Bulktin  de  eorrup.  Hellen.  XXI,  1807,  p.  70  (Gegend  von 
Eme»a).  nrsnn  Jicvue  biblique  VI,  1897,  p.  696.  597.  Journal  axintiquc  Neur. 
SSrü  t.  XII,  1898,  p.  88.  89.  108  (Palmyra).  Auf  einer  in  ICuglaml  gefundenen 
sweltprachigen  Innchrift  hoiwt  der  Uotrelleudc  lat.  Baralr.s  Pahnyrenus  mttionc, 


[594.  595]    Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene,  709 

rohes  Räubervolk  *^),  als  geschickte  Bogenschützen  aber  sehr  ge- 
schätzt. Schon  Cäsar  verwendete  im  afrikanischen  Kriege  iturä- 
ische  Bogenschützen'^);  der  Triumvir  Marcus  Antonius  hatte  solche 
als  Leibwache,  womit  er  den  Senat  schreckte,  zum  grossen  Ent- 
setzen Cicero's^).  Dichter  und  Historiker  gedenken  der  ituräischen 
Bogenschützen  bis  in  die  spätere  Kaiserzeit^). 

Ihre  Wohnsitze  werden  nicht  immer  dieselben  gewesen  sein. 
Nach  I  Chron.  5,  19  waren  sie  einst  Nachbarn  der  Stämme  Rüben, 
Gad  und  Halb-Manasse.  In  der  Zeit  aber,  aus  welcher  wir  über- 
haupt nähere  Kunde  über  |  sie  haben,  sind  sie  nirgends  anders 
als  im  Libanongebirge  nachweisbar.  Christliche  Theologen 
suchen  sie  freilicli  wegen  Lwc.  3,  1  möglichst  in  der  Nähe  von 
Trachonitis.  Ja  Eusebius  hat  sogar  Trachonitis  und  Ituräa  iden- 
tiücirt^*^).  Aber  alle  historischen  Zeugnisse  weisen  auf  s  bestimmteste 
nach  dem  Libanon.  So  vor  allem  Strabo,  welcher  die  Ituräer  wieder- 
holt als  Bewohner  des  Gebirges  bezeichnet,  und  zwar  des  Gebirges, 


aram.  Knr"i2  {IVansactions  of  the  Society  of  Bihl.  Archaeol.  VI,  1878,  p.  436*^5.). 
Vgl.  auch  Clermont-Qanneau,  Recueil  d'archeol.  oriefit.Hl,  \l\sq.  —  liifXlaßoq 
(d.  h.  arr^  ba,  Bei  hat  ihn  gegeben)  Journal  asiatique  Neuv.  Serie  t.  VIII, 
1896,  p.  328  (Antilibanos).  Reme  Archeol.  Trois.  Sirie  t.  30,  1897,  p.  285  (Ge- 
gend von  Damaskus).  Waddington  Inser.  n.  2557''.  2557«.  2557«  =  Bulletin  de 
corresp.  hellen.  XXI,  1897,  p.  64  sg.  =  Mittheilungen  und  Nachrichten  des 
DPV.  1898,  S.  81  f.  vgl.  86  (Gegend  von  Damaskus  und  Antilibanos).  BrjUaßoq 
Revue  archeol.  Trois.  Serie  t.  IV,  1884,  p.  279  u.  Facs.  j;>.  284=  Clermont-Oan- 
nean,  Recueil  d'archeol.  Orient.  I  p.  22  u.  Facs.  p.  31  n.  44  =  Dussaiul  et  Ma- 
cler, Voyof/e  archeologique,  1901,  p.  211  (südlich  von  Baalbek).  —  Movifxog  Wad- 
dington Inscr.  n.  2117.  2118.  2128.  2293.  2412«.  2544.  Movriiioq  n.  2243.  — 
Jcrombal  ist  wohl  =  bibl.  ^rS'"'.  —  'AwriXoq  Waddington  Inscr.  n.  2320.  2412?. 
2437.  2403.  "AvriXoq  n.  2101.  —  "Ueber  Jamlicus  s.  oben  S.  234  f. 

6)  Strabo  p.  755,  756.  Cicero  Philipp.  II,  112. 

7)  Bell.  African.  20:  sagittar iisque  ex  omnibus  navibus  Ityreis  Syris  et  eii- 
jusque  generis  ductis  in  castra  compluribtis  frequentabat  suas  copias. 

8)  Cicero  Philipp.  II,  19:  conftteare  hwie  ardinem  hoc  ipso  tempore  ab  ItU' 
raeis  eircumsederi.  —  Philipp.  II,  112:  cur  homines  omnium  gentium  niaxime 
barbaros  Ituraeos  cum  sagittis  dedueis  in  forum?  —  Philipp.  XIII,  18:  haee 
sid)sellia  ab  Ituraeis  oceupabantur. 

9)  Virgil.  Georg.  II,  448:  Ituraeos  toxi  torquentur  in  arcus.  —  Lucan. 
Pharsal.  VII,  230:  Ituraeis  cursus  fuit  inde  sagittis.  Ibid.  VII,  514:  t/mc  et 
Ifnraei  Medique  Arabesque  soluto  arcu  turba  minax.  —  Militärdiplom  vom 
Jahr  110  nach  Chr.  [Corp.  Inscr.  Lot.  t.  III  p.  868):  cohors  I  Augusta  Ituraeo- 
rum  sagittar ior um.  —  Arrian.  Alan.  18:  ol  ns^ol  ro^oxat,  ot  r<5v  Nofidöcav 
xal  Kv^Tjvctitav  xal  BoanoQavöiv  zs  xal  ^rovQaicov.  —  Vopisc.  vifa  Aureliani 
e.  11  (in  den  Seriptores  historiae  Augustae) :  habes  sagittarios  Ityraeos  trecentos. 
—  Vibius  Sequester  ed.  Hessel  p.  155:  Ithyrei  vel  Itharei  Sgrii  usii  sagittae 
periti. 

10)  Euseb.  Onomast.  ed.  Lagarde  p.  268:  ^Itovgaia  y  xal  Tgaxfovlztq.  Ib. 
p.  298:  TQax(üi'iTig  "/J^Qa  r^  xal  'IzovQala. 


710  Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.     [595.  596] 

welches  an  der  Ebene  Massyas  sich  hinzieht  und  Chalcis  als  Haupt- 
stadt hat*^).  Die  Ebene  Massyas  oder  Marsyas  ist  die  Ebene 
zwischen  Libanon  und  Antilibanos'^),  im  Norden  bei  Laodicea  am 
Libanon  beginnend  und  sich  südlich  bis  Chalcis  erstreckend '  3).  Da 
die  Ituräer  öfters  mit  den  Arabern  zusammen  genannt  werden*'*), 
so  sind  sie  wohl  in  dem  die  Marsyasebene  im  Osten  begrenzenden 
Gebirgszuge  d.  h.  im  Antilibanos  zu  suchen.  Als  Bewohner  des 
Libanon  erscheinen  sie  auch  in  allen  späteren  Nachrichten.  Den 
älteren  Lysanias  nennt  Dio  Cassius  (XLIX,  32)  schlechtweg  König 
der  Ituräer.  Er  war  aber  der  Sohn  und  Nachfolger  des  Ptolemäus 
Mennäi,  dessen  Reich  eben  den  Libanon  und  die  Ebene  Marsyas 
mit  der  Hauptstadt  Chalcis  umfasst  hatte  (s.  unten  S.  712  f.).  Auf 
der  bekannten  Inschrift  aus  der  Zeit  des  Quirinius  sagt  dessen 
Unterfeldherr  Q.  Aemilius  Secundus  von  sich:  missu  Quirini  ad  versus 
Ituraeos  in  Lihano  monte  castellum  eorum  cepi^^).  Zur  Zeit  des 
vespasianischen  Krieges  erwähnt  Josephus  {Vita  11)  einen  Ovägoi; 
ßaoiXixov  yivovQ,  exyovog  JSoäfiov rov  jieqI  rov Äißavov  rsxQaQ- 
Xovvxoq.  Dieser  Soemus  ist  aber  wahrscheinlich  derselbe,  welchen 
Dio  Cassius  und  Tacitus  als  Beherrscher  der  Ituräer  bezeichnen^''). 
Nirgends  finden  wir  eine  Spur  |  davon,  dass  die  Ituräer  anderswo 
als  im  Libanon  gesessen  hätten.  Die  Meinung  Wetzsteins,  dass  sie 
am  Ostabhange  des  Hauran  zu  suchen  seien''),  ist  demnach  eben- 
so irrig,  wie  die  ältere  Ansicht,  dass  die  Ebene  Dschedur  südlich 
von  Damaskus  von  ihnen  ihren  Namen  habe.  Letzteres  ist  schon 
aus  sprachlichen  Gründen  nicht  mögliches).    Noch   verkehrter  ist 


11)  Strabo  XVI,  2,  10  p.  753;  oü  nÖQQO)  d'  ovrf*  ^HXiovnoXig  xal  XaXxlq  // 
iTTo  IlroXefialtp  rtp  Mevvalov  xiördv  Maaavav  xat^xovxi  xal  rijv  ^Irox^Quiiov 
oQtiviqv.  —  Ih.  XVI,  2,  18  p.  755:  (xfxä  6e  töv  MdxQuv  lailv  o  Maaavaq  ^ywv 
xiva  xal  SqhvÜ,  iv  oiq  rj  XaXxlq  wanfQ  dxQonoXiq  xov  Maaavov  ciQX^I  <^^  (xvxov 
/laoöi'xeia  i/  ngdf  Aißdvco.  xä  fxhv  ovv  opsivd  ^xovai  ndvxa  'IxovQixlol 
xe  xal  "AQaßsf.  —  Ib.  XVI,  2,  20  p.  756:  ^neixa  it^oq  xä  'Igdßwv  fztQij  xal 
xwv  'Ixovgaltov  dva/nl^  oQij  Siaßaxa  (hierüber  Anm.  18).  —  Auch  christliche 
Lexikographen  erklären  „Ituräa"  durch  „Gebirgsland"  {montauae,  oqsivi^).  S. 
(hiomastica  ed.  Lagardc  p.  64,  176,  193.  —  Apulejiis,  Florida  I,  0,  nennt  die 
Ituräer  frvgum  paupcres,  wo»  ebenfalls  auf  Gebirgsbewohner  ]mH8t. 

12)  Polyh-  V,  45,  8  f. 

13)  Dich  ergiebt  sich  aus  den  angeführten  Stellen  Strabo's.  Ueber  die  Lage 
beider  Htädtc  «.  unten  Anm.  20  u.  21. 

14)  Slrabo  XVI,  2,  18  p.  755.    Vgl.  auch  oben  Anm.  4. 

1.'»)  Kphemerta  epü/rap/tica  vol.  IV,  1881,  p.  538-^  Co/v»,  fnscr.  Lnt.  III  Suppl. 
n.  6ö87.  —  Ueber  dio  Echtheit  der  Innchrift  k.  oben  H.  327. 

16)  IHo  CasH.  LIX,  12.     Tacil.  Anttal.  XII,  23. 

17)  Wetzstein,  Reisebericht  über  Hauran  und  dio  Tnichonen  1860, 
H.  90- Ü2. 

18)  Für  Wetzitcin's  Ansicht  scheint  nur  die  dritte  Stelle  Strabo's  (XVI, 


[596J  Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.  711 

die  auf  Eusebius  sich  stützende  Meinung  Ramsay's,  dass  das  „itu- 
räische"  und  „trachonitische"  Land  identisch  seien  •^). 


2,  20  p.  750)  zu  sprechen,  wo  Strabo  nach  Damaskus  die  Trachonen  erwähnt 
und  nach  diesen  „unzugängliche  Berge  nach  den  Gebieten  der  Araber  und 
Ituräer  hin".  Die  Reihenfolge  der  Aufzählung  scheint  auf  den  Hauran  zu 
deuten.  In  der  That  wird  dieser  wenigstens  mit  gemeint  sein.  Aber  wie  die 
Sache  zu  verstehen  ist,  ergiebt  sich  aus  einer  Vergleichung  der  darauf  folgen- 
den Worte  Strabo's  mit  Joseph.  Antt.  XV,  10,  1—3.  Strabo  fährt  nämlich  fort, 
dass  in  jenen  Bergen  sich  gewaltige  Höhlen  befinden,  welche  den  Räubern  Zu- 
flucht gewähren.  Die  von  Zenodorus  angeführten  Räuberbanden  seien  aber 
jetzt  durch  die  Römer  aufgelöst.  Das  sind  zweifellos  dieselben  Verhältnisse, 
welche  auch  Josephus  Antt.  XV,  10,  1—3  berührt.  Aus  dessen  ausführlicherer 
Darstellung  sehen  wir,  dass  das  eigentliche  Gebiet  des  Zenodorus  die  Gegend 
von  Panias  war  {Antt.  XV,  10,  3),  dass  er  aber  mit  den  in  Trachonitis  und 
Auraniti^  hausenden  Räubern  gemeinsame  Sache  machte  (XV,  10,  1).  Das  Ge- 
biet des  Zenodorus  (an  den  südlichen  Abhängen  des  Libanon)  ist  nun,  wie 
unsere  Darstellung  zeigen  wird,  ein  Stück  von  dem  ehemaligen  grösseren 
ituräischeu  Reiche.  Wenn  demnach  Strabo  sagt,  dass  jene  höhlenreichen 
Berge  „nach  den  Gebieten  der  Araber  und  Ituräer  hin"  liegen  {Tigoq  xa  'Agoißoiv 
fihQT]  xal  Twv  'hovQaicav),  so  meint  er  mit  den  fzigr]  ^Irovgalwv  augenschein- 
licli  das  Land  des  Zenodonis.  Es  kann  daher  aus  seinen  Worten  nicht  ge- 
schlossen werden,  dass  die  Ituräer  selbst  im  Hauran  sassen. 

19)  Ramsay  hat  im  Interesse  seiner  „südgalatischen"  Hypothese  über  die 
Adresse  des  Galaterbriefes  behauptet,  dass  in  der  Stelle  Act.  16,  6  t^v  ^Qvyiav 
xal  r«}.azixrjv  itögav  die  beiden  Landschaftsnamen  adjectivisch  zu  nehmen 
seien  und  nicht  zwei  Landschaften,  sondern  nur  eine,  die  phrygisch-galatische, 
bezeichnen.  Als  ihm  dann  von  Chase  ausser  Anderem  auch  Lite.  3,  1  ent- 
gegengehalten Nvurde  (r)7C  'hovQalag  xal  TgoxiovltiSog  x^9"?)f  ^**'  ^^  ^"^^ 
diese  Stelle  nach  derselben  Methode  ausgelegt,  so  dass  also  das  „ituräische" 
und  „trachonitische"  Land  identisch  wären.  Dabei  macht  er  mir  Vorhaltungen, 
weil  ich  „Ituräa"  als  Landschaftsname  gebrauche,  während  die  Quellen  nur 
von  'IiovQuZoi  sprechen.  Letzteres  ist  richtig,  aber  auch  von  mir  fast  durch- 
gängig beobachtet  (übrigens  ist  Appian.  Civ.  V,  7  t^v  ^rovgalav  von  der  besten 
Handschriftenclasse  geboten;  die  beiden  anderen  haben  xr}v  rovpaicova,  s. 
Mendelssohn's  Ausg. ;  da  Appian.  Mithridut.  106  t^v  'löovfialwv  xal  'Irovgalatv 
vorkommt,  so  ist  allerdings  Civ.  V,  7  vielleicht  t^v  ^rovgalwv  zu  lesen.  Sicher 
ist  Jos.  Antt.  Xin,  11,  3  nicht  ^Izovgaiav  sondern  "Irovgaiovg  zu  lesen).  Na- 
türlich ist  diese  Subtilität  nicht  von  Belang.  Wichtig  ist  nur  die  Frage,  wo 
die  Ituräer  in  der  hier  in  Betracht  kommenden  Zeit  ihre  Wohnsitze 
hatten?  Und  da  hat  nun  auch  Ramsay  keinen  Beweis  dafür  beigebracht, 
dass  auch  Trachonitis  von  „Ituräern"  bewohnt  war,  geschweige  denn,  dass  sie 
ausschliesslich  dort  gesessen  hätten.  Nur  die  Ansicht  von  G.  A.  Smith  ist 
möglich,  dass  ihre  Wohnsitze  bis  in  die  Nachbarschaft  von  Trachonitis  sich 
erstreckten.  Vgl.  die  Auseinandersetzungen  von  Chase,  Ramsay  u.  G.  A. 
Smith  im  Expos itor,  fourth  series,  t-o/.VIII— IX,  1893—1894;  auch  G.  A.  Smith, 
Historiml  Oeograpky  p.  544—547,  Hostings'  Dictiotiary  II,  521  sj.  Zöckler, 
Theol.  Stud.  und  Krit.  1895,  S.  70  f.  Sejourne,  Revue  biblique  VI,  1898,  p.  277 
—279  (setzt  p.  279  die  Ituräer  «  c6te  de  la  Damascene,  vers  l'ouest,  sur  l'anii- 
lAban). 


712  Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.    [596.  597] 

In  den  letzten  Decennien  vor  der  Ankunft  des  Ponipejus  ge- 
hörten die  Ituräer  zu  einem  ansehnlichen  Staatswesen,  dessen  Be- 
hen'scher  Ptolemäus  Sohn  des  Mennäus  war  {IlToXsfmiog  6 
M£pvaiov)\  denn  dessen  Reich  umfasste  nach  der  ersten  Stelle 
Strabo's  (XVI,  2,  10  p.  753)  eben  das  „Bergland  der  Ituräer"  und 
die  Ebene  „Massyas"  mit  der  Hauptstadt  Chalcis^^).  Die  Ebene] 
Massyas  geht  nördlich  bis  Laodicea  am  Libanon^'),  Aber  Ptole- 
mäus scheint  ähnlich  wie  Alexander  Jannäus  auch  nach  allen  Seiten 
hin  erobernd  aufgetreten  zu  sein.  Sein  Gebiet  (denn  von  ihm  gilt, 
was  Strabo  XVI,  2,  18  p.  755  von  den  Bewohnern  des  Libanon 
sagt)  erstreckte  sich  im  Westen  bis  an's  Meer.  Botrys  und  Theu- 
prosopon  {6eov  jtqoocojcov)  gehörten  ihm.  Byblus  und  Berytus 
wurden  von  ihm  bedroht.  Im  Osten  hatten  die  Damascener  von 
ihm  zu  leiden22).  Im  Süden  gehörte  ihm  noch  die  Gegend  von 
Panias,  wie  man  aus  der  Geschichte  des  Zenodorus  schliessen 
darf  {Jos.  Äntt.  XV,  10,  1—3,  vgl.  dazu  unten  S.  714  f.).  Ja  zur  Zeit 
des  jüdischen  Königs  Aristobul  I  scheint  das  Reich  der  Ituräer 
auch  Galiläa  umfasst  zu  haben  (s.  oben  S.  275  f.).  Jedenfalls  waren 
die  Ituräer  damals  Grenznachbaren  der  Juden.  Wir  haben  also 
eine  Staatenbildung  ganz  ähnlicher  Art  vor  uns,  wie  die  gleichzeitig 
erfolgte  jüdische,  nur  dass  Ptolemäus  Mennäi  in  der  Cultur  noch 
ein  gutes  Stück  unter  Alexander  Jannäus  stand. 

Ptolemäus  Mennäi  regierte  etwa  von  85—40  vor  Chr.  Um 
85  V.  Chr.  riefen  die  Damascener  aus  Furcht  vor  ihm  den  Araber- 
könig Aretas  herbei  {AntL  XIII,  15,  2.    Bell.  Jud.  I,  4,  8).    Um  70 


20)  Auch  Josephus  nennt  Chalcis  am  Libanon  als  Hauptstadt  des  Ptole- 
mäus {Antt.  XIV,  7,  4:  övvaaxevwv  XaXxlöoq  r^g  vno  x<ä  Atßävtp  oqsi.  Bell. 
Jud.  I,  9,  2:  oq  ixQdxsi  ZTJg  vno  xiö  Atßdvo)  XuXxlöoq).  Es  lag,  nach  der 
Marschroute  des  Pom pejus  Antt.  XIV,  3,  2,  südlich  von  Heliopolis.  Vgl.  auch: 
Robinson,  Neuere  biblisclie  Forschungen  in  Palästinji  S.  647  f.  Ritter, 
Erdkunde  XVII,  1,  S.  186  ft.  Furrer,  Zeitschr.  des  deuttsclien  Palästinn- 
Vereins  VIII,  1885,  8.35.  Benzinger  in  Pauly-Wissowa's  Real-Eiic.  s.v.  — 
Nicht  zu  verwechseln  ist  hiermit  ein  anderes  Chalcis  in  Syrien,  von  welchem 
die  Landschaft  Chalcidice  ihren  Namen  hat.  Dieses  lag  viel  weiter  nördlich, 
nach  dem  Itinerarmm  Antonini  nur  18  mü.  pass.  südlich  von  Berön  {Vetera 
Romanorum  itineraria  ed.  Wesseling  p.  193  sq.).  Plinius  H.  N.  V,  23,  81  nennt 
e«  Ohalcidem  cognominaiam  ad  Belum,  vgl.  auch  V,  20,  89.  Ueberhnupt: 
Ritter,  Erdkunde  XVII,  2,  1592  ff.  Benzingor  a.  a.  0.  —  Uoher  beide 
BtAdte:  Noris,  Annnn  et  epochac  p.  'iMl  aqq.  Marquardt,  Rönusrhe  Stimts- 
▼erwaltung  I,  400. 

21)  Strabo  XVI,  2,  is  p.  766.  -r-  Laodicea  am  Libanon  (nicht  zu  ver- 
wechseln mit  Laodicea  am  Meere)  lag  nach  dem  liincrnr.  Antonini  {cd.  Wessc- 
Hng  p.  198)  18  mü.  pata.  BÜdlich  von  Emesa.  Vgl.  Pauly's  Renl-Eiic  IV, 
763 f.    Furrer,  Zeitwjhr.  d.  DPV.  VIII,  31. 

22)  Jos.  Antt.  XIII,  16,  3:  o'c  ßttQk  ^v  t?  ndXn  yelxwv. 


[597.  598]    Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.  713 

V.  Chr.  unternahm  Aristobiil,  der  Sohn  der  Königin  Alexandra,  einen 
Zug  nach  Damascus,  angeblicli  um  es  gegen  Ptolemäus  zu  schützen 
[Antt  XIII,  16,  3.  Bell.  Jiid.  I,  5,  3).  Als  Pompejus  kam,  erkaufte 
sich  Ptolemäus  von  ihm  Straflosigkeit  durch  Zahlung  von  tausend 
Talenten  {Antt.  XIV,  3,  2).  Doch  zerstörte  Pompejus  die  Burgen 
im  Libanon  {Strabo  XVI,  2,  18  ^;.  755)  und  hat  ohne  Zweifel  auch 
das  Gebiet  des  Ptolemäus  in  ähnlicher  Weise  wie  das  jüdische  ver- 
kleinert"). Im  J.  49  nahm  Ptolemäus  die  Söhne  und  Töchter  des 
abgesetzten  und  eben  damals  von  der  pompejanischen  Partei  er- 
mordeten jüdischen  Königs  Aristobul  II  bei  sich  auf  {Antt.  XIV, 
7,  4.  Bell.  Jud.  I,  9,  2).  Im  J.  42,  als  Cassius  Syrien  verlassen 
hatte,  unterstützte  Ptolemäus  den  Antigonus,  den  Sohn  Aristobul's, 
bei  dessen  Bestreben,  sich  der  Herrschaft  in  Judäa  zu  bemächtigen 
{Antt.  XIV,  12,  1).  Ptolemäus  starb  zur  Zeit  des  parthischen  Ein- 
falls 40  V.  Chr.  {Antt.  XIV,  13,  3.  Bell.  Jud.  I,  13,  1).  —  Da  er 
nirgends  als  „König"  bezeichnet  wird  {Jos.  Antt.  XIV,  7,  4:  övva- 
örev(nv),  so  ist  es  möglich,  dass  die  Münzen  mit  der  meist  un- 
vollständigen Umschrift  UroXefiaiov  xBxgaQxov  xal  aQXisQ{tcog)  ihm 
gehören  2-*). 

Auf  Ptolemäus  folgte  sein  Sohn  Lysanias  {Jos.  Antt.  XIV, 
13,  3.  Bell.  Jud.  I,  13,  1),  der  also  das  Eeich  in  demselben  Um- 
fang, in  welchem  es  Pompejus  seinem  Vater  gelassen  hatte,  besessen 
haben  wird.  Dio  Cassius  nennt  ihn  „König  der  Ituräer"  {Dio  Cass. 
XLIX,  32).  Seine  Eegierung  fällt  in  die  Zeit  des  Antonius,  der 
auch  den  Ituräern  schwere  Abgaben  auferlegte  {Appian.  Civ.  V,  7). 
Auf  Betrieb  der  Kleopatra  liess  Antonius  den  Lysanias  im  J.  34 
(über  die  Zeitbestimmung  s.  oben  S.  362—364)  wegen  angeblicher 
Conspiration  mit  den  Parthern  hinrichten,  nachdem  er  bereits  im 
J.  36  einen  grossen  Theil  seines  Landes  der  Kleopatra  geschenkt 


23)  Auf  die  Unterwerfung  des  Ptolemäus  beziehen  sich  die  Notizen 
über  die  Unterwerfung  der  Ituräer  durch  Pompejus  bei  Appian.  Mithridat. 
106.    Eutrop.  VI,  14.     Qrosius  VI,  6. 

24)  Eck  hei,  Doctr.  Num.  III,  2Q3sq.  —  Mionnet,  Descripiion  de  medailles 
V,  145.  Suppl.  VIII,  119.  —  Munter,  De  rebus  Ituraeontm  p.  37.  —  Lenor- 
mant,  Trisor  de  mimismatique  p.  110  pl.  LVI  ti.  14.  —  Renan,  Memoires  de 
l'Acad.  des  Inscr.  XXVI,  2  p.  G2.  —  De  Saulcy,  Wiener  numismat.  Monats- 
hefte V,  1  S.  26—28.  —  Derselbe,  Me langes  de  Ntmiismatique  t.  III,  1882, 
p.  198  s^.  (auf  der  hier  mitgetheilten  Münze  ist  zu  lesen  .  .  .  Xfftai  . .  exQUQyi^o 
aQxi).  —  Imhoof- Blumer,  Porträtköpfe  auf  antiken  Münzen,  1885,  S.  44 
(bestreitet,  dass  das  Wort  XttX.xiö  auf  den  Münzen  sich  finde;  um  so  mehr 
bleibt,  bei  der  Lückenhaftigkeit  unserer  Kenntnisse,  die  Möglichkeit  offen, 
dass  die  Münzen  irgend  einem  uns  unbekannten  Ptolemäus  gehören).  — 
Jlead,  Historia  Numorum  (1887)  p.  655.  —  Catalogue  of  the  greek  coins  in  thc 
British  Museum,  Galatia  Cappadocia  and  Syria  (1899)  p.  279*5. 


714  Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.     [598.  599] 

hatte  {Jos.  Antt.  XV,  4,  1.  B.  J.  I,  22,  3.  Dio  Cass.  XLIX,  32)25). 
—  Da  Dio  Cassius  und  Porphyrius  ihn  „König"  nennen,  so  ist  es 
zweifelhaft,  ob  die  Münzen  mit  der  Aufschrift  Avöavlov  zFtQaQxov 
xal  aQxisQtcog  ihm  gehören,  denn  es  hat  auch  einen  oder  mehrere 
jüngere  Fürsten  dieses  Namens  gegeben^^).  Allerdings  gebrauchen 
die  Schriftsteller  zuweilen  den  Titel  ßaaiXsvg  in  ungenauer  Weise 
auch  von  Tetrarchen.  | 

Die  weitere  Geschichte  des  Landes  lässt  sich  nicht  mehr  im 
Zusammenhange  verfolgen.  Sicher  ist  aber,  dass  das  einst  ansehn- 
liche Eeich  des  Ptolemäus  und  Lysanias  allmählich  immer  mehr  in 
kleinere  Gebiete  zerstückelt  wurde.  Mit  Bestimmtheit  lassen  sich 
vier  verschiedene  Gebiete  unterscheiden,  welche  alle  aus 
dem  einstigen  Reiche  von  Chalcis  hervorgegangen  sind. 

1)  Um  das  Jahr  23  v.  Chr.  (wegen  der  Chronologie  s.  oben  S.  369) 
erwähnt  Josephus  einen  gewissen  Zenodorus,  welcher  das  ehe- 
malige Besitzthum  des  Lysanias  gepachtet  hatte  {Antt  XV,  10,  1: 
ifitfiio&coTO  tov  oixov  rov  Avöaviov,  Bell.  Jud.  I,  20,  4:  o  rov  Av- 
oaviov  ,u6fiio&co(itvog  oixov).  Dieser  Zenodorus  betheiligte  sich  an 
den  Räubereien  in  Trachonitis,  um  derentwillen  Trachonitis  damals 
dem  Machtbereich  des  Zenodorus  entzogen  und  dem  Herodes  ver- 
liehen wurde  (Antt.  XV,  10,  1—2.  B.  J.  I,  20,  4)27).  Drei  Jahre 
später,  im  J.  20  v.  Chr.,  starb  Zenodorus,  worauf  Augustus  auch 
sein  Land,  nämlich  Ulatha  und  Panias,  dem  Herodes  verlieh  {Anit. 
XV,  10,  3:  t;}»»  rovrov  fiolgav  ovx  oXiyrjv  ovöav  .  . .  OvXa&av  xal 
Uavtdda  xcd  t7/v  jttQi^  x^Q^^i  vgl.  Bell.  Jud.  I,  20,  4.  Bio  Cass. 
LI\',  9:  Zt]i>oöc6qov  rivoq  raxQaQxlavY^).     Eine  Schwierigkeit  be- 


25)  Hierauf  bezieht  sich  auch  die  Notiz  des  Porphyrius  bei  Eu^eb.  Chrmi. 
ed.  Schocne  I,  170:  Tf)  6"  hxxaidixazov  [seil.  Jahr  der  Klcopatra)  wvOjMaa^)/ to 
xal  7iQ<ürov,  ^nstöt]  rsXfvrrjaavrog  Avaif^äxov  r^g  iv  2!vQl(t  XakxiSoq  ßaatXiioq 
MuQxoi  *Avx(ovioq  o  avxoxQäxwQ  rt]v  xe  XaXxlöa  xal  xovq  ntQl  avxtjv  xonovq 
nagiSioxe  ry  Kk£onaxQu.  —  Statt  Avatfiäxov  ist,  wie  allgeuieiu  anerkannt  ist, 
zu  lesen  Avaavlov. 

20)  S.  die  Münzen  bei  Mionnet  Suppl.  VI  11,  119 f.  —  Munter,  De  rebus 
Jturficorum  p.  38.  —  Lenormant,  Trisor  de  numismatiquc  p.  11(5  s</.  pl.  LVI 
fi.  15 — 10,  —  Renan,  Mimoires  de  VAcad.  des  Inscr.  XXVJ,  2  p.  (i2  sq.  —  De 
Saitlcy,  Wiener  numiHmnt.  Monatshefte  V,  1,  8.  29.  —  Imhoof-Bluiner, 
l'orträtköpfe  8.  44,  Tafel  VI,  18.  —  Ilead,  Jlistoria  Numorump.  G55.  —  Catal. 
oj  the  Brit.  Mm,  p.  280.  —  Für  die  Frage,  ob  unser  LysaniaH  den  Titel  Te- 
trarch  gefOhrt  habe,  kommt  auch  die  in  Anm.  80  niitgotlieiltc  Inschrift  in 
Betracht. 

27)  Vgl.  Strabo  XVI,  2,  20p.  760:  HatakvBivtwv  vvvl  xdiv  negl  ZtjvöSwqov 

28)  Ulatha  ist  dio  Gegend  am  Merom-  oder  Bomechonitis-See,  der  noch 
heute  Hule-Be«  beisat  und  wohl  identisch  ist  mit  dem  in  der  rabbinischon 


[59i).  000]     Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.  715 

steht  hier  insofern,  als  Zenodorus  zunächst  nur  als  Pächter  des 
ohoq  Ävöaviov  erwähnt  wird,  dann  aber  doch  von  einem  eigenen 
Lande,  bei  Dio  Cassius  einer  „Tetrarchie"  desselben  die  Rede  ist, 
welche  Herodes  erhielt.  Man  könnte  geneigt  sein,  beides  für  ver- 
schiedene Gebiete  zu  halten.  Aber  hiergegen  spricht  der  Umstand, 
dass  Josephus  ihn  bei  der  ersten  Erwähnung  doch  vor  allem  nach 
seinem  eigenen  Lande  bezeichnet  hätte,  wenn  dies  von  dem  ge- 
pachteten verschieden  gewesen  wäre.  Man  wird  also  beide  für 
identisch  zu  halten  haben.  Dass  die  Gegend  von  Ulatha  und  Panias 
ehedem  zum  Gebiet  des  Lysauias,  d.  h.  zum  ituräischen  Reiche  ge- 
hört liat,  ist  ohnehin  wahrscheinlich,  da  letzteres  sich  bis  an  die 
Grenze  des  jüdischen  erstreckte  (s.  oben  S.  712)  Es  scheint  also, 
dass  Zenodorus  nach  dem  Tode  des  Lysanias  ein  Stück  seines 
Landes  von  Kleopatra  in  Pacht  genommen  hat  und  dass  ihm  dieses 
„gepachtete"  (tributpflichtige)  Gebiet  auch  nach  Kleopatra's  Tode 
mit  dem  Titel  eines  Tetrarchen  geblieben  ist-^^). 

Auf  einem  Denkmal  der  Dynastie  des  Lysanias  zu  Heliopolis, 
von  dessen  Inschrift  sich  freilich  nur  Bruchstücke  erhalten  haben, 
wird  ein  „Zenodorus  Sohn  des  Tetrarchen  Lysanias"  erwähnt^»). 
Man  versteht  darunter  fast  allgemein  unsern  Zenodorus  und  hält 
ihn  demnach  für  einen  Sohn  des  von  Antonius  hingerichteten  Ly- 
sanias. Wenn  dies  auch  wegen  der  Bezeichnung  des  Lysanias  als 
„Tetrarchen"  unsicher  ist  (s.  oben  S.  714),  so  ist  doch  ein  genea- 
logischer Zusammenhang  beider  Familien,  in  welchen  sich  die  Namen 
öfters  wiederholt  haben  mögen,  durch  die  Inschrift  erwiesen.  — 
Als  sicher  darf  gelten,  dass  die  Münzen  mit  der  Aufschrift  Zrivo- 
dcoQov  Ter QUQxov  xcä  aQxi£Qi<oi  unserem  Zenodorus  gehören'').  Sie 


Literatur   erwähnten   xribim    st?:'^   {Neuhauer,   La  geographü  du  Talmud  1868 
jj.  24,  27  sq.    Kohut,  Jeivish  Quarterly  Review  IV,  1892,  p.  690  sqq.). 

29)  Vgl.  über  Zenodorus  auch:  Prosopographia  imperii  Rotnani  III, 
493  f. 

30)  S.  die  Inschrift  im  Co}~p.  Inser.  Graee.  n.  4523,  bei  de  Saulcy,  Voyage 
autor  de  la  mer  morte,  Atlas  (1853)  pl.  LIII  n.  5,  Le  Bas  et  Waddington, 
Inscriptions grecques  et  latines  t.  III  n.  1880,  am  correctesten bei  Renan,  Mission 
de  Phenicie  p.  317 — 319,  und  mit  ausführlichem  Commentar  in  den  Memoires 
de  rAcademie  des  Insc?:  et  BcUes-Lettres  XXVI,  2,  p.  70—79.  —  Die  lesbaren 
Stücke  lauten,  mit  Renan's  Ergänzungen: 

....  d^vyäxTjQ  Ztjvoöwqoj  Avo[avlov  T]eTQdQxov  xal  Ava[aviq] 
....  [xal  Tot]g  vlolg  fi[vi^/xi]]q  z«V"'  [svaeßdüg]  ave^rjxev. 

31)  S.  die  Münzen  bei  Belley,  Memoires  de  l'Academie  des  Inscr.  et  Belles- 
Lettrcs,  alte  Serie  t.  XXVIII,  1761,  p.  545—556.  —  Echhel,  Doctr.  Num.  III, 
496^(7.  ~  Mionnet,  Deseription  de  medailles  V,  576.  Suppl.  VIII,  381.  — 
Munter,  De  rebus  Ituraeornm  p.  38 sq.  —  Renan,  Mhnoires  de  l'Acad.  XXVI, 
2  p.  63.  —  De  Saulcy,  Wiener  uumismat.  Monatshefte  V,  1  [1869]  S.  29— 32. 


716  Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.     [600.  601] 

haben  angeblich  die  Jahreszahlen  /LS;  Bns,  zn[i:\  d.  h.  280,  282, 
287  aer.  Sei.  oder  32,  30  und  25  vor  Chr.,  was  zu  unseren  Voraus- 
setzungen stimmen  würde ^^).  Indessen  sind  diese  Zahlen  sehr  zu 
bezweifeln,  denn  von  neueren  Numismatikern  ist  nur  das  Datum 
zn^Sl  mit  Sicherheit  gelesen  worden^^).  Da  diese  Münzen  zu- 
gleich die  Aufschrift  NE  KAI  {v£og  Kaloag)  und  den  Kopf  des 
Octavian  haben,  so  müssen  sie  nach  30  v.  Chr.  (Sturz  der  Kleo- 
patra),  aber  vor  27  v.  Chr.  (Augustus-Titel)  geprägt  sein.  Sie 
setzen  also  eine  Aera  voraus,  welche  zwischen  117  und  114  vor 
Chr.  beginnt,  d.  h.  in  der  Zeit,  in  welcher  beim  Zerfall  des  Seleu- 
cidenreiches  viele  Städte  und  Fürsten  sich  unabhängig  gemacht 
haben. 

Nach  dem  Tode  Herodes'  des  Grossen  ging  ein  Stück  der  ehe- 
maligen Tetrarchie  des  Zenodorus  auf  Herodes'  Sohn  Philippus 
über  {Antt.  XVII,  11,  4.  BeU.  Jud.  II,  6,  d)^^).  Dieses  Stück  meint 
wohl  der  Evangelist  Lucas  (3,  1),  wenn  er  sagt,  dass  Philippus 
auch  über  Ituräa  (rtjg  ^IrovQalac)  geherrscht  habe.  —  Die  Te- 
trarchie des  Philippus  erhielten  später  Agrippa  I  und  Agrippall. 

2)  Eine  andere  Tetrarchie  hat  sich  von  dem  ehemaligen  ituräi- 
schen  Eeiche  im  Osten,  in  der  Gegend  von  Abila  am  Libanon, 
zwischen  Chalcis  und  Damaskus,  abgezweigt.  Dieses  Abila  lagi 
nach  dem  Itinerarium  Antonini^^)  und  der  Peutinger'schen  Tafel 
18  mil.  pass.  von  Damaskus  an  der  Strasse  von  da  nach  Heliopolis, 
demnach  an  der  Stelle  des  heutigen  Dorfes  Suk  am  Barada,  wo 
sich  noch  Reste  einer  alten  Stadt  befinden.  Die  Lage  wird  be- 
stätigt durch  einen  Meilenstein,  welcher  zwei  römische  Meilen  von 
Suk  gefunden  wurde  und  die  Aufschrift  mü.  pass.  II  trägt^*^).  In 
der  Nähe  ist  in  der  Felswand  eine  Inschrift  angebracht,  auf  welcher 


Derselbe,  Annuairc  de  la  Sodete  fran^aise  de  Numismatique  et  d' Archeologie 
t.  V  (—  Seconde  Serie  1. 1)  fasc.  3,  1879,  p.  182  sq.  [Münze  mit  dem  Datum  Zu]. 
—  Madden,  Coins  of  the  Jewa  (1881)  p.  124.  —  Imhoof- Blumer,  Porträt- 
köpfe auf  antiken  Münzen,  1885,  S.  44,  Tafel  VI,  19.  —  Head,  Ilistoria  Nti- 
tnorum  (1887)  p.  663.  —  Cataloguc  of  the  greek  coins  in  the  British  Museum, 
Qalatia  Cappadocia  and  Syria  (1899)  p.  281. 

