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Full text of "Geschichte des Prager theaters. Von den anfängen des schauspielwesens bis auf die neueste zeit"

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MAXIMILIAN KINZEL 
PRIVAT-EIGENTHUM. 


46 


MAXIBILIAN KINZEL 
PRIVAT-EIGENTHUM, 


Geſchichte 


des 


Prager Theaters. 


Von den 
Anfängen des Zchauſpielweſens bis auf die nenefe Heit. 


Bon 


Oscar Feuber. 


Dritter Theil. 


Dom Tode LieBih's, des größten Prager Bühnenleiters, Bis anf 
unfere Tage (1817-1887). 


Prag 1888. 
Erud und Berlag der T. k. Hofbuchdruderei X. Haaſe. 





Hera MAXIMILIAN KINZEL 
Ye £ L ar) PRIVAT-EIGENTHUM. 


7-30-87 
77883 


Seiner theneren Frau 


Emmy Veuber - Kigof, 


gewefenem Mitglied des dentſchen Aönigl. Aandestheaters in Wrag, 


in inniger Liebe zugeeignet 


Berfafler. 


A» 


mMAXIMILIAN KINZZ 


PRIVAT-EIGENTHUM. 
Sndalts-Heberfidjt.”) 
Seite 
Einleitung... - - . . » een XII 
I. Joanna Liebih. Das Srauenregiment auf der 
Prager Bühne (1817—180) - - --- 68 1 


Die Tage nach Liebich's Tode (1). Directiond-Sandidaten nach 
Riebich (4). Johanna Kiebicy erhält die Direction (5). Franz 
Feiitmantel (9). Julie Schwarz (11). Charlotte Pfeiffer nach⸗ 
mals Birch-Pfeiffer (12). Der alte Künftlerftamm: Bayer, 
Polawsky, Loewe, Wilbelmi, Mad. Sontag und Brunetti (13). 
Darftellungsmweije u. Repertoire (16). Die Oper unter Triebenfee 
(19). Sarl Karl ald Kandidat für die Directiond-Compagnie (24). 
Ferdinand Polawsky ald Mitdirector (27). Franz von Holbein. 
als Oberregiffenr (85). 

DO. Iran; von Solbein als Wilunterneßmer und als felöf- 
Aändiger Bühnenleiler in Prag (1820-184) . - .» .. » 40 

Holbein ald Mitunternehmer und Director; Holbein's Lebens» 
gang (40). Eine Sturm-Betition gegen Holbein (47). Holbein’s 
jelbftändige Direction (49). Karl Seydelmann’d Prager Ent- 
widelungsgang (55). Loewe's und Wilhelmis Abſchied (59). 
Carl und Ruife v. Holtei in Prag (62). Dilettanten-Theater; 
die Gründung des Niclastheaterg (64). VBrager Adeldtheater (67). 

IL Senriette Sontag als Stern der Prager @yer . - . . - - 70 

W. U. Mozart jun. und Hummel in Prag (70). Capellmeifter 
Triebenjee mit Piris und Rral (71). Wilhelmine Beder (72). 
Die Sejangsabtheilung des Conſervatoriums (73). Henriette 


*, Eine nähere Inhalt3überficht findet ſich vor jedem einzelnen Gapitel 
des Buches, 


vn. 


VI 


Sontag, ihre Anfänge, ihr Prager Wirken und ihr Lebens- 
gang (75). Nina Sontag ald Sängerin und Nonne (95). 
Der Tod der Gräfin Rofii-Sontag (IT). 


.„ Soldein’s Byer - - 2 rn 


Catharina Comet⸗Podhorsty (102). Thereſe Peche ald An 
fängerin in Prag (106). Fortunata Frandetti (107). Marianne 
Ernft-Seidler (108). oh. Seb. Binder (110). Franz Hanjer 
(111). Das Repertoire (115). Weber’3 Euryanthe (120). 


. Koldein’s Rücktritt (1824) : » >»: N een nenne 


Sagen-Etat im J. 1821 (122). Verlängerung des Holbein’- 
fchen Vertrags bis 1833 (123). Holbein’d Entlaffungsgefuch und 
Rettungd- Project (123). Holbein's Abſchied (131). 


. Das Triumvirat. — Direction YolawsAy-Aninz-$tepanek . 


GConcurs-Ausichreibung der Direction nach. Holbein (132). 
Drohende Theateriperre (134). P. K. ©., die Trinmoirn (135). 
Stoepanek ald ieh. Dichter und. Director (138). Loewe bietet 
fein Reengagement an (140). Ein Brief C. M. v. Weber's (141). 


Das Shaufptel unter dem Triumvirat (1824—1834)- - - . 

Schaufpieltunft und Repertoire (143). Grillparzer und ©. ©. 
Ebert (145). Parodien und Thierſpieler (147). Tourniairé's 
Cirens (148). Bäzerle, Raimund und Neftron (149). Bas 
Berfonal: Fr. . Bayer 1153). Thereſe Brunetti (154). 
Allram, Feiftmantel, Schikaneder, Spiro (155). Heinrich Moritz 
(156). Balentin Ernft, Nina und Friederike Herbft (158). 


Rofalia Wagner, Mad. non der Klogen-Binder (159). Gaſt⸗ 


ipiele (162) 


. Die per unter dem Triumvirat. — Eechiſche Borfieflungen. 


— Das Ende der Aera P. H. SD... - - 2222er. 

Novitäten: Die weiße Frau, Maurer und Schloffer (168). 
Die Stumme von Portici 1829 (172). Marſchner's Bampyr 
(173). Abjchied und Untergang Binder’ (173). Catharina 
Podhorsky (176). Nina und Luiſe Gned (177). Wild, Breiting 
und Sabine Heinefetter a. G. (179). Minona Blumauer als: 
Sonferpatoriftin (180). Das Gonjervatorium (181). Jenny 
Lutzer (182). Cechiſche Vorftellungen (184). Die Theater- 


kritik: Ant. Müller, Gere, Mariano (188). Directions⸗Can⸗ 


didaten (190). 


. Johann Anguſt Stöger’s erſte Direstiousperlode. (1834 big 


1846). Ein glanzpvoller Beginn - - - : : 2 2220. 


Seite 


101 


132 


143 





vu 


Seite 
Job. Aug. Stöger reate Althaller (198). Veränderungen im 
Theater-Saal- — Gröffnung der Direction (199). Das Mozart⸗ 
feft am 11. Juli 1884 (3901). Theater⸗Umbau und Landes⸗ 
traner (202). 


X. Das deutſche Scaufpiel unter Htöger’s erfier Pirection 
(1834—1846) ee ea 296 
Bayer (207). Marie Bayer (Bürf) (208). Polawsky (210). 
Babette Alltam und Feiftmantel (211). Regifſeur F. V. Ernſt 
(214). Die Damen Herbft, Frey, Binder (216—221). Marianne 
BZängel; Fiicher (222). Diet, Nerking, Köckert (224). Banding, 
Schmider, Walter (226). Liebold, Chauer, Kolar, Dolt, Spiro, 
Breifinger, Brava (227—230).. Das NRepertoire: Raupad, 
- Birch Pfeiffer, Blum, Bauernfeld (232). Benebir, Guslow, 
Immermann, Grillparzer (234). C. €. Ebert, Halm, Grabbe, 
Prut (286). Franz v. Braunau (288). Raimund und Neftroy 
in Prag (238). Saftipiele (241). Fanny Janauihel a 
tänzerin und Heroine (246). Der Affenfpieler Kliſchnigg (248). 
Muſikaliſche Säfte (251). 


XI. Pie per in Stöger’s erfier Direckionsperiode . . .. . - 252 

Die Nachtwandlerin, Robert der Teufel und Auber's „Ball: 
nacht” ald Novitäten (253). Die Krönung Ferdinand des I. 
(1836). Meyerbeer’3 „Rrenzritter in Egypten“ (254). Abſchied der 
Luger (256). Pöock's Contractbruch (258). Friedrich Demmer 
(260). Die Tenore Bel, Damde, Emminger (262). Kunz, 
Strafaty, Schütky (264-268). Ehepaar Podhorsky, Henriette 
Großer, Die. Schwarz (268—269). Lnife Bergauer (271). 
Capellm. Triebenfee und Franz Skraup (273). Capellmeifter 
Stegmayer, Joh. Rep. Straup, Ord.:Dir. Pixis (375-276). 
Opernperjonal 1839 und 1848 (276). Das Repertoire: Spohr’3 
Jeſſonda (2378). Die Jñdin, Lucia (279). Der ſchwarze Do: 
mino, Brauer v. Prefton, Templer und Jüdin (280). Die 
Shibellinen in Piſa (Hugenotten) (28%. Der Blitz, Car und 
Zimmermann, Lucrezia Borgia, Die Krondiamanten, Die Re- 
gimentstochter (283). Gluck's Iphigenie auf Taurid ald Nopi- 
tät (284). Wildſchütz, Teufel's Antheil, Linda v. Chamouniz, 
Die 4 Haimonskinder, Zamora (284). Stradella (285). Muſik⸗ 
kritifer Bernhard Gutt (286). Gaſtſpiele (287). Tichatichet und 
Piſchek (287—289). 


XII. Pas Stöger’fche Theater in der Roſengaſſe und die ceBilhe 
Bühne unter Stoͤge... 294 


© TE TFT UNE nn un Wann iD 7 m —2 DS Ze 5 — 7 


VIII 


Seite 
Die erfte Idee eines cech. Nationaltheaters (298). Deutſche 
und cechilche Vorſtellungen i. d. Roſengaſſe (302). Der Zauber⸗ 
ſchleier (303). Heinrich Diegelmann und das Perfonal in der 
Rofengafie (306307). Verwendung „Itänbifcher” Mitglieder 
in Stöger's Privattheater (808). Die Cechifche Bühne, Solar 
und Tyl (310). Cechiſche Opern; Tenor 3. N. Mayr (315). 
Preisausſchreibung für tech. Dramen (317). Auflafiung der 
cech. Vorftellungen (3%). Die lebten Jahre des Stöger'ichen 
Theaters (321). 
Il. Das Ende der Theateraufſichtscommiſſton und der erften 
Stöger’(hen Pirectionsperiode (1846) - - - - - =... 325 
Stöger im Conflicte mit ber Commiſſion (825). Ein Antrag 
auf Uebernahme des ftänd. Theater in Landes-Regie (335). 
Statuirung einer Theater-Subvention und Schaffung der ftänd. 
Intendanz (336). Neue Theaterrreife und Theater-Nenovirung 
(337—338). Concurd-Angjchreibung und Candidaten (338). 
XIV. Pireckor Johann Hoffmann und feine erfien Megierungs- 
jaßre (1846 -1848)*) 2 m een 341 
Intendant (Graf Noftis) und Director (344). Neue Kräfte 
(347). Die Oper (355). Gordigiani ald Geſangslehrer am Con⸗ 
fervatorium (357). Der „Sommernadhtstraum” ald Novität 
(865). Bauernfeld's „Sroßjährig“ (369). 
XV. Pas Prager Theater in den Jahren 1848 uud 1849. — 
Die Arena im Pfiroh’ihen Garten - - -. : - 2220. . 371 
Gewitterihmwäle; „Die Franzoſen vor Nizza” (873). Die Ber: 
kündigung der Conftitution im Theater (373). Staatögefährliche 
Stüde erlaubt (375). Revolutionäre Ideen: Forderung nad 
Abgabe des ftänd. Theatermonopols (876). Uriel Ucofta (378). 
Theater-Deficit; ein Darlehen des Landes (380). Der Slaven- 
congreß; bie blutigen Pfingften Prags (382). Wiedereröffnung 
des Theaters; „rau“ und „Fräulein“ (384). Ein Cechiiches 
Theaterproject und bie Arena im Pftroß’ichen Garten (390). 
Trojan Sntendant ber Ce. Bühne (391). Beſchräukung der 


*) (Sin alphabetifches Verzeichniß der von 1836—1885 am Prager 
(beutfchen) Landestheater engagirt geweienen Mitglieder mit Angabe ber 
Engagementödauer und der Seiten ded Buches, auf denen fie eventuell er⸗ 
wähnt ober behandelt werben, findet fich im Anhange dieſes Bandes, weshalb 
Künftlernamen in dieſem Smbaltverzeichniß vom 14. Capitel an nicht 
mehr angegeben erjcheinen. 


IX 


cech. VBorftellungen; das Ende ber Nationaltheater⸗Idee (396). 
Das Landestheater im Jahre 1849 (397). Der „Großer⸗Krieg“ 
(399— 402). 


XVI Sofmann’s legte Pirectionsjaßre (1850—1852) . - . - - - 


XVII. 


XVIII. 


XIX. 


XX. 


Die Oper: Frau Küchenmeiſter-Rudersdorf (403). „Der 
Prophet“ (405). Das Schauſpiel (406). Repertoire; Gagen⸗ 
etat; Hoffmann's neuer Contractdentwurf (410-413). Anf- 
lafjung der Subvention; Directiond-Bewerber (413-415). 
Stöger’s zweite Pirertiousperiode (1852—1858) - - - - - 

Das Schaufpiel (418). Neue Ermwerbungen (419). Sn: 
tendant Wenzel Ritter v. Bergenthal (424). Regiffeur Bartheld 
(425). Freitag’8 „Zournaliften” (428). Ira Aldridge und Pepita 
(428). Regie Filcher; ber „echter von Ravenna” von Fried. 
Halm und Franz Bacher! (440). Regie Wolff (447). 

Die per in Stöger’s zweiter Pirecttonsperlode. — Richard 

Wagner in rag. — SHtöger’s Abſchied (1858) - - - - - 

Das Perſonal (450). Rich. Wagner's Werke in Prag (462). 
Der „Troubadour” (472). Franz Skraup's Abgang; Capell⸗ 
meister Nesvabba (477). Perjonalftand 1858 (479). Stöger’d 
Finanzlage; neue Directionsbewerber (482). 


Director Arauz Thomé in „Aller Compagnie” mit Htöger. 
— Pas Schaufpiel 1858—1860. — Erridiung des Heu- 
Rädter Theaters. — Pie Intendanz. - - - -. . 
Yranz Thome (485). Nene Kräfte (487). Repertoire (495). 
vrrihtung und Eröffnung des Neuftädter Theaters (498). 
Die Schillerfefte ded J. 1359 (502). Intendant Ritter v. 
Bohuſch (504). Die Rechte der Logenbeſitzer (506). Auflöjung 
der Compagnie Thome-Stöger; Stöger’d Tod (507). 
Das Schaufpiel unter Thome (1860—1364) - - : =. 
Drama und dramat. Kunft in der Reactionöperiode (508). 
Perjonalbewegung (513). Säfte (525). Abſchiedsabende; Auf- 
löfung des Enfembles (527). 


XXI. Pie Oper unter Thomé (1858—1864). — Prager WBagıter- 


Tage» >: 2er 

Perſonal (532). Capellm. Wilhelm Jahn (538). Pauline 
Lucca in Prag (541). Neues Enjemble (545). Die Subelfeier 
ded Sonjervatoriumd 1858 (555). Richard Wagner's Be- 
siehungen zur Thomeé'ſchen Direction; Wagner's „Prager“ 
Sorrefpondenz (556). Richard Wagner in Prag (561). Die 
Operette (563). Gäfte (564). 


Seite 


531 


X 


Seite 
XXI. Die nationale Spaltung des Prager Theaters. — Grün- 
dung des cedifhen Kandes (Interims) Theaters. — Pie 
Perfonal-Anion. — Ende der Thome’rhen Pirection . . 567 
Die Vorgeſchichte bes tech. Zheaterbanes (568). Forderungen 
nah Pflege des cech. Repertoire 1857 (571). Das Project 
eines utraquiſt. Opermtheaterd; Cechiiche Abendvorſtellungen 
im Landestheater (575). Interimstheater-Projecte (577). Er: 
Öffnung des Interimstheaters am Quai (579). Nationale 
Trennung bes Lanbestheaters (581). 


XXIU. PDiredor Wirfing und fein Schanfpiel (1864—1876) - . - 585 
Rudolf Wirfing ald Bühnenleiter und Schriftfteller (585). 
Neues Perſonal (588). Regie Oberlänber (595). Oberrrgiffeur 
Emil Claar (615). Das Schaufpiel-Repertoire (623). Säfte 
(630). 
XXIV. Die Sper unter Wirfing. — Wirfiug’s Abſchied (1864 
bis 13T) nen 683 
Capellm. Richard Gence; eine Correſpondenz mit Flotow 
(634 - 638). Capellm. Rappoldi und Slansky (638--641). Das 
Sängerperſonal (641). Das Opern⸗Repertoire (664). Die Ope- 
fer (668). Säfte. Geichäftsgang der Direction (670). Inten⸗ 
danten (673). Directionsperleihung an Eduard Kreibig (675). 
XXV: Das techiſche Landestheater in feiner Heldftändigkeit (1864 
bis 1EEE) 2 rn 677 
Divector Liegert (677). Sommertheater im Sophieninfel- 
faale (679), Das Broject einer wtraquiftifchen Oper (680). 
Director Thome (681). Das Conſortium (683). Grundſtein⸗ 
legung de3 Nationaltheaters (685). Sommertheater auf der 
Bafter (685). Director Koh. Nep. Mayr (686). Feindliche 
Conſortien (687). Landesſubvention für den Nationaltheater: 
ban; die „Irug- Arena”; das „neue tech. Theater” ; Director 
Rud. Wirfing (688). Fufion der Confortien; Director Mayr 
(690). Eröffnung nnd Brand des Nationaltheaterd (692), 
Ende des Interimstheaters; Neubau (694). Das neue Na- 
tionaltbeater; Dir. Schubert (696). 
XXVI. Pirector Eduard Kreibig (1876—1879) - - - - - 0. . 700 
Erfte Vorftellungen (703). Das Schaufpielperjonal (705). 
Das Opernperſonal (727). Repertoire (740), Gäfte (743). 
Finanzielle Krifis (747). Hilfsconfortium; Beurlaubung bes 
Directors (749). 
XXVI Edmund Kreibig als Pirector-Stelluerireter (1879—1885) - 751 


XI 


Das Berfonal (753). Das Repertoire (772). Gaſte (780). 
Das 100jähr. Inbildum des Landestheater (783). 


XXVIN. Eine Kataftropde des deutfhen Landestdeaters. — Pas 


XXIX. 


XXX. 


Eude der Pirection Kreibigg... 

Verlängerung des Kreibig’ihen Directiondvertrags (786). 
Niedergang bes Theaterbeſuchs; Umbau des beutfchen Landes⸗ 
theaters (788). Oberregiffent Ant. Felticher (789). Wechfel 
in der Intendanz; Dr. Waldert erſetzt den Freih. v. Beche (791). 
Nenes Deficit; Erhöhung der Abonnementäpreife (792). Erfte 
Berbandlungen mit Angelo Neumann (793). Carl Skraup 
als Directionsfecretär, Oberregifleur, Dramaturg u. Abmini- 
ftrationächef (794). Neue Sanirungs⸗Action (796). Sauer 
ubiläum (799). Der Intendant fordert vergebens Kreibig’d 
Rüdtritt (800). Drobender Concurs; Aufhebung der Curatel 
und des Sequeſters (801). Maßregelungen Kreibig’3 (803). 
Der verftärkte Landesausſchuß befchließt die Berufung Neu— 
mann's (802). Die Lage des Verfonald, Deitglieberverfamm: 
lungen (808). Directionsverleihung an Neumann; dad Ende 
der Firma Kreibig (805). 


Director Angelo Heumann ; Wagner's Nibelungkn 
unddas Don Juan-Inbiläum in Prag (1885—188 

Ang. Neunann (807). Das Interim; Gaftipiel des Janner⸗ 
jhen Enſembles (808). Auflöfung bed Kreibig’ihen En— 
ſembles; Nen-Organifirung der Bühne (809). Brogrammrebe 
Neumann’s (810). Theaterzüge; die Nibelungen-Tetralogte 
und der Schillercyclus (812). Das Don Juan⸗-Centennarium: 
Mozart-Eyclus (813). Die Feier in der Bertramta (817), am 
Kohlmarkt (821). Nachträge zur Geſchichte des „Don Juan“ 
und „Titus“ (821). 


Pas neue deutfde Theater in Prag - - - -» - - 
Ein Rüdblid auf die Gefchichte des Haupttheaters, der 


Tochter⸗ und Nebenbühnen Prags (826). Ende des Niclad- 


theater (827), Die Arena im Pitroß’schen Garten (828). 
Teatro salone italiano (829). Project eined neuen beutichen 
Acttentheaterd in Prag (830). Der Plan des neuen beutichen 
Theater ald Ergänzung des deutſchen Landestheaterd (833). 
Invalidität des Neuſtädter Theaters (834). Die beutiche 
Theatervorlage im Landtage (836). Gründung des deutſchen 
Theatervereins (837). Ablehnung der deutfchen Theaterwünſche 
im Randtage (840). Thätigkeit und Erfolge des Theater: 


Ekxite 


807 


826 





XU 


Seite 
verein? (840). Das deutſche Juterimstheater in Karolinenthal 
(841). Demolirung des Neuftädter Theaters (841). Das nene 
beutiche Theater (843). Schlußwort (849). 

Aubane - -» : >20 en 850 
Alphabetiiches Verzeichniß der 1836—1885 am deutichen 
Landestheater engagirt geweſenen Mitglieder - - - - - - 850 
Das Benfionsinftitut - - - > > rennen 867 

Nachträge und Berihtigungen - - - - - - 869 





MAXIMILIAN KINZEL 
PRIVAT-EIGENTHUM, 


Ginleitung- 


— —— 


' 


Mit diefem Buche lege ich den letzten Theil der „Geſchichte 
des Prager Theaters" in die Hände des Lejers. Das Werk, 
welches vor elf Jahren begonnen wurde und im J. 1883 mit 
dem erften Theile in die Deffentlichkeit trat, ift mächtig emporge- 
wachjen, ebenjo wie fich der Stoff mit der vorjchreitenden Arbeit 
gehäuft und dieſe jelbjt immer umfaljender geftaltet Hat. Galt 
es ja doch keineswegs, die Gefchichte eines in fich gefchloffenent, 
einheitlichen Kunftinjtituts, etwa eines unter durchwegs foliden 
und normalen Verhältniſſen entwidelten deutjchen Hoftheaters zu 
ſchreiben, jondern die Gejchichte des gefammten Theaterwejens 
einer Stadt, ‘deren örtliche und nationale Verhältniffe die Kunſt 
immer ftärfer beeinflußt, das Theater immer ftärfer berührt haben. 
Wenn wir in den beiden erjten Bänden unferes Buches die Ent- 
widelung und den Sieg des deutſchen Schaufpiels über das lateiniſche 
Schuldrama und das exrtemporirte Stüd, den Sieg der deutjchen 
Dper über die italienische zu jchildern hatten, einen Proceß alfo, 
der fich in der Gejchichte jeder deutichen Bühne friiher oder ſpäter, 
in diefer oder jener Weife wiederholt, jo tritt in diefem Bande, 
in ber Geichichte der neueren umd meuejten Zeit der Prager 
Bühne, ein ganz anderer, eigenartiger Proceß zu Tage: die nationale 
Spaltung des Theaterwejens in Prag, die Loslöfung der Cecho- 
Hlavifhen Bühne von dem deutfchen Meutter-mftitut. Diefer 


— — ü—————— —— — ——— — — — 


— — ——— — — — 


— — — — — — — —— ——— — ——— m 0 —— — — — 


XV 


witz erklärt worden. Und thatſächlich mißglückten die wiederholten 
Berſuche, das: Cechiiche Repertoire zu erweitern oder ſogar zur 
Errichtung eines ſelbſtändigen eechiſchen Nationaltheaters zu 
jchreiten, durch die Theilnahmslofigkeit oder den Mangel eines 
„nationalen” Zheaterpublicums. Das Stöger’iche Theater in der 
Rofengaffe, eine mit dem. ftändiichen Theater in „Berjonal-Union“ 
verbundene Bühne (1842 —46), jo wie die Arena im Pſtroß'ſchen 
Sarten, welche eine regere Pflege des Cecjiichen Repertoires ver: 
juchten, ftellten bald dieje Experimente ein. Literatur, Künftler 
und Publieum mangelten gleichzeitig, und der 1848 lautgewordene 
Ruf nah „zwei böhmischen*) Nationaltheatern" d. h. 
einem deutſchen und einem cechoflavifchen jowie die Schaffung 
einer cechiſchen Theaterintendanz für die Vorjtellungen in diefer 
Spradke, die Bildung eines Conſortiums behufs Errichtung eines 
jelbftändigen cechifchen Theaters blieben lange ohne praftifche 
Sonjequenzen. Trotzdem ruhte die Idee nicht; die von jenem Con⸗ 
jortium eingeleiteten, in beiden Zandesiprachen lancirten Samm- 
lungen geriethen nad) wiederholten Stodungen in Fluß, das 
Project näherte jich feiner Verwirkfihung, und die Deutjchen 
jelbft, im Vollbewußtſein ihrer „dominirenden” und, wie es fchien, 
unerſchütterlichen Pofition, trugen ihr Schärflein zu dem nationalen 
Werke des zweiten Volksſtammes bei, deffen Bedeutung fie durch 
ans unterjchägten. Zur wahrer Erkenntniß der nationalen Spal- 
tung im Theaterweſen Prags, zum Haren Bewußtſein der ver- 
äuderten fprachlichen und focialen Berhältnifje kamen die Deutfchen 
Böhmens erft, als der Sfndifferentismus großer Kreije zahl: 
reiche deutfche Elemente, namentlih der jüngeren Generation, 
dem anderen, regeren, conjequent emporjtrebenden Volksſtamm 
in die Arme getrieben, als das flavifche Idiom bei fortjchrei- 
tender literarifcher Entwicdelung das deutſche zurüdgedrängt hatte, 


*) Die Begriffe „böhmifh“ und „cechifch” find Hier richtig ausein⸗ 
andergehalten: „böhmiſch“ als Landes-Bezeichnung, „techilch oder cecho= 
ſlaviſch“ die Bezeihnung der Sprache und der Nation, die dad Land 
Böhmen gememihaftlih mit den „Deutihböhmen” bewohnt. 


XIV 


Proceß vollzog fich keineswegs raſch. Schüchterne Anläufe zu 
einer felbftändigen cechifchen Bühne in Prag haben wir bereits 
im zweiten Theile diejer Gefchichte, bei der Darftellung der künft- 
lerifchen Verhältnifje in den legten Jahrzehnten des vorigen Jahr⸗ 
hunderts zu regiftriren gehabt; aber es blieb bei Anläufen: ver 
nationale Charakter des alten Prags war eben ausgefprochen 
deutsch, jo daß man unter dem Prager „Nationaltheater — 
jo hieß befanntlih vor einem Jahrhundert das heutige deutfche 
Landestheater — nicht? anderes als ein deutfches Inſtitut 
verſtehen konnte. Die Bemühungen ſdgenannter jlaviicher „Pas 
trioten”, das auf Titeratenfreife und die niederen Volksſchichten 
beſchränkte cechifche Idiom in der Literatur und auf der Bühne. 
zur Geltung zu bringen, hatten zwar vorübergehenden Erfolg; 
man ſah cechiiche Nebentheater in Prag entftehen aber auch raſch 
vergeben, da es an dem Nothwendigjten, dem entjprechenden 
Theaterpublicum, fehlte. So jteht das Prager „ſtändiſche Thea— 
ter" d. h. die von den Ständen Böhmens erworbene, gefchilgte 
und unterftügte Bühne der böhmischen Landeshauptitadt zu der 
Beit, von der wir in diefem Bande ausgehen, als durchaus und 
ausschließlich deutſches Kunftinftitut vor uns. Die Sonntags-Bor- 
jtellungen in Cechifcher Sprache waren. 1811 ſiſtirt worden, die 
italienifche Oper war aufgelöft; man }pielte und fang nur deutſch 
auf der Prager Bühne. Erſt fechs Jahre jpäter regte fich das. 
Häuflein Techoflavifcher „Batrioten” wieder; man fpielte an 
Normatagen in techifcher Sprache zu wohlthätigen Zweden, doch 
hörte auch dies nad) drei Jahren wieder auf, und erſt 1824 
wurden cechiiche Vorftellungen an den Nachmittagen der Sonn» 
und Feiertage wieder eine ftändige Einrichtung im Prager uuge- 
theilten Theater. Das deutfche Theaterpublicum lächelte den 
„böhmischen Spielern” wohlwollend und aufmunternd zu und 
amufirte fih an dem Kauderwälſch, welches mitunter deutfche 
Schaufpieler in cechiſcher Sprache verbrachen, ohne der „Spielerei“ 
tiefere Bedeutung beizumeſſen. Die Vermuthung, daß fich aus 
diefen Verſuchen ein felbjtändiges ſlaviſches Nationaltheater ent- 
wideln fünnte, wäre in jenen Tagen als Abjurdität, ald Wahn- 











XV 


wis erflärt worden. Und thatſächlich mißglückten die wiederholten 
Berfuche, das: Cechifche Repertoire zu erweitern ober fogar zur 
Errichtung eines jelbjtändigen Cechifchen Nationaltheater zu 
Schreiten, durch die Theilnahmslojigkeit oder den Mangel eines 
„mationalen” Theaterpublieums. Das Stöger’iche Theater in der 
Roſengaſſe, eine mit dem ftändischen Theater in „Berjonal-Union“ 
verbundene Bühne (1842 —46), jo wie die Arena im Pſtroß'ſchen 
Garten, weldye eine regere Pflege des Cedyiichen Nepertoires ver: 
juchten, ftellten bald dieſe Experimente ein. Literatur, Künftler 
und Publicum mangelten gleichzeitig, und der 1848 lautgewordene 
Ruf nah „zwei böhmifchen*) Nationaltheatern" d. h. 
einem deutjchen und einem techoflavifchen jowie die Schaffung 
einer cechiſchen Theaterintendanz für die Vorjtellungen in diejer 
Sprade, die Bildung eines Confortiums behufs Errichtung eines 
jelbftändigen Cechifchen Theaters blieben lange ohne praftifche 
Confequenzen. Trotzdem ruhte die Idee nicht; die von jenem Con⸗ 
jortium eingeleiteten, in beiden Landesiprachen lancirten Samm- 
lungen geriethen nach wiederholten Stodungen in Fluß, das 
Project näherte fich feiner Verwirklichung, und die Deutichen 
jelbjt, im Vollbewußtfein ihrer „dominirenden” und, wie es fchien, 
unerſchütterlichen Pofition, trugen ihr Schärflein zu dem nationalen 
Werfe des zweiten Volksſtammes bei, deilen Bedeutung fie durch: 
ans unterſchätzten. Zur wahrer Erkenntniß der nationalen Spal- 
tung im Theaterwejen Prags, zum klaren Bewußtjein der ver- 
änderten fprachlichen und focialen Verhältniffe famen die Deutfchen * 
Böhmens erft, als der fndifferentismus großer Kreiſe zahl- 
reiche deutfche Elemente, namentlich der jüngeren Generation, 
dem anderen, regeren, conjequent emporftrebenden Volksſtamm 
in die Arme getrieben, als das jlavifche Idiom bei fortjchrei- 
tender literariicher Entwidelung das deutjche zurücigedrängt. hatte, 


*) Die Begriffe „böhmiſch“ und „cehifch” find bier richtig ausein- 
andergehalten: „böhmiſch“ als Landes-Bezeichnung, „techilh oder Cecho- 
flavifch” die Bezeihnung der Sprache und der Nation, die dad Land 
Böhmen gemeinschaftlich mit den „Deutihböhmen” bewohnt. 











XVIU 


Nach alledem ijt es felbftverftändlich in erjter Linie die 
Geſchichte des deutschen Theaters in Prag, welche hier gefchrie- 
ben jein ſoll, jenes deutfchen Theaters, das ſich auf erponirtent 
Poften ftets in innigjter Verbindung mit der großen deutfchen 
Bühnenwelt erhalten und zeitweije eine führende Rolle in ver: 
jelben gejpielt hat. In weldyer Weife die Gejchichte der Cechifchen 
Bühne damit verknüpft wird, geht aus dem früher Gefagten her- 
vor; die Geſchichte des jelbftändig geworbenen Cechifchen Theaters 
ift nur ſkizzirt, infoferne fie die Entwidelungsgefchichte der dechi⸗ 
hen Bühne gewijlermaßen zum Abſchluſſe bringt. Eine voll- 
jtändige Gejchichte dieſes feibjtändigen Theaters zu fchreiben, 
fonnte nicht meine Aufgabe fein; ebenjowenig beanfpruchte ich, 
eine erjchöpfende Darjtellung der Entwidelung der Cechifchen 
Bühnenliteratur zu bieten; dazu fehlte mir die tiefere Kenntniß 
diejer Literatur namentlich in deren neuerer Geftaltung und der 
Raum des Buches — man wird fie jfizzirt finden, da fie ja natur- 
gemäß Hand in Hand geht mit der Entwidelung der öechiſchen 
Bühne. 

Das deutihe Stamm⸗Inſtitut jehen wir in diefem Bande 
nach der Blüthezeit Liebich'ſcher Bühnenleitung, in welcher Schau- 
jpiel und Oper (legtere unter C. M. v. Weber) muftergiltig 
in Deutjchland waren — in eine Periode des Verfalls unter der 
Witwe Liebichs treten, aus welcher es ſich unter Holbein’s Regie 
und fpäterer Direction mächtig wieder erhob. Hervorragende 
Kräfte — wir nennen Seydelmann, Ludwig Löwe, Wilbelmi, . 
Bayer, Polawsky, Margarethe Binder, Marie Renner, Thereſe 
Brunetti, Johanna Liebich, Franciska Sontag und deren berühmte 
Tochter Henriette, Thereſe Peche, Catharina Podhorsky, Fortu— 
nata Franchetti, Joh. Seb. Binder, Franz Hauſer u. A. — 
erglänzten oder erwuchſen unter ihm in Prag, und auch in mancher 
der folgenden Perioden der Prager Bühnengeſchichten behauptete 
dieſes Inſtitut ſeinen hohen Rang in der deutſchen Theaterwelt. 
Die Oper des Director Stöger, der zweimal (im Ganzen acht—⸗ 
zehn Jahre) das Scepter führte, galt als muſterhaft; wieder 
waren es nachmals berühmte Künſtler und Künftlerinen, die unter 





XIX 


jeiner Leitung zur Größe emporwndhfen, und die Prager Muſter— 
Aufführungen Wagnericher Werte in den 50er Jahren medten 
ſelbſt Wagners regſtes und dankbares Intereſſe noch in dei 
Jahren ſeines Exils. Ebenſo hat die Prager Bühne Ruhmestage 
in den übrigen Phaſen ihrer Geſchichte zu verzeichnen: künſtleriſche 
Thaten und glänzende Namen, dic auch an anderen Stätten 
deutſcher Kunft mit Stolz genannt wurden oder noch genanıt 
werden, fallen uns in die Augen, wenn wir in der Gejchichte des 
Prager Theaters blättern. 

Den Zufammenhang diejer Gefchicht, mit der allgemeinen 
Gefchichte des deutschen Dramas und der deutjchen Schauipiel- 
kunſt brauchten wir nicht erſt herzustellen; er ergibt ſich von ſelbſt. 
Ich verzichtete deshalb auf allgemeine Fiterargefchichtliche Betrady- 
tungen, foweit fie nicht zum Verſtändniß des hiftorifchen Ent- 
widelungsganges der Bühne unbedingt nöthig waren, und blieb 
vor Allem der erjten Aufgabe jeder Einzeln: Geſchichte einer 
deutjchen Bühne eingedenf, Baufteine zu einer allgemeinen Ge— 
ihichte der deutschen Bühne zu liefern. Der Tocalgefchichtliche 
Zug, der durch das Buch geht, rechtfertigt fich wohl von jelbit 
und dürfte dem Intereſſe weiterer Kreife daran nur vorüber— 
gehend Abbruch thun; gerade die Gejchichte der Prager Bühne 
ist ja, wie ich zu Beginn diefer Einleitung darlegte, ohne Zufammen- 
bang mit der eigenartigen Zocalgefchichte nicht denkbar, und über: 
dies gewinnt, wie mir dies jeder Forſcher auf gleichem Gebiete 
beftätigen dürfte, oft manches fcheinbar nebenfächlihe Detail, 
mancher unbedeutende Name in einer Specialgefchichte hohen 
Werth durch feine Beziehung zu anderen Orten und anderen 
Zeiten. Mein Buch follte überdies nicht bloß Lectüre jondern 
auch — und zwar feineswegs in legter Linie — Nachſchlagebuch 
jein; deshalb wurde auch die möglichſte Vollſtändigkeit in der 
Darftellung der Perfonalverhältniffe angeftrebt. An einer erſchö— 
pfenden Benügung der vorhandenen Quellen hat es der Verfaſſer 
nicht Fehlen laſſen. Wie für die beiden erften Bände diejes Buches 
ift auch für diefen dritten und lebten Theil wohl das gejammte 
einschlägige Acten-Material — hier vornehmlich die Acten des 

B* 


XX 


Prager Landesausſchuſſes, der beſtandenen kgl. ſtändiſchen Theater⸗ 
aufſichtscommiſſion, der Theaterintendanz u. ſ. w. — gewiſſen— 
haft bearbeitet worden; überdies boten die Tages-Literatur Prags, 
die literarischen und Theater-Journale Oeſterreichs und Deutſch⸗ 
lands, tie Prager und allgemeinen deutjchen Bühnen-Almanache, 
zeitgenöfjtiche Brochuren, zahlreiche Special: Werke theatergeichicht- 
lihen und biographiichen Charakters, endlich briefliche und münd— 
liche Mittheilungen den Autor Beiträge und Anhaltspunkte für 
jeine Geſchichte Wenn man trogdem Manches in dem Buche 
vermijjen und fpeciell diefe oder jene biographiiche Skizze im 
Berhältnifje zu anderen dürftiger finden follte, jo mag man dafür 
in dem Indifferentismus einzelner unſerer lebenden Künftler und 
Künftlerinen die natürliche Erflärung finden, welche es troß öffent- 
licher und briefliher Aufforderung zur Einjendung verbürgter 
biographifcher Daten unterliegen, die mühevolle Arbeit in diefer 
Meife zu erleichtern. Um möglichſt „vollftändig” zu fein, babe 
ih diefem Bande das alphabetijche Berzeichniß der von dem 
%. 1836 bis 1885 an dieſem Inſtitut engagirt gemwejenen Mit— 
glieder beigegeben, jo daß jelbjt Jene namentlid) unter den Leben⸗ 
den, die im Texte eine Erwähnung nicht finden fonnten, ihren 
Namen in der Gejchichte des Prager Theaters bewahrt finden. 
Herzlichen und lebhaften Danf habe ich für die liebenswürdige 
Unterftügung meiner Arbeit zu jagen Sr. Exc. dem Statt- 
halter im Königreiche Böhmen FML. Dr. Freiherrn von Kraus, 
durch deſſen Güte ich feinerzeit in den Stand gejegt wurde, die 
Schätze des Prager Statthalterei-Archivs zu benügen, dem feither ‘ 
leider verblichenen Intendanten des deutichen kgl. Landestheaters 
Carl Joſ. Treibern von Peche, unter deſſen Amtirung mir die 
Landesausſchuß-, Theateraufſichtscommiſſions- und Intendanz⸗Acten 
zur freien Benützung zugänglich waren, dem Herrn Bibliothekar 
des böhm. Muſeums Adalbert Vrkätko, der mir nicht nur die 
Mujeums-Bibliothef erſchloſſen ſondern noch ſpeciell durch Mit— 
theilung intereſſanter (ungedruckter) Briefe von und an Henriette 
Sontag, ſeltener Publicationen über dieſelbe u. ſ. mw. eine nahezu 
vollftändige biographiſche Skizze dieſer an der Prager Bühne 











XXI 


erblühten Sängerin (im IH. Capitel dieſes Bandes) ermöglicht 
hat, dem Herrn p. kgl. Landesrechnungs-Director C. Bad 
mann, deſſen aufopfernder Liebenswiürdigfeit ich eine Weihe 
werthvoller Deittheilungen, interejjanter Zettel und Tabellen und 
jpeciell die authentifchen Daten file das alphabetiiche Mitglieder: 
Berzeihnig am Schluſſe des Werkes verdanfe, Herrn Tail. Rath 
Dr. Edmund Schebed, der mir-aus dem reichen Schage feiner 
Wutographenfammlung manches bemerfenswerthe Detail gütigjt 
mitgetheilt hat, dem feither verblichenen verdienjtoollen Director 
des beftandenen Cäcilienvereins Hrn. Franz Apt, der mir jeine 
interefjante Eorrefpondenz mit Richard Wagner zur Verfügung 
ſtellte, dem Prager Schriftjteller Herrn JUDr. Bictor Guth 
für die überaus freundliche Mittheilung feltener Almanache und 
Publicationen, dem Euftos der Wiener k. k. Hofbibliothef Hrn. 
Ferdinand Raab für die äußerst entgegenfommende, langjährige 
Förderung meines Werkes, dem Scriptor derjelben Bibliothet 
Herrn Dr. Kaltenleithner und dem hochw. Bibliothefar des 
Prager Brämonftratenjer-Stifts Strahov, P. Dominicus Cermal, 
dem Herrn Verleger und Eigenthümer der Prager „Bohemia“ 
Hrn. Andress Haaſe Edlen v. Wranau, welcher dies Werk in 
liebenswürbiger Weife vielfach gefördert hat, den Directoren des 
deutſchen und bes Cechiichen kgl. Landestheaters in Prag Herren 
Üngelo Neumann und Fr. 4. Subert für wiederholte freund- 
liche Auskünfte und Meittheilung bemerfenswerther Publicatio— 
nen, dem Director des beutfchen Sommertheaters in Prag Hrn. 
. Balme, der mir die aus dem Nachlaß des Dr. Wirfing ftanımende 
reiche Correfpondenz desjelben zur Benügung überließ, der greifen 
Beteranin der Prager Oper Fr. Catharina Bodhorsty, welde 
mir in jeltener Seiftesfrilche noch Mittheilungen ans der Directions- 
periode Holbein, alfo aus den 20er Jahren zu machen wußte 
und dem leider verftorbenen Prager Bühnenveteranen Carl Dolt, 
der mir ebenfalls durch mündliche Mittheilungen aus längjtver- 
gangener Zeit das todte Material vielfach belebt hat, endlid) 
Allen, die thätigen und freundlichen Antheil an den Wachjen und 
Gedeihen diefer Arbeit genommen. 


XXI 


Der dritte Band, mit welchem ich das Werk abfchließe, um- 
faßt den Zeitraum vom Jahre 1817 bis 1887 alfo fieben Yahr- 
zehnte; der eigentliche Gang der Gefchichte aber fchließt bereits 
mit dem “fahre 1885 d. i. mit dem Zufammenbruche der Direc- 
tion Kreibig, ab. Die beiden legten Capitel reichen über diejes 
Jahr hinaus; fie behandeln die Direction Angelo Neumann, welche 
als eine in der Entwidelung begriffene neue Periode der Prager 
Bühnengefchichte wohl feineswegs Gegenftand der gefchichtlichen 
Darftelung fein Tann, aber in diefem Buche nicht unerwähnt 
bleiben fol: man findet die hauptfächlichjten Ereigniffe der beiden 
legten Sahren und insbejondere den Mozart⸗Cyelus und die eier 
des Don Juan-Centennariums im October 1887 hier regiftritt. 
Die Schwierigkeiten, welche bei der getreuen und objectiven Dar— 
jtellung der Prager Bühnengejchichte in den lebten Jahrzehnten 
zu überwinden waren, habe ich feineswegs unterſchätzt; das Urtheil 
iiber Dalbvergangenes, über lebende Perfünlichkeiten, über Direc- 
tions- Perioden, die jelbjt noch den Gegenſtand widerftreitender 
Meinungen bilden, war nicht leicht zu fprechen, und fpeciell die 
Skizzirung und Beleuchtung der wirren, bis zu einer vegelrechten 
Theater-Rataftrophe gediehenen Verhältniffe in der Directiong- 
Hera Kreibig (1876—1885) mußte als eine fchwere und delicate 
Aufgabe erjcheinen. Ich habe mich in diefer Hinficht nicht auf 
meine eigenen Erfahrungen, mein eigene® Urtheil als mehr- 
jähriger „Augenzeuge jener Verhältniſſe und Ereigniffe verlaffen, 
Sondern zuverläflige und beglaubigte Mittheilungen und Beiträge 
von den verſchiedenſten Perjünlichkeiten eingeholt, die jenen Vor— 
gängen nahegeftanden jind. Daß ich in diefer Sache wie in der 
ganzen Darftellung der letten Jahrzehnte jedes einfeitige jub- 
jective Empfinden, jede perjünliche Parteinahme ſorgſam vermied 
und nur beftrebt war, der vollen Wahrheit nahezufommen und gerecht 
zu werben, glaube ich mit gutem Gewiſſen verfichern zu können. Die 
Gefchichte der jüngften Bühne Prags, des neuerbauten „zweiten 
deutfchen Theaters", jchließt das Werk ab, und einen wirkſameren, 
erfrenlicheren Abſchluß konnte fi) der Geſchichtsſchreiber des 
Prager Theaters nicht wünschen, einen Abſchluß, der den tröft: 











XXI 


lihen Ausblick gejtattet auf eine gedeihliche, würdige Zukunft der 
durch unvergängliche Thaten berühmten deutjchen Bühne Prags. 
| Mit diefem erfreulichen Ausblide jchließe ich diejes Werk, die 
Frucht elfjähriger — ich darf wohl jagen — felbjtlofer und ernfler 
Arbeit, deren Durchführung und Vollendung ich als Ehrenjadhe 
betrachtete, auch nachdem ich der böhmischen Landeshauptitadt 
fremd geworden war. Daß die überaus ehrenvolle Anerkennung 
und Würdigung, welche den beiden erjten Theilen des Werkes 
alfjeitig in jo reihem Maße zu Theil geworden ift, diefem legten 
Bande fowie dem ganzen Buche nicht vorenthalten bleibe, wage 
ich zu hoffen. Was ich zu bieten verjuchte, das tft die Gejchichte 
des Theaterweſens einer Stadt, welche an der Grenze deutichen 
und ſlaviſchen Weſens lange Zeit eine Hochburg deutjcher Kunſt 
ihr eigen genannt; ein vielleicht nicht zu unterfchägender Beitrag 
zur deutjchen und allgemeinen X’heatergefchichte möge es fein, der 
gerade wegen der eigenartigen Entwidelung des Prager Bühnen- 
wejens bisher vielfach vermißt worden ift, ein Buch, welches — 
ohne den Charakter einer nationalen oder Partei-Publication an- 
zunehmen und die Beitrebungen des anderen Volksſtamms gering- 
zuachten oder zu ignoriren — Zeugniß ablegen möge von dem 
Dajein und der ruhmvollen Vergangenheit des deutſchböhmiſchen 
Volkes, von den Errungenschaften und der Bedeutung deutfcher 
Kunft in Böhmen. 


Wien, im December 1887. 


Oscar Bender. 


MAXIMILIAN! 


(Au 
dan 


LU 


PR:VAT-EIGENTHUM, 


I. 
Johanna Tiebid,. 


Das Sranenregiment anf der Prager Bühne. 
(1817—1820.) 


(Die Lage nach Liebich's Tode. — Directions - Sandidaten. — Johanna 
Liebich erhält die Direction. — „Madame“ und ihr Hof. — Berfonal- 
Beränderungen. — Franz Feiftmantel. — Abſchied der Gefchmifter Böhler. — 
Inlie Schwarz. — Charlotte Pfeiffer. — Der alte Künſtlerſtamm. — Ludwig 
Kömwe. — Madame Sontag. — Das Repertoire. — Fauſt. — Die Wiener 
2ocalpofje und die Theaterauflichtcommilfton. — Die Oper 1817—18. — 
Angelica Satalanı. — Rügen. — Ein Promemoria Bayer’s über die Theater: 
Mitere. — Carl Karl ala Candidat für die „Mit-Direction“. — Verfall 
der Bühne und Theater-Scandale. — Polawsky als Mitunternchmer und 
Director. — Zur definitiven Auflaffung der wälichen Oper. — Da3 Theater 
während Polawsky's proviforifcher und befinitiver Mitunternehmung und 
Direction. — Regie Holbein. — Polawsky's Rücktritt.) 


In der Vollfraft feiner Jahre, auf dem Höhepunkte feines 
Schaffens war Liebich, das unerreichte Vorbild deutjcher Bühnen- 
leiter, feinen Leiden erlegen; das Prager Theater war verwaift, 
und ſchmerzlich wurde diefe Verwaiſung empfunden. An Liebid) 
dachte Prag wehmüthig noch in fpäten Zeiten zurüd, die ganze 
Schwere des Verluſtes aber empfand man gerade in jenen Jahren, 
welche der goldenen Aera der Prager Bühne unmittelbar folgten. 
Und in der gejammten deutjchen Kunſtwelt verjtand man, was 
Prag an Liebich verloren. Mit herzlicher Theilnahme lauſchte 
einige Jahrzehnte fpäter Holtei den Schilderungen, welche ihm 
Johanna Stöger, die ehemalige Gattin des unvergefjenen Xiebich, 
von dem Dahingegangenen entwarf. Bon ihr Tieß fich der fahrende 
Poet erzählen, wie es Xiebich verjtanden, „die Rückſicht, welche er 

1 


— 2 — 


gegen die mächtige Ariſtokratie Böhmens, gegen die reichen und 
wenn auch kunſtſinnigen, doch adelsſtolzen Cavaliere ſeiner Zeit zu 
beobachten hatte, mit der vollkommenen Freiheit und Unbefangen— 
heit einer noblen, großartigen Künſtlernatur zu vereinen. Daß 
die Prager Bühne“ — ſchreibt Holtei, der ja noch Zeitgenoſſe des 
berühmten Prager Theaterleiters war — „durch ihre einzelnen 
Talente wie durch ihr geiſtig geleitetes Zuſammenwirken unter 
Liebich's Direction eine der erſten, wo nicht die erſte in Deutſchland 
war, iſt allen Kennern unſerer ſchwankenden Theatergeſchichte 
bekannt und war es auch mir. Durch ſeine Gattin erfuhr ich, 
was ich durch verſchiedene Augenzeugen ſchon vernommen, aufs 
Neue und in lebendiger Schilderung, die umſo eindringlicher auf 
mich wirkte, da die faſt erblindete, doch mittheilende, kluge Frau 
ſich an meiner innigen Theilnahme verjüngte: wie Liebich zu jenen 
vornehmen, großen Familien geſtanden, daß er gleichſam ihres— 
gleichen geweſen, ſie in ſeinem ſtets offenen Haufe wie ſeines— 
gleichen empfangen, mit ihnen gelebt hat, ohne weder die Form 
zu verletzen noch ſich das Geringſte zu vergeben, daß er in ſolchem 
Verkehr trotz reicher Einnahmen mit ſeinen Finanzen immer zu 
kurz kam, daß die Herren immer wieder zuſammentraten, den 
Ausfall zu decken und daß Liebich deshalb niemals einen anderen 
Ton annahm, niemals eine Demüthigung ertragen hätte, ſtets 
ſeine Würde in der Geſellſchaft und hinter den Couliſſen zu 
behaupten wußte. Wenn dieſe Zuſtände, die uns faſt unerklärlich 
ſcheinen, für die hervorragende Perſönlichkeit jenes ausgezeichneten 
Mannes reden, jo gaben fie meines Bedünkens nicht minder 
ehrenvolles Zeugniß für Prags hohen Adel, der großen Beſitz mit 
menschlicher Bildung paarte und nicht nur Achtung für ſich be- 
gehrte jondern fie auch zu zollen wußte, wo fie angebradht war.“ 

As Liebich aus einem Leben des regften Wirfeng, aus einer 
Laufbahn, reich an Ehren und Erfolgen, frühzeitig abberufen 
wurde, ftand feine Gattin in der Blüthe ihrer Frauenſchönheit 
und ihres Talents. Ihrem Gatten war fie als Kinjtlerin von 
Bedeutung und als liebenswürdige Hausfrau zur Seite gejtanden, 
und die maßgebenden reife der böhmischen Landeshauptitadt 





9 
— (9) — 


waren ihr ebenfo freundlich gefinnt al8 dem Gatten. Nachdem 
num diefer die Augen geſchloſſen hatte, umdrängte Adel und Bürger: 
ſchaft troftbringend die trauernde Witwe. Was follte aus ihr, was 
aus dem ganzen Perſonal werden, das fi) mit ihr und dem 
Dahingejchievenen vereint hatte, um den Bragern die erlefenften Kunſt— 
genüſſe zu bereiten, die ©lanzzeit der Prager Bühne zu begründen? 
Wie date man fid) die Zukunft des vermaijten Inſtituts, dem 
das Haupt genommen war und das man doch nicht dem Der: 
falle preisgeben wollte? Liebich's Contract lautete bis Oſtern 1823, 
aber nur auf feine Perſon; die Erben Hatten lediglid) das Recht 
und die Verpflichtung, die Direction ein dreimonatliches Provi- 
jorium hindurch fortzuführen, dann. aber dem im Concurswege 
beichafften neuen Unternehmer zu weichen. Welche Umftände und 
Ummälzungen jedoch ein Directionswechjel, die Berufung eines 
neuen Unternehmers vielleicht aus weiter Ferne mit ſich bringen 
würde, das fahen die böhmischen Stände, denen an der Stabi- 
Ittät der Prager Bühnenverhältniſſe das Meiſte liegen mußte, 
voraus. Sollte mit Einem Male das ganze von Liebih mühſam 
und genial aufgerichtete Gebäude, deſſen Werth fie trog alles 
Nergelns zu ſchätzen wußten, zufammenbreden? Man mußte auf 
einen Ausweg denken. Liebich's Univerjalerbin war jeine Yrau, 
eingeweiht in die Pläne und Tendenzen ihres Gatten. Auf 
„Madame" nun waren die Blide der Stände gefallen, fchon ala 
Liebich noch an jeinem unheilbaren Leiden darniederlag. Ange— 
ſichts der außerordentlichen Verdienſte Liebich's und der künſtle— 
riſchen Kraft ſeiner Erbin wollte man eine Ausnahme von der 
Regel machen und unterhandelte ſchon im November 1816 mit 
Madame wegen Weiterführung der Direction auf die noch übrigen 
fahre des Liebich’ichen Eontracts. Bedenken gab es freilich ſchon 
damals und noch mehr, als Papa Viebich dahingeſchieden war. 
Die „Univerfalerbin" hatte außer dem Inventar nichts geerbt als 
Schulden, die Theatercajje wies — wie wir wiſſen — feinen Heller 
Inhalt auf, als der Director geftorben war; man war ſogar in 
Berlegenheit, wie man für den Gagetag die Gelder aufbringen 
jollte. Dies verjprad) nicht viel für das Vegiment von „Madame“ 
| * 


— 4 — 


zumal es ſehr zweifelhaft war, ob ſie mit den Schulden des 
Gatten auch deſſen Directionstalent geerbt haben würde. Iſt aber 
das Regieren am Königsthrone ſchon eine ſchwere Sache für ein 
ſchwaches Weib, ſo iſt es eine noch viel ſchwerere, wenn die Re— 
gentin nur eine Theaterflitter-Krone trägt und dabei ein fühlend 
Herz im Buſen hat. Das ſollte man an Madame Liebich deutlich 
genug erfahren! 

Die Verhandlungen wurden während des Proviſoriums und 
darüber hinaus fortgeſetzt, ſo daß das „proviſoriſche“ außer: 
contractliche Regiment geradezu einen ſtabilen Charakter annahm. 
Auswärtige Petenten, die ſich, trotzdem der Concurs nicht ausge— 
ſchrieben war, einfanden, fielen gegen Madame nicht in's Gewicht. 
Der Temesvärer Theaterdirector Bernth v. Una brachte ein 
Geſuch ohne Beilagen ein, das natürlich nicht berüctjichtigt wurde. 
Ein Gefud) des Herrn Mire, „fürgeweſten Theaterdirectors und 
derzeitigen Kaffeefieders in Linz”, war zwar mit vielen Beilagen 
beichwert, Tieß aber eine nicht unweſentliche vermiſſen, den Ver— 
mögensausweis. Solchen Mitbewerbern gegenüber hatte Madame 
. leichtes Spiel. Sie konnte in ihrem förmlichen Geſuche um defi— 
nitive Ueberlafjung der Unternehmung auf einen Gatten hinweisen, 
dem Prag die goldene Aera feiner Bühne zu verdaufen hatte, auf 
ihre eigenen Leiftungen als Schauspielerin nnd ihre „freund: 
Ihaftlichen” Beziehungen zu ihren dermaligen Mitgliedern, auf 
ihre genaue Bekanntſchaft mit allen Verhältniffen der Bühne und 
endlich auf ihre Bibliothek und das von Liebich ererbte Inventar, 
dag fie allerdings erjt mit Hilfe einiger Nunjtfveunde aus den 
Händen der Gläubiger retten mußte. Die Stände und die Theater: 
auffihtscommiffion dachten milde genng und überlieferten in An— 
erkennung all’ diefer Borzüge der ſchönen Witwe am 18. März 1817 
die Dirvection auf 6 Jahre bis Oſtern 1823. Eine große Be: 
dingung, bis zu deren Erfüllung die Direction nur eine provi- 
jorifche jein follte, ftelften die Stände freilich: bei der befannten 
Schwäche des ſchönen Gejchlecht3 follte fih Madame „zur Be: 
jorgung jener Gefchäftszweige, zu deren zweckmäßiger Durchführung 
das Anfehen und die Beharrlichkeit eines Mannes erfordert wäre, 


>» 


— 5 — 


ein hinſichtlich der Fähigkeit den Forderungen der hochlöbl. Hrn. 
Stände und dem gebildeten Publico entſprechendes Individuum 
in der Eigenſchaft eines Vicedirectors oder Regiſſeurs an die 
Seite ſtellen und ſich über dieſen Punkt baldigſt bei der Theater— 
aufſichtscommiſſion ausweiſen“. Mit der Erfüllung dieſer Be— 
dingung hatte die Directrice entſchieden kein Glück. Zunächſt 
unterhandelte fie mit Coftenoble, der damals von Hamburg aus 
jenen Ruf als ausgezeichneter Charafterfomifer durch ganz 
Deutschland verbreitete. Coftenoble forderte lebenslängliche Penſion, 
ımd als man fchon nahe daran war, felbjt diefe Forderung unter 
irgend einer Form zu bewilligen, ließ er den Prager Antrag ganz 
im Stih und ging nah Wien. Madame blieb allein... . Unter 
jolchen Aufpicten begann das Regiment der Witwe Liebid), deren 
ganze Aera, eine Aera der Herfahrenheit und Schwäche, nur 
darnach angethan war, den Beweis zu liefern, wie übel es mit 
dem rauenregiment auf der Bühne bejtellt ıft und wie — der 
Zeit der Blüthe die Zeit des Berfalls auf dem Fuße zu folgen 
pflegt. 

Am 24. März 1817 wurde nad) Ablauf des Provifortums 
die definitive Direction Johanna Liebich mit einer Aufführung 
des Collin’Ichen Zrauerjpield „Balbao” eingeleitet, dem ein Prolog, 
geſprochen von der Directrice jelbit, vorausging. Mit wehmuths— 
voller Erinnerung an den verblichenen großen Bühnenleiter und 
zugleich mit herzlicher Sympathie für deſſen Witwe nahın das 
zahlreiche Publikum die gutgemeinten und fchlecht gemachten Verſe 
auf, mit denen der Prolog ſchloß: 

„Sewährt denn Ihr, um was ich bitte, 
Und nicht den Schub entziehet mir, 
Der mich beglüdt in Eurer Mitte, 

Der meines Lebens fehönfte Bier. 
Gedenket fein, den ich verloren, 

Den Ener Beifall hoch geehrt, 

Der mir zum Glücke einft erkoren, 

So Ichmerzlich wird von mir entbehtrt, 
Und laſſet bei des Gatten Sterben 
Die Witwe Eure Lieb' erwerben.” 


- 6 — 


Die Berichte über die Eröffnungsvorſtellung lauteten nicht 
ungünftig, und namentlich der Witwe Liebich galten Worte der 
freundlichiten Aufmunterung. 

Johanna Liebich war eine wadere Schaufpielerin, die, von 
ihrem Gatten geleitet, die Palme der Selbftüberwindung er: 
rungen hatte — fie war als blühende Fran in’s ältere Fach 
übergegangen. Ihre Claudia Galotti, Oberfdrjterin in den 
„Jägern“ un. f. w. galten al8 mufterhafte Leitungen. Sm Uebrigen 
war „Madame“ — wie man fie häufig kurzweg nannte — cine 
äußerſt liebenswürdige Frau, die jich, trogdem fie auf den Brettern 
das Mutterfach fpielte, nicht vor der Zeit in ftiller Zurückgezogen— 
heit begraben ließ. Liebich war mit ihr aufrichtig glücklich ge— 
wejen. „Am 31. Dec. 1803" — fo ſtand in feinem Tagebuche 
gejchrieben — „verehelichte ich nich mit Yohanıa Wimmer, einen 
guten, braven Weibe mit trefflihenm Herzen und einer Schau: 
jpielerin von Zalent. Nach einer Neihe von Yahren jchreibe ich 
nieder, daß mich dieſe Verbindung, die ich nad) furzer Bekannt: 
Schaft von 10 Wochen angefnüpft, nach Verlauf von 10 Jahren 
noch nicht gerent hat. Der Himmel fcheufe uns fernere Zufrieden- 
heit und erhalte mir das Herz und die Freundſchaft dieſes 
Weibes.“ ..... Als Liebich geſtorben war, trauerte Madame 
aufrichtig, nahm aber nicht den Schleier, ſondern ließ ſich in ihrer 
Villa als Directrice und ſchöne Witwe huldigen. Derjenigen, die 
ſich um ihre Gunſt beworben, waren nicht wenige; auch das 
Theater ſtellte ein großes Contingent dazu. Eine Zeit lang war 
Bayer allmächtiger Günſtling und Regiſſeur, dann ſoll Polawsky 
das beſondere Vertrauen ſeiner Herrin genoſſen haben, bis der 
Tenoriſt Stöger alle Rivalen aus dem Felde ſchlug. Wie liebens— 
würdig ſich die geſtrenge Theateraufſichtscommiſſion über dieſen 
neuen Heldentenor noch vor ſeinem Eintreffen in Prag geäußert, 
haben wir mitgetheilt; ſie fand ihn „eckig und ungeſchickt“. Und 
dies war Stöger; man nannte ihn zur beſſeren Bezeichnung „Steb— 
grad". Dagegen ſcheint feine Stimme im Anfang feiner Carrière 
Furore gemacht zu haben. Ihu weihte Fran Liebich in alle Miyfterien 
des Directionsgejchäftes ein, ernannte ihn in vielen Fällen, namentlich 





— 7 — 


im Opernweſen, zum unumſchränkten Bevollmächtigten und ſchenkte 
ihm ſchon damals ihr Herz, wie fie ihm ſpäter auch ihre Hand verehrte. 

Und wie befand ich die Prager Bühne, während Madame 
auf ihrer Villa Hof hielt? Nach zahlreichen zeitgenöſſiſchen Urtheilen 
jo jchlecht, wie ſie ſich jelbjt vor Liebich felten befunden hatte. 
Die Ginftlings-Wirthichaft erzeugte eine völlige Desorganifation, 
einen Sclenbrian, ein unkünſtleriſches In⸗den-Tag-Hineinleben. 
Die Directrice ftieg nur felten von ihrem Throne herab, um fid) 
in einer Glanzrolle zu zeigen, 3. B. als „Marfa“ in „Deme- 
trius“, welche Zeitung von Gerle durch einen begeijterten Lob— 
hymnus in der Zeitihrift Hyllos“ gefeiert wurde. Die Direction 
fümmerte jie gerade fo viel als unbedingt nöthig, das An— 
dere beforgte der jeweilige Machthaber. Wie es unter folchen 
Umftänden mit. der Bühnenleitung bejtellt fein mußte, ijt Leicht 
zu ermeſſen. ‘Der Geiſt Liebich’8 war vom Prager Theater gewichen, 
man ſteuerte dem Verfalle zu. 

Bald nah dem Directionsantritt der Witwe Liebich circulirten 
die beunruhigendften Gerüchte über den drohenden Abgang der 
beiten Kräfte des Inſtituts im Publikum. Der Abjchied von Ca— 
roline Brandi war bejtinmt, da ihr Bräutigam C. M. v. Weber in 
Dresden ein definitive Heim gefunden hatte, ihre defignirte Nach— 
folgerin Dem. Wilhelm nahm troß erfolgreichen Debut3 das 
Prager Engagement nicht an, worauf e8 die Demoifellen Demmer 
und Amberg verjuchten, Dem. Brandt wenigftens in einigen Bartıen 
zu erjegen. Dem. Böhler war nach Leipzig berufen, wohin auch 
Löwe abzugehen drohte, ein Berluft, der dem Schaufpiel die 
ichwerfte Wunde gefchlagen hätte, denn gerade damals war Löwe 
in die Blüthe feiner Künftlerichaft getreten. Das Ehepaar Grün— 
baum rüftete fich ebenfalls zum Abgang, womit die Oper ben 
ihwerjten Schlag erlitten hätte — Thereſe Müller-Grünbaum 
gaftirte Über Berufung Webers in ‘Dresden, brachte aber ihr 
Engagement daſelbſt nicht zum Abſchluſſe — das herrliche En- 
jemble Liebich’s *) fchien dem Untergange gemeiht. 


— — — — — — — — 


*) Der Stand des Perſonals im letzten Jahre der Liebich'ſchen Direction 
(1816) war folgender: Unternehmer und Dir. J. C. Liebich. — Opern⸗ 


— 8 — 


An Debuts fehlte es nicht, um die theils ſchon vorhandenen 
theils erſt drohenden Lücken auszufüllen. So ſah man zunächſt 
das Ehepaar Pauly debntiren. Der Gatte zeigte ſich als Car 
im „Mädchen von Marienburg" als der ungefährlichſte Rivale 
Bayers, Mad. Pauly als Schauspielerin von „eifiger Kälte", 
ohne Geift und Empfindung. Trotzdem wurden Beide engagitt; 
Pauly follte Bayer im Fache der Helden und gefegten Liebhaber 


Director und Capellm. C. M. v. Weber. — Inipicient: 8. Allram (kom. 
Rollen, fingt in der Oper). — Herr Bachmann (Hilfsrollen in Schaufp. 
und Op.) Mad. Allram, Eoubr. und Piebh. in Ed. und Op. — 
9. Bayer (Helden und gef. Liebh.); Dem. Böhler (1. Liebh. und Char.: 
Rollen, Elife Valberg, Eboli), Dem. Brand (muntere Liebh. in Sch. und 
Op.); Mad. Brunetti (muntere Liebh., junge meiblihe Char.:Rollen); 
9. Bolze (2. Xiebh.); Dem. Badner (Hilfar. in Sch. und Op.); 
H. Dorſch (Hilfer. im Sch., fingt Bahpartien); Mad. Czegka (1. Sän: 
gerin, Sertus in „Titus“, Conftanze im „Waflerträger”); H. Gerftel 
(kom. Bebiente, feriöfe und launige Alte); 9. Gned (Baßp.); 9. Grün- 
baum (Tenor und Liebh. un Sch); Mad. Grünbaum geb. Müller 
(1. Sängerin, Athalia, Donna Anna, Fanisca, Vitellia u. |. w.); 9. 
Herold (Hilfer.); Mad. Herold (Anftander.); Mad. Junghanns 
(hoch⸗ und niedrig-kom. Mütter); H. Kainz (1. Baß, Don Juan, 
Blaubart u. |. w.); Dem. König (Xiebh., in Op.); 9. Küffel Hilfer.); 
Mad. Liebich, fer. Mütter, Damen, Königinen: Elijabeth in „Maria 
Stuart”, Camma); Dir. Liebich (Gärtl. und laun. Väter, hochkom. 
Char.sRollen); H. Löwe (1. Xiebh., naive Burichen, fingt Thaddädle 
in Op); Mad. Länger (Aush); H. Polawsky (1. Liebh., Cheval. 
und Bonvivantd); H. Reinide (Greile, Militär-Rollen); Mad. Rei— 
nide (Mütter und Bertraute); Dem. Ritzenfeld (Mütter in Sc. 
und Op); 9. Seewalb (zärtl. Väter); Mad. Richter (Aush.-R.); 
Mad. Sontag (Riebh., Heldinen: Jungfran von Orleans u. f. w.); 
9. Schwarz (Hilfsr.); H. Wilhelmi (Intriguants, feine Böjewichter). — 
Theatercaflier Ign. Brinke; Theaterfecretär 6. Stiepanek. — Theater: 
caffa - Controlor H. Röhring; 2 Logenmeifterinen, 6 Billetenrd. — 
Th. Decor. und Maſchiniſt H. Doberaner; ein Theatermeifter mit 8 
Gehilfen. — Maler H. Brzezina und Achbaner. — Garberobe-nip. 
Sikora. — Gard. Schneider mit 4 Geſellen. — Souffleure: H. Buell 
(Sch.), Schneider (Op.). — Orcefter: Directoren Clement und Kral, 
36 Orcheftermitgl., 12 große und 12 Heine Choriften, 4 Zettelträger, 
1 Zheater-Rutfcher, 1 Theater und 1 Orcchefter: Diener. — Geſtorben 
Mad. Serftel. 











— 9 — 


erſetzen, da ſich der Künſtler zum Uebergange iu's Heldenväter— 
jach vorbereitete. Mit nicht beſſerem Erfolge gaſtirte H. Urban 
in Rollen Polawsky'ſchen Eigenthums und in einem jelbjtverfaßten 
Schauſpiel „Die Wege des Schidjals”, dem fein freundlich 
Schickſal zu Theil wurde; H. Luzac, der nächſte Debutant, 
wollte jich ebenfalls im Palawsky'ſchen Fache heimisch macheıt, 
wofür abfolut feine Nothwendigkeit vorlag, da man fi) nod) 
des ungeftörten Beſitzes Meifter Polawskys erfreute. Eine Mad. 
Schiller von Reichenberg fchien durch ihren früheren Enga— 
gement3-Ort ſchon dazu berufen, die Decadence der Prager Bühne 
zu illuſtriren. Wenn man fich einmal dazu entſchloß, Erjagfräfte 
aus Neichenberg zu bezichen, — hieß es — fo mußten die An— 
ſprüche Prags ſtark gejunfen fein, wenige Monate nach Liebich's 
Zodel „Mad. Schiller jchien ſich felbjt zu ſchämen, daß fie ge: 
fommen war" — jagt die Kritik, „Sie verſchwand ebenſo un- 
erwartet wie jie gefommen war." hr Mann, der als Baſſiſt 
„gewonnen“ werden jollte, verzichtete nach den Erfahrungen feiner 
Frau anf jein Debut. 

Glücklich und von wirklichen Gewinn für die Prager Bühne 
war nur das Probegaftipiel eines Komifers, der um diefe Zeit 
(Mat 1817) nad) Brag fanı und fi) mit vollem Erfolg dajelbit 
einführte. Franz Feiſtmantel, fo hieß diefer Debutant, reihte 
ih den erklärten Lieblingen des Stammpublifums bald nad) 
jeinen erjten Proberollen an und ijt Prag trengeblieben bis zum 
Tode. Am 21. Aug. 1786 zu Innsbruck (nad) irrigen Angaben 
1780 zu Brünn) geboren, konnte er trog früher Beihäftigung in 
Kinderrollen lange Zeit feinen Beruf zum Schaufpieler in ſich 
entdeden. Seine innige Frömmigkeit hätte nach dem geijtlichen 
Stande hingewiejen, an der Armuth der Eltern aber fcheiterten 
des Knaben Fromme Wünſche — er mußte „werdienen” helfen, und 
ihon im dreizehnten Lebensjahre fehen wir ihn als Souffleur 
am Innsbrucker Nationaltheater. Nad) drei Jahren vertaufchte er 
diefe „Poſition“ mit einem Engagement für Heine Partien in 
Schaufpiel und Oper; durch die Invaſion 1806 vertrieben, wirkte 
er zu Villach und Klagenfurt an der Seite feines Freundes und 


— 1 — 


Fach⸗Collegen Scholz, 1809 zu Brünn, 1810 am Xeopoldftädter 
Theater in Wien bei geringer und unbefriedigender Beichäftigung, 
1812 abermals in Brünn, dann in Olmüg, von wo er 1817 
nad) Brag berufen wurde, um fortan bis 1857 eines der pflicht- 
getreueſten und meiſtgeſchätzten Mitglieder diefer Bühne zu bleiben. 
Meifterhaftes künſtleriſches Wirken und jtrengfte Solidität des 
Charakters machten Feiſtmantel den Pragern lieb und werth. Er 
war Künftler im wahren Sinne des Wortes, wenn auch die Poſſe 
jein eigenjtes Terrain bildete. Maß, Tact und Decenz hielten feine 
derbften komiſchen Geftalten ſtets auf äſthetiſcher Höhe, echter 
Humor und ungefünftelte Komik verlieh jeder feiner Leiftungen, in 
der Poſſe wie im Luſtſpiel, die Kraft, wahrhaf: erfrischend zu 
wirken und behagliche Heiterkeit zu verbreiten. Keine Aufgabe 
war Feiſtmantel zu gering und undanfbar, um fid) ihr mit voller 
Liebe zu weihen; wahres Künftlerjtreben und liebenswürdige Be— 
ſcheidenheit zierte ihn auf der Bühne wie im Neben; er hatte 
feinen Feind. Schon bei feinem erſten Debuts in Prag blieb 
ihm Beifall und Erfolg nicht vorenthalten: als Rochus Pumper: 
nicel, Adam im „Dorfbarbier“, Mat im „Intermezzo“, Springer! 
im „Fleiſchhauer von Dedenburg”" und „Nachtwächter“ gewann er - 
fih das ſpröde Publikum und bald trat jener innige Contact 
zwiſchen Darjteller und Anditorium ein, der namentlich dem Ko— 
mifer vonnöthen ift, da er feinem Spiele die rechten Grenzen 
weit und feinen eigenen Geichmad durch den Geſchmack der 
Hörer bildet. | 

Auch Für intereffante Gäfte hatte Mad. Liebich in den erſten 
Monaten ihrer Amtsthätigkeit als Directrice geforgt. Man ſah 
die berühmte Sophie Friederife Krideberg geb. Koch (ehemals 
bei der Bondini’schen Gefellichaft) von Berlin als Oberförfterin 
in den „Jägern“, Elifabeth in „Eſſex“, Eoeleftine in den „deutjchen 
Rittern vor Nicaea”, Oberhofmeifterin in „Elife Valberg” ; im Juli 
fam Sophie Schröder, um als Gajt an jener Bühne zu wirken, 
deren Zierde fie geweſen. Der Lehrer der Aefthetif an der Prager 
Univerfität; Prof. Dr. %. H. Dambed, befang die nun auf der 
Höhe ihrer Künftlerfchaft angelangte Tragödin mit ſchwungvollen 





Berfen. „Dich erblid ich wieder, Stolz der Bühne, Lichterfchei- 
nung einer höherern Welt!" rief er ihr begeiitert entgegen, und 
von derjelben Begeifterung war das Auditorium  bingeriffen. 
Sophie Schröder eröffnete ihr Gaſtſpiel als „Clementine von 
Aubigny“ und fehte es als Iſabella in der „Braut von Meſſina“, 
Lady Macbeth, Ophelia, Bertha in der „Ahnfran”, Phädra, 
Bibiang in den „Näubern auf Maria Culm“ fort. Ein Gaftjpiel 
der Madame Spengler von Hannover ſchien Engagements: 
Zwecke zu verfolgen. Die beiden liebenswürdigen Schweſtern 
Böhler, Ehrijtine (nachmalige Genajt) und Doris (nachmalige 
Gattin Emil Devrients) waren im Begriffe zu ſcheiden, und 
namentlich für erftere, eine Stüße des Schaufpiels, war ein voll- 
werthiger Erfaß dringend geboten. Mad. Spengler jollte diefen 
Erſatz bieten, doch verfprachen ihre Debuts keineswegs einen dauernden 
Erfolg. Man Hatte ihr „gedehnte Declamation, Mangel an 
Würde, überladene Gefticulation und unangenehmes Organ“ 
borzumwerfen; als Elife von Valberg erjchien fie der Kritik zu 
„mannbar”, ebenfowenig reujiirte fie als Maria Stuart und 
Emma in den „deutschen Wittern vor Nicaea”. So jah man 
Ehriftine Böhler, die jich alS Agnes Bernauerin (das Stüd wurde 
zum Benefice der beiden Schmweitern Böhler gegeben) unter den 
herzlichiten Dvationen verabjchiedete, mit Wehmuth fcheiden ohne 
Aussicht auf eine entfprechende Nachfolgerin.... Ein vielverjpre- 
hendes Talent begrüßte man dagegen in Dem. Julie Schwarz, 
der Tochter des Wiener Hoffchaufpielers Schwarz, die fowohl in 
der Oper als im Schaufpiel Proben bedeutenden Könnens ablegte. 
Die junge Kitnftlerin, „ein zartes, jungfränliches Wefen, das erjt 
ein “Jahr beim Theater war", fpielte die Beatrice in der „Braut 
von Meſſina“ neben ihrem Vorbilde Sophie Schrüber, die Bertha 
in Grillparzer's „Ahnfrau“, Zertha in der „Schuld”, Joni in 
der „Mohrin” von Ziegler und fang zu ihrem DBenefice den 
„Tancred“ mit Entfaltung ſympathiſcher Stimm:Mittel. Ihr 
Bater mußte neben der Tochter zurücktreten und dankte nur diejer 
äugere Erfolge. Einen Triumph feierte Yulie Schwarz mit der 
Rolle des ftummen Victorin in dem Drama „Der Waife und der 


— 42 — 


Mörder” (nach dem franzöſiſchen von Caſtelli, Muſik von Seyfried) 
als Mimikerin erſten Ranges. Als ſie ſich am 26. Juli mit der 
dritten Repriſe von „Tancredd“ verabſchiedete, ſprach ſie, ſtürmiſch 
gerufen, von der Hoffnung, „bald die Unfrige” zu werden, und 
in der That trat Dem. Schwarz bereitS am 19. October als 
engagirtes Mitglied auf. 

Einige Tage fpäter verzeichnete man ein Debut, deſſen Be— 
deutung damals wohl Wenige ahnten. In der „Oper“ „Dä— 
mona, das Höckerweibchen“ jtellte jid) den Bragern ein jugendlich- 
frisches Talent, Demoiſelle Charlotte Pfeiffer von München, 
vor, und gewann ſich fofort Aller Sympathien. Sie war die 
Tochter des Oberkriegsraths Pfeiffer, eincs alten Carlsſchülers und 
Freundes Schiller, deſſen „Räuber: Manufeript oft in Pfeiffers 
Bette ein fiheres Verjted gefunden hatte. Ymı J. 1800 zu Stuttgart 
geboren, wo ihr Vater damals als Domänenrath wirkte, laufchte 
Charlotte als junges Mädchen mit ftiller Begeifterung den Er- 
zählungen Bapas aus der Earlsjchule; an der Begeifterung für 
Friedrih Schiller entziindete fich der Funke ihrer dramatilchen 
Begabung, als Vorleſerin und ftete Gefelljchafterin des erblindeten 
Vaters fchien fie gleichlam genährt von deijen männlichem Geiſte, 
gereift in jeinen Erfahrungen, nahm die Eindrüde einer gewählten 
Lecture, die Schäße unferer claffifchen Literatur, freudig. in ſich 
auf und ftrebte mächtig darnach, ihre eigene jchöpferiiche Kraft als 
Schriftſtellerin und Künftlerin zu entfalten. Mit feltener Energie 
wußte fie fich die Einwilligung der Familie zu ihrem erften Schritt 
auf der Bühne zu erfämpfen, ven jie am 13. Juni 1813 am 
Harthor-Theater zu München that. König Mar Joſeph I. von 
Baiern hatte ſelbſt intervenirt, um dies reiche Zalent der Bühne 
zuzuführen, und bald jah man Charlotte Pfeiffer, unterftigt von 
einer hohen Geſtalt, einem vollen, ausgiebigen Organ, |prechenden, 
lebhaften Augen und wahr) aft dramatischen Ausdrud, in ju: 
gendlich tragiſchen Rollen glänzen. Im J. 1817 unternahm jie 
eine Kunjtreife, deren vornehnijte und längjte Station Prag war, 
wo jie nicht allein als Ziebhaberin in Luſt- und Trauerjpiel jondern 
auch al3 Sängerin und Soubrette mehre Deonate hindurch reiche 





Erfolge hatte und u. U. den Cherubin und das Donaumeibchen 
zum Entzücken der Prager gab. As man „Dämona“ am 29. 
Detober zu ihren Beneftce aufführte, gab es Beifall in Fülle für die 
junge Künftlerin, und auch das nächjtiährige Benefice („Der politifche 
Zinngießer”, im Juli 1818) brachte herzliche Ovatignen für Dlle. 
Pfeiffer, welcher nach ihrer Rückkehr iu die bairiſche Hauptitadt 
das Fach der tragischen Liebhaberinen und jugendlichen Anftands- 
damen wohl hauptfädhlih mit Rückſicht auf diefe Prager Erfolge 
eingeränmt wurde. Bon welch praftiicher Bedeutung dieje ‘Debu- 
tantin, die nachmalige Bird» Pfeiffer, für das deutſche Bühnen- 
Repertoire geworden, ijt befaunt; ihr Prager Debut war eine der 
eriten Etapen auf ihrer Nuhmesbahn ale Schaufpielerin. 

Sp ſehr dieſe ſtarke Perjonalbewegung das alte Xiebich’iche 
Enfemble veränderte, ein ftattlicher NMeft der alten Garde mar 
noch immer geblieben. Bader, der nunmehr als Oberregifjeur 
fungierte, Bolawsty, Wilhelmi und Löwe waren noch da; 
legterer hatte feine Abjchiedsgedanfen vorläufig aufgegeben und 
erfreute ſich mehr denn je der ungetheilten Sympathien Prags. 
Ten überwältigenden Eindrud, den die geniale Darftellungsmweife 
Löwe's auf Jedermann übte, hat Holtet in, feinen „Vierzig Jahren“ 
lebhaft gefchildert. 

„Ih hatte ſchon Künftler gejehen, einige große fogar, ich hatte gute 
Schauſpieler gefehen, recht viele jogar” — fo fchreibt er — „ich hatte darüber 
gedacht und verglicdyen und meine Theorien an ber PBraris geichliffen, aber 
nichtödeftomeniger hatte ich noch keinen Schaufpieler geſehen, der mir vor 
Augen geftellt hätte, wie ed einen Grad Fünftleriicher Vollkommenheit geben 
fanu, der ſich als reine, natürliche Wahrheit darftellt. Kraft und euer, 
durch weile Beſonnenheit geleitet, hatte ich fihon bewundert, vollfommtene 
Declamation, dem mimiſchen Ausdruck aufs Innigſte verichmolzen, hatte ic) 
Ihon gehört, aber niemald war mir ein Tragiker vorgefommen, der ohne 
aus dem tragiſchen Ton, ohne aus der poetiſchen Haltung zu fallen, doch 
die Saiten der Naivetät, der treuherzigen ‘Derbheit, des jcherzbaften 
Humors angejhlagen, der mich jo gleihlam mit der Naje daraufitieß, dat 
in diejer Art und nur auf diefe Weile manche Schöpfungen Shafespeare's, 
die ich bis dahın unbegreiflicd) gefunden, möglich würden. Es war Jugend— 
friiche .in dDiefem Mann, inneres und äußeres Leben, Dingebuug der edelften 
Kräfte, Gluth und Begeiſterung. ES gibt wenig reine Freude auf Erben, 
wenig irdiſche Genüſſe lafien ung die unverfümmerte Seligkeit eines durch 


— 1 — 


das Leben dauernden Andenkens nad). Diefe Seligleit der Erinmmerung 
danke ih den Wochen, die Löwe (1821 al? Gaft and Prag) in Breslau 
zubrachte. ... .” 

Grillparzer's „Ahnfrau“ hatte Löwe eine neue Glanzrolle, den 
Jaromir, gebracht, den Prag zuerft bewunderte. Auch Gerjtel und 
Allram waren geblieben, und mit Feiltmantel war Schmelka's 
Fach glüdlich wiederbefegt worden. Von den Damen waren außer 
der Directrice von der alten Garde noch Therefe Brunetti vor: 
handen, welche unentwegt muntere Mädchen und junge Frauen fpielte 
und noch immer durch den äußeren Neiz der Erfcheinung, fowie 
durch Grazie und Humor ihrer Darjtellung feſſelte; mitunter 
hielten ſich allerdings „Pedanten“ dariiber auf, daß eine Mutter 
von elf Kindern noch immer im jugendlichen Fache ihre Triumphe 
ſuche. Eine „Marie Beaumarchais“ mit 11 Kindern — gewiß 
eine Specialität der Prager Bühne! Mad. Francisca Sontag 
war troß ihrer glüdlihen Dehut8S am Theater au der Wien 
der Prager Bühne treu geblieben und hatte ſich mit der Beit 
den Beſten der alten Garde angereiht. „Mad. Sontag" — 
fchried man nun — „it ftetS eine angenehme Erſcheinung auf 
der Bühne, denn ihre ſceniſchen Gebilde treten al3 reine Refultate 
eines bedeutenden Kunffvermögens hervor. Sie hat die glüdliche 
Art, womit Mad. Weißenthurn in Wien in ihrer Blüthezeit Lieb— 
haberinen fpielte.” Ihr Sohn Carl Sontag, der ſpäter unter den 
eriten Kinftlern Deutſchlands glänzen follte, wie ihre Tochter 
Henriette, die „veutjche Nachtigall”, alle Welt entzitdte, hat fich 
angelegentlihd bemüht, über die wahre künſtleriſche Bedeutung 
feiner Mutter in den Kahren ihres Prager Engagements zuver: 
läſſige Aufichlüjfe zu erhalten, wohl um manche ungenaue und 
ungünftige Angabe über” ihre darjtelleriichen Leiftungen in Prag 
zu widerlegen und zu corrigiren. | 

„Im jüngeren Fach“ — fchreibt der Sohn Earl von feiner Mutter*) 
— „muß fie eine vortrefflidhe Künftlerin gewejen fein, dem, wenn ſie als 


*) ‚Vom Nahtwächter zum türkiſchen KRaifer”, Bühnen: 
erlebniffe aus dem Tagebuche eines Unintereſſanten. Bon Sarl Sontag. 
4. unveränd. Auflage. Hannover. Helwing’iche Buchhandlung. 











fiebzigjährige Fran irgend einer jungen Dame, für deren Talent fie ſich 
intereffirte, Rollen vorlas, wie Thekla, Desdemona, Maria Stuart, fo Hatte 
fte cine Innigleit der Empfindung und zugleicd edle Einfachheit inı Ton, 
wie ich dieje Eigenfchaften faum bei einer jungen Schaujpielerin gefunden. 
Als das Theater in Prag unter Liebich eines der erjten und berühmteften 
Deutſchlands war, jpielte fie neun Jahre hindurch neben den bebeu- 
tendften Künſtlern, an der Seite eines Ludwig Löwe, Wilhelmt, Bayer, 
Polawsky, eines Liebich das Fach der eriten Heldinen und Liebhaberinen. 
Löwe Ichrieb mir einſt auf meine Anfrage über die frühere Keiftungsfähigkeit 
meiner Mutter folgende mid beglüdende Zeilen: „Deine Mutter konnte 
mit Zug und Recht eine der erften Echanfpielerinen in Deutichland genannt 
werden; denn eine Künftlerin, die zu gleicher Zeit mit den Sternen erfter 
Größe mwetteiferte, hat doch wohl hohe Rechte in den Annalen dentſcher 
Kunſt einen Kranz zu tragen. Sophie Schröder, Julie Löwe, Sophie Müller, 
Stid-Erelinger leifteten in ihrem Fach nicht mehr ald Deine Mutter. Ich 
babe von ihr Rollen gejehen, die mir unvergeßlich find, und die ich nie— 
mals jo wiederſah. Ihre Schöne Geftalt, ihre ansdrucksvolle Mimik, ihr 
weiches, Hangvolled Organ, ihre Wahrheit und Lebensfriſche und ihr echt 
fünftleriicheg Studium machten fie unbedingt zu einer jeltenen Bühnen- 
eriheinung; dazu fam nun nod, was ber Verftand nicht hervorbringt, mag 
nicht geichaffen werben fann, was von der Natur gegeben fein muß — die 
jüße Regung der Seele, Gefühl! Darum war fie au in allen Rollen, die 
eben Gefühl bedingen, unnachahmlich. Ich erinnere mich, daß der damalige 
Director bed Prager Theaters, Carl Liebich, dr größte Schaufpieler, ben 
ich geſehen (und ich ſah Iffland, Ludwig Schröder, Ludwig Devrient und 
Seydelmann), Deiner Mutter nad der Maria Stuart einen Kranz reichte 
und erklärte, fie fei die Erfte, die ihn in diefer Rolle volllommen befriedigt 
hätte. Kurz, der Ruhm Deiner Mutter war ein bewährter, gerechter, und 
zu ihrer Zeit war es nicht fo leicht wie jeßt, durch Schleichwege vierfpännig 
zu fahren.” 

Die Kräfte, welche wir hier vereint jehen, durch einige Neue 
von mehr oder minder achtbarer Qualität ergänzt, Tießen die 
Prager Bühnenleitung nod immer Gutes wagen, wenn jie es 
überhaupt wagen wollte und Gediegenes zu bieten verftand. 
Der Mangel einer jelbftändigen, von künſtleriſchem Geiſte 
geleiteten Direction übte aber gerade hier jeinen lähmenden 
Einfluß, und ließ einen innigen Zufammenhang mit der drama: 
tiichen Dichtung der Zeit, ein von höheren als Caſſa-Geſichts— 
punkten entworfenes Repertoire nicht leicht zu Stande kommen. 
Ebenſowenig wir in der Darftcllung eine einheitliche jchaufpiele- 


— 16 — 


riihe Schule ausgeprägt finden, ebenſowenig fehen wir in der 
Auswahl der dramatiichen PVroductionen eine höhere, beftimmte 
Zendenz hervortreten. Man verjchloß Sich nicht den Werfen der 
Claſſiker, verjchloß aber ebenjomwenig ihrem bunten Gefolge und 
nod weniger den Auswüchſen der dramatischen Dichtlunft vie 
Pforten des Prager Theaters. Die ganze Schaar der Ritter- und 
NRäuber-Dramen, welche Goethes „Götz“ und Schiller’s „Räuber 
in's Dafein gerufen hatten, die ganze Fluth der Schidlals-Tragd: 
dien, welche in Schiller's „Wallenjtein” gewiljermaßen ihren Aus» 
gangspunkt Fanden und demjelben wenigitens an Bühnenerfolg nach- 
jtrebten, die vielfachen und ungleichwerthigen Producte der roman: 
tischen Schule endlich, fie fanden auf der Prager Bühne fast 
durchwegs Eingang. Das Versdrama, von der nad) Natürlichkeit 
und Einfachheit jtrebenden älteren Schauſpielſchule oft in über: 
triebenem Natürlichleitsprange perhorrescirt, jehen wir nun von 
unberufenen Boeten unverantwortlic mißbraucht, von mittelmäßigen 
Schaufpielern verunftaltet; es wechjelte mit den dem Zeitgeſchmacke 
fröhnenden Luſtſpielen Kotzebues und mit der platten Wiener 
2ocaipoffe, der trivialen Parodie, und mit Freude begrüßte der 
- Kunjtfreund die wenigen Lichtblide, welche Gaſtſpielen bedeutender 
Kunjtlräfte oder dem Fünftlerifchen Drängen einzelner hervorra- 
gender heimifcher Künftler zu danken waren. Solche Lichtblicke 
waren die erjten Aufführungen von „Donna Diana” (Jäner 1817) 
und Goethes „Fauft” (30. Nov. 1817), den das Landespräfidium 
„niit genaner Einhaltung des in Wien bearbeiteten Textes zur 
zwölfinaligen Aufführung” bewilligte. Bayer war der erfte Yauft.*) 
Die Aufführung von Grillparzer's „Ahnfrau“ war vor allem 
durd) Löwe's „Jaromir“ ausgezeichet. Als man (1818) „Taſſo“ 
und „Zell” dem normalen Repertoire einfigte, ließ die Theater— 
aufjichtscommiffion Bedenken laut werden, „ob man auch dem 
Versmaße werde gerecht werden können“ — ein Beichen zunehmen- 
der künſtleriſcher Verwilderung, jo bald nach der Aera Fünftlerifcher 
Veredelung unter dem unvergeßlichen Liebih! Wenn wir aber 


—- — — — — 


*) Die erſte Repriſe des „Fauſt“ fand am 7. Dec., die zweite am 14., 
die dritte am 22. Dec. ftatt. 





— 17 — 


Mufter-Borjtelungen von Goethe's „Clavigo" mit Polawsky in 
der Titelrolle, Bayer (Beaumardhais), Wilhelm (Carlos), Mad. 
Brimetti (Marie), von „Egmont“ (October 1818) mit Xöme 
in der Titelrolle, von „Miuna von Barnhelm“ mit Bayer (Zeil: 
heim), Wilhelm (Wachtmeifter), Polawsky (Riccaut), Mad. Bru— 
nett (Minna) und Allram (Francisca), von den „Räubern“ 
mit Löwe (Carl), Wilhelm (Franz), Bayer (Schweizer), Gerjtel 
(Spiegelberg), Mad. Sontag (Amalie), Seewald (alter Moor) 
und Rollberg, einem neu engagirten, vieljeitig verwendbaren Schau: 
jpteler, als Hermann verzeichnet finden, fo drängt fi) uns doch 
die Ueberzeugung auf, daß diefe DVerwilderung — mochte fie 
jih auch bei manden Darftellen im Verfe-Sprechen bemerkbar 
machen — feine allgemeine war, daß. ihr von dem rechten Manne 
noch wirkjam begegnet werden konnte. Solange das Frauenregiment 
und damit eine Art Republicanismus im Perfonal Herrfchte, mußte 
man diejem Perſonal allerdings die Beitimmung des Schidjals 
der ganzen Bühne überlafien. Das Unmwefen der Benefice, das 
mit der gleichzeitigen Vermehrung der Vorjtelluugen außer Abon— 
‚ nement über die contractlic) fejtgejegte Zahl hinaus das ganze Re— 
pertoire über den Haufen warf, ftand in vollfter Blüthe. Das Re— 
pertotre nahm eine jämmerliche Geftalt an, und die Theaterauflichts- 
commillion, welche es ohnehin mit der Cenfur genau nahm und 
im Einverjtändnig mit dem LZandespräftdium felbft das Erucifir 
in der Oper „die Brautnacht im Norden” als „anſtößig“ von der 
Bühne verbannte, hatte num zu ftreichen und zu verbieten in Hülle 
und Fülle. Das Effect: und Spectafelftüc ſowie die Wiener Local: 
pofje, welche um diefe Zeit in der Kaiferjtadt im Leopoloftädter 
Theater mit Ignaz Schuiter, Korntheuer und der Therefe Krones 
Triumphe feierte, drohten die Prager Bühne allmälig ausjchließlich 
in Beichlag zu nehmen. Die Regel im Repertoire bildeten trijte 
Poſſen von der Sorte „Evafathel und Prinz Schnudi“ — ein 
Machwerk, das in Prag überdies zu einem offenen Theaterjcandal 
führte. Der Schaufpieler Gerſtel hatte darauf bejtanden, daß 
Wilhelmi in diefem feinem Benefiz-Stüd eine Heine Rolle über- 
nehme. Wilhelmi that es, vejufirte aber am Tage der Aufführung 
2 





— 18 — 


wegen eines ernſten Krankheitsfalls in ſeiner Familie. Am Abende 
drohte nun Gerſtel, mit keinem Andern als Wilhelmi zu ſpielen; 
der Anfang der Vorſtellung verzögerte ſich eine halbe Stunde, das 
Publicum gerieth in drohende Bewegung. Die Folge war, daß 
der Directrice Mad. Liebich ſchon wegen der Aufführung eines ſo 
erbärmlichen Productes mit einer Geldſtrafe gedroht wurde. Stücke, 
wie „das erwachte Gewiſſen“, das nach Anſicht der Theater-Auf— 
ſichtscommiſſion „in jeder Hinſicht gräßlich“ war, wie die „Teufels— 
höhle im Blutwalde", das dem guten Geſchmack geradezu ins 
Geſicht jchlug, wie „Rinaldo Rinaldini" oder wie „Wlajta und 
Scharka“, das als „eine wahre Verunzierung, als eine Sammlung 
von rohen Späſſen“ bezeichnet wurde, „welche wahrjcheinlich vom 
Publicum lärmend applaudirt werden möchten", wurden gar nicht 
mehr zugelajjen ; was nicht verhinderte, daß man eine neue wahrhaft 
mörderifche Komödie, „Die Schredensnadht auf dem Schlofje 
PBalnzzi” mit dem größten Aufwand an Decorationspradht gab. 
Den vielen, dies Treiben ſcharf verurtheilenden Stimmen gegen- 
iiber gab eine wohlwollende Kritik zu bedenken: daß die Direction, 
wenn die Caſſen „bei dei fanfteren Tönen dramatiicher Sünger 
wie Leiling, Goethe und Schiller Teer bleiben, naturgemäß zu 
dem Graufen und Schreden ihre Zuflucht nehmen und fie durch 
Aechzen, Todesröcheln und Schmerzenstüne aller Art wieder zu 
füllen fuchen mitffe”. Und „die Schredensnacht" kehrte noch oft 
wieder! Auch der „graue Mann", ein „mixtum compositum 
von edlen und jchlechten Nittern, mit einigen Xiebeshändeln, böfen 
Burgvdgten und Heinen Kindern" fand Eingang in Prag. Selbft 
Mitglieder, deren Wirfungsfreis in der reineren Sphäre des 
Dramas lag, griffen zu Benefiz-Stücken ähnlichen Kalibers. So 
wählte Mad. Brunetti den „traveftirten Aeneas“, worin Feiſt— 
mantel mit feinem Couplet „Es ift Alles cins, ob wir Geld haben 
oder kein's“ Seine Triumphe feierte. Die Commifion fuchte nun 
beim Landespräſidium um die Befugniß an, ſolche Stüde zurück— 
weilen zu dürfen, ohne fie erft zur Cenfur vorzulegen und damit 
hohen Orts zu behelligen. Die Unzufriedenheit des Publicums 
nahm derart überhand, daß jogar beliebte Mitglieder nicht mehr 








— 19 — 


vor Inſulten ficher waren. Ein eigener Erlaß der Commiſſion 
Ihärfte den Schaufpielern beſſeres Memoriren ein, unterjagte aber 
auch das Ziſchen im Theater. Da man jchon die Schröder und 
Brede duch Ziſchen weggetrieben habe, möge man jetzt nicht aud) 
noch die „größte Sängerin Deutſchlands“, Mad. Grünbaum, weg- 
treiben. 

Sm der Oper hatten Verhältniife Pla gegriffen, die jenen 
des Schaufpiels in feiner Hinficht vorzuziehen waren. Alles 
wollte befehlen, Niemand gehorchen. Nah C. M. v. Weber’s 
Abgange war fein eigentlicher „Operndirector" mit großem Macht: 
bereiche eingetreten; man hatte nur einen Capellmeijter, und zwar 
ftatt des von Weber vorgeichlagenen Methſeſſel in Rudolſtadt 
den GBapellmeifter Triebenfee aus Brünn engagirt, einen 
gründlich gebildeten Muſiker, der namentlich als Lehrer des feiner 
Leitung unterjtellten Perſonals mit Erfolg wirkte und auch auf 
dem Gebiete der Opern-Compofition mit Ehren debutirte, ohne 
ji) allerdings durch jelbjtändige Begabung allgemeinere Beachtung 
zu erwerben. Neben Zriebenfee follte der Tenor Grünbaum 
als „Inſpicient“ oder Kegiffeur der Oper fungiren. Dies führte 
fofort zu einem Conflict mit Bayer, der ſich dadurch in feinem 
Regimente beeinträchtigt fühlte uud aud) die Leitung der Oper in 
feine Hände befommen wollte. Der Conflict wurde zu Gunften 
Grünbaums beigelegt, doch waren damit anf die Dauer feines- 
wegs klarere Verhältniſſe gejchaffen. Die Perle des Berjonals 
war Mad. Grünbauın geblieben, der ihr Gatte und Stöger 
als Tenore afliftirten. Ju Mad. Czejka befaß die Oper eine 
muficaliiche Stüge und eine recht tüchtige Altiftin. Als Thereſe 
Grünbaum Ende 1817 dem Rufe nad) Wien folgte, fürchtete man . 
die Auflöfung der Prager Oper; aber eine gediegene Prima- 
donna, Mad. Beder geb. Ambrofch, trat an ihre Stelle und 
erwarb jich nicht nur im dramatifchen, jondern aud im Coloratur- 
jache den Auf einer ganzen Künftlerin. Als „Königin der Nacht" 
entzücte fie derart, daß man ſie der unvergejjenen Meifterin 
Campi gleichitellte. In allen Concerten von Fünftlerifcher Bedeutung 


finden wir Mad. Beder als Trägerin der Glanznummern des 
. 98 


— 20 — 


Programms ; den jugendlidjere. Sefangstalenten Prags war fie 
Vorbild, zum Theil auch Lehrerin“ Wr der Seite der Beder wirkte 
Dad. Strauß, deren Sophie in Kargines" und Marie in 
„Blaubart" befonders gerühmt wurden. Zugagrdliche uud Soubretten- 
Partien jangen Die. Amberg und Mad. ANram, als Baſſiſten 
waren Kainz, Zeltner und Lanius (man Y,rühmte” diejem 
Sänger eine „recht angenehme Höhe, geprefte Drilgellage, ſchwache 
Tiefe, ein mächtiges Embonpoint und große Schwerfälggigfeit" nach) 
zur Verfügung, und vont Schaujpiel halfen „ver in 
herumvagirende Rollberg“, deſſen eigentliches Fach valiers 
und Bonvivant3 waren, und andere mit etwas Stimme 
Mitglieder willig in der Oper ans. 

Bei einer energijchen, jelbitändigen und zielbemwußten Ope 
leitung wären vielleicht auch mit diefen Gejangskräften Thaten Yu 
vollbringen geweſen; da aber ſolche Vorbedingungen fehlten, 
jriftete die Oper unter Mad. Liebich ein beſcheidenes Daſein) 
Einige Nenigkeiten wie „Tancred“ Tchrten unzählige Male wieder, 
jo dag man im Publicum dringende Bitten an die Pirection 
richtete, inmezuhalten mit dem graufamen Spiel. Außerdem finden 
wir Aufführungen von Iſouard's „Aſchenbrödel“, Gretry's „Blau— 
bart“ (mit Lanius in der Titelrolle), „Eliſabeth von England“ 
von Roſſini (mit den Damen Beder und Strauß als Elijabeth 
und Mathilde, den Herren Kainz und Stöger als Norfolt und 
Leicefter), Paër's „Sargines" vegiftrirt; das noch frifche Andenken 
C. M. v. Webers chrte man durch Aufführung der „Sylvana”, 
die mit entjchtedenem Erfolg in Scene ging. Mozart's Opern 
bildeten auch in diefer Periode noch den gefunden Fern des 
Nepertoires, doch mochten Vergleiche mit der glänzenden Bergangen- 
heit nicht eben freudig jtimmen. So äußert jich ein Prager Bericht: 
erftatter der Bäuerle'ſchen „Theater-Ztg.“ — wohl mit jtarfer 
Hebertreibung — über eine „Don Juan“-Vorſtellung: 

„Wenn man davon abftrahiren will, daß unſer Don Inan feit etwa 
zwanzig Sahren und unfere Elvira mindeftend fünfzig Jahre über die 
Zeit der Liebe und des Verliebtſeins hinaus find, wenn man es überlieht, 


daß unfer Mafetto ftatt gewandt, verliebt und eiferſüchtig — linkiſch, kalt 
und etwas mafliv, und unfere heutige Berline ftatt naiv und herzlich ein 















— 21 — 


wenig geſchraubt und geziert iſt, wenn man es nicht bemerkt, daß dem liebe⸗ 
glühenden, edelmüthigen Ottavio Feuer und Gefühl und jede Empfindung 
fehlt und der Gouverneur, während er fpindelbürr zu Pferde ſitzt, in höchſt 
anfehnlicher Corpulenz vor ung hintritt, jo kann man mit der muficalifchen 
Ausführung der Oper ziemlich zufrieden fein.“ 

Sm Mai 1818 kam Conradin Kreuger, damals fürftl. 
Fürſtenberg'ſcher Capellmeifter, nach Prag, um der erften Auffüb- 
rung feiner Oper „Orejtes" (am 12. Mai) beizumohnen und fich 
bei diefer Gelegenheit auch als Virtuoſe anf einem damals neuen 
nftrumente, dem „Panmelodion”, zu produciren. Man rühmte 
diefem von Niffel in Kopenhagen erfundenen Zaftinftrumente nach, 
daß es in fich den Flöten-, Clarinette-, Waldhorn-, Harmonica- 
und Orgelton vereikige, reine und fchinelzende Töne und namentlic) 
das Anſchwellen der Accorde reizend hervorbringe. Kreutzer's Concert 
und Oper fielen gut aus, die Brager brachten dem fpäteren Com: 
ponijten des „Nachtlager in Granada” ihre ganzen Sympathien 
entgegen. Am 5. September 1818 producirte ſich im ftändijchen 
Theater Angelicg Catalani und wurde mit allen Ehren 
empfangen, die einer Kinftlerin ihres Nanges gebührten. Man 
fand die hHöchjten Erwartungen übertroffen; mit dem Vortrage 
von Paër's „la placida campagna“ fowie mit ihren Variationen 
über die Arie „Das Klingt jo herrlich" aus der „Zauberflöte“ 
und „God save Francis our king“, in denen ſich ihre ganze Virtuo— 
fität glänzend documentirte, riß fie ale Hörer zur Bewunderung hin. 
Bei ihrer „Akademie“ am 17. Sept. vertheilte man ein Huldigungs- 
gedicht im Haufe, das mit folgenden begeijterten Verſen fchloß: 

„Dank, Italia, Dir, die und die Holde geboren. 

Und an fangreicher Bruft freundlich ald Mutter erzog! 
Dank, Angelica, Dir, Du kamſt aus blühenber Ferne 

Und auch der Böhmen Stadt haft Du mit Wonne bejeelt!“ 

Solche Kunftproductionen hoben ſich recht effectvoll von dem 
trüben Einerlei des normalen Repertoire ab, in welchem auch 
Wiener Bofjen mit Gejang als „Opern“ figuriven mußten. „Man 
gab die Oper „Das Roſenmädchen“ — Heißt es in einem 
Schreiben aus Prag über die Opernereignifje zu Ende 1818 — 
„das Haus war mäßig gefüllt. Ucherhaupt erjcheinen die Eonver- 


Da er 


— VOgPCE ⏑⏑ — mn en - “ - 


— 22 — 


ſationsopern ſchlecht beſucht zu ſein und werden deshalb meiſtens 
große ernſte Opern im italieniſchen Style gegeben. Es werden 
wohl auch die Teufelsmühle, Pumpernickel, Evakathel und Schnudi, 
Fauſt's Mantel u. ſ. w. einige Male bei vollem Hauſe gegeben, 
nachher von Zeit zu Zeit eingeworfen und als Aushilfsopern 
benützt, allein ſelbſt der Ausführung dieſer Opern ſtehen mehre 
Schwierigkeiten im Wege: erſtens werden dergleichen Sujets ſelten 
von der Behörde zur Aufführung zugelaſſen; zweitens verſteht 
weder das Opern- noch Schauſpielperſonal zu localiſiren, und 
endlich iſt die innere Beſchaffenheit der Bühne keineswegs geeignet, 
eine Zauberoper mit einigem Flugwerk aufzuführen. . . ." 


Das Publicum empfand dies Unvermögen im Kleinen wie 
im Großen lebhaft, und der Ruf nad) einer durchgreifenden 
Reform wurde allgemein. Rüge auf Nüge regnete es auch von 
Seite der Theater-Aufficht3:Behörde auf Madame Liebich herab, 
als ſich die Theatermifere nicht befjern wollte, ja man erwog 
bereits ernftlich, ob man nicht der Directrice das Deeret ent: 
ziehen und das Theater fperren jollte. Ein Recht dazu war 
vorhanden, denn die Verpflichtung, fich einen Mitdirector oder 
Dberregifjeur an die Seite zu jtellen, hatte Madame noch immer 
nicht erfüllt. Schon machten die beiten Kräfte Miene, das finkende 
Wrad zu verlajfen. Bayer, der Anfangs 1818 in Wien gaftirte,*) 
war nur mit Mühe zu feileln; doch hielt er es für nothwendig, 
in einem eigenen Promemoria an die Theaterauffichtscommijfion 
den dejolaten Zuftand des Prager Theaters darzulegen, und alle 


*) Bayer war am Burgtheater in jeh3 Saftrollen, ald Theſeus in 
„Phädra”, Odoardo Salotti, Hauptmann Klinker im „Epigramm“, Sivers 
im „Better aus Liffabon“ und zwermal als Wallenftein aufgetreten und 
hatte denjelben Beifall gefunden wie in Brag. „Daß Herr B. in jo diver- 
girenden Charakteren mit Erfolg ſpielt“ — ſagte eines ber beften kritiſchen 
Blätter Wiens — „ſpricht für fein Talent und feine Darftellungsgabe. Der 
Heros des Alterthums wie jener des Mittelalters, der zärtliche wie ber 
unbeugſam ftrenae Vater fand in ihm den würdigen Repräfentanten Was 
Herr B. geworden, dankt er nicht der Routine, jondern dem Selbjtitudium 
und großen Muftern, die er künſtleriſch in jeine Darftellung aufzunehmen 
verſteht.“ 





3 — 


Schuld, die man etwa auf ihn, den Regiffeur des Schaufpiels, 
gejchoben, von feinen Schultern abzuwälzen. Bayer war ein 
vernünftiger Mann und erfaßte die Situation jehr Far, wenn 
er auch mit unvermeidlicher Selbitliebe feine eigene, etwas ſa⸗ 
loppe Regie zu ftarf' außer Betracht Tief. Nicht mit Unrecht 
machte er zur Entichuldigung der Gebrechen geltend, daß der 
berrichende Mißſtand den Pragern bei weiten weniger grell vor- 
fommen würde, wenn jie nicht eine Xiebich’jche Aera durchlebt 
hätten. In der That, der Kunſtſtandpunkt, den man einer durch) 
Genie und Glüd gegründeten Liebich’schen Kunftanftalt gegenüber 
eingenommen, ließ jich nicht ewig beibehalten. Die Kriegszeiten 
waren vorüber, vertriebene Souveräne kehrten in ihre Staaten 
zurüd, die Pforten der Hoftheater öffneten ich wieder, e8 begann 
eine allgemeine Concurrenz, und mit den Gagen, die von reich 
jubventionirten Hofbühnen geboten wurden, konnte unter dem 
Drude des finanziellen Elends eine djterreichiiche Provinzbühne 
jelbft vom Range der Prager nicht immer concurriren. Kein 
Wunder, wenn ſich die nach der Schröder und Brede nod) vor: 
bandenen Kunftfräfte erjten Ranges großentheild verloren und 
faum ſechs Künjtler und Künftlerinen von Bedeutung in Prag 
zurüchlieben. Unbejegt oder unzulänglich bejeßt waren Mitte 1818 
das Fach der hochlomifch-chargirten Väter (nad) Liebich), das für 
Naive (nad) der Brandt), für erite Tenorpartien (nach Grünbaum's 
Abgange 1818) u. |. w. Mittelmäßigfeiten waren zahlreich vor: 
handen. Brauchbare Kräfte mußten in alle Fächer geftellt werden, 
da die anderen nicht genügten, jo daß der alte Stamm beinahe 
täglich auf der Scene ſtand. Maſchinen und Decorationen waren 
unter aller Kritil, bei allen Nationen und unter allen Himmels» 
jtrichen jah man diefelben Zimmer und Säle. Manches Stüd 
fiel nur darum duch, weil — wie oben bereit angedeutet — 
die Mujchinerien Häglich mißlangen und peinlicye Heiterkeit erregten, 
Ueber dem bunten Treiben der Effect: und Spectafelftüde, in denen 
man allen möglichen Theaterflitter in's Treffen führte, ohne jedod), 
wie man es wenigſtens heutzutage thut, durch Decorationzkunft- 
werfe zu blenden, vernachläfiigte man die Coſtüme fir dos edle 


— 24 — 


Schauſpiel; man wagte ſich zwar an „Fauſt“ nuud „Tell“ heran, 
aber oft genug verlegte das abgeriſſene Coſtüme der Nebenrollen 
und Statijten die Würde der Scene und gab dem Ganzen den 
Anſtrich von pofjenhafter Armfeligkeit. Die Comparferie war bei 
dem völligen Mangel an Hausjtatiften total desorganilirt. Die 
Direction aber erklärte jeder Mahnung gegenüber, allen Aufwand 
ſcheuen und ſich aufs Aeußerſte einjschränfen zu müſſen. Dabei 
wuchlen täglich die Anforderungen. Schaufpieler und Bublicum 
fahen ſich gegenfeitig auf eine Stufe herabgefeßt, die weder der 
fünftlerifchen Beftimmung des erjteren noch den Ansprüchen des 
legteren angemeljjen war. Es war, wie Bayer bemerkte, nur mehr 
die Rede davon, daß die Sadje ginge und nicht wie fie ginge. 
Die Directionscaffe fpeculirte einzig und allein mit dem Wiener 
Rocalftüd; man fröhnte der Gemeinheit des Publicums und gerieth 
völlig aus den glänzenden Bahnen, die ehedem die Kunſt in Prag 
gewandelt. Bayer erflärte jich außer Stande, als Regiſſeur unter 
folchen Umftänden Beſſerung zu jchaffen. Da mochte er nicht ganz 
Unrecht haben, aber ein wenig verlegte Eitelkeit war vielleicht bei 
diefem „Unvermögen” doch im Spiel. Bayer wollte Mitdirector 
werden, und wurde es nicht — ans welchem runde immer, viel- 
leicht in Yolge pecuniären Unvermögens. Das war natürlich nicht 
jo leicht zu verwinden. 

Madame Liebicd) Hatte fich nänilich ihrer Pflicht, einen männ- 
lichen Beiftand im Directionswefen zu beichaffen, eruftlich erinnert. 
Mehr als ein Jahr ihrer Directionsführung war vorüber, und 
noch immer war man aus dem Proviforium nicht heraus. Da 
brachte Madame den Director Carl Karl des Tönigl. batrischen 
Hoftheaters am Yarthore als Meitdirector in Vorſchlag. Carl 
Karl, aus der Öfterreichifchen Familie von Bernbrunn ftammend, 
hatte ſich als Komiker einen hohen Ruf erworben, den jelbft feine 
ſchwachen Leiftungen als Held nicht zu erjchüttern vermochten. 
Seine Glanzrolle, den Paraplnie-Macher Staberl, hatte er zwar 
mit Schufter in Wien gemein, doch wich jeine Auffaffung von der 
Ichlichten natürlichen Weiſe Schufter’s ſtark ab. Karl machte ihn 
zum Hanswurſt und brachte ihn in ein Dienjtverhältniß zu einem 








reihen Sohne Albions, als lebendige Ironie von deſſen Spleen. 
Karl fpeculirte ftets auf den Beifall des Publicums, dem er jehr 
geſchickt zu fchmeicheln wußte, und wie gut er mit diefer Spe- 
culation fuhr, beweift der Umstand, daß das von ihm geleitete 
kgl. Hoftheater am Iſarthor bald das eigentliche Hoftheater in 
Münden überflügelte. Die Prager hatten Gelegenheit gehabt, 
Karl als „Staberl” zu bewundern, er hatte in Prag das Terrain 
jendirt, vor den höchiten Savalieren feine Anſichten über Kunſt 
und fpeciell über die Hebung der Prager Bühne entwicelt und 
Beifall gefunden. Die Stände waren deshalb vollkommen einver- 
itanden, al ihnen Mad. Liebich das Geſuch Karl’s zur Berück— 
jihtigung anempfahl, und gingen auf faft jämmtliche Punkte des 
von ihm eingejandten Contractsentwurfs ein, obwohl er große 
Dinge forderte. Er wollte Deitunternehmer, aber alleiniger Director 
jein, wodurch der Einfluß von Madame auf ein Minimum redu- 
ciet werden jollte. Die Abonnements suspendus jollten von 24 
auf 52 erhöht werden u. |. w. Die Unterhandlungen waren bereits 
dem Abſchluß nahe, und auf den 1. October 1818 das Eintreffen 
Karls beitimmt, als jtatt feiner ein wehmithiger Brief aus 
München eintraf. Karl hatte im Eifer darauf vergeflen, daß ihn 
ein lebenslänglicher Contract an München band, fein Geſuch um 
Löſung desjelben wurde abgejchlagen, das Prager Project war 
zu Wafler geworden. „Seien Sie mir nicht böfe, liebe Liebich,“ 
ihrieb er, „ich verdiene e8 bei Gott nicht um Ste! Ich umarme 
Sie und den guten Stöger millionenmal! ....“ 

Madame jtand nun wieder allein, und der alte Schlendrian 
nahm aufs Neue feinen Lauf. Im einer „Präſidial-Erinnerung“ 
an .die Aufſichtscommiſſion vom 5. Det. 1818 erfährt der damalige 
Stand der Prager Bühne folgende ehrenvolle Schilderung: „Die 
Prager Schanbühne ijt dermal in dem Maße in Verfall gerathen, 
daß ſich nad einer vom Landespräſidinm mitgetheilten Cingabe 
der Stadthauptmannfchaft nicht nur das gegründete Mißfallen 
des Publicums über die fchlechte Wahl und Darftellung der Schau: 
jpieler laut ausjpricht, jondern daß fie auch zu Beforgnifjen in 
Polizeihinſicht Anlaß gibt. Da die Theaterunternehmerin Liebich 





— 26 — 


den Bedingungen und Forderungen, unter denen ihr die Entre— 
priſe überlaſſen wurde, in feiner Weiſe entſpricht und bei dem 
desorganiſirten Zuſtande des Theaterweſens der von den Ständen 
beabſichtigte, mit bedeutenden Opfern verbundene Zweck der Empor—⸗ 
bringung der Bühne vereitelt wird, ſo kann wohl ferner dieſem 
Unfuge nicht ſtattgegeben werden. Die Theateraufſichtscommiſſion 
wird aufgefordert, vorzuſchlagen, welche Einleitungen in Abſicht 
auf das ſtändiſche Theater zu treffen wären, um dasſelbe vor dem 
gänzlichen Verfalle zu retten . . ." 

Theaterjcandale waren an ber Tagesordnung. Bei einer 
Borftellung des militäriihen Schaufpiel3 „Der Marſchall von 
Sachſen“ im Sept. 1818 riß gleich im erſten Acte der Schau: 
jpieler Ziegler als „Chevalier von St. Cyr“ durch unmögliche 
Geſten und Pofituren zum Murren und Zijchen hin, bis ihn der 
Inſpicient Allram als unwohl entjchuldigte.e Der Theaterarzt 
conftatirte freilich, daß Ziegler wegen hochgradiger Truukenheit 
nicht gerade ſtehen könne. Während des 2. und 3. Actes gerieth 
Biegler hinter den Conlijfen mit dem Collegen Gerftel in einen 
zu Thätlichfeiten ausartenden Streit, fo daß Gerſtel bei feinem 
zornigen Temperament die Kolit befam und nicht mehr auf der 
Bühne erfcheinen konnte. Ziegler aber wurde von einem fo 
heftigen Zittern befallen, daß er fortwährend unterjtiigt werden 
und den größten Theil feines Partes weglafjen mußte. Es war 
ein Glüd, daß das Publicum durch die Militärfcenen und die 
dabei auftretenden Iebenden Pferde entichädigt wurde, ſonſt hätte der 
Scandal große Dimenfionen angenommen. Das Caſſetti'ſche Stüd 
„Die zwei zänfischen Brüder“ wurde fo elend gejpielt, daß während 
des 3. Actes unter allgemeinem Poltern, Ziſchen und Lachen fein 
Wort der Darjteller mehr gehört wurde und die Gardine fallen 
mußte. Man Elagte ebenfo über die Wahl der Stüde als über 
die neuengagirten Schaufpieler, welche faſt durchgehende Fiasco 
machten und ſelbſt beliebte Stüde ruinirten. Auch hielt man jich 
vielfach ilber ven Einfluß auf, den Madame Liebich ihrem Günftling 
Stöger einräumte, obwohl derjelbe damals — jo wurde wenigftens 
behauptet — zu Allem mehr als zum Xheatergefchäfte taugte. 





— 27 — 


Man fand, daß ſelbſt die Ueberwachung durch die Aufſichtscom— 
miflion für Madame zu wenig bedeute und fchlug vor, ihr zur 
Direetionsführung eine jtrenge Commiffion beizugeben. Zudem 
hatten jich die financiellen Calamitäten der Directrice ungeheuer 
gehäuft, eine Kataftrophe jchien im Anzuge. Das Frauenregiment 
hatte jeine Probe kläglich beitanden, und der contractlich vor: 
gejchriebene Mitdirector Tieß nach dem mißglüdten Karl'ſchen 
Projecte neuerdings anf ſich warten. Karl hatte den durch feine 
Dper „Athalia” bekannten fpäteren Jutendanten des Münchener 
Hoftheaters Freih. v. Poißl vorgejchlagen, der aber feine Miene 
machte zu fommen, und dem von einigen Gavalieren der Auf— 
ſichtscommiſſion protegirten Divectionscaudidaten Kämmerer Cajetan 
Freih. v. Hruſchowsky fehlte nichts als zwei nicht ganz unwe— 
ſentliche Eigenſchaften zum Director: Befähigung und Vermögen; 
er Hatte ſich erbötig gemacht, Frau Liebich mit 4000 fl. Jahres— 
gehalt, 1500 fl. jährlicher „Abtretungs-Renumeration" und einen 
Jahresbenefice zu entſchädigen, gedachte jährlich 33 Abonnements 
suspendus zu geben und beanjpruchte Ueberlaffung der Direction 
auf 12 Jahre ſowie das unbedingte Necht zu jeder Entree-Erhd- 
hung, Bedingungen, welche die Stände rundweg als unannehmbar 
bezeichneten. 

Endlich jchien der richtige Mitdirector gefunden. Er mußte 
nicht aus der Werne herbeigeholt werden; die Prager nanuten ihn 
längft den ihren — der nee Kandidat war Ferdinand Bo: 
lawsty. Im Jäner 1819 reichte er fein Geſuch ein und trat 
gleichzeitig al3 von Mad. Liebich bejtellter „proviforifcher Weit: 
director” an die Spibe der Direction. Polawsky forderte Ueber: 
nahme der Bühne als Mitunternehmer und alleiniger Director 
unter den von Karl entworfenen Bedingungen; von dem urſprüng— 
lichen Projecte, die gejammte Theater-Unternehmung von Johanna 
Liebid) auf Polawsky zu übertragen, fam man ab, da jid) Feine 
Einigung über die Bedingungen erzielen ließ, worauf ein „Geſell— 
Ihafts-Bertrag" zwilchen Beiden zu Stande Fam. Demgemäß 
mußte ſich Mad. Liebich mit einem halben Antheil an der Unter: 
nehmung, d. h. dem reinen „Geſchäfte“ zufriedengeben, während 


— 28 — 


Polawsky gegen eine beſtimmte Ablöſungsſumme den anderen 
Antheil der Unternehmung erhielt, die artiſtiſche Leitung ſowie die 
eigentliche Direction aber unbeſchränkt in ſeinen Händen halten 
ſollte. Sein officieller Titel wurde „Mitunternehmer und 
Director". Bon der noch immer nur proviſoriſch ſiſtirten Auf- 
führung ttalienifher Opern*) wurde Polawsfy gänzlich 
[osgezählt, von der Verpflichtung, auf der Kleinſeite ſpielen zu 
laffen, jedoch aud nur provijorisch wie feine Vorgänger. Ks 
wurde ihm gejtattet, jährlich 63 Abonnements suspendus zu 


*) Bei diefer Gelegenheit möchte ich auf Grund nachträglich von mir 
vorgefundener Xctenjtüide des Prager Landesausihuß-Arhivs einige we: 
jentliche Ergänzungen zur Geſchichte der lebten Jahre der italtenifchen Oper 
in Prag nadıtragen. Domenico Guardaſoni felbft, ein Director, dem 
die italienifche Oper über Alles ging (ſiehe IL Theil S. 343—352), 
war es, wie wir aus bdiefen Documenten Far erſehen, von dem der 
erfte Antrag auf Einftellung ber italienischen Opernvorftellungen ausging. 
Bereits unterm 20. Juni 1799 juchte er bei den Ständen darım an, von 
der contractlichen Verpflichtung, italteniihe Opern zu geben, enthoben zu 
werben, wofür er gute deutjche Singfpiele geben wolle. Zur Motivirung 
feines Geſuchs führte Guardafoni ar, „daß einestheils, wie es der jeltene 
Beſuch der wäljchen Opern bemeije, ſowohl der Adel als das Bublicum an 
diefer Gattung von Schaufpielen feinen Gefallen mehr zu finden fcheine und 
andererfeits, wenn auf diefer Contractsverbindlichkeit beftanden werden jollte, 
bei einem Koftenaufwande von 16.524 fl. für diefes Genre fein gänzlicheg 
Berderben unvermeidlich wäre”. Die Theateraufſichtscommiſſion beantragte 
Gewährung diefes Geſuchs, der Landesausſchuß aber rieth den Ständen, 
für das zweite Pachtjahr aus Rückſicht auf die finanziellen Verluſte Guarda⸗ 
ſoni's demſelben allerdings die italienische Oper zu erlaffen, im dritten Sabre 
ihn dagegen wieder zu einer achtmonatlichen Opern-Stagione zu verpflichten. 
Graf Clam-Gallas gab ein Separat:Botum ab; ihm ſchien die Auf- 
lafjung der wäljhen Oper in jedem Fall geboten, da das Publicum troß 
der vortrefflichften Leiftungen feinen Ueberdruß an ber italienischen Oper 
durch den ſchwächſten Theaterbeſuch barthue, auch das Logenabonnement 
Häglidy ausgefallen fei und den Ständen denn doch daran liegen müffe, 
den Director zahlungsfähig zu erhalten. Trotz alledem wurde Guardafoni 
die Terlängerung feines Contracts um ein Jahr (bis Oftern 1801) nur 
unter der Bedingung augeftanden, daß er von feinem Gefuh um Auflaffung 
der ital. Oper abjehe. As man 1800 den neuen Wachtconcurs für die 
Jahre 1801—4 ausjchrieb, wurde die Beibehaltung der ital. Oper für 


geben, eine Galerie fiir gefperrte Sige zu errichten (die „erfte" 
Salerie), das fogenannte „zweite“ mit dem erſten Barterre zu 
vereinigen und endlich) die Conditorei aus der Nähe des Parterre 
in den über dem Portale befindlichen runden Saal zu übertragen, 
wo jie jich noch heute befindet. Dagegen übernahm Polawsky 
die Verpflichtung, alle 14 Tage eine Novität zu geben und der 
Zheateranfjichtscommijjion täglich einen verfiegelten Tagesrapport 
zu überfenden. Entree-Veränderungen dürften nur im Einvernehmen 
mit der Theater-Aufjichts - Commiſſion vorgenonmen werden. 


8 Monate dei Jahres abermals zur ftricten Verpflichtung gemacht; e8 fanden 
fi drei Bewerber: Wahr, Mihule nnd Guardafoni. Der Erftere 
blieb wegen „ftadtlundigen Unvermögens” unberüdfihtigt; Mihule for: 
derte Garantie des Rogenabonnements für die ital. Oper und Unabhängig 
keit von der Theaterauffihtscommiflion und murde abgewieſen, Guarda- 
joni erhielt abermald die Unternehmung und zwar mit der ausdrüdlichen 
Anerfennung, „daß er Allez geleiftet, wa3 man erivarten fonnte und fogar 
bet ber ital. Oper Schaden gehabt habe“; er verpflichtete fich wieder, dieſes 
foftipielige Unternehmen beizubehalten, auch zahlte er nun 300 fl. jährlid) 
als Pauſchquantum für die aufzulaffeıden Theaterpenfiongfonds-Vorftel- 
lungen und mußte ftet3 4 Logen für Fremde frei halten, d. h. nicht abon- 
niren laſſen. Der nädjfte Eontract wurde mit Guardaſoni für die Jahre 
1803—1813 unter den früheren Bedingungen abgeichloffen. Schon am 
2. Jänner 1805 aber reichte Guardafoni ein Geſuch ein, daß man ihn auf 
zwei Jahre von der Verpflichtung, italienische Opern zu geben, enthebe. In 
den Wintermonaten — fo führte er aus — gebe ed oft faum 30 bis 40 
Abonnenten. Für den abgegangenen berühmten Tenor Sibboni finde 
er feinen Erfag, ebenfo wahrfcheinlich für die mit dem Abgang drohende 
Garavoglia-Sandrini. Die Striegscreigniffe hätten Ftalien ärmer an 
Opern-Virtuoſen gemacht, auch wüthe dort das gelbe Fieber, jo daß die 
Grenze theilmweife gefperrt fei. Die disponiblen Birtuojen aber erheben ge- 
rade deshalb uuerfüllbare Forderungen; fo verlange der Tenor Con— 
cordia, ber einzig mögliche Erjat für Sibboni, 900 Ducaten in Gold 
mit Ansichluß von Banco-Zetteln und Scheidemünze nebit einer Benefice- 
Borftefung. In Anbetracht deffen bitte er, zwei Jahre hindurch ftatt der 
von dem Bublicum ohnehin verjchmähten italienischen möglichſt vollfom- 
mene deutſche Opernanfführungen veranftalten zu dürfen — nach zwei 
Jahren würde er bei günftiger Gelegenheit jene wieder aufzunehmen ver: 
fuchen. Der entichiedenfte Gegner folder Zugeftändniffe, welche die Theater⸗ 
aufficht3commiffion befürwortete, war der Landesausſchuß-Beiſitzer Graf 


— 30 — 


Längere Verhandlungen jchwebten wegen der Clauſel, daß den 
Ständen eine ljährige Kündigung zuftehe, falls ſich die Direction 
nicht bewähre. Polawsky protejtirte gegen dieſe Beitimmung, 
welche viele Künjtler von einem Prager Engagement abjchreden 
müßte, und der humane Präfident der Auflichtscommillion Fürſt 
Iſidor Lobkowitz, der in jeinem Beſtreben, die allzu herben 
Urteile und Maßnahmen der Commilfion, namentlich auch gegen 
Mad. Liebich, zu mildern, mit feinen Mitcommijjären wiederholt 
in Conflict gevathen war, unterjtügte ihn dariı, Es Fam joweit, 
daß Fürſt Lobfowig um die Enthebung von feinem Poſten at: 


Sternberg: Eine deutſche Oper, erflärte er, würde ficherlich jchlechter ' 
fein; deutjche Sänger, fpeciell Tenore ſeien äußerft felten und nicht auf 
zwei Sahre zu befommen. Daß das Genre der deutſchen Singipiele 
der italienijchen Oper fehr untergeordnet jet, ſcheine ja felbft die Vorliebe 
denticher Componiſten für die leßtere zır beweien. Die ital. Oper ftenere 
noch am meiſten dem Verfalle der Mufil in Prag; die Maſſe des Publi- 
cums habe Zerftrenung genug an den deutichen und böhmifhen Schau: 
und Singfpielen und den Bällen, dagegen ſei es billig, auf die Meine Schaar 
der echten Mufikfreunde Nüdjccht zu nehmen. Wenn der Geſchmack des 
Publicums durch zwei Jahre noch tiefer herabgeltimmt würde, ſo würde 
die Wiedereinführung der ital. Oper noch ſchwieriger fein. Die Logen feien . 
bis auf zwei vom Herbſt bis April vergeben, die Sagen der Sänger alſo 
gedeckt. — In diefem Sinne ftellte auch der Landesausſchuß feinen Antrag 
an die Stände: Der Fall Concordia fer ein vereinzelter, das gelbe Fieber eher 
von Nuten ald von Schaden, zur Ehre ded Prager Bublicums dürfe man 
nicht glauben, daß fein Sinn für höhere Muſik geſchwunden fei, und wenn 
man fchon die deutfche Operette vorziehe, müffe gerade durch die italieniſche 
Dper dahin gewirkt werden, daß jene nicht den muficaltfchen Genius der 
„böhmiſchen Nation” niederbrüden. „Der Landesausihuß kann daher” — 
jo lautete der Landesausihuß-Antrag — „das von der Theateraufſichts⸗ 
Commiſſion secundum majora unterjtüßte Geſuch des Unternehmers 
Guardaſoni, deffen Gewährung den Ruf des muficaliihen Genius der 
böhm. Nation und das Anfehen der Hauptſtadt herabjeten, das jtänd. 
Nat.-Theater herabwürdigen und jomit höhere Rüdfichten dein Eigennutz 
des Privatmanns aufopfern Hieße, nicht unterjtügen.” — Der böhm. 
Landtag beichloß demgemäß anı 2. April 1805, dad Gefuch Guardaſonis 
abzulehnen mit der Weiſung, jedes künftige Geſuch Gnardaſoni's den ver: 
fammelten Ständen vorzulegen. Erft im Liebich'ſchen Contracte wurde von 
der italienischen Oper vorläufig abgeleben. 





— 3 — 


fuchte, der ihm durch die Gehäffigkeiten vieler Commiflionsmit- 
glieder ohnehin fehr bejchwerlich gemacht worden war. Die Ent- 
hebung ward nicht bewilligt, aber bald darauf ftarb der Fürſt, 
und Graf Lazansky trat proviſoriſch an jeine Stelle. Endlich 
wurde auch der Contract mit Polawsky (von Oftern 1819 bis 
‚Oftern 1823) perfect; man einigte jih dahin, daß die einjährige 
Kündigung nur dann eintreten follte, wenn die Direction die feft- 
gefegte Zahl der suspendus überjchreiten würde. Am 5. Juli 
1819 wurde der nme Bertrag mit Mad. Liebich als Unter: 
nehmerin, Polawsky als Mitunternehmer und Director, für deſſen 
Einhaltung ſich Beide in solidum verpflichteten, unterzeichnet, die 
erfte Beriode der „Mitunternehmungen“ begann. 

Wer erwartet hatte, daß der noble und etwas bequeme Po- 
lawsky den ſtark verfahrenen Thespisfarren mit Einem Male in’s 
rechte Geleije bringen werde, hatte fich übrigens geirrt. Der neue 
„Mitunternehmer und Director” war viel zu vornehm, um fich 
in alle Detail des Directiousgejchäftes zu vertiefen und mit 
Energie jene Autorität geltend zu machen. Vorderhand nahm 
der alte Schlendrian nad) wie vor feinen Lauf. Selbſt das Re— 
pertoire, die Auswahl gediegener Stüde, wurde durch Polawsky, 
der doch ſelbſt als erſte Schaufpielfraft glänzte, nicht in günftigerer 
Weiſe als chevem geregelt. Die Monate des Bolawsty’ichen Pro- 
biforiums vom Jäner bis Juli 1819 hatten den Zuftand der 
Prager Bühne geradezu verjchlinmert. . Im Februar beherrſchte 
„des Nordens Hercules", ein gewiljer Hr. Franke, das Terrain, 
feine „Künſtlerſchaft“ bejtand darin, daß „er eine Pfauenfeder auf 
der Nafe balanciren, dann auf Stirn und Achfel fpaziren Tief, 
mit einer 16 Fuß langen und 12 Boll breiten Stange, wie mit 
einem Gewehr erercitte, einen 22 Fuß langen, 19 Zoll im Durch— 
meſſer habenden Balken, den ‚nur vier Männer, tragen konnten 
allein hob, auf die untere Kinnlade fegte und auf den Zähnen 
balancirte". Brag ſtaunte und firömte ing Theater. Der Di- 
rector der Afademie der bildenden Künſte, Brof. Bergler, zeich— 
nete den Rieſen als Modell eines jelten ſchönen, muskulöſen 
Mannes. Die Vielſeitigkeit des „nordiſchen Hercules" war 


— 32 — 


übrigens fo groß, daß man ihn auch als Bauchredner, „Tafel— 
fünjtier" und Mechaniker bewundern kounte. Die Kritik beflagte 
diefe Sejchmadsverirrungen des Publicums und der Xheater- 
direction, ließ aber der legteren als Entjchuldigung gelten, daß 
bei der Pflege des ernten Dramas die Caſſen regelmäßig leer 
blieben. Solange das Proviforium dauerte, fam die Bühnen- 
leitung überhaupt jelten zu einem fejten Entſchluſſe — man ließ 
Lücken im Perjonale, da man fid) nicht durch Engagements binden 
und feine finauziellen Opfer bringen konnte. Als erfolgreiche 
Debuts konnte man jene des Schaufpielers Vogel, der auch als 
dramatiſcher Schriftfteller wirkte und in feinem eigenen Schaufpiel 
„Rene und Erſatz“ auftrat, *) des jungen, begabten Schaufpielers 
Blumenfeld und des Tenors Röckel bezeichnen; legterer fang 
den Licinius in der „Veſtalin“, Nittmeifter Kleefeld in den „beiden 
Füchſen“, Arsiz in „Tancred“ und wurde, trogdem fein Organ 
mehr Baryton- als Tenorcharakter hatte, für das mangelhaft 
befegte Tenorfach engagiert; auch feine Gattin, die erſte Lieb- 
haberin Mad. Röckel, wurde, nachdem fie al8 Margarethe in 
den „Hageftolzen” und Maria Stuart debutirt, in den Verband 
der Prager Bühne aufgenommen. Das Repertoire brachte in der 
eriten Hälfte des Jahres 1819, alfo in der Zeit des Polawsky'ſchen 
Proviforiums, außer werthlojen Bojjen und Quftipielen Auf: 
führungen von „Fiesco“, „Fauſt“, „Ahnfrau”, „Otto v. Wittels- 
ba", „Haus Barcelona”, „Athenais" von Kratter, Stüde, Die 
der alte Künſtlerſtamm trug; gelegentlich eines Gaſtſpiels der nach 
kurzem Brager Engagement nad) Leipzig entführten Julie Schwarz 
jah man deren Hedwig, Bertha, Toni, Desdemona u. |. w.; 
Löwe brachte zu feinem Benefice am 22. April Schillers „De: 
metrius“ in der Bearbeitung von Maltiz und einer eigenen 
Bühneneinrihtung, — er jelbit fpielte den Demetrius, Mad. 
Liebich die Marfa, Bayer den Car Boris, Mad. Sontag bie 
Arinia, Mad. Brunetti die Marina und Gerftl den Ananı. 


*) Vogel ließ in ben Journalen die Nachricht deinentiren, daß er die 
Oberregie in Prag übernehmen werde. 








— 33 — 


In Körner's „Roſamunde Cliffort“ gaben Mad. Sontag die Titel- 
rolle, Mad. Liebich die Eleonore; als „Hamlet“ feierte Bayer 
neue und große Triumphe, in Klingemann's „Columbus“ be— 
wunderte man ebenfall8 Bayer in der Titelrolle, Mad. Röckel 
ſtand ihm als Malaida zur Seite. Bon dem Prager Schriftfteller 
Skhiefler*) führte man das Drama „Gabriele von Vergy“ auf, 
ohne damit irgend Jemand einen Dienft zu erweiſen. — Die Poſſe 
hatte in dem neuengagirten Sänger und Schauspieler Schifa- 
neder von Leopoldjtädter Theater eine willlommene neue Kraft 
gervonnen, die übrigens auch dem Luftfpiel und der Oper zu Gute 
kam. Schikaneder fpielte den Pächter Graufchimmel im „Rehbock“, 
den Langſalm im „Wirrwarr“ von Kogebue, einem Autor, den 
gerade in jenen Tagen die Kugel Sand's ereilte und dem Alltags- 
Bedürfniffe der deutschen Bühne entriß; aber aud) vor dem Le⸗ 
porelfo in „Don Yuan" jchredte Scilaneder nicht zurück und 
gefiel gerade als Baßbuffo beifer als in Liebich’ichen Luftfpiel- 
rollen. In der Pofje fand er neben Feiſtmantel feinen Platz 
und fpielte u. U. in der Bäuerle'ſchen Poſſen-Novität „Die faljche 
Primadonna” den Bürgermeifter Staar mit vollem Heiterkeits⸗ 
erfolg. 

Der Oper war im Polawsky'ſchen Proviforium ein ſehr be- 
jcheidenes Terrain eingeräumt. Man hörte als Nenigfeit nur die 
einachge Operette „Die Gefangene” und Reprifen von Don Juan, 
Beftalin, Tancred, Sylvana, Opferfeft, Entführung aus dem Serail 
(Zelmer⸗Osmin, Rollberg-Pedrillo, Mad. Beder-Eonjtanze, Stöger- 
Belmonte, Dem. Amberg-Blondchen), Zauberflöte (mit einer An: 
fängerin Dem. Nowak als PBamina) u. f. w. Immer entjchiedener 
machte fich als neuer Beherrfcher des Opsrn-Repertoires Roſſini 
geltend. Am 25. Ayril fam fein „Othello“ mit Röckel in der Zitel- 
rolle, Dead. Beder als Desdemona, Stöger als Nodrigo und 


*) Sebaftian Willibald Schießler war 1789 in Prag geboren und 
fungirte jpäter daſelbſt al3 Feldkriegscommiſſär; al3 Rovellift und Drama: 
tifer auf literar. Gebiete thätig, hat er u. U. auch einen Almanad) dra- 
matiſcher Spiele „Neues Original-Theater” in Prag herausgegeben. 

3 





— 34 — 


Hauſer als Jago zur Aufführung. Die Theateraufſichtscom⸗ 
miſſion hatte allerdings gegen die Oper als eine Verunſtaltung 
des Trauerſpiels „Othello“ proteſtirt und die Oper nur zur 
Aufführung zugelaſſen in der Hoffnung, „daß die hierorts ganz 
unbekannte Muſik des Capellmeiſters Roſſini dem Werke einigen 
Werth verleihen werde“. 


In den theaterfreundlichen Kreiſen Prags fand man nicht 
Worte genug, um das „Proviſorium“ zu verurtheilen und die 
definitive Direction Polawsky herbeizufehnen. 


„Man wünſcht“ — fo fchreibt ein Kritiker — „daß das Schickſal bie 
Prager Bühne bald ftatt des nordiſchen Hercules mit dem Herkules ın 
äfthetiich-moralifcher Hinficht erfreuen möge, der wie einft fein heidniſches 
Borbild im Stande wäre, ben durch mandherlei Urfachen überfüllten Augias- 
ftall von Inconſequenzen, halben Maßregeln, Unordnungen und Erbärmlich- 
feiten bei unjerer Bühne zu reinigen und hiedurch alle fchädlichen Folgen 
für Kunſt, Geſchmack und Vergnügen mit gigantifcher Kraft in das Meer 
der Vergeſſenheit zu ftürgen. Yu den Hauptgebredden der Bühne rechnet 
man die höchft Schlechte Beleuchtung derjelben, ihre durchaus fehlerhafte, 
elende Majchinerte, nicht eingeübte, mangelhafte Comparferie, die Armielig- 
feit und Unrichtigkeit des Coſtumes in untergeordneten Rollen und bei 
Statiften, den Mangel entiprechender Theaterpolizei, und ganz vorzilglich 
ein unzureichendbes Perſonal. Wo bleibt die nothwendige Illuſion, wenn 3.8. 
der Schauipieler, während vom heiterften Tage die Rede ift, an die Couliſſe 
treten muß, un bei den fpärlich brennenden Unſchlitt-Lampen einen Brief 
lejen zu können, wenn bei Verwandlungen die früheren Decorationen noch 
über den Häuptern der nenen Anktümmlinge ſchweben und bei ber Möglicy- 
feit des Stride-Reißens dieſe zu zerjchmettern broben, wenn in den wid 
tigften Scenen Dienftboten über die Bühne laufen, wandelnde Helme ohne 
Körper zwilchen den Felſen fichtbar werden oder fühne Sterbliche trodenen 
Fußes durdy die wogenden Meereswellen ziehen, wenn die Comparſen fi 
wie eine herrenlofe Schafheerde unordentlih durcheinanderdrängen, vor: 
nehme Prinzen in miſerablen, unrichtigen Gewändern einherftolziren, Wald: 
flünel in fürftlihen Sälen paradiren oder gar, wenn Don Juan umd 
Zeporello vor der furdtbaren Ericheinung des fteinernen Gaſtes erbeben, 
vier Bediente mit größter Ruhe die Lichter wegfchaffen, damit bei der nächſten 
Verwandlung ungeübte Furien Plaß gewinnen, um mit dem zur Hölle 
reifen Verbrecher ein wenig Haſchemännchen zu Spielen?! ... Hinſichtlich 
des ohnehin nicht vollzähligen Perſonals ftehen ung noch Verringerungen 
bevor. Mad. Strauß, eine vom Publicum gern gefehene Sängerin, 
Hr. Seewald, im Befis von erften VBäterrollen, in denen er feit fünf 

















— 35 — 


Jahren deu Beifall aller Kunſtfreunde zu erwerben wußte, und Hr. Herr- 
mann, für zweite Väter und gutmüthige Alte ein nicht unbrauchbarer 
Schaujfpieler; find bereits abgereift, und nächſtens wollen uns auch die 
Herren Rollberg, Zeltner und Ziegler verlaffen. In Rollberg ver- 
fieren wir einen fleißigen, in Oper und Schaufpiel vieljeitig verwendbaren 
Schanipieler (wurde wieder engagirt), in Zeltner einen talentvollen, an- 
genehmen Baßſänger und Ziegler würde, wenn er beifer memorirte und 
durch Fleiß und Aufmerkſamkeit jeine körperliche Haltung und jeine Talente 
zu unterftügen und vervolllommmen geneigt wäre, ein brauchbarer jugend- 
licher Liehaber für unfere Bühne fein. Wie num wird die Direction diefe 
Lüden auszufüllen im Stande ſein? 

As im Juli an die Stelle des Proviforiums das Defini- 
tivum trat, hoffte man auf eine gründlidhe Reform. Polawsky 
wurde vom Grafen Noftig dem gejfammten Perſonal als Mit- 
unternehmer und Director vorgeftellt und zugleich eine neue „Geſetz⸗ 
Ordnung“ *) publicirt, die don der Theateraufſichtscommiſſion fanc- 
tionirt war und Regelmäßigfeit in das Chaos bringen‘ follte. In 
der That ließ fich zunächſt Alles beifer an. Der alte Stamm, 
Polawsky, Bayer, Löwe, Wilhelmi, Allram, Gerftl, die Damen 
Liebich, Brunetti, Sontag, Junghanns, Allram, trug nad wie 
vor das Schaufpiel und ein neuer, tüchtiger Oberregiſſeur, der 
Polawsky mit der nöthigen Thatkraft zur Seite ftand, war in 
Stanz von Holbein gefunden worden. Holbein — wir werden 
uns bald eingehend mit ihm zu befchäftigen haben — kam von 
Hannover; fein Ruf als dramatifcher Dichter war durch mehre 
glüctiche Bühnenwerke bereits allenthalben begründet, als Schau- 
ipieler und Regiſſeur führte er fih am 26. Juni 1819 mit 
dem Grafen von Saverne in „Zridolin” glüdlih ein Man 
begrüßte in ihm einen „wahrhaft denfenden Schaufpieler” und 
fand, die in Prag feltene „Präcifion in der feeniichen An— 
ordnung ſei unbedenkli dem Dichter als Verdienſt anzurechnen, 
der außer dem geijtigen Werthe auch das Mechanifche des 
Werkes mit richtiger Umficht, Ordnung und Wahrheit zu leiten 
ſchien“. SHolbein wurde gerufen und dankte mit gewählten 
Worten. Bedeutender in fchaufpielerifcher Hinficht als Holbein 


*, Wir theilen fie im „Anhang“ zu diefem Bande auszugsweife mit. 
z* 


— 36 — 


fand man deſſen Gattin, Madame Renner-Holbein, deren 
Engagement einen unfhägbaren Gewinn für die Prager Bühne 
bedeutete. Am 28. Juni traten, Beide, Holbein als Car, Mad. 
Nenner als Chatinfa im Mädcheu von Marienburg“ auf — 
ein Wageſtück für Erſteren, da der Car eine Slanzrolle Bayer’s 
war, und doc) gelang es. 

Mad. Nenner documentirte fi) kofort 8 eine der erſten 
Künftlerinen Deutſchlands, welche den mangelnden Reiz der Jugend— 







liebenswürdigſte Lob zollte. Die Margarethe in den „Hageftolgen", 
ihre berühmteſte Rolle, ſpielte Mad. Renner bereits als engagi 
Mitglied, und in dem Paradeſtückchen „Die Proberolle“ gab vi 
dem Prager Enfemble gewonnene Künjtlerin die überzeugendſten 


Beweiſe ihres Charakteriſirungstalents. An dieſem Abend ließ das 


Holbein'ſche Ehepaar ſein jüngeres Töchterlein declamiren, und 
man begrüßte in dem Kinde ein vielverſprechendes friſches Talent. 

Die Regie Holbein brachte erhöhte Thätigkeit, regeres Leben 
in das Prager Theater. Vor Allem weckten die Abende, an denen 
Hr. und Frau v. Holbein gemeinſam auftraten, das allgemeine 
Intereſſe. Man ſah die Beiden im Juli in Kleiſt's „Käthchen 
von Heilbronn” als Käthchen und Wetter v. Strahl, in der von 
Holbein bergeftellten Bearbeitung der „Bezähmten Widerjpenftigen”, 
einem Machwerfe von zweifelhaften Werk, als Francisca und 
Oberſt Kraft, nebeneinander wirkten; in den „Indianern in Eng- 
land" traten Holbein als Kaberdar, Mad. Renner-Holbein als 
Liddy und Marie v. Holbein jun., ihre geniale Tochter, als Gurli 
anf. Holbein trat übrigens als Darfteller weit Hinter den Re— 
gijfeur zurüd. Bon feinen Bühnenwerten führte er im Sommer 
1819 u. U. „da, die Büßende”, eine Bearbeitung nah Stol- 
berg's Ballade, auf, die feine fonderliche Bereicherung des Reper— 
toires bedeutete. Yerner brachte er (am 18. Kult) Körner’ „Zriny“ 
mit Bayer in der Zitelrolle, Wilhelmi als Sultan Soliman, 
Polawsky als Ritter Vilafy, den Damen Liebich und Sontag in 





— — 
PN — — 


— 


— 37 — 


den Frauenrollen, Grillparzer's „Sappho” (im September) mit 
Mad. Sontag in der Titelrolle, Löwe als Phaon, Gerftl als 
Rhamnes, Mad. Brunetti als Eucharis. Die Melitta fpielte — 
Henriette Sontag, die deutjche Nachtigall, damals noch ein 
fleines Singvögelchen, das die Grillparzer’ichen Verſe recht artig 
zwitjcherte, aber fonft fi) mit der Nolle nicht eben freundſchaftlich 
abfand. Das Luſtſpiel „Künftlers Erdenmwallen" von Jul. v. Voß, 
in welchem SHolbein mit Vorliebe den Magifter Lämmermeyer 
jpielte, fiel durch, und man ſchrieb diefen Durchfall nicht in letter 
Linie dem Magiſter felbjt zu. Die Oper bradjte in diefen Mo— 
naten der Holbein’schen Oberregie u. U. zum eriten Male C. M. 
v. Weber’3 einactige Oper „Abı Haſſan“ mit Mad. Beder als 
Fatime, Rödel als Abu Haſſan und Schilaneder ald Omar ; 
Hr. und Frau Geyer von Breslau gaftirten in „Johann von 
Paris” und „Achenbrödel", Die. Wohlbrüd von Leipzig führte 
ih als Amenaide im „Tancred“, Emmeline in der „Schweizer: 
familie" und Myrrha im „unterbrochenen Opferfeft” nicht un— 
günftig ein, ebenjo De. Schlager, eine hoffnungsvolle junge 
Sängerin, die neben Die. Nowak in jugendlichen Sefangspartien 
wirfen follte. 

Herr de8 Sommer-Repertoiresg von 1819 war übrigens 
Ignaz Schufter. Wien und Prag hatten im Juli und Auguft 
ihre Komiker getaufcht. Während Feiſtmantel im Leopoldjtädter 
Theater gaftirte, war Schujter in Prag eingezogen, und Beide 
hatten fih Anfangs ihr Terrain erft zu erfümpfen. Yeiftmantel 
fand in Wien einen grimmigen Gegner in Bäuerle, der ihn zum 
Komiker der niedrigften Sorte, zur echten „Provinz-Größe" jtem- 
pelte. In Prag dagegen hatten einige Freunde Feiſtmantel's in 
überftrömendem 2ocalpatriotisums den heiteren Gaſt aus Wien 
ausgeziſcht, was Bäuerle zu einer energifchen Strafpredigt gegen 
die Prager veraulaßte, die fich feine ſolche Schmach aufladen und 
vielmehr in dem zur Congreßzeit von ganz Europa bewunderten 
Schuſter die Komik ohne Grimaſſe ſchätzen follten. Allmälig gefiel 
Feiſtmantel in Wien ebenjo wie Schufter in Prag. Lebterer fpielte 
die falfche Primadonna, den Staberl, den Capellmeiſter Noten: 


— 38 — 


freffer in der „Generalprobe auf dem Theater”, den Mehlfpeis- 
macher Zwederl, den Springerl, Hirſchkopf in „Hanns in Wien”, 
Taneredi u. }. w. und beimjte fchon an den erjten zwölf Gaft: 
Ipielabenden 3000 fl. ein. Erſt im September kam Yeiftmantel 
wieder und wurde von feinen Bragern .trog Schufter herzlich em- 
pfangen. 

Die Theateraufſichtscommiſſion hatte die abfolute Herrſchaft 
des Wiener Komikers und der Wiener Localpoſſe, neben welcher 
das ernfte Drama bejcheiden vegetirte, jehr übel vermerkt und 
dem Wiener Gajte mancherlei Schwierigkeiten in den Weg gelegt. 
Die meiften feiner PBarade-Stüde wurden bloß mit der Be: 
merfung „nur für dies Gaftipiel" zur Aufführung zugelaflen, 
andere einfach verboten. Director Polawsky aber erhielt um dieſe 
Zeit folgende Note: „Die Direction jcheint geneigt zu fein, das 
Nepertoire des Kafperletheaters nad) und nad) ganz für das 
Prager Theater zu beniten und jo auf SKoften des guten &e- 
Ihmads ihre Caſſe fo. gut als möglich zu füllen. Da dies den 
Verbindlichkeiten, welche erjt kürzlich contractmäßig eingegangen 
worden find, geradezu entgegenläuft, jo wird die Direction auf- 
merfjam gemacht, daß jo viel und folche Poſſen wie bisher nicht 
mehr aufgeführt werden dürfen”. — Ein andermal Hagte man 
darüber, daß das Theater ein Schauplag für Gaufler und Tafchen- 
ipieler geworden ſei. Novitäten wie Grillparzer's „Sappho" wurden 
nur mit der bedauernden Bemerkung bewilligt, daß „dieſe herr- 
lihe Dichtung wohl faum auf eine würdige Weiſe aufgeführt 
werden dürfte”. Auch die Vernachläffigung der internen Bühnen- 
polizei trug Polawsky manche Rüge ein. So hielt man fid ſtark 
darüber auf, daß einmal nad dem Uctichluße ein Gafjenbube auf 
die Bühne kam, um diefelbe zu jäubern, daß aber alle folgenden Acte 
hindurch die beiden Beſen des Buben unbeläftigt auf der Scene 
liegen blieben. Vor der angefagten erften Aufführung der „diebiſchen 
Elſter“ erkrankte ein Sänger, die Vorftellung mußte unterbleiben; 
Director Polawsky, deffen „unthätiger Kraft und Eigenfinn" diejer 
Vorfall zugefchrieben wirede, wurde zu einer Geldftrafe von 100 fl. 
verurtheilt. Derartige Ereignifje brachten Polawsky natürlich um 








— 39 — 


ſeine vornehme Ruhe, er fühlte ſich krank und angegriffen, und 
auch der glückliche Erfolg, den Anfang März 1820 der „Barbier 
von Sevillu" bei feinem erjten Erjcheinen in Prag davontrug, 
änderte nicht viel an .diefer Stimmung. Am 19. März 1820 
erflärte er den Ständen feinen Rücktritt von der Mitunternehmung 
und Direction, und die Stände, denen er „auf feine Art zum 
Director geeignet” erjchien, begrüßten feine Rejignation mit Freuden. 
Das Regiment trat Franz von Holbein an. 


— 40 — 


u. 


Sranz von Solbein als Mitunternehmer und als felBfi- 
Händiger Rühnenleiter in Prag. 


(1820— 1824.) 
Holbein und fein Schaufpiel. 


(Holbein'3 Lebensgang; feine Stellung in Prag. — Conflicte mit dem 
Perſonal. — Revolutionäre Strömungen an der Prager Bühne. - Holbein 
als unumſchränkter Unternehmer und Director. — Johanna Liebich tritt 
gänzlich vom Theater zurück. — Ungünftige Zeitverhältniffe. — Holbein's 
Perſonal. — Ad. v. Schaden über die Prager Bühne. — Marie Renner— 
Holbein, die Familien Piſtor und Schikaneder. — Carl Seydelmann's 
Lehrjahre in Prag. — Abſchied Löwe's und Wilhelmi's. — Verluſte und 
Acquiſitionen. — Feiſtmantel und die Wiener Localpoſſe— Dad Repertoire. 
— Töpfer als Gaft. — Holtei und Frau ald Gäfte in Prag. — Holbein’s 
Einfluß auf die Dilettantentheater Prags. — Das Niclastheater. — Das 
Haustheater im gräflih Clam-Gallas'ſchen Palais.) 


Franz v. Holbein, der neue Mitunternehmer uud Director 
des Prager Xheaters, hatte feine Eignung zum Bühnenleiter 
bereits in glänzender Weife dargethan; jein Name war befannt 
in Deutichland, und feine Berufung fchien den Anbruch einer 
neuen Liebich’jchen Aera für die Prager Kunſtwelt zu werfprechen, 
denn nicht allein. als Schaufpieler, fondern auch als Regiſſeur, 
Dichter und Dramaturg, als Vertreter eines höheren Kunftprincipg 
genog Holbein Anfehen im ganzen Bereiche der deutfchen Bühnen- 
welt. Eine abenteuerliche Laufbahn, die ihn im höchjten Grade 
intereffant machte, lag Hinter dem neuen Director. Holbein ent- 
ftammte der Yamilie Hans Holbein’s; der legte directe Ablümm- 
fing des berühmten Malers, Oberjtlientenant Philipp Holbein von 
Holbeinsberg, war an feinen Wunden geftorben und hatte nur 
eine Zochter, Thereſe v. Holbein, hinterlaffen, die wie ihr großer 
Ahnherr der Malerei lebte und unverheirathet blieb. Das 
Adelsprädicat überging nun an die Yamilie Franz Holbein’s- 














— 41 — 


Diefer felbft war 1779 zu Ziſtersdorf bei Wien geboren und 
erhielt im Ciftercienferklofter Lilienfeld feine erfte Erziehung, die 
ein auf merkwürdige Art in's Klofter gelangter Ausländer, Director 
Alt, zu leiten Hatte. Alt, ein Bolyhiftor, auf allen Inſtrumenten 
und in allen Willenfchaften erfahren, hatte die Böglinge und 
Sängerfnaben in ein Orchejter vereinigt und brachte ihnen neben 
einer vielfeitigen woiljenjchaftlichen auch eine tüchtige muſikaliſche 
Bildung bei, fo daß der Zudrang der Jugend zur Elöfterlichen 
Erziehungsanftalt immer größer wurde. Zu den begeijtertiten 
Schülern Alt's zählte der junge Holbein; gerade diefem imponirte 
die Bieljeitigkeit des Lehrers am meiften, und jein ganzes Streben 
ging dahin, wie diefer geſchickt auf allen Gebieten zu werden, 
mochte auch die Gründlichfeit im Einzelnen darunter leiden. Unter 
den Mönchen hatte Holbein überdies ein deal gefunden: c8 war 
ein junger Noviz, Frater Tadislaus, den eine vornehme Zürkin 
ans der Sclaverei errettet haben follte, ein edler, gelehrter und 
hochbegabter junger Mann, deſſen Beiſpiel Franz v. Holbein bei: 
nahe ermuntert hätte, den Ciftercienjerhabit zu nehmen — Frater 
Ladislaus ift ſpäter Erzbifchof von Erlau geworden und hat ſich 
al Ladislaus Pyrker unvergänglichen Dichterruhm erworben. 
Mit Feuereifer hatte ſich Franz v. Holbein allen Künſten zu- 
gewandt, die im Klofter zu lernen waren: ex wurde gejchidt auf 
allen Inſtrumenten wie Director Alt, Tonnte vom Blatt weg 
fingen, Tieß fi) auf dem vom Abt arrangirten Haustheater als 
Majchinift verwenden und verjuchte fih in der Malerei. Als er 
einst feiner Mutter eines feiner Bilder, die Copie eines Hans 
Holbein, überreichte, rief die geiftreiche Frau: „Mein lieber Franz! 
Ich danke Dir, ich habe aber nie einen fchlechteren Holbein ge: 
ſehen; wie Fannft Du nur Deine Zeit fo vergeuden? Du weißt 
von Allem Etwas und im Ganzen Nichts!" Diefer mütterliche 
Ausſpruch jcheint berechtigt geweſen zu fein; denn in der That 
brachte Holbein wenig wifjenfchaftlichen Fond und Ernſt an die 
Wiener Univerſität mit und wurde dem geregelten Studium bald 
ganz untren, um mit Herrn dv. Zucconi, Meifter auf der ſpaniſchen 
Buittarre, nach alien zu ziehen und auf diefem Inſtrument dort 


— 42 — 


zu contertiren. Er bildete die Guittarre nach eigener Erfindung 
weiter aus und hatte Schon damals feine Tünftlerifchen Erfolge; 
doch nahm er nach feiner Rückkunft eine „ſolide“ Stellung bei 
der E. f. Lotto-Adminiftration an. Lange behagte ihm dieje fpieß- 
bürgerliche Stellung allerdings nicht; er ging duch und zog 
als italienischer Sänger und Guittarrejpieler unter dem Namen 
„Fontano“ in die Welt. In Rußland feierte er Triumphe, 
mußte aber das Land verlaffen, al$ man daran ging, Fremde 
ohne genügende Legitimation auszuweifen. Auf der Reiſe nad) 
Deutfchland traf „Fontano“ in Frauftadt die Döbbelin’ide Schau: 
ſpielgeſellſchaft, ließ ſich anwerben, brachte es jedoch in erfter Linie 
wegen feines unverbeſſerlichen öfterreichiichen ‘Dialect3 zu keinem 
rechten Erfolge. Am meijten reuſſirte er in der Abſchiedsvorſtellung 
Döbbelin's zu Frauftadt als — Souffleur und verjuchte in 
Pofen unter demfelben Principal nochmals ſein Glüd, ohne durch⸗ 
zudringen. Döbbelin mahnte väterlich zur Ausdauer: „Wenn Sie 
es num über fich gewinnen könnten, ſich ein Jahr lang auslachen 
zu laſſen“ — meinte der erfahrene Principal — „jo wollte ich 
einen Schaufpieler aus Ihnen machen, der ſich gemwafchen hätte!" 
Mittlerweile hatte ſich aber das verfannte Genie auf einem anderen 
Gebiete als dem des Schaufpiels auch in Deutſchland Bahn ge- 
brochen. Holbein gab in Pofen ein Concert auf der Guittarre, 
und mußte noch zwei weitere folgen laſſen, — jo ſtark war der 
Erfolg des erjten geweſen. Er concertirte nun in Frankfurt und 
in Berlin, wo er die Bekanntſchaft Anſelm Weber’s, Fleck's, 
Iffland's, C. T. U. Hoffmann’3 machte, mit welch’ Legterem er in 
den innigften Verkehr trat, nahm fogar ein Engagement bei der 
Berliner Hof-Bühne an, löſte es aber wieder, als man ihm einen 
jeinen Ansprüchen wenig angemeſſenen Wirfungskreis anwies, und 
309g abermals als Sänger und Guittarre-Virtuofe in die Welt, 
durch Concerte, ald Maler und Sprachlehrer feinen Unterhalt 
juchend. Als vagabundirender Sänger und Mufifer in phanta- 
ſtiſchem Coſtume mit italienischem Namen umberziehend, gelangte 
er auh nad) Slogan in Preußifch-Schlefien, wo damals die be- 
kannte Gräfin Lichtenau (ehedem Kämmerin Rietz) nach dem Tode 











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des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen in einer Art Ver— 
bannung wohnte. ‘Der jchöne, begabte junge Sänger feſſelte die 
Aufmerkſamkeit der galanten Frau, die, obwohl bereitS gealtert 
und corpulent geworden, noch immer die Spuren einftiger Schön- 
beit zeigte; ihr Reichthum aber, ihr glänzendes Haus machte 
Holbein-Fontano nicht unempfindlich) gegen die Liebenswürdigfeit 
der intereffanten Dame. Die Gräfin und Holbein fchloßen einen 
Ehebund, dem jeder Vernünftige ein trauriges Ende prophegzeite, 
obwohl fich Anfangs Alles gut anließ. ALS neuvermälte Frau 
erhielt die Gräfin vom preußiichen Hofe die Erlaubniß, ihren 
Wohnſitz nach Breslau zu verlegen, wo ſie fünf Jahre lang mit 
dem jungen Gatten lebte. 


Eine tragiſche Affaire, die damals viel von ſich reden machte, 
warf ein ziemlich trübes Licht auf das Glück der jungen Ehe. 
Die Gräfin Lichtenau — nun Frau von Holbein*) — hatte eine 
artige, junge Gefellfchafterin, welcher der „Herr des Haufes” be- 
fondere Beachtung gewidmet haben fol, fo daß fie ihr von Eifer- 
jucht geplagter Geliebter, ein armer ungarischer Edelmann Namens 
6831 Troyer, im Haufe der Gräfin erftadh. Der Mörder wurde 
in Breslau enthauptet, Holbein aber wurde es unbehaglich im 
Haufe. Zum Glück hatte er fich nicht damit begnügt, der Dann 
jeiner reichen Frau zu fein, fondern ernft und nachdrüdlich ge- 
arbeitet. Er vervollfommmete ſich in Breslau in der Malerei, 
erlernte die Theorie der Muſik, conſtruirte ein neues muficalifches 
Inſtrument, auf welchem er die Saitenfchwingung der Aeolsharfe 
mit einer Claviatur hervorbringen wollte, dichtete und componirte 
eine Oper, deren Text mehr als die Muſik gefiel, verfaßte Luft- 
und Zrauerjpiele, kurz, er entfaltete eine fieberhafte Thätigkeit, 
wie fie vieljeitiger und bunter nicht gedacht werden konnte. Das 
Eine erreichte er damit, feine Selbftftändigfeit, die Befreiung von 
den Feſſeln eines Verhältniffes, das er leichtfertig genug ein- 


*) Die Angabe, Holbein danke feinen Abel nur ber Gräfin, iſt längſt 
wie ſo viele Fabeln über Holbein's Abenteuer widerlegt und als haltlos 
rwieſen worden. 


—_ 44 — 


gegangen war und das nun ſchwer und beſchämend auf ihm 
laſtete. Durch Concertreiſen mit ſeinem neuerfundenen Inſtrumente 
hatte er ſich in München, durch ſeine für Gyrowetz geſchriebenen 
Operntexte, vor Allem durch den Text zu „Myrina“, in Wien 
vortheilhaft bekannt gemacht, erhielt einen Ruf als Theaterdichter 
an das Theater a. d. Wien und brach nun definitiv mit ſeiner Gattin. 
Gräfin Lichtenau ertrug den Schlag mit Würde. Umſonſt hatte fie 
Holbein beſchworen, von Wien zurüdznfehren,; als alles Bitten 
nicht3 half, brachte fie ihre Beichwerden gegen den Teichtjinnigen 
Gatten vor die Deffentlichkeit und Hagte ihn bei Gericht, worauf 
die formelle Scheidung erfolgte. Ihre Memoiren fprechen fehr 
gegen Holbein; fie jah fi) durch raueneitelfeit und Männer: 
treulofigfeit getäufcht und fügte fich mit Anftand in das Unver: 
meidliche. Holbein jelbjt Hat fein Verhältniß zur Lichtenau mit 
größter Discretion behandelt; in feiner Selbitbiographie erwähnt 
er ihrer mit feinem Worte, und ängſtlich bemüht war cr ftets, 
diefen Flecken aus feiner Lebensgeſchichte gänzlich zu tilgen. 

In Wien jegte Holbein feine Thätigkeit als Bühnenfchrift- 
jteller emjig fort, den erjten nachhaltigen Erfolg aber verfchaffte 
ihm jein jchon in Breslau nad) Schiller’3 „Gang nach dem Eifen- 
banımer" gedichtetes Schaufpiel „Fridolin”. Nach einem von der 
Wiener Ariftofratie veranftalteten mittelalterlichen Schaufpiele, bei 
dem er als Minuefänger mitwirkte, rebeten ihm Freunde und Ver— 
ehrer zu, doch endlich fich ausfchlieglich der Bühne zu widmen, nur 
Zacharias Werner warnte ihn vor der Verführung. Aber Holbein 
erlag, nahm Urlaub, debutirte als Tempelherr in „Nathan" zu 
Regensburg und gefiel fo, daß er nun ernſtlich die Schaujpieler: 
Carriere einjchlug. In Wien trat er — nicht mehr als „Fontano“, 
fondern als „Herr Holbein” — fowohl im Theater a. d. Wien als 
an der Burg auf und erhielt auch als „Maſchinerierath“, d. h. 
ungefähr technischer Regiſſeur, eine Pofition an den Hoftheatern. 
Die Kriegsereigniffe des Jahres 1809 bewogen ihn jedoch, der 
Kaiferftadt den Rüden zu Tehren und abermals auf die Wande: 
rung zu gehen, begleitet von feiner neuen Lebensgefährtin, der 
genialen Schaufpielerin Marie Nenner, geborenen Borchard 











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(zu Mainz 1782 geb.), welche in der deutſchen Bühnenwelt als 
das Muſter rührendſter Naivetät, herzerſchütternder, ungekünſtelter 
Innigkeit und unerſchöpflich ſprudelnder Munterkeit geſchätzt wurde. 
Marie Renner hat auf die ſchauſpieleriſche Entwickelung ihres Gatten 
großen Einfluß genommen; als Bühnenpraktiker und Bühnenleiter, 
ala Negiffeur und ‘Dramaturg aber ift er weit bedeutender ge- 
worden denn als ausübender Künftler. Seinen Ruhm als Theater: 
director begründete Holbein in Bamberg, wo ihm T. A. Hoffmann 
als Mujifvirector und Theatermaler zugleich zur Seite ftand. Unter 
feinen Fittichen hatte er dort den genialen Charafterfpieler Leo, 
die große Renner, den jungen Carl Lebrün und furze Zeit auch) 
€. M. von Weber vereinigt. In demfelben Jahre, da Herr v. 
Kleift ji den Tod gab, brachte Holbein in Bamberg das „Käthchen 
von Heilbronn” zur erjten Aufführung, und Mad. Renner be- 
zauberte als erjtes Käthchen alle Herzen. Auch Aufführungen von 
Werken des durch Schlegel modern gemachten Ealderon, wie „der 
ſtandhafte Prinz”, „vie Andacht zum Kreuz" u. |. w. wurden in 
Bamberg von Holbein gewagt. Und noch ein großes Berdienft 
um die deutſche Kunſt erwarben fich hier Holbein und feine Gattin: 
Saroline Lindner wurde von der legteren flügge gemacht und von 
Holbein emporgebradht. Als Margarethe in den „Hageſtolzen“, 
als „Räthchen” u. |. w. wurde ſpäter die Lindner die berufene 
Erbin ihrer großen Meifterin Nenner, mit der fie den Ausdrud 
der reinen, heiteren Natur und rührenden Unjchuld gemein hatte. 
Das Kriegsjaht 1812 machte diefe Aera der Fünftleriichen Be- 
deutung Bambergs zu nichte. Holbein kam als „Eünigl. groß- 
britannifcher und kurfürſtl. hannoverſcher Oberregiffeur" unter 
Dir. Bihler nach Hannover, und dort traf ihn 1819 der Ruf 
als Regiſſeur nach Prag. Seine Bühnenftüde waren fämmtlich 
durch echte „Theatermache” ausgezeichnet, wenn ihnen auch ein 
werthvoller Kern abging., Das in Bamberg entjtandene Nitter- 
Quftipiel „Das Turnier zu Kronjtein”, deſſen Heldin Elsbeth eine 
von den Meijterleiftungen der Mad. Renner war, machte die 
Runde über alle deutjchen Bühnen. „Der Doppelgänger”, „die 
Bagatellen”, „der Verräther" und „der Vorſatz“ u. A. hielten ſich 


— 46 — 


lange auf dem Repertoire. Einer brillanten Rolle im „Doppel: 
gänger" fol Fichtner feinen erjten Ruhm verdankt haben. 

In Prag hatte fi), wie wir gejehen, Holbein jchon als De- 
butant ſehr vortbeilhaft bemerkbar gemacht und als gewejener 
Wiener „Mafchinerierath” viel zur Neconftruction der arg ver: 
wahrlojten Prager Theatermafchinerien beigetragen. Als er .die Di- 
rection und Mitunternehmung antrat, bezeichnete man den Wechſel 
allgemein als ein „glückliches Ereigniß“, hatte doch Polawskhy felbft 
nur unter der Bedingung auf feinen Directionspoften refufirt, 
daß Holbein fein Nachfolger würdel Bon einem Manne mit jolcher 
Erfahrung, Bühnentenntnig und ſolchem Geſchick ließ ſich eine 
neue goldene Aera der Prager Bühne erwarten, und vielleicht lag 
es nur in den Umständen, daß fie nicht anbrach. Holbein ftand, 
als er nach Prag fam, nicht mehr in der Blüthe feiner “Jahre, 
aber er war noch immer ein wahrhaft Schöner Mann. Sein Kopf 
mahnte an die Antike der Hellenen, jein ausdrudsvolles Auge 
hatte etwas Schwärmerifches. Im Umgange war er liebenswürbig ; 
immer offenbarte fih an ihm forgjame Erziehung, feine Geiſtes⸗ 
bildung, ausgezeichnete Erfahrung und großes Talent. Dabei war 
er anjpruch8los und feineswegs beraujcht durch die vielen Erfolge, 
die ihm namentlich feine dichterifche Thätigkeit bereit eingetragen 
hatte. „Meine Stüde,”" meinte er jelbjt, „machen auf feinen aus- 
gezeichneten, viel weniger auf einen claffischen Werth Anſpruch, 
Bühneneffect dagegen bleibt ihre Tendenz.” Selten hat fich ein 
Dichter felbft jo ftreng und richtig beurtheilt. Die Zeitgenofjen 
nannten Holbein — wenigitens in feiner Prager Periode „ein 
Modell aller Theaterdirectoren“; er wußte mit dem capricidjen 
Völklein der dramatischen Künſtler gefchictt umzufpringen. In 
gejchmadvoller Urrangirung des Scenarifchen that es ihm nicht 
leicht Einer nad; er verjtand wie felten Jemand die Kunft, Vieles 
mit Wenigem darzuftellen. Ordnung und Pünktlichkeit waren die 
Bafis feines Gebäudes; er war von unerfchütterlicher Eonfequenz, 
anderſeits aber auch gerecht und ehrenfeft; auf fein Wort konnte 
man Häuſer bauen. Die Schwierigkeiten, mit denen Holbein in 
Prag zu Fänıpfen hatte, waren riefengroß. Er fam in eine völlig 

















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deroutirte Gejellihaft hinein, Disciplin und Corpsgeiſt waren 
daraus entwichen, die Unzulänglichleit und der Eigendünfel herrichte; 
die gute alte Stammtruppe aber, auf die Holbein bei Inangriff⸗ 
nahme des Neorganifationswerkes gezählt hatte, ftellte fich ihm von 
Anfang an grollend gegenüber. Sie konnten es nicht ertragen, 
daß eine fremde Kraft das Sollte Leisten fünnen, was man ihnen 
entweder nicht zugetraut hatte oder was ihnen — wie Polawsky — 
nicht gelungen war. 

In fein Verhältniß als „Meitunternehmer und Director", 
joweit es ihn auf ein Zufammenwirfen mit rau Liebich anwies, 
fand ſich Holbein recht gut hinein. Die Witwe Liebich erjchien 
ihm als „eine einſichtsvolle, vechtliche und überaus gutmüthige 
Frau”, ihr „nachmaliger Gemal Stöger als fehr thätiger junger 
Mann, dem nur Erfahrung fehlte, um felbft cin tüchtiger ‘Director 
zu fein“. Mit den Künftlern dagegen hatte ſich der neue Mit- 
unternehmer erſt auseinanderzujegen. Den erſten Conflict mit 
Holbein hatte wieder der ehrgeizige Bayer. Als fich das ganze 
Perſonale zur Vorjtellung bei dem neuen Director verfammelte, 
erichien der erfte Held nicht. Das bezügliche Einladungseireular 
hatte er dem Theaterdiener ungelejen zuriidgegeben. Holbein trat 
aber energiich auf, und Bayer mußte fich zu einer Abbitte be- 
quemen. Nun thaten ich die „älteften Mitglieder" zu einem form: 
lichen Nevolutionscomite zufammen, das es auf einen völligen 
Umſturz der Theatergeſetze abgejehen hatte und republicanifche 
oder wenigjtens conftitutionelle Einrichtungen nad) dem Muſter 
einiger deutfcher Bühnen in Prag einführen wollte. An der Spitze 
Itanden Alltam, Bayer und Polawsky, der Ex-Director, der fid) 
nun auch dem von ihm ſelbſt empfohlenen Holbein ſchroff gegen- 
überftellte. Im April 1820 richteten fie an die Stände eine aus: 
führliche Petition um gründliche Abänderung der erſt furze Zeit 
vorher firtrten Theatergeſetze. Sie forderten einen Ausſchuß von 
drei Mitgliedern, welcher in jtrittigen Fällen zwiſchen Direction 
und Mitgliedern über Zutheilung und Abnahme von Wollen, über 
die Beitrafung von Mitgliedern u. ſ. w. zu enticheiden haben 
ſollte. Sie forderten ftatt 14 Tagen drei Wochen Zeit zur .Er- 


— #3 — 


lernung größerer Rollen, ftrenge Einhaltung der Fächer und 
Befreiung der Hauptdarfteller von dem Auftreten in „Statijten- 
rollen”. Neue Geſetze follten nur dann gelten, wenn zwei ‘Drittel 
des Perfonals fie angenommen hätten. Der Director follte ebenfo 
wie die Mitglieder Strafen unterworfen fein, die der Dreimänner: 
Ausschuß zu verhängen hätte u. ſ. wm. Gegen diefe Zumuthung 
der Revolutionsmänner legte Holbein energifchen Proteft ein. Er 
verwahrte fich gegen die Anmaßung, den Director unter die Di- 
rection der älteften Mitglieder ftellen zu wollen; niemal3 werde 
er fich einer VBormundfchaft unterwerfen, die eben jo viele Par— 
teien als Machthaber zählen würde. Wohin käme man, wenn der 
Schauspieler nur „paſſende“ Rollen zu jpielen hätte! „Paſſende“ 
jeien eben bei jedem von ihnen die beiten. Seines Bleibens jei 
nur, erklärte Holbein, wenn er unumſchränkt bleibe. Und die 
Stände trugen feinem Proteft Rechnung, die Petition wurde ab- 
gelchnt. „Aus dem Vorſchlage,“ jchrieb Graf Chriftian Elam- 
Gallas unter den bezüglichen Bejcheid, „leuchtet jener Schwindel: 
geiſt des Eigendünkels und der Inſubordination hervor, den man 
leider jest fo allgemein trifft. Bald werden die Schaufpieler fich 
als die wichtigften Staatsbürger betrachten und ihre Kunft nicht 
nur als angreifender, fondern auch als weit mehr Kenntniß er- 
fordernd erklären, als die Staatsgefchäfte, wenn man diefem Irr⸗ 
wahn nicht Schranken ſetzt. Das Parlament, auf weldjes ſie 
antragen, wäre ebenſo thöricht, als es nur dazu dienen wlrde, 
lange Discuffionen über unwichtige Gegenftände zu erzeugen und 
ganz unndthig Papier zu vergeuden.”... Damit hatte der Graf 
in der That die immer mehr um fich greifende Künftlerarroganz 
treffend charakterifirt, welche in dem grafjirenden Virtuoſenthum 
ftets neue Nahrung fand, jenem verberblichen Virtuofenthum, 
das Ed. Devrient nicht mit Unrecht als die Signatur der Schau: 
Ipielgejchichte diejes Jahrhunderts binftellt. 

Holbein blieb unumfchräntter Director, ja er wurde aud) 
unumfchräntter Unternehmer. Im März 1821 zeigte Mad. Liebich, 
deren finanzielle Verhältnifje immer zerrütteter wurden, der Theater: 
aufſichtscommiſſion an, daß jie mit dem Mitunternehmer und 











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Director v. Holbein ein Uebereinkommen getroffen habe, wornach „alle 
aus dem beftehenden Theatercontracte reſultirenden Rechte u. Pflichten 
an legteren zu übergehen hätten”, und die Stände genehmigten mit 
Rückſicht auf die Mipftände einer gemeinſamen Unternehmung den 
Bertrag. Holbein hatte vollfonmen freies Feld; nun beganı er um 
jo jtrammer die Zügel anzuziehen und den künſtleriſchen Geift in dem 
revolutionär erregten Prager Theatervölfchen wieder herzuftellen. 
Die Aera Holbein hätte in der That den verblichenen Glanz 
der Liebich'ſchen Epoche neu auffriichen, ja vielleicht gänzlich wieder 
herftellen fünnen, wären die Zeiten nicht gar zu ungünjtig ge 
wejen. Hatte Liebich auch in argen Kriegsjahren gewirkt, jo hatte 
doc) gerade der Krieg der Hauptſtadt Brag Leben und Bewegung, 
Zufluß von Fremden aus allen deutſchen Gauen gebracht. Nun 
war das friegerifche Getümmel verflogen, die Prager Straßen 
hatten ihren normalen ruhigen Charakter wieder, geblieben war 
nur die finanzielle Miſoͤre, die ihre Schatten nach allen Richtungen, 
jehr ftarf aber auf das Kunftleben warf. Das Publicum war 
anfpruchsvoller und — ärmer geworden, das Theater war per- 
manent leer, e8 jei denn, Feiſtmantel producirte eine feiner Glanz: 
rollen, auf der Bühne aber wollten die Leute Kunftfräfte erſten 
Ranges jehen. Unter diefen Umftänden muß man jtaunen, daß 
Holbein zu Teiften vermochte, was er leiftete. Seine Bedeutung 
und fein Einfluß als dramatifcher Dichter, feine Verbindungen 
mit allen Zheaterdichtern Deutfchlands feßten ihn in den Stand, die 
borzüglichjten Erzeugnifje der dramatijchen Literatur den Pragern 
tajch vorführen zu können, ja viele Stide, wie Houwald's Drama 
„Das Bild", welches jeinerzeit mit wahrhaft jenjationellem Er- 
jolge in die Deffentlichfeit trat, Tamen in Prag noch früher als 
im Wiener Hofburgtheater auf die Bretter; „das Bild" wurde mit 
Ludwig Löwe als „Maler Spinaroſa“ eines der bemwährteften 
Zugſtücke. Die Beherricher des damaligen Nepertoires, Houwald, 
Ludwig Tieck, Töpfer u. |. w., räumten überhaupt Prag ftets 
einen gewiljen Vorrang vor vielen der erjten Bühnen Deutfch- 
lands ein. Konnte aber auch ihre Bühnenwerfe irgendwo eine 
würdigere Anfführung erwarten als in Prag mit der Belegung 
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Bayer, Wilhelmi, Brunetti? Mit großen Opfern hatte Holbein 
den alten Prager Künftlerftamm, Löwe, Polawsky, Allram, 
Sontag, Nenner-Holbein, neuerdings au die Bühne gefellelt, 
hätte er fi) ja ohne diefe kaum als Director vor die ftreng- 
conjervativen Prager wagen dürfen. Dazu hatte er einige Neu- 
Acquiſitiouen gemacht, die ſich den alten würdig anreihten uud 
jein Schaufpiel-Enjenble zu einem ſehr achtungswürdigen ge- 
jtalteten. Lembert's „Taſchenbuch auf das Jahr 1821"*) führt 
uns das Prager Theater im erjten Directtionsjahre Holbein's in 
jeinem vollfommenen Perjonalftande und feiner damaligen Or- 
ganifation recht anſchaulich und mit einer kurzen Charafteriftif 
der Mitglieder in folgender Weife vor: 


Ständifhes Theater zu Prag. 


Die ftänd. Theaterauifichts-Commiffion bilden nachftehend genannte 
hohe Gönner und bekannte Beſchützer der Künſte und Willenfchaften : 

Präfdent: Se. Exc. Johann Graf v. Lazansky, k. k. wirkt. Geh. 
Rath und Kämmerer, k. k. Obriſtlandrichter und Landrechts-Präſident. 

Beifiter: Se. Exc. Joh. Graf Pachta, ka k. Geh. Rath und Käm— 
merer. — Franz Graf v. Sternberg, ka k. Kämmerer, — Joſ. Graf 
Noſtitz, ka k. Geh. Rath und Kämmerer. — Chriſtian Graf Clam— 
Gallas, k. k. Kämmerer. — Joſ. Freyherr von Bretfeld, erzbiſch. 
Conſiſt.Canzler. — Joſ. Schütz, Prager Magiſtrathsrath. 

Die Unternehmung theilt die Witwe Liebich mit Hrn. v. Holbein, 
welchem die Theateraufſichts-Commiſſion die unumfchränfte Direction über- 
tragen bat (1821 auch die alleinige Unternehmung). 

Die Regie des Schaufpiels führt der Senior der Geſellſchaft Hr. Allram, 
die Regie d. Op. Capellm. Triebenjee und Regiffeucr Schikaneder. — 
Die Infpection führen: 1. Infpicient und Bibl. Bode; 2. Inſpic. Herr 
Bolze; Garderobe-Inſpector Hr. Kainz; Theaterinfp. Hr. Doberauer. 
Der Delonomie ftehen vor: Der Theatercaffier u, Delon. Hr. Stiepanef. 
Sontrolleur Hr. Nowotni, unter melhem 4 Wogenmeilter, 2 Sitauf: 
ichließer und 8 Billeteurs. 

Darftellendes Perfonal: Damen: Mad. Allram, launige und naive 
Charaktere in Op. und Schaufp.; eine Schaufpielerin von vielfeitiger Bil- 


*) Taſchenbuch für Schaufpieler und Schaufpielfreunde auf dad Fahr 
1821 mit Beyträgen von Caftelli, Grillparzer, Fr. Haug, v. Mojel, 
Graf v. Rieſch, Auguft Weſt u. U. Herausgegeben von Lembert. 
Wien, bei Tendler und Manftein. 








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bung, ın vielen Bartien, befonderd in Localſtücken vortrefflich. — Mab. 
Beder, 1. Sängerin; vorzugämeile in Bravour- Partien, ald Diana, 
Königin der Nacht, Tonftanze, Donna Anna. — Dem. Binder, naive 
Mädchen, Nebenr. — Mad. Brunetti, 1. Liebh. im Sch. und L., junge 
rauen, Damen vom Stande; mit Recht ein Liebling des Publicums. — 
Dem. Brunetti, in Sch. u. Op. Heine Partien. — Dem. Gieb, Nebenr., 
in ber Op. 3. Partien. — Dem. Holbein, ganz jugenbl. und naive Liebh.; 
als Loſarilla, Gurli, Sabriele im Schaufp. „Das Nachtlager von Granada“ 
von Rind befundet fie ein ausgezeichnetes Talent. — Dem. Junghauns, 
2. Liebh. Chor u. MH. Op.-PBartien, it jehr fleißig und berechtigt zu Erwar⸗ 
tungen. — Mad. Lanius, kom. Alte, eine Schaufpielerin von Verbienft. — 
Mad. Liebich, edle Mutter, Anftandsr., eine auögezeichnete, anerkannte 
Künftferin. — Mad. Renner, 1. Liebh. u. junge Frauen im Luſtſp.; beſitzt 
nicht nur den Ruf einer der erften beutfchen Künftlerinen, fondern hat auch 
diejen Auf auf ihren Kunftreifen durch ganz Deutichland auf allen Bühnen 
perjönlich bewährt. — Den. Schilaneder b. ält., Deutteri. Op., Localrollen. 
— Dem. Schilanederd. j. Chor u. M. Part. — Mad. Sontag, 1. Liebh. 
im Trauerfp., junge Frauen im Sch. u. 2. As Johanna v. Montfancon, 
Johanna d'Arc, Donna Diana, Sappho, Eulalia vorzüglid geachtet und 
in jeder Rolle gern gefehen. — Dem. Henriette Sontag, Kiebhaberinen, 
2. und 3. Partien in ber Op. Berechtigt als Guſtav in der Op. „Das 
Wailenhaus”, Benjamin, Rothfäpphen, Amor im „Baum ber Diana” 
zn Ichönen Erwartungen. — Dem. Schlager, 2. Part. i. Op. — Dem. 
Voſs, 1. fanfte Liebh. im Sch. und Tr. iſt talentvolf und beliebt, vor: 
züglich als Emilia Galotti, Hedwig, Melitta. — Dem. Zimmer, 1. fentim. 
Sängerin; Ninetta in ber „Diebifhen Eifter”, Emmeline, Pamina find 
gelungene Leiftungen der jungen Künſtlerin; ihr Geſang tft vorzüglich, 
Declamation und Darftellung laffen Manches zu wünfchen übrig (hat ſich, 
fpäteren Nachrichten zu Folge, plötlich von der Prager Bühne entfernt). 
Herren: Allram, kom. Rollen in Op. und Sch., ein Veteran ber 
Bühne, feit Jahren im Beſitz der Gunſt des Publicums. — Bayer, 
Helden und Char.-Rollen, ein Stituftler von anerfanntem Rufe und Ver: 
bienft, mit Recht ein Niebling des Prager Publicums. — Blumenfeld, 
1. und 2. Liebh., jugendliche Helden, ausgezeichnet, Fleiß und Talent be- 
weifen feine fohnellen Fortfchritte in der Kunft. — Bode, ernfte und ruhige 
Alte, 2. Fach. Sit, ohne ausgezeichnet zu fein, in feiner Sphäre immer 
ſchicklich, in ruhig Falten, reflectirenden Rollen oft fehr brav und hat das 
Berdienft, daß er veriteht, was er fpriht. — Bolze, Bebiente und Ver- 
traute; beweift, wie ehrenvoll man auch im Eeinften Wirkungskreiſe ftehen 
fann. — Feiftmantel, Komiker in O. und Sch., immer echt komiſch, jehr 
oft vortrefflich, wie 3. B. als Sandelholz, Aeneas, Poldl in dem Luſtſp. 
„Die bürgerlichen Brüder“, Lorenz in Op. „Das Hausgeſinde“ u. |. w. _ 
4 


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Haas, untergeordnete Alte; auch von ihm gilt, was von Bolze geſagt 
wurde. — Hauſer, Baryton- und Baßp., ein junger, hoffnungsvoller 
Künftler, von Jugend, Geſtalt und Stimme begünſtigt. — Kainzz, 1. Baßp., 
fleißig und in ſeinem Fache genügend. Spielte den Don Juan mit be— 
dentenden Beifall, eignet fih aber nur mehr für ältere Charaktere. — 
Seuffel, Anmelderolfen, die er mit großer Genauigkeit ausführt, wodurch 
er oft nüglich für das Ganze wird. — Lanius, zärtl. Väter, gefällt als 
General Schlenzheim, Abbe de l’Eppe. — Löwe ſd. ält., 1. jug. Helden, 
1. Liebh., ein vieljeitiger, allgemein beliebter Künftler, ausgeftattet mit an- 
genehmer Bildang, herrlichem Organ, Fleiß und Genie, eine Zierde unjerer 
Bühne. — Löwe jun., 2, Liebh. von Geſtalt und angenehmen Organ 
begünftigt, hoffnungsvoller Anfänger. — Pohl, ebenfalls Hoffnungsvoller 
Anfänger mit vortreffliher Stimme, fingt mehrere 1. Partien, Tamiuo, 
Almaviva vorzüglih. — Polawsky, 1. Liebh. im Luftip., Bonvivants, 
Chevaliers, feine Intriguants, ein Schaufp. von Bildung und Einficht, der 
feine Charaktere immer finnig aufzufaffen und oft der unbedeutendften Scene 
eine glänzende Seite abzugewinnen weiß. — Rollberg, gibt Vertraute, 
1. und 2. Intriguants, auch Väter und 2. Tenor-Rollen mit Glück und 
Einfiht, gehört zu den brauchbarſten und vielfeitigften Mitgliedern und 
wird auch als ſolches gewürdigt. — Schifaneder, kom. Alte, Zocalrollen, 
Baßbuffos, iſt fehr beliebt und gewinnt die Gunſt des Publicums täglic) 
mehr. — Stöger, 1. Tenorp., Licinius, Tamino u. X. mit Auszeichnung. — 
Wilhelmi, 1. Intriguants, launige, kom. Väter, fpielt jede Rolle mit 
Einfiht und viele vortrefflih 3. B. Koke, Jago, Sarciad (Haus Barcellona), 
Pedrarias (Balbao), Vhilipp (Don Carlos), Paul Werner, Frauz Moor, 
Soliman (Zriny), dv. Zammer (4 Temperamente) u. |. w. Ihn ziert die 
Eigenfchaft, feine Rolle zu vernachläffigen, jogar danu nicht, wenn fie unter 
jeiner Würde zu fein fcheint; unzählige Male opfert er fi für das Ganze. 
Welch ein Schaß liegt in einer ſolchen Eigenſchaft für die Unternehmung 
und das Bublikum! 

Binderrollen: Marie Junghanns, Ther. Lanius, Nanette Sontag. 

Das hier angeführte Perjonal war in den Jahren der 
Holbein'ſchen Bühnenleitung nur geringen Wandlungen unter: 
worfen und verbürgte künſtleriſche Thaten. Der durch feinen 
„Kater⸗“ und „Bodjprung” feinerzeit berühmt und verhaßt ger 
wordene Adolph von Schaden ließ bei feiner Anweſenheit in 
Prag (1821) die Prager Schaufpiel- und Opernkräfte eine Tritifche 
Revue paffiren, er entwarf ſogar eine vollfommene alphabetijche 
Conduiteliſte ſämmlicher Prager Bühnenmitglieder, die manchen 
treffenden, in der Folge beftätigten Ausspruch zu: Zage fürderte. 














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Herr v. Schaden erkennt höchſtens den Hofbühnen zu Wien, 
Berlin, München und Dresden einen einigermaßen höheren Rang 
als dem Prager Theater zu. Unter den Damen des Schau- 
ſpiels ftellt er die bereitS gewürdigte Madame Nenner, Gattin 
Holbein’s, Allen voran. Noch immer glänzte fie in naiven und 
beiteren Charakteren und behauptete ihren Ruhm als Deutjch- 
lands größte dramatifche Künftlerin im feinen Luftfpiele. Dead. 
Renner war eine hochgebildete, ausgezeichnete Zrau. Ihr Lehrer 
in der Scaufpiellunft war Marhand in München, die bes 
rühmte Bethmann-Unzelmann ihr Muſter, in der Mufif aber 
Mozart felbft ihr Meifter gewejen. Sie war Birtuofin auf dem 
Piano und im Vortrage declamatorifcher Lieder und Romanzen 
unübertrefflich, auch als Componiftin ſehr refpectabel. Sprachkennt— 
niſſe, der feinſte Weltton, Witz, Laune, ein angenehmes Aeußere, 
ein edles Herz und der höchſte Grad von Gutmüthigkeit erwarben 
ihr Aller Herzen. Leider war Herrn v. Holbein der herbe Schmerz 
beſchieden, ſeine geliebte Gattin in Prag begraben zu müſſen. Sie 
war ſchon leidend hieher gefommen, hatte aber mit größter Selbit- 
überwindung ihre Thätigkeit fortgejegt, bi8 ihre Kraft zu Ende 
ging. Im October 1823 war fie, nach langem ſchweren Xeiden, 
halb genefen, wieder als Landräthin in den „Stridnadeln" auf: 
getreten und herzlichſt begrüßt worden, aber bald warfen fie neue 
Leiden abermals aufs SKranfenlager. Am 24. April 1824 ver- 
Ihied Marie Renner, und unter der allgemeinjten aufrichtigften 
Zheilnahme des gebildeten Prag ward ihre Leiche auf dem Wol- 
Ihaner Friedhofe beigejegt. Ein Jchlichter, halbverwitterter Denf- 
ftein hart an der Mauer ift ihrem Andenken gewidmet. “Die 
einfache Inſchrift lautet: 

„Johanna Marie Reuner-Holbein rubt hier. Dentſchland 
verlor in ihr eine der größten dramatiſchen Künftlerinen, doch unendlich 


mehr verforen...... ‚ (die Stelle ift verwittert*). Unvergeßliche! So lange ich 
athmen werde, werden meine Thränen um Did) fließen. Franz vd. Holbein.“ 


*), Die verwitterte Stelle lautet: „die, die fie als Hausfrau, als 
Freundin und Mutter bedanern. Geliebte Mutter, ſei unſer Schutzgeiſt auch 
noch jenfeit?, wi: Du es in Sorg' und Liebe bier geweſen.“ 


Das Ebenbild ihrer großen Mutter in Kunft und Leben war 
deren Tochter Marie v. Holbein, die noch mit der Mutter 
gleichzeitig al8 Naive in Prag wirkte und Alles entzücte. Sie 
war 1821 ein wunderholdes, reizendes, jiebzehnjähriges Kind, eine 
mächtig aufftrebende Zierde der Bühne, voll Natürlichkeit, An- 
muth und Talent, Vorzüge, die ihr von der genialen Mutter 
vererbt worden waren. Ihre Glanzrollen waren die Eliſe Val- 
berg, Zofarilla, Leonhard in Houwalds „Bild”, Morit in „Fluch 
und Segen" u. |. w. Ihre Darjtellung des „Käthchen von Heil: 
bronn“ begeifterte den ſonſt ziemlich boshaften Herrn v. Schaden 
zu einem feurigen Bewunderungsjunett. — Mad. Brunetti, die 
Unverwüſtliche, jpielte nach wie vor junge Frauen im Luſt⸗ und 
Trauerſpiel. Alles ftaunte, wie fich diefe Dame den Zauber ewiger 
Jugend und Schönheit zu bewahren wußte. Unfere Leſer kennen 
fie fchon eine geraume Zeit: fie war durchaus nicht mehr jung, 
und dennoh erichien fie auf und außer der Bühne wie ein 
ltebreizendes Weib in itppigfter Blüthe! Schon war ihre Tochter, 
die von C. M. v. Weber unterrichtete Reſi, auch unter den 
engagirten Mitgliedern und hatte als Emmeline in Weigl’s 
„Schweizerfamilie”, ala Marie im „Blaubart” und als „Aſchen— 
brödel” debutirt, das Publicum war aber einig darüber, daß 
Jedermann die Mutter in jeder Hinficht lieber fein müſſe als die 
Tochter, die fich in der Oper durch periodiiche Heiferfeit aus- 
zeichnete. Auch Mad. Allram füllte das Fach der Soubretten 
und Localrollen fchon feit einer langen Neihe von Yahren zur 
vollen Zufriedenheit aus und verjtand wie felten Eine die Kunft, 
bei aller Ausgelafjenheit graciös und dijtinguirt zu erjcheinen. 
Mebrigens war Mad. Allram auch eine vortreffliche „Yrancisca" 
in „Minna von Barnhelm“. — Mad. Liebich verließ ebenfo 
wie ihr Freund Stöger kurze Zeit nach Holbein's Uebernahme 
der unumfchränften Divection auch ihr Engagement als Schau: 
jpielerin; fie bereiteten fich zue Uebernahme des Grazer ftändischen 
Theaters vor, das leider furz nach Stöger's Directionsantritt 
total niederbrannte und dem Paare großen Kummer bereitete. 
Neu waren zwei Schaufpielerfamilien, die mit Sad und Pad 








nah Prag gefommen waren. Da war zunächſt die Familie Piſtor. 
Der Bater fpielte Liebhaber» und ECharafterrolfen, hatte eine im- 
pojante Gejtalt und bei mäßigen Anlagen einen großen Fleiß. 
Sein an die franzöfiihe Schule gemahnendes manierirtes Spiel 
vericherzte ihm ziemlic, lange die Gunft des Publicums. Mad, 
Piſtor, eine nicht üble komiſche Alte, Litt nicht minder an dem 
Fehler der Manierirtheit und Affectirtheit. Herr v. Schaden fand, 
daß jie mit ihrem überladenen Coftüme als Deborah im „Schneider 
und fein Sohn” aufs Haar einem türktfchen, mit buntem Glaſe 
ausgelegten Bfeifentopfe glih. Die Tochter, Dem. Piſtor, vertrat 
das fentimentale Fach jehr anjtändig, als „Emilia Galotti“ foll jie 
vortrefflich gewefen fein, nur warf man ihr ein zu großes Maß 
von Weinerlichfeit vor. Dem. Piftor entwicelte fi) mit der Zeit 
in Prag zu einer Schaufpielerin erjten Ranges und wurde bald 
an’3 Burgtheater entführt, wo man ihr zu Liebe auch den Vater 
engagirte. Außer diefer Pijtor-Trias gab es noch eine in Kinder: 
rollen bejchäftigte kleine Joſephine Piltor; die ganze Yamilie 
zählte netto elf Köpfe, für welche die Monatsgage von 600 fl. 
W. W. ſelten ausreichte. — Die Familie Scifaneder be- 
ftand aus dem Papa, der fi als Baßbuffo (Leporello uſw.) 
auch durd fein coloffales Embonpoint auszeichnete und zwei De- 
moijelles, von denen die eine komiſche Alte in Oper und Schau- 
jpiel, die andere Eleine Rollen gab. — Auch die Familie Sontag 
zählte drei Berjonen, die Mutter, die noch Anfangs der Zwanziger 
Yahre als Jungfrau von Orleans, Orfina u. |. w. brillirte, die 
Heine Nannette, ein allerliebjtes und beliebtes Kind, und die weitaus 
berühmtefte Trägerin diefeg Namens, Dem. Henriette Sontag, 
bon welcher wir bei Beiprechung der Holbein’schen Oper ein- 
gehender zu berichten haben, da ihre Thätigkeit im Schaujpiel 
nur vorübergehend und minder wejentlic) war. 

Die bedeutendfte Schaufpielfraft, welche unter Holbein der 
Prager Bühne gewonnen wurde aber nur zu bald verloren ging, 
war jene Earl Seydelmann’s. Holbein hat ihn fo recht eigentlich 
entvedt. 1793 zu Glatz ald Sohn eines Kaffeewirths und Material 
waarenhändlers geboren, hatte Seydelmann frühzeitig für Thaliens 


— — 


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Dienſt geſchwärmt und ſchon im Gymnaſium auf improviſirter 
Bühne ſeine Kunſt verſucht. Glatz war eine künſtleriſch geſinnte 
Stadt. Officiere und Bürger wetteiferten als Theater-Dilettanten, 
und das „Heine Seidelmännchen” war von Beiden als „Teder 
Naturburſch und kluger Diener” jehr gefucht. Theaterbücher bil- 
deten des Jünglings Lieblingslectüre; er nahm fie mit zu Bette, 
und über dem nächtlichen Leſen wäre er beinahe verbrannt, fo daß 
nun ein ftrenges Interdiet gegen die Xheaterliteratur erfolgte. 1810 
wurde der junge Künſtler preußiſcher Artillerift, dejerticte aber fchon 
im nächjten Jahre mit Hilfe falſcher Päſſe und der geſchickt nachge- 
ahmten Unterjchrift feines Majors. Uebrigens fehrte er aus feinem 
Zufluchtsorte Troppau wieder zur Fahne zurüd, als die Befreinugs⸗ 
friege anbracdhen, an denen er freilich nur als Schreiber im Bureau 
theilnahm; im activen Dienjte hatte er es nicht einmal jo weit 
gebracht, eine Kanone abfenern zu fünnen. Als er 1815 den 
Abſchied nahm, verjchaffte ihm Holtei, damals Dramaturg und 
Xheaterjecretär in Breslau, Gelegenheit, auf dem gräfl. Herber- 
jtein’fchen Schloßtheater in Grafenort fein Talent zu üben, bis er 
am Breslauer Stadttheater mit 10 Thaler Wochengehalt An⸗ 
jtellung fand. Er jpielte Liebhaber, ein Feld, wofür er nun einmal 
durchaus nicht taugte. ES fehlte ihm eine hauptſächliche Eigen— 
Schaft, die Türperliche Anmuth, ohne die ſich auch das beſcheidenſte 
Theaterpublicum feinen Liebhaber vorftellen Tann. Seine Geftalt 
war. mittelgroß, regelmäßig bis auf etwas eingebogene Beine, fein 
Geſicht gemöhnlih, das Haar röthlih, der Blick durchaus nicht 
ſanft⸗ſchwärmeriſch, Jondern Falt und durchbohrend. Am Uebelſten 
war es mit feiner Zunge, wohl dem Wichtigjten für den Schau: 
jpieler, bejtellt. Seine Rede war — in Folge der diden langen 
Zunge — jchwerfällig, zijchend, feine Stimme abftoßend rauh, 
Ipröde und feiner Modulation fähig, und erinnerte im höchſten 
Affect an das Wuthgebrüll der Raubthiere. Dean kann ſich denken, 
daß alle diefe Negativa den jungen Seydelmann nicht gerade 
entpfahlen, namentlich jo lange er im Liebhaberfache debutirte. 
Alles rieth ihm, die Theatercarriere bei Seite zu lafjen, aber 
weinend und zähneknirſchend jchrie der junge Künftler bei einer 











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ſolchen Mahnung nach einem entſchiedenen Durchfalle: „Und Ihr 
ſollt ſehen, ich werde doch noch ein Schauſpieler!“ Rötſcher hat 
uns den heroiſchen Entwickelungsgang Seydelmanıs trefflich ‚ge: 
ſchildert. Mit „unfäglicher Mühe, in heißem Trotze“ übte er, wie 
Demojthenes flache Steine auf der Zunge haltend, jeine Sprache. 
Noch eifriger feßte er dies Bemühen fort, al8 er auf Verwendung 
feines Gönners Grafen Herberftein 1819 bei dem von ven. 
Savalteren Grafen Thurn und Baron Born geleiteten Theater 
in Graz eine wiürdige PBofition fand. Sein Eifer und Geſchick 
verfchafften ihm die Stelle eines Schaufpielregiffeurs; mit hartem 
Fleiße übte er fih nun euch in komiſchen Rollen, in denen er 
den Mangel an natürlich komiſcher Kraft durch charafteriftiiche 
Naturnahahmung erjegte. Indeß fallirten ſchon nad Ablauf 
jeines erften Contractjahres die dirigirenden Cavaliere, das Grazer 
Zheater fiel einem Fiaker und Dredslermeifter in die Hände, 
Seydelmann wanderte mit einer Gratification, deren Hälfte er 
Frau und Kindern zum vorläufigen Aufenthalte in Graz über: 
laffen mußte, weiter nach Wien, Preßburg und Olmüg. Das 
Theater in Teßterer Stadt war über einer Schlachtbank aufge- 
richte, per Rolle erhielt er 8 fl. W. W. Hier im größten Elend 
figend, rief er Heren v. Holbein in Prag um Hilfe an, und Holbein, 
der mit jcharfem Blide das originelle Talent Seydelmann's er: 
fannte, verjchmähte feine Kraft nicht. Im Auguſt 1820 kam 
Seydelmann nah Prag, „um unter Meiftern wieder Anfänger 
zu werden”. Freudig und beflommen zugleich ſchlug jein Herz, 
als er des großen Prager Schaufpielhaufes anjichtig wurde, in 
welchem viele der erften Künftler Deutjchlands wirkten. Unbedingt 
unterwarf er jich der Leitung Holbein’s, des eriten Mannes von 
Fach, der feine eigenartige Begabung erkannte, ihm das Herosfop 
eines großen Künstlers jtellte. Holbein wies ihn auf das Terrain 
des Charafterfaches und bildete fein Talent in der fruchtbringendften , 
Weife; in den „Brüdern“ des Terenz und im „Gaſtmal des 
Lebens" (einer Bearbeitung von Shakeſpeare's „Zimon” von 
Bogel) lenkte Seydelmann zuerjt durch originelle Leiftungen die 
allgemeine Aufmerkſamkeit auf fih, und jchon nach zwei Jahren 


— 58 — 


hatte es Seydelmann mit ungeſtümem Fleiße zur Uebernahme 
erſter Charakter-Rollen (Wurm u. ſ. w.) gebracht. Zweimal er- 
höhte Holbein dem ſtrebſamen Manne unaufgefordert die Gage, 
regte ihn durch Uebertragung der verſchiedenartigſten Aufgaben 
zu raſtloſem Schaffen an, und Seydelmann „arbeitete“ in der 
That derart, daß er durch Ueberanſtrengung auf's Krankenbett 
geworfen wurde und eine Badereiſe nach Teplitz unternehmen 
mußte, wo er, kaum geneſen, auf Erſuchen vieler Badegäſte im 
Schloßtheater ſpielte. Als 1822 der Director des Caſſeler Hof— 
theaters durch Prag reiſte und Seydelmann eine lebenslängliche 
Stellung anbot, willigte Holbein großmüthig in deſſen Entlaſſung, 
um dem Glücke ſeines Schützlings nicht im Wege zu ſtehen. Wie 
Seydelmann ſpäter feinen Weg gemacht und feinen Namen den 
eriten der deutichen Shaufpielheroen angereiht hat, erzählt die 
Geſchichte der deutichen Schaufpielfunft. Holbein hat Seyvelmann’s 
Entwidelungsgang in Brag in feinem „deutichen Bühnenweſen“ 
in liebenswürdiger Weije gejchildert. 


„Er ſchrieb an mich,“ fagt Holbein, „von einer ganz Heinen reiſenden 
Bühne und fchrieb fo, daß ich glei den Mann von Geift und Genie in 
ihm erfannte. Er fam mir, ih ihm mit Vertrauen entgegen, und das 
Engagement war geichloffen, ohne daß ich ihn kannte. Er wähnte, ſich be- 
ſonders für Liebhaber zu eigen, allein er irrte fo fehr, daß ich ihm, nad 
einigen ungenügenden Verſuchen, den Koch Syrus in den Brübern von 
Terenz und bald darauf die Rolle Friedrich des Großen im Königsbefehl 
zutheilte und einftudirte, wodurch fich ihm plötzlich eine jchnelle und glän- 
zende Laufbahn eröffnete. Er hatte nod) einen mehrjährigen Contract, "ald 
er ben Antrag einer lebenslänglichen Anftellung aus Eaffel erhielt. Ein— 
fehend, mie wichtig er mir geworben und dankbar für das, was ich für ihn 
thun zu können jo glüdlih war, nahm er Anftand, um feine Entlaffung 
anzuſuchen und verheimlichte mir den erhaltenen Ruf, aber ich erfuhr ihn, 
ging zu ıhm und begrüßte ihn mit ber Verſicherung: ich käme, um ihm 
eine glüdlihe Reife nad) Caſſel zu wünſchen. Es war ftet3 meine Ge- 
wohnbeit, die Bitte um Entlaffung mit den Worten „Glüdliche Reife!” zu 

° beantworten, befonders wenn ber Anjuchende dadurch fein Glüd begründen 
fonnte. Wie hätte ich hier eine, dem Glücke diefes braven, jungen, dank— 
baren Mannes jo günftige Gewohnheit unterlaffen können! Faſt alle be- 
deutenden, unter meinen Directionen emporgeblübten Talente haben auf 
ähnliche Weile meine Bühnen verlajien, ohne fie jemals zu erichüttern. 








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Ich verlor binnen kurzer Beit auf diefe Art in Brag den ewig jungen, 
Geift, Feuer und Gefühl athmenden Löwe, Senydelmann, Wilhelmi 
und — Henriette Sonntag, gab lieber ihren Wünfchen nad, als mid 
dem Nachtheil auszuſetzen, welchen ich gewiß empfunden haben mürbe, 
wenn ich die waderen Künftler von ihrem Glüde abgehalten und in Ber- 
ſtimmung zu bleiben gezwungen hätte... .” 

Der Abſchied Löwe's wird übrigens nicht allgemein als ein 
fo glatter gefchildert, wie ihn Holbein hier.andeutet. Man fagte 
Löwe nad, daß er von Prag durchgegangen ſei, da fid) Holbein 
dem Abgange einer jo werthvollen Kraft ernftlich widerjeßte. 
Sgevenfalls hatte Holbein feine liebe Noth, den Pragern einen 
Erfah zu fchaffen; er behalf ich zunächit mit dem Schauſpieler Wall: 
bach, einem Gaftjpielvirtuofen, der jich aber als denkender Künftler 
präfentirte und in den erften Städten Deutſchlands als „Jaromir“ 
in der „Ahnfrau“, „Abällino” und in der Zitelrolle in Oehlen⸗ 
ſchläger's „Corregio“ Furore machte. Beſonders in der Iegteren 
Rolle hatte er Glück. Seltfamer Weife hatte man hier aus Rück—⸗ 
jicht für die gutmüthigen Prager den Helden nicht, wie Oehlen— 
ſchläger will, fterben, jondern glüdlich werden und damit doppelte 
Sympathien gewinnen laſſen. Wallbach machte ſich auch als Opern» 
jänger nüglich und reuffirte mit feinem klangvollen Baryton als 
„Don Juan“ und „Figaro“. — Der treulofe Löwe erjchien 
1823 als Gajt in Brag und bezauberte Alles durch feinen Jaromir 
in der „Ahnfrau”, Rodericy im „Leben ein Traum", Arnold von 
Melchthal im „Tell“, Hugo in der „Schuld“ n. |. w. Mit ihm 
fam feine Schwejter Julie Löwe, ein alter Liebling der Prager, 
und glänzte als „Donna Diana”. 

Herr Blumenfeld, der neben Bayer, Löwe und Wallbad) 
Liebhaber und Helden fpielte, fand trog der günjtigen Charafte- 
riftit, die ihm in der officiellen Berjonenlifte bei Lembert zu Theil 
ward, in den Augen des Herrn v. Schaden feine Gnade. Er 
nannte ihn einen „veralteten, jchwindjüchtigen, hageren Jüngling 
mit tief liegenden Augen, der an den reitenden Tod gemahnt, 
ein bejchränftes Talent mit vielem Fleiße, als zweiter Liebhaber 
mitzunehmen". — Wilhelmi, deſſen komiſche und intriguante 
Charaktere — er fpielte auch den Franz Moor — nad) wie vor 


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äußerſt beliebt waren, verflüchtigte ſich unter Holbein, Löwe's Bei— 
ſpiel folgend, nach Wien, und Mad. Juliane Junghanns, eine 
andere tüchtige Kraft der Bühne, wurde ihr 1820 durch den Tod 
entriſſen. 1821 gingen Gerſtl, Rollberg, Hauſer, Bode, 
das Ehepaar Lanius, die Damen Voß, Binder, Zimmer, 
1822 Blumenfeld ab. Polawsky ſtand felſenfeſt, zärtliche 
Väter ſpielten der abermals engagirte Seewald und Haasd. ä. 
Der Letztere hatte auch einen Sohn mit ſich, der ſich in jugend- 
lichen Rollen nicht ohne Glück verſuchte. 

Ein großer, ja vielleicht der größte Theil des Nepertoires 
wurde unter Holbein, und ſehr gegen dejjen Willen, von der 
Wiener Localpoffe mit Beſchlag belegt. Das Publicum wollte 
durchaus lachen, und fo oft der Theaterzettel ernfte, wenn auch 
noch jo vornehme Genüſſe verhieß, blieb das Haus leer, während 
eine Wiener Poſſe oder ein Spectafeljtüf der damals beliebten 
Sorte regelmäßig die Directionscaffe füllte. Wir haben jchon be: 
tont, wie gewaltig diefe herrſchende Gefchmadsrichtung den ftrebenden 
Holbein an der Nealijirung feiner echt künſtleriſchen Intentionen 
hinderte. Die Hauptzugfraft war natürlich Feijtmantel. Er 
bejaß in vollitem Maße das Privilegium der echten Komik, fo daß 
jein bloßes Erfcheinen auf der Bühne Lachen erregte und jede 
Stirnfalte glättete. Im Anfang der Zwanziger Jahre war fein 
„Seit auf der Bajtei”, „Luſtiger Fritz“, „Tarokerl“ u. |. w. un 
Mode. Eine Zauberoper jo recht nach dem Geſchmack des Publi⸗ 
cums war damal3 „Der eiferne Dann im Wiener Walde”, in 
der Feiltmantel als „Thaddädl“ und die Iuftige Soubrette Mad. 
Allvam als betrunfener Kellermeijter „großartig” war. In der 
Oper wimmelte e8 von Berwandlungen der Scenen und Perſonen, 
von Gnomen, Elfen, Kobolden, Bären, Ungeheuern, Waldmädchen, 
Bauern, Nittern, Knappen, Mönchen, Gefpenftern und endlich 
fteinernen, fchlafenden, geraubten, entflohenen, verfleideten und ver- 
zauberten Jungfrauen. Einen Decorationsntaler, der jich mit den 
erſten feiner Zeit meſſen Konnte, bejaß das Prager Theater damals 
an Antonio Sackhetti, deijen Panoramen den Weg durch nahezu 
ganz. Europa machten. Die Theateraufſichtscommiſſion, welche — 








— 6 — 


zu ihrer Ehre ſei's gejagt — dem verdorbenen Gefchmade des 
Publicums in diefen Tagen nit Energie entgegentrat und unter 
dem Grafen Johann Lazansky ſehr eifrig wirkte, jah fich ſchließlich 
doc) genöthigt, den „ökonomiſchen Rüdjichten” der Direction Rech: 
nung zu tragen und zwei Tage in der Woche dem Wiener Poſſen⸗ 
Blödfinn einzuräumen. Bei einem erneuten Gaſtſpiele Ignaz 
Schuſter's wurden fogar die früher verbotenen Bäuerle’jchen 
Stücke „Leopolditag”, „Seneralprobe”, „Freunde in der Noth”, 
dann die Pollen „Hans in Wien und Hans in der Heimat”, 
„Safer als Marquis” u. ſ. w. zur Aufführung zugelafien. ALS 
Poſſenregiſſeur fungirte noch der alte Allram, ein bejonderer 
Liebling der Galerien, ein waderer komiſcher Alter. 

Der allmäcdhtigen Poſſe gegenüber hatte das Schaufpiel troß 
einer Nenner-Holbein, Brunetti, eines Bayer, Polawsky, Wilhelmi, 


Seydelmann u. |. w. einen ſchweren Stand. Selbft die intereffan- _ 


teften Gaſtſpiele konnten dem Localſtück nicht das Terrain abge: 
winnen. Aufſehen machte 1821 der Chevalier-Spieler und Luft: 
jpieldichter Carl Töpfer, der zu feinem Gajtjpiel u. U. fein 
neues Stüd, „Des Herzogs Befehl”, mitbradhte. Seinen „Em- 
piehlungsbrief" ftellte ein begeiiterter Recenſent „über alle Kritif”. 
‚Natürlich blieben auch feine damals modernen feinen Luſtſpiele 
nit aus. Es griff eben um diefe Zeit das Converjationd- oder 
Salonftüd immer mehr um fich, die jüngeren Dichtertalente legten 
in ihren Luftjpielen das Hauptgewicht auf eine bejondere Eleganz, 
Freiheit und Präcijion des Ausdruds, auf das feine Zujammen- 
ſpiel, das ſchon durch die Kotzebue'ſchen, Steigentefch’ichen, Schall: 
Ihen und Conteſſa'ſchen Xuftjpiele gebildet war. Zöpfer und 
Bauernfeld jpeciell bafirten auf die Fähigkeit der Darjteller im 
Converſationsfache ihre Zuftipiele, in denen gewandte Schaufpteler 
wilffommene Virtuoſenſtückchen begrüßten. Im Nepertoire der 
Jahre 1820, 21 und 23 begegnen ung u. A. unter der Rubrif der 
„neuftudirten Stücke“ Grillparzer’s neufcenirte „Sappho", Goethe's 
„Iphigenie“, Leſſing's „Nathan”, Kotzebue's „Selbitmörder", 
„Verkleidungen“, „eiferſüchtige Frau“, „Verlegenheit und Liſt“, 
„Die vier Temperamente“, und „Die ſeltſame Heirath” von Ziegler, 


— 92 — 


„Ida“, „Der Vorſatz“, „Das Alpenröslein” und andere Werke 
von Holbein, „Der falſche Schlüjfel" und „Salvatore", Drama 
von Vogel, „Petrus Appianus“ von Kind, „Die Zweiflerin” und 
„Die Onkelei“, Qujtjpiele von Müllner, „Das Vogelſchießen“ und 
„Der Abend im Poſthauſe“ von Elauren, „Ich bin mein Bruder" 
von Conteſſa, „Die Schaufpielerin”, „Car van”, „Gabriele“, 
„Die junge Tante” und „Emmy Ziels" von Caſtelli, mehre Stüde 
aus der Feder des Schaufpielers Schifaneder, „Cervantes in 
Algier” von Kuffner, „Precioſa“ von Wolff mit der Muſik von 
EM. v. Weber, die bereits erwähnten Töpfer'ſchen Luſtſpiele u. A. 
Bon Schaufpielgäften heben wir noch Mad. Brede und Mattaufch 
hervor. 

Ein interejjantes Gaſtſpiel brachte das Jahr 1823. Es führte 
Carl v. Holtei mit feiner jungen genialen rau, der gewejenen 
Dem. Louife Roger, nad) Prag. Holtei hatte feine Breslauer 
Stellung als Theaterjecretär und Dichter verlaffen, und zwar nicht 
unter den günftigjten Verhältniſſen. Er hatte der Verjuchung, 
Theaterfrititen zu fchreiben, nicht widerjtehen können und dephalb 
in ſtetem Verdruſſe mit den Schaufpielern gelebt. Zu einem offenen 
Eclat aber fam es, als die befannte Runftreitergefellfchaft Tour⸗ 
niere in Breslau gaftirte und Holtei die Schaufpieler zur Mit- 
wirkung in einer großen Spectafel-Bantomime zwingen wollte. 
Es entftand eine heftige Oppofition, die Holtei in der Preſſe 
befämpfte, und die Folge war feine Entlafjung. Auch feine Frau, 
die im naiven und fentimentalen Fache zu den vorzüglichjten Künit- 
lerinen ihrer Beit gehörte, verließ mit Holtei Breslau und gaftirte 
nun in Prag. Diejes Gaftjpiel hatte feine Gefchichte, und Holtei 
felbft Hat fie in feinen „40 Jahren“ erzählt. Nach feinen 
Breslauer YFatalitäten hatte er Gajtfpielanträge für ſich und feine 
Frau an verjchiedene Directionen gefandt, aber von allen Seiten 
famen ablehnende Antworten, nur von Prag blieb jede Antwort 
aus. Deshalb beichloß das Paar in diefer Stadt auf's Gerathe- 
wohl fein Glück zu verfuchen, reiſte aus Schlefien dahin ab, jtieg 
beim „goldenen Engel" ab, und von: dort aus machte Holtet dem 
Director Herrn dv. Holbein feinen Beſuch. 














— 68 — 


„Holbein“ — erzählt er — „war fehr erftaunt, mich zu jehen und 
erflärte, ich folle gelefen haben, was er in gelefenen Blättern jüngft be: 
fannt gemadt, baß bei ihm feine Antwort eine verneinende fei. Auf dem 
Lande weilend, hatte ich biefe Anzeige einer neuen Form zu correfpondiren 
nicht zu Gefichte bekommen. Er fertigte mich kurz und entfchieden ab, vom 
Saftipiel war keine Rebe, umſoweniger ald eben ber berühmte Baffift 
Fiſcher und der junge Sänger Ed. Devrient aus Berlin auftreten follten.” 
— Sn feiner Verzweiflung wandte fih Holtei an den Schriftftellee Gerle, 
der ihm als Correſpondent der „deutichen Blätter” befannt war, wurde durch 
diefen mit Marjano und durch Marſano wieder mit den Iuftigen Gefellen 
aus dem Reiche der Kunſt und Literatur befannt, die in der fogenannten 
„Wolfsſchlucht“ vergnügte Abende zuzubringen pflegten. Dort war Holtei, 
trogdem ihm die Schaufpieler Anfangs wegen der Breslauer Affaire miß- 
trauiſch entgegenfamen, bald als „fideler und umgänglicher Kerl“ heimiſch. 
Auch in der Gaſtſpielſache kam es zu einer unerwartet glüdlichen Entjchei- 
dung. Holter hatte fi) fhon auf das Poſtbureau verfügt, um jeine Abreife 
nah Wien anzumelden; ald man ihm aber, da fein Paß nicht für Wien 
galt, Umftände machte und ihn nah Breslau zurüd inftradiren mollte, 
erinnerte er fi) zweier Gmpfehlungsbriefe bedeutender Berjönlichkeiten 
an den damaligen Oberitburggrafen Grafen Kolomwrat. Man las fie, 
wurbe liebenswürdig und ftaunte, daß Holbein fein Gaftipiel bemilligen 
wolle. Holtei gab nun die Briefe im Hotel bes Grafen ab und wartete 
noch einige Tage in Gefellichaft Fiſcher's, Devrient's, Wolff's und des nad 
Stalten reifenden Malerd Henjel in Prag. Da mwurbe er auf die Stabt- 
hauptmannichaft beihieben. Der Stabthauptmann fragte ihn, ob er nod 
feine weiteren Nachrichten von der Direction babe. Nein, war die Ant- 
wort. „Hm, das wundert mich, warten Sie nur noch ein paar Stunden. 
Wir fehen und wieder, und Ihren Baß mögen Ste für's Erfte noch auf 
dem Bureau liegen laffen.“ Als Holter nach Haufe kam, fah er ſchon Herru 
v. Holbein neben Ruije auf dem Sopba fiten, das Beſetzungsbuch vor ihnen. 
Holbein meinte, die Verhältniſſe hätten ſich unerwartet fo günftig gefügt, 
daß ihren Wünfchen noch Erfüllung werben könnte. SHoltei verftand, und 
als noch ein Neffe Kolowrat's erihien, um nad) den Wünfchen des Ehe— 
paar zu fragen, wurde Alles klar. Holtei beſtand darauf, ebenfall3 als 
Schauſpieler aufzutreten, um nach dem Breslauer Zheaterfcandal wieder 
einen Schritt in die Deffentlichkeit zu thun. Das Ehepaar jpielte nun 
gegen ein Drittel der Einnahme, was am erften Abend nad Abzug der 
mit 100 fl. W. W. notirten Tageskoſten 3 fl. 56. W. W., d. 5. ein 
Drittel der Gefammt-Einnahme von 11 fl. 48 fr. ergab. Man ftellte 
Holtei die „Summe“ in Kupfermünzen zu; er hielt es für Gold, da das 
Haus im Abonnement fehr gut bejucht jchien, ſpäter kam allerdings die 
Enttäuſchung. Am zweiten Abend geftaltete fi} der pecuniäre Erfolg günftiger. 


— 4 — 


Frau dv. Holtei trat als Lieschen im „Alpenröglein”, dann 
mit ihren Manne als „Lottchen Wollanf" im „Vogelſchießen“, 
in den „Dialecten”, einem jehr netten Verkleidungsſtückchen von 
Holtei, und in dem Einacter „Das war ich" auf und fand all- 
abendlich lebhaften Beifall. Herr v. Holtei war al8 Dichter eut⸗ 
Ichieden glüclicher und bedeutender wie als Schaufpieler. 

Die Aera Holbein in Prag wirkte auch — vor Allem durch 
die Perjünlichkeit des als Schriftiteller und Dramaturg gerühmten 
Directors anregend auf die Xhätigfeit der Theaterdilettanten 
Prag’s. Seit Jahren jchon hatte in Prag im Haufe Nr. 506 
auf der Neuftadt eine Privatbühne bejtanden, auf welcher von 
mehren Gefellfchaften abwechjelnd dramatische Vorftellungen gegeben 
wurden. Eine dieſer Gefellichaften, deren Director Herr Clement 
eine bejondere Thätigkeit entwidelte, war aus Handlungscommis 
zufammengefeßt, deren Streben auf Errichtung einer felbjtändigen 
Dilettantenbühne Hinzielte. Dem Decorateur und Mafchiniften der 
Truppe, Balte, gelang e8 1816 ein geeignetes Tocal hiefür in dem 
Bibliothekſaal des aufgehobenen Benedictinerflofters zu S. Nicolaus 
nahe dem Altjtädter Ring zu finden und dasjelbe von dem Haus: 
eigenthümer Schweftfa für 70 fl. C. M. jährlih in Miethe 
zu befommen. Man fann nicht jagen, daß die neue ‘Dilettanten- 
bühne, da8 „Niclas-Theater“,*) wie es bald genannt wurde, 
befonders angenehm und verlodend ſituirt war. Ueber eine fteile, 
jtelfenmeije fast unwegjame Treppe mußte der Bejucher zur Höhe 
des dritten Stodwerfs in dem alten Kloftergebäude emporklimmen, 
wo man endlich in den Heinen Theaterjaal gelangte. Die Bühne 
war 11 Ellen breit, 25 Ellen tief. Der Zufchauerraum faßte 
160 Perſonen, die auf 92 gejperrten Siten und auf der ſchwer 
zugänglichen Galerie Pla fanden. Der Hauseigenthümer, Herr 
Schweſtka, felbft hatte fidy eine Familienbank in der erften Reihe 
rejervirt. In diefem Theaterchen haben fleigige Dilettanten und 


*) Die voritehenden Mittheilungen über die Entftehungsgefchichte des 
Niclas: Theaters verdanke ich einer im Belige des legten Eigenthümerg und 
Directors diefer Bühne, Herrn C. A. Schweſtka, befindlichen gefchriebenen 
Geſchichte der Anfangsperioden des Heinen Muſentempels. 





— 65 — 


Bühneneleven länger als ſechzig Jahre der dramatiſchen Kunſt 
gedient, und manches hervorragende Talent hat hier zum erſten 
Male ſeine Schwingen entfaltet. Die Niclastheater-Gejellichaften 
hatten ftets eine feſte Organijation und zwedmäßige Statuten 
aufzumweifen und ftrebten Fünftlerifchen wie humanitären Bielen zu. 
Der Eigenthümer, Hr. Schweitfa, hatte 100 fl, für die Mdopti- 
rung des Locals gewidmet, jedes Mitglied des Dilettantenvereing 
erlegte beim Eintritt 40 fl., welchen Betrag es im alle der 
Entlaffung zurid erhielt, im Falle freiwilligen Austritts aber nicht 
beanfpruchen fonnte. Director Clement fungirte ſowohl als arti= 
jtiicher wie als adminiftrativer Leiter des Ganzen, doch dauerte 
jet Regime nur zwei Monate Am. 16. Mai 1816 war die 
Bühne mit einem Prolog von Baron Steinmeh, dem Singfpiele 
„Die Naht im Walde” und dent Kotzebue'ſchen Luftipiel „Die 
englifchen Waaren” eröffnet worden, im Juli übernahm ein Herr 
Barbatzki die Direction, führte fie durch drei Monate und 
übergab fie dann an den bisherigen Negiffeur Kramer, einen 
angejehenen Prager Buchhändler, unter welchen das Theaterchen 
einen großen Auffhwung nahm. Jedes Nollenfad war doppelt 
und mehrfach bejeßt, an talentvollen, Funftbegeifterten Mitgliedern 
war Fein Mangel; mande von ihnen wie die Demoifellen Herbjt 
und ®ieb wurden ſpäter Mitglieder des ftändifchen Theaters, in 
deſſen Berjonale fie ihre natürlichen Vorbilder erblidten. Kramer 
jelbjt war ein Mann von praktischen Kennmiſſen in der drama- 
tiſchen Kunft, ſein Regiſſeur Hauſchild, ein Staatsbeanter, galt 
als vortrefflicher Darfteller und Lehrmeifter im Nollenfreije der 
bumoriftiihen Alten und zärtlichen Greiſe. Durd) die Erwerbung 
von beitragenden Ehrenmitgliedern fejtigte Kramer die finanzielle 
Bafis feiner Bühne, und dadurch, daß er diefelbe ausschließlich 
für Wohlthätigfeitsvorjtellungen widmete, ficherte er ihr ein be- 
bördliches Privilegiun. Am 27. Auguft 1817 fand die erjte Wohl- 
thätigfeitSvorftellung zum Beften des Bartholomäi-Armenhaufes 
jtatt, wobei das „Singfpiel auf dem Dache“, das Luftjpiel „Die 
Feuerprobe“ und das Melodram „Das verlorene Kind” von 
Kogebue mit Muſik von Theodor Zeh (Capellmeifter der Bühne) 
5 


— 6 — 


gegeben wurde. Kramer behielt die Leitung des Niclastheaters 
bis Ende 1818, worauf er eine Provinztheatergefellichaft errichtete, 
die im Winter in Bilfen, im Sommer in Carlsbad fpielte und 
zu einem Drittel aus Mitgliedern. des Niclastheaters zuſammen— 
gefegt war. In der Schlußvorftellung der Kramer’schen Direction 
in Prag (27. Dec. 1318) ſprach Frl. Nina Herbſt, jpäter eine 
hervorragende Kraft des ftändifchen Theaters, den von ihrem 
Vater verfaßten Epilog. Die Directton und das Privilegium über- 
ging an den Hauseigenthümer Herrn Schweſtka jelbjt, wodurch 
der Zins entfiel und die Mitgliederbeiträge geringer wurden, 
während jedoch die Requiſiten, Rollen u. ſ. w. auf Koften der 
Dilettanten bejchafft werden mußten. Schweftfa leitete fein Haus- 
theater eine lange Neihe von Jahren, entwarf eigene Theater: 
gefege und übertrug die Direction einem Negie-Triumvirat. Im 
Mitglieder-Verzeihuig finden wir die Namen Chaner, Grabiuger, 
Skraup, die Fräulein Herbit, Bayer, Peche — die uus noch oft 
begegnen werden; ihre nachmals geſchätzten Träger dürften wohl 
identisch mit den Mitgliedern des Niclastheaters unter der Di- 
rection Schweitfa, der Regie Haager-Mottlif-Berdek fein. Das 
„Dilettanten- Theater zu St. Niclas" wurde innmer mehr zu einem 
Schultheater; ſchon die Aufnahmsbedingungen, „ein moralifcher 
Ruf, empfehlendes Aeußere, ehrbare Herkunft, Stand und Be- 
Ihäftigung in einer gebildeten Claſſe, gebildeter, reiner Sprad)- 
dialect, anftändiges Benehmen" und der gute Erfolg einer Spiel- 
probe verhitteten das Eindringen unberufener. Elemente und die 
Heranziehung eines Bihnenproletariats. Die von Holbein aufge: 
jtellten Grundjäge für Dilettantenbühnen galten auch für St. Niclas 
als maßgebend. — Solange die Familie Schweitfa im Beſitze des 
Klofters und der Bühne zu St. Niclas blieb, wurde an dieſen 
Prineipien feitgehalten, und neben Liebhabern des Schaufpiels 
waren ſtets ftrebfame junge Herren. und Damen auf der Keimen 
Bühne thätig, die den theatralifhen Bernf ans Luft und Liebe 
erwählten und unter guter Leitung mit Eifer der Bühnencar- 
riere zujtrebten. Den humanitären Inſtitutionen Prags hat das 
Theater zu St. Niclas bis zu feinem durch den Verkauf des 





— 67 — 


Hauſes unter dem letzten ehrenwerthen und thätigen Director 
C. A. Schweſtka und die neuen feuerpolizeilichen Vorſchriften be- 
dingten Ende große Summen zugeführt. Ein gutes Andenken iſt 
deshalb den Miniatur-Theater, auf das wir wohl noch vorilber- 
gehend zu ſprechen fommen, gewiß. 

Bot das Niclastheater den bürgerlichen Kreifen Prags bie 
erwiünfchte Gelegenheit zu theatralifchen Tbungen, fo waren die 
Rohan'ſchen und Clam-Gallas'ſchen Salons der Schauplatz in- 
terejfanter und denkwürdiger Vorjtellungen der Prager Arifto- 
fratie, in welcher damald der Sinn für beifere geiftige Genüſſe 
und namentlich für gediegene Kunftproductionen nicht erjtorben 
war. Bon dem Haustheater im gräflic, Clam-Gallas'ſchen Palais 
fonnten wir beveit3 wiederholt berichten. Hier fand ſich der ge- 
jammte Hocadel der böhmifchen Zandeshauptftadt zufammen, um 
ſich mit Freude und Eifer in der „Komödie“ zu verfuchen. 
Ein „Auszug aus dem prager refonirten Theaterjournal im Car- 
neval 1792”, den wir im Anhange zu diefent Buche mittheilen, 
liefert eine Köftliche, zum Theil ſatyriſche Charakteriftif der Mit- 
glieder der Prager Xriftofratie, organifirt als „Prager Schau- 
jpielergefellfchaft für Driginal-Stüde, Operetten, Bantomimen und 
Ballets“. Mitglieder der erjten Yamilien Böhmens werden hier 
als Acteurs, Actricen, Ballettänzer und PBantomimiften angeführt, 
wobei allerdings zu beachten it, daß die beigefügten Aemter und 
Rolfenfächer vielfach, Anfpielungen auf gewilfe perjönliche Verhält- 
niſſe enthalten und als Kleine Carnevals:-Spöttereien gelten müfjen. 
„Herr Chriſtian Clam' — die Herren und Damen find ſtets 
ohne ihre Adelstitel angeführt — fungirt in diejer Perſonalliſte 
als „Directeur und Eutrepreneur, auf deſſen Unköſten Alles gehet”, 
(Graf) Louis Hartig als „Theatercaſſierer“, (Graf) Carl Pachta 
als „Orcheſterdirecteur“, (Graf) Franz Hartig als „Theaterdichter“, 
(Graf) Carl Clam als „Zettelträger“, (Graf) Adolph Kaunitz als 
„primo uomo“, (Baron) Bretfeld Vater als Balletmeiſter, die 
Comteſſen Clary und Luiſe Clam ſowie Baroneſſe Janowsky 
als Ballettänzerinen, Bretfeld Sohn und Chriſtian Clam Sohn 
als Ballettänzer; Graf Pötting wird als Darſteller „zärtlicher 

5* 


Liebhaber, Seladons und manquirter Chevaliers", Procop LXa- 
zansky Vater als „ZTheatercorrepetitor" charakterifirt, der „gern 
Minifterrollen fpielt, aber vom Bublicum nicht goutirt wird”; 
von den Damen der Arijtofratie jehen wir die „Madamen“ 
Pachta, Noftit, Rotenhahn, Nannette Martinig, Ziscowitz, Procop 
Kolowrat, Joſepha Martinig, Taxis, Procop Lazansty, Dehm 
(Deym ?), Zaufffirchen, die „Mademoifelles” Caroline Elam, Canal, 
Lobkowitz, Morzin (drei), Hohenfeld, Syofepha Lazansky, St. Yulien, _ 
Noftig mit mehr oder minder jchmeichelhaften Rollenfächern bedacht. 
Liegt den ganzen Scherz auch, wie gefagt, ein wenig Satyre zu 
Grunde, jo beweift er doch, wie rege der Sinn für Theater in 
der Ariftofratie war und wie man namentlid in der Familie 
Clam⸗Gallas den natürlichen Mittelpunkt, in ihrem Palais die 
Stätte fir Bethätigung theatraliicher Neigungen erblidte. 

Im Jahre 1818 Hatten die ariftofratifchen Schaufpieler im 
Clam'ſchen Haustheater zum Beften der barmberzigen Brüder und 
der Elifabethinen „Maria Stuart”, „Die beiden Brüder“ von 
Küftner, „Marchefe Brogodino” von Hell, „Cid“ nad Eorneille 
von Colin, „Hugo Grotius“ und mehre Converfationsftüde auf- 
geführt. „Graf Clam-Gallas,“ jagt ein SYournalbericht, „ebenjo 
befannt durch Menjchenliebe und werfthätige Großmuth als durch 
den regften Kunſtſinn, Unterftügung alles Schönen und Guten, 
bat fein gejchmadvolles Theater zu diejem Zwecke gewidmet. Ge⸗ 
Ihmad, Glanz der Erfcheinung und wohlgezeichnete Decorationen 
von der Hand der beiten Dialer bilden den Rahmen zu dem licht- 
vollen Gemälde, welches die dramatiſche Kunft hier dem Beſchauer 
darbietet.“ 1819 gab man die Luſtſpiele „Die Tante” und „Aben: 
teuer im Gajthofe” von Kurländer, „Die Neugierigen" v. Schmidt, 
„Das Räthſel“ von Conteſſa, das dramatifche Gedicht „Wulfried 
von Hohenftein" von Weidmann und ein einactiges Luftfpiel von 
einem Gavalier jelbft. Graf Clam producirte fich mitunter aud) 
auf der Violine. Eine einzige Vorftellung zu Gunften der Elifa- 
betbinen ergab eine Einnahme von 10.730 fl. In den Tagen 
Holbein’8 wurde die Töpfer’fche Bearbeitung von „Hermann und 
Dorothea”, „Das legte Mittel” von Frau v. Weißenthurn, „Ich 


— 69 — 


bin meine Schwefter” von Conteſſa und Holbein's vieractiges 
Luftfpiel „Der Wunderfchranf” mit großem Erfolge gegeben. Das 
legtere Zuftjpiel war zuerjt und eigens für das Clam-Gallas'ſche 
Haustheater gejchrieben. 

„sm Palais des ebenfo edlen als liebendwürdigen Grafen Chriftian 
Clam-Gallas“ — erzählt Holbein — „wurden jährlid einige Vorftel- 
lungen von ber Nobleffe zum Vortheile mwohlthätiger Anftalten gegeben, 
und die Geſellſchaft konnte fih ın der Wahl des Stüdes nicht einigen, 
weil — mie bei Liebhabertheatern gewöhnlich — jedes Mitglied eine Rolle 
nach feinem Geihmad haben wollte. Da gab mir die geiftreihe Gräfin 
Clam-Gallas einen Zettel, worauf die Gattung von Rollen ftand, welche 
jeder der Theilnehmer zu fpielen wünſchte, und proponirte mir jcherzend, 
ein Stüd zu fchreiben, worin alle diefe Berfonen fich ihren Wünfchen ge: 
mäß bejchäftigt jähen, damit wir ſie — wie fie ſich auf ihre heitere Weiſe 
ausdrückte — enblid unter einen Hut bringen. Sch Jah wohl ein, das 
diefer ganze Vorſchlag ur eine jcherzhafte Ironie der hochgebildeten Dame 
war; ich gehorchte jedoh im Ernſte ihrer humoriftiichen PBropofition, und 
e3 entftand der „Wunderſchrank“, welcher fi) denn auch beſonders ın Wien 
großen Beifall erwarb.” 

Das adelige Schaufpielperjonal wies damals folgende Namen 
auf: Fürftin Augufte NAuersperg, die Gräfinen Clam-Gallas, 
Schlifund Sreiffenclan, die Comteffen Chriftine und Adelheid 
Clam-Gallas, General v. Vieth, Fürſt Thurn-Taxis, 
die Grafen Franz und Joſehh Thun, Cavriani md Schön: 
born, endlich Baron Koller. So amufirte fih der Adel Prags, 
und das ftändifche Theater, in. welchem er die Anregung zu diefen 
liebenswiürdigen Amuſements fand, hatte der Tebhaften Theilnahme 
der Arijtofratie viel zu danken. Es gab noch wahre Maecenaten 
in Prag, und die deutfche Schaufpielfunft in Böhmen konnte der 
Unterjtügung von Seite des gefammten Hochadels ficher fein. 


— en — 


— 70 — 


II. 


Henriette Sontag als Stern der Holbein'ſchen Oper. 


Golbein's Einfluß auf die Opernverhältniſſe Prags. — Aus der Muſik— 
ſaiſon 1820. — W. A. Mozart jun. in Prag. — Die Oper zu Begiun 
der Aera Holbein. — Capellmeiſter Triebenſee. — Das Orcheſter. — 
Wilhelmin: Becker. — Die Geſangsabtheilung des Conſervatorinms. — 
Henriette Sontag und ihre Mutter. — Das Verhältniß Henrietten's zum 
Prager Conſervatorinm. — Henriette in ihren Anfängen; ihr entſcheidendes 
Debut. — Demoiſelle Soutag als Primadonna der Prager Oper. — Die 
„böhmiſche Nachtigall” flattert aus. — Aus Henvietten’3 Briefen. — Die 
Sontag in Berlin; ihre Ehe mit dem Grafen Roſſi. — Henriette in 
Betersburg; ihre Dankbarkeit gegen Mad. Czejka, ihre Lehrerin. — Nina 
Sontag ald Sängerin und Nonne. — Henriette Sontag betritt abermals 
das Gebiet der Deffentlichkeit; nene Triumphe, ihr Concert in Brag, ihre 
Amerika⸗Reiſe und ihr Tod. — Henrietten's Grab in Klofter Marienthal, — 
Die Familie Sontag.) 


Franz v. Holbein war in erſter Linie Schauſpieler und 
Schauſpieldichter; ſein Streben war daher naturgemäß in erſter 
Linie auf das Gedeihen des Schanſpiel gerichtet — aber die 
Oper war deshalb keineswegs das Stiefkind des raſtlos ſtrebenden 
und arbeitenden Directors. In der Muſik durchans nicht Dilet— 
tant, ſeit früheſter Jugend ausübender Muſiker, hatte er ſich in 
ſeinem abenteuerlichen Leben ja auch als Sänger und Virtuoſe 
durch die Welt gebracht und als Opern-Librettiſt und Componiſt 
das Glück zu erhaſchen verſucht, das ihm allerdings erſt ſeine 
Schau: und Luſtſpiele brachten. So trat Holbein nicht allein 
auf dem Gebiete des Schaufpiels ſondern auch auf dem der Oper 
neubelebend und veformivend in Prag auf. Schon als Regijjeur 
hatte ſich fein Einfluß auf die Seftaltung des Opern-Repertoires 
geltend gemacht, das unter Polawsky eine gewiſſe Leere und Farb— 
lofigfeit aufwies. Man hatte mehr von Concert: als von Opern: 
Ereigniſſen gehört. Am 7. April 1820 gab der Sohn des den 
Pragern jo theueren Mozart, W. A. Mozart jun, ein Concert 
im Neboutenfaale, und Prag jtrömte dahin, um den Sohn des 





— 1 — 


großen Vaters zu hören und in ihm dieſen Vater zu ehren. 
Mozart jun. dirigirte die Ouverturen zu „Zauberflöte“ und 
„Don Juan“, und im Orcheſter jaßen noch manche Muſiker, 
welche Ichtere unter Zeitung des Vaters gefpielt hatten. Ferner 
brachte er das große Eoncert in C und zwei eigene Compoſitionen 
(Variationen und zwei Sätze eines Clavier-Concerts) zum Vor: 
trage. Mad. Beder und der Baſſiſt Haufer vom ftändiichen 
Iheater fangen Arten aus „Don Juan“ und „Figaro". Die 
Kritif erfannte cs an, daß der Name Mozart dem Künstler wohl 
an und für fich ſchon das regjte Intereſſe zuwende aber auch die 
Anforderungen fteigere; Mozart junior könne es nun „als einen 
Triumph feiner Kunft hinnehmen, daß cr dieſen Erwartungen 
Genüge leijtete”. Man fand fein Spiel Har, präcis, ausdrucks— 
voll, von Geist und Gefühl belebt, moderner Virtnoſenkünſte 
baar, ebenfo glaubte man in feinen Compofitionen etwas von dem 
Seite und der Begabung des unvergeſſenen Vaters zu erkennen 
„zum großen Unterjchiede von den neueren Zonfegern, die nur fiir ſich 
jeloft -Tchreiben und durch Ucberwindung ungehenerer Schwierig: 
feiten Bewunderung zu erregen tradhten”. Bald nad) Mozart 
eoncertirte and) Hunmel in Brag, und im Vergleiche mit feinem 
unmittelbaren Vorgänger und Mofcheles war er es, dem der erſte 
Preis zuerkaunt wurde. Die Anweſenheit des Faijerlichen Hofes 
it Prag im Juli 1820 haste cine Reihe bedeutender Tonkünftler 
aus dent Auslande nad) Brag gelodt, darunter den erſten Violi- 
nijten der Pariſer Hofcapelle, Zafont, den Sgr. Vimercati, 
Virtuoſen auf der engliihen Mandoline, und den Flötenvirtuojen 
Sedlaczek ans Wien. Lafont ſpielte zuerft im ſpaniſchen Saale 
der Hradichiner Burg bei der offenen Hoftafel am Vermälungs: 
tage des Erzherzogs Rainer mit der Prinzeſſin Francisca von 
Savoyen-Carignan, das zweite Mal im Palais des Grafen Wrtby 
und endlich mit Vimercati gemeinfam in einem öffentlichen Concert 
im Redoutenſaale. Vimercati gab auch ein Concert im Theater, 
Sedlaczek aber prodneirte fid) in den Salons des Generals Grafen 
Noſtitz. Tie Oper felbft war, als Holbein im April 1820 die Di: 
vection antrat, keineswegs in glänzender Verfaſſung. Capellmeiſter 





— 72 — 


Triebenſee, der fih ſchon als fürjtl. Liechtenjtein’scher Capell⸗ 
meijter einen guten Namen gemacht Hatte,*) war zwar ein tüchtiger 
Mufiter und Dirigent, ein meijterhafter Bartiturenlefer und vor: 
trefflicher Gejangsichrer, der zu imponiren und Opern: vole 
Orchefterperfonal feſt zuſammenzuhalten wußte, man vermißte 
aber Delicateffe des Geſchmacks bei feiner Opernleitung, und die 
Mittel, mit denen er zu arbeiten hatte, waren — von wenigen 
Kräften abgeſehen — zu beſchränkt und ungeläutert, um Großes 
vollbringen zu laſſen. Im Orcheſter faßen noch wadere und 
jolide Mufiter. Der als Virtuos und Componiſt geſchätzte F. W. 
Piris und der noch aus der Meozart-Wera herübergerettcte Kral 
jtanden Triebenjee als Drchejterdirectoren zur Seite; erfte Violin 
jpielten die beiden Kral, Piris, Kalliwoda, zweite Violine Braupner, 
Hübner, Koſtka, Opletal; Biola Reim und Theimer, Cello Kutſchera 
und Chriftoph; Baß Haufe und Zappe, Oboe Prof. Friedr. Baner 
(aus Weimar) und Kaner, Llarinette Farnif und Blatt, Flöte 
Januſch und Zroftmann, Fagott Bettlach und Knize, Horu Frig 
und Zalızan, Trombe Wlah und Weiß, Harfe Friedel, Timpaui 
Rangel — Namen, die in der damaligen Prager Mufiferwelt 
durchwegs guten Klang hatten. Das Sängerperfonal ift in dem 
Hauptverzeihnig des Perſonals namentlich angeführt worden. Der 
gereiften und vollendeten Künftler und Kinftlerinen waren nur 
wenige. Mit Begeijterung äußerten ſich maßgebende Beurtheiler 
noch immer über die Primadonna der Bühne, Madame Wilhelmine 
Becker, die ihren Ruf in Hamburg begründet und über Dentſch— 
land verbreitet, in Prag ‚aber von den competenteſten Richtern 
hatte ratificiren lafjen. 

„Mad. Beder” — fagte der Brager Correfpondent der „Leipz. Allg. 
Muf. Big.” — „gehört unter die ausgezeichnetſten Bravourſängerinen 
unferer Zeit und imponirt durch eine bewundernngswürdige Höhe, die man 
wohl felten in diefer Stärke uud Reinheit bei einer Sängerin trifft. Wenn 


*) Sof, Triebenfee war etwa 1760 zu Wien geb., erbielt Unter: 
richt von feinem Vater und von Albrechtöberger im Contrapunkt und trat 
1796 al3 Mufikdirector in die Dieuſte des Prinzen Licchtenftein. Von jeinen 
Compofitioner wurde eine Oper ſchon 1799 von Scilaneder in Wien auf: 
geführt; auch Oboe-Concerte und Onartette von ihm wurden viel geipielt. 











— 73 — 


nun gleich die Lage ihrer Stimme ſie nicht ganz zu ſchmelzenden und zärt⸗ 
lichen Partien eignet und ihre Mitteltöne nicht dieſelbe Güte wie die Höhe 
haben, fo verdient und findet fie doch in großen Partien wie als Königin 
der Nacht, Diana im „Baum der Diana”, Conftanze in der „Entführung 
aus dem Serail”, Oberon, Sophia in „Sargines”, Amenaide in „Zancreb“ 
u. |. w. große Auszeichnung... .” 

Mad. Beder ftand nach wie vor mitten im mufifakjchen 
Leben Prags, das in diefen Tagen wieder friſch pulſirte. Friedrich 
Dionys Weber, Domcapellmeifter Witaſek und Tomaſchek 
walteten gewiljermaßen al3 mufifalifche Patriarchen, ihnen reihten 
ih der Bianift Carl Maria v. Bodlet, nun zum Meifter ge: 
reift, Biris und eine Reihe bedeutender Talente an. Das Con— 
jervatorium hatte bereits gute Früchte getragen, und rajch erwarben 
fih feine Schüler Auſehen und Ruf in der mujifalifchen Welt. 
Am 1. Mai 1815 war das Inſtitut noch durch eine Gefangs- 
abtheilung erweitert worden, die für das Theater von wohl- 
thätiger Bedeutung zu werden verſprach. Dem Zwecke der Sing- 
Ichule gemäß, „vollfommene Individuen für die Dper und die 
Kammer zu bilden und die Zöglinge nebſt dem Geſange aud) in 
der Theorie der Muſik und dem Clavieraccompagnement, in der 
italienifchen Sprache, Declamation und anderen damit verbun- 
denen LZiterärgegenftänden unentgeltlich zu unterrichten", wurden 
nur Zöglinge acceptirt, die ſich ausjchließlih dem Geſange als 
Berufsitudium widmen wollten, Sfünglinge unter 20 Jahren, 
Mädchen zwifchen zwölf und achtzehn Jahren, geſund, von wohl- 
geftaltetem Körperbau, vorzüglich guter Stimme und entſchiedenem 
muſikaliſchem Talent, auch einigen Vorkenntniſſen. Die Lehrzeit 
war auf ſechs Jahre bemefjen. Der häufige Wechjel der Lehr: 
fräfte fchon in den erften fahren des Beftandes war allerdings 
fein gutes Vorzeichen für das Gedeihen der Abtheilung, und in der 
That ift fie wider alles Erwarten an erfolgreicher Thätigkeit 
niemals den Snftrumental-Abtheilungen gleichgefommen, jo viel 
auch zeitweife gethan wurde, fie zu heben und zu rveformiren, 
jo viel auch von einzelnen Profeſſoren mitunter geftrebt und 
und erreicht worden ift. Als erſte Gefangslehrer wirkten raſch 
nah einander Wanicet (1815), Franz Strobadd (1816), Aug. 


— 714 — 


Echner (1816-21), als zweite Geſangslehrer Capellmeiſter Trie— 
benſee (1816—19), dann Joſef Schnepf, der 1821 auch an 
Echner’s Stelle vorrüdte. Für „höheren Geſang“ war eine Beit- 
lang die aus dem Verbande des ſtändiſchen Theaters geſchiedene 
gediegene Sängerin Marianne Czejka-Auernhammer en- 
gagirt, und dieſer dankte, wie fchon an einer früheren Stelle 
bemerkt worden ift, Henriette Sontag, die größte Sängerin 
in der erſten Hälfte diefes Säculums, die geſunde Grundlage 
ihrer muſikaliſchen Ausbildung, welche fie den höchiten Zielen 
zugeführt hat. 

Hätte ſich Holbein's Oper auch gar keiner anderen Errungen— 
haften zu rühmen gehabt, ſchon der Beſitz und die glänzende 
Entwideltug eines Talents, wie es Henriette Sontag war, mußte 
hinreichen, ihre ein chrendes Andenken fir alle Zeiten zu fichern. 
Wiederholt ſchon find wir dem reizenden Theaterfinde begegnet, das 
in Prag unter den Augen ihrer Mutter emporblühte. Francisca 
Sontag:Marfloff, die Mutter und Erzieherin des hoffnungs— 
vollen Mädchens, ift uns als Schaufpielerin erjten Ranges be- 
fanııt. Am 12. Jäner 1787*) zu Heddernheim als die Tochter 
eines biederen und gediegenen Eurfürjtlichen Beamten geboren, der 
ich in den erjten Franzoſenkriegen durch feine menſchenfreundliche 
Aufopferung für die Mitbürger Ruhm erworben aber auch dei 
Tod zugezogen hatte, war Francisca Markloff als Waife mit ihrer 
Mutter nad) Mainz gezogen und hatte dort frühzeitig Liebe für 
das Theaterwwelen an den Zag gelegt. Schon im Alter von zwölf 
Jahren war „Dem. Markloff" als jugendliche Liebhaberin eine 
gern geſehene Erſcheinung auf einem Mainzer Liebhabertheater, 
bald jang fie auch und feierte ebenſo als Zerline in „Don Juan“ 
wie als Thekla in „Wallenftein’3 Tod" Triumphe in beſcheidenem 
Kreife. In Mainz lernte die junge Schaufpielerin einen liebens— 
witrdigen Berufsgenojfen, den Schanfpieler Kranz Sontag, früheren 
furfürftlichen Beamten in Mainz, kennen, der in Nachen engagirt 

*) So gibt mir Carl Sontag, der befaunte ehem. hannov. Dof- 


Ichaufpieler, ihr jüngfter Sohn, den Geburtätag an, der fonft auch in das 
Jahr 1789 verlegt wird, 


—— — — — — 








und in Mainz zu Bejuche war und fchon 1803 den Ehebund 
mit Francisca Markloff ſchloß — der Bräutigam zählte 22, die 
Braut 15 Jahre! Franz Sontag war ein trefflicher Buffo, fein 
unftetes Weſen aber lich ihn bei feiner Bühne ausdauern; ex 
wanderte von einer rheinischen Stadt zur andern, bis ihn ein 
unglücklicher Sturz auf der Bühne zum Invaliden machte, fo daß 
er fortan fi ganz dem guten Sterne der jungen Gattin ver- 
trauen mußte uud mit dieſer z0g, wohin jte ihre Eigagements 
führten. In Coblenz war am 3. Jäner 1806 das ältefte Kind 
des Schaufpieler-Ehepaars geboren worden: Henriette, und 
mit inniger Liebe und wahrhaft mütterlicher Fürſorge überwachte 
Francisca Sontag die Erziehung diefer wie ihrer ſpäter geborenen 
Kinder. 1812—14 in Darmftadt engagirt, war jie ebenfowohl 
als Schaufpielerin wie ihrer Häuslichkeit und des fchönen Ber: 
hältniffes zu Mutter nnd Kindern wegen Liebling des Hofes und 
der Stadt. As Iffland in der heſſiſchen Hauptſtadt gaftirte, 
machte er ihr fofort cinen Engagementsantrag nad) Berlin; aus 
Beicheidenheit und Scheu, Rollen der Bethmann zu fpielen, lehnte 
die Künſtlerin ab. Iffland forderte fie auf, ihm Schlichtweg zu 
Ichreiben, wenn fie fi) auders befonnen haben würde; als fie es 
aber that, war es zu fpät: ihr Brief war an einen — Xodten 
adreflirt; er traf in Berlin ein, als Iffland auf der Bahre lag. 
Das Engagement in Prag unter Liebich entſchädigte Francisca 
Sontag für Berlin, galt e3 doch als die höchſte Auszeichnung, 
an der Prager Bühne als Nachfolgerin einer Sophie Schröder 
feften Fuß zu fallen. Daß ihr dies gelungen, haben wir gefehen. 
Neben den vielfachen und ſchweren Pflichten, die ihr die Thätig— 
feit im erjten Fache des Schaufpiels auferlegte, hat jedoch Francisca 
Sontag niemals der gleich ſchweren Mutterpflicdhten vergeſſen. 
Mit abgöttifcher Berehrung hingen ihre Kinder an ihr, und oft 
genug hat Henriette Sontag betheuert, daß fie Alles, was fie 
geworden fei, in erſter Linie der Mutter verdanfe, melde die 
Ausbildung ihres Herzens wie ihre künſtleriſche Ausbildung ge- 
leitet, fie auf den rechten Pfad geführt und vor jedem Straucheln 
bewahrt hat. 


— 76 — 


Schon in Darmftadt Hatte die Eleine Henriette durch ihr 
ergögliches, Tebhaftes Wejen und eine bei folch einem Kinde noch 
nie gehörte Tiebliche Stimme Aufjchen erregt. In Gotter's „Medea“ 
hatte jie noch früher im Alter von vier Jahren zum erſten Male 
die Bühne, die Stätte ihrer fpäteren Triumphe, betreten; Taum 
jech8 Fahre alt, fang fie bereits die Lili im „Donauweibchen“ 
und entziidte damit namentlich bei einem Gaftfpiele in Mannheim. 
Scyon bei der Probe war, als das Kind das hohe C mit Leichtigkeit 
anfchlug, das ganze Orchefter außer fich vor Entzüden; der Capell- 
meifter klopfte auf und ließ eine Fermate daraus machen, „damit 
das Bublicum länger den Genuß habe”. In Prag hatte man 
Henriette jofort für Kinderrollen engagirt; der 9. Nov. 1816 
brachte ihr als Jeriel in der „Zeufelsmühle“ einen vollen Theater: 
fieg. Hatte fie ſchon kurz vorher einen größeren Zuhörerkreis 
durch den Vortrag der erften Arie der Königin der Nacht in das 
höchſte Erjtaunen verſetzt, ſo rief fie nım in der „Zeufelsmühle” 
durch den virtuofen Vortrag einer Bravour⸗-Arie den größten 
Enthufiasmus hervor. Die Direction beeiferte fich jelbftverjtändlich, 
ein jo geniales Theaterfind möglichit oft dem Publicum vorzu- 
führen; man jah die Heine Eontag vielfach in Knabenrollen, als 
Dtto in der „Schuld“, Walter im „Tell“ u. ſ. w.; aud) in der 
Dper theilte man ihr allmälig Rollen jugendlichen Charakters zu. 
Da fich aber das Bedürfniß nach einer geregelten Ausbildung und 
Entwidelung jo phänomenaler Mittel geltend machte, war Mama 
Sontag darauf bedacht, ihr geniales Töchterlein tüchtigen Xehrern 
zu übergeben. Was lag näher in Prag als das Mädchen der 
neuerrichteten Öefangsabtheilung des Confervatoriung zu übergeben, 
in welcher Anna (Nina) Herbſt, ſpäter eine der bedeutenditen 
Schauſpielerinen des jtändischen Theaters, als erjte Elevin Aufnahme 
gefunden hatte! In den zahllojen Biographien der nachmaligen 
Gräfin Roſſi erjcheint dieſe Epoche ihrer Entwickelungsgeſchichte 
in das Gewand der Sage gehüllt. Mit dem größten Aufwand 
von poẽtiſcher Freiheit, auf Grund falfcher und ungenauer Angaben 
oder verſchwommener mündlicher Traditionen ift diefe Entwidelungs- 
gefchichte conftrıirt worden; wir mußten uns deshalb die Mühe 








— 77 — 


nehmen, durch ſorgfältige Beachtung der zeitgenöſſiſchen Quellen, der 
Prager Acten und Journale der Wahrheit auf die Spur zu 
kommen und die mannigfachen Sontag-Fabeln richtig zu ſtellen. 

Die verbreitetſte Verſion iſt jene, wornach Henriette als talentlos 
aus dem Conſervatorium entlaſſen und auf Bitten der Mutter von 
Capellmeiſter Triebenſee in aller Stille ausgebildet worden wäre, 
bis fie einſt (1820), um eine Gaftvorftellung des berühmten Tenors 
Gerſtäcker zu retten, „anftatt der erkrankten Sängerin Demoifelle 
Comet” den erjten theatraliichen Verſuch in der Oper als Prin- 
zeſſin von Navarra in „Zohan von Paris" mit epochalem Erfolge 
gemacht habe. Ueber dieſes angebliche erjte Debüt hat ſich Heinr. 
Joh. Mirani*) in einer recht liebenswitrdigen Gejchichte eingehend 
verbreitet. Der Director des Prager onfervatoriums, erzählt 
er, habe der Mutter Sontag fategorifch erklärt, das Mädchen befige 
wohl zum Schaufpiel Talent, eine Sängerin aber werde e3 niemals 
werden. Sm ihrer Verzweiflung jei Mama Sontag zu Capell- 
meister Triebenfee gelaufen, habe diefem ihr Leid geklagt und das 
Verſprechen erhalten, er werde e8 mit ihr verjuchen, wenn fie 
fleißig und brav wäre. Fleißig lernte denn auch Henriette bei 
Triebenfee und jorgfältig vermied es der Meifter — jo fabelt 
Mirani — etwas von ihren Yortichritten in die Deffentlichkeit 
dringen zu laſſen; fogar bei den häuslichen Tyeiten der Mama 
Sontag durfte „Jetti“ niemals fingen, zu Haufe befam die Mama 
überhaupt nur Solfeggien zu hören, während bei Triebenſee fchon 
emfig Opernpartien ftndirt wurden. Erſt da3 bemwußte Gajtjpiel 
Gerſtäcker's bot Triebenſee die Gelegenheit, jeine Schülerin aus 
der geheimnigvollen Studirftube an die Deffentlichkeit treten zu 
laſſen. Mirani erzählt jehr lebhaft, wie es dazu gefommen; er 
führt Holbein und Triebenſee redend an, jchildert die große Ver: 
fegenheit, in der man fich befunden habe, da Dem. Comet krank 
und die Aufführung von „Johann von Paris" mit Gerjtäder 
feftgefegt war, und wie Triebenſee die Direction durch feine 








* „zriebenjee, Holbein, Gerftäder und eine junge 
Sängerin,” Selbfterlebted von oh. Heine. Miranı ın „Wiener 
Chronik“, Sonntagabendblatt der „Eonft. öſt. Ztg.“ 1865, Wer. 32, 


— 78 — 


geheimnißvolle Schülerin gerettet habe. Leider müſſen wir dieſe 
ganze hübſche Geſchichte zum größten Theil in's Fabelreich ver— 
weiſen. Richtig iſt nur das Eine, daß Henriette Sontag das 
Prager Conſervatorium beſucht aber nicht abſolvirt hat; nicht 
conſtatirte Talentloſigkeit jedoch ſondern vorzeitige und unerlaubte 
Ausflüge in die Oeffentlichkeit waren es, welche ihre Entlaſſung 
aus dem Inſtitute veranlaßten. Nach der von Dr. Aug. Wilh. 
Ambros verfaßten Geſchichte des Conſervatoriums*“) war 
Henriette Sontag am 1. Juni 1817 in das Inſtitut eingetreten, 
vierthalb Sabre, 1817—1821, im Verbande des Confervato- 
riums gewejen, dann aber, „da fi) das geniale Mädchen bei 
rapiden Fortjchritten dem vollen jechsjährigen Curs nicht unterziehen 
mochte, den ftrengen Anordnungen der Statuten zuwider öffentlich 
und fogar im Theater anfgetreten, ehe ihre Lehrzeit abgelaufen 
war”, entlajfen worden. Thatſächlich zeigte der Conſervatoriums⸗ 
Director Weber in der Divectoriats-Siung vom 12. Jänner 1821 
an, „daß die Geſangsſchülerinen (Thereſe) B(runetti) und (Henriette) 
Sontag wider das ausdrüdliche Verbot in dem DBenefice der 
Mod. Beder als Sängerinen aufgetreten feien und auch einige 
der anderen Schülerinen hierans Veranlaffung nähmen, fih in 
Privataladeınien zu produciren". Da diefes die Disciplin der 
Lehranjtalt bedrohende Benehmen nicht geeignet war, eine Aus» 
nahme zu Gunſten des beſonderen Talents zu vechtfertigen, To 
wurde in derjelben Sigung die einfache Entlaffung der Schillerinen 
befchloffen, \weldye übrigens in völlig gütlichem Wege erfolgte, 
nur daß natürlich Fein Abfolutorium iiber einen factiſch gar nicht 
beendeten Curs ertheilt werden konute. Diefe Darjtellung wird mir 
durd) ein Schreiben des gegenwärtigen Directors des Brager Confer- 
vatoriums Bennewitz beftätigt, den ich zur vollen Sicheritellung 
jenes Yactums zu Rathe gezogen. Director Bennewig fchreibt: 


*) ‚Das Konjervatorium in Prag”, eine Denfichrift, bei Ge— 
legenheit der Sujähr. Zubelfeier der Gründung von Dr. Anguſt Wilhelm 
Ambros, Directiondmitglied. Herausgegeben vom Vereine zur Befürbe: 
rung der Tonkunſt. Prag, Druck der k. k. Hofbuchdruderei von Gottlieb 
Haaſe Söhne, 1858. 











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Nach Erhalt Ihres geſch. Schreibens habe ich ſofort in der Matrik 
des Conſervatoriums nachgeſehen und Folgendes verzeichnet gefunden: 
„Henriette Sontag, gebürtig aus Koblenz am Rhein, 11 Jahre alt, 
wurde am 1. Juni 1817 in das Prager Conſervatorium aufgenommen, am 
20. Febr. 1821 aber ans der Anſtalt ſtrafweiſe entlaſſen, weil ſie ohne 
Erlaubniß der Direction öffentlich gefungen und zwar in einer Oper zum 
Benefice der Mad. Beder.” Dies der Vermerk in der Matrik. Ich habe 
wiederholt hören müllen, daß die Sontag wegen Talentlofigkeit aus dem 
Conjervatorium entlaffen wurde, und troß aller Berichtigungen ift die 
falſche Angabe noch immer verbreitet und namentlih von Feinden de3 
Prager Eonfervatoriumg recht gerne ausgenützt worden. Es wäre in ber 
That angezeigt, wenn dein hämifchen Gerede ein Ende gemacht wird, und 
ih bin Ihnen, nuſerem alten Gönner, fehr dankbar, daß Sie fih um die 
Sache interefliren und annehmen. In dankbarfter Erinnerung und Hod)- 
achtung Ihr ergebener Bennewitz. 


Prag, den 23. Sept. 1885. 


Dem Wunſche des würdigen Leiters der berühmten Anſtalt 
ſoll hiemit entſprochen und dieſe Eine Sontag-Fabel endgiltig 
abgethan ſein. Wenn man aber aus dem Zeitpunkte der Ent— 
laſſung Henriettens folgern ſollte, daß ihr erſtes Auftreten als 
Opernſängerin eben erſt ſeit 1821 datirt, würde man entſchieden 
fehlgehen. Wir müſſen im Gegentheil conſtatiren, daß der Ein— 
tritt in das Conſervatorium der Bühnenthätigkeit des Theater: 
findes Sontag feineswegs ein vorläufiges Ende bereitet hat, daß 
Henriette vielmehr troß ihres geregelten Studinms an der muſi— 
kaliſchen Lehranstalt unnuterbrochen im Theaterverbande verblieben 
war. und thatfächlidy auch 1818 und in den folgenden Jahren 
in den normalen BVorftellungen des ftändifchen Theaters mit— 
gewirkt hat. An 8. Noveniber 1818 fang fie erwieſenermaßen 
neben dem Baſſiſten Lanius als Jacob den Benjamin in „Joſeph 
und feine Brüder”, „Diefem Jacob" — ſchrieb der Correjpondent 
der Bäuerle'ſchen „Theater: Zeitung” — „konnte man die in 
Kangan herrichende Hungersnoth durchaus nicht anfehen, und wäre 
unſeren Benjamin (Dile. Sontag) das Unglüd begegnet, daß 
jein ermatteter Vater in der Wüſte Traftlos zu Boden janf, jo 
hätte er ihn troß aller kindlichen Liebe doch liegen laſſen müſſen, 
bis Hilfe Fam, denn er wäre undermögend gewefen, auch nur 


— 80 — 


einen Arm von ihm zu heben”. Daß diefes Auftreten Henrietten’s 
fein vereinzelte war und blieb, davon zeugen zahlreiche Theater: 
berichte aus den nächjten Jahren. So fchreibt die „Theaterztg.“ 
vom 12. Juni über eine Vorftellung vom 6. Mai 1819: 

„Zum Beiten der Madame Francidca Sontag gab man ein Bot: 
pourri mit Zanz und das Tableau „Die Schlacht bei Leipzig”. Bemerkens⸗ 
werth war bie Erjcheinung unferer gern gefebenen Henriette Sontag als 
Emmeline, in welchem Charalter fie die erfte Scene derjelben unb die Arie 
„Ber hörte wohl mich jemals Hagen?“ mit einer an einem fo jungen 
Mädchen (jie iſt kaum 14 Jahre alt) bemundernäwerthen Sicherheit und 
viel Ausdruck im VBortrage fang. Möge der Genius der Kunſt dies auf- 
feimende bedeutende Talent vor allen verderbfichen Einflüffen des 
Eigenbünfeld und der Selbftjucht bewahren, dann werden wir und der 
Thönften Blüthe und der herrlichften Früchte zu erfreuen haben...” 

Holbein hebt in feinem „Deutjchen Bühnenweſen“ mit hoher 
Befriedigung hervor, daß er Henriette Sontag, „welche bei feiner 
Ankunft in Prag noch im Chore gefungen habe, erfannt und 
nach wenigen Verſuchen mit Glück als erite Sängerin verwendet 
habe". Damals jei diefe Kühnheit viel getadelt worden, die 
Erfolge aber hätten fie gerechtfertigt. Thatfächlich fiel in die erſte 
Zeit der Regiethätigfeit Holbein’s das Auftreten Henrietten’s als 
Melitta in Grillparzer’s „Sappho“; das officielle Perjonenver- 
zeichniß von 1820, das von Holbein ſelbſt angelegt zu fein ſcheint, 
verzeichnete: 

„Den. Sontag, Liebhaberinen, 2. und 3. Partien in ber Oper; 
berechtigt als Guſtav in der Oper „Das Waifenhaus”, als Amor ım „Baum 
der Diana”, Benjamin, Rothläppchen zu ſchönen Erwartungen.” 

Sp war Henriette zweifellos engagirtes Mitglied — gleich: 
zeitig aber auch noch Confervatoriums-Elevin. Eine Prager Cor- 
reſpondenz der Leipziger „Allg. Muf. Ztg." vom Sommer 1820, 
welche ficy iiber die Prager Opernzuftände verbreitet, führt die 
„Leine Jetti“ gleichfalls als engagirte Opernfängerin auf, ohne 
in Beurtheilung des keimenden Talents eine jonderliche Bropheten- 
gabe zu bewähren. Der Berichterjtatter verzeichnet als zweite 
Sängerin neben der Primadonna Beder eine Demoifelle Zimmer, 
die and Lemberg gefommen und trotz mandyer Mängel nicht ohne 


„ m SAEREREEEEN 





— 8 — 


Glück debutirt, dann ſich aber ohne Vorwiſſen der Direction ver- 
flüchtigt hatte, und fährt dann fort: 

„Da Mad. Czejka vom Theater abgegangen und Mad. Allram 
leider ihrer Geſundheit wegen allen Gejangspartien entiagen mußte, fo 
haben wir außer bem recht braven weiblichen Chor unr noh Demoifelle 
Sontag und Dem. Schlager zu erwähnen. Die Erftere ift ein lieb— 
liches zwölfiähriges Mädchen mit einem Engelsköpfchen und einer artigen 
Heinen Stimme, die fich jedoch ſchwerlich jemals zu einer erften 
Sängerin eignen dürfte; lebtere hat eine jehr ſchwache und etwas 
ſpitze Stimme, aber eineu lobendwerthen Fleiß, der zu Nachſicht und Er- 
munterung auffordert. Dem. Gieb ift zu Heinen Soubretten-SRollen in 
der Oper zu verwenden und Den. Brunetti,* jest noch Anfängerin 
und, wie es fcheint, etwas furdtfam, bat in der „erften Dame” (Bauber- 
föte) bewiefen, daß wir von ihr jchöne Hoffnungen zu hegen berechtigt find...“ 

Hier finden wir nicht allein Henriette Sontag ſondern aud) 
das gefanumte weibliche Opernperfonal charafterifirt; für die 
„reizende Jetti“ Hatte derjelbe Correjpondent conjequent wenig 
Vorliebe; er zog ihr bei jeder Gelegenheit die junge Brunetti, 
die ja auch noch Elevin des Confervatoriums war und mit der 
vorzeitigen Entlaffung aus dem Inſtitute Schidjalsgenoffin der 
Sontag werden follte, vor. Daß man aber bei vdiefer offenbar 
regelmäßigen Mitwirkung beider Mädchen in den Vorjtellungen des 
jtändifchen Theaters bis 1821 gezögert hat, fie wegen öffentlichen 
Auftretens zu entlaffen, muß einigermaßen Wunder nehmen, es 
jei denn, jene Entlafjung wäre wegen einer ganz beftimmten, ihrem 
Können vielleicht noch nicht angemefjenen Rolle oder wegen Nicht- 
einholung der Erlaubniß für diefen Einen Fall erfolgt. Auch in den 
öffentlichen Alademien der Mad. Ezejfa wirkte Heuriette Sontag 
ſchon 1820 mit, während wir ihrem Namen in den Conſerva⸗ 
toriumsconcerten derjelben Saiſon nicht begegnen. In diefen Con— 
certen fangen die Confervatoriums-Schülerinen Zaufenböd, Schopf, 
Echner, Herbit, Brunetti und Härtl; Dem. Sontag finden wir in 
der jelbjtändigen Akademie der Mad. Czejfa vom 14. März 1820 
ausdrücklich nur ala Schülerin der Concertgeberin bezeichnet — fie 


*) Nachher Gemalin de3 fürſtl. Fuͤrſtenberg'ſchen Hofcapellmeifters 
Kalliwoda in Donaueſchingen. 
6 


— 82 — 


fang ein Duett mit ihrer Lehrerin und erntete ſtarken Beifall. 
In einer anderen Akademie von Marianne Czejka fang Dem. 
Sontag die Cavatine aus dem „Barbier von Sevilla" nach „ihrer 
jugendlichen Kraft zur allgemeinen Zufriedenheit” und ein Tercett 
von Götz mit den Herren Haufer und Pohl. 

Diefe Daten genügen wohl, um zu beweijen, daß der Unter: 
richt der „reizenden Jetti“ im Prager Confervatorimm fie in ihrer 
frühzeitigen öffentlichen Wirkſamkeit entweder nicht beeinträchtigte 
oder daß die Inſtitutsleitung lange Beit nachfichtig ihr Auftreten 
vor dem Publicum zuließ; fie beweijen aber auch, wie untichtig 
die Angabe ift, daß das jugendliche Genie mit Einem Male nad 
langem geheimnißvollem Unterricht bei Triebenſee der Welt offenbar 
wurde. US Elevin des Confervatoriums und als Mitglied des 
Theaters Hat Henriette felbftverftändlich den Unterricht dieſes 
Meiſters genofjen, und daß er neben Mad. Czejka nachhaltigen 
Einfluß auf ihre künſtleriſche Entwidelung genommen, wohl aud) 
manche Bartie mit ihr einftudirt hat, daran ift chenfowenig zu 
zweifeln. Auch Piris als Clavierlchrer und der Componift Bayer 
hatten dazu beigetragen, das Wunderkind notenfeft und muſikaliſch 
tüchtig zu machen. 

gene Vorjtellung, welche ziemlich allgemein als der Beginn 
der eigentlichen Biihnencarriere von Henriette Sontag angenommen 
wird, bedeutete übrigens in der That einen großen, vielleicht den 
erjten vollen Triumph der jungen Sängerin. Die Prager Oper 
fitt Schwer unter der anhaltenden Kränkflichkeit der Primadonna 
Mad. Beder, und mehr als je wurden die beiden jugendlichen 
Zalente der Bühne, die Damen Brimetti und Henriette Sontag, 
zum Erſatz herangezogen, zumal cite aus München verjchriebene 
Aushilfsfängerin Dem. Neger nad) einigen Debuts wieder vont 
Schauplage verfchwunden war. Ein Bericht der „Leipz. Allg. 
Muſ.-Ztg.“ (Nr. 24, Juni 1821) conjtatirt Dies und verzeichnet 
als erjte Debuts der jungen Brumetti in einer ausgeſprochenen 
Hauptpartie deren Auftreten als Emmeline in der „Schweizer: 
familie" und als Marie in „Blaubart”. Bei weiten größer aber 
als die Erfolge diefer ſechzehnjährigen Novize waren die Triumphe, 











welche die Krankheit der Mad. Beder ihrer Collegin Sontag 
verichafften. 


„Das Ihöne Talent ber Dem. Sontag” — erzählt der Correfpondent 
des Leipziger Blattes, der befanntlicd) der „reizenden Fetti” angnahmsmeife 
weniger als objectiv gegenüberftand — „weldye jchon früher in zweiten Sing: 
parties mit Beifall gefehen wurde, wenngleih ihre Stimme noch ſchwach 
war, hat fih in den fetten Monaten jo ſchnell und verwunderlich entfaltet, 
daß fie nicht nur als NRofine im „Barbier” und mehren großen Arien in 
Goncerten mit großem Beifall geſungen, fondern daß wir auch dad Ver— 
gmügen, die große SKunftfertigfeit des Tenoriſten Gerftäder kennen zu 
lernen, nur ihrer Kunftfertigfeit, Gefälligkeit für die Direction und ſchnellen 
Auffaſſung verdanken. Hr. Gerftäder kam während der Krankheit der Mad. 
Beder, gab zuerft ein muſikaliſch-declamatoriſches Quodlibet, dann den 
Joſeph in Mehuls Oper, dann den Kohann von Barid. Man rühmt ihn 
als einen der eriten Tenore Deutfchlands, als einen hervorragenden „deutichen 
Sänger“, trotzdem er bie italienische Kunlt ganz beherricht. Dem. Sontag 
lang in jenem Quodlibet, dann den Benjamin in „Joſeph“ und die Prin- 
zeffin von Navarra in „Johann von Paris“. AS der Zettel Dem. Sontag, 
die ſonſt den Pagen gab, tır diefer Rolle verkündigte, tft nicht zu leugnen, 
daß allen Freunden ihres Talents etwas bange für den Erfolg wurde, 
der jedoch die Fühnften Erwartungen übertraf. Ste führte dieſe wichtige 
Geſangspartie mit einer Präciſion, Neinheit und Zartheit aus, daß man, 
obihon Mad. Grünbaun zulest in Prag Die Prinzeflin gefungen batte, 
in den rauſchendſten Beifall ausbrach und fie kaum zu Ende fingen Tick. 
Aber felbit den Enthuſiasmus abgeredjnet, zu welchem ihre im fürftlichen 
Prunk Hlendende jugendliche Blüthe und Pieblichkeit etwas beitragen mochte, 
muß ihr jeder Unbefangene zugejtchen, daß fie mehr als billige Forderungen 
erfüllte u in Betracht auf ihre Sugend wohl verdiente, nad) dem erften 
Acte und zu Ende der Oper mit dem kunſtreichen Gafte die Ehre des Her: 
borrufg zu teilen. Auch ihr Spiel war ausdrucksvoll, wenn man ihr gleich 
Anfangs etwas Befangenheit anfah, welche jedoch zu ihrer Ehre gereichte; 
diefes Mißtrauen in die eigene Kraft läßt zugleich mit Recht vorausfeben, 
daß fie den rauſchenden Beifall des Publicums noch nicht als Tribut an- 
nehinen, fondern durch denfelben nur befeuert wird, auf dem Wege fortzu- 
fahren, der ſie einft zur Bollendung führen wird. Ferner wirkten mit 
Hr. Kainz GEeneſchal), Hr. Schifaneder (Wirth; Dem. Schlager 
d. jüng. fang den Pagen recht brav und gefiel.” 

Lebhafter und dramatischer erzählt Mirani die Ereignifje 
diejes Abends, ernftliche Beachtung können wir ihm aber jchon 
deshalb nicht zuwenden, weil diefer Darftellung gleich zu Beginn 
der Stempel der Unmwahrheit aufgedrücdt if. Miraui gibt au, 

6* 


— 84 — 


eine Erkrankung der Sängerin Dem. Comei habe der Sontag 
Gelegenheit zu diefem Triumphe geboten, und läßt wiederholt 
Anfpielungen auf jene Sängerin einfließen, die damals noch gar 
nicht in der Lage war, Primadonnen⸗-Krankheiten zu befommen, da 
fie gerade 13 Jahre alt war und erft 1822 neben der Spittag 
in Prag emporzublühen begann. Mirani erzählt, das Signal 
zum erften Applaus fei durch ein leiſes Bravo Triebenfees gegeben 
worden, das von den Nächſten im Auditorium gehört und jofort 
mit, Begeifterung aufgenommen worden ſei. Zum Schluffe aber 
jei nach unaufhörlihem Jubeln, Schreien ımd Stampfen des 
Publicums Gerftäder mit Henrietten auf der Bühne erjchienen und 
habe das Wort zu folgender Anſprache an das Publicum genommen: 

„Die außerordentliche Huld, mit weldher Sie mein aftipiel auf: 
nehmen, macht mich fo kühn, vor Sie zu treten und Ihrem Wohlmollen, 
Ihrer Beachtung und Nachficht diefe jugendliche Kunſtnovize zu empfehlen. 
Sie ift ein feltened Talent, welches unter der Leitung des erprobten und 
erfahrenen Triebenſee fi) auf das Herrlichſte entfalten wird. Von dem 
Meifter auf die rechte Bahn geleitet, von Ihrer Nachſicht eingeführt, wird 
fie bei eifrigem Streben die Stufe erreichen, welche das Biel des wahren 
Künftferö fein fol. Ihre Huld und Gnade hat der angehenden Künftlern 
einen Feſtabend bereitet, der in ihrem Gedächtniß nie erlöfchen wird und 
Tann; diefe Stunde bleibe für fie die feierlichfte ihres Lebens und im diejer 
feierlichen Stunde rufe ich ihr zu: Klimme empor, mädtig hinan zum 
Tenpel der Kunſt, Du wirft den Feld erffimmen und eintreten in bie 
geweihten Hallen. Ihnen, Verehrte, fage ich es in propbetifchem Geifte, 
diefe Runftjüingerin wird einft als die erfte Sängerin Deutſchlands gefeiert 
werden!” 

Sollte Gerftäder in der That jo genial prophezeit haben? 
Andere Biographen willen von diefer Prophezeiung nichts zu 
erzählen, berichten aber viel von den Schwierigkeiten, die es 
fojtete, um von Mama Sontag die Einwilligung zu dieſem gewagten 
Debut ihrer Tochter zu erhalten. Sie fol diefelbe jchließlich nur 
unter der Bedingung ertheilt haben, daß es ihr freiftehe, die 
Tochter nach der zweiten Probe zurückzunehmen — nur der glän- 
zende Erfolg der Proben verjühnte fie völlig mit dem kühnen 
Beginnen. Auch die Entlaffung der jugendlichen Siegerin aus 
dem Conjervatorium wird von einigen ihrer Biographen auf diefen 














— 85 — 


Abend zurückgeführt und abermals in einem anderen Lichte dar: 
geftelft, wie fie Ambros in feiner „Denkſchrift“ und die Conferva- 
toriums-Matrik regiftrirt; man jtellt den Act der Confervatoriums- 
Direetion als eine bejondere Anerkennung der jeltenen Talente 
Henriettens hin und producirt folgende „Erflärung” der Anjtalts- 
Leitung: 

„Die Statuten nuſeres Inſtituts verbieten die Wirkſamkeit eines 
Zöglings auf der Bühne; Henriette Sontag tft der Bühne aber ıment- 
bebrlich, hat überhaupt in den zwei (?) Jahren ihrer Lehrzeit fo unenblid) 
viel gelernt, daß wir ihr vier Jahre vor der gejeglichen Zeit die Entlaffung 
geben, um fie der Bühne zu erhalten.“ *, 

Wir regiftriren diefe Verfion der Vollſtändigkeit wegen; irgend 
einen Anſpruch auf ernſte Beachtung vermag fie felbftverjtändlich 
nicht zu erheben. Dagegen ift es eine ımanfechtbare Thatfache, 
daß Henriette Sontag feit ihrem Triumphe als Prinzeſſin von 
Navarra als erjte Sängerm das Enjemble des jtändischen Theaters 
geziert hat. Wir jehen fie nun unter den Säulen der Holbein’jchen 
Oper als die ſtärkſte und Foftbarfte geihäst, und mo von Thaten 
diefer Oper die Rede ift, wird das wunderbar aufblühende Mädchen, 
dasim Alter von fünfzehn Jahren Primadonna einer erften Bühne 
geworden it, mit uneingejchränften Ruhm genannt. Unter der 
ftreugen Leitung der Mutter jchritt fie, feineswegs beraufcht durch) 
die frühen Triumphe, mit vaftlofen Fleiße vor; ihre Findliche 
Kaivetät und holde Beicheidenheit blieben ungetrübt durch die 
großartigften Erfolge, und willig unterordnete fie ſich der ſtrammen 
mufttaliichen Führung Zriebenjee’s und der fchaufpielerischen An— 
leitung ihrer Mutter. Triebenſee faßte die junge Diva feineswegs 
zart an und Tieß feine Primadonnen-Caprice paſſiren. AS fie 
einft auf der Probe mit halber Stimme fang, donnerte er fie 
mit den Worten an: „Was heißt denn das! Sperr' Sie's! Maul 
auf, dumme Gans, dag man hören Tann, ob der Gefang was 
wert) iſt!“ In Thränen aufgelöft, klagte Henriette der Mutter 
dieſe Behandlung. „Mein Kind,” antwortete die gediegene Frau, 


*) Mitgetheilt in einem Nekrologe der Künftlerin in A. Heiurich's 
„Dentihem Bühnen: Amanad“, 19. Jahrgang, Berlin, 1. Jäner 1855. 


— 86 — 


„daß Triebenſee ein grober Maun iſt, weiß Jeder, der dabei 
war, und Du verlierſt in Niemandens Augen Etwas; daß es 
Triebenſee aber gut mit Dir meint und ſeine Sache verſteht, mußt 
Du einſehen, Du hatteſt Unrecht, mit halber Stimme zu ſingen — 
ſoll dieſe Nachläſſigkeit der Anfang zum Primadonna Spielen fein, 
ſo verbitte ich es mir. Ich werde mir dergleichen auch dann 
verbitten, wenn Du auf die höchſte Stufe der Kunſt gelangen 
follteft, dem wenn man fich etwas erlaubt, was andere, geringer 
Geſtellte ſich nicht erlauben dürfen, fo zeigt das feinen guten 
Charakter. Haft Du mehr Talent und eine bejfere Stimme als 
Andere, jo ift das eine Gnade von Gott, der Dir diefe Gaben 
and ebenfo nehmen kann, als er fie Div gab." Dem dramatijchen 
Unterricht der Mutter, welche — wie wir jehen — eine wahre 
Lenkerin ihrer Tochter anf dem Pfade des Lebens und der Kunſt 
geworden ijt, dankte Henriette and) ihr darftellerifches Vermögen, 
das ihr oft, ganz abgejchen von dem Geſange, felbftändige 
Triumphe brachte. Der Zanber, den Henriette auf Alle ausübte, 
die jie hörten und fahen, war mächtig. Niemand kounte fich den 
Eindrude entziehen, den ein fo feltener Verein aller Vorzüge 
ausübte. 

„Sie war das holdefte, liebenswürdigſte und einfachſte deutſche Mädchen“ 
— fo ſchildern fie uns Zeitgenoſſen — „von mittlerer Größe, dem’ zier: 
lichften Wuchje, mit einem ladyenden, runden Gefichtchen, blauen, Tanften 
lebhaften Augen, ftet3 heiter, voll Laune und Mutbiwillen, aber von den 
Grazien ummeht in jeder Bewegung, dabei mit dem beiten Herzen begabt, 
ſtets hilfebereit, immer wohlthätig, freundlich, zuvorfommend und liebreid). 
Alle Directoren geben ihr das Zeugniß, daß fie nie eine gutwilligere un: 
verbroffenere Sängerin hatten. Mit diefer bezaubernden Perjönlichkeit einte 
fich cine glodenreine, klare, Ttebliche, weiche und umfangreiche Stimme und 
Die eingehendfte muſikaliſche Bildung. Ihr Vortrag war zugleid) im höchſten 
Grade präcis, Funftgerecht und natürlich wie herzlich, ergreifend und ſeelenvoll; 
die höchſte Gewandtheit und Sehleufertigkeit für verzierten Geſang wie ein 
feltener Grad von Ausdauer waren ihr eigen. Für den Ausdruck tief 
erihütternder Leidenfchaftlichkeit fehlten ihr die Deittel, dagegen war fie in 
Partien, die ihrer Perſönlichkeit zunfagten, in launigen, ſchalkhaften und ge: 
müthlihen Rollen nmerreihbar und unvergleichlich. Die zartefte, duftendfte, 


füßefte Blume der deutfhen Geſangskunſt verſchwand mit ihr von ber 
Bühne.” 





— 87 — 


Holtei, der jie 1825 im Königſtädter Theater in Berlin be- 
wunderte, gibt ſich von der jugendlichen Zauberin befiegt und 
findet nicht Worte genug, ihre Macht und Kunft zu preifen. 

„sch habe fchönere Frauen gefeben, größere Schanfpielerinen” — 
ichreibt er begeiftert — „babe gewaltigere Stimmen gehört, vielleicht auch 
höhere Virtuoſität des Geſaugs, das will ich nicht leugnen, aber einen fo 
innigen Verein von Aumuth, Reiz, Wohllant des Organs, Ausbildung 
aller Fünjtleriihen Fähigkeiten, Darftellungsgabe, befonnener Anmendung 
der Mittel, befcheidener Coquetterie wüßte ic) nie und nirgends bewundert 
zu haben; ja, wir waren beraufcht. Was diefem Wundermädchen in meinen 
Augen die Ichönfte Fünftlerifche Weihe gab, war die Klarheit, ich möchte es 
am liebiten „Weisheit“ nennen, mit der fie zu beſtimmen vermochte, mo es 
am Orte war, ihrer Stehlenfertigfeit freien Lauf zu laflen und ihren Vortrag 
mit Soloraturen und Spielereien zu zieren, wie mit bunten Blumen, ober 
wenn die Würde einer einfachen Melodie, die Bedeutung der Situation, 
der Fortjchritt der Handlung dies unpaſſend machte, fih und ihre Geſchick— 
lichkeit zu beberrichen und nur der dramatischen Wahrheit zu huldigen. Ich 
weiß uoch jehr wohl, wie fie, aufgefordert, als Lila in ber veralteten „cosa 
rara* einige moderne Nummern einzulegen, lächelnd entgegnete: „Diele 
Muſik verträgt feine ſolche Einlagen; bin ich nicht im Stande zu wirken, 
wenn id) jede Note finge wie fie ift, dann deſto jchlimmer für mich.“ 

Prag erfreute fi) des Beſitzes dieſer Perle, nachdem fie 
einmal in ihrer vollen Kojtbarkeit entdecdt worden war, nur drei 
Jahre, aber ficben Jahre Hat Henriette Sontag im Ganzen der 
Prager Bühne angehört; fie hat hier ihre Lehrjahre durchgemacht 
und hier, kaum zur Jungfrau erblüht, ihre erſten künſtleriſchen 
Siege errungen. Die Holbein’che Oper hat Henriette Sontag 
mauchen Erfolg verdauft, und unvergeſſen blieben lange die 
glanzvollen Abende, an denen Die vergütterte „Jetti“ ihre jugend- 
friſche Perſönlichkeit, ihr Finftleriiches Genie für neue Werke 
enifeßte. Bei einer näheren Beleuchtung der Errungenfchaften ver 
Direction Holbein auf operiftiichem Gebiete werden wir ihrem 
Namen faſt überall begegnen, wo es einen Erfolg gab; ihre 
Agathe im „Freiſchütz“ hat die Prager Premiere der Oper zu 
den glänzendſten gemacht, die das Werft überhaupt gejehen hat. 
Der Abgang der „reizenden Jetti“ von Prag bedeutete denn auch 
ein wahres, fein phrafenhaftes Unglüd für die jtändische Bühne. 
Im Sonmmer 1822 unternahm Jetti ihren erſten Gaftjpiel-Ausflug 





— 88 — 


nach Wien und verſetzte die Wiener in einen Taumel des Entzückens, 
in welchen das kühle Prag trotz ſeiner Verehrung des „Sonntags: 
kindes“ niemals gerathen war. AS Prinzeſſin von Navarra trat 
Henriette Sontag am 20. Juli im Theater an der Wien zum 
erften Male auf und feierte einen vollen Triumph. 

„Demoiſelle Sontag, Opernlängerin vom E. ft. Theater in Prag” — 
ſchrieb „Bänerle'8 Theaterztg.“ — „betrat dies Theater zum erften Male 
als Saft und errang ſich durch ihre ausgezeichneten Talente jehr großen 
und allgemein verdienten Beifall. Dieſe KRünftlerin hat bereits in ihrer 
Jugend eine bedeutende Kunftftufe durch Fleiß und Anftrengung erreicht 
und bei ihrer bedeutenden Anlagen kann man wohl mit Zuverficht jagen, 
daß fie zur ausgezeichneten Gelangspiriuofin berufen fer und diefen Rang 
gewiß einnehmen wird, wenn fie fortfährt, mit gleichem Eifer ſich aus- 
zubilden und fi vor Allen an gute Mufter hält: Wohl that es allen 
muficaliichen Obren, wieder eine rein Eingende, echte Sopranſtimme zu 
hören, weldye Weichheit, Biegſamkeit und Kraft in ſich vereint. Schon mit 
den erften Tönen gewann Dem. ©. alle Herzen..... Mit diefen muſica— 
lichen Eigenſchaften verbindet fie noch den feltenen Vorzug, daß fie ſich 
zugleich al3 talentvolle Schaufpielerin auszeichnete.“ 

Diefe Erfolge wuchſen mit jeder Rolle des Gajtfpielchclus, 
der ſich bi8 tief in den Auguft hinein erjtredite und ſowohl das 
Theater an der Wien als das Kärtnerthortheater (die damals 
unter gemeinſamer Direction ftanden) täglich füllte. Die Roſine, 
Pamina, Myrıha, Agathe, Amenaide ı. |. w. entzüdten in gleichem 
Maße, und die zahlreichen Gelegenheitspoeten des damaligen Wien 
hatten vollanf zu thun, dein allgemeinen Enthufiasmus Ansdruck 
zu leihen. Am 4. April 1823 trat die treulofe SYetti, nachdem 
fie zum fchmerzlichen Bedauern Braga der Stätte ihrer künſtle— 
rischen Entwidelung, ihrer erſten Siege Valet gejagt, bereits als 
engagirtes Mitglied, als Remplaçantin der Minna Schröder in 
„Don Juan" als Donna Anna in Wien auf, Die Euryantbhe 
war die erjte neue Fünftleriiche That der Sontag in Wien, und 
bald erfüllte die. „böhmifche Nachtigall" — wie man fie etwas 
ungenau damals bezeichnete — ganz Europa mit ihrem Ruhme. 
Wo ihr berücdender füßer Gefang ertünte, waren alle Herzen ger 
fangen, eine Verzückung ergriff ſelbſt das Tältefte Theaterpublicum 
Norddeutſchlands, und eine Serie von Städten ftritt ſich um die 








— 89 — 


Ehre, der Diva Wiege in ihren Mauern gehabt zu haben, was 
den boshaften Saphir zu einem zeitgemäßen Spottartifel be- 
geiftert hat. Auber und Boieldien wurden von der Sontag jo recht 
eigentlih in Deutſchland eingeführt, namentli der „Schnee” 
Auber’3 dankte Henrietten feine Eriftenz in deuticher Façon; nad) 
ihr zerranı er. 