32)  Die  Jahreszahl  IIS  —  280  Sei.  oder  32  v.  Chr.  hält  Mionnet  für  un- 
volbtändig  (Mionnct  V,  676:  cctle  datc  ne  paroit  pas  enfiire).  Es  wäre  uuH'alleiul, 
wenn  Zenodorus  schon  dauialH,  als  Kleopatra  noch  herrschte,  den  Titel  „Tc- 
trarch"  angenommen  hätte. 

33)  So  von  de  Saulcy  a.  a.  O.  und  von  Wroth  (Katalog  des  Britischen 
Maiteum»  a.  a.  0.). 

34)  An  «ler  Stelle  Bell.  Jud.  II,  0,  3  ist  statt  ^lü/aveiav  zu  lesen  flaveidia, 
noch  Antt.  XV,  10,  .'J.    XVII,  8,  1.    Vgl.  oben  8.  425  Anm.  2. 

86)  Vetera  Uomnnoruin  itineraria  ed.  Wcssclinf/  p.  198. 
86)  Oiermont-Oanneau,  liecueü  d'arrhiol.  Orientale  II,  35—43  ^-^  Revue 
arehiol.  troü.  Strie  t.  30,  1807,  p.  234—242. 


[601.  602]    Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.  717 

es  lieisst,  dass  die  Kaiser  Marc  Aurel  und  L.  Verus  viam  fluminis 
vi  ahruptam  interdso  monte  restituerunt ....  inpendiis  Ahilenorum'^'). 
Ebenfalls  in  der  Nähe  zeigt  man  das  angebliche  Grab  des  Abel 
{Nehi  Abel),  offenbar  eine  Legendenbildung,  die  durch  den  Ortsnamen 
Abel  hervorgerufen  ist.  Die  Identität  von  Abila  mit  Suk  steht 
also  ausser  Zweifel'^).  Viel  unsicherer  ist  die  von  manchen  Numis- 
matikern befürwortete  Identificirung  einer  Stadt  Leukas,  von 
welcher  sich  zahlreiche  Münzen  erhalten  haben,  mit  unserem  Abila. 
Man  beruft  sich  dafür  auf  eine  Münze,  auf  welcher  ausser  den 
Worten  [Ä8vx]a6i(ov  K)mv[6u(ov]  auch  der  Name  des  Flusses  Xqvoo- 
Qoag  zu  lesen  ist.  Allerdings  hat  der  Barada  im  Alterthum  Chry- 
sorrhoas  geheissen,  und  es  hat  ausser  Damaskus  wohl  keine  an- 
dere Stadt  als  Abila  an  ihm  gelegen.  Aber  der  Name  Chry- 
sorrhoas  kommt  auch  sonst  vor  (s.  z.  B.  die  Inschrift  der  Gerasener 
Bd.  II  S.  143);  und  überdies  ist  auf  der  fraglichen  Münze  die  Be- 
zeichnung der  Stadt  erst  durch  Ergänzung  herzustellen  3^). 

Unser  Abila  war  vor  der  Zeit  Caligula's  die  Hauptstadt  einer 
Tetrarchie,  welche  von  Josephus  öfters  erwähnt  wird.  Beim  Re-| 
gierungsantritt  Caligula's  (37  nach  Chr.)  erhielt  Agrippa  I  ausser 
der  Tetrarchie  des  Philippus  auch  „die  Tetrarchie  des  Lysanias" 

37)  S.  die  Inschrift  z.  B.  bei  de  Saulcy,  Voijage  mitottr  de  la  mer  morte, 
Atlas  (1853)  pl.  LI,  Robinson,  Neuere  biblische  Forschungen  S.  625,  de  Sa  ulcy, 
Numismatiqtce  de  la  Terre  Sainte  p.  20,  LeBas  et  Waddington,  Inscriptions 
grecques  et  latines  t.  III  n.  1874,  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  III  «.  199.  Facsimile  bei 
Lepsius,  Denkmäler  aus  Aegypten  und  Aethiopien  Bd.  XII,  Blatt  101,  Inscr. 
Lat,  n.  64.  —  Die  Inschrift  lallt  nach  der  Titulatur  der  beiden  Kaiser  in  die 
Jahre  163—165  n.  Chr.  (s.  Waddington  zu  n.  1874  und  Mommsen  im  Corp. 
Itiscr.  Lat.). 

38)  S.  über  Abila  überhaupt:  Reland,  Palaestina  p.  b21  sqq.  —  Ritter, 
Erdkunde  XVII,  2,  S.  1278  0*.  —  Porter,  Five  years  in  Damaseus  (1855)  I, 
261  ft'.  —  Robinson,  Neuere  biblische  Forschungen  S.  623 — 631.  —  Sepp, 
Jerusalem  2.  Aufl.  II,  393  fl'.  —  Bädeker-Socin,  Palästina  3.  Aufl.  S.  339.  — 
Ebers  und  Guthe,  Palästina  I,  456 — 460.  —  Furrer,  Zeitschr.  des  deutschen 
Palästina- Vereins  VIII,  1885,  S.  40.  —  Geiz  er  in  seiner  Ausgabe  des  Geor- 
gius  Cyprius  1890,    S.  186.   —   Vigouroux,   Didionnaire  de  la  Bible  I.  50  s$. 

39)  S.  über  die  Münzen:  Belley,  Mimoires  de  l'Acadhnie  des  Inscr.  et 
Belles-Lettres,  alte  Serie,  t.  XXXII,  1768,  p.  695—706.  —  Eckhel,  Doctr.  Num. 
III,  337  sq.  —  Mionnet,  Descr.  de  mddailles  V,  308—310.  Suppl.  VIII,  214—216. 
—  Musei  Sanclementiani  Numismata  seleeta  P.  II  lib.  IV  p.  239-242.  — 
Leake,  Numismata  Hellenica  (1854)  p.  76.  —  De  Saulcy,  Numismatique  de 
la  Terre  Sainte  p.  20—29.  —  Gatalogue  of  the  greek  coins  in  the  Brit.  Mus., 
dal.  Capp.  and  Syr.  p.  296  sq.  —  Die  Identificirung  von  Leukas  und  Abila  isi 
zuerst  von  Belley  vorgeschlagen  und  namentlich  von  de  Saulcy  gebilligt 
worden.  Eckhel  äussert  sich  zurückhaltend  iquae  aliud  non  sunt  quam  con- 
jecturae  probabiles).  Gegen  die  Identität:  Raillard,  Wiener  Numismatische 
Zeitschr.  Bd.  26,  1894,  S.  1—4. 


718  Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.     [602.  603] 

(Äntf.  XVIII,  6,  10:  zfjv  Avoaviov  xeTQaQxiav).  Gemeint  ist  damit 
die  Tetrarchie  von  Abila.  Denn  als  Claudius  zur  Regierung  kam 
(41  n.  Chr.),  bestätigte  und  vergrösserte  dieser  den  Besitz  Agrippa's, 
indem  er  ihm  nunmehr  das  ganze  Reich  seines  Grossvaters  Herodes 
als  angestammtes  Erbe  überwies  und  dazu  noch  'JßUav  rtjv  Avoa- 
viov xal  ojtooa  ev  im  ALßavcp  ogsi  {Äntt.  XIX,  5,  1 ;  vgl.  Bell  Jud. 
II,  11,  5:  ßaoü.üav  rtjv  Avoaviov  xa^ovfitv?]v)*^).  Nach  dem  Tode 
Agrippa's  I  (44  n.  Chr.)  wurde  sein  Gebiet  von  römischen  Procura- 
toren  verwaltet.  Im  J.  53  nach  Chr.  aber  (im  13.  Jahre  des  Clau- 
dius) erhielt  Agrippa  II  die  ehemalige  Tetrarchie  des  Philippus 
sammt  Abila,  der  Tetrarchie  des  Lysanias  {Antt.  XX,  7,  1:  ovv 
'AßiXa  [Niese  ^Aße?.Xa],  AvOavia  öh  avz?]  kyeyovei  xexQaQxia,  vgl. 
Bell.  Jud.  II,  12,  8:  rrjv  rs  Avoaviov  ßaoiksiav). 

Aus  diesen  Stellen  sehen  wir,  dass  die  Tetrarchie  von  Abila 
vor  dem  Jahre  37  nach  Chr.  einem  gewissen  Lysanias  gehört 
hatte^^).  Da  nun  Josephus  früher  keinen  anderen  Lysanias  er- 
wähnt, als  den  Zeitgenossen  des  Antonius  und  der  Kleopatra  (40  bis 
36  vor  Chr.),  so  hat  die  theologische  Kritik  vielfach  gemeint,  dass 
es  inzwischen  auch  keinen  anderen  gegeben  habe,  und  dass  die  Te- 
trarchie Abilene  eben  von  jenem  älteren  Lysanias  ihren  Namen 
habe.  Das  ist  aber  unmöglich.  Lysanias  I  hat  das  ituräische 
Reich  in  demselben  Umfang  besessen  wie  sein  Vater  Ptolemäus. 
Dessen  Hauptstadt  war  Chalcis  (vgl.  besonders  auch  die  Stelle 
aus  Porphyrius,  oben  S.  714).  Das  Gebiet  von  Abila  hat  zwar  dazu 
gehört;  denn  das  Reich  des  Ptolemäus  grenzte  an  das  Gebiet  von 
Damaskus,  Aber  es  hat  sicher  nur  ein  kleines  Stück  jenes  ansehn- 
lichen, fast  den  ganzen  Libanon  umfassenden  Reiches  gebildet.  Un- 
möglich konnte  also  das  Gebiet  von  Abila  als  „die  Tetrarchie  des 
Lysanias"  bezeichnet  werden.  Es  darf  vielmehr  als  sicher  ange- 
nommen werden,  dass  inzwischen  das  abilenische  Gebiet  vom  Reiche 
von  Chalcis  abgetrennt  und  von  einem  Jüngern  Lysanias  als  Te- 
trarchen  verwaltet  worden  war. 

Die  Existenz  eines  jüngeren  Lysanias  wird  auch  bewiesen 
durch  folgende  bei  Abila  gefundene  Inschrift^^j;  | 

yjtt(^t  t7j^  xöjv  xvqIojv  2£\ßaOTd)v] 
ocortjoiiCi:  x(cl  rov  ov(i[jcavTog\ 


40)  Ea  handelt  sich  hier  in  Betrefl' Abila'»  nicht  um  eine  neue  Schenkung, 
■oodeni  nur  um  eine  Bostfitigung  der  Schenkun^^  Caliguia'H. 

41)  Die  Bexeicbnung  als  ßaatktla  Bell.  Jtul.  U,  11,  5  und  12,  8  int  ofronbar 
ungenau. 

42)  Corp,  Jtuor.  Oraee.  n.  4521  (vgl.  Addenda  p,  1174)  —  Renan,  Mimoircs 
de  FAead.  de»  Iruor.  et  BelUe-Lätres  i.  XXVI,  2,  p.  (37. 


[603 j  Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.  719 

avTcöv  oLxov,  Nvf/xpalog  .... 

Avoaviov  reTQaQXOV  ajceXelvd^SQog] 

rrjv  oöov  xtiöag  x.  x.  X. 
Da  an  der  Richtigkeit  der  Ergänzung  ^e[ßaorööv]  nicht  zu 
zweifeln  ist,  so  kann  die  Inschrift  nicht  früher  als  zur  Zeit  des 
Tiberius  gesetzt  sein.  Denn  mehrere  Augusti  hat  es  früher  nie 
gegeben.  Die  ersten  gleichzeitigen  Zkßaozoi  sind  Tiberius  und 
seine  Mutter  Livia,  welche  seit  dem  Tode  des  Augustus  auf 
Grund  letztwilliger  Verfügung  desselben  den  'YiitX  Äugusta  führte* ä). 
Zur  Zeit  des  Tiberius,  also  mindestens  fünfzig  Jahre  nach  dem 
Tode  des  Lysanias  I,  wird  aber  ein  Freigelassener  desselben 
schwerlich  noch  eine  Strasse  gebaut  und  einen  Tempel  errichtet 
haben,  wie  auf  der  Inschrift  gesagt  wird.  Ohne  Zweifel  ist  Nym- 
phäus  der  Freigelassene  eines  jüngeren  Tetrarchen  Lysanias. 
—  Auch  die  oben  S.  715  mitgetheilte  Inschrift  von  Heliopolis 
macht  es  wahrscheinlich,  dass  es  mehrere  Fürsten  Namens  Lysanias 
gegeben  hat.  —  Wenn  also  der  Evangelist  Lucas  (3,  1)  vor- 
aussetzt, dass  im  fünfzehnten  Jahre  des  Tiberius  ein  Lysanias 
Tetrarch  von  Abilene  gewesen  ist,  so  wird  das  seine  volle  Richtig- 
keit haben-*^).  | 


43)  Tacit.  Amial.  I,  8:  Livia  in  familiam  Julmm  nomenqne  Augusfiivi  ad- 
sumebatur.  Tiberius  und  Livia  (Julia)  als  Sfßaaxoi  auch  auf  einer  palästi- 
nensischen Münze  [Eckhel,  Doctr.  Num.  III,  497) ;  doch  ist  freilich  deren  Lesung 
zweifelhaft  [Madden,  Coins  of  the  Jetvs  p.  180).  —  Für  obiges  ürtheil  auch: 
Corp.  Inscr.  Graec.  t.  III  p.  1174  {Addenda  zu  n.  4521).  Renan,  Memoires 
p.  {38  sq.  (mit  Berufting  auf  Renier  und  Waddington).  —  Wieseler,  Beiträge 
zur  richtigen  Würdigung  der  Evangelien  S.  191  hält  die  beiden  Ssßaaroi  für 
Augustus  und  Tiberius,  welch'  letzterer  schon  in  den  letzten  Jahren  des  Augustus 
auch  den  Titel  Seßaaroq  geführt  habe.  Dies  widerspricht  aber  allem,  was  wir 
sonst  wissen,  und  ist  durch  das  unsichere  Datum  der  Münzen,  auf  welche  sich 
Wieseler  S.  190  beruft,  nicht  zu  erweisen.  Vgl.  gegen  Wieseler's  Meinung: 
Mommsen,  Eömisches  Staatsrecht  II,  2  (1.  Aufl.  1875)  S.  731—733.  772  f. 
1064  ff'. 

44)  Ueber  die  Existenz  dieses  jüngeren  Lysanias  (und  überhaupt  über 
Luc.  3,  1)  s.  pro  und  contra,  ausser  der  oben  S.  707  genannten  Literatur,  auch 
noch:  Frid.  Oott.  Süskind,  Symbolue  ad  illustr.  quaedam  ecangeliorum  loca 
(in:  Sylloije  commmtt.  ed.  Pott  vol.  VIII,  1807,  p.  90—99).  —  Schnecken- 
burger,  Üeber  Luc.  3, 1  (Theol.  Stud.  und  Krit.  1833,  S.  1056  fl'.).  —  Süskind 
(Sohn  des  obigen).  Einige  Bemerkungen  zu  den  Worten  u.  s.  w.  Luc.  3,  1 
(Theol.  Stud.  und  Krit.  1836,  S.  431-448).  —  Strauss,  Leben  Jesu  I  (4.  Aufl. 
1840)  S.  841  ff.  —  Hug,  Gutachten  über  das  Leben  Jesu  von  Strauss,  1840, 
S.  119—123.  —  Wieseler,  Chronologische  Synopse  (1843)  S.  174—183.  — 
Ebrard,  Wissenschaftliche  Kritik  der  evangel.  Geschichte  (3.  Aufl.  1868) 
S.  234—239.  —  Lichtenstein,  Lebensgesch.  des  Herrn  Jesu  Christi  (1856) 
S.  130 — 136.  —  Win  er  ßealwörterbuch  Art.  „Abilene".  —  Kneuckerin 
Schenkel's  Bibellexikon  I,  26— 28  (Art.  „Abilene").  —  Sevin,  Chronologie  des 


720  Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.  [604] 

Die  Tetrarchie  des  Lysanias  ist  im  Besitze  Agrippa's  II  wohl 
bis  zu  dessen  Tode  (100  n.  Chr.)  geblieben.  Der  Name  des  Lysa- 
nias haftete  aber  noch  lange  an  dem  Orte.  Noch  bei  Ptolemaeus 
V,  15,  22  heisst  Abila  "AßiXa  sjcixkrjO^elöa  AvOaviov,  vermuthlich 
weil  Lysanias  nicht  nur  einstiger  Besitzer,  sondern  Neugründer 
der  Stadt  war  (vgl.  Cäsarea  Philippi). 

3)  Die  Gebiete  des  Zenodorus  und  Lysanias  lagen  an  der  Peri- 
pherie des  ehemaligen  ituräischen  Eeiches.  Gegen  die  eigentlichen 
Ituräer  unternahm  zur  Zeit  des  Quirinius  dessen  Unterfeldherr 
Q.  Aemilius  Secundus  eine  kriegerische  Expedition,  wie  er  uns 
selbst  auf  einer  Inschrift  berichtet  {missu  Quirini  adversus  Ituraeos 
in  Lihano  monte  castellum  eorum  cepi)*^).  Vielleicht  hat  eben  da- 
mals eine  Zerstückelung  des  ituräischen  Reiches  stattgefunden. 
Jedenfalls  haben  zur  Zeit  des  Claudius  ein  Königreich  Chalcis 
und  ein  ituräisches  Reich  neben  einander  bestanden.  Im 
J.  38  nach  Chr.  verlieh  Caligula  einem  gewissen  Soemus  die  Herr- 
schaft über  die  Ituräer  {Dio  Cass.  LIX,  12:  2oa'incp  t7]v  rvöv'lrv- 
Qtticov  rmv  ^Agaßatv  .  .  .sxaQioaToY^).  Dieser  Soemus  starb  im  J. 
49  n.  Chr.,  worauf  sein  Land  der  Provinz  Syrien  einverleibt  wurde 
{Tacit.  Annal.  XII,  23:  Ituraeique  et  Judaei  defunctis  regibus  Sohaemo 
atque  Agripj^a  provinciae  Sunae  additi).  Zu  gleicher  Zeit  hat  aber 
in  Chalcis  ein  Herodes  regiert,  so  dass  jetzt  das  einstige  Reich 
des  Ptolemäus  und  Lysanias  in  mindestens  vier  Gebiete  zertheilt 
war.  Das  Reich  des  Soemus  hat  vermuthlich  die  nördlicheren 
Theile  (etwa  von  Heliopolis  bis  Laodicea  am  Libanon)  umfasst"*'). 

Als  beim  Tode  des  Soemus  dessen  Gebiet  eingezogen  wurde, 
scheint  sein  Sohn  Varus  (oder  Noarus,  wie  er  B.  J.  II,  18,  6 
heisst)*^)  mit  einem  kleinen  Stücke  abgefunden  worden  zu  sein, 
das  er  freilich  auch  nur  bis  zum  J.  53  n.  (^hr.  behielt.    In  diesem 


Lebens  Jesu  (2.  Aufl.  1874)  S.  106—112.  —  Keim,  Leben  Jesu  I,  618 f.  Der- 
selbe, Au8  dem  Urchristenthum  (1868)  8.  9—13.  —  Bleek,  Synoptisclie  Er- 
klärung der  drei  ersten  EvHiigelien  I,  18G2,  8.154 — 157.  —  Krenkel,  Josephus 
und  Lucas  (1894)  S.  95  i\'.  l-)ie  Commentare  zum  Neuen  Testamente  von  Meyer, 
Holtzmann  (Handkouimcutar)  und  Anderen  (zu  Luc.  3,  1). 

45)  Kphemeria  epiffraphica  vol.  IV,  1881,  p.  538  <-■  Oorp.  Inscr,  Lat.  t.  MI 
Suppl.  n.  6687. 

46)  Der  Name  Soemus  findet  sich  auch  bei  der  Dynastie  von  Emesa. 
Ein  Iturfier  Soemu«  zur  Zeit  Herodes'  des  GroHson:  And.  XV,  6,  5;  7, 1—4. 

47)  Die  Stadt  Heliopolis  kann  nicht  diizu  geliört  haben,  da  sie  seit 
AugUHtuH  römische  Oolonio  war  (Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  I, 
1881,  H.  428). 

48)  Uebcr  den  Namen  Noarus  s.  Oorp.  Inscr.  Oraec.  n.  4595.  8652. 
lienan,  Mifuioii  de  PMnioic  p.  146.  109.  Waddint/lon ,  Inaeriptions  n.  2114 
'NouIqov),  2412»»  (iVo/lpov). 


{604.  605]    Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.  721 

Jahre  verlieh  nämlich  Claudius  dem  Agrippa  II  ausser  den  Te- 
trarchien  des  Philippus  und  Lysanias  auch  r?jv  OvaQov  ytpo/itprjv 
xiTQac>Xlav  (so,  nicht  hJtaf^r/Jav,  ist  Bell.  Jitd.  II,  12,  8  zu  lesen; 
über  die  Zeit:  Antt.  XX,  7,  1).  Dieser  Xanis  war  |  aber  nach  Jos. 
Vita  11  wahrscheinlich  ein  Sohn  des  im  J.  49  verstorbenen  Soemus 
{Ovä(>og  ßaOi?uxov  yivovq,  ixyovog  ^ot'fiöv  rov  jttQl  xov  Aißavov 
xt  TQaQxovpxog)  *  ^j . 

Nach  der  Verbindung  des  ituräischen  Gebietes  mit  der  Provinz 
Syrien  haben  dort  regelmässige  römische  Truppenaushebungen  statt- 
gefunden. Wir  linden  ituräische  alae  und  cohortes  seit  den 
letzten  Decennieii  des  ersten  Jahrhunderts,  einzelne  auch  schon 
früher,  in  weit  entfernten  Provinzen  des  römischen  Reiches'^").  | 


49)  Die  Identität  des  au  der  letzteren  Stelle  erwähnten  Soemus  mit  dem 
im  J.  49  verstorbenen  ist  allerdings  nicht  ganz  sicher,  da  es  zur  Zeit  des  Nero 
und  Vespasian  auch  einen  Soemus  von  Emesa  gegeben  hat  {Jos.  Ätitt.XX, 
8,  4.  Bell.  Jml.  II,  18,  9.  III,  4,  2.  VII,  7,  1.  Tacä.  Hist.  II,  81.  V,  1).  Für 
die  Beziehung  auf  letzteren  könnte  das  Präsens  xeTQOQXOvvTo:;  geltend  gemacht 
werden.  Allein  dieses  grammatische  Argument  ist  nicht  entscheidend  (vgl. 
Winer's  Granunatik  §  45,  7);  und  den  König  von  Emesa  würde  Josephus  nicht 
als  xov  TteQt  xov  Aißavov  xexQaQ/ovvta  bezeichnet  haben;  namentlich  nicht, 
wenn  er  zugleich  auch  das  weit  entfernte,  jenseits  des  Euphrat  nördlich  von 
Edessa  liegende  Sophene  beherrschte,  wie  mau  nach  Tacit.  Antial.  XIII,  7 
wohl  annehmen  muss.  —  Krenkel  (Josephus  und  Lucas  S.  93)  macht  für  die 
Identität  des  Vita  11  erwähnten  Soemus  mit  dem  Könige  von  Emesa  nament- 
lich geltend,  dass  Josephus  nur  diesen,  nicht  aber  den  aus  Dio  Cassius  und 
Tacitus  bekannten  Beherrscher  der  Ituräer,  auch  sonst  erwähne.  Dieses  Ar- 
gument will  aber  nichts  besagen,  da  Josephus  keinen  Anlass  hatte,  die  Ver- 
schiedenheit beider,  an  verschiedenen  Orten  erwähnten  Herrscher  hervorzu- 
heben. —  Vgl.  über  die  verschiedenen  Soltaemi  auch  Prosopofjr.  imi>crii 
Romani  III,  251. 

50)  Die  Inschriften  geben  hierüber  folgende  Daten  (vgl.  das  Verzeichniss 
von  Mommsen,  Ephemer is  cpifjrap/tica  vol.  V,  1884,  //.  194,  und  bes.  Cicho- 
rius  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  I,  1250  [Art.  ala]  und  IV,  305—307  [Art. 
cohors]). 

Die  ala  I  Aiigusta  Ituraeorum  stand  im  Jahr  98  nach  Chr.  in  Pan- 
nonien  {Corp.  Inser.  Lat.  t.  III  p.  862,  Diplom.  XIX),  im  Jahr  110  nach  Chr. 
in  Dacien  {CIL.  t.  III  p.  868,  Dipl.  XXV),  im  J.  167  wieder  in  Pannonien 
{CIL.  t.  III  p.  888,  Dipl.  XL  VI).  —  Vgl.  auch  Corp.  Inser.  Lat  t.  III,  ii.  1382. 
3446.  3677.  4367.  4368.  4371.  Corp.  Inser.  Rhenan.  ed.  Brambaeh  n.  2003.  — 
Eine  Weiheinschrift  für  den  Jupiter  von  Heliopolis,  gewidmet  von  einer  rexil- 
latio  alae  Ituraeorum,  also  einem  abcommandirten  Detachement  dieser  ala, 
findet  sich  zu  Rom  {Corp.  Inser,  Lat.  t.  VI  n.  421). 

Die  cohors  I  Auyusta  Ituraeorum  stand  im  Jahr  80  nach  Chr.  in 
Pannonien  {Corp.  Inser.  Lat.  t.  III  p.  854,  Diplom.  XI),  im  Jahr  98  auch  noch 
in  Pannonien  {CIL.  III  p.  862,  Dipl.  XIX),  im  J.  110  in  Dacien  {CIL.  III  p.  868, 
Dipl.  XXV);  ebendaselbst  auch  noch  im  J.  158  [CIL.  III  Suppl.  p.  1989).  — 
Vgl.  auch  Corp.  Inser.  Rhenan.  ed.  Brambaeh  n.  1099. 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  4(} 


722  Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  uucl  Abilene.  [606] 

4)  Die  Geschichte  von  Chalcis,  dem  Centrum  des  einstigen 
ituräischen  Eeiches,  ist  uns  vom  Tode  der  Kleopatra  bis  zum  Re- 
gierungsantritt des  Claudius  nicht  bekannt.  Der  Kaiser  Claudius 
schenkte  es  bei  seinem  Regierungsantritt  (41  n.  Chr.)  einem  Enkel 
Herodes'  des  Grossen,  der  ebenfalls  Herodes  hiess^').  Er  war 
ein  Bruder  Agrippa's  T,  also  Sohn  AristobuFs,  des  Sohnes  Herodes' 
des  Grossen  ^2). 

Herodes  von  Chalcis  hatte  den  Titel  ßaciXevg  und  prätori- 
schen  Rang^^)^  _  yy  -v^^^r  zweimal  verheirathet.    Seine  erste  Ge- 


Die  eohors  I  Ituraeorum  (verschieden  von  der  vorigen)  stand  im  J.  HO 
nach  Chr.  in  Dacien  {Corp.  Inscr.  Lat.  t.  III  p.  868,  Diplom.  XXV).  —  Vgl. 
auch  Corp.  Inscr.  Rhenan.  ed.  Bravihach  n.  1233.  1234.  1289.  Xotitia  cW/nitaUim 
Occidentis  XXVI,  16  [ed.  Seeck  p.  178). 

Die  eohors  II  Ituraeorum  stand  schon  im  J.  39  n.  Chr.,  zur  Zeit  Cali- 
gula's,  in  Syene  an  der  Südgrenze  von  Oberägypten  (Bevtie  archeol.  trois.  Serie 
t.  XXVIII,  1896,  p.  252  =  Proceedimjs  ofthe  Society  of  Bihl.  Archaeol.  vol.  XVIII, 
1896,  p.  108  sq. ;  die  hier  ohne  nähere  Bezeichnung  erwähnte  coh.  Itur.  ist  nach 
dem  Folgenden  höchst  wahrscheinlich  die  coh.  II  Iftir.).  Unter  den  Besatzungs- 
truppen von  Oberägypten  kommt  sie  auch  vor  auf  einem  Militärdiplom  vom 
J.  83  n.  Chr.  [Ephemeris  epigr.  vol.  V,  1884,  p.  612  s<^.  ==  Corp.  Insci:  Lat.  t. 
III  Stippl.  p.  1902).  Im  J.  98  n.  Chr.  finden  wir  sie  noch  in  Syene  (Revue 
archeol.  l.  c).  Griechische  Inschriften  an  den  Tempeln  zu  Talmis,  Pselchis 
und  Hiera-Sycaminus  (sämmtlich  an  der  Grenze  von  Oberägypten  und  Aethi- 
opien)  aus  der  Zeit  des  Hadrian  und  Antoninus  Pius  bezeugen,  dass  dort 
Soldaten  dieser  Cohorte  angebetet  haben  {Corp.  Inscr.  Oraec.  n.  5050.  5081. 
5110).  —  Später  stand  sie  in  Unterägypten  {Notitia  dignitatnm  orientis  XXVIII, 
44  ed.  Seeck  p.  60).  —  Noch  einiges  Material  s.  bei  Cichorius  a.  a.  O. 

Die  eohors  III  Ituraeorum  stand  im  Jahr  83  nach  Chr.  in  Oberägypteu 
(Ephemeris  epigr.  rot.  V  p.  612  s«;,  =  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  III  Su])pt.  p.  1962). 
Sie  hatte  vorübergehend  auch  den  Wachdienst  bei  den  Steinbrüchen  von  Pto- 
lemais  Hermiu  {Saijce,  Revue  des  ettules  grecques  t.  I,  1888, /j.  311 — 317  =  Ephe- 
meris epigr.  VII  p.  427).  —  Vgl.  auch  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  VIII  n.  2394.  2395 
U  IX  n.  1610. 

Eine  eohors  VII  Ituraearum  wird  augeblich  erwähnt  auf  einer  Inschrift  an 
der  Memnonstatue  bei  Theben  {Corp.  Inscr.  Lat.  t.  III  n.  59).  Man  darf  aber 
vennuthen,  dass  dort  statt  VII  zu  lesen  ist  III. 

Ein  XnaQXOQ  antiQriq  *IroiQalwv  (ohne  Angabc  der  Nummer)  kommt  vor 
auf  einer  Inschrift  in  l'hrygien  (Mittheilungen  des  archüol.  Instituts,  Atheiiisclie 
Ahth.  Bd.  XXII,  1897,  S.  39 1. 

Auf  Entsendung  ituräischcr  Truppen   nach  Mösien   bezieht  sich  vielleicht 
diu  fragmenturisi'hc  IiiHchrift  bei  Le  Ras  et  Waddington,  Inscriptions  grecques  et 
latinrs  t.  III  n,  2120  (zu  cl-llit,  nördlich  vom  Hauran): 
....  tjitXdov  xov  fli  Moialtt  .... 
....  xov{falwv  xid  axQtiXTi  .... 

51)  Anti.  XIX,  5,  1.    Ml.  J,„l.  II,  II,  5. 

&2)  Antt.  XVIII,  5,  4.    11  ./.  I,  2H,  1. 

53)  AU  ßuaiXtvi  wird  er  stets  von  Josephus  bezeichnet.  Prätorischcn  K.'inK 
{orfar^yixffv  ä^lutfia):  Dio  Caaa,  LX,  8. 


[606.  607]    Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.  723 

mahlin  war  Mariaiume,  eine  Enkelin  Herodes  des  Grossen.  Von 
ihr  erhielt  er  einen  Sohn  Aristobul  ^^},  der  sich  mit  Salome,  der 
Tochter  der  Herodias  und  Wittwe  des  Tetrarcheu  Philippus,  ver- 
mählte und  von  Nero  die  Herrschaft  über  Kleinarmenien  erhielt  *5). 
Die  zweite  Gemalilin  des  Herodes  war  Berenike,  die  Tochter 
seines  Bruders  Agrippa,  welche  ihm  dieser,  nachdem  ihr  erster 
Verlobter  Marcus,  ein  Sohn  des  Alabarchen  Alexander  von  Ale- 
xandria, gestorben  war,  zur  Ehe  gab  ^").  Von  ihr  erhielt  er  zwei 
Söhne,  Berenikianos  und  Hyrkanos"). 

Bei  der  Fürstenversammlung,  welche  einst  von  Agrippa  I 
nach  Tiberias  berufen,  aber  durch  den  römischen  Statthalter  Mar sus 
so  übel  gestört  wurde,  finden  wir  auch  unsern  Herodes  anwesend  **^). 
Nach  dem  Tode  Agrippa's  I  (44  n.  Chr.)  erbat  er  sicli  —  und  dies 
ist  der  Punkt,  um  dessent willen  er  auch  für  die  jüdische  Geschichte 
von  Interesse  ist  —  vom  Kaiser  die  Oberaufsicht  über  den  Tempelj 
und  den  Tempelschatz,  sowie  das  Recht,  die  Hohenpriester  zu  er- 
nennen. Seine  Bitte  wurde  ihm  gewährt;  und  er  machte  auch  durch 


54)  Änit.  XVIII,  5,  4.    XX,  5,  2.    B.  J.  II,  11,  6. 

55)  Antt.  XVIII,  5,  4.  XX,  8,  4.  B.  J.  II,  13,  2.  Taeit  Ann.  XIII,  7. 
XIV,  26.     Ueber  Münzen  desAristobul  und  der  Salome  s.  unten  Anui.  64. 

56)  Antt.  XIX,  5,  1.  Man  kann  im  Zweifel  sein,  ob  Berenike  mit  Marcus 
nur  verlobt  oder  verheirathet  war.  Die  Worte  des  Josephus  lauten  a.  a.  O. 
(nachdem  er  von  dem  Alabarchen  Alexander  gesprochen  hat):  xal  avxov  vloq 
BsQSvlxTjv  vfjv  hygimtov  yaftel  &vyav£Qa.  xal  xavrriv  (itv  {xsXevxü  yag  Müq- 
xoq  o  xov  'AXe^GvÖQov  vloq)  nuQ&tvov  kaßwv  dösXtfiö  xi5  avxov  !4ypin7iag 
'HQcööy  ölöiuaiv,  XaXxlöoq  avxüi  xijv  ßaatXslav  iivai  aixTiaä/isvoQ  naQcc  Kkav- 
öiov.  Construirt  man  so,  wie  es  hier  durch  die  Klammern  angedeutet  ist,  so 
war  Berenike  mit  Marcus  nur  verlobt.  Dieser  Autlassung  folgt  die  lateinische 
Uebersetzung  der  Ausgaben  von  Hudson,  Havercamp,  OberthOr;  auch  üsser, 
in  neuerer  Zeit  z.  B.  Ewald,  Gesch.  des  Volkes  Israel  VI,  344 f.  Gegen  diese 
Fassung  hat  schon  der  Engländer  R.  Ibbetsonin  einer  Anmerkung  zu  Hud- 
son's  Ausgabe  (am  Schluss  des  zweiten  Bandes,  Addenda  zu  p.  865,  auch  ab- 
gedr.  bei  Havercamp,  Anm.  zu  XIX,  5,  1)  das  vorhergehende  yafiel  geltend 
gemacht.  Er  zieht  daher  nagd^hov  Xaßtöv  noch  zur  Parenthese.  So  auch 
Dindorf,  Bekker,  Niese,  Naber  in  ihren  Ausgaben;  auch  Wilcken  in  Pauly- 
Wissowa's  Real-Enc.  III,  287  (Art.  Berenike).  Bei  dieser  Auflassung  ist  aber 
das  nagB^svov  Xaßmv  gänzlich  unmotivirt,  während  es  bei  der  anderen  einen 
guten  Sinn  giebt.  Es  kommt  dazu,  dass  Berenike  beim  Tode  ihres  Vaters 
(44  n.  Chr.)  erst  16  Jahre  alt  war  {Antt.  XIX,  9,  1),  also  bei  ihrer  Heirath 
mit  Herodes  von  Chalcis,  die  etwa  gleichzeitig  mit  seiner  Ernennung  zum 
König,  41  n.  Chr.,  zu  setzen  sein  wird,  etwa  13  Jahre,  ifiine  vorhergehende 
Ehe  ist  doch  recht  unwahrscheinlich.  Mir  scheint  also  trotz  des  ya/xsl,  das 
nur  von  der  beabsichtigten  Ehe  zu  verstehen  sein  wird,  die  erste  Auflassung 
den  Vorzug  zu  verdienen. 

57)  Antt.  XX,  5,  2.    B.  J.  II,  11,  6. 

5Sj  Antt.  XIX,  8,  1.    Vgl.  oben  S.  556. 

46* 


724  Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcis,  Ituräa  und  Abilene.  [607] 

mehrmalige  Ab-  und  Einsetzung  von  Hohenpriestern  von  seinem 
Rechte  Gebrauch  ^^). 

Auf  seinen  Münzen  nannte  er  sich  ^iXoxXavöiog  —  eine  natür- 
liche Huldigung  für  den  Kaiser,  welchem  er  seine  ganze  Herrlich- 
keit zu  danken  hatte '•'^).  Ob  eine  Ehreninschrift  der  Athener  für 
einen  '^Hgqjörjg  Evotßi^q  xcu  ^u.oxaicaQ  auf  ihn  zu  beziehen  ist,  er- 
scheint fraglich^''). 

Er  starb  nach  etwa  siebenjähriger  Regierung  im  8.  Jahre  des 
Claudius,  48  n.  Chr.  Sein  Königreich  erhielt,  doch  wahrscheinlich 
erst  etwas  später,  sein  Neffe  Agrippa  IP-). 

Agrippa  blieb  im  Besitze  von  Chalcis  nur  bis  zum  Jahre  53 
n.  Chr.,  wo  er  gegen  Herausgabe  dieses  Landes  ein  grösseres  König- 
reich erhielt '^^).  Die  Geschichte  von  Chalcis  verschwindet  damit 
für  uns  wieder  in  der  Dunkelheit.  Zwar  wird  zur  Zeit  Yespasian"s 
ein  König  Aristobul  von  Chalcidice  erwähnt,  der  möglicher- 
weise identisch  ist  mit  dem  Sohne  des  Herodes  von  Chalcis  und 
Könige  von  Kleinarmenien^^).    Allein,   auch  wenn   man  dies  zu- 


59)  Antt.  XX,  1,  3.   5,  2.    Vgl.  Bd.  II,  S.  170. 

6())  Die  Münzen  bei  Echhel,  Doctr.  Niim.  111,  A92.  Mionnet,  Description 
de  mcdaüles  V,  569 sg-.  Suppl.  VIII,  380.  Lenormant,  Trisor  de  numis- 
matiquc  p.  127,  pl.  LX  n.  8—10.  Im hoof- Blumer,  Porträtköpfe  auf  antiken 
Münzen  (1885),  S.  44  Tafel  VI,  20.  —  Unserem  Herodes  haben  manche  Nuniis- 
matiker  auch  eine  kleine  Kupfermünze  mit  einem  Adler  und  der  Aufschrift 
BaaiX.  HgwS.  zugeschrieben  (so  Cavedoni,  Bibl.  Numismatik  II,  35,  Levy, 
Gesch.  der  jüd.  Münzen  S.  82,  Madden,  Histori/  of  Jeinsli  Coiiiagc  p.  111 — 113). 
Allein  der  Umstand,  dass  die  Münzen  in  Jerusalem  gefunden  wurden,  spricht 
für  die  Beziehung  auf  Herodes  den  Grossen,  und  das  Bild  des  Adlers  ent- 
scheidet nicht  dagegen  (so  de  Saulcy,  Recherche^  sur  la  Kitmismatiqne  jitdäique 
;).  131,  Wieseler,  Beiträge  zur  richtigen  Würdigung  der  Evangelien  S.  86— 88, 
Madden,  Coins  of  thc  Jews  p.  114  [mit  Zurücknahme  seiner  früheren  Ansieht!). 