Die fpäteren Schidfale der Sontag kennt man fo ziemlich; 
durch Mittheilungen von befrenndeter Seite*) bin ich aber in 
der Lage, zu der einjt ımgeheueren Sontag:Titeratur manchen 
vielleicht bemerfenswertben Beitrag zu Tiefern. Die Gegenwart 
vermag den Sontag-Enthufiasmus faum mehr zu faſſen — fo 
manche unferer Brimadonnen erfrent fich oder riihmt ſich lärmender 
Huldigungen, glänzender äußerer Auszeichnungen; niemals aber 
it eine Sängerin wie Henriette Sontag durch ihre Kunft und 
ihr eigenes liebreizendes Wefen, ihr edles Herz, ihre Dijtinction 
emporgehoben worden zur höchiten jocialen Stellung, zur gleid)- 
berechtigten Freundin von Fürftinen, zur Freundin von Monarchen 
in des Wortes bejter Bedeutung. Wie hoch aber auch daS jieg- 
reiche Talent und die äußerte Guuft des Glückes die Sängerin 
erhob, jie jelbjt überhob ſih niemals; die ſchönſten Triumphe 
feierte jtets ihr Herz; in rührender Anhänglichkeit blieb fie ihrer 
Mutter, ihren Gejchwiftern, ihrer ehemaligen Lehrerin Ezejfa und 
allen denen, die ihr jemals Freuudliches erwiefen hatten, ergeben, 
und ſelbſt an ihren erbitteriften Feinden und Feindinen hat fie 
fich oft in edeljter Weife gerächt. Als Henviette von Prag jchied, 
war ihre Mutter jchon über die Blüthezeit ihrer Kunſt hinaus, 
wenn auch immer noch eine ftattliche Fran und eine vortreffliche 


*, Der Prager Mufeumsbibliothefar Hr. Anton Karoflaw Vrktätko, 
ein treuer Verehrer der Künftlerin Sontag und ein ebenfo treuer Freund 
der Familie Soutag, bewahrt eine Heine Sanımlung von Briefen Hen— 
rietten's, Dradichriften mit Beziehungen auf fie und anderen Eoftbaren 
Sontag-Andenken; ans diefem Schabe, ſowie aus Mittbeilungen der beiden 
noch Iebenben Brüder Henrietten's, des ka k. Oberften Auguft Sontag in 
Prag und des bekannten Schaufpielers Carl Sontag fchöpfe ich hier zum 
Theil. Der Verf. 


— 90 — 


Scaufpielerin ; ihre jüngere Schweiter Auna (geb. 26. Jäner 1812 
zu Darnijtadt), auch „Nina” oder „Nanette” genannt, wirkte be- 
kauntlich in Prag als „Theaterkind“ ueben der gefeierten Schweiter; 
zwei Brüder, Angujt (geb. 29. Juli 1820) und Fritz (geboren 
19. Aug. 1821) ftanden im zarteften Kindesalter, als Henriette 
von Prag fchied, ein dritter Sohn (Carl) wurde erft am 20. Febr. 
1828 zu Dresden geboren. Die Sorge für die Mutter, für einen 
Bater ohne Berhäftigung und Einkommen und für die unmün— 
digen Geſchwiſter laſtete nun mehr oder minder auf Jetti, und 
fie betrachtete es als felbftverftändlich, daß ſie diefe Sorge über: 
nahm. So lange und wo es ging, machte fie ihr Engagentent von 
dem gleichzeitigen Engagement der Mutter abhänging; Scweiter 
Nina wurde zum Theil von ihr oder wenigjtens auf ihre Koſten 
jür die Bühne ausgebildet, für welche fie außerordentliche Geſangs— 
mittel, faft noch bedentendere als jene der berühmten Schwejter, mit: 
zubringen jchien, die Brüder wußten im Anfang ihrer Earriere — 
e3 war bei den beiden älteren die Militär-Carriere in Oeſter— 
reich — daß ihnen Schweiter Henvietie Feine Bitte um Subvention 
verſagen konnte. Bon Wien, wo die Rivalität älterer und ver- 
blühender Sängerinen Henvietten manche unangenehme Stunde 
bereitete, ging die jugendliche Primadonna zunächſt auf Kunit- 
reifen, dann an das Königjtädter Theater in Berlin, wo nun der 
Sontag-Enthufiasmus die gewaltigften Dimenfionen annahm. Bon 
Leipzig aus (1825) ſchreibt Henriette an eine ihrer Freundinen 
in Prag: „Mir gefällt es hier weniger als ich hier gefalle. Die 
falten Sachſen wollen recht viel Vergnügen an mir finden, ich 
defto weniger an ihnen.” Von allen Bartien, die fie dort fang, 
hatte „Suryanthe" den größten Erfolg. „Euryanthe“ — ſchreibt 
fie — „hat ungeheuer Glüd gemacht, Feine Oper hat bier jo 
gefallen." Mutter und Schwefter traten ebenfalls in Leipzig auf, 
Francisca Sontag gefiel als Maria Stuart „außerordentlich“, 
Nina trat, wie Henriette fehreibt, zum erften Mal in einem neuen 
Stück auf. Bon Leipzig fuhr die Familie nad) Prag, noch in 
demjelben Jahre aber kam das Berliner Engagement zu Stande. 
Das Erſte, was Henriette in den neuen überaus günftigen Ders 





— 1 — 


hältniſſen that, war, daß ſie ihre ſtark verſchuldete Mutter rangirte. 
Sie übernahm die Tilgung eines Vorſchuſſes von 3000 Thaler 
für dieſelbe und zahlte ihr überdies 1000 Thaler jährlich aus. 
Ueber ihren Aufenthalt in Berlin äußert fie ji) ganz eutzüdt: 

„Es gefällt mir Hier ganz außerordentlich, und ich zweifle, daß ich 
jobald von bier weggehe. Das Theater ift wunderſchön, und ich werde hier 
angebetet wie eine Heine Königin. Weun ich mich blicken Taffe, iubelt Alles. 
Die Mutter und Schweſter Ana gefallen eritaunlih..." Ein andermal: 
„Mein biefiger Aufenthalt ift jehr angenchn. Man trägt mid auf den 
- Händen; wo id) hinfomme, werde ich befungen, oder man bringt der hoc: 
gefeierten Sontag ein Lebehoch!“ 


Die Mutter, Schweiter Anna und die Brüder „Fritz und 
Guſtel“ blicben ebenfalls in Berlin und erfreuten fich der be- 
jonderen Fürforge Henvietten’s. Die finanzielle Lage der Mutter 
hatte ſich immer mehr verſchlimmert, jo daß ihr Henriette, deren 
ganzes Einkommen der VBormund und das Bormundschaftsgericht 
verwaltete, monatlich 100 Thaler ausfeßte und ſich zur Zahlung 
der ganzen Schulden verpflichtete; dieſe gehäuften Verpflichtungen 
Icheinen eine momentane Erkältung im den Beziehungen zwischen 
Diutter und Tochter hervorgebradjt zu haben, fie Iebten nun 
jeparirt. Henriette war mit einer innigen Liebe im Herzen von 
Prag geſchieden; jie galt einem jungen Cavalier, der fiir jie in 
Leidenfchaft erglühte und um jeden Preis nad) ihrer Hand ftrebte. 
Der Briefwechjel zwiſchen dem jungen Grafen, damals Ober- 
lieutenant bei Conftantin-Cürajfieren, und Henriette war ein jehr 
febhafter; oft fchrieben fie einander viermal wöcheutlich, in den 
legten Decembertagen war der Geliebte in Berlin und feierte den 
Chriftabend bei Henriette, welcher er, wie fie ihrer Brager Freundin 
ichreibt, einen „prächtigen Pelz von veildenblauem Sammt mit 
grauen Pelzwerk“ verehrte. Erſt 1827 umdüſterte jich der Himmel 
mit „Eduard“; zwar dauerte der Briefwechjel fort, aber Jetti 
merkte, daß feine Bemühungen, die Einwilligung feiner Familie 
zue Heirat mit der berühmten jugendlichen Sängerin zu erreichen, 
fruchtfos blieben, und für eine Xiebe ohne Ausficht auf Ehe war 
ſich Jetti zu gut. 

Ihre Berliner Triumphe hatten fich mittlerweile gemehrt und 


Rn — 


gejteigert — noch nie war eine Sängerin gefeiert worden wie fie. 
AS fie im December 1825 ein Concert gab, war die Caſſa ſchon 
um 6 Uhr gejperrt, die NRein-Einnahme betrug 1500 Thaler; 
fie erhielt Engagementsanträge mit dem Anbot von 40.000 Francs 
jährlih. Im Mai 1826 hat Henriette allerlei neue und intereſſante 
Dinge nach Prag zu fchreiben. Sie war für zwei Monate auf 
zwölf Gajtrollen an die italienifche Oper in Paris mit 12.000 
France engagirt; vom König von Preußen hatte fie einen pracht— 
vollen Brillautſchmuck erhalten. Selig und zugleich mit rührender. 
Bejcheidenheit Schreibt fie: 

„Ich habe von allen biefigen Sängerinen den ſchönſten Schmuck, und 
das will viel jagen; deun die fuchen ihres Gleichen. Ich danke aber aud 
täglich dem lieben Gott dafür, bitte ihn aber and) zugleich, mich in meinem 
Glücke nicht übermüthig werden zu laſſen, fondern mir weinen beiteren 
Sinn zu bewahren und meine Fehler einfehen zu laſſen ....“ 


AS Sophie in „Sargin" gefiel Yetti, wie fie jagt, „uns 
menjchlich”, ihre Convage und ihre Lebensluſt wuchs mit jedem 
Tage. Mit einem gewiſſen Stolz fchreibt fie davon, daß fie jeden 
Tag ausreite und unter den Damen als die bejte Reiterin gelte. 
Bald Schaffte fie fih auch eine Equipage mit prächtigen Mecklen— 
burger Schimmeln an und lebte mın in der That wie „eine Kleine 
Königin”. Ste wohnte bei Frau Juſtizrath Ludolff im Thier- 
garten, trank fleißig Brummen und empfing ab und zu den ftets 
willfommenen Beſuch von Schwefter Nina. Mama Sontag hatte 
mittlerweile einen Ausflug nad) Dresden gemacht, als Lady in 
„Kabale und Liebe" fehr gefallen und befonders das Wohlgefallen 
der Königin erregt; nach dem Tode des Königs aber kehrte fic 
nach Berlin zurüd, mas Jetti umfo angenehmer war, als jie nun 
Schweſter Nina bei der Mutter Iaffen konnte, wenn fie nach Paris 
ging. Bor ihrer Abreife mußte ſich Henriette noch die Concurrenz 
der Catalaui in Berlin gefallen laſſen: „Die Catalani ift ſchon 
einige Monate hier” — jchreibt fie mit fichtlichem Verdruſſe — 
„gefällt nicht im Allgemeinen, fie fchreit zu viel. Wir ſehen uns 
oft, geftern in Gefellfchaft bei mir, wo fie fang; fie geht bald 
wieder nach Italien.“ 











Henrietten’8 Briefe werden nun feltener; fie fummen aus 
London, Paris, Warſchau, Haag, Frankfurt, Wien, Berlin, London, 
Hannover und umspannen den Zeitraum von 1828 bis 1852. 
Die Kleine „Jetti“ von Prag wurde nun doc) Gräfin; nicht ver 
Graf in Brag aber, mit dem fie fich in herzliche Liebe be- 
gegnet hatte und der fpäter eine hervorragende Rolle in der 
Armee Defterreichs Spielen follte, tft ihr Gemal geworden, fondern 
Graf Roffi, ein angefehener und in bedeutenden Millionen ver- 
wendeter piemontefifcher Diplomat, reichte ihr Herz und Hand, und 
die glüdlichjte Ehe verband Beide. Als Henriette dieſen ent- 
jheidenden Schritt im Leben that, ftand fie auf der Höhe ihrer 
Künſtlerſchaft. Ihre Rückkehr von Paris nad) Deutfchland hatte 
einem Zriumphzuge geglichen: in Mainz hatte fie der greife 
Mathiffon aufgefucht und gejegnet, in Weimar begrüßte Goethe 
mit wäterlicher Liebe feine „flatternde Nachtigall”, in Frankfurt 
gingen die Wogen des Enthufiasmus jo body, daß ſogar der 
Hotelier jede Bezahlung ausfchlug, in Berlin wollte man fie um 
jeden Preis feſſeln, und als fie trogdem ging, um abermals in 
Paris zu fingen, drohte das Bublicum im Theater mit einem 
Sturm des Unwillens, den allerdings der Gefang der „Nachtigall" 
in einen Sturn des Beifall verwandelte. Von einen Londoner 
Saftjpiel bradite fie 20.000 Thaler heim. 1830, nachdem ſie 
ihrem geliebten Carlo zunächſt heimlich) die Hand gereicht, ſchied 
Henriette als „Semiramis" von der Bühne, in einer Rolle, in 
welcher ihr Roſſini jelbft den erjten Preis zuerfannt hatte. Sie 
jang vorläufig nur mehr in Eomcerten in Rußland und Hamburg‘ 
und ließ fich dann im Haag, wo ihr Gatte ftationirt war, nieder. 
König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, ein treuer Verehrer 
der Sänger, erhob fie in den Adelftand mit dem Prädicat „von 
Lauenftein”, um jie hoffähig zu machen, und nun erfolgte die 
Öffentliche Declaration ihrer Ehe. Einst eine Zierde der Bühne, 
wurde Gräfin Roſſi mun eine Zierde der Salons, und Damen 
der höchſten und excluſivſten Kreife wetteiferten, ihr Hochachtung 
und Sympathie zu bezeugen; man fchäßte jich glüdlich, ihren 
Sejang bewundern, ihrer herrlichen Stimme laujchen zu dürfen. 


Graf Roffi kam vom Haag als bevollm. Minifter zum Bundestag 
nad Frankfurt, dann wieder nad den Haag und von dort nad) 
Petersburg, wo die Salons der Gräfin Roſſi den Meittelpunft 
der guten Geſellſchaft bildeten und auch von Kaiferpaare mit 
Borliebe befucht wurden. In diefer Stellung traf Henriette ein 
herzbewegender Brief ihrer ehemaligen Lehrerin Ezejfa, die fid) 
in großer Bedrängnig und Armuth befand. und nicht einen Augen: 
blick ſäumte die Gräfin, der Lehrerin Dankbarkeit zu bezeugen 
und Hilfe zu bringen. Ihrer directen Intervention bei den aller 
höchſten Kreijen gelang cs, daß Mad. Czejka als Gefaugslehrerin 
der kaiſerlichen Familie nach Petersburg berufen wurde, und mit 
Feuereifer traf fie perjönlich alle Anordirungen zum Empfange 
der Meifterin. Durch ein Hoffeit in Carsfojefelo verhindert, fie 
perfönlich bei der Ankunft in Kronſtadt zu begrüßen, fandte fie 
einen Vertreter dahin, der fie empfing und nach Petersburg in 
die forgfältig eingerichtete Wohnung geleitete — ſelbſt für Equi— 
page, männliche und weibliche Dienerjchaft der Lehrerin hatte die 
Gräfin gejorgt,*) und mit Tindlicher Xiebe war fie aud) in der 
Folge beftrebt, Mad. Czejka den’ Aufenthalt in der Carenftadt 
angenehm zu machen. Später (1845) wurde die ftarf gealterte 
Czejka Sefangslehrerin am berzoglichen Hofe in Altenburg, wo 
fie Wohnung, Koft, Equipage nnd 600 Thaler Gehalt für den 
Winter hatte; 1849 ftarb fie im Hofpital zu Linz. Die Pietät 
der Gräfin Roſſi erſtreckte ſich auch auf die Tochter der Lehrerin, 
ehemals Primadonna am coburg’schen Hoftheater, welcher fie wieder: 
holt Unterftügung zu Theil werden ließ. Als Henriette 1843 von 
Betersburg jchied, um nach Berlin zu überjiedeln, wo fich ihr 


Satte von den finanziellen Opfern feiner Petersburger Stellung 


zu erholen hoffte, nahm die Kaiſerin ein koſtbares Halsband vom 
Halfe und hängte es der Gräfin um mit der Bitte, es zur Erin— 
nerung an fie zu tragen. In Berlin war ihre Stellung ebenjo 
glänzend bei Hofe und in der Gelellichaft wie in Petersburg. 


*) „Das Triumwirat F. D. Weber, Witaſek und Tomaſchek. Ans dem 
Gedächtnißalbum eines alten Mufitanten. Beil. zur „Boh.“ Nr. 30, 18 3. 











— 95 — 


Während Henriette in Berlin die Königin der Salons war, 
hatte ihre Schweiter Nina, das ehemalige Prager Theaterfind, 
deren Stimme und Talent zu den großartigften Hoffnungen 
für die Zufunft beredtigte, der Welt abgefagt und dei stillen 
Frieden des Kloſters aufgefucht. Als Jetti in der preußischen 
Hauptitadt ihre erften Zriumphe feierte, war Nina ihre Schü- 
lerin, und wiederholt äußert Jetti im ihren Briefen herzliche 
Freude an den gewaltigen Fortichritten des Schwefterleins, das 
allerdings gar oft traurig die Flügel hängen ließ, furchtbar 
eruſt war und Niemand unähnlicher ſchien als einer Zukunfts- 
Primadonua. 

„Anna ift wie eine Tanne gewachfen und bildhübſch“ — ſchreibt Fetti 
im Mat 1826 von Berlin — „fie ift erftaunlich ernft und geſetzt, für ihr 
Alter auffallend. Sch habe ihr eine großmädhtige Perüde von Zuder machen 
faffen; Die wird ihr gewöhnlich aufgefegt, auch Heißt fie nie anders als 
„Herr Profeſſor“. Biel Talent zum Singen bekommt fie, ich gebe ihr jeßt 
Unterricht im Singen; die Zerline, Aennchen im Freiſchütz, Pagen im Figaro 
jingt fie ſchon recht artig.” 

Der Ernft, das düftere Weſen Nina’s, das fo auffallend. von 
dem heiteren, Iebeusfrohen Charakter Hentietten’s abſtach, prägte 
jich immer ftärfer aus; zwar folgte fie ihrer Mutter in's Enga- 
gement nach Aachen (1828), Tieß fi) in Magdeburg und Kaſſel 
engagiren, endlid) aber — man jagt, die alte und ewig neue 
Geſchichte vom gebrochenen Herzen habe dabei mitgefpielt — hielt 
jie e8 nicht mehr aus in der glänzenden Welt des Scheins und 
trat (in den vierziger Jahren) in den ftrengften Tatholifchen Nonnen: 
Orden, in das Kloſter der barfüßigen Carmelitinen zu S. Benedict 
auf dem Prager Hradichin (ehemals Barnabitenflofter) als Novize 
ein; für die fchweren Bußübungen und Hausarbeiten aber erwies 
ih ihre Konftitution zu ſchwach und fie mußte, wenn and) 
widerjtrebend, 1845 den Habit der Carmelitin ausziehen und in 
das mütterliche Haus zurückkehren, wo fie jedoch das Leben der 
Nonne fortjegte und den Tag theils in den Kirchen theils Roſen— 
franz=betend zu Haufe zubrachte. Sie bewarb fich um Aufnahme 
in ein anderes Klofter bei Gmunden, trat aber fchlieplich in die 
altehrwürdige Abtei der Eiftercienfer-Nonnen zu Marienthal in der 


ſächſiſchen Laufig, wo ihre Einfleidung (nah einem Briefe der 
Mutter au Frau Prof. Johanna Engel in Prag) am 2. Yuli 1845 
(nad) Anderen erjt 1848) in den weißſchwarzen Ciftercienferhabit 


unter großer Feierlichkeit in Anweſenheit der Mutter ftattfand. 


Nina — nun „Schweiter Juliana — wurde ein bejonderer Liebling 
der Aebtiſſin und des Propftes von Marienthal; fie übertraf alle 
anderen Conventualinen (auch die ehemals gefeierte Berliner Schau- 
jpielerin Marie Herold wurde Ciftercienjerin zu Marienthal) an 
Geiſt und Kenntniffen, aber auh an Demuth, Gehorfam und 
Frömmigkeit. Sie lernte mit Eifer Iateinifch, fpielte die Orgel 
wie St. Cäcilia und fang dazu mit ihrem herrlichen Organ, daß 
die Leute aus der Umgebung herbeijtrömten, um die gottbegna- 
dete Sängerin zu bören. Aber nur auf Geheiß der Oberin 
übernahm fie eine Soloftimme, font erfchien es ihr unvereinbar 
mit der Demuth einer Klofterfrau, durch einen unverdienten Vor- 
zug, wie es ihre Stimme war, zu glänzen. Nur der Befehl der 
Aebtiſſin konnte fie auch bewegen, Beſuche zu empfangen, die ihr, 
der Schwefter der berühmten Henriette Sontag, galten, und fcheu 
wie ein Reh verſchwand fie ftets jo bald als möglich aus dem 
Sprechzimmer. Henriette Sontag hat „Schweſter Juliana” im 
Klofter Marienthal wiederholt befucht, ja mit Vorliebe weilte fie 
in dem ftillen abgefchiedenen Thale, unter den Klojterfrauen. Gern 
entfloh fie den Gewühl der großen Welt, lärmenden Triumphen, 
glanzvollen Feſten, um einige Tage in Hlöfterlicher Einſamkeit nur 
der fchwefterlichen Liebe und ihrer Herzensfrömmigfeit zu leben. 
In der fchlichten Zelle der Schweiter Juliana fang fie danıı wohl 
mit diefer Duette, und auf dem Kreuzgange laufchten die Nonnen 
dem unvergleichlidy fchönen Doppelgejange. Die Stimme Nina’s 
(Julianas) hatte fich, feit fie nur zum Lobe des Herrn erflang, 
wunderbar entwidelt — wie Engelsgefaug ertünte fie oft in der 
Abteikirche. 

Im Jahre 1849 trat eine nie geahnte Wendung in den 
Verhältniſſen Henriettens ein. Das Vermögen ihres Gatten war 
durch den nothwendigen Aufwand, der mit ſeiner diplomatiſchen 
Poſition verbunden war, zuſammengeſchmolzen, das Jahr 1848 





Hatte durch Rückgänge in den Papiercurfen ihr eigenes großes 
Vermögen auf Taum 100.000 Thaler reducirt — das verjprad) 
wenig für die vier Kinder (Grafen Alexander und Luigi, Gräfinen 
Marie und Alerandrine Roſſi), die ihr von fieben geblieben waren, 
— nod) einmal wollte fie die Kraft ihres Gejanges erproben; jedem 
Kinde wollte fie 100.000, fi und dem Gatten 500.000 Thaler 
erwerben, und die unerhörten Anerbietungen der Impreſſarii (Qumley 
garantirte eine Million Franes für vier Jahre, die ſich allerdings 
durch finanzielle Zwilchenfälle auf eine halbe Million rebucirte) 
verbürgten den Erfolg. Nach nahezu zwanzigjähriger Baufe, eine 
zwar noch jchöne und ftattliche, aber doch ſchon Adjährige Frau, 
wandte fie ſich wieder der Bühne und der Deffentlichkeit zu; 
Graf Roſſi erhielt über wiederholtes Anfuchen feinen Abjchied aus 
dem Staatsdienfte und begleitete die opfermuthige Gattin. Daß 
fie nod) immer zu fingen und zu fiegen wußte, zeigte fich bald. 
In London, Paris, in den größten Städten Deutjchlandg fang 
fie wieder ihre Glanzrollen und entzildte Alles. Auch Prag, das 
einst Henriette Sontag zugejubelt hatte, befam die Gräfin Roſſi 
noch einmal zu hören’; der Adel veranflaltete ein Wohlihätigfeits- 
eoncert im Sophieninfelfaale, in welchem fie fang; im „ſchwarzen 
Roß“ wohnte fie, und den Tag über Lüften fich ununterbrochen 
Befuche der höchſtgeſtellten Perſonen in den Gemächern der gräflichen 
Sängerin ab. Um die Summen voll zu machen, die fie zu erringen 
hoffte, entjchloß ſich Henriette zu einen weiteren Siegeszuge über 
den Ocean. Wie eine Fürftin empfangen und begrüßt, betrat 1852 
die Gräfin Roſſi den amerifanischen Boden; trogdem die Alboni 
ihr Concurrenz zu machen ftrebte, beherrichte fie allein dag Terrain, 
fie gab Gratis-Concerte für die Schuljugend, entzüdte Alles wie 
durch ihre Stimme und ihre Kunft, fo durch ihre Anmuth und 
Riebenswürdigkeit. In New-York, Bofton erfang fie ſich Triumphe, 
dann eilte jie nach Mexico, um troß der dringenden Abmahnungen 
des Gatten und mwohlmeinender Freunde unter den unginftigjten 
fanitären Landesverhältniſſen dort die legte Station ihrer Tournée 
zu abſolviren — es follte auch die legte Station ihrer wechſel— 


und glanzvollen irdiichen Laufbahn fein. Vor einer Vorſtellung 
7 








— 98 — 


von „Lucrezia Borgia“ erkrankte ſie heftig, die aſiatiſche Cholera 
hatte Henriette ergriffen, und am 17. uni 1854 verſchied fie in 
den Armen des troftlofen Gatten. *) 

Alle Journale diesfeits und jenfeits des Oceans brachten 
Trauerartikel über das Hinfcheiden der unvergleichlichen Sängerin 
und feltenen, edlen Frau; die mexicaniſchen Blätter erjchienen mit 
Tranerrand. Die proviforifche Beifegung bei S. Fernando in 
Merico erfolgte unter großartigen Feierlichkeiten; nach mancherlei 
Schwierigfeiten, die namentlich dem Sarge einer an Cholera Ver: 


*) Die Krankengeſchichte fhildert ein Brief des Grafen Roffi folgender- 
maßen: Am 11. Juni fühlte fie fich. unmohl, doch bereitete fie ſich, in's 
Theater zu gehen, als fie von einem heftigen Cholera: Anfall ergriffen wurde, 
der duch raſch angewandte ärztliche Hilfe derart befeitigt wurde, daß fie 
noch an demfelben Abend die Kucrezia fingen wollte und nur mit Mühe 
davon zurüdgehalten werden fonnte — den folgenden Tag (12,) fühlte fie 
fichh ziemlich wohl, aber jehr matt, doch gegen Abend ftellten fich gemwaltiame 
Srbredhungen ein, die 24 Stunden anhielten und einer großen Nervenauf: 
regung Pla machten; diefer leidende Zuftand dauerte bi8 zum Morgen 
des 14. Bei all den qualvollen Leiden war fie vollftändig bei ſich und bie 
im Laufe des Tages calmirende Nervenaufregung Tieß einige Hoffnung 
fchöpfen, welche die Aerzte aber nicht zu theilen fehienen. Die Hoffnung auf 
Beilerung war eine trügertiche; denn bald ftellten ſich Congeftionen gegen 
den Kopf ein, und der Kauf der Kraufheit zeigte Die Symptome des Cholera: 
typhus. Obwohl ohne Kränıpfe, waren die Erbrechungen doch fo ſchmerz⸗ 
voll wiedergekehrt, daß fie öfter bewußtlos wurbe. Nach empfangenen 
Sterbejacranenten entfchlief fie um 3 Uhr Nachmittags am 17. Juni 1854. 
Sie glaubte nicht an der Cholera fondern an einem Gallenübel erfrauft zu 
fein; Furcht vor dem Tode hatte fie nicht oder fprady fie weder in Wort 
noch Mienen aus. Zwei der beften Aerzte befuchten fie täglich dreimal, ein 
Dritter blieb ftet3 in ihrer Nähe und entfernte fih nur anf kurze Zeit ins 
Nebenzimmer, um ein oder zwei Stunden der Ruhe zu pflegen. Zwei Con- 
jultationen wurden von drei Aerzten abgehalten, Nach vielen Yeußerungen 
des Schmerzes und der Klagen jchließt Graf Roffi fein Schreiben mit fol- 
genden Worten: „Alle geleiftete Hilfe, Pflege und Wartung wareu erfolglos, 
es ſchien Oben beichloffen, daß mein irdiſches Glück mit ihr untergehen 
jollte. Gott gebe mir noch ferner Kraft, mid) den Kindern zu erhalten, 
denen ich feine Mutter mehr zurüdbringe. Ein Metallfarg umfchließt ihre 
fterbliche Hülle, um fie diefen Winter ihre Ruheſtätte in europäiſchem Boden 
finden zu laffen.” (Mitgetheilt von Oberft A. Sontag.) 


Em — 0m 





-- 9 — 


ftorbenen galten, gelang e8 dem Grafen endlich, die Ueberführung 
bon Beracruz nach Europa zu bewerfftelligen. Im Klojter Marien- 
thal beigefeßt zu werden, hatte Henriette oft als einen Lieblings- 
wunſch geäußert. Noch vor ihrem Abgang nad) Amerika war fie 
dort geweſen und hatte mit der geliebten Schweſter gejungen. 
„Wenn Du mir do Deine wundervolle Stimme geben fönnteft, 
Nina!" rief Henriette nad) dem Duett aus „Norma”. „Wie 
gern thäte ich es," ſagte wehmüthig die Nonne, „da Du etwas 
aus ihr machen Eönnteft, was mir nie gelungen ift!" An einem 
Ihönen Maimorgen (4. Mai 1855) wurde der mit Kreuz und 
Zorbeerfranz geſchmückte Sarg der Königin der deutſchen Sänge- 
rinen über den ftilfen Slofterhof von Marienthal in die Gruft 
der Kreuz: oder Michaeliscapelle getragen. Eine trauernde Mutter, 
ein verzweifelnder Gatte, die weinenden Brüder und Kinder ſaßen 
in den Betftühlen, Hinter dem Gitterfenfter der Nonnen⸗-Loge in 
der Capelle aber betete und weinte eine Klojterfrau im ſchwarz⸗ 
weißen Eiftercienferhabit: Schweiter Juliana, einft Nina, die ge- 
liebte Schwefter Henriettens. Am 17. Yuni 1856 Tieß Graf 
Roſſi den bisherigen Sarg in einen foftbaren Zinnfarg einjegen, 
an deſſen Fußfeite die Worte Pauli zu leſen find: 

. „Wenn ih mit Menſchen- und Engelözungen redete und hätte ber 
Liebe nicht, wär’ ich ein tüncend Erz. Die Liebe höret nimmer auf.“ 

Auf dem Sargdedel lieſt man: 

„Hier ruht in Gott Henriette Sontag, vermälte Gräfin Roſſi, geb. 
in Goblenz, 3. Jän. 1806, geft. in Mexico 17. Juni 1854.” 

„Die war das reinfte Erdenglüd beichieden, 

Kunſt, Anmuth, Liebe wanden Dir den Franz. 
Nun ruheſt Du in Gottes heil’gem Frieden, 
Umftrahlet von des Paradieſes Glanz. 

Für Deine Lieben haft Du Dich dem Tod geweiht, 
Des Lebens Kron' ift Dein, Dein ew’ge Seligfeit!” 

Ein goldener Lorbeerkranz trägt auf feinen Blättern folgende 
Worte: „Der beiten Gattin und Mutter, der treu'ſten Freundin, 
der Schönsten und liebenswürdigſten Frau, der größten Sängerin 
geweiht von Georg Großherzog von Medlendburg-Strelig, den 
17. Juni 1856.” Der Großherzog hatte ſich wie der Car und 

7* 


— 10 — 


der König von Baiern zu den Freunden und Bewunderern der 
Künſtlerin und Gräfin gezählt. 

Graf Roſſi, der Gemal Henrietten's, hat die Gattin zehn 
Jahre überlebt; fein Tod traf beſonders hart die von ihm hoch- 
verehrte Mutter Sontag. Sie hatte von Berlin aus Henriette 
Anfangs auf deren Triumphzügen begleitet, dann im Fache der 
älteren Unftandsdamen und Mütter neuerdings Engagement ge- 
nommen,*) auf Andringen des Grafen und der Gräfin Roſſi aber 
der Bühne entfagt und fich in Dresden niedergelajjfen, ganz der 
Erziehung des jüngften Sohnes Earl, des fpäteren Hofichaufpielers, 
lebend, von Allen, die fte kannten, geliebt und verehrt. Pauline 
Ulrich wurde ihre Schülerin, und in den Armen diefer dankbaren 
Schülerin und zweier Söhne verſchied fie am 10. April 1865. 
„Der beiten Mutter," jagt der von den Kindern gewidmete Grab- 
ftein. Zwölf Kinder hatte Yrancisca geboren, fieben waren früh: 
zeitig geftorben. Nina Sontag, die Lijtercienfer-Nonne Juliana, 
hat noch manches Jahr in der Kreuzcapelle am Sarge Henrietten’s 
gebetet und geweint, bis fie am 22. Sept. 1879 im 68. Lebens- 
jahre ebenfalls dahingiug und in der Klojtergruft ihre Ruheſtätte 
fand. Zwei Brüder Henrietten’3 wurden, wie erwähnt, Officiere 
in der öſterr. Armee; Auguft (zulegt Commandant des 30. Inf.⸗ 
Regiments in Lemberg) lebt als Oberſt in Rubeftande in Prag 
und bewahrt manchen Brief feiner um ihre Brüder zärtlich be- 
jorgten Schweiter Hemriette; Bruder Frig war Hauptinann, nahm 
jpäter eine Civtlanftellung an und ftarb am 10. Jäner 1880, der 
jängfte Sohn Carl hat fich zum Kiünftler erjten Ranges empor- 
gejchwungen und ift als ſolcher noch ein gern gefehener Gaſt auf 
deutjchen Bühnen. In der Geſchichte der Prager Bilhne verdient 
der Name „Sontag” mit goldenen Zettern eingetragen zu werden; 
er erinnert an Tage des Glanzes, die kaum noch jemals wieder- 
fehren. 


*) Unter Director Stöger war Mad. Sontag neuerdings auf kurze 
Zeit in Brag engagirt. 


— — 





— 101 — 


IV. 
Holbein's Oper. 


(Das DOpernperfonal. — Marianne Rohlbrüd, Katharina Comet-Podhorsky. 
Thereſe Peche, Fortunata Franchetti, Marianne Ernft-Seidler, Sebaftian 
Binder, Franz Haufer u. A. — Das Repertorre mit Henriette Sontag. — 
Opern-Quoblibet3. — Der Freiihüb. — Gäſte. — Das Conſervatorium; 
Giovanni Gordigiani. — Nach dem Abgang der Sontag. — Euryantbe.) 


Solange Henrictte Sontag in Prag fang und fiegte, trat 
das übrige Dpernperfonal gewiffermaßen in den Hintergrund, und 
MWenigen nur war e8 vergönnt, fich neben dem Torbeergefrönten 
Wundermädchen Beachtung und Würdigung zu erringen. Von 
den Danıen der Holbein’schen Oper Tennen wir die Primadonna 
Mina Beder, die jugendlichen Sängerinen Thereſe Brunetti, 
Schlager sen. und junior. Lauge Krankheit und der Abgang 
der Brimadonma*) hatten wiederholt ſchwere Nepertoireftörungen 
verurjacht und fremde Aushilfe nöthig gemacht. Im Auguſt 1820 
leijtete Therefe Grünbaum Succurs und triumphirte als Ame— 
naide, Prinzeflin von Navarra, Sophie (Sargin) und in mehren 
Duodlibets wie ehedem. Einige Monate ſpäter fam, an die 
Ruhmestage der wälichen Dper mahnend, Antonia Campi und 
erjeßte durch die Meeilterichaft des Gejanges den längſt ver: 
blichenen Glanz der Mittel. Neben diefer Meifterin fang Henriette 
Sontag die Sophie in „Sargin”, und der neu aufgegangene 
Stern jtrahlte heller als der im Niedergehen begriffene ver italie- 
nischen Sängerin. — Auch Demoijelle Kainz, die Tochter des 
Baſſiſten Kainz, deren Name nun bereits einen guten Klang weit 
über Prag hinaus hatte, fand fih 1820—21 zu einem Gaftjpiel 
in Prag ein. Mit den Verfuchen, Mad. Beder, deren Berluft nun 
entfchieden war, zu erjegen, hatte man mannigfaches Malheur 


* Am 7. April 1824 ließ fih Minna Beder ald Gaft noch einmal 
in Prag in einer nftrumental- und Vocalafademie hören, mobei fie als 
Meifterin der Technik wie jonft Xorbeeren erntete. 


— 102 — 


Erfolglos gaſtirlen mehre Sängerinen; am beſten erging es Dem. 
Marianne Wohlbrüd, der Tochter des in Deutſchland bekannten 
und gejchägten Schaufpielers Wohlbrück und nachmaligen Gattin 
Marſchner's, dem ihr Bruder W. A. Wohlbrüd die Texte zu den 
Opern „Vampyr“ und „Zempler und Jüdin“ gefchrieben hat. 
Den. Wohlbrüd,*) ein junges, talentvofles Mädchen, debutirte 
als Amenaide in „Tancred“ und errang ſich Anerkennung, obwohl 
ein an ihrem Debutabend gegen einen Sänger infcenirter Theater: 
fcandal ihre Leiftung beeinträchtigte. Bald darauf befeftigte fie als 
Aenuchen im „Freiſchütz“ und Königin der Nacht ihre Stellung 
und wurde zu den hoffnungsvolliten Talenten neben der unüber- 
trefflihen Sontag gezählt. 

Noch entjchiedener war der Sieg einer anderen Debutantin, 
die, aus dem Prager Boden felbjt emporgewachjen, auch der regſten 
Sympathien ihrer Vaterſtadt ficher fein konnte. Die „reizende 
Jetti“ erhielt eine Rivalin in der Gunſt des Publicums: Kathi 
Comet; nahmals Mad. Podhorsky, ein Wunderfind wie die 
um wenige Jahre ältere Jetti, betrat zum erften Male in größeren 
Partien die Prager Bühne, der fie Jahrzehnte hindurch zur Zierde 
gereichen jollte Katharina Comet war am 8. Nov. 1807 als die 
Tochter des Prager Bürgers und Buchbindermeifters Kaſpar Comet 
und deſſen Gattin Apollonia geb. Kampochin im Fauſt'ſchen Haufe 
auf dem Viehmarkt geboren. Im dritten Lebensjahre verlor das 
arme Kind die Mutter, ein Jahr Später auch den Vater; fie und 
ein 14jähriger Bruder blieben als Wailen zurid. Da nahm fid) 
eine Tante, die berühmte Sängerin Thella Batka-Podleska, 
ehemalige Hoffängerin der Herzogin von Eurland, eine Künftlerin, 
deren wir jchon bei anderer Gelegenheit gedacht, des verlaflenen 
Mädchens an, erzog es und weihte c3 frühzeitig in die Myſterien 
ihrer eigenen Kunjt ein. Die Heine Kathi war muſikaliſch durd) 
und duch; die ſchwerſten Arien fang fie der als Geſangslehrerin 
wirkenden Tante nah. Im achten Lebensjahre ſchon genoß fie 


*) Marianne Wohlbrück-Marſchner war 6. Jän. 1806 zu Hamburg 
geb., vermälte fi) 1826 zu Leipzig mit Marjchner und ftarb 1834. 





— 103 — 


Dionys Weber's Unterricht in höheren Clavierfpiel und in ber 
Mufiktheorie. Neun Jahre alt, erregte fie, zur Mitwirkung in 
einem Wohlthätigleitsconcert im Saal „beim Dauſcha“ eingeladen, 
derartiges Auffehen, daß jich nun jämmtliche Chordirectoren Prag’s 
um ihre Mitwirkung in kirchenmuſikaliſchen Aufführungen bewarben, 
und den jchwerften Soli wurde das Mädchen in bewunderungs- 
würdiger Weife geredht. Die Zriumphe der Primadonna Becker, 
deren Zeugin fie wiederholt war, entflammten ihre Leidenschaft fürs 
Theater derart, daß fie nicht ruhte, bis fich ihre Tante bei Polawsky 
um ei Beobe-Auftreten bei der Bühne bewarb. „Aber mein 
Kind," ſagte Polawsky zu der kleinen Kinftlerin, die mit Mad. 
Batka bei ihm erſchien, „Du bijt ja viel zu Hein, man wird 
Di ja gar nicht jehen!" „Wenn man mich auch nicht fieht, fo 
wird man mid) doc, hören,” antwortete beherzt die Kleine, fang, 
von der Tante accompagnirt, Polawsky die große Arie aus der 
„Zauberflöte vor, erhielt von dem freudig überrafchten Mitdirector 
die Zuficherung, daß er jich bei Dead. Liebich für fie verwenden 
werde, und durste jogar die Emmeline in der „Schweizerfamilie” 
in mimifcher Hinficht mit dem Künftler einjtudiren. Sm J. 1819, 
alfo im 12. Lebensjahre, machte „Kathi“ als Annette in Boieldien’s 
„Rothfäppchen”, einer fonjt won Jetti Sontag gegebenen Partie, 
den erjten theatralifchen Verfuch. Die bei. ſolch jugendlihem Alter 
auffallend ſchöne und ftarke Stimme machte Aufjehen ; die Debu- 
tantin konnte Alt: wie Sopranpartien bewältigen und verjprach 
einjt mehr als Ein Rollenfach zu beherrichen. Banquier Kleinwächter 
empfahl das neue Wunderfind den Leitern der Zeipziger-Gewand- 
haus⸗Concerte, und Hofrath Rochlik kam jelbjt mit Hauptmann 
Limburger nad) Prag, um jich von den Fähigkeiten der Kleinen 
zu überzeugen. Die Probe im großen Redoutenſaal fiel jo glänzend 
aus, daß die junge Kathi fofort fir die Saifon 1820 mit 1600 
Thaler engagirt wurde — von der Gage hat fie allerdings nie etwas 
zu Gejichte befommen, da ihre Tante diejelbe jowie ihre gefammten 
Theater-Gagen bis zu ihrer Verehelichung als Erziehungs-Entjchä- 
digung einftrich. Am 29. Sept. 1820 ließ ſich Katharina Comet zum 
ersten Male in Leipzig hören. Als fie auf die Tribüne trat, erhoben 


— 104 — 


fih Herren und Damen im Auditorium, um dag Kind zu fehen, 
und als fie ihre Nummern, Scene und Arie mit obligatem Baß— 
horn aus „Zitus” und eine Bravour-Arie von Biandhi (italienisch), 
gefungen hatte, trug man unter Jubel und Beifall das Wunder: 
find auf den Händen im Auditerium umher und wartete ihr mit 
Bonbons auf, die fie beleidigt zurüchwies. Nach dem Concert war 
Tafel bei Rochlig, und die Heldin des Abends eutfeſſelte mit dem 
Bortrage der Arie Nofinens im „Barbier" neue Beifallsſtürme. 
Einer Einladung der Leipziger Theaterdirection folgend, debutirte 
fie auch als Myrrha im „Unterbrochenen Opferfeſt“ mit durch— 
ſchlagendem Erfolg, mußte die große Arie dreimal wiederholen 
und wurde — damals ein ſeltener Fall — mit Blumen beworfen. 
Küſtner, der Leiter der Leipziger Bühne, beſtrebte ſich, das ſeltene 
Talent zu gewinuen, doch folgte die Heine Künſtlerin nach Beendi— 
gung der muſikaliſchen Saiſon der Tante zur Herzogin von Curland, 
deren Töchter „die Heine Catalani“ wie eine Schweſter behandelten. 
Die Herzogin wollte fie in Italien felbjt für die italtenifche Oper 
ausbilden laſſen, aber der frühe Tod der kunſtſinnigen Fürſtin 
machte dies Project zunichte, und — fünfzehn Jahre alt — kehrte 
Katharina Comet in ihre VBaterftadt Prag zurüd, wo fie von Holbein 
mit 600 fl. W. W. Jahresgage für den Chor und Fleinere Bartien 
engagiert wurde. Nicht lange wandelte das emporgewachſene Wun— 
derkind im Dunkeln; ihr mufifalifches Können und ihr Stimmſchatz 
war Triebenfee nicht verborgen und bald wurde fie zu Solopartien 
herangezogen. Unter den zahlreichen Debntantinen des Jahres 1822 
nennt die Kritit Dem. Comet als vortreffliche „heimifche Kunſt—⸗ 
pflanze" obenan. 

„Ste begann ihre Laufbahn” — Heißt es in einen Berichte ber 
„Leipz. Allg. Muſik.“Ztg.“ — „als Iſabella in den „reilenden Komödianten“ 
und erlang fi) allgemeinen Beifall. Ihre Stimme ift kräftig und fonor, 
die Intonation rein; was die mimiſche nud plaftiiche Darſtellung betrifft, 
wollen wir Alles von der Zeit Hoffen und empfehlen ihr vorzüglich ein 
forgfältiges Beſtreben, den (czechifchen) Dialect zu befiegen, der ihr gegen 
wärtig großen Schaden thut.“ 

Als Thisbe in Iſouard's „Wichenbrödel“ und in anderen 
Partien befeftigte fi) Dem. Comet ihre Bofition; in muſikaliſcher 











— 105 — 


Hinficht tadellos, hatte fie nur noch als Darftellerin weitere Lehrjahre 
durchzumachen, um vollendet zu erfcheinen. Ihr Glück begründete 
die junge Sängerin jedoch erft nach dem Abgang der Sontag mit 
der Uebernahme einer Slanzpartie des vergötterten „Sonntags: 
findes", der Sophie in „Sargin”. Man war rathlos, woher eine 
Remplacantin für die Verlorene nchmen; da Schlug Regiſſeur 
Schikaneder die Heine Comet vor, Triebenſee jtndirte die Partie 
mit ihr ein, und der vollfonmene Steg, den fie errang, veranlaßte 
ihr vasches Avancement. „Eine ſolche Sophie darf nicht mehr in 
Chor vor die Lampen treten," erklärte Holbein, erhöhte ihre Gage 
um 300 ff., und mit ihrer nächften Bartie, der Donna⸗Anna, war 
ihre Erhebung zur Primadonna entichieden. Sie ift es Jahrzehnte 
lang geweſen, allen Berlodungen zur Trennung von ihrer Vater: 
jtadt hat fie heldenmüthig widerftanden und iſt dem ftändifchen 
Theater treu geblieben. Als ihr nad) Holbeins Rücktritt die Leipziger 
Direction einen vortheilhaften Contract fandte, den fie in Ungewißheit 
über die Zufuft der Prager Bühne unterzeichnete, löſte ihn die neue 
Direction ab, und Dem. Comet blieb mit 1600 fl. EM. Yahres: 
gage in Prag. Um 21. Feb. 1827 vermälte fie jid) mit dem 
Baryton Mathias Podhorsky, einem Winzers-Sohn aus Wrſcho— 
wit, der während der Gymnaftaljtudien Chorknabe bei den Kreuz: 
herren geweſen und jpäter als Chorift an das ftändifche Theater 
gefommen war, wo man ihn allmälig für Kleinere Tenor- oder 
Baryton-Solt heranzog und jpäter, als er auf dem Ummege über 
Wien vom Kärtuerthor-Theater wieder nad) Brag kam, als erſten 
Baryton engagirte. Katharina Podhorsky hat es verichmäht, ihren 
Namen durch Gaftipiele weit über die Grenzen ihrer Heimat 
hinauszutragen. Man weiß nur von Einer Kunſtreiſe, die fie 1832 
mit J. P. Piris und der Claviervirtuofin Elife Barth nach Wien 
unternahm, und diefe Eine Reife trug ihr folche künſtleriſche Erfolge 
ein, daß ihr die Hoftheater-Jutendanz einen Engagementsantrag 
mit 5000 fl. EM. Yahresgage machte. Sie lehnte ab, da fie nod) 
zwei Jahre in Prag gebunden war, und als nach diejen zwei 
fahren der Antrag erneuert wurde, erklärte die Prager Theater: 
aufſichtscommiſſion ganz entfchieden, „Katharina Podhorsky weder 


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jegt noch fpäter verlieren zu können”, und fie blieb. Hat diefe 
Anhänglichkeit an Prag, dieſe Stabilität der Sängerin ihren Ruhm 
beeinträchtigt, ihren Namen minder geläufig werden lafjen als der 
Name weitaus weniger bedeutender Sängerinen geworden ift, fo 
zeugt es andererjeitS von der VBortrefflichkeit einer Künstlerin, wenn 
fie ſich Jahrzehnte hindurch im ungejchmälerten Befige der Achtung 
und Werthichägung eines Teineswegs nachfichtigen Publicums zu 
erhalten weiß. 

Sind Henriette Sontag und Katharina Comet-Podhorsky durd) 
Holbein gewiſſermaßen aus dem Chore Hervorgeholt worden, jo 
bat der geniale Bühnenleiter in einer anderen jugendlichen Chor- 
jängerin das eigenartige Talent wenigſtens geahnt, das ihr jpäter 
auch den höchſten Künftlerruhm erringen follte. Chereje Peche 
war 1822 als Chorjängerin und — wie Lemberts Tafchenbuch pro 
1823 angibt — für „Bildungsrollen” in Prag engagirt, eine That- 
jache, die merkwürdigerweiſe von den vielen Beche-Biographen 
beharrlich ignorirt wurde. Ms Tochter eines öſterreichiſchen Majors 
etwa 1806 in Prag geboren, hatte fie den Vater früh verloren; 
die Mutter aber, einer franzöſiſchen Emigrantenfamilie angehörig, 
kam duch das Finanzpatent von 1811 um den Reſt ihres Ver: 
mögend und war infolge deſſen darauf bedacht, beide Züchter 
möglichjt raſch felbjtändig zu machen. Beide wurden für die Bühne 
borbereitet, und fchon 1816 finden wir die Demoifellen Peche 
die ält. und jüng. im Verbande des Niclastheaters in Prag. Eine 
viel verbreitete, aber von der Kimftlerin felbft energiſch demen: 
tirte Fabel erzählt mn, die Mutter habe ſich mit ihren beiden 
Töchtern einer Runftreitergefellfchaft angefchloffen, zu deren Inventar 
eine koſtbare Menagerie gehörte, als deren „Schlangenbäuderin” die 
zehnjährige reizende Thereſe fungirt habe — erſt in Bonn babe 
fie dag Theater kennen gelernt und eine edlere Kunſt als das 
Schlangenbändigen erwählt, von dort aber fei fie nach Hamburg, 
Darmftadt und endlich Wien gekommen. Wo bleibt dann Prag, wo 
fie erwiefenermaßen 1822 engagirt war, das als eine der erften und 
wahrjcheinlich die erſte Station auf dem künſtleriſchen Lebensgange 
Thereſens gilt? Markgraff⸗Herloßſohn's Theaterlericon erwähnt 








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da8 Brager Engagement und gibt an, Therefe Peche habe hier als 
Genius in der „Tee von Frankreich” zum erften Male die Bühne 
betreten, glaubt aber ebenfalls an die Fabel vom Schlangenmädchen 
und verlegt die Menagerie-Carriere der Künſtlerin in die Zeit nach 
dem Abgange von Prag. Wir müffen ung an Lembert und Holbein 
als die beiten Zeugen für die Wirkſamkeit Thereſens halten, die lange 
Zeit als unerreichte Repräfentantin zarter und finniger Frauen— 
geftalten galt. Hier regijtriren wir fie als Choriftin und Epifodiftin 
vom Jahre 1822. Holbeins ſcharfem Blicke war das kaum erwachſene, 
wunderlieblichde Mädchen im Chore nicht entgangen; er fah, mit welcher 
Umficht und Pünktlichkeit fie jede ihrer Heinen Aufgaben erfüllte, 
und wo ein befonders ſchweres Arrangement zu leiten war, wählte 
er ftetS die intereffante Kleine zur Anführerin oder zur Bezeichnung 
des Signals. Prag hat Therefe Peche im Zenith ihres Ruhmes 
wiedergejehen, und mit feltijamen Gefühlen mag die berühmt gewor- 
dene Choriftin von 1822 die Bühne betreten haben, auf welcher 
fie einft ihre theatraliichen Gehverſuche gemadht.*) 

Auf einer Entdedungsreife, die Holbein 1822 zur Gewinnung 
bon Opernfräften unternommen, hatte der Harblidende Director 
vier bedeutende Zalente würdigen gelernt und feinem Inſtitute 
gewonnen: die Sängerinen Yortunata Franchetti und Madame 
Ernit-Seidler, den Barytoniſten Wiedermann und den Tenor Binder. 
Fortunata Franchetti war 12. Mai 1807 (nad) Gettke's Alma- 
nach 1801) geboren; ihre Eltern, aus italienischem Stamm her- 
vorgegangen, waren jehr wohlhabend und ließen der Tochter eine 
jorgfältige Erziehung zu Xheil werden. Zerrüttete Vermögens⸗ 
verhältniffe nöthigten indeß Fortunata, einen Erwerb zu fuchen, 
und die Bühne bot ihr die bejte Gelegenheit, ihre Talente und 
Studien praktisch zu verwerthen. Durch die Hoffchaufpielerin und 





*) Thereſe Peche ging von Prag mit Mutter und Schweiter nad 
Köln, Director Ringelheim, mit dem fie in Köln, Bonn und Aachen fpielte. 
1830 kam fie nach Wien, wo fie bi zu ihrer 1867 erfolgten Benfionirung 
eine Zierde des Burgtbeaterd war. Thereſe PB. war 1840-64 mit bem 
Franzoſen Bimal de Jauzat vermält, hatte aber nie ihren Mädchennamen 
abgelegt. Sie ftarb 16. März 1882 im Alter von 76 Fahren, 


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Theaterfchriftitellerin Franul v. Weißenthurm an Holbein empfohlen, 
fand fie trog ihrer Anfängerjchaft in Prag Engagement, erregte 
mit ihrem fchönen Mezzoſopran Auffehen und wuchs von Nolle zu 
Role mehr im Anſehen des Opernpublincms. Keine geringen 
Schwierigkeiten galt e3 zu bewältigen, um fich in „Figaro“ als 
Gräfin neben der Sujanne Henriette Sontag's, in „Don Yuan” 
als Elvira neben der Donna Aına:Sontag zu behaupten; nad) 
der Sontag übernahm jie die Agathe, und das Glüd, das fie als 
Nachfolgerin der beiten Agathe Hatte, entjchied über ihre Zukunft. 
Im J. 1825 kam Dem. Frauchetti an die deutjche und italienifche 
Oper in Wien, vermälte ſich 1827 mit dem Artillerie Lieutenant 
Walzl und trat eine große Kunftreife nach Deutjchland an, bis 
fie 1829 Engagement in Magdeburg, ſpäter in Leipzig und Braun: 
ſchweig nahm. Nachdem fie 1834 ihre Ehe gelöft hatte, wanderte 
fie al8 Saft von Bühne zu Bühne, ließ fih dann in Leipzig 
mehrere Jahre felleln, fang in Kiew, jagte in den fünfziger Jahren 
der Bühne Valet and ftarb am 7. April 1876 zu Wien, 
Marianne Ernft-Seidler, die ungefähr gleichzeitig mit 
Fortunata Franchetti in Prag debutirte, fiir diefe Bühne aber 
von größerer Bedentung als ihre Collegin geworden tjt, war als 
eine der erjten Sängerinen Deutfchlands anerkannt und hatte wie 
Henriette Sontag und Katharina Podhorsky ſchon frühzeitig als 
„Wunderkind“ von ich reden gemacht. Am 28. April 1808 als 
Tochter des ehemaligen Hofichaufpielers Seidler geboren, erhielt 
fie den erſten muſikaliſchen Unterricht bei ihrer Mutter, Tam als 
vierjähriges Kind mit den Eltern nad) Darmftadt und betrat hier 
als Lili im „Donaumeibchen” zum erjten Male die Bühne. Acht 
Jahre alt, fang fie in Negensburg fchon den Benjamin in „Joſeph 
und feine Brüder”, Tam auf Verwendung der Hofichaufpielerin 
v. Zrentinaglia, welche jtaunend das Wunderkind gefehen hatte, in 
die Thenterjchule nach München, erhielt dort zwei Jahre dei 
Unterricht Perſicini's und machte ſolche Fortfchritte, daß ihr 
Lindpaitner die bedeutende Rolle des Iſaac in feiner Oper „Abrahams 
Opfer” anvertraute, mit welcher fie, kaum 11 Jahre alt, einen 
vollen Triumph feierte, Vier Wochen fpäter fang fie bereits in 








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Frankfurt a. M. den Oberon (von Wranitzky), nahm mit 13 Jahren 
ein Engagement als erfte jugendliche Sängerin und naive Xieb- 
haberin in Trier an, und erhielt dort einen Auf nach Mannheim, 
den fie acceptirte. In Mannheim vermälte fie fich mit dem Schau⸗ 
jpieler Valentin Ferd. Ernft, ging nad Linz, von dort an das 
Kärtnerthortheater nah Wien, wo fie Holbein hörte und ſammt 
ihrem Gatten, der Tange Jahre als Regiſſeur in Prag fungiren 
jollte, engagirte. Mit ihren Debuts als Sargin, Ninetta („Elfter") 
und Elvira („Opferfeit") hatte Marianne Exrnft nicht das erwartete 
Glück. Man fand ihre Stimme nur in der Höhe ausreichend, ihre 
„Töne nicht geperlt, ihren Triller fchlecht, ihr Spiel hölzern, die 
Sängerin im Ganzen ungeeignet für erjte Rollen an der Prager 
Bühne”. Eine andere Debutantin, Dem. Erhardt, Schülerin von 
Salieri und Tomaſelli, die als Tancred debutirte und mit einer 
Hangreichen Mezzofopranftimme gute italienifche Methode, Gejchmad 
und Beicheidenheit in den Verzierungen vereinte, fand weit herz- 
licheren Beifall; ebenfo hatte Dad. Finke, welche ſich 1823 als 
Prinzeſſin von Navarra und Amenaide vorftellte und durch impo— 
fante Erjcheinung befonders für ſich einnahm, den größeren Beifall 
des Correfpondenten der „Lpzg. Allg. Muf.-Btg.”, von dem uns 
die eingehendften Berichte über die Prager Opern-Ereignifje diejer 
Zeit vorliegen, für fid.*) Gleichwohl wußte Mad. Ernſt mit 
der Zeit jede Concurrenz erfolgreich zu bejiegen, fo daß jie bald 
erflärter Liebling der Prager war, dem man die ärgften Capricen 
und Fehler willig verzieh, Wir werden fie unter der folgenden 
Direction im Vollbefige der allgemeinen Gunſt wiederfinden. 

Die Herren Wiedermann und Binder, welche Holbein 
gleichzeitig mit den Damen Ernſt und Franchetti gewonnen hatte, 
bedeuteten eine wefentliche und werthvolle Bereicherung des Sän—⸗ 
gerperfonals. Als Holbein die Direction übernahm, wirkten Stöger 
und eim junger Anfänger Namens Pohl als Tenore, Kainz und 
Hauser als Baffiften; Allram, Schikaneder und Zeiftmantel 


*) Als jugendliche Sängerin war 1822 auch Mad. Müller engagitt, 
deren Blondchen und Page im „Figaro“ gelobt wird. 


J 


— 110 — 


halfen in Bufforollen aus. Mit Stöger als Tenor konnten ſich die 
Prager niemals recht befreunden, obwohl einzelne ſeiner Leiſtungen 
zur Anerkennung zwangen. Die Kritik fand, ſeine angenehme, 
ſchwache Stimme ſchlage bei anſtrengenden Partien regelmäſſig 
un. Trotzdem hatte man Mühe genng, einen Nachfolger aufzu- 
treiben, als Stöger mit Mad. Liebich von der Bühne zurildtrat. 
Man verjuchte e8 mit dem Tenor Haßloch, ſchraubte Pohl zum 
Heldentenor empor und trachtete durch Gaftjpiele manche der bei 
dem Tenormangel unaufführbaren Opern zeitweile in’3 Repertoir 
einzuführen. Diefen fchwer empfundenen Mißftänden follte der 
Gewinn Binders ein rajches Ende bereiten.*) Holbein hatte ihn 
in Wien gehört und troß feines nicht gerade empfehlenden Aeußeren 
(er war etwas einjeitig) engagirt, nachdem der Theaterjchneider 
veriprochen hatte, Alles, was uneben war, auszugleichen. Als Gianetto 
in der „Diebifchen Elfter!, Arſiz m „ZTancred” und in anderen 
Partien führte fi) der nene Tenor (1822) glüdlih ein; man 
bewunderte feine herrliche Stimme und feine tüchtige Technik und 
verzieh ſchwere Mängel im Spiel. „Hr. Binder befigteine volle, weiche 
und doch ausgiebige Tenorſtimme“ — jagte ein Kritifer über feinen 
Gianetto — „geht im Falfett leicht bis zum zweigeftrichenen d 
und weiß dasjelbe gut mit dem Bruftregifter zu verbinden; er 
ift ſehr muſikaliſch, intonirt fehr gut und befigt einen gefchmad- 
vollen Vortrag. Man nahm ihm den Diangel an Geftalt, Gewandtheit 
und Declamationskunft itbel — er ift kein Apoll und Herkules — 
nur Kunſtkenner ſchätzten ihn gleich.” Binder's Stimme war nie 
durch eine impoſante Kraft ausgezeichnet, übertraf aber nad 
dem Urtheile maßgebender Zeitgenoffen an „Schmelz, Lieblichfeit 
und Flötenton”" jene all’ feiner Eoncurrenten. Bezauberud war fein 


*) Der Lebensgang Binders wird in verſchiedenen Biographien 


verſchieden geichilbert. Nach ben Einen war of. Sebaftian Binder 1792 


zu Prag, nad) Anderen 1800 in Oberöfterreich geboren; er foll zuerft als 
Chorift in Wien, dann als Solift in Linz und Graz, fowie am Kärntner: 
tbortheater gewirkt haben, von wo er nad Prag kam. Andere Taflen ihn 
vom Wiebener Theater ang Rärtnerthortheater fommen, wieder Anbere erzäh- 
len, Holbein habe ihn auf einem Kirchenchore in Wien entdedt. 








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mezzavoce; fine Kopfitimme ftand im trefflichen Einflange mit der 
Bruft, im Cantabile brachte er einen zauberifchen Effect hervor. 
Er war ein durch und durch gebildeter Sänger, als Darfteller 
aber hat er fih nie zu jelbftändiger Bedeutung emporzuringen 
vermodt.*) In Prag wurde Binder allmälig zum gefeierten 
Liebling, zu einem Sänger erjten Ranges, deſſen Name felbit 
neben Wild in hohen Ehren genannt wurde. 

An Stelle des zweiten Tenors Pohl debutirte 1823 der 
Tenor Young als Joſeph (von Mehul) und Mar im „Freiſchütz“ 
mit Glück; man rühmte ihm „eine günftige Gejtalt, etwas tiefer 
liegende Tenorſtimme, fehr brave mufifalifche Declamation und 
ſehr gute Recitative nach”; im Ganzen erjchien er als „durchaus 
deutfcher Sänger, an Gerftäder erinnernd". Dan vertraute fogar 
ihm, dem Tenor, den Don Yuan an, ein Experiment, das fich 
alferdings ziemlich fchlecht bewährte. 

Im Baßfache hatte fich lange Zeit Kainz als die mächtigfte 
Stüge der Oper behauptet, doch waren feine Mittel allmälig ftart 
abgenüßt worden und die Kritit begann mannigfahe Mängel zu 
entdeden; man charakterifirte ihn als einen Sänger „mit hohler 
Baßſtimme, ziemlich viel Präfentation aber einer ctwas veralteten 
Art jich zu benehmen“, auch vermißte man an ihm ein delicates 
Gehör und fichere Jutonation. Weit größerer Sympathien erfreute 
ih em junger Mann, der neben Rainz emporgewachjen war: 
Franz Hauſer, nahmals eine der erften Notabilitäten in der 
deutfchen Mufifwelt. Am 12. Jänner 1794 als der Sohn eines 
jogenannten Freifaffenbauers zu Krafowig bei Brag geboren, war 
Hauer feiner" außerordentlichen geiftigen Anlagen wegen in die 
Hauptftadt gefandt worden, um zu ſtudiren. Er abjolvirte dag 
Gymnaſium, verfuhte es mit der Jurisprudenz, dann mit der 
Medicin, wurde aber bei der erften Operation auf der Klinik 
ohnmächtig und bejchloß nun, einzig und allein der Muſik, feinem 
Lieblingsftubium, zu leben. Ernſte, jchwere Lehrjahre hatte er 


*, Allg. Theater-Lericon von Herloßfohn, Markgraff u. U. Neue 
Ausgabe, Altenburg und Leipzig. 


Dun Den — ⏑⏑⏑ — 





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durchzumachen; der Vater war geftorben, durch Ertheilen von 
Lectionen mußte fich der junge Muſiker mühſam das Leben friften, 
in grinmiger Kälte arbeitete und übte er auf feinem Kämmerlein; 
im blauen Frack und Nanking-Hoſe, den einzigen Garderobefchägen, 
über die er verfügte, wanderte cr ım Winter durch die Straßen 
Prags und frohlodte, wenn ihn ein freundlicher College in feine 
geheizte Stube aufnahm. Der berühmte Tomaſchek war Hauſer's 
Lehrmeifter im Contrapunkt und in der Compofition, Capelfmeifter 
ZTriebenfee jein Lehrer im Geſang; auf deſſen Anregung wagte 
er auch 1817 als Sarajtro fein erſtes Debut im ftändifchen Theater, 
und der glücliche Ausgang des Verſuches brachte ihm fofort das 
Engagement für eine erſte Stellung in Prag. Binnen wenigen 
Jahren war Hanfer zu einen: der gediegenften Sänger der Bühne 
herangereift. „Herr Hauſer“ — fo dharakterifirt ihn 1820 ein 
Kritifer — „it ein no junger Dann mit günftigem Aeußeren 
und fonorem Organ (mehr Baryton als Baß); er ijt erſt einige 
Jahre beim Theater und hat fchon zwei große Hindernijfe, einen 
nnangenehmen Dialect und Ungeleutigfeit in der Bewegung, fo 
ziemlich befeitigt.” Als Fünftigen Sänger fehen wir ihn in allen 
bemerkenswerthen Concert-Aufführungen mitwirken, und fein 1821 
erfolgter Abgang von Prag wurde wohl ebenfo fchwer empfunden 
als der faſt gleichzeitige Abjchied der Primadonna Beder. Haufer 
war von Spohr nad) Caſſel berufen worden, und am jchmerz- 
lichſten berührt war davon Seydelmann, der dem Sänger in inniger 
Freundschaft verbunden war und eine vege Correſpondenz mit dem 
gefchiedenen Freunde unterhielt. Von Caſſel ging Haufer über 
Berufung C. M. v. Weber’s nad) Dresden, 1828 an das Kärntner: 
thortbeater nad) Wien, 1832 gehörte er zu der erlefenen Truppe, 
welche in London die deutſche Oper einführte. Bon London kam 
er nad) Leipzig, dann nach Berlin und galt in gewiljen Rollen 
(Figaro, Zell, Jacob, Fauſt u. ſ. mw.) als unübertrefflid) ; feine 
Coloratur wetteiferte mit jener der Sontag, die fchon in Prag 
von ihm Manches profitirt haben mag; 1846 von Ludwig I. zur 
Drganifirung des Confervatoriums nach München berufen, bat 
er zwei Jahrzehnte als Director dieſes Inſtituts gewirkt, den wohl- 


— 113 — 


thätigften, mächtigften Einfluß auf die mufifalifchen Verhältniſſe 
der bayrischen Hauptftadt genommen und zahlreiche Talente der Reife 
zugeführt. Seine 1864 erfolgte, wohl durch mancherlei gegnerifche 
Madyinationen herbeigeführte Benfionirung traf Haufer als rüftigen 
Greis, und bis zu feinem Tode, der ihn am 14. Aug. 1870 in 
feinem Ruheſitze zu Freiburg i. B. ereilte, Tebte er im innigften 
Contacte mit allen Ereigniffen auf dem Gebiete der Kunft und 
Wiſſenſchaft. Mit hervorragenden geijtigen Notabilitäten aller 
Sphären ftand er in regem Briefwechjel. Eduard Hanslick hat das 
Andenken an Haufer in interejfanter Weiſe aufgefrifcht und aus 
dejjen reicher Correfpondenz bemerfenswerthe Details mitgetheilt. *) 
Prag kann ſtolz darauf fein, diefen Mann, eine Celebrität des 
muſikaliſchen Deutjchland, gebildet und in feinen Anfängen geſchätzt 
zu haben. Nach dem Abgange Haujers war guter Rath theuer, 
um einen vollwerthigen Erjaß zu Ichaffen. Wiedernann debu- 
tirte als Jacob und wurde mehr als Naturalift, denn als Künftler 
befunden; neben ihm erjang fi) der Baryton Müller in Buffo- 
rollen befonderen Beifall, erhielt aber auch den Don Yuan zuge: 
wiefen. Sieber vom Kärtnertbortheater und Hillebrand von 
Berlin wurden zu Gaftfpielen berufen, und Kainz half aus, wo 
es nur immer mangelte.: 

Die Ueberjicht iiber das Opernperjonal, das Holbein in Prag 
vereinigt, ift — wie man fieht — feine unerfreuliche; glänzende 
Talente, wie die Sontag, Ernjt, Podhorsky, Franchetti, Peche, 
Wohlbrück, Haufer u. ſ. w. entfalteten unter ihm zum erften Male 
ihre Schwingen, und das Verdienſt, fie, wenn ſchon nicht entdedt, 
doch erkannt, gewilrdigt und entwicelt zu haben, kann Holbein und 
deſſen Kapellineifter Triebenfee nicht abgejprochen werden. Trotzdem 
waren in Prag die Urtheile über das Gedeihen der Oper unter 
einen jo fcharfblidenden und raftlofen Bühnenleiter getheilt, und 
jeder Berluft im Perſonal, der ſich aus der Natur der Dinge 
ergab und von der Divection nicht verhindert werden konnte, wurde 


— 


*) Suite”, Auffäße über Mufit und Muſiker von Eduard Hans: 
lid. Wien und Teſchen, Carl Prochaska. 
8 


— 114 — 


dennoch diefer zur Laſt gelegt und zum Ausgangspunfte mancher 
Vorwürfe gemacht. Daß ſolche Verlufte mitunter äußerft ſchädigend 
und lähmend auf das Nepertoir wirkten, läßt fich allerdings nicht 
verfennen, doch wird cin Ueberblick über die Thaten der Holbein’schen 
Dper den beiten Beweis liefern, daß diefe Glanzperiode des deutschen 
Scaufpiel3 in Prag auch mufifalifch keineswegs unfruchtbar ge- 
weſen ift. 

Schon in den erften Monaten der Holbein’schen Mitdirection 
war außerordentlich viel geboten worden: man ſah vom April 
bis Inni 1820 als nenftudirte Opern: Den „Baum der Diana”, 
„Oberon“ (von Wranitzky), „Almazinda" oder „die Höhle Seſam“ 
von 2. B. Pixis, „Azurs Zauberſchloß“, „die Zauberflöte”, den 
„Barbier von Sevilla” und Triebenſee's neue Oper „Die wilde 
Jagd.“ Die legtere Novität, welche mit großem Intereſſe erwartet 
worden war, konnte es über einen rein äußerlichen Erfolg nicht 
hineusbringen ; man charakterifirte fie als „eine Spectafeloper, wie fie 
vor etiwa dreißig Fahren in Mode waren, mit viel Reminiscenzen 
an Mozart und andere Herven der Tonkunſt, hie und da mit einem 
ungeheuren Sturm der Inſtrumente, doch in der Scene brav und 
viel anfprechende Nummern enthaltend”. Die andauernde Krankheit 
der Primadonna Mad. Beder lähmte in der nächten Zeit jede 
Thätigfeit. Man ſetzte Spohr's „Fauſt“ mit Haufer in der Titel- 
rolle in Scene. Boieldiew’s „Hauskäppchen“ ſprach nicht an, Hoff- 
mann's „Undine” mißftel, Triebenſee's „Ehemänner nach der Mode" 
hatten felbjt weniger äußeren Erfolg als die „wilde Jagd". Das 
Gaſtſpiel Gerjtäders und die jenfationellen Verſuche der Sontag 
im Bereiche erjter Partien brachten auch in die Oper neuen 
Schwung, und die „reizende Jetti“ trug nun vor Allen das 
Mepertoire auf ihren zarten aber ftarfen Schultern. Iſouard's 
„Aſchenbrödel“ mit Dem. Sontag als Elorinde und Dem. 
Brungtti in den Titelrollen profitirte von diefer Beſetzung; im 
den „vornehmen Wirthen" (menjcenirt) trug Henriette als Pauline 
den Erfolg, und Seydelmanı verfchmähte es nicht zur Erhöhung 
desjelben in der Oper mitzuwirken. Die „Sontag-Abende", gleic)- 

edeutend mit Sontag-Triumphen, waren nun auf der Tagesordinng. 











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Als Gerftäcder auf der Durchreiſe noch an einigen Abenden 
auftrat, Famen neue Siege der Sontag. Er brachte „Johann von 
Paris" und das „Unterbrochene Opferfeft", ud die jugendliche 
Primadonna entziidte als Myrrha durch Geſang und Darftellung 
m gleihem Maße. Neben Rödel al3 Figaro fang fie ſodann 
die Nofine, und man bekannte, noch nie eine fo vortreffliche Inter⸗ 
pretin diefer Rolle in Prag gehört zu haben. Gleichwohl Tonnte 
eine einzige Sängerin von Güte nicht Alles Teiften, und der Verluft 
der eigentlihen Primadonna Beder machte fih in einer gewiſſen 
Leere des Repertoires fühlbar. Die Mozart'ſchen, Spontini’schen, 
Shernbini’schen Opern konnten faft gar nicht gegeben werden, da 
die Beſetzung in den weiblichen Hauptpartien und manchen Neben- 
rollen unmöglich war. Henriette Sontag mußte ſich ihren Rollen: 
freis erſt fchaffen, und um ihr Zeit zu gönnen, mußte das beliebte 
Aushilfsmittel jener Zeit, dag Opern:Quodlibet, öfter als ange- 
zeigt war zur Anwendung kommen. Ueber die Naturgejchichte dieser 
Quodlibets ertheilt ung ein Neferent hinlänglihe Aufſchlüſſe: 


„Die Quodlibets“ — Tchreibt er — „theilen fi in zwei Arten: Die 
erite, in den Wiener Vorftadttheatern gebräuchlich, ſuchen einzelne recht 
gegenfäßliche Scenen und Charaktere aus befannten Stüden in eine Art 
Zuſammenhang zu bringen, fo daß 3. B. die Eltern im Grabe ded Quido 
(aus Kotzebue's „Schußgeijt”) Enien und plößlich bei Deffuung des Sarfo- 
phags der Schneider Crispin bervorjpringt oder Tamino Hopft an dem 
Weisheitstempel an, und ber betrunfene Hausmeifter and dem „Sonntags 
Find“ tritt mit feinem „Wer niemals einen Rauſch gehabt” Heraus u. |. w. 
Die zweite Art ftellt Scene für Scene, Arie für Arie ohne Verbindung neben 
einander. Auf ınferer Bühne ſahen mir fett dem gänzlihen Ver— 
fall der Oper die letzteren, fo oft ein fingender Runftgaft Fam oder wenn 
ein Mitglied eben feine Traveſtie oder Parodie auffinden konnte und doc 
ein gutes Benefice haben wollte. Zuletzt erichien ein Milchling von beiden 
Arten, Das Duodlibet begann mit der Onverture, der introduction und 
dem eriten Duett aus ber „Beftalin”, und wie fi) Licinius und Cinna 
entfernten, complimentirten ſich Mafter Staff und Struffel herein, bis es 
endlich zum Boren kam — da trat Saraftro-Kainz zwilchen Beide, ver- 
ſöhnte fie durch die Arte „In diefen heiligen Hallen“, führte fie ab nnd num 
kam Mad. Reid aus der Heinen Oper „Die Vermandlungen” (Mab. 
Allram) und Hagte über die fchlechten Zeiten. Dem. Brumetti fang das 
Mozart'ſche „Parto, ma tu ben mio“, und die Scene der Schufterin mit 

8* 


vu kt LT TE m m Mm mie nm — ——— — — —— —— — — — 


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dem Schuſter (Ehepaar Allram) und dem Pilger aus Paër's „verwechſelten 
Weibern“ nebſt der Ecene aus dem „Tauſendſaſſa“ mit ber beliebten Nafen- 
harmonıca beichloß die erfte Abtheilung. Die zweite begann mit ber Onver- 
ture zur „Entführung aus dem Serail”, dann folgte die Arie des Belmonte 
(Pohl) und Osmin (Kainz), und zu einigen Schaufpielfcenen und dem 
Finale aus den „Lotterieloos“ hörten wir noch die Sutroduction aus der 
„ZJanberflöte”, das erſte Zercett der drei Damen und die Arie des Ta⸗ 
mino, von den Anfänger Hrn. Podhorsky mit Fleiß gefungen, fodann eine 
Scene and dem „LRottericloo8”, von Dem. Sontag (Adele) ſehr artig ge- 
ſnugen. Zum Beweiſe großer Sparfamfeit und Schonung der Theaterleute 
ging Alles im Einer Decoration vor: in einer Art Vorſaal mit antıfen 
Statuen ſuchte Belmonte des Baſſa Selim Haus, ebenda ruhte Licinius 
auf dem modernen Seflel, die Schufterin Tam dahin vom Markte und traf 
dafelbft mit dem Magus zufaınmen, und felbft die Schlange mußte fidh 
dahın bemühen, um den armen Prinzen zu bedrohen. Bon folhen Kunft- 
ausstellungen erlöfe ung Apoll!“ 

Mit den rapiden Fortjchritten der Sontag beſſerten ſich auch 
diefe Verhältuiffe, welche allerdings geläuterten Kunftprincipien 
wenig entjprachen. Noch 1821 hörte man Gretry's „Richard 
Löwenherz“ mit der Sontag als Margarethe, Pohl als Richard, 
Haßloch ala Blondel, „Lift und Zufall” oder „Die Umgeworfenen“ 
von Boieldien, „Das Zauberglödlein" von Herold, „Salmonaea 
und ihr Sohn” (aus dem Franzöſiſchen von Caſtelli, Muſik von 
Seyfried), ein Zwifchending zwifchen Oper und Melodram, „Pre 
ciofa” mit der Weber’ichen Mufif, und im Weihnachtsconcert der 
Zonfünftler-Societät wurde das Oratorium „Die Befreiung von 
Yerufalem" von Abbe Mar Stadler in vorzüglicher Beſetzung, 
mit einem Orcheiter von 250 Perfonen, die Soli von Dem. 
Sontag (Gabriel), Kainz (Soffredo), Pohl (Tanered), Haßlod) 
(Rinaldo) gefungen, aufgeführt. — Die nächte Zeit brachte eine 
denfwürdige Premiere: den „Freiſchütz“ und wie alle Welt 
fühlte jid) das Prager Publicum, dem C. M. v. Weber noch 
in frischer und danfbarer Erinnerung war, freundlich angemuthet 
von der liebenswäürdigen deutjchen Volksoper, die Epoche machen 
jollte in unjerer ganzen Opernliteratur. Ein Kritifer jener Tage 
widmete der Nobität folgende Zeilen: 

„Was bie Compofition betrifft, jo ift Weber ſchon deßhalb nicht genug 
zu loben, dba er als deutſcher Künſtler es wagt, dem falfchen Geichmad, der 











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fich feit einiger Zeit aller Hörer und Sänger bemeiftert, muthig entgegen 
zutreten und ein wahres Widerfpiel zu den Roffiniaden unjerer Tage 
bildete, den: es durch Kraft und Genialität gelang, die Aufmerkſamkeit des 
Publicums auf fih zu ziehen und fo ertennen zu laſſen, baß ed außer jenem 
Gebiete Tichliher Sinnlichkeit auch noch ein Heil im der Tonkunſt gibt. 
Dem. Sontag fang die Agathe ſehr brav und fand fi von Vorftellung 
zu Vorftellung mehr in Geſang und mimiſchen Ausdrud, welch letzterer 
ihr jedoch nur ftellenweife vollkonmen gelang. Weniger gelungen war Den. 
MWohlbrüd als Aennchen; Caſpar war Kainz, den Dar fang Pohl.“ *) 

Bald war der „Freiſchütz“ Die beliebtejte Dper des Reper— 
toires, uud ſchon am 8. November 1823 beging man mit großer 
Teierlichfeit das Ereiguiß der 50./Aufführung unter perjönlicher- 
Reitung C. M. v. Webers, Holbein, ein alter Freund Weber’s, 
hatte neue Cojtiime, Decorationen und Mafchinerien angeichafft, 
da8 Haus war zu Hein, um die Menge des enthufiasmirten 
Publicums zu faſſen, nach den erſten Acte und zum Schluß 
ftürmte man den Componiften jubelud hervor. Am nächiten Abend 
mußte die Borjtellung bei gleicher Begeifterung wiederholt werden. 
Nur Mozart’s unfterbliche Opern waren im Stande, neben dem 
fiegreichen „Freiſchütz“ Anziehungskraft zu üben. „Don man“ 
hörte man 1822 in neuer intereffanter Befegung mit Den. Wohl- 
brüd als Donna Anna, Dem. Schlager als Elvira und Henriette 
Sontag als Zerline, einer Zerline, wie fie liebenswirdiger tie ge- 
jehen worden war. „Ganz Luft und Liebe und doch zugleic) 
ganz Unjchuld!" rief ein entflammter Kritifer. Den Don Yuan 
gab der bekannte Schaufpieler Wallbach als erjten Verſuch in 
der Sper, den Dttavio fang Pohl. Die wilrdige Ausftattung, 
die jtarfe Bejegung der Chöre wurde Holbein hoch angerechnet. 
Einige Meonate |päter war Henriette Sontag bereit8 zur Donna 
Anna avancırt, und dies Avancement bedentete aud) einen ge: 
waltigen künſtleriſchen Fortſchritt. Neben ihr brillivte Fortunata 
Franchetti als Elvira, Binder als Dttaviv. Schwer wurde 
e3 jeder gaftirenden Sängerin, neben foldhen Kräften Siege zu 
erringen. Als Marianne Seffi, threrzeit eine der berühmteften 
italienischen Sängerinen, in „Pygmalion“ von Gimabora uud 


*, „Leipz. Allg. Muf. Ztg.“, April 1822. Nr. 22. Aus Prag. 


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„Romeo e Giulietta® von Zingarelli gaſtirte, nahm ihr die 
Sontag als Giulietta den Triumph vorweg. Mad. Seſſi fang 
zum Schluß ein von ihr componirtes Lied auf Kaifer Franz mit 
Janitſcharenmuſik, ohne ſich damit ein neues Lorbeerreis zu pflücen. 
Seinen einftigen Liebling, den Heldentenor Sibboni, jah Prag 
als „Director der fgl. dänischen Vocalmuſik und Kammerjänger" 
wieder; er gab ein Concert im Redoutenfaale unter Mitwirkung 
der Sontag, feiner Tochter (einer braven PBianiftin) nud des Violin— 
profefjors Piris. Auf der Bühne trat er als Licinius in der 
„Veſtalin“ auf. Senfation machte der Flöten-Virtuos Drouet, 
ein „Komet auf dem mufifalifchen Horizonte”, mit feinen fünf 
Concerten anf dem Theater; allabendlid) war das Haus überfüllt, 
und Zaufende mußten umkehren. Auch das Confervatorium zog 
mit feinen Concerten immer mehr die allgemeine Aufmerkfamfeit 
auf fih. Erzherzog Franz Carl verlangte bei feinem Beſuche 
in Prag und im Conjervatorium (1822) zwei Separatconcerte 
des Inſtituts, von denen eines in den erzherz. Appartements der 
Burg in Anwejenheit des ganzen Hofitaates, das andere im Salon 
des Baumgarten ftattfand. Am Tage vor ver Abreife des Erzherzog 
hatte Fürſt-Erzbiſchoff Baron Chlumczausky eine glänzende 
„Abichtedsverfammlung” im k. E. Luftgarten veranftaltet, wobei 
ein Volkslied „Jubelgruß an Erzherzog Franz Carl, geſprochen 
aus dem Herzen aller Böhmen", gedichtet von Prof. Gerle, für 
Bocalftimmen gejegt vom Lonfervatorinms-Director Weber, von 
80 Sängern aufgeführt wurde. Als Lehrer des höheren Geſangs 
wurde um diefe Zeit Giovanni Gordigiani aus Modena, ein 
Zögling des Mailänder Confervatoriums, gewonnen, auf den man 
vom Bilhnenjtandpunfte aus große Hoffnungen ſetzte — man er 
wartete eine neue Generation „mit echt italienischen Gejang in 
neuem Geſchmack mit folider Methode,” und in der That ging 
das erjte Concert unter feiner Mitwirkung mit glänzenden Erfolge 
von Statten. Unter den Schillerinen traten namentlid) die Dem. 
Nina Herbit, Emilie Rösler und Schopf hervor. Die beiden 
Eriteren wagten 1824 ihre erjten theatraliichen Debuts und hatten ein 
freundliches Bublicum für ji. Als Nina Herbjt am 31. Jäner 1824 





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als abjolvirte Schülerin zum erſten Male in der Oper „Tanered“ 
auftrat, bewunderte man allgemein die volle Kraft und den Um- 
fang ihrer Altftimme, befonders in der Tiefe Man glaubte eine 
geübte Schaufpielerin und feine Debutantin vor ſich zu haben. 
Am Schluffe der Oper ftürmifch gerufen, dankte fie mit den 
Worten aus ihrer Rolle: „Theures, geliebtes Vaterland!" — ein 
Hinweis auf ihre Ausbildung durd das Confervatorium. 

Große Opern-Erfolge waren feit dem „Freifchitg" ſelten 
gewejen. Hummels „Mathilde von Guiſe“ verſchwand nach wenig 
Aufführungen. Zwei neue Opern Roſſini's „Der Türke in Algier” 
und „Zorwaldo und Dorlisfa" mißfielen trog Franchetti und 
Binder. Das Perfonale und nicht die Opern rvetteten in diefen 
Zagen das Nepertoire; die Abende, an denen die Sontag, Contet 
und Franchetti wirkten, entjchädigten für manches Mißgeihid. Im 
Soncertfaale boten der Abjchied des Tenors Pohl, die Weihnachts: 
und Oſtern-Concerte der Zonkünftlerfocietät, melde Haydn's 
„Schöpfung” und „Sieben Worte" und Weigl's „Leiden Chriſti“ 
brachten, benterfenswerthe muſikaliſche Ereignijfe. 

Unter großen Schwierigkeiten arbeitete die Holbein’sche Oper 
weiter, als Henriette Sontag gefchteden war, denn jo gute Nad)- 
folgerinen fie aud) in den Damen Comet, Ernſt und Franchetti 
in gewiljen Rollen fand, das Publicum konnte doch lange den 
ichweren Berluft nicht verjchmerzen. Man gab 1823 Roſſini's 
„Moſes“ mit einem neuen Sänger, Hrn. Michalefi in der Titel- 
rolle, „Libuſſa“ von Eonradin Kreuger mit Dem. Ehrhardt in der 
Titelrolle, „Armida” von Roſſini mit Mad. Ernft, „Nurredin” von 
Riotte, „Titus“ in nener Befegung mit den Damen Finke (Sextus), 
Ehrhardt (Vitellia), Comet (Annius), Franchetti (Servilia) und 
Wiedermann in der Zitelvolle. Gaſtſpiele des Barytons Deprient 
und des Tenors Haitzinger brachten beſondere Kunſtgenüſſe, 
und Holbein machte ernſtliche Anſtrengungen, letzteren für Prag 
zu gewinnen. Daß auch ein Concert auf der Maultrommel im 
Theater unterlief, wurde mit „Beſchämung“ regiſtrirt und gegen 
Holbein ausgebentet, doch mußte zugeſtanden werden, daß gerade 
in der Saiſon 1823—4 die Holbein'ſche Oper nach Perſonal und 


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Nepertoire wieder in entjchiedenem Aufſchwunge begriffen war, 
obwohl an dem Scheiden des Directors Faum mehr gezweifelt 
werden konnte. Zu Beginn des neuen Jahrs (1824) hörte man 
eine neue Oper von Triebenjee, „Zelemach auf der Inſel Ogygia” 
(der Stoff von Schikaneder war bereits früher von Hoffmeifter 
componirt worden), ein correctes, achtbares Werk, mit Binder als 
Telemach, Dem. Comet als Kalypfo, und am 11. März ging 
C. M. v. Weber's „Euryanthe” zum erften Male in Scene. 
Katharina Comet fang die Titelpartie, Binder den Adolar, Kainz 
den Lyſiart, Marianne Ernſt die Eglantine Der Erfolg des 
„Freiſchütz“ wurde nicht erreicht. „Wir glauben," fagte ein Kritiker, 
„daß diefe Muſik in Norddeutſchland mehr Glück machen wird, als 
fie, namentlich in der Hauptitadt des ſüdlichen Deutſchland (Wien), 
gemacht hat." Man warf der Oper die vielen Necitative und 
das Undramatifche der Handlung vor. Der Referent hatte nur zwei 
Stimmen gehört, die unbedingt dafür waren. Bei der zweiten 
Aufführung vermehrte jich allerdings die Zahl der günftig Geſtimmten, 
und das Urtheil neigte fich) dahin, daß man eine Mufif vor ſich 
habe, mit der man erjt vertraut werden müßte, „weil ihr in 
Schwierigkeiten verjtedter Reichthum an Schönheiten erjt allmälig 
zur Seele dringe." 


— — 


na u 








— 1211 — 


V. 
Holbein's Rücktritt (1824). 


(Finanzielle Schwierigkeiten im erſten Directiongjahre. — Die Stände ver- 

leihen Holbein das Theater auf mweitere zehn Jahre, 1823—1833, — Neue 

Schwierigkeiten; Holbein jucht um Enthebung von feinem Vertrag mit 

DOftern 1824 au. — Einnahmen und Ausgaben. — Das Segenverhältnig. — 

Holbein's letzte Vermittlungsvorfchläge; feine Kunftanfichten und feine finan- 

zielle Ohnmacht. — Die Stände gewähren die angefuchte Löſung des Con- 
tractd. — Holbein's Rüdtritt und fernere Schidfale.) 


Die Aufführung von „Euryanthe" war die lebte größere 
That Holbein’8 auf dem Gebiete der Oper. Schon waren feine 
Tage in Prag gezählt, und ciner ungewiffen Zukunft ſah das 
Bühnenperfonal und das Prager Theaterpublicum entgegen. Daß 
Holbein mit Ernſt, Eifer, Geſchick und Verſtändniß fein Amt 
verwaltet hatte, fonnten auch feine Feinde nicht in Abrede stellen, 
und die von uns regiftrirten Ereigniffe der lebten vier Jahre, die 
Summe der Fünftlerifchen Leiftungen in dieſem Zeitraum zeugen 
davon, daß troß mannigfacher Hemmniſſe und böſer Zwiſcheufälle 
die Aera Holbein feine unfruchtbare gewejen war. Mit ganzer 
Seele und voller Kraft widmete ſich Holbein der Biühnenleitung ; 
von der Darftellung ſelbſt zog er jich über Wunfch feines in Prag 
lebenden Onkels, des Gubernial- und Bancal-Adminiftrators Joſ. 
v. Holbein, gänzlich zurid — er war nur mehr Director und 
Dichter. Die volle Selbftändigfeit der Unternehmung, die ihm 
nach dem Rüdtritte der Frau Liebich gegeben woorden war, eutfprach 
jeinen Neigungen nicht ganz — er wäre lieber artiftifcher Leiter 
unter Mad. Liebich geblieben, und nur, weil es nicht anders fein 
fonnte, hatte er fi) dem Willen der Stände gefügt und das 
ganze „Geſchäft“ übernommen, das ihm Sorgen und Kummer 
bereitete und ihn in der Bethätigung feiner künftlerifchen Prin— 
eipien vielfach hemmte. Schon 1821 mußte Holbein den Ständen 


böse ⏑ 20 eu REDE 


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eröffnen, daß er unter den bejtchenden Verhältniffen das Theater 
weiterzuführen nicht im Stande fei. Zrogdem der Preis für 
Sperrfige von 2f. uf 1. 30 kr. W. W. (Gh ö. W.) 
herabgejegt worden war — das niedrigjte Eutree in Deutichland — 
trogdem Holbein fir ein abwechslungsreiches Repertoire jorgte, 
waren 20 Logen unabonnirt, und das Barterre füllte ſich nur 
bei den Wiener Pofjen, während unter Liebich kaum eine Loge 
zu haben war und auch die Sperrjige ſelten unbejeht blieben. 
Dazu Fam das ungeheure Anwachfen der Gagen. Unter Lielic) 
hatte die höchfte Gage 2—3000 fl. betragen, jet erreichte fie die 
Summe von 6000 fl. W. W., und außerdem bezogen Chor: und 
Orchefterperfonale einen Theuerungszufchlag von 20 Brocent. Die 
befonderen Lieblinge des Publicums aber waren geradezu uns 
erjättlich, Tebten auf Cavaliersfuß und fchraubten den Director 
immer höher. So bezogen Mad. Liebich 8000 fl., Bayer, Feiſt⸗ 
mantel und Dead. Beder je 5000 fl., Gagen, wie fie außer den 
Wiener Hoftheatern damals nirgends gezahlt wurden. Unter Liebich 
hatte der jährliche Gagenetat 22.862 fl. betragen nnd das Publicum 
faunte den Luxus des Spectakelſtückes noch nicht; nun betrug er 
36.190 fl. W. W., und außerdem fojteten die Zauberjtüde unver: 
hältnißmäßig hohe Summen. Einer Einnahme von 145.710. W. W. 
(60.698 fl. 20 fr. 5. W.) ftanden Ausgaben von 215.232 fl. W. W. 
(90.397 fl. 86 fr. 6. W.) gegenüber, und SHolbein Hatte nicht 
Unrecht, wenn er die baldige Auflöfung der Bilhne befürchtete. 
Er forderte die Ermächtigung, alle Wiener Volkspoſſen mit zweck⸗ 
mäßigen Aeuderungen aufführen zu dürfen, einen monatlichen Bei- 
trag von 1200 fl. für Decorationen, — und volljtändige Ueber: 
laſſung der Nedouten, wie fie Liebich gewährt worden war — im 
Gegenfalle müßte er entweder alle Sagen reduciren oder das 
Theater |perren. Die Stände erflärten fich nit dem crjteren — 
der allgemeinen Gagenreduction — einverjtanden. Die höchite Gage 
Solfte fortan 4000 fl. betragen, es follten Feine Damengarderoben 
mehr geliefert, Feine großen Urlaube gewährt werden. Etwas 
erleichtert, führte Holbein unter diefen Verhältniſſen die Direction 
fort. Im März 1322 fuchte er um die fernere Ueberlaffung des 





— 123 — 


Theaters auf zehn Jahre an und zwar um die unentgeltliche 
Ueberlaſſung, weil die Zahlung eines Pachtes bei den ungünstigen 
Zeitverhältniſſen uumdglich geworden war, und die Stände Böhmens 
gaben ihm den glänzendften Beweis ihres Vertrauens, indem fie 
das Geſuch gewährten. Sie erfannten offen an, daß „Holbein 
mit feiner ausgezeichneten Sachlenntniß, mit vajtlofen Fleiße 
und Eifer fi) hohe Verdienfte um die Bühne erworben” und 
übertrugen ihm die Unternchmung und Direction auf die Zeit 
von Dftern 1823 bis Oſtern 1833 aufs Neue. Ju dem Contracte 
fam allerdings die Beitimmung vor, daß Director dv. Holbein die 
Oper wieder emporzubringen, fi) darüber von 'ſechs zu fechs 
Monaten auszuweiten und bei nicht entiprechenden Zuſtand von 
Schau- und Singfpiel eine einjährige Kündigung zu gewärtigen 
habe, eine Bejtimmung, die Holbein erſt nach lebhaften Proteſt 
acceptirte. Täglich war der Theateraufſichtscommiſſion Rapport zu 
erjtatten, jo daß der Einfluß diefer jtändischen Behörde noch gefteigert 
wurde und ſich alltäglid) geltend machen konnte. Ein Jahr vor 
Ablanf des Contracts jtand beiden Parteien das Kindigungsrecht 
zu; würde dieſe Kündigung nicht erfolgen, jo wäre ver Vertrag 
eo ipso bis 1837 verlängert. 

Nicht Lange freute ſich Holbein der neuen Vereinbarung. 
Schon nach einem Jahre hatte er wieder den Muth verloren. 
Tournière's Circus und große „Affenfpectafel” hatten ihm Schaden 
gemacht, die Einnahmen waren immer Fleiner geworden. Er eröffnete 
num den Ständen, daß er ſich durch den immer fühlbarer werdenden 
Gelomangel und widrige Zeit- und Localverhältnijfe zur Bitte 
gezwungen jche, ihn zu Oftern 1824 feines Contractes zu entheben, 
da er ſich außer Stande fühle, „mit den vorhandenen ökonomiſchen 
Mitteln den Wünſchen der Verpächter, den Anforderungen des 
Bublicums und feinen eigenen Kıunftanfichten zu entfprechen; ex 
müßte fich entweder der allgemeinen Unzufriedenheit ausfegen oder 
dem Bankerott“. „Hilfe oder Entlaſſung“ — fo Schloß Holbein 
dies Gefuch — „suche ich auf dem Wege der Gnade und ferne 
jet e8 von mir, ein anderes Recht, als das Recht zu bitten geltend 
zu machen. Ich Habe meine Pflicht vedlich erfüllt, mehr zur 





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Hebung der mir anvertranten Anftalt gethan, als mein pecuniärer 
Bortheil erlaubte, weiß, welch milden Herren ic) diene und bin 
in jedem Falle milder Behandlung gemiß." Ju einem anderen, 
vom 19. October 1823 datirten Schriftftüd, an den Bräfidenten 
der Theateraufſichtscommiſſion gerichtet, erörterte Holbein ein- 
gehend und anfchaulich feine Tage. „sch habe verſprochen,“ jagt 
er darin, „die Prager Bühne auf einen ihren hohen Gründer 
würdigen Standpunkt zu jtellen, doch nur infoweit, als e8 die mir 
zu Gebote ftehenden ökonomischen Mittel erlauben; allein der 
immer fühlbarer werdende Geldmangel und andere Zeit: und 
Rocalverhältniffe, welche einer foliden Erhebung der hiejigen Bühne 
immer im Wege ftehen, find mir in der legten Zeit meiner Führung 
ungeachtet jo vieler und bedeutender Verbeſſerungen, deren Her: 
jtelflung bereits den Einnahme-Etat überſteigt, fo fühlbar geworden, 
daß ich den Muth zur Fortführung der mir gnädigſt anvertrauten 
Theaterunternehmung verloren habe und zur unterthänigſten Bitte 
gezwungen bin, mid) mit Ojtern 1824 meines Bachtcontracts 
zu entlaffen.” Alles ſchränkte ſich ein, erklärte er weiter. Drei 
bis vier Familien, welche früher ihre eigenen Logen gehabt, be- 
gnügten fich jegt mit einer Geſammtloge, viele hätten ihre Logen 
ganz aufgegeben, faſt alle fremden und viele einheimifche Herr: 
Ihaften aber befuchten ohne alles Entrie die Logen der Eigen- 
thümer. Hatte Liebich nur 3, jo habe er (Holbein) 30 Teere 
Logen. Dabei feien die Gehalte auf das Doppelte und der Bühnen: 
luxus bis ins Unerfchwingliche gejtiegen. Für wohlthätige Zwede 
fordere man Aufopferung der beften und einträglichiten Vorftel: 
lungen, welche bei der herrichenden Armuth der dramatifchen 
Literatur ohnehin felten jeien, die Abgaben fremder Künſtler an 
das Theater aber ſeien jo niedrig tarirt, daß es fich gar nicht 
der Eintreibung lohne. 

„In dem Prädicate „ſtändiſch“ — fuhr Holbein fort — „finde ich 
eine Aufforderung zur Xiberalität gegen manche bedeutende und wohl- 
habenbe wie gegen arme Künſtler, eine Berpflichtung zur ftrengften Be- 
achtung des Anftändigen und Schidlichen wie des Unterlafleng aller Heinlichen 
Mittel und Auordnungen, welche fi) ein anderer gewöhnlicher Privatuıtter- 
nehmer wohl erlauben darf; ih kann daher meine Ausgaben nit nod) 





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mehr nady den Einnahmen beſchränken, ohne diefe fchuldige Rüdficht zu 
verlegen, und doch ift mein Ansgabgetat bey aller Oekonomie noch fo hoch, 
daß er durch die mögliche Einnahme kaum gebedt iſt und die Theater⸗ 
cafe durch jeden Trauerfall, heftigen Winter, befonderd beißen Sommer 
oder Anweſenheit einer Runftreitergefellichaft wie durch jede andere unvorher⸗ 
gejehene fchädliche Einwirkung leicht an den Baucrott gebracht werben Tann. 
Bisher deckte ich das Deficit, beſſere Zeiten hoffend, aus eigenen Mitteln; 
nun, ba biefe erichöpft find, muß ich abtreten oder zn Grunde gehen, wenn 
meine hohen Pachtherren ſich nicht huldreih meiner annehmen; denn ich 
darf meinen Credit nicht benügen, da ich uuter den obengenannten Um— 
jtänden nicht verfichert bin, abermahl'ges Deficit aus dem Ertrage des 
Geſchäftes wieder tilgen zu fünnen. Keın Privatunternehmer Tann in ben 
gegenwärtigen Zeitverhältnifjen ein der Hauptſtadt würdiges 
Theater gründen, und wer ed verfpricht, muß entweder aud Kunftliebe 
ein bedeutendes Dermögen daran wagen ober die hohen Verpächter binter- 
geben wollen.“ 

Zur ordentlichen Directionsführung bezeichnete Holbein 17.000 fl. 
per Monat erforderlich: 12.000 fl. für Gagen,*) 5000 fl. für alles 
Uebrige. 13.000 fl. feien aber das Aeußerſte, was man einzu: 
nehmen Hoffen durfte, 4000 Fl. alfo habe er an monatlichem De- 
ficit zu tragen gehabt. Helfen könne man ihm nur, wenn das 
Zogenabonnement von 3400 auf 6000 fl. W. W., das Parterre- 
Entree auf 30 fr. CM., der Sperrfig auf 40 kr., 2. Barterre auf 
12 und Galerie auf 10 fr. EM. feftgefegt, wer Heizung und 
Beleuchtung von den Ständen beforgt, der Direction eine Unter: 
ſtützung aus der Stadtverfchönerungscaffe, eine Entfchädigung für 


*) Der monatlide Gagen-Etat ftellte fi zu Beginn 1824 
folgendermaßen: Dir. Holbein 416 fl., Familie Allram 312 fl. 30 kr., 
Familie Brunetti 291 ff. 40 kr., Bayer (Heldenjpieler) 416 fl. 40 kr., 
Binder (Helbentenor) 333 fl. 20 kr., Familie Ernft 16 fl. 40 kr., Dem. 
Erbardt (Sängerin) 250 fl,, Dem. Franchetti (Sängerin) 250 fl. 
Feiftmantel (erſter Komiker) 333 fl. 20 kr. Demoil. Holbein, jug. 
Liebh. 166 fl. 40 ir., Kainz (Bab) 316 fl. 40 i., Polawsky 300 fi., 
Michalefi Gaß) 250 fl., Hr. Piftor (Schaufpieler) und Mad. Piftor 
(Scanjpielerin) je 194 fl. 26 Er., Demoiſ. Piſtor, jug. Liebh. 194 fl. 28 kr., 
Mat. Renner, 1. Liebh. 250 HL, Schikaneder (Baßbuffo) 291 fl. 40 kr., 
Etiepanek (Caffier und Secretär) 183 fl. 20 kr., Capellm. Triebenjee 
333 fl. 20 fr. Hiezu famen noch die Beneficevorftellungen, die 3. B. bei 
Bayer als „ganze Einnahme” mit 1000 fl. beziffert wurden. 


a 5777—— er BE Ze ET ee — —————— —— —— ame SD 


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die Militärermäßigung, Dispens von allen Wohlthätigfeitspor- 
jtellungen, dem Director cine Privatwohnung fowie entfprechende 
Anıts- und Garderobe-Localitäten, endli) dem Theater Schuß 
vor Zugluft gewährt und dadurch auch der Geſundheitszuſtand 
des Theaters gebefjert werde. 

„Eine ſchlechte Bühne,” ſchloß Holbein fein Geſuch, „ift das Verberben 
ber Moralität "des Volkes, ein Irrlicht für deſſen Neigungen und An— 
fichten ; eine bloß ökonomiſch geleitete kann, wenn jie an fich auch gut ft, nicht 
inmer auf Volksbildung und Volksſtimmung Nüdficht nehmen, weil dem 
Führer die ökonomiſchen Rüdfichten die gute Abſicht verderben. Ich fühle 
nich berufen, als Batriot, Dihter und Bühnenführer auf Volks— 
bildung und Volksſtimmung zu wirken, daher Ichlägt daS Bewußtſein, diefem 
Berufe in meiner Lage nicht nur nicht folgen zu Fönnen, fondern wohl gar 
aus Geldnoth entgegen handeln zu mülfen, meinen Muth und meine Liebe 
zur biefigen Unternehmung nieder, und ich kann nicht umhin, bei biefer 
Gelegenheit ein wahres Nationaltheater ein Bebürfniß der Zeit zu 
nennen, befien Nothmwendigfeit Em. Excellenz längft empfunden haben. 
Werde ich in den Stand geſetzt, aus diefem Geſichtspunkte handeln zu 
können, fo halte ich meine Stelle für beneidenswerth, allein meine gegen 
wärtige Zage kann nur verderblich für mich und die gute Sache wirken, 
und ich entfage, wenn auch mit jchmerzlichen Gefühle, der Ehre, ein Diener 
einer fo milden und liberalen Behörde zu fein. Außer genannten Mitteln 
bleibt nur die Gründung eines Alles dedenden Abonnements und eines 
Vereines mehrerer Kunſtgönner übrig, das Rifico eutweder 
ganz allein oder in Geſellſchaft mitdemeigentlihen Director 
zu übernehmen. Inſoferne ih in einem folchen Falle einer ferneren 
Theilnahme an der Leitung des Inftitut3 gewürdigt werde, find meine 
Bedingungen diejenigen, welche Ener Ercellenz ausſprechen. Mit Dank und 
Ehrfurdt Euer Ercellenz untertbhänigfter Diener 

Franz dv. Holbein.“*) 

Wie traurig es mit der Finanzlage der Direction beftellt 
war, geht aus den Nechnungsberichte hervor, den Holbein am 
17. December 1823 der jtänd. Theateranfſichtscommiſſion vorlegte 
— er ftand vor dem Bauferott und hätte nur durch außerordent: 
liche Maßnahmen finanziell aufrechterhalten werden können. 

„3% babe die Ehre” — ſchreibt Holbein in feinem Berichte — „gnädigft 
erhaltener Erlaubniß gemäß hiemit meine Rechnungsbücher vorzulegen, Es 


*) Acten der Prager ftänd. Theateraufſichtscommiſſion, Landesausichuß- 
archiv. 


— 


— — 





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wird ſich daraus für die Zeit meiner Unternehmung vom 1. März 1821 
bis Ende Nov. 1823 ein Deficit von 14.972 fl. 8 Er. ergeben. Wird nun 
noch hinzugerechnet, daß ich bereits erweislich an Mad. Liebich die Summe 
von 7470 fl. & conto der Inventars-Ankaufsſumme bezahlt, fo refultirt, 
daß ich zuſammen 22.442 fl. 8 Er. zugefeßt. Wollte man num auch bie in 
2 Jahren und 9 Monaten für meine Perſon ald Gage bezogene Total: 
jumme von 15.000 fl. davon abziehen, fo würde ich doch wieder dafür 
meinen Lebensunterhalt und andere mit meiner Stelle verbundenen Aus⸗ 
gaben in Rechnung ftellen müflen und die Summe meines Berluftes diejelbe 
bleiben. Daß Fran und Tochter ohne Gage bienen follten, weil id) 
Director bin, wird ihnen wohl nicht zugemmthet werden können, und daß 
Eritere au während ihrer Krankheit ihren Gehalt bezog, war eine Be- 
günftigung weldye Hr. Polawsky vor mir im gleichen Grade Mad. 
Junghanns und ic felbit fpäter Mad. Sontag angebeihen ließ. 
Benannte im Geſchäft verlorene Summe konnte ich bisher durch meinen 
Gredit decken, da jedod) der Werth der mir eigen gewordenen Inventarſtücke 
nebft meinem wenigen Mobiltarvermögen faum binreicht, meine gegenwärtigen 
Gläubiger zu befriedigen, jo würde ich mich, fall3 fich bei Fortführung des 
Geichäftes ein abermaliges Deficit ergäbe, einer Zahlungsunfähigleit aus- 
fegen, mit der id) weder den guten Ruf der ftänd. Bühne noch meinen 
eigenen guten Namen befleden will. Sch hatte während meinen Hierjeyn 
Widerwärtigfeiten aller Art zu befänpfen, und e3 tft mir gewiß ſchmerzlich, 
der Führung de3 Inſtituts in dem Yugenblide zu entjagen, wo mid bie 
Veberzeugung beglüdt: daß meine hohen Borftände mit mir zufrieden, das 
Publicum günftig geftimmt und mein Anfehen bey der Gefellihaft durch 
Rechtlichkeit und Feftigkeit begründet ift. Hätte ich nody ein Capital zu 
verlieren, id würde cd wagen, ohne meine hohe Behörbe zu beläftigen, 
allein ich bin durch die bereits erlittenen Verlufte ganz unvermögend ge= 
worden und darf fein Darlehen annehmen, weil ich aud) bei den beiten 
Ausfichten die Wiederbezahluing nicht garantiren Tann. Es ift gewiß traurig 
für mich, was ich mühevoll gefäet habe, einen Andern ärndten zu laſſen, 
allein ich will lieber mit Ehren der Auftalt entfagen, als nach längerer 
und wenn auch fogar prunfooller Fortführung mit einem Banfrotte meine 
Unternehmung enden. Bis Oftern 1824 werde mit Aufopferung all’ meiner 
Habfeligkeiten jede Zahlung der ftänd. Bühne berichtigen, nad) dieſer Zeit 
bin ich genöthigt, ſchon jegt meine Zahlungsunfähigkeit vorauszuſagen; 
ger.iben jedoch die Herren Siände ober irgend ein Privatverein mehrer 
Kunftgünner mir die zur Fortführung meiner Unternehmung nöthige Unter: 
ftägung zuzuwenden, fo werde ich diefelbe ebenjswenig mißbrauden und fo 
gewiflenhaft benüten, mie ic) biöher den Crebit und das Zutrauen benüßte, 
womit ich fo großmütbig beehrt wurde. Ze mühfamer es mir hier murde, 
die öffentliche Meinung für mich zu gewinnen, um fo jehmerzlicher wird es 


— 128 — 


mir, meine halbgelungene Bewerbung nun aufzugeben. Ich babe Feine 
Ausficht, weldye ich meiner hiefigen Stellung vorzöge, wenn ich mich mit 
Ehre darin behaupten kann. Nur erft, wenn Mangel an Mitteln 
mich hindert, die biefige Anftalt zu einem würbevollen Range zu erheben 
nud mir die allgemeine Zufriedenheit zu fichern, würde ich anbermeitige 
Ausfichten berüdfichtigen. Ich kann vor Enticheibung der Möglichkeit meines 
Hierbleibens Fein Abonnement erneuern und muß den Berluft ber beften 
Mitglieder befürchten, wenn ich mich nicht einige Tage vor dem neuen Jahre 
einer günftigen Antwort erfreuen fann. 


Eine jolche Antwort wurde nicht ertheilt. - Die Stände 
fonnten oder wollten fich zu bedeutenden finanziellen Opfern für 
das Theater nicht entfchließen, und die von Holbein entwidelte 
dee der Gründung eines Vereins hochherziger Maecenaten ſcheint 
nicht auf fruchtbaren‘ Boden gefallen zu fein. Mit großem Be: 
dauern und in fchmeidhelhaften Worten wurde dem bebrängten 
Director die Enthebung von feinem noch zu Nechte beftehenden 
Vertrage mit Oftern 1824 gewährt. In feinem „deutſchen Bühnen⸗ 
weſen“ hat Holbein einen Rüdblid auf feine Prager Direction 
geworfen, der uns die leitenden Ideen vderfelben ſowie die Mo— 
tive und die Art feines Rücktrittes in intereſſanter Weiſe Har legt. 
Mit Stolz kann er fagen, daß fein Repertoire Alles umfaßte, 
was nen, intereffant und erlaubt war, daß feine Gejellfchaft zu 
den vollzähligften und beiten Deutſchlands gehörte, für Gagen 
nnd Ausftattung faſt mehr als möglich gethan worden war. Den 
Penfionsfond hatte er außerordentlich gehoben, kurz, nichts war 
verfäumt worden, um Anſehen und Geltung der Bühne zu 
heben. Der Oberftburggraf Kolowrat fowie der Theaterauffichts- 
comifjiong:Präfident Graf Lazansky waren feine Freunde und 
Gönner, unzufrieden war nur der Director ſelbſt mit ſich: er 
fühlte jich zu wenig Geſchäftsmann fir die Leitung einer Privat: 
unternehmung, ihn fehlte die cinem Brivatunternehmer oft unum— 
gänglich nothwendige Härte in ökonomiſchen Angelegenheiten, die 
diefent unentbehrliche Gleichgiltigfeit gegen Anfeindung und Ver: 
fennung. Er wollte nicht „Künftler- Unterdrücker“ fein, wollte fich 
nicht durch zu große Sparſamkeit herabwirdigen ; ſchon vor feinem 
Demiffions-Unterhandlungen hatte er dephalb mit dem Grafen 


— 129 — 


Pälffy in Wien wegen Uebernahme der artiſtiſchen Direction 
des demjelben gehörigen Theaters a. d. Wien conferirt, und nur 
wegen der Ausjichtslojigkeit des von dem Grafen entwidelten 
Programms die Leitung der Prager Bühne beibehalten. Wieder- 
holt äußerte er den Ständen gegenüber Ridtritts-Gedanken, fo 
oft er es aber that, wußte man ihn durch erhöhte Munificenz 
und Liebenswürdigfeit zurückzuhalten. Befonders dankbar gedenft 
Holbein feines „großmüthigen Befchügers, des Grafen Joſeph 
Noftig". Trotz al diefer Liebenswürdigfeit aber wurde ihm die 
Weiterführung der Bühnenleitung mit eigenem Riſico auf die 
Dauer unmöglich; er reichte, wie wir gefehen, feine officielle De- 
million ein und beharrte darauf, obwohl man ihm weitere Ein- 
ſchränkungen feines Etats freiftellte — bei ſolche Beſchränkungen 
ſchien ihm eben das Sinfen der Anjtalt unvermeidlich, und daran 
wollte er feine Schuld haben. Die gewünschte Vertrags-Löjung 
wurde Holbein am 25. Dec. 1823 mit folgendem Bejcheide gewährt: 
„Wenn der Theaternnternehmer v. Holbein auf feinem Entichluffe, 

die Theaterunternehmung mit 1. Mai 1824 aufzugeben, beharren follte, 

fo wird man, obgleich derjelbe nad) ftrengen Rechtsgrundſätzen zur Ein- 
haltung des Theater-IInternehmungscontractes verhalten werben könnte, 

do in Rüdjicht feiner Verdienftlichkeit um die Prager Bühne keinen 

Anitand nehmen, ihn mit 1. Meat künftigen Jahres feiner Contractö- 

pflicht zu entheben, und man fieht daher binnen acht Tagen feiner 

endlichen Erflärung entgegen, um im alle feiner Abtretung den Concurs 
für die Theaterunternehmung ausſchreiben zu können.” 

„Sch blieb jedoch bei meinen Vorſatze“; — fchreibt Holbein — 
„mein Abichluß bewies, daß ich abermals vergeblich gearbeitet und kaum 
im Stande war, mich ohne Verluft zurüdzuziehen, denn ich fröhnte auch 
hier dem Geſchmacke des großen Publicums nur dann, weun meine Caſſa 
um Hilfe rief. Mein Gewinn beftand in der abermaligen Heberzeugung, 
dab ein Privatdirector, der Fein Deficit machen will und ein Hoftheater: 
director, der Tein Deficit machen darf, keinem anderen Syftem huldigen 
follen als einem einträglichen ... . .” 

Im Brager Publicum waren die tadelnden Stimmen, die 
ih mitunter und zumeift ſehr ungerecht gegen Holbein erhoben 
hatten, verjtummt, als die erjten Gerüchte von dem Rücktritte des- 
jelben in Umlauf famen; nun erſt wurde man fi) allgemein der 


9 


DE serie 


— 130 — 


Größe des Verluftes bewußt, den man erleiden follte. „Es beit, 
Hr. dv. Holbein habe um Auflöfung feines Contractes angeſucht“ — 
fagte der Prager Correſpondent der Bäuerle'ſchen Th.-Ztg. im 
December 1823 — „vie Stimme des Publicums ift mehr denn 
je für ihn, denn es tft nicht zu leugnen, daß fid) die angenehmen 
Folgen feiner Anordnungen täglich mehr entwideln. Ob Holbein 
ein anderer Auf größere Vortheile bietet, ift nicht bekannt, doc) 
muß man es vermuthen, da er einer fo einträglichen Unternehmung 
im Befige der Gunft der Behörden und des Publicums entjagen 
fonnte." Ueber die Form, in welcher Holbein die Entlajjung, 
refpective die Auflöfung feines Vertrages gewährt wurde, gingen 
unbeftimmte Gerüchte; die Mittheilung, daß dies nur im Wege 
der Gnade gejchehen ſei, wurde vielfad) mißdeutet, und Holbein 
erließ eine eigene Erflärung vom 15. April 1824, worin er die 
Sache der Wahrheit gemäß daritellte. Die Gnade lag eben 
darin, daß die Stände auf ihr Recht verzichteten, Holbein zur 
Einhaltung des Vertrags bis 1833 zu zwingen. Der jcheidende 
Director betonte in jeiner Erklärung, daß er unter Einräumung 
bedeutender Vortheile hätte in feinem Amte bleiben können, fein 
Entlaſſungsgeſuch fei aber ein ernftes und fein Verſuch, weitere 
Bortheile zu erpreilen, geweſen. Auf die „Hhuldreiche Art“, wie 
ihm feine Enthebung gewährt wurde, lege er unendlichen Werth 
-und hätte fi) deren gerühmt, auch wenn ihm diefe Aufklärung 
öffentlich verbreiteter Mißdeutungen nicht die Gelegenheit geboten 
hätte, „auszuſprechen, worauf er jo ftolz fei und worin er den 
ſchönſten Lohn feiner Bemühungen erblidle". Daß der Tod feiner 
zweiten Gattin Marie Renner den Entſchluß, Brag zu verlaffen, 
weſentlich beeinflußt hat, daran ift nicht zu zweifeln. Die wahren 
Freunde des Prager Theaters jahen mit innigem Bedauern und 
bangen Gefühlen fir die Zukunft Holbein, den zweiten Liebich 
Prags, ſcheiden; abermals war eine Blütheperiode des deutjchen 
Schauſpiels in Prag vorzeitig zu Ende gegangen, wehmithig 
blidte man auf glanzvolle Opern-Ereigniffe zurück; die feſte Orga- 
nifation, welche Holbein der Prager Bühne gegeben, ſchien ihrem 
Untergange nahe, eine Zeit des Niedergangs in der nächjten Zu- 











— 131 — 


kunft nur zu gewiß. Holbein hat noch lange im Dienjte und 
zum Seile deutscher Kunjt gewirkt. Bon Prag führte ihn ſein 
Weg nad) Wien, wo fih Graf Balfiy nochmals vergeblich be- 
mühte, ihn für das Theater a. d. Wien zu gewinnen. Cr lehnte 
dieſen ſowie einen Antrag, die Hofoperndirection zu übernehmen ab 
und ging nad) Hannover, wo er dem Hoftheater mit Glück und 
Umficht vorftand, bis ihn 1841 der Ruf an das Hofburgtheater 
traf, welche Mufterbühne während ſeiner achtjährigen Leitung 
ihrem ulten Rufe treu geblieben ift. 1849 trat Zaube als arti- 
jtiicher Director an die Seite Holbeins, der 1848 auch die Leitung 
des Hofoperntheaters übernommen hatte und bis 1853 die dfo- 
nomische Führung beider Hoftheater beibehielt. Zwei Jahre nad) 
feinem Nüdtritt von diefem Amte, am 5. Sept. 1855, bejchloß 
Holbein zu Wien ſein raftlojer Thätigfeit geweihtes, ereignißreiches 
Leben, in welchem die Directionsjahre in Prag eine der glänzendften 
Epochen bildeten. Daß Holbein für Wien die Autoren-Tantiemen 
erwirft und durchgeführt hat, fichert ihm eine dankbare Erinnerung 
in der deutſchen Schriftitellerwelt; Prag aber bewahrt ihm als 
einem jeiner geijtvolljten und gediegenften Bühnenleiter ein pietät- 
volles Gedächtniß. 





— te — 


9* 


— 132 — 


VI. 


Das Friumvirat. — Direction YolawsſkiyKainz ·Stepanel. 


(Die Zuſtände nach Holbein's Rücktritt. — Concurs-Ausſchreibung. — 
Die Bewerber. — Drohende Theaterſperre. — Der Baſſiſt Kainz, Schau⸗ 
ſpieler Polawsky und Caſſier Stepanek erklären ſich zur Uebernahme der 
Direction bereit. — Das Triumvirat. — Director Polawsky. — Director 
Kainz. — J. N. Stöẽpanek als Caſſier, cechiſcher Theaterdichter, Ueberſetzer 
und Dilettanten-Director, als Reſtaurator ber cechiſchen Vorſtellungen. — 
Loewe trägt dem Triumvirat fein Reengagement an. — Ein Brief C. M. v. 
Weber’ 3. — Die Organifation des Triumvirats.) 


Eine wahre Panik ergriff das Perſonal des jtändifchen Theaters, 
als der Rücktritt Holbein’s zur Thatfache wurde und von einem 
ernften Bewerber um die erledigte Direction in der ganzen deutjchen 
Theaterwelt nicht das Mindeſte verlautete. Die Schwierigkeiten der 
Lage wurden durch die knappe Friſt erhöht, welche zur Concurs— 
Ausschreibung gegeben war — binnen drei Monaten mußte der 
neue Director gefunden fein, oder das Theater war ohne Haupt, 
die Geſellſchaft fich felbft überlaffen, der Auflöfung preisgegeben. 
Am 3. Jäner 1824 hatten die Stände in den amtlichen und 
ZTheaterblättern den Concurs für die Bühne unter folgenden 
Modalitäten ausgejchrieben: 

1. Dem Unternehmer wird das ftänd. Theater, in welchen jedoch die 
Meittelloge erften Ranges, die Parterreloge Nr. 1 links, dann die 6 ein- 
gefauften Logen für die Eigenthümer vorbehalten werben, fanımt den zum 
fundo instructo gehörigen Decorationen und fonftigen Erforderniflen zur 
Aufführung aller Arten von Schaufpielen und deutſchen Singfpielen auf 
10 Jahre unentgeltlich verlieben. 

2. Üebernehmen die Herren Stände die Unterhaltung bes SCheater: 
gebäubeg, infofern ſolche denfelben ald Eigenthümern obliegt, und ber zum 
fundo instructo gehörigen Decorationen und fonftigen Erforderniife, dann 
bie Beftreitung des Grundzinſes, der Steuern, des Zinſes für den zur Auf- 
bewahrung der Decorationen von der Prager Stadtgemeinde gemietheten 
fogenannten Kotzenſaal, die Befoldung des Theaterhausmeifterd und Malers, 
zu welch lebterem jedoch der Theaterunternehmer das Drittel per 300. fl. C. M. 











— 133 — 


beizutragen bat, den KRaminfegerlohn und endlich die Penfion des vorma- 
ligen Theaterunternehmerö Zappe. 

3. Wird dem Theaterunternehmer ber Bezug jener Beträge zugeſtanden, 
welche von ben Borftellungen der Fremden und einheimifhen Künftler nad 
Bemeilung des hoben Landespräfibiumd zu entrichten find. 

4. Kommt dem Unternehmer die Befreiung vom ft. Muſicalimpoſt zu. 

5. Werben dem Theater-Unternehmer alle Jahre 63 abonnements 
suspendus mit S$nbegriff der Vorftellungen, welche am 18. Oct. für den 
Invalidenfonds, und der vier Vorftellungen, melde in ben Monaten März, 
uni, September und December für dad Theaterpenfionsinftitut zu geben 
find, dann mit Inbegriff jener Benefize zugeftanben, welche derſelbe ein⸗ 
beimifhen Schaufpielern und fremden Künſtlern eınräumt. 

6. Werben ben Eigenthbümern ber eingefauften Logen, welche nad 
den mit denſelben geichloffenen Verträgen lediglich ſechs abonnements 
suspendus, nemlich vier für den jeweiligen Th.-Unternehmer und zwei für 
den Theater⸗Penſ.⸗Fonds zu ben feitgefegten Logenpreiſen zu bezahlen haben, 
die ihnen zuftehenden echte ausbrüdlich verwahrt. 

7. St der Unternehmer verbunden, alle Tage mit Ausnahme der 
Normatage Vorftellungen zu geben, in jebem Range des Theaters 2, folglich 
in allen drei Stockwerken ſechs Logen fremden und einheimifchen Theater⸗ 
liebhabern, die nicht abomnirt find, vorzubehalten, das Publikum mit ab- 
wechſelnden guten deutichen Schanipielen und beutichen Singipielen zu 
unterhalten und für die möglichite Vervolllommnung der Bühne Sorge zu 
tragen; zu biefem Behufe feien ausgezeichnete Individuen, ſoweit es von 
ihm abhängt, zu erhalten, ber unvermeibliche Abgang durch tauglihe Sub- 
jecte an ergänzen und vorzüglich die Haupt-Rollenfächer beiberlei Geſchlechts 
gut zu befeten. Sollte der Unternehmer die eingegangenen Verbindlich⸗ 
feiten nicht erfüllen, fo wird fi) das Recht vorbehalten, den Contract nach 
einjähriger Auflündigung als aufgehoben zu erflären. 

8. Wird dem linternehmer die Abwendung jeder Feuersgefahr zur 
Pflicht gemacht. 

9. Hat der Unternehmer die von feinem Vorgänger mit ben Schau⸗ 
fpielern und Sängern beiderlei Geſchlechts eingegangenen Contracte bis 
zum Ausgange derjelben auszuhalten und endlich 

10. bleibt es für den Todesfall deöd Unternehmers den Ständen übers 
laflen, entweber fogleich - uber das Theater nach Gutbefund zu disponiren 
oder von ben Erben die breimonatfiche Fortführung der Theater⸗Unter⸗ 
nehmung zu forbern. 


Der Erfolg der Eoneurrenzausjchreibung blieb hinter den 
beicheidenften Erwartungen zurüd. Nur der Director von Pofen 
und Stettin, ein Herr Karl Leutner, der Negensburger Director 


—_ 134 — 


Auguft Müller und Franz Unton Longie, „Inhaber eines meda- 
nifhen Xheater zu Dresden”, risfirten eine Bewerbung um 
das einjt vielummorbene ftändijche Theater in Prag. Bei all’ 
diefen Eoncurrenten fehlte e8 an zwei Hauptfachen — an Geld und 
Fähigkeit; erjt ein Offert des Brünner Theaterdivectors Heinrich 
Schmidt verdiente ernjtlid erwogen zu werden. Aber auch 
Schmidt ging äußert vorfichtig zu Werke. Er forderte, daß ihm 
das Theater mit dem bereits bejtandenen fundo instructo und 
vorzüglich mit den Beleuchtungsrequifiten übergeben, fowie daß ihm 
die Erlaubniß zur Abhaltung von „böhmischen Spectafeln" 
gewährt werde. Darüber zogen ſich die Verhandlungen in die 
Länge, Schmidt fam felbit nach Prag; als er aber hier erfuhr, 
daß der Gagenetat 117.000 fl. W. W. betriige, obwohl mehre 
Rollenfächer unbefegt waren, und als ihm Hr. v. Holbein ver- 
ficherte, er für feine Perſon witrde felbft unter den von Schmidt 
gejtellten Bedingungen auf feinen Fall die Direction behalten — 
verlor Schmidt gänzlich den Muth, brach die Unterhandlungen 
ab und führte fein Brünner Theater weiter. Allgemeine Rath: 
Ioligfeit in Prag! Die Deroute in den Prager Theaterfreifen 
war fo groß wie nad) dem Tode Liebich's. Alle Ausficht, einen 
Nachfolger für Holbein zu gewinnen, ſchien geichwunden, der 
Landesausſchuß beauftragte die Theateraufſichtscommiſſion, dem 
Bühnenperjonale die bevorjtehende Sperrung des Theaters 
anzuzeigen. Welche Folgen diefe äußerſte Maßregel haben mußte, 
lag auf der Hand; die Theateraufſichtscommiſſion weigerte ſich 
geradezu, den Tandesausfchußbefehl auszuführen, und ihr Präfivent 
Graf Pachta erklärte, er würde ſich brandmarfen und Lächerlid) 
machen, wollte er dazu beitragen, die Schaufpieler brodlos zu 
machen. 

In dieſem Eritifchen Momente entſchloſſen fich drei Mitglieder 
des Perfonals, der Baſſiſt Kainz, der Schaufpieler Bolamsty 
und der Theatercaffir Stepanek, ven letzten Ausweg einzu: 
Ichlagen: den Collegen zu helfen, indem fte ſelbſt die Directions— 
übernahme risfirten. Und diefe Hilfe Tam, als die Noth bereits 
am höchſten war. An 150 Individuen waren daran, ihre Exiſtenz 





— 135 — 


zu verlieren, die hervorragendften Mitglieder der Bühne rüfteten 
ſich zur Annahme fremder Anträge, und der lebte Tag der Holbein’- 
hen Directionsführung nahte heran. Angefichts diefer Verhältniffe 
fanetionirte der Landesausfchuß die neue Dircction, und zwar zu 
denſelben Bedingnijjen, die der Brünner Theaterdirector gejtellt 
hatte und deren wichtigften Punkt die Wiederaufnahme der feit 
fahren eingejtellten äechiſchen Vorjtellungen bildete. 

Als Holbein im März 1824 Abjchied genommen hatte, prangten 
auf den neuen Zetteln die Buchſtaben B. 8. S. — „Prager 
Komddtanten-Specnlation” deutete der malitidfe Holbein dieje Ini⸗ 
tialen des neuen Dirvectionstriumvirats, und „Prager Komdpdien- 
Speculanten” nannte das Publicum die neuen Directoren. In 
Wahrheit fonnte für den Augenblid von einer Speculation nicht 
die Rede fein. Die Triumvirn dachten vor der Hand nur daran, 
die Sperrung zu verhüten, und die „Speculation” trug während 
der zehn Jahre ihrer Directionsführung jo wenig Früchte, daß 
Director Stepanek, als 1834 das Ende des Triumbirats heran: 
brad), froh war, als Theatercasjier und Secretär fein Brod ver: 
dienen und feine Familie erhalten zu Können. Uebrigens konnte 
es fein Trinmvirat geben, deſſen Zufammenjegung wenigftens dem 
Anjcheine nach jo vollfommen feinen Zwecke entfprochen hätte, 
als die Trias Polawsky-Kainz⸗Stepanek. 

Die Seele des TriumdiratS war — nach der Lage der 
Dinge — Ferdinand Polawsky; er lieferte das Geld und bot 
auf diefe Weije den Ständen die Garantie für die Eriftenzfähigfeit 
der Dreimänner-Herrichaft. Seines Zeichens Schaufpieler, fungirte 
er jelbjtverftändlich auch als fpecieller Director und Oberregifjeur 
des Schaufpiels; zu bedauern war es nur, daß er über diefem 
Amte feine eigene Thätigfeit als Schaufpieler einigermaßen ver: 
nadjläffigte. Als Director hatte ſich Polawsky bereits zu Zeiten 
der Madame Liebich verfucht, und — wie wir gejehen haben — 
nicht mit dem beiten Erfolge; nun aber brauchte er jich nicht 
mehr mit Details abzugeben, die feine Collegen Kainz und Stepanef 
auf ihre Schultern nahmen; dafür konnte er um jo ungejtörter 
feiner Neigung zu vornehmer Repräjentation nachgehen. Chevalier 


— 136 — 


vom Scheitel bis zur Sohle, jchaltete und waltete er in jeinen 
eleganten Apartements in der Heinrichsgaffe. Beſucher fanden ihn 
im weißfeidenen Schlafrod, den Lieblingspapagei auf der Schulter; 
in feinen Kleinen Cirkeln war der Cigarre nur das befcheidenfte 
Dafein gegönnt, feiner Ton, wie in den erjten ariftofratijchen 
Salons war die Signatur feiner Soireen. In der Theater- 
garderobe mußte er jeine jeparirte Abtheilung haben, um der 
Converfation und den Kouliffenwigen der Allgemeinheit zu ent: 
gehen. Wer aber mit dem Director Polawsky in Gejchäften zu 
tbun hatte, vühmte feine pünktliche Ordnung und feine ftrenge 
Rechtlichkeit. Den Schauspieler Polawsky haben wir unjeren Leſern 
in früheren Capiteln bereit8 von einer fo liebenswirdigen Seite 
gezeigt, daß wir Heute Fein neues Lob zu fingen willen, und der 
Zadel wagte fih nur fchüchtern an cine jo eminente Künftler- 
individualität heran. Zur Zeit feiner zweiten Directionsführung 
wirkte er natürlich jchon im älteren Fache. Wer fich feines köſt— 
lichen „Parlamentsraths" im „Vicomte von Letorrieres", feines 
„Hofmarſchall Kalb”, „Malvolivo” u. ſ. w. erinnert, ift in der 
Lage, Polawsky's Bedeutung als Kinftler ihrem vollen Umfange 
nad) zu ſchätzen. Polawsky ging jo volljtändig in feiner Kunſt 
auf, daß er fi, wie man erzählt, im Coftume des „Hofmarjchallg 
Kalb” begraben ließ. 

Kainz, der zweite der Triumvirn, iſt uns als langjähriger 
Baflift der Prager Oper belannt. Seine Blüthezeit hatte Niemand 
in Brag gekannt, er war ein alter, allerdings waderer Sänger, 
feit er in Prag fang. Als Operijt repräfentirte er das muſikaliſche 
Element im Zriumvirate und war ſpeciell Director und Ober: 
regiſſeur der Oper. 

Der Dritte im Bunde, Johann Nep. Stepanck, hatte bisher 
als Theatercaffier und Secretär fungirt und bedeutete nun als 
joldher das administrative und ökonomiſche Element in der Di- 
rectiong-Triad. Seine Gewifjenhaftigfeit und Umficht in dieſem 
Fache war in langjähriger Wirkſamkeit erprobt und garantirte 
eine ſolide Gejchäftsgebahrung. Auch als Director verlieh Ste— 
panek feinen Pla an der Theatercafje nicht, und die zahlreichen 





— 137 — 


Freunde und Bekannten, die er unter feinen Prager Mitbürgern 
zählte, verfäumten bei einem Theaterbeſuche gewiß nicht, dem zu 
jedem Scherze aufgelegten Stepanef im Vorübergehen die Hand 
zu drüden. Ungemein bedeutender als in diefem gejchäftlichen 
Wirkungskreiſe war Stöpanef durch feinen Bienenfleiß als dechiſcher 
Dichter, Dramaturg und Regiſſeur. Schon in früher Jugend hatte 
ich im ihm ein wahrer Feuereifer für die Förderung der Cechifchen 
Kunft und Literatur entwidelt. Am 19. Mai 1783 zu Chrudim 
geboren, hatte er fich auf den Wunfch feiner Eltern nach Abfol: 
birung der Gymnaſial⸗ und philofophifchen Studien der Theologie 
zugewendet. Als achtzehnjähriger Jüngling und Theolog im erjten 
Jahre eilte er auf die Nachricht, daß Erzherzog Karl zum Schuge 
der Heimatgrenzen eine böhmische Legion bilde, unter die Fahnen, 
fehrte aber nach der Auflöfung der Legion*) wieder zu den theolo: 
giſchen Studien zurild, die er bereits im 22. Lebensjahre abfolvirte. 
Da er das canonikche Alter (vor 24 Fahren) noch nicht erreicht 
hatte, zur Priefterweihe aljo noch nicht zugelaffen werden konnte, 
warf fich der junge Stepanet nun mit Eifer auf das Studium 
der Gefchichte, der fchönen Literatur und vor Allem der techiichen 
Sprade. Mit den „Vlastenci*, welche in den legten Jahren 
des vorigen und in den erjten diejes Jahrhunderts in Prag eine 
befonders rege Thätigkeit entfalteten, mit den auch von uns fchon 
erwähnten Gebrüdern Tham, mit Jungmann, Nejedlh, Sedivh, 
Rulik, Majober u. ſ. w. trat er in innige Verbindung, ſagte dem 
geiſtlichen Stande Lebewohl und wandte ſich ausſchließlich der 
ſchriftſtelleriſchen Carrière zu. Majober und Wenzel Tham hatten 
in ihm eine beſondere Vorliebe für die noch ſehr im Argen lie—⸗ 
gende dramatiiche Kunſt der Cechoflavifchen Nation — damals noch 


*, Ein Document vom 22. Dec. 1801, das Stöpanel pietätvoll auf- 
bewahrte, bezeugte, daß er der „zur PVertbeibigung ded Vaterlands er- 
richteten Legion freiwillig als Mitglied beigetreten, dem Leibbataillon „Erz: 
herzog Sarl” angehört, „alle militäriichen Dienfte mit Pünktlichkeit zur 
Zufriedenheit feiner Vorgefebten verrichtet und ſich durch fein gutes Be- 
tragen ganz ber ausgezeichneten Ehre würdig gemacht habe, feine Kraft ber 
Bertheidigung bed Vaterlands gewidmet zu haben“. 


ee — 0 a Eu N ii Gill” enufgp dir, L Hl un ande 


— 138 — 


ein Vielen unverftändlicher Begriff — rege gemacht, fchon für 
das vaterländifcye Theater und fpäter für die unter Guardaſoni 
auf der Kleinfeite ftattfindenden techifchen Vorftellungen lieferte er 
dramatische Arbeiten und verjuchte ſich gelegentlich auch als Di- 
lettant in ernften und tragischen Partien. Als 1311 in der Liebidh’- 
ſchen Wera die Cechifchen Vorftellungen eingeftellt worden waren, 
that fi) auf Anregung des eifrigen „Patrioten” Haklik ein 
Verein junger Lente, meift Titeraten und Studenten, zufammen, um 
an Normatagen im ftändischen Theater zu wohlthätigen Zwecken 
cechifche Dilettantenvorftellungen zu arrangiren — Stepanet wurde 
Director und Regiffeur. Nun fteigerte fich feine Thätigkeit; er wurde 
einer der arbeittamften Dichter und Ucherfeger, die je erijtirt hatten. 

„Der vaterlänbifhe Theaterverein”“ — fchrieb die „Prager 
Zeitung” im November 1817 — „hat nad langer Unterbrechung feine 
Thätigkeit wieber begonnen. Am 23. Nov. wurden feine Vorftellungen in 
böhmifcher Sprache mit Aufführung des Luftfpield „Fauft IL.“ von Stepanet 
zum Beiten bes Prager neuen Armenhanfes eröffnet. Mad. Liebich ver: 
ſprach, das Theater der Geſellſchaft für einige Vorftellungen in cechifcher 
Sprache zu überlaffen. Stepanef hatte nebit Mad. Liebich die größten 
Verdienſte ſowohl ald Schriftfteller alg durch mande Rollen. Faſt alle 
aufgeführten Stüde find von ihm. Cine feltene Fertigkeit und gramimatt: 
kaliſche Kenntniß feiner Deutterfprache, verbunden mit genauer Bekanntſchaft 
mit der deutfchen und böhmischen Poefie und dem Weſen des Theaters, 
machen ihn zum Vorfteher diefer Mohltbätigleit3-Anftalt vollfommen fähig, 
die feinem lobenswerthen Eifer nun großentheild ihren glüdfichen Fortgang 
verdankt. Mit ihm haben fi mehre Bürger Prags und ber hiefigen Uni: 
verfität verbunden, die Früchte ihres Kunſtſtrebens auf den Altar der Wohl⸗ 
thätigfeit niederzulegen, und diefe edle Verwendung ihrer Talente fichert 
ihnen das doppelte Berdienft, die Leiden ihrer unglüdlichen Mitbrüder zu 
lindern und der Hauptſtadt Böhmens ein vaterländifches Schaufpiel zu ver- 
fchaffen, welches ıhr bisher ganz fehlte... .“ 

Das humanitäre Moment diefer Thätigfeit wurde auch durch 
die Verleihung der „mittleren goldenen Ehrenmedaille mit Dehr 
und Band“ an Stepanek anerkannt. Die künſtleriſche und Titera- 
tische Bedeutung der Sahe wurde in weiteren Kreijen weniger 
gewürdigt als fie es verdiente. Die deutſche Gejellfchaft Prags, 
unter welcher damals faft die gefammte Intelligenz der Hauptjtadt 
zu verjtehen war, lächelte den „böhmischen Spielern" wohlwollend 


m. — — nn — 











— 139 — 


und aufmunternd zu und amüfirte fich ab und zu an den „böh- 
mischen" Poſſen und dem Kauderwälſch, das mitunter ein deutſcher 
Schauſpieler in einem eechifchen Stüde höherer Nichtung zu 
hören gab — von ernſter Bedeutung fchien ihnen diefe Sonntags- 
jpielerei nicht; in den engeren Streifen der dechiſchen „Patrioten“ 
wußte man dagegen, was man wollte, wenn man and) nicht 
ahnte und zu hoffen wagte, daß aus diefer „Spielerei" ſich etwas 
Großes, eine jelbtändige nationale Bühne, entwideln würde. 
Stepane®’s Dramen felbft waren vielfach der böhmischen Ge- 
Ichichte entnommen, vote fein Schaufpiel „Die Belagerung Prags 
durch die Schweden,” „Bietiflam, der böhmifche Achilles,” „Die 
Kärntner in Böhmen," „Johann von Nepomuk" u. f. mw. Standen 
fie auch an Gehalt nichts weniger als oben an, fo thaten fie auf 
der Bühne doch ihre Schuldigfeit; fie waren volksthümlich gehalten, 
und das eignete fie vor Allem für die Cechifchen Nachmittagsvor- 
jtellungen, denen ja der Charakter des Volfsthümlichen vorzüglich 
aufgeprägt fein mußte; fie machten das Volk mit feiner reichen 
Geſchichte vertraut und weckten feinen Sinn für das Theater. 
Einen nachhaltigen Erfolg hatte Stepanel’s Luſtſpiel „Cech a 
Nömec“ (der Ceche und der Deutfche), in Wahrheit eine derbe 
Poſſe, deren liebenswürdige Tendenz die Darftellung des gemüth— 
lichen Nebeneinanderlebens der Deutfchen und Cechen bildete. Das 
Stüd hielt ſich Jahrzehnte hindurch auf dem Nepertoire und 
ging, namentlich folange Feiſtmantel den Deutjchen fpielte, allemal 
unter dem Beifall von Barterre und Galerien in Scene. Auch 
Kaifer Franz, den das Stüd bei einem Beſuche in Prag vor- 
gejpielt wurde, fand großen Gefallen daran, ebenjo an der „Be: 
lagerung Prags durch die Schweden”, nad) deren Aufführung 
der Kaiſer den Darftellern ein Belobungsdecret und wohlthätigen 
Anstalten 1000 fl. jpendete. Stepanet ließe jich im Luſtſpiel der 
cechifche Kotzebue, im Schaufpiel der Cechiiche Raupach nennen, 
nur muß man ihn in jedem diefer Genres um einige Grade tiefer 
als diefe deutſchen Dramatiker ftellen. Als Ueberſetzer aenoß 
Stepanef den Ruf einer geradezu unheimlichen Fruchtbarkeit. 
Seine eigenen und die aus dem Italieniſchen und Deutjchen über: 


— 140 — 


jegten Schaufpiele, Zuftjpiele und Opern füllten im Jahre 1832 
bereitS 16 Bände, in denen man 52 Stücke zählte; bis zu feinem 
am 12. Feber 1844 erfolgten Tode hatte fi) aber diefe Anzahl 
nahezu verdoppelt. Genau nahm es Stepanek mit der Auswahl 
ber Ueberfegungen durchaus nicht; jedes deutjche Stück, das ihm 
nur immer zur Aufführung in den cechiichen Vorſtellungen geeignet 
vorfam, wurde überjegt und, wenn es eine Poſſe war, für die Prager 
2ocalverhältniffe zugerichtet. Großen Anklang fand u. A. die Poſſe 
„Mina oder Brag in einem anderen Welttheile”, die Stepanef 
1825 nach Bäuerle bearbeitet hatte. Durch feine zahlreichen Ueber⸗ 
fegungen von Operntexten — er hat diefelben für „Don Yuan“, 
„Belifar”, „Jeſſonda“, den „Waflerträger" u. |. mw. geliefert — 
ermöglichte er die Schaffung eines dechifchen Opernrepertoires, 
wie man es vor ihm in Prag nicht gekannt hatte. Seit 1816 be- 
Heidete Stepanef außer der Directorsftelle der fporadifch wieder: 
fehrenden cCechiichen Dilettanten-Wohlthätigfeitsvorftellungen den 
Poften eines Caſſiers, Secretärs und Archivars des fün. ftändifchen 
Theaters. Er war perfünlich beliebt in Prag wie in dem ganzen 
großen Belanntenfreife, den er in der deutſchen Theaterwelt beſaß. 
ALS fein Avancement zum Mitdirector befannt wurde, liefen Glück⸗ 
wünsche von Nah und Fern, von allen Notabilitäten der deutschen 
Kunft ein, die mit Stepanek in Berührung gefommen waren. Ludwig 
Löwe trug fi in einem aus Caffel 27. Aug. 1824 datirten Briefe 
den neuen Directoren abermals als Mitglied an, da er fich von 
dem Directionswechjel das Beſte für die Bühne verjprach.*) 
„Lieber Freund und Bruder” — fchreibt er — „Nimm meinen herzlichen 
Glückwunſch zu Deinem Unternehnten, und ich wünſche Dir von ganzem 
Herzen Glück und Segen. Doppelt freut ed mich, daß dem Prager Theater 
wieber eine freundliche Ausficht blüht und dag alte herrlihe Künſtlerleben 
von Neuem begonnen werben kann. Du wirft dur Deinen Collegen 
Polawsky hören, daß ich, da die Sachen ſich fo zum VBortheil für Prag 
verändert, innig wünſche, wieder ein Mitglied Euerer Bühne zu werben und 
mit Freude meine Kraft der Stabt darbringe, der ich fo viel verdanke. Ich 
leugne nicht, daß ich mit warmem Herzen au Prag hänge und jene Stunde 


— 





*) Aus der in ben Beſitz des Hrn. kaiſ. Raths Dr. Ed. Schekel 
übergegangenen Antographenfanmlung Stepanel3, 








— 141 — 


die glüdlichfte meines Lebens wäre, die mich Wieder zurüd in das Rand 
meiner Jugend führte. Was mic) auch aus dem nahen B, treibt, wirft 
Du aus den Briefe an Polawsky leſen; diefe Zeilen follen Dir nur fagen, 
daß ich noch der Alte bin. Wie oft haft Da über meine Fähigkeiten und 
meinen Fleiß zu mir gefprochen und mich gelobt, daß ich nichts zum Beſten 
des Theaters unverfuht ließ. Alles das bringe ich mit Frenden Dir zurüd 
und ich glaube wohl etwas mehr, denn ich kann fagen: ich bin beffer geworben 
und darf nur den ausgezeichneten Beifall anführen, der mir auf meiner 
legten Gaftreije in Braunjchweig und Hamburg zu Theil geworden ift. 
Bift Du und Deine Collegen alfo gefonnen, mic) zu engagiren, fo wird ſich 
— hoffe ih — das Andere leicht in Ordnung bringen laffen, doch bitte ich 
die ganze Sache vorderhand noch zu verjchweigen, bis wir ung verftändigen. 
Bleibe mein alter Freund, ſowie ich nicht aufhöre mit Hochachtung und 
Liebe der Deine zu fett. Ludwig Löwe, 
churfürſtl. Hofſchauſpieler. 

Zum Wieder-Engagement Löwe's kam es leider nicht; ſein 
Antrag mochte zu ſpät fommen oder größere finanzielle Opfer 
fordern als gebracht werden konnten. C. M. v. Weber, dem 
Stepanef feine techijche „Freiſchütz“-Ueberſetzung mit der Bitte um 
das Aufführungsrecht gejandt hatte, benüßte diefe Gelegenheit um 
feine etwas erfalteten Beziehungen zum Prager Theater wieder 
zu befjern. Dean hatte zu viel von ihm verlangt: das Aufführungs: 
recht für den „Freiſchütz“, das Holbein für fich und alle feine 
Unternehmungen erfauft hatte, beanjprucdhte die Prager Direction 
als ein dem Inſtitute gemährtes, jo daß der Componift fein Werf 
an zwei Barteien gegen Ein Honorar hätte ablaffen müſſen, 
wogegen fich Weber gerechterweife ernſtlich verwahrte. 


„Empfangen Sie meinen beften Dank für die Zufendung des böhmiſchen 
„Freiſchütz“ — ſchrieb er nun an Stepanel — „der gewiß bei Ihnen in den 
treueften, beiten Händen ift und deflen Uebertragung in die böhmiſche Sprache 
mich nur ehren kann. Ich habe mich bei Ihnen wegen Nichtbeantwortung 
Ihres geehrten vom 24. März zu entichuldigen und geftehe aufrichtig, daß ich 
in Verfegenheit war, was ich Ihnen fchreiben jollte. Einem Vereine fehr zu 
ehrender Freunde wollte ich nicht eine abichlägige Antwort ertheilen und 
von der anderen Seite war es doch auch wunderlich, daß gegen ein Honorar 
zwei Barteien Beſitzer desfelben Werkes fein follten, indem ich Hrn. v. 
Holbein nicht vermehren kann, die Oper, wo er die Direction hat, felbft 
zu geben. Dies und meine überhäuften Gejchäfte machten, daß Sie feine 
Antwort erhielten, und ich fordere Ihre anerlannte Billigkeit auf, über den 


= MNDVeaE Dur. > ( BEE En Be ———— Bee Zur SL —— Ze BD en EEE EEE 


— 142 — 


Tall felbft zum entfcheiden. An dem guten Fortgange Ihres Unternehmens 

zweifle ich gar nicht; Sie veritehen alle Drei dad Geſchäft, und wenn ber 

Himmel Sie Eines Sinnes erbält, fo wird Alles gedeihen, was ih vom Gruude 

meines Herzens wünfche. Meine beite Empfehlung an die Hrn. Polawsky, 

Kainz und alle Mitglieder, die fid) meiner freundlich erinnern, von Ihrem 

freundichaftlich ergebenen C. M. v. Weber.*) 
Dresden. 7. Juni 1824. 


Stöger, damals in Graz, wünſcht der neuen Direction Glick 
und „ale Einigfeit, damit fein Gallimathias zur Welt kommt“. 
Chr. Grünbaum trägt fich nebit Frau als Saft an und fchreibt: 

„Die Veränderungen, die mit ber Prager Bühne vorgefallen find, 
- haben und zwar überrafcht, aber aud) herzlid) erfreut. Auch habe ich noch 
Niemand geiprochen, der fih über die Ernennung der nenen Directoren nicht 
beifällig geäußert hätte. Sie kennen feit fo langen Fahren die Oekonomie 
des Theaters und find nicht geneigt, den Gewinn, der allenfalld daraus 
entfallen kann, für häusliches Wohlleben zu verweuden. Letztere Eigenſchaft 
theilen Ihre beiden Collegen mit Ihnen, Wenn es alfo da nicht gut gebt, 
fo hält fiy überhaupt fein Theater! ...“ 

Und in der That, der Verein entiprach den einzelnen Erfor- 
derniffen einer guten Bühnenleitung: Polawsky als Schaufpiel- 
director, Kainz als Opernleiter, Stepanef als ökonomiſcher Leiter 
und Divector der cechifchen Vorftellungen — die einzelnen Glieder 
des Triumvirats ergänzten einander und ließen die neue Regie— 
rungsform als eine ganz annehmbare und zwedentjprechende er- 
jheinen. Bon ernſten Differenzen im Schooße der Trias hat 
man denn auch nie etwas vernommen, wenngleich es naturge— 
mäß an Heineren Reibereien nicht gefehlt haben mag. Jeder der 
Directoren wirkte ruhig in feinem Reſſort, in den wöchentlichen 
Conferenzen wurden die gegenfeitigen Wahrnehmungen ausgetauscht 
und definitive Befchlüffe gefaßt — fo daß die Dreieinigfeit voll- 
kommen hergejtellt war. Ueber die Erfolge diefer Dreimänner: 
Regierung haben Zeitgenofjen und Epigonen die widerfprechenditen 
Urtheile gefällt, Alles in Allem aber kann man fie weder bejonders 
glänzende, noch ſtark negative nennen. 


*) Stepanek bewahrte auch eingerahmt unter der Devije „Bundesſprüche 
gleichgefinuter Componiften” ein anderes Autogramm Weber's: „Bebarrlichkeit 
führt zum Biele. Prag 20. December 1814 C. M. v. Weber.” 


— ne — 





— 143 — 


VII. 


Das Schauſpiel unter dem Friumvirat. 
(1824— 1834.) 
(Die Schaufpiellunft und das Schaufpiel-Repertoire in der Aera des Prager 
Triumpiratd. — Die Tragödie. — Grillparzer. — Ebert's Bretiſlav und 
Jutta. — Staberliaden, Parodien, Thierſpieler, Spectakelftüde. — Ban 
Aken's Menagerie und Tourniere’d Cirens. — Raimunds Zaubermärden. — 
Zwei Briefe Raimund’3. — Quodlibets und Melodramen. — Die Prager 
Schauſpielerſchule. — Polawsky, Bayer, Thereſe Brunetti, Allram, Feift: 
mantel, Schifaneder. — Neue Acquifitionen: Morig, Ernft, Nina und Friderife 
Herbft, Rofalie Wagner, Mad. Schmidt, Madame von der Klogen (Binder), 
Haas jun. — Perjonallifte und Gagen-Etat. — Gaftipiele: Eßlair, Löwe, 
Wilbelmi, Sophie Schröder, Charlotte Birch: Pfeiffer, Anſchütz, Emil Devrient, 
Kunſt, Deſſoir, Rott, Karl. — Improvifator Langenſchwarz, Bauchredner 
Alerauder, Charaktervirtuofe Jerrmann und andere Specialitäten.) 

Mit Leſſing's „Minna von Barnhelm“ eröffnete die neue 
Direetion ihre Vorftellungen — ein guter Beginn, der insbefondere 
für die Richtung des Schaufpiels das Beſte erhoffen Tieß! 
Die Literatur-Epoche, in welcher die Regierungsära des Prager 
Directions:Zriumvirats fiel, war allerdings feine folche, welcheauf 
die gedeihliche Fortentwidlung der Schaufpielfunft überhaupt und 
Ipeciell des Prager Bühnenweſens hätte einen wohlthätigen Einfluß 
nehmen können. Auf dem Gebiete der Tragödie war in Deutjch- 
land, wie wir gejehen, eine zahlreiche Schaar von Schiller- und 
Goethe-Nachbetern und Nachahmern erjtanden, welche den Wei: 
marer Heroen wohl Manches abgegudt, von deren Geifte aber 
wenig geerbt hatten. Dann kamen die Nachahmer der fpanischen 
Dichter, welche e8 ihren Idealen zwar in der bilderreichen phan- 
taftifchen Sprache, nicht aber in ihrer Begeifterung und ſüdlichen 
Gluth nachthaten. Amı nachtheiligften wirkte diefe Art der dranıa- 
tischen Production auf die deutsche Schaufpielfunft überhaupt. Die 
Schaufpieler wurden dadurch zu einer lächerlichen Tonkünſtelei, 
zu oratorischen Virtuofenftückhen verführt. Man glaubte Opern- 
arien zu hören, wenn Monologe geſprochen wurden, und Das 


Ken HE EEE En er — 


— 14 — 


Publicum, dag mit feinem Applaus gewöhnlich dann losſchlägt, 
wenn der Schaufpieler mit dem Erescendo des Declamationseffectes 
zur höchiten Spige gekommen ift, unterſtützte dieje Marinirtheit und 
Geziertheit. Der Redner trat in den Vordergrund, der Dar- 
jfteller in den Hintergrund. Mit Raffinement Homm der Schau: 
jpieler die ganze Stufenleiter bis zum ‘Donnergetön der Abgangs- 
worte hinan, und der Lärm des Beifalls entjchädigte ihn für die 
Gewiſſensbiſſe feines Künſtler-Gefühls. Schon Hier fei übrigens 
anerkannt, daß die Traditionen der Liebich'ſchen Epoche, welche 
ia in dem alten Prager Künſtlerſtamme noch fortlebten, das Ueber: 
wuchern diefer Birtuofenkünfte in Prag nie recht aufkommen ließen. 
Lag auch die Tragddie im Argen, das Perſonale ſelbſt ſank in 
Prag nie fo tief wie auf den meiften Bühnen Deutſchlands. — 
Nicht beſſer als auf dem Gebiete der Tragödie ſah es mit der litera- 
riſchen Production im Bereiche des Luſtſpiels aus. Das Char- 
afterluftjpiel war un 1830 faft gänzlich von der deutjchen Bühne 
entichwiunden, felbjt die feinere Gattung des Converſatiousſtückes, 
repräſentirt durch Steigenteſch, Conteſſa, Schall u. |. w. immer 
jeltener geworden, dafür herrjchte die unbedingte Nachahmung 
Kotzebue's: Töpfer, Holbein, Clauren u. U. waren obenan, geradezu 
überſchwemmt aber war Deutjchland von den neuen Erzeugniffen 
der Franzojen, namentlic von Scribe. Wie die neneften Parifer 
Modeartifel wurden die neuejten Artikel der Parijer Boulevards- 
Theater auf den deutjchen Marft geworfen. Auch das Prager 
Nepertoire war von diejem Genre überfluthet und zwar in Ueber: 
ſetzungen, die in haarjträubendem Deutſch das Großartigite leiſteten. 
Dazwilchen machten ſich Clauren und Kobebue breit, der biedere 
Raupach aber konnte bei den Gefahren der franzöſiſchen Invaſion 
faft noch als Netter und Helfer in der Noth gepriejen werden. 
Selbjt ein jo geiftvoller Kritifer, wie es Prof. Anton Müller 
(„Bohenia”) war, konnte nicht umhin, Raupach's „Müller und 
fein Kind”, al8 das Stüd am 11. Auguft 1830 zum erften Male 
über die Prager Bretter ging, als eine der wirkſamſten Bühnen: 
ereigniffe zu bezeichnen. Die Darftellenden, unter denen Bayer 
(Reinhold), Dem. Friederife Herbſt (Marie) und Hr. Ernſt (Conrad) 


Een nam —— um — 





— u 


— 145 — 


obenan ſtanden, wurden ſämmtlich ſtürmiſch gerufen. ‘Die claſſiſche 
Tragödie wurde faſt nur durch Repriſen derjenigen claſſiſchen 
Werke, welche in ihren Hauptpartien noch mit Liebichianern beſetzt 
waren, und durch die Gaſtſpiele hervorragender deutſcher Künſtler 
am Leben erhalten; gerade dieſe Gaſtſpiele aber brachten wieder den 
Nachtheil mit ſich, daß ſich die einheimiſchen Kräfte nicht gerne an 
die Darſtellung von Partien heranwagten, die erſt kürzlich von Be⸗ 
rühmtheiten repräſentirt worden waren. Mit ſeltenem Glanze ſtrahlt 
uns aus dieſer Epoche der Name Grillparzer entgegen, deſſen 
Stücke ja immer zu den freudigen Ereigniſſen des Repertoires 
zählten. Als am 9. Mai 1827 „Medea“ zum erſten Male in 
Prag in Scene ging, ſpielte Sophie Schröder als Gaſt die | 
Titelrolfe, den Jaſon der begabte Haas jun., die Kreuſa Dem. 
Roſalie Wagner, den Kreon Herr Köhler. Auch an der Sappho Ä 
der Schröder (Phaon — Hr. Ernſt, Melitta — Roſalie Wagner, | 
Eucharis — Fried. Herbit) durften fich die Prager erfreuen. Am 
27. Nov. 1830 kam „Ein treuer Diener feines Herrn" 
mit Bayer als Bancbanus, Morig als Herzog, Friederike Herbit 
als Erny und Nina Herbft als Königin zur erjten Aufführung. 
Eine Novität, die in den Zwanziger Jahren in Prag Aufjehen 
machte, war das erfte bedeutende Bühnenwerk Carl Egon Ebert’s 
„Bretiſlav und Jutta” „Ale Acte“ — fchrieb nad) der 
eriten Aufführung am 5. März 1829 Unton Müller — „vor: 
zugsweiſe aber der zweite und dritte, tragen unverkennbare Spuren 
des Dichtertalents, welches fich mit eben fo viel Kraft und Glück 
im Drama als im Epos zu bewegen vermag." Dem jungen 
Dichter prophezeite X. Miller eine große Zufunft.*) Den Bietijlav 





*) Bon Intereſſe dürfte der folgende, Stepaneks Autographen-Samm- 
fung entnommene Brief fein, den C. E. Ebert nad) ber beifälligen Auf 
nahme feines Stüdes an Stepanel richtete: „Auf Ihre gef. Zufchrift von 
heute beeile ich mich zu antworten, daß ich zwar un meiner lieben Lands⸗ 
fente willen, für die der „Bietiflan” gefchrieben war und von denen er fo 
freundlich aufgenommen wurde, die weiteren Aufführungen nach meinem 
Wunſche finde und daß mir die Theilnahme der guten und gebildeten Leſer 
genug wäre: Da ich aber das bereits fertige Manufcript zufolge den Be: 

10 


— 146 — 


jpielte damals Hr. Morib, die Jutta Dem. Nina Herbft, den 
Preslaus Hr. Ernjt, den Udalrich Polawsky. — Solche Abende, 
an denen ein heimifcher Autor den wohlverdienten Triumph eines 
edlen Werkes feierte, waren leider in dem Repertoire des Trium- 
virats jchr dünn gefäet. Die meiften heimischen Producte waren 
der Beachtung minder werth. Fleißig arbeitete W. U. Serle 
für die Bühne: feine „Abenteuer einer Nenjahrsnacht" thaten am 
Sylvefterabend ihre Schuldigfeit, minder glüdlich fiel fein Aactiges 
biftor. Zrauerfpiel „Jaromir und Udalrich, Herzoge von Böhmen” 
mit dem Vorſpiel „Der Wrſchowezen Rache" aus, ein &ußerit 
langwieriges und ermüdendes Stüd, mit deffen Hauptrolle (Samo- 
lawa von Wrſchowetz) Mad. Schmidt ſtark belaftet war. 

Das Bublicum nahm dieſem Nepertoire gegenüber eine eigen: 
thümliche Stellung ein. Die Sceribefchen und jonftigen Converfa- 
tionsjtüde waren nur einem einen Cirkel jo vecht verſtändlich 
und daher, obwohl modern, nicht allzu zahlreich befucht. Mehr 
Zufprud fanden die Schauer- und Criminaldramen, die Poſſen 
und Spectakelſtücke. Auch auf dem Gebiete der Poſſe war übri- 
gens fchon ein bedeutender Nücjchritt zu bemerfen. Die modernen 
Staberliaden Bäuerle's boten das Bild einer äußerjt ausgedehnten 


dürfniſſen der hiefigen Bühne ganz neu umarbeiten mußte, jo glaube ich 
boch von der löbl. Direction des ftänd. Theaterd irgend ein Honorar bean- 
Ipruchen zu können, und ba Sie fagen, Sie wollen mir das gewöhnliche 
nicht antragen, fo bemerke ich, daß ich, um der Direction keine große Laſt 
aufzuerlegen aber dad Honorar boch etwas honorabler zu machen, mir gegen 
Gewährung weiterer Productionen ftatt der gewöhnlichen 100 fl. W. W. 
10 Ducaten in Gold bedinge. Ich hoffe, daß Ihnen dadurch fein Schaben 
erwächſt wie mir dadurch meiter nichts wird als Entſchädigung des für bie 
hiefige Bühne gemachten Zeitaufwandes. Mit Hochachtung und ergebeniter 
Freundſchaft Carl Egon Ebert. 

Prag, 7. März 1829. 

P, 8, Was das mir angetragene Freibillet betrifft, fo kann ich darum 
feinen Gebrauch davon machen, weil ich wegen Entfernung meiner Wohnung 
vom Theater dies nur felten und nur gewöhnlich bei folchen Gelegenheiten 
befuche, wo gerabe abonnement suspendu ift, wo ich dann auch, wenn e3 
mir zugeſtanden wäre, zum Nachtbeil der Caſſa keinen Gebrauch von jener 
Vergünftigung machen würbe. 





— 147 — 


Slachheit, die Anſprüche des Publicums in diefem Genre wurden 
immer größer, der Werth des Gebotenen immer geringer; zudem 
war man in der Verarbeitung der Wiener Poſſen zu Prager 
Localpoſſen felten glücklich. In voller Blüthe ftanden namentlich 
in den Zwanziger Jahren die Barodien. Auf den „Miller und 
fein Kind” folgte eine „Müllerin und ihr Kind”, auf Holbein’s 
„Zournier zu Kronftein” oder „Drei Wahrzeichen” Schilaneder’s 
„Wettlauf zu Kronäugelftadt" oder „Ein Wahrzeichen", auf die 
„Weiße Frau” eine „Schwarze Frau”, auf den „Freiſchütz“ — 
„Staberl als Freiſchütz“ (Feiftmantel als Staberl), auf „Zampa, 
oder die Marmorbraut" Schikaneders „Steinerne Braut" oder 
„Knöpfelberger’3 Genieftreiche" (mit Feiſtmantel als „Zamperl*). 
Roſſini's „Dthello” hatte einen „Dthellerl, der Mohr von Wien”, 
deſſen Hauptperjon „Dthellerl, Leiblakai des Herm v. Naſcherl“ 
war, die „Ahnfrau“ eine „Ahnfran im Gemeindeftadel” im Gefolge 
n. |. w. Als im Jahre 1829 die Wogen des Baganini-Enthufias- 
mus auch in Prag überhoch gingen, entftand eine Poſſe „Der 
falſche Virtuos oder das Concert auf der G-Saite" oder „das 
Concert auf 16 nach der chromatifchen Tonfolge gejtimmten Maul- 
trommeln (Brummeijen).” Ungeheuren Applaus gab es, wenn 
yeiftmantel als „Adam Streicher!” fein Concert auf der G-Saite 
producirte. Den Fidelbogen in der Hand ging er ernfthaft über 
die Bühne und erklärte fchließlich unter tojendem Gelächter — 
das jei das Coucert auf der Geh-Saite geweien. Auch der 
Sontag-Enthufiasmms gab zu einer Parodie Anlaß, genannt „die 
falſche Nachtigall oder die Sängerin Montag”. 

Neben den Parodien erfreuten fich eines befonderen Beifalls 
jene Poſſen oder Melodramen, in denen das Thierreich, fei es 
in wirffichen oder nachgeahmten Exemplaren, eine Rolle fpielte. 
Anno 1826 machte der Thierjpieler Mayerhöfer vom Wiedner 
Theater in Prag Furore. Der Mann wußte fid) in den Fellen 
aller Raubthiere mit Virtwofität zu bewegen, und etliche „Dichter“ 
waren auch jo gefällig gewejen, eine Reihe von Melodramen zu 
Tabrieiren, in denen der Thiervirtuoſe feine außerordentlichen Ta- 
lente zu entfalten Gelegenheit fand. So führte Mayerhöfer den 

10? 


MT TE Tr a Tr TE FE mn. ——ü⏑—————— 


— 148 — 


Pragern ein großes romantiſches Melodram „Der Leopard und der 
Hund” vor, in welchen er durch feine kühnen Leopardenjprünge 
Senfation machte. Der Theaterzettel verfehlte nicht, das verehrungs⸗ 
würdige Publicum zu erſuchen, fich beim Erſcheinen des (mirflichen) 
Hundes ruhig zu verhalten. Jr dem Melodram „Der Wolf auf 
dent BZauberfelfen” oder „Die Freier auf Lodbrock's Schlofje" 
ercellirte Mayerhöfer als Wolf, und in dem „Wolfshrunnen” von 
Gleich machte er al3 die in eine Wölfin verwandelte Jutta alle 
zarten Herzen erbeben. Ein Jahr |päter lernten die Prager einen 
anderen Thierfünftler in dem Grotesf-Tänzer Fenzl vom Stutt- 
garter Hoftheater kennen, der fi mit dem Melodram „Joko, der 
brasilianische Affe" effectvoll in Prag einführte. Eine Poſſe, in 
welcher das Thierelement vertreten war, Hatte fchon das Spiel 
gewonnen. Glänzende Erfolge erzielte die dem Franzöſiſchen nach: 
gebildete Poſſe „Fortunat's Abenteuer zu Waſſer und zu Land“, 
in welcher Fortunat (Moritz) und der Ortswächter Peter (Feift- 
mantel) gemeimfchaftlih auf dem Meere von einem Walfifche ver: 
Ichluckt murden, in deſſen Bauche gemüthlich Fiſche brieten und 
ſchließlich in eine Korallengrotte zu den Flußgöttern und Göttinen 
ausgeworfen wurden. Am ärgiten ging es in diejer Hinficht in 
den Spectafelftüden zu, welche während der Anweſenheit der 
famojen Tourniaire'ſchen Kunftreitergefellichaft den höchſten Glanz 
erreichten. Wäre die Direction B. 8. S. ſelbſt in der Lage 
geweſen, eine Menagerie, einen Marftall und eine Jongleurtruppe 
zu unterhalten, fie hätte vielleicht auch für fich allein brillante 
Geſchäfte gemacht, jo aber mußte fie fich mit Tourniaire in den 
Ruhm und in die Beute theilen. Tourniaire's Circus, Advinent’s 
Affentheater und Chiarini's Afrobaten, eine Zeit lang auch Van 
Aken's Menagerie, nahmen fo vollfommen das Intereſſe der 
Prager in Anſpruch, daß Xhalia und Dtelpomene glücklich fein 
mußten, wenn fie unter dem Beiftande einer diefer erhabenen 
Geſellſchaften in aller Beſcheidenheit fort exiftiren durften. Ganz 
Prag war in Bewegung, ald Tourniaire's berühmtes, 10 Fuß 
8 Zoll hohes Elephantenweibchen Bezz y ſich mit langen Schritten 
der Hauptjtadt näherte. Wie intereffant war doch dieſe Bezzy! 











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Man erzählte Charakterzüge von ihr, die einem zartbefaiteten 
Damenherzen Ehre gemacht hätten. Wie zärtlich und uneigen- 
nügig liebte Bezzy ihren treuen Freund, einen Schimmel, der ihr 
auf allen Reifen als Leitftern voranging, und dem fie folgte wie 
das Käthchen dem Grafen Wetter vom Strahl! Als der Schimmel 
jtarb und ein ihm völlig ähnlicher dem Elephantenmweibchen bei- 
gefelft wurde, erfaunte die Didhäuter-Dame fofort den Betrug, 
legte ſich voll Sram nieder und nahm drei Tage und drei Nächte 
feine Nahrung zu ſich, bis endlich auch das zweite Roß ihr Herz 
zu erobern wußte und in die echte feines Vorgängers trat. 
Wundert man fich nach der Schilderung einer derartigen weich— 
herzigen Künftlerin noch, daß ſich die Prager in erfter Linie dem 
Circus Qurniaire und erft in zweiter dem kgl. Theater zuwandten! 
Nur wenn fich die Theaterdirection mit der Cicusdirection zur 
Vorführung großartiger Spectafeljtüde mit militäriichen Aufzügen 
und Manövers, Spanischen Tänzen und Thierproductionen verbündete, 
fonnte jie auf allgemeine Zheilnahme rechnen. Die Spectafelftüce 
„Fra Diavolo”, „Zimur”, „die Belagerung von Ocakow“ u.f. w. 
machten den bedeutendjten Novitäten und den intereffanteften Gäften 
des Schaufpielrepertoires erfolgreich Concurrenz, und der junge 
Benoit Tourniaire, deſſen Bruder Francois und Schweiter 
Adelaide cbenfo wie Mr. Armand wurden populär wie Bayer, 
Polawsky, Feiltmantel. Webrigens hatte fich die Direction fchon 
früher wiederholt die Mitwirfung von Zänzern und Akrobaten— 
geſellſchaften wie der Familie Gärtner bei Aufführungen von 
Spectafelftücden gefallen laſſen, und jelbft die alten Arlequinaden 
mit Sur. PBantalone, der Eolumbine und Mr. Pierrot waren des 
feidigen &elderwerbs willen (1825) wieder zum Leben erwedt 
worden, allerdings nur in der Form großer Pantomimen („Ar- 
lequin als Schneidergefelle”, „Arlequin’s fenerfprühendes Zauber: 
Schwert" u. |. w.). 

Als erfreulihe Ereigniffe neben Bäuerle's Zauberfpielen, 
unter denen 3. B. „Prag, Baris, London und Konftantinopel”, 
„Aline oder Prag in einem anderen Welttheile“ (focalifirt von 

tepanek) u. A. Repertoirejtücde waren, find die erften Aufführungen 


— 190 — 


der Raimund'ſchen Zaubermärchen zu verzeichnen, melche 
ja auch in diefe Epoche fielen. Am 10. Mai 1825 befamen 
die Prager zum erjten Male den „Diamant des Geiſterkönigs“ 
mit Feiftmontel al „Wajchblau” und Mad. Allram als „Ma: 
riandl“, am 7. April 1827 den „Bauer als Millionär” mit 
Teiftmantel als „Wurzel“ und der graciöfen Binder als „Jugend“, 
im Jahre 1828 „Moifafurs Zauberfluh” mit Feiftmantel als 
Gluthahn zu ſehen. Im „Alpenkönig“*) ftand Moritz in der 
Titelrolle, Polawsky als „Rappelkopf“, Feiſtmantel als „Habakuk“ 
in der vollen Gunſt des Publicums. Daß Neſtroy's damals 
in Prag erjcheinende Tuftige Yagabunden Zwirn und Knieriem 
(Feiftmantel und Spiro) auch hier wie itberall mit Jubel begrüßt 
wurden, braucht kaum verfichert zu werden. Aber die Nanten 
Raimund und Neftroy bezeichneten auc Alles, was auf dem Ge— 
biete der Poſſe Hervorragendes zu fehen war. Mochte Feiſtmantel 
noch fo oft fein Talent leuchten laſſen, nene Stücke konnte er auch 


*) Aus Anlaß der Ueberlaſſung des „Alpenkönig“ an die Prager 
Bühne richtete Raimund folgenden in mehrfacher Hinficht intereffanten 
Brief an Stepanet: „Hocdmohlgeborener Hr. Director! Werehrtefter 
Freund! Der Preis des „Alpenkönig“ ıft nicht höher als der de3 „Mädchens 
aus der Feenwelt“, bei bem Sie doch Ihre Rechnung gefunden haben. Ein 
gleiches Glück hat der „Alpenkönig” auf allen Theatern gemacht, mo er 
aufgeführt worden ift; doch laſſe ih Ihnen Decorationen, Coftüme und 
das Modell der Maſchinerien bes 1. Actichluffes Tiefer, welches auch auf 
10 fl. fommt. Was die „gefeflelten Phantafie” betrifft, welche ich Ihnen 
um 150 fl. angeboten habe, fo ift es mir nicht in den Sinn gelommten, fie 
umzuarbetten, und ihr durch eingelegte Narretheien und epifodiihe Scenen 
die Einfachheit zu rauben, welche ich bei ihrer Verfaſſung im Auge hatte. 
Das Stüd erfreut fi) in Wien bei der jedesmaligen Aufführung enthufta- 
ftiichen Beifalld, nur der Zuſpruch ift nicht fo gut wie bei den anderen 
Stücken: bag liegt einestheilß in ber fatalen Ehre, welche man mir erweiit, 
zu jagen: das Stüd ift zu gut für die Leopoldftädter Bühne, andererjeit3 
in der nicht glüdlichen Belegung bei der 1. Aufführung. Ceit Hr. Lubolf 
die Nolle des Narren Spielt, bat fie dreifach gewonnen. Wenn ber aus: 
gezeichnete Künftler Bolamsty mir die Ehre erzeugen mollte, fie dar: 
zuftellen, fo bin ih von ihrer Wirkſamkeit überzeugt. Der Harfenift  ift 
eine gute Rolle für Feiſtmantel.... (folgen ſceniſche Anordnungen) .... 
Bei dem „Alpenkünig” iſt die genaue Aehnlichleit ber Perfon nicht unum⸗ 


— — ——— 


— — — 


— 151 — 


nicht Schaffen, ja es kam fo weit, daß man im Jahre 1830 
bereits das Grab der Poſſe gegraben ſah. Ein Mittel, mit dem 
fih die Direction, jo oft e8 ging, aus der Verlegenheit half, waren 
nach wie vor die Quodlibets, theild Opern-, theils Poſſen⸗ 
und Schaufpiel-, theils aus allen Genres durcheinandergemwürfelte 
Quvplibets. Ye toller fie waren, deſto beſſer gefielen fie, je 
ernfter, defto Tangweiliger waren fie. Eine andere nicht eltene 
Erjcheinung auf dem Nepertoire waren die Melodramen, von 
denen wir bereit3 einige, die unter der Flagge von Thiervirtuofen 
jegelten, Tennen gelernt haben. Den nachhaltigſten Erfolg hatte 
das Melodram „Yelva” oder „Die Stumme von Rußland” mit 
Mad. Binder in der Titelrolle. 


Bei all’ den widrigen Verhältniffen, mit denen das eigentliche 
Schaufpiel unter der Regierung des Triumvirats zu Tämpfen 
hatte, ließ es doch den alten Ruf der Prager Bühne noch immer 
nicht zu Schanden werden. Eingeſchränkt und beengt auf allen 
Seiten, bewahrte es doc) die Fähigkeit, ſich unter beijeren Ver⸗ 


gänglich, die Kleidung wirkt viel. Rappelkopf wird von mir nicht localifirt 
und dürfte feine Rolle für Feiſtmantel fein, welcher für die halb-locale 
Rolle des Habakuk paßt. Der Abſchiedsſang in der Köhlerhütte muß jehr 
langfam nnd mit bemegtem Gemüth vorgetragen werden.... Indem ich 
mich Ihrer Freundſchaft empfehle, habe ich die Ehre mit ausgezeichnetiter 
Hochachtung zu zeichnen Ihr innig ergebener F. Raimund. 

26. Juni 18%. 

Bor ber Aufführung des „Mädchen aus ber Feenwelt“ hatte Raimund 
geichrieben: „Sch Hoffe, daß die Vorficht, welche ich in meinen Stüden gegen 
bie Wiener Cenfur beobachte, mir auch dag Vertrauen der Prager erwerben 
werben, denn meine Stüde fommen beinahe jo unverändert aus den Händen 
ber Ceuſur wie fie eingefendet worden find. Das Honorar dieſes Zauber: 
ſpiels iſt ſammt Partitur 100 fl. C. M. Nur ben feitftehenden Bühnen 
babe ich beichloffen, meine Stüde zu verfaufen, damit fie erſtens nicht zum 
Nachtheil meiner Ehre verdreht und verftümmelt aufgeführt werden und 
damit ich mich vor dem gemeinen Schleihhandel bewahre, der, wie mid 
die Erfahrung belehrt, mit Theaterftüden getrieben wird, Ahr ꝛc. ıc. 

Ferd. Raimund, 
Regiſſ. des Theaters in der Leopoldftadt. 

Wien 7. Dec. 1826, 


— 192 — 


hältnifjen zu einer bejjeren Eriftenz emporzufchwingen.. Das Haupt- 
verdienſt gebührt dem Perſonale, das einen fo harten Kampf mit 
dem verdorbenen Gefchmade und den trivialen Neigungen des 
Publicums zu kämpfen hatte und das fi — wie wir gejehen — 
auch von dem Schwindel des Virtuoſenthums nicht mit fortreißen ließ. 
Anton Miller gab dem recitivenden Schaufpiele das Zeugniß, 
„Daß es unter der Direction B. 8. S. die erfreulichften Fort— 
Schritte gemacht Habe und fich ähnlichen Inſtituten nit vollem 
Selbftbewußtjein anrveihen könne. Das achtbare Berfonal" — 
ichrieb er — „bat es dahin gebracht, daß ſelbſt Aufführungen 
mittelmäßiger Stüde auf die Mängel derfelben vergeflen machten 
und daß eine Vernachläſſigung des Spiels in guten Stüden zu 
den Seltenheiten gehörte. Es hat ſich allmälig eine Schule ge: 
bildet, nach welcher die Mehrzahl des Schaufpielperfonals nicht 
durch declamatorifchen Flitter und Kualleffect, nicht durch über- 
ladene Gefticulationen und keckes Ueberfpringen der Grenzen des 
Natürlichen zu glänzen und bereitwillige Hände in Bewegung zu 
jegen jucht. Vielmehr geht das Hauptitreben auf Charafter- 
entwidelung ınd Charaftereinheit und auf die zweckmäßige Unter: 
ordnung der Mimik unter die Rede". Den Mitgliedern, die jo 
die Fahne echter Künſtlerſchaft hochhielten, gebührt eine nähere 
Betrachtung. 

Viele von den Kerntruppen, die einft Papa Liebich unter 
feinen ahnen gehabt, waren gegangen, noch aber ftand in den 
Zwanziger und Dreißiger Jahren des Triumvirats ein ftarfer 
Stamm aus jenen goldenen Tagen, an dem fich ſchöne umd junge 
Talente vielveriprechend emporranften. An der Epibe der Stamm: 
truppe Stand Director Polawsky; die Xheaterauffihtscon- 
miffion, welche mit ihrer Anerkennung nicht eben freigebig war, 
fonnte nicht umbin, ihm bei Gelegenheit eines Hauskaufes das 
Zeugniß augzuftellen, „daß er ala Mitglied ſowohl wie als Mit- 
unternehmer und Mitdirector der Bühne fi) durch feine untadel- 
hafte Moralität und ein vorzüglich gebildetes Benehmen vortheilhaft 
ausgezeichnet, in feinen mimijchen Darftellungen aber ſich den Ruf 
hoher Ausbildung und Vollendung erworben und insbejondere als 








— 153 — 


Mitunternehmer jederzeit beigetragen habe, wohlthätige Zwecke zu 
fürdern”. 

Bayer ragte noch immer ftolz über den jüngeren Nachwuchs 
empor. Er ftand jegt am Ende feiner zweiten und ſchon ſtark in 
feiner dritten Periode. Noch glänzte er als Macbeth, Fiesco, 
Götz, aber fchon Hatte er auch die friedländifche Herzogswürde 
inne und verwaltete des Wallenfteiners Amt mit feltenem rnit 
und Eifer. Als am 11. Jänner 1830 „Wallenfteins Tod” zu 
Bayer’s Benefiz in Scene ging, jtrömte das Publicum mafjenhaft 
herbei, und es gab — trotz der der Tragödie im Allgemeinen 
nicht günstigen Geſchmacksrichtung — einen Enthufiasmus, wie er 
noch felten dagewejen war. Die Kritik bezeichnete Bayer's Leiftung 
als „einen der jchönften Glanzpuncte in der Gefchichte des Prager 
Theaters", 

„Bayer's Maske verrieth“ — jo jchrieb Brof. Ant. Müller in der 
„Bohemia” — „eine faft porträtähnliche Hoheit und fiuftere Strenge, feine 
Haltung war majeftätifch, ohne das Meinliche Streben nach bloßem Schein 
ber Majeftät, fein Gang der eines Menfchen, ber fidher auftritt, ohne auf 
feine Schuhlpige zu fehen, und er hütete fi) vor jedem Effecte, ber feinen 
legten Grund eigentlid nur in dem eitlen Gefchäfte des Durchfägend der 
Luft bat, die im Schaufpielhaufe einem Strobhalme ebenfo willig nachgibt 
ald einem musculöfen Arme ober Beine — fo konnte fich das furcdhtbare 
Meteor, das fih aus dem Schooße des Böhmerlandes erhob und an 
Böhmens Grenze nieberfiel und verlofch, ſchwerlich mit ruhigerer Majeftät 
bewegen und fi vor feinem Vergehen zu fchanerlihen Schwüngen auf- 
raffen, als der würdige Darfteller eines der fühnften dramatifchen Gebilde...“ 

Schon einige Tage vor einer folhen Wallenftein-Borftellung 
war Bayer unnahbar; in den Herzogsmantel gehüllt, durchmaß er 
mit großen Schritten die Zimmer feiner Wohnung und wehe Dem, 
der fich dem geftrengen Friedländer mit Außerachtlaſſung des 
nöthigen Refpectes in die Nähe wagte! Als feine Frau ihm einft 
am Tage einer Wallenftein-Vorftellung Linfen als Zuſpeiſe vor- 
fete, braufte Bayer-Wallenftein auf: „it das ein Eſſen für den 
Herzog von Friedland?" Am Abend nad) der Vorftellung mußten 
ih feine Gaſthaus⸗Genoſſen in Acht nehmen, den allerdings fchon 
verftorbenen Wallenfteiner nicht zu veizen. — Dem Wallenſtein 
veihten ſich Bayer's „Lear”, „Odoardo Galotti”, „Michel Angelo”, 


— 14 — 


ſpäter „Falftaff”, „Verrina”, „Oberförfter” in den „Jägern“ u. f. w. 
wirdig an. Daß er fchon zeitig in's Charafter- und Väterfach 
überzugehen und auch hier zu ercelliven verjtand, bewies auch fein 
„Reinhold" im „Müller und fein Kind“, ven jelten ein Künſtler 
birtuojer zu Tode gehuftet hat. Als Schriftfteller entfaltete Bader 
in den Zwanziger Jahren eine Zeit lang eine vege Thätigkeit. 
1822 und 1823 war er fleißiger Mitarbeiter der von Schießler 
und Gerle und zulegt von Caroline Woltmann redigirten Beitjchrift 
„Kranz“, an welder M. ©. Saphir, C. E. Ebert, Herloßjohn, 
Drärler-Manfred, Wilhelm Marſano, Rudolph Glaſer mitarbeiteten. 
Auch im Sonett verfuchte ſich Bayer und, der Parodie⸗Manie feiner 
Beit folgend, fehrieb er fogar eine Parodie des dritten Actes der 
„Räuber“, „Der Weg zur Kunst" betitelt, welche wiederholt auf- 
geführt wurde. 


Eine andere Künstlerin aus der Xiebich’ichen Aera, die un- 
verwüſtliche Brunetti, bejchloß mit Ende der Zriumbirats- 
Regierung ihre Fünftlerische Thätigfeit. Am 26. April 1834 feierte 
man ihr Abfchiedsbenefiz; ein Prolog von Balentin Ernſt galt 
dem Preiſe ihrer in 36jähriger Activität erworbenen Verdienſte; 
das Bedanern, die Künftlerin penfionirt zu jehen, war allgemein. 
Andauernde Kränklichkeit hatte fie gezwungen, der ferneren Bühnen- 
thätigfeit zu entjfagen. Noch in den Zwanziger Jahren hatte die 
üppige Frau manches Männerherz entzüdt, und nad) dem Tode 
ihres Gatten, des leichtfüßigen und leichtlebigen Brunetti, dem 
Orcheſtermitgliede Knize die Hand gereicht,*) der — ein treuer 
Nitter Toggenburg — oft genug nächtlicher Weile vor ihrem 
Fenſter concertirt hatte. Die Ehe währte nicht lange, Knize jtarb 
wenige Jahre nad) feiner Verheiratung im Bade auf der Sophten- 
injel. Schwer genug war es der fchönen Brunetti geworden, ing 
Tach der Mütter überzugehen, aber auch in diefer Sphäre leiftete 
fie Meifterhaftes. Man hat felten fo ſchöne Großmütter auf der 
Bühne gefehen als die von ihr vargeftellten. Ihre Schönheit in 
jüngeren Jahren war jo überwältigend, daß fie einft bei einem 


*) Siehe IL Band. 





— 155 — 


Bejuche des Irrenhauſes von einem Irren ald Madonna ange 
betet wurde. Oft in ihrem hohen Alter — fie wurde über 80 Jahre 
alt — betrachtete fie ein herrliches Gemälde, das fie in der Fülle 
der Schönheit als Silvana darftellte, mit Wehmuth. „Würden Sie 
glauben," jagte fie dann wohl zu einem Beſucher, „daß jenes 
herrliche Weib und diejes alte Mütterchen da diefelbe Perjon find ?" 
Tran Brunetti war eine jener Frauen, die nie altern wollen und 
fi) gegen das unerbittlihe Walten der Naturgefege mit allen 
Kräften auffehnen, dann aber verbittert ihr Geſchick anlagen. 
Sie, die des Lebens Freuden ausgefoftet, die taufend Triumphe 
als Frau und Künftlerin gefeiert hatte, Magte oft, wie wenig ihr 
das Leben geboten, wie wenig fie geoffen habe. Nie Konnte fie 
in den Spiegel fehen, ohne entjegt über die nicht hinwegzuleugnenden 
Spuren des Alters zurüdzufahren. Bis zum lebten Augenblicde 
aber erjchien fie ſauber umd nett in ihrer Erfcheinung, eine Stunde 
täglich war der Toilette geweiht. An die Erfolge ihrer Küntler- 
laufbahn dachte fie oft mit Wehmuth und Stolz zurüd, ihre 
Lieblingsrollen waren die Elifabeth in „Maria Stuart" und die 
„Marie“ im „Elavigo” gewefen; wenn fie aber an die Männer 
dachte, welche einjt nach einem milden Lächeln ihres Antliges ge- 
Ihmachtet Hatten, nanute fie ftetS mit einem ftillen Seufzer den 
Namen Earl Maria v. Weber. So wie er hatte Keiner fie ge- 
liebt, und fo wie ihn hatte fie Keinen gekränkt und gequält. Als 
Greifin pflegte Frau Brunetti mit bejonderer Vorliebe — philo- 
ſophiſche Studien ; das Reſultat ihrer Forſchungen war der Spruch, 
die Natur ſei nichts als Augenverblendung. Zange Jahre hin- 
durch Tebte jie als Penfionärin in dem Haufe Nr. 19 in der 
Heinrihsgaffe und jtarb in einem Haufe am Francisfanerplag. 
Außer ihrer Tochter Reli hat fich auch ein Sohn der Brunetti 
auf der Prager Bühne verſucht — ohne in die Yußtapfen der 
Mutter zu treten. 

Faſt gleichzeitig mit der Brunetti trat ebenfall® nach 36jähriger 
Dientzeit der alte Komiker Allram von den Brettern ab; über 
60 Jahre war er ein treuer Jünger Thaliens gewejen, jein Name 
ift eng verflochten mit der Gefchichte des Prager Theaters. Seite 





— 156 — 


Frau, die brillante Soubrette, wirkte als komiſche Alte wader 
fort. — Unerfchütterlich feit in der Gunft des Publicums ftand 
Feiftmantel da. Der Kreis feiner Glanzrollen wuchs mit 
jeden Jahre; er war die Stütze des Nepertoires, nicht felten kam 
es vor, daß er in 20 Tagen 13mal auf den Brettern ftand und 
zwar ftets in großen Rollen. Mochte er nun als Barometer: 
macher, als Spindelheim in der „Fee aus Frankreich”, als Haar: 
beutelfabrifant Schmierampel in „Lindane”, als Parapluiemacher 
Staberl, als Habakuk, Gluthahn, Wafchhlau oder Wurzel alle 
Quellen feiner Komik fließen laſſen — ſtets jchallte ihm der Jubel 
des Publicums entgegen, das jelten einen jo ausgefprochenen Lieb— 
ling beſeſſen Hatte, wie ihn. — Sein AMjiftent im Neiche des 
Humors war Schilaneder, der es fih in den Kopf gefebt 
hatte, zu jedem feiner Benefize eine neue Volle zu jchreiben. Leider 
hatte er Feine glüdliche pofjendichterliche Ader. Am beiten ge- 
langen nod feine Parodien; einzelne feiner Poſſen, z. B. „Kilian 
Noferl” erhoben den Blödfinn zur höchſten Potenz. — Ein be: 
gabter jüngerer Komiker war Herr Spiro, der aud einzelne 
Rollen Feijtmantels mit Geſchick durchführte. 

Auch unter den Acquiſitionen der Dreimänner-Ditection waren 
beachtenswerthe und gefchägte Kräfte, Wir nennen zunächſt Heinrich 
Moritz (recte Mürrenberg*), der ſich 1826 als jugendlicher Held 
einführte und u. W. den Templer in „Nathan"” und Don Cäfar 


— 





*) Morib war 1800 in Leipzig geboren, beiuchte die dortige Thomas= 
Schule und. danıı die juriftiiche Yacultät der Univerfität. Ein Diell, in 
welchem er ernftlih vermundet wurde, unterbrady feine Studien. Das 
Theater und die Lectüre dramatiſcher Dichtungen befchäftigte ihn nun faft 
ausſchlieoͤlich und befeftigte feinen Entſchluß, fi der Bühne zu widmen, 
Küftner nahm den Studenten freundlich auf, ließ ihn als Raoul in der 
„Jungfrau v. Orleans“ debntiren, doch bot ihm die Leipziger Bühne zu 
wenig Beihäftigung; er fuchte bei Heinen Gefellihaften in Böhmen und 
Sadjfen Praxis, war daun 1821—23 in Brünn, 1823 am Iſarthortheater 
in München engagirt, wo er als eriter Kiebhaber fo gefiel, daß man ihn 
an's Hoftheater berief. Ein Gaftfpiel in Prag (1826) hatte fein Engagement 
zur Folge; von Prag aus gaftirte er in Leipzig, Dresden, Wien u. ſ. w. 
und erweiterte feinen Auf. 











— 157 — 


in „Donna Diana” mit Erfolg fpielte, bald aber im heiteren 
Genre die größeren Erfolge errang. Erjt in ihm erblidte man 
einen würdigen Erfah Löwe's. — Morig war ein ſchöner, blonder 
junger Dann von gefunden, elegantem Humor im Quftipiel, Feuer 
und Kraft in der Tragödie. In „Wallenftein” glänzte er neben 
Bayer als „Max“, in „Kabale und Liebe” als Ferdinand. Eine 
jeiner Glanzrollen war der „Klingsberg“. Man wußte nicht, ob 
ihm bier der Ausdruck deutjcher Offenheit und Gutherzigkeit oder 
franzöſiſcher Leichtigkeit und Routine im Umgange oder der dem 
Klingsberg eigenen fchalkhaftigen Liebenswürdigkeit beffer gelungen 
jei. Ueber das harmoniſche Ganze war jo viel Geift und inneres 
Leben gebreitet, daß man dieſem Klingsberg gut fein mußte, 
Neben ihn bot Polawsky als alter „Holm“ einen wahrhaft 
fünftlerifchen Genuß! Moritz gehörte der Prager Bühne von 
1826—1833 an, eines Tages aber zeigte der Zettel an, daß 
„wegen plöglichen Abgangs des Herrn Moritz“ die angekündigte 
Vorjtelung nicht jtattfinden könne. Moritz hatte ohne Abfchied 
Prag verlaflen und ging nad) Stuttgart, wo er rajch Terrain 
gewann und ſogar zu den gefährlichjten Gegnern Seydelmann's 
wurde. 1838 übernahm Mori an Stelle des letzteren die Regie, 
die 1841 zur Dberregie wurde und Moritz einen bedeutenden 
Einfluß auf die Gefchide der Stuttgarter Hofbühne ficherte. Seine 
talentvolle Tochter fuchte ebenfalls auf der Bühne ihre Triumphe, 
vermälte ſich jedoch ſpäter mit dem Profefjor der Nationaldfonomie 
an der Prager Univerfität Dr. Carl Thomas Richter, nad) 
deſſen frühem Tode fie dramatischen Unterricht ertheilte und vor: 
üibergehend als Lehrerin der Declamation am Prager Conferva- 
torium wirkte (1883). Gegenwärtig lebt Frau Morig-Richter in 
Wien. Der Name ihres Vaters wird den beften in der Gefchichte 
der deutfchen Schaufpielfunft zugezählt. 

„Moritz' Daritellungsweife” — jo jehildert man ihn in feinem Wirken 
in Stuttgart — „ist im beftem Sinne des Wortes modern. Er verihmäht 
eö, die blofe Rührumg des Publicums zu erregen, er will mehr dem Maler 
gleichen, der ein Sharafterbilb bis in die feinften Züge ausmalt. Seine 
Geſtalt ıft nicht zu body, aber kräftig, die Züge ausdrudsvoll, ohne im— 
ponirend zu fein, das Organ wohlflingend aber großer Anftrengung nicht 


fähig. In der Tragödie gehören Don Carlos, Othello, Romeo, Richard 
Savage u. ſ. w. zu feinen beften Rollen. Im Ruftipiel hat er als Lieb- 
haber mit einem Anflug von Blafirtheit und Gederei, als Tomifcher Be: 
dienter der verſchmitzten Art ftet3 die lebhaftefte Heiterkeit gemedt. Ale 
Regiſſeur Hat Morig dad Verbienit, jungen Sünftlern den Weg auf bie 
Bühne zu erleihtern. In diefer Beziehung fomwie darın, daß er alte gute 
Stüde wieder dem Bublicum nahe brachte, hat er wahrhaft Anerkennens- 
werthes geleiftet.“ 

Ein anderer waderer Darfteller, Valentin Ernft, der 
Gatte der Primadonna Ernſt, wird uns od) in fpäteren Berioden 
begegnen; er war ein verftändiger, denfender Schauspieler von 
einnehmendem Aeußeren und echter Kunftbegeijterung, die 3. B. in 
jenem Marquis Poſa glänzend hervortrat; leider bejchränfte 
fein unglücdliches Organ den Kreis feiner Rollen in erheblicher 
Weife. Ernft machte Verſe und war ein cifriger Prologdichter; 
ein Operntert, den er dem Sapellmeifter Sfraup lieferte, fiel 
ziemlich unglücklich aus. 

Hervorragende Fünftlerifche Erjcheinungen waren die Damen 
Herbft, Nina und Friederike, jene ausgefprochene Heroifte, dieje 
jentimentale Liebhaberin. Nina Herbft, eine Bragerin, hatte — wie 
befannt — das Confervatorium abfolvirt, fi aber ſpäter ganz 
dem Scaufpiel zugewendet, wofitr jie ein Hangvolles, mächtiges 
Organ mitbradhte. Als „Jutta in Ebert's Drama, als „ung: 
frau von Orleans”, als Elifabeth in „Maria Stuart” feierte fie 
Triumphe, alle ihre Leiftungen hatten einen großartigen Zug, fie 
war eine Schauspielerin von Gottes Gnaden. — Friederife 
Herbft (mit Nina nicht verwandt) wirkte Tänger an unferer 
Bühne und Hat ihr Andenken noch bis auf unfere Tage frifch 
erhalten. Sie war intereffanter Abftammung; 1803 zu Te— 
mesvar als die Tochter einer polnijchen Gräfin geboren, welche 
bald nach der Geburt diefes Kindes ıhren Gatten, den Schau- 
jpieler Herbſt, verließ,*) wurde fie im Alter von zwei Jahren 

*) Marfgraff:Herloßjohn Theaterlex. — Dies fonderbare Verbältnig 
behandelt ein Buch „Merkwürdigſte Lebensepoche des Schanfpielers H—ım, 
jest H—od oder deilen Liebes⸗, Leidens- und Eheſtandsgeſchichte mit der 
Gräfin von B—a. 2 Theile, Altona 1805—1806”. Herbft vermälte ſich 
päter mit einer Schaufpielerin. 








— 159 — 


in einer Erziehungsanftalt zu. Breslau untergebradit. 1815 
nahın fie, nachdem ihr Vater gejtorben war, Ludwig “Devrient in 
jein Haus auf, verjchaffte ihr Gelegenheit, auf dem Berliner 
Liebhabertheater „Urania” zu debutiren, wo fie auch im Alter 
von kaum vierzehn Jahren als Toni einen großen Erfolg hatte. 
Sie fand hierauf Engagement in Magdeburg und fpäter bei der 
Faller'ſchen Geſellſchaft. Ms Mitglied diefer Truppe fpielte fie 
1820 in Warmbrunn, wurde vom Grafen Clam-Gallas gefehen 
und Holbein empfohlen, der fie in Prag gaftiren ließ und aud) 
auf einige Zeit engagirte; doch ging fie von Prag bald nad 
Brünn, Breslau, Graz, Wien (Theater a. d. Wien) und Ham— 
burg und trat erſt 1829 definitiv das Prager Engagement an, 
das fie Jahrzehnte im Verbande der Landesbühne erhielt. Friederike 
Herbft machte von Prag aus wiederholt Gaftjpielausflüige, auch 
an das Burgtheater, und trug überall Erfolge davon. Ihre „Minna 
von Barnhelm”, Marie im „Müller und fein Kind" u. ſ. w. 
waren Deufterleiftungen. Die „Fenella“ in der „Stummen von 
Portici“ kam erſt durch fie, die gewiegte Schaufpielerin, zur rechten 
Geltung. Ste wirkte bi8 1854 in Prag, trat dann in den Ruhe— 
jtand, gab dramatifchen Unterricht und ftarb am 23. uni 1866 
in Prag. 

Ihre VBorgängerin in Prag war Nolalia Wagner aus 
Dresden gewejen, welche im Frühjahr 1826 als Küthchen von 
Heilbronn, Elife Balberg, Julie, Marianne („Geſchwiſter“) u. ſ. w. 
debutirte und als junge, fchöne, reichbegabte Schaufpielerin freund⸗ 
liche Aufnahme fand; im Sommer trat Dem. Wagner in’8 Enga- 
gement, mit ihr auch Clara Wagner, ihre Schweiter, die fich als 
Zerline in „Don Juan“ glüdlich einführte. 1829 löſte Friederike 
Herbit die Schöne Wagner ab. — Mad. Schmidt vom Leipziger 
Stadttheater feierte im Sommer 1826 als Donna Diana, SYeanne 
d' Arc und Orfina Triumphe, und follte das hochtragifche Fach 
bejegen; beide Künftlerinen, Rofalia Wagner und Mad. Schmidt, 
blieben jedoch nur bis 1828 im Prager Engagement. 

Einen dauernden Gewinn bedeutete die Acquifition von Ma⸗ 
dame von der Klogen — fpäteren Madame Binder. Dieje in 





— 160 — 


Prag unvergeſſene Künftlerin (geb. Mayer) war am 9. Nov. 1801 
zu Schleswig als Schaufpielerfind geboren worden und wuchs 
fozujagen im Theater auf, wo fie bereits als jechsjähriges Kind 
als Knabe Dtto in der „Schuld” ihr erftes ‘Debut bejtand. Ihrer 
Mutter folgte jie nach Dresden und Leipzig, ſtudirte als Vor- 
bilder eine Haendel⸗Schütz, Bethmann u. ſ. w. und betrat als 
hold erblühende Jungfrau die Theater zu Petersburg und Neval, 
wo Kotzebue einen bejonderen Einfluß auf ihre Tünftleriiche Ent- 
widelung nahm. Im Fache der Naiven und Sentimentalen be- 
ftridie ſie durch die herzgewinnende Friſche und Natürlichkeit ihres 
Weſens, im Tragiſchen ergriff fie durch mächtiges und urjprüng- 
liches Empfinden. In Lübeck reichte die ſchöne Schauſpielerin 
dem lievländiſchen Edelmann Baron von der Klogen die Hand, 
und dieſer Ehe entſtammt ein Sohn, der heute in der ruſſiſchen 
Armee als einer der bedeutendften Ingenieur-Generale glängt. 
Nah dem Tode ihres Gemals, der den Rang eines wufischen 
Staatsraths bekleidete, vermälte fie fih mit dem Tenoriften 
Binder, doch war ihre Ehe feine glücliche, Mad. Binder blieb der 
Prager Bühne treu, während ihr Gatte in göttlichem Leichtfinn 
fein herrliches Organ und feine reichen Einnahmen in Wien 
verjubelte und dem felbftbereiteten Elend entgegenging. Dreißig 
volle Jahre (1824—1854) gehörte fie dem Landestheater an, ihr 
Ruf war verbreitet in der ganzen deutſchen Bühnenwelt, fie 
war eine der erſten deutſchen Darjtellerinen, welche der Huldi- 
gung des Belräuzens und Blumenwerfens theilhaft wurde. ALS 
Mad. Binder 1824 in Prag gajtirte, fand fie begeifterten Beifall; 
ihr Dresdener Contract wurde mit bedeutenden Opfern gelöit, 
ja man verpflichtete fich jogar, ratenweife ihre Dresdner Schulden 
zu bezahlen. Als Liesli im „Alvenröglein" eroberte die Debu— 
tantin im Sturme die Herzen der Prager, und dieſe Belicht- 
heit fteigerte fich mit jeder neuen Rolle. Frau von der Klogen 
oder Mad. Binder, wie fie nah ihrer Wiedervermälung hieß, 
war die beſte Margarethe in den „Hageftolzen", ein entzücken— 
des Käthchen, ein allerliebites Pfefferröfel — eine würdige Nach- 
folgerin der unvergeplichen Nenner» Holbein. Aufjehen machte 








— 161 — 


ihre Finftlerifche Leiſtung als Nelva in dem gleichnamigen Melo- 
dram. Sie gab das ftumme ruſſiſche Mädchen, das durch Entjeßen 
jeine Sprache verloren hat und fie durch Entjege : wiedergewinnt, 
hinreißend. „Wenn ich je verfucht wurde” — fchrieb ein Kritiker 
iiber dieje Leiftung — „Statt eines begründeten Urtheils in Varia: 
tionen über das Thema „Schön!” anszubrechen, jo war eg au 
dem Abende, da ich Yelva ſah. Wenn man das lange Nad)- 
fingen eines Meotives fir einen Beweis feiner Schönheit, und 
die umwillfürliche Neproduction eines Bildes für einen Beweis 
feines äjthetifchen Werthes gelten laſſen will, fo muß fid) die 
„Helva“, von unferer Binder dargeftellt, Jedermann anf dei 
erſten Anblid als ausgezeichnet bewähren..." Solche Kräfte — 
wir zählen noh dein jüngeren Haas, der 1826 als begabter Ne: 
präfentant gefegter Liebhaber und jugendlicher Intriguants von 
Beit nad) Prag kam, dazu — mußten nun wohl ein Enſemble 
geben, das trog widriger Verhältniſſe den Fünftlerifchen Auf des 
Prager Schauſpiels in Ehren bielt. Konnte auf einer Bühne 
Gediegeneres geboten werden als eine Walfenftein-Vorftellung mit 
Bayer, Morig (Mar), Fried. Herbft (Thekla), Nina Herbft (Gräfin 
Terczky), Polawsky (Octavio), der Brunetti (Herzogin)? Und auch 
die weniger in erſter Reihe ſtehenden Kräfte, wie Grabinger, 
der bie und da ſelbſt in Polawsky'ſchen Rollen wacker einſprang, 
Grau, Dietrich, Dolt, der 1832 als Baron Gluthen de— 
butirte und auf ein Jahr engagirt wurde, aber erſt einige Jahre 
ſpäter als erfte Kraft wiederfommen follte, fie Alle trugen zum 
Anfehen des Ganzen das Ihrige bei.*) 





*, Die Berfonallifte des ftänd. Theaters unter dem Triumvirat 
wies 1833 folgende Namen, Monat3-Gagen und Benefiz:Berchtigung auf: 

1. Schauſpiel: Mad. Binder 108 fl. 20 fr., ganzes Benefice; Mad. 
Brumetti 100 fl., halbes Benef., Diles. Nina und Friederike Herbft, 
jede 83 fl. 20 fr., halbes Ben, Mad. Ill ner 28 fl. 20 kr., h. B., Die. 
Roſcher 19 fl. 52 fr., Herr und Mad. Allram zuſammen 125 fl., ganzes 
Ben., Herren Bayer 15 fl, g. B., Bolze 66 fl. 0 kr. Dietrich 
40 fl., h. B. im Abonnement, Eruft 83 fl. 20 fr, h. B., Feiſtmantel 
133 fl. 20 &., 9. B., Grabinger 50 fl, 58 mM, Grau 40 fl. 
h. B. im A., Kiffel is fl. 36 ii, Biel 12 fl, Dolt 33 fl. 20 kr., 

11 


— 162 — 


Die Direction war aber auch bemüht, Kunſt-Celebritäten 
jedes Genres zu Gaſtſpielen nah Prag zu ziehen. Faſt Alles, 
was Deutfchland an Größen beſaß, fand fid) während der zehn- 
jährigen Regierung des Zriumvirats ein oder mehre Wale in 
Prag ein. Da erjchienen vor Allen — wir jehen vorläufig von 
der Oper ab — die alten Liebichianer oder Holbeinianer, welche 
von Prag aus die Ruhmesbahn befchritten hatten: Eßlair, der 
feit feinem „Durchgang“ aus Prag, alfo feit einer langen Reihe 
von fahren, nicht die Prager Bühne betreten hatte und nun als 
Nathan, Daniel im „Erbvertrag“, Kriegsrath Dalfner in Iffland's 
„Dienftpflicht”, Tell, Abbe de l'Eppe, Beliſar, Thefeus und Conrad 
in Ebert's „Bretislaw und Jutta” in zwei Gaſtſpiel-Cyelen (April 
und Mai 1826) gefeiert wurde, Ludwig Löwe (1827), Wilhelmi, 
Sophie Schröder mit ihrer Tochter Betty, welche al3 Sängerin 
brillirte,*) Julie Löwe, die 1825 an die Hofburg entführte Betty 
Piftor, Seydelmaunn, der fih nun als vollendeter Künſtler 
präjentirte und als „Franz Moor”, Sheva in „der Jude“, 





— 


Polawsky 133 fl. 20 fr, Prokop 12 fl, Stepanet 13 fl. % fr., 
De. Schikaneder 33 fl. 20 kr., 6. B., Dlle. Spiro 40 fl. Ulbridt 
33 fl. 20 kr. zuſammen 1532 fl. 48 Er. 

2. Oper: Demoifelleg Blumenfeld 40 fl, Emmering 50 fl. 
h. B., Gned 100 fl., 5. B., Zuger S3fl. 20 kr., h. B. Mad. Podhorsky 
133 fl. 20 Er., ganzes B., Düe. Pittner 30 fl. 20 fr., Herren Kainz 
133 fl. 20 fi, Brinke 33 fl. O0 ii, Dams 100 fl., 9.8. Drska 
100 fl., 5. B. Schilaneder 95 fl. 20 kr., h. B., Illner 66 fl. 40 kr., 
bh. B. Podhorsky 100 fl., Sfraup 40 fl., Shimet 0 fl. Strafaty 
66 fl. 40 kr., h. B., zujammen 11% fl. 20 kr. 

Sämntliher Chor 141 fl. 48 kr, Orchefter 604fl. 40 kr., Capellm. 
Zriebenfee und Orcheſterdir. Pixis ganzes B., Theatermaler 2õ fl., 
Befoldung des untergeordneten Perſonals per Tag 14 fl. 42 fr., monatlich 
441 fl., Bagenttat per Monat 3935 fl. 36 kr. 


*) Sm einem Briefe von Sophie Schröder -an Stoͤpanek vom 
11. April 182: Spricht die Tragödin die Hoffnung aus, betreff3 des Ho: 
norars nicht Schlechter ald Andere geftellt zu werden, kündigt für ſich als 
Gäſtrollen fpeciell folde an, die in Prag von ihr noch nicht gefehen worden, 
wie Sappho uud Medea, für Betty die Roſine im „Barbier“, Agathe im 
„Freiſchuͤtz“ und womöglich Heuriette in „Maurer und Schloſſer“. 





— 163 — 


Carlos in „Clavigo“, Shylof u. ſ. w. die Prager begeifterte. 
Auch der alte Shmelfa fand fich ein und wurde, obwohl ihn 
fein Nachfolger Feiſtmantel beirrahe in den Schatten gejtellt hatte, 
von feinen früheren Prager Verehrern jubehrd begrüßt. Außer 
diefen alten Bekannten der Prager, die den Ruhm unjeres Kunft- 
tempel3 in weite Ferne getragen hatten, befam man aber auch 
Anſchütz (Marquis Bola, Wallenitein, Lear, Fiesco, Bayard), 
Mad. Anſchütz (Gurk), Emil Devrient, die bereits berühmt 
gewordene Charlotte Birh-Pfeiffer, die befanntli in Prag 
einen Theil ihrer theatralifchen Kindheit verbracht hatte, als Medca, 
Donna Diana, Lady Macbeth, Porzia, Kunft als Hamlet und 
Zell, Deſſoir als Nathan, Rott, den Münchener Director 
Carl mit feinen Staberliaden und feinem Tanzmeiſter Pauxel 
und Undere zu jehen. Auch der Improviſator Langenſchwarz, 
der auf Commando lange Versreihen und fogar eine ganze Ge: 
ſchichte Prags in Verjen improvifirte, und der jonderbare Künſtler 
Alerander, der an Einem Abend ein halb Dutzend Charaftere 
darftellte, fanden fich in Prag ein. Alexander genoß damals einen 
europäiſchen Bauchredner-Ruf. Schon als neunzehnjähriger Jüng— 
fing hatte ex durch die außerordentliche Kunst, ſchnell hinter einander 
in verjchiedenen Stimmen und Kraftgraden zu prechen und den Ton 
willkürlich jo zu modificiren, als ob er bald aus der Tiefe, bald aus 
der Höhe, bald aus freiem. oder gefchlojfenem Raume käme, Sen- 
jation gemacht. Die Vorrichtung, deren er fich zu diefen Illuſionen 
bediente, befchränkte ſich auf einen Kamiu, etliche practicable Stuben: 
und Fallthüren, auf einen Koffer und eine fpanifche Wand. Mit 
der protensartigen Natur feiner Stimme konnte er vier oder fünf 
Berfonen ſammt Hund und Kae in den engen Raum eines 
Koffer oder einer ihn umgebenden fpaniichen Wand zaubern. 
Hatte die Täuſchung den höchften Grad erreicht, danıı ftürzte er 
den Koffer um oder ſchlug die fpanische Wand auseinander und 
man fah, daß, was in dem geheimnißvollen Verſtecke ſcherzte oder 
zanfte, jammerte oder fchmeichelte, nur die Perſon Aleranders war. 
Bei feinem Beſuche in Prag 1833 zeigte er ſich ſchon auf einer 
höheren Künſtlerſtufe. Ju dem einactigen franzöſiſchen Luftfpiel 
11* 


.. EEE Bu SEE BEE > — ul ir: ı See a a Mir" EEE FE nn, EEE cu u . — —— nn 


— 164 — 


„Les Russes de Nicolas“ ſpielte ev außer der Schelmenrolle des 
Nicolas noch jene des englitchen Capitäng Furlough, des Alder— 
mans Pilbury, feiner Fran und feiner Tochter ganz allein. ‘Dabei 
waren feine diverfen Masken ftets jo vorzüglich, an den ver: 
Schiedensten Puncten der Bühne war er fo raſch in feinen ver- 
Schiedenen Nollen zu jehen, daß man verfucdht war, an Hexerei zu 
glauben. Die Bauchrednerkünſte des Hobelns, Feuerſchlagens, 
Butterichlagens, des Hundegebells wußte er äußerſt geſchickt in 
die Handlung einzuflechten. In dem Vaudeville „Le Paqnebo* 
jtellte er nicht weniger als fieben Charaktere dar. In der Piece „le 
diable boiteux“ gab er einen alten Apotheker, deſſen ftotternde 
Ehehälfte, eine verliebte Tochter, einen gutmüthigen Apotheker: 
jungen, einen carrilirten Vicomte und endlich den in eine Flajche 
gebannten hinkenden Tenfel Asmode. Die Unterhaltung mit diefem 
Teufel und das Niefen, wenn er an die Flaſche roch, foll zwerch— 
fellerfchütternd gemwejen fein. — Nicht weniger bewunderten die 
Prager den Charafterfpieler Kerrmann, der es unternommen 
hatte, den Karl und Franz Moor zugleid in Einer Vorſtellung 
zu fpielen. Er löſte das Problem, inden er beide Charaktere bis 
zum äußerften Extrem trieb, dent vothhaarigen, Fränfelnd:freifchen- 
den, wurmartigen Scheufal Franz einen fchwarzhaarigen, derben, 
zügellofen Weltftürner Karl entgegenjegte. Aber auch eine eijerne 
Lunge mußte bei einer folchen Kraftanftrengung erlahnıen, Franz 
und Karl rüdten von ihren Extremen einander immer näher, bi$ 
fie beinahe in emander verichmolzen. Den Franz allein hatte 
Jerrmann mit Seypelmann’scher Virtnofität gefpielt; al8 er den 
Karl und Franz zugleich fpielte, gab er beide effectvoll aber 
ſchlecht. Nebenbei verirrten ſich allerdings auch Tiroler Sänger 
(Geihwilter Rainer) ans Fugen, Tafchenfpieler und Seiltänzer 
auf die Prager Bühne.*) Die Triumvirn der Divection trugen 


*) Im Sommer 1824 erjchien der berühmte Escamoteur Bogco zum 
eriten Male in Prag und probducirte fi im ftänd, Theater bei erhöhten 
Preifen unter anßererdentlichen Zulauf. Er trug einen enganfchließenden 
Ihwarzen Sammt-Koller, die Arme und Schultern ganz bloß, fchwarze 
Tricots und Halbftiefein, Sein mwißiger Vortrag fand nicht weniger An: 


—— ⸗— 





— 105 — 


eben das Streben zur Schau, jeden Geſchmack etwas zu bieten — 
es war eine beftändige Gaftfpielbewegung auf der Bühne, Feine 
bedeutendere künſtleriſche Erſcheinung, keine „Specialität” blieb den 
Pragern unbekannt. Der Neugier war aljo im höchſten Grade 
Rechnung getragen, das reine Knuſtprincip aber wurde durch 
dieſes ficberhafte Jagen nach Neuem und Originellem nicht felten 
verrückt, ud dies jchädigte Anfchen und Fünftlerifchen Erfolg der 
Dreimänner-Direction. 


Hang als feine Runft; bejonderen Eindrucd aber machte es, als er mit Drei 
Blümchen ins Parterre trat und allmälig circa 50 Bonqunuets, die and 
feinen Händen zu wachlen fchteuen, unter das Publicum vertheilte. Weber 
diefe3 Kunſtſtück vermochte ſich das damalige Prag- gar nicht zu fallen. — 
Ein anderer jonderbarer Gaſt war der „Filtelfänger” Kirchner, ber 
ih u. A. auch als „Primadonna“ producirte. 


— he — 


fa. EEE Su Es ——— — — - 


— 166 — 


vol. 


Die Oper unter dem Triumvirat. — Cechiſche Borftel- 
(ungen. — Das Ende der Aera P. 8. 9. 
(1824—1834.) 


(Das Repertoire und der Zeitgeſchmack. — Henriette Sontag ald Saft. — 
Heimifhe und Fremde Novitäten: Opern von Wolfram und Würfel; 
„Weiße Dame”, „Maurer und Schloſſer“, Roſſini'ſche Novitäten, Meyer⸗ 
beer's „Ritter von Rhodus“. — Abgang Wiedermann's; Marianne Ernſt. — 
Die „Stumme von PBortici”; „Der Vampyr“. — Abgang Sebaftian Binder’s. 
— Drska ald Tenor. — Das Ehepaar Podhorsky. — Conjervatorijtinen. — 
Kina und Luiſe Gned. — Tenor Dams. — „Fra Diavolo”; „Tel“, 
„Steaniera”, „Semiramis“, Opern von Kreutzer u.f.iw. — Wild, Breiting, 
Sabine Heinefetter, Ehepaar Hoffmann als Gäſte. — Sapellm. Triebenfce, 
Skraup, Orcdeiterdirector Piris. — Das Conjervatorium: Elevin Minona 
Blumauer; das Hanstheater des onfervatoriumd: Mad. Caravoglia⸗ 
Saudrini als Gefangslchrerin. — Jenny uber. — Ergebuiffe der Oper 
unter dem Lriumpirat. — Das techiſche Schaufpiel- und Operu-Repertoire. — 
Leiſtungen. — Cechiſche Schaufpieler und Pilettanten. — Die Kritik. — 
Schwierigkeiten der Dreimänner-Herrihaft. — Kündigung des Contracts. 
— Directiond-Sandidaten. — Stepanef und Stöger. — Ende des Trium- 
virats.) 

So lange die Buchſtaben P. K. S. am unteren Ende des 
Prager Theaterzettels gedruckt ſtanden, haben die Prager, na— 
mentlich die Logenabonnenten und die Theateraufſichtscommiſſion, 
über den Rückgang ihrer Oper geflagt, — berechtigt aber waren 
diefe lagen nur in gewiſſer Hinficht und nur in den letzten 
Jahren, als nad) Binder’s Abgang ein ebenbürtiger Erſatz fehlte, 
und nad) dem Abgange der Eruſt das weibliche Element durch Mad. 
Podhorsky beinahe einzig und allein repräfentirt wurde, bis ſich 
(dies gefhah noch in der Hera P. 8. S.) die Luger ihrer Eol- 
legin Podhorsky als würdige Nivalin an die Scite ftellte. Wenn 
man der Opernleitung einen Vorwurf machen durfte, jo war 
es etwa der, daß fie, dem herrjchenden Geſchmacke, d. b. dem 
Auber- und Roſſini-Cultus Huldigend, die ältere claffische Mujit 





— 167 — 


einigermaßen vernachläffigte. Die Theaterauffichtscommiffion, welche 
allerdings auch das dem Claſſiſchen jehr geneigte Regiment Carl 
Maria dv. Weber's mit Mißtrauen betrachtet und mit Tadel ge- 
lohnt hatte, nahm es in diefer Hinficht mit dem Triumvirat jehr 
genan. „Die Oper," — heißt es in einem ihrer Berichte (1833) — 
„erſcheint durch die ausschließliche Anhänglichfeit an den herr: 
ſchenden Modegejchmad oft herabgewürdigt. Selbft die nordifchen 
Bühnen verlieren nicht ganz den männlichen Geſchmack an der muſter⸗ 
haften Solidität und charakteriftifchen Großartigfeit der Gluck'ſchen 
und der ihr verwandten Muſik, wovon in Prag feit mehr als 
20 Jahren Feine Spur ift. Die Methode und Fähigkeit, groß: 
artig, würdevoll, mit ſeeleuvollem Ausdruck den Geſang vorzu- 
tragen, wird bald, wein es noch nicht geichehen iſt, gänzlich 
verfchwinden. Wahr ift es, daß ver jegige Geſchmack des großen 
Haufens derlei ſchöneren Kunftproducten nicht mehr huldigt. Allein 
es frägt fih, ob die Leiftungen der Bühne von der verwöhnten 
Liebhaberei des Publicums oder ob nicht vielmehr das letztere 
durch den bildenden Einfluß der Bühne zum bejjeren Gejchmad 
geleitet werden jollte. Hoffnung darauf ift leider nicht vorhanden..." 
Dies jind nun allerdings Säße, die fi im Munde einer oberen 
Theaterbehörde ſehr ſchön ausnehmen und durchaus nicht des 
Kernes der Wahrheit entbehrten. Wenn man aber rigorog fein 
will, jo wird man den Auber- und Roſſini⸗-Cult nicht als das 
größte der Uebel betrachten, zumal die Divection P. 8. ©. in 
den Jahren ihrer Herrichaft von 1824—1834 Alles aufbot, um 
jenfationelle Novitäten ohne Nücficht auf die Perſon des Autors 
den Pragern zu vermitteln und manche gelungene Reproduction 
der alten Prager NRepertoire-Opern zu Stande zu bringen. Ein 
Bid auf das Repertoire des Decenniums wird unſer janfteres 
Urtheil rechtfertigen. Im Anguft 1824 dirigirte Hofcapellmeijter 
Gyrowetz perjünlic im ftänd. Theater feine Oper „Der blinde 
Harjner” bei übervollem Haufe und wurde durch Ueberreihung 
eines Jubel-⸗Sonetts ausgezeichnet. Im Jahre 1825 brachte em 
Gaſtſpiel der Sontag friiches Leben in die Prager Oper. Die 
bezaubernde Henriette, deren Ruhm damals bereits Deutfchland 





— 168 — 


erfülfte, entziicfte wieder ala Bertha im „Schnee”, Anna tu „Don 
Juan“, Desdemona in Roſſini's „Othello“, Roſine u. |. w. das» 
felbe Bublicum, das ihre erjten Verſuche mit jubelnder Beifall 
begrüßt hatte. Auch Hr. Forti md Mad. Waldmüller von 
der Hofoper gaftirten. Mit dem heimischen Perſonale aber, deſſen 
Bierden Dad. Ernſt und Dem. Comet waren, erlebten die „Zauber: 
flöte” (die Ernft als Königin der Nacht, die Comet als Pamina), 
„Johann von Paris", „Raoul der Blaubart" von Gretry, „Fi⸗ 
garo's Hochzeit" (mit der Ernſt als Suſanne, der Comet als 
Cherubin), „Don Juan" (mit Binder als Octavio, Wiedermann 
als Don Yuan, Mad. Ernſt als Zerline, Comet al8 Donna Anna 
und der jungen talentirten, leider früh verjtorbenen ‘Dem. Ar⸗ 
rigoni als Elvira), fowie der „Freiſchütz“ (mit der Arrigoni 
als Agathe, der Ernft als Aennchen) Meufteraufführungen. Als 
Novitäten hörte man u. A. die Oper „Ribezahl”, Text von 
Mariano, Muſik von Prof. Würfel, der in Prag als Ton— 
dichter und Pianiſt geihägt war. Die Dichtung fand Tebhaften 
Auflang. Den Ritbezahl fang der Baryton Wiedermanm. Nad) 
diefer Oper fam abermals ein heimijches Opus, „Alfred“, von 
Kogebue, Muſik vom Tepliger Bürgermeijter Wolfram, zur 
Aufführung, ohne fich zu behaupten; kurz darauf desjelben Com— 
poniften „Lezauberte Roſe“, Text von Ed. Gehl im Dresden, 
wo die Oper ebenfalls zur Aufführung kam und als Compagnie: 
Arbeit eines Advocaten und eines Bürgermeijters ein gewiſſes 
Aufjehen machte; dazwiſchen hörte man Webers „Sylvana”. 
Das Jahr 1826 brachte die „weiße Fran" mit Mad. Contet: 
Podhorsky als Ama, Binder als George Brown, Mad. Ernſt 
als Jenny, Kainz als Gavefton, Podhorsky als Didjon, ſowie 
Auber's „Maurer und Schlofjfer", welder Oper Capell— 
meilter Zriebenjee mit Hilfe eines Prager Dichters einen neuen 
Schluß gegeben hatte — daß es dieſer „Verbeſſerung“ bedurfte, 
bezweifelte die Kritik. Kerner hörte man Roſſini's „Mofes“, 
„Eliſabeth“, „Richard und Zoraide”, „Cenerentola“ n. |. w. Als 
Säfte erjchtenen Hr. und Dem. Siebert, Dem. Kainz, Betty 
Schröder (Rojine, Agathe, Henriette in „Maurer und Schloffer"), 





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Mad. Devrient-Böhler, der berühmte Tenor Wild aus 
Kaflel (mit vierzehn Gaſtrollen, darınter Titus, George Brown, 
Licinius, Johann von Paris und auderen). Alg Debutantin dieſes 
Jahres ift zu regiftriren Dem. Joſ. Hagenbrud, die befte 
Schülerin des Conſervatoriums, das damals im gräfl. Wrtby’fchen 
Haufe ein Feines Webungstheater errichtet hatte, wo u. U. ein 
Theil des „Figaro“ und die vom Grafen Noftib componirte Oper 
„Feodora“ (von Kobebue) mit den Gefanglehrerm Gordigiani und 
Schnepf*) in den Herren-, den Elevinen Hagenbrud, Kuize, 
Fritich, Namratil in den Damen-Partien aufgeführt wurde. Auch 
der Baſſiſt Strafaty, nachmals einer der hervorragendſten 
Prager Sänger, machte 1826 als Fernando in der „Diebiſchen 
Elſter“ ſeinen erſten theatraliſchen Verſuch. 


Im Jahre 1827 hörte man u. A. neneinſtudirt die Süß: 
mayer'ſche Oper „Solinan”, ferner als Novität die Iyrifch- 
romantiihe Oper „Die Walpurgisnadht" von J. E. Prochaska, 
Muſik von Joh. Rummler, eine brave Mufilantenarbeit, an welcher 
Mozart, Spohr, Spontini, Boieldien, Roffini nıd Weber gleid) viel 
Antheil Hatten; Auber's „Leocadia” fiel ab, Roſſini's „Italiener 
in Algier” und „Diebifche Elſter“ gewannen durch Mad. Ernſt 
und ven nenengagirten Strafaty. In einer Revue über diejes 
Dpernjahr Flagte die Kritif, daß „bloß" ſechs Opern und ebenſo 
vicle Vaudevilles oder Localſtücke mit Gefang neu einjtudirt worden 
waren, von denen fih nur „Das Mädchen aus der Feenwelt“ 
neben der beliebteften Nepertoire-Oper „Maurer und Schloffer“ 
behauptete. Salieri's Oper „Arur”, mit verftärkter Inſtrumenta— 
tion von Triebenſee, mit der man wieder erperimentirt hatte, frente 
fi) nicht lange ihrer Auferjtehung. Sehr empfunden wurde der 
Berluft des Barytoniſte Wiedermann, der ohne Abichied a 
das Königftädter Theater in Berlin abgegangen war; einige der 
acgnirirten Kräfte erwieſen fich entweder als Invaliden oder An— 

*, Als Profeſſor der Oboe wirkte damals am Brager Gonfervaterium 
Hr. Zomp, deilen Gattin, die einft berühmte Wiener Hofopernjängerin 
Eliſe Teyber, 1826 ein intereffantes Concert im Nedoutenfaale gab. 


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— 170 — 


fänger. Im Jahre 1828 ſah man außer altbewährten Auf— 
führungen Meyerbeer's „Ritter von Rhodus“ mit der Ernſt als 
Palma, Kainz-Aladdin, Podhorsky als Osmin, Binder als Adrian, 
und mit der nun fchon zur Mad. Podhorsky avancirten Comet als 
„Armand d'Orville“. Als Säfte erfchienen u. A. Mad. Schröder: 
Devrient, die Hofopernjänger Beils und Cramolini von Wicı, 
Babnigg von Dresden. Im December 1828 gab Nicolo Pa— 
ganini im Theater feine Concerte; am 20. verabjchiedete er ſich 
in einem Concert unter Mitwirkung von Mad. Ernft, der Hrn. 
Binder und, Strafaty, worin er u. U. als eigene Compofitionen 
da8 Rondo alegretto mit obligatem Glöckchen, die dramatifche 
Sonate „Der Sturm" mit Orchefter, die Soli und Variationen 
auf der G-Seite vorgetragen, endlich die berühmten „Hexen— 
Variationen” ſpielte. 

Reich an Thaten auf dem Gebiete der Oper war das Jahr 1829. 
Zuerſt erfchten Auber's „Fiorella“ oder „das Hofpiz von San 
Lorenzo“, dann gab es ein großes Yamilienfeft, gewidmet dem 
ersten Wiederanftreten der Mad. Ernſt nach längerer Krankheit. 
Der feltjamen Ertravaganzen diefer capricidfen aber vorziiglichen 
Primadonna haben wir jchon gedacht, als wir der Dame zuerft 
unter Holbein's Regime begegneten. Schs Monate des Yahres 
wohl war Mad. Eruft auf dem Zettel als „krauk“ gemeldet. Die 
Direction mußte ſtets auf eine über Nacht hereiubrechende Heiſerkeit 
der Mad. Ernft gefaßt fein, und im Erfranfen iiber Nacht befaß die 
Primadonna eine eigene Virtuofität. Eines Zuges wurde dem 
Director Stepanef die mit dem ärztlichen Zeugniß belegte An— 
zeige erftattet, daß Mad. Ernſt Trank darniederliege. Stepanef 
witterte eine Finte und begab ſich fofort an das „Kranfenbett" 
der Sängerin. Da lag fie thatfächlid) ſchwer aufjeufzend im Bette; 
theilnehmend wollte ſich der Director nad) ihrem Befinden er: 
fundigen uud trat näher — wie erjtaunte er aber, als cr ftatt 
der Primadonna deren Zofe im „Kranfenbette" erblidtel Die 
wirkliche Kranke war in einer Liebesaventure nach Joſephſtadt 
gereift, fandte von dort Krankheitszenguiß über Kranfheitszeugniß 
und kehrte erſt nach vierzehn Tagen zurück. Nicht beifer machte 


-- 11 — 


fie e8 bei ihren contractmäßigen Urlauben, die regelmäßig um volle 
Wochen überfchritten wurden. Einen langwierigen Proceß zogen 
die Engagements-Unterhandlungen der Sängerin mit dem Wiener 
Kärntnerthortheater, dem Borläufer der heutigen Hofoper, nad) 
ih. Mad. Ernſt gaftirte in Wien und galt bereits jo gut als 
engagirt. Die Stände Böhmens aber wollten die jchöne Brima- 
donna, welche troß aller Capricen zu den ausgefprochenen Lieb: 
lingen des Bublicums zählte, mit Polizeiescorte nach Prag zurüd- 
ſchaffen lafjen, worauf Mad. Ernft mit der Klage gegen die Stände 
drohte, die fie als Leichtfertige Frau gefchildert und damit ihre 
Ehre angegriffen hätten. Schließlich mußten die Stände die treu- 
lofe Primadonna doch den Wienern überlaffen, dagegen blieb ihr 
Gatte, der Schaufpieler Ernſt, mit dem fie in fteter Disharmonie 
gelebt, den Pragern treu. In Wien wurde Mad. Ernſt die erſte 
weibliche Kraft der Oper. Schon 1822 hatte fie in der Nefidenz als 
Elvira debutirt, aber jo wenig gefallen, daß fie während der Vor: 
jtellung eiligſt unwohl wurde und das Theater verließ. Die Dar- 
jtelferin der Zerline mußte auch die Elvira zu Ende führen. Nun 
aber war fie unbeftrittener Liebling der Wiener, denen fie alfer- 
dings nebenbei auch durd ihre galanten Abenteuer Stoff zu 
manchem Stadtklatſch gab. 1834, als die Cholera in Wien und 
auch im Theater wüthete, retteten Wild, Staudigl und die Ernit 
das Repertoire, und namentlid) die von Tegterer creirte Norma 
war die ftete Netterin in der Noth. Bon ihren Erfolgen ge: 
bleudet, verließ Marianne Ernft Wien, um anderswo vergeblid) 
noch größeren Erfolg zu fuchen, fie fant von Stufe zu Stufe, 
wanderte in den fünfziger Jahren nach der Schweiz, wo fie un- 
verbürgten Gerüchten zufolge als Bänkelfüngerin ihr Leben gefriftet 
haben und einmal unter der falfchen Anklage des Giftmordes vor 
* Gericht gejtanden fein fol. Ende der Sechziger Jahre Tehrte 
fie nach Wien zurück und lebte von einem kaiſerlichen OGnaden- 
gehalt (300 fl.), bis fie circa 1870 der Tod von einem beflagens- 
werthen Dafein erlöfte. 

In Prag feierte Mad. Eruft 1829 ihren Teßten großen 
Triumph. Nach einer ihrer längeren Krankheits- oder Schmoll- 


— 172 — 


paufen 1829 war c8, daß Sie als Nezia in Webers „Oberon" 
die Prager Bretter betrat. Sofort war aller Groll gegen die 
lange nicht Gejehene geſchwunden, es gab einen Jubel, als gälte 
es einer vom Tode Anferftandenen. Ein anderes, geradezu jen- 
ſationelles Iheaterereigniß war die erfte Aufführung der „Stum: 
men von Bortici" am 30. Juli 1829. „Ich weiß mid) nicht 
zu erinnern,” ſchrieb Prof. Anton Müller, der berufene Kritiker 
der „Bohemia“, „daß je ein Stüd unſer Publicum fo in Feuer 
und Ylammen geſetzt hätte. Die Duperture mußte dreimal wieder: 
holt werden (das drittemal, weil der Oberſtburggraf Chotek zu 
Iplit gekommen war), faft jede Nummer wurde beklatſcht, ſogar 
die Chöre wurden hervorgerufen. Ich bin überzeugt, daß es 
höchſtens noch einer Production bedarf, um die fchönften Motive 
auf den Straßen pfeifen und fingen zu hören." Aufſehen machte 
in erjter Neihe Binder, der erſte Prager „Maſaniello“ oder 
eigentlich „LXeonardo”, wie der Fiſcher, um jeder biftorischen Ans 
ſpielung aus dem Wege zu gehen, von der Cenſur getauft wurde. 
Bisher hatte man blos die phänomenale Stimme des eigen und 
einjeitigen Heldentenors bewundert; als er nun aber in der ſchmucken 
Filchertracht, die feine Geftalt auf das Schmeichelhaftejte hervorhob, 
erſchien und mit feiner prächtigen Kopfitimme die Töne mächtig 
berborjchmetterte, als er nicht nur eleftrijirend fang, ſondern aud) 
den Charakter des kühnen Fifchers meijterhaft wiedergab, war 
Alles entzüdt. Die „Stumme“ ſpielte damals die Primadonma 
Mad. Ernit. Es war eine ziemlich matte „Bianca oder „Fe: 
nella”. Schon damals tauchte der noch heute nicht ausgefochtene 
Streit auf, ob die Fenella der Schaufpiclerin oder Sängerin 
gehöre — au die Primaballerina dachte man allerdings noch nicht. 
Prof. Aut. Müller, eine anerfanıte Capacität auf den Gebiete 
der Aeſthetik, betonte ausdrücklich, daß Mad. Ernſt vielleicht aus: - 
gezeichnet geivefen wäre, wenn fie zu fingen gehabt hätte; den 
Zauber des Geſauges aber zu erfegen durd) die alleinige Kunſt 
der Geberdenjprache, dazır gehöre, wenn die Primadonna feine 
Schröder⸗-Devrient jei, abjolut eine Schaufpielerin. Und in der 
That gelangte „die Stumme“ in Prag zu noch einmal jo großer 


." [7 An OO REIT m TE ET Tu ER ma nn 


— 173 — 


Geltung, als fi) fpäter Friederike Herbit, die denfende und des 
höchſten dramatischen Ausdruds in der Mimik fähige Schaufpielerin, 
der Fenella annahm. Die Direction bemilligte ihr hiefür 200 fl. 
Ertrahonorav. Die übrige Bejegung der Auber'ſchen Senjations- 
oper (Elvira-Mad. Podhorsky, Pietro-Kainz, mer und Strafaty 
in den beiden anderen Baßrollen) gab ein Enfemble, wie es ge 
rundeter nicht gedacht werden konnte. Zange Zeit hindurch, ja oc) 
bis auf unfere Tage blieb „die Stumme" eine ſtets gerite ge- 
jehene Prager Repertoire: Oper, wenn fie auch jene glauzvolfe 
Befegung in der Folge vielleicht niemals mehr erreicht Hat, von 
welcher Generationen mit Begeilterung fprachen oder fprechen 
hörten. | 

Eine andere intereffante Opern-Erfcheinung des Jahres 1829 
war Marjchner’3 „Vampyr“. Der Componiſt empfahl der Brager 
Direction refp. Stepanek fein Werk mit folgenden Zeilen: 

„Euer Wohlgeboren! SHochgechrtejter Herr! Beifolgend habe ic, die 
Ehre, auf Ihr Berlangen dag Bud) vom „Vampyr“ beizulegen und wohl 
au in der Hoffnung, daß es von der Genfur geftattet werben werde, da 
nichtö gegen den Staat und die Religion, wohl aber etwas bafür darin 
gefagt wird, denn es geht die Moral daran hervor: „Wer reinen Herzens 
it und nur auf Gott vertraut, dem kaun der Hölle Macht nicht ſchaden.“ 
Soeben wird auch Schon das Bud in Wien der Genfur vorliegen, indem 
Graf Gallenberg ebenfall3 darum gefchrieben. In der Hoffunng recht bald 
ein Refultat zu hören, habe ich die Ehre, hochachtungsvoll zu zeichnen 

Ew. Wohlgeboren ergebenfter Diener 
Seinih Marihuer.*) 

Reipzig, 16. Dec. 1828. 

Die Dper hatte einen vollen Erfolg. Binder fang den Aubry 
und im zweiten Act eine eingelegte Cavatine aus Spohr’s „Xef- 
jonda” ; Podhorsky war Lord Ruthiwen, Mad. Podhorsky⸗Malvina. 
Dagegen hatte Roſſini's „Graf Ory“ einen durchaus umentjchie: 
denen Erfolg. ” 


Ein harter, fast unerjchliher Verluft war für die Prager 
Dper der Abgang Binders, des „beiten Mafaniello aller 


*) Aus Stöepanek's hinterlaſſener Correſpondenz. 


— 172 — 


paufen 1829 war c8, daß fie als Rezia in Weber's „Oberon” 
die Prager Bretter betrat. Sofort war aller Groll gegen die 
lange nicht Gefehene gejchwunden, es gab einen Jubel, als gälte 
es einer vom Tode Auferftandenen. Ein anderes, geradezu fen: 
ſationelles Theaterereigniß war die erfte Aufführung der „Stum: 
men von Portici“ am 30. Juli 1829. „Ich weiß ich nicht 
zu erinnern," schrieb Prof. Anton Müller, der berufene Kritiker 
der „Bohemia“, „daß je ein Stüd unſer Publicum jo in Feiner 
und Flammen gefegt hätte. Die Onverture mußte dreimal wieder: 
holt werden (das brittemal, weil der Oberjtburggraf Chotek zu 
ſpät gefommen war), faft jede Nummer: wurde beflaticht, ſogar 
die Chöre wurden hervorgerufen. Ich bin überzeugt, daß es 
höchſtens noch einer Production bedarf, um die Schönsten Motive 
auf den Straßen pfeifen und fingen zu hören.” Aufſehen machte 
in erfter Neihe Binder, der erite Prager „Meafaniello” oder 
eigentlich „Leonardo“, wie der Fiſcher, um jeder hiftorischen An- 
. Tpielung aus dem Wege zu gehen, von der Cenſur getauft wurde. 
Bisher hatte man blos die phänomenale Stimme des eckigen und 
einfeitigen Heldentenors bewundert; als er nun aber in der ſchmucken 
Fifchertracht, die feine Geftalt auf das Schmeichelhaftefte hervorhob, 
erfchien und mit feiner prächtigen Kopfitimme die Töne mächtig 
bervorfchmetterte, als er nicht nur eleftrifirend fang, ſondern auch 
den Charakter des kühnen Fifchers meijterhaft wiedergab, war 
Alles entzücdt. Die „Stumme“ fpielte damals die Primadonna 
Mad. Eruft. Es war eine ziemlich matte „Bianca” oder „Fe— 
nella”. Schon damals tauchte der noch heute nicht ansgefochtene 
Streit auf, ob die Fenella der Schauſpielerin oder Sängerin 
gehöre — an die Prinmaballerina dachte man allerdings noch nicht. 
Prof. Ant. Müller, eine anerkannte Capacität auf dem Gebicte 
der Aeſthetik, betonte ausdrüdlid, daß Mad. Ernſt vielleicht aus: - 
gezeichnet gewefen wäre, wenn fie zu fingen gehabt hätte; den 
Zauber des Geſanges aber zu erfegen durch die alleinige Knuſt 
der Geberdenſprache, dazu gehöre, wenn die Primadonna feine 
‚Schröder:Devrient ſei, abjolut eine Schaufpielerin. Und in der 
That gelangte „die Stumme“ in Prag zu noch einmal jo großer 


— 173 — 


Geltung, als ſich Später Friederike Herbft, die denfende und des 
höchften drantatifchen Ausdruds in der Mimik fähige Schaufpielerin, 
der Fenella annahm. Die Direction bewilligte ihr hiefür 200 fl. - 
Ertrahonorav. Die übrige Bejegung der Auber'ſchen Senfations- 
oper (Elvira-Mad. Podhorsky, Pietro-Kainz, Illner und Strafaty 
in den beiden anderen Baßrolfen) gab ein Enjemble, wie es ger 
rundeter nicht gedacht werden konnte. Zange Zeit hindurch, ja noch 
bis auf unfere Tage blieb „die Stumme“ eine ſtets gerne ge- 
jehene Prager Nepertoire-Oper, wenn fie auch jene glanzvolfe 
Befegung in der Folge vielleicht niemals mehr erreicht Hat, von 
welcher Generationen mit Begeilterung Sprachen oder fprechen 
hörten. | 


Eine andere interejjante Opern-Erfheinung des Jahres 1829 
war Marſchner's „Vampyr“. Der Componiſt empfahl der Prager 
Direction reſp. Stepanek ſein Werk mit folgenden Zeilen: 


„Euer Wohlgeboreu! Hochgeehrteſter Herr! Beifolgend babe ich die 
Ehre, auf Ihr Berlangen da? Buch vom „Vampyr“ beizulegen und wohl 
auch in der Hoffnung, daß es von der Cenſur geftattet werben werde, da 
nicht gegen den Staat und die Religion, wohl aber etwas bafür darin 
gejagt wird, deun es geht die Moral daraus hervor: „Wer reinen Herzens 
ift und nur auf Gott vertraut, dem kaun der Hölle Macht nichts fchaden.” 
Soeben wird auch Schon das Bud in Wien der Cenſur vorliegen, indem 
Graf Gallenberg ebenfall3 darum gefchrieben. In der Hoffnung redyt bald 
ein Refultat zu hören, habe ic) die Ehre, hochachtungsvoll zu zeichen 

Ew. Wohlgeboren ergebenfter Diener 
Seinrih Marihner.*) 
Leipzig, 16. Dec. 1828. 


Die Oper hatte einen vollen Erfolg. Binder fang den Aubry 
und im zweiten Act eine eingelegte Cavatine aus Spohr’3 „Jeſ—⸗ 
jonda” ; Podhorsky war Lord Ruthiven, Mad. Podhorsky-Malvina. 
Dagegen hatte Roſſini's „Graf Ory“ einen durchaus nnentjchie: 
denen Erfolg. u 

Ein harter, faft unerfegliher Verluft war filr die Prager 
Dper der Abgang Binder’, des „beiten Mafaniello aller 


* Aus Stöopanek's hinterlaſſener Correſpondenz. 





[TE nn - EEE gen ei 


— 174 — 


Zeiten”, wie ihn die Prager und Wiener Theatergejchichte nennen 
darf. Höhere Anbote hatten ihn nach Wien geführt, wo man 
ihn, nachdem er am 8. Jäner 1830 als George Brown zum 
erften Male am Kärtnerthortheater gejungen, dauernd zu feſſeln 
und dem Prager Theater abfpenftig zu machen ftrebte. Was in 
Wien geboten wurde, war für Prager BVerhältniffe unmöglich); 
man ſah fich deshalb vweranlaßt, Binder energiih zur Rückkehr 
bis Aſchermittwoch 1830 aufzufordern, widrigenfalls fein Boten 
anderweitig bejegt werden müßte. Indignirt antwortete der Tenor 
am 21. Februar 1830: „die Direction habe entweder nicht den 
feſten Willen, feine Propofitionen zu unterjtügen oder fei dies 
unausführbar. In beiden Fällen müſſe es ihm wünſchenswerth 
fein, für feine Zukunft Bedacht nehmen zu können. Seht, wo er 
die beiten Ausfichten auf eine vortrefflihe Verſorgung habe, fei 
die beite Gelegenheit dazu, deshalb danke er der Direction für die 
ihm und feiner Frau bisher bewiejene „Annehmlichkeit“ und „dem 
lieben Gott, daß er beizeiten erfahren, was er von dem Prager 
Penfionsfonds, der ihn foviel baares Geld und ſehr fchöne Jahre 
feines Künſtlerlebens gefoftet, zu erwarten hatte". So war denn 
Binder der Prager Bühne verloren. In Wien bewilligte man 
ihm eine höhere Gage als Wild, und dennoch ſteuerte der theuer 
bezahlte Tenor der vollſten finanziellen Zerrüttung entgegen. 

„Er war” — fo ſchildern ihn Genoſſen feiner Zeit — „eine echte 
Künftlernatur, begeiftert für alles Schöne, ein kindliches Gemüth, ein treuer 
hingebender Freund aber ein unpraftiiher Menih; für die Bühne war 
Binder nicht geſchaffen: feine Geftalt war nicht theaterfähig, in Heldenrollen 
fogar läherlih. Er erzwang fi) trogdem den Beifall der Menge durch 
den bejtridenden Wohllaut ber Stimme und durch edlen, tiefempfundenen 
Bortrag. Ein feſtes Engagemeut war ihm zur Qual; kraukhafte Wander- 
luft trieb ihn von Stadt zu Stadt, von Bühne zu Bühne. Er lebte in 
Saus und Braus, bis ihn der übermäßige Genuß geiftiger Geträufe anf’3 
Kraukeulager warf.” 

Binder hatte fi in Wien ein Honorar von 100 fl. per Abend 
ausbedungen, und diefe Summe wurde verjubelt, ſowie er fie in 
die Hand befam. Nie Hatte er eine fefte Wohnung inne; er 
logirte ſtets im Hotel („Stadt Frankfurt“), und ein Heer von 


— 175 — 


Schmarogern war immer bereit, jein Honorar bei Auftern und 
Champagner mit ihm zu vergeuden. Eine Weihe von Jahren 
hielt fein unvergleichliches Organ diefem wüften Leben Stand. 
Seinen höchſten Triumph brachte ihm nach wie wor der Mafa- 
niello; er alternirte in diefer Partie mit Wild — fo oft nun 
Binder am Zettel ftand, war Staudigl ſehr verdrießlih: „Wenn 
der das Schlummerlied fingt,” meinte er, „wird aus meinem 
Applaus nichts!" Oft warnten aufrichtige Freunde Binder vor 
der Fortſetzung feines vegellojen Lebens. „Waftl, Waftl!!" — 
rief man ihm zu — „wenn Du's jo fort treibit, wirft Du noch 
auf dem Mijt zu Grunde gehen!" Und beinahe jo ift e8 ge: 
fommen. Endlich erlag das Organ dem leichtfinnigen Lebenswandel 
des Sängers; er mußte die Bühnencarriere aufgeben, wirkte in 
Peſt als Gefangslehrer und ftarb dafelbjt am 15. Jäner 1845 am 
Typhus. Auf dürftigem Strohlager hingebettet, in einem ärm- 
lihen Gemache, das ihm nad) der Auspfändung der eigenen 
Behaufung gnadenweiſe angewiejen worden war, lag der todt- 
franfe Sänger, einjt berühmt in Deutfchland, herabgefommen durch 
Zrunt und Ausjchweifungen. Einige Freunde aus Theaterkreiſen 
hatten ji) an der Stätte des Elends eingefunden, um den Ver- 
Iorenen zu tröften: da beganı die Wanduhr das Schlummerlied 
aus der „Stummen" zu fpielen, der Kranke erhob ficy mit legter 
Kraft vom Lager, mit gebrocdhener Stimme jang er die Worte, 
die einft tofenden Jubel im glänzenden Opernhaufe erregt hatten — 
danıı fan? er zurücd und fchloß für inmer die Augen. So endete — 
nach den Erzählungen von Freunden und Zeitgenoſſen — Sebaftian 
Binder, der „unerreicdhte” Zenor!*) 

Mit dem Abgange Binder’3 und der Ernſt trat eine ſchlimme 
Periode in dem Opernleben unter dem Triumvirate ein. Es 
wurde ſtark mit Anfängern gearbeitet, und die Thätigkeit ließ nad). 
Während 3. B. in der Zeit vom 26. April bis 23. Mai 1830 


*, Mehre diefer Mittbeilungen über Binder danke ich der Kiebens- 
würdigkeit Friedrich Schlögl’s und Fol. Wimmer’, zweier ber gründ- 
lihften Kenner der Wiener Theatergeſchichte. 


- 176 — 


ſechs ältere Opern („Maurer und Schloſſer“, „Aſchenbrödel“ 
(von Iſouard), „Oberon”, „Don Inan“, „Freiſchütz“ und „Weiße 
Yrau”) aufgeführt wurden, erjchien in den 11 Wochen von 
24. Mai bis 4. Auguft nur „Bibiana”, eine durchgefallene Oper 
von Piris, dem Bruder des Prager Orchefterbirectors, „Fauſt“ 
[von Spohr] und „vie Entführung aus dem Serail” anf dem 
Repertoire. Der Tenoriſt Hr. Drska, welder den gewaltigen 
Binder unmittelbar erjegen follte, war zwar ein wohlgejchulter 
lyriſcher Tenor, der auch als Heldenfänger in den Cechifchen Nach— 
mittagsvorftellungen ſehr befriedigte, konnte fich aber in den deutichen 
Vorjtellungen als Heldentenor vor einem verwöhnten Publicum 
nur mit Vorficht verfuchen. Drska war 1810 zu Derlig geboren, 
debutirte in Prag als Dttavio und kam von hier 1835 nad) 
Dresden, jpäter nad) Eafjel, wo er am 27. Dec. 1847 ſtarb. Man 
rühmte ihm treffliche Bildung und Technik nach; feine Stimme 
hatte etwas eigenthümlich Hauchendes, fie war nicht bedeutend, aber 
der vorzägliche Vortrag und das lebensvolle Spiel erjegten manden 
Mangel an Material. An Drska's ſtimmiicher Unznlänglichkeit 
ſcheiterte die Aufführung von Auber's „Braut“ gänzlich, nur das 
Ehepaar Podhorsky verhinderte das entſchiedene Fiasco der 
Oper. Ueberhaupt concentrirte ſich in den Perſonen dieſes Ehe— 
paars Anfangs der Dreißiger Jahre die Prager Oper. Der Gatte 
bleudete gerade nicht mit ſeiner mehr trockenen, wenn auch kräftigen 
Stimme, doch imponirte er durch die männlich ſchöne Erſcheiuung 
und durch fein dramatisch belebtes Spiel; feines Don Juan erin- 
nern ſich Theaterenthufiaften ans den Dreißiger Jahren noch mit 
vieler Freude. Katharina Podhorsky, feine Gattin, ift uns 
eine liebe alte Belannte. Was an ihrem Gejang muſterhaft ge- 
naunt werden mußte, war die Accuratefje, mit welcher fie jelbit 
in den kleinſten Zeittheilchen die Tüne wie an einer Perleuſchnur 
an einander zu reihen verftand, ſo wie die gänzliche Mänierloſigkeit 
ihres Vortrags. Sie war eine Coloraturfängerin erjten Ranges, 
zugleich aber auch eine Perle für jede Direction, der fie jelbit 
mit Hintanſetzuug ihrer Geſundheit jederzeit zu Dienften ſtand. 
Primadonnen-Eapricen waren ihr fremd, fie Teiftete für unſere 


— 17 — 


Begriffe Unglaubliches. Auf diefe ihre ftete Vereitwilligkeit bauen, 
juchte man fie hie und da über Gebühr anzuftrengen und außer 
in den deutſchen auch in den Cechifchen Vorftellungen fo oft als 
möglich zu befchäftigen. Als fie endlich einmal mit dem Hinweis 
auf diefe unzuträgliche Kräfteanftrengung ihre Mitwirkung bei 
einer Cechifchen Vorſtellung refufirte, fah fie fid) von einem natio- 
nalen Blatte hejtig angegriffen. Die Folge davon war, daß die 
Zheaterauffichtscommiljion die Verwendung der beliebten PBrima- 
donna in den Nachmittagsvorjtellungen gänzlich unterfagte. Statt 
der abgegangenen Ernſt hatte fich die Divection eine Zeit lang 
mit talentirten Anfängerinen oder abjolvirten Confervatoriftinen, 
wie den Dem. Meitl und Beranek fowie mit Dem. San: 
drini, der Zochter der berühmten Caravoglia Sandrini, beholfen, 
und Schon damals konnte fich die Kritik nicht der Bemerkung ent: 
halten, daß die Schülerinen der Geſangsabtheilung des Prager 
Conjervatoriums fo felten einen Gewinn für die Bühne bedeutete, 
während die Yuftrumental-Eleven Weltruf erlangten. Und dod) 
wurde gerade damals auf die theatralifche Ausbildung der Ele: 
vinen großes Gewicht gelegt und im Webungstheater fogar Mozart's 
„Titus“ italienisch aufgeführt! 

Einen wirklichen Gewinn hatte die Bilhne in dem Engagement 
der Damen Nina und Louiſe Gned aus Peſt zu verzeichnen. 
Dem. Lonife Gned erwarb fi) als „Palma“ in Meyerbeers 
„Ritter von Rhodus“ durch die jugendliche Fülle und Stärfe 
ihres umfangreichen Organs und durch ihre virtuofe Kehle: 
geläufigfeit Anerkennung. Nina Gned war eine vielveriprechende 
Altiftin und Opern-Soubrette.“) Mit den Damen Gned und 


*) Nina Gned war am 30. September 1811 zu Baden bei Wien 
geboren, betrat mit zehn Jahren in Peſt als Kind in „Salomonis Urtheil” 
zum erften Mal die Bühne, fang ſchon mit 11 Jahren im Chor, mit 15 
Fahren die Rofine im „Barbier” und jpielte daneben Soubretten und 
nuntere Richhaberinen. Bon Peſt kam fie ald Soubrette an bag Carls- 
bader Theater, fodann nad) Prag, wo fie in vierjährigem Engagement als 
ingendlihe Sängerin, Opern: und Luftfpiel-Sonbrette wirkte. Von Prag 
ging fie nah) Graz, mit gleihem Erfolge in Luſtſpiel und Oper thätig, 

12 


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— 178 — 


dem neugeiwonnenen Seldentenor Dams aus Aachen fam 1831 
nenes Leben in die Prager Oper. Dams (geb. 1804 zu Braun- 
ſchweig) war erſt ſpät auf feinen Stimmſchatz aufmerkſam ge- 
macht worden, hatte dann in Sondershauſen debutirt, und in 
Hannover, Augsburg, Düſſeldorf und Peſt gewirkt, bis er nach 
Prag kam. Er war vor Allem ein trefflicher Spieltenor und hat 
als ſolcher mancher Novität zum Siege verholfen und namentlich 
die Pflege der Auber'ſchen Oper ermöglicht. Am 4. Aug. 1830 
feierte dieſes Componiften „ra Diavolo" einen wahren Triumph 
in Prag. Bei der erjten Vorftellung fang Podhorsky die Titel- 
rolle, fpäter übernahm fie Dams, der als einer der beiten Fra 
Diavolo-Sänger feiner Zeit galt; die Zerline fang Louiſe Gned, 
die Bamella Nina Gned, den Lorenzo Hr. Drska, Lord Cookburne 
war bei Feiftmantel, die Banditen bei Spiro und Illner trefflich 
aufgehoben. An diefe intereffante Premiere reihte fih das Saft: 
jpiel der Therefe Grünbaum, welche die Prager .ja auch unter 
ihren Augen zur Künftlergröße hatten heranwachſen jehen und die 
nun als Zerline in Don Yuan, Agathe u. |. w. neue Treiumphe 
feierte. Am 30. December kam des Peſareers unfterblicher „Ze lt" 
zur erſten Aufführung, das tiefite und großartigfte der Werke 
des Meifters. Podhorsky fang den Tel, Mad. Podhorsky die 
Mathilde, den Arnold noch Drska, während fid) Dams der Heinen 
Partie des Harras und Strafaty des alten Melchthal liebevoll 
annahmen. Den alten Glanzvoritellungen der „Stummen” nnd 
des „Ritter von Rhodus“ reihte fich „La Straniera” von Bellini 
an. Dem. Louiſe Gned mit ihrer ftarfen und gewandten Stimme 
als „Alaide”, Podhorsky als Waldeburg, Drsfa als Arthur über: 
trafen fich ſelbſt. Nun folgten glanzvolle Abende einander auf 
dem Fuße: Dams madhte ald Mar im „Freiſchütz“, als „Fra 
Diavolo” und „Ferdinand Eortez" Furore. Andere Opern-Er: 
eigniffe der fahre 1831—1834 waren die Premieren des „Berg: 


hierauf nach Brünn, Züri) und Hannover, in welch letzterer Stadt fie bis 
zu ihrem am 16. December 1874 erfolgten Tode cine erſte Poſition ehren⸗ 
voll behauptete. Ihr Sojähr. Künftlerinbiläum (15. Nov. 1871) hatte ihr 
glänzende Ovationen gebracht. 





— 179 — 


mönch“ von Wolfram unter des Componiſten Zeitung, der „Jung⸗ 
frau” von Conradin Kreuger, von dieſem ſelbſt vwortrefflich ein- 
ſtudirt und dirigiert, Meyerbeer’3 „Margarethe von Anjou" mit 
Mad: Podhorsky in der Titelpartie, Kreutzer's „Laftträger an der 
Themſe“, der an dem unglüdlihen Text zu Grunde ging, Boiel- 
dieu's „beiden Nächten“, Bellins „Weontechi und Capuletti” 
(Romeo Dem. Emmering, Julia Jenny Lutzer) u. |. w. Roſſini's 
„Semiramis"” ging am 12. April 1832 mit Mad. Podhorsky in 
der Titelrolle, Illner als ‚„Aſſur“, Drska-Idreno, Strakaty⸗Oroes, 
Dem. Emmering, die vom ‘Dresdener Hoftheater nach Prag kam 
und für das Altfach engagirt wurde, als Arſaces in Scene. 

As Säfte erjchienen Wild, Breiting, Mad. und Dem. 
Grüubaum, die Heinefetter. Wild, der König der Tenore, deſſen 
Organ durch den fanften Schmelz der Töne zu bezaubern und 
durch die Kraft und Fülle zu begeiftern wußte, jang den George 
Brown, Telasco in „Ferdinand Eortez”, Arthur in „Straniera” 
— die Stelle „Wer je Dich gefunden und wieder verloren” in 
diefer Oper war einer der berühmteften Momente in Wild’S Lei— 
ftungen — Weafaniello in der Stummen u. ſ. w. Breiting, der 
Riefe, fang den George, Liemins, Cortez und Johann v. Paris. 
Breiting war ein Phänomen im wahren Sinne des Wortes. 
Sein Tenor bejaß den größtmöglihen Umfang, fein Forte dedte 
die Fräftigften Stimmen und war doch jelbft im höchſten Grade 
fein Gefchrei. Er fang, wo Anderen, wollten fie diefelbe Tonfülle 
und Touſtärke bervorbringen, wohl eine Ader fpringen mußte. 
Nahm er es in feinen tiefen Tönen mit einem Baſſiſten auf, fo 
ſchwindelte dem Hörer vor der Höhe, bis zu welcher er jein Falſett 
tried. Vom Bianiffimo zum Fortiffimo, vom fchlichten und ge- 
tragenen, vom colorirten Geſange bis zum Yiligran-Schnörfel — 
überall ftellte Breiting feinen Mann, und fein mezza voce 
ſchmiegte fich bei al feiner Fähigkeit zum höchſten Effectuiren 
doch der leiſeſten Begleitung an. Daß ein folder Tenor Senfation 
machen mußte, ift leicht begreiflih. Sabine Heinefetter ent- 
züdte die Prager als „Romeo“ in Bellini's „Montechi und Ca— 
puletti” und als „Rofine” im „Barbier". Ihre feelenvolle und 

12* 


— 180 — 


doch kraftvolle Stimme und ihr hochdramatiſches Spiel hatten fie 
den erften Meifterinen der Kunft angereiht. Beſondere Anfmer® 
jamfeit erregte auch das Gaftjpiel de8 Sängerpaares Hoffmann 
aus Berlin, das an dreizehn Abenden fang: der Gatte u. A. den 
Dthello, Fra Diavolo, Zampa, Mafantello, die Gattin die Anna 
(weiße Dame), Zerline (Fra Diavolo), Roſine; der Sänger Hoff: 
mann wird uns noch als Leiter der Prager Bühne interefliren. 
Außer Sängern und Sängerinnen hörte man noch eine Reihe von 
Inſtrumental⸗Virtuoſen, wie den Celliften Romberg, den Violiniften 
Lafont, den Bianiften Alois Zauffig, die Gebrüder Bohrer u. U. 
auf der Bühne, welche damals auch den diftinguirteften Concertfaal 
Prags repräfentirte. 

Daß über diefen Gaftjpielen und dem italienisch-Franzöfischen 
Repertoire die heimatliche Production nicht vergejlen wurde, beweiſen 
die wiederholten Aufführungen der Franz Straup’ichen Opern. 
Leider hatte Sfraup, zweiter Gapellmeijter des Theaters, Malhenr 
mit feinen Librettiiten. Seine Opern „Prinz und Schlange" „ver 
Drabtbinder" (2 Acte), Text von Chmelensky, „Nachtichatten" 
(Text von Schilaneder), „Udalrich und Bozena” (Text von Valentin 
Ernſt) wurden mit mehr oder weniger anftändigem Erfolge auf: 
geführt. Auch der erjte Sapellmeifter Triebenfee, deſſen hagere 
Geſtalt, mit dem langen, auf die Schultern herabwallenden Haare 
und feinem langſam waltenden Zactirftabe noch immer am Diri- 
gentenpulte zu ſehen war, ließ ab uud zu eine Oper eigener 
Compofition vom Stapel, während der Orchefterdirector Piris, 
der m Prag als Biolinvirtuofe über Alles gefhätt, durch Baganini 
aber in diefer Eigenfchaft einigermaßen in Schatten gejtellt wurde, 
in feinen Quartett-Abenden der Kammermufif eine forgfältige Pflege 
angedeihen ließ. In einem Confervatoriums Concerte des Yahres 
1831 machte die Elevin Minona Blumauer mit ihrem erften 
Berfuche in der Deffentlichkeit befonderes Auffehen. Sie fang eine 
Arie von Baccaj fo trefflich, daß die Kritik mit einiger Be—⸗ 
geifterung fchrieb: 

„Wir gefteben, daß wir diefes Mädchen — da die vielberühmte dentfche 
Nachtigall Henriette Sontag doch nicht jo eigentlich hieher gerechnet werben 





— 181 — 


kann — für die befte Schülerin des AJuftituts halten, welche wir bis jeßt 
gehört haben. Ste hat Feine jehr große und impoſante, doch fehöne und 
leicht anfchlagende Stimme, in welder man jogar einige Aehnlichkeit mit 
dein Organ der oben erwähnten europäifchen Sängerin finden kann und 
fang die angezeigte Arie mit Variationen, die eigentlich nit für eine 
Schülerin geeignet ift, mit großer Reinheit und gutem Vortrag. Bon ihr 
darf das Conjerbatorium mehr Freude unb Ehre erwarten ald von allen 
ihren Vorgängerinen. Bemerkenswerth iſt, daß fie den erften Unterricht 
nicht bier erhielt, und es jcheint beinahe, daß diefer die früheren weiblichen 
Zöglinge auf einen falſchen Weg leitet und es daher der Lehrerin deö 
höheren Geſanges erfchwert, fie weiterzubilden.“ . 


Minona Blumaner erhielt nach einigen Monaten bereits ein 
Engagement an das Königftädtiiche Theater in Berlin; ihr Name 
wurde, wie mau in Prag richtig geahnt, berühmt in der deutjchen 
Bühnenwelt, wenn auch nicht in jener Sphäre, in welcher Hen— 
riette Sontag ihre Triumphe gefeiert. Minona Frieb:Blumauer 
(geb. 1816 in Stuttgart) wurde eine Zierde der Berliner Hof- 
bühne im Fade weiblicher Charakter-Rollen. 


Das Conſervatorium pflegte unter Leitung Gordigiant’s 
in den dreißiger Jahren das Theater in befonderer Weife. Die 
Aufführungen von Mozarts „Titus“ und „Entführung aus dem 
Serail” im gräfl. Wrtby'ſchen Theaterſaale erzielten ſogar Ein: 
nahmen bis übe: 600 fl. W. W. Am 13. und 14. April 1831 
gab man Morlacchi's Oper „La gioventa d’Enrico quarto“ zur 
Zufriedenheit der Zuhörer, doch Fonnte fich die Generalverſamm— 
lung des Inſtituts in diefem Jahre ebenfowenig als die Kritif 
der Ueberzeugung verjchließen, „daß die Leiftungen der Gejang- 
ſchule mit den trefflichen Leiſtungen der Inſtrumentalclaſſen Feines: 
wegs auf gleicher Höhe jtanden und daß das Engagement einer 
geſchickten Singmeifterin wilnfchenswerth ſei“. Eine Zeitlang 
fungirte die einft berühmte Wiener Hofopernfängerin Mad. Zomp: 
Teyber als foldhe, dann dachte man an das Engagement von 
Katharina Podhorsky, die nad) wenigen Jagen demifjionirte, 
hierauf Fam auf kurze Zeit Mad. Batka und endlich 1832 Mad. 
Saravoglia-Sandrimi, die chemalige berühmte Primadonna, 
welche cine erhöhte und zwedentjprechende Thätigkeit in diefe Ab- 


— 182 — 


theilung des Confervatoriums brachte. Die theatralifchen Vor⸗ 


stellungen, die nach dem Tode des Grafen Wrtby, eines großen 
Wohlthäters der Anftalt, in dem eigens eingerichteten Theater⸗ 
faale des Dominicaner-Rlofters, alfo im Inſtitute ſelbſt, ftatt- 
fanden, brachten manches Intereſſante, fo u. A. 1835 eine Art 
Paſticcio d. h. eine Zufammenftelung von verjchiedenen Opern⸗ 
fragmenten unter dem Titel „Die verjchleierte Braut”, Text nad) 
Calderon von W. 4. Gerle; 1839 wurde vom 23. big 26. April 
allabepdlich Mozart's „cosi fan tutte“ gegeben, wobei Mad. 
Saravoglia-Sandrini troß ihres Alters das Kammermädchen De- 
jpina gab und durch virtwofen Gefang fowie durch geiftvolle Dar- 
ftellung gleich überrafchte. In demfelben Jahre noch demiffionirte 
aber die Meifterin, und Mad. Ezejka, die bekanntlich ſchon 
früher dem Confervatorium angehört und die Sontag herangebildet 
hatte, wirkte abermals ungefähr ein Jahr an dem Inſtitute, 613 
die Stellung einer Gefanglehrerin aufgelaffen und dem Fachpro—⸗ 
feffor die alleinige Ausbildung der Gefangseleven überlaffen wurde. 

Die markantefte neue Erfcheinung am Schlufje der Directions⸗ 
Aera des Triumvirats war ein jugendliches Talent, das dem 
Ruhme der Sontag nachzuſtreben jhien: Jenny Luger Am 
4. März 1816 in dem Lutzer'ſchen Haufe am Graben zu Prag 
geboren, erhielt fie jchon frühzeitig Geſangsunterricht. Um ihre 
Ausbildung durch Cicimara zu ermöglichen, fiedelte ihr Vater, ein 
wohlhabender Zifchlermeifter, nach Wien über; fpäter. nahm fie 
in Brag bei Mad. Zomp:Teyber Geſangsſtunden und verjuchte 
fich bereit3 1829 in cinem Concerte, wo ihre brillante Coloratur 
und ihre glodenreine Stimme fofort Auffehen machte. Ihren 
erjten Bühnentriumph feierte fie am 12. Mat 1832 ala „Helene“ 
in der Oper „Das Fräulein vom See”, der Beneficevorftellung 
der Dem. Emering. Der Erfolg war ein fo glänzender, daß fie 
der Beifall mehr als einmal mitten im Gefange unterbrach. Am 
25. Mai trat fie das zweitemal in derfelben Oper auf, diesmal aber 
neben der Podhorsky, welche ftatt Dem. Emering den Malcolme 
Gräme gab. Der Abend brachte alfo einen Wettjtreit zwiſchen 
einer ungewöhnlich talentirten Anfängerin und einer bewährten 


nn — 


— 183 — 


dramatischen Meifterin. Jenny Lutzer beſtand die Feuerprobe 
glänzend, das gleichzeitige Auftreten beider Sängerinen erzeugte 
einen jelten dagewejenen Enthufiasmus. Von nun an waren die 
Abende, an denen die Podhorsky und die Luger mit einander 
fangen, wahre Feſte für das Publicum. Jenny jang als Debutantin 
noch die Marie in Gritry's „Blaubart”, die ihr abermals einen 
glänzenden äußeren Erfolg und. die reichte Anerkennung ihrer 
Mittel und ihrer virtuofen italieniihen Geſangsmanier eintrug, 
Ninetta in der „vdiebifchen Eljter”, die Brinzeifin von Navarra in 
„Johann von Paris”, die Camilla in „Zampa", dann die Zerline 
in „Fra Diavolo”. Ihr erſtes Benefice feierte fie in Roſſini's 
„l' inganno felice* und heimfte damit Ehren ein, wie fie einer 
Anfängerin felten gezollt worden find. Sie glänzte als Inlie 
nchen dem Romeo der Heinefetter, ſpäter neben der Podhorsky, 
als Anna Bolena neben der trefflichen Johanna Seymor der Pod⸗ 
horsky, als Jeſſonda*) neben der Amizili⸗Podhorsky. Konnte e8 
ansgezeichnetere Opernabende geben als dieſe oder eine Fidelio- 
Aufführung mit Mad. Podhorsky in der Titelrolle ? 

Die Vorwürfe, daß das Triumvirat dem herrichenden Ges 
Ihmade an Roſſiniſchen Zrilfern und Rouladen, an Auber'ſchen 
Dpern-Luftjpielen, nicht entgegentrat, mochten, wie gejagt, begründet 
fein — das aber wird man, auch nach unferer Kleinen Revue, 
zugejtehen müſſen, daß es dem Dreimänner:Regiment, abgejehen 
von einigen Unglüds-Berioden an Xhätigkeit nicht mangelte und 
daß der Glanzpunkte im Opernichen des Jahrzentes 1824—34 
nicht wenige waren. Eine Bühne, die zwar anf einen anftändigen 
Zuſchuß des Landes, aber nicht auf eine immenje Hoftheater-Sub- 
vention rechnen durfte, mußte der LXiebhaberei des Publicums im 
Großen und Ganzen gerecht werden; mit Gluck, Cherubini, Groͤtry 
oder Mehul wäre fie vielleicht bei der Lage der Dinge zu Grunde 


*, Spohr's „Jeſſonda“ kam am 18. März 1834 mit gläuzendem 
Erfolge zum Benefice der Mad. Podhorsky zur erften Aufführung. Alle 
Glanznummern der Oper fanden ftürmiichen Beifall. Die Namen „VBodhorsty“ 
und „Lutzer“ tönten unaufhörlich ans dem Jubel heraus. Gleichwohl konnte 
fih die Oper nicht dauernd auf dem Repertoire behaupten. 


— 184 — 


gegangen. Hat fih alfo die Oper unter dem Triumvirat nicht zu 
einer idealen Höhe emporgeſchwungen, jo hat fie ji) doch immer: 
hin auf anftändiger Höhe behauptet und konnte der nachfolgenden 
Aera eine Podhorsky und Lutzer vererben, eine Erbichaft, die 

durchaus nicht zu verachten war. | 

Ehe wir von der Dreimänner-YAera jcheiden, möchten wir 
noch einer ihrer eigenften Schöpfungen oder wenigjtend Wieder: 
Schöpfungen, der cechifchen Nachmittagsvorftellungen, gedenken. ALS 
im Jahre 1820 nad kaum dreijährigen Beſtande in der neuen 
Drganifation die Cechifchen VBorftellungen an Normatagen behördlid) 
eingeftellt wurden, rubten die techifchen Schaufpiele faſt vier 
Jahre, um erſt mit der Directionsübernahme des Triumvirats von 
neuem zu erjtehen. Stepanef, der auf diefem Gebiete bereits cine 
langjährige Erfahrung hinter ſich hatte, führte natürlich die Ober: 
leitung der Cechifchen Vorftellungen, welche nun alljährlid vom 
St. Wenzelstage bis zum Johannistage jeden Sonn: und Feiertag 
von 4 bis 6 Uhr Abends vor der deutjchen Vorſtellung abgehalten 
wurden. Bon der Emſigkeit, niit der hier gearbeitet wurde, gibt 
der Umſtand Zeugniß, daß in den zehn Negierungsjahren des 
Triumvirats (von 1824 bis 1834) nicht weniger als 34 Opern: 
und Singfpiele, 89 Trauer, Schau- und LZuftjpiele, zufammen 
123 Stüde von 22 verfchiedenen Autoren und außerdem 15 foge: 
nannte Quodlibets in echifher Sprache aufgeführt wurden, und 
wenn auch die Qualität mit der Quantität durchaus nicht gleichen 
Schritt hielt, jo wird man doch gejtehen müſſen, daß im diefer 
Stepanefchen Aera der Grund zu dem fpäteren ftehenden cechifchen 
Theater gelegt wurde. 

Den Hanptantheil an der dramatischen Production hatte der 
Director ſelbſt; er war einer der emligften Bionniere der national: 
Havifchen Bewegung auf dem Gebiete der Literatur und Kunft, redi— 
girte nad) Celakovskh aud) die „Ceska véela“ und fuchte in jeder 
Hinfiht den Sinn für höheres Streben in feiner Nation zu weden. 
Wir haben bereitS dem Bienenfleiße Stepaneck's als dramatifcher 
Schriftiteller alle Anerkennung gezollt und der anjehnlichen Quan— 
titäten Titerarifcher Producte erwähnt, die ev dem cechijchen Reper— 


— 185 — 


toire einzuverleiben wußte. Trotz dieſer von Kliepera, Tyl u. A. 


unterſtützten Thätigkeit hatten es die Lechifchen Vorſtellungen aber 


doch in der Periode des Triumvirats durchaus nicht zur Blüthe 
gebracht. „Fünf Jahre find verfloſſen,“ bemerkte der Cechifche 
Schriftſteller und Kritiker Chmelensky in ſeinem Generalberichte 
über das dechiſche Theater im Jahre 1829, „ohne daß ſich das 
böhmijche Theater merklich gehoben hat, vielmehr gleicht e8 einem 
Mädchen, das jich nicht zu feinem Vortheile entwidelt hat.” Und 
dieſes Urtheil Tieß jich im Großen und Ganzen auch im Jahre 
1834 fällen, als die Direetionstrias ihr Regiment abgab. Dice 
Schuld lag freilich nicht an der Divection, fondern in den Verhält- 
niffen der Cechifchen Literatur und der Theilnahme des Volfes über: 
haupt. Die Originalftüde waren äußerft dünn gefäet, wie es bei 
den Hänflein Cechifcher Literaten und dem Mangel eines nennens— 
werthen Vorraths an Nepertoireftüden nit anders fein Tomte. 
Kam aber eine befjere Novität an die Meihe, jo mußte fie mit 
Rücficht auf die kurze Dauer der Nachmittagsvorftellungen (zwei 
Stunden) unbarnherzig zufammengeftrichen werden. Ein Krebs: 
Ihaden war das unverhältnigmäßige Vorherrichen der Poſſe, vor: 
uchmlich der Wiener Localpofje, die in fchlechten Prager Locali⸗ 
jirungen das Beſte von ihrem Gehalte einbüßte. Die wenigen 
Driginalpoffen aber wurden dem Bublicum bis zum Ueberdruſſe 
häufig vorgefpielt und konnten durchaus nicht auf das Lob Anfprud) 
machen, zur Bildung des Volkes beizutragen. Gute Luſtſpiele und 
Farcen, die in Prag oder Böhmen fpielten und daher unmittelbar 
zum Bolfe ſprachen, hatte man faft gar nicht, abgejehen von den 
Stüden, mit deren Stepanek hie und da hervortrat z. B. „Cech 
a Nemec“. 

In der Oper wurde mehr geleifter, als füglid) verlangt 
werden konnte. Stepanek und Genoſſen überfeßten uud bearbeiteten, 
was nur immer an claffifchen und neuen Opern vorhanden war, 
und die Borjtellungen gingen meiſtens recht gut von Statten. 
1324 führte man die „Zanberflöte”, den „Wafferträger” und den 
„Freiſchütz“ in Ecchifcher Sprache auf. Ber der „Freiſchütz“-Auf— 
führung unterlief die heitere Epifcde, daß die Sängerin des Braut: 


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jungfern-Liedes in deutſcher Sprache zu fingen begann; erft im 
Zaufe des Gefanges beſann fie fich darauf, daß fie in Cechifcher 
Spradhe mitzuwirken Hatte und fegte in dem techichen Texte 
Stepanek's fort. 

„ir haben jebt das Vergnügen“ — heißt es in einem Berichte der 
Bäuerle’fchen Tcheaterzeitung vom Jäner 1826 aus Prag — „die größten 
Meiſterwerke Mozart's, Roſſini's, Weigl's, Weber'3 u. U. in böhmijcher 
Sprade vortragen zu hören, und ein Beweis, daß diefe Werke durch bie 
Ueberfegung des italienischen nud deutichen Textes in’3 Böhmifche wenn 
nicht gewonnen boch nichts verloren haben, fei dies, daß felbft Deutfche jetzt 
lieber die böhmiſche Oper hören und Italiener felbe in ihrer Mutterfprade 
wieberzufinden glauben. „BZauberflöte”, „Don Juan”, „Cosi fan tutte“, 
„Schweizerfamilie”, „Wafferträger”, „Barbier von Sevilla”, „Der Mohr 
von Venedig”, „Der Schnee”, „Joſeph und feine Brüder“, „Freiſchütz“, 
„Aline“ (von Bäuerle) find in kurzer Zeit durch die Bemühungen des Mit⸗ 
directord Stepanek, dann der Herren Machaced und Chmelensky in die 
böhmiſche Sprade überjegt worden, Thei!s Mitglieder bes Theaters, theils 
Dilettanten becifern fich, diefe Stüde nad ihrem vollen Werthe aufzufaflen 
und in jeder Hinficht die Zuhörer zu befriedigen. Den. Comet bezaubert 
durch ihre fchöne Stimme Jedermann; ihr Verluft würde unerfeglich fein. 
Als Emeline, Donna Anna, Agathe, Desdemona waren ihre Reiftungen vor: 
trefflich, und fie würde vielleicht von allen Eeiten mit Rob überhäuft, wenn 
fie nicht zu beſcheiden ſich im Stillen zurüdzöge. Hr. Podhorsky, ein guter 
Tenor, ift uns bas, was Forti dem Wiener Theater war: mit einer vollen 
wenngleich etwas beſchränkten Stimme verbindet er ein ſchönes, anmuthiges 
Spiel; al8 Don Juan und Othello leiſtet er fehr viel. Hr. Binder, unfer 
erfter Tenor, Wiener von Geburt, überzeugt von ber Annıuth und Sangbarteıt 
der böhmischen Sprache, ſcheut nicht die große Mühe, das Böhmiſche aus: 
ſprechen zu lernen, um im „Othello“ den Rodrigo übernehmen, unb durch 
feine helle, lieblihe Stimme zur vollkommen gelungenen Aufführung dieſer 
Oper beitragen zu dürfen. Hr. Michaleſi, Baflıft, ift befonders der Aus: 
ſprache wegen ein Mufter eines böhmifchen Schaufpielers und trägt nicht 
wenig zum guten Ruf ber Oper bei. Unter deu Dilettanten find befonder3 
die Dem. Sch. und Dem. Pr. fehr verdient... .” 

Nicht felten machte man die Bemerkung, daß Sänger, die in 
der deutfchen Oper befchäftigt waren, in der Cechifchen zu ihrem 
Bortheile ganz umgewandelt fchienen. Dies machte die Vertraut⸗ 
heit mit den Idiom, das ja viele Operiften als Mutterjprache 
redeten. So war der Tenor Drsfa in der cechifchen Oper nod) 
einmal fo gut wie in der deutſchen, und die waderen Baſſiſten 





— 187 — 


Illner (geb. in Dels, ein Bruder der Mad. Allram) und Stra- 
faty (geb. in Blatna) bewegten fich auf diefem Gebiete mit großer 
Sicherheit. 

Im Schaufpiele beftand die Mehrzahl des Perſonales 
aus Dilettanten, das Sonderbare an der Sache aber war, daß 
man dieſe Cechifchen Dilettanten allmälig zu deutſchen Schau- 
jpielern heranbildete und fie dann, wenn fie dem deutfchen Schau: 
jpiele eingereiht waren, einfach nach wie vor in den Nadmittags: 
vorjtelfungen mitfpielen ließ. So bildeten die Cechifchen Vorjtel- 
lungen gewiflermaßen eine Uebungsichule in der Bretterroutine, 
man fand Fein Fritiiches Publicum vur fi), Tonnte exrperimentiven 
nach Herzensluft und brauchte feine hohen oder gar feine Sagen 
zu zahlen. Unter den permanenten Mitgliedern des Lechiichen 
Schauſpiels machten ſich Schmiller, Hametner, Mane- 
tinsty, Tyl (der Dichter), ſpäter Kolar, die Dies. Schimel, 
Roſcher und Allram (eine Tochter der Mad. Alltam) bemerk⸗ 
bar. Vom deutfchen Schauspiel wirkten Grabinger, hier ftets 
in erften Partien, und Grau, ein tüchtiger Eonliffenreißer, mit. 
Bejondere Zeittage für das Nachmittagspublicum gab es, wenn 
Feiftmantel den Deutjchen in Stepane®s „Cech a Nömec“ gab 
oder wenn Mad. Binder als „Nelva” — einer Rolle, die ja 
ſtumm, daher international war — mitwirfte. Eine Frucht der 
cechiichen Borftellung war leider auch der Cechifche Accent, dei die 
Kritif nachgerade in den deutſchen Vorftellungen vielfach zu rügen 
hatte. Eine Hauptjchuld an der wenig befriedigenden Entwideluug 
der Eechifchen Vorjtellungen trug das Bublicum, das fich felbit in 
den Zagen, da nur Sonn: und Feiertags Cechifch gefpielt wurde, 
zu einem Beſuche der Vorftellungen nicht entichließen konnte. 
Man unterfchien eben drei verjchiedene Claffen von Lechifchen 
ZTheaterbefuchern: folche, welche blog die Liebe für die Sprache 
und Literatur ind Theater trieb, und dieſe waren jpärlich vor- 
handen, folcye, die das Eechifche beffer verſtanden als dag Deutfche, 
und von diefen fand man jchr viele an Sonn: und Feiertag: 
Nachmittagen cher im Gaſthauſe als im Theater, und endlich 
jolche, welche ſich blos aus Neugierde hie und da eine Cechijche 


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Borjtellung anſahen. Daß diefe drei Claſſen eine Erhöhung der 
Frequenz nicht bewirken konnten, war cine für den Echifchen Na: 
tionalen betrüibende Thatſache. Eifrig ſtaud nur die Kritif, nament— 
ih Dr. Chmelensky, den Ecchifchen Vorftellungen zur Seite; 
fie ftand anf weit bedentenderer Höhe als die dramatiſche Dicht: 
kunſt ihrer Zeit ſelbſt. 

Ueberhaupt bezeichnete die Aera P. K. S. einen gewaltigen 
Aufſchwung der Theaterkritik in Prag. An der „Bohemia“ 
erhob der wiederholt citirte Aejthetifer Prof. Anton Müller 
feine Stimme, und feine Referate können noch heute als werth- 
volle dramaturgifche Blätter bezeichnet werden. Er war cin auf 
richtiger und einfichtiger Beirath der Schaufpieler und Sänger, 
maßvoll und gerecht in feinem Urteile, ven erhabenen Standpunkt 
und die edlen Zwede der Kritik jederzeit Eleinlichen oder perfün- 
lichen Niüdfichten überorduend. Sein Wort galt noch in der 
Stöger'ſchen Periode ungemein viel, man ſchwor auf feine Urtheile, 
was jedoch nicht hHinderte, daß Müller in auswärtigen Blättern 
augefehdet und verkleinert wurde. — AS Prager Theatercorre- 
jpendent vieler auswärtiger Blätter fungirte bereits W. U. Gerle 
(ſcherzweiſe auch „Wagerle” genamıt), ein Mann von Bildung 
und geſundem Urtheile In den damaligen, dem Theater nahe: 
jtehenden Literatenfreifen fpiclte neben Mülfer und Gerle Wilhelm 
Marſand, gleichzeitig Dfficier der Prager Garnifon, eine große 
Nolle. Er bewegte jich viel in Theaterfreifen und war als amı- 
janter, ftetS wigreicher Gejellfchafter beliebt. Die Prager Bühne 
führte feine Schaufpiele (u. U. auch ein „Marino Falieri“) und 
Luſtſpiele, von denen ſich einige ja noch jet auf dem Repertoire 
erhalten haben, regelmäßig zuerjt auf. In den „Helden“ glängten 
die Binder und Friederife Herbſt nebeneinander in ſchmucker 
Kriegertracht..... 

Sp wären wir denn mit unſerem Rückblicke auf die Jahre 
der Dreimänner-Negierung am Ende angelangt. Als das Yahr 
1833 aubrach, mußte die Entfcheidung über die küuftige Direction 
eintreten. Zu einer Erneuerung der Triumvirats-Herrſchaft 
ünßerten weder die Triumvirn noch viel weniger der Landesaus- 


ET ⏑ ⏑. ⏑ —⏑⏑ 7 ee An. re 


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ſchuß Neigung. Glänzende Caffenrefultate hatte die Trias durchaus 
nicht hinter fich; wiederholt war in ihrer Caſſe Ebbe eingetreten 
und wer weiß, was gejchehen wäre, wenn Polawsky und feine 
Börfe nicht dageweſen wären! Schon im October 1827 hatte 
die Direction eine Eingabe wegen Aufrechterhaltung des Theaters 
an den Landesausſchuß gerichtet. Sie klagte über die ungünftigen 
Finanzverhältniffe, bat um Erhöhung des Logenabonnements, um 
ein Yequivalent für die verlorene Benützung des Neboutenprivilegs 
und um Uebernahme eines Theiles der Beleuchtung durch die 
Stände Ein günftiger Beicheid in allen diefen Dingen ift dem 
Zriumvirat nicht geworden, doch wurde im Juni 1829, als das 
Redoutengebäude zum Verſatzamt eingerichtet wurde, das Privi: 
legium dem Lande zum Beften des Nationaltheaters abgetreten. 
Im März 1833, als die Stunde der Entjcheidung heranrückte, 
erwogen die Stände, welche, wie wiederholt conftatirt wurde, die 
Erfolge der Dreimänmerleitung ihren Hohen Anfprüchen nicht 
genügen fahen, das ihnen zuftehende Recht der Kündigung. Sie 
fanden, daß die Brager Bühne von ihren ehemaligen (dem Liebich'⸗ 
chen) Flor fehr herabgefommen und überhaupt in einer Verfaſſung 
jei, die eine günftige Aernderung wünſchen laffe. ‘Der dreiföpfigen 
Zeitung mangle es an der Einheit des Willens, an dem erforder: 
lichen Einflange in ver Durchführung gefaßter Pläne. Schwan- 
fend bleibe die Verantwortung unter drei Perfonen, deren jede 
mit Klugheit auszuweichen fuche, und jo verlören auch alle Zu— 
rechtweifungen und Rügen den bezweckten Nachdrud, in dent jie 
Niemand comcentrirt treffen. Wie ideal der Landesausfchuß die 
Aufgabe der Opernleitung auffaßte und wie wenig er mit den 
Nefultaten auf diefem Gebiete zufrieden war, haben wir jchon 
gefeben. Allerdings gaben die Stände zu, daß die Schuld an 


diefen — allzu grell gefchilderten — Zuftänden nicht fo fehr die 


Directoren als die Verhältniſſe trugen; viele Stimmen gaben zu 
bedenken, daß man ſeinerzeit an dem nun als deal geltenden 
Liebich Manches und nicht eben zart auszustellen gefunden habe — 
aber die Partei, welche für die Kündigung war, drang durd). 
Das Triumvirat wußte uun, daß es mit Ablauf jeines Contractes 


es. ME EEE DE oe , ER Fan. _ Zn EEE ww — — — 


(1834) auf eine Erneuerung nicht zu rechnen habe. Die Stände 
ſtellten als Bedingungen für eine zukünftige Direction vor Allem 
auf, daß als Candidat nur ein Mann und eine einzelne 
Perſon berückſichtigt werden ſollte. Diesmal liefen nach der 
Concursausſchreibung Offerte in ſtattlicher Anzahl ein. Joſeph 
Ruß, geweſener Operndirector in Brünn, verſprach den Pragern 
ein ſehr gutes Ballet und eine italieniſche Oper, wie ſie in den 
k. k. Staaten nicht beſtehe. Aehnliches verſprach der Brünner 
Director Zvonecek; Leopold Hoc, Director der Theater von 
Baden, Preßburg und Dedenburg, wußte zu feinem Vortheile an- 
zuführen, daß er in Anerkennung feiner wohlthätigen Handlungen 
von Ihr. Maj. der Kaiferin eine filberne Theemafchine erhalten 
babe; Franz Mejo, Regiffeur in Breslau, Tonnte fi) auf eine 
verdienſtvolle ſchauſpieleriſche Zhätigkeit berufen; Auguſte Brede, 
köngl. württ. Hofſchauſpielerin, dieſelbe, welche unter Liebich die 
Prager entzückt hatte, nun aber eine würdige Matrone und im 
alten Fache beſchäftigt war, berief ſich auf ihre künſtleriſchen Er⸗ 
folge und ihre Connexionen in der Kunſtwelt, ſcheiterte aber von 
vorneherein an der weiberfeindlichen Bedingung, daß die neue 
Direction nur in einem Manne verkorpert ſein dürfe. 

Die zwei Bewerber, welche am meiſten in Betracht kamen, 
waren Director Stepanek und Auguſt Stöger (recte Althaller), 
der Gatte der Madame LXiebich, bisher Director des Joſeph—⸗ 
ftädtertheaters in Wien. Stepanek konnte den Ständen eine ehrenvolle 
Vergangenheit als ftichhaltigen Grund zu feiner Berückſichtigung 
. anführen. Seine Eingabe betonte, daß er geborener Böhme, Prager 
Bürger, ſeit 25 Jahren Mitglied der Prager Bühne, Mitglied 
der meiften Brager Kunft-, Bildungs: und Wohlthätigkeitsanftalten, 
Befiger der goldenen Ehrenmedaille, „Freund der beten Dichter 
Deutſchlands“ fei. Wenn die Prager Bühne, bemerkte er, in den 
legten Pachtjahren zu jener Volltommenbeit, deren fie vielleicht 
fähig wäre, nicht gelangte, fo fei zu erwägen, daß Einheit des 
Willens und Einheit in der Durchführung zwechmäßiger Maßregeln 
bei einer Direction von mehren Perſonen nad) der Natur einer 
gejellichaftlichen Verbindung nicht immer erreichbar und fonach der 


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Erfolg nicht jeiner Schuld beizumeſſen fei. Er fchmeichle fich mit 
dem Berdienfte, diefer Kunjtanjtalt mehre brave Mitglieder erwor- 
ben, viele erhalten und überhaupt zur Emporbringung des Theaters 
unermübdet beigetragen zu haben. Der wärmſte Fürfprecher Ste- 
panek's, hinter deifen beliebter Berfönlichkeit Manche übrigens noch 
immer als geldgebenden Factor Polawsky und wohl auch Kainz 
vermutheten, war der Tunftliebende Magiftratsratd und Theater: 
auflichtscommiffionsbeifiger Schüit, eine damals in Kunftfreifen 
einflußreiche Perſönlichkeit. Er zeigte in feinem Referate an den 
Landesausſchuß die Verdienfte Stepanek's im beften Lichte und 
empfahl ihn dringend als Director.*) In Prag und in der 
Theaterwelt war man auch überzeugt, daß Niemand Anderer als 
Stepanef erforen würde. **) Aber Schüß fand eine mächtige Oppo- 
fition. Bereits nach Ablauf des Concurstermins war das Geſuch 
Stöger’3 eingelangt. Es war furz und mit wenigen Beilagen be- 
ſchwert. Stöger machte geltend, daß er die Theater in Trieft, 
Graz, Preßburg und in der Joſehpſtadt rühmlich geleitet habe und 
mit den Prager Verhältniffen vollfommen vertraut fei. Die große 
Meajorität der Stände war fofort mit feltener Entjchiedenheit für 
ihn. Die Logeneigenthümer meinten, daß unter Stepanek die Bühne 
„immer elender" geworden fei, die Oper fi) nur auf die Luber 
und Podhorsky, das Schauſpiel auf Bayer, Ernſt, Polawsky, 
Feijtmantel, die Dies. Binder und Herbit bejchränfe, alles Webrige 
und die Decorationen unter aller Kritik jeien, wogegen Stöger in 
Graz noch immer vermißt werde, das Joſephſtädter⸗Theater aber 


*) Acten der Theaterauffichtscommiffton, die überhaupt dem Verfaffer 
al3 reiche Duelle für die Bühnengefchichte dieſes Jahrhunderts zur Dispo⸗ 
fition ftanden. 

*9) So fchrieb Eß lair aus Graz, 7. Mai 1833 an Stepanel: „Daß 
Sie, mein lieber Stepanel, die Direction allein übernehmen werben, hat 
mich fo herzlich gefreut, daß ich mich nicht darüber ausſprechen Tann. Ich 
wünfche ben Pragern Glüd zu diefer Wahl, denn nur ein Mann, der mit 
folder Energ’e zu wirken vermag, kann das fohlimme wieder gut machen. 
Vebernimmt Serrmann die Regie, jo wänjche ic) auch Ihnen Glüd, denn 
auf dieſes Mannes tiefe Einficht, gediegene Kenntuiß und reichen Verftand 
dürfen Sie vertrauensvoll bauen.“ 


— 192 — 


jelbft dem Burg: und Kärntnerthortheater concurrenzfähig gemacht 
habe. Stepanef fiel durch, Stöger, deffen Glück vielfach dem Ein- 
fluffe feiner Fran zugefchrieben wurde, erhielt die Direction. Am 
30. April 1834 trug der Theaterzettel — man gab „Sgejlonda” — 
zum legten Male die Buchjtaben B. 8. S., das Triumvirat war 
zu Ende; am 1. Mai führte man eine Novität auf „Die Gepriüften”, 
Luftipiel von Mad. Weißenthurn, und ein Prolog von W. W. Gerle 
verfiindigte die nene Direction Johaun Auguft Stöger. 