Gl)  Corp.  Inacr.  Attic.  III,  1  n.  551  (zu  Athen):  fO  6]i\fJL0i  \ßaai).]i:a  ^Hqw- 
itjv  Evofß^  xal  4>i?.oxalaaQa  [d]QerJjg  i'vsxa  xal  evegysalaq.  —  Eine  andere 
Inschrift  zu  Athen  iCorp.  Iiiscr.  Attic  HI,  1  n.  550)  ehrt  in  ähnlicher  Weise 
einen  ßaaiUa  'HQifdrjv  <Pi).OQWfiatov.  —  Wegen  der  verschiedenen  Titulatur 
wird  man  beide  auf  vcrst-hiedene  Männer  zu  beziehen  iiaben;  und  es  sdieint, 
nach  dem  sonst  nachweisbaren  Alter  der  Titel,  am  angcniessciisten,  v.  550  auf 
Herode«  den  Grossen,  n.  551  auf  Herodes  von  Chalcis  zu  beziehen.  Sclnvicriir- 
kciten  macht  aber,  dass  dieser  sich  auf  Münzen  4'ikox).aiöioQ  nennt. 

62)  Antt.  XX,  5,  2.    B.  J.  II,  11,  6.    12,  1. 

63)  Antt.  XX,  7,  1.   B.  J.  II.  12,  8. 

64)  Bell.  .lud.  VII,  7,  1:  Tf/i  fihv  XnkxtAtxTiq  Xfyofjii'vriq  '.AQtatößovloq.  — 
Vgl.  über  Aristobul  atich  /'rosopot/ra/ifiin  ivipnii  It'oinani  1,  134.  Eine 
MQnze  uUH  der  Zeit  Ncro's  mit  der  Aufschrifi  l{aoihü)(;  Ai>iaxoßov).ov  ET  H 
(Jatirb),  NfQwn  K).ttr6i<u  Kaiaaift  ^fßaaxo)  VfQfiavixo)  giebt  Cuviont  {Uente 
ffumiHTnatiquc,  quatr.  Sirie  t.  IV,  lOüO,  p.  484»«/.).  Sic  ist  in  Nikopolis  in 
Kleinarincnicn  gelinden,  aber  in  Syrien  geprägt,  wie  die  Stilverwandtschaft 
bcwi'lnt.    Eine  Münze  au«  der  Zeit  Vespaaians  mit  der  Aufschrift  VAfaJ.fw^ 


[G07.  608]    Beilage  I:  Geschichte  von  Chalcif,  Ituräa  und  Abileue.  725 

giebt,  1  ist  es  sehr  fraglich,  ob  unter  Chalcidice  das  Gebiet  unseres 
Chalcis  ad  Lihanum  oder  das  Gebiet  von  Clialcis  ad  Belum  zu  ver- 
stehen ist  (über  beide  s.  oben  S.  712). 

Die  Stadt  Chalcis  hat  nach  den  Münzen  eine  Aera  vom  J.  92 
nach  Chr.,  vielleicht  dem  Jahre  ihrer  Einverleibung  in  die  Provinz 
Syrien  ^5).  | 

AgiaxoßovXov  ET  IZ  (Jahr  17),  Tix<a  OveanaoiavcD  AvioxituTogi  Zeßaarco  ist 
mitgetheilt  von  de  Saulcij  [Melanges  de  Numismatique  t.  III,  1882,  j\  339—349) 
lind  Babelon  [Revtte  Numismatique,  troisieme  serie,  t.  I,  1883,  p.  145,  pl.  IV 
n.  9).  Eine  Münze  des  Aristobul  und  seiner  Gemahlin  Salome  mit 
der  Aufschrift  BaatXewg  AgtaroßovXov,  BaaiXiaatjg  SaXoi/ATjg  und  den  Porträt- 
büsten Beider  s.  bei  Imhoof-Blumer  (Porträtköpfe  S.  44,  Tafel  VI,  21—22) 
und  im  Katalog  der  Sammlung  Waddingtons  (ßevue  Numism.,  qiiatr.  Serie 
t.  II,  1898,  p.  019  n.  7280). 

65)  Noris,  Annus  et  epoc/iae  III,  9,  3  {ed.  Lips.  p.  3lß sqq.).     Eckhel  III, 
264 S(?.    Mionnet  V,  \A^sqq.    Suppl.  VIII,  115.«^*?. 


Beilage  II. 

Geschichte  der  nabatäischen  Könige. 

o.  Allgemeine  Literatur: 
Bei  and,  Palaestina  p.  90 — 95. 
Vincent,  The  Commerce  and  Natv/atmi  of  the  Aneients  in  tJie  Indian  Ocean 

{London  1807)  ro/.  II  p.  273—276. 
Quatremere,   Mimoire  »ur  les  Nabatcens  (Nouveau  Journal  asmiiqiie  t.  XV, 

1835,  p.  5—55,  97—137,  209-240). 
Eobinson,  Palästina  Bd.  III  (1842)  S.  110—115. 
Ri;tter,  Erdkunde  von  Asien,  Thl.  XII  (1846)  S.  111-140. 
Clcsf,  Art.  Nahataei  in  Pauly's  Real-Encyclop.  der  class.  Alterthumswissen- 

schaft  Bd.  V  (I848j  S.  377—384. 
Win  er.  Biblisches  Realwörterb.  Art.  „Nabatäer". 
The  Nabateans  and  Professor  Chicolson  (Journal  of  Sacred  Litcrature  and  Bibli- 

cal  Record,  New  Series  vol.  I,  1862,  /).  103—115). 
Kuhn,  Die  städtisclie  und  bürgerliche  Verfassung  des  römischen  Reichs  Bd.  II, 

(1865),  S.  165-169. 
Nöldeke,  Art.  „Nabatäer"  in  Schenkel's  Bibel-Lexikon  Bd.  IV  (1872)  S.  269f. 
Grätz,   Die   Anfange   der  Nabatäerherrschaft   (Monatsschr.   für  Gesch.   und 

Wissensch.  des  Judenth.  1875,  S.  49—67). 
Bchrader,  Keilinschriften  und  Geschichtsforschung  (1878)  S.  99—116. 
Kautzsch,  Art.  „Nabatäer"  in  Riehm's  Handwörterb.  des  bibl.  Altertums. 
Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  Bd.  I  (2.  Aufl.  1881)  S.  404  f.  431  f. 
Clermont-Oannean,  Lcs  no77is  royaiix  nabatcens  eniployes  comme  noms  dt- 

rins  {Revue  archeolof/iqne,  trois.  Serie  t.  V,  1885,  p.  170—178,   abgedr.  in: 

liecueil  d^archiolof/ie  Orientale  t.  I,  1888,  p.  39—47). 
Momnisen,  Römische  Gcscliichte  Bd.  V,  1885,  S.  476  fl". 
Wilckon,  Art.  „Aretas"  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  11,  673  f. 
Vincent,  Les  Nabatieus  {Rente  hiblique  VII,  1898,  p.  567-588). 
Clermont-Oanncau,  Les  Nabatiens  dans  Ic  pays  de  Moab  {Recueil  d'arcMol. 

on'rntale  II,  185—219). 
Ve))€r  den  im  Neuen  Test.  (II  Kor.  11,  32)  erwähnten  Aretas  s.  bes.  Jok.  Oott- 

lob  Heyne,   De  cthnarcha  Aretae  Arahnm  re^is,  2  Thle.    Wittemb.  1755; 

Anger,   De   tempornm   in   actis   npostolornni   rationc   (1833)  p.  173 — 182; 

WieHcler,  Clironologic  «Ich  apostol.  ZcltalterH  (1848)  S.  167— 175,  und  die 

Artikel  über  „Arcta«"  in  Wincr'w  KWn..  Herzog's  Real-Enc,  Hastings' 

Dictiotiarj/  of  the  Bibl, . 

b.  Münzen: 
l'f        I  'ii/ncs,  Monnaics  des  Nal>at{'cn8{RevucNuviismnliq>ielS5S,  p.2i)2— 310, 
:;s.',,  /,/,  XIV,  XV,  XVI). 


[610]  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  727 

De  Vof/üe,  Momiaies  des  rois  de  Nabaiene  [lievite  Numismatiqice  1868,  j).  153—168, 
jtl.  V),  auch  abgedr.  in:  Mflanyes  d'anheologie  Orientale,  Paris  1868. 

De  Saulcy,  Numismatique  des  rois  Kabatheens  de  Petra  {Annuaire  de  la  So- 
ciete  franf-aise  de  Nwnismatique  et  d'  Archeologie  t.  IV,  1,  1873,  p.  1— 35j. 
—  Nachträge  hierzu:  \)  Annuaire  de  la  Societe  fran^aise  de  Numisviatiqiie 
et  d'  Archiologie  t.  V  (=  Seconde  Serie  1. 1)  fasc.  5,  1881,  i>.  462  sq.  (unleser- 
liche Münze,  vielleicht  von  Aretas  und  Sekailath).  —  2)  Melanies  de  Nu- 
misnmtique  t.  III,  1882,  p.  193 — 107  (eine  Münze  des  Aretas  und  zwei  des 
SvUäus?). 

Sorlin-Doriyny  et  Babelon,  Monnaies  Xabateennes  inedites  {Revue  Numis- 
matique, troisieme  Serie,  t.  V,  1887,  p.  369 — 377). 

Einzelne  nabatäische  Münzen  sind  mitgetheilt  worden  von  Levy  (Numisinat. 
Zeitschr.  Bd.  III,  1871,  S.  445— 448)  und  Olshausen  (Monatsberichte  der 
Berliner  Akademie  aus  dem  J.  1874,  S.  185). 

Griechische  Aretas-Münzen  bei  Eckhel,  Doctr.  Num.  III,  330,  Mionnet ,■  De- 
scription  de  medailles  V,  284  sj.,  Visconti,  Icotioyraphie  yrecque  t.  II, 
p.  444  s^.  =  Atlas  pl.  48  n.  12.  Lenormant,  Tresor  de  Numismatique 
j).  117  pl.  LVI  n.  17—19. 

Eine  lat.  Münze  des  Scaurus,  auf  die  Unterwerfung  des  Aretas  bezüglich,  bei 
Echhel  V,  131,  Babelon,  Monnaies  de  la  republique  romaine  I,  120  «j. 


c.  Inschriften: 

De  Vogüe,  Syrie  centrale,  Inscriptions  sanifiqiies  (Pam- 1868)  ;>.  100 — 124. — 
Vgl.  Schröder,  Zeitschr.  der  DMG.  Bd.  XXXV^II,  1884,  S.  532 f. 

Sachau,  Eine  nabatäische  Inschrift  aus  Dmer  (Zeitschr.  der  deutschen 
morgenländ.  Gesellsch.  1884,  S.  535—542).  —  Hierzu:  Clermont-Gan- 
neuu,  liecue  critique  1885,  Nr.  5,  p.  88—92,  und  Nr.  9,  p.  llösq.  Ders., 
Pccueil  d^archiohHjie  Orientale  t.  I,  1888,  p.  48 — 74.  De  Vogüe,  Comptes 
rendiis  de  l'Academie  des  inscr.  et  belles-lettres  1885  [IV»»«  serie,  t.  XIII] 
;j.  45— 52.  —  Eine  photographische  Aufnahme  der  Stele  giebt  Clermont- 
Ganneau,  Album  d'antiquites  orientalcs  livr.  I,  1897,  pl.  XLII. 

Douyhty,  Documents  epigraphiques  reeueillis  dans  le  nord  de  l'Ärabie,  Paris 
1S84. 

Berg  er,  Nouvelles  inscriptions  nabateennes  de  Medäin  Salih  {Comptes  rendus 
de  l'Academie  des  inscriptions  et  belles-lettres  1884  [IV»»«  serie  t.  XII] 
p.  377—393). 

Ha  levy,  Inscriptiotis  nabateennes  {Eevue  des  etudes  juives  t.  IX,  1884,  p.  8 — 16) 
[nur  nach  Doughty]. 

Neubauer,  Chi  some  neicly-discovered  Tenuniite  and  Nabataean  inscriptions 
{Studia  Biblica,  Oxford  1885,  p.  209—232). 

Euting,  Nabatäische  Inschriften  aus  Arabien,  Berlin  1885  (hierin  S.  81—89: 
Gutschmid,  Verzeichniss  der  nabatäischen  Könige  —  die  vollständigste 
Zusammenstellung  des  Materiales).  —  Euting  giebt  grösstentheils  dieselben 
Inschriften  wie  Doughty  und  Berger,  aber  weit  correct^r. 

Eine  nabatäische  Inschrift  aus  Puteoli  giebt  Gildemeister  (Zeitschr.  der 
DMG.  1869,  S.  150-154,  vgl.  Levy  ebeudas.  S.  652—654,  Nöldeke  ebendas. 
1884,  S.  144,  654),  eine  andere  ebendaher  Renan  {Journal  asiatique  Vlle 
serie  t.  II,  1873,  /).  366-382). 

Eine  Inschrift  aus  Sidon:  Levy  (Zeitschr.  der  DMG.  1869,  S.  435—440). 


728  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  [ÜlO.  611] 

Eine  Inschrift  aus  Medaba:  Lagrange  (Zeitschr.  für  Assyriologie  Bd.  V, 
1890,  S.  289—292)  und  Nöldeke  (Zeitschr.  für  Assyriologie  Bd.  VI,  1891, 
S.  149f.).  Bemerkungen  dazu:  Glermont-Ganneau  {Journal  asiatique 
VIII«  Serie  <.  XVII,  1891,  p.  b^l sq.).  Der  Text  auch  bei  Clermont- 
Ganneau,  Rectieü  d'arch.  Orient.  II,  189. 

Corpus  Inscriptiomini  Semiticartim,  Pars  secunda,  Inscripiioncs  Aramaicas 
eo7?/t«e/?s, /a»?.  I?2.  157— 348  (vollständigste  Sammlung  aller  bisl893 
bekannt  gewordenen  nabatäischen  Inschriften). 

Ueber  die  nabatäischen  Inschriften  von  Petra,  welche  erst  diirch  Lagrai^ge 
vollständiger  erforscht  worden  sind,  s.  unten  Anm.  7.  —  Unter  denselben 
ist  für  die  Geschichte  der  königlichen  Dynastie  von  besonderem  Interesse 
die  Inschrift  auf  der  Statue  des  „Gottes  Obodas",  auf  welcher  sechs 
Söhne  (oder  Söhne  und  Töchter?)  des  Königs  Ar  et  as  IV  erwähnt  werden 
{De  Vof/ile,  Journal  asiatique  IX.«  serie,  t.X,  1897,  p.  IQ9  sqq.  Nr.  354  [mit 
Tafel]  und  nach  besserer  Copie  ebendas.  t.  XI,  1898,  p.  132  sqq.,  dazu 
Glermont-Ganneau  ibid.  f.  X,  1897,  p.  5lS—ö2l  =  Recuei/  d'arch.  or.  II, 
366—369.  Ders.,  Journal  asiat.  XI,  1898,  p.  523—533  =  Becueil  II,  370 
—379). 

Dussaud  et  Macler,  Voijaye  archeologique  au  Safä  et  dans  le  Djebel-ed-Drüx, 
Paris  1901  [hierin  auch  nabatäische  Inschriften  aus  der  Hauran-Gegeud, 
darunter  S.  168  und  187  zwei  aus  dem  23.  u.  26.  Jahre  des  Königs  Rabel]. 
Vgl.  dazu  Clermont-Qanneau,   Recueil  d'archeol.  orient.  IV,  169—184. 

Ausser  dem  syrischen  Reiche  im  Norden  und  dem  ägyptischen 
im  Süden  hatte  Palästina  in  der  griecliisch-rümischen  Zeit  noch 
einen  dritten  mächtigen  Nachbar:  das  nabatäische  Reich  im 
Süden  und  Osten.  Die  Geschichte  dieses  Reiches  lässt  sicli  jetzt 
einigerraassen  imZusammenliang  überblicken,  seitdem  die  zerstreuten 
Nachrichten  der  Schriftsteller,  namentlich  des  Josephus,  ergänzt 
worden  sind  durch  ein  reichhaltiges  Material  an  IVIünzen  und  In- 
schriften. Die  Keimtniss  der  ]Münzen  ist  ersclilossen  worden  durch 
den  Duo  de  Luynes  (1858),  de  Vogüe  (1868)  und  de  Saulcyl 
(1873);  die  der  Inschriften  durch  de  Vogü6(18(j8),  Doughty  (1884), 
Berger  (welcher  1884  die  Materialien  des  als  Opfer  seines  Berufe.s 
gefallenen  Forschungsreisenden  Hub  er  publicirt  hat)  und  Euting 
(1885).  Die  Inschriften  de  A'ogüe's  gehfiren  der  Hauran-Gegend, 
also  dem  Norden  des  Nabatäerreiches  an ;  die  von  Douglity,  Berger 
und  Kuting  publicirten  finden  sich  gi-össtentheils  zu  el-Hegr  (=  Me- 
dain  Salih),  einem  dej*  südlich.sten  Punkte  d»^s  nabatäisclien  Reiches. 
Die  letzteren  sind  besonders  zahlreich  und  wichtig,  da  sie  fast 
sämnitlich  nach  Regienmgsjahren  der  nabatäischen  Könige  (des 
Aretan  und  Malchus)  datirt  sind.  Ihre  sichere;  Lesung  ist  erst  durch 
die  sorgfllltigen  ( 'opien  Eutings  crmüglicht  worden.  Letzterer  liat 
auch  die  Bedeutung  einiger  nabatäischen  Zalilzeichen  richtiger  fest- 
geHtellt  und  dadurch  in  Betreff  der  Data  einzelne  (^orrecturen  zu 
den  früheren  Lesungen  der  Münzen  und  Inschriften  gegeben.  Alle 
bis  1893  bekannten  Inschriften  sind  gesammelt  im  Corpus  inscrip- 


[611.  G12]  Beilage  IL  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  729 

tionuin  Semiticarum,  Pars  secunda  t.  1.  Neue  Inschriften  aus  Petra 
hat  namentlich  de  Vogüe  nach  Copien  von  Lagrange  bekannt 
gemacht  (1896 — 1898),  einige  aus  der  Hauran-Gegend  Dnssaud 
und  Macler  (1901).  Das  bis  1885  bekannte  Material  aus  den 
Schriftstellern,  Münzen  und  Inschriften  hat  Gutschmid  in  einem 
Excurs  des  Euting'schen  Werkes  zusammengestellt.  An  seine  sach- 
kundige Arbeit  schliesst  sich  die  folgende  Uebersicht  an. 

Ueber  das  Volk  der  Nabatäer  (Naßazaioi  11:2:)  wissen  wir  so 
wenig,  dass  nicht  einmal  ihre  Nationalität  sicher  steht*).  Die 
Sprache  der  Münzen  und  Inschriften,  welche  ausnahmslos  die  ara- 
mäische ist,  scheint  die  Ansicht  Quatremere's  zu  bestätigen,  dass 
sie  Aramäer  waren.  Andererseits  werden  sie  von  den  Schriftstellern 
stets  als  Araber  bezeichnet,  und  zwar  nicht  nur  von  fernstehenden 
Schriftstellern,  sondern  auch  von  solchen  wie  Josephus,  dem  doch 
der  Unterschied  zwischen  Syrern  und  Arabern  bekannt  und  ge- 
läufig sein  musste.  Dazu  kommt,  dass  auch  die  Namen  auf  den 
Jnschriften  durchweg  arabische  sind.  Es  ist  daher  die  hauptsäch- 
lich von  Nöldeke  vertretene  Ansicht  mit  Recht  durchgedrungen, 
dass  sie  Araber  waren,  die  aber,  weil  das  Arabische  noch  nicht  als 
Schriftsprache  ausgebildet  war,  sich  zu  schriftlichen  Zwecken  des 
Aramäischen  als  der  damaligen  Cultursprache  bedienten^). 

Ueber  die  Geschichte  der  Nabatäer  vor  der  hellenistischen  Zeit 
ist  so  gut  wie  nichts  bekannt.  Ihre  Identität  mit  den  n'T^a:,  welclie 
Gen.  25,  13;  28,  9;  36,  3;  I  Chrofi.  1,  29;  Jes.  60,  7  als  arabischer 
Stamm  erwähnt  werden,  ist  zwar  wahrscheinlich,  aber  nicht  ganz 
sicher'').  \  Auch  die  Keilinschriften  geben  nicht  viel  Aufschluss*). 
Eine    annähernd   zusammenhängende    Kunde    über    die  Nabatäer 

1)  Die  angeblich  altaraniäisehe  „nabatäische  Landwirthschaft",  welche  der 
arabische  Schriftsteller  Ihn  Wahshijjah  in's  Arabische  übersetzt  haben  will, 
ist  eine  Fälschung  des  letzteren  selbst,  wie  Gutschmid  gegen  Chwolson 
nachgewiesen  hat.  S.  dessen  Abhandlung  „Die  nabatäische  Landwirthschaft 
und  ihre  Geschwister"  (Zeitechr.  der  DMG.  1860,  S.  1—110  =  Gutschmid, 
Kleine  Schriften  Bd.  II,  S.  568-716). 

2)  S.  Nöldeke,  Zeitschr.  der  deutschen  morgenländ.  Gesellsch.  Bd.  XVII, 
1863,  S.  703  m  XXV,  1871,  S.  122  ff. 

3)  Die  Identität  wird,  wie  es  scheint,  schon  von  Josephus  vorausgesetzt 
[Antt.  I,  12,  4).  Ihm  folgen  Hieronymus  {Qiiaest.  in  Genes.  25,  13,  opp.  ed.  Val- 
larsi  III,  345)  und  die  meisten  Neueren.  S.  ausser  der  oben  genannten  Lite- 
ratur auch  die  Commentare  zu  Gen.  25,  13.  Schwierigkeiten  macht  nur,  dass 
die  XeUijotk  mit  r,  die  Nabatäer  mit  a  geschrieben  werden  (auf  Münzen  und 
Inschriften  constant  ian3).  Der  Plural  ni^s  ist  aus  Sing,  rz:  entstanden,  wie 
rr:^  Xeh.  12,  47.  13, 10  aus  rsis,  .-i>i;n  aus  rr.n  und  dgl.  S.  G.  Hoff  mann, 
Ueber  einige  phönikische  Inschriften  (Äbh.  der  Göttinger  Gesellsch.  der  Wis- 
sensch.  Bd.  36,  1889—1890)  S.  40. 

4)  S.  Schrader,  Keilinschriften  und  Geschichtsforschung  (1878)  S.  99—116. 


730  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige,  [612] 

haben  wir  erst  seit  Beginn  der  hellenistischen  Zeit.  Wir  finden 
sie  jetzt  da,  wo  früher  die  Edouiiter  gesessen  hatten,  zwischen 
dem  todten  Meere  und  dem  älanitischen  Meerbusen,  in  der  Gegend 
\on  Petra,  dem  alten  5>bi5  der  Edomiter^).  Als  Antigonus  im 
J.  312  V.  Chr.  den  Ptolemäus  Lagi  aus  Cölesyrien  verdrängt  hatte, 
sandte  er  seinen  Feldherrn  Athenäus  mit  4000  Fusssoldaten  und 
600  Keltern  gegen  die  Nabatäer.  Athenäus  überrumpelte  ihre 
Festung  Petra  und  machte  dort  grosse  Beute.  Infolge  seiner 
eigenen  Sorglosigkeit  wurde  aber  sein  Heer  bald  darauf  durch 
einen  nächtlichen  üeberfall  der  Nabatäer  fast  gänzlich  aufgerieben; 
nur  fünfzig  Reiter,  und  auch  diese  meist  verwundet,  sollen  ent- 
kommen sein.  Antigonus  sandte  darauf  seinen  Sohn  Demetrius 
mit  einem  neuen  Heere  gegen  die  Nabatäer.  Aber  auch  Deme- 
trius errang  keinen  entscheidenden  Erfolg.  Nach  vergeblicher  Be- 
lagerung Petra's  trat  er  wieder  den  Rückmarsch  an,  indem  er  sich 
mit  der  Stellung  von  Geiseln  und  Zusicherung  der  Freundschaft 
von  Seite  der  Nabatäer  begnügte.  Diodor,  der  uns  dies  alles  be- 
richtet*^), giebt  bei  dieser  Gelegenheit  auch  eine  Schilderung  der 
Nabatäer.  Sie  waren  damals  noch  uncultivirte  Nomaden,  die  keinen 
Ackerbau,  nur  Viehzucht  und  Handel  trieben,  olfenbar  auch  noch 
ohne  Könige.  Allmählich  aber  muss  auch  bei  ihnen  die  Cultur  mehr 
und  mehr  vorgedrungen  sein  und  eine  gewisse  staatliche  Ordnung 
unter  küuiglichem  Regimente  sich  gebildet  haben.  Ihre  Herrschaft 
dehnte  sich  nach  Süden  und  Norden  weiter  aus;  ihre  Hauptstadt 
blieb  jenes  Petra,  das  schon  zur  Zeit  des  Antigonus  ihre  festeste 
Zufluchtsstätte  gebildet  hatte").  | 


5)  Auf  die  Verdrängung  der  Edomiter  durch  die  Nabatäer  bezieht  sich 
vielleicht  Maleachi  1,  1 — 5.  S.  Grätz,  Monatsschr.  1875,  S.  59 — 66.  Cheyne, 
Zeitsclir.  für  die  alttest.  Wissensch.  XIV,  1894,  S.  142.  Wellhausen,  Israelit, 
und  jüd.  Gesch.  2.  Aufl.  S.  182  f.  4.  Aufl.  S.  191. 

6)  Difjdor.  XIX,  94—100.  \g\.  Plutarch.  Demetr.l.  Droyson,  Geschichte 
dcH  HeilenismuB  2.  Aufl.  II,  2,  S.  55—59.  Niese,  Geschichte  der  griechischen 
und  makedonischen  Staaten  I,  1803,  S.  300  8". 

7)  Vgl.  über  Petra  als  Hauptstadt  der  Nabatäer  bes.  Strabo  XVI  p.  779. 
Pliniwi  IL  N.  VI,  28,  144.  Josephxs  AnU.  XIV,  1,  4.  5,  1.  13,  9.  XVII,  3,  2. 
XVIII,  5,  3.  Bell.  Jiid.  I,  6,  2.  8,  1.  13,  8.  29,  3.  PltUarc.h.  Pornpejus  c.  41. 
Periplus  maris  erythraei  §  19.  ^  Ueberhaupt:  lieland,  Palacstina  p.  926  S77. 
BoblnBon,  Palästina  III,  (10— 9i).  128—137,  760—767.  Räumer,  rulüstinu 
S.  276— 278,  451  fl',  Ritter,  Erdkunde  XIV,  1103— 1141.  CIchb  in  Pauly'« 
Eeal-Enr.  V,  1394  »'.  Wincr  RWil.  Art.  „Scla".  Berthoau  in  öchenkers 
Bibcl'Lex.  Art.  „Sola".  MOhlau  in  Rieh m'n  Worte rb.  der«.  Artikel.  Kclhcl, 
JJortr.  Is'inn,  III,  503*7.  Mionnci,  Ikscriptimt  de  vicdaiUcs  V,  587—589, 
Huppl,  VIII,  3S7  Mtl.  De  fSaulcy,  NumUmatique  de  la  'Ihre  Sainte  p.  351—353, 
K  XX,  1—0.  Marquardt,  RAni.  Htaatsvorwaltunp;  IUI.  T  (2.  Aufl.  1881) 
8.  4.31  f.    Duc  de    LuyncB,   Vuyu;ic   d'Kxjitonilioii  ii  l(t  invr  niortc  ö  Petra  et 


[613]  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  73 1 

Der  erste  Fürst  {rvQavvoq)  der  Xabatäer,  von  dem  wir  wissen, 
ist  jener  Aretas  (Aretas  I),  bei  welclieiii  der  Hohepriester  Jason 
im  J.  169  vor  Chr.  vergeblich  Zuflucht  suchte  (II  Makk.  5,  8)^). 
Da  Aretas  als  xvQavvoa  bezeichnet  wird,  scheinen  die  nabatäischen 
Fürsten  damals  den  Künigstitel  noch  nicht  geführt  zu  haben.  — 
Nach  Ausbruch  der  makkabäischen  Erhebung  nahmen  die  Nabatäer 
zu  den  Führern  der  jüdischen  Nationalpartei  (Judas  104,  Jonathan 
160  vor  Chr.)  eine  freundliche  Stellung  ein  (I  Makk.  5,  25;  9,  35). 
Ihr  Herrschaftsgebiet  dehnte  sich  jetzt  bereits  bis  nach  dem  Ost- 
jordanland aus. 

Zu  grösserer  Macht  ist  das  Reich  der  Nabatäer  aber  erst  gegen 
Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  vor  Chr.  gelangt,  als  der  Verfall 
des  Ptolemäer-  und  Seleucidenreiches  die  Gründung  eines  selbstän- 
digen kräftigen  Staatswesens  an  ihren  Grenzen  ermöglichte.  In 
Justin's  Auszug  aus  Trogus  Pompejus  heisst  es  von  der  Zeit  um 
110—100  vor  Chr.  {Justin.  XXXIX,  5,  5—6),  die  Reiche  von  Syrien  y 
und  Aegypten  hätten  sich  damals  selbst  so  geschwächt,  ut  adsiduis 
2)roeliis  consiimpti  in  contemptum  finitimorum  venerint  jrt'aedaeqiie  Arahum 
genti,  inbelli  antea,  fuerint:  quorum  rex  Erotimus  fidueia  septingen- 
iorum  filiorum,  quos  ex  j^asücibus  susceperat,  dimsis  exercitibus  nunc 
Aegyptum,  nunc  Syriam  infesiahat  magnumque  nomen  Arabum  viribus 
finitimornm  exsanguihus  fecerat.  Dieser  Erotimus  darf  also  als 
der  Begründer  der  nabatäischen  Königsmacht  betrachtet 
werden*). 


sur  la  1-ive  f/aucfie  du  Jourdain,  3  Bde.  Text  und  1  Bd.  Tafeln,  Paris  s.  a. 
[1874],  bes.  ph  44—49.  Bädeker-Socin,  Palästina  3.  Aufl.  S.  147—152. 
Lafiranye,  Notre  exploration  de  Petra  (Renie  hibliqtie  VI,  1897,  ?).  208—230). 
—  Nabatäische  Inschriften  von  Petra  geben:  De  Vogüe,  Journal  asiatique 
IX«  Serie,  t.  VIII,  1890,  j).  304-310,  485-497,  t.  X,  1897,  p.  197—207,  214—217, 
/.  XI,  1898,  p.  129—146  (meist  nach  Copien  von  Lagrange).  Lagrange,  Remie 
biblique  VII,  1898,  p.  165—182.  Clermont-  Qanneau,  Becueil  d'archeol.  orient. 
II,  128-133.  Ders,,  Journal  asiatique  IX«  serie  t.  XI,  1898,  p.  523-535  = 
Becueil  d'arch.  or.  II,  370—381.  Ders.,  Recueil  IV,  99—112.  —  Im  Frülijahr 
1898  liat  Euting  in  Petra  „über  hundert  nabatäische  Inschriften  copirt,  die 
zwar  zum  grössten  Theil  schon  bekannt  waren,  aber  in  nicht  ganz  tadellosen 
Abschriften  vorlagen"  (Mittlieilungen  und  Nachrichten  des  DPV.  1899,  S.  25). 
Nach  seinen  Copien  werden  die  Inschriften  in  der  Fortsetzung  des  Q/rp. 
Iiiscr.  Semit.  P.  II  erscheinen. 

8)  Das  zweite  Makkabäerbuch  sagt  hierüber  (II  M.  5,  8):  Jason  sei  bei 
Aretas,  dem  Fürsten  der  Araber,  eingesperrt  worden  [iyxkiia^üq  Tigoq  liiihav 
Tov  t(öv  liQÜßcDV  rigarvor),  dann  von  Stadt  zu  Stadt  geflohen  u.  s.  w.  Anstatt 
des  überlieferten  tyxXsio^kiq  vermuthen  die  neueren  Erklärer  iyxkrj&tig  (ver- 
klagt) und  deuten  es  darauf,  dass  Jason  bei  Aretas  Zuflucht  gesucht  habe, 
aber  von  diesem  nicht  aufgenommen  worden  sei,  da  er  wegen  seiner  feind- 
lichen Haltung  gegen  Antiochus  Epiphaues  bei  Aretas  „verklagt"  worden  war. 

9)  Die  beiden  um  146—145  v.  Chr.  erwähnten  „Araber"  Zab diel  (l  Makk. 


732  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  [613.  614] 

Ein  Aretas  II  (Agtrcu  6'jQaßcov  ßaoi?,tvg)  "wird  zur  Zeit  der 
BelageriiDg  Gaza  s  durch  Alexander  Jannäus  96  vor  Chr.  erwähnt. 
Er  hatte  den  Gazäern  Hülfe  versprochen ;  die  Stadt  fiel  aber  in  die  | 
Hände  des  Alexander  Jannäus,  ehe  Aretas  Beistand  leisten  konnte 
(Joseph.  Antt.  XIII,  13,  3). 

Ein  paar  Jahre  später  (gegen  90  vor  Chr.)  griif  Alexander 
Jannäus  den  König  Obedas  I  (Oßiöav  xov  Ugaßcov  ßccoiXta)  an, 
erlitt  aber  gegen  ihn  eine  empfindliche  Niederlage  iiu  Ostjordan- 
lande (Joseph.  Antt.  XIII,  13,  5;  Bell.  Jud.  I,  4,  4).  Diesem  Obedas  I 
glauben  de  Saulcy,  Gutschmid  und  Babelon  einige  Münzen  mit  der 
Umschrift  ita:  fjü  may  zuschreiben  zu  können  ^^). 

Wieder  ein  paar  Jahre  später  zog  Antiochus  XII  von  Cöle- 
syrien  gegen  den  Araberkönig  (dessen  Name  niclit  genannt  wird) 
zu  Felde.  Auch  diesmal  war  „der  Araber"  siegreich.  Antiochus 
selbst  fiel  in  der  Schlacht  bei  Kaua  (Joseph.  Antt.XlH,  15,  1;  BelL 
Jud.  I,  4,  7).  Unter  dem  ungenannten  König  der  Araber  ist  Are- 
tas III  zu  verstehen,  von  welchem  Josephus  unmittelbar  darauf  be- 
richtet, dass  er  (eben  infolge  des  Todes  des  Antiochus)  in  den  Be- 
sitz von  Cölesyrien  und  Damaskus  gelangt  sei  und  sodann 
den  Alexander  Jannäus  bei  Adida  besiegt  habe  (Joseph.  Antt.  XIII, 
15,  2;    Bell.  Jud.  I,  4,  8)^0-    Di^  Macht  der  nabatäischen  Könige 

11,  17,  bei  Jijseph.  Antt.  XIII,  4,  8  Z a belli s;  vielleicht  identisch  mit  Dio- 
kles  bei  D-iodor.  in:  Müller,  Frayni.  fit'st.  f/raec.  t.  II  }i.  XVI)  und  Imalkue 
(IMakk.U,  30;  hei  Joseph.  Antt.  XIII,  5,  1  Malchus;  bei  Diadur.  in:  Müller, 
Fraym.  hist.  yr.  t.  II  p.  XVII  Janiblichus,  d.  h.  •z^t:'^  s.  oben  S.  234)  sind 
wahrscheinlich  nur  kleine  Dynasten,  nicht  Fürsten  der  Nabatäer  (s.  Gutschmid 
bei  Euting,  Nabat.  Inschr.  S.  81).  Auch  die  Existenz  des  Maliku  I,  welchen 
üntschmid  auf  Grund  einer  Münze  vor  Erotimus  einreiht,  ist  höchst  unsicher. 

10)  De  Saulcy,  Anniiairc  t.  IV  p.  18.sy.  Gutschmid  bei  Euting,  Naba- 
taische Inschriften  8.82.  Ein  Exemplar  dieser  Münzen  auch  bei  Levy,  Xu- 
raismat.  Zeitschr.  Bd  III,  1871,  S.  445— 448.  —  Das  von  ßabeloji  (h'er/te  Xit- 
viinmutiqun  1887,  p.  371  x(j.)  publicirte  Exemplar  hat  die  Aufschrift  itr^TS  n~j' 
'aa:  "^io  und  ist  vom  Jahr  fünf  (crn  r:t'). 

11)  Gutschmid  will  unter  dem  ungenannten  König  den  Rabilus  ver- 
Bteben,  von  welchem  nach  Sleph.  Byx.  „der  Macedonier  Antigonus  getödtet 
wurde"  (Sicph.  Byx.  h.  v.  Mw&m'  xtufxri  ^Agaßiaq,  iv  y  i'^avsv  'ivuyovoi  6  Ma- 
xidwv  vnv  ^Paßü.ov  tot  ßuai).lw(i  xwv  lipaßiütv,  ü5c  Ov^uvtaq  iv  ni/nnrit)).  Statt 
'Avtlyovoi  lie«t  GutHchmid  l4rzlo/oi  und  versteht  darunter  den  Antiochus  XII. 
DiftMc  (Kombination  Bcln'int  mir  aber  an  dem  engen  Zusumincniiuiig  von  Jose/ilt. 
Antt.  XIII,  IT),  2  mit  15,  1  zu  scheitern.  Auch  würde  num  dann  zwischen 
AretUH  II  um  90  und  Aretas  III  um  85  zwei  Ki'mige  «nziiiifliMien  haben.  In 
der  f^telle  bei  Sirpli.  Byx.  muss  allerdings  irgend  eine  Confusion  vorliegen. 
Um  IM)  wuniger  laMsen  sich  aber  darauf  sichere  .Schlüsse  bauen.  Vgl.  auch 
Müller,  Frat/m.  hint,  graec.  IV,  525.  --  Ist  Gulschmids  Combination  un- 
wahricheiulieb,  an  erledigt  sich  damit  au<h  die  weitere  von  Clermor>t-Gan- 
neau,  da««  mit  dem  von  Gutschmid  hier  eingeschalteten  Kabilus  der  Kimig 


(614.  615]  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  733 

erstreckte  sich  also  jetzt,  um  85  vor  Chr.,  bereits  bis  Damaskus  ^ 2). 
Unserem  Aretas  III  werden  von  den  Numismatikern  mit  Recht  die 
Münzen  mit  der  Umschrift  Baatlicoc  'Aq^tov  4>i).t),X7ivoq  zuge- 
schrieben. Dieselben  können  keinem  älteren  Aretas  angehören,  da 
sie  in  Damaskus  geprägt  sind;  aber  auch  nicht  dem  jüngeren  Are- 1 
tasIV,  da  dieser  sich  „Freund  seines  Volkes"  nannte  i^).  Die  Münzen 
geben  also  ein  Zeugniss  von  dem  damaligen  \'ordringen  des  Helle- 
nismus im  Nabatäerreiche.  —  Zur  Zeit  desselben  Aretas  erfolgte 
auch  der  erste  Zusannnenstoss  mit  den  Römern.  Wir  wissen  aus 
der  jüdischen  Geschichte,  dass  Aretas  in  dem  Streite  zwischen 
Hyrkan  und  Aristobul  die  Partei  des  ei'steren  ergriff,  ihn  mit 
Truppenmacht  unterstützte  und  den  Aristobul  in  Jerusalem  be- 
lagerte, sich  aber  dann  auf  Befehl  des  römischen  Feldherrn 
Scaurus  zurückzog  und  auf  dem  Rückzug  von  Aristobul  ge- 
schlagen wurde  {Josejyh.  Antt.  XIV,  1,  4—2,  3;  Bell  Jud.  1.  6,  2—3). 
Pompejus  hatte  darauf  die  Absicht,  selbst  gegen  Aretas  zu  ziehen. 
Aber  auf  dem  Marsche  nach  Petra  wurde  er  durch  die  feindliche 
Haltung  des  Aristobul  genötliigt,  nach  Judäa  abzuschwenken  (Anlt. 
Xl\,  3,  3 — 4j.  Nach  der  Eroberung  Jerusalems  übergab  Pompejus 
die  Provinz  Syrien  dem  Scaurus  {Antf.  XIV,  4,  5);  und  erst  dieser 
führte  i.  J.  62  v.  Chr.  den  Zug  nach  Petra  aus,  erreichte  aber  von 
Aretas  nicht  mehr  als  die  Zahlung  einer  Geldsumme  {Antt.  XIV, 
5,  1;  Bell.  Jud.  I,  S,  1).    Hierauf  beschränkt  sich  also  die  Unter- 


Rabel  identisch  sei,  welciiem  nach  einer  im  J.  1897  \"wn  Germer-Durand  in 
Petra  gefundenen  Inschrift  zur  Zeit  seines  Nachfolgers  Aretas  eine  Statue 
errichtet  wurde.  S.  das  Nähere  hierüber  unten  am  Schlüsse  unserer 
Königsliste. 

12)  Damaskus  kann  jedoch  nicht  bis  zur  römischen  Eroberung  im  dauern- 
den Besitz  der  Araber  geblieben  sein,  da  es  nach  einer  Münze  vom  Jahr  243 
aer.  Sei.  =  70,69  vor  Chr.  [Mionnet,  Suppl.  VIII,  193)  damals  autonom  war, 
womit  übereinstimmt,  dass  es  eben  um  jene  Zeit  von  der  jüdischen  Königin 
Alexandra  besetzt  wurde,  um  es  gegen  Ptoleraäus  Mennäi  zu  schützen  {Jos. 
Antt.  XIII,  16,  3.    B.  J.  I,  5,  3. 

13)  S.  die  Münzen  bei  Eckhel,  Doetr.  Kwn.  Vet.  III,  Z^d.  y  Mionnet, 
Description  de  medaüles  V,  284 s^'.  Visconti,  Icoyiographie  grecque  II,  444«^. 
=  Atlas  pl.  48  n.  12.  Lenormant,  Tresor  de  mimismatique  p.  117,  pl.  LVI 
n.  17 — 18.  Duo  de  Lnynes,  Reviie  Nnm ismatiqiie  1858  p.  293 sj.  pl.  XIV 
n.  2 — 3.  De  Sauley,  Annuaire  t.  IV,  1873,  p.  \lsq.  pl.  I  «.4 — 5.  Imhoof- 
B lumer.  Porträtköpfe  (1885)  S.  47,  Tafel  VI,  24.  —  Eine  dieser  Münzen  hat 
die  Jahreszahl  AP  =  101,  über  welche  zu  vgl.  Duc  de  Luynes,  Revue  Xu- 
mismatiqne  1858,  p.  311  sq.  —  Die  Beziehung  dieser  Münzen  auf  Aretas  IV,  für 
welche  Roh  den  {De  Palaestina  et  Arabia  provinciis  Romanis  1885  p.  Qsq.)  sich 
erklärt  hat,  ist  unmöglich,  da  dessen  Titel  nar  er.-  nicht  gleichbedeutend  mit 
'Pi).iX).r}v  sein  kann. 


734  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  [615.  610] 

werfiiDg  des  Aretas,  deren  Pompejiis  sich  rühmte  ^^),  und  welclie 
sogar  auf  einer  Münze  verherrlicht  ist '5).  Die  Stadt  Damaskus 
war  schon  beim  ersten  Auftreten  der  Römer  in  Syrien  durch  die 
Legaten  des  Pompejus  besetzt  worden  {Joseph,  Antt.  XIV,  2,  3; 
Bell.  Jud.  I,  6,  2),  und  ist  seitdem  unter  römischer  Oberhoheit 
geblieben'^).  —  Die  Rejgierungszeit  des  Aretas  III  erstreckte 
sich  nach  dem  Bisherigen  mindestens  etwa  von  85—60  vor  Chr. 
Ihm  werden,   wegen  der  Porträtähnlichkeit  des  Königsbildes  mit 


14)  Diodor.  XL,  4  =  Exe.  Vatican.  p.  128—130.  Vgl.  auch  Dio  Cass. 
XXXVII,  15.    Plutarch.   Pompejus  41»     Apinan.  Mithridat.  106.     Oros.  VI,  6. 

15)  Eekhel,  Doch:  Num.  Vet.  V,  131.  Babelon,  Monnaies  de  la  repit- 
blique  romaine  t.  1,  1885,  p.  120^5'.  Auf  der  Münze  ist  Aretas  knieend  abge- 
bildet mit  der  Aufschrift  Fex  Aretas,  M.  Scaur.  aed.  cur.,  e.c  S.  C. 

16)  Marquardt  (Rom.  Staatsverwaltung  I,  405)  und  Mommseu  (Rom. 
Gesch.  V,  476  f.)  nehmen  wegen  II  Kor.  11,  32  an,  dass  Damaskus  vom  Be- 
ginn der  römischen  Zeit  bis  zum  J.  106  nach  Chr.  in  Abhängigkeit  vom  Ara- 
berkönig geblieben  sei.  Dagegen  spricht  (ausser  der  von  uns  Bd.  II  S.  118 
citirten  Stelle  des  Hieronymus)  folgendes:  1)  Nach  Plin.  Hist.  Nat.  V,  18,  74 
und  Ptolem.  V,  15,  22  gehörte  es  zur  Dekapolis,  d.  h.  zu  den  Städten, 
welche  durch  Pompejus  die  Freiheit  erhalten  hatten  und  nur  unter  die  Ober- 
aufsicht des  römischen  Statthalters  von  Syrien  gestellt  worden  waren.  Es 
kann  also  nicht  bei  der  Ordnung  der  Verhältnisse  durch  Pompejus  dem  Ara- 
berkönig zurückgegeben  worden  sein.  2)  Die  Existenz  einer  cohors  I  Flavia 
üuntdscenorum  [Corp.  Inscr.  Lat.  t.  III,  2  p.  870  [Dipl.  n.  XXVIl],  Ep/icmeris 
epif/r.  t.  V  p.  194  und  ;;.  652  .sv/.  =  Corp.  Luscr.  Lat.  t.  III  Siippl.  p.  1065 
[Militärdiplom  Domilians  vom  J.  90  nach  Chr.,  gefunden  zu  Mainz])  beweist, 
dass  spätestens  zur  Zeit  der  Flavier,  also  im  ersten  Jahrhundert  nach  Chr., 
in  Damaskus  regelrechte  römische  Trappenaushebungen  stattgefunden  haben. 
Das  ist  in  einer  zum  Gebiet  des  Araberkönigs  gehörigen  Stadt  mindestens 
unwahrscheinlich,  wenn  auch  Mommsen  Aushebungen  im  Gebiete  von  Clientel- 
Fürsten  fiir  möglich  hält  (Hermes  XIX,  48 — 49).  3)  Damaskus  hat  auch,  nachdem 
das  Gebiet  des  Araberköuigs  106  nach  Chr.  in  eine  römische  Provinz  verwan- 
delt worden  war,  nicht  zur  Provinz  Arabien,  sondern  zu  Syrien  gehört 
(f.  u.  A.  auch  Justiu.  Dial.  c.  Tn/ph.  c.  78  s.  f'm.  dafxaaxbq  xr}q  u(t^aßixflq  yT^q 
tiv  xul  taxiv,  sl  xal  vvv  nQoapevt/iTjrat  r/j  SvQO(potvixtj  Xsyofih'ji).  4)  Bei  dem 
Grenzstreit  der  Sidonicr  und  Damascener  zur  Zeit  dos  Tiberius  Antt.  XVIII, 
6,  3  ist  nur  von  der  Oberhoheit  des  römisclien  Statthalters,  nicht  von  der  des 
AraberkönigH  die  Rede.  5)  Auch  die  Münzen  von  Damaskus  mit  dem  Bilde 
de«  AugUBtUH,  Tiberius,  Nero  sind  der  Annaiune  gleichzeitiger  Abhängigkeit 
vom  Aruberkönig  sehr  ungütjstig.  Mit  Recht  hat  sich  dalicr  neuerdings  auch 
RolidcMi  {f)c  Paiacafina  rt  Arahia  proviiiriis  Pomanix  1885  p.  4—!»)  gegen  die 
AnHicht  von  Manjuardt  und  Mommscii  erklärt.  —  Eine  ganz  neue  Entdeckung 
Klaubt  Wandel  (Zeitschr.  für  kirchl.  Wissenfch.  und  kirchl.  Leben  1887, 
H.  433—443)  gemacht  zu  haben,  indem  er  annimmt,  dass  Damaskus  „weder 
arabisch  noch  römiHch,  sondern  ein  selbständiger  mit  gewissen  Freiheiten  aus- 
gerflNtetcr  HtAAt  unter  rUmiHciier  Oiierhohoit  und  römiscliem  Schutz"  gewesen 
»el  (8,  441  f.).  Dhm  iHt,  soweit  es  richtig  ist,  genau  die  Ansicht  derer,  die  es 
für  „römisch"  erklären. 


[616.  617]  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäisehen  Könige.  735 

Aretas  Philellen,  auch  einige  nabatäische  Münzen  mit  der  Aufschrift 
Ii2n2  Tbü  rmn  zugeschrieben  i'^).  Auf  einer  findet  sich  die  Zahl 
17  oder  18  (so  Euting-Gutschmid,  nicht,  wie  man  finlher  las,  32 
oder  33). 

Im  J.  55  V.  Chr.  machte  Gabinius  einen  Feldzug  gegen  die 
Nabatäer.  Ob  damals  noch  Aretas  oder  sein  Nachfolger  Malchus 
regierte,  wird  von  Josephus  nicht  bemerkt  (Jos.  Antt.  XIY,  6,  4. 
B.  J.  I,  8,  7). 

Malchus  I  {MaXxoq  oder  MdXixog,  s.  oben  S.  350  f.  und  Nüldeke 
bei  Euting,  Nabat.  Inschr.  S.  63),  regierte  um  50—28  vor  Chr.  Die 
Bezeichnung  als  Malchus  II  bei  Gutschmid  und  Anderen  beruht 
auf  der  sehr  unsicheren  Beziehung  einer  Münze  auf  einen  älteren 
Malchus  (s.  oben  Anm.  9).  Im  J.  47  stellte  er  dem  Cäsar  Reiterei 
für  den  alexandrinischen  Krieg  {Bell.  Alex.  1).  Als  die  Parther  im 
J.  40  Palästina  eroberten,  wollte  Herodes  zu  Malchus  flüchten, 
wurde  aber  von  ihm  nicht  aufgenommen  (Joseph.  Antt.  XIV,  14, 
1—2;  Bell.  Jud.  I,  14,  1—2).  Wegen  seiner  Parteinahme  für  die 
Parther  trieb  Yentidius  39  v.  Chr.  von  ihm  eine  hohe  Contribution 
ein  {Dio  Cass.  XLYIII,  41).  Antonius  schenkte  1  einen  Theil  meines 
Gebietes  der  Kleopatra(Z)io  Cass.  XLIX,  32.  riutarch.  Änton.^%.  Jos.  Bell. 
Jud.  1, 18, 4)  'S).  Im  J.  32  schickte  Malchus  dem  Antonius  Hülfstruppen 
für  den  actischen  Krieg  (P/w/^rcÄ.  Anton.  61).  Da  er  den  Tribut  für  das 
an  Kleopatra  abgetretene  Gebiet  nicht  mehr  bezahlte,  wurde  er 
von  Herodes  auf  Befehl  des  Antonius  mit  Krieg  überzogen.  Der 
anfangs  für  die  Araber  glückliche  Krieg  endete  schliesslich  mit 
einer  völligen  Niederlage  derselben,  .32 — 31  vor  Chr.  {Joseph.  Antt. 
XY,  5;  B.J.  I,  19).  Das  letzte,  was  wir  von  Alalchus  hören,  ist, 
dass  er  dem  alten  Hyrkan  versprach,  ihn  bei  dem  geplanten  Auf- 
stand gegen  Herodes  im  .1.  30  zu  unterstützen  {Antt.  XY,  6,  2 — 3). 
—  Auf  unsern  Malchus  glaubt  de  Vogüe  eine  nabatäische  Inschrift 
zu  Bosra  beziehen  zu  können,  auf  welcher  „das  elfte  Jahr  des 
Königs  Maliku''  erwähnt  wird  (xrbiQ  "sb^b  11  rzt?)^'').  Denselben 
Malchus  ("it:a2  ^btt  iDbia)  findet  Renan  auch  erwähnt  auf  einer  aus 
Puteoli  stammenden  Inschrift-^). 


17)  De  Vogüe,  Revue  Xum.  1868,  p.  157.  De  Saiilcy,  Anmiaire  t.  W p.  13. 

18)  Die  Angabe  des  Josephus  [B.  J.  I,  22,  3),  dass  Malchus  auf  Betrieb 
der  Kleopatra  hingerichtet  worden  sei,  ist  irrig. 

19)  I>e  Vogüe,  Syrie  centrale,  Inscriptioiis  seinttiqucs  p.  103—105  == 
Cotp.  Inscr.  Semit.  P.  II  n.  174.  Die  Inschrift  ist  nach  de  Vogü^  (S.  114)  von 
älterem  Charakter  als  die  anderen,  aus  dem  ersten  Jahrh.  nach  Chr.  stammen- 
den Inschriften.    So  auch  das  Corp.  Inscr.  Semit. 

20)  Renan,  Journal  asiatiqiie  Vlle  serie  t.  II,  1873,  p.  366—382  =  Corp. 
Inscr.  Semit.  P.  II  n.  158. 


736  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  [ül7.  618] 

Obodais  II,  um  28 — 9  vor  Chr.,  war  König  zur  Zeit  des  Feld- 
zuges des  Aelius  Gallus  gegen  das  südliche  Arabien  25 — 24  vor 
Chr.,  an  welchem  Feldzuge  auch  tausend  Mann  nabatäische  Hülfs- 
truppen  theilnahmen.  Er  überliess  die  Regierungsgeschäfte  ganz 
seinem  amxQojioq  Sylläus,  der  dem  Aelius  Gallus  schlechte  Rath- 
schläge  in  Betreff  der  einzuschlagenden  Marschroute  ertheilte  {Siraho 
XVI  p-  780 — 782).  Obodas  wird  noch  als  König  erwälint  in  der 
letzten  Zeit  des  Herodes,  als  Sylläus  sich  in  Jerusalem  um  die  Hand 
der  Salome,  der  Schwester  des  Herodes,  bewarb  {Antt.  XVI,  7,  6; 
Bell  Jud.  I,  24,  6),  und  als  Herodes  einen  Kriegszug  gegen  die 
Araber  unternahm  {Antt  XVI,  9,  1  u.  4).  Eben  um  jene  Zeit  (9  vor 
Chr.?)  starb  Obodas,  angeblich  an  Gift,  das  ihm  Sylläus  gereicht 
hatte  {Antt.  XVI,  9,  4).  Einige  Münzen  hat  de  Saulcy  mitgetheilt'-^). 
—  Auf  Obodas  II  ist  höchst  wahrscheinlich  zu  beziehen  die  Auf- 
schrift auf  einer  Statue  „des  Gottes  Obodas"  (xnbx  msiP),  welche 
von  den  Kindern  des  Choneinu  „zum  Wohle  des  Königs  Aretas 
Eaclmn-ammeh'^  (also  Aretas  IV)  im  29.  Jahre  von  dessen  Regierung 
gesetzt  ist.  Sie  ist  interessant  als  sicherer  Beleg  dafür,  dass  die 
Apotheose  verstorbener  Könige  auch  bei  den  Nabatäern  vorkam, 
und  bestätigt  die  Notiz  des  Uranius  (bei  Steph.  Byx.  s.  v.  "Oßoöa  = 
Müller, Fragm.kist.ijr.  IV,525/r.23):  'OßoÖTjg  o  ßaoi/Lsvg  ov  &60Jcoiov<ji'"). 

Aretas  IV,  mit  seinem  ursprünglichen  Namen  Aeneas,  um 
9  vor  bis  40  nach  Chr.,  folgte  dem  Obodas  unmittelbar  in  der 
Regierung  {A)itt.  XVI.  9;  4)-^).  Wegen  seines  eigenmächtigen  Re-' 
gierungsantrittes  war  Augustus  anfangs  ungehalten,  erkannte  ihn 
dann  aber  doch  als  König  an  {Antt.  XVI,  10,  9).  Gegen  Sylläus 
erhob  Aretas  wiederholt  Klage  bei  Augustus  {Antt.  XVII,  3,  2; 
Brll.  Jud.  I,  29,  3),  infolge  deren  Sylläus  zu  Rom  hingerichtet  wurde 
(Straljo  XVI  p.  782.  Kicolaus  Damasc.  bei  Müller,  Fragm.  hist.  gr.  III, 
351).  Als  nach  dem  Tode  des  Herodes  im  J.  4  vor  Clir.  der  Statt- 
halter Varus  einen  Kriegszug  gegen  die  Juden  unternehmen  musste, 
stellte  Aretas  Hülfstruppen  zu  dessen  Heere  {AntU  XVII,  10,  9; 
Bell.  Jud.  II,  5,  1).  —  Aus  der  langen  Regierung  des  Aretas  sind 
uns  dann  nur  noch  einige   Ereignisse  der  letzten  Zeit  bekannt. 

21i)  De  Saulcy,  Aumimre  t.  IV  ]).  19.  Dazu  Euting-Gutschmid 
8.  84.  —  Zwei  Mün/en  des  8ylläu8(?)  giebt  de  Saulcy,  Mdlangcs  de  Numis- 
malique  t.  III,  1882,  /'.  19(i. 

22)  S.  über  die  Insdirift  die  oben  S.  728  genannten  Mitthcihuigeii  von  de 
Vogü<^'  und  Clerniont-Ganueau;  der  Text  am  besten  bei  de  Voijiir,  Jouv' 
nal  (iniaf.  IX«  si'rie  t.  XI,  1898,  ;>.  132.  —  lieber  die  ApotlieoHO  der  nubatäischon 
Könige  im  Allgemeinen  h.  auch  die  ältere  Abhandlung  von  Clurmout- 
Oaoneau,  Leu  nomn  royaux  nahtUiena  employis  romtne  noms  divins  {Revue 
arcMol.  HI«  nine  t.  V,  1885,  p.  170-178  —  Itccueü  (VnrcMol.  uncni,  I,  39-47). 

23)  Da«  Jalir  de»  KegieningHantrittee  Ifiant  sich  nicht  HJcher  l'estHtellen.  Vgl. 
die  Chronologie  der  letzten  Jalire  den  HerodcH  (oImii  H.  373). 


{GIS.  G19]  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  737 

Der  Tetrach  Herodes  Antipas  hatte  eine  Tochter  des  A^eta^<  zur 
Frau,  die  er  ispäter  verstiess,  um  die  Herodias  zu  lieirathen.  Die 
dadurch  entstaudeue  Feindschaft  zwischen  beiden  Fürsten  erhielt 
durch  Grenzstreitigkeiten  neue  Nahrung.  Es  kam  zum  Krieg,  in 
welchem  das  Heer  des  Herodes  von  dem  des  Aretas  besiegt  wurde. 
Wegen  seines  eigenmächtigen  Vorgehens  sollte  Aretas  durch  den 
Statthalter  Vitellius  auf  Befehl  des  Kaisers  Tiberius  gezüchtigt 
werden.  Als  aber  \'itellius  auf  dem  Marsch  gegen  Petra  in  Jeru- 
salem die  Nachricht  von  dem  Tode,  des  Tiberius  erhielt,  kehrte  er 
unverrichteter  Dinge  wieder  um  {Antf.  XVII I.  5,  1  u.  3).  Die  Er- 
eignisse fallen  also  in  die  letzte  Zeit  des  Tiberius  36—37  nach  Chr. 
Nicht  viel  später  fallt  die  Flucht  des  Paulus  aus  Damaskus,  zu 
deren  Zeit  Damaskus  unter  einem  Statthalter  {Id-vaQxi]!;)  des  Königs 
Aretas  stand  (II  Kor.  1 1,  32)-^).  Wir  erfahren  dadurch,  dass  nun  auch 
Damaskus  wieder  zum  Gebiet  des  Araberkönigs  gehörte, 
wie  denn  in  der  That  aus  der  Zeit  des  Caligula  und  Claudius  keine 
Münzen  von  Damaskus  mit  dem  Bilde  des  römischen  Kaisers  be- 
kannt sind  (vgl.  Bd.  II  S.  119).  Wahrscheinlich  hatte  Caligula,  der 
solche  Gunstbezeugungen  liebte,  die  Stadt  dem  Aretas  verliehen''^*). 
—  Von  keinem  anderen  nabatäischen  Könige  haben  wir  ein  so 
reiches  Material  an  Münzen  und  Inschriften,  wie  von  Aretas  IV. 
Unter  den  Inschriften  von  el-Hegr  (=  Medain-Salih),  welche 
Doughty,  Huber  und  am  correctesten  Euting  mitgetheilt  haben,  be- 
finden sich  nicht  weniger  als  zwanzig,  die  nach  Regie- 
rungsjahren dieses  Aretas  datirt  sind,  die  meisten  davon  gut 
erhalten-'').  Derselbe  Aretas  ist  auch  erwähnt  auf  der  bereits  ge- 
nannten Aufschrift  auf  der  Statue  „des  Gottes  Obodas"  in  Petra 
(s.  oben  S,  736  bei  Obodas  11)  und  auf  einer  Inschrift  in  Medaba 
im  Ostjordanland^');  wahrscheinlich  ist  derselbe  auch  gemeintauf 


24)  lieber  den  Titel  i&väQXfjQ  s.  Bd.  II,  S.  82,  und  die  weiteren  Ausfüh- 
rungen in:  Theol.  Stud.  und  Krit.  1899,  S.  95—99. 

2ö)  So  auch  Gutscliniid  bei  Euting,  Nabatäische  Inschriften  S.  85.  Die 
ältere  Literatur  über  diese  Frage  s.  bei  Anger,  Wieseler,  Winer  in  den 
oben  genannten  Werken.  Sehr  unwahrscheinlich  ist  die  viellach  vertretene 
Ansicht,  dass  Aretas  Damaskus  mit  Gewalt  an  sich  gerissen  habe.  Ein  solcher 
Eingriff'  in  römisches  Gebiet  hätte  nicht  ungeahndet  bleiben  können.  Die 
Münzen  von  Damaskus  mit  dem  Bilde  des  Tiberius  gehen  bis  zum  Jahre  345 
aer.  Sei.  =  33  34  nach  Chr.  {Mionnet  V,  286;  de  Satilc/j,  Ninnisniatü/ne  de  la 
Terre  Sainte  p.  36);  die  des  Nero  beginnen  mit  dem  Jahre  374  aer.  Sei.  = 
62/03  nach  Chr.  {Mionnet  V,  280;  de  Sanlcij,  Xiimisniatique  de  la  Terre  Sainte 
p.  36).    In  der  Zwischenzeit  kann  Damaskus  dem  Araberkönig  gehört  haben. 

26)  Euting,  Nabatäische  Inschriften  S.  24—01  (Nr.  1—20)  =  Corp.  Inscr. 
Semit.  P.  II  Aram.  n.  197—217. 

27)  Zeitschr.  für  Assyriologie  V,  1890,    S.  289—292.    VI,    1891,    S.  149  f. 
Schürer,  Geschichte  I.  :(.  u.  4.  Aufl.  47 


738  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  [(319] 

einer  Inschrift  zu  Sidon-^)  und  auf  den  beiden  Inschriften  aus  Pu- 
teoli-^).  Auch  auf  Münzen  kommt  er  nicht  selten  vor 3").  Auf  den 
Inschriften  zu  el-Hegr  heisst  er  constant  n'ü^  zm  ^'^2^  75»  f.rrn 
„Charithath,  König  der  Nabatäer,  welcher  sein  Volk  liebt"  {Rachem- 
animeh).  Ebenso  auf  den  Inschriften  von  Petra  und  Medaba  und 
in  der  Eegel  auf  den  Münzen  =^').  Der  Titel  Rachem-ammeh  ist  ein 
Ausdruck  nationalen  Selbstgefühls  und  enthält  eine  indirecte  Ab- 
lehnung solcher  Titel  wie  ^ikoQcofiaiog  oder  fPü6y.atoaQ  (Gut- 
schmid  S.  S5).  Er  entspricht  dem  griechischen  ^iXojtccTQig,  welchen 
Titelz.B.der  (oben  S.408  erwähnte)  König  Archelaus  vonKappadocien 
führte.  Auch  dieser  griechische  Titel  ist  wohl  ein  Protest  gegen 
den  Servilisnms  anderer  Künige^'^).  Es  ist  daher  nicht  wahrschein- 
lich, dass  Fachem-annneh  zu  erklären  ist:  ,, welcher  seinen  Urgross- 
vater  liebt",  wie  Clermont-Ganneau  vorgeschlagen  hat,  aucli  wenn 
ny  wirklich,  wie  Cl.-G.  nachzuweisen  sucht,  die  Bedeutung  ,,Ur- 
gi-ossvater,  proovus''  haben  kann ^'3).  Auch  in  dem  noch  zu  er- 
wähnenden Titel  des  Königs  Kabel  „Avelcher  Leben  und  Freiheit 
seinem  Volk  gegeben  hat"  ist  ^y  sicher  =  Volk.  —  Dass  eben 
dieser  Aretas  Rachem-ammeh  mit  Aretas  IV  identisch  ist,  darf  als 
sicher  gelten.    Denn  die  Regierungsjahre  auf  den  Inschriften  von 

Corp.  Inner,  Semit.  P.  II  Aram.  n.  190.  Clermont-  (ianncau,  Recueü  (VarcheoL 
Orientale  II,  189—197. 

28)  De  Vof/iie,  Syrie  centrale,  Inscriptions  simitiques  p.  113  •=»■  Levy, 
Zeitschr.  der  DMG.  1869,  S.  435  ff.  =  Curp,  Inscr.  Seui.  P.  II  n.  160.  Wegen 
des  Datums  vgl.  auch  Euting-Gutschniid  S,  85.  De  Saulcy  will  sie  auf 
Aretas  III  beziehen  und  unter  dem  darauf  erwähnten  Zoilus  den  au.s  Jns. 
Antt.  XIII,  12,  2  u.  4  bekannten  verstehen,  s.  Cotiipte.s  rendas  de  la  soviite 
franrainc  de  namismatiqne  et  tParchcol.  1873  (mir  nur  bekannt  durch  Bursian's 
Jahresbericht  II,  1246  f.). 

29)  Gildemeister,  Zeitschr.  der  DMG.  1809,  S.  150«'.  Levy,  ebendas. 
8.  652  fr.  Nöldeke,  ebendas.  ia84,  S.  144,  654.  Corp,  Inscr.  Srtntt,  P.  II  n. 
157.  —  Renan,  Journal  nsiatiqne  VII«  sn-ie  f.  II,  1873,  p.  366  sqq.  Corp.  Insf-r. 
Srm.  /'.  II  /'.  15S.  —  Wegen  der  Datirung  beider  vgl.  Euting-Gutsclnnid 
Ö.  85. 

30)  Dur  ile  Lui/ne»,  Rerue  ^iinnismatiqiu-  18ä8,  /'.  294 — 2!M).  De  ]'i)(ftn'', 
Ifenie  Xttmiirtnntique  IHüS,  p-  W2  t<qq.  De  Saulri/,  Annuaire  f.  IV,  1873, 
p.  13—17.    Buhrlon,  Hrruv  Suuiisiiiatique  1SS7,  p.  374—377. 

31)  Beiläufig  bemerkt,  wdlte  man  nach  dem  nemit.  rrnn  eigentlit!h  .kp/i>K(; 
erwarten,  wie  «ich  in  der  That  der  bekannte  Erzbischof  von  Cäsarca  Hchricb. 
Die  Form  /Ip^ro;  ist  wohl  unter  dem  EinflusM  des  gricch.  agf-xi]  entstanden. 
Uebrigen»  kommt  der  We»-hHel  v<»n  r  un<l  ti-  bei  Wiedergabe  solcher  seniiti- 
»•chen  Namen  auch  sonst  vor.  S.  .Mord  t  man  n.  Ar«-iiäol.-epigr.  Mittheilungen 
aUM  Oenterreich-Ungarn  VIH,  18K4,  S,  1,S3. 

32)  Vgl.  OlitHchniid,  Kleine  Schriften  IV,  110. 

33)  Ctermonl-  Oauueuu,  Jounuil  aniatiqiw,  }\vuvlhiir  Snir  I.  XI,  ISds, 
p.  &2&'&20  —  Ute  Heil  tfarehiol.  Orient.  II,  372—370. 


[tii9.  ü20]  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  739 

el-Hegr  gehen  bis  zum  48.  Jahre,  und  zwar  ist  gerade  das  aeht- 
uiidvieizigste  Jahr  auf  zwei  Inschriften  (i-^uting  Nr.  10  und  17 
==  CoriJ.  Inscr.  Sem.  7'.  II  n.  214  und  215)  mit  Worten  geschrieben, 
n^y  ani  lun:  "jb^  nnnnb  SDi'am  -j^yaiK  nsc,  so  dass  ein  Zweifel 
in  Betrefi'  der  Zahl  nicht  möglich  ist.  Auch  die  Münzen  gehen 
(nach  Euting-Gutschmid  S.  85)  bis  zum  48  Jahre.  So  lange  Zeit 
kann  aber  nur  Aretas  1\'  regiert  haben.  Und  es  ist  damit  zu- 
gleich der  Beweis  geliefert,  dass  der  in  den  letzten  Jahren  Herodes' 
des  Grossen  erwähnte  Aretas  identisch  ist  mit  dem  Gegner  des 
Herodes  Antipas.  —  Nach  der  Inschrift  auf  der  Statue  „des  Gottes 
Obodas"  hatte  Aretas  sechs  Söhne  (oder  Söhne  und  Töchter?): 
^Dbn  (Malchus),  ma^  (Obodas),  bxm  (Rabelj,  bxxD  (Phasael),  n-ny» 
(Saudat), .  lian  (Higru  oder  Hagiru)^^).  Phasael  und  Saudat  können, 
wie  Clermont-Ganneau  bemerkt,  auch  Frauennamen  sein.  Es  wäre 
daher  möglich,  dass  eine  der  beiden  die  erste  Gemahlin  des  Herodes 
Antipas  war. 

Ablas,  o  'A()dßojv  ßaoiXevgt  unternahm  zur  Zeit  des  Claudius 
einen  Kriegszug  gegen  Izates  von  Adiabene,  zu  welchem  ihn  die 
eigenen  Unterthanen  des  Izates,  die  über  dessen  Bekehrung  zum 
Judenthum  entrüstet  waren,  aufgefordert  hatten.  Ablas  wurde  von 
Izates  besiegt  und  nahm  sich,  um  nicht  in  dessen  Hände  zu  fallen, 
selbst  das  Leben  (Antt.  XX,  4,  1).  —  In  Gutschmid's  Verzeichniss  | 
ist  dieser  Ablas  nicht  aufgenommen  (oder  übersehen?).  Allerdings 
ist  die  Thatsache  merkwürdig,  dass  ein  nabatäischer  König  gegen 
das  jenseits  des  Euphrat  liegende  Adiabene  zu  Felde  zieht.  Aber 
Josephus  sagt  anderw^ärts  ausdrücklich,  dass  sich  die  Naßatfjv// 
vom  rothen  Meer  bis  zürn  Euphrat  erstrecke^*).  —  Wenn 
Ablas  hier  einzureihen  ist,  so  ist  keiner  der  obengenannten  Söhne 
des  Aretas  ihm  unmittelbar  in  der  Regierung  gefolgt. 

Malchus  II,  um  48—71  nach  Chr.,  stellte  im  J.  67  Hülfstruppen 
zum  Heere  Vespasians  für  den  jüdischen  Krieg  {Jos.  Bell.  .hol.  III, 
4,  2)  und  wird  in  dem  um  das  J,  70  verfassten  Periplus  maris 
Knjthruei  als  König  der  Nabatäer  erwähnt  {Periplus  maris  Enjthraei 
§  19,  ed.  Fahricius:  jhvxf/  xwfit/,  Öia  /)g  odoi  toriv  elc,  UtTQav 
jTQo^  MaXixciv,  ßaoiXia  Naßaxaiojv).  Eine  Inschrift  zu  Salkhat  im 
Hauran  ist  datirt  vom  „Jahr  siebzehn  des  Maliku,  Königs  der  Na- 

34)  S.  den  Text  Journal  asiatiquc,  Xeucume  Serie  f.  XI,  189S,  p.  132. 
Dazu  Clermont-Ganneau  ibid.  p.  530—532  =  Recueil  II,  370—378,  Der  vierte 
Name  ist  nicht  bxCB  sondern  ^x:£E  zu  lesen  (Mittheiiung  Euting»  bei  Cler- 
nionr-Ganueau). 

35)  Antt.  T,  12,  4:    ovxoi   (seil,  die  Nachkommen  Ismael's)   näaav  rfjv  an 
EvtpQÜxov  xa&rjxovoav  ii^oc  t/)v  ^Eqv^qüv  i^ä/.aaouv  xaxoixovai,    ^aßarrii/jv 
zi^v  /ivfjuv  ovonüaavxiq. 

47* 


740  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  [620,  621] 

batäer,  des  Sohnes  Charithath's,  Königs  der  Nabatäer,  welcher 
sein  Volk  liebt"  {Rachem-ammehy^).  Zu  el-Hegr  finden  sich  sechs 
Inschriften,  welche  nach  Regierungsjahren  des  Maliku 
datirt  sind^'),  darunter  die  jüngste  (Euting  Nr.  26  =  Corp.  Inscr. 
Sem.  P.  II  n.  223)  vom  .,Jahr  einundzwanzig  des  Königs  Maliku, 
Königs  der  Nabatäer'  rja:  Tbü  i5D5B  iDb^b  mni  ^-lüy  r:cn. 
Münzen  giebt  es  vom  J.  9  und  23  (so  Euting-Gutschniid  S.  86, 
nicht  wie  de  Vogüe  las  25  und  33)^'^).  Da  der  König  Kabel  nach 
der  Inschrift  von  D'mer  im  J.  71  zur  Regierung  kam,  so  hat 
Malchus  etwa  von  4S— 71  regiert.  Auf  ihn  bezieht  sich  wohl  auch 
eine  vom  „Jahr  eins  (oder  zwei?)  des  Königs  Maliku,  Königs  der 
Nabatäer"  datirte  Inschrift  zu  Um  er-Resäs  nordöstlich  von  Dhibän 
in  Moabitis^^).  — Zu  seiner  Zeit  ist  Damaskus,  wahrscheinlich 
durch  Nero,  wieder  vom  nabatäischen  Reiche  getrennt 
worden  (s.  oben  S.  737). 

Rabel,  71—106  nach  Chr.,  ist  nur  durch  Inschriften  und 
Münzen  bekannt.  Sein  Name  lautet  nach  Euting  nicht,  wie  man  früher 
las,  Dabei  sondern  Rabel  (bKm).  Der  Name  Rabel  oder  Rabbel  ist 
auch  sonst  nicht  selten^^).  Ein  älterer  ^PaßiloQ  ßaciXivc  rmv 
UQaßimv  bei  Steph.  Byx.  s.  v.  Mcod^co  (s.  oben  S.  732).  Das  Jahr 
seines  Regierungsantritts  lässt  sich  genau  bestimmen  nach  der  In- 
schrift von  D'mer.  welche  datiit  ist  vom  Monat  Ijjar  „im  Jahre 
405  nach  der  Zahl  der  Römer,  das  ist  im  Jahre  24  des  Königs 
Rabel"'«').  Unter  dem  Jahr  405  „nach  der  Zahl  der  Römer"  ist 
das  Jahr  der  seleucidischen  Aera  zu  verstehen.  Hiernach  ist  das  j 
Datum  =  Mai  94  nach  Chr.  (s.  Gutschmid  S.  86),  das  erste  Jahr 
des  Rabel  also  =  71  nach  Chr.    Auf  zwei  Inschriften  zu  el-Hegr 


3ö)  De  Vogüe,  Syrie  centrale,  Inscriptious  sänitiqms  p.  107.  Schröder, 
Zeitschr.  der  DMG.  1884,  S.  532  f.     Corp.  Imcr.  Sem.  P.  II  n.  182. 

37)  Euting,  Nabatäische  Inschriften  S.  61-C8  (Nr.  21—26).  Corp.  Iiisrr. 
Sem.  P.  II  n.  218-223. 

38)  Duc  de  Luyncs,  Pirue  Xiim.  1858,  p.2%sq.  De  Vogüe,  Pcnic  Nun/. 
1868,  p.  166 »7.  De  Saulcy,  Anintahe  t.  IV,  1873,  ;>.  VI  sq.  —  Eine  Münze 
ohne  Datum  (von  Malclius  und  Sekilath)  giebt  Sorltn-Dorigiiy,  Pmir  Nii- 
invimntique  1887,  p.  3ÜÜ  »q. 

.39)  De  Vogüi,  Syrie  centrale,  Insoriptions  s6tirUiqurs  p.  100.  Corp.  Insor. 
Semit,  P.  II  n.  195.  Clcrmont-  C/rnnteaH,  liecuril  (l'arcliönl.  Orient.  II,  185—188 
(letzterer  jrlauht  die  Ziflcr  des  Datum«  als  2,  nicht  1,  loHen  zu  müssen). 

40)  'Paßijkov  WmMinyfou ,  Imcr.  11.  21H!>.  'PaßßrjKoc  ihi'l.  11.  2152.  220S. 
2537p.  lieviic  hihliqiir  IHfiM,  p.  102.  104.  Ein  Prornhis  Uahili  filiii.<<  auf  der 
oben  H,  463  crwfihnten  lat.  Innchrift.  AI«  syrischer  KinliciischriftsteUcr  i.st 
Biachof  Kabul  an  von  EdchHa  bekannt. 

41)  8f>  liest  EutinK,  Nnbat.  Inschr.  8.86.  Der  erste  HcrauHgcber  Sachuu 
(ZeitMhr.  der  I)M<t.  1884,  H.  .Wo  fl.)  und  noch  ihm  Clrrviout-Üainimu, 
Boeueil  I  p.  70  Inscu  410.    Wie  Euting  auch  da»  Corp.  Inscr.  Semit.  P.  il  //. 


[021]  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischeu  Könige.  74  t 

wird  das  zweite  und  vierte  Jahr  des  Rabel  erwähnt ^2^,  auf  einer 
Inschrift  zu  Salkliat  im  Hauran  das  fünfundzwanzigste,  "jinüy  r:r? 
bNsnb  üToni^^);  auf  zwei  anderen  Inschriften  der  Hauran-Gegend 
das  dreiundzwanzigste  und  sechsundzwanzigste  (mö[l  ■j]''"itD:?  rzw 
!:Ka"ib)^*);  die  Münzen  geben  kein  sicheres  Datuni^^).  Da  Rabel 
auf  einigen  Münzen  neben  seiner  Mutter  Sekilath(nttsn5'^pü)  erwähnt 
wird,  war  er  beim  Antritt  seiner  Regierung  wohl  noch  unmündig. 
Eine  „Königin  Sekilath"  wird  auch  auf  Münzen  des  Malchus  als 
dessen  „Schwester"  erwähnt  (im:  nrbtt  nnn»  nb'ipTn);  und  auf 
einer  Inschrift  in  Petra  kommt  vor  ein  „Oneisu,  Bruder  der  Sekilatli, 
der  Königin  der  Nabatäer"  (ii:a:  rrbtt  nrpc  n«  ".©^rr)^*^).  Wenn 
hier  überall  dieselbe  Sekilath  gemeint  ist,  so  ist  anzunehmen,  dass 
Sekilath  die  Schwester- Gemahlin  des  Malchus  war,  Rabel  der 
Sohn  beider,  und  Oneisu  nicht  der  „Bruder"  im  eigentlichen  Sinne, 
sondern  der  ejrlxQojcog  der  Sekilath,  wie  Clermont-Ganneau  scharf- 
sinnig vermuthet  auf  (irund  von  Strabo  XVI,  4,  21  p.  779:  ix^t  <i' 
o  ßaoiXevq  tjtixQOJtov  xmv  Ira'iQcov  xiva  xaXovutvov  äöeXrpov.  — 
Auf  den  Inschriften  aus  dem  23.  und  2(3.  Jahre  seiner  Regierung 
führt  Rabel  den  Titel  msy  aT''OT  "«"'nx  "'i  „welcher  Leben  und 
Freiheit  seinem  Volk  gegeben  hat",  offenbar  eine  Wiedergabe  des 
hellenistischen  Titels  2^coxrjQ.  —  Rabeis  Erwähnung  auf  der  Inschrift 
zu  D'mer,  östlich  von  Damaskus,  auf  dem  Weg  nach  Palrayra,  be- 
stätigt die  Ausdehnung  der  Nabatäerherrschaft  bis  in  jene  Gegend. 
Das  26.  Jahr  des  Rabel,  aus  welchem  die  späteste  datirte  In- 
schrift stammt,  ist  =  96  n.  Chr.  Er  kann  also,  da  Arabien  im 
,1.  106  römische  Provinz  wurde,  der  letzte  König  gewesen  sein. 
Dussaud  und  Macler  wollen  ihm  noch  einen  Nachfolger  Malchus 
geben,  weil  auf  der  von  ihnen  herausgegebenen  Inschrift  vom  23. 
Jahre  des  Rabel  der  Gott  X"irx  oder  xn:?«  „der  Gott  unseres  Herrn" 

161.    Eine  Photographie  der  ganzen  Stele  giebt  C/t'rw<on<- Go««ea«,  Alhmn 
(rantiqultes  urientalcs  /irr.  I,  1897,  pl.  XLII. 