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— 193 — 


IX. 


Zohßann Angufl Htöger’s erfle Directionsperiode. 
(1834— 1846.) 


Ein glanzvoller Beginn. 


(Sodann Auguft Stöger reete Althaller als Menfh und Bühnenleiter. — 
Stöger ald Director in Graz, Preßburg, Trieft und Wien. — Der Beginn 
der Stöger'ſchen Direction in Prag. — Das Schaufpiel mit Fiſcher und 
Dem. Frey; die Oper mit Demmer, Pöck, Preifinger, Emminger, Jenny 
Lutzer. — Mozartfeft. — Die erften Schwierigkeiten: Der Theaterumban 
und deſſen Koften; Landestrauer; fruchtlofe Entihädigungsanfprüche.) 

Johann Auguft Althaller, der neue Prager Bühnenleiter, war 
1790 oder 1791 zu Stoderau geboren, hatte im Anfange des Jahr⸗ 
hunderts in Wien als Singknabe Furore gemacht, fpäter als Alum- 
natsclerifer die Gottesgelehrtheit ftudirt, war endlich unter dem 
Namen Stöger unter die Bühnentenoriften gegangen und hatte mit 
der Hand der ſchönen Witwe Liebich die fichere Ausſicht auf Ear- 
riere gewonnen. Nım war er am Hiele feiner Wünſche angelangt! 
Er war „ftändifcher Theaterdirector in Prag”, Director an derfelben 
Stätte, wo er feine erjten Lorbeern als Sänger gepflüdt und an der 
Seite jeiner Gattin die Anfangsgründe des Directionshandiwerfes er- 
lernt hatte! Stöger war der populärfte der Nach-Liebich’Ichen Prager 
Theaterdirectoren, er hat der Bühne mit einer jechsjährigen Unter: 
brechung achtzehn Fahre als Leiter vorgeftanden und feinen Namen 
auf immer mit ihrer Gefchichte verfnüpft. Er war fein Directions- 
genie, er war feine hervorragende Fünftlerifche Kraft, fein Heros an 
Intelligenz und doch Fein fchlechter Director — ja, es fehlte nicht viel, 
daßſich in den erjten “Jahren feiner Aera die Prager Bühne zur 
alten Liebich'ſchen Blüthe emporgeſchwungen hätte. Die Prager 
Dper erreichte ımter ihm einen Glanz, wie fie ihn lange Zeit 
nad) ihm nicht mehr erreicht hat und nur bei der günftigften 
Eonftellation wieder erreichen dürfte. Daß noch unter Stöger diefer 
Glanz erlofch, daß auf die impoſanteſten Triumphe ein tiefer Fall 

13 


DV 4 Ts SL sus ne LG Te ur GE EEE En DEE mE BE - ee — —— ————— — 


— 194 — 


folgte, das iſt ein Umſtand, der den Stöger'ſchen Directionsepochen 
ihr charakteriſtiſches Gepräge gibt. Als Director ſeiner Geſellſchaft 
erinnerte Stöger an die patriarchaliſchen Zeiten Liebich's, wenn 
er auch von deſſen Eleganz, Liebenswürdigkeit und Weltton nicht 
das Mindeſte an ſich hatte. Er dutzte ſein geſammtes Perſonal; 
die Podhorsky war ſein „Katherl“, die Lutzer ſeine „liebe Jenny“, 
die Frey (welche er noch als Kind gekannt Hatte) fein „Mäderl“; 
feine unvermeidlichen Attribute waren die Tabaksdoſe und fein 
Krüditod, mit dem er handtiren wußte wie ein Corporal — 
der Stod konnte unter Umſtänden gefährlich werden, wie jich aus 
mehr als einem Yalle erweijen ließe. Das Unglaublichjte waren 
ihm Krankheitsanfälle feiner Mitglieder. „Schulfranfheiten, nichts 
als Schulkrankheiten!” rief er, wenn ihm der Theaterarzt eine 
nene Erkrankung meldete. Nicht jelten überzeugte er ſich perſönlich 
von dem Zuſtande des Patienten, und wehe dem, ver ihm fpiel- 
fähig ſchien! Dann ließ er feinen Stod auf dem Tiſche erdröhnen, 
daß Alles zitterte. Das Barometer für feine Launen waren — 
wie wohl fo ziemlich bei allen Directoren — die Abendeinnahmen. 
Waren fie gut, dann fchnupfte der Director eine Priſe um die 
andere, und dann fonnte der Schauspieler von ihm etwas ver- 
langen. Waren fie aber jchlecht, dann hatte er feinen groben oder 
„Ziroler" Tag, wie das Perjonale zu jagen pflegte. „Ziroler” (zu 
diefer Bezeichnung hatte ihm fein derber Öfterreichifcher oder „Tiroler 
Dialect verholfen) war Stöger audy in puncto Ehrlichkeit, Gut- 
müthigkeit und Aufrichtigfeit. Er fagte Jedem, felbft den hohen 
Beifigern der gejtrengen Theateraufjichtscommiffion, die Wahrheit 
ins Geficht und konnte darin ziemlich weit gehen. Als einft eine 
Altiſtin mit prächtiger Stimme in Brag mit vielem Glücke debutirte, 
die aber den in feinen Augen unverzeihlichen „Fehler“ großer 
Augenbrauen hatte, meinte er treuherzig zu ihr: „Ich kann Dich 
bereit3 („bereit3" war Stöger's Lieblingsausdrud, der oft in 
einem Satze dreimal wiederfehrte) nicht engagiren, weil Du zu 
große Zahnbürsten Haft, die müßteft Du Dir bereits abraſiren.“ 
AS ein gut fituirter Mann um die Hand feiner Tochter anhielt, 
wußte er ihm fo viele Fehler und Mängel derjelben aufzuzählen, 











— 1% — 


daß ih der Mann in der That zurückzog und aus der Heirath 
nichtS wurde. 

Stöger’8 Lieblingsaufenthalt war die Michler Bierhalle und 
dic „drei Hadeln” bei der Königshofer Caferne. Dort hatte er 
jeinne lieben Bechbrüder, dort vergaß er allen Aerger und Groll, 
den ihm das Directionsgefchäft gebracht hatte und Tonnte feine 
Leibfpeije, Knödel und Kraut, in aller Gemüthlichkeit verzehren. 
Madame Stöger, die verwitwete Liebich, liebte noch immer den 
feinen Tiſch, den fie feit ihres Seligen Zeiten gewohnt war, wie 
fie auch viel von den feinen Umgangsformen, der beftridenden 
Liebenswürdigfeit und unermüdlichen Gaftfreundfchaft ihres erjten 
Gatten befaß. Oft, wenn in ihren Salons die feinften Gerichte 
jervirt wurden und die Champagnerpfropfen Tnallten, ſaß der 
biedere Gemal mit einigen Zechgenofjen an einem Seitentifche 
und verzehrte — Knödel und Kraut. Im Theater ſah man den 
Director nie in einer Xoge oder auf einem Parquetfiße; man 
mußte ihn im Stehparterre oder in den ehemals im Stehparterre 
angebrachten Bänken fuchen, wenn man feiner habhaft werden 
wollte. Stöger war noch immer mit ganzer Seele Operift, das 
Schauſpiel blieb dem Oberregiſſeur überlaffen; er bedauerte nur, 
daß er es überhaupt halten mußte. ° Er felbjt war in der Lite: 
ratur nicht beffer zu Haufe, als man es von einem Dpernfänger 
der normalen Kategorie verlangen fonnte. Die Güte der Stüde 
beurtheilte er nach der Größe und dem Effecte des Titels. Ein 
„ſchöner Zettel” war ihm Ideal. Man erzählt eine Menge von Anef- 
doten, die von diejer Leidenschaft für „gute Titel" und „große 
Zettel” Zeugniß ablegen. So fpähte er einft verlegen nad) einem 
caſſemachenden Sonntagsftüde aus. Nach langem Suden fiel ihm 
der Titel „Prinz von Homburg" oder „die Schlacht bei Fehr: 
bellin” in die Augen. Das Stüd wurde angeſetzt, denn die 
„Schlacht“ imponirte dem Director gewaltig. Wie wunberte ſich 
aber der gute Stöger, ald das Kleiſt'ſche Drama bei der Abnei- 
gung des Sonntagspublicums gegen „clafjifche Stüde" ein leeres 
Haus machte! „Die „Schlacht" wird nicht mehr gegeben”, decre> 
tirte er, und der „Prinz von Homburg“ wurde im Archive be- 

13* 


—— en - -. - — 


— — - 
— — — — ** 


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graben. Es wäre mit Stöger's Schaufpiel ſchlimm, viel ſchlimmer 
als wirklich bejtellt geweſen, wenn er nicht jederzeit pflichteifrige, 
emſige NRegiffeure und einzelne Sträfte gefunden hätte, die wenigſtens 
theilmeife den manfenden Ruf des Prager Schaufpiel3 gerettet 
hätten. 

Ganz anders hielt es Stöger mit der Oper. Hier ftellte 
er feinen Mann, hier war ihm fein Opfer zu groß, Feine An— 
ftrengung zu viel, um die höchſten Anfprüche des Publicums zu 
befriedigen. Das Kärntnerthortheater in Wien war fein Vorbild, 
und in Nichts Hinter dieſem Vorbilde zurüdzuftehen, das Biel 
feines Ehrgeizes. Einem guten Sänger Tonnte er die höchjten 
Sagen zahlen, während e8 ein Schaufpieler nur in den. felteften 
Fällen wagen durfte, um eine Erhöhung feiner Gage zu peti- 
tioniren. Mit anßergewöhnlichem Eifer betrieb Stöger die Ent- 
deckung junger, vielverfprechender Talente. Wo es Niemand et: 
gefallen wäre zu fuchen, dort juchte und fand er. Sein beiter 
Fang war wohl der Barytonift Pöck. Stöger entdeckte deſſen 
ſtimmliche Anlage, als Pöck noch im Orchefter des Joſephſtädter 
Theaters wirkte. Sofort machte ſich der erfreute Director daran, 
feine Ausbildung zu beginnen. Leider war Pöck zur Artillerie 
affentirt, mit großem SKoftenaufmande mußte ihm Stöger einen 
Erfagmann ftellen, dann ließ er den Losgefauften tüchtig drillen, 
und der Erfolg entjprach den hohen Erwartungen Stögers. Pod 
machte in Wien und Prag Furore, vergalt aber feinem Entdeder 
und Wohlthäter mit dem jchwärzejten Undanf, mit offenem Con— 
tractbruch. Der treue Beirat Stögers auf feinen Entdedungs- 
reifen war fein Freund Sacher, mit dem es im Auffpüren neuer 
Stimmen nicht leicht Jemand aufnahm. Sacher führte einſt einen 
jtimmbegabten Kanonier, der fich das trifte Geſchäft des Geſchütz— 
pußens mit Gejang würzte, von der Kanone weg zu Stöger, ſetzte 
einen Probeverfuch des Mannes auf der Bühne durch, der gelang, 
worauf Stöger dem Mrtilleriften (ih glaube, Scharff war fein 
Name) vom Militär weghalf, ihn ausbilden ließ und ihm jo 
eine ehrenvolle Bühnencarriere ermöglichte. Großartiges Teiftete 
Stöger in der Ausitattung feiner Oper, deren Pracht die in der 





— 197 — 


Triumbiratsära nichts weniger al3 verwöhnten Prager geradezu 
blendete. Man wird nicht fehl gehen mit der Behauptung, daß 
die Brager Oper in den erjten Jahren der erjten Stöger’ichen 
Direction den Wettftreit mit den Opern der erjten Hofbühnen 
ftegreich aufnchmen konnte. Die Beit dieſes Glanzes und die 
Urjachen des baldigen Erlöfchens werden wir noch zu betrachten 
haben... . 

As Stöger nach) dem Falle des Frauenregiments zu Beginn 
der Zwanziger Jahre abgegangen war, hatte er in Gemeinschaft 
mit feiner Frau das Grazer ftändifche Theater übernommen und 
daselbjt die Bühne in hohen Flor gebracht. Sein Unternehmungs- 
geift und jeine fieberhafte Thätigfeit — die zwei vorzüglichiten 
Eigenfchaften, denen er feine Erfolge und im übertriebenen Unter: 
nehmungsdrange wohl auch Mißerfolge als Director zu danken 
hatte — entwicelten fich jchon hier in hohem Grade. Mit dem— 
jelben Glücke leitete er gleichzeitig das Theater in Preßburg und 
jenes in Zriejt, bis er 1832 das Joſephſtädter Theater in Wien 
übernahm, das die Stöger'ſche Aera unter die Glanzepochen feiner 
Geſchichte rechnen darf. Aus dem unbedeutendften der Wiener 
Theater hatte es Stöger zu eimem Mittelpunkte des künſtleriſchen 
Intereſſes gemacht, indem er einem längjt gefühlten Bedürfniſſe 
der Vorſtadtbewohner, denen der Preis oder die Entfernung die 
Hallen der kaiſ. Oper am Kärntnerthore verjchloß, entgegenfam. 
Schon die elegante und geſchmackvolle Decorirung des Theaters 
deutete den neuen Geift an, der mit der neuen Direction einzog. 
Während der kurzen Zeit der Stöger’jchen Direction ſchritten nicht 
weniger als zwanzig Opern über die Joſephſtädter Bühne, eine 
Heinefetter, BöE und Demmer (in feiner Vollkraft) wirkten hier 
in impoſantem Verein. „Robert der Teufel" wurde den Wienern 
zum erjten Male in der Joſephſtadt vorgeführt, ebenjo Kreutzer's 
„Nachtlager in Granada”. Hier fpielte Raimund über fünfzig Mal 
in jeinen eigenen Stüden, und fein „Verſchwender“ feierte hier 
die erjten jenfationellen Triumphe. Wien hatte noc) felten fo 
ausgezeichnete Decorationen gejehen als die von Mößner und 
Neefe (beide ſpäter in Prag) gemalten. WS Stüger 1834 von 


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Bien schied, widmete ihm die Zeitſchrift „Feierſtunden“ einen 
warmen Nachruf, in dem es hieß: 

„Ungern fcheiden wir von einem Vereine, der durch gelungene Leiftungen 
der fingenben und recitirenden Mufe einen Anſpruch auf unfere Anerfennng 
und unfer Andenken erworben, der und Blumen der Erinnerung auf ben 
dden Pfad des Alltagslebens geftreut, ber den Applaus, weldyer ihm vom 
vernünftigen und anftändigen Publicum vernünftig und anftändig geipenbet 
wurbe, von feinem Mißcredite gereinigt, der uns feine Vorftellung vor die 
Angen gebracht hat, welche durch Lascivität im Geringften unfer moralifchee 
Gefühl verlegt hätte. So jcheiden wir von dem braven Stöger, ber feine 
Opfer geſcheut, und Alles dieſes bieten zu Tonnen, der auf die ſchwierige 
Bahn getreten, faft ohne Ausficht deö Belingeng, und dem man nur den 
einzigen Vorwurf machen kann, daß er durch zu fchnell auf einander ge- 
folgte Neuigkeiten gewiflermaßen fich ſelbſt geſchadet haben dürfte. Wir 
werden ihn vielleicht noch oft zurüdwünfchen, denn wir verdanken ihm edle, 
durch nichts Unreines getrübte Genüfle.. . .” 

Nichts paßt mehr auf die Gefchichte von Stöger’s Glüd 
und Unglüd in Prag, als der einzige Vorwurf, den ihm die 
Wiener „Feierſtunden“ gemacht. In der Sucht, ſtets das Neueite 
und immer Neues zu jchaffen, ging Stöger entſchieden zu weit, 
er brachte es nie. zu eimem foliden Nepertoire; ftatt die Bühne 
nah und nach zum Glanze zu bringen und die Prager ftufen: 
weife bis auf die Höhe des Tünftlerifchen Genuſſes zu führen, 
begann er mit dem Außerorbentlichen, das nicht mehr zu über: 
treffen war. Die Anfprüche des Publicums aber waren einmal 
auf die Spite getrieben: was folgte und nicht noch höher ftand, 
erfchien ihnen als der verdammlichite Rückſchritt. Es iſt nahezu 
une Märlich, daß Stöger, der doc fein Neuling als Director war, 
die gewöhnliche Klugheitsregel vernadjläfligte, Hein anzufangen, 
jpäter immer Größeres zu bieten und den vollen Glanzejfect auf 
den Schluß feiner Pachtzeit zu verfparen, um im ganzen Ruhmes⸗ 
Ihimmer vom Schauplage abtreten und das Andenken eines „Un⸗ 
erjeglichen" Hinterlaffen zu können oder die Direction abermals 
zu erhalten. Stöger that das gerade Gegentheil. Dazu jein 
unrubiger Charakter, der ihn zu immer gemwagteren Unterneh 
mungen trieb, bei denen er aus Mangel an Berftändniß auf eine 
unflare Zukunft binarbeitete, und es werden die wedjjelvollen 


— 199 — 


Schickſale begreiflich, welche Stöger in Prag und dem Prager 
Theater unter feiner Zeitung befchieden waren. Die Gefchichte 
der Stöger’fchen Direction ift ein inhaltreiches Capitel der Prager 
Theatergefchichte; wir wollen ung bemühen, die fchwierige Aufgabe, 
e3 zu fchreiben, mit jener Objectivität und Genauigkeit durchzu- 
führen, weldye ung nach einer Prüfung der verschiedensten Quellen 
und Urteile ermöglicht iſt. 

Erwartungsvoll ſaß das Bublicum am 1. Mai 1834 im 
Theater — e8 war der erjte Abend unter der neuen Direction. 
Die erfte Ueberrafhung wurde den Xheaterbefuchern ſchon beim 
Eintritt bereitet. In der Naht vom 30. April zum 1. Mai 
waren die früheren Parquetſitze bejeitigt und die in der Mitte 
getheilten Sperrfigbänfe zufammengefchoben worden, fo daß das 
Stehparterre bedeutend an Raum gewonnen hatte. Der frühere 
Eingang in's PBarterre war caffirt, dagegen die frühere Mittel- 
thüre geöffnet worden. Ein neuer Luſter warf ein kräftiges Licht 
auf den äußeren Schauplag, und eine neue Courtine erhöhte die 
Spanmung auf die noch verhülften Weberrafchungen des Wbends. 
Dem Gerle'ſchen Prolog folgte das Luſtſpiel „Die Geprüften” 
von Frau v. Weißenthurn, das drei neue Kräfte in's Treffen 
führte, Dem. Lynfitt, die Herren Walter mıd Dieg. Die 
Dame jah Tieblich aus, gefiel aber nicht fonverlich und fpielte nicht 
lange in Prag; Hr. Walter gefiel durch die Wärme feiner De: 
clamation und durch fein ungezwungenes Spiel. Er follte in Prag 
eine nene Heimat finden und viele Kahre dem Prager Schaufpiel an- 
gehören. Die, ſpäter eine Stüte der Prager Bilhne, machte am 
erften Abende weniger Glück, er fpielte eine Rolle aus dem Wir- 
kungskreiſe Bayer’s, und das hieß, einen ſchweren Concurrenz⸗ 
tampf wagen. Alles in Allen, war der erjte Abend fein glän- 
zender, aber aud Fein unglüdlicher. Ebenſo brachten die nächſten 
Schaufpielabende keine Triumphe, obwohl man Gelegenheit fand, 
als Hugo in der „Schuld” den neuen Helden Hrn. Fifcher, eine 
der erjten Kräfte von der Sojephitadt, in „Kunft und Natur 
(am 3. Wai), Dem. Frey als Polyxena und als eine reichtalen- 
tirte Künftlerin kennen zu lernen. Einen jenfationellen Triumph 


— 200 — 


aber brachte Stöger feine erfte Opernvorftellung „Der Barbier 
von Sevilla." Ein großer Theil der brillanten Operngefell- 
ichaft, mit der Stöger den Ruf des Joſephſtädter Theaters be- 
gründet hatte, war ihm nach Prag gefolgt. Auf den Theater: 
zettel ftanden bis auf einige Nebenrollen lauter neue Namen, das 
Haus war gedrängt voll. Schon die fchönen, angemejjenen Co— 
ſtüme des Chores, die fo vortheilhaft von der abgerifjenen Tracht 
unter dem Triumvirat abjtachen, machten den bejten Eindrud. 
Demmer als Almaviva rüdte zuerjt in's Treffen uud wurde 
mit allgemeinem Beifall fir den Vortrag des Ständchens begrüßt. 
Als aber Pöck (Figaro) die erjten Töne feiner großen Arie Hinter 
den Couliſſen anjhlug und dann mit Eleganz und humorvoller 
Beweglichkeit auf die Scene trat, brach ein Sturm des Beifalla 
108, jo daß das Orchefter übertäubt wurde und eine Heine Baufe 
eintrat. Und dieſe Beifallsſtürme wiederholten fich im Laufe des 
Abends; nicht. allein Perfonen und Nummern, jondern das Ganze, 
in dem wie in einem Uhrwerke alle Theile ineinandergriffen, ent 
züdte. Hr. Preifinger, der wadere und langjährige Bak-Buffo, 
als Bartole und Brava als Bafilio trugen das Ihrige zum 
Gelingen der Oper bei. m Prag bildete am nächſten Tage die 
Stöger’iche Oper und ihre Vortrefflichfeit das allgemeine Geſpräch. 
Die nächſten Ereigniſſe auf dem Gebiete der Oper Tießen die 
höchſt gejpannten Erwartungen nicht unbefriedigt. „Zampa“ 
brachte den zweiten Triumph Stöger’s. Man bewunderte das 
tadellofe Enjemble, die malerischen Gruppirungen ; der fchöne, ſtark 
gebaute Pöck als Piratenhauptmann imponirte, der neue Iyrifche 
Tenor Emminger führte fid mit den jompathifcheften Stimm— 
mitteln ein, Demoifelle Kratky hielt fi) als Nitta wader und 
Preifinger (Capuzzi) erheiterte Alles mit feiner wirkſamen Komik. 
Dazu die treffliche Camilla der Luger, und man begreift den aus: 
gezeichneten Zotaleindrud des Ganzen. In der „Stummen von 
Portici" machte die glänzende Ausftattung Furore; die Oper 
zündete, als wäre fie nen gewejen, es gab einen Gontraft gegen 
die früheren Aufführungen, wie er fchärfer nicht gedacht werden 
konnte. Das Duett zwifhen Mafaniello (Demmer) und Pietro 





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(Po) im zweiten Acte erregte einen tobenden Beifallsfturm. Die 
Stumme jpielte Mad. Binder. Nach dem 3. Acte mußte der Res 
giffeur Frey erſcheinen, deſſen unermüdlichem Eifer und hoher 
Umficht die bisherigen Erfolge in erſter Linie zu danken waren. 
Arch das Corps de Ballet unter dem neuen Balletmeifter Raab 
fand begeifterte Lobſprecher und die Decorationswerfe der Herren 
Mößner und Neefe wurden nicht wenig angeftaunt. Nun folgten 
die ereiguißvollen Xheaterabende einander auf dem Fuße. 

Am 11. Juli war großes Mozartfef. Man gab „Don 
Juan“. Als der Vorhang aufging, zeigte fich dem dichtgedrängten 
Publicum auf einem Altare Mozart's Büſte. Das ganze Perjonal 
ſammt den Chore und den Comparjen bildete zwei gegen die 
Büſte zufammenlaufende Gruppen mit Kränzen und Blumen: 
gewinden. Das Bublicum erhob ſich, Beifall Hatjchend, von den 
Sigen. Die Oper wurde meifterhaft und mit reicher Ausstattung 
gegeben. Mad. Podhorsky (Ana), Dem. Lutzer (Zerline) und 
Dem. Kratky (Elvira), die Herren Böd (Don Juan) und Preifinger 
(Leporello) bildeten ein ausgezeichnetes Enſemble. Die Mozart- 
Zage unter Maeftro Bondini Schienen zurüdgefehrt. Nach der 
Rataftrophe der Oper zeigte ſich in riefigen, chauderhaften Formen 
der böje Dämon figend. Sein Haupt reichte faft bis zu den 
Soffiten. Plöglich |prühte es im Hintergrunde von allen Seiten 
Feuer, die Schredgeftalt ſtreckte den langen nadten Arm aus, holte 
den noch zudenden Don Juan aus der Tiefe und hielt ihn mitten 
in der Luft in die Flammen. Beim erjten Anblide machte das 
Publicum beinahe Miene, ſich mißfällig über die ſcheußliche Geftalt 
zu äußern. ALS fidy aber der gigantische Gliedermanı in Bewe—⸗ 
gung fegte, erzielte er etwa dieſelbe Wirkung wie ehedem Klinger’s 
Satan, wenn er „den Fauſt mit zwei Fingern an den Galgen 
ſchnellte“. Mit eben folhem Decorations- und Ausftattungsanf- 
wand ging fpäter „Arınida” und Paccini's Oper „Pompeji's letzter 
Tag“ in Scene, während dem Kreutzer'ſchen „Nachtlager in Gra— 
nada” das Zuſammenwirken der Lutzer (Sabriele) und Pöck's 
(Prinz⸗Regent) ein befonderes Luſtre verlieh. Auch im Schaufpiel 
war man nicht müßig, wern es fich auch die Schaufpieler nicht 





— 202 — 


einfallen laſſen konnten, mit dem grandiofen Bomp und Effect 
der Oper zu concurriren und nur eine fehr nebenfächliche Rolle 
zu fpielen hatien. Schon im erften Monat (Mai) der Stöger’ichen 
Direction fielen von 29 Borjtellungen vierzehn auf die Oper, 
meiftens wechjelte Oper und Schaufpiel über den Tag ab, aber 
bie und da folgten auch zwei Opern unmittelbar auf einander 
Am meilten Erfolg hatten im recitirenden Drama Bauernfeld's 
„Betenntniffe”, die am 14. Mai mit der Frey als Julie, 
Dietz als Adolph v. Zinnburg, Mad. Binder als Anna dv. Linden 
zum erjten Dale in Scene gingen. Auch „Hinko der Freiknecht“ 
von Charlotte Birch- Pfeiffer that feine Schuldigfeit. 

So begann Stöger feine Directionsära mit einer Reihe 
glänzender Triumphe im Bereiche der Oper, über denen man die 
Mängel des Schaufpielrepertoirs überſah. Leider erlitten jchon im 
eriten Jahre die Vorftellungen eine längere Unterbredhung durd) 
den Umbau des Theaters, der durch den baufälligen Zu: 
ftand desjelben nothiwendig geworden war. Vom 23. Sept. bis 
29. Oct. 1834 blieb das Theater gefperrt, am legteren Tage aber 
drängte fich Alles neugierig ins Theater. Der Anblid überrafchte 
auf das Angenehmite. Der Schauplag war durch die Wegräumung 
des jogenannten zweiten Plabes, durch Wegfchaffung der Scheide: 
wände in mehreren Logenreihen, endlih durch den Bau eines 
vierten Stochwerfes freier und impofanter geiworden. An der 
Stelle des ehemaligen zweiten Platzes trugen adjt ftarfe Säulen 
das Pogengerüfte. Innerhalb derjelben waren zwei Bankreihen 
für die Befucher des Parterres angebradt. Da ein viertes Stod- 
werf gebaut worden war, mußte auch das Portale gehoben werden, 
wodurch einige neue PBarterrelogen gewonnen wurden. Die Seiten: 
wände des Portales waren geſchmackvoll decorirt, aber auch die 
Brüftungen und das Säulenwerk des Logenhauſes waren, und 
zwar mit den Grundfarben Tichtblau und lichtgelb und mit weih- 
jilbernen plaftifchen Verzierungen ausgeſchmückt. Die Sperrfige 
waren roth überzogen und gut gepolitert. Yon den erſten Bänfen 
im Barterre war auf etwa ein Drittheil der Länge ein Durchgang 
offen gelaffen worden, wodurch mehr Raum für die Stehenden 


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gewonnen war und für die Später Kommenden der Zutritt zu den 
Sperrjigen erleichtert wurde. Der Umbau hatte Stöger die Summe 
von 40.000 fl. &.:M. gefojtet, wovon ihm nur 8500 fl. in ſechs⸗ 
jährigen Raten von den Ständen des Königreichs Böhmen beige 
fteuert wurden. Nechnet man nod den bedeutenden Einnahme: 
verluft während der Z6tägigen Sperre dazu, jo kann man das 
Opfer ermeſſen, das Stöger mit diefem Umbau gebracht und dies 
zu einer Zeit, wo nad) den glänzenden Erfolgen feiner Oper die 
Zheaterluft der Prager den höchiten Grad erreicht hatte. Schon 
die Ablöfung der Decorationen, des Archivs, der Bibliothek und 
Garderobe von feinen Vorgängern batte ihn 12.000 fl. &.:M. 
gefoftet, obwohl er mit Ausnahme des ziemlich reichhaltigen Archivs 
und der altfranzöfiichen Coſtüme nichts von dem Gekauften brauchen 
tonnte. Die meiſten Garderobeftiide waren in einem derart defecten 
Zuftande, daß fie ſammt und jonders in einen offenen Holzidjoppen 
geworfen wurden und Ratten und Mäufen zum Quartier dienten; 
Stdger Hatte an diefen Koften die ganze Zeit feiner ‘Directionsära 
zu tragen. 

Einen neuen tiefen Riß in Stöger's Börfe machte die in fein 
zweites Directionsjahr fallende Zandestrauer. Erſt furz vorher 
hatte c8 Stöger durchgefeßt, daß das den Ständen zu Gunften 
des Theaters abgetretene Nedoutenprivilegium enbgiltig ob dem 
alten Redontenhaufe Nr. 620—1 gelöfcht und ihm die Abhaltung 
großer Maskenbälle im Theater jelbft geftattet wurde. Etwa dritt- 
halbtaujfend Menfchen hatten ſich am 18. Jäner 1835 zur eriten 
Stöger’jhen Nedonte im ftändifchen Theater eingefunden. Die 
Bühne war in einen Saal verwandelt, im Parterre wurbe getanzt, 
überall winmelte es von eleganten Masten. Das Corps de ballet 
führte funftgerechte Tänze auf. Am 1. März war die jechite 
Redoute, am 2. und 3. follten die beiden legten fein. Da traf am 
Faſchingsmontage (2. März) die Nachricht von dem hoffnungslofen 
Buftande Sranz I. ein, und der Landesausſchuß unterfagte die 
Abhaltung der Redoute, obwohl an diefem Tage in Wien noch 
alle Brivattheater Vorjtellung hatten. Am 3. März verbreitete ſich 
die Runde von dem Tode des Kaiſers; die Landestrauer begann, 


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Thaliens Tempel wurde gefperrt. Eine Landestraner aber ift einer 
der ſchwerſten Schickſalsſchläge, die einen Theaterdirector und feine 
Geſellſchaft treffen können. Zandestrauer löſt alle Verpflichtungen 
des Directors gegenüber feinen Mitgliedern, bedeutet für den 
Director den Verluſt der Einnahmen mehrerer Wochen und kann 
den Ruin eines Inſtitutes herbeiführen. Stöger war zu ehrlich und 
gutmüthig, um feinen Mitgliedern während der zwanzigtägigen 
Sperre die Gagen gänzlich vorzuenthalten; dem untergeordneten 
Perjonale wurde der Sold voll ausgezahlt, während die Solo— 
fräfte Unterftügungen und ſtarke Vorſchüſſe erhielten. Hätte ſich 
der Director zu dieſem Opfer nicht entſchloſſen, wer weiß, ob nicht 
die beiten Mitglieder feiner Gejellfchaft in alle Gegenden Deutjd): 
lands auseinander gejtoben wären, um ſich anderswo für den 
Verlust ſchadlos zu halten. Unter diefen Umftänden war cs wohl 
nur recht und billig, daß Stöger als’ Director eines „ſtändiſchen“ 
Theaters auch ar die Opferwilligfet der böhmiſchen Stände 
appellirte. Er machte darauf aufmerffam, daß der Xeiter Yes 
Kärtnerthortheaters in Wien, der eine jährliche Subvention von 
75.000 fl. C.„M. bezog, wenn das Theater länger als drei Tage 
gejperrt blieb, fiir jede ausgefallene Vorſtellung die Hälfte der 
ducchfchnittlichen Tageseinnahme mit 600 fl. E.-M. *ans dem 
Staatsſchatze erhielt. Stöger verlangte für den Ausfall der beiden 
legten Redouten eine Entfchädigung von 4225 fl. 42 kr., für die 
zwanzigtägige Sperre 8557 fl. 5 kr., zuſammen 12.782 fl.47 fr. C.“M., 
und zwar möge ihm die erftere Summe aus dem Domefticalfonds 
die legtere aus dem Staatsichage gewährt werden. In diefem 
Falle erklärte er fi) auch bereit, den Abonnenten den Ausfall 
ihrer Vorftellungen zu erfegen. Obwohl nun die Theateraufjichs: 
Commiſſion Stöger’s Antrag unterjtügte, fand er doc) feine Bei- 
jtimmung beim Landesausſchuſſe. Man erkannte Stöger’3 Ver: 
dienfte um die raſche Hebung der Bühne an, bewilligte aber als 
Entfehädigung für den Redoutenausfall nur 800 fl. E-M. Die 
Prager, hieß es, „jeien durd) den Krankheits- und Todesfall St. 
Majejtät des Kaifers Franz ohnedies in eine fo trübe Stimmung 
verſetzt geweſen, daß ein guter Beſuch der Redouten fchwerlich zu 


— 205 — 


eriwarten gewejen wäre. „Mit der Bitte um Entſchädigung für die 
ausgefallenen Borjtellungen wurde der Director auf einen anderen 
Petitionsweg verwiefen. Auch das Anfuchen, in der nächiten Jahren 
ftatt 300 nur 275 Abonnementsporftellungen geben und fich durd) 
die Bermehrung der Suspendus einigermaßen rejtauriren zu dilrfen, 
wurde ihm nur für das Jahr 1836 bewilligt. Stöger verwand 
die Folgen des harten Verluftes, den er durch die Landestrauer 
erlitt, während all’ feiner Directionsjahre nicht, und noch etliche 
Jahre fpäter trat er mit feinen Entfchädigungsanfprüchen auf's 
Neue hervor — mit nicht viel beſſerem Glücke, als früher, mie wir 
jehen werden. Uebrigens ließ fich der thatkräftige Director durch 
den Schlag nicht entmuthigen. Seine Elaftieität war zu groß und 
wiederholt erprobt. Als er in Graz die erjten großen Erfolge 
errungen und die fteiermärkifchen Stände das Xheatergebäude 
hatten glänzend reſtauriren laffen, brannte e8 Taum einen Tag 
vor der feitgejehten Erdffnungsvorftellung nieder, und ein großer 
Theil des Stöger’fchen Fundus wurde ein Raub der Flammen. 
Das Unglüd war groß, aber Stöger verlor feine Spannfraft 
nicht. Er fing von Neuem an, und fand fpäter in Preßburg in 
den Tagen der Krönung der Kaiferin Carolina Auguſta ſowie 
während einiger längerer Landtage Entjchädigung. So verlor 
Stöger auch in Prag den Muth und die Hoffnung nicht. Die 
Borjtellungen, welche auf die Kandestrauer folgten, entfalteten 
denfelben, wo möglich noch erhöhten Glanz, mit dem ſich Stüger 
in Prag eingeführt hatte. 


—  — 


X, 


Das deutfhe Shaufpiel unter Hföger’s erfier Direckion. 
(1834— 1846.) 


(Der alte Künftlerftamm: Joſef Bayer und deflen Tochter Marie Bayer: 
Bürk, Ferdinand Polawsky; Penfionirung und Tod ber beiden Veteranen; 
Babette und Gabriele Allram; Feiftmantel, Bolze, Schilaneber, Regiſſeur 
Ernft, Dietrih, Grabinger; Nina und Frieberide Herbft, Mad. Binder, 
Francisca Sontag. — Neue Schaufpielerinen: Marie Frey, Amalie Weiß- 
bad; naive Liebhaberinen und Soubretten. — Neue Schaufpieler: Fiſcher, 
Dies, Nerking, Ködert, Baudins, Walter, Wolmany, Liebold, Chaner, Dolt, 
Preifinger, Brava. — Perſonalſtatus. — Das Repertoire: Schaufpiel und 
Ruftipiel: Raupach, Charlotte Birch-Pfeiffer, Benedix, Banernfeld, Gutzkow, 
Scribe, Blum; Laube's „Monaldeihi”, „Gottſched und Gellert“; Grillparzer's 
„Der Traum ein Leben“, Ebert’3 „Czeſtmir“, Friedrih Halm, Grabbe's 
„Don Juan und Kauft“, Brut „Morik von Sachſen“, Gerle, Ufo Horn, 
Franz dv. Braunau. — Die Poſſe und das Volksſtück: Raimund in 
Prag 1836; Neftroy. — Die Gaftipielbewegung: Ludwig Löwe, Caroline 
Bauer, Julie Rettih, Charlotte v. Hagn, Wilhelmt, Fichtner, Emil Dev- 
rient, Ludwig Defloir, Amalie Stubenraud, Runft, Seybelmann, La Roche, 
Scholz, Ehepaar Fichtner, Hendrichs, Die. Wildauer, Wallner, Dem. 
Enghaus, Moris Rott, Therefe Peche, Rott, Räder, Dad. Berroni-Glap- 
brenner, Beckmann, Mad. Murzarelli-Belmann und Herr de Mardion, 
Sara Stih, Fanny Janauſchek. — Specialitäten: Uffenfpieler Kliſchnigg, 
der Elephant Miß Baba, Bebuinen, Seiltänzer, Escamoteure, Automaten, 
Athleten. — Muſikaliſche Birtuofen.) 


Wenn das Schaufpiel unter Stöger eine gewiſſe Aſchenbrödel— 
Stellung einnahm und in den Jahren der Operntriumphe be- 
Scheiden nur fo nebenher lief, fo foll damit nicht gejagt fein, daß 
man ein entjchieden fchlechtes Schaufpiel gehabt hätte, Namentlich 
in den erjten Directionsjahren Stöger's gab es auch auf diefen 
Gebiete Vorſtellungen, an die man fid) noch heute mit Vergnügen 
erinnert, und Kräfte, deren Namen den beiten lang in der deut- 
ſchen XTheaterwelt hatten. Wie in der Oper ſetzte fich auch im 
Schauspiel das Perjonale Anfangs zumeift aus dem einheimifchen 
altbewährten Stamme und den von Stöger aus Wien mitgebrachten 





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Berfonen zufammen. Die .erfte Stöger’fche ift die fünfte Direc- 
tionsperiode, in der wir den Namen Bayer und Polawsky 
unter den beften der Prager Schaufpieler begegnen. Bayer fpielte 
nun ältere Helden und Väter mit berfelben Meifterfchaft mie 
früher jugendliche Helden und Liebhaber. Er glänzte ebenjo dort, 
wo e3 auf den virtnofen Declamator anfam, als dort, wo nichts 
an den Declamator mahnen durfte. Seine reiche Bildung, fein 
Zalent und feine Mittel eigneten ihn vor Allem fiir das Fach 
älterer Helden (Wallenftein, Lear, Odoardo Galotti, Macbeth), 
leidenschaftlicher, tragiicher Greife und biederer Väter. Die lau: 
nigen und polternden Alten bildeten eine befondere Specialität in 
dem reichen Repertoire des Runjtveteranen Bayer. Von feinem 
impofanten Wallenftein haben wir in einem früheren Capitel ge: 
Iprochen. In diefer Epoche entftand nen fein Polonius. Eine 
SGlanzleiftung Bayer's in feiner dritten und legten Periode war 
der „Junker Tobias“ in der Deinhardftein’schen Bearbeitung von 
Shakeſpeare's „Was Ihr wollt". Hier wehte dem Publicum aus 
Bayer's Spiele der friſche, erquidende Odem echt Shakeſpeare'⸗ 
iher Komik entgegen. Am 1. Sept. 1840 fchuf er eine neue 
Shafefpeare-Figur vol Föftlichen Lebens, feinen Fallſtaff. Das 
Bublicum kam aus dem Lachen nicht heraus, Bayer-Fallſtaff 
mußte immer und immer wieder vor die Rampe. Und doch hatte 
ex jede Webertreibung in Coftume und Spiel verſchmäht und ſich 
nur bemüht, den Intentionen des Dichters gerecht zu werden, 
das Lächerliche des Charakters durch fich felbit und eine humor- 
volle Darjtellung wirken zu laffen! Am 10. December 1842 
feierte Bayer den Jahrestag feiner vierzigjährigen Wirkſamkeit an 
der Prager Bühne. Man gab Kotzebue's Schaufpiel „Die jilberne 
Hochzeit”, und jede Stelle, die einen Bezug auf die Jubelfeier 
hatte, wurde mit raufchendem Beifalle aufgenommen. Das Or- 
chefter führte fünf Ouverturen auf, von jedem der Capellmeifter 
eine, die während Bayer's Engagement in Prag dirigirt hatten, 
von Rösler, Wenzel Müller, C. M. v. Weber, Triebenfee und 
Franz Skraup. Nach der Vorftellung verfammelte fich das ge- 
jammte Perſonal auf der Bühne. Polawsky, der nur ein Yahr 


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weniger als Bayer in Prag gewirkt hatte, iiberreichte jenem Col- 
legen ein Feftgedicht und einen Silberpocal, auf dem die Titel 
- von fieben dramatischen Werfen gravirt waren, in denen Bader 
befonders glänzte (Wallenſtein, Lear, Tell, die Jäger, Abbe de 
PEppee, Was Ihr wollt und Minna von Barnhelm). Zulebt 
wurde Bayer, der fi) in einem Epiloge in tief gefühlten Worten 
über feine Stellung zum Publicum äußerte, mit dem verdienten 
Lorbeer befränzt. Nach feiner am 18. März 1844 erfolgten 
Penfionirung wirkte der würdige Kunftveteran „als Gaſt“ in 
feinen Glanzpartien am Prager Theater. Ja er ſchuf noch neue 
Rollen. So bradte er im Jahre 1845 zu feinem Benefice 
Bauernfeld’3 Schaufpiel „Ein deuticher Krieger” auf die Prager 
Bühne und gab den Kurfürjten Johann Georg fo ferngefund, 
mit fo liebenswürdig trodenem Humor, daß man fich feinen 
befjeren Bertreter der Rolle wünfchen konnte. Freilid) ließen ihn 
jein Gehör und fein Gedächtniß, das nie gut geweſen war, mit 
der Zeit arg im Stich, und der Souffleur hatte mit ihm feine 
größte Plage, Die Anekdoten, welche über die vielfachen, aus 
diefem Umſtande rvefultirenden Mißverftändniffe cirenliren, find 
zahllos. Es mußte mit der Zeit aus Rüdjicht fiir Bayer eine 
ganz eigene Anordnung der Scenen vorgenommen werden, damit 
der auf einem Ohre vollfommen taube Veteran ftet3 mit feinem 
gefünderen Ohre in die Nähe des Souffleurs käme. 

Eine große Freude erlebte Bayer noch an der Bühnencarriere 
feiner Tochter Marie, der heutigen Dresdener Hofichaufpielerin 
Bayer-Bürk (geb. 31. Oct. 1820 in Prag). Marie Bayer trat 
1835 zum erjten Male als Dorothea, am 8. Jäner 1836 zum zweiten 
Male als Friederike in den Jägern auf. Troß ihres felbjt für Rollen 
diefer Art zu jugendlichen Alters errang fie durchgreifende Erfolge: 
fie fprad) jo recht vom Herzen zum Herzen. Als Cordelia in 
„Lear“ ſpielte fie neben ihrem großen Vater, und dies Zufammen- 
ſpiel verbreitete einen eigenthlimlichen Zauber über die Vorftellung. 
Man hatte feine Cordelia inniger und natürlicher fpielen gejehen. 
„Den. Bayer betrat" — fo fchrieb Anton Müller — „die Bretter 
mit einer wahrhaft Hindlichen Unbefangenheit. Sie ſchritt über die 














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Bretter wie jiber den weichen, fühlen Raſen der feitgegründeten 
Erde, da fie doch ſchwanken und eine gefährliche Feuerprobe fir 
Jeden find, der fi) feiner Sache nicht vollfommen bewußt ift...." 
Später fpielte fie auch die Thefla in „Wallenftein”. Der ehr- 
würdige Wallenftein-Bayer war an diefen Abend weit aufge- 
regter als font; brachte ihm doch die Vorftellung das fchönfte 
Süd, eine Marie als des Woallenfteiner’8 Tochter zu fehen. 
Nahden Dem. Bayer eine Zeit Yang in Prag als naive Lieb— 
haberin gewirkt und fi) immer mehr vervollfommmet hatte, nahm 
fie am 14. Aug. 1838 als „Königin von fechzehn Fahren" Ab— 
Ihied won Prag. Caroline Bauer, Dem. Hagn, Fried. Herbſt, 
ja ſelbſt Mad. Rettich hatten diefe Rolle vor ihr in Prag gefpielt, 
und doch feierte die junge Bader, deren Alter mit dem Titel des 
Stüdes beinahe zufanmentraf, einen Triumph damit. Als fie am 
Schlufje an der Hand ihres Vaters erjchien, fiel ein Kranz von 
weißen Blumen zu ihren Yüßen nieder. Sie nahm zunächſt ein 
Engagement in Hannover an. Im März 1843 fehrte fie als 
vollendete Künftlerin zu einem Gaftjpiele nad) Prag zurück. Ihre 
„Julie“ in Shakeſpeare's großer Liebestragddie zeugte bon den 
bedeutenden Studien, die fie gemacht, und von dem großen Talente, 
das ihr ein günftig Geſchick auf die Kinftlerlaufbahn mitgegeben. 
Ihre Schöne Geſtalt, ihr edles, jedes Ausdrucks fähiges Antlitz, 
ihr klangvolles Organ, ihre correcte Declamation zeigten ſie als 
berufene Künſtlerin. Noch größere Erfolge wie als Julia errang 
Marie Bayer als Parthenia und als Eliſabeth in dem Birch— 
Pfeiffer'ſchen Drama gleichen Namens. Ihre zweite Heimat fand 
ſie in Dresden, wo ſie noch heute hochgefeiert im Fache der tra— 
giſchen Mütter wirkt und den Ruhm einer der erſten Künſtlerinen 
Deutſchlands genießt. Sie war in erſter Ehe mit Hrn. Bürk, in 
zweiter Ehe mit dem kön. Generaladjutanten, Oberſtlieutenant von 
Falckenſtein vermält, und iſt jetzt Witwe. Nach Dresden über— 
ſiedelte auch ihr Vater, als er 1848 ſeine ſchauſpieleriſche Thä— 
tigkeit aufgab; täglich war er dort im Auditorium des kön. Hof- 
theaters zu jehen, bi8 er in Folge eines Schlaganfalls immer 
gebrechlicher wurde und am 25. April 1860 im Alter von 80 
Jahren ftarb. 14 


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Bayer's wiürdiger Genofje feit Liebich's goldenen Tagen, 
Ferdinand Polawskhy, hatte befanntlich ſchon in der Divectiong: 
ära des Triumvirats den Uebergang aus dem Fache der munteren 
Liebhaber und Chevaliers in jenes der Älteren Charakterrollen 
bewerfitelligt; er war hier derjelbe Künftler, der er ehedem geweſen, 
und fein Rollenfreis erweiterte fich eher, als er abnahm. Es gab 
vom wilrdigen jovialen Greife herab bis zum abgelebten Gecken 
faum eine Gattung lebensluftiger Alter, die Polawsky nicht dem 
Publicum zum allgemeinen Dante gejpielt hätte. Sein alter 
Klingsberg, feiner Lebemann vom Scheitel bis zur Sohle, ver- 
breitete fonnige Heiterkeit im ganzen Haufe; anderſeits aber ver- 
fehlte Polawsky in launigen Greifen auch nie, das Mitgefühl 
duch ein anziehendes Gemüth zu erweden. War Polawsky eine 
Zierde des Luſtſpiels, jo bewährte er doch ebenfo im höheren 
Drama feinen Künftlerberuf. Beifpiele waren jein Shylof und 
Capulet. Er verjtand es nicht allein, den tiefften Ton des Humors 
anzufchlagen, fondern auch echt poetifche Geftalten zu ſchaffen und 
das Ideale einer Dichtung zu erfaflen. Auch er feierte unter 
Stöger’s erjter Divection das vierzigjährige Jubiläum feiner Wirk: 
ſamkeit in Brag, am 9. Dec. 1843, alſo faft ein Jahr fpäter als 
Bayer. Hatte ein Jahr vorher Polawsky die Fejtrede an Bayer 
gehalten, fo richtete nun Bayer als das ältefte Mitglied der Bühne 
ehrende Worte an den Jubilar, der ebenfall$ mit einem Gedichte, 
Pocale und Lorbeerkranz bedacht wurde. Polawsky überlebte fein 
Jubiläum nicht lange. Am 2. Februar 1844 ftarb er in Folge 
eines Schlaganfall an Lungenlähmung; am Tage vorher war 
fein Penſionsdecret ausgefertigt worden. Sein fehnlichiter Wunſch, 
dasfelbe zu erhalten, war lange unerfüllt geblieben, da man fürch— 
tete, mit der Benfionirung Polawsky's auf feine fernere Mit— 
wirfung verzichten zu müſſen. Nun traf es in feiner Wohnung 
ein, als bereits die Agonie eingetreten war. Polawsky hatte am 
16. Jäner zum legten Male als Mumm in Holter’3 Luſtſpiel 
„Sie ſchreibt an fich felbft" und als Kälberftich in „Hohe Brücke 
und tiefer Graben" gefpielt, ohne daß man die geringjte Abnahme 
feiner Körper- oder Geiftesfraft gemerkt hätte, wie er ilberhaupt 








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bis im fein Alter mit gleicher Fertigkeit memorirte und in diefer 
Hinfiht den jüngften Mitgliedern als Beiſpiel dienen konnte. Die 
legte neue Rolle Polawsky's war der Schnurre in Laube's „Mo- 
naldeschi”, eine Leiftung, in welcher er noch feine feine, geiftreiche 
Auffaffung mit glänzendem Erfolge dargethan hatte. Sein Ber: 
luft war für die Prager Bühne unerfeglih. Stöger fchrieb nach 
allen Weltgegenden um einen Erſatzmann; er dachte aud) daran, 
Döring, der damals noch in Hannover war, für den Sommer 
zu gewinnen, jchließlich wurde der Charakterfpieler Baudius 
engagitt. 

Das Künftlerpaar Bayer und Polawsky ijt eine impojante 
Erſcheinung in der Gefchichte des Prager Theaters. In jüngeren 


Jahren und wohl noch ſpäter hätte ſich manche Eollifion der: 


Rollenfächer beider Lieblinge des Publicums ergeben Können, die 
Prager wußten aber ſtets den Werth und die Fünftlerifche Indi— 
vidualität jedes der Beiden zu ſchätzen. Mit ihnen fielen die 
legten ftarken Grundpfeiler der Liebich'ſchen Glanzepoche, welche 
noch ftolz in fpätere Perioden hineingeragt hatten. Wohl fanden 
ſich Spötter, welche aus der langen Wirkſamkeit jo vieler Prager 
Bühnenmitglieder die Berechtigung herleiteten, das ftändifche 
Theater als „Runftinvalidenhaus” zu bezeichnen, „in welchem, 
was nicht ſchon Ganz⸗-Invalide, jedenfalls zur Halb-Invalidität 
gehört oder wenigſtens nicht mehr weit dahin hat" — aber gerade 
diefe Stabilität, diefe Ausdauer von Künftlern erjten Ranges auf 
der Brager Bühne ficherte derfelben ihren alten Ruf, bot ihr die 
beite Gewähr für die unverfälichte Ueberlieferung der erhabenften 
fünftlerifchen Traditionen. Bayer und Polawsky zunächſt an Alter 


fom in der Stöger'ſchen Aera Mad. Babette Allram; fie 


hatte nun bereits eine Reihe von Fächern an der Prager Bühne 
gefpielt und nie etwas von der Gunſt des Publicums eingebüßt. 
Urſprünglich in der Oper und im Schaufpiel als muntere LXieb- 
haberin bejchäftigt, errang fie fpäter als Localfängerin neben 
Feiftmantel und endlich im Wache der chargirten und Tomifchen 
Mütter große Erfolge. In der Virtuofität des Extemporirens 
that fie es ihrem Collegen Feiſtmantel gleich; feine Störung, kein 
14* 


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Verſprechen brachte die alte Allram um ihre Geijtesgegenwart; 
war die Confufion am größten, dann machte die Allram ihre beften 
Späffe. Das Fach der Localfängerinen mußte fie unter Stöger 
natürlich) definitiv aufgeben; aber „eitle, verliebte und zänkiſche 
Ssungfern, böfe Weiber, unangenehne Coquetten” n. dgl. gelangen 
ihr ausgezeichnet. In diefem Bereiche führte fie aus dem frijchen 
Leben gegriffene Geftalten vor, fie fonnte unter Umftänden fogar 
noch ganz ftattliche Damen darftellen, obwohl fie am 1. Juli 1841 
nach bereits 32jähriger Dienstzeit penfionirt wurde. Trotz dieſer 
Penfionirung fpielte die Allram „als Gaft" rüſtig noch eine Reihe 
von fahren fort. Stöger liebte überhaupt diefe Art der Penfio- 
nirungen. ‘Die Mitglieder blieben ihm erhalten, und dabei konnte 
er unter Hinweis auf ihren Penſionsbezug die aus feiner Taſche 
fließenden Gagen (beziehungsweife Honorare) geringer normiren. 
Babette Allram ftarb am 7. Aug. 1872 im 78. Lebensjahre 
an Marasmus. Zu den beiten ihrer Teßten Leiſtungen zählte 
das alte Weib im „Verſchwender“, das ihr jederzeit ſtürmiſche 
Hervorrufe eintrug Mama Allram hatte das Vergnügen, eine 
Tochter in Prag zur Scaufpielerin heranreifen zu fehen. Dile. 
Babriele Allram entwidelte ein ausgezeichnetes fchaufpiele> 
risches Talent im naiven Fache, das fie eine Zeit lang in Prag 
ipielte. 1837 debutirte fie als Suschen im „Bräutigam aus 
Mexico". Im SYahre 1840 verfuchte fie zur Oper überzugehen 
und fang die Roſine im „Barbier", allerdings mit weit bejcheide- 
nerem Erfolge, als fie ihn in ihren Schaufpielpartien fand. — 
Bater Alltam, der befanntlic in den legten Tagen des Trium— 
viratS penfionirt worden war, war am 31. Mai 1835 geftorben. 

Der langjährige Partner der Allram, Feiftmantel, wirkte 
die ganze erfte Stöger’fche Periode hindurch und nod) weit dar- 
über hinaus in ungefchwächter Kraft fort. Die berühmteften Ko- 
miler, die in Prag gajftirten, Raimund, Neftroy, Scholz nicht 
ausgenommen, vermochten feinen Erebit nicht zu erjchüttern, ja es 
verging faſt fein Gaftipiel, ohne daß ſich in den Schlußvorftel- 
lungen eine Feiftmantel’fche Partei geräufchvoll bemerkbar machte. 
Seine Benefizvoritellungen waren Fejtabende des Humors und 


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bedeuteten zugleich regelmäßig ausverlaufte Häufer. Feiftmantel 
gerietd weder in das Extrem einer übertollen Zuftigfeit noch einer 
jtereotyp trodenen Komik; er wählte die Mittelftraße. Dabei war 
feine Laune ftet3 eine frifche und urfprüngliche, mit einem Anstrich 
von Xreuherzigfeit und Gutmüthigkeit, feine Extempores waren 
wigig und gewandt; er wer ein Meijter im Memoriren, wie 
felten Einer auf der Bühne eriftirt hat. Mit Gewiſſenhaftigkeit 
wirkte er auch in niedrig-fomischen Rollen des Luſtſpiels und der 
Oper mit. In „Don Yuan” war jeinetwegen eine eigene Scene 
jubftitwirt worden, worin er als ftotternder Unterjuchungsrichter 
jeine drollige Komik entfalten konnte. Die früheren Operetten 
(Dorfbarbier, Hausgefinde u. |. w.) erhielten. durch ihn eine be- 
jondere Zugkraft. Das gerade Gegentheil von feiner frischen 
Zuftigfeit auf der Bühne war Feiltmantel im Leben. Dan konnte 
ihn auf den Proben ftet3 mißmuthig Hinter den Couliſſen ftehen 
oder promeniren jehen. Glaubte eine Familie oder Geſellſchaft 
durch Einladung Feiſtmantel's einen befonderen Spaßmacher ge- 
twonnen zu haben, fo irrte fie gewaltig. Ueber feine Lippen kam 
fein Witz-Wort. Dabei hielt fi) der biedere und durchaus 
rechtliche Dann für den von aller Welt Verfolgten und witterte 
in jedem harmlos Hingeworfenen Worte den Stachel einer gegen 
ihn gerichteten Beleidigung. 

Bon den DBeteranen, die aus früheren Directionen in die 
Stöger'ſche herüber genommen waren, war einer der älteften 
Bolze, ein bejcheidener alter Herr, der fehr eifrig gutmüthige 
oder pedantiſche reife, auch elegifch- bewegte Väter fpielte, 
nebenbei gewiflenhaft das Inſpicientenamt verwaltete und als — 
Theaterbuschbinder fungierte. Auch als Benftonär wirkte Bolze 
fleißig fort. — Der greife Komiker Schitaneder war unter 
Stöger nur mehr kurze Zeit „als Saft" bei gleichzeitigem Genuß 
feiner Penſion thätig; gutmüthige und joviale Väter waren feine 
Specialität. Seine Tochter Die. Schifaneder war eine jener 
Kräfte, die für eine Direction unentbehrlich find, Bereits feit 
1819 Mitglied der Bühne, lich fie fich in allen Fächern ver- 
wenden, Spielte in den Localpoſſen komiſche Alte, che fie noch alt 


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war, im Trauerſpiele Zofen und Gejellichafterinen, half als Mar 
trone launiger oder jentimentaler Art im Luftfpiele und, wenn es 
jein mußte, auch als Sängerin in der Oper aus. — Dem Schau- 
fpieler und Negilfeur F. V. Ernft find wir ebenfalls fchon in 
einer früheren Periode begegnet. Seine beiten Leiftungen bewegten 
fih in dem Genre armer guter ungen. Im höheren Drama 
gelangen ihm edle und freifinnige Charaktere ohne ausgeſprochenes 
Heldenthum. Dagegen hatte er, im Fache der Intriguanten nur 
jehr mittelmäßiges Glück. Seine Glanzrolle blieb der Marquis 
Pofa, in dem er feine poetifche Auffafjung und feine Ideali—⸗ 
firungsgabe fo recht bewähren fonnte. Als er einſt die berühmte 
Scene mit Don Philipp-Bayer fpielte, ftürmifchen Beifall fand 
und mit Bayer zugleich gerufen wurde, dankte Bayer feinem 
Collegen vor dem Publicum durch eine herzlihe Umarmung für 
den Antheil, den deſſen binreißende Begeifterung an dem Erfolge 
der Scene hatte. Wuch der Conrad in „Müller und fein Kind“ 
zählte zu den belichteften Rollen Ernſt's; er konnte darin gleich— 
zeitig fein gutes Flötenſpiel produciren. Als Regiſſeur maltete 
er emfig feines Amtes, und leiftete innerhalb der ihm gezogenen 
engen Grenzen Berdienftliches., Auch wußte er fich durch fein 
humanes, freundliches Wefen die Liebe des Perſonals und durd) 
feine Pünktlichkeit die Geneigtheit der gejtrengen Theateraufſichts⸗ 
commillion zu erhalten wofür ein im J. 1843 auf fein Verlangen 
ausgeftelltes Zeugniß ſprach: Es hieß darin: 

„Herr Ernft hat als Künftler und Regiffenr, in letzterer Hinſicht im 
allen Zweigen dieſes mühevollen und jchwierigen Wirkungsfreifes, mit 
voller Kraft und Hingebung Bedeutendes geleiftet und fich bie öffentliche 
Achtung und Anerkennung erworben, indem fowohl dad Publicum fein 
einflußreiches Wirken ſchätzt als die Theaterauffichtäcommiffion mit feiner 
pünftlichen und zwedmäßigen Thätigkeit und feiner Ergebenheit zufrieden 
ift. Herr Ernft bat daher Tängft feine geiftige Befähigung und körperliche 
Ausdauer in der Leitung des Theaterweſens, welche ihm mährenb der Ab⸗ 
wefenheit Stöger's wiederholt felbftftändig übergeben war, erworben und 
ift ftetS von wahrem Eifer für die dramatiſche Kunft unb von dem innigen 
Wunſche befeelt gewefen, der wahren Kunſt zu dienen und die dramatiſche 
Darftellung auch in Hinfiht auf die Ansftattung würdig zu umgeben....” 

Ernst producirte dieſes Zeugniß, als er 1846 auf die Di- 


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rection afpirirte, veuffirte aber nicht. — Dietrich, der ebenfalls 
eine geraume Zeit an der Prager Bühne agirte, hatte die mehr 
oder weniger undankbare Aufgabe, alle möglichen zweiten Lieb: 
baber, zweite Helden der munteren, fentimentalen und gejeßten 
Sorte, Knappen, Freunde der Haupthelden, junge Gatten und 
Geiſter in den Zauberpoflen, ja jelbjt komiſche Charakterrollen zu 
Ypielen. Seine Slanzrollen waren außer dem Kluf im „Seite 
der Handwerker”, der Roller in den „Näubern”, der Eduard im 
„Barifer Zaugenichts" (welches Stüd am 22. Nov. 1836 zu 
jeinem Benefiz zum erjten Male aufgeführt wurde) und eine 
Reihe von Naturburfchen. Ein einnehmendes, ſchönes Aeußere, ein 
fräftiges, biegfames Organ, elegante Zoilette, Eifer und Fleiß 
waren feine Vorzüge; als feinen Hauptfehler bezeichnete man, daß 


er ih in Momenten des Affects überhaftete und die Nede un⸗ 


rhythmiſch zerftücelte. 1844 Tieß ſich Dietrich noch in feinen be- 
jten Jahren penfioniren und trat zum legten Male am 30. April 
1844 in dem Luſtſpiel Beſſer früher als fpäter" (nad) dem 
Franzöſiſchen von Heine) als Bolydor auf. Er bejaß ftets jein 
eigenes Gejchäft und war auch Hausbefiger, jo daß ihm die 
Benfion nur als Heiner Zufchuß zu feinen fonftigen Einkünften 
galt; Dietrich ſtarb hochbetagt in den Siebziger Jahren zu Prag. 

Die nächiten Nachfolger Dietrihg waren Liebold im Fache 
der Naturburfhen, in anderen Rollen Biel, der jchon in den 
Dreißiger Jahren in Eleineren Partien befchäftigt geweſen war 
und von Stöger befonders ftarf verwendet wurde, als fein Rofen- 
gafje-Theater im Gange war. — Ein anderer feinerzeit populärer 
Veteran der Prager Bühne, Grabinger, war ein in den 
deutfchen und cechifchen Vorftellungen gleich bejchäftigter emjiger 
Darfteller. Wir haben ihn fchon unter dem Triumvirate Tennen 
gelernt. Seit Swoboda's Abgang verehrte das eechiſche Theater- 
publicum in Grabinger feinen beiten Komiker; mit jeltener Viel- 
jeitigfeit agirte er aber auch Helden. Grabinger hatte einen an- 
jehnlichen Xeibesumfang, aber ein ſtets wie belegt Elingendes Organ, 
jo daß er in den Wollen würdiger janfter Männer und Greife, 
gutmüthig derber Alter u. ſ. w. weit mehr augreichte als in dem 


nn ee ⏑ il ee ADEEE EEE ⏑ me MR TER En En nu 


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Heldenfache. In den cechifchen Vorftellungen war das Publicum 
nachfichtig und klatſchte Beifall ohne Rüdjicht auf die künſtleriſche 
Dualität des Gebotenen. 

Unter ven Damen, welche Stöger von feinen Vorgängern 
übernommen hatte, waren weitaus die bedeutendjten Nina und 
Friederife Herbit, fo wie Mad. Binder. Nina Herbft war, wie 
wir ſchon bei einer früheren Gelegenheit hervorhoben, ausge: 
Iprochene Heroine vermöge ihrer wahrhaft Fünftleriichen Decla- 
mation, ihrem in großartigen Yormen gehaltenen Geberdenfpiel 
und ihrem fonoren Organ. Wurde fie in diefem Fache befchäftigt, 
dann waren ihr die Triumphe ficher; leider hielt fi) aber das 
Repertoire zumeift fern von der Tragödie, Nina Herbit wurde in 
ihrer Individualität fremden Converjationsrollen verwendet und 
fonnte es deshalb troß des eifrigften Strebens und Bemühens zu 
feiner allgemeinen Beliebtheit bringen. Anton Miller rühmte bes 
jonders ihre „unglüdlihen Yrauen” im Schaufpiel; das Schau- 
ſpiel „Drei Tage aus dem Leben eines Spielers" hat fie durd) 
ihr natürliches und ergreifendes Spiel vorzüglich gehalten. Ihre 
heldenmüthigen Jungfrauen und Frauen hatten ftetS einen impo- 
janten, idealen Charakter. Sie ſchied ſchon Anfangs 1835 ans 
dem Prager Engagement und ging nad) Dresden. Als Stöger 
fpäter für fein Theater in der Rofengafje eine Reihe von Kräften 
engagirte, fam auch Nina Herbft wieder nad) Prag und fpielte 
aushilfsweife auch im ftändiichen Theater, Tonnte jedoch nicht 
mehr Fuß fallen auf dem Prager Boden. 

Ihre Namensſchweſter Friederike Herbit fah fich glei) 
zu Beginn der Stöger’fchen Direction durch eine junge Rivalin, 
Madlle. grey, in ihrem bisherigen Nollenkreife, dem der fenti- 
mentalen Liebhaberinen, wejentlich beengt. Auch die Direction 
ſcheint ihr namentlich in den erjten Jahren etwas rückſichtlos gegen: 
über getreten zu fein; wenigjtens bejchwerte fie fich fchon im 
Jahre 1836 bei der Theaterauflichtscommifjton gegen die von 
Stöger unter Androhung der Entlaffung an fie gejtellte Forde⸗ 
rung zur Uebernahme zweiter Bartien im Luftfpiele. Ein weiblicher 
Herfules, ftand fie eben am Scheidewege: „heroifche Jungfrau 








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oder zärtliche Mutter, das war die Fragel" Mit der Zeit fand 
fih Fried. Herbit in das Unvermeidliche und ficherte fich durch 
Uebernahme einiger Heroinenrollen unter Beibehalt mancher ihrer 
beiten Partien aus früherer Zeit eine geacdhtete Stellung neben 
der Frey. Bon dem Umfange ihres Talents zeugte der Umstand, 
dag fie die Königin Chriftine, das leivenfchaftliche, herriſche Weib, 
das zum erften Male liebt und über ihre Verhältniſſe zu gebieten 
vermag, ebenfo wie die fanfte, dulderische und ſchwindſüchtige 
Marie in „Müller und fein Kind" gleich wirkſam und treffend 
darzuftellen wußte. Ohne über ein bejonders Fräftiges Organ 
zu verfügen, verjtand fie es doch, durch Fuge Oekonomie in den 
Momenten des höchjten Affectes mit ihren Mitteln auszureichen 
und gerieth nur hie und da in eine gewiſſe Weinerlichfeit hinein. 
Im Converjationsfache zeichnete fie fich durch Feinheit und ge- 
ſchickte Nnancirung im Dialog, durch jorgfältige Ausarbeitung 
bes minutiöjen Details und durch elegante Toilette aus. Von 
einer gewiſſen Geziertheit in Sprahe und Geberde, welche wohl 
von dem emfjigen Feilen jedes Details herfam, war fie nicht frei- 
zufprechen. In Stöger's erſter Divectionsperiode ſchuf fie u. U. 
Halm’3 Grifeldis, die Viola in Shafefpeare’3 „Was Ihr wollt" 
(neben der Olivia der Frey), die „Wlafta” in Wenzig's drama- 
tiichem Gedichte gleichen Itamens, die Aktäg im „Sohn der Wild- 
niß“, die Vanina in Halm’s „Sampiero," fpielte die Desdemona, 
Iphigenie, Donna Diana, Iſabella in der „Braut von Meifina”, 
das Clärchen im „Egmont", die „Jungfrau von Orleans", aber 
and) Schon die Königin im „Hamlet”. Im Jahre 1841 fah man 
jie Schon als Margarethe von Parma in „Egmont” neben dem 
Clärchen einer Gaftin, ver Mad. Peche vom Wiener Hofburg- 
theater. 

Ein JInuwel der Prager Bühne, das in den verjchiedenften 
Faſſungen nichts von feinem Glanze und feiner Koſtbarkeit verlor, 
blieb Mad. Binder. Ein bewegtes Schaufpielerleben lag hinter 
ihr, fie durchlief alle Phaſen des Künſtlerthums und pflüdte den 
Lorbeer auf allen ihren Pfaden. Ihr reines, Hang- und feelen- 
volles Organ, das nur zu tönen brauchte, um zu ergreifen, war 


de ae Dee ehe ht De Se fee) 2 BE ZU EZFOA3 Eos - EEE u - _ ni 


- 218 — 


wahrhaft fünftlerifch ausgebildet und frei von jeder Unmanier; 
nie verficl fie m Monotonie, nie in larmoyante Declamation. Mit 
dem Aufgebote ihrer einfach-natürlichen Mittel, mit der anmuthigen, 
geiftigbelebten Ungezwungenheit ihres Spiels erzielte fie impoſan— 
tere Wirkungen als andere Schaufpielerinen mit mühjamen Effect- 
bafchereien. Ihre gutmüthig-harmloſen Mädchencharaktere mit einem 
Achenbrödel-Anflug waren Cabinetleiftungen; das Vibriren leiſer 
Wehmuth und das helle Aufjauchzen Tindlicher Freude übte Hier 
den gleihen Zauber. Naive Landmädchen von dem Schlage der 
Margarethe in den „Hageſtolzen“ ftellte fie in ihrer ganzen ur: 
wüchſigen Liebenswürdigfeit, Unjchuld und Hingebung dar. Gleich 
ungefünftelt war ihre Munterfeit, Schalfhaftigfeit und frifche Laune 
im ausgeſprochen munteren Fache. Lange fahre hindurch galt 
für Mad. Binder der Ausspruch, fie werde nie älter. Noch in 
den vierziger Jahren, wo fie bereits felbft den Webergang in's 
ältere Fach vermittelte und, wie Spötter meinten, „Prags Perle 
in Rococoeinfallung" war, fpielte fie muntere junge Frauen und 
Witwen, felbjt drolfig oder rührend naive Mädchen alferliebit. 
Fre Erſcheinung war jugendlich-friich, ihre Stimme die eines 
achtzehnjährigen Mädchens. Das zeigte fich glänzend in der 
„Schwäbin“. Dieſe jugendlich:frische Stimme jtellte fid) auch lange 
ihrem Webergange in's ältere Fach als Hinderniß entgegen. Mad. 
Binder verfuchte fich eine Zeit lang als Heldin und ſpielte u. A. 
die Klaudia in „Emilia Galotti". Ihre berühmte Nelva stellte 
fie zum legten Male 1842 in einer Cechiichen Vorſtellung dar. 
In's Fach der feinen und feinfomilchen Mütter fpielte jie jich 
langjam aber mit großem Erfolg ein. Und dieſes Einfpielen der 
Herbft und Binder in das ältere Nollenfady war für die Direction 
von um fo größerem Werthe, als man mit tlchtigen Kräften fir 
das Matronenfach ſehr dürftig verjehen war; die fir einige Zeit 
al8 Mutter wieder engagirte ehemalige Heroine Mad, Sontag 
(Mutter der Henriette Sontag) fühlte fi) noch immer nur in 
tragischen Rollen wohl, im birgerlihen Drama und Luſtſpiel war 
fie entſchieden nicht am Blake. 

Wilrdig, fid) den bewährten Stüten der Prager Bühne, Herbit 


— 219 — 


und Binder, anzureihen, war von Stöger’s Nen-Acquifitionen vor 
Allen Dem. Frey. Auch fie hat fait alle Rollenfächer an der 
Prager Bühne abfolvirt und in jedem Bedeutendes, in manchem 
Großartiges geleitet. Eine ganze Prager Generation hat ſich an 
ihren Runftleiftungen erbaut und ihren Namen bewundernd ge- 
nannt. Marie Frey wurde am 19. Sept. 1815 in Wien in 
einem Haufe gegenüber dem Theater an der Wien geboren, an 
welhem ihr Vater Schaufpieler und Regiffeur war. Die Vorliche 
für das Theater entwidelte ſich in der Heinen Marie fo zeitig, 
daß fie — fo erzählt man — ſchon in ihrem vierten Lebensjahre 
den Monolog der Jungfrau „lebt wohl ihr Berge!" auswendig 
wußte und eine improvifirte Fahne dazu ſchwang. „Ohne Fahne” 
darf ja die Jungfrau nicht fommen, meinte die Kleine, wenn man 
fie fragte, warum fie fchon zum Monologe das Banner fehwinge. 
Im Alter von 6 Jahren begann fie in Graz, wohin ihr Vater 
engagirt war, Kinderrollen zu fpielen; fie gab den Otto in der 
„Schuld“, den „Walter Tell" und mit fieben Jahren ſchon den 
„Schupgeift" in „Adelheid in Italien“, der oft von Erwachſenen 
gefpielt wurde. Der Vater drillte die Heine Künftlerin mit der- 
ſelben unerbittlihen Strenge, die er als Regiſſeur dem Berjonale 
gegenüber an den Tag legte, und wehe ihr, wenn fie ihre Rollen 
nicht bis aufs J⸗Tüpfelchen auswendig wußte. Dies gefchah 
allerdings nur in den jelteuften Fällen, Mit dreizehn Jahren 
wagte Marie Frey den gewaltigen Sprung aus dem Freie der 
Kinderrollen in jenen der Liebhaberinen. Es war bei einer Sonn⸗ 
tagsvorstellung des „Mädchens aus der Feenwelt“ in Graz. Die 
Darftellerin des Lottchens war krank geworben; Stöger, damals 
Director in Graz, kannte feine Eleine Marie, und troß der Pro- 
tefte des ängftlichen Vaters ſpielte fie ohne Probe in geborgten 
Kleidern die Rolle. Der Verſuch fiel jo gut aus, daß fie bald 
auch die Amina im „Diamant des Geifterfönigs" erhielt und 
als Liebhaberin mit 600 fl. jährlich engagirt wurde. Nun 
jpielte fie das „Pfefferröfel”, das „Käthehen von Heilbronn” 
und mit vierzehn Jahren fchon die Marie in „Müller und fein 
Kind”, das Mädchen von Mariendurg u. |. w. Mit fünfzehn 


— 220 — 


Jahren gaftirte fie am Theater an der Wien als Preciofa mit 
ſolchem Erfolge, daß Director Carl ihr und ihren Vater ein 
Engagement anbot, ja nach der zweiten Nolle, der Francisca 
in „Liebe kann Alles" (einer Bearbeitung der „Widerfpänftigen"), 
fam auch vom Hofburgtheater ein Antrag, aber nur fir fie und 
nicht für den Bater, von dem ſie ſich um Teinen Preis trennen 
wollte. Sie nahın den Antrag Carl's an. An deifen Theater be- 
wegte fid) Dem. Frey in den verschiedensten Partien und Fächern 
(Louiſe in „Kabale und Liebe”, „Yelva“, „Käthchen”), fogar als 
Localſängerin mußte fte fi) nad) dem Tode der Kneifel verwenden 
laſſen, und eine Slanzrolle derjelben, in der Poſſe „Nagerl und 
Handſchuh“, gab fie jo zufriedenftellend, daß ihr Carl für's erfte 
Jahr 3000, für's zweite 4000 Gulden bot, wenn jie jich dem 
Localfache gänzlich widmen wollte. So verlodend diefe Anträge 
waren, Marie widerftand, fie widerjtand den dringenden Zureden 
ihrer Angehörigen und blieb der edlen Kunft treu. Don dem 
Oberjtlämmerer Grafen Ezernin nahm fie nit Dank Freifige zum 
Beſuch des Burgtheaters au, wo fie fich an glänzenden Vorbildern, 
an einer Nettich, Caroline Müller u. U. fchulte. Als Stöger die 
Direction in Prag erhielt, engagirte er die Frey mit ihrem Pater. 
Die erften Erfolge der Beiden in Prag haben wir bereits er- 
wähnt. Marie fpielte Naive und Sentimentale, die legteren beffer. 
Ihre angenehmen Züge, ihre graciöfe Geftalt und Mimik, der 
natürliche Ton ihrer Rede entzücten. Ein fehwerer Schlag traf 
fie, als 1836 ihr Vater, ein mufterhafter, unermüdlich thätiger 
Opernregiſſeur, an der Cholera jtarb; fie hatte nun eine Mutter 
und acht Gejchwilter zu erhalten. Das gab trübe Tage. Die 
Künftlerin war eine Zochter und Schweiter von rührender LXiebe; 
bis in ihre legten Jahre unterftügte fie ihre Geſchwiſter, die nur 
zu ausgiebig von ihrer Site Gebrauch machten. Unter aller 
Trübſal aber entwidelte jich ihr Talent zur vollen Blüthe. Als 
fie 1843 am Burgtheater gaftirte, war ihr Erfolg ein fo durch- 
greifender, daß fie Director dv. Holbein erfuchte, „ihre bejprochene 
Honorarguittung jtatt anf die befprochenen dreihundert auf vier: 
hundert Gulden zu Stellen". Auch ein neuer Antrag Tam, ben 





— 221 — 


aber Die. Frey fo wie viele andere aus Liebe zu Prag ab» 
lehnte. 

Die Nachfolgerin der Herbſt im Fache der Heldinen war 
Amalie Weisbach, die 1842 von Hamburg nach Prag kam 
und am 16. April als „Griſeldis“ zum erſten Male mit ent: 
ſchiedenem Glücke debutirte. Sie war vor Allem ſchön, — eine 
„blendende Marmorftatue” nennt fie ein nicht eben wohlwollender 
Brochurenfchreiber jener Tage, — erfreute fich eines wohlflintgenden, 
nur etwas zu ftarl dem Pathos geneigten Organes und einer 
reinen verftändlichen Ausfpradye. Ihr Erfolg überraschte um fo 
mehr, als die Grifeldis bisher unbeftrittenes Eigentum und eine 
Slanzrolfe der Herbft war. In den erſten Wochen ihres Enga- 
gements fchuf Dem. Weisbad die Barthenia in Halm’3 „Sohn der 
Wildniß". Im Ganzen huldigte fie mehr der realiftiichen Rich— 
tung. — Die Naiven wechjelten in der Aera 1834—46 ziemlid) 
häufig. Mehre Jahre verjah befanntlich, theilweife noch immer 
neben der Binder, Gabriele Allram diejes- Fach, dann 
kam Mad. Schwanfelder, ein niedliches Figürchen mit feinen 
Zügen und etwas coquettirender Naivetät, die im December 1841 
und Anfang 1842 als Sabine in der „Einfalt am Lande”, als 
„Polyrena“ in „Kunft und Natur" und al Margarethe in ven 
„Hageſtolzen“ debutirte und auch als Soubrette fungirte. 1844 
jolfte Die. Blod aus Graz an ihre Stelle treten, die fich aber 
als ziemlich unbedeutend erwies. Daneben fpielte De. Wimmer, 
eine Verwandte Liebich’s, bis 1846 jugendliche Rollen. Sie hatte 
als fechszehnjähriges Mädchen am 4. Aug. 1841 als Liesli im 
„Alpenröslein“, einer ehedem allbeliebten Debutrofle aller Naiven, 
debutirt. Später heiratete fie den Helden und Liebhaber Köckert. 
Eine andere Verwandte Liebich’s, Die. Augufte Liebich, wirkte 
ebenfalls in den Vierziger Jahren am Stöger'ſchen Theater in 
der Rofengaffe und auch im ftändifchen Theater in jugendlich- 
munteren Rollen. Auch Mad. Marianne Zängl, deren Gatte als 
Epifodift engagirt war, wirkte im naiven Fache. Sie fam 1838 
und nahm durch ihre anmuthige, veizende Erfcheinung als „Poly: 
tena" in „Kunft und Natur” Alles für fich ein, fiel aber leider 


— 222 — 


nach einigen Jahren einer traurigen Kataftrophe zum Opfer uud 
starb am 7. Juni 1841 in Brag.*) Die Beichäftigung Marie 
Bayers in diefen Gebiete war nur eine vorübergehende. Ebenſo 
war Die. Manetinsty, der Stern der Cechifchen Bühne, in 
dem Beitraume, von welchem wir reden, eine willkommene Aus- 
hilfe in diefem Fache und dem der Luftfpielfoubretten. Kleinere 
Rollen fpielte eine Zeit lang Dile. Schwelle Die Bervijon, 
die im Jahre 1839 vom Grazer ftändifchen Theater (einer Haupt: 
bezugsquelle junger Kräfte für Prag) in's Prager Engagement 
trat, begann mit der Elifabeth in „Eſſex“, wirkte aber eben fo 
wie Dlle. Schwelle nicht lange in Prag. Als Localfängerin fun- 
girte in Stöger's erfter Directionsperiode Die. Zöllner, die 
jih jpäter mit dem Balletmeifter Raab vermälte und in defjen 
Zanzftunden die Honneurs machte. Sie war eine achtbare Ber: 
treterin ihres Faches. 1845 trat an ihre Stelle Mad. Thome, 
Gattin des fpäteren Directors Thome, eine anmuthige Erfcheinung 
mit netter Toilette, einem hübſchen Stimmchen und frifchem Spiel, 
deren Glanzrolle die „Hammerjchmiedin” aus Steiermark war. 

Dbenan in der Reihe der Künftler, die Stöger in den 
Jahren 1834—1846 auf die Prager Bühne verpflanzte, ftand 
Fiſcher, ein glänzendes Talent für das Heldenfach, der auch als 
der erjte Flottwell in Raimund's „Verjchwender" (bei der Pre- 
miöre diefes Werkes am 20. Tebr. 1834 im Theater in der 
Joſephſtadt unter Stöger's Direction) der Gejchichte der deutſchen 


*, Marianne Friederife Cäcilie Zängl war am 3. Zult 1816 zu 
Hamburg ald Tochter des Schaufpielerd Wilh. Hollmann geb., wurde vom 
Bater befonders in der Muſik ausgebildet, 1833 für ben Chor und Feine 
Partien an das Hamburger Stabtheater eng., vermälte fid) 1836 mit dem 
Schaufpieler of. Zängl und debutirte nun ald PBapageno und in anderen 
Opernpartien, kam dann ald Opernfängerin an das Theater in Regensburg, 
von dort nad) Prag, wo fie in naiven und „munteren” Rollen in Quftipiel 
und Poſſe mit gleihem Erfolg ſpielte. Ihre anmuthige Ericheinung, ihr 
frifhes, hHumorvolles Spiel gewannen ihr Aller Sympathien. Am 27. Mai 
1841 erkrankte fie an einer Unterleibdentzündung und am 7. Juni war 
fie eine Leiche. Das Keichenbegängniß fand in Prag unter großer Theil⸗ 
nahme ftatt. 











— 223 — 


Schauſpielkunſt angehört. Ehemals Mediciner, Hatte er fich aus 
reinem’ Beruf zur Bühne gewendet und genoß bereits am Xofeph: 
jtädter Theater unter Stöger einen bedeutenden Ruf. Fiſcher hatte 
eine eijerne Lunge. Die anftrengendften Partien vermochten ihn 
nicht zu. erichöpfen, im legten Acte hatte fein Organ diefelbe mar: 
tige Kraft und Fülle wie im erjten. Von feinem Vorbilde Anjchüg 
hatte er die Manier angenommen, oft ohne Nothwendigkeit ſtark 
zu dehnen und vor dem Schlußpunfte ftörende Cadenzen anzu⸗ 
bringen. Ohne dieſe Manieren Tonnte man feine Stimme mit 
Recht einen „Edelitein vom reinften Waſſer“ nennen. Ihm gelang 
das Schwere Stüd, nad) Bayer, ja noch zu Zeiten Bayer’s, aller: 
dings in deſſen letzter Periode, zu reuffiren. Fiſcher's erjtes Debut 
war befanntlih der Graf „Derindur" in der „Schuld", ihm 
folgten fein prächtiger Roderich im „Leben ein Traum”, Marquis 
Pofa, Wetter vom Strahl u. |. w. Großartige Leiftungen Fifcher’s 
waren Tel, Ingomar im „Sohne der Wildnig”, Percival in 
„Srifeldis", Karl Moor, Fiesco, Egmont, Othello. Er befchräntte 
jich übrigens nicht anf das Heldenfach allein, fondern fpielte bei- 
Ipielsweife den „Nathan“ und Richard III. mit gleicher Virtuofität 
und gleihem Erfolge. Zu Beginn feiner Prager Thätigfeit gab 
Filcher eine von Seydelmann's Glanzrollen, den alten Wellen- 
berger in Iffland's „Advocaten“. Die Prager erinnerten id) noch 
an die ergreifende Art, mit welcher Scydelmann diefen Charakter 
darftellte. Er war das Bild des alten gichtigen Greifes in jedem 
Zuge, in jeder Bewegung. Er fprach langſam, mit hohler, felten 
modulirender Stimme; aber Zodtenftille herrichte im Haufe, wenn 
jih feine Lippen zum Sprechen bewegten. Ein folches Bild, das 
nur die erhabenfte Künftlergröße ſchaffen konnte, fchwebte dem 
Publicum vor Augen, und doch fand Fiſcher Anerkennung und 
Achtung für die außerhalb feines eigentlichen Rollenkreijes liegende 
Leiftung. Auch in Cechifchen Vorftellungen feierte er troß mangel- 
hafter Kenntniß des Idioms als Jaromir in der „Ahnfrau“ und 
in einer Reihe anderer Bartien Triumphe bei dem durch die 
Aufopferung des deutfchen Künftlers gefchmeichelten Nachmittags- 
publicum. Im Jahre 1836 fiel es Fiſcher ein, mit Prag une 


— 224 — 


zufrieden zu fein; er ging nach Brünn, und Herr Korner vom 
dortigen Theater kam an jeine Stelle. Aber fchon ein Jahr 
ſpäter taufchten die Beiden wieder. Fiſcher trat am 28. März 
als Belifar in der gleichnamigen Schenk'ſchen Tragödie wieder 
vor dem Publicum auf, das er nun nicht fo bald verlaffen follte. 
Wir werden ihn noch als Heldenvater, als berufenen Nachfolger 
Wallenſtein-Bayer's jehen. Leider brachte ihn die Neigung. zum 
Trunke immer mehr herab. Aus dem markigen Heldenfpieler und 
dem noblen Salonliebhaber gejegten Charakters wurde ein Schau- 
jpieler von unkünſtleriſcher Nouchalance und zuleßt ein gebrochener 
Mann. 

Gleichzeitig mit Fiſcher fam Diet, jugendlicher Held und 
Liebhaber, nad) Prag. Hatte Fiſcher einen fchweren Stand nad) 
Bayer, jo hatte Dietz einen ebenfo fchweren nach feinem Bor: 
borgänger Morig, der durch feinen unmittelbaren Nachfolger 
Stölzel nicht vergefjen gemacht worden war. Als die Triumvirats: 
Direction den Abgang Moritz' anzeigte, erfuchte fie auf den Betteln 
ausdrüdlich, fi) bis zur Wieverbefegung des leeren Faches zu 
gedulden. Man geduldete fich nun zwar, erinnerte fich aber bei 
jeder Rolle, die einjt Morit gefpielt hatte, au diefen Liebling und 
beklagte deſſen Unerſetzlichkeit. Dieg*) mußte rajtlos fämpfen, um 
unter folchen Verhältniffen fich über Waller zu halten. Er war 
ein ſchlanker Mann mit regelmäßigen Zügen, die in ruhigen Mo- 
menten den Ausdrud gutmüthiger Heiterkeit hatten. Sem Organ 
war ziemlich diffieil und für Partien von großer Anjtrengung 
nur eben ausreichend. Feuer und hinreigende Begeifterung waren 
jeine Sache nicht, dafür führte er launige und muntere Converfa- 
tionsrollen jehr gewandt und liebenswirdig durch und mußte 
trefflich zu dharakterifiren. Es war ihm Hoch anzurechnen, daß 
er als „junger Klingsberg”, der Glanzrolle Moritz', durchaus nicht 
mißfiel. Mit befonderem Erfolge fpielte Diet den Mejchores im 


*, Sarl Dies, geb. 1804 zu Magbeburg, 1834 für erfte Liebhaber 


. in Graz eng., ſodann 30 Jahre in Prag, wurbe 1. April 1864 pen]. und 


ftarb 7. September 1865. 





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„Juden“, den Bolingbrofe, dann den „Gamin de Paris" und die 
ganz entgegengejegte Zitel-Partie in Gutzkow's „Werner“, der 
am 11. December 1840 zu feinem DBenefiz in Scene ging und 
ihm Hervorrufe in ungewöhnlicher Anzahl eintrug. Sein „Gamin 
de Paris” wird als eine ganz außerordentliche Leitung gepriefen, 
die um fo mehr auffiel, als (biß auf unſere Tage) der Pariſer 
Taugenichts in der Regel eine Lieblingsrolle der munteren Xieb- 
haberinen ift. Auch Dieb diente eine lange Reihe von SYahren 
der Prager Bühne. Seit 1840 fpielte übrigens neben ihm fchon 
ein anderer jugendlicher Liebhaber, Nerking, in Prag, der von 
Darmftadt fam und fih als Mar Piccolomini hier eingeführt, 
aber ſchon vermöge einer zu ältlichen Maske nicht „durchgeſchlagen“ 
hatte. Seine Declamation wies viele Unmanieren auf; er ent- 
widelte ſich erft mit der Zeit, namentlich im Luftjpiele. 1845 
debütirte Köckert, deſſen Schweiter eine gejchägte Sängerin ber 
Prager Oper war, als Candidat fir das Fach eines zweiten 
ingendlichen Liebhabers und Helden. Er kam vom Breslauer 
Stadttheater und trat zuerjt als Rudolph von Thürmer in dem 
Luftipiel „der Landwirth" mit gutem Erfolge auf. Man rühmte 
feine Schöne Sejtalt und fein Hangvolles, modulationsfähiges Organ. 
Ssunerlichfeit und poetiſchen Schwung vermißte man an ihm, als 
er in „zell” als „Arnold von Melchthal" auftrat. Webrigens 
machte Köckert tlichtige Yortichritte und wurde mit der Zeit ſelbſt 
Fiſcher gefährlich.*) 


*) Alexander Köckert war 1821 in Teplit von wohlhabenden Eltern 
geb., ftubirte Anfangs Mebicin, wibmete fi aber nach dem Tode des 
Baterd der Bühne, debut. in Budweis, wurde hierauf nad Klagenfurt, 
1843 an ba8 Dresdener Hoftheater eng-, ging wegen ungenügender Be- 
ſchäftigung von dort nach Bredlau und Prag, von wo er 1846 nad) Caſſel 
engagirt wurbe. Dier wirkte er brei Jahre, erwarb fi durch Gaftipiel- 
touren einen Ruf in Deutichland und wurde 1848 nad Wien an's Hof: 
burgtheater berufen, boch zerichlugen fich wegen der Revolution die Enga= 
gement3-Unterhandlungen; 1849 überjiebelte er nad Hamburg, wo er im 
böchften Anjehen ftand und unter den größten Ovationen Abfchieb nahm, 
als ihn Roderich Benedix zur Annahme eined Engagements nad Frank—⸗ 
furt a. M. bewogen hatte. In Frankfurt wirkte er 1855—58 neben Fanny 

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25 


ö — — n —, —— - - Be —— — 


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Ebenfalls in der letzten Zeit des erſten Stöger'ſchen Re— 
giments kam Baudius, der Bater der genialen Wilbrandt- 
Baudius, als Charafterfpieler und Komiker nach Prag.) Eigentlich 
war Schneider (von Hamburg) al Erſatzmann Polawsky's 
augerfehen. Er gajtirte im Mai 1844 in einigen Glanzrollen 
des Unvergeklichen; man hatte einen wahrhaften Künftler vor ſich, 
feinen Fachipieler gewöhnlicher Sorte, ein Genie, das leider nicht 
dauernd an Prag zu feileln war. Den Schaufpieler Walter 
ſah man in Charalteren der verjchtedenften Stände und Alters- 
ftufen, und jede Rolle war mit ängftlicher Gewiſſenhaftigkeit ftudirt. 
Walter hatte im Theater in der Joſephſtadt den Chevalier Dumont 
im „Verjchwender” creirt und vortrefflich durchgeführt. In Prag 
verwendete man ihn für Liebhaber und junge Ehemänner, mtit« 
unter aber auch für fcharfe Intriguants. — Wolmany gab 
jugendliche Liebhaber und hatte in feinem Repertoire auch einige 


Janauſchek, Friedrich Haafe, Emil Schneider und Auguſte Liebich uuter 
Benedir' Intendanz, folgte dann einem Rufe Wirfing’3 nach Leipzig, machte 
1861 eine Gaftfpielreife (u. A. auch nah Prag), wurde nah Mannheim 
und 1863 nach Petersburg engagiert, beilen deutlicher Bühne er bi3 zu feinem 
am 18. Auguft 1869 zu Miltitz bei Leipzig erfolgten Tode angehörte. Er 
glänzte zuleßt in älteren Heldenrollen. Ebenſo wie den Künftler ſchätzte 
man in ihm den Menfchen, den edlen Gatten und Vater. (Entſch' Bühnen- 
almanach 1870.) 


*, Sarl Friedr. Baudius, geboren 1796 zu Luckau i. d. Laufis, 
+ 21. März 1860 zu Dredden, war in der Jugend barfuß nad, Belgien 
gewandert, um unter Napoleon Kriegsdienſte zu thun, fpielte zuerſt bei 
Wanbertruppen, bis er in Dresden zum Debut kam, gehörte dann als 
Liebh. Komiker und Char.-Spieler einer Reihe bedent. deutjcher Bühnen 
an, erwarb in Leipzig bie Benfionsberechtigung, wurbe dann von Holbein 
nah Wien und von dort nach Prag berufen, wo er mit Quftipielfiguren, 
weniger im Charakterfache Glück hatte. Sein Biberftein, Scarabaeus und 
Schewa waren in Prag feitte beliebteften Rollen. Berühmt war feine 
Sammlung von Perüden und echten Waffen, die er auch auf ber Bühne, 
oft mit Gefahr für feine Bartner, gebraudte. Er gehörte zu ben erften 
Forderern von Fanny Janauſchek in Prag. Der erften Erfolge feiner von 
ihm jelbft ausgebildeten Tochter durfte er ſich noch in Leipzig und Dresden 
erfreuen, 


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glüdtiche Rollen komiſchen Genres. — Faſt gleichzeitig famen 1844 
Liebold und Chauer an das fiändiiche Theater. Liebold 
debutirte am 15. April als „Steffen Langer aus Slogan”. Seine 
jpäteren Debutrollen machten mehr Glück. Er bewegte fich ftart 
im Fahrwaſſer der Naturburjchen, machte ſich übrigens auch als 
„Dichter” der Poſſe „Das Loch im Plafond” befannt. Chauer 
wurde bei feiner Ankunft in Prag als Kandidat für das erledigte 
Fach Polawsky's bezeichnet, das er nach beiten Kräften aus: 
zufülfen fteebte. Er debutirte als Adam Brok in dem Luftfpiele 
„Carl XH. auf Rügen” und als Miller in „KRabale und Liebe“ 
mit gutem Erfolge und blieb der Prager Bühne treu. — Kolar, 
neben feiner Braut rejp. Fran, Manetinsty-Rolar, eine der Haupt- 
ftügen des cechiſchen Schaufpiels, wirkte, wenn es Noth that, auch 
in deutschen Vorftellungen mit und bethätigte ftets eine befondere 
Sorgfalt felbjt in Heinen Partien. In Stöger's erſter Directiong- 
periode war übrigens Kolar für das deutfche Theater wenig oder 
gar nicht in Betracht zu ziehen. In beiden Sprachen wirkte 
Hametner, deſſen Beihäftigung ſich allerdings zumeift nur auf 
„tomifche Bediente und Dümmlinge” beſchränkte. 

Beſonders reih war unter Stöger die Komik auf der Prager 
Bühne vertreten. Den erjten Blab neben Feiltmantel nahm 
Carl Dolt (recte Bizzala) ein, dejjen Name mit der Zeit ebenfo 
populär und unvergeßlich wurde, wie der feines alten Kollegen 
Feiſtmantel. As Sohn des k. k. Hauptmann-Rechnungsführers 
Bizzala, deſſen Yamilie aus Italien ſtammte, am 22. März 1808 
in Linz geboren, war Dolt 1822 mit feiner Yamilie nad) Prag 
überjiebelt, hatte das Kleinfeitner Gymnaſium bezogen und dann 
ih den mebicinischen Studien zugewandt, die er aber nad) dem 
zweiten Jahre verließ, um fich der Kunft zu ergeben und dadurch 
eher in den Bejis feiner Braut und fpäteren treuen Gattin zu 
gelangen. Auf einer Heineren Bühne hatte er als künſtleriſches 
„Kind Für Alles” feine theatralifche Laufbahn begonnen, ohne daß 
er in diefer aufreibenden Kunftarbeit Zeit gefunden hatte, fich für 
ein beitimmtes ach zu entjcheiden. So kam er 1832, als die 
Directionstrias Kainz- Bolawsfy- Stepdnek regierte, nach Prag 

15* 


Em Mei MD m m - ’ .. u —— 


— 228 — 


und verfuchte am 28. Mai 1832 als Baron Gluthen in dem 
ehemals vielgejpielten Luſtſpiele „Das legte Mittel”, einer aus» 
gefprochenen LXiebhaberrolle, fen Glück. Dean fand, daß der neue 
Liebhaber „ganz geeignet fei, untergeordnete jugendliche Rollen 
vollfommen auszufüllen und fich durch liebevolle Sorgfalt im 
Kleinen zum Größeren heranzubilden”, wünſchte ihm aber ein 
Engagement, wo er fich fammeln und in die zweite Periode des 
Schaufpielerlebens, jene der Selbſtkenntniß, übergehen Tönnte. 
Dolt fcheint in der That die feltene Tugend ber Selbftkenntniß be- 
feffen zu haben. Obwohl ihn die Direction fofort für das Jahr 
1833 engagirte und er fih in Prag gewiß auf die Dauer feft- 
gejegt hätte, ging er doch bald nach Linz, fpielte fich dort tüchtig 
ein und fam erft im Jahre 1842 wieder nach Prag. Aus dem 
mittelmäßigen Liebhaber war ein trefflicher Komiker geworben, und 
einen foldden, der an Feiſtmantels Seite wirken Tonnte, brauchte 
man gerade in Prag. Dolt's Name hatte auch über Defterreich’s 
Grenzen hinaus Anfehen gewonnen. Ein Gaftfpiel führte ihn im 
März 1841 nach Stuttgart, wo er eine Weihe von Gaftrollen 
am kgl. Hoftheater mit vorzüglichem Erfolge abfolvirte und na— 
mentlich mit dem in öfterreichifcher Mundart vorgetragenen „Berl- 
lied" von Proc jowohl in einem Concert der berühmten Pianiftin 
Sophie Bohrer als in der adeligen und bürgerlichen Reſſource, 
in einer Brivatjoiree der Prinzeſſin Alerander und bei anderen Ge- 
legenheiten Aufſehen machte. Sapellmeifter Lindpaitner orcheſtrirte 
das Lied und der Violinvirtuofe Molique begleitete Dolt. Im 
Stuttgarter Hoftheater creirte Dolt und U. den Titus Feuer: 
fuchs im „Zalisman" und erfreute fi der Anerkennung der 
maßgebenden Kreife, welche feine diftinguirte, natürliche Komik für 
ihn eingenommen hatte. Diefe Vorzüge waren es auch, welche 
dem neuen Komiker in Prag die Pfade ebneten. 

Als Stöger nah Prag kam, war er fhon nach einigen Mo⸗ 
naten gendthigt gewejen, den aus der Triumviratsära belannten 
Komiker Spiro, der einige Zeit von Prag gefchieden war, neuer 
dings zu engagiren. Spiro hielt als „Zwirn” in Rumpacivaga- 
bundus feinen Wiedereinzug und behauptete fich neuerdings Jahre 














— 229 — 


lang ehrenvoll neben Feiftmantel. Im Fache des Niedrig-Komifchen, 
im Scholz’schen Nollenfreife war er bejonders zu Haufe. Sein 
„Blafins Rohr” in der Nefteoy’ichen Poſſe „Glück, Mißbrauch 
und Rückkehr“, der Nagi in „Till Eulenspiegel" u. |. w. waren 
ebenjo gern gejehen wie die beften Leiftungen Feiltmantels. Spiro 
ging 1842 ab, und Stöger war fo glüdlih, in Dolt einen „komi⸗ 
chen Liebhaber und komischen Charafterfpieler jugendlichen Alters" 
zu gewinnen, wie er feinen bejjern wünſchen konnte. Am 11. Det. 
1842 trat Dolt als Lorenz in der „verhängnißvollen Faſchings⸗ 
nacht” (der Neftroy’schen Parodie eines Holtei'ſchen Trauerſpiels) 
zum erften Male als Komiker in Prag auf. Obwohl Neftroy 
ſelbſt vor ihm die Rolle in Prag gejpielt hatte, hatte Dolt einen 
durchgreifenden Erfolg. Seine mit fräftiger Stimme vorgetragenen 
Eouplets und Botpourris, feine hübſche Geftalt und muntere Laune 
machten Glück. Noch entjchiedener gefiel er als Zwirn neben 
Feiltmantel-Snieriem und Preifinger-Hobelmann, als ſchlanker Natzi 
in Til, als Titus Feuerfuhs im „Zalisman”. Die legtere Leiftung 
ftellte die Kritik bereits als nahezu unübertrefflich hin; Dolt ftand 
feit in der Gunft des Publicums. Für Stöger war er eine wahre 
Perle, zumal als das Theater in der Roſengaſſe errichtet war und 
dort der Poſſe eine beſondere Pflegejtätte bereitet wurde. Dolt 
hatte übrigens, als er ftatt des Stuttgarter das Prager Enga: 
gement wählte, gehofft, in Prag auch feine Begabung für das 
feinere Genre, für das Luftjpiel, verwerthen zu können, und fühlte 
ih, da Stöger feiner diesbezüglichen Verſprechungen vergaß, fo 
unbehaglich in Prag, daß er anderen Anträgen Gehör zu fchenfen 
dachte. Director Carl citirte ihn 1843 nach Wien, wo er in 
Bänerle einen mächtigen Freund Hatte; aber er blieb, nachdem 
Stöger eine entfprechende Erweiterung feines Repertoires zugejagt 
batte. Wir werden noch wiederholt Gelegenheit haben, Dolt ala 
einem der bedeutendften Komiker und liebenswürdigiten Menſchen 
die verdiente Wilrdigung zu widmen. 

Zu den verwendbarfien Mitgliedern Stögers zählte ebenfalls 
in erfter Linie der Regilfeur und Baß-Buffo PBreifinger. Seine 
Stimme hielt nicht lange an, dafür entſchädigte felbft in der Oper 


er m mn SE 


um MPEG TERHEGEEPEE VD WED NER: DE VE — Gen u EN EN m - — — u y _ 


— 230 — 


ſein munteres komiſches Spiel, das feinem „Bartolo“, Engländer 
in „Fra Diavolo“, Capuzzi in „Zampa”, Cantarelli im „Zwei⸗ 
kampf“ und Capellmeiſter im „Concert am Hofe" einen ſteten 
Erfolg fiherte. Ye mehr feine Stimme an Klang verlor, dejto 
mehr befaßte er ſich mit der Thätigkeit in der Poſſe und im Luft: 
jpiel. Er lieferte in jeder Rolle ein confequent durchgeführtes, 
lächerliches Charakterbild und brachte feine Nebenſpäße ohne Vor: 
dringlichfeit mit einer gewillen drolligen Trodenheit vor. Yein- 
fomijches lag ihm ferne. Preifinger arbeitete die kleinſte Rolle 
ut größter Genauigkeit aus und legte auch als Regiſſeur Proben 
regen Eifers ab. Ein anderes Opernmitglied, das fich verdienſtlich 
im Poſſenenſemble bewegte, war der Buffo Brava, ein Sänger 
und Schaufpieler, der aushalf, wo auszubelfen war, eine Kraft, 
auf die in Oper und Poſſe jederzeit zu zählen war. 

Wenn wir eine Darftellung der Kräfte des vecitirenden Schau- 
ſpiels lieferten, meinen wir nicht, auch eine erfchöpfende Darftellung 
geboten zu haben.“) Die von Stöger in’s Treffen geführten Kräfte 
waren aud) auf feinem Nebenterrain, dem Schaufpiel, fo anfehnlich, 
daß fich der Gegenjtand im Rahmen unſerer Gefchichte ſchwer er: 


*) Der Stand bed deutichen Schaufpield war 1838: Director und 
Unternehmer: J. U. Stöger. — Regiffenr d. Schanfp., der Op. und 
Poſſe Hr. Ernit. — GSecretär und Buchhalter Hr. Stiepanek, zugleich 
Vorſtand der böhm. Vorftellungen. — Herren Bayer, Helden und Väter; 
Bolze, Greiſe u. Ausbilfsrollen, Denery, jug. Liebh. un. Naturburfchen, 
Dies, Liebh. u. jug. Helden, Dietrich, 2. Liebh. Ernft, Liebh. u. ing. 
Intrignants, Feiftmantel, 1. tom. Bartien, Fiſcher, Helden u. Bäter, 
Srabinger, Väter, Hametner, Aushilfer., Bolamsty, kom. Väter, 
Boupivants, Preifinger, tom. Partien, Schikaneder (penfton.) locale 
Bäterr., Spiro, 2. tom. Rollen, Walter, Chevalier, Bonv. u. Intrig., 
Bängel, Liebh. — Mad. Allram, fom. Mütter, Die. Berpifon, Un- 
ftandsdamen u. Mütter, Mad. Binder, zärtl. Mütter, Die, Frey, 1. Liebh., 
De. Herbft, Heldinen u. Liebh, Die. Manetinsky, Soubr., Die. 
Schikaneder, Anftandsd. u. Mütter, Dlle. Schwelle, Soubr. Mad. 
Bängel, Naive, De. Zöllner, Locales. — Kinderrollen: RI. Sieb, kl. 
Untermäller, Ritter; — Souffl. für Sch. u. Op. Baͤlvaͤnsky. 

‘m %. 1843 regiftrirte man: Director u. Untern. 3.4. Stöger. — 
Reg. d. Sch. Ernft, der Oper u. Poſſe Breifinger. — Secretär und 


— 231 — 


ihöpfen Tieße. Es bleibt ung die Aufgabe, zu unterfucdhen, was 
mit diefen in mancher Hinficht gewiß impofanten Kräften geleiftet 
wurde: ein Blid auf das Repertoire. 

Die Aera Stöger läßt ſich eine Aera der Novitäten, Gäfte 
und Debuts nennen. Un Leben fehlte es alfo durchaus nicht auf 
den Brettern der Brager Bühne in den zwölf Jahren des erften 
Stöger’fchen Regiments. Woran es fehlte, dag war ein folides 
Repertoire, und gerade dies ift die Lebensfrage aller großen 
Bühnen, die ein Abonnenten-Stammpublicum haben und vor 
Allem auf weije Abwechslung bedacht fein müfjen. In den meiften 
Fahren kam auf die Woche durchfchnittlich eine Novität, und was 
das Schlimme war — unter den Neuigkeiten des Jahres wurbe 
die überwiegende Majorität todtgeboren; die meiften wurden ent- 
weder von Gäften importirt, um ohne fie wieder zu verjchwinden, 
oder waren Poſſen von ausgejprochener Lebensunfähigkeit. Mit 
dem eigentlichen recitirenden Drama, das in jedem guten Theater 
die Grundlage des Nepertoires zu bilden Hatte, war es am 
Ihlimmften bejtellt. So hatten 3. B. 1844 Oper und Poſſe 
212 Borjtellungen, Tragödie, Schau- und Luftjpiel zufanmen 


Buchhalter Stepanel, Infpicient Schmelzer, Souffl.d. Sch. Lehmann, 
der Op. Martinetz, Bibliotbelauffehber Winarz; 1. Caflier Ulbricht, 
2. Caſſier Szermal, Controleure Hr. Piſetzky u. Meier. — Theater: 
ärzte Dr. Leop. Wander Ritt. v. Grünwald, Prof. Dr. Oppolzer, 
WBundarzt Rer. — Darftellende Mitglieder: Herren Bayer Helden und 
Bäter, Bolze (Benj.), Greife u. Aushilfsr, Brava bedeut. Aushilfsr., 
Die 1. Liebh., ing. Helden u. Bonviv., Dietrich Liebh. u. Naturb,, 
Dolt 1. kom. Rollen, Ernft (Rea.) jung. Intrig. und Char.-Rollen, 
Feiftmantel1. tom. Partien, Fifcher Helden u. gef. Liebh, Grabinger 
Väter, Hametner klein. tom. R., Rolar Liebh., Polawsky Charalterr., 
humor. Bäter u. Intrig, Breifinger (Reg.) kom. Bartien, Schilaneder 
(Penf.), Iocale Bätere., Walter Chen. u. Jutr, Wolmany jug. Liebh. 
und Helden. — Mad. Allram (Penſ.) Tom. Mütter, Mad. Binder 
zärtl, u. tom. Mütter, Anftandsdamen, Dlle. Frey ı. Kiebh., De. Herbit 
(beurl.), Anftandsdamen, Mad. Kolar Lieb. u. Soubr, Mad. Raab 
Rocalr., Dile. Schilaneder Anftandad. u. Mütter, Mad. Shwanfelder 
muntere Liebh. u. Native, Die. U. Weisbac 1. Kiebh., Heroinen, Die, 
Bimmer Naive. — Kinderrollen: Marie Untermüller, Carl Died. 


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— 230 — 


fein munteres komiſches Spiel, das feinem „Bartolo", Engländer 
in „Ira Diavolo“, Capuzzi in „Zampa”, Cantarelli im „Zwei—⸗ 
fampf" und Capellmeifter im „Concert am Hofe" einen fteten 
Erfolg fiherte. Ye mehr feine Stimme an Klang verlor, defto 
mehr befaßte er fich mit der Thätigfeit in der Poſſe und im Luft: 
ſpiel. Er lieferte in jeder Rolle ein conjequent durchgeführtes, 
lächerliches Charafterbild und brachte feine Nebenſpäße ohne Vor⸗ 
dringlichfeit mit einer gewiſſen drolligen Trockenheit vor. Fein— 
fomifches Tag ihm ferne. Preifinger arbeitete die kleinſte Rolle 
nit größter Genauigkeit aus und legte auch als NRegiffeur Proben 
regen Eifers ab. Ein anderes Opernmitglied, das fich verbienftlich 
im Poſſenenſemble bewegte, war der Buffo Brava, ein Sänger 
und Schaufpieler, der aushalf, wo auszuhelfen war, eine Kraft, 
auf die in Oper und Poſſe jederzeit zu zählen war. 

Wenn wir eine Darftellung der Kräfte des recitirenden Schau- 
ſpiels lieferten, meinen wir nicht, auch eine erichöpfende Darftellung 
geboten zu haben.“) Die von Stöger in's Treffen geführten Kräfte 
waren auch auf feinem Nebenterrain, dem Schaufpiel, jo aufehnlich, 
daß fih der Gegenftand im Rahmen unjerer Gejchichte fchwer er- 


*) Der Stand bed beutihen Schaufpield war 1838: Direclor und 
Unternehmer: 3. U. Stöger. — Regiſſeur d. Schaufp., der Op. und 
Poſſe Hr. Ernft. — Secretär und Buchhalter Hr. Stiepanek, zugleich 
Borftand der böhm. Vorftellungen. — Herren Bayer, Helden und Väter; 
Bolze, Greiſe u. Aushilfgrolfen, Denery, jug. Liebh. u. Naturburfchen, 
Diet, Liebh. u. jug. Helden, Dietrich, 2. Liebh. Ernft, Liebh. n. jug. 
Intriguants, Feiftmantel, 1. tom. Bartien, Fifcher, Helden u. Väter, 
Grabinger, Väter, Hametner, Aushilfer., Polawsky, kom. Väter, 
Bonpivants, Preifinger, tom. Partien, Schikaneder (penfion.) Iocale 
Bäterr., Spiro, 2. tom. Rollen, Walter, Chevalier, Bonv. u. Intrig., 
Zängel, Liebh. — Mad. Allram, tom. Mütter, Die. Berviſon, Ans 
ftandsdamen u. Mütter, Mad. Binder, zärtl. Mütter, De. Frey, 1. Liebh., 
Die. Herbft, Heldinen u. Liebh, Die. Manetinsty, Soubr., Dlle. 
Schikaneder, Anſtandsd. u, Mütter, Dlle. Schwelle, Soubr. Mad. 
BZängel, Naive, Die Zöllner, Locales. — Kinderrollen: RI. Sieb, H. 
Untermüller, Ritter; — Souffl. für Sch, u. Op. Baͤlvaͤnsky. 

Im %. 1843 regiftrirte man: Director n. Untern. %. A. Stöger. — 
Reg. d. Sch. Ernft, ber Oper u. Pofle Preifinger. — Secretär und 


— 231 — 


ſchöpfen ließe. Es bleibt uns die Aufgabe, zu unterfuchen, was 
mit diefen in mancher Hinficht gewiß impofanten Kräften geleiftet 
wurde: ein Blid auf das Repertoire. 

Die Aera Stöger läßt fich eine Aera der Novitäten, Gäfte 
und Debuts neunen. An Leben fehlte es alſo durchaus nicht auf 
den Brettern der Prager Bühne in den zwölf Jahren des erjten 
Stögerjhen Regiments. Woran es fehlte, das war ein ſolides 
Repertoire, und gerade dies ift die Lebensfrage aller großen 
Bühnen, die ein Abonnenten-Stammpublicum haben und vor 
Allem auf weiſe Abwechslung bedacht fein müflen. In den meiften 
Fahren Fam auf die Woche durchichnittlich eine Novität, und was 
das Schlimme war — unter den Neuigkeiten des Jahres wurde 
die überwiegende Majorität todtgeboren; die meisten wurden ent- 
weder von Gäſten importirt, um ohne fie wieder zu berfchwinben, 
oder waren Poſſen von ausgejprochener Lebensunfähigteit. Mit 
dem eigentlichen reeitirenden Drama, das im jedem guten Theater 
die Grundlage des Repertoires zu bilden hatte, war es am 
ſchlimmſten bejtellt. So hatten 3. B. 1844 Oper und Poſſe 
212 Borftellungen, Tragödie, Schau- und Luſtſpiel zufammen 


Buchhalter Stepanef, Inſpicient Schmelzer, Souffl. d. Sh. Lehmann, 
der Op. Martines, Bibliothelauffeher Winarz; 1. Caſſier Ulbridt, 
2. Saflier Czermak, Eontroleure Hr. Piſetzky u. Meier. — Theater- 
ärzte Dr. Leop. Wander Ritt. v. Grünwald, Prof. Dr. Oppolzer, 
RBundarzt Rex. — Darftellende Mitglieder: Herren Bayer Helden und 
Väter, Bolze (Benf.), Sreife u. Aushilfsr, Brava bedeut. Aushilfer., 
Diet 1. Liebh., jug. Helden u. Bonviv. Dietrich Liebh. u. Naturb., 
Dolt 1. kom. Rollen, Ernft (Rea.) jung. Intrig. und Char.-Rollen, 
Feiftmantel 1. dom. Partien, Fiſcher Helden u. gef. Liebh., Grabinger 
Bäter, Hametner Hein. tom. R, Kolar Liebh, Polawsky Charalterr., 
humor. Väter u. Intrig, Breifinger (Reg.) tom. Partien, Schikaneder 
(Benf.), locale Bäterr., Walter Chen. u. Intr, Wolmany jug. Liebh. 
und Helden. — Mad. Allram (Benf.) tom. Mütter, Mad. Binder 
zörtl, u. kom. Mütter, Anftandsdamen, Die. Frey 1. Kiebh., De. Herbit 
(beurl.), Anftandsdamen, Mad. Kolar LKiebh. u. Soubr., Mad. Raab 
Rocalr., Dile. Schika neder Anftandad. n. Mütter, Mad. Shwanfelder . 
muntere Liebh. u. Naive, Die. A. Weisbach 1. Liebh., Heroinen, De. 
Wimmer Naive. — Rinderrollen: Marie Untermüller, Carl Died. 


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— 232 — 


nur 155, fo daß in jeder Woche für das recitirende Drama nur 
3 Abende übrig blieben. Wenn fich auch das Verhältuig namentlich 
in den Dreißiger Jahren günjtiger ftellte, jo war der Webeljtand 
doch während der ganzen Stöger’jchen Directionsära der Haupt: 
jache nad} derſelbe. Haupt-Repertoiredichter für die Dreißiger Jahre 
blieb Raupach, dem die Birch Pfeiffer eifrig und immer erfolg: 
reicher Concurrenz machte. Die ‚würdige Frau Johanna Franul 
von Weißenthurn und Albini nahmen mit ihren Stüden aud) 
nod) einen anfehnlichen Raum ein. Allmälig wurde es befler. 
Im romantischen Drama regte Friedrich Halm mächtig feine 
Schwingen, im Luftfpiele begann ſich Benedir neben Feldmann 
erfolgreich zu regen. Banernfeld lieferte Meiſterwerke, und Gutzkow 
führte fich mit entichiedenem Gelingen ein. Daneben behaupteten 
die Franzofen, Scribe voran, im feinen Luftipiele auch nod) ihren 
Pla. Das claffiiche Drama fam in Prag in vereinzelten Er- 
jcheinungen wor und tauchte vornehmlich auf, wenn illuftre Säfte 
famen oder wenn e3 galt, Bayer und ZFifcher in ihren Glanz: 
tollen zu zeigen. 

Das Vorwalten der Raupach'ſchen Erzeugniſſe, befonders 
in den erſten Divectionsjahren Stöger’s, war ein trauriges Zeichen 
der Zeit. Die flache Aeußerlichkeit follte hier das frifch pulfirende 
Leben, den gejunden Kern erjegen. Raupach's Charaktere waren 
im Grunde nichts als die gezwungene Umfchreibung jchematijirter 
Begriffe, eine Untfchreibung, deren individuelle Prägung — wie 
ein gediegener Kritifer jener Tage treffend bemerkt — durch die 
zufällige PBerfönlichkeit der Berliner Hofichaufpieler bedingt war. 
Die hauptjächlichften Raupach'ſchen Nepertoireftüde, die man in 
Prag jah, waren außer dem unvermeidlihen „Müller und fein 
Kind", „Taſſo's Tod" (die Prager fahen darin Mad. Nettich als 
Leonore, ihren Gatten als Taſſo), „Corona Saluzzo” (die Zitel: 
tolle fpielte Fried. Herbft, als Marchefe di Saluzzo glänzte La 
Node als Saft), „Der Degen”, „Nafenftüber”, „Vor Hundert 
Jahren“ (ein fomifches Sittengemälde), „Cromwell's Ende” u. |. w. 
Bon Johann Weißenthurn jah man „Die Geprilften”, „Johann 
v. Finnland”, „Die Fremde" u. A. Mad. Birdy-Pfeiffer jtellte 





g — 2133 — 


ih ein mit „Hinko dem Freiknecht“, „Mutter und Sohn", „Die 
Erſcheinung am Grabe”, „Johannes Guttenberg”, „Rubens in 
Madrid", „Onkel und Nichte”, „Steffen Langer aus Slogan”, 
„Scheibentoni", „Die Marquife von Billette" u. |. w. Raupadh 
und die Birch-Pfeiffer brachten jo recht durch ihre den Schau- 
ipieleen an den Leib und auf den Applaus gefchriebene Stüde 
das Birtuoſenthum in Flor. Es war begreiflih, daß der Dar- 
fteller am liebſten in Stüden fpielte, in denen er am meiften 
applaudirt wurde. Ein Wohlthäter fiir Debutanten und Gäſte 
war auh Blum mit dem „Ball zu Ellerbrunn” u. A. Seite 
Zuftjpiele haben ſich bis auf den heutigen Tag auf dem NReper- 
toire erhalten, während von Raupach und der Weißenthurn wenig 
übrig geblieben ift. Iffland, Kogebue und Töpfer halfen im Stö— 
ger’schen Zuftfpielrepertoire noch immer aus, wenn die Modernen 
den Regiſſeur im Stiche ließen. Bauernfeld verfchaffte mit 
feinen „Belenntniffen” (zuerſt aufgeführt am 14. Mai 1834) der 
neuen Direction befanntlich den .erjten Erfolg im Gebiete des 
recitirenden ‘Dramas. Später hatte Mori als Gaft mit der Nolle 
des Zinuburg großes Glück. Am 1. Dec. 1834 fah man das 
Charaftergemälde „Franz Walter”. Am 17. Dec. 1835 kam 
„Bürgerlid und Romantiſch“ zum erjten Male auf die Prager 
Bretter. Polawsky gab den Rath Zabern, Mad. Binder die Katha- 
rina dv. Roſen, Ernft den NRingeljtern, Puſch, ein nur furze Zeit 
in Prag engagirter tüchtiger Schaufpieler, den Lohnlakai Unruh. 
1838 fam der „Vater“, dann der „Selbitquäler”, 1840 „Die 
Geſchwiſter von Nürnberg”, 1841 „Ernjt und Humor” zur Auf: 
führung, und am 7. März 1845 „Ein deutfcher Krieger”, deijen 
Erfolg ein ebenſo großer als nachhaltiger war. Mit Spannung 
hatte man diefem ernften Tendenzfchaufpiel des leichten, fröhlichen 
Bauernfeld entgegengefehen, und das Haus war voll, als das 
Stüd wirflid) zum Benefiz Bayer’s in Scene ging. Die beiden 
Hauptrollen, v. Götze und rau de la Roche, Tonnte nicht beſſer 
bejegt fein als mit Fifcher und Dem. Frey. In der Rolle des 
Kurfürften glänzte Bayer durch feinen wirkſam trodenen Humor. 
Den Grafen Dohna gab Wolmany, den Pächter Büttner— Bau⸗ 


— 1234 — 


dius, Marthe— Mad. Binder uud den Cancelliſten Schöpflein— 
Feiſtmantel. 

Der Name Benedit tauchte Anfangs der Vierziger Jahre 
auf. Als am 28. Mai 1841 in Prag zum erjten Male „Die 
Mode” oder „Modernes Coſtume“ gegeben wurde, fchrieb Anton 
Müller: *) „Wir meinten in den Wendungen und in der Haltung 
des Dialogs Bauernfeld's gewandte Feder und Laune zu erkennen; 
jedenfalls weiß der wahrfcheinlich pfeudonyme Noderich Benediz 
ein gutes Scenarium zu entwerfen und geſprächsweiſe Darjtellung 
zu handhaben.“ Einen gelinden Durchfall erlebte, ganz im Gegen⸗ 
ſatze zu der vorzüglichen Aufnahme der „Moden“, Benedix's 
Drama „Die Sclaven”, das am 15. Nov. 1841 in Scene ging. 
Der Dichter hat die Scharte übrigens redlich ausgewetzt. Sein 
„Steckbrief“ (zum erjten Male am 22. Sept. 1843) machte den 
Mißerfolg reichlich wett. Man begrüßte das friſche Luftipieltalent 
um jo freudiger, al8 gerade die poetische Schöpfungskraft des 
deutfchen Volkes in diefem Sache bei dem Ernte der gährenden 
Zeit brach lag. Die gutmüthig heitere Lebensanficht, die gejunde 
Laune und das Bühnengefchid Benedir’ halfen über feine zahl. 


*) Anton Müller, der bereit3 mebrgenannte Theaterkritiler ber 1827 
gegründeten „Bohemia”, war ein Deutichböhme aus Oſchitz bei Wartenberg, 
und war gleichzeitig mit bem Grafen Carl Chotel in Innsbruck geweien, leßterer 
als Randes- Gouverneur, Müller als Brofeflor. Des Grafen Chotek Scharf: 
bli hatte die wijlenichaftliche Züchtigkeit, die anziehende Vortragsgabe uud 
bie richtige Urtheilätraft des jungen Profefford kennen gelernt, und bie 
Verſetzung Anton Müllers als Profeffor ber Aeſthetik an die Prager Uni» 
verfität war fein Werk, Anton Müllerd Vorträge über Aeſthetik füllten 
bald den ihm zugemwiefenen Saal im Clementinum nicht blos mit Studi- 
renden, fondern auch mit gereiften Männern aller Berufskreiſe: Maler 
Yührich, Eonfervatoriumd-Profeffor Gordigiani, der blinde Muftkinftitnts> 
Director Joſeph Profih und andere Notabilitäten ſaßen als aufmerkſame 
Zuhörer vor ihm auf der Schulbank und ließen keine feiner Vorlefungen 
aus. Noch ausgiebiger und nachhaltiger auf die Verallgemeinerung eines 
guten Geſchmacks wirkten feine Anfichten und Urtheile über Theater, Muſik 
und bildende Künfte, die er feit Jäner 1828 faft volle fünfzehn Jahre 
durch die „Boh.” im ganzen Lande verbreitete. Er hat viel zur Länterung 
bed Geſchmacks, zur Klärung des Kunſturtheils in Prag beigetragen, 





— 2335 — 


reihen Mängel hinweg umd machten ihn zu einer willfommenen 
Erſcheinung für die deutſche Schaubühne. 

Gutzkow feierte am 11. Dec. 1840 mit „Werner" oder 
„Herz und Welt" einen wahren Triumph. Man erkannte in dem 
Stüde „zugleich ein verjühnliches Glaubensbekenntniß und eine 
tröftlihe Borbedeutung für den fommenden Ruhm des Dichters". 
Den Erfolg, den Dieg in der Titelrolle errang, haben wir bereits 
conſtatirt. Dem. Herbit gab die Julie ebenfalls meifterhaft. „Richard 
Savage” bradte Friederike Herbft am 18. Nov. 1841 zu ihrem 
Benefiz zur Aufführung. Ihre „Lady Madlesfield" zählte zu 
ihren gediegenften Leiſtungen; die Titelrolle fpielte Dieb, den 
Steele Fiſcher. — Die „Schule der Reichen" erjchien zu Bayer's 
Benefiz am 21. Jän. 1842 (Bayer als Thompfon), „Zopf und 
Schwert” am 23. Febr. 1843, und zwar war die Prager die 
erite Öfterreichiiche Bühne, die das Luſtſpiel Überhaupt aufführte. 
Die Aufnahme war eine ziemlich fühle Man vermißte den feften 
Bau, namentlich war es Bernhard Gutt, welcher die Mängel des 
Stüdes anerlanıte, während der Dichter Uffo Horn den bejchei- 
denen Erfolg der Novität lebhaft bedauerte. Einige Tage nad) 
„Zopf und Schwert" ging Immermann's Tranerſpiel „Die 
Dpfer des Schweigens" in Scene; mit nicht beſſerem Erfolge 
als das Gutzkow'ſche Stüd. Amalie Weißbach, welche die Ghis- 
monda gab, war „ſchön und Fühl wie Marmor", Fiſcher gab den 
Zancred, Wolmany den Herzog Manfred. Am 5. Jäner 1844 
hatte Laube's „Monaldeschi" feine Premidre in Brag mit gutem 
Erfolge beftanden. Fiſcher war in der Titelrolle Außerjt wirkfam, 
Dem. Weißbach gab die Königin Chriftine, Dem. Frey die Sylva, 
Walter den Santinelli, Bayer den Grafen Brahe, Polawsky den 
Freiheren von der Schnure, Diet den Malſtröm. Laube’s Luft: 
ipiel „Gottſched und Gellert” endlich erlebte am 2. Jäner 1846 
feine erfte Aufführung. 

Auf dem Gebiete des höheren Dramas floßen die Novitäten 
ziemlich ſpärlich Grillparzer hatte, als die Stöger’sche Direction 
begann, bereit den Höhepunkt als dramatischer Dichter über- 
ſchritten. Als Grillparzer’iche Novität wurde noch am 4. April 1835 


nn u I eK nn a Mer BEE EZ DE BE - .— En u > Ds 


— 236 — 


zum Benefiz von Friederile Herbit „der Traum ein Leben“ mit 
Fiſcher als Zanga,. Dieb als Ruftan und der Benefiziantin als 
Mirza gegeben. Von Karl Egon Ebert kam am 27. März des- 
felben Jahres zum Benefiz Bayer's das vaterländiiche Drama 
„Szeitmir" mit Bayer in der Titelrolle zur Aufführung, ohne den 
Erfolg von „Bietislaw und Jutta” zu erreichen. Bei weitem am 
regjamften war in der Zeit der Stöger’jchen Direction Friedrich 
Halm auf dem Gebiete des romantischen Dramas, Seine „Sri: 
jeldis" erregte ungewöhnliche Senfation, als fie am 9. April 1836, 
eingeführt von der Funftbegeijterten Friederike Herbft, in Prag 
erichien. Die jugendliche Kraft der Phantafie und des Gemilthes, 
welche der intereflante pfendonyme Dichter in feinem Erftlings- 
werfe entwidelte, das brillante, effectvolle Spiel der Dem. Fried. 
Herbit, der erjten Prager Grifeldis, unterftügt von Diet-Percival 
und allen Mitwirkenden, ftimmten das Bublicum zu enthufia- 
jtiichem Beifall. Seit Grillparzer’s erſten Stücken war auf dem 
Gebiete des ernten Dramas noch fein größeres Werf eines Wiener 
Dichters mit Fo entfchiedenem und glänzendem Beifalle aufgenom- 
men worden als Grifeldis. Noch in demfelben Jahre gaftirte 
Löwe als Percival, abermals mit enthufiaftiichem Beifall. Nicht 
jo glänzend war natürlich die Aufnahme, die am 10. Rov. 1837 
Halm's „Adept“ fand. Nichtsdeftoweniger jahen die Prager nu 
regelmäßig jede Halm'ſche Novität auf ihrer Bühne: 1840 (12. Juni) 
„ein mildes Urtheil”, 1841 „König und Bauer” (nad dem 
Spanifchen des Lope de Vega), 1842 (am 13. Mai) „der Sohn 
der Wildniß" (Fiſcher-Ingomar, Dem. Weißbach⸗-Parthenia, Fried. 
Herbit-Aktäa), 1844 „Sampiero” u. |. w. 

Ein interejjantes Experiment auf- dem Gebiete des höheren 
Dramas wurde noch kurz vor Schluß der erften Stöger’jchen 
Direction mit der Aufführung von Grabbe's Titanenwerke „Don 
Juan und Fauſt“ gemacht. Die Idee ging von Chauer aus, der 
das nahezu unaufführbare Stüd ſchon in Graz in einer von ihm 
jelbft beſorgten Einrichtung auf die Bretter gebracht hatte (außer: 
dem Hatte nur noch das Theater a. d. Wien das Experiment ge: 
wagt). Die Bearbeitung hatte zwar den Lauf der Handlung nicht 





— 237 — 


beeinträchtigt, aber mit Rüdficht auf die technischen Verhältniſſe 
und auf die Theaterzeit einen großen Theil des Details wegfallen 
lofjen, das die Begebenheiten verband und erläuterte. Stehen 
hlieb die einzelne nadte Thatfache ohne Deutung und Bedeutung, 
jo daß das Stüd eher befremdete als befriedigte. Es blieb eben 
ein „pbantaftifches Drama”, das auf dem realen Boden der Bühne 
nicht wurzeln kann, und deshalb einer Hauptbedingung des guten 
Dramas, der Bühnenwirkfamteit, entbehren muß. Den. Don Yuan 
gab Dietz vortrefflich, des Fauſt hatte fih Fiſcher mit feiner un- 
verwüſtlichen Kraft angenommen, Dem. Weißbach hatte fich mit 
der Donna Anna, Wolmany mit dem Mephifto, Dolt mit dem 
Zeporello, der Benefiziant mit der Meinen Rolle des Signor Negro, 
Ködert mit dem Don Octavio befaßt. — Ebenfalls in die letzte 
Zeit der Stöger'ſchen Aera fiel die erſte Aufführung der Tragddie 
„Mori von Sachſen“ von R.E. Prutz (im Nov. 1845) mit 
Köcdert in der Zitelrolle, eine der beiten Leiftungen diefes Schau- 
fpielers, Fiicher als Karl V., Dieb als Friedvrih von Sachſen, 
Baudius als Granvella. Friederike Herbft, welche wieder als 
Bathin der Novität fungirte, fpielte die Kurfürftin Sibylle. Eine 
auffällige Thatjache ift es, daß in dem ganzen Beitraume von 
1834— 1846 die heimijche literarifche Production jo außerordentlich 
dürftig vertreten war. Größere Werfe von heimijchen Poeten 
famen außer &bert’8 „Eieftmir” und zwei dramatischen Gedichten 
von Joſ. Wenzig überhaupt nicht auf die Bretter (Weber's „Spar: 
tacus“ erſt in der nächften Periode, 1847). Gerle lieferte von Beit 
zu Zeit eine dramatifirte Novelle, auch thaten fich Gerle und Uffo 
Horn zu Compagniearbeiten zufanmen, deren eine, das Luſtſpiel 
„Die Bormundichaft”, einen vom Burgtheater ausgeschriebenen 
Preis von 40 Ducaten in Gold gewann, unter 60 eingejandten 
Zuftipielen als das beite anerkannt wurde und bei feiner erften 
Aufführung in Wien Uffo Horn viele Hervorrufe eintrug. Horn 
Icheint die gelungene Dialogifirung beforgt zu haben, während 
Gerle die Erfindung und Scenenvertheilung angehörte. Eine andere 
Compagniearbeit der beiden Herren, das vieractige Luftjpiel „Der 
Naturmensch”, machte ein gelindes Fiasco. Der heimiſche Dichter 


En, 


— 2335 — 


Franz von Braunau (recte Franz Fritſch, geb. etwa 1792 
zu Braunau in Böhmen, Hofmeifter und Bibliothefar in fürſtl. 
Clary'ſchen Dieuften, gejt. in Wien im Alter von 80 Jahren) 
lieferte mehrere LZuftjpiele, von denen die Bagatelle Jadeſt“ ein 
ganz leichtes, nettes Stückchen war. Ein anderes Luſtſpiel von 
ihm, „der gefoppte Fopper oder die Badecur,” wurde auch am 
Carltheater in Wien gegeben. *) 

Die Boffe und das Voksſtück hatten in Stöger’3 erjter 
Directionsperiode einige denfwürdige Abende zu verzeichnen, nahmen 
aber im Laufe der Jahre ftarf die Richtung bergab. Im Jahre 
1836 fam Raimund nach Prag. Raimund war Stöger’s Retter 
in der Noth geweſen, ala dem Joſephſtädter Theater trog der 
Triumphe der Oper eine Rataftrophe drohte. Gerade zur rechten 
Zeit entzweite ſich Raimund mit dem Director des Leopoldftädter 
Theaters, jchrieb den „Verſchwender“ für Stöger und trat darin 
jelbft in der SXofephitadt auf. Kein Wunder, daß Raimund feinen 
Freund Stöger in Prag befuchte! Das Erjcheinen des als Dichter 
längſt gejchägten Komikers rief allgemeine Senfation hervor; 
Manche, die ihn in Wien gefehen hatten, fürchteten, daß feine 
Komik oder vielmehr feine Darftellungsweife bei der erſten Gaſt⸗ 
rolle in Prag befremden möchte. Aber der Erfolg jtrafte dieſe 
Befitrchtungen Lilgen. Der „Aichenmann" — der Wurzel war 
Raimund’s erfte Rolle in Prag — mußte fein berühmtes Lied 
wiederholen; als der jtürmifche Beifall durchaus nicht aufhören 
wollte, fang Raimund eine Romanze, die auf die Reife des „Afchen- 
manns" nad) Prag Bezug hatte, die freundliche Aufnahme dafelbft 
pries und mit folgenden, gut gemeinten Neimen jchloß: 

Das freut den alten Dann, 
Daß er kaum ſprechen Tann: 
Wie rührt mich diefe Gnad’! 
Hoch leb' die Pragerftabt! 
Rein Aſchen! 


*), Bor einigen Jahren ift an dem Geburtöhaufe Franz v. Brannau's in 
beffen Vaterftabt Braunau in Böhmen eine Gedenktafel angebracht worben. 


Seine binterlaffenen Schriften hat ber Berfafler dieſer „Geſchichte“ in Ver⸗ 


wahrung, um fie unter günftigen Umftänben ber Vergeſſenheit zu entreißen. 








— 239 — 


Und abermals tobte der Beifall. Raimund trug noch etliche drollige 
Couplets vor, die den Beifall wo möglich verftärkten. Umſonſt 
mahnte er das Publicum an das Herannahen der zehnten Stunde, 
bis er endlich, zum vierten Male gerufen, in komiſchen Neimen 
gejtand, daß ihm der Faden ausgegangen jei. Seine zweite Gaſt⸗ 
rolle war der „Florian“ in dem „Diamant des Geiſterkönigs“, 
und wieder war troß eines heftigen Schneegejtöbers das Haus 
übervoll. Raimunds Darjtellung, die durchaus nicht in dem zwerch⸗ 
fellerſchütternden Spaß, jondern in der virtuofen Zeichnung und 
Durchführung der Charaktere, in einer, wenn wir jo jagen dürfen, 
claffifch-natürlichen Komik wurzelte, nahm Alles für fih ein. Er 
trat ferner in einem Quodlibet auf, wo er als „Schneeweiß", 
„Karg“, „Wajtel", „Kragerl” und „Zettelträger Papp“ vorlam. 
Den Rappelfopf jpielte Raimund mit Fischer als Alpenkönig. Am 
28. Febr. 1836 kam endlich der lang erſehnte Verſchwender“ 
in Prag zur erjten Aufführung. „Diefes Zaubermärchen” — be- 
lagten die Zettel — „Tann nach abgefchloffenem Vertrag nur 
während der Anwejenheit des Herrn Raimund aufgeführt werden.” 
Es hätte diefes Aviſos nicht bedurft, um das Haus in allen Räumen 
zu füllen. Der Anfang war ausnahmsmweife auf */,7 angefeht 
worden; aber eine Viertelftunde vor 6 Uhr Tonnte man ohne Rumpf 
und Gefahr nicht auf die mittleren Sperrſitze gelangen. Die 
Billeteure flehten um Geduld und freie Bahn. Alles ymfonft! 
Man mußte über Barrieren und Bänke fteigen; auf den Galerien 
tobte e8 in wilden Kampfe um das kleinſte Pläschen. So ſah 
es vor der Vorftellung aus. Nicht anders nach derfelben. Immer 
und immer wieder wollte man Raimund fehen, und felbit als er 
allein erjchien, mit Bezug auf die dee des Stüdes dankte und 
einen Theil der Auszeichnung der forgfältigen Mitwirkung der 
heimifchen Kräfte und der vortrefflichen Ausstattung zufchrieb, legte 
fih der Beifall nit. Raimund’ „Valentin“ wurde noch weit 
böher gejtellt, al$ fein „Aſchenmann“; neben ihm fpielten Fiſcher 
den Flottwell, Dem. Freu die Cherijtane, Dem. Zöllner die Kammer: 
jungfer, Dead. Allram meifterhaft das „alte Weib”, Walter den 
Chevalier, felbjt die Herren Bayer und Polawsky wirkten, jener 


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— 4 — 


al8 Azur, diefer als Kammerdiener, mit. Webrigens hatte man 
den Azur merkwürdigerweiſe doppelt bejegt. Den gefanglichen Theil 
beforgte Herr Podhorsky, den recitivenden Bayer, was natürlich 
nicht ohne eine gewiſſe Unmahrjcheinlichleit möglid) war. Die 
feine Rolle des Baumeifters Sodel übernahm dem Dichter zu 
Ehren Feitmantel. Raimund wurde in Prag geehrt und ausge: 
zeichnet, wie nur je ein großer Künftler. Seine Stide erlebten 
zahlreiche Wiederholungen in unmittelbarer Folge, und der Enthu- 
ſiasmus filr den Dichter-Schaufpieler blieb ſtets derfelbe. Zu einer 
Wiederholung des NRaimundjchen Gaftfpieles *) Tam es Teiber 
nit; denn noch in demfelben Jahre (6. Sept. 1836) machte 
Raimund durch eine Kugel feinem Leben ein Ende. 

Defter fahen die Brager Neftroy. Am 5. Juni 1840 trat 
er als Blafius Rohr in feiner Poſſe „Glück, Mißbrauch und 
Nückkehr" oder „die Geheimniffe des grauen Haufes" zum erften 
Male in Prag auf und wurde mit fchallendem Gelächter empfangen, 
als er mit feiner ungewöhnlichen Körpergröße, mit jeinen langen 
Armen und Beinen, eingezwängt in den carrifirten Anzug eines 
geld- und geiftbeblirftigen Advocatenſchreibers, erſchien. Neftroy 
war das gerade Begentheil von Raimund; er carrifirte und über- 
trieb. Freilich” wirkte ſchon feine Maske jederzeit zwerchfeller- 
jchütternd. Er fpielte in Prag noch den Schreiber Nigowig in 
der Poſſe „das Gut Waldegg”, den Fabian Strid in „die beiden 
Nachtwandler“, den Knieriemin „Lumpacivagabundus", den Hadauf 
in der fuftigen Kaifer’fchen Poſſe „Dienjtbotenwirtbichaft" oder 
„Uhr und Schatulle”, den Nast in „Ti Eulenfpiegel”, deſſen 
Länge urkomiſch wirkte, den „Tiburtius Hecht” in „Affe und Bräu- 
tigam”, Simon Doppel in „Erbichleicher” u.f.w. Im nächſten 
Jahre Fam er wieder und gab den „Zritfchtratich”, den Golphahn 
in „13 Mädchen in Uniform,” den Beter Bappel im „Wilden 


*) Raimund fpielte am 6.,10. und 15. Februar 1836 im „Mädchen 
aus ber Feenwelt“, 12. und 14. ehr. im „Diamant bed Geiſterkönigs“, 
19. und 21. Febr. in einem Quoblibet, 22. und 24. im „Alpenkönig und 
Menihenfeind“, 28. Febr., 3., 4., 6., 8., 9., 11, 12. und 13. März im 
„Berihwenber”. 


— 241 — 


Jäger“, „BO Jahre aus dem Leben eines Lumpen“ n. |. w. zum 
Beiten, Auch 1844 war Neftroy in Prag, feine Poſſen aber 
erlebten fännmtlich an der ſtändiſchen Bühne wiederholte Aufführugen. 
Sie bildeten im Verein mit den Raimund'ſchen Werfen den 
Grundftod zu einem foliden volfsthilmlichen Aepertoire, das leider 
durch den Zuwachs an Novitäten immer mehr verflacht und ver- 
wäſſert wurde. Unter den Novitäten der meiften fahre war die 
Poſſe ftark vertreten, die Qualität aber eine jehr beſcheidene. So 
gab e8 1844 vierundnieunzig Poſſenabende mit 44 Stücken, wo⸗ 
runter 15 Novitäten. Es gefielen aber nur zwei: „Der Berriffene” 
und „Ein Abend, eine Nacht, ein Morgen”. Ziemlich zahlreich 
waren die Schick'ſchen Poſſen im Repertoire; von den Neneren 
brachte es nur Friedrih Kaiſer mit feinem „Stadt und Land” 
u. %. zu Erfolgen. 

Ein Krebsſchaden für die Bühne unter der Stöger’fchen Di- 
reetion war das Weberwuchern der Gaftfpiele. Seit dem Jahre 
1840 war die Zahl der Säfte in beftändigen Steigen; im Jahre 
1843 betrug fie fogar 37. Es wurde an 159 Abenden unter 
Mitwirkung von Gäften gefpielt, d. i. unter Berückſichtigung der 
Normatage fast jeden zweiten Tag. Zudem waren diefe Gaftfpiele, 
dem Bühnenufus gemäß, ungleich vertheilt; in den vier Monaten, 
Mai bis Auguft des genannten Jahres, traten an 123 Abenden 
96mal Säfte auf, fo daß die heimischen Kräfte nur jeden vierten 
Abend befchäftigt waren. Eine Bühne, die ſtark mit Gäſten arbeitet, 
gibt fich in der Regel indirect das Zeugniß, daß fie mit ihren 
eigenen Kräften und ihrem eigenen Repertoire das Intereſſe des 
Publicums nicht genügend zu feſſeln vermag. Weberdies bringen die 
gehäuften Saftipiele eine Reihe von Nachtheilen mit ſich. ‘Die Vor: 
ftellungen werden überhaftet, mangelhaft vorbereitet, „herausgeivor- 
fen“. Während der reifende Gaſt feine Glanzrolle — und man reift 
gemeiniglich nur mit folcden — längft forgfältig ausgearbeitet hat, 
müſſen die heimifchen Kräfte in unmittelbarer Folge Nenes lernen, 
und können e8 bei einem fo bejchleunigten Tempo des Studiums 
nicht allzu gewiffenhaft mit dem Studiren nehmen. Der Schluß 
jedes Gaſtſpiels aber ift eine allgemeine Abfpannung der heimijchen 

16 


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— 242 — 


Kräfte, die ſie zu friſchen Leiſtungen für die nächſte Folge unfähig 
macht. Zudem geht bei den Solo⸗Productionen der Gäſte allmälig 
der Sinn für eine gerundetes Enſemble verloren. Auch lieben es 
berühmte Gäſte, dem Publicum Novitäten aufzutiſchen, die jeden- 
falls eine brillante Rolle, aber durchaus keinen äſthetiſchen Werth 
beſitzen und die mit ihnen verſchwinden, wie ſie mit ihnen gekommen 
ſind. Was ſolche Novitäten mit ein- oder zweimaliger Aufführung dem 
Repertoire für Gewinn bringen und was für Opfer ſie dem Per— 
ſonale auferlegen, iſt jedem Bühnenkundigen bekannt. Hätte Stöger 
aus ſchließlich Celebritäten oder auf Engagement reflectirende 
Säfte verſchrieben, jo hätte man Urſache gehabt, ihm dafür 
dankbar zu fein; es famen jedoch außer einer allerdings fehr refpec- 
tablen Zahl wahrhaft Berufener und einen kleinen Häuflein 
wirflih engagementsfähiger Candidaten Legionen unbedeutender 
„Künſtler“ und Debutanten zum Auftreten, deren „erjter theatra- 
liſcher Verſuch“ Schon vom Regiſſeur auf der Probe hätte ver: 
hindert werden müſſen. 

Daß übrigens Prag in den zwölf jahren der erjten Stö— 
ger’schen Aera mit den meisten Fiinftlerifchen Größen Deutjchlands 
befannt gemacht wurde, beweift ein chronologisches Verzeichnik 
der intereflanten Gaftipiele jener Periode, das wir mit Angabe 
der hauptfächlichjten Gaftrollen hier folgen laſſen. Im Juli 1834 
fam Ludwig Löwe (Garrif in Briftol, Taſſo in Zedlitz' Schau- 
ſpiel „Kerker und Krone” u. f. w.); — 1835 im April und Mai 
Karoline Bauer, damals in vollen Glanze ihrer Schönheit. 
Ihre blühende Mädchengeftalt mit den blauen Augen und blonden 
Haaren entzidte derart, daß man applaudirte, che jie noch den 
Mund geöffnet hatte. Gleich ihre erjten Neden als Donna Diana 
aber — man hatte felten eine jo fchöne Diana gejehen — wurden 
wiederholt durch Beifall unterbrochen, Als zweite Gajtrolle fpielte 
Karoline Bauer die blinde, holde Gabriele in dem nach Seribe 
von Caſtelli überjegten Drama gleichen Namens und diefer folgte 
in wirkſamem Contraſt die drollig-naive Titelrolle in dem Blum’: 
fchen Luſtſpiele „Des Goldſchmied's Töchterlein“. Diefelbe drollige 
Naivetät entziikte an ihrem „Suschen” im „Bräutigam aus 








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Merico”, Karoline Bauer, mit der ein wahrer Cultus getrieben 
wurde, fpielte noc; die „Margarethe” in den „Hageſtolzen“, 
Frau v. Lucy in Seribe’s „junger Pathe“, den Victorin in dem 
Melodram „die Waife und der Mörder” und die Carin in „der 
Erſcheinung am Grabe" von Charlotte Birch- Pfeiffer — eine der 
liebenswürdigften Künftlerinen, die je auf der deutjchen Bühne 
gejehen wurden. Mit der Yulia in Shafefpeare's „Romeo und 
Fulie”, dem „Käthchen von Heilbronn” und der „Widerjpenitigen" 
ihloß Karoline Baner ihr erjtes Prager Gaftjpiel, das ihr die 
größten Triumphe gebracht hatte, obwohl gleichzeitig die Heine- 
fetter in der Oper enthufiasmirte. Caroline Bauer verftand es 
wie felten eine Künftlerin, „das Schöne in der Idee auch in den 
Ihönen Formen der Wirklichkeit ſchauen zu laſſen“. Ihre wieder: 
holten Gaftjpiele zählen zu den heiterften Momente in der Hiftorie 
des recitirenden Dramas an der Prager Schaubühne. — Im 
Juni 1835 fam eine andere Koryphäe der deutjchen Schaufpiel- 
funft, Julie Nettich, nach Prag Mit ihrer Donna Diana 
ftellte fie fich ebenbitrtig neben die Glanzleiftungen der Prager 
Lieblingsgäfte. Neben ihr gaftirte ihre Gemal Herr Rettich als 
Don Cäſar und Herr Busch, kurze Zeit engagirtes Mitglied der 
Brager Bühne, als Perin. Mad. Rettich fpielte noch die Julia, 
Goldſchmied's Töchterlein, die Königin von 16 Jahren, die Leo— 
nore in Raupach's „Taſſos Tod”, Francisca in „Minna von 
Barnhelm“, Mirandolina und das Gretchen und hinterließ einen 
tiefen Eindrud in dem künſtleriſch gejinnten Publicum. — Eine 
dritte der Hervorragemdften deutſchen WBühnenerfcheinungen war 
Charlotte von Hagn, feit 1833 neben der Crelinger die 
größte Zierde des Berliner Hoftheaters, Virtuofin im feinen Ge: 
ſellſchaftston, in vornehmer Tournure, nicht mit Unrecht die „deutſche 
Dejazet* genannt. Viele der Blum’fchen und Töpfer’schen Luſt—⸗ 
Ipiele jener Epoche waren ihr zu Liebe und ihr an den Leib ge- 
jchrieben. Sie fpielte in Prag die Chriftine von Schweden, Mi: 
tandolina, die Schwähin, Donna Diana, Käthchen von Heilbronn, 
Julie, Walpurgis in „Goldſchmied's Tüchterlein”, die Guglielmina 
in Blum's Schaufpiele „Der Hirſch“, Corona von Saluzzo. Die 
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leßtere Role und die „Eapriciofa” in dem gleichnamigen Blum’: 
ſchen Luſtſpiele fteigerten den Beifall zum Enthufiasmus. Pifanter, 
launiger und launiſcher als Charlotte v. Hagn diefe eitle, eigen: 
finnige Capriciofa fpielte — nie ohne Grazie und Diftinction — 
ließ fich die Rolle iiberhaupt nicht geben. 

Auch das Jahr 1836 brachte auserlefene Gäfte in großer 
Zahl. Nah Raimund kam Wilhelmi nit einigen feiner jeder: 
zeit gerne gejehenen Slanzrollen; fein College ſeit Liebich's Zeit, 
Ludwig Löwe, führt feinen Parcival, Fichtner u. U. den Ferdinand 
in „Kabale und Liebe” vor. In den Krönungstagen fpielte Kar o- 
line Bauer gemeinfam mit Emil Devrient. Er fpielte u. A. 
den Lord Harley in „Wahn und Wahnſinn“, die Titelrolle in 
Seribe's „Rammerdiener” mit Karoline Bauer als Annette zur Seite 
u. ſ. w. Außerdem brachte das Jahr bekanntlich die erjten theatra- 
lichen Verfuhe von Marie Bayer. 

1837 führte fih Ludwig Deffoir (damals von Breslau) 
als Earl v. Rufin Beck's „Schahmafchine” ein. Defjoir reuffirte 
mit der Rolle cbenfo wie mit feinem Lord Harleigh in „Wahn 
und Wahrfinn”, dem Mentor in „Magifter Weife” und dem 
Birtuofenftüdchen „Die Drillinge”, in dem er die Drillingsbrüder 
Weltheim fpielte. — Am 19. April 1837 eröffnete die in Stutt- 
gart allmächtige Amalie Stubenraud) als Griſeldis ein Gaft- 
fpiel, das fich auf zehn Abende ausdehnte. Als fie am 21. April 
al8 Donna Diana auftrat, einer Partie, in der fich ihre edle, 
echt junonifche Gejtalt jo recht geltend machte, wirkte Hr. Ungzel- 
mann von Oldenburg als Perin mit, und in „rifeldis” trat 
mit ihr Chauer, damals noch Regiſſeur in Graz, als Debutant 
in der Nolle des „Cedric“ auf. Amalie Stubenrauch gaftirte noch 
als Jungfrau von Orleans, Gräfin Orfina, Julia in dem Weiſſen⸗ 
thurm'ſchen Luftfpiele „Ein Mann Hilft dem anderen”, Maria 
Stuart, Elsbeth im „Turnier zu Kronftein” und Bianca in der 
Birch⸗Pfeiffer'ſchen Novität „Die Witwe”. — Flüchtig ftreifte bald 
darauf W. Kunſt Prag. Er fpielte den Earl Moor uud den 
MWallenfeld in Iffland's „Spieler (10. und 12. Mai). — Sey⸗ 
delmann, der, jo oft er nad Prag kam, als alter Belannter 


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begrüßt und enthufiaftifch ausgezeichnet wurde, fpielte Iimal, Ya 
Roche, damals noch ein junger Mann, führte fich gleichwohl 
mit der Greifenrolle des Daniel in Vogel's „Erbvertrag” auf das 
Effeetvolffte ein und ließ noch feinen Franz Moor, Philipp in 
„Don Carlos" und den Foreftier in dem franzöfiichen Drama 
„Drei Zeiträume” folgen. Zur allgemeinen Beluftigung producirte 
dazwischen Sch olz feine beiten Rollen (Till Eulenfpiegel, Klapperl 
in „Schwarze Frau”, Damian in „Zu ebener Erde und eriter 
Stock“, Zwirn u. f. w.). In der damals neuen Hopp’schen Poſſe 
„Hutmacher und Strumpfwirker“ bildete den Glanzpunkt ein 
Couplet mit dem Refrain „Ja, ich kann's nicht ändern, es iſt 
halt a jo‘, das Scholz urdrollig vortrug. Den Schluß der vielen 
Saftjpiele des Jahres 1837 auf dem Gebiete des recitirenden 
Schaufpiels machte Fr. v. Zahl has' von Schwerin. — Im nächiten 
Jahre (1838) war man mit Gaftfpielen etwas weniger gefegnet. 
Es kamen das Ehepaar Fichtner, Hendrichs und La Roche. 
Das Jahr 1839 brachte u. A. Caroline Bauer, die Wildauer 
und Wallner, den treuergebenen Nachahmer Raimund’s, nad) 
Prag Im mächften Jahre Tamen Dem. Enghaus (nachmals 
Frau Hebbel), die u. U. den Louis im „Pariſer Taugenichts“ 
als Frauenrolle fir Prag creirte und den Berliner Moriß 
Rott, ein Kind der Prager Yudenftadt, in neuen Gaftrollen 
(Richard IU., Hamlet, Bofa, Karl Moor, Glittern in der „Waffer- 
car“, Macbeth u. |. w.), in denen er fich den Pragern als der be- 
rühmte Rivale Seydelmann’s, Anſchütz's, Eßlair's und La Roche's 
an Künſtlerruhm und Bedeutung documentirte. — Das Jahr 1841 
machte die Prager mit einer von Holbein in Prag geahnten Größe, 
der Wiener Hofichaufpielerin Thereſe Peche, befannt, die nicht 
weniger als 14mal auftrat und immer erhöhten Beifall fand. 
Befonders hoch rechnete man es ihr an, daß fie — eine Pra- 
gerin — in einem Quodlibet, das zum Benefice der alten Allram 
gegeben wurde, eine Scene mit Grabinger jchlecht aber doch 
cehisch ſprach. Im Jahre 1842 waren zu regijteiren eine 
Neihe von Fichtner:, Neſtroy- und Nott-Abenden, 1843 erjchien 
außer Morig Rott (16-mal), Mad. Berroni-Slafbrenner 





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und die reizend naive Louife Neumann; Bedmanır fpielte 
dreizehnmal in jeinen bedeutendften Nollen, gleichzeitig mit ihm 
gaftirten Mad. Muzzarelli-Beckmann und Hr. de Marchion, 
ſämmtlich vom Königftädter Theater in Berlin. Man jah das 
Trifolium u. A. in „Zi Eulenjpiegel” (Bedlmann- Eulenspiegel, 
Mad. Beckmann-Dorothea und Marchion⸗Nazi). Im. feiner Bene: 
ftcevorftellung erheiterte Beckmann als Jeremias Klagefanft in 
Holtei's „33 Minuten im Griüneberg”, als Hr. v. Ruhleben m 
„Rift und Phlegma” und Edenfteher Nante in „Nante Strumpf 
im Verhör“ auch das verbittertite Gemüth. — 1844 fah man 
aujer Neſtroy, Scholz und Julie Rettich aud) Clara Stid), 
die Spätere Crelinger, ein Gaftfpiel, das fid) den glänzenditen an— 
reihte, die man je in Prag erlebt. 1845 erjchien Rott mit feiner 
Frau (Fauſt und Gretchen), das Ehepaar Fichtner, La Rode, 
Neſtroy, Scholz und Grois. wie beiden Letzteren ftellten ſich an 
Einem Abend als Zwirn und Knieriem vor. 

Aus der Schaar von Debutanten, die Stöger in den zwölf 
Jahren feiner erjten Directionsperiode oft uur zu unvorfichtig und 
in bloßer Speculation auf „volle Häufer” anf die Bühne Tich, 
find wenige Namen hervorzuheben. Die wirklich Nennenswerthen 
wurden engagirt und bereits in der Neihe des ftändigen Berfouals 
angeführt. Außer Marie Baher war es nur Eine Debutantin, 
deren Name, damals noch recht Elein, fpäter unter den beiten im 
Neiche der Kunſt genannt wurde: Fanny Janauſchek. Fran: 
cisca Magdalena Romance Janauſchek wurde am 20. Zuli 1830 
in Prag von cechiichen Eltern geboren, die ehemals in guten Ver: 
bältniffen gelebt hatten, mit der Zeit aber um ihr Vermögen ge- 
kommen waren. Der Vater war Schneider, die Mutter verfchafite 
jih als Theater-Wäſcherin einen PVerbienft. Die Leine Fanny 
ſchlüpfte frühzeitig, um auch etwas Geld nach Haufe zu Dringen, 
in die Balletfchuhe und begann fo ald Dame vom corps de ballet 
auf den Brettern der Prager Bühne ihre theatraltiiche Carriere, 
Scyon die Heine Balleteufe aber verrieth die Neigung zu etwas 
Höheren, declamirte zu Haufe mit Vorliebe Verſe und hatte an 
Nichts größere Freude, ald an dem Beſuche des Schaufpiels. Auf 











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diefe Leidenichaft aufmerffam geworden, vertraute ſich die Mutter 
der Brimadonna Mad. Podhorsky an und bat um deren bewährten 
Rath. Mad. Podhorsky verjpradh, mit ihrer Freundin, Mad. 
Binder, zu veden und fie zur Prüfung’ des jugendlichen Zalentes 
aufzufordern. Gern unterzog ſich die Binder diefer Mühe, ſtudirte 
mit der Heinen Janauſchek eine nicht eben fchwierige Nolle ein, 
Regiſſeur Ernſt bewilligte im Einvernehmen mit Stöger ein Probe- 
auftreten, und jo unbedeutend die Debutrolle auch war, die etiva 
vierzehn oder fünfzehnjährige Fanny fiel auf und wurde fogar 
applaudirt.*) Nun übernahm der Charafterjpieler Baudius ihren 
weiteren Unterricht, nachdem fih Capellmeifter Stegmayer im 
Auftrage Stöger’s, der jedes junge Talent für die Oper gewinnen 
wollte, bemüht hatte, ihr muſikaliſche Keuntniſſe beizubringen. Fanny 
hatte für die Oper feinen Stun, ftudirte eifrig mit Bandius und 
wagte am 17. Juli 1845 ihren erjten größeren theatralifchen Verſuch 
auf der Prager Bühne mit zwei Rollen, der „Saroline von Biber- 
ftein” in Carl Blum’s uach Nota bearbeiteten Luftfpiele „Ich 
bleibe ledig" und in der „Schaufpielerin" in der dramatischen Auf: 
gabe „Komm her" von Elsholtz. Der Verſuch Hatte einem ganz 
bübjchen Erfolg. Die artige Erjcheinung, die für ein erjtes Auf: 
treten merfwürdig freie Haltung, das angenehme Organ und ein 
Iympathifch-natürlicher Ton nahmen entjchieden für die Debutantin 
ein und verichafften ihr ermunternden Beifall. Bald trat Yanııy 
ihre erjte Kunftreife an, die traurig geung ausfiel. Sie wurde in 


*, Der Dresdener Bühnenveteran Heinrih Diegelmanı erzählte 
mir die Gelchichte des erften Prager Debuts von Fanny Jauauſchek 
folgendermaßen: „Eines Tags fprad) ich auf der Bühne des neuen Stö— 
ger’ihen Theaters mit dem Regiſſeur Zuft. Als wir und trennten, trat 
ein fehr jnnges, hübſches Balletmädchen — das wir nur die „Fanny mit 
den fchönen Augen” nannten — an mich heran. „Ah Herr D.,” ſagte fie, 
„Sie könnten mir einen Gefallen thun, ich trau’ mich nicht recht an den 
Regiffenr Juſt, und da Sie gut mit ihm find, könnuten Sie ihm jagen, 
ich Tail’ ihm bitten um eine Heine tolle, ich mücht gern Schaufpielerin 
werden.” Sie bekam eine Heine Stubemnädchen: Rolle in einer Poſſe von 
Grafen Schimding. Die Heine Fanny fpielte die Rolle fehr Heinlaut, 
und das war die erſte Rolle der großen Fanny Janauſchek.“ 


_ 4 — 


Leipzig ihrer ganzen ohnedies Heinen Barfchaft beraubt, erhielt 
fein Engagement und zog im Winter 1845—46 in den Städten 
des ſächſiſchen Erzgebirges gaftirend umber, nebenbei einen Erwerb 
al8 Blumenmacherin fuchend. Ihr erftes Engagement in Anna⸗ 
berg brachte ihr eine Monatgage von 24 Thalern. Wie Fanny 
Janauſchek endlich 1847 in Heilbronn (Württemberg) an Yuftinus 
Kerner einen Protector, in Köln an Benedir einen zweiten Lehrer 
fand, wie fie fi) in Frankfurt a. M. eine ihrer würdige Stelle 
und ihren Ruf als „dentfche Rachel“ begründete, wie fie endlich 
ihren Ruhm in die neue Welt und ihre - Glanzrollen in die 
engliſche Sprache übertrug, um ihre fünftlerische Existenz zu ver⸗ 
längern, dag gehört in das Gebiet der allgemeinen deutjchen Bühnen⸗ 
geichichte. Die Theatergefchichte Prag's hat nur zu conftativen, 
daß diefer Stern in Prag zuerjt erglänzte. 

Ein trauriges Zeichen der Zeit und eines vielfach irregelei- 
teten Kunſtgeſchmacks waren die fonderbaren Kunstipecialitäten, 
die jich auf die Prager Bühne verirrten und dieſe der edlen 
Kunſt geweihte Stätte entweihten. Eine der merkwilrdigjten diefer 
„Specialitäten” kam 1837, gerade zur Zeit des Deſſoir'ſchen Gaſt— 
jpiels, nach Prag: der Affenjpieler Kliſchnigg. Er präfentirte 
ih an fünfzehn Abenden in einer ganzen Serie von Affenrollen. 
Das ehrenwerthe, kunſtſinnige Publicum Prag's nahm feinen 
Anftand, den Affenkünftler mit wahren Enthuſiasmus zu ‚be 
grüßen. Als der Theaterzettel vom 24. Jäner 1837 verfin> 
digte: Herr Klifchnigg, erſter Mimiker der Theater zu Paris und 
London, werde die Ehre haben, als Affe Mamok (in Neftroy’s 
Bojje „Affe und Bräutigam") aufzutreten, waren ſchon um Halb 
fieben. Uhr Parterre und Galerien mit neugierigen Zufchauern 
überfüllt. Die Ungeduld war jo groß, daß kaum Feiſtmantel es 
vermochte, in der Partie eines „gelehrten” und jentimentalen 
Dummkopfs die Aufmerkfamkeit zu feſſeln. Defto entzüdter war 
Alles, als endlich der erſehnte Mamok auf allen Bieren erfcien, 
auf einen Baum kletterte und in frei fchwebender Lage hoch oben 
die haarjträubendften Affenkunftftüde ausführte, um die ihn verfol- 
genden Mienagerie-Wärter zu täuſchen. Mamok⸗Kliſchnigg ftellte 








— 2149 — 


fih mit emporgeftredten Beinen auf die Hände, zog, ohne den 
Boden zu berühren, die Füße rüdwärts zwiſchen den Arnten durch 
und bewegte jich in diefer intereflanten Stellung mit den Händen 
eine ziemlich lange Strede vorwärts. Einmal nahm er die Beine 
volfftändig auf die AUchjeln und ging auf den Händen, ein ander- 
mal ſchob er fich mit quer ausgeftrecdten Armen und Beinen nad 
Art eines Froſches vorwärts und erhob ſich allmälig, als wüchſe 
er aus dem Boden empor. Kurz, er hatte e8 in der edlen Kunft, 
mit den Gliedern des Menſchen den Affen und Fröfchen Concurreiz 
zu machen, zu einer hohen Vollendung gebracht und feinen Vor: 
gänger auf diefem Kunftgebiete, Carell, weit übertroffen. Es 
ereignete fich der iu dem Funftjinnigen Prag änßerſt feltene Fall, 
daß eine und dieſelbe Poſſe, befagter „Affe und Bräutigam”, 
reunmal hintereinander bei ausverkauften Haufe gegeben wurde. 
Glücklicherweiſe war es gerade im Carneval; daduſch wurde die 
Sünde am guten Geſchmack zu einer läßlichen. Der Enthufias- 
mus fteigerte fi wonöglih, al8 am 3. Februar der mächtige 
Theaterzettel groß gedrudt verfündigte: „Der Affe und der Froſch“ 
oder „Hudriwudri's Zauberfluch“ von Zold und noch dazu ein 
bedeutfames Notabene fund und zu willen that, „Herr Klijchnigg, 
erfter Mimiker der Theater zu Paris und London, werde die 
Ehre Haben, als Affe Muri und in einer Scene als Froſch Buri 
aufzutreten.“ Affe Muri Tieß fich in zwei neuen Kunſtſtücken 
fehen. Er. ftellte fi auf die Lehnen zweier Stühle, die er jo 
weit aus einander rüdte, daß jeine Beine faft eine gerade Linie 
bildeten. In diefer intereflanten Lage fenkte er den Rumpf ab— 
wärts und behauptete ſich eine ganze Weile in derjelben Stellung, 
deren Stütpunfte nur feine wettabjtehenden Fußſohlen waren. 
Außerdem führte Muri-Klifchnigg noch einen Tanz auf dem Kopfe 
ftehend aus, und zwar fo geichidt, daß „man verjucht war, feine 
Beine für gelenfige Arme zu Halten”. Im MUebrigen war die 
Told'ſche Bojje ein Unicum von Langweile und Alberuheit, für 
die ſelbſt die haarjträubenden Affenfünfte und ein harmloferes 
Froſch-Kunſtſtück nicht entfchädigen konnten. Glücklicherweiſe Löfte 
der Enthuſiasmus für die von ihrem Wiener Gaſtſpiele zurid- 


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— 250 — 


fehrende Lutzer Ichließlih den Kliſchnigg-Enthuſiasmus ab. So- 
wenig Kliſchnigg's Affenfpiele der Würde dev Prager Bühne ent 
ſprachen, ebenjowenig paßte in das Repertoire die Seiltänzergejell- 

Ichaft des Hrn. Averino und das Gaftjpiel der fünfjährigen 
Demoiſelle Baba, eines Wunderfindes, das, wie der Zettel fagte, 
jeinen Namen feiner befonderen Sanftmuth wegen erhalten hatte. 
Eigentlich) gaftirte Dem. Baba in einer Bude am Joſephsplatze, 
die dor ihr ein gigantifches Walfifchjfelett bewohnt Hatte, Eie 
war hochanſehnlicher Geftalt und ihres Zeichens Elephant. Um 
fie auch auf die welt» und kunſtbedentenden Bretter des Landes: 
theaters zu bringen, wo erſt fürzlih Burgtbeaterheroen gejpielt 
hatten, führte man eine Novität anf, in der fie ihre künſtleriſche Be— 
deutung frei entfalten fonnte. Das Stüd hieß „Mohren-Nache oder 
der Elephant als Netter und Rächer; Romautiſches Schauspiel 
mit Geſang in vier Tableaux nach dem Franzöſiſchen.“ Frl. Baba 
fungirte darin als eine Art Schugengel und vereitelte alle böfen 
Anschläge. Sie rettete mit ihrem Rüſſel ein Kind vor den Räu— 
bern, ſchnaubte wüthend, daß die Elenden flohen, warf ein Ser: 
virbrett zu Boden, fo daß ein darauf ftehendes Giftfläfchchen zerbradh, 
brachte eine Leiter auf die Bühne, auf der man ſich vor den 
Flammen rettete, während fie ein Kind durch das Flammenmeer 
trug u. ſ. w. Das Stüd jelbjt war mittelft einiger ſchlechter Späſſe 
aus Heinrich IV. und verſchiedenen „Werken“ nothdürftig zujanımen- 
geleimt. Die Tcheaterauffichtscommifjion Tomte bei aller Aner— 
fennung des von Die. Baba Geleifteten nicht umhin, dem Director 
Stöger zu bedeuten, er möge die Bühne nicht zum Elephanten- 
ftalle machen. In der That hatte die zierliche Dlle. Baba, welche 
von den heimischen Künftlerinen fleißig gefüttert wurde,-ihr Quartier 
hart au der Bühne genommen. Auch die Beduinen Rigas und 
Abdallah machten (etwas früher) den Jüngern der dramatijchen 
Kunst mit ihren Gymmaftiferkünjten Concurrenz und fanden 1840 
in „Arabern aus der Wüſte Sahara” berufene und in etlichen heimt- 
schen „falſchen Arabern“ unberufene Nachfolger. Den Mittelpunkt der 
Gäſte bildete 1840 der gemandte und elegante Escamoteur Döbler, 
cin Liebling der Wiener, deffen „Noch ein Sträußchen!” damals 





— 251 — 


in Aller Mund kam. Auch Tſchuggmals Automaten und die 
Athleten Graffina wurden im Landestheater bewundert. 

Würdigere Gäſte waren die muſikaliſchen Celebritäten, die ſich 
in Stöger's erſter Directionsperiode auf der Prager Bühne produ⸗ 
cirten. 1840 hörte man Moſcheles und Dreyſchock auf der Bühne, 
und der Profeſſor der Slarinette, Bijatowig, eine langjährige 
Zierde des Prager Theaterorchefters, gab fein erſtes Concert im 
Theater. Ju das Jahr 1841 fielen die Triumphe des Ritters 
Die Bull und Camillo Sivor!s. Am 27. Februar 1842 fand 
die erfte Production des damals 9-jährigen Violiniſten Ferdinand 
Laub jtatt. Der Vater des jungen Künſtlers war ein nicht eben 
hervorragender Geiger des Theaterorcheſters, brachte aber feinem 
Söhnen ſchon frühzeitig die Anfangsgründe der Kunſt bei, nahın 
ihn zu den Wirthshausmuſiken, namentlich bet Bily mit, wo fich 
der Kleine auf dem Tiſche ftehend und die Geige fpielend, manches 
Stück Geld verdiente. Schon Ole Bull hatte dem jungen Kinftler, 
der ſich 1841 in Prag vor ihm hören ließ, eine große Zukunft 
prophezeit. Seine Production im Landestheater trug ihm reiche 
Anerkennung ein. Im nächſten Jahre fam der Harfenvirtuofe 
Pariſh Alvars. 


— 252 — 


xl. 


Die Oper in Hföger’s erfler Directionsperiode. 
(1834— 1846.) 


(Eine Glanz-Aera der Brager Oper; Neuigkeiten: Norma, Nachtwandlerin, 
Robert, Auber’3 Ballnacht. — Die Krönungsoper 1836: Meyerbeer's „Kreuz⸗ 
ritter it Egypten” mit der Schröder: Devrient. — KRrönungstage. — Deilauer- 
Ebert’3 „Lidwinna“, Skraup's „Beifterbraut”. — Abgang ber Lutzer. Juni 
1837. — Pöckh wird contractbrähig. — Tenoriften-Deifere: Niedergang 
Demmer's, „Entdedung”, Glück und Ende des Tenors Bed. — Die Teno: 
riften Damde und Emminger, Barytoniſt Kunz, Ballift Strafaty als Bühnen-, 
Concert: und Kirchenfänger. — Franz Joſeph Schütly. — Ehepaar Pod— 
horsky. — Henriette Groffer, Des. Schwarz, Triebenſee, Eichen, Herrmann, 
Louiſe Berganer, Tonner, Köckert, Senger, Rettich, Freitag. — Capellmeifter 
Triebenjee, Franz Skraup. — Johann Nep. Skraup, Stegntayer, Orcheſter⸗ 
director Pixis. — Die Leiftungen ber Stöger’ichen Oper; Novitäten Halevy's: 
Jüdin, Blitz, Sherif; Donizetti: Yucia, Rucrezia, Marino Falieri, Regimeuts⸗ 
tochter, Linda v. Chamounir; Auber: Schwarzer Domino, Teufels Antheil, 
Krondiamanten, Sirene; Adam: Zum treuen Schäfer, Brauer von Prefton; 
Thomas: Der Barifer Perugquier; Lortzing: Die beiden Schüßen, Car und 
Zimmermann; Marfchner: Templer und Jübin, Hang Heiling; Glud: Iphi⸗ 
genie auf Tauris; Meyerbeer: Hugenotten; Balfe: Vier Haimousfiuber; 
Flotow: Stradella; Heller: Zamora, — Ergebniſſe. — Die Kritik. — Gaſt⸗ 
Ipiele: Tichatſchek, Schmezer, Mad. Stödl- Heinefetter, Franzilla Piris, 
Dile. Tuczek, Viardot-Garcia, Joh. B. Piſchek, Marietta Alboni. — Debuts: 
Der „Herzog vom Roßmarkt“.) 


Die Raftlofigkeit, mit welcher Stöger auf feinem Lieblings- 
terrain, im Bereiche der Oper, arbeitete, erinnert an die Tage, 
da Carl Maria v. Weber die Prager Oper dirigirte. Blatt an 
Blatt reihte fich in den dreißiger Jahren — den Jahren des Glan- 
zes — zu einen Zorbeerfrange, der Stöger nicht ftreitig gemacht 
werden kann, wenn auch die mageren Jahre nicht ausblieben, wenn 
e3 auch noch unter feiner Herrfchaft wieder ftill und ödewurde auf 
dem Gebiete des muſikaliſchen Dramas in Prag. Noch waren die 
Triumphe nicht verrraufcht, welche der wackere Prinz Regent Pod 
im „Nachtlager“ gefeiert, als ein neues Ereigniß, die erſte Auf- 





— 253 — 


führung von „Norma”, die Prager in Athem hielt. Wieder war 
es Pöck (Drovift), der zu dem enthufinftifchen Beifall den erften 
Impuls gab, als er mit feiner eiſernen Stimme die Tutti ge: 
waltig übertönte. Intereſſant war der Wettftreit der Luger nnd 
Podhorsky (Norma und Adalgifa), welche das Bublifum durch) 
ihre wahrhaft Tunftvollen, ergreifenden Leiſtungen hinriſſen und 
begeifterten. Ein jo auserleſenes Baar von Sängerinen hatte kaum 
eine deutfche Bühne. Bis zur lebten Note behielt Kenny Luger 
die volle Kraft und Biegſamkeit ihrer Stimme, und in dem Aus— 
drude der großartigen Leidenfchaft Norma’ bewährte fie fich als 
berufene dramatiche Sängern. Mit gleicher Virtuofität ftand die 
Podhorsky ihr zur Seite. Den Sever gab Demmer.. Das Gaft: 
jpiel der Heinefetter (im Mai und uni) 1835 brachte die erite 
Anfführung der „Nahtwandlerin”, am 24. Juli aber machte 
Megerbeer’3 „Robert der Teufel“ feinen erjten glüdlichen 
Waffengang in Brag. Die Oper ging mit einem noch nie ge- 
jehenen Aufwande in Scene. Die Geifterfcenen des dritten Actes, 
vor Allem der Geiftertanz des Ballets, dann eine durch Anlage 
und Beleuchtung wahrhaft magiſche Schlußdecoration, gemalt von 
Antonio Sackhetti, machten großen Eindrud. Iſabella (Luger), 
Alice (Podhorsky), Robert (Demmer) und Raimbeaud (Eminger), 
Bertram (Strafaty) ftanden auf der Höhe der Situation. Die 
Aufführungen des damals jenjationellen Tonwerkes folgten raſch 
auf einander und fanden ſtets vor gefülltem Haufe jtatt. Das 
Bublicum beiwunderte zunächſt die Ausftattung, dann ging es aud) 
auf die muſikaliſchen Schönheiten ein. Später erhöhte das Eis 
treten Pöck's als Bertram das Intereſſe an der Oper, und der 
jtimmgewaltige Breiting brachte 1836 die Titelpartie zu neuen 
Ehren. In der „Weißen Frau” führte fich eine jugendliche Sän- 
gerin, Dem. Jazede, als Jenny ein, ein beachtenswerthes Talent, 
dag ſich mehre Jahre, wer auch mit Mühe, neben den Meifte- 
rinen Zuger und Podhorsky behauptete. Am 5. April 1836 kam 
Auber's „Ballnacht“ zum erften Male in Prag auf die Bretter. 
Merkwilrdigermeife vergaß das Publicum über dem prunfvollen 
Mastengewühle im legten Acte, das colofjale Götzen, wandelnde 


— 254 — 


Weinfäſſer u. ſ. w. auf der Bühne fehen ließ, und liber den vom 
Balletmeiſter Raab arrangirten Ballets faft die ganze Oper. Der 
Balletmeifter Raab wurde mit nicht geringerem Enthufiasmus ge- 
rufen als Dem. Luger (Bage), die Hri. Pod (Neuterholm) und 
Demmer. Die Amelie fang Dem. Jazede. 

Das Hauptereiguig des Jahres 1836 war die Feit-Oper, 
welche zur Feier der Krönnng Yerdinands I zum König 
von Böhmen am 2. Sept. in Scene ging. Die Stäude hatten 
Alles aufgeboten, um die Vorftellung zu einer der glänzendſten zu 
machen, die man in Prag feit Menfchengedenten erlebt hatte. Die 
Baulichkeiten, die fie im Theatergebäude vornehmen ließen, Tofteten 
allem 1047 fl. 54 fr. Zur Aufführung wurden Meyerbeer's 
„Kreuzritter in Egypten” gewählt. Durch eigene Reiſende 
ließ man anfaufen, was Wien und Dresden an Stoffen zu glän- 
zenden Coſtümen und fonftigem Theaterbedarf darboten, die ohne: 
dies ſtarken Chöre wurden verdoppelt, die Decorationen von den 
beiten Wiener Decorationsmalern gemalt, endlich die beriihmtefte 
Sängerin Deutſchlands, Mad. Schröder-Devrient, zur Mit- 
wirkung gewonnen, wofür ihr 80 Ducaten und 11 Gaſtor— 
jtellungen, je eine nit 40 Ducaten honorirt, zugeftanden wurden. 
Einen glänzenden Anblid bot am Feſtabende ſchon der Zufchauer- 
ranın dar; die Elite der Bewohner Prags und viele ausgezeid)- 
nete fremde Säfte waren da verfanmelt. In den Logen prangten 
die Landſtände vollzählig in ihren veichgeftidten rothen Uniformen 
Das Theater war brillant beleuchtet, und großen Effect machte 
. der vom Theatermaler Mößner neu geinalte Vorhang, die Klein: 
jeite mit der fteinernen Brücke im Vordergrunde darftellend. “Die 
Meajeftäten wurden mit Jubel empfangen. Die prachtvolle Aus- 
ftatiıng der Oper und die Leiftungen dev Mitwirkenden enthu— 
fiasmirten. Das Arrangement der Gruppen und Aufzüge zeugte 
von dem Eifer und Geſchick des Regiffeurs Frey. Mehre Humpert 
Menſchen bewegten fich anf der Bühne ohne die geringite Stodung. 
Bejonders ftaunte das Auditorium, als der große Zug die Berge 
hinanſtieg und fich durch gefchicktes Wiederfehren inımer zu erneuern 
Ichien. Die Hiftoriche Treue war in den Eoftümen durchgehends 





— 255 — 


auf das Genaueſte gewahrt. Die türkiſche Leibgarde mit Köcher 
und Bogen, Helmen und Schuppenpanzern, die Schaar der Kreuz- 
ritter mit Herolden nıd Vannerträgern, das weibliche Gefolge 
der Palma, das ganz in Atlas gefleidvete Ballet waren von über: 
raſchendem Glauze. Daß diefer Glanz durd) die Mitwirkung 
einer Schröter-Devrient, Luger und Podhorsky, eines Pöck und 
Demmer nur erhöht wurde, braucht faum betont zu werden. 
Ueberhaupt herrfchte in diefen feftlichen Tagen reges Leben im 
Theater. Die Stände im Verein mit der Directtion Hatten Alles 
aufgeboten, den zahlreichen Fremden das Prager Theater im beften 
Lichte zu zeigen und wahre künſtleriſche Genüffe zu bereiten. So 
waren, wie befanut, Emil Devrient und Caroline Bauer zu einem 
Saftjpiele eingeladen worden, wofür fie per Abend je 75 fl. C-M. 
erhielten. Dean hatte in dem kurzen Zeitraume von zwei Wochen 
das Bergnügen, die Schröder: Devrient als Armand Orville 
(Kreuzritter), Norma, Romeo und Fidelio zu hören, Emil ‘Devrient 
und Caroline Bauer in einer Reihe von Baraderollen zu fehen. In 
der Treitheatervorftellung gab man „die Entführung” von Jünger 
und „den Kammerdiener” nach Scribe. Am 5. Sept. wohnten die 
Majeſtäten auch einer Vorstellung in cechifcher Sprache bei, für welche 
das nach Goldoni und Schröder von Stepanek überſetzte Luſtſpiel 
„Der Diener zweier Herren’ gewählt worden war. Zum Andenken an 
diefe Krönungszeit wurden eigene Denfmünzen geprägt. Die Damen 
Schröder, Luber und Podhorsky, die Herren Pöck, Demmer und 
Podhorsky erhielten große goldene Medaillen; außerdem wurden 
noch 14 Heinere goldene und 113 Kleine jilberne Medaillen ver: 
theilt, und Renumerationen im Betrage non 2648 fl. C.⸗M. be- 
willig. Stüger beflagte ich übrigens, daß ihm die Krönnigstage 
kleineswegs die erwarteten guten Gejchäfte gebradıt; als Entſchä— 
digung wurden ihm die für die Krönungsoper angefchafften Coftiime 
und Decorationen zur Benitgung ütberlaflen und das Freitheater 
mit 1800 fl. &.-M. vergütet, womit ein Theil feiner Kojten ge- 
det erjchien. 

Urfprünglih war zur Krönungsoper das Werk eines heimi- 
ichen Meifters Lidwinna“, Tert von Carl Egon Ebert, Muſik 


— 256 — 


von Dejjauer, bejtimmt gemefen, mußte aber wegen Mangel an 
Zeit fir die nöthige Vorbereitung zurüdgelegt werden. Etwas 
ſpäter wurde fie gegeben. Der Text war Ebert's wirdig; die 
ernſte, düſtere Muſik ſprach aber mie theilweife an. Auch bie 
nenne Oper F. J. Straup’3 „die Geijterbraut”, Text nach Wa- 
ſhington Irving von F. 8. Eiuft, hatte nur einen Achtungserfolg. 
Im Jahre 1837 traf die Prager Oper ein harter, wohl irrepa- 
rabler Schlag: der Abgang der Zuger, die fich mit jeder neuen 
Rolfe mehr in die ungetheilte Gunft des Publicums hineingejungen 
hatte. Als am 22. Oct. 1836 zu ihrem Benefice als Novität 
Donizetti's „Liebestrank“ aufgeführt wurde, Hatte fie noch als 
Adina durch ihre unilbertreffliche Stchlengeläufigkeit, durch ihren 
geſchmackvollen Vortrag, ihr munteres, fchalkhaftes Spiel entzückt. 
Das Duett „So ein zärtlich Augenwinfen” („Una tenera occhiatina*) 
zählte zu ihren Ölanzmonenten. Im December trat fie ihre erfte 
größere Runftreife au. Nach ihrer Rückkehr ereignete ſich bei ihrem 
Wiederauftreten als „Donna Anna” der unerhörte, auf Clique: 
Getriebe zurückzuführende Fall, daß fih im den Empfangsbeifall 
lebhaftes Zifchen mengte. Dagegen bradıte ihr die erfte Aufführung 
der „Buritaner” von Bellini (18. März 1837) einen Triumph, 
\o glänzend, wie fie ihn nur ein Jahr vorher als Iſabella in 
Herold's „Zweikampf“ gefeiert hatte. Schon aber hatte der Liebling 
der Prager dem verlodenden Rufe der Wiener Hof-Oper nachge- 
geben und den Contract- mit der Direction des Kärntnerthor: 
theaters unterzeichnet. Am 2. Mai trat die Quer in Prag in 
den „Kreuzrittern” zum Ichten Male als engagirtes Mitglied auf, 
um nur mehr als Gaft in nod) einigen Rollen ihre Landsleute 
zu erfreuen. Am 11. Mai ſchuf jie noch die Madeleine im „Poſtillon 
von Lonjumeau“ und fang und fpielte jo allerlichft, als wollte 
fie den Pragern den Abfchied recht Schwer machen. Aber auch 
Chapelou-Demmter (virtuog namentlich als St. Phare) und Bijou: 
Breifinger trugen zu dem Erfolge der Oper wefentlich bei. Die 
legten Partien, welde die Quger in Prag fang, waren die Iſa— 
bella im „Zweikampf“, die fie als Meifterin des Concertgejanges 
zeigte, die Norma, Jeſſonda und Elvira in den „Puritanern". In 





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der legteren Oper nahm fie am 6. Juni Abjchied von den Pragern. 
Es war ein feierlicher Abend. Das Haus war gebrängt voll, 
anhaltender Applaus empfing den fcheidenden Liebling. ‘Der Bei- 
fall, der ihr nach jeder Scene zu Theil wurde, erinnerte an jenen, 
mit welchem fie als fiebzehnjähriges Mädchen begrüßt worden war, 
als fie durch brabourofen Geſang und kindliche Unbefangenheit 
Alles für fich gewann, WS fie nach dem. erften Acte ſtürmiſch 
gerufen wurde, ftatterten mehre hundert Exemplare eines Abſchieds⸗ 
gedichtes Durch das Theater, in welchem alle die Glanzpartien der 
Scheidenden rühmend aufgezählt wurden. Am Schlnuſſe der Vor- 
jtellung, als Jenny Luger auf ftiirmilches Verlangen auf der 
Scene erſchien und eine Abjchiedsrede ftanmelte, flogen Kränze 
auf die Bühne, auf welche ſich plöglich die Decoration der Stadt 
Prag herabſenkte. Gleichzeitig traten Genien aus den Conliffen 
und befränzten die Sängerin. Ergriffen von diefen Auszeichnnngen 
(ſchon das Kranzwerfen war damals eine ganz außergewöhnliche 
Erjeheinung) ſchwankte Jenny Luger nach dem Hintergrunde, wo 
ein Meilenzeiger mit finniger Inſchrift auf ihre Abreife nach Wien 
und die Wünſche der Prager nad Rückkehr deutete. Das Zu—⸗ 
jammentwirfen der Luger und Podhorsky bildet einen der herr- 
fichften Lichtpunfte in der Gefchichte der Prager Schaubühne. 
Vielleicht war es gerade der Wettjtreit des hoffnungspollen jungen 
Zalentes mit einer fo bewährten Sängerin, wie e8 Mad. Podhorsky 
war, welcher viel zur rajchen Entfaltung der großen Anlagen der 
Luger führte. Im Publicum hatten fich natürlich ftreitende Par- 
teien gebildet; „hie Zuger”, „hie Podhorsky“ war eine Zeit lang 
die Devife. Die Kritik rief wiederholt: „Freut Euch, daß Ihr fie 
Beide habt!" Die Lutzer war frühzeitig vom Concertgejange zum 
dramatischen Geſange übergegangen, fie entmwidelte aber jtet3 eine 
Bielfeitigkeit, wie fie nur noch ihrer Collegin Podhorsfy eigen 
war. Sie excellirte nicht allein in Spiel und Geſang, jondern aud) 
in oft verſchwenderiſchen Coſtümen, die nun einmal Negel wurden. 
Die Prager nahmen an den ferneren Erfolgen ihres Lieblings 
ftets den regſten Antheil. Mit Freuden hörte man, daß fich ſelbſt 
das kalte London zu Blumenfpenden für Jenny herbeiließ, und 
17 


TEE ⏑ 


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al3 am 2. Auguſt 1839 die berühmt gewordene Lußer wieder als 
Saft in Prag erjchien, empfing fie einmiüthiger Jubel. Alles 
laujchte entzüdt den Tönen, die wie eine Berlenfchnur ihren Lippen 
entfloßen, ihren eleganten Zrilfern, Mordenten und Sprüngen; 
man bewunderte die Gejangskünftlerin, für die es Feine Schwierig: 
feit und Anftrengung gab. Als aber am 3. October 1877 Ba- 
ronin Jenny Dingelftedt, die einftige Zußer und treue Gattin des 
Hoftheater-Intendanten Baron Dingelftedt, in Wien die Augen 
Ihloß, dachte wohl mancher ältere Prager Theaterbefucher meh: 
milthig zuriid an die Tage, da die Fleine Jenny noch jedes muji: 
faliiche Ohr entzückte. 

Das Jahr 1837 war verhängnißvoll für die Brager Oper. 
Wenige Wochen waren jeit dem Wbjchiede der Lutzer verfloffen, 
als Stöger ein neuer harter Berluft traf. Pöck wurde con— 
tractbrüchig. Stöger hatte ihn, den er entdect und mit großen 
Kojten zum Sänger herangebildet hatte, bis 1840 fir Prag 
engagirt. Die jonore Stimme, das elegante, gewandte Spiel und 
die prächtige Bühnengeftalt hatten ihn rajch zum ausgeiprochenen 
Lieblinge des Publicums gemacht. Aber nach dem Grundfage, 
„wo mehr Gage, dorthin geht man," hielt ſich Pöck durchaus 
nicht zur Treue für Prag verpflichtet, trat im Juli 1837 eine 
Runjtreife nach Deutfchland an, erbat fih nach Ablauf feines 
Urlaubs eine Verlängerung und fogar Coftüme für fein Dresdner 
und Leipziger Gaftfpiel von Stöger, welche Bitten ihm auch be: 
willigt wurden. Wie es ſich aber zeigte, ftand Pöck ſchon damals 
nit dem Braunjchweiger Hoftheater in Unterhandlung, ließ feine 
Frau in aller Stille nad) Teplitz aufbrechen und ſchloß ein lebens» 
längliche8 Engagement nad) Braunfchweig ab*). Stöger war 





*) Karl Joſeph Pöck (auch Pöckh geichrieben) hatte in feiner Jugend 
beabfichtigt, fich der Inſtrumentalmuſik zu widmen und war in Wien mehrere 
Jahre ald Pofannift thätig, Sein inıpofanter, durch feltene Tonfülle 
ausgezeichneter Baryton wies ihm indeß deu Weg auf die Bretter; er fang 
unter Stögerd Direction in Wien und fam mit diefem 1834 nach Prag. 
Am 14. Juli 1837 begann Pöck in Braunfchweig ein längere3 Galtipiel 
als Jäger im „Nachtlager von Granada“, eine Rolle, die von Kreutzer 


— 259 — 
B 


außer fih. Um 12. October 1837 zeigte der Prager Theater- 
zettel*) den Vermerk: „Der Sänger Herr Pöck hat feinen Urlaub 


eigens für Pöcks Stunmlage geichrieben fein ſoll; der Enthuſiasmus war 
groß, man erinnerte ſich nicht, jemals einen Baryton von diefer Fülle, 
Kraft und Höhe gehört zu haben. Eine fchöne Geftalt nahm noch mehr 
für ben Sänger ein, dem man bie mangelnde Nobleffe im äußeren Auf- 
treten gern verzieh. Die braunfchw. Hoftheaterintendbangz engagirte Böd, ben 
man damals wohl als den eriten Baryton Deutſchlands bezeichnen Tonnte, 
auf Lebenszeit, und feit 3. Sept. 1837 bis zu feinem am 30. Oct. 1869 
erfolgten Tode ift er im Verbande diefer Hofbühne (feit 1840 anch als 
Regiſſeur der Oper und des Vaudevilles) geblieben. Die wahre künſtleriſche 
Ausbildung fehlte ihm, fo daß die Jahre feines Glanzes vorüber waren, 
als fein Organ die Blüthe abgeftreift hatte. Brag hat ihn in der Vollkraft 
feiner Mittel gehört. Pock war nad einem Nekrologe in „Entich. Theater 
alman. pro 1870 mit einer Tochter Stöger’3 vermält. 

*) Wir reproduciren bier diefen Zettel — nebenbei ald Erinnerung 
an eine ber interejlanteften Perioden der Prager Operngefchichte. 


Ständifhes Theater der königl. Altftadt Prag. 


Donnerftag den 12. October 1837. 
236. Vorstellung im Abonnement. 


Die Anbekannte. 
Große romantiihe Oper in zwei Aufzügen, nach dem Stalieniihen von 
Johann Ott. Mufit von Bellini. 


Derfonen: 

Hlaide, die Unbekannte... nn Mad, Podhorsky. 
Hugo Graf v. Montolino... Herr Brava. 
Iſoletta, ſeine Tochter. Dem. Rettig. 
Arthur Graf von Ravenſtie.... Herr Emminger. 
Baron von Waldebirg - - - er rnnn Herr Scharff. 
Der Comthur der Hoſpitaliter.. Herr Strafaty. 
Osburg, Laftellan auf Montolino - - » » 2... Herr Podhorsky. 


Ritter, Damen, Gefolge. Hofpitaliter. 
Der Sänger Herr Pack hat feinen Urlaub eigenmärjtig überfhritten. 
Dem. Großer und Herr Yung find frank. _ 
Anfang um 7 Ubr. Ende nady 9 Uhr. 
Morgen: 
Die Beiden KAlingsberg. 
Auftfpiel in 4 Aufzügen von Anguſt v. Kotzebue. 











17* 


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eigenmächtig überfchritten”, und der Director bot alle Mittel auf, 
den Contractbrüchigen zurüd zu erhalten. Man ſuchte ihn als militär- 
pflichtig zu vequiriren und an das Depotcommando von Deutſch⸗ 
meiſter-Infanterie einliefern zu laflen, vief die diplomatische 
Intervention an; Stöger richtete fogar ein directes Bitt- und Be- 
Schwerdejchreiben an den Herzog von Braunfchweig — Alles war 
vergebens. Die Prager waren über diejen Schritt Pöck's entrilftet, _ 
man nahm jich vor, den undankbaren Liebling bei einer etwaigen 
Wiederkehr als Gaft mit Kälte zu empfangen, als er aber nad) 
etlichen Fahren wirklich wiederfam, war Alles vergeben und ver: 
gejjen: man übte die liebenswürdigfte Guftfreundfchaft. 

Nach dem Abgange der Luger und Pöck's waren die eigent- 
lichen Glanztage der Stöger’fchen Oper gezählt. Wohl gelang 
es, in Dem. Großer von Königsberg, die am 8. Juli 1837 
als Siulietta in Bellini's „Montecchi und Capuletti” zum erften 
Male auftrat, eine Sängerin mit metall- und umfangreicher 
Stimme zu gewinnen, wohl verftand es Dad. Podhorsky durch 
Uebernahme einer Reihe von Lutzer'ſchen Rollen der neuen Col- 
legin Platz zu jchaffen und ein neues ſchönes Verhältniß anzu- 
bahnen, aber Brejche geſchoſſen war einmal in’s Enjemble. Auch 
der Anfangs October 1836, aljo kurz nach den Triumphen der 
Krönungsoper, erfolgte Tod des unermüdlichen Opernregifjeurs 
Frey (Vaters der Frey) hatte der Stöger'ſchen Oper eine erfte 
Stütze entrijjen. Frey’s Nachfolger waren Pod, Ernſt und jpäter 
Preifinger, die fih alle Mühe gaben, ihren ſchweren Aufgaben 
gerecht zu werden. 

Und ernft war die Lage der Prager Oper nach all diejen 
Schlägen in der That geworden, zumal fi) auch bei manchen 
ihrer bewährten Kräfte allmälig die Spuren der Abnützuug 
bemerkbar machten. Am bedeuklichſteu ſtand es im diefer Din: 
jiht mit dem- Heldentenor Demmer, deſſen einjt mächtiges 
Drgan mit jedem Jahre mehr an Klang verlor und den waderen 
Sänger mit der Zeit fir die große Oper wimöglich machte. 
Zänger behauptete fic) Demmer in der Spieloper, und Stöger 
wußte ihn in diefer Sphäre feinem vollen Werthe nad) zu jchägen. 


— 261 — 


Als die Theateraufſichts-Commiſſion, welche für die. früheren 
Berdienfte welfender Künftler nicht immer große Pietät hatte, 
1841 in ziemlich deutlicher Weile Demmer’s Entlaffung forderte, 
trat Stöger Fräftig file ihn ein und conftatirte, daß wenige 
Theater über einen jo gemwandten und geeigneten Spieltenor zu 
verfügen hätten, wie es Demmer fei, deſſen Leitungen im Bojtillon, 
im Brauer von BPrefton, im treuen Schäfer, Blitz u. ſ. w. in 
jedem Hoftheater willfommen fein würden. Aber der Zahn der 
Zeit arbeitete fort, Demmer fah allmälig feinen Niedergang jelbft 
ein und machte Anftalten, fich von dem erhabeneren Gebiete der 
Oper auf jenes der trivialen Poſſe zurüdzuziehen. Er nahm 
einen mehrmonatlichen Urlaub, fpielte auf kleineren Bühnen als 
Geſangskomiker, wofür feine Stimme noch vollfommen zureichte, 
und debutirte endlich in Prag als Zwirn in Lumpacivagabundus. 
Aber der gewagte Sprung vom DOperntenor zum Komifer miß- 
lang; Demmer wurde mit Anftand abgelehnt. Ueberdies mochte 
er einſehen, daß in diefer Sphäre neben Feiftmantel und Dolt 
für ihn feine Zorbeeren blühen würden; er nahm 1845 fein Pen⸗ 
jionsdecret in Empfang und ftarb 1859 in Ballau.*) . 

Noch während Demmer's Engagement, fchon in den dreißiger 
Jahren, hatte Stöger nad) einem Erſatz für feinen abnehmenden 
primo uomo auägejpäht, lange ohne Erfolg. Es gab mehrere 
unglüdliche Debuts, bis das auf immerwährender Stimmenjagd 
befindliche alter ego Stöger’s, der dem alten Prag wohlbefannte 
Stimmfinder Sacher, einen Zuderbäder mit einem Metallfchage in 


*) Friedrich Dem mer war 1803 zu Hamburg geb., kam früh mit 
feinen Eltern nad Oeſterreich, wurde forgfältig für die Schaufpielfunft 
vorbereitet und betrat 1813 ald Maler Romano in „Fiesco“ zum erften 
Male in Graz die Bühne. Er wurde engagirt, fpielte eifrig im Drama, 
bis ein Zufall zur Entdedung feines Organd führte, moranf er zur Oper 
übertrat; er wurde 1822 an's Kärntnerthortheater engagirt, ging wegen 
Mangel an Beihäftigung an's Theater a, d. Wien, 1823 mit Stöger nad 
Graz, dann mit demfelben nad Preßburg, Wien (Sofephitabt) und endlich 
nah Prag. As Sänger Autodidalt, wurde Demmer durch feine im 
Schauſpiel erworbene darftellerifche Ronline zu einem der erften Spieltenore 
feiner Zeit. 


— — RT ann — — MEERE nn 2, u — 


— 262 — 


der Kehle entdeckte. Es war ein junger Daun, Namens Bed, 
der natürlich ſofort gedrillt aber ſchon als Anfänger in großen 
Rollen vorgeführt wurde, was mehreren Opern, namentlich 1838 
der „Jüdin“ bei deren erjten Aufführung (Bed fang den Arnold, 
wie damals der „Neichgfürjt Leopold” hieß) nicht gerade zum 
Bortheile gereichte. Die prachtrolle Stimme des jungen Sängers 
machte allerdings Furore und begründete feine Beliebtheit, aber 
die muſikaliſche Bildung blieb jehr primitiv. Aus diefem Grunde 
richtete auch die Theateraufſichts-Commiſſion bei einer gründlichen 
Nevifion der feit mehreren Kahren von der Direction nicht an— 
gezeigten Nenengagements an Stöger die Aufforderung, Bed ein 
Probejahr zu beſtimmen und zu entlaffen, wenn er bis dahin 
nicht genügende Yortichritte gemacht haben würde. Stöger ver: 
theidigte feinen jungen ftimmbegabten Tenor auf das Wärmite 
und betonte, daß fich ſogar das Kärntnerthor-Theater in Wien 
ernftlih um den hoffnungsvollen Sänger beworben hatte. Syn 
der That wuchs Bed’s Beliebtheit innmer mehr. Der Erfolg, 
den er bei einer Cechischen Norma-Borftellung als Sever errungen, 
bewog die Direction, ihm den „Robert“ in Meyerbeer's Oper 
zuzutheilen, und felbjt die Herren der Aufſichtscommiſſion er: 
Härten fich nad) dem Trinmphe des Sever damit einverftanden. 
Die Probe war angefegt, aber Robert kam nicht. Ein Agent 
der Petersburger kaiſ. Oper hatte ihn fingen gehört und ohne 
weitere Formalitäten in die Caren-Refidenz entführt. Beck machte 
an der Newa Aufjehen, zog ſich aber durch einen Unfall auf dem 
Eife eine heftige Halskranfheit zu; mehre Bade-Curen blieben 
erfolglos, jo daß ſich Beck endlich nach Prag zurüdzog. Er ver: 
juchte fi Hier in einer Reihe von Reftaurationg-Unternehmnugen. 
Zuerſt leitete er einige Zeit die Meftauration des deutjchen 
Caſino, etablirte ſich dann ala afetier in dem nun verichwundenen 
Cafe Prag; fpäter gründete er das auf einem reizenden Ausfichts- 
punfte bei der Nusler Stiege gelegene „Bellevue”, wo er den 
Verſuch machte, eine namentlich in Curorten gebräuchliche aus— 
jchließliche Kaffeewirthfchaft einzuführen, und vorzüglihe Wein: 
tranben 309. Zuletzt war Bed Reftauratenr bei „Daufcha” ; 





— 263 — 


vor einigen Jahren aber ftarb er nicht in den beiten Verhältniſſen 
zu Wien. | 

Nicht Tange dauerte übrigens nad) Bed die tenorlofe Zeit 
in Brag. Bereits im Jahre 1843 hielt wieder ein neuer ftimm- 
kräftiger Tenoriſt feinen Einzug im ftändifchen Theater. Der 
neue „Stern“ hieß Damde, fam von Hamburg, und zählte 
kaum zwanzig Jahre. Gleich beim erſten Auftreten als Nadori 
in Jeſſonda (19. December) machte feine jugendfrifche umfang> 
reihe Stimme, jeine gediegene mujifalifche Bildung und fein 
hübjches Exterieur entfchieden Glück. Mau begrüßte in dem 
Debutanten eines der bedeutendsten Talente und prophezeite ihn 
eine große Zukunft. Damde hielt fich während feines mehr: 
jährigen Prager Engagements immer wader und machte er- 
frenliche Fortſchritt. Sein Repertoire wies aud) manche Iy- 
tiihe Partien auf, denen feine Jugend und Geftalt befonders 
entſprach. — Mehr Stabilität in der Belegung als dem Helden— 
tenorfache war jenem des lyriſchen Tenors in Stöger's erjter 
Directionsära bejchieden. Emminger*) ftand hier würdig und 
feit auf feinem Plage. Bei den mannigfachen Wechſeln der Hel- 
denternore, während Demmers Niedergangsperiode ruhte oft die 
ganze Tenorlaſt auf feinen Schultern. Lyrifche und Heldentenor- 
partien wurden ihm in einer heutzutage faſt unglaublichen Zahl 
aufgebürdet, und immer jtellte er feinen Mann. Sein ſympa— 
thifches Hangvolles Organ verhalf jo mancher Opernnovität zu 
ihrem Erfolge, und durch das volle Dutend Jahre der eriten 
Aera Stöger’8 brachte er es Fräftig zur Geltung. Es gab Zeiten, 
in denen vier Tenore (Emminger, Bed, Demmer und Chrudimsfy) 
vorhanden waren; der allezeit verläßliche, nie verfagende aber 
blieb Emminger. — Eine treffliche Neu-Acquifition machte Stöger 
an dem Barpytoniften Kunz, deſſen vorzügliches Stimmaterial 
ganz darnach angethan war, den Abgang Pöck's verjchmerzen zu 
laſſen. Eduard Kunz war 1813 in Wien geboren, hatte an der 


*) Joſef Emminger, geb. 1804, 1862 penfionirt, ftarb 27. Dec. 1872 
zu Prag. . 


De SO a Se ie U TT EEE Ze ee 


— 264 — 


dortigen Univerfität Philofophie abjolvirt und war damı als 
Biolinijt in das Orchefter des damals unter der Direction Stögers 
jtehenden Joſephſtädter Theaters getreten. Später wirkte er aud) 
im Chore mit; der gewaltige und raftlofe Stimmenfinder Stöger 
wurde auf feine großartigen Mittel aufmerffam und ließ ihn 
wie früher Pöck ausbilden. WS fich nach Pöck's Abgang eine 
Reihe von Debutanten als unfähig erwies, den beliebten Flücht- 
ling zu erjegen, wurde Kunz nad) Prag berufen und trat am 
14. December 1837 als Oroviſt in Norma zum erjten ale 
mit ducchichlagendem Erfolge auf. Seine zweite Debutrolle war 
der Caspar im „Freiſchütz“. Seine Leiftungen als Waldeburg 
und als Prinz-Regent erinnerten die Prager lebhaft an Pd, 
ohne daß Kunz bei diefem Vergleiche zu kurz gelommen wäre. 
Damit war fein Engagement entjchieden, Die Direction ließ feinen 
Soncurrenz-Debutanten Seffelmann fallen, und am 24. Jäner 1838 
trat Runz zum erſten Male im „Nachtlager von Granada” als 
engagirtes Mitglied auf. Im Anfange wirkte nur das colofjale 
Stimmaterial, mit den Jahren — und Kunz wirkte fünfzehn 
Jahre hindurch in Prag — wurde auch manches Andere ver: 
befjert, aber lange galt von ihm der Ausipruh, man dürfe 
ihn nur anhören und nicht anfchen, wenn man an ihm Ge— 
fallen finden wollte. Jedenfalls gehört Kunz unter die Operiften, 
deren Namen in der Gefchichte des Prager deutichen Landes— 
theaters in Ehren genannt zu werden verdienen. Sein Nepertoire 
war jo umfangreich, daß er neben Baryton» auch Baßpartien 
wie den „Marcel“ in den „Hugenotten” und den Comthur in 
der „Jüdin“ impontrend fang. 

As Baſſiſt wirkte zunächit neben ihm Strafaty, ein Be 
fannter noch aus der Triumviratsaera (geb. am 2. Juli 1804 
in Blatna), der drei Jahrzehnte (von 1827 bis 1858) an der 
Prager Bühne in deutfcher und Lechifcher Sprache ſang. Stra- 
füty, welcher jich als Liederfänger eines noch ginftigeren Rufes 
wie als Operijt erfreute, hatte einen Kräftigen, in allen Regiftern 
ausgeglichenen Baß, eine gründliche muſikaliſche Bildung, einen 

‘ warmen und gefiihlvollen Vortrag. Seine befannteften und belieb- 





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teften Partien waren Saraftro in der „Zauberflöte”, Caspar im 
„Freiſchütz“, Zampa, Mehul’s „Wafferträger”, die Titelrolle im 
Spohr’ichen „Fauſt“, Bietro in der „Stunmen”, Don Juan und 
Pedro in „Don Yuan”. Zrog wiederholter Anträge auswärtiger 
Bühnen blieb Strafaty feinem Paterlande treu und feierte am 
30. Jäner 1853 das Yubiläum feines Zdjährigen Engagements, 
bei welcher Gelegenheit ihm die Bürgerfchaft Prags einen filbernen 
Bofal verehrte; am 4. Nov. 1858 verabjchiedete er fi) in „Don 
Juan“ von der Bühne. Er hatte in den 30 Fahren feines Enga- 
gements in 149 Opern und Singjpielen in 253 verjchiedenen 
Partien gewirkt, und zwar 191mal in deutjcher und 62mal in 
cechischer Sprache. Sehr viel trug Strafaty dazu bei, die Cechi- 
ſchen Volkslieder durch Salonvorträge zu verbreiten ; für die Pflege 
ber clajfiihen Mufif in Prag aber waren die von ihm arran- 
girten Concerte zum Beſten des Vereins für Verjorgung der Ton- 
tünftler- Witwen und Waifen von großer Bedeutung. Die Drato- 
rien von Händel, Haydn, Mendelsfohn u. ſ. w. famen durch ihn 
jo recht in Aufnahme. Auch für den Kirchengefang war Stra⸗ 
faty’3 Wirken von großem Vortheile. Noch im Jahre 1864 trat 
der Künſtlerveteran, der fich von Zeit zu Zeit als Gaft in Cechi- 
hen Borftellungen hören ließ, aus Anlaß der Meozartfeier im 
cechiichen Interimstheater als Gouverneur in „Don Juan” auf 
und wurde jehr ausgezeichnet; am 26. April’ 1868 ftarb er plötzlich 
in Prag. — Neben Strakaty wirkte in Stöger’s erjter Directions⸗ 
periode eine Zeit lang der Bafjift Binder und längere Beit der 
noch heute in Stuttgart in voller Kraft wirfende Schütfy. Franz 
Joſeph Schütky, geboren zu Kratzau in Böhmen, hatte fich jchon 
in früher Jugend als Sopran-Solift am Kirchenchore feiner Vater⸗ 
ftadt hören laſſen, wo ihm der Organist Ferd. Mittih) Violin- 
und Gefangsunterricht ertheilte. Im 16. Jahre vollzog ſich die 
Mutation der Stimme fo raſch, daß der junge Schütky vor einer 
tirhlichen Zrauungsfeier noch Sopran fang, nach derjelben aber 
ſchon ein Baß-Solo ftatt des nicht erfchienenen Baffiften übernehmen 
tonnte und von nım an Solift unter den Bäſſen wurde. Schon 
als Knabe entwidelte Schütfy eine merkbare Theaterleidenfchaft, 


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fpielte an Sonntagen unter deu Dache des Baterhaufes mit Alters- 
genoffen Komödie und ließ ſich von dem Eifer jo weit hinreißen, 
daß er einjt fein unruhiges Publicum aus dem „Theaterſaale“ 
hinausjagte. Trogdem wäre er beinahe Bildhauer ſtatt Schau: 
ipieler geworden. Der Vater Prof. Joſeph v. Führich's kam jeden 
Sommer nad) Kratzau und unterrichtete Schütfy im Zeichen; 
jpäter arbeitete Yojeph Mar zwei Sommer Hindurd in Schütky's 
Baterhaufe an einem von Führich entworfenen Grabmale für den 
verſtorbenen Deagiftratsrath Keil. Schütfy lernte nun bei Dar fleißig 
zeichnen, ging ihm nicht von der Seite und wollte ihn durchaus 
nachfolgen. Da aber Joſeph Mar damals den (allerdings nicht 
ausgeführten) Entfchluß gefaßt hatte, nach Italien zu reifen, 
zerichlug fi) die Sadıe. Schütfy lernte die Weberei und ars 
beitete ein Jahr fpäter felbftändig im Leinengeſchäfte feier 
Eltern. Dabei fpielte er aber auch in der von feinem Vater ver- 
einigten ZTheater-Dilettanten-Gefellfchaft, welche für gemeinnützige 
Zwede mimte, mit großem Erfolge. Seine erſte Rolle war ein 
Greis von 70 Jahren — Schültky zählte damals fiebenzehn. 
„Hans Sachs“ (von Deinharbftein) galt als eine feiner Glauzrollen. 
Auf feine vorzüglichen Stimmittel wurde er zuerſt in Komotau 
aufmerkſam gemacht, wo er als wandernder Webergejelle fang 
und von allen Seiten mit Vorwürfen überhäuft wurde, daß er 
fich bei folcheın Talent mit der Weberei abgebe. Nun ſtand fein 
Entfchluß, zur Bühne zu gehen, feft. Zwei Jahre widmete er in 
Komotau feiner erften Ausbildung und trat 1837 mit Einwilligung 
feiner Eltern ins Prager Eonfervatorium, wo ©. Gordigiant jein 
Geſangslehrer war, ging 1840 in fein erſtes Engagement zu 
Director Pellet in Linz, ſang dort am 29. Febr. 1840 den Be- 
Iifar, jpäter den Triſtan in Jeſſonda und Caspar im Freiſchütz 
und blieb zwei Jahre dort. Zu Oftern 1842 kam Schütky nad) 
Prag und trat zunächft in einer Converfatoriumsvorftellung auf, 
welche „Don Juan” in italienischer Sprache brachte: Schütky ſang 
den Comthur und Maſetto und gefiel, ebenfo in feinen Debut: 
rollen (Aſthon in Lucia, Zriftan in Seffonda, Marcel in den 
Shibellinen) am Theater, wurde auf drei Jahre engagirt, verließ 





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aber ſchon im Herbſt 1844 wegen nicht entjprechender Beſchäfti⸗ 
gung Prag, um am gräflich Sfarbefichen Theater in Lemberg 
bei Director Pellet als Regiffeur und erjter Baſſiſt zu wirken. 
Sein Vertrag mit Stöger war auf gütlichem Wege gelöft worden. 
Im October 1846 ging Schütfy, der in Xemberg persona gratis- 
sima war, nad Wien, wo ihn Director Pokorny auf Empfehlung 
Staudigl's als deſſen Stellvertreter während der Urlaubsmonate 
engagirte. Nach Auflaffung der Pokorny'ſchen Oper übernahm 
er mit Bielczidi gemeinfam das Salzburger Theater, acceptirte 
aber jchon im Frühjahre 1849 einen Antrag nah Hamburg. 
Hier wirkte er in glänzender Pofition fünf Jahre hindurch als 
erster Baryton und Baß, fang im Laufe ſeines Engagements 
nicht weniger als 800mal und verließ Hamburg nur, als jich 
ihm 1854 ein lebenslängliches Engagement am tgl. Hoftheater in 
Stuttgart bot. Seit 1. April 1854 wirft Schütky an der Stutt- 
garter Hofbühne, wurde 1862 Opernregiffeur, 1865 fgl. Kammer⸗ 
fänger und 1874 Inhaber der großen goldenen Medaille für 
Kunjt und Wiſſenſchaft am Bande des Ordens der württemberg. 
Krone. Schon in Hamburg hatte Schütfy die Oper „Columbus“ 
von Barbieri aus dem Jtalieniſchen in's Deutſche überjegt und 
gelegentlich einige Opernterte verbeſſert. In Stuttgart überjeßte 
er die Schweizerhütte, Traviata, Azur (von Salieri), Nabueco, 
Margarete, Paccini's Corfenbraut vollftändig oder theilmeile. 
Große Verdienfte hat ſich Schütky um die Hebung der Tatholischen 
Kichenmufif in Württemberg erworben. Seit 1856 leitet er den 
Kirchenchor in der kath. Kirche in Stuttgart; er hat für ven 
Gottesdienit Meilen, Mottetten, Graduales u. ſ. w. componirt, 
von denen ebenſo wie von ſeinen weltlichen Liedern und Chören 
mehrere bei Ed. Ebner in Stuttgart erſchienen find, und nicht nur 
in Deutjchland, fondern aud) in der Schweiz und in Amerifa viel 
gejungen werden. ‘Der württembergifche Cäcilienverein wurde auf 
jeine Anregung zwei Yahre früher als der allgemeine deutjche 
gegründet. Noch in unferer Zeit wirkt Schütky in voller Kraft 
auf der Bühne, fingt den Tell, Holänder, Wolfram, Telramund, 
Nelusco, Mephifto, Caspar, Stirfon (Haidefchacht), Orovift, 


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Rigoletto, Nocco, Plundet, Pietro, Car, Herzog in Lucrezia 
u. |. w. und hat ein fo umfaſſendes Repertoire wie fehr wenige 
oder fein Sänger feines Faches. AB Gaft hat Schütfy in 
den größten Städten Deutjchlands (auch in Prag) die Erfolge 
eines Sängers erſten Ranges erzielt, und als Concertfänger in 
Aachen, Köln, Frankfurt, Straßburg u. |. w. reiche Anerkennung 
gefunden. Von 1866 bis 1872 fungirte er auch als Profeſſor 
am Stuttgarter Confervatorium, legte jedoch mit Nüdficht auf 
jeine Wrbeitsüiberbürdung die Stelle nieder. In Kratzau wird 
Schütky's Name in hoben Ehren gehalten, 

Bon den Baß-Buffos Brava und Preiſinger, welche, 
allezeit am Platze, zu den tüchtigften Mitgliedern Stöger's ge: 
hörten, war bereits die Redr. Podhorsky, der Gatte der Prima- 
donna, wirkte namentlih in den Vierziger Jahren nur mehr in 
cechifchen Opernvorftellungen oder in Eleineren Bartien; der Zahn 
der Beit läßt fi) eben nicht befämpfen. Am 5. December 1849 
ſegnete der verdienftvolle Sänger nach dreimonatlicher Krankheit 
das Beitlihe. Seine Gattin Hatte ihm zwei Söhne geboren, von 
denen der eine (Johaun, geb. 1827) Kaufmann in Prag, der 
jüngere (geb. 1841), ehemals Theatercapellmeifter, nunmehr Chor- 
director mehrere Wiener Gejangsvereine und ein gejchäßter Muſik— 
lehrer der Reſidenz ift; er ift mit Frau Keller, einer tüchtigen 
Soubretten-Darftellerin, vermält. 

Unter den Sängerinen Stöger’s ftand während feiner 
ganzen Directionsperiode Katharina Podhorsky als Haupt- 
jtüge der Prager Oper obenan. hr Repertoire wies eine der: 
artige Mannigfaltigkeit auf, daß man nicht wußte, follte man fie 
als dramatische, Eoloratur- oder Mezzofopran-Sängerin claffificiren. 
AS nad) dem Abgange der Lutzer das Coloraturfach vacant wurde 
und die eigentlihe Nachfolgerin der unvergeßlichen Jenny, Die. 
Großer, gerade in Coloraturpartien weniger zu Haufe jchien, 
dagegen zu den ſchönſten Hoffnungen im dramatifchen Fache be- 
vechtigte, erklärte fich die Podhorsky bereit, officielle Coloratur- 
fängerin zu werden. Allerdings reſervirte fie fich mehrere dramatiſche 
Bartien, wie überhaupt die Fächertheilung in jener Aera nicht fo 


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ftricte beobachtet wurde wie nachmals. Die Podhorsky überwand 
bei dem großartigen Fonds mufifalifcher Sicherheit und Noutine, 
bei ihrer Kehlengeläufigkeit und dem Umfange ihrer Stimme die 
Schwierigkeiten eines Fachwechſels mit feltener Leichtigkeit. Ihr 
Rollenfreis erweiterte ſich nur noch mehr, denn auch Mezzofopran- 
Bartien kamen, wie erwähnt, in ihren Beſitz. 14mal des Monats 
und noch häufiger ftand fie in Einem Monat in großen Partien 
(mit deutfchem vder Cechifchem Texte) auf den Brettern! Und 
trotz diefer heutzutage fast unglaublichen Wirkſamkeit erhielt ſich 
Frau Podhorsky über zwanzig Jahre auf der Höhe der Situation 
al3 Zierde der Prager Oper. Dabei nahın fie den wohlthätigften 
Einfluß auf die Entwidelung jüngerer Kräfte. Ihre Sicherheit 
in allen Repertoire-Opern machte fie zu einer Art Orakel, zum 
Beirath der Direction, zum weiblichen Regiſſeur — wenn wir 
uns jo ausdrüden dürfen. 

Henriette Großer, die feit 1837 au ihrer Seite wirkte, 
war eine ſehr beachtenswerthe Sängerin mit einer melodidfen und 
umfangreichen Stimme, reiner und ficherer Intonation, und hatte 
nur den bei einer Sängerin allerdings verzeihlichen Fehler, ein 
wenig mit der Zunge anzuftoßen. Die Großer fchlug gleich bei 
ihrem erſten Auftreten als Julia in Bellin’s „Montecchi und 
Sapuleti” entichieden durch, debutirte nod) ala Page in der „Ball 
nacht”, als Alice in „Robert" und Anna in „Don Yuan" und 
wurde vom 1. Juli 1837 an für die Prager Bühne engagirt, 
welcher fie bis in das Ende der Hoffmann’schen Directionsperiode 
angehörte, Sie hat eine Reihe großer Opernpartien für Prag 
creirt, jo die „Valentine“ oder nach dem unterlegten Texte „Bea: 
trice" in den „Hugenotten” (oder „Ghibellinen in Pifa”, wie es 
die Cenſur wollte), die Negimentstochter, die Anna in „Dans 
Heiling”, die Lucrezia Borgia, die Henriette im „Blig", Linda von 
Chamounig, die Zeonore in „Stradella” u. U. „Marie, die Tochter 
des Regiments" bezeichnete einen der glänzenoften Triumphe der 
Großer, die jich Hier jo recht friſch, rejolut und Fehlenfertig gab. 

Unter den Altiftinen der Stöger’fchen Periode ragte Dile. 
Schwarz hervor. Am 19. Jäner 1844 machte die Dame als 


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Maffio Orſini ihren erjten theatralifchen Verjuch, der glänzend aus- 
fiel. Der „Maffio Orfini” war, obwohl für einen Alt gefchrieben, 
in Brag wie allenthalben in Deutichland mit einem Sopran bejegt 
gewefen; num erft in der Beſetzung mit Dem. Schwarz kam Orfini 
nach der Original-Partitur anf die Bretter. Dem. Schwarz, welche 
fi) in Prag bereit einen vorzüglichen Auf als Concertfängerin 
erworben hatte, wurde mit Beifall empfangen und ſchon nach der 
ariofen Erzählung der Introduction unter einem Sturme von 
Beifall gerufen. Auch das Zrinklied im legten Acte mußte fie 
wiederholen. Dem. Schwarz hatte ein Iangvolles, mächtiges Organ, 
das alle gewichtigen Altpartien Fräftig zur Geltung brachte und 
bewegte ſich als Darjtellerin leicht und elegant auf der Bühne. 
Daß fie aud) eine wohlgefchulte, tüchtige Sängerin war, dafür 
zeugten ihre Erfolge auf dem Concertpodium. Später leiftete 
Dile. Schwarz das Kunftjtücdihen, den — Stradella zu fingen, 
und zwar mit verhältnißmäßigen Erfolge. — Die Weihe der jit- 
gendlichen Sängerinen, welche fich unter Stöger auf der Prager 
Bühne ablöften, correct wiederzugeben, ift feine Teichte Aufgabe. 
Der größte Theil verſchwand bald nad) feinem Erſcheinen. Die. 
Allram, die Naive des Schaufpiels, wagte ſich nur flüchtig auf 
das operijtiiche Gebiet; Dil. TZriebenfce, Tochter des Capell⸗ 
meifters, hielt fich, gejtügt durch ihres Waters Einfluß, einige 
Monate im Engagement, ohne je recht dDurchzugreifen, und noch 
weniger Glück machte Die. Stepanek, die Tochter des Er- 
Director und Lafjiers. Eine Tiebensmwilrdige Sängerin war 
Die. Eichen, die 1838 kam und fich längere Zeit jehr auftändig 
behauptete. 1841 erjchien Henriette Herrmann, eine Tochter 
des fürftl. Clary'ſchen Bauingenieurs Herrmann in ZTeplig, als 
Debutantin in Prag. Sie hatte ihre Schule bei der Caravoglia- 
Saudrini durchgemacht, fand nad) den erften Gaſtrollen Engagement 
und ſang als Autritts-Rolle die Iſoletta in der „Straniera”. 
Leider vernichtete der Tod das Hoffnungsvolle Talent fchon in 
dejjen Keimen. Henriette Herrmann ftarb im Alter von 21 Jahren 
. am 3. April 1843 an der Lungenschwindfucht in Prag und wurde 
unter zahlreicher Theilnahme bier zur Erde bejtattet. Ihre legte 





— 271 — 


Rolle war die Gabriele im „Nachtlager in Granada", die vor» 
legte die SKfabella in „Robert“, welche fie über Nacht übernommen 
hatte. Henriette Herrmann hatte auch als Concert: und Kirchen: 
jängerin in den Productionen des Cäcilienvereing eifrig mitgewirkt 
und erfreute fich ihrer Herzensgite und ihres reinen, milden 
Wejens wegen allgemeiner Hochachtung, als Künftlerin großer 
Beliebtheit. Eine andere Schülerin der Laravoglia - Sandrini, 
Louiſe Bergauer, eine muſikaliſch fein gebildete, begabte Kunſt—⸗ 
jüngerin, debutirte am 22. Mai 1844 als Mathilde in „Tell“ 
mit Erfolg und feßte ihre Debuts mit gleihem Erfolge als 
Pamina und Irene (Belifar) fort.*) Ihre Collegin, Die. Zonner, 


*8) Loniſe Berganer ift in der kaiſ. Hofburg auf dem Hradſchin 
geboren, ftudirte unter der Saravoglia-Sandrini am Brager Eonjervatorium, 
deb. 1844 in Prag ald Mathilde in „Zell“, Bamina und Irene („Beliſar“) 
mit großem Erfolg und wurde fofort von Dir. Pokorny, der fie in Prag 
börte, für jug. Sopranpartien an das Theater a. Wien eng., dad damals dem 
Kärtnerthortheater große Concurrenz machte; dort entwidelte fih an großen 
Vorbildern ihr reiches Talent, aber das ftürmifche Jahr 1848 machte diefer 
Herrlichkeit ein Ende. Louiſe Bergauer begab ſich nad) Prag, mo ihr Vater 
ald Oberbeamter der damals oberftburggräfl. Güter eine geacdhtete Stellung 
einnahm, wurde nach Wiederherftellung der Ruhe von Dir. Hoffmann für 
das ftänd. Theater ald jug. Sängerin und zugleich als Brimadonna für 
die cehifchen Vorftellungen eng., und in deutichen wie cechiichen Vorſtel⸗ 
‚ tungen fand ihr dramatiſches Talent, ihr befonderd ſchöner ſympathiſcher 
Mezzofopran, volle Anerkennung. Sie fang mit gleichem Beifall die Va— 
lentine, Agathe, Jeſſonda, Mathilde, Desdemona, Sujanne, Gabriele, 
Zerline u. ſ. w. Ag Dir. Hoffmann die cedhifche Oper in die Arena ver: 
legen und Frl. Bergauer zur contractlichen Verpflichtung, dort zu fingen, 
bewegen wollte, verließ dje Sängern da3 Prager Theater und überhaupt 
die Bühne und wirkte nur als Koncertjängerin, vornehmlich im Ausland 
(Franfreih und Belgien), auch als Kammerfängerin der Prinzeffin von 
Bapua-Bourbon, jpäter vermälte fie fih mit dem geſchätzten Prof. der 
Augenheillunde Dr. Joſ. Pilz; dabei gab fie in den Vorſtellungen eines 
eigenen Privattheaterd im gräfl, Schlick'ſchen Palais dem Publicum noch 
oft Selegenbeit, fie al3 Sängerin zu bewundern. Gegenwärtig lebt Louiſe 
Berganer-PBilz ald Witwe, hochgeſchätzt von einem zahlreichen Belannten: 
freife, in Wien. Ihre Tochter Sujanne Pilz ift eine der begabteften und 
aummtbigften PBianisinen ber Nefidenz und hat wiederholt in deu oucert- 
jälen Wiens mit großem Erfolg concertirt. 


— 272 — 


Bragerin wie Louife Bergauer, war eine niedliche Erſcheinung 
und eine talentirte Sängerin, welche zuerft am Stöger’fchen 
Theater in der Rofengaffe engagirt war, fid) aber fpäter auch im 
ständischen Theater hie und da in großen Bartien (3. B. als 
Adalgifa, Nöschen in Spohr's „Fauſt“) nicht ohne Glück ver 
ſuchte. Sie war nachmals an vielen deutichen Bühnen engagirt 
und lebt feit einigen Jahren als Gefangslehrerin in Prag. Ein 
anmuthiges Figürchen und eine Operijtin, bei welcher ſich Stimm- 
mittel, Fleiß und neckiſches Spiel zu einem Tiebenswiürdigen Ganzen 
vereinigten, war Dlle. Ködert. Sie debutirte am 15. Juli 1842 
neben Pöck (Car) ald Marie in „Car und Zimmermann" gleich 
zeitig mit ihrem Vater, einem Baßbuffo, der als „van Bett" einen 
nicht eben günjtigen Erfolg davontrug. Ihre zweite Rolle war 
die Berline in „Don Juan," welche zur Begründung ihrer ſchönen 
Prager Rofition beitrug. Das anmuthige Talent der Köckert blieb 
‚ der Prager Bühne einige Jahre erhalten. — Etwas jpäter als 
fie, 1843, führte fih Die Senger als NRegimentstochter in 
Prag ein, d. 5. jie wagte damit ihren erften theatralifchen Verſuch 
mit der ausbrüdlichen Bitte um Nachficht. Uebrigens ſpielte dieſe 
Negimentstochter, deren Organ nicht groß war aber bejonders 
ſympathiſch berührte, jo vefolut und trommtelte fo virtuos, daß 
fich ihre Anfängerfchaft wenig verrietd und ihre Wirbel immer 
gerne gehört wurden. — Eine Sängerin, welche in Prag ihre 
Carriere begonnen hatte, aber erjt in der Ferne und als Gaſt 
in Prag die verdiente Anerkennung fand, war Die. Rettich. 
Die Münchener Hofbühne nahm ſich der hoffnungsvollen Sän- 
gerin an, und 1844 gaftirte die Mettich bereits als „Fünigliche 
bairiſche Hofopernfängerin” mit großem Erfolge in Prag. Sie 
trat in zehn Bartien auf, und zwar in den verſchiedenſten Partien, 
tragiichen von dem Gewichte einer Norma und graciöfen von dem 
Genre der Adine. Syn leichteren war fie eutjchieden befjer; mit 
diefen harmouirte ihre eine, zierliche Geftalt, ihr glattes, ge- 
wandtes Spiel, ihre meifterhafte Technik und ihr hübjcher Vor: 
trag. Ihre Coloratur hatte ſich mit der Zeit bis auf die Spige 
ausgebildet; leider fehlte es diefer formell prächtigen Yioritur an 


— 273 — 


Befeelung. Als Adine und Elvira konnte es ihr feine Nebenbublerin 
an technifcher Meijterfchaft zuvorthun. — Am 30. Jäner 1845 
machte De. Freitag, eine Sängerin, die in Prag bereits in 
Concerten reichen Beifall gefunden, ihren erjten theatralifchen 
Verſuch als Agathe im „Freiſchütz“. Ihr fonores Organ, eines 
von denen, die den Charafter des voll aus der Bruft herauf- 
tönenden Mezzofoprans in die Sopranlage hinaufnehmen und 
ihre fräftige Geftalt wieſen fie auf Opern großen Styles Hin, und 
jo jang ſie denn auch die Antonina in Donizetti's „Belifar” mit 
verhältnißmäßig glänzendem Erfolge. Dan hatte mit der jungen 
Freitag große Pläne vor; fie war für eime erjte Bofition aus- 
erjehen, wurde auch engagirt und erfreute ſich großer Beliebtheit. 
Nah einigen Jahren verlieh jedoch die hoffnungsvolle Kilnftlerin, 
welche der Meiflerin Podhorsky viel zu verdanken hatte, Prag 
und vermälte fi in der Folge mit Dr. Joel. Die Bianiftin 
Gabriele Frankl-Joöl ift eine Tochter der ehemaligen Dile. Freitag. 
Der Vollftändigfeit wegen feien fchließlich nod) die Sängerinen 
Kichberger und Höpſtein ermähnt, die ebenfalls in den 
legten Jahren der Stöger’ichen Direction vorübergehend in Prag 
wirkten, 

Ein nicht beneidenswerthes Amt war in der bewegten, gaft- 
ipiel- und Debutreichen Stöger’ichen Uera das des Capell: 
meiiters. Bis 1837 faß der wohlbefannte Triebenfee, C. M. 
vd. Meber’s Nachfolger, am Dirigentenpulte; er hatte 20 Jahre 
anf dem jchwierigen und bedeutungsvollen Poften ausgehalten, 
Um 1. Jäner 1837 trat Franz Skraup, jeit 1. Sept. 1827 
zweiter Capellmeiſter, jeine Erbihaft au. F. Skraup, deſſen wir 
ſchon in der Zriumviratsära flüchtig gedachten, nimmt in der 
Sejchichte der böhmischen Muſik diefes Jahrhunderts einen der 
hervorragendften Pläge ein. Am 3. Juni 1801 zu Wofiß bei 
Bardubig geboren, Hatte fih Skraup ſchon frühzeitig mufikalischen 
Uebungen und Studien zugewandt, fang als Gymnaſialſtudent 
in der Teyn- und Loretoficche und componirte als „Philoſoph“ 
Ichon viele feiner Lieder und Quartette. Als fi Ende 1823 
einige Dilettanten zur Aufführung einer Oper in cechiſcher Sprache 

18 


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bereinigten, trat der junge Skraup, damals Student der Rechte, 
jelbftverjtändlich bei und leitete die Proben zu der Aufführung der 
von Prof. Machakek in's Cechiſche überfegten Weigl'ſchen Oper 
„die Schweizerfamilie”, welche 1823 uuter Holbein’s Direction als 
erfte Oper in Cechifcher Sprache in Scene ging. Am 3. Feber 1826 
wurde Skraup’s Oper „Der Drahtbinder" (Text von Chmelensty) 
cechifch aufgeführt und 1827 Skraup felbit zum zweiten Capell⸗ 
meifter des ftändifchen Theaters und Dirigenten der tCechifchen 
DOpernvorftellungen ernannt. Bon feinen weiteren Opern war zum 
Theil bereits die Rede: „Udalrich und Bojena” (1828), die „Hoch⸗ 
zeit der Libusa“ (begonnen 1835, aufgeführt 1849), wurden in 
cechischer, „Die ©eifterbraut”, (Text von Ernft), „Drahomira" 
(1848, Text von U. Smwoboda) und der „Meergeufe” (1850) in 
deutfcher Sprache aufgeführt. Obwohl Straup’s Talent als Opern: 
componift unbeftritten ift, haben fih auf diefem Gebiete feine 
Schöpfungen doch nicht über gute „Capellmeiſtermuſik“ erhoben 
und auch nur theilweije einen wejentlichen Erfolg erzielt. Der 
„Meergeufe" machte am meijten Glück und kam — wohl des 
Stoffes und der Perfönlichkeit des Componiften wegen — felbit 
in Rotterdam auf die Bühne Kine außerordentliche Bedeutung 
hatte F. Skraup als Liedercomponift fir die Cechifche Nation. 
Am 21. December 1834 Nachmittags 4 Uhr ging im ftändiichen 
Theater eine neue Lechifche Pofje „Fidlovaöka“ aneb „Zädny 
hnöv a Zadna rvacka“ von Tyl in Scene, ein Conglomerat oft 
äußert trivialer Scenen, welche ein Gemälde des Prager Volks⸗ 
lebens darjtellen jollten, in Wirklichfeit aber höchjtens das Leben 
und Treiben der niedrigen Stände mit ziemlicher Treue wieder: 
gaben. Das Ganze variirte in dem Gedanken, daß es eine Schande 
fei, in Böhmen nicht Cechifch zu reden. Tyl ließ feinen abjchredenden 
Helden einen geborenen Cechen feyn, der nad) feiner Rückkehr aus 
Paris feinen Namen franzöſiſch zugefchnitten hat. Neben ihm 
traten noch ein „Humoriſt“, ein „Nevenfent”, ein „Literator", eine 
gewejene Opernfängerin Eibulcini (recte Eibulfa), und die unver- 
meidlichen Milchweiber, Bodfkaler, Holzipalter, Wäſcherinen u. |. w. 
auf. Das Beſte an dem Machwerk war entjchieden eine Reihe 


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cechifcher Volkslieder, zu denen F. Skraup die Muſik geliefert 
hatte. Die zmölfte von den 21 Nummern der Poſſe war das 
Lied „Kde domov müj“, das Strafaty als blinder Bettler fang. 
Skraup hatte den Text von Zyl erſt furz vor dem Xage der 
Vorſtellung erhalten und die herrlihe Muſik erjt in der legten 
Nacht vor derjelben am Krankenlager feiner Gattin gejchrieben. 
Das Lied wurde zur Cechoflawiichen Nationalhymne, und jeit jener 
Zeit ifi Skraup's Namen feftgewurzelt im Andenken ſeines Volkes. 
Auch die aus Cechiichen Volksliedern zujammengefegte Ouverture 
zu Fidlowacka hat Skraup geliefert. Am 1. Jäner 1837 engagirte 
Stöger den tüchtigen Muſiker als erjten Capellmeifter, ein Poften, 
den er nun 20 Jahre, bis 1857, inne hatte. Zweiter Capell- 
meifter wurde nach ihm der geiftvolle Mufifer Stegmayer. 
Zu Oftern 1857 Tündigte Stöger, der fi) damals dem Ende 
feiner zweiten Directionsperiode näherte, zum Bedauern Prags 
dem verdienten Sfraup, der im September desjelben Jahres 
fein 30jähriges Theaterjubiläum feierte und nun mit 1.050 fl. 
Penfion in den Ritheitand trat. Er gründete in Brag eine 
Schule für dramatiichen Gejangsunterricht, wurde Director der 
Sophienafademie, nahm aber 1860 die Capellmeifterjtelle an der 
Oper in Rotterdam an, wo er am 7. Febr. 1872 ftarb. Ein 
Jahr vorher Hatte er noch einmal fein Vaterland befucht und 
zur Erholung im Benedictinerflofter zu St. Margareth geweilt. 
F. Skraup's Capellmeifter-Beriode hat der Prager Oper manchen 
Ehrenabend gebradht. Die bedeutendften Opern, welche in den 
Yahren von 1837 bis 1857 dem Repertoire eingefügt wurden, 
waren bon ihm meifterhaft ftudirt, das Orcheſter befand ſich in 
glänzender Verfaſſung. Pilatowig, der noch immer eminente 
Slarinettift, der Violiniſt Mildner, Ferdinand Laub, der geniale 
Violinvirtuofe, der Celliſt Träg u. U. verdienten fi unter ihm 
ihre Sporen. Skraup dirigirte mit Präcifion und wußte ftrenge 
Disciplin zu halten. — Sein Bruder Joh. Nep. Sfraup, der 
noch heute rüſtig als Domcapellmeifter bei St. Veit auf dem 
Hradſchin wirkt, wurde ebenfalls zu Wofig, wo der Vater der 
Skraup's Schullehrer war, am 15. Sept. 1811 geboren, wurde 
18* 


— 276 — 


am 15. Dec. 1836 Chordirector und Stellvertreter des Dirigenten 
der Cechifhen Opern, nad) Stegmayer zweiter Capellmeiftec und 
Chordirector am dentfchen Landestheater, welche Stelle er mit 
Unterbrechungen einige Decennien hindurch befleivete. Seine Ber- 
dienfte um die Kirchenmuſik find befannt. Auch er war als Opern: 
componift thätig. Als in Deutihland ein Preis für die befte 
Dper auf den Text „Liebesring” ausgefchrieben wurde, concurrirte 
auch J. N. Skraup und fand lobende Anerkennung. Außerdem 
componirte er eine deutiche Oper „Vineta“ und die dechiſche „Die 
Schweden vor Prag" (Tert von Pelirfa und Züngl), beide von 
enischiedenem Zalente, wenn auch nicht fünftlerifcher Vollendung 
zeugend. Als Director der Sophienafademie wirkte J. N. Skraup 
von 1844 bi8 1849, bei St. Veit wurde er 1845 Chorbirector, 
Ipäter Domcapellmeijter. — ‘Der hochverdiente Orchefterdirector 
Piris war am 20. Oct. 1842 im 57. Lebensjahre geftorben. 
Die Familie Piris ftammte aus dem Badischen. Der Vater des 
Prager Orchefterdivectors, Friedrich Wild. Pixis, war 1770 Or: 
ganift der reformirten Kirche in Mannheim md Schüler des Abt 
Bogler, auch Compofiteur; fein älterer Sohn war eben unfer 
Piris, fein jüngerer, Johann Peter (geb. 1788), erwarb ſich als 
Pianift einen bedentenden Auf, componirte 150 Werke (meilt 
Soncertftücde und Sonaten, auch zwei nicht hervorragende Opern) 
und war der Wdoptivvater der Sängerin Francilla Pixis. Er 
jtarb am 21. Dec. 1874 in Baden-Baden, 86 Jahre alt. In 
Friedrich Wilhilm Piris verlor Prag eine. feiner bedeutendſten 
muſikaliſchen Capacitäten, einen unermüdlichen Pfleger und För⸗ 
derer der Kammermuſik.*) 


*, Der volllommene Berjonalftand der Brager Oper war 
1839: Dir. und Unternehmer J. U. Stöger, Regiffeur des Schaufp., 
der Op. und Poſſe Hr. Ernft. — Tapellmeifter Hr. Straup. Orkhefter- 
directoren und Solofpteler Piris und Rral, Hr. Miltner (f. Sole 
fpieler. — Mad. Czegka von Auernhammer, Gelangslehrerin. — 
Sänger: Bed (Tenor), Brava (Uushilfsrollen), Demmer (Spieltenor), 
Emminger (hoher Tenor), Kunz (Baryton), Podhorsky (tiefer Tenor), 
Preifinger (GBaßbuffo), Stralaty (tiefer Bah),. — Süängerinen: Die. 


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Bei Beurtheilung der Leiftungen der Stöger’fchen Oper unter: 
ſchieden die Prager ftreng zwei Abfchnitte: jenen vor 1837 und 
den zweıten von 1837 bis 1846. Den erften Abſchnitt Hatte 
man gewiljermaßen als die „goldene Hera" der Stöger’schen Oper 


Eichen (Sopran), Die. Groſſer (hoher Sopran), Mad. Podhorsky (Mezzo- 
fopran), Dlle. Zöllner (Rocalfängerin). — Chorperjonale: J. N. Skraup, 
Chordirector; Duffek, Chorinfpicient; Chorfänger: Czeska, Dlauhy, 
Farsky, Hrufchla, Nicolai, Pekarek, Pohl, Roſenberg, Ruppert, Schimmel, 
Schmidt, Spieß, Stephani, Bechtiel; Chorjängerinen: Dlles. Tetter, 
Tücher, Sieb, Jakſch, Lorch, Lorenz, Neuhof, Nicolai, Otto, Suchanef, 
Weisbach, Zolini, Mesdames Leners, Skalny, Spieß, Tordel. — Ballet- 
perfonale: Balletmeifter Raab; Ballet-Orchefter-Director Fiſcher; Solo: 
täuzer Yeigert, Leners; Mimiler Hametner, Nofenberg, Schmidt; Solo- 
tänzerinen Dlle. Fiedler, Mad. Springer; Figuranten Hunka, Klempfner, 
Kneiſel, Holly; Figurantinen Died. Breyer, Fonkel, Janauſchek, Kneiſel, 
Muffil, Oberrand, Schmidt, acht Kinder. — Decorationd-Mafchinerie- 
und Sarberobeperjonal bed Theaterd: Mösner, Decor. u. Maler; 
G. Weber, Theatermeifter, Mafchin.- u. Beleucht.-Infpector; J. Weber, 
Schnürmeifter; Hutterer, Obergard.; Mad. Baulino, Obergarberobiere, 
Swoboda, Frifeur. (Schanfpielperfonal fiehe Seite 230.) 

Im J. 1843 regiftrirte man: Reg. d. Oper u. Pofle Breifinger, 
Sapellm. 3. Straup, 1. Orcheſterdir. Miltner, 2. Orcheſterdir. Kral, 
Dirigent der Balletmufit Fiſcher. — Sänger: Brava (Bahp.), Demmer 
(Spieltenor), Emminger (bober Tenor), Runz (1. Bar. u. Baßp.), Mayr 
(1. Tenorp.), Podhorsky (tiefe Tenorp.), Breifinger (Baßbuſſo), Roſenberg 
(Heine Tenorp.), Schätky (hohe Baßp.), Stralaty (tiefe Baßp.). — Sän— 
gerinen: Die. Groffer (1. hohe Sopranp.), Die. Ködert (Sopran und 
Soubr.) Mad. Podhorsky (Mezzofopr., Bravourfängerin), Mab. Raab 
(Localjäng.), De. Senger (Sopranp.). — Chorperjonale: Chordirector 
Negedly, Ehorinfp. Rofenberg; Chorfänger Bunzmann, Ghalupa, 
Czeska, Duffel, Farsky, Hynel, Mar, Nicolai, Ofterauer, Bohl, Ruſchek, 
Schimmel, Schmidt, Stephan, Zechtiel. — Chorfängerinen: Dies. 
Duffel, Eberle, Fiicher, Gieb, Jakſch, Lorenz, Weisbach, Mesdames Hynek, 
Leners, Neuhof, Preidler, Zechtiel. — Orcefter 40 Mitgl., Theater: 
diener Dominik Oberthor, Orchefterbienerin Anna Oberthor. — Ballet: 
Ballet» und Pantomimen- Meifter Paolo Rainoldi. — Tänzer: Caldi 
(1. Solot.), Feigert, Hika, Kneiſel d. &. u. j., Lennerd, Nolly, Bohl, Zettel. — 
Damen: Mad. Springer (1. Solot.), De. Janauſchek d. ä. u. j. Dies. 
Fanicel, Kanturek, Kneiſel, Rineſch, Schmidt d. ä. u. j., Mad. Pohl. — 
16 Eleven in ber Tanzichule. 


EEE a En 1 Pr Zus Hi u m 


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im Gedächtniffe, iiber die Leiſtungen in den jpäteren Jahren brach 
man mit rafchem Urtheil den Stab. Die Gerechtigkeit dieſes 
Urtheils erfcheint uns indeß nicht ganz erwiefen. Es ift wahr, 
die goldenen Tage waren mit der Luger, mit Pöck, mit dem über- 
ſpannten Ausftattungslurus u. |. w. dahin, die vorzüglichften alten 
Kräfte konnten dem Zahne der. Zeit nicht vollfommen widerstehen, 
und die New-Acquifitionen waren nicht immer als „Gewinn“ zu 
betrachten; es ift wahr, Stöger Huldigte der materialiſtiſchen 
Richtung, hielt fi) an das, was Cafja machte, und nicht immer 
an das, was das Fünftlerifche Intereſſe erheifchte — das Alles 
joll nicht bejtritten werden; heutzutage, wo wir vom ftreng ob» 
jectiven Standpunkte in die Vergangenheit zurüdbliden, müſſen 
wir aber aud) zugeftehen, daß Stöger's Oper aud) in ihrer Nieder: 
gangsperiode von der rührigen Thätigkeit ihres Leiters Zeugniß 
ablegte. Die Erfolge wurden bejcheidener, weil die Bejegungen 
nicht mehr auf alter Höhe ftanden, und die ftarf geleerte Di- 
rectionscaſſa konnte einen gefteigerten Ausftattungspomp, nach dem 
die verwöhnten Prager verlangten, nicht mehr beftreiten. Daß 
jedoch — nach heutigen Begriffen — Manches und Gutes ge- 
leiftet wurde, möge ein Blick auf das Novitätenrepertoire ber 
fraglichen Periode beweifen, welcher ja eine rafch und ftarf pro» 
ducivende Zeit wefentlich zu ftatten Fam. Donizetti, Auber, Halevy, 
Adam, Lortzing, Marfchner und Meyerbeer waren wohl die zu- 
verläfligiten Mitarbeiter einer Opern-Direction, und die Prager 
Direction verjchloß Feiner Stylrichtung, Feiner nationalen Richtung 
in der Oper ihre Bühne. 

Wir beginnen mit einem in doppelter Hinficht intereffanten 
Abende, der allerdings noch in die Mera der Wirkſamkeit Pöck's 
fällt, dem des 24. Juni 1837. Man gab zum Benefice des 
Ehepaars Podhorsky die neue Oper „Der Berggeiſt“ unter der 
perjönlihen Leitung des Componiften Ludwig Spohr. Neben 
den Namen Beethoven’s, Haydn's und Mozart's wurde in den 
damaligen mufifalifchen Soirken Prag's auch jener Spohr's ge- 
nannt, deſſen „Fauſt“ und „Jeſſonda“ zugkräftige Nepertoire- 
Dpern waren. Die Kunde, daß der beliebte Tondichter, der auf 


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einer Badereiſe nach Prag gekommen war und jchon einer Bor: 
ftellung feiner „Jeſſonda“ im ftändiichen Theater beigewohnt hatte, 
ein neues Werk felbft dirigiren werde, hatte felbftverftändlich das 
Haus in allen Räumen gefüllt. Als Spohr im Orchefter ſichtbar 
wurde, begrüßte ihn ftürmifcher Beifall, der fich mehrmals wieder- 
holte, als fich der Componiſt dankend gegen das Publicum ver- 
neigte. Auch im Laufe der Vorftellung wiederholten ſich Beifall 
und Hervorrufe, obwohl der bizarre Tert und die nicht eben her- 
borragende Muſik ziemlich Talt ließen. Spohr heimfte eigentlich 
nur die Erfolge feines „Fauſt“ und feiner „Jeſſonda“ ein. — 
Am 6. December desjelben Jahres hatte eine zweite Novität, 
Donizetti's „Hugo von Paris" einen ebenfalls fchwachen Erfolg. 
Die nächſte Neuigkeit, Halevy's „Jüdin“, welche am 25. Juli 1838 
ihren Einzug in Prag hielt, wäre beinahe an Bejegungsverhälts 
niffen total gejcheitert. Zwei wejentliche Partien, die Sarah 
damalige Bezeichnung für Necha) und der „Graf Arnauld“ (Reichs⸗ 
fürft Leopold) waren in unzuverläfligen Händen. Dile. Eichen, 
die erſte Recha in Prag, war der großen Aufgabe nicht gewachjen 
und überdies unpäßlic, Beck als Wrnold oder Leopold unzu- 
länglich, Demmer gab fich redliche Mühe, den Eleazar zur Gel: 
tung zu bringen; wirflid) gut aber waren nur die Podhorsky 
(abella, oder nach dem heutigen Perjonenverzeichnig Eudoxia) 
und Kunz (Comthur oder Kardinal). Wie man fieht, hatte die 
Cenſur jorgfältig Alles Hinweggeräumt oder modificirt, was in 
der Handlung nur einigermaßen anftößig fein konnte. Der „Reichs⸗ 
fürft" fiel und wurde zu einem „Grafen Arnauld“, der „Car⸗ 
dinal” zu einem „Comthur”, felbjt die Prinzefjin Eudoxia und 
Recha hatten fich in eine Iſabella und Sarah umwandeln laſſen 
müſſen. Später gewann die „Jüdin“ durch die Neubefebung der 
Sarah mit der Großer, aber erft allmälig gelang es der Halevy- 
ſchen Oper, fich im Repertoire der Prager Bühne einzubürgern. 
Niemals gelang dies Lortzing's Tomifcher Oper „Die beiden 
Schügen”, (9. October 1838) einem der ſchwächeren Werke 
diefes Componiſten. „Lucia, die Braut von Lammermoor“ wurde 
am 27. October 1838 von der Podhorsky creirt (Emminger- 


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Ravenswood, Beck⸗Arthur). Das nächte Jahr (1839) brachte 
zunächit eine Novität von Defjauer, den „Beluch ven St. Cyr“ 
(zum erſten Male am 31. Jän.), der jedenfalls als das Werk eines 
begabten einheimijchen Componiften bedeutenderes Intereſſe be: 
anfpruchte; die Oper war ein feines muſikaliſches Luſtſpiel im 
Style Auber’3 und Herold's, die an den Sänger ebenfo hohe 
Anforderungen ftellte als an den Schaufpieler und deshalb ſchwer 
zu befegen war. Deſſauer hatte Geiſt und Geſchmack in der Be: 
tonung der nach Bauerufeld bearbeiteten, am Hofe Ludwig’s XIV. 
ipielenden Handlung an den Tag gelegt, die Direction eine glän— 
zende Ausstattung beigeftellt. 

Einige Wochen fpäter (19. Febr.) kam Auber's „jchwarzer 
Domino” mit der Podhorsfy als Angela, Demmer als Maſſarena 
und Kunz als Juliano an die Weihe, am 12. März Adam’s 
Oper „Zum treuen Schäfer”, am 18. Mai „der Barifer Peru- 
quier", Zert von Ylanard und Duport, Muſik von Thomas, 
befonders gehalten durch Demmer’s köſtlichen „Flechinel“; Adem's 
„Brauer von PBrefton" (23. August) brachte Demmer als „Dantel" 
einen neuen Triumph, er machte Glück im Spieltenorfache. Am 
4. Oct. folgte Marſchner's „Templer und Jüdin,“ deren Pre 
miere in Bezug anf Eojtüme, Scenerie und Comparferie an die 
glänzendften Erfolge der erften Stöger’schen Directionsjahre erin- 
nerte. Bejonderen Effect machte die Anordnung und Befegung 
der Tribünen, von denen das „Volk“ auf das Gottesgericht 
herabfah. In den Ballets ragten Feigert und Mad. Springer 
hervor. Die. Großer entfaltete die volle Kraft ihrer Stimme 
als Rebecca; ihr jecundirten Kunz-⸗Guilbert, Emminger-Ivanhoe, 
Strafaty-Großmeijter, Demmer-Wamba u. U. Die Oper war 
ein entjchiedener Gewinn für das Repertoire. Sechs Open 
novitäten in Einem Jahre ſprachen — nach unferen Begriffen — 
überhaupt für die Thätigkeit der Opernleitung. 

Diejelbe Regſamkeit machte jich 1840 bemerkbar. Den Reigen 
eröffnete eine Novität des damals Repertoire-beherrſchenden Do— 
nizetti, deſſen Genre die Kritik ebenſo eifrig als erfolglos zu 
bekämpfen gewohnt war. Donizetti's „Antonio Grimaldi" (nach) 


* 


— 231 — 


Bilderas’ „Marino Yalieri”), den mar am 12. Jäner 1840 in 
Prag ah, Hatte übrigens nicht das Glück der „Lucia“. Am 
1. Febr. fah man eine halbe Novität, Cherubini’s feit Decennien 
nicht mehr gegebene „Medea“, mit der Großer in der ftimm- 
verwüjtenden Titelrolle, am 16. Fehr. Paër's ebenfo lauge aus: 
gejegten „luſtigen Schufter” mit der Podhorsky als Luiſe, im 
März die Schwache Oper „die Felfenmühle von Eftalieres" von 
Miltig und Neijjiger, am 3. April mit der Groſſer nach ehr 
langer Pauſe Herold's „Marie”, am 30. Mai aber wurden bei 
gedrängt vollem Haufe aufgeführt „vie Shibellinenin Bifa”, 
große Oper in 5 Acten nach dem Franzdfifchen des Scribe deutſch 
bearbeitet von Georg Ott zu der Muſik der „Hugenotten" 
bon Meyerbeer. Mit Spannung ſah Alles der Novität entgegen, 
deren Handling von der Cenfur in der umfafjendjten Weiſe iu's 
Harmloje fiberjegt worden war. Bon der Bartholomäusnadht und 
den Schreden des franzöfiichen Religionsfampfes war nirgends 
die Rede. Raoul, der „Fatholifche Edelmann”, war in einen deutfchen 
Nitter und das „Haupt der Ghibellinen in Piſa“ verwandelt. 
Ihm gegenüber ftand der Welfenhauptmann Bernardo Bisconti 
(St. Bris), deilen Zochter Beatrice (die „Valentine“ Scribe’s) 
an „Varna, den reidjiten Piſaniſchen Welfen“ (Nevers) vermält 
war. Aus der pifanten „Margarethe v. Valois“ war eine „Fürſtin 
Iſabella“, aus dem eingefleifchten Hugenotten Dlarcell ein „eins 
gefleifcht ghibellinifcher Knappe Marcellus“ geworden. Statt der 
Katholiten und Proteſtanten ftanden fih alfo Ghibellinen und 
Welfen gegenüber, und daß es bei einem derart unterlegten Texte 
nicht an Widerfinnigfeiten fehlte, iſt leicht begreiffih. Die Vor— 
ftellung dauerte, obwohl das Zigennerlied, dann das Eröffnungs— 
balfet und die darauf folgende Arie Raoul's im fünften Acte 
weggelajjen war, volle vier Stunden und gereichte der Direction 
und Regie, dem Capellmeiſter und den Darftellern zur Ehre. Man 
jah, daß Alles gethan worden war, m die Niefenaufgabe zu be- 
wältigen. Tie Bodhorsty war die erjte Königin (damals Iſabella), 
die Großer die erjte Valentine (Beatrice), Demmer der erfte Nevers 
(Barna), Emminger der erfte Raoul, Kunz der erjte Marcell, 


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Strafaty der erjte St. Bris (Visconti) in Prag. As Beatrice 
glänzte in eimer der nächiten Repriſen die Hafjelt-Barth. Die 
Prager nahmen Meyerbeer's Schöpfung mit ſtürmiſchem Beifall 
auf; der Soldatenchor und der Zigeunertanz mußten bei ber 
erſten Vorftellung wiederholt werden; ſpäter erjuchte eine eigene 
Annonce am Zettel, Da Capo-Rufe zu unterlaffen, um nicht die 
Borftellungen allzu fehr zu verlängern. — Eines ebenfall3 durch- 
Ichlagenden aber nicht anhaltenden Erfolges erfreute fi Halevy's 
„Blitz“ (3. October). Weiftmantel meinte in einem Extempore, 
im ftändifchen Theater habe der Blig eingefchlagen. Hatte „der 
Blig eingeſchlagen“, fo erlebte die nächjte Novität Halevy's, „Der 
Sherif" (am 27. Nov.) einen entfchiedenen Durchfall. Dafür 
wurde das Jahr noch mit einer großen That beichloffen, der erften 
Aufführung von Marſchner's „Hans Heiling" (30. Dec.). 
Die Oper fprah noch mehr an als „Templer und Syildin”; 
die impofant-dilfteren Geifterchöre im Gegenfage zu den gemüth- 
ih frohen Enjembles der Erdbewohner verfehlten ihre Wirkung 
nicht. Kunz war in der Titelrolle einmal mehr als ftimmgewal: 
tiger Sänger; er war auch in den jchwierigen Charakter Heiling’s 
eingegangen und fpielte effectvoll. Emminger gab den Konrad, 
die Großer als Beneficiantin die Anna; die Königin der Erd— 
geifter war in den Händen einer nicht unbegabten aber noch 
unreifen Debutantin, Die. Therefe Blod. 

Das Jahr 1841 brachte fünf Opernnovitäten. Am 30. April 
eröffnete Halevy's „Guido und Ginebra, oder die Belt in Flo⸗ 
renz“, mit Bed als Guido, der Großer als Ginevra,- der Pod⸗ 
horsky als Nicciarda den Reigen. Mit großartigem Ausftattungs- 
aufwand ging am 27. Auguſt Auber’s „Zanetta” mit der Großer 
in der Zitelrolle in Scene, Dank der guten Leiftungen unb 
der Auber'ſchen Muſik mit hübſchem Erfolge. Wenig Eindrud 
machten Donizetti's „Römer in Melitone” (16. October). Glück— 
licherweife folgte ſchon nach drei Wochen (5. November) eine 
Novität, die ſich bis heute friih am Repertoire erhalten bat, 
Lortzing's „Car und Bimmermann". Die Oper batte, trefflich 
bejegt und gegeben, einen vollen Erfolg. Breifinger fchuf den 


— 283 — 


Ban Bett äußerſt ergöglih; Kunz als Car, Demmer (Beneficiant) 
als Iwanow, Emminger als Marquis und die Großer ala Marie 
gaben ein tadellojes Enfemble. Am Schluffe des Jahres (15. Dec.) 
feierte der Heutzutage über Gebühr vergeſſene Mercadante einen 
Triumph in Prag mit feiner tragischen Oper „Gabriele Vergy“. 
Ein Hauptverdienft daran hatte freilich Francilla Pixis, welche, 
damals 24 Jahre alt, in der Titelrolle ald Saft Hervorragendes 
leiftete.. Die Wahnfinnsfcenen des legten Actes konnte Feine Künſt⸗ 
lerin fo überwältigend geben als Francilla Pixis, deren Erfolge 
in „Gabriele Vergy“ zahllos waren. 

Den eriten bedeutenden Novitätenabend im Jahre 1842 hatte 
die Prager Oper mit „Zucrezia Borgia" (16. März) zu 
verzeichnen, eingeführt von der Podhorsky, welche den Orſino 
für Brag creirte. Die Titelrolle ſchuf die Großer, den Alfonfo 
Kunz, den Gennaro Emminger. Die Aufnahme der Oper war 
eine ſolche, wie fie nur die beften Donizetti’ichen Werke in Prag 
fanden. Desjelben Maësſtro „Marino Falieri" kam am 
28. April zur Aufführung. Die Premiere der Oper erhielt ein 
befonderes Luftre durch die Mitwirktung der Luger als Ellena. 
Die Beifallsftürme, mit denen diefer Gaſt beehrt wurde, waren 
nicht zu zählen; nach dem erſten und lebten Acte flatterten 
aus den oberen Räumen Exemplare eines Lobgedichtes auf die 
Heldin des Tages herab. Die Gänge, Sprünge, Fiorituren und 
Trillerfetten, mit denen Jenny blendete, wurden enthuſiaſtiſch auf- 
genommen. In Auber's „Krondiamanten" (13. Aug.) glänzte 
die Podhorsky als Theophila, die Herrmann als Donna Diana, 
Demmer als Santa Cruz. Lortzing's „Hans Sachs" (8. Oct.) 
brachte es troß der vortrefflichen Befegung (Sachs-Kunz) zu 
feinem entjchiedenen Erfolge, eben fo wenig Reiſſiger's Oper 
„Adele de Foix“ (mit der Großer in der Titelrolle, am 14. No» 
vember). Erſt „Marie, die Tochter des Regiments", die 
fh am 7. December in Geſtalt der Großer allerliebjt einführte, 
fiegte auf. allen Linien. Die Großer hatte faum noch einen 
glänzenden Erfolg gehabt, neben ihr brillirte Preifinger als 
Sulpiz, Schütfy als Hortenfio, der Beneficiant Demmer als 


— 284 — 


Zonio. Die „NRegimentstochter” erlebte in raſcher Aufeinander⸗ 
folge etliche Dugend Aufführungen, und jo oft ihr Trommelwirbel 
ertönte, war das Haus gefüllt. 

Das intereffantefte Opernereigniß des Jahres 1843 war die 
freilich ſtark verjpätete erſte Aufführung von Gluck's „Kphigenie 
auf Tauris“ mit der Stödel-Heinefetter (10. Februar). 
Der Erfolg war ein glänzender, leider blieb es aber bei Einer 
Aufführung der fo ſpät gekommenen, glänzend aufgenommenen 
Dper; erſt 1846 brachte die Heßneder noch zweimal Iphigenie 
auf die Bühne. Die anderen Novitäten des Jahres waren mehr 
weniger belanglos. Netzers „Mara“, das Erſtlingswerk eines 
heimischen Componijten (zum 1. Mal am 10. November), ver: 
ſprach viel für die Zukunft, war aber eben Erjtlingswerf, „Bianca 
und Elaifa” (il giuramento) von Mercadant: (24. März), Auber’s 
„Herzog von Olonne“ (15. Aug.) und die Operette „Marie, Mar 
und Michel” (von einem anonymen Antor) fonnten ſich nicht bes 
haupten. — Das nächſte Jahr (1844) brachte nur drei Opern- 
novitäten: am 3. Febr. Lorging’s „Wildſchütz“ zum Beten 
der Großer (Baronin). Die Oper gab dem waderen Brava 
Gelegenheit, als Schulmeifter Baculus Stürme von Heiterkeit zu 
erregen. Am 17. Februar brachte Dlle. Ködert Auber’s „Teufels 
Antheil" auf die Prager Bühne und fpielte jelbft den Carlo 
munter und gewandt. Donizetti's „Linda von Chamounix“ 
wırde am 23. Wpril von der Podhorsky in Prag eingeführt und 
brachte der Beneficiantin glänzende Erfolge, — 1845 gab «8 
ebenfall8 nur drei Novitäten: zunächſt Balfe's „vier Haimons— 
finder" (zum Benefice Damcke's am 15. März). Die heroiſch— 
romantifhe Oper „Zamora“ von Joſeph Heller, die am 
21. Juni an die Reihe fam, war ein annehmbares Erftlingswerl 
heimischer Arbeit mit ebenfoviel Vorzügen als Schattenfeiten. Der 
Componift, eine in Prager mufifalifchen Kreifen bekannte Ber 
fönlichkeit, Tungixte als Secretär bei der damaligen kak. Cameral- 
Sefällenverwaltung. Durch förperliches Leiden der Gejellichaft 
theilweife ferngehalten, trieb er mit Eifer Muſik und verfügte 
über ein refpectables muſikaliſches Wiffen. Nach einigen Monaten 


— 285 — 


der Ruhe und Stilfe auf dem Gebiete der Oper gab es ein 
Ereigniß. Flotow 3 „Stradella" hielt am 21. November 
jeinen lang erwarteten Einzug in Prag. Damde fang die 
Zitelrelfe, ohne fie mit feinem nicht eben impofanten Organ zu 
voller Wirkung zu bringen; die Großer, welche abermals zu der 
intereflanten Novität als Beneficiantin Bathe ftand, war die erjte 
Zeonore, Kunz nnd Emminger brillante Banditen, Strafaty gab 
den Bali, der madere Clarinettift Pijatowig excellirte in der 
virtuofen Begleitung des Ständchens. „Stradella” hatte einen 
glänzenden Erfolg und erlebte in wenigen Monaten zahlreiche 
Reprifen. Später brillirte Tichatichet als Gaſt in der Titelrolle. 
Das feltene Experiment der Schwarz, welche mit ihrer herrlichen 
Altjtimme den tenoriftifchen Helden übernahm, wurde bereits er- 
wähnt. Dieje Oper war überhaupt, abgefehen von Auber’s „Si- 
rene”, die am 7. Jan. 1846 erjhien nnd Dlle. Kirchberger als 
Berline einen hübſchen Erfolg brachte, die legte große That 
Stöger's in feiner erſten ‘Directionsperiode. 

Daß man aud) in der fogenannten Nicdergangsperiode der 
erften Stöger'ſchen Direction auf operiftischem Gebiete dem dolce 
far niente nicht huldigte, wird man aus diefer Novitätenrevue 
entnommen haben. Daß aber troß dieſer Novitäten-Reihe die 
wirkliche Ausbente an gediegenen Nepertoire-Opern nicht inner 
groß war, wird der Direction nicht allein in die Schuhe zu 
Ihieben fein. Eine mwahrhaftige Dede im Wepertoire trat nur 
vereinzelt, bedingt durch widrige Verhältnijfe und bejondere Ver: 
fegenheiten der Direction, ein. Wir Modernen find in den An— 
ſprüchen an die Zahl der Opernnovitäten zurücgegangen, und auch 
das normale Repertoire der 40er Jahre, das neben Donizetti, 
Marſchner, Lorking, Auber, Bellini, Spohr, Adam, Halevy, 
Flotow, Herold, Reiſſiger, Meyerbeer auch Mozart, Mehul, 
Spontini, Iſouard u. |. w. ihren Raum gönnte, erfcheint uns in 
bei weiten weniger düſterem Lichte als den Zeitgenojjen. Unter- 
lafiungsfilnden gab es freilich auch, und mit dem Donizetti⸗Cultus 
war die ernfte deutſche Kritif ſehr unzufrieden. Und gerade in 
Prag war in jenen Zagen die Mufikkritif glänzend vertreten. 


VE UT NT TE U a TE 2 Mn ann oo. EEE u m eesnneuii 
| 


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Das Urtheil Bernhard Gutt's*) in der „Bohemia” wurbe weit 
außerhalb Prags rejpectirt. Welche edle Richtung, echt Fiinftlerifche 
Tendenz und Strenge Gutt in feiner kritiſchen Thätigkeit einhielt, 
beweift die folgende Klage, die er in feiner Weberficht über die 
Leiftungen der Oper im Jahre 1845 ausſprach: 

„Die Zahl der aufgeführten Opern betrug 81 und vertheilte ſich 
ziemlich gleich zwilchen die dentſche, franzöfiihe und italienifche Schule; 
fehen wir aber nad dem Entfcheidenden, nad ber Zahl der Aufführungen, 
ſo drängt fich fogleich das alte leidige Webergewicht der neuwälſchen Muſik 
wieder auf. Für die deutſche Oper entfallen 29, für die franzöftiche 25, 
für die italienifche 53 Abende. Man findet in dem Repertoire „Linda von 
Chamounix“ 11mal, Gluck's „Fpbigenie” Zmal, „Norma“ 7mal, „Don 
Juan“ Imal, „Lucrezia Borgia” mal, „Titus“ Imal, „Belifar” 6mal, 
„Figaro's Hochzeit” Imal. Nur „Strabella” mußte es auf die Zahl ber 
Muſen zu bringen, und durch eine wunderliche Laune des Schidjald kam 
ihm die „Zauberflöte“ nahe. Spohr ift im Strome der Zeiten unter: 
gegangen. Fidelio haben wir längft vergeflen; daß Weber außer dem , Frei⸗ 
ſchützen“ einige gar nicht üble Sachen jchrieb, willen wir aus dem Schilling: 
ſchen Pläter, von der Eriftenz eines gewiſſen Lindtpaitner, Marfchner u. |. w. 
gehen dunkle Gerüchte um, und ich glaube jogar, Mozart wäre verfchollen, 
wenn er nicht ein glücliches und in Prag oft genug wiederholtes Wort 
gejagt hätte, Donizetti ift der Manu der Zeit, Donizetti für immer...“ 


*) Bernhard Gutt ftammte aus Nirborf in Böhmen, war von ſeinen 
armen Eltern für den geiftlihen Stand beftimmt, beichäftigte ſich aber ſchon 
in der „Bhilojophie” zu Prag mit befonderer Vorliebe mit Muſik⸗ und dem 
Studium moderner Spraden und trat ftatt an bie theologifche an bie 
medicinifche Facultät über, ein Schritt, der ihn jeder Unterftügung beraubte, 
fo daß er, vom Hunger getrieben, ſich entſchloß, das Handwerk feines Vaters, 
die Scheereufchleiferei, zu ergreifen und zu feinen in Potsdam angefiedelten 
Eltern abzureifen. Zum Glück gelang es edlen Freunden, ihn noch recht⸗ 
zeitig von der Wanderfchaft abzubringen und ihm einige Lectionen zu ver⸗ 
Ihaffen, u. U. audy bei den Kindern des Aeſthetikers Prof. Anton Müller, 
nach deſſen Tode ihm fein nengewonnener Gönner Dr. Rudolf Haafe dad 
Referat über Theater und Muſik in der „Bohemia“ übertrug. Yranz 
Klutſchak und Bernhard Butt haben diefes Blatt damals bereits auf 
eine bedeutende Höhe gebracht, das Kunfturtheil der „Bob.“ ift maßgebend 
geblieben in Prag. Als „Recenfenten” wirkten in Stöger's Zeiten no 
der nachmalg berühmte Mufilichriftfteller Ambros, der Dichter Uffo Horn, 
W. U Gerle, Graf Lanjus (damals k. k. Cameral⸗-Concepts⸗Prabti⸗ 
kant) u. U. 


— 287 — 


Bon den Gaſtſpielen gilt in der Hauptfache für die Oper 
dasjelbe, was wir bei der Beſprechung des Schaufpiels bemerkten: 
illuſtre Künjtler und Künftlerinen, daneben Mittelmäßigfeiten und 
Debuts in Menge. Erſt gegen Schluß der Direction trat Beſſerung 
ein. Man hörte 1837 außer der Luger noch den von früher 
befannten Zenorijten Dams, der aber nicht mehr recht durch⸗ 
greifen konnte, und im December Tichatjchef, der damals nach 
Dresden in jein Engagement ging und auf der Durchreife zweimal 
fang, aber, im Gebrauche feiner colojjalen Mittel beengt, die Prager 
noch nicht erwärmte.*) 1838 erjchien Schmezer, der berühmte 
Chapelou, Arthur (in Straniera), Nemorin, Titus u. |. w., in 
mehr als zwanzig Vorftellungen als Gaft, 1839 die Stödel- 
Heinefetter und die Luger in ihren Ölanzrollen, 1840 die Haſſelt— 
Barth (Donna Anna, Norma, Antonina in Belifar, Beatrice in 
den „Ghibellinen“ u. ſ. w.), die Bodgorjchel, eine der gewaltigften 


*) Joſef Tich atſchke (dies iſt fein richtiger Name) iſt am 11. Juli 1807 
zu Wedelödorf in Böhmen, einem burd) feine „Felſenſtadt“ berühmten 
Orte, ald ber Sohn bes armen Webermeifterd Wenzel Tichatfchel geboren, 
lernte die Elemente der Muſik von dem tüchtigen Schulmeifter und Or⸗ 
ganiften Joſ. Wittich und erregte durch fein Talent und feine felten fchöne 
Stimme ın der Heimat Aufmerkſamkeit. Die Lehrer Franz Kopp und 
Wittich und der Pfarrer Hermann berathichlagten über die Zukunft des 
Knaben, und bem Pfarrer gelang ed, nad entſprechender Vorbereitung 
Tichatſchek's deflen Aufnahme unter die Chorfänger an ber Abteilirche zu 
Braunau zu erwirken. Unter ber Leitung der würdigen Benedictinermönde 
bildete ſich der Knabe nun am Stiftägymnalium aus, während Lehrer Kopp 
den Gejangsunterricht befurgte; mit Wohlgefallen hörte man bei Figural⸗ 
meſſen die ſchöne Altſtimme des Heinen Tichatſchek, allmälig wurde biejelbe 
zum Tenor, Tichatſchek aber kam durd) Vermittlung des Pfarrerd Hermanı 
vom Symmafium an bie militärifch-mebiciniiche SFofeph3-Alademie nad) Wien, 
wo er aber mehr ald Tenorift denn ald Mediciner von fich reden machte. 
Der Chorbirector am Kärtnerthortbeater und Regenschori an der Barna⸗ 
bitenfirhe zu S. Michael, Weinkopf „entdedte” gewiffermaßen die ganz 
außergewöhnliche Bedeutung feiner Stimm-Mittel. Nun nahmen die Zu: 
reden, „zum Theater zu gehen”, täglich überhand; Tichatſchek, der fich 
ohnedies zum Militärarzte nicht geichaffen fühlte, that endlich den ent- 
ſcheidenden Schritt und wagte am 16, Jäner 1830 fein „erftes Debut“ 
als — ChHorift beim Kärnthnerthortheater. Gleichzeitig nahm er Lectionen 


TUT TA TEE TU uU Un a ET - ums 5 Zen 


— 2833 — 


Altijtinen ihrer Zeit, die neben der Haſſelt-Barth (Julie) den Romeo 
fang, aber auch ein ſeltenes Experiment zum Bejten gab, indemfie den 
Othello, eine ausgeſprochene Herrenpartie, fang. Und die Bod— 
gorſchek fang nicht nur großartig, fondern fpielte audy mit afrıfa- 
niſcher Gluth, und was das Intereſſe an der Vorſtellung nod) 
erhöhte: im enter Loge jaß einer der merfwürdigiten Männer 
feiner Zeit, Fürſt Püdler-Musfau. In demfelben Jahre concer- 
tirten Mofcheles und Dreyſchock im ftändifchen Theater. 1841 
fangen der taliener de Bezzi, der ftimmgewaltige, aber jchon 
ftart bergab gehende Breiting, der ebenfalls Schon verbliihende 
Wild, dann Francilla Pixis, die geniale Mezzofopranijtin. 
Trancilla Pixis (geb. 1816 zu Lichtenthal bei Baden-Baden) war 
als Waife von Peter Piris, dem Bruder des Prager Orcheiter: 
Directors, adoptirt worden, hatte deijen Namen angenommen umd 
war von ihn forgfältig herangebildet worden. Anfangs Concert: 
jängerin, ging fie 1834 zur Bühne, feierte im Münchener Enga- 





im fogenannten italienischen Geſange bei Cicimara und erhielt durch be- 
befondere Protection Gelegenheit, fich etliche Male auch in Meinen Solo⸗ 
Rollen zu zeigen, wobei fein dominirender Tenor nienald verfehlte, die 
Leute nad) jeinen Namen neugierig zu machen. Im Jahre 1834 trat er 
fein erſtes Engagement als Heldenteuor am ftändilchen Theater in Graz 
an, und im Sturme eroberte er fih die Sympathien des Publicums, defien 
erklärter Liebling er blieb. Ein Gaftipiel in Wien hatte weniger fenjatio: 
neilen Erfolg, die Dresdner Hoftheaterleitung aber machte Tichatſchek einen 
brillanten Autrag, und 1838 309 der Sänger in Elbe-Florenz ein, ba3 
nun jeine zweite Heimat blieb, da3 ihn im Zenith des Ruhmes ftolz fein 
eigen nennen durfte. Auf der Durchreife ließ ſich Tichatſchek am 28. Dec. 1337 
in Prag ald „Arthur“ in der „Unbekannten“ von Bellini hören. Man 
rühnıte feine angenehme Erſcheinung, feinen ſchönen Wuchs und ferne ge: 
fällige Geſichtsbildung; au feinem Tenor die feltene Kraft, Fülle und 
Bieglanıkeit, deren echt dramatiſcher Gebrauch in jeder Partie dag Bublicum 
für ihn gewinnen müſſe. Bei einzelnen Momenten gab c& ftürmijchen 
Beifall, im Allgemeinen aber war der Erfolg fein großartiger, da eine 
Indispoſition dem herrlichen Organ Feſſeln anlegte und and) die >yort: 
fegung des Gaſtſpiels unmöglid” machte, Erſt nad 9 Fahren erſchien er 
wieder in Prag. Mittlerweile hatte fein Name die Runde durch Deutich: 
“land gemadt, er war Deutſchlands „erfter und einziger Tenor“ geworben. 
Als ſolchen werden wir ihm noch begegnen. 











— 289 — 


gement Trinmphe, gaftirte in Dentjchland, Paris und London, 
wirkte von 1839 an in Neapel, von wo fie eben 1841 nad) 
Deutſchland fam. Später heiratete fie einen italienischen Nobile 
und zog Sich ins Privatleben zurüd. — Als Concertijt ließ 
ih 1841 Ole Bull in Prag hören. 1842 kamen die Lutzer, 
neben welcher als Brinz.Negent ihr damals 2Ojähriger Bruder 
jang, Schmezer, Pöck, Schütky (wurde engagirt), Ehlert (Tenor: 
Debut), Mad. Drefjler-Pollert u. A.; 1843 abermals die Stödel- 
Heinefetter, dann in drei Gaftipieleyclen die Berliner Hofopern- 
längerin Dile. TZutzet, eine liebliche Erfcheinung, deren Negiments- 
tochter Aufjehen machte und die noch im einer Serie anderer 
Rollen (Ungela im „ſchwarzen Domino“, Amina in der „Nacht: 
wandlerin”, Suſanne, Theophila in den „Krondiamanten” u. f. w.) 
entzücte. Die Biardot-Garcia fang zweimal, mit großem 
Erfolge, wenn man auch in vieler Hinficht der Lutzer den Vor⸗ 
rang vor ihr zuerkannt. “Der intereflantefte Gajt im nächften 
Jahre war ein Sänger, der in Böhmen geboren, auch in Prag 
unter Stöger die Fünftlerifche Laufbahn betreten hatte, deſſen Ruf 
nun aber ganz Deutichland erfüllte — der Barytonijt Johann 
Baptift Piſchek. Zu Mſcheno bei Melnit am 14. Ortober 1814 
geboren, hatte er das Auguftiner-Öymnafium in Böhntich-Leipa 
bejucht und ſchon dort als Altift am Chore gefungen. In Prag, 
wo er Bhilojophie jtudirte, fang er in der Minoritenflofter-Kirche 
zu St. Jacob; bereits im 17. und 18. Jahre wurde aus feinen: 
Alt ein Fräftiger Baß. Die erſte Theatervorftellung, die er fah, 
war der „Barbier von Sevilla" mit Pöck, der ihn fo entzüdte, 
daß er fogleich den Figaro ftudirte und ein Jahr fpäter bei Capell- 
meiſter Triebenjee Probe fang. Die Arie Triftans aus Jeſſonda“ fang 
er vortrefflich, jo daß ihn der Stimmenjäger Stöger auf der Stelle 
auf fünf Jahre engagirte. Am 24, Juli 1835 abfolvirte Piſchek 
ala Drovift in „Norma" in einer Gaftvorftellung der Heinefetter 
fein Debut am ftändiichen Theater mit Glücd;*) aber auch Die 


*, Den Verlauf dieſes Debut3 bat Piſchek felbit in humoriſtiſcher 
Weiſe gefchildert. „Das fremde Gewand,” — erzählte er oft von dieſem erften 
Verſuch — „der lange Bart, Alle um mich her mit Farben auf dem Gelichte, 

19 


— 2% — 


üblichen Theaterintriguen begannen, man bintertrieb fein Auftreten 
in großen Rollen, und erjt nad vier Monaten durfte er den 
Ambrofio im „Nachtlager" fingen. Neben Pöck war in Prag fein 
Bla für Piſchek; er begehrte im Februar 1836 feine Entlaffung, 
die ihm von Stöger und Triebenfee ungern gewährt wurde. Nach 
langen Schwanfen, nachdem er fogar vie Landwirthſchaft verfucht 
hatte, machte Piſchek einen neuen Verſuch auf der Bahn der 
Kunst, ging nad) Wien, vermochte aber troß der Bekanntſchaft 





da3 Haug von Studenten überfüllt (ich felbft war Juriſt im erſten Sabre), 
die vielen Zanıpen, dazu eine Partie, die meiner Stimmlage nicht zufagte 
— das Alles brachte mich in einen Buftand, der mir buchftäblidy den 
Athem benahnı. Endlich Fam der verhängnißvolle Moment des Auftretens: 
Stöger mir zur Rechten, die gute Norma (Heinefetter) zu meiner Linken, 
glich id einem Delinguenten, den man zum Hochgerichte führt. Als ich 
nicht hinauswollte, gab mir meine Tochter Norma einen foldyen Stoß, daß 
ih wie betäubt hinaustaumelte. Hurrahgeſchrei und Applaus von allen 
Seiten donnerten mir entgegen, — da vergingen mir vollends die Sinne, 
vor meinen Augen tanzten in Schlangenlinien die Rampen des Prosceniumis, 
drebte fi) das ganze Publicum. Ich wollte wieder untfehren, aber Stöger 
fchrie mir ein „Zurüd!” entgegen, das ich ewig hören werde. Das war 
ber gräßlichite Moment in meinem ganzen Leben, und noch begreife id 
nicht, mit welcher Dreiftigkeit jo oft Anfänger die Bühne betreten. Wie ich 
gefungen, was für Nctionen id) dabei gemacht, weiß ih nit. Man fagte 
mir, dad Bublicum habe mich jehr aufgeinuntert, habe mid) jogar gerufen. 
Das Alles war aber völlig ausgelöjcht in meiner Erinnerung...“ Piſchek 
war unermüdlich. Zu Haufe, in der Garderobe, Hinter den Couliſſen fang 
er vor einer Voritellung dutzendmal feine Partie, und nach der Vorftellung 
zeigte er erft in einem Nadjfingen feiner Stimme „die Ruthe” für begangene 
Fehler. Im Eifer bed Spieled ging er fo weit, daß er 3. B. bei Bor: 
ftellungen des „Nachtlager“ ſaſt regelmäßig Gabrielens Tänbchen in der 
Hand todtdrüdte. Seine Körperfraft war außerordentlich; er zerriß Tpielend 
ein ganzes anfeinanderliegendes Kartenjpiel mit einem Ruck der Finger. 
Dabei war er fauft wie ein Kind — jelbft in Momenten höchiter Erregung. 
„Wenn man mid) zum Wenßerften treibt,“ rief er einft wuthſchäumend, 
„und jeder Schonung meiner Küuſtlerehre jpottet, fo wage ich das Letzte 
und thue, fo wahr ich lebe — einen Fußfall vor Sr. Maj. dem Könige!“ 
— Im %. 1863 wurde er, erft 49 Jahre alt, peufionirt, aber noch oft jang 


er (1865 in Prag den Rigoletto) und am Vorabend feined Todes (1873) 


ichleppte er fi noch einmal zu feinen geliebten Flügel und ſaug ſein 
Schwanenlieb. 


— 291 — 


mit Wild und Conradin Kreuger nicht einmal als Chorift unter- 
fommen. Erſt 1838 in Brünn Teuchtete ihm ein günjtiger Stern. 
Durch Zufall — der Barytonift war durdigegangen — bekam 
er den Richard in den „Puritanern“ zu fingen, achte Effect, 
wurde (mit 500 fl. jährlich) engagirt, kam 1839 nach Wien zu 
Pokorny, 1840 nach Frankfurt a. M., 1842 in das lebensläng⸗ 
liche Engagement nad) Stuttgart. Als Piſchek am 30. Juli 1844 
als „Prinz⸗Regent“ wieder die Prager Bühne betrat, wurde er 
begrüßt wie ein Triumphator. Der Jubel wollte fein Ende 
nehmen. Piſchek's Organ war ein Baryton von markfiger Fülle 
und einem unbejchreiblihen Wohlklange. Er ſchlug das große b 
offen und jonor, das eingejtrichene a mit überwältigender Kraft, 
Freiheit und Reinheit mit der Bruft au. Dies herrliche Material 
wußte er, Danf einer tüchtigen muſikaliſchen Bildung, künſtleriſch 
zu verwerthen. Mit eifectvollem Wirken durch die Contrajte der 
Stimmfraft war er ſparſam, dafür war, wo er fie anbradıte, die 
Wirfung eine großartige. Er ſang in ununterbrochenem Fluße, 
und fein Gefang war feelifch belebt, durchglüht von Gefühl und 
Begeifterung, fein Spiel echt dramatiſch. Wie ev Meifter jeder 
einzelnen Note war, fo durchorang er das mufifaliiche Element 
mit dem dramatiichen — er lieferte Ganzes und Vollkommenes. 
Zum Abſchiede zeigte ſich Piſchek an 25. Auguſt 1844 in Ddiefer 
Sphäre und imponirte namentlich mit dem gewaltigen Vortrage der 
Uhland'ſchen Ballade „Des Sängers Fluch“ (Muſik von Eifer). — 
Im %. 1845 hörte man (am 8. April) den jungen Baſſiſten 
Drazxler aus Graz (jpäter Wiener Hofopernfänger) ala Rector 
in „Zinda von Chamounix“, die Hegneder aus München und 
(im September) die geniale Marietta Alboni vom Scala-Theater 
in Mailand, damals unter den Fittichen Merelli's auf ihren erſten 
großen Touren begriffen. Sie präfentirte fich den Prager zum 
erjten Male in einem felbftändigen Concerte auf der Sophieninfel. 
Unvergleichlich ſchön war ihr reiner, runder und voller Ton, wohl 
unerreicht der Umfang ihres Organs, einer jelten gehörten, ent- 
ſchiedenen, markigen Altjtimme. Diefes Organ war bis zur Bollendung 
gefchult, bemunderungswiürdig ausgeglichen; in die flüffigite und 
19* 


— 292 — 


zierlichjte Coloratur gebrochen, hatte e8 doch wieder im Portamento 
eine mächtige hinreißende Breite und eine Gewalt, die dem erhabenften 
Ausdrude gewachſen war. Entfejlelte jede Nummer ihres Concerts 
Beifallsſtürme, jo wuchs der Alboni⸗Enthuſiasmus, als die Künft- 
lerin (nachmals Gräfin Bepoli) auf den Brettern des Landestheaters 
einige ihrer Ölanzpartien, ven Maffeo Orfini, den Romeo in der 
Baccajichen Oper „Romeo und Julie“ (ein Act) und Arien oder 
Scenen aus anderen Opern zum Beften gab. Die Alboni bewegte 
fih auf ber Bühne äußerft ungezwungen, beinahe nadjläfjig wie 
unter guten alten Belannten. Ihre Soli ſchmetterte ſie ausſchließlich 
ans Bublicum heraus, ftatt in den Grenzen der Oper zu bleiben, 
jo daß fie ſelbſt immer außerhalb verfelben zu ftehen fchien. 
Lieferte die Alboni auf diefe Art in der Oper eigentlih nur 
Solo-Productionen effectvollen Concertgefanges, jo kehrte fie 
andererfeitS in ihren Concerten durch eine weitgehende Mimik 
die Opernjängerin heraus. Die Alboni-Enthufiaften — und das 
waren wohl Alle, welche fie gehört hatten — wurden im nächſten 
Jahre durch einen zweiten Befuch der Diva erfreut. Sie war die 
legte bedeutende Gaſtin, welche Stöger in feiner erften Directiongära 
den Pragern vorführte. 

Mit „theatralifchen Verſuchen“ war Stöger — von einigen 
Ausnahmen abgefehen — bekanntlich nicht ſparſam. Jedes Debut 
hatte erfahrungsgemäß wenigftens den Erfolg eines zahlreichen 
Theaterbefuchs, und das war filr Stöger maßgebend. So war e8 
3. B. die fichere Ausficht auf ein ausverfauftes Haus, welche ihn 
dazu beftimmte, einen gewillen Kraus, eine damals jtadtbefannte 
Prager Perjünlichkeit, zu Debuts zuzulaſſen. Kraus hatte von 
feinem Vater zwei ftattlihe Häufer am Roßmarkt und damit ein 
Vermögen geerbt, zu defjen Vergeudüng es einer gewiſſen Genialität 
bedurfte. Kraus, der „Herzog vom Roßmarkt”, wie man ihn nannte, 
befaß diejes Genie, er wufch fich buchftählich im Champagner die 
Hände. Auf diefe und andere Weife war der „Herzog vom 
Roßmarkt“ fein Geld, feine zwei Häufer und fchließlich eine feiner 
Mutter ausgefeßte Leibrente los geworden uud entdedte nun ben 
Beruf zum Künftler in ſich. Stöger erhörte fein Flehen und ließ 


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— 293 — 


ihn zu einem Auftreten als Pietro in der „Stummen von Portici" 
zu. Da der Director die Schwäche feines Debutanten für geiftige. 
Getränke kannte und ihn nicht vollkommen beraufcht auf die Scene 
Schicken wollte, jperrte er ihn den ganzen Tag vor dem Auftreten 
in feine Wohnung ein und maß ihm die Nahrung fo diät als 
möglich zu. Am Abend war das Haus ausverfauft. Kraus wurde 
mit Halloh empfangen und bei jeder Gelegenheit mit derb-ironifchem 
Beifall überjchüttet, jo daß der ZTheaterfcandal in aller Form 
infcenirt war. Die Xheaterauffichtscommiffion ertheilte Stöger 
einer ſtarken Verweis, was aber nicht hinderte, daß Kraus nach 
einiger Zeit noch zu einem Debut in einer Poſſe zugelaflen 
wurde — mit ähnlichem Erfolge wie in der Oper. Immer mehr 
herabgekommen, muficirte und bettelte Kraus nun als „Künftler" 
in Wirths- und Privathäufern und verfam im Elend als Bettler.... 
Solche und Ähnliche Debut Tonnte man Stöger eben nur ver- 
zeihen in Anbetracht der zahlreichen wirklichen Kunſtgenüſſe, die 
er Prag zu bereiten wußte. 


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— 294 — 


XII. 


Das Htöger’fhe Theater in der Roſengaſſe und die cedifhe 
Bühne unter SHtöger. 


Stöger als Ziegelbrenner. — Set Neubau in der Rofengajfe. — Eriver: 
bung des Reboutenprivilegiumg für deufelben. — Die erfte Redoute im neueu 
Haufe. — Concerte. — Verzicht auf das Redoutenprivileg. — Beitrebungen 
zu Gunſten einer cechifchen Bühne. — Stöger vor einer finanziellen Slatas 
ftrophe; die Santrung. — Das Redontengebäude wird Theater mit bent- 
ſchem und cechiihem Reperteire. — Eröffnung des Roſengaſſe-Theaters 1842; 
das Haus. — Cechiſche Eröffnuimgsvorftellungen. — Das deutſche Repertoire: 
„Der Zauberſchleier“ und fein heiteres Gefolge. — Dolt ald Träger des 
Repertoires; Diegelmann und das übrige Perſonal. — Differenzen mit 
der Auffichtscommiflion wegen Vernachläſſigung des ftänd. Theaters. — 
Die Verhältniffe des cechilchen Theaterd. — 3. ©. Kolar. — Joſ. Eajetan 
Tyl. — Solar und Tyl im Haudgemenge. — Das cechiſche Schaufpiel: 
und Opernperfonal. — Stöger's Bemühungen für den Auffhmung der 
cehifchen Bühnenliteratur. — Niedergang der cechiichen Bühne. — Apathie 
des Publicums. — Neftringirung der tehifchen Borftellungen,; Auflaffung 
derjelben. — Maßregeln gegen das Theater in der Rofengaffe vom Stand- 
punkte der Feuergefährlichkeit. — Verbot der Mitwirkung ſtändiſcher Schau⸗ 

ipieler. — Sperrung der Bühne und Anflöfung der Gejellihaft.) 

Stöger’3 Speculationsgeijt fam nie zur Ruhe. Als zu Ende 
der Dreißiger Jahre der Belgier Lefire, welcher am Joſephsplatze 
ein Walfischikelett zur Schau geftellt hatte, um Namen einer bel: 
giſchen Gefellichaft ein Patent für eine Ziegelfabrik ausschrieb, 
bewarb ſich Stüger, der einen der landtäflichen Höfe in Wylocan 
gefauft hatte, darum, errichtete in Wyfocan Ziegeleien und betrich 
nun mit befonderer Paſſion die Ziegelbrennerei. Das Landes- 
theater hatte dieſe nene Leidenschaft Stöger’3 zu büßen. Tage 
lang weilte der Director in Wyfocan, und die Kunſt mußte hinter 
der Ziegelbrennerei, von der ſich Stöger goldene Berge verjprad), 
zurüdtreten. Zum rechtsgiltigen Belige der Wyſocaner Realitäten 
fehlte Stöger aber noch eine Hanptbedingung: die Landtafel- 
fähigkeit; dieje fuchte er nun mit dem Prager Bürgerrechte und 
das letztere durch den Ban eines Prager Haufes zu erwerben. 


— 295 — 


So entjtand das Gebäude des Stöger’fchen Theaters in der 
Rofengaffe (Nr. 955—U.), das heute einer mit der Kunft nicht 
eben zufammenhängenden aber jehr praftiihen Beftimmung geweiht 
ift — es beherbergt das k. k. Berfatamt. Bei Stöger's Unterneh: 
mungsgeijt ließ fi) erwarten, daß fein Haus fein Dutzendbau 
werden würde, und in der That erhob fich der Stöger’sche Neubau 
als ftattliher Palaft, welchen man damals den hervorragendſten 
Neubauten Prag's beizählen konnte. Daß diefe gewaltigen Dimen- 
jionen des Neubanes der Directionscajfe durchaus nicht zuträglich 
waren, läßt ſich begreifen. Mit einem Vermögen von 40.000 fl. C. M. 
hatte Stöger die Prager Theaterumternehmung angetreten. Aber 
bald war die Landestrauer gefommen, deren beträchtlicher Nach— 
theil durch eine äußerſt geringfligige, kaum nennenswerthe Ent- 
Ihädigung durchaus nicht aufgewogen wurde; der Theaterumbau 
foftete mit Inbegriff der Gagenzahlung während der Theaterſperre 
70.000 fl. C. M., mit welcher Summe die dem Director vom Lande 
bewilligte Baufchalabfertigung von 16.700 fl. C. M. in feinem Ver: 
hältniſſe ftand. Beziffert man die Gefchäfte, welche Stöger mit glän- 
zenden Novitäten, Gäſten u. |. w. machte, noch jo hoch, — feine finan⸗ 
ziellen Verhältniſſe konnten durch al’ diefe Opfer, durch den koſt— 
Ipteligen Neubau in der Roſengaſſe, durch den beimeitem nicht 
Incrativen Gang der Ziegelbrenmereien nur verichlimmert worden 
fein, ja Stüger wäre ſchon an dem Neubau in der Nofengafje ver- 
blutet, hätten fich nicht zur vechten Zeit Käufer fiir die Wyſocaner 
Realitäten gefunden. Um dem neuen Haufe feine Bedeutung zu 
fichern und damit feiner Familie einen Vermögensſtaud zu erwerben, 
hatte Stöger getrachtet, fiir den mit großen Saallocalitäten aus- 
- gerüfteten Nenban dag Nedoutenprivilegium zu erhalten, das 
befanntlich mittelft HoftanzleidecretS vom 23. März 1831 auf das 
jtändifche Iheatergebäude übertragen worden war. Stöger hatte 
e8 bier, wie wir gejehen, ausgeübt, aber fchon nad) den erjten 


NRedouten im Theater waren Uebelſtände in fchwerer Menge. 


and Licht getreten. Die Redouten hatten eine Unterbrechung der 
Theatervorſtellungen im Gefolge, der Abgang aller Nebenlocalitäten 
machte ven Aufenthalt in dem XTheaterjaale zu einem äußerft 





— 2% — 


monotonen, und der Brettergang, der auf die Dauer der Redoute 
vom Theatergebäude zur „Zraube” geführt wurde, fonnte im 
Falle einer Feuersgefahr zu einer traurigen Kataftrophe führen. 
In Erwägung dieſer mannigfachen Mißſtände wurde fchon 1837 
in der Theateranffichtscommifjion der Entfchluß laut, das Brivi- 
legium auf die Dauer des Stöger’jchen Eontractes zu verpachten 
und eine Concurrenz auszufchreiben. Nichtsdeftoweniger hielt 
Stöger im Laufe des Carnevals 1838 die drei Nedouten auf der 
Färber⸗(Sophien⸗)Inſel und drei an den lebten Fafchingstagen 
im Landestheater, wobei man wieder den bedenflichen Gang zur 
„Traube“ wandeln mußte. Im October des nächſten Jahres aber 
reichte Stöger ein mwohlmotivirtes Geſuch um Verpachtung des 
Reboutenprivilegiums auf jechzig Jahre für fi) und feine Erben 
als Befiter des Haufes Nr. 955—IL ein. Angefichts der erwähnten 
Uebelftände war die Theaterauffichtscommiffion nicht abgeneigt 
dem Geſuche zu willfahren, und zwar gegen die Verpflichtung der 
jeweiligen Privilegiumsinhaber, 12 Percent des Neinertrages an 
den Theaterunternehmer zu zahlen. Als Stöger 1840 nochmals 
um definitive Erledigung feines Gejuches bat, erfolgte die Ent- 
jcheidung, das Privilegium jei ıhm nad feinen Erben auf dreißig 
Jahre zu bewilligen, ein Gefuch der übrigen Prager Saalhälter 
um Bulaffung zur Concurrenz aber abzumeijen. 