42)  Eutin g,  Nabatäische  Inschriften  S.  08—70  (Nr.  27—28).  Corp.  Inser. 
Semit.  P.  II  n.  224—225. 

43)  De  Voifiie,  Si/rie  centrale,  Liscriptions  semüiques  p.  112.  Corp.  Inscr. 
Sem.  P.  II  n.  183. 

44)  Dussatid  et  Macler,  Votjaije  nrc/ieolof/ique  au  Saf'd  et  dans  le  Djchel 
ed-Drnx,  1901,  p.  168  und  187.  Hiernach  Clermont- Gatineau,  liecueil  IV 
p.  170  u.  174. 

45)  Duc  de  Luynes,  Rectie  Num.  1858,  p.  2d7  sg.  De  Vogüe,  Revue 
Num.  1868,  p.  167  sj.  De  Saulcy,  Awnuiire  t.  IV,  1873,  p.  19—21.  Dazu 
Euting-Gutschmid  S.  86. 

46)  De  ]'ogiic,  Journal  asiatique,  Neui^ieme  Äer/e  ^  VIII,  1896, /?.  496  und 
nach  besserer  Copie  t.  XI,  1898,  />.  144—146,  auch  Revue  biblique  VI,  1897, 
/'.  225.  Zur  Erläuterung:  Clermont- Gaiuieau,  Jnurn.  asiat.  Xeuv.  Serie  t. 
XI,  534  sq.  =  Recueil  IT,  380  sq. 


742  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  [621] 

(also,  wie  sie  iiieiiien.  des  Königs  Rabel)  genannt  wird,  und  weil  auf 
einer  anderen  Inschrift  (Euting  Nr.  21  ==  Corp.  Inscr.  Sem.  P.  II  n. 
218)  derselbe  Gott  Xi2?i<  oder  sny«  als  „der  Gott  Rabeis"  (also  des 
Königs  Rabel)  bezeichnet,  diese  Inschrift,  aber  vom  1.  Jahre  des 
Königs  Maliku  datirt  ist.  demnach  ein  Maliku  noch  auf  Rabel 
gefolgt  sein  müsse*').  Hierbei  ist  aber  zweierlei  unsicher:  1)  dass 
auf  der  ersteren  Inschrift  „unser  Herr"  der  König  Rabel  ist  (es 
scheint  eher,  dass  die  Stele  von  einem  Sklaven  gesetzt  ist,  der 
sie  den  Göttern  seines  Herrn  widmet),  und  2)  dass  der  Rabel  der 
anderen  Inschrift  der  König  dieses  Namens  ist  (es  scheint  eher 
ein  Privatmann  dieses  Namens  zu  sein).  Die  Schlussfolgerung  ist 
also  in  doppelter  Beziehung  unsicher^^). 

Schwierigkeiten,  die  bis  jetzt  nicht  gelöst  sind,  bietet  die  Auf- 
schrift auf  einer  Statue  des  Königs  Rabel,  welche  vom  so  und 
so  vielsten  Jahre  des  Königs  Aretas  (nmn)  datirt  isf*^).  Es  hat 
hiernach  einen  König  Rabel  gegeben,  aufweichen  noch  ein  Aretas 
gefolgt  ist,  und  es  liegt  nahe,  beide  als  die  letzten  Könige  zu  be- 
trachten, da  uns  ein  Rabel  für  diese  Zeit  sicher  bezeugt  ist.  Gegen 
diese  Annahme  hat  aber  C-lermont-Ganneau  zwei  Gründe  geltend 
gemacht:  1 )  der  letzte  Rabel  war  ein  Sohn  des  Malchus  (was  aller- 
dings wahrscheinlich  ist,  wenn  es  auch  nicht,  wie  Cl.-G.  S.  229 
irrthümlich  angiebt,  auf  der  Inschrift  von  Salkhat  CIS  II  183  ge- 
sagt ist),  der  Rabel,  welchem  die  Statue  gesetzt  ist,  hatte  aber 
zum  Vater  einen  König,  dessen  Name  auf  n  {'ihau)  endigte  (von 
Euting  bestätigt),  2)  die  Statue  ist  nach  der  wahrscheinlichsten 
Lesung  der  Jahresziffer  im  16.  Jahre  des  Aretas  gesetzt;  so  lange 
kann  aber  ein  Nachfolger  des  letzten  Rabel  nicht  mehr  regiert 
haben.  Wenn  nun  die  Lesung  IB  auch  sehr  unsicher  ist,  so  scheint 
die  .lahresziffer  doch  in  der  That  für  einen  nach  dem  letzten  Rabel 
noch  einzufügenden  Nachfolger  zu  gross  (Euting  liest  9,  aber  mit 
der  Andeutung,  dass  die  Jahresziffer  unvollständig  erhalten  zu  sein 
scheint).  Die  Heziehung  der  Statue  auf  den  letzten  Rabel  ist  also 
unwahrscheinlich.    Clermont-Ganneau  identificirt  daher  den  Rabel 


47)  DuBsaud  et  Mar/ir,    Voijage  archmliHfiqnr  p.  lf)9 — 173. 

48)  Clermont-Oannrau,  lierueil  JV,  178 «7.  denkt  zwar,  wie  Dussaud 
und  Mnclcr,  in  beiden  Fftllen  an  einen  König  Rabel,  hält  aber  trotzdeni  die 
8<'hlti«Hfolgnrung  niclit  für  /wingeiul,  weil  melirerc  Könige  Namens  Kah(>l  deii- 
Helbeii  Sp«rial-Oott  ver<'hrt  haben  können,  auf  der  Insclirin  huh  dem  1.  .Tahr(> 
de«  Maliku  rIho  ein  filterer  Kabel  gemeint  nein  könne. 

40)  Clrrmont-dinini'du ,  Itmirll  d'iirrlmol.  orifiit.  11,  221  —  234  (di»'  In- 
nehrift  Int  in  Petra  von  Gönne r-J)urand  gefunden).  Eine  I'hotograpliie 
der  Innehrift  i^eht  Clermont-Ganneau,  Alfmm  d'nnfiquites  oneiifa/rK  livr. 
1,  1897,  jil.  XLV  n.  1.  Kine  neue  auf  eigener  Topie  beruhende  Lesung  hat 
Enting  mir  gütignt  mitgetheilt. 


(621]  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischen  Könige.  743 

der  Statue  iiiit  dem  'PdßiXog,  welchen  Gutschinid  um  90— S5  vor 
Chr.  ausetzt  (s.  oben  S.  732).  Da  aber  auch  dieser  Ansatz  starke 
Bedenken  gegen  sich  hat,  so  wird  vorläufig  auf  die  Einreihung 
des  ßabel  der  Statue  in  die  Künigsliste  zu  verzichten  sein. 

Im  J.  106  n.  Chr.  wurde  „das  zu  Petra  gehörige  Arabien" 
durch  Cornelius  Palma,  den  Statthalter  von  Syrien,  in  eine  rö- 
mische Provinz  verwandelt 5<').  Die  Ausdehnung  der  Provinz 
scheint  annähernd  der  des  ehemaligen  nabatäischen  Königreiches 
entsprochen  zu  haben  ^*).  Jedenfalls  gehörten  zu  ihr  als  ihre  be- 
deutendsten Städte  Petra  im  Süden  und  Bostra  im  Norden  (in  der 
Haurangegend),  welche  beide  nach  der  Provinzialaera  vom  J.  106 
rechneten^-).  —  Die  weitere  Geschichte  der  Provinz,  über  welche 


50)  Dio  Cass.  LXVIII,  14:  xaxu  de  tov  avcov  tovzov  XQÖvov  xal  TlaXuaq 
Ttjq  ^VQlaQ  UQ'/cuv  TTjv  ligaßlav  zt)v  n^oi  ry  IHtqu  ix^iQcioato  xal  '^Pojfiatutv 
vn^xoov  inoii^aaTO.  Vgl.  Ainmian.  XIV,  8,  13.  Die  Thatfiache  ist  auch  ver- 
herrlicht durch  Münzen  Trajan's  mit  der  Aufschrift  J./-a6.  rtrf(/«t«t<.  {Cohen, 
Medaillcs  imperiaks  2.  Aufl.  Bd.  II,  1882,  Trojan  n.  26 — 38).  —  Ueber  Corne- 
lius Palma  s.  auch  Le  Bas  et  Wmklington,  Inscripttons  t.  III  n.  2296.  2297. 
2305.  Corp.  Inscr.  Lat.  t.  VI  n.  2180.  Liebenam,  Forschungen  zur  Verwal- 
tungsgeschichte des  röm.  Kaiserreichs  Bd.  I,  1888,  S.  43  f.  Prosopographia 
imperii  Romani  I,  459.  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  IV,  1418  f.  (s.  v.  Cornelius 
n.  279).  —  Ueber  die  Einverleibung  Arabiens:  Dierauer  in  Büdinger's  Unter- 
suchungen zur  röm.  Kaisergeschichte  I,  111.  De  la  Berge,  Essai  sur  /e  regne 
de  Trajan  {Paris  1877)  p.  71 — 73.  Schiller,  Geschichte  der  röm.  Kaiserzeit 
I,  2,  S.  554. 

51)  Einen  Versuch,  die  Grenzen  genauer  zu  bestimmen,  macht  Rohden, 
De  Pakiesiina  et  Arabia  prorineiis  Fomaiiis  p.  15—17.  Vgl.  auch  oben  S.  427f 
über  die  Provinzen  des  Philippus.  —  Ueber  eine  Inschrift,  welche  von  einem 
östlichen  Grenzwall  {opus  viilli)  Zeugniss  giebt,  handelt  Zangemeister, 
Mittheilungen  und  Nachrichten  des  DPV.  1896,  S.  49—52.  Den  Bemühungen 
von  Brunn ow  und  Domaszewski  ist  es  gelungen,  den  Lauf  der  östlichen 
und  südöstlichen  Befestigungsliuie  im  Wesentlichen  festzustellen.  S.  den  Be- 
richt von  Brünnow,  Mittheilungen  und  Nachrichten  des  DPV.  1898,  S.  33ff. 
49  fV.  V.  Domaszewski,  Die  Namen  römischer  Kastelle  am  Limes  Arabiens 
(Festschrift  für  Heinr.  Kiepert  1898,  S.  03- 70).  —  Einige  Städte  der  Dekapolis, 
welche  noch  in  der  ersten  Hälfte  des  zweiten  Jahrhunderts  n.  Chr.  zu  Syrien 
gehört  hatten  (Gerasa  und  Philadelphia),  wurden  später  zu  Arabien  ge- 
zogen, s.  Bd.  II,  S.  143  f.  147  f.  Mittheilungen  und  Nachr.  des  DPV.  1900,  S.  21. 

52)  Chronicon  paschale  {ed.  Dindorf  1,  472):  IleTQaToi  xal  BoaxQrivol  iv- 
zsv&ev  rovg  kavKÖv  xQOVovg  dpiS-fiovai.  Das  Chronicon  j)asc/tale  hat  diese 
Bemerkung  zum  Jahr  105  [Candido  et  Quadrato  Coss.).  Das  genauere  Datum 
der  Epoche  ist  aber  der  22.  März  106.  S.  Waddington,  Les  eres  emplotjies 
en  Syrie  {Revue  archeologique,  Kouv.  Serie  t.  XI,  1865,  p.  263—272).  Mar- 
quardt,  Römische  Staatsverwaltung  I,  431.  Gutschmid  bei  Euting,  Nabat. 
Inschr.  S.  87.  Die  Inschriften  bei  Le  Bas  ei  Waddingfo?i,  Inscriptions  t. 
III  n.  2088.  2462.  2463  (diese  beiden  =  Pakstine  Exploration  Fund,  Quarterlg 
Statement   1895,  p.    148,  147)  und  Waddington's  Erläuterungen  zu  n.  2463. 


744  Beilage  II:  Geschichte  der  nabatäischeu  Könige.  [622] 

die  neueren  Forschungen  manches  Material  geliefert  haben,  ist  hier 
nicht  mehr  zu  verfolgen  ^^^  gj^  „jag  mu-  noch  erwähnt  werden, 
dass  Trajan  wenige  Jahre  nach  Errichtung  der  Provinz  eine  grosse 
Strasse  „von  der  Grenze  Syriens  bis  zum  rothen  Meere"  bauen 
liess  ^*).  Seit  dem  vierten  Jahrh.  n.  Chr.  war  Arabien  in  zwei  Pro- 
vinzen getheilt:  Arabia  niit  der  Hauptstadt  Bostra,  und  Palaesiina 
tertia  mit  der  Hauptstadt  Petra  ^^). 

Kabitschek  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  I,  G41  f.  im  Art.  Aera  (erkennt 
an,  dass  die  Inschriften  überwiegend  für  das  Frühjahr  106  als  Ausgangspunkt 
der  Aera  sprechen,  weist  aber  darauf  liin,  dass  nicht  alle  Daten  sich  von  dieser 
Voraussetzung  aus  erklären). 

53)  Vgl.  hierüber:  Marquardt,  Rom.  Staatsverwaltung  Bd.  I  (2.  Aufl. 
1881)  S.  431—434,  und  die  daselbst  citirte  Literatur.  —  Kuhn,  Die  städtische 
und  bürgerl.  Verfassung  des  röm.  Reichs  II,  373—388.  —  Mommsen,  Rom. 
Gesch.  V,  471 — 486.  —  Rohden,  De  Palaestina  et  Aralria  jjrovinciis  Fomanis 
quaestiones  selecta^.  Diss.  Berol.  1885  (giebt  S.  49—57  ein  Verzeichniss  der 
Statthalter  der  Provinz).  — Lieben  am,  Forschungen  zur  Verwaltungsgeschichte 
des  röm.  Kaiserreichs  Bd.  I,  1888,  S.  42—49  (Verzeichniss  der  Statthalter).  — 
Rohden  Art.  Arabia  in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  II,  359—362.  —  Cler- 
mont-Ganneau,  FAudes  d'archMof/ie  Orientale  t.  II  (=  Bihliotheque  de  l'ecole 
des  hatites  äudes  fasc.  113)  1897,  p.  83—92.  —  Ders.,  liecueil  d'archeoloyie 
Orientale  II,  240—247  (über  einige  Statthalter).  —  P.  Meyer,  Die  legio  III 
Cyreiiaica  (Jahrbb.  für  dass.  Philol.  1897,  S.  585—594).  Ders.,  Die  Neuab- 
grenzung Arabiens  unter  Septimius  Severus  (ebendas.  S.  594—596)  [ist  zu  be- 
richtigen]. —  Ders.,  Römisches  aus  Aegypten  und  Arabien  (Hermes  32,  1897, 
S.  482—490).  —  Ders.,  Das  Heerwesen  der  Ptolemäer  und  Römer  in  Aegypten, 
189fJ,  S.  158 — 169  (über  die  lecf.  III  Cyrenaica).  —  Michon,  Inscriptions  Uitines 
d'Aralne  (Rente  hildique  VI,  1897,  /).  288— 298).  —  Germer- Durand,  La  vo-ie 
romaine  de  Petra  ä  Madatta  [Revue  bililiqtie  VI,  1897,  p.  574 — 592).  —  Brün- 
now,  MittheiluDgen  und  Nachrichten  des  DPV.  1899,  S.  88—91  (Meilensteine 
mit  Statthaitemamen). 

54)  Eine  auf  verschiedenen  Meilensteinen  erhaltene  Inschrift  vom  J.  111 
u.  Chr.  besagt,  das*  Trajan  rcdacta  in  formani  provinciae  Arabia  liam  no- 
ram  a  finibtis  St/riac  usque  ad  mare  rulirnni  aperuit  et  stravit  per  C.  Clau- 
ditim  Hevermn  leg.  Au<j.  pr.  pr.  {Gernier-lh(rand,  Reime  bibliq ue  ISdd, p.  (j07. 
Ibid.  1897,  p.  584.  Michun,  Revue  bU)lique  1897,  p.  289.  295.  Brünnow,  Mit- 
theilungen und  Nachrichten  des  DPV.  1898,  S.  35.  1899,  S.  90). 

56)  Die  Geschichte  der  Theilung  sucht  nach  dem  Vorgang  Anderer  näher 
zu  ermitteln:  Hohdeu,  De  Palaestina  et  Arab'ia  provinciix  rovianis  p.  22—30; 
der«,  in  Puuiy-WisHOWu's  Keal-Enc.  II,  359 f. 


Beilage  III. 
Grundzüge  des  jüdischen  Kalenders. 


Die  jüdischen  und  die  (von  Josephus  mit 
Tiiacedonischen  Monate,  verglichen  mit  dem 

sind  folgrende: 


ihnen  identificirten) 
julianischen  Kalender, 


1. 
2. 
3. 
4. 
5. 
C. 
7. 


8.  l^ün-itt 

9.  '  ibo3 

10.  nst: 

11.  -jatq 

12.  m« 


Nisati    .  . 

IJjar      .  . 

Sivan    .  . 

Tammus  . 

Ab     .     .  . 

Elül .     .  . 

Tischri  .  . 
Marcheschwan 

Kislev    .  ■ 

Tebeth    .  . 

Scfiebdt  .  . 

Addr      .  . 


Aalöioq      .  . 

Ilavs^oq    .  . 

.Imoq    .     .  . 

roQJiialoq  . 

Aloe,.     .     .  . 

'AneXXaJoQ  . 
Avövvalo^ 

IltQnioj:   .  . 

AvOTQO^     .  . 


März  April. 
AprilMai. 
Mai  Juni. 
Juni  Juli. 
Juli  August, 
August  September. 
September/October. 
October,  November. 
No  vemb./  December. 
December;  Januar. 
Januar  Februar. 
Februar  März. 


Die  jüdischen  Monatsnamen  sind,  wie  jetzt  durch  die  Keiliu- 
schriften  festgestellt  ist,  babylouisch-assyrischen  Ursprungs.  Auf 
den  in  Ninive  aufgefundenen  Monatstafeln  lauten  die  Namen  fulgen- 
dermassen  (s.  Schrader,  Die  Keilinschriften  und  das  alte  Testa- 
ment, 2.  Aufl.  1883,  S.  379  f  Muss-Amolt,  The  names  of  the  Assijro- 
Babylonian  months  and  their  regents,  in:  Journal  of  Biblical  Literature 
vol.  XI,  1892,  p.  72—94,  16Ü— 176,  auch  separat,  New  York  1893): 
Xisaamm,  Airv,  Sivanu,  Duuzu,  Abu,  Ulnlu,  Tasritav,  Araah  samna, 
Kisilivu,  Tibituv,  Sabaiu,  Addaru.  —  Im  Bereiche  des  Judeutliums  ist 
die  älteste  Urkunde,  welche  die  fortlaufende  Reihenfolge  der  Namen 
giebt,  die  Megillath  Taanith,  die  etwa  im  ersten  Jahrhundert 
nach  C'hr.  redigirt  ist,  da  sie  bereits  in  der  Mischna  citirt  wird 
(s.  oben  S.  156  f).  Von  späteren  Zeugen  sei  hier  nur  der  wenig 
bekannte  christliche  Josephus  erwähnt,  der  in  seinem  Hijpo- 
mnesticum  c.Tl  iolg^wA^  lA^ta  g\^\ii  {Fahriciiis,  Codex  pseudepigraphus 
Vet.  Test.  f.  II  Anhang,  auch  bei  Gallandi,  Bibl.  patr.  t.  XIV  und 
Migne  Patrolog.  gr.  t  CVI):  NijOav,  EiaQ,^LOvai\  ßaf/ovC,  Aß,  EkovX. 


746  Beilage  III:  Grundzüge  des  jüdischen  Kalenders.         [623.  624] 

Ogqi  1.  &iO(h].  MaQOaßäv,  XaosXev,  Trjß^&,  2^aßa&,  'Aöag.  Fiii'  die 
einzelnen  Xanien  finden  sich  die  ältesten  Belege  (abgesehen  von 
den  Keilinschriften)  an  folgenden  Stellen.  | 

1.  •p'i?  Nehetn.  2,  1.  Esfher  3,  7.  Mischna  Pesachim  IV,  9.  Schekalim  III,  1. 
Bosch  hasclutna  I,  1.  3.  4.  Taanith  I,  2.  7.    IV,  5.    Nedarim  VIII,  5.    Bechoroth 

IX,  5.    Euting,  Nabataische   Inschriften    aus   Arabien  (1885)  n.  II,  4.    V,  3. 

X.  7.  XI,  7.  XII,  9.  XVI,  3.  XX,  8.  XXI,  4.  Dieselben  Inschriften  auch 
im  Corp.  Inscr.  Semit.  P.  II  Liscr.  Aram.  t.  I.  De  Vof/üe,  Syrie  centrale, 
Inseriptions  semitiqiies  (1868),  palmyrenische  Inschriften  n.  1.  2.  4.  6.  18.  23. 
25.  26.  27.  32.  34  und  sonst.  —  Griech.  Niaav  Esra  apocr.  5,  6.    Addit.  Estlier 

I,  1.    Joseph.  Antt.  I,  3,  3.    II,  14,  6.    III,  8,  4.    10,  5.    XI,  4,  8. 

2.  ~i^x  Bosch  haschana  I,  3.  Euting,  Nabatäische  Inschriften  n.  VIII,  10. 
IX,  9.  XIII,  8.  XXVII,  13.  De  Vogiie,  Inscr.  semif.  Pahmjren.  n.  88.  — 
'lag  Joseph.  Antt.  VIII,  3,  1. 

3.  'i^'^a  Esther  8,  9.  Schekalim  III,  1.  Bechoroth  IX,  5.  De  Vogiie,  Pal- 
mi/ren.  n.  33»  und  33^.  —  Siovdv  Baruch  1,  8. 

4.  T!i"3n  Taanith  IV,  5.  6. 

5.  3S  Pesachim  IV,  5.    Schekalim   III,  1.    Bosch   haschana  I,  3.     Taanith 

II.  10.  IV,  5.  6.  7.  J/esri/Za  I,  3.  Bechoroth  IX,  5.  Euting  n.  VII,  5.  De 
Voffiie  n.  5.  28.  29.  73.  84.  103.  —  Bei  Joseph.  Antt.  IV,  4,  7   ist   die  Lesart 

*Aßßü  (besser  lAßä)  zwar  nur  eine  von  Bernard  eingeführte  Conjectur;  aber  eine 
wohlberechtigte.  Denn  das  von  Niese  nach  den  Handschriften  aufgenommene 
J!ußä  kann  Josephus  unmöglich  geschrieben  haben. 

6.  b»bx  Kehem.  6,  15.  Schekalim  III,  1.  Bosch  haschana  I,  1.  3.  Taanith 
IV,  5.  Bechoroth  IX,  5.  6.  Euting  n.  I,  3.  De  Vogüe  n.  78.  79.  123»  I.  — 
'E).ovl  I  Makk.  14,  27. 

7.  '^"yÖT}  Schekalim  III,  1.    Äo.sc/*  haschana  I,  1.  3,  4.    Bechoroth  IX,  5. 
Z)c  T'o.7Me  n.  17.  22.  85.  123»  IL  —  Bei  Joseph.  Antt.  VIII,  4,  1,  wo  die  Aus- 
gaben  seit  Hudson  BiaQl  haben,   liest  Niese  libvQft.    Aber  die  Hudson'sche 
Lesart,  die  sich  namentlich  auf  den  alten  Lateiner  stützt,  ist  ohne  Zweifel  die 
richtige. 

8-  l^ön-is  Taanith  I,  3.  4.  —  Magaovdviji  Joseph.  Antt.  I,  3,  3.  —  Auf 
den  palmyrenischen  Inschriften  heisst  dieser  Monat  Kanun,  ",132,  De  Vogüe 
n.  31.  63.  \ä. 

0.  "iboi  Sachatja  7,  1.  Nehem.  1,  1.  Bosch  hascliana  I,  3.  Taanith  I,  5. 
—  Xaaeüv  I  Makk.  1,  54.  4,  52.  II  MaJck.  1,  9.  18.  10,  5.  Joseph.  Antt.  XII, 
5,  4.  7,  0.  —  Auf  den  palmyrenischen  Inschriften  lautet  der  Name  ^"i^DS,  Kis- 
lul  oder  Kaslul  {de   Vugiid  n.  24.  75). 

10.  raa  Esther  2.  16.  7hamth  IV,  5.  Euting  n.  III,  2.  XIV,  9.  XV,  8. 
/>e  VogiUn.  66.  123»  III.  —  Teßi»Oi  Joseph.  Antt.  XI,  6,  4. 

11.  aati  Sncharja  1,  7.  /^osc//  haschana  T,  1.  Euting  «.  IV,  9.  De  Vo- 
gtii  n.  67'.  89.  —  2"c/?or  I   ;VaH-.  16,  14. 

12.  17X  häufig  im  lUich  Esther  (auch  Additam).  Srhrkalitn  I,  1.  HI,  1. 
Ä<;#f/t  haüchaua  I,  .'{.  3/t'7?V/a  I,  4.  III,  4.  Nedarim  VUI,  5.  7t//?<;w///  VII,  7. 
Bechoroth  IX,  5.  Euting  «.  XXIV,  6.  De  Vogüf.  n.  8.  10.  11.  12.  13.  19. 
04.  117.  119.  —  ^ASttQ  I  Makk.  7,  43.  49.  11  Makk.  15,  36.  Joseph.  Antt.  IV, 
8,  4Ö.  XI,  0,  2.  XII,  10,  5,  —  li^KTO  "^1^  ""<'  ''?^!'^  "''?**  Mrgilla  I,  4.  iVc- 
darim  VIII,  5. 


[024.  625]  Beilage  III:  Grundzüge  des  jüdischen  Kalenders  747 

Die  jüdischen  Monate  sind  stets  das  geblieben,  was  die  ,.Mo- 
nate"  aller  Culturvidker  von  Hause  aus  waren,  wirkliche  Mond- 
monate.  Da  die  astronomische  Dauer  eines  Monates  29  Tage  12 
Stunden  44'  3"  beträgt  (Ideler.  Handbuch  der  Chronologie  I,  43), 
so  müssen  im  bürgerlichen  Leben  Monate  von  29  Tagen  und  solche 
von  30  Tagen  ziemlicli  regelmässig  mit  einander  abwechseln.  — | 
Zwölf  solcher  Mondmonate  betragen  aber  nur  354  Tage  8  Stunden 
4S'  38"  (Ideler,  Handbuch  der  Chronologie  I,  66),  während  das 
Soiinenjahr  365  Tage  5  St.  48'  48 "  umfasst  (Ideler,  I,  35.  66).  Die 
Differenz  zwischen  einem  Mondjahr  zu  zwölf  Monaten  und  dem 
Sonnenjahr  beträgt  also  10  Tage  21  Stunden.  Uni  diese  Differenz 
auszugleichen,  muss  mindestens  in  jedem  dritten  Jahre,  zuweilen 
auch  schon  im  zweiten,  ein  Monat  eingeschaltet  werden.  Man  hat 
nun  sehr  frühzeitig  beobachtet,  dass  eine  annähernd  genügende 
Ausgleichung  erreicht  wird,  wenn  in  je  acht  Jahren  dreimal 
ein  Monat  eingeschaltet  wird  (die  Differenz  beträgt  in  acht 
Jahren  87  Tage).  Auf  der  Kenntniss  dieses  achtjährigen  Cyclus 
(dieser  „Octaeteris")  beruhen  bereits  die  vierjährigen  Festspiele  der 
Griechen;  denn  der  vierjährige  Cyclus  ist  nur  eine  Halbirung  des 
achtjährigen ').  Aber  schon  im  fünften  Jahrhundert  vor  Chr.  hat 
der  Astronom  Meton  in  Athen  ein  noch  genaueres  System  der 
Ausgleichung  aufgestellt,  einen  neunzehnjährigen  Cyclus,  in 
welchem  siebenmal  ein  Monat  eingeschaltet  werden  muss  '^).  Dieser 
übertrifft  den  achtjährigen  bedeutend  an  Genauigkeit,  da  hier  in 
10  Jahren  nur  eine  Differenz  von  etwas  über  2  Stunden  bleibt 
(Ideler  I,  47),  während  beim  achtjährigen  schon  in  8  Jahren  eine 
solche  von   1^9   Tagen  bleibt.     Unter  den  späteren  Astronomen 


1)  Vgl.  über  das  Alter  der  „Octaet^ris" :  Ideler,  Handbuch  der  Chrono- 
logie I,  304  f.  II,  G05.  Boeckh,  Zur  Geschiiiite  der  Mondcyden  der  Hellenen 
(Jahrbücher  für  class.  Philol.  1.  Suppleinentbd.  1855—1856)  S.  9  ff.  Adolf 
Schmidt,  Handbuch  der  griechischen  Chronologie,  herausg.  von  Rühl,  Jena 

isas,  s.  ()i-»ö. 

2)  Nach  Dioclor.  XII,  36  hat  Meton  sein  System  im  Jahre  433  32  vor  Chr. 
bekannt  gemacht.  Vgl.  aucli  Tlieophrast.  de  sir/nis  iempestutmn  c.  4,  Aelian. 
Variae  historiae  X,  7.  Ideler,  Handbuch  der  Chronologie  I,  309  ff.  —  Die 
Einführung  des  Meton'schen  Kalenders  in  Athen  erfolgte  aber,  wie  zuerst 
Boeckh  nachgewiesen  hat,  erst  geraume  Zeit  später  (nach  Usener  312  vor 
Chr.,  nach  Unger  zwischen  346  und  325  vor  Chr.,  s.  Philologus  Bd.  XXXIX, 
1S80,  S.  475ft".;  für  ersteres  auch  Dürr,  Die  Reisen  des  Kaisers  Hadrian  1881, 
S.  90ft'.).  Vgl.  überhaupt  über  den  Kalender  der  Athener:  Aug.  Mommsen, 
Chronologie,  Untersuchungen  über  das  Kalenderweseu  der  Griechen,  insonder- 
heit der  Athener,  1883.  AdolfSchmidt,  Handbuch  der  griechischen  Chrono- 
logie, 1888.  Unger  in  Iwan  Müller's  Handb.  der  klass.  Alterthumswissenschaft 
Bd.  I,  2.  Aufl.  1S92,  S.  713—778.  Uebersicht  der  wichtigsten  Literatur  bei 
Wachsrauth.  Einl.  in  das  Studium  der  alten  Geschichte  S.  292-294. 


•y^g  Beilage  III:  Grundzüge  des  jüdist^heu  Kaleuders.  [625] 

welche  noch  genauere  Berechnungen  gaben,  ist  besonders  der  im 
zweiten  Jahrh.  v.  Chr.  (uni  15U— 130  v.  Chr.j  lebende  H  i p  p  a r  chu s  aus 
Nicäa  hervorzuheben  ^).  —  Die  Thatsache,  dass  der  Lauf  der  Sonne 
und  des  Mondes  nach  je  neunzehn  Jahren  fast  genau  ^vieder  zu- 
sammentreffen, war  auch  den  Babyloniern  frühzeitig  bekannt; 
ja  es  ist  neuerdings  von  Mahler  auf  Grund  der  Keilschrift-Daten 
der  Nachweis  versucht  worden,  dass  sie  schon  seit  Nabonassar, 
also  lange  vor  Meton,  einen  19jährigen  Schaltcyclus  regelmässig 
zur  Anwendung  brachten  ^).  Wenn  dies  auch  nicht  erweislich  ist^ 
so  darf  doch  für  die  seien  eidische  Zeit  die  Anwendung  einer 
19jährigen  Schaltungsperiode  in  Babylonien  als  erwiesen  gelten^ 
wobei  es  freilich  noch  fraglich  ist,  ob  den  Griechen  oder  den  Ba- 
byloniern  die  Priorität  zukommt^).    Für  das  Reich  der  Arsaci- 


3)  Vgl.  über  ihn:  Ideler,  Handb.  der  Chronologie  I,  352  ft".  Susemilil, 
Gesch.  der  griech.  Litteratur  in  der  Alexandriuerzeit  I,  1891,  S.  705—774. 

4)  Mahler,  Der  babylonische  Schaltcyclus  (Zeitschr.  für  Assyriologie  VI, 

1891,  S.  457—464).  —  Ders.,  Der  Kalender  der  Babylouior  (Sitzungsberichte 
der  Wiener  Akademie,  mathemat.-naturwissenschaftl.  Cl.,  Bd.  101,  Abth.  II,  a, 

1892,  S.  337—353,  1685—1693).  —  Ders.,  Das  Kalenderwesen  der  Babylonier 
(Transadüms  of  ihe  ninth  infernotional  Conf/ress  of  Orieutulists  1892,    fol.  II, 

1893,  p.  209—217).  —  Ders  ,  Der  Schaltcyclus  der  Babylonier  (Zeitschr.  für 
Assyriologie  IX,  1894,  S.  42—61).  —  Ders.,  Zur  Chronologie  der  Babylonler 
(Denkschriften  der  Wiener  Akademie,  matheraat.-naturwiss.  Cl.  Bd.  62,  1895, 
S.  641 — 664).  —  Ders.,  Der  Saros-Kanon  der  Babylonier  und  der  19Jährige 
Schaltcyclus  derselben  (Zeitschr.  für  Assyriologie  XI,  1896,  S.  41—46).  — 
Ders.,  Der  Schaltcyklus  der  Babylonier  (Zeitschr.  der  deutschen  morgenländ. 
Gesellsch.  Bd.  52,  1898,  S.  227-246). 

5)  H.  Martin,  Memoire  ou  se  trouve  restitue  ponr  la  premüre  fois  le  ca- 
lendrier  lunisolaire  chaldio-macedonicti  dans  Icquel  sont  dat^es  trois  Observation» 
planetaires  cäees  par  Ptidimee  {Rente  urchiolo(fique  X,  1,  1853,  p.  193 — 213, 
257—267,  321—349),  hat  aus  drei  Sternbeobachtungen  bei  Pto/cni,  IX,  7  u.  XI, 
7  zum  Jahr  67,  75  u.  82  aer.  Sei.  ■=  245,  237  und  229  vor  Chr.  nachgewiesen, 
dass  der  danuils  in  Babylonien  gebrauchte  Kalender  auf  dem  liljährigen  Cyclus 
beruhte,  und  zwar,  wie  Martin  annimmt,  in  der  durch  Callippus  (4.  Jalirh. 
vor  Chr.)  verbesserten  Gestalt,  in  welcher  er  durch  die  Maceilonier  nach  Baby- 
lonien gekommen  sei.  —  Ed.  Meyer,  Die  chaldäische  .\era  des  Almagest 
und  der  babylonische  Kalender  (Zeitschr.  für  Assyriologie  IX,  1894,  S.  325— :]29) 
hat  vierzig  Jahre  nach  Martin,  (tline  seinen  Vorgänger  zu  kennen,  auf  (irund 
derselben  Stellen  des  rtolcmäus  abermals  den  Gebrauch  des  19jährigen  Cyilus 
in  Babylonien  im  dritten  Jahrii.  vor  Chr.  erwiesen.  —  Sonst  vgl.  für  und  gegen 
Mahlcr:  Kpping  und  Strassmaier,  Der  Sarns-Canon  der  Babylonier  (Zeitschr. 
rar  AsNyriologiü  VIII,  1893.  S.  149-178).  —  Oppert,  Die  Schaltmonate  bei 
den  Babyloniern  (ZeitHchr.  der  DMG.  Bd.  61,  1897,  S.  138—105)  [gegen  Mahlcr; 
aber  mit  der  Annahme,  das»  der  19jührige  Cyclus  schcm  im  4.  Jahrhundert 
vor  Chr.  aus  GriecheDhiud  mich  Habylonicn  gekommen  sei].  —  Ginzel,  Spe- 
crieller  Kanon  der  Sonnen-  und  .Mondfinsternisse  für  das  Ländergebiet  der 
kla»»iHchcn  AltvrthumswisHenHchaften,   1899,   S.  235-243  (dieser  Abschnitt  ist 


[025.  62*i]  Beilage  III:  Grundzüge  des  jüdischen  Kalenders.  749 

den,  und  zwar  das  erste  Jahrh.  vor  Chr.  und  das  erste  Jahrli. 
nach  Chr.,  hat  Th.  Reinach  den  19jährigen  Cyclus  aus  einigen 
Münzen  derselben,  auf  welchen  die  Jahre  287,  317  und  390  der 
seleucidischen  Aera  als  Schaltjahre  erscheinen,  dargethan*). 

Wie  weit  waren  nun  die  Juden  zur  Zeit  Jesu  Christi  in  der 
Kenntniss  dieser  Dinge  gekommen?  Eine  allgemeine  Kenntniss 
haben  sie  davon  natürlich  gehabt.  Aber,  wenn  niclit  alles  trügt, 
so  haben  sie  im  Zeitalter  Jesu  Christi  überhaupt  noch 
keinen  fixirten  Kalender  besessen,  sondern  auf  Grund  ganz 
empirischer  Beobachtung  jedesmal  mit  dem  Erscheinen  des  Neu- 
mondes einen  neuen  Monat  angefangen,  und  ebenfalls  auf  Grund 
jedesmaliger  Beobachtung  im  dritten  oder  zweiten  Jahre  im  Früh-| 
jähr  einen  Monat  eingeschaltet  nach  der  Regel,  dass  das  Passa 
unter  allen  Umständen  nach  der  Frühjahrs-Tag-  und  Nachtgleiche 
fallen  müsse"). 

1)  Der  Verfasser  der  astronomischen  Stücke  im  Buche  Henoch 
w^eiss,  dass  das  Jahr  sechs  Monate  zu  3U  Tagen  und  ebensoviele 
zu   29  Tagen  hat^);   und  Galen   (zweites  Jahrh.   nach  Chr.)  sagt, 

von  C.  F.  Lehmann  bearbeitet)  [für  Mahler].  —  Kugler,  Die  babylonische 
Mondrechnung,  19(X»,  S.  GO  f.  210 f.  —  Weissbach,  Ueber  einige  neuere  Ar- 
1)citen  zur  babylonisch-persischen  Chronologie  (Zeitschr.  der  DMG.  Bd.  55, 
1901,  S.  195— 22(J)  [gegen  ^lahler].  —  Ginzel,  Die  astronomischen  Kenntnisse 
der  Babylonier  (Beiträge  zur  alten  Geschichte,  herausg.  von  C.  F.  Lehmann, 
I,  19(11,  S.  1—25,  189-211)  [zeigt  S.  201  f.,  nach  Kugler,  dass  die  Babylonier 
die  Umlaufszeit  des  Mondes  schon  einige  Zeit  vor  Hipparch  genau  so  be- 
stimmten wie  dieser,  nämlich  zu  29  Tagen  12  St.  44'  S's"]. 

6)  Th.  Reinach,  L«  calendrier  des  Grees  de  Biibylotiie  et  les  origines  du 
ealendrier  juif  (Renie  des  ctndes  Jinres  t.  XVIII,  1SS9,  p.  90—94).  —  Reinach 
setzt  hier  noch  als  selbstverständlich  voraus,  dass  der  19jährige  Schaltcyclus 
aus  Griechenland  stammt. 