Im Jänner 1841 ftand das Gebäude vollendet da und 
wurde am 24. Jänner bei Gelegenheit der erften Redoute dem 
Publicum eröffnet. Mit ftaunenswerther Schnelligkeit Hatte fich 
der Bau (geleitet vom Architekten Joh. Heinr. Frenzel) erhoben. 
Am 6. Mai 1840 war der Grundftein gelegt, im Spätherbfte 
das Gebäude bereit unter Dach gebradht worden, und nun 
präfentirte e8 fi in feinem vollen Glanze. 1380 Berfonen 
waren verjammelt, um der erjten Nedoute oder eigentlich der 
Eröffnung des neuen Stöger’schen Haufes beizumohnen. Ueber 
die Einrichtung war man des Lobes voll. Der Saal ſelbſt war 
bedeutend länger und breiter als der Sophieninjelfaal und um 
drei Klafter höher als das ftändische Theater. Drei Reiben Kron- 
Teuchter neben- und drei Reihen Wandkränze übereinander erleuch— 


— 297 — 


teten ihn mit taufend Kerzen, in weldyem Lichtmeere ſich die reiche 
Malerei bejonders effectvoll ausnahm. Wings um den Saal liefen 
mehrere erhöhte Reihen von Bänfen, und an den Wänden 
prangten große Spiegel, welche Später durch Niefenfpiegelfenfter 
erjegt wurden. Drei Stocdwerfe gingen rings um den Saal; in 
den beiden unteren waren zufammen 64 Logen, das dritte war 
eine offene Galerie mit mehreren Banfreihen übereinander, auf 
welcher das Ball-Orxchefter und 1100 Perſonen untergebracht 
werden konnten (im ftändiichen Theater nur 500). Die Logen, 
namentlich die oberjtburggräfliche, waren elegant ausgejtattet, 
ebenfo die Bondoirs, Garderoben, Maskenzimmer u. f. w. In 
aht Spiel: und Nuhezimmern war für die Bequenlichkeit des 
Bublicums gejorgt. Aus dem Saale führten zwei Stiegen in das 
Cafe- und Rauchzimmer hinab, das von Säulen getragen war 
und zwei Billard enthielt. Jede Etage, auch die Galerie, hatte 
ihr eigenes Speifezimmer. Alle Zocalitäten konnten 5000 Perſonen 
bequem aufnehmen. Uffo Horn meinte in jeinem NRedoutenberichte: 
„Der Saal ift großartig, prächtig und ſchimmernd; ein akuſtiſches 
Meifterftid. Man follte Stöger eine Bürgerfrone votiren fir 
diefen ftolzen Bau, der feines Gleichen in den Hauptftädten 
Europas fuche." Den Reigen der mufifalifchen Akademien, welche 
fortan ebenfo wie auf der Färber-, feit 1841 Sophieninfel nun 
auch im Stöger’fchen „Redoutengebäude“ ftastfinden follten, er: 
öffnete am 27. Febr. 1841 der berühmte Ritter Ole Bull mit 
einem Concerte, in welchem ex in einer freien Phantaſie „Gruß 
aus der Ferne” ergreifende Töne der Trennung und des Wieder 
jehens anfchlug. Diefem oncerte ließ er am 6. März noch ein 
zweites folgen, das feine „Erinnerung an Prag“ in drei Sägen 
(mit den Weberfchriften „Nacht”, „Morgenroth" und „Zag") 
bradhte. Nicht Tange übrigens blieb der Stöger’fche Saal feinem 
eriten Berufe, Redonten, Bällen und Concerten, getren. Der 
Befuh der Nedouten hielt ſich durchaus nicht auf der Höhe der 
erften, welcher die Ieidige Neugier das größte Contingent an Bes 
fuchern zugeführt Hatte. Die Bälle hatten fich zumeift auf der 
Sophieninfel eingebürgert, und für die Concerte fchien die von 


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— 238 — 


Horn gerühmte Akuſtik nicht entfprechend genug. Sp waren die 
glänzenden Hoffnungen, welche bei dem Prunke der Eröffnungs- 
redoute in der Bruſt Stögers Teimen mochten, bereits tief herab: 
geftimmt. Dazu fam eine Scharfe Differenz, welche wegen der Ver: 
leihung des Redoutenprivilegiums an Stöger zwilchen dem Oberjt- 
burggrafen Chotek und den Ständen zu Tage getreten war, Es 
machten fi) gewichtige Stimmen unter den Lebteren geltend, 
welche das Pachtgeſchäft als von zu einfeitigem Nutzen für Stöger, 
von entjchiedenem Nachtheile aber fir das Land darftellten, und 
Stöger — durch dies Alles entmuthigt und niedergedrückt — 
verzichtete 1841 förmlich auf das Redontenprivilegium. Mittler: 
weile war freilich in ihm ein anderer Entſchluß gereift, der feinem 
neuen Saalgebäude cine höhere Bedentung geben follte. Ange 
fpornt von einer Anzahl „national" geſinuter Prager Bürger, 
hatte er die Idee gefaßt, der Erjte an die Errichtung eines 
cehifhen Nationalthbeaters zu gehen. 

Als Stöger nach Polawsky, Kainz nıd Stepanek die Direc- 
tion des ſtändiſchen Theaters übernahm, behandelte er die contract: 
lich feftgefegten dechiſchen Nacmittagsvorftellungen an Sonn- und 
Feiertagen ziemlich nebenſächlich. Stepanef, deſſen nationaler 
Sinn und eechiſcher Dichterruf bei der Sache engagirt war, 
hatte bei Neuengagement3 von Künftlern denjenigen, welche auch 
des Cechiſchen mächtig waren, den Vorzug gegeben und überdies 
verwendbare Dilettanten für die techifchen Vorftellungen zu gewinnen 
gewußt, fo daß er anftändige Schaufpielvorftellungen und namentlid) 
eine achtbare cechiſche Oper hergeftellt hatte. Bei Stüger's ‘Directions- 
antritt verlor fich dieſes Enſemble großentheils. Die Treugebliebenen 
ipielten unter Stepaͤnek's Regie weiter, fo gut es ging; für bas 
Repertoire forgte der Regiſſeur mit feinen Weberjegungen franzd- 
ſiſcher Melodramen und Wiener Volkspoſſen, deren Localiſirung 
oft ein haarſträubendes Cechiſch ergab. Die eechiſche Oper krankte 
an dem Mangel eines eechiſch-redenden Tenors und kam in Folge 
dejjen kaum über einige Opernfragmente und Quodlibets heraus.*) 


*) In cehifhen BVorftellungen wurden verwendet vom ftänbifchen 
Perjonale: die Herren Brava, Feiftmantel, Fiſcher, Grabinger, Hametner, 


— 2199 — 


Hie und da nahm fich der lieben Popularität wegen ein deutjcher 
Sänger die Mühe, den cechifchen Text einer Oper auswendig zu 
lernen und wie ein Papagei mit dem fataljten Accent herunter: 
zuiingen, welche Aufopferung für die „nationale“ Sache von dem 
dankbaren Sonntagspublicum ſtets mit enthufiaftiihem Beifall 
anerkannt wurde. Unter diefen Verhältniſſen waren natürlich die 
Klagen der cedjischen Literaten, welche das Erwachen des natio- 
nalen Bewußtſeins forgfältig fürderten und priefen, groß. Man 
betonte die Nothweüdigkeit eines cechijch-nationalen Theaters und 
motivirte fie mit dem ſtarken Beſuche der Sonntag⸗Nachmittags⸗ 
Borftellungen von Seite des Volkes, fowie mit dem wachfenden 
Intereſſe der gebildeten Mittelelajfe an der Entwidelung des 
cehijchen Theaters. Stöger war mit den eigentlichen Prager 
Verhältniſſen zu wenig vertraut, um fich nicht von diefer Noth- 
wendigfeit und von der Erjprießlichkeit der Sache überzeugen zu 
laſſen und fein neues Haus in der Roſengaſſe der cechischen 
Muſe zu weihen. Die Stände bewilligten fein Anſuchen, die 
cehiichen Vorſtellungen und außerdem die deutjche Poſſe in dies 
Privattheater verlegen zu dürfen, um fo cher, als die Nachmittags: 
Torftellungen, denen die deutschen Abendvorjtellungen ftetS auf dem 
Fuße folgten, mannigfache Störungen ergeben hatten und die 
Poſſe, als der Würde des ftändifchen Theaters nicht angemeflen, 
löngft einer Berpflanzung auf einen anderen Boden bedürftig 
erihien. Auch ftand dieſer Eonceflion fein Hinderniß im Wege, 
da die Stände feinerzeit die nod) filr andere Theater neben dem 
ſtändiſchen beſtandenen kaiſ. Privilegien angefauft hatten. 





Bel, Podhorsky, Strafaty, Nicolai, Zechtiel, die Damen Manetinsiy, 
Schikaneder, Groſſer, Podhorsky, Fiiher, Nicolai, Skalny, Zechtiel, ſämmt⸗ 
liche Herren und Damen vom Chor. Die übrigen Darfteller waren Dilet— 
tanten. Bom 1. Oct. 1838 bis 30. Sept. 1839 fanden 33 cechilche Vorftel: 
lungen Statt. Man gab u. U. „Lear” (über]. v. Tyl), „Käthchen von Heil: 
bronn“, (überſ. Filiped, „Bezähnte Widerſpenſtige“ (überf. Stepanef), 
„Sungfran voun Orleans“ (über). Machaczek), „Macbeth“ nad) Schiller (über]. 
Kolar), „Breciofa” (ũberſ. Tyl), die Schaufpiele: „Jaroslaw Sternberg”, 
„Waife und Mörder”, „Die Kärntner in Böhmen” von Stepänef, die 
Opern: „Blaubart” von Grötry, „Norma“ u. f. w. 


— 300 — 


Aber ſelbſt als die Bewilligung im Princip fchon ertbeilt 
war, jchien dag ganze Project zerfallen zu wollen. Stöger’s finan- 
zielle Verhältniffe Hatten ji nach vollendeten Bau, als die Ein- 
nahmen von Nedonten, Concerten u. |. w. dem glänzenden Be: 
ginne nicht entjprechen wollten, immer mehr verjchlimmert; er 
ſchien vor einer Rataftrophe zu jtehen. Kein Ausweg wollte fich 
ihm öffnen, fo daß er feine Zuflucht zu einem Majeftätsgefude 
nahm, worin er dringend bat, fein neuerbautes Saalgebäude 
möge ihm entweder von den Ständen des Königreichs Böhmen 
abgelöft oder zur Öffentlichen Ausſpielung allerhöchſt bewilligt 
werden. Der Staatsminifter Graf Kolowrat forderte in Folge 
defjen den Oberftburggrafen Chotet zur Eröffnung der Anſicht 
auf, wie Stöger geholfen werden könnte. Graf Chotek ließ durch 
die Stadbthauptmannfchaft eine umfaſſende Erhebung über Stöger’s 
finanzielle Zage pflegen, welche zu der Weberzeugung filhrte, daß, 
wenn Stöger nicht hilfreiche Hand geboten würde, er ein Opfer 
feiner Gläubiger werden und die Xheaterunternehmung einer 
plöglichen Auflöfung entgegengehen müßte. Stöger war durch 
Wechfelfchulden, die noch dazu mit hohen Verzugszinfen belaftet 
waren, hart bedrängt. Seine Realitäten vepräfentirten allerdings 
einen Werth von etwa 160.000 fl. €. M., feine Garderobe, 
Bibliothek, Decorationen u. |. w. einen Werth von 25.000 fl. €. M., 
fo daß feine Activen auf 185.000 fl. C. M. veranfchlagt werden konnten; 
doch waren diefe Actiobeftände nicht jo leicht in Baargeld umzu⸗ 
jegen, um die Bafliven von 161.843 fl. C. M. zu deden. Auch 
war fein Credit zu tief erjchüttert, um irgendwo ein baares Dar- 
leben gegen billige Zinfen zur Zahlung feiner Schulden zu ermög- 
lichen. Der mild und billig denfende Oberftburggraf erwog nun, 
daß das Bffentliche Intereſſe die Aufrechterhaltung der Theater: 
unternehmung erheifche, zumal, wenn Stöger Crida anfagen 
müßte, gegen feine Perſon executiv vorgegangen, die Theatercaſſa 
von den Gläubigern mit Befchlag belegt, die Theatergeſellſchaft 
aufgelöft und der Noth überliefert werden könnte. Graf Chotef 
erwog ferner, daß fpeciell die Stände, welche zur Erhaltung eines 
guten Theaters verpflichtet find, durch Stügers Fall an Anfeben 





— 301 — 


verlieren müßten, daß der Eredit des Theaters finfen wurde, die 
Uebernahme des jtändischen Theaters in eigener Regie aber einerjeits 
nicht thunlich, andererfeits ſehr gefährlich wäre; auch fprächen viele 
NRüdfichten file Stöger, zu deſſen Unglüd die Landestrauer und der 
Umbau des ftändifchen Theaters beigetragen hätte. Nach alledem 
empfahl Graf Chotef entjchiedene Hilfe für Stöger. Von einer 
Ablöfung oder einem Ankaufe des NRofjengafje-Haufes fünne aller: 
dings keine Nede fein, doch könnte Stöger ein unverzingliches 
Darlehen gewährt werden, welches durd) das vorhandene Theater: 
inventar hinreichend gededt fei. In diefem Sinne ſchlug die Theater: 
aufſichtscommiſſion, zu deren Bräjidenten am 12. April Fürft 
Karl Auersperg ermwählt wurde, eine Abfindungsfumme von 
20.000 fl. C. M. als Entichädigung für die Stöger durch den 
Umbau des Landestheaters erwachſenen Koften und pecuniären 
Nachtheile vor. Eine ſolche Summe wäre geeignet gewejen, Stöger 
zu retten. rleichtert athmete er auf; nur zu bald aber erfolgte 
der Schlag, der alle feine Hoffnungen vernichtete. Ein Landtags- 
beſchluß entfchied, Stöger fei für den Umbau nicht weiter zu 
entihädigen, da er außer der urjprünglichen ftipulirten Paufchal- 
jumme von 3500 fl. C. M. noch für Mehrherftellungen eine Nach- 
tragsvergütung von 7800 fl. C. M. erhalten babe, hinfichtlich der 
Zandestrauer aber zur Ergänzung des Vergitungsbetrages von 
800 fl. noch mit 952 fl. 14 Tr. entjchädigt worden ei. | 
Man Tann fich denken, in welche Bedrängniß Stöger durch 
diefen Beſcheid gerieth. Eine Piftolenkugel fchien die einzige Ret— 
tung aus dieſem Labyrinthe des Mißgeſchicks. Da bot ein wackerer 
Freund feine hilfreiche Hand, und noch einmal arbeitete ſich 
Stöger, der halbverlorene, empor. WU’ feine Hoffnung war nun 
auf die IUmgeftaltung feines Weboutengebäudes in ein Theater 
gerichtet. In Furzer Zeit war diefe Umwandlung mit dem YWuf- 
wand von 20.000 fl. C. M. beendet, und das neue Theater prä- 
jentirte fich ehr elegant und geſchmackvoll. Das Geſuch, darin 
jeden Sonntag Nachmittag und zwei Mal in der Woche Cechifche 
Abend-Borftellungen und an den übrigen Abenden deutſche Poſſen, 
Bantomimen und Kleinere Vorftellungen geben zu dilrfen, wurde 


— 302 — 


Stöger für die Dauer jeiner jtändiichen Theaterunternehmung und 
mit Webertragung der noch immer für das chemalige Kleinfeitner 
Theater bejtehenden Conceſſion auf das Roſengaſſe-Theater be- 
willigt. Nur knüpften ſich an dieſe Concefjion die Bedingungen, 
daß er feinen Solofänger und feinen Darjteller von Hauptrollen 
ohne bejondere Erlanbniß der Theateraufſichts-Commiſſion in feinem 
Theater verwenden dürfe, mit Ausnahme folcher, die ausdrücklich 
für diefe Bühne engagirt wären, daß er kein deutſches Stüd 
zum erften Male in der Roſengaſſe aufführe, ausgenommen folche 
Stüde, welche im ftändifchen Theater nicht zugelajien würden und 
endlich, daß er feine Decorationen von der legteren Bühne in 
feinem Brivattheater verivende. 

Am Sct. Wenzelstage (28. Sept.) 1842 öffneten jich zum 
ersten Male die Pforten des aus dem Stöger’fchen Medoutenfaale 
erwachjenen „neuen Theaters in der Roſengaſſe“. Wieder füllten 
ih alle Ränme des Hanſes, und des Staunens über die gründ- 
liche Umwandlung, die fich vollzogen, war fein Ende. Das berg: 
angehende Barterre des neuen Theaters war zwar um 10° kürzer 
als das im ftändifchen, dafür" aber um 20° breiter, jo daß jeine 
Breite (volle 10 Klafter) die damals größten Theater Wiens 
übertraf. Es hatte zwei Sperrfite mehr als das Barterre des 
jtändifchen Theaters, d. h. alfo 252, und fahte eine weit grüßere 
Anzahl von ſtehenden Zuſchauern. Die erſte Galerie enthielt 
19 Logen, die zweite 154 Sperrfige, Außerdem gab es nod) eine 
dritte Galerie. Im Theater überhaupt fanden 2500 Menſchen 
Platz. Die Beleuchtung, die von Berliner Hoftheatermafchinijten 
gelieferten Meafchinerien und Flugwerke waren äußerſt praftijch 
eingerichtet, mit bejonderer Rückſicht auf die Ausjtattungsftüde, 
welche einen großen Theil des Repertoires bilden follten. Die 
Bühne war 5 Couliffen tief, 30° breit, der ganze Schauplag faßte 
2500 Berjonen. Die Decorationen waren von Neefe, bisher 
Decorateur des Peter Nationaltheaters, de Piau, Decorateur des 
Burgtbheaters, Mößner und Deuy vom ftänd. Theater jelbit ge: 
malt. An den Proscenien waren die Borträts Mozart's und 
Schiller’3, umgeben von der Emblemen der Muſik und Poöſie, 








— 303 — 


angebradht. Den Verkehr nad) dem neuen Theater vermittelten 
eigens arrangirte Omnibus-Linien. 

Die erjte Vorjtellung in der Roſengaſſe war eine Cechifche, 
begann alſo um 4 Uhr Nachmittags mit einer von Joh. N. Skraup 
componirten trefflichen Feſtouverture, welcher eine cechiſche Ori- 
ginal-Novität folgte, das Xuftipiel „Der Maler Skreta“, Erft- 
Iingsjtic des auf anderen Gebieten längft bewährten Brof. W. 
A Swoboda, ein Stüd vaterländiichen Inhalts mit Hrn. Kolar 
in der Titelrolle. Das Publicun nahm an dem Gange des Quft- 
Ipiels Tebhaften Antheil und rief zum Schluffe ſämmtliche Dar- 
jteller und den Director Stöger ftürmifch hervor. Am nächiten 
Tage jah man die erfte (cechiſche) Opernvorftellung, den „Liebes- 
trank”, im Stöger’jchen Haufe, das in akuftifcher Beziehung feine 
Probe ziemlid; gut beftand. Das Publicum lernte an den Abend 
einen eigens für diefe Bühne engagirten jugendlichen, ftimm- 
begabten Tenor Namens Johann Mayer Teunen, der jich zu 
einem der beften Sänger und Muſiker Prags eutwideln und nach 
ehrenvoller Bühnencarriere noch eine bedeutende Rolle in der 
czechifchen Theatergeſchichte ſpielen follte. 

Die erfte deutſche Vorftellung im neuen Haufe wurde am 
15. Detober zum Bortheile des Prager Taubftummeninftituts ge- 
geben und brachte eine Aufführung des „Wbbe de U’Epee” von 
Bouilly, nad) Kobebue’3 Heberjegung, mit Bayer in der Titel⸗ 
rolle, einer feiner glänzendjten LZeiftungen. Die eigentliche Weihe 
für die deutschen Vorftellungen aber erhielt das Roſengaſſe⸗Theater 
erft mit der Premiere des „Zauberjchleiers" am 16. Dec. 1842. 
Zange hatte Fein theatralifches Ereigniß die Prager jo außer 
Athem gebracht als diefer Zauberjchleier, der wirklich etwas von 
Zaubergewalt an fi) zu Haben fchien, denn er errang einen 
in Brag unerhörten Erfolg, wie ihn bisher dort nur „Don 
Juan“ erzielt hatte. Wochen vor der erften Aufführung waren 
bereit Logen und Sperrfige vergriffen, und eine gewiſſe Auf— 
regung bemächtigte fich des theatraliichen Prag, als der Beitel 
verfündigte: „Der Zauberfchleier, oder: Maler, Fee und Wirthin, 
romantiſch⸗komiſches Zauberfpiel mit Gefang und Tanz in drei 


— 304 — 


Acten, nah Scribe's Operntert „Der Feenſee“, bearbeitet vom 
Berfaffer der ſchlimmen Frauen (Told), Mufif von E. Titel..." 
Der märdyenhafte Text war übrigens Nebenjache, das Beiwerf: 
Tänze und Gruppivungen, Decorationen und Muſik war wie bei 
unferen modernen Ausftattungsipectafeln zur Hauptſache geworden. 
Den meisten Effect machte im dritten Act die berühmte Wandel- 
decoration, welche eine ganze Serie von Landſchaften, darunter 
Anfichten Prags und feiner Umgebung, vor die Augen des Publi— 
cums zauberte. Auch die Mufif von Titel gefiel außerordentlich 
und wurde populär, zumal fich der Componiſt als Militärcapell- 
meister in Prag großer Beliebtheit erfreute. Mit diefem fenja- 
tionellen Erfolge des „Zauberjchleier" kam das deutfche Repertoire 
der Stöger’jchen Bühne in Gang, das hauptſächlich darauf an- 
gelegt war, zugkräftige Novitäten zu bringen. Der „Zauber: 
jchleier" feierte bald das Jubiläum feiner fünfzigften Aufführung 
und brachte es noch weit darüber. 1843 kamen als Novitäten 
zunächſt ein total verunglüctes Eritlingsmelodram „Die Tochter 
des Räubers“, das Lebensbild „Die Wette um ein Herz“ oder 
„Künftlerfinn und Frauenliebe“ von Elmar, das „romantiſch— 
komiſche Gemälde" „Die Verlobung vor der Trommel” oder 
„Negimentstamboue und Dearketenderin” von %. Told, eine drei- 
actige Anecdote „Friedrich der Große und der alte Huſar“, ei 
großes romantiſch-komiſches Volksmärchen mit Geſängen, Tänzen 
und Tableaux. In dem privilegirten Genre der Ausſtattungs—⸗ 
ſtücke war es zuerſt einem neuen Told'ſchen Werke, das den in- 
tereſſanten Namen „Waftl oder die böhmiſchen Amazonen“ führte, 
beſchieden, mit dem „Zauberſchleier“ würdig zu alterniren. Maler, 
Balletmeiſter, Maſchiniſt, Garderobier, Spenglermeiſter u. ſ. w. 
ſpielten bei dieſen „Amazonen“ die Hauptrolle, obwohl der Zettel 
nicht weniger als 62 Namen aufführte. So arm das Stück an 
Witz war, jo ſtattlich nahmen ſich darin die fünfzig Mädchen in 
bligenden Helmen und Harnifchen aus, welche fchließlich durch 
eine Kriegslift — verführeriiches Backwerk — in ein Net gelodt 
‚und gefangen wurden. Die herrlichen Decorationen, deren eine 
Prag und die Moldau in Mondbeleuchtung darjtellte, waren von 











„— 305 — 


magifcher Wirkung. Nun hatte die Stöger’iche Bühne in der Rofen- 
gaffe in ihrem Repertoire zwei Stücke, welche in füßer Eintracht 
monatelang neben einander hauften: den „Zauberſchleier“ und 
„Waſtl“. Als der „Schleier” und die Amazonen an Zugkraft 
verloren, rildte der Hamburger Komiker Gädemann mit den 
Poſſen „Paris in Eipeldau” und „Fröhlich, der reifende Chorift“ 
vor, dann zog der „Luftige Felix“ (von Louis Angely) und endlich) 
Räder mit dem „Weltumfegler wider Willen" ein, der ſich mit Glück 
und Cafjen-Erfolg längere Zeit behauptete, ohne den „Bauber- 
Ichleier” an Wirkung zu erreichen. Die Arbeit eines heimifchen 
Autors, des Grafen Ferdinand Schirding, „Ein Traumleben“, oder 
„Schujter, Boftilon und Lord", claffificirt als „Prager locales 
Feenmärchen in drei Abteilungen und einem Vorſpiele“, ver: 
dankte ihren äußeren Erfolg neben dem Decorationsaufwande den 
Leijtungen Dolt's als Schufterjunge Papp, aus dem der Autor 
fpäter einen Poftillon und zuletzt einen Theaterdirector werden 
ließ. Das Jahr 1843 brachte auch auf operiftifchem Gebiete 
eine Novität, Holtei's „Idlers Hort", mit der Mufif vom 
Sapellmeifter Gläſer, ohne daß die Neuigfeit viel Glück hatte. 
As „Vater Renner” ſchuf Bedmann ein Föftliches Charafterbild. 
Im Ganzen ließ ſich am Ende des Jahres 1843 über die bis- 
berigen Leiftungen des „neuen Theaters in der Roſengaſſe“ in 
feiner Eigenfchaft als deutſche Volks⸗ beſſer Poſſenbühne Fein jonder- 
fi günftiges Urtheil fällen. Es gab im Laufe dieſes “Jahres 
183 deutsche Vorftellungen (daneben 140 Cechifche, 10 franzöſiſche 
der Schaufpielgefellichaft Trouillet und 3 italienische Opernabende 
mit Francilla Pixis) und doc) famen auf diefe 183 Theaterabende 
nur 29 Stüde, darunter mehre Bagatellen, welche nur im Ber- 
eine mit anderen Kleinigkeiten einen Abend ausfilllten. Unerhört 
in den Prager Zheaterannalen waren, wie gefagt, die außer: 
ordentlich zahlreichen Wiederholungen von Novitäten im Nofengafje- 
Theater. So wurde „der Zauberfchleier" 1843 nicht weniger als 
68mal (außerdem Amal in Cechifcher Sprache und Gmal ſchon im 
Jahre 1842), „Waſtl“ 40mal, „der Weltumfegler wider Willen" 
18mal aufgeführt. Was außer dieſen Ausſtattungsſtücken, deren 
20 


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— 306 - 


dramatifch-künftlerifcher Werth gleich Null war, noch in der Nofen- 
gaſſe auf die Bretter kam, waren unbedeutende Schaufpiele, Heine 
Zuftipiele und Schwänke. Diejenigen, welche von dem neuen 
Theater erwartet hatten, daß es feinem Programme gemäß außer 
einer dechiſchen Nationalbühne auch ein gutes deutiches Poſſen— 
theater fein würde, fanden fich enttäuscht, wenn fie auch anderjeits 
nicht beitritten, daß Stöger perfünlich, namentlich in decorativer 
Hinfiht manches Opfer gebracht hatte, um fein junges Inſtitut 
pecuniär zu confolidiren. Was er überjehen Hatte, war die That—⸗ 
ſache, daß ſich mit Prunkſtücken Tein folides Repertoire aufbauen 
läßt, und daß ohne folides Repertoire die Exiſtenz einer jungen 
Bühne nur auf Tage und Wochen fortgefriftet wird. Das deutfche 
Perjonal der Stögerihen Bühne gruppirte fih um einen 
Hauptträger des ganzen Unternehmens, den Komiker Dolt, ohne 
den die Erfolge des neuen Theaters faum zu denken gewefen 
wären. Faſt jeden Tag wirkte Dolt anf der Bühne des Nofen- 
gafje-Theaters, er mußte fogar, als feine Mutter im Sterben lag 
(am 4. Dec. 1843), im „verfauften Schlaf" als „Dorfbarbier 
Sebajtian Rofenhügel” feine Mätzchen machen. Dolt veritand 
fi zu diefer aufreibenden Thätigkeit auf Stöger’s Privatbilhne 
mit um fo größerem Mißvergnügen, als er das Prager Enga- 
gement nur in der Hoffnung acceptirt hatte, ſich bier auch in 
feinfomifchen Luſtſpielrollen einfpielen zu laſſen, um allmälig in 
das Polawsfy’sche Fahrwaſſer zu gelangen, wozu es leider niemals 
fam. Außer Dolt fpielte Heinrich Diegelmann mit Erfolg 
komiſche Partien, u. A. den Plüſch. Er hat am 8. Nov. 1881 in 
Dresden fein 5Ojähr. Bühnenjubiläum gefeiert; feine Prager Wirk- 
ſamkeit bezeichnet den eigentlichen Anfangspunft feiner Carriere.*) 
Als Eapellmeifter fungirten Stegmayer und J. NR. Skraup. 





*) Heinrih Diegelmann begann — fo theilt er dem Autor mit — 
feine tbeatr. Laufbahn am 8. Nov. 1831 in Bilfen (Dir. Lutz) ald Liebh., 
wurde jebody bald Komiker und kam 1843 nach Marienbad, wo ihn Stöger 
fah und auf drei Jahre mit 50 fl. Monatgage und 20 fl. Zulage in bem 


_ weiteren Jahren für das neue Stöger'ſche Theater engagirte. Im Sept. 1848 


trat er jeboch im fländ. Theater und zwar troß feines Widerftrebend als 





— 307 — 


Zur Aushilfe konnten, wie bereitS erwähnt, nach eingeholter Er- 
laubniß der Theateraufſichtscommiſſion Mitglieder des ftändifchen 
Theaters herangezogen werden.*) Aber in diefem Succurs, den 


CHriftofferl im „Fur“, einer Slanzrolle Spiro’3, auf, mußte die nody nie 
gefpielte Partie in Eile lernen und fpielte deshalb mit fihtbarer Befangen- 
beit; dann nöthigte Stöger dem Widerftrebenden nad) der 30. Vorftellung 
des „BZauberjchleier” im Rofengaffe-Theater den von Feiftmantel gefpielten 
„Plüſch“ auf, den er 28mal nacheinander fpielte. Die Kritik urtheilte wenig 
freundlich, aber Stöger meinte: „Sein's nit findifch, die Kritik fchadet Ihnen 
in meinen Augen gar nichts, und and beim Publikum wenig; ich weiß, 
daß ih Site brauchen kann und damit Bafta!” Nach dem Tode der Mutter 
Dolt’3 mußte Diegelmann über Nacht ohne Probe den „Barbier Rafen- 
bügel“ im „verkauften Schlaf” übernehmen; die Coupletö hatte ihm Chor- 
repetitor Zwonetczek mit der Geige einftudirt, und mit diefer Rolle, die er 
13mal jpielte, hatte er den erften großen Erfolg in Brag. Stöger bewilligte 
ein Ertrahonorar, der opfermwillige Komiler war rehabilitirt. Dem Director 
felbft bewahrte übrigeng Diegelmann trog der gefährlichen Anfprüce, die 
er an ihn ftellte, ftet8 ein frenndliches Andenken. Diegelmann hatte ſich 
mit feiner häuslichen Einrichtung finanziell ausgegeben und an einen „Wohl⸗ 
thäter” um Geld gewandt. Der „Wohlthäter” aber pränotirte ſich ſchleunigſt 
auf des Schaufpielerd? Gage, worüber Stöger durchaus nicht erbaut war. 
Er ließ den Bebrängten in die Theaterlanzlet rufen und empfing ihn mit 
einem kräftigen Sermon, der in die Worte austönte: „Haben fie nicht jo viel 
Bertrauen zu Ihrem Director, daß Sie fagen: Herr, ich brauch' einen Vor— 
ſchuß? Dort liegen die 50 fl., aber ich rathe Ihnen, hüten Sie fidh vor 
dem P.“ Stöger's Empfeblung verichaffte Diegelmann auch noch vor Ab- 
lanf ſeines Contractö ein Engagement bei Dir. Cerf am Königftädt. Theater 
in Berlin, " 


*, Das Berfonal de „neuen Theaters in der Rofengafje” 
Batte 1843 folgenden Stand: Director und Eigenthümer J. AU. Stöger. 
Sapellm. Stegmayer. Regiff. Juſt. Orcefterdirector und Solofpieler 
Bezdek. Inſpicient Ruber. Souffl. des Schaufp. H. Wahoc, der böhm. 
Oper Duffek; 1. Caſſier Rißmüller; 2. Caſſier Tichy; Cancelliſt Beyhl. 
Controlleur Meier; Archivar Maurer. — Mitglieder des Schau— 
ſpiels: Herren Biel, Diegelmann, Dolt, Friſcha, Grabinger*, Grau, 
Hametner*, Hille, Hynek*, Juſt (Reg.), Kaſchka, Kolar*, Krumlowsky, 
Lapil, Leitner, Nicolai”, Ruber. — Damen Dlle. Forchheim, Dlle. Nina 
Herbſt, Mad. Hynek*, Dlile. Liebich, Mad. Kolar*, Schmelzer u. Skalny. — 
Mitglieder der Oper: Herren Brava*, Mayr*, Podhorsky“, Brofop, 

20 


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— 308 — 


Stöger aus dem Landesinftitute heranzuziehen genöthigt war, 
lag aud) der Anftoß zu den fcharfen Differenzen, in die er 
wegen feines Privattheaters mit den Ständen und der Auf— 
fichtscommiffion geriet. Es war nicht zu leugnen, daß Stöger 
mit feinem loſen Nepertoire von Zug- und Caſſenſtücken dem 
Repertoire der ftändifchen Bühne empfindlichen Abbruch that, 
ebenfowenig war es zu leugnen und zu verwundern, daß Stö- 
ger's Streben dahin ging, vor Mllem für fein neues, ihm ge- 
höriges Privattheater zu forgen auf Koften der ihm bis 1846 
übertragenen landftändifhen Bühne. Dieje Umstände blieben den 
Mitgliedern der Theaterauffichtscommiffion felbftwerftändlich nicht 
verborgen, ebenfo entgingen ihnen nicht die zahlreichen Nepertoire- 
jtörungen, welche durch die Verwendung erſter Kräfte der Landes- 
bühne im NRofengaffe- Theater verurfacht wurden, fo wie die 
bedauerlichen Folgen, welche eine jo continuirliche Abnügung diefer 
Kräfte nach fich ziehen mußte. Anfangs 1843 hatte Stöger darum 
angefucht, mit Ausnahme der Herren Dieb, Bayer, Polawsky, 
Fifcher, der Damen Fried. Herbft, Frey, Binder und Weisbad) 
das Schaufpielperfonale und mit Ausnahme der Damen Podhorsky 
und Großer, der Herren Kunz und Eminger das Opernperjonale 
des ftänd. Theaters auf feinem neuen Theater verwenden zu dürfen, 
vor Allem aber die beiden Komiker Feiſtmantel und Dolt gemäß 
dem Auftrage, die Poſſe vom Landestheater fernzuhalten. Die 


Schütky*, Siebek, Strakaty*, Vogel; Dies. Ködert*, Negedly, Tonner, 
Mad. Podhorsky* und Raab*. (Die mit * VBezeichneten waren zugleich 
Mital. des ftänd. Theaters.) — Chorperjonal: Chordir. Zwoneczek, 
Herren Dettore, Hawel, Köhler, Lobel, Nefwabba, Oslislo, Peterfilfa, 
Sauſak, Stolz, Studeny, Smoboda, Wyhlidal, Dies. Hlauſchek &. u. j., 
Maja, Podruſchek, Reichenof, Schmuser, Spechtmeyer, Victor ä. n. j., 
Mesdames Martine und Tongel. — Ballet: Balletm., Tänzer u. |. w. 
wie im ftänd. Theater; Orcheſter 36 eng. Mitgl. — Decorations-, 
Mafhinerie- und Gard. Berjonal: Decor. und Maler Deny, 
Theatermeift., Mafchinift und Beleucht.Inſp. &. Weber, Schnürmeifter 
J. Weber, Obergard. Hutterer mit 4 Gehilfen, Obergarberobiere Mad. 
Paulino, Requifiteur Pilz, Waffenmeilter Herrmann, Friſeur Hajek; ſechs 
Theaterarbeiter, 3 Beleuchter. " | 


— 309 — 


Commiſſion hatte aber den genannten Ausnahmen noch eine Reihe 
anderer beigefügt. Als der Director fpäter um die Verlängerung 
der nur auf wenige Monate lautenden Erlaubniß nachſuchte, gab 
ihm die Auflichtscommiffion das äußerſte Mißfallen zu erfennen 
über die Art, mit welcher er bisher die Vergünftigung mißbraucht 
habe. Das „elende Repertoire, die vernadjläffigte Ausftattung und 
Bejegung der Vorftellungen" im ftänd. Theater, die Mepertoire- 
Aenderungen im Verhältniß zu den glänzend ausgejtatteten und 
unveränderlichen Vorjtellungen im eigenen Hauſe habe deutlich 
bewiejen, daß Stöger das ftänd. Theater dem Xheater in der 
Roſengaſſe unterordne und die Intereſſen des Publicums im erfteren 
Theater nicht beachte, weil er es hier mit Abonnenten zu thun 
habe, während der jchauluftige Theil des Publicums durch große 
Opfer an Ausftattung an das Roſengaſſe⸗Theater gefeſſelt werde. 

„Durch die eben bezeichneten Andeutungen” — hieß es weiter in der 
Zuſchrift der Commiſſion an Stöger — „merben Sie wohl darüber auf- 
geffärt fein, daß man es weiß, welchen Weg Sie einfchlagen wollen und 
welche Bewanbtniß es damit hat, daß die Ausftattung des ftänd. Theaters 
möglichft herabgebrüdt wird, während an den Darftellungen in Ihrem 
Hanfe nicht geipart wird. Der Vertheibigung der Intereſſen und des arti- 
ftifden Standpunktes des ftänd. Theaters, welche, je mehr fie von Ihnen 
vernachläfligt wird, deſto dringender von ber Commiſſion aufrecht erhalten 
werben muß, haben Site es zuzufchreiben, wenn die für Ihr Theater 
ehedem bemwilligten Begünftigungen nicht mehr in der von Ihnen ange: 
Iuchten Ausdehnung eintreten können. Nur als letter Verſuch wird be- 
willigt, die folgenden ſtändiſchen Mitglieder noh auf die Dauer eines 
Monats bi3 31. Jäner 1844 auch in ber Rofengaffe, jedoch unbefchabet des 
ftändigen Jepertoired, verwenden zu dürfen und zwar die Damen Raab und 
Schikaneder, die Herren Brava, Demmer, Dolt, Feiltmantel, Grabinger, 
Sametner; Demmer jedoch erft, wenn ein tauglicher Tenor für das ftänd. 
Theater gefunden werden wird. — Die Verlängerung wäre nur dann zu 
gewärtigen, wenn bie Leiftungen des ftänd. Theaters eine weitere Begün- 
ftigung Ihres zweiten Unternehmens rechtfertigen nnd namentlich, wenn 
Sie bis zn jener Frift mit einer amtlichen Beitätigung der böhm. ftänd. 
Theater⸗Penſions⸗Inſtituts⸗ Commiſſion nachweiſen werben, daß Sie ein 
das Intereſſe der Penſionscaſſa befriedigendes Uebereinkommen eingegangen 
find und den Penſionsfonds für die fchnelle Abnützung ftändifcher Bühnen- 
mitglieder durch anderweitige Verwendung entichädigen... ... 

So trat Stöger durch fein Privattheater in einen nod) 


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fchärferen Gegenfag zu der Theaterauffichtscommijfion, als er 
fich ſchon früber feiner unmittelbaren Oberbehörde gegenüber be- 
fand. Der Befig des Rofengafje-Theaters wurde ihm mit jedem 
Tage unangenehmer, zumal fi die Erfolge namentlich der 
cehifhen Vorftellungen allmälig immer trauriger geftaltet 
hatten. 

Mit glänzendem Erfolge und glänzenden Hoffnungen hatte 
Stöger am 28. Sept. 1842 die techifchen Borftellungen in Stögers 
neuem Haufe eröffnet; die Freunde der cechiichen Sprache und 
Literatur verſprachen fi) von der neuen Nationalbühne einen 
Aufſchwung der nationalen Kunſt und jahen eine goldene Zukunft 
vor ihren Augen’ entfaltet. Einige Kräfte, über welche die jugend: 
liche Nationalbühne verfügte, fchienen in der That diefe Träume 
der Berwirklihung zuführen zu wollen. Die Namen Koldar und 
Tyl ftanden neben Stöger an der Spike des Unternehmens. 
Stepaänek gehörte ſchon der Halbvergangenheit an, obwohl er 
Anfangs noch nominell die Leitung der cechifchen Vorftellungen 
in der Hand hatte. Stöger verwendete ihn nebenbei als Privat- 
jecretär, am 12. Febr. 1844 aber ſchon ſchloß der „Vater des 
cechifchen Theaters” fir immer die Augen, eine Witwe und fechs 
unverforgte Kinder hinterlafjend. 

Die Seele des techifchen Theaters war Joſ. Georg Kolar. 
Wir find ihm fchon in früheren Gapiteln der Gefchichte des 
Landestheater begegnet; zur vollen Entfaltung feines reichen 
Zalentes ſehen wir ihn aber erjt mit der Eröffnung der neuen 
Stöger’jchen Bühne gelangen. Am 9. Febr. 1812 zu Prag ge 
boren, hatte er ſich nach wechjelvollen Jugendſchickſalen in den 
dreißiger SYahren der Bühne zugewandt, jpielte zuerjt in dem 
cechifchen Dilettantentheater, welches Thl in dem ehemaligen 
Cajetaner- und nunmehrigen Redemptoriften-Rlofter auf der Klein- 
jeite eingerichtet hatte, und bereits 1837 unter Stepaänek's Direr- 
tion den „Grafen Benjowsfy" in einer eechiſchen Vorftellung im 
ftändifchen Theater. Seine erjten Erfolge bejtärkten ihn in dem 
Vorſatze, ſich gänzlich der Künftlerlaufbahn zu widmen. Er ver- 
folgte fie mit Eifer, wurde allmälig einer der beveutenditen techi- 





— 311 — 


hen Schaufpieler und brachte dem Wepertoire der öeechiſchen 
Bühne wenn auch nicht durch bleibende Originalftüde, jo doch 
durch zahlreiche und gute Ueberfegungen fremder Claſſiker dauern- 
den Gewinn. 1839 brachte er feine Macbeth⸗-Ueberſetzung auf die 
Bühne, welche freilih an der Ungulänglichleit der disponiblen 
Schauſpielkräfte fcheiterte. Koldr ließ fich nicht abfchreden und 
überjegte Shakespeare's „Kaufmann von Venedig", „Zähmung 
der Widerjpenftigen”, „Hamlet“, Schillers „Wallenfteing Lager”, 
„Wallenſteins Tod", „Räuber, „Kabale und Liebe”, Goethe’s 
„Fauſt“, „Egmont”, „Götz“, Brachvogel's „Narciß“, Mojenthal’s 
„Deborah“ und zahlreiche unbedeutendere Schauſpiele, Luſtſpiele 
und Poſſen. Am werthvollſten iſt Kolär's „Fauſt“⸗Ueberſetzung, 
welche den claſſiſchen Gehalt der Tragödie in gediegener Sprache 
wiedergibt. Als Original⸗Schriftſteller lieferte er für die Bühne 
die ſchätzenswerthen Tragödien „Zizka's Tod" und „Magelona“. 
1842 wurde Kolar von Stöger definitiv engagirt, debutirte in 
dem Luſtſpiele „Die weiße Pikeſche“ in deutſcher Sprade und 
wurde nun auf allen drei unter Stöger’8 Herrfchaft ftehenden 
Gebieten, d. h. im jtändifchen Theater, in den deutſchen und in 
den Cechiichen Vorjtellungen des Rofengafje-Theaterd, verwendet. 
Auf Kolar ftügte fi zu einem großen Theile Stöger's techifche 
Bühne. Er fpielte Anfangs Helden, half aber aus, wo immer es 
Noth that. In der Folge ftellte er namentlich die hervorragenditen 
Shafespeare-Charaktere mit Erfolg dar. In der Periode, von 
welcher wir in diefem Gapitel handeln, war Kolar noch in ber 
Yugendblüthe feiner Künftlerfchaft, Hatte aber bereits cine fo 
geachtete Pofition inne, daß er im October 1842 zum Regiſſeur 
ernannt wurde. 1843 vermälte er jich mit Anna Manetingty, 
der erjten Liebhaberin des techiichen und einer ſehr verwendbaren 
Kraft des deutſchen Theaters, die in der Roſengaſſe ein aus- 
gefprochener Liebling des Publicums wurde. 

Joſ. Franz Cajetan Tyl, deffen Namen wir neben jenem 
Kolaͤr's an die Spige des Cechifchen Theaterunternehmens Stöger’s 
itellen müſſen, war wie diefer Schaufpieler und Schriftfteller 
in Einer Perſon, nur mit dem Unterfchiede, daß er ein ziemlich 


— — \ 077 1 WER auuimasen 6 TS Sep 2-0 >. . u — * — — — — — — ———— 


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Schlechter Mime war. An ſchriftſtelleriſchen Fleiße und Talent 
fehlte es ihm dagegen nicht, ebenſo wenig an dem Muthe der 
Entſagung, den er fein ganzes dornenvolles Leben hindurch be: 
währt hat, Zyl war am 4. Febr. 1808 in Ruttenberg geboren, 
wo fein Vater, der noch den Namen „Zylli" führte, als Aegi- 
mentsmuſiker und Negimentsichneider bei dem böhm. Infanterie: 
Regiment Fröhlich (jet König Humbert) ftationirt war und 
Ipäter als ehrfamer bürgerlicher Schneivermeifter wirkte?) Kutten- 
berg, damals noch eine vorwiegend deutjche Stadt, war das Ziel 
mancher deutfcher Wandertruppen, auch Tyl's Vater Tieß fich auf 
der Bühne verwenden, und das Söhnchen, das mitunter im’s 
Theater mitgenommen wurde, gewann eine bejondere Vorliebe 
für die darftellende Kunft und die Poefie, fo daß Tylli junior 
ihon als Gymnaſialſtudent in den Ferien in feiner Vaterftadt 
Schauſpiele arrangirte und Verfe machte. Unter den größten Müh—⸗ 
falen beendete er, da die Mittel feiner Verwandten ausgegangen 
\ waren, in Königgräß die Gymnaſialſtudien, ſetzte gleichzeitig feine 
Iiterarifchen Arbeiten fort, Tehrte dann nad) Prag zurüd, um das 
philofophifche Studium zu abjolviren, verließ dasjelbe aber 1829, 
um fich der Wandertruppe des Grafen Lanjus, „Hilmer“ genannt, 
anzuschließen, die fich in Heineren böhmiſchen Städten producirte. 
Die Schaufpieler Brofop, Biel und Dile. Forchheim waren mit 
bei der Truppe, deren Regiſſeur, Vortragsmeilter, Dramaturg 
und Hausdichter Tyl wurde. Fräulein Forchheim, welche ihn in 
einer ernften Krankheit treulich gepflegt hatte, wurde feine -ftete 
Begleiterin und fpätere Gattin. Als Tyl auf jeinen zahlreichen 
Komddiantenjahrten weder Glüd noch Geld fand, kehrte er wieder 
nah Prag zurüd und brachte es durch Vermittlung von Ber: 
wandten zum Fourier in der Nechnungsfanzlei des 28. Inf.⸗Regts. 
Aber feine Theaterleidenihaft war nicht erlofchen. Unter dem 
Namen „Skalny“ trat er im ftänd. Theater in cechifchen Vor: 
ſtellungen auf, beforgte zahlreiche Meberjegungen, ſchrieb Original- 


*) O zivotö a püsobeni Josefa Kajetäna Tyla. Vypravuje J. L. 
Turnowaky. V Praze, näkladem knöhkupectvi J. L. Kober 1881. 





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dramen, edirte Zeitungen u. ſ. w. 1834 fchrieb er die Localpoſſe 
„Fidlowacka“, 1835 gründete er das eechiſche Dilettantentheater bei 
St. Eajetan, wo in den nächſten drei Jahren achtzehnmal öffent- 
lich gefpielt wurde und zwar mit einem jo gewählten Nepertoire, 
daß fi) Stepanek bemüßigt fah, das damals ziemlich Tranfe 
Repertoire der techifchen Sonntagsvorftellungen im Landestheater 
zu rejtauriren, 1836 brachte Tyl feinen „Ceſtmir“, eines feiner 
beften Stüde, auf die Bühne, fpäter den „blinden Jüngling“, 
dem man viel Ehre erwies. Zu einer geregelten theatralifchen 
Thätigfeit aber kam Tyl exit, als Stöger das Roſengaſſe⸗Theater 
gründete und alle national-techifchen Schaufpieler und Bühnen- 
Ichriftfteller unter die Fahnen berief. Die Bühne bei St. Eajetan 
war bereit8 1838 dem Wirkungskreiſe Tyl's entrüdt, der k. k. 
Fourier Tyl war glücklich, als Regiſſeur des Rofengaffe- Theaters 
ein künſtleriſches Heim zu finden, wo er freilich feiner dienftlichen 
Stellung wegen nur „insgeheim" feines Amtes waltete.*) 


*, Ein befonders verträglicher Camerad mag Tyl nicht gewefen fein. 
Bei meinen Streifzügen durch das ftändifche Archiv tft mir das Manuſcript 
einer Klage Kolar’3 gegen feinen Collegen Tyl aufgeftoßen, bie auf ben 
feinen Ton, ber hinter den Conliffen der damaligen Cehifhen Bühne 
herrſchte, ein trübes Licht wirft. Kolar zeigt der löbl. f. k. Stabthaupt- 
maunſchaft an, daß er am 30, Oct. 1841 (alfo no vor Eröffnung des 
Rofengafle-Theaters) von „Joſeph Tyl, fein follendem Redacteur ber Beit- 
Ihrift „Ruetyg” und Mitgliebe der böhm. Theatergejellichaft im Beifein bes 
Herrn Joh. Nep. Stepanef und anderer Mitglieder auf das Empörendſte 
und Widerrechtlichite infultirt, gröblich an feiner Ehre uud am Leibe an- 
gegriffen, mit den jchmählichften Namen belegt und mit der Fauſt gewalt- 
ſam in bie Gegend ber Schläfe und des Auges geichlagen worden fei.“ 
Der Grund dieſes liebenswürdigen Benehmend war, daß fi Kolar ge- 
weigert hatte, bie ihm von Tyl aufoctroyirte Rolle des ältlichen Intriguants 
„Wolf“ in Gutzkow's von Tyl überjestem „Werner“ zu fpielen. Auf Kolar's 
Weigerung entipann fich folgende intereffante Scene zwilchen den beiben 
Dichtern und Scaufpielern, die hier nach der actenmäßigen Darftellung 
mitgetheilt fei. Tyl: „Warum haben Sie die Rolle nicht fpielen wollen ?” 
— Rolar: „Hier (in der Directionskanzlei) ift nicht der Ort, in fo gereiztem 
Zone zu ſprechen.“ — Tyl: „Sie wollen lauter Helden und erfte Rollen 
Ipielen, die Sie ganz verderben.” — Rolar: „Sch will den Wolf deshalb 
nit fpielen, weil mir ber Werner und Ihnen der Wolf gebührt.” — 


— 314 — 


Der nom de guerre Tyls als Schauspieler war „Skalny“, 
jeine Frau (Forchheim) nannte fih „Skalnd“ zum Unterfchiebe von 
iheer Schwefter, Dife. Forchheim, welche im naiven Fache be- 
Ichäftigt war. Uufere Aufgabe ift e8 nicht, Tyl’s dramatifches 
und literarisches Wirken weiter zu verfolgen, als es in das Bereich 
unferer Theatergefchichte gehört. Tyl arbeitete eifrig und verbienft- 
fh faft im ganzen Bereiche der Lechifchen Xiteratur, Dramen, 
Romane, Ueberfegungen u. ſ. w., fo daß bereits in ben Vierziger 
Jahren von feinen gefammelten Schriften 10 Bände erjcheinen 
fonnten. Seine fchaufpielerifche Thätigfeit, die allerdings in Keiner 


Tyl: „Sa, wer find Sie denn?” — Polar: „Das ift arrogant gefragt!“ 
— Run erfolgte aber die Kataftrophe. Tyl verfegte feinem Collegen mit 
ben Worten: „Hund, anf Dich paſſe ich ſchon lange, ich werde Dich tobt: 
ſchlagen!“ einen beftigen Schlag ind Geficht, fo daß Kolar betäubt zurück⸗ 
taumelte, und holte mit dem Stode zu einem zweiten Scjlage and. Kolar 
drängte feinen Gegner zum PBortal zurüd, wo ihn aber Tyl in die beden⸗ 
tende Vertiefung des Orchefterd von ber Bühne berabzuftürzen juchte. Nun, 
als die Gefahr am höchſten war, intervenirten die Anmwelenden, Tyl machte 
feinem Grimme noch in allerlei Kolar an ben Kopf gefchleuberten Ber- 
wünjchungen, 3. B. „Iiterarifcher Mörder” u. dgl. Luft und entfernte ſich 
mit dem Rufe: „Warte, Hund, Du entgebft mir nicht, ich Ichlage Dich 
noch tobt!” Kolar erfuchte num die Stabthauptmannschaft anzuorbnen, daß 
Hof. Tyl, mit dem er nicht länger auf dem böhmiſchen Theater fpielen 
nme und ber durch fein Benehmen bie ganze böhmiſche Geſellſchaft belei- 
digt habe, „vom böhm. Theater als Uebertreter der Bolizei- unb ber ftipu: 
lirten Theatergefee entfernt werde, baß er ihm (Kolar) für den gefährlichen, 
vehementen Schlag ind Geficht exemplariihe Genugthuung leifte, daß er 
für bie entehrenden Schimpfwörter ebenfall8 zur Satisfaction gezogen 
werde und enblich für einen zerriffenen neuen ſchwarzen Rod im Werthe 
von 50 fl. gänzliche Entſchädigung leifte.“ Stepaͤnek, die Theatermitglieder 
Die Manetinsky, Schmiller und Nicolai beftätigten Kolar’3 Angaben 
vollfommen, und eine Nacfchrift bemerkte, dab „Tyl dad gemeine Kunft: 
ftüd, fih an Berfonen thätlich zu vergreifen, ſchon öfter ausgeführt, z. B. 
an dem verftorbenen Juriften und Yiteraten Micha unb dem abjolvirten 
Suriften und Literaten Jacob Maly“. Die Beſchwerde hatte auch Erfolg. 
„Man brachte in Erfahrung,“ was man inofficiell ſchon wußte, daB Zyl 
Fourier bei Latour⸗Infanterie und als k. k. Beamter nit die Erlaubniß 
babe, Theater zu Ipielen, und zunächft jcheint ihm für einige Zeit das 
Theateripielen verboten worden zu jein, 





— 315 — 


Weife hervorragend war, widmete er dem NRofengafje-Theater 
während deſſen ganzer Eriftenz, und auch nad Schließung der 
Bühne wirkte er unter Stöger’s Direction in den cechiichen 
Sonntagsvorftellungen und arbeitete für das Repertoire. Unter 
der folgenden Direction ſchuf er ſich als Dramaturg der eechiſchen 
Bühne einen größeren Wirkungskreis, den wir noch zu betrachten 
haben werden. 


- Außer Rolar, Tyl, der Manetinsky und den beiden Forchheim 
verfügte die Cechifche Bühne im Roſengaſſe⸗-Theater noch über 
einige Kräfte, die uns bereits befannt find. Grabinger war 
noch immer an feinem Plate, Hametner fpielte feine Bierrots, 
und der grimme Böjewichter-Agent Gran war neuerdings für 
die Cechifche Bühne gewonnen. In den „Räubern“ führte er nad) 
dem Beijpiele Jerrmanns das Kunſtſtück aus, gleichzeitig den 
Carl und Franz Moor zu ſpielen. Stüde, in denen ſich Greuel 
auf Sreuel, Mord auf Mord häufte, waren das Zerrain, in dem 
ſich Grau's Genie uneingefchränft entfalten konnte. Ein talentirter 
Schaujpieler war Krumlowsty; Nina Herbit war einige Zeit im 
Stande der Cehifchen Bühne, als treue Mitglieder harrten aus 
Schmiller (Prager Kaffeewirth), Prokop (eigentlich Sänger, ehemals 
an einer kleinen deutſchen Hofbühne engagirt), Herr und Frau 
Hynek, Biel, der hier auch große Partien nicht ohne Glück agirte, 
Kaska (feines eigentlichen Zeichens Theaterfchneider), Nicolai u. A. 
Wenn es Genien vorzuftellen gab, fonnte man audy die Heine 
Balletratte Fanny Janauſchek auf den Brettern der Nojen- 
gafje-Bühne gewahren. Hie und da ließen fich erfte Kräfte der 
deutschen Bühne wie Fiſcher, Dolt u. A. zur Mitwirkung herbei, 
während amdererjeit8 das eechiſche Perfonale verpflichtet war, 
bei deutſchen Vorſtellungen in untergeordneteren Sphären zu 
wirken. 


Recht günftig Tieß fich das Opern-Repertoire der eechi— 
Ichen Bühne in der Nofengafje an, jo lange es Mad. Podhorsky 
geftattet war, ihre vielfach in Anſpruch genommene Kraft aud) 
fir das Gebeihen der natignalen Bühne einzufegen, An dem 


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— 306 —, 


dramatifch-fünftlerischer Werth gleich Null war, noch in der Rofen- 
gafje auf die Bretter Fam, waren unbedeutende Schaufpiele, Tleine 
Zuftfpiele und Schwänfe Diejenigen, weldhe von dem neuen 
Theater erwartet hatten, daß e8 feinem Programme gemäß außer 
einer cechiichen Nationalbühne auch ein gutes deutſches Pofjen- 
theater fein würde, fanden fich enttäufcht, wenn fie auch anderjeits 
nicht beftritten, daß Stöger perfünlich, namentlich in decorativer 
Hinfiht manches Opfer gebracht hatte, um fein junges Inſtitut 
pecuniät zu confolidiren. Was er überſehen hatte, war die That— 
ſache, daß fih mit Prunkſtücken fein ſolides Repertoire aufbauen 
läßt, und daß ohne folides Nepertoire die Exijtenz einer jungen 
Bühne nur anf Tage und Wochen fortgefriftet wird. Das deutjche 
Perſonal der Stögerfhen Bühne gruppirte fih um einen 
Hauptträger des ganzen Unternehmens, den Komiker ‘D olt, ohne 
den die Erfolge des neuen Theaters Taum zu denken gewejen 
wären. Faft jeden Tag wirkte Dolt anf der Bühne des Rofen- 
gafje-Theaters, er mußte jogar, als feine Mutter im Sterben Tag 
(am 4. Dec. 1843), im „verfauften Schlaf" als „Dorfbarbier 
Sebaftian Roſenhügel“ feine Mätchen machen. Dolt verjtand 
fich zu diefer aufreibenden Thätigkeit auf Stöger’s Privatbühne 
mit um fo größerem Mißvergnügen, als er das Prager Enga⸗ 
gement nur in der Hoffnung acceptirt hatte, ſich bier auch in 
feintomifchen Luftipielrolfen einfpielen zu laſſen, um allmälig in 
das Polawsky'ſche Fahrwaſſer zu gelangen, wozu es leider niemals 
fam. Außer Dolt fpielte Heinrich Diegelmann mit Erfolg 
komiſche Partien, u. X. den Plüſch. Er bat am 8. Nov. 1881 in 
Dresden fein 5Ojähr. Bühnenjubiläum gefeiert; feine Prager Wirk- 
jamfeit bezeichnet den eigentlichen Anfangspunft feiner Carriere.*) 
As Capellmeiſter fungirten Stegmayer und J. N. Skraup. 





*) Heinrich Diegelmann begann — fo theilt er dem Autor mit — 
feine theatr. Laufbahn am 8. Nov. 1831 in Pilſen (Dir. Lutz) als Liebh., 
wurde jedoch bald Komiker und kam 1843 nach Marienbad, wo ihn Stöger 


ſah und auf drei Jahre mit 50 fl. Monatgage umb 20 fl. Zulage in ben 


weiteren Jahren fir das neue Stöger’sche Theater engagirte. Im Sept. 1843 
trat er jeboch im ftänd. Theater und zwar troß feined Wiberfirebens als 


— 307 — 


Zur Aushilfe konnten, wie bereit3 erwähnt, nach eingeholter Er- 
laubniß der Theateraufſichtscommiſſion Mitglieder des ftändifchen 
Theaters herangezogen werden.*) Uber in diefem Succurs, den 


Ehriftofferl im „Sur“, einer Glanzrolle Spiro’3, auf, mußte die noch nie 
gejpielte Partie in Eile lernen und fpielte deshalb mit fichtbarer Befangen- 
heit, dann nöthigte Stöger dem Widerftrebenden nach der 30. Vorftellung 
des „Zauberſchleier“ im NRofengafle-Theater den von Feiſtmantel gefpielten 
„Plũſch“ auf, den er 28mal nacheinander fpielte. Die Kritil urtheilte wenig 
freundlich, aber Stöger meinte: „Sein's nit findifch, die Kritik ſchadet Ihnen 
in meinen Augen gar nichts, und auch beim Publikum wenig; ich weiß, 
baß ih Sie brauchen kann und damit Bafta!” Nach dem Tode der Mutter 
Dolt’3 mußte Diegelmann über Nacht ohne Probe den „Barbier Nafen- 
bügel” im „verfauften Schlaf” übernehmen; die Couplet3 hatte ihm Chor- 
repetitor Zwonetczek mit der Geige einftudirt, und mit diefer Rolle, die er 
13mal fpielte, hatte er den erften großen Erfolg in Prag. Stöger bewilligte 
ein Ertrabonorar, der opferwillige Komiker war rehabilitirt. Dem Director 
felbft bewahrte übrigend Diegelmann troß der gefährlichen Anfprüde, die 
er an ihn ftellte, ftet3 ein freundliches Andenken. Diegelmann hatte ſich 
mit feiner häuslichen Einrichtung finanziell audgegeben und an einen „Wohl- 
thäter” um Geld gewandt. Der „Wohlthäter” aber pränotirte ſich fchleunigft 
auf des Schaufpielerd Sage, worüber Stöger durchaus nicht erbaut war. 
Er ließ den Bebrängten in die Theaterlanzlei rufen und empfing ihn mit 
einem räftigen Sermon, der in die Worte austönte: „Haben fie nicht fo viel 
Bertrauen zu Ihrem Director, daß Sie fagen: Herr, ich brauch’ einen Vor- 
ſchuß? Dort liegen bie 50 fl., aber ich rathe Ihnen, hüten Sie fi vor 
dem P.“ Stöger’d Empfehlung verfchaffte Diegelmann auch noch vor Ab- 
lanf feines Contracts ein Engagement bei Dir. Cerf am Köntgftäbt. Theater 
in Berlin. " 


*, Das Berfonal de „neuen Theaters in der Rofengaffe” 
hatte 1843 folgenden Stand: Director und Eigenthümer %. A. Stöger. 
Capellm. Stegmayer. Regiff. Juſt. Orcefterdirector und Solofpieler 
Bezdek. Inſpicient Ruber. Souffl. des Schaufp. H. Wahoc, der böhm. 
Oper Duffek; 1. Caſſier Rißmüller; 2. Caſſier Tichy; Cancelliſt Beyhl. 
Controlleur Meier; Archivar Maurer. — Mitglieder des Schau— 
ſpiels: Herren Biel, Diegelmann, Dolt, Friſcha, Grabinger*, Gran, 
Hametner*, Hille, Hynet*, Juſt (Reg.), Kaſchka, Kolar*, Krumlowsky, 
Lapil, Leitner, Nicolai*, Ruber. — Damen Dlle. Forchheim, Dlle. Nina 
Herbſt, Mad. Hynel*, Dlile. Liebich, Mad. Kolar*, Schmelzer u. Skalny. — 
Mitglieder der Oper: Herren Brava*, Mayr*, Bodhorsty *, Brofop, 

20 


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— 308 — 


Stöger aus dem Landesinftitute heranzuziehen genöthigt war, 
lag auch der Anftoß zu den jcharfen Differenzen, in die er 
wegen feines Privattheaters mit den Ständen und der Wuf- 
fichtscommiffion gerieth. Es war nicht zu leugnen, daß Stöger 
mit feinem lojen Mepertoire von Zuge und Cafjenftüden dem 
Nepertoive der ftändifchen Bühne empfindlihen Abbruch that, 
ebenfowenig war es zu leugnen und zu verwundern, daß Stö- 
ger’8 Streben dahin ging, vor Allem für fein neues, ihm ge 
höriges Privattheater zu forgen auf Koften der ihm bis 1846 
übertragenen landſtändiſchen Bühne. Dieſe Umftände blieben den 
Mitgliedern der ZTheaterauffichtscommiffion felbftverftändlich nicht 
verborgen, ebenfo entgingen ihnen nicht die zahlreichen Repertoire⸗ 
jtörungen, welche durch die Verwendung erjter Kräfte der Landes- 
bühne im Wofengaffe- Theater verurfacht wurden, fo wie die 
bedauerlichen Folgen, welche eine jo continuirliche Abnügung diefer 
Kräfte nach fich ziehen mußte. Anfangs 1843 hatte Stöger darum 
angeſucht, mit Ausnahme der Herren Dieß, Bayer, Polawsky, 
Fiſcher, der Damen Fried. Herbit, Frey, Binder und Weisbach 
das Schaufpielperfonale und mit Ausnahme der Damen Podhorsky 
und Großer, der Herren Kunz und Eminger das Opernperfonale 
des ftänd. Theaters auf feinem neuen Theater verwenden zu dürfen, 
vor Allem aber die beiden Komiler Feiftmantel und Dolt gemäß 
dem Auftrage, die Poſſe vom Landestheater fernzuhalten. Die 


Schutky*, Siebek, Strafaty*, Vogel; Dies. Ködert*, Negebly, Tonner, 
Mad. Bodhorsty* und Raab*. (Die mit * VBezeichneten maren zugleich 
Mital. des ftänd. Theaters.) — Chorperjonal: Chorbir." Zwoneczek, 
Herren Dettore, Hawel, Köhler, Lobel, Neſwadba, Oslislo, Peterſilka, 
Saufat, Stolz, Stubeny, Swoboda, Wyhlidal, Died. Hlaufchel A. u. j., 
Maja, Podrufchel, NReichenof, Schmuter, Spechtmeyer, Bictor ä. m. j. 
Mesdames Martinetz und Tongel. — Ballet: Balletm., Tänzer u. |. w. 
wie im ftänd. Theater; Orcheſter 36 eng. Mitgl. — Decorationd-, 
Mafhinerie- und Gard. Berfonal: Decor. und Maler Deny, 
Theatermeift., Mafchinift und Beleucht.-Infp. ©. Weber, Schnürmeifter 
% Weber, Obergard. Hutterer mit 4 Gehilfen, Obergarderobiere Mad. 
Paulino, Requifitenr Pilz, Waffenmeifter Herrmann, Friſeur Haiek; fechs 
Theaterarbeiter, 3 Beleuchter. " 








— 309 — 


Commiſſion hatte aber den genannten Ausnahmen noch eine Reihe 
anderer beigefügt. Als der Director fpäter um die Verlängerung 
der nur auf wenige Monate lautenden Erlaubniß nachſuchte, gab 
ihm die Aufſichtscommiſſion das äußerfte Mißfallen zu erkennen 
über die Art, mit welcher er bisher die Vergänftigung mißbraucht 
babe. Das „elende Repertoire, die vernachläffigte Ausftattung und 
Bejegung der Borftellungen” im ftänd. Theater, die Repertoire— 
Aenderungen im Verhältniß zu den glänzend ausgeftatteten und 
unveränderlichen Vorjtellungen im eigenen Haufe habe deutlich 
bewiefen, daß Stöger das ftänd. Theater dem Theater in der 
Rofengafje unterordne und die Intereſſen des Publicums im erfteren 
Theater nicht beachte, weil er es bier mit Abonnenten zu thun 
habe, während der ſchauluſtige Theil des Publicums durch große 
Dpfer an Austattung an das Roſengaſſe⸗Theater gefejlelt werde. 

„Durch die eben bezeichneten Andeutungen” — hieß e8 weiter in ber 
Zufchrift der Sommiffion an Stöger — „werben Sie wohl darüber auf- 
gelärt fein, daß man es weiß, welchen Weg Site einfchlagen wollen und 
welche Bewandtniß es damit bat, daß die Auöftattung des ftänd. Theaters 
möglichft herabgebrüdt wird, während an den Darftellungen in Ihrem 
Hanfe nicht gefpart wird. Der Vertheidigung der Intereſſen und be3 arti- 
ftifchen Standpunktes bes ftänd. Theaters, welche, je mehr fie von Ihnen 
vernachläfligt wird, befto dringender von der Commiſſion aufrecht erhalten 
werden muß, haben Sie e3 zuguichreiben, wenn bie für Ihr Theater 
ehedem bewilfigten Begünftigungen nicht mehr in der von Ihnen ange» 
Inchten Ausdehnung eintreten können. Nur ald letter Verſuch wird be- 
willigt, die folgenden ſtändiſchen Mitglieder noch auf die Dauer eines 
Monats bis 31. Jäner 1844 auch in der Rofengaffe, jedoch unbeichabet bes 
ftändigen Repertoired, verwenden zu dürfen und zwar die Damen Naab und 
Schikaneder, bie Herren Brava, Demmer, Dolt, Feiftmantel, Grabinger, 
Hametner; Demmer jeboch erft, wenn ein tanglicher Tenor für das ftänd. 
Theater gefunden werben wird. — Die Verlängerung wäre nur dann zum 
gewärtigen, wenn die Leiftungen des ftänd. Theaters eine weitere Begün- 
ftigung Ihres zweiten Unternehmens rechtfertigen und namentlih, wenn 
Sie bis zu jener Friſt mit einer amtlichen Beftätigung der böhm. ftänd. 
Theater⸗ Penſions⸗Inſtituts⸗Commiſſion nachweiſen werden, daß Sie ein 
das Jutereſſe der Penfionscafja befriedigendes Uebereinkommen eingegangen 
find unb den Penfionsfonds für die fchnelle Abnützung ftändifcher Bühnen- 
mitglieber durch anderweitige Verwendung entichädigen ..... . 

Sp trat Stöger durch fein Privattbeater in einen noch 


— 310 — 


fchärferen Gegenfag zu der Theaterauffichtscommilfion, als er 
fich fchon- früber feiner unmittelbaren Oberbehörde gegenüber be> 
fand. Der Beſitz des Roſengaſſe-Theaters wurde ihm mit jedem 
Tage unangenehmer, zumal ji) die Erfolge namentlich der 
cehifchen Vorftellungen allmälig immer trauriger geftaltet 
hatten. 

Mit glänzendem Erfolge und glänzenden Hoffnungen hatte 
Stöger am 28. Sept. 1842 die techifchen Vorftellungen in Stögers 
neuem Haufe eröffnet; die Freunde der Cechifchen Sprade und 
Literatur verfprachen fih von der neuen Nationalbühne einen 
Aufſchwung der nationalen Kunſt und fahen eine goldene Zukunft 
vor ihren Augen’ entfaltet. Einige Kräfte, über welche die jugend: 
liche Nationalbühne verfügte, jchienen in der That diefe Träume 
der Verwirklihung zuführen zu wollen. Die Namen Kolar und 
Tyl jtanden neben Stöger an der Spite des Unternehmens. 
Stepanef gehörte ſchon der Halbvergangenheit an, obwohl er 
Anfangs noch nominell die Leitung der cechifchen Vorftelungen 
in der Hand hatte. Stöger verwendete ihn nebenbei als Privat: 
fecretär, am 12. Febr. 1844 aber ſchon ſchloß der „Vater des 
cechifchen Theaters” für immer die Augen, eine Witwe und fechs 
unverforgte Kinder hinterlafjend. 

Die Seele des cechifchen Theaters war Joſ. Georg Kolar. 
Wir find ihm ſchon in früheren Capiteln der Geſchichte des 
Zandestheater8 begegnet; zur vollen Entfaltung feines reichen 
Zalentes fehen wir ihn aber erſt mit der Eröffnung der nenen 
Stöger’jchen Bühne gelangen. Am 9. Febr. 1812 zu Prag ge- 
boren, hatte er ſich nach wechjelvollen Jugendſchickſalen in den 
dreißiger Jahren der Bühne zugewandt, fpielte zuerft in dem 
cehiichen “Dilettantentheater, welches Thl in dem ehemaligen 
Cajetaner⸗ und nunmehrigen Redemptoriften-Klofter auf der Klein: 
fette eingerichtet hatte, und bereitS 1837 unter Stẽpaͤnek's Direc- 
tion den „Grafen Benjowsky“ in einer Cechifchen Vorftellung im 
ftändifchen Theater. Seine erjten Erfolge beftärkten ihn in dem 
Vorſatze, ſich gänzlich der Kinftlerlaufbahn zu widmen. Er ver- 
folgte fie mit Eifer, wurde allmälig einer der bedeutendften techi- 


— 311 — 


ihen Schanfpieler und brachte dem Nepertoire der cechiſchen 
Bühne wenn auch nicht durd) bleibende Originalftüde, jo doch 
durch zahlreiche und gute Ueberfegungen fremder Claſſiker dauern- 
den Gewinn. 1839 brachte er jeine Deacheth-Ueberfeßung auf die 
Bühne, welche freilihd an der Unzulänglichkeit der disponiblen 
Schaufpielkräfte ſcheiterte. Kolar Tieß fich nicht abjchreden und 
überfegte Shakespeares „Kaufmann von Benedig”, „Zähmung 
der Widerfpenftigen”, „Hamlet”, Schiller's „Wallenfteing Lager”, 
„WBallenfteins Tod”, „Räuber, „Kabale und Liebe”, Goethe's 
„Fauſt“, „Egmont", „Götz“, Brachvogel's „Narciß“, Mofenthal’s 
„Deborah“ und zahlreiche unbedeutendere Schauſpiele, Luſtſpiele 
und Poſſen. Am werthoolliten iſt Kolär's „Fauſt“⸗Ueberſetzung, 
welche den claſſiſchen Gehalt der Tragödie in gediegener Sprache 
wiedergibt. Als Original⸗Schriftſteller lieferte er für die Bühne 
die ſchätzenswerthen Tragödien „Zizka's Tod“ und „Magelona”. 
1842 wurde Kolar von Stöger definitiv engagirt, debutirte in 
dem Luftipiele „Die weiße Pikeſche“ in deutjcher Sprache und 
wurde nun auf allen drei unter Stöger's Herrfchaft ftehenden 
Gebieten, d. h. im ftändifchen Theater, in den deutjchen und in 
den Cechifchen Vorjtellungen des Rojengafje-Theaters, verwendet. 
Auf Kolar fügte fi zu einem großen Theile Stöger’s techifche 
Bühne. Er fpielte Anfangs Helden, half aber aus, wo immer es 
Noth that. In der Folge ftellte er namentlich die hervorragendſten 
Shatespeare-Eharaltere mit Erfolg dar. In der Periode, von 
welcher wir in dieſem Capitel handeln, war Kolar noch in der 
Jugendblüthe feiner Künſtlerſchaft, Hatte aber bereit cine fo 
geadhtete Pofition inne, daß er im October 1842 zum Regiſſeur 
ernannt wurde. 1843 vermälte er fich mit Anna Manetinsty, 
der erjten Liebhaberin des techifchen und einer fehr verwendbaren 
Kraft des deutſchen Theaters, die in der Nojengaffe ein aus: 
geiprochener Liebling des Publicums wurde. 

Sof. Franz Cajetan Tyl, deflen Namen wir neben jenem 
Kolaͤr's an die Spige des dechiſchen Theaterunternehmens Stöger’s 
ſtellen müfjen, war wie diefer Schaufpieler und Schriftfteller 
in Einer Perjon, nur mit dem Unterjchiede, daß er ein ziemlich 


— 312 — 


ichlechter Mime war. An fchriftitellerifchen Fleiße und Talent 
fehlte e8 ihm dagegen nicht, ebenfo wenig an dem Muthe ver 
Entfagung, den er fein ganzes dornenvolles Leben hindurch be- 
währt hat. Tyl war am 4. Febr. 1808 in Kuttenberg geboren, 
wo jein Vater, der noch den Namen „Tylli“ führte, als Negi- 
mentsmufifer und Negimentsichneider bei dem böhm. Infanterie: 
Negiment Fröhlich (jet König Humbert) ftationirt war und 
\päter als ehrfamer bürgerlicher Schneivermeifter wirkte.*) Kutten- 
berg, damals noch eine vorwiegend deutjche Stadt, war das Ziel 
mancher deutſcher Wandertruppen, auch Tyl's Vater Tieß fich auf 
der Bühne verwenden, und das Söhnchen, das mitunter in’s 
Theater mitgenommen wurde, gewann eine bejondere Vorliebe 
für die darjtellende Kunft und die Poeſie, fo daß Tylli junior 
Ihon als Gymnaſialſtudent in den Ferien in feiner Vaterſtadt 
Schaufpiele arrangirte und Verfe machte. Unter den größten Müh— 
jalen beendete er, da die Mittel feiner Verwandten ausgegangen 
waren, in Königgräg die Gymnaſialſtudien, fegte gleichzeitig feine 
literarifchen Arbeiten fort, fehrte dann nach Prag zurüd, um das 
philoſophiſche Studium zu abjolviren, verließ dasſelbe aber 1829, 
um fich der Wandertruppe des Grafen Lanjus, „Hilmer“ genannt, 
anzufchließen, die ſich in Heineren böhmifchen Städten probucirte. 
Die Schaufpieler Prokop, Biel und Die. Forchheim waren mit 
bei der Zruppe, deren Regiſſeur, Vortragsmeifter, Dramaturg 
und Hausdichter Tyl wurde. Fräulein Forchheim, welche ihn in 
einer ernften Krankheit treulich gepflegt hatte, wurde feine -jtete 
Begleiterin und fpätere Gattin. Als Tyl auf feinen zahlreichen 
Komddiantenfahrten weder Glück noch Geld fand, Tehrte er wieder 
nah Prag zurück und brachte e8 durch Vermittlung von Ber- 
wandten zum Fourier in der Rechnungsfanzlei des 28. Inf.⸗Regts. 
Aber jeine Theaterleidenſchaft war nicht erlofchen. Unter dem 
Namen „Skalny“ trat er im ftänd. Theater in Cechifchen Vor⸗ 
jtellungen auf, bejorgte zahlveiche Ueberſetzungen, fchrieb Original: 


)0 2ivotö a püsobeni Josefa Kajetäna Tyla. Vypravuje J. L. 
Turnowsky. V Praze, näkladem kn&hkupectvi J. L. Kober 1881. 











— 313 — 


dramen, edirte Zeitungen u. f. w. 1834 fchrieb er die Localpoſſe 
„Fidlowacka“, 1835 gründete er das Cechiiche Dilettantentheater bei 
St. Eajetan, wo in den nächiten drei Jahren achtzehnmal öffent⸗ 
lich gefpielt wurde und zwar mit einem jo gewählten Nepertoire, 
daß ſich Stepanet bemüßigt Jah, das damals ziemlich Tranfe 
Repertoire der dechiſchen Sonntagsvorftellungen im Landestheater 
zu veftauriren, 1836 brachte Tyl feinen „Ceſtmir“, eines feiner 
beften Stüde, auf die Bühne, jpäter den „blinden Jüngling“, 
dem man viel Ehre erwies. Zu einer geregelten theatralifchen 
Thätigfeit aber kam Tyl exit, als Stöger das Rofengafje-Theater 
gründete und alle national⸗cechiſchen Schauspieler und Bühnen- 
Ichriftfteller unter die Fahnen berief. Die Bühne bei St. Lajetan 
war bereits 1838 dem Wirfungskreife Tyl's entrüdt, der k. k. 
Fourier Tyl war glüdlich, als Regiſſeur des Roſengaſſe-Theaters 
ein künstlerisches Heim zu finden, wo er freilich feiner bienftlichen 
Stellung wegen nur „insgeheim" feines Amtes waltete. *) 


*) Ein beſonders verträglicher Camerad mag Thyl nicht geweſen fein. 
Bei meinen Streifzügen durch das ftändifche Archiv tft mir das Manuſcript 
einer lage Kolar's gegen feinen Collegen Tyl aufgeftoßen, bie auf den 
feinen Ton, ber hinter ben Couliſſen der damaligen Cechilhen Bühne 
herrfchte, ein trübes Kicht wirft. Kolar zeigt ber löbl. k. k. Stabthanpt- 
mannfchaft an, daß er am 30. Oct. 1841 (alfo noch vor Eröffnung bes 
Rofengafle-Theaterd) von „Sofeph Tyl, fein follendem Redacteur der Beit- 
Ihrift „Kvety“ umd Mitgliede der böhm. Theatergefellichaft im Beiſein bes 
Herren Joh. Nep. Stepanel und anderer Mitglieder auf bad Empörendite 
und Widerrechtlichite infultirt, gröbli an feiner Ehre und am Leibe au- 
gegriffen, mit ben ſchmählichſten Namen belegt und mit der Fauſt gewalt- 
fam in die Gegend der Schläfe und des Auges geichlagen worden fei.“ 
Der Grund dieſes liebenswürdigen Benehmend war, daß fi Kolar ge- 
weigert hatte, die ihm von Tyl aufoctroyirte Rolle des ältlichen Intriguants 
„Wolf“ in Gutzkow's von Tyl überfegtem „Werner“ zu [pielen. Auf Kolar's 
Beigerung entipann ſich folgende interefiante Scene zwiſchen den beiden 
Dichtern und Schaufpielern, die hier nach der actenmäßigen Darftellung 
mitgetbeilt fei. Tyl: „Warum haben Sie die Rolle nicht fpielen wollen ?” 
— Rolar: „Hier (in ber Directionskanzlei) ift nicht der Ort, in fo gereiztem 
Zone zu ſprechen.“ — Tyl: „Sie wollen lauter Helden und erfte Rollen 
fpielen, die Sie ganz verderben.” — Kolar: „Ich will den Wolf deshalb 
nicht ſpielen, weil mir ber Werner und Ihnen der Wolf gebührt.” — 


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— 314 — 


Der nom de guerre Tyls als Schaufpieler war „Stalıy”, 
feine Frau (Forchheim) nannte fih „Skalnd" zum Unterjchiebe von 
ihrer Schweiter, Die. Forchheim, welche im naiven Fache be: 
Ihäftigt war. Unfere Aufgabe ift e8 nicht, Tyl's dramatiſches 
und literarifches Wirken weiter zu verfolgen, als es in das Bereich 
unjerer Theatergefchichte gehört. Tyl arbeitete eifrig und verbienft- 
lich faft im ganzen Bereiche der Cechijchen Literatur, Dramen, 
Romane, Ueberſetzungen u. |. w., jo daß bereits in den Vierziger 
Jahren von feinen gefammelten Schriften 10 Bände erfcheinen 
konnten. Seine fchaufpieleriiche Thätigkeit, die allerdings in feiner 


Tyl: „Sa, wer find Sie denn?“ — Kolar: „Das ift arrogant gefragt!” 
— Run erfolgte aber die Rataftrophe. Tyl verfette feinem Collegen mit 
den Worten: „Hund, auf Dich paſſe ich Ichon lange, ich werde Dich tobt: 
Schlagen!” einen heftigen Schlag ind Geficht, fo daß Kolar betäubt zurüd- 
taumelte, und bolte mit dem Stode zu einem zweiten Schlage and. Kolar 
drängte jeinen Gegner zum Bortal zurüd, wo ihn aber Tyl in die beben- 
tende Bertiefung des Orchefterd von ber Bühne berabauftürzen juchte. Nun, 
als die Gefahr am höchſten war, intervenirten bie Anweſenden, Tyl machte 
feinem Grimme noch in allerlei Kolar an den Kopf gefchleuberten Ver⸗ 
wünſchungen, 3. B. „literarifcher Mörder” u. dgl. Luft und entfernte ſich 
mit dem Rufe: „Warte, Hund, Du entgehft mir nicht, ich fchlage Dich 
nod tobt!” Kolar erfuchte nun die Stadthauptmannſchaft anzuordnen, daß 
Hof. Tyl, mit dem er nicht länger auf dem böhmilchen Theater fpielen 
könne und ber durch fein Benehmen die ganze böhmiſche Gefellichaft belei⸗ 
digt habe, „vom böhm. Theater als Uebertreter der Bolizei= und ber ftipu: 
lirten Theatergeſetze entfernt werbe, daß er ihm (Kolar) für den gefährlichen, 
vehementen Schlag ind Geſicht exemplarifche Genugthuung leifte, daß er 
für bie entehrenden Schimpfwörter ebenfalld zur Satiöfaction gezogen 
werde und endlich für einen zerriffenen neuen fchwarzen Rod im Werthe 
von 50 fl, gänzliche Entſchädigung leiste.” Stepänel, die Theatermitglieber 
DUe Manetinsty, Schmiller und Nicolai beftätigten Kolar’3 Angaben 
volllommen, und eine Nachichrift bemerkte, dab „Tyl das gemeine Kunft- 
ftüd, fih an Berfonen thätlich zu vergreifen, fchon öfter ausgeführt, 3. B. 
an bem verftorbenen Juriſten und Yiteraten Mächa und dem abjolvirten 
Furiften und Literaten Jacob Maly“. Die Belchwerbe hatte au Erfolg. 
„Man brachte in Erfahrung,” was man inofficiell ſchon wußte, dab Tyl 
Fourier bei Latour⸗Infanterie und als k. k. Beamter nicht die Erlaubniß 
babe, Theater zu fpielen, und zunächſt fcheint ihm für einige Zeit das 
Theaterjpielen verboten worden zu fein, 


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Weife Hervorragend war, wibmete er dem NRofengafje-Theater 
während deifen ganzer Erxiftenz, und auch nah Schließung der 
Bühne wirkte er unter Stöger's Direction in den Cechifchen 
Sonntagsvorftellungen und arbeitete für das Nepertoire. Unter 
der folgenden Direction ſchuf er ſich als Dramaturg der Cechijchen 
Bühne einen größeren Wirkungskreis, den wir noch zu betrachten 
haben werden. 


Außer Kolar, Tyl, der Manetinsky und den beiden Forchheim 
verfügte die Cechiihe Bühne im Roſengaſſe-Theater noch über 
einige Kräfte, die uns bereits befannt find. Grabinger war 
noch immer an feinem Blate, Hametner fpielte feine Pierrots, 
und der grimme Böjewichter-Agent Grau war neuerdings für 
die Cechische Bühne gewonnen. In den „Räubern“ führte er nach 
dem Beilpiele Jerrmanns das Kunftftüd aus, gleichzeitig den 
Carl und Franz Moor zu fpielen.. Stüde, in denen ſich Greuel 
auf Greuel, Mord auf Mord häufte, waren das Terrain, in dem 
ih Grau's Genie uneingeschränkt entfalten konnte. Ein talentirter 
Schauspieler war Krumlowsky; Nina Herbit war einige Zeit im 
Stande der Cechifchen Bühne, als treue Mitglieder harrten aus 
Schmiller (Prager Kaffeewirth), Prokop (eigentlich Sänger, ehemals 
an einer Heinen deutichen Hofbühne engagirt), Herr und Frau 
Hynek, Biel, der hier auch große Partien nicht ohne Glück agirte, 
Kaska (feines eigentlichen Zeichens Thenterfchneider), Nicolai u. U. 
Wenn e3 Genien vorzuftellen gab, konnte man auch die kleine 
Balletratte Fanny Janauſchek auf den Brettern der Rofen- 
gaffe-Bühne gewahren. Hie und da ließen fich erſte Kräfte der 
deutjchen Bühne wie Fiſcher, Dolt u. %. zur Mitwirkung herbei, 
während andererſeits das cechiiche Perſonale verpflichtet war, 
bei deutschen Vorftellungen in untergeorbneteren Sphären zu 
wirken. 


Recht günftig ließ ih das Opern-Repertoire der öechi— 
ſchen Bühne in der Roſengaſſe an, fo lange e8 Mad. Podhorsky 
geftattet war, ihre vielfach in Anſpruch genommene Kraft auch 
fir das Gedeihen der nationalen Bühne einzufegen. An dem 


— 316 — 


Tenorijten Maier (Mayr)*) Hatte man einen ftimmbegabten 
jungen Tenor, dem fich jpäter Hr. Stepan als Barhtonift an- 
reihte, vom jtändifchen Theater wurden die reizende Soubrette 
Ködert und die jugendliche Sängerin Herrmann herangezogen; 
Die. Tonner fang vorzugsweife in der Roſengaſſe. Auch Demmer, 
Brava, Strafaty und Schütky opferten ſich in techifchen Opern- 
borjtellungen auf. Wenn es den Deutichen unter ihnen an ber 
nöthigen Zungengeläufigfeit gebradh, übte das milde Publicum 
großmüthig Nachficht und Ichägte die Mühe um fo höher, welche 
fich die der Cechifchen Sprache Unfundigen mit dem Ausiwendig- 
lernen des jlawiichen Textes gaben. Man führte in der Roſen⸗ 
gaffe den „Liebestranf”, „Joſeph und feine Brüder”, „die Stumme 
von Portici“ u. ſ. w. Cehifh auf, Stegmayer und Joh. Nep. 
Skraup waren als Dirigenten thätig, namentlich aber war e3 
Skraup, der als geborener Ceche keine Mühe fcheute, den dechiſchen 
Opernvorftellungen zu einem gerundeten Enfemble und tadellofen 
Aufführungen zu verhelfen. 

Wurde auf operiftifchem Gebiete Alles gethan, was mit be> 
jcheidenen Mitteln zu erreichen war, fo trat auf dem Gebiete des 


*) J. N. Mayr if am 17. Februar 1818 in Melnik geb., legte 
als Knabe im Krenzherrenflofter zu Prag den Grund zu feinem muſikal. 
Können, abiolv. unter Rob. Führer die Orgelichule und bei Dontcapell: 
meiſter Witaſek den Curſus in ber Mufittheorie, ging im 18. Lebensj. nad) 
Wien und nahm Unterricht bei U. Curci im Operngefang, um fi dem 
Theater zu wibmen; feine Theaterlaufbahn begann er als Tenor am ſtänd. 
Theater in Laibach, am 16. Sept. 1840 feierte er in ber Feſtvorſtellung 
aus Anlaß ber Landtagseröffunng (unter Erzh. Johann) als Sever feinen 
erjten Triumph, wurde nach zwei Jahren nach Belt, dann nad Aachen 
eng., von wo ihn 1842 Stöger an fein Rofengafje-Theater als erften Tenor 
berief. Er follte ald Ottavio in „Don Juan” debutiren, do fam bie 
Dper nicht zu Stande, und ber Nemorino im „Liebeötrant” wurbe am 
29. Sept. 1842 feine erfte Bartie an der Cechifchen Oper, deren werthvolles 
Mitglied er nunmehr mit kurzen Unterbrechungen blieb. Nah Ablauf jeines 
eriten Contract3 nahm er ein Engagement nad Darmftadt, wurde jedoch 
von Dir. Hoffmann abermals für Prag gewonnen; wir werben ihm in ber 
nächften Directionsperiode und in jpäteren Jahrzehnten in herporragenden 
Bofittionen begegnen, 








— 317 — 


Schauſpiels ftatt des geträumten Aufſchwungs bald ein Umfchwung 
zum Schlechten ein. In den erjten Monaten war ernft gearbeitet 
worden. Seit Gründung des Theaters (28. Sept.) bis 31. Dec. 1842 
kamen in Cechifcher Sprache 39 Stücke zur Aufführung, darunter 
6 Opern, 1 Trauerfpiel, 14 Schau-, 9 Luftipiele, 8 Poſſen und 
1 Pantomime. 8 Stüde waren öeechiſche Original-Arbeiten von 
Alicpera, Swoboda und Stepanek. Stöger gab fich die reblichite 
Mühe, die Titerariiche Production zu fördern und dadurch das 
Repertoire der Techifchen Bühne zu heben. Er fchrieb fogar drei 
Preiſe für Cechifche Originaldramen aus, den erften zu 20, den 
zweiten zu 15, den britten zu 10 Ducaten, welche Preiſe von 
einem „Freunde der techifchen Sprache” auf 40, 30. und 20 Du- 
caten erhöht wurden. Als BPreisrichter fungirten Präfect Joſef 
Jungmaun, Hiftoriograph Franz Palacky, Prof. W. A. Swoboda, 
Erasmus Wocel und Brof. J. P. Kaubek. Und eine foldhe Wedung 
neuer Dichterkräfte durch verlodenden Ducatenklang that Noth, da 
Klicpera, Machätel, Swoboda und Tyl damals die einzigen echten 
dramatischen Dichterfräfte repräfentirten. Es jchien auch, als 
hätten Stöger's Beitrebungen Anklang finden müljen. Gerade 
in den Vierziger Jahren kam die Cechijch-nationale Bewegung 
lebhaft in Schwung. In den Cechifchen Journalen wurde die 
nationale Bühne in der Roſengaſſe („düm rodinny*, Familienhaus 
genannt) der Gegenstand aufmerkſamer Beſprechungen, und jeder 
Erfolg des jungen Unternehmens wurde mit Enthufiasmus be 
grüßt. Nichtsdeftoweniger traten bald Mängel und Schwächen 
zu Tage, die den aufrichtigen Freunden der Cechifchen Bühne nicht 
verborgen bleiben konnten. Es wollte feine Solidität in die Cechifche 
Theatergejellichaft kommen. Sp lange man auf der eechiſchen 
Bühne faft durchaus Dilettanten fah, mußte fi das Bublicum 
theil3 aus verwandtfchaftlichen, theils aus allgemein menfchlichen 
Rückſichten zur Milde und Barmherzigkeit verpflichtet fühlen. Nun 
ipielte eine bezahlte Gefellichaft und zwar nicht mehr bloß at 
Sonn» und Feiertagen Nachmittags, fondern einige Male der 
Woche in einem fchönen, eleganten Theater. Mit den neuen Ver: 
hältniffen ftiegen die Ansprüche des Publicums, und diefen gejteigerten 


— 318 — 


Anſprüchen wurde nicht genügt. Der Hauptjehler in der Or⸗ 
ganifation der cechiſchen Bühne war der Mangel einer thatfräftigen, 
tüchtigen und ftabilen Regie, welche in die loſe zuſammenhängende 
Geſellſchaft die entjprechende Disciplin, den einheitlichen Zug ge- 
bracht hätte. Außer den zu diefem Amte in erſter Linie berufenen 
nationalen Dichtern Tyl und Kolar befleivete auch Yuft, ein guter 
Arrangeur, dem aber für cechiiche VBorjtellungen die Worte und 
Begriffe fehlten, umd der energielofe Hametner eine Zeit lang das 
Negieamt. Viele Mitglieder waren des Cechifchen entweder nur 
ſehr unvollfommen mächtig oder fprachen nur den verborbenen 
halb deutſchen Straßenjargon, Andere waren durch langjährige 
Beichäftigung auf deutihen Bühnen der Mutterfprache entwöhnt, 
jo daß ein mitunter ganz unmögliches „Böhmifch” verbrochen 
wurde. Die fähigeren Mitglieder hatten überdies, wenn fie auf 
der cechiichen Bühne frei waren, in deutfchen Vorjtellungen mit- 
zuthun, es häufte fich das Studium und verminderte fich die. Ber 
berrfchung der Rollen — man hatte nun „Dilettantentomödien" 
vor fi, und befand fi) doch in emem wahrhaftigen Theater. 
Auch das Repertoire wurde immer einfürmiger, und trog der 
Stöger'ſchen Ducatenpreife wollten die cechijchen Dichter und 
Driginal-Dramen nicht gedeihen. 

Und wie verhielt ſich das ceechiſche Publicum zu dem 
Theater? Es war unbewußt Mitjchuldiger an deſſen Verfalle. 
Wer war überhaupt das „cechiiche Theaterpublicum?“ Ein jehr 
Heiner Bruchtheil der Lechiichen Bevölkerung Prags, den ſelbſt 
Stepanek nur mit Mühe zum Beſuche feiner Dilettanten-Sonntag$- 
vorjtellungen herangezogen hatte. Damals war es aber großen» 
theils das perjönliche ntereffe an den Debuts von Freunden, 
Verwandten und Belannten, welches die Prager ins Theater zug, 
ein Intereſſe, das der ftehenden Bühne gegenüber fehlte. Stöger 
hatte, als .er ftch von nationalen Literaten und anderen „Vlaſtenci“ 
bereden ließ, fein Haus in der Roſengaſſe mehrere Abende in der 
Woche Lechifchen Vorftellungen zu widmen, ganz vergeffen, daB es 
meiſtens Gewerbs- und Meine Bürgersleute, dann Angehörige der 
dienenden Claſſe waren, welche die cechifchen Vorjtelfungen bejuchten 





— 519 — 


und daß für diefe die früher alleinigen Sonntags-Nachmittags- 
vorftellungen genügten. Viermal der Woche war entichieden zu 
viel. Sp waren denn auch bei den eechiſchen Vorftellungen 
eigentlich nur zwei Pläße des Haufes befucht: die Galerie, wo 
ih Sewerbsleute, arme Studenten, Dienende zufammenfanden, 
und das Stehparterre, das von jungen Cechifchen Gelehrten, Lite: 
raten und Beamten befucht wurde. Die Sperrfige wurden gewöhnlich 
von einigen Damen occupirt, die Zogen waren faft immer leer, 
nur an Sonntagen einigermaßen befegt. Ein Publicum für das 
ſtehende dechiſche Theater mußte erjt bervorgebildet werden und 
dies ging nicht jo raſch, als es zum pecuniären Gedeihen des 
Unternehmens nothwendig gewejen wäre. Bei diefem Stande der 
Dinge ſchränkte Stöger bald die vier kechiſchen Theaterab:nde 
der Woche auf drei ein, und ſuchte durch die vier deutſchen Poſſen⸗ 
vorjtellungen fich für das Deficit der Cechifchen Bühne zu ent- 
ſchädigen. Durch das Prävalicen der deutichen Poſſe verlor aber 
auch das Wofengafje-Theater an Sympathien bei dem techifch- 
nationalen Theaterpublicum; das „Familienbaus” erjchien ent: 
weiht, der Nation halb entfremdet. 

Stöger machte noch einen Verſuch, das öechiſche Inſtitut 
emporzubringen; er verfprady Abhilfe der Uebelſtände, von denen 
er, der „Ur⸗Germane“, allerdings nur jehr unklare Begriffe hatte 
— und eröffnete (am 4. April 1843) ein Abonnement zumächft 
auf Tünfzehn Vorftellungen, das Anfangs etwa 100 fl. C. M. 
per Abend terug. Auch diefer Verſuch blieb ohne nachhaltige 
Folgen. Die alten Uebel wurden nicht beifer, und im darauf 
folgenden Sommer nahm die Theilnahme des Publicums nur 
noch weiter ab. Nun fah ji) Stöger außer Stande, noch fernere 
Dpfer für ein Unternchmen zu bringen, das feine Lebensfähigkeit 
zeigen und verſprechen wollte. Das Anerbieten mehrerer cechijch- 
gejinnter Bürger, der Direction 125 fl. C. M. für den Theater- 
abend zu garantiren, wenn viermal der Woche techifch gejpielt 
und wenigftens einige der erften Mitglieder der Cechifchen Geſell⸗ 
ſchaft nicht auch in den deutfchen Vorftellungen mitwirken müßten, 
lehnte Stöger ab. Ex hatte eben zwei neue Polen am Repertoire, 


— 320 — 


% 


welche volle Häufer zu machen verfprachen, und glaubte beifer zu 
fahren, wenn er ftatt der zu garantirenden Cechifchen ausſchließlich 
deutſche Vorftellungen diefer Nepertoireftiide gäbe. Auch mochte 
er der beftändigen Angriffe und Behelligungen won Seite Lechifcher 
„PBatrioten” müde geworden fein, die ihm allein die Schuld an 
dem Verfalle der Cechifchen Bühne zufchrieben. Sp erftattete er 
denn am 3. Dec. die Anzeige an die Theaterauffichtscommiffion, 
daß er die dechiſchen Vorftellungen in der Roſengaſſe einzuftellen 
ji) veranlaßt ſehe. 

Ich finde mich verpflichtet, gehorfamft anzuzeigen” — hieß es in 
biefem benfwürbigen Schriftftüd — „daß die Refultate meines Unternehmens, 
ein böhmijches Theater für Schanfpiel und Oper jelbftänbig au erhalten, 
zu welcher mich der biefige Bürger- und Gewerbeftand unter mannigfachen 
Verheißungen bringend aufgefordert hatte, durchaus unerfreulich und 
für mid ſchadenbringend fich herausgeſtellt Haben, indem ber blos 
einzelnen Individuen innewohnende Eifer zur Gmporbringung der 
böhmischen Sprache der Mafje durchaus fich nicht mitgetheilt hat, auf deren 
Theilnahme allein mein Unternehmen berechnet fern Tonnte. Nachdem ich 
mic unmöglich bernfen finden kann, mich jenen ſprachlichen Ten- 
denzen zu opfern, fo fah ich mich genöthigt, jene Uinteruehmung aufzu- 
geben und den bafür aufgenommenen Berfonalftand fofort zu entlaflen, um 
in Hinkunft, nach dem in meinem Unternehmungscontracte mir eingeräumten 
Befugniffe die böhmilchen Vorftellungen auf ben früheren Fuß zurückzu⸗ 
führen, nämlich biefelben an Sonn- und Feiertagen um bie vierte Rach- 
mittagsftunde im ftändilchen Theater zu geben... . und am 8. laufenden 
Monats ald an einem Feiertage mit den böhm. Vorftellungen im ftänd. 
Theater zu beginnen, . .“ 


Die Theaterauffihtscommiffion war mit diefer Schließung 
der Cechifchen Bühne*) um fo eher einverjtanden, als fie ohnedies 


*) Im J. 1845 — nad der Auflaffung der cechiichen Vorftellungen 
in ber Roſengaſſe — hatte das eechiſche Perſonal des ftänd. Theaters fol- 
genden Stand: Dir. Stöger, Regiſſ. Chauer, Capellm. I. N. Straup; 
Herren *Chaner, *Grabinger, Gran, *Hametner, Kaska, Klar, *Kolar, 
Krämer Lapil, »Neſwadba, Nicolai, Schmiller, »Sekira, *Stralaty S., 
*Petak S., Podhorsky S., Wiedemann (Sänger) — *Mab. Kolar, "De, 
Ködert ©., *Mad. Podhorsky S., »Dlle. Freitag S., Dlles. Maja, *Hlan- 
ſchek, Köbiſch; das ſämmtl. Chorperjonal des ftänd. Theaterd. Die mit * 
Bezeichneten waren zugleich Mitglieder des ftänd. Theaters, 


| 


— 321 — 


nichts fehnlicher wiünfchte als die gänzliche Auflaffung des Roſen— 
gaffe-Theaters und ihrerſeits vedlich dazu beigetragen hatte, 
Stöger von dieſem Unternehmen abzubringen. Schon in den 
erſten Monaten nach der Gründung des neuen Theaters hatte es 
ernjte Eonflicte zwifchen der Commiſſion, welche in dem neuen 
Unternehmen eine Beeinträchtigung der ftändifchen Bühne erblidte, 
und Stöger gegeben. Der Director behauptete, daß die Commiſ— 
fion auf fein Privattheater feinen Einfluß zu nehmen habe und 
daß er, wenn die Mahnungen betreffs des Perjonals und Reper- 
toives fortdauern follten, feinen ganzen Wirkungskreis in Prag 
für eine läftige Plage anſehen müſſe. Diefe Erklärung veranlaßte 
die Theateranffichtsconmiffion, ernftlih die Frage in Erwägung 
zu ziehen, ob man Stöger das Theater in der Roſengaſſe fort- 
führen laſſen dürfe. Nur einflußreiche Freunde des Directors 
verhinderten, daß dieſe Frage entſchieden verneinend beantwortet 
wurde. Die dringende Mahnung, welche die Commiſſion wegen 
der Benachtheiligung des jtänd. Theaters zum Vortheile feines 
eigenen PBrivatunternehmens an Stöger richtete, haben wir bereits 
mitgetheilt. 

Im December 1843 jchien diefe Mahnung zu einer ein: 
Schneidenden That werden zu wollen. 3 erfchien ein uber: 
nialdecret, das die (aus hartem Meateriale erbauten) Tiheaterloca- 
litäten in der Roſengaſſe der Yeuergefährlichfeit bezichtigte 
und der Direction auftrug, einen weiteren Ausweg für das 
Buhlicum auf der rechten Seite des äußeren Zufchauerranmes 
anzubringen. Stöger ließ diefe Bauänderung ausführen, was aber 
nicht Hinderte, daß kurz darauf ein neues &ubernialdecret die 
gänzlihe Sperrung des Theaters auf fo lange an- 
ordnete, als nicht auf der rechten Seite der Bühne ein 10 Schuh 
breiter Ausgang durch die Mauer in den benachbarten Garten 
hindurchgebrochen und von diefem herab eine 8 Schuh breite 
Stiege in das zu ſolchem Behufe eigenthümlich zu erwerbende 
benachbarte Grundſtück herabgeführt fein würde. Stöger fperrte 
nun die Bühne und machte die Gefellfchaft mit der Möglichkeit 
gänzlicher Entlaſſung vertraut, was diefelbe zur Einreichung eines 

21 


— 322 — 





Geſuchs um Siftirung des behördlichen Auftrages veranlapte.*) 
Der Director traf mittlerweile Anftalten, dem Bauanftrage nad): 
zufommen. Obwohl in nichtS weniger als glänzenden pecuntären 
Berhältuijfen, unterhaudelte er mit der Eigenthiimerin des benach— 
barten Hanfes, welche für einen lächenraum, der fanımt einem 
baufälligen Haufe höchſtens 5000 fl. C. M. werth war, 
18.000 fl. C. M. verlangte. Dies war Stüger zu viel; er führte 
eine Bauänderung duch und erzielte dadurch einen neuen Aus: 
gang des Theaters, womit die Urjache der gänzlichen Sperrung 
behoben ſchien. Die Vorftellungen wurden — aber nur mehr in 
deutſcher Sprache — wieder aufgenommen.**) Nichtsdeftoweniger 
ging das Theater in der Rofengaffe immer mehr feinem Ruine 
entgegen. Man gab die Nejtroy’iche Novität „Liebesgefchichten 
und Heiratsſachen“, führte noch einige Poſſen auf, doch war 
e3 nur mehr eine Scheinexiftenz, welche das Juſtitut Fortfriftete. 
Es bedurfte nur noch eines Anſtoßes von außen, um Stöger 
zur „freiwilligen Sperrung des Haufes zu nöthigen, und diefer 
Anſtoß Tieß nicht Tange auf fih warten. Eine Zufchrift der 
Theateranffihtscommuffion unterjagte die Mitwirkung der Mad. 
Kolar und Die. Ködert in allen Vorftelimgen des Stöger'ſchen 
Brivattheaters, und ein zweites Decret, das ſich auf Mad. Raab, 
dann die Hru. Dolt und Grabinger erftreden jollte, wurde in 
Ausſicht geſtellt. Auch verweigerte die Prager Stadthauptmann— 
ſchaft von nun an die Erlaubniß zur Drucklegung des Theater— 

*) Stöger hatte die Geſellſchaft feines Privattheaters in die Kanzlei 
berufen und ihr durch feinen Rechtsfreund mittheilen laſſen, daß die an— 
geordirete Sperrung der Bühne contractgemäh die Löſung aller Verträge 
bedinge. Sofort verfügte fih eine Schaufpieler-Deputation zum Statthalter 
Erzherzog Stephan, um Aufſchiebung der 100 Menſchen ins Elend ftür: 
zenden Maßregel zu erwirfen. Dean erreichte damit eine Hinausſchiebung 
des Termin für die Sperrung. 

**) Auch italtenifche Opern gelangten in der Rofengaife zur Auffüh: 
rung, in been die Geſchwiſter Stolz, Francilla Pixis, I, N. Mayr und 
Prof. Gordigiani mitwirken. So wurde die Oper „Prigione del Edin- 
burgo” mit Sigra. Pixis, Sigra. Lud. Stolz, den Hrn. Mayr und Gorbi- 
giani 5mal nacheinander bei ausverkauften Haufe gegeben. 





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zettels, wenn ſtändiſche Mitglieder als mitwirfend im Theater in 
der Roſengaſſe angeführt waren. Damit war dem Theater die 
Lebensader unterbunden; konnte man höheren Orts die amtliche 
Sperrung des Nofeugafje-Theaters nicht verfügen, fo blieb nad) 
den legten Maßregeln Stöger nichts übrig, als felbft zu fperren. 
In einer Eingabe an die Auffichtscommifjion gab er der Hoffnung 
Ausdrud, durch die Schließung des Theaters in der Roſengaſſe 
das gute Einvernehmen mit der Theateranfjichtscommiffion wieder: 
herzuftellen und bereitete die Auflöſung der Geſellſchaft 
vor. Er ließ nur noch den Escamotenr Döbler und die Zuftkünft- 
lerin und Athletin Seraphine Luftmann gaftiren; am 1. Mai 1844 
aber jchlojfen jich die Pforten des Roſengaſſe-Theaters, nachdem 
fte ſich Schon in den legten Wochen vorher nur mehr feltener 
und wenigen Bejuchern geöffnet hatten. 

Stöger verjuchte noch hie und da einen Nußen aus feinem 
Haufe zu ziehen; er ließ Afrobaten und Gymnaſtiker und im 
Winter 1844—1845 auch die Lutz'ſche Theatergeſellſchaft, eine 
der beiten Wandertruppen Böhmens, gaftiven, aber Erfolge wurden 
nicht mehr erzielt. Die Lutz'ſche Truppe, die ſich vornehmlid) in 
Baudevilles verfuchte, Fonnte den Ansprüchen eines hauptftädtifchen 
Publicums nicht genügen, mochten auch einige befjere Kräfte 
(u. U. die Familie Kottaun) darunter fein. In der Faftenzeit 
wurden die cechiichen Sonntagsvorftellungen in der Roſengaſſe 
abgehalten. Schließli war Stöger glüdlih, alg ihm — man 
jagt über Verwendung feines Gönners Erzherzogs Franz Karl — 
der Staat das Haus in der Rofengafje abfaufte, um dorthin das 
Verjagamt zu verlegen. Heute wallt täglich eine Menfchenmenge 
treppauf, treppab in dem ehemals Stöger’ichen Haufe, in ftillen 
Magazinen trauern Gold-, Silber- und Toilettenſchätze um ihre 
Eigenthümer und harren auf Erlöfung; nichts erinnert mehr an 
das glänzende Redontengewühle, an die Herrlichfeiten des „Zauber: 
ſchleier“ und endlich an die Cechiiche Nationalbühne, deren Stätte 
das heutige Leihamt vor Zeiten war. Die Gejchichte des Stöger’fchen 
Mujentempels ift nicht lang, aber fie iſt denkwürdig. Als Sitz 
der deutjchen Ausftattungs- und Spectafelftüde hat das Theater 

21* 


— 324 — 


in der Roſengaſſe Fein ſonderlich koſtbares Blatt in den Ehren- 
franz der Brager Schaubühne geflodhten, auch feine Leiftungen 
als cechifches Nationaltheater haben nicht Anſpruch auf Unfterb- 
lichkeit. Daß aber hier feit den Tagen des „vlastenecke divadlo“ 
der erſte — mißglüdte — Verſuch gemacht wurde, ein folches 
cechifches Volksinftitut einzubürgern, und daß es der Deutfche 
Stöger war, der diefen Bühnenverſuch unternommen, verdient 
unvergeſſen zu bleiben. Die kurze Lebenszeit des Theaters in der 
Rofengaffe war Fein unwichtiger Abjchnitt in der Geſchichte des 
cechifch-nationalen Theaters. 


— ee — 


— 325 — 


XIII. 


Das Ende der Theaterauffichtscommiſſion nnd der erſten 
Stöger’fden PDirectionsperiode (1846). 
(Nene „Inſtructionen“ für die Aufſichtscommiſſion. — Die erften Conflicte 
mit Stöger 1840. — Stöger'3 Rechtfertigung. — Der Gagenetat. — Nene 
Strafbecrete. — Erneute Vertbeidigungsichrift des Directors. — Preiſinger 
übernimmt die Opernregie. — Prager Directiond- Freuden. — Neue Pro— 
jecte der Commiſſion; Antrag anf Uebernahme in eigene Regie ; der Landes— 
ausſchuß beichlieft Ablehnung dieſes Antrages, dagegen eine Subvention 
für den künftigen Theaterpächter. — Die neue Organifation. — Schaffung 
der Intendanz an Stelle der Auffichtscommiffion. — Renovirung des 
Theaterd. — Der Concurd. — Directionscandidaten. — Johann Hoffmann 
erhält die Direction. — Stöger's Abſchied.) 


Ehe wir von der Direction Stöger auf ſechs Jahre Geſchichte 
Abſchied nehmen, müfjen wir noch der fonderbaren Stellung dieſes 
Bühnenleiters zu jener Behörde gedenken, welcher jeit Uebernahme 
des Noftig’schen Theaters durch die Stände die Oberaufficht über 
die Leitung des ſtändiſchen Muſentempels anvertraut war. In 
feiner Periode der Prager Theatergefchichte trat das abfonderliche 
Verhältniß zwifchen Direction und Auffihtscommiffion fo fcharf 
zu Tage wie in der Stöger’fchen. Kein Zweifel, daß man, won 
den beſten Abfichten geleitet, das Inſtitut ing Leben gerufen hatte, 
fein Zweifel auch, daß e8 geeignet war, in mancher Hinficht auf 
die künftlerif he Nichtung der Bühnenleitung mwohlthätig einzuwirfen. 
Aber ſchon die Vielföpfigfeit der Behörde ftand deren eigentlichen 
Berufe hindernd im Wege. Im Jahre 1840 formulirte ſich die 
Coinmiſſion neue Inſtructionen, nach denen fie nicht mehr aus 
bloß ſechs Beifigern, ſondern aus fieben (vier aus dem Herrenz, 
zwei aus dem Ritter-, einem aus dem Bürgerftande) und jieben 
Stelfvertretern zufammengejegt wurde. Daß Tun eine vierzehn- 
gliedrige Oberauffichtsbehörde, deren Glieder zumeift dem höchſten 
Adel angehörten, dem einheitlichen Charakter einer regulären 
Bühnenleitung zuwiderlief, liegt auf der Hand. Einem Theater: 


—- 326 — 


director von einigem Selbjtbewußtfein oder gar einiger Anlage 
zum abjoluten Bühnenjonverän mußte eine ftändige Aufjicht an 
und file ſich unbequem erjcheinen ; fie mußte ihn in feinen Ent: 
Ihhliegungen hemmen und dies um fo mehr, wenn nicht Eine, 
foudern jieben oder gar vierzehn Stimmen maßgebend waren, 
wenn oft bei Engagements-, Entlajjungs- oder Nepertoirefragen 
perjönlihe Sympathien, Antipathien oder Geſchmacksrichtungen 
die widerftrebendften Einflüffe nahmen. Wir wollen nun wicht 
beftreiten, daß der Theater-Routinier Stöger einer künſtleriſch 
deufenden Oberaufficht bedurfte, daß er oft Mißgriffe machte, die 
eine ftrenge Eorrectur vertragen hätten — nur ſchoßen die Maß— 
vegeln der Theateraufſichtscommiſſion oft über das Ziel hinaus. 
Die mit dem praftifchen Theatergefchäfte unvertrauten Herren 
verlangten nicht felten ‘Dinge, die der Direction unausführbar 
waren, und die Rügen der Commiſſion nahmen oft cinen fo 
ſchroffen Charafter an, daß der ſanftmüthigſte Director fich einer 
hochgradigen Gereiztheit kaum ermwehrt hätte — gejchweige dein 
Stöger, der alle Feſſeln haßte und in der ihm vorgejegten Auf- 
ichtscommilfion den Haupt-Hemmſchuh für das Gedeihen ſeines 
Unternehmens erblidte. Einige markante Züge aus dem Conflicte 
zwifchen Direction und Commiſſion werden am beften Licht und 
Schattenfeiten der Yuftitution darlegen und darthun, daß ſich 
diejelbe auf die Daner unmöglich erhalten konnte. 

Zu dem eriten Starfen Zujammenftoße fam es bereits 1840, 
alfo zu der Zeit, wo ſich in der That ſchon die Stöger’iche 
Direction in entjchieden rückſchreitendem Gange befand. ‘Die 
Theaterauflichtscommiffion erhob gegen den ‘Director folgende 
Beſchwerden: 1. daß die Dper bedeutend gejunfen fei und zwar 
„durch ungebildete Sänger wie Kunz und Bed und durch ſtimm— 
los gewordene wie Preifinger, Demmer, die Schtlaneder u. A.“; 
2. daß das Caſſaſtück, d. 5. Poffen, gymnaſtiſche und mechanifche 
Künfte mit neuen und jchlechten Stüden vorwalten; 3. daß das 
Einträgliche bis zum Ekel wiederholt werde; 4. daß die tragische 
Kunſt faſt gar nicht mehr ausgeübt werde; 5. daß Stöger, mit 
Ban: und anderen finanziellen Sntereffen fajt ausschließlich be: 





Ihäftigt, die Darjtellung gar nicht überwache; 6. daß nur wohl- 
feile Stüde und wohlfeile Darfteller gefucht werden. Außerdem 
beflagte man fich über das willfürliche Engagement von Schau- 
jpielern und Gäften, über die verjänmte Anzeige von Urlauben 
u. |. w. über das „eleude Zwiſchenact-Orcheſter“, über den 
Mangel eines Opernregiſſeurs, die willfürliche Erhöhung ver 
Preije bei Eoncerten, die Öfteren Repertoire-Aenderungen und die 
zu jpäte_Vorlegung des NRepertoires; man befchwerte jich dariiber, 
daß nicht, wie contractlich vorgefchrieben, binnen drei Monaten 
wenigjtens nenn Novitäten aufgeführt, daß deutfche Mitglieder in 
böhmiſchen Vorstellungen beichäftigt, fremde Künftler der Commiſſion 
nicht vorgeftellt wilrden. Das Publicum — hieß es — beichuldige 
die Theaterauffichtscommiffion der Nachficht für Stöger und lege 
ihr deſſen Willfür und den Verfall der Bühne zur Laft. 

Stöger erklärte in feiner Rechtfertigung all feine „Vergehen“ 
als TFormalverjehen und verſprach pünktliche Einhaltung feines 
Eontractes. Mit einer jolchen Wechtjertigung war aber die Com: 
million durchaus nicht zufrieden. Die Herren jagten, ftrenge 
genommen könnte man Stöger's Verhalten als Contractbruch 
bezeichnen und auf ſeine Koſten einen Nachfolger bis 1846, dem 
Schlußtermin ſeiner Unternehmung, beſtellen; man übe nur Nach— 
ſicht, indem man ihn mit einer Strafſunme von 100 fl. W. W. 
belege und vorläufig mit der Kündigung bedrohe. Eigennutz, meinte 
die Commiſſion, treibe Stüger, nachdem er eine gute Meinung 
und Abonnenten für fid) gewonnen, dazu, Poſſe und Spectafel- 
jtüde als Zugkräfte für Barterre und Galerien wirken zu Lajjen 
und die eigentliche dramatijche Kunft zu vernachläfjigen. Um diefe 
Gewinnſucht zu paralyfiren, greife mar nun zu jtrengen Diaßregeln... 
Schließlich) wurde Stöger aufgefordert, jich binnen vierzehn Lagen 
zu rechtfertigen und den. Berjonalftand vorzulegen, deſſen Beſtäti— 
gung durch die Aufjichtscommilfion feit ſechs Jahren nicht ein- 
geholt worden ſei. Die Commtijfion machte Miene, alle feit 
diefer Zeit erfolgten Engagements für ungiltig zu erflären. Durd) 
ein neues Strafvecret angeeifert, jah fi) der Director zu einer 
nachorüdlichen PVertheidigung gezwungen. Er reichte unterm 


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— 328 — 


10. April 1841 eine umfangreiche Rechtfertigungsjchrift ein, in 
welcher er zunächſt den Vorwürfen bezüglich des mangelhaften 
Repertoires folgende nicht ganz unrichtige Erklärung entgegenfegte : 

„Die Prager Bühne befteht aus eigenen Mitteln und ift alfo gezwungen, 
dem Geſchmack des Publicums infoferne nachzugeben, un zwiſchen den An— 
ſprüchen hoher Claſſificität und trivialen Geſchmacks ohne Verletzung des 
öffentlichen Anſtands die richtige Mitte zu halten..... Es ift wohl kaum 
die Mbficht der Herren Stände, die hiefige Bühne nur dem claffilch gebil- 
deten Zufchauer-Bublicum zugänglich zu machen, und darum mäffen, um fo 
mehr, als bier das alleinige Theater Alles umfaflen joll. was an anderen 
Orten, 3. B. in Wien, an fünf Theatern dargeftellt wird, andy Spectafel- 
ftüde und Poſſen abwechſelnd gegeben werden. Daß fie bie und da über- 
wiegen, liegt cben in dem Grunde, daß die Bühne aus eigenen Mitteln 
beiteht und darin, daß bei claſſiſchen Productionen nicht felten das PBarterre 
ſowohl ald auch die Rogen an leeren Pläten überreich find. Man kann 
aber eine Bühne gewiß nicht mit dem harten Beilage „dem Berfalle 
nahe” bezeichnen, wo, wie Bier, alle bedeutenden Opern, alle gangbaren 
Stüde von Schiller, mehrere von Goethe und (mas bisher nicht einmal 
bein Hoftheater der Fall war) zehn Stüde von Shakeſpeare definitiv auf 
dem Repertoire ftehen ... . .” 

Stöger fette auseinander, daß die Prager Bühne, um auf 
der Stufe großer Hoftheater zu jtehen, auch deren Subventionen 
haben müßte (bi8 1846 beitand das Prager Theater ohne baren 
Zuſchuß); ſonſt könnte fie nur eine Bühne zweiten Ranges fein, 
die Alles aufführen mülje, um fich zu erhalten. Dem Borwurfe 
bezüglich der fchlechten Qualität der neuen Stücke begegnete Stöger 
mit der Bemerkung, daß man Novitäten haben müſſe, daß aber 
nicht felten die beiten von der Cenſur verboten werden. 
Den Borwurf, nur wohlfeile Darfteller zu ſuchen, wies Stöger 
durch Vorlegung feines Gagenetats zurüd, der im Ganzen monat- 
lich 6109 fl. 18 Fr. betrug*) — mas gegenüber dem Etat der 


*) 53 bezogen laut Angabe Stöger's im Monat März 1841: im 
Schauſpiel: Mad. Alam monatlich 66 fl.40 fr. Gage, halbes Benefiz, 
Dle. Allram 83 fl. 20 kr., Düle. Bervifon CO F., Mad. Binder 33 fl. 20 Er., 
h. B., Dile. Frey 100 fl., 9. B., Dile. Herbit 83 fl. 0 kr., h. B., Die, 
Manetinsky 50 fl., h. B., Die. Schilaneder 40 fl., h. B., Dile. Schwelle 24 fl., 
Mad. Zängel 45 fl., b. B., die Herren Bayer 100 fl. Gage, 200 fl. Oitartier: 
geld, ganzes Benefiz, Bolze 66 fl. 40 Fr., Balvansky (Souffleur) 50 fl. 50 kr., 











— 329 — 


borhergegangenen Direction ein Plus von 2173 fl. 42 fr. ergab. 
Sehr entjchieden begegnete Stöger dem Borwurfe der Unvoll- 
ftändigfeit und theilweifen Unbrauchbarfeit feines Schaufpiel- und 
Opernperjonals; „ohne ſelbſi das Gefchäft zu leiten“ — erklärte 
er — „fei man jelten im Stande, über die Fähigkeit oder Unfähigkeit 
der Mitglieder ein grundhältiges Urtheil abzugeben, indem auch 
bei den größten Bühnen oft mehr auf ein braudhbares al 
auf ein ausgezeichnetes Mitglied Rüchficht genommen werden 
müſſe, an brauchbaren Mitgliedern e8 aber in Brag durchaus 
nicht Tehle.” In ähnlicher Weife widerlegte Stöger der Reihe 
nach alle Vorwürfe der Commiſſion bis zur Beleuchtung und 
Reinhaltung der Bühne herab in dem überlegenen Tone des 


Dies 116 fl. 40 kr. 5. B., Dietrih 40 fl., h. B., Ernſt 150 fl. Gase, 
200 fl. Onartierg., Feiftmantel 133 fl. 20 kr., zwei halbe Ben., Filcher 100 fl., 
bh. B., Hametner 12 fl, Grabinger 50 fl., 5. B., Nerking 100 fl., Polawsky 
116 fl. 40 kr., Spiro 83 fl. 20 tr, h. B., Schifaneder 58 fl. 20 kr., 
Walter 76 fl. 40 Fr., Zängel 45 fl., auf. 1935 fl. 10 fr. — in ber Oper: 
die Damen Grofler 133 fl. 20 Fr. Sage, 120 fl. Honorar, zwei halbe Ben., 
beibe mit 600 fl. garantirt, Podhorsky 133 fl. 20 Er. Gage, 3 fl. Honorar 
per Rolle, zwei h. B., Diled. Triebenfee 83 fl. 20 kr., h. B., Block 56 fl., 
Zöllner 41 fl. 40 kr., h. B. — Director Stöger ald Oberregiffeur 133 fl. 20 Er., 
die Herren Bentel (Souffl.) 33 fl. 20 fr., Bed 83 fl. 20 Er., 6. B., Binder 
83 fl. 20 fr., Brava 91 fl. 40 fr., Deumer 116 fl. 40 fr. Gage, 50 fl. Hon., 
h. B., Emminger 116 fl. 40 kr., 5 fl. per Rolle, h. B., Kunz 116 fl. 40 kr., 
5 fl. pr. Rolle, h. B., Lehmann (Sonffl.) 50 fl., Podhorsky 66 fl. 40 kr., 
Breifinger 116 fl. 40 kr., Strakaty 116 fl. 40 kr., 6. B., auf. 1522 fl. 40 ir. 
Sage, 270 fl. an Honorare, 33 fl. 20 fr. Duartiergeld — Summa 3761 fl.40 fr. 
— Im Ehore betrug die höchſte Gage (Ehorbir. Skraup) 30 fl., von ben 
33 Chormitgliedern bezogen die einzelnen Herren und Damen Monatsgagen 
von 8 bis 20 fl., auf. 448 fl.; im Ballet hatten Balletm. Rainoldi ſammt 
Frau 66 fl. 40 &., Mad. Springer 40 fl., die 10 Damen Gagen zwiſchen 
4 und 16 fl, die 8 Herren zwifchen 8 und 20 fl., auf. 273 fl. 40 fr.; im 
Orcheſter bezog Capellm. Stranp 116 fl. 40 kr., Orceiterdir. Piris 
53 fl. 20 ir. und halb. Ben., Kral 26 fl. 40 fr., die 40 Mitglieder Sagen 
zwiſchen 4 und 20 fl., auf. 756 fl. 28 ir. Der Theatermaler Mösner hatte 
66 fl. 40 kr., Secretär Stiepanel 83 fl. 20 kr., Schwertfeger Herrmann 5 fl. 
Monatsgage. Zur Beloldung des untergeordneten Perſonals waren per 
Tag 23 fl. 50 kr., zul. 715 fl. erforderlich. Die Hauptjumme des Gagen- 
etat3 betrug daher 6109 fl. 18 fr. monatlich. 


— 330 — 


Geſchäftskundigen. Schließlich verfäumte er nicht, der Schwarz- 
malerei der Commiljionsbeijiger ein farbenreiches Bild feiner 
eiaenen Verdienfte entgegenzuhalten. Er betonte, daß unter feiner 
Direction das Orcheſter bedeutend verftärkt, das Chorperfonale 
um vierzehn Mitglieder vermehrt, ein Balletmeifter, vier Solo- 
täuzer und zehn Baar Balletfiguranten, ein tüchtiger Weafchinen- 
und Theatermeifter und ein geſchickter Obergarderobier engagitt, 
das Perſonale der Zheaterarbeiter und der Garderobe vermehrt 
worden jei, und dies Alles ohne contractliche Nöthigung. An 
Garderobe, Decorationen und Nequifiten habe er zu dem fchon 
Vorhandenen noch jo viel beigejchafft, daß er in diefer Beziehung 
mit den bedentendften Bilhnen in die Schraufen treten könne. 
Ueberdies verwende er ununterbrochen fo große Summen auf die 
Auſchaffung neuer Opern-Mannferipte, daß felbjt feine Feinde 
eingeftehen müßten, die Prager Bühne befige das Beſte und 
Nenefte, was nur irgendwo ericheint. Das Ende der Rechtfertignungs— 
Ichrift bildete die Bitte, ihn der Strafe von 100 fl. W. W. zu 
entheben und die von ihm engagirten Mitglieder „gnädigſt zu 
beftätigen.” 

„Gnädig“ lautete num der Beicheid durchaus nicht, den Stöger 
auf feine eindringlicye Vorjtellung erhielt. Es erſchien im Gegen: 
theile .ein neues, womöglich noch ſchärfer gehaltenes Strafdccret, 
das nicht allein die früher gemachten Vorwürfe wiederholte, ſondern 
noch eine Serie neuer hinzufügte und Stöger's Selbitgefühl auf 
das Tiefſte verlegte. Die Aufjichtscommiljton beanfpruchte ein 
Amtsbereich, wie fie es bisher nie beſeſſen; fie handelte auf Grund 
jener neu formulirten Inſtructionen, welche gleichzeitig mit der 
Erhöhung des Standes der Commifjionsmitglieder ind Leben ge- 
treten waren. Dieſe Neuerung hatte ſelbſtverſtändlich auch einen 
Perjonenmwechfel mit fich gebracht, der für Stöger feine guten 
HBeiten beventete. Das neue Strafdecret, das dem Director anı 
30. April 1841 eingehändigt und von demjelben mit innerem und 
äußerem Grimme in Empfang genommen wurde, wies Stöger 
unter neuerlicher Androhung einer Adiminiftrativverhängung ent: 
Ichieden zur Strafjzahlung an, verbreitete fich ſodann jehr um— 





— 331 — 


jtändlich über ſämmtliche hohen Orts bemerkte Gebrechen in den 
Reiftungen der einzelnen Mitglieder und der Direction und ver- 
ordnete, daB der Director dies Decret feinen Mitgliedern fund zu 
tbun habe. Schr entfchieven nahm die Commiljion das feit dem 
Beftande des Prager Theaters nicht ausgeübte Necht der jchrift- 
lihen Beftätigung („per decretum‘“) jedes Engagements fir ſich 
in Anfpruch. Auch forderte fie die ftrenge Abgrenzung der ein- 
zelnen Rollenfächer. Die Contracte mehrer jeit Jahren engagirter 
und beliebter Mitglieder, jo der Herren Kunz, Eminger, Bed, 
Brava follten nur bedingungsweile genehmigt und denjelben eine 
Probezeit beftimmt werden, obwohl der Theaterunternehmungs— 
contract von einer folchen Probezeit nichts wußte und bloß be- 
züglih der Aufnahme in das Penfionsinftitut ein Probejahr 
ftipulitte. Nicht genug damit; die Anordnungen der Commiſſion 
vertieften jich in ihren zahlreichen Details bis in das Innere der 
Regie und felbft über deren Wirfungsfreis hinaus; fie lieferten 
eine fürmliche Generalkritit des gefammten Perſonals und machten 
es Stöger zur Pflicht, die Leiftungen der Schaufpieler bis in die 
Hleinften Nuancen zu controliren und für die Vermeidung auch 
der geringsten Darjtellungsfehler zu bürgen. Auch die an alleı 
Bühnen aushilfsweife gangbare Verwendung routinirterer Chor: 
mitglieder in Heinen Rollen wurde Stöger ftreuge verübelt, das 
Nichtengagement eines eigenen Opernregifjeurs ſcharf gerügt und 
ſchließlich dem Director eine Reihe von Borjchlägen zur Ver- 
beiferung der Heizung, Beleuchtung, Möbelaufbewahrung n. |. w. 
abgefordert. Ä 

Diesmal antwortete Stöger bei allem der geftrengen Com— 
miſſion jchuldigen Reſpect mit großer Entjchiedenheit und Schärfe. 
„Spräche mich mein Bewußtſein nicht frei von jedem wirklichen 
Verſchulden“ — äußerte er — „kaum ertrüge ich die Schmad), 
welche hohe Commiſſion durch die feither erlaffenen Strafdecrete 
über mich auszugießen fachgemäß befunden.” Er deutete an, daß 
er eine Berufung an den Landesausschuß verjuchen wilrde, went 
er nicht von der Ausfichtslofigkeit dieſes Schrittes überzeugt und 
zudem verfichert wäre, daß dann die Feindfeligkeit der Commifjion 


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— 332 — 


nur noch fchärfer zu Tage treten würde. Er beflagte den un 
erträglichen Zwang, den man durch buchftäbliche Auslegung des 
Contractes und der Drdres auf ihn übe und durch den man ihm 
jede Luft und Liebe an der Sache benehme. Die ihm auferlegten 
100 fl. W. W. habe er nun zwar bereit an die Penſionscaſſe 
erlegt, Hoffe aber noch immer, von der entehrenden Strafe befreit 
zu werden. Ganz energiſch verwahrte fich Stöger gegen die Ordre, 
das Strafdecret feinem Perſonale befannt zu geben, welche Pro- 
cedur nur das Sinken des unmittelbaren Anjehens der Direction 
und Regie jowie eine Lockerung der Disciplin herbeiführen wüßte. 
Nicht ohne Selbjtgefühl ftellte Stöger der Commiſſion vor, „daß 
das Prager Theater in feinem dermaligen Stande unter allen 
Provinztheatern der Öfterreichifchen Monarchie nad) den allgemeinen 
Ürtheile das vorzüglichſte fei, diefelben weit hinter ſich laſſe und 
mit manchem bedeutend fubventionirten Hoftheater wetteifern könne; 
diefer blühende Zuftand aber jei fein (Stöger's) Werk allein, und 
dafiir werde er mit Strafdecreten und Gelditrafe belegt." Stöger 
conftatirte, daß alle feit 1534 abgejchloffenen Engagements dem 
jeither (1840) abgetretenen Commiffionspräfidenten angezeigt und 
ftetS zur genehmigenden Wiſſenſchaft genommen worden jeien; 
daß ſeit feiner Directionsübernahme jederzeit zwei Commiſſäre 
alternirend die Inſpection während der Proben und Vorftellungen 
gehabt hätten, ohne daß feit 1. Mai 1834 die geringjte Rüge 
in irgend einer Hinficht geäußert worden wäre; daß aber dic 
durch die Commiſſion beſchloſſene Neuorganijation ihres Wirfimgs- 
freifes der Direction nur gerüchtwerfe bekannt geivorden, diefelbe 
alfo nicht gehalten war, eine Aenderung in ihrem amtlichen Ber: 
fehre mit der Commiſſion eintreten zu laffen. Entjchieden weigerte 
ih Stöger, nad) dem Wunſche der Commiſſion, eine genane Ab- 
grenzung der einzelnen Nollenfächer vorzunehmen. Nicht mit Un- 
recht betonte er die Unzweckmäßigkeit diefer überlebten Einrichtung, 
welche nur Zank und Hader Hinter den Couliſſen erzenge. Eben 
jo entfchieden jträubte fi) Stöger gegen die nur bedingungsweije 
erfolgte Engagementsgenehmigung für bewährte Mitglieder, die 
nur zur Entmuthigung diefer Kräfte beitragen müßte. 


— 333 — 


„Eine hohe Commiſſion“ — ſchloß Stöger feine umfangreiche Denk: 
ſchrift — „geruhe zu berfdfichtigen, daß zu hart geübte Strenge zwar fcla- 
viſche Unterwürfigleit zur Folge haben könne, dagegen den -energiichen guten 
Willen lähme, uud daß ein dem regen Leben angehörendbes Inſtitut der 
Kuntt nicht gedeihen könne, wo der Künftler in feinem Aufihwung gelähmt 
wird .... Hohe Sommiffion gernhe mir meine Freimüthigleit zn Gute 
zu halten und die Weberzengung au fallen, daß ich die gegen mich geübte 
Härte nicht verdiene. ch fpreche mich freimüthig aus, weil ich weiß, daß 
ih Mitgliedern der loyalen Stände Böhmens gegenüberftehe, welche es ver- 
Ihmähen würden, einen uubebentenden, von Ihnen abhängigen Privatmann 
bloßer Formfragen wegen zu Grunde zu richten, ihn feiner Zukunft zu be- 
rauben . . .” 

Für den Fall, dag die Commilfion feinen Bitten um Auf- 
hebung der befämpften Ordres nicht nachkommen follte, behielt 
ſich Stöger doc) noch die Berufung an die höhere Inſtanz vor. 
Es fcheint übrigens eine partielle Einigung erzielt worden zu fein. 
Stöger reichte in Zukunft pünctlich feinen Berfonalftatug ein und 
ließ fich 1843 auch zu einer Reform desjelben herbei, welche die für 
ihre Hauptfächer untauglich gewordenen Mitglieder in neue Fächer 
verwies und mehre Penjionirungen zur Folge hatte. Die Opern- 
regie wurde mit 1. Mai 1842 PBreifinger übertragen. Wie 
aber das Rofengafle-Theater ein neuer Quell von Differenzen 
zwilchen Commiſſion und Direction wurde, haben wir gejehen. 
Daß bei einem folchen Stande der gegenjeitigen Beziehungen 
Stöger dem bevorjtehenden Wblaufe feines Contracte® nur mit 
Bangen entgegenfah und die Hoffnungen auf Erneuerung des- 
felben jo ziemlich ſchwinden ließ, ergab fich von felbft. 

Der Ruf von den harten Conflicten und Bedrängniſſen, in 
welche Stöger in Prag gerathen war, hatte fich in der Theater: 
welt verbreitet, und als Ende 1844 eine neue Concursausfchreibung 
zur Bejeßung des mit Oftern 1846 vacant werdenden Prager 
Directionspoftens geplant wurde, brach fich allgemein die Anficht 
Bahn, unter den bejtehenden VBerhältniffen könne ein Prager 
Theaterdirector nicht projperiren. Die Zeitſchrift „Meorgenftern“ 
brachte einen ſatyriſchen Aufruf an ſämmtliche deutſche Theater: 
directoren, in welchem das Theater-Eldorado Brag folgendermaßen 
gepriefen wurde: 


— 334 — 


„Das ftändifche Theater in Prag wird mit Oftern 1845 neuerbings 
in Entreprife gegeben. Um dasſelbe möglichft emporzubringen, haben die 
Stände beichloffen, dem neuen Unternehmer möglichft aufmunternde Be: 
dingungen zu ftellen, und diefe bei Beiten ın Deutfchland bekannt werden 
zu laſſen. Im Intereſſe der Runft theilen wir diefe Bedingungen vorläufig 
im Privatwege mit und glauben uns dadurch ein nicht unbedeutendes Ver⸗ 
dient zu erwerben: 1. Der Unternehmer wird verpflichtet, der Keitung des 
Theater? durdy zwölf Jahre vorzufteben, dem leitenden ſtändiſchen Comite 
bfeibt e3 jedoch vorbehalten, den Unteruehmer wann inmmer beliebig davon— 
zujagen; ausnahmsweiſe aber wird bemfelben die Ausficht offen gelaflen, 
in dem Falle freiwillig durchzugehen, wenn er es durchaus nicht mehr 
folfte aushalten koͤnnen. 2. Der Unternehmer ift verpflichtet, dem Theater 
jedes Dpfer zu bringen, welches ihm dad Comité auflegt; er iſt Jchuldig, 
die Poftbarften Künftler zu eugagiren, Decorationen uud Garderobe glänzend 
berzuftellen; dagegen fchreibt das Comité unbedingt vor, melde Städe und 
wie oft fie gegeben werben dürfen, und ift berechtigt, die wieberholte Auf: 
führung eines Caſſaſtückes beliebig zu nnterfagen, denn das Intereſſe des 
Unternehmers verdient gar keine Rüdficht. 3. Auf einen Zuſchuß aus ftän- 
bischen Fonds hat der Unternehmer durchaus nicht zu rechnen; er ift es 
ausjchließend, welcher zu zahlen und Gefahr zu laufen hat; bem Comite 
(d. h. der Aufliht3commiffion) fällt das unbebingte Befehlen, Auordnen 
und PVerbieten anbeim, um Intereſſe der Kunſt und von Rechtöwegen. 
4. Engagirt der Unternehmer einen Künſtler, der ihm tauglich ericheint, 
fpridht fih das Bublicum noch fo entichieden für den Künftler aus — den: 
noch bleibt der Contract ungiltig, fall3 hoher Komitsvorftand an dem 
Künftler oder der Künftlerin nicht Gefallen fände; denn feit Jahren bat 
das Comite den Geſchmack bes unmündigen Publicums bevormundet, und 
ift dies ein mwefentlicher Artikel ber ftändifchen Verfaffung in Böhmen, weld: 
eben jest in Kalbleber treu gebunden wird. 5. Um dem Unternehmer bennoch, 
wenn auch indirect, zu einigem Zufchuße zu verhelfen, wird beichluffen, daß 
berjelbe in jedem einzelnen Falle, mo er von dem Comitevorftande im In— 
terefje der Kunft Verbal- oder KRealinjurien geduldig erleidet, auf eine 
Geldunterftüägung nach Verhältniß Anſpruch haben folle, uud es ift nad 
bisheriger Erfahrung zu erwarten, daß der Unternehmer auf diefem Wege 
ein artig Sümmchen jährlid) beziehen werde. 6. Nach Ablauf der Unter: 
nehmungözeit wird dem Unternehmer frin Fundus an Decoration, Garbe- 
robe und Bibliothek möglichit abgebrüdt werben, und kann derſelbe auf 
pünctlihe Einhaltung dieſes Punctes ficher rechnen, nöthigenfalld auch 
Schulden baranf mahen.... Meldet euch fchleunigft, birectiondluftige 
Männer Deutichlands; doch eilet, denn ſchon fol Mehemed Ali's (des da⸗ 
maligen Vicekönigs von Egypten) Theaterintendant fich in Competenz gejett 
haben, welchen ber fünfte Bunct befonders lüftern gemacht hat. Verum est.“ 


— 535 — 


Mit leichter Mühe erkennt man in diefem jarfaftischen Auf- 
rufe eine Berfiflage auf die Schattenfeiten und die Competenz— 
überjchreitungen der Theateraufſichtscommiſſion. Möglich, daß 
Stöger den Verfaſſer beeinflußt, jedenfalls aber verbarg ſich hinter 
der Satyre mandye Wahrheit. Uebrigens bildete fih im Schoße 
der Aufjichtscommiffion jelbft die Meberzeugung aus, daß cin nener 
Unternehmungscontract unter den bisherigen Modalitäten nicht 
realifirbar fe. Man that fich zu ernften Berathungen über die 
Zukunft des Prager Muſentempels zufammen und einigte ich 
Anfangs 1845 über folgende drei Anträge, welche dem Landes: 
ausſchuß als der Repräſentanz der Stände Böhmens vorzulegen 
jeien und von demen einer zu acceptiren wäre: ‘Der erſte Antrag 
ging dahin, das Theater in cigene Regie zu übernehmen, 
der zweite, die Zcheaterunternehmung gegen einen Pacht— 
ſchilling, der dritte endlich dahin, die Theaterunternehmung zu 
vergeben mit einer vonden Ständen zu bewilligenden 
Beiftener. Bei diefer Gelegenheit warf die Auffichtscommilfion 
einen Rückblick auf die Gefchichte des Theaters feit deſſen Exrwer- 
bung durch die Stände und erwähnte der verfchiedenen früheren 
Pachtbedingniſſe. Guardafoni hatte noch 1200 Fl. Bacht gezahlt, 
Liebich 2100 fl., doch zahlten ihm die Stände einen Theatermaler 
mit 600 Sl. jährlich; fett Madame Liebich geichah die Nebernahme 
ohne Badıtzins, aber auch ohne Subvention. Bezüglid) der nächften 
Zukunft der Bühne meinte die Commiſſion, ihr erjter Antrag 
(Uebernahme in die Negie der Stände) wäre der entiprechendfte, 
wenn die Theaterunternehmung ein von dem zufälligen Gefchmad 
der aroßen Maſſe unabhängiges und ftatt von demſelben geleitetes 
ein den Geſchmack ſelbſt leitendes Inſtitut fein folle. Sollte die Ueber: 
nahme in eigene Regie beichlojjen werden, jo beantragte die Auf— 
ſichtscommiſſion, das Inſtruirungscapital auf 50.000 fl. C. M. 
feftzufegen und den jährlichen Zuſchuß für die erjten drei Jahre 
auf 30.000 fl., für die Folge auf 25.000 fl. zu limitiren. 

Der Landesausichuß glaubte indeß diejen Antrag nicht berüd- 
fiihtigen zu ſollen, da fo ſchnell Fein artijtischer Divector zu befchaffen 
gewefen wäre und erjt die allerhöchſte Bewilligung hätte erlangt 


— 336 — 


werden müjjen.*) Dagegen zog er den diefem Antrage zunächft 
fommenden (dritten) in Erwägung, das Theater unter eigener 
Controle von Seite der Stände, dagegen mit Zuficherung eines 
jährlichen Zuſchuſſes, infofern deſſen Leiſtungen zufrieden- 
ſtellend ſein würden, und mit der Anſchaffung einiger Decorationen 
von Seite der Stände an einen gewählten tüchtigen Unternehmer 
zu übergeben. Bei einem ſolchen Modus, nahm man an, ließe ſich 
eine Reihe von Vortheilen erzielen. Angeſichts der Subvention 
würden ſich nicht blos Geldſpeculanten, ſondern auch Leute vom 
Fach, bei denen das Kunſtintereſſe vorherrſche, zur Uebernahme 
bereit finden, es werde alſo ein tüchtiger Unternehmer gewählt 
werden können. Auch würde die Subvention den (ſchon bisher 
geübten) Einfluß der Stände erſt rechtfertigen; durch Anſchaffung 
von Decorationen würde mit der Zeit ein Fundus begründet 
werden, der eine fpätere Webernahme in eigene Regie erleichtern 
fönnte. Endlich) würde durch die Subvention und die dadurch 
bedungene Aufficht der Wille der Stände öffentlich bethätigt, das 
erworbene Monopol nicht egoiftifch benügen zu wollen, das Theater 
würde auf den ihm gebübrenden Standpunkt geitellt und dem 
öffentlichen Intereſſe möglichft entjprochen werden. Durch alle 
diefe Vortheile nähere fich eine ſolche Benützung des Theaterrechtes 
am meiften jener in eigener Regie, entfpreche ſonach thunlichft 
dem Endzwecke, indem es den Uebergang zur Regiehaltung erleichtere. 
Es kam denn auch factiſch auf dem Boden des dritten Vor— 
jchlages der Aufſichtscommiſſion eine Einigung zu Stande. Man 
hatte ſechs fpecielle Punkte formulirt, welche die Organifation des 
fünftigen Verhältniſſes zwiſchen Director und Ständen darjtellen 
jollten und auch heute zum großen Theile das Grundprincip der 
Stellung des deutichen Yandestheaters bilden. Diefe Punkte hatten 
nachftehenden Wortlaut: u 


1. Die Theaterunternehmung wirb vom Palmfonntag 1846 nad) dem 
pritten Antrage ber Theateraufſichtscommiſſion verpaditet. 2. Die Dauer 








*) Uebrigens jcheint man einige Zeit dennoch die Uebernahme in eigene 
Regie ernftlic geplant zu haben; der in Prag umvergefiene Morig in 
Stuttgart follte al8 Intendant gewonnen werben. 


— 337 — 


der Verpachtung wird ftatt auf zwölf auf acht Jahre feftgefebt; 3. die Auf: 
fiht wird zwiſchen dent ftändifchen Landesausfhuß und einer ſtändiſchen 
Intendanz in ber Art getheilt, daß die Aufficht über den materiellen 
Zuftand und das Delonomicum dem Landesausſchuſſe und die Aufficht über 
den artiftifchen Zuſtand ber Intendanz zugewieſen wird, wober zu beſtimmen 
wäre, daß bei jenen Sitzungen, wo ed fih um den Bericht über den Zus ' 
ftand des Theaterd wegen des auszuzahlenden Zujchuffes handelt, die Zogen: 
eigenthümer mit Sit und Stimme beizuziehen wären; 4. die jährliche 
Subvention wirb anf 10.000 fl. feſtgeſetzt; 5. auch wird noch ein Theater- 
maler mit 1000 fl. engagirt, und 6. zur baulichen Herftellung bes Theaters 
noch vor Eintritt der neuen Aera eine Summe von 6000 fl. gewibmet. 

Alle diefe Punkte wurden warm befürwortet und angenommen. 
Bemerlenswerth war, daß die Theateranffihtscommiffion 
jelbft e8 war, welche fich durd) den Antrag auf Einfegung einer 
Intendanz zum Tode verurtheilte und damit die mannigfachen 
Mängel und Schwächen eingejtand, an denen das Inſtitut der 
Commiſſion krankte. Sie gab felbft zu, daß durch den Einfluß 
zahlreicher (14) Mitglieder der Geſchäftsgang hemmend werde, 
weil Kunft und Gejchmad verjchieden feien, jo daß oft ein Einklang 
nicht zu erzielen fei. Die Commiſſion geftand ein, daß die Ver— 
antwortung nur Einer tragen follte, und daß der Director einen 
zu bejchränften Wirfungsfreis hätte, wenn er den Maßregeln viel- 
facher Kritik ausgefegt und von einem Collegium abhängig ei. 
Diefer Ausfpruch, von der Commiſſion ſelbſt gethan, enthielt eine 
ſchwer wiegende Rechtfertigung Stögers. Bezüglich der Deco- 
rationen bejtimmte der Landesausſchuß, daß in den erſten zivei 
Jahren je fechs vollitändige Decorationen, in den folgenden je drei 
anzujchaffen ſeien. Mit dem Eintritte der neuen Aera follte auch 
eine neue Normirung der Theaterpreije eintreten. *) 


*), Darnach wurbe für eine Loge im Parterre oder erften Range das 
Entree auf 4 fl., für eine Loge zweiten Ranges auf 3 fl. 12 r., 3. Ranges 
auf 2 fl. 14 kr., für einen Sit in ber Fremdenloge oder im PBarquet 1 fl. 
Sperrfit auf 40 fr. erhöht, das Garniſonsbillet mit 12 kr., 1. Parterre mit 30, 
2. Barterre mit 20, Galerie mit 10 fr. normirt. Das Abonnement für 
eine Loge Barterre oder erften Range war nad) dem Antrage der Commiſſion 
ganzjährig, halb⸗, vefp. vierteljährig zu normiren mit 720, 480, 260 fl., 
2. Rang 570, 360, 200 fl., 3. Rang 360, 200, 120 fl., Parquetſitz 120 fl. 
67 fl. 30 kr., 87 fl. 30 kr., ber Sperrfig mit 60 kr., 36 Er., 24 fr. feſtgeſetzt. 

" 22 


————————— — — — ———— .c. > - _ _ u am 


— 338 — 


Die zur baulichen Herftellung des Theaters gewidmete Summe 
von 6000 fl. wurde dazu verwendet, daß im Laufe der Char- 
woche 1845 das Theater neu ausgemalt, decorirt, die Logen— 
brüftungen und Sie frifch gepolftert und auch der Plafond jo viel 
als möglich reparirt wurde. Die Renovation fiel vorzüglich aus. 
Den Plafond zierten nun die Bildniſſe Schiller’s, Shakeſpeare's 
und Mozart’3, alle Zogenbrüftungen waren weiß grundirt, mit 
blauen, von filbernen Stäben entgefaßten Feldern und filbernen 
Bierrathen. Die Draperien waren durchgängig hochrotl) und ebenfo 
alle Site mit rothem Tuche gepolſtert. So war der alte Mufen- 
tempel würdig gefchmildt für den Eintritt der neuen Wera, deren 
Princip, das der Subvention, mittlerweile auch die kaiſerliche 
Sanction erhalten hatte. 

Die Concursausſchreibung begann, und die Kandidaten ſtelllen 
fi) ein. Es waren ihrer ſechs: zunächſt Ringelhardt, ge 
wejener Director in Leipzig, gegen den aber zwei Umſtände ſprachen: 
daß er die Leipziger Direction wegen Eollifionen mit den Theater: 
vorftänden aufgegeben und auch ſchon zientlich bejahrt war; Schall 
von Falfenhorjt, genannt Forſt, Unternehmer des ftädtilchen 
Theaters in Belt, Sohn dest. f, F.“M.⸗L. im Geniecorps Schall 
v. Falkenhorſt, ehemals Furift, dann Hofjchaufpieler in München, 
Regiſſeur und zulegt Director in Beft, wo er die Bühne in gutem 
Buftande erhalten hatte. Diejer Kandidat trat bald zurüd. Ein 
dritter Bewerber war Dietrich, der befannte Penfionär ber 
ſtändiſchen Bühne, der leider keinerlei Garantien für eine Directions— 
übernahme zu bieten hatte, ein vierter der Schaufpieler und Re: 
giffeur Ernft, der, falls ihm die Direction überlafjen würde, 
einen ſachkundigen Künftler für Ueberwachung des Koftiimes zu 
bejtellen verjprach, welcher aucd) zu jedem neuen Stüde Coftiime- 
bilder zu liefern hätte, ferner wollte er in jedem Jahre vier Stücke 
ſowohl mit Decorationen als Garderobe und Requiſiten ganz neu 
ausftatten. Der fünfte Kandidat war der bisherige Director Stöger, 
der doc) noch einmal fein Glück zu verfuchen befchloß, feine Leiftungen 
in Graz, Preßburg, Wien und Prag hervorhob und verjprad,, 
in Zukunft fich nicht mit Rebengefchäften, wie es das Roſengaſſe— 


— 339 — 


Theater war, zu befaffen, fondern feine Kraft ganz dem ftändifchen 
Theater zu widmen. Dagegen verlangte er, daß ihn das Penfions- 
inftitut bei der Penſionirung unbrauchbar gewordener Mitglieder 
unterftüge, daß die für den Xheatermaler beftimmten 1000 fl. 
jährlich ihm übergeben wilrden, wofür er ſechs Decorationen jährlich 
anfchaffen würde, daß ihm wieder die Theaterzuderbäderei über- 
laffen und die Procente für fremde Productionen auf 12 Percent 
normirt würden. Er jeinerjeitS räumte den Ständen das Necht 
ein, ihm nach zwei Jahren zu Fündigen, doch beanfpruchte er 
dasſelbe Recht auch für fih. — Als fechster Directionsbewerber 
trat der gewejene Theaterdirector in Riga Joh. Hoffmann auf. 
In den feinem Geſuche beigefügten Documenten conftatirte dieſer 
Sandidat, daß er geborener Defterreicher fei, 7 Jahre 10 Monate 
tadellos in der Armee gedient, dann als Tenorift am Kärntner- 
tbortheater und ſechs Jahre an der Berliner Hofoper, drei Jahre 
als Regiffeur und Schaufpieler in Petersburg, von 1838 bis 
Juli 1845 in Riga als Director unter allgemeiner Zufriedenheit 
gewirkt habe. Es jtand feft, daß man es in ihm mit einem fein- 
gebildeten und kunſtſinnigen Manne zu thun babe, der überdies 
ein Capital von 20.000 fl. Conv.Münze und vermögende Ver- 
wandte in Wien und Graz hatte. Und in der That trug Hoff- 
mann den Sieg über feine Mitbewerber davon, von denen 
ohnedies nur Stöger und Ernſt in Betracht famen. Der Erftere 
hatte die Stimme des Prager Bilrgermeifters, der Letztere die des 
Dompropites für fi” — Hoffmann war Director. 

Am 4. April 1846 verabjchiedete fich mit einem großen 
dramatiſchen Botpourri die erſte Stöger'ſche Direction von 
Prag. Das Haus war überfüllt, Hunderten mußte der Eintritt 
verweigert werden, Damen überjtiegen die Orchefter-Barrieren, 
um auf ihre Sige zu gelangen. Der Stöger-Enthufiasmus war 
allgemein. Nah Schluß der Vorftellung ſprach Köckert, umgeben 
von dem gejammten Perjonal, den Epilog; Stöger wurde 
mit Blumen und ftürmifchen Jubel empfangen. Der Veteran 
Bayer ſprach im Namen feiner Kunftgenoffen dem fjcheidenden 
Director Dank und warme Anerkennung für fein ehrliches, raſt⸗ 

22* 








— 340 — 


loſes Streben aus. Nah dem Theater brachten Bürger den 
Scheivenden eine Serenade und einen Fackelzug. Es zeigte 
fich recht deutlich, daß man den vielverläfterten, von Publicum 
und Auffichtsbehörden viel angefeindeten Stöger doch recht ungern 
ziehen ließ. Am Oftermontage 1846 hielt die Dirvection Hoff- 
mann ihren Einzug in das Prager Landestheater. 


— te — 








XIV. 


Director Joßann Hoffmann und feine erfien Regierungs- 
jaßre (184648). 


(Hoffmann als Menſch und Bühnenleiter, fein Lebenslauf und feine Di- 
rectiond:Sarriere. — Das neue Berhältniß der Direction zur Intendanz — 
Graf Albert Noſtitz als Intendant. — Die Eröffnungsvorftellung. — Ein 
nicht anfgeführtes Feftipiel Holteiſs. — Neue Acanifitionen: Adele Lechner, 
Lonis Granert, Schneider, Rottmeyer, Mad. Vollert, Heinrih Grand. — 
Die Saftjpielbewegung. — Die Oper: Catharina Podhorsky, Henriette 
Groſſer, Jenny Ney, Düe. Würft, Mab. Hoffmann, Caecilie Soukup. — 
Debutantinen und Gäſte: Sgra. Alboni und Gorbigiani’d Oper „Con— 
fuelo“. — Sänger: Hof. Reichel, Wilhelm Verfing. — Tichatſchek, Under, 
Piſchek ald Säfte. — Ergebniffe auf dem Gebiete der Oper: Das Reper- 
toire. — Die Wiener Localpoffe. — Das recitirte Drama: „Der Sommer: 
nachtstraum“ als Novität. — Das Ballet. — Die Zuftände im Jahre 1847: 
Differenzen, Regiefhäden. — Novitäten des Jahres: Der Feenfee, Die 
Zigeunerin, Königin von Cypern. — Julius Cäfar, König Johann, Spar: 
tocus. — Bauernfeld’3 „Großjährig". — Neue Reibungen; die Intenbanz 
verantiwortet die Direction). 


Am 23. Mai 1833 hatte der Prager Theaterzettel das Sänger: 
ebepaar Hoffmann von der Berliner Hofoper angelündigt, und 
noch an demfelben Tage eroberte der Gatte in der Titelrolle von 
Roſſini's „Othello”" im Sturme die Sympathien der Prager und 
trug einen fo glänzenden Erfolg davon, wie ihn nur die größten 
Sangesheroen in Prag zu verzeichnen hatten. Hoffmann "war 
damals ein Zenorift im Vollbefige feiner Kraft, ein fchöner Mann 
mit einer angenehmen, jugendlich klingenden und doch nicht un- 
männlichen Stimme und klarem, gejchmadvollem Vortrage. ALS 
Fra Diavolo, Zampa, Mafaniello und Kleomenes (Belagerung 
von Korinth) feierte der Saft neue Triumphe. So fam e8 denn, 
daß jene Prager, welche ſich noch an den fchmuden Fra Diavolo 
von einft erinnerten, die Verleihung des Prager Theaters an 
Hoffmann nicht gerade unſympathiſch aufnahmen, zumal fc 
der Auf feiner ausgezeichneten ‘Directionsführung von Niga bis 


— 342 — 


nach Prag verbreitet hatte. Die maßgebenden Perfönlichkeiten 
Prags Hatte fih Hoffmann durch fein chevalereskes Wejen ge: 
wonnen. Viele vornehme Perjönlichkeiten bewegten fi) — wie 
einft unter Liebich — mit Vorliebe in feiner Geſellſchaft. Hoffmann 
liebte ein Leben nad) großem Schnitt. Er führte ein Hans wie 
ein echter großer Bühnenregent. Seine Wohnung (im Löwen⸗ 
feld'ſchen Haufe auf dem Obſtmarkt, das er allein bewohnte) war 
ein Mufter von Eleganz, ausgeftattet mit fürftliden Luxus. Seine 
Diners und Soireen vereinigten diftinguirte Gefellichaften. Auf 
pecuniäre „Bagatellen” kam es den chevaleresfen Director nie an. 
Seine zahlreichen Liaiſons verjchlangen bedeutende Summen, und 
wenn es galt, galant zu fein, wog Hoffmann nie feine Börfe ab. 
Einft hatte er den Eifenbahnzug verſäumt, der ihn zu einen: Rendez- 
vous nad) ‘Dresden filhren follte. Raſch entjchloffen, Tieß er eine 
neue Locomotive heizen und flog mittelft Separatzug feiner augen: 
bliklichen Liebe zu. Dieſe Galanterie verpflanzte Hoffmann, ob- 
wohl er als Director ein ſtreng abjolutiftiiches Regiment führte 
und im draconischer Auslegung der Theater-Gefehesparagraphen 
unübertroffen war, auch auf die Bühne. Allerdings aber hielt 
er, wenn e8 galt, einem bedrängten Mitgliede Hilfe zu bringen, 
damit felten zurück. 

In den beiden erjten Jahren feiner Directionsführung fchien 
fih das Prager Theater dem Geſchäftsverkehr und dem Tone 
nach zum Hoftheater entwiceln zu wollen. Glänzende Kunſtkräfte 
wurden als Mitglieder oder Säfte gewonnen, Ausjtattung und 
Scenirung waren allezeit witrdig, oft luxuriös. Selten find über 
emen Theaterdirector jo widerſprechende Urtheile laut geworden 
als über ihn. Wie vor ihm Stöger, begann auch Hoffmann in 
vielverſprechender Weiſe, die Hoffnungen ſchienen ſich zu erfüllen — 
da umzog ſich der politiſche Himmel, und in den Wirbelſturm, 
der im J. 1848 halb Europa erfaßte, wurde auch das Prager 
Kunftinftitut unfanft bineingezogen. Der Bau der Pſtroß'ſchen 
Arena, der den Director finanziell reftauriren follte, brachte eine 
ſchädliche theatralifche Doppel-Wirthfchaft hervor. Unglückliche Rath: 
geber — man nennt vor Allen den Literaten Hickel, Redacteur 

















— 343 -- 


der Längft entjchlafenen Prager Zeitihrift „Salon” und „Drama- 
turgen” des Landestheaters, und den Oberregiſſeur Forft (Schall 
von Falkenhorſt) — wiegten Hoffmaun in einen Unfehlbarfeits- 
Wahn und mochten manche Schuld an fpäteren Fehlern tragen, 
über denen die objective Theatergefchichte aber nie die vielen guten 
Seiten Hoffmann’s und feiner Direction überjehen darf. 

Ueber Hoffmann's Lebensgang vor Antritt feines Prager 
Boftens find unfere Lefer zum Theil unterrichtet. Johann Hoff- 
mann, Sohn eines Local-Beamten in der Wiener Vorftadt Erd⸗ 
erg, war am 22. Mai 1805 in Wien geboren worden, erhielt 
eine jorgfältige Erziehung und wurde auch, feiner Früh geoffen- 
barten Neigung entfprechend, in der Muſik ausgebildet. Nachdem 
er feine Studien beendigt, trat er am 3. Juni 1820 eine Stel- 
lung beim Wiener Magiftrate an und leiftete am 31. Auguft den 
öflerr. Dienfteid.*) Schon aber hatte Hoffmann mit feiner Stimme 
in immer weiteren reifen Aufſehen erregt, der Gejangslehrer 
Elsler (Bruder der. berühmten Sängerin) vervollftändigte feine 
Ausbildung und am 29. März 1826 ſuchte er feine Entlaffung 
aus dem Amte an, um einem dringenden Antrage des Directors 
Duport vom Kärtnerthortheater Folge zu geben und ſich der Oper 
zu widmen. Duport hatte Hoffmann in den Concerten des Con: 
jervatoriums gehört, in deſſen Verband derfelbe getreten war, und 
ttellte ihm eine glänzende Carrière in Ausficht, zu deren Beginn 
er nad) einiger Mühe auch die elterliche Zuftimmung erhielt. 
Ueber Veranlaſſung Duport’3 übernahmen nun Simoni, der Com— 
ponift Weigl, Anſchütz und der Pantomimenmeifter Neiberger die 
fünftlertfche Vollendung des jungen Operiften in Gejang, Muſik, 
Declamation und Mimik, und am 28. November 1826 trat er 
neben der berühmten Schachner in der Titelrolle der damals neuen 
Oper „Der Klausner am wüften Berge" von Caraffa auf, welche 


*) So erzählen fpätere, offenbar von Hoffmann infpicirte Biographien 
des Bühnenleiters; die Angabe läßt fich jedoch mit der in feinem Prager 
Directionsgefudhe amtlich beglaubigten Angabe, daß er 7 Jahre 10 Monate 
tadellos in der Armee gedient, ſchwer vereinbaren. Ober follte in dem 
Geb urts⸗Datum der Fehler liegen? 


— 34 — 


15mal wiederholt wurde; feine zweite Debutrolle war der Titus, 
1828 machte er feinen eriten Gaſtſpielausflug (nach Belt), nahm 
dann einen Antrag nach Aachen an, wurde 1829 an die Tünigl. 
Oper in Berlin berufen, wo er fünf Jahre wirkte, worauf er 
einem Rufe an die deutiche Oper in Petersburg folgte. Am 
30. Jänner 1830 hatte fich Hoffmann mit der als Sängerin be- 
fannten Dem. Catharina Krainz, genannt reis, vermält, wurde 
mit derjelben in Petersburg engagirt, übernahm auch die Opern- 
regie und wurde ein befonderer Liebling des Hofes und Publicums; 
gleichwohl ſah er fi) durch fatale Verhältniffe ſchon 1838 zur 
Trennung von der Carenrefidenz veranlaßt, gaftirte auf der Rüd- 
reife auf der von Holtei geleiteten Bühne zu Niga, ging einen 
zehnmonatlichen Gaftjpielvertrag ein und übernahm, als Holtei, 
niedergebrüdt durch den Tod feiner Gattin AYulie, die Direction 
niederlegte, zunächjt die proviforifche, dann mit 13. Sept. 1839 
die definitive Führung der Nigaer Bühne, die er unter voller 
Anerkennung bi8 12. Juli 1844 behielt. Daß Hoffmann hier 
mit finanziellen Erfolg gewaltet, dafür |pricht die Thatfache, daß 
er ein Capital von 20.000 fl. C. M. nachwies, als er um die 
Prager Direction concurrirte, 

Eine große Stüge und einen warmen Freund hatte Hoffmann 
in feiner ganzen Directionsperiode an dem damaligen, dem erjten 
Intendanten der Prager Bühne, Grafen Albert Noftit. Das 
Verhältuiß der Intendanz zur Direction hatte eben unter 
Hoffmann, dem erften fubventionirten Director, feine Probe zu 
beitehen. Ueber feinem Haupte fchwebten nicht mehr als drohende 
Sewitterwolfen die Beſchwerde- und Drohnoten der vielköpfigen 
Theaterauffichtscommiffion; er hatte nur Einen unmittelbaren 
Vorgeſetzten in artiftifcher Hinficht, den Intendanten, deſſen Juris 
dietton allerdings eine ziemlic) bedeutende war. Das neue Theater: 
ftatut vertraute dem Intendanten die gefammte artiftische Ober: 
leitung der Bühne an, da nur die Aufficht über den materiellen 
Zuftand und das Oekonomicum dem Landesausſchuſſe vorbehalten 
wurde Dem Lebteren obliegt zunächft die Inſtandhaltung des 
Gebäudes, Er hat zu Beginn, in der Mitte und zu Ende jeder 














— 345 — 


Pahtung den fundus instructus zu muftern, die Abhaltung von 
Bällen im Theater zu geftatten, die „Kogen” als Magazin und 
Malerlocal zu erhalten, die Anſchaffung contractlich bewilligter 
neuer Decorationen zu bejorgen, er hat das Recht, die Preife 
temporär zu erhöhen oder eine Erhöhung Seitens der Direction 
zu bewilligen und endlich die Pflicht, dafür zu forgen, daß der 
Director fein anderes Theater- oder ſonſtiges Unternehmen beginne. 
Dem Intendanten iſt der Landesausichuß als Oberbehörde vor: 
gejegt. Der Intendant dagegen erhielt das Necht, ilber neue 
Mitglieder zu urtheilen und ſich nad) ſechs Proberollen iiber das 
definitive Engagement derfelben zu entjcheiden. Er hat ebenjo 
über die Zuläffigkeit von Gajtvorftellungen fremder Künftler und 
die Aufführbarkeit neuer Stüde fein Votum abzugeben; ev hat 
das ihm vorzulegende vierzehntägige Repertoire zu prüfen, den 
Director zu verhalten, jeve bedeutende Novität anzufanfen. Der In— 
tendant ift verpflichtet, iiber Decorationen, Coſtume, die Leiftungen 
der Regiſſeure, Stärfe des Orchefters, gute Zwiſchenactmuſik zu 
wachen; er kann den “Director mit Geldftrafen bis zu fünfzig 
Gulden belegen oder dem Landesausſchuſſe anzeigen; er kann ferner 
in den Zeitpunkte, wo die Auszahlung der Subvention in Trage 
fommt, diefe Auszahlung verhindern, wenn er durch den Zuftand 
des Theaters die Eontractsverbindlichfeiten der Divection als nicht 
erfüllt erklärt. Die bisher üblichen Actenftöße, welche alljährlich 
durch den fchriftlichen Verkehr zwiſchen Aufſichtscommiſſion und 
Direction über jede faliche Note aufgehäuft wurden, erreichen in 
der neuen Aera ihr Ende. Bon nun an verkehren Intendant und 
Director in amtlichen Angelegenheiten wo möglid) immer perjünlich. 
Diefer perjönliche Verkehr geftaltete ſich nun zwifchen dem Grafen 
Noftis und Hoffmann zu einem äußerft freundlichen. Graf Noftig 
war von der Tüchtigkeit Hoffmanns feljenfeit überzeugt, damit, 
daß er von jedem Schritte und Plane desfelben Kenntniß hatte 
und feine Einwilligung jelten verfagte, übernahm er offen die 
Mitverantwortlichkeit für alle Acte der Hoffinann’schen Direction, 
und als ehrlicher Mann und echter Eavalier ift er auch bei jeder 
Gelegenheit, in den Momenten: der Entjcheidung als beredter 


ET u EEE a TEE ET A FA . . 


Anwalt ſeines untergebenen Directors aufgetreten. Wie hoch ein 
ſo angenehmes Verhältniß zwiſchen Intendanz und Direction zu 
veranſchlagen war, iſt bei der bedeutungsvollen Stellung und den 
Machtmitteln der Intendanz begreiflich. Hoffmann war in dieſer 
Hinſicht im Vergleiche zu ſeinem Vorgänger Stöger auf Roſen 
gebettet. Was er bei aller ſonſtigen Charakterdifferenz mit ſeinem 
unmittelbaren Vorgänger und Nachfolger Stöger gemein hatte, 
war die Vorliebe für die Oper; ſeine wie Stöger's Lorbeern 
waren ja auf dem Felde des muſikaliſchen Dramas gepflückt. Zu 
Hoffmann's Ruhme aber ſei es geſagt, daß unter ihni auch dem 
Schauſpiele eine, allerdings nicht ununterbrochene, Periode der 
Solidität mit bedeutenden Taleuten und gerundetem Enſemble 
beſchieden war. 


Die neue Direction ſtellte ſich am Oſtermontage des J. 1846 
dem Prager Publicum feierlich vor. Man hatte viel Neues zu 
ſehen; ſogar eine abermalige Aenderung im äußeren Schauplatze 
hatte das Theater in der Charwoche 1846 erfahren. Die Sperr- 
jige waren nun von dem Stehparterre durch eine Barriere ge- 
trennt und hatten ihre zwei gefonderten Eingänge. Syn die ſchmaler 
gewordenen Sperrjiggänge längs der Logen wurde nur mehr 
eine bejtimmte Anzahl von Billets für Stehpläbe ausgegeben. 
Die beiden Kleinen Logen über der Mittelloge erften Ranges waren 
in eine Yremdenloge mit einzeln verfäuflichen Sigen umgewandelt 
worden. Das Orcheſter hatte des um 7 Mitglieder verftärkten 
Perfonalg wegen doppelte Breite befommen. Endlich Bing vom 
Plafond ein neuer Kronleuchter herab. Die erſte Borjtellung unter 
Hoffmann’s Direction wurde nach unvermeidlihen Brauche durch 
ein Feitjpiel, „Die Weihe der Kunft" *) von Hidel, eröffnet; Joh. 








*, Hoffmann Hatte urfprünglih E. v. Holtei mit ber Abfaſſung 
des Feſtſpiels betraut; derſelbe kam auch nach Prag, um fich mit ben Bühnen- 
verhältniffen vertraut zu machen, nahm im Haufe Hoffmann's Wohnung 
und freute fich des Umgangs mit alten Belaunten von Riga und von Prag 
(1823) aud. Das von ihm verfaßte Feſtſpiel follte Thalia, Melpontene, 
Enterpe und die Muſe ber böhmischen Komödie jowie den alten Guardaſoni 
handelnd vorführen, Die Bühne hatte das Theatergebäude, Bayer den Caſtellan 





— 347 — 


Friedr. Kittl, der vielverdiente Conſervatoriumsdirector, hatte eine 
eigene Feſtonverture, Capellmeiſter Zr. Skraup die Muſik zum 
Feſtſpiel componirt. Auf das Feitipiel folgte das Desnoyer'ſche 
Stüd „Moliere” oder „Das Leben eines Schauspielers” mit vier 
Debutanten: Die. Lechner als Armande, den Herren Vollmer, 
Roſner und Nißel. Die bedeutendfte diefer vier war Die. 
Lechner, eine der beiten und talentirteften Naiven, welche Die 
Prager Bühne aufzumweifen hatte. Anfangs durch den Mangel 
emes Erſatzes fir die nach Kafjel abgegangene Amalie Weisbach 
in die Sphäre der Heldin gedrängt, wurde Adele Lechner viel 
weniger gejchäßt, als es ihre Fitnftleriiche Bedeutung verdiente. 
Als fie fich aber allmälig auf dem Gebiete der Naiven feſtſetzen 
und darin ihr warmes Gemüth, ihre Laune und Bihnengewandt- 
heit entfalten konnte, wurde fie Liebling des Publicuns. Für das 
weale Drama fehlte ihr die tragiiche Größe. 

Eine andere bedeutende Errungenschaft der neuen Direction 
war Öranert sen, der am Ofterdienftage als „Soldarbeiter 
Saluchet” in dem Scribe-Barnet’fchen Luſtſpiele Johauna und 
Hannchen“ debutirte. Louis Grauert war eines der bedeutendften 
Talente der deutjchen Schaubühne feiner Zeit, das leider noch in 
feiner Blüthe erloich und eine Fülle von Hoffnungen und Aus- 
jichten mit fich begrub. Am 14. Dec. 1816 zu Berlin als Sohn 
eines Numius beim Eriminalgerichte geboren, war Grauert jchon 
im ftebenten Lebensjahre „theaterwüthig”. In diefem Alter wurde 
ihm die Ehre zu Theil, auf dem Liebhabertheater „Thalia“ in 
dem Stüde „Der Vielwiſſer“ einen Schuljungen darzuſtellen, 
welcher auf die Frage: „unge, Du hajt einen Theerfleck in der 
ade" — zu erwidern hatte: „es-ift meine Sonntag-Jacke“. Als 
das Publicum darüber lachte, hob fich ſtolz des Knaben Brnuſt. 
Am anderen Morgen eröffnete er feiner Mutter den feierlichen Ent- 
ſchluß, Schaufpieler werden zu wollen. Dieje Eröffnung hatte ein 
ftrenges Theaterverbot zur Folge, das der Heine Louis aber verwegen 
vorzuftellen. Ein Fremder (Hoffmann) follte fi) hier einführen und an 


die gute Zeit Guardaſoni's anknüpfen. Hoffmann acceptirte nad) mannig- 
fachen Aenderungen dieſes (von Holtei jpäter veröffentlichte) Feſtſpiel nicht, 


J 


— 38 — 


brach, um im Thaliatheater weitere Anregung für feine auf dem 
Boden des PVaterhaufes „aufzuführenden” Monologe zu erhalten. 
Eines Tages lief er direct nad) dem Schaufpielhaufe, um ſich 
als Komddiant anmwerben zu lafjen, gerieth in die Chorprobe und 
ſtürzte bei dem Verfuche, die hohe Thürflinfe zu erreichen, der 
Länge nad) in den Saal. „Was willit Du, Burj?" donnerte 
Chordirector Leidel den Hereingeftürzten an. „Schaujpieler werden,” 
ächzte der Kleine. „Ya, fannft Du denn declamiren?“ „Nein.” 
„Singen?" „Nein.“ „Kannſt Du vielleicht ein Inſtrument fpielen?" 
„Rein, aber ich möchte es lernen.“ „Gib mal a an," meinte 
nun der Chordirector. Der Heine Grauert wußte zwar nicht, 
worum es ji) Handle; als man ihm aber den Ton anſchlug, 
wußte er ihn auch zu treffen. Hierauf entließ ihn der Chor: 
director mit den orafelhaften Worten: „Nun fteh’ auf, mein Sohn; 
geh’ nach Haufe, lerne ein Inſtrument und werde ein Scau- 
ſpieler!“ — Selig, auf das Gelächter der Choriſtenſchaar nicht 
achtend, ftürmte Louis nad Haufe, um den Eltern feine Er- 
lebniſſe mitzutheilen and um die Erlaubriß zu erjuchen, ein In⸗ 
ſtrument erlernen zu dürfen. Die Antwort war — eine Tracht 
Prügel und die umfafjendften Maßregeln, dem Knaben die Theater: 
ideen aus dem Kopfe zu treiben. Bald änderten fich die Ver— 
hältniſſe. Der Vater Grauert's ſtarb, und an dem zwölfjährigen 
Knaben war e3, feine arme kranke Mutter und feine jingeren 
Brilder zu ernähren. Louis lernte das Coloriren von Litho- 
grapbien, wurde allmälig ſelbſt Landichaftsmaler, und war bald 
in der Lage, für feine Familie zu forgen, ja noch Gehilfen für 
fein Gefchäft halten zu müſſen. Seine Mußeſtunden benützte er 
zum Befuche des Theaters, um fich theils in der Königjtadt an 
den Leiftungen eines Angely, Spiteder, Schmelka, Wegener, theils 
im fol. Schaufpielhaufe an den Darftellungen eines Devrient oder 
Rebenftein zu erbauen. Schon in feinem 19. Jahre heiratete er 
Frl. Bertja Sram, die fpäter mit ihm nach Prag fam. Seine 
eigene künſtleriſche Befähigung trat glänzend in der Privat- 
Geſellſchaft „Urania” hervor, zu deren erflärtem Liebling er fich 
durch feine Productionen emporſchwaug. Mehrere Mitglieder des 


u nn a 2 TE . K,äf . — un - Pu TÜ O0 — — 





— 349 — 


kgl. Schauſpiels kamen ihm mit aufmunterndem Lobe entgegen, und 
als einſt die „Urania“ zu Gunſten der damals engagementloſen 
Frau Perroni- Glapbrenner eine Benefizvortellung veranftaltete, 
ſpielte Grauert in dem „Heiratsantrag auf Helgoland” zufammen 
mit der Perroni und nit den Autor des Stüdes, dem Hofichau- 
jpielev 2. Schneider. Nach der Vorftellung zog ihn der Letztere 
bei Seite und redete ihm heimlich dringend zu, definitiv zum 
Theater zu gehen. Grauert entichloß ſich und unterjchrieb im 
September 1841 den erjten Contract nach Stettin, wo er bald 
eingebürgert war. 1846 überjiedelte er mit feiner Gattin und 
feinem Söhnchen Iſidor (heute Mitglied des Prager deutschen Landes: 
theaters) nah) Prag und gefiel derart, daß ihm Hoffmann nad) 
feinen Antrittsrolfen felbjt eine Gage-Erhöhung antrug. Grauert’s 
Srommell, Nathan, Hofmarſchall Kalb, Jude Schewa waren be- 
deutende Leiſtungen. Nicht minder friiche und gediegene Rollen 
feines Repertoirs waren „Klingsberg-Bater," „Bangquier Müller,” 
„Steizow,” „Pfeffer“ u. |. w. Grauert's Specialität waren die 
gemüthlichen deutſchen Philifter und Väter, wie „Vetter oder 
„Lämmchen“ in „Kriſen“. 

Im ſtrengen Charakterfache hatte Grauert einen glücklicheren 
Concurrenten an Schneider, demſelben, der von anderthalb 
Jahren Abſchied von Prag genommen hatte und nun von Hoff— 
mann wieder gewonnen worden war. Schon während feines fril- 
beren Wirkens auf der Prager Bühne hatte ſich Schneider als 
geiftvoller Schaufpieler bewährt, deſſen dramatische Geftalten, Scharf 
gedacht und conjequent durchgeführt, ſtets feſte Selbſtändigkeit 
verriethen. Als er demnach am 22. April 1846 als Carlos im 
„Slavigo” fein zweites Prager Engagement antrat, waren ihn 
die Sympathien des Publicums bereits gewiß. Leider verlor die 
Prager Bühne die hervorragende Perſönlichkeit Schneiders bereits 
zu Oftern 1847. Sein Nachfolger, der frühere Oberregijleur in 
Breslau, Nottmeyer,*) führte jih im September 1846 den 


*, Friedrich Rottmeyer war geb. 10. September 1800, widmete fich 
früh der Bühne, war 1821 ſchon jug. Liebh. in Frankfurt a. M., Bafelu. |. w., 


ET SH an a a un nen 


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Pragern mit einem Gaftfpiele vor. Er brachte dabei Goethe's 
„Fauſt“ in neuer Bearbeitung auf die Bühne und ſpielte felbft 
den Mephifte. Nottmeyer Hatte al8 Arrangeur und Regiſſeur, 
wohl auch als Charafterfpieler bereit einen Namen in der deutichen 
Scanfpielwelt. Die Fauft:Vorftellung gab ihm Gelegenheit, ſich 
den Pragern von einigen diefer guten Seiten zu zeigen. “Die 
Tragödie wurde mit einem Ausftattungsglanze gegeben, wie man 
ihn bisher nur an pompdfe Opern gewandt hatte: man ſah durchaus 
neue Decorationen und Coftüme, reihe Gruppen und hörte die 
vollftändige Mufit von Lindpaitner. Rottmeyer ſelbſt nahm jede 
Rolle zu gewichtig, fügte fich fchwer in ein Enjemble, das feine 
eigene Perfönlichkeit nicht immer im Vordergrunde beließ; deshalb 
bedeutete fein Engagement, das er librigens erſt im Juni 1847 
antrat, keinen dauernden Gewinn für die Bühne. 

Ein wirklicher Gewinn war dagegen die liebeuswürdige, des 
friſcheſten Lebens volle Mad. Pollert. Früher am Breslauer 
Stadttheater engagirt, kam Mad. Pollert im September 1846 
nah Prag und betrat al8 „Hedwig von Gilden” im „Ball zu 
Ellerbrunn” zum erften Dale die Prager Bühne, für welche and) 
ihr Gemal nad) feinem Debut al3 Stephan Foster engagirt wurbe. 
Erjcheinung, Organ, ja felbjt Spielweife der Pollert erinnerte an 
die Berroni-Glaßbrenner, nur war jene lebendiger und geiftwoller. 
Zu ihren Glanzrollen zählten die Douna Diana, Margarethe in 
„Erziehungsrefultaten", „Frau v. Lucy“, die Valentine, welche 


überging dann in's Charakterfah,; Carl Ruf in der „Schahmafcine”, 
Klingsberg u. f. w. galten als Glanzrollen feine Repertoired. Er war 
mit Leib und Seele Schaufpieler und Anhänger der Immermaun’schen 
Schule. Er übernahn dag Stadttheater in Bremen, erzielte aber fchlechte 
finanzielle Erfolge, da er nur das claſſiſche Repertoire pflegte, war ſodann 
in raſcher Nacheinanderfolge Regiffeur oder Director in Prag, Dresden, 
Hamburg, bis ihm im April 1855 bad Amt eines art. Dir. und Oberregiffeurd 
am Boftheater in Hannover, das er 11 Jahre bekleidete, übertragen wurde; 
namentlich feine Arrangements von Opern fanden hier Würdigung, und mehre 
Orden zeugten von der Sympathie der höchſten Kreiſe. Rottmeyer, ein 
Ehrenmaun, der ftetd das Beſte auftrebte und das beite Herz bewährte, 
ſtarb am 29. Juli 1866 au Hannover. 





— 351 — 


durch fie in Prag geſchaffen wurde, die Margerethe in den „Hage— 
ſtolzen“ (das eine der beiden Kinder in diefem Stüde gab Friede: 
rike Bognar, die fpätere Hofburgichaufpielerin, eine der erjten 
Tragddinen Deutfchlands). Sie fpielte aber auch die „Jungfrau 
von Orleans”, allerdings nicht mit demjelben Gelingen, wie ihre 
Zuftipielrollen. So war aljo auch in ihr fein vollgiltiger Erſatz für 
die Weisbach, feine eigentliche „Heldin und tragifche LXiebhaberin” 
gefunden. — Bejondere Schwierigkeiten machte auch die Aus— 
füllung der Lücke im Fache des jugendlichen Helden und Kieb- 
babers. Nach dem Abgange Köckert's mußte man fich nahezu ein 
Jahr lang ohne vollwertbigen Erſatz behelfen. Fiſcher ftand 
bereits im vorgerücten Liebhaberalter. Zwar jtellte er noch als 
Egmont u. f. w. feinen Mann; aber jchon ließ er auch feinen 
Wallenftein (zum erjten Male im Nov. 1846) folgen und bemegte 
ih im Fache des Heldenvaters. Dieg mußte ebenfalls eine 
Vorrückung in gefeßtere Rollen bewerfftelligen. As Erfapmann 
wurde zuerit Paetſch engagirt, der fich zwar auch an den Garrik 
beranwagte, aber mit der Zeit doch nur als zweiter Liebhaber 
oder in Nebenpartien verwenden laffen mußte. Sein Engagement 
lief nur bis 1847. Im November 1846 trat Römer ald Mar 
Piccolomini auf. Er kam vom Schweriner Hoftheater, brachte 
aber von dort nicht jene künſtleriſche Reife mit, welche ihn für 
eine erſte Stellung in Prag befähigt hätte. Der junge Dann fah 
übrigens feine fchiefe Stellung felbft ein und ließ fich willig in 
das zweite und dritte Fach zurücichieben. In jungen Yahren 
war Nömer als Aushilfs- und Boffenliebhaber oft auf der Bühne 
zu jehen. Als das Neuftädter Theater gegründet wurde, ernannte 
man Römer zum „Inſpector“ desjelben; ſpäter wurde er Syn» 
ſpicient und fpielte jchließlich wieder Epifoden, bis ihn im J. 1876 
die Blattern-Epidemie feinem befcheidenen, aber ſtets eifrigen fünftle- 
riſchen Wirken entriß. Er jtarb wenige Monate vor Vollendung 
feiner dreißigjährigen Dienstzeit, welche ihm das Necht auf volle 
Penſion gebracht hätte, in Prag. 

Ein anderes Bühnenmitglied, das von Prag nicht wieder 
ſcheiden follte, Amalie Fries, begann ebenfalls 1846 feine Thätig— 


— 352 — 


feit in Prag. Wir finden fie zum erften Dale als „Fiſcherknaben“ 
in „Zell" erwähnt. Eine blühende Erfcheinung, nahnı fie fofort 
für fih ein und gefiel, wenn fie nicht in eine ihre Kräfte über- 
jteigende Aufgabe gedrängt wurde. Obwohl urſprünglich als Cho— 
rijtin engagirt, gelang e8 Frl. Tries, die von Bremen nach Prag 
kam, wach Furzer Zeit, Rollen in Schau: und Luſtſpiel zu er 
halten. Ihre muficalifche Bildung befähigte fie, auch in der Oper 
zu wirken; jo übernahm fie nach) dem Abgange der Podhorsky 
mehre der von derjelben zuleßt gejungenen Opernpartien („Hebwig" 
in „Tell“ u. dgl). — Für das Fach, in welchen fi Römer 
erfolglos verſucht Hatte, fand ſich endlich ein genitgender Rem— 
plagant in Heinrih Grans (dem nachmaligen Oberregifjeur 
in Dresden und Breslau), der im Mai 1847 als „Steffen Langer 
aus Slogan”, Ferdinand in „Rabale und Liebe" und als „Duintin 
Durward” in Auffeuberg's „Ludwig XL" debutirte. Mit dem 
Engagement Grans*) war die Berfonalbewegung in den beiden 


*) Heinrih Grand ift 1820 zu Braunfchweig geboren, wo er nad 
dem Tode jeined Vaterd an ber Schwelle des herzogl. collegii Carolini 
feine Studien unterbrad, um ſich mit gauzer Seele der Bühne zuzumenden. 
Bon Dir. Schü für die theatr. Carriere vorbereitet, begann Grand 1842 
bei der reif. Gefellihaft des Dir. Töldt in Prenzlau feine Carriere, war 
dann in Frankfurt a. O., Braunfchweig und Breslau eng., doch bedeutete 
Prag die erfte bedeutende Wirkungsftätte des Künftlers. Er begleitete 
hierauf Emil Devrient auf deilen KRunftreife nach London, und erntete dort 
am Sct. Zames- Theater bei den Vorführungen ber beutfchen claſſ. Meifter: 
werfe die ehrenvollite Anerkennung. In Weimar, mo Grand 15 Sabre 
als Regiſſeur wirkte, erreichte er feine eigentliche Kunfthöhe. Sein Weima— 
riſches Repertoire umfaßte die herrlichften Rollen, Poſa, Petrucchio, Leontes; 
ſeine Regie ſtand auf der Höhe einer Zeit, in welcher Gutzkow, Ad. Stahr 
nud Gottihall zu Weimar im Parterre jaßen. Gutzkow wibmete Grand 
begeifterte Verſe, die inäbelondere deilen Hamlet und Taſſo galten. Geine 
Daritellung Heinrich bes VI. ftellt Genaſt als unübertrefflih Hin. 1866 be: 
trat Grand als Königslientenant zum 1. Male die Leipziger Bühne und 
fand denfelben Enthufiasmus wie in Weimar. Seinen Heinrich in „Lor: 
beerbaum und Bettelftab” bezeichnete Holtei felbft al3 den „volllommenften 
Heinrich”, den er gejehen. Von Leipzig ging der Künftler nad Breslau, 
wo er Überregifleur des dort. Stabttheaterd wurde, welche Bürde er aber 
bald ganz nieberlegte, um fortan nur auf Gaftipielreifen zu wirken. In 








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erften Jahren Hoffmann'ſcher Direction auf dem Gebiete des 
Schauſpiels jo ziemlich zu Ende. 

Die Gajtjpielbewegung war eine viel ſolidere und befriedi- 
gende, als fie e8 unter Stöger geweſen war. Man befam felten 
Mittelmäßigkeiten, dagegen illuſtre Säfte in großer Zahl zu fehen, 
oft fegar in bedeutenderer Anzahl, als dem Nepertoire und der 
Empfänglichkeit de8 Publicums erjprießlich fein mochte. Es er» 
Ichienen 1846 und 1847 zunächſt Hoppe, einer der geiftreichiten 
deutfchen Künjtler feiner Zeit; ihm dankte Prag die erjte(!) Auf- 
führung von Kleiſt's Muſterluſtſpiel „Der zerbrochene Krug”; 
Hoppe’3 „Adam“ war eine der fernhafteften, fertigften Leiſtungen 
dieſes Künftlers. Nach Hoppe gajftirte das Ehepaar. Fichtner, 
Scholz und Grois, Neſtroy (1846 mit der Novität „Der Unbe- 
dentende”, 1847 mit dem „Schüßling" als Novität), Rott aus 
Berlin, Moriztz, der alte Liebling der Prager, das Ehepaar Bed- 
mann, Löwe, Baumeiſter (damals in Schwerin) — für zwei “Jahre 
eine zahlreiche und dijtinguirte Schaar von fremden Gäſten! 

Befonders groß und glänzend war der Opernftatus nicht, 
den Hoffmann von feinem Vorgänger Stöger übernahm. Eigentlich 
waren es nur drei Sängerinen, auf die fich zu Ende der Stöger- 
ihen Direction die Prager Oper ftügen konnte, die Damen 
Podhorsky, Großer ud Schwarz. Die Legtere jchied mit Stöger 
von der Prager Bühne Mad. Podhorsky diente nun jchon 
jeit 1822, aljo volle 24 Jahre, als active erjte Sängerin der 
Prager Oper. Die Decennien waren nicht jpurlos au ihrer 
äußeren Erjcheinung vorübergegangen, jie ftand nicht mehr im 


Breslau ift Grand popuiär geblieben und auch in Prag erinnert man fich 
noch gern des geiftoollen, hochachtbaren Kuünſtlers. „Grans“ — ſo ſchildern 
ihn die „Silhouetten Leipziger Bühnenkünſtler“ von W. Harder — „iſt ein 
Schauſpieler, deſſen Talent in der Schule der Erfahrung gereift iſt, der 
die Menſchen nicht aus den didbändigen Compendien feines dramaturgifchen 
Lehrerd, Sondern aus eigener Beobachtung kennt; ber in allen Schichten 
des Bolfes die Leidenschaften und Empfindungen, die Charaftere und An— 
ſchauungen ftudirt hat, und fich, indem er fi „durch Hunger und durch 
Liebe“ eımporarbeitete, eine umfajjende Kenntniß der Welt und ber Menjchen 


aneignete.“ 
23 


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Zenith ihres Ruhmes, aber ihre Art zu fingen — wahrer, echter 
Geſang — war noch von feiner Nachfolgerin und Rivalin ge: 
troffen worden. Diefer Gefang, wenn er bie und da in einer 
Mozart’schen Oper zu hören war, flang wie Töne aus ferner, 
Schöner Vergangenheit. Indeß, Mad. Podhorsky war der Direction 
nicht mehr „modern“ genug. Aus der Sphäre der Coloraturſängerin 
ſah fie fich immer mehr in jene des älteren Faches zurüdgedrängt 
und nur, wenn die Direction in Verlegenheit war, erinnerte man 
fich der noch ungebrochenen Kraft der Primadonna. Die Parole 
nach „jüngeren Kräften" war gegeben, die hochverdiente Sängerin 
follte unter der Direction Hoffmann das Ende ihrer künſtleriſchen 
Bühnenthätigkeit erleben. Auch ihrer Bartuerin Henriette Großer 
war in diefer Periode der Prager Bühne das Ziel. ihres Wirkens 
daſelbſt gejett. Sie allerdings behauptete fi) nad) wie vor in 
ihrer Primadonna-Bofition, aber fie kämpfte einen beftändigen 
Kampf mit der Bühnenleitung, der ihr — wie wir jehen werden 
— zwar die Entlafjung Foftete, aber auch Hoffmann jchwere 
Wunden fchlug. 

Bald nah Eröffnung der neuen Directionsära hatten dic 
Debuts auf dem operiftiichen Gebiete begonnen. Am 15. April 1846 
debutirten in der Oper „Montecht und Capuletti” die Damen 
Ney und Würft, erjtere als Nomeo, lettere als Giulietta. Jenny 
Ney,*) der ausgiebiges Drgan, lebhafter Vortrag und gewandtes 

*) Jenny Bürde-Ney war geb. in Wien; ihre Mutter (gejt. 1852 
zu Wien), welche unter dem Nanıen „Segatta” Sängerin an der Hofoper 
gewejen war, jorgte felbft für die Ausbildung ber Tochter. Schon mit 
13 Sahren fang Jenny im Chore ungarifcher Bühnen, ihre eigentliche 
tünftlerifche Laufbahn begann fie mit Heinen Opernjoubretten-Bartien und 
jug. Liebh. in der Geſangspoſſe, erit in Olmütz übertrat fie zur Oper; von 
Prag wanbte fie fi) nach Lemberg, wurde 1851 für 1. dram. Partien an 
die Wiener Hofoper eng., von mo ſich ihr Ruf über Deutjchland verbreitete. 
Am 3. Juni 1852 trat fie als Norma in Dresden auf, wurbe eng., galt. 
1852 in London, verm. ſich 1855 mit dem Hofſchauſp. Emil Bürde; 1867 
Ichted fie von der Bühne. Ihre Agathe, Elſa, Dinorah, Jeſſonda, Nezia, 
Eliſabeth, Donna Anna, Fidelio waren berühmte Leiftungen. Sm Alter 
von 60 Jahren ftarb Jenny Bürde-Ney, zuletzt Gelangsprofefforin, im 
Mai 1886 zu Dresden. 





N 


— 355 — 


Spiel nicht abzufprechen war, Hatte einen ehrenvollen Erfolg, 
während ihre Partnerin Die. Würjt, eine junge und ausnehmend 
ihöne Sängerin, an einer acuten Heiſerkeit laborirte und davon 
auch in der Folge nicht geheilt wurde. Beide Damen gehörten 
nicht Lange der Prager Oper an. Sie waren für die ganze ſechs⸗ 
jährige ‘Directionsperiode engagirt und thatfächlich junge Talente, 
deren Entwidelung und Pflege der Mühe verlohnte — vor Allem 
Die. Ney, welche unter normalen Berhältniffen ficher zu einer 
der Schönsten Zierden der Prager Oper berangereift wäre. Aber 
in den Anfangsmonaten einer neuen Direction ift Prag ein ſchwie⸗ 
riges Terrain für Debutantinen. Sowohl Die. Ney als Dile. 
Würſt fühlten, fih bald durch die zum mindeften reſervirte Hal- 
tung des Prager Publicums und die offene Oppofition einer 
Clique entmutbhigt, forderten dringend ihre Entlaflung, die ihnen 
Hoffmann Schließlich auch bewilligen mußte. Jenny Ney ver 
abſchiedete jih im März 1847 als Elvira (Don Yuan) von Brag, 
machte bald darauf in Lemberg Furore, war in wenigen Jahren 
Primadonna am Kärntnerthor-Theater in Wien mit 9000 fl. C. M. 
Jahresgehalt und eine der bedeutendften Sängerinen Deutfchlands, 
Dem. Würft fam von Prag nad) Königsberg und wurde fpäter 
am Stuttgarter Hoftheater neben Piſchek der größte Liebling des 
Publicums. AS Hoffmann mit diefen beiden Damen, von denen 
er fi) Außerordentliches für feine Divection verfprochen hatte, fo 
ungeahntes Unglüd hatte, entjchloß er ich, feine eigene Frau in's 
Treffen rüden zu laffen; aber für Debuts einer Theaterdirectors⸗ 
Gattin waren die Prager nicht disponirt. Mad. Hoffmann fang 
als erjte Partie die Wdalgifa neben der Norma-Großer. Es war 
ein trauriger Abend: die Großer feierte einen Triumph, Frau 
Hoffmann kehrte fast nach jeder Scene weinend hinter die Couliſſen 
zurüd. Nach längerer Pauſe wagte ſich Mad. Hoffmann wieder 
als Amina in der „Nachtwandlerin“ auf die Bühne, und fiehe 
da — trog aller feindlichen Elemente glüdte das Debut. Zwar 
Tand man, daß der blühende Schmelz von dem Organe der De— 
butantin im Laufe der Jahre bereits gewichen fei; dies galt aber 
nur für die Tiefe; die Höhe und Mittellage war frifch und rein, 
25* 


Mn U ET NE — ————— au ww’... . 


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Zenith ihres Ruhmes, aber ihre Art zu fingen — wahrer, echter 
Geſang — war noch von Feiner Nachfolgerm und NRivalin ge- 
troffen worden. Diefer Geſang, wenn er bie und da in einer 
Mozart’schen Dper zu hören war, Hang wie Töne aus ferner, 
Schöner Vergangenheit. Indeß, Mad. Podhorsky war der Direction 
nicht mehr „modern genug. Aus der Sphäre der Coloraturjängerin 
ſah fie fih immer mehr in jene des älteren Faches zurückgedrängt 
und nur, wenn die Direction in DVerlegenheit war, erinnerte man 
fich der noch ungebrochenen Kraft der Primadonna. Die Barale 
nach „jüngeren Kräften" war gegeben, die hochverdiente Sängerin 
jollte unter der Direction Hoffmann das Ende ihrer künſtleriſchen 
Bühnenthätigkeit erleben. Auch ihrer Partnerin Henriette Großer 
war in diefer Periode der Prager Bühne das Ziel ihres Wirkens 
dafelbft geſetzt. Sie allerdings behauptete ſich nad) wie vor in 
ihrer Primadonna-Bofition, aber fie Fämpfte einen bejtändigen 
Kampf mit der Bühnenleitung, der ihr — wie wir jehen werden 
— zwar die Entlaffung foftete, aber auch Hoffmann fchmere 
Wunden jchlug. 

Bald nah Eröffnung der neuen Directtonsära hatten die 
Debuts auf dem operiftifchen Gebiete begonnen. Am 15. April 1846 
debutirten in der Oper „Montechi und Capuletti” die Damen 
Ney und Würft, erſtere als Romeo, letztere als Giuliettäa. Jenny 
Ney,“*) der ausgiebiges Drgan, lebhafter Vortrag und gewandtes 

*) Jenny Bürde-Ney war geb. in Wien; ihre Mutter (geft. 1852 
zu Wien), welche unter dem Namen „Segatta” Sängerin an ber Hofoper 
geweſen war, jorgte jelbft für die Ausbildung der Tochter. Schon mit 
13 Jahren fang Jenny im Chore ungarischer Bühnen, ihre eigentliche 
tünftlerifche Laufbahn begann fie mit Heinen Opernjoubretten:Bartien und 
jug. Liebh. in der Geſangspoſſe, erft in Olmütz übertrat fie zur Oper; von 
Prag wandte fie ſich nach Lemberg, wurde 1851 für 1. dram. Partien an 
die Wiener Hofoper eng., von wo fich ihr Ruf über Deutichland verbreitete. 
Am 3. Juni 1852 trat fie als Norma in Dreöden auf, wurde eng., galt. 
1852 in London, verm. ſich 1855 mit dem Hofihaufp. Emil Bürde; 1867 
ichied fie von der Bühne. Ihre Agathe, Elfa, Dinorah, Jeſſonda, Nezia, 
Elifabeth, Donna Anna, Fidelio waren berühmte Leiftungen. Im Alter 
von 60 Jahren ftarb Jenny Bürde-Ney, zuletzt Gefangsprofeflorin, im 
Mai 1886 zu Dresden. 





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Spiel nicht abzufprechen war, hatte einen ehrenvollen Erfolg, 
während ihre Partnerin Die. Würſt, eine junge und ausnehmend 
Ihöne Sängerin, an einer acuten Heiferfeit laborirte und davon 
auch in der Folge nicht geheilt wurde. Beide Damen gehörten 
nicht Lange der Prager Oper an. Sie waren für die ganze jechs- 
jährige Directionsperiode engagirt und thatjächlich junge Talente, 
deren Entwidelung und Pflege der Mühe verlohnte — vor Allem 
Die. Ney, welche unter normalen Berhältniffen ficher zu einer 
der Schönsten Zierden der Prager Oper herangereift wäre. Aber 
in den Anfangsmonaten einer neuen Direction ift Prag ein ſchwie⸗ 
rige8 Terrain fir Debutantinen. Sowohl Die Ney als Die. 
Würſt fühlten, fih bald durch die zum mindeften reſervirte Hal- 
tung des Prager Publicums und die offene Oppofition einer 
Clique entmuthigt, forderten dringend ihre Entlaffung, die ihnen 
Hoffmann fchließlih auch bewilligen mußte. Jenny Ney ver- 
abjchievete fi) im März 1847 als Elvira (Don Juan) von Prag, 
machte bald darauf in Lemberg Furore, war in wenigen Jahren 
Primadonna am Kärntnerthor-Theater in Wien mit 9000 fl. C. M. 
Jahresgehalt und eine der beveutendften Sängerinen Deutichlands, 
Dem. Würft fam von Prag nah Königsberg und wurde fpäter 
am Stuttgarter Hoftheater neben Piſchek der größte Liebling des 
Publicums. AS Hoffmann mit diefen beiden Damen, von denen 
er ſich Außerordentliches für feine Direction verfprochen hatte, fo 
ungeahntes Unglüd hatte, entjchloß er jich, feine eigene Frau in’s 
Treffen rüden zu lafjen; aber für Debuts einer Theaterdirectors⸗ 
Gattin waren die Prager nicht disponirt, Mad. Hoffmann fang 
al3 erjte Partie die Adalgifa neben der Norma-Großer. Es war 
ein trauriger Abend: die Großer feierte einen Triumph, rau 
Hoffmann Fehrte faſt nach jeder Scene weinend hinter die Couliſſen 
zurüd. Nach längerer Bauje wagte fih Mad. Hoffmann wieder 
als Amina in der „Nachtwandlerin“ auf die Bühne, und fiehe 
da — troß aller feindlichen Elemente glücdte das Debut. Zwar 
fand man, daß der blühende Schmelz von dem Organe der De- 
butantin im Laufe der Jahre bereits gewichen fei; dies galt aber 
nur für die Tiefe; die Höhe und Mittellage war frifh und rein, 
23* 


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und die Coloratur eine vortrefflihe. Die ttalienifche Coloratur— 
Oper fchien die eigentliche Domäne der Sängerin; wagte fie jid) 
darüber hinaus, jo war die Niederlage entſchieden. Schließlich 
gab Dir. Hoffmann den Plan, feine Gattin zur Primadonna zu 
proclamiren, auf. 

As jugendlihe Sängerin hatte Hoffmann Die. Melle 
acquirirt, eine Dame mit bejcheidenem Organe, das aber fiir ihre 
bejcheivene Wirfungsipbäre ausreichte. Sie blieb nur ein Jahr 
in Prag. Zum Schooßfinde des Prager Bublicums wurde eine 
andere jugendliche Sängerin, De, Cäcilie Soukup, eine Böhmin, 
die direct vom Confervatorium auf die Bretter des Landestheaters 
fam und entjchteden Glück machte. Eine Sängerin, welche es — 
wie Cäcilie Soukup — verftand, jelbjt im Jahre der Revolu: 
tion 1848 einen Heinen Theaterkrieg zu entzinden, mußte über 
unbeftrittene Vorzüge verfügen. Nachdem fie fchon bei der eriten 
Aufführung der Gordigianifchen Oper „Conſuelo“ neben der Alboni 
al8 Conſuelo zur Freude ihres Meifters Gordigiani die fchönften 
Proben ihres Talents abgelegt, erhielt fie von der Direction des 
Eonfervatoriums ausnahmsweiſe die Bewilligung, während des 
legten SYahrescurjus Thon an vierzig Abenden die Bühne zu be 
treten. Ihre Debuts als Giulietta und Agathe (im „Freiſchütz“ 
waren glänzend, und bald ſah man die junge Dame mit jeltener 
Sicherheit fich in allen Repertoire-Dpern bewegen. — Unter den 
Debutantinen der Hera Hoffmann war Die. Kreutzer, eine 
Tochter Konradin Kreuger’s; fie fang u. U. die Gabriele im „Nacht: 
lager", und ihr Bater faß ſelbſt am :Divigentenpulte (8. Mat 1847), 
ferner die Adelma in der „Hochländerin”, welche Oper Kreutzer 
zum Benefiz feiner Tochter und unter feiner perfönlichen Zeitung 
furz darauf in Prag zur erjten Aufführung bradite Weder bie 
„Hochländerin“ noch Die. Kreuger behaupteten fi) in Prag troß 
des berechtigten Anfehens, das der Vater Beider in der deutſchen 
Dpernwelt genoß. Als Gaft von Bedeutung präfentirte ſich da- 
gegen Die. Wagner, ebenfalls Trägerin eines hervorragenden 
Componiftennamens, Nichte Richard Wagners, vom Dresdener 
Hoftheater. Sie errang gleich bei ihrem erften Auftreten als 


— 357 — 


Norma einen durchichlagenden Erfolg, der ihr bei ſämmilichen 
Saftvorjtellungen treu blieb. Nicht minder gefiel Frl. v. Rieſe, 
abfolvirte Schülerin des Prager Confervatoriums, Primadonna 
in Lemberg, welche gleichzeitig nrit Ander im Juni und Juli 1847 
gaftirte. Die Königin der Dperijtinen, welche in den erjten zwei 
Regierungsjahren Hoffmann's auf der Prager Bühne erfchienen, 
nennen wir zulegt: wir meinen Signora — ein Parifer Journal 
jagte „Signor" — Alboni, die im Juni 1846 abermals in 
Prag erichten und dasjelbe Aufjehen machte wie bei ihren früheren 
Gajtfpielen. Ihrer Anwesenheit verdanfte man einen interejlanten 
Abend: die erjte Aufführung der Oper „Confuelo” von Gordi- 
giant (6. Juni), Giovanni Battifta Gordigiani (geb. 1795 
zu Modena), der Sohn Antonio Gordigiani's, Kammterjängers 
des Kaiſers Napoleon, ehemals Sänger am BPergolatheater in 
Florenz und an anderen italienischen Bühnen, nebftbei einer der 
beften Geſangslehrer Italiens, war 1822 als Gejangsprofejlor 
für das Prager Confervatorium gewonnen worden, welchen Poſten 
er mit zehmjähriger Unterbrechung (von 1827 bis 1837) bis 
Juli 1864 befleidete (7 1. März 1871 zu Prag). Hauptſächlich 
Kirchencomponift, hatte er auch eine Oper nach dem befannten 
G. Sand'ſchen Romane „Conſuelo“ gefchrieben. Text und Müſik 
ſtammten von ihm. Ja noch mehr, er ſang auch perſönlich den 
Porpora, zwar mit gänzlid) verbrauchten Stimmaterial, aber 
meifterhaft in Vortrag und mit füdlicher Lebhaftigkeit im Spiel. 
Zwei Schüler Gordigiani's, das vorerwähnte Frl. Soufup und 
Hr. Bogel (nachmals Gejangsprofeffor am Prager Conjerva- 
torinm), wirkten als „Confuelo” und „Aiditz“ mit, Dem. Alboni 
glänzte als „Anzoletto“ und heimfte Blumen und Kränze in 
Hille und Fülle ein. Das Textbuch der Oper indeß machte 
jeden nachhaltigen Erfolg unmöglih. Die Mufit war fleißig 
und zierlih gemacht, aber von Originalität, von Kraft und 
Genie war wenig darin zu finden. *) ' 


*) Der Zettel der intereffanten Borftellung ſei bier wieder⸗ 
gegeben: 


— 358 — 


Hatte die Hoffmann’sche Oper bei der Completirung des 
vorhandenen Opernftatus hauptſächlich auf eine Kräftigung und 
Auffrifchung des weiblichen Elements Nücjicht zu nehmen, fo war 
doch bei Beginn der neuen Aera auch auf der anderen Seite eine 
große Frage, die Heldentenorfrage, zu löſen. Zuerſt verſuchte Herr 
Peretti fein Glüd, ohne es zu finden; dann trat Neichel fein 
Engagement an, ohne entfchiedenen Erfolg. Neben ihm fang Herr 
Mayr, den wir Schon in früheren Jahren als Tenoriſten des 
cechifchen Theaters kennen gelernt haben, erjte Tenorrollen im 


Königl. ſtändiſches Theater iu Prag. 
Samftag den 6. Juni 1846. (Abonnement suspendu.) 
wei erdößten Preifen. 
Vorletzte Gaftworftellung der Dem. Marietta Alboni, Sängerin der 
großen Oper des Theaterd della Scala in Mailand und Ehrenmitglied 
bes philharmonischen Vereines in Berlin. 


Zum eriten Male: 
CONSTUELO. 


Soggetto tratto dal Romanzo „Consuelo* di George Sand. Opera Bufla 
in quattro Parti, Musica e Poesia di Giovanni Gordigiani. 
Personagsgi: 

Conte Giustiniani, amatore di musica e proprietario del Teatro S. Sa- 
muele in Venezia — Sgr. Reichel. Nicolo Porpora, Maestro di 
Capella — Sgr. Gordigiani. Consuelo, povera Orfana di 14 anni — 
Sgra. Soukup. Anzoletto, giovine Gondoliere di 17 anni — Sgra. 
“ Alboni. Aiditz, amatore di musica e protettore di Cantanti — Sgr. 
Vogl; Corilla, Primadonna al Teatro S. Samuele e Scolara di Porpora — 
Sgra. Ney. Bettina, Teresina, Cati, Marietta (Scolare di Porpora) — 
Sgre. Fries, Weisbach, Lenners, Lukan etc. etc. 


Consuelo — Dem. Bäcilie Soukup, Schülerin de Gonfervatoriums, 
mit bejonderer Bewilligung der Vereingdirection ald Gaft. 


Die Herren Gordigiani und Vogl werden die Ehre haben, aus Gefälligkeit 
für die Gajtdarftellerin als Gäſte aufzutreten. 


Preife der Pläte: Loge im Bart. unb 1. Rang 6 fl. EM., im 2. Rang 
4 fl. 30 kr. im 3. Rang3fl., Sitz in der Fremdenloge 1 fl. 30 kr., 
gejperrter Sis im Bart. 1 fl., auf der Galerie 40. EM., Eintritt 
in bas PBarterre 40 kr., auf die Galerie 20 kr., auf den leiten Platz 
10 kr. EM., Garniſ.⸗Bill. 20 fr. 








— 359 — 


deutschen Theater, und der wadere Eimminger ftellte jederzeit, 
wenn man ihn brauchte, feinen Mann. Im Juli 1846 filhrte 
ih Seyler als Tamino mit günſtigem Erfolge ein. Sein 
Organ war ein gejunder, fräftiger Bruſttenor, weniger durch 
Schmelz; als durch Metall und Fülle anfprecdhend. Andauernde 
Kränkflichkeit entzogen Seyler bald feiner Wirkjamfeit, und Reichel 
rückte nun in's Vordertreffen, ein Tenor, der über die herrlichen 
materiellen Mittel verfügte. Reichel's Bruſthöhe war geradezu 
phänomenal; nur mußte man fi) an eine gewiſſe Krankhaftigkeit 
feines Organs gewöhnen. Seine wirkſame Zonlage fing erft da 
an, mo diejenige anderer Tenprijten aufhört. In einigen Partien 
wie in „Tell“ als „Urnold”, in den „Franzoſen vor Nizza" als 
Giuſeppe, wo feine blendende Höhe zur Geltung Tam, war er 
vielleicht unübertroffen. Mit der Zeit Fräftigte ſich und wuchs 
fein Organ no; was man an ihm vügte, war das Yorciren 
der Stimme und nicht inimer zutreffendes Spiel. *) 


Einen vorziiglihen Gewinn machte Hoffmann an dem Bary— 
toniften Wilhelm Verſing. Diejer Sänger hatte bereits eine 








*) of, Reichel war 1819 zu Seelowit in Mähren geb., trat nad 
abfolv. jurid. Studien in den Staatsdienft, verließ aber auf Andringen 
feines Lehrers Gentiluomo denfelben, um jeine außerorbentlihen Stimm- 
Mittel in der Bühnencarriere zu verwerthen. Er nahm Engagement in 
Lemberg und Graz, folgte dann dem Rufe Hoffmann's nach Prag, erregte 
in „Confuelo”, dann bei einer „Öugenotten“- Aufführung Auffehen, in 
welcher er im Duell-Septett die Oberftimme übernahm und eine ganz 
anßergewöhnliche, ſympathiſche Höhe bewundern ließ. Bald war er ber 
ausgeſprochene Liebling de3 Opernpublicums; feine Triumphe fielen be- 
jouderd in die Sphäre der italienifchen Oper, aber auch in ben deutichen 
und fpeciell Wagner'ſchen Opern feierte er, wie wir noch fehen mwerben, 
Triumphe. Reichel folgte Hoffmann nah Abſchluß der Prager Direction 
desfelben nach Frankfurt a. M., lehrte aber bald wieber nach Prag zurüd, 
blieb unter Stöger bis 1858 eng., fang noch einige Male unter Thome 
und zog fi) dann in's Privatleben zurüd, Er war mit einer Tochter der 
Beligerin des Hotel3 zum „Ihwarzen Roß“ vermält und hatte zwei Söhne, 
die er forgfältig erzog. Hie und da wirkte er in künftlerifchen Productionen 
zu wohlthätigen Zmweden mit. Nach dem Abgange des Tenors Vecko an's 
techifche Theater berufen, fang er an demielben 1865, noch immer im Be— 


= 
——. 


— 360 — 


hervorragende künftlerifche Stellung am deutfchen kaiſ. Hofthcater 
in Petersburg eingenommen.*) Von dort fam er im Auguft 1846 
zunächft zu einem Gaftjpiele nach Prag, das ihm fofort die Sym- 
pathien aller Opernfreunde gewann. Scin Organ war ein voll- 
fräftiger und doch nicht ungefüger, des Schmelzes keineswegs 
barer Baß-Baryton, der innerhalb zweier Octaven Hangvoll tönte. 
Deutliche Ausſprache und ausgebildete Articulation — zwei we— 
jentlihe Eigenfchaften des dramatischen Sängers — beſaß Verfing 
in hohem Grade. Seine erfte Rolle in Prag war der „Tell“, 
ihm folgten fein ausgezeichneter „Bertram", „Caspar“ und eine 
Zufammenftellung einzelter Opernacte, die dem Gafte Gelegenheit 
gab, fih nod einmal von al’ feinen guten Seiten zu zeigen! 
Am 26. Aug. 1847 trat Verfing als Car in „Car und Bimmer- 
mann”, in feiner berühmteften Rolle, fein Prager Engagement 
an; das Garenlied wurde von ihm unübertrefflic) vorgetragen, 
iiberdies wies Verſing's Gar eine ganz merkwilrdige PVortrait- 
ähnlichkeit mit Peter dem Großen auf. Die Prager Bühne bejaf 
ſchon an Kunz einen trefflichen Barytoniſten, jo daß die beiden 
Vertreter des Faches nun manche Bartie alternivend fangen; beide 
verfügten über ein fo reiches, Baß- und Barytonpartien umfaf: 


fie eines guten Theild feiner jeltenen Mittel, andgezeichnet Durch Eifer 
und Fünftlerifche Sorgfalt; die neuen Anftrengungen und Aufregungen aber 
zogen ihm ein Herzleiden zu, dem er am 21. März 1866 erlag. Unter 
großer Theilnahme wurde er zu Grabe getragen: ber Intendant und der 
Director bed Cehifhen Theaterd Dr. Rieger und Thome fchritten hinter 
dem Sarge. 

*) Wilhelm Verſing war 1811 zu München geb., trat dort zum 
1. Male ald Heinrich Mercy in „Wallenftein”- auf, kam von bort nad) 
Mannheim, Mainz, Düffeldorf un. ſ. w. und erregte durch fein faft das 
gefamnıte Baß: und Baryton-Repertoire beherrichendes wunderbares Organ 
überall Aufſehen. Später kam er mit feiner Gattin, einer unter Immermann 
in Düffeldorf wie anderswo gefeierten Schauipielerin, nah St. Peters: 
burg, 1817 uach Prag und weilte bier bis 1854. Er ftarb 1879 in Odeſſa, 
wo er — ein Liederfänger par excellence — den Schmelz feiner Stimme 
faft bis zum Ende feiner Tage im Salon und in Concerten bewährt hatte. 
Ungelünftelte Gemütblichkett, ein vortrefflihes Herz und eine feltene DBe- 
fcheidenheit hatten ihm auch im Leben zahlreiche Freunde erworben, 








— 361 — 


jendes Repertoire, und fanden in den übrigen Bafliften Breuer, 
ner, Strafaty, Brava eine fo wirffame Ergänzung, daß es in 
Baßfache wohl niemals fo glänzend in Brag beftellt war als zu 
Kunz und Verſing's Zeiten. *) 

Aus der Reihe der Gaftjänger, die man in den Jahren 1846 
und 1847 zu hören befam, heben wir mit Uebergehung unbeden- 
tenderen Debutanten nur die Heroen der deutfchen Oper, welche 








*) Der Gejammt-Perjonalltatus des Prager Theater? war 
nah dem Directiondantritt Hoffmann's folgender: 

Dir. und Unternehmer: %. Hoffmann. — Oberregifj. Rottmever. 
— Reg. d. Schaufp. Eruft, d. Op. Preifinger. — 1. Capellmetiter 
Fr. Straup, 2. Gapellmeifter Ed. Tauwitz, Ordeft.-Dir. Mildner, 
Pleiner. — Oekon.Inſpector Wolff, Buchhalter Zießler, Cancellift 
Winter, Inſpicienten Bolze und Hametner, Souffl. d. Sch. Lukan, 
der Oper und Boffe Martineg, Biblioth.-Auff. Winarz. — 1. Caſſier 
Ulbricht, 2. Caſſ. Czermak. — Controlor Piſecky. — Theaterärzte Brof. 
Dr. Oppolzer, Dr. Jung, Wundarzt Rex. — Schaufpiel: Herren 
Bayer, (Benf.), Heldenpäter, Bolze (Penf.), Greife, Brava und Bauer, 
bedeut. Aushilfer., Chauer, Väter; Diet 1. Xiebh., ing. Helden, Bonpiv. 
Dolt, 1. tom. Rollen, Ernft (Reg.), Chor., Feiftmantel 1. kom. Rollen, 
Fiſcher, Helden, geſ. Liebh, Grabinger Väter, Grauert Char. und 
tom. R., Hametner MH. tom. R., Il lner Aushilfer., Rolar Bertraute 
und bedeut. Nebenr., Nißl 2. Liebh. Paetſch 1. Liebh. und Bonv,, 
Pollert Anftander. und ält. Liebh, Preifinger (Reg), tom. R., 
Römer Liebh., Rottmeyer (Oberreg.), Intrig., EChar., Väter, Sekira 
Aushilfer., Schneider ntrig., Char., Walter Autrig., Väter. — 
Damen: Mad. Allram (Penf.) Tom. Alte, Mad. Binder zärtl. und 
kom. Mütter, Anftandödanıen, Dile. Block (Xiebh.), Die. Frey 1. munt. 
Liebh. Die. Fries Kammermädchen, Mad. Kolar Liebh. und Soubr., 
Die. Lehner munt. Liebh, Naive, Die. Lingg kom. Localr. Mab. 
PBollert 1. trag. Liebh, Hervinen, Die. Schifaneder Mütter, Die. 
Shüst kom. Localr., Die. Weisbach Pagen. — KRinderrollen: Friederike 
und Anna Bognar, Anna Dies, Wilhelmine Walter. 

Oper: Herren Brava Baßbuffop., Breuer desgl, Emminger 
1. Zenorp., Illner bobe Baßp. Runz 1. Baryt. und Baßp. Mayr 
Zenorp., Breifinger Reg, Baßp., Reichel hohe Tenorp., Seyler 
ing. Tenorp. Strafaty tiefe Baßp. — Damen: Mad. Hoffmann 
1. Coforaturp., VBodHorsty Mezzofopranp., Dies, Grofjer 1. hohe 
Sopr., Melle Soubr., Ney 1. Sopr., Soukup 2. Sopranpartien. 


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Hoffmann zu einem Befuche Prags gewonnen hatte, hervor. Den 
Reigen eröffnete Tich atſchek, der fich bei jeinem erjten ‘Prager 
Gaſtſpiele zwar eines ehrenvollen aber Teineswegs glänzenden Er- 
folges zu erfreuen gehabt hatte. Diesmal erjchien er als Stra- 
bella und Eleazar, im nächiten Jahre gefellte er diefen Partien 
noch den Max im „Freiſchütz“ und den „Mafaniello” zu Mit 


Chorperfonale: Chordir. Tauwitz, Chorinfpic. Schmidt; Herren: 
Bahrt*, Bunzmann, Duffel, Dettore, Fleihmann*, Farnik*, Horatichef, 
Hynek*, Kropp, Markarth*, Neſwadba*, Nikolai*, Oftrauer*, Opletal, Peter: 
zilfa, Swoboda*, Schimmel*, Schmidt*, Stolz, Weleba, Wihlidal. — 
Damen: Mad. Bognar*, Fiſcher, Hynek*, Hahnel, Lenners*, Martinet, 
Preißler, Tongel, Des. Boſoky*, Duffel, Eberl, Fries*, Fellner, Hlauſchek. 
Jakſch, Reimann*, Seidel, Weisbah*, Zimmermann. Die mit * Be: 
zeichneten ſpielen auch Heine Rollen. 

Das Orchefer befteht aus 46 Mitgliedern. Theaterdiener Dominik 
Oberthor, Orchefterdiener of. Klettner. 

Ballet: Ballet: und Pantomimen-Meifter Robler (gleichz. Solo- 
tänzer), Inſpie. Lennerd, Chorrepet. Prochaska. Solotänzer: Kobler 
jun — GSolotänzerinen: Dies. Luiſe und Nina Kobler, Köbiſch, 
Marie und Pauline Wieland. — Figuranten: Freund, Heh, Hika, 
Lennerd, Nolly, Bohl, Reifinger, Ruzicka, Schmiller. — Figurantiuen: 
Diles. Berichet, Hrauda, Küffel, Kral, Maly, Beterzilfa I. und II., Birnet, 
Rangel, Reinhardt, Schmidt, Sktiwan I und II. 

Decorateur Hr. Jaich, Theatermeifter Höd, Obergard. Apel mit 
6 Gehilfen, Garderobier Reich, Obergarberobiere Dlle. Geißler, Gardero⸗ 
biere Mad. PBaulino mit 2 Gehilfinen, Friſeur Smoboda, Requiſ. Bılz, 
Roſenbach, Waffenmeifter Herrmann, 10 Theaterarbeiter, 3 Beleucht.-Ge: 
hilfen, 8 Hausftatiften. 

Abgegangen feit Oftern 1846: Herren Baubdins, Köckert, Liebold, 
Wolmany, Damcke, Petak, J. Nep. Skraup (Capftr.), Bezdiek (2. Orch.⸗ 
Dir), Mad. Thomè, Died. Weisbah, Wimmer, Freitag, KRirchberger, 
Höpftein, Köder, Schwarz, Balletm. Rainoldi. — Neuengagirt von 
Oftern 1846: Herren Breuer, Grauert, Illner, Nißl, Paetſch, Bollert, 
Rosner, Römer, Schneider, Vollmer, Wauer, Mayr, Reichel, Seyler, 
Capellm. Tauwitz, Balletm. Kobler, Solotänzer Kobler jun., Mad. Hoff: 
mann, Pollert, Dies. Ney, Würft, Melle, Soukup, Lechner, Lingg, Schütz, 
Fried, Luiſe und Nina Kobler, Köbifh, Wieland. — Ubgegangen feit 
Ditern 1846: H. Bollmer (n. Königsberg), Waner (Ofen), Düe. Wieft 
(Sranffurt a. D.), Herr und Mad. Zechtiel (nach Dresden), Roöner, Kodbay, 
Schrapp, Zalemba, Die. Otto. 








legterer Gaſtrolle erlebte Tichatſchek übrigens einen unglücklichen 
Abend; eine totale Heiferfeit zwang ihn zur Eliminirung der 
wirkſamſten Nummern, fogar des Schlummerliedes. Die Fenella 
war diesmal, nachdem jie zumeift von Schaufpielerinen dargeftellt 
worden war, wieder in die Hände einer Ballerina, Die. Köbiſch, 
übergegangen. 

Nicht lange nach Tichatichek, dem anerfannten Tenor-Heroen 
Deutſchlands, ließ ſich Ander, damals ein aufgehender Stern, 
in Prag als Stradella, Nadort und Gennaro hören. Er fam in 
voller Jugendkraft mit der Fülle feines Organs und doch fchon 
als Künftler, wenn er auch erft ein Jahr feines Engagements am 
Kärtnerthortheater Hinter fih hatte: Der dritte berühmte Gaft 
war Piſchek, deifen Gaftrolfen bei tropiſcher Hite volle Häufer 
machten. Daß in diefe Zeit die erſten Eoncerte Franz Liszt's 
in Prag (April 1846) und die Abjchiedsconcerte Ferdinand 
Laub's (1847) fielen, fei nur erwähnt, um zu zeigen, wie rege 
gerade damals die muſikaliſchen Saiſons in der Mufifjtadt Prag 
waren. 

Was man am Schluffe des erjten Jahres der Direction 
Hoffmann conftatiren konnte, war, daß fih ein guter Wille ge- 
zeigt hatte, die fünftleriichen mit den materiellen Intereſſen in 
Einklang zu bringen, daß zwar noch fein ſolides Repertoire ge- 
Ihaffen, aber doch Bedeutendes geleijtet worden war. Das Ber: 
bältniß der einzelnen Fächer (Schaufpiel, Oper, Poſſe) war ein 
günjtigeres als früher geworden. Von 257 Theaterabenden (feit 
13. April bis legten December 1846) waren nur 62 der Oper 
eingeräumt, deren Uebergewicht unter Stöger beinahe dag reci- 
tirte Schaufpiel erprückt hatte. Was trogdem für die Oper gethan 
wurde, haben wir gefehen. Unter früheren Directionen war es 
vorgefommen, daß große Orcheiterwerfe mit zwei erſten Violinen 
und drei Gontrabäffen gegeben wurden, daß fünf Soprane im 
Chore ftanden; — dies war nun durch die entiprechende Ver⸗ 
jtärfung von Chor und Orchefter unmöglich geworden. Auch war 
das unverhältnißmäßige Ueberwiegen der italienifchen Oper be- 
jeitigt und auch der deutſchen ein geräumigeres Plätzchen zur Ent- 


— 364 — 


faltung gegönnt. Man hörte „Fidelio" und „Alcefte". Mit der 
Aufführung des letzteren Werkes (17. Nov. 1846) war eine folenne 
eier des 59ſten Todestages des großen Gluck verbunden. Fiſcher 
ſprach den Prolog, welcher den bewährten Kunftfinn der Prager 
feierte — die leeren Logen und Sige lieferten die Illuſtration 
dazu. Die Titelrolle fang Henriette Großer, den Herkules Kunz, 
den Admet Seyler, Evander Mayr, den Oberprieſter Strafaty. 
Die Opernnovitäten außer „Alcefte” waren „Conſuelo“ von Gordi- 
giani, der mit der Alboni wieder vom Repertoire verjchwand, die 
einactige Operette „Mozart und Schilaneder"” und Verdi's „Dom 
Sebaftian”. Nepertoire-Oper wurde nur „Dom Sebajtian" mit 
Seyler und Eminger in der’ Titelrulle, Jenny Ney als Zaida, 
Mayr (Ubayaldo), Kunz (Camoens). Ein Opern⸗Feſt erfreulichiter 
Art war die 150fte Aufführung, welche Weber's „Freifchüg" am 
18. December 1846 auf der Prager Bühne erfuhr. Ein eigenes 
Feſtſpiel mit Mufif-Arrangement von Capellmeifter Tauwitz leitete 
die Feier ein. Dies erſchien als C. M. dv. Weber, Marie Frey 
ale Muſe der Tonkunſt, welcher die Aufgabe zufiel, den Ber: 
zagenden zum Troſte in jechs Erſcheinungen die größten feiner 
Werfe zu zeigen und ihm den Lorbeer aufs Haupt zu drüden. 
Die Befegung der Yubiläums-Oper war die folgende: Eminger— 
Dear, Agathe-Dlle. Großer, Aennchen-Dlle. Soufup, Caspar: 
Strafaty, Seyler-Fürſt Ottofar. Die Herren Illner, Mayr, 
Preilinger und Neichel wirkten dem Andenken zu Ehren in den 
Chören mit. 

Starf im Hintergrunde hielt fich in der Hoffmann’schen Aera 
die Wiener Localpoſſe, welche ehedem das Terrain beherricht hatte. 
Trotz des Gaſtſpiels dreier Wiener Komiker gab es 1846 nur 
61 Pojfenabende mit 28 Piecen. In diefer Hinficht machte ſich 
ein entjchiedener Umſchwung fowohl in den Anfichten der Bühnen» 
leitung als des Publicums geltend. Der Geſchmack wurde feiner, 
das Urtheil ftrenger. Gemeine Poſſen oder franzöfifche Effect- 
fomödien fanden feinen Anklang mehr, während ſich dem erniten 
und ſelbſt claffifchen Drama wieder die Theilnahme des Publicums 
zuwandte. Außer dem Ausftattungsftüde „ver artefische Brunnen”, 








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einer Zauberpoſſe mit Evolutionen, Tänzen und dergl., von Mäder, 
dem Berfaffer des „Weltumfjeglers", brachte es nur noch Die 
Neftroy’iche Poſſe „Der Unbedeutende" zu einem Erfolge. 

Anfehnlich präjentirte ich dagegen das recitirte Drana mit 
84 Stüden und 130 Abenden, darunter 19 claffiische an 33 Abenden. 
Es entfiel alfo auf jeden vierten Abend ein wahrhaft werthvolles 
Wert, ein Berhältniß, wie e8 in Brag lange nicht dageweſen war. 
Dabei war man bedacht, mit den Aufführungen clafjisher Stüde - 
wirkliche Thaten zu liefern. Mit Ausnahme der „Braut von 
Meſſina“ wurden anno 1846 alle Schilferihen Dramen gegeben, 
von Goethe „Egmont” und „Fauſt“ (prachtvoll ansgejtattet), von 
Shafejpeare „Richard IL", der nun eine Lieblingsrolle Fiſcher's 
war, und der „Sommernahtstraum" als Novität. Die 
erſte Bejegung diefer ehrwitrdigen Novität, welche damals mit dem 
vollen Reize der Neuheit durch Poeſie, Muſik und Inſcenirung 
wirkte, ſei hier regiftrirt: 

Theſeus-Fiſcher, Hyppolita-DIle. Fried, Egeus-Schneider, Lyſander⸗ 
Dietz, Demetrius-Pätſch, Helena-Mad. Kolar, Hermia-Dlle. Block, Oberon- 
Dlle. Frey, Titania-Dlle. Lechner, Puck-Mad. Pollert, Squenz-Grauert, 
Bettel-Feiftmantel, Flaut⸗Dolt, Schnof-Walter, Schlucker-Breuer, Schnauz⸗ 
Preifinger. 

Die zweite claſſiſche Novität des Jahres, Kleiſt's „zerbrochener 
Krug“, wurde bereits erwähnt. Weniger ſchien die neue Direction 
das bürgerliche und Converſationsſtück zu cultiviren, auch an 
Luſtſpiel-Novitäten war großer Mangel, ein Mangel, der ſich 
allenthalben auf dem Gebiete der deutfchen Bühne geltend machte. 
Was die Prager jeit Jahren vermißt hatten und was ihnen die 
neue Direction nun in fchönem Format vor Augen brachte, war 
dagegen das Ballet, das im erften Divectionsjahre fünf felbft- 
ftändige Divertifjements an 24 Abenden ausführte und durch die 
Dlles. Köbiſch und Wieland ſowie durch die Familie Kobler an: 
ſtändig repräſentirt war. Ueberhaupt wendete Hoffmann dem Aus— 
ſtattungsweſen — und wir rechnen ja auch das Ballet zu dem- 
jelben — feine beſondere Aufmerkfamfeit zu, in diefer Hinficht 
Hinter feinem Vorgänger Stöger nicht zurüdjtehend. Coſtüme 


— 366 — 


und Decorationen, leßtere meist von der Meifterhand Gropius’, 
waren glänzend, Aufziige und Maſſenſcenen ſtattlich, aber dieje 
glänzende Außenfeite fam ebenſo der Oper und Tragödie als dem 
bloßen „Ausftattungs"- oder „Spectafeljtüde" zu Gute. 
Unginftiger als am Schlufle des erſten Directiongjahres 


lauteten die Urtheile über das Hoffmann’sche Regiment bereits 


am Ende Jahres 1847. Noch immer waren gewiſſe Lücken im 
Perjonalftande, die wir in früheren Artikeln kennzeichneten, nicht 
ausgefüllt, noch immer war die aus norddeutſchen und Öfterreichiichen 
Kräften bunt zufammenreerutirte Theaterarmee nicht zu einem com- 
pacten Ganzen, das Enjemble noch fein gerundetes geworden; eine 
neue Oberregie Rottmeyer) hatte ihr Amt angetreten, aber 
über das Comparjenwejen und den feenifchen Apparat fam ihre 
erſprießliche Wirkſamkeit nicht hinaus, Man verlor ſich in pedan- 
tiiche Kleinigfeitsfrämerei, behandelte im beften Falle claſſiſche 
Stüde als Ausftattungsftide, an denen fi) die Hand des Ar- 
rangeurs und Decorateurs erproben konnte. Die geijtige Einheit 
und die innerliche Lebendigkeit der Aufführung blieb Nebenjache. 
Laune und Protectionswirthfchaft der Regie — die größten Krebs— 
Ihäden einer großen Bühne — warcı an der Tagesordnung. 
Mad. Bollert, welche in den erſten Monaten ihrer Wirkjamteit 
in Prag mit Rollen aller Fächer überladen wurde, Heroine, Salon- 
dame und Naive in Einer Perſon war, wurde im zweiten Jahre 
ebenſo auffallend in den Schatten geftellt, als fie Anfangs zum 
einzig ftrahlenden Sterne gemacht worden war; dafür rüdte 
Die. Lehner, die Anfangs blos zum Experimentiren beftimmntt 
ſchien, zur unumſchränkten Beherrfcherin aller weiblichen Rollen 
vor, kurz, die Bejegung war dem Zufalle, der Laune des Re— 
gijfeurs überlaffen, die Folge nur Unheil. Dieſe Unconfequenz 
bildete den Charakter der ganzen Wirffamkeit der Bühne im 
Jahre 1847. Betrachten wir die Nefultate des Jahres näher, 
jo finden wir die an und für ſich nicht unerfreuliche Thatſache, 
daß das recitirte Drama mehr als die Hälfte der gejamntten 
Borftellungen in Anjprucd nahm — 177 don 348, die Oper 114, 
die Poſſe, die e8 früher regelmäßig auf 100 Abende gebracht 











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hatte, nur 57. Die Oper ſelbſt brachte fieben Novitäten, von denen 
vier der deutjchen, drei der franzöſiſchen Schule angehörten. Auf 
dem Repertoire erhielten fih nur drei: „Der Feenſee“ von uber, 
ein operiftiicher „Zanberjchleier”, der feinen Erfolg mehr den 
Decorationskunſtwerken des Meifters Gropins, als der Muſik und 
dem Terte zu danken hatte, So glänzend wie der „Feenſee“ war 
bisher, außer den „SKreugrittern”, der einjtigen Krünungsoper, 
noch feine Oper in Prag ausgeftattet worden. Gropius, königl. 
preuß. Hofdecoratenr, war zur Aufſtellung feiner vier herrlichen 
Decorationen, des Feenſees, des Waldwirthshaufes, des Kölner 
Marktplages und der Geſammt⸗-Anſicht von Köln eigens nad) 
Prag gereif. Am 19. Nov. hielt „die Zigeunerin” mit Dem. 
Soufup als Arline, Verjing als Alban, Emminger als Thomas, 
Mad. Podhorsky als Zigeunerfönigin, Kunz als Devilshof ihren 
Einzug in Brag, umd zwar ohne fonderlihen Erfolg bei der 
erſten Aufführung; bei den folgenden befjerte fich derfelbe zuſehends. 
Halevy’s „Königin von Eypern” (Catarina Cornaro-Dile. Großer) 
brachte e8 im erſten Jahre. nur auf fünf Vorftellungen, „Gutten- 
berg”, eine fünfactige Oper von Ferdinand Fuchs, erwedte be- 
jonderes Intereſſe durch die Perfünlichkeit ihres Autors, der, ein 
Neffe des noch unvergefjenen Piris, feine Schule im Prager Con- 
jervatorium gemacht Hatte, leider aber durch einen frühen Tod 
jeiner Mufiterlaufbahn entriffen worden war. Eine andere Opern- 
novität „Blanda” dankte einen ähnlichen Erfolg der Perſönlichkeit 
des Componiften J. NR. Kalliwo da, fürftlich Fürjtenberg’schen 
Capellmeiſters in Donauefchingen. Die Oper „Der Alte vom 
Berge oder die Kreuzfahrer” von Benedikt, einem tüchtigen Clavier- 
compojitenr, wurde mit allem Ausjtattungsprunfe introdmeirt, hatte 
aber kein langes Leben, eben fo wenig „die Hocdjländerin" von 
Kreuger, deren wir jchon gelegentlich des Debuts der Dlle. Kreuger 
gedachten. Neu ftubirt hatte man Mehul’s „Joſeph und feine 
Brüder”, Spontini’3 „Veftalin” und Weber’s „Oberon”, alſo 
Thätigfeit genug, und trogdem nod) feine cntjprechend glänzende 
Dper; Bejegungslaunen, der fehlende Geift im colofjalen Kürper 
trugen die Schuld daran. 








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Die andanernd fecundäre Stellung der Localpoſſe war höchſtens 
zu bedauern der hervorragenden Kräfte wegen, die ihr zur Gebote 
ftanden. Feiſtmantel war noch immer activ und wohl angefchrieben 
bei feinem Publicum; im Zenithe feiner Künftlerfchaft aber ftand 
Dolt. Sein Auf hatte fich weit verbreitet; es Tamen Gaftipicl- 
anträge nach Deutjchland, und in Wien wurde Dolt 1846 geradezu 
der Zankapfel zweier Directionen. Director Carl hatte den be: 
liebten Prager Komiker für feine Bühne zu gewinnen verfucht; cs 
kam auch bereits bis zur Muſikprobe von . „Eulenfpiegel”, da 
machte ſich ein Orchejtermitglied des Carltheaters den jchlechten 
Scherz, mit feiner Geige eime Art Katzenmuſik zu improvifiren. 
Der feinfühlige Dolt nahm die Ungezogenheit übel anf, verlieh 
jofort die Bühne — und traf bald darauf mit Pokorny, dem 
Director des Wiedener und Joſephſtädter Theaters zufammen, 
der Dolt ſofort für Gajtfpiele in feinen Theatern engagirte. Man 
jegte den „Zauberfchleier" an, auf der Clavierprobe fang Dolt 
mit Frl. Schäfer, der nachmaligen Brauneder-Schäfer, accom— 
pagnirt vom Componiſten Zitl felbft. „Gott jet Dank,” rief der 
Somponift erfreut aus; „jegt hör' ich doch einmal mein Duett, 
wie's gejungen werden foll!” Der Abend brachte Dolt als „Muff“ 
einen zwölfmaligen Hervorruf. Pokorny draug auf ein Enga- 
gement, das aber Dolt mit Rückſicht auf die Geſundheit ſeiner 
Frau ausſchlug. Auch machte nun Dir. Carl feine Rechte auf 
Dolt geltend und jo ereignete es fich eines Tages in Wien, 
daß derjelbe Komiker jowohl auf dem Zettel des Leopoldſtädter 
als des Joſephſtädter Theaters als Gaſt angekündigt war, dort 
als „Natzi“, Hier als „Muff“; ſchließlich ſalvirte ſich Dolt 
nach Prag. 

Auf dem Gebiete der Tragödie leiſtete man intereſſante 
Erſtlingsverſuche mit Shakeſpeare's „König Johaun“, den der 
Berliner Rott (Faulconbridge) einführte und mit „Julius Cäſar“ 
(Brutus-Fiſcher, Caſſius-Schneider, Cäfar-Grauert, Mare Anton: 
-Dieg). Den „Lear” führte Nottmeyer vor, aud) die „Braut von 
Meſſina“ kam wieder auf die Bühne. Michel Beer’ „Strucn- 
jee" mit Meyerbeer's Muſik verdanfte Bayer feine Einführung 








— 369 — 


in Prag. Die Arbeit eines deutfch-böhmifchen Poeten, Vincenz 
B. Weber, war die Tragödie „Spartacus", welche im December 
1847 zum Vortheile Fiſcher's und mit demfelben in der Titel- 
rolle zur Aufführung kam. Weber war ein geborener Trautenauer, 
Mediciner, und eine in Prag bekannte Figur. Der Erfolg der 
Novität war ein ehrenvoller, aber fein glänzender. Auf dem Ge- 
bieie des Schaufpiels im engeren Sinne machten „Die Valentine” 
und „König Rene's Tochter” dag meiste Glück. Unter den 72 Luft: 
jpielen, die mit 147 Aufführungen anno 1847 gegeben wurden, 
hatte Bauernfeld’3 „Großjährig”, das am 29. Februar in Prag 
erichien, den weitaus bedeutendjten Erfolg: es erlebte fünfzehn 
Aufführungen im Jahre. Das Luftfpiel fchien übrigens damals 
eine über die Bühne hinausreichende Bedeutung zu haben. Ge— 
Ichrieben in einer Zeit, da Defterreih noch in den Banden des 
ftarr-abfolutiftiichen Syſtems Metternich fchmachtete, ſchien das 
Stüd gleichwohl darauf berechnet, diefes „Suftem” mit Kühnheit 
und Schärfe zu geißeln. Jeder glaubte darin Beziehungen zu 
den ftaatlichen Verhältniſſen, Porträts politiicher Perjönlichkeiten 
zu finden und hatte feine Freude an der Geißelung, welche nach 
der allgemeinen Anficht durch viele Stellen des Stückes den be- 
ftehenden Buftänden beigebracht wurde. Man fand es unbegreif- 
ih, daß Bauernfeld's Novität die Cenfur paffirt hatte. Einige 
meinten, das „Syſtem“ erfenne nun felbft feine Fehler, darum werde 
e3 befjer werden; Andere ſahen in dem Nichtverbote geradezu 
einen der Öffentlichen Meinung erklärten Hohn; darin aber war 
man einig, in Banernfeld’s Grokjährig die Morgenröthe einer 
befjeren Zeit zu begrüßen... .. Benedix“ „Ruf“ und Feldmann’s 
„Rechnungsrath" kamen dem Glüde von „Großjährig” am nächiten. 

Bei der geringen Ausbeute, welche 51 Novitäten aller Fächer 
im Jahre factifch ergaben, mußten die ernfteften Beſorgniſſe file. 
die Zukunft Plag greifen. Wo follte das Repertoire hinkommen ? 
Das Theater behalf ſich mit Flickwerk; viele Abende brachten 
Einacter mit Ballets untermifcht, und die balletartige Schau- 
oper allein verſprach Beitand. Es gab feinen feiten Grundftoc 
accrebitirter Stüde, man mußte fih vom Zufalle nähren. Dies, 

24 


— 370 — 


zujammengefaßt mit dem wiederholt betonten Mängeln und Lücken 
des Perfonalftandes und dem von vorneherein von einem großen 
Theile des Bublicum3 dem neuen Director entgegenbracdhten Mip- 
trauen, hatte jchon im Laufe des Jahres 1847 cine unzufriedene 
Stimmung im Theater-Stammpublicum erzeugt. Die Kritik hielt 
mit fcharfen, aber wahren Worten nicht zurüd, ohne gleichwohl 
alle Schuld auf die Direction zu wälzen, welcher ernſte künſtleriſche 
Bemühungen in manden Richtungen nicht abzufprechen waren. 
Schon jett nahm die Intendanz offen die Verantwortung für den 
Stand der Bühne auf ſich und fegle den Mahnungen der Kritik 
einen ziffermäßigen Ausweis über die Leiftungen der Bühne ent: 
gegen. So gab es ſchon im zweiten Jahre der Hoffmann'ſchen 
Direction Reibungen und Kämpfe. Was waren diefe aber gegen 
die Schidjalsfchläge, von denen die Direction und die Prager 
Bühne überhaupt im nächiten Jahre betroffen werden jollten! 
Das Sturmjahr 1848 brach an, und unter der Herrichaft des 
Mars, bei dem Getdfe der Revolution verhiillen die Muſen die 
Häupter, trauert und leidet die Kunſt. 


— ee — 








— 371 — 


XV. 
Das Prager Theater in den Jahren 1848 und 1849. — 
Die Arena im RYſtroß'ſchen Garten. 


(Wetterleuchten. — Die Franzofen vor Nizza. — „Freiheit und Conftity- 
tion!” — Das Concordia-Corps und die „Svornost! — Abnehmendes 
ntereffe am Theater. — Das bemoofte Haupt, Zopf und Schwert. — 
Senfurfreiheit und Intendanz⸗Cenſur. — Agitation gegen das ftänbifche 
Theatermonopol: „Freies Theater im freien Staate!” — Theater-Mifere. 
— Uriel Acoſta. — Deficit. — Hoffmann erhält finanzielle Hilfe. — Die 
„Hugenotten” in ihrer wahren Beftalt. — Weitere Abnahme bes Theater: 
beſuchs. — Rein Geld für Gagezahlung. — Die „blutigen Pfingiten“ 
Prags. — Theaterfperre. — Das Wieberfehen im Theater. — Das Ende 
der „Demoifellen“ und „Madamen“ auf ber Bühne. — Betition nm 
Theater-Subvention beim Minifterium. — Subieriptionsvorftellungen. — 
Bäfte. — Abgang des Pollert’fchen Ehepaars. — Herr und Frau Kopp. — 
Kaiſer Ferdinand im Theater. — Das Jahr 1849: Gage-Reduction. — 
Die Arena und die Cehifhe Bühne nnter Hoffmann. — Trojan's Project 
zur Gründung eines Cechifchen Nationaltheaterd; er wirb der erfte Intendant 
der cehifhen Bühne. — Eröffnung der Arena. — Das Arena-Repertoire; 
Reftringirung ber Cechifchen Vorftellungen. — Das Schidfal ber Cechiichen 
Theater-Projecte. — Die eechiſchen BVBorftellungen werden wegen ‘Theil: 
nahmslofigfeit des Publicamd auf die Sonn: und Feiertags-Nachmittage 
beichräntt. — Das Landestheater im J. 1849; der Großer-Krieg.) 

Wohl lag ſchon drüdende Schwitle in der politifchen Luft, 
aber in den Theaterräumen begann das verhängnißvolle Yahr 1848 
noch friedlich und normal. Man harıte mit Tebhafter Neugier 
auf eine Novität, die damals in den Zeitungen viel Lärm machte: 
Charlotte Birch-Pfeiffer hatte fich der Auerbach'ſchen Dorfgeichichte 
„Die Frau Profejforin” bemächtigt und das Drama „Dorf und 
Stadt" daraus verfertigt, das ſchon an bedeutenden Bühnen Glück 
gehabt Hatte und am 26. Februar auch auf die Prager Bretter 
tom. Mad, Bollert creirte das Lorle, Mad. Binder das Bärble, 
Dieg den Reinhard, Dem. Lechner die Felſeck. Mit noch be- 
deutenderer Spannung fah man der erjten Redoute im Theater 
entgegen, bei welcher die Schriftjteller- und Künftlergefellichaft 

24* 


— 372 — 


„Concordia“ einen grandiofen Künſtlerzug, wie ihn Prag jeit 
Menfchengedenfen nicht gefehen, arrangirte. Da zogen vorüber 
48 der hberborragenditen Poeten Deutichlands, Böhmens, Englands 
und der romanischen Völker, 18 der größten Muſiker aller Zeiten 
mit Mozart zum Schluffe, 47 bildende Künftler, durchaus hiſtoriſch 
getreu coftumirt, von den vorzüglichiten Kunfte und literarifchen 
Größen Brags oft mit Porträtähnlichkeit vepräfentirt. ber eine 
welterfchiltternde Kunde unterbrach das harmloje Mastenfeft. ‘Der 
Zug bewegte ſich no um den Saal, als man fich die Nachricht 
von dem Ausbruche der Barifer Februar-Revolution zuzuraunen 
begann. Ein Bankhaus Hatte diefe Nachricht durch eine De— 
peiche erhalten. Eine unbefchreibliche Aufregung erfaßte die ganze 
Geſellſchaft. Die Reihen Iichteten ſich und löſten fih auf, ein 
projectirtes Feſtbankett unterblieb, das Maskenfeſt erreichte ein 
vorzeitiges Ende. Wenige Tage zuvor hatten die „Franzoſen vor 
Nizza”, Kittl's bedeutendſte Oper, ihren Einzug gehalten. Sie 
famen jo ganz a tempo mit der Yebruar-Revolution; wie Wetter: 
leuchten vor dem Ausbruche des Revolutionsgewitters, und die 
vielfältigen Beziehungen, welche zwiſchen der Handlung und der 
beginnenden großen politifchen Ummälzung trotz der forgfältigen 
Abſchleifung der Cenſur bejtanden, verfehlten nicht, zu zünden. 
Den Text hatte ein fehon damals intereffanter, nachmals weltbe 
rühmter Mann gejchrieben: der ‘Dresdener Eapellmeifter Richard 
Wagner; er zeugte von der jeltenen Begabung des Dichters. 
Aber auch der Componift der Oper zog das allgemeine In— 
tereffe auf ſich. Johann Friedrich Kittl war am 8. Mai 1806 
anf dem Schwarzenberg’ihen Scloffe Worlit als Sohn des 
dortigen Juſtizamtmanns geboren, hatte in Prag Philofophie und 
Jus ftudirt, daneben aber unter Tomaſchek's Leitung muſikaliſche 
‚Studien betrieben und bereit? 1836 eine Aufführung eigener 
Compoſitionen veranftaltet. Den Staatsdienft, in den er nad 
dem Willen feines Vaters getreten . war, verließ er, als ihm 
1840 ein Sturz aus dem Wagen einen Armbruch zuzog. AS im 
December 1842 Dionys Weber, der Director des Prager Eon: 
jervatoriums ftarb, erhielt Kittl diefe Stelle und befleivete fie 








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bis 1865 — drei Jahre fpäter ftarb er (am 20. Juli 1868) zu 
Polniſch⸗Liſſa. Auf die Operncompofttion warf ji Kittl erft, 
als er feinen Ruf als Liedercomponift bereits gefichert hatte. Die 
vieractige große Oper‘ „Bianca und Giufeppe” oder „die Fran- 
zofen vor Nizza” war fein Erſtlings- und bedeutendftes Werk, 
eine Oper von großem Phantafie-Reichthum, von Energie und 
Kraft, mit Hinveißenden Enjemblenummern und jchönen Iyrifchen 
Bartien. Zu europäiicher Berühmtheit brachte e8 der Franzofen- 
marjch, während im Uebrigen die Oper zwar durd Hoffmann 
in den fünfziger Jahren in Frankfurt a. M. wiedergegeben wurde, 
aber doch nicht den erwarteten Weg über alle großen Bühnen 
Deutſchlands machte. Die erjte Aufführung (am 19. Febr. 1848) 
brachte dem Componiſten, der feine Oper jelbft einſtudirt hatte 
und leitete, einen eilfmaligen Herborruf, den Werke eine enthufia> 
ftiiche Aufnahme. Die Oper fpielt in der Zeit der großen fran- 
zöfifchen Revolution 1793 bei Nizza; die republicanifche Armee 
ericheint als Befreierin der Nizzarden aus der Knecdhtichaft, am 
Schluſſe der Oper wird die fiegreiche Zricolore entfaltet. Was 
Wunder, wenn eine effectreihe und Fraftvolle Dper mit folcher 
Handlung, welche die Cenſur zwar verjtümmeln, aber doch nicht 
unfenntlid) machen konnte, gewaltig padte! Bierzehnmal wieder- 
holt, fand fie ftets ftark befuchte Häufer und ſtürmiſchen Enthufias- 
mus.” Schon waren die welterfchütternden Nachrichten aus Paris 
allgemeiner Gefprächgftoff geworden. Die Aufregung wuchs. In's 
eigene Vaterland verpflanzte fi die Bewegung, die Rufe „Frei— 
heit“ und „Konftitution” waren in Aller Munde und eleftrifirten 
das Bublicum. Am 15. März — man gab die „Dienjtpflicht" — 
drang eine große Kımde in's deutiche Landestheater. Der Oberft- 
burggraf Rudolf Graf Stadion rief fie dem Bublicum aus 
feiner Loge zu — e8 war die Verkündigung der Conftitution. 
Ein unbefchreiblicher Jubel brach los, der Vorhang fiel nieder, 
die Vorftellung konnte nicht beendet werden. Jubelnd zog Alles 
duch die Straßen, in den Gafthäufern floß in Strömen der 
Champagner, endlos Hangen die Vivats auf den Kaifer, die Be: 
reats auf Metternich; durch die Straßen zog ein Fadelzug mit 


— 374 — 


120 Berfonen, vor dem Wohnhaufe des Erzherzogs Carl Ferdinand 
und den Palais hoher Arijtofraten wurden donnernde Lebehochs 
ausgebranht. In der Univerfität forderte Uffo Horn, der Boet, 
zur Bildung einer afademifchen Legion auf, und mit donnerndem 
Jubel begrüßten die Studenten die Kunde von der Aufhebung der 
Cenſur. Der Prager Künftler- und Schriftjtellerverein „Concordia“, 
hinter der nationalgardeluftigen Bürgerſchaft nicht zurückbleibend, 
organifirte ſich als „Concordia-Corps“; erjter Hauptmann war 
Alademie-Director Chriſtien Ruben. Die Compagnie zählte circa 
220 Maun, als deren Hauptaufgabe betont wurde, die Monu— 
mente und monumentalen Bauwerke Prags nöthigenfalls zu 
ſchützen. Von dem „Concordia-Corps" fpaltete ſich das eechiſche 
Corps „Svornost“ ab, deſſen phantaftiiche, nationale Tracht 
für Bangigfeit empfängliche Gemüther mit gelinden Schauer 
erfüllte. Schon che fich die „Svornost“ organifirte, war ihr 
Abzeichen, das rothe Kreuz anf weißer Binde, am Arme eimer 
ephemeren Wenzelsbrüderichaft aufgetaucht und von ängjtlichen 
Seelen als Erkennungszeichen einer Bundesgenoffenfchaft ange: 
jehen worden, weldye bei einer Vorſtellung der Hugenotten den 
Deutichen eine Bartholomäusnacht bereiten wolle. Ueber den groß: 
artigen Ereigniffen, ilber dem coloffalen Umfchwunge aller ‘Dinge, 
Dei dem übervollen Leben anf den Straßen, vergaß man das nod) 
vor wenigen Tagen auf der Höhe der Situation geftandene Theater 
volftändig. Am 18. März gab die Bühne zum Benefiz der 
Allram Kaiſer's „Männerfchönheit” als Novität vor gänzlich- theil: 
nahmsloſem, ſchwach vertretenen Publicum. Die Journale ſchränkten 
die Rritifen auf ein Minimum von Zeilen ein oder ließen ent: 
gegen allem Herkommen felbjt intereffante Vorjtellungen un— 
beachtet. Und doc lag auch das Theater nicht jo vollitändig 
außer dem Bereiche der Ereigniffe, und doch hatte e8 auch An⸗ 
theil an den Segnungen, welche die neue Zeit mit fich brachte! 
Das Geſetz hatte die Aufhebung der. Cenſur ausgefprocdhen. Ant 
24. März gab man das erfte cenfurfreie Stüd: „Der lange Iſrael“ 
oder „Das bemoofte Haupt". Das ancien regime hatte es ver- 
pönt. Nun konnten ji) die Prager das ftaatsgefährliche Un— 





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geheuer, das der harmloje Benedix verbrochen, ganz in der Nähe 
befehen. Ein großer Theil des Publicums in Parquet und Logen 
beftand aus Studenten, welche alle „padenden Stellen” mit jubeln: 
dem Beifalle aufnahmen. Enthufiasmirt war das jugendliche Audi: 
torium durch Frankl's Univerfitätslied („Was kommt heran mit 
fühnem Gange?" componirt von Capellm. Tauwitz), dag am 
Schluße des Comitats angebracht war. Das bemoofte Haupt war 
Fiſcher, Wixier Strobl-Grauert. Ein zweites Stück, das die 
Wiener Cenfur von Hofburgtheater und ſomit aus dem ganzen 
Umfange der Monarchie verbannt hatte, Gutzkow's „Zopf und 
Schwert", fam am 28. März neu einftudirt auf die Scene. Der 
Stein des Anjtoßes war früher namentlich der Öfterreichifche Ge— 
fandte Sedendorf gemefen, der in den Stüde befanntlich die Hand 
der preußiſchen Prinzeſſin Wilhelmine für einen Erzherzog zu 
gewinnen hofft. Dies jchien auf der Bühne unmöglich; man fub- 
jtituivte dem öjterreichiichen einen churpfälziſchen Geſandten, Namens 
Baron Breitenbach, und fpäter verbannte man das Stüd voll: 
ftändig. Nun war „Zopf und Schwert” ein cenfurfreies Std, 
und doch fungivte noch immer der churpfälziiche ſtatt des öſter— 
reihischen Gefandten am preußischen Hofe. Auch dies rief im 
März 1848 Erbitterung hervor. Man conftatirte, daß zwar die 
ftaatlihe Cenſur aufgehoben fei, aber noch immer die Cenſur und 
Ueberwadjung des Theaters durd) die Intendanz als Nachfolgerin 
der Aufſichtsconmmiſſion eriftire, und fand diefe geheime Cenſur 
noch viel gefährlicher und unjtatthafter als die ftaatliche Cenſur, 
weil fie unverantwortli fe. Das gab aljo einen Streit um 
Brincipien, die wieder von fehr verfchiedenen Standpunkten be- 
trachtet werden konnten. Jener der Intendauz vindicirte den 
böhmischen Ständen als Eigenthümern des Theaters fehr ent- 
ichieden das Recht, „die Wahl der aufzuführenden Stüde und 
deren Inhalt zu überwachen" ; die Gegner fanden für's Erſte jede 
Ueberwachung überhaupt unzeitgemäß, perhorrescirten insbejondere 
die Souveränetät des Intendanten, der nicht einmal wie früher 
der Bolizeibeamte Beichwerden an höherer Stelle (Landespräfidinm 
und ſelbſt Cenfurhofftelle) zu fürchten Hatte, und das geheinte 


4 


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Walten der ftändiichen Theatercenſur, welcher der Theaterdirector 
contractlich blindlings unterworfen ſei. Ya man ging noch weiter. 
Man erklärte das ganze Verhältniß der Stände zum Theater als 
unzeitgemäß und warf offen die Frage auf, „ob eine Cor- 
poration die Befugniß haben darf, einem Publicum, einem Volke 
das Maß feiner Freiheit zuzumeſſen“. 

„Der einfachfte Ausweg wäre” — rief einer der bedeutendften Schrift: 
ſteller — „wenn die Stände ſich bed Rechtes der „Ueberwachung“ bes 
Theaterd in Betreff der aufzuführenden Stüde freimillig begäben. Das 
Bolt ift mündig und wird ſchlechte oder unanftändige Stüde ſchon zurüd- 
zuweilen willen; auch hat uns bie Erfahrung nur zu oft gelehrt, daß bie 
ftändifche Cenſur nicht die mindefte Sicherheit gegen beibe bietet. Wollen 
die Stände genanntes Recht aufrecht erhalten, fo müßte man wohl unter- 
fuchen, ob es denn wirklich fo ausgemacht ein Recht fer, dafs der Befig von 
Ziegelwerk, Holz und Leinwand fie befugt, den Geift mit Beſchlag zu belegen, 
die deutſche Literatur auszumuftern und zu contrafigniren, dem Volle von 
dem ber Deffentlichkeit heimgegebenen geiftigen Cigenthume des Dichters 
vorzuenthalten, was ihnen beliebt... .” 


Man forderte energifch die Abgabe des Theatermono- 
pols feitens der Stände, das ebenfo fallen müſſe, wie die 
Monopole des Staates fallen, ja man bezweifelt, ob dieſes 
Monopol oder Privileg der Stände, das Theater in Prag allein 
innezuhaben, überhaupt ein ausſchließliches fe. „Falls die 
Stände" — rief man — „in ihrer bisherigen corporativen Zu: 
jammenjegung jih als die ausschließlichen Vertreter des „Water: 
landes" und die Bormünder der „Muſen“ (Anfpielung auf 
die Inſchrift am Theatergebäude „patriae et musis“) anſehen 
jollten, würde die Theaterfrage nothwendigerweiſe in ein ferneres 
Stadium treten, das der „Ablöfung”. Diejes Stadium könne 
ohnehin nicht auf immer zurücdgehalten werden, da mit einer 
wahrhaften Eonftitution, mit einer allgemein und frei gewählten 
Dertretung des Volkes geſchloſſene Ständecorporationen mit eigenem 
Bermögenshaushalte ganz und gar unvereinbar find. Neue Zeiten 
fordern nene Einrichtungen. Es werde fich den böhmischen Ständen 
bald zur Evidenz herausftellen, daß fie fich in die nene Gejtaltuug 
der Dinge auflöjen müfjen. Bei der für beide Theile, den Ge— 


x 


— 37 — 


ſammtiſtaat und die bisherige Ständecorporation gerechten Berech— 
nung und Ausgleichung werde natitrlich auch das zum Eigenthum 
der Stände gehörige Xheaterprivilegium, der Beſitz des Gebäudes 
u. }. w. in Betracht fommen . . . ." | 

Dies waren „revolutionäre" Ideen und Worte, die vor 1848 
für ganz unmöglich gehalten worden wären. Man verlangte alfo 
offen Freigebung des Theaters, man hoffte diejelbe von 
einer Auflöfung der Stände, die damals ſchon ftarf ventilivt 
wurde, und forderte, falls fich dieſe Auflöfung verzögern follte, 
baldige Ablöjung des Brivilegiums Die Yorderung 
zweier böhmifhen Nationaltheater, eines deutſchen und 
cehifchen, trat ſchon in jenen Wpriltagen des Jahres 1848 
offen hervor; man wollte einen weder durch eine Leberwachungs- 
behörde noch durch Subventionen abhängigen Theaterdirector, der 
nicht aus irgend welchen Rückſichten bedeutende, „inmitten des 
großen Kampfes für politische Glaubensfreiheit ſtehende“ Stücke 
zurüdlege, Turz man wollte ein freies Theater im freien 
Staate, wohin auch ein Anhang in dem Preßgefebentwurfe des 
Prager Schriftjtellervereing, die Theaterverhältniffe gegenüber dem 
Staate behandelnd, zielte. 

So ſchlugen die Wogen der großen politiihen Bewegung 
auch mächtig an die Pforten des altehrwirrdigen ftändifchen Thea— 
ters; der Director aber, der fich zu einer anderen Zeit vielleicht 
über die kühne Sprahe und die nahe Befreiung aus den Banden 
der ftändifchen Oberherrſchaft gefreut hätte, machte nun eine trüb- 
jelige Miene, denn, fo friih und wild e8 auch draußen zuging, 
wie begeiftert auch der Conjtitutionsjubel war — in dem „dem 
Baterlande und den Mufen” geweihten Haufe gähnten nach wie 
vor täglich die Logen und Bänfe in troftlojer Leere. Das Theater 
war nun die Straße. Dort gab e8 zu jehen und zu hören. Da 
wimmelte e8 von Nationalgarden, Cohorten, Corps, und wer nid)t 
wenigfteng eine Cöcarde trug, war eine auffallende, wohl gar 
verdächtige Perfönlichkeit. Da gab es Fadelzüge, Verbrüderungs- 
fefte, Volksverſammlungen, Ererciven der bewaffneten Bürger, zur 
Abwechslung auch Judenhetzen — kurz man jah und hörte genug 


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und Buntes genug,” um das Theater entbehren zu können. Im 
Theater aber „zog nichts mehr". Theaterdirectoren juchen aus 
jedem Verhältniſſe Capital zu Schlagen. So mußte jegt der Thea: 
terzettel ein angekündigtes Stüd beſonders empfehlen durch die 
fett gedrudte Bemerkung, „rüber durch die Ceufur ver- 
boten”. Auch diefe charakteriftiiche Neclame Half nichts. Der 
„Vicomte von Letorrieres”, aud) ein Märtyrer der Cenſur, kam 
bei leeren Haufe anf die Bretter, das „bemoojte Haupt” fand 
Schon bei der zweiten Aufführung feine Xheilnahme mehr. Man 
machte lieber Katzenmuſiken auf den Straßen oder fneipte im Club— 
locale. Am 4. April debutirte eine neue Localfängerin Die. 
Antonie Calliano vom Wiedener Xheater, ein Ereigniß, das 
ſonſt nicht verfehlt hätte, Senfation zu machen. Nun kümmerte 
jtch Niemand darum, ob die Calliano beffer fei als die Lingg und 
umgefchrt. Etwas mehr beachtet wurde „Uriel Acoſta“, das 
zweite cenſurfreie Stild, das vor 1848 ſchwerlich in Oeſterreich 
das Licht der Lampen erblidt hätte; went man den „VBicomte 
von LZetorrieres" und dein „Langen Iſrael“ verbot, hätte man den 
„Ariel" geradezu verbrennen müſſen. Die Proteftation der Mei- 
nungsfreiheit wider das Dogma, dies war nad) dem Sinne des 
1548er Publicums. Uriel Acoſta hatte am 5, April einen glän- 
zenden Erfolg und erzielte ein volles Haus — was nicht wenig 
in jenen Zagen jagen wollte, wo die Großer, der erflärte Liebling 
des Publicums, eine der ſchwächſt bejuchten Benefizporftellungen 
hatte, wo jelbjt ein Saft von Rufe und der Beliebtheit der Luger 
eine Anfangs nur fühle Beachtung fand und fich erſt im Laufe 
ihres Gaſtſpiels die alten "Sympathien erobern mußte. Sogar in 
den „Franzoſen vor Nizza” eleftrifirte nur mehr der hiſtoriſch 
gewordene Frauzoſenmarſch, der in diefen Tagen als fpecieller 
Marſch des Juriſtencorps allenthalben zu hören war; die übrige 
Oper ließ kalt. Ueberhaupt konnten e3 damals außer „Uriel" nur 
Laube's „Karlsihüler" zu einem Erfolge bringen. Die Eonftitution 
ſchien den Anin des Theaters zu bedeuten. 

. Kaum zwei Monate dauerte der Freiheitsjubel, und fchen 
ſchien eine Katafteophe für das kgl. ftändifche Theater zu Prag 


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unvermeidlich. Am 20. April 1848 reichte Director Hoffmann den 
Ständen ein umfangreiches Memorandum ei. 

„Die unerwartete und unvermutbete Wendung” — fo lautete die 
harakteriftifche Einleitung — „welche Dynaftien und Staatsverwaltungs⸗ 
ſyſteme jeit zwei Monaten, feit Februar 1848, betroffen, hat auch auf die 
hiefigen Theaterverhäftniffe einen nachhaltigen Einfluß geübt. Alles Inter⸗ 
eſſe und alle Theilnahne an bem Theater wurde fchon durch die Nach— 
richten von ber franzöſiſchen Revolution vernichtet; Tpäter war das Publicum, 
troßdens ed mehr erwarb, als eg au hoffen magte, nod) unzufrieben, man 
war überall verfammelt, nur nicht im Theater . . 

Der Monat März ergab bereits ein erhebliches Deficit, und 
in der zweiten Aprilhälfte kam Hoffmann mit feinen Berechnungen 
zu dem Ergebriß, daß er wegen der dreinonatlichen Stodung der 
Einnahmen bei immer gleidy großen Auslagen außer Staude fein 
werde, am 1. Mai die Sagen aus Eigenem zu zahlen. Sein 
Mittel, Geld zu den höchiten Zinſen aufzutreiben, ſei unverſucht 
geblieben, aber „die Zeute vergrüben lieber ihr Geld und brächten 
dem Xheaterdirector dasfelbe Mißtrauen entgegen, das fie der 
Staatsverwaltung entgegenbrachten”. 

„Ich bin alſo,“ erflärte Hoffmann, „zu der Meberzeugung gekommen, 
daß die freiheitlihen Zuftände mich und die Anftalt in einen unermeßlichen 
Abgrund ftürzen müflen, wenn mein vaftlofes Bemühen zur Aufrechterhal- 
tung bes Unternehmens nicht mit hilfreicher Hand unterftüßt würde, Deine 
Beforgniffe waren nicht auf mich und meine Familie gerichtet, fondern auf 
die Brodlofigfeit von mehr als dreihundert Menſchen, die mein Unterneh- 
men ernährt, und die unverfchuldete Unfähigkeit, meinen contractlihen Ob- 
liegenheiten etwa fernerhin entiprechen zu können, hat in mir den Entichluß 
zur Reife gebracht, die Lage des Inſtitutes und meine eigene den Herren 
und Wohlthätern offen und ehrlih vorzulegen. Seit Februar 1848 bis 
Oſtern 1848 betrugen die Tageseinnahmen und Abonnementögelder 19.149 fl., 
die Ausgaben 30.187 fl., jo daß ſich ein Deficit von 11.037 fl. ergibt. Dier 
zu deden bin ich außer Stande; eben fo bit ich außer Stande, die am 
1. Mai fälligen Sagen zn zahlen, wenn mir nicht geholfen wird... . . “ 

Hoffmann bat fchließlich, man möge ihm. auf Abfchlag der 
Subvention für die Jahre 1849, 1850 und 1851 einen Betrag 
von 10.000 fl. ©. M. gegen Einlegung einer Schuldurfunde und 
mit Verpfändung des geſammten fundus instructus in den legten 
Tagen des April 1848 aus dem Domefticalfonds ausfolgen. Sollte 


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die Subvention wegen Nichterfiillung des Contractes verweigert 
werden, jo wäre die Schuld als unverzingliches Darlehen zu be- 
handeln. Der Hoffmann'ſche Fundus war mit 57.440 fl. C. M. 
bewerthet worden. Der Landesausſchnuß erfannte die Berechtigung 
des Geſuches an und gewährte es, jedoch unter drei Bedingungen: 
für's Erfte, daß die Schuldurfunde auf ein ganz einfaches Dar- 
fehen nit Verzinfung laute; für's weite, daß jänmtliches be- 
wegliche und unbewegliche Vermögen des Directors verpfändet 
werde; für's Dritte, daß zwei oder drei Bürgen in solidum 
zeichnen follten. Fürſt Carl Auersperg, Graf Mathias Thun 
und Graf Albert Nojtig zeichneten als Bürgen; Hoffmanı er: 
hielt den Betrag in Silberzwanzigern zu fünf Procent Binfen 
ansgefolgt. M 

So war für den Augenblid geholfen. Xeider hatte es aber 
gar nicht den Anſchein, als wollten die Zeiten den Mufen freund— 
licher werden. Den feltenen Anblid eines vollen Haufes hatte 
man vorderhand nur am 6. Mai, der den Pragern zum erften 
Male die „Hugenotten"” in ihrer Urgeftalt zeigte. Erſt jetzt 
wurde es Elar, wie arg die Oper früher verjtümmelt worden war. 
Zum erften Male hörte man in der Oper den Choral „Eine 
fefte Burg“; Mönche ftatt dreier pedellartig herausstaffirter Greiſe 
jegueten nun die Waffen, kurz man hörte und ſah eine neue Oper. 
Die erſte Valentine war die Großer, die erjte Margarete Mad. 
Ernſt-Kaiſer, eine tüchtige Coloraturjängerin, die jih am 
1. Februar als „Amina in der Nachtwandlerin“ eingeführt hatte, 
Urbain Die. Soufup. Aber abgefehen von den „Hugenotten“ 
ſchwieg die Muſe beharrlich weiter „im Lärm der Waffen". Mit 
Todesverachtung arbeitete das Theater; die Mitglieder ergaben 
ih in das Schickſal, zugleich Darfteller und Publicum zu fein, 
die alterı eheden jo getreuen Theaterfreunde waren auf ein win: 
ziges Häuflein zufammengefchrungpft, man wandelte im Theater 
wie in öden, dem Verfalle nahen Ränmen; wenn an einen Abende 
die Tageskoſten gededt wurden, mußte ihn die Direction als 
Slüdstag bezeichnen. Man gab Novitäten (Gutzkow's „Urbild des 
Tartuffe“, „Napoleons Anfang, Glück und Ende" mit Granert 





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in einer frappirenden Napoleon: Maske, die franzöfiihe Oper 
„Die Königin des Tages"), man verjchrieb intereffante Säfte, fo 
den liebenswürdigen Banmeifter und Die. Engft, Meszo- 
fopraniftin und abjolvirte Prager Confervatoriftin — Alles ver- 
gebens, kaum daß das Haus weniger leer mar als gewöhnlich ! 
Das nächſte und dringendfte Intereſſe, das politifche, verdrängte 
jedes andere, namentlich jenes an Theater und Kunft. Schon gab 
es in Deutſchland Thenterfataftrophen. Das Breslauer und Bremer 
Theater löſten fi) auf, das Leipziger febte die Sagen auf die 
Hälfte herab; in Hamburg pielten die Mitglieder auf eigene 
Rechnung. Nun drohte an Prag die Reihe zu kommen. Schon 
hatte es in den Straßen der böhmischen Landeshauptftadt, m 
denen e8 von Garden und Legionären aller Farben und Chargen 
wimmelte, blutige Cravalle gegeben — die Brager Junitage waren 
im Anzuge. Noch vor dem Ausbruche der Nevolte ſah fich die 
Divection trotz Subvention, troß Darlehen und troßdem das 
Landestheater das einzige Theater einer Stadt mit 130.000 Ein- 
wohnern war, gendthigt, den Mitgliedern zu eröffnen, fie wolle 
vom 1. uni ab nur zwei Drittheile ſämmtlicher Gagen zahlen, 
für das letzte Drittheil aber Bons geben, die in der bejjeren 
Theaterzeit, im Herbft und Winter, wieder eingelöft werden Jollten. 
Die Mitglieder weigerten fich in einer Verfammlung am 31. Mai 
entjchieden, in eine ſolche Verkürzung ihrer Gagen zu willigen, 
worauf Director Hoffmann erklärte, für den Monat Juni ſelbſt 
mit den größten eigenen Opfern die vollen Gagen zahlen zu 
wollen; ob er dies aber auch in den folgenden Monaten zu leiſten 
im Stande fein werde, dies hänge vom Theaterbefuche ab. Am 
6. Juni kündigte ein von den Theatermitgliedern gewählter Aus» 
Ihuß an, daß in den Monaten Juni, Juli und Auguft im Theater 
zwölf Vorftellungen bei aufgehobenen Abonnement zum Beten 
des Gejammtperjonals gegeben werden follten und zu dieſem 
Zwecke eine Subfeription eröffnet werde. Am 12. Juni follte die 
erjte diefer Vorftellungen (das neue Schaufpiel „Die Liechten- 
ſteiner“) fein. An alle Runftfreunde erging die „ergebenfte Bitte", 
durch recht zahlreichen Beſuch zur Erhaltung des vaterländiichen 


— 382 — 


Kunftinftituts Träftig beizutragen. Eine Aufführung des Tendenz- 
Stides „Keine Jeſuiten mehr!" das fo recht für die Strömung 
der Yunitage paßte, ſchien auch auf befjere Zeiten hinzudeuten; 
es gab ein anjtändig befuchtes Haus; ja felbft ein kleiner Theater: 
krieg, deifen Heldin Dile. So ukup war, vermochte noch wenigftens 
einige Beachtung zu finden; in früheren Jahren wäre die Ge— 
ſchichte zweifellos Staatsaffaire geweſen. Die jugendliche Sän- 
gerin hatte in diefen, allerdings recht ernften und für derlei Dinge 
jehr ungeeigneten Tagen eine contractlich bedungene Gagenerhöhung 
durchzuſetzen verjucht, woraus eine erhebliche Differenz mit der 
Direction rejultirte und beinahe der Abgang der Dame beborftand. 
Es gab enragirte „Soukupiſten“, welche für ihren Liebling manche 
Lanze brachen, und ſchließlich endete die Affaire auch mit dem 
vorläufigen Bleiben der Heldin. | 
Dies geichah in den erjten Jagen des Juni, in den Tagen 
de8 Slawencongreſſes. Daun famen die „blutigen Pfingften" 
Prags; die Straßen der Stadt füllten ſich mit Barricaden, in 
der unmittelbaren Nähe des ftillen Mufenhaufes, deflen Pforte 
ängftlich verichloffen war, hallte Waffenlärm und Meusfetenfeuer. 
Den Eingang zur Eifengaffe verfperrte eine aus Tandelmarkt- 
buden zufammengefette Barricade. Das Larolinum war von 
fampfenden Studenten beſetzt und mußte mit dem Bayounet ge: 
nommen werden. Der Eingang von Graben zur Berginannsgaffe 
war durch eine riefige Barricade verjperrt, kurz, die friedliche 
Stätte der Mufen war umbrandet von den Wogen der Revofution. 
Jener unglidjelige 12. Juni warf natürlich alle Verhältniſſe über 
den Haufen. Jeder, der nicht felbjt mit den Waffen in der Hand 
auf der Barricade ftand oder als Garde feinen Dienjt zu machen 
hatte, war nur darauf bedacht, für feinen Herd zu forgen, feine 
Habe und fich felbft oder feine Lieben zu fichern. Tauſende der 
wohlhabenden Bewohner fuchten ihr Heil in der Flucht, da fi 
ſchon bei den Judencravallen unter den entfejfelten Proletarier- 
Ihaaren eine beveufliche Verachtung für fremdes Eigenthum ge- 
zeigt Hatte und uun unter den Schreden des Aufitandes das 
Aergfte zu fürchten war. Wer dachte in jenen Schredenstagen an 


— 383 — 


Theater und Muſik? Es bedurfte Feiner Weifung der Stände — 
das Theater blieb vom 12. Juni ab gefperrt, die Künftlerichaar 
jelbft Hatte theilweife das Weite gefucht. Einigen, die fid) von 
dem allgemeinen Taumel etwas ftarf Hatten mitreißen laſſen, 
mochte c8 fogar bange um ihre Hart werden. So paflirte es 
Fiſcher, der auf der angeblichen Proſcriptionsliſte geftanden 
haben jo, daß er in einem Orte bei Karlsbad feitgenommen 
wurde. Die Sache wurde noch ernftlicher, da man ihn fir den 
Wortführer der „Unruhigen,“ für den Gaſtwirth Peter Fafter, 
hielt. Alfe feine Gegenverficherungen halfen nichts,- ev wurde als 
Sefangener nach Karlsbad abgeführt und erjt dort auf das Wort 
und die Bürgfchaft des eben anweſenden Fürjten Rohan wieder 
freigelaffen. Die Pforten des Landestheaters blieben gefperrt, 
auch als FM. Fürſt Windischgräß die Prager Yunirevolution 
niedergeworfen hatte. Dean fchmachtete unter dem Drude des 
Belagerungszuftandes. Nun erjt erließ das Landespräſidium die 
officielle Weifung, das Theater auf unbeſtimmte Zeit gejchloffen 
zu halten. Direction und Perfonal waren in verzweifelter Lage. 
An eine Entfchädigung war vorderhand nicht zu denfen; in der 
Berlegenheit dachte man daran, ein Gejammtgaftipiel in dem ver: 
hältnigmäßig friedlichen Neichenberg zu eröffnen. Der ftändijche 
Ausſchuß hatte ein Anſuchen um Hilfe in der Bedrängniß ſchon 
bor den Junitagen dahin beantwortet, daß man für das Theater 
borderhand nichts thuen könne, da erſt der einzuberufende Land—⸗ 
tag über das künftige Verhältniß des Prager Theaters zu den 
bisherigen böhmischen Ständen einen Beichluß fafjen würde. Von 
diefer Seite war aljo jebt, in den Tagen des Belagerungs- 
zuftandes, noch weniger zu hoffen. Weiche Kunftfreunde, die zu 
anderen Zeiten ihre Börſe gern für die Kunſt geöffnet hatten, waren 
in den ftürmifchen Tagen felbft in ihrem Befite geſchädigt worden 
— die Schaufpieler jchienen bei dem allgemeinen Niedergange 
der deutfchen Theaterverhältniffe dem Untergange geweiht. Endlich), 
nach 26tägiger Sperre, wurde das Haus am 6. Juli mit einer 
BVBorftellung von „Figaro’8 Hochzeit” wieder eröffnet. Es war ein 
Familienfeft. Das zwar nicht zahlreiche, aber doch nicht allzu ſpärliche 








— 384 — 


Publicum empfing jeden einzelnen Darjteller mit Beifall; e8 war 
nach längerer Trennung ein herzliches Wiederfehen. Der Theater: 
zettel jenes 6. Juli aber wies eine „revolntionäre" Neuerung auf, 
die wicht unbeachtet bleiben darf. Der Zettel war höflich und 
zeitgemäß geworden; er nannte die Damen des Theaters nicht 
mehr „Madame” und „Demoijelle”, wie jie feit dem vorigen 
Jahrhundert, feit den Hanswurſt- und Wanderfomddtiantenzeiten 
benamfet worden waren — zum erjten Male hießen fie nun 
„Frau“ und „Fräulein.“ Unfere Gefchichte verzeichnet biefen 
Emancipationsact mit Freuden und acceptirt von diefer Stelle an 
ebenfalls die neuen Prädicate. 

Bolles Vertrauen ſetzte übrigens weder Direction noch Per- 
ſonal in die Wiedereröffnung der Bühne. Sie verjchoben feinen 
Augenblid die Ergreifung des legten Mittels, von dem eine radicale 
Abhilfe der dringenden Noth zu erhoffen war. Unterm 10. Yuli 
richteten die Mitglieder des Theaters, vertreten durch den Director, 
Regiſſeur Ernſt, Capellmeifter Skraup und den Baſſiſten Strafaty 
eine Eingabe an den Mintjter des Innern, welche um die Bewilligung 
zu einer zeitweiligen Unterftügung des Prager Theaters durch den 
Sameralfonds anſuchte. Die genannten Nepräfentanten reijten per 
ſönlich nach Wien, um ihre Bitte nachdrüdlich zu betonen, und der 
jtändifche Ausichuß begleitete das Geſuch befürmwortend ein. Eine 
Unterftügung des Theaters — erklärte der Ausſchuß — erjcheine 
für Prag dringend nothwendig, da die Geldkräfte der Direction 
durch die Verhältniffe fchon jo erjchöpft feien, daß ohne eine 
Unterjtügung die gänzlihe Sperrung unvermeidlich ſei; eine 
Sperrung aber dürfte troß des dermal ſchwachen Xheaterbefuches 
dennoch ſelbſt aus öffentlichen Rückſichten nicht wünſchenswerth 
fein, weil das ohnehin geftürte fociale Leben durch die Theater: 
jperre eines wichtigen Stilgpunctes beraubt würde, weil das ganze, 
jehbr zahlreiche Perſonal theils dem unvermeidlichen Nothitande 
Preis gegeben, theil® gezwungen wäre, andere Engagements zu 
juchen, jo daß das Prager Theater auf lange Leit feiner be- 
deutfamen Beitimmung nicht nachlommen Eönnte. Der ftändiiche 
Ausſchuß habe bereits Unterjtügungen gewährt, jo weit e8 in 





— 3355 — 


feinen Kräften ftand, weiter wäre e8 unmöglich. Webrigens ſei 
das ſtändiſche Theater Nationalinftitut und Nationaleigenthum ; 
es ſei aljo vorauszufehen, daß der bevorjtehende Landtag des 
Königreichs Böhmen die für das ſchwerbedrängte ftändifche Theater 
aus dem Cameralfonds geleifteten Unterjtügungen auf das Land 
übernehmen würde. Illuſtrirt wurde diefe Eingabe durch eine 
Bergleihung der Einnahmen und Ausgaben, jowie der Deficite 
in den Dionaten April, Mai, uni, Juli, Auguft und September 
der Jahre 1846, 1847 und 1848. In dem erjten der drei Syahre 
betrug das Deficit 7933 fl. 5 tr. EM., 1847 ſchon 8605 fl. 59 kr., 
1848 aber 14.362 fl. 14 fe., woraus ein Gejammtdeficit von 
30.901 fl. 18 fr. für jene Seit refultirte. Die Deputation hatte 
ih in Wien einer freundlichen Aufnahme zu erfreuen und erreichte 
denn auch den Zwed, den Beitand der Bühne bis zum Winter 
zu fichern. Ueberdies machte Director Hoffmann von feinem Rechte 
Gebrauch, eine Entihädigung von 200 fl. per Abend fir die 
Zeit der Theaterfperre (vom 12. uni bis incl. 5. Juli) zu ver: 
langen, die ihm gewährt wurde. 

Im Theater ſelbſt machte man alle Anftrengungen, ſich troß 
der andauernden Ungunft der Zeiten ehrenvoN zu behaupten. Die 
angekündigten Subferiptionsvorftellungen, deren Ertrag die Dedung 
der Sagen zu erleichtern hatte, waren von Erfolg gefrönt. Sie 
brachten u. A. Guſtav Freytag's „Graf Waldemar” und die Oper 
„Prinz Eugen, der edle Ritter” von Guftan Schmitt, ein patrio- 
tiſches Erftlingswerf, an dem fich übrigens zum erften Male wieder 
die Cenſur verfuchte, obwohl fie officiell nicht bejtand. Bei der 
zweiten Aufführung der Oper vermißten nämlich viele Zuhörer 
eine bei der Premiere mit großem Beifalle aufgenommene Stelle. 
Die hübſche „Engelliefe" hatte auf die Frage des Prinzen, wie 
e8 ihr gebe, zu antworten: „Wie e8 eben bei einer Belage- 
rung (das Stück fpielt zur Zeit der Belagerung von Landau) 
gehen kanun.“ Darin jah die Behörde eine Anfpielung auf den 
Belagerungszuftand und ftrich bei der zweiten Wufführung die 
Stelle. Auffallend arm war der Sommer 1848 an Gaftjpielen. 


Rott aus Berlin fam, fah die triften Verhältniffe und reifte, ohne 
25 


— 386 — 


zu Tpielen, wieder ab: nur Neftroy hielt Stand und machte mit 
feiner „NRecrutirung in Krähwinkel“ lachende Gefichter in tieferniter 
Zeit. Anfjehen machte ein einmaliges Gaftjpiel der Frau Verſiug, 
Gattin des beliebten Barytoniften, ehedem eines der glänzenditen 
Sterne in der deutjchen Bühnenwelt. Ein anderer herzlid) be- 
grüßter Gaft war der Barytoniſt Appelmann, ein Prager, 
damals in Linz engagirt, der als „Prinz-⸗Regent“ im „Nacht: 
lager" Beugniß von feiner Begabung ablegte. Einen harten Ber: 
Iuft erlitt die Bühne in dem denfwürdigen Sommer 1848 durch 
ven Abgang des Ehepaars Bollert. Hoffmann hatte den Paare 
ſchon am 1. Juni, dem contractlichen Kündigungstage, erklärt, die 
bisherigen hohen Gagen nicht mehr zahlen zu können und exjicht, 
in eine Ermäßigung ihrer Ansprüche zu willigen. Herr und Fran 
Pollert Schienen dazu bereit; aber die Ereigniſſe der blutigen Pfingft: 
tage erjchütterten Frau Pollert derart, daß fie fammt Gemal auf 
ein fernere8 Engagement in Prag verzichtete und einem Rufe 
nad) Petersburg folgte. Ein directer Erjag für fie war nicht 
geboten, da fie — wie befannt — fich weniger in ihrem eigent- 
lien, dem Heroinenfache, als vielmehr im Gebiete der Naiven und 
Salondame bewegte, wofür Frl. Lechner und Frl. Frey vorhanden 
waren. Aber auch eine glänzende Acquifition machte Prag in 
dent bewegten Jahre: Frau Knopp-Fehringer. Am 5 Sept. 
gewann fie als Recha in der „Jüdin“ ihren erſten und jofort 
entjcheidenden Sieg; ihr zweiter galt der Lucrezia Borgia. Sie 
war eine Künftlerin im volliten Sinne des Wortes; jede ihrer 
Leijtungen war durchgeiftigt, ein Fünftlerifches Ganzes; es war 
ein echt dramatifches Geftalten, ein wahrhaft großartiges Spiel, 
was man jah, uud ein voller, fchöner Mezzofopran, in der beiten 
Schule gebildet, den man hörte. Der Gatte der Sängerin Herr 
Knopp wurde als Tenor engagirt und führte fich als Sever 
in „Norma“ ein.* Kurz zuvor war auch in Frl. Beer cine 
achtbare Altiftin gewonnen worden, fo daß — zufammengehalten 


*) Auguſte Knopp-Fehringer geb. Wittun, war 20. Febr. 1822 
zu Berlin geb., wurbe wegen ihrer bedeutenden Anlagen von Spontini 








— 387 — 


mit dem Engagement der Frau Ernſt-Kaiſer als Coloratur: 
fängerin — die Dper momentan wieder complet war. Dan 
wagte fich denn auch an bedeutende Aufgaben, brachte Lortzing’s 
„Waffenſchmied“ (Stadinger-Berfing, Marie- Frl. Soufup, Sr: 
mentrant- Fran Podhorsky, Liebenau-Strafaty, Knappe Georg- 
Emminger, ſchwäbiſcher Ritter-Brava) als Novität, „Hans Heiling“ 
in neuer Bejegung, die neue F. Skraup’fche Oper „Drahomira” 
(Text von Prof. Swoboda) als 10. Subfcriptionsvorftellung und 
Schließlich Auber’8s „Gott und Bajadere". Ein wahres Syubelfeft 
feierte man am 12. Dec. 1848. Kaiſer Ferdinand bejuchte 
zum erjten tale, ſeit er feine Reſidenz in Prag aufgeichlagen, 
das Theater. Angejegt war „Stradella”, das glänzend erleuchtete 
Haus überfüllt. Die erzielte Einnahme (878 fl. C. M.) war die 
größte, deren man fich feit vielen fahren zu erinnern wußte. Als 
der’ Kaiſer in bürgerlicher Kleidung mit der Kaiſerin im Haufe 
erichten, begriißte ihn ein dreimaliges ſtürmiſches Lebehoch. Den 
Prinzen Karl von Preußen ſah man üt einer zweiten Loge. 
Wenige Tage fpäter (am 17. December) feierte man ein anderes 
freudiges und großes Ereigniß. Man gab Mozart's Krönungs: 
oper „Zitus”, und der Anlaß zu diefer Aufführung war Die 
Thronbefteigung des jugendlichen Kaifers Franz Joſeph. Ein 
Feitipiel von Hidl, „Defterreich8 Sterne", leitete die Feier ein, der 


auf königliche Koften ausgebildet, betrat mit 17 Jahren zum 1. Male die 
Berliner Opernbühne, ging wegen ungenügenber Beihäftigung nad) Stettin, 
dann nah Hamburg, vermälte fih mit dem Heldenjpieler Ang. Fehringer, 
der jich 1859 in Rautenburg erſchoß; nad der Trennung von bemfelben 
verließ fie Hamburg, gaftirte an großen beutichen Bühnen, worauf fie in’s 
Prager Engagement trat und fi) 1850 mit dem Tenor Carl Knopp ver: 
mälte. 1851 fchied fie mit diefem von Prag, ging nad) Weimar, überging 
nach Verluſt ihrer Stimme zum Schaufpiel, war als Anftandsdante in 
Weimar, Königsberg, Kaſſel eng., entjagte 1861 der Bühne und lebte in 
Weimar, wo fie au am 27. Sept. 1877 ftarb. Ihr Gatte Carl Knopp 
war am 9. Dec. 1823 ın Peſt geb., betrat, von Sebaftian Binder aus— 
gebildet, 1848 ald Sever das ung. Nat.-Theater, kam nad) Temesvär, 
Graz, Hamburg, . Prag, dann an das Hoftheater in Weimar, dem er lange 
angehörte. 
25* 


— 388 — 


grandiofe „Sertus" der Fehringer und die ſympathiſche „Vitellia” 
der Großer waren würdig der Fetvorftellung, mit welcher gewiſſer— 
maßen das Theaterjaht 1848, eines der bedeutungs- und gefahr: 
volliten der Brager Bühne, feinen erfreulichen Abjchluß fand. Die 
Kataftrophe war von dem ehrwürdigen Inſtitute abgemwenvet. 