7)  Für  die  Meinung,  dass  die  Juden  schon  zur  Zeit  Christi  einen  fixirten 
Kalender  hatten,  ist  mit  besonderer  Lebhaftigkeit  Wiesel  er  eingetreten  (Chro- 
nologische Syuopse  S.  437  ft'.  Beiträge  zur  richtigen  Würdigung  der  Evangelien 
S.  290  ff.);  neuerdings  auch  wieder  Ramsay  {Expositor  1899,  Dec.  p.  431—438). 
—  Das  Richtige  z.  B.  bei  I de  1er,  Handbuch  der  Chronologie  I,  512fr.  Gum- 
pach,  Ueber  den  altjüdischen  Kalender  S.  117  fi".  137  fl".  Caspari,  Chrono- 
logisch-geographische Einleitung  in  das  Leben  Jesu  Christi  S.  10  ff.  Ham- 
burger, Real-Enc.  S.  (JOS— 628  (Art.  Kalender).  Bacon,  Erpositnr  ¥j00,  Jidy 
p.  1 — 14  (gute  Bemerkungen  gegen  Ramsay). 

8)  Henoch  78,  15—16  (nach  Dillmann's  Uebersetzung):  „Und  drei  Monate 
lang  macht  er  dreissig  Tage,  zu  seiner  Zeit,  und  drei  Monate  lang  macht  er 
je  neunundzwanzig  Tage,  in  denen  er  seine  Abnahme  bewerkstelligt  in  der 
ersten  Zeit  und  im  ersten  Thore,  hundertsiebenundsiebzig  Tage  hindurcii. 
Und  in  der  Zeit  seines  Ausgangs  erscheint  er  drei  Monate  laug  je  dreissig 
Tage,  und  drei  Monate  lang  je  neunundzwanzig  Tage".  —  Die  neueren  Ueber- 
setzaugen  von  Beer  (in  Kautzsch's  Apokryphen  1900)  und  Flemming  19ol) 
bieten  keine  bemerkenswertheu  Varianten. 


750  Beilage  III:  Gruudzüge  des  jüdischen  Kalenders.  [ö26.  ü27 

dass  „die  in  Palästina"  die  Zeit  von  je  zwei  Monaten  im  Betrage 
von  59  Tagen  in  zwei  ungleiche  Hälften  tlieilen,  so  dass  sie  den 
einen  Monat  zu  30,  den  andern  zu  29  Tagen  rechnen  ^).  Man  würde 
aber  irren,  wenn  man  daraus  den  Schluss  ziehen  wollte,  dass  die 
Dauer  der  Monate  im  Voraus  fest  bestimmt  war.  Noch  im  Zeit- 
alter der  Misch  na  (zweites  Jahrh.  nach  Chr.)  kann  dies  nicht  der 
Fall  gewesen  sein.  Denn  die  ganze  Gesetzgebung  der  Mischna 
ruht  auf  der  Voraussetzung,  dass  der  neue  Monat,  ohne 
vorherige  Berechnung,  jedesmal  beim  Sichtbarwerden  des 
Neumondes  begonnen  wurde.  Sobald  durcli  glaubwürdige  Zeugen 
vor  dem  competenten  Gerichtshof  zu  Jerusalem  (später  zu  Jahne) 
das  Erscheinen  des  Neumondes  festgestellt  war,  wurde  der  Neu- 
mond ,.geheiligt"  und  nach  allen  Richtungen  hin  Boten  ausgesandt, 
um  den  Anbruch  des  neuen  Monats  zu  melden  (so  wenigstens  in 
den  sechs  Monaten,  in  welchen  es  wegen  eines  Festes  von  Wichtig- 
keit war:  im  Nisan  wegen  des  Passa,  im  Ab  wegen  des  Fastens, 
im  Elul  wegen  des  Neujahres,  im  Tischri  wegen  der  Anordnung 
der  Festtage  [dieses  Monates,  nämlich  des  Versöhnungstages  und 
des  LaubhüttenfestesJ,  im  Kislev  wegen  des  Tempelweihfestes,  im 
Adar  wegen  des  Purim;  so  lange  der  Tempel  bestand,  auch  im 
lijar  wegen  des  kleinen  Passa)  ^%  Da  man  natürlich  ziemlich  genau] 
wusste,  wann  das  Erscheinen  des  Neumondes  zu  erwarten  sei,  so 
wird  man  alles  aufgeboten  haben,  um  es  womöglich  am  richtigen 
Tage  constatiren  zu  können.  Aber  fixirt  war  die  Dauer  der  ein- 
zelnen Monate  nicht.  Das  wird  besonders  durch  folgende  zwei 
Stellen  der  Mischna  bestätigt:  1)  Kmbin  III,  7:  „Wenn  einer  vor 
dem  Neujahrsfeste  befürchtet,  dass  der  Monat  Elul  zu  30  Tagen 
angesetzt  werden  mfichte,  so  kann  er  etc."'').  2)  Amchin  II,  2: 
„In  einem  Jahre  sind  mindestens  vier  Monate  von  dreissig 
Tagen,  und  man  fand  bisher  höchstens  deren  acht".  Aus 
ersterer  Stelle  erhellt,  dass  es  keineswegs  im  Voraus  feststand,  ob 


9)  Galen.  Opp.  ed.  Kühn  t.  XVII  p.  23:  roif  ovo  ftijvctf  i'iptQüiv  ytvofiivovi; 
/>'  xal  V  rifivovaiv  dg  äviaa  fi^^rj,  xov  ph'  i'ztpov  avxiLv  ).'  iipeQwv  !QyaC,6- 
ptvoi,  xov  rf'  t'xfpov  &'  xal  x'.  S.  die  Stolle  im  Zusanimeniiaujr,  griocliiscli  und 
deutfi'h,  auch  hei  CuHpari,  ClironologiBch-geographische  Einleitung  in  das 
Lehen  JcHU  Christi  (18«i!l;  S.  0. 

10)  Vgl.  ühcrliHupt:  liimrli-lmtirlKnui  1,  '.WW  II  ganz.  111,  1.  IV,  4.  Dazu  bes. 
Zuck  er  mann,  Muteriulicn  zur  Entwickclung  der  altjüdittchen  Zeitrechnung 
im  Talmud  (1882)  8,  1-3U.  —  Nach  Snnfmlrin  I,  2  (vgl.  Äwc/t  hmcluina  II,  Ü; 
III,  1)  genügte  zur  Krklflrung  de»  NeuniondcH  und  des  Schaltjahre»  ein  Ge- 
ricbtHhof  von  dn-i  .Männern,  womit  jedoch  nicht  gesagt  ist,  dass  sie  in  der 
K<>gel  durch  einen  solchen  erlolgt  Hci. 

11)  IJhhs  die  »pütere  Hegel,  wornach  der  Kltil  immer  29  Tage  Italien  uuiss, 
damalit  noch  nicht  exiHtirte,  lieht  man  auch  auH  SchvhiilU  X,  2. 


[627.  628]  Beilage  III:  Grundzüge  des  jüdischen  Kalenders.  751 

ein  Monat  29  oder  30  Tage  haben  werde;  und  die  letztere  Stelle 
zeigt,  wie  unsicher  noch  der  Kalender  bei  dieser  empirischen  Me- 
thode war:  noch  im  Zeitalter  der  Mischna  (zweites  Jahrhundert 
nach  Chr.!)  wird  es  für  möglich  gehalten,  dass  es  Jahre  geben 
könne,  in  welchen  nur  vier  Monate  zu  dreissig  Tagen  vorkommen, 
und  wieder  andere,  in  welchen  acht  solche  Monate  vorkommen  (dass 
also  der  Umfang  des  Mondjahres  zwischen  352  und  356  Tagen 
schwanken  könne,  während  er  factisch  nur  zwischen  354  und  355 
Tagen  schwanken  kann  ^  2). 

2)  Auch  das  System  der  Schaltung  war  im  zweiten  Jahrhun- 
dert nach  Chr.  noch  nicht  fixirt.  Zwar  sagt  Julius  Africanus, 
dass  die  Juden  wie  die  (iriechen  in  je  acht  Jahren  drei  Monate 
einschalten  i'\);  und  wir  haben  keinen  Grund,  diese  Angabe  für  die 
Zeit  des  Julius  Africanus  (erste  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts 
nach  Chr.)  zu  bezweifeln,  obwohl  sie  in  Betreff  der  Griechen  un- 
genau ist  (die  Mehrzahl  derselben  hatte  längst  den  genaueren  neun-| 
zehnjährigen  Cyclus)'^).  Auch  für  das  Zeitalter  Jesu  Christi  wird 
sie  im  Allgemeinen  ihre  Gültigkeit  haben,  da  sich  die  dreimalige 
Schaltung  im  Verlauf  von  acht  Jahren  auch  bei  ganz  empirischem 
Verfahren  im  Wesentlichen  von  selbst  ergab.  Aber  die  Kenntniss 
dieses  achtjährigen  Cyclus  ist  jedenfalls  noch  in  den  astronomischen 
Stücken  des  Buches  Henoch  und  im  Buch  der  Jubiläen  (die  man 
annähernd  als  Zeugen  für  die  Zeit  Christi  wird  betrachten  dürfen) 
«'ine  äusserst  ungenaue;  und  sie  ist  damals  noch  nicht  zur  Auf- 
stellung eines  festen  Schaltsystemes  verwendet  worden.  In  den 
astronomischen  Stücken  des  Buches  Henoch  wird  die  irrige  Mei- 
nung vorgetragen,  dass  der  Mond  in  acht  Jahren  nur  um  achtzig 
Tage  hinter  der  Sonne  zurückbleibe,  indem  das  Mondjahr  zu  354, 
das  Sonnenjahr  zu  364  Tagen  angesetzt  wird  {Henoch  e.  74,  16;  s. 
überh.  c.  72—82).    Ganz  dieselben  ungenauen  Aufstellungen  finden 


12)  Im  Zusammenhang  der  citirten  Stelle  {Arachin  II,  2)  wird  in  Bezug 
auf  die  verschiedensten  Dinge  die  möglicherweise  vorkommende  Minimal-  und 
Maximalgrenze  angegeben.  Die  erwähnte  Schwankung  im  Jahresumfang  ist 
also  wirklich  beobachtet  worden  und  wird  noch  im  Zeitalter  der  31ischna  für 
möglich  gehalten.  —  Den  Autoritäten  des  babylonischen  Talmud  ist  die  An- 
gabe freilich  schon  so  auffallend,  dass  Versuche  zur  ümdeutung  gemacht 
wurden,  s.  hah.  Arachin  8b— 9a,  Zuckermann,  Materialien  S.  64 f. 

13)  Jtd.  Afrkan.  bei  Euseb.  Demonstr.  evany.  VIII,  p.  390  =  Si/nce/L  ed. 
J>mdorf  I,  611  =  Routh,  Be/iquiae  sacrae  II,  302:  "E?.>.Tjveg  xai  "lovöaloc  xgeiq 
fitjvaq  ifißoXi/jiovq  hsaiv  oxrw  nagefißakkovoiv  (lateinisch  auch  bei  Hierony- 
mus,  Comment.  in  Daniel  9,  24:  sqq.  opp.  ed.   Vaüarsi  V,  683  s^.). 

14)  Julius  Africanus  denkt  bei  "EU.7]veg  wohl  nur  an  die  Syro-Makedonen. 
S.  Unger,  Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie;  philos.-philol.  und 
bist.  Cl.  1S93,  Bd.  II,  S.  467. 


752  Beilage  III:  Grundziige  des  jüdischen  Kalenders.  [628.  629] 

wir  auch  im  Buch  der  Jubiläen  c  6  (Ewald's  Jahrbücher  der 
bibl.  Wissensch.  II,  246;  neue  Uebersetzung  von  Littmann  in 
Kautzsch's  Apokryphen)  ^^).  Ein  Kalender,  der  auf  diesen  Voraus- 
setzungen aufgebaut  worden  wäre,  hätte  recht  bald  arge  Verwir- 
rung gestiftet  16).  Es  war  also  ein  Glück,  dass  man  darauf  ver- 
zichtete, und  die  Schaltung  ganz  nach  Bedürfniss,  auf  Grund 
jedesmaliger  empirischer  Beobachtung  ohne  Vorausbe- 
rechnung vollzog.  Dass  dies  noch  im  Zeitalter  der  Mischna  der 
Fall  war,  beweisen  folgende  zwei  Stellen:  1)  Megilla  I,  4:  „Wenn 
man  die  Megilla  (das  Buch  Esther  zur  Feier  des  Purimfestes)  im 
ersten  Adar  gelesen  hat,  und  das  Jahr  wird  dann  für  ein  Schaltjahr 
erklärt,  so  muss  man  sie  nochmals  im  zweiten  Adar  lesen".  2)  Edu- 
joth  VII,  7 :  ,,R.  Josua  und  R.  Papias  bezeugten,  dass  man  den  ganzen 
Monat  Adar  hindurch  das  Jahr  für  ein  Schaltjahr  erklären  könne; 
denn  fi-üher  hiess  es:  nur  bis  zum  Purimfeste.  Dieselben  bezeugten, 
dass  mau  das  Jahr  bedingungsweise  für  ein  Schaltjahr  erklären 
könne.  Als  einst  Eabban  Gamaliel  verreist  war,  um  sich 
vom  Statthalter  von  Syrien  eine  Erlaubniss  auszuwirken,  und  er 
lange  ausblieb,  erklärte  man  das  Jahr  für  ein  Schaltjahr 
unter  der  Bedingung, dass  Rabban  Gamaliel  es  genehmigen 
würde.  Und  als  er  kam,  genehmigte  er  es;  und  so  wurde  es  ein 
Schaltjahr".  Beide  Stellen  sprechen  so  deutlicli,  dass  sie  keines 
weiteren  Commentares  bedürfen.  Noch  ganz  am  Schluss  des  Jahres 
im  Monat  Adar,  selbst  nachdem  das  Purimfest  schon  gefeiert  war, 
konnte  darüber  entsclüeden  werden,  ob  ein  Monat  eingeschaltet 
werden  solle  oder  nicht.  Eine  Vorausberechuuiig  fand  schlechter- 
dings nicht  statt ' ").  | 

Die  Regel,  nach  welcher  über  Schaltung  oder  Nichtschaltung 
entschieden  wurde,  war  sehr  einfach.  Es  musste  dafür  gesorgt 
werden,  dass  das  am  Vollmond  des  Nisan  (14.  Nisan)  zu 
feiernde  Passafest  jedenfalls  nach  der  Frühlings-Tag- 
und  Nachtgleiche  fiel  (//tra  lotjfteQtap  ia^uv^p),  wenn  die  Sonne 


15)  Vgl.  über  den  Kalender  dos  Buches  der  Jubiläen  auch:  Epstein, 
lieviu:  des  Stiulcti  juiven  I.  XXII,  1891,  p.  8—16. 

16)  Genauer  sind  die  Angilben  in  dem  jüngeren  slavischen  Heuoehbucb 
(deutsch  von  BonwetHcb,  Al)haiidlungen  der  Göttiiiger  Ges.  der  WisseuHch., 
pliil.-hi«t.  Kl.  N.  F.  Bd.  I  Nr.  !{,  1S96)  a.  14,  1.    15,  4.    16  ganz.    48  ganz. 

17;  Zur  Bentütigung  de«  Obigen  dient  aueli  alles,  was  Toncp/ita  San/irdriii 
II,  ha/).  Saiiliiihin  11«— 12»  und  anderwärts  über  dieOründe  für  die  Eiiischal- 
tuog  und  über  duM  N'erfahreu  bei  deraelben  gesagt  wird.  Ks  wird  dal)ei  durch- 
weg vorauHgenetzt,  das»  diu  Entscheidung  darüber,  ob  eine  Einuchaltung  er- 
folgen Hollü  oder  nicht,  jodcHinal  erst  im  Laufe  den  Jahren  nach  den  jeweilig 
Vorlicgen«len  Gründen  gctrollen  wurde.  Da«  Wieiitigerc  hieraus  h.  unten 
Anni.  V.K 


[629.  630]  Beilage  III:  Grundzüge  des  jüdischen  Kalenders.  753 

im  Zeichen  des  Widders  stand.  Dies  bezeichnet  Ana  toi  ins  in  dem 
für  die  Geschichte  des  jüdischen  Kalenders  wichtigen  Fragment 
bei  Kiisebius  Ilist.  eccl.  VII,  32,  16 — 19  als  die  übereinstimmende 
Ansicht  aller  jüdischen  Autoritäten,  vor  allem  des  Aristobulus, 
des  berühmten  jüdischen  Philosophen  zur  Zeit  des  Ptolemäus  Philo- 
luetor  (nicht  Philadelphus,  wie  Anatolius  irrig  sagtl  Hiermit  stimmen 
iiuch  die  Angaben  des  Philo  und  Josephus'^^'j.  Wenn  man  also 
gegen  Schluss  des  Jahres  merkte,  dass  das  Passa  vor  die  Früh- 
Jahi's-Tag-  und  Nachtgleiche  fallen  würde,  so  wurde  die  Einschal- 
tung eines  Monates  vor  dem  Nisan  verfügt ''-').  Der  eingeschaltete 
Monat  hiess  ebenfalls,  wie  der  letzte  Monat  des  Jahres,  Adar. 
Man  unterschied  dann  iitjxin  iix  und  '^:wri  iiH  (ersten  und  zweiten 
Adar). 

So  primitiv  dieser  Kalender  auch  war,  so  hatte  er  doch  den 
grossen  Vorzug,  dass  starke  und  dauernde  Unrichtigkeiten,  wie  sie 
bei  einem  auf  ungenauer  Berechnung  beruhenden  Kalender  im 
Laufe  der  Jahre  sich  nothwendig  einstellen,  vermieden  wurden. 
Immerhin  ist  es  merkwürdig,  dass  das  rein  empirische  Verfahren 
5sich  so  lange  erhalten  hat,  nachdem  Griechen  und  Babylonier 
schon  seit  Jahrhunderten  einen  auf  genauer  Rechnung  beruhenden 
iixirten  Kalender  hatten  (die  Aegypter  mit  ihrem  Sonnenjahr  kom- 
men hier  nicht  in  Betracht).  Nur  der  Zusammenhang  des  Kalenders 
mit  dem  religiösen  Cultus  und  die  Sprödigkeit  des  letzteren  gegen- 


18)  Philo,  De  Septeiiario  §  19  [Mang.  II,  293);  ders.  Quaest.  ei  Salut,  in 
Exodum  /.  I  §  1  {Bichter  VII,  2625^.).  Vgl.  auch  Vifa  Mosis  III,  29  (Mang.  II, 
169',  ile  decalogo  §  30  {Mang.  II,  206).  —  Josephiis  Anff.  III,  10,  5:  iv  xQtäi 
xov  TlUov  xaS^fardivog. 

19)  Ueber  noch  andere  Gründe  für  die  Einschaltung  s.  bes.  Tosephta  San- 
Jtedrin  e.  II,  baO.  Sanhedrin  IIa — 12»;  dazu:  Zuckermann,  Materialien  zur 
Entwickelung  der  altjüdischen  Zeitrechnung  im  Talmud  (1882)  S.  39—45.  — 
Das  Bemerkenswertlieste  ist  folgendes :  „Wegen  dreier  Gründe  erklärt  man  das 
Jahr  für  ein  Schaltjahr:  Wegen  der  Aehrenreife  [wenn  diese  nicht  rechtzeitig 
eintreten  würde]  und  wegen  der  Baumfrüchte  [wenn  diese  nicht  rechtzeitig  reif 
sein  würden]  und  wegen  des  Sonnenlaufes  [wenn  die  Sonne  am  Passa  noch 
nicht  im  Zeichen  des  Widders  stehen  würde].  Nur  wenn  zwei  dieser  Gründe 
zusammentreffen,  beschliesst  man  die  Schaltung,  nicht  aber  wegen  eines  allein". 
—  „Nicht  massgebend  für  die  Schaltung  ist  das  Alter  der  Böcke  oder  Lämmer 
oder  Tauben.  Doch  wird  es  als  ergänzender  Grund  berücksichtigt  [d.  h.  wenn 
von  den  obigen  drei  Hauptgründen  nur  einer  zutrifft,  kann  einer  dieser  Neben- 
gründe   ergänzend    hinzugenorameu  werden]" „So  Hess  einst   Rabbau 

(tamaliel  an  die  Gemeinden  in  Babylonien  und  Medien  schreiben:  Da  die 
Tauben  noch  zu  zart  und  die  Lämmer  noch  zu  jung  sind  und  die  Zeit  der 
Aehrenreife  noch  nicht  gekommen  ist,  so  haben  ich  und  meine  CoUegen  es 
iiöthig  befunden,  zum  Jahre  dreissig  Tage  hinzuzufügen".  —  Man  wird  nicht 
irren,  wenn  man  für  die  Zeit  Christi  den  aus  dem  Sonnenlauf  hergenommenen 
Grund  als  den  entscheidenden  betrachtet. 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Anfl.  48 


754  Beilage  III:  Grundzüge  des  jüdischen  Kalenders,  [630] 

Über  allen  wissenscliaftliclien  Neuerungen  macht  uns  diese  Tliat- 
sache  begreiflich.  Endlich  drang  aber  auch  hier  die  wissenschaft- 
liche Einsicht  durch,  und  zwar  von  Babylon  aus.  Als  Eabbinen, 
welche  sich  um  das  Kalenderwesen  besonders  verdient  gemacht 
haben,  werden  die  Babylonier  Mar  Samuel  in  Nehardea  und 
Rabbi  Ad  da  bar  Ahaba  in  Sura  genannt,  beide  im  dritten 
Jahrh.  nach  Chr.  Der  letztere  hatte  eine  genaue  Kenntniss  des 
neunzehnjährigen  Cyclus  in  der  durch  Hipparch  verbesserten  Ge- 
stalt. Die  Einführung  eines  auf  dem  19jährigen  Cyclus  beruhenden 
Kalenders  in  Palästina  wird  dem  Patriarchen  Hillel  in  der 
ersten  Hälfte  des  vierten  Jahrh.  n.  Chr.  zugeschrieben^*^). 

Ueber  die  verschiedenen  Jahresanfänge   (im  Frühjahr  und 
im  Herbst)  s.  oben  S.  32  f. 

Die  Literatiir  über  den  jüdischen  Kalender,  namentlich  in  seiner  späteren 
Ausbildung,  ist  sehr  umfassend.  Ueber  eine  Controverse  im  10.  Jalirhiiudert 
zwischen  Ben  Meir  in  Palästina  und  Saadja  in  Babylonien  s.  Poznaiiski, 
Jewish  (^uarterly  Bevictc  X,  1898,  p.  152 — 161,  und  Epstein,  Revue  des  etudes 
juites  t.  XLII,  1901,  p.  173—210.  Eine  systematische  Darstellung  hat  bereits 
Maimonides  (12.  Jahrh.  n.  Chr.)  gegeben  in  dem  über  die  „Heiligung  des 
Neumondes"  handelnden  Abschnitte  seines  grossen  Werkes  Jad  ha-chasaka 
oder  Mischne  Thora  (vgl.:  Maimonides'  Kiddusch  Hachodesch,  übersetzt 
und  erläutert  von  Ed.  Mahler,  Wien  1889).  Verschiedene  Monographien 
sind  zusammengestellt  in  Ugolinl  Thesaurus  nntiquUatvm  sacrarmn  t,  XVII 
{Nie.  Miilteri  Annus  Judaeorum  bina-solaris  et  Turc-Arabum  niei-e  lumin's. 
Seide ni  Diss.  de  anno  civili  Jiidacorum.  Maimonidis  de  sanctificationc 
novilunii,  cum  versimie  Laiina  de  Veilii.  Christ.  Langhansen  de  »lense 
eelerum  Uebraeorum  limari).  —  Aus  neuerer  Zeit  vgl.  besonders:  Idelcr,  Iland- 
bucii  der  mathematischen  und  technischen  Chronologie  Bd.  I,  1825,  S.  477 — 
583.  —  Wicseler,  Chronologische  Synopsc  (1843),  S.  437—484.  Derselbe, 
Beiträge  zur  richtigen  Würdigung  der  Evangelien  und  der  evangelischen  Ge- 
schichte (1869)  S.  290-321.  —  Scyfl'arth,  Chronohnjia  samt  (1846)  S.  26— 80 
(glaubt,  das»  das  jüdische  Jahr  bis  um  2C0  nach  Chr.  ein  Sonnenjahr  gewesen 
seil!).  —  De  Wette,  Lehrbuch  der  hebräisch-jüdischen  Archäologie  (4.  Aufl. 
18G4)  §  178 — 179.    —  Gumpach,  Ucbor    den    altjüdischen  Kalender  zunächst 

2tJ)  S,  Idcler,  iIand])U(h  der  Chronologie  ],  573  11".  —  Da  noch  Julius 
Africanus  t*ngt,  dass  ilic  Juden  in  acht  Jahren  drei  Monate  einscluUtcn  (s. 
oben  Anm.  13),  »o  können  sie  zu  seiner  Zeit,  also  im  Anfang  des  dritten 
Jahrh.  n.  Chr.,  den  auf  dem  19Jülirigen  Cyclus  beruhenden  Kalender  noch  nicht 
gehabt  Imben.  Doch  glaubt  Kühl  (Deutsche  Zeitschr.  für  (icschiclitswisscnsch. 
N.  F.  II,  1897,98,  S.  18b)  «lie  jüiiische  Kalcnderreform  vor  Anatolius,  also 
vor  Ende  (Ich  dritten  Jahrh.  n.  Clir.  anset%(>n  zu  müssen,  weil  dieser  christr 
liehe  eil ronolog,  der  bei  Aufutellung  seiiier  Ostertafcl  sich  bereits  des  lltjährigeu 
(-'yclu»  bediente  {Knurb.  Ilint.  rcrl.  VII,  32,  14  (K  Ideler,  Handh.  II,  2261]'.), 
von  den  Juden  abhängig  Hei.  Da  aber  Anatolius  sieh  auf  jüdisciie  Autoritäten 
nur  liiiiMichtlich  der  Forderung  beruft,  dass  ÜHtern  niu-h  der  Frühlingstag-  uixl 
•Nachtgleiclic  fnllcn  mÜHHc,  »o  Hclieint  mir  neino  Abhängigkeit  von  ihnen  in 
anderer  Ik'Kiehting  nicht  erwiesen  zu  sein. 


[G30.  U31]  Beilage  TU:  Gruudziige  des  jüdischen  Kalenders.  755 

in  seiner  BeziebuDg  zur  ueutestanieutliclieu  Geschichte,  Brüssel  1848.  —  Saal- 
schütz, Das  mosaische  Hecht  Bd.  I,  1853,  S.  396—406.  —  Lewisohn,  Ge- 
schichte und  System  des  |  jüdischen  Kalenderwesens,  Leipzig  18öü  (=  Schriften 
lierausgeg.  vom  Institute  zur  Förderung  der  Israelit.  Literatur,  erstes  Jahr, 
1655—1850).  —  Caspari,  Chronologisch-geographische  Einleitung  in  das  Leben 
Jesu  Christi  (18öÜ)  S.  2—17.  —  Schwarz,  Der  jüdische  Kalender  historisch 
und  astronomisch  untersucht,  1872.  —  Dillmann.  Ueber  das  Kalenderwesen 
der  Israeliten  vor  dem  babylonischen  Exil  (Monatsberichte  der  Berliner  Aka- 
demie 1881,  S.  914— Ü35).  —  Zuckermann,  Materialien  zur  P^ntwickelung  der 
altjüdischen  Zeitrechnung  im  Talmud,  1882  (stellt  die  talmudischen  Bestim- 
nmngen  über  das  Kalenderwesen  zusammen).  —  Hamburger,  Real-Encyclo- 
pädie  für  Bibel  und  Talmud  Abth.  II,  1883,  S.  008— G2S  (Art.  „Kalender").  — 
Memain,  La  connaissancc  des  tei/ips  cvangtlüjttes,  Paris  1880,  p.  39—43,  377 
— 445.  481*7'/.  —  Isidure  Loeh,  Tahtes  du  calendrier  juif  depiiis  l'ere  chretientte 
j/isqu'  au  XXXe  siede,  arec  la  concordance  des  dates  juives  et  des  dates  chn''- 
tiennes  d  une  methode  nouvelle  pour  calcttler  ces  fables,  Paris  1880.  —  Mahler, 
Chronologische  Vergleiclmugs-Tabellen,  nebst  einer  Anleitung  zu  den  Grund- 
zügeu  der  Chronologie,  2.  Heft:  Die  Zeit-  und  Festrechnung  der  Juden,  Wien 
1S89.  —  Nowack,  Lehrb.  der  hebräischen  Archäologie  I,  1894,  S.  214—220. 
—  Dalman  in  Hcrzog-Hauck,  Real-Enc.  3.  Auii.  VII,  17  f.  (im  Artikel  Gottes- 
dienst). —  Auch  die  Artikel  „Jahr"  und  „Monate"  in  den  Wörterbüchern  von 
Winer,  Schenkel  und  Kiehm,  und  in  Plerzog's  Real-Enc.  (2.  Aufl.  VI, 
495—498,  Artikel  „Jar"  von  Leyrer;  3.  Aufl.  VIII,  524—529,  Art.  „Jahr"  von 
Lotz). 

Da  das  jüdische  Jahr  bald  zwölf,  bald  dreizehn  Monate  hat, 
so  entsprechen  seine  Monate  selbstverständlich  nur  un- 
«•efähr  den  zwölf  Monaten  des  julianischen  Kalenders.  — 
Die  inacedonischeii  Monatsnamen  sind  in  Syrien  seit  Beginn 
der  Öeleucidenherrschaft  eingebürgert  (Ideler,  Handb.  der  Chronol. 
I.  397).  Sie  sind  hier  in  dreifach  verschiedener  Weise  verwendet 
worden:  1)  Zur  Bezeichnung  wirklicher  Mondnionate;  denn  auch 
in  Syrien  herrschte,  wie  es  scheint,  bis  in  die  christliche  Zeit  liin- 
ein  ein  auf  dem  achtjährigen  Cyclus  beruhendes  Mondjahr.  2)  Zur 
Bezeichnung  der  zwölf  Monate  eines  Sonnenjahres,  das  mit 
dem  julianischen  im  Allgemeinen  identisch  ist,  dessen  einzelne 
Monate  jedoch  den  julianischen  nicht  genau  entsprechen,  da  die 
Anfänge  anders  angesetzt  wurden,  und  zwar  in  verschiedenen 
grösseren  Städten  verschieden.  Das  Jahr  der  Tyrier  z.  B.  begann 
am  19.  October,  das  Jahr  des  Kalenders  von  (Jaza  und  Askalon 
am  28.  October  (Ideler  I,  433  ff.).  Endlich  3)  wurden  später  ge- 
radezu die  julianischen  Monate  mit  macedonischen  Namen  benannt 
(Ideler  I,  429  ff.)^^).  —  Neben  den  macedonischen  Namen   wurden 


21)  Die  Einzelheiten  sind  für  unseren  Zweck  nicht  von  Belang  und  lassen 
sich  auch  nicht  mit  Sicherheit  verfolgen.  Nach  der  oben  Anm.  13  citirtcn 
Notiz  des  Julius  Africauus  scheint  es,  dass  zu  seiner  Zeit  noch  das  auf 
dem  achtjährigen  Cyclus  beruhende  Mondjahr  bei  den  'EU.riveq  in  S^Ticii  vor- 

48* 


756  Beilage  III:  Grundzüge  des  jüdischen  Kalenders,  [ü31.  632] 

auch  die  einheimisclien  syrischen  (welche  mit  den  jüdischen  viel- 
fach identisch  sind)  gebraucht;  und  man  wird  annehmen  dürfen, 
dass  ihr  Gebrauch  dem  der  niacedonischen  Namen  stets  conform 
war.  So  entspricht  z.  B.  auf  den  Inschriften  von  Palmyra  das 
syrische  Datum  genau  dem  niacedonischen  (24.  Tebeth  ==24.  Audy- 
näus,  21.  Adar  =  21.  Dystros,  s.  de  Vogiie,  Inscriptions  n.  \2^^  III, 
124  =  Le  Bas  et  Waddington,  Insaiptions  grecques  et  latines  f.  III, 
2  n.  2571b  ,  2627).  Dasselbe  findet  im  späteren  syrischen  Kalender 
statt,  wo  die  syrischen  wie  die  niacedonischen  Namen  einfach  die 
Monate  des  julianischen  Kalenders  bezeichnen--).  | 

Unter  diesen  Umständen  fragt  es  sich,  wie  Joseph us  es  meint, 
wenn  er  sicii,  wie  namentlich  in  der  Geschichte  des  jüdischen 
Krieges  häufig  geschieht,  der  macedonischen  Monatsnamen  bedient. 
Im  Allgemeinen  setzt  er  sie  mit  den  jüdischen  ganz  in  derselben 
Weise  pai'allel,  wie  es  auf  den  Inschriften  von  Palmyra  der  Fall 
ist  (Nisan  =  Xanthicus,  Ijjar  ==  Artemisiiis,  Ab  =  Lous,  Tischri  = 
Hyperberetäus,  Marcheschwan  =  Dios  u.  s.  w.,  die  Belege  s.  oben 
8.  746,  für  die  palmyrenischen  Inschriften  die  Zusammenstellung 
bei  Le  Bas  et  Waddington  n.  257P').  Aber  meint  er  geradezu  die 
jüdischen  Monate,  indem  er  die  macedonischen  Namen  gebraucht? 
In  manchen  Fällen  ohne  Zweifel.  1)  Das  jüdische  Passa  wird  am 
14.  Xanthikos  gefeiert,  Antt.  III,  10,  5.  B.  J.  V,  3,  1.  13,  7.  2)  Zur 
Zeit  des  Antiochus  Epiphanes  wurde  der  Tempel  am  25.  Apellaios 
entweiht  und  wieder  eingeweiht,  .1;?//.  XII,  5,  4.  7,  6,  vgl.  I  Maid: 
1,  59.  4,  52.  3)  Während  der  Belagerung  durch  Titus  wurde  das 
tägliche  Morgen-  und  Abendopfer  am  17.  Panemos  eingestellt,  Bell. 
Jud.  VI,  2,  1 ;  nach  Mischna  Taanilh  IV,  G  geschah  dies  aber  am 
17.  Tammus.  4)  Die  Zerstörung  des  Tempels  durch  Nebukaduezar 
fällt  auf  den  10.  Loos,  B.  J.  VI,  4,  5,  nach  Jerem.  52,    12  auf  den 


herracbend  war  (ho  bes.  Unger,  Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie, 
philoH.-philol.  u.  bist.  Cl.  1893,  Bd.  II,  S.  467).  Andererseits  rechnet  bereits 
die  im  dritten  Jnhrh.  in  Syrien  entstandene  Grundschrift  der  apostolischen 
Constitutionen  nach  dem  juliani.schen  Kalender,  nur  dass  6ie  das  Jahr  im 
Frühjahr  beginnt  (Consf.  nposf.  V,  17:  die  Frühlingstag-  und  -Nachtgleiche 
füllt  auf  den  22.  des  zwölften  Monats,  nämlich  des  Dystros;  V,  13:  die 
Geburt  des  Herrn  auf  den  25.  des  neunten  Monats).  In  den  grossen  Städten 
der  philiBtäisch-phöniciHchen  Küste  (Gaza,  Askalon,  Tyrus,  Sidon)  scheint  in- 
folge der  Nachbarschaft  Aegyptens  ein  mit  dem  julianischen  vorwandte» 
HonncMJnhr  nm  frühesten  Eingang  gefunden  zu  haben,  indem  der  alexandri- 
nitich«'  Kalender  in  den  verHchiedencn  StJldten  verschieden  modificirt  wurde. 
22)  Dr«h  dies  schon  auf  den  Ins<'hriften  von  Palmyra  der  Fall  sei,  lässt 
»ich  nicht  erweisen.  Die  Zweifel,  welche  N<)ldeke  in  dieser  Hinsicht  äussert 
(Zeitschr,  der  dcutücheD  morgenländ.  (Jesellsch.  IM-  'M,  ISS'),  S.  33Ü),  sind  sehr 
bcr«<  li'if» 


[G32-  033]  Beilage  III:  Grundzüge  des  jüdischen  Kalenders.  757 

10.  Ab.  5)  Das  Fest  der  jälirlichen  Holzlieferung  für  den  Braiid- 
opferaltar  (vgl.  hierüber  unten  Bd.  II,  8.  260)  fällt  nach  B.  J.  II, 
17,  6  {rrjq  rcov  ^vXorpoQiODv  eoQtrjg  ovorjg)  vgl.  mit  II,  17,  7  (t^  d'  e^T/g, 
jtevrtxaiöixaT?]  6'  Ijv  Acoov  fifjvog)  auf  den  14.  Lous,  nach  den 
rabbinischen  Quellen  auf  den  15.  Ab  {Megülath  Taamth%  II,  Mischna 
Taanith  IV,  5.  8).  Trotz  der  Differenz  uni  einen  Tag  sind  doch 
beide  Daten  als  gleichbedeutend  zu  betrachten,  indem  Josephus 
den  Vorabend  zum  Fest  gerechnet  hat.  Auf  Grund  dieser  Daten 
haben  ältere  und  neuere  Forscher  angenommen,  dass  Josephus 
stets  uiit  den  macedoni  sehen  Monatsnamen  die  ent- 
sprechenden jüdischen  Monate  meine-^).  Gegen  diese  An- 
sicht hat  aber  neuerdings  nach  dem  Vorgange  von  Scaliger,  Baro- 
nius  und  Usher  0.  A.  Hoffmann  Einsprache  erhoben--*).  Er  be- 
tont vor  allem,  dass  Josephus  kaum  im  Stande  war  (und  wenn  er 
es  gewesen  wäre,  sich  sicher  nicht  die  Mühe  genommen  hätte), 
Daten,  die  ihm  nach  einem  anderen  Kalender  überliefert  waren, 
nach  dem  jüdischen  Kalender  umzurechnen.  Er  folge  eben  dem 
Kalender,  dem  seine  Quellen  folgen.  Für  die  zahlreichen  Daten 
im  Bellum  Judaicum  glaubt  aber  Hoffmann  (S.  16)  die  im  römischen 
Lager  selbst  geführten  Acten  als  Quelle  voraussetzen  zu  dürfen. 
Daher  sei  anzunehmen,  dass  diese  nach  dem  julianischen  Kalender 
gegeben  seien,  dessen  Monate  von  Josephus  nur  mit  den  macedo- 
nischen  Namen  bezeichnet  würden.  Die  Grundlage  dieser  |  An- 
schauung ist  ohne  Zweifel  richtig.  Ein  Schriftsteller  wie  Jose- 
phus nimmt  sich  nicht  die  Mühe  der  Umrechnung,  sondern  giebt 
die  überlieferten  Daten.  Man  darf  daher  von  vornherein  bei 
ihm  nicht  für  alle  Daten  denselben  Kalender  voraussetzen. 
Manche  sind  ohne  Zweifel  nach  dem  jüdischen  Kalender  gegeben, 
andere  nach  dem  römischen").    Ob  aber  die  Hauptmasse  der  Daten 


23)  So  Noris,  Annus  et  epochae  Syromucedonnm  I,  3  ed.  Lips.  p.  üsqq. 
Ideler,  Handb.  der  Chronol.  I,  400—402.  Anyer,  De  temporum  in  Actis 
apostolonim  ratione  p.  \Q  sq.  Wiesel  er,  Chronol.  Synopse  S.  448.  Clinton, 
Fastl  HeUenici  III,  iöl sq.  Champagny,  Rorne  et  la  Jiidee  (2.  ed.  1865)  II, 
'M^sqq.  Unger,  Die  Tagdata  des  Joseehos  (Sitzungsberichte  der  Münchener 
Akademie,  philos.-philol.  u.  bist.  Cl.  1893,  Bd.  II,  S.  453-492). 

24)  Otto  Adalb.  Hoffmann,  De  iinperaiuris  Tili  temporibus  rede  deß- 
niendis  (Marburg  1883)  S.  4—17. 