Nicht heiteren Blids begrüßten die Mitglieder des ftändifchen 
Theaters das neue Jahr 1849. Die Schreden der Revolution 
waren überwunden, einige Ruhe und mit diefer das Intereſſe am 
Theater begann wieder einzufehren — was aber nicht fommen 
wollte, das war eine vollfommene Heilung der Theaterfinanzen. 
Die Zuſchüſſe aus dem Cameralfonds waren aufgebraucht, dic 
zwölf Subferiptionsvorftellungen zu Ende — das Theater mußte 
ſich nun felbft weiter helfen, und da das Fehlende durch die bloßen 
Tageseinnahmen nicht aufgebracht werden konnte, wurde das ein- 
fachfte und gebräuchlichite Mittel ergriffen, die Gage-Reduction. 
Derlei Maßregeln bejferten felbftverjtändlich nicht die Stimmung 
des Perfonals, zumal jie beinahe gleichzeitig mit einer fühlbaren 
Verſchärfung der Theatergefege und Theatercontracte kamen, deren 
Folgen fich noch im Laufe des Jahres zeigten. Die Direction 
war eben darauf bedacht, die Zügel jo ftramm als möglich an- 
zuziehben und ſich in jeder Hinficht vor Verlegenheiten zu be- 
wahren. Durch die Erfahrungen des lebten Jahres gewibigt, trat 
Hoffmann auch nach außen fehr entjchieden zur Wahrung feiner 
Nechte auf und fuchte ſich für Ereigniffe, wie fie die Pfingft- 
woche 1848 gebracht hatte, bei Zeiten vorzufehen. Er proteftixte 
zunächft entjchieden gegen einen Verſuch des Prager Stabt- 
verorbnetencollegiums, die üblichen Abgaben, welche die Ber: 
anftalter jonftiger öffentlicher „Spectafel" an das Theater ab: 
zuliefern hatten, zu Gunften der Stadtgemeinde einziehen zu lafjen. 
Dann aber petirte er darum, daß man den Theaterdirertor er: 
mächtige, das Theater „wegen in der Stadt Prag ansgebrochener 
Unruhen, Vollsaufläufe und Bufammenrottungen, wegen bevor- 


—- 389 — 


ftehender Gefahr für das Gebäude, wegen bei Tage fuspendirter 
Verbindung zwiichen der Altjtadt und Kleinſeite oder aus anderen 
wichtigen, außerhalb des Inſtitutes gelegenen Gründen zu fperren, 
ohne vorher den Auftrag der Stände oder deren Bevollmächtigten 
erhalten zu haben und ohne daß ihm die contractliche Entichädt- 
gung entgehe.”" Hoffmann wies auf die Ereignifje des vorjährigen 
Juui bin und betonte, daß auch 1849 noch immer eine ungewöhn- 
lihe Bewegung herrſche und die k. k. Negierung Vorfichtsmaß- 
regeln treffe. Der ſtändiſche Ausfhuß gab dem Anjuchen infofern 
Folge, als in dringenden Fällen, wo es nicht möglich wäre, die 
Bewilligung der Stände einzuholen, der Intendant oder deſſen 
Stellvertreter ermächtigt fein follte, dem Director fofort die Be- 
willigung zur Sperrung zu ertheilen. 

Der ausgetprochene Feind jedes Theaters und jeder Direction 
ift der Sommer. Anch diefem Erbfeinde zu begegnen, war Hoff 
mann's feites Bejtreben. Auf dem gewöhnlichen Wege konnte dies 
nicht geſchehen; es mußte ein außergewöhnlicher Ausweg gefucht 
werden — Hoffmann entdedte ihn in dem Plane, eine Arena 
zu erbauen. Andere Städte hatten bereits mit ähnlichen Sommer: 
wohnungen der Muſen Glück gehabt und auf diefe Weile dem 
beinahe unvermeidlihen Sommerdeftcit erfolgreih Oppofitton 
gemacht; warum follte jich in Prag nicht ein Verfuch lohnen! 
Auch war der Plan zu einer Arena, und zwar zu einer dechifchen, 
ſchon längere Zeit in Brag erwogen worden. Mit der wachjenden 
Bewegung tm 1848er Jahre war auch das Cehifch-nationale 
Bewußtſein gemachfen, und begeifterte Nationale bezeichneten es 
geradezu als eine Schmad), daß fich das Cechifche Volk noch immer 
mit Sonntagsnachmittagvorftellungen begnügen mußte. Hoffmann 
felbft traf in diefer Hinjicht fein Vorwurf. Er hatte Tyl als 
Dramaturgen mit einer Monatsgage von 83 fl. 20 Tr. C. M. 
und außerdem ein anjehnliches Perjonal engagirt, von dem freilich 
ein großer Theil (Frau Kolar, die HH. Grabinger, Kolar, Kramnele, 
Nicolai, Frau Hynef u. U) auch in deutichen Vorftellungen 
verwendet wurde; andere aber gehörten ausſchließlich der eechi— 
schen Bühne an, bezogen allerdings auch entfprechend winzige 


— 390 — 


Gagen.*) Tyl nahm fich feines dramaturgifchen Amtes eifrig an und 
führte alljährlich eine Reihe von Novitäten (darunter Kolar's 
„Monika“, Klicpera’s „Ceskä Meluzina“ u. ſ. w.) auf; im 
April 1848 wußte ſich der Director der herrſchenden Stimmung 
ſo anzupaſſen, daß er zu Ehren der ſiebenundzwanzig ſlawiſchen 
Studenten, welche als Ehrengarde der Wiener Bürgerdeputation 
in Prag angekommen waren, eine eechiſche Feſtvorſtellung veran- 
ſtaltete. Schon 1847 hatten einige „Vaterlandsfreunde“ die erſten 
Schritte zur Errichtung eines éechiſchen Theaters auf 
Actien gemacht, ohne daß von einem Erſolge verlautet hätte; — 
nun aber erklärte man es geradezu als ein Gebot der Gleichberechti⸗ 
gung, neben dem deutſchen auch ein eechiſches Landestheater zu 
errichten. Einer großen Sorge allerdings vermochte man fich nicht 
zu entichlagen: Woher follten die nationalen Stüde fir das 
„Nationaltheater” kommen? Machadel, Tyl, Klicpera und Kolar 
reichten nicht für den Repertoirebedarf aus; den Grund des 
Mangel3 an anderen Wutoren und Werfen ſah man in der 
Senjur, dem Mangel eines eigenen Theaters, der Beichränfung 
der Cechifchen Vorftellungen auf die Sonn- und Feiertage, der 
Unmödglichkeit, große Honorare zu zahlen und dadurd die Bro: 
duction zu ermuntern. Wie follten aber al’ diefe Hemmniſſe 
plöglich befeitigt und ein Umfchwung herbeigeführt werden? Es 
gehörte einiger Sanguinismus dazu, e8 zu erwarten. Nichtsdeſto⸗ 
weniger wurden die Führer der Nationalen, Rieger und Trojan, 
nicht müde, das Thema immer aufs Neue zu erörtern. Als 
Trojan 1848 vom Prager Stadtrathe in den veritärkten Landes⸗ 
ausſchuß gewählt wurde, begann er alsbald mit hochgeftellten Per: 
ſönlichkeiten über eine Reform des techiichen Theaters zu verhandeln 
und fand ein freundliches Entgegenkommen. Endlich wurde aus 
dem Landesausjchuffe felbjt eine vreigliedrige Section ernannt 
(Mitglieder Ritter dv. Bergenthal, Trojan, Fall — letzterer an 
Stelle des abwejenden Grafen A. Noftig), welche die Frage zu 


*) Die höchſte Gage, 50 fl., hatten die Herren Jezek und Krumlowsky, 
35 fl. Herr Lapil, je 30 fl. die Herren Kaka und Simanovsky, die Damen 
Rajskaä und Skalny-Zyl, 12 fl. Herr Krtin. 





— 31 — 


erörtern hatte, „wie dem Bebürfniffe nach Errichtung eines 
Nationaltheaters in Prag am Beſten abgeholfen werden könnte“. 
Die Verhandlungen zogen ſich lange Hin, die cechifche Saiſon 
wurde 1848 wie gewöhnlich am Wenceslai-Tage eröffnet und nad) 
wie vor nur an Som und Feiertagen cechijch gefpielt. Erſt im 
Mat 1849 fchien die Idee der Nealifirung nahe. Man ſah der 
Gründung des Cechiichen Nationaltheater mit Eröffnung des erſten 
böhmischen Landtages entgegen. Director Hoffınann beabfichtigte 
die neue Wera noch im Sonmer in einem Arena-Bau zu 
eröffnen und erhielt denn auch am 31. Mai vom Landesausichuffe 
die Bewilligung zu demfelben im Pitroß’schen Garten unter Einem 
mit der Bekanntmachung, daß die Errichtung eines kechiſchen Na— 
tionaltheaters befchlofjene Sache ſei. Sofort richtete der Drama- 
turg Tyl Aufforderungen an alle Schaufpieler und Schau: 
ipielerinen, fich zu erklären, ob fie ein Engagement bei der zu 
errichtenden Nationalbübne nehmen wollten. Trojan wurde zum 
Intendanten der tehifhen Bühne ernanıt. Bis zum 
Detober 1849 Jollte ein zweites Heineres Theater in Prag errichtet 
werden, wozu Director Hoffmann vom Landesausſchuſſe 20.000 fl. 
EM. bewilligt wurden. Man beabfichtigte das Kogengebäude dazu 
herzurichten. Im bisherigen ftändischen wie in dem neuen kleineren 
Theater follte wöchentlich zweimal eechiſch aefpielt werden, im 
Heinen Haufe einmal der Woche auch deutich. 
Hoffinann jeinerjeit3 nahm den Bau der Arena in Angriff. 
Er hatte ihn auf eigene Koften zu führen, nur den Zins an den 
Eigenthümer des Pſtroß'ſchen Gartens zahlten die Stände. Hoff 
mann war alfo factifcher Eigenthümer der Arena, jedoch verpflichtet, 
nach Ablauf feines Contractes die Arena den Eigenthilmern des 
Prager Theaters gegen eine Wblöfungsfumme von 10.000 fl. 
jammt allen ihm zuftehenden echten abzutreten. Zwei Drittel 
alfer Vorſtellungen follten in Cechifcher, ein Drittel in deutjcher 
Sprache abgehalten werden. Sollte eingetretener Hindernilje wegen 
die Vorftellung in der Arena unmöglich werden, dann hätte das- 
ſelbe Stud im Landestheater zur Aufführung zu tommen. Fahnen 
an den Öffentlichen Blägen machten befannt, ob eine Vorftellung in 


— 392 — 


der Arena ſtattfinde oder nicht. Der Bau ſchritt raſch vorwärts, 
und ſchon am 11. Auguſt öffneten ſich zum erſten Male die Pforten 
des „Sommertheaters im Pſtroß'ſchen Garten“. Das Theater 
war nach Angabe des neu engagirten Oberregiſſeurs Forſt 
(Schall v. Falkenhorſt), ehemaligen Directors in Peſt, den wir‘ 
bereit3 anno 1845 als Candidaten für die Prager Theaterdirec- 
tion fennen gelernt haben, aufgeführt worden, und zwar in der 
Zeit vom 5. Juli bis 11. Auguft. Das Gebäude war von Holz, 
ohne Dach, inwendig jehr geſchmackvoll decorirt und faßte über 
3000 Menfchen. Blaue Säulenreihen ſchmückten die beiden zur 
Eröffnungsfeier mit Guirlanden und Blumenvafen becorirten Seis 
tenflügel der Bühne. Nechts und links vom Souffleur zogen ſich 
längs des Orcheſters Blumenbeete. Zur Eröffnungsporftellung 
hatte man ein dramatiiches Märchen von J. 8. Tyl, „Jürgens 
Viſion“ (Jifikovo videni), gewählt, und die auf der Roßthorterraſſe 
entfaltete weißrothe Fahne war das Signal zu einer Völferwan- 
derung nah dem Wunder einer Theaterarena. Der Pſtroß'ſche 
Garten war mit Menfchen gefüllt, die im Momente der Eröff- 
nung duch alle Eingänge der Arena drängten. Ein Prolog fpie- 
gelte in einer Controverfe zwifchen zwei gejchworenen Arena. 
Feinden und dem Arena-Unternehmer das damalige Prager Stadt: 
gejpräch wieder. Das Tyl'ſche Stüd (in dechiſcher Sprache gefpielt) 
war eine ziemlich ungefügige Arbeit: es gab darin fchlafende, ver- 
winfchte Blanjfritter, in Gold verwandelte Haberfürner, nectar- 
duftende TFelfenquellen, Scenen aus dem Bauern, Soldatens, 
Salon- und Gedenleben, Schnitterfeite, große Aufzüge und der- 
gleihen Herrlichkeiten mehr, kurz fehr viel, nur feinen drana- 
tiichen Knotenpunkt. Auch wimmelte e8 von Anjpielungen auf die 
zungengeläufigen Worte Conftitution, Demokratie, Reaction n. }. w., 
aber ein regelrechtes Stüd war das „Märchen” nicht. Ja, was 
darin gut war, hatte Tyl faſt wörtlic aus Berla's „Gervinus" 
entlchnt, natürlich ohne Angabe oder Andeutung einer Quelle, 
Die Neuheit der Arena zog, und die vollen Häuſer waren an 
der Tagesordnung. Aber nicht lange dauerte der außerordentliche 
Neiz der Neuheit. Bald genug ftellten fich Bedenken ein. Was 





— 393 — 


für ein Repertoire war für die Arena zu wählen? Da man 
dort nur an ſchönen Tagen fpielte, an diefen Tagen aber das 
jtändifche Theater auf der Altftadt geiperrt wurde, vertrat die 
Arena gewiljermaßen eine Tünigliche Bühne, hatte alfo die Würde 
des Mutter-Ynjtituts zu wahren. Und doch! Wie vertrug fich ein 
dem Luſtſpiel, Schaufpiel und der Oper gleihmäßig gewidmetes 
Repertoire, wie ein gehaltvolles ernſtes oder ein feines Converfa- 
tionsftüc mit dem ungededten Sandboden, mit den NRauchwolfen 
im Auditorium? Rathſam fonnten für ein folches Inſtitut nur 
entweder pomphafte und geräufchvolle Spectafeljtüde oder draſtiſch— 
fomifches Poſſenwerk fein, wobei die Oberaufſicht, welche der 
jtändifchen Intendanz contractlich ja auch über die Arena zuftand, 
freilich auf eine entfprechende Auswahl Bedacht zu nehmen hatte, 
damit die Sommerbühne fchließlich nicht zur Gauflerbude, zum 
Zummelplage von Bajazz08 und Gymnaftifern werde. Die erften 
Stüde, die man in der Arena gab, waren nun allerdings nicht 
in diefe Kategorie zu jegen, aber auch nicht un Vieles höher zu 
ſchätzen. Die Schlußpointe jedes Stüdes bildete ein Mafjentanz 
u. dgl. In der Anordnung von ähnlichen Dingen entwidelte der 
nenengagirte Regiſſeur Forſt ein großes Geſchick. So ließ er am 
Schluſſe der „Regiments⸗Tochter“ unter Mitwirkung einer Artilferie- 
Muſik⸗Capelle große militärische Evolutionen ausführen, wobei die 
Krieger alle möglichen Figuren, achtſtrahlige Sterne u. ſ. w. bildeten, 
und jeder Aufführung in der Arena folgte ein ähnliches Schau- 
ſtück. Charakteriftifch für das jtete Drängen der nationalen Wort- 
führer nach einem Lechiichen Nationaltheater war die Thatjache, 
daß man wegen des Schwachen Bejuches der Cehifhen Arena- 
Borftellungen die urfprüngliche Beitimmung, zwei Drittel 
derjelben jollten cechiich fein, bald fallen und die Anzahl der 
deutfchen Vorftellungen prävaliren laffen mußte. Dagegen hatte 
3. B. Berla’s Poſſe „Gervinus“ oder der „Narr im Untersberge" 
einen colofjalen Caffenerfolg. Mit dem Vorwalten des deutjchen 
Elements in der Arena begannen aber begreiflicher Weife auch 
die großen Verlegenheiten in der Stadtbühne. Die Praxis, täglich 
blos Eine BVorftellung, entweder nur in der Stadt oder nur im 


— 394 — 


Pſtroß'ſchen Garten zu geben, wurde nicht immer eingehalten, und 
jo fam es, daß Mitglieder des ft. Theaters, namentlich Komiker 
wie Feiſtmantel und Dolt, oft an einem und demfelben Tage in 
und vor der Stadt fpielten. Die naturgemäße Folge war eine ficht- 
ba:e Abnugung der Kräfte und eine Bernachläffigung des Haupt: 
inftitutes zu Gunſten der Arena, welche als factifches Eigenthun 
Hoffmanns begreiflicher Weife fich deſſen beſonderer Gunft und 
Fürſorge erfreute. Wenn die Schaufpieler fich nicht offen weigerten, 
die Strapazen des Doppeljpieles mitzumachen, jo lag der Grund 
wohl in dem Zauber des Spielhonorard. Mit Hoffmanu's Arena 
war es ungefähr fo bejtellt, wie mit dem Stöger’ichen Theater in 
der Nofengaffe, nur noch etwas fchlimmer, weil Stöger für fein 
Privattheater wenigjtens einen Trupp befonderen BPerjonales 
engagirt hatte. Trotzdem blieb das Sommertheater im Pſtroß'ſchen 
arten noch viele Jahre hinaus in inniger Verbindung mit dent 
Landestheater, bis es durch das Neuftädter Theater definitiv ab- 
gelöft und ſpäter eigenen Directoren. überantwortet wurde. 

Unter Hoffnann hatte die Urena zwar noch einige Glanz: 
momente, aber die Schönen Tage des Auguft 1849 wollten nicht 
mehr micderfehren. 1850 produeirte fich fchon eine Gymnaſtiker⸗ 
truppe auf der Arena, welche von den „Schweden vor Prag“ 
abgelöjt wurde, einem „großen vaterländifhen Spectafelichaufpiel‘ 
in fünf Aufzügen mit Gefang, Tanz, Gefechten zu Fuß und zu 
Pferde, Einzügen u. |. w, das den Hoffmann’ichen Leibdichter, 
Dramaturgen und Yeitjpielverfertiger J. C. Hide! zum Autor 
hatte, In diefem „Spectafelichanfpiel" gab es Gewehrfeuer, 
Kanonendonner, Bombenplagen, Minenfpringen, Handgemenge, 
Kriegsgeriht und Hinrichtung; leider Tonnte, wie Hr. Chauer 
wehmiüthig verkündete, „eingetretener Hinderniffe wegen die Ca- 
vallerie nicht erſcheinen“, fo daß die viel unintereffantere nfanterie 
allein anı Plage blieb. Einen Treffer machte die Arena 1850 
mit dem %. Kaiſer'ſchen Charakterbilde „Junker und Knecht”, ja 
jogar Opern wurden unter freiem Himmel aufgeführt und zwar 
mit jchr guten Kräften. Im „Nachtlager in Granada" fang 
Frl. Bergauer die Gabriele in dechiſcher Sprache. Einer Vor: 


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jtellung, welche zu Gunften des böhmischen Invalidenfonds ftatt- 
fand und außer „Wallenjtein’8 Lager" und einem obligaten Hickel— 
hen Feſtſpiel noch ein von drei Militärcapellen ausgefiihrtes 
Zongemälde: „der Feldherr Radetzky“ oder „die Schlacht bei 
Mortara und Novarra” brachte, wohnten die Erzherzoge Albrecht 
und Ludwig bei. 1851, das legte Jahr der Hoffmaun'ſchen Di- 
rection, war jo ziemlich das beveutungslofejte für die Arena. 
Zunächſt wurde in einem „Spectafel-Schaufpiel”, betitelt: „der 
Mauren Zreubrud in Granada”, eine Verbrüderung des Schau: 
ſpiels mit dem Berauek'ſchen Circus gefeiert, wobei aber ven 
Bierfüßlern der Löwenantheil des Erfolges zufiel. Dann wurde 
das Terrain ausſchließlich der Hickel'ſchen Muſe überlaſſen, welche 
ein fiir das Auftreten des berühmten Zwerges Tom Bouce 
beitimmtes Std, „die Zauberroſe“ oder „der letzte Harlefin”, 
und jchlieglich eine neue colojjale Ausſtattungs-Zauberpoſſe, „ein 
Prophet”, zur Aufführung brachte. Dies war der legte Triumph 
der Arena in der Aera Hoffmann’s, ihres Schüpfers. 

Nach der erften Arena-Saifon, im Oct. 1849, hatte befannt- 
ld die cehifhe Bühne in Prag ihre Sclbftändigfeit erhalten 
und in einem eigenen Gebäude aufgerichtet werden ſollen. Der 
Projecte über den für das „Nationaltheater” auszumählenden Platz 
gab e8 eine ganze Menge; man dachte außer den „Kotzen“ noch 
an das Haus beim „Spinfa”, an den unteren Noßmarkt, der ja 
bereit einmal das „vlasteneck& divadlo“ getragen hatte, und 
jchließlich wurde aus Alledem — nichts. Was die „Nationalen” 
erreichten, war, daß nun wöchentlich zweimal (Sonntag Nach—⸗ 
mittagg 4 Uhr, Donnerjtag Abends 6 Uhr) im Landestheater 
cechijch gefpielt wurde. Director Hoffmann unterjtügte die viel- 
fachen Wünſche won nationaler Seite foviel als möglich. Erfte 
Kräfte der deutjchen Bühne wirkten in eechiſchen Vorſtellungen mit, 
ſo daß der Eultus der cechifchen Bühne eine Zeit lang jogar dem 
Sedeihen der deutjchen gefährlich wurde. Es gab Theaterereigniffe, 
welche jogar bei eechiſchen Vorftellungen ausverfaufte Häufer 
erzielten: jo fanden Kolar’sche Novitäten („Zizka's Tod“, „vie 
ichöne Magelona”) ſtets Beifall; auf dem Gebiete der Oper aber 


brachten zumeist die Benefiz-Abende unter Mitwirkung hervor— 
ragender dentfcher Kräfte große Opern, die der Euriofität halber 
angehört wurden, So brachte man ſchon 1850 „die Hugenotten" 
cehifch auf die Bühne (Frl. Bergauer-Balentine); von dem heimi— 
ſchen Componiften Fr. Skraup kam „Libuſcha's Bermälung“ 
(Libusin shatek) am 11. April 1850 zur erſten Aufführung und 
zwar mit nicht weniger als drei Gäften, der Primadonna Frau 
Mint (Libusa), einer tüchtigen Sängerin, die aber den Zenith 
des Ruhmes Schon einigermaßen hinter fich hatte, als fie nad) 
Prag kam, Kunz, Verſing, Strafaty und Luiſe Berganer. Trotz 
diefer anjcheinenden Rührigkeit auf dem Gebiete der Lechiichen 
Bühne wurden ſchon im Laufe der eriten Winterfaifon des neuen 
Regimes zahlreiche Klagen laut. Das normale Repertoire war 
„elend”, auf ein „Ereigniß" folgte immer eine gewille Stagna- 
tion. Die Dper fpeciell hing nur von der Gefälligfeit der deutjchen 
eriten Kräfte ab, im Schaufpiel wurde wenig producirt, jelbft 
eine abermalige Preisausjchreibung (250 fl. CM. für das befte 
hiftoriiche Drama aus der böhmischen Gejchichte, 200 fl. EM. 
für dag bejte bürgerlihe Schau- und Luſtſpiel) im Auguft 1850 
half nichts. Dem Theaterdirector aber mußte der ſchwache Beſuch 
der Donnerjtagvorftellungen die Neuerung verleiden, wie ja aud) 
die Theilnahmslofigkeit des Lechiichen Publicums am beften als 
Beweis gegen die Nothwendigkeit einer felbftändigen Zechifchen 
Bühne gelten konnte. So kam es denn auch, daß man bereits 
1851, als über eine neue Directionscandidatur und einen neuen 
„Pachtcontract“ zu entjcheiden war, an maßgebender Stelle be- 
Ihloß, die dechiſchen Vorftellungen wieder auf die 
Sonn und Feiertags:Nahmittage zu bejchränfen. 
Motivirt wurde diefer Beſchluß folgendermaßen: „Der intelligente 
und theaterfreundliche Theil der Bewohnerſchaft Prags fei deutſch. 
Es ſei zwar nicht zu beftreiten, daß troßdem eine Cechiiche Bühne 
nothwendig fei; auch fei bereits Vieles gejchehen, um den cechijch- 
nationalen Wünfchen nachzufommen, aber mit Einem Schlage 
laſſen fih niht aus Einem Theater zwei machen. Eine 
Theilung des Theaters fei als den künſtleriſchen Intereſſen zu: 





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widerlaufend nicht zuläſſig. In der Arena follten nach dem Er- 
meſſen des Intendanten deutſche und cechifche Vorftelungen ab- 
wechjeln.". Der Traum des Jahres 1848 von einem felbjtändigen 
cehischen Nationaltheater war aljo vorläufig wieder verflogen, 
und abermals war es der Mangel an einem zuverläfligen techifchen 
Theaterpublicum, der ihn zunichte machte, 


Wie ſah e8 1849, im Jahre der Arena-Erbauung, mit dem 
Mutterinftitute aus? Nicht fo gut als in den erjten Jahren - 
Hoffmann’scher Direction. Das Facit des Jahres zeigte, wie 
nachtheilig das Sommertheater vor dem Shore, die momentane 
Protegirung der dechiſchen Bühne und endlich eine bedenfliche 
Abweichung von dem reinen Kunftgefchmade auf die Leiftungen 
des Laudestheaters gewirkt hatten. Der wirkliche Gehalt der 1849 
gehobenen Kunftihäge war ein betrübend Heiner. Dem claſſiſchen 
Drama war nur eine befcheidene Exiſtenz gegönnt, und auf dem 
Gebiete des Dramas überhaupt waren nur die Premiere von 
Victor Hugo's „Tyrann von Padua” und jene des Hebbel’schen 
Schaufpiels „Maria Magdalena” von wirklicher Bedeutung. Wenn 
der äußere Erfolg als der maßgebendite betrachtet wird, jo war 
die größte That des Jahres 1849 auf dem Felde des Schau- 
ſpiels die Moſenthal'ſche Novität „Deborah"” (am 31. Mat). 
Freilich Hatte die geniale Durchführung der Titelrolle duch Frau 
Frey den Hauptantheil an diefem Moſenthal'ſchen Triumph. Drei 
Novitäten, welche außer: „Deborah” noch in diefem Jahre bie 
Bretter bejchritten, erweckten Intereſſe durch die Perjünlichkeit 
ihrer Autoren: „Dom Sebaftian” von Dr. Wollheim, „Sylvia”, 
ein finfactiges Drama von der Schaufpielerin Friederife Herbft 
und „Monika“ von Kolar. Fräulein Herbft pflücte mit dem 
Werke ihrer Feder feine Lorbeeren; bei aller Achtung vor der 
verdienten Künjtlerin ließ man die ſtark nad) der Seite der 
Scidjalstragddien hinneigende, ſchwache und kaum halborigi- 
elle Arbeit abafllen, Eine bejondere Pflege wendete man wie 
überhaupt in der deutjchen Bühnenmwelt jo auch in Prag immer 


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mehr den Dramen der franzöfifhen Romantik und Intrigue zı. 
Man gab den „Rumpenfammler von Paris“, „Die Perle von Sa- 
voyen“, den „Glöckner von Notre-Dame“, den „Schwarzen Arzt", 
„Anna von Oeſterreich“, „Nichelieu" u. }. w. Bon den Franzoſen 
nährte ſich auch fat durchwegs das Luſtſpiel („Ludwig XIV. und 
jein Hof", „des Löwen Erwachen", „die drei Hüte”, „la pro- 
priete c’est le völ“ u. f. w.). Bauernfeld’3 „neuer Menſch“ 
fan nur als Nachipiel zu „Sroßjährig” in Betracht. Den beiten 
Erfolg von deutjchen Luftfpielen hatten Lederer's „geijtige Liebe“ 
und Putlitz's „Familienzwiſt und Friede”. Im „Veriprechen hinterm 
Herd” feierte Adele Beckmann Triumphe. Mächtig erhob fich 
in dem durch die großen Weltfragen und den Nachhall des 48er 
Jahres aufgeregten Jahre 1849 die Zeitpoffe. „Lucifer’s Töchter" 
erlebten jechzehn, „Gervinus" zwölf, Kaifers „Mönch und Sol- 
dat” fieben Aufführungen. Im Uebrigen verjorgten Kaifer und 
Elmar das Repertoire reichlich mit den Producten ihrer Mufe. 
Zwengfohn’3 „Peter im rad” machte durch eine Fülle von 
„Zeitwigen" von fid) reden. Nefteoy, Dir. Earl und Frau Bed- 
mann waren außer dem befaunten Gaftipielvirtuofen errmann 
1849 die einzigen Säfte auf der Prager Bühne Die anmuthige 
Rocalfängerin Frl. Ealliano wurde durch die Zengraf, damals 
noch eine jugendliche, vielverfprechende Soubrette mit hibjchem 
Aeußern, hübjcher Stimme und rejolutem Spiel, abgelöft. Ein 
intereflantes, wenn auch feinen Engagementszwedf verfolgendes 
Debut war das erfte Auftreten der jugendlichen Tochter des Che: 
paares Berfing auf den Prager Brettern. Frl. Unna Berjing 
hatte fich bereits auf einem Gaftjpiele in Olmütz ihre erjten 
Zorbeern verdient. Am 18. Dec. 1848 zeigte fie als „Königin von 
jechzehn Jahren" und etlihe Tage fpäter als „Käthchen von 
Heilbronn” auch in Prag, daß fie die würdige Erbin der Talente 
“ihrer Mutter fei. Die edlen Gefichtszüge, die ſchöne Geftalt, das 
wohlfingende Organ des Mädchens nahmen fofort für dasfelbe ein. 

Rühriger als auf dem Gebiete des recitirten Dramas ging 
e8 1849 auf jenem der Oper zu. Man zählte jechs große 
Novitäten. Den Reigen eröffnete Verdi's „Nabuccodonoſor“ 








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(5. März), ohne e8 zu emem nachhaltigen Erfolge zu bringen. 
Die zweite Novität des Jahres „Aurelia, Fürftin von Ravenna” 
war ein Opus des Finanzfecretärs Joſ. Auguft Heller, dag raſch 
verdrängt wurde durch die fiegreidhe „Martha”" Flotow's, die am 
24. März ihren Einzug in Prag hielt. Frl. Großer war die 
erfte Harriet, die Fehringer die erfte Nancy, Verſing, Reichel, 
Brava die Prager Schöpfer der Plumdett, Lionel und Triftan 
Mickleford. — Nicht dieſelbe Langlebigkeit wie Flotow's unver— 
wüſtliche „Martha“ hatten fir Prag die nächſten Opernnovitäten : 
Donizetti's „Dom Pasquale“, „Das Abenteuer im Walde”, von 
Joſeph Fischer und Auber's Operntuftipiel „Haydee”. Nur Verdi’s 
„Hernani“, den die Fehringer am 15. Dec. zu ihrem Benefiz in 
Prag einfiihrte, behauptete fi) am Nepertoire, obwohl feine 
Premiere durchaus feinen nachhaltigen Erfolg verhieß. 

Bon tief einfchneidender Wirkung waren die Perfonalfragen, die 
fi) anno 1849 auf dem Felde der Oper meift zum Nachtheile derjelben 
entwidelten und gewaltjam gelöft wurden. Zwei der hervorragendſten 
Süngerinen wurden auf diefe Art dem Inſtitute entriffen und jene 
Serie von Kämpfen heraufbejchworen, die Hoffmann jelbjt zum Ver- 
derben wurden. Der erfte herbe Verluft traf die Bühne mit dem 
Berlufte der verdienten Katharina Podhorsky. Sie, welche ihre 
ganze ruhmvolle Laufbahn an der vaterländifchen Bühne zurückgelegt, 
derjelben ihre beiten Kräfte gewidmet und treu zu ihr gehalten 
hatte, als ihr die glänzendften Ausfichten winkten, eine Künftlerin, 
deren Bedentung felbft der glänzende Stern einer Lutzer nicht ver: 
dunfelt hatte, verſchwand fpurlos von dem Schauplage einer 28jäh- 
rigen Thätigfeit. Erſchöpft durch die Anftrengungen ihres Berufes, 
aber and) tief verlegt durch die vielfältigen Zuritcjegungen die fie 
in den legten Jahren erfahren, hatte fie ihre Penfionirung angejucht 
und vom 1. Febr. 1849 an erhalten. Merkwürdige Umſtände 
verhinderten die Künftlerin, ſich in einer Abfchiedsporjtellung von 
den getreuen Publicum Prags zu empfehlen. In einem Zeitungs: 
inferat verabjchiedete ſich Katharina Podhorsky von den zahlreichen 
Kunftfreunden, die fich jo oft an ihrem Gejange erfreut hatten. 
Die danfbare und ehrende Erinnerung der Prager ift ihr geblichen ; 


— 400 — 


die einftige Primadonna wirkt feither al8 Geſangslehrerin in Prag 
noch immer im Intereſſe der Kunst, der fie im Laufe der Jahre 
manche begabte Jüngerin zugeführt hat. 

Einige Wochen nad) dem Austritt der Podhorsky verabſchie⸗ 
dete fich nach kurzer Wirkſamkeit Frau Eruſt-Kaiſer in einem 
Concerte, in weldhem ihr als Violinconcertiit berühmter Bruder 
(Ernſt) mitwirkte, von Prag, im Coloraturfad) abermals eine 
Haffende Lücke zurüdlaffend, die durch die Debuts des Frl. Tonner 
und des Frl. Queriau, einer einft brillanten, aber ſchon damals 
verfloffenen Primadonna, nicht ausgefüllt wurde. Zum Unglüd ging 
auh Cäcilie Soufup, der Liebling der Prager, gänzlich von 
der Bühne ab, mit welcher die deutſche Oper eine charmante 
jugendliche Sängerin, die Cechifche aber eine ihrer Hauptftügen 
verlor. In letzterer Eigenschaft wurde die Soukup (nachmals Frau 
Botfchon) von Luife Berganer abgelöft, die fich troß ihres aus⸗ 
gejprochenen Mezzoſopraus in allen Sphären mit Glück verwenden 
ließ und auch in BVerlegenheitsmomenten der deutjchen Oper als 
willfommene Hilfe bei der Hand war. Jugendliche Sängerin der 
deutfchen Oper wurde Frl. Rotter, ein junges, hoffnungsvolles 
Talent. Die brennendfte aller PBerfonalfragen des Jahres 1849 
aber war die Großer-Frage, der „Großer-Krieg“, wie man 
es nennen kann. Dreizehn Jahre war Henriette Großer der Liebling 
des Prager Publicums; ja erjt in Prag war die vom Berliner 
Intendanten Brühl zu Anfang der Dreißiger Jahre entdedte 
Sängerin (geboren 1818 zu Berlin) fo vecht zur Bedeutung ge- 
langt. Eine fcharfe Differenz mit der Direction machte ihrer 
langjährigen Wirkſamkeit in Prag ein noch immer zu frühes Ende. 
Das Jahr 1849 fchien für die Gejundheit der Primadonna be- 
jonders unzuträglih. Ihre Audispofitionen waren häufiger als 
jonft, und Dir. Hoffmann, dem diejelben in der oben gefchilderten 
Wera der BVerlegenheiten doppelt unbequem waren, erklärte Frl. 
Großer in der entfchiebenften Weife den Krieg. Am 3. Dec. 1849 
brachte der TIheaterzettel folgende energifch klingende Anzeige: 
„Wegen fortgefegter Weigerung des Frl. Großer kann die auf 
heute angefeßte Oper „Martha nicht gegeben werden... ." 








— 401 — 


Ropfichüttelnd Iajeı die Prager die Kunde. Eine derartige Ent- 
hüllung interner Konliffen-Angelegenheiten war noc nicht da- 
gewejen. Alles war gefpannt auf die Dinge, die nod) kommen 
jollten, Am 5. Dec. meldete der Zettel: „Wegen vorgeſchützter 
Krankheit des Frl. Großer Tann „Don Yuan” nicht gegeben 
werden... ." Am 11. Dec. verantwortete fich die Großer in 
einem „Eingefendet” der „Bohemia“ unter Darlegung ihrer Ge- 
jundheitsverhältniffe und verweigerte andauernd ihre Mitwirkung. 
Ein Zeugniß der Aerzte Dr. Held, Jakſch und Ott, welches bei der 
Primadonna Anfälle von Bruftfrämpfen und Blutfpeien conftatirte, 
wurde von der Direction abgelehnt mit dem Hinweis auf die 
Theatergejege, welche nur Zeugniffe der Theaterärzte anerkennen. 
Damit war der „Öroßer-Krieg”" auf allen Linien entbrannt. Dean 
glaubte jich wieder einmal in die vormärzliden Tage zurüd- 
verfegt. Alle Welt Tag an der hohen Bolitif darnieder, die Prager 
aber lafen gierig wie Schlacdhtenbulleting die Inſeratenſpalten der 
Blätter, in denen fich Director und Primadonna befämpften. Als 
die Großer aud) in „Don Juan" ihre Mitwirfung verweigerte, 
betrat die Direction erjt den eigentlichen „Weg der Strenge" ; die 
Primadonna wurde mit einer neuen Geldbuße belegt, und als fie 
auch dann noch bei ihrer Weigerung beharrte, decretirte Hoffmann 
„wegen der Zheaterunternehmung nachtheiliger Widerjpenftigkeit 
und ordnungswidriger Handlungen” ihre gänzliche Entlaffung nebft 
Berluft aller Benfionsanfprüche. Die Intendanz hatte ähnlich 
entichieden und die Primadonna überdies noch des Contractbuches 
ſchuldig erkannt; ein Contractbuch, d. 5. eine einfeitige Löſung 
des Contracts aber bedingte die Verwirkung der Penfionsberechti- 
gung. Es begreift fich, daß eine fo fcharfe Auslegung und Hand- 
habung des Tcheatergefeges eine Reihe von Polemiken gegen die 
Direction und gegen das Penfionsinftitut zur Folge hatten. Die 
drei Aerzte, welche der Sängerin das von der Direction abgelehnte 
Krankheitszeugniß ausgeftellt hatten, veröffentlichten Erklärungen, 
worin fie ihre Angaben aufrecht erhielten. Dr. Dtt conftatirte 
überdies, daß Henriette Großer ſchon 1842 an Tuberculoſis ge: 
litten habe und nur duch forgfältige Schonung bis 1849 ihre 
26 


— 4102 — 


Geſundheit ungeftört bewahrt habe. Der Director feinerjeits erlich 
eine längere Erflärung, welche mit dem bemerfenswerthen Paſſus 
begann: „Als fi im Jahre 1848 manche Feſſel Töfte, ſchloß ich 
mit den Mitgliedern neue Engagementsverträge, in welchen fie 
fi zur unbedingten Unterwerfung unter die Theatergeſetze ver- 
pflichteten ... ." Nun machte man den Director auf jenes noch 
nicht gefallene Decret aufmerkjam, durch welches 1848 die Mit: 
glieder um ein Drittel der Gage reducirt worden waren; man 
bezeichnete das Auftreten der Direction als ein des Inſtitutes 
unwürdiges und forderte dringend eine Reviſion der Statuten des 
Penfionsinftituts. Aber die abjolute Direction hatte gefprochen ; 
alle Pfeile prallten an Hoffmann's Hartnädigkeit ab. Die Brima- 
donna hatte mit der „Martha" den letzten Triumph gefeiert, fie 
war dem Theater verloren. Am 16. April 1850 nahm Henriette 
Großer durd die Zeitungen Abjchied von dem Bublicum, dem fie 
nicht mehr von den Brettern herab Valet fagen konnte. 

Wenn wir von den harten Verluſten fprechen, welche die 
Prager Bühne 1849 erlitten, dürfen wir auch nicht einen herben 
Berluft unerwähnt laſſen, von dem in demfelben Jahre die Kunſt— 
welt ebenſo wie die literarifche Welt Prags betroffen wurde. 
Bernhard Gutt, der geiftvolle, kenntnißreiche und bochgeachtete 
Kritifer der „Bohemia“, ein bedeutender Mann im volljten Sinne 
des Wortes, verihied am 25. März, Am 19. Jäner beganı 
Franz Ulm feine kritiſche Thätigkeit auf dem Gebiete des Muſik⸗ 
wejens, die er länger als drei Jahrzehnte mit Eifer und Ge- 
wiſſenhaftigkeit ausüben ſollte. 


— 304 — 





— 403 — 


XVI. 
Hoffmann's lehte Directionsjahre (1850—52). 


(Die Oper: Frau Küchenmeiſter-Rudersdorf, Eugenie Fiſcher, Fräulein 
Schwarzbach; der „Prophet“. — Das Schauſpiel: Friedrich Haaſe, Louis 
Mende, Frau Braunecker-Schäfer. — Gäſte. — Das Repertoire. — Der 
Etat. — Erhöhung der Eintrittspreiſe. — Hoffmann's Anträge auf Modi— 
fication des Pachtvertrags. — Intendant Graf Noſtitz tritt für Hoffmann 
ein und beantragte bie Contractserneuerung. — Andere Entſchlüſſe des 
Landesausſchuſſes. — Auflaſſung ber Jahresſubvention. — Der „Unter- 
nehmer“ wird „Director“. — Concurs⸗Ausſchreibung. — Die Direction 
wird J. A. Stöger verliehen.) 


Selten ſtanden Publicum und Kritik einer Theaterdirection 
ſo entſchieden feindlich gegenüber wie in den letzten Jahren der 
Hoffmann'ſchen Aera nach der Großer-Affaire. Alle Bemühungen, 
Gutes, ja Bedeutendes zu bieten, waren vergebens — die Oppo- 
fition ftand ihm feftgegliedert gegenüber. Hoffmann fuchte zunächft 
nach einem entfprechenden Erfah für die verlorene Großer, und 
eine Reihe von Debutantinen verunglüdte unter dem mächtigen 
Einfluſſe der Oppofition. Frl. Byri, eine tüchtige jugendliche 
Sängerin half proviforifch im Coloraturfache aus, ohne die Ver- 
Iorene vergejjen zu machen. Dies gelang endlich der Sängerin 
Kühenmeifter-Rudersdorf; fie errang am 26. Jäner 1850 
als Prinzeſſin Iſabella in „Robert der Teufel” einen Erfolg, 
der fich bei den weiteren Gaftvorftellungen nur noch glänzender 
geftaltete,; e8 waren Erfolge, wie fie jeit dem Wbgange der Lußer 
von der Prager Bühne nicht dagewejen waren. Die Prima- 
donna, früher die Bierde der Breslauer Oper, imponirte durch 
einen mächtigen, in allen Negiftern gleichmäßigen, fchönen Sopran, 
eine ausgezeichnete Schule und eine glänzende Technik. Sie war 
eine Coloraturfängerin erjten Ranges und eine vorzügliche drama- 
tiiche Sängerin, Eigenschaften, die ihr Engagement für Prag nur 
als glüdliches Ereigniß erjcheinen laſſen Tonnten. Und in der 


That gelang es der Breslauer Primadonna, im Verlaufe einer 
26* 


Winter-Stagione, durch ihre jenfationellen Leitungen im Gebiete 
der italienischen und franzöfischen, theilweife auch großen tragischen 
Dper, die nad) dem Großer-Kriege latente Opern-Krifis zu über: 
winden. Die Opern-Mifjere hätte als befeitigt gegolten, wenn die 
Wirkſamkeit der Primadonna in Prag nicht eine blos voriiber- 
gehende gewejen wäre. Die Sängerin jedoch ftellte fiir jene und 
jelbft für unfere Zeiten gewaltige Forderungen: für filnf Monate 
bezog fie 4300 fl. C. M., und eine entiprechende Gage verlangte 
fie im Falle eines dauernden Engagements. Trotzdem war der 
Intendant nahe daran, den Contract zu realifiren, und nur die 
Weigerung der anfpruchsvollen Sängerin, ſich den beftehenden 
Theatergefegen zu filgen, verhinderte die Ausfertigung. Die Laft 
der Oper ruhte nun auf den Schultern der Fehringer, welche 
nur von Fräulein Stord einigermaßen unterftügt wurde. Aber aud) 
die Fehringer ftand nicht mehr in der Blüthe ihres Könnens; eine 
längere Krankheit hatte ihr Organ geihwächt, und ine Mai 1850 
mußte Frau Stradiot-Mende, deren Gatte überdies eine will- 
fommene Acquifition für das Schauspiel war, als Succurs ein- 
treten. Glücklicherweiſe gewann die Direction nach dem gänz- 
lichen Abſchiede der Fehringer einen vollgiltigen Erfah in der 
Mezzofopraniftin Eugenie Fifcher, deren Debitrollen (Fides, 
Romeo u. ſ. w.) im Sept. 1851 glänzende Erfolge erzielten. Im 
Coloraturfahe war Frl. Byri durch Frl. Jacobſohn abgelöft 
worden, die vom Publicum ſympathiſch aufgenommen, bald von 
demfelben Publicum entſchieden fallen gelaffen wurde. Erft in 
Frl. Schwarzbad erhich die Prager Bühne (Sept. 1851) 
wieder eine wilrdige Coloraturfängerin. Die Dame hatte jchon 
im Juni 1848 in's Engagement treten follen, aber die blutigen 
Juni-⸗Ereigniſſe und die Theaterfperre waren Schredmittel genug, 
um fie zuriidzuhalten und dem Dresdner Hoftheater zuzuführen. 
So wollte es ein eigenthümliches Zujfammentreffen von Umjtänden, 
vereint mit der höchſten Anſpaunung aller Kräfte Hoffmann's, 
daß gerade in dem legten Fahre feines Regimes die Brager Oper 
jich wieder in einem foliden, vielverfprechenden Zuftande befand. 
Das Berjonal war bis auf einen mangelnden Erſatz für den Spiel: 


a UT en 55 — — 


— 405 — 


tenor. Knopp complet, nachdem auch der Heldentenor von einem 
furzen Ausfluge nach einer anderen Bühne wieder an die Moldau 
zurüdgefehrt war: 

Ehen in die legten Jahre der Hoffmann’schen Direction fiel 
auch die epochale Meyerbeer'ſche Novität „Der Prophet“, auf 
den die Prager ziemlich lange warten mußten, der aber dann mit 
doppeltem Glanze eintraf. Die erhöhten Eintrittspreife verhüteten 
einen lebensgefährlihen Zudrang; ja auch der Erfolg der erſten 
Aufführung (6. Dec. 1850) war in Prag fein fenfationeller. Den 
Propheten jang Reichel vortrefflich, eine ausgezeichnete Fides 
war Fr. Fehringer, die Bertha war Frl. Jacobſohn, Oberthal- 
Berfing, Jonas-Emminger, Mathiffen-Strafaty, Zacharias-Kunz. 
Befondere Beachtung fanden die Chorfnaben, von Frl. Rotter 
geführt; einer der Knaben war — Ludwig Slanskhy, der fpätere 
erite Sapellmeijter der Prager Oper, der (1838 zu Haida ge- 
boren) im SYahre 1849 nah) Prag als Chorknabe an die Dom- 
firche gefommen war und dort unter dem Domcapellmeifter Koh. 
Sfraup die unter feines Vaters Leitung begonnenen Gejangs- 
jtudien fortfegte. Die Austattung war das Prächtigfte, was 
vielleicht noch je anf der Prager Bühne zu fehen gewejen war. 
Der pompöje Krönungszug, der gelungene Schlittjchuhtang und die 
eleftrifche Sonne rief Enthufiasmus hervor. Director Hoffmann 
und der Mechaniter Franz Bozek, nad) weldyem defjen erfindungs- 
reicher Bruder Romuald den Sonnenaufgang leitete, wurden 

hervorgejubelt. 
" Neben der epochalen Meyerbeer'ſchen Novität verſchwanden 
die übrigen operiftischen Thaten der Hoffmann’schen Direction. 
Man hörte 1851 vorübergehend Donizetti's „Maria von Rohan“ 
(mit Under), ebenſo vorübergehend die dreiactige Oper „Maritana“ 
von W. B. Wallace und — als einzig bemerfenswerthe Ausbeute 
des Jahres — die Fr. Skraup'ſche Oper „der Meergenfe" (Tert 
bon Hidel), die einen bedeutenden Fortichritt des Componiften 
befundete und demfelben wiederholte Herborrufe einteug. Zu Anfang 
des J. 1852 gab man nod) Hellmesberger's Operette „Die beiden 
Königinen” und J. F. Kittl's lyriſch-komiſche Oper „Waldblume", 


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legtere mit durchgreifendem Erfolge, der gleihwohl fein ſo nach⸗ 
haltiger war wie jener der „Franzojen vor Nizza". — Die Tuczek, 
Mara, Röder-Romani (Nichter von Ilſenan), eine im Prager 
Confervatorium gebildete Sängerin, dann Tichatſchek (u. A. mit 
feinem Cortez), Under mit einer langen Reihe glänzender Rollen, 
Piſchek, Draxler u. ſ. w. waren die hervorragenden Gäſte, die 
Hoffmann noch in der legten Zeit den Pragern vorführte. Dem 
Orcheiter wurde nach einem Concerte der Celliſt Goltermann 
als glänzende Acquiſition zugeführt. Da man das Ballet ge- 
meiniglich dem Opernftatus aggregirt, jei hier auch eines jenja- 
tionellen Gaftfpiels der berühmten Fußkünſtlerin Lucilie Grahn 
gedacht, das u. U. das prunfvoll ausgeftattete Ballet „Es⸗ 
meralda” brachte. Das heimische Ballet wurde durch das Enga- 
gement des Ehepaars Kilanyi einer „neuen Wera" zugeführt. 
Hr. Kilanyi war ein Balletmeifter, dem man nırr eine bejondere 
Borliebe file halsbrecheriiche Zanzproductionen zum Vorwurfe 
machte, Frau Kilanyi eine liebenswürbige und gracidfe Prima- 
ballerina. | 

Aehnlich wie auf dem Gebiete der Oper entwidelten fich in 
der legten Zeit der Hoffmann’schen Direction die Verhältniſſe 
im Schaufpiel. Man machte Acquifitionen, deren Werth in 
früheren Jahren der Direction von großem Nuben hätte fein 
fünnen. Der Hauptgewwinn des Jahres 1850 war Friedrid 
Haafe, der am 13. Februar als, Carlos im „Clavigo" zum 
erften Male auf den Prager Brettern erfchien und ſich bald jene 
Hochachtung erwarb, die dem wahren Künftler jelten verweigert 
wird. Seine weiteren Gaftrollen (Amadeus von Brunnftädt im 
der Birch-Pfeifferfchen „Familie", Mephifto, Harleigh in „Sie 
ift wahnjinnig” u. |. w.) erhöhten die gute Meinung, die man 
dem damals noch jungen Künſtler entgegenbrachte. Man begrüßte 
in ihm ein „hervorragendes, glänzendes Talent, welches feine Be- 
gabung nach allen Seiten bin durch forgfältiges Studium aus- 
gebeutet hat und mit hoher Tünftleriicher Befähigung auch einen 
Haren, geiftreich gebildeten, Fünftlerifchen Verſtand verbindet”. Die 
Prager Bühne hatte nun an dem jungen Künftler, der fich, von 


— — — . ⏑9⏑— — 5————5——— 5———— ——— 5— —5—— —7 5— — — — 7 —5—. 75 —55 — — —775————*— ee 





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Berlin kommend, mit 75 fl. EM. Monatsgage engagiren Tieß, 
und an dem waderen Grauert, der mit feiner künſtleriſchen Perſön— 
lichkeit bereits entjchieden in dem Stadium männlicher Reife an- 
gefommen war, zwei Charafteripieler, die, ohne fich gegenfeitig 
im Wege zu ftehen, bei einer jcharfen Unterjcheidung der Grenzen 
ihrer Kunſtſphären erfolgreich neben einander wirken konnten. 
Haafe mit feinem Scarffinn und feiner „geichmeidigen Alfimi- 
lirungskraft“ war prädeftinirt für die beftimmter individualifirenden 
Charakterrollen, während Grauert die mehr allgemeinen Typen 
und Sattungscharaktere ernfter und humoriſtiſcher Art trefflich zu 
teproduciren wußte. Frig Haaſe brachte es ſchon in jenem An: 
fangsftadium feiner Rünftlercarriere in Prag zu hoher Bedeutung 
und allgemeiner Beliebtheit. Allgemein war aud) das Bedauern, 
daß ihn die fommende Divection Stöger wegen einer Mehrforde- 
rung (ev beanfpruchte 1200 fl.) ziehen ließ. Noch kurz vor feinem 
Abgange feierte er in der Alfred Meißner’ichen Tragddie „Roua- 
leyn Armſtrong“, die er zu feinem Abfchievsbenefice als Novität 
auf die Bretter brachte, als Glendower einen Triumph. Die 
Darftellung dieſes dämoniſchen, weltverachtenden, Egoismus mit 
unheimlicher Wildheit und ironiſchem Humor paarenden Charakters 
war eine der glänzendten Leiftungen Haafe’s. Der damals 25jährige 
Künstler ſpielte aber nicht allein auf der Bühne, fordern aud im 
bürgerlichen Leben eine große Rolle. Seine vornehme Perfönlich- 
feit, die ihn auf der Bühne vorzüglich zur Verkörperung eleganter 
Typen befähigte, fo wie feine Originalität im Auftreten und in 
der Zoilette machten Anfjehen und fchufen viele Haafe-Nachbeter. 
Wie „er ſich räufpert und ſpuckt“, wurde ihm getreulih ab» 
gegudt.*) Louis Mende, der 1850 mit feiner Frau nach Prag 


*) Friedrich Haaſe ift 1824 in Berlin geb., wo fein Vater Kammer: 
diener des nachmaligen Königs Friehrih Wilhelm des IV. war, wurde 
auf Hohen Befehl von Ludwig Tied und hervorragenden Lehrern der Schau- 
ipielfunft gebildet, betrat in Weimar zuerst die Bühne, ohne jedoch neben 
Döring und Deffoiv Ingagemeut zu nehmen. Sein Aufſchwung und der 
eigentliche Anfangspunft feiner glänzenden Carriere fällt in fein Prager 
Engagement (1850—52): Haafe Tennt ſich felbft und feine Mittel; er muthet 


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fam, zeichnete fich namentlich durch eine gewiſſe rejolute Spiel- 
weile, burſchikoſes Weſen aus und war im Verein mit Grans, 
der 1850 nad einem kurzen Ausfluge and Dresdner Hoftheater 
wieder nach Prag zurückgekehrt war, eine Stüße des Converjations- 
ſtückes. Mende machte fich übrigens mit der Zeit in Prag un- 
möglich. In einer leider bei einer gewiflen Sorte von „Künftlern" 
beliebten Manier hatte er einen feiner Beurtheiler in der gröb- 
Tichften und ungebührlichiten Weiſe beleidigt, eine ebenjo gröbliche 
Polemik eröffnet, wurde in Folge deſſen disciplinarijch bejtraft 
und im März 1852 entlaffen. — Grans eignete ſich namentlich 
für träumerifche Jünglingscharaftere, für Helden-Nollen wäre noch 
eine Kraft erwünſcht geweſen, ebenjo wie im Damenperfonal eine 
erſte Heldin und tragiiche Liebhaberin fehlte und durch Eingreifen 
der Rechner und Frey jubftituirt werden mußte. Diefe beiden 
Damen hatten ſich auf dem Grenzgebiete ihrer Fächer (Naive und 
Anftandsdame) wechjelweife proviforisch abzulöfen und fo gewiſſer⸗ 
maßen das Heroinenfah gemeinfam auszufiillen. Eine Rem—⸗ 
placantin für das Fach ſchien allerdings Mitte 1851 in Fräulein 
Wilhelmi gefunden, einer bedeutenden Künftlerin, welche mit 
Erfolg debutirte, aber ihren Vertrag wieder löſte, als ihre Mehr- 


fih nicht mehr zu, ald er vermag, aber eben in diefer künſtleriſchen Selbft- 
erfenntniß, in der richtigen Berwerthung feiner Eigenart, der ihm eigen- 
thümlichen Mittel Tiegt feine Stärfe. 1855—58 war Haafe in Frankfurt a. M., 
dann in Peteröburg eng., durch Baftipiele aber fhon in ganz Deutichland 
als ſchauſpieleriſcher Virtuofe in der „Aquarell- und Baftellmalerei” bekannt. 
In Petersburg vermälte er fich, nachdem feine Ehe mit der Sängerin 
Anſchütz⸗Kapitän gelöft war, mit der Schaujpielerin Lina Schönhoff. Nach 
Petersburg war er Director des coburgifchen Hoftheaters, machte (1869) 
eine an Triumphen veiche Gaftipielreife in Amerika, gehörte einen Winter 
hindurdy der Berliner Hofbühne an und leitete nach Laube feh3 Jahre 
mit trefflichen Erfolge das Leipziger Stadttheater; noch heute ſteht Haafe 
im Bollbefige feiner ganzen Künftlerkraft, welcher der deutfchen Schanſpiel⸗ 
funft manche Schöpfungen erften Ranges dankt — man denfe an feinen 
Königslieutenaut, Darleigh, Bolingbrofe, Cromwell, Philipp IL, Shylod. 
Dem Shakeſpeare-Cultus ift Haafe mit Leib und Seele ergeben, in 
Leipzig hat von diefem Cultus mancher glanzvolle Theaterabend Zeugniß 
gegeben. 





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forderungen nicht erfüllt wurden, Friederike Herbſt, die nun in 
der traurigen Lage war, als alternde Größe immer mehr bei 
Seite zu treten, die Binder und Allram waren noch immer ver: 
läßliche und allezeit gern gejehene Mitglieder des Theaters, 

Das Ereigniß des Jahres 1851 auf dem Gebiete der Poſſe 
und überhaupt die größte That Hoffmann's in dieſem Bereiche 
war der Gewim der Brauneder-Schäfer, bisher Local- 
jängerin am Theater a. d. Wien, die am 3. Juni im „Ber: 
Sprechen hinterm Herd" und in der „Familie Fliedermüller“ zum 
eriten Male auftrat und mit ihrer ſtark proſaiſchen Derbheit, 
ihrem beinahe trivialen aber immer fräftigen und frischen Spiele 
einschlug. Frau Brauneder-Schäfer, welche in den fünfziger Jahren 
als die ausgefprodhen beſte Localfängerin Oeſterreichs galt, hat 
von diefem reſoluten Wefen auch heute noch wenig eingebüßt, wo 
fie am Xheater an der Wien „ältere" Operetten-Damen mit 
jugendlihem Temperament fpielt. 

Diefelbe Rührigkeit, die Hoffmann in der legten Zeit feiner 
Direction, ehe über feinen Nachfolger und feine Zukunft ent- 
ſchieden war, entfaltete, evjtreckte fich auch auf die Vorführung 
von notablen Schaufpielgäjten. Man jah Karl Devrient (1850), , 
Scholz, Grois und Treumann; Fanny Janauſchek feierte auf 
denfelben Brettern, wo fie als Balletratte und jugendliche Debu- 
tantin ihre Sporen verdient hatte, als Adrienne Lecouvreur, 
Iſaura in der „Schule des Lebens", „Julie“ und „Stuart" 
die Triumphe gereifter Künftlerichaft, man ſah ferner Friedrich 
Devrient, den Sohn und Erben der Talente Karl Devrient’s 
und Davifon. Noch in die legten Tage der Hoffmann’schen 
Direction fiel ein Gaftfpiel Döring’, dem das allgemeine In— 
tereije der Prager zugewandt war. Namentlih war e8 Düring’s 
„Mephifto", der Anlaß zu lebhaften Controverfen gab. Haaſe's 
„Mephifto”, ein ernſter, echter Teufel ftand dem humorvollen 
Sataniden Döring's gegenilber, und der Streit, welchem Höllen- 
john der Vorrang gebühre, entbrannte in heilen Ylanımen. Dö— 
ring führte feinen „Juden, „Franz Moor", Kopebue’s „armen 
Poeten“, Shylod, Richard III., feinen Richter Adam im „zerbro- 


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chenen Krug” und andere feiner berühmten Geftalten vor. <ym 
Auguft 1851 fahen die Prager die Rachel, die mit einer franzd- 
ſiſchen Gefellfchaft unter Leitung ihres Bruders Mr. Rafael Felix 
(ſpäter Divector des Theater PBorte St. Martin) gaftirte. 

Nur ſummariſch ſei die Bereicherung regiftrirt, die das 
Schaufpielrepertoire den legten Fahren des Hoffmann’ichen Ne- 
gimes verdanfte; einiges Edelmetall Klang aus der Fülle Tleiner 
Münze hervor. 1850 waren Bauernfelv’s „Franz von Sicdingen” 
und Moſenthal's „deutfches Dichterleben” und einige unbedeutende 
Schaufpiele, von Luſtſpielen namentlich „Rofenmüller und Finke”, 
neu, 1851 ragten unter den Schaufpiel-Novitäten „Adrienne Le- 
couvreur“ und die Laube'ſche Bearbeitung von „Heinrich IV." 
bervor, unter den Luftjpielen „der Damenkrieg”, „das Gefängniß“, 
„Liebesbrief“, „der geheime Agent" von Hadländer, „die Märchen 
der Königin von Navarra”; 1852 erblidte noch unter Hoffmann's 
Zeitung Shakeſpeare's „Komödie der Irrungen“ in der Holtei’ 
chen Bearbeitung (mit Haafe und Grauert in den Partien der 
beiden Dromio's) das Licht der Lampen. — Die Premiere von 
Alfred Meipner’s „Noualeyn Armjtrong” (21. Febr. 1852) haben 
wir bereits vegiftrirt. Sie fand bei in allen Räumen gefüllten 
Haufe ftatt und trug dem Dichter, der in dem bürgerlichen Zrauer- 
jpiele ein Bild aus der Gegenwart, den Zuſammenſtoß herrich- 
füchtiger Intelligenz mit der herrſchenden Geldmacht zeichnete, eilf 
Hervorrufe und einen glänzenden Erfolg ein. Viel zu viel operirte 
die Direction mit außergemöhnlichen Productionen: Concerten, 
Tänzen, Vorlefungen (auch Saphir in persona ftellte ſich ein), 
mit „Specialitäten”, wie es der Zwerg Tom Pouce oder Risley's 
bewegliches Mijfiffippipanorama war. Der Theaterbefuch war bei 
dem in der Neactionsaera zunehmenden Intereſſe an harmlojeren 
Vergnügungen äußerſt zahlreich; zu dem Winter-Abonnenent 1851 
fand ein mafjenhafter Andrang ftatt, jelbft die Erhöhung der Theater: 
preije (1851) thaten dem Beſuche feinen Eintrag. Dean muß es 
Hoffmann nahrühmen, daß er vor Allem die triviale Wiener 
Poſſe in ihre Grenzen zurücdwies und dem feinen oder claffiichen 
Zuftipiele durch fein in der letzten Zeit gediegenes Enjemble den 


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Boden zu ebnen wußte. Bezeichnend war c8, daß 3. B. Minna 
von Barnhelm in einem Monate zweimal vorkam und jedes Mal 
„Caſſa machte". Hätte Hoffmann Manches von dem, was er 
zulegt that, früher gethan, hätte er feine Herrichaft weniger ſchroff 
bervorgefehrt und dem Publicum gewiffe Rückſichten nicht verjagt, 
feine Direction hätte doppelt jo lange gedauert. 

Als 1851 der Zeitpunkt heramnahte, da über die Tünftige 
Direction entjchieden werden follte, trat Hoffmann mit einem 
Anfuchen um Verlängerung feines (mit Oftern 1852 ablaufenden) 
Contractes um drei Jahre hervor, brachte aber gleichzeitig eine 
lange Reihe von Modificationen des bisherigen Vertrages in 
Vorſchlag. Die Motivirung ging natürlich dahin, daß er im der 
bisherigen Weife unmöglich forterijtiven könne. Er beflagte ſich über 
den unverhältnigmäßig hohen Gagenetat, der jährlich 99.796 fl. 44 kr. 
betrug — um 24.583 fl. mehr als unter Stöger! Aus dem zur 
Bekräftigung vorgewiejenen Verzeichniffe ſämmtlicher Gagenbezüge 
fünnen wir uns ein kleines Bild von den Künſtleranſprüchen vor 
35 Jahren machen. Die höchſten Meonatsgagen bezogen der Di- 
rector (400 fl.) und die Primadonna Fehringer (250 fl). Die 
Soloraturfängerin Frl. Jacobſohn hatte 150, der Heldentenor 
Reichel und der Spieltenor Knopp je 166 fl. 40 kr., die Vary— 
toniften Kunz und Berfing je 125 fl., der Oberregiſſeur Forſt 
150 fi., der Komiker Dolt und Regiſſeur Ernſt (melch’ letzterer 
bereits 1851 durch andauernde Kränklichleit jenem Berufe ent- 
zogen war) je 133 fl. 20 kr., der Charafterjpieler Grauert 116 fl. 
40 kr., Tücher 100 fl., die Liebhaber Dieb 116 fl. 40 fr. und 
Grans 108 fl. 20 fr., die Altiftin Zr. v. Stradiot-Mende 125 fl., 
die jugendliche Sängerin Frl. Rotter 83 fl. 20 kr., die Local: 
jüngerin Zengraf 70 fl, der Tenor Emminger und Bafliit Brava 
je 100 fl. u. ſ. w. — alfo durchgängig Sagen, die heute noch 
erträglich genannt werden müßten. Dem damaligen ‘Director 
erjchienen fie unverhältnißmäßig hoch. Er bezifferte die Koften 
jeines Schaufpiels anf 30.244 fl., die der Oper auf 22.800 fl. 
jährlich, während fein Vorgänger Stöger nur 23.152 fl. reſp. 
20.840 fl. hätte anfwenden müfjen. Dichter und Componiften würden 


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immer theuerer, die Opern ohne glänzende Ausſtattung undenkbar. 
Die neue Ausftattung für die Opern „Teenjee”, „Dom Sebaftian", 
„Musquetiere der Königin” und „Prophet“ hätte ihm mehr als 
30.000 fl. C. M., die Ballete „Esmeralda”, „Schußgeift", „Sijela” 
ebenfalls beträchtlihe Summen gekoſtet. Ein Stoßjenfzer galt auch 
dem von der Militärbehörde erlaffenen Verbote, Soldaten als Star 
tiften am Theater mitwirken zu laſſen. Um ftch für die dadurch ent: 
jtehende Mehrauslage ſchadlos zu halten, beantragte Hoffmann die 
Erhöhung des Garnifonsbillet-Breijes von 12 auf 20 fr. Ueber: 
haupt legte er dem jtändischen Ausſchuſſe einen ganzen Entwurf 
zur Erhöhung der Theaterpreife vor, der auch acceptirt wurde. 
Bon nun an ftellte ji das Jahresabonnement für eine Loge 
1. Ranges auf 750 fl., Loge 2. Ranges 600 fl., 3. Ranges 390 fl., 
Sperrjig 90 fl., Entree 60 fl. (früher 720, reſp. 570, 360, 80, 
50 fl.); der Eintrittspreis wurde bei LZogen 1. R. von 4 auf 
5 fl, 2. Ranges von 3 fl. 12 fr. auf 4 fl, 3. Ranges von 
2 fl. 24 fr. auf 3 fl., Sperrfigen von 40 auf 50 fr., Entrde von 
30 auf 36, Sperrfigen 3. Ranges von 30 auf 36, Entree 3. Ranges 
bon 20 auf 24, der legte Pla von 10 auf 12 Fr. C. M. erhöht. 

Einen befonderen Rüdblid warf Hoffmann in feinem dem 
Ausſchuſſe vorgelegten Gefuche auf die Kämpfe und Schwierig: 
feiten, die er in Prag zu überwinden gehabt; auf die gegen ihn 
erbitterte Stimmung der Tagespreſſe, die Ereigniffe von 1848 u. |. w. 
Er habe fein Vermögen für das Theater geopfert, dem Mangel 
an ausgezeichneten Künſtlern erfolgreich begegnet und beflage nur 
das Eine, daß jelbft ein Theil des Landesausfchuffes feine Lei- 
jtungen als nicht befriedigend erfläre. Ex bat, zur Prüfung feiner 
Geſchäftsbücher eine ftändige Commiſſion einzufegen, die fich über- 
zeugen jollte, daß er bei der Ungunft der Zeiten nicht nur nichts 
zu erwerben vermochte, fondern einen großen Theil feines eigenen 
Vermögens Hingegeben habe, um jeder Störung des Betriebes 
auszuweichen.“) In dem neuen Contracte, deilen Annahme er 


*) Demgegenüber verfihert man und, Hoffmann habe 60.000 fl. Baar⸗ 
verntögen bejeffen, ald er Prag verließ. 


PEN __ ——  _______ > DL Da —— nun ihn Vi — - DE ne 2 2 Be ei ie 
. 


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erbat und der ihm das Theater auf weitere drei Jahre hätte über- 
liefern follen, verlangte Hoffmann vor Allem, daß ihm gleichzeitig 
mit dem Betriebe und der verlängerten pachtweifen Ueberlaſſung 
des ftänd. Theaters auch die Benüßung der von ihm auf eigene 
Koften erbauten Arena mit dem Bemerfen gejtattet werde, dort 
eine gleiche Anzahl deutfcher und Cechischer Vorftellungen zu geben; 
auch follte die Zahl der Abonnementsvorftellungen im jtändijchen 
Theater entjprechend vermindert werden. Eine von Hoffmann’s 
Modificationen war auch die, daß feine Frau nach Belieben fingen 
und gaftiren dürfe, während bisher der Contract bejtimmt Hatte, 
daß die Gattin des Directors feine Nebenbefchäftigung haben follte. 

Der Landesausfhuß ſaß über den Hoffmann'ſchen Antrag 
ftreng zu Gerichte. Die Feinde Hoffmann's waren in der Majo— 
rität. Sein treueſter Freund, der Intendant Graf Albert Noſtitz, 
dagegen warf perfünlich und fchriftlich das Gewicht feiner ganzen 
Autorität als Intendant und Zandesausfchußbeifiger für den bis- 
herigen Director in die Wagſchale. Er drang darauf, daß feine 
Erklärung, in welcher er die volle Verantwortlichfeit fiir das 
Gebahren der Direction übernahm, den Acten beigelegt werde. 
Alle Vorwürfe, die dem Director galten, nahm er offen auf fich, 
um fie als durchaus widerrechtlich darzuftellen. In feiner Stellung 
als Intendant — erklärte er — habe er einen ſolchen Einfluß 
auf die Leitung des Anftitutes gehabt, daß man nicht behaupten 
könne, diefelbe ſei fchlecht gewefen, ohne ihn ſelbſt in feinen 
Wirken anzugreifen. Wenn er auch durchaus nicht zum Inten— 
danten geboren worden, daher andy nicht verpflichtet fei, gerade ein 
außerordentlicher Intendant zu fein, müſſe er fich doch wenigfteng 
infofern rechtfertigen, daß an feinem guten Willen nicht gezweifelt, 
daß er nicht als Hampelmann der Direction bezeichnet werden 
fünne. Seiner Ueberzeugung nach war der Zuftand der Bühne 
unter Hoffmann nicht fo troſtlos, wie man ihn vieljeitig darjtellte, 
und deshalb ſtimmte er als Landesausschußbeifiger entfchieden fir 
die Verlängerung des Hoffmann'ſchen Contracts. Das Schau: 
ſpiel, erklärte er, fei gut, die Poſſe ebenſo, und wenn die Oper 
eine Kriſis zu überwinden gehabt, fo jeien gegen eine folche jelbft 


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die beftdotirten Hoftheater nicht gefeit. Nie habe der Director 
während feiner PBachtzeit eine Rüge von der Intendanz oder dem 
Landesausſchuſſe erhalten; es hieße aljo den Einfluß und die Po- 
fition beider Behörden für immer unbaltbar machen, wenn man 
durch die Zurüdweifung Hoffmanns beweifen würde, daß nicht 
die Zufriedenheit der Oberleitung, fondern ganz andere Factoren 
über die Zukunft und das Schidfal des Unternehmers entjcheiden. 
Der öffentlihen Mipftimmung, die fih in zahlreichen Journal— 
Artikeln und Polemiken äußerte und die energifche Abweijung des 
Hoffmann'ſchen Geſuches forderte, ftellte Nofti den thatjächlich 
regen Theaterbeſuch entgegen, der auf ein Behagen an dem Ges 
botenen jchließen Laffe. 

Erfolg hatte das entfchievene Auftreten des Grafen Noftit 
nicht. Der Landesausfchuß hatte große Pläne: Eine neue Faſſung 
der Theatercontracte, welche bedeutende Aenderungen des bisherigen 
Verhältniſſes bezwedte, lag ausgearbeitet vor. Die feit Hoff: 
manns Directionsantritt gewährte Kahresfubvention von 
10,000 fl. wurde aufgelaffen, die Einlöfung der Arena von 
deren bisherigem Eigenthümer Hoffmann befchloffen, wogegen der 
künftige Theaterpächter die Erhaltungskoften des Baues zu tragen 
hätte. Kleinere Modificationen bezogen fich darauf, daß die dechi⸗ 
ſchen Vorftellungen wieder auf die Nachmittage der Sonn- und 
Feiertage befchränkt, die Arenavorftellungen nach dem Ermefjen 
des Intendanten abmwechjelnd deutſch und Cechitch abgehalten, im 
Landestheater aber auch im Sommer täglich gejpielt werden jollte. 
Statt „Unternehmer" — wie bisher der officielle Titel des 
Prager Theaterdirectors lautete — wurde nun „Director” ges 
jest, da nach dem. neuen Theatergeſetze vom 25. Nov. 1850 bei 
bejtehenden Privilegien der hiemit Betheilte (in Prag alſo die 
Stände) der eigentliche Unternehmer war im Gegenfage zu jeinem 
Stellvertreter, dem „Director“. Beantragt wurde auch, die Stände 
nicht mehr als „Eigenthümer“ des Theaters zu bezeichnen und 
fortan zu jegen „ehemals ftändifches Theater". Der 
Antrag des Referenten Grafen Roftit auf Erneuerung des Pacht 
vertrages mit Hoffmann wurde verworfen und auf Antrag des 


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Landesausſchußbeiſitzers Ritter v. Bergenthal beſchloſſen, eine neue 
Pachtung auszufchreiben. Bei der Berathung über die Wieder: 
.verleihung des Theaters jollte auf Beichluß des Ausſchuſſes nicht - 
mehr der Intendant ‚mit dem Neferate betraut werden, — ein 
Beichluß, der fih offenbar gegen den Grafen Noftig kehrte. 

Wenn es fih um Neubefegung der Prager Theaterdirection 
handelte, fehlte es jelten an Betenten. Auch diesmal ftelften fie 
fich zahlreich ein. Es concurrirten: Engelfen, Director des Stadt: 
theaters in Würzburg, Karl Beurer, ehemaliger Director zu Halle, 
Augsburg und Magdeburg, ein Schwiegerjohn des als General: 
director des Braunjchweiger Hoftheaters verftorbenen Dr. Klinge: 
mann, Joſeph Geiger, „Mufitmeifter St. Maj. des Kaiſers und 
feiner Brüder” in Wien, Wild. Löwe, Director des Kölner Stadt- 
theaters, deſſen vorzügliche Oper einen Auf hatte und der nebit- 
bei über 10.000 Thaler baar und ein Inventar von 20.000 Thlr. 
Werth verfügte, Friedrich Blum, Director zu Troppau, Olmüß 
und Karlsbad, Dichter von 85 Theaterſtücken. Die drei wichtigften 
Sandidaten aber: waren die Directoren Cornet, Hoffmann 
und Stöger. Julius Cornet genoß befanntlich einen ausge- 
zeichneten Auf in der deutichen Theater- und Muſikwelt. Chedem 
einer der bedeutendften Spieltenore, deſſen Gaftjpiele in Europa 
Aufjehen machten, hatte er in den PVierziger Jahren die Di- 
rection des Stadttheaters nnd eines Mufif-uftituts in Hamburg 
übernommen, an dem auch feine berühmte Gattin Mad. Paſſy— 
Cornet wirkte und das der deutichen Bühne hervorragende Talente 
(u. A. Fr. Knopp⸗Fehringer) zugeführt hat. Heinrich Taube und 
Dingeljtedt erteilten ihm gläuzende Zeugniffe. Cornet hatte denn 
auch bedeutende Chancen in Brag; aber eine Polizeinote aus Linz 
wußte die ganzen künstlerischen Verdienfte Cornets zu paralyfiren. 
Der Director hatte fich nämlich gelegentlich eines Gaftfpiels in 
Linz einige „unziemliche" Aeußerungen über das damals herr- 
chende Polizeiſyſtem erlaubt, ein Umstand, der genügte, um ihn 
„verdächtig“ zu machen. Als Cornet von diefen Bedenken hörte, 
zog er feine Candidatur zurüd, 

Der zweite Hauptcandidat, Johann Hoffmanı, der mit 


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jeinem Geſuche um Berlängerung feines Contract® um weitere 
drei Jahre bereits abgewiejen war, fam mit jeiner Kandidatur im 
Concurswege ſchon nad) Ablauf der vorgefchriebenen Friſt, wurde 
aber dennoch und obzwar er das Theater nur gegen Sub- 
vention übernehmen wollte, zugelaſſen. Außer ſeinem Wirken 
in Riga u. ſ. w. betonte er die wichtigen Engagements, die er 
noch im letzten Jahre feines Contractes getroffen (die Braunecker 
mit 2040 fl., die Sängerin Eugenie Fiſcher mit 3000 fl. Jahres— 
gage), auf das von ihm effectuirte Gaftfpiel der Rachel, feine 
bisherige Directionsführung, die ihm nie eine amtliche Rüge zu: 
gezogen, bemerkte, daß die ihm für Ablöſung der Arena zu— 
kommende Summe von 10.000 fl. C. M. allein ſchon ein Capital 
repräjentire. Wieder trat Graf Albert Noſtiz entjchieden für 
Hoffmann ein, dem auch die legte Subventiongrate mit Abzug 
der genommtenen Vorſchüſſe anjtandslog ausgezahlt wurde. Die 
Direction aber erhielt Hoffmann nicht, auch fein legtes Geſuch 
um mindeftens einjährige Verlängerung jeines Vertrages wurde 
abgelehnt, troßdem es durch die glitdlichen Neuengagements der 
legten Jahre Hinlänglich gerechtfertigt erjchien. 

Der jiegreihe Kompetent war Johann Auguft Stöger 
(Althaller), der fchon einmal die theatralifchen Geſchicke Prags 
zwölf volle Jahre mit wechjelndem Glüde geleitet hatte, Für 
ihn ſprach fein alter, durch Unglüd und Fehlgriffe nicht getrübter 
Ruf, die in Prag unvergeffene Glanzaera der Oper unter feiner 
Zeitung, die vorzügliche Kenntniß der Prager Verhältnijje und die 
zahlreichen Sympathien, deren er fich noch immer hier erfreute. 
Bei jeinem Abjchiede im Jahre 1846 waren fie demonftrativ her- 
vorgetreten, und nun, 1851, traten fie wieder öffentlich hervor. 
Der Stadtrat) von Prag begleitete befürwortend ein, von vielen 
Prager Bürgern unterzeichnetes Geſuch um Wiederverleihung der 
Direction an Stöger ein, die Bürgerreſſource richtete ein ähnliches 
Geſuch an den Landesausſchuß. Da Stöger überdies den Befig 
von 15.000 fl. auswies, das bindende Verfprechen gab, ſich aus⸗ 
schließlich dem Theater (alfo nicht der Fiegelfabrication) widmen 
und jedes von anderen Goncurrenten geftellte Unerbieten aud) 


— 417 — 


ſelbſt erfilllen zu wollen, legte auf Antrag des Meferenten Ritter 
von Bergenthal der Landesausfchuß die Prager Direction von 
Oftern 1852 bis Oftern 1858 in feine Hände. Am 3. April 1852 
empfahl fi in einem Opernpotpourri die Direction Hoffmann 
und mit ihr die Sängerinen Fiſcher, Schwarzbad) und Rotter, 
die Herren Kunz und Reichel von der Prager Bühne unter einem 
Regen von Kränzen und endlofen Hervorrufen. Hoffmann ſprach 
jeine Abjchiedsrede; am 12. April aber hielt Stöger feinen feier- 
lichen Wiedereinzug in die ihm feit mehr als dreißig Jahren 
theuren Räume des Prager ftändifchen Theaters. 


27 


— 418 — 


XVI. 
Stöger's zweite Directionsperiode (1852—58). 
Das Schauſpiel. 


(Der Eröffnungsabend. — Debutanten: Weilenbeck, Friedrich Frey, Anna 
Dietz; Friederike Bognaͤr als Theaterkind. — Intendant Wenzel Ritter 
v. Bergenthal. — Oberregiſſeur Barthels. — Warnungen der Intendanz. 
— Das Repertoire. — Intereſſante Gäſte: Ira Aldridge, Pepita und 
andere Celebritäten der Tanzkunſt; Frau Braunecker-Schäfer und Marie 
Geiſtiuger als falſche Pepita; Pedra de Camara, Lydia Thompſon; die 
Pepita als Picarde und Fenella. — Schauſpielnovitäten: Roſa und Rös 
chen, die Waiſe von Lowood, Lady Tartuffe, Magellona, der Erbförſter. — 
Die Zwerge Sean Petit und Piccolo. — Margarethe Binder fcheidet von 
der Bühne — Frau Szegöffy; Frl. Daun; Rocalfängerin Frl, Renner. 
— Neuer Wechſel in der Regie: Fiſcher als Oberregiffenr. — Der „echter 
von Ravenna“ von Halm und von Bacherl. — Bader! als Gaſt in Prag. 
— Grauert’d Tod; Knaack ald Erſatzmann. — Feiſtmantel F. — Augufte 
Rudloff, THerefe Müller, Oberregiffeur Wolff.) 


In glanzuoller Weile wie vor achtzehn Jahren trat Stöger 
zum zweiten Dale die Megierung des Prager Theaters au. Die 
obligate Eröffnungsvorftellung verlief in gewohnter Weife. Frl. 
Frey erbat die Nachſicht des Publicums für den Divector und 
verjicherte, dem neuen altbewährten Theaterhaupte feien „ie 
Wünfche des Publicums Befehle". Das in impojanter Anzahl 
erichienene Bublicum intereflirte ſich ftark fiir die „dem erprobten 
Bühnenferne ſich neu anfchließenden Kräfte”, welche der Prolog 
feiner bejonderen Nachſicht empfahl, ließ ſich aber im Mebrigen 
von der Vorftellung, die Hackländer's „Magnetifche Euren” als 
Novität brachte, nicht jehr erwärmen. Die Debutanten des Abends 
waren die Herren Ködert und Simon. Der Erftere-ift ung 
von der erften Directionsperiode Stöger’8 befannt, zu dem er in 
näheren verwandtichafilichen Beziehungen ftand. Die Jahre feiner 
Abwelenheit in Prag hatten jedoch nicht wohlthätig auf feine 
fünftleriiche Entwidelung gewirkt; er war manirirt geworden und 





— 49 — 


fonnte in Prag nicht wieder Fuß fallen, fo daß ihn Stöger 
jchlieglih mit einer Entſchädigung von 600 fl. für die vorzeitige 
Kündigung von dannen ziehen ließ. Der zweite Debutant bes 
Abends, Hr. Simon, war dazu auserfehen, Römer im Bereiche 
der zweiten Liebhaber abzulöjen, was ihm ‚aber jo wenig gelang, 
daß Römer wieder in alle feine Rechte eingejegt wurde. Im All- 
gemeinen ließen fih die erften Debutwochen der zweiten Aera 
Stöger für das Schanfpiel nicht gut an. Noch im Mai, einen 
vollen Monat nad) der Eröffnung, mußte ſich das Schaufpiel ohne 
Yutriguant, ohne „höheren Charakterſpieler“ durchfriſten. Haaſe's 
Abgang hatte der Bühne tiefe, nicht jo bald zu verſchmerzende 
Wunden gefchlagen. Wer follte den talentvollen Künftler, dejjen 
Genius jchon damals anerfannt war, vergefjen machen? Am 
7. Mai wagte e8 Hr. Deahna vom Revaler Theater, nach Haafe 
den Franz Moor zu fpielen und die Wogen einer unbilligen 
Animofität gegen fich anftürmen zu laffen. Etwas mehr Glüd 
batte Hr. Laddey, der fich einige Wochen fpäter als Wurm ein- 
führte; aber auch feines Bleibens war nicht in Prag. Erit 
Weilenbed gelang es, und auch ihm nicht ohne Kampf mit 
ſtarken oppofitionellen Clementen, das Charakter» und Intri— 
guantenfach für Jahre in Befig zu nehmen. Acht Monate war 
(mit furzen Unterbrechungen) das Fach an der Prager Bühne 
verwaijt, als ſich am 12. Dec. 1852 Weilenbed, vom Wiesbadener 
Hoftheater kommend, als Cromwell in der gleichnamigen Raupad)’- 
chen Tragödie dem Publicum präfentirte.e Daß man einen in- 
tereflanten Künſtler wor ſich habe, ftand ſofort feit; aber „man 
wird fih an ihn gewöhnen müſſen“ meinten faft alle erbgeſeſſenen 
Theaterbeſucher. Er malte interefjant, jedoch allzu grell, umd 
über der Ausarbeitung des Detail3 vergaß er oft die Geſtaltung 
des Ganzen. Der erſte Act konnte ein Cabinetsftüd fein, der 
zweite entſchieden abfallen. Glück machte Weilenbed jofort mit 
einigen Ehargen, in denen er ſchwer zu übertreffen war. “Den 
alten Marquis in Sandeau’3 „Fräulein v. La Seigliere” oder den 
Chevalier Rocheferrier in „Eine Bartie Piquet“ fpielte er köſtlich, 
wie felten Einer vor und nad) ihm. Den „Königslieutenant" hat 
27* 


— 20 — 


er für Prag creirt. Weilenbed, der zum großen Theile feines 
Angenlichts beraubt, nachmals eine Zierde des Meiningen’jchen Hof- 
theater8 war, war wie auf der Bühne fo im Leben Original. Als 
er den Richard ftndirte, machte er fich für jeine Umgebung durd) 
ein Bombardement mit Kirſchkernen unnahbar, und eine verlorene 
Nuance konnte ihn unglüdlih machen. In Schaujpielerkreijen 
beneidete man ihn um feine außergewöhnlich reiche Berüden- 
Sammlung, die für alle erdenflihen Charaktere, Nationen und 
Zeiten den entjprechenden Haarichmud-Borrath aufwies. Sein 
Vorzimmer hatte als Perücken-Muſeum einen gewiflen cultur- 
hiftorifchen Werth, und Niemand paflirte es, ohne den darin auf: 
geftapelten Schäßen feine Aufmerkffamfeit zu widmen. 

Am vajcheften war das Fach der jugendlichen Helden und 
Liebhaber befegt worden. Am 27. April hatte dasfelbe im erften 
Anfturme Friedrich Frey, der vom ftänd. Theater in Graz 
nad Prag gekommen war, als Kean erobert. Mit einer fchmuden 
Erſcheinung, angenehmem, wenn auch nicht bejonders kräftigem 
Drgane nahm er fir ſich ein und wußte fich durch Fleiß, ſtets 
verftändige Auffaffung und Natürlichkeit immer mehr feitzujegen 
in der Gunſt des Publicums. Frey behauptete fih eine Neihe 
von Jahren als erjter Liebhaber in Prag. Sein Ferdinand in 
„Kabale und Liebe”, Sullivan (welche Rolle er für Prag creirte), 
Don Carlos u. ſ. w. waren ſtets des Beifalls ficher. Er wußte 
jede Partie mit Wärme, Schwung und Wahrheit ſympathiſch zu 
machen. Seine Carriere war ziemlich raſch gemacht. Geboren 1824 
in Schönau bei Heidelberg als Sohn eines Hauptlehrers, follte 
Frey ebenfalls die Schulmeifterei treiben; durch den Tod des 
- Baterd aber mittellos zum Studiren geworden, trat er in die 
Advocatenkanzlei eines Onkels in Mannheim, machte das Ju— 
jpicienteneramen und wurde am Mannheimer Stadtamte angeftellt. 
Schon in Mannheim jedoch ermachte der Künftler in feiner Bruft. 
Das Theater und der bdeclamatorifche Verein „Aula” wirkten 
mächtig auf ihn, er ftrebte der Bühne zu und nahm mit Freuden 
1840 einen Engagements-Antrag für Naturburfchen- und Lieb: 
haberrollen mit 18 Thlr. Monatsgage an’s Oldenburger HoF- 





— 441 — 


theater an. Von da ging cr nad) Coblenz, dann nach Trier, 
1846 als erfter jugendlicher Liebhaber nad) Riga, gaftirte in 
Hamburg und an der Wien, wirkte je zwei Jahre in Köln und 
Würzburg, 1850 und 51 in Graz uuter Thome, um eundlich nad) 
beifälligem Gajtipiele an der Burg 1852 in das Prager En- 
gagement zu treten. Bon Haus aus fein Verwandter des Prager 
Lieblings Frl. Frey, trat Friedrich Frey doch bald in die innigſte 
Berbindung mit demjelben — am 18. Juni 1854 vermälte er 
fich mit feiner Namensjchwefter und lebte mit ihr bis zu ihrem 
Tode in glüdlicher Ehe, nicht ohne unter dem Einfluß der geift- 
reihen und genialen Künftlerin noch mehr heranzureifen in feinem 
fünftlerifchen Streben. Als Frey nach Prag fam, wurde er ebenfo 
wie feine nachmalige Frau mit Aufgaben überbürdet. Marie 
Frey griff allnälig in das Gebiet der höheren Nepräfentation 
ilber, und die Nothwendigkeit eines Vermittlungsgliedes zwischen 
ihr und der Naiven Frl. Lechner trat immer dringender zu Tage. 
Dean hatte als jugendlich-tragische und fentimentale Liebhaberin 
Frl. Bach engagirt, die aber nicht lange ihres Amtes waltete 
und den Pragern nicht zufagen wollte. Die Nollenvertheilung 
mußte ſich in diefer Periode derart einrichten, daß Marie Frey 
die Eboli, Milford, Terzky fpielte, während die Bach die Kö: 
nigin, Zouife und Thekla inne hatte, die Salondamen aber eben- 
falls der Frey zufielen. Frl. Frey war alfo Heldin, Charafter: 
ipielerin, jugenvlich-tragifche Liebhaberin und Salondame in Einer 
Perjon. Die Anſtandsdamen verfah die würdige Veteranin Binder 
ebenſo glüdlich als intereffant. Neu war Frau Rohrbed, in 
Localrollen ausgezeichnet, mußte aber unter Umftänden auch 
anf dem ihr fremden Terrain des Salons aushelfen. Frau 
Rohrbed war Raimunds erjtes „altes Weib” im „Verſchwender“ 
geweſen, jo daß in Prag jet der „Verjchwender” zu einem großen 
Theile in der Original-Bejegung der erjten Wiener Aufführung 
zu jehen war. 

Bon den Damen, welche in zweiter Linie wirkten, war 
Frau Wiedermann fein Neuling in Prag Schon in der 
Beit des Triumvirats Polawsky-Kainz-Stepanek war fie als jugend- 


.— 42 — 


liches Frl. Dolejs in Liebhaberinenrollen in deutſchen und Cechifchen 
Vorjtellungen thätig, und ihrer ſchönen Erfcheinung und ihres 
hübfchen Organs wegen gerne gejehen, im öechiſchen Theater in 
ersten Partien äußerft beliebt. Noch vor Ende der Aera P. K. ©. 
verließ fie aber als Gattin des Barytoniſten Wiedermann Prag 
und ging nad) Breslau, wo fie viele Jahre als naive, muntere 
und auch heroische Liebhaberin thätig war. 1850 wurde fie, be- 
veitd ins ältere Fach übergegangen, von Hoffmann für die Cedhi- 
Ichen Vorftellungen engagirt und von Stöger auch für das deutſche 
Schauspiel, zunächit für altkomiſche Rollen zweiten Ranges beran- 
gezogen. Sie wirkte bis nahe vor ihrem Tode (11. Yuli 1861) 
in Prag. Ihr Mann überlebte fie in Breslau, wo er nad) dem 
Berluft feiner Stimme fein Fortlommen als Reftaurateur zu finden 
fuchte. Die Frls. Mint und Joſephine Weisbach (nicht zu ver: 
wechjeln mit ihrer befannten Namensfchweiter Amelie Weisbach) 
fpielten zweite Liebhaberinen und waren vornehmlich in der Arena 
ſtark beſchäftigt. — Frl. Died, die Tochter des feit Jahren die 
Prager Bühne zierenden Dieb, debutirte im jugendlichen Alter 
am 1. März 1853 zum erjten Male als Ida im „lebten Mittel“, 
nahm ſofort durch ſchöne Anlagen und gute Schule für fich ein 
und blieb mehre Jahre, als Naive neben Adele Lechner wirkend, 
eine gejchäßte und beliebte Kraft.*) 


*, Anna Dies abfolvirte im 4. Lebensjahre in einer Benefiz:Bor: 
ftellung ihres Vaters (im „Werner”) ihr erfted Debut. Sie hatte awar 
nur „Papa“ zu jagen, aber das fagte fie allerliebf. Dann wurden ihr 
allmälig „größere“ Aufgaben zu Theil, der Knabe in „Zell“, „Götz“ u. |. w., 
und bald wurde fie der Liebling bes Prager Theaterpublicums. Gleichwohl 
gab ihr Vater nur nad) ſchweren Kämpfen und auf dringende Vorftellung 
von Marie Frey, welche ein fo ausgefprochenes Talent nicht vergehen 
laffen wollte, die Einwilligung zur Bühnencarriere feiner Tochter, Marie 
Frey begann den linterricht ihred Schäglinge, und in ihrem 15. Lebens: 
jahre trat Anna Dieg (f. oben) als Ida im „legten Mittel“ auf. Den 
Gluthen, ihren Liebhaber, fpielte der Water der jugendlichen Darftelferin. 
Das Publicum nahm das feltene Riebespaar mit ftürmilhem Beifall auf; 
der Abend war einer ber lebhafteften in der Saifon. Dir. Stöger engagirte 
jofort die Heine Anna, welche nun neben ber Lechner im naiven Fache big 





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Bon den erjten Kräften des techifchen Theaters, denen auch 
in deutfchen Vorftellungen wefentliche Aufgaben zufielen, muß Fran 
Kolar ebenfo wie ihr Gemal in erfter Reihe genannt werben. 
Stöger bedurfte des reichen Damenflors feiner Bühne namentlich 
in der Arena-Saifon, wo dann den Herren und Damen der zweiten 
Ordnung auch das Glück blühte, in die Sphäre der Hauptrollen 
vorzurüden. Und noch einen intereffanten Namen entdeden wir 
in den erjten Jahren der zweiten Stöger’fchen Beriode anf den 
Prager Theaterzetteln — den Namen Bognar. Friederife 
Bognar zählte acht Jahre (geb. 1844 in Gotha), als fie 1852 
mit ihrer Mutter, die als Ehoriftin engagirt war, und ihrer Tante, 
der berühmten Primadonna Behrendt-Brandt, nad) Prag kam. 
Die Heine Bognar zeigte fchon in Prag ein auffallendes Talent 
für das Schaufpiel. In „Kean“ fpielte fie den Seiltänzerbuben, 
eine gar nicht unbedeutende Nolle, unter allgemeinem Beifall, in 
der „Heirat durch das Wochenblatt" den Jockey Chef. Wer 
ahnte damals wohl in dem talentirten Kinde die nachmals be- 
rühmte Tragödin, eine der berufenjten Nachfolgerinen von Sophie 
Schröder! Eine andere Darftellerin von Kinderrollen, Anna 
Klettner, wirkte jpäter am Landestheater in Graz als Salon- 
dame. Ihre Schweiter (der Vater war Orchefterdiener des deutſchen 


1858 ın Prag wirkte. Bon bier kam fie ald 1. munt. und fentim. Liebh. 
nach Regensburg, Brünn, zu Wallner nad Berlin, an’d Schweriner Hof- 
theater (Intendanz Ylotom) und 1861 nach Königsberg, wo fie das Fach 
der erften Kiebhaberinen und jugendlihen Salondamen jpielte und eine jo 
mächtige künftlerifche Pofition einnahm, daß fie den Pariſer Taugenichts, 
dic Luife in „Rabale und Xiebe” und die Herzogin in „Ein Glas Wafler“ 
mit bemjelben Erfolge fpielte. Trotzdem wurde fie in Königsberg der Kunft 
abtrünnig, reichte dem Verlagsbuchhändler Ottomar Beyer die Hand zum 
Ehebunde und fchteb 1860 von ber Bühne. In diefem Jahre, als fie zum 
Beſuche ihrer Eltern in Prag weilte, gaftirte fie über Einladung des Dir. 
Thome dajelbft und fand ald Brille und Annalife die herzlichſte Anerfen- 
nung ihrer bebeutenden Fortſchritte und ihrer liebenswürdigen Künſtler⸗ 
ſchaff. Gegenwärtig lebt Frau Beyer-Dieß, deren Gatte ald der Chef der 
altrenommirten Hof» und Univ.Buchhandlung Calve in Prag geihäst ift, 
in den angenehmften Berhältniffen, die ihrer ungetrübten Tünftlerifchen Ver: 
gangenheit entiprecdhen. 


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Zandestheaters), welche als jehr junges Mädchen ſchon in Privat- 
cirfeln durch ihre hübſche Stimme auffiel, war die nachmals 
allmächtige Primadonna des Stuttgarter Hoftheaters Camilla 
Klettner. 

Befondere Schwierigkeiten machte die Beſetzung eines der 
wichtigſten Yächer, jenes der erjten Helden und Liebhaber. Fiſcher 
hatte fid} zwar mande Partien dieſes Reſſorts (Fauft, Egmont) 
vorbehalten — in der Hauptjache aber war mit dem Abgange 
Grans' fein Vertreter der gejegteren Helden mehr zu Stelle. Stöger 
griff nun wieder auf ein ehemaliges Mitglied der Prager Bühne, 
Nerking zurüd; aber wieder zeigte es fich, daß nichts fo ver- 
gänglich ift als Künftlerglüd. Eine ftrenge Note der Intendanz 
ddto. Mai 1853 an die Direction conftatirte, „daß Nerkings geift- 
lofes, manirirtes und nur ganz gewöhnliche Eouliffeneffecte ſuchendes 
Spiel dem Inſtitute wejentlich jchade. Seinetwegen," hieß es weiter, 

„müſſen bei Feſtſetzung des Repertoires gute claffiiche Stüde, die 
auch die Caſſa füllen würden, im vorhinein verworfen werden 
(3. B. Fiesco), da er fie ficher zu Grabe trägt, wie ſich dies im 
„Clavigo“ gezeigt hat, und feinetwegen fielen Zuftfpiele, wie z. B. 
„Kriſen“, da er für dieje auch nicht Eine natürliche Miene, Eine 
leichte, natürliche Bewegung im Bereiche feiner Leiftungsfähigkeit 
vorräthig hat..." So jtrenge, wie in diefem einzelnen alle, 
lautete übrigens auch im Ganzen die Kritif der Intendanz und 
ber Journale dem Gefammt-Stande des Stöger'ſchen Schaufpiels 
gegenüber. 

Die Intendanz war jeßt in den Händen des Gubernial- 
rathes, Wenzel Ritter v. Bergenthal, der es nicht nur mit 
feinen Obliegenheiten äußerft genau nahm, fondern auch eine be- 
jondere Vorliebe für fein Theateramt mitbrachte. Er war id) 
feiner Verantwortlichkeit für das Gedeihen oder die Schädigung 
des Inſtitutes unter Stöger’3 Direction doppelt bewußt, da fein 
Botum bei der legten Directionsverleihung den Ausichlag gegen 
Hoffmann und für Stöger gegeben Hatte. Herr v. Bergenthal 
nahm den unmittelbarften Einfluß auf die Geſchicke der Bühne. 
Er hatte Auge und Ohr für große und Fleine Mängel und ver: 





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fuchte es auch, ſich mit einem Beirath ſach- und Funftverftändiger 
Männer (3. B. Beit, Kittl) zu umgeben. Stöger mochte nicht 
entzückt fein von den fcharfen Noten, mit denen Ritter v. Bergen: 
thal namentlich feine Unterlaffungsfünden im Bereiche des Schau: 
ſpiels zu geißeln und feinen Eifer neuzufpornen verftand. Dabei 
aber mußte er dem Intendanten wieber file jo manche Intervention 
im Intereſſe des Inſtitutes dankbar fein. Das Engagement der 
Duftmann-Meyer war Bergenthal's Werf; er war, auf fie auf- 
merffan gemacht, eigens nach Dresden gereift, hatte jie gehört 
und das Kleinod fofort den Dresdenern entführt. Herr von 
Bergenthal trat bereits kurze Zeit nach Stöger’s Wiederilber: 
nahme der Direction entjchieden gegen den Schlendrian im Schau⸗ 
Ipiel auf. Der Gehalt, welchen einer einzigen Sängerin zu be- 
willigen Stöger feinen Augenblick gezaudert hatte, hätte Hingereicht, 
das Perjonal des Schaufpiels zu completiren — es geſchah nicht. 
Statt intereffante Novitäten vorzuführen, wühlte man im Archiv⸗ 
ſtaube nach altehrwürdigen Stücden, die dem Gejchmade des 
Publicums ganz fern lagen. Leere Häufer waren bie Conſequenz 
diejes Repertoires. Endlich famen einige Neuigkeiten. So erfchien 
am 5. Nov. 1852 „Das Lügen" von Benedix; am 11. Dec. 
aber befamen die Prager eine Novität von ehrwürdigem Alter 
„Biel Lärm um Nichts” in der Holter’fchen Einrichtung mit Diet 
als Benedict, Frey als Claudio, Frey-Beatrice zu fehen. Ein 
Hauptichaden, die mangelhafte Regie, jollte auch noch vor Yahres- 
Ihluß einigermaßen verbefjert werden. Forft erhielt feine Kin- 
Digung, ging zu Director Hoffmann an's Wiener Thaliatheater und 
jpäter mit einer Schaufpiel- und Operngefellichaft nach Amerika. 
An feiner Stelle hatte Stöger den Regiſſeur des Leipziger Stadt: 
theaters, Barthels, engagirt, der nach des Directors Wunfche 
noh zu Forſt's Zeiten mehre Wochen hindurch incognito das 
Brager Theater ftudiren mußte und erſt dann plöglich als Amts— 
perjon Hinter den Couliſſen erfchien. Barthels war nicht ohne 
Selhid, aber ein Mann der Kleinigkeiten, der viel auf Filigran- 
Arbeit hielt und in der engeren Sphäre des Luſtſpiels ganz 
hübſche Refultate, klappendes Enfemble u. |. w. erzielte; an großen 


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Arbeiten aber jcheiterte feine Kraft, und fpäter erlahmte fie ganz. 
Hinter den Eouliffen war für ihn ein Zimmerchen erbaut worden, 
wo er während der Vorftellungen wie auf einem Obfervatorium 
haufte. Diefer erhabene Aufenthalt hatte aber noch jeine be» 
fonderen Gründe. Dort in der Höhe fonnte er in aller Ruhe 
eine Flafche um die andere leeren, und allmälig fand Barthels 
an diefem bejchaulichen Leben fo entfchieden Gefallen, daß er oft 
jtundenlang nichts von fich hören ließ und nicht felten ganz ver- 
fchollen war, bis er endlich mit fchwerer Mühe über die zu feinem 
Throne führende Leiter herabgefchleppt wurde. Daß eine fo be- 
Ihauliche Regie, deren Xhatenlofigfeit durch das Walten des 
Dramaturgen Hidel durchaus nicht gehoben wurde, der Bühne 
wenig Bortheil bringen konnte, begreift fich leicht. 

Nach dem erften Jahre feiner zweiten Directionsführung traf 
- denn auch Stöger eine ftrenge Intendanznote. Hr. v. Bergen- 
thal klagte über den Verfall der Tragödie, des Schaufpiels und 
Converſationsſtückes und die entfegliche Xeere der Caſſen an allen 
Abenden, die feine Oper mit dem Wundertenor Steger bradıten. 
Steger’s Abgang aber ftand vor der Thüre — dann, meinte der 
Intendant, fei die wirfliche Auflöfung des Inſtitutes zu befürchten, 
wenn nicht bald eine Aegeneration erfolge. Außer Frl. Lechner 
hielt der Intendant fein einziges Mitglied des Theaters filr „zug: 
fräftig" ; er drang auf das Engagement eines tüchtigen Helden, 
Charakterjpielers und einer hervorragenden Heroine, auf ein ge- 
wählteres Repertoire, auf eine mindere Bevorzugung der Arena, 
auf die Erwerbung eines geeigneten Probelocals außerhalb des 
Theaters u. |. w. Stöger nahm Alles geduldig auf, verjprad) 
Neue und Beſſerung, that aber nad) wie vor, was ihm beliebte. 
Nur um ein Probelocal bemühte er ſich; die Wahl fiel auf das 
Niklastheater. Aber ſchon der erfte Verſuch mißlang. Die Miniatur: 
bühne bot feinen Raum zur Entwidelung, und die wiederhallenden 
Schritte erftichten den Klang der Reden. So behalf man ſich 
denn auf's Neue im Landestheater. Die Klagen der Intendanz 
erſtreckten ſich ſogar auf den jchlechten Souffleur und den fläg- 
lichen Zuftand des Bwilchenact-Orchefters (eine im der Prager 





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Theatergefchichte chronisch wieverfehrende SM age), auf die immer 
mehr graflivende Bart⸗Willkür der Schaufpieler, die mit Stuß-, 
Kinn: und Bollbärten jo ungenirt umberftolzirten, daß die In— 
tendanz ſogar mit polizeilicher Intervention drohte. Wiederholt 
erinnerte Hr. v. Bergenthal Stöger daran, daß Er ihm die Di- 
rection verschafft habe und demnach zu den ftrengiten Anforde: 
rungen berechtigt fei — Stöger dagegen ſäumte nicht, oft und 
nachdrüclic darauf hinzuweifen, daß Hoffmann die Direction 
unter namhafter Subvention geführt, er (Stöger) aber ohne Sub: 
vention auf die Caſſa allein angewiefen fei. Und konnte man 
ihm thatfächlich diefen Hinweis verübeln? Konnte man es ihm 
als Sünde anrechnen, daß er im Sommer in der Arena, wo er 
jo ziemlich unumfchränft gebot, eine Haupt-Quelle feiner Einkünfte 
ſuchte? 

Stöger's Poſſe war vorzüglich beſtellt. Die Braunecker— 
Schäfer, eine der beſten Acquiſitionen Hoffmann's, hatte er 
wiedergewonnen, Feiſtmantel war als Penſionär noch immer zur 
Stelle, Dolt in der Blüthe feiner Künftlerfchaft, einen anderen guten 
Komiker hatte man in Stutta neu engagirt; Frau Rohrbeck 
war eine vortreffliche Kraft, Breifinger noch immer am Plage, 
und die dii minorum gentium der deutfchen wie die erften Kräfte 
der techiichen Bühne wurden im Sommer nad dem Pſtroß'ſchen 
Garten commandirt, wo neue Kaiſer'ſche oder Langer'ſche Poſſen 
mit Doppelgaftipielen Grois-Neftroy oder Scholz-®rois, mit Saft: 
vorftellungen der „48 Tänzerinen der Frau Weiß" oder mit 
Parodien beliebter Schaufpiele und Opern in bunter Reihe ab- 
wechfelten. Daß fi) würdige Mitglieder des Landestheaters auch 
zu nicht8 weniger als würdigen Aufgaben in der Arena bergaben, 
bewies Hr. ®rauert, der im Pitroß’shen Garten „Othellerl, 
den culturbiftorifchen Mohr” vorführte, und dies in bemfelben 
Sabre, wo er jeinen Föftlichen Lämmchen in „Krifen” creirte. Die 
„Kriſen“ erichienen am 15. Jäner 1855 zum erften Male in 
Prag; nicht lange darauf fam „Sullivan als Novität an die 
Reihe (Frey in der Titelrolle). Nach „Sullivan” gerieth die Thätig- 
feit auf dem Felde des recitirenden Dramas etwas in's Storden. 


BERET m TE O3 un Ma Me N u Me MM um Me A u 





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Eine Zeit Tang entweihten die „Luftichwebungen" und „mimijch- 
plaftischen Darftellungen” der Sefellfchaft 2. Keller und die Escamo- 
tagen Wiljaba Frikell's die Mufenjtätte am Obftmarft; erit dann 
erfolgte wicder eine Finjtlerifche That: man gab Alfred Meißner's 
„Weib des Urias" mit der Benefiziantin Frey in der Titelrolle, 
und am 29. März ging Gutzkow's „Königslieutenant“ (mit Weilen- 
bed in der Titelrolle) zum erſten Male über die Prager Bretter. 
Die legten Monate des Jahres brachten noch „Ein Luſtſpiel“ von 
Benedir nnd Freitags „Journaliſten“. Dietz, dem erjten Bolz, 
gebührt das Verdienſt, als Benefiziant die „Journaliſten“ in Prag 
(am 10. December 1853) eingeführt zu haben, wo fie unter bunt 
wechjeluder Nepräjentation bis heute heimiſch geblieben find. Die 
erſte Adelheid-Lechner, Oldendorf-Frey, PBiepenbrinf-Grauert nud 
Weilenbecks hyperdraſtiſcher Schmock verliehen der Novität ver- 
mehrtes Intereſſe. 

Wenn man das Jahr 1853 in die Annalen des Prager 
Theaters einträgt, darf man nicht vergeſſen zweier ſenſatioueller 
Gäſte, die damals Prag in eine hochgradige Aufregung brachten. 
Der Erſte war der „afrikaniſche Roscius“, dem zum Othello ſchon 
die Natur den ſchwarzen Hantfirniß mitgegeben hatte — Ira 
Aldridge. Am 30. April ſtand der herkuliſche Mohr mit dem 
intelligenten Negergeſicht zum erſten Male auf den Prager Brettern 
und riß mit der urwüchſigen, wilden Leidenſchaft ſeines Othello 
das Publicum zu Beifallsſtürmen hin. Dem Othello folgte der 
Macbeth des Neger-Künſtlers und als Contraſt zu feinen groß- 
artigen Zeiftungen als Othello, Macbeth und Shylof führte ſich 
Ira Aldridge in dem Vaudeville „Ihe Podlod' (das Vorlegejchloß) 
als zierchfellerfchütternder Neger-Komiker ein. Vor gedrängt vollen 
Häuſern mußte Aldridge mit feiner englischen Geſellſchaft (theil- 
weile jpielte er im Euſemble der einheimifchen) feine Vorftellungen 
immer wieder vermehren... . Was war aber der Aldridge— 
Enthufiasmus gegen den Taumel, in welchen nad) ihm eine ſchwarz⸗ 
. äugige Spanierin die Prager verjegte! Das „delirium Pepita- 
torum“ — eine von dem trefflihen Humoriften Ed. Pokorny 
erfundene Kranktheits-Nennung — fuhr den Pragern im die Hände 


und Füße Die Kunft der Ballerine triumphirte über alle an- 
deren Künfte. 

Wer von den Nachgeborenen begreift den Zauber, den der 
ame „Bepita“ ausitbte, wo er auch nur ausgefprochen wurde! 
Der Pepita-Taumel bildete eine ftehende Rubrik in der Journalen; 
die Städte, deren Pflafter die Räder ihrer Equipage berührten, 
Ihienen Meaffen-frren-Colonien gemorden zu fein. Welche Senja- 
tion nun, als in den Prager Zeitungen die lakoniſche Notiz zu 
lefen war: „Señora Bepita de Dliva wird Unfang September 
in Prag eintreffen,” als in den Kunſthandlungen die berühmte 
„El Ole“-Figur auftauchte! Aber erft am 8. Oct. hielt fie wirklich 
ihren Einzug in Prag. Bereits am Bahnhofe von einer ftatt- 
lichen Menge mit ehrfurchtsvoller Neugier empfangen, fuhr Pepita, 
gefolgt von einer Schaar fanatifirter VBerehrer, durch die Straßen 
Prags zu ihrem Hotel. Am 10. Det. prangten La Madrilena 
und EI Dle zum erjten Male auf dem Theaterzettel, um nun 
mit rührender Gleichförmigkeit bei allen Gaftvorftellungen der 
Spanierin wiederzufehren. Und wie jah fie aus, wie tanzte fie, 
diefe Tochter des Südens, welcher halb Europa beraufcht zu 
Füßen lag? 


„Eine mittelgroße Geſtalt“ — fo ſchildert fie ein vom delirium 
Pepitstorum verſchonter Zeitgenoffe — „mit ſchlanken gormen, dunkeln, 
iühenden Augen, die von dichten kühngeſchwungenen Brauen beſchattet 
ind, und glänzend ſchwarzem Haar, beginnt Seüora Pepita ihre Tänze, 
indem ſie fh im Hintergrunde der Bühne mit rückwärts gebeugtem Ober- 
förper und beransforberndem Blicke Hinftellt, einige Minuten in biefer 
frappanten Stellung verharrt und dann plötzlich aufn t, Unter dem 
Schalle der, Daftagnetten wirbelt num die leichte elaftiiche Geſtalt mit dem 
leidenſchaftlichen Ausbrude über die Bühne. Jetzt büdt fie ſich und be- 
tradıtet mit koketter Miene ihre eigenen Füßchen; jetzt ſchnellt fie wieder 
empor; gleich darauf erzittert fie am ganzen Leibe wie in fieberhafter Gluth, 
ihre Arme fahren in frampfartiger Bewegung auf und nieder, ihre Sohlen 
jtampfen den Boden und Jümirzen in der Luft zugleich; jet faßt fie mit 
einem Male ihre Röcke, bengt ihren Oberkörper zurüd, ihr Geſicht nimmt 
den tiefſten ſchmachtenden Ausdrud an, da fpringt fie mit einem Satze 


s u 


wieder auf und im Kreiſe umber ... 

Diefe „naturgetrene Wiedergabe tiefen weiblichen Sinnen- 
taumel3", dargeftellt von einem jchönen Weibe mit einer auf offener 
Bühne noch ungewohnten Zeidenjchaftlichfeit, war der Zauber, 
den die Pepita ausübte. Die Minorität der nüchternen kritiſchen 


Tadler wurde bei weitem übertäubt von dem Sturmgebraufe bes 
Applaufes, mit welchem die Enthufiaften, Alt und Yung, Herren 
und Damen, der „Göttlichen“ zujubelten. Die Pepita-Epidemie, die 
von der Spree an die Donau gewandert war, hatte auch an der 
Moldau den frucdtbarften Boden gefunden. Bor dem Hotel des 
Gaſtes, dem „Goldenen Engel", ftand den ganzen Tag eine neu- 
gierige Menge, und wehe einem von der Secte der „Antipepi- 
tiſten“, der ji unter diefe anbetende Schaar wagte! Geruhte 
Senora de Dliva aus dem Theater nach dem Hotel zu ‚Jahren, 
dann mußte die Polizei interveniren, um dem Wagen die Bahn 
frei zu machen. Wenn eine „Unpäßlichkeit" die Göttliche ver- 
binderte, auf den Brettern die Kunft ihrer Füße anbeten zu laſſen — 
jo jaß fie in einer Parterreloge in einem wahren Kreuzfeuer von 
Zorgnetten und Operngläfern, ja- bis in die nächfte Nähe der 
Logenbrüftung drängten ſich die Kühnften der Pepitiften vor. An den 
Straßeneden war der Name „Pepita” in allen möglichen Karben 
und Formaten zu leſen — da gab es Pepita-Reunionen, PBepita- 
Sträußchen, Bepita-Er&me,Bepita-Liqueure, Bepita-Cigarrenpfeifen, 
ja ſelbſt Bepita-Würfte. Das Theater war zum Brechen voll, mochte 
mm „El-Ole“ und „La Madrilena”" oder „La Madrilena“ und 
„El Ole“ am Zettel jtehen; Kränze und Sträuße ‚fingen auf die 
Bühne und wenn Senora alle da capo’s befolgt hätte, wäre fie 
troß ihrer guten Conftitution fchwerlich lebendigen Leibes aus 
Prag gekommen. Der „Jaleo de Xeres", den Pepita einmal zur 
Abwechslung tanzte und deſſen Schlußpointe darin beftand, daß 
fih die Tänzerin beinahe platt auf den Boden warf, verlief da: 
gegen ziemlich wirkungslos. Nach zwölf Vorftellungen verließ 
Señora Bepita Prag. 

Mit ihr war aber die Glanz-Aera der Fußkunſt von der 
Prager Bühne nicht verfhwunden. Kaum war Seiora de Oliva 
abgereift, fam Mad. Albert-Bellon, Primaballerina vom 
Kärtnerthortheater, um den Pragern ftatt im Pepita-Naturftyle 
wieder nach allen Negeln der Balletkunſt vorzutanzen; auf fie 
folgten Mr. Henry Eontrelly, „Profefjor des Lufttanzes" aus 
New-Hork, bis wieder Pepita ihr Negime antrat. Diesmal aber 





— 431 — 


war es eine falfche Pepita, welcher der betäubende Jubel eines 
enthufiasmirten Bublicums entgegenbranfte. Frau Brauneder- 
Schäfer tanzte die Madrilena, Zug für Zug, Nuance für Nu- 
ance der epochalen „Kunftbeiniftin" abgegudt. Das Stüd, in 
welchem fie ihre Madrilena-Zriumphe feierte, hieß „die falſche 
Pepita”, eine triviale Boflen-Parodie von Joſ. Böhm. Nun 
brach der „Taljche Pepita-Rummel los; am wohliten befand ich 
die Theatercaffa dabei, welcher die „falſche PVepita” eben fo viel 
eintrug, als die echte. Pepita-Brauneder gab auch als Dle- 
Zänzerin ihrem fpanifchen Originale wenig nad) und mußte, um 
einem dringenden Wunſche des eechiſchen Publicums zu entiprechen, 
die faljche Bepita auch „Lechiich” jpielen. Später fand die Braunecker 
in der Poſſe „Sentora Pepita, mein Name ift Meyer" aufs neue 
Gelegenheit, die Madrilena zu tanzen. Im Mai 1854 fpielte 
Marie Seiftinger, damals noch nicht die ilfuftre Localſängerin 
fpäterer Jahre, in der Pſtroß'ſchen Arena die „Faljche Pepita”. 
Die beftechende Erjcheinung, das frifche Spiel und ſchöne Organ 
der jugendlichen Sängerin gefielen den Prager, aber den Dle 
und die Madrilena tanzte fie ver Brauneder nicht gleich — es gab 
jogar Oppofition gegen die Wiener Madrilena-Tänzerin. Uebrigens 
ſchadete ſich Frl. Geiftinger entjchieden durch ihren Begleiter 
J. Böhm, den „Dichter“ der „falſchen Pepita“ und des Volks— 
ſtücks „Chriſt und Jude“, der in Prag zu feinem Unglück auch 
als Bühnen, künſtler“ debutirte. Eine echte Spanierin, Seitora 
Bedra de Camara, ſuchte noch Ende 1853 ihre berühmtere 
Rivalin Pepita auszuftechen. Sie fam mit einer Spanischen Tänzer— 
gejellichaft, die für ihre Force-Zänze, den „Pasco de la Capa“, 
die „Fantasia espahola“, „Granadina“, „Guaracha“ u. ſ. f., 
die Folie bildete, ohne zu begeiſtern. Im Auguſt 1855 kam Miß 
Lydia Thompfon vom Drurylane-Theater, deren Ruhm be- 
reits von Berlin und Wien nach Prag gedrungen war. Die Force: 
tänze der lieblichen Engländerin, welche entzücte, ohne zu fanati- 
firen, waren „English-Hornpipe“ und „Highland-Fling“, bri- 
tiſche und ſchottiſche Nationaltänze. Auch die „Madrilena“ tanzte 
die Blondine, natürlihd um fo viel blonder, als ihre Haare im 


— 432 — 


Vergleiche zu dem Pepita’fchen Rabenhaare waren. Uebrigens 
ließ auch die Unvergleichliche ihre Prager Verehrer nicht allzulange 
ihrem Trennungsjchmerze nachhängen. Bereits im Jahre 1855 er- 
ſchienen „El Ole“ und die „Mabdrilena” wieder unter dem Namen 
der unerreichten Driginal-Bepita auf dem Zettel, und auf's Neue 
erbrauften die Beifalls-Orkane. Diesmal tanzte fie aber auch die 
„Linda Gitana*, eine Varitrung der reizendften Motive aus Ole 
und Meadrilena, im phantaftiihen Zigeunercoſtüme; ja als fie im 
Februar 1857 wiederfam, überrafchte fie ihre Bewunderer mit 
einer ganz veizenden Leiftung als Picarde in dem befannten Eins 
acter „Kurmärker und Picarde“. Bepita, deren Partner Paetſch 
war, zeigte ſich als fertige Schaufpielerin, ſprach ein hübſches 
Franzöſiſch und fpielte die Bartie, in welcher fich auch gelegentlich 
eines ferneren Gaftjpiels die blonde Mis Thompjon verfucht hatte, 
mit fchalfhafter, ja übermüthiger Laune. Senfationell war das 
Auftreten der Bepita als Fenella in der „Stummen”. Ihre 
Fenella war reich an geiftreichen, von der Tradition abweichenden 
originellen Zügen, dabei conjequent in der Charakteriftif, feſſelnd 
vom Anfang bis zu Ende Am 19. Febr. 1857 nahm Setora 
Pepita feierlichen Abjchied von den Bragern, denen fie noch ihre 
berühmte Cachucha vortanzte und überdies eine Fortfegung des 
„Kurmärfer und Picarde“ vorführte. Den höchſten Grad erreichte 
der Enthuſiasmus, als die Senora nad) der Vorjtellung vortrat 
und in gebrochenem Deutſch rief: „Meine Herren, ich dante. 
Adien; auf Wiederjehen, gute Nacht!” ... Allmälig verflog denn 
doch der Pepita-Raufch, die gefunde Vernunft trat auch der fpani- 
Ihen Fußkünſtlerin gegenüber wieder in ihre Rechte! .... 

Man muß ſich wundern, daß in der Aera des Pepita-Taumels 
die ehrwürdige Muſe des Schaufpiels nicht völlig ihr trauerndes 
Haupt verhüllte und dem „patriae et musis“ geweihten Haufe 
am Prager Obftmarkte zürnend entfloh. Xhatfächlich befam die 
Prager Bühne in der Periode der echten und faljchen Pepita’s 
eine Reihe intereflanter Novitäten zu fehen. „Roſa und Nöschen" 
eröffnete den Reigen. Die Roſa jpielte Frl. Stöger, eine Tochter 
des Directors, welcher eine originelle Theatercarriere befchieben war. 





dei 


— 433 — 


Auguſte Stöger hatte als Königin von jechzehn fahren mit vielen 
Ehren in Prag ihren erjten theatraliihen Verſuch gemacht und 
war dann als jugendliche Liebhaberin mit veizendem Exterienr 
und jehr hübjchen Talente auf dem Luſtſpielgebiete glücklich be- 
Ihäftigt worden. Aber die Schaufpielerin hatte Schäge in der 
Kehle, welche gehoben wurden; rl. Stöger wurde Primadonna, 
machte im Auslande Glück und feierte, wie wir noch jehen werben, 
auch in Brag als Sängerin Triumphe. Dieſer intereljanten Roſa 
ftand 1854 die Lechner als Nöschen gegenüber. Dem Röschen 
folgte, nur getrennt durch die Dingelftedt’fche Novität „Das Haus 
des Barneveldt”, eine der unverwüſtlichſten und effectvolljten Bühnen- 
arbeiten der Birch-Pfeiffer, welche ſchon damals ihren Siegeslauf 
über fajt alle großen Bühnen Deutjchlandg gemacht Hatte: die 
„Waife aus Lowood“ (zum 1. Male am 14. Febr. 1854). 
Frl. Daun vom Hofburgtheater muß als erjte „Waife", Dieg 
als erſter Rocheiter in die Annalen des Prager Theaters ein- 
getragen werden. Mit der Daun war wohl annähernd jene Zug— 
fraft den Enſemble einverleibt, von welcher ein Jahr friiher die 
Note des Intendanten Ritter won Bergenthal gejprochen hatte. 
Keane Eyre führte Frl. Daun, eine interejlante, jchlanfe Er- 
ſcheinnng mit großem ausdrudsvollen Auge und ſympathiſchem 
Organ, den Prager noch als Saft vor, und der Wunſch nad) 
ihrem Engagement machte fich alsbald immer dringender geltend; 
im Mai trat fie als Jane Eyre ihr Engagement an. Und nod) 
eine lange Reihe intereffanter Novitäten fällt ung in die Mugen, 
wenn wir unjere Blicke über die Theaterereigniffe der Jahre 1854 
und 1855 gleiten lafjen. Wenige Wochen nad) der „Waifen" (am 
4. März 1854) bringt Frey zu feinem Benefiz mit feiner Fünftigen 
Frau in der Zitelrolfe „Lady Tartuffe“ auf die Scene, nicht 


elange darauf creirt Filcher feinen wahrhaft künſtleriſch geftalteten 


„Erbförſter“. 

Der Sommer 1854 iſt feine „todte Saiſon“. Weges Leben 
herricht in der Stadt und im Pitroß’fehen Garten. Da draußen 
gibt es brechend volle Häufer; nad den Abzuge von Scholz und 


Grois find dort die Wunderzwerge Jean Petit und Jean 
28 


— 434 — 


Biccolo, „Komiker in Taſchenformat“, Caſſenmagnete im vollen 
Sinne des Wortes. Dem „daumenlangen Hanfel” fliegen die 
Sympatbien von Groß und Klein, Alt und Yung zu, Jean Piccolo tft 
„21 Jahre alt, 34 Zoll hoch“, Jean Petit „20 Jahre alt, 29 Zoll 
hoch". Welches Vergnügen, dieſe ellenhohen Herren ald Fabian 
Laubfroſch und Rochus Beſenſtiel die „Bekanntjchaft im Paradies: 
garten" machen zu fehen! Petit-Eulenſpiegel und Piccolo-Nazi 
machen mehr Glüd als Scholz und Neftroy. Piccolo tanzt den Ole 
und die Madrilena der Pepita und der heimischen Solotänzerin 
Buliowsky zu Troß. Zum Benefiz des Frl. Fries kommen die 
Heinen Herren jogar in Damenkleidern, während die ſchöne Bene: 
fiziantin in Männerkleidern prangt. 1100 Menjchen find auf der 
legten Galerie zufammengepfercht, da fich die illuftren Zwerge zum 
erften Dale empfehlen. Und dennoch ift diesmal der dritte im 
Bunde, Kis Joszi, noch nicht mit ihnen! Gar vornehme Künſtler 
braucht es, um al’ diefen Herrlichkeiten, die unter freiem Himmel 
zu genießen find, eine fiegreiche Concurrenz im Landestheater zu 
bieten. La Roche nimmt zunächit den Kampf mit Scholz und 
Grois auf. Er bringt von Wien den „Sonnwendhof" mit und 
creirt in Prag den Mathias. Mit den Zwergen concurrirt Heinrid) 
Marr, der den Pragern feine berühmteften Rollen, den Schewa, 
Shylok, Mephifto u. |. w. vorfüihrt und überdies die Bekanntſchaft 
mit einer Gutzkow'ſchen Novität, dem fünfactigen Schaufpiel „Ot- 
fried”, vermittelt, worin er als Commercienrath Wallmuth glänzt. 
Kaum iſt Marr fort, gaftirt Hoc als Lear und Wallenftein; 
dann concurrirt Amelie Mittel-Weißbach, die einftige Heroine 
der Prager Bühne, feit ihrem Abgange am Carltheater engagitt, 
mit einer „hinefifchen Künftlergefellichaft aus dem bimmlifchen 
Kaiferreiche". Marie Geiftinger, damals von einer Triumph 
Reiſe durch Norddeutichland kommend, löſt diefe Säfte ab. Die 
Geiftinger iſt der letzte Gaſt des Jahres 1854; Benedix's „Alte 
Jungfer“, Bauernfeld's „Welt und Theater” und Gotſchall's 
„Pitt und For" find die letzten Novitäten. Das Jahr hat aber 
auch tief einfchneidende Veränderungen in dem Künſtlerkörper der 
Bühne mit fi) gebracht, Der Abgang des Frl. Bach war freilich 





— 435 — 


duch den Gewinn der Daun reichlich verfchmerzt; aber eine 
‚Künftlerin, welche dreißig Jahre als erfte Kraft und Stitte dem 
Prager deutjchen Theater angehört hatte, Margarethe van der 
Klogen»:Binder, ſchied am 31. October aus dem Berbande 
derjelben. Am 26. Sept. 1824 hatte fie — damals 23 Jahre 
alt (geb. 9. Nov. 1801 zu Schleswig) — als „Preciofa” zum 
eriten Male als Gaſt die Prager Bretter betreten, am 10. Nov. 1824 
zum erjten Male das Gurli als engagirtes Mitglied gefpieit. Die 
Jahre ihrer Wirkſamkeit im naiven Yache waren eine Serie fort- 
laufender Zrinmphe. Nach Stöger’3 Directionsantritt (1834) ließ 
ih Mad. v. d. Klogen — nun Mad. Binder — in’s ältere Fach 
einfpielen, obgleich fie diefen Schritt der Selbſtüberwindung durch- 
aus noch nicht nöthig hatte. Nur zwei ihrer Glanzrollen, die 
Yelva und Tenella, behielt fie noch längere Zeit bei. Daß fie 
diefelben immer noch glänzend fpielte, beweift folgende von Mikowec 
mitgetheilte Anekdote: Einige Engländer, die öfter das Prager 
Theater befucht hatten, wurden in einem fünftleriichen Kreiſe be- 
fragt, wie ihnen Madame Binder gefallen habe. „Frau Binder" — 
erwiderten fie — „gefällt uns fehr, aber noch weit beifer gefällt 
uns — Fıl. Binder”. Die Engländer hatten nämlich die Binder 
in etlichen Matronenrollen und dazwiſchen auch als Nelva und 
Fenella gejehen und lebten der Ueberzeugung, die Darftellerin 
diefer beiden Rollen fei die Tochter jener in Miütterrollen be- 
ſchäftigten Schaufpielerin. Ihr Pflichteifer verjagte nie; fie über: 
nahın jede Rolle, einjt fogar eine Anmelderolle, in der fie durd 
eine fomifche Nuance ftürmifchen Beifall erzielte; ihre Wirkjam- 
feit im Sache der Mütter, namentlich im feineren humoriſtiſchen 
Genre, ift wiederholt gerühmt worden. Der Abgang der Binder 
im dreißigften Jahre ihrer Prager, im 47. ihrer gefammten künſt— 
leriſchen Thätigkeit -- fchon als jechsjähriges Mädchen hatte das 
Heine Gretchen Maier auf den Brettern debutirt — bedeutete für 
Prag Wehnliches wie der Berluft Polawsky's. WS Nachbarin 
in „Das war ih" und Baronin Tourjagu in „Chriftoph und 
Renata” verabichiedete ji) Margarethe Binder am 31. Det. 1854 
von dem Prager Publicum, das fie mit Beifall, Blumen, Ge: 
28* 


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dichten überfchüttete. Weilenbec überreichte ihr den wohlverdienten 
Rorbeerfranz. Eines Uugenleidens wegen 309 fi die Veteranin 
gänzlidy von der Bühne zurüd. Sechzehn Jahre wohnte fie noch 
in Prag im Haufe Nr. 3 am Brüdel; am 8. Juli 1870 aber ſtarb 
fie zu Billnig bei Dresden, wohin jie einen Somimerausflug ge: 
macht hatte und wurde im Beiſein ihrer Schülerin Gabriele 
Allram, ihrer alten Collegin Großer und Emil Devrient's zu 
Hofterwig beigejegt, wo einjt C. DM. v. Weber durch mehre Fahre 
feinen Sommeraufenthalt gehabt hatte. “Dort ruht feine erjte 
„PBreciofa”. Im Jahre 1821 war es, als Weber in Dresden 
nach dem zweiten Acte der Generalprobe des Werkes, deſſen Muſik 
unter feiner eigenen Leitung einjtudirt murde, vom -Drchefter auf 
die Bühne trat, der Precioſa- v. d. Klogen erfreut die Hand 
reichte, ihr inniges Verſtändniß feiner Muſik rühmte und ausrief: 
„So habe ich mir meine Precioja gedacht!“ ... 

Dem vollen Umfange ihrer Fünftlerifchen Bedeutung nad 
war Margarethe Binder für Prag überhanpt nicht zu erjegen. 
Ein Glück, daß die Wahl der Nachfolgerin auf eine Künstlerin 
fiel, die wenigstens theilweife im Stande war, den von ihr ver: 
laſſenen Poften einzunehmen. Bereits am 4. Nov. 1854 debutirte 
Frau Szegöffy als Witwe Brunn in dem Birch-Pfeifferfchen 
Nührdrama „Eine Familie” mit durchaus gutem Erfolge, der ſich 
in der Partie der Frau v. Silben im „lebten Mittel" nod) 
fteigerte, jo daß Frau Szegöffy die Titelrolle in der „alten 
Jungfer“ bereits als Antrittsrolle ſpielte. Sie hatte eine fehr 
kurze Laufbahn im älteren Fache hinter ſich. Einft gefeierte 
Naive, hatte Fr. Szegöffy (von Haus aus Fıl. Schmidt) in 
Ungarn geheiratet und der Bühne entfagt. Aber das Vermögen 
des Gatten, eines ungarischen Kaufmannes, wurde immer mäßiger, 
und Frau Szegöffy jpähte wieder nad) einem Engagement aus. 
Sm Agranı verfuchte fie fich zunächſt als Gaſt wieder auf den 
Brettern. Der magyariiche Name der Gaſtin Hatte — man 
zählte 1848 — die Kroaten in eine hochgradige Erbitterung gegen 
die Erwartete verjebt; aber der Director wanderte von Haus zu 
Haus, um zu verjichern, daß die gaftirende Naive eine ehrliche 


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Dentfche mit ungariihem Namen fei, und bat um Parteilofigfeit. 
Und in der That feierte die Pfeudo-Magyarin Triumphe in 
Agram; dann wurde fie ein Lichling der Preßburger. Ein dort 
domicilivender höherer Beamter (Prager) war e8, der fie nach 
Prag als Repräfentantin des älteren Fachs empfahl, obwohl fie 
nod) Naive fpielte. Den Iegteren Fehler machte Fr. Szegöffy 
raſch gut. Najch entfchloffen, erklärte fie ihrem Preßburger Di- 
rector, fie wolle Alte jpielen, der Director ging nad) einigen Ein- 
wänden darauf ein, und das Experiment gelang vollftändig. In 
einem dramatijchen Botpourri vollzog fich officiell die intereſſante 
Wandlung: die erjte Abtheilung zeigte Frau Szegöffy in ihren 
jugendlichen Glanzrollen; dann nahm in der bekannten Scene aus 
den „Bauer als Millionär" die Jugend Abjchied, und die Naive 
der erjten Abtheilung jchritt nun als alte Oberfürfterin u. f. w. 
über die Bretter. ALS das Repertoire des neuen Faches in Preß- 
burg geichaffen war, machte fih Frau Szegöffy zur Neife nad 
Prag auf, und daß fie den erjten Repräfentantinen ihres Genres 
beigezählt werden durfte, hat fie in den nahezu zwanzig Jahren 
ihrer Thätigkeit am deutjchen Landestheater beiviefen. 

Die eriten Donate 1855 verliefen nicht ohne fchmerzliche 
Abichiedsabende. Am 30. März verabjchiedete ſich Frl. Daun in 
ihrer Glanzrolle, „Jane Eyre“; die Trennung aber war nur eine 
kurze. Nach etlichen vejultatlofen Debuts anderer Afpirantinen 
für das vacante Fach fam im August desfelben Jahres Frl. Daun 
nach Prag zurüd, unterzeichnete einen nenen Contract und blieb 
‚wieder ein Jahr, bis fie 1856 durch die Rudloff erjegt wurde. 
Frl. Daun, eine ätherifche, poetische Erfcheimung, 309 fich päter, 
der Bühne gänzlich entriict, nach Wiesbaden zurüd. Dort konnte 
man fie als ftattliche Frau, ausgerüftet mit Schürze und Koch— 
geräth, als ehrjame Himmervermietherin und wadere Hans: 
wirthin, bewundern. Ein wirklicher Abjchied war der, welchen am 
26. März 1855 Fran Brammeder-Schäfer von den Tragern nahm. 
Mit der „Madrilena“ Schloß fie unter Beifallsftürmen ihre künſt— 
lerijche Thätigkeit in Prag zum Schmerze der zahlreichen Brau⸗ 
necker-Enthnſiaſten, welche an der derb-realiftifchen Darftellungsweife 


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ihres Lieblings ganz bejonderen Gefallen gefunden hatten. In - 
Prag erhielt fie eine fehr achtbare Nachfolgerin an Frl. Nenner 
aus Preßburg. Auch Frl. Geiftinger, deren lehtes Gaftjpiel 
befonders freundliche Beachtung gefunden hatte, war unter den 
Wpirantinen auf das vacante Fach und ohne ihren Begleiter 
Böhm wäre das Engagement wohl Thatſache geworden. Fräul. 
Nenner begründete ihr Renommee in Prag mit der Thereſe Krones, 
welche fie — die erfte in Brag — am 5. Mai vorführte. Das 
frifche, Tebensvolle, durch und durch charafteriftifche Spiel ver- 
rieth ein Talent, das felbjt neben dem Raimund eines Dolt der 
offenen Würdigung ficher fein konnte. Und thatſächlich war binnen 
wenigen Monden Frl. Renner im Befige nahezu derjelben Sunme 
von Sympathien wie ihre Vorgängerin. In den fpäteren “Jahren 
ihrer Carriere, die jte leider nicht empor führte, wurde fie als 
„Univerfal-Spielerin” die Perle Eleinerer Bühnen, ohne Glüd 
und Geld zu finden, denn 1878 mußte in Prag für fie eine 
Collecte veranjtaltet werden. 

Das männliche Bühnenperjonal verlor ar der theatralischen 
Jahreswende zu Oftern 1855 Herrn Nerfing, fir welden Paetſch, 
ein Belannter aus früheren Jahren, eintrat. Ein Heldenfpieler war 
Paetſch niemals, und wenn e8 ihm trogdem gelang, ſich in Prag einen 
anjehnlichen Freundeskreis zu erwerben, fo dankte er dies dem aus— 
gejprochen fomifchen und gefanglichen Talente, mit welchem er in 
außerhalb jeines Wollenfaches liegenden Partien Furore machte. 

Keiner der erfreulihen Momente in Stöger’8 zweiter Di: 
tection war der beftändige Wechjel im Regieamte. Anfang 1854 
war der „Dramaturg“ Hickel gekündigt worden und mit Oftern 
aus dem Verbande des Theaters gejchieven. Auch den Ober: 
regiſſeur Barthels, deſſen zweifelhafte Verdienſte wir gefennzeichuet, 
war in Prag kein langes Leben beſchieden; Fiſcher übernahm im 
Nov. 1854 die Oberregie, um ſie ſchon Ende des nächſten Jahres 
wieder niederzulegen, worauf ein Provijorium unter dem Poſſen⸗ 
Regiffeur Chauer folgte. Mit den wechjelnden Regiſſeuren wechjeln 
die künſtleriſchen Principe, und diefer Wechjel bedeutet Teinen 
Segen für eine große Bühne. 


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Die Regie Fiſcher charakterifirte fich durch eine vegere 
Pflege des Claſſiſchen, zumal der Oberregiffeur ſelbſt feinen Zell, 
Wallenftein, Lear u. |. w. nicht brach Tiegen laſſen wollte; aber 
auch dem Novitäten-Bebürfniffe des Nepertoires geſchah Genüge. 
Auf Meißner's „PVrätendenten von York" (am 11. März 55 mit 
Frey in der Titelrolle) folgte die epochale Novität jener Tage: „Der 
Fehter von Ravenna." „Zrauerjpiel in 5 Acten von?...” . 
jagte der Zettel, und diefes Fragezeichen drildte der Novität von 
vorneherein den Stempel des Intereſſanten auf. Wer ijt der 
Verfaſſer? fragte alle Welt. Während der Eine mit einem groß- 
artigen Aufwand von Gelehrjanteit haarklein bewies, daß Heinrich - 
Laube und kein Anderer diefes Fragezeichen bedeuten könne, 
riethen die Anderen vorfichtig und ſchüchtern denn doch auf den 
Freiheren von Miünd-Bellinghaufen (Friedrich Halm); — in 
Bairifch-Pfaffenhofen aber jtand der Schulmeifter Franz Bacher! 
auf, um mit Fomifcher Hartnädigkeit die rechtmäßige Autorſchaft 
für ſich mit Beichlag zu belegen. 

So komiſch die Sache war — Bacher! und feine „Cherusker 
in Rom" fanden ihre Anhänger. Friedrih Halm, hieß es, der 
freiherrliche Dichter, habe den „Fechter von Ravenna” nach einem 
Stüde gemacht, das der Volksmann Bacher! zur Bewerbung um 
einen von der Direction des Hofburgtheaters ausgejchriebenen 
Preis nad Wien gefchidt hatte. Halm, der fih im Frühling 1856 
offen zur Autorjchaft des „Fechters“ bekannte, fühlte fich durch 
die Öffentliche Anklage auf literarifchen Diebftahl in feiner Ca- 
valiers- und Schriftiteller-Ehre tief verlegt, und Franz Dingelftedt, 
damals Autendanten ın München, brachte der Pfaffenhofener 
Schulmeifter und deſſen fanatifcher Anhang um feinen Poften, 
da es der bairifche Localpatriotismus nicht dulden wollte, daß die 
Hofbühne den „Fechter" mit dem „ufjurpirten" Wutor-Namen 
Halm zur Aufführung brachte. Als „Der Fechter von Ravenna" 
nah Prag kam, ftand Halms Autorſchaft noch nicht feſt. Das 
Fragezeichen auf dem Zettel mit feinem Gefolge myſteriöſer Punete 
machte jene Senfation, welche die Tragödie, wäre fie unter dem 
Namen ihres allerdings fchon vortheilhaft bekannten Autors er- 


— 440 — 


Schienen, trog ihrer unleugbaren Schönheiten nie gemacht hätte. 
Der Erfolg war in den einzelnen Städten ſehr verjchieden. In 
Prag, wo Frey den ZThumelicus, feine Gattin die Thnsnelda, 
Frl. Lechner die Theisca, Weilenbet den Calignla fpielte, fand 
dag Drama bei feiner erjten Aufführung (21. April 1855 zum 
Benefiz des Hrn. Frey) eine jehr beifällige Aufnahne. Die Neugier 
nach den wahren Namen des Autors wurde in einem Schwanke 
parodirt, den die Prager ebenfalls, allerdings erſt als Niemand 
mehr über die Autorjchaft des „Fechters“ ftritt, zu ſehen bekamen. 
„Auch ein Fechter von Ravehna“ hieß der Zitel der Kleinigkeit, 
deren Held, ein harmloſer Commercienrath, im Verdachte ſteht, 
Berfaffer der Tragödie zu fein. Der verzweifelte Commercienrath, 
der fi) der taufend Gratufationen nicht erwehren kaun, bietet 
einen Preis Demjenigen, der ihm über den echter von Ravenna 
Auskunft geben Könnte. Von diefem Preife hört der Ortsrichter 
de8 Dorfes Ravehna, greift einen ortsbefannten Bettler auf und 
jtellt ihn dem Commerzienrath als den veritablen „Fechter von 
Ravehna“ vor. Mehr Amuſement als dieje Parodie brachte dic 
eruft gemeinte Tragddie des Schulmeifters von Pfaffenhofen, welche 
man im September 1856 in Fragmenten den Prager vorführte. 
Herr Franz Bacherl, der Dichter und Schulmeifter von Ober: 
pfaffenhofen, nahm den wärmſten Antheil an dem in Prag be- 
vorftehenden reigniffe der erften Aufführung feines Werkes, 
obwohl diejelbe fi) nur innerhalb der Arena-Holzwände voll- 
ziehen jollte. Der Arena-Regiſſenr wurde mit einem eigenhändigen 
Sendfchreiben des Autors de dato Oberpfaffenhofen 7. Sept. 1856 
beehrt, in welchem folgende weiſe Inſtructionen und feine Winfe 
vorfamen: 


„Daß Eoftume und Decorirung gut geeignet fein und die Darftellung 
des Stückes gut geichehen möge, liegt in „Ihrem eigenen Intereſſe .. Die 
dazu gewählten Verſe find eigener Art, wie ich fie zu feinem meiner übrigen 
Stüde habe, find jehr ſchwer zu recitiren und entfpreden fo eigenthitinlid) 
dem altdentichen Charakter. Nur mit Granitblöden baut man für das 
Volk fräftige Häufer, nicht mit Baumwolle und Setdenzeng. In Minden, 
wo ich bei den Proben war, ift es vortrefflih und zu meiner Zufriedenheit 
rucchgeführt worden. . Ich bemerfe Ihnen, hiezu noch, daß das Theater: 
perional ſchon beim erften Act in beitändiger Bewegung ſein muß: Nar: 
bonins, raſch eintretend, ſchnallt mit hochgeſchwungener Peitſche, und die 





— 41 — 


ð 


Gefangenen, beſtürzt, ſtürmen durch das Gitterthor. Narbonius wird dar— 
auf etwas ruhiger, ſpricht für ſich und wird bald wieder heftiger... 
Appliciren Sie dad Stüd gut, dann werden Sie in Bälde von mir ein 
Beileres erhalten.“ ° 


Vielleicht hätte Dichter Bacherl denn doch feine bejondere 
Freude dariiber gehabt, wie feine Tragödie im Prager Pſtroß'⸗ 
Ihen Garten „applicirt" wurde. Man gab nur einen kurzen 
Auszug aus jenem Auszuge, welchen Bacherl felbjt aus feinem 
Urbild des „Fechters von Ravenna” für Heinere Bühnen zurecht: 
gemacht hatte. Und was hätte der arme Sänger won Oberpfaffen- 
bofen gejagt, wenn ihm Jemand verrathen hätte, daß fein Prager 
Thumelicus-Dolt in normalen Zeitläufen der Held der Poſſe, 
feine Zhusnelda-Rohrbed eine ſehr Iuftige Localfoubrette vor: 
gerücten Alters, nur feine Heroine von Profeffion, und daß fein 
Tyrann Caligula-Sfutta in feinen fonftigen Amtsftunden ein 
fideler Komiker war! Diefe Bejegung hätte felbjt den Halm’schen 
„Fechter“ zur Localpoſſe degradirt! — Uebrigens machte man ein 
Jahr jpäter ebenfalls im hölzernen Mufentempel der Pftroßfa 
die Bekanntſchaft des bairischen Urgenies ſelbſt. Bacherl, der damals 
„Kunftreifen” unternahm, nm fit”) — man kann nicht anders 
jagen — für Geld auslachen zu laſſen, hielt am 25. Juni 1857 
eine Borlefung in der Arena. Ein Kleines Männchen mit lang 
herabwallendem Haar, in Srad, weißer Cravatte und Weſte, ftellt 
ji) der Barde von Ober-Pfaffenhofen mit vielfachen tiefen Ver— 
beugungen dem taufendföpfigen Bublico vor. Einer großen Mappe 
entringt er ſeine jämmerlichen Poejien, die er noch jänmerlicher 
declamirt. Je grauenvoller aber die Sache klingt — Bacher! 
ſpricht „Ideall“, „Zohner” ftatt „Donner” u. |. w. — defto mehr 
jubelt publicus, und ein kräftiges Gejohle ertönt, als Bacher! 
nach der erjten Abtheilung auf ironijches Aufen erjcheint. Aus 
einer Couliſſe tritt Scholz, damals Saft in der Arena, hervor, 
reicht dem batrifchen „Barden” galant die Hand und — das Ge- 
lüchter nimmt fein Ende... 

Der „echter von Ravenna” war bei weitem nicht das einzige 
Schaufpielereigniß des Jahres, Wir fehen eine Reihe illuftrer 
Säjte einander ablöjen. Haaſe, der Unvergefjene und Unver- 


— 42 — 


geßliche, läßt die Brager feine Glanzrolfen bewundern. Auf Haaſe 
folgt Zerline-Würzburg, feit der Stich die befte Julia, — 
heute als Frau Gabillon noch immer eine der erjten Hierden 
des Burgtheaters. Jauner, der ebenfall® vom Burgtheater 
einen Ausflug nad) Prag macht, damals noch ein jugendliches 
Talent, fpielt den Louis im „Pariſer TZaugenichts" ; in der Arena 
aber erjcheinen Scholz, Karl Treumann und die berühmten Zwerge, 
diesmal durch ihren ungarischen Collegen Kis Joͤſzi verftärkt, der 
fih im Alter von 15 Jahren der befcheidenen Höhe von 25 Boll 
erfreute. Holtet zu Ehren, der im October im Convictjaale las, 
führte das Theater „Lorberbaum und Betteljtab" auf, und als 
legte Novitäten des Jahres Dr. Ferdinand Stamms „Libusa” 
in cechifcher Ueberjegung, Prechtler's „Cäcilie”, Melchior Meyr's 
„Herzog Albrecht” und Benedir? „Auf dem Lande”. Der große 
Berluft ‘des Jahres 1855 hieß Grauert. Nach längerer Krank— 
beit, die theil durch die Anftrengungen in der Arena, theils durch 
den Schmerz Über eine empfindliche Schädigung feines Vermögens 
durch einen Collegen verurjacht war, verjchied der Künjtler, eine 
der hervorragenditen Kräfte des Theaters, in Teplig, und guter 
Rath nad) einem Nachfolger des in feinkomiſchen Charakterrollen 
virtuofen Darjtellers war theuer. Eine hübſche Weile fpäter, am 
21. April 1856 erft, ftellte jich den Pragern ein Candidat fir das 
erledigte Fach vor. Der Name des Debutanten ift heute populär 
an allen Bühnen Deutfchlands und Oefterreihs: Wilhelm Knaack 
ift überall ein gerne gefehener Gaft. Damals kam Knaad vom 
Friedrih-Wilhelmftädtifchen Theater in Berlin. Er präfentirte ſich 
als junger Mann von hoher fchlanfer Geſtalt, mit einem für die 
verichiedenften Ausdrücke empfänglichen Gefiht und — was ihn 
bei feinem Prager Debut fehr zu Statten fam — erinnerte in 
feinem Exterieur an das Schooßkind der Prager, Friedrich Haafe. 
Seine Debutrollen — der Jude Meyer in dem Luſtſpiele „Dan 
jucht einen Erzieher" und der Kandidat in „Müller und Miller" 
machten Glück, ebenfo fein Engländer in der „Ehe auf zwei 
Stunden”, den er nebjt dem für fein Alter etwas zu vorgejchrit- 
tenen Better im gleichnamigen Luſtſpiele am zweiten Debutabende 


— 443 — 


vorführte. Daß man feinen Erſatz für Grauert vor fich hatte, 
wurde zwar bald Har; Knaack's Talent ftrebte einer anderen, der 
mehr burlesten Richtung zu, in welcher er es nachher zur Be- 
rühmtheit gebracht bat. Eine Neihe mannigfacher Partien gab 
das vollfommenfte Zeugniß für die abnorme Bielgeftaltigfeit, 
Bühnengewandtheit und draſtiſche Wirkfamfeit feiner Darjtellung. 
Der Contract wurde feit, und Knaack machte fich im heiteren Re— 
pertoire des ftändifchen und des Sommertheaters durch eine Menge 
ergöglich-tomifcher Leiſtungen raſch beliebt. Seinen Wirkungskreis 
verlegte er immer mehr in die Poſſe, — jeine fpätere Haupt: 
Domäne. So bradıte feine Benefiz-Vorftellung im Jänner 1857 
als Novitäten den Einacterr „Der Regenjchirm”, worin Knaack 
den von Verlegenheit zu Verlegenheit gehesten Megenfchirm-Be- 
figer fpielte, das zum größten Theile von Balletdamen aufgeführte 
Genrebild „ein Pas de deux vor 100 Jahren“, worin Knaack 
einen Ballet-Avertifeur gab und überdies „das Feſt der Hand- 
werfer” mit ihm als Kluf. Den Haupteffect aber erzielte Knaack 
mit einem eingelegten „Zrommelconcert" aus der Parodie „der 
Fechter von Berlin”. Knaack begleitete den vom Orchefter ge- 
jpielten PBropheten-Marich, mit den Fäuften auf dem Tiſche trom⸗ 
melnd, mit einer derartigen Virtuofität, daß er Schallenden Applaus 
erntete und wiederholt gerufen wurde. Knaack arbeitete an diejen 
Trommellünften mit Händen, Ellenbogen und Füßen, und der 
Effect dieſes Eoncertes war jo groß, daß ihm reiche Cavaliere 
bedeutende Geldgefchenfe fandten mit der Bitte, nur wieder einmal 
ven Prophetenmarsch zu trommeln. Auch als Schneider Fips — 
ein Zitel, der heute von Knaack's Namen unzertrennlich ift — 
verjtand er ſchon damals fein Gewerbe in außerorventlihen Maße. 

Knaack gehörte nicht lange dem Verbande der Prager Bühne 
an.*) Er gehörte ihr au zu einer Zeit, da noch der Komiler- 
Beteran Feiftmantel im Greifenalter auf den Brettern wandelte. 
Am 20. Auguft 1856 Hatte Franz Feiſtmantel fein fiebzigites 


*) Wilhelm Ruaad ift am 13. Febr. 1829 in Roſtok (Mecklenburg) 
geb., war ſchon im zweiten Lebensjahre verwaift, verlor mit fieben Jahren 


— 444 — 


Lebensjahr vollendet. Das dentiche Landestheater war Zeuge 
einer finnigen Huldigungsfeier, die ihm von Collegen und Bublicum 
bereitet wurde. Feijtmantel fpielte an feinem Ehrenabend den 
Pachter Hartfopf in der „Frau Wirthin”, eine jener legten 
Slanzrollen. Applaus: Donner empfing den Veteranen. In der 
legten Scene erjchten dag Herren- und Damenperfonal des Theaters 
auf der Bühne; Fiſcher und Frau Frey fprachen herzliche Gra— 
tulationsverfe und überreichten einen vom Berfonal gewidmeten 
Silberpocal; Frau Frey drüdte dem Jubilar den wohlverdienten 
Lorber in's Haar, von den Galerien flatterten Exemplare eines 
Huldigungsgedichtes herab. Ein Jahr fpäter trug man den Bes 
teranen zu Grabe. Feiftmantel ftarb am 27. Oct. 1857 am Herz 
Ihlage im 71. Lebensjahre, im 40. Jahre feiner künſtleriſchen 
ZThätigfeit in Prag. Seit 1. Dec. 1848 hatte er bereits feine 
Penfion bezogen und dennoch ununterbrochen activ gewirkt. Feiſt— 
mantel wußte nicht wie Scholz durd) grelle, draftifche Mittel, wie 
Neſtroy durch üÜberquellenden Humor oder wie Treumann dur 


auch feine Großeltern und verbradite fodann unter Fremden eine entſetzliche 
Sindheit. Bon der Familie wegen feiner frühen Theaterleidenſchaft als 
„Auswurf” betrachtet, erwarb er fi durch Rollen: und Actenſchreiben 
fein karge8 Brot und dag Honorar für feine Lehrer. Am 5. Mai 1846 
betrat er zum 1. Male zu Roſtok in einer Wohlthätigkeitsvorſtellung als 
Elias Quobdlibet in einer Solofcene von Koßebue die Bühne und gefiel 
derart, daß er mit 8 Thaler Monatägage für Chor und Heine Rollen 
eng. wurde und mit der Geſellſchaft Stralfund, Greifswald und Güſtrow 
bereifen durfte. 1848/99 wurde K. mit 16 Thlr. monatlich nad) Lüũbeck, 
dann bei einer reifenden Gefellichaft in Medlenburg eng., der auch Reuſche 
und Eichenwald augehörten; 1850 fam er an das Sommertheater der Ge- 
brüder Hennig in Berlin, wurde von Dir. Gente nach Danzig eng., von 
wo er aber bald an das Friedrih-Wilhelnftädtiiche Theater in Berlin 
abging, das damals ein trefflihes Enſemble (Börner, Aſcher, Haale, Lobe 
u. ſ. w.) befaß. Nach 3jähr. Engagement in Berlin ging Knaack auf 
Beranlaffung Heinrich Laube's nad Prag; Laube hatte diefe Bühne ald 
die Brüde zum Burgtheater bezeichnet, doch ließ ſich K. von Neſtroy 1357 
au's Carltheater in Wien entführen, dem er jodann lange Fahre als eine 
der bervorragendften komiſchen Sträfte Wiens, eine Zeitlang auch ald Mit: 
director, angehörte. Ju ben legten Jahren war K. ohne felted Engagement, 
ift jedoch 1886 abermals für das Carltheater gewonnen worden. 





außerordentliche Kunjtfertigkeit auf das Zwerchfell zu wirfen: er 
durchdachte und arbeitete jeine Partien jtetS genau aus, und dieſe 
\orgfältige Charafterijtif wirkte bei aller Einfachheit der aufge: 
botenen Mittel ebenfo wie die Komif feiner moderneren Collegen. 
Er war überdies in Poſſe, Luftfpiel und Drama zu verwenden 
und hatte auch mit ernjteren Gejtalten regelmäßig Glück. Sein 
Pachter Hartfopf 3. B., eine ernſte Charakterrolle, war eine fo 
gediegene Zeiftung, daß Döring, welcher Feiftmantel-Hartfopf ge- 
legentlic) eines Gaſtſpiels fah, bewundernd ausrief, Niemand. ſelbſt 
Ludwig Tevrient köunte diefen Hartkopf bejjer jpielen als der 
Prager Beteran. Seine legte Rolle war der Agamemnon Pünctlic) 
in Albini's Luftfpiel „Kunft und Natur”, den er in der Arena 
unter großem Beifall vorführte. Schon damals (im Sommer 
1857) Tränfelte er und mußte ſich Ruhe gönnen. Am Abend vor 
jeinem Tode weilte er vergnügt im Kreiſe der Seinen. Nach 
Mitternacht aber richtete er plöglich die fonderbare Frage an feine 
Tochter, od jie nicht vergejien habe, feinen Tod in der Theater: 
fanzlei zu melden. Die Tochter fand kaum Zeit, ihrer Ueber— 
raſchung Ausdruck zu geben, als der Künſtlergreis auffenfzend 
verschied. Das Leichenbegängniß Feiſtmantels, der jeit 1817 einigen 
Prager Generationen Stunden ungetrübten Vergnügen bereitet 
hatte, war einer der impoſanteſten Leichenzüge, die Prag gefehen. 
Auf dem ganzen Wege vom Trauerhaufe, dem ehemals Cavriani- 
hen Balais in der Kettengaffe, aus bildete die Volksmenge ein 
dichtes Spalier, alle Fenſter waren geöffnet und dicht befeßt mit 
Menfchen. Die Prager Bühne Hatte ihren Neftor verloren. 

Ein neuer Stern auf dem Kunſthimmel Prags war 1856 
aufgegangen. Am 2. Sept. diefes Jahres debutirte als Ophelia 
Frl. Auguste Rudloff vom Brünner Theater, und die hohe 
imponirende Erjcheinung, das reizende, poetifche Geficht, das an 
die Würzburg-Gabillon erinnernde Pracht-Organ in Verbindung 
mit einer durchaus geiftvollen und fünftlerischen Auffaffung machten 
dieg Debut zu einem ausgejprochenen Siege, der durch ihre 
Prisca, ihr Gretchen, ihren Wolfgang Goethe u. |. w. nur nod 
vervollſtäudigt wurde. Das Probegaftipiel der Rudloff erfreute 


— 46 — 


die Brager (am 17. Sept.) auch mit der Premiere des Grillparzer: 
schen Gedichtes „des Meeres und der Liebe Wellen”. 
Die Gaftin war Prags erſte Hero, Hr. Frey ſpielte den Leander, 
Paetich den Naufleros, Fiſcher den Oberpriefter. In der Rudloff, 
welche am 12. Mai 1857 als Prisca ihr Prager Engagement 
antrat, war der würdigfte und bejte Erſatz für die nach Leipzig 
abgegangene Daun gefunden. Das Schaufpiel hatte nun an ber 
Szegöffy, Frey, Rudloff und Lechner, welch letztere Übrigens im 
Septeinber 1856 zu Hymens Fahne geſchworen und ji) mit dem 
Kaufmanne Hrn. Allram, einem Sohne des Schaufpielerpaares 
Allram, vermält Hatte, weibliche Kräfte, um welche Prag von 
jeder Bühne beneidet werden durfte. — Auf dem Gebiete ver 
Poſſe endete der Concurrenzkampf zwifchen Therefe Müller und 
der Nenner mit dem Abgange der letzteren nah Wien. An 
fangs 1856 Hatte Therefe Müller, deren Ruf als Soubrette 
ein glänzender war, als Marie in „Car und Bimmermann" 
debutirt, ohne entfchieden durchzufchlagen; ja die Intendanz ver: 
verweigerte geradezu die Genehmigung ihres Eontracts für das 
Fach der Opernſoubrette. Erft die Therefe Krones begründete 
ihren Ruf in Prag. Für die Localpoffe reichte ihr angenehmes, 
aber nicht umfangreihes Organ vollfommen aus, ihr rvefolutes 
frifches Spiel, ihr netter Lieder» und Coupletvortrag, fowie ihre 
bedeutende jchaufpielerifche Begabung nahmen für fie ein; bald 
war fie als Vaudeville- und Localfängerin die Stütze des Re: 
pertoires. Ihre Opernpartien (Aennchen im „Freiſchütz“, Zerline 
in „Don Juan“ u. ſ. w.) waren anſtändig, aber nicht auf der 
Höhe der Situation. In dasfelbe Jahr (1856) fiel der Eintritt 
Siege’s in den Verband des deutichen Landestheaters, dem er 
zuerjt als Naturburfche, dann als überall verwendbarer fleißiger 
Epifodift mit einjähriger Unterbredjung länger als ein Piertel- 
jahrhundert angehörte. Das Amt der Oberregie überging von 
Fiſcher an Wolff. Fiſcher felbft wurde immer tiefer Hinein- 
gezogen in den verderblichen Strudel feiner Leidenſchaft. Er wurde 
ein unheilbarer Trinfer. Seine langjährige Freundin Eichen, die 
e8 allein verftanden hatte, feine Verhältniſſe in geordnetem Zus 


= 


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jtande zu erhalten, war gejtorben. ‘Damit hatte Fiſcher jeden Halt 
verloren. Bei der erften Aufführung des „Fechter von Ravenna” 
war Fiſcher (Merowig) in folder Verfaſſung, daß er niederjtürzte 
und nur geftüßt weiter fpielen Tonnte, fo daß die Intendanz ih 
eine Ermahnung zuftellen ließ. Es war eine gigantische Künftler- 
kraft, die bier zu Grunde gerichtet wurde. 

Fiſcher's Nachfolger in der Regie, Wolff, fpielte Charafter- 
rollen jehr forgfältig, wenn auch nicht hervorragend, und waltete 
eifrig jeines Amtes. Er arrangirte u. U. zum erften Male Schillers 
„Lied von der Glocke“ in dramatischer Scenirung, worin nament- 
lih Fiſcher als Meilter und die Frey als Meiſterin Fünjtlerifche 
Genüße feltenen Werthes boten. Auch die jonftigen künſtleriſchen 
Thaten des Jahres repräfentirten eine ftattlihe Summe Man 
führte als Novitäten u. A. auf: „Jeruſalems letzte Nacht" von 
Molfheim, „Geld und Ehre” von Ponfard, „Im Walde" von der 
Birch⸗Pfeiffer, Lope de Vega's „Stern von Sevilla”, Laube’s 
„Sraf Eifer” (mit Dieg in der Titelrolle, der Frey als Elisabeth, 
der Daun als Rutland), Gutzkow's „Ella Roſe“, Grillparzer’s 
„Des Meeres und der Liebe Wellen”. Brachvogel’3 „Narciß“ führte 
am 2. Yuli Döring in Prag ein. Der Berliner Gaft zählte befannt- 
ich „Rameaus Neffen” zu feinen Glanzrollen; er hatte in Prag 
die Frey als Bompadour, die Daun als Quinault zur Seite. Außer 
Döring bewunderten die Prager 1856 nod) eine Reihe tlluftrer 
Säfte. Da kamen die Haizinger, Beckmann, Mer. Levaſſor, der 
berühmte franzöfiiche Komiker, mit einer „compagnie d’artistes 
francais“, Marie Dambdd, die fpätere Frau Straßmann, und 
Marie Seebad. ALS neue Erfcheinung, aber empfohlen durch 
einen. den Pragern theueren Namen, präfentirte fih Karl 
Soutag, als Doctor Robin, Bergheim, Hamlet, ehrlich ver- 
diente Zorbeern pflückend. Morig Rott beichloß die lange Reihe 
der künſtleriſchen Ereigniſſe des Jahres 1856, die im nächiten 
Jahre in ebenfo würdiger Weife erweitert wurde; diesmal 
creirte die Straßmann⸗Damböck Tempeltey's „Klytemnäftra”, 
Agnes Wollner vom Königftädter Theater in Berlin die Grille, 
Löwe, vom Burgtheater, erjchien mit einem jungen hoffnungsvollen 


Künſtler derfelben Bühne — Sonnenthal. Sie fpielten mit 
einander: Löwe den Perin, Spiegelberg, Falſtaff u. |. w., Somnen- 
thal den Don Cäſar, Carl Moor, Prinzen von Wales ꝛc. Im 
Auguft erfüllte ver Goß mann-Enthuſiasmus Prag. Am 6. Auguft 
eroberte die Unvergeßliche als Sabine in der „Einfalt am Lande” 
alle Herzen; dann übte die Grille ihren unwiderjtehlidien Zauber 
aus, und Beifallgorcane, wie ſie lange nicht dagewejen, erfüllten 
das Haus. Mit einem „dobrou noc“ empfahl ſich die Grille 
damals von Prag. Die Goßmann-Concurrenz hatte in der Arena 
Carl Treumaun, der deutjche Levaſſor, auszuhalten, während 
im ftändifchen Theater der Berliner Rott, Bogumil Dawijon, 
Alcher von Berlin und Treumann die legten der iluftren Gäſte 
waren, die unter Stöger’s Regimente die Prager Bretter betraten. 





— 449 — 


XVII. 


Die Oper in Sföger’s zweiter Pirectionsperiode. — Richard 
Wagner in Prag. — Stlöger’s Abſchied (1858). 


(Sröffnungs-Oper. — Der neue Tenor Steger. — Primadonna Behrendt: 
Brandt. — Thereſe Kanda-Marfchner, Laura von Bradt. — Baryton 
Steinede, Baflift Carl Schmid. — Stiger's Abſchied. — Nüdgang ber 
Dper. — Reichel's Wiedereinzug, — Primadonnen - Mangel; berühmte 
Gäſte. — Die „Iuftigen Weiber von Windſor“. — Loniſe Meyer und Flotom’3 
„Indra“. — Johann Rules. — Richard Wagners Beziehungen zu 
. Brag; fein erfter Beſuch in Prag 1833; Kittl und Wagner, Director Apt 
und Wagner, Tannhäufers Einzug in Brag; Danffchreiben des Com— 
poniften. — Abſchied Carl Schmid's. — Nathalie Selig und Adelheid 
Günther; Abſchied von Laura Bradt. — Lohengrin“ in Prag; Marie 
Lehmann sen. und Richard Wagner. — Die „Wagner-Woche“ ded Jahres 
1856; der „fliegende Holländer”, Yranz Liszt in Prag. — Neue Kräfte: 
Therefe Deüller, Jenny Brenner. — Die Bremiere bed „Tronbabour”. — 
Sarolta Acs und Fekter. — Carrion als Gaſt. — Abfchiedsabende: Louiſe 
Meyer, Jenny Brenner, Lukes. — Erſatztruppen: Emilie Schmidt, Louife 
Tipka, Eduard Bachmann, Capellm. Neswadba als Erſatzmann Skraup's. 
— Stöger und die Intendanz. — Der Perſonalſtand 1857. — Directions⸗ 
Councurrenz unter Wiedergewährung der Subvention. — Stöger in finan— 
zieller Bedränaniß. — Directions-Candidaten. — Thome erhält die Di— 
rection. — Stöger's Abſchied.) 


Die herrlichſten Erinnerungen der Prager Oper knüpfen ſich 
an den Namen Stöger. Unter ſeiner Regierung ſahen wir in 
den dreißiger Jahren den Stern der Lutzer glänzen; wir ſahen 
Pöck im Zenith ſeines Ruhmes und die Prager Oper allen voran 
an Glanz und Reichthum des künſtleriſchen und Ausftattungs- 
materiald. Tarum belebte, als das Directionsfcepter neuerdings 
in Stöger’3 Hände gegeben wurde, Eine Hoffnung alle Theater: 
freunde, die Hoffnung auf eine neue Glanzaera der Prager Oper. 
Und in der That: der impofante Beginn, das Aufleuchten des 
Sternes Steger, verjprach Erfilllung aller Erwartungen. Wurde 


in der Folge mit dem Verlufte Steger’3 und anderen Wendungen 
29 


— 490 -- 


zum Schlimmern auch, der Glanz geringer — noch Eine große 
That fällt in die zweite Wera Stöger: diefe war es, welde 
den ſchon damals vielgenannten Reformator in der muſikaliſchen 
Welt, den „Dichter-Componiften” Richard Wagner, einführte 
in die Mufitftadt Prag.... 

Selten hatte man einem theatralijchen Ereigniffe mit jo außer: 
ordentlichen Intereſſe entgegengefehen, als der erjten Opern: 
vorftellung unter Stöger’3 zweitem Regime. Kein Bläschen im 
Haufe war unbefegt, als am 17. April 1852 die „Stumme von 
Portict" das Opernrepertoire eröffnete. Die PVorftellung war 
„Tenfationell” dur und durch. Ein Chor, wie ihn jo impofant 
Prag nicht gehört, brachte alle die auf grandiofe Maſſenwirkung 
berechneten Nummern jo effectvoll zur Geltung, daß viele derjelben, 
auch die Preghiera in Es-dur, mit einem jelten erlebten Enthufias: 
mus aufgenommen wurden. Theuere Vocalfräfte, ja ganz an⸗ 
jehnliche Sänger waren von Stöger fiir feinen Opernchor ge- 
wonnen worden. Auch das Orchefter, in welchem Mildner als 
Direetor, Bennewig (Violine), Paulus (Viola), Goltermann (Cello), 
Hrabe (Contrabaß), Bijatowig (Clarinette), Bauer (Oboe), Müller 
(Flöte), Janatka (Horn) wirkten, war verftärkt; aber dies Alles 
stellte die phänomenale Erfcheinung des neuen Mafaniello Steger 
in Schatten. Ein zweiter Zichatichet ftand und fang vor deu 
Pragern. Noch nicht viele Jahre glänzte Steger’3 Name in der 
Theaterwelt. Es war in den Bierziger Yahren, als ein junger 
Kroat, Namens Stazic, damals Apothefer-Subject, zu dem Re: 
giffeur des Theaters a. d. Wien, dem berühmten Staudigl, mit 
der Bitte fanı, feine Stimme einer Probe zu unterwerfen. Staudigl 
bewunderte das herrliche Material des Sänger-Landidaten und 
übernahm fofort die gefangliche Ausbildung des jungen Mannes. 
Der ftimmgewaltige Kroat erhielt auf fein Wort hin für die 
Dauer jeiner Ausbildung von Pokorny eine monatliche Unter- 
ftügung von 50 fl., machte raſche Fortſchritte uud trat be— 
reits nach drei Viertel-Jahren mit außerordentlichem Erfolge auf. 
Seinen froatifchen Namen hatte er in Steger umgetauft, und dieſer 
Name wurde bald in Wien, Belt und Prag populär wie jelten 











— 451 — 


der eines Künftlers. Steger's Organ ließ ſich nur mit jenem des 
Tenorkönigs Tichatſchek vergleichen; ja die Uebereinſtimmung dieſer 
beiden Tenore war ſelbſt in der Vortragsweiſe und Deutlichkeit 
der Ausſprache eine itberrafchende Schon noch der Barcarole 
in der „Stummen“ war der Enthufiasmus fo groß, daß er die- 
jelbe wiederholen mußte, und nach der Vorftellung, welche Verfing 
(Bietro) und die Solotänzerin Kildny (Gattin des Balletmeifters) 
als Tenella brachte, mußten Steger und Stöger immer wieber 
vor die Rampe. Jedes Auftreten Steger's bedeutete cin aus: 
verfauftes Haus; alles Intereſſe concentrirte ji) auf den neuen 
Stern. Opernvorjtellungen ohne Steger machten leere Häuser, 
Zenoriften, die neben ihm auftraten, wurden nahezu infultirt. Eine 
Reihe von Aſpiranten anf das Fach des zweiten Tenors ver- 
unglücte. Schließlich verjchrieb Stöger einen renommirten Candi- 
daten für das Iyrifche Fach, Mertens, während Emminger fir Spiel- 
tenore augerfehen war. Mertens war. contractlich eine Gage von 
5000 fl. zugefichert ; er debutirte und wurde, obwohl ein ganz acht- 
barer Sänger, ausgezifcht. Die Demonftrationen wiederholten fich, 
jo oft er auftrat; aber Mertens Hatte Geduld und hielt fast ein 
Jahr aus. 

Sp lange Steger als engagirtes Mitglied auf dem Xheater- 
zettel ſtand, kam die Prager Oper aus den goldenen Zeiten nicht 
heraus. Jede neue Rolle brachte dem Schooßfinde des Opern: 
publicums einen neuen Triumph. Zudem war es Gtöger ge: 
glüdt, außer dem Froatiichen Helden noch andere treffliche Kräfte 
für Prag zu gewinnen. Als Primadonna führte er den Pragern 
eine Sängerin erften Ranges mit impojfanten Mitteln, vollendeter 
Schule und prächtiger Erfcheinung, Frau Behrendt-Brandt, 
vor. hr erjtes Auftreten als Valentine neben Steger’3 Raoul 
war ei ebenfo glänzender Sieg wie Steger’8 erſtes Debut. 
Ein feftes Engagement aber kam wegen der hoben Anjprüche 
der Sängerin nicht zu Stande. Sie fang mehre Monate als 
Saft mit Honorar und kehrte dann von Zeit zu Zeit zu neuen 
Saftjpielen wieder, bis die Prager Oper in Louife Meyer jene 
Primadonna gefunden hatte, deren fie bedurfte Am 17. Juli 

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empfahl ſich unter großen Ovationen Frau Behrendt-Brandt — die 
beite Donna Anna feit der Bodhorsfy und Großer — zum erjten- 
male als Norma, um nah Frankfurt in's Engagement zu gehen. 
Ihre Nachfolgerin Frl. Kellberg hatte einen ſchweren Stand, 
fich einigermaßen auf dem von einer jo bedeutenden Künftferin 
verlaffenen Zerrain zu behaupten, und doch verfügte fie ilber ein 
Seltenes Materiale und eine vortrefflihe Schulung. Nur ihr Re— 
pertoire war mangelhaft, und ehe diefer Fehler veparirt war, fang 
Frl. Kellberg bereits als Gemalin des Weimarer Bafliiten Schmidt 
am Hoftheater jener Mufenftadt. Eine Tochter diefer Sängerin 
trat fpäter als jugendblich-dramatifhe Sängerin in den Verband 
des Prager Theaters. Die Altiftin, welche Stöger bei feinem 
Directionsantritte nad Prag bradıte, war Thereje Janda, 
eine Sängerin, die mit einer anmnthigen Perjönlichkeit einen ſehr 
hübschen, auch in dem Altregifter ſonoren Mezzojopran vereinigte. 
Sie fam am 1. Mai 1852 als Nancy, fang und fiegte. Thereſe 
Janda war zwei Jahre in Prag, nahm am 8. April 1854 einen 
sehr ehrenvollen Abſchied und trat in den Verband des Hannover: 
ſchen Hoftheaters. Dort wurde fie die dritte Gattin Marfchner's, 
der in Hannover als Capellmeifter wirkte, und trug viel zur Ver— 
fchönerung der legten Lebensjahre des unfterblichen Componiſten 
bei. In der. Folge vermälte fie fi) mit einem Bruder des Miniſters 
Bad, dem Director des Mozarteums in Salzburg, Otto Bad). 
Etwas jpäter als Thereſe Janda war Frl. Wagner als jugend: 
liche Sängerin in’8 Prager Engagement getreten, dem fie als 
abfolvirte Konjervatoriftin Ehre machte. Eine Verkettung unglitd: 
licher Verhältniſſe brachte fie von Prag weg; fie ftarb gebrochenen 
Herzens in jungen Jahren zu Leipzig. 

Nicht jo glatt und erfolgreih wie die Debuts diefer beiden 
Damen ging die Neubejegung des Coloraturfachs vor fi. Fräulein 
Staudt, welde gleih in der Eröffnungs-Oper als Elvira de- 
butirte, wurde bald nad ihrem Engagementsantritte krank und 
fonnte es überhaupt zu feiner rechten Beliebtheit bringen; Louiſe 
Tipka debutirte im erften Divectionsjahre Stöger als Yabella, 
Königin der Nacht und Elvira, konnte jedoch erft, als fie einige 








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Jahre fpäter wiederfam, in Prag feften Fuß fallen. Entfchiedenes 
Slüd hatte Laura von Bracht, die am 30. Sept. 1852, von 
Wiesbaden kommend, als Lucia debutirte, eine liebenswürdige, 
diftinguirte Sängerin mit umfangreichem Organe, das freilid) an 
einem gewiſſen Oboen-Zimbre litt. Frl. v. Bracht war drei Jahre 
eine Zierde der Prager Oper, welche ihr die Schöpfung mandyer 
operiftiichen Glanzrolle dankt. Einen ähnlichen Gewinn wie das 
Engagement der Bracht bedeutete die Acquifition Steinedes 
als Baryton für die Prager Bühne. Steinede hatte das fchägens- 
werthe Glück, gleich in den erjten Tagen des Steger-Euthufiasmus 
beachtet zu werden. Die Erinnerung an Kunz, feinen Vorgänger, 
war noch friſch, und trogdem errang der neue Debutant als 
Prinzregent am 19. April 1852 einen fchönen Erfolg, deſſen 
Dauerhaftigkeit fih in einer mehrjährigen Wirkfamfeit erwies. 
Steinede ftand nicht mehr in feiner eriten Blüthenperiode; aber 
jein Baryton war von der ſympathiſcheſten Art, feine Methode 
und PVortragsweile meijterhaft; er war überdies die beite fchau- 
ſpieleriſche Kraft, die feit lange die Prager Oper befeilen. 
Als erfter Wolfram und Telramund Prags it Steinede unver: 
geßlich in ihrer Geſchichte. Das Baſſiſtenfach füllten neben ihm 
noch immer Verſing, Strafaty und in Bufforollen Brava aus; 
Berfing allerdings nur mehr kurze Zeit. Die längft gefürchtete 
finanzielle Rataftrophe brach über den Baſſiſten, der zu Allem eher, 
als zur Finanzwirthihhaft und Oekonomie Talent Hatte, endlich 
herein. Er verließ Prag — feine weiteren Lebensſchickſale find 
befaunt. Unmittelbar neben dem Flüchtling war ein junger, hoff: 
nungsvoller Baſſiſt herangewachjen, der mit Erfolg in die Breſche 
treten fonnte: Dr. Karl Schmid. Die Larriere des jungen 
Sängers war feine alltägliche. Zu Uerkheim im Yargau (Schweiz) 
am 9. April 1825 als Sohn eines Paſtors geboren, hatte er 
auf der Univerſität Tiibingen Medicin und gleichzeitig bei Silcher 
Geſang ſtudirt. Nach erfolgter Promotion zum Doctor der Heil- 
kunde wandte er fich nach Prag, um auf den berühmten Kliniken 
diefer Stadt zu praftieiren. Die Schweizer:Colonie hielt beim 
„goldenen Haſen“ -ihre Zufammenfünfte, wobei es oft recht leb- 


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haft herging. Dr. Schmid allein, eine impojante Berfönlichkeit, 
erfreute fich einer unbedingten Wutorität in dem fehr unrubigen 
Kreife, und wie fein Eolojjaler Baß gar oft die Stimmen der 
Streitenden übertönte und Ruhe gebot, jo übertönte er auch bei 
gemeinſamen Liedern mächtig die Organe aller Commilitonen. 
Stöger, den wir als glüdlichen Stimmenjäger kennen, hörte endlich 
auch von dem jchweizeriichen Baffiften im „goldenen Hafen”, wußte 
e8 zu vermitteln, daß ſich der jugendliche Sänger auch einmal in 
jeiner Anweſenheit in einem Privateirkel hören ließ, jchäßte das 
Edelmetall diefer Stimme fofort nach feinem vollen Werthe, ver- 
anlaßte die weitere Ausbildung des Sängers, der ſchon in der 
Sophienafademie unter ‘Direction Vogels verdienjtvoll mitgewirkt 
hatte, und bewog ihn dazu, am 22. Sept. 1852 zum erjten Male 
als Saraftro aufzutreten. ‘Der ſchweizeriſche Arzt ragte über Alle 
empor, wie mit feiner Hünengeftalt fo auch mit feiner Rieſen— 
jtimme. Man bewunderte die geradezu fenfationclle Qualität der 
Intervalle vom Kleinen f hinan, die leicht anfprechende und fo: 
nore große Octave dieſes Organs, dem in allen Regiſtern aud) 
eine oft elektrifivende Ausdrudsfähigfeit zu Gebote ſtand. Nach 
einigen Monaten trat Dr. Schmid in's definitive Engagement. 

Dies war das Enjemble, in welchem Steger fang. Um ihu 
gruppirte ſich Alles, und felbft die trefflichjten unter den chen 
Angeführten fchienen zu nichts als zur Staffage für den Gefeierten 
vorhanden. Und doch, wie furz war die Herrlichkeit! Kaum Ein 
Jahr war dahin, und fchon wurde die Kunde laut, Er, der Uns 
vergleichliche, gehe. Sn der That war von Wien aus bereits 
wieder die Angel nach dem entkommenen Goldfiſch ausgeworfen 
worden, und der Köder einer höheren Gage verfing. Obmohl 
Steger's Contract mit der Prager Direction noch bis April 1854 
in Kraft ftand, ließ Stöger feinen primo uomo doch ziehen, er- 
weicht durch die dringende Bitte, ihm feine Earriere nicht zu ver: 
derben und gegen eine Entjchädigung von 5000 fl. Um dem 
Publicum den Abjchied von feinem Liebling nicht allzufchwer zu 
machen, zerjplitterte man den Trennungsſchmerz auf eine ganze 
Serie von Abfchiedsabenden. In jeder feiner jpeciellen Glanz: 





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rollen nahın Steger einen befonderen Abſchied. Noch am 5. Febr. 
des Jahres 1853 hatte er in „Nigoletto" den Herzog von Man- 
tua creirt mıd zum erjten Male das „Donna & mobile“ aus 
der Kehle gejchmettert. Dann fang er den Wilfried Ivanhoe in 
„Templer und Jüdin“ und machte mit feinem Ferdinand in 
Skraup's „Meergeufen” Furore. Am 26. April fang Steger 
zum legten Male den Edgar in „LXucia”, und immer ippiger 
blühte der Enthuftasmus, als er den Lionel neben der Peſter 
Primadonna Gundy ald Martha, den Stradella (in Anwejenheit 
des Erzherzogs Franz Karl), den Raoul, Robert, Genmaro in 
„Luerezia”, den Dtello, den Sever zum letzten Male fang, zumal 
Steger von Partie zu Partie immer nur zu wachjen ſchien. 
Am 26. Mai gab der Amtendant Ritter v. Bergenthal dem 
fcheidenden Helden zu Ehren eine Abſchiedsſoirte, welche fast 
alfe künstlerischen und mufifaliichen Notabilitäten Prags in Ber- 
genthal's gaftlihen Salons verjammelte. Einer Vocalcompofition 
von Franz Skraup folgte die Uebergabe eines von Seren v. 
Bergenthal dem fcheidenden Sänger gewidmeten, mit mufifali- 
chen, künſtleriſchen und poetischen Beiträgen gefüllten Albums. 
Frl. Lechner trug ein von Joſeph Bayer verfaßtes Preisgedicht 
auf Steger vor, das große Theilnahme fand. Den höchſten Grad 
erreichte der Beifall, als Steger im Verein mit Frl. Wagner 
zwei Scenen des in Prag noch unaufgeführten „Zannhäufer" 
zu Gehör brachte. Man wollte e8 gar nicht begreifen, daß — 
im Bejige eines folchen Tannhäuſer — mit der Aufführung der 
epochalen Oper jo lange gezaudert werden fonnte. Der 28. Mai 
brachte endlich die letzte Abjchiedsvorftellung des &efeierten im 
Theater. Man gab den erften Act aus „Zell", den zweiten aus 
„Lucia“ umd den dritten aus dem „Meergeujen". Das glänzendfte 
Publicum füllte das Haus, und die Dankbarkeit für die durch 
Steger gebotenen Kunſtgenüſſe kam in dröhnenden Applausfalven 
zum Augdrud. Zum Schluffe ging ein Blumen- und Kranzregen 
von ſeltener Nachhaltigkeit und Neichhaltigkeit wieder, und — die 
Prager Oper war um ihre Sonne ärmer. 

„Ein Organ von ſympathiſcher Klangfarbe in den höchſten, 





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von koloſſaler Kraft in den mittleren Negiftern, ſelbſt noch jonor 
an der äußerſten Grenze der Kleinen Dectave" — wurde als 
Steger's privilegirtes Eigenthum gerühmt. Daß ein Tenor mit 
folhen Schägen ein vernünftiges Publicum fanatiſiren Tann, ift 
begreiflih. So oft Steger auf Gaftausflügen wiederkam — und 
er fam ſehr oft — empfing ihn Prag mit demfelben Enthufias- 
mus. Später lebte Steger in den angenehmſten Verhältniſſen in 
Dfen, oder auf feinem Landſitze in Gyula (Ungarn). Er ver: 
faufte das Haus, um durch Feine Sorge dafür beengt zu fein. 
Einen großen Theil des ‘Jahres brachte er in Barcelona in Spanien 
zu. Noch in vorgerüdten Jahren fang er manchmal im ungaris 
chen Nationaltheater zu Budapeft, und der Tenorkönig verleugnete 
fi) auch damals nicht in ihm. 

Mit Steger ſchien der gute Geift der Prager Oper eut— 
Ihwunden. Leere Häufer an Opernabenden waren auf der 
Tagesordnung. Auch im jonftigen Status der Stöger’jchen Oper 
hatte ſich feit der glänzenden Erdffnungsvorftellung fo Manches 
geändert. Der Luxus mit koftbaren Stimmkräften im Opernchor 
hatte der Directionscafle mehr Opfer auferlegt, als ſich mit 
ihrem Bejtande vertrug, und ſchon zu Oftern 1853 fah und hörte 
man im Chore jehr Viele, die nicht mehr da waren. Der Knall: 
effect des prunkvollen Anfangs war verpufft, die Oper mußte nun 
unter normalen Berbältniffen die Probe ihrer Solidität ablegen. 
Director Stöger gab fid) alle Mühe, die fatalen Schwierigkeiten 
zu befänpfen. Für den entführten Steger brachte er den Pragern 
einen primo uomo, der einſt wenigjtens annähernd jo viel Sei: 
jation gemacht hatte als der croatifche Tenor: am 31. Mai präfen- 
tirte ſich als Jan von Leyden ein alter Bekannter, Reichel, und 
der. Erfagmann des Unerjeglichen hielt nicht ohne Blumenregen 
jeinen Wiedereinzug auf die Prager Bretter. Etwas, den phäno— 
menalen Umfang der Stimme, hatte Neichel mit Steger gemein, 
ja feine Höhe war geradezu fabelhaft; in feiner berühmten Force⸗ 
Nummer, dem March in den „Franzoſen vor Nizza", übertünte 
jein Tenor fogar das Schmettern der Trompeten. Ein in Theater- 
freifen geläufiges Räthſel charakterifirte die hervorftechendfte Lei— 





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ftung Neichels. „Was geben Weilenbed und Reichel zujammen ?” 
fragte man. Die Antwort war: „Nar⸗ciß.“ Die erite Silbe galt 
dem an Abfonderlichfeiten reichen Weſen des damaligen Charafter- 
ſpielers, die zweite jpielte auf die außerordentliche Höhe des 
Reichel'ſchen Tenors an. Ein Unicum war e8, daß Reichel in 
„Robert der Teufel" das Original-Duett vor der Kirchhofsfcene 
bis zum zweigeftrichenen d mit voller Brujtjtimme fang, jo daß 
man eine Altjtimme zu hören glaubte. Trotz dieſer phänomenalen 
Borzüge war Reichel durhaus nicht Künftler genug, um mit 
Steger, in dem ſich Kunft und Natur jo glänzend vereinigten, 
erjolgreich conceurriren zu können. 

Im Juli 1853 fam auch Bed, der in den Vierziger Jahren 
gefeierte Quido, zu einem Gaftjpiele nach Prag, um die Trümmer 
feines Tenors bewundern zu laffen. Bed, befanntlich einer der 
beiten, Entdedungen Stöger’s, war von Prag nad) Petersburg 
gegangen, um dort als „König der Tenore“ in Triumphen zu 
jchwelgen. Nach dem Verluſt feines Organs kam er als Cafetier 
nach Neapel, 1848 entdecdte er in Wien zufällig, daß die ver: 
lorene Perle, fein Tenor, doch noch nicht ganz verloren war; er 
eifte den Hallen der Kunft wieder zu und wurde in den Yünfziger 
Fahren in Weimar unter Liszt einer der Hauptanhänger des 
Wagner-Eultus. Bed war der erjte Zohengrin auf der deutjchen 
Bühne. Ueber feine fpätere Lebensbahn wurde bereits berichtet. *) 


Das Damenperjonale der Oper laborirte bereit ſtark an dem 
Mangel einer entjprechenden Primadonna. Stöger mußte jich mit 
Säften behelfen, unter denen Frau Behrendt-Brandt am 
hänfigſten vorkam. Von fonftigen Gäften rücte zuerſt Grau Gundy, 
Gattin des Peſter Theaterdirectors, in's Treffen, ohne durchzu⸗ 
greifen; danı kam Flora Schreiber-Kirdhberger, eine in 
Prag erblühte Kraft, und endlich die liebengwürdige Wildauer. 
Die „k. k. Hofichaufpielerin und Hofopernſängerin“ machte mit 


*) Be ftarb am 4. März 1879 als Angeftellter der Hofconditorei, 
weiche Pofition dem einftigen „König der Tenore” die Fürftin Hohenlohe 
vermittelt hatte, in Wien. 


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ihrem jo außerordentlich vieljeitigen und originellen Repertoire in 
Prag diefelbe Senfation wie in Wien und anderswo. Außer 
ihren durch den innigen Bund von fchaufpieleriicher und gejang- 
licher Meifterfchaft berühmteften Opernpartien, der Arline (Bigen- 
nerin), der Linda und Negimentstochter, vermittelte die Wrldauer 
den Pragern auch die Bekanutſchaft mit ihren allerliebften Genre: 
bilderu in einer Reihe von Alpenjcenen. Sie fpielte ihre unver: 
gefjene Schwoagrin Roſel im „letzten Fenſterln“ und ihre ebenſo 
berühmte Nandl im „Verſprechen hinterm Herd“. Neben der 
Wildauer ſah man damals Preiſinger als Quandtner, Dolt als 
Loiſt und Grauert als Freiherrn von Stritzow. 

Mit den Gaſtſpielen konnte aber auf die Dauer denn doch 
nicht über die brennende Primadonnenfrage hinweggegangen werden. 
Während der Intendant auf einer Dresdener Reiſe in Louiſe 
Meyer das lange geſuchte Juvel fand und gegen 6000 fl. jährlich 
an Prag feffelte, engagirte Stöger Frl. Schröder, eigentlid) 
Mezzojopran, welche die Monate bis zum Eintreffen der Meyer 
über alle Berlegenheiten hinmweghelfen follte. Sie wurde die erſte 
Frau Flut) in Prag, Am 29. Oct. 1853 hielten die „Iuftigen 
Weiber von Windfor” ihren Einzug. Die Conftellation war 
günftig ; treffliche Kräfte ſtanden für die Novität zn Gebote. Verfing- 
Falftaff wird von feinem Nachfolger übertroffen worden fein; 
Steinede und Strakaty als Fluth und Reich, Fenton-Reichel, Junker 
Spärlid-Emminger, Dr. Cajus-Brava, Franen Fluth und Neid) 
Schröder und Yanda, die „ſüße Anna“-Waguer — das gab ein 
Eufemble, wie es kaum beffer fein fonute, um die Oper in Prag 
einzubürgern. Neben den Stimmkünftlern wurde auch Romuald 
Bozef, der „Sonnengott“ vom „Propheten” her, nicht vergeifen, 
der diesmal einen „ſenſationellen“ Mond conftruirt Hatte, ven er 
getren nach der 1856 eingetretenen Mondesfinfterniß erhellte und 
verfinfterte nad; Belieben, ein damals viel angeftanntes Bühnen- 
wunder. 

Der Mond in den „luſtigen Weibern“ wurde bald nach 
ſeinem erſten Erſcheinen überſtrahlt von dem Glanze der Sonne, 
die in Loniſe Meyer im Jänner 1854 auf der Prager Bühne 











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aufging. Am 11. Jänner hielt die Diva ihren erften Triumph 
zug über die Prager Bretter. Sie fang die Linda, und ihr Fraft- 
voller, umfangreicher, durch und durch gefchulter Sopran, ihre nette 
Erfcheinung und ein an Tichatſchek's Einfluß erinnerndes dimma- 
tifch belebtes Spiel gewannen ihr troß der friſchen Wildauer- 
Reminiscenzen der Prager Sympathien im erjten Anlaufe. Ihre 
Jeſſonda und Balentine fang fie bereits als erflärter Liebling, 
mit Beifallsſtürmen fchon bei ihrem Ericheinen empfangen. Die 
6000 fl. Jahresgage — eine in den Fünfziger Jahren jehr rejpectable 
Summe — waren wenig im Dergleiche zu dem künſtleriſchen 
Gewinne, den der Brager Oper die Ucquifition der Meder brachte. 
Zouife Meyer, in der gefammten deutjchen Bühnenmwelt unter dem 
Kamen Duftmann-Meyer bekannt, war noch nicht zweiund- 
zwanzig Jahre alt (geb. zu Aachen 1832), als fie nad) Prag 
fam. Von ihrer Mutter, einer gejchäßten Opernjängerin, hatte 
fie Schon in früher Jugend die Kunft des Gefanges gelernt; das 
Materiale hatte ihr Mutter Natur reichlich zugetheilt. In Wien, 
wo fie ihre weitere Ausbildung erhielt, trat fie ſchon 1848 mit 
jehr gutem Erfolge im Joſephſtädter Theater auf, ging aber bald 
zu ihren Eltern nach Breslau und von da ans Hoftheater zu 
Kaſſel, wo fie zwei Jahre lang als erjte dramatifche Sängerin 
unter Zeitung Spohr's wirkte, der fie zu feinen vorzilglichjten 
Yeifondas zählte. Auf Gaftreifen in Braunfchmweig, Hamburg 
und Berlin ehrenvoll aufgenommen, acceptirte fie ein Engagement 
in Dresden, wo jie Ritter v. Bergenthal für Prag gemann. 
Sie hat hier, jo oft fie jpielte, nur Glanzrollen gejpielt. Bald 
nad ihrem Engagementsantritt (22. Febr. 1854) ſchuf fie die 
Titelrolle in Flotow’s „Indra“, und wohl nur einer ſolchen 
Indra im Verein mit der vortreftlichen Cigaretta des Frl. v. 
Bracht und dem Samoens-Schmid war es zu danfen, daß die 
Dper einen ziemlich guten Erfolg hatte. Zeider eutführte dasjelbe 
Jahr, das die Meyer nad) Prag brachte, zwei wadere Sängerinen, 
die Janda und Wagner, der Prager Bühne, ohne daß ein acceptabler 
Erſatz fo bald gefunden wurde. Für Frl. Janda trat provijoriich 
ein Frl. Bud, für Frl. Wagner erſt 1855 Frl. Banzer ei. 


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Um fo günftiger wurde in diefer Zeit eine lange genug 
ſchwebende Frage, jene des Igrifchen Tenors, gelöfl. Ein Tenor 
mit Ausfidhten anf eine weite, glänzende Zukunft, dem fich fofert 
Aller Sympathien zuwandten, war gefunden: Johann Lukes. 
Zufes’ Heimat ift Wildenfchwert, wo er am 22. Nov. 1824 ge- 
boren wurde. Obwohl im Vaterhauſe weder von Eltern noch 
Geſchwiſtern Muſik getrieben wurde, offenbarte der Knabe doch 
Schon frühzeitig ein fo entjchiedenes Talent zur Muſik, daß er 
bereits mit ſechs Jahren Unterriht im Gefang und auf der 
Violine befam und mit acht Jahren in der Bfarrfirche feiner 
Baterjtadt ein Violinfolo vortragen fonnte. Er wurde nun als 
Sängerfuabe in die Abtei der bejchuhten Auguftiner zu Altbränn 
aufgenommen, wo er als erjter Sopranift bereits feine Erfolge 
hatte und ueben feiner lieben Mufif auch die Gymnaſialgegenſtände 
jtudirte, fo daß er im 19. Jahr die juridifchen Studien in Wien 
beginnen konnte. In Brünn hatte er auch Fagott, Poſaune, Cello 
und Piano gelernt, alfo cine vielfeitige muſikaliſche Ausbildung 
genoffen, die ihm als Yurijten in Wien wohl zu ftatten kam. Er 
erwarb fich als Erzieher und Kirchenfänger feinen Unterhalt, feste 
überdies die Gefangsftudien an der Akademie der Tonkunſt unter 
Proch's, Baſadonna's und Guſtav Barth’3 Anleitung fort und 
ftudirte Dramaturgie, Aeſthetik, Declamation und italienische Spracdke. 
Seinem inneren Drange folgend, wandte er ſich 1853 deun doch 
der Bühne zu und gaftirte im October am Olmüger Theater als 
Stradella mit foldhem Erfolge, daß er troß feiner conftatirten 
Nepertoirelofigkeit engagirt wurde. Binnen einem halben Jahre 
zählte fein Repertoire fchon 24 Opern; er war der entfchiedene 
Liebling des Publicums. Franz Skraup hörte ihn und jchloß 
alsbald einen Contract fiir Prag mit 3000 fl. Gage mit dem 
Olmüger Zenoriften ab. Sein erftes Auftreten anf den viel 
bedeutenden Prager Brettern fiel auf den 26. April 1854, nad) 
dem er ſchon früher in einer Soirée bei Bergenthal Proben feiner 
Züchtigfeit abgelegt hatte. Daß der neue Arthur von Sirval 
neben der Linda einer Louife Meyer gefiel, ift eine Thatſache, 
welche die Begabung und Schulung des Sängers, der erft ein 


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Fahr in der Deffeutlichkeit wirkte, am beften ilfufteirte. Sein 
Stradella, die zweite Debutrolle, machte übrigens bei weitem mehr 
Glück. Den Herzog in „Rigoletto” fang Lukes bereit8 am 20. Mat 
als engagirtes Mitglied, und er faßte in Prag immer mehr Fuß, 
je Öfter er fang. Außerdem war Lukes ein Concert: und Oratorium 
jänger par excellence. Daß er troß feiner Erfolge und Beliebt- 
beit nicht immer einen entiprechenden Wirkungsfreis fand, verleidete 
ihm frühzeitig die Prager Bühne; er verließ ſchon nad) drei 
Jahren das Prager Engagement und beichloß, jich der -— Chemie, 
teipective Bierbrauerei zu widmen. Die Eltern feiner Frau waren 
im Belige eines Brauereietabliffements, und Lukes zeigte große 
Luft, das Geſchäft zu Übernehmen. Mit jenem Feuereifer, der 
fein Wirken in jeder Nichtung charakterifict, warf er ſich auf das 
nene Studium und ließ fich darin felbft nicht durch die außer- 
gewöhnlichen Erfolge jtören, die er mit feinem Taunhäuſer in 
Wien erzielte. Dort hatte der nachmals in Prag engagirte Tenor 
Ritter vd. Kaminski die Partie creirt, aber nicht den erwarteten 
Erfolg gefunden. Da berief man telegraphifch Lukes nad) Wien. 
Am 3. Sept. 1857 fang Lukes, der damals bereits die Prager 
Bühne verlaffen hatte, in der zweiten Tannhäuſer-Vorſtellung im 
Wiener Thaliatheater (Direction Hoffmann) die Titelrolle, und . 
die Oper jchlug diesmal durch. Siebenmal in fechszehn Tagen 
jang er den Tannhäuſer in Wien mit immer gleichen Bei- 
falle; dann fehrte er zu feinen chemiichen Studien nad) Prag 
zurück. Er machte weite Reifen, um die großen Brauereien des 
In⸗- und Auslandes Tennen zu lernen, fam nach Frankreich, Bel- 
gien und England, befuchte im Winter 1860 die Vorleſungen 
Liebig's und Kaiſer's in München, gleichzeitig in der Dieglmayr'ſchen 
Brauerei prafticirend, legte die Prilfung in der Bierbrauerei ab 
und reifte dann nach der Schweiz. Erſt 1864 kehrte Lukes von 
der Fabrication des edlen Gerjtenfaftes wieder zur Oper zurüd, 
wirkte zunäcft an der Oper zu Brüffel, dann in Budapeſt und 
zulegt am Cechifchen Landestheater in Prag, überall gejchägt als 
unvergleichlidy gejchulter Sänger. Heute bildet Lukes als Director 
einer vortrefflichen Geſangs- und Opernſchule mit vielen Glücke 
junge Kräfte aus. 


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Die Acquiſition der Louife Meyer und Lukes' hatte die erjte 
Hälfte des Jahres 1854 zu einem bedeutfamen Zeitabjchnitte in 
dev Prager Operngefchichte gemaht. Das Jahr brachte aber 
noch ein Weiteres an interejjanten Creigniffen. Der Barptonijten- 
König Bel und Frau Hermann-Efillag aus Wien lichen das 
Edelmetall ihrer Rehlen bewundern ; eine vielverfprechende Coloratur— 
fängerin, Frl. v. Ehrenberg, machte am 3. Auguft 1854 als 
abjolvirte Eonjervatoriftin mit der Lucia ihren erjten theatraliichen 
Verſuch, und Kittl, der glüdlihe Componift der „Franzoſen 
vor Nizza” und der „Waldblume” ließ nach ziemlid) langer Baufe 
wieder ein nenes Werk, „Die Bilderftürmer”" (Text von Dr. Jul. 
Eduard Hartmann), vom Stapel, das troß der virtuojen Leiftung 
der Dieyer in der Partie’ der Clara nicht den Erfolg der „Fran— 
zofen” Hatte. Aber die größte operiftiiche That des Jahres kam 
zulegt. Am 25. Nov. 1854 hielt der lange erwartete „Tann⸗ 
häuſer“ feinen Einzug in Prag. 

Wagners erite Beziehungen zu Prag datiren ſchon aus dent 
Jahre 1832. Mit der erjten Symphonie, die er gejchaffen, kam 
er in dieſem Jahre von Wien in Prag an, und diefer Bejud) 
Wagner's in der böhmifchen Hauptjtadt blieb beveutungsvoll als 
eigentliher Anfangs» und Ausgangspunkt feiner Öffentlichen Er- 
folge. Damals ftand Dionys Weber an der Spike des Prager 
Confervatoriums, und der junge Leipziger Mufifer mit feinen 
ernjten, ehernen Streben gewann deſſen ganzes Herz, Weber 
bezengte ihm feine Zuneigung auch in der That dadurch, daß er 
mehrere der Compofitionen und darunter auch die eben vollendete 
Symphonie des jungen Wagner durch fein weltberühmtes virtuojes 
Zöglings⸗Orcheſter aufführen Tief. Wagner war dem Meifter 
Dionys Weber außerordentlich dankbar, wenn er ſich auch mit 
manchem Urtheile desfelben, namentlich über Beethoven, nicht zu 
befreunden vermochte ; er erfannte Weber’3 Autorität an und reſpec— 
tirte fie. Huch einer zweiten muſikaliſchen Celebrität des damaligen 
Prag, Tomaſchek, deffen Urtheil in der Moldauftadt das Gewicht 
eines Orakelſpruchs Hatte, dem jeder fremde Künftler in Prag 
feine Huldigung darzubringen pflegte, machte der junge Wagner 





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feinen Beſuch und fand ermunternde Aufnahme. Eine dritte und 
zwar die intimfte Brager Bekanntſchaft Wagners aus jener Zeit 
war die des jungen Joh. Friedrich Kittl, der damals nod) wohl: 
beitalfter Conceptspractifant beim k. k. Fiscalamt in Prag war, 
aber fchon feine völlige Berufsänderung zu Gunften der Mufit 
in Plane hatte. Kittl und Wagner blieben Freunde, und ihre 
Freundfchaft follte in fpäteren Jahren durch eine gemeinjane 
That auch äußerlich auf das Ueberzeugendſte documentirt werden. 
Außer diefen intereffanten Bekauntſchaften fürderte der Aufenthalt 
Wagner’s in Prag im %. 1832 auch den Text zu einer tragischen 
Dper „Die Hochzeit” zu Tage, welche er in Leipzig unter bei- 
fälfiger Ermunterung feines Meifters Weinlig zu componiren 
begann, aber wieder zurüdlegte, weil das Textbuch mit feiner 
grellen Handlung & la „William Ratchiff" nicht den Beifall feiner 
Schweſter Rofalie fand. Im %. 1847 trat Wagner aberınals zu 
Prag in nähere Beziehung. Sein Freund Kittl hatte ihm bei 
einen Bejuche in Dresden feine unbezwingliche Sehnfucht nach 
einen Operntertbuche geklagt, und R. Wagner überließ ihm in 
jeltener Großmuth den nad) einem Roman von H. König gedich: 
teten Text zu der Dper „Bianca und Giufeppe" oder „Die 
Sranzojen vor Nizza” Die Dper wurde befanntlich am 
19. Febr. 1848 in Prag zum erjten Male gegecen und bradıte 
denn Componiſten, der felbft dirigirte, elfmaligen Hervorruf, dem 
Werke eine enthufiaftiiche Aufnahme, Der LKibrettift R. Wagner 
wurde auf dem Zettel, feinem eigenen Wunfche gemäß, nicht er⸗ 
wähnt. Diejer Umjtand verurfachte es wohl, daß der Text zu 
den „Franzoſen vor Nizza” faft nie unter Wagner's Werfen an- 
geführt wird. 

Im Jahre 1849 begaben fich Director Hoffmann und Capell⸗ 
meilter Skraup von Prag nad) Dresden, um den „Tannhäuſer“ 
zu hören — die Aufführung in Prag erklärten fie für unmöglid). 
Als Stöger (zu Oftern 1852) zum zweiten Mal Director wurde, 
rüdte „Zannhäufer”, mit dem fich Capellmeifter Skraup immer 
mehr vertraut gemacht hatte, fchon etwas näher. Am 4. Upril 1853 
kam als Avantgarde in einer zum Beſten des Armeninftituts im 


— 464 — 


Landestheater veranftalteten Afademie die Ouverture der Oper 
zur Aufführung und mußte — zum Verdruffe der „confervativen” 
Muſiker, welche der Neuerung mißtrauisch entgegenfahen — wieder: 
holt werden. Am 10. Mai führte F. Sfraup zum Vortheile des 
Orcheſter⸗Perſonals die grandioje Nummer des 2. Acts, welche 
den Sängerfrieg einleitet, mit großartigen Erfolge vor, und drei 
Tage Später, am 13. Mai, brachte der Cäcilien-Berein unter 
Leitung des verdienftvollen, noch beute allem Schönen in der 
Muſik ergebenen Directors Apt die lebte Scene des 1. Lohen— 
grin-Actes vor. Cäcilie Botihon-Soufup fang die Elfa, Reichel 
den Lohengrin; die Ortrud repräfentirte Frl. Marochetti, den 
König und Telramund die Herren Nedved (fpäter Muſikdirector 
in Laibach) und der nachmalige Oberfinanzrath Peters. 


„Nehmen Sie meinen beiten Dank,” ſchrieb R. Wagner unterm 
14. Juni 1853 an Apt, „für Ihre Bemühungen um die Aufführung meiner 
Arbeiten! Liszt hat mir Alles mitgetheilt, was Sie ihm über die lebte 
Aufführung eines Fragmentes aus „Lohengrin“ meldeten. Ich beivundere 
Ihren Muth und Ihre Ausdauer und freue mich herzlich, beide mit er- 
wünschten Erfolge gekrönt zu fehen. Mißlich bleiben allerdings dergleichen 
Ioncertaufführungen dramatiiher Stüde immer; ich felbft eutichloß mich 
zwar kürzlich nothgedrungen zu etwas Aehnlichem, doch vermied ich hiebet 
alle eigentlichen dramatifchen Situationen; wie ich mir balf, erfehen Sie 
and einem beifolgenden Programm, aus dem Sie ficy vielleicht Einiges zu 
Nutze machen. Die Fragmente mußte ich alle bejonders zufchneiden, mit 
gewiffen Auslaflungen uud Zuſätzen verjehen, um fie aud dem Rahmen des 
Dramas kenntlich Toszulöfen. Wünſchen Sie es, fo fteht Ihnen die Bar: 
titur diefer eingerichteten Yragmente einmal zu Gebote... .“ 


Wagner bereitete eben damals dieje Fragmente für ein im 
October ftattfindendes Mufikfeft vor und wünfchte, daß die Prager 
Aufführung bis nach dieſem Mufikfefte warten möge. In be» 
merkenswerther Weife äußert er fich in einem Briefe de dato 
Zürich, 16. Sept. 1853 über die Einführung Rienzi's in diejes 
. Programm: 

„Nienzi liegt mir jeßt bereits etwas fern; doch glaube ich, 
daß namentlich das Finale des erjten Actes, die Introduction und 
das Finale des zweiten Actes (mit Ueberjpringung des Balletes), 


— 465 — 


ſowie das Gebet des Nienzi mit dem darauf folgenden Duette 
im 5. Acte im Concerte gute Wirkung machen würden... ." 


In einer zu Ehren des jcheidenden Tenors Steger beim In—⸗ 
tendanten Ritter dv. Bergenthal veranjtalteten Spiree Tamen, wie 
Ihon erwähnt, mit Steger Scenen aus „Zaunhäufer”, und endlich, 
am 25. Nov. 1854, die Oper felbjt, von Ambros und Ulm warın 
befürwortet, zum Bortheile der Primadonna Louife Meyer zur 
Aufführung. Die Befegung war: 

Elifabeth: Frl. Louiſe Meyer (fpätere Duftmann), Tannhäuſer: Reichel, 
Venus: Frl. v. Bracht, Landgraf: Dr. Schmid, Wolfranı: Steinede, Walther: 
Lukes, Biterolf: Strakaty, Heinrich der Schreiber: Emminger, Reinnar 
v. Zweter: Brava, Hirtenknabe: Frl. Gautſch. 

Der Erfolg war groß, die Aufnahme mitunter enthuftaftifch. 
Alles mar gethan, um dem jenjationellen Werfe auf das Wilrdigfte 
gerecht zu werden. Das Confervatoriumi hatte feine ſämmtlichen 
Eleven beigeftellt, fo daß in der Venusgrotte ein unterirdiſches 
Bühnenorchefter den Zauber der Scene erhöhen half. Der Nad)- 
theil dieſes unterirdischen Orcheſters war freilid der, daß fich 
ſchon vermöge der verjchiedenen Temperaturen der Localitäten 
nicht immer eine Einheitlichfeit der Stimmung bewerkſtelligen ließ. 
Alfe Bedenten — und die Zahl derjelben erftrecte ſich ſogar auf 
das Vorkommen der Venus und der Hörfelgrotte in der Oper — 
ſchwanden unter dem mächtigen Eindrude der Premiere. Das 
Publicum folgte der vierftündigen Vorftellung, die um '/,7 Uhr 
begann, mit Spannung, und wiederholt, fo nach dem Sänger: 
fampf, dem Abendſtern⸗Liede u. |. w., brach enthufiaftischer Beifall 
los. Apt berichtete dem Componiften über den Erfolg und die 
Aufnahme des Werkes in umfaſſender Weile. Wagner war an⸗ 
genehm- berührt davon, und nur mit der Kritik, die er niemals 
in jein Herz gefchloffen Hatte, unzufrieden, obwohl diefelbe mit 
uneingejchränftem Lobe das erjte Werk einer fremden, neuartigen 
Richtung begrüßt hatte. 

EHE AT: 
geringem Theile dem zu verdanken, daß Sie bereits fit länger DaB ‚Bis 


blicnm auf meine Muſik fo glüdlich vorzubereiten fuchten. Der, wie es 
30 


— 466 — 





deint. gende Keen macht mir aber hoch viel rende. Haben Sie 
Dank für Ihre Iheilnahme. Die ftarke Zufendung von Beitungsartifeln 
zeigt mir, daB vu Sadıe neben — hat; daß bei der Gelegenheit 
viel vorwitziges und kenutnißloſes * losgelaſſen wurde, kommt wohl 
daher, daß viel Vorrath davon angelanımelt war: mir ſehr erflärlid)! 
Nun, möge es feinen guten Fortgang nehmen: kommt e& dem ganzen Ge— 
ſchmacke zugute, jo fol midy’3 umſomehr freuen. Jedenfalls bleibe id, Ihnen 
für die Energie, mit der Sie zuerft für mich eintraten, fehr verpflichtet.“ 
Kapellmeifter Skraup erhielt von dem Dichter-Componiften 


folgendes Schreiben: 


Beehrtefter Herr! Durh Madame Lehmann find mir heute jo 
günftige Berichte über die Aufführung des „Tannhäuſer“ in Prag, und 
namentlich über die große Sorgfalt, mit der Sie diejelbe vorbereiteten und 
feiteten, zugelommen, daß ich nicht anders kann, als meine Freude und 
meinen Dank dafür Ihnen auszudrücken. Wie ich beftimmt weiß, daß nur 
durch die größte Anfopferung von Seiten des Dirigenten ein wirklich durch: 
greifender Erfolg meines ſchwierigen Werkes herbeigeführt werden faun, jo 
kann ich auch nicht zögern, für deu heutigen Sal vor Allen Ihnen diefen 
Erfolg zuzufchreiben. — Waren Sie jo glüdlih, durch die Darfteller, fo 
wie durch das Orchefter gut unterftügt zu werden, fo bitte ich Eie jehr, 
auch diefen mich zu empfehlen, unb meinen beiten Dank ihnen ausdrüden 
zu wollen. Da nun auf die Zuftimmung der Künftler am meijten an- 
fonımt, jo konnte mich die Nachricht Ihrer Theilnahme für meine Arbeit 
nur jehr beglüden. Nehmen Sie mit diefer einfachen, aber aufrichtigen 
Verfiherung vorlieb. Glauben Sie aber auch, daß Freuden, wie Sie fie 
mir bereiteten, die einzigen find, die mir jet noch Luft zu weiteren Arbeiteu 
erhalten können. — Mit der Bitte, mich auch Herrn Director Stöger beftens 
zu entpfeblen, verbleibe ih mit wahrer Hochſchätzung und Ergebenheit der 

Ihrige Richard Wagner. 

Zürid, 2. Dec. 1854. 


Die dritte Reprije beehrte Erzherzog Franz Karl mit feiner 
Gegenwart. Dem Funftfinnigen Erzherzog fiel der Rieſen-Baſſift 
Dr. Schmid auf, und, wie er ſchon jo manche Toftbare Kraft von 
Prag nah Wien entführt hatte, gefchah es au diesmal. Schmid 
wurde fir die Hofoper mit 8000 fl. Gage engagirt und verlief; 
ſchon im nächften SYahre Prag. Am 31. März 1855 fang er mı 
feiner Abjchiedsvorftellung in drei Opernfragmenten Scenen aus 
drei feiner Glanzrollen, den Marcel in den „Hugenotten", den 
Walter Fürſt in „Zell” und den Bertram in „Robert“. Durch 
jeine außergewöhnlichen Mittel hatte ſich Dr. Schniid als Anfänger 





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eine ſolche Beliebtheit erworben, daß felbft feine Leiftuugen in 
ferner liegenden Partien (Figaro, Camoëens u. A.) freundlich auf- 
genommen wurden. Er verließ Prag, als er aus einem Anfänger 
ein wohlgefchulter, tüchtiger Sänger geworden war. Sein Nadh- 
jolger im Baſſiſtenfache und ſpeciell als Landgraf im „Tannhäuſer“ 
war Hr. Frenyh, ein gewandter, ficherer Sänger mit materiell- 
kräftigen Organe, das freilich an Sonorität des langes und 
Adel des Charakters hinter jenem Schmid's weit zurilditand. 
Dem Glüde Tannhäuſers that der Wechſel in der Perſon 
des Landgrafen nur wenig Eintrag. Er war rafch eine der be- 
ficbteften Nepertoire-Opern geworden. Ehe Louife Meyer im 
Sommer 1855 ihre erjte große Gajtjpielreife von Prag aus 
unternahin, verabjchiedete fie fich als Eliſabeth und wurde mit 
Auszeichnungen überhäuft. . Drei Monate feierte fie, fern von 
Prag, in Stuttgart uud Wien Triumphe, und fchor damals 
wurde auf Grund ihres glänzenden Gaftfpiels ihr Contract mit 
dem Kärtnerthortheater perfect, freilich mit der Bedingung, daß 
er erft mit Ende ihres Prager Vertrages (1857) in Kraft treten 
jollte. Während Louiſe Meyer anderswo glänzte, mußte mau fich 
in Prag bebelfen, wie man eben fonnte. Und das Glück wollte 
der Prager Bühne wohl. Um 17. Mat präfentirten fich zwei 
Säfte, von denen man nie etwas gehört Hatte, deren günftiger 
Erfolg aber deſto mehr überraſchte. Frl. Nathalıe Selig, 
die in Haltung, Bewegung und Spiel an die Fehringer erinnerte, 
fang die Zucrezia Borgia, Adelheid Günther, eine jugendliche, 
ſehr begabte Mezzofopranütin, den Maffio Orfini. Beide reuflirten. 
Nathalie Selig bewies als Recha, daß man fie als annehmbaren 
proviforischen Erjab für die beurlaubte Primadonna betrachten 
könne. Adelheid Günther, die Zochter eines hoben politischen 
Beamten in Berlin, war eine tüchtige Sängerin mit nicht großer, 
aber ſympathiſcher Stimme und einem umfajjenden Repertoire ; 
fo fang fie kurz nad ihrem Maffio die Roſine im „Barbier" und 
die — Eliſabeth im „Zannhäufer". Mitte Auguft kam, nachden 
mittlerweile noch Sgra. Medort die Prager erfreut Hatte, Lonije 


Meyer wieder, und der Jubel war groß. 
30* 


— 468 — 


Die Sicherheit, den Liebling Meyer noch zwei SYahre zu be- 
figen, tröſtete einigermaßen über den neuen Verluſt, den die 
Prager Bühne im October 1855 mit dem Abgange des Frl. v. 
Bracht erlitt. Die gediegene, dijtinguirte Künftlerin ſagte der 
Bühne überhaupt Valet, um zu Hymens Sahne zu jchwüren. Am 
11. October verabjchiedete fie ſich als „Martha“ mit vielen Ehren. 
Un ihr war cine ausgezeichnete Nepräfentantin des Coloratur- 
faches, eine wahre Zierde der Bühne verloren. Laura dv. Bracht 
heiratete den Zuderfabrifsdirector Braun in Schönhof bei Poderſam 
und ftarb dafelbit in den Sechziger Jahren. Ueber die erjten 
BVerlegenheiten nach dem Abgange der Bracht half bejonders die 
Bielfeitigkeit von Louife Meyer hinweg, welche am 25. October 
Adam's „Giralda“ in Prag einführte, dann ſogar als Venus mit 
glänzenden Gelingen für die Verlorene einfprang. 

Das Jahr 1856 follte der Primadonna abermals Gelegen: 
heit geben, ihre dramatifche Gejtaltungsgabe an zwei Aufgaben 
in Opern des großen Neformators zu bewähren. Der Schwan 
Lohengrins follte nun endlich fein Yahrzeug auch nach Prag 
Ienten. Wieder entfaltete Director Stöger eine Rührigfeit nad) 
allen Seiten. Der Garderobe-nfpector Kaska wurde eigens auf 
Reifen gefchidt, um fich in der Coſtumefrage gehörig zu orientiren, 
das Orcheſter wurde verjtärkt, Proben in mafjenhafter Zahl an- 
gefegt. Am 23. Februar 1856 erſchien der Gralritter zum 
erſten Male in Prag. Reichel war der erjte Lohengrin, Louiſe 
Meyer ſchuf die Elja, Augufte Stöger die Ortrud, Steinede 
den Zelramund, Yreny den König und Brava den Heerrufer. 
Die Wirkung war nicht fo mächtig wie jene des Tannhäuſer. 
Der erjte Act allerdings elektrifirte und trug ſämmtlichen Soltften 
und dem Gapellmeijter F. Skraup dreimalige Hervorrufe cin; 
nicht jo zündeten der zweite und britte Act. Die Pracht der 
Coſtume, das Aufgebot einer Statiftenarmee, das Arrangement 
insbejonudere des Brautzugs waren übrigens aller Anerkennung 
wertb. In der :Darftellung trat vor Allem die Elfa der Meyer 
in den Vordergrund, eine dramatifch und geſanglich glänzende 
Leiftung, welche jeder Opernbühne zur Ehre gereicht hätte. Richard 


— 469 — 


Wagner felbft richtete aus Zilrih 27. März einen Brief an Eapell- 
meifter Sfraup, der große Zufriedenheit, aber auch ſchon das be- 
rühmt gewordene fouveräne Selbitbewußtjein des. Meeifters athmete. 
Er dankte Skraup für deſſen Bemühungen um die Aufführung 
der Oper und meinte, „er habe große Sorgen um das Gelingen 
derjelben gehegt, ja dieſe Sorgen feien fo groß, daß er entfchloffen 
jet, die Oper „LXohengrin" fortan feinem Theater mehr anzuver- 
trauen, bei defjen artiftifchen Vorſtänden er nicht die aufrichtigjte 
Zheilnahme dafiir vorausfegen könne, denn ſelbſt für dieſen glüd- 
lichen Fall hänge noch von der bejonderen Individualität ber 
Darftellenden fo viel für das wirkliche Gelingen ab, daß er 
(Wagner) e8 geradeswegs für ein halbes Wunder halten müſſe, 
wenn er über den Eindrud der erften Aufführungen jo befriedi- 
gende Nachrichten erhalte, wie es dermal von Prag her der Yall 
geweſen ſei.“ Nachdem der Meifter noch den mitwirkenden Künjtlern, 
namentlich den Damen Meyer und Stöger, feinen Dank aus: 
gefprochen, erflärte er, daß der Prager Erfolg feines Tannhäuſer 
und Lohengrin „den Wunſch einer Aufhebung feiner Verbannung 
aus Deutfchland Tebhaft in ihm erweckt habe”. 

Km Orcheiter des deutschen Landestheaters ſaß eine Freundin 
Wagner’3, die Harfenfpielerin Marie Lehmann-Löw, die 
Mutter der berühmt gewordenen Coloraturjängerinen Lili und 
Marie Lehmann, die auch, fpäter als Nheintöchter in der „Nibe- 
Inngen=Zetralogie" mitwirften. Marie Lehmann senior, früher 
jelbft eine gefeierte Sängerin, die dem Kaſſeler Hoftheater zu 
deſſen Blüthezeit unter Spohr angehört hatte, war um das 
Jahr 1830 als Anfängerin nach Leipzig gefommen und durch 
Wagner's Schweitern mit diejem befannt geworden; fie ließ 
fich bei ihren Gejangftudien von dem noch nicht zwanzigjährigen 
Jüngling auf dem Clavier begleiten und blieb mit dem Muſiker, 
der ihr damals ſchwärmeriſch ergeben war, aud) fpäter im freund: 
ichaftlichen Verfehre. Frau Lehmann gehörte, nachdem fie ſich 
von der Bühnefzuriidigezogen hatte, als treffliche Harfenfpielerin 
längere Zeit dem Orchefter des deutschen Yandestheaters in Prag 
an, und in diefer Stellung hat fie eifrig für die Aufführung des 


— 470 — 


„Tannhäufer” und „Lohengrin“ in Prag gewirkt. Sie war es 
auch, welche im über den Erfolg feiner Werfe nah Zürich 
Bericht erftattet und ihn auf die großartige Leiftung der Frau 
Duſtmann (damals Frl. Meyer) als Elſa aufmerffam gemacht 
hatte. Aus einem Briefe Magner’s an Director Apt aus Zitrich, 
15. Det. 1856*) geht hervor, daß das „Prager Theater” dent 
Verleger Wagner's für die Anschaffung der Partitur des „LZohen- 
grin” 15 Thaler pr. Courant und außerdem Wagner ein Honorar 
von 25 Napoleond’or (circa 230 fl. d.W.) für das Aufführungs- 
recht bezahlte. Der Umftand, daß der Verfauf an das „Prager 
Theater" und nicht an die damalige Direction Stöger erfolgte, 
fiel fpäter, al8 Director Wirfing von Wagner's Berleger auf eine 
Entſchaͤdigungsſumme für „unberechtigte" Aufführung Wagner’icher 
Werle geflagt wurde, jchwer in's Gewicht und wurbe durch den 
hier erwähnten, den Weten beiliegenden Brief des Meiſters erhärtet. 


Die Theilnahme fir Lohengrin nahm in Prag bei den 
weiteren Aufführungen nur noch zu; ja der Erfolg wurde erft mit 
ber Zeit ein vollfommener.” Als im September 1856 die 18. Ver: 
jammlung deutſcher Land» und Yorjtwirthe in Prag tagte, ver- 
anftaltete die Theaterdirection zu Ehren der vielen fremden Gäſte 
eine eigene „Wagner-Woche”, melche abermals eine Novität des 
Meiſters, den „fliegenden Holländer”, brachte. Auch Franz Liszt, 
der Freund und Schwiegervater Richard Wagner's, wurde zu 
diefer Wagner⸗Woche in Prag erwartet, fam aber erft am 20. Sept., 
um ben Proben und der Aufführung feiner Graner Feſtmeſſe 
beizuwohnen, die am Set. Wenzelsfejte in der Metropolitanticche 
zu Set. Beit ftattfand und kanm geringeres Auffehen machte afs 
eine Opernnovität feines Freundes Wagner. Der Tom war dicht 
gefüllt. Kardinal Schwarzenberg celebrirte das Hochamt, als 
Liszt perfünlich feine Meſſe dirigirte, in welcher Frau Botfchon- 
Soukup (Sopran), Frl. Miller (Alt), die Herren Reichel (Tenor) 


*) Dir. Apt bat dem DVerfaffer diefes Buches feine intereffante Cor 
reſpondenz mit Rich. Wagner in der liebenswürdigſten Weile zur Ber: 
gung geftellt, 








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und Strakaty (Baß) die Soli innehatten. Dem Domcapellmeijter 
Johann Skraup gebührt das Verdienſt, ven berühmten Meifter 
zur Prager Reife bewogen zu haben. Bei einem zu Ehren des 
Gaſtes veranstalteten Bankett überreichte Alexander Dreyichod 
unter allgeneinem Enthuftasınus dem genialen Meifter im Namen 
der Prager Künjtlerwelt einen reich ornamentirten filbernen Tact—⸗ 
jtab „zur freundlichen Erinnerung an den 28. Sept. 1856 in 
Prag”. | 

Die weltlihe Mufifnovität „Der fliegende Holländer”, welche 
am 7. desjelben September der großen kirchlichen Mufitnovität 
voranging, hatten die Prager jchon in früheren Cäcilienvereing- 
concerten bruchſtückweiſe Tennen gelernt. Sie kam noch jpäter als 
Zannhäufer und Lohengrin, obwohl ihre Entjtehungszeit bekanntlich 
nod) vor die Neformations-Aera Wagner’s fällt. Senta, das 
ideale „Weib der Zukunft“, fand in Louiſe Meyer eine glänzende 
Nepräjentantin, den Holländer jang Steinede, den Daland Herr 
Freny, den Erif Herr Reichel, die Amme Frl. Günther, den 
Steuermann Herr Lues. Außer dem Holländer als Neuigkeit 
brachte die Wagner-Woche des Jahres 1856 no „Tannhäuſer“ 
und „Xohengrin”, jo daß man aljo wenigſtens in diefer Woche 
Gelegenheit hatte, die Entwidelung der Wagner'ſchen Muje an 
diefen drei Dpern theilmeife zu jtudiren. Sm Jahre 1857 gab 
Lukes ftatt Reichel den Tannhäuſer mit vorzüglichem Erfolge 
neben einer neuen Venus, Jenny Brenner. Ihre Nachfolgerin 
im Hörjelberge wurde Louife Tipka. Auch den berühmten Tann- 
häufer und Lohengrin des noch heute gewaltigen Wagnerjängers 
Riemaun befamen (im Juli 1857) die Prager zu fehen und zu 
hören. 

Ueber den Ereigniffen der erften Wagner-Triumphe in Prag 
find wir jo ziemlich von dem chronologiſchen Gange unjerer Ge⸗ 
ichichte abgefommen. Das Jahr, welches „Tannhäuſer“ als No- 
vität brachte, wies außer diefer Senfationsoper und der bereits bei- 
fäufig erwähnten „Siralda” von Adam nur noch eine „todigeborene" 
Opernnovität: „Giovanna ‘Daponte”, Text von Otto Prechtler, 
Mufit von Julius Benpni auf, einem jungen Schüler Sechter’s 


— 472 — 


und Donizetti's. Zahlreicher als die Novitäten waren die Debu- 
tanten des Jahres. Für das einer neuen Kraft bedürftige Fach 
der jugendlihen Sängerin wurde im September Frl. Hallen- 
ftein engagirt, die aber fchon nad) vier Monaten duch Thereſe 
Milller, die gleichzeitige Localſängerin, abgelöft wurde. Da 
Louiſe Diener, two es nur immer anging, auch in diejes Fach 
hinübergriff, und z. B. eine der Slanzrollen der seconda donna. 
die Gabriele im „Nachtlager”, fir fich rejerpirt hatte, befam die 
Repräfentantin des Faches ohnehin nur einen ſehr beſchränkten 
Wirkungsfreis. Therefe Müller erweiterte ihn, indem fie das 
Localfah mit befonderem Erfolge übernahm und dabei in der 
Oper aushalf, wo es Noth that. Die Thereſe Krones von heute 
fonnte morgen einen allerlichften Urbain in den „Hugenotten“ 
abgeben. ALS eigentliche Inriihe Sängerin wurde im Wuguft 
Frl. Chaloupfa, eine Pragerin und talentvolle Sängerin, 
acquirirt. Auf dem Terrain des Coloraturfachs ging es feit 
Ende 1855 feltfam zu. Damals war nad) mehreren refultatlofen 
Debnts endlich eine trefflihe Erwerbung gemacht worden. Am 
11. Dec. Hatte als Lucia Kenny Brenner debutirt und fofert 
mit ihrer erjten Rolle Auffehen gemadjt. Frl. Brenner, die ich 
raſch zum ausgeſprochenen Liebling der Prager emporjchwang 
und dieſe Veliebtheit eine lange Reihe von Jahren behauptete, 
hatte noch Feine lange künſtleriſche Thätigkeit hinter fih. Ihr 
ſchönes, umfangreiches Organ ließ fat bedauern, daß fie nad) den 
Mathe ihres Lehrers Gentiluomo, Profefjors in der Horvath’fchen 
Geſangsſchule in Peſt, die Carriere der Coloraturfängerin jener 
der dramatischen Sängerin vorgezogen hatte, wenn fie für die 
erstere auch eine brillante Methode mitbrachte. Leider hemmte 
bald nach dem Untritt ihres Engagements eine permanente und, 
wie man glaubte, abfichtliche Unpäßlichkeit die Wirkjamfeit der 
neugewonnenen Sängerin, und Louife Meyer, fowie Augujte 
Stöger, welche fich viel in Prag aufhielt und erjt fpäter ein 
Engagement in Amfterdam annahın, halfen aus der Verlegenheit. 
Im Sommer gaftirten überdies in Coloraturpartien Frl. v. 
Ehrenberg, die feit ihrem Abgang aus der Heimat an mehreren 


a 


— 473 — 


großen deutschen Bühnen dem Prager Conjervatorium Ehre ge- 
macht und fih in zweijährigem Engagement zu Stettin ein 
Repertoire geichaffen hatte, und die aus früheren “Jahren bekannte, 
damals Darmftäbter Hofopernjängerin Rotter. Zrat Jenny 
Brenner auf, jo galt dies als theatralifches Ereigniß; erft nad) 
einem verunglüdten Dresdener Gajtipielausfluge bequemte fie fich 
zu geregelter Thätigfeit. 

Bezeichnend fr den Sängerinen-Stand der Prager Bühne 1856 
war e8, daß die neben „Lohengrin“ bedeutendfte Novität des Jahres, 
„Der Troubadour”, mit einem Gaſte, Frl. Notter, in der 
meiblichen Hauptpartie (Xeonore) in Scene ging. Auch den 
Zitelhelden der Oper, die am 19. Juli mit großem Effect zum 
erften Male in Prag erfchien, fang ein Gaft, der vielgefeierte 
Steger, und feit Jahren waren jo turbulente Gunftbezengungen, 
mit denen Steger als Manrico überhäuft wurde, nicht dagewefen. 
Das bis in alle Winkel gefüllte Haus jchien durch die Verdi'ſche 
Oper vollfommen fanatifirt. Nach der Finalarie des 3. Actes, 
die Steger in der italienifchen Urſprache fang, donnerte es 
Beifallsjalven und hagelte e8 Kränze und Bouquet3 auf die 
Bühne. Auch die Übrige Beſetzung (Xeonore-Rotter, Luna-Steinede, 
Azucena-Günther) machte Glüd. Einige Monate fpäter fanden 
die NReprifen durchaus mit einheimischer Belegung ſtatt. Frl. 
Brenner feierte mit der Leonore einen Triumph, und al8 Dlanrico 
vollbrachte Lukes das Wunderwerk, nach Steger einen durd) 
Schlagenden Erfolg zu erringen. Nicht Iange darauf debutirten 
zwei Schüler der v. Horvath’ichen Gefangsfchule in Pet, aus 
welcher auch Frl. Brenner hervorgegangen war: die Altijtin 
Sarolta Acs und der Tenorift Fekter als Azucena und Man— 
rico mit großem äußerlichen Erfolge. Das intereſſanteſte TZroubadour: 
Saftfpiel aber war wohl jenes Manuel Carrion’s, der das 
berühmte hohe C in der Schreiftretta in Prag einbürgerte. 

Carrion's Prager Triumphe fielen bereitS in eine Zeit 
(September 1857), da Stöger's zweite Divectionsperiode zur 
Neige ging. Wie die Blätter im Herbſte, fo fielen in den legten 
Jahren feiner Negierung Künftler und Künftlerinen von jeinem 


— 474 — 





Bühnenftamme ab. Die Erfte, welche laut Contract ging, war 
Louiſe Meyer, einer der bärteften Verlufte, welche die Prager 
Oper treifen konnten. Noch am 20. Nov. 1856 hatte fie in der 
anderswo veralteten, für Prag neuen Halevy’fchen Oper „Das 
Thal von Andorra" die Mairofe gefungen. Am 26. Dec. fpielte 
fie fchon die erite ihrer „legten Rollen”, die Martha, und nun 
folgten wie zu Steger’s Zeiten die übrigen Abſchieds-Vorſtellungen. 
Die vorlegte war ihre Elifabeth im „Tannhäuſer“, die legte (am 
30. Dec.) die Linda, jene Partie, mit welcher Zouife Meyer ihre 
außerordentliche Beliebtheit in Prag begründet hatte. Ihre Ab- 
Ichieds-Linda war von einem fchier unendlichen Blumen-, Strauß- 
und Kranzregen begleitet, der am Schluffe fich zur höchjten Inten— 
fität fteigerte. Selbft nach den üblichen Abjchiedsworten der 
Icheidenden Primadonna und nach der PVerficherung des Ober: 
regiffeurs, Frl. Meyer werde bei erſter Gelegenheit wieder fommen, 
nahmen die Hervorrufe fein Ende. Gegen Oſtern 1857 folgten 
Frl. Brenner und Lufes der Meyer. Beide traten am 1. April 
in „Rigoletto" zum legten Male auf — eine ſtürmiſche Vor— 
jtelung. Die Ovationen für die jcheidende Brenner nahmen 
einen geradezu demonftrativen Charakter an und richteten fich 
jpeciell gegen die Dirvection; welche man für das Scheiven der 
Sängerm verantwortlich machte, während Stöger behauptete, die 
Coloratur-Brimadonna habe ihm außer den unverjchuldeten Stö— 
rungen einer vielmonatlichen Krankheit noch ungezählte verjchuldete 
Schwierigkeiten gemacht, die fie mit den Disciplinargejegen in 
Conflict brachten. Die Scheidende blieb trogdem Märtyrin in dei 
Augen des Bublicums; fie ging, um nach einigen Jahren wiederzu- 
fehren und die Serzen der getreuen Prager neuerdings zu erobern. 
Lukes verabfchiedete ſich in doppelter Eigenjchaft: mit dem 
Herzog in „Rigoletto" als Bühnenjänger und am 6. April im 
Sophieninfelfaale als Inhaber des Xenorparts in Beethoven’s 
großer D-dur-Mefje als Concert- und Kirchenfänger vom Prager 
" Publicum, dem er glüclicherweife auch nicht für immer verloren blieb. 

Nah Dftern rüdten die Erjabtruppen in's Gefecht. Man 
hatte ich nad) dem Abgange der Meyer im PBrimadonnenfache 





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theils durch Saftfpiele, theils durch die Bielfeitigfeit des Frl. 
Günther einige Monate fortgeholfen. Die neue Primadonna, 
welche dann endlich aus Graz anfam, war Emilie Schmidt, 
eine intereſſante Erjcheinung, deren Aeußeres frappant an Engenie, 
die damals im Zenith ftehende Kaiferin der Franzoſen, erinnerte. 
Emilie Schmidt Batte bereits ein Jahr früher als Saft ihre vor- 
zügliche Befähigung zur Ausfüllung eines von Louiſe Meyer ver- 
" walteten Amtes bargethban. Am 15. April 1857 trat fie ihr 
Prager Engagement als Lucrezia mit großem Erfolge an. Ihr 
Organ, ein fchöner, namentlich in der Tiefe jehr ausdrucksvoller, 
in der Höhe ſympathiſcher Mezzojopran, fette fie in die Lage, 
ebenjowohl die Eltjabeth im „Tannhäuſer“ als 3. B. die Fides 
zu fingen. Zu ihren Glanzrollen zählte die Leonore in „Fidelio”. 
— AS Rachfolgerin der Brenner führte fich eine Debutantin aus 
früderen Jahren, Luiſe TZipfa,*) am 18. April als Lucia ein. 
Sie kam, aß noch im Publicum der Bremer - Enthufiasumg 
glähte, und hatte ſich ihre Poſition unter ſchweren Kämpfen zu 
erobern. Sie war in den Jahren feit ihren eriten Debuts (1852) 
am Prager Theater zu einer Gefangsfünftlerin hohen Ranges 
berangereift, welche das verfchlungenfte Fiorituvenwerk der italtentfchen 


*) Ronife Tipka iſt zu Günd in Ungarn geb., offenbarte frühzeitig 
bedeutende mufical. Fähigkeiten und wurde bie begabtefte Schülerin des 
nenerrichteten Günfer Muſikvereins, in beffen Concerten fie Dr. Aug. 
Schmidt, ein treffliher Tieberfänger und Mufifichriftiteller, hörte. Er er- 
wirkte bei ihrem Bater die Eimwilligung zur muſicaliſchen Berufd-Garriere 
der Tochter, Loniſe T. trat in's Wiener Confervatorium, bildete fich 
nnter Schmidt's Anleitung an den beiten Borbilbern, genoß ſodann den 
Unterricht be3 damals berühmteften Geſangsmeiſters Kunt und des Meifterd 
Arlet und erhielt, nachdem fie mehrmald mit größten Beifall in Con— 
certen gefungen, ihr erſtes Engagement nah Oedenburg, das aber raſch 
gelöft wurde, als ihr troß des glänzenden Debuts ber praktiſche Director 
Kottann ftatt ber Gage einfucd Logis und Koſt bei fi anbot. Bon Wolters⸗ 
borff nach Königsberg berufen, fang fie dort anderthalb Jahre, ging von 
dort nach Peſt und bald nad) Graz, wo fie drei Jahre, gefeiert vom Bu: 
blicum, glücklich und erfolgreich wirkte, um ſodann — unter Capellmeifter 
Neswadba Tünftlerifch fortgebilbet — bem Rufe Stöger’3 nach Prag zu 
folgen. Wir werben ihr in ber folgenden Directieusperiobe wieberbegegnen, 








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Oper fpielend bewältigte. Trotzdem mußte fie das Prager Terrain 
mühevoll genug erobern. Schon in den erften Monaten ihrer Brager 
Wirkſamkeit forderten „Stimmen aus dem Publicum” durch In⸗ 
ferate in den Blättern das Wiederengagement der Brenner. Nur 
das jeltene fünftleriiche Vermögen, die Diftinetion ihres ganzen 
Wefens, ihre hohe Bildung und perjünliche Liebenswürdigkeit konnte 
al’ diefe Geguerjchaft befiegen und jene Fünftlerifche und fociale 
Stellung der Künftlerin in Prag begründen, die fie dort ein 
genommen. 

Das durch Lukes' Abgang erledigte Gebiet der Tenorpartien 
wurde theils durch Fekter, theil duch eine neugewonnene tüchtige 
Kraft, Eduard Bachmann, vertreten, welcher raſch neben Neichel 
zum $Seldentenor heranwuchs. Eduard Bachmann war ein ges 
borener Prager (geb. 12. Sept. 1831) und hat in feiner Vater- 
ſtadt unter Direction Kittl das Confervatorium abjolvirt, freilich 
nicht als Sänger, fondern als — Oboöbläfer unter Prof. Bauer. 
Als Oboiſt machte Bachmann im Jahre 1849 mit Mufikdirector 
Labitzky eine Concertreife durch ganz Deutjchland, war 1850—51 im 
Theaterorcheiter zu Preßburg engagirt, worauf er im Concertorcheſter 
der Herren Franzl und Mafchner ale Dbo&-Concertift wirkte. 
Nach Auflöfung diefes Unternehmens nahm Bachmann Engagement 
bei der Muſikcapelle des ſächſ. Leibregiments in Dresden, ferner 
bei Johann Strauß, mit dem er eine größere Concerttour unter- 
nahm, und jchließlich im Dirchefter des ungar. Nationaltheaters in 
Peſt. Hier entdedte der wiederholt erwähnte Runftmäcen Hr. v. 
Horvath Bachmann's herrlichen Tenor-Baryton, überlieferte ihn 
Prof. Gentiluomo zur weiteren Ausbildung, und bereit3 am 
14. Febr. 1855 konnte fid) der Ex-Oboiſt als Sänger im ungar. 
Nationaltheater mit großem Erfolge hören laflen. Er fang nod) 
mehrere Male abwechjelnd am ungar. und deutfchen Theater in 
Peſt, machte befonders mit feinem Barbarino in „Stradella” 
Glück und ftand bereit3 vom, December 1855 bis März 1856 
am deutjchen Theater in Peſt in feſtem Engagement als Sänger. 
Zur Bildung eines größeren Repertoire ging Bachmann dann 
mit noch einigen Collegen der Horvaͤth'ſchen Schule nach Agram, 





— 477 — 


wo er ſelbſt als Regiſſeur, Jahn ala Eapellmeifter der Truppe 
fungirte. Bon Agram ging es nad) Amfterdam, wo Bachmann 
vom Oct. 1856 bis Juni 1857 als Heldentenor wirkte und dann 
beichloß, zur weiteren Ausbildung nach Italien zu gehen. Auf 
der Durdjreife nach Mailand bejuchte er feine Verwandten in 
Prag und trat bei diefer Gelegenheit am 24. uni 1857 zum 
eriten Male als Alamir in „Belitar” auf der Bühne feiner VBater- 
jtadt auf. Aus dem firirten einzigen Gaftfpielabend wurden mehre, 
und als nach der dritten Gaftooritellung Capellmeifter Proch nad) 
Prag kam, um den glüdlichen Debutanten für Wien zu engagiren, 
ſchloß Dir. Stöger in aller Eile einen langjährigen Contract mit 
Bachmann ab, den diefer am 31. Juni 1857 als Diafaniello 
antrat. Bereits im erjten Jahre feines Prager Engagements 
wurden Wünjche laut, Zohengrin folle duch Bachmann gegeben 
‚werden, da Reichel als Lyonel und Arnold im „Zell" bereits jo 
deutliche Spuren von Stimm-Abnahme gezeigt habe, daß er diejen 
Partien nicht mehr gewachjen ſei. Bachmann lebte fi immer 
mehr in die Gunft des Prager Publicums ein, deſſen Liebling er 
bis zu feinem Abgang blieb. 

Während 1857 in dem jungen Bachmann die Direction 
Stöger eine werthvolle Kraft gewonnen hatte, kündigte ſich in 
anderer Hinficht um dieſe Zeit doch bereits eine Lockerung des 
feften Gefüges der Stöger’fchen Oper an. Das alte Enjemble 
war nicht mehr da; auch am Dirigentenpulte ſaß ein anderer, 
allerdings tüchtiger Mann, der fich erjt almälig in die Schwierig- 
feiten feines neuen Amtes bineinarbeiten mußte. Franz Straup 
war zu Oſtern desfelben Jahres gekündigt und außer Thätigfeit 
gejeßt worden, ohne daß feinerfeits ein Demiſſionsgeſuch eingereicht 
worden wäre. Einen ihm aufoctroyirten Urlaub nahm Skraup 
nicht an; dagegen erhielt er im November 1857 fein Penjiong- 
decret, ohne daß es ihm vergönnt war, zwei Monate vorher das 
dreigigjährige Jubiläum feiner Dirigenten-Thätigkeit in Prag an 
diefer Bühne jelbft zu begehen. Skraup verabichiedete ſich in 
einem Zeitungsinferat von dem Prager Publicum und gründete 
zunächft eine Gefangsfchule in Prag. Ueber feine ferneren Schid- 


— 478 — 


jale bis zu feinem 1872 in Rotterdam erfolgten Tode haben wir 
an früherer Stelle berichtet. Stöger hatte fih in aller Stille um 
einen Nachfolger für F. Skraup umgefehen. Nachdem eine Zeit lang 
bereitö der zweite Capellmeiſter Ta uwitz neben oder ftatt Straup 
große Opern dirigirt hatte, erichien am 15. April 1857 zum erften 
Male Joſeph Nesvadba am Dirigentenpulte. Nesvadba (recte 
Hamdiek) war am 19. Jäner 1824 zu Vygsker in Böhmen ge- 
boren, hatte in Jicin die Gymnaſial⸗, in Prag die philojophifchen 
Studien zurüdgelegt, dabei aber ſchon fleißig Muſik getrieben. 
1844 trat er in cechifchen Opernvorftellungen (Freiſchütz, Blau- 
bart, Stradella) auf, wurde im Mai 1848 als Capellmeiſter nad) 
Karlsbad, dann nah Olmütz, 1850 nad Brünn, 1854 nad) 
Graz berufen, von wo ihn Stöger nad) Brag berief. &r hat 
fich hier mit der Zeit nicht nur als Dirigent, fondern auch als 
Compoſiteur beliebt gemacht. Bon feinen Cechiichen Liedern wurde 
befonders „Bötulinka* durch Bachmann populär. 1859 fam er 
als Capellmeiſter der ital. Oper nach Berlin, 1861 nah Ham: 
burg, 1864 nad) Darmftadt, we er mit unermüblidem Eifer und 
vielem Glüde bis zu jenem am 20. Mat 1876 erfolgten Tode 
als Hofcapellmeilter wirkte. Großherzog Ludwig decorirte ihn 
noch kurz vor feinem Xode mit dem Orden Bhilipp’s des Grof- 
müthigen. Nesvadba fand in Prag, wie gejagt, fein günftiges 
Terrain vor. Mehrere Lieblinge des Publicums waren gegangen 
worden, andere waren in der Periode der Abnahme, felbit der 
Beteran Strafaty hatte bei Gelegenheit der 70. Yahresfeier von 
Mozart’ „Don Juan” am 4. Nov. 1857 (die erfte Aufführung 
des „Don Yuan” in Prag hatte freilich am 29. Det. und wicht 
4. Nov. 1787 ftattgefunden) als Pedro nach dreißigjähriger Wirf- 
jamfeit fein Abſchiedsbenefiz gefeiert und wirkte nur mehr aß 
Penfionift in der Oper mit. So konnte ſich des neuen Capell⸗ 
meiſters Thätigkeit erft frei entfalten, al8 die neue Direction wieder 
die natürliche Feftigleit im den Prager Opernförper brachte. 
gene Don Juan-Feier bildete noch einen der legten Glanzmomente 
der Stöger’fchen Oper. Nah dem großartigen erjten Finale 
zeigte fich die Büſte des unfterblihden Meijters, umgeben von 





— 479 — 


dem gefammten Perjonale, von Genien und den Yahresbezeid)- 
nungen der Opernwerke. Das effectvolle Tableau, arrangirt von 
Regiſſeur Roſenſchön, erregte allgemeinen Enthufiasmus. Im 
Uebrigen waren, außer den Gaftipielen Niemann’s, Carrions uud 
des Berliner Tenors Formes, die jchönen Tage der Oper gezählt. 
Und doch, mochte das Ende auch nicht dem prunkenden Aufange 
und den Wagner-Zrinmphen früherer Jahre entiprechen — die 
zweite Stöger’jche Directionsperiode hat ebenſo wie die erfte genug 
der Ereignifje gebracht, um fich ein ehrendes Andenken in der 
Geſchichte der Prager Oper zu fichern. 

Trotz diefer Thaten und Erfolge follte es dent alten Praktiker 
dermoch nicht gelingen, da8 Directionskcepter noch einmal — zum 
dritten Male — zu erringen. An Schwierigkeiten und Mißjtänden 
hatte es in der lebten Zeit feines Negimes allerdings nicht ge- 
fehlt. Mit ftrengfter Gewiſſenhaftigkeit und volliter Sachkenntniß 
hatte der Intendant Wenzel Ritter v. Bergenthal das Wirken 
und die Maßnahmen der Direction überwacht. In einer Intendanz⸗ 
Rote vom 12. Jäner 1856 führte diefer würdige Cavalier eine 
Reihe von Punkten an, in denen Stöger gegen feine Pflicht ge- 
fehlt Habe: das Decret kehrte ſich gegen die des Inſtituts „nicht 
witrdige" Ausftattung der Stüde, gegen die minder entfprechende 
Bejegung mehrerer Fächer, den Mangel an frifchen Stimmen im 
Chor, empfahl vorfichtige Verwendung engagirter Kräfte und die 
Beichleunigung des Knaack'ſchen Engagements; andererſeits aber 
bielt Hr. v. Bergenthal auch mit feiner Anerkennung für viele 
Maßnahmen der Direction nicht zurüd, jo daß Stöger wohl den 
Drud der Oberaufficht empfinden konnte, aber auch die Gerechtig- 
feit und Sachkenntniß feines Intendanten anerfennen mußte. Und 
nicht die Intendanz allein war es ja, welche die Schwächen des 
Inſtimuts erkannte: auch in Preſſe und Publicum erhoben ſich ge- 
wichtige Stimmen des Tadel. Der Gewinn glänzender Kräfte wie 
Steger’ und der Louiſe Meyer täujchte nicht Über ſtarke Lücken 
hinweg.*) As einen Hauptfehler erkannte man den Mangel 


») Der Berfonalftand im letzten Jahre der Stöger'ſchen Direction 
war folgender: Wenzel Berger Ritter v. Bergenthal, k. k. Truchſeß und 


— 480 — 


eines höheren künſtleriſchen Strebens und äfthetifcher Principien 
bei dem theatraliichen Routinier Stöger und den viermaligen 
Wechjel der Oberregie, der eine einheitliche fünftlerifche Tendenz 
nicht auffommen ließ. Auf feine reiche Bühnenerfahrung geftügt, 
ftand Stöger den Wünſchen und Beſchwerden des Publicums nur 
zu oft ablehnend oder theilnahmslos gegenüber. Der Conflict, 
in welchen er im April 1857 mit Weilenbed gerieth, meil er 
eine Abſage desjelben wegen fchwerer Erkrankung der Mutter nicht 
gelten Tieß, und die Entlaffung der Coloraturjäugerin Brenner 
erzeugte überdies eine gewiſſe Animofität in Prag gegen den 
Bühnenleiter; in diefer Stimmung überſah man feinen Fehler 
desjelben und vergaß die großen Verdienfte, die ſich Stöger in 
einer Periode von achtzehn Jahren und noch zuleßt durch die Ein- 
führung Rihard Wagners um die Bühne erworben. Stöger felbft 
war verdroffen und unzufrieden vor Allem deßhalb geworden, 
daß er ſeinen Contract unter Verzicht auf die Landesfubvention 
gemacht hatte. Grollend berechnete er, daß er innerhalb vier 


Sub. Rath, Kronhüter des Ritterftandes ꝛc. 2c., Autendant. — Actuar Hr. 
Joſ. Walter. — Dir. und Untern. ob. Aug. Stöger. — Theaterarzt 
Dr. Maſchka. — Oberreg. Aug. Wolff (Reg. d. Sch. und L.); Chauer, 
artift. u. techn. Leiter bed Sommertheaterd; C. Rofenihön, Reg. der 
Op. u. Poſſe. — 1. Capellm. Neswadba, 2. Cap. Tauwitz, 1. Orch.⸗ 
Dir. u. Solofp. Mildner, 2. Orch.“Dir. Wedral, 2. Solofp. Poznansky. — 
Secretär Ludw. Joſ. Sinzig, 1. Caſſ. Ulbricht, Logen-Abonn.⸗Caſſier 
&zermal, 2. Caſſ. Muſchik, 3. Caſſ. Schmitt, Taged- und Abonn.: 
Eaflier Piſecky, Bibl. Winarz. — Inſpection: Hametner, Lang, 
Mießler I. — Theaterfeldw. Reichſtein. — Souffleurs: Lukan, Mar: 
tinetz. — Schauſpiel: Herren: Brava, Chauer, Dietz, Dolt, Fiſcher, 
Frey, Gutenthal, Hametner, Hradetzky I. n. IO., Illner, Kolar I. u. II, 
Nikolai, Paetih, Pokorny, Preifinger, Römer, Scutta, Selira, Siege, 
Walter, Weilenbed, Wolff, Zechtiel; Damen: Fr. Allram⸗Lechner, Frl. 
Dies, Fr. Frey, Frl. Fried, Frl. Heins, Fr. Kolar, Frl. Lipſch, Frl. Tb. 
Müller, Fr. Robrbed, Frl. Rudloff, Fr. Szegöffy, Frl. Weisbach, Frau 
Wiebermann, Fr. Zechtiel. — Rinderrollen: Emma Polz, kl. Klettner. 
— Oper. Herren: Bachmann, Böhm, Brava, Dolt, Emminger, Felter, 
Freny, Illner, Preiſinger, Reichel, Steinecke, Strakaty, Wagner; Damen: 
Frl. Fries, Gautſch, Günther, Müller, Pollak, Schmidt, Tipka. — Chor— 
perſonale: Herren Chordir. Tauwitz, Schmidt (Inſpic.), Sänger Bayer, 





— 481 — 


einhalb Jahren 67.000 fl. mehr ausgegeben habe als fein Vorgänger 
Hoffmann, der in derjelben Zeit 45.000 fl. Subvention eingejtrichen 
habe, fo daß fich eine Differenz von 112.000 fl. ergebe; die beften 
Kräfte habe er an die Hofoper abgeben müſſen, mit welcher Prag 
nicht concurriven könne, gleichwohl feien die Lücken mit Oftern 
1857 ausgefüllt worden. 

Stöger’s Finanzlage hatte abermals eine folche Verjchlim- 
merung erfahren, daß der Landesausfchuß feine Bücher einer 
jteengen Prüfung unterziehen und die etwas krauſen Berhältniffe 
auf das Genaueſte klarſtellen ließ. In einer Zujchrift, welche der 
bedrängte Director am 17. März 1857 an den mit diefer Revi— 
fion betrauten ftändifchen Buchhalter Miltner richtete, entwirft 
er in trüben Worten ein trübes Bild feiner Tage. Im %. 1843 
habe er ein Baarvermögen von 200.000 fl. beſeſſen, 1846 be- 
ſchränkte jich fein Befig auf zwei Häufer (in der Roſengaſſe und 
an der Baſtei, die großartige Austattung des Rojengafje-Theaters, 
die Realitäten in Wiſſotſchan, (Tandtäflicher Hof Nr. 41 und Ap- 
polinarihof) und 10.000 fl. baar, die er von Hoffmann für einen 
Theil feines Fundus erhalten; nach dem Verkauf jener Realitäten 
Böhm, Fleifhmann, Horacel, Hradetzky I. IL, Knahl, Kropp, Mießler IL, 
Nikolai, Notzar, Petak, Vohl, Schmidt, Simm, Stolz, Welleba, Zedhtiel. 
Damen: Baar, Chmela, Duffek, Eberl, Hynel, Hradetzky, Kropp, Lenners, 
Martines, Meſtrik, Meerward, Beterzilla, Schmidt, Sinzig, Über, Weis⸗ 
bach, Welleba, Zechtiel. — Ballet: Hrn. Kneiſel (Arrangeur), Prochaska 
(Eorrep.), Holzbauer (1. Solotänzer), Frl. Segny (1. Solot.). — Herren 
He, Hida, Kneifel, Sniſchek, Taubeled; Damen: Brda, Marefh, Mar- 
farth, Miſchek, Pokorny, Rangel (I., II. TIL), Reinhardt, Reifinger, Schmibt, 
Werner, Weſſely. Orchefter: 46eng. Mufiler. Ständ. Theatermaler: 
Mößner. Decor. Jaich. Theatermeifter Seiffert. 

Böhmifhe Bühne: Intendant: Wenzel Ritter v. Bohuſch, 
Dir. Stöger, Reg. Sol. Chauer, Capellm. Tauwitz. — Schanfpiel: 
Herren: Chaner, Hameiner (Inſp.), Illner, Rafchfa, Kolar I. und IL, 
Kitin, Lapil, Mießler, Mufil, Nikolai, Polorny, Schimanowsky, Sekira, 
Slawsky, Strafaty, Welleba, Zechtiel. Damen: Fr. Duffel, Hynek, Kolar, 
Martinetz, Peſchke, Wiedermann, Bechtiel, Frls. Gantich, Kropp, Lipſch, 
Petrzilka, Weisbach — Oper: Herren: Böhm, Brava, Illner, Knohl, 
Kropp, Nikolai, Selira, Strafaty, Trautih, Welleba, Zedhtiel; Damen: 
Fr. Leımerd, Martines, Zechtiel, Frls. Gautſch, Peterzilka, Weisbach. 

3l 


— 4892 — 


and Abzahlung aller Schulden fei ihm damals immer noch ein 
Vermögen von 90.000 fl. verblieben. Nach Aufgabe feiner Joſeph⸗ 
ftädter Theaterpachtung habe er an Pokorny 12.000 fl. Ablöfung 
bezahlt, dann in Steiermark ein von feinem Bruder angelauftes 
But verwaltet und 1852 mit 40.000 fl. Vermögen wieder bie 
Prager Direction itbernommen. Ju Folge harter Verlufte im 
erften Jahre jeboch habe fich eine Schulvdenlaft angefammelt, die 
er nun (1857) auf 14.000 fl. C. M. beziffern müſſe. 


„Es ift traurig für einen alten Mann,” fchreibt er, „ber, wenn er 
auch fonft feine Verbienfte hat, body ftet3 den Ruf eines ftreng rechtlichen 
Mannes ſich bewahrt hat, in ſolche Vebrängniß zu geratben, daß er nur 
durch fremde Unterftügung hoffen darf, in feinen letzten Lebenstagen nicht 
zu barben. Sch befiße jeßt gar fein weiteres Vermögen als meinen Fundus; 
auf diefen bin ich 14.000 fl. ſchuldig. Trete ich 1858 von der Direction 
zurüd, fo hänge ich von der Willfür des Käufers ab, ba ich bei meinem 
Alter feine Zeit habe, lange zu zaubern. Erhalte ich durch die Munificenz 
ber h. Hrn. Stände und dur die Gnade Sr. Maj. keine Entſchädigung 
für die erlittenen Verluſte der vergangenen, feinen Zuſchuß für die Iekte 
Zeit meiner Direction, fo ſehe ich einer recht trüben, traurigen Zufunft 
entgegen. Zu dieſer Ueberzeugung gelangte ich fchon vor 2’, Jahren, und 
ich ging meinen verehrten Hrn. Intendanten Baron v. Bergenthal wieber- 
holt um feine gütige Verwenbung wegen bes früher meinem Vorgänger 
bewilligten Zufchuflee an. Nach ber jest höheren Orts und auf meinen 
Wunſch angeorbnneten Reviſion hoffe ich zuverſichtlich, daß die Güte und 
Billigleit der h. Hrn. Stände mein Geſuch und meine Bitte gewiß geredht- 
fertigt finden werden, und fo einen alten rechtlichen Dann, der einen großen 
Theil feined Vermögens an das feiner Leitung anvertraute Inſtitut, aljo 
an bad Eigentbum der 5. Hrn. Stände, verwendet bat, nicht in feinen 
legten Tagen dem Kampfe mit Noth und Entbehrungen Aberlaflen werben. 
Hochachtungsvoll Stöger.“ 


Wenn ſich Stöger nun nochmals entſchloß, mit allem Nach 
druck um das Prager Theater zu comcurriven, jo mochten ihn 
der erwiefenermaßen treffliche Beſuch des Hauſes in den legten 
Jahren, die fichere Ausficht auf Gewährung einer Landes: 
fubvention und zwar im Betrage von 10.000 fl. C. M. jährlid) 
für den Director dazu bewegen. Und an Mit-Eoncurrenten fehlte 
es troß der von Stöger jo oft hervorgehobenen bedrängten Lage 
eines Brager Bühnenleiters keineswegs. 





— 483 — 


Eine Reihe von Bewerbern um die Prager Bühne trat 
1857 in die Schranfen: Director Stöger in Compagnie mit 
Thome, dem Director von Riga, die Directoren Hoffmann 
und Pokorny (Miteigenthümer des Theaters a. d. Wien), 
Blum (Olmütz und Kaſchau), Strampfer (Temesvar), endlich) 
Friedrich Haafe, Kaufmann Liegert und Capellmeifter Straup; 
ichließlich aber blieben nur zwei ernfte Bewerber übrig — Hoff— 
mann und Thome (leßterer in ftilfer aber nicht anerfannter Com— 
pagnie mit Stöger). Die Propofition, Stöger allein die Leitung 
auf weitere drei Jahre zu belaffen, fand Feine hinreichende Unter- 
ftügung, die Entjcheidung zwilchen Hoffmann und Thome aber 
fiel am 7. September 1857 zu Gunſten des Lebteren aus. Am 
26. März 1858 empfahl fih im „Barbier von Sevilla”, der: 
jelben Oper, mit der fid) Stöger vor 24 Jahren in Prag ein- 
geführt hatte, das Dpernperjonal der fcheidenden Direction, und 
bejonders Adelheid Günther*) war es, die als Roſine mit herzlichen 
Ovationen bedacht wurde. Am 27. März 1858 fand die lehte 
Vorſtellung unter Stöger ftatt. Man gab zum Zortheile des 
Oberregiſſeurs Wolff eine Novität, das dreiactige Zuftfpiel „Die 
weiblichen Studenten" von Dr. Joachim LXederer und die 
„Plauderftunden”. Nach Schluß der Vorftellung trat Weilenbeck 
vor, dankte dem Publicum für Gunſt und Nachficht und gab die 
feierliche Verficherung ab, „daß er nur ungern und unfreiwillig 
Prag verlafje". Oberreg. Wolff fprad) das Abſchiedswort im 
Namen des abweſenden Stöger, der den beabfichtigten Ovationen 
anf der Bühne aus dem Wege gegangen war. Am 28. März 
(Sonntag) gab man als „neutrale” Wohlthätigfeitsvorftellung 
zum Beften des Taubjtummeninftitut3 den „Abbe de l’Epee“ 
mit Chauer in der Titelrolle und dem Zaubjtunmmen-Zögling 


*) Adelh. Günther, geb. 12. Juli 1834 zu Thorn, zuerft in 
Neiffe, Danzig, Köln eng., nach Abgang von Prag in Breslau, gaft. in 
Deutichland, Holland, Belgien, nahm nad) Verluſt der Stimme dramatischen 
Unterricht bei Fried. Herbft, wurde al3 Heroine in Detmold und Düſſel⸗ 
borf eng., T aber ſchon 18. Oct. 1865 zu Teplitz. 


31* 


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Hajet als Graf Solar, die Charwoche aber galt der Vorbereitung 
für die neue Aera, die Direction Thome. Der Uebergang war 
nicht Schroff und unvermittelt, denn im Hintergrunde, allerdings 
als nicht=officielle Perfon, ftand der ergraute Director-Beteran 
Stöger — fein Name behielt noch Klang und Bedeutung in der 
Prager Theaterwelt. 


— ee — 





— 485 — 


XL. 


Director Franz Thomé in „ſtiſſer Compagnie“ mit Stöger 
(1858—60). — Pas Schauſpiel 1858—60. Errichtung 
des KReuſtädter Theaters. — Die Intendanz. 


(Thome's Lebensgang. — Techiſche und deutſche Eröffnungsvorſtellung. — 
Neue Schauſpielkräfte: Conrad Hallenſtein, F. B. Haffel, die Damen: 
Remoſani, Auguſte Baiſon, Auguſte Burggraf, Monhaupt, Komiker Mark⸗ 
wordt, Edmund Sauer als jugendl. Held und Liebhaber. — Candidaten 
für das Charakterfach: Loewe, Keller, Bergmann, Mar Urban. — Berfonal: 
ſtatus des Schauſpiels 1859. — Repertoire und Gäſte. — Earl v. Bukovics' 
erſtes Sänger⸗-Debut in Prag. — Enthüllung des Radetzky-Denkmals; 
Feſtvorſtellung. — Abſchied von Auguſte Rudloff, Tod Chauer's. — Die 
Gründung des Neuſtädter Theaters. — Deutſche und Cechifche Eröffnungs- 
vorſtellung. — Die Sommerſaiſon im Kriegsjahre 1859. — „Flick und 
Flock.“ — Die Prager Schiller⸗-Tage. — Der Schwanengeſang des natio⸗ 
nalen Friedens in Prag. — Der Umbau des Landestheaters am Obit: 
markt. — Wechſel in der Intendanz; Refignation Bergenthal’3 und Amts- 
antritt des Nitterd von Bohuſch. — Das Sitz- und Stimmredt ber 
Zogeneigenthümer nenbeftätigt. — Yuflöfung ber ftillen Compagnie Thome⸗ 
Stöger. — Stöger’3 Tod.) 





Der neue Director des Prager Theaters, Franz Thomt, 
hatte eine bewegte und ehrenvolle Tünftleriiche Laufbahn hinter 
ih. Geboren zu Wien als der Sohn eines Ranzleibeamten des 
ruſſiſchen Botfchafters Fürften Raſumovsky, 30g er nach des Vaters 
Zode mit der Mutter nach Dresden, wo er in der Tatholifchen 
Schule und am GEymnaſium ſeine erſte Ausbildung erhielt; als 
fih feine Mutter zum zweiten Male verheiratete, folgte er der- 
jelben nach Wien, wagte dort in feinen fiebzehnten Lebensjahre den 
erften Schritt auf die Bühne und wirkte nun als jugendlicher 
Liebhaber an einer Reihe deutſcher und üfterreichiicher Bühnen, 
fam mit ber Operngejellichaft des Mainzer Directors Schumann 
1842 nach Paris und trug das Seinige dazu bei, die ſchiffbrüchige 
deutfche Gefellichaft durch Veranftaltung von Concerten wieder 


PR 





— 486 — 


flott zu machen. Nach der Heimfehr wirkte er in Nürnberg und 
übernahm ſodann die Leitung der Theater von Laibach und 
Trieft, 1847 jene des berühmten gräflih Skarbek'ſchen Theaters 
in Zemberg, ſodann abermals jene der vereinigten Bühnen von 
Laibach, Klagenfurt und Trieft, 1850 die Divection des Landes- 
theaters in Graz, das ſich unter feiner Führung zu einer der 
angefehenjten Opernbühnen entjaltete. „Man muß den Propheten 
in Wien hören, in Prag ſehen,“ hieß es damals in der Bühnen: 
welt. Als Thome 1853 unter einer großen Zahl von Bewerbern 
zum Director des Nigaer Theaters erforen wurde, gab ihm die 
Grazer Bürgerfhaft in mannigfacher Weife Achtung und Sym- 
pathie fund. Und die Wahl Thome’s, eines Mannes von erprobter 
fünftlerischer Bildung, von oft bewährter Umficht und Energie 
hien in der That auch für das Prager Theater eine glückliche 
Bedeutung zu gewinnen. Die Verbindung mit Stöger, der ſeit 
vielen Jahren in inniger Fühlung mit dem Prager Theater ftand, 
fonnte ihm die Kenntniß des neuen Terrains erleichtern und manche 
Sorge, manche der gejchäftlichen Agenden abnehmen, die fich ge- 
rade in der legten Zeit jo ftark gehäuft hatten. Thome war e8 
auch bejchieden, die feit langer Zeit angeftrebte und vorbereitete 
Spaltung des Prager Theaterweſens in nationaler Hinficht, die 
Loslöſung eines bejonderen eechiſchen Theaterkörpers von dem 
alten deutſchen Weutterinftitute, zu erleben und in dieſe epochale 
Neugeftaltung der Prager Theaterverhältniffe perjönlich und that- 
fräftig eingreifen zu müſſen. 

Am Oftermontag (5. April) 1858 begann die Yera Thome 
in Prag. Eine eechiſche Nachmittags-Vorftellung bot den Director 
zum erſten Male Gelegenheit, vor das Publicum zu treten. Man 
gab das Hiftoriihe Trauerſpiel „Soböslav, selsky knife* von 
Klicpera. Frau Kolar ſprach den Prolog, in welchem Thome 
verficherte, dem Cechifchen Theater eine liebevolle Pflege zu widmen 
— ein Verſprechen, das er felbjt noch mit einigen cechifchen Worten 
bekräftigte. Abends war das Hans überfüllt: eg galt der erjten 
deutfchen Vorftellung der neuen Divection, welche Mozart's „Don 
Juan“ in folgender intereſſanter Beſetzung brachte: 





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Don Juan — Hr. Steinede; Leporello — Hr. Brava; Don Pedro — 
Hr. Eilers; Donna Anna — Fr. Duftmann-Meyer; Don Ottavio — 
Hr. Fekter; Donna Elvira — Frl. Mila G.; Mafetto — Hr. Rafael; 
Berline — Fl. Holland. 

"Die Zitus-Duverture leitete den Abend ein, dann jah man 
das neue Perfonal um den Director gruppirt, der in einem wilr- 
digen und einfachen Prolog der Hoffnung Ausdrud gab, die 
Bühne Prags, einft die erſte Deutjchlands, auf eine ihren Ge» 
Ichichte entfprechende Höhe zu bringen. Louiſe Duftmann- Meyer, 
die als Saft den Erdffnungs- Abend verherrlichte, wurde ſtürmiſch 
begrüßt, aber auch Thome hatte Eindrud gemacht, und fein Opern- 
perjonal fand im Allgemeinen Gnade vor den Augen der Prager. 
Der zweite Abend war dem Schaufpiel geweiht. Man ſah Goethe's 
„Egmont“, und der Zettel brachte manche interejjante Neuigfeit. — 
Bewährten alten Kräften wie Fiſcher (Oranien), Marie Frey 
(Margarethe), Fr. Szegöffy, Frey (Bradenburg), Dolt (SYetter), 
Dieb (Bruyd), Preifinger (Ruyſum), Siege (Ferdinand), Walter 
(Banfen), Kolar (Richard) und Anderen reihten fich mehre Neue 
an. Die Titelrolle fpielte ein junger talentvoller Darfteller, Conrad 
Hallenftein, den Alba ebenfalls eine neue Kraft, Hr. Loewe, 
den Machiavell Hr. Schufter und das Elärchen war eine neue, 
fejlelnde Rolle des Frl. Rudloff. Bejondere Aufmerkjamteit 
fand der neue Candidat für das Fach der erften Helden und 
Liebhaber, Conrad Hallenftein,*) der mit diefem Debut den 
Grumdftein zu feiner langjährigen und angefehenen künſtleriſchen 
Pofition in Prag legte. „Ein junger Mann von empfehlenden 


*, Conrad Adolf Hallenftein war geb. 1835 zu Frankfurt a, M. 
ald Sohn eines Theater-nfpectors, der fi) auch durch Frankfurter Local⸗ 
poffen bekannt gemacht hatte. Anfangs für den Raufmannsftand beftimmt, 
deb. Conrad H. Ichon im 19. Lebensjahre ald Raoul in der „Jungfrau“ 
in Frankfurt, fam nad einj. Engagement nach Hamburg, 1856 nad Königs: 
berg, 1857 nach Aachen, 1858 nad) Prag, wo er bis 1871 im Vollbeſitze 
aller Sympathien engagirt blieb, um nad) beifällig aufgenommenem Gaft- 
fpiel im Burgtheater (Nov. 1870) mit 1. Mat 1871 tn den Verband ber 
erften dentichen Bühne zu treten, ber er noch heute al8 Darfteller und 
Regiffenr angehört. 


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Aeußeren“ — ſo ſchilderte ihn die Kritik vom Jahre 1858 — 
„mit einem ſonoren, weichklingenden Organ, das zum Herzen zu 
ſprechen vermag. Seine Declamation überſtürzt ſich zeitweilig, 
wie ſein ganzes Spiel noch Ruhe und Sicherheit vermiſſen läßt, 
doch iſt im Ganzen eine ſchöne künſtleriſche Entwickelung von ihm 
zu erwarten.” As Ingomar und Carl („Ränber“) bekräftigte 
Hallenftein diefe gute Meinung, und fein ferneres Wirken recht—⸗ 
fertigte vollauf die Erwartungen, die feine Debuts geweckt hatten; 
er wurde eine Stüße des Prager Schaufpiel3. 

Unter den übrigen Schaufpielfräften, die ſich in der erften 
Zeit der neuen Direction vorftellten, ragte zunächſt F. B. Haſſel 
hervor, ein Künftler, defien Name für Prag eine ähnliche Be— 
deutung gewinnen follte wie ihrerzeit die Namen Bader, Polawsky, 
Feiſtmantel. Als Cantal in dem Schauspiel „Der Fabrikant“ 
führte fih Haſſel in Prag ein, und follte diefer Stadt fortan 
mit geringer Unterbrechung treu bleiben bis zu feinem Tode. 
Hafjel, der nach feinem vechten Vater eigentlich „Laube“ hieß, ift 
in Spangenberg, einem Tleinen Feitungsftädtchen bei Kafjel 1815 
geboren. Sechs Jahre alt, fam er mit feinem Stiefvater Hafjel 
nach Kaſſel, wo der legtere ein Engagement beim Turfürftlichen 
Hoftheater antrat, und fchon 1824, alfo im Alter von kaum 
9 Jahren, nahm er Engagement als „Chorknabe“ bei demjelben 
Inſtitut. Man nannte ihn nach feinem Stiefvater einfach, „Haſſel“, 
und feither führte er diefen Künftler- und Adoptivnamen con: 
jequent weiter. Schon 1825 finden wir den 10Qjährigen Rünftler 
in der „Zauberflöte“ als „erjten Knaben” am Zettel des Kafleler 
Theaters. Bald that er fih in den Aufführungen der von Re— 
giffeur Gerber errichteten Theaterfchule im Hoftheater jo hervor, 
daß er jchon in feinem 15. Lebensjahre ein Engagement in Heiligen- 
jtadt bei Göttingen annehmen Tonnte, aber der Director des Heiligen- 
ftädter Mufentempels ließ nach vier Wochen feine Getreuen im 
Stich, und vergaß in der Eile auf die fälligen Sagen. Der jugend: 
lihe Mime Haſſel wanderte im ftrömenden Regen per pedes 
apostolorum die Landſtraße entlang nach Kaffe. Zum Glück 
übernahm gerade damals fein früherer Lehrer Gerber die Direction 


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in Bremen und engagierte Hafjel dahin. Mit einem Louisdor 
Neifegeld in der Tajche, das Nänzlein auf dem Rüden, pilgerte 
Hafjel in die Hanfeftadt, wo er nah 14 Tagen, noch mit Er- 
ſparniſſen von dem Neifegelde, eintraf (1830). Verletzte Tünftle- 
riſche Eitelfeit und mangelhafte Beichäftigung hätte ihn beinahe 
zu emem Bruce mit der Divection getrieben, wenn er nicht 
plöglicy den in feinem Bufen fchlummernden Opernfänger entdeckt 
hätte. Der engagirte Heldentenor Knauſt hatte fich, gerade als 
Spohr’3 Oper „Fauſt“ in Vorbereitung war, bei einem Sprunge 
auf der Bühne den Fuß verlegt und Haſſel fprang für ihn als 
Goldſchmied Yranz ein. Der Erfolg war jo günftig, daß der 
Sapellmeifter dem jungen Haſſel Gefangsunterricht gab. Die 
Sänger-Carriere war ihm eröffnet, die „Naturburfchen”, die er 
bisher gefpielt, wurden mit Verachtung geftrafl. Schon 1833 
lang Hafjel den Telasco in Spontini's „Cortez", den Jago im 
„Othello“, den Cinna in der „Veitalin”, ja fogar 1834 in der 
Eröffnungsvorftellung de8 von Dir. Gerber mit übernommenen 
Dldenburger Hoftheaters den Don Juan, Darüber vernadjläfligte 
er aber das Schaufpiel nicht und erfreute ſich im Genre jugend- 
ch-humoriftifcher Rollen einer großen Beliebtheit. Mit Vorliebe 
fang er auch in den damaligen Waudevilles und Spielopern; in 
der großen Oper war Marie Löw, fpäter Mad. Lehmann, die 
bereit3 erwähnte Prager Harfenvirtuoftn und Mutter der Sänge- 
rinen Lili und Marie Lehmann, feine Bartnerin, der er mit großer 
Herzengneigung zugethan war. Von Bremen kam Hafjel als 
erfter Helden- und Spieltenor nad) Roftol, von wo aus Opern- 
Ausflüge nad) Stralfund und Greifswald gemacht wurden. Bei 
einem diejer Ausflüge unter der neuen Direction Engelken entfloh 
Hafjel nebft feinem Collegen Ehriften mit Hilfe der Greifswalder 
Studenten jenem Director, wurde aber in Magdeburg eingeholt, 
in's Stodhaus gejegt und mit neuem Vertrag nach Straljund 
escortirt, wo er nun eimige Zeit unter Bolizeiaufficht ftand und 
Stubenarreft halten mußte. Der „ Durchgang” übrigens war ver- 
ziehen, Hafjel wurde fogar Opernregifjeur, erkaufte, nachdem er 
jihh 1837, in feinem 22. Lebensjahre, mit der Opernjonbrette 


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Tel. Habig vermält hatte, mit feinen Erjparnijjen und mit Hilfe 
eines befreundeten Schiffsniaflers ein Hotel in Roſtok, das er 
nad) der zulegt von ihm gejungenen Bartie „zum treuen Schäfer" 
benannte und zwei Jahre mit Glück leitete. Schon 1847 aber 
ftand der „treue Schäfer" wieder auf der Bühne; er erhielt ein 
Engagement in Dresden als Tenorbuffo, gaftirte auf dem Wege 
dahin mit außerordentlicdem Erfolge in Potsdam und ließ fich 
von Commiſſionsrath Woltersdorff ftatt nach Dresden nad) Königs- 
berg als Opern⸗Regiſſeur jowie für humoriſtiſche Rollen in Oper 
und Schaufpiel engagiren, und er mußte die Engagement att« 
treten, obwohl er fein unaufichiebbares Debut in Dresden vor- 
trefflih abjolwirt und damit das Anrecht auf ein Hoftheater: 
Engagement erworben hatte. Haſſel blieb 10 Jahre bei Woltersporff 
in Königsberg (von Mai 1847— 1857), mo damals auch Sonnenthal 
und Hallenftein engagirt waren, als Vertreter des Directors; einen 
Winter leitete er auch Operette und Luftfpiel in Elbing. „Haſſel“ 
— fchreibt Woltersdorff in feiner „Gefchichte des Königsberger 
Theaters von 1744— 1855" — „betrat die hiefige Bühne zuerjt als 
Zampa und Fra Diavolo. Er ift bis auf den heutigen Tag 
(1856) in den vielfeitigjten Charakteren, in Oper und Schaufpiel, 
als vortrefflicher Opernregiffeur und als zeitweiliger Gejchäftsleiter 
in Abwejenheit des Directors eine Säule derfelben geblieben.“ 
Woltersdorff irug Haſſel eine Contractsverlängerung filr die ganze 
Dauer feiner Direction an, aber Haſſel rejufirte, weil mittlerweile 
feine Tochter (nachmals Frau Hallenftein) als Opernjoubrette, 
geleitet von der Mutter, in die Welt gevandert war. Nach furzem 
Engagement als Oberregiffeur in Breslau trat er eine Ähnliche 
Stellung in Bremen an, wo er mit feiner Familie vereint war, 
und fam von dort 1858 als Regiſſeur und Darfteller für 
Väter und Charakterrollen nach Brag. Was Hafjel der deutjchen 
Bühne Prags war, ift dort unvergeſſen. Seine muftergiltigen 
Schöpfungen auf dem Gebiete des Luſtſpiels Haben ihm den 
Ehrentitel eines „Prager La Roche" erworben; er hat mit 
nie zu erjchütternder Pflichttreue und wahrer Künftlerichaft bis 
Ditern 1882 in Prag gewirkt und ſich als Menſch wie als Dar» 





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fteller nur Achtung und Sympathien erworben. Wir werden ihm 
noch wiederholt in diefem Buche begegnen. Im Jahre 1858 galt 
es, duch ihn ven bisher nicht erjebten Grauert vergeflen zu 
machen, und was Niemand gelingen wollte, gelang Hafjel. In 
der Titelrolle des Vaudevilles „Fröhlich“ zeigte der Debutant auch 
jeine Begabung für den derberen Humor und feine Routine alg 
Sänger, die ihn auch für das Amt als Opernregifjeur vorzüglich) 
befähigte — er hat dies Amt zehn Jahre innegehabt. 

In der zweiten Schaufpielvorftellung der Thome'ſchen Di- 
rection lernte man eine neue liebenswürdige Darjtellerin Tennen, 
Frl. Remofani; fie debutirte ald Selma in „Mutter und Sohn“ 
und nahm durch jugendlih anmuthige Erjcheinung, warmen und 
innigen Ton der Rede fofort für fich ein — ihre Iſaura in 
Raupach's „Schule des Lebens” verftärkte diefen guten Eindrud. 
Nicht unfreundlich wurde eine andere Debutantin, Frl. Baifon, 
aufgenommen, die fih als Roſa im „schwarzen Peter“ vorftellte, 
ihren Ruf in der Bühnenwelt aber in Prag noch keineswegs be- 
gründete, Da fie bereits binnen Jahresfriſt an die Breslauer 
Bühne abging.*) Am 9. Mai debutirte als Cäcilie in „Er ift 
nicht eiferfüchtig" Frl. Monhaupt und intereffirte Durch frifches, 
lebendiges Spiel, ausdrudsvolle Mimik und angenehmes Aeußere, 
jo daß fie wie die vorgenannten Damen dem Perfonal angereiht 
werden fonnte, Eine Schaufpielerin von Bedeutung in der deutfchen 
Bühnenwelt war Augufte Burggraf;**) fie trat am 5. Juni 1858 


*) Angufte Baifon war 1846 (?) zn Frankfurt a. M. als Tochter 
de3 Schaufpielerd Joh. Bapt. B. geb., betrat nach Angabe ihrer Bio- 
graphen 1858 „in Rinderrollen” in Prag die Bühne — thatjächlich, wie wir 
fehen, als jug. Xiebhaberin, was allerdings mit der Alterdangabe verſchie⸗ 
bener biogr. Lexica durchaus nicht übereinftimmen will, ging von Prag 
an's Berliner Bictoriatheater, 1862 an's Carltheater, hieranf nach Bremen, 
Nürnberg, Mainz, München, Petersburg, Frankfurt a. M., wo fie am 
25. Dec. 1872 zum letten Male fpielte; ſeitdem gaftirte fie in Deutſchland 
und Defterreich. 

*F, Auguſte Burggraf war 1832 zu Bamberg ald Tochter angefehener 
Eltern (ihre Mutter war eine geb. Freiin v. Wildenftein) geb., wurde nad 
ben Tode ihres Vaters, eines bair. Hofbeamten, auf often des Kronprinzen 


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in der Titelrolle des Senfationsschaufpiels „Fiammina“, das Uchard 
geschrieben Hatte, um fich an feiner treulojen Gattin, der Schau- 
jpielerin Madeleine Broyau, zu rächen, zum erjten Male vor die 
Prager und errang durch die realiftifch-effectvolle Ausarbeitung ihrer 
Partie jowie mit ihren glänzenden äußeren Mitteln einen großen 
Erfolg, den fie als Gräfin Orfina, Deonta im „Sonnwendhof“, 
Baronin in „Stille Wäffer find tief“ und Pompadour feft- 
hielt. Am 4. Auguft trat fie als Elifabeth in Eſſex ihr Enga: 
gement an. Ihre impofante Ericheinung, ihre ſcharfe Charafteri- 
firung und reihe Mimik verfehlten nie ihren Eindrud; im 
Converfationsftüct blendete fie überdies durch Originalität und 
Reichthum der Toilette, in welcher Hinficht fie gewiljermaßen 
epochemachend in Prag wurde. Für die Poſſe wurde neben 
Thereje Müller in Laura Schubert eine der beften Sonbretten 
ihrer Zeit als Gaft gewonnen, die fi) in zwei damals neuen 
Bluetten „Hans und Hanne" und „Sachſen in Preußen" und 
der Kalifch’ihen Poſſe „100.000 Thaler” erfolgreich einführte. 
Neben ihr hatte ein neuer Komiker, Hr. Marfwordt entjchie: 
denes Glück; er debutirte zunächſt als Doctor Peſchke, veuffirte 
trog der Praemiſſen Aſcher's und ftärkte feine Pofition in Poſſe 
und Spieloper mit jeder neuen Partie. 

Minder glüdlid war man mit den Candivaten für das 
Charafter- und das Liebhaberfah. Weder der Charafterjpieler 
Loewe, noch der jugendliche Liebhaber Weber konnten fich auf 
die Dauer behaupten. Statt des Lebteren wurde nach ziemlich 
beifälligem Probeſpiele Hr. Kühn engagirt; eine wahrhaft er- 
freuliche und dauernde Bejegung aber jollte diefes Fach erft durch 


Mar ausgebildet, betrat mit 16 Jahren die Bühne zu Nürnberg, fand in 
Bamberg Engagement, kam von dort nach Innsbruck, daun nach Gras, 
wo fie als ing. Liebh. mehre Jahre in befonderem Anſehen ftand, von 
Graz nad) Hannover, wo fie auf Befehl der Königin für Heroinen eng. 
wurde, fodanı an das Stadttheater in Hanıburg und von dort nad) Prag, 
1864 nah Frankfurt a. M., 1868 nad) Mannheim, mußte dort kraukheits 
halber die Bühne verlaffen und + noch in demfelben Sabre am 20. Oct. 
zu Frankfurt a. M. 





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einen jungen Schaufpieler gänzlich unbekannten Namens erfahren, 
der am 26. Aug. 1859 zum erften Male die Prager Bretter betrat 
und länger als ein Bierteljahrhundert eine Zierde derfelben fein 
ſollte. An dem bezeichneten Tage debutirte Edmund Sauer 
als Schiller in den „Carlsſchülern“. Die Kritik zeigte fich ziemlich 
tefervirt; man ftand eben einem entjchiedenen Anfänger gegenüber. 

„Die Erſcheinung ift fehr einnehmend“ — fhrieb Julius Gundling 
(Zuctan Herbert) in der „Bohemia” — „das Organ Hingt ſympathiſch und 
fcheint ausdauernd, entbehrt aber zum Theil noch des erft durch lange 
Uebung anzueignenden Schliffed. Die Declamation erwies fi als recht 
verftändig, bisweilen beinahe auf Koften bed Schmunges. Die Bewegungen 
verrathen den Anfänger am meiften, fie find noch jehr edig, manchmal bei- 
nahe linkiſch. Die Rolle Sciller’3 war achtbar auseinandergeſetzt und. 
hatte mehre jehr gelungene Momente. Im Ganzen machte vr, Sauer ben 
Eindrud eines begabten Anfängerd mit hübſchen Mitteln . 

Und aus dieſem Anfänger follte jich binnen wenigen Jahren 
ein ganzer Kimſtler entwickeln, ein würdiger Nachfolger Rudolf 
Bayer's in Prag. Edmund Sauer iſt am 31. März 1837 zu 
Brünn als Sohn eines höheren Stadtsbeamten geboren, über— 
fiedelte nah) in Brünn abjolvirtem Gymnaſium nach Wien, wo 
die Darftellungen eines Loewe, La Roche, Fichtner, Anfchüß, Joſ. 
Wagner, Dawijon einen jo mächtigen Eindrud auf ihn machten, daß 
er das Studium der Philofophie aufgab und am 16. Sept. 1855 
als Schiller in den „Carlsſchülern“ in Troppau neben Lewinsky 
als Koch fein Bühnenglüd verſuchte. Bald fand der jugendliche, 
begabte Schaufpieler Engagement in Lemberg und Brünn, fam 
von dort nach Prag und blieb diefer Bühne nahezu 26 Jahre 
treu. Er hat unter vier Directoren, Thome, Wirfing, Kreibig sen. 
und junior in Prag gewirkt, 1859 bis 1871 als jugendlicher Held, 
1871 bis 1835 als Held und erjter Converfationgliebhaber; das 
claſſiſche Repertoire ſowohl wie das moderne Schaufpiel und Luft- 
fpiel hatten an ihm eine fefte, nie wanfende Stütze, und niemals 
wanfte auch das Prager Publicum in feiner Anhänglichfeit an 
diefen Darfteller. Ein Mann von wahrhaft edler Erjcheinung, 
begabt mit volltönendem, marfigem Organ, bejeelt von reinjtem 
Künftlerftreben, aufgehend in feinen künſtleriſchen Geftaltungen, 


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unerſchütterlich in Pflichttreue, raſtlos fortichreitend und fich ver- 
vollkommend, war Sauer allezeit ein nachahmenswerthes Vorbild 
für jeden ftrebenden Künſtler. In Prag Hatte er nur Freunde 
und Verehrer: feiner künſtleriſchen Bedeutung einte fich ein ge- 
diegener, Tiebenswürdiger Charakter, um ihn Jedermann jym- 
pathifch zu machen. Sein fchlicht-bilrgerlicher Wandel, das mufter 
hafte Familienleben, deſſen Stätte fein bejcheidenes Heim in der 
Heinrihsgaffe war — Sauer ift in glüdlichjter Ehe mit einer 
Tochter des ehemaligen Schaufpieldirector® Fröhlich vermält — 
dies Alles ftellte ihn hoch in der Achtung jeiner Mitbürger; er 
war populär in des Wortes fchönfter Bedeutung. Seine fünftle- 
riſchen Schöpfungen waren durchweht von dem Hauche echter 
Poefie, durchglüht von natürlicher und hinreißender Begeifterung ; 
für das Converſationsſtück brachte er liebenswürdigen Humor und 
den rechten frischen und leichten Ton mit. Sauer war einer von 
jenen Künſtlern, die ihren Ruhm nicht in Wanderfahrten fondern 
in treuer Anhänglichkeit an Eine Stätte, in ernjter Arbeit zum 
Gedeihen derfelben ſuchen; eben deshalb ift fein Name erſt fpät 
zu allgemeiner Geltung gelangt. Von Prag aus gaftirte er zu- 
nächft 1862 mit ehrenvollem Erfolge am Burgtheater, 1864 am 
tal. Schaufpielhaufe in Berlin. 

Im Charafterfache verfuchten fich nad) dem Abgange Loewe's 
zunädft Hr. Keller (damals aus Breslau fommend) als Mathias 
im „Sonnwendhof", Königslientenant und Alba, dann Hr. Berg- 
mann, der aud) in's Engagement trat aber vorwiegend im Väter: . 
fache befchäftigt wurde, bis in dem talentvollen Mar Urban, 
der in Augsburg größere Aufmerkjamfeit erwedt hatte und am 
4. Mai 1859 als Narciß in Prag debutirte, ein Charakterjpieler 
von eigenartiger Begabung gefunden war. Dieſe Begabung war 
allerdings nicht Träftig und vielfeitig genug, um fein Engagement 
als dauernden Gewinn für die Prager Bühne erjcheinen zu laſſen. 
Eine ſchätzbare, wenn auch auf diefem Gebiete minder bedeutende 
Kraft für das Charafterfah war Died, auf den man in jedem 
Momente. der Verlegenheit zurüdgreifen konnte. 

Schon diefe Daten genügen, um zu zeigen, welch lebhafte 





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Perfonalbewegung in den erſten Directions-Jahren Thomé's an 
der Prager Bühne eingetreten war. Im Jahre 1859 wurde der 
officielle Perſonalſtand des Schaufpiels folgendermaßen angegeben : 


Dir. und Unternehmer: Yranz Thome (zugleich Oberreg.), Secretär: 
Gr. Sinzig. Lafliere: Frank, Czermak, Muſchik, Schmitt und 
— Regiſſeure: Haſſel, Kolar sen. (fürs Böhmiſche) und Rofen- 

ön. 

Herren: Bergmann, Väter, Chramoſta, Väter, Diet, Chevaliers, 
feintom. u. Char.-Rollen, Dolt, tom, Gef.-Bartien, Fifcher, Heldenväter, 
Grey, Liebh. u. Bonviv. Hallenftein, Helden u. Liebh. Haffel (Reg. 
f. Op.), humor. Väter, tom. Rollen, Rolar sen. (Reg), Char.-Rollen, 
Kolar jun, harg. Rollen, Martwordt, tom. R., Polorny, Liebh., 
Preijinger, Alte, Salm, Liebh. u. bebdeut. Nebenr. i. Sch. u. Op., 
Sauer, jug. Liebh., Scatta, tom. Gef.-R., Siege, Naturb., Selyra, 
tom. R., Urban, Char.-R., Intriguanten, Walter, Väter. 

Damen: Fr. Allram-Lechner, Liebh. u. junge Frauen, Frl. Bol- 
larbd, ing. Liebh, Ir. Burggraf, Held. u. Liebh. Fr. Frey, Anſtandsd. 
u. Heldenmütter, Frl.. Fries, Sonbr., Frl. Gautſch, Liebh., Gei.-Part., 
Hl. Hafjel, LKiebh., Gef.-Bart., Br. Kolar, Anftandsb., Frl. Lipfch, 
ER. Fl. Monhaupt,naive Liebh., Frl. Müller, Local: u. Vaudeville⸗, 
Geſ.⸗Part. Frl. Remoſani, trag. u. fentim. Liebh, Fr. Rohrbeck, kom. 
Mütter, Fr. Segöffy, ernfte u. kom. Mütter, dr. Wiedermann, Mütter. 
Kinderrollen :" Emma Bolz, 2. Lang, J. Pelikan. 


Dem” Repertoire wurden im erften Jahre der Thome’fchen 
Direction (1858-59) neu eingefügt:*) Der „Liebesleugner" von 
Jordan, der „fategorifche Imperativ“ von Bauernfeld, „Cato 


*) Veiläufig erwähnt fei, daß am 10. Mai 1858 M. ©. Saphir 
auf den Prager Theater eine bumoriftifhe Vorlefung gab — wenige Mo- 
nate- vor feinem Tode. — Der” Käcilienverein brachte ben Oedipos 
auf Kolonos“ mit der Mufil von Mendelsjohn zur Anfführung, wobei 
Fiſcher den Sprecher, "Dedipos und Thefeus, Frau Frey die Antigone, Fr. 
Allram⸗Lechner die Jomene barftellte. Das Lechifche Bühnenperfonal brachte 
das epifche Gedicht Jaroslav“ von Kolar sen., durd lebende Bilder im 
altſlaviſchen Sängercoftüme illuftrirt, zum Vortrage. — In einem Concert 
zum Beften des Thierfchußvereind am 29. April 1859 fang der ehemalige 
Savallerie-Officier und damalige Opernfänger Carl v. Bukovices zwei 
dentſche, Lieder und ein cechiſches, und” fein Tenor-Baryton fand zahlreiche 
Bewunberer. Die Carriere des damaligen Sängers ift bekannt. Er ift einer 
der beften Komiker der deutichen Bühne geworden. 


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von Eifen”, „Die Lady von Worsleyhall" und „Frl. Höderchen” von 
Charlotte Birch-Pfeiffer, „Fiammina“, Shakespeares „Coriolan“ 
nach der Schlegel⸗Zink'ſchen Ueberſetzung von Gutzkow mit Wagner 
aus Wien, das „Teſtament des großen Kurfürſten“ von Putlitz, 
endlich „Die Annalieſe“ von Herſch (4. December) mit der Rudloff 
in der Titelrolle, Frey als Leopold, „Feenhände“ von Scribe 
(15. Jäner, mit Hallenftein als Kerbriand, Frey als Triften, den 
Damen Rudloff als Helene, Burggraf ale Meneville, Kolar als 
Bernd, Frey als Gräfin Lesneve, Monhaupt als Bertha), „Der 
natürliche Sohn" von Dumas jun., „Philippine Welſer“ von 
Redwitz mit der Rudloff in der Titelrolle. Das Boffenrepertoire 
ſchmückte fih u. 4. mit den Parodien „Kathi von Eifen", „Das 
Kind und jein Miller”, „Zannhäufer". Bon Gäften ſah man 
Hendrichs (Nareiß, Tell, Struenjee, Stefan Fofter, Götz), 
Döring (Harpagon, Falſtaff, Lear, Schewa u. f. w.), die Sou- 
breiten Laura Schubert und Brauneder-Schäfer, Joſef 
Wagner (Hamlet, Coriolan, Jaromir, Fiesco, Eſſex), Fran 
Hettftedt von Darmftadt (Lorle, Grille u. ſ. w.), Aſcher, 
Yra Aldridge (Othello, Shylok, Mungo, Macbeth). Auch an 
jonftigen Ereigniffeu war dieſes Theaterjahr Feineswegs arm. Am 
22. Auguft 1858 beging die Prager Bühne die Feier der Geburt 
des Kronprinzen Rudolf mit einem Feſtſpiele, an deijen 
Schluſſe das Perſonal in ländlichen böhmischen Trachten eine 
wirkſame Gruppe bildete und die Volkshymne abfang. Am 11. Nov. 
fam das Raiferpaar zur Enthällung des von Emamel Mar 
meijterhaft gebildeten Radetzky-Denkmals in die böhmiſche Landes- 
hauptftadt; das Theater brachte am 13. Nov. ein Feſtgedicht von 
Hansgirg, gefprochen von den Damen Burggraf (Auftria) und 
Rudloff (Bohemia), und die Oper „Ernani". Als das Kaiſerpaar, 
in dejjen Begleitung fich die Minifter Bach und Thun befanden, 
in das Haus trat, tönte ftilrmifcher Beifall aus den Reihen des 
glänzenden Publicums. Nachdem die Feſtouverture von Neswadba 
verflungen war, jah man die Bühne in eine Nuhmeshalle ver- 
wandelt; „Auftria" pries Radetzkys Verdienfte, Bohemia“ erin- 
nerte daran, daß ein Domherr des Namens Radetzky den Prager 





— 497 — 


Dombau geleitet habe, der Heldenmarjchall aber babe am Baue 
des verjüngten Oeſterreich mitgewirkt; während der Nede öffneten 
fih die Wolfen und das Radetzky-Denkmal, von malerifchen 
Gruppen umgeben, zeigte fi) dem jubelnden Publicum. Am 
weiteren Verlaufe der Feſttage, welche aucd) den König und das 
Kronprinzenpaar von Sachſen nad) Prag geführt hatten, fand 
eine cechiſche Feſtvorſtellung ftatt, wobei Kolar's Feftgedicht 
„Vyslouzilci“ („Die Veteranen“) und Klicpera's Zuftfpiel „Divo- 
tvorny klobouk“ gegeben wurde. Kolar wurde für fein Feitjpiel 
mit dem von Thome ausgefchriebenen Preife gefrönt. 

Ein fchmerzliches Ereigniß für die Theaterfreunde Prags war 
der Abjchied von Augufte Rudloff, die zu Hymens Fahne ſchwur 
und noch vor ihrem Abgange als Beatrice inder „Braut von Meflina”, 
als Philippine Weljer und Annalieſe ihre fünftlerifche Bedeutung 
überzeugend geoffenbart hatte. In leßterer Partie nahm fie am 
15. April 1859 unter Ovationen aller Art Abſchied von der 
Bühne; außerdem veranjtaltete fie noch eine befondere Abjchiebs- 
matinee unter Mitwirkung der erjten Kunftkräfte Prags; Otio 
Prechtler hatte das Abfchiedsgedicht verfaßt, mit dem fie den 
Pragern Dank und Adieu ſagte. Als Gattin des englifchen Ca- 
valiers Marſe, fpäteren Gouverneurs von Helgoland, hat Augufte 
Nudloff der Kunſt und der Prager Bühne ein ſtets treues An- 
denken bewahrt. — Allgemeine Trauer erregte noch ein anderer 
Verluſt, der in diefem Jahre das Prager Theater traf: Der am 
1. März erfolgte Tod des Schaufpielers und Regiſſenrs Chauer. 
Sohn eines langjährigen Orcheiternitgliedg des Landestheaters, 
eines Muſikers, der noch unter Mozart's Leitung im Orcheſter 
gewirkt und 1851 als Prager Hausbefiger jtarb, war Chauer fo- 
zufagen beim Theater aufgewachſen. Er ſpielte in deutfcher wie 
in cechiicher Spradhe und war als Bühnenjchriftiteller in beiden 
Sprachen thätig: fein Luſtſpiel „Die Botokudin“ ift in Agram 
aufgeführt worden, die dechiſchen Luftjpiele „Der Bräutigam" (von 
Machatet) und „Cech a Némec“ (von Stepanek) hat er in's 
Deutſche, Klingemanws „Ewigen Juden“ in's Cechiſche überſetzt. 
Sein Leichenbegängniß fand unter allſeitiger Theilnahme ſtatt. 

83 


— 498 — 


Das größte Theaterereigniß des J. 1859 war die Eröffnung 
eines neuen Theaters, das in inniger Verbindung mit dem alt: 
ehrwürbigen Landestheater dasjelbe gewiſſermaßen ergänzen und 
im Sommer erfegen ſollte: des Neuftädter Theaters oder 
des „Theaters vor dem Roßthore“, wie c8 der Volksmund An: 
fangs benanute. Prag lag noch in den Felleln feiner Bafteien, 
das Roßthor war der Ausgangspunkt für eine Reihe von „Land: 
promenaden”" und im Sommer pilgerten täglich Hunderte durch 
diefe Deffnung im alten Feftungsgürtel nach der „Pftroßfa”, wo 
die deutfche Arena, der ungededte Sommeraufenthalt der drama- 
tischen Muſe, Heitere künſtleriſche Genüſſe bot, und nad) dem Canal: 
chen Garten. ‘Die Theaterzeiten waren troß der bekannten Klagen 
der Directoren jo gut, daß das alte ftändische Theater auf dem 
Obftmarkte nicht mehr genügte, die Menge der Befucher zu faflen; 
im Sommer aber machte die ſchwüle Xemperatur des Haufes den 
Aufenthalt darin unleidlich, und die Arena im Pftroß’fchen Garten, 
von des Wetters Gunft abhängig, bot feine entiprechende, ftabile 
Sommer-Nefidenz fiir die dramatiſche Kunft in Prag. Eine ſolche 
zu fchaffen bejchloßen Thome und fein „ftilee Compagnon" Stöger 
1858, und rasch jeßten fie den Plan in's Wert, damit in den 
Frühlings-, Sommer- und Herbft-Monaten des nächiten Jahres, 
während das Landestheater in der Stadt einer gründlichen Re- 
ftaurirung und einem partiellen Umbau unterzogen wurde, die 
Kunſt in Prag einen von des Wetters Gunft unabhängigen Sig 
„vor der Linie" erhalte. Bereits im März 1859 fTonnten die 
Prager Blätter über den fichtbaren Fortfchritt des Theaterbaues 
im Bachheibl’fchen Garten berichten: man ſprach noch von „dem 
neuen Theater vor dem Roßthor“, erit gegen Mitte April war 
es befannt, daß der vfficielle Titel desfelben „Neuftädter Theater“ 
jein werde. Mit fieberhafter Hast wurde gearbeitet, um das Theater 
bis zum feftgefegten Eröffnungstage fertigzuftellen, und troß der 
großen Arbeit gelang es: am 24. April 1859 fonnte das Neu: 
ftädter Theater feine Weihe erhalten. Den großen neuen Vorhang 
hatte Brioshi in Wien gemalt: das Mittelbild gewährte eine 
reizende Anficht der Burg Schredenftein an der Elbe; um biefe 





— 499 — 


gruppirten ſich Medaillons mit Theateremblemen, verbunden durch 
weiße Bänder, welche in Goldfchrift die Namen der beveutendften 
Künftler und Künftlerinen zeigten, die an der Prager Bühne ge- 
wirft hatten, feit unter Brunian deren Reform nach künstlerisch ver- 
edelten Principien durchgeführt worden war: die Namen Brunian, 
Bulla, Guardafoni, Lnigt Baſſi (der erfte Don Yuan), Therefe 
Sampi, Liebih, Swoboda, Therefe Knize-Brunetti, Caravoglia- 
Sandrini, Sibboni, Fr. Rud. Bayer, Polawsky, Eßlair, Wilhelmi- 
Pannewig, Seydelmann, Ludwig und Julie Loewe, Henriette 
Sontag, Sebaftian Binder und Frau, Katharina Podhorsky, Jeuny 
Lutzer. Die Mitte des Plafonds bildete eine riefige Nofette, aus 
welcher bei den Abendvorftellungen der große Gaslufter herab- 
gelaſſen wurde; von diejer Rofette breiteten fich fächerartig neun 
Tableaur aus, das ernfte und heitere Drama, Oper und Boffe, 
Melodram und das Lechifche Schaufpiel durch Scenen ans Fauſt, 
JInungfrau von Orleans, Minna von Barnhelm, Iphigenia (Glud), 
Don Juan, Freiſchütz, Alpenkönig und Menfchenfeind, Medca (von 
Benda) und Sobeslam (von Klicpera) repräfentirt. Die gejanımte 
innere Austattung war von Karl Behr theilweife nach Zeichnungen 
von Brioscht, die Maſchinerien von Mühldorfer. Das. Haus zählte 
400 Sperrfige, alfo beinahe noch einmal jo viel wie das Stadt- 
theater; der erjte Rang 20, der zweite 10 Logen. In der Höhe 
des eriten Ranges Tief außen um das Theater eine Galerie, auf 
welche die Zufchauer in den Zwiſchenacten hinaustreten Fonnten. 
Das vor 27 Jahren ſtark angeftaunte Dachwerk war nad) einem 
Plane von Prof. Niklas gearbeitet. 

Die erſte VBorftellung, die in dem neuen Haufe am 24. April 1859 
ftattfand, war eine cechiſche Nachmittags-Vorftellung, der ein feft- 
liches Gepräge verliehen worden war. Man gab ein Feſtſpiel von 
2. ©. Pfleger, „Aus fünf Kahrhunderten”, das die Mufe des Schau- 
ſpiels (Frau Kolar) und der Muſik (Fran Pefchka) redend einführte 
und in gebundener Wechjelvede, durch lebende Bilder begleitet, die 
Entwidelung des cechifchen Schaufpiels von deſſen Anfängen (dem 
Muyfterium „Mastickär“ im 14. Jahrhundert) bis zur neuejten 
Zeit (Tyl, Kolar, Mikovec) fizzirte. Am Abend ging die deutjche 

32* 


— 500 — 


Erdffuungs-Vorftellung von Statten. Den Anfang machte ein Feſt⸗ 
Ipiel „Des Haufes Weihe" mit Mufif von Capellmeifter Tauwitz, 
deſſen Perſonen die Bohemia (Frau Burggraf), die Muſen des 
Trauerſpiels (Frl. Remoſani), des Luſtſpiels (Frl. Monhaupt) 
und des Gefanges (Frl. Mik, nun Frau Bennewig), Nymphen 
und Genien waren. Dem Feſtſpiel folgte eine Novität in ſechs 
Acten und einem Borfpiel: Feuillets „Ein armer junger Dann“ 
(Der verarımte Edelmann) mit Hallenftein, Dieb, Bergmann, Fiſcher, 
den Damen Burgagraf, Frey, Allram⸗Lechner, Remoſani in den 
Hauptrollen. Nach dem Feſtſpiel wurden die Gründer des Hauſes, 
Thome und Stöger, mit befonderer Lebhaftigkeit aber der Lebtere, 
dem die Prager ihre alten Sympathien bewahrt hatten, gerufen. 
Der Eindrud des Theaters, eines großen Holzbaues im Rotund⸗ 
Styl, mit der Hauptfront gegen die Roßthorſtraße, war der 
günftigfte, und allabendlich ftrömte nun das Publicum in den 
Neuftädter Garten, den man im Beſitz einer Theaterfarte ohne 
Entree paſſiren Tonnte.*) ‘Der zweite Abend war der Oper ge 
weiht und wird an anderer Stelle regiftrirt werden. Eine felbit- 
ftändige Gefchichte des neuen Haufes läßt fich kaum fchreiben, 
doch nahm es immerhin fchon deshalb eine gewiſſe Sonderftellung 
ein, da es nicht Eigenthum des Landes fondern Thome’3 reſp. 
deffen Erben war und von jedem Xeiter des Landestheaters zur 
Benützung fpeciell gepachtet werden mußte. Der Bau-Grund 
blieb Eigenthbum der Familie Bachheibl, was ziemlich verwickelte 
Befitverhältniffe ergab. Die Bauart des Haufes eignete es auch 
zur Abhaltung von Bällen, Redouten**) und Circusvorftel- 


*) Die Eintrittspreife ftellten fich folaendermaßen: Loge 1. Ranges 
oder Bart. 5 fl. 25 kr., 2. Ranges 4 fl. 20 kr., Parquet⸗ oder Tribunen⸗ 
Sperrſitz 90 kr., Sit 2. Ranges 65 fr., 3. Ranges 30 kr., Stehplag im 
Parquet 90 kr. im Parterre, auf der Tribune oder im 1. Rang 65 kr., 
Garnifonsbillet 35 kr., 2. Rang-Stehplat 40 kr., 3. Rang %0 fr. ; für bie 
cechifchen Vorftellungen galten niedrigere Preife (Sperrfige 55, 40, 30 &.). 
Jedes Theaterbillet enthob von dem Eiutrittägebühr für den Garten, in 
welchem Militärconcerte abgehalten wurden. 

*s) Die erfte große Redoute im Neuft. Theater fand am 5. Febr. 1860 
ftatt, wobei das Theater geheizt und in zwei große Säle (Bühnen- und 





— 501 — 


lungen, und all’ diefen Zwecken ſowie künſtleriſchen PBroductionen 
mannigfachjter Art hat es bis zu feinem Abbruch (1885) gedient. 


Im erjten Jahre feines Beftandes Hatte das Neuftäbter 
Theater*) das im Umbau hegriffene Landestheater volllommen 
zu erjegen, und das Haus erſchien in diefem Kriegsjahre beinahe 
zu groß für die künstlerischen Bedürfniſſe des damals noch unge- 
theilten Prager Theaterpublicums. Die größte Zugkraft übte in 
den Tagen der Rriegsporbereitung „Ein Wiener Freiwilliger“ 
von Anton Langer; die Premiere fand zum Beiten des Aus- 
rüftungsfonds der Prager Treiwilligen mit Therefe Müller als 
Sali ftatt, und jeder auf den Feldzug hinweifende Paſſus zündete. 

Um die böfen Zeiten zu bannen, wurden Gäfte in großer 
Zahl ins Treffen geführt. Man jah Theodor Lobe (damals in 
Petersburg), die Wiener Hofjchaufpielerin Marie Kirſchner, 
neben Augufte v. Bärndorff wohl die fchönjte Fran und größte 
Zoilette-Kiinftlerin ihrer Zeit, auf der Bilhne, welche den Pragern 
den „Mufter-Erinolinen- Typus” vorführte und im „Ball zu Eller: 
brunn”, „Beſten Ton”, „Feenhänden“ (Meneville), als Lucie im 
„Tagebuch“, Schwähin und Mirandolina die Damen Prags ent- 
zücdte, Frau Hettftedt als Vfeiferröfel und in anderen ihrer 
Slanzrollen, Devrient ald Egmont, Poja, Rochefter, Monal- 
descht, Bolz u. f. w. (er trug 8000 fl. von Prag davon), die 
tatentvolle Naive Rofa Preßburg; überdies erjchienen die da- 
mals modernen chinefifchen Zwerge „Li Fa Yu und Li La Lu", 
und theils im Nenftädter Theater, theils in der Arena erheiterten 
Ignaz Ejernits (im „Cſikos“ und dem Charafterbilde „Der 
alte Infanterift und fein Sohn, der Huſar“) und Laura Schubert 


Parterre-Raum) getheilt war. Die Reboute fiel glänzend aus und hatte 
noch manche glückliche Nachfolgerin. 

*) Schon im Mai 1859 gingen Gerüchte, daß die Unternehmer des 
Neuftädter Theaters, Thomé und Stöger, in Zahlungsverlegenheiten ge= 
rathen feiern. Die den präliminirten Betrag überfteigenden Baufoften hätten 
fie zur Beihaffung von Geldern um jeden Preis gezwungen. Nun werde 
ein Arrangement mit den Gläubigern getroffen, woburd) die Forderungen 
beglihen und bie Fortführung des Theaterd ermöglicht würde, 


— 502 — 


in ernfter Zeit. Das „Zugſtück“ des Jahres aber war die Poſſe 
„Flick und Flock“, in welcher bei großer Ausftattungspracht die 
beften komiſchen Kräfte (Haſſel, Markwordt, Andreas Scutta, 
Therefe Müller) wirkten und alle modernen Gelebritäten, wie 
Bacherl, Pepita und die chinefiichen Zwerge, „das Bapbombardon 
der Zukunft” und „das goldene Kalb" ihre Vertretung fanden. *, 


Am November 1859 war das Neuftädter Theater der Schau: 
plat jener Bühnenfeite, die dem Andenken Schiller’s geweiht 
waren und in Prag ein theilnahmsvolles Publieum fanden. Am 
7. November erinnerte fi) das Cechiiche Perſonal des deutjchen 
Dichterfürſten; man gab zum Benefiz Kolar's eine ziemlich bunt 
zujammengewürfelte Vorjtellung, welche u. U. ein nachgelaſſenes 
Luſtſpiel Klicpera’s „Potopa sveta“ (Die Sintfluth) und „den 
Gang nad) dem Eiſenhammer“ in Ueberfegung von Purfyne mit 
lebenden Bildern unter Mitwirkung der erjten deutſchen Kräfte 
brachte. Am 9. Nov. Abends begannen die Schillertage der deutſchen 
Bühne. Ein Feſtſpiel „Vor Hundert Jahren” von Fr. Halın 
(Muſik von Liszt) und „Wallenfteing Lager”, mit erjten Kräften 
bejegt (das Neiterlied fangen Bachmann, Eilers und Steinede 
von der Oper), leiteten die zyeier ein, am zweiten Tage Tam 
„Wallenfteins Tod“,**) am dritten „Kabale und Liebe" (Ferdinand: 
Hallenjtein, Luiſe-Remoſani) zur Aufführung. Am 10. Nov. be: 
wegte jih ein impojanter Yadelzug vom Llementinum aus nad) 
dem denfwürdigen Palais des Wallenſteiners, wo das Andenken 
Schillers in deutjcher und Cechiicher Sprache und im Liede gefeiert 
wurde; am 11. Mitt. fand das Feſtconcert im Sophicninjeljaale 


”, Am 8. Rov. gab man zum Beten der Verwundeten im Theater 
eine große Vorftellung unter Mitwirkung von zwei Militärcapellen nnd 
be3 Frl. Eonftanze Geiger (nahmald Baronin Rıuttenftein, Semaln des 
Prinzen von Coburg), welche fih ſowohl als Schauſpielerin wie als Bianiftin 
bewundern ließ. " 

**) Die Befegung may bier notirt fein: Wallenftein-Fiicher, Max— 
Hallenftein, Thekla-Remoſani, Gräfin Terzky-Burggraff, Herzogin: Frey, 
DOctavio-Bergniann, ſchwediſcher Hauptmann⸗Frey, Wrangel:Saner, Battler: 
Urban, Ziolani-Chramtofta, 


— 503 — 


unter Mitwirkung des ZTheater- und Confervatoriums-Orcchefters, 
der Spphienafademie, des Cäcilien- und Prager Männergejang- 
Vereins, der Damen Prauſe und Schmidt, der Herren Bachmann 
und Eilers statt. Die Muſiknummern dirigirten Dir. Kittl, Franz 
Sfraup, Eduard Tauwitz und Mildner; nad) der Ouverture zur 
„Braut von Meſſina“ von Schumam ſprach Director Thome 
einen Prolog von Ebert, die Feſtrede hielt der Aeſthetiker Joſef 
Bayer, deren Autor, jelbft; die neunte Symphonie von Beethoven 
ſchloß die denkwürdige Aufführung. Bei dem Feitbanfett ſprach 
Prof. Conftantin Höfler den Zoaft auf Schiller, der greife Purkyne 
in dechiſcher Sprache; Earl Egon Ebert feierte in fchwungvollen 
Verſen das „Zufammengehen aller Heimatjöhne in der Begeifterung 
für das Edle und Schöne" — es war gewiljermaßen der Schwanen» 
gefang der fichtlih im Erlöfchen begriffenen Eintracht zwiſchen 
den beiden Nationalitäten Prags! Schon bei dem Fadelzuge 
hatte die jüngere ſlaviſche Generation Prags in demonjtrativen 
Kundgebungen gegen die Theilnahme der conjervativeren „Alten” 
an diejer „veutichen” eier proteftirt — wenige {jahre jpäter 
wäre eine folche Feier unmöglich gewejen in dem national geipal- 
tenen Prag, deſſen Kunft in dieſen Tagen noch immer einen 
überwiegend deutichen Charafter trug! 

In grimmiger Kälte wurden die Vorftellungen in dem Bretter: 
haufe vor dem Roßthore fortgejegt, bi8 der Umbau des Landes» 
tbeater- Gebäudes vollendet war. Und diefer Umbau war einer der 
umfaſſendſten, den das Theater fett feiner Eröffnung zu überjtehen 
hatte. Einem radicalen Umbau allerdings ftand die ſchon urfprünglich 
verfehlte Bauanlage entgegen; aber was gethan werden konnte, 
ift 1859 gethan worden. Das ehemals höchſt unanjehnliche Vor- 
haus war in eine Säulenhalle verwandelt, die von einem Gas: 
Iufter erhellt wurde und die Billetencafjen, ſowie die Togenanfgänge 
umfaßte. Die früher beliebten Barquetjtehpläge waren aufgehoben. 
Die Grundfarbe des Haufes war nun Roth, die Decoration Gold, 
am Plafond wie an den Logenbrüftungen hoben fich vom vothen 
Grnunde lichte Medaillons mit mythologifchen Gruppen ab. Die 
Zahl der Bortal- oder Profceniumslogen war verdoppelt (in jeden 


— 504 — 


Rang je zwei), die Zahl der übrigen Logen derart vermehrt, daß 
ſich nun zu beiden Seiten der großen Mittelloge 1. Rangs je 
10 Logen befanden. Der Umbau hatte 150.000 fl. gekoſtet, womit 
alsbald eine Erhöhung der Theaterpreiſe motivirt wurde.“) Das 
ſo veränderte Haus wurde, nachdem das Neuſtädter Theater 
„wegen allzugroßer Kälte” mehrere Tage geſperrt und daher die 
Vorftellungen überhaupt ausgejegt worden waren, am 29. Nov. 
mit „Emilia Galotti”,**) einem in der Gejchichte diefer Bühne 
denfwilrdigen Werke, eröffnet; der zweite Abend brachte eine Oper, 
„Oberon“, und ließ eine beſſere Akuſtik beobachten. 


Die großen äußeren Veränderungen, welche durch den Bau 
des Neuftädter und den Umban des Landestheaters hervorgerufen 
worden waren, hatten natürlich) die Zuftimmung und das werl: 
thätige Eingreifen der competenten Landesbehörden, der Intendanz 
und des Landesausschuffes, zur Vorausfegung. Mit Beginn der 
neuen Direction war die Intendanz von Heren von Bergenthal 
anf ein anderes Tunftfinniges Mitglied der böhmifchen Ritterfchaft, 
Wenzel Bohuſch Ritter von Ottoſchütz, übergegangen. Das 
Scheiden Bergenthals wedte allgemeines Bedauern. Nur über 
fortgefegtes Drängen des Landesausfchuffes hatte fih Bergen- 
thal im Mai 1851 bewegen lafjen, das keineswegs nebenfächliche 
Amt des Intendanten aus den Händen des Grafen Albert Noftig 
zu übernehmen. Die Intendanz hatte damals erſt fünf Jahre 
ihres Beſtandes hinter ſich.“*) Sie hatte das Erbe der Theater: 


*) Loge Bart. u. 1. Rang 5 fl. 50 kr., dech. Borftellungen 5 fl. — 
Loge EUR. A fl. 50 fr, cch. A fl. — Loge 3. R. 3 fl. 50 Tr, cech. 3 fl. 
— Loge ER. 2 fl., dech. 17.50 — Fauteuilſitz 1 fl. 50 Er, Ced. 
1 fl. 20 fr. — Parterreſitz 1 fl., dech. 70 kr. — 1. Galerieſitz u. Parterre⸗ 
Stehplatz 70 kr., tech. 50 ii. — Stehplag 1. Sal. 50 kr., Cch. 40 kr. — 
Barni.-Bill. 40 fr. — KRinderbillet 40 kr., Ce. 30 kr. — Letter Plat 20 fr. 
UÜbonnement Loge 1. R. u. Bart, 800 fl. jährl., Loge 2. R. 640 fl. 
Fautenilffig 150 fl., Bart.-Sis 100.f., Stehpl. 65 fl. 
**) Claudia⸗Fr. Frey, Emilia-Ramofani, Orfjina-Burggraf, Odoardo 
Fiſcher, Appiani-Halleuftein, Marinelli-Dietz. 
***) Am 7. April 1846 hatte die formelle Uebergabe der Amtsgeſchäfte 
der ſtänd. Theateraufſichtscommiſſion durch deren letzten Präſidenten Fürſten 








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aufſichtscommiſſion angetreten, deren complicirter Apparat ein 
unmittelbares, vajches und zwedmäßiges Eingreifen in den Gang 
der Theatergefchäfte unmöglich gemacht hatte, und Graf Noftig 
hatte es fünf Jahre hindurch enıpfunden, wie jchwer die Verant- 
wortung auf dem ſtändiſchen Vormund der Direction laſte. Nicht 
umſonſt ſchützte demnach Herr v. Bergenthal Kränklichkeit, Mangel 
an Kenntniſſen und Erfahrungen und die Befürchtung vor, man 
könne feiner Thätigkeit al8 Theaterreferent Abfichten auf die In⸗ 
tendanz unterjchieben, als ihn der Landesausſchuß mit dem Amte 
betraute; doch Bergenthals glänzende Führung des Theaterreferats 
im Landesausichuffe ließ feine Berufung ebenjo natürlich als 
nothwendig ericheinen, und der Borjigende des Landesausſchuſſes 
forderte ihn demgemäß auf das Dringendfte auf, „fi dem In⸗ 
tereſſe dieſes auf alle Claſſen der Bevölkerung einen jo entjchet- 
denden Einfluß übenden Kunftinftitutes und dem allgemeinen 
Wunſche zu fügen und die unbeftreitbare Mühe der Intendanz 
mit gewohnter Aufopferung zu übernehmen." Endlich hatte fich 
Bergenthal in ver That gefügt, und wir haben wiederholt gejehen, 
mit welch feinen Kunftgefchmad, mit welcher Energie und Con— 
jequenz er die Intendanz führte. Nach Ablauf der Stöger'ſchen 
Direction aber legte auch er, ermitdet und wohl auch verjtimmt 
durch all die aufregenden und aufreibenden Laſten des mit allem 
Eruſt verwalteten Amts die Intendanten-Würde nieder. 


Eine intereflante Yrage trat 1859 an den Landesausſchuß 
und die neue Intendanz heran. Namens ſämmtlicher Logen— 
Eigenthümer d.h. jener Cavaliere, welche die Rechte der einjtigen 


Carl Auersperg an den erften Intendanten, Landesausſchußbeiſitzer Grafen 
Albert Noftis, ftattgefunden; der dem Intendanten beigegebene „ſtän diſche 
Theateractuar” follte ihm in allen Theaterangelegenheiten zu Handen 
jein; er wurde ihm unmittelbar untergeorbnet und hat defien Weifungen 
und Aufträgen unbedingt Folge zu leiften. Er bat auch die Aufficht über 
alle den Ständen gehörigen Effecten, über die FeuerſicherheitsMaßnahmen 
u. ſ. w. Dafür hat er Anſpruch auf eine Renumeration nnd einen Eperr- 
is im Theater. Dem Intendanten wurde eine ftändige Loge im Theater 
eingeräumt. " 


— 506 — 


Theaters Erfäufer erworben hatten, richteten Fürſt Camill Rohan, 
Fürft Carl Auersperg und Graf Joſef Thun unterm 22. März 
eine Eingabe an den Landesausſchuß, worin ſie dagegen prote 
jtirten, daß ihnen das Recht, an entfcheidenden Sitzungen des 
Landesausſchuſſes in Theaterangelegenheiten theilzunehmen, be: 
jtritten werde. Als die Theaterauffichtscommiflion aufgehoben und 
bie Jutendanz eingeführt wurde, jeten ihre Rechte durchaus nicht 
aufgehoben worden; wäre dies der Fall geweſen, fo hätte man 
es ihnen intimiren müſſen, damit fte ihre Reclamation rechtzeitig 
hätten erheben können. Dies gefchah nicht — führt die Eingabe 
weiter aus — im Gegentheil, die Logeneigenthümer wurden zu 
den betreffenden Situngen des Landesausſchuſſes beigezogen, erit 
nad) dem Wechfel der Intendanz wurden die Einladungen feltener, 
bis fie endlich ganz aufhörten. ALS fie nun bei Gelegenheit des 
jüngften Theaterbaues gegen eine foldhe Ignorirung proteftirten, 
fei ihnen bedeutet worden, mit der Befeitigung der in den Logen⸗ 
Einfaufs-Eontracten bezeichneten Theaterauffichtscommiflion jet auch 
das contractlihe Sig: und Stimm-Recht der Logeneigenthümer 
felbftverjtändlicy ohne Widerrede erlofchen. Die Unftichhältigfeit 
diejes Arguments liege nach dem früher Angeführten und aud) 
deshalb auf der Hand, weil weder die Stände noch der Landtag 
an jenem Mechte gerührt, Erftere vielmehr beſtimmt hätten, daß 
die Logeneigenthiimer deu Landesansichußfigungen regelmäßig bei- 
zuzieben jeien, wenn es fi um einen neuen Theaterpachtvertrag, 
die Wahl des Directors und die Auszahlung der Subvention 
handle. Dies bedeute aljo eher einen Zuwachs ihrer Rechte, 
und daher müßten fie gegen jene Nechtsentziehung protejtiren, 
eventuell die Wiederbelebung ihrer Rechte vor enticheidendem Forum 
anftreben. Der Landesausshuß ließ es darauf nicht ankommen, 
acceptirte jene verbrieften Rechte und erklärte, die Einberufung 
der Herren fei während der Jahre 1852—58 nur deshalb nicht 
erfolgt, weil während dieſer Pacht: Beriode feine Subvention aus 
jtändischen Mitteln an den Xheaterunternehmer "ausgezahlt worden 
jet. So blieb der Einfluß der Logeneigenthiimer nach) wie vor 
aufrecht; ihr Logeneigenthum wurde auch durch den Bau des 


— 507 — 


Neuftädter Theaters und den Umbau des Landestheaters nicht 
tangirt; im Neuftädter Theater blieben ihnen, jo Tange und fo oft 
dasjelbe als. Erfah des (deutſchen) Landestheaters fungixte, ihre 
Logen gewahrt.*) ' 

In den Directionsverhältuifen trat zu Beginn des J. 1860 
eine Henderung ein, die merkwürdigerweiſe wenig Beachtung fand: 
der greife Stöger, dejjen finanzielle Lage immer trauriger ge- 
‚worden war, löste feinen geheim gehaltenen Vertrag mit Thome 
im Wege eines gittlichen Vergleichs mit diefem und feinen Gläu— 
bigern; die „elle Compagnie” war zu Ende, Stöger aber ſchied 
von Prag, der Stätte feiner Triumphe und feiner vieljährigen 
fünftlerifchen Arbeit, um bei feiner in München als Sängerin 
wirkenden Tochter Auguſte (nachmals Frau Lehfeld) feine alten 
Tage zu verbringen. Er hat die wohlverdiente Ruhe nicht. Tange 
genoffen : fchon nad) zwei Jahren — am 6. Mai 1861 — ſchloß 

er für immer die Augen. Er ftarb zu München am Schlagfluffe. 
Mit ihm ift der legte Prager Theater-Batriarh, nach Liebich der 
popnlärfte und verdientejte Prager Bühnenleiter, verſchieden. 


*, Den Rogeneigenthümern ſind damals beftimmte Zuficherungen ge= 
macht worden, wie dies aus folgender ber gräfl. Noftig’fchen Familie 
übermittelten Landesansihuß-Beftätigung hervorgeht: „Auf Grund des 
im Jahre 1859 ftattgefundenen Umbanes des ftänd. Theaters ift für die 
in dieſem Contracte bezeichnete Loge nach früheren zwiſchen deren Herren 
Eigenthümer und dem ftänd. Landesausſchuß getroffenen Uebereintommen 
vom Zeitpunkte der Wiedereröffnung des neu hergeltelften ftänd. Theaters 
(d. i. vom 29. Nov. 1859 an) die Loge Nr. 2 im Parterre links beſtimmt 
und zugewiefen worden. Es erflärt und bejtätigt hiemit der gefertigte 
Landesausſchuß, daB die dem jededmaligen Hrn. Cogeneigenthümer aus dem 
vorliegenden urſpr. Contracte auf bie zu ebener Erde links gleich an's 
Theater ftoßende Loge Nr. 1 Barterre links zugeftandenen Rechte und Bes 
fugniffe dem vollen Inhalt nad), wie fie in vorliegendem Contracte ftipulirt 
erſcheinen, ſaumt dem den Hrn. Eigentbämern diefer Loge mit Erlaß des 
ftänd. Landesausſchuſſes vom 1. Juli 1833 zugeftandenen Sig- und Stimm- 
recht bei der ftänd. Theaterauffihtscommiffion vom 29. Nov. 1859 anf die 
nen beftimmt und zugemwiefene Loge Nr. 2 im Parterre links übertragen 
wurden und daher nunmehr und weiterhin bezüglich dieſer ebenbezcichneten 
Loge zu gelten haben,” (Gräfl, Erwein Noſtitz'ſches Fam.-Ardiv. 1861.) 


— ee — 


— 508 — 


XXI. 


Das Scanfpiel unter Thome (1860—64). 


(Drama und dramatiſche Kunft in der Neactionsperiode. — Hebbel's 
Dramen. — Gutzkow, Raube, Halm, Freytag, Meißner, Weilen n. |. m. — 
Das Luſtſpiel: Bauernfeld, Benedix, Lederer, Julius Rofen. — Der Ein- 
fluß Frankreichss. — Das nord⸗ und ſüddeutſche Element in ber Poſſe: 
DO. F. Berg. — Die legten Lebensjahre der ungetheilten Brager Bühne, 
des „alten“ beutfchen Prag — Novitäten: Die Piccolomini, Demetrius, 
das Wintermärhen; „moberne” Neuigkeiten. — Die Berfonalbewegung: 
Heinrich Oberländer, Galfmeyer, Harry: Meyer. — Frl. Remofani fcheibet 
von Prag; Charlotte Gebhardt, Elife Brand, Roſa v. Schultzendorff; 
Miuna Ullmeyer als verunglüdte Debutantin; Hedwig Raabe und Poly: 
Henrion. — Adele AllramsLechner }. — Sofefine Birndaum unb ihre 
Eltern; Fran Frank-Lutter. — Poſſe und Volksſtück: Frl. Sternau, Fofefine 
Gallmeyer ald Debutantin. — Andreas Skutta +, Abgang Markwordt's, 
Wilh. Eichenmwald engagirt; Franz Frank; Dolt in neuer Wirkungs⸗Sphäre. 
— Bäfte: Dawifon, Fried. Goßmann, Fried. Kronau, Louiſabeth Nödel, 
Augufte v. Bärndorff, Anna Schramm, Ludw. v. Erneft, Heinr. Grand, 
Dir. Treumann, Em. Devrient, Anna VBerfing, Joſ. Wagner, Lewinsly, 
Fried. Bogndr, Anna Grobeder, E. Friefe, Banmeifter, Anna Kratz, Em. 
Siebert, Acer; Balletgäfte. — Das Enjemble zu Ende der Thome’jchen 
Direction. — Abichiedsabende.) 


Daß das Prager Theater in feiner künſtleriſchen Entwide- 
lung den ganzen Entwidelungs:Gang der deutjchen Literatur und 
Schauſpielkunſt wiederjpiegelte, zeigt die Darftellung feiner Ge— 
ſchichte, ohne daß es nöthig wäre, immer und immer wieder dieje 
: innigen Beziehungen bejonders zu betonen. Wir haben die Prager 
Bühne wie andere unter dem Banne der focialen und politischen 
Tendenzdramen gejehen, welche die gährende Zeit hervorgebracht 
batte und welche den Schaufpielern der alten idealiftiichen oder 
richtiger declamatoriſchen Darftellungsweije die willlommene Ges 
legenbeit zu ftarfen Effecten und Erfolgen bot. Die Bewältigung 
der Nevolution, die ja auch in Prag ihr Haupt erhoben und einen 





— 509 — 


bebeutfamen Einfluß auf das Theater genommen hatte, bie ein- 
tretende Reaction entzog dem Tendenzdrama fo ziemlich den Boden, 
bis e8 durch den Anbruch der conftitutionellen Aera in Defterreich 
wieder zur ungefährdeten Erijtenz zugelaffen wurde. Eine in ge- 
wiffen Sinne epochemachende Erjcheinung, deren Einfluß auf die 
Schauſpielkunſt unverkennbar zu Tage trat, waren die Hebbel'ſchen 
Dramen, deren Bekanntſchaft Brag in diefen Jahren machte: am 
2. Juni 1861 brachte man „Sudith”, am 1. October 1863 „Die 
Nibelungen” zur erften Aufführung. Hier war den Darftellern 
die Freude am comventionellen Spiel, die Darftellung nach der 
Schablone benommen: fie mußten das Wefen der Charaktere er- 
faſſen, ihre eigene künſtleriſche Schöpferfraft erproben. lernen. 
Das Spiel lenkte aus der idealiftiichen in eine realiftiichere 
Richtung, auf die auh Otto Ludwig mit jenem „Exrbförjter" 
nachdrüdlich hinwies. Das Repertoire der lebten Jahre zeigt, 
wie langjam und verfpätet fich die Prager Bühne diefer neuen 
Richtung anfchloß, obwohl es ihr an begabten Vertretern nicht 
gebrach. Im Uebrigen gab das Repertoire aflen literarifchen 
Producten der neueren Zeit bereitwillig Raum: Carl Gutzkow 
und Heinrich Zaube, „das junge Deutjchland” fanden hier ebenjo 
eifrige Pflege als Friedrich Halm, deſſen formſchöne, glatte 
Bühnengeftalten einen befonders verlodenden Zauber auf die Dar: 
jtelfer übten; Guſtav Freytag hatte gerade in Prag berufene Dar— 
fteller für die eigenartig anmuthenden Charaktere feiner Schöpfungen, 
auch G. zu Putlig, Oscar v. Nebwis, Alfred Meißner, Joſef 
Weilen, Mojenthal, Ed. Mautner fanden Iebhafte Beachtung in 
dem Repertoire der Brager Bühne; das Zuftfpiel aber war durch) 
Bauernfeld, Benedix, Blum, Töpfer, Lederer u. ſ. w. vertreten, 
denen ſich eben zu Beginn der Sechziger Jahre ein junger Prager 
Beamter, Julius Roſen (Nicolaus Duffek), der mit dem Theater 
in inniger Fühlung ftand und eine Zeitlang auch die Theaterkritik 
der „Bohemia” führte, mit vielverfprechenden Erfolgen anreihte; 
auch die geiftwollen und pifanten Dramolets und Bagatellen von 
Sigmund Schlefinger bedeuteten eine erwünſchte Bereicherung des 
Quftfpielrepertoires. Charlotte Birch-Pfeiffer endlich Tonnte auf 


— 510 — 


verſtändnißinnige, liebevolle Aufnahme bei allen Collegen in der 
Kunft rechnen, denen fie ihre Aufgaben fozufagen fpielgeredit 
gemacht hatte, denen fie einen ſchauſpieleriſchen Erfolg ſelbſt 
unter den mäßigſten Vorbedingungen garantirte. Der Einfluß 
Frankreichs trat namentlich auf dem Gebiete des Nuftipiels und 
jorialen Dramas immer fichtbarer zu Tage und zwar nicht nur 
in der Einbürgerung des franzöfifchen Intriguenluſtſpiels — für 
welches das „Glas Wafjer” gewiffermaßen epochemachend wurde — 
und des „Sitten"-Dramas auf der deutfchen Bühne ſondern auch 
in der Einwirkung auf die deutfche Bühnenproduction felbit, Die 
ich dem franzöſiſchen Mufter immer mehr zu nähern und wo- 
möglich dasjelbe — allerdings in etwas plumper Weife — zu 
übertrumpfen ſuchte. Im Bereiche der Poffe ſchien gerade in der 
Hera Thome eine bemerfenswertfe Wandlung Pla zu greifen. 
Stand die Prager Pofje bisher unter dem dominivenden Einfluß 
der Wiener Xocalpoffe, fiir welche Komiker wie Dolt und Sfutta 
prädiftinirt waren, jo begann nun nach dem Engagement nord: 
deutjcher Komiker ein Wettftreit zwischen dem Wiener und Ber: 
liner Einfluße auf diefem Gebiete. Für die Erhaltung der Wiener 
Pofje jorgte namentlih O. X Berg mit feinen bühnengeredhten 
„Charakterbildern“ und Pre Die PBofition der Prager 
Bühne geriffermaßen an der Grenze norddeutfchen und ſüddentſchen 
Weſens bedingte diefe „neutrale“ Stellung Prags; gerade unter 
home und Wirjing, deſſen Nachfolger, aber gewann der Berliner 
Einfluß entichieden die Oberhand, oder es bildete fich durch das 
Nebeneinanderwirken von Wiener und Berliner Komikern eine 
gewiſſe Konfufion in Darftellungsweije und Dialect, wie fie faum 
irgendivo zu beobachten war. Beſondere Aufmerkfamteit fordert 
das deutſche Schaufpiel unter Thome ſchon deshalb, weil in diefer 
Aera die dominirende Stellung der deutſchen Kunft in Prag in 
ihren Grundveften erfchüttert wurde: die Tage des alten, unge— 
theilten Theaters, deſſen deutfcher Charakter ſich mit dem deutjchen 
Charafter Brags deckte, waren gezählt: die Cechifche Bühne, die 
in diefem Haufe feit Jahrzehnten ein gaftlich Heim, künstlerische 
Erziehung, Nahrung und Pflege‘ gefunden Hatte, vang mit immer 





- 511 — 


deutlicherem Erfolge nach Selbftändigfeit: wir halten in den legten 
Lebensjahren des „alten, des deutfchen Prag. 

Mit einer bedeutenden fünftleriihen That leitete Thome 
das Jahr 1860 ein. Man brachte eine ehrwürdige „Novität” : 
Schiller's Piccolomini*) mit einem künſtleriſch abgeflärten Wallen- 
jtein, dem Veteranen Fiſcher. Am 17. März brachte Marie Frey 
zu ihrem Benefiz Schillers „Demetrius":Fragment auf bie 
Bühne, in welchem fie die Marfa fchuf, ein fchaufpielerifches 
Meifterwert, das von der Güte der alten Prager Schule und von 
der Bedeutung diefer Künftlerin zeugte, und eine Shafespeare’jche 
„Rovität”, das „Wintermärchen" in der Bearbeitung von Dingel- 
jtebt, mit der Mufif von Flotow, beichloß das Jahr.**) Die 
übrigen beachtenswerthen Neuigkeiten des Yahres waren: „Die 
Memoiren des Grafen Montmorency” von Alfred Meißner, die 
romantifhe Tragödie „Zriftan” von Joſef Weilen, ***) einem 
heimischen Dichter, deſſen Werk durch die formfchöne, friſche 
Sprache die allgemeine Beachtung forderte, „Das Kind des Glücks“ 
von Charlotte Birch-Pfeifer,+) das hiftorifche Schauspiel „Prinz 

*) Wallenftein-Filcher, Octavio-Bergmann, Mar-Hallenftein, Terczky⸗ 
Dieb, Fllo-Kolar sen., Slolani-Chramofta, Buttler-Urban, Herzogin: Frau 
Frey, Gräfin Terczky⸗Frau Burgaraf, Thekla-Frl. Remofani. 

**, Hermione-Burggraf, Paula-Frey, Leontes-Hallenftein, Antolicus⸗ 
Haflel, Berbita-Frl. Birnbaum. 

+) Sof, Weil Ritter v. Weilen tt am 28. Dec. 1830 zu Tetin 
bei Prag geb., beſuchte in Prag das Gymnaſium, ſtudirte dann in Wien, 
wurde aber in die revolut. Bewegung 1848 verwickelt und nach den October⸗ 
tagen als Gemeiner zu einem Inf.⸗Regmt. aſſentirt; 1849 wurde er Officier, 
1852 Profeflor am Hatnburger Sadeteninftitut, danıı an der Genteafadentie 
in Rlofterbrud, 1861 Scriptor an der Wr. Hofbibl. und Profeffor an der 
Kriegsſchule. Weilen, ber berufenfte Nachfolger Friedr. Halus im Drama, 
bat den Weg auf die meiften Bühnen Defterreihg und Deutſchlands ge⸗ 
funden. Am belannteften find fein „Zriftan”, „Am Tag von Oudenarde“, 
„Edda”, „Drahomira” u. |. w. geworben. Heute lebt Hofrath v. Weilen, 
bochgeichägt und vom Krongrinzen Erzh. Rudolf von Defterreich mit ber 
Redaction ded Werkes „Die öſterreich- ungariſche Monarchie in Wort ınd 
Bild” betraut, in Wien. 

+ Hermance-Remofani, Gilberte-Monhaupt, Herzogin-Frey, Anatol- 
Saner, Abbe-Haflel. 





— 512 — 


Eugen" von G. v. Meyer, „Der Zunftmeifter von Nürnberg” 
von Redwitz, „Don Juan d’ Austria“ von Putlig, „Der Winkel: 
Ichreiber” von Adolphi, „Die jtarfen Frauen” von Sardon, dag 
Dramolet „Mit der Feder" von Sigmund Schlefinger, dem ſich 
im nächiten Jahre „Die Guftel von Blajewig" von demjelben 
Autor anreihte. In diefem Fahre lernte man u. U. Hebbel's 
„Judith“ mit Hallenftein als Holofernes, der Burggraf als 
Judith, „Das Zrauerfpiel in Tirol" von Immermann, die Carl 
Hnugo'ſche Tragödie „Des Haufes Herr”, in welcher der tragische 
in einen Heiterkeits-Erfolg umfchlug, den „Goldbauer“*) kennen; 
das Jahr 1862 brachte u. U. den „Attache" mit Hallenftein als 
Graf Prax, „Marfa" von Heigel, „Die deutfchen Komödianten“ 
von Moſenthal (6. Dec.) mit Sauer als Ludovici, den „Paria“ 
von Michel Beer, den „Störenfried" von Benedix, die Ausftattungs- 
Poſſe „Um die Welt" von Jul. Roſen, den „Goldonkel“ von 
Pohl; 1863 kamen „Eglantinc” von Ed. Mautner, die Schmidt’fche 
Bearbeitung von Molieres „ZTartuffe”, die „Nibelungen“ von 
Hebbel,**) „Demimonde“ von Dumas (30. Jän. 1864)***) und 
nach langer Pauſe wieder ein Drama von Carl Egon Ebert, 
„Ein Gelübde" zur Aufführung, letzteres mit einem Erfolg, der 
nur der wahrhaft poetischen, ſchwungvollen Sprache, nicht aber 
dem Dranıa felbft galt. 


Das Luftjpiel fand an den „Snvaliden der Ehe”, der 
„Tahenden und der weinenden Anna” (Frl. Gebhardt und Frau 
Burggraf), den „Compromittirten”" von Roſen u. |. w. erwünſchte 
Bereicherung; das Erſcheinen Poly-⸗Henrion's in Prag, das 
mit den Debuts Hedwig Raabe's zufammenhing, bedingte auch 


*, Goldbauer-Harry: Meyer, Vroni-Frl. v. Schultendorff, Afra⸗-Frl. 

Gebhardt, Falkentoni-Hr. Sauer (eine Glanzrolle dieſes Schaufpielers), 

**), Guuther⸗Sauer, Hagen-Harry⸗Meyer, Dankwart-Rafael, Volfer- 
Oberländer, Giſelher-Hedwig Raabe, Gerenot-Frl. Birnbaum, Sigfried: 
Hallenftein, Ute-Fr. Frey, Kriemhild-Frl. Brand, Rumolt-Haſſel, Brunhild⸗ 
Burggraf, Frigga-Frl. Huvart. 

*xe) Dfivier-Dallenftein, Baronin d' Ange-Fr. Burggraf, Marcelle⸗ 
Irl. Raabe, Viconteffe de Vermiere-Frl. Huvart. 





— 513 — 


jeine Einführung in das Repertoire. Auf dem Gebiete der 
Poſſe mahte O. %. Berg mit „Einer von unfern Leut'“, 
dem „politiihen Schufter”, der „Leichten Perſon“ und andern 
aus dem Volke gegriffenen Wiener Localjtüden auch in Prag 
Glück. 

Die Perſonalbewegung war auch in den Jahren 1860 
bis 1864 ungewöhnlich ſtark: Die alte „Stabilität“ der Prager 
Bühnenverhältniffe ſchien bereits weſentlich gelockert. Es handelte 
ſich vor Allem darum, das ſeit dem Abgange Weilenbecks noch 
immer unzureichend beſetzte Charakterfach endlich in die Hände 
eines gediegenen Darſtellers zu legen. Im März 1860 debutirte 
für dieſes Fach Hr. v. Strantz, bisher Regiſſeur in Bremen, 
der damals erſt vom Liebhaber⸗- in das Charakterfach übergegangen 
war, und interejlirte durd eine Reihe glüdlid) und eigenartig 
angelegter, wenn auch noch nicht ausgeglichener Partien (Franz 
Moor, Rocheferrier, Elias Krumm, Shylof), doch führte das 
Probeſpiel zu feinem Nefultat;*) einen entjchiedenen und dauern- 
den Gewinn für die Prager Bühne — wenn auch nicht in der 
erwarteten Sphäre — brachte das Probegaftipiel des Charafter- 
jpielers Heinrih Oberländer im Juni desfelben Jahres. Von 
Königsberg in Preußen kommend, debutirte er als Wurm, Lord 
Lillburne in „Nacht und Morgen" und „Mefifto” und hatte einen 
getheilten Erfolg; man fand feinen Wurm zu glatt, faſt im Con- 
verjationstone gefpielt, der Schneidigkeit entbehrend, während an 
jeinem Lillburne die weltmänniiche Tournure, das Schlagfertige 
de3 Dialogs und ein „eigenthümlicher Zug von Bonhommie" ge- 
rühmt wurden. Einen vollen Erfolg hatte er al3 Abraham Meyer 
in „Man fucht einen Erzieher" und Magifter Lafjenius in „Der 
Weiberfeind in der Klemme”. Bald erfannte man, daß der De- 
butant nicht für Böfewichter und Intriguanten geboren fei, daß 
ihn fein bebaglicher Humor entſchieden auf das Luſtſpiel hinweife ; 
trogdem aber wurde Oberländer, da der Charakterjpieler Urban 


*) Hr. v. Strang wurde nachmals Director der füniglichen Oper 


in Berlin. 
33 


— 614 — 


unmittelbar vor feinem Abgang von der Bühne ftand,*) zunächft 
für dieſes Fach engagirt; als er fich jedoch nad) Jahresfriſt immer 
unbehaglicher auf diefem Boden fühlte und Abſchiedsgedanken 
äußerte, bewogen ihn der Intendant Ritter v. Bohufch und Di- 
rector Thome, gänzlich von der Darftellung von Intriguants ab» 
zulaſſen und ausſchließlich in fein-humoriftiichen Charafter- und 
gemüthlichen Väter-Rollen feine Erfolge zu fuchen. Oberländer 
hatte künſtleriſche Einficht genug, um diefen Rath zu befolgen, 
und er ift auf feinem neuen Nollengebiete nicht nur eine hervor: 
ragende Kraft des Prager Theaters geworden, er hat e8 zu einer 
anerkannten und bedeutenden Bofition im Geſammt-Bereiche der 
deutfhen Schaufpielfunft gebracht. Im Jahre 1862 vertraute 
man Oberländer bereits einen Theil der Schaufpiel-Negie neben _ 
Haſſel an; Hafel, der dem jungen Freunde rathend, neidlos zur 
Seite ftand, hatte ihm überhaupt in mancher Hinficht die Bade 
geebnet, und offen erkennt Oberländer noch heute an, „daß er 
dem Vorbilde feines verftorbenen Freundes Hafjel vielleicht das 
Gute, was er kann, zu danken habe.“ Oberländer füllte nun fo 
ziemlich das Fach Polawsky's aus und Hatte in dieſer Sphäre 
eine Zeitlang den Schaufpieler Gallmehyer zur Seite, der gleid)- 
zeitig mit ihm in „Kabale und Liebe” und zwar als Miller de 
butirt hatte. Gallmeyer, früher Mitdirector in Brünn (Mdoptiv- 
Bater der berühmten Soubrette Yofefine Gallmeyer), trat als 
Nemplacant für den im Herbſt 1860 abgehenden Emanuel 
Bergmann ein und bewährte fich al3 routinirter, verwendbarer 
Darfteller. — Als Aſpirant für die Nollen/phäre der Intriguants 
ftellten fich nach dem Fachwechſel Oberländer’s Oscar Höcker, 
Ludwig Skitt und Harry-Meyer vor, von denen ter Letztere 
nah einem im Auguft 1861 abjolvirten Probegaftipiel als Me: 
phifto und Carlos in „Clavigo” engagirt wurde. Er fam vom 
deutichen Theater in Peſt, war als ſchneidiger Charafteripieler 


*) Mar. Urban, ber fi dem Kaufmannsftande zu widmen gebadhte, 
verabfchiebete fih am 29. Juli in einer Matinde auf der Sophieninfel 
unter Mitwirkung ber Opernfängerinen Pauline Lucca und Mik. 








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nicht ohne Bedeutung, und machte feinerzeit (1863) durch einen 
Öffentlichen Cafehaus:-Scandal, wobei er den Theaterreferenten 
Wallerftein gröblich infultirte, viel won ſich reden. 

Das ſchwächere Gefchlecht war auf der Prager Bühne unter 
Thome ftark und aufprechend vertreten. Die Damen Burggraf, 
Remoſani, Monhaupt, Therefe Müller haben wir bereits Tennen 
gelernt — Marie Frey, Frau Szegöffy, Adele Allram-Lechner 
find uns noch Ältere Bekannte. Diejes Enjemble, das durch jüngere 
Kräfte, wie Frl. Kathi Haffel (vermälte Hallenftein), vervollitändigt 
wurde, blieb indeß nicht lange unverändert. Zu Beginu des J. 1861 
ihied Frl. Remojani in Folge eines acuten Theaterconflictes, 
der in Prag Aufjehen machte, von diefer Bühne. In den Öffent- 
lichen Erklärungen, welche die Dame erließ, bejchuldigte fie Thome, 
er habe fie in ihrer Mädchenehre verlegt und zum Widerjtande 
gegen die Bühnenleitung gezwungen. Der Director jeinerjeits 
wollte nur „ein nachläſſiges Mitglied beleidigt und dafür unge: 
bührende Antworten erhalten haben". In einem großen Concerte 
unter Mitwirfung von Opernkräften und der Pianiftin Vilma 
Czermak verabjchiedete fih am 1. Jäner 1861 Frl. Remoſani, 
die fih mit ihren jelten ſchönen Mitteln und ihrem Fünftlerifchen 
Streben große Sympathien erworben hatte, von Prag; die Ova- 
tionen, welche ihr hei dieſer Gelegenheit dargebradht wurden, 
fehrten ich in deutlicher Weife gegen die Bühnenleitung.*) Zwei 
Monate — feit Ausbruch des Conflicts — war das Fach der 
erjten Liebhaberin ohne Nepräfentantin gewejen; ein Gaſtſpiel der 
damals Schon zu bedeutender künſtleriſcher Höhe herangereiften 
Tochter Verling’s, Frau Anna Verfing- Hauptmann, melde 
u. A. als Jeanne d'Arc, Adrienne Lecounvrenr, Julia, Philippine 
Welfer Proben ihres Fräftigen Talents und namentlich ihrer ora- 
torischen Meifterjchaft, in mehren Converfationsrolfen auch ihrer 
Diftinction als Salondame gegeben hatte, half einige Wochen aus 
der Verlegenheit, bis in Charlotte Gebhardt ein Erfah für die 


* Im nächſten Arcadia-Soncert trat Frl. Remofani, eigens von 
Leipzig berufen, auf und wurde mit Beifalläftürmen empfangen. 
33* 


— 516 — 


Nemofani gefunden war. Charlotte Gebhardt war einer diftin- 
guirten Familie entjproffen,*) Hatte ſich aus freier Selbſtbeſtim— 
mung zur Bühne ausgebildet, und eine Zeit lang den Unterricht 
von Friederike Herbft genofjen, worauf jie ein Engagement nad) 
Breslau annahm und von dort einem Rufe Laube’3 an's Burg- 
theater folgte. Am 17. Jänner 1861 debutirte fie als Jaue Eyre 
in Prag und brachte es vermöge ihrer Haren, reinen Ausſprache, 
wohltönenden Declamation und diſtinguirten Darſtellungsweiſe troß 
der noch frifchen Neminiscenzen an ihre Vorgängerin Remoſani 
zu einem fchönen Erfolge, den fie. als Käthchen v. Heilbronn 
behauptete; fie löſte ihre Verpflichtungen für das Burgtheater und 
trat am 2. März als Barthenia ihr Prager Engagement an, das 
leider nur zwei Jahre währte, worauf fi) die Prager Bühne 
abermals zu einem Wechfel in der Perfon der erjten Liebhaberin 
verjtehen mußte. Man dachte ſchon damals an das Engagement 
von Anna Berfing- Hauptmann, ſchließlich aber wurde Eliſe 
Brand berufen, die jchon 1862 neben Emil Devrient gaftirt und 
durch die padende Darftellung und pilante Nuancirung intereflirt 
batte; ſie führte fi) als Rutland und in Mautner's Eglantine 
ein und behauptete nun bis zum Schluße dieſer Directionsperiode 
ihren Platz. 

Das Fach der munteren und naiven Liebhaberin, das im 
Frühling 1861 durch den Abgang des Frl. Monhaupt vacant 
wurde, follte nun in rascher Nacheinanderfolge zwei glänzende 
Vertreterinen erhalten. Unter den Darjtellerinen, welche Thomk 
dafür in's Auge gefaßt hatte, war auch Friederife Kronau und 
Frau Schurz-Günther, eine Schwägerin Thome’s; da aber viele 
Engagements nicht zu bewerfitelligen waren, ſtellten jich zwei 
andere Debutantinen vor: Roſa von Schultzendorff vom 
Burgtheater und Frl. Julius von Berlin. Am 19. April 1861 
ipielte Frl. v. Schultzendorff die Annalife und gewann fofort 


*) Charlotte Gebhardt recte Fortwäugler, vermälte fich fpäter 
mit dem kgl. ſächſ. Hoffyaufpieler Carl Porth und lebt gegenwärtig zu 
Dresben. 





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„durch die Anmuth der Erjcheinung, die gefällige Bewegung und 
die reizende Beredjamfeit des ftummen Spiels das Publicum” ; 
als Kind des Glüds und Lonis im „Pariſer Taugenichts" wurde 
der Sieg noch volljtändiger; die Schalkhaftigkeit, Laune und Ur- 
Iprünglichkeit ihrer Darftellung zündeten, und die Aeußerungen 
„Sie kann gut Komödie ſpielen“ oder „ch werde als Schau- 
ſpielerin Sarriere machen”, weckten demonftrativen Beifall. Sie ſpielte 
noch die Katharina von Rofen, wurde in der „Grille“ bereits 
mit den Ehren eines ausgefprochenen „Lieblings" empfangen, und 
empfahl fih mit einer Novität, der „Tochter der Grille” vor: 
läufig von Prag. Nach ihre abjolvirte Frl. Unna Julius vom 
Stettiner Stadttheater ihr contractmäpiges Debut mit Ehren, aber 
ohne entichiedenen Erfolg, Die Direction jchwanfte; die For⸗ 
derung des Frl. v. Schultzendorff waren ihr zu Hoch, Frl. Julius 
hatte nicht durchgegriffen, daher follte noch eine jugendliche Aſpi—⸗ 
rantin verſucht werden, deren Befanntichaft man indeß nur auf 
dem Zettel machte. Die Heldin diejes auf der Probe verunglüdten 
Debut aber war eine Darftellerin, die vierzehn Jahre fpäter eine 
der populärten Prager Sängerinen werden follte — Frl. Minna 
Ullmeyer. Sie hatte damals noch nicht lange die theatralifchen 
Kinderſchuhe ausgetreten und fchrieb fich, da fie an der Hofburg 
als engagirtes Theaterfind gewirkt und fpeciell mit dem Fleinen 
Zell Erfolge gehabt Hatte, „vom k. k. Hofburgtheater". Im Prag 
follte fie al8 Candidatin für das naive und muntere Fach am 
27. Mai in „Zubor die Mama" debutiren; aber — So ließ ſich 
ein Blatt vernehmen — „der Eindrud, der Frl. Ullmeyer auf der 
Probe auf ihre Zufunftscollegen machte, war ein fo überwälti- 
gender, daß er fie zu einer Art Staatsftreich veranlaßte. Fräulein 
Ullmeyer wurde duch eine Colfectiv-Erflärung ſämmtlicher Mit- 
ipielenden gelyncht, fie mußte die Kranke wider Willen fpielen, 
der Eorpsgeift der heimijchen Mitglieder lehnte fich dagegen auf, 
dem Höder-Abend (Debut des Charafterjpielers Höcker) einen 
Ullmeyer-Abend folgen zu laſſen, Frl. Ullmeyer räumte das Yeld...” 
Ihrem fpäteren Glück in Prag hat diefe traurige Probe feinen 
Eintrag gethan. 


— bi! — 


Es debutirten noch die Frls. Quantner und Siegel, endlich 
aber entfchloß man fid) doch zum Engagement des Fräulein v. 
Schultzendorff, die am 1. Anguft die Hedwig im „Ball zu 
Ellerbrunn“ als Antrittscolle fpielte und als Künftlerin von be- 
ſonderer Diftincetion den Prager Enfemble zur Zierde gereichte. 
Mit ihr Fam bald darauf „Feuer in der Mädchenichule”, „Moriz 
Schnörche“ (Großfopf-Haffel), „Die Schule der Verliebten“ zur 
Aufführung: faum aber war man diefes Gewinns froh geworden, 
drang die Kunde von der Verlobung der anmuthigen Darftellerin 
mit einen DOfficier, Oberlieutenant Wanka, in die Oeffentlichkeit. 
Im Februar 1863 feierte Frl. v. Schultzendorff noch als „Kö— 
nigin von jechzehn Jahren” ihren legten Ehrenabend, nicht Tange 
darauf zog fie fich gänzlich von der Bühne zurüd und lebt nun 
al8 Gattin des Großgrundbefigers Wanka in glüdlichfter Ehe 
theil8 in Prag, theils auf dem Gute ihres Gemals. Um das 

erledigte Fach bewarb ſich zunächſt Frau Eihenwald vom 
Stadttheater in Regensburg, Gattin des mit dem giünftigften Er- 
folge in's Engagement getretenen Komikers Eichenwald (jie debutirte 
im Wpril als Lorle, Gänschen v. Buchenau und Meargaretbe 
Weiter), dann ftellte ſich eine Candidatin vor, die ebenjo raſch 
wie Roſa Schultzendorff Aller Herzen eroberte: Hedwig Raabe. 
Sie ſtaud damals in ihrem neunzehnten Lebensjahre (geboren 
3. December 1844) und hatte feit früher SYugend auf der Bühne 
Glück und Erfolg gehabt. Mit 14 Jahren hatte die geniale 
Künftlerin am Hamburger Thaliatheater Aufmerkfamfeit erregt, in 
Stettin, am Wallnertheater in Berlin und in Mainz ihre Nontine 
erweitert und am Burgtheater mit Ehren debutirt. Als ihr Name 
am 7. Mat 1863 zum erjten Male in Prag am Zettel ftand, 
ſchrieb fie fi) „vom Stadttheater in Bet”, und gewann als Julie 
in „Ein Autograph* und in „Sie jchreibt an ich ſelbſt“, dann 
als Marie in „Feuer in der Mädchenjchule” fofort die Sym— 
pathie Aller, die fie jahen. Ihre Margarethe Weſtern verjtärkte 
diefen Erfolg, am dritten Abend (11. Mai) ftellte ih) den Prageru 
auch der Begleiter der Debutantin, der Zuftipieldichter und Schau- 
ipieler Boly Henrion, vor, ein Edelmann und quittirter 





— 519 — 


Dfficier (Kohl v. Kohlenegg), der in Wien dramatische Studien 
und mit den Luftjpielen „Die Liebesdiplomaten”, „Mylord Car- 
-touche” und „Meine Memoiren” fich einen Namen gemacht Hatte. 
Diefer nicht -unintereffante Mann reifte damals im Gefolge der 
reizenden, Heinen Naiven, deren Namen eben anfing, groß und 
berühmt zu werden und liebte es, gemeinjam mit ihr zu debutiren. 
Er fpielte theils in eigenen Quftipielen, theils in franzöſiſchen 
Solojcenen und deutſchen Einactern, wie „eine Taffe Thee“, ohne 
zu entzilden gleich feiner aufopfernden Partnerin, die alsbald nach 
dem durchichlagenden Erfolge ihrer erjten Rolle engagirt worden 
war. As Poly-Henrion den Componiften Jules Kranz fpielte, 
gab es fogar offene Oppofition. Hedwig Raabe felbft erinnerte 
an die Goßmann, aber, weit entfernt von wirklicher Imitatiou 
diefer Königin der Naiven, wußte fie durch pifante und originelle 
Züge, durch den Zauber ihrer eigenartigen, graziöſen Lieblichkeit, 
durch die volle Natürlichkeit, das Ungezwungene ihres Spiels 
und die überrafchende Betonung von Nuancen, welche andere 
Darftelferinen fallen gelafjen hatten, jeder ihrer Nollen den Reiz 
friiher Urfprünglichkeit und Fräftige Wirkung zu verleihen. Das 
Prager Publicum war diefem Talente gegenüber geradezu über: 
Ihwänglich in feinen Gunftbezeugungen; das Luftjpiel wurde das 
zugkräftigfte Genre im ganzen Repertoire. Als Hedwig Raabe 
am 2. December ihren fogenannten „Ehrenabend" feierte — ſie 
brachte „Madame Richelien”, „Ein Bagenftückhen” und den „Bo- 
Iitifchen Eheconjens" — kannte die Begeifterung feine Grenzen. 
Leider währte das Engagement der Raabe, die wir noch hente 
in der Blüthe ihres Künſtlerruhms fehen, nur bis Oftern 1864, 
bis zum Ende der Direction Thome, | 

Dem Gewinn, den die Prager Bühne an Hedwig Raabe 
gemacht, ftand ein harter Verluft gegenüber, den fie durch den Tod 
einer ihrer bedeutendften Darftellerinen erlitt: am 24. Mai 1861 
verfchied Adele Allram:- Lehner an einer Halskrankheit im 
37. Lebensjahre (geb. 1824 zu Wien). Fünfzehn Jahre Hatte 
die Künitlerin der Prager Bühne angehört; ihre Leiſtungen 
im naiven, munteren und wohl auch im tragijchen Fache hatten 


— 520 — 


ihren hohen Werth für das Prager Schau» und Luſtſpiel dar- 
gethban und, als die vorfchreitenden Jahre fie den jugendlichen 
Nollen allmälig entrüdten, hoffte man gerade von ihr einen vollen 
Erjaß der Binder. Wenige Tage vor ihrem Tode hatte fie in 
der „Taſſe Thee“ mitgewirkt, und wenige Stunden vor ihrem 
Hingange noch enıpfahl fie in einem rührenden Briefe einer viel- 
bermögenden Gönnerin ihr dreijähriges Kind. Mit ihr fchied 
das bedeutendſte jener Mitglieder, welche Hoffmann der Prager 
Bühne erworben hatte. 

Sn minder bedeutenden weiblichen Rollen ſah man Yräulein 
Haffel (Fr. Hallenftein), um deren Rollenfach ſich 1860 and) 
Frl. Marie Räutz bewarb. Im October vesjelben Jahres aber 
debutirte Frl. Joſefine Birnbaum, die Tochter des feinerzeit 
befannten Schaufpieler-Ehepaars Birnbaum, al8 Marie in „Der 
Nechnungsrath und feine Töchter" und trat in's Engagement. 
Sie erregte bejonderes Intereſſe durd) ihre Eltern, die nun zeit: 
weiſe ebenfalls in Prag ihren Wohnfit nahmen. Ihr Vater, 
damals Regifjeur in Stuttgart und als „Opfer kurheſſiſcher Will- 
für" vielgenannt, gaftirte im Juli 1861 im NRollenfache Hafjel’s 
und verabjchtedete fich im August als Oberförfter in den „yägern”, 
das Andenken eines foliden Scyaufpielers der alten Schule Binter- 
laſſend. Ihre Mutter, Maria Birnbaum:Sarjandy, eine 
geborene PBragerin, Tochter eines Großhändlers daſelbſt, hatte als 
tragische Liebhaberin namentlich in Braunjchweig und Caſſel ge: 
glänzt, trat jedoch nach dem Abgange ihres Gatten von Caſſel 
(1856) in den Ruheſtand, kam jpäter mit ihrer Tochter ach Prag 
und ftarb hier am 26. Febr. 1862. Marie Joſefine Birubaum ſelbſt 
(geb. 13. uni 1842 in Caffel) hatte erſt eine kurze Fünftlerifche 
Wirkſamkeit in Stuttgart hinter fi, als fie nah Prag kam und 
erwarb ſich als begabte, anmuthige und eifrige Darſtellerin jugend- 
licher Partien viele Sympathien. Nach ihrem Abgange von Prag 
(1864) fam fie an's Wallnertheater in Berlin, wirkte au den 
Bühnen zu Elbing, Hamburg, Graz und Leipzig und vermälte 
ſich 1874 mit Carl Freiheren von Ledebur. — Ein anderes 
junges Talent, Frl. Lutter, eine Schillerin von Friederike Herbft, 


— 521 — 


ſuchte bald ein fruchtbareres Terrain fiir ihr Streben auf, ging 
nah Hamburg und kehrte 1863 als Frau Frankt-Lutter zu 
einem erfolgreichen Gaftjpiel nad) Prag zurüd, wo ihr Gatte, 
Hr. Frank, als Caſſier engagirt war. 

Die Poſſe und das Volksſtück hatten gerade in der Periode, 
welche hier ffizzirt wird, mannigfachen Wechjel zu erfahren. Für 
die Soubrette Therefe Müller, deren Werth für die Oper nod) 
berührt werden foll, trat 1861 — nad) einen Debut des Fräulein 
Beniſch aus Brünn — Frl. Sternau, eine begabte, vejolute, 
wenn auch nicht hervorragende Xocaljängerin, ein, die al8 Therefe 
Krones, Mehlmeflerpepi und Roſa im „Verjchwender” ihren Be: 
fähigungsnachweis erbrachte, einen vollen Erſatz für die Verlorene 
aber nicht verſprach. Einen foldhen hoffte man in einer anderen 
Zocalfängerin zu finden, die am 11. Yuli 1862 ein Probegaftipiel 
eröffnete. Der Gaft nannte ſich „Joſefine Gallmeyer vom 
deutichen Theater in Pet” und führte fich als Thereſe Krones ein. 

„Nach langer Frift Icheint endlich eine Localfängerin gefunden” — 
ichrieb die „Boh.” — „welche fi für bie Bebürfniffe der Prager Poſſe 
uud des Vaudevilles ganz qualificiren dürfte. Frl. ©. batte einen Erfolg, 
ber umfo ſchwerer wiegt, weil die Rolle früher fehr gut bejett war. Frl. ©. 
ift eine fehr routinirte Schaufpielerin, welche viel Humor entwidelte und 
viel Darftellungstalent bejist; fie ift in doppelter Hinfiht Frl. Sternau 
überlegen. Ihr Coupletvortrag ift vortrefflih, ihe Engagement jehr zu 
wünſchen.“ 

Joſefine Gallmeyer ſetzte in der ‚Hammerſchmiedin aus Steier- 
mark”, als Diavolina in den „Töchtern Lucifers“, in „Dr. Fauſt's 
Hauskäppchen“, im „ungeſchliffenen Diamant“ und „ſchwarzen 
Peter“ ihr Probegaſtſpiel mit ſtets wachſendem Erfolge fort; zu 
einem Engagement aber kam es nicht — man ließ die „feſche 
Pepi“ ziehen. 

Eine ſtarke Breſche in das Poflen-Enjemble riß der Tod 
des populären, feit Jahren in unverminderter Friſche wirkenden 
Scutta. Andreas Skutta war 1852 mit Stöger nad Prag 
gefommen*) und hatte fich, trogdem er neben Komifern von der 


*) Andreas Scutta war 1806 in Wien ald der Sohn eines Poft- 
conducteurs geb., bejuchte die Univerfität und erhielt bei ben Auguftinern 


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Site Feiſtmantel's und Dolt's zu wirfen berufen war, durch 
feinen natürlichen, gemüthliden Humor, feine unbefiegbare Laune, 
feinen trefflichen Liederbortrag und feine felten fehlende Auffaffung 
fein Terrain erobert, wie er fi in Wien neben Scholz behauptet 
hatte. Sein redlicher Charakter, fein faft kindliches Gemüth und 
das feltene wifjenfchaftliche Streben, dem feine freie Zeit gewidmet 
war, erwarben ihm auch außer der Bühne zahlreiche Freunde. 
Am 24. Februar 1863 verfchied Scutta, nachdem er am 6. Yuli 
des vorhergegangenen Jahres in den „Studenten von Rummel: 
ftadt" zum legten Male die Bühne betreten Hatte, und wurde 
unter großer Theilnahme zu Grabe getragen.*) Scutta und Dolt 
hatten in ihrem Zuſammenwirken den Werth der alten Schule 
überzeugend documentirt — nun ragte nur mehr Dolt als wür—⸗ 
diges Denkmal der „alten Zeit” in die neue hinein. Mittlerweile 
war auch Markwordt zu Oftern 1862 der Bühne verloren 
gegangen (er nahm ein Engagement in Wien an), und eine 
Verſtärkung des komiſchen Elements war dringend geboten. Ein 
Verfuh, Marfwordt durch Albin Swoboda jun. zu erjeßen, 
ſchlug fehl; der Debutaut konnte in Prag feltjamerweije nicht 
Unterriht im Gefange. Als er einft mit ben anderen Böglingen bei ber 
Borftellung des Roſſini'ſchen Oratoriums „Moſes“ im Theater a. Wien 
mitgewirkt hatte, war fein Entichluß, die Kunſt als Lebensberuf zu er: 
wählen, gefaßt: er wurde Zögling bed von GErf. Palffy errichteten Muſik⸗ 
injtituwts, trat im Theater a. WB. und im Kärtnertbortbeater im Chore anf, 
wurde von Stöger nadh Graz eng., übertrat aber bald ala 2. Tenor zum 
Theater in Linz, fam als erfter Tenor nah Agram, bis ihm (1829) eine 
fchwere Krankheit die Stimme raubte. Nun fpielte er in Laibach und 
Klagenfurt tom. Partien, kam 1830 al8 2. Komiker nad Lemberg, bann 
als Saft nad Graz, bis ihn Dir. Marinelli nah Wien eng., wo er aud 
unter Dir. Carl wirkte. Er machte fih auch ald Compoſiteur bemerkbar 
(„Drinthba und Odioſa“, „Der Zauberkranz”, „Stegwart und Stanzerl”, - 
„Die Localfängerin und ihr Vater” u. |. w.). 

* Ein anderes altes Mitglied ber Prager Bühne, allerbing3 von 
untergeorbneter Bedeutung, Selyra, ftarb am 2. Febr. 1864; er begann 
feine Laufbahn bei der Lutz'ſchen Gefellichaft in Carlöbad, der er 15 Jahre 
angehörte und wirkte 19 Jahre in Brag, zuerſt ald Niebhaber, dann in 
tomifchen Rollen und in den Cechilchen Borftellungen. 


— 523 — 


Boden fafjen. Am 19. Sept. 1862 aber ftellte fich den Pragern 
ein Komiker vor, der zur Ausfülung einer Haffenden Lücke mehr 
als befähigt ſchien und fich viele Jahre an diefer Bühne be- 
haupten follte: Wilhelm Eihenwald. Er kam vom Bictoria- 
Theater in Berlin und hatte fich bereits an einer Reihe hervor- 
ragender denticher Bühnen einen Namen als Komiker erſten Ranges 
gemadt. Am Hamburger Zhaliatheater galt er als eine ber 
beiten Fünftleriichen Kräfte, und die Gaftipielausflüge, die er von 
diefer Bühne aus unternahm, hatten ihm den Ehrentitel eines 
„norddeutfchen Trenmann“ eingetragen.*) In Prag abjolvirte 
Eichenwald am 19. September 1862 als Fröhlich, Silberling im 
„Gänschen von Buchenau“ und in der Solofceene „Zum erften 
Male in Robert der Teufel” feine Debuts und hatte fofort die 
Lader und alle Freunde einer wirkffamen und dabei: diftinguirten 
Komik auf feiner Seite. Ws Doctor Peſchke, dann in den 
„beiden Hofmeiftern”, in der Tannhäuſer-Parodie, „Romeo auf 

*) Wild. Eichenwald ift am 12. Dec. 1833 in Berlin al3 der 
Sohn des feinerzeit rühmlichft bel. Väterfpielerd E. (f 1873) geb., verließ 
1850 dad Gymnaſium „zum grauen Klofter” in Berlin und betrat ala 
17jähriger Jüngling zuerft die Bretter bei einer wanbernden Geſellſchaft 
im Großh. Poſen ald jug. Liebh. kam nach Kübel, Chemnitz, Magdeburg, 
Roſtok, wo er mit Knaack und Reuſche engagirt war, war 1853-53 ın 
Beft unter Dir. v. Witte eng., übernahm dort während eines Gaftfpield 
Rott's vom Wiedener Theater die fog. „Treumann'ſchen Rollen“ und 
vollzog damit den Mebergang vom Liebh. zum Komiker. Als ing. Geſangs⸗ 
komiker wurde er an bas Rönigft. Th. in Berlin und von dort von Dir. 
Maurice für das Hamburger Thaliath. engagirt, wo cr 1855—58 er- 
Härter Liebling des Publicums war. Aus Rückſicht für feine Frau, die 
ehemalige E. k. Hoſſch. Margaretbe Hartmann, bie in Hamburg feine 
entfprechende Beichäftigung fand, verließ er diefe Bühne, war zwei Jahre 
in Riga und ebenfolange am Victoria-Theater ın Berlin eng. Im Prag 
wirkte E. von 1862—1876 (13'/, J.), ging dann, um ber Operettenthätig- 
feit zu entrinnen, zu Förſter nach Leipzig, wo er in komiſchen Charafter- 
rollen und L' Arronge'ſchen Stüden feine Haupterfolge fand. 1882 verließ 
er mit Yörfter Leipzig, nahm Eng. am Hamburger Stadttheater, übertrat 
jedoch bald abermals an das Thaliath., das feinem Nepertoire mehr ent- 
fprah. Unter Dir. Edmund Rreibig jun. (1884) wurde E. ber Prager 
Bühne wiebergewonnen. 


— 524 — 


dem Bureau” u. ſ. w. verjtärfte fich diefer Erfolg, und ſchon am 
3. October trat Eichenwald in einer damals „fenfationellen" No- 
pität, Offenbach's „Orpheus in der Unterwelt", fein Engagement 
an, das nicht allein für die Poſſe, jondern auch für das Luſtſpiel 
und die durch den Offenbach-Cultus zu einer bejonderen Reper- 
toire-Species emporgewachfene Operette ein entfchiedener Gewinn 
war: gerade für das leßtere Genre war Eichenwald’s Komik 
allerdings zu diseret, und er felbjt ftrebte mächtig hinaus über 
ein Feld, das feinen eigenen fünftleriichen Neigungen wenig zu- 
jagte. Ueberdies war Eichenwald „norbdeuticher" Komiker und 
trat jchon in diefer Eigenschaft in einen gewillen Gegenſatz zu 
anderen Poſſen- und Operettenfräften Brags. Glanzrollen Helmer: 
dings wie „Meidinger”" in „Weeidinger und fein Sohn” waren 
auch feine Glanzrollen. — Ws Nachfolger Scutta's debutirte 
Ende des Kahres (12. December) der Komiker Franz Frant 
ale Brunner in „Kampl“ mit entjchiedenem Erfolge — er vertrat 
die draſtiſch-komiſche Richtung, das Wiener Clement, war ein 
wirfjamer und ftimmbegabter Coupletfänger, alfo ganz geeignet, 
neben Dolt, der noch in der Stöger’fchen Zeit den Uebergang 
vom Neftroy’fchen zum Zreumann’schen Fache bewerfitelligt hatte, 
der Wiener Komik eine geachtete Pofition in Prag zu be 
haupten. Der Fachwechſel Dolt's Hatte fich übrigens nicht ohne 
Schwierigkeiten vollzogen, und er'gereichte dem verdienten Künſtler 
feinesweg3 zum dauernden Vortheile. Stöger's zeitweiliged Fac— 
totum, der mehrfad genannte Regiffeur Forft,*) Hatte auf einen 
allzurafchen Uebergang gedrängt: Dolt ſprang jozujagen in das 


*) Forſt (Schall v. Falfenborft), den mir bereit3 aus dem Auge 
verloren haben, war bekanntlich von Hoffmann ald Oberregiffeur nad) Prag 
gebracht worden; vorher hatte er an vielen öſterr. und deutſchen Bühnen 
Heldenliebh. geipielt und namentlich in der für ihm gejchriebenen Bird: 
Pfeiffer'ſchen Rolle des Scheibentoni große Erfolge geerntet, die ihm aud 
als Bonvivant treublieben. In Peſt Hatte er die Direction bis zum Brande 
des Theaters (1847) geführt, worauf fein Engagementd-Antritt in Prag 
erfolgte, Nah Hoffmann’3 Abgang war Forft eine Zeitlang Stöger zur 
Geite geblieben, bi3 er zu Hoffmann nach Frankfurt a. M., von dort (1855) 
an's Theater i. d. Joſefſtadt nach Wien ging. 





— 525 — 


neue Fach,*) die Unmöglichkeit einer entjprechenderen Vorbereitung 
machte ihn nicht felten muthlos, raubte ihm feinen Humor und 
Ihädigte die Wirfung feiner Komik, die für das neue Fach nicht 
in jenem Maße ausreichte wie für das von Dolt durch zwanzig 
Jahre erfolgreich behauptete Neſtroy-Fach. Immerhin ergab fich 
aus dem Zufammenwirten von Dolt, Eichenwald, Frank, Elife 
Nohrbed ein Poſſen-Enſemble, dem nur eine bedeutende LXocal- 
jängerin fehlte, um vollendet zu erjcheinen. Der Erſatz für Thereſe 
Müller follte lange nicht gefunden werden. 

Die Saftfpielbewegung in der Yera Thome fei hier nur 
in Kürze fkizzirt. Man fah 1860 Anna Dieb, die Tochter des Vete- 
ranen Dieg, deren Carriere bereits erwähnt worden iſt, Bogumil 
Dawijon in all feinen Glanzrolfen, Friederife Goßmaun, Friede- 
rife Kronau (Zorle, Kind des Glücks u. ſ. w.), Louiſabeth Röckel 
(damals noch vielverfprechende junge Darstellerin), Mathilde Graec- 
mann (bon Darmftadt), die norddeutfche Soubrette Anna Schramm 
und den dfterr. Komiker Csernits; der gemüthliche ‘Dialectdichter 
Baron KHlesheim trug im Neuftädter Theater feine Märchenbilder 
und Kindergefchichten wor, und Bosco ließ feine Zauberfünfte be- 
wundern; 1861 famen Auguſte v. Bärndorff, eine der hervor- 
ragendften Converfationsichaufpielerinen, berühmt durd) Geſchmack 
und Bracht ihrer Toiletten — eine Künjtlerin, die nachmals in 
Prag ihre zweite Heimat finden follte,**) der Heldenfpieler Ludwig 


*) Ueber diefen Fachwechſel ſchrieb Dolt felbit an den Autor diefer 
Befhichte: „Die kurze Zeit von 8 Tagen, die mir zur Erlernung einer 
Treumann'ſchen Rolle anberaumt war, wozu Treumann nad) eigenem Ge— 
ftändni 1 und auh 2 Monate brauchte, machte mich Schon im vorhinein 
muthlos und raubte mir den Hauptfactor meined früheren anerkannten 
Wirkens, den Humor, der mich oft bei den fchwierigften Aufgaben im 
Stiche ließ. Dadurch kam ich oft mit Regie und Direction in Conflict, 
wobei mir verfichert wurde, daß bei etwaigem Miblingen meiner Rolle 
nicht die kurze Zeit des Einſtudirens fondern nur mein Unmwille Schuld 
trug .... Somit hätte ich von meinem Mißgefchi auf der Brager deutfchen 
Bühne begonnen, ich fpreche davon, um Entichuldigung bei Jenen im Publicum 
zu finden, die fi) fo manches fpätere Ereigniß nicht erklären konnten.“ 

**8) Auguſte v. Bärnborff, geb. 1830 auf einem Gute bei Berlin, 


— 526 — 


von Ernejt (recte v. Baußnern), der damals von Breslau aus 
auf em Engagement in Prag afpirirte und als Hamlet wie als 
Eifer feine reiche Begabung und jeltenen Mittel, überdies aber 
auch als Peti in „Zigeuner“ feinen auffallend Schönen und mächtigen 
Baryton zur Geltung bradhte,*) Heinrich” Graus, Dir. Treumann 
und Laura Schubert — 1862 erjchienen zunächſt Emil Devrient 
und Auna Verfing, jchon damals (aus Coburg kommend) eine- 
blendende Maria Stuart. Das Burgtheater war durdy ein Ge: 
ſammt-Gaſtſpiel Joſef Wagner’s, Lewinsky's und des einjtigen 
Prager Theaterkindes Friederife Bognar vertreten; man ſah mit 
diefen Gäjten die „Räuber“ (Wagner: Carl, Lewinsky-Franz, 
Amalie-Bognar), „Fauſt“, „Kabale und Liebe”, „TFiesco”, „Ela: 
vigo”, „Wallenſtein's Tod"; Friederike Bognar feſſelte bejonders 
als Luiſe. Die Poſſe war im Gajtipielrepertoire durch den Ham: 
burger Komiker Triebler, Anna Grobeder und Earl Friefe (damals 
vom Garltheater) vertreten; neben all diefen Gäften aber mußte 
man im Neuftädter Theater auch die drejlirten Hunde Caftor und 
Pollur des Ehepaar’ Meergarte ſehen, welche in dem Stilde 
„Die Kinder des Pflanzers" ihre „außerordentlichen Kunſtſtücke“ 
produeitten. Das Jahr 1863 brachte Gaſtſpiele Ajcher’s, der bes 
fannten Zwerge Petit, Picolo und Kis, der Berliner Hofſchau— 
jpielerin Ida Pellet; dann brachte ein Tänzerpaar, Frl. Catharina 
Friedberg von Petersburg und Hr. Calori von Wien, mit einem 


betrat im 16. Lebensj. die Bühne, erhielt von Augufte Crelinger Unter: 
richt, fobann ein befcheidvened Eng. am Berliner Hofth., von wo fie nad) 
Oldenburg, Petersburg und Hannover fam. 1858 hatte fie ſich mit Baron 
v. Schoulg verheiratet; am königl. Hofth. zu Hannover nahın fie cine 
dominirende Stellung ein, verließ jedoch 1868 diefe Bühne, machte eine 
glänzende Tournee in Amerifa und gaftirte dann mit ftetem Erfolg ın 
Deutihland. In Prag fpielte fie 1861 die Gräfin Antreval im „Tamen- 
frieg“ und andere Glanzrollen des Fachs der Salondame, Fr. v. Bärndorff 
wurde fpäter die Gemalin bed in Prag hochgeſchätzten Arzted unb Grob: 
grundbeſitzers Hofraths Prof. Dr. Ritter v. Jakſch. Das Hoftheater in 
Hannover zählt fie zu feinen Ehremmitgliedern, 

*) Sr. v. Erneft trat in ber Directionsgera Kreibig als Helden 
vater in's Prager Engagentent. 


— 527 — 


längeren Gaſtſpielcyelus auch das große Ballet „Sarnevalsabentener 
in Paris” von Borri, Muſik von Strebinger — ein Ereigniß, 
das die Prager von dem Beſuche ernter Vorftellungen abzog, bis 
ein Künftlerpaar vom Burgtheater, Ed. Baumeifter und Anna 
Kratz, wieder edlere Genüſſe vermittelte.*) Das Gaft}pielrepertoire 
des Jahres brachte noch Anna Grobeder, Emil Siebert, Ajcher 
in Gejellichaft des Frl. Anna Müller. 


Im Allgemeinen konnte man zu Beginn des Jahres 1864 — 
wenige Monate vor dem Ablauf der Directionsperiode Thome — 
eine entſchiedene Befjerung der Schaufpielverhältnifje conftatiren. 
Mm das Gaftjpielrepertoire war mehr Syftem gebracht, ebenfo in 
die Auswahl und Anordnung der Novitäten; das clafjiiche Drama 
farid eine rege Pflege, das Enjemble war gerundet und zeigte 
eine Reihe gebiegener Kräfte, deren Verluft leider bei dem bevor- 
jtehenden Dirvectionswechjel nahezu gewiß war. 


„Wir hatten einen Verein von Künftlern im Schanfpiel” — ſchrieb 
ein Kritiler jener Tage — „mie er nicht fobald wieder in Prag bei- 
fammen war. Der erfte Liebhaber, der Darfteller komiſcher Charalter- 
rollen, die muntere Liebhaberin, die Anſtandsdame, fie Alle ließen faft 
nichts an wünſchen übrig, fie Alle füllten ihre Pläße mit Ehren aus, 
und fie Alle werben und nun verlafien. Oberländer, Haffel, Sauer, Frau 
Burggraf, Fräulein Raabe, Brand gehen und dies gerade in einem 
Augenblide, wo bie Mehrzahl der Veteranen außer Action tritt. Diet 
läßt fich penfioniren, Walter tft zweifelhaft, fo daß von ber alten Garbe 
nur Fiſcher und die Frey übrig bleiben. Was die Letztere ben 
Pragern ift, weiß man; man bat fie nicht umfonit die Prager Gre- 
finger genannt; fie bleibt unerfeglich wie Polawsky, Bayer, Feiſtmantel. 
Fiſcher tft jetzt fleibiger, eifriger denn je, und wenn ed bie Behandlung 
bes Verſes gilt, wenn es fih um ein ebles, kerniges, ftylgemäßes, ge⸗ 
tragened Spiel handelt, dann kann noch heute Mancher etwas dem alter 
Manne abguden. Zwar bleiben Hallenjtein, Grey, Eichenwald — aber 
es geben mehr ala bleiben. Oberlänber bat im Luſtſpiel taufend- 
mal gutgemact, was ber Oberläuder ber Tragödie, der Charafteripieler 


— —— 


*, Fr. Kratz und Banmeiſter gaſtirten u. A. im „Goldbauer“, in 
der „Widerſpenſtigen“, ferner in „Alte Flammen“, „Bei Waſſer und Brod“, 
„Hoffen und Harren“, „Die verzanberte Kate”, „Säfte über Gäſte“, „Prinz 
Eonti”, „Der Hansfpion“. 





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verbrodhen. Saner konnte Anfangs ‚nicht gehen und ftehen, aber ſein 
Schat natürlihen Talents wurde in Prag gehoben; er ftellt in der Tra— 
gödie, wo es die Verkörperung idealer Geftalten gilt, jenen Mann und 
fühlt fi) mit der Zeit auh im Frad heimiſch, doch neigt er mehr zum 
Helden als zum Liebhaber hin. Wie „Figaro hier, Yigaro dort”, fo war 
„Sauer bier, Sauer dort”; deshalb kommt fein Abgang fehr wugelegen. 
Das Spiel der Frl. Raabe zeichnete fich durch wohlthuende Friſche und 
Natürlichkeit aus; ein Anhauch gemwinnender, mädchenhafter Lieblichfeit macht 
viele ihrer Leiſtungen werthvoll, ihre Erſcheinung ift angenehm, ihr Ein: 
greifen in das Enfemble gereicht dieſem immer zum Vortheile. Scan: 
ipielferinen von der Bedeutung einer Lechner, Schulgendorff und Raabe 
vermag eine Bühne nicht fo leicht zu verjchmerzen, fie vermag eine Di- 
rection nicht fo leicht zu erfegen. — Frau Burggraf war eine glänzende 
Bühnenerfcheinung, die „Feenchände“ hat fie gewiſſermaßen geichaffen. Nicht 
in „Rleiderrollen” allein aber lag ihre Kraft, fie hatte auch Verſtändniß 
und Kraft für das höhere Genre... .” 

Ebenſo beklagte man den drohenden Abgang Haſſel's und 
der Elife Brand, der es wenigftens theilweiſe gelungen war, die 
Rudloff und Gebhardt zu erfegen. Der Poſſe follte in Frank ein 
draftiiher Komiker verloren gehen, und für Dolt wünſchte man eine 
feinen Talenten befjer entfprechende Beichäftigung. Die Abſchieds— 
Abende in den eriten Monaten des Jahres 1864 erbrachten den 
Beweis, daß das Schaufpiel in der Aera Thome über Mangel 
an Anerkennung nicht zu Hagen hatte, daß es aber auch auf einer 
der Würde diefer Bühne entjprechenden Höhe erhalten worden 
war. Zunädjt hatte Sauer fein Abfchieds-Benefiz. Er brachte 
das „bemoofte Haupt” und war nebſt Haſſel (Wichſier) der Gegen: 
ftand lebhafter Dvationen. Am 23. Februar verabjchiedete ſich 
Veteran Dieb, der feine breißigjährige Dienftzeit abfolvirt und, 
damit feine „volle Penfion” erworben hatte, als Hausfreund Schmerl 
in „Großjährig“, eine Rolle, die er feit 1847 mit immer gleichem 
Erfolge gefpielt hatte, und als Mefchores in einem Acte aus 
Cumberlands „Juden“. Dieg*) fchien das Zaubermittel für ewige 


*) ©, Seite 24. Diet hatte bei einer Heinen Truppe im Braun: 
ſchweig'ſchen als Franz in Körner's „Vetter aus Bremen“ zum 1. Male 
die Bühne betreten und war 1834 über Empfang Loewe's nach Prag eng. 
worden, Nicht lange nach feiner Penfionirung erfrantte Dies auf feinem 


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Jugend zu befigen. Obwohl er nun bereits im 60. Lebensjahre: 
ftand und drei Jahrzehnte in Prag’ gewirkt Hatte, ſah man ihn 
nody immer mit Vergnügen in Liebhaberrollen. Eine Zeitlang 
ſchien es, als hätte er definitiv das Charakterfach erwählt, aber 
fein Jago und Marinelli waren fo ziemlih die einzigen Böſe— 
wichter, zu denen er fich emporzufchwingen vermochte — dazu, 
meinte man, war er eine allzu gute Haut. Geachtet als Menſch 
und Künftler, fand Die an feinem Abſchiedsabende Beifall in 
reihem Maße; man wilnjchte noch oft den ſcheidenden Künſtler 
an die Stätte feines Ruhms zurid. Am 27. Febr. hatte Marie 
Frey ihr letztes Benefiz, und troß der gleichzeitigen Ankunft der 
Berwurideten aus Schleswig-Holftein war das Haus reid) bejeht, 
die Stimmung ſympathiſch bewegt. Und fo ging es nun von 
Abſchieds⸗ Abend zu Abjchieds- Abend. Am 2. März hatte als: 
Gräfin Autreval Augufte Burggraf ihren Chrenabend und 
nahm aus den Händen Oberländer's einen „von einem großen 
Damenkreife" gemwidmeten jilbernen Lorbeerkranz entgegen; am 
8. März bradıte Eliſe Brand Ebert’ „Gelübde“ als Abfchiedg- 
gabe, am 12. März war der Feitabend Oberländer’s, der 
abermals eine Novität, das Luſtſpiel „Die Compromittirten" von 
Yulius Roſen, und dem Helden des Abends zahlreiche DOvationen 
brachte; gleihe Ovationen galten Hedwig Raabe, die wenige 
Tage fpäter in der „Grille“ zum vorlegten Dale auftrat — am 
19. März aber fand die lebte Schanfpielvorjtellung unter der 
Direction home und das legte Auftreten der Damen Burggraf, 
Birnbaum, Brand, Raabe, Sternau, der Herren Haſſel, Yranf, 
Harry⸗Meyer, Oberläuder und Sauer ftatt. Jeder mollte ſich 
noch einmal im vollen Glanze feines Könnens zeigen. Man gab 
den erften Act der „Waife aus Lowood“ mit Frl. Brand, Scene 
„aus den Carlsſchülern“ mit Sauer als Schiller und Hedwig 
Raabe als Laura, „Narciß“ mit Harry-Meyer und Elife Brand 


Randgütchen in Kriſch, wohin er fi) zurüdgezogen hatte, fuchte im Prager 
allg. Kranfenhaufe Hilfe, ftarb jedoch fchon am 7. Sept. 1865 und mwurbe 
unter Theilnahme aller noch aus feinen Bühnenzeiten in Prag verbliebenen 
Mitglieder auf dem Friedhofe des Ortes Pankratz beitattet. 

34 


(Quinault), aus den „Schleihhändlern" mit Haſſel als Bader 
Schelle, den dritten Act des „Barifer Taugenichts" mit der Raabe 
(als Louis), Sauer (Eduard), Fiſcher (Morin), die „Plauder: 
ftunden” mit Augufte Burggraff (Hortenfe), und Oberländer (Arthur. 
dv. Norden), Frl. Sternau*) und der Komiker Frank endlich fangen 
ihre beften Couplets. Nach jedem diefer Fragmente und Parade: 
fcenen erbrauften Beifallsftirme. Zum Schluß erfchien Thome; 
um ihn gruppirten fi) die Mitglieder, nachdem fie am Fuße eines 
Transparents mit der Inſchrift „ Erinnerung” Lorbeerkränze nieder: 
gelegt hatten. Der Director ſprach die Abſchiedsworte, und der 
Beifall, der ihnen folgte, fchien ein Zeichen, daß man fich ungern 
von einer an Creigniffen reichen Periode der Prager Theater: 
gejchichte, von einem an werthvollen und interefjanten Kräften fo 
reihen Bühnenperjonal trennte. 


*), Nachmals Gattin des befannten Wiener Operettenfängers: Eppich. 





— 531 — 


XXII. 


Die Oper unter Fhomée. 
(1858 — 1864.) 


(Das neue Enfemble: Albert Eifer, Frl. Mil; Luiſe Tipfa als Sän- 
gerin und Dichterin, ihr Abfchteb von Prag. — Emminger penfionirt. — Luiſe 
Lichtmay und Babette Meller. — Capellmeifter Wilhelm Jahn. — Emilie 
Praufe, Pauline Lucca und ihre Prager Triumphe; Fräul. Grabinger, 
Helene Zawiszanfa und die Puftowojtow, Eleonore von Ehrenberg, Frau 
Prochazka-Schmidt und Frl. Boſchetti. — Debutantinen. — Zwei Conferva= 
toriums⸗Eleven: Camilla Klettner und David Bopper. — Neue Sänger: 
Franz Nahbaur, Bernard, Joſ. Kren, Haus Rokitansky; Preifinger und 
Illner T. — Capellmeifter Ludw. Slausky. — Das Repertoire: Die 
50jährige Jubelfeier des Prager Confervatoriums. — Meyerbeer: Norbitern, 
Dinorah; Berdi: Die ftcilianifhe Vesper, Traviata; Gounod: Fauft und 
Margarethe; Ambroife Thomas: Der Kadi, Raymond; — Rich. Wagner’ 
Beziehungen zur Prager Oper; Wagner’3 Correipondenz mit Dir. Apt; Ver: 
handlung wegen ber Aufführung von „Rienzi” und „Zriftan und Iſolde“; 
die Premiere von „Rienzi”; „Rheingold“ als präfumtive Prager „Krö- 
nungs-Oper“; bie Concerte unter Waguer's Leitung im Jahre 1863. — 
Die Offenbachſche Operette: Hochzeit bei Laternenjchein, Mädchen 
von Eliſonzo, Orpheus, Martin der Geiger, Fortunio's Niebeslied, Herr 
und Mad. Denis; Suppe: Zehn Mädchen und fein Mann, Flotte Burjche. 
— Bäfte in der Wera Thome. — Abſchiedsabende.) 


Die Aufgabe der Direction Thome, dag Opern-Enjemble 
Stöger's zu erjegen, war groß und fehwierig, und mannigfacher 
Wandlungen bedurfte es, ehe dies Ziel erreicht wurde, Weber den 
künftlerifchen Gehalt der erjten Opernvorftellungen in der neuen 
Aera täufchte das Gaſtſpiel eines Lieblingsgaftes der Prager, 
Luiſe Duftmann-Meyer, Hinmeg, neben welcher auch der 
. Tenor Hr. Meyer von der Wiener Hofoper eine Reihe von 
Heldentenorpartien fang. Vom Perjonal der Stöger’jchen Oper 
ſah man Bachmann, Fekter, Steinede, Emminger, die Damen . 
Tipfa und Brenner, welch leßtere abermals fiir die Prager 


Bühne gewonnen worden war und am 22. Mai 1858 als Lucia 
34* 


— 532 — 


mit entfprechendem Sepränge ihren Einzug hielt. Unter den ziemlich 
zahlreichen Debuts der erften Monate ergaben nur wenige ein 
erfreuliches Refultat. In der erſten Opern-Vorftellung der neuen 
Hera, „Don Juan”, machte man zumächlt zwei intereffante Belannt- 
Ichaften, jene des Baffiiten Albert Eilers und jene der Mezzo— 
fopraniftin Frl. Mik. Eilers, einer der beiten Vertreter jeines 
Faces, ift der Prager Bühne fieben Jahre treu und eine ihrer 
Stügen geblieben. Er führte fih als Pedro ein und machte mit 
jeder folgenden Partie (Marcel, Bertram, Landgraf, Comthur u. ſ. f.) 
entjchiedeneres Glück; Muſiker durch und durch, felbjt Componiſt 
auf den verfchiedenften muſikaliſchen Gebieten, fpeciell anf jenen 
des Männergefangs und der Kirchenmufif, jchuf er Sich eine ge- 
achtete Stellung in der Prager Muſikwelt, wie nachmals einen 
Auf in der deutichen Bühnenwelt überhaupt. Als Darfteller des 
Niefen Fafolt bei den Bayreuther Feftjpielen ift Eilers allgemein 
befannt geworden. Während feines Prager Engagements füllte 
er vorwiegend das Fach des erften hohen Baſſes aus, führte aber 
auch tiefe Partien mit Erfolg durch. Weberdies war er eine der 
werthvollften Kräfte für Concert-Aufführungen, Oratorien und 
Meilen, in der Gejellichaft beliebt und gern gejehen; als einer 
der Gründer der heiteren Künjtlergenoffenihaft „Schlaraffia”, 
welche — von Prag ausgehend — fich bald über ganz Deutſch— 
land und Defterreich verbreitete, und als Componiſt humoriſtiſcher 
Schlaraffenlieder ift er unvergeffen geblieben in den Prager 
Künftlerfreifen.*) — Frl. Mit führte ſich als Adalgiſa ein, er- 


*, Ludwig Albert Eilers ift zu Cöthen in Anhalt 21..Dec. 1830 
geb., ftubirte acht Jahre am kath. Gymnaſium zu Hildesheim, ein Jahr 
an der philojophifch-theolog. Lehranſtalt und trieb Schon in früher Jugend 
raſtlos Mufifftudien, begründete am Gymnaſium einen Privat-Gejangs- 
verein und fang öfters in geiftlichen und weltlichen Concerten. Ohne Beruf 
für den geiftl. Stand, übertrat er an die jurid. Facultät ın Leipzig und 
309g als Solift des akad. Gefangvereind „Paulus“ die allgemeine Aufmerk⸗ 
fanıfeit auf fih. Bei Gelegenheit der 1. Aufführung der Operette „Die 
Sängerfahrt“ von Drobifh und Conrad im Hotel de Pologne fang ©. 
mit ſolchem Erfolg die Baßpartie, daß man ihn beftimmte, die Sänger: 


— 553 — 


brachte als Alice und Yzucena weitere Beweiſe ihrer ftimmlichen 
und Einftleriichen Begabung und eines anfprechenden darftelle- 
riſchen Talents, jo daß ſie binnen Kurzem zu den beften Kräften 
des Inſtituts gezählt wurde. Außerdem finden wir im Opern- 
perjonal Frl. Joſefine Schmidt, die bereits früher debutirte 
hatte, in Alt- und Mezzojopranpartien, die Frls. Holland und 
Gautſch in jugendlichen Bartien, als Buffo-Sänger die Herren 
Rafael, Hovemann (Baß) und Markwordt (Tenor),*) 
den Igräichen Tenor Arnurius, der als Chateauneuf debutirt 
und mit feinen zarten Stimm-Mitteln jehr gegen den impojanten 
Reichel abſtach, einen tiefen Baß, Hrn. Hertzſch, der im Juni 
als Saraftro debutirte und durch Material wie durch künſtleriſche 
Schulung fih raſch Anerkennung verjchaffte, und einem zweiten 
Baryton, Herrn Duſchnitz, dem große Jugend und anjprechende 
Stimm-Mittel nachgerühmt wurden, endlih eine neue Prima— 
ballerina, Frl. Vogel, die ſich als Helene („Nobert") und Fenella 
glücklich einführte. Haffel fungirte als Opernregifjeur. 

Zur Ausfüllung der kläffenden Lücken wurden bereits 1858 


— 


carriere einzujchlagen. Er nahm Unterricht beim Baſſiſten Pögner, ging 
1852 nah Mailand und trat nad) würdiger Vorbereitung bei dem be- 
rühmten Baffiften Zezi und Brof. Roncetti-Montepiti in dad Conſerva⸗ 
torium zu Mailand, wo er im Gejange, in Elavieripiel, Harmonielehre n. |. w. 
bejondere Fortichritte machte, wurde durch den Caſtraten Giccarelli nad 
Dresden empfohlen und trat 9. März 1854 dort als Orovift zum erſten 
Male auf, wurde eng., zog auch die Anfmerkſamkeit Meyerbeers auf fich, 
nahm im Winter 1855 Engagement bei den Gewandhausconcerten in Leipzig, 
bildete fih in Bremen als Repertoireſänger aud und kam von dort nad) 
Prag. Seit Oftern 1865 ift Eilerd Vertreter des erften feriöfen Baßfaches 
am coburg-goth. Hofthbeater, fingt au Buffopartien mit fünftleriichem Ge- 
Iimgen und ſpielt ausnahmsweiſe größere Rollen im Scauipiel. Der 
Herzog hat ihn wiederholt ausgezeichnet und zum Kammerſänger ernannt. 
Bon feinen Compofitionen nennen wir „Spielmann’s Lied“, Operette in 
1 Act, „Die St. Johannis-Nacht“, Tom. Op. in 3 Acten, Ouverture für 
großes Orch., mehre Meſſen, Chöre n. A. 

*) Der Beteran Brava, em vorzäglicher Buffo, war ber Bühne 
verloren gegangen; am 26. Jän. 1858 hatte er den Daniel Capuzzi in 
Bampa zu feinen letten Benefiz geſungen. 


— 554 — 


alle Anftrengungen gemacht. Bor Allem galt es, eine dramatische 
Sängerin zu gewinnen; am 18. Mai ftellte fich eine Aſpirantin 
für diefes Fach, Frl. Fridlowsky, als Agathe, ſodann als 
Alice vor, und wurde mit Beridjichtigung ihrer ſympathiſchen 
Mittel, ohne Rückſicht aber auf ihren unentjchiedenen Erfolg enga- 
girt; Überdies war, wie bereits bemerkt, Jenny Brenner zurüd- 
gekehrt, um vorläufig neben Luiſe Zipfa und nad) deren für das 
nächte Jahr bevorftehendem Abgange als Remplacantin derjelben 
im Coloraturfahe zu wirken. Auch Frl. Haſſel, die Tochter des 
Opern⸗Regiſſeurs (nachmals Frau Hallenftein), trat nach einem 
im Auguft abjolvirten Probegaftipiel (als Aennchen im „Freiihüg” 
und Bage in „Johann von Paris") in das Opernenfemble cin, 
dem jie als Sängerin und Darftellerin von anmuthiger Er⸗ 
icheinung, ſympathiſchen, wenn auch befcheidenen Stimm-Mitteln 
und friſchem Spiel zum Vortheil gereichte. 

Die Verſuche zur Completirung des Perſonals füllten das 
erfte Jahr der neuen Directions-Aera fast vollfommen aus. Im 
September 1858 debutirte während einer langwierigen Krankheit 
Steinede’8 der Barntonift Hardtmuth und wurde engagirt; fir 
Bachmann, deſſen wechſelnde ftimmliche Dispofition mannig- 
fache Berlegenheiten bereitete, mußte jchon im Herbſt Reichel 
eintreten, der ſich als Raoul und Yan von Leyden noch im Voll— 
befige feiner jeltenen Mittel erwies. Zu Oftern 1859 ſchied Luiſe 
Tipka aus dem Engagement, das ihr neben Rofen aud) Dornen 
in reicher Zahl gebracht hat. Man bewunderte ihre ungewöhn— 
lichen künſtleriſchen Fähigkeiten, und dennoch konnten diefe nicht 
entfprechend im Dienfte des Inſtituts verwerthet werden. In den 
Salons der beiten Prager Gefellichaft war die geiftvolle Sängerin 
sehr gejchäßt; fie ftand im Mittelpunfte der Künftlerfoireen in 
dem gaftfreundlichen Haufe der Fürſtin Colloredo und erweckte 
Intereſſe nicht allein als Künftlerin jondern auch als Dichterin. 
Ehen in den Tagen, da ihr Scheiden von Prag bevorftand, er: 
ſchien dafelbft*) ein Baud ihrer der Gräfin Harbegg gemidmeten 


*) Verlag von Carl Bellmanı. 


— 535 — 


Gedichte, welche ſie jelbft als „die Ergebnifje vieler dornenvollen 
und weniger rofigen Augeublide" ihres Lebens bezeichnete, Poöfien 
welche die ftimmungsvollen Ergüffe eines tiefen Frauengemiths 
waren. Die Sympatbien, die fich Luife Tipfa in Prag erworben, 
traten denn auch bei ihrem Abjchied zu Tage. In ihrem lebten 
Benefiz (Barbier von Sevilla und die neufcenirte komiſche Oper 
„Mozart und Scikaneder") war fie der Gegenitand vieler Ova⸗ 
tionen, am 7. und 13. April 1859 verabjchiedete fie fi) als 
Königin der Nacht, in ihrer effectvolliten Partie, am 10. April 
in einem Concert unter Mitwirkung der beiten Schaufpiel- und 
Opernfräfte, um dann zunähft in Brünn, ſpäter in Wiesbaden 
zu gaftiren. In lebterer Stadt, wo fie auch mehre Jahre Enga- 
gement nahm, begründete fie ihren großen Auf, den fie durch 
Gejangftudien in Paris und Mailand und durch Gaftfpielreifen 
in Europa erweiterte.*) Heute wirft die Sängerin, welche einem 
würdigen Gatten, dem Capellmeifter Haus Weinlich, emem 
feingebildeten, tenntnißreichen Muſiker, die Hand gereicht hat, als 
Leiterin und Inhaberin eines bedeutenden Muſikinſtituts in Graz, 
welches bereit8 hervorragende Sängerinen wie Angeline Zuger, 
Hedwig Roland, Marie Renard u. A. ausgebildet hat und als 
eine der gediegeniten Pflanzjchulen für die deutiche Oper in 
ganz Deutjchland und Oeſterreich in hohem Anfehen fteht. In 
einem zeitgenöffiichen Urtheil finden wir die fünftlerifche Bedeu⸗ 
tung von Luife Tipfa in zutreffender Weife folgendermaßen cha— 
takterifirt: 

„su Luiſe Tipka begrüßen wir eine der intereffanteften Erſcheinungen 


*) Bei ihrem Abjchiede von Wiedbaden ging ein Regen von Blumen 
und Gedichten nieder, die ganze Stadt nahm Antheil an bem Scheiben 
ihres Lieblings. In Paris ftudirte Luiſe T. bei Frau Marchefi, den Hrn. 
Gevarde und Porto ein Jahr, machte in Soireen und Concerten Auffehen 
und verlehrte in den erften PBarifer Künftlerkreifen, namentlid in ben 
Salons Naudin’s. Bon Paris aus ging fie auf Concertreifen nad) Holland, 
allerorten Triumpbe feiernd. In Mailand verkehrte fie mit Lampugnani, 
Carlotta Patti, Barefi u. |. w., excellirte beſonders mit ihren ungariſchen 
Nationalliedern und eignete fich unter Leitung des Maeftro PBebront das 
italienische Repertoire vollkommen an. 





— 536 — 


der gegenwärtigen Künftlerwelt, eine bramatifche Sängerin pon bober Boll: 
endung, eine liebenswürdige, durch und durch poetifche, feingebildete Per⸗ 
fönfichkeit. Die Stimme der Künftlerin hat fi zu einem Hangvolfen, 
tröftigen hoben Sopran von jehr bedeutendem Umfange entwidelt; fie befitt 
eine bewundernswerthe Geſchmeidigkeit und Biegſamkeit, mittelft welcher 
fie fpielend bie größten gelanglichen Schwierigkeiten überwindet; dabei ver- 
fteht fie ihren muſikaliſchen Charakteren dramatiſches Neben einzuhauchen, 
obgleich ihr ganzes Auftreten und Spiel fern von jener oft überfläffigen 
und unſchönen Bühnen-Cognetterie ift, die ung leider fo häufig an unfern 
modernen dramatiichen Künſtlerinen mißfällt. Aug ihrem bebentenbem 
Repertoir find als befonderd ausgezeichnet zu erwähnen: „Lucia“, „Marga⸗ 
retbe von Valois“, „Nachtwandlerin“, „Königin der Nacht“, „Leonore“ im 
Zroubadour, „Dinorah”, „Iſabella“ in Robert ꝛc.“ 

Ein bedeutender Verluſt für die Prager Bühne war aud 
der Abgang des würdigen Veteranen Emminger, der — obwohl 
bereit3 jtarf in ben Hintergrund gedrängt — noch in jeder Auf- 
gabe feinen Mann jtellte und durch jeine mafelloje Tonbildung, 
durch die treffliche Verbindung der oberen und unteren Megifter 
feines normalen Tenors manchen Vergleich mit jüngeren Kräften 
und zwar durchaus nicht zu feinen Ungunſten wachrief. Als 
Baſilio in der „Hochzeit des Figaro“ feierte er am 13. Jäner 1859 
fein legtes Benefiz (neben ihm fang eine Debutantin Frl. BPrudner 
die Sufanne).*) Zu Oftern trat Emminger nad) Zbjähriger Wirt: 
jamfeit an der Prager Bühne in den Nuheftand. Er ftand num 
im 55. Lebensjahre (geb. 1804), war 1834 mit Stöger nad 
Prag gekommen, hatte bier in 150 Opern 300 Bartien gejungen 
und glei Strafaty als Concert: und Kirchenfänger eine rege 
Thätigfeit entfaltet. Nach feiner Penfionirung widmete er fi) 
hauptfächlich dem Lehrfache und wirkte ab und zu „als Gaft" 
nod) in Opevnvorftellungen mit, bis ihn am 26. Dec. 1872 ber 
Tod ereilte. 


Bon Gewinn für die Oper war das Engagement zweier 





*) „Figaro” war bamals folgendermaßen beſetzt: Almaviva:Steinede, 
Gräfin-Frl. Mit, Figaro-Hr. Hersih, Sufanne-Frl. Pruckner, Cherubin- 
Fl. Lichtmay. Marcelline-Frl. Schmidt, Bärbchen-Frl. Gautſch, Baſilio⸗ 
Emminger, Bartolo⸗Hovemann, Gänſekopf⸗-Markwordt, Antonio⸗-Haſſel. 





— 537 — . 


Sängerinen von künſtleriſchem Werthe, Luife Lihtmay und 
Babette Meller. Luife Lichtmay hatte in Olmütz und Graz 
ihre Carriere begonnen und debutirte in Prag am 2. Yäner als 
Negimentstochter mit ganzem Erfolge, einnehmend durch Erjchei- 
nung, Stimm-Mittel, ſichere Intonation, Deutlichleit des gejunge- 
nen Wortes und frische, refolute Darjtellung. Ihre weiteren Debuts 
als Zerline in „Fra Diavolo" und Catharina in der damals 
neuen „Hochzeit bei Laternenſchein“ verftärkten diefen Erfolg; fie 
wurde als Opernjoubrette nud jugendliche Sängerin von größtem 
Bortheil für das Enfemble und das Mepertoire, das durch die 
Offenbachiaden eben in jenen Jahren eine eigenartige Erweiterung 
erfuhr. — Für das Fach der dramatischen Sängerin, das pro- 
viforifch (bis Februar) Frl. Friedlowsky mit ſchwachem Erfolge, 
verwaltet hatte, wurde in Babette Meller cine tüchtige Kraft 
engagiert. Die Sängerin hatte ſchon im November 1858, von 
Braunschweig fommend, als Valentine, Fides, Leonore in „Fi— 
delio“, Lucrezia und Elifabeth („Zannhäufer") debutirt und durch 
Umfang wie Schönheit ihres dramatischen und Mezzofopranpartien 
gewachſenen Organs, großes darjtelleriiches Talent, lebhaftes dra⸗ 
matifches Temperament und ſympathiſche Erjcheinung für fich ein- 
genommen; am 22. Februar 1859 trat fie ihr Engagement als 
Valentine an, wurde aber leider ſchon am 16. Juli der Prager 
Bühne durch den Tod entriffen.*) 


Mittlerweile hatte fich auch ein Ereigniß von Bedeutung für 
die fernere Geftaltung der Prager Opernverhältnijje vollzogen: 
Der bisherige Capellmeiſte Neswadba war aus dem Engage⸗ 


*) Babette Meller (geb. Müller) war in Augsburg geboren, 
botte am Münchener Doftheater ihre theatralifche Carriere begonnen und 
zwar als Tänzerin, worauf fie zur Oper überging, zumächft ald Soubrette, 
bann als dramatiſche Sängerin Glück machte und in Frankfurt, Königs- 
berg, Braunfchweig mit großem Erfolge fang. Ihr Brannſchweiger Con⸗ 
tract wurde mit Mühe gelöft, um fie der Prager Bühne zu gewinnen, doch 
wurbe fie bald dem Repertoire entzogen und ftarb am Puerperalfieber. 
Hr 18. Juli wurbe fie auf dem Wolichaner Friedhofe beigejett, wo befannt- 
ih auch Catharina Bergopzoom, welche ein gleiches Schickſal hatte, ruht. 


— 538 — 





ment getreten und einem Rufe an das BVictoriatheater in Berlin 
gefolgt; an feiner Stelle aber erihien ein in Prag unbe- 
| fannter Deufifer, Capellmeiiter Wilhelm Jahn, am Diri- 
| gentenpulte des Theaters. Jahn hatte zur Zeit, da ihn der Auf 
Thome’s nad) Prag traf, noch feine hervorragende Künftlerlauf- 
bahn Hinter jih. In Defterreihifh-Schlefien geboren, hatte er 
unter deu ſchützenden Fittigen des Olmüßer Fürſterzbiſchofs Baron 
Sommerau das muſikaliſche ABE und noch etwas darüber im 
mähriſchen Rom erlernt, jo daß er in Temesvar feinen erften’ 
Waffengang als Capellmeifter wagen konnte. Vom Banat führte 
ihn feine Wanderfchaft nad) Kroatien, von wo er auf ftarken 
Umwegen in Peſt und Krakau anlangte. Diefe Carriere war nicht 
gerade glänzend, aber Ichrreih: ſie hatte dem jungen Meeifter 
Prüfnngen auferlegt und Erfahrungen erworben; er hatte die 
Geſchmacksrichtungen interefjanter Nationen Tennen gelernt und 
durfte mit einiger Berechtigung hoffen, auch den berühmten ®e- 
Ihmad der gewejenen „Mozartitadt" an der Moldau zu treffen. 
Am 26. April 1859 debutirte der neue Capellmeifter in dem 
neuerrichteten Neuftädter Theater (e8 war der zweite Abend diefer 
Bühne) mit „Lucia“ und fand feine Gnade vor den Augen der 
Profeflioniften in der Muſik. Erſt durd) die glänzende Premiere 
von Wagner’ „Rienzi“ erwarb fi Jahn das muſikaliſche Bürger: 
reht in Prag und die Achtung der enragirtejten Xocalpatrioten 
in der Muſik. Je länger er am Dirigentenpulte ſaß, defto mehr 
wußte man feine Tünftleriiche Bedeutung zu jchägen: er erkannte 
die Bedürfniffe der Bühne in Hinficht des Repertoires und des 
Perſonals und hat, wie wir jehen werden, die Thome’sche Oper 
auf eine hohe Stufe gebracht. Schon im erjten Jahre feiner 
Prager Wirkjamteit rief man ihn an die Wiener Hofoper; ein 
glänzender Vertrag war bereit unterjchrieben, doch machte die 
Prager Direction alle Anftrengungen, fich den kaum gewonnenen 
Sapellmeifter zu erhalten — der Wiener Vertrag wurde dem 
auch, als Dejoff für Wien acquirirt war, auf gütlichem Wege 
gelöft. Prag ift gewilfermaßen der Ausgangspunkt der Garriere 
Jahns gewefen. Von hier führte ihn fein Weg nach Wiesbaden — 





— 539 — 


aber der Blick der. leitenden Berjönlichkeiten Wiens blieb auf ihn 
gerichtet, und mit 1. Jäner 1881 trat er das ehrenvolle und 
verantwortungsreiche Amt des Directord der Wiener Hofoper an. 
Was Eduard Hanslid damald über den neuen Director jchrieb, 
fann als die bejte Charakteriftif Jahns gelten. Schon in Wies« 
baden hatte auf einer feiner Studienreifen Hanslid den fünftigen 
Wiener Opern-Director in feinem Wirfen beobachtet. 


„Die Sefammtbeit der Sänger und Muſiker“ — jo fchildert der maß⸗ 
gebende Kritiker feine Wiesbadener Eindrüde*) — „Ichten verbunden durch 
ein eigenthümlich muſikaliſches Etwas, das als eleftrifches Fluidum von 
bem Blid und der Hand des Dirigenten ausftrömte. Wo folche Fünftfe- 
riſche Uebereinftimmung herrſcht, da tft fie ficherlich Verdienit des Dirigenten, 
der nicht bloß auf das Orcheſter jondern ebenfo fehr auf den Vortrag ber 
Sänger beftimmenden Einfluß nimmt. Jahn war jelbft eine zeitlang Opern 
fänger, bevor er den Tactirftab ergriff — eine werthvolle Vorfchule. Com⸗ 
ponirt bat er nur einige Lieder. Das Wiesbadener Publicum verhielt ich 
an jenem Abende („Holländer“) ſehr fühl gegen bie Sänger, begrüßte hin- 
gegen Hrn. Jahn bei feinem Eintritt in's Orchefter mit ſchmeichelhaftem 
Zuruf Die Zufhaner applaudirten, die Muſiker bliefen Tufch, und einige 
fremde Studenten, welche den lorbeerbefränzten, blonden Zahn vielleicht 
für den König Gambrinug hielten, machten Miene, ihm einen Salamander 
zu reiben. Zweierlei konnte jelbft der Fremde wahrnehmen: bie große 
BeliebtHeit des Gapellmeifterd Jahn und feine unbedingte Autorität über 
das Perfonal .... Ich jelbft glaube nicht an Wunder, doch hörte ich im 
„Nonnenhof“ verfihern, Zahn babe kuͤrzlich die „Buritaner” von Bellini 
jo meifterhaft einftudirt, daß fie nicht fehr langweilig waren..... 4 


Diefe Wahrnehmungen, welche Hanslid im Jahre 1880 in 
Wiesbaden gemacht, konnte man unter anderen Verhältniffen wohl 
Ihon zwanzig Jahre vorher in Prag machen und eben die That- 
fache, daß ſich Jahn, ein Fremder, in dem an eingeborenen Deu: 
jifern überreichen Prag eine geachtete, nahezu fonveräne Stellung 
zu erobern mußte, zeugte frühzeitig von feinem Dirigenten-Berufe. 
Was Wilhelm Jahn der Wiener Hofoper ift, bedarf hier faum 
der Erörterung. Er hat dies Inſtitut aus krauſen Verhältniffen 
emporgehoben, als Capellmeifter und Director unter wechjelnden 
Berhältnifjen dem Wiener Hofoperntheater feinen großen Auf 


— — 





*) „Neue Freie Preſſe“, Nr. 5880, 11. Jäner 1881. 


— 50 — 


behauptet, jeder Oper aber, die feine fichere Hand dirigirt, «ft 
eine glänzende Interpretation gewiß. 

Gleichzeitig mit Jahn debutirte die Coloraturjängerin Emilie 
Praufe (nadhmals Kainz-PBrauje) als Lucia, fodann als Martha 
und nahm troß der Beliebtheit ihrer Collegin Brenner jofort für 
fi ein.) Emilie Praufe erweiterte rajch ihren Wirkungskreis 
und hatte nach dem Tode der dramatischen Sängerin Meller nicht 
nur deren Fach proviſoriſch zu verwalten fondern bradıte auch 
das Kunftftüd zu Wege, an Einem Abend Coloraturfängerin und 
dramatische Sängerin in Einer Perfon zu fein. Als fih an ihrem 
Benefizabend die Nepräfentantin der Königin in den „Dirgenotten” 
(Frl. Brenner) frank melden ließ, jang Frl. Prauſe außer der 
Valentine, die zum erften Male in ihren Händen war, auch noch 
die Königin. Da fi die beiden Opernheldinen glücklicherweiſe 
nicht viel im Wege ftehen, machte fich die Sache. Die Kehle und 
Kunft des Frl. Praufe reichte für Valentine und Margarethe aus, 
und wenn unbedingt neben der Kehle noch eine Perſon nöthig 


*, Emilie Clotilde Thekla Kainz-PBraufe wurde zu Uugar.-Oftra 
in Mähren am 9. Juni 1840 als die Tochter eines Tiechtenfteinfchen Oeko⸗ 
nomte-Beamten geb., ihrer frühzeitig auffallenden Stimm- Mittel wegen von 
ihrem Vater zur Ausbildung nah Wien gefandt, von Balabonna geprüft, 
von Arlet und Salvi unterrichtet, worauf fie am Kärntnertbortbeater in 
Heinen Partien ihre Bühnenlaufbahn begann. Ihre erfte Bartie war ein 
Genus in der „Zanberflöte”. Bon Wien Tam fie nah Brünn, dann 
Braunſchweig und als Coloraturfängerin nah Prag, mo fie (f. oben) 
bald audy im dram. Fache glänzte. Bon Prag führte fie ihr Weg nad 
Holland; fie wurde für eine große Concertreife nach Oftindien eng., 308 
ed aber vor, als dram. Sängern nad Prag zurüdzulehren. Frl. B. war 
noch in der nächſten Divectiond-Periode unter Wirfing eng. Bor ihrer 
Reife nach Holland Hatte fie fich mit bem Privatier Kainz vermält, weldyer 
Ehe ein Sohn entiproß. Nach ihrem 2. Prager Engagemest fam fie nad 
Wien, fang vornehmlich Meyerbeer’iche und ital. Opern, und unterichrieb 
nah 2 Fahren einen 10jähr. Eontract an das Dresdener Hoftheater, wo fie, 
zur königl. Kammerfängerin ernamt, bis 1877 wirkte und ald Wida und 
Leonore im „Troubadour“ zum lebten Male fang. Seit 1877 lebte fie 
fünf Jahre zu Olmüs, nunmehr in Graz. Zu ihren beften Rollen zählte 
man die Leonore, Donna Anna, Norma, Fidelio, Ulcefte, Valentine, Fides. 








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war, trat ein Frl. Valentini, an welcher der Name das In— 
terefjantefte war, al8 Nepräjentantin der Valentine in die Breſche; 
das Publicum aber jubelte der „doppelten Sängerin" zu. Solche 
Kunftftückhen ließen fih auf die Dauer allerdings fchwer ein- 
bürgern, und bejorgt ſpähte der geniale Opernleiter nach einer 
neuen und wahren Valentine aus. In diefer bedrängten Lage 
traf ein Strahl der Erleuchtung den Capellmeifter, der fich eben 
abmühte, ein Repertoire ohne Primadonna zu combiniren. Ein 
Bernfsgenofje, Capellmeifter Klerr von Peft, war auf einer Ent- 
deckungsreiſe nach Sängerinen und Muſikern in der böhmijchen 
Zandeshauptjtadt angelommen und verrieth feinem aufmerkfamen 
Collegen in einer ſchwachen Stunde, daß er einem „anußerordent- 
lichen Zalente” auf der Spur fei. Beſagtes Talent erfreue ſich 
derzeit in Olmüg der lebhaftejten Sympathien von Militär und 
Civil, habe wahre Schäge von Gold in der Kehle und müßte ein 
exquiſiter Fang für Peſt fein. Auf 150 bis 200 fl. monatlid — 
erflärte der arglofe Talentforſcher — komme e8 der Peiter Di- 
rection nicht an, und ein jo nettes Sümmchen fönne unmöglich 
verjehlen, die Olmüger Brimadonna zu ködern. Gapellmeijter 
Jahn machte fein unſchuldigſtes Geficht und warf im Verlaufe 
der Converjation nebenher die Frage hin, wie denn eigentlich diefe 
celebre Sängerin in der mährischen Bifchofsjtadt heiße. „Bauline 
Zucca,“ *) erwiderte Klerr, „eine junge Wienerin, hat ſich im Chor 


*) Bauline Yucca, geb. zu Wien 1841 (nad) Wurzbach), erhielt ihren 
erften Singunterricht bei ihrem Schullehrer Walter; 1848 verloren ihre 
Eltern ihr Vermögen, fie nahm nun ernften Gejangöunterricht, erhielt Be⸗ 
ihäftigung im Kirchenchor, 1856 Aufnahme in ben Hofopernchor, mo thre 
anmuthige Ericheinung, ihr Talent und Eifer die Aufmerkſamkeit von Ken 
nern und Fremden auf fie zogen. Der ehemalige Tenorift Uffmann und 
Prof. Rich. Löwy festen ihre Ausbildung rationell fort — fie jelbft aber 
fbte nım fleißig zu Haufe Soli, während fie Abends im Chore fang. An 
einem Sonntag Nachmittag fang fie vor einem Heinen Kreiſe von Per: 
wanbten und Mufillenneen die Lucrezia Borgia zur Probe, machte einen 
erfolgreichen Gaſtſpielausflug nah Olmüg und wurde nad ihrer Elvira 
in „Srnani” als Brimadonna engagirt. Mit’ raftlofem Eifer ſchuf fie ſich 
dort ein Nepertoire und kam nah Prag. Ihre weitere Carriere ift be» 





— 542 — 


der Wiener Oper entdeden lafjen, jung, fchön, Stimme wie eine 
Nachtigall!" Jahn wußte genug, und da in der Theaterwelt das 
Kapern ein erlaubtes Vergnügen ift, war er fofort entjchloffen, 
jeinen Director zum, Einfangen der Olmützer Nachtigall zu ver- 
anlafjen. Thome war mehr als einverftanden, verfprah 4000 fl. 
Sage, Jahn aber eilte aufs Xelegraphenamt, das Engagement 
perfect zu machen. Die Heine Pauline kannte nicht Angſt und 
Bangen, fie vertraute auf ihre Kehle und auf ihr Zheaterblut, 
wagte die Reife und trat beherzt auf die Bretter, welche eine 
Bondint, Saravoglia, Grünbaum, Sontag und Zuger ſiegreich be- 
Ichritten hatten. 

Am 12. April 1860 erſchien Pauline Lucca zum erſtenmale 
auf der Prager Bühne. Es war eine Findliche, niedliche Valentine, 
die neben der glänzenden Margarethe einer erprobten Coloratur- 
jängerin, Jenny Brenner, erichien; aber die klugen, feurigen Augen 
der Tleinen Valentine beherrichten bald das Publicum, das fich zu 
dem theatralifchen Ereigniffe in reicher Zahl eingefunden hatte. 
Die älteften Habitues erinnerten fi) noch an jenen denkwürdigen 
Abend, da ein anderes „Kind", Henriette Sontag, neben 
fampferprobten Veteranen mit fiegender Allgewalt an derjelben 
Stelle erjchienen war, gejungen und gefiegt hatte. Der Name 
„Lucca“ war fremd in der Theaterwelt, Niemand hatte ihn ge- 
hört, Niemand vertraute ihm — und was follte aud) aus Olmütz 
Gutes fommen! Die erften Töne änderten die Situation voll- 
fommen zu Gunjten der feineswegs zaghaften Debutantin. Das 
Hang in der That wie Nachtigallenjchlag, friſch, melodifch, zu 
Ohr und Herzen dringend. Ein foldhes Organ bei foldy reizender 
Erjcheinung — konnte es günftigere Siegesbedingungen geben? 
Ein Beifallsfturm, wie er felten in diefem Haufe, bei diefem Pur 
blicum, dem ſchon C. M. v. Weber jede Fähigkeit zum Enthufias- 
mus abgefprochen hatte, gehört worden war, erhob jich nach ihrer 


tannt. Sie hat einen Weltruf erlangt wie die Patti und wirkt noch heute 
mit unverminderten Grfolgen und blendenden Mitteln ald Gaſt an der 
Wiener Hofoper, von wo fie weite Ausflüge unternommen und überall 
Triumphe gefeiert bat. 


— 33 — 


erften Arie. Die Fülle ihrer hohen Töne rief die hellite Bewun—⸗ 
derung wach. Auch die Kritik, welche der jugendlichen Anfängerin 
entichievenes Mißtrauen entgegenbrachte, nicte zuftimmend; Franz 
Ulm ſchrieb wohlwollend und mit einer gewiſſen PBrophetengabe: 

„In der Leiſtung der jugendlihen Debutantin, Fräulein Lucca, als 
Balentine, find es nicht fchon vorhandene Vorzüge, die ihre erſten Erfolge 
rechtfertigen, fondern die Hoffnungen, die ſich faft mit Sicherheit an ihre 
weitere Wirkſamkeit nüpfen laflen, obwohl es immer gewagt bleibt, ſchon 
nach einer Rolle maßgebend propbezeien zu wollen..... Ein Vorzug ber 
Debutantin, der faft noch jchwerer wiegt ald das, was fie bringt, feheint 
angenblicfich zu beweiſen, daß Hier nicht blos Ein- und Angelernteö an 
das Bublicum appellirt; ihr Vortrag zeugt von geſundem Verſtändniß in 
der Auffaffung, von richtigem Gefühl in ber Wiedergabe, es iit das aus⸗ 
geijprohene Talent, welches, wie es ſcheint, das Richtige trifft, ohne 
der inneren Bebeutung -der Aufgabe und ihrer äußerften Schwierigkeiten 
bis zum leßten ängftigenden Grabe bewußt zu werden. Daß dies viel zu 
jagen hat, begreift fich leicht, und wir wollen nur hoffen, die günftige Mei- 
nung für Fräulein Lucca fei nicht nur burd einen erften ſozuſagen 
verblüffenden Eindruck hervorgerufen, jondern werde ſich meiterhin be= 
ftätigen . . .”*) 


Daß die Zukunft dieſes Urtheil vom 13. April 1860 nicht 
Ligen geftraft hat, ift uns Allen bekannt. Pauline Lucca hatte 
ihren erjten entſcheidenden Schritt zu ihrer großen Carrière ge- 
than. Die zweite Debutrolfe der Lucca war die Norma, eine 
„lächerlich junge" Norma, wie fie unerhört war in den Annalen 
der Prager Bühne, und der Erfolg war noch größer als das 
Glück der Valentine; er war fo entfchieven, daß die Theater⸗ 
Intendanz auf einen Paragraphen ihrer Inſtruction vergaß und 
die jugendfrifche, bezaubernde Sängerin fofort engagiren Tieß; 
Ihon am 17. April trat fie als Pamina dies Engagement an. 
Die kleine Norma war zum Liebling Prags geworden, das fie 
unter feinen Augen künſtleriſch immer größer und größer werden 
ſah. Der Mann, der am Dirigentenpulte ſaß, verftand es, diefes 
Wachsthum zu fördern, und fehon im Detober jah er mit freu- 
digen Antheil die geraubte Perle von Olmüg fein Benefiz als 
Iphigenie von Tauris verfchönen. Aber die Lucca-Begeifterung 


*) ‚Bohemia”, vom 13. April 1860. 


— 54 — 


der Prager war allzu laut zu Tage getreten; dev Auf der flemen 
Bauberin, der „gebornen Primadonna”, wie man in diefem Falle 
jagen fonnte, war über das Weichbild Prags hinausgedrungen, 
und was Prag an Olmütz geſündigt hatte, follte ihm von Berlin 
heimgezahlt werden. Herr v. Hülfen hatte ſchon feine Angel aus: 
geworfen, und Director Thome war furzfichtig genug gewejen, die 
rechtzeitige Sicherung feines Goldfiſches zu verfäumen. ‘Der Köder 
von Berlin verfing Als Pauline Lucca am 7. Februar 1861 
in Prag die Veſtalin zu ihrem Benefiz fang, ſaß bereits der 
Berliner General⸗-Intendant in einer Loge und lächelte verjtändniß- 
inig der triumphirenden Künftlerin zu. Der Eigenthümer der 
Prager Gasanftalt, Hr. Friedland, hatte Meyerbeer auf die 
Lucca aufmerffam gemacht, Meyerbeer Hrn. v. Hilfen, der indeß 
auf feine erjte Aufforderung an die Sängerin gar feine Antwort 
erhielt. Trotzdem veifte der General-ntendant nach Prag, Hörte 
ihre Bamina, ließ fi) noch zwei Probe-Arien vorjingen und enga— 
girte die jugendliche Primadonna mit 5000 Zhlr. jährlich nebft 
Spielhonorar und Eoftimen. Da die Prager Direction eine Gage- 
Erhöhung ablehnte, fagte Pauline Lucca zu, überſah jedoch den 
Prager Kindigungs- Termin, jo daß e8 Thome durchjehte, daß fie 
nod) fünf Donate nach ihrer Bequemlichkeit in einzelnen Ab⸗ 
theilungen in Prag fingen mußte. Als die Uingetreue am 25. März 
auftrat, warf ihr ein empörler Verehrer einen Strohfrang — zwei 
Zage jpäter pflüdte fie als Balentine ihre erjten Lorbeern in 
Berlin. Im Juli fehrte Pauline Lucca wieder und wurde als 
Balentine mit Jubel und Blumen empfangen. Die Klagen über 
die „Oekonomie“ der Direction, welche ſich eine ſolche Perle hatte 
rauben lafjen, waren allgemein: Ihren größten Triumph feierte 
fie mit der „Negimentstochter”, doc) hatte das contractliche Gaſt⸗ 
fpiel nur furze Dauer. Das nunmehrige Verhältniß der Lucca 
zur Brager Bühne war am bejten und eigenartigften durch den 
Theaterzettel angedeutet, der die „gl. preuß. Hofopernſängerin 
Bauline Yucca als beurlaubt” anführtee Am 11. Februar 1862 
begann ein. neuer Gaftjpielcyelus der Entflohenen, welche als 
Reha in der „Jüdin“ mit Blumen iberfchittet wurde. 


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Wie fchwer es hielt, für eine Sängerin von diefer phäng- 
menalen Bedeutung einen Erſatz zu Schaffen, zeigte fich bald. Ihre 
nächfte Nachfolgerin, Frl. U. Grabinger, die Tochter des 1852 
verjtorbenen Prager Schaufpieler-Veteranen, welche im Ypril 1861 
als Valentine und Elfa debutirte, Hatte als Landsmänin ftarke 
Sympathien für fi, nahm duch Anmuth und poetische Gejtal- 
tung ihrer Rollen für fich ein, vermochte ſich aber nicht einzu- 
bürgern; fie war die erfte Prager Margarethe in Gounod's 
„Fauſt“. Erſt durch das Wiederengagement der Frau Kainz- 
Praufe, das mit 22. April 1862 begann, war wirklich ein Erſatz 
geichaffen. Mit Frl. Grabinger, welche die Gattin des Bafliften 
Hertzſch wurde, hatte Dir. Thome einen Proceß durchzuführen 
wegen der Weigerung, eine außerhalb ihres Faches liegende Partie 
(den Cherubin) zu fingen; der Director unterlag. - 

Die Berfonalbewegung in den übrigen Fächern der Oper 
jet hier mit flüchtigen Strichen ſtizzirt. Eine Neihe vorzüglicher 
Kräfte, an die man aroße Hoffnungen gefnüpft hatte, waren ber 
Bühne verloren gegangen. Schon im Herbſt 1860 verließ Frl. 
Lihtmay das Engagement — fie follte Carriere machen, fam 
an das Hamburger Stadttheater, dann an die Wiener Hofoper, 
1863 nad) Rotterdam, ein Jahr ſpäter nad) Brüſſel, widmete ſich 
ganz der franzöfifchen Oper, gehörte 1866 ala „Luiſe Lichtmay- 
Garay“ der großen Oper in Paris an und machte nadymals auch 
eine amerikanische Tournee. — Mit großen Schwierigkeiten war 
die Beſetzung des Alt- und Mezzojopran-Faches verbunden, das 
durch den Abgang des Frl. Mit (nachmals Gattin des Violin- 
meifters und Confervatoriumsdirectots Bennewitz) im Früb- 
jahr 1862 frei wurde. Nach einer Neihe obligater Debut-Unfälle 
ſchien in einer temperamentvollen Bolin, Frl. Helene Zawiszanfa, 
ein ebenbürtiger Eriag gefunden. Sie fam vom Stadttheater in 
Hamburg und führte fi) am 29. April als Fides ein. Drama 
tifches Temperament, darjtelleriihe Routine, feltene Vorzüge des 
Organs (leicht und ſchön anfpredyende Höhe bei aller Sonorität 
des Altregifters) nahmen fofort für fie ein, und nad) ebenjo glüd- 
lich fortgefeßtem Debut fang fie im Juni die Eglantine als 

35 


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Antrittsrolle. Jede ihrer Leiftungen gewann durch die leiden- 
ſchaftliche Gluth, welche fie erfüllte, Intereſſe; fte glänzte nicht 
allein in ihrem eigentlichen Yache, auch der Page Urbain in den 
„Hugenotten" 3. B. zählte zu ihren Forcerollen. Eine gewifje 
politiſche Rolle fpielte Frl. Zawiszanfa 1863, zur Zeit des pol- 
nischen Aufftandes in Prag, wo fie Aller Sympathien für ihre 
um die Freiheit fämpfende Nation wachrief. Die Buftowojtow, 
der feinerzeit vielgenannte weibliche Adjutant des Polenführers 
Langiewicz, war der polnischen Sängerin in unzertrennlicher Freund» 
Ihaft verbunden; als „Adjutant“ Puſtowojtow in Prag internirt 
wurde, fah man die Beiden nie anders als in innigem DBerein; 
die Amazone übernachtete oft bei ihrer Freundin, und dieje ftadt- 
befannte Thatſache veranlapte auch die Sicherheitsbehörde, in dieſem 
Künjtlerheim Nachforſchungen anzuftellen, als die Adjutantin des 
PVolengenerals aus Prag verſchwand.*) Auch die Zamwiszanfa aber 
war verjchwunden, obwohl ein ihr gewährter Urlaub abgelaufen 
war. In Wien war fie in einer Abgeordnetenhaugs-Sigung ge- 
ſehen und für die Puſtowojtow gehalten worden, erſt nad) einigen 
Wochen ftellte fie fich wohlbehalten wieder in Prag ein und 
wirkte, in jeder Partie gern gejehen, bis zum Ende der Thome- 
Schen Direction, worauf fie ihre Thätigfeit auf die kechiſche Bühne 
verpflanzte. Frl. Mit war im Mai 1862 von der Prager Bühne 
gefchieden und hatte noch in ihren Abjchiedsconcerten Vollbeweiſe 
der unverninderten Gunft der Prager erhalten. 


Im Coloraturfache hatte Kenny Brenner, die befanntlich 
trotz ihrer künftlerifchen Bedeutung für das Wepertoire von fehr 
‚zweifelhaftem Werthe war und außerdem fahnenflüchtig zu werden 
drohte, indem fie ſich für ein — allerdings bald verunglücdtes — 
Wiener Opernunternehmen gewinnen ließ, eine jtarfe Unterftigung 
in einer Fach-Collegin gefunden: Eleonore von Ehrenberg, 
die von Prag aus ihren Weg in der deutichen Bühnenwelt ge- 


*) Als man im April eine (Generalprobe bed neuſcenirten „Lohen⸗ 
grin“ veranſtaltete, erſchien Frl. Puſtowojtow in einer Loge und abſorbirte 
mehr Intereſſe als Lohengrin und Ortrud (Zawiszanka) ſelbſt. 


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macht hatte und nun am 16. Mai 1861 als Dinorah debutirte. 
Die Hoffnungen, welche die Küinftlerin vor Jahren erweckt hatte, 
erichienen in erfreulichjter Weife erfüllt; ihr angenehmer, weicher 
Sopran, ihre fpielend und leicht gebrachte perlende Coloratur, 
fünftlerische Auffaſſung und Routine verfchafften ihr volle Geltung 
neben der Brenner; die weiteren Proberollen (Frau Fluth, Martha, 
Aennchen) verftärkten diefen guten Eindrud und machten ihr En- 
gagement perfect. Frl. v. Ehrenberg ift ihrer Heimat treu ge- 
blieben und jpäter der Cechiichen Bühne eine Zierde und Stüge 
geworden, eine Künſtlerin von jeltener Ausdauer und nie ver- 
fagendem Können, das ſich auch in ihrer Wirkſamkeit als Ora⸗ 
torium=, Kirchen: und Concertjängerin äußerte. Der Geminn diefer 
Sängerin ſetzte Thome in den Stand, die Kinjtlerlaunen der 
Brenner wirffam zu pariren. Im Sommer 1861 trat auh Frau 
Prochazka-Schmidt nad) längerer Abwejenheit als Savoyarde 
Pierrotto wieder in's Engagement und fam fir Mezzoſopran⸗ 
partien (Marthe in Fauſt u. dgl.) in Betracht. Für jugendliche 
Nollen in Dper und Operette, fpeciell in den damals nenen 
Offenbach'ſchen Einactern, war in Frl. Therefe Boschetti eine 
talentoolle junge Kraft gewonnen worden, welche ebenjo wie Frl. 
v. Ehrenberg nachmals für die Cechifhe Bühne von Bedeutung 
wurde.*) Aus der langen Reihe der Sängerinen, welche ganz 
vorübergehend in diefen Jahren auf der Prager Bühne erjchienen, 
jeien nur wenige hervorgehoben: Frl. Kügler (als Altiftin in 
Ausficht genommen), Frau Engjt-Ellinger von Belt (Fides), 
Frl. v. Segny, früher Ballerine, und Frl. Wierer, ebenfalls 
Alpirantin für das Altfach, Frl. Schwefelberg (für Coloratur- 


*) Thereſe Bosıhetti, geb. 1847 zu Prag, wo ihre Eltern eine 
Seidenfabrik befaßen, kam 1860 mit ihren Eltern nad Salzburg, wo fie 
zwei Sabre ihre Stimme ausbildete, 1862 nach Prag, wo jie während 
ihres Engagements noch bei Rokitansky und Bernard Geſangsunterricht 
nahm. Mit Ende der Thomt’ihen Direction wurde fie ald Soubrette an 
die Cechifche Bühne, dann nach Wiesbaden, 1869 an die Wiener Hofoper, 
1872 nach Leipzig eng. — Aus Deutichland kehrte fie ald Opernfoubrette 
und erſte Operettenfängerin an bie ce. Bühne in Prag zurüd. 

35* 


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partien), Frl. v. VBoggenhuber von Beft, weldye 1862 als 
Romeo und Fidelio debutirte und lebhaft intereflirte (fie wurde 
nachmals eine Säule der Berliner Hofoper), endlich Charlotte 
Sicher von Tiefenſee, die im Jahre 1860 in dramatifchen 
Bartien auftrat und fich als geſchmackvolle, trefflich gebildete Sän- 
gerin nachmals auf weiten Eoncert-TZourneen im In⸗ und Auslande 
einen Ruf erwarb: in Prag feßte fie fich namentlich dureh den 
Vortrag jlavifcher Lieder bei einen Theile der afademifchen Jugend 
in Gunft — ein Bierteljahrhundert fpäter fang Frl. v. Fiſcher 
abermals in Prag und brachte die achtbaren Nefte einjtiger „Herr: 
lichkeit” mit. In demfelben Jahre (29. März 1860) ließ jich in 
einem Conſervatoriums⸗Concert auf der Bühne unter Mitwirkung 
Hans v. Bilomws eine interejjante, vielverfprechende Opern- 
ſchülerin (aufgenommen im %. 1855) hören: fie hieß Camilla 
Klettner, war die Tochter des Drchefterdieners der Prager 
Dper und bejtach ebenjo durch ihr Feuerauge wie durch die. glän- 
zenden, wohlgejchulten Mittel. Einige Jahre ſpäter war fie der 
Stern der Stuttgarter Oper, ja die Gebicterin derjelben ; ihrem 
mächtigen Einfluſſe beugten ſich Minifter und Regiſſeure. Als die 
Ihöne Frau und trefflihe Sängerin das Scepter niederlegte, nahm 
fie ihr Auheftands-Domicil in Graz und erinnerte als Senta 
an der dortigen Bühne an ihre einftige Fünftlerifche Bedeutung. 
Sm demjelben Concerte probucirten ſich der ebenfalls 1855 auf: 
genommene Cello-Schüler David Popper und wedte durd 
den blendenden Vortrag von Servais’ „souvenir de St. Peters- 
bourg“* große Hoffnungen, die der Mann im vollen Maße er- 
füllt bat, ſowie der Violinſchüler oh. Hrimaly, deflen Name 
heute gleichfalls in der Mufifwelt den beften Klang befitt. 

Die Veränderungen, welche die Aera Thome im männ— 
lihen Opern-Berjonal mit fid) brachte, waren nidyt minder be⸗ 
deutend wie der Wechjel des Damenperjonals. Als primo uomo 
fungirte nad) wie vor Bahmann; die Folgen eines gewaltigen 
Stimmverbrauchs aber machten fich nicht jelten in ftarfen Unfällen 
bemerkbar; plögliche Heiferfeiten trübten dem Sänger anjcheinend 
fichere Erfolge, und Neuacguifitionen im Tenorfache oder Aus— 


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hilfsgajtipiele wurden zur Nothwendigfeit. Als Wipiranten für das 
lyriſche Fach an Stelle des abgehenden Arnurius debutirten 1859 
Louis Fischer und Wiedemann (welcher bald der Bühne entjagte 
und fih dem Buchhandel widmete), bis in Franz Nachbaur der 
rechte Mann gefunden wurde. Er ftand im 25. Lebensjahre (geb. 
25. März 1835 auf Schloß Gießen im wirttemberg. Oberamt 
Tettnang), als er nad) Prag kam und hatte erjt wenige Jahre 
feiner Bühnencarriöre hinter ſich. In der Dorfkirche feiner Heimat 
hatte Nachbaur die erjten Proben feiner Sangesfraft abgelegt, 
war mit neunzehn Fahren in die Baugewerksjchule zu Stuttgart 
eingetreten, begeifterte fich aber mehr als an Baurifjen und archi— 
tektoniſchen Plänen an den Leiſtungen Sontheims, ftudirte eifrig 
Muſik und trat, da man ihn in Stuttgart als Chorijt verjchmähte, 
1856 zu Bajel in ein Engagement mit 50 Francs an ausbedun- 
genem aber niemals ausbezahltem Monatsgehalt. Der: Bafeler 
Director Schumann verſuchte auch in Paris mit feiner deutichen 
Operngefellichaft fein Glüd und erlitt Schiffbruch, Nachbaur aber 
fand in diefem kritischen Momente an dem Banquier PBaffavant 
einen großmüthigen Gönner, der e8 ihm ermöglichte, zwei Jahre 
bei Zamperti zu ftudiren, worauf er 1859 fein erjtes „großes“ 
Engagement am kgl. Hoftheater in Hannover mit 800 Thaler 
Ssahresgehalt und 3 Thaler Spielhonorar erhielt. Won dort rief 
ihn Thome nach Prag. „Bier hat ihm die Sonne des Glücks 
nad allen Richtungen aufs freundlichite gelächelt" — heißt es in 
einer Nachbaur-Biographie*) — „hier hat er,. getragen von der 
tafch gewonnenen Gunft des Publicums feine Kräfte proben und 
ftählen künnen, im treuen Freundeskreife vergaß er hier bald all’ 
die kümmerlichen Anfänge feiner dornenvollen Laufbahn, hier fand 
er das liebende Weib, die treue Lebensgefährtin, die als guter 
Kamerad das aufregende Marfchtempo eines der Kunſt geweihten” 
Lebens Schritt fir Schritt mit innegehalten hat bis zum heutigen 
Tage." Am 14. Mai 1860 ftellte fih Franz Nahbaur als 


*, Franz Nach baur, Ein Künfileriubiläum, 1858—1883. Bon einem 
Freunde. Buch: und Kunftdruderei: von Knorr & Hirth in München. 


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Lyonel in „Martha“ der Pragern vor, ohne gerade zu ver: 
blüffen. 

„Der junge Sänger” — fchrieb ein Kritiker — „empfiehlt fich durch 
eine anftändige Erfcheinung und wenn anch nicht durch gewandte doch auch 
nicht ftörende Darftellung. Sem Organ ift ein im Umfange ſehr be- 
fchränkter, in ber Mittellage nicht unangenehm klingender Tenor, ſcheint 
aber ſehr heiller Natur und von fehr geringer Ausdauer zu fein. Die 
hohen Töne über dem eingeftrichenen F müflen foviel al3 möglich vermieden 
werden; wo bied nicht angeht, fprechen fie fehr fchwer und nicht angenehm 
an oder verfagen ganz und gar ihren guten Dienft. Trosdem ift Herr 
Nachbaur unter ben legten Debutanten nod) der ftinnmbegabtefte... Herr 
N. mißfiel nicht und wurde nach feiner Arie im 3. Act applaudirt.“ 

Das Probegaftipiel wollte nicht recht in Gang kommen, noch 
ein anderer Afpirant (Hr. Seyffarth) traf ein, aber Thome er: 
fannte die Zukunft, welche Nachbaur winkte, wenn auch die Gegen 
wart nicht gerade berechtigten Erwartungen entſprach. Am 14. Juni 
trat Nachbaur als Chateauneuf wieder und zwar bereit3 als enga- 
girtes Mitglied auf, welch rafchen Proceß Bublicum und Kritit nur 
in Erinnerung an die langjährige mangelhafte Belegung des 
zweiten Zenorparts willig hinnahmen. Und Nachbaur entfaltete 
fid) gerade während feines Brager Engagements in itberrafchender 
Weiſe: der ftiefmütterlicd behandelte, aus Verlegenheit engagirte 
Sänger wurde zum 2iehling Prags und zum Gegenjtande der 
Aufmerkſamkeit für Tenorſuchende deufche Bühnen. In den deutichen 
Kreifen Prags erwarb fi Nachbaur als nationaler Märtyrer in 
den Zagen des wachjenden Nationalitäten-Eonflicts befondere Sym- 
pathien. Zum großen Mißvergnügen techifcher Kreife wurde 1862 
der Verſuch gemacht, das neuerbaute nationale uterimstheater 
am Quai, deſſen Beſtand als Theater durchaus nicht gefichert 
ſchien, auch als internationalen Eoncertfaal zu adaptiren. So fand 
“am 1. December des genannten “Yahres in diejen Räumen ein 
Concert der Pianiftin Baronin Alphonfine Weiß unter Mit 
wirkung Nachbaur's ftatt. Kaum hatte er ein deutfches Lied be⸗ 
gonnen, wurden die Galerien unruhig: man pfiff und ziſchte, 
während die. Deutjchen in den Logen und im Barterre applau- 
dirten. Um weitere Scandale zu verhüten, mußte das ganze Concert» 


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programm umgeftürzt werden. rl. Brenner fang jtatt eines 
deutfchen ein Cechifches Lied; ftatt Frl. Gebhardt declamirte Yrau 
Peska. AS nun zwei Tage fpäter im deutfchen Theater Nachbaur 
"als Arthur in „Lucia auftrat, empfing ihn langanhaltender Bei- 
fall, ebenfo wurde er bei dem nächiten Concert Weiß auf dem 
„tosmopolitifchen" Podium des Convictfaals der herzlichiten Aus- 
zeichnungen theilhaft. Er hatte Aller Sympathien gewonnen und 
techtfertigte fie durch ftete Fortſchritte: die unfichere Intonation 
verlor fich, fein Organ entfaltete ſich in voller Friſche und jugend» 
Iihem Glanze. Als er im Jäner 1863 fein „Benefiz" (,Fauſt“) 
feierte, Tam die Stimmung der Prager für ihn zum volliten Aus- 
drud. Über einige Monate ſpäter (23. Juni) ſchon ſagte der 
begabte Sänger in derfelben Oper Prag Valet, überfiedelte zu- 
nächft nach Darmitadt, von wo ihn König Ludwig I. nach München 
berief. Damit war die glänzende Carriere des Sängers gemacht, 
der noch manchmal in Prag, der Stätte feiner erjten Triumphe, 
erichien und ſtets herzlich begrüßt wurde. 

Ein anderer achtbarer Tenor war in Hrn. Bernard ge- 
wonnen, der von Leipzig Tommend, im Nov. 1861 als Strabella 
mit Glück debutirte und im Sommer als Lyonel ins Engagement 
trat, im Fahrwaſſer Fekter's fteuernd. Bernard, welcher mit nicht 
eben jugendlich glänzenden, aber jympathifchen Mitteln, Rou— 
tine und fünftlerifcher Schulung für fi) einnahm, hat die Zitel- 
rolle in Gounod's „Fauſt“ auf der Prager Bühne creirt und 
fonnte bei der wechjelnden Zuverläfligkeit des Heldentenors in der 
Thot mitunter als „Atlas der Prager Oper" bezeichnet werden: 
Im Baßfache verlor die Bühne den mwaderen Buffo Joſeph 
Preifinger, der allerdings der Poſſe und dem Schaufpiel ebenfo 
angehörte als der Oper und nahezu drei Jahrzehnte in all’ diejen 
Sphären unvergeſſene Dienfte geleiftet hatte.*) Sein Geftaltungs- 


*, of. Breifinger war am 24. Jän. 1792 als der Sohn eines 
achtbaren Wiener Kaufmanns geb., juchte fein Fortlommen in der Bancal- 
regiftratur, nahm aber auch Gefangdunterricht beim Hofcapellm. Tomajelli 
und dem Sänger Mozzari, machte eine Stubienreife nah Italien und 
wurde dann für dad Kärtnerthorth. als 1. Buffo für die dentfche, als 2. für 


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talent als Darſteller war originell, feine Komif wirkſam und nie 
die äjthetiichen Grenzen überfchreitend; er verftand fein zu nuan⸗ 
ciren und gewandt zu improvifiren. In der Oper waren fein 
Bartolo, Zeporello, Daniel (Zampa), Bijou, Bruder Zud, Dul⸗ 
camara, van Bett Zeiftungen von künſtleriſchem Werth. Unter 
Stöger und Hoffmann war ihm auch die Regie der Oper und 
Poſſe anvertraut; feine vieljeitige Bildung und fein muſikaliſches 
Willen befähigten ihn zu diefem Amte vorzüglich; er jubtituirte 
bei den Clavierproben den Capellmeifter und trug wejentlich zur 
Schulung des Chors bei. Preifinger trat mit 1. Mai 1862 in 
den wohlverdienten Ruheſtand, genoß denfelben aber nicht lange; 
Ihon im Juni 1865 verfchied er in Prag, der Stätte feiner viel: 
jährigen rühmlichen Künftlerthätigfeit. Einige Monate früher hatte 
ein anderer Sänger-Beteran, Ygnaz Illner, durch Selbftmorb 
geendet.*) Zum Glüd fehlte es nicht an hoffnungsvollen jüngeren 
Kräften. Im Juli 1860 gaftirte Joſeph Kren aus Darmitadt 
als Dulcamara und Falftaff, Plumfett u. ſ. w. und bewährte ſich 
als Baß-Buffo von ftarfen und fchönen Mitteln, Humor und 
Routine, jo daß er nad) einigen Monaten in's Engagement treten 


die ital, Oper eng., betrat 2. Dec. 1823 als Pobefta in der „gazza ladra“, 
als „Iuftiger Schufter” in Paër's Oper und als Leporello die Bühne, ging 
nach Auflöfung der Gefellihaft zu Stöger nad Graz und Preßburg; 1826 
abermals an's Kärtnerthorth. eng., hatte er als Schloffer in „Maurer und 
Schloſſer“, als Baftlio, Oberpriefter ın „Semiramide“ und Mefiftoreles in 
Spohr'3 „Fauſt“ große Erfolge, wurde Liebling bes Publicums unb bezog 
3000 fl. EM. Gage. Nach Schluß ber Wiener Oper fchloß er wieder mit 
Stöger ab und fam auch mit diefem 1834 nad) Prag. 

*, Ignaz Illner batte fchon. in der Aera P.-K.⸗S. in deutſchen 
- and cedhifhen Vorftellungen Baryton- und Bafpartien gefungen, dann mit 
jeiner rau, einer geb. Allram (die Angabe auf Seite 187, Illner fei ein 
Bruder der Mad. Allram geweſen, fei hiemit rectificirt), in Coburg ge- 
wirkt, wo er auch eine Schwimmfchule inne hatte; von 1846 bis 1858 war 
er wieder in Prag eng., worauf er eine Geſangs⸗- und Schwimmſchule 
dafelbft gründete, ein ftabiles Theater für Karolinenthal und Smichow 
projectirte und Erfindungen — u. A. eine Vorrichtung gegen das Ned» 
werben der Schiffe — verfuchte. Als all’ feine Projecte fehlichlugen, jagte 
er fih am 2. Nov. 1861 eine Kugel burd den Kopf. 








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fonnte und zum entjchiedenen Liebling des Publicums wurde. 
Sein Falftaff reichte an jenen -Verfing’s heran; auch als Concert: 
fänger errang er, imponirend durch gediegene künſtleriſche Schu- 
lung feiner Mittel, Anerfennung. Eine neue Kraft von Bedeutung 
wurde im Herbſt 1862 der Oper zugeführt; der Baſſiſt Rotfi- 
tansky, der in Prag den Grundftein zu feinem fpäteren Ruhme 
legte. Hans Rokitansky (geb. 1835, ein Sohn des berühmten 
Arztes und Naturforfchers Carl R.) trat am 23. October als 
Comthur in der Jüdin zum ersten Male in Prag auf und wurde 
jofort als eine Kraft von feltener Bedeutung erkannt. 

„Bor Allem” — fagte die Kritik — „müflen wir mit Vergnügen con⸗ 
ftatiren, daß wir, feit Jahren eines eigentlichen decidirten Baſſes entwöhnt, 
nun mit einem folchen zu thun haben. Das Organ des Hrn. Rokitansky 
bat den entichiedenen, vollen Baßtımbre ſowohl der Klangfülle des Tones 
als dem Umfange nad; dann fcheint es und gewiß, daß wir in ihm einen 
Sänger kennen gelernt haben, der feine Zukunft nicht auf die bloß mate- 
tielle Baſis der Mittel gebaut bat... . In ber getragenen Cantilene 
effectwirt feine an Verfing erinnernde Vortragsweiſe in feltener und ſym⸗ 
pathilcher Weile... .” 

Rokitansky fügte ſich bald dem Enſemble als Sänger von 
ebenfo gewaltigen Mitteln als künftleriiher Schulung ein, fang 
im Jäner 1863 den Saraftro auch in eechiſcher Sprache im In—⸗ 
terimistheater und wurde auf diefe Weife zu einer wahren Stüße 
ber Thome’schen Oper. Heute wirft Baron Rokitansky, ein Meifter 
des Kunjtgefanges, an der Wiener Hofoper und bringt noch 
manche jener Bartien, die er 1862 zum erjten Male in Prag 
gejungen, zur Geltung. 

In dem Perſonale der Dirigenten war im März 1863 in- 
jofern eine Veränderung eingetreten, als. der zweite Capellmeifter 
und Ehordirector Eduard Tauwitz wegen eines Conflicts mit 
der Direction aus dem Bühnenverbande ſchied — er hat als 
Liedercomponift, Chormeiſter des dentſchen Männergejfangvereins 
(nachmals des Vereins „Taumig") und als Director der Sophien- 
akademie. eine hervorragende Stellung in der Prager Mufiferwelt 
behauptet — und ein junger Dirigent, Ludwig Slansky, der 
Schon als Sängerknabe auf der Prager Bühne gewirkt hatte, an 


— 554 — 


deffen Stelle trat: eine Fräjtige Stütze des erſten Capellmeifters 
Kahn, ein Mufifer von gründlicher Bildung, Geſchmack und 
praktiſchem Blick, dem wir noch in erjter Stellung begegnen werden 
und nähere Wilrdigung ſchulden. 


* %* 
* 

Das Repertoire der Prager Oper in der Aera Thomt 
umfaßte alle Errungenschaften der neuen Zeit, uud widmete dem 
guten alten Repertoire- Stamm eine jorgfältige Beachtung. Gaft- 
jpiele der bedeutendften Kräfte der deutſchen und nicht-deutjchen 
Opernbühne fehrten in häufiger Wiederholung wieder, vermittelten 
manche interefjante Novität und täufchten Über manche Haffende Lücke 
im Berfonal hinweg, die länger als thunlich unausgefüllt blieb. 

Das muſikaliſche „Ereigniß" des erſten Jahres diefer Di- 
rectionsära (1858) war die 50jähr. Yubelfeier des Prager 
Conjervatoriums, welche Säfte von Nah und Fern, Muſiker 
von Anſehen und Bedeutung in großer Zahl in Prag vereinte. 
Die Aubelfeier begann am 7. Yuli in der Minoritenkirche zu 
St. Jacob mit einem Fejtgottesdienfte, wobei unter Direction Kittl's 
die 1836 componirte Krönungsmeſſe Tomaſchek's mit Cinlagen 
von Haydn und Mozart und das Tedeum von Witafet in maſſen⸗ 
bafter Bejegung mit dem Zöglingsorcheſter — Soli Frl. Medall 
und Jakobſohn, die Hrn. Schütfy und Lufes, Orgel Krejci — 
aufgeführt wurde. Täglich fanden Zujammentünfte der ehemaligen 
Zöglinge und hervorragender Gäfte (darunter Fetis, Hellmes- 
berger, Prod, Dr. Schmid, Zellner, Dachs, Speidel) ftatt; bei 
dem großen Conjervatoriumsconcerte fam die Feſtouverture von 
Abert (1852 abfolvirter Zögling) zur Aufführung Am 8. Juli 
war Feitoorjtellung im Landestheater: Spohr’3 „Jeſſonda“ unter 
eigener Leitung des Componiften, dem Thome unter allgemeinem 
Jubel den Lorbeerkranz auf's Haupt ſetzte; am 9. Juli war ebenfalls 
im Theater concert spirituel, wobei Gluck's Iphigenia⸗Ouverture 
mit Wagners Schluß, Haendel’8 100. Pſalm „Jauchzet dem 
Herrn!" und Beethoven’3 neunte Symphonie aufgeführt murbde. 


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Unter den Geigern ſah man David, Dreyichod, Domcapellmeifter 
Zappe, unter den Sängern ragte Schütky hervor; Kittl dirigirte. 

Bier Eomponijten waren es nun vor Allem, welche in voller 
Kraft für das Repertoire der modernen Oper wirkten: der Deutjch- 
Franzoſe Meyerbeer, Maeſtro Ginfeppe Verdi, Charles 
Gounod und Richard Wagner. Meyerbeer hatte dem mo- 
dernen Repertoire bereits in „Robert der Teufel", den „Huger 
notten” und dem „Profeten“ drei Werfe von Gehalt und Ans 
ziehungsfraft gegeben; nun fügte jich der „Nordftern" und „Die 
norah” ins Prager Repertoire ein. Als Neuigkeit allerdings konnte 
der „Nordſtern“ nur in textlicher Hinficht gelten: an die Stelle 
des alten Rellſtab'ſchen Librettos „Viella” war der neue Scribe'ſche 
Zert unter dem Xitel „Der Nordſtern“ getreten; die Scene 
war ruſſiſch geworden, und der Effect erjchten in der That größer. 
Prag jah den „Norditern” im J. 1858,*) „Dinorah“ fehrte am 
25. Febr. 1860 ein und wirkte in der That wie ein fenjationelles 
Dpernereigniß, woran außer den Schönheiten der Partitur felbft 
die virtuoje Darftellung der Titelrolle durch Frl. Brenner ihren 
befonderen Antbeil hatte.**) Verdi war 1859 durch eine Neuig- 
feit von geringer Dauerhaftigfeit, „die ſicilianiſche Vesper”, ver- 
treten; 1862 führte Defirce Artöt „Zraviata” in Prag ein.***) 


*) Beſetzung: Catharina-Frl. Brenner, Gar-Steinede, Prascovia⸗ 
Tipka, Damlowitz-Fekter, Marketenderinen- rl. Mik und Müller, Tiichler- 
Markwordt, Grikenko-Hovemann. 

**) Hoel⸗Steinecke, Gorrentin-Bahmann, Fäger-Eilerd, Mäher-En- 
minger, Hirtennaben-Frld. Müller und Schmidt, Ziegenhirten⸗Frls. Gautſch 
und Fried. — In der Arena brachte man eine parodiftiiche Poffe „Dino 
rerl, die Gaishirtin oder die Wallfahrt nach dem Unteröberg” mit 
Fl. Müller in der Titelrolle, VBalentin-Scutta zur Aufführung. Bei einer 
Repriſe der „Dinorah” hatte das Publicum das Vergnügen, ben Helden- 
tenor Bachmann um Orcheſter ald Engliihhorn-Bläfer fiten au 
feben; er, ber ehemalige Oboift, fubftituirte feinen erkrankten Muſiker⸗ 
Collegen. 

***) Violetta⸗Deſiree Artöt, Alfred-Bachmann, Germont sen.-Hardtmuth, 
Gaſton⸗Nachbaur, Douphal⸗Eilers, Gerville⸗Kreͤn, Aubigny⸗Rafael, Flora, 
Annina-Frls. Gautſch und Boſchetti. 


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Bon Charles Gounod fam 1861 feine der deutichen Bühne werth- 
vollfte Gabe, „Fauſt und Margarethe“, (24. Det.) auf die Bretter: 
Die Oper war zuerſt in Darmjtadt und Dresden in deuticher 
Sprache erjchienen — in Prag fand man jeltjamer Weiſe erſt 
allmälig Gefallen an dem Werke, das dem Repertoire von bleis 
bender und wohlthätiger Bedeutung fein ſollte. Die erite Mar: 
garethe, Frl. Grabinger, reichte an diefe Aufgabe eben nicht heran, 
Bernard fang den Yauft, den beiten Eindrud machte der Mefifto 
Krens; den Valentin fang Steinede, Siebel Frl. Mit, Marthe 
Frau Prochasfa. Ein anderer frangöfifcher Meeijter, der auf der 
deutichen Bühne vajch heimiich geworden ift, Ambroije Thomas, 
jtellte jich 1860 mit der veizenden Bambocciade „Dir Kadi“, einer 
Parodie des traditionellen Styls der modernen Parifer Oper, und 
1862 mit „Raymond“, einer für Prag verjpäteten Novität, ein. 

Die Beziehungen Rihard Wagners zur Prager Bühne, 
die feinen Werfen mit befonderem Eifer und Erfolg diente, büßten 
trog vorübergehender Trübungen unter Thome nichts an Innig— 
keit ein. Ein großes Verfäumniß, die Aufführung des „Mienzi", 
war allerdings noch immer nachzuholen. Im J. 1858 hatte ſich 
das Gerücht verbreitet, Wagner componire eine neue Oper, eigens 
zur erften Aufführung in Prag beitimmt. Dem tritt nun Wagner 
in einen aus Venedig 26. September 1858 an den Director des 
Cäcilienvereinsg Herrn Apt gerichteten Briefe,*) der noch andere 
interefjante Mittheilungen enthält, unummunden entgegen. 

„Haben Sie beiten Dank,” fchreibt Wagner, „für Ihre lebten freunb- 
lichen Nachrichten, und darf ih Sie bitten, fo theilen Sie dem geehrten 
Borftand Ihres (Läcilien-) Vereines für das fchmeichelhafte Schreiben, das 
er vor längerer Zeit an mich richtete, ebenfalld meinen aufrichtigen Dauk 
mt. Es thut mir leid, daß die darin mit fo großer Anerfennung meines 
geringen Talentes ausgefprochene Hoffnung, ich componire eine neue Oper, 
eigens in der Abiicht, fie in Prag zuerft aufzuführen, auf einem etwas 
suvorfihtigen Mißverftändniife des Herrn Directors Thoméè 
berubte. Ich fchrieb ihm darüber berichtigend und gab ihm zugleich. an, 


*) Diefer und andere eigenhänbige Briefe Rich. Wagner's find 
ntir, wie ſchon an anderer Stelle bemerkt, von Hrn. Dir. Apt gütigft zur 
Benüsung überlaflen worden, Der Berf. 


— 557 — 


daß, wenn er den PBragern bald etwas Ungekauntes von mir vorführen 
wollte, er ben „Rienzi“ baldmöglichft in Angriff nehmen möchte. Hierauf 
erhielt ich feine Antwort. Da ich nicht füglich zum zweiten Male ihm 
directe eine gleiche Offerte machen kann, anderfeitö aber wirklich mir daran 
gelegen ift, daß der Rienzi. der jest mit fo außerordentlichem Erfolge in 
Scene gegangen ift, auf ben mir befreundeten Bühnen fich ſchnell ver- 
breite, jo tbeile ich Ihnen ald geneigtem Vermittler diefen Wunſch als 
Bitte mit uud erſuche Sie, Herrn Thome zu veranlaflen, womöglich fofort 
“ die Partitur, weldye bei Herrn Chordir. und Regiſſeur Wilh. Filcher in 
Dresden vorräthig liegt, fih zum Zmed der Aufführung kommen zu laffen, 
wofür ich hier fogleich die abzujendende Beſtellung beilege. Als Honorar 
begehre ich 30, fage dreißig Stüd Napoleons; 25 zahlte mir für 
meine Opern ftetd Hr. Stöger; follte es zur Differenz kommen, fo ftelle 
ih mich am Ende auch mit der letzteren Abfindung zufrieden, doch leugne 
ich nicht, daß ich namentlid durch ſchleunige Ueberſendung der 
Summe befonderö verbunden fein würde, da ich gegenwärtig außerorbent- 
liche Auslagen hatte und ſchneller Einnabmen dringend benötbigt 
bin. Seien Sie mir nicht böfe um dieſer Ihren aufgebürbeten Bemühung 
willen; hoffentlich joll aber das Gelingen auch Ihnen Freude machen, da 
ich, nachdem meine neue Richtung burd die Aufnahme meiner Testen 
Opern feftfteht, ben Erfolg meiner jugendlicheren, effectvollen 
Arbeit nicht unichwer Ihnen vorausfagen kann. In der Vollendung 
meiner neneften Arbeit „Zriftan und Iſolde“ bin ich bedauerlich auf- 
gehalten worben; nach langer Unterbrechung hoffe ich bier in größter Zu⸗ 
rüdgezogenbeit erit wieder die möthige Stimmung zur Aufführung bes 
Wertes zu finden. Sehen Sie, daß Sie nıir bald Gutes zu hören geben 
fönnen; grüßen Sie meine Prager Freunde fchönftend von mir und jeien 
Sie der herzlichſten Ergebenheit verfichert, mit der ich verbleibe Ihr jehr 
banktbarer Rihard Wagner.“ 

Anfangs ſchien es mit „Rienzi”" in Prag vorwärts zu gehen, 
obwohl Thome ſich nicht bemogen fand, mit einer Zeile dem 
Componiften zu antworten. Man ſchützte in Prag nur noch Cenſur— 
Schwierigkeiten vor. Wagner befeitigt diefe Bedenken in einem 
Briefe an Apt de dato 15. Oct. 1858 aus Venedig und gibt 
darin zugleich der Hoffnung Ausdrud, daß es ihm durch Ver: 
mittlung des Großherzogs von Baden gelingen würde, wieder 
nad Deutjchland zugelaffen zu werden. 

„Die Aufführung Rienzi's in Dresden,” fchreibt er, „ift gegenmärtig 
wohl auch Bürge, daß ed mit dem Sujet nichts Verfängliches hat. Einzig, 
glaube ich, dürfte vielleicht die Antwort Rienzi's an die Gefandten (im 


— 558 — 


Finale des zweiten Acts) ausfallen, was auch wohl gebt. Entſcheidet ſich 
Hr. Thome nach günftigem Bericht der Cenſur für alsbaldige Aufführung 
der Oper und ein gutes Honorar, fo gebe ich ihm gern die Verficherung, 
daß ih der Aufführung des »Triſtan“ in Prag nur diejenige erfte 
vorausgehen laſſen werde, bie ich perſönlich dirigiren darf, und da ich die 
Gunſt, Dentichland zu Diefem Zwecke auf einige Zeit zu betreten, nur dem 
Großherzog von Baden zu verbanten haben werde, jo bin ih — and 
diefem Grunde — auch ihm fchuldig, die erfte Aufführung dort in Karls⸗ 
rube ftattfinden zu lafien. Kann ih dann auch nah Prag kommen, fo 
bin ich gern bereit, mich auch dort, wo ich fo wertbe Freunde mir ge: 
wonnen babe, perjfönfih zur Aufführung einzufinden. Der „Rienzi” 
wird zunäcft (jeher bald) fchon in Breslau gegeben; ed wäre mir wirklich 
leid, wenn Prag fehr jpät erft nachkäme, und bedauern follte ich namentlich 
fehr, daß daran etwa die Empfindlichleit deö neuen Theaterdirectors wegen 
jenes früheren Mißverftändniffes jchuld wäre, — mas ich faft annehnen 
muß, da er es fogar über fid) gewann, meinen Brief nicht zu beantworten.” 

Thome zierte und fperrte fich immer länger, und Wagner 
wurde über dieje Verzögerung der Prager „Rienzi"- Aufführung 
um jo ungeduldiger, al8 er momentan nicht übermäßig mit Geld 
verjehen war. Thome Hatte fi) zwar an Fiſcher nad) Dresden 
gewendet, Wagner gegenüber aber blieb er ftumm, fo daß biefer 
jih unterm 12. Febr. 1859 abermals an Apt wardte mit der Bitte, 
die Sache zu betreiben. Er hofft wieder auf mindejtens 25 Louis: 
dor Honorar. „Gibt Thome etwas mehr," fehreibt er, „3O Louis: 
dor, jo möge er auf meinen Dank und bejondere Rüdjicht in 
der Zufunft rechnen." Thome jchrieb Ende Jäner 1859 an Re— 
giſſeur Fiiher nach Dresden, daß alle Schwierigkeiten betreffs 
des „Rienzi“ befeitigt feien, nur walte noch ein Bedenken da- 
gegen vor, daß die Kirchengefänge darin befannte Kirchenmelodien 
enthielten, worüber ihn Fiſcher mit der Verficherung berubigte, 
daß Alles Original ei, nicht wie in den „Hugenotten". Wagner 
ſelbſt gab feiner Yndignation über Thome's andauerndes Schweigen 
in einem Briefe an Apt vom 4. März; 1859 (aus Venedig) ener- 
gischen Ausdruck. 

„sch habe Ste dringend zu bitten — jchrieb er — Hrn. Dir. Thome 
Folgendes von mir auszurichten. Wenn Jemand wie ich an einen Theater: 
director mit der Bitte fi) wendet, wie ich es buch Ihre freundliche 
Bermittlung gethan, jo geichieht dies in der Vorausſetzung, baß der Bes 





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treffende befien wohlbegründete bejondere Rüdficht auf ihn voraugfeßt, und 
in der Unummundenheit ber Bitte liegt fomit eine Chrenbezeigung. Rüd- 
fihtslofigkeit hierauf muß in diefem Falle ald Beleidigung em- 
pfunden werben, wie fie in Wahrheit eine VBeichämung if. Durch fein 
Betragen gegen mich zieht demnach Hr. Thom fich hiemit bie beftimmte 
Erflärung meinerleit3 zu, daß jo lange Er Director des Prager 
Theaters ift, feine meiner neuen Opern, und namentlih auch 
„Zriftan und Iſolde“ nicht, nah Prag gegeben werden wird. 
Dies möge ihm hiemit belannt fein. So ſehr und innig mid die Freund⸗ 
fhaft des Prager Publicums erfreut hat, jo wenig aufmunternde Er⸗ 
fabrungen babe ich doch noch Seitens der dortigen Directionen gemacht. 
Für meinen „liegenden Holländer” behauptet zwar Herr Dir. Stöger 
mir — in frühelter Zeit einmal — ein Honorar bezahlt zu haben, und ich 
will gern glauben, daß er in Wahrheit dieſen Irrthum begt; daß ed aber 
ein Irrthum ift, bin ich überzeugt, und ſein Benehmen in diefer ‚Sache 
war feineöwegs mich zufriebenftellend. Daß noch Schwierigkeiten gegen 
ben „Rienzi” ftattfinden, Tann ich nicht glauben; märe beim aber aud) fo, 
jo bat der Director des Prager Theaterd eine Gelegenheit, mich fich zu 
verbinden, auf eine für mich beihämende Weife verfäumt; denn zahlte 
er das Honorar für „Rienzi”, womit eben jet mir ſehr gedient war, und 
fonnte er doch die Oper nicht herausbringen, fo war ihm dann für das—⸗ 
felbe Houorar „Triftan und Iſolde“ gewiß, und er fomit für alle 
Fälle gedeckt. Sollte eine verzeihliche Urfache zur Verzögerung der Er- 
füllung meines Wunjches da gemwefen fein, fo könnte mir dieſes dadurch 
bewiejen werten, daß ich fofort, und umgehend, die Anzeige davon erhielte, 
baß foeben 30 Napoleonsdor (dasfelbe, was mir Breslau ebenfalls für den 
„Rienzi“ zahlte) an mid nad) Venedig abgeſchickt feien. Erhalte ich dies 
aber nicht, fo bitte ih auch Site, in diefer Angelegenheit fich in feiner 
Weiſe weiter zu bemühen, denn dann fteht unwiderruflich meine Erflärung 
feft, und Herr Thome erhält nie meinen „ZTriftan”, worüber ich eine 
nöthige Erflärung dem Prager Bublicum zulommen lallen werde... . .“ 

Nun endlich wurde die Sache arrangirt, Apt telegraphirte 
noch im März nad) Venedig an den eben in der Abreiſe be- 
griffenen Wagner, daß das Honorar unterwegs fei, und „Rienzi“ 
ging in Prag über die Bretter. Apt berichtete über die Auf- 
führung an Wagner, und diefer dankte de dato Paris, 21. Nov. 
für die Kunde. Die Premiere (24. October 1859) war befannt- 
lich Wilhelm’s Jahn's erjte große That in Prag; man gab die 
Oper in glänzender Ausjtattung und wiürdiger Befegung,*) und 


*) Rienzi-Bachmann, Irene⸗-Frl. Praufe, Stefano-Herkich, Adriana- 


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der Geift Jahn's waltete über der Aufführung. Nun waren auch 
die herzlichen Beziehungen zur Prager Direction wieder hergeftellt. 
Als im April 1861 vom böhmiſchen Landtag auf Antrag des 
Sardinal: Fürfterzbiicho]8 eine Deputation an den Kaiſer gefandt 
worden war mit der Bitte, fich in Prag als König von Böhmen 
frönen zu laffen, richtete Thome die Anfrage an Richard Wagner, 
ob er geneigt wäre, den erjten Theil der Nibelungen-Zetralogie, 
„Rheingold“, zuc Einzeln- Aufführung für die zu erwartende 
Feſtvorſtellung aus Anlaß der Krönung, für welche man jogar 
Ihon einen beftimmten Zag, den 21. Auguſt, bezeichnet hatte, zu 
überlafjen und die Feſtvorſtellung perſönlich zu dirigiren. Wagner 
war von vorneherem der Aufführung eines einzelnen Theiles 
feines großen Werkes, da er ja das Ganze untheilbar und voll» 
endet aufzuführen gedachte, abgeneigt, und zudem war er zu jener 
Zeit auf das Angelegentlichjte mit der geplanten „Triſtan“⸗Vor⸗ 
ftellung in Karlsruhe bejchäftigt. Demgemäß lautete, wie Glajenapp 
in feiner umfangreihen Wagner-Biographie erzählt, dag vom 
25. April 1861 datirte Antwortichreiben Wagners an Thome 
ablehnend. Auh Apt hatte ſich in diefer Sache jehr bemüht; 
ihm gegenüber äußerte ſich Wagner in einem Briefe aus Paris 
vom 24. April 1861 in folgender Weife: 

„Herr Dir. Thome rührt mich fehr durch feinen Eifer, meine neuen 
Werke zuerft geben zu wollen. Leider verfennt er nur die ungemeinen 
Schwierigkeiten und die Bedingungen, bie ich nothwenbig für die Möglich- 
" Leit einer erften Aufführung fefthalten muß, Ich gebente im September 
unter Mitwirkung der von mir anszumählenden vorzüglichiten Sänger 
Deutſchlands eine Mufteraufführung des Triftaen zu Stande zu bringen, 
und hoffe nächftes Jahr ein Gleiches mit dem „Rheingolb” aufführen zu 
innen. Nach biefen Mufteraufführungen werden meine Werke zunächſt 
denjenigen Theatern angehören können, deren technijche Leiter unb Vor⸗ 
ftände an diefen Aufführungen bei perfünlicher Gegenwart das Modell ge 
nonmen haben. Eher ift es wir nicht möglich, im anderweitige Auf 
führungen zu willigen. Ich hoffe, Herr Dir. Thome findet ſich durch dieſe 
Erklärung, da fie ein von mir feftgehaltenes allgemeine? Princip betrifft, 


- nicht zurüdgefegt . . .“ 


Frl. Mit, Paolo Orfini-Steinede, Legat-Hovemann, Baroncelli-Fekter, 
Gecco-Eilers, Friedensbote⸗Frl. Müller. 


— 561 — 


Die Sache hätte ſich übrigens, foweit fie die Feſtvorſtellung 
betraf, von felbjt erledigt, da es zu der Krönung bekanntlich nicht 
fam. Thome war in feinen Vorbereitungen etwas gar zu vor- 
Schnell vorgegangen. Am 20. October desfelben Jahres ftellte fich 
Wagner, in einem aus Wien datirten Briefe, für die nächiten 
14 Tage zu einer Mufifaufführung in Prag perfönlid zur Dis⸗ 
pofition, „um hiedurch den verehrten Pragern für ihre jederzeit 
jo groß bewiejene Theilnahme irgendwie feinen Dank ausdrüden 
zu können.“ Da jo raſch eine Aufführung neuer Wagner’scher 
Nummern von Seite des Cäcilienvereins nicht zu ermöglichen 
war, lud Apt den Componiften für einen jpäteren Termin ein, 
der, wie Wagner antwortete, in eine Zeit gefallen wäre, wo er 
bereit wieder außerhalb der Grenzen Deutfchlands fein wilrde, 
„Ich gedenke jedoch," fchrieb Wagner, „Anfang nächften Jahres 
wieder nach Wien zurüdzufehren und womöglich mehre Donate 
zu bleiben, ich Hoffe dann jedenfalls auch Prag zu befuchen, und 
es wird mich freuen, in irgend etwas Ihnen meinen Dank fir 
die rege Theilnahme, welde man mir in Prag fchenkt, bezeigen 
zu können . . .” 

Die Prager Direction gab übrigens die Hoffnung, den Meifter 
nah Prag zu citiren und dem Publicam unter jeiner Zeitung 
ein dort noch unbelanntes Werk, den „Triſtan“, vorführen zu 
laſſen, nicht auf, und Richard Wagner kam, um die Prager Ver—⸗ 
hältniffe und Kunſtkräfte, welche feinem „Triſtan“ ein Durchgreifen 
fihern Eönnten, kennen zu lernen, im Febr. 1863 in die böhmifche 
Hauptjtadt. Wie ſehr das Zerram für ihn geebnet war, das 
bewies der glänzende Erfolg jeines Concertes, das am 8. Febr. 
die Sophieninfeljäle mit einen ebenjo diftinguirten als zahlreichen 
Publicum füllte. Als Wagner an der Spite des ihm begeiftert 
ergebenen Orcheſters erjchien, brach ein Beifallsfturm los, der 
fein Ende nehmen wollte. Bon den ſechs Nummern des Pro- 
gramm mußten zwei, das Vorſpiel zu den „Meifterfingern" und 
„Siegmund's Liebesgefang" (gefungen von Hrn. Bernard), wieder⸗ 
holt werden; mit Enthufiasmus aufgenommen wurden alle übrigen: 
„Verſammlung der Meifterfinger und Anrede Pogner's an die 

36 


— 562 — 


Berfammlung” (gej. von Rokitansky), die „Fauſt“-Ouverture, das 
Vorſpiel zu „Zrijtan und Iſolde“, das unter des Meifters Leitung 
einen gewaltigen Eindrud machte, und endlich die „Tannhäuſer“⸗ 
Ouverture als Schlußnummer. Es wurden ihm Bouquet und 
Kränze überreicht, die Berfallsftürme wollten nicht enden, und 
Wagner nahm zum Schluffe, wiederholt gerufen, das Wort zu 
einer Anrede. Einer freundlichen Aufnahme in Prag, ſagte er, 
wo jeine Werfe faſt zuerft eine jo nachſichtige und erfolgreiche 
Anerkennung gefunden, jet er zwar mit zuverfichtlicher Hoffnung 
gewiß gewejen, dennoch müſſe ihn der ihm jo eben zu Theil ge- 
wordene Empfang ebenfo freudig als unerwartet überrajchen. Schon 
lange habe er fehnlich gewünicht, die Stadt, welche ihm und feinen 
Beftrebungen zuerjt den Weg gebahnt, wieder einmal bejuchen zu 
können. “est ergreife er innig bewegt die Gelegenheit, um jeinen 
Dank für fo viele Zeichen huldvoller Anerkennung abzuftatten. — 
Nach dem Concert erhielt Wagner von dem großen Kreiſe feiner 
Prager Verehrer einen von Brof. Mildner überreichten pracht⸗ 
vollen jilbernen Lorbeerkranz, auf deſſen Blättern die Titel feiner 
Werfe mit der Widmung „Prag 1863" angebracht waren. 


Nach den damaligen Meldungen der Prager Yournale betrug 
das Neinerträgniß des Concerts mehr als 1000 fl. Von der 
duch Wagner’s Ankunft bervorgerufenen Aufregung zeugt folgende 
Zuſchrift, welche am Tage vor dein Concert in der „Bohemia“ 
veröffentlicht wurde: 

„In Bezug auf die von Richard Wagner am Sonntag zu veranital: 
tende Mufitaufführung cireuliren in der Stadt eigentbümliche Gerüchte, 
welche nur in offenbarer Bösmilligkeit ihre Erklärung finden können. Es 
verlautet nämlich, eine Gejellihaft von Mufttfreunden babe R. Wagner in der 
Abſicht nach Prag eingelaben, um ihn in ihrem eigenen materiellen In⸗ 
tereſſe auszubeuten. Wir find in der Rage, auf das Beftimmtefte verfichern 
zu können, daß die erwähnten Mufıkfreunde zu Wagner’3 Concert in Feiner 
anderen Beziehung ftehen, als daß fie in dem bei Wagner's Bedeutung 
obnedies faum denkbaren Fehlſchlagen des Concert eine Haftung 
für einen gewiffen Minimalbetrag übernommen haben. Da von einem 
Antheil am Erträgniß unter feinen Umſtänden die Rede ift, fo hätten bie 
erwähnten Mufiffreunde wohl eher eine Anerkennung für ihre uneigen- 
nüsigen Bemühungen als eine VBerbächtigung erwarten künnen.“ 


, 


—X 








— 563 — 


Im November Fam Richard Wagner abermals nach Prag 
und. war der Gegenftand bejonderer Ovationen. Am 3. Nov. 
gab man den „fliegenden Holländer" in feiner Anmefenheit, und 
Beifallsftürmen folgend, erjchien der Componiſt wiederholt, zulegt 
mit Capellmeifter Jahn auf der Bühne. Zwei Tage fpäter fand 
im Sophieninfelfaale ein „Wagner-Concert” ftatt, in welchem 
das BVorjpiel zu „Lohengrin”, die Verfammlung und Anrede 
Pogner's aus den „Meeifterfingern”, der Liebestod aus „Zriftan”, 
Sigmunds Liebesgefang, das Schufterlied des Hans Sachs, der 
Walfürenritt und die Schmiedelieder Siegfried zum Bortrage 
famen. Das Orcheſter war durch Confervatoriums-Zöglinge ver. 
ftärkt, die Soli hatten Bachmann, Bernard und Rokitansky inne, 
Wagner dirigirte, mit Zorbeern begrüßt, perjünlid. Am 8. Nov. 
leitete .er ein zweites Concert, wobet u. A. Wotan's Abfchied 
(Hr. Kren) und „Feuerzauber” zum Bortrage kamen. Wagner 
war abermals der Gegenftand ftürmifcher Ovpationen von Seite 
des Auditorium und des Orcheſters. 

Die übrigen Ereigniffe der Opernbühne in der Aera home 
jeien raſch geftreift. Man hörte u. U. eine neue Oper von Joh. 
Nep. Skraup „Der Liebesring“, Tert von Dr. Schmid (1861), 
„Concino Eoncini”, eine „Dramatifche Oper“, Muſik von Löwe, Text 
von Lewitſchnigg, die fünfactige Oper „Rizzio“ von E. Meyer, Muſik 
von A. Schliebner. Eine bejondere Bereicherung erfuhr das Re⸗ 
pertoire gerade in diefen Jahren durch die neueſte operiftiiche 
Specialität, die moderne franzöfifhe Operette Offenbach's, 
welche — in ihren Anfängen ein leichtes anmuthiges Singipiel, 
ähnlich der alten „Dperette" — bald zur DBurlesfe wurde und 
fih nun zwiſchen Poſſe und Oper einfügte, diefe beiden fichtlich 
einengend und im Mepertoire ſchmälernd. Ein eigenes Operetten- 
perfonal kannte man zunächſt nicht: man zog die Gejangsfräfte 
der Oper und die komiſchen Kräfte der Poſſe gleichmäßig zur 
Mitwirkung heran, ja hervorragende Opernkräfte find lange Zeit 
die Stütze der Prager Operette gewejen. Die erfte Offenbachiade, 
die auf der Prager Bühne erjchien, war „die Hochzeit bei Laternen⸗ 
jchein” mit Luiſe Lichtmay als Tatharina, Frl. Miller als Dlarie, 

86* 


— 564 — 


Frl. Monhaupt als Liefe (8. Jäner 1859); diefer friichen, melo- 
diichen Gabe des deutſch⸗franzöſiſchen maöstro folgte noch in dem- 
felben Jahre „Das Mädchen von Eliſonzo“ und (31. Dec.) „Or 
pheus in der Unterwelt”,*) auch fühlte man ſich in diefem Jahre 
gedrungen, die Prager mit Binder’s „Zannbäufer-Parodie” bes 
fanntzumachen; im Repertoire des nächften Jahres war Offenbach 
durh „Martin der Geiger", 1861 durch „Fortunio's Liebeslied", 
1862 durch „Herr und Dad. Denis", 1864 durch „Die jchöne 
Magellone“ (rau Hallenftein in der Titelrolle) vertreten. Im 
J. 1863 führte fi ein heimifcher, Tiebenswürbiger Compontift 
besfelben leichten Genres, Franz v. Suppe, mit zwei Operetten 
ein, die fich dauernd behaupten follten: „Zehn Mädchen und fein 
Dann" (16. Mai) und „Flotte Burfche”**) (18. Juli). 

War an Novitäten der verfchiedenften Qualität in diefer 
Aera kein Mangel, jo ließ der Zudrang an Gäſten nicht weniger 
zu wünjchen übrig. Man hörte 1858 Jenny Bürde-Ney, die ſeit 
ihrem Abgang von Prag Künftlerin erften Nanges geworden war, 
1859 Wild und Appe (Kärtnerthortheater), Sontheim und Frau 
Marlow von Stuttgart, Bignio (damals in Peſt); 1860 abermals 
die Stuttgarter Heroön, dann Wachtel in feiner Vollfraft, Marie 
v. Läszlo⸗Doria, den unvergeflenen und noch nicht gebrochenen 
Steger in all feinen Glanzrollen, 1861 abermals Steger, Belia 
Trebelli, Defirie Artöt und Carl v. Bukovics, der ſich als Jäger 
im Narbtlager hören ließ; 1862 kehrten die Lucca und Artoͤt 
wieder, außer ihnen fam Bed von Wien, Impreſſario Merelli 
mit einer italienischen Gefellfchaft, deren Stern Sgra. Volpini 
war ; im nächſten Jahre hörte man u. X. Mitterwurzer, Fr. Harriers- 
Wippern, Adelina Patti, Emilio Naudin, Piſchek. 

Fehlte e8 auch an vorübergehenden Schwierigkeiten und Ber: 
legenheiten nicht, im Allgemeinen konnte, wie man fieht, Thome 





*) Ariſteus⸗Haſſel, Supiter-Dolt, Orpheus⸗Markwordt, Styr⸗Scutta, 
Mercur⸗Sekyra, Diard-Chramofta, Eurydile-Frl. Müller, Diana⸗-Frl. Fries, 
Cupido⸗Frl. Valentini, Deffentl. Meinung Frl. Haflel. 

es) Geyer⸗Walter, Brand⸗Frl. Sternau, Frinke-Fr. Grobeder a. G. 
Anton⸗Franke (ein lyr. Tenor), Fled-Eichenwald, Kameelwirth-Frank. 








— 565 — 


in jeiner Eigenjchaft als Leiter der Prager Oper kein Vorwurf ge- 
macht werden. Das Perſonal war felten jo reich an tüchtigen Kräften; 
einzelne Yächer, wie das Baß⸗-Fach, in welchem Eilers, Rokitansky, 
Kren nebeneinander wirkten, ift niemals wieber gleich gut bedacht 
geweſen; an die Güte der weiblichen Kräfte brauchen wir faum 
zu erinnern, und der Zauberjtab des Capellmeiſters Jahn bürgte 
für die richtige Verwendung diefes jeltenen Sänger-Matertials.*) 
Das Mufilleben Prags wurde von diefem YZuftande der Oper 
nicht unweſentlich beeinflußt. In den großen Concert: und Ora- 
torium- Aufführungen, **) auf den Chören der Kirche und ing- 
bejondere in den gemählten geiftlichen Concerten, welche einer der 
funftiinnigften und ehrwürdigften Priefter Prags, der Superior 
des Capucitierhofpizes bei St. Joſef, P. Barnabas Weiß, ver- 
anftaltete, waren die damaligen Kräfte der Oper ſehr gefchäkt. 
Deshalb gab fich auch die lebhafteſte Theilnahme in allen Kreiſen 
Prags für die Abjchiedsabende der Thome'ſchen Oper fund. Im 


*, Das Shenterperfonal hatte 1863 folgenden Beſtand: Intendant 
W. Ritter v. Bohuſch, Dir. Thome, zugl. Oberreg., Reg. Daflel und 
Roſenſchön, Kapellm. Zahn und Slansky, Secr. Sinzig, Caſſiere Schulz, 
Frank, Walther, Schmitt und Czermak, Souffl. Martinet und Burmeifter, 
Iufpicienten Hametner und Römer, Bibl. Winarz, Theatermaler v. Romer, 
Theaterärzte Prof. Dr. Mafchla, Dr. Czarda. — Sänger: Bachmann, 
Bernard, Eichenwald (Kom.), Eilerd, Franke, Hardtmuth, Haflel (Reg.), 
Rafael, Rokitansky, Saag. — Sängerinen: Frls. Brenner, v. Chrenberg, 
Fried, Sternan, Zawiszanka, Frauen Hallenftein, Kainz⸗Prauſe, Prochaska 
— Schauſpiel: Herren Boſchetti, Dietz, Dolt, Eihenwald, Fiſcher, Fran, 
Frey, Hallenftein, Kolar I. und H., Harry Dieyer, Oberlänber, Sauer, 
Schamberg, Selira, Siege, I. Smoboba, Walter. Damen Irls. Birn- 
baum, Bollard, Bofchetti, Brand, Fried, Huvart, Raabe, Seemann, Frauen 
Burggraff, Frey, Rohrbeck, Szegöffy. — Ballet: Balletm. und Solot. 
Reifinger, Solot. Hr. Freund, Solotänzerinen Frls. Hente und Lamolioere, 
6 Figurauten, 16 Yigurantinen, 12 Clever. — Chor 4 Damen und Herren. 

e*) Am 22. Dec. führte man im Sophieninfelfaale zum erften Male 
Händel’ „Salomon“ mit Orgelbegleitung von Mendelsſohn in folgender 
Beſetzung anf: Königin v. Saba⸗Frl. v. Ehrenberg, Salomon⸗Fr. Prochaska, 
Zadok⸗Lukes, Briefter-Eilers, Trabant-Emminger, Königin Frl. Pedl, 1. und 
2. Weib Yrld. Zawiszanka und Machacek. 





— 566 — 





Dec. 1863 brachte Jahn zu feinem legten Benefiz neuftudirt 
„Templer und Jüdin“, und die Oper fehlug derart ein, daß nicht 
nur der Beneftziant, ſondern aud) der Director hervorgeftürmt wurbe 
— home bedauerte, nur mehr Turze Zeit dem Prager Publicum 
zu Dienften ftehen zu können. Am 28. Febr. 1864 gab Jahn 
im Sophieninfelfaale ein großes Abjchiedsconcert, zu welchem das 
geſammte Theater-Orchefter, verftärft durch das Conjervatorium 
und den Militirmufilverein, mehre Gejangvereine und andere 
Bocaliften herangezogen wurden: man gab Fragmente aus Haydn 
"Schöpfung", Mozarts „Titus“, „Zemire und Azor“ (Spohr), 
Händels „Allelujah“ u. ſ. w. — an Beifallftürmen und Kränzen 
für den gediegenen und verdienten Dirigenten fehlte es nicht. Auch 
der Baflift Kren verabjchiedete fich in einem befonderen Concerte, 
Rokitansky fang zum Abjchievsbenefiz den Neuterholm im 
Aubers „Ballnacht”, Frl. Brenner die Norma, am 18. März 
fand noch eine aus Opern-Fragmenten zufammtengejegte Collectiv- 
Abfchiedsvorftellung des Opernperſonals ftatt — das Enjemble 
war zerftört, eine neue Divection hatte ein neues Gebäude mühſam 
und mit taufendfachen Schwierigkeiten aufzuführen. 





— 567 — 


XXI. Ä 


Die nationale Spaltung des Prager Theaters. — Gründung 
des cechiſchen Sandes-(Interims-)&henters. — Die Yerfonal- 
Anion. — Ende der Thome“ſchen Direckion. 


(Die eriten Schritte zur Erbauung eines felbftänbigen cech. Theaters; das 
Nationaltheater-Baucomite 1845. — Der Indifferentismus der Deutichen 
und beutihe Theilnahme an ber Cechifhen Theater-Sammlung. — Die 
Regierung greift befchränfend in die Agitation ein. — Anlauf des Bau⸗ 
platzes am Quai. — Forderungen nach Erweiterung des Cechifchen Reper⸗ 
toires und der dech. Vorſtellungen im Landestheater. — Neue Brojecte: 
ein utraquiftifches Operntheater, ein Separat-Übonnement auf vermehrte 
ce. Vorftellungen im Landestheater, daS Ce. Interimstheater. — 
Agitation der Extremen gegen das Proviforium. — Das Theaterbaucomite 
überläßt ein Terrain zur Erridhtung bes Interimstheaters. — Eröffnung 
der felbftändigen ce. Bühne und ihre erften Tage. — Neue Directiond- 
Sandidbaten. — Die Trennung ber Directionen: Rudolf Wirfing wird 
Reiter des deutichen, Liegert Dir. des cech. Theaterd. — Das Neuftädter 
Theater; Thoméè's Abichied.) 


Wie rafch auch der Traum von einem jelbjtändigen Cechifchen 
Nationaltheater, welcher 1849 der Erfüllung jo nahe fchien, ver- 
flogen war, die Idee war nicht aufgegeben, und immer mächtiger 
regte fi) mit dem wachjenden nationalen Selbitbewußtfein, mit 
der wachſenden Propaganda der techiichen Kreife Prags das Ver: 
langen, diefe “dee ihrer endlichen Nealifirung zuzuführen. Bei 
Eintritt der zweiten Stöger’ichen Direction (1851) waren befannt- 
ih die cechiſchen Vorjtellungen im Landestheater, die unter Hoff- 
mann eine Erweiterung erfahren hatten, auf den „urfprünglichen 
Stand" zurüdgeführt, d. h. wieder auf die Sonn» und Feiertags- 
Nachmittage beſchränkt worden. Der Landesausfchuß hatte diefen 
Beichluß mit dem Hinweiſe auf den deutſchen Charakter des „in- 
telligenten und theaterfreundlichen Publicums“ motivirt, und dabei 
die Unmöglichkeit, „mit Einem Schlage aus Einem Theater zwei 
zu macden”, die vom künſtleriſchen Standpunkte evidente Unzu⸗ 
läſſigkeit einer Theilung des Prager Theaters conftatirt. Damit 


— 568 — 





war die Sache vorläufig beigelegt, aber eben nur vorläufig. 
Dean weiß, wie ernft und confequent die Cechifchen „Patrioten” 
an dem Streben nad einer großen und jelbftändigen nationalen 
Bühne feithielten, wie fie die ganze Nation für dieje {dee zu 
begeiftern, zur werfthätigen Theilnahme herbeizuziehen juchten. 
Im Sabre 1845 war es — wie wir in Ergänzung unferer 
bisherigen dies Thema ftreifenden Mittheilungen erwähnen — als 
ein Confortium lechifch-nationaler Bürger, vor Allen Fr. %. Rieger, 
Dr. Fri, Strobach, Trojan, der Müller Slavit, Perner umd 
Palackh, eine Eingabe an die Stände richtete, worin um Ueber- 
laſſung eines der im ftändifchen Beſitze befindlichen Theaterprivi⸗ 
legien zur Errihtung eines ftändigen und würdigen Cechiichen 
Theaters angejucht wurde. Das Gebäude. hiefür jollte an der 
Stelle des heutigen Lazansky'ſchen Palais (Ferdinandſtraße, alfo 
gegenüber dem gegenwärtigen National-Theater) errichtet werden. 
Der böhmijch-ftändifche Landesausſchuß nahm die Sache in Ver⸗ 
handlung; von der Ueberlafjung eines Bauplages kam man bald 
ab, dagegen beantragte Graf Albert Noftig eine Subvention von 
5000 fl. jährlich für das neue Unternehmen. Am 9. April 1845 
verhandelte der jtänd. Landtag über die Sache und nahm die 
Landesausſchußanträge an, wornach der Actiengejellfchaft zur Er⸗ 
richtung eines tech. Theaters eines der beſtehenden Privilegien auf 
50 Jahre überlaſſen werden follte. Der Antrag des Grafen Noftig 
auf Bewilligung einer Subvention wurde mit 34 gegen 32 Stimmen 
abgelehnt. Dieſe Beichlüffe wurden Dr. Frit mitgeteilt; man 
hielt eine große Verfammlung, wählte ein 3Ogliebriges Comite 
und bewarb fih um die kaiferlihe Genehmigung zur Gründung 
der Gejellichaft. Dieſes Geſuch lag aber noch 1848 unerlebigt, auch 
die Financirung des Unternehmens begegnete außerordentlichen 
Schwierigkeiten -- das Project fchien definitiv gefcheitert. Die 
Idee felbit aber war nichts weniger als aufgegeben. Das ver- 
ftärkte Nationaltheaterbaucomite, das in dem politiichen Führer 
der cechifchen Nation, Franz Balacky, einen unermüdlichen För⸗ 
derer befaß, entfaltete nun eine lebhafte Thätigkeit in öffentlichen 
und allgemeinen Sammlungen für feine Zwede. Einzelne Ariſto⸗ 





— 569 — 


fraten, wie Fürſt Johann Lobkowitz, die Grafen Wratislam und 
Lazansky, Ritter v. Neuberg und Baron Villani, traten in das 
Eomite, die Action wurde in großem Style aufgenommen. 

Der deutiche Charakter der reicheren und intelligenten Be- 
völferung Prags ftand in jenen Tagen noch außer Zweifel, wenn 
auch bereits ein gewifjes, dem aufmerkſamen Beobachter fichtbares 
Zurüdmweichen der deutfchen Sprache zu conftatiren war. Im 
Selbſtgefühle einer zweifelloſen Deajorität, in verhängnißvoller 
Unterfhägung der anderen Nationalität und deren cultureller, 
Itterarifcher und politifcher Beftrehungen ftanden die Deutjchen 
Prags und Böhmens indifferent der bedeutfamen Wandlung gegen- 
über, die ſich im Volksleben ihres Heimatlandes vollzog; ihr 
nationales Erwachen ließ lange auf fich warten und erfolgte erſt, 
als der allgemeine Indifferentismus zahlreiche deutſche Elemente, 
namentlid der jüngeren Generation, dem anderen, vegeren, raſtlos 
emporjtrebenden Volksſtamme in die Arme getrieben hatte. Das 
deutfche Nationalgefühl begann erſt zu erwachen, als die Ent- 
nationaliſirung Deutjcher immer gewaltigere Fortſchritte gemacht 
Batte, zu einer Zeit, da die Lechiichnationale Propaganda in den 
gemiſcht⸗ſprachigen Landestheilen bereits die Deutjchen, ehedem die 
Herren aller volfreicheren Städte, die unbezweifelten Vertreter der 
Intelligenz, fozujagen in fich „aufgefogen" oder zu fchwachen 
Minoritäten herabgedrüdt, in der Landeshauptitadt aber einen 
„Utraquismus" hergejtellt hatte, der fich immer mehr zu Ungunften 
des deutjchen Stammes entwidelte. Die Führer der öeechiſchen 
Nationalität waren Hug genug, mit den jeweiligen Verhältnifjen 
zu rechnen, wenn fie zum eigenen nationalen Vortheil auszunügen 
waren. So beichloß das Cechifche Theatercomite den eriten großen 
Aufruf zu Sammlungen für das Cechiiche Nationaltheater in 12.000 
cechiichen und 8000 deutichen Exemplaren, von den Statuten des 
neuen cechiichen Theatercomites je 2000 deutſch und Cechifch, und 
endlich je 2000 deutſche und ecechiſche Sammelliften druden zu 
laſſen. (Den erften deutschen Aufruf hatte Jungmann verfaßt.) *) 

%, Siehe dad Werl: „Närodni divadlo v Praze, döjiny jeho i 
stavba dokondena.“ 


— 970 — 


Thatjache ift es, daß unter den Beiftenernden deutſche und national 
indifferente Landesbewohner beutfcher Zunge zahlreich vertreten 
waren. Man hatte eben vielfach nur die Fünjtlerifchen, keineswegs 
aber die national-politifche Bedeutung der Sache im Auge. 

Einen Schlag für das Comite bedeutete ein Statthalterei- 
Erlaß vom %. 1851, wornad) die Sammlungen auf dem Lande 
nicht durch eigene Sammler fondern durch die Bürgermeifter und 
Gemeindevorfteher geleitet werden mußten. Der Landesausfchuß 
hatte dem Comite alle bei ihm eingelaufenen Geldmittel für den 
cechifchen Theaterbau und 14.000 fl. aus dem Domejticalfond zur 
Verfügung geftellt und die Uebernahme des fertigen Theaters in 
die Landesverwaltung (nad) Art des Verhältnifjes des alten jtänd. 
Theaters) in Ausficht geftellt, für den Fall aber, als eine jolche 
Uebernahme nicht erfolgen follte, die Abtretung eines feiner 
Theaterprivilegien zur felbftändigen Führung des Theaters ver- 
jprochen. Statthalter Baron Mecs er y corrigirte indeß diefe weit- 
gehenden, die Befugnifje des Landesausſchuſſes überjchreitenden 
Berjprechungen, beftritt fpeciell das Hecht des Landesausſchufſes 
zur freien Verfügung über ein k. k. Theaterprivileg und wahrte 
der Negierung das Recht der Beftätigung des erwähnten Zuſchuſſes 
aus dem Domefticalfond. Die Sammlungsaufrufe jelbjt mußten 
. auf Böhmen bejchränkt bleiben und mehrfach umgearbeitet werden, 
ehe fie die Sanction der Statthalterei erhielten. 

Als die Sammlungen einigermaßen in Fluß famen, juchte 
man auch nach einem geeigneten Bauplatz. Es würde zu weit 
führen, alle die Plätze zu bezeichnen, die hiefür jemals auserjehen 
waren (Joſefsplatz, Roßmarkt u. ſ. w.), bis endlich der Bauplat 
am Quai gefunden und accepfirt wurde — im September 1852 
wurde diefer Plag oder eigentlih das Haus Nr. 223—IL der 
Frau Eleonore Edlen v. Schlofjer mit allem Zugehör um 45.000 fl. 
an das Cechische Nationaltheatercomite verkauft. Die Realiſirung 
der Theateridee war mit dieſem Kauf allerdings noch lange nicht 


Napsal Fr. Ad. Subrt. Jmönem sboru pro zrizeni Närodniho divadis 
v Praze vydal J. Otto. 1884. Tiekem a näkladem J. Otty v Praxe. 





— 571 — 


erreicht. In den reifen der techiichen „PBatrioten” wurde man 
“ ungeduldig; die Sammlungen lieferten ein Tpärlicheres Erträgniß, 
. al8 man erwartet hatte (zum SKaufpreife von 45.000 fl. fehlten 
noch mehr als 10.000 fl.), viele Gemeinden verhielten jich theil- 
nahmslos, und Nieger arbeitete ſchon 1852 einen zweiten noch 
beweglicheren Aufruf an das Volt aus — trogdem ſah man ich 
1856 faum in der Lage, die letzte Kaufrate fir den Bauplaß 
‚aufzubringen, nad) Abzahlung derjelben aber verfügte das Comite 
über faum 500 fl. Von 1855 bis 1858 gingen nur 6735 fl. 
ein! Auch die politiiche Lage war den Forderungen der Cechen 
ungiünftig, der Landesausſchuß fpeciell fonnte nicht mehr als För- 
derer ihrer Pläne gelten. Man erfannte, daß zu einem großen 
Nationaltheater nod) ein weiter Weg fei, und daß man vorläufig 
auf andere Weile einen Aufſchwung der Cechifchen Theaterverhält- 
nifje anftreben müffe. So ergriff man denn 1857, als es fich 
um die Neubefegung der Theater-Direction handelte, in diejen 
Kreifen mit Eifer die Gelegenheit, die befannten Forderungen nad) 
einer regeren Pflege der Cechifchen Bühne, nah „nationaler 
Gleichberechtigung auf theatralifchem Gebiete” zu wiederholen. Eine 
von „Mar Berger, Gutsbefiger und Ferdinand Fingerhut, 
Prager Bürger und Bierverleger" gefertigte Eingabe an den 
Landesausſchuß*) verbreitete jich eingehend über dieſes Thema. 

Die beiden Herren behaupteten, die ungünftigen Zeitverhältniſſe und 
ba3 mangelhafte Verſtändniß Director Hoffmann’3 allein wären bie Urſache 
bes fchlechten Erfolgs und der in deſſen Directiondaera erfolgten Einfchränfung 
der dechiſchen Vorftellungen auf die Sonntage geweſen. Seit jener Zeit hätten 
fi) die Verhältniffe geändert. Die öffentliche Meinung betradhte das na= 
tionale Theater nicht mehr bloß ald Unterhaltungs, fondern als Kunſt⸗ 
und Bildungsanftalt, die Thätigkeit der Cechifchen Literatur fei gefteigert, 
bie „Matice“ veranftalte eine würdige Shaleipeare-Ueberjegung und eine 
Auswahl der beften Bühnenftüde. Trotzdem ſei die „böhmiſche Bühne” auf 
bie Nachmittags Vorftellungen befchränft und im Sommer ganz ber Willfür 
bes Director preisgegeben, ein Zuftand, der umfo beklagenswerther fei, 
„al3 die böhmischen Theatervorftellungen die einzige Bertretung der drama⸗ 
tiſchen Kunſt eines Voll! von 7 Millionen Seelen fei, das fih über 


*, Eingereicht im Juni 1857. Acten des böhm. Landesausſchuſſes. 


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Böhmen, Mähren, Schleften und Nordungarn ausbreite”. Die techifchen 
Borftellungen feien durchaus ungenügend, das Perfonal beftehe großentheils 
aus untauglichen Mitgliedern der deutihen Bühne, die der cechiſchen Sprade 
mächtig feren, Abgänge würden nicht erjebt, fo daß bei Shakeſpeare'ſchen 
Stüden Statiften Epifoben fpielen, andere Stüde von Schiller, Goethe, 
Scribe und Calderon unmöglich jeien, obwohl gerade fie läuternd auf den 
Geſchmack wirkten könnten. Eine beffere Berüdfihtigung des Cechifchen 
Theaterd würde bie cechilchen Bevölkerung bei den geänderten Berhältniffen 
felbft bei erhöhtem Entree demfelben näher bringen, und deshalb ftelle man 
unter Hinweis auf bie feinerzeit gegebene Zuficherung der Errichtung eines 
gleichberechtigten Nationaltheaters diesmal die Bitte: die neue Direction fei 
contractlich zu verpflichten, das Cehiihe Theaterperfonal zu ver 
mehren und zur Durchführung größerer Aufgaben geeignet zu machen, in 
den Monaten vom October bis April außer den Sonntags-Nachmittags⸗ 
porftellungen jeden Donnerftag eine cehifhe Abendvorftellung 
zu geben, wogegen bie in einem dem Geſuche beigelegten Reverſe gezeichneten 
Herren der Direction 16 Logen im Parterre und erften Rang, 16 Rogen 
zweiten Ranges, 160 Parterre- und 40 Gallerie-Sperrfige im Abonnements⸗ 
wege für die Donnerftage garantirten. Diefe Garantie jollte im einem rechts⸗ 
räftigen Bertrage mit bem künftigen Director für volle ſechs Jahre feft- 
geftellt und ber Director überbied verpflichtet werden, an Donnerftagen 
abjolut keine „Bofjen oder poffenbafte Zauberftüde”, fondern höhere Dramen, 
Eonverfationsftüde und feine Ruftfpiele zu geben. In der Arena fei jeden 
Sonntag und Donnerftag cechiſch zu jpielen. Dan dürfe wohl beanfpruchen, 
bag ein Theil ber aus Nandesmitteln zu gewährenden Subvention von 
10.000 fl. au den Cehifchen Vorftelungen zu Gute fomme, jo lange ein 
eigened Cechiiches Theater nicht aufgebaut werben könne. Der künftige 
Director dagegen folle nicht wie feine Vorgänger den Ertrag der Cechilchen 
Vorftellungen zur Unterftügung des deutichen fondern zur Hebung des „eben 
erft anftxebenden und baber felbft Hilfebebürftigen böhmiſchen Theaters“ 
verwenden. Die Betenten fchloffen mit der Erwartung, „der hohe Landes⸗ 
ausſchuß wolle ihre Bitte gewähren, da jonft dieſe einzige böhmiſche Theater: 
inftitution wieder auf lange Zeit — nicht zur Ehre bed Landes — in feiner 
höchft untergeordneten, bedeutungsloſen und bes königl. ftänd. Theaters, mit 
den es auf das Innigſte zufammenhängt, höchſt unwürdigen Eriftenz ver- 
barren müßte”. 

Die Erledigung diefes Geſuchs entiprach den. Erwartungen 
der Bittjteller nicht. Der Neferent des Landesausſchuſſes erklärte 
die angebotene Garantie für durchaus ungenügend. Der Haupt 
grund aber. für die Unftatthaftigleit des Geſuchs liege in ber 


Rüdficht auf die Erhaltung und Hebung des deutjchen Theaters, 





— 573 — 


welche ſchon bei Errichtung des Theaters allein maßgebend 
gewefen jei. „Dualiſtiſche Tendenzen in Spradye und Schrift" — 
hieß es in dem betreffenden Referate — „künnen auf einem Theater 
nicht glei) gepflegt werden; die bevorzugte Beachtung eines dieſer 
beiden Intereſſen hat eine Vernachläffigung des zweiten im uns 
ausmeichlichen Gefolge. Wenn ſich auch die Utopien der Bitt- 
ftelfer in den Mantel der Beicheidenheit hüllen und nur einen 
Heinen Xheil der theatraliſchen Wirkſamkeit fir ſich in Anſpruch 
nehmen, jo fällt doch dergleichen zum Nachtheil der Intereſſen 
des deutfchen Theaters ſehr in's Gewicht." Der Neferent betonte 
ferner die Eonfequenzen, welche fich bei dem notoriichen Raum- 
mangel aus einer durch vermehrte cechiiche Vorftellungen bedingten 
Vermehrung der Broben ergeben müßten, wies auf das Necht 
der Logeneigenthümer, täglich eine deutſche Voritellung zu haben, 
und auf die nach Verminderung diejer Vorftellungen zu erwarten- 
den gerechten Nemonftrationen Hin und beantragte jchließlich, die 
Bitte des Hm. Fingerhut Tediglih mit dem Hinweis auf die 
bereit8 ausgefchriebenen Concurs- Bedingungen und Contract» 
Punctationen abzuweifen; eine nähere Begründung diefes ablehnen- 
den Beſcheids fei ſchon deshalb zu unterlaffen, um weiteren 
Beitungspolemifen vorzubeugen. 

Die Cechifch-nationale Strömung aber war bereits mächtiger 
geworden, als der Landesausſchuß annahm: die Parteipreffe wurde 
nicht müde, die fecundäre Stellung des techiichen Theaters in 
feiner bisherigen Verbindung mit dem deutfchen Mutterinftitute 
zu beleuchten. Mit Beginn der Sechziger Jahre brachte die wieder- 
entfachte und verftärkte nationale Bewegung auch neue Bewegung in 
die Theater-Agitation. Statthalter Freiherr von Kellersperg 
geftattete die Verftärfung des Comites um 200 Perjonen, die 
Sammlungen wurden allerort mit Feuereifer betrieben, und eine 
vorläufige Vermehrung der Lechifchen Vorftellungen im Landes⸗ 
theater mit verdoppeltem Nachdrud angestrebt. Sn Jahre 1861 
forderten nationale Blätter das Aufhören der techifchen Nachmittags- 
Borftellungen und die Gleichftellung der Abendvorftellungen mit 
den deutfchen. Die Cechifchen Opernabende wurden als unmögliche 


— 574 — 


„Schülerproben“ dharakterifirt, und Kober's „Obecnd Listy“ bes 
ſchworen Kolar, „mit aller Energie die Attentate auf das mu⸗ 
ſikaliſche Gehör der Cechen abzuwehren, dem Quacken und Krähen 
ein Ende zu machen und Thome aufzufordern, daß er den mu⸗ 
ſikaliſchen Auf der Nation nicht vor aller Welt ruiniren laſſe“. 
Eine Vorftellung des „Drätenik“ mit LZufes, Pivoda und Fräul. 
Blazef im Februar 1861 bezeichnete man als die einzig gelungene 
‚jeit Jahren. Am 28. April gab man die erfte cechifche Oper unter 
der jelbftändigen Leitung des neuen, aud fir das National- 
theater dejignirten Capellmeifters Koh. Nep. Mayr, Flotow's 
„Stradella”, mit Reichel, Lukes, Strakaty, Rafael und Frl. Blazek 
mit vollem Erfolg. Die Bafis für eine gefunde Entwidelung der Oper 
Ichien nun gefunden. Am legten Juni wurde der „Zroubadour” 
zum erſten Male cechifch aufgeführt, und Frl. v. Ehrenberg 
"war es vor Allen, die neben Reichel (Manrico) als Leonore der 
nenorganifirten Oper Ehre machte. Appe fang den Luna, Frau 
Thome-Günther die Azucena. Um einen geeigneten Nachwuchs 
zu fichern, beantragte Mayr die Gründung einer Cechiichen Opern» 
fchule, welcher eine Schaufpielfchule an die Seite zu jegen wäre; 
das Publicum für das Nationaltheater aber jollte, wie nun immer 
beftimmter gefordert wurde, in einem neuzugründenden „Interims⸗ 
theater" herangezogen und. gefammelt werden, einem Inſtitut, 
das baldmöglichſt die Xoslöfung der Cechifchen Bühne vom Verein 
mit der deutjchen bewirken, die Unabhängigkeit der Cechifch-natio- 
nalen Bühne zum Ausdrud bringen follte. Allerdings fehlte es 
auch nicht an Stimmen, welche durch einen folchen Bau den Bau 
des eigentlichen, großen Nationaltheaters verzögert, Summen ver: 
geudet fahen, die dem großen Werke zu Gute gelommen wären. 

Urfprünglich dachte man nad) dem Vorſchlage des Dr. Pinkas 
an die Erbauung eines foldhen proviforiichen Nativnaltheaters auf 
dem SYofefsplage, dann war die Kattunhäuge im Niclasklofter 
oder das Kopengebäude dafür in Ausficht genommen — Capell⸗ 
meister Mayr hinwieder wollte alle dieje Projecte verworfen willen 
und plaidirte in einem „Gutachten“ dafür, einftweilen das Neu⸗ 
ftädter Theater als cechifche Bühne zu acquiriren, im Winter 





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eventuell zwei Abende der Woche im Landestheater Cechifch zu 
jpielen, dann aber ein neues großes Operntbeater mit 
deutfhem und Cehifhem Repertoire zu erbauen. 
Das cechiihe Theaterpublicum, äußerte Mayr, fei nicht aus⸗ 
reichend genug vertreten, um allabendlich eine eigene Bühne zu 
füllen, wie e8 das Stöger’sche Theater in der Rofengaffe und der 
Erfolg der de. DonnerftagsPorftellungen unter Thomé (1850) 
erwiefen. Das neue utraquiftiiche Operntheater follte Landes—⸗ 
theater fein wie das alte, in welchem dann Scaufpiel und 
Poſſe abwechjelnd in beiden Landesſprachen zu cultiviven wäre, 
der Operndirector, Bibliothek, Garderobe, Chor, Orchefter und 
Ballet jollten gemeinfam fein, und im Herbſt 1862 bereit die 
Borftellungen in dem raſch zu erbauenden Theater eröffnet werden. 
Diefer Plan, fo wenig Anklang er unter den Ertrem-Nationalen 
fand, wurde doch vielfach gebilligt, und viele ernft wägende Cechen 
ſelbſt ſahen in einem utraquiſtiſchen großen Operntheater, das 
von dem zahlreichen deutſchen Stammpublicum gehalten würde, 
die einzige Garantie einer proſperirenden, gleichberechtigten Na- 
tionalbühne. Verwirklicht wurde das Project allerdings nie. 


Ehe man fich überhaupt mit neuen Xheaterbauten befaßte, 
ſollte nach dem Willen der nationalen Partei mit der wiederholt 
angeftrebten Stärkung des Cechiichen Repertoires im alten Landes⸗ 
theater Ernſt gemacht werden. Am 21. Sept. 1861 wurde dem 
Landesausſchuſſe eine Petition von Prager Bürgern überreicht, 
welche bis zur Eröffnung eines jelbjtändigen techiichen Theaters 
die Einführung zweier Abendvorftellungen in diefer Sprache außer 
den cechiſchen Nachmittagsvorftellungen verlangte. Zu diefem Zwecke 
— führte die Petition aus — fei im Einverftändniß mit dem 
Abgeordneten und Intendanten der dech. Bühne Dr. Rieger ein 
Verein zufammengetreten, der nach vorläufiger Berathung mit 
Dir. Thome die Aufnahme gedachter Vorftellungen im Neu- 
jtädter Theater mit 1. October anftrebe. 

„Die Ausführung diefes nothwendigen Unternehmens,“ erflärten die 


Petenten weiter, „erheilcht aber and dem Grunde, weil die Kräfte für biefe 
cehhifchen Vorftellungen erft gewonnen und gebildet, daher im Unfange aus 


— 576 — 


fhon vorhandenen vollendeten Künftlern, die der cech. Sprache mächtig find, 
umterftügt und ergänzt werben müſſen, dann weil die cechilhe Sprade 
weder im Drama noch für die Oper ein außreichendes Repertoire befigt, 
einen ziemlich bedeutenden Fonds. Gin Theil desſelben wirb durch Ein⸗ 
führung eines ganzjährigen Abonnements für Logen und Sperrfige auf: 
gebradht, allein deshalb bleibt noch immer ein bebentenber ‘Theil der 
nothwenbdigen Auslagen ungefihert. Da num aber das biöherige beutiche 
Theater unjerer Hauptitadt nicht bloß feinen Urſprung dem gemeinfanten 
Zuſammenwirken und den Beiträgen ber beutichen und flavifchen Bewohner 
bes Landes verdankt (?), ſondern auch durch die ganze Zeit ſeines Beſtandes (?) 
vom Landesausſchuſſe mit einer derzeit 10.500 fl. betragenden Summe and 
dem gleichfall3 beiden Nationalitäten gehörigen Landesvermögen unterftügt 
wird, fo wagen bie Gefertigten im Namen ber übrigen flavifchen Bevölkerung 
dem hohen Landesausfchuffe vertrauensvoll die Bitte vorzulegen, er möge 
zum oberwähnten Unternehmen db. i. zur Begründung einer Vor- 
bereitungsfchnle für das fünftige Cehifhe Nationaltheater 
und gleichzeitig zur Befriedigung der dringenden und geredhtfertigten Wünfche 
ber Prager Bevölkerung nach wenigftend drei dech. Vorftellungen in 
ber Woche und zwei oder drei Opernvorftellungen im Monat 
vorläufig nur auf Ein Jahr nemlich bis zur Eröffnung des ch. National. 
theater8 einen Beitrag bewilligen - ... .“ 

Thome willigte ein, im October mit diejen Cech. Vorftel- 
lungen zu beginnen, der Landesausſchuß votirte 4000 fl. 
für Mdaptirung des Neuftädter Theaters, mußte jedoch davou ab- 
ſehen, da Heizungsfchwierigfeiten die Unmöglichkeit der Winter: 
Borjtellungen ergaben, fo daß man fich entjchloß, während der 
Winterfaifon an 18 Donnerftagen im Landestheater cechifch jpielen 
zu lafjen, im Sommer 82 led). Vorftellungen im Neuftädter Theater 
zu geben und jeden Schaufpielabend mit 200, jeden Opernabend 
mit 300 fl. Subvention zu fihhern. Die Logeneigenthümer *) waren 
damit einverftanden, wenn man fie für den Verluſt an deutfchen 
Borftellungen durch Beſchränkung der Abende mit aufgehobenem 
Abonnement entjchädige. Das vom Comitt ausgefchriebene Abon- 
nement auf jene 100 dechifche Vorjtellungen hatte Erfolg, und 


*) Oogeneigenthümer maren 1861: Bincenz Fürſt Auersperg, 
Camill Fürft Roban, General Graf Clam-Gallas, Graf Carl Kinsky's 
Erben, Graf Oswald Thun, Ernft Graf Waldftein, Erwein Graf 
Noſtitz-Rhinek. 





— 577 — 


am 5. Dec. 1861 wurden die Cechiichen Abendvorftellungen im 
alten Landestheater mit dem Tyl'ſchen Schaufpiel „Der blinde 
Jüngling“ aufgenommen. Die tehifchen Schaufpieler begrüßten 
diefe Einführung mit getheilten Gefühlen: fie hatten nun eine 
ungleich ſtärkere Beichäftigung und die alte Gage; deshalb erfolgte 
im Jäner 1867 eine Maſſenkündigung von Seite des Cechifchen 
Perſonals, das erft durch eine Beſſerung ſeiner Bezüge wieder⸗ 
gewonnen werden mußte. 

Mittlerweile war auch das Project des Interimstheaters 
ſeiner Verwirklichung nähergerückt. Als im April 1861 der neue 
böhmiſche Landtag zu Prag tagte, brachten die Abgeordneten Fürſt 
Carl Schwarzenberg und Graf H. Clam-Martinig in 
der Schlußfigung einen Antrag ein, „dem Landesausſchuſſe fei 
aufzutragen, die Angelegenheit des Landestheaters im Sinne 
der Wünjche und Bedürfniffe der beiden Nationalitäten zu regeln, 
eventuell ein cechifches Theater zu erbauen”. In feiner Sigung 
vom 21. Jäner 1862 bejchloß nun der Landesausſchuß, auf Grund 
diejes zum Bejchluffe erhobenen Antrags, an den Landtag einen 
motivirten Antrag auf Errichtung eines zweiten Theaters für 
tech. VBorftellungen zu leiten, ferner, um den Bedürfniſſen der Gegen- 
wart abzuhelfen a) auf eigene Gefahr gegen nachträgliche Ver⸗ 
antwortung ein Knterimstheater auf dem Joſephsplatze 
zu errichten, b) ſich wegen Weberlaffung des Bauplatzes an die 
Stadtgemeinde zn wenden, c) aus der Mitte des Landesausfchufjes 
eine Commiſſion zu wählen, welche alle Voreinlettungen für den 
Bau zu treffen, denfelben zu überwachen und für die raſche Durch» 
führung zu jorgen hätte. Mitglieder diefer Commiffion waren 
Dr. Pinkas, Rieger, Graf Thun und als Stellvertreter Ritter 
v. Bohuſch. Dem Landtage war folgender Antrag zu unterbreiten. 

„i. Es tft aus Landesmitteln mit Benüßung des zu biefem Zwecke 
gefammelten Fonds ein neues Landestheater zu errichten und auszuſtatten, 
welches zu dramat. Vorftellungen in cedhilher Sprache beftimmt ift. — 
2. Der L.⸗A. wird mit Ausführung dieſes Auftrags betraut und hat ji 
die Aufgabe gegenwärtig zu halten, innerhalb der ihm geftedten Grenzen 
eine Anftalt zu errichten, die in jeder Hinficht ihrem Zwede entipricht, der 
Würde ded Landtags angemeflen ift und gleichzeitig durch künſtleriſch hone⸗ 

3 





— 578 — 


monumentale Bauformen zur bleibenden Verſchönerung der Landeshauptſtadt 
bienen fol. — 3. Zu diefem Zwecke wird ihm die Vollmacht ertheilt, nad) 
eigenem Ermeſſen aus dem Landesfonb bis zum Betrage non 300.000 fl. 
zu diöponiren. — 4. Der Landesausichuß bat das beftehende Comité zur 
Errichtung eines böhm. Theaterd von diefem Beichluffe behufs Uebergabe 
bez. Uebernahme des von ihm erworbenen Vermögens und jeiner Auſprüche 
in Kenntniß zu ſetzen.“ 

Die dechiſche Sache Hatte nun im LZandesausfchuffe zu ein- 
flußreiche Vertreter, als daß ihr die gewünfchte Förderung ver- 
weigert worden wäre. Als von objectiver Seite die Einfchränfung 
gefordert wurde, das neue eechiſche Theater jolle das deutfche nicht 
an Größe überragen, blieb eine nachdrüdliche Cechiiche Zurüd- 
weifung dieſer jedenfalls auf das Gleichberechtigungsprincip ba⸗ 
firten Wunſches nicht aus. Die techifche Preſſe hatte ja diejes 
Prineip, das urfprünglich jo laut proclamirt worden war, längjt 
aufgegeben und jtellte nun ganz unverhüllt fogar die Forderung 
nach zwei cechifhe Theater oder einem Nationaltheater auf, 
welches das deutjche zweifach an Größe üherragen follte. 

In der Sache handelte e8 ſich jegt um den Bau des großen 
Nationaltheater8 und des Heinen nterimstheaters, dag — ein 
- „Danaörgeichent” naunten es extrem⸗cechiſche Blätter — vorläufig 
die Stelle jenes langfam in Scene gejegten Werkes vertreten ſollte. 
Die Wahl des Joſephsplatzes als Bauplag für das Snterims- 
theater begegnete übrigens bald mächtiger Oppofition. Rieger 
proteftirte dagegen und ftellte den Antrag, auf dem für das Na- 
tionaltheater erfauften Baugrunde am Quai einen Tleineren 

Bau aufzuführen, der einftweilen als Theater, nach Fertigftellung 
des Nationaltheater aber als Concertgebäude zu benüßen und 
mit dieſem Inſtitute zu vereinigen wäre. Obwohl der Antrag 
abgelehnt wurde, jtellten fich doch der Wahl des Joſephsplatzes 
jo zahlreihe Hinderniffe von Seite der Militär, Stadt und 
Kirchenbehörde entgegen, daß man die Idee aufgeben und auf 
das Rieger'ſche Project reflectiren mußte. Auch Hier allerdings 
gab es Hemmnifje zu überwinden, die in erjter Linie vom techifchen 
Nationaltheater-Baucomite ausgingen, welches in dem Interimsbau 
eine Beeinträchtigung des definitiven Baues ſah; jelbft Rieger 





— 579 — 


mußte es jich gefallen laſſen, als Schädiger der großen Sache ange- 
griffen zu werden, da fein Snterimstheater- Project die Vollendung 
des großen Nationaltheater in unabfehbare Ferne hinausfchiebe, 
Schon erwog der Landesausichuß den Plan, bei fortgejegter Weige- 
rung des Baucomites einen Theil des Nationaltheater⸗Terrains 
für das SYnterimstheater zu überlaffen, das legtere auf dem Roß—⸗ 
marfte zu erbauen, als endlich) eine Vereinbarung zu Stande kam. 
Der Play fir das fnterimstheater wurde gegen bündige Zur 
fiherungen betreffs der Förderung des Nationaltheaterbaues durch 
das Land vom Comité dem Landesausfchuffe zur Verfügung ges 
ftellt, nur eine fleine Weinorität des Komites, geführt von dem 
ultranationalen Prinzen Rudolf Thurn und XZaris, bebarrte 
auf dem Broteft gegen das Interimstheater mit der Behauptung, 
bis 1863 könne das große Theater jelbft vollendet fein. Welcher 
Optimismus zu einer ſolchen Hoffnung gehörte, follte bald klar 
werden. Das Synterimstheater, das felbft nach der Meinung peſſi⸗ 
miſtiſcher Cechifcher Vollsmänner nur drei Jahre ‘Dienfte leiften 
und bierauf dem großen Theater al8 Probe- oder Concert- 
faal angereiht werden follte, hat eine lange Weihe von Jahren 
den fünftlerifchen Bedürfniſſen der cechiſchen Nation Rechnung 
getragen und fowohl das SKünftlerperfonal als das Publicum für 
das Nationaltheater großgezogen. 

Am 18. November 1862 öffnete das neue Interimotheater 
zum erſten Male feine Pforten. Es präſentirte ſich nicht übel, 
wenn es auch den modernen Begriffen über die Feuerſicherheit 
eines Theaters wenig entfpracdh. Ueber mehrere Treppen fam man 
aus dem Veſtibule zu den verjchiedenen Plägen. Die Decoration 
des Saales war einfach aber freundlid. Zur Yeltwörftellung 
brachte man einen von Simanovsky vorgetragenen Prolog von 
Jahn, eine Feſtouverture von Vojacet (Mitglied des Petersburger 
Hoftbeaters) und eine neue Tragödie „Kräl Vukasin“ von Vitiz- 
av Hälek. Im Zwiſchenact fpielte das Orcheſter unter Jubel 
die „Kovärskä*. Faſt alle Notabilitäten Prags waren anweſend, 
auch das deutſche Element war keineswegs ſpärlich vertreten. Der 
erſte Opernabend brachte Cherubini's „Waflerträger” mit den 

37° 


— 580 — 


Damen Ehrenberg, Machäcek, Bollard, den Herren Lufes, Schwarz, 
Rafael, Polak. Die Spaltung des Prager Theaterweſens 
war hiemit im Großen und Ganzen durchgeführt: nur in Ber- 
fonalunion blieb das eechiſche Theater — officiell hieß es nun: 
„Krälovsk& zemsk& desk& prozatimni divadlo v Praze* (tal. 
böhm. Landes: Interimstheater in Prag) — während der Di- 
rections⸗ Aera Thome’s mit dem nunmehrigen deutſchen Kandes- 
theater vereinigt, und lediglich die Zuziehung deutfcher Chor- 
und DOrcheftermitglieder zur Cechifchen Oper deutete äußerlich 
noch eine gewiſſe Zuſammengehörigkeit an. Die erjten Mo⸗ 
nate des neuen Theaters verliefen übrigens keineswegs in unge 
trübtem Frieden. Das Abonnement und der Beſuch des erften 
jelbftändigen Lechifchen Theaters waren mäßig; die Ertremen 
hielten fich aus Demonftration gegen das „Interim“ fern, Andere 
fanden die gebotenen künſtleriſchen Genüſſe unzureichend — man 
verſuchte eg mit „utraquiftiichen" Concerten im neuen Haufe (wir 
erinnern an das verungliidte Concert Nachbauer-Weiß), anderer- 
ſeits proponirte man auch eechifche Nachmittags-Dilettanten-Bor- 
ftellungen im — deutſchen Xheater! Ein confjequent leeres, Kleines 
Theater follte das Bedürfniß nad einem großen demonftriren! 
Nur die Oper erwarb dem neuen Haufe Freunde: in einer Bor- 
ftellung der „Zauberflöte“ (13. Jäner 1863) fang fogar Rokitansky 
den Saraftro in dechiſcher Sprache, wobei allerdings die Proſa 
elimimirt werden mußte; in einem jungen Sänger, Herrn Vecko, 
war ein „phänomenaler"” Zenor gewonnen, der mit einer Jahres⸗ 
gage von 800 fl. das heroiſche Tach ausfülltee Von gediegenen 
dechiſchen Schauspielern dagegen waren mehre, vor Allem Kolar 
im. Verbande des deutjchen Landestheater verblieben, und bie 
Eonfolidirung des Perſonals ließ umſomehr auf ſich warten, als 
ein Directionswechjel unmittelbar. bevorſtand. 


* * 
* 
Die Tage der Direction Thome im deutfchen.wie im Cechifchen 


Landestheater waren gezählt. Am 24. April 1863 Hatte der Landes⸗ 
ausſchuß beichloffen, daß die Directionen des deutfchen 








— 581 — 


und des cehifhen Theaters in Zukunft vollfommen 
getrennt und daher für jede ein ſeparater Concurs für die Zeit 
von Palmjonntag 1864 bis Balmjonntag 1870 bei einer Jahres⸗ 
jubvention von 10.500 fl. auszufchreiben fei. Bei diejer Gelegen- 
beit verfäumte die Preije nicht, für einen endlichen Syſtemwechſel 
in der Vergebung des Prager Theaters, für die Organtfation des 
deutſchen Landestheaters als wirkliches Landesinftitut d. h. für 
die Führung der Bühne in eigener Regie zu plaidiren, wodurch 
allein Stabilität und künſtleriſche Solidität in das Prager Theater- 
wejen gebracht werden könnte. — Erfolg hatten dieje Rathſchläge 
allerdings nicht, und es blieb bei dem bisherigen Verleihungs⸗ 
Modus. Als Candidaten für die Direction des veutichen Theaters 
ftellten jich der bisherige Bühnenleiter Thome, der Director des 
Leipziger Stadttheaters Rudolph Wirfing, Director Hoffmann 
in Wien und Dir. Gundy in Belt vor — ernitlih in Betracht 
aber famen nur Thome und Wirfing. Daß das Wirken des Erfteren 
trog aller Mängel und Fehler Tein erfolglojes gewejen, mußte der 
unparteüifche Beobachter zugeben; gerade in ven legten Jahren 
war in das Repertoire Syſtem gebracht, das Perjonal confolidirt, 
Schauspiel und Oper mwefentlich gehoben worden. Die finanziellen 
Berhältniiie Thome's allerdings fchienen mitunter eine bedenkliche 
Wendung nehmen zu wollen. Im Yebruar 1862 war jogar über 
den Director der Concurs verhängt worden. Der Paflivftand 
betrug 166.000 fl., die Activen wurden mit 90.000 fl. (40.000 fl. 
der Fundus instructus, 50.000 fl. das Neuftädter Theater) be- 
ziffert; von den Gläubigern hatte der Kaufmann Liegert fir eine 
Poſt von 17.862 fl. bereits das erjte, Herr Röhrs für 9000 fl. 
das zweite Pfandreht auf das Neuftädter Theater erwirkt, auch 
war das Verbot Liegerts auf die Landesjubvention für die Cechis 
fche Bühne im Zuge, doch war von einflußreiher Seite ein 
Bergleih angebahnt und die Behebung des Concurſes bewirkt‘ 
worden: ein Glänbigerausijhuß führte die Kaffaverwaltung 
Thome’s. Sprachen die kunſtleriſchen Zuftände im Großen und 
Ganzen nicht gegen Thome, jo ſahen die Yinanzverhältniffe, wie: 
man fieht, nicht gerade ermuthigend fr eine Erneuerung feines 


— 532 — 


Contracts aus. In der entjcheidenden. Sigung des durch die Logen⸗ 
eigenthümer verftärkten Landesausſchuſſes vom 21. Nov. 1863 *) 
machten fich ſtark differtrende Anfichten geltend. Graf Erwein 
Noftig beantragte, von einer definitiven Beſetzung abzujehen und 
nur ein dreijähriges Provijorium unter Thome einzuführen, wäh 
rend deſſen fich der Landtag zu entjcheiden hätte, ob nicht das 
Theater in die eigene Regie des Landes zu nehmen wäre. Der 
Antrag wurde abgelehnt; die Frage war nun: Wirfing oder Thome. 
Für legteren trat fein Intendant Ritter v. Bohuſch, der aud 
der Sigung präfidirte, ein, während der Referent und die Mehr: 
heit fir die Verleihung des deutjchen Landestheaters an Director 
Rudolf Wirfing aus Leipzig ſtimmten, über welchen Graf Thun 
und Dr. Schmeyfal in Leipzig jelbft ſehr befriedigende Aufichlüffe 
erhalten hatten. Die Entjcheidung fiel mit 9 gegen 4 Stimmen 
‚zu Gunſten Wirfings gegen Thome aus: Der Erftere war für 
ſechs Jahre zum Leiter des nunmehrigen deutjchen Landestheaters 
ernannt. Eine Folge diefer Entſcheidung war die Nefignation 
des Intendanten v. Bohuſch, an deſſen Stelle Dr. Pinkas trat. 

Auch die Cechifche Theaterfrage hatte mittlerweile ihre Löſung 
gefunden. Als Directionswerber hatten ſich für die jelbftändig 
gemachte dechiſche Bühne eingefunden: Regiſſeur Swoboda, 
Director Wallburg aus Pillen und ein aus dem Dramaturgen 
Spanda dv. Semdic, Capellmeifter Mayr und Kaufmann 
Liegert beftehendes Eonfortium. Diefem Confortium nun, defjen 
Seele der deutfche Seidenhändler LXiegert war, wurde die Di- 
vection derart übertragen, daß der eigentliche, dem Landesaus- 
ſchuß gegenüber vepräfentivende Director Liegert wäre, während 
v. Svanda die artiftiiche Leitung des Schaufpiels, Mayr jene der 
Oper führen follte Binnen kurzer Friſt löſte indeß Liegert bie 
Gontracte mit feinen Eonforten in gütliher Weife und blieb aud) 


*) Da unter dem früheren Regime zu einem folchen ct ſtets ber 
fogenanute „verftärkte Landesausſchuß“ einberufen worben war, entftand 
biesmal die Frage, ob nicht — da bie neue Landesordnung einen ſolchen 
verftärkten Landesausſchuß nicht kannte — die Erſatzmänner mitftimmen 
follten. Nach dem Botum Schmeykals wurde dies verneint. 


— 583 — 


thatfächlich alleiniger Director der dechiſchen Bühne, für welche 
er auf der Schüßeninfel eine eigene Arena zu erbauen gedachte, *) 
feine Genoſſen behielten die ihnen angewiejenen Poſitionen, jedoch 
im vollen Abhängigfeitsverhältniffe zu LXiegert, der nun — obwohl 
Dentfcher nad) Sprahe und Abftammung — mit einem wahren 
Feuereifer die Neorganifation der jungen Cechifchen Bühne betrieb, 
einen bis dahin unerhörten Gagenetat (man ſprach von 60.000 fl.) feſt⸗ 
feßte und ein neues Abonnement **) ausfchrieb. Am 19. März 1864 
empfahl fih im dechiſchen Sfnterimstheater mit einem Quodlibet 
und einem von Neruda verfaßten, von Frl. Maly gejprochenen 
Epilog die Direction Thome — das Theater war nun vollends 
Iosgelöft vom deutſchen Meutterinftitute, es war auf eigene Füße 
geftellt und hatte fi) ohne Succurs von der Stamm-Anjtalt mit 
eigenen Mitteln fortzubringen. 

Thome war, von beiden Bühnen Prags gejchieden, noch 
feineswegs von Prag ſelbſt ausgeſchloſſen. Noch verfügte er über 
ein Theatergebäude, das Neuftädter Theater, als Eigenthum, 
und das Schickſal dieſes Theaters wurde in der Preſſe eifrigft 
erörtert. Thome hatte eine Eoncefjion erhalten, „in Böhmen mit 
Ausnahme von Prag" Vorftellungen zu geben; da nun das Neu- 
ftädter Theater außerhalb der Linien Prags jelbft lag, war die 
Möglichkeit vorhanden, daß fich vor dem Roßthore ein neues 
jelbjtändiges Theater etablire, ja man erzählte bereits, daß hiefür 
von Thome in Gemeinschaft mit Dir. Wallburg ein franzöfifches 
Ballet und eine Wiener Pofje erworben worden jet. Ein folches 
Etabliffement hätte die Intereſſen der beiden Landestheater auf 
das Schwerfte jchädigen und dieſelben überdies der jo nothwen⸗ 


*, Bedenken aller Art, die Rückſicht auf ben Schießftand des Scharf: 
ſchutzencorps, anf die Waflergefahr und bie Inſel⸗Anlagen brachten bald 
von dem Projecte ab. 

“, Das Abonnement umfaßte 250 Borftellungen; für eine Loge 1. Range 
oder Barterre zahlte man im Sommerhalbjahr 350 fl., im Winterhalbjahr 
450 fl., für einen Sperrfig mit berfelben Unterſcheidung 50 bis 80 fl. Eine 
ganzjährige Loge 1. R. koſtete 600 fl., 2. R. 500 fl., ein Sperrſitz ganzjährig 
100 fl. 


— 584 — 


digen Sommerbühne berauben müſſen. Wllerdings hatte Thome 
vor ſechs Jahren, als er die Prager Direction übernahm, dem 
ftänd. Ausichuffe gegenüber einen Revers ausgeftellt, wodurd 
demjelben das Recht vorbehalten war, das Neuftädter Theater 
um den durch feine Organe erhobenen Schätzungspreis anzufaufen 
oder gegen 5°), von dieſem Schäßungswerthe zu pachten. Dieſer 
Revers wurde indeß, als gegen Thome das VBergleichsverfahren 
eingeleitet worden war, nicht zur Anmeldung gebracht und viel 
fpäter bücherlich eingetragen. Thatſächlich curjirten Gerüchte 
von der jelbftändigen Verwerthung des Neustädter Theaters, bis 
eine Vereinbarung zwilchen Wirfing und Liegert einerjeits und 
Thome andererfeitS zu Stande kam, wornad) den beiden Landes⸗ 
theatern die Benugung des Neuftädter Theaters auf die 6 „Sommer» 
monate" des Jahres um einen Pacht von 6000 Fl. zugeitanden 
wurde. Thome jelbft wird uns noch bei einer jpäteren Streifung 
dur die Geichichte des cechiſchen Theaters begegnen. Mit ihm 
tritt der legte Director der ungetheilten Prager Bühne vom 
Schauplage unferer Geſchichte ab. 





— 585 — 


XXIV. 


Director Wirfing und fein Schauſpiel. 
(1864— 1876.) 


(Rudolf Wirfing ald Bühnenleiter und Schriftfteller. — „Das deutjche 
Theater” in Wirfing’iher Beleuchtung. — Wirfing als Director in Prag. 
— Das neue Verſonal: Bollmar Kühns, Marie Keßler, Lubwig 
Barnay und Ebmund Sauer, die Damen Lamſefsky, Francisca Rottmayer. 
— Berlufte: Marie Frey, Elife Rohrbed, C. Fiſcher und Wild. Walter +. 
Die Regie: Wohlitadt, Kühns, Oberländer. — Die Perfonalbewegung 
feit 1866; Helbenväter: 8. Simon, Pittmann, Dee, Arnau, Jul. 
Simon; Liebbaberinen, Heldinen, Salondamen u. |. w.: Damen Fränzel, 
Zink, Nollet, VBerfing- Hauptmann, Caroline Seitler, Lina Hahn, Emma 
v. Jaknbowska, Hermine Elaar-Delia, Olga Lewinsky⸗-Precheiſen, Luiſe 
Martorel, Clara Hrabowska, Toni Hiller u. A.; — Mütter: Sze— 
goffy, Sievers, Wollrabe, Pofinger; — Soubretten: Grün, Kaler, 
Bufe, Pagay, Nittinger, Frühling, Schenk-Ullmeyer. — Abſchied Hallen- 
ftein’8 und Oberländers. — Regie: J. und 2. Simon, Kühns, Dolt, 
Emil Claar. — Sauer als Heldenfpieler. — Neue Darfteller: Theodor 
Steimar, Arthur Bollmer, Joſef Geiger, Earl Dolt (F), Eduard Lunzer. 
— Das Repertoire, Bälfte.) 


Rudolf Wirfing, der neue Prager Bühnen-Regent, genoß 
zur Beit, als ihn der böhmifche Landesausſchuß an die Spige 
des Prager Theaters berief, bereits den Auf eines der erfahrenften, 
intelligenteften und glüdlichjten deutſchen Bühnenleiter. Ein ge- 
borener Sache, hatte er eine theatraliiche Laufbahn als Capell: 
meifter begonnen, die Bühnen zu Magdeburg und Leipzig mit 
Umficht geleitet und auch als Schriftfteller volles Verftändniß für 
die Bedürfniffe des deutſchen Theaters ſowie geläuterte Kunjt- 
anfichten befundet. „Es ift eine allgemeine und leider nur zu ſehr 
begründete Klage” — fo charakterifirte Wirjing 1862 in feinem 
Buche „Das deutjche Theater" *) die künſtleriſche Situation jeiner 


*) „Das deutſche Theater”, eine Darftellung ber gegenwärtigen 
Theaterzuftände nebft Andeutungen zu einer zwedmäßigen Reform und 


— 586 — 


Zeit — „daß gegenwärtig auf dem Gebiete der dramatijchen 
Kunft, in der dichterifchen und mufifalifchen Production ſowie be- 
züglich der praftiichen Ausübung auf der Bühne, ein bedeutender 
und höchft bedenklicher Rückſchritt gegen früher fich kundgebe, daß 
die Schaubühne mit mächtigen Schritten ihrem gänzlichen Verfall 
entgegengehe . . ..." Das Bud fchildert jo ziemlich naturgetreu 
den thatjächlichen Zuftand und fpart nicht mit Nathichlägen und 
Vorſchlägen zur Beſſerung. Wirfing fordert u. U. Staatsſchutz 
und Staatsaufliht für das geſammte Bühnenweſen, die officielle 
Anerkennung der Schaubühne als öffentliche Anjtalt zur Bildung 
und Veredlung des Volkes, der dramatischen VBorftellungen als eines 
integrirenden Theils des Staatslebens, er fordert die Eintheilung 
der Länder in gewilfe, unter ftaatliher Dberaufjicht ftehende 
Theater-Diftricte, damit auch die Wanderbühnen geregelten Ver—⸗ 
hältniffen zugänglich gemacht, dem ganzen Volke eine beijere dra- 
matische Koft geboten würde, er verlangt endlich die größte Ge- 
wiljenhaftigfeit und die Zuziehung von Sachverftändigen bei der 
Wahl neuer Directoren:; „nur Männern von bürgerliher Un- 
befcholtenheit, von Charafterfeftigkeit und Soltdität, die neben voll- 
fommener Renntniß des Bühnenweſens und des Gejchäftsganges 
bei dem Theater auch eine umfaſſende, allgemein wiljenjchaftliche 
Bildung beiten, jowie mit einem von der Staatsregierung zu 
bemeſſenden Betriebscapital follte ein für die Geſammtheit jo 
hochwichtiges Amt, wie es das eines Bühnenvorſtandes it, ans 
vertraut werden." Die Nepertoires der Bühnen follten entweder 
von Negierungswegen oder von den jtädtifchen Behörden nad) 
ihrem inneren Werthe ftreng geprüft, der jugendliche Nachwuchs 
in jtaatlihen Confervatorien herangebildet werden, welche am 
beiten in Wien, Berlin, Dresden oder München zu errichten und 
den betreffenden Hofbühnen zu aggregiren wären. Auch dem Ver- 
forgungswefen, einem wichtigen Factor zur Stabilifirung und 


Bühnenleitung von Rudolf Wirfing, Dir. des Stadttheaterd zu Leipzig. 
Leipzig, Verlag von Carl Geibel 1862. Sr. Maj. dem König Johann 
von Sachſen gewidmet. 





— 587 — 


Hebung des Bühnenmefens felbft, gilt feine Aufmerkfamfeit, und 
jhon 1862 ftellt er in feinem Buche den formellen Antrag auf 
Bildung einer „allgemeinen deutschen Theaterpenfionsanftalt”. Ein 
bejonderer Abfchnitt des Werkes bringt „Andeutungen zu einer 
zwedmäßigen Bühnenleitung,” welche feinen praftiichen Blick, die 
vornehme Auffaſſung feines Berufs, den Ernſt feines Strebens 
bezeugen. Daß Wirfing in feinem Wirken als Bühnenleiter in 
Prag an den in jeinem Werke ausgefprochenen Brincipien überall 
und allezeit feitgehalten habe, wollen wir keineswegs behaupten: 
die Verhältniffe beftimmen den Deenfchen und eben jene feit Jahr⸗ 
zehnten von den aufrichtigen Freunden der Prager Bühne be- 
klagte Organijation, welche den „ſtändiſchen“, von einer Intendanz 
beeinflußten, vom Lande jubventionirten Director ſchließlich doch 
zum Gejhäftsmann degradirte, mochte wejentlich dazu beigetragen 
haben, daß die Schöne Wirfing’she Theorie in Prag nicht immer 
in die Praxis übertragen wurde. Gleichwohl wird Rudolph Wirfing 
den achtbarften und erfolgreichiten Prager Bühnenleitern zu- 
zuzählen fein: die Intelligenz und perjönliche Diftinction des Di- 
rectors war in der ganzen Bühnenleitung zu erkennen, das Theater 
näherte ſich unter feiner Führung in künſtleriſcher Hinficht ſowie 
im inneren Berfehr dem Charakter eines Hoftheaters. Fehlte es 
auch in den zwölf Jahren feiner Wirkſamkeit nicht an bedenflichen 
Erfcheinungen, an Symptomen der Stagnation und des Rück—⸗ 
ſchritts, am beflagenswerthen Verluften und offenen Mißgriffen, ſo 
folgten diefen trüben Momenten doch immer wieder Jahre der 
Erhebung, erfreulicher Entfaltung, und die Summe der Fünftle- 
riſchen Srgebniffe am Schluffe diefer zwölfjährigen Periode war 
feineswegs gering. Das Verhältniß zwoifchen Chef und Perjonal 
ift jelten jo angenehm und innig geweſen wie in diejer Beit. 
Hinter den Couliſſen herrichte ein feiner, vornehmer Ton, das 
gemüthliche „Sächjeln" des Herrn Directors benahm der ent» 
fchiedenften Rüge ihre Schärfe, und die bebrohlichften Differenzen 
wurden auf dem Wege friedlicher Vereinbarung beglihen. Auf 
dem Gebiete der Oper Fachmann von Rang und Renommee, wußte 
Wirfing mit Ausnahme vorübergehender Störungen gediegene Regie⸗ 


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fräfte für das Schaufpiel zu gewinnen, das namentlich zur Zeit 
feines Abgangs auf einer achtunggebietender Stufe ftand. 

Als die Wahl des böhmischen Landesausſchuſſes auf Wirfing 
gefallen war, galt es, die Verpflichtungen zu löſen, die ihn noch 
an Leipzig feljelten. Nach Ueberwindung mander Schwierig» 
feiten gelang es, den Leipziger Stadtrath zur Entlaſſung des 
Directors aus feinem PVertragsverhältniffe zu vermögen, jo daß 
die Eröffnung der Prager Bühne unter der neneu Zeitnng pro- 
grammmäßig am 28. März 1864 vor fich gehen konnte. Mean 
gab Goethes „Fauft",*) und eine Reihe neuer Kräfte trat vor 
das Publicum, von denen allerdings nur zwei, der Mefifto des 
Hrn. Kühns und das Gretchen des Frl. Kepler, wahrhaft 
Gnade vor feinen Augen fanden. Jeder folgende Schaufpiel- 
Abend — man gab das „Glas Waller”, **) „Die Annalife”, 
„Die Carlsſchüler“ — brachte nun fernere Debuts. Der neue 
Director Hatte ſich mit folgendem, allerdings erſt der Sichtung 
barrenden Perſonal eingeftellt: 

„Herr Deeb, Heldenvater, Frl. Boft, muntere Liebh., die Herren 
Barena, Scheerenberg, Barnay, Hannftein, fämmtlich Debutanten 
für das Fach trag. Liebhaber und jug. Helden, Frl. Keßler, trag. Heldin 
und ing. Liebh, mit ber fih die Damen Galleau und Suhrland 
in das Fach teilten, Hr. Bürde, Heldenvater Wohlftabt (Oberreg.) mit 
Frau, Hr. Kühns, Char.-Spieler, Czaſchke, kom. Väter, Beringer, 
Kom., Schönau und Prokſch, Kom.” 

Wie Wenige von diefen „Neuen” fich dauernd behaupteten, 
wie groß die Mühe des Directors war, das Thome'ſche Eufemble 
zu erfegen, follten ihm fchon die erjten Monate zeigen. Einen 
durchwegs glnftigen Eindrud machte zunächft Kühns, dem es ein 
Leichtes wurde, in dem feit Jahren ungenügend vertretenen 
Charakterfahe Fuß zu fallen. Er jpielte den Mefiſto, Chevalier 


*) Fauſt⸗Hallenſtein, Wagner⸗ Czaſchke, Mefifto-Kühns, Gretchen⸗Frl. 
Keßler, Marthe-Frau Frey, Valentin⸗Hr. Scheerenberg, Froſch⸗-Kolar, 
Brander⸗Eichenwald, Siebel-Seiffarth, Altmeier⸗Frey, Schüler-Siege, böfer 
Geiſt⸗Frl. Fries, Here-Szegdffy, Erdgeiſt⸗Fiſcher. 

**), Anna⸗Frl. Galleau, Herzogin⸗Fr. Wohlſtadt, Bolingbroke⸗Hallen⸗ 
ftein, Maſham-Frey, Abigail-Frl. Boſt, Marquis Torcy⸗Kolar. 








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Rocheferrier, Silberfalb und Alba mit Glück, imponirte durch geift- 
volle Auffalfung und feine Ausarbeitung ſowohl der Rollen des 
ftricten Spntriguantenfachs als fein-fomifchen Ehargen, wurde eine 
Stüße des Wirfing’schen Schaufpiel8 und einer der angejehenften 
Künftler Prags, weldher Stadt er eine lange Reihe von Jahren 
treu blieb; er hat fie in fpäteren Tagen nach mehrjähriger Unter- 
brechung wieder aufgejucht und wirft noch heute im Verbande 
des deutſchen Landestheaters. *) Nächit ihm hatte Marie Kepler 
von den neuen Erfjcheinungen den beiten Erfolg.**) Eine edle, 
jugendlihe Erſcheinung, Darftellerin von jchönen Mitteln und 
eigenartiger, ftarfer Begabung, führte fie fich als Gretchen, Bars 


*, Bollmar Kühns ift im 3. Decennium biefed Jahrh. zu Berlin 
geb., wandte fi nad abſ. Gymn.⸗Studien jofort ber Bühne zu, entwidelte 
fih auf dem berühmten Berliner Liebhabertheater „Urania“ im Yache ber 
Naturburſchen und jug. Liebh., fand fchon mit 20 Fahren Eng., ein Jahr 
fpäter eine fefte Stellung am Deffauer Hofth., deflen artift. Director in 
ihm eine feltene Beoabung f. d. Char.⸗Fach erkannte und ihn darauf hin- 
wies, fo baß er fich bereit3 mit 22 Jahren als Franz Moor, Burleigh, 
Berin verfuchte. Bon Deſſau kam K. über Lübel nad) Cöln a. Rh. und 
dann nach Leipzig zu Wirfing ; er gehörte Wirfings Gejellihaft in Leipzig 
und 12 Fahre in Prag an, um dann, wie er felbft fchreibt, „nach 18jähriger 
BZufammengebörigkeit, während der Künftler und Director ftet3 Hand in Hand 
gingen, ohne daß fie fich gegenfeitig mit einer Klage zu nahen brauchten, 
im Frühjahr 1876 Abichied zu nehmen.” „Diefem Manne“ — jchreibt der 
Fünftler — „ber meinem Talente ein fo eifriger Gönner und Förderer 
gemwejen, gebührt für feine liebevolle Fahrung mein unauslöfchlicher Dank, 
ein pietätvolles Andenken.” Kühns erhielt während feines erften Prager 
Engagements Gaftipielanträge nah Berlin, Stuttgart und Wien (Stabt- 
theater), wo er mit Erfolg fpielte; ein Engag. an legterer Bühne wurde 
bald gelöft, au Gründen, die Kühns felbit aus Rüdfichten auf das An⸗ 
denken Laubes nicht gern erörtert. 1876 ging er nach Wiesbaden, 1880 an's 
Thaliatheater in Hamburg, bis er 1883 nah Prag zurüdfehrte. 

**) Marie Keßler, geb. 1845, 17. Nov. zu Detmold ald Tochter des 
Schaufpielerd und Theater-Dir. Kepler, betrat 1859 zum 1. Male bie 
Bühne, fam 1860 and Hoftheater zu Hannover, nahm wegen mangelhafter 
Beihäftigung Im ernften Fache ihre Entlaffung und ging nad Prag, wo 
fie bis 1866 wirkte, worauf fie nach erfolgreihem Gaftipiele ein geſchätztes 
und hervorragendes Mitglied des Tal. Schaufpielhaufes in Berlin wurde. 


thenia und in Luftfpielrollen glüdlih ein und wurde den Beten 
der „alten” Mitglieder glejchgehalten. Auch Czaſchke behauptete 
in Väterrollen feinen Platz, und einer der neuen Komiker, Carl 
Beringer, der fi über eine hervorragende künſtleriſche Ver⸗ 
gangenheit teineswegs ausmweilen konnte, zeigte fich durch gejunde, 
trockene und ungefünftelte Komik in Poſſe und Luftjpiel gleich 
verwendbar. Abgefehen von diefen und einigen anderen Kräften 
ſchien fi aber das neue Enſemble in Prag durchaus nicht 
acclimatifiren zu wollen; Wirfing Hatte unter dem Thome’jchen 
Berfonal zu gründlich aufgeräumt und Künftler ziehen laffen, auf 
deren Erhaltung Kritik und Publicum glei großes Gewicht 
legten. Hallenjtein, Frey, Kolar (welcher — wie jchon er 
wähnt — bei der nationalen Spaltung des Prager Theaterwejens 
der deutjchen Bühne vorläufig treugeblieben war), die Veteranen 
Sicher und Walter, die Damen Frey, Hallenftein, Rohr— 
bed, Szegöffy, Fries waren geblieben, aber Sauer, Ober- 
länder, Hafjel, Dolt, Hedwig Raabe, Auguſte Burggraf, Elife 
Brand waren dem Enfemble verloren gegangen und fchienen nicht 
jobald zu erfegen. An Stelle Sauer’3 ſah man zuerjt die Herren 
Scheerenberg und Varena, aber erft ein dritter Debutant, Ludwig 
Barnay, fchien berufen und auserwählt. Sein Name ift be 
fannt in der deutfchen Bühnenwelt; auf Heinen Wanderbühnen 
Böhmens hatte er feinerzeit als Heldenfpieler geglänzt*) — 1864 
fam er von Mainz, gaftirte im Burgtheater nicht ohne Erfolg 
und fand auch bei feinem erften Auftreten in Prag eine wohl- 
wollende Aufnahme. 


„Ein junger Mann von ftattlichem Aenßeren“ — fchrieb bie Kritik 
— „mahnt in der Erfcheinung einigermaßen an Sauer, nemlih als dieler 
zu und fam; er hat ein andbrudsfähiges Geficht, eine heldenhafte Geftalt 
und ein volles kräftiges, ſonores Organ, welches ihn auch mehr zum Helden 
ald zum Liebhaber qualificirt; er gibt fich noch edig und rauh in Spiel, 
Gang und Haltung, aber Talent fpricht aus feinem ganzen Weſen, er 


*) Ludw. Barnay, 1842 geb. zu Peſt, machte unter bem Namen 
„Zacroir” feine erften theatr. Verſuche zu Trautenau und Brannau unter 
Dir, Feichtinger, kam 1861 nach Bet, daun nah Graz, Mainz und Prag 


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macht den Eindrud eines ungefchliffenen Diamantd. Schwung und Teuer 
find da, nur die Form fehlt, es iſt eim Ringen nad Geftaltung, weldyes 
die beten Hoffnungen anregt und eine fchöne Zukunft verfpriht. Herr 
Barnay fpielte den Ludovici in den „Deutjchen Romöbianten” und errang 
einen achtbaren, oppofitionsfreien Erfolg.“ 

Auch als Deffauer (neben der Annalife des Frl. Keßler) 
blieb Barnay diefer Erfolg treu, doc) hatte Wirfing mittlerweile 
ſchon einen ſchweren Fehler gutgemacht und den nach Berlin ent- 
führten Sauer zurücdberufen, der nad einem am Berliner HoF- 
theater glücklich abfolvirten Probegaftipiel am 2. Mai 1864 als 
wieder engagirtes Mitglied in feiner Glanzrolle als Schiller in 
den „Carlsſchülern“ in Prag auftrat und mit Berfallsftürmen und 
Blumenfpenden begrüßt wurde. Barnay follte zwar neben Sauer 
feftgehalten werden, ſah aber das Bedenkliche eines jolchen En- 
gagements ein, trat mit 24. Mai von feinem PVertrage zurüd 
und nahm, da ihm eine Abjchiedsvorftellung verweigert wurde, 
Ihriftlich Abjchied von dem Publicum, das ihn als Anfänger 
ehrlich gewürdigt hatte. Die Carriere des Künſtlers ift bekannt. 
Gegenwärtig fungirt er als Bühnenleiter am Walhallatheater in 
Berlin, wo fein einjtiger Prager Rivale Sauer nun als hervor- 
ragendes Mitglied des kgl. Schaufpielhaufes wirkt.... Noch 
früher als Sauer hatte Hafjel den Rückweg auf die Prager 
Bühne gefunden: er trat am 27. April wieder auf, wurde herz. 
lich begrüßt und füllte nun vorläufig mit Czaſchke gemeinſam, 
das Fach der humoriftischen Väter aus jowie er auch die Regie der 
Oper nad) wie vor trefflicy führte. Auch Dolt wurde reengagirt 
und damit der Poſſe eine gediegene Kraft erhalten. Dolt wirkte 
nun neben Haſſel, Beringer und Eihenwald vorwiegend in älteren 
fomischen Rollen und als Poſſen⸗Regiſſeur. 


Bon den Damen erhielten fi) nach mehrfachen Debut 
Frl. Lamſefsky, die fich ald Laura in den „Karlsichülern" günstig 
eingeführt hatte, und Frl. Borth, melde im September 1864 
als Jeanne d’ Arc, Iſaura in „Schule des Lebens“ und Helene 
in Wolfjohns „Nur eine Seele" fr das Fady der jugendlichen 
Heldin debutirte und fich durch impofante Ericheinung, edle Action 


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und warmen Gefühlsausdrud empfahl. Gleichwohl war damit 
noch immer nicht die durch das Ausscheiden von Augufte Burg- 
graf ins Enjemble gerifjene Elaffende Lücke ausgefüllt. Dean hatte, 
um leichter Erſatz zu fchaffen, die Fächer der Anſtandsdame und 
jugendlichen Heroine getrennt; für erjteres hatte Frau Wohl- 
ftadt, die Gattin des von Wirfing mitgebrachten Oberregifjeurs 
Jacob Wohlftadt, debutirt, ohne fich endgiltig behaupten zu können, 
fo daß auch ihr Gatte aus dem Engagement ſchied — als jugend» 
liche Heroine war nun nad den unentjchiedenen Erfolgen des 
Frl. Suhrland in Frl. Porth eine begabte Daritellerin ges 
funden, die aber für die gleichzeitige Verwaltung des Fachs der 
Salondame nicht ausreichte. Für dieſes debutirte im Februar 1865 
Elife Bethge-Truhn, eine der fchönften Damen, welche je die 
Prager Bühne betreten”,*) als PBhaedra, Jeanne d’Arc, **) Donna 
Diana, Widerfpenftige mit großen Erfolgen, welche indeß jene 
der Burggraf nicht erreichten — ein Engagement kam nicht zu 
Stande, und nun herrſchten dennoch die Damen Porth und 
Kepler das Gebiet der Heroinen und Salondamen allein. — 
Tür das Fach der munteren Liebhaberin war Frl. Boft aus- 
erjehen, doch gelang e8 erit Srancisca Rottmayer im Aug. 1864, 
da8 Andenken der unvergeßlichen Raabe joviel als überhaupt 
möglich zu verwilchen. Frl. Rottmayer, die Tochter des einftigen 
Prager Oberregiljeurs, hatte ſchon in den Kinderfchuhen die Prager 
Bühne befchritten, die fie nun — ein friſch blühendes Talent — 
von Breslau fommend, als Siegerin wieder betrat. Als Evchen 
im „berwunjchenen Prinzen" und als Francisca in „Minna von 
Barnhelm" bezauberte fie durch ihre niedliche Erfcheinung; ihr 
frifches, nedifches Spiel, ihre allerliebfte Detailmalerei die Prager, 


*, Eliſe Bethge⸗Truhn, Tochter des Muſikdir. Truhn in Berlin, 
durch Sofie Schröder ausgebildet, 1864 in Stettin, dann Schwerin eng., 
wo fie ſich mit dem Hofſchauſpieler Bethge vermälte, 1864 in Coburg, 1865 
Breslau, dann auf Gaſtſpielen thätig, bis fie abermals in Schwerin ihren 
Wohnſitz und fpäter die Directton einer Bühne übernahm. 

®) Beſetzung: Sauer-Lionel, Frey⸗König, Fılher-Burgund, Keßler⸗ 
Sorel, Kühns⸗Talbot n. ſ. w. 


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denen fie nun mehre “fahre als ausgefprochener „Liebling” werth 
und theuer blieb. 

Ein anderer Langjähriger Liebling der Prager, Marie Frey, 
feierte, noch immer in geiftiger und körperlicher Vollfraft wirkend, 
am 4. Mai 1864 ihr dreißigjähriges Jubiläum als Mitglied der 
Prager Bühne, die ihr fo viele künſtleriſche Genüfle dankte; 
hatte fie als Heroine derart zu ergreifen und zu rühren ver- 
ftanden, daß 3. B. während einer Deborah-Vorftellung (1850) 
Frauen vor Erjchütterung ohnmächtig wurden, fo erzielte jie als 
bürgerliche und Helden- Mutter diefelben Wirkungen. Erfolgreich 
hatte jie alle Stadien der Künſtlerſchaft durchlaufen. Einft eine 
entzüdende Königin von jechzehn Jahren oder Precioja war fie 
zu einem faum übertrefflichen „Fräulein von Belle-Isle,“ einem 
virtuofen Vicomte von Letorriöres geworden, dann glänzte fie als 
Adrienne Lecouvreur, Eboli, Weib aus dem Volke, Deborah, und 
endlich jtand fie imponirend da als Thusnelda im „Fechter“, 
Elifabeth in „Eſſex“, Lea in den „Maccabäern". Director Wirfing 
widmete der Jubilarin, die nahezu dreitaufendmal auf der Prager 
Bühne gejpielt Hatte, eine Feſt- und Benefizuorjtellimg, in welcher 
fie die Elifabeth in „Eifer“ fpielte und Gegenjtand zahlreicher 
Dvationen war. Im Verein mit ihrem würdigen Gatten Friedrich 
Frey, welcher ebenfallg unter wechjelnden ‘Directionen und in 
wechjelnden Fächern — nunmehr vorwiegend als Bonvivant — 
mit ſtets gleichem Pflichteifer und Gelingen feinen Mann jtellte, 
wirkte Marie Frey noch einige Jahre, bis fie am 24. Aug. 1870 
im 55. Lebensjahre aus dem Leben fchied „Mit Marie Frey" — 
jagt der „Prager Theateralmanach“ zum Jahre 1871 — „verlor 
das Prager Theater eine feiner edelften Zierden, ein Mufter treuer 
Pflichterfüllung, der glühenden Liebe und Begeifterung fir die 
Kunft, der fie bis zum Tod treu blieb, auf der Bühne bewundert, 
im Leben geachtet und verehrt!" Ihr Name verdient es, feit- 
gehalten zu werden in der Gejchichte des Prager Theaters als 
einer der beiten, den fie zu nennen weiß! .... 

Zwei Jahre früher fchied eine andere würdige Veteranin 


der Bühne, Elife Rohrbeck, aus dem Leben. Einft eine ge- 
38 


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feierte Soubrette, für welche Raimund die Rofa im ‚Verſchwen⸗ 
der” gefchrieben hatte,*) war fie fpäter eine vortreffliche komiſche 
Mutter geworden, die der Poſſe, dem Xuftjpiel und der Operette 
gleiche Dienfte that. Nachdem fie noch kurz vorher ihre Glanz- 
rolle, das alte Weib im „Verjchwender" gefpielt hatte, verfchied 
fie am 14. Aug. 1868 an Waſſerſucht im 65. Lebensjahre. 

Ein Fahr nad) dem Jubiläum der Frey beging man ein 
anderes Künftlerjubiläium. Am 6. Mai 1865 verabfchiedete fich 
in einer Feſt- und Benefizporftellung („Wallenftein’8 Tod") der 
Beteran Fiſcher als actives Mitglied der Prager Bühne. Rüftig, 
an alte Kraft und Herrlichkeit gemahnend, fchritt diefer Wallen- 
ftein, vom Publicum mit Yubel begrüßt, über die Bühne: er 
erinnerte an die entichwundene Aera Bayer⸗Polawsky, und eine 
Tochter jener Zeit Marie Frey, überreichte ihm denn auch mit 
wohlgejegter Rede den verdienten filbernen Lorbeerkranz.*) Filcher 
wirkte noch einige Beit als Penfionär, auch ließ er 1866 in einer 
von ihm veranftalteten Schiller-Wfademie noch feine undergleichliche 
Meifterichaft in der Declamation Schiller'ſcher Verfe bewundern; 
feine Iegten Lebensjahre verbrachte er in Auwal, dann in Leit 
merig, wo er fih mit Meinen Lieblingsbeichäftigungen (er war 
einst ein leidenfchaftlicher Maler) die Zeit vertrieb, auch ab und 
zu am dortigen Stadttheater gaftirte, bi8 er am 10. Sept. 1873 
an Erjchöpfung der Kräfte ſtarb — eine ehrwilrdige Ruine aus 
Prags glänzender Theaterzeit . . .. Ein anderer Veteran, nicht 
ebenfo hervorragend wie Fiſcher, aber Jahrzente hindurch ein be» 
rufseifriges Mitglied der Prager Bühne, Wilhelm Walter, war 
mit 1. Mai 1864 in den Penfionsftand getreten, hatte im nächjten 
Jahre die Conceſſion zur Errichtung des erſten deutjchböhmijchen 
Theatergefchäftsbureaus zur Vermittlung von Engagements und 
Aufführungsrechten erhalten, wirkte aber nod) als Penſionär auf 


*), Damit vectificirt fi) bie durch einen lapsus calami verurſachte 
Angabe auf Seite 421, wornad) Elife Rohrbeck das alte Weib in der erften 
„Berichwender"- Aufführung in Wien gewelen wäre. 

*+, Mar-Sauer, Buttler-Fühnd, Thekla⸗Keßler, Terczky⸗Frl. Porth, 
Herzogin⸗Frey. 


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der Bühne und ftarb, nachdem er in feinem lebten Lebensjahre 
noch den Echulmeifter in „Mannichaft an Bord" für Prag „creirt“ 
hatte, am 29. Det. 1866 zu Meichenberg. So fielen Blatt fir 
Blatt vom alten Stamme, und aller Kunſt und Kraft bedurfte 
es, in der jungen Generation Erja für fo viel Gutes zu 
finden. 

Wie groß die Schwierigkeiten waren, welche fich der Bildung 
eines entiprechenden Enſembles, der Bafis geregelten Bühnen- 
wirfens entgegenftellten, beweiſt die Thatſache, daß von den neu- 
engagirten Mitgliedern fchon 1864 die Herren Barnay, Prokſch, 
Scheerenberg, die Damen Boft, Eichenwald, v. Franken, Galleau, 
v. Nordheim, Suhrlandt und Wohlftadt auf der Lifte der „Ab- 
gegangenen” figurirten. Die Regie übernahm nah Wahlſtadt 
mit Oftern 1865 Kühns, trat fie indeß im September an 
Dberländer ab, der fih mit Mühe feiner Verbindlichkeiten 
gegen die Weimarer Hofbühne entledigt hatte und zurlderobert 
worden war: er trat am 8. Juli 1865 zum eriten Male als 
Chantal im „Fabrikant“ wieder auf und wurde mit allen Ehren 
und Auszeichnungen empfangen, die feiner vornehmen und ſym⸗ 
pathiſchen Künftlerfchaft gebührten. Damit war dem Schaufpiel 
die Lebensbedingung zu einer wahrhaft künſtleriſchen Entfaltung, 
die Stabilität und Conſequenz in der Leitung geboten — als 
Schaufpieler machte Oberländer Hrn. Czaſchke entbehrlich. Der 
Perjonalftatus des Schaufpiels hatte fi) mit Ende 1865 folgender- 
maßen gejtaltet: 

Herren: Beringer, tom. Charalterrollen; Dolt (Reg.) ältere kom. 
Rollen, Eichenwald (auch Op.), kom. O.; Frey, Liebh. und Bonviv.; 
Granert, U. Charakterr. u. Chargen, Stöger (f. Op.), Repräſ.⸗Rollen; 
Hallenſtein, J. Helden und geſ. Liebh.; Haſſel, hum. Charakterr. und 
tom, Väter; Kolar (sen.) Väter und Chargeu; Kühns. I. Charakterr. und 
Intrigu.; Oberländer (Reg.), ernfte und humor. Väter; Römer, Heine 
Ehargen; Saner, I. jung. Helden und Liebh.; Siege, II. Liebh. und 
Naturburſchen; U. Walter, I. jug. kom. Geſangsr., I. und III. Liebh. 
und Chargen; W. Walter, II. Bäter und ältere Chargen. — Damen: 
Fr. Frey, Heldenmütter und ältere Unft.-Damen; Frl. Fries (j. Op.) 
I. Unft.:Damen; Fr. Hallenftein (j. Op.), Luſtſp, Soubr.; Frl. v. 
Kaler, Localgeſangsp.; Frl. Kepler, I. ing. trag. Liebh.; Frl. P art 


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I. Held. und ing. Anft.»-Damen; Fr. Nohrbed, kom, Alte, Fräulein 
Rottmayer, I. jug. naive Liebh.; Frl. Rüdauf (f. Op.), U. Rollen; 
Fr. Szegöffy, Mutter. 


Welche Uenderungen diejes mühevoll gewonnene Enjemble im 
Laufe der Wirfing’ichen Directionsperiode erfuhr, wird uns eine 
Skizze der Perjonalbewegung in den nächften Jahren darlegen. 
Das Jahr 1866 *) riß die erften Xiiden in das neue Enjemble. Mit 
Oſtern Ichieden die Damen Kepler und Lamſefsky aus dem 
Engagement. Erftere verabfchiedete jih am 29. Deärz im „Warte: 
falon 1. Claſſe“; jte ging einer großen künſtleriſchen Zufunft ent- 
gegen und Hatte nicht umſonſt um ein freundliches Andenken 
Prags geworben. Die Erfagverfuche waren fchwierig und lang- 
wierig genug. Frl, Fränzel vom Augsburger Stadttheater, 
in welcher man nach mehren anderen Debuts (rl. Engelfee, 
Carljen u. j. w.) eine Remplacantin für die verlorene Keßler ge- 
funden zu haben glaubte, jchied nad) einigen Monaten noch 1866 
aus dem Prager Bühnenverbande. Auch Frl. Zink, eine inter: 
eſſante Schaufpielerin, die namentlich als Roſamunde im „beiten 
Ton“ und Thusnelde in den „zärtlicden Verwandten” durchge- 
griffen Hatte, gehörte der Prager Bühne nur vorübergehend aı. 
Daß ein derartiger Wechfel im ‘Damenperjonal dem Enſemble 
nicht eben förderlich war, läßt fich begreifen; dazu fam der an: 
dauernde Mangel eines Heldenvaters nach dem Berlufte Fiſchers, 
der in der That unerfeglich fchten. Am April 1866 jtellte fich 
als Alpirant auf diefes Fach Ludwig Simon vom Stadttheater 
in Hamburg als Herzog in den „Garlsichülern”, Oberförjter in 
den „Jägern“ und Oranien vor; feine ganze künftlerifche Indi⸗ 
vidualität wies ihn jedoch von vorneherein in das Fach der bürger- 
Iihen Väter, in weldhem er denn aud eine lange Reihe von 
Jahren eifrig und verjtändnißvoll wirkte; feine Biühnenerfahrung 
und feine Kenntniſſe machten ihn auch als Negiffeur vielverwendbar 
— er wurde ſozuſagen zu einer Perle für die wechjelnden Directionen 


*) Im Juni deb. au Frl. Hedwig Stein, damald eine begabte 
Anfängerin, nachmals eine bekannte Schaufpielerin, ald Kane Eyre. 


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und wußte ſich auch in der bürgerlichen Geſellſchaft durch feine 
poetifchen und humoriftifchen Gelegenheits-Productionen Sympa- 
thien zu erwerben. Seine Gattin, eine in mandyen Fächern ver: 
wendbare Schaufpielerin, gehörte mehre Jahre dem vdeutichen 
Landestheater an und etablirte jich nachmals als — Zahntechni« 
ferin in Prag. Nach dem Abbruche der Kreibig'ſchen Direction 
überfiedelte das Ehepaar Simon nad) Hamburg. — Das Helvden- 
väterfach wurde erſt nach mehren weiteren DVerjuchen (Herren 
Werther, Sulzer, Mofer) im November 1866 durd Pittmann 
befegt, der fi al8 General Morin im „Barijer Taugenichts", 
Odoardo Galotti und Götz einführte und durch folide, fchlichte 
Darftellungswetje für fich einnahm, ohne fich jedoch dauernd in 
dem von Fifcher jo vorzüglich verwalteten Fache behaupten zu 
fünnen. Schon 1869 ſchied Pittmann wieder aus dem Prager 
Engagement; nad) einem Probegaftfpiel eines alten Belannten, 
Baetjch, der ald Heldenvater fein Liebhaberglüd in Prag nicht 
wiederfand, und des nachmaligen Hofburgichaujpielers Noetel 
debutirte Deetz als Nathan, Goeb und Ehorführer („Braut von 
Meſſina“) mit vollem Erfolge, fonnte jedoch in Prag leider nicht 
dauernd feitgehalten werden (Dee wurde ſpäter Director des 
Berliner kgl. Schaufpielhaufes), jo daß bereit3 im Sept. 1870 
ein neuer Apirant auf das zum wahren Schmerzensfacdh ge- 
wordene Heldenväter- Fach erihien: Earl Arnau Er kam von 
Leipzig aus Laube's Schule, ftand in dem jugendlichen Väter⸗ 
Alter von 27 Yahren, wagte fi) aber, von Laube an diejes Fach 
gewiejen, muthvoll an den Lear, mit welchem er am 1. Sept. 
einen entfchiedenen Erfolg erzielte, der durch die weiteren Probe⸗ 
rollen (König in „Zopf und Schwert” und Stauffacher in „Tell“) 
noch verftärft wurde. Seine Mittel waren nicht imponirend, 
deftomehr aber imponirte feine jelbjtändige Auffaſſung, fein durch» 
geiftigtes Spiel, jo daß Wirfing, die eigenartige Begabung des 
jungen Mannes ertennend, ihm ein zweijähriges Engagement als 
Helvdenvater und Charakterfpieler bot: er hat diefes Fach, raſtlos 
vorwärtsftrebend und mit nie ermattendem Eifer ausgefüllt, folgte 
aber nach Ablauf feines Contractes (Auguſt 1872) einem Rufe 


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Laube's an das Wiener Stadttheater und übertrat fpäter an das 
Hofburgtheater, wo er noch heute in voller Kraft (nebenbei als 
Brofeffor am Confervatorium) wirkt und der Heinften Rolle Intereſſe 
zu verleihen weiß. Den von ihm aufgegebenen Poſten in Prag 
füllte Julius Simon aus, der im Mai 1871 (von Schwerin 
fommend) als Afpirant auf das nad) Hallenftein’3 Abgang vacante 
Heldenfach als Eifer, Fauſt und Poſa debutirt hatte, jich aber 
unter neuen DBerhältniffen willig die Verfegung in das ältere 
Sach gefallen ließ. Eine jtattlihe Erjcheinung, ein Organ von 
Fülle und Kraft und jchaufpielerifches Verſtändniß befähigten ihn 
für die Tragödie, doch Titten jelbjt feine beiten Leiftungen unter 
den Mängeln feines Gedächtniffes; das Wohlgefallen an der 
Schönheit des eigenen Organs drängte ihn nicht jelten in ein 
hohles Pathos, welches den äußeren Wirkungen mitunter fürder- 
ih war, über den inneren Werth der Leiftungen aber kaum hin- 
wegzutäufchen vermochte. Wir werben Julius Simon noch wieder- 
holt begegnen. 

Das Yahr 1867 Hatte endlich auch dem Damenperjonal die 
dringend nöthigen PVerjtärkungen gebracht. Am 23. März ftellte 
ih als Maria Stuart*) eine, wie e8 fchien, berufene Wipirantin 
für das Fach der tragifchen Liebhaberin und jugendlichen Heldin, 
Fräulein Emma Nollet vom Kölner Stadttheater, vor. Ihre 
zarte und diltinguirte Erjcheinung, jchlichte, ungefünftelte und 
dennoch ergreifende Darftellung, ein ſympathiſches, wenn auch 
minder umfangreihes Organ nahmen für fie ein und ficherten 
ihr einen vollen Erfolg, der ihr als Julia, Gretchen, Käthchen, 
bezähmte Widerfpenftige, Zuife treu blieb, fo daß fie bald bie 
Anna in „Richard IIL" als engagirtes Mitglied ſpielte. Nun 
galt e8, diefer jugendlich-tragifchen Liebhaberin eine zum mindeften 
ebenbürtige Heroine und Anftandsdame an die Seite zu jehen, 
und auch in diefem Streben Hatte die Biühnenleitung Erfolg. 
Nach einem minder geglückten Probegaftjpiel der Frau v. Blitters- 


”, Eliſabeth⸗Fr. Frey, YBurleigb-Kühns, Mortimer-Sauer, Leifter: 
Hallenftein, Shrewsbury⸗Pittmann. 


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dorf, einer namentlich durch Xoilettepracht hervorragenden, ges 
wandten Darftellerin, debutirte am 30. Mai 1867 Anna Berfing- 
Hauptmann, die der Brager Bühne längſt nicht mehr fremd, 
ja Schon in früher Jugend mit ihr vertraut war, als Pom- 
padour (neben dem Narciß Kühns'), hierauf als Donna Diana 
und beſtärkte durch ihre geiftvollen Leiftungen nur das günftige 
Urtheil, das frühere Gaftjpiele über ihre künſtleriſche Indivi⸗ 
dualität erwedt hatten. m Prag geboren und für die Bühne 
gebildet, eine Tochter des in dieſen Blättern nach Verdienft ge- 
würdigten Baflıften Verfing und der ihrerzeit berühmten Augujte 
Zauber-Verfing (F 31. Jäner 1880 zu Ullersvorf in Mähren), 
hatte Anna Berfing eine forgfältige Erziehung genoffen. Am 
18. Dec. 1848 war die jugendliche Kunſtnovize, nachdem fie jchon 
in Olmüg auf einem Gajtfpiel Xorbeeren gepflüdt, als „Königin 
von fechzehn Jahren”, einige Tage fpäter als Käthchen von Heil- 
bronn am Prager Landestheater aufgetreten*) und hatte das Pu⸗ 
blicum bezaubert. Ihr erjtes Engagement nahm fie in Brünn, 
wo fie dem Buchhändler Hauptmann die Hand reichte, ver- 
lieg — ehrenvolle Anträge an die Burg und nach Hannover 
ablehnend — die Bühne und lebte bis 185% lediglich ihrer Fa⸗ 
milie, bis die Sehnfuht zur Kunſt fie nicht länger daheim 
duldete. Nun gaftirte fie an den erften Bühnen Deutſchlands 
und Oefterreichs und feierte in ihren Glanzrollen (Bhilippine 
Welfer, Maria Stuart, Donna Diana, Yulia, Mirandolına, 
Gretchen u. |. m.) Triumphe. 

„Sin Bouquet von Sonnenftrahlen 

Iſt Dein holdes Angeficht, 

Jedes Lächeln Deines Mundes 

Iſt ein blühendes Gedicht” 
fang Oettinger der fchönen Fran und Künftlerin zu. Sie nahm 
Engagement in Coburg, mo fie Mofenthal als Pietra ſah und 
als die befte Darftellerin diefer Rolle bezeichnete, gajtirte 1864 
längere Beit erfolgreich in Petersburg, worauf ſie ihr lebens» 


*) Siehe Seite 398 dieſes Bandes. 


längliches Coburger Engagement löfte und auf Gaſtſpielen neue 
Lorbeeren erntete, big fie 1867 in Prag eine bleibende Stätte ihres 
fünftlerifcheu Wirkens fand. Unna Berfing- Hauptmann gehört 
zu den intereffanteften Erjcheinungen in der jüngften Geſchichte 
des Prager Theaters. Hervorragend durch glänzende Gaben der 
Natur, dur) großes und reiches Talent, feljelnd durch geift- und 
temperamentvolle Darftellung, war jte berufen, die höchſten Auf- 
gaben der Kunſt durchzuführen; ihre hoheitsvolle Erjcheinung, der 
„wahrhaft clajfiche, wie aus einem Stüd Marmor gehauene Kopf“, 
das volle, ſympathiſche Organ prädeftinirte fie gemwiljermaßen zur 
Heroine, zur Darftelferin idealer Frauengeftalten, tragijcher Char- 
aktere; ihr Temperament und ihr jelbjtändig fchaffender Geiſt 
einten fich diejen jeltenen Mitteln und machten fie zur gleich werth> 
vollen Kraft für das Converfationsftid wie für die Tragödie. 
„Eine impojante Geftalt, eine Stirn von Adel und Majeſtät, ein 
Auge, dejjen Juden der Blitz niederjchmetternder Verachtung, das 
Aufflammen wilder Leidenſchaft und das leichte Spiel nedijcher 
Schelmerei nah ihrer Willkür zu Gebote ftebt, feinfte Tournure 
und Kenntniß der edelſten gejellfchaftlichen Form, Bolltönigkeit 
des Organs mit freilich) verhälmigmäßig geringer Modulation,” 
dies waren, wie ein anerfannt nüchterner Prager Kritifer von 
1867 fchreibt, die befonderen Vorzüge diefer Darftellerin, welche 
nun. dreizehn “Jahre eine bedeutende Kraft der Prager Bühne blieb 
und bier in wechjelnden Rollenkreiſen muftergiltige Leistungen bot. 
Ihre Lady Macbeth, Phädra, Milford, Pompadour, Iphigenia, 
Orfina, Donna Diana, Marlborougb, Yutreval, Antigone, Meden, 
Sappho, Marwood wurden in Prag wie anderswo bewundert. 
Ihre erfte Rolle im Heldenmutterfache, die Lea in den „Macca 
bäern", jpielte fie Ende 1870, doch war damit keineswegs ein 
fürmlicher Fachwechſel vollzogen, der erjt allmälig und ohne Nöthi- 
gung eintrat. Auch als Schriftftellerin bat fi Anna Verfing- 
Hauptmann wiederholt verfucht; jte ſchrieb mehre interejlante No- 
vellen („Aus einem Frauenleben” u. A.), gab 1861 bei Wigand 
in Leipzig und 1882 bei Rosner in Wien Gedichte Heraus und 
war als TFenilletoniftin für mehre Journale thätig. Ein Drama 





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aus ihrer Feder, „Verwirrt und gelöft," fam im ‘Dec. 1877 auf 
der Prager Bühne zur Aufführung und erregte begreifliches In⸗ 
terefie. Der Name und das Wirken diejer Künftlerin wird ung 
noch zu bejchäftigen haben. Ihr Engagement trat Frau Verſing 
als Eboli an; mit ihr und der Nollet (man fah Beide mit Befrie- 
digung al8 Sittah und Recha in „Nathan" nebeneinander wirken) 
waren der Tragödie und dem bürgerlichen Schaufpiel werthvolle 
Kräfte gewonnen. Bald follte jich ihnen ein dritter Gewinn an- 
reihent. 

AL Erjag für Francisca Rottmayer, die ſich am 30. Juni 1867 
unter herzlichen Dvationen empfahl, war eine Naive von zmweifels 
lojer Jugendlichkeit, ein Talent von feltener Friſche und Urjprüng- 
fichfeit, gewonnen worden, welches bald den feftgewurzelten Glauben 
an die Uinerfeglichkeit ihrer Vorgängerin erjchütterte. Am 22. Juli 
debutirte als Hermance im „Kind des Glüds" Caroline Seitler, 
und. alsbald wandten ſich der mit größtem Mißtrauen erwarteten 
„Neuen“ Aller Sympathien zu. Frl. Seitler hatte feine große 
Bühnencarriöre Hinter fih. Ein echtes Wiener Kind, hatte fie 
im Alter von 10 Jahren die Goßmann im Burgtheater bewundert 
und ſich's in's Köpfchen geſetzt, eine zweite Grille zu werden. Syn. 
Jahre 1862 fpufte die neue „Srille" zuerst in Wiener-Neuftadt, 
1863 bis 65 bewunderte man ihr erftaunliches künſtleriſches Ge⸗ 
deihen in Iſchl und - Salzburg, 1865 bis 67 unter Sreibig in 
Graz, und dort traf fie der Ruf Wirſing's nad) Prag. Nicht 
leichten Herzens zog fie aus der Murjtadt von dannen, und 
leichten Herzens ließen jie auch die Grazer nicht ziehen — man 
petitionirte ſogar in aller Form bei der Direction, „Wildfeuer" 
mit diefem unerjeglichen Nene vor dem Abjchied im großen Thalia⸗ 
theater zu geben, damit ein größerer Kreis von DBewunderern 
Gelegenheit fände, die Scheidende nochmals in diefer Glanzrolle 
zu jehen. Wie feftgegründet auch die Pofition der von früher 
Jugend in Prag gefannten und beliebten Nottmayer dien, 
ihre Nachfolgerin verfügte über Schäge, die jener in demjelben 
Mae nicht gegeben waren: frifche, volle Natürlichkeit, reiches, 
tiefes Gemüth. 