25)  Nach  dem  römischen  Kalender  giebt  Josephus  augenscheinlich  z.  B. 
die  Kegierungszeit  der  Kaiser  Galba,  Otho,  Vitellius.  Die  in  Betracht 
kommenden  Daten  sind  (nach  der  sorgfältigen  Ermittelung  von  Knaake, 
Zeitschr.  für  luth.  Theol.  1871,  S.  230-235)  folgende:  Nero  f  9.  Juni  G8, 
Galba  f  15.  Januar  69,  Otho  f  16.  April  69,  Vitellius  t  20.  December  09. 
Nach  Josephus  hat  aber  Galba  regiert  7  Monate  7  Tage  {Bell.  Jttd.  IV,  Ü,  2), 
Otho  3  Monate  2  Tage  iE.  J.  IV,  0,  0),  Vitellius  8  3Ionate  5  Tage  [B.  J.  IV, 


75S  Öeilage  IIl:  Gnindzüge  des  jüdischen  Kalenders.  [033.  034" 

im  Bell.  Jnd.  auf  die  römischen  Lag-eracten  zurückgeht,  scheint  mir 
mehr  als  zweifelhaft.  Es  ist  nicht  richtig,  wie  Hoffmann  behauptet, 
(S.  15),  dass  Josephus  fast  nur  bei  den  Unternehmungen  der  Römer, 
aber  nicht  bei  den  innerjüdischen  Ereignissen  bestiumite  Daten 
gebe.  Eine  Vergleichung  sämmtlicher  in  unserer  Darstellung  (§  2i)) 
mitgetheilten  Angaben  zeigt  leicht,  dass  sich  darunter  manche 
auf  innerjüdisehe  Ereignisse  beziehen,  während  andererseits  die 
genaueren  Angaben  über  die  Thateu  der  Römer  besonders  von  der 
Zeit  an  zahlreicher  werden,  wo  Josephus  als  Kriegsgefangener  und 
später  als  Freigelassener  sich  im  römischen  Lager  befand.  Er  hatte 
also  von  diesen  Dingen  eine  eigene  Kenntniss.  Ja  er  beruft  sich 
in  der  Vertheidigung  der  Glaubwürdigkeit  seiner  Darstellung  ledig- 
lich auf  die  eigenen  Aufzeichnungen,  die  er  sich  während  der  Er- 
eignisse gemacht  hatte,  und  nicht  auf  die  römischen  Acten 
{contra  Apion.  I,  9:  t«  xara  rb  OtQaröjiBÖov  to  'Pcoftaiow  oqcöv 
IjiifisXcöq  aviyQttfpov).  Augenscheinlich  hat  er  also  letztere 
nicht  benützt.  Dass  er  aber  seine  Aufzeichnungen  nach  jüdischem 
Kalender  gemacht  hatte,  dafür  spricht  theils  die  innere  Wahr- 
scheinlichkeit der  Sache,  theils  der  Umstand,  dass  einzelne  Daten 
zweifellos  nach  dem  jüdischen  Kalender  gegeben  werden,  so  Bcll.\ 
Jtid.  VI,  2,  1  (s.  oben  S.  629)  und  B.  J.  VI,  4,  1—5  (s.  oben  S.  031). 
Die  öfters  vorkommende  Formel  IJav^iiov  rovfujvla  {B.  J.  ITI, 
7,  36;  V,  13,  7;  VI,  1,  3i  kann  allerdings  niclit  als  Beweis  dafür 
geltend  gemacht  werden,  dass  die  Monate  des  Josephus  wirklich 
mit  dem  Neumond  begannen.  Denn  im  späteren  Sprachgebrauch 
bezeichnet  rovi/i/via  überhaupt  den  ersten  l'ag  des  Monats,  auch 
wenn  nach  dem  betreffenden  Kalender  die  Monate  nicht  mit  dem 
Neumond  begannen,  wie  z.  B,  beim  römischen.  Vgl.  Dh  Cas.f.  LX,  5: 
T/y   Tov  AvyovOTOV  vovittjvia.     Pluiarch.   Galha  22:    y  vov{n]vla  rov 


11,  4j.  Wcun  man  den  Tng  des  Regierungsantrittes  und  den  Todestag  niit- 
redinet,  «tinunt  dies  genau  mit  den  obigen  Daten  des  julianisclien  Kalenders, 
dem  also  Josephus  hier  folgt  (so  aueh  Knaake,  Zeitsehr.  für  luth.  Theol. 
1K71,  8.  244;  vergeblich  bestritten  von  Wiescler,  Zeitsehr.  für  luth.  Tlieol. 
lH72,S.55flr,).  —  Den  T<»destag  des  Vitellius  scheint  Josephus  nacii  dem  Kniender 
von  TyrUK  zu  geben.  Während  er  nändieii  nach  dem  jiilianisclieji  Kniender 
auf  den  20.  December  fallt,  setzt  ihn  Josephus  luif  den  H.  Aj)ellai(>s  (//. ./.  i\', 
11,4).  Diener  entspricht  aber  nach  tyrischem  Kalender  dem  20.  December 
(Ich  julianiHclion.  Vermuthlicli  folgt  also  Josephus  hier  einer  phönicischen 
(Quelle.  Vgl.  Noris,  Aiinua  rt  qmchar  Sijroviuccdonuvi.  I,  3  jt.  Ol.)  sy.  cd,  IAp>*. 
Idelor  I,  430,  Knaake  ß.  244.  0.  A. 'iFoffmann  a.  a.  O.  8.  0.  Niese, 
Herme»  XXVIII,  1803,  H.  203.  Bestritten  wird  die  Hichligkeit  dieser  Auf- 
fuHMung  von  Ungor,  «ier  a.  a.  O.  8.  450- 405  /u  zeigcüi  suclit,  ilass  der  Tod 
de»  Vitellius  nielit  auf  den  20.,  sondern  auf  den  21.  J)ee(inber  falle,  und 
ilflM  bei  JoRcphnM  B.J.  IV,  11,1  eine  Corrnption  der  Zitier  vorliege  (S.  401  f.) 


[0341  Beilage  III:  Grundzüge  des  jüdischen  Kalenders,  759 

jTfirrjTov   fjrjvo^,    i]v    yMlavöaz    ^lavovüQiaz    y.ahjvoi.     Aegyptisclie 
Urkunden   aus   den   königi.   Museen   zu   Berlin.   Griecli.  Urkunden 
Bd.   1   Nr.    14  II,  3.  86,  lt.  183,  1.  35G,  4.  Stephanus,  Thes.  s.  v.  — 
Verwandt  mit  der  Anschauung  0.  A.  Hoft'manns  ist  diejenige  von 
Sclilatter  und  von  Niese.    Sclilatter-'')  meint,  dass  die  Daten 
des  Bellum  Judaicum  mit  wenigen  Ausnahmen  nach  dem  römischen 
(julianischen)  Kalender  gegeben  seien,  und  er  sieht  darin  eine  Be- 
stätigung dafür,  dass  das  Bellum  Judaicum  in  der  Hauptsache  eigent- 
lich ein  Werk  des  Antonius  Julianus  sei  (s.  oben  S.  58).  Niese-') 
erkennt  zwar  ebenfalls  an,  dass  einzelne  Daten  nach  dem  jüdischen 
Kalender  gegeben  seien,  glaubt  aber  „zur  Genüge  erwiesen  zu 
haben,  dass   der  von  Josephus  benutzte  Kalender  dem  iy- 
rischen  gleich  ist"  (Hermes  a.  a.  O.  S.  204).    Es  hindere  nichts, 
anzunehmen,  dass  dieser  auch  in  Jerusalem  und  Judäa  in  Gebrauch 
war;  nur  für  die  Bestimmung  der  Feste  habe  man  die  alten  Mond- 
monate beibehalten,  wie  auch  noch  heute  bei  den  Juden  die  Rechnung 
nach  diesen  neben  dem  bürgerlichen  Kalender  sich  erhalten  habe  (a.  a. 
O.  S.  2Ü7).  Diese  Ansicht  Niese's  —  dass  also  die  Juden  im  bürgerlichen 
Leben  sich  des  tju'ischen  Kalenders,  d.  h.  einer  Rechnung  nach  dem 
Sonnenjahr  bedient  haben,  während  sie  für  die  religiösen  Feste  die 
Rechnung  nach  Mondiuonaten  beibehielten  —  steht  in  so  schroflem 
Widerspruch  mit  allem,  was  wir  über  die  Geschichte  des  jüdischen 
Kalenders  wissen,  dass  sie  als  schlechthin  unmöglich  bezeich- 
net werden  muss.    Einen  Unterschied  zwischen  bürgerlichem  und 
heiligem  Jahr  hat  es  allerdings  gegeben;  er  bestand  aber  nur  da- 
lin,   dass  das  eine  im  Herbst,  das   andere  iui  Frühjahr  begann; 
die  Monate  waren  die  gleichen  (s.  oben  S.  32  f.).  Abgesehen  von  der 
isolirten  Notiz  über  den  Tod  des  Vitellius,  die  allerdings  nach  dem 
tyrischen  Kalender  gegeben  zu  sein  scheint  (s.  Anm.  25),  hat  Niese 
nur  einen  beachtenswerthen  Grund  dafür  beigebracht,  dass  Josephus 
bei  seinen  Angaben  im  Bellum  Judaicum  sich  einer  Rechnung  nach 
dem  Sonnenjahr  bedient  habe:  Die  Angaben   über  die  Dauer  der 
Belagerung  von  Jotapata.    Aber  auch  dieser  Grund  ist  nach  dem 
oben  S.  612   Bemerkten   nicht  stichhaltig.    Auch  die  Rechnungen 
Schlatters  sind   gegenüber  den  andern  Argumenten  keineswegs 
beweisend  2^).    Wenn  es  in  mehreren  Fällen   doch  sicher  ist,  dass 


26)  Schlatter,  Zur  Topographie  und  Geschichte  Palästinas,  1S93,  S.  SüO 
bis  3Ö7. 

27)  Niese,  Ueber  den  von  Josephus  im  bellum  Judaicum  benutzten  Ka.- 
lender  (Hermes  Bd.  XXVIII,  1893,  S.  197—208). 

28)  Schlatter  sucht  S.  3ß0f.  drei  Fälle  aufzuzeigen,  wo  Josephus  Monate 
zu  31  Tagen  voraussetze.  1)  Nach  B.  J.  II,  19,  4  begann  Cestius  Gallns  den 
Augrift"  auf  Jerusalem  am  30.  Hyperberetaios,  nach  II,  19,  9  fn.  wurde  er  am 


760  Beilage  III:  Gniudzüge  des  jüdischen  Kalenders.  [634] 

Joseplms  nach  dem  jüdischen  Kalender  rechnet,  so  iniiss  dies  auch 
für  alle  diejenigen  Fälle  gelten,  hinsichtlicli  deren  sich  nicht  das 
Gegentheil  erweisen  lässt;  das  sind  aber  die  meisten.  Die  grosse, 
Mehrzahl  der  Daten  im  Bellum  Judaicum  ist  also  höchst 
wahrscheinlich  nach  dem  jüdischen  Kalender  gegeben. 


8.  Daisios  auf  dem  Rückzug  entscheidend  geschlagen.  Dazwischen  finden  sich 
folgende  Zeitangaben,  §  535:  nhxe  ^fisguiq  .  .  .  ,  Ttj  d"  ^movatj,  §  542:  tJ 
d'  intovatj,  §  545:  r^  ^p/rj?.  Hier  sieht  Schlatter  „in  sicherer  Zählung  zehn 
Tage  aneinander  gereiht",  die  nur  herauskommen,  wenn  man  den  Hyperbere- 
taios  zu  31  Tagen  ansetzt.  Aber  bei  ty  xgixy  ist  das  vorhergehende  rj/  im- 
oiay  höchst  wahrscheinlich  als  Ausgangspunkt  mit  eingerechnet;  dann  sind 
es  nur  neun  Tage,  und  es  darf  der  Hyperberetaios  nur  zu  30  Tagen  ange- 
nommen werden.  2)  Den  zweiten  Beweis  nimmt  Sclilatter  aus  den  Daten  bei 
der  Belagerung  von  Jotapata,  worüber  auf  das  oben  S.  612  Bemerkte  zu  ver- 
weisen ist.  3)  Der  Angriff  auf  die  letzte  Mauer  Jerusalems  wurde  nach  B.  J. 
VI,  8,  1  am  20.  Lous  begonnen,  und  die  Wälle  waren  nacli  achtzeliutägiger 
Arbeit  am  7.  Gorpiaios  fertig  {B.  J.  VI,  8,  4).  Wenn  Schlatter  hier  für  den 
Lous  31  Tage  fordert,  so  beruht  das  nur  auf  irriger  Rechnung,  denn  vom  20. 
bis  30.  Lous  sind  bereits  (bei  Einrechnung  des  Anfangs-  und  Endtermines) 
11  Tage,  und  7  dazu  macht  18. 


Beilage  IV. 
Die  jüdischen  Sekel-  und  Aufstandsmünzen. 

Die  uns  erhaltenen  Münzen  mit  althebräischer  Schrift  lassen 
sich  in  drei  grosse  Hauptgruppen  theilen:  1)  Die  Münzen  der  has- 
iiionäischen  Hohenpriester  und  Fürsten,  welche  mit  Namen  ver- 
seilen und  daher  am  leichtesten  zu  bestimmen  sind,  2)  die  silbernen 
Sekel  und  Halbsekel,  3)  die  „Freiheitsmünzen",  welche  in  mannig- 
fachen Variationen  die  Befreiung  (g^ulta  oder  cliei-ufh)  Israers  oder 
Jerusalem's  oder  Zion's  feiern.  Am  meisten  Uebereinstinnnung 
lierrscht  unter  den  Numismatikern  in  Betretf  der  ersten  Gruppe; 
eine  ziemlich  weitgehende  auch  noch  in  Betreff  der  zweiten,  indem 
die  Mehrzahl  der  Numismatiker  dieselbe  in  die  Zeit  des  Makka- 
bäer's  Simon  setzt.  Am  buntesten  gehen  die  Ansichten  in  Betreff 
der  dritten  Gruppe  auseinander.  Da  die  Bestimmung  der  ersten 
Gruppe  verhältnissmässig  leicht  und  sicher  ist,  so  ist  über  sie  das 
Nöthige  im  Zusammenhang  unserer  Geschichtsdarstellung  mitgetheilt 
worden.  Eine  speciellere  Untersuchung  erfordern  die  Münzen  der 
zweiten  und  dritten  Gruppe.  Ks  dürfte  sich  bei  methodischer  Er- 
wägung aller  Momente  zeigen,  dass  über  die  dritte  (iruppe  ein  viel 
höheres  Maass  von  Sicherheit  zu  gewinnen  ist  als  über  die  zweite, 
dass  also  das  Maass  des  vorhandenen  Consensus  im  umgekehrten 
Verhältniss  steht  zu  dem  Grade  der  wissenschaftlich  erreichbaren 
Gewissheit. 

1.  Die  Sekelmünzen. 

Literatur: 

Eck  hei,  Doctrina  Niimornm  vetcnim  III,  Abo  sqq. 

Cavedoni,  Biblische  Numismatik,  übers,  von  Werlhof  I,  IS  H".  II,  10  ff. 
De  Saulcy,  liechcrches  stir  la  NumismatiqKe  Judäique  1854,  p.  17  sqq. 
Ewald,  Göttiuger  „Nachrichten"  1855,  S.  109 ff. 
Levy,  Geschichte  der  jüdischen  Münzen  (1862)  S.  39  ff. 
Madden,  Histonj  of  Jeutsh  Coinagc  (1864)  p.  ASsqq. 
De  Säule jß,  Revue  Numismatique  1864,  p.  SlO. -iqq. 
Cavedoni  in  Grote's  Münzstudien  V,  1867,  S.  9— IS. 

Reichardt  in  den  Wiener  Numismatischen  Monatsheften  von  Egger.    Bd.  II 
(1866)  S.  137  ff.  I 


762  Beilage  IV:   1,  Die  Sekelmünzen.  [C36] 

Le  Saiilcy,  lieviie  archeolog iqiie,  Noiiv.  Serie  vol.  XXIII,  1872,  p.  Isqq. 

Merzbacher,  De  siclis  nummis  antiquissimis  Judaeorwn,  Berol.  1873. 

Madden,  Kumis7nntic  ChronicJe  1874,  p.'2S)lsqq. 

Leuis,  Numismatic  Chronicle  1876,  p.Z22  (Sekel  vom  Jahr  V). 

Merzbacher  in  Sallet's  Zeitschrift  für  Numismatik  Bd.  III,  1876,  S.  141  ff. 
183  ff.  Bd.  V,  1878,  S.  151  ff.  292  ff 

Madden,  Coins  ofthe  Jews  (1881)  p.  67 — 71  (hier  das  Material  am  vollständigsteu). 

lieiuaeh  (Theod.),  Actes  et  Conferences  de  la  societe  des  etudes  Juives  1887  (Bei- 
lage zur  Revue  des  etudes  juives  1887)  p.  CCIII  sqq.  —  In  der  Separat-Aiis- 
gabe  [Les  motinaies  juires,  Paris  1887)  ]).  ^2  sqq. 

Unger,  Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie,  philos.-philol.  und  bist. 
Cl.  1897,  S.  199—204  (setzt  die  Sekel  in  die  Zeit  des  Gabinius). 

Kennedy  in  Hastings^  Diclionanj  of  the  Bible  III,  429^5'. 

Die  silbernen  Sekel  und  Halbsekel  entsprechen  im  Gewiclite 
den  in  den  pliönicisclien  Städten  geprägten  griecliisclien  Tetra- 
draclimen  und  Doppeldraclnnen  und  geben  uns  eben  damit  einen 
Anhaltspunkt  zur  Bestimmung  des  phönicisch-hebräischen  Münz- 
fusses  1).  Die  Aufschrift  lautet  fiTOip  Bbo'n'i  oder  mö^ipri  d'i!:Tö'Ti\ 
auf  der  anderen  Seite  b^'W*^  bpl»  (Sekel  Israel's),  bei  den  halben 
Sekeln:  b'p'OTi  ''Sn  (halber  Sekel).  Sowohl  die  ganzen  als  die  halben 
Sekel  haben  neben  der  Gewichtsangabe  auch  eine  Zahl,  gewöhn- 
lich mit  Beisetzung  eines  IS  {=  ttlß,  Jahr),  z.  B.  n©  ==  Jahr  IL 
Es  sind  von  beiden  Arten  Stücke  aus  den  Jahren  i«,  :3,  \  -  (T,  II, 
III,  IV)  bekannt,  von  den  ganzen  Sekeln  auch  ein  Exemplar  mit 
nr  =  Jahr  V.  Selbstverständlich  haben  sie  keine  Porträtköpfe, 
sondern  nur  einfache  Symbole,  deren  Deutung  jedoch  unsicher  ist 
(Kelch  und  Lilienzweig?).  — ^  Da  auf  diesen  Münzen  des  „heiligen 
Jerusalem"  jeglicher  Personenname  fehlt,  so  ist  die  Altersbestim- 
mung äusserst  schwierig.  Es  darf  aber  zunächst  als  sicher  gelten, 
dass  sie  nicht  geprägt  sein  können  zwischen  135  vor  Chr.  und  65 
nach  Chr.  Denn  die  Hasmonäer  seit  Johannes  Hyrkan  (135  vor 
Chr.)  haben  Münzen  mit  ihrem  Namen  geprägt;  desgleichen  Herodes 
und  seine  Söhne.  Audi  unter  den  römischen  Procuratoren  können 
selbstverständlicli  diese  Münzen,  welche  die  Unabhängigkeit  Jeiii- 
salenis  voraussetzen,  nicht  geprägt  sein.  Es  bleibt  also  nur  die 
Zeit  vor  135  vor  Chr.  oder  nach  66  nach  Chr.  Bei  letzterer 
Alternative  kann  es  sich  nur  um  den  Krieg  vom  J.  66—70  hau* 


1)  Vgl.  über  dcji  MünzfusH  der  Sckcl  bes.  Brniidis,  Diis  Münz-,  Mass- 
iiml  OewicIitHWCHen  in  Vordornuien  (1860)  8.  55 ff.  04 ff.  102 ff.  HultHcii, 
OricdiiM<hc  und  rönÜHchc  Metrologie  (2.  Bcnrb.  1882)  ö.  450 ff.  002  (!".  Merz- 
bnchcr,  Zrituclir.  für  NiiiniHnmtik  Hd.  V,  1H78,  S.  151  ff.  171.  173  f.  JUvi  - 
laut,  Nulfi  nur  lr$  ptun  atiririnies  tnouiiairs  )i('l>raiques  [Aiuniairr  de  la  Socii'le 
frnncainr.  de  Kntnintnatiqtir  et  d'Arrhfnlo'iie  t.  VIII,  18S.1,  p.  113—14(1  [rovidirtcr 
Abdnu'k  nun  der  Ucnic  PjifuttnhHjiqve]), 


[G3G.  637]  Beilage  IV:    1.  Die  Sekelmünzeii.  7G3 

dein;  denn  aus  der  Zeit  des  liadrianisclien  Krieges  132 — 135  n.  Clir. 
haben  wir  Münzen  ganz  anderer  Art.  Für  die  Jahre  66—70  nach 
Chr.  als  Prägnngszeit  der  Sekehnünzen  hat  sich  zuerst  Ewa 
(Göttinger  ,.Nachi'ichten'"  1855,  S.  109if.)  ausgesprochen;  und  ich 
bin  ihm  in  der  ersten  Auflage  dieses  Buches  gefcdgt  (S.  365f.).  In 
den  Kreisen  der  Nuniisinatiker  ist  diese  Ansicht  bis  jetzt  nur  durch 
Theod.  Reinach  (1887)  und  Imhoof-Blumer  (laut  brieflicher 
Mittheilung  an  mich)  vertreten;  doch  darf  wohl  auch  Babelon 
hierher  gerechnet  werden,  insofern  er  sich  entschieden  gegen  die 
Ansetzung  der  Sekel  in  der  Hasmonäerzeit  erklärt  hat  {Catalogiie 
des  nionnaies  grecqucs  de  la  Bibliothtque  nationale,  Les  rois  de  Si/rie, 
1890,  p.  CXLIV).  Auch  Kennedy  in  seinem  sorgfältigen  Artikel 
JMonqi  in  Ilastings  Diclionan/  ist  der  Ansicht  Ewald's  beigetreten. 
Alle  anderen  erklären  sie  wegen  des  alterthümlichen  Stiles  für 
unmöglich  und  setzen  die  Sekel  fast  einstimmig  in  die  Zeit  des 
]\rakkabäers  Simon  142—135  vor  Chr.  Ja  de  Saulcy  ist  noch 
hfilier  hinaufgegangen,  zuerst  {liecherches  sur  la  Numismatique  Judai- 
que  1854)  in  die  Zeit  Alexanders  des  Grossen,  später  (in  dem  mir 
nicht  zugänglichen:  Etüde  chronologique  des  Ihres  d'Esdras  et  de  Ne- 
hemie  186S,  und  Bevue  archeol.  1872)  sogar  in  die  Zeit  Ksras.  — 
Für  die  Beurtheilung  der  Frage  kommen  1)  paläographische,  2)  hi- 
storische, 3)  numismatische  Argumente  in  Betracht. 

1)  Wir  erledigen  zunächst  die  paläo  raphischen,  weil  sie 
leider  gar  kein  Ergebniss  liefern.  Der  Charakter  der  Schrift  ist 
der  sogenannte  phönicische  oder  althebräische.  Diese  Schrift  hat 
sich  aber  für  monumentale  Zwecke  (Inschriften  und  Münzen)  inner- 
halb des  in  Betracht  kommenden  Zeitraumes  so  wenig  verändert, 
dass  hieraus  kein  Anhaltspunkt  zur  Entscheidung  unserer  Frage 
7A\  gewinnen  ist.  Der  Schriftcharakter  der  Münzen  gestattet  eben- 
sowohl die  Ansetzung  in  der  Makkabäerzeit  als  in  einer  erheblich 
späteren  (wie  mir  auf  eine  Anfrage  auch  Eutin g,  einer  der  besten 
Kenner  der  semitischen  Paläographie,  bestätigt  hat). 

2)  Aus  historischen  Gründen  können  die  Sekel  schwerlich 
in  der  persischen  und  griechischen  Zeit  bis  zur  Erringung  der 
jüdischen  Unabhängigkeit  durch  den  Makkabäer  Simon  geprägt 
sein.  Denn  nach  allem,  was  wir  wissen,  haben  die  Juden  weder  in 
der  persischen  noch  in  der  griechischen  Zeit  ein  solches  Maass  poli- 
tischer Unabhängigkeit  besessen,  wie  es  eine  eigene,  autonome 
Münzprägung  voraussetzt.  Namentlich  ist  die  Zeit  Alexander's 
durch  die  Thatsache  ausgeschlossen,  dass  unter  ihm  in  Phönicien 
nur  königliches  Geld  geprägt  worden  ist  (so  z.  B.  in  Askalon, 
Ptolemais,  Damaskus,  s.  Bd.  II,  S.  93,  Ulf.  117)-l    Um  so  besser 

2)  Gegen  die  Ansetzung   der  Sekel   in   der  Zeit  Esra's   oder  Alexander's 


764  Beilage  IV:   1.  Die  Sekelmünzen.  [637.  638] 

scheint  nun  die  Zeit  des  Makkabäers  Simon  zu  passen.  Unter  ihm 
ist  „das  Joch  der  Heiden  von  Israel  genommen  worden'",  und  man 
hat  dieser  Thatsache  auch  durch  Einführung  einer  eigenen  ein- 
heimischen Zeitrechnung  nach  Jahren  Simon's  Ausdruck  verliehen 
(I  Makk.  13,  41—42;  vgl.  oben  S.  242).  Sollte  nicht  eben  diese 
Aera  auf  den  |  Sekeln  gemeint  sein?  Dies  wird  in  der  That  von 
den  Meisten  angenommen.  Aber  bei  näherer  Betrachtung  stellen 
sich  nicht  unerhebliche  Schwierigkeiten  ein.  Die  Aera  Simons 
beginnt  im  J.  170  aer.  Sei.  =  143.142  vor  Chr.  (I  Makl:  13,  41  f.); 
Simon  starb  aber  erst  177  aer.  Sei.  =-  136/135  vor  Chr.  (I  Makk.  16, 
14).  Man  müsste  also  auf  den  Sekeln  die  Jahreszalilen  1— VII  er- 
warten, während  sich  schon  vom  J.  V  nur  ein  einziger,  von 
späteren  Jahren  aber  gar  keiner  findet.  Merzbacher  (Zeitschr.  f. 
Numisni.  V,  292  ff.)  hat  daher  den  Versuch  gemacht,  die  Aera  Si- 
mon's um  zwei  Jahre  später  anzusetzen.  Dass  diese  Auskunft  selir 
misslich  ist,  glaube  ich  oben  (S.  244)  gezeigt  zu  liaben.  Dazu 
kommt,  dass  die  Sekelprägung  in  sehr  auffallender  Weise  mit  Simon 
phitzlich  abbrechen  würde,  und  an  ihre  Stelle  sofort  unter  Simon's 
Nachfolger  Johannes  Hyrkan  eine  Prägung  ganz  anderer  Art  (mit 
dem  Namen  des  regierenden  Hohenpriesters)  treten  würde.  Ist  dies 
aucli  nicht  unmöglich,  so  ist  es  doch  befremdlich.  Dagegen  hat 
nun  die  Annahme,  dass  die  Sekel  in  der  Zeit  des  Aufstandes  vom 
J.  66 — 70  nach  Chr.  geprägt  seien,  keinerlei  historische  Schwie- 
rigkeiten gegen  sich.  Sie  muss  also  bevorzugt  werden,  wenn  nicht 
numisHiatische  Bedenken  entgegenstehen. 

3)  Die  Entscheidung  vom  numismatischen  Gesichtspunkt 
aus  ist  dcslialb  schwierig,  weil  die  Pi-ägung  eine  rolie,  jedenfalls 
eigenthümliche  und  dalier  schwer  classificirbare  ist.  So  erklärt  es 
sich,  dass  auch  gewiegt(?  Numismatiker  in  ilirem  Uitlieil  ausein- 
andergelien.  Tlieod.  Reinacli  hat  für  die  von  ilim  angenommene 
Ansetzung  auf  66—70  nach  Chr.  keine  eingehendere  Begründung 
gegeben.  Durch  seine  Publication  ist  Imhoof-Blumer  zu  einer 
Prüfung  der  Sache  veranlasst  worden,  weldie  ihn  zur  Billigung 
der  Ansicht  Keinach's  geführt  liat.  Die  (irüiide,  welche  er  mir 
brieflich  mitzutheilen  die  (lüte  liatte,  sind  folgende:  „Der  kleine 
Durchmesser  der  Sekel  und  Ifalbsckcl  und  ihr  Kand  entsprcdun 
den  .syrischen  und  phöniciscluin  Prägungen  der  Mitte  des  zweiten 
Jahrhundei-ts  vor  ( 'hr.  viel  weniger  als  den  in  jenen  ( iegenden  ge{)r}ig- 
ten  Silbermünzen  mit  den  Bildnissen  von  Nero,  Agrippina  und  \'es- 
piusian,  worunter  es  viel»;  ziemlich  dicke  Stücke  von  circa  14  und 
7  fp*.  (iewicht  giebt.     Um   eine   Stilfrag«!   kann   es   sich  bei  den 

df»  Grofsen  ».  beu.  die  auBfülirlidic  Erörterung  von  Merzbiulur,  Ztitsdir. 
für  Numiumntik  Bd.  V,  1878,  8. 151  ff. 


[Gas.  639]  Beilage  IV:    1.  Die  Sekelmünzen.  7C5 

äusserst  unsauber  und  roli  behandelten  Typen  nicht  handeln,  sondern 
bloss  um  das  Technische,  und  dieses  hat  keine  Aehnlichkeit  mit 
demjenigen  der  breiten  Münzen  der  syrischen  Könige  Antiochus  \"I, 
Tryphon,  Antiochus  VII  etc.".  Diesem  Urtheile  steht  nun  freilich 
das  vieler  anderen  Numismatiker  entgegen,  welche  es  wegen  des 
alterthiiinlichen  Aussehens  der  Sekel  für  unmöglich  erklären,  sie 
in  eine  so  späte  Zeit  zu  setzen.  Auch  gegenüber  den  [obigen  Kund- 
gebungen hat  z.  B.  A.  von  Sallet  in  einer  gütigen  Zuschrift  an 
mich  mit  Bestimmtheit  erklärt,  an  der  herrschenden  Ansicht  fest- 
halten zu  müssen.  „Der  alterthümliche  Charakter  der  Münzen  ist 
ein  so  ausgeprägter,  die  Dicke  des  Metallstückes  den  lange  vor 
Christus  geprägten  antiken  Münzen  so  conform,  das  Gepräge  und 
die  Schrift  haben  einen  so  durchaus  alten  Charakter,  dass  die 
Münzen  in  die  Zeit  der  Makkabäer  fallen  müssen".  Von  den  spä- 
teren Aufstandsmünzen  sind  sie  „völlig  verschieden".  Bei  diesem 
Auseinandergehen  der  besten  Autoritäten  darf  ein  Nichtfachmann 
keine  bestimmte  Entscheidung  wagen.  Es  scheint  aber,  dass  das 
Urtheil  Imhoof-Blnmer's  auch  unter  den  Fachmännern  Boden  ge- 
winnt. Einer  der  besten  Kenner.  Babelon,  macht  (a.  a.  0.)  gegen 
die  Ansetzung  in  der  Hasmonäerzeit  namentlich  dies  geltend,  dass 
das  Münzrecht,  welches  dem  Simon  durch  Antiochus  VIT  ertheilt 
worden  ist,  nach  allen  Analogien  nicht  die  Silber-,  sondern  nur 
die  Kupferprägung  umfasst  haben  könne. 

2.  Die  Aufstandsmünzen. 
Literatur: 

Eckhel,  Docfn'na  Nunwrum  rcterum  III,  455-474. 

Mionnet,  Description  de  mMailles  antiqiies  V,  555 — 502.  Suppl.  VIII,  378 
Planches  XXVII— XXVIII. 

Tresor  de  Numisnmtiquc  (hernusigeg.  von  Lenormant,  1849)  p.  118—123,  pl. 
LVII-LIX. 

Cavedoni,  Biblische  Numismatik,  übers,  von  Werlhof  I,  18 — 51. 

De  Saulcfi,  Recherches  sur  la  Xwnismatique  Jtiddique  1854,  p.  151—170,  ]>l. 
X— XV. 

Cavedoni,  Biblische  Numismatik  II,  10  Ö'.  53— GS. 

Ewald,  Göttinger  „Nachrichten"  1855,  S.  109—122.  —  Ders,  Gott.  gel.  An- 
zeigen 1862,  S.  841  ft".  (Recensiou  Levy's). 

De  Vogüi,  Uevue  Numisntatique  1800,  p.  280 — 292  (Eleasar-Münzenj. 

Levy,  Gesch.  der  jüdischen  Müuzen  (1862)  S.  83—131. 

Madden,  Histori/  of  Jetvis/i  Coinuge  (1864)  ;^  154—182,  198-210. 

Cavedoni  in  Grote's  Münzstudien  V,  1867,  S.  29—37. 

De  Saulcy,  Revue  Numismatiqtie  1865,  p.  29 — 55. 

0 arrucci,  Disseriaxioni  archeohgiehe  II,  1865,  p.  31 — 39. 

Modden,  Xnmismatic  Chronicle  1866,  p.  36 — 65. 

De  Saulcij,  Nuniismatic  Cliroiu'cle  1871,  p.  250 — 2.53. 


7Ö6  Beilage  IV:    2.  Die  Aufstandsmüuzeu.  [639.  640] 

Merzbacher,  Jüdische  Aufstandsmünzen  (Zeitschr.  für  Xumismatik  Bd.  T> 
1874,  S.  219-237). 

Madden,  Xwnismatic  Chronic le  1875,  p.  298—333. 

Merzbacher,  Untersuchungen  über  althebräische  Münzen  (Zeitschr.  für  Numis- 
matik Bd.  IV,  1877,  S.  ^350—365). 

De  Saulcy,  Milanges  de  Nwnismatiqiie  II,  1877,  p.  87 — 92. 

Sallet,  Zeitschr.  für  Numismatik  Bd.  V,  1878,  S.  110-114. 

Renan,  L'egiise  chretienne  (1879)  p.  546—551. 

Madden,  Coim  of  the  Jeus  (1881),  p.  188-206,  230-246. 

Stickel,  Zeitschr.  des  deutscheu  Palästina- Vereins  VII,  1884,  S.  212,  214. 

Grätz,  Monatsschr.  für  Gesch.  und  Wissensch.  des  Judeuth.  1887,  S.  145 — 17G 
(in  engl.  Uebersetzung  im  Numismatic  Chronic  le  1888). 

Reinach  (Theod.),  Revue  des  etudes  juives  t.  XV,  1887,  p.  56 — 61. 

Reinach  (Theod.),  Actes  et  Conferences  de  la  societe  des  etudes  juives  1887  [Bei- 
lage zur  Revue  des  etudes  juives  1887)  p.  CCIII  -  CCXVI.  —  In  der  8epa- 
rat-Ausgabe  [Les  nionnaies  juives,  Paris  1887)  }>.  42—67. 

Grätz,  Revue  des  etudes  juives  t.  XVI,  1888,  p.  161—169.  Ibid.  t.  XVIII,  18S9, 
p.  301—304. 

Grätz,  Geschichte  der  Juden,  Bd.  III,  4.  Aufl.  (1888)  S.  819-841. 

Reinach  {Theod.),  Revue  des  etudes  juives  t.  XVII,  1888,  p.  42—45.  Ibid.  t.  XVIII, 
1889,  p.  304-306. 

Hamburger,  Leop.,  Die  Silber-Münzprägungen  während  des  letzten  Auf- 
standes der  Israeliten  gegen  Rom,  nach  einem  in  der  Nähe  von  Chebrou 
gemachten  Münzfunde  classificirt  (Zeitschr.  für  Numismatik  Bd.  XVIII, 
1892,  S.  241-348). 

Die  AufstandsmUnzen  zerfallen  in  folgende  Varietäten  (das  Ma- 
terial s.  bes.  bei  de  Saulcy  Redierches  185J,  M  adden //w/or?/  1S64, 
Num.  Chronicle  1875,  Merzbacher  Zeitschr.  für  Numismatik  IV, 
1877,  am  vollständigsten  bei  Madden  Coins  of  the  Jcws  ISSl;  wertli- 
volle  Ergänzungen  bei  Hamburger,  Zeitschr.  f.  Nnm.  XVIIT,  1892). 

1)  Ligullath  Zio7i,  der  Befreiung  Zion's. 
übt:     'jT'X  nbK3ib,  ligullath  Zion. 

liev.     ysnx  r:xo,  Jalir  IV. 

oder:  "'xn  ynix  r:c,  Jahr  IV,  ein  halber. 

oder:  y^si  yniK  r:c,  Jahr  IV,  ein  Viertel. 

8ämmtlich  Kupfermünzen  von  verschiedener  Grösse,  mit  Jüdi- 
schen Emblemen. 

8.  de  Saulcy  Itecherchcs  p.  20.  Cavedoni  Bibl.  Num.  II,  11  f.  Ewald 
Gottiugor  Nnclir.  1855,  114.  Levy  Gesch.  ,S.  44.  Madden  Ilistori/  />.  47. 
Oarrucci  II,  32.  38.  Madden  Num.  Chrou.  1866  />.  48— 63  (sehr  au!?fiihrlicli 
über  di»!  Zeit,  gegen  Oarrucci).  Merz  buch  er  Zeitschr.  I,  222.  IV,  361.  .1/'^'/- 
den  Coitu  p.  71  sq. 

2)  Ch&ruth  Zion,  Freiheit  Zion's. 
Obv.     yr^l  min,  chlmth  Zion. 

lirv.    sTü  rrc  Jahr  Tl. 
odj-r:  C'bc  p:c.  .I.ilir  III, 


[640.  041]  Beilage  IV:   2.  Die  Aufstandsniünzea.  767 

Kleine  Kupferiiiünzen  mit  jüdischen  Emblemen,  zahlreich  er- 
halten (Sallet,  Zeitschr.  \,  110,  Hamburger,  Zeitschrift  XVIII,  325). 

S.  de  Saulcij  Recherches  p.  154.  Cavedoui  Bibl.  Num.  II,  53  f.  Ewald 
Göttinger  Nachr.  1855,  114.  Levy  Gesch.  S.  100.  Madden  History  p.  180. 
De  Saulcy  Revue  Num.  1865,  29  sqq.  Oarrucei  II,  38.  Merzbacher  Zeitschr. 
I,  223.  IV,  364  f.  Madden  Num.  Chron.  1875,  320  sr/.  Coiv>i  of  th-  Jens  p.  -im. 
Hamburger,  Zeitschr.  XVIII,  325  ff. 

3)  Jahr  I  ligullalh  Jisracl,  der  Befreiung  IsraeFs. 

(Jbv.  pDri  lyyba,  Eleasar  der  Priester. 

Bev.  bs-ittJ'i  nbxjb  nn«  n:»,  Jahr  I  Ugullath  Jisrael. 

(Jbv.  prn  "iTi^bx,  Eleasar  der  Priester. 
liev.  )iS^i2t!,  Simon. 

Obv.  abüli'',  Jerusalem. 

I^£v.  bX-lO'^  nbxSib  nniC  ntß,  Jahr  I  Ugullath  Jisrael.  \ 

(Jbv.  biü-MH^  m^tii  )^:fi2ts,  Simon  Fürst  Israels. 

liev.  bsiüi  nbülJb  rn«  n:ü,  Jahr  I  Ugullath  Jisrael 

Theils  Silber-,  theils  Kupfermünzen,  von  verschiedener  Grösse 
und  verschiedenen  Typen.  Dass  sie  alle  zusammengehören,  beweist 
die  Datirung  vom  „Jahr  I  Ugullath  Jisrael",  welche  dreien  derselben 
gemeinsam  ist.  Die  den  Namen  des  Eleasar  und  Simon  tragende 
Münze  kann  aber  von  den  anderen  Eleasarmünzen  nicht  getrennt 
werden. 