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„Der friihe Ton, die echte Farbe der Naipetät“ — jo dharalterifirt 
ein Prager Referent dieje Künftlerin — „warmes poetifche8 Gefühl waren 
Caroline Seitler in bie Wiege mitgegeben worden, und mit energilchem 
Geifte und unermüdlichem Fleiße hat fie dieje fchönen, natürlichen Gaben 
verwerthet.... Durch originelle Anmutb, ſchalkhaften Humor und einen 
friihen Herzendzug Hatte fie fich glei zu Beginn ihrer Prager Wirkſam⸗ 
feit zum Liebling des Publicums aufgeſchwungen; aber fichtfich und rajch 
wuchs die Energie ihrer geiftigen Auffaffung und die Vielfeitigfeit ihres 
Darftellungsvermögend. Was Schaufpielerinen fo felten verliehen ift, die 
Babe kräftiger Charakterifirung, drüdte allen ihren Leiftungen ein echt 
Fünftlerifches Gepräge auf.... Wer fie als Francisca („Minna v. Ban: 
beim“), Dorinde („Zartuffe”), Käthchen von Beilbronn, Preciofa ober 
Aſchenbrödel gefehen, der weiß, wie fie Charaktere zu marliren verfteht, 
wie realiftiiher Humor und poätifcher Zartfinn, Eindliche Naivetät umb 
ergreifendes Gefühl hier die Blätter derfelben buftigen Blüthe bilden. Für 
das Luftfpiel war die Künſtlerin eine belebende Kraft; zahlreiche Rollen 
gewannen erit burch ihre liebevolle Darftellung Bedeutung, ja mandes 
Stück verbanfte ihr in erfter Linie den Erfolg...” 

ALS Francisca in „Minna” erjpielte fih Caroline Seitler den 
erſten entjchiedenen Sieg in Prag, der „Pariſer Taugenichts" und 
die „Srille” reihten fi an; den Rene im „Wildfeuer” fpielte fie 
bereit8 als engagirtes Mitglied, und nunmehr war ihr Wirken in 
Prag nur mehr eine Kette von Erfolgen. Der Ruhm der Seitler 
war in Prag in Aller Munde, und auch nad) auswärts drang er. 
1868 machte ihr der Intendant Baron Münch-Bellinghauſen (Fried. 
Halm) den Antrag, während einer Krankheit der Frau Hartmann 
im Burgtheater auszuhelfen, und fie acceptirte, nachdem fte fi 
über entichiedenes Verlangen der Brager Bühnenbehörden, ja jelbft 
des Oberftlandmarfchalls mit Revers verpflichtet hatte, weder am 
Burgtheater noch an einer andern Bühne Wiens Engagement zu 
nehmen. Sie fpielte num 1869 mehre Wochen an der Burg, und 
jede Rolle brachte ihr Triumphe. Als fie — einen längjt gebegten 
Herzenswunfch befriedigend — die „©rille” fpielte, war ihre 
Aehnlichkeit mit ihrem erjten “deal, der Goßmann, fo groß, daß 
Mama Haizinger als „Mutter Barbeaud“ in den Auf des Staunens 
„Jeſus, das ift ja die Goßmann!” ausbrah. Mit Beifallsftürmen 
grüßte Prag bei der Rückkunft den treugebliebenen Liebling, welchen 
in Prag mittlerweile Francisca Rottmayer vertreten hatte: 


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die Rottmayer war nun rufjische Hoffchaufpielerin, hatte in ihren 
alten Glanzrollen brillirt, die Seitler aber war nicht vergeſſen 
worden, und Blumenfpenden in reicher Fülle gingen auf die Ge— 
treue nieder; einige Jahre fpäter jedoch wurde auch fie ungetreu 
und ging dem Enjemble der Prager Bühne verloren. Eine Reihe 
glänzender Engagementsanträge hatte Caroline Seitler abgelehnt, 
als ſich aber die Liebe in ihr Herz .einjchli, da wurde auch ihre 
Treue für die Kunſt wankend. Im Badeorte Wartenberg bei 
Zurnau hatte fie den Herzensbund mit Hauptmann Münzberg, 
der fie nie auf der Bühne gejehen, geſchloſſen, ein Jahr ſpäter 
(1872) fand in der Stephanskirche zu Prag ihre Trauung ſtatt. 
Diefem Acte war der Abfchiedsabend von der Bühne vorange- 
gangen und wenigen Künftlern iſt ein jo feierlicher und fchmerz- 
licher Abjchied in Prag geworden. Alles wollte die Seitler, welche 
„unübertroffen daftand in dem Ausdrud wahrer Anmuth und 
frauenhafter Holdfeligfeit”, welche durch die berühmteſten Gäſte 
nicht in Schatten geftelt worden war und mandje Glanzrolle 
(4. B. Benedix' Aſchenbrödel) in Prag gefchaffen hatte, nochmals 
jehen. Die Bühnenräumewaren in einen Blumengarten verwandelt, 
und Blumen und Kränze regnete es, als das „Kind des Glüds" — 
und ein folches war die Seitler in Wahrheit während ihrer ganzen 
zehnjährigen Bühnenlaufbahn gewefen — erſchien. Frl. Seitler 
mußte zum Schluß nad) ungezählten Hervorrufen eine Abjchieds- 
rede halten, auf der Bühne aber ſprach Regiſſeur Jul. Simon 
im Namen der verfammelten Collegen Abjchiedsworte und über: 
reichte ein Album mit den Bildern des Berjonals. Aus den 
Kreifen der beiten Geſellſchaft Prags waren zahlreiche und koſt—⸗ 
baren Spenden in der Garderobe der Scheidenden eingelangt. 
Ihr Abichied war eine Zrennung von der Bühne überhaupt: 
feine Bitte konnte ihren Gatten bewegen, Caroline anderswo als 
in ihrer neuen Heimat Tetfchen auftreten zu laſſen, dort aber hat 
fie feit 15 Jahren oft ihr reiches Talent in den Dienft der Wohl 
thätigkeit geftellt; dort traf fie in einzelnen Fällen wohl auch nod) 
auf der Bühne mit alten Prager Eollegen (Sauer, Hafjel) zu- 
fammen, und jedes Feft gelang, dem fie präfidirte oder dem jie 


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ihre künſtleriſche Mitwirkung meihte. Wie groß auch die Wandel- 
barkeit des Enſembles war, gerade in der Zeit der Seitler dankte 
‚man dem Zuſammenwirken gediegener Kräfte wahrhaft künftlerifche 
Genüſſe. Die Bühne verfügte über die Damen Verfing, Nollet, 
Seitler, Szegöffy, die Herren Hallenftein, Sauer, Kühns, Ober 
länder, Simon, Dolt, Eicjenwald (der im April 1867, wegen 
Sagen-Differenzen gefchieden aber ſchon im uni zurückgekehrt 
war), Beringer u. |. w. 

Die erjte Breihe riß in das Enſemble der Abſchied von 
Emma Nollet, die fih am 9. April 1870 als Iſabella Orfini 
unter mannigfathen Ovationen empfahl; zum Glück war diesmal 
der Erjag raſch zur Stelle; ſchon am 9. Mai ftellte fich in 
Fl. Lina Hahn vom Stadttheater in Bremen eine „Jeanne 
d’Arc" von großer, vielverjprechender Begabung vor,*) deren 
Erfolg umfomehr itberrafchte, als man von der jugendlichen Schau⸗ 
jpielerin wenig erwartet hatte; man bemunderte die Friſche, den 
Schwung, die edle und ernfte Auffaffung der mit einem Tlang- 








*) Sina Hahn ift am 6. Oct. 1847 zu Nenftrelit geb. ald Tochter 
der medlenburg. Rammerfängerin Caroline Hahn und des auch ald Maler 
befannten Säugers Eduarb Hahn (F 1870 zu Stuttgart); die Minifters- 
Gattin von Bernftorff, dDiefelbe, weldye einft Karoline Jagemann als geiftes- 
verwandte Freundin naheſtand, war es, welche fie in das Verſtändniß 
unferer großen Dichter einführte und zu reinem künſtleriſchen Streben an» 
regte. Den erften Verſuch machte fie mit einer Declamation bei Hofe ımd 
überrafchte dabei durch den feelenvollen Bortrag der Dichtungen und ihre 
unverfennbares Darftellungstalent derart, daß man fie zu einem Bühnen⸗ 
bebut bewog, nad deflen Erfolge fie fih zuerft unter C. U. Görner in 
Hamburg, dann bei-Dir. Hein in Berlin dem dramatiihen Studium wid: 
mete. Ihre eigentliche theatraliihe Laufbahn eröffnete fie im Sept. 1867 
zu Lübeck, wo auch Emanuel Seibel fürdernd und länternd auf fie wirkte, 
Nah 5 Monaten mit dreijähr. Vertrage nach Schwerin eng., löfte fie 
wegen ungenügender Beihäftigung dies Eng., folgte 1868 einem Rufe nad 
Bremen, wo fie unter fortgeſetztem Streben nad) Vervolllommnung ihrem 
Nepertoire die edelften clafliihen Frauengeflalten einfügte und ihr fein 
burchbildetes, mit fchöpferifcher Kraft auögeftattetes Talent immer mehr 
entfaltete. Unter mehren Eng.-Anträgen, bie fie in Bremen erreichten, gab 
fie 1870 jenem von Prag den Vorzug. 








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vollen und modulationsfähigen Organ begabten Darftellerin, welche 
mit einfachen Mitteln zu ergreifen und zu begeiftern wußte. Ihre 
weiteren Debut8 als Desdemona, Minna von Barnhelm, be- 
zähmte Widerjpenftige u. ſ. w. befeftigteu fie in ihrer raſch ge- 
wonnenen PBofition, welche fie nun mit ſtets gleichem künſtleriſchem 
Eifer und vollem Gelingen bis 1872 behauptete. Eine lang- 
wierige Krankheit entzog bereits im Winter diefes Jahres Lina 
Hahn dem Repertoire; man mußte Umfchau nad) einer Vertre- 
terin halten und glaubte. viefe in Emma von Jakubowska 
gefunden zu haben. Frl. v. Jakubowska, eine Dame von impo- 
janter, üppiger Schönheit, welche nach Ungabe des Theaterzettels 
von Frankfurt a, M. kam, trat am 17. Mai 1872 als Deborah 
auf und interefjirte durch einnehmende Erjcheinung, das bligende 
Auge, das fchöne, wern auch etwas umflorte Organ, das aller- 
dings den höchſten Anforderungen der Tragödie nicht gewachfen 
ſchien; nad einigen weiteren glüdlichen Debutrolfen (Stuart, 
Clärchen u. |. w.) wurde fie Mitglied der Prager Bühne mit der 
Beitimmung, im Fache der tragiichen Liebhaberinen und jugend» 
lichen Heldinen mit Lina Hahn zu alterniren, im Converjationg- 
ſtück und Zuftfpiel auszuhelfen und dem Volks- und Bauernftüd, 
für das fie als Broni im „Meineidbauer“ bejonders frische, ur- 
fprüngliche Begabung geoffenbart hatte, eine „meiblicye Stüge" 
zu bieten. Da Frl. Hahn jedody einige Monate fpäter definitiv 
aus dem Verbande der Prager Bilhne fchied, nahm Emma von 
Jakubowska vorläufig „unbeſchränkt“ deren Plaß ein. Lira Hahn 
reichte dem Theaterarzt Dr. Smoler (nachmals Director des 
allg. Krantenhaufes, dann Statthaltereiratd und Sanitäts-Refe⸗ 
tenten bei der Prager Statthalterei) die Hand zum glüdlichen 
Ehebunde. 

Eine weitere Verjchiebung im Damenperfonal des Schaur- 
ipiels war durd den Tod der Frey nothmendig geworden. Unna 
Berfing- Hauptmann trat in mehren Glanzrollen der Frey 
erfolgreich deren Erbſchaft an, ohne daß fie deshalb ihren Rollen- 
ihag im „jüngeren Genre" vollfommen preiszugeben hatte. Um 
aber das Enſemble dennoch gegen alle aus diefer Situation reſul⸗ 


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tirenden Zufälligkeiten zu ſchützen, hatte Wirfing eine neue Re— 
präfentantin der jüngeren „Anftands-Damen” und Converjationg- 
Schaufpielerinen verfchrieben und in Hermine Claar-Delia 
die willfommenste Acquiſition gemacht, eine Acquifition, die noch 
bedeutjamer dadurch wurde, daß ſie das gleichzeitige Engagement 
eines gediegenen, die künjtlerifche Hebung der Bühne verbürgenden 
Oberregijjeurs, Emil Elaar, in fih fchloß. Hermine Delta 
ift am 8. April 1848 in Wien geboren, hatte bei Lewinsky ihre 
dramat. Studien und auf den Bühnen zu Peſt, Hamburg (Thalia⸗ 
theater), Berlin (kgl. Schaufpiel), Schwerin rafche Earriere ge 
macht. Im Xheater a. d. Wien feierte fte ala Minona in Laube's 
„Böſe Zungen” Triumphe, trat ins Leipziger Engagement, gaftirte 
hierauf vielfach und folgte endlich im Sommer 1872 mit ihrem 
Gatten, dem fie am 19. Nov. 1871 die Hand gereicht hatte, 
Wirſing's Rufe nad) Prag. Emil Claar fungirte am 4. Juli 
in einer Aufführung des „Störefried” zum erften Wale als Ober- 
tegiffeur, feine Gattin betrat am 6. Juli als Leopoldine von 
Strehlen im „beiten Ton“ zum erften Male die Prager Bühne 
und errang damit einen Erfolg, wie ihn — nach dem Urtheile 
der Kritik — „feit Jahren kein Gaft gehabt hatte“. Man 
bewunderte die „blendend ſchöͤne Bühnenerfcheinung, das Hang» 
volle, biegſame Organ, das geiftwolle Spiel, den an feinen Nuancen 
und Pointen reichen Dialog, das fejte, fichere Dareingehen der 
Debutantin, und diefe vom Auditorium getheilte Bewunderung 
überdauerte die Reihe der Debutrollen (Donna Diana, Gräfin 
Autreval u. |. w.); man begrüßte in der neugewonnenen Künftlerin 
die berufenfte Interpretin ausgefprochenfter Converjations- und 
„Salon“⸗Rollen, von welcher man auch Bortheile für die Tra⸗ 
gödie erhoffte. Das Zufammenwirken der Damen Berfing und 
Claar konnte fih ebenfo innig als erfolgreich geftalten, doch er- 
gaben jich bei dem Verſuche einer zwedentfprechenden Abgrenzung 
des Nolfenkreifes zwifchen den rauen Verſing und Claar jo be 
deutende Schwierigkeiten, daß das Nepertoire und das Enjemble 
nicht felten ernftlich bedroht und gejchädigt erjchien. Ein glei. 
zeitiges Auftreten diejer beiden Danıen wie 3. B. in „Coxiolan“ 


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(Bolumnia-Berfing, Valeria-Claar) wurde fozufagen Xheater- 
ereigniß, und erſt allmälig founte ein harmonifches Nebeneinander- 
wirfen diejer zwei an künſtleriſcher Bedeutung ebenbürtigen, viel- 
fach ſich ergänzenden Kräfte ermöglicht werden. Ein weiterer 
Gewinn für das Enjemble, wurde mit dem Engagement einer 
hoffnungsvollen, reichbegabten Tragödin erzielt, die ſich mit der 
Zeit den erſten Heroinen der deutſchen Bühne anreihen follte. 
Die neue Erwerbung war Olga Precheiſen, melde nad 
mehren anderen Debut3 (Frl. Marion, Behre) im Auguft 1873 
al8 Gretchen, Julie, Magdalene Werner und Donna Diana de- 
butirte und mit ihren glänzenden Mitteln, ihrer eigenartigen und 
ftarfen Begabung fofort ihre Berechtigung für die fünftlerifche 
Poſition erwies, für welche fie auserjehen war. Olga Precheifen *) 
fam damals von Hofburgtheater, wo ihr Stern glänzend auf 
gegangen war; ihre blendende Erſcheinung — eine hohe, impo- 


*) Diga Lewinsky-Precheiſen, geb. in Graz 7. Juli 1858 als 
Tochter eines Beamten, betrat mit 15, Jahren in ihrer Vaterftadt zum 
erften Male ald Jolanthe in „König Nentd Tochter” die Bühne, mit 
welchem Debut ein jeltener Erfolg verbunden war; zwei Sabre jpäter be- 
butirte fie am Wiener Hofburgtheater ald Jungfrau v. Orleans und Gret- 
hen und wirkte, von Publicum und Kritit als eine der hoffnungsvollſten 
Talente begrüßt, an ber Hofbühne zwei Jahre im sache der jngenblich 
tragiichen Liebhaberinen. Widerwärtigleiten aller Art ließen fie, trotzdem 
ihr Contract noch fortlief, die Löfung desfelben wunſchen und fuchen, fo 
daß fie 1873 dad Prager Engagement annahm. In dieſe Beit fällt auch 
ihre Bermälung mit ihrem früheren Lehrer und Eollegen Joſeph Lewinsky. 
Nach dreijährigem Engagement in Prag und einem zu Gaitipielen ver- 
wenbeten Jahre folgte fie einem wiederholt an fie ergangenen Rufe an das 
fol. Theater zu Caſſel, wo fie fünf Jahre verblieb — eine Zeit, bie fie 
ſelbſt als die glüdlichfte Phafe ihrer künſtleriſchen Entwidelung bezeichnet; 
fie wurde ald Künftlerin und Frau in der Gejellichaft gefeiert und erwei⸗ 
texte die Grenzen ihres Könnens außerorbentlih. Ihr Repertoire umfaßt 
faft alle bedeutenden Rollen ihres Faches im deutſchen Schauifpiel, tm 
mod. franzöf. Drama und feinen Luftipiel (Iphigenie, Brinzeflin Adelheid, 
Stella, Stuart, Jungfrau, Phädra, Flabella, Hermione, Beatrice, Lady 
Macbeth, Orfina, Marwood, Minna, Sappho, Hero, Medea, Donna Diana, 
Adrienne, Autreval u. ſ. w.) Nunmehr (1886—7) wirkt Yran Lewinsky als 
erfte Heroine in Leipzig. 


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fante Frauengeſtalt mit reichem, goldenen Haar, das große, wenn 
auch im erften Eindrud hart und fremdartig klingende Organ, 
edle und ideale Auffaffung und fünftleriihe Ausführung ihrer 
Partien erwarben ihr raſch Sympathien. Um 12. October trat 
fie ihr Engagement an und tbeilte ſich nun gewiljermaßen mit 
Frl. dv. Jakubowska in das Fach der jugendlichen Heldin und 
tragischen Liebhaberin, wobei ihr ziemlich regelmäßig der beflere 
Theil zufiel. Schon am 1. Mai 1875 aber ſchied Emma von 
Jakubowska aus dem Bühnenverbande, *) und Olga Precheiſen 
war nun neben Frau Glaar-Delia Herrin auf ihrem Gebiete. 
Für das Fach der munteren und naiven Liebhaberinen hatten 
fi) nah dem Abgang der Seitler zwei begabte Candidatinen 
eingefunden: am 3. Mai 1872 vdebutirte Frl. Luiſe Martorel 
vom Stadttheater zu Bremen als Grille, eine junge, intereffante 
Darftellerin, deren große, glänzende Augen lebens- und geiſtvoll 
in die Welt blidten, und wurde nach weiteren PBroberollen en- 
gagirt; fie wog den Verluſt ihrer Vorgängerin zwar keineswegs 
auf, füllte jedoch ihren Pla im Enjemble gewiljenhaft und mit 
ahtbarem Erfolge aus. Noch entfchiedeneres Glück hatte wenige 
Tage jpäter eine.andere Debutantin, Frl. Klara Hrabomsta, 
vom Wallnertheater in Berlin, welche — urfprünglih nur für 
zweites Fach in Ausficht genommen — raſch avancirte und bald 
als erfte Kraft gefchägt wurde. Friſches, rejolutes Spiel, Ieb- 
baftes Temperament und Geftaltungsfraft ebneten ihr rafch die 
Pfade. Hatte fie fich als Annalife mit vielverjprechendem Erfolge 
eingeführt, fo wuchs fie mit jeder neuen Rolle; „jo viel Anmuth 
und Natürlichkeit” war, wie man verficherte, jeit der Seitler nit 
dageweſen; Frl. Hrabowska war gern gefehen in jeder Rolle. 
An Stelle des Frl. Martorel, die fhon 1873 abging, debutirte 
im October 1873 Toni Hiller vom Wiener Stadttheater als 
Frou⸗Frou, die Tochter des Kölner Meisters Ferdinand Hiller, 
eine Schaufpielerin mit „niedlicher Figur, ſympathiſcher aber 
.*) Sie gaftirte an mehren Bühnen, nahm auch vorübergehend Enga⸗ 


gement in Hamburg, worauf fie längere Zeit in Prag privatifirte, bis fie 
einem Arzt die Hand reichte und der Bühne definitiv entjagte. 





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dünner Stimme, pifanter aber nicht regelmäßiger Phyfiognomie”, 
fünftleriichem Streben und eigenartiger Begabung, die ihr auch 
eine von ihrem ftricten Fachkreis abweichende Beichäftigung anwies 
und namentlih im Converſationsſtück ihren Platz ficherte. — Von 
den Riebhaberinen, welche mit mehr oder weniger Glück im jenti- 
mentalen, munteren und naiven Fach aushalfen und das Enjemble 
ergänzten, nennen wir die Fräuleins Baufer, Klein (1866—68), 
Neder (1868), Raday (1868—9), Hedwig Mayer (1868—71), 
Altmann (deb. als Leonie im „Frauenkampf“ und Annalife, eng. 
und mit Glück in verjchiedenen Sphären bejchäftigt 1869—72), 
Dgris (eng. 1870, + 1871), Groß (1872), Hartig (1873—76, 
vorwiegend in zweiten naiven Wollen, auch in Operetten ver- 
wendet), Scheller (1873—74), Perl (1871-73), Bertha 
Braun (vorwiegend für fentimentale Partien, nachmals erfte 
Liebhaberin und Heldin am Landestheater in Graz, in Prag : 
1872—73), de Pauli (1874—75, Naive, nachmals als erfte 
muntere und naive Xiebhaberin eine der herporragenditen Kräfte 
des Cechiichen Kandestheaters), Mitjcherling (1874-76). Die 
Damen Hallenftein, Gattin Conrad Hallenfteing, und Lehmann 
(die nachmals berühmte Dpernfängerin Lili Lehmann, welche in 
beiden Hemifphären Triumphe feiern follte und 1866-68 unter 
den Augen ihrer Mutter, der Harfenfpielerin des Theaterorcheſters, 
ihre erjten theatralifhen Gehverſuche machte), fanden in Schau- 
fpiel und Oper gleichviel Verwendung: Yrau Hallenftein war eine 
anmuthige und liebenswirdige Luftpiel-Soubrette und Tam auch 
der Operette jehr zu Statten; Lili Lehmann, ein bezauberndes 
junges Mädchen, wurde aud) in den kleinſten Partien bemerkt und 
nahm manches aufmunternde Wort von Prag mit in ihre Ear- 
riere. Als „zweite Anjtandsdame” fungirte während der ganzen 
Dauer der Wirfing’schen Direction Frl. Fries, eine Darftellerin, 
die der Prager Bühne ſchon unter drei anderen Negenten gıte 
Dienfte geleiftet hatte und mit Eifer jede Aufgabe erfaßte, die ihr 
im Intereſſe des Ganzen zugedacht war. Außer ihr wirkte 1874—76 
befanntlih Frau Ottilie Simon. 

Im Mutter-Fache waren drei fchwere Berlufte zu bes 

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Hagen. Außer der unerfeglichen Frey und der ſchwer vermißten 
Veteranin Rohrbeck verlor die Bühne 1873 auch rau Sze 
göffy, feit 1854 eine der pflichteifrigften und folideften Dar- 
ftellerinen, der e8 gelungen war, nach der unvergeßlichen Binder 
auf dem jchwierigen Boden der Prager Bühne Fuß zu fallen; 
am 1. April verabjchiedete ſich die Veteranin, trefflich im Fache 
der fomifchen und bürgerlichen Mütter, mit zwei ihrer Glanz⸗ 
rollen, in Scenen der „Bärble“ („Dorf und Stadt“) und als 
Köchin Chriftine in dem Einacter „Die Dienftboten", und war 
der Gegenftand Iebhafter Ovationen; die wirdige Frau nahm 
auch als Benfionärin ihr Domicil in Prag, ertheilte dramatifchen 
Unterriht und jtarb am 18. Nov. 1881 im Bade Haufchta bei 
Brandeis in befcheivenen Berhältniffen. — An Stelle der rau 
Nohrbed war 1868 Frau Sievers in den Verband der Bühne 
getreten, dem fie vier fahre angehörte; 1870 aber wurde mit der 
Beitimmung, in einem gewilfen Nollenkreife die Frey zu erjegen 
und in anderen Partien Szegöffy zu entlaften, Frau Minna 
Wollrabe engagirt; fie fügte ſich als wadere Darftellerin bürger- 
licher und fomifcher Mütter, komischer alter Tanten u. ſ. w. 
verdienftlich ins Enſemble und gehörte demjelben bis 1877 an, 
um 1886 nochmals an die Prager Bühne zurüdzulehren — wir 
werden ihren Namen noch zu nennen haben. 1873, alſo in dem- 
jelben Jahre, das Frau Szegöffy dem Bühnenwirken entzog, de 
butirte Frau Xherefe Pofinger (Gattin des Komifers und 
zeitweiligen Directors des Prager deutſchen Sommertheaters ul. 
Pofinger) als Eglantine in „Nachtigall und Nichte”, Madame 
Freund in Kotzebue's „Unglücklichen“ und Köchin Chriftine, eine 
Schauspielerin mit Routine, einem gewiſſen gedämpften Humor 
und raftlofem Eifer, der fie felbft in Bartien, welche jenjeits der 
Grenzen ihrer Begabung lagen, nicht verunglüden ließ; fie wurde 
auch zu einer achtbaren Kraft für Poſſe und Operette und blieb 
lange Fahre ein gejchägtes Mitglied der Prager Bühne. Die vor- 
züglichen Dienfte, welche Anna Verſing duch opfermutbige 
Uebernahme der bedeutendften Aufgaben des Heldenmutterfaches 
leiftete, find an anderer Stelle erwähnt. 


— 611 — 


Soll die Bewegung im Damenperfonale des Schaufpiels 
vollſtändig ſtizzirt fein, jo dürfen auch die Vertreterinen eines Faches 
nicht vergefien werben, das durch die jüngſte Nepertoire-Specialität, 
die Operette, eigentlich in directe Verbindung mit der „Oper“ 
gebracht worden war: die Zocalfängerinen der Bühne. Sie waren 
allmälig zu „Local- und Operettenfängerinen” geworden, und außer 
der heiteren Laune, dem Temperament und der Geftaltungstraft 
der Soubrette kamen nun mehr denn je bie Gefangsmittel und 
die Geſangskunſt der Zocalfängerin in Betracht. Die erften Acqui⸗ 
fitionen Wirfings auf diefem Gebiete brachten feine dauernden 
Erfolge. Frl. Grün, welde an die Stelle der mit Thome ab- 
gegangenen Sternau (der nacymaligen Gattin des Operettenjängers 
Eppich) getreten war, machte ſchon nach einem Jahre der Local- 
fängerin Frl. v. Kaler Plag, welche nun bis 1869 ihr heiteres 
Amt verwaltete und u. U. den Ganymed in der „ſchönen Galathee”, 
die Boulotte in „DBlaubart”, die Großherzogin von Gerolftein, 
die Suft in Berge „Nr. 28" creirt bat; fie wurde 1869 durch 
- Fl. pa Bufe erſetzt, die vor ihrer Vorgängerin eine ſympa⸗ 
thiſche Bühnenerfcheinung voraus hatte, an Begabung aber Stark 
hinter ihr zurüdzuftehen ſchien. Schon 1870 begrüßte man denn 
auch eine neue Soubrette, die den höchjtgefteigerten Anforderungen 
entiprah — Joſephine Bagay; fie fam im Yebruar, jiegte 
als Fanny („Localfängerin und Boftillon”), „leichte Perſon“ 
Helena und Großherzogin und hielt einige Wochen ſpäter abermals 
als Großherzogin und Boulotte triumphirend ihren Einzug als 
engagirtes Mitglied. Ein vielverfprechendes Stumpfnäschen, feurige 
Augen, frifche Laune und „reſches“ Temperament empfahlen fie 
für ihr Fach; in Erjcheinung, Liebenswürdigkeit, Humor und ſchau⸗ 
fpieleriicher Begabung ihre beiden Vorgängerinen weit überragend, 
wußte fie ſich auch mit den ftimmlichen Mitteln hinlänglich zu- 
rechtzufinden. Mit ihr Fam erjt das richtige Temperament in 
die Prager Poſſe und Operette; ſie wußte — eine gefährliche 
Kraft für das ernfte Repertoire — das Intereſſe für die leichtefte 
dramatische und muſikaliſche Koft zu beleben und diefe in den 
Mittelpunkt der theatralifchen Ereigniſſe zu ftellen. Offenbach's 

39* 


— 612 — 


„Toto“ und „Kafadu” wurden durch fie genießbar; fie „Ichuf" 
die Regine in der „Brinzeffin von Trapezunt”, wußte aber aud) 
durch die taufendfochen Capricen einer modernen Operettendiva 
die Heine Chronik des Theaters unausgejegt zu bereichern und 
der Bühnenleitung Berlegenheiten zu bereiten. So war jchon im 
Sommer 1871 offene Fehde zwiſchen Soubrette und Direction 
ausgebrochen; Frl. Bagay überfjchritt ihren Urlaub, weigerte ſich 
— angeblih wegen zu geringen Beifalls für irgend eine ihrer 
Operettenleiftungen — wieder aufzutreten, verſchwand ſchließlich 
sans adieu, fand in Wien Engagement und ähnliche Conflicte, 
bat aber als LZocaljoubrette und Operettenfängerin ihre Carriere 
unter wechjelnden Erfolgen in beiden Welten weiter verfolgt 
und zählt zu den befannteften und beiten Vertreterinen ihres 
Faces. Als Erfag rüdte 1871 Irma Nittinger, bei welcher 
die Güte des Organs den Ausſchlag gab, ind Treffen; fie trat 
nach glüdlichen Debuts als Eurydile in „Orpheus" ihr Engage 
ment an, gab dem „Fantaſio“ Offenbach's und dem Gafton in 
Brandl’3 Operette „Des Löwen Erwachen” das Leben, ging aber 
ſchon 1873 nad) Wien, wo jie mit Glück debutirte — von Wien 
nad Peſt üüberjiedelt, wurde jie 1881 ſogar am ungar. Nationals 
theater zur Ortrud. m Prag führte fich nad) einem einjährigen 
Intermezzo des Frl. Frühling und Gaftipielen der Damen 
Luiſe Stauber und Quandtner eine Soubrette ein, weldye an 
Bopularität in, der Moldauftadt faft alle ihre Vorgängerinen jeit 
der Brauneder-Schäfer überbot: Minna Schenf-Ullmeyer,*) 
diefelbe Ullmeyer, welche 1861 als Candidatin für das muntere 
und naive Fach auf der Probe verungfidt und durch eine Col: 
lectiv- Erflärung fämmtlicher Mitjpielenden gelyncht worden war.**) 
Sie hatte mittlerweile jene Richtung eingejchlagen, in welcher fich 
ihre jeltene Begabung glänzend entwideln konnte: fie war Soubrette 


*) Minna Schent-Ullmeyer tft als die Tochter eines Wiener 
Wigblatt-Redactenrs in Wien geb., war im SHofburgtbeater ein vielver- 
wendete und verwenbbared Theaterlind, aus dem ſich naturgemäß eine 
rontinirte Schanfpielerin entiwidelte. 

**) Siehe ©. 516. 











— 613 — 


geworden, hatte an einer Wiener Vorſtadtbühne und mehren 
Bühnen der Provinz, zulegt am Grazer Stadttheater (Direction 
Robert Miller) reiche und ſtets wachlende Erfolge erzielt und 
ihren Ruf als eine der talentirteften Soubretten Gallmeyer’ichen 
Genres begründet. Am 27. Sept. 1874 ftellte fie ſich als Thereſe 
Krones den Pragern vor und jchlug fo entichieden durch, daß 
jelbjt die Pagay-Erinmerungen verlöfchten; als Sufi in „Nr. 28”, 
Gräfin Falconi im „Sarneval in Rom" u. ſ. w. verſtärkte fie die 
guten Eindrüde dieſer Debuts und erwies fich nicht nur als 
Gewinn für Poſſe und Vollsftüd, fondern auch für die Operette, 
für welche fie ihr Organ in der tüchtigen Schule des Prof. Reh 
in Prag ausreichend bildete. Ihre nie verjiegende Laune, der 
friſch⸗ſprudelnde Duell ihres Humors, ihr vefolutes, „ſchneidiges“ 
Spiel und eine duch blendende Toilette unterftügte einnehmende 
Ericheinung ficherten ihr volle Erfolge, den Poſſen und Operetten 
eine bedenklich dominirende Stellung im Nepertoire. Ihre fchau- 
fpielerifche Kraft fam aber auch einer werthvollen Bereicherung 
des Nepertoires, der Anzengruber’schen Bauern-Komödie, wejentlich 
zu Statten. Wir werden Minna Schenf-Ullmeger noch in der 
folgenden Directionsperiode als einem der beliebteften Mitglieder 
der Prager Bühne begegnen. 

Die Bewegung im männlichen Schaufpielperjonale war im 
Berlaufe der Aera Wirfing ebenfalls ziemlich lebhaft und be- 
deutungsvoll geworden. Das Jahr 1871 beraubte die Bühne 
zwei ihrer Bierden, der Herren Hallenftein und Oberländer. 
Der letztere jchied am 1. April ale Magifter Reisland im „alten 
Magifter” und Kämmerer Froebel, und ſchier endlofe Ova- 
tionen zeigten, wie fchmerzlid) man jein Gehen empfand — 
Oberländer mußte fich zu einer Abjchiedsrede bequemen und das 
feierliche Verfprechen leisten, jo oft als thunlic) der Gaſt der 
Prager Bühne zu fein. Mit ihm war ein ganzer Künftler, ein 
gebildeter Schauspieler, reih an SKenntniffen und Gemiüth, ein 
waderer Regiffeur verloren, der trotz zahlreicher Hemmniſſe manche 
gute künſtleriſche That vollbrachte. Daß fi das Prager Theater 
im Jahre 1866, wo ein fgl. preußiſcher Auditeur das Repertoire 


— 614 — 


überwachte, auf anftändiger Höhe und ohne ernſte Störung erhielt, 
war nicht zum Geringften Oberländer’s Verdienſt. Schon im 
Mai des legtgenannten Jahres war der Künftler zu einem Probe⸗ 
gaftfpiel an's Wiener Hofburgtheater berufen und engagirt worden, 
hatte indefjen diefe Pofition nicht angetreten, da er fich überzeugte, 
daß neben Bedmann und La Roche fein jugendlicher Eifer wenig 
Spielraum zur Bethätigung finden würde; 1870 Hatte er im 
fol. Schaufpielhaufe in Berlin gaftirt und diesmal nicht gejäumt, 
die angebotene ehrenvolle Bofition anzunehmen. Er überjiedelte 
mit feiner Gattin, der Opernfängerin Laura Laufer (} 1884), 
nach Berlin und zählt, Tebenslänglic) an das Hoftheater gebunden, 
zu den gediegenditen Kräften diefer Bühne. — Sein College Conrad 
Hallenftein trat mit 1. Mai aus dem Verbande der Prager 
Bühne, welcher er dreizehn Jahre angehört und zum Stolze ge- 
reicht hatte. Seit jeinem erjten Auftreten als Egmont (6. April 1858) 
hatte er an 1296 Xheater-Abenden in Prag gewirkt, aljo etwa 
bundertmal im Jahre. Von feinen Glanzrollen waren am häufigften 
Kerbriand, Carl Moor, Fauft, Uriel Acoſta (den er durch feine 
perjönliche Verwendung beim Statthalter Yorgad) vom Banne 
der Cenſur befreit hatte), Xeicejter, Poſa, Eifer, Petruchio, Bo- 
Iingbrofe, Othello und Hamlet wiebergefehrt. Eine feiner lebten 
Rollen war die Zitelrolle in Anzengruber's „Pfarrer von Kirch. 
feld". Sein Abſchiedsabend (1. Mat) war geradezu ein theatra- 
liſches Ereigniß: Hallenftein fpielte den Ottofar in Grillparzer’s 
„König Ottokar's Glüd und Ende" — „unter dem Schuge ber 
Bajonnete”, wie Cechijchenationale Blätter, denen die Tendenz der 
Tragödie als „feindlich und antinational" verdbammenswerth erichien, 
ironisch bemerften. Das Haus war überfüllt, die „Schlaraffia”, 
deren thätiges Mitglied der Scheidende war, bejeßte das Orcheſter, 
an filbernem und grünem Lorbeer aller Art fehlte es nicht. Am 
nächſten Tage nahm Frau Kathi Hafjel-Hallenftein mit drei 
Einactern, in denen ihre liebenswürdigsheitere Begabung hervor- 
trat, ehrenvollen Abſchied; das Ehepaar überſiedelte nach Wien, 
wo Hallenftein am Burgtheater eine erjte Finftlerifche Stellung 
fand. — Die Bemühungen, zwei Kräfte diefer Bedeutung zu er- 











— 615 — 


fegen, wären nicht gering. Die Schaufpielregie überging von 
Oberländer vorläufig auf Julius Simon, während Ludwig 
Simon (feit 1870 nad Haſſel) die Regie der Oper, Pofje und 
des Bandevilles, Volkmar Kühns jene des Luftfpiels, Dolt jene 
der Wiener Poſſe führte. Als Darfteller blieb Oberländer zu- 
nächſt unerfegt; „Papa” Hafjel half, jederzeit gerüftet, allenthalben 
aus und verdedte die Lüde, die in das Enſemble geriffen worden 
war. Außerdem wurde 1871 ein junges, für komiſche Luſtſpiel⸗ 
rollen befonders geeignetes Talent, Hr. Edert, gewonnen, das 
allerdings fchon im nächſten Jahre verloren ging. 

Die fehlende Einheitlichleit der Regie brachte erft das 
Engagement Emil Claar's als Oberregiffeur. Der neue Leiter 
des Schaufpield war im Gegenſatze zu feinen Vorgängern dazu 
berufen, lediglich als Regiſſeur und nicht als Schaufpieler zu 
wirken — und die Regie der Prager Bühne forderte in der That 
einen ganzen Dann. Emil Claar*) brachte Geift, künſtleriſchen 
Geſchmack und Umficht mit in fein verantwortungsreicyes Amt, 
das umso fchwerer auf ihm laſtete, ala der Zuftand der Prager 
Bühne gerade zur Zeit feiner Berufung ein keineswegs erfreulicher 
war. Hatte ſich doch fogar der böhmiſche Landtag bereits mit den 
feit Abgang Oberländers eingerifjenen Theaterzuftänden bejchäftigt 
und ohne Debatte eine von Wolfrum beantragte Rejolution an- 


*) Emil Claar, geb. 7. Oct. 1843 zu Lemberg, ftud. in Wien Me⸗ 
bicin, ging 1860 zum Theater und trat im Burgtheater unter Laube unter 
dem Namen „Ralk“ auf, machte größere Verſuche in Graz und Linz, fette 
unter Loewe und Lewinsky feine dramat. Studien fort, fpielte während 
bed Gaſtſpiels Hendrich's am Theater a. d. Wien und erregte Aufmerkſam⸗ 
tert, kam 1863 an's Berliner Hoftheater, wo er als Bellmans gefiel, nad) 
einem halben Sabre nach Leipzig, wo er 5%, Jahre unter Witte und Laube 
mit großem Erfolge Tom. Char.⸗Rollen, Geden, Bonvivants ſpielte, 1870 
nah Weimar ald Regifjenr, dann nach Prag, worauf er 1876 Director bed 
Berliner Nefidenztbeaterd wurde. Hente wirft er mit Ehren und großen 
Fünftlerifchen Erfolgen ald Intendant des Stabttheaters zu Frankfurt a, IR. 
Claar war auch als Schriftfteller thätig. 1860 erfchienen von ihm „Ges 
bichte”, ferner fchrieb er ein Drama „Shelley”, die Luftipiele „Simfon und 
Delila“, „Auf den Knien“, „In Homburg”, SFeftipiele u. ſ. w. 


— 616 — 


genommen, wornac „der Landesausſchuß aufzufordern war, ven 
Director des deutjchen Landestheater zur genaneren Einhaltung 
feiner contractlichen Verpflichtungen mit allen zu Gebote ftehenden 
Mitteln zu verhalten!" „m der Budgetcommillion des Land» 
tags" — ſagte die Nefolution — „jeien Klagen laut geworden, 
daß das deutfche Landestheater gegenwärtig nicht auf jener künſt⸗ 
leriichen Höhe jtehe, die man mit Recht von ihm beanfpruchen 
fünne; nachdem das Land das Theater fubventionire, habe der 
Landtag auch ein Recht, darauf einzumwirken, daß das Theater 
einer Stadt wie Prag mwilrdig jet." Mit der Regie Claar kam 
denn auch der erminfchte und erfehnte Umfchwung zum Beſſeren. 
Bald war die energijche Hand und der Geiſt des „neuen Mannes" 
überall zu verjpüren. Die Claſſiker ſowie die beiten Vertreter 
des modernen Luftjpiels kamen zu Worte: man fah im October 
Schillers „Demetrius” mit Zaube’fcher Fortjegung in ausgezeich- 
neter Scenirung;*) unter den Darjtellern ragten Sauer als 
Demetrius und Anna Berfing als Marfa hervor; Frau Verſing 
erichien in diefer Rolle nach faft einvierteljähriger Abſtinenz 
(welche durch Rollenconflicte mit Frau Claar⸗Delia veranlaßt 
war) wieder auf der Bühne. Man jah ferner fchon in den erjten 
Monaten als Novität Wilbrandt’3 „Maler, Kneiſels „Zochter 
Belials" mit Hermine Claar als Clara Wallfried, Grillparzer’s 
Tragddien „Die Jüdin von Toledo” und „Ein Bruderzwift im 
Haufe Habsburg", Paul Lindau's „Maria und Magdalena” 
(Damen Claar und Jakubowska), eine Reihe interefjanter Neu⸗ 
belebungen Shakeſpeare'ſcher Werke: „Maß fir Maß" in Binde 
Iher Bearbeitung, „Die Iujtigen Weiber von Windfor”, „Eo- 
riolan"**) u. ſ. w. Als Schaufpieler trat Emil Claar, wie ſchon 
bemerkt, gefliffentlich in den Hintergrund, jo oft er fich aber eine 


*) Demetrind-Saner, Erzbiihof-Simon, Sapieha⸗Jul. Simon, Ma» 
rina-Braun, Odowaldki-Steinar, Komla⸗Claar, Axinia-Jakubowska, Boris⸗ 
Kuhns, Schuiskoi⸗Haſſel, Patriarch Frey, Marfa⸗Verſing, Olga⸗Wollrabe, 
Fiſcher⸗Vollmer. 

. **) Volumnia⸗Verſing, Menenins-Kiühns, Anfidius⸗Simon, Coriolau⸗ 
Sauer, Valeria⸗Claar Delia, Virgilia⸗Jaknbowska. 








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Partie zutheilte — und dies war nicht oft — mußte er fie fein- 
finnig auszuarbeiten und als ein Tünftlerifches Cabinetsjtüd dar⸗ 
äuftellen; jo ſah man ihn als Schumrich, Yenton, Lucio, Klofter- 
bruder in „Nathan”, Advocat in Björnſon's „Falliffement”, und 
felbft als Wurm half er aus der Verlegenheit. 

Den Bemühungen des neuen Oberregijjeurs, Ordnung und 
ſchwungvolle Thätigfeit in das Walten der Prager Bühne zu 
bringen, fam ein glücliches Arrangement in der ſchwierigen Erſatz⸗ 
frage Hallenftein zu ftatten. Nach mehren mißglüdten Debuts 
war befanntlid Jul. Simon als Heldendarjteller engagirt, aber 
bald in das Heldenväterfach überfegt worden. Dagegen faßte man 
den glüdlichen Entichluß, Sauer zum Heldenfache emporzuheben, 
für das ihn feine großen und ſympathiſchen Mittel, feine Er- 
jcheinung und feine ganze künſtleriſche Individualität vorzüglich 
eigneten; der Ejjer und Carl Moor waren die eriten Bartien des 
neuen Faches, mit denen er fich als berufener Nachfolger Hallen- 
ſtein's vorjtellte, und feit jener Zeit (Herbſt 1871) ift Sauer aud) 
in diefem Nollenfreife eine Zierde der Bühne geblieben. 1873 
durch eine langivierige und lebensgefährliche Krankheit dem Fünft- 
lerischen Wirken entzogen, wurde Sauer mehre Monate hindurch 
von Stanislaus Leſſer (einem als Gaft an dein meisten deutjchen 
Bühnen bekannten polnifch-veutfchen Heldenfpieler, nunmehr Di- 
rector des deutichen Theaters in Pest) in intereflanter Weife ver- 
treten, bei feinem Wiedererfcheinen aber (2. October, Uriel Acoſta) 
‚mit Beifallsdonner, zahllofen Blumen- und anderen Spenden 
empfangen. — In der Sphäre der jugendlichen Helden und Lieb⸗ 
baber wurde Sauer von einem begabten, emfig ftrebendeu Dar- 
fteller, Theodor Steinar,*) erfegt, der am 29. Auguft 1871 


*) Theodor Steinar tft 1847 als Sohn eines angefehenen Kauf⸗ 
manns in Breslau geb., wibmete fih (nach dem frühen Tode feiner Eltern) 
im Gefchäfte jeines Vormunds dem Raufmannsftande, doch wedte ein Gaſt⸗ 
ipiel Emil Devrientö in Breslau eine unbezähmbare Leidenſchaft fürs 
Theater in dem Jüngling; da er, ald Grenabier im 2. Garde⸗Regt. zu 
Berlin feiner Militärpflicht genügend, in einer Soldatenvorftellung vor dem 
König „brillicte”, war fein Entſchluß gefaßt, Schaufpieler zu werben. Vorher 


— 618 — 


als Leopold in der Annalife, dann als Schiller in den „Carls⸗ 
Ihülern”, Reinhold in den „Nelegirten Studenten" und Romeo 
debutirte und mit feiner liebenswürdigen, edlen Erſcheinung, feiner 
friſchen und verftändnißvollen Darftelung fi) bald in Rapport 
zu dem Publicum Prags zu ſetzen wußte. Das eherne, Tunft- 
begeifterte Streben des neuen Liebhabers jicherte ihm eine ftetige 
Beſſerung feiner Fünftlerifchen Pofition; hemmte ihn auch fein 
etwas |prödes Organ in der Erreihung der äußerften Effecte, fo 
wußte er doch duch andere Vorzüge und namentlich einen ge- 
willen idealen Schwung jeinen Leiftungen Eindrud und Wirkung 
zu verleihen. Sein Repertoire umfaßte allmälig faft alle Rollen 
der jugendlichen Helden im claflischen Drama ſowie alle „Salon- 
helden“ der neueren deutfchen und franzöfischen Literatur: zu feinen 
beften Rollen zählte man den Ferdinand („Kabale und Liebe"), 
Pfarrer von Kicchfeld, Veilchenfrefler, Romeo, Bolz, Carlos u. f. w. 
— Ein Jahr vorher war ein anderer reichbegabter und viel- 
verjprechender jugendlicher Schaufpieler, Arthur Vollmer,*) ins 


rief ibn der ausbrechende Feldzug 1866 von der Kunſt ab; er wurde fchwer 
verwunbet, trat aber, kaum geheilt, ind Dresdener Confervatortum, wußte 
Emil Devrient für fi) zu intereffiren nnd durch deſſen Empfehlung em 
Engagement an’d Schweriner Hoftheater zu erlangen, wo er 1869 mit 
Erfolg fpielte; von Schwerin ftrebte er wegen mangelnder Beihäftigung 
weiter, kam nach Hamburg und Leipzig, wo ihn Wirfing’s Auf nach Prag traf. 

*, Arthur Bollmer, geb. 2. März 1849 zu Rönigäberg in Pr. als 
Sohn bed Helbenfpielerd Vollmer und befien Gattin geb. Baroneß Had, 
al8 Sängerin unter dem Namen „Marie v. Marra” berühmt; mit bem 
Bater Fam Vollmer frühzeitig nah Frankfurt a. M., wo Vollmer sen. 
27 Jahre Oberregiffeur blieb, befuchte, zum Muſiker beftimmt, drei Jahre 
das Leipziger Confervatorium, erhielt dann aber, da ſich fein fchaufpieleri- 
ſches Talent immer überzengenber regte, von feinem Vater in Frankfurt 
täglich auf der Bühne dram. Unterricht, fo daß er am 1. Nov. 1869 fein 
erfted Engagement zu Speyer antreten konnte. Er gehörte dieſer and 
Bweibrüden und Neuftabt bereifenden Bühne bis Oftern 1870 an, war 
dann Mitglied des fogenannten Hoftheaterenfembles bed Hrn. Wittmann 
in Bayreuth, Hof und Gera und folgte dann bem Rufe Wirfings nad 
Prag, wo er am 15. Aug. 1870 ald Romano in Yicdco bebutirte. Im 
Mai 1874 übertrat V. an das Berliner Hofthenater, dem er jeither ald eine? 








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- Engagement getreten, der zuerſt in Liebhaberrollen verwendet wurde, 
aber bald feine bejondere Befähigung für feinfomifche Chargen 
darthat und durch eine Weihe trefflicher Leiftungen auf diefem 
Gebiete zum Liebling Prags wurde; fein Junker Schaum in 
„Maß für Maß”, das böje Weib in dem altdeutfchen Spiel „Der 
Teufel und das böje Weib" u. ſ. w. waren Leiftungen, die des 
jungen Rünftlers eigenartige Begabung für das heitere Fach über- 
zeugend darlegten. Sein Huf erweiterte fi) bald, und im Aug. 1874 
mußte ihn Prag an das Berliner Hoftheater abtreten, dem er noch 
heute al8 werthvolle Kraft angehört. — Um den zum Helden 
avancirten Sauer in einem Xheile feiner Luftfpielrollen zu er- 
fegen, hatte man im Sommer 1873 einen neuen Liebhaber und 
Bonvivant, Joſeph Geiger,*) verfchrieben, der ſich am 10. Juli 


ber beliebteften Mitglieder, ftet3 erfolgreich in feintomifhen Rollen, humo⸗ 
riftiichen Liebhabern, Bonvivants und jugendl. Char.-Rollen, angehört. Zu 
feinen bebeutendften Rollen zählen ber „verwunjchene Prinz”, Balentin im 
„Berfchwenber”, Zettel im „Sommernadtätraum”, Antolycus ım „Winter: 
märchen“, Köbfte in Lindaus „Sobannistrieb”, Kobſch in Bürgers „Fran 
ohne Geift“, Grignon im „Damenkrieg“, Gibſon im „Bibliothekar“, Winkel⸗ 
fhreiber u. |. w.; Gaftfpiele in München, Frankfurt a. M., Lübeck, Nimm: 
berg u. f. mw. erweiterten feinen Ruf. 

*) Joſ. Geiger ift in Wien geb., entwidelte ſchon im früher Jugend 
einen großen Hang zum Theater und verwendete, als ihn die Eltern aus 
ber entlegenen Borftadt, die fie bewohnten, mit einem Geldbetrage fürs 
Mittagefien zur Schule fanbten, nicht felten biefen Betrag bazu, fi} ein 
Burgtheater-Entrte zu erkaufen. Die Entdedung dieſer Praxis trug ihm 
das erfte Martyrium für die Kunft ein; als jedoch im Geſchäfte des Vaters 
eine Rataftrophbe eintrat und das Gelb zur Fortſetzuug feiner Studien 
mangelte, mebrten fich bie Chancen für bie Erfüllung feiner Theaterprojecte; 
er burfte fich, obwohl ihn die Mutter ald Biſchof geträumt hatte, für die 
Bühne ausbilden d. h. vom hoben Olymp bed Burgtheater herab bie 
Mufterleiftungen einer Rettich, eines Anſchũtz, Loewe, Wagner, Fichtner n. |. w. 
ftubiren, und namentlich Yichtner war es, ber mit feiner unnachahmlichen 
Ratürlichleit großen Eindruck auf ihn machte ... Im fürftl. Sulkovsky'ſchen 
und im Pasqualati'ſchen Privattbeater oder des Sonntags im Meiblinger 
Theater verwerthete er praftiich, was er „gelernt“, und nad kaum vollen- 
betem 17. Lebensjahre trat er hoffnungsfroh fein erſtes Engagement in 
Trieft an; bie deutſche Truppe in der balb-italieniichen Stabt verunglüdte 


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al8 Otto Randolph („Mit der Feder") und Zinnburg in den 
„Bekenntniſſen“ vorftellte und durch jein einfach-vornehmes Spiel, 
feinen Quftjpielton und gewandte Manieren als berufener Ber: 
treter von Bonvivants⸗-Rollen legitimirte Gleich günſtig verliefen 
feine weiteren robeleiftungen, jo daß fein Engagement alsbald 
perfect wurde und mit 1. Auguft in Kraft trat. Die Krankheit 
Sauers bot dem neuen Darfteller jofort ein weites Feld der 
Thätigkeit; er fpielte den Bolz, Kerbriand und andere Rollen aus 
Sauer’8 Eigenthum; als diefer aber genejen in die Reihe der 
Combattanten zuridfehrte, jchienen alle Erfolge für Geiger ver: 
loren, er gab feine Demiſſion, wurde jedoch von Wirfing feit- 
gehalten und in das durch Vollmers Abgang verwaijte Gebiet der 
Naturburjchen und komüchen Luftipieldargen gedrängt, in welchem 
er fich bald ebenjomohl befand als in der verlafienen Sphäre. Das 
Publicum ratificirte den Wechjel und bewahrte Geiger während 
feines ganzen, vieljährigen Engagements feine Sympathien. — 
Neben Sauer und Geiger war Friedrich Frey noch immer mit 
nie verfagender Berufs- und Pflichttreue in Bonvivants- und Lieb: 
haberrollen thätig, während Siege als Naturburfche und Lieb⸗ 
haber zweiten Ranges aushalf. Vorübergehend wirkten in Xieb- 
haberrollen: Walter jun, Steuden, Mylius (1866-67), 


wie jo viele ihrer Vorgängerinen u. Geiger folgte dem Scholz'ſchen Komiker 
ber Gefellihaft nah Eifenftadt in Ungarn, wo in einem Gafthausgarten 
das Bühnenzelt anfgeichlagen wurde. Als eines Tags die Summe von 
10 Er. auf feinen „Antheil” fiel und der Souffleur überdied mit dem von 
Geiger entliehenen Leberzieher nach Wien entſchwand, feste ihm ber Künftler 
nach und fuchte von der Metropole aus neue Stätten zur Bethätigung feiner 
Künftlerfchaftl. Er machte Raab, Znaim, Wiener-Weuftadt, Innsbruck und 
Linz mit feiner Perfönlichleit und Runft bekannt, fpielte am Joſephſtädter 
Theater in Wien und ging von bier wie aus ben meiften feiner früheren 
Engagements „durch“, als ihm ein Tcheateragent einen verlodenben Antrag 
an dad Friedrich⸗Wilhelmſtädtiſche Theater in Berlin verichafft hatte, dag 
bamal3 eine Heimftätte des guten deutfchen Lnſtſpiels war, aber nicht Iange 
mehr blieb, fondern ber Operette die Herrfchaft einräumte. &. wandte ſich 
nad Leipzig, wo er dem Auftfpielenfenble Friedrich Haaſes eine willkom⸗ 
mene Rraft ward. Dort traf ihn der Ruf nach Prag, und als Defterreicher 
folgte er ihm willig, um in fein Baterland zurückzukehren. 





— 621 — 


Norrenberg, Eihheim, Ludwig (der fpäter die Dir 
rection des deutſchen Sommertheaters im Pitroß’schen Garten 
führte). | 

Im Eharafterfahe war nad) dem Engagenent Kühns’ 
eine wohlthätige Stabilität eingetreten. Während des furzen Inter⸗ 
me3308, da Kühns am Wiener Stadttheater wirkte (1873), vertrat 
Mar Streben, ein denfender und emfiger Schaufpieler, der nach- 
mals der Bühne entjagte und als Profeffor der Schaufpielfunft 
in Wien eine rege Thätigkeit entfaltete, proviſoriſch das Fach, in 
welches befanntlich auch die Begabung Haſſel's und Oberländer’s 
hinüberreichte. Bis 1866 nahm fih auch Kolar sen., der lange 
zögerte, ehe er dem nationalsczechifchen Inſtitute feine künstlerische 
Kraft widmete und das Mutterinſtitut verließ, mancher Charakter 
rollen mit Erfolg an; ebenfalls im Charafterfache und als fleißiger, 
folider Epifodentpieler ftand ſeit 1865 Iſidor Grauert, der 
Sohn Louis Grauert's, zur Dispofition, welcher der Prager Bühne 
ſeither unter allen Wechfelfällen ihrer jüngften Geſchichte treu- 
geblieben ift. In Nebenrollen jah man „allezeit getreu" Römer, 
dann vorübergehend Haeger, Handrid, König, Keller, 
Kupfer, Weizelbaum, Walter jun, Werther, Müller 
(legterer von 1872—78). 

Bon den drei Komilern, welhe Wirfing’s Boflen-Enjemble 
aufrechterhielten (Beringer, Dolt, Eichenwald), beſchloß der Senior, 
der in langjähriger Bühnenwirkfamkeit erprobte Karl Dolt, 1872 
feine Fünftlerifche Thätigkeit, nachdem er noch in den legten Jahren 
die Regie der „Wiener Poſſe“ geführt und Glanzrollen wie der 
Wurzel im „Bauer als Millionär" mit vollem Gelingen gefpielt 
hatte. Im October 1872, im 64. Lebensjahre, 40 Yahre nad) 
jeinem erjten Auftreten in Prag, ſchied er jtill von der Prager 
Bühne — zwei Jahre fpäter erjt follte die feierliche Abfchieds- 
vorſtellung jtattfinden, nach der er jo dringend verlangte: die 
Sallmeyer und Brauneder-Schäfer hatten ihre Mitwirkung zuge- 
jagt, eine Krankheit des Künftlers aber vereitelte den Abend, und 
Dolt lebte nun als ſchlichter Penſionär in Königfaal, geihägt von 
Allen, die ihn kannten, bei befonderen Anläffen feine Kunft in den 


— 622 — 


Dienft der Wohlthätigkeit ftellend. Zunehmende Kränflichfeit ver- 
anlaßte ihn 1882 zur UWeberfiedlung nah Prag⸗Smichov, wo er 
am 12. März desfelben Jahres im 74. Lebensjahre verjchied. 
Noch bei feinem Leichenbegängnifje traten die allfeitigen Sympa- 
thien deutlich zu Tage, deren fich der Veteran, ein trefflicher 
Künftler und Menſch, erfreute. Eine Nichte, der er Vater war 
(die Gattin war ihm 1873 im Tode vorangegangen), und zahl 
reiche Freunde betrauerten Dolt, einen der Ketten der alten Prager 
Künftlergarde. — As Erjagmann ridte noch) 1872 Eduard 
Lunzer*) ins Treffen. Er batte eine große künſtleriſche Ver⸗ 


*) Ed. Runzer ift geb. im October 1843 im Dörfchen Karlburg bei 
Preßburg, wo fein Vater einen Heinen Krämerlaben beſaß. 1848 überfiebelte 
bie Familie in den Wiener Vorort Simmering; der Knabe befuchte zuerſt 
bie Ortöfchule, dann die Schule „bei den Auguſtinern“ auf der Wiener 
Randftraße und die Realſchule, was ohne bie größten Opfer ber Entjagung 
von feiner Seite nicht zu ermöglichen war. Der erfte Theaterbeſuch in ber 
Joſephſtadt, den ihm ein Freund ermöglichte, machte ihn fofort zum Theater: 
Ihwärmer; die Größen der Joſephftadt, Leuchert und Weiß, wurden feine 
Ideale und die kühnften been fegte er in Thaten um, um fich ein Ein⸗ 
trittäbillet zu verſchaffen. Endlich glüdte es ihm auch, durch eine kühne 
Escamotage mit feinem Schulgeld die Koften eines dram. Unterrichts bei 
Frau Therefe v. Sochowska zu beftreiten. Als die Eltern von ber eigen- 
artigen Verwendung ihres Schulgeld3 erfuhren, trat eine Kataſtrophe ein. 
Eduard „blieb vom Elternhauſe weg”, ließ fih im Sofephftäbter Theater 
für das Ausftattungsftüd „Die Zauberrofe” ald wilde Beſtie zu 30 kr. 
per Abend engagiren und kämpfte fi unter Hunger und Thränen bid 
zu feinem erften Debut im Meiblinger Schuitheater des Dir. Groll durch, 
wo er in der Meinen Rolle ded Martin der Ränberlomödie „Schinberhannes“ 
zum eriten Male auftrat, jeine Rolle tapfer abjolvirte und nur den Schluß- 
effect, das Erftechen feines Directors, verbarb. Nun ging ed an das Enga⸗ 
gement-Sudhen. Durch ein Verjehen wurde er in fein erſtes Engagement 
nah Stabt Steyer ald — Gapellmeifter gefandt und nach voller Conſta⸗ 
tirung feiner muſikaliſchen Ignoranz als Inſpicient behalten. — Als ſich 
auch feine Unfähigkeit zum Inſpicienten glänzend erwies und ben völligen 
Schiffbruch eined Stückes verjchuldete, wurde ihm eine mehr als ungnäbdige 
Entlaffung zu Theil; er ging auf die Wanderſchaft, lernte bas Elend des 
Komddiantenlebens kennen, bis ihn ein Engagement als Romiler nad) 
Salzburg aus diefer Sphäre riß. Bon Salzburg ging es zu Director 
Sallmever an’3 Joſephſtädter Theater, von dort nad Baden unb Wiener 





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gangenheit Hinter fich; in Baden bei Wien hatten ihn einflußreiche 
‚Berfönlichteiten geſehen und als entjchiedenes, aufftrebendes Talent, 
als wirkſamen Locallomiter nah) Prag empfohlen. Die erften 
Debuts ſchon als Melchior in „Einen Sur will er ſich machen” 
und Gabriel Brunner in „Kampel” entjchieden fein Engagement, 
das er als Knieriem in „Lumpacivagabundus" antrat. Die Kritik 
begrüßte den Nachfolger Dolt’3 freundlich, conftatirte fein ent⸗ 
ſchiedenes Talent für die Komik und fein anfpruchslofes, Teines- 
wegs vordringliches Spiel, Lunzer wirkte hauptfächlich durch eine 
gewiſſe breite, trodene Komik; derb⸗komiſche Partien in der Poſſe, 
im Volksſtück und in der Bauernkomödie gelangen ihm faſt 
immer, in der Operette konnte nur ein auffallender Meberfluß 
an Stimm-Mangel feine Leitungen ftören, doch fam feine komiſche 
Kraft mandyer modernen Operette in erfter Linie zu ftatten. — 
Eichenwald, der Dritte im Bunde, war nach einem mehr- 
monatlichen Ausfluge an’3 Berliner Wallnertbeater (Sommer 1867) 
wieder an Prag gefefjelt worden und beging am 14. Oct. 1873 
jein 25jähriges Bühnenjubiläum mit allen Ehren eines gediegenen, 
allbeliebten Künftlers. 


* * 
* 


Dies war das Berjonal,*) mit weldem Wirfing feine 
Schlachten ſchlug; das Repertoire der Jahre 1864—1876 lehrt 
uns in Überzeugender Weife die großen Umgeftaltungen Tennen, 


Nenftadt zu Dir. Klerr, wo er zwei Jahre unter allgemeinem Beifall 
wirkte. Dort traf ihn der Ruf nah Prag. Sein drittes Auftreten war 
von einer anfregenden Scene begleitet. In der bekannten Schlaficene in 
„Lumpacivagabundus" fing fein Halstuch Feuer, ohne daß %, es merkte. 
Das Publicum wurbe unruhig, erft; der Referent der „Prager Zeitung” 
Prof. C. M. Sauer, Märte die Situation auf; der Komiker, ber fi) jchon 
„ausgeziſcht“ wähnte, konnte den Brand löſchen, dad Publicum von feiner 
Angft befreien, und hatte einen ganzen Erfolg. 

*, Der Berjonalftatuts im lebten Directionsjahre (187576) 
war folgender: Dir. und Unternehmer Rud. Wirfing, Ritt. d. preuß. 
Kron.-Orb., bes ſächſ. Albrecht: und Erneftin. Haus: Ord. 2. Cl., Inh. der öſtr. 


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welche in vdiefer Periode die Verhältniſſe der deutſchen Bühne 
überhaupt erfahren haben, Verhältniſſe, deren Einfluß jich Die 
deutjche Bühne Prags felbitverjtändlich nicht entzog. Die volle 
ZTheaterfreiheit allein ſchon die mit den politischen Ereignifjen, mit der 
conftitutionellen Aera Oeſterreichs gekommen war, mußte gewaltig 
einwirten auf Beſtand und Reichthum des Nepertoires, fie hat 
aber auch eine Verftärtung der Neizmittel zur natürlichen Folge 
gehabt, welche das Publicum an das Theater feſſeln Tonnten. 
Die Neuigkeiten mußten vafcher, zahlreicher und prunfvoller als 
ehedem fommen, die Fromme Denkungsart des alten Stamm- 
publicums, welches jeine Claſſiker mit Andacht genoß, an einem 
foliden Luftipiel feine Freude fand und durch eine harınlofe Wiener 
Poſſe feine Lachmuskeln in Thätigkeit jegen ließ, war halb und halb 
verloren gegangen. Der Ausitattungs-Lurus erreichte feine Höhe, 
legte der Bühnenleitung gejteigerte Laften auf und brachte im 
Verein mit der franzöfiichen und Wiener Operette dem alten, 
fohden Repertoire große Gefahren. In der Schaufpiellunft wie 
in der dramatischen Literatur hatte der Realismus nach lang- 
wierigem Ringen den Sieg errungen, aber auch das Virtuoſen⸗ 
thum war immer mehr in den Vordergrund getreten, und einer 


gold. Med. „viribus unitis“, d. bad. groß. gold. Med. f. Kunft und Wiſſ., 
db. coburg. u. deſſau'ſchen großen Med. f. K. und Wiſſ. — Mamzlei: Hr. Kerich, 
Secr., Wildner, Bibl. und Actuar, Snifchel, Arhivar, Seibler, Oek.Inſp. 
— Gaffa: Hr. Schramm, Obercaflier, Seltmann, 2. Caſſ., Suiſchek, Contr. 
— Theaterärzte: Reg.-Rath Prof. Dr. Maſchka, Docent Dr. Smoler. 
— Rechtsanwalt Dr. Marterer, Theaterbuhdruder Steinhaufer & Nowal, 
Theaterbuchhdlr. Emil Weil, Theatermechaniker Franz Hajek, Bianofief. 
Hr. V. Micko, Orgel- und Pianoſtimmer Hrn. Schiffner und Eichler. — 
Regie: Oberreg, Hr. Emil Claar, zugl. Reg. d. Schaufp. und Luſtſp., 
Regiſſ. d. Op. und Poſſe Ludw. Simon, Inſpic. Weiß. — Sonuffleure: 
Hr. Alb. Kepler und C. Stern. — Barfellendes Perſonal: Schanipiel 
Hrn. Beringer, Claar. Eichenwald, Frey, Geiger, Granert, Haflel, Kühns, 
Lunzer, Müller, Römer, Sauer, 2. und %. Simon, Siege, Steinar; 
Damen Fr. Slaar-Delia, Yrld. Fries, Hartig, Hiller, Hrabowska, Tran 
Lewinsky⸗Precheiſen, Frl. Miticherling, rauen Poſinger, Scheuk⸗Ullmeyer, 
Berfing-Hanptmann, Wollrabe; Kinderrollen: Marie und Auna Simon. 
Das Opernperfonal fiehe im nächſten Abfchnitt. 


ſtarken geiftigen Kraft bedurfte es, die Einheitlichkeit und Har- 
monie des Knjembles zu wahren. Die perjönliche Neigung 
Wirſings, feine Vergangenheit als Sapellmeifter, mochte ihn mehr 
nach der Oper als nad) dem Schaufpiel hinzieben, daß er aber 
die Bedürfniſſe auch des Schaufpiels zu erfaflen wußte, macht 
uns ja der Inhalt feines „deutjchen Theaters”, machen uns die 
darin ausgefprochenen und bewiefenen Lehrſätze Har. Trotzdem 
bediente jich der Director in der Leitung des Schaufpiels vor- 
wiegend der Vermittlung des Oberreziffeurs, welcher, wenn er 
mit allem Nachdruck die materielle Unterftügung der Bühnen- 
leitung zu fordern und zu erreichen verjtand, auch der Bühne 
fünstlerifche Erfolge zu fichern vermochte. So erjcheinen ung auch 
die einzelnen Phafen im Bejtande und in der Güte des Neper- 
toire8 weſentlich von dem Einflufje der wechjelnden Oberregiffeure 
abhängig. Sowohl in der Pflege des claffischen deutichen Schau- 
jpiel8 und der Werke Shafejpeares als in der Verwerthung der 
neneren deutfchen und fremdländifchen dramatiichen Yroduction 
finden wir die Prager Bühne in der zwölfjährigen Directions- 
periode Wirfings mit ftarken Erfolgen thätig. Leffing, Goethe und 
Schiller, Shakeſpeare, die Claſſiker der alten Griechen, ſoweit fie 
in diefer Periode in neuer Bearbeitung der modernen Bühne 
zugänglich gemacht wurden, Moliere und Racine, fie Alle erjcheinen 
im Prager Repertoire gebührend vertreten, allerdings nicht mit 
Gleichmäßigkeit auf die einzelnen Abfchnitte der Directions-Aera 
vertheilt, auch an einer Wiedererwedung Kalidaſa's („Sakuntala“ 
in Wolzogen’scher Bearbeitung), an Hiftorifchen Luſtſpielabenden 
u. j. w. fehlte e8 nicht. Von den Neueren, deren Bedeutung für 
die Bühne Tängft fejtftand, fanden Grillparzer, Hebbel, Laube, 
Halm, Freytag, Otto Ludwig, Mofenthal, Bauernfel,, Putlig, 
Gutzkow, Brachvogel, Gottfchall gebührende Pflege, die jüngeren 
Errungenschaften des Nepertoires find durch die Namen Paul 
Lindau, Adolf Wilbrandt, Spielhagen, Paul Heyfe, Albert Lindner, 
Rud. Genee, Wichert, Joſ. v. Weilen, Robert Byr, Schauffert, 
L'Arronge, Friedrich Schütz, durch die fruchtbaren Luftfpiel- und 
„Luſpiel-Poſſen“⸗-⸗Dichter G. v. Moſer, Görner, Girndt, Kneiſel, 
40 


— 626 — 


Julius Rojen,*) Schweiger, welche Benedir wirffame Concurrenz 
machten, bezeichnet; andere flüchtigere Erfcheinungen werben 
wir bei genauerer Befichtigung des Nepertoires kennen lernen. 
Ws „Specialität" des neueren Repertoires traten die Bauern- 
komödien Anzengrubers — der id) Anfangs unter dem jchlichternen 
Namen „Gruber“ barg — auf, welche neben dem vielfach unge- 
funden oder unnatürlichen Volks- und Bauernftüd der Tepten 
Kahrzehnte durch die fcharf-realiftiiche Zeichnung der Charaktere 
und eine gewilfe der „eititrömung angepaßte Tendenz ſtarke 
Wirkung machten. Die ausländiſche dramatijche Production war 
namentlich durch die Franzoſen vertreten: gerade in diejer Pe- 
riode traten Dumas, Sardou, Feuillet, Augier u. |. w. beherrichend 
auf den Plan, und die Prager Bühne ftellte den durch genialen 
Bau und die Schärfe der Charakteriftif fiegreichen Franzofen 
feineswegs Barrieren entgegen, räumte ihnen vielmehr den wei- 
tejten Spielraum und einen Einfluß auf das Repertoire ein, der 
für die deutiche Production gefährlic) wurde. Neben den Fran- 
zojen erjchien auch das halbsfranzöjifche Diosfurenpaar Erdmann- 
Chatrian, Bjdınjon, der Hauptvertreter der neuen ſkandinaviſchen 
Schule, der Pole Fredro u. A. auf der Prager Bühne. Das 
Spectafel: oder Ausſtattungsſtück erreichte in der „Reife um die 
Erde" nah Verne den Eulminationspunft feiner Wirkung. Eine 
kurze Revue wird uns den Charakter des Repertoires, feinen 
wejentlichjten Inhalt in chronologifcher Folge kennen lehren. 


*) Jul. Rofen (Nicolaus Duffed) hatte in dem Kriegsjahre 1866 
in Prag ald Beamter der Staatöpolizei bie preßpolizeilichen Agenden 
bei der Brager Bolizeidirection zu verjehen, verließ aber infolge einer „miß⸗ 
verftändlichen Verfügung”, weldhe ihn zur Räumung feiner Amtömohnung 
zwang, den Staat3dienft und Prag und widmete fih nun ganz ber Bühne. 
Zur Feier feines Abſchieds gab das deutſche Landestheater in Prag am 
23. Sept. 1866 dad Luftfpiel „Ein Schlechter Menſch“. Uebrigens herrichte 
zwifchen dem Prager Theater und Roſen längere Zeit ein gejpanntes 
Perhältniß, das gelegentlidy auch zu einem offenen Conflict führte und Rofen 
zu einem Interdict gegen diefe Bühne bewog. In dem Kritikeramte ber 
„Bohemia“ wurde Zul. Rojen durch Jul, Gundling (Rucian Herbert) 
erjeßt, bem 1867 ©. Heller folgte. 





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Das erite Directiongjahr Wirſings (1864) brachte an Neuigkeiten n. U. 
„Unfere Alliierten”, „Pietra“ von Mofenthal (mit Frl. Borth), Benedix „Ein 
Ruftipiel”, Feuillet's „Montjoye“ (mit Hallenftein in der Titelrolle), Roſen's 
„Die Männer von heute” und Weilen’d „Edda“ ; — 1865 erſchienen „Nein“ 
(Benedir), „Necept gegen Schwiegermütter“, „Sie hat ihr Herz entbedt“ 
(Müller v. Königswinter) mit der Nottmayer, Roſen's „Ein fchlechter 
Menſch“, „Hand Lange” von Paul Heyſe,“) „Im Wartefalon 1. Elaffe” 
(Hugo Müller), „Brinzeffin Montpenſier“ von Brachvogel, „Flatterſucht“ 
von Sarbou, Sadher-Majod) „Die Verſe Friedrich des Großen“, Girarbin 
„Die Schuld ber Frau“, Sarbou „Die alten Junggeſellen“. 

1866: „Die zärtlichen Verwandten” von Benebir,**) Gerftäder „Die 
Wilderer”, „Die Eſelshaut“ (Spectafelftüd), Weilend patriotifches Feftipiel 
. „Am Tag von Dudenarde“, das gerade Angeſichts des drohenden Krieges 
Beifallöftürme wedte, „Ein Pelikan“ von Augier, „Syftematifch”, Luſt⸗ 
jpiel von Friedr. Schüß, einem Prager Autor, deſſen reiche Begabung raſch 
erfanıt wurde und der deutſchen Bühne noch manche willlommene Be⸗ 
reicherumg zuführte. ***) 

Das Movitäten-Repertoire von 1867 bradte nu. U. Sardbou „Die 
braven Landleute”, Otto Ludwig „Die Mallabäer”, Friedr. Halm „Wild- 
feuer“ (20. März zum Benef. bes Frl. Zink), Berg „Die alte Schachtel”, 
Putlig „Spielt nicht mit dem Feuer“, „Gringoire“, Benebir „Epigramme“ 
und „Aichenbrödel”, Goethe „Das Jahrmarktöfeft zu Plundersweilen“, 
bearb. von Pohl, Lanbe „Der Statthalter von Bengalen”, Jul. Kehlheim 
(Antonie de Giorgi) „Sacobäa v. Jülich (Tr.), Mofenthal „Der Schulz 
von Altenbüren“. 


1868 erfchienen u. U. 4. Jäner: Bauernfeld „Aus der Gefellichaft”, 
Alb. Lindner „Brutus und Collatinus”, Laube „Böſe Zungen” (dev Autor 
hatte felbjt bie legten Proben geleitet, bei der Premiere erreichten bie Bei⸗ 
fallöftürme und die Rufe nach Laube eine folche Heftigfeit, daß die Polizei 
den Autor zum Ericheinen bewegen mußte), Rud. Gende „Vor den Ka- 


*, Hand Lange⸗Haſſel, Henning-Frey, Dörte-Rottmayer, Bugslaff- 
Sauer, Mafjom-Kühng, Herzogin-Portb, Henoch-⸗Eichenwald, Krokow⸗Fiſcher, 
Gertrud⸗Fr. Frey. 

**) 10. Febr, Barnau⸗Kühns, Irmgard⸗Frey, Ottilie - Rottmaver, 
Adelgunde»-Szegöffy, Wismar-Hallenftein, Offenburg- Sauer, Schumrich⸗ 
Eichenwald, Thusnelda-Reßler. 

***) Friedr. Schüß wurde von Prag, wo er auch ald Journaliſt 
wirkte, in die Redaction der „Neuen freien Preſſe“ nach -Wien berufen, zu 
beren hervorragendften Mitarbeitern ex gehört. Seine Gattin ift die emer. 
k. k. Hofopernjängerin Frau Bertha Schütz⸗Dillner (f. Op.). 


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nonen” (hift. L.; der Autor hielt auch in Prag unter befonderem Beifall 
Shafespeare-Vorlefungen), Anton Langer „Der Gevatter von der Straße” 
und „Bom Land und von der See”, Otto Devrient „Zwei Könige” (Sch.), 
Hugo Müller „Fürft Emil“, Berg „Nr. 28”, Sophofled-Donner „Anti⸗ 
gone”, Benedir „Die relegirten Studenten”, Ad. Wilbrandt (Preisluſtſpiel) 
„Die Neupermälten” (der Autor-NRame galt damals noch vielfach als Pſeu⸗ 
donym), Grillparzer „Efther”, Hugo Müller „Adelaide” (Beethoven-Kühns). 
1869 famen: Schauffert „Shah dem König”, Sardou „Unfere 
Frommen“ (Serafine- Verfing, Agathe-Nollet, Yvonne GSeitler), „Die 
Familie Benoiton”, Dumas „Die Dame mit den Camelien“ (15. Mai, 
Armand Duval-Sauer, Duval Vater⸗Kühns, Maquerite Gauthier-Fran 
Erhart von Berlin a. G.), Rud. Gottihall „Catharina Howard“ (Kila 
v. Bulyowszky i. d. Titelrolle), Schütz „Zäufhung anf Täuſchung“ (hiſt. 
Sch.), Brachvogel „Die Harfenichule”, Roſen „Des Nächſten Hausfrau”. 

1870: Banernfelb „Moderne Jugend“, Mofer „Kaudels Gardinen- 
predigten“, Feuillet „Zulie”, Putlitz „Die Zeichen ber Liebe“ (L.), Hugo 
Müller „Bon Stufe zu Stufe” (Kifette:Bufe, Marie-Rollet), Mofenthal 
„Iſabella Orfini”, Ant. Langer „Der lebte Jeſuit“, Meilbac-Halevy „Frou⸗ 
Frou” (26. Mat, Sartorys-Hallenftein, Gilberte-Seitler), Georges Sand 
„Der Marquis von Billemer” (16. Juli, mit Sonnenthal als Gaetan), 
Henrik Herz „Der Liebeszauber“, Bauernfeld „Landfrieden“ (Arnau⸗Maxi⸗ 
milian, Eichenwald-Kunz v. d. Rofen). 

1871: W. v. Hillern „Der Autographenſammler“, Gondinet „Gavand, 
Minard & Co.“ (mit Oberländer, Eichenwald und Beringer), Grillparzer 
„Ein treuer Diener feined Herrn” (4. Februar, KRönig:-Hallenftein, Ger: 
trnde-Berfing, Herzog Otto-Sauer, Banchanus⸗-⸗Kühns, Erny-Hahn), Friedr. 
Spielhagen „Hans und Grete” (Sch.), L. Gruber (Anzengruberi „Der 
Pfarrer von Kirchfeld“ (4. März, Wurzelfepp-Saner, Pfarrer-Hallenftein, 
Anna Birkmeier-Seitler), Berla-Görlik „Drei Baar Schuhe” (Leni-Pagay), 
Orillparzer „König Ottalard Glück und Ende” (9. April, Ottafar-Hallen- 
ftein), Eman. Geibel „Brunhild” (mit Clara Ziegler, 15. Juli), Kalidafa- 
Wolzogen „Sakuntala“ (Frl. Hahn i. d. Titelr.), Friedr. Schütz „Rabale”, 
Anzengruber „Der Meineidbauer” (Mathias⸗Kühns, Franz-Steinar, Jacob⸗ 
Sauer, Broni-Hahn). 

1872: Mofer „Das Stiftungsfeft”, Arthur Müller „Die Verſchwörung 
der Frauen”, Kleift „Dermannsihladht”, Wichert „Ein Schritt vom Wege” (L.). 
Sarbou „Fernande“ (27. Juni), Roſen, Feinde', Demetriug’ v. Schiller-Raube, 
Wilbrandt „Die Maler”, Shakespeare „Maß für Maß” (bearb. von Binde), 
Kneiſel „Die Tochter Belials“ (Preisluſtſp. Clara Wallfried-Claar Delta), 
Grillparzer „Die Jüdin von Toledo”, Paul Lindau „Maria Magdalena”. 

1873: Wilbrandt „Der Graf von Hammerftein” (1. Zän.), Grillparger 
„Ein Bruderzwift im Haufe Habsburg“ (15. Jän.), Anzengruber „Die 


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Kreuzelichreiber” (18. Zün.), Moſenthal „Madeleine Morel“, Shakespeare 
„Die Iuftigen Weiber v. Windſor“ (Eichenwald-Falftaff, Damen Claar und 
Berfing), Rofen „Ein Engel”, „Zricode und Cacolet“ (mit Blajel), U. 
Mels „Heine's junge Leiden” (Harry:Geiger), Wichert „Die Realiften”, 
Barriere und Prebois „Die Gräfin von Sommerive”, Schauffert „Ein 
Erbfolgekrieg“, Kneifel „Die Antirantippe”, Erkimann-Chatriau „Der pol⸗ 
niſche Jude“ (Volkach), Fredro „Die einzige Tochter” (L.). 

1874: Mofer „Der Elephant”, Sardbon „Andrea” (24. Jän., Stephan- 
Steinar, Andrea⸗Claar D.), Schweitzer „Epidemiih”, Rob. Byr „Der 
wunde led“, Laube „Prinz Friedrich“ (in Oefterreich bis dahin noch nie 
gegeben, Steinar-Friebrih, Friedr. Wilhelm 1:%. Simon, Wilhelmine- 
Precheifen), Kneiſel „Der liebe Onkel“, Kaiſer „General Loudon“ (Volkäft.), 
Mofenthal „Die Sirene”, Rojen „Schwere Zeiten”, Dumas „Das Weib 
des Claudius“, Feuillet „Die verzauberte Prinzeflin”, Fritz Mauthner *) 
„Anna“, Lindau „Diana”, Bidrnfon „Die Nenvermälten”, Wilbrandt 
„Arria und Meflalına” (Damen Claar und Verfing), Mofer „Ultimo”, Dumas 
„Alfons“ (mit Fr. Gallmeyer ald Mad. Guichard), Feuillet „Sphinx“, 
Anzengruber „Der G'wiſſenswurm“, Berg „Die Pfarrersköchin“, Sarbou 
„Rabagas“ (Kühne i. d. Titelr.), „Samjon”, Tragoedie von Carl Thomas 
(Carl Thomas Richter, damals Univ. Brofeflor in Prag, Gatte ber Frau 
Moriz-Richter, Tochter deö ehemaligen Prager und Stuttgarter Schau: 
fpielerd und Negiffeurd Moriz, welhe nah dem Tode ibred Gatten 
einige Zeit ald dram. Lehrerin am Conjervatorium wirkte), 

1875: L'Arronge „Mein Leopold“ (Weigl-Eihenwald), Spielhagen 
„Liebe für Liebe“ (Sch.), L'Arronge „Der Regiftrator auf Reifen” (Eichen- 
wald), Murad Effendi (Werner) „Marino Faliero”, „Die Reife um bie 
Erde“ (nah Berne, Spectakelft.), Wichert „Biegen oder Brechen“ (R.), 
Moſer „Der Veilchenfreſſer“ (L.), Schweiter „Die Darwinianer” (2), 
Björnfon „Ein Falliffement” (Advocat Berent-Claar, Tjälde-⸗Kühns), Lindau 
„Zante Thereſe“, Schweiger „Großſtädtiſch“ (Schw.). 

1876: Shaleöpeare „König Richard II.” (Sauer-Richarb), d’Ennery 
und Garmon „Die beiden Waiſen“ GVolksſch.), Barriere „Der nenefte 
Scandal”, Sarbon „Terreol”, Fenillet „Dalila“. 

Die Säfte, welche in der zwölfjährigen Directionsperiode 
Wirfings die Brager Bühne betraten, repräfentiren fo ziemlich die 
Blüthe, die Ariftofratie der deutjchen Künftlerichaft, und nur die 


*, Fritz Mauthner, bamals in Prag ald Journaliſt wirlend, führte 
fi) mit einem Bändchen Sonette und diefem Drama in die Kiteratur ein 
und zählt nunmehr zu den gelefenften deutſchen Yeuilletoniften und Ro⸗ 
manciers. 


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leider ebenjo zahlreichen Engagementswerber, denen der Name 
„Gaſt“ ebenfalls gebührte, jtörten die Harmonie in diejent glän- 
zenden Kreife. Das zunehmende Virtwoſenthum hatte felbftver- 
ftändlih aud) einen „Aufſchwung“ des Gaſtſpielweſens zur Yolge, 
nicht zum Vortheil des Enſembles der ftabilen Bühnen — immerhin 
zeigte fich diesmal gerade die Prager Bühne weniger als andere 
beirrt durch dieſe Erjcheinung der Zeit, ja manche werthvolle 
Errungenschaft des Repertoires war eben der Yntervention ber- 
vorragender Gäſte zu danken. 

Sleih im erjten Directionsjahre Wirfings erſchien Fanny 
Janauſchek — zum erjten Male ſeitdem fie in Prag künſtleriſch 
flügge geworden — in ihrer Baterftadt, ließ ſich als Medea, 
Deborah, Elifabeth (Eifer), Autreval u. |. w. Huldigen und ver: 
abichiedete fid) mit einem an ihren Prager Urfprung erinnernden 
Sprucde, um im nächiten Jahre wiederzulommen. Außer ihr jah 
man in den Jahren 1864—76 Gabriele Allram, Friedrich 
Haase, Aiher, Emil Devrient, Kaffe, Augufte Baudiusg,*) 
Pauline Ullrich,“*) Francisca Rottmayer, Frau Erhart 
(Gräfin v. d. Goltz, Prags erjte Cameliendame), Karl Sontag 
(wiederholt), Zriederife Bognar im Verein mit Förfter und 
Rraftel (1869, „Kabale und Liebe", „Adrienne Lecoupreur”, 
„Goetz“, „Carlsichüler”), Lila v. Bulyowszky, Clara Ziegler 
(wiederholt), Jauner (1870, u. %. als Beethoven nnd Jules 
Franz), Emerih Robert (1870 und 72, in den Tagen jeines 
jungen Ruhms), Sonnenthal (creirte den Verarmten Edel: 
mann und Marquis von Villemer, Dr. Förfter (Friedrich 


*) Aug. Baudius, Pflege Tochter des chem. Prager Oberregifieurs 
und Schaufpieler3 Baudius, wegen jeiner kunſtvollen Najen der „Naſen⸗ 
Baudius“ genannt, war von ihrem Pflegevater in Leipzig als junges 
Mädchen mit großer Strenge für bie Bühne gedrillt worden und kam 1868 
als vollendete Künftlerin nah Prag, wo fie ald Marianne, Bermance, 
Käthchen, Jane Eyre, Annaliſe, Marg. Weftern, Flora Feldern, Lucie 
(Tagebuch), Mirandolina u. |. w. zur Bewunderung binrif. 

“) Pauline Ullrich erfihien 1868, 69, 70, 71, creixte u. U. bie 
Georgette in „Zernande”, fpielte in ber Bluette „Gegenfeitig” von Schüs. 


— 631 — 


Wilhelm in „HZopf und Schwert"), Dettmer, Mitterwurzer 
(1871 von Leipzig, Bolz, Kean, Egmont u. ſ. w.), Ober: 
länder (1872), Lewinsky (wiederholt), Dr. Förfter mit dem 
Ehepaar Hartmann, Hallenjtein (1875), — ferner Marie 
Geiftinger (u. U. als Frau v. d. Straß in „Böfe Zungen”), 
Sofefine Gallmeyer (wiederholt), Knaack, Lina Mayer, 
Blafel (wiederholt), Anna Shramm, Matras (1875, u. A. 
als Weigl in „Mein Leopold" und Negiftrator), die Gallmeyer 
mit Schweighofer, Tewele. — Enfemblegaftfpiele (zumeift 
im Neujtädter Theater) gaben Director Fürſt mit feiner Wiener 
Poſſen- und Operettengefellfchaft, Adelaide Riftori mit ihrer 
italien. Gejellichaft (1865), Ernefto Roſſi ebenfalls mit einer 
italien. Geſellſchaft (Kean, Dtello, Ludwig XI., Lear, Romeo u. f. w.); 
auh ſah man im Neuftädter Theater 1865 Blondin, den 
„Delden des Niagara”, den berühmten Schlittfehuh-Tänzer Jackſon 
Haines (1875), ja fogar eine „arabijche Künftlergejellichaft aus 
der Sahara" verirrte fih in die Näume des weiten „Peufen- 
tempels“. 

Aus dem zwölfjährigen Repertoire des Schauſpiels, das wir 
bier in flüchtigen Zügen ſtizzirt, heben wir nur noch einige mar- 
Kante Vorftellungen hervor. Im Frühjahr 1865 concentrirte fich 
das Intereſſe auf eine Vorftellung zu Gunjten des geijtig um- 
nadhteten Gutzkow: man gab „Das Urbild des Tartuffe“ mit 
Devrient als Moliere, und das zahlreiche Auditorium erjchöpfte 
fih in Ovationen für den Dichter und den Gaft. 1866, da Mars 
den Mufen verderblihe Concurrenz machte, fpielte man nicht 
jelten vor einem Parterre preußischer Krieger. Am Tage des 
Einmarjches der preußifhen Armee hatte das Theater Benedix' 
„Stiefmutter" und das einactige LZuftfpiel „Eine Ohrfeige“ auf 


*) Ber ihrem Baftfpiel im Aug. 1872 machte Joſefine Gallmeyer 
durch einen Exceß auf der Bühne Aufſehen; fie widmete mehre Conplet- 
ftropben dem damaligen Kritiker der „Bohemia” ©. Heller und rief das 
Pnblicum zum Richter gegen bie Kritif auf, wa3 zu bewegten Scenen im 
Theater führte. ©. Heller erwiberte mit einer Erklärung in dem ges 
nannten Bflatte. 


— 6323 — 


dem MNepertoire; das Commando der Decupationstruppe nahm 
einen ftarfen Einfluß auf die Führung der Bühne, übte die Cenfur 
aus, trat aber der Bühne felbit keineswegs feindlich entgegen. 
Am 17. Auguſt 1866 konnte da8 Theater ungehindert mit ge- 
wohnter Teftlichkeit den Vorabend des Faiferlichen Geburtstags 
begehen, die Volkshymne wurde unter Beifallsftürmen gefungen, 
und die anwefenden preußiichen Militärs bezeugten durch Erheben 
von den Siten ihre Achtung vor diefer Kundgebung treu-patrio- 
tiicher Gefinnung. Im October kam der Monarch felbft, begleitet 
von Beuft und anderen Miniftern, nad) Prag und wohnte einer 
Teftvorftellung bei. In den Jänertagen des “Jahres 1868 blieb 
das deutjche Theater wie andere deutſche Häufer Prags nicht 
unberührt von der politiichen „Strömung” der Zeit; die „Beuft- 
Herbit-Scandale” pflanzten ſich auf dem Pla vor dem Theater 
fort, Fenſterſcheiben klirrten und Infanterie marſchirte zum Schuß 
der bedrängten Bühne auf, dem Publicum die Bahn freimachend. 
Im Jahre 1871 veranlaßte der 80, Geburtstag Grillparzer’s 
ein fejtliches Ereigniß auf der Bühne: nad) der Euryantbe- 
Ouverture ſprach Frau Verſing einen Prolog von U. Klaar, 
worauf Medea mit Anna Verfing in der Titelrolle, Lina Hahn 
als Kreufa, Hallenftein als Jaſon, Kühns als Kreon in Scene 
ging; den 70. ©eburtstag C. E. Ebert’ feierte man in demfelben 
Jahre durch eine Neufcenirung feines „Btetislav und Jutta“ 
und ähnliche pietätvolle Erinnerungsfefte wurden in jedem Jahre 
mit wohlthuender Negelmäßigfeit begangen. Das Prager Theater 
behauptete fich eben, von vorübergehenden Erfchütterungen und 
Schwankungen abgejehen, unter Wirfing ſtets auf würdiger künſt— 
Ierifcher Höhe, hielt fi) im innigen Contacte mit den Meeifter- 
werten der dramatifchen Literatur, mit den Traditionen der beften 
Beiten und mit den Errungenjchaften der Gegenwart; darum wurde 
auch der Abgang Wirfings als ſchwerer DVerluft für die Prager 
Bühne empfunden; feierlid) und herzlich geftalteten fich, wie wir noch 
fehen werden, die Abjchiedsabende des Wirfing’ihen Schaufpiels. 


— 


— 633 — 


XXV. 


Die Oper unter Wirfing. — Wirſing's Abſchied. 
(1864— 1876.) 


(Die erfien Vorſtellungen. — Capellmeifter Richard Gente; fein Wirken 
und fein Abſchied. — Aus Briefen Flotow's. — Die Capellmeifter Rap⸗ 
poldi, Slansky, Sitt und Skraup. — Das Perſonal: Bachmann's Ab- 
ichied, Vincenz Vecko, Sigmund Hajos; lyriſche und Operettentenore; bie 
Bargtoniften Robinfon, Egbardt, Krejti, Adalbert Schebefta; die Bafliften 
Eilerd, Siehr, Chandon, Eichberger, Dobſch, Lüd, Uttner u. A.; — bie 
dramatifchen Sängerinen Rainz-Braufe, Therefe Echneider, Babriele Szegal, 
Adele Loewe, Diarie von Steinig-Mofer; die Coloraturfängerinen Terey, 
Jenny Brenner, Deihmann, Erhart; Altiſtinen und Mezzofopraniftinen 
Rang, Berechon, Plodek, Löcher, Burenne; jugendliche und jugendlich dra⸗ 
matifhe Sängerinen: Carla Huttary, Panocha, Lauffer, Bertha v. Dillner, 
Ida Jäger, Marie Schrötter, Marie Schmidt, Kathi Hallenitein, Lili 
Lehmann u. A., die Sonbretten Grün, Kaler, Joſefine Pagay, Irma 
Nittinger, Frühling, Minna Schent-Ullmeyer; das Ballet; Status 1875—6. 
— Dad DOpern:-Repertoire; Opern Ereigniffe: Die Africanerin, 
Mignon, Meifterfinger, Hamlet, Romeo und Julie, Makkabäer, Aida. — 
Die Operette: Offenbach's fchöne Helena, die fchönen Weiber von Ge- 
orgien, Großherzogin, Barijer Leben, Trapezunt u. ſ. w., Neuigkeiten von 
Zait, Suppe, Brandl, Hopp, Jonas, Lecoq, Joh. Strauß. — Gäſte. — 
Der materielle Lebensgang der Direction; ungünftige Finanzverhältniffe; 
das Theater im Kriegsjahr 1866; das Neuftädter Theater; Reform des 
Theaterpenfionsinftitut3; Wirſing und „jeine” Intendanten: Pinkas, Görner, 
Graf Wolkenftein, Baron Peche; Gontractöverlängerung; Theater⸗Reno⸗ 
virung. — Directionsverleihung an Eduard Kreibig. — Abſchluß der 
Wirſing'ſchen Aera.) 


Wie das Schauſpiel, ſo, bedurfte auch die Oper Wirſings 
mehrer Monate zu ihrer Sammlung und Stabiliſirung. Das 
Perſonal, mit dem ſich der neue Director auf dieſem Gebiete ein- 
führte, konnte in feiner Mehrheit feine Gnade vor den Augen 
eines Publicums finden, das an die Leiftungen jeder neuen Opern- 
gejellfchaft den höchſten künſtleriſchen Maßftab anzulegen gewohnt 
und gewiljermaßen auch berechtigt war. Die erſte Opern-Bor- 


— 634 — 


ſtellung (31. März 1864) brachte das „Nachtlager in Granada” 
mit einer den PBragern von ihrer muſikaliſchen Hochſchule her be- 
fannten jugendlichen Sängerin, Frl. Beitl als Gabriele; am 
Dirigentenpulte ſaß ein neuer Capellmeijter, Richard Genee — 
man verhielt fic) wohlmwollend aber zumwartend. Die nächſten Opern⸗ 
abende brachten einige entfchieden günſtige Momente. Als Elvira 
in „Ernant” begrüßte man Frau Kainz-Prauje mit Blumen 
und Beifall al8 Vermittlerin zwiſchen der abgefchloffenen und der 
neuen Aera, der Dame aber ftand in Don Carlog-Robinfon 
ein jugendlich friiher Baryton mit warmem Vortrag, verjtändiger 
Darftellung, ſchönen Mitteln zur Seite — eine ausgejprochene 
„Errungenſchaft“ des neuen Directors. An dem neuen Dirigenten 
war es nun vor Allem, das Ichwanfende Enjemble zu conjolidiren, 
Syſtem in die operiftiiche Arbeit zu bringen, und an Verſtändniß 
für feine Aufgabe fehlte es Genée keineswegs, wenn ihm aud) 
die nöthige Energie für die Bewältigung aller Schwierigfeiten 
unter ungünftigen Perjonalverhältniffen nicht zu Gebote ftehen 
mochte. Richard Genee (geb. 7. Febr. 1823 zu Danzig) war 
feit 1848 als Operndirigent an den Bühnen zu Reval, Riga, 
Cöln, Düfjelvorf, Aachen, Danzig, Mainz, Schwerin thätig und 
aus der medlenburg’shen Hauptitadt als Nachfolger Jahn's nad) 
Prag berufen worden. Unter feiner intelligenten Zeitung bradhte 
die Prager Bühne von eingebürgerten Werken namentlich „Zann- 
häuſer“ und „Lohengrin” zu glanzvoller Aufführung; daneben 
wandte er feine ganz bejondere Fürſorge der Pflege moderner 
Production zu: Abert's „Aſtorga“, Bruch's „Loreley“, „Santa 
Chiara“ vom Herzog Ernſt zu Sachſen-Coburg, Weſtmayer's 
„Wald bei Hermannſtadt“, Käsmeyer's „Landhaus zu Meudon“, 
Sulzer’3 „Johanna von Neapel" d. |. w. wurden von ihm ins 
Repertoire eingeführt. Er ſelbſt ftellte fic) den Pragern ala Opern: 
componift zuerjt 1868 mit einer einactigen Dper „Der ſchwarze 
Bring" (Text nach Kogebue) vor, die eine bejonders freundliche 
Aufnahme fand. In inniger Freundſchaft und Sympathie war 
Genée Flotow verbunden; „mit Liebe” jtudirte er deſſen „Zilda“ 
ein, die Oper „Am Runenjtein” aber war die Frucht gemeinjamer 


— 6355 — 


Arbeit der Beiden. Und Flotow trat mit ganzer Energie für den 
Freund und Mitarbeiter ein, al8 locale Verhältniſſe und Diffe- 
venzen deſſen Stellung in Prag erjchütterten, ihn einer that- 
fräftigen Intervention bedürftig erjcheinen ließen. Aus dem Nach: 
laſſe Wirfing’3 liegt mir*) eine Neihe von Briefen Flotow's vor, 
die ſich durchaus mit Angelegenheiten Genee's befchäftigen und 
das innige Freundichaftsverhältniß der Beiden in nicht uninter- 
effanter Weiſe illuftriren. Es war im Frühling des %. 186%, 
nicht lange nach der eriten Aufführung der Flotom-Genee’fchen 
Oper „Am Runenſtein“ in Prag, als die Stellung Richard 
Genee's als Prager Opern-Capellmeifter bedenklich in's Schwanken 
gerieth. Genee hatte feine Widerjacher im Orchefter, im Sänger: 
perfonal, im PBublicum und — in der Directionsfanzlei, und feine 
Erſetzung durch Rappoldi, den die Prager bereit3 als Violin⸗ 
virtuofen jchägen gelernt Hatten, galt als ausgemadte Sache. 
ende hatte noch zwei Jahre Contract für Prag, feine Beifeite- 
jegung fam ihm äußerjt ungelegen, fein Künſtlerſtolz war auf das 
Tiefſte gefränft, da ihm nicht einmal Gelegenheit geboten werden 
jollte, fih als Dirigent von den Pragern zu empfehlen. In 
diefen jchweren Tagen war es Flotow, welcher fich bei dem ihm 
ſehr verpflichteten Prager Xheaterdirector Wirfing für feinen 
Freund und Mitarbeiter Sende einfegte. Friedrich v. Flotow war 
ſchon früher mit Wirfing in Correfpondenz gejtanden; er hatte 
diefem im November 1866 direct jeine Verwendung angeboten, 
daß die nach Salvi's Abgang erledigte Stelle des Hofopern- 
director ihm zufalle; feine Syinpathien für den Prager Director 
leuchten am deutlichiten aus einem Briefe hervor, den er am 
27. Jäner 1867 an Wirſing richtete. 

„Meine Anerlennung,“ jchreibt Flotow, „für das faft Unglaubliche, 
was Sie mit Ihrem Fleiß geleiftet und was wohl jo bald Fein zweites 
Theater aufweilen kann! Alle hiefigen (Wiener) Blätter theilen diefe An⸗ 
erfennung für Sie, und ich bin überzeugt, baß vielleicht nur ein einziges 


*) Bermittelt duch die Güte des Hrn. Balme, derzeit Directord 
be beutihen Sommertheaters im Pftroß’schen (Heine'ſchen) Garten zu 
Prag. 


— 636 — 


Publicum dies nicht erfennt und zwar dasjenige, welche von Ihrem 
Wirken den meiften Vortheil und bie größten Genüße hat. Es pflegt ja 
immer jo zu fein, und diefe Erfahrung habe ich perjönlich gemacht, als ich 
ben Schweriner Mufentempel birigirte . . .“ 


Zugleich kündigte Flotow für den lebten Jäner fein Ein- 
treffen in Prag an. Von nun an galt e8 energijche Vorbereitungen 
für den „Runenſtein“, der am 13. April mit ftarfem äußeren, 
aber feineswegs andauerndem Erfolge in Scene ging. Die Triumphe 
Gendes als Autor hinderten nicht, daß die Arbeiten zu feiner Be 
ſeitigung als Capellmeifter fortgefegt wurden, was weder dem 
Bedrohten noch Flotow verborgen blieb. Sofort begann der 
Letztere feine thätige Intervention bei der Direction. 


„Die Anficht” — jchreibt Flotow am 3. Mai 1868 an Wirfing — 
„daß Sende in Prag ald Dirigent unmöglich geworden ſei, ſcheint mir durch 
ben Erfolg Ihres neuen apellmeifterd Rappoldi) noch nicht gerecht: 
fertigt. Yebenfalld würde ein Aufgeben von Genkee's Stellung im biefer 
Meife, abgeſehen von der ihm perfönlich zugefügten Kränkung, feinen Ruf 
in ber mufilalifchen Welt fo gefährden können, daß ein neued Engagement 
bedeutend erfchwert würde. Eine andere Schwierigkeit würbe auch bie- 
jenige Berpflichtung bilden, welhe wir Drei ber Schweriner Bühne 
gegenüber übernommen haben. Ich ſehe ſehr gut ein, dab Sie 
zwei erfte Gapellmeifter kaum beichäftigen können unb baber aud 
gern dad Gehalt des Einen erfparen möchten, auch ift wohl vorauszufeben, 
baß die wohl mandhmal etwas zu nachfichtige Yreunblichkeit bed Einen unb 
das vielleicht etwas fchroffe Auftreten des Anderen unerquickliche Partei⸗ 
ungen beim Perfonal, ja jelbft noch anderweitig hervorrufen würden. Hiedurch 
wäre Ihr Wunſch, fih mit Genee abzufinden, allerdings gerechtfertigt; 
bedenken Sie aber auch, lieber Herr Director, daß Sie verlangen, Gente 
follte nicht allein ein fichered Engagement von noch zwei Jahren plötzlich 
aufgeben, fondern müßte dann auch eine für feine Verhältniffe immerhin koſt⸗ 
fpielige häusliche Einrichtung verjchleudern und feine einträglichen Rectionen 
verlaffen, um in anderen Orten erft Jahre und Mübe daran zu feten, ſich 
ähnliche zu erringen. Dasfelbe von Gente verlangte Opfer, verbuuben mit 
ben durch mid garantirten Rückzahlungen an bie Schweriner 
Bank (man fieht, Flotow war Wirfing auch finanziell beigeiprungen), 
würde Shrerjeitd auch ein Opfer nothwendig machen, wenu Ihnen bie 
Löſung bed Gente’fhen Contracts wünſchenswerth. Gehen wir alfo, bie 
verſchiedenen Intereſſen im Ange bebaltend, im Uebrigen Har und offen 
zu Werke, wie unjere freundichaftlichen Beziehungen erbeifchen, mm eine 








— 637 — 


Einigung zu erzielen. Meiner Anfiht nad gibt es biezu zwei Wege: 
entweber Genee geht in fein Engagement zurüd und gibt dasfelbe erft auf, 
wenn ihm ein anderer annehmbarer Contract angeboten wirb, oder — und 
dies ſcheint Ihren Briefen nad) das Ihnen Wäünſchenswerthere — er nimmt 
eine Abfindungsfumme von Ahnen fofort an, auf das Riſico, früher oder 
jpäter ein paffendes andere Engagement zu finden. Das Letztere würde 
fih ihm für das nächſte Halbe Fahr ſchwerlich barbieten; die Saiſon ift 
vorgerädt, und Sie felbft erwähnten mir in Prag, daß es in Deutichland 
96 vacante Sapellmeifter gebe. Aus allem Diefem werben Sie am beften 
ermefien, welche reelle Bropofitionen Sie zu machen hätten, joll ich auf 
Grund derſelben mit Gente reden. Ihrer freundlichen Antwort entgegen: 
jebend Flotow.“ 
In dieſer Weiſe ſetzte ſich die Correſpondenz noch längere 
Zeit fort. Flotow wies darauf hin, daß die künſtleriſche Poſition 
ſeines Schützlings durch ſeine letzten Thaten, namentlich durch die 
Einſtudirung der „Franzoſen von Nizza“, welche Kittl ſelbſt warm 
anerkannt hatte, eher gehoben als erſchüttert erſcheine und Rappoldi 
ſchwerlich das Wunder vollbracht haben könne, ſo raſch einen Mann 
unmöglich zu machen, „der Jahre hindurch dazu beigetragen habe, 
die Aufmerkſamkeit aller deutſchen Componiſten auf die Prager 
Oper zu lenken“. Das abfällige Urtheil der Orcheſtermitglieder, 
das Wirſing anführte, könne dabei doch wahrlich nicht in Be⸗ 
tracht Tommen. Flotow erbot fi) geradezu zu einer Reife nach 
Prag, um durch Intervention beim Landesausfchuß für feinen 
Freund die restitutio ad integrum zu betreiben, er ſchlug Wirfing 
vor, Genee ſchlimmſtenfalls außer der Abfindungsfumme von 
1000 fl. noch ein Abjchiedsbenefiz mit dem „Runenſtein“ zu be- 
willigen. Schließlich wurde denn auch die Affaire zu beiderjeitiger 
Zufriedenheit erledigt. Flotow theilte Wirfing mit, daß fi) Genee 
durch das liebenswürdige Entgegentommen und die VBerficherungen 
fernerer ungeftörter Freundſchaft von Seite Wirfings zum Verzicht 
auf die Abjchiedsvorftellung habe bewegen laſſen — verfelbe kam 
nad) Prag, nahm feine Abfindungsfumme in Empfang, und die 
Löſung des Vertrags wurde vollzogen. Den Schlußpunft diefer 
Correſpondenz, welche dazu beiträgt, eine interne aber auch inter- 
efjante Affaire in der Prager Bühnengefchichte aufzuhellen, bilvet 
folgendes Schreiben Flotow's an Wirfing vom 20. Juni 1868: 


— 638 — 


„Empfangen Ste meinen herzlichften Dank, daß Sie den „Runenftein” 
zur Feſt⸗Oper (für die Anmefenheit des Kaiſers in Prag) beſtimmt haben; 
ed freut mich umfomehr, daß Sie biefe Oper wählten, weil daburd) jeder 
Glaube an perfünliche Animofität gegen Gente vernichtet ift und Sie, wie 
Sie es mir veriprochen, in Allem auf bie edelfte und ehrenhaftefte Weile 
Ihr Wort gehalten haben. Solche Charaktere, wie ber Ihre, findet man 
heutzutage fo fchwer, daß es wirklich wohlthuend ift, deren zu begegnen, und 
daß ich mich glüdlidy ſchätze Ihnen mein volllommenes Vertrauen in ber 
Genee'ſchen Angelegenheit gefchentt zu haben. Hiefür nochmal meinen beften 
Danf und meinen wärmften Hänbebrud!“ 

Die Feitworftellung am 22. Juni 1868 befiegelte jo die 
wiederhergeftellte Harmonie Flotom-Wirfing-Genee. Der rejignirte 
Capellmeifter, welcher gerade in den legten Jahren feiner Prager 
Thätigkeit durch die Veranftaltung von Abonnement: Concerten mit 
dem verjtärkten Theaterorcheſter das Intereſſe aller Muſikfreunde 
gefefjelt hatte, jah durch die Anftrengung feines Dirigentenberufs 
jene Gejundheit derart angegriffen, daß er in Wien einen minder 
anjtrengenden Wirkungskreis fuchte und fich der Operette zuwandte, 
zuerjt al3 Dirigent und Ueberjeger, dann als Componift und 
Librettiſt. Eine Reihe von beliebten Dperetten entjtanden unter 
jeiner Mitwirkung, andere wie „Der Seecadet”, „Nanon” u. |. w. 
find Werfe feiner eigenen Compojition und trugen ihm Erfolge 
auf den meiften deutichen Bühnen ein. 


Eduard Rappoldi, der Nachfolger Genee’s, war ein kräftig 
uud erfolgreih emporftrebendes Talent. Am 21. Februar 1839 
zu Wien geboren, hatte er jchon im vierten Lebensjahre Elavier 
und Geige fpielen gelernt und im fiebenten Lebensjahre in ver 
dreifachen Eigenſchaft als Bianift, Violinift und Componift in 
Wien das Concertpodium betreten — die Geige aber wurde fein 
Haupt⸗Inſtrument; er bildete fich im Wiener Confervatorium unter 
Hellmesberger und bei Prof. Böhm aus, nahm Unterricht in der 
Compofitionslehre bei Sechter, Grutſch, Rufinatſcha, Bargiel u. U, 
wurde (1854—61) Geiger im Wiener Hofopernorcheſter, Concerts 
meifter der deutfchen Oper in Rotterdam (1861—66), Capell- 
meijter bei den Stadttheatern in Lübeck und Stettin (1866— 68), 
von wo ihn fein Weg nad) Prag führte. Um 4. Mai 1868 trat 











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Rappoldi, zunächit alternirend mit Gene, feine Yunctionen an 
und leitete bi8 1870 als erjter Capellmeifter mit künſtleriſchem 
Sinn die Prager Oper, worauf er als Piolinprofeffor an die 
fal. Hochſchule für Muſik in Berlin übertrat — ſeit 1877 aber 
wirft Rappoldi, einer der hervorragenditen Meijter feines In—⸗ 
ftruments, als erjter Hofconcertmeifter und Lehrer am Conjerva- 
torium, jeit 1886 auch als Dirigent der Konjervatoriums-Eoncerte 
zu Dresden. Ws Rünftler hat er (vermält mit der Tal. ſächſ. 
Kammervirtuoſin Laura RappoldisKahrer) feinen Namen durch 
zahlreiche Concert:Zourneen in Europa befannt gemadjt,*) feine 
Sompofitionen aber (Sonaten, Streichguartetten, Symphonien, 
Lieder u. ſ. w.) find geſchätzt in muſikaliſchen Kreiſen. Neben 
Kahn, Genee und Rappoldi, Mufifern von Ruf und Bedeutung, ' 
rang ſich ein anderer Dirigent in Prag fozufagen „von der Pike 
auf” d. h. vom Chorfnaben zum eriten Capellmeifter empor: Ludwig 
Slansky, der ſchon unter Jahn's treffliher Leitung in der 
Hera Thome feine bejondere Begabung und Befähigung zum Di- 
‚rigenten dargethan hatte. Slansky war 1838 zu Haida in Böhmen 
"als der Sohn eines der mufiffundigen Voltsichullehrer alter Wera 
geboren, von feinen Eltern in die Muſik eingeführt und ſodann 
nad) Prag gefandt worden, wo er als Chorknabe an der Metro» 
politanfirche bei Sct. Veit unter Domcapellmeifter Johann Straup 


*, In La Mara, „Mufilaliihe Studienköpfe“ V. Bd. 1882 heißt es: 
„Dan höre nur dag Künftlerpaar in feinen vereinten Leiftungen, die, als 
entfprängen fie einer Muſikſeele, die einbeitlichfte Gefühlsweiſe, die gleiche 
Gediegenheit befunden! Es gibt faum Vertreter feines Inſtrumentes, bie 
hinreißenber, elektrifirender ald Rappoldi wirken. Mehr hohe Intelligenz 
und ruhige Abgellärtheit ald Gut und Leidenfchaft der Empfindung ſpricht 
aus feinem Spiel, und feine emimente Technik verleitet ihn nicht zur lei» 
feften Conceſſion an den Effect, nicht zur geringften Eigenmächtigkeit ober 
Stiluntreue gegenüber dem darzuftellenden Kunſtwerk. Es ift dag edel Stil⸗ 
volle feiner Neproductionen, was wir zuförderft an ihm ſchätzen. Dieler 
feiner künftlerifchen Art ift die feiner Gattin verwandt. Auch ihr geben 
Herz und Phantafie nicht durh mit bem fortwährend wachen Mufil- 
verstand, ein ftarfer Wille zügelt und regiert ihr bebentendes Können. So 
ihmiegt fi ihre Natur harmonisch der des Gatten an.“ 


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fang und 1850 (mie befannt) unter den fingenden Knaben im 
„Bropheten” die Bühne des deutſchen Landestheaters betrat. 1852 
ins Prager Confervatorium aufgenommen, ſtudirte er unter Mildner 
Violine und macht ſchon drei Jahre jpäter in einem Conferva- 
toriums:Concerte Auffehen. Ein Jahr nad Abfolvirung (1859) 
trat der bewährte Schüler in's Theaterorchefter, componirte zu 
zwei Pollen, Erjtlingswerken Julius Rofen’s („Der deutiche Bund“ 
und „Die Faſchingsbraut“), welche im Sommertheater das Licht 
der Welt erblicten, die Muſik, avancirte 1862 zum Ballet-Cor: 
tepetitor und Dirigenten, im nächſten Jahre nad) Tauwig zum 
zweiten Capellmeiſter und Chordirector (neben welcher Stellung er 
ein Jahr noch die Violinprofefjur am Confervatorium fupplirte), 
1868 neben Rappoldi auch zum Dirigenten von Opern, 1871 
endlich zum erften Capellmeifter — während jein einjtiger Lehrer 
Joh. Sfraup als zweiter Capellmeifter und Chordirector wieder 
in den Verband der Bühne trat.*) Slansky figt nun faft 25 Jahre 
am Dirigentenpulte des Prager deutfchen Theaters, wohl hundert 
und mehr verjchiedene Opern find unter feiner gediegenen Leitung 
würdig interpretirt worden, jede Novität, die er einftudirte, hatte 
dadurch ſchon gewilfermaßen die Bürgichaft eines anjtändigen 
Erfolges erhalten. Muſiker durch und dur, führt Slansfy das 
Scepter des Dirigenten mit ruhiger, ficherer und energifcher Hand; 
das Orchefter kennt ihn und refpectirt in ihm ben feiner Sache 
allezeit ficheren Meijter, den aus feiner Mitte emporgemachjenen 
Künftler und Dirigenten. Sem Einfluß machte ſich ftetS unter 
wechjelnden Bühnenleitungen im Sinne eines foliden vielfeitigen 
Nepertoires und folider künſtleriſcher Leiſtungen geltend; er blieb 
aufrecht im Zuſammenbruche, vererbte fi) von Direction auf 


*) Als 1872 die Thätigfeit Joh. Skraup's am deutichen Landestheater 
eine Unterbrechung erlitt, wirfte Hans Sitt als zweiter Capellmeifter folange, 
bis Skraup wieder in fein altes Engagements Verhältniß trat (1373); 
Anton Sitt dagegen (dev Name fennzeichnet die Beiden als Mitglieber 
einer belannten Prager Muſiker- und Inftrumentenmacher- Familie, der auch 
Fl. Sitt, die Primadonna ber Cehilhen Oper angehört) wirkte mehre 
Jahre ald erfter Orchefterbirector im Opernorceiter. 


— 641 — 


Direction und wurde als Leiter großer Orchefter-Aufführungen, 
Dratorien u. |. w. von Bedeutung fir das mufifaliihe Prag 
überhaupt. ALS Liedercomponift wird Slansky oft und mit Bei- 
fall gejungen, auch zu einem Schaufpiel „Der Liebeszauber" von 
H. Herz (Bearbeitung von Oberländer) fchrieb er die Muſik und 
fand damit verdiente Würdigung. 

Das Süängerperjonal, das in den einzelnen Phafen der 
Wirfing’jchen Direction die Prager Oper repräfentirte, erhob fi 
aus etwas verworrenen Anfängen allmälig zu einem Enſemble 
von achtbarer Güte, ja von Bedeutung.*) Als Heldentenor 


*) Der Statu3 ber Oper war 1864/5 folgender: Regie Herr 
Woblftadt. Herren: Bachmann Heldentenorp., Bernard Iyr. und. 
Spieltenor, Eichenwald Tenorbuffop., Eilers fertöfe Baßp. Franofch 
1. Baßp. Handrifch Fl. Tenorp., Häger 2. Baryt. und hohe Baßp., 
Lük Baßbuffo (auch Opernreg.), Robinfon 1. Baryt. — Damen: Fıl. 
Beitl jug. Geſ.⸗P., Frl. Fries 2. Geſangsp. Fr. Hallenitein2. Soubr., 
dr. Rainz-Praufe 1. dram. Gel.-B., Frl. Köppe 3. Gefangsp., Frl. 
Lang Altp., Frl. v. Terey 1. color. Geſangsp. Frl. Winkler Sonbr, 
und ing. Gejangspartien. — Ballet: ler. Banl Balletm. und 1. Solot., 
Alfr. Paul 2. Solot., Frl. Marie Rudolph 1. Solot., Frl. Detelberger 
2. Solot. — Balletcorp3: Herren: Heß, Hyka, Kneiſel, Nolly, Suiſchek, 
Taubeles, Frie.: Baftl, Brda, Hausdorf, Hoß, Hermine und Caroline Kempf, 
Kotrauſch, Meyer, Richter, Schmalal, Staffa, Teumer, Welſch. — Chor⸗ 
perfonal: Herren: Bayer, Böhm, Döhler, Duchef, Duſchnes, Goldftein, Häub- 
lein, Heber, Mießler, Negedly, Orth, Bakiy, Petak, Pineles, Rykl, Stiasny, 
Wagner, Weiß, Welleba, Wildner, Zyſenis; — Damen: Fri. Fiſcher, Frau 
Srauert, Frls. Hynek, Langenberg, Lehnert, Fr. Lenners, Frls. Lindner, 
Lippmann, Malek, Myiſliwiſchek, Fr. Orth, Frls. Polak, Rieß, Rückauf, 
Ruppert, Schaller, Schmidt, Smela, v. Stremberg, Swoboda, Trieb’ 
Tſchirſchnitz, Weißbach. Fr. Welleba. — Orcheſter: Herren: Altſchul, Auwalsky, 
Bendiener, Bühnert, Bauer 1, 2, 3, Bendl, Cerha, Chrs, Dolensky, Duffek, 
Drechsler, Fiſcher, Huſak, Hlawſa, Hrabe, Janatka sen. und jun., Kopetzky, 
Kidery, Klima, Kunkl, Mayer, Mildner, Müller, Miklas, Mylfort, Plot, 
Pettina, Poznansky, Piſarowitz, Rangel, Stiebal, Stelzig, Schütz, Schmidt, 
Smita, Teske, Witek, Wittich, Wiedemann, Wilfert, Frau Lehmann. — 
Orcheſterleitung: Rich. Gente 1. Capellm, Slansky 2. Cap. und 
Chordir. Prof. Mildner 1. Orcheſterdir. und Soloſp, Wedral 2. Or⸗ 
cheſterdir, Schnemann Dirig. d. Balletmuſik, Poznansky 2. Solo⸗ 
ſpieler. 

41 


- — 642 -- 


hatte Wirfing noch von feinem Vorgänger Thomt Hrn. Eduard 
Bahmann übernommen -- aber gerade in diefe Uebergangs- 
zeit fiel eine anhaltende ftimmliche Indispoſition dieſes ehedem 
„unvermwäftlichen” Sängers; jchon im Frühjahr 1864 mußte er 
einen längeren Erholungsurlaub antreten, während defjen Tichatjchel, 
Schnorr v. Earolsfeld, Steger, Emilio Naudin durch Gaftipiele 
und Bernard als heimischer Vertreter Bachmann’3 den „primo, 
uomo“ der Prager Oper erſetzten. Nach Berlauf einiger Mo—⸗ 
nate fehrte er wieder, hatte glänzende Abende, jah ſich aber im 
Frühjahr 1865 abermals gendthigt, aus Geſundheitsrückſichten 
einige Zeit der Bühnenthätigkeit zu entjagen. Er verabichiebete 
fi) am 8. April, ging von Prag zur Kräftigung feiner Gejund- 
heit nach Karlsbad, wo er einige Zeit privatijirte, und dann zur 
Zeit des großen Sängerfejtes in Dresden mit durchichlagendem 
Erfolge gaftirte. Schon damals war Bachmann zum Nachfolger 
Schnorr's in Dresden auserjehen, doch band ihn ein Contract 
vorläufig an Cafjel, wo ihm fofort Iebenslängliches Engagement 
angeboten wurde. Nach der 1866 in Kurheſſen eingetretenen poli- 
tifchen Ummälzung und der Uebernahme des Hoftheaters durch 
die preuß. Regierung erfämpfte fi) Bachmann feine Entlafjung 
und trat 1867 fein Dresdener Engagement an. Bon Dresden 
aus gaftirte er im Jäner 1868 in München und gefiel derart, 
daß alle Hebel in Bewegung gejeßt wurden, feinen ‘Dresdener 
Contract zu löfen. Der König, Richard Wegner, welher Bachmann 
Ihon in Brag als feinen künftigen Siegfried proclamirt Hatte, 
und Billow intereflirten ſich für ihn, Wagner hatte ihm fpeciell 
den Walter Stolzing in den „Meifterfingern” zugedacht. Schließlich 
wurde auf perfünliche Intervention des Königs von Baiern bei 
dem König von Sachſen Bachmann's Contract gelöft, und am 
1. Sept. 1868 trat er jein glänzendes Engagement in München an, 
das widrige Gejundheitsverhältnifje allerdings bald abbrechen Sollten. 
Bachmann erkrankte zweimal an Diphtheritis, und das zweite Mal 
blieb eine nachhaltige Schwäche der Stimmkraft zurück, welche 
den Sänger. veranlaßte, im October 1869 einen einjährigen Ur- 
laub zu nehmen. Am 28. Oct. 1869 fang er zum letzten Male. 





— 643 — 


. Obwohl nichts unverfucht blieb, die verlorene Stimmfraft wieder 
zu gewinnen, gelang dies doch nicht mehr. Bachmann befam zum 
dritten Male Diphtheritis, und die Aerzte erklärten die Abreife von’ 
München, defjen Klima weder ihm noch feiner Familie erträglich 
fei, al8 geboten. So ließ fi) denn Bachmann in der Vollkraft 
feines Wlters, 1871, penfiontren und befchloß feine Thätigkeit als 
Sänger. Seitvem lebte er einige Zeit in Tirol, von dem dortigen 
Klima vergeblid; Rückkehr der Stimme erhoffend, zog dann nad) 
Karlsbad in die Vaterjtadt feiner Yrau und übernahm dort, um 
fein der Kunſt gemweihtes Streben nicht aufgeben zu müſſen, die 
Direction des Karlsbader Theaters, die er unter jchwierigen Ber- 
hältniffen mit Erfolg führte, bis ihn der Tod noch in der Voll 
kraft ferner Jahre der Kunft und dem Leben entrüdte. 

Die Frage des Erjages für den verlorenen Bachmann wurde 
nad) einigen anderweitigen Verfuchen in intereffanter Weife gelöft. 
Im Berbande der techifchen Bühne ftand feit 1862 ein junger, 
mit außergewöhnlichen Mitteln begabter Sänger, der in Leitmerig 
entdedt worden war und bei Thome freundliche Aufnahme ge- 
funden hatte: Vincenz Vecko, der Neu-Entdecte, machte in den 
techifchen Opernvorftellungen Aufſehen, jeine Gage fteigert ſich 
auf — 100 fl. monatlih und 6 fl. Honorar, wovon ihm aber 
fehuldenhalber etwa die Hälfte „auf die Hand gegeben” wurde. 
Differenzen mit Director Liegert ſowie Ueberanftrengung umd 
finanzielle Rückſichten ließen ihm jedoch einen Tauſch mit dem 
deutjchen Theater, den Wirfing im Auge hatte, jehr wünfchens- 
werth erjcheinen, und troß anfänglicher Einwendungen des Landes⸗ 
ausfchuffes gegen den ordnungswidrigen Uebertritt eines Mitglieds 
des einen Landesinftitut3 an das andere wurde der Vertrag perfect, 
als eine Directionskataſtrophe am techiichen Theater alle Be- 
denken zerjtrente. Vecko trat am 7. Sept. 1865 als, Manrico 
zum erjten Male im beutichen Landestheater auf: jeine Geftalt 
war feineswegs imponirend, feine Darftellung etwas naiv, feine 
Ausſprache des Deutichen ohrenbeleidigend, dies Alles aber machten 
feine wahrhaft glänzenden Stimm- Mittel, ein Tenor von Edel— 
metall, von feltener Schönheit und Kraft, wett. Die Stretta wedte 

41* 


— 644 — 


Beifallsjtürme, die beflicchteten Cechifchen Gegen-Demonjtrationen 
biteben aus, der Abend brachte dem bejcheidenen Neuling einen 
vollen Triumph. Die folgenden Debut3 (Edgar, Mafaniello, 
Raoul, Robert, Herzog in „Rigoletto) verliefen in ähnlicher Weife: 
das helle, große Organ, die natirlihe Tonbildung, die fichere 
Intonation in den höchſten Antervallen, die hübſch nuancirte Vor: 
tragsweife jicherten Vecko Erfolge, welche feine bereit3 angebeuteten 
Mängel nur wenig beeinträchtigten. Erſt fein Lohengrin ließ die 
Grenzen jeines vorläufigen Könnens deutlich erfennen, und jede 
Partie, welche von Vecko dentſche Proſa verlangte, wurde zum 
Wageftüd für ihn, Genuß und Erheiterung zugleich für das 
Publicum. Gleichwohl iſt Vincenz Vecko neun Jahre eine für 
die deutjche Oper Prags werthvolle Kraft geblieben; die Mängel, 
welche ihn in den erjten Jahren hemmten, minderten fich im Laufe 
der Jahre, fein Organ aber entfaltete fich zu voller Kraft und 
fam mancher Dper, auch mancher intereljanten Neuigkeit jehr zu 
ftatten: er creirte in Prag den St. Auban in „Santa Ehiara” 
vom Herzog von Coburg, den Richard in Verdi's „Maskenball“, 
den Aftorga in Abert's gleichnamiger Oper, Otto in Bruch's 
„Loreley“, den Vasco in der „Africanerin”, den Wilhelm Meiſter 
in „Mignon“, Verdi’s „Don Carlos", den Stolzing in Wagner’s 
„Meiſterſingern“ u.j. w. Im Jahre 1872 war duch Anſtren⸗ 
gungen im Berufe, übermäßiges Forciren und Unregelmäßig- 
feiten in der Lebensweile des Künftlers das felten ſchöne Organ 
Becko’3 bereit3 derart angegriffen, daß man jeder feiner Leijtungen 
mit Bangen entgegenfah: ein Erholungsurlaub brachte feine Ge- 
nejung, der Sänger fcheiterte in Partien, die ihm ehedem nur 
Siege gebracht hatten, man mußte andere Tenore (Grund, Lederer, 
Hajos) zur Aushilfe heranziehen, bis endlich fein Verluſt befiegelt 
war: Vecko zog fich nach feinem Geburtsorte Nozdialowig auf 
ein von ihm erfauftes Landgut zurüd, die Lungenkrankheit aber, 
die ihn erfaßt hatte, machte jo rapide Fortichritte, daß er jchon 
am 13. Juni 1874 im 40, Lebensjahre verfchied. Das Perjonal 
des Landestheaters ehrte fein Andenken durch Aufführung des 
Mozart'ſchen Requiems in der Teinkirche. 





— 645 — 


Sein Nachfolger, Sigmund Hajos, der ftatt des flavifchen 
den magyariſchen Accent auf die Bühne mitbradhte, Fam zunächſt 
(1873 und 74) von Xeipzig auf Gajtipielausflüge nach Prag, 
empfahl ſich durch ſympathiſche wenn auch nicht imponirende 
Mittel, Fünftleriiche Schulung, verftändniß- und temperamentvolle 
Darftellung und trat am 7. April 1874 als Eleazar in der „Jüdin“ 
fein Engagement an — er war der erjte Rhadames in „Aida” 
zu Prag und gehörte dem deutjchen Yandestheater bi8 zum Schluß 
der Wirfing’schen Direction (April 1876) an, worauf er fich der 
italienischen Oper zumwandte, an hervorragenden Bühnen Italiens 
fang und ſchließlich am Peſter ungarischen Nationaltheater, aljo 
in feiner Heimat, al8 Heldentenor ein weites und wilrdiges Feld 
für feine künſtleriſche Thätigkeit fand. | 
Mit Bachmann war von der Thome’fchen Oper aud) Bernard, 
ein Sänger von äußerjter Zuverläfligfeit und Solidität, der über 
die ärgjten Tenornöthen kühn und ficher hinweghalf, zur Wirfing’- 
fchen übertreten; fein Fauſt, Ottavio u. |. w. erwarben ihm ver: 
diente Anerkennung, aber auch den Paris in der „Ichönen Helena” 
bat er in Prag creirt. Bernard behauptete fich einige Zeit noch 
neben Vecko und verließ 1866 das Prager Engagement. Kürzere 
Beit gehörten die Tenore Neudolt, Geift, Zinfernagel, 
Henrion und Franke* der Prager Bühne an — erjt 1869 
fam wieder einige Stabilität in bie Fächer des lyriſchen Zenors 
und Tenorbuffos. In letzterer Eigenfchaft war 1868 Polenz 
ins Engagement getreten, Hatte feine bejondere Brauchbarkeit in 
der Operette erwiejen und fand in diefer Sphäre fowohl wie in 
den BuffosRollen der Oper ftarfe Verwendung, bis er 1873 ſich 
plöglich verflüchtigte und duch Theodor Ca ffio, einen Opern- und 
Operetten⸗Tenor von liebenswürdigen aber bejcheidenen Mitteln, 
eleganter Erſcheinung und gewandter Darftellung erjeßt wurde. 
Caſſio (recte Kafjowig) war ein geborener Prager, hatte bei 
Meifterin Lehmann feine Gefangsftudien gemacht, an bedeutenden 
deutschen Bühnen Engagement als Operettentenor gefunden, worauf 


*, Franke ftand zweimal, 1863—64, dann 1867—69 im Engagement 
und ftellte als Bois-⸗Roſt, Tamino u. f. w. feinen Mann. 


— 646 — . 


er (Sept. 1873) als Nemorino, Peter Jwanow und Paris („He 
lena“) in Prag debutirte und alsbald in den Verband der Bühne 
trat. Er war der erfte Ange Piton („Ungot”), Arthur Bryk 
(„Garneval in Rom"), Marasquin („Girofle") der Prager Ope- 
vette, ſchied 1876 von dem Theater feiner Vaterftadt, wirkte noch 
zu Frankfurt, Wien, Brünn, Marienbad und Breslau und jtarb 
im 36. Lebensjahre zu Wien. — Als Iyriiher Tenor trat im 
Mat 1869 nach erfolgreichen Debuts als Lyonel und Mar Herr 
Hartmann, von Nürnberg fommend, in den Verband der Bühne, 
der er mit jeltenem Pflichteifer, ein meites Nollengebiet beherrſchend, 
bis zum Abſchluß diefer Directionsperiode angehörte. Sein Organ 
entbehrte nicht der Kraft und Fülle, war gleichmäßig ausgebildet 
und vortrefflich gejchult; er hat den Romeo in Gounod's „Romeo 
und Julie” und David in den „Meifterfingern” in Prag einge 
führt, und fi) namentlich in legterer Partie, die er durch leb— 
bafte, gewandte Darjtelung zu voller Wirkung brachte, Anerfen- 
nung und Beifall gewonnen. Im Laufe der SYahre allerdings 
zeigte fein Organ merflihe Spuren der Ermüdung, verlor an 
Schmelz und Kraft und vermochte nicht mehr allen Anforderungen 
zu genügen. Auch eine Eranfhaftige Kurziichtigkeit hemmte den 
raftlos ftrebenden und thätigen Sänger in feinem Berufe und 
ſchädigte jeine weitere Bühnen-Carriere. --- Die Neihe der 
Tenore in diefer zmölfjährigen Periode abjchließend, gedenfen 
wir der Volljtändigfeit halber auch an dieſer Stelle der Herren 
Haſſel und Eihenmwald, die neben ihren Functionen ale 
Komiker noch immer als „Xenorbuffos, Spiel- und Operetten- 
tenore" im Status geführt wurden und dem Operetten-Enfemble 
ihre guten Dienjte leijteten. Haſſel waltete überdies von 1866 
bis 1869 wieder ald Dpernregiffeur (1864 hatte Wohlitadt, 
1865 der Baßbuffo Auguft Lük die Opernregie geführt), worauf 
Ludwig Simon, natürlid) unter ſteter Oberleitung Wirfing’s, 
1870—76 dieje8 Amt bekleidete. 

Der erfte Baryton, den Wirfing den Pragern vorftellte, 
Hr. Robinfon, ein Sänger von ſchönen Mitteln und künſtleriſcher 
Bildung, ſchied ſchon vor Ablauf des erjten Contractjahres — 

I 


— 647 — 


wie e8 fcheint, infolge acuter Differenzen mit der Direction — 
von der deutfchen Bühne, gaftirte zunächit am cechiichen Landes⸗ 
theater und fand fodann an anderen Bühnen fein Glück; erft 
1869 kehrte er als Gaſt wieder, und ein lebhafter Empfang zeugte 
von den Sympathien, die er fich in kurzem Engagement eriworben. 
As Erſatz traf ein Gaft aus Graz, Hr. Eghardt, ein, der alle 
Bedingungen für die würdige Ausfüllung des vacanten Faches 
zu erfüllen fchien. Eghardt, der im Joſephſtädter Theater in 
Wien bei der denktwürdigen erften Zannhäufer-Borftellung Wolfram 
geweſen war, ftellte fich am 15. Jäner 1865 als Luna vor, nahın 
durch Erfcheinung, rontinirte Darftellung und künftleriiche Behand» 
lung feiner ſympathiſchen, wenn auch nicht durch Sonorität und 
jugendlichen Glanz imponirenden Mittel für fih ein und trat 
am 28. April als Car in „Car und Zimmermann” fein Enga- 
gement an, das er unter wechjelnden Verhältnifjen fait zwei Jahr⸗ 
zehnte behaupten follte — er hat als erfter Barton in Prag 
den Rene in Verdi's Maskenball, Lothario in „Mignon" und 
den Nelusco creirt; als aber fein Organ erjchlaffte und den An- 
forderungen diejes Faches zu genügen nicht mehr im Stande war, 
übertrat er (1869) in die Sphäre der Baßbuffo-⸗Rollen: aus dem 
Car wurde ein trefflicher van Bett, aus Wolfram und Xelramund 
ein vorzüglider Beckmeſſer. Auf diefem Felde künſtleriſcher 
Zhätigfeit finden wir Eghardt noch wieder. — Seine Erbſchaft 
als Baryton trat 1869 Krejlı an, der ſich als Prinz-Negent 
einführte, durch feine Mittel und fein Können Terrain gewann, 
aber ſchon im Frühjahr 1870 von dannen zog. Nun war es 
Walbert Schehejta, bisher wie Vecko eine Perle der techifchen 
Bühne, welcher mit Einem Schlage allen Verlegenheiten ein Ende 
machte. Zu Wodnian in Böhmen 1844 als Sohn armer Eltern 
geboren, war Schebeita als Sängerknabe im Minoritenkloſter zu 
St. Jacob in Prag in die Anfangsgründe der Mufif eingeführt 
worden, mußte aber zu einem „ehrlihen” Handwerk greifen, Het- 
terte als ehrjamer Schornfteinfeger in den Nauchfängen feines 
Geburtsortes herum, verfehlte jedoch nicht, gleichzeitig als Mitglied 
des dortigen Gefangsvereins feine blendenden Stimm- Mittel geltend 


— 648 — 


zu machen. Er wurde bemerkt, das Cechijche Yandestheater nahm 
ihn in feinen Chor auf, aus welchem er fi bald zu Solv- 
Leiftungen erhob. Director Wirfing, auf den unter bejcheidenen 
Sage-Berhältniffen an der cechifchen Bühne wirkenden Barvton 
aufmerffam gemacht, beeilte fich 1870, den abgehenden Krejti durch 
den hoffnungsvollen Sänger zu erjegen. Am 21. April ftellte fi 
Schebeita dem deutjchen PBublicum als Luna vor — neben ihm 
fangen Vecko den Manrico, die Damen Hoftichter und Ginbele 
die Zeonore und Azucena — und das Auditorium .jubelte dem 
Debutanten zu, der durch eine angenehme perfünliche Erſchei⸗ 
nung, durch die jeltene Schönheit und Kraft feines Organes, 
eines Barytons von hellem Zimbre und großem Umfang, durd 
Neinheit der Yntonation, Wärme des Vortrags und Deutlichkeit 
des gejungenen Wortes Alles für ſich einnahm. Seine weiteren 
Debuts als Wolfram, Tel, Nelusco, Valentin verjtärkten noch 
diefe günftigen Eindrüde: der neue Barton, welcher am 25. Mat 
als Nevers fein Engagement antrat, zählte zu den ausgeſprochenen 
Sünftlingen der Theaterbefucher und diefe Gunft blieb ihm that- 
ſächlich „treu bis zum Tode“. Ein mit außergewöhnlichen Mitteln 
begabter, mufifalifch durchaus ficherer Sänger, welcher wie in der 
Dper fo auch im Eoncertjaale und auf dem Kirchenchore erfolg- 
reich wirkte, ein liebenswürdiger Charakter, gehörte Schebeita zu 
den angeſehenſten Perfönlichkeiten nicht allein in der Bühuenwelt 
fondern überhaupt in der Prager Geſellſchaft. Mit der deutjchen 
Sprade wurde er rajcher vertraut als fein College Vecko, der 
flavische Accent in feiner Proſa fiel auf, aber ftörte nicht über⸗ 
mäßig und wurde um feiner anderen Vorzüge willen gern über- 
bört, ebenjo. wie man ihm einen gewiflen Uebereifer in der Dar⸗ 
ftellung, eine übergroße Süßlichkeit im Vortrage Iyrifcher Partien 
gern verzieh. Schebeita creirte in der Wirfing’schen Divectiong- 
periode den Poja in Verdi's „Don Carlos", Hans Sachs in den 
„Meifterfingern”, den Thomas’schen Hamlet, Juda in Rubinſteins 
„Makkabäern“, Umonasro in „Aida” u. ſ. w. In der nächften 
Directionsperiode war ihn noch Gelegenheit zu ‚mancher glanz: 
vollen Leijtung geboten. 


— 649 — 


Als erſter Baß hatte fich von Thome 1864 Albert Eilers 
auf die neue Aera vererbt, empfahl fich jedoch fchon im April 
1865 gleichzeitig mit Frau Kainz-Praufe und Bachmann unter 
Beifall und Blumen mit danfenden Abſchiedsworten von Prag. 
Sein Nachfolger war Guftav Siehr, der 1863 nach abjolvirtem 
medicinifchem Eramen die Sänger-Carriere erwählt, feinen ſym⸗ 
pathiſchen, kräftig und volllfingenden Baß forgfältig ausgebildet - 
und in Neuftrelig jowie in Gothenburg gewirkt hatte, ehe er den 
ehrenvollen Ruf nah Prag erhielt. Mehre Aipiranten auf das 
nad) Eiler’8 Abgang verwatjte Tach waren bereits verunglückt, 
als Siehr am 20. Mai 1865 als Cardinal in der „Jüdin“ de- 
butirte und mit „feines Baſſes Grundgewalt“ entjchieden durchſchlug. 
Sein Plumdett machte dasſelbe Glüd, und mit 1. Juli war fein 
Engagement vollzogen, ein Sarajtro von feltener Güte, ein ſtets 
zuverläfliger Vertreter des erften Baß: Faches gervonnen. Von der 
Dienftwilligkeit und Vielſeitigkeit Siehrs zeugt es, daß er, der 
würdige Cardinal und Oberpriefter („Africanerin"), auch als Graf 
Dscar die Premiere des Offenbach'ſchen Blaubart verherrlichte, 
und das Bedauern war allgemein, als der dem Enjemble jo werth- 
volle Sänger, melcher in Brag ein ganzer Künftler geworden war, 
der Bühne im Frühjahr 1870 wieder verloren ging. Er nahm 
in „Guido und Ginevra“ gleichzeitig mit Krejei und der Prima— 
donna Szegal Abfchied, nahm Engagement in Wiesbaden, wirkte 
1876 als Hagen in den Bayreuther Fejtipielen mit großen Ehren 
mit — eine Leijtuny, der von Richard Wagner das Lob einer 
„Mufterleiftung” zuerkannt wurde — gaſtirte hierauf an den be- 
deutendften deutichen Bühnen und in den vornehmften Eoncertfälen, 
und übertrat nad) einer glänzenden Abfchiedsfeier von Wiesbaden 
als erſter Bafjiit an die Münchener Hofoper. Der König von 
Bayern hat fein Verdienft durch Verleihung der goldenen Ludwigs⸗ 
Medaille geehrt, R. Wagner feine Bedeutung durch die. Zutheilung 
des Surnemanz im „Parfifal” erneuert anerkannt. Wie ſchwer 
es in Prag hielt, einen Sänger von diefem Werthe zu erjegen, 
zeigte eine Reihe von Probegaftfpielen, welche u. U. die Baſſiſten 
Zichler, Reß (einen befonders tüchtigen Sänger von gründlicher mu⸗ 


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ſikaliſcher Schulung), Eichberger nach Prag führten, bis man endlich 
in Joſef Chandon den rechten Mann gefunden zu haben glaubte, 
während Eichberger, ein fehr verwendbarer, darjtellerifch ge- 
wandter Sänger, als „Baflift für Alles” lange Zeit eine fchäß- 
bare Aushilfskraft blieb, der man, jo lange die Stimm-Mittel 
ausreichten, auch einen Mefiſto und ſonſtige erite Partien zumuthen 
fonntee Chandon hatte ſchon im uni 1869 als Cardinal, 
Landgraf und Saraftro debutirt und im Verhältniß zu anderen 
Sandidaten günftige Eindrüde hinterlaſſen; nach einem erneuerten 
Probegaftipiel trat er im Frühjahr ins Engagement und faßte 
almälig Fuß, fo daß man feinen Abgang (legtes Auftreten 
30. März 1873) als Berluft empfand. Wie im Tenor⸗ und 
Baryton-Fach kam auch in diefer Sphäre der Erfag vom Cechiichen 
Zheater: ein junger, ftimmkfräftiger Sänger diefer Tochter-Bühne 
des deutichen LZandestheaters, Wenzel Dobſch, debutirte am 
5. April 1873 als Cardinal und bewährte ſich fofort als berufener 
Tiefbaß. Dobfch hatte eine kurze Sänger-Carriere Hinter ſich. 
Zu Prag (8. Febr. 1846) geboren und durch eine Familienſtiftung 
für .das Gymnafialjtudium und eventuell den geiftlihen Stand 
beitimmt, hatte er bald das Seminar mit der Gefangsichule ver 
taufcht, nahm im Pivoda'ſchen Inſtitut zu Prag Muſikunterricht, 
verjuchte jedoch feiner bedrängten materiellen Lage wegen ſchon 
nad achtmonatlihem Studium auf den Brettern ver Cechifch- 
nationalen Bühne fein Glück. Sein Organ, cin mächtiger, ſonorer 
ZTiefbaß von edler und ſympathiſcher Klangfarbe, machte Aufjehen, 
jeine muftfalifche Begabung erleichterte ihm die Ausbildung und 
nur eine gewiſſe Befangenheit, von welcher er fich felten befreien 
konnte, übte mitunter einen jchädigenden Einfluß auf feinen Vor⸗ 
trag. Im Uebrigen war der neue Baß ein Mujter an Pflichteifer 
Berläßlichkeit und raftlojem Streben — feine edlen Stimm-Mittel, 
eine feinen Rollenfache durchaus entiprechende Erſcheinung und 
verjtändige Darftellung bewährten fich tu zahlreichen Leiſtungen: 
er war Prags erfter Lorenzo in „Romeo und Julie" und Jojakim 
in den „Matfabäern“ und biieb dem Inſtitute noch in weiteren 
Directiong-PBerioden treu. — Bon den übrigen Baffiften der 





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Wirfing’schen Aera regiftriren wie die Hm. Franoſch (1864—5, 
fang u. 9. den Leporello und Falftaff) und Branpftöttner 
(1865—66), die in erfter Linie neben Eilers und Siehr ftanden, 
dann Haeger (1864—66), Dufchenes (1865—67), Roth, 
Rezuy, Kupfer, Weirlbaum und Heſſel (mit Fürzerer 
Wirkſamkeit), endlihb Mader, einen durchaus foliden, yflicht- 
treuen Sänger, der von 1866 bis 1879 in zweiten Baß⸗ und 
Barytonpartien feinen Mann ftellte und auch bei Tirchenmufifa- 
Tifchen Aufführungen mit Erfolg wirkte. Als Baßbuffo war nad) 
dem Abgang Kren’8 der Opernregifjeur Lük eingetreten, ohne 
Kren zu erjegen; er wurde nad) mehren anderen Gajtipielen (e8 
fangen u. U. temporär die Hrn. Roth und Hynek) 1866 von 
dem Buffo Adolf Uttner abgelöft. Der neue Baßbuffo war. 
(1. Dec. 1838) zu Coblenz geboren, urſprünglich zum Maler aus» 
erfehen, 1859 für Heine Baßpartien an das Dresdener Hof- 
theater engagirt und dort von Mitterwurzer zum Sänger gebildet 
worden, worauf er den Bühnen von Hannover, Wiesbaden, Frank⸗ 
furt a. M. und Königsberg angehörte; er debutirte als Mefifto, 
in einer Glanzrolle Kren’s, forderte mit feinem umfangreichen und 
fräftigen Organ, feiner draflifchen, verftändigen Darftellung Achtung 
und erfang fich als Falſtaff fein definitiveg Engagement. Während 
feiner Wirkjamfeit in Prag (bis 1870) machte er fich nicht nur 
der großen und komischen Oper fondern auch der Operette dienftbar; 
er war in Prag der erfte Laörtes in „Mignon“, „cereirte“ aber 
auch den Popolani in „Blaubart“ und den „Bud“ in der „Groß: 
herzogin von Gerolitein”; nach feinem Abgang *) übernahm, wie 
bereitS bemerkt, Eghardt das vacante Fadı. 

Bon den Damen des Opernperjonald war es bei Eintritt 
der neuen Direction vor Allen Frau Rainz-PBraufe, welde 
durch ihr nie verfagendes und vieljeitiges Können dem ſchwan⸗ 
fenden Enjemble zur Stüge wurde; fie war in Wahrheit der 


*) Uttner wirkte nach feinem Abſchied von Prag vier Jahre in 
Mainz, acht Jahre in Zürich und Bafel und ift gegenwärtig als „ſeriöſer 
Baß“ und Regiffenr in Halle a. Saale engagirt. 


— 652 — 


„Atlas der Prager Oper", in dramatischen und Coloratur-Bartien 
fiegreih. Sie fang die Agathe,*) das Gretchen, die Donna Anna, 
Leonore in „Fidelio“ und war bereit, auch als „Coloratur- 
primadonna” einzutreten, wenn es Noth that. Aber ſchon mit 
8. April 1865 ſchied die „Univerfal-Sängerin” unter herzlichen 
Ovationen von Prag, und eine „Uebergangsperiode" trat ei. 
Zunächſt nahm Frl. Therefe Schneider, die im Februar als 
Donna Anna, Norma und Valentine debutirt hatte, den Platz der 
ſchwer Bermißten ein, eine jugendliche, begabte Sängerin, die Auf 
munterung verdiente, zur Tünftlerifchen Höhe ihrer Vorgängerin 
aber noch nicht herangereift war. Neben ihr jollte vom September 
Frl. Freitag, eine Schwefter der ehedem unter Stöger enga- 
girten Sängerin gleichen Namens, wirken, nach einigen Wochen 
jedoch) wurde in einer temperamentvollen und intereflanten Ungarin, 
Frl. Gabriele Szegal, weldhe von Lemberg fam und im No- 
vember als Elvira („Ernani”) fovie Valentine durchſchlagende 
Erfolge errang, der befte Erfah fiir die verlorene Prauſe begrüßt. 
Km Frühling 1866 trat fie als Alice ihr Engagement an und 
belebte manche Oper durch ihre „Ichneidige" Darjtellung, durch 
die Kraft und Fülle ihres Organs. Sie hat die Leonore in 
Abert's „Aftorga”, die Loreley in Bruch's gleichnamiger Oper, 
die Selica in der „Africanerin" für Prag gefchaffen; ihre Fünft- 
ferifche Individualität wies fie vornehmlih auf Partien Hin, in 
denen die Gewalt und Größe ihres Organs, ihr Tebhaftes Tem⸗ 
perament zur Geltung kommen fonnte — für die Darftellung 
poetifcher Idealgeſtalten, wie der Elfa, Elifabeth u. ſ. w. erſchien 
fie zu ungezügelt und geſund. Ws Ginevra in Halevy's neu- 
ftudirter Oper „Guido und Ginevra“ nahm die Primadonna 
nad) vierjähriger Wirkſamkeit 1870 Abſchied von Prag, um ihre 
Carriere weiterzuderfolgen, und wurde von Adele Loewe ab- 


*) ‚Der Freiſchütz“ wurde 1864 in folgender Belegung gegeben: 
Ugathe- Rainz- Praufe, Mar: Bachmann, Kilian⸗Eichenwald, Crbförfter- 
Eilers, Uenuchen- rl. Winkler, Yürft-Hr. Serpentin, Klansner-Herr v. 
Reden, Caspar⸗Franoſch, erite Brautjungfer⸗Frl. Köppe. Diele Enfemble 
verlor fich indeß raſch. 


— 653 — 


gelöft. Schon im Mai 1869, als die blonde, blendend ſchöne 
Sängerin (fie datirte ihr legtes Engagement vom Darmftädter 
Hoftheater, gehörte aber damals der Nürnberger Bühne an) als 
Margarethe, Valentine und Leonore („Fidelio“) gaftirte, wurde 
fie mit gelindem Cnthufiasmus hegrüßt — man bewunderte 
den in allen Negiftern gleihmäßig ausgebildeten Sopran, den 
niemals forcirten, immer natürlichen Vortrag, zahlreiche an die 
Harriers:Wippern und Vitali erinnernde geiftreiche Züge, und dieje 
Bewunderung wiederholte fich, als fie am 6. März des nächften 
Jahres als Elifabeth in „Zannhäufer” in den Verband der Prager 
Bühne trat. Adele Loewe war gewiljermaßen der lebendige Gegen⸗ 
jag ihrer Vorgängerin Szigal; war dieje die Verfürperung der 
„Ihwarzen, feurigen Magyarin”, fo jah man in Jener die be 
rufene Darjtellerin blonder, idealer deutſcher Meädchengeftalten ; 
fie war eine poötifche Elſa und Elifabeth, fie war das erite, 
liebenswürdige Evchen in den „Meifterfingern", und Thomas’ 
„Hamlet“ verdankte ihrer Ophelia in der Hauptjache feinen Er» 
folg. Die überſchwängliche Gunft, welche das Publicum der 
Primadonna zumandte, blieb übrigend nicht ohne nachtheiligen 
Einfluß auf diefelbe; fie entzog dem Nepertoire ihre Mitwirkung 
öfter als gerechtfertigt war, ftrebte eine Löſung ihres Vertrags 
an, um noch höheren Sielen zuzuftreben und überjah die zarte, 
Ihonende Nüdficht, die man um großer Vorzüge willen offenbaren 
Mängeln ihres Organs, das ſich in der Höhe immer weniger dienft- 
willig zeigte, entgegenbrachte. In den legten Monaten ihres Enga- 
gements jchien fie mehr Gaft als ftändige Kraft; am 24. April 1873 
nahm fie auch formell als Recha Abichted, debutirte in der Wiener 
Hofoper, ohne durchzufchlagen, und nahm ſodann Engagement in 
Rotterdam — fie wirkte ſpäter noch an hervorragenden deutfchen 
Dpernbühnen, ohne die Prager Bühne jemals wieder zu betreten. 

- Diesmal war ein mehr als ausreichender Erfag rajch zur 
Stelle. Wenige Tage nach dem Abjchieds-Beneftz der Loewe, 
29. April 1873, debutirte Marie von Mofer, als Gräfin in 
„Figaros Hochzeit”, nahm fofort die volle Aufmerkſamkeit und 
Aller Sympathien für ſich in Anſpruch und entſchied mit ihren 


— 654 — 


weiteren Broberollen (Selica und Senta) den glänzenden Erfolg 
des Gajtipiels, ihr Engagement unter den ebrenvolliten Bedin⸗ 
gungen. Sie ift eine der hervorragenditen Sängerinen geworben, 
welche die Prager Bühne geziert haben; Wenige haben wie fie die 
Liebe und Achtung eines ftreng-wägenden, kalt⸗kritiſchen Publicums 
befefjen wie fie, Wenige eine Popularität in der Moldauftadt 
erreicht wie fie. Marie v. Moſer (1848 in Wien geb.) hatte ihre 
erſte mufifaliiche Ausbildung am Wiener Conjervatorium genojjen, 
war mit fechzehn Jahren bei ihrem Austritt aus der Anftalt mit 
der Medaille prämiirt und alsbald der Bühnenthätigfeit zugeführt 
worden: fie fang in Peſt und Brünn, wurde in dreijährigen 
Engagement ein Liebling der Grazer, wirkte während einer Saiſon 
mit großem Erfolg in Bremen, gaftirte in Holland und an mehren 
deutichen Bühnen, worauf fie dem Rufe Wirfings nach Brag 
folgte. In Bremen batte fie als Eva in den „Meifterfingern“ 
Gnade vor den Augen Richard Wagnerd gefunden, der ihre 
Leiftung durch Worte und Blumen anerfannte — nachmals be 
juchte die Künftlerin den Meifter wiederholt in Bayreuth, er jelbit 
nahm mit ihr die. weiblichen Hauptpartien feiner Werfe durch, 
erklärte fie als eine der berufenften Interpretinen derfelben und 
dachte ihr bei den Feſtſpielen die Sieglinde zu, ein Project, das 
allerdings an der Unmöglichkeit einer längeren Entfernung der 
Sängerin von der Stätte ihres ftändigen Wirkens fcheiterte. Was 
Frau dv. Moſer der Prager Bühne in drei Divectionsperioden 
geleiftet, wird noch betont werben müfjen; eine Weihe neuer 
Dpern dankte ihr in erjter Linie ihren Prager Erfolg; unter 
Wirſing creirte fie die „Wida”, die Gleopatra in Rubinſtein's 
„Makkabäern“, fpäter die „Königin von Saba”, „Carmen, „Des 
rodias”, Helena in „Mefiſto“, bis fie endlih Ortrud, Brünhilde 
und Iſolde wurde. Marie v. Moſer — mit Oberjtlieutenant 
Eduard Ritter von Steinig in glüdlichjter Ehe vermält — ift 
als Frau und Künftlerin feit ihrem Kommen gleich gefchägt umd 
ausgezeichnet worden. Sängerin von grändlicher muſikaliſcher 
Bildung und wahrhaft Fünftlerifchen Sinn, verjchmäht fie jede 
Effecthafcherei, wendet an jede Bartie — ob dankbar oder undank⸗ 


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bar — diejelbe Sorgfalt des Studiums’ und beherrfcht das ganze 
claſſiſche wie moderne Repertoire aller Stylrichtungen; fie ift 
ebenfo Mozart: wie Wagner-Sängerin und verbindet mit künſt⸗ 
lerifchem, empfindungSwarmem und ausdrudsvollem Vortrage ſchau⸗ 
ſpieleriſch intereſſante Auffaſſung und dramatiiche Geftaltungs- 
kraft, jo daß fie Partien aus Einem Guße zu Schaffen und wohl 
jede Leijtung harmonisch durchzuführen vermag. Ihr Organ ift 
allmälig zum umfangreichen Mezzofopran von Kraft und Wohl- 
laut geworden, ihre edle und imponirende Erjcheinung hebt noch 
den Eindrud ihrer künſtleriſchen Darbietungen, durch welche ein 
eigener idealer, fünftleriich vornehmer Zug geht. Zarte poetifche 
Geſtalten wie eine Senta, Elja, Elifabeth, ein Gretchen oder 
Fidelio lagen ihrer Individualität am nächften, doch weiß fie auch 
entgegengejegte Charaktere wie eine Drtrud oder Königin von 
Saba mit dämonischer Gluth zu erfüllen und zu voller Wirkung 
zu bringen. Sie hat in den einzelnen Phaſen ihrer Prager 
Künftlerlaufbahn, zum Theil aber auch in einer und derjelben 
Beriode ihres Wirkens die Elſa und Ortrud, Bertha und Fides, 
Euryanthe und Eglantine, Yida und Amneris, die Valentine und 
Margarethe (Hugenotten), Norma, Selica, Zucrezia, Margarethe 
(Fauft), Saba, Armida, Frau Fluth, Eliſabeth (Tannhäuſer), 
Reha, Senta, Donna Unna, Carmen u. ſ. w. geſungen, ein Re⸗ 
pertoire, das in feiner inneren Verſchiedenheit allein jchon die 
Vieljeitigfeit und das feltene künftlerifche Vermögen der Sängerin 
offenbart, ja jelbft das Nandl im „DVerfprechen hinterm Heerd“ 
lag noch innerhalb der Grenzen diejes außergewöhnlichen Könnens. 
Anh als Koncertfängerin bat Marie v. Mofer Lorbeeren ges 
erntet, und in der beiten Gejellichaft Prags, in den erjten Kreifen 
der Moldauftadt ift fie als Dame und Urheberin künſtleriſcher 
Veranstaltungen fett Jahren gejchägt; ihrer Anregung ijt manches 
wohlthätige Werk zu danken, das in diefen Sphären mit Hilfe 
der Kunſt gefchaffen wurde. 

War im Fache der dramatischen Sängerin nad) anfänglichen 
Schwierigkeiten duch den Gewinn berporragender Kräfte eine 
gewiſſe Stabilität erzielt, fo follten fich die Verhältnijfe auch im 


— 656 -- 


Coloradturfache allmälig ähnlich geftalten. Nach dem Eintritt 
der Mera Wirfing debutirten zunächft die Damen Kropp und 
Gelpke, erft im Sommer aber trat eine Eoloraturfängerin, Frl 
v. Terey, die troß künſtleriſcher Anfängerſchaft mit trefjlichen 
Mitteln und einnehmender Erjcheinung ihr Publicum eroberte, 
thatfächlich ins Engagement. Sie führte fid) als Roſine, Martha, 
Amina ein, wurde auch ein zierliches Zerlindhen in „Don Yuan“, 
verließ jedoch fchon mit 1. Juli 1865 die Prager Bühne, nachdem 
fie als Margarethe noch einen blumenreichen Abjchted genommen 
hatte. Als Nemplagantin war zuerst Frl. Jelinek auserjehen, im 
September aber führte fich die verlorene Jenny Brenner, welde 
im techifchen Theater Triumphe gefeiert Hatte, als Margarethe 
von Valois wieder ein; ihre frühere Bedeutung für die Bühne 
fonnte fie jedoch nicht wiedergewinnen, immer feltener war ſie zu 
hören, viele Partien des Coloraturfachs übergingen an Fräulein 
Huttary, die neue und erfolgreicdye Vertreterin des „jugendlichen“ 
Faches. Am 31. Juli 1869 nahm Kenny Brenner, deren all» 
mäliges „Verſchwinden“ von der Fritif Iebhaft beklagt worden 
war, in einer bewegten Benefizuorftellung Abfchied von Prag. 
Man gab Fragmente aus „Johann von Paris", „Dinorah“ und 
„Lucia“; die Beifallsftürme fchienen nicht enden zu wollen, es 
regnete Kranzipenden, man betrauerte den Abgang einer Sän⸗ 
gerin von feltener künſtleriſcher Vollendung, welche in allen Re: 
giftern bis in die dreigeftrichene Octave gleiche Klangfülle des 
Organs und eine gleich brillante Technik entwidelt hatte — die 
Philine war die legte große Partie, die fte in Prag „ereirt“ hat. Die 
Sängerin, deren Gefundheitsverhältniffe allmälig auf das Prager 
Repertoire fchädigend eingewirkt hatten, ftarb anı 27. Jäner 1878 
zu Hermannftadt im Alter von fünfzig Jahren. Ihr Contract war 
noch in voller Kraft, als Wirfing bereits alle Anftalten traf, das 
Coloraturfach neu zu bejegen. Es gaftirten Frl. v. Terey (nun 
von Hamburg fommend), Frl. Bartelli, eine Schülerin Carrions, 
Pauline Kaftri von der Pariſer italienischen Oper, Natalie 
Haenifch von Dresden, die ald Martha und JIſabella entfchie- 
dene Erfolge hatte, endlich Gabriele Hofrichter von Nürnberg, 





— 657 — 


welche denn auch im Auguft 1869, alfo nach dem Abgange der 
Brenner, als Rofine ihr Engagement antrat; diefelbe Partie war 
aber auch bereit? Ende Juni 1871 ihre Abſchiedsrolle — fie 
ging an das Hamburger Stadttheater und führte fich im September 
desjelben Jahres mit glänzendem Erfolge dort ein. Im Prag 
war die Stuttgarter Hofopernfängerin Camilla Klettiner, die 
bekanntlich in der Prager Muſikwelt ſozuſagen heimatberechtigt 
war und fchon 1865 als Dinorah, Margarethe, Gilda und Su- 
janne mit entfchiedenem Glüd an ihrer Heimatbühne gaftirt hatte, 
als Erjag in Ausficht genommen; fie erichien nun als Traviata 
und nahm durch künſtleriſchen Geſchmack, Routine und vorzügliche 
Methode filr fich ein, vermochte jedoch eine Heftige Indispoſition 
nicht niederzufämpfen und brach deshalb ihr Gaftjpiel ab, worauf 
Frl. Elife Deihmann (von Breslau) als Königin der Nacht, 
Martha, Margarethe v. VBalois und Regimentstochter ihr Glüd 
verfuchte und fand. Ihr helles Organ bewegte fich ficher und 
leicht jelbft in der fehwindelnden Piccolo-Region, das Diapafon 
dieſes Organs wurde geradezu als Specialität "bezeichnet, die 
Mittelage war weniger fonor, die Coloratur noch nicht vollendet, 
die große Jugend der anmuthigen und auch darftelleriich ge- 
wandten Sängerin indeß ließ weitere Fortichritte eriwarten. Eine 
entiprechende Frift zur Entwidelung aber war ihr in Prag nicht 
gegönnt; fchon mit Ende Auguft 1873 befchloß fie ihr künſtleriſches 
Wirken daſelbſt. Die Remplacantin war diesmal glüdlicherweife 
nicht fern. Noch in demfelben Auguſt debutirte Marie Erhart 
vom Dresdener Hoftheater als Gilda und nahm mit ihrem ſym⸗ 
pathifchen, umfangreichen, in allen Wegiftern fororen Sopran, 
ihrer correcten Eoloratur und lebhaften Temperament jofort derart 
für fich ein, daß ihr Engagement noch vor Abjolvirung der übrigen 
Broberollen perfect wurde. Sie trat e8 im Herbft an und blieb 
nun bis 1878 im Berbande der Prager Bühne und im vollen 
Beſitze aller Sympathien; während diefer Jahre hat fie fait alle 
Partien des Eoloraturfahs mit Erfolg gefungen und eine Reihe 
neuer Nollen, u. U. die Julie in „Romeo und Julie“, Javotte 
in „Der König hat's gejagt", Chriftine im „goldenen Kreuz”, 
42 


— 658 — 


"Diana in „Diana von Solange”, Noömi in den „Maffabäern” 
und Sulamith in der „Königin von Saba" für Prag creirt. 
In der Sphäre der Alt: und Mezzofopranpartien waren 
nah dem Abgang der Damen Prochazla und Zawiszanta große 
Lücken auszufüllen. Die erfte Sängerin, die in die Breſche trat, 
war Frl. Hofer; fie löfte nad) wenigen Wochen wegen einer 
Disciplinarftrafe, welche die Bühnenleitung einer Verſäumniß halber 
über fie verhängt hatte, das Engagement, und nach einigen halb 
‚oder ganz verunglidten Debuts anderer Sängerinen trat im 
Herbft Frl. Lang als Altiftin an ihre Stelle, ohne daß damit 
die Serie fonftiger Probegaftfpiele unterbrochen worden wäre: 
man hörte im Winter Frl. Minoll, eine nicht unbegabte An- 
fängerin, im Frühjahr 1865 aber führte fi Mathilde Berehon 
mit der Nancy in „Martha“ als berufene Mezzoſopraniſtin ein 
und trat im Sommer als Fides ihr Engagement an, das jie num 
eine Reihe von Jahren (bis 1873) mit Ehren behaupten jollte. 
Site war trefflich als Ortrud und Frau Reich, Marthe in „Fauſt“, 
Pamela in „Fra Diavolo”, Magdalena in den „Meifterfingern“, 
Fatime in „Oberon”, Elvira in „Don Yuan”, Eboli in „Don 
Carlos”, Gertrud in „Hamlet”, Arfaces in „Semiramis", fie war 
aber auch die erfte Mignon Prags. Neben ihr wirkte von Herbit 
1866 bis 1867 als Altiftin Frau Schmidt⸗Prochazka, welde 
in dem legteren SYahre durch einen frühen Tod der Bühne ent- 
riffen wurde, 1868—9 Frl. Klofat, vom 1. Aug. 1869 ab Frau 
Plodek, eine mufitalifch vorzüglich gebildete Sängerin, zuver- 
läffig in allen Aufgaben, für welche fie herangezogen wurde, pflicht- 
eifrig in den undankbarften fowie Bartien — fie ift noch heute als 
zweite Mezzofopraniftin, komiſche Mutter in Oper und Operette 
auf der Prager Bühne und als Gefangslehrerin am Brager 
Conjervatorium thätig; mehre Sängerinen in hervorragender künſt⸗ 
leriſcher Bofition danken ihr die folide Bajis ihres Könnens. — 
Die Erbichaft der Perechon trat Ende Mai 1873 Frl. Löſcher 
‚von Rotterdam kommend) an; fie abfolvirte als Fidelio und 
Ortrud glüdliche Debuts, verwaltete ihr Fach aber kaum ein Jahr, 
worauf eine SKünftlerin von feltener Kraft und ungewöhnlichen 





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Umfange der ftimmlichen Mittel, Frl. Henriette Burenne, als 
Fides, Ortrud und Nancy ihre befondere Eignung für das vacante. 
Sach erwies und mit 9. Juni 1874 als Maffio Orfint in den 
Berband der Bühne trat. Eine impojante Erſcheinung, ausgerüſtet 
mit einem gewaltigen, markigen Mezzofopran, hat diefe Sängerin 
in zweijährigem Engagement eine Reihe hervorragender Leiftungen 
bewundern lafjen; fie creirte mit befonderem Gelingen die Leah 
in Rubinſtein's „Makkabäern“ und Amneris in „Wida” und 
wurde ſchwer vermißt, als fie. mit Schluß der Wirfing’schen Aera 
von der Prager Bühne fchied.*) 

Eine Reihe freundlicher, zum Theil bedeutender Talente zogen 
in der Sphäre der fogenannten jugendlich:dramatifchen, lyriſchen 
Sängerinen und Operm-Soubretten während der zwölf Jahre 
Wirfing’schen Waltens an dem Prager Publicum vorüber. Mit 
der neuen Direction Tamen die Damen Beitl und Winkler, 
die ſich im nächſten Jahre empfahlen, 1865 wurde in Frl. Flies 
eine vielverwendbare Kraft gewonnen, die man als Azucena, 
Gretchen, Gräfin in „Yigaro” aber auch als die erjte „schöne 
Helena” bei der Bremiere der Offenbach’schen Operette in Prag 
jowie als erjte „Galathea“ Jah — fie fchied ſchon ein Jahr fpäter 
von der Stätte eines fo vieljeitigen Wirkens. Neu:-Engagements 
waren umjomehr geboten, als nun dem deutfchen Theater nicht 
mehr wie ehedem Kräfte der Cechifchen Oper zu Gebote ftanden; 
die legte hervorragende „gemeinfame” Opernkraft war Fıl, v. 
Ehrenberg gemejen. So begrüßte man es denn als erfreuliches 
Ereigniß, als am 13. April 1866 ein neues Gretchen, Frl. Carla 
Huttary, mit vollem Erfolge debutirte. Die Sängerin nahm 


*) Henriette Luiſe Johanna Burenne recte Burhenne, geb, au Kajlel, 
war fchon in den 60er Jahren in einem Prager Eonfervatoriums-Goncert 
mit Erfolg aufgetreten, gaftirte nad) ihrem Abgang von der Prager Bühne 
(1876) an ber Wiener Hofoper, nahm ein Engagement am Hamburger 
Stabttheater an, das fie aber verließ, um fih mit Hrn. Heuſer, Geſchäfts⸗ 
leiter ber Firma Waldek & Wagner, zu vermälen. Ein Puerperalfieber 
raffte fie am 21. Nov. 1878 dahin, nachdem fie einem Knaben das Leben 
gegeben hatte. 

42? 


durch eine äußerft vortheilhafte Bühnenerjheinung, ein angenehmes 
Organ, trefflihe Methode und temperamentvolle, intereflante Dar: 
ftellung für fich ein, erfang ſich mit jeder Partie mehr die Gunſt 
des Publicums, jo dab ihr Engagement Thatfache wurde umd 
ſogar in den Kriegsmonaten des Jahres die Aufmerkſamkeit der 
Prager feflelte. Als Page in den „Hugenotten”, Berline in „Don 
Juan“ And „Fra Diavolo*, Roje Friquet im „Glödchen des 
Eremiten”, Angioletta in „Aftorga” feierte fie Triumphe, und 
das Bedauern war groß, als fie im Sommer 1867 eine Ehe 
einging und als „rau Bollaf-Huttary“ ihr Engagement zu 
löſen ſuchte. Vorläufig fang die Neuvermälte weiter und blieb 
mit mehren kürzeren Unterbrechungen bis 1869 an der deutjchen 
Bühne thätig — im Cechiichen Theater wurde fie nachmals ebenjo 
gefeiert als im deutfchen, wo man fie 1874 in einer Benefiz- 
vorftellung Eghardts noch einmal hörte. Sie bat u. U. Flotow’s 
„Zilda“, die Sophie in Käßmeyer's „Landhaus von Mendon“, die 
Angioletta im „Aftorga”, den Bagen Oscar in Berdi’3 „Masten- 
ball" in Prag eingeführt. — Außer diefer Sängerin, deren 
Mitwirtung jeder Oper eine freundliche Aufnahme gewiſſer⸗ 
maßen verbürgte, ſah man in der „jugendlichen” Sphäre Fri. 
Zeonoff, die fih als Siebel und Marzelline („Fidelio“) 1866 
dem Enjemble einführte und im nächften Jahre von dannen ging, 
Frl. Panocha, die Tochter eines im Prager Confervatorium 
gebildeten Horniften und Mitglieds der Stuttgarter Hofcapelle, 
welche fchon 1865 ale Marie in „Ezar und Zimmermann" de 
butirt hatte, aber erit 1867 in den Bühnenverband trat, eime 
Iympathifche Kraft für Oper und Operette (bis 1871), die Frls. 
Lauterbach und Lauffer (nahmals Gattin des Schaufpielers 
und Oberregiſſeurs Oberländer), welch Iegtere im December 1867 
als Margarethe und Eherubin mit Erfolg debutirte und durch 
Anmuth der Erjcheinung jowie durch Liebenswilrdigfeit der Stimm: 
Mittel für fih einnahm — fie blieben beide, mit Aufgaben, die 
zum Xheil weit über ihre ftricte Wirkungsſphäre Hinausreichten, 
überbürdet, nur ein Jahr (1868-69) Mitglieder der Prager 
Bühne, worauf Bertha von Dillner, eine Sängerin von jeltener 








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Begabung und künftleriicher Diftinction, mit dem Aennchen im 
Freiſchütz (Mai 1869) ihre an Ehren und Verdienſten reiche 
Prager Wirkſamkeit inaugurirte. Wit ihr war der voll verthige 
Erjag fir die verlorene Huttary gewonnen. Als Elevin an der 
Wiener Opernjchule Hatte Bertha v. Dillner ihre theatralifche 
Laufbahn eröffnet, in Köln ihre eriten Triumphe gefeiert, in Prag 
reifte fie zur ganzen - Künftlerin. Schon ihr zweites Debut als 
Martda brachte ihr einen entichiedenen Sieg; man rühmte die 
Schönheit ihres in allen Lagen gleihmäßig ausgebildeten, klang⸗ 
reihen Organs, die treffliche Schule, die ſympathiſche Erjcheinung 
und Darftellung. Ebenſo erfolgreich war ihre Gabriele im „Nacht: 
lager", im Juli aber trat fie jchon als Urbain ihr Engagement 
an. Sie hat ſich während desjelben ein Nepertoire gejchaffen, das 
Partien des jugendlich-dramatifchen und Eoloratur-Fachs umfaßte 
und das vieljeitige Können der Sängerin am beiten illuftrirte. Die 
große Oper und die Converſations⸗Oper gewannen in gleichem 
Maße durdy ihre Mitwirkung; wir hören fie als Frau Flut) und 
Adalgiſa, Arline und Gretchen, Zigaretta (in Flotow’s „Indra“) 
und Angioletta, Bertha („PBrophet”), Hennchen und Agathe im „Frei⸗ 
ſchütz“, Perdita, Alice („Robert”), Mignon, Zilda, Madeleine 
(„Poſtillon“), Vineta (von Skraup), Wegimentstochter, Carlo 
Broschi, Leonore in „Strabella”, Raphael in Offenbach's „Prin- 
zeffin von Trapezunt“ — einer ihrer größten Prager Zriumphe 
war ihre eigenartig feſſelnde Mignon; mit diefer Nolle nahm fie 
auh am 30. December 1872 unter lebhaften und vielfachen Ova- 
tionen Abjchied von Prag, um ihre durch ein glückliches Probe- 
gaftipiel eroberte neue Pofition an der Wiener Hofoper einzu- 
nehmen, in welcher fie nun, eine in wechlelnden Rollenkreiſen 
bewährte, nie verjfagende Kraft, zwölf Jahre mit künſtleriſchen 
Ehren beharrte, um fich ſodann wegen hochgrabiger Nervofität 
in den Ruheſtand zurüdzuziehen. Mit dem Wiener Publiciften 
Friedrich Schütz, deſſen Prager Erfolge als Bühnendichter in 
diefen Blättern regiftrirt wurden, vermält, lebt heute Bertha 
Schütz⸗Dillner als Benfionärin und Ehrenmitglied der Wiener 
Hofoper in glüdlichfter Häuglichkeit zu Währing bei Wien. 


— 662 — 


Selten vielleicht war jo viel Jugendreiz, eine ſolche Fülle 
boffnungsvoller, anmutbhiger Talente im Opern-Enjemble ver: 
einigt, als in den lebten Jahren Wirfing’scher Wera. Neben 
Frl. v. Dillner wirkte feit 1871 bis 1873 da Jaeger, eine 
Sängerin von ſympathiſchen Mitteln und beftechender Erfcheinung, 
gern gefehen und gehört im Rollenkreiſe der jugendlichen Sänge- 
rinen (Urbain, Gemmy u. |. w.) wie in der Operette, nachmals 
eine beliebte Kraft der Wiener Operette und noch fpäter vermälte 
Fürstin Sulkowski; 1873—4 trat Frl. Marie Schrötter al 
Erjab für die verlorene Dilfner ein, während Frl. Marie Kayfer 
die ebenfalls betrauerte Jaeger ablöfte und nunmehr bis zum 
Schluß der Direction der Oper und Operette (Clairette Ungot, 
Gräfin Falconi, Pedro in Girofle, Orlowski in „Fledermaus“, 
Thereje im „goldenen Kreuz") ihr freundliches Talent widmete. 
Frl. Schrötter wurde durch Marie Schmidt (die Tochter der 
in Prag unvergefjenen Sängerin Kellberg) erjebt, eine ebenjo 
anmuthige als ftimmbegabte und wohlgejchulte Sängerin, die ſich 
im September 1874 als Aennchen, Cherubin und Urbain einführte, 
als Mignon gejanglic) und darjtellerifch überrafchte und auch in 
der Operette (als Adele in der „Fledermaus“ u. |. mw.) ihre Mit- 
wirfung nicht verfagte — fie blieb bis zu Ende der Wirjing’schen 
Direcetion auf ihrem Plage und ftand auf der wirklichen Verluft- 
fiite des fcheidenden Perſonals. — Soll unfere Mufterung der 
Dperntruppen, die binnen zwölf Jahren unter Wirfing in wechfeln- 
dem Beitande manchen guten Kampf kämpften, vollftändig fein, jo 
müſſen wir noch jener Kräfte gedenken, die in zweiter Linie fochten, 
darum aber im Enfemble nicht Überjehen wurden. Fr. Hallenftein- 
Haflel, deren Tiebenswürdiges Soubretten-Zalent im Schaufpiel 
und Oper gleich genüßt wurde, hat bereits bei der Revue des 
Schaufpiels die verdiente Beachtung gefunden; fie zierte die Pre⸗ 
miere des Offenbach’ihen Orpheus als Venus, die Helena-Pre- 
miere als Dreftes, wuchs in „Blaubart" zur Clementine empor 
und fchied mit ihrem Gatten 1870 von Prag. Neben ihr jang 
1864—5 Fıl. Köppe (nahmals Frau Schwertafjet) den Pylades 
und andere Partien zweiter Kategorie, denen der Reiz einer jugend- 











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friichen Erfcheinung zu Statten fam. Lili Lehmann beichritt, 
den Kinderſchuhen kaum entwachten, unter den Augen der Mutter, 
1866—68 fchüchtern und doch jchon fiegreich durd) die beſtrickende 
Anmuth ihres Wefens, durch den ſympathiſchen Charakter ihrer 
in der Entfaltung begriffenen Mittel, die fünftlerifche Laufbahn; 
auch fie bemunderte man als Venus in „Orfeus" und in Rollen 
ähnlichen Umfangs, welche die nachmalg berühmte Violetta, Carmen 
und Fluth allerdings kaum vorahnen ließen und doch jchon Vieler 
Augen auf die Novize zogen. "Flüchtig erjchien in zweiten Partien 
Fl. Rückauf, und auch Frl. Fries machte nach wie vor ihre 
darjtellerifche und geſangliche Routine der Oper ebenfo dienjtbar 
wie dem Schaufpiel. 

Die Reihe der Local⸗, Vaudeville- und Operetten-Sängerinen. 
in diefer zmölfjährigen Periode ift befannt; fie fommen bier vor» 
nehmlich im Hinblid auf das Operetten-Repertoire in Betracht, 
für welches überdies, wie wir gejehen haben, auch erſte Opern- 
träfte und namentlich die Sängerinen des jugendlichen Fachs von 
der Oper herangezogen wurden. Die Eurydike, Helene und Ga- 
lathee haben Opernjängerinen „creirt”, in „Orfeus“ ſah man die 
Soubrette Frl. Grün als Juno; erſt allmälig traten die Sou⸗ 
bretten in den erjten Gejangspartien der Operette in den Vorder- 
grund: Frl. v. Kaler wurde die erſte Boulotte und Großherzogin, 
Joſefine Bagay die erfte Regine („Trapezunt”), Irma Nittinger 
„ereirte” Offenbach's „Fantaſio“ und den Gafton in Brandl’s 
„Des Löwen Erwachen”, Frl. Frühling die Lange in „Angot”, 
Minna Schent-Ullmeyer die Javotte, Girofle-Girofla, Schön- 
töschen u. |. w. und war auch als Papagena in der „Yauber: 
flöte“ eine belebende Erjcheinung in der Oper. 

Un der Spitze des Ballets, das feit Jahren einen integriren- 
den Beftandtheil des Opernftatus bildete, zumal e8 fich zu felbft- 
fländigen Leiftungen nicht emporjchwang, ftanden 1864—1876 in 
Hronologifcher Folge Balletmeifter Alerander Baul (ber Nach⸗ 
folger Reiſingers), die Balletmeifterinen Frl. Kneiſel, Frau 
Kilanyi (186669) und Frl. Belke (feit 21. März 1869); 
als Solotänzerinen fah man die Damen Debelberger, Rudolf, 


— 664 — 


Rehwald (1865—71), Swoboda, Melzer, Schönwald, v. Dahlern, 
Roſſi (11872 —76) und Paſta. In der legten Opernjaifon Wirfing’s, 
in welcher das Enfemble vorzüglich conjolidirt und zu gediegenen 
Leiſtungen befähigt erſchien, notirte der Theateralmanach folgenden 
Status: 
ni Capellm. Lubw. Slandin,2. een I Chorbir. I.N. Stranp, 
Orch.⸗Dir. Poznansky, 2. Orh.-Dir. Gl. — —— Caſſio, 
obieh Eichberger, Eghardt, Hajos, An aber, Sche 
erinen: Fris. Burenne, Erbart, Kayſer, Schmidt, frauen: v. Mofer, 
Binde — Chor: Herren: Baper, Boreih, Böhn*, Dworak 1, und 2, 
Hartig*, — Dora”, Jäger, Mattonfärl, Miekler*, 
etaf®, Scherzl, Samir, € tinand, Tichörner, Vecko, Weiß“, Weiß 
ach, Wefeba Fieng — Damen: Bauer, Grauert, Sanfte Aug. 
und Marie, ‚ Hlamat, Anebel, —— Marie und ilhelm, 
Male”, Mie ler, etradet, ——5 oſlak, Potuſchnik, Roſenbach, Stiadny*, 
Stubeny, ianeber, Swoboda, hum, Welleba, Wildner Joſef und 
Thereſe.) — Oxheſter Binnen, Bob Binlinen: Hm. Poznansky, Schulz, 
Stiebal, Chrs, — Iumer, & ohout, Mathy, Webral, Bauer, Shüs, 
Möckl, Urban, ‚goberer, Mattas, Müller ; Brat| chiſten Sicher, Scöninger, 
Schmeinoha, ichter, Hruby, Tauſch; Ceiimen: Wilfert. Wihan, 
Contrabaſſiſten: Witek, Drechöler, Nemec, Cerny; Ylötiften: ale 
Bifechg; 2 Oboiften: Prof. König, Ludwik; Glarinettiften Brof. Bila: 
Fr Bohal; Fagottiſten: Cerha, Atieul; Horniften: Janatka, 
Mathy Lutw., Pelaref, Hlawfa; Trompeter: Dolensky, Trojan; Bo: 
—A ——— alot, „arichter, Bettina; Bauten und Trommel: 
laba, gar enip.: tanel. — Ballet: 
letmeifteri —— alletdir. Stiebel, Aalletinfpic. Suiſchek, 
Solotänzerinen Roſſi und Paſta, Ballet⸗ Fri s. Fundulus, Lau. 
Muſſik 1. und 2., Pavlik, Rehwald, Rensky, Richter, NAuzet, Stark. 


* * 
% 


Das muſikaliſche Verſtändniß, der Fünftleriihe Sinn und 
energiiche Wille Wirfing’s bürgten dafür, daß fich fein Opern 
Nepertoire auf der Höhe der Zeit erhalten und niemals unter 
das Niveau des althergebrachten Prager Kunſt-⸗Standpunkts herab» 
finfen würde. Beitweilige Schwankungen und Mißerfolge waren 
zumeift die Conſequenzen einer unglüdlichen Conjtellation der 
Perfonalverhältniffe, die zum Glück nie damerhaft blieb, So 
mußte fih Wirfing 1865 eine Rüge der Intendanz wegen einer 
„Figaro“-Vorſtellung gefallen Iaffen, die den künſtleriſchen Tradi⸗ 


*) Die mit * Bezeichneten wurden auch in Heineren Schaufpiel- und 
Geſangspartien verwendet. 








— 665 — 


tionen Prags nicht entipradd — ja fogar die “Drohung einer 
Subventionsentziehung blieb nicht aus und hatte zur heilfamen 
Folge, daß ſich die Anjtrengungen der Bühnenleitung, Beſſerung 
zu Schaffen, fteigerten. Im Ganzen blieb das Prager Theater 
unter diefer Leitung feinem berechtigten oder „modernen Compo⸗ 
niſten verjchloffen. In der zwölfjährigen Amtsperiode Wirjing’s 
famen 100 verjchiedene Opern auf die Prager Bühne; davon 
entfielen je acht auf Berdi und Donizetti, fieben auf Auber, je 
fünf auf Flotow, Mederbeer und Wagner, je vier auf Mozart 
und Lorging, je drei auf Halevy und Weber, je zweit auf Adam, 
Abert, Boieldieu, Bellini, Maillart, Gounod, Marſchner, Roffini, 
Thomas, Spontini und den Herzog Ernſt zu Sachfen-Coburg, 
je eine auf Beethoven, Delibes, Barbieri, Bazin, Kreuger, Ni- 
tolai, Kittl, Cherubini, Glud, Mehul, Aubinftein, Spohr, Genke, 
Sünthner, Bruch, J. N. Skraup, Käßmeyer, Sulzer, Weſtmeyer, 
Brüll. Beſondere Begünſtigung erfuhren deutſche Meiſter, deren 
Werke nad) Geltung rangen, ja beinahe zu viel der koſtbaren 
fünftleriichen Arbeit wurde auf Verſuche verfchwendet, die einen 
dauernden Gewinn nicht verjprachen. Die erften Novitäten, mit 
denen Wirfing debutirte, waren 1864 „LZara” von Maillart, 1865 
„Perdita“, (Text nad) Shafefpeare’s „Wintermärchen“ von Capell⸗ 
meifter Barbieri (geb. 1824 in Genua, F 1867 in Belt) und 
„Johanna von Neapel” von Sul. Sulzer, Werte von muſikaliſchem 
Intereſſe, jejjelnd durch manche Schönheit aber ohne nachhaltige 
Wirkung, denen jid) „Die drei Näthjel” oder „Der Vogt von Canter⸗ 
bury“, eine komiſch⸗ romantiſche Oper von Herther, einem Leipziger 
Mujil-Dilettanten, anreihten. 1866 kam zunächſt die Oper eines 
der Kunſt mit voller Begeifterung ergebenen hochgeborenen Meiſters, 
„Santa Chiara”, von „E. 9. 3. S.“, unter welcher Chiffre ſich 
der regierende Herzog zu Sachſen-Coburg-Gotha verbarg, 
zur Aufführung umd zeugte von der gründlichen muſikaliſchen Bil- 
dung und dem feinen Geſchmack des herzoglichen Autors, deſſen 
Partitur die Achtung des Muſikers forderte; ftärferen Eindrud 
machte neun Jahre Später desielben Componiſten Oper „Diana 
von Solange”, die in würdiger Vorbereitung und Belegung (mit 


— 666 — 


den Damen Mofer und Erhart und Hrn. Hajos) auf die Bühne ge- 
bracht wurde. Im Auguſt 1866 famen Verdi's „Mastenball",*) 
Maillart's „Slödchen des Eremiten" **) und Abert’s „Aftorga'***) 
— eine Dper, die jowohl durch die Verfünlichkeit des aus dem 
Prager Conjervatorium hervorgewachfenen Componiften als durch 
die mit der Prager Localgefchichte verwebte Gefchichte Aftorga’s 
das befondere Intereſſe diefer Bühne forderte und eine dauernde 
Stellung im Repertoire erlangte — auf die Bretter; das Jahr 1867 
brachte Mar Bruch's „Loreley (Text von Geibel), Bazin’s 
komiſche Oper „Die Reife nad) China”, Flotow’s „Zilda”, „Das 
Landhaus von Meudon” von Käßmener, „Der Wald bei Her- 
mannftadt” von Weſtmeyer, den inacter „Die erjte alte” von 
Leſchetitzky und endlich eine feit Yahr und Zag mit Spannung 
erwartete Neuigkeit: Meyerbeer's „Africanerin"”. Schon am 
4. Dec. 1865 hatte eine erlefene Gefellichaft von Mufiffreunden 
im Schlik'ſchen Palais im Salon der ald Sängerin unvergefjenen 
Frau Prof. Zuife Bilz-Bergauer — damals der thätigften 
Kunftfreundin Prags — bei Clavierbegleitung „Die Africanerin" 
gehört, wobei Lukes den Basco, die Hausfrau die Selica fang; 
am 8. Mai 1867 brachte die Bühne felbft diefe Novität, von der 
die Parifer Chronif Yabelhaftes berichtet hatte. Die Befegungt) 
war dem Erfolge günjtig, die Aufführung ſelbſt währte 4'/, Stunden, 
die großartige Wusjtattung und Inſcenirung — ein ähnliches 
Menjchenaufgebot war auf der Prager Bühne wohl faum nod 
dagewejen — rechtfertigte die Preis-Erhöhung; das Publicum war 
befriedigt und dankte den Soliften, dem Capellmeijter, Orchefter 


*) Richard-Vecko, Rene-Egbardt, Amelia-Szegal, Ulrica-Berechon’ 
Oscar⸗Huttary, Silvan=Haffel, Samuel-Siehr. 
*r) Thibaut⸗Eichenwald, Georgette⸗Frl. Leonoff, Belamy-üttner, Sul: 
van⸗Zinkernagel, Roſe Friquet-Huttary, Prediger-Siehr. 
***) Herzog⸗Siehr, Eleonore⸗Szegal, Carlos-Eghardt, Aſtorga⸗Vecko, 
Angioletta⸗Huttary, Lauriftau⸗Uttner. 
+) Don Pedro⸗Brandſtottner, Diego⸗Uttner, Ines⸗Breuner, Vasco⸗ 
Vecko, Alpar⸗Geiſt, Nelusco⸗Eghardt, Selica⸗Szegal, Oberprieſter-Siehr, 
UAnna:Frl. Lehmann. 





— 667 — 


amd Mafchinenmeifter (Barrot) in gleich ftürmifcher Weiſe; jogar 
ein Statijten-Strife hatte überwunden werden müſſen, ehe bie 
Oper Ereigniß murde, nun aber bildete fie eine der verläßlichiten 
Mepertoires Opern, die jogar durch eine Doppel-Bejegung jederzeit 
„gangbar" erhalten werben mußte. 


Die Opernereigniffe des Jahres 1868 Tonnten den Effect 
der „Africanerin“ nicht überbieten. Man hörte Jaffé's „KRäthchen 
von Heilbronn”, die Doppelarbeit Flotow's und Genée's „Am 
Runenſtein“ (13. April), welche die vereinten Librettiſten und 
Componiſten perfünlich unter ſtürmiſchen Ovationen aus der Taufe 
hoben, und die neuftudirten Franzoſen vor Nizza” von Fittl, der 
in demjelben Jahre die Augen ſchloß; im nächiten Jahre war 
„Mignon"*) von Ambroife Thomas (19. Jäner) die einzige 
große That der Opernleitung, 1870 kam „Bineta” von Johann 
Skraup unter des heimischen Componiſten perjönlicher Zeitung und 
Verdi's „Don Carlos"**) zur Aufführung, am 26. April 1871 
aber hörte man ein Werk, dem Prag mit regem Intereſſe und 
einer gewillen Spannung entgegengejehen hatte, Richard Wagner’s 
„Meifterfinger”, inderen Ynterpretation fich das Können der 
Wirſing'ſchen Oper in überzeugender Weije erproben ſollte. Es 
war ein feftlicher, bewegter Abend, fein Plägchen im Haufe un- 
befet, der mufitaliiche Leiter Slansky, Sänger, Dariteller***) 
und Muſiker — Alles war mit voller Kraft zur Stelle, und die- 
jelbe Empfänglichfeit, welche Prag den Werfen Wagner’s feit 
zwei “Jahrzehnten entgegengebracht hatten, fehlte auch diesmal nicht. 
Der Director, Capellmeifter und die Nepräjentanten der maß- 
gebenden Partien hatten den Danf des Publicums wiederholt zu 


*) Wilhelm Meifter-Becko, Lothario-Egharbt, Raertes-Uttner, Friebrich- 
Polenz, Jarno-Siehr, Antonio-Maber, Mignon-Berechon, Bhiline-Brenner. 
**) Bhilipp-Chandon, Carlos-Vecko, Poſa-Schebeſta, Großingutifitor- 
Eghardt, Eliſabeth-Loewe, Page⸗Panocha.. 
*e*) Hans Sachs⸗Schebeſta, Pogner⸗Chandon, Vogelſang⸗Polenz, Nachti⸗ 
gal⸗Mader, Beckmeſſer⸗Eghardt, Kothner⸗Eichberger, Stolzing⸗Vecko, David⸗ 
Hartmann, Eva⸗-Loewe, Magdalene⸗Perechon. 


— 668 -- 


quittiren.*) Auf den Lorbeeren diefer großen Neuigfeit rubte die 
Prager Oper bis zum 4. Jäner 1872, welcher eine neue Gabe von 
dem erfolgreichen Schöpfer der „Mignon“, Thomas’ „Hamlet“ **) 
brachte, welchem am 11. Sept. 1873 Gounod's „Romeo und Julie“ 
im Novitäten-Repertoire folgte.***) Die legten Thaten der Wirfing- 
fhen Oper waren Rubinſtein's Makkabäer“ (10. Oct. 1875), 
Verdis „Wida” (11. Dec. 1875 mit Fr. v. Mofer als Wida, 
Frl. Burenne als Amneris, Hajos als Rhadames und Schebefta 
als Amonasro), „Enzio von Hohenſtaufen“, eine Abert'ſche Oper, 
deren Erfolg jenen von „Aftorga” keineswegs erreichte, und endlich) 
„Das goldene Kreuz”, das den begabten Brüll glücklich auf der 
Bühne einführte. | 


“Außer der Oper war gerade in den Regenten⸗Jahren Wirfing’s 

die Operette zu einen wejentlichen, wenn auch nicht eben werth- 

| vollen Beftandtheil bes mufitalifchen Bühnenrepertoires geworden. 
Offenbach, der ſchon in der Hera Thome auch in Prag einen 
lärmenden Einzug gehalten Hatte, trat nun „allmächtig“ auf, aber 
ichon reisten neben ihm aud) begabte franzöfifche und dfterreichifche 
Talente wie Jonas, Lecocg, Suppe, Johann Strauß empor. Der 
Geihmad des Publicums widerjtrebte den neuen Erjcheinungen 
nicht, und Wirfing, defien Sympatbhien der neuen Specialität 
durchaus nicht gehörten, mußte demfelben, durch das Caſſa⸗In⸗ 


*) 1877 Magten bie Herren C. Bolt in Wiesbaden und Bas in 
Leipzig als „Rechtsnachfolger Ric. Wagner's“ Director Wirfing „wegen 
der unbefugten Aufführung der Opern „Tauubäufer” und „Lohengrin“ im 
ber Seit vom 10. Febr. 1871 bid 30. Nov. 1874 und forderten 30.000 fl. 
Entibädigung nebft 6 p&t. Saumfalszinfen, ſowie Erja der Procekloften. 
Die Kläger, welche ſich auf die Angabe ftüsten, jene Opern feien von W. 
für die Prager Bühne nicht ordnungsmäßig erworben worden, wurden mit 
Urteil des Prager Landesgericht? abgewielen und in die Koſten verurtbeilt. 

**) SHamlet-Schebefta, Clandius⸗Chandon, Geift-Eichberger, Polonius⸗ 
Kinsky, Laertes-Vecko, Marcello-Polenz, Horatio-Mader, Todtengräber⸗ 
Eghardt u. Petak, Gertrude⸗Perechon, Ophelia⸗Loewe. 

4%), Capulet⸗Eghardt, Inlie⸗Erhart, Gertrude⸗Plodek, Tybalt⸗Vecko, 
Paris⸗Mader, Stefano⸗-Frl. Kayſer, Gregorio-Eichberger, Lorenzo⸗Dobſch. 





— 669 — 


tereſſe gedrängt, Rechnung tragen; ja er mußte ſogar allmälig 

darauf bedacht fein, der Operette, die er großentheils durch ſeriöſe 
Opernträfte befeßen ließ, ein entfprechenderes, mehr oder weniger 
jelbftändiges Enjemble zu fchaffen. Offenbach, der „Vater“ der 
modernen Operette, ftellte fich in diefen Jahren mit der „jchünen 
Helena”, den „schönen Weibern von Georgien", „Blaubart“, der 
„Sroßherzogin von Gerolftein”,*) „Parifer Leben” (mit der 
Gallmeyer als Gabriele), „PBerichole” (mit Friederite Swoboda- 
Fiſcher und Albin Smwoboda), „Zoto”, „Kakadu“, „Prinzeſſin 
von Zrapezunt”,**) „Yantafio" und „Schönrdschen” ein; außer- 
dem hörte man von anderen Eomponiften Eilers „Des Spiel- 
manns Lied", einen Einacter (Xert von Oberländer),’ der mohl 
nur bedingungswetje der Operette zugezählt werden Tann, „Mann⸗ 
ſchaft an Bord” von Zaih (November 1865), „Der geheimniß- 
volle Dudeljad" und „Morilla” von Hopp, „Die ſchöne Galathee“ 
und „Die Yrau Meifterin” von Suppe (1866 und 1871), „Des 
Löwen Erwachen" von Brandl (Nov. 1872), „Die Ente mit drei 
Schnäbeln”, „Soldchignon” und „Javotte“ von Jonas, „Angot“, 
„Girofle“ und „Hundert Jungfrauen“ von Lerocg,***) „Carneval 


») Die jhöne Helena” 17. April 1865: Paris-Bernard, Menelaus- 
Beringer, Helena⸗Flies, Agamemnon⸗Eichenwald, Klytemnäftra Rohrbed, 
Dreſt⸗Fr. Hallenftein, Pylades⸗Frl. Köppe, Calchas-Lück, Achilles⸗Häger, 
Ajar⸗Siege u. A. Walter, Bachis⸗-⸗Lamfefsky; — „Blaubart“ 16. Oct. 1867: 
Bobeche-Beringer, Clementine Hallenſtein, Hermia⸗Panocha, Saphir-Geiſt, 
Oscar⸗Siehr, Alvarez-Siege, Blaubart⸗Eichenwald, Boulotte-Kaler, Popo⸗ 
lani⸗ Uttner; — „Großherzogin von Gerolſtein“ Dec. 1867: Irene⸗ 
Kaler, Ida⸗Hallenſtein, Panl⸗Beringer, Bud-Uttner, Bumbum-Haſſel, Ne- 
pomut⸗Grauert, Frig-Eichenwald, Wanda⸗Panocha. 


*c) Trapezunt“ 15. Mai 1871: Caſimir-Haſſel, Raphael-Dillner, 
Sparabrap-Beringer, Cabriolo-Eichenwald, Zanetta-Panocha, Regina⸗ 
Pagay, Paola⸗Fries, Tremolini⸗Polenz. 

*) Angot“ 21. Febr. 1874: Clairette-Kayſer, Lange- Frühling, Pom⸗ 
ponnet⸗ Eichenwald, Ange Pitou⸗Caſſio, Larivandidre-Haflel, Trenig-Be- 
ringer, Louchard-⸗Lunzer, Amaranthe⸗Pofinger. — „Girofle“ Mai 1875: 
Girofle⸗Giroflaͤ⸗ Ullmeyer, Bolero⸗Hafſel, Marasquin⸗Caſſio, Pedro⸗Kauſer, 
Aurora⸗Poſinger. 


—- 670 — 


in Rom" und „Fledermaus“ von Johann Strauß,*) — alfo 
ziemlich alle bemerfenswerthen Werke des neuen Genres, das nun 
einen übergroßen Percentſatz der Nepertoire-Stüde für fich mit 
Beichlag belegte. 

Die Gäſte der zwölfjährigen Aera Wirfing bringen ung jo 
ziemlich alle Namen von Bedeutung aus der deutichen Opernwelt 
in Erinnerung. Man ſah und hörte Tichatſchek, Schnorr von 
Carolöfeld, Steger, Emilio Naudin, Fekter, die Duſtmann⸗Meyer, 
Ferenczy, Zelia Trebelli mit Bettini, Piſchek (der eine Zeitlang 
mit Wirfing wegen Uebernahme der Opernregie unterhandelte), 
Dr. Schmidt,**) Ylma v. Murska, Philippine v. Edelsberg, Marie 
Geiftinger (u. U. als Roſe Friquet, Helena, Eurydike), Wachtel, 
Carrion, Frl. Zremel, Scaria, Sontheim, Beh, das Ehepaar 
Swoboda, Marie Wilt, Bertha Ehnn, Erneftine Gindele, Mathilde 
Mallinger, Nachbaur, Frau Dr. Schmidt-Zimmermann, Marianne 
Brandt, Georg Müller, Hermine Meyerhoff, Amalie Friedrich⸗ 
Materna, Mila Rupfer-Berger, Carlotta Grofii, Leonhard Labatt, 
Minnie Haud u. U. 


% * 
* 


Der künftlerifche Inhalt der zwölfjährigen Periode Wirfing’ 
ſcher Bühnenleitung ift in den vorftehenden Skizzen erfchöpft; 
es erübrigt nody ein Blid auf den materiellen Qebensgang der 
Dirvection, die jih im Frühjahr 1876 ihrem Ende zuneigte. Die 
Steigerung der künſtleriſchen Anforderungen und der pecuniären 
Ausgaben, welche jeit Jahrzehnten in den Büchern der Prager 
Theaterdirectoren conftatirt worden waren, dauerte begreiflicher- 
weile in diefer Periode fort. Schon 1865 legte Wirfing ſeufzend 
der Intendanz folgende Ziffern vor: 

Sahreserforderniß: Sagen: 75.154 fl. 8 kr., Spielhonorare 13.531fl. 
41 Er, Chorperfonale 15.158 fl. 28 kr., Ballet 11.823 fl. 96 kr., Orchefter 


*) „Fledermaus“ 21. Nov. 1875: Rofalinde-Ullmeger, Frank⸗ 
Eichenwald, Adele-Schmidt, Orlowski⸗Kayſer, Alfreb-Hartmann, Gabrid 
Eijenftein-Caffio, Blind-Zunzer, Froſch⸗Beringer. 

**) Geſtorben 25. April 1873 in Wien. 


— 671 — 


19.596 fl., Beamte 13.420 fl. 8 &c., Diener 9719 fl. 88 kr., auf. 158.408 fl. 69 fr. 
— dazu Tageskoften durchſchnittlich AO fl, macht für 848 Vorftellungen 
13.920 fl, Gas 960 fl., Miethe für Geichäfts-Rocalitäten 4000 fl., Nach⸗ 
ihaffungen an Coftümen, Decorat., Bibl. 5000 fl., Penfionsfondäbeiträge 
8000 fl. Summe bes Erforbernifjes 121.728 fl. 69 kr. 


Erträgniß: Abonnement 55.090 fl., Subvention 10.500 fl., Tages: 
einnahmen vom Beginne der Direction biß Ende Dec. 1864 65.108 fl. 48 kr., 
weiter präliminirte Einnahmen bi April monatlich 9000 fl., Summa 
157.698 fl. 48 fr. Iahres-Deficit 34.025 fl. 

Die Dedung dieſes Deficits gedachte Wirfing durch eine 
Öageherabjegung und Wbonnements-Erhöhung zu erreichen, und 
eine gewiſſe Berechtigung der Klagen und Wünjche des Bühnen- 
leiters, der allerdings die Prager Verhältniffe noch nicht recht 
erfaßt hatte, mußte der Landesausjchuß anerkennen. Konnte ja 
doch die Entjtehung eines zweiten felbftändigen Theaters in Prag, 
des Eechifchen Interimstheaters, nicht ohne Einfluß auf die Si⸗ 
tuation. des deutjchen Mutter⸗Inſtituts bleiben. Von dem Publicum 
zweigte ji) naturgemäß ein, wenn auch nicht impofanter Theil 
ab, die Ansprüche der Kiünftler aber ftanden durchaus nicht im 
Verhältniß zu diejen geminderten Einnahmen. So beichloß denn 
auch der Landesausſchuß mit fpecieller Nüdficht auf die Eonceflio- 
nirung des dechiſchen Theaters, Wirfing eine Erhöhung des Abon- 
nements zu bewilligen, jo daß fich dasjelbe nun bei 272 Bor: 
jtellungen für Zogen 1. Ranges und PBarterre von 800 auf 900 fl., 
Logen zweiten Ranges von 640 auf 740 fl., 3. Ranges von 415 
anf 450 erhöhte; hinfichtlich der übrigen Site waren dem Abon- 
nenten 50 Percent des gewöhnlichen Tagespreiſes nachgelafien, jo 
daß nun der Fauteuilſitz von 150 auf 204, der Sperrjig von 
100 auf 136, das Parterre-Entree von 64 auf 105 fl. erhöht 
war; dagegen wurde dem Director eine Completirung des Opern- 
perſonals und die Herjtellung eines der Würde des Inſtituts und 
den Forderungen des Publicums entjprechenden Repertoires zur 
strengen Pflicht gemacht. Daß Wirfing von diefen Aufbeijerungen 
wirklich Vortheil z0g und die finanzielle Confolidirung des Theaters 
durchführte, follte die jchlimmfte Theaterzeit, die Kriegszeit des 
Jahres 1866, bewähren. Obwohl der Donner der Schlachten den 


— 672 — 


größten Theil Böhmens erfchütterte und die Hauptitadt des Landes 
der Sammelpuntt und die Durchzugs⸗Station preußifcher Kriegs: 
mafjen wurde, erhielt ſich die Prager deutjche Bühne aufrecht; 
ihre Pforten wurden nicht gefchloffen und dadurch grenzenlofes 
Elend verhütet. Der Landesausfchuß bewilligte 3000 fl. an außer: 
ordentlicher Subvention, und mit diefer Hilfe vermochte e8 Wirfing 
auch in der bedenklichſten Situation, jeine Künſtlerſchaar verſammelt 
zu halten, während im öeechiſchen Theater troß einer Landeshilfe 
die Rataftrophe nicht zu verhüten war. Allmälig wurden jogar 
die fremden Officiere und Soldaten ein theilnahmsvolles Theater⸗ 
publicum, und nicht jelten fpielten fich die Vorftellungen vor einem 
Barterre preußiicher Krieger ab. Auch das Verhältniß des Neu: 
ftädter Theaters zum Landestheater erfuhr unter Wirfing eine 
definitive Regelung, indem er ſich das brauchbare jtattliche Bretter: 
haus nit allein für die Sommer- fondern auch für die Winter- 
monate ficherte und von Thome vollfommen in Pacht nahm, fo 
daß es ihm allezeit für Fünftlerifche Productionen jeder Art zu 
Gebote ſtand. Unter feiner Regierungszeit vollzog fich ferner die 
Neform des Theaterpenfiong-Statuts in der Weije, daß 
nunmehr nach 30jähriger Thätigkeit die PVenfionirung mit voller 
Sage (jedoch nicht über 1200 fl.) unter allen Umständen, nad) 
24 Jahren mit ®/, der höchſt bezogenen Gage (jedoch nicht über 
1000 fl.), nach 18 Jahren mit der Hälfte (jedoch nicht über 
800 fl.), nach 12 Jahren mit einem Drittel (nicht über 500 fl.), 
im geringften Ausmaße mit dem Viertel (nicht über 300 fl.) zu 
erfolgen Hatte. Witwen wurde die Hälfte des Beitrags zugejprochen 
und zugleich feftgeftellt, daß der Penſionsanſpruch nicht erlischt, 
wenn der Künftler nach fechsjähriger Thätigkeit an der Prager 
Bühne ein auswärtiges Engagement (unter Fortzahlung der ſyſte⸗ 
mifirten Percente an das Prager Inſtitut) annimmt. Das Ber- 
mögen des Inſtituts hatte bereit3 die Summe von 160.000 fl. 
erreicht. | 
Die geregelte künſtleriſche Arbeit wurde nicht wenig durch 
das harmonische Verhältniß gefürdert, das unter Wirfing ftets 
zwischen Dirvection und Intendanz bejtand. Der Intendant, welcher 





— 673 — 


den neuen Bühnenleiter 1864 eingeführt hatte, Dr. Binfas*) 
war 1865 verjchieden, und Landesausfchußbeifiger Dr. Görner**) 
trat an feine Stelle; er hat fünf Jahre ein Amt verwaltet, das, 
ohne an Umfang und Bedeutung der Wirkſamkeit an die Functionen 
eines SHoftheaterintendanten heranzureichen, doch eine Fülle von 
Berantwortlichkeit in ſich ſchloß und von ebenjo geveihlichem als 
verhängnißvollem Einfluß auf das Wohl der Bühne fein konnte. 
Unter Görner's Umtsperiode, die der Direction und dem Inſtitute 
gleichmäßig zum Vortheile gereichte, ging der erjte Contract Wirfing’s, 
der bis Dftern 1870 reichte, zu Ende, und fchon am 21. Dec. 1868 
hatte fich der Landesausfchuß in einer mit Zuziehung der LXogen- 
eigenthümer abgehaltenen Sitzung mit der Frage einer Vertrags 
verlängerung oder Concursausfchreibung zu befallen. Es zeugte 
von dem Erfolge des bisherigen Wirkens der Wirfing’schen Di- 
rection, von dem Vertrauen in feine Tünftleriiche und praftifche 
Bühnenleitung, daß der Antrag des Intendanten, das Theater 
dem bisherigen Director auf weitere fech8 Jahre, von Oſtern 1870 
bis Oftern 1876 zu überlafjfen, einjtimmig angenommen und nur 


* Dr. Pinkas, geb. 27. Jän, 1800, hatte frühzeitig an der politifchen 
Bewegung in Deutjchland theilgenommen und fungirte jeit 1832 ald Landes⸗ 
advocat in Prag, wo er durch feltene Bildung, Kenntnißreichthum unb 
Nobleſſe die Achtung der weiteften Kreife errang; 1848 ftand P. ım Mittel: 
punkte der Bewegung, trat mit Balady in innige Yühlung, obwohl ihm 
defjen füderaliftiiches Programm zu meitgehend erihien. Im Reichötage 
zu Kremſier trat er wiederholt ald Redner auf, trat 1860 wieder in die 
politiihe Sphäre, wurde Landtagsabgeordneter und Landesausſchußbeiſ. 
und follte wiederholt zum Bürgermeifter gewählt werben. Ceche von Geburt 
und Gefinnung, fonnte er fich nie zu den ertremen Grundſätzen feiner Con: 
nationalen auffhmwingen, fo daß er wiederholt in Gegenſatz zu anderen 
Führern jeiner Nation gerieth. Der deutichen Runft und Bühne gehörte fein 
warmes und Ichhaftes JIntereſſe; er iſt im diefer Hinficht hinter deutſchen 
Intendanten nicht zurüdgeftanden. 

**) Dr. Anton Ritter v. Görner gehörte lange zu den Bertrauens- 
männern und Vertretern des deutfch-böhmischen Volkes, wirkte überdies als 
Landesadvocat in Prag und verfhied am 5. Aug. 1885 zu Seehof am 
Achenſee. Seine Gattin Nora v. Börner hat fih als Schriftftellerin 
befannt gemacht, fein Sohn wirkt als PBublicift in Wien. 

43 


— 674 — 


die Beitimmung hinzugefügt wurde, daß die Zahl der Abonne- 
ments-Vorftellungen künftig nach prompter Fixirung für jedes 
Vierteljahr abzuſpielen jeien. 

In dem Verhältniß Wirjing’3 zu feiner vorgejegten Landes— 
behörde änderte jich nichts, als 1871 in Folge wechjelnder poli- 
tifcher Verhältniife Graf Wild. Wolkenſtein den Intendanten 
Görner erjegte und 1872 abermals ein neues und nunmehr 
dauerndes Regime unter Carl Joſef Freiherrn von Peche eintrat. 
Die Intendanz Peche bezeichnete eine Aera der volliten Harmonie 
zwijchen diejer höheren Inſtanz und der Bühnenleitung, ebenfo 
wie fich die beiden liebenswirdigen und concilianten Naturen des 
mtendanten und Directors merkwürdig dedten. Herr von Peche 
(feit 1873 Baron Peche) weigerte gerechten Ansprüchen Wirfing’s 
nicht deren Förderung durch Intervention beim Landesausjchniie ; 
er erwirkte 1871 eine weitere Erhöhung der Theaterpreiſe und 
eine umfaſſende Reſtaurirung des Theaters, die der Bühne einen 
fenerficheren Vorhang und eine eigene Wajferleitung, den Capell: 
meifter einen eleftriichen Taſtapparat zur Verbindung mit den 
Chören hinter den Couliffen, dem Orcheiter eine Erweiterung und 
Vertiefung, dem Saale eine neue Austattung (Örundfarbe chamois, 
Arabesken von Gold), eine Vermehrung der Ausgänge und einen 
neuen Sonnenbrenner mit 333 Flammenbüfcheln im Preiſe von 
17.000 fl., dem Stehparterre aber eine unwillkommene Einichränfung 
brachte — das Haus wurde in diefem neuen Gewande anläßlich 
der Anmwejenheit des Kaijers am 8. Sept. 1874 eröffnet. 

Die Erfolge Wirjing’s, ſowie feine vorzüglichen Beziehungen 
zu den maßgebenden Perjönlichkeiten des Landes ließen es Teines- 
wegs unmöglich erjcheinen, dap ihm das Directionsfcepter nad 
Ablauf der zweiten Periode em drittes Mal verliehen werden 
follte — umſo überrafchender fam 1875 die Nachricht, daß em 
ordnungsmäßiger Concurs ausgefchrieben und Wirfing (vielleicht 
eben deswegen) nicht unter den Directionswerbern ſei: zwei ernite 
Candidaten ftanden fid; gegenüber, der bisherige Prager Ober: 
regifjfeur Emil Claar und der Director des Grazer Landestheaters 
Eduard Kreibig. Sieger aber blieb der Letztere: er war eg, 





— 675 — 


welchem in der Situng des durch die Logeneigenthümer verftärkten 
Landesansfchuffes vom 25. März die Leitung der Prager Bühne 
von Oſtern 1876 bis Oftern 1882 anvertraut wurde. Die nächfte 
Conjequenz diefer Enticheidung war eine lebhafte Ovation für die 
Familie Claar in der VBorftellung das „Wintermärchen" am Ofter- 
jonntag 1875, da ſich die Nachricht von einem unmittelbar bevor- 
jtehenden Abfchiede des Künftlerpaares verbreitet hatte. Der Schrift- 
jteller- und Künftler-Verein „Concordia überreichte einen filbernen 
Lorbeerfrang mit der Widmung an den „in erfolgreicher That 
bewährten Leiter des Theaters, den jcheidenden Vertreter der 
idealen Beitrebungen an der deutjchen Bühne Prags“; Claar 
jelbft legte in einer Abjchiedsrede das Programm dar, dejjen Aus» 
führung ihm durch die Nichtverleihung der Direction unmöglich 
gemacht worden fei. Diefe Scenen blieben indeß ohne die be- 
fürchtete nächſte Conſequenz — Director Wirfing conjtatirte in 
einer Öffentlichen Erklärung, daß das Ehepaar Claar zwar wieber- 
holt um jeine Entlaſſung angefucht, diejelbe aber nie erhalten 
habe, vielmehr bis Oſtern 1876 rechtsgiltig engagirt ſei: Herr 
und Fr. Claar nahmen infolge deffen auch ihre Thätigfeit wieder 
auf, und erft im März 1876 kamen die ernten Abſchiedsvorſtel⸗ 
lungen des Wirfing’schen Enfembles in Fluß. Am 31. März 
empfahl ſich Clara Hrabowska (derzeit in Mannheim eng.), am 
2. April Olga Lewinsky-Precheiſen, am 3. April brachte eine Con- 
cordia-VBorftellung einen Maffen-Abjchied. Mean hörte ein geift- 
volles Proverbe „Die leivige Geldfrage" von Frig Mauthner, 
Gejangsproduction der Damen Burenne, Kayfer und Schmidt, 
der Herren Häjos, Hartmann, Dobſch und Caſſio, ein Klavier- 
concert Brüll’s, eine Scene aus „Egmont“, gefpielt von Sauer und 
Toni Hiller, und ein Scherzipiel „Die fahrenden Komoedianten" 
von Alfred. Rlaar, das in gemwandter Anfpielung eine Reihe der 
beiten Schaufpielfräfte nochmals vorführte — an ftürmifchen Bei— 
fallsfundgebungen fehlte e8 dabei keineswegs. Am 7. April hatte 
Frau Claar-Delia als Dalila (in Feuillets Drama) ihr Abjchieds- 
Benefiz, das ihr und ihrem Gatten fowie dem fcheidenden Kühns 
und Director Wirfing ſelbſt vielfache Beweiſe allgemeiner Sympathie 
43* 


— 676 — 


eintrug, zwei Tage fpäter aber nahm mit „Lohengrin“ die Di- 
rection Wirfing überhaupt unter wiederholten Ovationen Abjchied. 
Wirſing durfte nochmals vor dem Publicum erjcheinen und deſſen 
ehrliche Anerkennung dankend quitticen — auf der Bühne über- 
reichte Klhns mit einem Dank- und Abjchiedsfpruch dem Bühnen- 
leiter ein Ehrengeſchenk; die Aera Wirfing, eine durch pofitive 
und gute künſtleriſche Thaten bezeichnete, fruchtbare Periode der 
Prager Bühnengefchichte, war zu Ende.‘ 








— 677 — 


XXVI. 


Das eechiſche Sandestheater in feiner Selbſtändigkeit. 
(1864—1886.) 


(Director Riegert, fein „internationales“ Repertoire und feine finanziellen 
Köthen; Sommertheater im Softeninfeljaale. — Ein Project Liegert's und 
Wirſing's für Bereinigung ber deutſchen und Cechifchen Oper unter Wirfing. 
— Neues Subventiondgefuh Xiegert’3; deſſen Ablehnung und Rüdtritt des 
Directord. — Die Kriſis; Direction Thome. — Das Kriegejahr 1866; 
Thome ſperrt die Bühne, das Perfonal erfuht Wirfing um Uebernahme 
der Leitung, ein Confortinm übernimmt das Cechifche Theater. — Thome’3. 

Ende. — Die Sonjortial-Regierung. — Die Grundfteinlegung zum großen 
Rationaltheater. — Sommer-Arena auf der Bäſtei. — Berfall. — Di- 
rector %. Nep. Mayr. — Der Krieg zwiſchen Alt- und Jungẽechen und 
die Spaltung des cechilchen ‘Cheaterweiend. — Zwei feinblide Sommer- 
theater: Närodni arena und Nove Sesk6 divadlo.. — Rudolf Wirfing 
ald Director bes cech. Theaters. — Verſoͤhnung ber Eonfortien; das Fuſions⸗ 
Sonjortinm, Wirfing’3 Rüdtritt und Tod. — Die Action für den National» 
tbeater-Bau, — Die erfte Eröffnung des Nationaltheaterd und der Brand 
bes monumentalen Baues am 12. Aug. 1881. — Die Theilnahme der 
dentichen Bevölkerung. — Wolfrum und Herbft für das öeechiſche National- 
theater. — Der Wiederaufbau des zerftörten Theaters. — Die Situation 
der Direction nad} dem Brande; Rüdtritt Mahr's; Director F. A. Subert. 
— Das Ende des Snterimötheaterd und die Kris vor ber Eröffnung des 
neuen Nationaltheaterd. — Die Eröffnungsfefte. — Das Berfonal des 

Nationaltheater? und deſſen Bedeutung.) 


Am 28. März 1864 eröffnete der deutjche ‘Director Liegert 
die felbftändige kechiſche Bühne; eine neue Wera war für die 
cechiiche Nation und ihre Kunft angebrochen, die Klagen und 
Beichwerden über die Einengnng diefer Kunft, über den nieder- 
drüdenden Einfluß des „Fremden“ hatten feine Bafis mehr, das 
„Trei"gewordene Inſtitut mußte feine Lebenskraft bewähren. In 
beſonders feſtlicher Stimmung erſchienen in jener Eröffnungs⸗ 
Vorſtellung die Mitglieder der Bühne, in die nationale Camara 
gekleidet, vor dem Publicum — ſelbſt Liegert, der ſeine Kraft 
und ſein Geld in den Dienſt einer fremden Nationalität geſtellt 


— 678 — 


hatte, zog den nationalen Schnür-Nod an und ließ ſich ahnungs⸗ 
los in einer Sprache Huldigen, der er ein nur mangelhaftes 
Verſtändniß entgegentrug. Nah den „Faſten“ waren — fo 
fagte Elife Pelchla in ihrem Prolog — für die Nation die 
„Oſtern“ gekommen, die neue Bühne werde von dem Fremden 
nicht mehr abhängig fein und der neue „starosta“ (Borftand) 
werde Opfer für das Inſtitut bringen, deſſen Leitung ihm an- 
vertraut fei. „Julius Cäſar“ in Ueberfegung von Doucha folgte 
dem Prolog, und „die Yüdin” mit einem Debutanten, Herm 
Blaha, bildete die erjte Opernvorſtellung. Nicht eben ermunternd 
mochte es für Liegert fein, daß ſchon in der bedeutſamen Er- 
öffnungs-Vorftellung das Haus auffallende Lüden zeigte — die 
Logen waren leer und mußten erit von ZTheatermitgliedern gefüllt 
werden. Als Gejchäftsmann Hatte der neue Director, dem die 
„Theaterfreundlichfeit" des nationalen Publicums vorderhand nicht 
eben vertrauenswürdig fchien, das Schwergewicht auf die Oper 
verlegt; hervorragende Kräfte der deutjchen Bühne wie Jenny 
Brenner, Frau Schmidt-Prochasta, Helene Zawiszanka, Gäfte wie 
Steger, das Schwefternpaar Marchiſio, die Damen Jakſch und 
Triedberg, die Hrn. Caron Price und Beau vom Wiener Hof— 
opernballet, der einbeinige Tänzer Donato, die franzöfifche Ballet» 
gejellichaft der „Schafhareln” mit der Kancan-Birtuofin Rigolboche, 
die Balletgefellichaft Pasqualis, die italienische, Operngejellichaft 
Merelli u. ſ. w. waren wohl nicht eben geeignet, die abfolute 
Nothwendigfeit einer nationalen Bühne zu demonftriren, aber fte 
entiprachen dem „internationalen" Cafjazwed, zogen das deutjche 
Publicum in das Interims- und in das Neuftädter Theater, das 
Liegert abwechjelnd mit Wirfing benüßte, jo daß man im Parterre 
des cechifchen Theaters mehr „Bravo's“ ale „Vyborne“ hörte 
und der Eylinder dominirend wurde. Das lehiiche Schaufpiel, 
defien Stüge Kolar junior wurde — senior war befanntlid 
im deutſchen Meutterinjtitute zurückgeblieben — brachte übrigens 
im April 1864 eine würdige Shakeſpeare-Feier, veranftaltet von 
der „Ume&leck& beseda“, mobei eine Reihe Shafefpeare’jcher 
Dramen aufgeführt wurde: die Namen Schamberg, Schimanovsky, 








— 679 — 


Moſchna (Komiker), Maly (Hersine), Bollard u. |. w. bedeuteten 
die beiten Kräfte diefes Schaufpieles, während der Oper rl. v. 
Ehrenberg, die „cechifche Patti”, der von bejter Seite aus dem 
deutſchen Inſtitut befannte Tenor Lukes, der junge Baryton 
Lev (deb. 16. Det. 1864 als Luna), ein Künſtler von feltenen 
Mitteln und feltener Diftinetion, Helene Zawiszanka, endlich 
1865 Becko, Polak und Hynek u. U. Zugkraft verliehen. 
ZTroßalledem war bereits nach den erften Monaten der Erfolge 
und des Glanzes Entmuthigung über den Director gefontmen. 
Im Auguft gab es fogar ernfte Differenzen mit Capellmeifter 
Mayr, da der Bühnenleiter Mahnungen zur befjeren Pflege des 
„vaterländifchen Genies” mit der profaischen Antwort zurückwies: 
„Da gehen mir die Deutfchen nicht hinein!" Liegert 309 ſich 
Ihmollend zurüd, doch Tam es diesmal noch zu einer Einigung 
und zur Erhaltung des status quo. Ernſter geſtaltete fich die 
Finanzfrage. Im October 1864 richtete Liegert eine Eingabe 
an den Landesausfhuß, worin er das Deftcit bis Anfang diejes 
Monats mit 7000 fl. bezifferte und Erhöhung der Subvention 
forderte — und thatſächlich waren feit der nationalen Spaltung 
des Prager Theaterweſens beide Bühnen übel daran; früher 
warfen die Cechifchen Vorftelungen dem Director des einzigen 
(deutjchen) Theaters einen Gewinn ab, nun konnte jich die jelbit- 
ftändige Cechifche Bühne kaum erhalten und die deutſche ihrerfeits 
hatte nicht minder ihr Deficit. Trotz der Thatfächlichfeit diefer 
Berhältnifje hatte Liegert fein Glück mit feiner Eingabe; fie wurde 
zurüdgewiejen, und felbft der Syntendant Dr. Rieger jtimmte 
dagegen. Der Director ergab fih momentan in fein Schidjal, 
ließ abermals „für feine Deutſchen“ wacker gaftiven (e8 famen 
u. A. Ilma dv. Murska, Jenny Brenner, Robinſon, Reichel), 
adaptirte ſogar den Sophieninſelſaal als Sommertheater (mit 
400 Sperrſitzen, 22 Logen, 3 Galerien und Raum für 450 ſtehende 
Perjonen im Parterre), dag am 14. Mai 1865 eröffnet wurde,*) 
*) Der Saal war bis 15. Sept. gegen einen Miethzind von 1600 fl. 


und eine entfprehende Entihädigung für den Ausfall der Gartenconcerte 
an Liegert vermiethet. 


— 680 — 


acquirirte die Partitur der Africanerin um 6000 fl. mit dem 
alleinigen Aufführungsredht für Prag und Umgebung auf jechs 
Monate und fühlte fich bei al’ diefer Thätigkeit immer unbes 
baglicher, da der Erfolg der Unftrengung keineswegs entſprach. 

Am 14. Juni fchilderten die beiden Prager Theaterdirectoren, 
Wirfing nnd Liegert, in einer gemeinjamen Eingabe an die 
dechiſche Intendanz die durch die Concurrenz gefchaffenen defolaten 
Berhältniffe namentlich der Oper, welcher durch die Erhaltung eines 
doppelten Chors, Orcheſters und Ballet unerjchwingliche Opfer 
auferlegt feien, und traten mit dem nicht mehr neuen Projecte 
hervor, durch eine Vereinigung der lehifchen mit der 
deutihen Oper al’ dieſen Mipjtänden abzuhelfen. Dadurch 
würde der Director der dechiſchen Bühne in die Lage gebracht, 
dem Scaufpiel mehr Aufmerkfamfeit zuzumwenden und die na- 
tionale Gleichberechtigung wäre beſſer gewahrt als bisher. Die 
Directoren follten wie bis nun jelbftändig bleiben, Liegert aber 
von der Verpflichtung zur Haltung einer Oper losgejchält und 
nur verpflichtet werden, viermal in der Woche im Interimstheater 
am Quai äechiſche SchaufpielsVorjtellungen zu geben; Wirfing 
dagegen würde an einem Tage der Woche eine Cechifche Oper im 
Abonnement, an einem zweiten Tage eine folche außer Abonnement 
im Interimstheater geben, die Einnahmen aus der leßteren in 
feine Caſſe fließen lafjen, für die Abonnement-Vorjtellung aber von 
Ziegert, dem verantwortlichen Director der Cechiichen Bühne, ent- 
ſchädigt werden. Dieſes Uebereinfommen jolle für die ganze noch 
übrige Contractsdauer der beiden Directoren gelten und mit 
1. Oct. 1865 in Rraft treten. Der Intendant Dr. Rieger wurde 
demnach gebeten, bei dem Landesausfchuß die entiprechenden Ver: 
tragsänderungen bi8 1. Juli erwirken zu wollen. Das Project 
ſchien in der That nicht ausſichtslos; der Intendant des deutjchen 
Zandestheaters Dr. Pinkas war dafür, auch Rieger verhielt ji 
Anfangs nicht ablehnend, trat aber allmälig, da ihm die Er» 
haltung eines jelbftändigen Cechifchen Soliften-Perjonals nicht ge- 
fichert ſchien, der Propofition entfchieden entgegen umd drohte 
jogar mit feiner Nefignation, wenn diefelbe vom Landesausſchuß 








— 6831 — 


genehmigt würde. Damit war ihre Ablehnung entfchieden. Liegert 
‚hatte mittlerweile, um feine nothleivende Cafja zu faniren, um 
eine Erhöhung der Jahresfubvention für das laufende Yahr um 
12.000 fl. angeſucht, womit er ein Deftcit von 16.000 fl. zu 
deden hoffte, im Yalle der Verweigerung aber feine Refignation 
angefündigt. Schon im Juni, ehe das erwähnte Opernproject 
eingebracht wurde, hatte er dem „disponiblen“ Thomèé die Ab- 
tretung der Direction angetragen; nun aber dachte der In— 
tendant felbjt an diefen ‘Director, der ja doch die tech. Bühne im 
eriten Entwidelungsjtadium erfolgreich geftüßt hatte und beantragte 
die Annahme der Liegert'ſchen Kündigung und Uebertragung der 
Direction an Thome mit einer Subventionserhöhung von 6000 fl. 
Darauf ließ ſich der Landesausſchuß nun allerdings nicht ein, die 
Nefignation Liegert’S aber wurde alsbald genehmigt;*) vom 1. Juli 
übernahm der Landesausſchuß die interimiftifche Leitung bis 
zur Beendigung der Liegert’fchen Aera, übertrug das Caſſageſchäft 
dem Landesausfchuß-Official Wolfgang (LXiegert haftete für Abs 
gänge mit feinem Mobiliar und jeiner Garderobe), die Kafjacontrole 
Hrn. Wolinsty, das Schaufpiel dem Oberregiffeur v. Spanda, 
die Oper dem Capellmeifter Mayr und fchrieb einen Concurs 
für die Bejegung der Directton aus. Erſt nach Ablauf der Friſt 
aber meldeten fich zwei ernſte Candidaten, der vacante Director 
Thome und Herr Skflenat, und obwohl der Erjtere die un- 
günftigeren Bedingungen ftellte (er fündigte ein Geſuch um BVer- 
doppelung der Subvention und im Weigerungsfalle feine ‘Des 
miſſion an), auch der techiichen Sprache nicht mächtig war, wurde 
ihm dennoch über Untrag Rieger mit 4 gegen 3 Stimmen die 
Leitung des Cechifchen Landestheaters zugefprochen. 

Liegert war depofjedirt. Das Sofieninfel-Theater war fofort 
nah feinem Rücktritt von der cechifchen Geſellſchaft verlafien 
worden und diente einige Zeit den Productionen eines Escamo- 


*) Im die Rechte ded Landesausſchuſſes gegenüber Liegert ficher- 
zuftellen, wurde die Bränotation auf das demjelben gehörige Haus Nr. 500—1. 
verfucht, doch war die Realität bereitd an Liegert's Gattin übertragen. 


— 682 — 


teuxs, bis e3 wieder feinen urfprünglichen Zweden als Ball- und 
Eoncertfaal zurücdgegeben wurde; der erfte jelbitändige Director 
der nationalscehifchen Bühne aber übernahm nachmals die Dis 
rection des altenburg’schen Hoftheaters, legte fie indeß aus finan- 
ziellen Gründen nieder und fehrte 1875 als Privatmann nad 
Prag zurüd. 

Aud) die neue Aera Thome war übrigens nicht von langer 
Dauer. Am 2. Sept. 1865 wurde jie mit Glanz eröffnet (der 
junge Componift Sebor, deſſen Oper „Templäti na Morave“ 
von ſeltenem Talent zeugte, hatte die Feſtouverture gejchrieben); 
Ihon das Kriegsjahr 1866 aber bereitete ihr ein rajches und 
unfanftes Ende. Thome, der namentlich durch ein Gaftjpiel des 
berühmten Roger das techische Theater auch bei den ‘Deutfchen 
Prags wieder in Mode gebracht hatte, machte unter dem Ein- 
drude der Kriegs-Panique, welche viele Brager die Flucht ergreifen 
ließ, von dem bekannten PBaragraphen, der den Director zur 
Löſung der Contracte feines Perſonals berechtigt, Gebrauch und 
jperrte mit 1. Yuli aus eigenem Entjchluß gegen den Willen des 
Landesausschuffes die Bühne, jo daß der letztere die für das be- 
drängte Perſonal votirte Summe von 2000 fl. den Mitgliedern 
mit Umgehung des Directors zufommen ließ. Bon dem Antrage 
des Directors, im Neuftädter Theater mit feinem Fundus weiter: 
zufpielen und nur den Ueberſchuß, der etwa nad) Erwerbung aller 
contractlichen Sagen erzielt wurde, an ihn abzuführen, machte das 
Perjonal feinen Gebrauch, fondern erſuchte Wirfing um die 
gleichzeitige Leitung der Cechifchen Bühne vom 1. Auguſt an; der 
deutjche Director war dieſem guten Werke nicht abgeneigt, fand 
jedoch den Termin zu kurz, auch fehlte ihm die Zuftimmung des 
Zandesausichuffes, der eine ſolche Cumulirung beider Directionen 
als wenig vortheilhaft für beide Inſtitute erachtete. Ende Auguft 
forderte die Landesjtelle von Thome entfprechende Aufklärungen 
über feine weiteren Entjchließungen und erhielt — deilen Ent: 
lafjungsgefuh. Dies wurde nun zwar nicht angenonmen, da 
home für alle Fälle die VBerantwortlichfeit für die noch übrige 
Dauer feines Vertrags behielt, doch jchrieb man einen Concurs 








— 083 — 


‚auf vierzehn Tage aus, der unter dei beftehenden Verhältniffen 
wenig Anziehungsfraft übte. 

Am 14. Sept. endlich beichloß der Landesausfchuß, das 
Theater einem Conſortium zu überlajlen, dag mit dem Be- 
triebsfond von 18.000 fl. die Führung der Bühne bis Oftern 1870 
übernahm; die Yahresfubvention bezifferte ſich nun auf 16.500 fl., 
die bei Haglofer Führung in Monatsraten (und zwar im Sommer 
in höheren) auszuzahlen war. Zur Sicerftellung des Landes 
wurde bejtimmt, das Confortium habe das Theater in jedem Falle 
jolange zu führen, bis der Betriebsfond von 18.000 fl. erichöpft 
jet, dann wäre es von weiterer Haftung befreit, hätte jedoch das 
Inventar auf längjtens drei Monate, bis eine neue Unternehmung 
gewonnen wäre, dem Landesausſchuß zur beliebigen Benützung 
zu überlajjen; außer jenen 18.000 fl. hatte das Confortium 5000 fl. 
zur Sicherung des Landesfonds vor etwaigen Berlujten während 
eines Regime-Intermezzos zu hinterlegen. Thome war fomit 
endgiltig vom Schauplage der Prager Bühnenführung abgetreten; 
nur durch das ihm gehörige Neuftädter Theater, deſſen Pacht 
jedem Director des deutschen Landestheater zur unabmeisbaren 
Nothwendigfeit wurde, und durch jtarfe fociale Beziehung hing 
er noch mit Prag zuſammen. 1868 übernahm er die Leitung 
des jtändifchen Theaters in Xing, Tehrte 1871, nachdem er in 
Linz jchon einen Schlaganfall erlitten, nah Prag zurüd, wo 
er nach neuerliher Erfranfung am 22. Mai 1872 verjchied. 
Die Kiünftlergejellfhaft „Schlaraffia", welche von Prag ihren 
Ausgang über die ganze deutsche Bühnenmwelt nahm und in heiterem 
Gewande manche ernjtshumane That vollbringt, verehrte in ihm 
ihren Meifter, den „Oberfchlaraffen” ; in zahlreichem Zuge folgte 
fie nebft dem Perſonale der Prager Theater feiner Bahre. Das 
Neuftädter Theatergebäude blieb bis zu feinem Uebergange an den 
deutfchen Theater-Verein im Befige der Thome’ichen Erben. *) 


*) Thome war ın erfter Ehe mit der Rocaljängerin Baumgärtner 
vermält, die auch als „Mad. Thome” eine Zeit lang der Prager Bühne 
angehörte; in Prag vermälte er fi mit der Sängerin Frl. Günther, 
ans welcher Ehe eine Tochter Hinterblieb. 


— 084 — 


Es kann nicht unjere Aufgabe fein, eine Geſchichte des Cechifchen 
Theaters in deſſen felbjtändiger Geftaltung zu fchreiben: ſie würde 
den Umfang diefes Buches, welchem ohnehin durch die Complicirung 
des Prager Theaterweiens ein ausgedehntes Terrain zugewieſen 
it, übermäßig erweitern und doch den Gegenftand kaum zu er- 
ihöpfen vermögen. Die innigen Wechjelbeziehungen der beiden 
nationalen Bühnen Prags, die ja ein volles Saeculum hindurch 
gar nicht zu trennen waren, haben ung eine getreue Verfolgung 
der Entftehung und Entwidelung des cechifchen Theaterweſens zur 
Pflicht gemacht; wir dürfen auch die felbjtändige cechifche Bühne 
als ein Zochterinjtitut des alten deutjchen Landestheaters, dem 
dieſes Buch in erjter Linie geweiht ijt, nicht aus dem Auge ver- 
lieren, müſſen uns indeß damit begnügen, ihre Chronik in Furzen 
Zügen zu ſtizziren, ohne den künſtleriſchen Leiftungen und Ergeb- 
niljen, dem Entwidelungsgange der dramatijchen und operiftischen 
Literatur der dechiſchen Nation, der durd) das jelbftändige Theater 
wejentlich gefördert wurde, eingehendere Beachtung zu widmen. 
So feien denn auch die Ereignifje der Confortial-Regierung nur 
mit wenigen Worten regiftrirt. Mit einem Prolog von Jerabek er- 
öffnete da8 Conjortium, das 15 Mitglieder (darunter Dr. Cizek, 
Skrejsovsty, Dliva) zählte, am 27. Sept. 1866 die neue Aera; 
bald darauf trat auch Kolar senior, den die nationalen Kreife 
mit Mißvergnügen 2", Jahre im Verbande des deutichen Theaters 
gejeben hatten, als Oberregiffeur zu dem nationalen Inſtitute über, 
welchem feine Erfahrung bei den zerfahrenen Berjonalverhält- 
niſſen wejentlich zu ftatten kam; 1869 ‘trat A. Bozdech, einer 
der feinfinnigften und gediegenften dechiſchen Dramatiker, deſſen 
Komovedien Scribe'fhen Charakter tragen, als Dramaturg in den 
Bühnenverband. Das erjte Jahr der EonfortialsRegierung endete 
übrigens troß der ſtattlichen Subvention von 16.500 fl. (um 
6000 fl. mehr als das deutiche Landestheater bezog) mit einem 
Deficit, ein Umftand, der jedoch auf das raſtloſe Streben nad 
Schaffung eines größeren, des eigentlichen dechifchen Nationaltheaters 
keineswegs hemmend, jondern im Gegentheil fürdernd wirkte. Man 
ironifirte den „Mikrokosmos“, das Teine Theater am Quai, 








— 685 — 


forderte die raſcheſte Inangriffnahme des großen Baues, für 
welchen bereit 1866 Material nach Prag gebracht worden war, 
das zarte Damenhände von den Wägen abluden, erjt zwei Jahre 
jpäter aber wurde der Bau fräftig begonnen. In feierlichen Zügen 
führte man die fieben Grundjteine von den „heiligen" Bergen 
Böhmens in die Hauptitadt; die Grundjteine vom Georgsberg und 
Zizkaberg wurden von berittenen Bauern-Banderien, Vereinen in 
malerifch componirter Nationaltradht und national-gefinnten Damen 
empfangen und escortirt. Am 16. Mai 1868 feierte man die 
Grundfteinlegung; vom mvalidenhausplage bei Karolinenthal be- 
wegte jich ein großartiger Feſtzug zum Bauplag: die Zünfte in 
bunten Coftümen, die uniformirten Bürgercorps, 1500 Studirende, 
die Typographen mit Sepkaften und Buchdrucker-Preſſe, welche 
ein Feſtgedicht producirte, Balacky und Rieger jchritten int Zuge, 
unter den Gäften aber jah man auch die deutjchen Mitglieder des 
Landesausfchuffes, und Dr. Schmeyfal felbjt führte als Stell- 
vertreter des Oberſtlandmarſchall einen Hammerjchlag mit der 
Devife „quod faustum, felix, fortunatumque eveniat“. Den 
eriten Hammerjchlag that der Hiftorifer und „Vater“ der Cechiichen 
Nation PBalacky; die Feftrede, gehalten von dem Jungeẽechenführer 
Dr. Sladkovskh, Mnüpfte an die befcheidenen Dilettanten-Auf- 
führungen cechifcher Bürger in einer dem nationalen Idiom un⸗ 
günftigen Zeit an, feierte das Lechifche Theater als die „erite 
öffentliche Anftalt, aus der die dechiſche Sprache mächtig zum Volke 
zu fprechen begann”, und eben diefe Rede war es, welche den 
anmejenden minder Betheiligten die nationale Bedeutung dieſer 
Zheater-Uction und des nun begründeten Baues tar machte, der 
indeſſen nach Maßgabe der vorhandenen Geldmittel ziemlich ſpät 
Form und Farbe erhielt. 

Noch manche Kriſis war im Interimstheater zu überſtehen, ehe 
die cechiſche Kunſt in das neue, glanzvolle Haus überſiedelte. Um 
17. Juli 1869 wurde, um dem Quai⸗Theater im Sommer eine ent- 
Iprechende „Villegiatur“, dem Publicum eine menſchenwürdige Eriftenz 
in den heißen Deonaten zu jichern, eine neue Arena auf der Höhe 
des Noßthores eröffnet, welche mit ihren Thürmen, Binnen und 


— 686 — 


Bannern den Eindrud einer ſchmucken Ritterburg machte, 200 Sperr⸗ 
fige, 24 Logen und drei Galerien enthielt und den vfficiellen Titel 
„Letni divadlo na hradbach“ (Sommertheater auf der Baſtei) 
trug. Die artiftifche Leitung übernahm 1870 Dr. Joh. Strafaty, 
1872 Joh. G. Kolar sen., (abminiftrativer Director Dr. Cizek), 
neben welchem Friedr. Smetana, der hervorragendſte Componiſt 
der dechiſchen Nation, als artiftiicher Opernleiter, zeitweiſe als 
eriter Capellmeifter fungirte, bis ihn fein hartnädiges Obrenleiden 
nöthigte, ſich gänzlidd vom Theater zurüdzuziehen — er wurde 
als erſter Capellmeifter durch Adolf Cech (Tauffig), einen Mu- 
jifer von gründlicher und umfaljender muſikaliſcher Bildung, exjegt, 
der die Prager Cechiche Oper zu manchem zweifellofen Siege ges 
führt hat. Auch Franz Kolar (jun.) war an der Zeitung der 
Bühne in diefen ihren Sturm- und Drang-{Yahren betheiligt, doch 
hatten ſich eben die vielfachen Wirren, der jtete Wechjel der leiten- 
den Perfonen von unheilvollem Einflufje auf die techischen Theater⸗ 
verhältnifje erwieſen; man fehnte fich geradezu nad) den deutſchen 
Directoren zurüd und behauptete, felbft das claſſiſche und nationale 
Nepertoire habe unter diefen eine weit emjigere und erfolgreichere 
Pflege erfahren als unter den nationalen Bühnenleitern. 

In diefer Periode des Verfalls, welche in cechiſchen Kreijen 
bereit3 ernſte Beſorgniſſe für die Zukunft des nationalen Inſtituts 
wachrief, gelang e3 endlich im November 1874, in Joh. Nep. Mayr 
den rechten Mann für ein fo fchwieriges und verantwortunge- 
reiches Amt, wie e8 die Direction des jungen Theaters war, zu 
finden. Der Name Mahr's war mit der ganzen bisherigen Ent- 
widelungsgefchichte des Cechifchenn Theaters auf das Innigſte ver- 
webt. Mayr hatte Schon in Stöger's Roſengaſſe-Theater 1842 
als Nemorino im „Liebestranf" feine Laufbahn als Cechiicher 
Dperntenor begonnen und wurde bald eine der Stützen der ed). 
Dpernvoritellungen; er hatte am 5. Mai 1851 im Softeninjel- 
faale das erjte Concert „zum Vortheile das zu gründenden böhmt- 
chen Theaters" Dirigirt, war von Thome mit der Leitung der 
bedeutend ‘gehobenen cechifchen Opernvorjtellungen betraut worden 
(das Drama leitete al3 jelbitändiger Dramaturg Guftav Pfleger) 











— 687 — 


und hatte diefe Vorjtellungen auch für das deutiche Publicum 
anziehend gemacht. Als das Anterimstheater am Quai die Miſſion 
einer felbftändigen „National-Bühne” übernahm, führte Mayr im 
Yuftrage Thomé's die NRiefenaufgabe durch, ein neues Opern», 
Chor- und Orchefterperjonal zufammenzuftellen. Mit unermübd- 
lihem Eifer trieb der Dpernleiter dieſes Perſonal aus allen 
Schichten des muſikaliſchen Volkes zufammen, juchte unter Stu- 
denten, Zehrern und in den Eivilcapellen feine Muſiker, jagte nad) 
Sängern und Sängerinen und überrafchte mit diefem „zujammen- 
getriebenen” Perſonal am 1. März 1863 durch eine treffliche 
- Borjtellung der „Stummen von Portici". Aus dem Chore hörte 
man die Stimmen Schebeita’s, Mader's, Dobſch' u. U. heraus; 
im Orchefter faßen Anton Dvoxräk (gegenwärtig der meijtgenannte 
cechifche Componijt) und Moriz Anger (jet Capellmeijter am 
tech. Nationaltheater). Mayr „erzog“ fein Perfonal; unter Liegert 
galt die Oper bereits mujtergiltig, fie blieb vorzüglich in der 
zweiten, kurzen Aera Thome, nach deren Abbruch fih Mayr in's 
Privatleben zurüdzog, um eben 1874, dem Rufe des Conjortiums 
folgend, nach einjtimmiger Wahl die Leitung des ganzen Inſtituts 
zu übernehmen. Als der neue Director zum erjten Wale wieder 
am Dirigentenpult erjchien, begrüßte ihn das Publicum mit “Jubel, 
und bald kam Ordnung in die etwas zerrütteten Verhältniffe: 
trog der minimalen Einnahmen des Duai-Theaters, die bei aus: 
verfauften Haufe die Summe von 800 fl. nicht Überjtiegen, gelang 
ihn die Regelung der Finanzen; er beijerte die Qualität des 
Repertotres und der Aufführungen, konnte aber Stabilität m das 
Ganze umfo weniger bringen, als bereits wieder eine nene Wera 
des Conſortiums ın Sicht war. Der politifche Gegenſatz zwiſchen 
Alt: und Jungeechen hatte feine größte Schärfe erreicht; und als 
1875 ein neuer Directions-Concurs ausgejchrieben wurde, traten 
zwei getrennte, einander feindliche Conſortien, das altcechifche, das 
bisher die Leitung der Bühne hatte, mit Hrn. Vincenz Bubenicet 
an der Spitze und das jungcechifche unter Präfivium des Dr. Cizek, 
als Bewerber auf. Das lettere trug den Sieg davon; jofort 
aber entbrannte aud die lebhaftefte Fehde zwijchen den beiden 


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Geſellſchaften und den hinter ihnen jtehenden Parteien. Die 
Spaltung trat auch im Nationaltheater-Baucomite ein und fchädigte 
dasjelbe in hohem Maße; die Beiträge liefen ſpärlich ein, die 
Atcechen traten aus dem Comite und erklärten, ihre Beiträge dem 
Confortium ihrer Partei zuzumenden, das die Frage eines neuen 
jelbftändigen cechiſchen Theaterbaues erwog und bei der Prager 
Stadtvertretung um Meberlafjung eines Grundes für diefen Bau 
in der verlängerten Hibernergafje petitionirte. Die Jungẽöechen 
ihrerjeits, welche ſich zur Activitätspolitik entjchloffen hatten und 
den Landtag bejchicten, erwirkten dem Nationaltheater eine Landes⸗ 
fubvention von 300.000 fl., was jelbjtverjtändlich eine ftarfe Förde— 
rung des Baues ermöglichte, und reichten, um den Brojecten der 
Altcechen zu begegnen, bei der Stadtvertretung ebenfalls ein Gejuch 
um: Gewährung eines geeigneten Territoriums zum Bau eines 
neuen Theaters und zwar eines gededten Sommertheaters im 
fünftigen Stadtparf ein. Beide Gejuche wurden im Princip ge- 
nehmigt, nur die Plagfrage verzögerte die Entſcheidung. Schließ- 
lih erbauten die Altcechen auf den fogenannten Weiner’jchen 
Gründen in der Nähe der Baftei-Arena, die bei Demolirung der 
Bafteien fiel, eine neue Arena von 27° Länge, 6° Breite, mit 
14 Logen, 264 Sperrjigen und Stehplägen im Parterre, 16 Logen, 
315 Sigen und 300 Stehplägen im erjten Range, „National« 
Arena“ (Närodni arena), jcherzweife auch „Trug- Arena” genannt, 
die Jungtechen aber bauten ein gedecktes Sommertheater, das „neue 
cechifche Theater” (Nove desk6 divadlo) vor dem Kornthore, 
das elegant ausgeftattet war und durd) feine Größe in der wär- 
meren (Yahreszeit ohne Rückſicht auf das Wetter einen Erjag für 
das Interimstheater bot. In der „Trutz⸗Arena“ ſpielte eine Geſell— 
ſchaft unter Direction des Hrn. Svanda v. Semsic, im neuen 
dechiſchen Theater das Perſonal des öeechiſchen Landestheaters. 
Die artiſtiſche Direction der cechifchen Landesbühne übernahm zu 
Dftern 1876 der bisherige Director des deutichen Landestheaters, 
Rudolf Wirfing, der am Ofterfonntage mit Dvotaf’s Oper 
„Wanda” jein Regime eröffnete. 

Die Herrihaft Wirfings im Cechifchen Theater fiel keineswegs 





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in eine glückliche Zeit. Die altechiiche Preſſe eröffnete einen Feld- 
zug gegen das „deutichejungcechiiche” Theater; eine große Anzahl 
bisheriger Abonnenten bejchloß, „Jolange das Theater der deitfch- 
jungcechifchen Leitung unterftehe”, nicht zu abonniren und dem 
Theater fernzubleiben, die altcechiichen Blätter brachten nur den 
Zettel des deutjchen, nicht aber des Cechifchen Landestheaters zum 
Abdrud, die nationale Bühne war verfehmt in ausgedehnten Kreijen 
der eigenen Nation, und felbit das Perjonal konnte ſich der Ein- 
wirkung diejer zerftörenden Einflüffe nicht entziehen. Wirfing, 
deſſen Elare, folide Divectionsführung unter jo widrigen Verhält- 
nijjen die Anerkennung jedes gerecht Urtheilenden fand, hielt auf 
trefflihe Opernaufführungen (er führte u. U. Dvokaͤk's „Wanda" 
und Smetana's „Hubicka* auf), brachte eine Neihe pompds aus- 
geftatteter Schauſtücke („die fieben Haben”, „Zum Mond und unterm 
Meer”, „Reife um die Erde") vor, um auch Deutiche in das 
von ihm geleitete Theater zu ziehen, aber Dauer verſprach er ſich 
wohl felbjt nicht von diefem verjehlten Erperiment. Im J. 1877 
kam nach vielen Verjöhnungsverfuchen endlich eine Einigung der 
einzelnen Cechifchen Theater-Eonjortien zu Stande; mit 30. April 
übernahm das neue Fufions-Confortium die Bühne, und am 
2. Juli feierte man im „neuen Cechifchen Theater“ das große 
Berföhnungsfeft. Wirfing war nach Vollendung der Fuſion auf 
einen neuen Bertragsabjchluß nicht mehr eingegangen. ‘Das ges 
einte Confortium erfuchte ihn, wenigjtens proviſoriſch die Leitung 
fortzuführen, doch, erſchöpft durch die Widerwärtigfeiten der legten 
Deonate, die fchiefe Poſition erfennend, in welche er als Leiter 
der erjten Bühne einer Nation gerathen war, deren Sprache er 
nicht verjtand und die feinem eigenen Volfe feinesmegs brüderlich 


zur Seite ftand, beharrte er auf jeiner ablehnenden Haltung. „Er: 


fülle es ihn aud) mit Genugthuung” — antwortete er auf jenes 

Berlangen — „feine Bemühungen infoweit von Erfolg gefrönt 

zu ſehen, daß die Rathichläge, um die ihn der Verwaltungs—⸗ 

ausſchuß des am 1. Mai conftituirten Confortiums anging, zur 

Erhaltung des Inſtituts angewendet worden jeien und dadurd) 

die Exiſtenz desfelben für die Folge wieder einigermaßen gejichert 
44 


— 6% — 


jei, jo erſcheine ihm dod) feine perjünliche Mitwirkung an der 
Leitung des Theaters nicht mehr dringlich; er ſehe deshalb jeine 
Aufgabe als gelöft an und werde fich jener von ihm jchon früher 
gewünjchten Ruhe hingeben, die er nur im Intereſſe einer, wie 
ihm ſchien, Ichensfähigen Sache und angenehmen artijtifchen Wirt: 
jamfeit unterbrochen habe." In einer fehr warmgehaltenen Adreſſe 
erfannte der Verwaltungsausihuß die Verdienſte Wirfing’s an; 
diefer wäre in hervorragender Weife geeignet geweien, das Cechijche 
Theater auf jene Stufe zu bringen, welche es einnehmen müſſe, 
um der culturellen Ertwidelung des dechiſchen Volkes würdig zu 
fein; allein er habe mit fcharfem Geifte erkannt, daß die nationale 
Seite die gleiche ernſte Würdigung verdiene wie die Fünftleriiche 
und daß ich in diefer Hinficht feiner Leitung Hinderniſſe entgegen⸗ 
ftellen." Zur Ruhe ſetzte fich indeß auch jetzt Wirfing Feinesmegs ; 
er nahm die Dirvection des Breslauer Stadttheater an, eine lange 
Ichmerzliche Krankheit aber Hinderte ihn, die Saiſon dort perjün- 
lich zu eröffnen; er übertrug Heinrich Grans feine Bertretung 
und erlag jelbft am 9. Oct. 1878 in feiner Billa im Paradies: 
garten bei Prag feinen ſchmerzvollen Leiden (Karbunfel) im 
64. Lebensjahre. Wirſing's Wermögensverhältniffe zeigten fich 
feineswegs jo glänzend wie man angenommen hatte; fein Eigen- 
thum war ſtark belaftet. Unter den Gegenftänden, die nach jeinem 
Tode zur Veräußerung famen, erregte der reiche Schag an Sou- 
venirs, Ehrengefchenfen, Ordensdiplomen u. ſ. w. Auffehen, der 
in feinem Bejige war.*) Ein fünftlerifch denkender, vielerfahrener 
Bühnenleiter, der auf glänzende, in wechjelnder Stellung errungene 
Erfolge zurückblicken fonnte, war in ihn aus dem Leben gejchieden. 


An Stelle Wirfing’s hatte das vereinigte Conjortium am 
23. Jäner 1878 neuerdings Hrn. Mayr zum Director gemählt, 


*) Erwähnt fet, daß fh Wirſing noch ald Director des Cechtichen 
Randestheaterd um einen coburg'ſchen Hoftitel bewarb; man bedeutete ihm, 
daß ihm diefer Titel nur nach feinem Rüdtritt von der Direction eines cc. 
Inſtituts gewährt werben könne; er möge traten, das Frankfurter Theater 
zu erhalten. (Uns Wirſing's nachgelaflener Correſpondenz, im Belite dei 
Dir. Palme.) 





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dem Kolar als artijt. Leiter des Schaufpiels zur Seite ſtand; 
Beiräthe waren die Herren V. T. Ketabef md J. Schik. 
In diefe Aera fiel hereitS die feierliche Eröffnung des großen 
Nationaltheaters, deſſen Bau unter zahlreichen Hemmniſſen und 
Stodungen nur langjam feinem Ende entgegengegangen war. 
Der alt-jungcechifche Conflict war von unheilvollem Einfluffe auf 
diefe mit jo großartigen Apparat in Scene gejegte Action gewefen, 
das Baucomite wurde decimirt, die Beiträge floffen jpärlich, und 
nur die Randesjubvention von 300.000 fl. ließ auf einen weiteren 
Fortgang hoffen. Erſt nach der „Verföhnung”.Tam wieder Tem- 
perament in die Action; die Nationallotterie zu Gunſten des 
Baues, welche bisher minimale Erfolge erzielt hatte, gedieh, führte 
dem Gomite bedeutende Mittel zu und ficherte das Gelingen des 
Werkes. 267.571 fl. 53 fr. waren auf dem Wege der mit fieber- 
haftem Eifer betriebenen Lotterie-Action bis 1878 hereingebracht 
worden; der Reingewinn für den Bau betrug nach Abzug der 
Ausgaben 170.162 fl. 36 fr. Eine neue Organifation des Bau⸗ 
comite's mit veränderter Beitragsleiftung ‚der Mitglieder (bis zu 
500 ft.) führte dem nationalen Werke binnen drei Monaten aber- 
mals 200.000 fl. zu. Und mit jedem Jahre wuchten die Summen, 
„guldenweije” und in größeren Beträgen durd) Ausſchüſſe, Ver: 
eine, Journale u. ſ. w. gejammelt, vermehrt durch anfehnliche 
Beiträge der Prager Stadtgemeinde, jo daß die Vollendung des 
Theaters, für welche das Schlagwort „närod sob&* (die Nation 
für ji) ausgegeben worden war, nicht mehr zweifelhaft fein konnte. 
Die Neftbeträge wurden durch weitere finanzielle Operationen 
hereingebraddt. Ende 1880 bildete fi) dag neue Conſortium zur 
- Verwaltung des Nationaltheaters, beitehend aus 85 Mitgliedern 
unter Präfivium des Herrn Aemilian Skramlik mit einem 
Gründungscapital von 52.000 fl.; 1881 traf es mit dem Landes— 
ausichuß eine Vereinbarung, wornad) ihm die Verwaltung des 
Theaters bis Ende Juni d. J. 1888 übertragen wurde; zum 
Director des Nationaltheaters aber war am 21. Nov. 1880 ein- 
ftimmig und mit erweiterter Vollmacht J. N. Mayr gewählt 
worden. Am 15. Juni 1881 wurde das vom Architekten Profeſſor 
44* 


— 692 — 


Zitek erbaute prunkvolle Haus proviforifh zu Ehren der Un- 
funft des Kronprinzenpaares in Anmwefenheit des Kronpriuzen mit 
der Feſtoper „Libuse* von Smetana unter colofjalem Andrang 
eröffnet; man gab in demjelben Monat nody elf Boritellungen, 
welche zwei Schaufpielnovitäten, da8 Drama „Lipany* von Bltek 
und das Drama „Smiricti“ von J. ©. Kolar fowie Meyerbeer's 
„Hugenotten” brachten. Die bei dem Zuftandefommen des Werkes 
meift-betheiligten Perſonen, darunter Rieger, Intendant Dr. Skarda, 
Bürgermeifter Skramlik und Prof. Zitek erhielten höhere Ordens: 
augzeichnungen vom Kaijer, der auch 10.000 fl. zur Vollendung 
des Theaters widmete. 

Am 11. und 12. Sept. follte die definitive Eröffnung mit 
„Libuse* und F. U. Subert'8 Drama „Probuzenci“ erfolgen, ein 
tragifches Ereigniß aber trat dazwifchen. Am 12. Auguſt 1881 
wurde das herrliche Gebäude ein Raub der Flammen. Durd 
Unvorfichtigfeit eines Arbeiters foll der Brand entftanden jein; 
das Verhängniß wollte e3, daß die Prager Stadt-Feuerivehr, 
großentheild zu einem Leichenbegängniß ausgerüdt, nicht raſch 
genug zur Stelle war — wenig war zu retten, mit Mühe wurde 
das Interimstheater, das man bereits als „abgethan" betrachtet 
hatte und das nun wieder zu ungeahnter Bedeutung kam, vor 
dem Anjturm des verheerenden Elementes bewahrt. Da der Brand 
zwiichen 6 und 7 Uhr Abends ausgebrochen und erjt nad) einiger 
Zeit bemerkt worden war, drang die Kunde davon erft während 
der Xheaterzeit ing „neue Cechiiche Theater” vor dem Korntbor, 
wo die Nationaltheatergejellichaft ſpielte; jofort fündigte Schamberg 
dem Publicum die Kataftrophe an, die Vorftellung wurde abge: 
brochen, und erjchüttert verließen die Anwejenden das Theater, ja 
jelbit im Neuftädter Theater Lichteten fi) die Reihen im Aubito- 
rium ſtark. Die Verzweiflung der techifchen Nation, welche für 
das Theater jo gewaltige Opfer gebracht hatte und deren Ziel 
nun vereitelt jah, war groß, groß aber auch die Theilnahme der ' 
deutfchen Bevölkerung, die für den Cechifchen Theaterbau wieder: 
holt ihr Intereſſe in fympathifcher Weije befundet hatte. ALS es 
ih im Mai 1875 darım gehandelt Hatte, für diefen Bau 





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60.000 fl. als Theilbetrag der Gefammt-Subvention von 300.000 ft. 
zu bewilligen, war ber Berichterjtatter der Budget-Commiſſion 
des in feiner Majorität deutfchen Landtags, Abg. Wolfrum, 
entjchieden für dieſe Bewilligung eingetreten: „Da der Bau 
eines dechiſchen Nationaltheaters,“ erklärte der deutſche Abge— 
ordnete, „ein Bedürfniß ift, da diefer Bau von der jlavifchen 
Bevölferung des Landes mit großer Ausdauer angejtrebt wird 
und diefe Bevölferung mit großer Opferwilligkeit unter fich. jelbft 
durch freiwillige Beiträge über eine halbe Million gefammelt hat, 
da der projectirte Bau im edeljten Styl gehalten iſt und nad) 
feiner Vollendung eine Zierde der Landeshauptitabt fein wird, 
kann die Heranziehung der Finanzkraft des Landes zu dieſem 
Bau nicht abgelehnt werden.” Und Dr. Herbft motivirte fein 
Botum in ähnlicher Weife mit folgenden Worten: „Die Rückſicht 
auf das Äffentliche Autereffe verlangt es, daß ein monumentaler 
Bau wie diejes Theater und eine jo wichtige Pflegeftätte heimifcher 
Kunſt nicht unvollendet bleibe, dann aber habe ich mich darum 
für berechtigt gehalten, für die Subvention zu ftimmen, weil der 
Bau des Nationaltheaters ein Herzenswunfd der cehiichen Nation 
it." 1876 aber war e8 wieder Wolfrum, der entjchieden dafür 
eintrat, den weiteren Theilbetrag der Subvention flüjlig zu machen, 
damit „ein jo monumentaler, der Stadt Prag zur Zierde ge- 
reichender Bau nicht al8 Ruine ſtehen bleibe und den Herren, 
welche diejes Werk bisher jo opferwillig gefördert haben, mit Landes— 
mitteln beigejprungen werde." Die deutjche Yandtagsmajorität hatte 
denn auch in diefem Sinne abgeftimmt. In diefem Sinne nahmen 
auch jegt die Deutfchen Prags werkthätigen Antheil an dem Scid- 
jale der jlavifchen Mitbürger; die deutſchen Journale beklagten 
die Kataftrophe, und als mit erneutem Eifer die Sammlungen 
für den Wiederaufbau begannen, waren die deutjchen Blätter mit 
unter den Sammlern. Am Tage nad) dem Brande erfchien ein 
neuer dechiſcher Aufruf zur umfajjenditen Beitragsleiftung. Das 
Raiferpaar widmete alsbald 20.000 fl., das Kronprinzenpaar 
5000 fl., Erzh. Ludwig Bictor 1000 fl., die Prager Stadt 
gemeinde 50.000 fl., und ihr jchloßen jich andere Städte Böhmens 


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mit verhältnigmäßig beträchtlihen Summen an; Banken, Vereine, 
Actiengejellichaften, Ariftofraten, Yabrifanten, Private folgten, }o 
daß binnen furzer Zeit aus Böhmen allein 634.270 fl. 70 ft. 
gejammelt waren, Mähren und Schlefien brachten 50.156 fl. auf, 
und andere öfterreichiiche Kronländer fowie auswärtige Staaten 
wieſen Beiträge auf. Hatte das ganze Bauunternehmen von 1850 
bis zum Brande 1881 die Summe von 1,824.805 fl. 31’, kr. 
verichlungen, jo betrug der durch den Brand angerichtete Schaden 
über 550.000 fl., wovon ungefähr die Hälfte durch die Verfiche- 
rungsſumme hereingebradyt war. Der Neubau war gefichert und 
jollte jofort in Angriff genommen werden, doch entjtanden nun 
Mißhelligkeiten zwifchen dem Baucontite und dem Fitnftlerijchen 
Schöpfer des Theaters Prof. Zitef, der feine neuen Planjkizzen 
mit ſorgſamer Berücdfichtigung der durch die Theaterbrände der 
legten Jahre gebotenen Erfahrungen bedächtig — bedächtiger als 
e8 der Ungeduld der Cechiichen Nation erlaubt fchien — aus— 
arbeitete, über eine Reihe von Details, fpeciell über den Yallungs- 
raum des Theaters, mit dem Comite fi) nicht verftändigen konnte 
und deshalb auf die Führung des Neubaus verzichtete. Der 
Profeffor am eechiſchen Polytechnicum, Joſ. Schulz, welcher 
wiederholt mit Zitek gemeinſam gearbeitet hatte, trat an deſſen 
Stelle. Der Wiederaufbau ſchloß auch eine beträchtliche Erwei— 
terung des Tcheatergebäudes in fich, zu welchem Zwecke das 
Nahbarhaus des Dr. Robert Polak um 98.000 fl. angelauft 
wurde. 

Auch das Ynterimstheater verjchmolz naturgemäß mit 
dem neuen Bau, nachdem es feit dem Brande des Nationaltheaters 
wieder abmechjelnd mit dem neuen Cechiichen Theater den fünftleri- 
tchen Bedürfniſſen der flavischen Bevölkerung Prags gedient hatte. 
Bon einfchneidender Wirkung war diefe Brand-Kataftrophe auf die 
DOrganifation, die Fünftleriichen und finanziellen Verhältniſſe des 
Theaters gewejen. Die Errichtung eines neuen großen Theaters hatte 
natürlich auch die Erweiterung, den vollen Ausbau des fünftleri- 
chen Apparat3 gefordert. Auf der Direction Mayr laftete vom 
Nov. 1880 ab die Riefenaufgabe, das Perfonal in allen Fächern 





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zu completiren und zu vermehren, neue Decorationen, Cojtüme 
und Requifiten zu jchaffen, die für die Eröffnungsvorftellungen 
beitimmten Werke zu ftudiren u. |. w. Durch Heranziehung neuer 
Kräfte wurde der Gagen-Etat faft um die Hälfte erhöht, und 
doc) mußten die Sagen noch immer aus den bejcheidenen Ein: 
fünften des Interimstheaters beftritten werden, was umjo em: 
pfindlicher war, als der Termin für die Eröffnung des großen 
Hauſes erheblich verſchoben wurde und nad) den eriten erfolgreichen 
Borjtellungen eine Paufe eintrat, bis durch den Brand alle Hoff 
nungen auf Jahre hinaus zerjtört fchienen. Nun galt es, das 
große Perfonale mit den Eleinen Einkünften des Anterimstheaters 
zu erhalten, die erhöhten Gagen der alten Mitglieder aus der- 
jelben jehr beichränften Einnahmsquelle zur beftreiten. Der Wiener 
Ringtheaterbrand und die infolge deſſen eingerifjene Theaterpanique 
drohte dem Interimstheater verhängnißvoll zu werden; das Kleine 
Haus, deſſen „Parterre erjt erflommen werden mußte, mit jeinen 
ſchmalen Gängen und mangelnden feuerpolizeilichen Vorkehrungen 
ſchien geradezu dag Mufter eines Theaters, wie es nicht fein ſoll“; 
der Beſuch nahm rapid ab, und energifche Maßregeln im Intereſſe 
der Sicherheit des Publicums unterbrachen die Vorjtellungen im 
Winterhaufe eben während der Saiſon. Trotzdem verjtand es 
Director Mayr, dejjen Thätigfeit im Intereſſe des Natignaltheaters 
durch eine Dank» und Anerfennungs-Adrejje des Conſortiums an- 
erfannt worden war, durch ftrenge Einhaltung feiner Ordnungs- 
und Sparfamfeits-PBrincipien den Finanzapparat im Gange zu 
erhalten; fein Repertoire wies Werfe der beften nationalen Com: 
poniften (Smetana, Dvoräk, Bendl, Sebor, Rozkosnh, Blodef u. ſ. w.) 
und Autoren (Kolar, Vrchlickh, Bozdech, Durdif, Jekabek u. |. w.) 
auf und entſprach den Fünftlerifchen Forderungen, die man an 
das Inſtitut ftellen durfte. Mayr leitete das Theater bis zum 
März 1883, worauf er, durch ein fchweres afthmatiiches Leiden 
zu abfoluter Ruhe gezwungen, feine Refignation einbrachte und 
fih unter erneuten Anerfennungs-Bezeugungen des Conſortiums 
in’3 Privatleben zurüdzog. Als einer der thätigjten und erfolg- 
reichſten Mitarbeiter an der Entwidelung des Techifchen Theaters, 


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als der erfte Director der großen nationalen Bühne hat er den 
begründetiten Anfpruch auf die Dankbarkeit feines Volfes.*) 

Die Direction wurde am 12. März 1883 einem jungen und 
begabten Cechifchen Schriftiteller, F. 4. Subert, Mitredacteur 
des Journals „Pokrok“, übertragen, der fich ſchon vielbemerfte 
Berdienfte um das nationale Inſtitut erworben hatte. Zu Do- 
brufchla in Oftböhmen 1849 geboren, hatte er in Königgrätz das 
Gymnaſium, in Brag die philojophifchen Studien abfolvirt und 
fich fodann der Publiciſtik und Schriftftellerei zugewandt. Eine 
Reihe hiſtoriſcher Romane fowie das 1881 publicirte Drama „Die 
Erwachten” hatten die Aufmerkſamkeit der cechiichen Nation auf 
ihn gelenkt. Er war es aud), der jene Umbildung des National: 
theater-Bauvereing anregte, welche dem Zwecke ein Plus von 
200.000 fl. eintrug. Obwohl dem praftifchen Theaterweſen jern- 
ftehend, erwarb er ſich doch durch raſtloſen Eifer raſch einen 
tiefen Einblid in die Geheimnifje der Bühnenwirtbichaft und wirfte 
mit aller Energie auf eine würdige Vorbereitung der neuen Aera 
hin, die mit der Vollendung des aus feiner Ajche entjtehenden 
Rationaltheaters beginnen mußte. Die Schwierigkeiten, welche vor 
dem Eintritt diejes Ereigniffes zu überwinden waren, haben wir 
angedeutet. Am 14. April jpielte man zum letzten Male tm 
Interimstheater, am nächjten Tage begann man mit der Demo» 
lirung des „emeritirten” Theaters, und das „neue cechiiche Theater” 
vor dem Kornthore half nun aus der Verlegenheit; im Sommer that 
der Holzbau feine guten Dienfte, ſowie aber der Herbit herankam 
und das große Nationaltheater noch immer nicht eröffnet war, 
wuchjen die Bejorgniffe und ſank der Beſuch. Im October 1883, 
als der Termin für die Yertigftellung. des neuen Haujes abermals 
eine Berzögerung erfahren hatte, mußte das Conjortium dem 
Zandesausfchuffe geradezu eröffnen, daß die Vorjtellungen fijtirt 
werden müßten, wenn binnen acht Tagen nicht eine außerordentliche 


*) Auch die Gattin Mayr’s, Emilie geb. Ugfa (+ 30. Sept. 1874), 
hat zur Entwidelung bed dech. Theater beigetragen, indem fie 30 Open 
theils aus dem Deutichen, theild aus bem Italieniſchen unter Pſendonymen 
(meift „I. Prazski“) ind Cechiſche überſetzte. 


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Subvention flüjjig gemacht würde, und in der That wurde eine 
Tages-Subvention von 200 fl. bewilligt, zurüdtatirt vom 21. Sept. 
d. i. dem Tage, an welchem die erjte Vorftellung im neuen Haufe 
hätte stattfinden follen. Endlih, am 18. November 1883 — 
gerade 21 Jahre nad) der 1862 erfolgten Eröffnung des In—⸗ 
terimstheaters, der erjten jelbjtändigen cechiichen Bühne — war 
der Tag der definitiven und feierlichen Eröffnung gekommen. 
Die prachtvolle Ausjtattung des neuerjtandenen Haufes fejelte die 
Aufmerkjamkeit der Beſucher. Alle nationalen Künftler, Brozit, 
Zenisek, Hinays, Schifaneder u. U. hatten hiebei mitgewirkt; die 
Hofloge mit den zugehörigen drei Appartements präfentirte ſich 
bejonders impofant, im Ganzen aber war zu bemerfen, daß der 
eigentliche Innenraum (man zählte, die Logen zu vier Sigen ins 
begriffen, 1037 Site und 800 Stehpläge) im Widerfpruche mit 
dem mächtigen Aeußeren ftand; dafür waren die Garderoben und 
anderen Nebenräume mit geradezu verfchiwenderischem Luxus aus: 
gejtattet worden, und die eleftriiche Beleuchtung hob dieſe Pracht. 
Am Erdffnungstage fand Mittags eine Feſtakademie (theätre pare) 
statt, nachdem zuvor der Obmann des Bancomite’3 Dr. Rieger 
die feierliche Mebergabe des Gebäudes an den durch den Inten— 
danten Dr. Sfarda vertretenen Landesausihuß und das Con— 
jorttum bewerkſtelligt hatte. Der Obmann des Confortiums Herr 
v. Skramlik und Director Subert hielten Anfprachen. Bei der 
Akademie ſprach Frau Maruska Bittner (welche, nachdem fie 
ein hervorragendes Mitglied der Meininger Hofbühne gemejen, 
‚wieder zur cechifchen Bühne zurüdgefehrt war) den Prolog von 
Vrchlickh, der das Schickſal des wie der Phönix aus feiner Aſche 
erftandenen Theaters jchilderte, feiner Vergangenheit und Zukunft 
gedachte. Ein Orchefter-Vorjpiel von Smetana, eine Feſtouverture 
von Dootaf, eine Feſtcantate des Geſangvereins „Hlahol“, die 
Declamation einer Vrchlicky'ſchen Dichtung mit dem Refrain 
„Närod sob&* durch den Schaufpieler Seifert und lebende Bilder 
mit Begleitung eines geiftvollen Orchefterfages von Zdenko Fibich 
bildeten das Programm diejer Akademie. Bei der aucd von den 
ftaatlihen Dignitären und dem Yeudaladel bejuchten Abendvor⸗ 


— 6985 — 


jtellung fah man nad) dem legten Act von Smetana’® „Libuse“ 
abermals Tableaux aus der böhmischen Geſchichte. Die zweite 
Borftelung brachte ein Originaldrama „Salomena“ von Adamek, 
die dritte Dvoräk's Oper „Dimitri“. Zur Sicherung eines na— 
tionalen Repertoires war ſchon im Februar 1883 ein Concurs aus⸗ 
geſchrieben worden, deijen erjter Preis (der ſogenannte „ruſſiſche“) 
von 1000 Rubel auf eine Zragoedie oder ein Drama aus der 
ſlaviſchen fpeciell dechiſchen Geſchichte ausgejegt war; andere Preife 
galten den verjchiedenen Genres der dramatiihen Production. Die 
Stadt Prag jchrieb einen Preis auf das bejte Drama aus der 
Prager Geſchichte aus. Seither ijt das Nationaltheater unter der 
Leitung des Directors Subert mit Erfolg geführt worden. Ein 
durch Kunftkräfte fremder Nationalität (3. B. den italienijchen 
Tenor Raverta) ergänztes Perjonal,*) ein durch große Ballete 


*) Das Perfonal des cehiihen Nationaltheater gab der „Theater: 
kalender“ (divadelni kalendär) fiir 18%4 folgendermaßen an: Intendant 
Dr. Jak. Starda, Secretär C. Volinsky. — Confortium: Em. 
Ritt. dv. Skramlik, Präf., Dr. Joſ. Durdik, Vicepräfident. — Director 
Fr. Ab. Subert, Secretär Joſ. SHendt, Dramaturg Ladisl. Stronpeinickh, 
Componift Friedr. Smetana. — Regie: Fr. Kolar, Oberreg., F. Hynek, 
DOpernreg., Ant. Bulda, Schanfpielreg. — Orcheſter: 1. Capellm. Ad. 
Cech, Lapellm. Mor. Anger, Chormeifter Aug. Vyflocil, 8 erfte Violinen, 
7 zweite Violinen, 4 Violen, 4 Eelli, 4 Bälle, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Clari⸗ 
netten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten, 4 Bofaunen, 1 Timpaniſt, 
1 Harfenjp., 2 Zrommelihläger. — Schauipiel: Herren ©. Bittner, 
Joſ. Brojef, Joſ. Chramofta, Edm. Chypalovskh, Joſ. Frankovsky, Sof. 
Hornik, I. Karbus, Fr. Kolar, J. Krtin, Heinr. Moöna, Ant. Pulda, 
F. Poͤtroß, Jak. Seifert, WU. Sedlaͤcek, V. Slukov, C. Simanovsky, Joſ. 
Smaha, F. Stibitz, W. Vawra, Zdiſſaw. — Damen Maruska Bittner, 
Frl. Bollard, Frl: Krepela, de Pauli, Poſpisil, Pſtroß. Rott, Frauen 
Seifert und SHendi-Mald, Frls. Slavinsky, Turek, Wolf, Zasmucky. — 
Oper: Hrn. Benoni, C. Cech, Doubrawsky, Heͤ, Hynek, Koubek, Kröfling, 
Lev, Mikolas, Raverta, Soukup, Stropnich,, Urbänel, Ant. Vaͤwra; Damen 
v. Ehreuberg, Betti Fibich, Clem. Kalad, Joh. Kavalar, Kroupa, Laus⸗ 
mann, Maiſler, Reich, Reinl, Reiſinger, Sitt, Wollner. — Chor: 27 
Derren, 31 Damen. — Balletmeift, Reifinger, Solotänzer 3. Berger, Solo⸗ 
tänzerinen Frls. v. Schöpf, Keppler und Biegler, X Damen. — Die 
Theaterpreife betrugen bei Abendvorftellungen: Loge Part. u. 1. Rang 





— 699 — 


und „internationale” Säfte belebtes Repertoire ſoll der National: 
bühne ein weiteres Bublicune fichern, und in der That jcheint 
dadurd) dem deutichen Landestheater eine Concurrenz geichaffen, 
die nur durch raftlofe, energijche und aufopfernde Arbeit abge- 
wehrt werden kann. Es wäre ebenjo engherzig als ungerecht, 
die Bedeutung der neuen cechiichen Bühne, die ſich — wie wir 
in diefer Gefchichte gefehen — ans den unfcheinbarften Anfängen 
emporgerungen hat, die ftarfe Entfaltung der dramatijchen Lite: 
ratur der Cechoflaviichen Nation, zu verfennen; die Schöpfung 
eines mächtigen Theaters, zum großen Theile aus den eigenen 
Mitteln des Ceshiichen Volkes, fordert unjere Achtung heraus; nur 
möge die Cechiiche Nation, wenn fie in. einem monumentalen Bau 
in ihrer Sprache der Kunft huldigt, nie vergeffen, daß diefe Kunft 
aus der deutjchen ſozuſagen emporgewachjen, daß das deutjche 
Landestheater das Mutterhaus der techiichen Volksbühne ift und 
die deutiche Bevölkerung Prags wiederholt in früheren und fpäteren 
Perioden werkthätigen Untheil an der Entwidelung des techifchen 
Kunjtlebens genommen bat — waren es doch deutiche Directoren, 
unter deren Aegide die ſelbſtändige Cechifche Bühne begriindet und 
auf eine jolide künſtleriſche Baſis geftellt worden tft! 


sh. Loge 2. R. 7 fl., Fautenil im Part. u. 1. Balcon 2 fl., Part.⸗Sitz 
und 1. Balc.1fl. 50 kr., Sitz am 2. Balcon 1. Reihe 1 fl. 50 kr., 2. und 
3. Reibe 1 fl. 20 kr.; 1. Gallerie 1. Reihe 1 fl., 2., 3. und 4. Reihe 
80 tr., 2. Gallerie 60, 50, 30 und 40 kr., Stehplätze PBarterre 1 fl. 
1. ®allerte 50 kr., 2. Gal. 20 kr., legter Platz 20 fr., KRinderbillet 40 kr. 
Bei Nachm.-Vorftellungen traten Ermäßigungen ein. 


— —— 


— 70 — 


XXVL. 


Eduard Kreibig als activer Director. 
(1876— 1879.) 


(Eduard Kreibig. — Die erften Vorſtellungen. — Das Schauſpiel— 
Perfonal: Anton Roll, Sauer, Emil Huvart, Zul. Simon, 8. v. Erneft, 
Friedr. Wild. Keller, Raberg, Lubwig Martinelli, „Papa Haſſel's“ und 
Frevy's Abſchied; Chargenfpieler; die Komiker Schlejinger und Lunzer. — 
Damen: Roſa Keller-Frauenthal, Margarethe Santfch-Ziegler, Marie 
Swoboda, Ida Trautmann, Emmy Rigol, Minna Bihler, Adele Wienrich, 
Iſabella v. Bünau, Irma v. Jelenska, Paula Bafte, Mofer-Sperner, Irma 
v. Rovelfa, Helene Born, Julie Kröffıng, Anna Berfing-Hauptmann, Theod. 
v. Fiedler-Wurzbach, Minna Wollrabe und Thereſe Poſinger. — Das 
Opernperfonal: Marie v. Steinig-Mofer, Marie Erhart, Caroline 
Charles-Hirſch, Marie Lehmann, Melanie Puld-Haedel-Ermartb, Adele 
Benetti, Minna Borte, Marie Storch:Zoder, Minna Scent:Ullmener, 
Lniſe Seeberger-Martinelli; — Sänger: Kaminski, Grifa, Martend, Aug. 
Stoll, Walter, Wild. Fund, Fritz Schrödter, Adalb. Schebefta, Eaharbt, 
Grengg. — Das Repertoire: Schaufpiel und Oper: Gäſte. — Künft- 
leriihe und finanzielle Verhältniffe. — Director Ednard Kreibig beurlaubt; 
Edmund Kreibig Divector-Stellvertreter.) 


Der Director, melden der Landesausſchuß dem deutjchen 
Landestheater als Nachfolger Wirfing’8 gegeben hatte, war nicht 
unbefannt in der deutichen Bühnenwelt: er zählte zu den gewand- 
tejten Leitern größerer Provinztheater in Oefterreidh, und jpeciell 
das Grazer Landestheater, das zulegt feinem Scepter gehorcht 
hatte, hat zu dem Prager Landestheater ftet3 innige Beziehungen 
unterhalten, waren doch zwei der beiten Prager Bühnenleiter, Stöger 
und Thome, als foldye auch in Graz unvergeflen gewejen! Eduard 
Kreibig, ein geborener Prager, Sohn des ehemaligen Theater: 
directors Joſef Kreibig, war. jchon in der Wiege zum Schaus 
ipieler bejtimmt; jein Vater leitete feine Ausbildung nach dieſer 
Richtung, und neben der gewöhnlichen Schulbildung wurde auf 
den Unterricht des Sohnes in der Mufit und Malerei, in fremden 





— 701 — 


Spraden, Reiten, im Zanzen, echten bejonders Gewicht gelegt. 
Schon mit jechzehn Jahren betrat der Directorsfohn als Anton 
in Kotzebue's „Verwandtſchaſten“ zum erſten Male die Bühne; 
Holbein's „Fridolin“, eine Reihe komiſcher Geſangspartien wie 
der Adam im „Dorfbarbier“ u. ſ. w. bezeichneten die weiteren 
Etapen feiner Künftlercarriere, wobei eine entiprechende Mit- 
wirkung im Ballet nicht vergeſſen war. Mit zwanzig Jahren 
war der Jüngling jchon bei dem Ferdinand in „Kabale und Liebe“ 
und Jaromir in der „Ahnfrau” angelangt, bald war er auch in 
Luſtſpielen ein feuriger, gern gejehener Liebhaber, ſchwang fid) 
fodann zum Bolingbrofe im „Glas Waſſer“ und Perin in „Donna 
Diana’ empor und verfäumte nicht, in der Oper als Senefchal 
in „Jean de Paris", Papageno u. ſ. w. Dienfte zu leiften, wie 
es einem echten ‘Directors-Sprößling ziemt. An den Stadttheatern 
zu Rronftadt, Hermannftadt und Temesvar war er als Liebhaber, 
Bonvivant und Sänger, in cdhargirten und Charakter-Rollen der 
erflärte Liebling der unterfchiedlichen kunfiliebenden Bevölkerung. 
Auh an düfteren Momenten fehlte e8 dem Jugendleben diejes 
Zheater-Mannes keineswegs. ALS fein Vater in Bukareſt ein 
neues deutjches Theater hergeftellt hatte, brannte es nach einer 
Dilettanten-Vorftellung gänzlic) ab, und Kreibig, der im Gebäude 
wohnte, wäre bald cin Opfer der Flammen geworden. Ein Jahr 
fpäter hatte fein Vater in der Hauptitadt der Moldau, in Jaſſy, 
das damals dem deutjchen Einfluß noch jehr zugänglid) war, in 
einem Bojaren-PBalais ein neues Theater arrangirt, und wieder 
wurde e3 bei dem Brande, der im uni 1823 die halbe Stadt 
vernichtete, ein Raub der Flammen. Bald darauf ftarb Joſef 
Kreibig und binterließ jeinem Sohn die dürftige Theater-Erbſchaft 
und die Sorge für feine Familie. Zum Glüd wußte ſich Eduard 
Kreibig als guter Tänzer in Bukareſt dur Tanz⸗Lectionen eine 
neue Ermwerbsquelle zu erjchließen, bis ihn die Ruſſen und die 
Cholera aus der „Wallachei” nad) Kronftadt vertrieben; von dort 
ging es nach Hermannftadt, wo er ſich in einer Benefizvoritel- 
lung zum erften Male wieder jeinen alten „Gönnern“ vorſtellte 
und mit Qubel begrüßt wurde — zum Unglüf gab es in der 


— 700 — 


XXVII. 


Eduard Kreibig als activer Director. 
(1876— 1879.) 


(Eduard Kreibig. — Die erſten Vorſtellungen. — Das Schaufpiel- 
Perſonal: Anton Roll, Sauer, Emil Huvart, Jul. Simon, L. v. Erneſt, 
Friedr. Wilh. Keller, Raberg, Ludwig Martinelli, „Papa Haſſel's“ und 
Frey's Abſchied; Chargenſpieler; die Komiker Schleſinger und Lunzer. — 
Damen: Roſa Keller-Frauenthal, Margarethe Janiſch-Ziegler, Marie 
Swoboda, Ida Trautmann, Emmy Rigol, Minna Bichler, Adele Wienrich, 
Iſabella v. Bünau, Irma v. Jelenska, Paula Bafte, Moſer-Sperner, Irma 
v. Rovelka, Helene Born, Julie Kröſſing, Anna Verſing-Hauptmaun, Theod. 
v. Fiedler-Wurzbach, Minna Wollrabe und Thereſe Poſinger. — Das 
Opernperſonal: Marie v. Steinitz-Moſer, Marie Erhart, Caroline 
Charles-Hirfh, Marie Lehmann, Melanie Puls-Haeckel-Ermarth, Adele 
Benetti, Minna Borte, Marie Storch-Zoder, Minna Schenk⸗Ullmeyer, 
Luiſe Seeberger-Martinelli; — Sänger: Kamiuski, Grifa, Martens, Aug. 
Stoll, Walter, Wild. Fund, Fritz Schröbdter, Adalb. Schebeita, Eghardt, 
Grengg. — Das Repertoire: Schaufpiel und Oper: Gäſte. — Künft- 
leriſche und finanzielle Berhältniffe. — Director Ednard Kreibig beurlaubt; 
Edmund Kreibig Director-Stellvertreter.) 


Der Director, welden der Laudesausfhuß dem deutjchen 
Landestheater als Nachfolger Wirfing’S gegeben hatte, war nicht 
unbefannt in der deutichen Bühnenwelt: er zählte zu den gewand- 
tejten Leitern größerer Provinztheater in Defterreich, und fpeciell 
das Grazer Landestheater, das zulegt jeinem Scepter gehorcht 
hatte, hat zu dem Prager Landestheater ftet3 innige Beziehungen 
unterhalten, waren doch zwei der beiten Brager Bühnenleiter, Stöger 
und Thome, als ſolche auch in Graz unvergefjen gewejen! Eduard 
Kreibig, ein geborener Prager, Sohn des ehemaligen Theater: 
directors Joſef Kreibig, war, jchon in der Wiege zum Scau- 
ipieler beitimmt; fein Water leitete feine Ausbildung nach dieſer 
Richtung, und neben der gewöhnlichen Schulbildung wurde auf 
den Unterricht des Sohnes in der Muſik und Malerei, in fremden 


— 701 — 


Sprachen, Reiten, im Tanzen, Fechten bejonders Gewicht gelegt. 
Schon mit jechzehn Jahren betrat der Directorsjohn als Anton 
in Kotzebue's „Verwandtfchaften" zum erften Male die Bühne; 
Holbein’8 „Fridolin“, eine Reihe komifcher Gefangspartien wie 
der Adam im „Dorjbarbier” u. |. w. bezeichneten die weiteren 
Etapen jeiner Künftlercarriere, wobei eine entjprechende Mit- 
wirkung im Ballet nicht vergefjen war. Mit zwanzig Jahren 
war der Jüngling ſchon bei dem Ferdinand in „Kabale und Liebe“ 
und Jaromir in der „Ahnfrau“ angelangt, bald war er auch in 
Luſtſpielen ein feuriger, gern geſehener Liebhaber, ſchwang ſich 
ſodann zum Bolingbroke im „Glas Waſſer“ und Perin in „Donna 
Diana“ empor und verſäumte nicht, in der Oper als Seneſchal 
in „Jean de Paris“, Papageno u. ſ. w. Dienſte zu leiſten, wie 
es einem echten Directors-Sprößling ziemt. An den Stadttheatern 
zu Rronftadt, Hermannftadt und Temesvar war er als Xiebhaber, 
Bonvivant und Sänger, in chargirten und Charafter-Rollen der 
erklärte Liebling der unterfchiedlichen Eunfiliebenden Bevölkerung. 
Auch an düfteren Momenten fehlte e8 dem Jugendleben diejes 
Zheater-Mannes feineswegs. AS fein Vater in Bulareft ein 
neues deutjches Theater hergejtellt hatte, brannte es nach einer 
Dilettanten-Vorftellung gänzlich ab, und Kreibig, der im Gebäude 
wohnte, wäre bald ein Opfer der Flammen geworden. Ein Yahr 
ſpäter hatte fein Vater in der Hauptjtadt der Moldau, in Jaſſy, 
das damals dem deutjchen Einfluß noch fehr zugänglich) war, in 
einem Bojaren-Palais ein neues Theater arrangirt, und wieder 
wurde e8 bei dem Brande, der im uni 1823 die halbe Stadt 
vernichtete, ein Raub der Flammen. Bald darauf jtarb Joſef 
Kreibig und hinterließ feinem Sohn die dürftige Xheater-Erbichaft 
und die Sorge für feine Familie. Zum Glück mußte fih Eduard 
Kreibig als guter Tänzer in Bukareſt durch Tanz-Lectionen eine 
neue Erwerbsquelle zu erichließen, bis ihn die Ruſſen und die 
Cholera aus der „Wallachei” nad) Kronftadt vertrieben; von dort 
ging es nach Hermannftadt, wo er ji in einer Benefizvoritels 
lung zum erften Male wieder feinen alten „Gönnern“ vorjtellte 
und mit Jubel begrüßt wurde — zum Unglüd gab es in der 


— 702 — 


Borftellung zum Schluffe ein Duell, das fo natürlich ausgefochten 
wurde, daß Kreibig eine Iebensgefährliche Wunde davontrug, drei 
Zage mit dem Tode rang und ein volles Jahr der Bühne ent- 
zogen blieb. Unter ſolchen Wechjelfällen des Glücks Hatte ber 
junge Schaufpieler fein 24. Lebensjahr erreiht. Nach Wieder: 
beritellung feiner Gejundheit übernahm er die von feinem Vater 
geführte Leitung der vereinigten Theater von Temesvar, Arad 
und Hermannjtadt — damals noch durchwegs Städte von unbe: 
ftritten deutjchen Charakter — überftand in Temesvär die heißen 
Zage der Belagerung im Jahre 1849, wobei er im Humanitäts- 
dienst große Regſamkeit entwidelte, leitete jodann 3 Jahre die 
Bühne zu Preßburg, fieben Jahre das anfehnlich fubventionirte 
Landestheater zu Linz, das unter ihm fünftlerifch gedieh, von 
1864 dis 1876 aber das Landestheater in Graz, in welchem eine 
Reihe hervorragender deutſcher Bühnenfünftler unter feiner Di: 
rection den Grund zu ihrer nachmaligen Bedeutung gelegt hat.*) 
Eduard Kreibig ftand, ala ihn der Landesausſchuß an die Spike 
des Prager Theaters berief, bereits in fehr vorgerücdten Jahren, 
hatte ſich aber feine volle Rüftigkeit bewahrt, ſah im. Bewußtſein 
vieljähriger Directiongerfahrung mit Beruhigung der neuen, ſchweren 
Aufgabe entgegen, die er übernommen, und traf im Yrühjahr 1876 
mit einer Künftlerfchaar von ausnehmender Stärke, deren Kern 
eine Anzahl trefflicher Kräfte aus der Wirfing’schen Wera bilden 
jollte, in Prag ein. Routine und praftifcher Blid war bei einem 
Bühnenleiter, der „beim Theater” aufgewachjen und alt geworden 
war und in zwölfjähriger Thätigfeit in der fteiermärfifchen Haupt 
ftadt die künstlerischen Bedürfniffe und den Geſchmack eines ans 
ſpruchsvollen Publicums kennen gelernt hatte, vorauszujegen: er 
hatte fie auch in Graz bewährt und das dortige Theater, ohne 
durch hervorragende Leiftungen zn blenden, in jolider künſtleriſcher 
"Berfaffung erhalten. Seinem Perſonal war er, obwohl ihn fein 


*) Marie Wilt bat in Graz unter Kreibig's Direction ihre theatral. 
Laufbahn begonnen, ebenfo war Bertha Ehun bort zwei Jahre engagirt 
und hat unter Capellmeifter Stolz’ Anleitung ihr fünftlerifches Repertoire 
begründet. 








— 703 — 


Zemperament zu manchem ernten Conflict hinriß und manche 
„Theater⸗Affaire“ herauf bejchwor, ein gültiger Chef; es bildete 
ſich ein gewifjes „patriarchalifches"” Verhältniß, wie es in der alten 
Theaterzeit häufig war, zwilchen Director und Berjonal heraus. 
Die geijtige Bedeutung aber, das umfaſſende und tiefe literariſche 
Willen, das man von dem Xeiter einer künſtleriſch hochſtehenden 
Bühne verlangt, war dent neuen Prager Director in dem er 
wünſchten Maße nicht eigen; man konnte nur hoffen, daß der 
Praftifer mwettmachen werde, was der „Theoretiker“ vermiſſen ließ, 
zumal gerade literarifch bedeutende Theaterdirectoren mitunter das 
entjchiedenfte Zalent befundet Hatten, ihre ‚Bühne „praftiich" zu 
ruiniren. 