S.  de  Saulcy  Recherches  p.  löS— 160, 105—108.  Cavedoni  Bibl.  Num.  II, 
55—59.  Ewald,  Güttinger  Nachr.  1855,  119  ff.  De  Vof/ü^,  Beme  Num.im), 
280 ff.  (Eleasarmünzen,  von  de  Vogüe  zuerst  mitgetheilt).  Levy  Gesch.  S.  88 
—92,  97-99.  Madden  History  p.  161—166,  174—178.  De  Saulcy  Renie  Xum. 
1865,  29  sqq.  Cavedoui  in  Grote's  Münzstudien  V,  29  ff.  Garrucci  II,  37sq. 
Merzbacher  Zeitschr.  I,  229-232.  IV,  350—353.  Madden  Num.  Chron.  1875, 
313-320.  Coins  yj.  198— 200.  Sallet,  Zeitschr.  V,  110 ff.  Reinach  Revue 
des  etudes  juives  XV,  58 sy.  (über  die  Simon-Eleasar-Münze).  Hamburger, 
Zcitsclir.  XVIII,  253  f.  (Eleasar),  273  (Jerusalem  i. 

4)  Jahr  II  lechCrufh  Jisrael,  der  [Freiheit  IsraeVs. 

(Jbv.  115?^©,  Simon. 

Her.  bxITÖ^  mnb  2"W,  Jahr  II  lechCndh  Jisrael. 

(Jbv.  sboiT,  Jerusalem. 

ncr.  bxn«^  rnnnb  n"C,  Jahr  II  leduruth  Jisrael. 

Die  letztere  Art  selten,  die  erstere  sehr  häufig,  in  Silber-  und 
Kupfer,  von  verschiedener  Grösse  und  mit  verschiedenen  Typen. 
Bei  manchen  ist  noch  erkennbar,   dass  sie  auf  römische  Münzen, 


76S  Beilage  IV:    2.  Die  Aufstandsmünzen.  [641.  G42] 

vorwiegend  Trajan's  aiifgepräg-t  sind  (Sallet,  Zeitschr.  V,  110 — 114; 
Hamburger,  Zeitschr.  XVIII,  255—260). 

S.  de  Saidcij  Feclierches  |).  168—170.  Cavedoni  Bibl.  Num.  II,  59 f. 
Ewald  Göttinger  Nachr.  1855,  119  ff.  Levy  Gesch.  S.  93— 96,  105—108.  Mad- 
den  History  p.  166—174,  207  s?.  De  Satilcy  Revue  Num.  1865,  2'd  sqq.  Cave- 
doni in  Grote's  Münzstudien  V,  30 ff.  Garrueei  II,  34.  Merzbacher 
Zeitschr.  I,  232-236.  IV,  353—356.  Madden  Num.  Chron.  1875,  329—333. 
Coins  p.  241—246.  Sallet  Zeitschr.  V,  110—114.  Hamburger,  Zeitschr. 
XVIII,  255 — 260  (Denare  Simons),  274  (Tetradrachmen  Jerusalems  und  Simons). 

5)  Lech  er  u  t  h  Je  ru  schale  m ,  der  Freiheit  Jerusalem's. 

Ohr.  i^yiao,  Simon. 

Rev.  abtTTT'  f^linb,  lecheruth  Jeruschalem. 

Silber-  und  Kupfermünzen,  in  verschiedener  Grösse  und  mit 
verschiedenen  Typen.  Viele  sind  auf  römische  Münzen,  namentlich 
Trajan's  aufgeprägt,  i 

S.  de  Saulcy  Tiecherches  p.  160 — 165.  Cavedoni  Bibl.  >.'um.  II,  56 — 59. 
Ewald  Göttinger  Nachr.  1855, 119ff.  Levy  Gesch.  S.  93— 96,  105—108.  Mad- 
den Hütory  p.  166—174,  203—210.  De  Saulcy  Revue  Numism.  1865,  '^  sqq. 
Cavedoni  in  Grote's  Münzstudien  V,  30ff.  Garrueei  II,  33«?.  Merz- 
bacher Zeitschr.  I,  236  f.  TV,  357—363.  Madden  Num.  Chron.  1875,  321— 
328.  Coi«s  ;).  233— 241.  Sallet  Zeitschr.  V,  110— 114.  Hamburger  Zeitschr. 
XVIII,  261—273  (Denare),  275  f.  (Tetradrachmen).  \ 

Die  drei  zuletzt  genannten  Kategorien  (Jahr  I  ligullath 
Jisrael,  Jahr  II  lecheruth  Jisrael,  lecheruth  Jei-uschalem  ohne  Datum) 
lassen  sich  mit  Sicherheit  der  Zeit  des  Barkochba'schen  Auf- 
standes zuweisen.  Am  allgemeinsten  ist  dies  in  Betreff  der  letzten 
Kategorie  anerkannt.  Das  auf  vielen  von  ihnen  noch  erkennbare 
ursprüngliche  römische  Gepräge,  auf  welches  der  jüdische  Münz- 
stempel aufgedrückt  ist,  beweist,  dass  sie  nicht  früher  als  zui-  Zeit 
Trajan's  geprägt  sind.  Dann  ist  aber  nur  eine  Periode  denkbar, 
in  welcher  die  Prägung  stattgefunden  haben  kann:  der  Aufstand 
unter  Hadrian.  Aber  auch  unter  den  JMünzen  unserei"  vierten 
Klasse  (vom  „.lahr  II  lechemth  Jisraet)  sind  Exemplare  nachge- 
wiesen, welche  auf  römische  Münzen,  vorwiegend  Trajan's  aufg«^prägt 
Bind  iSallet,  Zeitschr.  V,  110—114,  Hamburger, Zeitschr.  XVI II,  255 
bis  260).  Von  ihnen  gilt  also  dasselbe  wie  von  denen  lechemth 
Jeruschalem.'  Selbstverständiidi  gelten  aber  diese  Resultate  nicht 
nur  für  die  auf  Kai.M'iinüiizt'n  aulg«^prägten  Exemplare,  sondern 
auch  für  die  anderen  mit  gleicher  Aufschrift  und  gleichen  Typen, 
flir  deren  Iferstellung  nicht  Kaisermünzen  verwendet  wurden,  oder 
Hilf  welchen  das  uispriingliche  diepräge  nicht  mehr  eikeiinbar  ist. 
Denn  eine  seltsame  Willkür  ist  es,  Münzen  von  ganz  gleichem 
Gepräge  verschiedenen   Perioden  zuzutheihüi,   nur  desshalb,   weil 


[642.  643]  Beilage  IV:   2.  Die  Aufstandsmüozea.  769 

auf  den  einen  noch  ein  ursprunglicher  römischer  Stempel  sichtbar 
ist,  auf  den  anderen  nicht  (so  Levy,  welcher  sowohl  die  Münzen 
unserer  vierten  als  die  unserer  fünften  Kategorie  auf  die  Zeit  'des 
ersten  und  zweiten  Aufstandes  vertheilt).  —  Das  hiermit  gewonnene 
Resultat  in  Betreft'  unserer  beiden  letzten  Kategorien  ist  aber  auch 
auf  die  Münzen  vorii  „Jahr  I  ligullath  JisraeV^  auszudehnen.  Denn 
es  ist  von  allen  competenten  Numismatikern  anerkannt,  dass  sie 
im  Stil  den  anderen  gleich  sind').  Ja  auch  unter  ihnen  sind 
einige,  auf  welchen  noch  Spuren  einer  Prägung  aus  der  Zeit 
Trajan's  sichtbar  sind  (Hamburger,  Zeitschr.  XVllI,  253  n.  2,  273 
n.  59).  Im  Allgemeinen  kennt  auch  die  rabbinische  Tradition 
„Münzen  des  Benkosiba"  nvnnD  r\^:pn  oder  xn-^T-^r  p  :P2'0'q^).  \ 

Die  grosse  Mannigfaltigkeit  von  Prägungen  innerhalb  weniger 
Jahre,  welche  hauptsächlich  die  Numismatiker  veranlasst  hat,  die 
Münzen  auf  die  Zeit  des  vespasianischen  und  des  hadrianischen 
Krieges  zu  vertheilen,  ist  bei  näherem  Zusehen  doch  nicht  uner- 
klärlich. Im  ersten  Jahre  liaben  zwei  Führer  des  Aufstaude  s 
„der  Priester  Eleasar"  und  „der  Fürst  Simon"  Münzen  ge- 
prägt. Im  zweiten  Jahre  scheint  sich  Simon  allein  zum  Herrn 
der  Situation  gemacht  zu  haben.  Daraus  ist  es  wolil  zu  erklären, 
dass  er  auf  den  Münzen  des  ersten  Jahres  durch  den  Titel  „Fürst" 
sich  vom  Priester  unterscheidet,  während  er  auf  denen  des  zweiten 
Jahres  dies  nicht  mehr  nöthig  findet 3).    Ausser  Simon  und  Eleasar 

1)  S.  bes.  de  Saulcy,  Revue  Numismatique  1805,  ;/.  2^  sqq.  uud  Sali  et» 
Zeitschr.  für  Numism.  V,  110 f.:  „Für  mein  numismatisches  Auge  war  es  nie 
zweifelhaft,  dass  de  Saulcy's  Ansicht  richtig  ist,  dass  trotz  aller  Gegengründe 
.  .  .  alle  diese  denarähnlicheu  Münzen  (und  die  Tetradrachmen  ebenfalls)  un- 
streitig einer  Periode  angehören  müssen.  Es  ist  in  der  Numismatik  des  Alter- 
thums  beispiellos  und  unmöglich,  dass  Münzen,  welche  einander  im  Stil  völlig 
gleichen,  ja  sich  zum  Verwechseln  ähnlich  sind,  sechzig  Jahre  auseinanderliegen 
sollen".  —  Auch  Merzbacher  sagt,  obwohl  er  die  von  Sallet  für  unmöglich 
erklärte  Theilung  vornimmt,  Zeitschr.  f.  Num.  I,  223  f.:  „Sie  unterscheiden  sicli 
in  Stil  und  Fabrik  wenig  von  einander,  da  nur  einige  Abweichungen  in  den 
Typen  wahrgenommen  werden  können,  imd  dürfen  darum  zeitlich  nicht  allzu 
weit  von  einander  getrennt  werden". 

2)  Tosephta  Maaser  sehen i  I,  6  (ed.  Zuckermandel  p.  86  h'n.  22);  jer.  Maaser 
scheni  I,  2;  bah.  Baba  kamma  97b';  bei  Levy  127  tF.  Maddcn  History  i2Qsqq. 
Coins  311  sqq. 

I  3)  Auffallend  ist  die  Münze  mit  der  Aufschrift  Obv.  ',n=n  -iir^K,  Bev.  "py^'r. 
De  Vogüö  hielt  sie  für  das  Werk  eines  Fälschers,  der  die  Vorderseite  einer 
Eleasar-  und  einer  Simonsmünze  miteinander  combinirt  habe.  Nach'Fried- 
länder's  und  Sa  11  et 's  Urtheil  ist  die  Echtheit  aber  nicht  zu  bezweifeln 
(Zeitschr.  für  Numismat.  IV,  350.  V,  111  Anm.  Madden,  Coins  p.201).  Noch 
auffallender  ist  eine  von  Reinach  {Revue  des  cf tides  juires  XV,  Ö6—Q1)  publi- 
cirte  Münze,  deren  Aufschrift  zwar  defect,  aber  mit  ziemlicher  Sicherheit 
folgenderraassen  zu  ergänzen  ist: 

Schürer,  Geschichte  I.  3.  u.  4.  Aufl.  49 


770  Beilage  IV:    2.  Die  Aufstandsmünzen,  [643.  644] 

hat  aucli  die  Stadt  Jerusalem,  nud  zwar  sowohl  im  ersten  als  im 
zweiten  Jahre,  Münzen  geprägt;  doch  sind  diese  sehr  selten.  End- 
lieh hat  Simon  ausser  den  nach  der  Aera  der  Befreiung-  Israels 
datirten  Münzen  auch  solche  zur  Verherrlichung  der  „Freiheit  Je - 
rusalem's"  ohne  Datum  prägen  lassen.  In  der  grossen  Mannig- 
faltigkeit liegt  demnach  kein  Grund,  einen  Theil  in  die  Zeit  des 
vespasianischen  Krieges  zu  verweisen. 

In  der  Geschichte  der  Numismatik  hat  die  Classificirung  unserer  Münzen 
bisher  fünf  Stadien  durchlaufen.  1)  Die  älteren  Numismatiker,  Eckhel, 
Mionuet,  auch  noch  Cavedoni  Bibl.  Num.  I,  setzten  alle  Kategorien,  so- 
weit sie  ihnen  bekannt  waren,  sammt  den  Sekelmünzen  in  die  Zeit  Simon's 
des  Makkabäers.  Nur  ein  französischer  Gelehrter  des  vorigen  Jahrhunderts, 
Henrion,  hat  bereits  erkannt,  dass  sie  in  die  Zeit  Barkochba's  gehören  (s. 
Fckhel,  Doctr.  num.  III,  472).  Seine  Stimme  ist  aber  ungehört  verhallt,  obwohl 
man  bereits  einige  der  auf  Kaisermünzen  aufgeprägten  Exemplare  kannte,  die 
doch  nothgedrungen    der  Barkochbazeit   zugewiesen  werden   mussten    [Eckhel 

III,  473).  —  2)DeSaulcy  hat  in  seinen  Eecherches  siir  la  Numismatique 
Judaique  1854  nicht  nur  das  Material  wesentlich  bereichert,  sondern  auch  die 
richtige  Ansicht  ausgesprochen,  dass  alle  drei  Kategorien  in  die  Zeit  Bar- 
kochba's gehören.  Ihm  |  folgten  Cavedoni  Bibl.  Num.  II  und  Ewald. 
Letzterer  hat  auch  die  durch  de  Vogüe  1860  mitgetheilten  Eleasannünzen 
derselben  Zeit  zugewiesen  (Gesch.  des  Volkes  Israel  VII,  418).  —  3)  Eine  arge 
Confnsion  hat  Levy  1862  dadurch  angerichtet,  dass  er  in  willkürlicher  Weise 
die  Münzen  auf  die  vespasianische  und  hadrianische  Zeit  vertheilte.  Ersterer 
sollen  nicht  nur  alle  Münzen  vom  Jahr  I  lifiidlath  Jisrael,  sondern  auch  ein 
grosser  Theil  der  vom  Jahr  II  lecheruth  Jisrael  und  der  lecheruth  Jeruschalein 
angehören.  Einzelne  Exemplare  der  beiden  letzten  Kategorien  aber  werden 
in  die  hadrianische  Zeit  verlegt  und  dadurch  Münzen  von  ganz  gleichem  Ge- 
präge durch  sechzig  Jahre  getrennt.  Die  Münzherren  der  vespasianischen  Zeit 
seien  der  als  Zelotenffihrer  bekannte  Eleasar,  ferner  Simon  bar-(«iora  und  der 
Schriftgelehrte  Simon  Sohn  Ganialiel's,  dem  die  spütjüdisciu'  Legende  den 
Titel  Nasi  beilegt  (über  die  Grundlosigkeit  dieser  Legende  s.  Bd.  II,  S.  202 fl'.; 
auch  Eleasar  und  Simon  bar-Giora  können  nicht  die  Münzen  vom  Jahr  I  und 
II  der  Freiheit  geprägt  haben,  da  sie  erst  in  der  letzten  Zeit  des  Aufstandes 
Parteiführer  geworden  sind,  Simon  bar-Giora  erst  im  dritten  Jahre,  Bell.  Jud. 

IV,  9,  12,  Elejwar  noch  später  und  nur  auf  kurze  Zeit,  s.  oben  S.  623).  Trotz 
der  mehr  als  schwachen  Begründung  dieser  Hypotliesen  liat  Levy  doch  zu- 
nächst an  Madden  {Uixton/  of  Jeirish  (Joinage  1864)  und  Cavedoni  (in 
Qrote's  MOnzHtudien  V)   gläubige  Anhänger  gefunden.    Maddcn's  Werk  vom 

Ol}v.  Vk-«;''  rbKsb  rnx  rsuj 

Jfev.  Vk-tc  n-nb  z"'£ 
Auch  dicH(t  Mün/.f  erklärt  Keinach  für  sicher  echt.  Nach  seiner  scliaif- 
Kinnigen  Erklärung  haben  wir  in  Iteidcn  Münzen  woimalvs  liij/iriilrs  zu  erkennen, 
d.  h.  .Münzen,  auf  wi-lclicn  infolge  eines  Irrthuma  bei  der  Prägung  die  Auf- 
schriften zweier  verHchiedenen  Münzen  mit  einander  combinirt  sind.  Solche 
„ÜAHtarde"  »tlnd  unter  den  römisclien  Consnlarmünzen  nicht  selten.  Ex- 
••mplare  obiger  „Zwittergattnngen"  auch  bei  Hamburger,  Zeitschr. 
XVIII.  2f>8f. 


[G44.  645]  Beilage  IV:   2.   Die  Aufstandsmünzen.  771 

J.  1864  ist  infolge  dessen  in  diesen  Partieen  äusserst  ungeeignet,  einen  klaren 
Ueberblick  zu  verschaflen.  Audi  Eenan  ist  von  Levy  beeinflusst,  insofern 
er  geneigt  ist,  für  die  Zeit  Barkocliba's  nur  Ueberprägungen  zuzugeben  [L'eglise 
chräienne  p.  bAQsqq.).  Entschieden  bekämpft  wurden  Levj''s  und  Madden's 
Aufstellungen  von  Ewald  (Gott.  gel.  Anz.  1862,  841  ff.)  und  de  Saulcy  {Revue 
'Sum.  1865),  welche  an  ihren  früheren  Anschauungen  festhielten.  Doch  hat 
de  Saulcy  insofern  der  jüdischen  Legende  seineu  Tribut  bezahlt,  als  er  unter 
dem  „Fürsten  Simon"  den  jüngeren  Simon  Sohn  Gamaliel's,  den  Enkel  des 
vorher  genannten,  versteht,  dessen  Nasi-Titel  aber  historisch  auf  ebenso 
schwachen  Füssen  steht,  wie  der  seines  Grossvaters.  —  4)  Einen  Fortschritt 
zum  Bessern  bezeichnet  es  jedenfalls,  wenn  Merzbacher,  obwohl  er  auch 
noch  von  Levy  beeinflusst  ist,  doch  dessen  willkürliche  Trennung  der  Münzen 
unserer  vierten  und  fünften  Kategorie  aufgiebt.  Er  setzt  alle  Münzen  vom 
„Jahr  I  ligullath  Jisrael"  und  alle  vom  „Jahr  II  lechinäh  Jisrael"  in  die  ves- 
pasianische  Zeit,  dagegen  alle  mit  „lecheruth  Jeruschalern"  in  die  hadrianische 
Zeit.  Die  Simon's-Münzen  der  vespasianischen  Zeit  schreibt  er  alle,  gleichviel 
ob  mit  oder  ohne  Nasi-Titel,  dem  Simon  Sohn  Gamaliel's,  zu.  Schon  vor  ihm 
war  aber  Garrucci  der  Wahrheit  noch  eiuen  Schritt  näher  gekommen,  indem 
er  sowohl  die  Münzen  vom  „Jahr  II  lecheruth  Jisrael"  als  die  mit  „lecfieruth 
Jenischalem"  der  hadrianischen  Zeit  zuwies,  und  nur  die  vom  „Jahr  I  ligullath 
Jisrael"  der  vespasianischen  Zeit  Hess.  Seine  Gründe  haben  alsbald  auch  auf 
M ad  den  Eindruck  gemacht  [Num.  Chron.  1866,  6.3*5'.),  ^^^  ^^  seinen  späteren 
Arbeiten  {Num,  Chron.  1875,  Goins  of  ihe  Jeus  1881)  in  der  That  der  Anord- 
nung Garrucci's  gefolgt  ist.  Infolge  dessen  stellt  Madden's  Hauptwerk  vom 
J.  1881  nicht  nur  durch  den  Reichthum  des  Materiales,  sondern  auch  durch 
die  ungleich  bessere  Anordnung  einen  bedeutenden  Fortschritt  gegenüber  der 
Historij  vom  J.  1864  dar.  —  5)  Die  Aufstellungen  von  Merzbacher,  Garrucci 
und  Madden  bedeuten  eine  allmähliche  Ueberwindung  der  Confusion  Levy's 
und  eine  schrittweise  Wieder-Annäherung  an  die  ursprünglichen,  einfachen 
Anschauungen  de  Saulcy's.  Völlig  zurückgekehrt  zu  denselben  sind  Sallet, 
Reinach  und  L.  Hamburger,  aus  Gründen,  die  oben  mitgetheilt  sind. 
Während  de  Saulcy  sonst  in  seinen  historischen  Combinationen  nicht  immer 
glücklich  ist,  hat  ihn  hier  sein  numismatisches  Auge  richtig  ge  leitet.  —  Ob 
das  Gewicht  der  Gründe,  durch  welche  die  neueren  Numismatiker  Schritt  für 
Schritt  zu  de  Saulcy  zurückgeführt  worden  sind,  allgemein  durchschlagen 
wird,  muss  die  Zukunft  lehren.  Ein  Versuch,  aufs  Neue  Verwirrung  anzu- 
richten, ist  von  Grätz  gemacht  worden  (Monatsschr.  1887,  S.  145 fF.  Revue 
des  vüides  Juices  XVI,  161  sqq.  XVIII,  301  sqq.  Gesch.  der  Juden  III,  4.  Aufl. 
1888,  S.  819  ff.).  Es  ist  kaum  zu  befürchten,  dass  er  gelingen  wird.  Denn 
wer  einigermaassen  methodisch  urtheilt,  muss  Grätz'  Aufstellungen  als  ein 
Gewirre  unbegründeter  Einfalle  erkennen.  Vgl.  gegen  ihn  auch  Reinach, 
Rente  des  etudes  juives  XVII,  42—45.  XVIII,  304—306. 

Eine  viel  grössere  Uebereinstimmung  als  über  die  Münzeu 
unserer  dritten,  vierten  und  fünften  Kategorie  herrscht  über  die 
unter  Nr.  2  mitgetheilten  kleinen  KupfermüDzen  mit  der  Auf- 
schrift 1^2  min  cheruth  Zion,  Jahr  II  und  III.  Nahezu  ein- 
stimmig setzt  man  sie  in  die  Zeit  des  vespasianischen  Krieges. 
So  nicht  nur  de  Saulcy,  welcher  der  vespasianischen  Zeit  nur 
diese  Münzen  zuweist,  sondern  auch  p]wald,  welcher  die  Sekel  mit 

49* 


772  Beilage  IV:   2.  Die  Aufstandsraünzen.  [645] 

ihnen  zusammenstellt,  und  Levy,  Garrucci  und  Madden,  welche 
einen  mehr  oder  weniger  grossen  Theil  unserer  Barkochbamünzen 
mit  ihnen  verbinden.  Letzteres  ist  fi-eilich  darum  unstatthaft, 
weil  sie  im  Stil  wesentlich  von  ihnen  differiren,  weshalb  Merz- 
b  ach  er  auf  eine  Bestimmung  ihres  Alters  verzichtet  (Zeitschrift 
für  Numismatik  I,  223.  IV,  364  f.).  Setzt  man  aber  alle  Münzen 
unserer  dritten,  vierten  und  fünften  Classe  in  die  Barkochbazeit, 
so  wird  es  eben  durch  die  Stilverschiedenheit  wahrscheinlich,  dass 
die  Münzen  vom  Jahr  II  und  III  cheruth  Zion  der  vespasianischen 
Zeit  angehören.  Auch  hierin  dürfte  also  de  Saulcy  das  Richtige 
getroffen  haben. 

Am  schwierigsten  sind  die  unter  Nr.  1  niitgetheilten  Münzen 
vom  Jahr  IV  IT^S  nbX3i5,  Ugullath  Zion,  zu  bestimmen.  Manche 
stellen  sie  wegen  ihres  angeblich  alterthümlichen  Stiles  mit  den 
Sekelmünzen  zusammen  (so  de  Saulcy,  Cavedoni  Bibl.  Num.  II, 
Ewald,  Levy,  Madden  1864).  Doch  ist  gerade  der  Stil  für 
Garrucci  ein  Grund  gewesen,  sie  von  den  Sekeln  zu  trennen 
und  in  die  vespasianische  Zeit  zu  setzen  {Dissertazioni  11,  32); 
und  Madden  hat,  nachdem  er  in  ausführlicher  Auseinandersetzung 
mit  Garrucci  die  Zusammenstellung  mit  den  Sekeln  noch  ver- 
theidigt  hatte  {Xum.  Chron.  1866,  48—63),  schliesslich  doch  nur  so 
viel  festgehalten,  dass  ihre  „Verweisung  in  die  seleucidische  Periode 
einigermaassen  {(o  some  exteni)  gesichert  erscheine*'  {Coins  of  the 
Jews  p.  73),  während  auch  Merzbacher  der  Ansicht  ist,  dass  sie 
.,nicht  gleichzeitig  mit  den  alten  Sekeln'-  (Zeitschr.  I,  222  f)  und 
daher  nur  als  ältere  Münzen  unbestimmten  Alters  zu  bezeichnen 
seien  (Zeitschr.  IV,  364).  Eine  Entscheidung  ist  unter  diesen  Um- 
ständen schwer  zu  fällen.  I 


Beilage  V. 

Parallel-Jalire  der  griechischen,  syrischen,  römischen 
und  christlichen  Aera'). 

Die  Olymp iade'n-Aera  beginnt  im  J.  776  v.  Chr.  und  wird 
vom  1.  Juli  an  gerechnet-).  Die  seleucidische  Aera  beginnt  im 
J.  312  V.  Chr.  und  wird  vom  1.  October  an  gerechnet 3).  Die  varro- 
nische  Aera  ah  Urhe  condita  beginnt  im  J.  753  v.  Chr.,  und  zwar 
mit  dem  Feste  der  Palilia,  XL  Cal.  Maii  =  21.  April*).  Da  aber 
die  Schriftsteller  nach  den  Amtsjahren  der  Consuln  rechnen,  so 
kommt  für  uns  nicht  der  Anfangspunkt  des  varronischen  Jahres, 
sondern  der  Zeitpunkt  in  Betracht,  in  welchem  die  Consuln  ihr  Amt 
antraten.  Dies  geschah  aber  seit  dem  .1.  601  a.  U.,  also  fast  während 
des  ganzen  in  Betracht  kommenden  Zeitraumes  am  1.  Januar^). 
—  In  der  folgenden  Tabelle  sind  die  betreffenden  Jahre  der 
griechischen,  seleucidischen  und  römischen  Aera  mit  demjenigen 
Jahre  der  christlichen  Aera  gleichgesetzt,  in  welchem  sie  be- 
ginnen.   Demnach*  ist:  * 

Ol.    151,  1  =    1.  Juli  176  v.  Chr.  bis  dahin  175. 

Sei  137     =    1.  October  176  v.  Chr.  bis  dahin  175. 

a.U.  578     -=21.  April  (resp.  1.  Januar)  176  v.  Chr.  bis 
dahin  175. 


OL 

Sei. 

a.  IL 

a.   Chr. 

Ol. 

Sei. 

a.  U. 

a.  Chr. 

1,  1 

776 

153, 

145 

586 

168 

6,  4 

1 

753 

^ 

146 

587 

167 

117,  1 

1 

442 

312 

147 

588 

166 

154, 

4 

148 
149 

589 
590 

165 

151,  1 

137 

578 

176 

164 

2 

138 

579 

175 

150 

591 

163 

3 

139 

580 

174 

3 

151 

592 

162 

4 

140 

581 

173 

4 

152 

593 

161 

152,  1 

141 

582 

172 

155, 

153 

594 

160. 

2 

142 

583 

171 

^ 

154 

595 

159 

3 

143 

584 

170 

3 

155 

596 

158 

4 

144 

585 

169 

4 

156 

597 

157 

1)  Nach  Clinton,  Fasti  Hellenici  III,  A72 sqq. 

2)  Ideler,   Handbuch  der  Chronologie  I,  377.    Kubitschek,   Art.  «er« 
in  Pauly-Wissowa's  Real-Enc.  I,  627  ff. 

3)  Ideler,  Handbuch  I,  450-453.    Kubitschek  a.  a.  O.  I,  632ff. 

4)  Ideler,  Handbuch  II,  47.  150.  lG3ff.     Kubitschek  a.  a.  0.  I,  622 ff. 

5)  Ideler,  Handbuch  II,  148 f. 


774 


[647] 


Ol 

5«Z. 

a.   V. 

a.  Chr. 

Ol 

Sei 

a.  U. 

a.  Ch 

156,  1 

157 

598 

156 

166, 

3 

199 

640 

114 

2 

15S 

599 

155 

4 

200 

641 

113 

3 

159 

600 

154 

167, 

1 

201 

642 

112 

4 

160 

601 

153 

2 

202 

643 

111 

157,  1 

161 

602 

152 

3 

203 

644 

HO 

2 

162 

603 

151 

4 

204 

645 

109 

3 

163 

604 

150 

16S, 

1 

205 

646 

lOS 

4 

164 

605 

149 

2 

206 

647 

107 

15S,  1 

165 

606 

148 

3 

207 

648 

106 

2 

166 

607 

147 

4 

208 

649 

105 

3 

167 

608 

146 

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1 

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104 

4 

168 

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2 

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159,  1 

169 

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3 

211 

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2 

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3 

171 

612 

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170, 

1 

213 

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4 

172 

613 

141 

2 

214 

655 

99 

160,  1 

173 

614 

140 

3 

215 

656 

98 

2* 

174 

615 

139 

4 

216 

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97 

3 

175 

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1 

217 

658 

96 

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2 

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161,  1 

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3 

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2 

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3 

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2 

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1 

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4 

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2 

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3 

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2 

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4 

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1 

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2 

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1 

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4 

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2 

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3 

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2 

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2 

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639 

115 

4 

240 

681 

73 

1648] 


Ol. 

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a.  U. 

a.  Chr. 

Ol. 

Sei. 

a.  V. 

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177,  1 

241 

682 

72 

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3 

283 

724 

30 

2 

242 

683 

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4 

284 

725 

29 

3 

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684 

70 

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1 

285 

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28 

4 

244 

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69 

2 

286 

727 

27 

178,  1 

245 

686 

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3 

287 

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26 

2 

246 

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247 

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66 

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1 

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24 

4 

248 

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65 

2 

290 

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179,  1 

249 

690 

64 

3 

291 

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2 

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63 

4 

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1 

293 

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4 

252 

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2 

294 

735 

19 

180,  1 

253 

694 

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3 

295 

736 

18 

2 

254 

695 

59 

4 

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737 

17 

3 

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1 

297 

738 

16 

4 

256 

697 

57 

2 

298 

739 

15 

181,  1 

257 

698 

56 

3 

299 

740 

14 

2 

258 

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55 

4 

300 

741 

13 

3 

259 

700 

54 

192, 

1 

301 

742 

12 

4 

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701 

53 

2 

302 

743 

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182,  1 

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52 

3 

303 

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10 

2 

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4 

304 

745 

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3 

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1 

305 

746 

8 

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264 

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2 

306 

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7 

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3 

307 

748 

6 

2 

266 

707 

47 

4 

308 

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5 

3 

267 

708 

46 

194, 

1 

309 

750 

4 

4 

268 

709 

45 

2 

310 

751 

3 

184,  1 

269 

710 

44 

3 

311 

752 

2 

2 

270 

711 

43 

4 

312 

753 

1 

3 

271 

712 

42 

195, 

1 

313 

754  p. 

C.   1 

4 

272 

713 

41 

2 

314 

755 

2 

185,  1 

273 

714 

40 

3 

315 

756 

3 

2 

274 

715 

39 

4 

316 

757 

4 

3 

275 

716 

38 

196, 

1 

317 

758 

5 

4 

276 

717 

37 

2 

318 

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6 

186,  1 

277 

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36 

3 

319 

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7 

2 

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719 

35 

4 

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3 

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34 

197, 

1 

321 

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33 

2 

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32 

3 

323 

764 

11 

2 

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723 

31 

4 

324 

765 

12 

776 


[649] 


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a.  U. 

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a.  U. 

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198,  1 

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3 

367 

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2 

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767 

14 

4 

368 

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3 

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15 

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1 

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4 

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16 

2 

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3 

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19 

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1 

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2 

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3 

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4 

376 

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1 

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201,  1 

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3 

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2 

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3 

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1 

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4 

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202.  1 

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2 

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4 

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3 

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1 

385 

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4 

344 

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32 

2 

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74 

203,  1 

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33 

3 

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3 

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35 

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1 

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4 

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2 

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78 

204,  1 

349 

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37 

3 

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2 

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3 

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1 

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4 

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2 

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3 

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2 

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4 

396 

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1 

397 

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4 

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2 

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[650] 


777 


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2 

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2 

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3 

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3 

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4 

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100 

4 

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413 

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2 

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2 

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3 

415 

856 

103 

3 

435 

876 

123 

4 

416 

857 

104 

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436 

877 

124 

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417 

858 

105 

226,  1 

437 

878 

125 

2 

418 

859 

106 

2 

438 

879 

126 

3 

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107 

3 

439 

880 

127 

4 

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861 

108 

4 

440 

881 

128 

222,  1 

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862 

109 

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441 

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129 

2 

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863 

110 

2 

442 

883 

130 

3 

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864 

111 

3 

443 

884 

131 

4 

424 

865 

112 

4 

444 

885 

132 

223.  1 

425 

866 

113 

228,  1 

445 

886 

133 

2 

42»; 

867 

114 

2 

446 

887 

134 

3 

427 

868 

115 

3 

447 

888 

135 

4 

428 

869 

116 

4 

448 

SS9 

136 

778  [651] 


Beilage  VI. 

Genealogie  der  Seleuciden. 

Seleucus  I  Nicator 
t  28^. 

Antiochus  I  Soter 
t  261. 


Antiochus  II  Theos 
t  246. 

Seleucus  II  Kallinikos 
t  226. 

Seleucus  III  Keraunos  Antiochus  III  d.  Gr. 

t  223.  t  187. 

Seleucus  IV  Philopator    Antiochus  IV  Epiphanes 
t  175.  t  164. 

Deraetrius  I  Soter  Antiochus  V  Eupator 

t  150.  t  102. 

Demetrius  11  Nicator    Antiochus  VIT  Sidetes 
t  125.  t  129. 


Seleucus  V  Antiochus  VIII  Gn'pos   Antiochus  IX  Kyzikenos 
t  125.  t  96.  '  t  95. 


Öeleuc.  VI.  Antioch.  XI.  Philippus.  Demetr.III.  Antioch.  XII   Antioch.  X  Euseb. 

Philippus.  Antiochus  XIII  Asiaticus 

abgesetzt  65  v.  Chr. 


[652]  779 


Beilage  VIL 


Genealogie  der  Hasiuonäer. 

Mattatbias 
t  100. 

Simon  Judas  ^  Jonathan 

t  135.  t  161.  t  143. 


Johannes  Hyrkan  1 

t  104^ 

Aristobul  1         (  Alexander  Jannäus 
•i-  103.  ^  t  76. 

{  Alexandra 
l      t  67. 

Hyrkan  II  Aristobul  11 

t  30.  t  49. 

Alexandra  Alexander         Antigonus 

t  28.  I  t  49.  t  37. 

Aristobul    Mariauuue  Tochter,   verni.    mit   Anti- 

t  35.  t  29.  pat€r,  dem  Sohne  des  He- 

(verm.  mit  rodes  (Jos.  Antt.  XVII,  5, 2). 
Herodes). 


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Zusätze  und  Berichtigungen. 


S.  10.  Der  Titel  der  grossen  in  New- York  erscheinenden  jüdischen  En- 
cyclopädie,  welchen  ich  nach  einer  Voranzeige  des  Verlegers  gegeben  habe, 
lautet  auf  dem  inzwischen  erschienenen  ersten  Bande  folgendermassen :  The 
Jeivisli  Encyclupedia,  a  descHptice  record  of  the  history,  religion,  literature  and 
ciistovis  of  the  Jeivish  People  from  the  earliest  times  to  the  present  day,  prc- 
pared  ....  umler  the  direetion  of  the  followiiig  editorial  hoard:  Adler,  Deutsch, 
öinxbery,  Gottheil,  Jacobs,  Marcus  Jastrow,  Morris  Jastrow,  Kohler,  Menden, 
Singer,  Tay,  Funh,  VixetcUy,  Singer  Projector  and  Managing  Editor.  Vol.  I, 
Aach  —  Apocalyptic  lAterature.  Netc  York  and  London,  Funk  arul  Wagnalls 
Company,  1901. 

S.  25  ist  zu  tilgen:  Spur r eil,  Notes  on  early  sickles  (ArehaeotogiccU  Journal 
XLIX,  1893,  p.  53 — 68).  —  Da  Benzinger  diese  Abhandlung  in  der  Zeitschr. 
des*  DPV.  XVII,  1894,  S.  150  unter  der  Literatur  ü b e r  Numismatik  nennt, 
so  habe  ich  mich  verleiten  lassen,  sie  a.  a.  O.  aufzuführen  unter  dem  Vorbe- 
halt späterer  Controle.  Der  Bogen  war  aber  schon  gedruckt,  als  ich  bei  Durch- 
arbeitung des  Excurses  über  die  jüdischen  Münzen  (Beilage  IV)  mir  den  in 
Güttiugen  nicht  v'orhandenen  Band  XLIX  des  Archaeological  Journal  verschaft'te 
und  nun  fand  —  was  ich  freilich  schon  aus  dem  Titel  hätte  sehen  sollen  — 
dass  Spurrell  nicht  über  die  hebräischen  Sekelmünzen  (lat.  de  siclis)  sondern 
über  alte  Sicheln  handelt. 

S.  27.  Dussaud  et  Macler,  Voyaye  arclieologü/ue  au  Safä  et  (Ums  Ic 
Djcbel  ed-Drüx,  Paris  1901,  theilen  griechische  und  nabatäische  Inschriften  aus 
der  Hauran-Gegend  mit.  Die  nabatäischen  konnten  von  mir  in  Beilage  II 
noch  benützt  werden. 

S.  73.    F.  Jacoby,  De  Apollodori  Atheniensis  ehroniois.    Diss.  Berol.  1900. 

S.  166.  Strassmaier,  Zur  Chronologie  der  Seleuciden  (Zeitschr.  für 
Assyriologie  VIII,  1893,  S.  106—113),  giebt  keilinschriftliche  Daten,  die  aber 
für  die  Resultate  nichts  austragen. 

S.  515,  Anm.  24,  über  die  inlxQiaiQ  auch:  P.  Meyer,  Berliner  philol. 
Wochenschrift  1901,  col.  242—247,  Wessely  ebendas.  475. 

In  §  21,  III  hätte  noch  eine  kürzlich  publicirte  Papyrus-Urkunde  erwähnt 
werden  können  (Aegj-ptische  Urkunden  aus  den  königl.  Museen  zu  Berlin, 
Griechische  Urkunden,  Bd.  III  Nr.  889),  in  deren  vorletzter  Zeile  {lin.  23)  zu 
lesen  ist:  aiy[.].ag)og  ti  dnb  xal  tov  xa  {hovq)  [  .  .  .  ]o  iv  xöj  ^Iov6{aix<5) 
xagaxw  Ta|  (...).  Wilcke'n  bemerkt  dazu  (Archiv  für  Papyrusforschung 
I,  557):  „Bezieht  man  das  21.  Jahr  auf  Hadrian,  so  war  136  7  in  Aegjpten  ein 
jüdischer  Aufstand,  infolgedessen,  wie  es  scheint,  das  betreffende  Landstück 
verwüstet  war.  Dieses  sonst  unbekannte  Ereigniss  stand  vielleicht  mit  dem 
jüdischen  Krieg  im  Zui^ammenhang,  der  in  Palästina  135  sein  Ende  fand". 


Druck  von  August  Pries  in  Leipzig. 


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