Die Stimmung des Publicums, welche Director Eduard 
Kreibig vorfand, war übrigens eine ausnehmend ungünjtige; man 
hatte eine andere Löfung der Directionsfrage erwartet und fah num 
dem Regime eines unbefannten, ungewünfchten Bihnenleiters mit 
ſtarken Vorurtheilen und entjchiedenem Mißtrauen entgegen. Mit 
einer Borjtellung zum Beſten des Franuenerwerbvereing, einem 
Prolog und „Donna Diana”, führte ſich am 16. April die neue 
Direction ein. Der von Anna Verſing-Hauptmann gejprochene 
Prolog wurde mit rüdjichtsvollem Schweigen entgegengenommen; 
dagegen begegnete die in Verſe gefleidvete Eröffnungsrede Kreibig’s 
jelbft bereits deutlicher Oppofition. Die Vorjtellung machte das 
Publicum mit einer Reihe neuer Kräfte*) bekanut, die aber 

*, Dir. Kreibig Hatte im April folgendes Perfonal in Prag ver: 
fammelt: Scyaufpiel: Frau Roſa Keller vom Stuttg. Hofth., Heldin; 
Fl. Clara Ungar von Breslau, Salondame und Converſ.-Liebh., Frl. 
v. Kelensta von Wien, fentim. Liebh. Frl. v. Bünau von Graz, munt. 
Liebh., Frl. Minna Bihler von Berlin, naive Liebh, Frl. v. Born 
vom Th. a. d. Wien, jugend!. Liebh, Frl. Emmy Rigol vom Stadtth, 
in Graz, Liebh. und ing. Salondame, Frls. Strömer und S;öld vom 
Randesth. in Graz, Liebh., Damen: Wollrabe, Bofinger und Fries 
von Prag, Mütter. — Hr. Roll, Char.-Spieler u. Oberreg. vom Landes⸗ 
theater in Graz, Hr. Keller, Charjp. u. Intr, Hru. Sauer, Hallel, 
Geiger u. Steinar von Prag, Hr. Saar, Naturburihe u. Liebh., 
Hr. Huvart, Bonviv., die Hrn. J. u. 8. Simon, Frey, Granert, 


— 704 — 


nur zum Theil acceptirt, zum Theil entjchieden abgelehnt wurden. 
Das letztere Schicfal hatte die neue Donna Diana,*), Frl. Clara 
Ungar, eine Darftellerin, deren Name in Deutichland einen 
guten Klang hatte, die aber ihren Prager Vorgängerinen in diefer 
Partie feinesmegs gewachſen war. Freundliche Erfolge hatten 
die niebliche Florette des Frl. Bichler, in der man ſofort 
ein friſches, entwidelungsfähiges Talent erkannte, die Damen 
Rigol und Born, deren interefjante und fejjelnde Erfcheinung 
der Borftellung jehr zu Statten fam, Hr. Huvart, deijen Perin 
den gewandten Schaufpieler verrietd und die „heimiſchen“ d. h. 
von Wirfing überfommenen Kräfte Im Ganzen war der Erfolg 
des Abends durchaus nicht geeignet, die neue Bühnenleitung zu 
ermuthigen; ihr Untergang durch den Unwillen des PBublicums 
ſchien befchlofjen. Viel freundlicher indeß geitaltete fich der nächſte 
Abend, die erjte Opern-Vorjtellung in der neuen Aera. Man 
gab „Mignon”, und die neue Vertreterin der Titelroffe, Fräulein 
Melanie Hädl, eine junge Sängerin, die in Graz ihre erjten 
Lorbeern gepflücdt hatte, jowie der neue Wilhelm Meifter, Herr 


Siege, Römer u. Müller von Prag. — Oper: Fr. v. Mofer und 
Fl. Erhart von Prag, Frl. Melanie Hädel, jing.-dram. Sängerin vom 
Randesth. in Graz; Frl. Tomfa, Altiftin u. Mezzofopr.; rau Stord- 
Boder, Opernfoubr. u. Operettenfäng. vom Landestheater in Graz, Frau 
Schenf-Ulimeyer v. Prag, Frl. Seeberger v. Wien, Soubrette; 
Fr. Plodek v. Prag, 2. Altiftin, Hr. v. Kaminski v. Graz und Herr 
Richter v. Nürnberg, Heldentenore, Hr. Stoll v. Graz, Iyr. Tenor, 
Walter, Operett.-Tenor, Eghardt v. Prag, Baß-Buffo, Mühe (Tief⸗ 
baß), Eihberger u. Mader v. Prag. — Romiker; Ludw. Martinelli 
vom Th. a. d. W., Char.⸗Komiker, Carl Schlefinger, Geſangskomiker, 
Zunzer von Brag, Buls von Graz, Heiter arg. Rollen. — Ballet: 
Balletmeiiterin Frl. Belle von Prag, 1. Solotänzerin Frl. Gütlid, 
Solotänzer Hr. Diese. — Regie: Ant. Roll, Oberreg. und Schaufpiel: 
regiſſeur, Edm. Kreibig, Reg. d. Op. u. Operette, Ludw. Simon. — 
Gapellmeifter Ludw. Slausky (1.) und Straup (Chordir. u. 2.). 

* Donna Diana” war in diefer Eröffnyngsporftellung folgender⸗ 
maßen bejett: Don Diego-$ulius Simon, Donna Diana-Clara Ungar, 
Donna Laura⸗Frl. Rigol, Feniſa-Frl. Born, Don Gejar-Steinar, Luis⸗ 
Geiger, Gafton-Saar, Berin-duvart, Florette-Frl. Minna Bichler. 











— 705 — 


Stoll, entjchieden im Verein mit „alten” Kräften, wie es 
Schebeita und Frl. Erhart waren, den Sieg. Auch die weiteren 
Abende brachten manchen freundlichen Erfolg. Als Gretchen in 
„Fauſt“ ftellte jich die neue Heroine, Fr. Keller-Frauentbal, 
vor und bewährte fich als Künftlerin von Bedeutung, während 
Clara Ungar in „TFeenhände" ihren Mißerfolg befiegelte; die 
erjten Poſſen- und Operetten-Vorftellungen lieferten fogar den 
Deweis, daß das neue Regime auf diefen Gebieten ungleich mehr 
und Beſſeres leiften würde als das verfloffene: die Komiker 
Martinellin, Schlefinger und Lunzer, der Operetten- 
tenor Walter, die Soubretten und Operettenfängerinen Schent- 
Ullmeger, Storch-Zoder und Seeberger verbürgten ein 
Enjemble auf dem Terrain der leichtgefchürzten Oper, wie man 
es in Prag noch nicht bewundert hatte. 

Die erfte tünftlerifche That der neuen Directton war die 
Premiere des Wilbrandt’schen „Nero“ (24. April),*) welche, 
ohne dem Repertoire bleibenden Gewinn zu bringen, die Prager 
mit einer intereffanten Künftler-Mmdividualität, dem neuen Ober- 
regifjeur und Charakterdarfteller Anton Roll, bekannt machte. Roll 
war auf der Bühne aufgewachjen, hatte fich in Defterreich und 
Deutichland den Auf eines trefflichen Heldenfpielers erworben und 
war am Landestheater in Graz als Oberregiſſeur und Darjteller 
befonders gejchägt worden. Eine impofante Erjcheinung, jtarfe 
äußere Mittel, die allerdings durch eine auffallende Härte in der 
Sprechweife behindert wurden, jelbjtändige künftlerifche Auffaffung 
fowohl in der Darftelung als Negieführung ließen ihn als eine 
Kraft von Bedeutung erjcheinen,; obwohl er feine Erfolge bisher 
als Helvenjpieler gefucht und gefunden hatte, wurde er num doch 
dem Enjemble, das an Sauer einen trefflichen, in der Gunſt des 
Bublicums feitwurzelnden Heldendarjteller beſaß, vorwiegend als 
Charakterfpieler werthvoll, griff übrigens allmälig von dieſem 


*) Nero-Roll, Octavia⸗Frl. Strömer, Ugrippina-Tr. Verſing, Bri- 
tannicus⸗Frãul. Rigol, Seneca-Ful. Simon, Poppäa⸗-Frau Keller, Otho⸗ 
Huvart, Acte-Frl. Born, Phaon⸗-Geiger, Lucilins⸗Steinar, Sporus-Heiter. 

45 


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Gebiet auch auf jenes der Helden und Heldenväter über und 
leiftete im Gonverjationsjtüd bejondere Dienfte. Als Regiſſeur 
war er, wenn jeine Kraft entiprechend verwerthet und eine be» 
ftimmte künſtleriſche Richtung eingehalten wurde, jeiner Erfolge 
ſicher, und manche interefjante Schaufpielaufführung in den Jahren 
Kreibig'ſcher Aera verrieth feine kundige und glüdlihe Hand. Als 
Schaufpieler hat Roll in Prag u. U. als Nero, Richard II, 
Macbeth, Franz Moor, Antonius (Antonius und Cleopatra), a: 
brictus (Wilbrandt, „Die Tochter des Hrn. Fabricius“), Fromont 
senior, Marinelli u. |. w. interefjirt und große Erfolge errungen.*) 
Neben ihm fungirte 2. Simon nah wie vor als Aushilfs- 
Negiffeur, während Edmund Kreibig jun., der Sohn des Di- 
rectors, ein muſikaliſch gründlich gebildeter, in der Schule feines 
Vaters aufgemwachjener junger Dann, die Oberregie der Oper 
führte. Erft in den ſpäteren Jahren diejer Directionsperiode, welche 
eine Reihe von Neugeitaltungen mit fich brachte, trat eine Aende- 
rung in der artiftiichen Führung der Bühne ein. 

Eine Revue über die Schaufpielfräfte diefer Aera mag ung 
zeigen, daß es keineswegs jchwache Mittel waren, mit denen 
Eduard FKreibig den Kampf gegen die Antipathie des Publicums 
aufnahm. In den Händen der früheren und bewährten Vertreter 
Sauer und Steinar waren die Fächer des erjten Helden und 
Liebhabers und des jugendlichen Helden und Liebhabers geblieben — 
durch das Engagement Rolls, der den „Helden” nicht ganz ver- 
leugnen fonnte, jtand noch ein Mann für diejes Fach zur Dig 
pofition, und in den hervorragenditen Heldenrollen war geradezu 
ein Alterniren zwilchen Sauer und dem neuen Oberregilfeur er- 
möglicht. Für das Converfationsjtüd ftand außer den Genannten, 
Hrn. Geiger, der nun zu den eingebürgerten Kräften zählte, 


*) Ant. Roll batte als Sohn eines ehemaligen Theaterdirectord in 
Baben am 16. Nov. 1850 zum erften Male die Bühne betreten und nad 
einer mühevollen Entwidelungsperiode feinen Ruf und feine künftlerifche 
Bofition zuerft am Stadttheater in Frankfurt a. M. begründet, derielben 
Bühne, die nach feinem Sceiden von Prag abermals die Stätte feiner 
Wirkſamkeit werben follte. 





— 707 — 


und dem waderen Veteranen Frey noch ein Neu⸗Ankömmling, 
Emil Huvart, zu Gebote, ein Schauſpieler von ſympathiſcher 
Erſcheinung, gutem Converſationston und künſtleriſchem Verſtänd⸗ 
niß, das er auch als dramatiſcher Lehrer in Prag verwerthete. 
Er ſtand bis 1879 im Engagement und leiſtete im Drama und 
Luſtſpiel gute Dienſte. Ein intereſſanter junger Darſteller, Herr 
Saar, der ſich als Gaſton in „Donna Diana“ einführte, ver⸗ 
mochte in Prag nicht Fuß zu faſſen und machte ſich nachmals als 
gewandter Ueberſetzer franzöſiſcher Repertoire⸗Stücke und als Luſt⸗ 
ſpiel Dichter einen geachteten Namen. Das Heldenväterfach ver⸗ 
waltete zunächſt Jul. Simon, auch in dieſer Sphäre durch Roll 
ergänzt. Er ſchied 1878 von Prag, ging als artiſtiſcher Director 
an das Berliner Oſtend⸗Theater, von dort an's Berliner Stadt⸗ 
theater, jpäter an das kaiferl. Theater in Petersburg, in welcher 
Stadt er am 5. Jäner 1880 im Stallhofipitale an Typhus ver: 
Ihied. Er hinterließ eine Witwe und begabte Tochter; in feinen 
Papieren fand ſich auch ein zweiactiges Luſtſpiel „Socialdemo- 
traten". Sein Nachfolger war Ludwig v. Erneft, ein Mann 
von reicher Fünftlerischer Vergangenheit.*) Als Liebhaber und 
Held hatte er einer Neihe von deutjchen Bühnen in Defterreich, 


*) Ludwig vd. Erneft ift am 25. Mai 1829 al3 Sproß des ſieben⸗ 
bürgiſch⸗ſächſiſchen Gejchledhte3 „von Baußnern“ geb., widmete jich gegen 
ben Willen feiner Eltern dem Theater, betrat in QTemesvär zuerft die 
Bühne, trat 1847 am Theater a. d. Wien, 1848 als Melchthal in Dresden 
auf, war dann in Lemberg, Belt, Leipzig, Hannover, am Königſtädter 
Theater in Berlin, in Danzig und Darmftadt eng., wirkte von 1858 big 
1862 in Breslau, dann anı PVictoriath. in Berlin, 1863 ald Reg. in Eöln, 
ferner in Hamburg, Wiesbaden, am Harmonieth. in Wien, in Danzig und 
Bremen, deb. 1871 als Herzog in den „Carlsſchülern“, Peti, General 
Morin und Othello in Schwerin, verließ nach einem Jahre diefes Theater 
und war num wieder je eine Saifon in Petersburg, Nürnberg, Düfleldorf, 
New-Horl, St. Ballen eng., bis er 1878 in den Verband des beutichen 
Zanbestheater in Prag trat. Zu feinen beiten Rollen zählten Uriel, Carl 
Moor, Eſſex n. |. w. Seine Tochter Marie v. Erneit (geb. 30. Dec. 1858 
zu Breslau) bat fih als Schriftitellerin und Scaufpielerin befannt ge= 
macht, insbefondere durch das Luſtſpiel „Mit dem Strome“, das große 
Erfolge erzielte; fie ift nun mit dem ital. Opernfänger de Vaſelli in Kom 

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— 708 — 


Deutfchland, Rußland und Amerika angehört; Mar Kurnik nennt 
ihn*) unter den beften Mitgliedern der Breslauer Bühne; fein 
ſonores Organ, deſſen Rlangfille und Klangſchönheit keinen Ver: 
gleich zu ſcheuen hatte und ihm auch eine Carriere als Baryton 
ermöglicht hätte ſowie feine impojante Erfcheinung praediftinirten 
ihn gewilfermaßen für das Fach, das er folange vertreten und 
aus dem er den natürlichen Uebergang zum SHeldenvater voll: 
zogen hatte. In früheren Jahren bereit$ zum Heldenliebhaber 
der Prager Bühne augerfehen, trat er nun in feiner neuen Eigen- 
Schaft in’8 Prager Engagement, nadydem eine Reihe anderer Can 
didaten verunglüdt war; er debutirte im Aug. 1878 als Herzog 
in den „Carlsſchülern“, Goetz, Montrihard, Nathan, wirkte be- 
ſonders mit feinen feltenen Mitteln als Rhetoriker, fpielte bald 
darauf auch den Wallenſtein und blieb nun bis zum Schlufie 
der Kreibig'ſchen Direction (1885) im Prager Bühnenverbande, 
worauf er eine Stüße des deutjchen Theaters in Moskau wurde 
und auch in anderen ruſſiſchen Städten die deutfche Kunst mit 
Erfolg repräfentiren half. 

Im Eharakterfadh waren mit Wirfing Emil Claar und Kühns 
verloren gegangen. Dem neuengagirten Vertreter des Faches aber, 
Frieder. Wilhelm Keller, einem geijtig bedeutenden und inter- 
effanten Künſtler, Gemal der gleichzeitig engagirten Heroine Roſa 
Keller, gelang es nicht, den Plag zu behaupten, für den ihn die 
Bühnenleitung auserjehen Hatte: in dem Streben, jede Rolle in 
ihrer vollen geiftigen Ziefe zu erfaflen und eigenartig zu gejtalten, 
verlor er fi nur zu oft in ein unfruchtbares Klügeln und Er- 
perimentiren, dem das Publicum befremdet gegenüberjtand — er 
Ichied aus dem Engagement und verfolgte feine Fünftleriiche Bahn 
auf deutfchen Hofbühnen, bis ihn der Tod an der Arbeit, auf 


vermält. Die Battin v. Erneft’3, Roſalia v. Erneft geborene Schwarz 
+ 3. Nov, 1870 in Budapeft ald Lehrerin der Schanjpielkunft, nachdem fie 
früher als 1. Xiebh. in Hannover und Darmftabt gewirkt hatte. (Rheden⸗ 
Esbek, Künſtlerlexikon.) 

*) ‚Ein Menſchenalter Theater-Erinnerungen” (1845 bis 1880) von 
Mar Kurnik, Berlin 1882, Verlag v. Otto Janke. 








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offener Bühne zu Schwerin ereilte.*) Als NRemplagant rüdte ein 
jüngerer Schaufpieler, Hr. Raberg, an Keller’ Stelle, aber 
auch das Engagement diejes begabten Darftellers war nur von 
furzer Dauer; zum Glück fehlte es nicht an Kräften, welche biefen 
fortdauernden Wechjel verjchmerzen ließen. Außer Roll, der eine 
Reihe ausgefprochener Charakter und Yntriguanten-Rollen für ſich 
beanfpruchen konnte, war eine neue, werthvolle Kraft gerade für diejes 


*) Friedr. Wilh. Keller, em Spuwefle der alten Schaufpielerfamilie 
Döbelin-Keller, gehörte von Kindheit anf der Bühne an, war in feiner 
Jugend Mitglied ber angefehenen Döbelin’schen Wandertruppe, wirkte ſpäter 
an den Hoftheatern zu Schwerin, Stuttgart und Wiesbaden, bem Nürnberger 
und dem Berliner Reſidenz-Theater, feit 1882 wieder an der Schweriner 
Bühne, wo er im Charalterfache und als Helbenvater jehr geihägt war — 
ein hochgebilbeter, von ſelten ernftem Streben befeelter, mit grünblichem 
Wiſſen begabter Rünftler, ein durchaus moralifcher und gediegener Charalter. 
Range Jahre hatte K. mit einem fchweren Leiden zu kämpfen, erholte fich 
aber immer wieder, bis ihn eines Tages zu Schwerin zu Ende bes 3. Actes 
der „Brant von Meflina” der Tod dahinraffte. Während die Ritter ihre 
Feitlränze von ben Hänptern nahmen, um Don Manuel’3 Leib zu bebeden, 
ſprach Keller noch voll die Verſe ans, welche den Mörder mit Rache 
bedrohen: 


„Der Themis Töchter, die nie vergeflen, 

Die Untrüglichen, die mit Gerechtigkeit meſſen, 
Fangen es anf in ſchwarze Gefäße, 

Rühren und mengen die ſchreckliche Rache. 


Nach diefen Worten, deren lebte der Künftler in Abſätzen, unter kurzen 
Bauten ftodend, ſprach, brach er zufammen und glitt zu Hänpten Don 
Manuels nieder, von feinen Genoſſen anfgefangen — man war im Audi⸗ 
torium veriucht, dad Ganze für Darftellung des übergroßen Schmerzes zu 
halten, und Berengar declamirte, nicht ahnend, baß neben ber dargeftellten 
Reiche ein Sterbender lag, ben tröftlihen Schluß ber Todtenklage: 


„Leicht verfchwindet der Thaten Spur 
Bon der fonnenbeleucdhteten Erde, 
Wie aus dem Antlib bie leichte Geberde x.” - 


Und die Todtenflage hatte bier ihre tiefernfte Bedeutung. Friedrich 


W. Keller verichied im Angefichte des Chors, und erichüttert verließ das 
Bublicum, da die Vorſtellung abgebrodhen warb, das Theater. 


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Fach actionsbereit, der Charakterfomifer Ludwig Martinelli, 
deſſen ganze Fünftlerifche Individualität entfchieden über die Grenzen 
jenes Rollenkreiſes hinausdrängte, in welchem er officiell Dienfte 
zu leiften hatte. Ludwig Martinelli wurde am 9. Auguſt 1833 
als der Sohn eines tüchtigen Decorationsmalers geboren, der als 
folder am Wiener Hofburgtheater, dann an den Theatern zu Graz 
und Peſt thätig war; feine- Mutter war Schaufpielerin, hatte fich 
aber früh von der Bühne zuridgezogen. Louis Martinelli zeigte 
Ihon in früher Jugend eine. ausgejprochene Begabung für feines 
Vaters Kunft, bezog die Akademie in Wien und wurde einer der 
fleißigften Schiller der Malerjchule des Prof. Waldmüller. Der 
frühe Tod des Vaters aber machte ihn frühzeitig zur Stütze jeiner 
Mutter: er mußte arbeiten und trat mit neunzehn Jahren fein 
erjteg Engagement als — Decorationsmaler in Innsbruck an, 
wurde 1854 Gehilfe bei Moriz Lehmann am Hofburgtheater und 
veifte zwei Jahre fpäter wieder nach Innsbruck, um im Auftrage 
der Statthalterei Decorationen für das dortige kaiſ. Theater her- 
zuftellen. Dort war es, wo ein glüclicher und intereflanter Zufall 
in jeine Künftler-Carriere eine plögliche Wendung brachte. Bei einem 
Safthaus-Disput über die ſchwerſte der Künfte ging Martinelli 
die Wette ein, daß er fofort als Darfteller den Beweis für die 
„Leichtigkeit“ der dramatiſchen Kunſt liefern würde, welche die 
anmwejenden Schaufpieler im Gegenjag zur Malerei als die fchwerite 
der Künfte proclamirt hatten. Der Theatercapellmeijter jchlug die 
tomische Rolle des „Tratſchmirl“ im „Zritjchtratich” als „Probe: 
tolle" vor; Meartinelli ſchlug ein, ftudirte die Rolle, trat acht 
Tage fpäter bei ausverfauftem Haufe darin auf und hatte einen 
glänzenden Erfolg. Nun führte er die Schaufpieler in fein Atelier, 
legte ihnen fein ganzes Kunftwerkzeug zurecht und fagte einfach: 
„So, jet malt!" Verblüffung und Niederlagel*) Aber Martinelfi 
litt e8 nun felbft nicht mehr im Atelier; es drängte ihn nad) der 
Bühne, deren Triumphe er vorgefoftet hatte; pflichtgetreu führte 


2) Nach einer eingehenden Biographie Martinelli’3 von L. Anzen- 
gruber, im beftandenen „Prager Familienbl.“ Nr. 18, vom 18. Inni 1882. 





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er feine Decorationg-Arbeit in Innsbruck zu Ende und wanderte 
nah München, um im Vorftadttheater in der Aue ein Schaufpiel- 
Engagement anzutreten. Er fam in ſeltſamem grotesfem Künſtler⸗ 
anfzug; der Director hielt ihn für eine Urt „Feuerfreſſer“ oder 
Circus⸗Clown und fragte erjtaunt: „Was arbeiten Sie denn eigent- 
Gh?” Uber der „Neue“ Fam, fah und gefiel, blieb bis 1860, kam 
an das „Grand Theater" in Amjterdam, wo er als Charafter- 
komiker, Regiſſeur und Gejchäftsleiter vier fahre thätig war — 
in den Ferienmonaten jedoch feiner früheren Kunft nachhing und 
Aquarelle, bejonders Architekturen malte, wozu ihn Holland mit 
feinen alten Städten befonders einlud; viele feiner Arbeiten wurden 
angefauft, ja feine Pläne zur inneren Decorirung des „Palais voor 
Volkbolijt“ wurden mit dem erjten Preije gefrönt. Eine jchwere 
Krankheit, die fein Organ ernftlich ſchädigte und feine ganze Car- 
tiere in Frage ftellte, führte ihn aus Holland zurück; nach der Ge⸗ 
neſung trat er ein neues Engagement am Landestheater in Graz 
an, wo er neun volle Jahre im Beſitze allgemeiner Sympathien 
wirkte. Nur ein Antrag Laube's an das Hofburgtheater ließ ihm 
den Abjchied von Graz möglich erjcheinen — als er jedoch frei 
war, ftand das Burgtheater nicht mehr unter Laube's Leitung. 
1873 fam Martinelli an's Theater a. d. Wien; feine jeltene und 
originelle Begabung erregte die Aufmerkjamfeit ernſter Beurtheiler, 
eben differ Begabung aber bot das niedergehende Repertoire der 
Wiener Vorſtadtbühne feine Gelegenheit zur vollen Bethätigung. 
Dies follte ihm erjt in reichſten Maße gelingen, als ihn Di- 
rector Kreibig 1876 nad) Prag berief. Ludwig Unzengruber, 
deſſen gediegenfter Interpret Martinelli ift, hat dem Künftler eine 
eigene biographifche Skizze geliefert: ihm, dem berufenjten Be- 
urtbeiler, Iafle ic) auch das Wort zur Charafterifirung diejes 
eigenartigen Talents. 

„Das, auch für den läfligften Theater-Befucher, Auffälligite an biefem 
Künſtler ift deſſen Vielſeitigkeit“ — fo jchreibt der Verfafler des „Pfarrer 
von Rirchfeld” und „Meineidbauer“ — „Sein Repertoire umfaßt Rollen 
wie Titus Keuerfuchg, Dr. Wespe und Wurzelfepp, Muley Haſſan und Herr 


von Lips, Gaspard und Steinflopferhannd. Harpagon und Valentin, Urgan 
und Rappellopf, Meineidbauer und Kampl, Ringheim (Größenwahn) und 


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Benjamin (Valentine) n. ſ. wm. Und mit dieler feiner Bieljeitiglert hält 
fein Talent und ſeine Praft immer fo weit Schritt, daß felbft noch feine 
ihwächften Zeiftungen jene der fogenannten „verwendbaren“ Schaufpieler, 
„die nie etwas verderben”, hoch überragen. Dieſe überlegene Vielſeitigkeit 
zeigt, daß wir es mit einem denkenden Schaufpieler zu thun haben; das 
alfein würde ſchon einen Erfolg in beſcheidener Sphäre erflären, aber einen 
großen, einen nachhaltigen Erfolg erklärt es nicht; diefer liegt in der eigen- 
artigen Begabung Martinellis: er hat ein fogenanntes ſchneidiges Talent, 
er faßt ftramm und ehrlich zu; auch mo er fehlgreift, ift der Griff ein ehr- 
licher und was er erfaßt, damit befaßt er ſich auh. Er weiß, baß das 
Durchdringen, dad Bewältigen der Aufgabe der Seftaltung derfelben vor- 
aufgehen muß, er vergibt ed eben nie unb nimmer, daß der Schauipieler 
Künſtler zu fein hat, was jo Manche nergefien haben, bie es einer „wohl⸗ 
wollenden” Kritik auf's Wort glauben, daß fie Künftler feien und ed einer 
unparteiifchen gemaltig übel nehmen, wenn diefelbe an diefem Glauben, ber 
fo beruhigend mie irgend ein anderer wirkt, Teterifch zu rütteln wagt; doch 
läßt fich leider nicht anzweifeln, daß etlichen „Beliebten“ und „Unferen” 
gegenüber, welche fih in koftbarem Reiſepelz oder Salonanzug präfentiren, 
aber vor einer erniten Kritik ald Kautſchukmänner, Stimmporträtiften, 
Bauchredner und Gefichterfchneider entpuppen, die Frage nur zu fehr am 
Plate wäre, mit welcher Martinelli empfangen wurde, ald er mit Dorn- 
ftod und Ruckſack vor feinen erften Director hintrat: Was arbeiten Sie 
denn eigentlich? Unjer Künftler aber kann den Weg, den er von jenem 
Ausgangspunkte bis auf den heutigen Tag zurüdlegte, mit Genugthuung 
überbliden, er verfolgte mit ernften Wollen und redlichem Streben die 
offene, gerade Straße, bie zur verbienten Anerkennung führte... .” 


Für das Schauspiel und Luftfpiel, fr die Poſſe und Ope- 
rette iſt Martinelli der Bühne gleich werthvoll geworden; er fpielte 
ſcharfe Intriguants, gemüthliche Luſtſpiel-Väter, Naimund- und 
Neitroy: Rollen, er brachte die Anzengruber'ſche Bauernkomödie 
in Prag zur vollen Geltung und gab fich, wenn auch wider 
Willen, dazu her, in der Operette als Bopolani, Bumbun, Kalchas 
feine Mätzchen zu machen. So war er einer der meiftbefchäftigten 
Schauspieler der Prager Bühne; im Leben ernft und jchweigjam, 
dabei aber der zärtlichjte Vater und Gatte, war er auf der Bühne 
erfüllt von dem größten Tünftlerifchen Exnfte, hingebungsvoll fir 
feinen Beruf, durch feine Kenntniffe und Erfahrung gewillermaßen 
berufen zum Berather der maßgebenden Yactoren; feine Bedeu⸗ 
tung als Regiſſeur hat er nach feinem Abgange von Prag be 


— 713 — 


wiejen, als er in der Saifon 1886—87, in einer der kritiſcheſten 
Perioden des Carl- Theaters, die Oberregie führte und das vielfach 
lede Schiff glüdlich bis zum normalen, ehrlihen Abſchluß der 
Directions⸗Aera Tatarczy leitete. Seine Gattin, Quife Martinelli- 
Seeberger, ehedem wie Meartinelli felbjft in Graz und am 
Theater a. d. Wien engagirt, ift eine reichbegabte, frifche und 
rejolute Soubrette, die in Prag in Luftfpiel, Poſſe und Ope- 
rette treffliche Dienſte leijtete und jtets zur Belebung der Scene 
beitrug. 

Mit ungebrochener Kraft und ftets gleichen künſtleriſchen Er: 
folgen wirkte „Bapa Haffel” unter dem neuen Negiine, eine 
Zierde der Prager Bühne, von der er erſt am 29. April 1882 
wegen eines Gehörleidens und zwar in einer feiner Glanzrollen, 
als „Vetter”, Abfchied nahm. Es war eine bewegte Abſchieds⸗ 
vorftellung. Beifallsſtürme und Lorbeern begrüßten den Veteranen, 
als er erjchien; ein Beifalls-Orfan erhob fich, als einer der Mit- 
jpielemden den Sa ausſprach: „Ich ſehe fchon, welcher Beliebt- 
heit Sie ſich in diefem Haufe erfreuen.” Hafjel mußte eine 
Abſchiedsrede halten, ließ ſich auch als rüftiger Penfionär in 
Prag nieder, mit Intereſſe den Leiftungen des Theaters folgend, dem 
er nahezu ein Vierteljahrhundert angehört hatte. „Sein Wirken" 
— beißt e8 in einer Prager Kritif,*) — „war in der günjtigen 
Bedeutung des Wortes gleihmäßig. Ein Auf und Ab feiner Er- 
folge, ein Schwanken jeiner Darftellungsweije ein Umhertaften 
jeiner Auffaffungen war niemals zu verzeichnen; eine milde Wärme 
ging von feinem Spiele aus, eine wohlthuende Theilnahme wurde 
durch jede feiner zahlreichen Gejtalten erwedt. Es war bald jelbft- 
verftändlich, von ihm Treffendes zu erwarten, feine Darftellungs- 
weiſe war fo überzeugend, daß viele hervorragende Figuren aus 
dem Luftfpiel, wie Piepenbrint und Lämmchen, fir eine ganze 
Generation typiſch geworden find.” Noch in feinem 66. Lebens: 
jahre hatte er Gefangspartien wie den Schwaben im „Waffen- 
Ihmied”, Engländer in „Fra Diavolo”, Cajus in den „Luftigen 


*, „Bohemia“. 


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Weibern“, Leuthold in „Zell" in feinem Befig. Von feiner feltenen 
Pflichttreue nur Ein Beifpiel: Der Tod hatte ihm feinen Sohn, den 
er mit innigfter Vaterliebe umjchloß, geraubt; am Abend aber hatte 
Haſſel den Todtengräber in „Müller und fein Kind” zu }pielen, 
und er fpielte ihn, ehern wie der Krieger auf feinem Poſten 
ftehend. Die Intendanz erfannte feine hohen Verdienſte dadurch 
an, daß ſie fein Bild noch bei Lebzeiten in der Porträtgalerie 
berühmter Prager Künftler in der Xheater-Conditorei anbringen 
Tieß. Hafjel, der nur Freunde und DVerehrer bejaß, genoß feine 
Ruhe nicht lange; ſchon am 29. Sept. 1884 verjchted er in Prag 
und wurde unter ungewöhnlicer Theilnahme der deutjchen Be- 
völferung Prags zu Grabe getragen: 50 Kränze zierten das 
Trauergemah — fein Name aber ift unvergejjen an der Stätte 
jeines vieljährigen Wirkens .... 

Gleichzeitig mit Hafjel trat Friedrich Frey, der das Geheim- 
Mittel ewiger Jugend auf der Bühne zu beiten ſchien und nach 
dreißig Jahren Prager Bühnenmwirkfamfeit noch ein teperament- 
voller Liebhaber und Bouvivant zu fein wußte, in den Rubejtand. 
Am 24. April 1877 hatte er fein Zöjähriges Jubiläum als Mit- 
glied des deutjchen Landestheaters gefeiert und bei diefer Gelegen- 
heit vielfache Beweiſe der Hochſchätzung erhalten, die er fich als 
Künftler und Menjch erworben — er war einer der alten Garde, *) 
ein pflichtgetreuer, kunſtbegeiſterter Schaufpieler und ein waderer 
Bürger. In einer Reihe von Fächern, zulegt auch im Charafter- 
fach, verwendet, ftellte er überall feinen Dann und war jederzeit 
bereit, ein Opfer file die Allgemeinheit zu bringen. Nady jold) 
verdienftvoller und vieljähriger Thätigkeit trat Frey ın aller Stille 
— wie es dem Verdienſte faum entſprach — aus dem Xctivitäts- 


*) (Sin folider, bejahrter Schaufpieler, Herr Römer, ber feinem 
Zojährigen Prager Bühnenjubiläum naheitand, ftarb 1877 an ben Blattern 
und wurde unter allgemeiner Theilnahme zu Grabe getragen; ein anderer 
waderer Epifodift 3. N. Siege trat nad 80jähriger Thätigkeit in Prag 
1885 in ben Ruheſtand; Hr. Müller trat 1878 aus dem Engagentent, 
dagegen mar 1876 in Ignaz Dorner, ber zugleich ald Chorführer fungirte, 
ein verwenbbarer und eifriger Epifodift gewonnen worden. 





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verhältnifje zurüd, in dem er auch nach feiner Penfionirung noch 
Dienjte Teiften konnte, und nahm in feiner Heimat Heidelberg fein 
Ruheſtands⸗Domieil. 

Unter den Chargen⸗ und Epiſodenſpielern des Schaufpiel- 
perfjonals verdienen Iſidor Grauert, der fih von Direction 
auf Direction vererbte und vielverwendbar blieb, und Nichard 
Heiter, ein intelligenter, routinirter Schaufpieler, der m Graz 
aud in hervorragenden Charafterrollen feine Erfolge hatte und 
in Prag auch als dramatischer Lehrer wirkte, hervorgehoben zu 
werden; eine andere ſympathiſche neue Kraft war Albert Puls 
recte Ermarth, Der Sohn eines bayrischen Generals, hatte er 
das Portepée eines bayriſchen Chevauzlegers-Officier8 geopfert, 
um feinem Drange zur Kunſt zu folgen; er trat als Volontär 
am Carltheater unter Afcher ein, verjuchte jodann als Held und 
Liebhaber in Laibach, Iſchl, Franzensbad, Eſſegg und Nürnberg 
fein Glück, führte fih in Graz als vielfeitiger Schaufpieler und 
Komiker ein und übertrat mit Kreibig an die Prager Bühne, wo 
er ſich als Liebhaber, Bonvivant, Operettenfänger, Komiker ver: 
wenden ließ und ſehr glüdliche Chargen ſchuf. Sein diltinguirtes 
Weſen, fein Eifer und fünjtlerifches Verjtändnig machten ihn zu 
einer willtommenen und nüglichen Kraft im Enjemble. “Diefelbe 
Verwendbarkeit ficherte ihm auch eine achtbare künſtleriſche Pofi- 
tion in feinem jpäteren Engagement am Münchener Gärtnerplap- 
Theater, wo er in Einer Woche den Körner in „Hajemann’s 
Züchter”, den Sparadrap, „Pfarrer von Kirchfeld” und Falconi 
(„Sarneval in Rom”) ſpielte. 

Als erſter Geſangskomiker fungirte mit kurzer Unterbrechung 
während der Kreibigjchen Directionsperiode und darüber hinaus 
Carl Schleſinger, ein Darfteller von unmittelbarer und ftarfer 
komiſcher Wirkung, Im J. 1847 zu Budapeſt als Sohn eines 
Schiffs⸗Capitäns geboren, war Schlefinger von feinem Vater 
der Bildhauerfunft gewidmet worden, hatte diejelbe raſch und 
gründlich erlernt, aber auch einen Seiten!prung auf ein anderes 
Kunftgebiet, auf ein Dilettantentheater, gethan, bei welcher ©e- 
legenheit Balletmeiſter Stödel (Gatte der berühmten Stödel- 


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Heinefetter) feine Gejchmeidigkeit bewunderte und ihn mit Ein- 
willigung feines Vaters als Ballet-Eleven an das Peſter alte 
Theater eutführte. Bon dort fam er 1859 als Solotänzer zu 
Director Pokorny an das Theater a. d. Wien, fpäter nach Peters⸗ 
burg — auf den vielen Irrfahrten des Ballettänzers hatte fich 
indeß immer mächtiger feine Neigung für das komiſche Fach aus- 
gebildet; ein Debut als „Schnipfer" in „Eulenfpiegel" am Dfener 
Stadttheater ermuthigte ihn zu einem endgiltigen Tauſch der choreo⸗ 
graphiichen mit der darjtellenden Kunft, der er zunächſt an den 
deutfchungariihen Bühnen zu Tyrnau, Arad, Becskeref, Comorn 
und Lugos, aljo in ziemlid) harter Schule, unter raſch wechfelnden 
Verhältniſſen fröhnte, bis feine Leiftungen am Dfener Theater 
während der Krönungsfeierlichkeiten des Jahres 1867 die Auf- 
merkſamkeit des Carltheater-Directors Aſcher erregten, deſſen Enga- 
gementsantrage er 1868 nad) Ablauf eines Wiener-Neuftädter Ber- 
trags freudig folgte. Am 12. Mai 1868 trat Schlejinger unter 
dem Namen „Möller” in Berla’s „Unfere Lehrbuben“ als Nagl 
neben Matras, einem berühmten „Wenzel”, mit entjchiedenen Er- 
folge auf, übertrat nach halbjähriger Zhätigfeit unter feinem 
wirklichen Familien-Namen an das Joſefſtädter Theater, von wo 
er fih nad) Rußland wandte und dort bi8 1871 ein intereffantes 
künstlerisches Wanderleben führte. Zu Oftern 1871 kam er in 
die deutjche Arena im Pſtroß'ſchen Garten unter Dir. v. Wallburg 
nad) Prag, wirkte dafelbjt zwei Saiſons mit vorzüglihem Erfolge 
und wurde 1873 als erjter Gejangsfomifer und Regilfeur nad 
Peft engagirt, machte unter Strampfers Führung mit Joſefine 
Pagay, Gottsleben und Schweighofer einen Gajtipielausflug nad 
Berlin (Victoriatheater), gaftirte dann in Graz umd Trieſt, wurde 
1875 an die Wiener komische Oper berufen, wo er namentlid) 
als Mehlſpeismacher Fleckl in der Langer’ichen Pole „Wo is 
denn’s Rind“ feine Begabung documentirte. In Brag führte er 
fih 1876 neben Martinelli als „Wiener Komiler" auf das Glüd- 
Tichfte ein, fo daß ſogar der Berluft Beringer's, eines erklärten 
Lieblings der Prager Pofjenfreunde, verjchmerzt wurde und Gäſte 
von Hangvollem Namen ihm feinen Schaden zu bringen ver: 








— 17 — 


mochten. In der Operette erhöhte fein ſtarkes und ſympathiſches 
Organ feinen Werth; er hat eine Reihe von Operetten-Partien 
wie den Dllendorf im „Betteljtudent”, Frimonffe im „Eleinen 
Herzog”, Lambertuccio in „Boccaccio”, Izzet Paſcha in „Fatinitza“, 
Grenicheug im den „Glocken von Corneville”, Balthafar Groot 
im „LInftigen Krieg" u. ſ. w. in Prag creirt und damit zu dem 
Glück diefer Werke wejentlich beigetragen. 1884 trat Schlefinger 
als Ollendorff auch im Theater a. d. Wien auf, löſte aber bald 
feinen Wiener Vertrag und kehrte wieder in jein früheres Prager 
Berhältniß zurüd, in welchem er noch heute wirkt. — Eduard 
Lunzer, der von dem Wirfing’schen Enfemble auf das Kreibig’fche 
überfommen war, ergänzte dieje komiſchen Kräfte in der willkom⸗ 
menften Weife; er war wie fie in der Wiener Pole, in der 
Bauernfomödie, im Ausſtattungsſtück eine ftetS gern gejehene 
Erſcheinung: der Sergeant in „Fatinitza“, Mungo im „Seecadet”, 
Grielinger in „Doctor Claus”, Mehlmeyer in „Mein Leopold”, 
Srillhofer im „G'wiſſenswurm“ u. ſ. mw. waren vortreffliche 
Leitungen diejes Komikers, der nach dem Abſchluß der Kreibig- 
ſchen Aera am Theater a. d. Wien fein Heim aufſchlug. Im 
Ganzen ließ ſich mit Recht behaupten, daß felten das Tomifche 
Fach an der Prager Bühne fo gut und wirkſam vertreten war 
als nun. 

Auch für eine ftattliche Nepräfentation des Damenperjonals 
war gejorgt; doch machte fich in diefer Sphäre allzubald ein 
ſtarker Wechjel im Enfemble geltend. Rofa Keller-Srauenthal, 
die Heroine des nenorganijirten Schaufpiels, zählte bereitS zu den 
begabteften Tragödinen des deutichen Theaters. Am 10. Mai 1852 
zu Wien als Tochter eines Baumeifters geboren (ihr Familien-Name 
iſt „grauenfeld”), war fte in der Kierſchner'ſchen Theater-Afademie 
der Reſidenz ausgebildet und auf Empfehlung Laube's nad Stutt- 
gart engagirt worden, wo fie rajch eine hervorragende Poſition 
eroberte; zwei Jahre fpäter trat fie in den Verband des Wiener 
Stadttheaters unter Leitung Laube's, verließ jedoch abermals zwei 
Jahre fpäter diefe Stellung, um ſich mit den württemberg. Hof- 
ſchauſpieler F. W. Keller zu vermälen und in das Stuttgarter 


— 718 — 


Engagement zurüdzufehren, von wo fie im Frühjahr 1876 ſammt 
ihrem Gemal nad) Prag berufen wurde. Man erfannte ihre 
fünftleriiche Bedeutung, ihre Klare und ſcharfe Auffaffung, würdigte 
die temperamentvolle, Träftigscharakterijirende Darftellung, deren 
Wirkung durch blendende Erſcheinung und glänzende äußere Mittel 
unterftügt wurde. Ihre Sappho, ihr Gretchen, ihre Widerfpenitige, 
Poppäa („Nero"), Iphigenie, Donna Diana u. |. w. waren Licht: 
punkte in den dem Schaufpiel nicht eben günftigen erſten Monaten 
der Direction. Die ungünstige Pofition ihres Gemals und andere 
Umftände wirkten leider dahin, daß dieje künſtleriſche Kraft der 
Prager Bühne fchon mit 1. April 1877 verloren ging; fie wurde 
nachmals Mitglied einer Reihe der erften Hof- und Stadttheater 
Deutſchlands. Un ihre Stelle wurde eine junge, hoffnungsvolle, 
wenn auch noch künſtleriſch unfertige Heroine von impojanten 
Mitteln, Margarethe Jantſch-Ziegler (geb. 18. Yebr. 1854 
al8 die Tochter des kgl. preußifchen Hauptmanns dv. Ziegler und 
Klipphaufen zu Rybnik in Br.»-Schlefien, vermält mit dem Schau 
jpiel-Director Heinrich Jantſch) von Leipzig berufen. Sie debutirte 
Ihon im Jäner ald Jungfrau v. Orleans, Lady Milfort, Donna 
Diana, Deborah und Porzia mit großem äußeren Erfolge, trat 
einige Monate fpäter ihr Engagement an und hätte jich bei zwed» 
mäßiger Verwendung unter fürſorglicher künſtleriſcher Leitung 
zweifellos in erfreulicher Weiſe entfaltet, wäre fie nicht bereits 
nach kurzer Frijt, am 28. März 1878, in der Blüthe ihrer Jugend 
und Schönheit vom Tode dahingerafft worden. Das frühe Hin- 
fcheiden der jungen Kiünftlerin erregte allgemeine ZTheilnahme in 
den theatralijchen und künstlerischen Kreifen Prags. Ihre Pofition 
war übrigens bereitS vor ihrem Tode vergeben, da es in Prag 
an Zeit und Gelegenheit zur Heranbildung eines großen Talentes 
fehlte: Schon im März 1878 debutirte Marie Swoboda (Gattin 
des Operettenjängers Carl Swoboda), eine Darftellerin von inter: 
ellanter, feſſelnder Erjcheinung, gewandter Darftellung und feurigem 
Temperament, die im Salon fajt größere Erfolge errang als auf 
dem Stothurn; aud fie aber jchied ſchon nad) verhältnigmäßig 
kurzer Wirkjamfeit (1380) von Prag, jo daß der Verbrauch von 





— 719 — 


Heroinen binnen vier Jahren ziemlich ftarf und der Feitigung 
des Schaufpiel-Enfembles keineswegs zuträglich war. 

AS Anftandsdame (Salondame) war nah) Clara Ungar 
Hl Ya Trautmann von Leipzig eingetreten; fie debutirte 
im November 1876 als Catharina von Roſen, Baronin Palmer, 
Sujanne in „Pariſer Sitten”, zeigte ſich als Schauspielerin von 
diftinguirter Erfcheinung und ftarfer darftellerifcher Routine, jchied 
aber fchon im Auguſt 1877,*) worauf eine Reihe rejultatlojer 
Debuts und eine längere Vacanz dieſes Faches folgte, das nun 
von DVertreterinen anderer Fächer ſoweit als möglich ausgefüllt 
wurde. Als jugendlihe Salondame und Liebhaberin fungirte 
Sr. Emmy Rigol; fie wurde nach ihren erjten Debut bereits 
von der Kritik unter jenen Darftellerinen genannt, welche trotz 
der wenig fompathifchen Stimmung des Publicums ſympathiſch zu 
wirfen vermochten. In der Kierjchner’schen T’heaterafademie zu 
Wien gebildet, hatte. Frl. Nigol (geb. zu Wien) als Salondame 
am Nejivenztheater in Wien gewirkt und diefer Bühne manchen 
Erfolg gebradjt, war jodann an’8 Grazer Stadttheater (Direction 
Robert Müller) als erfte jentimentale Liebhaberin engagirt worden, 
in welcher Sphäre ihre Leiftungen Beifall und Anerkennung in 
reihen Maße bei der Kritik der ſteiermärkiſchen Hauptitadt fanden. 
Mit Director Kreibig Fam jie an die Prager Bühne, der fie durch 
ihre jugenpdlich-fchöne, diſtinguirte Erſcheinung, glänzende Neprä- 
jentation, ihre dem Converfationg- und Volksſtück gleich dienit- 
bare, auch in das Genre der Soubretten-Rollen übergreifende Be- 
gabung und ihren nie wankenden Pflichteifer zum werthoollen Mit: 
gliede wurde. Sie hat durch die opfermuthige Uebernahme mancher 
ihrer eigentlichen Sphäre fernliegenden Partie halb-verlorene Vor: 
ftellungen gerettet und neben der Lady Georgine („Waife aus 
Lowood“), Baronin Bellechaſſe („Richelieu’3 erſter Waffengang"), 
Ara im „Soldbauer” u. |. w. auch Rollen fecundärer Bedeutung, 
wie die ſonſt wenig beachtete franzöfische Tänzerin in den „Jour⸗ 


*) Beitungsnachrichten zufolge vermälte fi) Frl. Trautmann nachmals 
mit einem Grafen Tattenbach. 


— 720 — 


naliften” zu überrajchender Geltung gebradt. Sechs Jahre hin- 
durch am Prager Theater in Schaufpiel, Luſtſpiel, Poſſe und 
jelbft Operette gleich thätig, jchied Emmy Nigol, mittlerweile 
„Stau Rigol“ geworden, 1882 von diefer Bühne. 

Als naive und muntere Liebhaberin jtellte die neue 
Direction in der Eröffnungsvorftellung dem Publicum ein ebenjo 
anmuthiges als vielverjprechendes junges Talent vor, das in der 
ſchwierigſten Zeit die Gunft eines wenig entgegenftommenden Publi- 
cums raſch zu erobern wußte. Es war die Fleurette in „Donna 
Diana”, Fräulein Minna Bihler. Die Temperatur jenes Er- 
öffnungs- Abends haben wir gejchildert. Bon den neuen Kräften 
fanden — abgejehen etwa von Hrn. Huvart, einem achtbaren 
Perin — nur die anmutbigen Genoffinen der ftolzen Diana, 
Laura-Rigol und Feniſa⸗Born, dann aber die Meine neckiſche 
Fleurette Gnade vor den Augen der ftrengen Richter: fie war feine 
vollendete, reife Künftlerim; in Wahrheit nur ein intereflantes, 
fräftig-feimendes Talent, aber der natürliche, friſch⸗ſprudelnde 
Humor, die überzeugende Wahrheit und Lebendigkeit des rejoluten 
Spiels, die anmuthige Perfönlichkeit, die dazu gefchaffen fchien, 
Heiterkeit und frohe Laune um ſich zu verbreiten, lenkte Aller 
Aufmerfjamfeit auf die blutjunge Debutantin; fie behauptete das 
Schlachtfeld, wuchs mit ihren Aufgaben und rang. fich durch ernite 
Auffaſſung ihres Berufs, durch raftlojes, künftleriiches Streben 
zur Herricherin auf dem „naiven" Gebiete, zu einer Bofition 
empor, wie fie nur die keliebtejten, Prager Darftellerinen beſeſſen 
haben. Minna Bichler hatte mit noch nicht 15 Jahren zum. erjten 
Male in Peſt „ihr Herz entdedt", und zwar vollzog ſich dies 
Ereigniß zum Benefiz ihrer Mutter, der in der ungarischen Haupt: 
ftadt ihrerzeit gefeierten Schauspielerin Fr. Bichler-Ouandt. Nach 
den glüdlichen Erfolgen ihrer erjten Debuts erhielt fie jofort em 
Engagement an das Berliner Wejidenztheater, wo ſie ein Jahr 
verblieb und jchon in der glüdlichen Lage war, durch einen Enga- 
gementsantrag an's Hamburger Zhaliatheater in Verſuchung ge- 
führt zu werden. Bon Berlin ging fie für eine Saiſon an das 
Dresdener Refidenztheater, von wo fie ihr Weg nad) Prag führte. 





— 721 -- 


Bald wurde fie eine Stütze des Luſiſpiel-Repertoires, und jede 
Rolle, die ihr zur „Creirung” anvertraut war, trug ſchon dadurch 
die Bürgſchaft des Gelingens. in fich. 

„Naive par excellence” — heißt es zutreffend in einer ihrer künſtle⸗ 
riſchen Individnalität gemibmeten Charakteriſtik — „weiß fie auch den 
ernften Wirkungen der Naivetät, den ſchmerzlichen Affecten einer jugend 
lichen Mäbdchenfeele gerecht zu werben. Was bie Pointirung anbelangt, 
jtebt fie im fiherften Rapport mit dem PBublicum. Sie bebarf keiner un- 
natürlichen Drüder und Ueberbetonungen, fie hat ſich die Aufmerkſamkeit 
erobert und wird in jeber leichten Wendung verftanden. Mit gleichem Glücke 
bat fie fich in die treuberzigen Mädchen ber hausbadenen Luſtſpielpoſſe, in 
die ahnungsvollen, leicht zur Leidenfchaft überjpringenden Naiven der fran⸗ 
zöſiſchen Komödie und in die kernigen Mädchen-Charaltere des clafliichen 
Zuftipield Hineingelebt. Ihr Doctorstöchterlein in „Doctor Klaus“, ihre 
Jeanne in „Lady Tartuffe“ und ihre Francisca in „Minna von Barnhelm“ 
bezeichnen etwa die drei Gebiete, auf benen fie fich mit gleich vortreff- 
lichem Erfolge bewegt. Heute fteht fie auf der Höhe gerechter Beliebtheit, 
anerfannt in ihrem Talent und ihrem Können, gewiß eine ber beften Naiven 
des beutfchen Theaters.” 


Diefe Charakteriftif hat bis nun ihre Geltung behalten, denn 
noch immer wirkt Frl. Minna Bihler im Vollbefige des bekannten, 
ftetS erweiterten Rollenkreiſes der „naiven und munteren Xieb- 
baberin” am Prager deutjchen Landestheater. — Einige Wochen 
nach dem Debut des Fräulein Bichler war eine Vertreterin des 
verwandten Rollenfreifes der „erften jugendlich-jentimentalen und 
munteren Liebhaberin" — wie jich die Theaterſprache etwas un» 
genau ausdrückt — Frl. Adele Wienrich in den Verband ber 
Prager Bühne getreten und hatte in überzeugender Weiſe ein Tünft- 
leriſch gereiftes, interefjantes Talent geoffenbart. Frl. Wienrich, 
eine Tochter des Balletmeifters Wlerander Wienrich, hatte drei 
Jahre dem Berliner kgl. Schaufpielhaufe als naive Liebhaberin 
angehört, wohin fie, nur wenige Jahre an der Bühne, vom 
Schweriner Hofthenter berufen worden war. Von Berlin kam ſie 
nad) Prag, debutirte im Mai 1876 als Lorle, Elfriede („Aſchen⸗ 
brödel“), Wolfgang Goethe („Königslieutenant) und legitimirte 
fich mit dieſen Proberollen als Künſtlerin von geläuterter künſt— 
leriſcher Auffaſſung, vielſeitigem Charakteriſirungsvermögen, wirk⸗ 

46 


— 722 — 


jamer und in jedem Detail forgfältiger Darjtellung. An ihren 
Leiftungen war nichts Unfertiges, nichts Unflares; man durfte 
von ihr nur fünftleriich jolide, zumeift gediegene ‘Darbietungen 
erwarten. Adele Wienrich, deren Meifterichaft als Mimiferin bald 
anerfannt war, nahm fich auch der Fenella in der „Stummen 
von Portici“ an, die ehedem ebenfalls von Darftellerinen erjten 
Ranges zu Ehren gebracht worden war, während fie fonit als 
normales Eigenthbum des Ballets betrachtet wird. Frl. Wienrich 
gehörte dem Prager Bühnenverbande bis 1879 an, und fchied, 
allfeitig bedauert, um zunächft in Berlin, Bremen, Nürnberg u. |. w. 
zu gaftiren und ſodann Engagement am Berliner Refivenztbeater 
unter der Direction Claar zu nehmen; fie fpielte jodann einen 
Winter mit Friedrich Haafe in New-York und war zur Zeit, als 
diefe Zeilen gejchrieben wurden, erjte Liebhaberin am Lobetheater 
in Breslau. In Prag wurde diefe Darftellerin, welche bei mancher 
Novität des modernen Luſtſpiel-Repertoires in erfolgreicher Weile 
Pathe geftanden war, durh Frl. Iſabella von Bünau erjegt. 
Ihre künſtleriſche Individualität unterjchied ſich wejentli von 
jener ihrer Vorgängerin; zeichnete dieſe in ſcharfen Strichen, klar 
und beſtimmt, fo lag es in der Eigenart dieſer neuen „Naiv⸗ 
Sentimentalen”, zart zu charakterifiren, fie wählte blafjere Farben; 
ging dabei mitunter etwas von der Tendenz des Autor verloren, 
fo verftand fie e8 Hinwieder, in Harmonie mit ihrer -anmuthig- 
liebenswürdigen, diftinguirten Erjcheinung den Duft zarter Poefie 
über ihre Darftellungen zu breiten. Als feinfinnige Künftlerin von 
eleganten Wejen war fie prädeſtinirt für das Converfationsjtüd und 
feine Luftfpiel; in diefer Sphäre der Andrea, Dora u. |. w. ift Sie 
jchwer vermißt worden, als fie 1883 aus dem Verbande der Prager 
Bühne Ichied. Frl. v. Bünau war in der Kierſchner'ſchen Theater: 
Akademie zu Wien gebildet worden, hatte früh ein Engagement am 
Hofburgtheater gefunden, das fie wegen mangelhafter Beichäftigung 
bald aufgab, um am Grazer Stadt- und Landestheater und an 
mehren hervorragenden Bühnen Deutjchlandg Raum für eine ihren 
Wiünfchen entfprechendere Thätigfeit zu gewinnen. Nach ihrem ehren 
vollen Abfchiede von Prag wirkte fie ebenfalls wieder in Deutfchland. 


— 723 — 


Das jtrict-fentimentale Fach hatte mit Beginn der Kreibig- 
Ihen Direction eine intereffante Vertreterin gefunden: Irma von 
Jelenska, eine junge Dame füdflavifcher Nationalität, die mit 
ganzer Seele der deutjchen Kunft zugejchworen hatte. Als Tochter 
des croatischen Arztes Dr. v. Ferk bei Warasdin in der ehemaligen 
öſterr. Militärgrenze geboren, hatte fie mit fünfzehn Jahren in 
Warasdin zum erften Male die Bühne betreten und durch ihr 
ausgeiprochenes Talent Aufmerkſamkeit erregt; fie wurde an das 
neubegründete jerbijche Nationaltheater zu Belgrad berufen, wo fie 
ein Jahr wirkte, überjiedelte dann zur höheren Ausbildung nad) 
Wien, kämpfte nah dem Tode ihres Vaters unter drückenden 
Verhältnifjen in Wien den Kampf um das Dajein und die Kunft 
mit feltenem Heroismus, bis fie nad) einem Verſuchsſpiele am 
Wiener Reſidenztheater Engagement im Burgtheater, hierauf im 
Theater a. d. W. fand. Bon dort machte fie erfolgreiche Gaft- 
ipielausflüge nad) Graz und Frankfurt, worauf fih ihr in Prag 
eine Stätte dauernder künſtleriſcher Wirkfamfeit zu erfchließen 
ſchien. Sie debutirte am 3. Mat 1876 als Jane Eyre und 
fefelte weniger durch ihre angenehme aber keineswegs impojante 
Erjcheinung als dur den innigen Gefühlston, den fie anzu— 
Ichlagen wußte, durch ftarfe Innerlichkeit ihres Weſens und durdh- 
geiftigte Auffaſſung; ihr Organ war wenig umfangreich und ergriff 
doch, fie wendete den ganzen Ernſt ihres Strebens an die Kunft 
und widmete fich mit ehernem Fleiße dem Berufe, zu dem fie jich 
heldenmüthig emporgerungen hatte. Am 11. Juni 1878 nahm 
Irma dv. Jelenska als Herzogin von Septemonts in der „Frem⸗ 
den” unter Blumen und Lorbeern Abfchied von Prag, wurde 
nah günftigen Debuts an's Hoftheater in Stuttgart engagirt, wo 
fie zwei Jahre wirfte, worauf fie der Bühne VBalet jagte, am 
28. Nov. 1882 dem Stuttgarter Kaufmann Eduard Lewi die 
Hand zum Ehebunde reichte und wegen zunehmender Kränklichkeit 
mit dem Gatten Aufenthalt in Spanien nahm — dort erlag fie 
in der Blüthe ihrer Jahre am 29. Dec. desjelben Jahres einem 
Zungenleiden und wurde ihrem Wunfche gemäß am Meeresitrand 
beftattet ...... Als NRemplacantin im jentimentalen Fache trat 

46* 


— 1724 — 


nach Irma Jelenska eine junge Schaufpielerin von blendend ſchöner 
Erfheinung und angenehmen Mitteln, Fräul. Paula Bafte, die 
Tochter des bekannten deutschen Theaterdirectors Bajte, ein, die 
im Mai 1378 als Bhilippine Welſer, Thusnelda („Die zärt- 
lichen Verwandten”), Käthchen von Heilbronn und Luiſe („Kabale 
und Liebe") mit Erfolg debutirt hatte, ein Jahr dem Prager 
Bühnenverbande angehörte, und fchon 1879 von Prag fchied,*) 
worauf eine noch flüchtigere Beſetzung des Yaches zu verzeichnen 
war: die Neuengagirte war die von den Gaftjpielen des Meininger 
Hoftheater8 bekannte Schaufpielerin Frau Mojer-Sperner, 
die den Pragern im Laufe von etlichen Monaten einige ihre treff- 
lichen Zeiftungen (Tochter Belials, Clärchen, Ejther u. |. w.) vor» 
führte, dabei eime an die ftriete Fach-Kategorie nicht gebundene, 
intereffante Filnftlerifche Eigenart bewährte aber nur zu raſch die 
Flucht ergriff, um fern von Prag ihre Carrière zu verfolgen. 
Ihre Nachfolgerin, Yrl. Irma v. Rovella, war eine Lands⸗ 
männin der verlorenen Jelenska, die Xochter des Stuhlrichters 
v. Barabasszeg in Agram. Früh verwaift und auf Landeskoſten 
erzogen, war fie in einer Wiener Theaterfchule und von Baumeifter 
für die Bühne ausgebildet worden mit der von Landeswegen feit- 
gejegten Bedingung, daß das hoffnungsvoll |prießende Talent der 
croatifchen Bühne zugewendet werde. Schon von Wien aus mußte 
fie wiederholt in Agram Zalentproben ablegen und außerdem die 
Verpflichtung übernehmen, nach Vollendung ihrer Ausbildung vier 
Jahre dem Schaufpielhaufe der croatischen Hauptfiadt zu widmen. 
‘hr Debut als Jane Eyre bedeutete einen Triumph, und Diele 
Erfolge bei dem landsmänniſchen Publicum mehrten fidh; das 
wohllautende Organ, das ausgeſprochene Vermögen, dramatiſch 
zu gejtalten, Temperament in der Darjtellung und Gluth de3 
Vortrags bezeichneten die Vorzüge, deren fich die junge Schau: 
fpielerin rühmen durfte. Den beſchränkten nationalen und Fünft- 
leriſchen Verhältniffen Agrams, die fi) der Entwidelung ihres 
Talents hemmend entgegenftellten, entriß jie Emil Claar, der 
Intendant der Frankfurter Bühne, entführte fie unter Bezahlung 
*) Sie ift gegenwärtig Hoffchaufpielerin zu Dresden. 





— 725 — 


des contractlichen Bönales an fein Inſtitut und entjchied damit ihren 
Uebergang zum deutfchen Theater. In Prag führte fie fih am 
8. Sept. 1879 als Jane Eyre ein, fügte jich raſch in das Enjemble, 
ſchuf ſelbſt manche intereſſante Leiftung wie die Agathe in Wilbrandt’s 
„Tochter des Hrn. Yabricius" — entjagte aber ſchon 1883 der Bühne, 
um ſich mit dem Prager Landesadvocaten Dr. Eger zu vermälen. 

Bon den „Liebhaberinen", welche ſonſt noch in den erjten 
Jahren der Kreibig’fchen Direction dem Prager Bühnenverbande 
angehörten oder diefem gewonnen wurden, iſt zunächſt Frl. Helene 
Born, eine anmuthige und begabte Schaufpielerin, zu nennen, 
welche Ausflüge auf das Nollengebiet der fentimentalen Xieb- 
baberin nicht zu fcheuen hatte, als Fenifa in „Donna Diana” - 
und Melitta in „Sappho” ſich zuerft bemerkbar machte, mit ihrer 
ſympathiſchen Erjcheinung manche Vorftellung verfchönte und 1878 
durch eine nicht minder fejjelnde Bühnenerjcheinung, Frl. Yulie 
Kröſſing, abgelöft wurde. Urſprünglich cechifche Schaufpielerin 
hatte diefe unter dem erwähnten nom de guerre ihre fünit- 
leriſche Karriere in Deutjchland weiter verfolgt, am 30. April 1878 
als Vicomte von Lettoriöres debutirt und Half num, von Haus 
aus naive und muntere Liebhaberin, in diefem Rollenkreiſe jowie 
auf dem ganzen Gebiete der Liebhaberin-Nollen aus -- eine 
routinirte, vieljeitig verwendbare Darftellerin, die bis 1885 im 
Prager Bühnenverbande blieb. Kürzere Zeit (1876—77) fun- 
girten Frl. Irma Szöld, eine junge, anmuthige Schaujpielerin, 
die nachmals in Yrankfurt a. M. Gattin des Oberregifjeurs Roll 
wurde, und Frl. Strömer (Strohmeier), welch legtere im jugend- 
lichen Alter zu Prag verſchied, als Liebhaberinen. 

Im Mutterfahe ftand der Direction Kreibig bis 1879 die 
hervorragende Kraft der Frau VBerfing- Hauptmann zu Ge- 
bote, welche nun ſowohl als Helden-Mutter der Zragddie wie als 
„bürgerliche Deutter” dem Converfationsftüd und Luſtſpiel Treff 
liches leiftete und, alljeitig bedauert, aus Yamilienrüdjichten mit 
Oſtern 1879 Prag verließ, um in der ferne (in Hamburg, am 
Wiener Stadttheater und in New⸗VYork) ihre Fünftleriiche Lauf: 
bahn weiterzuverfolgen. Einige Jahre ſpäter kehrte fie nach Prag 


— 76 — 


zuriid und lebt, der Bühne fern, als dramatifche Lehrerin und 
Schriftftellerin dafeldft. Die Schwierigkeiten, einen Erſatz für eine 
Kraft zu finden, welche wie dieje in Prag eingebürgert und Fünft- 
lerifch erprobt war, waren nicht gering. Nach einer Reihe miß- 
glücter Debuts gelang e8 endlih im Auguſt 1879 in Theodora 
von Qurzbad- Fiedler eine Darftellerin zu finden, die der 
von Anna Berjing verlafjenen künſtleriſchen Pofition gewachfen 
ſchien. Theodora v. Wurzbach hatte die Bretter der Prager Bühne 
bereits in den Jahren ihrer künftlerifchen Kindheit betreten. Als 
Tochter des berühmten Lericographen Dr. Conftant v. Wurzbach 
am 7. Febr. 1846 zu Lemberg geboren, hatte fie fich frühzeitig 
der theatralifchen Carriere gewidmet und 1862, vom Hofichau- 
ipieler Joſ. Wagner dem Direstor Thome empfohlen, ihr erftes 
Debut als Volontärin in Prag gewagt. Thomeé ließ fie in dem 
Stüd „Un die Welt” auftreten, um fie fodann mit Emil Devrient 
und auf Wunſch Wagner's mit Lewinsky und Friederike Bognar 
bei deren Gaſtſpiel in Heineren Partien fpielen zu laſſen. So 
ſah man fie als Therefe in „Stille Waffer find tief" mit Devrient, 
als Yenifa in „Donna Diana”, Mirza in „Traum ein Leben“ 
und Emilia in „Othello“ ; fie wurde dann nach Altenburg, Lübeck 
und Elberfeld, endlich 1869 an das Hoftheater in Deffau engagitt, 
wo fie durch nahezu elf Jahre das Fach der Heldinen und weib- 
lichen Charakterrollen ausfüllte und künſtleriſch wie gefellfchaftlich 
eine glänzende Stellung einnahm; erjt die bei dem dortigen Hof- 
theater eintretenden finanziellen Einſchränkungen veranlaßten die 
Künftlerin, ein anderes Engagement zu fuchen, das fie nach ehren- 
vollen Debuts als rau v. d. Straße („Böje Zungen”), Com⸗ 
merzienräthin Schlegel („Ultimo“), Thusnelda („Fechter von Ra⸗ 
venna") in Prag, aljo an derjelben Bühne fand, die fie einſt als 
Novize aufgenommen hatte. Man lernte fie als ſehr intelligente, 
intereffant charalterifirende Darftellerin von ernftem künſtleriſchem 
Streben fchägen; bald entfaltete fie auch eine ausgebreitete drama⸗ 
tiſche Lehrthätigkeit, erhielt den früher von Frau Verſing und 
Frau Moriz-Richter eingenommenen Boften einer Lehrerin ver 
Declamation und Mimik am Prager Eonjervatorium und behauptete 





— 727 — 


dieje bedeutſame Doppelitellung an zwei der hervorragendften Kunft- 
inftituten Prags während der ganzen Dauer der Aera Kreibig und 
darüber hinaus (bi8 1886). Seit 1875 war Dora v. Wurzbadh 
(auch „Frau Fiedler v. Wurzbach“ genannt) mit dem Schrift- 
jteler Carl Fiedler (F im Sept. 1887) vermält. --- Auf dem 
Gebiete der bürgerlichen Mütter waren 1876—7 die Frauen 
Wolltabe und Pofinger gemeinfam thätig. Frau Minna 
Wollrabe, unter deren Augen auch eine hoffnungsvolle Tochter, 
Amalie Wollrabe, die erjten Bühnenverfuche in Prag madhte,*) 
jchied jedoch ſchon 1877 von Prag (um erft 1886 unter Dir 
tettor Angelo Neumann in ihre frilhere Wirkungsiphäre zurüdzu- 
fehren), worauf Therefe Bofinger auf dem Terrain der bürger- 
fihen und fomifchen Mütter allein zurücdhlieb und mit regem 
Eifer während diefer ganzen Periode und noch länger bis zu 
ihrer 1886 erfolgten Webernahme in den Ruheſtand wirkte — 
Eine andere Beteranin der Prager Bühne, Amalie Fries, trat 
1878 nad) dreißigjähriger, pflichttreuer und vieljeitiger Thätigkeit 
in den Genuß der Penfion, blieb aber, noch immer eine rüftige 
Dame von ftattliher Erſcheinung, auch ferner „als Gaft" im 
Activitäts-Verhältniß bis zum Abſchluß der Wera Kreibig. Sie 
ftarb, nicht lange „in-activ", am 8. Oct. 1887 im 64. Lebens⸗ 
jahre zu Prag. 


* * 
* 


Wie im Bereiche des Schauſpiels ſo war auch in jenem der 
Oper mit der neuen Direction eine ſtattliche Anzahl neuer Kräfte 
auf die Prager Bühne eingezogen, die nach entſprechender Sonde— 
rung und Auswahl mit dem alten Mitgliederftamm einen achtungs- 
wertben und leiftungsfähigen Perjonal-Körper bildeten, welcher 
allerdings gerade in den erften Jahren ftarfen und einjchneidenden 
Veränderungen unterworfen war. Unter den dem neuen Regime 
überlieferten Kräften jtand in erjter Linie Marie von Steiniß- 
Mofer, weldhe im Vollbefige ihrer künſtleriſchen Mittel und der 

*, Amalie Wolkrabe gab die Bühnencarriere anf, vermälte fi, wurde 
jedoch als junge Fran ihrem Gatten entriffen. 


— 1728 — 


Gunſt des Publicums, eine Säule des Dpern-Repertoires und 
des Enjembles repräſentirte. Jene Vorzüge, die wir bereits als 
die charakteriftiichen Merkmale ihrer Tünftlerischen ndividualität 
hervorgehoben haben, hatten ſich nur noch impofanter entfaltet 
und traten in einer Reihe neuer Partien unverkennbar hervor: 
man fah nun ihre Königin von Saba, ebenfo berüdend durch die 
Erjcheinung als wirkungsvoll durch die Macht ihrer Mittel, duch 
die feinfinnige, discrete und doc temperamentvolle Darjtellung 
und die Güte der muſikaliſchen LZeiftung. Auch ihre Armida, ihre 
mit künſtleriſcher Selbitändigfeit geichaffene, intereffante Carmen, die 
Herodias in Maſſenet's gleihnamiger Oper gehörten diefer Periode 
an: unter Abgabe einiger Partien des eigentlichen „dramatiſchen“ 
Sachs übernahm fie ſodann mit partiellem Fachwechſel eine Reihe 
von Rollen, die der Mezzofopraniitin zugerechnet werden, darum 
aber nicht minder eine dramatifche Künstlerin zur Darjtellerin 
verlangen: fie fang die Eglantine, Ortrud, Fides und erzielte 
damit feine geringere Wirkung als mit den anerfannten Glanz 
rollen ihres weiten Repertoires. Und eben dieſer Repertoire⸗ 
Reichthum der Künftlerin vettete die Bühne felbjt vor mancher 
Derlegenheit. Die Werthichägung, deren ſich Frau v. Mofer in 
Prag erfreut, trat am 29. April 1883 bei der Feier ihres zehn- 
jährigen Prager Bühnenjubiläiums in überzeugender Weije zu 
Zage.*) So blieb fie, trotzdem ihr gerade in der Aera Kreibig 
manche trübe Erfahrung zu Theil wurde, jeder Bühnenleitung eine 
werthvolle und erjte fünftlerifche Kraft, und noch in der jüngften 


*) Die Künftlerin fang die Königin von Saba unter ftürmifchen 
Opvationen. Die Jubilarin wurde hinter den Couliſſen ſchon feftlih em⸗ 
Pfangen und nahm von der Tochter der Frau Brof. Lidwinna v. Kremer- 
Auenrode einen brei Sterne darftellenden Brillantihmud, gemwibmet von 
dreißig Damen der eriten Gejellichaftskreife Prag, entgegen. Die an ben 
Oberſtlandmarſchall gerichtete Adreſſe um Bewilligung eines Ehrenabends 
für die Künftlerin war von dem Comitt (Sohanna Gräfin Noſtitz, Gräfen 
Deym, Johanna Gräfin Spord, Fr. v. Kremer und Luiſe Schmeyfal) und 
0 Damen gefertigt. Das Publicum empfing die Jubilarin mit Beifalls- 
falven und einer Blumenfülle; nah dem 1. Acte ging ein Blumenregen 
auf die Bühne nieber. 








— 729 — 


Zeit (Direction Angelo Neumann) war fie dazu auserjehen, die 
Brunhilde in Wagner’3 „Siegfried" und „Götterdämmerung"*) 
jowie die Solde in Prag zu creiren. Ihr Name wird genannt 
werden, wenn man die Beſten nennt, welche die Bretter der 
Prager Bühne befchritten haben. 

Als Coloraturfängerin übernahm die Direction Kreibig von 
der vorhergegangenen Periode Frl. Marie Erhart, eine der Gunſt 
des Publicums verficherte Sängerin, welche jedoch im Frühling 
1878 aus dem Engagement jchied und zunächſt durch Frau 
Charles-Hirjch,**) eine bereits an guten Bühnen erprobte 
Künstlerin von nicht eben imponirenden Mitteln aber brillanter 
Technik, erjegt wurde. Ihr folgte bereits im nächften Früh— 
jahr Marie Lehmann, eine ganze Künftlerin, deren Gewinn 
der Prager Oper von außerordentlichem Vortheil werben follte. 
Frl. Lehmann war aus echtem Künjtlerftamm und auf der Bühne 
ſozuſagen groß geworden. Im Jahre 1851 zu Hamburg als die 
Zochter des Heldentenors Lehmann und der Sängerin Lehmann 
geboren, war fie frühzeitig der künſtleriſchen Laufbahn zugeführt 
worden. Ihre Deutter, welche viele Jahre in Cafjel unter Spohr 
engagirt war, dann als Harfenvirtuofin das Prager Orchefter 
zierte und fich befanntlich des bejonderen Vertrauens und treuer 
Ergebenheit R. Wagner’3 erfreute, leitete fie zielbewußt auf ihren 
fünftlerifchen Pfaden. Von Prag, wo fie neben ihrer Schweiter 
Lili als blutjunges Mädchen die Anfangsgründe der Gejangskunit 





*, Bei ber Aufführung ber „Sötterdämmerung“ wurde Fr.v. Mofer 
ein tunftvoller Lorbeerkranz überreicht, auf dem in goldenen Blättern die 
von ihr gefungenen Wagner Partien verzeichnet waren. Eva Wagner richtete 
Namens ihrer augenleibenden Mutter Cofima einen Brief an die Prager 
Brunhilde, worin diefer Dank und Anerkennung ſowie Glückwunſch zur 
Erreichung diefed hohen Fünftlerifchen Zieles umd zu ihrem großen Erfolge 
ausgeſprochen murbe. 

**) Soroline Charles⸗Hirſch geb. Groyß ift zu Wien 28. Aug. 1853 
geboren, eine Schülerin der Fr. Pafly-Cornet, kam mit 16 Jahren zum 
Theater in Graz ald Coloraturfängerin, von dort nach! Peft, hierauf als 
Operettenfängerin au's Theater a. d. Wien; ſeit 1874 ift fie mit dem 
Theater-Director Heinrich Hirſch vermält. 


— 730 — 


abjolvirte und im Niclastheater künſtleriſche Gehverſuche machte, 
fam fie als fechzehnjähriges Mädchen zum erjten Debut in 
Leipzig, ſang 1867 am dortigen Stadttheater das Aennchen im 
„Freiſchütz'“, dann mehre Operettenpartien und follte auf Antrag 
des apellmeifters wegen „conftatirter Talentloſigkeit“ nach Ab» 
lauf der Probezeit entlaffen werden, doch wurde ihr eine weitere 
Gnadenfrift gewährt. Als fie während diefer Zeit ohne Probe 
und mit Erfolg die Leonore in „Stradella” fang, mendete fi) 
plöglich ihr Geſchick: ſie wurde zur „talentvolfen Anfängerin“ 
und fand für Oper und Operette Engagement. mn auffteigender 
Carriere, die Stufenleiter der ſchönſten Fünftlerifchen Entwidelung 
emporklimmend, fang fie hierauf in Hamburg, Cöln und Breslau, 
debutirte am 22. März 1879 in Prag als Rofine im „Barbier" 
und bewährte fich fofort als Coloraturfängerin von ſympathiſchen 
Mitteln, brilanter Technik und gewandter Darftellung. Ihre Gilda 
und Königin in den „Hugenotten“ verftärkten diejen angenehmen 
Eindrud, zeigten ſie als wohlgejchulte, diftinguirte und virtuofe Künft- 
lerin, jo daß ihr Engagement bald perfect wurde. Sie hat während 
desfelben ale Coloraturpartien mit Meifterfchaft gejungen, u. 4. 
die Baucis in Gounod's „Philemon und Baucis" und die Mar— 
garethe in Boito's „Mefiſto“ creirt und im Concertſaale ebenjo 
glänzende Erfolge errungen wie auf der Bühne. Am 15. April 1882 
hatte man das feltene Vergnügen, die beiden Schweitern Lehmann, 
die ja auch als Bayreuther Rheintöchter Berühmtheit erlangt haben, 
gleichzeitig auf der Prager Bühne zu fehen und zu hören: Lili, 
die einftige Prager Novize, fang die Carmen, Marie neben ihr 
die Micasla; auch als Mignon und Bhiline fah man Marie 
und Lili Lehmann nebeneinander, und au Enthufiasmus für Beide 
fehlte e8 keineswegs. Zwei Monate jpäter verabfchiedete fich 
Marie Lehmann als Margarethe in „Mefiito”, einer Partie, 
welche fie al8 Sängerin und Darftellerin gleich hervortreten ließ, 
von Prag, um im SHerbit in den Verband des Wiener Hof 
operntheaters zu treten, dem fie jet eine ſtets bewährte, künſt⸗ 
lerifch nie verfagende und werthvolle Kraft ift. Sie gehört zu jenen 
Sängerinen, deren Andenfen in der Moldauftadt unvergeſſen iſt. 








— 731 — 


| ALS jugendlih-dramatische und Iyrifche Sängerin (nach Fräulein 
Schmidt) war mit Kreibig Melanie Hädel aus Graz nah Prag 
gefommen und hatte in &emeinfchaft mit dem Tenor Stoll als 
Mignon der neuen Bübhnenleitung den erſten glüclichen Abend 
gebracht. Melanie Hädel, eine Wienerin und Schülerin der Bajiy- 
Cornet, betrat — fast nody ein Kind — bei Gelegenheit eines 
Gaſtſpiels Scaria’s, der fie aus der Schule mitnahm, als Pa- 
mina zum erjten Male tie Bühne in Graz, hatte jchon mit diefem 
Verſuch einen ungewöhnlichen Erfolg und fam im Frühjahr 1876 
nah Prag, wo fie ſich raſch allgemeiner Sympathien zu ver- 
fihern wußte. Mit dem Schaufpieler und Sänger Albert Puls 
(Ermarth) vermält, nahm fie den Namen „Puls-Häckel“ an, wurde 
im Frühjahr 1877 durch langwierige Krankheit der Bühnenthätig- 
feit entzogen und trat aus dem Ingagement. Ihr Gatte fchied 
mit 1. Auguſt aus dem Verbande der Prager Bühne, trat aber 
nach einigen Wochen wieder ein, bis 1873 Frau Puls:Hädel 
unter dem Yamilien-Namen des Gatten, Ermarth, am kgl. Hof- 
Theater in München Engagement und eine in jeder Hinficht ges 
achtete Stellung fand — Frau Ermarth fang auch in den Separat- 
vorftellungen vor König Zudwig II. zur befonderen Zufriebenheit 
des Monarchen, übertrat fpäter an das fol. Theater am Gärtner: 
plag, wo jie als erjte Operettenfängerin das Repertoire beherricht 
und eine Reihe moderner Operetten-Partien für München creirt 
hat. Als fie fih 1887 von diefer Bühne verabjchiedete, bereitete 
ihr da8 Münchener Publicum eine überaus glänzende und herz- 
liche Abjchiedsfeier. Herr Ermarth war nad) feinem Abgang von 
Prag an's Gärtnerplag-Theater gelommen und eines der meift- 
beichäftigten und gefchägteften Mitglieder diefer Bühne geworden. 
— In Prag wurde Frau Puls-Hädel im Mat 1877 durch 
Adele Benetti ahgelöft, eine Sängerin, die ſich lange Jahre 
am deutſchen Landestheater behauptete und dort eine bleibende 
fünftleriihe Stellung fand.*) Eine Künftlerin von ſympathiſcher 


*) Adele Benetti (recte Benigni Edle zu Müldenberg), aus einer alt- 
italienischen Patrizierfamilie ftammend, Tochter eines verdienten kaiſerlichen 
Staböofficierd und Feſtungs-Commandanten von Graz, hatte in Wien 





— 1732 — 


Erfcheinung, angenehmen und ausdauernden Stimm-Mitteln, vor: 
trefflicher Schulung und unbedingter muftfalifcher Verläßlichkeit, 
wurde fie vajch eine Stüge der Oper und Operette; jie fang das 
Aennchen im „Freiſchütz“, die Berline („Don Juan” und „Fra 
Diavolo“), Marie („Waffenfchmied" und „Ezar und Zimmermann”), 
den Pagen in den „Hugenotten” und „Figaro's Hochzeit”, Ga- 
briele im „Nachtlager”, Anna in „Hans Heiling”, Siebel in 
„Fauſt“ und Oscar im „Maskenball“ ebenjo erfolgreich wie die 
Fiametta („Boccaccio”), Lydia („Fatinitza“), Pedrita („Donna 
Juanita“), das Elschen („Lujtiger Krieg"), die Bronislava („Bettel- 
ftudent"), Roſette („Feldprediger“), wankte nie in ihrem Pflicht: 
eifer und blieb bis 1885 Mitglied des Prager deutfchen Theaters, 
das fie infolge einer langwierigen Heiferfeit (nach ihrer Verhei— 
ratung mit dem Buchhalter Herrn Gerl) verließ, um in den 
Ruheſtand der Bühne zu treten und in Prag eine ausgebreitete und 
verdienftvolle muſikaliſch-dramatiſche Lehrthätigkeit zu entfalten. 
Schwer hielt es nad) dem Berluft des Frl. Burenne, eine 
entjprechende Vertreterin des Fachs der Mezzoſopraniſtin zu finden. 
Die Damen Tomſa und Schmolef, welche das erfte Mitglieder- 
Verzeichniß der Direction Kreibig vegiftrirte, ſchieden bald von 
der Prager Bühne, worauf Frl. Minna Boree von Hamburg, 
eine Dame, die ihre fonore Altſtimme künſtleriſch beherrfchte 
und bereit3 einen guten Namen bejaß, im Juli debutirte und 


unter Leitung ber Profefforin Caroline Prudner und des Prof. Ric. Lewy 
ihre Geſangsſtudien abfolvirt und trat 1871 als Opernſoubrette in den 
Verband des großh. Hoftheaters in Darmitadt, wo fie die Brand⸗Kataſtrophe 
biefer Bühne erlebte und dadurch zur frühen Unterbrechung ihrer Wirkſam⸗ 
feit gezwungen wurde. Sie war nun ein Jahr in Würzburg, ebenfo- 
lange am Schweriner Hoftheater, das fie Familienverhältniſſe halber verlieh, 
wirkte drei Jahre am Brünmer Stabttheater und hatte fowohl in Opern: 
als Operetten: Partien (inSbefondere ald Glairette Angot) volle Erfolge, 
wurde von Director Hirih an die komiſche Oper nah Wien berufen, 
machte von dort aus mit der Operngefellihaft des Directors einen Gaſt⸗ 
ſpiel⸗Ansflug nad Pet, wo fie namentlih als Negimentstochter ftür- 
milchen Beifall fand. Bon dort kam Fräulein Adele Benetti ſodann nad 
Brag. 








— 733 — 


reuſſirte. Sie war bei einem flüchtigen Beſuch in Leipzig nad) 
einer zufälligen Prüfung bei Capelfmeifter Guftav Schmibt*) an 
das dortige Stadttheater und gleichzeitig zur Mitwirkung in den 
berühmten Gewandhaus-Concerten engagirt worden, worauf fie 
raſch und erfolgreich ihre Laufbahn bejchritt. Der Prager Bühne 
gehörte fie übrigens nur einige Donate an, worauf fie abermals 
in Hamburg ihre frühere vornehme fünftlerifche Stellung einnahnt. 
An ihre Stelle trat in Prag Marie Hellmer, eine jugendliche 
Sängerin, die erft eine Furze theatraliiche Wirkſamkeit hinter ſich 
hatte, am 13. März 1877 als Azucena mit entſchiedenem Erfolg 
debutirte und fi) als Mezzofopranijtin mit jugendlich: kräftigen 
und ſympathiſchen Mitteln, intereffanter Erfcheinung und tempera- 
mentooller Darftellung bewährte. Sie griff raſch über die Grenzen 
ihres ftrieten Fachs hinüber, fang die Sulamith in der „Königin 
von Saba”, die Venus in „Zannhänfer”, Mignon, Lange in „Angot” 
ebenfowie den Puk in „Oberon”, die Leah in den „Maccabäern" 
und die einzelnen Partien des Alt: und Mezzoſopran-Rollenkreiſes. 
Nach ihrem Abgang von Prag (Frühjahr 1880) nahm fie Enga- 
gement als erſte dramatiſche Sängerin in Graz und war aud in 
diefer neuen Sphäre mit Glück und Ehren thätig. — Neben ihr 
wirkte in Altpartien mit jtetS gleichem Eifer Grau Plodek. Eine 
junge Sängerin, welche 1876 für Mezzofopranpartien engagirt 
worden war, Frl. Topolanski, fchied nach kurzer Wirkſamkeit 
und wendete jich vornehmlich der Operette zu. 

Eine achtbare Soubrette, die dazu auserjehen war, gleich- 
zeitig in der Spieloper und in der Operette zu wirfen, Frau 
Marie Storch-Zoder, früher Operetten-Primadonna des Grazer 
Zandestheaters, eine Sängerin von jtattlicher Erſcheinung und an- 
jehnlichen Stimm- Mitteln, gehörte von Dftern 1876 bis Febr. 1878 
dem Prager Bühnenverbande an, ohne direct erjegt zu werden, 
da für ihren Rollenfreis die Damen Benetti und Schenf-Ullmeyer 
zur Dispofition jtanden und allen Anfprüchen zu genügen ver- 





* ‚Hamburger Theater-Decamerone“, herausgegeben von 
Ad. Philipp u. Zul. Baron, Berlag v. F. W. Rademacher, Hamburg 1881. 


— 734 — 


mochten. Minna Schenf-Ullmeyer war als Rocal- und Opes 
rettenfängerin von Wirfing auf deſſen Nachfolger übergegangen, 
und in dem durch vorzügliche Komiker⸗Kräfte ergänzten Perſonal 
ſowie in dem erweiterten Nepertoire des heiteren Genres fand dieje 
Haupt-Vertreterin desjelben auch einen erweiterten Wirkungsfreis, 
dankbarere Aufgaben: ihre Haupterfolge Tagen allerdings auf dem 
Gebiete der Operette; hier fchuf fie eine lange Reihe neuer Partien, 
in deren Repräfentation fie in Prag nicht leicht zu überbieten 
und zu erjegen war. Madame Herzog, Fatinitza (Wladimir), 
Fanchette im „Seecadet”, Prinz Methufalem, Fantasca in „Ans 
digo“, der Heine Herzog, Boccaccio, Niſida, Schönröschen, Mas- 
cotte, die Jungfrau von Belleville, Laura („Betteljtudent”), Na- 
talitza („Apajune"), Angelo („Pfingiten in Florenz“) u. ſ. w. 
bezeichneten ebenjo viele Erfolge der durch überquellenden Humor, 
Temperament und Verve im Gejangsvortrage fiegenden Operetten- 
Diva, welche alfo gewilfermaßen die Trägerin diefes leichten Genres 
an der Brager Bühne war. Am 1. Juli 1884 trat Frau Schenf- 
Ullmeyer aus diefem Engagement, nahm aber erit im Auguſt 
„als Gaſt“ mit Therefe Krones (jener Rolle, in der fie vor zehn 
Jahren debutirt hatte), Broni im „Meineivbauer” und Annina in 
der „Nacht in Venedig" einen blumen- und beifallsreichen Abſchied. 
Im Mai 1885 trat fie noch in der „Fledermaus“ im Jauner'ſchen 
Operetten-Enjemble in Prag auf und nahm fodann ihr Domicil 
in Wien. Bon den Soubretten, welche der Prager Bühne an- 
gehörten, haben Wenige Erfolge in folder Zahl errungen wie 
jie, Wenige ein jo Tebhaftes Andenken hinterlaſſen wie fie... 

Neben Frau Schent-Ullmeyer wirfte Luiſe Seeberger- 
Martinelli, Gattin Ludwig Martinelli's, eine bereits in Graz 
und Wien bewährte refolute und temperamentvolle ‘Darftellerin, 
welche fi) an die beiten Aufgaben der Soubrette wagen durfte 
und ſpeciell auch für die Bauernkomödie den vechten Ton fand, 
mit wachſenden Erfolgen 1876 bis 1885 in Prag; ihre Ber 
gabung erwies ſich in bedeutenden Partien ebenjowie in Epi⸗ 
joden, welche fie mit ſtets gleicher Gewifjenhaftigkeit anfaßte und 
durchführte. 





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Für das Heldentenorfach glaubte die Direction am beiten vor- 


geforgt zu haben, indem fie zwei Vertreter desfelben, die Herren 


Richter und Kaminski, vorführte, die Wirkſamkeit Beider 
jedoh war nur eine furze: Hr. Richter, der als Lohengrin debu- 
tirte, ſchien mehr lyriſcher ala Heldentenor und verließ Prag in 
der eriten Zeit der neuen era, Hr. dv. Kaminski fonnte auf 
eine interefjante fünftlerische Vergangenheit zurüdbliden. Er war 
der erſte Tannhäufer in Wien (bei der Premiere des Werkes in 
dem von Hoffmann geleiteten Joſefſtädter Theater), lange Zeit 
der geachtete „primo uomo“ des Grazer Landestheaters geweſen, 
ein aus vornehmem polnischem Gejchlecht ftammender, künſtleriſch 
trefflich gebildeter Sänger, deſſen helles, einft ziemlic) großes Organ 
allerdings an Frische wefentlich eingebüßt hatte, der aber im declama- 
toriichen Vortrage den berufenen Wagner-Sänger verriet und bei 
einigem Entgegenkommen immerhin einen Play an der Prager 
Dper hätte ausfüllen können. Die Mängel feines der Yugend- 
blüthe entrücten Organs aber fielen zu ſtark in's Gewicht; nach 
einigen Monaten fchied Kaminski aus dem Engagement, trat jedoch 
nochmals in einem Moment der Verlegenbeit (19. März 1877) 
als Prophet vor das Prager Publicum und nahm mit diejer 
Zeiftung einen ehrenvollen Abjchied. Die Verfuche zu einer Neu» 
Organifation des. bedeutfamen Poſtens waren bereits im Sommer 
1876 aufgenommen worden: fie führten zu einem Gaſtſpiel des 
Zenors Benno Stolzenberg und zum Engagement des Tenors 
Griſa, der als Raoul in den „Hugenotten” im Auguft debutirte 
und durch ſympathiſche Erfcheinung ſowie phänomenale Stimme 
leiftungen in der höchiten Lage über eine Fülle künſtleriſcher 
Mängel hinwegzutäufchen wußte. Wo es galt, einen blendenden 
Effect zu erzielen, reufjirte der neue Heldentenor; jede neue Partie 
aber offenbarte mehr und mehr das Unvollendete, Unausgeglichene 
feiner Leiftungen, was umjomehr zu bellagen war, als ihm feine 
glänzenden äußeren Mittel gewiffermaßen den Weg zu einer her- 
vorragenden Pofition wiefen. Er creirte den Magnus in Kretſchmer's 
Dper „Die Bplkunger", mußte aber mit immer größerer Vorſicht 
verwendet werden, litt mit einzelnen Partien Schiffbruch und trat 


— 736 — 


im April 1877 aus dem Verbande der Bühne, der er bei den 
erſten Debuts einen vielverheißenden Gewinn zu verſprechen fchien. 
Im Februar hatte bereits ein Wpirant auf den freiwerdenden 
Poften, Hr. Martens von Mannheim, als Lohengrin und Man- 
rico debutirt und ſich als verftändiger, wohlgefchulter Sänger mit 
anſehnlichen Mitteln und darftellerischer Routine erwieſen, dem 
allerdings eine gewiſſe Nüchternheit anhaftete und tiefere Wirkungen 
verfagte. Er blieb bis 1879 im Engagement, ohne die Zenor- 
frage völlig gelöft zu haben. Zu diefem Ziele trachtete man durch 
ein neues und nicht wnintereflantes Arrangement zu gelangen. 
Auguft Stoll, defjen reiche Begabung längft über. die engeren 
Grenzen des lyriſchen Tenorfachs Hinausftrebte, entſchloß fich zu 
einem bedeutjamen Schritte: er ließ ſich als erjter Heldentenor 
(mit einer Jahresgage von 9600 fl.) proclamiren und wurde in 
diefer neuen Sphäre mit denjelben Sympathien aufgenommen, 
die ihm als Igrifchen Tenor zugewandt worden waren. Stoll 
hatte — obwohl noch jung an Jahren — doch bereits eine ehren- 
volle künſtleriſche Vergangenheit Hinter fih. Der Sohn eines 
Mufifers von trefflicher Bildung,*) hatte er frühzeitig gründliche 
muſikaliſche Studien gemacht und eine Schule abjolvirt, deren 
Erfolge ſich in feinen erften Debut wie in feinem ganzen fünjt- 
leriichen Lebensgange äußerten. Sein Organ, ein Tenor von 
edlem Klangcharakter, Schmelz und erftaunlicher Leiſtungsfähigkeit, 
vereint mit diefer nie verfagenden muſikaliſchen Verläßlichkett, 
großer jchaufpieleriicher Gewandtheit und liebenswürdiger Er- 
jcheinung, ftellten ihm eine große künſtleriſche Karriere in Aus— 
ficht, und ſchon im Landestheater in Graz, wo Stoff neben 
Kaminski wirkte, zählte er zu den beliebtejten Mitgliedern des 
Opernperfonals. Raſch rang er fi auch in Prag unter jchwie- 
rigen Verhältniffen zu einer neidenswerthen Poſition empor, 
und nur das raftlofe Streben nad fteter Erweiterung feiner 


*) Stoll senior, einft ein hervorragender Tenor, glänzte in Wien 
ſpeciell als Raoul, ald die „Öngenotten“ Nenigkeit waren, wirkte 33 Jahre 
mit Ehren und reihen Erfolgen in Peft ald Sänger, dann als Lehrer 
und lebt noch heute in ber ungar. Hauptftabdt. 


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— 137 -- 


Wirfungsiphäre, die Forcirung feines edlen Organs, das den Auf- 
gaben des Heldenfachs doch nur fünftlich und mit äußerfter Kraft: 
entfaltung dienftbar gemacht werden konnte, erregte Bedenken über 
die Dauerhaftigfeit feiner jeltenen Erfolge. Gleichwohl knüpft fich 
die Erinnerung an eine Reihe gebiegener Tünftlerifcher Leiftungen 
an den Namnen Stoll. Sein Affad in der „Königin von Saba", 
Rinado in „Armida”, PVhilemon in Gounod's „Vhilemon und 
Baucis“, Joſe in „Carmen”, Fauſt (von Gounod und, Boito), 
Walter Stolzing („Meifterfinger"), Nomen, Wilhelm Meifter, 
König von Labore, Adolar („Euryanthe“) u. }. w. verfehlten 
nie eine volle und nachdrüdliche künſtleriſche Wirkung. Leider erlag 
ſchließlich das nicht unverwüftliche Organ des Sängers den ftets 
gefteigerten Anftrengungen. Stoll mußte ſich wiederholt ärztlicher 
Behandlung unterziehen, nahın 1884, um fi der Bühne zu er- 
halten, den Uebergang zur Operette vor, in weldyer er feinerzeit 
bereits in Graz Triumphe gefeiert hatte, fang am 11. Juni 1884 
zum erjten Male den „Betteljtudenten” und jchied am 30. Juli 
desjelben Jahres, nachdem er 700mal in Prag gejungen hatte, 
in der Ölanzrolle des Aſſad unter großen Ovationen von Prag, 
um in den Verband des Theaters a. d. Wien zu treten. Seine 
Debut an diejer Operettenbühne (Sept. 1884), auf welcher jich 
feine erjtarkten Stimm-Mittel effectvoll geltend machten, erregten 
Auffehen; die Hofoper wandte dem neuen Operettentenor ihre Auf— 
merfjamfeit zu, zog ihm zu einem Debut (oje in „Carnien“) 
heran und ficherte ich, nachdem die Erfahrung die Möglichkeit 
einer vollen Wiederaufnahme feiner Dpernthätigfeit in Frage 
jtellte, feine Tünftleriiche Kraft und Routine in anderer Weile: 
Stoll wurde Opernregiſſeur mit der Verpflichtung zu aushelfender 
Mitwirkung als Sänger und waltet in diefer Sphäre auch heute 
an der Seite Jahn's mit Eifer nıd Erfolg. 

Als Operettentenor war zu Beginn der Kreibig’ichen Wera 
Hr. Walter in den Berband der Prager Bühne getreten, ein 
Sänger, deſſen gewaltige Mittel die Partien des modernen Operetten- 
Nepertoires weit überragten: ex leiftete auch in der Spieloper gute 
Dienste, trat jedoch mit Oftern 1878 aus dem Engament, um eine 

47 


— 738 — 


neue fünftleriiche Stellung in Braunjchweig anzunehmen. Zum 
Erjag des verlorenen Sängers und zur Verwendung in den von 
Stoll abgegebenen Opern-Bartien wurde im Sommer desſelben 
Yahres Herr Wilhelm und herangezogen, ein junger Mann 
aus diftinguirter Familie (Sohn des befannten Militärſchriftſtellers 
Major Earl und), der, urjprünglih zum Violinvirtifojen heran⸗ 
gebildet, al8 Geiger und Sänger feinen Weg in der Theaterwelt 
machte. Er debutirte am 6. Juli als Baris in der „schönen 
Helena" und wirkte duch ſympathiſche Erſcheinung und wohl- 
gefchulte, ſympathiſche Stimm-Mittel, obwohl er mit diefer Partie 
feinen erften Waffengang in der Offenbach'ſchen Operette machte. 
Mit wechjelndem Glüd fette und feine Thätigfeit in Oper und 
Dperette, oft zu den undankbarſten und bedenklichſten Aufgaben 
gedrängt, fort," bis ihn 1880 ein Engagement am Berliner Tönig- 
Iihen Opernhaufe aus feiner fatalen Prager Pofition erlöfte. 
Junck hatte in Prag auch als PViolinvirtuos concertirt und in 
der Partie des Offenbach'ſchen „Orpheus“ durch fein „natür- 
liches" Biolinfpiel ein gewiſſes Aufjehen gemacht. Er war ſeither 
an einer Reihe deutſcher Bühnen diesjeits und jenfeitS des Dceans 
engagirt. Neben ihm und Walter wirkte (1876—79) ein ftimm- 
begabter junger Tenor, Herr Schwarz, der zu den ſchönſten 
Hoffnungen berechtigte, über glückliche Verſuche indeß in Prag 
nicht hinaus fam. Ein Sänger von jelten jchönen Mitteln, mit 
allen Vorzügen, die zu einer glüdlichen Bühnencarriere berechtigen, 
ausgeitattet, ftellte fi) am 3. April 1879 vor: Fritz Schrödter, 
vom Wiener Ringtheater fommend und auf den Plaß des Operetten- 
tenors afpirirend.*) Er fang den Marasquin in „Girofle”, Blaubart 


*) Fritz Schrödter ift in Leipzig geb., war zum Bautechniker aus: 
gebilbet, -ftudirte jedoch auch an der Kölner Chorfchule, trat in den Chor 
des Kölner Theater, verfuchte ſich dann als Liebhaber ın Hamburg uud 
Bremen, wurde als ſolcher entlaffen, machte jedoch als Naturburiche Glüd 
und übertrat nad) Entdeckung feines Tenors zur Operette. Er wirkte al3 
Operettenfänger in Norbdeutichland, dann (187677) am Theater an der 
Wien und am Wiener Ringtheater, bis ihn der Ruf an das Prager beutiche 
Randestheater traf. 





— 739 — 


und Lambert im „Seecadet” mit entfchiedenem Erfolge und wurde 
alsbald in den Bühnenverband aufgenommen. Schrödter, ein junger 
Mann von gewinnender Erjcheinung, defjen Lied jchmetternd wie 
Lerhhenfang und jiegreich in das Auditorium drang, wurde raſch 
ein Liebling der Prager. Er wuchs mit feinen Aufgaben, pflüdte 
in der Operette, Oper (insbejondere als David in den „Meiiter- 
jingern”, Ottavio in „Don Juan”, Derzog in „Rigoletto” u. |. w.), 
ja fogar im Luftjpiel feine Lorbeern und war der Prager Bühne 
bereits ein nahezu unentbehrliches Mitglied geworden, al3 er 1835 
mit dem Georg im „Waffenjchmied" bewegten Abſchied nahm, um 
einem Rufe an die Wiener Hofoper zu folgen — er gehört der⸗ 
ſelben heute als einer der Beſten im Opernenſemble, als eine der 
friſcheſten und ſympathiſcheſten Kräfte, an. | 

Zapellos bejegt war das Barytonfach, jolange es Adalbert 
Schebeſta in der Vollkraft jeiner Mittel mit Feuereifer und 
fünftlerifcher Begeifterung verwaltete. Er „ſchuf“ in diefer Pe- 
riode den Salomo in der „Königin von Saba”, den Ubald in 
„Armida”, Vulcan in „Philemon und Baucis", wurde jedoch 
ihon am 25. Febr. 1880 durch einen frühen und rafchen Tod 
jeinem der Bühne jo werthoollen Wirken entriſſen. Seine lebte 
Rolle war der Rene im „Mastenball” ; wenige Tage ſpäter raffte 
ihn die Bright’fche Nierenfranktheit dahin. Die Theilnahme aus 
Anlaß dieſes Trauerfalls war groß und allgemein: bei unge- 
heuerem Meenfchenandrange bewegte fich der LXeichenzug von der 
Stadt kgl. Weinberge über den Wenzelsplag zum deutjchen Landes- 
theater und von dort zur legten Ruheſtätte auf dem Wolſchaner 
Friedhofe. Ein eigenes „Schebefta-Comite" unternahm es, für die 
tiefgebeugte junge Witwe und die unmündigen Kinder des im 
36. Lebensjahre verftorbenen Sängers zu forgen. Am 4. April 
wurde für diefen humanen Zwed im Landestheater Verdi's „Res 
quiem” in glänzender Bejegung*) aufgeführt und damit allein 

*, Damen Lehmann und Mofer, Herren Stoll und Dobſch, Dirigent 


Slansky, Chor verftärkt durch Mitglieder des deutſchen Männergelang- 
vereind, Orchefter verftärft durch Eleven des Conſerdatoriums und der 


Pavlis'ſchen Militärmuſikſchule. 


47* 


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ihon ein Ertrag von 7500 fl. erzielt. Wie jchwer e3 wurde, 
für eine Kraft von diejer ofterprobten Güte einen würdigen Erfah 
zu ſchaffen, follten die nächiten Jahre zeigen. 

Treu und mit immer gleichem Eifer wirkte während der ganzen 
Zeit Wirfing’scher Direction als Tiefbaß Wenzel Dobſch; m 
Baryton- und Baßpartien aber ftanden Eihberger, Mader 
(bis 1879), Puls (bis 1878), Pflug (ein notenfefter, darftel- 
leriich gewandter, junger Mann) zur Dispojition. Der Baßbuffo 
Eghardt, der trog zunehmenden Alters nod) immer jenen Dann 
ftellte und auch als Lehrer eine gedeihliche Thätigkeit entfaltete, 
verichied 1382 und wurde ebenfalls unter vielfeitiger Theilnahme 
zu Grabe getragen. Eine neue treffliche Kraft wurde 1879 in 
dem Baſſiſten Grengg gewonnen, der im Mai als Falſtaff umd 
Stadinger debutirt und mit feinem mächtigen, ſonoren Baß, feiner 
gewandten und humorvollen Darftellung eine Lücke im Enjemble 
in der willtommenften Weife ausfülltee Er war u. 4. ein liebens⸗ 
würdiger Jupiter in „Philemon“ und ein luſtiger Bruder Tuck 
in „Templer und Jüdin“, er creirte in Prag die Titelrolle in 
Boito's „Mefiſto“, ſowie den Canonicus Isfried in Neßler's 
„Rattenfänger von Hammeln“, brachte den Beckmeſſer in „Meiſter⸗ 
ſinger“ zu neuen Ehren und wurde ſehr vermißt, als er 1882 zum 
Leipziger Stadttheater übertrat — Grengg (vermält mit Laura 
Rubin, ehemals Primadonna der Grazer Oper) iſt neueſtens als 
Baſſiſt für das Wiener Hofoperntheater in Ausſicht genommen. 

% * * 

Dies war in ſeinem Beſtand und Wechſel das Perſonal, über 
welches Eduard Kreibig in den erſten Jahren der Direction, 
die feinen Namen trug, verfügte, in jenen Jahren (1876-—79), 
in denen er das Directionsfcepter mit eigener Hand führte.*) Eine 

*, Der Prager Theater-Almanach pro 1879 verzeichnet folgendes 
Skhanfpiel-Berjonal: Herren v. Erneft, Frey, Geiger, Grauert, 
Haffel, Heiter, Huvart, Lunzer, Martinelli, Pflug (fiehe Oper), Roll 
(Oberregiffenr de3 Schau: und Luſtſpiels), Sauer, Schlefinger, Siege, 








— 741 — 


Stabilität in den Perfonalverhältniffen, wie fie in den Traditionen 
der Prager Bühne lag, konnte allerdings nicht erreicht werben, 
immerhin aber war allmälig ein Künftlerftamm gewonnen und 
gefichert, mit dem eine ziefbewußte, energiſche Bühnenleitung erfolg: 
reich operiren, auf den fie bauen und vertrauen konnte — leider 
lagen die Verhältnijje jo, daß aud) diefe Bafis des Inſtituts wankte, 
Erfolge, die jo leicht zu erreichen gewejen wären, ausblieben, das 
Gefühl der Unjicherheit und Ungewißheit um ſich griff und eine 
gedeihliche Fünftleriiche Arbeit nicht auffommen ließ. Daß man 
nicht unthätig war und belebende Momente in das Nepertoire 
zu bringen juchte, zeigt uns die Novitäten-Nevue der erjten brei 
Jahre Kreibig’scher Aera. Das Schaufpiel brachte 1876 Wilbrandt’s 
„Nero“, einen „hiftorifchen uftfpielabend“,*) „Selim IIL” und 
„Deirabeau” von Murad Effendi (Werner), „König Erich XIV." 
von Koberftein, „Die Fremde“ von Dumas,**) „Citronen” von 
Rofen und „Die Reife in ven Mond" (Muſik v. Offenbach), eine 
Novitäten-Reihe, die allerdings nur einen mäßigen und bedingten 
Repertoire-Gewinn bedeutete: Dumas’ „Fremde“ allein behauptete 
fih länger auf der Prager Bühne. Als erfreuliche Ereigniffe 
waren eine Goethe-Feier mit „Fphigenie auf Tauris”, die Auf: 
nahme von Kleiſt's Hermannsſchlacht“, Hebbel's „Judith“, und 
Schiller's „Räubern“ und das Arrangement eines Raimund-Cyclus 
zu verzeichnen, ***) für welchen in Martinelli eine -berufene dar: 
Stmon (Reg.), Steinar. — Damen: Bafte, Bihler, Fried, Kröſſing, 
Bofinger, Rigol, Schenk-Ullmeyer, Seeberger, Smwoboda, Berfing-Haupt- 
mann, Wienrih. — Kinder-Rollen Lori und Paula Dorner. 

*) ‚Das heyß Eyfen“ v. Hans Sachs, „Die ehrlich Bädın mit ihren ver- 
meinten drei Liebſten“ v. Jacobus Ayrer, „Hannswurſt der traurige Kuchelbäck 
und jein Freund in der Noth“ und „Einer muß beirathen” von Wilhelmi. 

e*) Herzog. Roll, Catharina⸗Jelenska, Mauriceau⸗Haſſel, Remonin- 
Simon, Margquife-Berfing, Noömi-Reller, Halter-Geiger, Baron und Ba— 
ronin d’ Ermelincd-Frey und Frl. Rigol. 

”*), Verſchwender“: Cheriſtane-Jelenska, Azur-Eichberger, Flott- 
well-Steinar, Wolf⸗Raberg, Balentin-Martinelli, Roja-Ullmeyer, Chevalier- 
Roll, Sodel-Schlefinger, Srünbling-Lunzer, Amalie-Trantmann, Flitterftein- 
Sauer, altes Weib-Pofinger. 


— 742 — 


jtelleriiche Kraft zur Dispofition ftand. — Das zweite Directions- 
jahr (1877) brachte als Neuigkeiten Doͤczi's poöfievollen Kuß“, 
„Fromont jun. und Risler sen." von Daudet und Belot,*) „Dora“ 
von Sardon,**,) „Freund Fritz“ von Erdmann-Ehatrian, „Ber: 
wirrt, gelöft" von Anna PVerjing-Hauptmann, die Zuftfpiele und 
Schwänke „DO diefe Männer” und „Größenwahn“ von NRofen, 
„Der Sclave”, „Der Schimmel” und „Der Hypochonder“ von 
Moſer, „Dr. Johanna" von Curt v. Zelau (Conrad v. Zdekauer) 
und „Neine Hände” von Deribauer, endlich die Ausjtattungsftäde 
„Die Schöne Melufine” und „Der Courier des Czaren“. Das 
clajlifche Repertoire war u. U. durch „Tell“, „Jungfrau von 
Orleans”, „Kabale und Liebe”, „Emilia Galotti", „Macbeth“, 
„Bruderzwijt”, „Fauſt“ (Mefiſto⸗Roll) vertreten. Markante Zhaten 
waren die Neufcenirung von Shakeſpeare's „Wichard III.“ (mit 
Roll in der Titelrolle) und „Sturm", dann eine Aufführnug der 
„Räuber“ in Dingelſtedt'ſchem Arrangement mit dem Coſtüme des 
18. Yahrhunderts.***) — Auch das Yahr 1878 war durch einige 
Thaten von Werth bezeichnet. Als Novitäten famen u. U: Paul 
Lindau's „<ohannistrieb”, „Eine vornehme Ehe" von Feuillet, 
„Cora“ nach Belot von Blumenreich (Cora-Fr. Swoboda), „Mo⸗ 
derne Kleinſtädter“ von Sardon, „Haus Fourchambault“ von 
Augier, „Gräfin Egon Lohauſen“ von Emerich Graf Stadion, der 
ſelbſt der Aufführung ſeines als „Salonſtück aus der Wiener Gefell- 
haft" charakterifirten Stüdes beimohnte, „Haſemann's Töchter“ 
von 2’ Arronge (Martinelli-Hafemann), „Das Mirakelfreuz", eine 


+ 17. März Fromont sen.-Roll, jun.-Steinar, Sibonie- Trautmann, 
Claire⸗Jelenska, Defirde-Wienrich, Delobelle-$%. Simon, Ehepaar Chebe: 
Haflel-Pofinger. 

**, Dora⸗Jelenska, Andre Steinar, Favrolle-Roll. Gräfin Ziska⸗ 
Jantſch-Ziegler. 

+, Maximilian vd. Moor-Grauert, Franz-Rol, Carl-Saner, Amalie 
Jelenska, Spiegelberg-Rartinelli,k, Schweizer-%. Simon, Grimm Heiter, 
Schufterle-Siege, Roller Frey, Ratzmann⸗Huvart, Schwarz⸗Geiger, Ko⸗ 
finsto-Bohl (vom NWicladtheater), Pater:Haffel, Daniel-Müller, Paſtor⸗ 
L. Simon. 











— 743 — 


interefjante dramatische Arbeit von P. K. Rofegger, die 1872 
zuerft in Graz eingeführt und in Prag vom Ehepaar Martinelli 
auf die Bühne gebracht wurde, „Die Dilettanten” und „Ja, jo 
find wir” v. Rofen, „Die Augen der Liebe”, Luftfpiel von W. 
v. Hillern, „Die Roſadominos“ von Delacour-Hennequien, „Der 
närriſche Schufter” und „Die Weiber, wie fie nicht fein follen” von 
D. 3. Berg (mit Blafel), „Die Büfte” von Zell. Dean fah ferner 
„Fiesco“, „Egmont” und „Clavigo“ (Roll als Alba und Carlos) und 
zur Schillerfeier die Wallenjtein-Trilogie.*) — Im nächſten Jahre 
(1879) kamen noch unter den Auſpicien Eduard Kreibig’s, Negie 
Roll „Antonius und Cleopatra” (als Novität bezeichnet,**) „Haus 
Darnley“ von Bulmwer, „Der Rranfe in der Einbildung” von 
Moliere, „Der Traum ein Leben” von Grillparzer, im heiteren 
Repertoire „Dr. Klaus" von L' Arronge, „Unjer Zigeuner” von 
Dscar Juſtinus, „Niniche” (mit Knaack) zur Aufführung. 

als Säfte begrüßte man in diefen Jahren u. U. im Schau- 
jpiel: 1877 Tommaſo Salvini, Clara Ziegler, Knaad, 1878 
Hedwig Niemann-Raabe, Matras, Meirner, Blafel und die Ge- 
jellfchaft des Meininger Hoftheaterg, eine Künftler-Truppe, 
wie fie nur unter der Patronanz eines von edeljter Runftbegeifterung 
durchglühten Fürften, unter der geiftvollen und energifchen Führung 
Chronegk's gedeihen kann, eine Gefellichaft, welche in der minu⸗ 
tiöfen fünftleriichen Detailarbeit und in der Kraft der Maſſen⸗ 
wirkung ihres Gleichen fucht,***) endlich den liebenswürdigen 
Dialectdichter Baron Klesheim als Vorlefer; 1874 verirrte fich u. A. 


*, Wallenftein-Erneft, Octavio-Simon, Max⸗Steinar, Buttler-Roll, 

Gräfin Terczky-Fr. Swoboda, Thefla-Bafte, Iſolani⸗Martinelli. 

**, Antonius:Roll, Octavius-Sauer. Lepidus-Haſſel, Cleopatra⸗Swo⸗ 
boda, Octavia⸗Baſte. 

++) Die Meininger eröffneten am 15. Sept. mit „Julius Cäſar“ 
anter Mitwirkung von Richard, Kainz, Nesper, Hellmuth-Bräm, Teller, 
Kober, Niſſen, Görner, Haflel, ver Damen Berg, Habelmann, Pauli ihr 
Gaſtſpiel. Sie brachten ferner „Was Ihr wollt“, „Die Räuber” mit voller 
Seithaltung des hiftor. Eoloritd, „Ein Wintermärchen” unter Mitwirkung 
des vom Cedhilchen Theater bekannten Ehepaard Bittner, „Die Ahnfrau“, 
„Fiesco“, „Käthchen von Heilbronn.“ 


— 174 — 


die amerikanische Negergefellichaft Jarret & Balmer (Yubiläum- 
Sänger und Plantagentänzer), welde „Ontel TZom’s Hütte” zur 
Darftellung brachte, auf die Neuftädter Bühne; ein in edlerem 
Sinne intereffantes Enfemble-Gaftjpiel war jenes der Wiener 
Stadttheater-Gefellihaft unter Führung Xaube’s;*) 
einzeln erjchienen Rnaad und Meixner, der u. A. Gondinet's 
„Der Herr Präfect“ als Novität einführte. 

Die Dper bereicherte fich in dem Zeitraume, von welchem 
wir fprechen, um Kretſchmer's „Follunger”, (Zert von Diojen- 
tbal), die indeß feine dauernde Poſition im Repertoire errangen 
(21. Dec. 1876), das flüchtig erjcheinende „Nirenmärchen”, eine 
zarte lyriſche Oper von dem Prager Componiften Rudolf Grafen 
Spord, Goldmark's „Königin von Saba" (24. Jäner 1878), 
weldhe den größten Dpern-Erfolg der ganzen Kreibig’ichen Wera 
bedeutete, das Perſonal**) in voller Leiftungsfähigkeit zeigte und 
eine nie verfagende Nepertoire-Öper wurde; außerdem wurde mit 
Aufführung von Brül’s Oper „Der Landfriede" (Text von Moſen⸗ 
tbal) ein immerhin intereffanter Verſuch ‚gemacht. Ungleich inhalt: 
reicher als das Nepertoire der Oper aber war jenes der Operette, 


*) Das Wiener Stadt: Theater-Enfemble feste fih aufammen 
aus den Damen Albrecht, Berg, Dietz, Frank, Diarberg, Mellner, Schönfeld, 
Shäffel, Schratt, Tyrolt, Weiſſe, Valberg, den Herren Bank, Baffermann, 
Brandt, Bukovics, Drach, Greve, Heinrich, Kadelburg, Lobe, Morvay, 
Mylius, Ranzenberg, Relly, Schönfeld, Thalbot, Tyrolt. — Heinrich Taube, 
der mit dem VBortragsmeifter Prof. Strakoſch erfchienen war, wurde von 
der „Soncordia” und der deutichen Gefellichaft Prags herzlich begrüßt: kurz 
nah dem Prager Baftipiel trat er von der Direction zurück. Die Gefell- 
ſchaft, der es vor Allen auf fchaufpielerifche Correctheit und einheitliche Durch: 
geiftigung bes Enſembles ankam, bradte un. U. „Brinz Friedrich”, „Dans 
Fourhambault”, „Nathan“, „Des Meeres und der Liebe Wellen”, „Der 
pornehme Schwiegerfohn” v. Borrier und Yugier, „Der neueſte Scandal” 
von Barriere, „Dur die Intendanz“ (Preisluftip. v. Fr. Henle), „Em 
Falliſſement“, „Der Statthalter von VBengalen”, „Maria Stuart”. 

**) Gönigin von Saba⸗Fr. v. Mojer, Salomo-Schebefta, Baal Haugan⸗ 
Eichberger, Allad-Stoll, hoher Priefter-Dobich, Sulamith-Erhart, Aftaroth- 
Benetti. Goldmark wurde bei feiner Anweſenheit in Prag lebhaft aus- 
gezeichnet und auch durch eine aus Lorbeern geformte, prachtvolle Lyra geehrt. 





— 745 — 


auf welche die Direction, nicht ganz im Einklang mit der Prager 
Bühnentradition, da8 Schwergewicht zu legen fchien. Jedes Jahr 
brachte in diefen üppig gedeihenden Genre eine Reihe von Neuig- 
feiten, und gewiſſenhaft wurde jeder diefer Erjcheinungen zur all- 
gemeinen Kennmiß gebradt. So hörte mar 1876: „Madame 
Herzog" und „Die Reife in den Mond" von Offenbach und 
„Fatinitza“ von Suppe,*) 1877 „Caglioſtro“ von Joh. Strauß, 
1878 „Prinz Methufalem" und „Indigo“ von Strauß**) „Der 
Heine Herzog” von Lecocq und „Der Seecadet" von Genee, ***) 
1879 „Boccaccio” von Supper) und „Cäfarine” von Mar 
Wolf (mit Jenny Stubel). Diefen Eultus der Leichtgejchürzten 
Mufe fürderten allerdings die Berfonalverhältniffe, welche ge- 
rade auf diefem Gebiete die größten „Thaten“ zuließen. Tüchtige 
Sänger und Süngerinen wie Komifer bildeten ein in ſich ge- 
Ichloffenes, gerundete8 Operetten-Enjemble, wie es in Prag nod) 
nicht bewundert worden war und dem Zeitgeſchmack bejonders 
zujagte. Auch an DOpern- und Operetten-Gäjten war. fein Mangel. 
Man hörte u. U. Bianca. Donadio und Joſef Bed junior, 
nachmals erjten Baryton der Prager Bühne, Pauline Lucca, 
Wachtel, Fräulein Widl und den ſeit Wirjing befannten Tenor 
Hajos, Caflio (ebenfalls einen alten Bekannten), Martha Prochazka, 
eine Prager Künftlerin, die aus dem Concertfaal auf die Opern» 
bühne übertreten war und am Hamburger Stadttheater eine her- 
borragende fünjtleriiche Stellung fand, Zelia Zrebelli, den Baryton 
Alery von Wien, die Operettenfängerin Jenny Stubel, den Tenor 
Albert Stritt, der eben vom Schaufpiel zuc Oper übergegangen 


*) 12. Anguft 1876: Zimofey-Martinelli, Lydia-Storch⸗Zoder, Izzet 
Paſcha⸗Schleſinger, Sergeant-Lunzer, Wladimir-Ullmeyer, Golg-Walter, Di⸗ 
rigent Kreibig jun. 

**), Prinz Methuſalem⸗Ullmeyer, Dulcinella-Benetti, Sigismund⸗-Schle⸗ 
finger. — Indigo-Lunzer, Fantasca⸗Ullmeyer, Romadur-Schleſinger, Ali- 
baba⸗Schwarz, Toffana-Seeberger, Janio-Junck. 

++, Der Seecadet“: Königin-Benetti, Domingo-Schleſinger, Lambert⸗ 
Junck, Fanchette⸗Ullmeyer, Januario⸗Martinelli, Mungo-Lunzer. 

+) 3. März: Boccaccio-Ullmeyer, Fiametta⸗Benetti, Pietro-Martinelli, 

Lambertuccio⸗-Schleſinger. 


— 746 — 


war und in Prag als Lohengrin debutirte, Amalie Yriedrid) 
Materna, Bianca Biandi; als „Specialitäten” erjchienen der 
jugendliche Violinvirtuos Maurice Dengremont, die fpaniihe Mu⸗ 
jtfergejellfchaft „Ejtudiantina Figaro” und die Ullmann’sche Concert- 
Gejelichaft mit Alfred Jaëll, Emil Sauret, Ad. Fiſcher, de Vroy 
und Laura Zagury auf der Bühne, 


% «* 
* 


Inhaltslos waren, wie man fieht, die Jahre nicht, weldye 
den „älteren" Kreibig d. h. den Mann, welchem eigentlich das 
Scepter der Prager Bühne verliehen worden war, am Steuer 
zeigten: nur das Syſtem, die Confequenz in der künſtleriſchen 
Führung, eine Träftige, energifche Hand und eine jtarfe finanzielle 
Baſis jehlten, um das Gedeihen der Bühne zu fichern. Zudem 
kämpfte Eduard Kreibig gegen ein nachhaltiges Worurtheil, das 
mandye Vorzüge ſeines Waltens, manche Lichtjeiten feiner Di: 
rectionsführung überjehen, die Mängel und Mißerfolge derjelben 
aber umſo jtärfer hervortreten ließ. Verhängnißvoll wurde für 
den Director, weldder — ar Jahren vorgerüdt — mit jugend» 
Iihem euer aber auch mit jugendlichem Optimismus an feine 
ſchwere Aufgabe herangetreten war, die finanzielle Meijere, die 
nur zu bald nach feiner Directiond-Uebernahme zu Tage trat. 
Kreibig, der in Graz als wohlfituirter, ja vermögender Mann 
galt, fam aus der fteiermärfifchen Hauptſtadt bereit3 mit einer 
bedeutenden Schuldenlaft nad) Prag. Auf das geflügelte Wort 
von der „Soldgrube" des Prager Theaters bauend, unvertraut 
mit den Xocalverhältniffen, die Ertragsfähigfeit der Bühne itber: 
ihätend, hatte Kreibig ein Perfonal engagirt, das in jeiner Zahl 
und Koftjpieligfeit der Leiftungsfähigkeit der Theatercafja keines— 
wegs angemefjen war:*) wohl war eine Reihe erfter, namhafter 


*) Es bezogen an Gagen u. A. die Herren Sauer 5000 fl, 
Scebefta 5000 fl., Martinelli 4504 fl., Noll und Steinar je 4000 fl. 
Schlefinger 3400 fl., Jul. Simon 3660 fl., Haſſel 2600 fl., Puls 2600 fi. 





— 747 — 


Kräfte darunter, wohl waren manche Fächer doppelt bejegt, wegen 
des übermäßigen Gagenetats aber mußten allmälig Perſonal⸗ 
Neductionen eintreten, die das Bublicum beirrten und dem En- 
jemble keineswegs nüglich waren. Der Fundus an Decorationen, 
Garderobe, Nüftzeng u. |. w., den Kreibig mitgebracht hatte, ge- 
nügte wohl für die kleineren Theaterverhältniſſe von Graz, forderte 
aber gleih im erſten Jahre eine bedeutende Ergänzung und Er- 
neuerung und dies umſo mehr, als die Bühnenleitung in der Aus- 
jtattung der modernen, immer anſpruchsvoller auftretenden Ope: 
retten und der ausgeiprochenen Spectafelftüde das Aeußerſte zu 
leiften und jede Concurrenz zu überbieten trachtete. Ein weiteres 
Moment, das für die Erhöhung der Ausgaben maßgebend wurde, 
waren die Aufführungshonorare für Autoren, melche, ehedem jehr 
unbedeutend, durch die den berechtigten Intereſſen der Autoren und 
Componiften dienende „Genoſſenſchaft“ eine anjehnliche Steigerung 
erfuhren. Es hätte fofortiger ſtarker und nachhaltiger Caſſa⸗Erfolge 
bedurft, um der Direction eine ausreichende finanzielle Bafis zu 
Ihaffen; da aber der Wechjel der Theaterleitung in das Frühjahr 
fiel und die der Caſſa jehr abträglichen Sommermonate darauf 
folgten, waren jolche Erfolge nahezu unmöglid und wurden durch 
verfehlte Kunft-Speculationen wie es die Foftjpielige „Reiſe in 
den Mond" war, nicht herbeigezaubert: die Direction gerieth in 
pecuniäre Verlegenheiten; einen bedeutenden Theil feiner Prager 
Abonnement3-Quote hatte Kreibig zur partiellen Dedung feiner 
Grazer Berbindlichkeiten verwendet — nun wurden Anlehen um 
jeden Preis gemacht, an deren Tilgung und Verzinfung bei den jo 
(fteigend auf 2720 und 2940 fl.), Heiter 2220 fl., Lunzer 2500 fl., Frey 
2200 fl., Müller 6—700 fl., 2. Simon 14-1500 fl., Grauert 1500 fl., 
Siege 1300 fl., Eichberger 2000 fl., Eghardt 1500 fl., 500 fl. Hon. und 
Ben., Mader 900 fl., die Damen Mofer 7800 fl. (für jedes Auftreten 
96 fl.), 800 fl. Wohnzind, 1000 fl. Garderobe, Erbart 7040 fl. (davon 
2000 fl. direct an die Sparcafla abzuführen), Wienrich 3000 fl., Keller 
3740 fl., Verſing 3600 fl., Storch-Zoder 4300 fl., Schent-Ullimeyer 4480 fl., 
Jelenska 3300 fl., Bichler 1200 fl., 5 fl. Honorar, 200 fl. Benefiz, Poſinger 
1500 I" Nigol 1440 fl., Born 2200 fl., Puls-Häckel 3352 fl., Seeberger 
1160 fl. 


— 718 — 


bedeutend geftiegenen Gagen und Wegickojten mit den Theater: 
‚ einnahmen nicht zu denken war. Da überdies die Buchführung 
und Caſſagebahrung in den primitivften Verhältniffen war, fo 
war ſchon zwei Jahre nad) ihrem Beginn die Lage der Direction 
Kreibig eine derartige, daß außergewöhnliche Maßnahmen geboten 
waren, follte das altehrwürdige Kunjtinftitut aufrechterhalten, das 
Abonnentenpublicum vor ernfter Schädigung bewahrt werden. ‘Der 
Eventualität eines Prager „Theaterkrachs“, einer Kataftrophe, wie 
jie bei einem Landesinstitut unerhört und in früheren Perioden 
mit allen Mitteln verhindert worden war, mußte entjchieden vor- 
gebeugt werden: eine ſolche Kataftrophe hätte num, in der Zeit des 
national getrennten Prager Theatermwejens eine doppelt verhängnip- 
volle Bedeutung gehabt; ja e8 war zu befürchten, daß dieſe 
Katastrophe eben zu einer Zeit einträte, da Kronprinz Erzherzog 
Rudolph in Prag jeinen militärischen Dienst that und das deutjche 
Landestheater wiederholter Befuche würdigte. In Erfenntniß diefer 
kritiſchen Situation, in aufrichtiger Hingebung für die Intereſſen 
des deutichen Kunjtinftituts fand fich eine Gruppe von Theater: 
freunden und Maecenaten zufammen mit dem Entfchluffe, mittelft 
eines entiprechenden Garantiefonds (100.000 fl.) die erforderlichen 
Barmittel zur Confolidirung der Xheaterfinanzen, zur Sanirung 
des Deficits zu beichaffen, die Paſſiven der Divection von der 
bisherigen drüdend-hohen PVerzinfung zu entlaften und eine fuc- 
ceffive Tilgung der Gefammtichulden zu bewirken. Mit Ge: 
nehmigung des Landesausfchufjes übernahm diefes Conſortium 
Ende Auguft 1878 die Controle über die gefammte finanzielle und 
ökonomiſche Gebahrung des Zandestheaters, veranlaßte, um einer 
immerhin möglichen Störung durch irgend einen Gläubiger vor: 
zubeugen, die gerichtliche Pfändung des gejammten Fundus und 
am 27. Auguſt 1879 die Sequejtration der Gejanmteinnahmen 
des Directors Kreibig. Diefe ganze Action wurde mit äußerfter 
Diseretion in Scene gejegt und in den dichten Schleier des voll- 
kommenſten Geheimniſſes gehüllt, ohne daß ſie ſchließlich der 
Deffentlichkeit verborgen bleiben konnte, da der Verkehr der Con» 
fortinms-Mitglieder und ihrer Functionäre mit der Direction und 





— 749 — 


den Mitgliedern allınälig doch einen zum mindejten officiöfen Char- 
after annehmen mußte. Landesrechnungs- Director Bach mann, ein 
Bruder des Tenors gleichen Namens, ein Zandesbeamter, der mit 
der vollendeten Kenntniß der ökonomiſchen Gebahrung genaue Ver- 
trautheit mit den Theaterverhältniſſen und äußerſte Gewillenhaftig- 
feit vereinte, wurde vom Confortium zum Wominiftrator ernannt 
und hatte als ſolcher bis Ende December 1878 nur mit den Con- 
jortiums- Mitgliedern, nicht aber mit dem Vertreter des Landes, 
dem Intendanten, zu verfehren, wodurch feine Miſſion als pri- 
vate d. h. lediglich durcdy die Intereſſen des Conjortiums bejtimmte 
harakterifirt ift. Meit Jäner 1879 trat der (1887 verjtorbene) 
Landes⸗Advocat und Abgeordnete Dr. Zunterer als Rechts: 
freund, Vertreter und Mitglied des Conjortiums an’die Spige 
der Adminiftration; Bachmann blieb der verantwortliche Functionär 
des Conſortiums und führte mit aufopfernder Pflichttreue und 
dem lebhafteiten Intereſſe für die Bühne, zu welcher er in ſo 
jeltjame und innige Beziehungen getreten war, feine ſchwierige 
Aufgabe durch. Diefe Organifation blieb auch nad) Durchführung 
der Sequeitration aufredyt: die Mitglieder des Confortiums blieben 
„incognito* und enthielten fich jeder Einflußrnahme auf die Amtirung 
Bachmann's, der in bedeutenderen Fragen an ihren Repräjentanten 
Dr. Zunterer gewiefen war. Der Landesausfhuß nahm von dem 
ganzen Arrangement und deſſen Entwidelung nur injofern Kennt⸗ 
niß, als die SubventiondsQuoten und die anderen Zahlungen aus 
dem Domeiticalfonds nicht mehr an Kreibig als Director und 
Unternehmer jondern an den Sequefter reſp. an den Functionär 
des Sanirungs-Confortiums geleitet wurden. Erjt im jpäteren 
Verlaufe der Dinge mußten das Confortium ſowohl als der 
Landesausfhuß aus ihrer Reſerve und in directe Verbindung 
treten. Im Publicum gingen, wie gejagt, über dieſe Geftaltung 
der Dinge dunfle Gerüchte um; man begriff nur das Eine, daß 
eine umfaſſende und energiiche Finanzoperation im Werfe war, 
die wankende Direction und die erjchütterte Bühne zu retten und 
hoffte von diefer Sanirungs-Action auch einen heilfamen Einfluß 
auf die künſtleriſche Situation des Theaters. Director Eduard 


Lan dd 


— 750 — 


Kreibig, ein Greis von ehrenvoller Vergangenheit, jtand jelbit- 
verftändlich völlig unter dem niederjchmetternden Eindruck diefer 
Krifis, welcher er mit feltener Unbedachtfamkeit und erlahmender 
Kraft zugejteuert hatte: er ſchien unvermögend, gejtügt auf die 
rettende Hand des Gonfortiums, die Erhebung der Bühne zu 
wagen. Da man jedoch weder das Xheater noch die Firma 
Kreibig fallen laſſen durfte, ohne die Kataftrophe zu einem öffent: 
lichen Ereigniß zu maden, fand der Landesausihuß (wohl im 
jtillen Einverftändniß mit dem Confortium) einen Ausweg: Eduard 
Kreibig blieb Director und Unternehmer, erhielt aber zunächſt 
einen einjährigen Urlaub und einen Stellvertreter in der 
Perfon feines als Opern⸗Regiſſeur und artiftiicher Beirath des 
Baters bewährten Sohnes Edmund Kreibig, der die ſchwere 
Last einer unabjehbaren Verantwortung auf jeine Schultern nahm. 
Am 1. Sept. 1879 zeigte Eduard Kreibig dem Landesansichuß 
officiel an, daß er aus Gefundheitsrücfichten verhindert fei, die 
Direction weiterzuführen, feinen Sohn Edmund zu feinem Stell- 
vertreter beftimme und dieſen dem Landesausfhuß als Director- 
Stellvertreter dienftlich namhaft mache. Dieje Stellvertretung wurde 
am 3. Sept. 1879 genehmigt. Kreibig senior verabſchiedete ſich 
in einem Circular von feinen Mitgliedern, erfuchte diefelben, feinen 
Sohn durch vertrauensvolles Entgegenfommen und Eifer im Be— 
rufe zu unterftügen, und zog fi) in die Stadt feiner früheren, 
glücklicheren Wirkſamkeit, nach Graz, zurüd. Das Prager Theater 
trat in eine neue Phafe feiner wechſelvollen Geſchichte. 











XXVII. 


Edmund Kreibig als Pirector-Hfellverfreter. 
(1879—1885.) 


(Edmund Kreibig ald Bühnenleiter; feine künſtleriſche und finanzielle Po⸗ 
fition. — Das Perlonal. — Neue Berfuhe und Acquifitionen in der Oper; 
die Barptoniften Schütte-Harmjen, Schaffganz, Schrauff, Chriftl, Schüßler, 
Stropnichy, Cabifins; die Baffiften Grengg, Röbe, Ehrl; die Tenore Stoll, 
Soufup, Danjiczek, Streitmann, Schrödter, Prevoft, Martend, de Grad. — 
Die Sängerinen Hellmer, Steinbach, Renard, Regine Klein, Catharina 
Nofen, Stefanie Bermann, Jenny Alt, Fanny Zalero, Lori Dorner; Capell⸗ 
meifter Slansky und Stolz; Joh. Nep. Skraup penfionirt. — Das Schau: 
ipielperfonal; Neue Kräfte: Willi Gunz, Ferd. Defloir, Julie Schamberg, 
Fiederike Bognar als Saft, Dagobert Neuffer und Heinrich Brechtler, Guft. 
Löwe, V. Kühns, Charlotte Albrecht, Marie Meyer, Frau Schenk: Thaller, 
Fr. Streitmann-Uebermaffer, Frl. Miprandi. — Das Schaufpiel- und Opern⸗ 
repertoire. — Gäfte. — Das 100jähr. Jubiläum des deutſchen Landestheaters.) 


Titanenkraft gehörte dazu, die arg zerrütteten Verhältniffe des 
Prager Theaters zu ordnen, als Eduard Kreibig vom Schauplag 
der fünftlerifchen Thätigkeit abtrat. War Edmund Kreibig der 
Mann dazu, in folcyer Zeit rettend, reorganifirend, erhebend ein: 
zugreifen? Man fonnte es nicht frohgemuth bejahen. Wie jein 
Vater in der Sphäre des Theater-Lebens großgeworden, hatte 
Edmund Kreibig eine umfaljende Kenntniß des Getriebes und der 
Bedürfniſſe einer Bühne erworben. Er hatte eine gründliche Aus» 
bildung in der Muſik erhalten und war fchon in jungen Jahren 
in der Lage, eine Operette tadellos zu dirigiren. Seine militärijche 
Dienftzeit in der Armee und fein Charakter als Dragoner-Officier 
der Reſerve machten ihn dem Theater, feiner natürlichen Heimat, 
nicht abtrünnig, und emfig widmete er fi) in Prag den Functionen 
eines Regiſſeurs der Poſſe und Oper, die ihm fein Vater zuge- 
wieſen hatte. Er jehlte bei feiner Vorftellung, trat, wen es Noth 
that, an das Dirigentenpult und bewährte ſich in der Inſcenirung 
und Leitung neuer Operetten. Eben dieje Pflichttreue, dieſes 


— 752 -- 


Aufgehen in jeinem Beruf und der Umstand, daß mit dem Di- 
rector nicht aud die Firma Kreibig vom Prager Theater ver- 
ihwinden jollte, hatten zur Berufung des verhältnigmäßig jungen 
Mannes auf einen jo verantwortlichen und jchwierigen Bolten 
geführt. Hätte jich jenen trefflichen Eigenfchaften ein ganzer, un: 
beugjamer Charafter, zielbewußtes und energifches Fünftlerifches 
Wollen, Feſtigkeit in den Entſchließungen und Bejtimmtheit in der 
Stellung gegenüber dem Perſonal geeint, dann wäre der Erfolg 
keineswegs ausgeblieben. Eben in diefen Punkten aber ließ die 
Haltung Kreibig junior's Manches zu wünjchen übrig. Wenn 
wir heute diejss und jenes ernfte Wort über fein Negiment nicht 
zurüddrängen fünnen, jo werden wir doch auch milder urtheilen, 
wenn wir die fatale Pofition erwägen, in welche diefer Bühnen- 
leiter von Anfang an gedrängt war, Nie ift ein Prager Theater⸗ 
Regent jo vieljeitig abhängig und eingeengt gewejen. Ohne 
finanzielle Bajis, von der Gnade des Landesausſchuſſes und des 
hilfreihen Conſortiums lebend, konnte er fich wechjelnden äußeren 
Einflüffen, wenn fie fi) noch jo discret äußerten, nicht entzichen, 
und fchmiedete ſich außerdem jelbft neue Feſſeln, indem er ſich, 
Ihwad und Ichwanfend in feinen Plänen und Entichlüffen, Ber: 
jonen jeiner Umgebung, denen eine größere Energie zu Gebote 
Itand, willig unterordnete und dadurch zeitweife eine Neben-Di- 
rection jchuf, deren Exiſtenz und verhängnißvolles Walten von 
den Bühnenmitgliedern ſchwer empfunden wurde und zu manchem 
acuten Conflicte führte. Auf viele Weiſe geriet Edmund Nreibig 
und mit ihm die Prager Bühne in ein drüdendes Abhängigfeits- 
Verhältniß zu Perjonen, deren geiftige Bedeutung tief unter dem 
Niveau jener Bedeutung ftand, welche fie jich anmaßten und welche 
ihnen von Seite der Bühnenleitung nur zu willig eingeräumt wurde. 
Perjonen aus dem Kanzleiperfonal gelangten zu Fünftleriichem Eins 
fluffe, der umſo verhängnißvoller wurde, weil er nicht ordnungs⸗ 
mäßig begrenzt war und offictell nicht anerkannt werden fonnte, 
Auch beſaß der Director-Stellvertreter ein feltenes Geſchick, Con- 
flicte zu Schaffen und zu nähren, die Sympathien der Oeffentlichkeit 
zu verſcherzen und feine Stellung gegenüber diefer Oeffentlichkeit 








— 793 — 


wie gegenüber feinem Berfonal zu ſchädigen. Auch die finanzielle 
Abhängigkeit Kreibig jun. nahm troß der Sanirungs-Opera- 
tionen des Confortiums und troß der zunehmenden Ordnung in 
der Tyinanzgebahrung nicht ab, da der „Director-Stellvertreter" 
immer neue, verhüllte Schuldpoften eingeftehen oder zur Selbit- 
bilfe greifen mußte, um: fie nicht eingeftehen zu müſſen. Trotz 
alledem und alledem ift unter dem Regime diefes jungen Bühnen⸗ 
leiters fünjtleriicy gearbeitet worden, und heute, da man nüchtern 
und ungetrübten Blids auf die Vergangenheit zurüdichaut, wird 
zugejtanden werden müſſen, daß bei jo traurigen und beengten 
Verhältniifen auch marche thatſächliche Errungenſchaft zu ver- 
zeichnen war. Das Perlonale wies erprobte und emporblühende 
Kräfte auf, die nachmals ſchwer zu erfegen waren; wiederholt 
raffte fi) der Director-Stellvertreter, wenn er feine Hände frei- 
befam und das Herz faßte, verhängnißvollen Einflüſſen zu be- 
gegnen, zu achtbaren Thaten auf, um allerdings nur zu bald 
wieder an der eigenen Schwachheit, Unflugheit und finanziellen 
Ohnmacht zu Scheitern. Die Thatſachen werden diejes Urtheil 
erhärten. 

Als Edmund Kreibig die Zügel der Bühnenherrfchaft ergriff, 
ftand ihm ein Perſonal zur Dispofition, das trog mancher Lücken 
eine erhöhte Fünftlerifche Action zuließ.*) Das Scaufpiel bejaß 


*) Der Almanach notirt pro 1880: Director und Unternehmer Eduard 
Kreibig, Inh. des meining'ſchen Verdienſtke. — Director: Stellvertreter 
Rreibig junior. — Regie: Oberregiſſeure Anton Roll f. Schaufp. und 
Zuftipiel und Kreibig junior f. Oper, Operette und Poſſe, Regiffeur L. 
Simon. — Ranzlei: Hr. Kerſch Secretär, Wildner Bibl. und Ahnelt 
Oek.-Inſpector. — Caſſa-Verwaltung: Carl Seltmann, Hauptcaffier 
und Rechnungsführer, Czadek, Oberbilleteur und Ausbilfecaflier. — In— 
fpicient: Seidl. — Souffleure: Kepler (Sch.) und Fröhlich (Op.). — 
Theaterärzte: Reg.:Rath Prof. Dr. Maſchka, Dr. Smoler, Dir. des 
allg. Krankenhauſes. — Rechtsanwalt: Dr. Marterer. — Theater: 
buddruder: Steinhaufer & Nowak. — Theatermedhaniler: Hajel. 
— WBianolief. V. Mido, Orgelbauer Schiffner. — Thentermitglieder: 
Schaufpiel: Damen Frl. Bichler, v. Bünau, Fr. Fiedler v. Wurzbadh, 
Frl. Fried a. G. und Kröffing, Fr. Pofinger, Ir. Rigol, Frl. v. Rovella, 

48 


— 754 — 


an den Damen Bichler, Binau, Fiedler, Swoboda, Rovella, Scheuk, 
Pofinger, Rigol und Kröffing, an den Herren Sauer, Roll, Geiger, 
Steinar, Martinelli, Schlefinger, Hafjel, Erneft, Frey u. |. w. in 
größerem oder geringerem Wirfungskreije tüchtige und verwend⸗ 
bare Kräfte; in der Oper konnte man ſich mit Sängerinen von 
der Qualität der Damen Moſer, Lehmann, Benetti, Hellmer, mit 
Sängern von der Güte der Hrn. Schebefta, Stoll, Schrödter u. |. w. 
an die größten Aufgaben wagen. Bald nad) Antritt feiner Dis 
rection aber trafen Edmund Kreibig Schwere Schläge. 

Der Tod Schebeita’3 (Februar 1880) riß eine unausfüllbare 
Lücke in das Dpernenjemble, und lange “Jahre blieb das Baryton- 
fach Experimenten ausgejegt, die zu einem vollkommen gleidy- 
werthigen Erſatz für den Verlorenen nicht führten. Der Verbraud 
an Barytonijten binnen kurzer Zeit war beifpiellos. Bald nad 
Schebeſta's Tode debutirte ein junger Sänger, Herr Schütte: 
Harmfen, al8 Luna, deſſen ſympathiſche Mittel und künſtleriſche 
Reife leider nicht ausreichten, nach Schebeita tieferen Eindrud zu 
machen: er trat gleichwohl einige Wochen ſpäter in's Engagement, 
um dasfelbe ſchon im August wieder zu verlalfen. Im Mai de- 
butirte Hermann Pfeiffer, im Juni W. Schaffganz vom 
Dresdener Hoftheater, ein Sänger von künſtleriſcher Güte, deſſen 
Organ jedody mit den frijch-Fräftigen Mitten Schebejtas einen 


Fr. Schenk-Ullmener, Frl. Seeberger, Fr. Swoboda. — Herren: v. Erneſt, 
ren, Geiger, Grauert, Haflel, Heiter, Lunzer, Martinelli, Pflug (f. Op.), 
Roll, Sauer, Schlefinger, Siege, Simon, ‚Steinar. — Kinderrollen: Lori 
und Baula Dorner. — Oper: 1. Cap. Ludw. Slandty, 2. Cap. und 
Chordir. Joh. N. Sktraup. — Sängerinen: Frl. Benetti, Frl. Hellmer, 
Frl. Lehmann, Fr. v. Mojer, Fr. Plodek; Sänger: Dobſch, Egharbt, 
Eichberger, Grengg, Fund, Pflug, Schebeita, Schrödter, Stoll. — Chor 
perfonal: 24 Damen, 22 Herren. — Orcheſter: Orch.Dir. Pozansky, 
Schulz, 12 Bioliniften, 4 Bratichiften, 3 Celliften, 3 Contrabaffiften, je 
2 Flötiften, Clarinettiften und Yagottiften, 4 Horniften, 2 Trompeter, 
4 Bojanniften, 3 Pauken- und Trommelſchläger, 1 Harfenip. — Ballet- 
perjonal: Balletmeifterin Frl. Johanna Belle, Balletdirigent Stiebal, 
Solotänzerinen Frl. Gütlich, Frl. Babette Rehwald und Frl. Ruzek, Tänzer 
Hr. Aug. Berger, 13 Damen des Balletchors. 








nd 


— 755 — 


Vergleich nicht auszuhalten vermochte. Er trat im Juni den in 
Bühnenverband, inaugurirte als Amonasro ſein Engagement und 
hat während desſelben manche intereſſante, künſtleriſch vollendete 
Leiſtung geboten, die mangelnde Jugendfriſche ſeiner Mittel aber 
ließ die Verſuche, ihm einen jüngeren Sänger zu attachiren, nicht 
ruhen. 1881 debutirte Georg Heine als „Fliegender Holländer“ 
und Nene, im April Ludwig Schranuff; man hörte ihn zuerſt 
als Saint Bris, vermuthete den Remplaganten für Eghardt in 
ihm und nahm ihn mit Kühle auf. Als Heerrufer in „Xohengrin” 
lenkte der junge Sänger jedoch die Aufmerkſamkeit des Publicums 
auf jeine den Baryton-Charafter nicht - verleugnenden Stimm: 
Mittel: er trat nun als Nevers und Wolfram neuerdings vor 
jeine Richter und fand fie entjchieden günſtig gejtimmt, jo daß 
jein Engagement als Baryton neben Schaffganz entfchieden war. 
Sein Organ hatte Mark und Sraft und einen ſympathiſchen 
Timbre, jein Vortrag war correct, fein Schaufpielerifches Vermögen 
achtbar und entwidelungsfähig. Seine Debuts und fein Enga- 
gement bedeuteten indeß noch feineswegs die Löfung der Baryton- 
frage. Dean hörte die Barptoniften Hermany und Nawiasky 
(welch Iegterer zu Schönen Hoffnungen berechtigte und fie nachmals 
auch an hervorragenden Bühnen erfüllt hat); Schaffganz ſchien 
geopfert, trat indeß, nachdem ihn ein jchweres Leiden Monate lang 
der Bühne entzogen hatte und jein Abgang beſchloſſen fchien, im 
September 1881 wieder in Action, um im nächjten Jahre dennoch 
aus diefem dornenvollen Engagement zu ſcheiden. Auch Schrauff, 
deſſen Beichäftigung immer jpärlicher wurde, fchied 1882, nachdem 
er vorher noch mehre Wjpiranten auf jeine wenig neidenswerthe 
Erbichaft erlebt Hatte — er hat eine glüdliche Karriere gemacht 
und wirkt derzeit an einer der eriten deutichen Opernbühnen. Am 
27. Nov. 1881 hatte fich in einer bewegten „Ernani"-Voritellung 
ein Schüler Stol’s, Franz Chrijtl, als Carlos vorgeitellt und 
frappirende Mittel bemundern lafjen, die einer Fünftlerifchen Ver⸗ 
werthung würdig fchienen ; feine Fortbildung blieb indeß auf die 
Regelung der brennenden Barytonfrage ohne Einfluß: nach einigen 


. weiteren achtbaren Debuts und furzer Engagements-Beit ſchied 
48* 


— 756 — 


der junge Sänger wieder, um auf. andereu' Pfaden ein rajcheres 
Fortkommen zu finden. In Prag debutirte im Juni 1882 Herr 
Schüßler und wurde in den Mitgliederverband aufgenommen; 
im December desjelben Jahres aber wurde ihm noch ein zweiter 
Baryton, Hr. Stropnicky, bisher eines der gejchägteften Mit⸗ 
glieder der cechifchen Bühne an die Seite gejebt, dem es jedoch 
nicht gelang, den Siegeszug Schebeita’8 auf die deutjche Bühne 
nachzuahmen. Er debutirte (29. Dec.) als Luna, bewährte ſich 
als folider, diftinguirter Sänger, ohne mit feinen Mitteln Erin- 
nerungen an den verblichenen Stammesgenofjen wachzurufen — 
Ihon im nächften Jahre vollzog er wieder mit allen Ehren feinen 
Rückzug auf die Cechifch-nationale Bühne Im März 1883 führte 
fih Arno Eabifius von Danzig als Tell ein und nahm durch 
männlich ſchöne Erjcheinung, Kraft des Organs und Fünftleriiche 
Routine für fich ein, trat im Mai fein Engageneent an und blieb 
mit wechjelndem Glück bis 1885 im VBerbande der Prager Bühne, 
wo neben ihm bis 1884 u) Schüßler das Barytonfach pflicht⸗ 
eifrig vertrat. 1884 trat noch ein junger und begabter Bary- 
tonift, Hr. Bartovsfy, ins Engagement, der von Prag. aus 
feinen fünftleriihen Weg machte. — Im Baßfache ergaben ſich 
1882 durh den Abgang Grengg’s*, und den Tod Eghardt's 
nene Lücken. Nur Dobſch und Eichberger waren geblieben; nun 
traten (1882) Herr Röbe, feine ausgejprochene oder hervor» 
tretende Fünftleriiche Individualität, aber ein vieljeitig verwendbarer 


*) Sarl Grengg ıft am 16. März 1851 zu Graz ald Sohn de 
Stadtrath3 Franz Grengg geb., bejuchte in der fteierm. Hauptſtadt das 
Gymnaſium und die Univerfität, widmete fich jedoch 1873 unter der Di- 
rection Kreibig der Bühne, nachden er ſchon während feiner Gymmnafialzeit 
mufif. Unterricht erhalten und jpäter bei Carellm. Hoppe Geſangsſtudien 
gemacht hatte. Bon Graz ging er nady Brünn und von bort mit Director 
Hirih an die kom. Oper in Wien. Nach je einer Saijon in Züri und 
Nürnberg folgte er 1879 dem Rufe Kreibig’3 nah Prag und 1882 dem 
Rufe Staegemann’3 nach Leipzig, wo günftige Opernverhältniffe feine 
fünftleriiche Entwidelung raſch fürderten. Nach einen erfolgreichen Gaſt⸗ 
fpiele in Wien ift Grengg vom J. 1889 an die dortige Hofoper contractlich 
gebunden. 





— 757 — 


Sänger, und (1883) Hr. Felix Ehrl, ein junger, emjig empor- 
ftrebender und ſtimmkräftiger Baffift, hinzu, womit zum wenigiten 
an Perſonalzahl das Verlorene eingebracht fchien, wenn auch 
Kräfte von der Bedeutung Schebeſta's und Grengg’s unerjegt 
blieben. 

AS Säule des Tenorfachs hatte Kreibig jun. von feinem 
Bater Auguft Stoll übernommen; Stoll ſchuf nun den oje in 
„Carmen”, Boito’3 Fauft, den König von Zahore, wagte ſich an den 
„Zampa“, ftellte als Walther Stolzing („Meifterfinger”) feinen 
Mann und war in allen Regionen des tenoriftiichen Repertoires 
zu Haufe; aber auch diefe Säule gerieth in's Wanfen, als ihr 
allzuviel Tragkraft zugemuthet wurde: fie brady unter der nieder- 
drüdenden Laft und bedurfte dringend der Unterftügung. Nun. 
fam eine unerquidlih lange Serie von Xenor-Debuts auf die 
Tagesordnung. Es fehlte vor Allen an einem entjprechenden 
zweiten oder lyriſchen Tenor, der Stoll von der Pflicht der All⸗ 
gegenwart erlöfen fönnte. Wilhelm Junck war nur theilmwerje 
in der Lage, diefen Ansprüchen zu genügen; nach feinem Abgang 
(1880) erichien der Tenor Soufup, der ſchon in Graz unter 
Kreibig sen. feine angenehmen, wenn auch begrenzten Mittel ver- 
jucht hatte und nun auf dem Ummege über zahlreiche deutjche 
Bühnen zu dem Sohne feines einftigen Chef8 berufen worden 
war. Auch er vermochte ſich nicht über ſchwache Erfolge zu 
erheben, ſchied 1882 und fand an der erften Bühne feiner Nation, 
dem dechiſchen Nationaltheater, Engagement. Ein diftinguirter junger 
Mann mit einem Organ von feltener Friſche und Schönheit, der 
aber noch in den fünftlerifchen Kinderjchuhen einherjchritt, Herr 
Danjczet half (1880—83) in den „Prinzen-Rollen” der Oper 
und in erjten Operettenpartien aus, ohne feften Boden zu ge- 
winnen; in der guten Schule Stol’3 rang er ſich jogar zum 
Tamino empor, dauernden Gewinn aber brachte auch diefe Ars 
quifition der Bühne nicht. Eine ſolche Bedeutung hatte erjt das 
Engagement Earl Streitmanns, eines jungen, reichbegabten, 
muſikaliſch tüchtigen und darftellerifch gewandten Sängers, der 
im Februar 1882 als Spinola im „Iuftigen Krieg” zunächft mit 


— 758 — 


der Beftimmung zum Operetten-Tenor vdebutirte, aber allmälig 
ein weite8 Terrain zur DBethätigung feines Talents eroberte. 
Streitmann, der dem Wiener Boden entjprojjen, fich bereits als 
Schaujpieler und Afpirant auf das Charakterfach verjucht hatte, 
fang in Prag den Gafton Dufaure in „Donna Juanita“, Yan 
Janicki im „Bettelftudent", Nitihano in „Apajune”, Fra Bom- 
bardo in „Bfingften in Florenz” und andere Operettenpartien, 
ſchwang jich jedoch erfolgreich auch zu erften Opernpartien (Stra- 
della, Allad in „Königin von Saba” u. ſ. w.) empor; ja mit 
den wachſenden Aufgaben jchien auch jein anscheinend zartes Organ 
zu wachjen, fo daß in ihm der Oper wie der Operette eine ſym— 
pathiiche Kraft zugeführt worden war. In ähnlicher Weiſe wuchs 
die Bedeutung Schrödters für die Prager Bühne. Bon der 
Operette, die ihm als Symon Nymanowicz („Betteljtudent”), 
Gürafjier in „Jungfrau von Belleville", Marchefe im „luſtigen 
Krieg” u. |. w. neue Erfolge brachte, erhob er fich wiederholt 
und gern zur Oper: fein meifterhafter David in den „Meijter- 
fingern“, der nahmals auch in der Wiener Hofoper feine Be: 
wunderer fand, fein Ottavio („Don Juan”), Herzog in „Rigoletto”, 
Grimaldo in „Gioconda” u. ſ. w. entjprachen allen künſtleriſchen 
Anforderungen und wirkten überdie® durch die Frifche und Kraft 
des Organs, über das der Sänger verfügt. So fonnte Stoll 
in der That durch diefe beiden Tenore vielfach unterjtügt und 
entlaftet, wenn auch nicht erjegt werden. Stoll ſelbſt unterzog 
fi, um in den vollen Wiederbefig feines leidenden und gefchädigten 
Organs zu gelangen, im Herbſt 1383 einer entjcheidenden Ope⸗ 
ration duch Prof. Stoert in Wien und blieb längere Zeit der 
Bühne fern, die fih nun um dauernde Vertreter ihres Helden- 
tenors bewerben mußte. Mit einem längeren Gaſtſpiel-Cyklus 
half Dir. Prevoſt (Raoul, Rhadames, Manrico u. |. w.) aus 
der Verlegenheit; im Detober 1883 trat Martens, der frühere 
Prager Heldentenor, wieder in's Engagement, „ereirte" den Jo⸗ 
hannes in Mafjenet’s „Herodias“, ſchied jedoch Schon im nächſten 
Jahre wieder. Stoll nahm am 4. December 1883 als Raoul mit 
Scheinbar erſtarkten Stimm-Mitteln unter ſtürmiſchen Ovationen 








789 — 


feine Thätigkeit wieder auf, übernahm den Mafjenet’schen Johannes 
nah Martens, vollzog aber bald darauf feinen Uebergang zur 
Operette und feine Ueberjiedelung nach Wien. Damit waren die 
Schönen Tage der Prager Oper zu Ende. Ein junger Sänger, 
der erjt in den Anfangsftadien feiner Künftlercarriere hielt, Herr 
de Grad, jollte nach anderweitigen, refultatlofen Debuts die Erb- 
ichaft des Verlorenen antreten, fam aber überhaupt nicht dazu, 
die Entfaltung feiner anjehnlichen Mittel in Prag abzuwarten: 
die nahende Theater-Kataſtrophe brachte auch der Tenorfrage die 
einfachſte und gewaltſamſte Löſung. 

Auch im Damenperſonal der Oper war bald nach 
Eintritt der Directions-Stellvertretung Wechſel und Bewegung zu 
regiftriren. Der erjte Verluft war der Abgang der Mezzojopra- 
niftin Frl. Hellmer, an deren Stelle eine junge Dame von 
ſympathiſcher Erſcheinung und liebenswürdigen Mitteln, Yräulein 
Emma Steinbad, trat. Sie debutirte am 21. April 1880 als 
Fides und erweckte durch die fünftlerifch:correcte, verjtändige und wirf- 
ſame Interpretation bedeutende Hoffnungen, welche durch weitere 
Proberollen (Nancy, Hedwig in „Tell“, Ammeris) gerechtfertigt 
wurden. Wiederholte Differenzen mit der Bilhnenleitung legten 
indeß vorzeitig die Thätigfeit der aufitrebenden Sängerin lahm, 
führten zum offenen Bruche und wegen eines verhältnigmäßig 
geringfügigen directen Anlaſſes zur Entlaffung der Sängerin, die 
jih am 22. April 1883 ın einem Concert im Convictjaal unter 
lebhaften Dvationen vom Prager Bublicum empfahl. Fräulein 
Steinbach, die im Prager Eoncertjaale eine gerngefehene Er» 
Iheinung war, widmete ſich zunächft dem Concertgefange, dann 
der italienifchen Oper und feierte an hervorragenden Bühnen 
Staliens Triumphe. Sie hat auch in der Wiener Hofoper mit 
Erfolg ausgeholfen. Neben ihre war übrigens bereits eine neue 
jugendliche Mezzojopraniftin emporgewachien, die ſich mit kühnem 
Wagen noch in den Kinderfchuhen jozujagen zu einer erften künft- 
lerischen Bofition emporſchwang. Marie Renard (von Haus 
aus „Mici Pölzel”), ein blühendes Grazer Kind, erobernd durch 
die jugendliche Anmuth der Erjcheinung, Kraft und Friſche des 


— 760 — 


Organs, glückliche fchaufpielerifche Anlage, fam einigermaßen „aufs 
Gerathewohl“ aus der Murftadt in die künjtlerifch Schwierige Moldau 
ftadt. Armer Leute Kind, hatte fie im fteiermärf. Muſikverein unter 
Zeitung Prelinger's ihre mufifalifchen Gehverſuche gemacht, unter 
Patronanz mohlthätiger Damen der erften Grazer Eirfel bei Frau 
Tipka⸗Weinlich, der einjtigen Prager „Eoloratur-Zipfa", einen zwei⸗ 
jährigen erfolgreichen Curſus und wiederholt Heinere Concert: 
Debuts abjolvirt. Am 30. Mai 1882 betrat Mici Bölzel, „das 
Kind von Graz", als Azucena zum erjten Male die Bühne und 
zwar fofort die angejehene Bühne des Grazer Landestheaterd und 
fiegte vor einem zahlreichen Auditorium auf allen Linien. Kreibig jun. 
benügte die Gelegenheit eines temporären Strifes des Fräulein 
Steinbach, um die glüdliche Debutantin nad) Prag zu, citiren: 
die Grazer Patroneſſen beichafften die erfte Ausrüftung, und muth⸗ 
voll wagte „Mici”, mit dem Hangvollen Namen „Renard” aus 
geftattet, den erjten Waffengang in der Fremde. Am 20. Juli 1882 
betrat die Debutantin — im legten Moment denn doc etwas zag⸗ 
haft — als Nanch die Bretter des Landestheaters, bezauberte den 
männlichen Theil des Publicums, ohne jedoch entſchieden durch» 
zugreifen. Ihre Lage war fritiic) geworden: Emma Steinbad 
ftand wieder zur Dispofition, man konnte das Mädchen aus der 
Fremde entbehren, aber ftandhaft hielt fie aus, ließ fich für Oper 
und Operette ohne Fach-Präciſirung mit beſcheidenem Solde an- 
werben und wartete ihre Zeit ab. Ein Saftfpiel der Dierellifchen 
Opern⸗Geſellſchaft, deren Altiftin verunglüdte, gab der ſchmucken 
Novize Gelegenheit, als Azucena einzufpringen und damit Aller 
Blide auf ſich zu lenken. Die Italiener begrüßten fie als will 
fommene Hilfe, und die deutjche Bühne nügte Klug und weife ihre 
Kraft. Man hörte jie als Kaled im „König von Lahore“, im 
„Spitzentuch der Königin", ließ fie zur Mignon avanciren, und 
bald galt ihre Mitwirkung als Anziehungspuntt jedes Opern- 
Abends. 1884 war ſie bereits „die bezähmte Widerfpenftige”, ver- 
lied „Hoffmann's Erzählungen" befonderen Reiz, wurde eine brave 
Donna Elvira und eine beftridende Carmen, — fie hatte ſich einen 
Rollenkreis gefchaffen, der in feine ftricte Formel paßte, aber ihrer 





— — 





— 761 — 


eigenartigen fünftleriichen Individualität entſprach und ihr eine 
hervorragende Poſition in jedem Kunftinftitute ficherte. Sie war 
fünftlerifch flügge geworden; ihr Organ Hatte, ohne einen aus- 
gejprochenen Mezzojopran-Charafter anzunehmen, an Kraft und 
Umfang gewonnen, wies jie aber geradezu auf eine eigene, ſchwer 
zu begrenzende Bahn. Der Bauber, der von ihrer Erjcheinung 
und Darjtellung ausftrömte, erjegte, was zur Vollendung fehlte, 
und bald fchritt fie — ein Kind des Glüds wie Pauline Lucca — 
von Prag fiegreich in die große Welt. Wie nah der Lucca, 
war auch nad) ihr zuerft von Berlin aus die Angel ausgeworfen 
worden; ein glänzender Bertrag band fie vom 1. Jäner 1886 
an das Berliner Hoftheater, mo fie bald das Scoopfind von 
Bühnenleitung und Publicum wurde, bis im Auguſt 1887 ein 
Gaſtſpiel am Wiener Hofoperntheater ihren Gewinn‘ für dieſe 
Bühne, das höchite Ziel ihrer Wünfche, entfchied. Im Yahre 1888 
foll Marie Renard nad) Wien überfiedeln: fie hat in Prag ihr 
Künftlerglücd begründet. 
Ein Theil der Mtezzofopranpartien, weldye vor Allem an die 
dramatische Sängerin appelliren, war befanntlic) allmälig an Marie 
v. Mofer übergegangen: eben diefe Nollenverjchiebung aber for- 
derte. einen Erfag oder Succurs für diefe Künftlerin im fogenannten 
dramatiichen Fache. Nach minder glüdlichen Debuts anderer Sän- 
gerin ſchien die befte Wahl für diefe Aufgabe getroffen, al8 Regine 
Klein ihr Probegaftipiel in Prag abjolvirte. Früher eine Ope- 
rettenfängerin von Ruf, die man aud in Prag mit dem Carl- 
theater-Enjemble in diefer Sphäre gehört hatte, war fie mit ehernem 
Fleiße auf ein anderes Kunftgebiet übergegangen, auf dem jie mit 
Berechtigung Erfolge erwarten durfte. Sie ſchuf fih ein Ne 
pertoire als Opernjängerin und jtellte fich, nachdem eine frühere 
Proberolle wegen ſtimmlicher Indispoſition eindrudslos vorilber- 
gegangen war, am 14. Sept. 1882 al8 Carmen, dann als Mar- 
garethe („Fauſt“) vor. Blendende Erjcheinung, ftarfe Mittel, 
die allerdings einen dunkleren Klang-Charafter nicht verleugnen 
fonnten, dramatiſche Geftaltungskcaft, ſchauſpieleriſches Talent und 
raftlofes Streben nad) Vervollkommnung einten fich, um der 


— 7102 — 


Künftlerin auf dem neuen Felde ihrer Thätigkeit Intereſſe und 
Sympathien zu jichern. Sie entfaltete ſich raſch und ſtand bald 
mit einem impojanten Repertoire, das die wejentlichjten Partien des 
dramatiichen Faches umfaßte, der Bühnenleitung zur Verfügung. 
Sie creirte in Prag u. 4. die Sita im „König von Labore,” 
Salome in „Herodiag", Olympia in „Doffmann’s Erzählungen“, 
fang die Euryanthe (neben der Eglantine der Frau v. Moſer), 
Ada, Carmen, Margarethe (von Boito und Gounod), Gretchen, 
die Zerline in „Don Yuan” u. |. w. 1883 fang Frl. Klein bereits 
in der Wiener Hofoper, verabichievete fi am 27. Juni 1884 
als Carmen von Prag und trat in den Berband des Wiener 
Hofoperntheaters, aus welchem fie im Mai 1887 fchied, nachdem 
fie dem Freiheren Guftav v. Heine-Geldern die Hand zum 
Ehebunde gereicht hatte, Sie wurde in Brag durch Frl. Catharina 
Roſen, eine talentvolle und glüdlich emporjtrebende Sängerin, 
erjegt, die auch unter der gegenwärtigen Direction im Bühnen- 
verbaude blieb. Eine andere veichbegabte und ſympathiſche Sän- 
gerin, Frl. Stephanie Bermann (fie fam von Pet und debutirte 
1884) vermälte fi) in Prag mit dem Sternwarte-Director Weined 
und ſtarb nad) kurzem Eheglüd. 

Im Coloraturfache ging 1882 die künſtleriſche Kraft des 
Frl. Marie Lehmann verloren — abermals ein Verluſt, für 
welchen vollwerthigen Erjag nicht zu hoffen und zu finden war. 
Am 13. April desjelben Jahres ftellte fich eine Aſpirantin auf 
die freigewordene Pofition, Frl. Jenny Alt, die Tochter eines 
Wiener Arztes, als Lucia vor — ein niedliches Perjönden mit 
friſchen, ſympathiſchen Mitteln und vortrefflidyer Schule, das der 
Entwidelung werth ſchien. Sie hatte als Regimentstochter, Martha 
und Königin in den „Hugenotten“ entichiedene Erfolge und trat 
in's Engagement, in dem fie bis 1884 blieb, um jodann ihre 
erfolgreiche Garriere in Deutjchland weiterzuverfolgen — in der 
. Wiener Hofoper hat fie ala Lucia ausgeholfen und fich mit Ehren 
behauptet. Man juchte das vacante Fach in Prag mit Tyräulein 
Fanny Talero zu bejegen, ohne daß damit ein Gewinn von 
Dauer erzielt wurde. Ein junges, friich-blühendes Talent, das 





— 763 — 


gewifjermaßen der Prager Bühne ſelbſt entiprofien war, hatte fich 
dagegen raſch und plöglich zur Geltung gebradjt. Am 19. April 1882 
ſprang Lori Dorner, ſeit Jahren ein vielverwendetes und allmälig 
zu Heinen Liebhaberrollen emporgereiftes Theaterkind (Tochter des 
Chorführers und Epifodiften Ignaz Dorner und der Garderobiere 
Fran Dorner), als Urbain in den „Hugenotten" ein, machte mit 
ihrer von dem Zauber mädchenhafter Anmuth durchwehten Er- 
iheimung, ihren ſympathiſchen Stimm-Mitflin von unberührter 
Frische und anmuthiger Darjtelung entſchiedenes Glück. Ihr Ta: 
lent, das jchon in dem bejcheidenen Röllchen des Bärbchen in 
„Figaro“ aufgefallen war, erfchien der regjten Pflege mwerth; man 
fiherte e8 der Prager Bühne und verwerthete e3 in Oper und 
Dperette; bald hörte man das verflojjene Theaterfind als Sula: 
mith in der „Königin von Saba", als Gilda in „Rigoletto”, Rita 
in „Pfingſten in Florenz“; ihre Yortjchritte traten mit jeder 
Rolle überzeugender zu Tage, und als fie 1885 von dannen 309, 
bot ihr die Schweriner Hofbühne eine erſte Fünftlerifche Stel- 
lung an. Dies waren die wechjelnden Erjcheinungen im Opern: 
Perjonal in den Jahren der Directions-Stellvertretung von 1879 
bis 1885: ein reicher Wechjel, ftarfe Verlufte und doch aud) 
der Gewinn manches frifchen, hoffnungsvollen Zalentes bezeichnen 
den Charakter des Perjonalftandes in diejen ſechs Jahren. Auch 
die mufilalifche Leitung der Bühne war nicht ganz unberührt 
geblieben in dem ftarfen Wandel. Feſt und unerjchütterlich war 
wohl die Pofition des erjten Capellmeijters Ludwig Slansky; 
im %. 1882.aber trat an feine Seite Eduard Stolz, ein alter, 
vielerprobter Muſiker, 1857—58 Capellmeifter der trefflichen Hoff: 
mann’schen Oper am Joſefſtädter Theater in Wien, mit welder 
er „Zannhäufer" zur erjten Aufführung in Wien gebradht und 
ih ein warmes Danffchreiben Wagner’ erworben hatte. Stolz 
hatte jpäter lange Jahre am Dirigentenpult des Grazer Landes: 
theaters gefefjen, die mufifalifche Ausbildung Kreibig junior's ge: 
leitet und fi damit wohl einen natürlichen Anfpruch auf feine 
Berufung an die von, feinem Schüler geleitete Prager Bühne 
erworben. Kurz nad) den Engagement Stolz’ trat Johann Nep. 


— 764 — 


Sfraup aus dem PVerbande des deutjchen Landestheater und 
in den Penjionsftand desjelben. Ein Meiſter und hervorragender 
Componift auf dem Gebiete der Kirchenmuſik, blieb er trog feines 
hohen Alters von Bedeutung für das Prager Muſikleben; er 
feierte am 28. März 1885 fein 40jähr. Jubiläum als Domcapell- 
meijter bei Set. Veit, bald darauf jein SOjähr. Künſtlerjubiläum. 

Zu ähnlichen Ergebniffen wie in der operiftifchen Sphäre 
gelangen wir auf dem Zerritorium des Schaufpiels, wenn wir 
die Entwidelung der Perjonalverhältniife jeit 1879 flüchtig zu 
ffizziren verfuchhen. In demjelben Jahre, da Edmund Freibig an 
die Spige der Prager Bühne trat, fchieden die Damen Balfte, 
Wienrich, Mofer-Sperner, Verjing-Hauptmann und Emil Huvart 
aus dem Verbande derjelben, wofür allerdings zum Theil rajcher 
Erſatz (die Damen Rovella, Bünau und Fiedler) zur Stelle war. 
Das nächte Jahr brachte abermals zwei Verluſte, Fr. Swoboda 
und Herrn Steinar, aber auch diesmal blieben glüclicherweije die 
vacanten Fächer nicht lange unbefegt. Für Steinar, deſſen künft⸗ 
leriiche Kraft in allen Sphären des recitirten Dramas gejchägt 
worden war,*) trat ein talentvoller junger Dann, Willi Gunz, 
ein, der im October 1879 (zuerft als Meortimer) und April 1880 
debutirt und durch feine jugendlich-ympathiiche Erſcheinung, die 
friſche Urjprünglichleit feiner Begabung und begeiftertes Kunit- 
Streben das Publicum für ſich gewann. Er blieb mit kurzer 
Unterbrehung (1. Februar 1882 trat er aus dem Engagement, 
gehörte mehre Monate dem Meiningen’schen Hoftheater an und 
fehrte im Auguft nad) Prag zurüd) bis 1885 im Prager Bühnen- 
verbande und hat in einer Neihe liebenswitrdiger Zeiftungen den 
Pragern den Werth und die erfolgreiche Entfaltung feines Talents 
geoffenbart. Er wurde nad feinem Abjchied von Prag eines der 
gefchägtejten Mitglieder des Münchener Hoftheaters. Seine Gattin, 
Toni Gunz-Günther, ajpirirte 1883 auf das naive Sach in 
Prag, debutirte (damals rl. Günther) als Georgette in „Fer⸗ 


— — — 


*) Steinar wirkte ſpäter am Wiener Stadttheater, als Oberreg. in 
Brünn, am New⸗NYorker Thaliath, als artiſt. Dir. am Belle⸗Alliance⸗Th. 
in Berlin, als Reg. und Schauſp. in Nürnberg. 














— 705 — 


nande” und „Wildfener” — eine feſſelnde, fchöne Erjcheinung, ein 
Starkes und freundliches Talent — mit Glüd, doch wurde ihre 
Verbindung mit der Brager Bühne keine dauernde; fie reichte 
bald darauf Gunz die Hand zum Ehebunde und lebt, der Bühne 
fern, an deijen Seite in München. Einen wejentlichen Gewinn 
brachte das Engagement Ferdinand Deſſoir's. Der Träger eines 
berühmten Namens, Sohn eines der größten Künſtler der deutfchen 
Bühne, Hatte Ferdinand Deſſoir bereits eine wechjelvolle und 
interejjante Laufbahn durchmeſſen, als er in den Verband des 
Prager Theaters trat.*) Er galt als einer der hervorragendften 
Vertreter des humoriftiichen Charakterfachs und Hatte in dieſer 
Sphäre in Berlin, Weimar und Dresden gewirkt. Sein Falitaff 


*) Ferd. Deſſoir ift 1836 zu Breslau geb., blieb 1837 nach der 
gerichtlichen Scheibung feiner Eltern bei der Mutter, erhielt auf den Real⸗ 
Schulen zu Stuttgart und Mannbein ſeine erfte Bildung, betrat 1852 unter 
ber Dir. Franz Wallner zu Freiburg i.B. als Fürft in „Dorf und Stadt” 
zum erften Male die Bühne, erhielt 1857 Engagement bei Dir. Wirfing ın 
Reipzig, vollzog dort ben Uebergang vom Liebh. zum jug. Komiker, Bon- 
pivant und Tenorbuffo, folgte 1863 einem Rufe Dingelftedt'3 nach Weimar, 
wo er in’3 humor. Char.⸗Fach überging und bei dem 3005. Shakeſpeare⸗ 
jubiläum den „Falſtaff“ ſpielte. 1864 erhielt D. von Hülfen einen Auf 
an's kgl. Theater in Berlin, wurde nach der 3. Vroberolle (Ambrofins in 
„Biel Lärm um Nichts“) auf 3 Fahre eng., fehrte 1867 nah Weimar 
zurüd und zwar ald Darfteller und Oberreg., fand jedoch neben Döring 
nicht genügende Beichäftigung, gaftirte 1869 im Dresden, wurde nach der 
4. Rolle (Ambrofius) auf 3 Jahre eng., gaftirte 1871, den Rufe Dingel- 
ftebt'3 folgend, am Wiener Hofburgth., erhielt nach der 4. Rolle (Ambrofiug) 
einen Zjähr. Bertrag mit 6000 fl.; doch ließ ihn 1872 Kronprinz Albert 
von Sachſen auf? Schloß rufen, bewog ihn zum PVerbleiben in Dresden 
und erwirfte ın Wien perjönlidh bein Kaifer feine Freimachung von den 
Verpflichtungen gegen das Burgtheater. Deffoir ſchloß in Dresden einen 
neuen, glänzenden 10jähr. Vertrag mit Penſion und ftand nun auf dem 
Höhepunkte feiner Laufbahn; Gaſtſpiele in Nord: und Süddeutichland wie 
in Oefterreich erweiterten feinen Ruf. Da beidloß er 1878 unbedachter 
Weile dad 2. Theater in Dredden zu pachten, erwirkte vom König jeine 
Entlajfung vom Hoftheater, verlor jedoh im 1. Jahre feiner Direction fein 
ganzes Vermögen und fing 1879, zunächft mit Gajtipieltouren „von vorne 
an“. In Prag wurde er mit 5000 fl. Gage engagirt. 


— 766 — 


und Ambroſius in „Viel Lärm um Nichts” waren Leiſtungen 
von fchwer zu übertreffendem Werthe, und jede Bartie, welche er 
in Prag vorführte, bedeutete einen entjchtedenen Fortichritt in 
Achtung und Gunſt des Bublicums, das in Dejjoir den natürlichen 
Nachfolger Haſſel's gewonnen fah. Er debutirte im Auguſt 1880 
als Nocheferrier, Schuwalinski (in Fredro's „Eine einzige Tochter“), 
Bloom in „Rojenmüller und Finke", Harpagon u. |. w. und wurde 
alsbald Mitglied der Prager Bühne. Seine Leiftungen bfieben 
nie ohne volle fünftleriiche Wirkung; ſie riefen jenes heitere Be— 
bagen im Auditorium hervor, das nur natürlicher Humor, discrete 
und doch vollgiltige Komik zu weden vermag und‘ famen dem 
edleren Repertoire vortrefflich zu ftatten. — Nicht jo erfolgreich 
verliefen andere Probegaftipiele des Jahres. Man juchte vor 
Allem eimen Erſatz für Frau Swoboda, welde in. Prag troß viel- 
facher Bemühungen nicht feitzuhalten war; es debutirten Fran 
Herzfeld-Link und Mathilde Kühle, dag Engagement der 
Letzteren fchien gejichert, wurde indeß gelöft, da die Kinftlerin aus 
Familienrüdfichten eine andere Wirkungsjtätte ſuchte. Endlich, 
am 11. October 1880, hatte man ein Debut zu regijtriren, das 
zu einem dauernden Erfolg führen follte. Der Gaſt jenes Abends 
war Julie Shamberg, einft ein gefeiertes Mitglied des cechijchen 
Zandestheaters (Gattin des Cechiichen Schaufpielers und Bühnen 
ſchriftſtellers Schamberg), das jich der, deutſchen Bühne zugewandt 
und in Frankfurt a. M. raſch eingebürgert hatte.*) Ste debu- 
tirte nun als Clotilde in „Fernande“, Maria Stuart, Eboli und 
zeigte ſich als vollendet ſchöne Frau, deren feſſelnde Erjcheinung 
bereits den Maler Brozik zu einem intereffanten „Meſſalina“⸗ 
Bilde begeijtert hatte. Sie repräfentirte deu echten Heroĩnen— 
typus, wußte jcharf, allerdings etwas realitifch zu charakterijiven 
und mit glänzenden Mittehr zu blenden. Die deutiche Spracde 
beherrſchte fie vollkommen; nur ein leiſer Dialect-Anflug im 
Converſationsſtück erinnerte an ihre flavifche Vergangenheit. Ihr 
neues Engagement an der deutſchen Bühne Prag’s trat Frau 


*) Frau Schamberg war urfprünglicd zur Sängerin beftimnt und 
hat als Xeonore im „Zroubadour” ihre Karriere eröffnet. 








— 707 — 


Julie Schamberg übrigens erjt im Auguſt des nächiten Jahres 
als Klotilde in „Fernande“ an, um mit gleichem Erfolge die 
„Fremde“ und „Meſſalina“ darauf folgen zu lafjen. Nachdem 
jte noch als Aoıda die „Reife um die Erde" gefördert hatte, nahm 
jie ihre regelmäßigen Functionen als Salondame und Heroine 
auf und wurde namentlich für das franzöfifche Converſationsſtück 
von Bedeutung; in diefer Sphäre hat fie u. U. die Lionette de 
Hune in der „Prinzeffin von Bagdad“, Odette, Prinzeffin Lydia 
in den „Danifcheff3” u. |. w. für Brag creirt und bis 1884 eine 
hervorragende Stellung im Enjemble behauptet. 

Noch ehe Julie Schamberg ihre Thätigkeit in Prag auf- 
genommen hatte, war vorgejorgt worden, daß die Winterſaiſon 
1880— 81 nicht: ohne eine fünftlerisch entjprechende Vertreterin des 
Heroinen- und Converjationsfaches durchfriftet werden mußte. Mau 
hatte Friederike Bognar, aljo eine Künftlerin erjten Ranges, 
für em Satjon-Gaftipiel gewonnen, und diefes Engagement ver- 
mittelte dem Publicum eine lange Reihe interejjanter und fünit- 
leriſch gehaltvoller Abende. Friederife Bognar, welche in ihren 
Kinderjahren eben auf der Prager Bühne die erjten Verjuche ge- 
macht hatte,*) war nun als vollendete Künftlerin auf diefe Stätte 


*) Triederite Bognär kam, wie wir zur Vervollftändigung unferer 
diesbezüglichen Mittheilungen (fiehe Seite 423) erwähnen, ald Kind zu 
ihrem Onkel Prof. Habern, der damals am Conferpatorium den Clavier⸗ 
unterricht Icitete, nah Prag und entwidelte früh ein großes muſikal. und 
tbeatral. Talent. Prof. Habern bradte fie zu Margarethe Binder, und 
diefe ftndirte der Kleinen, al3 man eben gelegentlich des Neſtroy'ſchen Gaft- 
ipiel3 im „Unbedeutenden” ein Kind brauchte, die Rolle ein, die fie zum 
Entzüden ſpielte. Neſtroy verehrte der Heinen Collegin ein Kleidchen, eine 
Duantität von Süßigkeiten und 25 fl. im Silber. Von da an fpielte Fried. 
B. Rinderrollen und trieb Muſikſtudien, für welche fih der Confervator.- 
Dir. Kittl jelbft ſehr intereffirte. Die Heine Friederike componirte ſogar 
eine Phantaſie über Kittl's „Franzoſenmarſch“ und machte nach dem Ab- 
gange ihres Onkels unter Dreyſchok's Leitung weitere Fortfchritte. Ihre 
Tante, die berühmte Behrendt-Brandt, belebte dieſe Talente noch 
mehr, nahın das begabte Nichtehen mit ſich nah München, wo ihr Haus 
der Sammelpuntt der künftlerifchen und Iiterar. Kreiſe war. Als Friederike 
dort ein Weihnachtögedicht vortrug, rief die Schaufpielerin Denter aus: 


— 763 — 


ihrer fünjtlerifchen Jugend zurüdgefehrt, nachdem ihr Name in 
Deiterreich und im Gejammtbereiche der deutichen Kunft Geltung 
und Klang erreicht hatte. Man fah fie als Miß Multon, Judith, 
Arienne Lecoupreur, Gräfin Leah, Margarethe in den „Märchen 
der Königin von Navarra”, Phädra, Marie Anne, Adelheid in 
„Goetz“, Sappho, Marwood, Chriemhild, Eſther u. |. w., und 
jelten hatten die Schaufpielvorftellungen der Prager Bühne eine 
Anziehungskraft geübt wie in diefen Bognar-Zagen. Die Künjtlerin 
wurde von dem nächjten ‘Director des deutſchen Landestheaters, 
Ungelo Neumann, dem Mitgliederverbande eingefügt, dem ſie von 
1885—837 d. h. bis zu ihrem Abgange an das deutſche Theater 
in Berlin angehörte. Die Perjonalbemwegung der nächſten Jahre, 
der legten dieſer Aera, ſei nur furz geftreift: Mit Beginn des 
J. 1882 traten zur Ergänzung des Schaufpiel-Enjemnbles zwei 
neue „Liebhaber” in's Engagenıent, die Herren Dagobert Neuffer 
und Heinrih Prechtler, deren Erfterer, ein intelligenter, den: 
fender und eigenartig geftaltender Schaufpieler mit glüdlicher 
Bühnen-Carriere, allerdings fchon nach wenigen Monaten von 
Prag jchied. Neuffer, der in Wien, Graz, Stuttgart und anderswo 
mit Erfolg gewirkt hatte, trat aus der Schablone des Liebhaberjadhes 


„Das Mädel muß zum Schaufpiel! Was foll fie mit der Muſik!“ Gie 
felbft übernahm die Ausbildung de3 jungen Talent und ſchon nad, drei 
Monaten wurde %. 3. verſuchsweiſe von dem durchreifenden Director des 
Züricher Theaterd engagirt. Der Agent Hartenfel3 brachte fie von Zürich 
an's Hamburger Stadttheater. Das Theater ftand vor einer Kataſtrophe; 
wegen Sagen: Differenzen hatte vor einer Hamlet-Anfführung die Opbelia 
geftrift; F. B. ſprang für fie ein und obwohl man „vor leeren Bänken“ 
jpielte, wurde fie doch gejehen, denn Laube war im Theater, fam nad 
der Wahnſinnsſcene auf die Bühne und engagirte F. B. für das Burg: 
theater, So war der Abend enticheidend für ihre ganze Zukunft geworden. 
Sie debutirte in Wien ald Rutland in Eifer, Ophelia und Luiſe mit ſtets 
wachjendem Erfolge, trat in den Verband der Bühne, und mußte Ion im 
eriten Jahre ald Gretchen, Clärchen, Desdemona, Emilia Galotti derartig 
zu wirken, daß fie im 2. Fahre bad Decret ald „k. k. Hofſchauſpielerin“ 
und einen lebengfänglichen Vertrag erhielt. Diefer Vertrag wurde jpäter 
über dringende Bitten gelöft, und %. B. wirkte Jahre hindurch nur ala 
Saft in Defterreich und Deutſchland. 











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wejentlich heraus und jtrebte mit jeltenem Fleiße den höchiten 
fünftlerifchen Aufgaben zu: er führte fi) als Schiller in den 
„Carlsſchülern“ ein, behielt neben Gunz einen jelbjtändig abge- 
grenzien Wirfungsfreis und jollte allmälig gewiſſe Partien aus 
der Sphäre des Charafterfachs übernehmen, als ihn ernſte Diffe- 
renzen mit der Direction der Prager Bühne gänzlich entfrembdeten. 
Er war nah einer „Abjage” im „mündlichen Wege entlaffen 
worden, lehnte diefe nicht-officiele Maßregelung jedoch ab und 
jtrengte gegen die Direction einen Proceß auf Einhaltung feines 
dreijährigen Vertrags an. Der Proceß, der durch weitere Maß- 
nahmen der Divection nicht vereinfacht wurde, endete durch Spruch 
des deutjchen Bühnen-Schiedsgerichts nicht zu Gunften der Bühnen- 
leitung und trug wejentlid) dazu bei, das finfende Anfehen der 
legteren noch mehr zu jchädigen. Neuffer trat in den Bezug der 
ihm zugejprochenen Gage, nahm jedoch feine künſtleriſche Thätig- 
feit in Prag nicht wieder auf. — Heinrich Prechtler, ein junger 
begabter Dariteller, deijen Talent aud) von Zaube erfannt worden 
iwar,*) debutirte 1882 als Don Carlos. Nad) Ueberwindung einiger 
Hemmnilje trat er etwas fpäter in den Verband des dentjchen 


— 





*, Heine. Prechtler ift 26. Jän. 1859 ım Wien geb., bejuchte das 
akad. Gymnaſium bis zur 6. Claſſe, noch fleißiger aber die Niklastheater⸗ 
ſchule in der Mableinsdorfer Straße, nahm ohne Willen feiner Eltern ein 
Engagement in Budwei3 an, von wo er durch behörbliche Intervention 
nah Wien zurüdgefandt wurde. Er kam nun in die Kierſchner'ſche Theater⸗ 
fhule und in die trefflihe Schule de3 Prof. Strakoſch, der ihn Laube 
empfahl. PB. wurde auf 3 Jahre an das Wiener Stadttheater eng., hatte 
jedoch dort nicht genug Gelegenheit, „feinen Thatendurſt zu ſtillen“ und 
nahm im 2. Sabre feine Entlafjung, fand in Hamburg, fodann am Theater 
an der Wien, zwei Jahre in Leipzig und Breslau einen entiprechenden 
Wirkungskreis. In Breslau vollzog er den Uebergang vom jug. Komiker 
zum jug. Helden und Liebh. und jchuf fich ein Repertoire für den Ueber: 
tritt an die Prager Bühne. Hier fonnte nach dem erjten Debut das Enga— 
gement noch nicht perfect werden, da PB. früher Verpflichtungen gegen das 
Berliner kgl. Schauspielhaus eingegangen war; er trat dort ald Ferdinand, 
Romeo, Don Carlos und Officier in „Rojenmüller und Finke“ anf, er 
wirkte, da man einen gejegteren Liebh. brauchte, leicht die Löſung feines 
Vertrags und trat nun erft definitiv in den Verband des Prager Theaters. 

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— 70 — 


Zandıstheaters und theilte jich mit Gunz drei “Jahre „brüderlich“ 
in das Fach der jugendlichen Helden und Liebhaber, das er nad 
dem Scheiden Edmund Kreibig's und Gunz’ fouverän beherrfchte — 
ein emſig jtrebender, mit ſympathiſchen Mitteln ausgeftatteter, in- 
telligenter Schaufpieler, dem noch eine ‚weite Zukunft offen liegt. 
Eine andere junge Kraft, die dem Enjemble von Vortheil fein 
follte, wurde in dem jugendlichen Komiker Guſtav Löwe ge- 
wonnen, der — ein echtes „Prager Kind” — auch Tünjtlerisch in 
der böhmischen Hauptitadt emporgewacjen war. Mit jechzehn 
Jahren war er bereitS ein herbörragendes Mitglied des Schul 
und Dilettanten-Theaters zu St. Niklas, wurde von Dir. Ludwig 
zu einem Gajtjpiele an das Sommertheater im Heine’fchen Garten 
eingeladen, trat mit fiebzehn Jahren ein Engagement in Leitmerit 
als Gottlieb Weigel in „Mein Leopold" an, gaftirte nun in zahl- 
reihen Provinzftädten und kam bis nach Neichenhall, wo ihn 
Friderife Bognar ſah und dem Director des deutfchen Landes 
theaters in Prag dringend empfahl. Ein Zufall begünitigte das 
Engagement. Man war durch eine plögliche Erkrankung Haſſel's 
in Berlegenheit mit dem Gondinet'ſchen Schwant „Eine Ber- 
gnügungsreife" gerathen und z0g Löwe, der eben wieder am 
Sommertheater „triumphirte*, zur Aushilfe heran. Raſch ent- 
Ichloffen, |prang der junge Mann fir den würdigen Veteranen 
ein, ermöglichte die Premiere und reuflirte. Nun war fein Ueber- 
tritt an das Landes⸗Inſtitut entjchieden, und durch raftlofen Fleiß 
gelang e8 dem jungen Komiker, deſſen natürlicher, frifch-quellender 
Humor, deſſen ungefuchte und dennoch unmittelbar wirkende Komik 
Beachtung und Beifall fanden, ſich eine Bofition neben den ge- 
reiften Künftlern des Inſtituts zu erringen. Er war actionsbereit 
bei jeder „Abſage“ und jedem Krankheitsfall, ftellte fich kühn in 
jede Brejche und rückte dadurd) bald in's Vordertreffen vor, fo 
daß man- ihn 1885 bereit in der vierfachen PVerfleidungsrolle 
des Andreas-Eochenille-Pitichinaccio- Franz in „Hoffmann’s Er- 
zählungen", als Bürgermeifter ‘Derrif in „Rip⸗Rip“, Prinz Pietro 
in „Boccaccio” u. ſ. w. ſehen konnte. Er ift ſeither Schaujpiel 
und Lujtipiel, Bolfe, Operette und Oper (Marquis Eorch, Junker 








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Spärlich) gleich nützlich geworden und zählt gegenwärtig zu den 
erſten komiſchen Kräften des deutſchen Landestheaters. Sein Juſtus 
Schmählich in „Roſenkranz und Güldenſtern“, ſeine „Damen“⸗ 
Leiſtung in der „Vorleſung bei der Hausmeiſterin“, Recrut Stangl 
in der „NRecrutirung in Krähwinkel“ Lafjen ihn als einen Komiker 
von ſtarker urfprünglicher Begabung und liebenswürdiger Eigen: 
art erfennen. 

Das Jahr 1883 brachte das Wieder-Engagement des noch 
nicht vergeſſenen Kühns, der am 3. Juli als Perin unter Ieb- 
haften Ovationen auf der Prager Bühne wieder einzog, um neben 
Roll und Martinelli eine neue künſtleriſche Wirkungsiphäre zu 
finden. Als Remplacantin der verlorenen Novella trat Fräulein 
Charlotte Albrecht (eine Schweiter von Hermine Albrecht) ein, 
die im Mai als Gretchen und als Zuife in „Kabale und Liebe” 
debutirte und durch die wohlthuende Wärme und Einfachheit des 
Tons, durch ergreifenden und naturwahren Gefühls-Ausdrud für 
jih einnahm; fie trat al3 Gertrud Hiller ihr Engagement an, in 
welchem fich ihr anfprechendes Talent ſichtlich entfaltete, und wurde 
nachmal® eine der beiten Kräfte der Prager Bühnen. An die 
Stelle des Frl. v. Bilnau trat Frau Schenf-Thaller, die 
ih als Lorle, Dora und Cyprienne eimführte, jedoch nur bis 
zum nächſten Jahre im Verbande der Prager Bühne blieb. Eine 
treffliche fünjtlerifche Kraft wurde in Frl Marie Meyer (einer 
Schwefter der Duſtmann-Meyer) gewonnen, die im Juli als 
Beatrice in „Viel Lärm um Nichts”, Gräfin Autreval, Odette, 
Pompadour, Katharina v. Rofen und Minna v. Barnhelm gaftirte, 
im September ihr Engagement antrat und fi) als elegante, dijtin- 
guirte und routinirte Converfations-Schaufpielerin bewährte; ihr 
Gewinn wurde von erhöhter Bedeutung, als Yulie Schamberg 
Ende Juni 1884 als Mejjalina ehrenvollen Abjchied nahm. Konnte 
Marie Meyer auch nicht daran denken, Sr. Schamberg in Rollen 
diefer Sphäre, in dämoniſchen Charakteren, meldye diefe mit der 
ganzen Gluth ihres Temperaments zu erfüllen, mit elementarer 
dramatijcher Kraft zu gejtalten wußte, zu erjegen, jo jicherte jie doc) 
dem Converjationsjtüd feinen Rang und feine jtarfe Vertretung 

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im Repertoire. Julie Schamberg wirkte nach ihrem Abgang von 
Prag in Frankfurt a. M., in Amerika, am cechiichen Theater zu 
Prag, am deutjchen Theater zu Berlin und ift nunmehr Mitglied 
des Wiener Carltheaterd. Für Nollen minderer Bedeutung war 
Fl. Uebermaſſer (nahmals Frau Streitmann-Uebermafier), 
einjt ein vielgenanntes und vielbemerktes theatralifches Wunder: 
find, 1882 engagirt worden; fie fehied mit ihrem Gatten Earl 
Streitmann 1885 von Prag. Als Soubrette und Operetten: 
ſängerin endlich trat im Sommer 1884 nad Fr. Schent-Ullmeyer 
Fl. Aliprandi, vom Dresdener NRefivenztheater fommend, ein. 

Diefe Skizze der Perjonalbewegung in einer Zeit, welche von 
allerlei ungünftigen Verhältniſſen finanzieller und anderer Art auf 
das Nachtheiligfte beeinflußt war, beweilt uns doch das Eine, daß 
3 bei alfer Unficherheit und Unbeftändigfeit in der Leitung nicht 
an „glüdlichen Griffen”, an erfolgreichen Verfuchen zur würdigen 
Ergänzung des Perfonals gefehlt hat. Noch in den letzten, kriti⸗ 
chen Phaſen diefer Aera waren Kräfte vorhanden, weldye als 
Baſis Für neugeordnete Verhältniffe, als jolide Grundlage zu 
einem achtbaren Neubau dienen Tonnten.*) Und auch nicht ohne 


*) Der Brager Theateralmanach pro 1885 notirte folgenden Perſonal⸗ 
ftand: Dir. und Unternehmer Ebuard Kreibig. — Director-Stellver- 
treter Hr. Rreibig jun., führt fpeciell die Regie ber Oper und Operette. — 
Regie: Oberregiffeur Hr. U. Roll; Oberreg. und Dramaturg Hr. Carl 
Sfraup; Reg. 8. Simon. — Kanzlei: Carl Straup, Dir. Secretär 
und Adminiftrationd-Chef., Hr. Wildner, Bibl. und Actuar, Siege, 
Oek.⸗Inſpector. — Caſſaverwaltung: Hr. E. Seltmann, Hauptcafi., 
Hr. Czadek, Caſſier. — Inſpic. Hr. Seidl; Souffl. Hrn. Keßler (Cd. 
und 2.) und Tardon (Op., Optte. und Poſſe). — Theaterärzte: Reg.: 
Rath Prof. Dr. Maſchka, Dr. Smoler. — Theatermitglieber: 
Skhaufpiel: Damen Frl. Albrecht, Frl. Bihler, Fr. Fiedler v. Wurz- 
badh, Frl. Fried a. ©., Frl. Kröfling, Fr. Martinelli, Frl. Meyer, Fran 
Pofinger, Fr. Streitmann; Herren Deſſoir, v. Erneft, Geiger, Grauert, 
Gunz, Heiter, Kühns, Löwe, Lunzer, Martincli, Pflug (f. Op.), Prechtler, 
Noll, Sauer, Schlefinger, Stege, Simon. — Kinderrollen: Bertha und 
Erneft Rurfa, H. Friedmann und Rob. — Oper: 1. ECapellm. Ludwig 
Slansky, 2. Capellm. Stolz, Ehordir. Brar. — Sängerinnen: Damen 
Frl. Altprandi, Bermann, Dorner, Frau Gerl:Benetti, Frau v. Moſer, 











— 173 — 


ernſte künſtleriſche Arbeit, ohne gute künſtleriſche Thaten verlief 
dieſe Periode in der Prager Theatergeſchichte, welche mit einer 
Kataſtrophe endigen ſollte. Die Wandlungen in den künſtleriſchen 
Verhältniſſen waren allerdings groß; ſie hingen mit der äußeren, 
der materiellen Lage eng zuſammen und wollen daher auch im 
Zuſammenhange mit dieſer betrachtet werden. Unter den Neuig- 
feiten, welche das Repertoire des recitirten Dramas vom 
September 1879 bis zum Ende der Directions-Stellvertretung 
und der Aera Kreibig überhaupt (1885) aufwies, ragten hervor: 
eine Aufführung der Grillparzerihen Trilogie „Das goldene 
Vließ“ („Der Gaftfreund” und „Die Argonauten” am 16. Jäner, 
„Medea“ am 17. Jäner 1880 mit Frau Swoboda als Medea, 
Sauer als Phryrus, Steinar als Jaſon, Roll als Xietes), die 
Scillerfeier des %. 1880 mit dem „Demetrius"- Fragment und 
dem „Lied von der Glode”, eine Darftellung des 2. Theils von 
„Heinrich IV.” mit Deffoir als Falftaff und Roll als Northumber- 
land, ſowie der Dingeljtedt’fchen Bearbeitung von „Heinrich V.“ 
und des zweiten Theil von „Fauſt“, endlich die erjte Aufführung 
von Grillparzer's „Weh’ dem, der lügt" (17. Jäner 1884).*) 
Das claffiiche Drama überhaupt war Teineswegs vernachläfligt, . 
wenn jeine Pflege auch bei den ſchwankenden Perfonalverhält- 
niffen feine gleichmäßige war; im Ganzen vergaß man den Cultus 
unferer Heroen niemals vollkommen, und bezeichnete manchen ihrer 
Gedenktage durch ein weihevolles Fünftleriiches Opfer. Einzelne 
Beitabfchnitte in diefer Aera brachten ſogar eine rege Pflege des 





Frls. Renard und Roſen, Br. Plodel. — Sänger: Grm. Bartowsky, 
Cabiſius, Dobſch, Ehrl, Eichberger, de Grab, Pflug, Röbe, Schröbter, 
Streitmann. — Chorperfonal: 25 Damen, 22 Herren. — Orcheſter⸗ 
perjonal: 1. Orh.-Dir. Poznansky, 2. Ord.-Dir. Baudis, 13 Biolt- 
Iiften, 4 Bratichiften, 3 Celliften, 2 Contrabafliften, 3 Slötiften, 2 Oboiften, 
2 Klarinettiften, 2 Fagottiften, 4 Horniften, 8 Trompeter, 4 Pojauniften, 
3 Baufen- und Trommeljchläger, 1 Harfenipieler. -- Balletperfonal: 
Balletmeifterin Frl. Johanna Belke, Balletdirigent Herr Stiebal, Solo» 
tänzerinen Frls. Gütlich, Ruzek, Stembera, Ziegler; Balletcorpg 10 Damen. 

*, Biſchof Gregor⸗Kühns, Attalus-Prechtler, Leon-Gunz, Kottwald⸗ 
Martinelli, Edrita⸗Bichler, Galomir-Roll, Sigrid-Simon. 


— 774 — 


Künſtleriſch-Schönen; fo ſah man, wie ſchon erwähnt, mit Fried. 
Bognär eine Reihe der hervorragendften Werke unjerer Literatur 
— u. U. Hebbel's „Nibelungen”-Trilogie,*) Goethes „Götz“ in 
jorgfältiger Vorbereitung**) u. }. w.; 1880 wagte man eine Neu- 
ftentrung des „Hamlet” nad) der Urfchrift, wodurch die Tragödie 
dem allgemeinen Berjtändnig nähergebracht wurde.***) Im Novi: 
täten-Repertoire waren die Beften der „Süngeren” und Jüngſten 
vertreten: Wilbrandt mit der „Zochter des Herrn Fabricius“ 
(20. Nov. 1880) und „Aſſunta Leoni“ (mit Charlotte Wolter, 
April 1883), ©. Freitag mit der „Brautfahrt” oder „Kunz dv. d. 
Roſen“ (mit Baumeijter), Wildenbruch mit „Väter und Söhne”, 
„Die Carolinger”, „Harold”, „Der Mennonit”, „Opfer u. Opfer", 
Fr. Niffel mit der Volksdrama „Die Zauberin am Stein“ (mit 
Charlotte Wolter), Putlig mit „Rolf Berndt”, Martin Greif mit 
„Bring Eugen”, T) Rihard Voß mit der Tragödie „Die Patri— 
zierin", Baul Lindau mit „Verſchämte Arbeit" und „Gräfin Leah”; 
ferner jah man als Novitäten von Emanuel Bozdech das in 
Scribeihem Styl gehaltene Zujtipiel „König Cotillon”, eine vom 


*) ‚Chriembild’3 Race” 23. April 1881. Chriemhild-Boguar, 
Ute: Fiedler, Günther-Frey, Hagen-Roll, Boller-Geiger, Giſelher⸗Gunz, 
Etzel Sauer, Rüdeger-Erneft, Werbel-Defloir, Gudrun-Bünan. 

**) Zur eier des 10jähr. Beſtandes des Schriftft.- und Künſtler⸗ 
vereind „Concordia“, mit Prolog von U. Klaar, 15. Jän. 1881. Götz⸗ 
Erneſt, Elij.. Fiedler, Marie-Bünau, Carl-Paula Dorner, Georg-Rovella, 
Biſchof⸗Grauert, Weislingen-Sauer, Adelbeid-Bognar, Riebetrant-Schröbdter, 
Bruder Martin: Simon, Selbis:Defloir, Sikkingen-Geiger, Franz-Gunz, 
Lerſe⸗Martinelli. 

**5) Hamlet-Sauer (alternirend mit Roll), König-Erneft, Ophelia⸗ 
Rovella, Königin-Fiedler, Polonius-Haflel, Laertes-Gunz, Horatio-Geiger, 
Geiſt⸗ Grauert, Schanfpieler- Simon, Roſenkranz un. Güldenftern- Frey, Heiter, 
Hortinbras-Pflug, Königin der Komödie-Frl. Rigol, Todtengräber-Lunger, 
Schrödter. 

T) 13. Dec. 1883 zur Feier des 200jähr. Namens⸗Inbiläums des 
DragonersRegimentd Prinz Engen v. Sapoyen Ar. 13. Prolog v. Friedr. 
Schwab, geiprodhen von Frau Schamberg als „Auftria”. — Prinz Engen- 
Kühne, Carl IV.-Roll. Das Parterre bildeten Officiere bes Fubelregiments 
uud anderer Waffengattungen. 








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Autor felbft beforgte UWeberfegung aus dem Cechiſchen, von 
Graf Moy: „Ein deutſcher Standesherr“, Emil Arter (Reitler): 
„Duelle”, C. Wartenburg: „Die Schauspieler des Kaiſers“; Louis 
Nötel: „Der deutſche Michel”; Hugo Bürger: „our fir", „Die 
Frau ohne Geiſt“, „Bold und Eifen”; Guſtav Trieſch: „Neue 
Verträge”, „Der Herenmeifter” und „Der Anwalt" (Schaujpiel, 
Compagnie-Arbeit mit Sonnenthal); von ©. v. Mofer: „Der 
Bibliothekar”, „Krieg im Frieden” (Meif-Reiflingen-Geiger, Apo- 
thefer-Schrödter, Ylfa-Bichler), „Glück bei Frauen" ; Mojer-Schön- 
than: „Unfere rauen”; F. v. Schönthan: „Schwabenjtreiche”, 
„Die Spagen”, „Roderich Heller”, „Die goldene Spinne"; P. 
und F. vd. Schönthan: „Raub der Sabinerinen" (Deijoir-Striefe) ; 
Dscar Blumenthal: „Der Teufelsfelfen”, „Der Brobepfeil", „Die 
große Slode" ; L' Arronge: „Wohlthätige Frauen”, „Haus Lonei”, 
„Die Sorglojen”, „Der Compagnon”; Midyael Klapp: „Roſen⸗ 
franz und Güldenftern” ; Jul. Rojen: „Mädchenſchwüre“, „Starke 
Mittel", „Sport, „OD diefe Männer”, „Halbe Dichter”; Marie 
v. Erneft: „Mit dem Strome“; %. Groß und Mar Nordau: 
„Die neuen Sournaliften” ; Genfichen: „Die Märchentante” ; Emil 
Granichſtädten: „Die Witwe Scarron" (Dramolet, mit Friederike 
Bognar); Frau Henle: „Der Erbonkel“; Leop. Günther: „Der 
Leibarzt“, „Der neue Stiftsarzt", „Die Tochter des Commerzien- 
raths“; Carl Caro: „Die Burgruine" (V., Preisgefrönt von der 
Prager „Concordia”); Stobiger: „Der Sternguder” (%.); Joſef 
Willomiger (Mitredacteur der „Bohemia” in Prag): „Die Kritik 
der reinen Vernunft” (2.); Kneifel: „Chemie für's Heirathen“; 
Friedrich Schwab. (in Prag, F 8. Oct. 1887): „Um den Preis” 
(2.); Carl Albert (Graf Bombelles, Oberfthofmeister des Kron⸗ 
prinzen Rudolf): „Ein AUprilicherz”, „Der Weihnachtsabend” ; 
Redam (Gräfin Johanna Spord-Mader in Prag): „Satans- 
masfe" (2.); Carl Skraup: „Drei Syſteme“ und „Kataftrophen" 
(Sch., leßteres in Compagnie mit feiner Gattin Hermine Skraup⸗ 
Leuthner). Die Bauernfomddie war vertreten durch „Die Trugige 
von Anzengruber, den „Herrgottjchniger von Ammergau” von Gang⸗ 
hofer-Neuert, „Im Austragsjtüberl" von Hans Neuert, „Der 


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Progenbauer” von Frau Hartl-Mitins nnd „Ss Nullerl“ von Earl 
Morre; von Bofjen erjchienen u. A. „Die Näherin” von 2. Held 
(mit Girardi), „hr Corporal” von Coſta (mit Joſ. Gallmeyer), 
„Die Gipsfigur" von Taube; von Ausftattungsjtüden „Die Kinder 
des Kapitän Grant”, „Die Reife um die Erde in 80 Tagen“ 
(neufcenirt, mit dem — gelehrten Elephanten PBepi) und „Der 
Weihnachtsbaum”. Bon fremden Autoren jah man im Novi 
tätenrepertoire: Henrit Ibfen („Die Stiten der Gefellichaft"), 
Dumas jun. („Die Prinzeflin von Bagdad”), Delpit „Der Sohn 
der Coralie“ (Mad. Dubois-Bognar), Nus und Belot („Mis Mul⸗ 
ton”), Augier-Sandeau („Die Goldprobe“), Augier „Der Schier- 
ling”, „Der vornehme Schwiegerfohn”, Feuillet („Ein Barijer 
Roman”), Ohnet („Der Hüttenbefiger”), Sardou („Odette“, 
„Feodora“), Pailleron („Die Welt, in der man fich langweilt“ und 
„Der zündende Funke”), Meilhac-Halevy („Die Heine Mama“), 
BP. Newsky („Die Daniſcheffs“), Erdmann-Ehatrian („Die beiden 
Rantzau“) u. ſ. w. 

Wenn dieſes Repertoire jo ziemlich alle Namen aufweist, welche 
dem modernen Bühnen-Repertoire überhaupt fein charakteriftiiches 
Gepräge verleihen, jo blieb audy das Dpern:Repertoire bemerfens- 
werthen Neuigkeiten nicht verjchloffen. Am beften und confequen- 
teften aber hielt die Bühnenleitung Schritt mit der raſchen und 
fruchtbaren Operetten-Broduction. Die Novitäten diefes Genres 
fehrten vollzählig in Prag ein und beherrfchten mitunter das 
Gejammt-Repertoire — eine Erfcheinung, welche einerjeits in dem 
friihen, conjolidirten Operetten-Enjemble der Bühne, andererfeits 
in der finanziellen Situation ihre natürliche Erklärung fand. Eine 
Direction, die fich fortgeſetzt in drückenden finanziellen Nöthen befand, 
mußte mit Eifer eine Runftgattung pflegen, die immer neue, vor- 
wiegend öſterr. Componiften in die Arena rief und dem Geſchmacke der 
Menge, daher auch den Forderungen der Caſſa am meiften zu ent- 
Iprechen jchten. So hörte man vom Sept. 1879 bis Juni 1885 fol- 
gende Operetten-Neuigfeiten: ob. Strauß „Der luſtige Krieg”,*) 


*) 12, Februar 1882: Artemifia Frau Martinelli, Bioletta-Schenf- 














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„Das Spitzentuch der Königin”, „Eine Nacht in Venedig”; von 
R. Genee: „Die legten Mohikaner“, „Der Seecadet”, „Nifida” ; 
von v. Suppe: „Donna Juanita“ und „Leichte Cavallerie” ; von 
Millöcder: „Die Jungfrau von Belleville", „Der Bettelftudent”, 
„Apajune”,*) „Gasparone”, „Das verwunfchene Schloß”, „Der 
Feldprediger” ; Scharnagl und Haberzettel:**) „Künftlerftreiche” ; 
A. Czibulka:**) Pfingſten in Florenz"; Planquette: „Glocken 
von Eorneville” u. „Rip-Rip"; Audran: „Mascotte” ; Offenbach: 
„Hoffmann's Erzählungen" (am 17. Februar 1884). Die Auf- 
führungen fonnten den höchſten Anforderungen genügen; die In— 
fcenirung bejorgte der Bühnenleiter perjönlich, und die Darjtellung 
übertraf Alles, was auf dieſem Gebiete bisher in Prag geleiftet 
worden war. Much die ernfte Oper hatte übrigens ihre Chren- 
abende in diefer Saifon: So brachte man Ende 1879 neujtudirt 
Gluck's „Armida” (Frau dvd. Mofer in der Titelrolle, Stoll als 
Rinaldo, Ubald-Schebeita), Rubinſtein's „Makkabäer“ unter Leitung 


Ullmeyer, Marcheſe Filippo - Schröter, Spinola= Streitmann, Balthajar 
Groot-Schlefinger, Elje-Benetti. 

*) ‚Betteljtudent” 17. Febr. 1883: Ollendorf-Schlefinger, Palmatica⸗ 
Fr. Martinelli, Zaura-Ullmeyer, Broniflava-Benetti, Jan Janicki⸗Streit⸗ 
mann, Symon Rymanovicz-Schröbter, Muſikgraf⸗Lunzer, Cornet⸗Löwe, 
Enterih- Pflug. — „Apajune” 26. April: Prutichesto-Martinelli, He- 
loiſe⸗Fr. Martinelli, Ilinka⸗Benetti, Nitichano-Streitmann, Natalita- Frau 
Ullmeyer, Marcu-Schleſinger, Jozo⸗-Lunzer. 

**) Librettiſt und Componiſt wurzelten auf Prager Boden und in dem 
Muſikleben Prags. 


***) Alfons Czibulka, geb. zu Kirchdrauf in der deutfchen Grafſchaft 
Zips in Oberungarn, hatte in Prag eine Reihe von Jahren ald Militär- 
capellmeifter gewirkt und durch künftlerifch geleitete Concerte Aufmerkfamteit 
erregt, von dort aus die Capelle des 36. mf.-Regtd. zur internat. Militär: 
mufit-Concurrenz geführt und den erjten Preis errungen. Nachdem zahl: 
reiche feiner Compofitionen, namentlich die „Stephanie: Gavotte” Popularität 
errungen, betrat er mit ber Operette „Pfingften in Florenz“ (3. 1- M. am 
Theater a. d. Wien anfgef.) glüdlich die Carriere des Bühnencomponiften 
und lebt gegenwärtig nur der Sompofition in Wien. Nah „Pfingiten in 
Florenz” kam fein „Jagdjunker“ auf die Berliner und Wiener Bühne, dem 
die Operette „Der Glücksritter“ folgt. 


— 778 — 


des Componiften, der eben einen interejlanten Concert-Cyflus in 
Prag abfolvirte, eine Neprife von Goldmark's „Königin von Saba", 
ebenfalls unter des Componiften eigener Leitung (20. Dec.), 1880: 
Gounod's „Philemon und Baucis" (1. Jäner, Philemon-Stoll, 
Baucis-Lehmann, Jupiter-Grengg, Bulcan-Schebefta, Bachantin⸗ 
Benetti), Bizet's Carmen“, Marſchner's „Zempler und Jüdin“ 
und Meyerbeer's „Hugenotten“ in neuer Scenirung; 1881: Boito's 
„Mefiſtofele“ als Novität und „die Meiſterſinger“ neuſtudirt; 1882: 
Meyerbeer's „Nordſtern“ neuſcenirt,“) Neßler's „Ratienfänger von 
Hameln“ als Neuigkeit mit dem Dresdener Baryton Paul Bulß, 
einem der trefflichſten Sänger feines Faches, welcher den Pragern 
den Mangel eines eigenen, hohen Anfprüchen genügenden Bary- 
tons klarmachte, Maſſenet's „König von Lahore“, eine Novität, 
mit welcher Prag einer Neihe großer Opernbühnen zuvorfam, 
1883 „Euryanthe” in neuer Scenirung, (Euryanthe-Klein, Eglan- 
tine⸗Moſer, Molar-Stol, Lufiart-Schüßler), Gluck's „Orfeus und 
Eurydike“ mit den Damen Bapier und Klein, Goetz' „Der Wider: 
Ipenjtigen Zähmung” (neun) mit zwei Dresdener Gäften, Frau 
Schuch⸗Proska und Bulß, Maffenet’s neue Oper „Herodias”,**) 
ebenfalls eine That, für welche die Prager Oper eine gewille 
Priorität vor anderen in Anfpruch nehmen konnte, 1384 Pon- 


*) 29, März: Carmen-Fr. v. Mofer, Don Zofe-Stoll, Escamillo⸗ 
Harmien, Zuniga-Grengg, Moraled-Pflug, Lillas-Grauert, Dancairo-Herr 
Schröbter, Remendabo-Fund, Frasquita-Benetti, Mercedes: Frl. Hauſchka. 
— 19. Febr.: Mefiftofele-Grengg, Margarethe-Lehmann, Marthe:Piodel, 
Wagner-Schrödter, Helena-Mojer, Panthalis-Steinbach, Nereus-Daniczek. 
— „Meifterfinger“: Hans Sachs-Schaffganz, Bogner-Dobich, Nachtigall: 
Schrauff; Rothner-Eichberger, Beckmeſſer⸗Grengg, Cochen-Mofer, David: 
Schrödter, Stolzing-Stoll, Magbdalene-Steinbad. — „Nordftern“: Catha⸗ 
rina⸗Lehmann, Peter-Schaffganz, Danielovic⸗Danjczek, Gritzenko-Grengg, 
Prascovia-Benetti. 

+, König von Lahore⸗Stoll, Scindia-Schüßler, Timur-Dobſch, Indra⸗ 
Eichberger, Sita-Rlein, Kaled-Renard. 29. Det. — „Die Widerfpenftige“ 
29. Juni: Baptifta-Röbe, Catharina Schuch, Bianca-Lori Dorner, Hortenfio- 
Eichberger, Lucentio-Streitmann, Petrucchio-Bulß, Grumio⸗Pflug. — „De 
rodias“ 3. Nov.: Herodes-Cabiſius, Johannes⸗Martens, Phannel-Dobidh, 
Vitellius-Ehrl, Hoberpriefter-Eichberger, Herodias⸗Moſer, Salome⸗Klein. 

















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chielli's „Gioconda“ (mit den Damen Mofer, Renard und Roſen, 
den Herren Cabijius, Schrödter und Dobſch), 1885 „Antonius 
und Cleopatra” von Graf F. E. Wittgenftein. In der Berlid- 
fihtigung neuer Erjcheinungen auf dem internationalen Gebiete 
der Oper blieb die Brager Bühne aljo nicht oder wenigftens nicht 
auffälliger zurüd als andere Bühnen; von dem Rückgange in der 
Leiftungsfähigteit, welcher vornehmlich duch die Verlegenheiten in 
der Beichaffung entjprechender Nepräfentanten der eriten Tenor— 
und Baryton- Partien bedingt war, zeigte allerdings die abnehmende 
Pflege des Wagner-Repertoires,*) dem gerade in Prag feit der 
Einführung Richard Wagner’ auf die deutiche Bühne bejondere 
Aufmerkjamfeit gewidmet worden war. Und dies war bedenklich) 
in einer Zeit, da das cCechifche Landestheater in feinem neuen 
großen Heim jpeciell der Oper die regfle Pflege zumandte, glanz- 
volle Aufführungen zu Wege brachte, die „große Oper", die ſich 
auf den Brettern des Interimstheaters nicht zu entfalten ver- 
mochte, mit einem impojanten Tünftlerifchen und fcenifchen Apparat 
cultivirte und fich felbjt an den „Lohengrin” heranwagte. Yür 
die Spieloper dagegen Hatte man in Prag nicht oft ein fo ent—⸗ 
jprechendes Perjonal vereinigt als in einzelnen Phaſen diefer 
Directiong-Wera, da Kräfte von der Güte der Damen Lehmann, 
fpäter Klein und Renard, der Herren Stoll, Schrödter, Streit- 
mann zur Dispofition ftanden. 

In Ziffern ausgedrüdt, ftellte jih am Schluße der neun- 
jährigen Aera, welche mit dem Namen Kreibig bezeichnet wird, 
das Repertoire, die Summe des Gebotenen, in allen Zeigen 


*) Der Tod Rich. Wagner’3 rief felbftverftändfich auch in den Fünft- 
leriihen Kreiſen Prags ſchmerzliche Eindrüde hervor. Im deutihen Randes- 
theater fand am 27. Febr. 1883 eine Trauerfeier ftatt, wobei nach einem 
Brologe von A. Klaar der Trauermarſch aus ber „Götterbämmerung” und 
„Zannhäufer” aufgeführt wurde. Die „Philharmonia“ ebrte das Andenken 
Wagner's durch ein großes „Wagner:-Concert”, beflen Programm die Fauſt⸗ 
Onverture, das Siegfried-Idyll, den Walfürenritt, den Trauermarſch aus 
der „Bötterbämmerung”, das Waldweben aus „Siegfried“, den Charfreitags- 
zanber aus „Barfifal” und die Tannhäujer-Ouverture umfaßte. 


- 


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des dramatifhen Schaffens folgendermaßen dar: Im Ganzen 
wurden während diejer Directionsperiode 663 verjchiedene Werfe 
in 4033 Aufführungen zur Darftellung gebracht. Bon dieſen Auf- 
führungen betrafen 646 Schau- und Trauerſpiele, 1139 Luſtſpiele, 
Schwänfe und Pofjen, 513 Volks- und Ausftattungsjtüde, 1061 
Dpern, 674 Operetten. Die ernſte Richtung in Oper- und Schau- 
jpiel war durch 1707, die beitere durch 2325 Aufführungen ver- 
treten. Von den 663 Werken entfielen 462 auf deutiche Autoren 
mit 2515 Aufführungen, 201 Werte mit 1518 Aufführungen auf 
fremdſprachige Autoren. Den Franzoſen fpeciell wurden 25 Opern 
mit 409 Aufführungen, 20 Operetten (193 Auff.), 45 Schaufpiele 
(190 Auff.), 46 Luſtſpiele (210 Auff.), 16 andere dram. Producte 
(154 Auff.) zugerechnet. Die Clafjiler waren mit 71 Stüden 
vertreten. 

Um über ſchlimme Zeiten hinwegzubelfen, wie fie leider mitunter 
die Perfonalverhältniffe und andere Umjtände mit fich brachten, hatte 
die Bühnenleitung nur Ein Mittel, die Heranziehung von Gäſten, 
und von diefem wurde zeitweile ein ausgiebiger Gebrauch gemadit. 
Sp war in den langen und bangen Zagen der Baryton-Frijis 
der Baryton des Dresdener Hoftheaters, Paul Bulß, ein Sänger 
von Jelten ſchönen Mitteln und künftlerifcher Diftinction, der Netter 
des Nepertoires. Man hörte und bemwunderte ihn, wie jchon theil- 
weile erwähnt, 1882 als Zampa, Nigoletto, liegenden Holländer, 
Wolfram, NRattenfänger von Hameln; im nächiten Jahre fehrte er 
mit Fr. Schuch⸗Proska wieder und ermöglichte u. U. die Auf- 
führung der Goeß’jchen Oper „Der Wiperfpenftigen Zähmung” ; 
1884 hörte man Theodor Reichmann und Sommer, nunmehr 
die rivalifirenden Barytons der Wiener Hofoper, in ihren Glanz» 
rollen — eine gefährliche Concurrenz für die einheimiſchen Sänger! 
Die Tenor-Krijen führten eine Meihe von Gäſten und Debutanten 
nad Prag: fo hörte man im December 1882 den erjten Tenor 
des Earlsruher Hoftheaters, Alfred Oberländer,*) der als 


*) Alfr. Oberländer, 1851 geb., war nach abfolvirten Studien m 
Wien zuerft bei der Hochbauunternehmmung ber öfterr. Norbweitbahn, dann 











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Manrico, Raoul und Arnold mit jtarfem Erfolge gaftirte.und zu 
den Beſten zählte, welche Stoll zu vertreten oder zeitweile zu er- 
jegen berufen waren. Ym Sommer 1883 hörte man Nachbauer; 
der jtimmreiche franzöfiihe Tenor Prevoſt wirkte 1883 und 
1884 einige Zeit hindurch als Gaft; Gudehus brachte während 
‚eines Sommergaftipiels (1884) das Wagner-Repertotre, das aller- 
dings die Nibelungen-Tetralogie conjequent ignorirte, wieder zu 
Ehren. Nacd dem Abgange Stoll's kehrten die Tenor-Gäjte und 
Debutanten zahlreich in Prag ein: man hörte die Tenore SYofe 
Lederer, Memmler, Zobel, Erdmann, Walther, Neydthardt (nach- 
mals eugagirt), Ferenczy; ob diefe Ubwechslung der Bühne jonder: 
lich nüßte, war allerdings zu bezweifeln. Die übrigen Gäfle auf 
dem Gebiete der Oper und Operette mögen in chronologifcher 
Tolge Revue pafliren. Die Oper erhielt 1880 den Beſuch von 
Bianca Bianchi, Minnie Haud, 1881 von dem Ehepaar Arlöt- 
Padille (Frau Artöt-Badilla fang u. A. die Carmen, der ihre 
äußere Erjcheinuug nur wenig mehr entſprach), 1882 von Lili 
Lehmann und der italienifchen Operngejelljchaft Merelli mit den 
Damen Emma Nevada, Adini-Aramburo, Zelia Risley, Pascalis, 
den Herren Aramburo, Gasperini, Re, Nolli, Vaſſelli, Benfratelfi, 
deren Stagione ji) allerdings unter Abbrödelung mehrer Kräfte 


als techn. Bauleiter der Union-Bau-Materialiengejellfhaft und ald Be⸗ 
amter der Kronprinz Rudolf-Bahn thätig; ald Mitglied des Eifenbahn- 
Gelangvereins veranlaßt, feine Stimme ausbilden zu laflen, abjolvirte er 
da3 Wiener Confernatorium ald Schüler Gänsbacher's, wurde an bad 
Hofop.⸗Theater eng., überfiedelte jedoch nach acht Monaten wegen Mangels 
an entipredhender Beihäftigung als 1. Heldentenor nad) Linz, wurde nad) 
erfolgreihem Gaſtſpiel vom Herbſt 1882 an das Carlsruher Hofth. eng., 
fang vorher noch in der Krol’ichen Oper in Berlin, wo jein frifches, ſchönes 
Organ Aufſehen machte, entfaltete in Carlsruhe hinter Felix Mottl's Leitung 
auf das Beſte feine Anlagen, gaftirte nachmals in Frankfurt a. M., Eöln, 
Mannheim, Stuttgart u. f. w., wirkte in der Sommerfaifon 1884 im Covent 
Garden-Theater in London unter Hang Richter's Direction, wo er den 
Stolzing, Lohengrin, Erik, Floreftan mit großem Erfolge fang. Sm Sommer 
1886 abi. er in Prag nochmal ein längeres Gaftfpiel; über ein Eng. 
jedoch wurde feine Einigung erzielt, fo daß DO. in feinen ehrenvollen Carl9: 
ruher Eng.-Verhältniß bebarrte. 


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und unter kleineren Unglitdsfällen entwidelte — das Doppel- 
Gejtirn der Gejellichaft war das Ehepaar Adini-Aramburo (Prima- 
donna und Tenor); 1883 erfchienen außer den früher Genannten 
Lili Lehmann, die einjtige Brager Kunftnovize, welche emſt mit ihrer 
Schweiter Dearie in dem Miniatur-Theater zu S. Niclas gejpielt 
und auf den Brettern des Landestheaters ihre fchüchternen Ver⸗ 
ſuche gemadt hatte, Roſa Papier von der Wiener Hofoper 
(Amneris, Orfeus u. |. w.) und Marie Wilt, (man ſah u. U. 
die „Königin von Saba” mit der Wilt als Sulamith, Fr. Papier 
als Königin von Saba), 1884 Marie Lehmann, nunmehr bereits 
als „Fremde“, und Minnie Haud. Das Operetten-Reper- 
toire bedurfte der Auffriichung und Belebung nicht; trogdem 
hatte man auch auf diefem Gebiete mehrfachen Beſuch. 1880 ließ 
ih das Carltheater-Enjemble Tewele's mit den Damen 
Klein und Schläger (nachmals Hofopernjängerinen), Streitmann, 
Horty, Schäfer, Marberg, den Herren Tewele, Knaack, Blafel, 
Eppich, Druder u. |. w. mit mehren Specialitäten ihres Luftjpiel-, 
Poſſen⸗ und Operetten-PRepertoires jehen („Donna Juanita“ als 
Novität), ferner fah man Girardi, Carl Schent (Gatten der Frau 
Schenk⸗Ullmeyer), im nächſten Jahre Hermine Meyerhoff und 
Bertha dv. Ejepefanyi, 1884 Marie Geijtinger (u. A. als Symon 
im „Bettelſtudent“). 

In der Reihe der Schaufpielgäfte fehen wir zunächſt 
im Herbft 1879 die Meininger mit einem inhaltreichen und 
intereffanten Repertoire (Tell, Ejther, Lindner's „Bluthochzeit“, 
„Hermannſchlacht“, „Käthchen von Heilbronn”, Cäfar, Björn- 
ſon's „Zwiſchen den Schlachten”, „Räuber, Moliere's „Ge 
lehrte Frauen”, „Ahnfrau”, „Prinz FZriedrih.v. Homburg“) und 
ſtets gefteigerten Erfolgen, die fi in einer Brutto-Einnahme 
von 45.000 fl. und großen fünftleriihen Eindrücken ausprägten 
und aufs Neue von Chronegk's Feldherrnblick zeugten; das Wen: 
jtädter Theater, für welches die herzogliche Gejellichaft 12.000 fl. 
Zins an das Landestheater abführte, Hatte felten glänzendere 
Zeiten gejehen.. Schon im nächften Jahre repräfentirte die Mi— 
mifertruppe Dlartinetti’3 mit ihrem Paradeſtücke „Mongo der Affe 











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von Brajilien” und eine „ſpaniſch-andaluſiſche Sänger: und Ballet: 
geſellſchaft“ eine wenig würdige Nacdfolgerichaft der Meininger, 
die im September 1883 wiederfehrten und u. U. die Wallenitein- 
Trilogie, Arthur Fitger's „Here (als Novität), das „Winter- 
märchen“ und „Preciofa” brachten. Einzeln erjchienen in dieſer 
Hera Charlotte Wolter (wiederholt), welche u. W. die Zauberin am 
Stein und Aljunta Leoni in Prag einführte und als Camelien- 
dame, Marie Anne, Mefjalina u. |. w. Triumphe feierte, Friderike 
Bognar, die wir bereitS als Saifongaft fennen, Pauline Ullrich 
von Dresden, welche 1884—85 in ähnlicher Weife wie die Bognär 
in Öfterer Wiederfehr über jchlimme Zeiten hinmweghalf und außer 
ihren bekannten Glanzrollen auch die Hortenfe im „Probepfeil“ 
vorführte, Yojefine Wefjely, die der Kunſt und dem Leben jo 
früh Entrüdte (fie fpielte unter ftet3 gejteigertem Beifall zu Be- 
ginn d. J. 1885 das Gretchen, die Kane Eyre, Jeanne d’ Arc, 
Marianne in den „Gejchwijtern”, Ejther, Precioja, Hero, Luiſe 
und das Clärchen), Hedwig Niemann-Raabe (mit Eyprienne), 
Marie Geiftinger mit einem bunten Repertoire, das neben „The⸗ 
reſe Krones"”, „Boccaccio”, „Fledermaus“ auch die Camelien- 
dame und Marie Anne umfaßte, Joſefine Gallmeyer, Erneſtine 
Wegener, die u. U. als Cyprienne erperimentirte, Bernhard Bau⸗ 
meiſter, Meirner, Bukovies, Mitterwurzer, Junkermann (mit feinem 
plattdeutichen Repertoire), Eichenwald, Sirardi, Schweighofer u. |. w. 
Eine befondere Veranlaffung führte Hermine Albrecht als Gaft nach 
Prag. Das Gründungsjahr des deutichen Landestheater war be: 
fanntlic) lange Zeit in widerfprechender Weile angegeben worden: 
man ſchwankte zwijchen 1883 und 1884, und eben das letztere 
Jahr war von der Prager Bühnenleitung nad) älteren Angaben 
als das Yubeljahr in's Auge gefaßt worden. Da e8 dem Ver- 
fafſſer dieſes Buches zu ſpät glückte, die actenmäßige Feititellung 
des richtigen Datums (21. April 1883) zu bewirfen — dieſe 
Klarftellung erfolgte Mitte April, alfo wenige Tage vor dem that- 
fühlichen Jubeltag — jo war eine würdige Feier des Tages nicht 
mehr zu ermöglichen; man begnügte jih an dem denkwürdigen 
Tage mit einer Aufführung von Leſſing's „Emilia Galotti”, d. h. 


— 7854 — 


jenes Werkes, mit welchem am 21. April 1783 diefe Bühne 
(damals das „National⸗Theater“ des Grafen Franz Anton Noftih) 
eröffnet worden war, und berief zur Darftelung der Titelrolle 
Traun Albrecht aus Wien;*) eine Beethoven'ſche Ouverture 
leitete den Abend ein und deutete an, daß man in peinlicher 
Verlegenheit den bedeutſamſten Gedenktag des alt-ehrwürdigen 
Theaters nicht unbezeichnet laſſen wollte und doch nicht zu be- 
gehen vermochte. Im nächſten Yahre (1884) follte das Verſäumte 
nachgeholt werden, die Verhältniſſe aber lagen derart, daß auch 
dann an eine eier in großem Style nicht zu denfen war, und 
jo it das Hundertjährige Jubiläum des deutjchen Landestheaters 
in Prag ungefeiert geblieben. 


*) Die Belegung von „Emilia Galotti" am Yubeltage war 
folgende: Hettore Gonzaga-Gunz, Odvardo-Erneft, Claudia⸗Fiedler, Emilia⸗ 
Hermine Albrecht, Appiani-Sauer, Orfina-Schamberg, Marinelli-Roll, Ca⸗ 
millo Rota-Simon, Conti⸗-Prechtler, Biro-Grauert, Battifta-Siege, Kammer: 
biener-Dorner, Angelo⸗Deſſoir. Der Zettel zeigte Feinerlei Erinnerung an 
den denkwürdigen Tag. 











— 7355 — 


XXIX. 


Eine Kataſtrophe des dentfhen Sandestheaters. — Das Ende 
der Direction Kreibig. 


(Beſſerung der Finanzlage in den erſten zwei Jahren der Directions⸗ 
Stellvertretung. — Verlängerung des Kreibig'ſchen Directionsvertrags bis 
1888 mit Edmund Kreibig als ſelbſtänd. artiſt. Leiter. — Verhängnißvolle 
Zwiſchenfälle; Einwirkung der Theaterbrände auf den Theaterbeſuch; Um⸗ 
bau des Landestheaters; Concurrenz des Cechiichen Nationaltheaters. — 
Oberregiſſeur Feltſcher. — Frictionen und Conflicte. — Wechſel in der 
Intendanz; Intendant Dr. Waldert. — Neues Deficit; Erhöhung der 
Abonnementspreiſe. — Die finanzielle Kriſis im Sommer 1887; Unter⸗ 
handlungen mit Angelo Neumann in Bremen. — Edmund Kreibig bleibt 
Bühnenleiter. — Neuregelung der Kanzlei und Regie. — Carl Skraup 
als Schauſpiel-Regiſſeur und Directionsſecretär. — Neue Aushilfe des 
Conſortiums. — Skraup Oberregiſſeur und Adminiſtrationschef. — Locke⸗ 
rung der Disciplin. — Sauer-Jubiläum. — Erneute finanzielle Anſprüche 
Kreibig's; Wiederaufnahme der Unterhandlungen mit Neumann. — Edm. 
Kreibig weigert ſeinen Rücktritt. — Drohender Concurs. — Aufhebung der 
Curatel und des Sequeſters. — Maßregelungen Kreibig's. — Der Landes⸗ 
ausſchuß beſchließt die Berufung Neumann's. — Die Lage des Perſonals; 
Mitglieder-Verſammlungen. — Die Direction wird Angelo Neumann ver- 
liehen. — Bergleih3-Arrangement mit Kreibig. — Das Ende der „Firma 
Kreibig”.) 

AS Edmund Kreibig im September 1879 unbeſchadet der 
Yırma feines Vaters die Leitung des deutſchen Landestheaters über- 
nahm, fchienen jich, wie wir gejehen, die Dinge künſtleriſch zum 
Beljeren zu wenden, ‚aber auch finanziell war der Beginn eines 
vielverjprechenden Santrungsprocefjes zu conſtatiren. Kreibig jun. 
war mit Ernjt und Eifer bei der Sache, das Publikum faßte wieder 
Bertrauen zu dem verloren geglaubten Theater; dem Director: 
Stellvertreter gelang es, durch Erhöhung der Einnahmen, Herab- 
ſetzung der Sagen bei neuen Eontractsabfchlüffen und Verminderung 
der Regiefojten in den erjten zwei Jahren feiner Amtsführung 

50 


— 7806 — 


25.000 fl. von dem durch das Conſortium garantirten Betriebs- 
capital (100.000 fl.) zurüdzuzahlen und andere Gefchäftsichulden 
Kreibig senior's im Betrage von 40.000 fl. zu tilgen. AIS der 
Directiong: Vertrag jeines Vaters dem Ablaufe nahe war (der 
Contract erftredte jich befanntlich über die Zeit von Oſtern 1876 
bis Oftern 1882), ftellte Edmund Kreibig das Anfuchen um eine 
neuerliche Verlängerung diejes Vertrags an den Landesausichuß. 
Mit Rüdfiht auf die finanziellen Verbinplichkeiten der „Firma 
Kreibig”, die das Erlöfchen diefer Firma — fo dürfte in dieſem 
Falle wohl der präcifefte Ausdrud lauten — illuſoriſch gemacht 
hätte, und in Würdigung der eifrigen Thätigkeit des Director: 
Stellvertreters, von welcher man fi) Gutes für die Zufunft ver- 
ſprach, verhielt fich der Landesausſchuß nicht ablehnend; in einer 
gemeinfamen Sigung des Landesausschuffes und der Erblogen- 
Beſitzer (am 14. Mai 1881) wurde bejchloffen, in eine Verlänge⸗ 
rung des DVertragsverhältnifjeg mit der Direction Kreibig einzu- 
gehen und zwar in folgender Weife: 1. „Die Unternehmung des 
deutichen Landestheaters wird dem Director Eduard Kreibig 
auf weitere ſechs Jahre beginnend mit 1. Juli 1882 contractlich 
wie bisher überlajlen; 2. für den Fall feines Ablebens hat der 
Vertrag Über die Theaterleitung auf die weitere Contractsdauer 
an deifen Sohn Edmund zu übergehen; 3. mit der jelbjtändigen 
artiftifchen Leitung ift der bisherige Stellvertreter des ‘Directors, 
Edmund Kreibig während der Eontractsdauer zu betrauen, eventuell 
bei andauernder Verhinderung der Fortführung eine über Vor— 
Ichlag des Intendanten vom Landesausſchuſſe zu bezeichnende 
Perſönlichkeit.“ Kreibig sen., dejjen Name jomit nad) wie vor an 
der Spite des „Unternehmeng" genannt wurde, blieb in jeinem 
ftändigen Domicil zu Graz, ferne jedem Einfluß auf die Prager 
Bühnenleitung, die ausjchließlih in den Händen feines Sohnes 
ruhte. *) 


— — 





*) Eduard Kreibig hatte am Oſterſonntag 1878, alſo noch in den 
Tagen feiner Herrſchaft, im 68. Lebensjahre (geb. 1. Juli 1810 zu Prag). 
fein 40jähr. Jubiläum ald Director gefeiert. Der Intendant Baron Peche 
und dag Perſonal gratulirten. In der Adreſſe der Intendanz hieß es: 








— 187 — 


Das weitere Verbleiben der Direction war faum entjchieden, 
als eine Reihe verhängnißvoller Zwilchenfälle — Ereigniffe, deren 
Abwendung außerhalb des Vermögens der Bühnenleitung ftand — 
die Situation auf's Neue verjchlimmerte. Die im Spmmer 1881 
erfolgte Eröffnung des dechiſchen Nationaltheaters lenkte das In⸗ 
terefje mancher Kreife vom deutfchen Yandestheater ab; der Brand 
diejes Prachtgebäudes und im December darauf der Ringtheater- 
Brand in Wien wirkten derart einfchränfend auf den Theater- 
befuch, daß der Landesausfhuß fi) zur Gewährung einer Sub- 
vention von 30.000 fl. an beide Landestheater veranlaßt ſah. Die 
Boritellungen in dem Holzbau des Neuftädter Theaters waren 
ganz in Trage gejtellt,*) das deutſche Landestheater auf dem 
Obſtmarkt aber mußte mit Rückſicht auf die gebotenen Sicherheits- 


„Schaffend und bildend war Ihr Wirken an deutfhen Stätten, ftetd ber 


edlen Kunſt geweiht, zum Frommen ihrer Jünger, zum Dank der Allge-' 


meinheit. Die Intendanz, hocherfreut, theilnehmende Zeugin Ihrer Jubel⸗ 
feier zu jein, brinpt Ihnen biemit die aufrichtigften, innigften Glückwünſche 
dar, welche zurüdgreifen in die Vergangenheit und binausreichen in die 
Zukunft zum weiteften Umfange der Erreichbarkeit.” Auch eine Deputation 
des Conſortiums, VBermaltungsausichuffes nnd der artiftiichen Direction 
des cechiſchen Theaters erfchien; an der Spite des heimilchen Perjonald 
gratulirte Sauer, der 22 Fahre vorher unter Preibig feine Laufbahn be⸗ 
gonnen hatte; Frl. Bichler überreichte als Ehrengeſchenk einen filbernen 
Rorbeerfranz. Unter Jenen, deren „eriter Director” Kreibig war, waren 
and Sonnenthal und Carl Treumann. 


*) Schon im 3. 1877 Hatte e8 eine „Nenftädter- Theaterfrage“ 
gegeben. Mit Oftern 1878 follte nämlih ber Bertrag der Thomé'ſchen 
Erben ald Eigenthümer des Tcheatergebäudes mit Frau Francisca Badh- 
haibl als Eigenthümerin des Baugrundes zu Ende gehen; damit märe 
auch der Contract Kreibig’3 mit den Thome’ihen Erben, wornach ihm das 
Theater zur Benügung überlajfen wurde, gelöft worden. Neue Verband» 
lungen zwilhen R. und ben betheiligten Varteien zogen ſich in die Länge, 
ja es war bereit3 die Rede davon, daß K. eine eigene Sommerbühne 
bauen, die Eigenthümer des Neuft.-Th. aber ihr Haus einen: jelbitändigen 
Pächter überlaffen würden. Für diefen Fall num lag ein Never Thoméè's 
vor, wornad bad Neuft.-Th. ſtets nur an den Pächter des Landestheater 
vergeben werden durfte, und auf Grund dieſes Reverſes verlangte KR. die 

50” 


— 780 — 


25.000 fl. von dem durch das Conſortinm garantirten Betriebs⸗ 
capital (100.000 fl.) zurüdzuzahlen und andere Gefchäftsjchulden 
Kreibig senior’ im Betrage von 40.000 fl. zu tilgen. Als der 
Directiong- Vertrag jeines Vaters dem Ablaufe nahe war (der 
Contract erftredte fich befanntlich über die Zeit von Oftern 1876 
bis Ojftern 1882), ftellte Edmund Kreibig das Anfuchen um eine 
neuerliche Verlängerung dieſes Vertrags an den Landesausſchuß. 
Mit Rüdfiht auf die finanziellen Verbindlichkeiten der „Firma 
Kreibig”, die das Erlöichen diefer Firma — fo dürfte in diefem 
Falle wohl der präcijefte Ausdrud lauten — illuſoriſch gemacht 
hätte, und in Würdigung der eifrigen Thätigkeit des Director- 
Stellvertreters, von welcher man fi Gutes für die Zufunft ver⸗ 
ſprach, verhielt ji) der Landesausſchuß nicht ablehnend; in einer 
gemeinjamen Sigung des Landesausſchuſſes und der Erblogen- 
Beliger (am 14. Mai 1881) wurde bejchlofjen, in eine Verlänge- 
rung des Vertragsverhältniſſes mit der Direction Kreibig einzu- 
gehen und zwar in folgender Weife: 1. „Die Unternehmung des 
deutfchen Landestheaters wird dem Director Eduard Kreibig 
auf weitere ſechs Jahre beginnend mit 1. Juli 1882 contractlic 
wie bisher überlaffen; 2. für den Fall feines Ablebens hat der 
Vertrag Über die Theaterleitung auf die weitere Contractsdaner 
an deſſen Sohn Edmund zu übergehen; 3. mit der jelbftändigen 
artiftiichen Leitung ift der bisherige Stellvertreter des Directors, 
Edmund Kreibig während der ContractSdauer zu betrauen, eventuell 
bei andauernder Verhinderung der Fortführung eime über Vor: 
ihlag des Intendanten vom Landesausſchuſſe zu bezeichnende 
PVerfönlichkeit.” Kreibig sen., deifen Name fomit nach wie vor an 
der Spige des „Unternehmens" genannt wurde, blieb in jeinem 
jtändigen Domicil zu Graz, ferne jedem Einfluß auf die Prager 
Bühnenleitung, die ausjchließlih in den Händen feines Sohnes 
ruhte. *) 








*) Eduard Kreibig hatte am Ofterfonntag 1878, alfo noch in den 
Tagen feiner Herrichaft, im 68. Lebensjahre (geb. 1. Juli 1810 zu Prag), 
fein 40jäühr. Jubiläum ald Director gefeiert. Der Intendant Baron Peche 
und dag Perfonal gratulirten. In der Adreſſe der Intendanz hieß es: 














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Das weitere Verbleiben der Direction war faum entfchieden, 
als eine Reihe verhängnigvoller Zwiſchenfälle — Ereigniffe, deren 
Abwendung außerhalb des Vermögens der Bühnenleitung ftand — 
die Situation auf's Neue verfchlimmerte. Die im Sommer 1881 
erfolgte Eröffnung des Cechiichen Nationaltheaters lenkte das In⸗ 
terefie mancher Kreife vom deutfchen Landestheater ab; der Brand 
diejes Prachtgebäudes und im December darauf der Ringtheater- 
Brand in Wien wirkten derart einjchräntend auf den Theater- 
befuch, daß der Landesausfchuß fi) zur Gewährung einer Sub- 
vention von 30.000 fl. an beide Landestheater veranlaßt ſah. “Die 
Borjtellungen in dem Holzbau des Neuftädter Theaters waren 
ganz in Trage gejtellt,*) das deutjche Landestheater auf dem 
Obſtmarkt aber mußte mit Rückſicht auf die gebotenen Sicherheits- 


„Schaffend und bildenb war Ihr Wirken an deutſchen Stätten, ftet3 der 
edlen Kunft geweiht, zum Frommen ihrer Jünger, zum Dank der Allge- 
meinbeit. Die Intendanz, hocherfreut, theilnehmende Zeugin Ihrer Jubel⸗ 
feier zu fein, brinot Ihnen biemit die aufrichtigften, innigften Glückwünſche 
dar, welche zuridgreifen in die Vergangenheit und hinausreichen in bie 
Zukunft zum meiteften Umfange der Erreichbarkeit.” Auch eine Deputation 
des Conſortiums, Verwaltungsausſchuſſes und der artiftifhen Direction 
des cechiſchen Theaters erſchien; an der Spitze des heimiſchen Perſonals 
gratulirte Sauer, der 22 Jahre vorher unter Kreibig ſeine Laufbahn be⸗ 
gonnen hatte; Frl. Bichler überreichte als Ehrengeſchenk einen ſilbernen 
Lorbeerkranz. Unter Jenen, deren „erſter Director“ Kreibig war, waren 
auch Sonnenthal und Carl Treumann. 


*) Schon im J. 1877 hatte es eine „Neuftäbter-Theaterfrage” 
gegeben. Mit Oftern 1878 follte nämlich der Vertrag der Thome'jchen 
Erben ald Eigenthümer des Cheatergebändes mit Fran Francisca Bach- 
haibl als Cigenthümerin des Baugrumdes zu Ende geben; damit wäre 
auch der Contract Freibig’3 mit ben Thome’fhen Erben, wornach ihm da3 
Theater zur Benüsung überlaffen wurde, gelöft worden. Neue Berband- 
lungen zwiſchen K. und ben betheiligten Varteien zogen ſich in bie Länge, 
ja e8 war bereit3 die Rede davon, daß K. eine eigene Sommerbühne 
bauen, die Eigenthümer des Neuft.-Th. aber ihr Haus einem felbitändigen 
Pächter überlaffen würden. Für diefen Fall nun lag ein Reverd Thome’s 
vor, wornad dad Neuſt.⸗Th. ſtets nur an den Pächter des Landestheaters 
vergeben werben durfte, und auf Grund diefes Reverſes verlangte K. die 

50* 


— 783 — 


Maßnahmen einem umfaſſenden Umbau unterzogen werden, der 
das alte Theatergebäude, namentlich dejjen Bühnen: und Garde- 
roberäume weſentlich erweiterte, durch eine Vermehrung der Aus⸗ 
gänge, Erbreiterung der Corridore und die Neuanlage äußerer 
Treppen die Entleerung des Haujes bei drohender Gefahr er- 
leichterte. Diefer Umbau,, welcher durch den Architekten Achill 
Wolff geleitet wurde und eine Summe von 324.700 fl. (gedeckt 
durch den Erlös für verkaufte Obligationen aus dem Domeſtical— 
fonds) verjchlang, nahm mehre Monate in Anſpruch, während 
welcher Zeit das Neuftädter Theater allein die Heimſtätte des 
Landestheater war; eben in diefem Bretterhaufe aber fühlte fich 
das Publicum unficher in einer Zeit der Theaterbrände und 
Theater-Banifen. Außerdem entfiel fiir. die Zeit jenes Baues die 
Inſtitution der Doppel-Vorjtellungen, welche e8 der Biühnenleitung 
zur Erfriſchung der Caſſa ermöglichte, die Abonnenten im Haupt: 
theater in der Stadt zu beherbergen und gleichzeitig ein Iucratives 
Sajtjpiel „vor der Linie” im, Neuftädter Theater in Scene zu 
ſetzen. Erſt am 2. Oetober 1882 wurde das umgebaute und 
vergrößerte Haus auf dem Objtmarft feierlich der Direction über: 
geben*) und zwei Tage jpäter mit „Lohengrin“ eröffnet. Im 
nächſten Jahre öffnete das wiedererbaute techiiche Nationaltheater 


Verweigerung des Conſenſes für einen anderen Pächter. Das Obergericht 
entihied im Proceßwege zu Gunften bed Directors, der jest einen neuen 
Vertrag mit den Verpächtern abichloß. 1882 proteftirte der Bürgermeifter 
der jungen Stadt „königliche Weinberge”, in deren Bereich nun das Theater 
gehörte, gegen die Fortiegung der Vorftellungen im Neuſt.⸗“Th., eine Eigen- 
mächtigfeit, die vom Landesausſchuß zurüdgewielen wurde. Das Theater 
jelbft überging durch Kauf 1882 an Dir. Kreibig, 1883 von diefem an den 
deutichen Theaterverein. 

*) Man hatte au Anlaß der Uebergabe des Haufes eine interne 
Feier arrangirt. Die Oberregiffeure Roll und Feltſcher begrüßten ben 
Architekten Achille Wolff; Frl. Renard überreichte demſelben einen Lorbeer: 
kanz. In dem „neuen“ Haufe erichien Alles freier und bequemer; die 
lebensgefährlichen Stufen, welche zum Parquet geführt hatten, waren ver: 
ſchwunden, man ſah allenthalben elegante und zweckmäßige Ausgange, ebenfo 
waren neue Nufgänge zu den Barterrelogen hergeftellt, dad Foyer präfentirte 
fih men und elegant. Die erfte fünitleriiche That in dem umgebauten Haufe 














— 789 — 


jeine Pforten, und deutlicher denn je offenbarte jich nun jene 
nationale Spaltung des Prager Theaterpublicums, das in feiner 
früheren Bereinigung dem alten ungetheilten Landestheater eine 
feſte Baſis war und auch nach der Tremmung in feiner Mehrheit 
dem deutjchen Landestheater treublieb, ſolange dasfelbe durch die 
Güte feiner Leiftungen, den größeren fcenifchen Wpparat, das 
wechjelreiche Repertoire und den größeren Fallungsraum dem im 
Anterimstheater oder in beſchränkten Sommertheatern unterge- 
brachten Cechifchen Theater weit überlegen war. Nun trachtete 
das neue Nationaltheater, deſſen Bau und innere Einrichtung an 
und für fih jchon einen AUnziehungspunft für die indifferente 
Menge bildete, durch Ausftattungspracht, fünftlerifch hervorragende 
Opermleiftungen u. |. w. nicht nur den im deutjchen Theater 
zurüdgebliebenen Reſt des cechiihen Publicums jondern auch 
deutige Elemente an ſich zu ziehen, und die im Laufe der Zeiten 
immer ftärfer gewordene Abbrödelung von dem ehedem bomini- 
renden deutjchen Bevölferungs-Element Prags erleichterte diefe Be- 
mühungen. Es hätte gewaltiger Anftrengungen, großer Leiftungen 
bedurft, um das ehrwürdige Mutter⸗Inſtitut der dramatischen 
Kunft in Prag vor diefem Anjturm, vor den zerfegenden Ein: 
flüffen einer ungünftigen Zeit zu bewahren, und eben in diejer 
Beit fchien der Leitung der Boden unter den Füßen zu jchwinden. 
Um eine erhöhte Thätigfeit und Regſamkeit auf dem Gebiete des 
tecitirten Dramas zu bewirken, hatte der Director-Stellvertreter, 
der befanntlich die Opern-Regie perjönlich bejorgte, einen neuen 
Regiſſeur berufen, welcher — ſchauſpieleriſch unbeſchäftigt — ſeine 
ganze Aufmerkſamkeit auf das Negie-Amt zu concentriven hatte. 
Hr. Anton Feltſcher, diefer neue Negijjeur, der nun an die 
Seite und zeitweiſe an die Stelle Roll's trat, war befannt und 
geachtet in der deutichen Bühnenwelt. Nach langer und ehren: 
voller Bühnen-Carriere Hatte er als Oberregiffeur am kaiſerlichen 
Hoftheater in Petersburg eine ebenjo verantwortliche als ange: 


war bie Aufführung des 2. Theils von „Fauft” mit Sauer ald Yauft, 
Sr. Schamberg= Helena, Fri. Bichler-Eupharion. 








— 790 — 


jehene fünftleriiche Stellung eingenommen und mit dem beiten 
Erfolge ausgefüllt;*) von ihm erwartete man eine durch ſchau⸗ 
ſpieleriſche Neigungen und Pflichten unbeeinträchtigte, erjprießliche 
Negiethätigkeit. Er trat im September 1882 in Action und blieb 
bis Mai 1884 in jeinem Amte, ohne Wunder wirken zu können 
unter Umftänden, denen gegenüber nur die größte Energie umd 
Autorität Erfolge erzielen konnte. Solchen Verhältniffen war 
Feltſcher, ein älterer, an jolide Hoftheater-Zuftände gewohnter 
Herr, kaum gewachſen; es wurde zwar gearbeitet, mit der Quan- 
tität aber hielt die Qualität. nicht gleichen Schritt. Auch die 
Geſchäfts-Theilung im Negieamte war den größten Schwankungen 
unterworfen; Anfangs waltete Feltſcher neben und mit Noll, ohne 
ausdrüdlich als Oberregiffeur gekennzeichnet zu fein, dann finden 
wir ihn als alleinigen Schaufpiel-Regiffeur (mit Simon als Sub: 
jtituten) und bald darauf traten abermals neue Megieverhältniife 
ein. Frictionen, Conflicte und Proceſſe zwiichen Mitgliedern und 
Direction waren an der Tagesordnung und kamen, jelbjtverftänd- 
lich nicht immer wahrbeitsgetreu, in die Deffentlichfeit; außerdem 


— — — 





*), Anton Feltſcher, geb. 15. Febr. 1825 zu Riga, war vom Pfarr⸗ 
amt3candibaten zum Schaufp. geworben, verließ feinen Prediger in Hamburg 
und tauchte in Bremen ald Koſinski auf, wanderte durch Dentichland und 
Defterreich, obne fein Glüd zu finden, bis ihm ein Maecen den Unterricht 
bei Dr. Töpfer ermöglichte. Im Dec. 1844 trat er bei dem Dir. Grafen 
Hahn in Stade als Spiegelberg ein Eng. an, jpielte dann in Schledwig- 
Holitein, bis er nach weiteren Künftlerfahrten in Deutichland infolge eines 
Debuts als Mar Aufnahme in Weimar fand. Dur den Umgang mit 
Genaft und Adermann bildete er fi) weiter aus, wurde ein tüchtiger Mor⸗ 
timer, Cäjar, Carlos, trat ald Gaft oder Mitglied an einer Reihe von 
Hoftheatern auf, wirkte von 1859 bis 1870 in Schwerin auch als Regiifeur 
und erwarb fi) die größten Verdienſte um die Schaffung eines Mufter- 
enfembles; das auch auf Saftipielreifen befondere Würdigung fand. 1870 
fchted er, vom Großherzog reich becorirt, gaft. am Burgtheater. erkrankte 
jedoch, machte dann eine Gaftipielreife, Abernahm die Direction in Frei: 
burg i. Br., hierauf die Oberregie in Cöln, von wo er an das deutſche 
kaiſ. Theater in Petersburg kam und dort nad Königk-Tollert die maß⸗ 
gebendite Stellung erhielt. Feltſcher ftarb bald nad) feinem Abgange von 
Brag auf einer Beſitzung in der Schweiz. 














— 791 — 


jah man den XTheaterjecretär, dem der größte und verhängniß- 
vollſte Einfluß auf den Director zugefchrieben wurde, im Gegen- 
fage zu Regie und Perſonal und innerhalb der „Regie“ ſelbſt 
ernfte Differenzen, Mißjtände und principielle Gegenfäge, wie fie 
ja ſchon früher zum zeitweiligen Ausscheiden Noll’ vom Negie- 
Amte geführt hatten. Die Intendanz, welche befanntlich in den 
Händen des mildgejinnten reihen. v. Peche ruhte, war nicht im 
Stande, joldhen Zuftänden zu ftenern,; Baron Peche wirkte vielfach 
verjöhnend und vermittelnd, ein energiiches Eingreifen jedoch war 
bon ihm nicht zu erwarten, zumal ſich der Landesausfchuß ſelbſt 
der Direction Kreibig gegenüber in fataler Situation befand und 
durch mannigfache Rückſichten in jeder Action gehemmt war. Als 
die geänderten politiſchen Verhältniffe, die Ausſchließung des ver- 
faſſungstreuen Großgrundbefiges aus der Landesvertretung und 
am 12. Juni 1883 das Ausjcheiden des Freihen. dv. Peche, eines 
edlen, gütigen aber keineswegs thatkräftigen Intendanten ver- 
anlaßten,*) trat der Advocat und verfafjungstreue Landesausſchuß⸗ 


*) Joſef Carl Freiherr von Behe war als Sohn des Hofraths 
ER. v. Behe am 2. Auguft 1821 geb., wirkte Anfangs im Staatsdienft 
und zwar zulest ald Staatsanwalt:Subftitut und Staatdaumalt in Eger, 
übernahm jobann die Verwaltung jeined Gutes Petrowig und wurde Notar 
in Prag, 1861 in den böhm. Landtag gewählt, dem er mit Turzer Unter: 
brechung bis 1883 angehörte. Wiederholt in den Landesausſchuß entſendet, 
wirkte er von 1872—83 als Intendant des deutlichen Landestheaters. Em 
eifriger Parteigenofje der Verfaffungspartei und Vertreter der deutſchböhmi⸗ 
Schen Sntereffen, war er auch ein werkthätiges Mitglied des Wahlcomites 
des verfaffungstreuen Großgrundbefiges und ſchied aus dem Landtage und 
Landesausſchuſſe, als die deutihe Majorität deöfelben der Cechifchen wich 
und die beutiche Partei im Großgrundbefige ohne Vertretung blieb. Seit 
1877 war ®., der 1868 den Orden ber Eif. Krone 3. Claſſe erhalten, 1878 
in den Freiherenftand erhoben worden war, auch Oberdirector ber böhmischen 
Sparcafja. Das Berjonal des deutihen Landestheaters verlor in ihm einen 
verehrten und Tiebenswürdigen Intendanten. Am 19: März 1884 über- 
reichte ihm eine Deputation der Künſtler eine Adreffe, worin e3 hieß: „Der 
hebren Miffion, die Ihnen geworben mar, die Brager Bühne anf der Stufe 
eines nationalen Bildungsinftitut3 zu erhalten, wurden Sie nad allen 
Kräften gerecht; freudig und opfermwillig festen die Bühnenangehörigen 





— 72 — 


beifiger Dr. Anton Waldert, in die Breiche und juchte dem 
Einfluß der Intendanz auf das Theater duch ernftere Maß- 
nahmen geltend zu machen, indem er jchon im September eine, 
mannigfache Webelftände riigende Zujchrift an die Direction erließ. 
Bejorgnißerregend machten ſich nun aber audy die finanziellen 
Mebeljtände geltend, die eine immer größere Ausdehnung ange 
„nommen hatten. Der Gagen-Etat hatte wieder die Höhe von 
224.000 fl. erreicht, und an eine Herabminderung ohne Schädigung 
der künftlerischen Güte des Anftituts war nicht zu denken. Dabei 
ftanden 3. B. 1882 den Ausgaben im Betrage von 305.000 fl. 
uur eine Einnahme von 302.000 fl. gegenüber. Man fuchte 
fi) durch eine Erhöhung des Abonnementspreifes zu helfen. Der 
Landesausſchuß hatte am 27. December 1884 Über die vom Inten— 
danten vorgebradhten und unterjtügten Wünfche der Direction 
genehmigt, daß bei dem für 1884 auszufchreibenden Abonnement 
auf 300 Vorftellungen nachjtehende Preife einzuheben feien: für 
eine Loge erjten Ranges 1500 fl. (bisher 1350 fl.), für eine 
‚ Xoge zweiten Ranges 1200 fl. (bisher 1072 fl.), einen Fauteuiſſitz 
375 fl. (früher 350 fl), Parterrefig 240 fl. (gegen 225 fl.), und 
zwar jollten dieje 300 PVorjtellungen vom 1. Jäner 1884 bis 
30. November abgehalten werden, was eine Ermäßigung der Vor: 
jtellungen bei aufgehobenem Abonnement bedeutete. Ferner fuchte 
die Direction um eine Erhöhung der Landessfubvention 
und die Uebernahme der Koften,: welche ihr durch die behördlich 


unter Ihrer Oberleitung ihr Beites ein. Dieje hehre Aufgabe, deren Löſung 
das deutiche Landestheater gerade unter den gegenwärtigen Berbältnifien 
nicht außer Acht laffen darf, zu verwirklichen, die Erfüllung diejer ſchönen 
Pflicht wurde ung umfo leichter, ald Sie, hochgeehrter Hr. Baron, mit 
rühmenswerther Herzensgüte fich beftrebten, allen Wünſchen entgegenzu- 
fommen, nicht nur den erften Künftlern fondern auch dem geringften ber 
Angeftellten ein theilnehmenbes Herz bezeigend. Nehmen Sie bei Ihrem 
Rücktritte, den wir tief und fchmerzlich beflagen, unferen berzlichen und 
innigen Dank und die anfrichtige VBerfiherung entgegen, dab Ihr Name 
den Angehörigen des Prager Theaters unvergeßlich bleiben wird.” — Baron 
Peche verichted, nachdem er am 20. Oct. 1885 feine Gattin (geb. Gräftn 
Segur) durch den Tod verloren hatte, am 26. April 1886 zu Prag. 


— 793 — 


angeordueten vermehrten Sicherheits: Maßregeln erwuchſen, auf 
- Rechnung des Landes an. Diejen Wunſch fonnte der Intendant 
jedoch nicht befürworten. Zu Begiun des Sommers 1884 hatten 
die finanziellen Schwierigkeiten bereits einen ſolchen Grad erreicht, 
daß die Fortdauer des Kreibig'ſchen Contracts unmöglich fchien 
und der Gedanke nahelag, die Direetion einer anderen Perjön- 
lichkeit zu übertragen, deren finanzielle Verhältniſſe hinreichende 
Garantien für eine Wigperherftellung geordneter Theaterzujtände 
boten. Ging das Eonfortium und die Intendanz bei den bezüg: 
lichen Informationen und Verhandlungen auch mit größter Discre- 
tion und Vorſicht zu Werke, jo Tonnte doch nicht verhütet werden, 
daß Gerüchte darüber unter das Perſonal und Publicum drangen 
und- lebhafte Beunruhigung hervorriefen, das Vertrauen zu der 
Bühnenleitung und dem Theater überhaupt erjchütterten. Der 
Director des Bremer Stadttheaters, Angelo Neumann, erichien 
um diefe Zeit in Prag, und der Landesausſchuß beſchloß in feiner 
Sigung vom 31. Juli, den Intendanten zu beauftragen, mit dieſem 
beacdhtenswerthen Bewerber Verhandlungen einzuleiten, damit er 
mit 1. Sept. 1884 die Direction des deutjchen Landestheaterg 
übernehme. Man war zu Opfern entichloffen, um eine folche 
Entſcheidung herbeizuführen und damit die theatralifche und finan⸗ 
zielle Krifis zu beheben, die privaten ökonomiſchen Verhältniſſe 
Kreibig’3, an denen die betheiligten Kreife ein großes Intereſſe 
hatten und die verwidelten Verhältniife des Theaters gleichzeitig 
zu ordnen. Die Prager Kournale bejchäftigten jich bereits ange- 
legentlih mit der Tcheaterfrage, und die ernfte Kritif verfehlte 
nicht, ihre Stimme dafür zu erheben, daß dem deutfchen Theater 
in Prag, „einem würdigen Gliede im großen Organismus der 
deutjchen Kunftwelt, einem ggijtigen Centrum der Deutſchen in 
Prag und Böhmen, einer vornehmen Stätte deutjcher Cultur, 
Sprache und Geſittung auf gefährdetem und umftrittenen Boden“, 
endlich eine künſtleriſch und Literariich bedeutende Leitung gegeben 
werde. Und in der That, gerade die Zeit, da das Deutjchthum 
in Böhmen nicht mehr wie ehedem forglos in dominirender Poji- 
tion daftand, da es ſich vielmehr, von den Wogen des Slaven—⸗ 


— 794 — 


thums umbrandet, vielfach eingeengt, einer Bofition nah der 
anderen beraubt ſah, war jchledht gewählt zu einer Kriſis des 
dentjchen Landestheaters, der ehrwürdigen Hochburg deutjcher Kunft 
in Böhmen. 

Doch die Löſung war noch ferner als man glaubte. Angelo 
Neumann, dem die maßgebenden Kreiſe eine Fülle von Vertrauen 
entgegentrugen, erhielt von dem Senat der freien Stadt Bremen 
die angefuchte Entlaffung nicht, und diegBerhandlungen, in deren 
Berlaufe das Conjortinm bereits auf fein Pfandrecht auf den 
Fundus verzichtet hatte, zerichlugen fih. Edmund Kreibig blieb 
an der Spige der Prager Bühne, und zwar in ernfter Lage, 
welche die höchſten Anſprüche an feine Klugheit und Kraft ſtellte. 
Treffliche Künftler und Künftlerinen (die Damen Lehmann und 
Klein, Schebefta und Stoll) waren dem Synftitute verloren und 
nicht zu erjegen; die Zurlidigebliebenen waren in dem Vertrauen 
zu der Sadhe erjchüttert, der fie dienten. Mit 1. Aug. 1884 
hatte Kreibig, um Kanzlei und Regie zu regeln, einen Mann 
an jeine Seite berufen, von deſſen Ergebenheit und ehrlichen Ab⸗ 
fihten er überzeugt ſein durfte; e8 war der Schaufpieler und 
Schriftiteller Carl Straup, deflen Amt zunächft ganz ungeregelt 
und unklar fchien. C. Skraup, der Sohn des greifen Capell- 
meiſters Johann Nepomuf Straup, aufgewachien in der Prager 
Theater-Atmofphäre,*) erfüllt von den beften Abfichten, war von 








*) Carl Skraup ift 1851 in Prag geboren, diente alö abet im 
10. Feld-Artillerie-Regiment und erwäblte 1871, von Kühns geprüft, deu 
Theater-Beruf. Nachdem er das erfte Jahr auf Heineren Bühnen „prafticirt” 
hatte, fand er Engagement am Hoftheater in Oldenburg, wurde 1874 zu 
einem Probegaftipiel an's Burgtheater berufen, aber als „derzeit noch 
unreif” nicht eng., worauf er in Nürnberg, Züri, Amfterdam, Breslan 
und Brünn wirkte, bis er 1879 als Liebh. an das deutſche Landestheater 
nah Prag eng. wurbe. Da er feine entſprechende Beihäftigung fand, nahm 
er nach ſechs Monaten felbjt feine Entlafjung, um abermals nach Breslau, 
daun nach Freiburg i. B. zu geben. 1881 vermälte er fi mit ber am 
Prager Niclastheater künſtleriſch emporgewachſenen anmuthigen Schau⸗ 
fpielerin Frl. Leuthner, unterordnete nunmehr feine Carriere jener feiner 
Fran und widmete ſich vorwiegend einer inftructiven und ſchriftſtelleriſchen 








— 799 — 


vorneherein in zweijelhafter Stellung, da e8 der Director-Stell- 
vertreter längere Zeit vermied, feine Functionen zu präcifiren und 
ihn den nädjitbetheiligten Perfonen als Functionär der Negie und 
Kanzlei vorzuftellen. In erfterer Sphäre ſah er fih als „Schaus- 
ſpielregiſſeur“ neben einen anderen Schaufpiel- und Oberregiljeur, 
in der Kanzlei neben den mit großen nicht-officiellen Machtbefug⸗ 
niſſen ausgejtatteten Secretär Kerſch geftellt, und es war nicht 
leicht, daS Actionsbereich jedes der Beiden abzugrenzen. Bezeid)- 
nend ift e8, daß der neue Regiſſeur dem Kanzleivorftand als 
Schaufpielregiffeur, dem Oberregiſſeur Noll aber alg Secretär 
präfentirt wurde. Auf dem Gebiete des Schaufpiels veranlaßte 
die doppelte Regie eine erhöhte Thätigfeit; die Proben wurden 
mit Feuereifer betrieben, doch machten ſich nur zu bald and . 
Uebelftände geltend, indem der bisherige alleinige Oberregiſſeur 
Roll, in feiner Autorität verlegt und in feinen Yunctionen be- 
einträchtigt, ji dagegen fträubte, unter der Regie Skraup zu 
jpielen. Im Bertonale war längft eine gewiſſe Loderung der 
Disciplin eingetreten, welche eine unbedingte Hingabe an das 
Inſtitut, die opferwillige Uebernahme von Partien zum Beſten 
des Ganzen immer feltener machte. Die Sicherung des Novitäten- 
Repertoires für die Winterfaifon begegnete finanziellen Schwierig- 
feiten, da die Prager Bühne für mehre Monate mit den Autoren⸗ 
Honoraren im Rüdjtande war, eine Differenz, die nun von Skraup 
al8 Bertrauensmann und Bevollmächtigter der Direction beglichen 
wurde. Um die Mittel zur Dedung des Gagen-Etats zu bejchaffen 
und neue Perfonal-Acquifitionen zu ermöglichen, appellirte Skraup 
Thätigkeit. Gr folgte feiner Frau in deren Eng. an die Hoftheater in 
Dresden und Petersburg, wo er das Unglüd hatte, in drei Tagen die 
Oattin, deren Mutter und fein Kind erfter Ehe infolge einer epidemiſchen 
Diphtheritis zu verlieren. Gebrochen durch diefen Schidfalsichlag, beichloß 
er, der Bühne gänzlich zu entjagen und fih in Prag ald Schriftfteller eine 
Eriftenz zu begründen. Doc war jein Intereſſe für das Theater nicht 
geihmwunden, und muthig wagte er fih an bie ihm von Freibig geitellten 
neuen fchweren Aufgaben heran. Er wurde nad dem Zufammenbruche ber 
Kreibig'ſchen Direction Profeilor der Declamation am Prager Conſerva⸗ 
torium und wirfte außerdem ald Tcheaterjchriftiteller. 


— 76 — 


im Namen der Direction an ein Mitglied des bisherigen Confor- 
tinms, deſſen Opferwilligfeit in Anbetracht künſtleriſcher und 
nationaler Intereſſen bewährt war, den Fabrikanten Alerander 
Richter, um von ihm im Intereſſe eines den Deutfchen Böhmens 
jo werthvollen Inſtituts Hilfe zu erbitten. Und diefe Hilfe wurde 
großmüthig gewährt: Regiſſeur Skraup wurde aufgefordert, den 
Männern, welche ſich mit Richter entjchlojlen, dem Theater 
nochmals beizufpringen, Neformpläne zu entwideln und die Höhe 
der jchwebenden Schulden anzugeben. Auf Grund der Angaben 
des Director-Stellvertreter8 Kreibig konnte Sfraup annchnen, 
daß mit einer Summe von 40.000 fl. die Tilgung der Schulden 
und bei gleichzeitiger Erhöhung der fünftlerifchen Leiſtungen all 
mälig auch die Befeitigung des Deficits zu ermöglichen wäre. 
In Bezug auf die Oper mußte er für die nächſte Satjon 
Dispens Namens der Direction erbitten, da bei der vorge 
jchrittenen Zeit (October 1884) gute Engagements faum zu 
erhoffen waren, dagegen wurde eine vermehrte Thätigkeit auf 
dem Gebiete des recitirten Dramas in Ausficht gejtellt. Die 
Herren — und zwar ler. Richter, Dr. Schmeyfal, Dr. Waldert 
und Dr. Zunterer — forderten für einzelne Mitglieder folche 
Gageabzüge, die contractlich möglich waren, jowie die Beſtellung 
Straup’s zum Oberregiffeur, betraut mit ausgedehnten künſtleri⸗ 
ſchen und adminiſtrativen Functionen, und willigten in die Zahlung 
der begehrten 40.000 fl., wobei jie jedoch ausdrüdlich crflärten, 
ein weiterer Zuſchuß würde abjolut nicht bewilligt, im Falle 
wiederholter Forderungen vielmehr der Stab über die Direction 
Kreibig gebrochen und die Verhandlungen mit Angelo Neumann 
abermals aufgenommen werden. Damit war der Bühnenleitung noch» 
mals Gelegenheit geboten, fich zu erheben; Edmund Kreibig acceptirte 
alle Bedingungen der Hilfsgruppe, ftellte mit 1. Oct. Herrn Carl 
Skraup dem Perjonale als „Oberregiffeur" vor, bewilfigte 
dem Xheater-Secretät Kerſch, deſſen Einfluß und Wirkung 
iphäre bereits eine wejentlihe Einſchränkung erfahren Hatte, die 
erbetene Entlajjung und injtallirte den neuen Oberregijjeur auch als 
„Dramaturgen, Divections-Secretär und Adminiftrations-Chef" — 











— 797 — 


ein Ueberfluß von Titeln, der als jchwere Bürde auf dem glüd- 
lichen Träger laſten mußte. Zunächſt fchien das Nebeneinander 
von zwei Oberregifjeuren, denen ja eigentlih noch Dir. Kreibig 
als Oberregiffeur der Oper zuzuzählen war, unbaltbar; wohl 
war verſucht worden, die Actiong-Sphären Beider infofern aus- 
einanderzuhalten, daß Roll vorwiegend die Tragödie, Skraup vor- 
wiegend das Converfationsftüd und im Verein mit dem Director 
die. Oper leiten follte (ein Zefecollegium, beftehend aus den Herren 
Roll, Skraup, Kühns, Deſſoir, Martinelli, follte die Beurtheilung 
eingereichter oder zur Aufführung vorgeſchlagener Stüde bejorgen) ; 
doch wurde eine jolde Abgrenzung jchon dadurch illuſoriſch, daß 
ſich Roll dagegen fträubte, Sfraup als „Oberregiffeur” anzu: 
erfennen und Rollen entgegenzunehmen, die ihm von dieſem zuge- 
theilt waren. Andere innere Zerwürfniffe und Differenzen Tehrten 
zahlreich wieder; die Disciplin erlitt neue Erjchütterungen, wichtige 
Fächer wie jenes des eriten Tenors und der Heroine fonnten nicht 
bejegt werden — erſt mit 1. Mai 1885 dArfte man em com: 
plete8 Berjonal erwarten. Mehr denn je bejchäftigte ſich die 
Deffentlichfeit mit ven Mängeln, Schäden und abnormen Zuftänden 
des deutſchen Landestheaters, zumal wenig gethan wurde, dieſe 
Zuftände mit einem mohlthätigen Schleier zu verhüllen. So zeigte 
zu Beginn des Jahres 1885 Oberregilfeur Roll offen an, „daß 
er wegen mannigfacher, die Disciplin erjchütternder Vorgänge 
jowie wegen der einer würdigen Inſcenirung des „Macbeth“ 
entgegengejegten Schwierigfeiten von der Oberregie zuriüd- 
trete und dies der Intendanz ſowohl als der Direction mitgetheilt 
babe. Die Direction ihrerjeitS proteftirte gegen dieje Erklärung 
und erhob gegen den Oberregifjeur den Vorwurf, er fei es ge- 
wejen, der einfach die gegebene Zeit zur Vorbereitung nicht genügt 
und der Direction und dem Oberregiſſeur Sfraup Hemmnifje in 
den Weg gelegt habe, eine andere Disciplinlofigfeit aber befiehe 
am deutschen Landestheater nicht. 

Unter all’ diefen widrigen DVerhältniffen hatte man doch ab 
und zu glüdliche und würdige Thaten zu verzeichnen, denn an 
raftlojem Eifer in der Directions- und Regie-Arbeit ließ eg Edmund 


— 198 — 


Kreibig, ebenfo eifrig unterftüßt von Carl Sfraup,*) auch ın 
den ungünftigiten Seiten nicht fehlen, und den beiden Ober 
regifjeuren fehlte es keineswegs an Geſchick, um Gutes und Bor- 
zügliches zu leilten. So jah man im Auguft 1884 zur Goethe⸗ 
Feier eine interefjante Aufführung des zweiten Theiles von „Trauft“ 
in der Einrichtung von A. Marks mit der Muſik von Pierjon, 
bejegt mit Roll als Meftfto, Sauer als Fauit, Frl. Meyer als 
Helena. Die Monate October, November und December ließen 
fih fogar entfchieden erfolgreih an. Mit Pauline Ullrich in 
Dresden war — zum Erſatz der mangelnden Heroine — ein vier: 
maliges Gaſtſpiel per Monat vereinbart, im December intereflirte 
und „zog“ Kofefine Weſſely, und das Luftfpiel-Repertoire hatte an 
dem „Raub der Sabinerinen” einen „Caſſa⸗Magnet“ gewonnen, 
jo daß das Abonnement pro 1885 keineswegs, wie befürchtet 
worden war, ſank, jondern fogar eine Steigerung erfuhr. Einen 





*) Die Intendanz ftellte Carl Straup über feine Thätigkeit das 
folgende Zeugniß aus: „Bon der Intendanz des königl. beutfchen Landes» 
theaters in Prag wird hiemit beftätiget, daß Herr Carl Straup aus 
Prag in ber Zeit vom 1. September 1884 bis Ende Mai 1885 als Ober- 
regtiffeur am beutichen Landestheater angeftellt war. Diele Anftellung 
ift zu dem Zwede erfolgt, damit Herr Skraup bie in der Leitung dieſes 
Runftinftitutes eingeriffene Zerfahrenheit bejeitige, an deren Stelle eine 
ftrenge Discipfin unter dem gefammten Bühnen- und technifchen Perſonale 
einführe, und nach und nach das Repertoire den gerechten Anſprüchen bes 
Publicums und der Kritik entiprechend geftalte. Zu diefem Behufe wurden 
ihm viele weit über den Wirkungskreis eines Oberregiſſeurs 
hinausgehende Befugnijje eingeräumt. Es wird hiemit beicher- 
niget, daß Herr Karl Skraup biefen in ibn geſetzten Ermartungen ent: 
ſprochen und bewieſen bat, daß er alle zur »Führung eines großen Theaters 
nötbigen perjönlichen Eigenfchaften befige. Das deutiche Randestheater hat 
unter feiner unmittelbaren Leitung im, der That einen erfreulichen Auf 
ſchwung genommen, und wenn berjelbe nicht von Dauer gemejen, wenn 
deffenungeachtet der damaligen Direction des deutſchen Randestheaters nicht 
mehr geholfen werden konnte, fo muß dies zunädhft ben zerrütteten finanziellen 
Berhältnifien dieſer Direction zugefchrieben werden, welche den eifrigften 
und beftgemeinten Beftrebungen des Herren Carl Skraup unüberwindliche 
Hinderniffe in den Weg gelegt haben. — Prag, am 26. September 1885. 
Dr. Waldert, Intendant.“ 








— 79 — 


glanzvollen Abend bedeutete auch der 19. November 1885, an 
welchem das 25jähr. Jubiläum Edmund Sauer’s ald Mitglied 
der Prager Bühne gefeiert wurde. Sauer, einer jener Künftler, 
die in ihrer Güte und Popularität an die Tage Bayer's und 
Polawsky's mahnten und als Säulen des Inſtituts tröftend noch 
in diejen Tagen emporragten, hatte mit unverminderter Kraft und 
im unbefchränften Bejige allgemeiner Sympathien das Fach des 
eriten Helden verwaltet, in der Tragödie, im Converjationsftücd 
und Luſtſpiel Tünftlerifch gediegene Leitungen geboten und war 
jo in ganzer Kraftfülle zum Jubilar emporgewachſen. Am Jubi—⸗ 
läums⸗Abende }pielte er den Kean und wurde faft erdrückt von 
Dvationen. Deputationen des deutichen Theatervereins, der Con⸗ 
cordia, des deutichen Caſinos, Zelegramme von Nah und Fern 
langten ein; die Caſſa hatte einem unerhörten Anjturm Stand 
zu halten; die deutichen Vereine, deren Zwecke Sauer ſtets in un- 
eigennügiger Weife gefördert hatte, waren zahlreich vertreten, im 
Haufe wurde ein Gedicht von Julius Kehlheim vertheilt. Der 
Jubilar fpielte feine Rolle unter fortwährenden Beifallsitiirmen, 
überjchüttet mit einer Blumenfülle, und richtete eine mit neuem 
Beifall begrüßte Danfrede an das Bublicum, worin er an feinen 
Entwidelungsgang in Prag, an feine ECollegen von 1859 u. |. w. 
pietätvoll erinnerte. Bei der Nachfeier auf der Bühne hielt in 
Anwejenheit des Gefammt-Perjonald der Intendant Dr. Waldert 
eine Anſprache an den Gefeierten, worin er ihn als „Säule des 
Inſtituts“ Tennzeichnete und die Aufnahme feines Porträts (als 
Poſa) in die Ehren-Galerie des Theaters antündigte; auch ilber- 
reichte ‚ver Intendant eine Adreſſe. Nach dem Intendanten beglüd- 
wünfchte der Director, hierauf Kühns im Namen der Collegen 
den Jubilar, einen prachtvollen Lorbeerkranz überreichend, deſſen 
Blätter die Titel von 25 Glanzrollen Sauer’3 zierten. Bei dem 
Seitbanfett der Concordia vermehrte noch ein Silberpocal die 
Fülle der Feſtgeſchenke. Sauer hat in dem Bierteljahrhundert 
feiner Prager Thätigkeit von 1859 bis 1871 jugendliche Helden, 
von 1871 bis 1885 Helden und erfte Converfationsliebhaber und 
die ganze „Scala" der Ydealgeftalten der großen Dichter (Carlos 





— 800 — 


und Poſa, Romeo und Mercutio, Mortimer und Leiceſter) geſpielt, 
im Alter von 22 Jahren bereits eine hervorragende künſtleriſche 
. Stellung eingenommen und konnte nad) feinem Abgange von Prag 
am Berliner Hoftheater 1886 fein Gaftjpiel in derjelben Rolle 
eröffnen, in der er 1864 an derjelben Stelle fein Gaftjpiel be- 
gennen hatte: als Uriel Acojta. Die Berliner Hofbühne feflelte 
den Künſtler, der nad) dem neuerdings geänderten Statut des 
Prager Benjionsfonds hier bereits „voller Benfionär” (mit 1600 ft. 
Jahresbezügen) geworden war und berief ihn an die Stelle 
Berndal’s, — eine hervorragende Pofition, die Sauer mit Aus: 
zeichnung behauptet. 

Der glanzvolle Ehren-Abend Sauer's mochte unter den Ge: 
treuen des deutjchen Yandestheaters wehmlthige Empfindungen ber: 
vorrufen, denn troß vorübergehender Erfolge wurde e8 immer wahr: 
Scheinlicher, daß das altehrwürdige Inſtitut einer Kataſtrophe nicht 
mehr fernjtehbe. Am 1. Jäner forderte Kreibig jun. die Tilgung. 
einer alten Schuld von 6000 fl., welche in dem legten Schulden: 
Ueberichlag nicht enthalten war; das „Conſortium“, welches die 
Abonnements⸗Gelder in Verwahrung hatte, ſetzte diefer Forderung 
eine entichiedene Ablehnung entgegen, und in der Ueberzeugung 
von der Unmöglichkeit einer Santrung diefer Zuftände, wurde in den 
maßgebenden Kreifen die Herbeiführung eines Directionswechiels 
bejchlofjen. Im Februar 1885 juchte der Intendant den Director: 
Stellvertreter (und damit felbitverftändlich auc) den „Unternehmer") 
Kreibig zum Rüdtritt zu bewegen, ohne fein Ziel zu erreichen. 

„sh nehme mir die Freiheit” — antwortete unter dem 26. Febr. 
Edmund Kreibig jun. — „zu erflären, daß ich mid; weder vom morali: 
fhen noch künſtleriſchen noch finanziellen Standpunkte aus veranlaßt ſehe. 
von meinem Contracte vor Ablauf desfelben zurüdzutreten. Sch Tann be= 
ruhigt in die Zukunft ſehen mit dem Bewußtſein, Alles gethan zu haben, 
das Intereſſe des Inſtituts zu heben und zu fördern. Nachdem ich erwarten 
Tann, daß mir in diefem Beftreben feine Schwierigkeiten bereitet werden, 
ſehe ih mich veranlagt, nochmals zu erklären, daß ich an einen Rücktritt 
von der Direction nicht benfe.“ 

Wohnte auch diejen Worten eine Berechtigung injoferne inne, 
als Kreibig jun. thatſächlich mit großem Fleiß fein künſtleriſches 

















— 801 — 


Amt verwaltet hatte, jo war es doch Har, daß die ‘Direction nur 
mit außerordentlichen Opfern und wenig Ausſicht auf danernden 
Erfolg noch ferner zu halten war und daß die Lage der Bühne zu 
den größten Befürchtungen bevechtige. Die Kunde von dem wahren 
Stande der Dinge war zudem in die Deffentlichleit und vor Allem 
unter das Perjonal gedrungen. Man wußte, daß nunmehr Kreibig 
geopfert jei, daß die Beziehungen zu Angelo Neuntaun wieder 
aufgenommen feien, und eine zunehmende Loderung der Disciplin 
fowie jedes künſtleriſchen Eifers in dem einer ungewiſſen Zukunft 
preisgegebenen Perfonal, Apathie des Theaterpublicums und Er- 
böhung des Deficits waren die Confequenzen diefer Sachlage. 
Der Concurs der Direction war faum mehr zu permeiden. Mit 
Ende März 1885 wurde die Curatel des Confortiums und 
die Sequefttation aufgehoben, hierauf ein Vergleich2-Arrangement 
zwiſchen der Direction und allen betheiligten Factoren angebahnt. 
Im Upril und Mai gerieth bereits — ein unerhörtes Creigniß 
an diefem Inſtitut — die Gagenzahlung in's Stoden; man mußte 
um jeden Preis zu Ende kommen! Am 8. April erjtattete der 
Intendant Dr. Waldert dem Landesausſchuſſe Bericht „über die 
durch die gegenwärtige Direction Sreibig verjchuldete überaus 
ungünjtige Situation des deutjchen Tandestheaters". Unter diejen 
Berhältniffen — erklärte er — könne es nicht weitergehen; wenn 
feine Aenderung einträte, würde er im nächiten Halbjahre die 
Entziehung der Subvention beantragen. Die Auszahlung der 
Abonnementsgelder jei dem Director von 6000 auf 4000 fl. redu- 
eirt, auch fei derjelbe durch die Intendanz brieflich verjtändigt 
worden, daß fich diejelbe gendthigt ſähe, Strafen über ihn zu 
verhängen, wenn er in Zukunft Theaterfräfte von der Qualität 
einiger der legten Debutantinen filr das Fach der Coloratur- 
jängerin auftreten lafjen würde, deren Unfähigkeit bei der ‘Probe 
erjichtlich fein mußte; ebenfo wilden Strafen über die Direction 
verhängt werden, falls bei großen Opern entgegen den contract» 
lichen Verpflichtungen das Orchefter unverftärft bleiben wilrde. 
Der Landesausſchuß nahm diefe Mittheilungen genehmigend zur 
Renntniß. Zwei Tage Später befchäftigte ſich auch der neue deutſche 

| 51 


— 802 — 


Theaterverein — deſſen Entjtchung und Zweck im nächjten Ab⸗ 
Schnitt dargelegt werden foll — als nunmehriger Eigenthiimer des 
Neuftädter Theaters mit der herrichenden Kriſis. Kreibig jun. 
batte zu Beginn der letzten Satjon um Erlaß des Bachtzinjes 
für diefes Theater angeſucht; der Ausfchuß aber hatte die Er- 
ledigung dieſes Geſuchs von dem Eindrude der Theaterführung 
abhängig gemacht. Nun erfolgte eine ablehnende Entfcheidung und 
wurde überdies der Direction bedeutet, Daß ihr vor Befriedigung 
der Forderungen für die fahre 1884—85 die Benutzung des 
Neuftädter Theaters nicht geftattet werden dürfe. Am 20. April 
traf Angelo Neumann in Prag ein, begann die Unterhand- 
lungen mit der Intendanz, zeigte jedoch nachträglich an, daß er 
erjt mit 1. Auguſt die Leitung der Bühne übernehmen würde, 
welche bis Ende Juni in der Verwaltung Kreibig's oder eines 
Regiecollegiums bleiben möge. In der Landesausfchußfigung vom 
9. Mai, welcher die Logenbefiger Fürſt Carlos Auersperg, 
Ernjt Graf Waldftein- Wartenberg, Oswald Graf Thun 
Hohenftein, Albrecht Graf Kaunig-NRietberg perjönlich bei: 
wohnten, während Fürft Camil Rohan und Graf Erwein Noſtitz 
durch Bevollmächtigte vertreten waren, trug Dr. Walvert feinen 
Bericht über die Verhandlungen mit dem künftigen Director vor; 
für Kreibig trat nur mehr Fürſt Carlos Auersperg ein, aber aud) 
die Bedingungen Neumann’s wurden wenig annehmbar befunden. 
An demſelben Zage fand über Einladung des Intendanten eine 
Künftlerverfammlung zur Stellungnahme in diefer acuten Kriſis 
unter Vorſitz des Schaufpielers Geiger ftatt, in welcher folgen- 
der Beichluß gefaßt und dem Intendanten mitgetheilt wurde: 
„Trotzdem und das Bewußtſein trägt, die gegenwärtige mißliche Rage 
nicht verfchuldet zu haben, find wir doch bereit, zur Aufrechterhaltung dieſes 
Kunſtinſtituts während des Sommers eventuelle Opfer zu bringen unter 
der Bedingung, daß die aus unferen Verträgen ſich ergebenden Rechte im 


vollen Umfange gewahrt bleiben. Wir fehen weiteren VBerfländigungen der 
Intendanz vertrauensvoll entgegen und zeichnen 2c.” 


Eben in legterer Hinficht aber, in Hinlicht der Uebernahme 
und Refpectirung ihrer Verträge, drohten dem Perſonal Gefahren, 
wie fie am Prager Theater feit undenkbarer Zeit nicht gekannt 


— 803 — 


worden waren. Die fommende Direction fträubte fich beharrlich 
dagegen, das Perfonal zu übernehmen; fie verweigerte auch nach 
wie vor die jofortige Uebernahme des Theaters und die verlangten 
Preije für den Kreibig’ichen Fundus. Das deutfche Landestheater 
zu Prag befand ſich in der unmwürdigften Situation, in der e8 
jemals geweſen: tiefe Entmuthigung beherrichte feine Künftler- 
fchaar, dunkel Tag die Zukunft vor einem Inſtitute, das länger 
als ein Jahrhundert der Stolz des Landes und Prags fein konnte. 
Edmund Kreibig machte nochmals verzweifelte Anftrengungen, das 
finfende Schiff und ſeine Direction zu retten. In der Landes- 
ausfchußfigung vom 13. Mat hatte der Intendant über die Bitte 
des bisherigen Directors zu referiren, daß ihm die aus den Abon- 
nements⸗Geldern monatlich) auszufolgenden Quoten nicht wie bisher 
nach Ablauf des Monat? postnumerando fondern in anticipando- 
Raten ausgefolgt würden; nach Genehmigung diejes werde er Vor- 
Ihläge zur Befjerung der Theaterzuftände erftatten. Der Landes» 
ausſchuß lehnte ab, da die postnumerando-Zahlung zur Sicherung 
der Abonnenten nothwendig jei und Reformvorſchläge jet zu ſpät 
fünen. Damit war der Untergang Kreibig’S befiegelt. Nochmals 
trat das Perfonal am 14. Mai unter dem Vorſitze Martinelli's 
zu einer bewegten Berathung zuſammen — jeine Erijtenz ftand 
auf dem Spiele! 


Der Intendant Dr. Waldert vertrat den Landesausſchuß und machte 
den Berfammelten wenig erhebende Eröffnungen. Das deutiche Landes» 
theater — erflärte er — führe wohl den Namen „Landestheater“, fei aber, 
was die finanzielle Leitung betrifft, eigentlich ein Privattbeater, bei welchem 
die Gontracte mit der Pirection ftehen und fallen. An der gegenwärtigen 
Lage fei der Landesausſchuß ebenjo wie das Perſonal unfhuldig; die Ver: 
bandlungen mit Neumann feien derzeit fiftirt, da fich nene Differenzen mit 
Kreibig ergeben hätten, welcher 60.000 fl. als Ablöfungsfumme einzig für 
ben fundus instructus verlange, während Neumann aus dieſer Summe 
auch die rüdftändigen Forderungen des Perſonals umd fonftige Schulden 
beglichen wiſſen wollte. Den Beichlüßen der Bühnenangehörigen mülle e3 
der Intendant überlaffen, ob fie unter den jetzigen Berhältniffen weiterzu- 
ipielen oder ihre Thätigkeit einzuftellen gebäckten. Der Landesausſchuß 
könne Feine Garantie für ihre fälligen und weiteren Bezüge übernehmen. 
— Dr. A. Raufmann ald Vertreter Kreibig's ermahnte bie Verſammelten, 

51 


— 804 — 


treu bei der Firma Kreibig auszuharren. ber es vielleicht doch noch möglich 
würde, ſich Mittel zur Märung und Beſſerung ber Lage zu beihaffen. — 
Der Intendant legte fein Verhalten gegenüber dem bisherigen Director 
dar; die Abonnement- und Subventions⸗Quote pro Mai habe demielben 
umfomehr verweigert werden müflen, weil dieſe Quote tbeil8 für Steuern, 
theils für vüdftändige Penfiond-Beiträge und Feuerverſicherung, für Vor⸗ 
ſchüſſe zur Befriedigung des Chor⸗, Orcheſter⸗ und Unterperſonals voll» 
ftändig aufgegangen ſei, fo daß ſelbſt, wenn der Landesausſchuß am 1. Juni 
praenumerando zahlen würde, dem Director nur 9000 fl. zur Dispolition 
ftänden, während er 16.000 fl. bedürfe. — Oberregifienr Roll fand den 
Landesausſchuß nicht fo völlig ſchuldlos an ber gegenwärtigen Krifis, da er 
der Firma Kreibig trog deren conftatirter Inſolvenz und Unfähigleit das 
Theater auf ſechs Jahre ohne Eoncurd-Ausichreibung wieder verliehen babe. 

Dem Antrage Rol’s entiprechend, begab fich eine aus diejem, 
dann den Herren Kühns und Deſſoir bejtehende Deputation zu 
dem Oberjtlandmarfchall Georg Fürſten Lobkowitz, um diefem 
hohen Functionär den Beſchluß des Perſonals, feine Thätig- 
feit einguftellen, mitzutheilen. Der Fürſt ſah die einzige 
Möglichkeit, eine drohende Theaterſperre zu verhüten, in dem 
Rücktritt Kreibig’s, dem bereits opferwillige Männer ein Ber- 
mögen ohne Refultat zur Verfügung--geftellt hätten und dem eine 
neue finanzielle Hilfe nichts fruchten könũüs. Wenig ermutbigt, 
feste das Perjonal feine Berathungen, zu denen auch Angelo 
Neumann geladen wurde, fort, ermahnte Kreibig\gur Erfüllung 
feiner Zahlungsverbindlichkeiten, wibrigenfalls die Tätigkeit der 
Mitglieder eingeftellt würde, und bejchloß, vorläufig bis 
weiterzujpielen. Als Vertreter der Bühnenangehörigen 
Unterhandlungen zwifchen dem Intendanten und Dir. Neu 
wurden Dejjoir, Geiger und Martinelli dejignirt. Endlich, 
die Verwirrung allgemein und verhängnißvoll zu werden droht 
erfolgte die definitive Löſung der Directions-Frage. In einer am 
18. Mai ftattgehabten Conferenz unter Theilnahme des Oberſt⸗ 
landmarjchall-Stellvertreter8 und Intendanten Dr. Waldert, des \ 
Confortiums-Vertreter Dr. Zunterer, der beiden Directoren Neu⸗ 
mann und Kreibig jun. und deren Anwälte kam eine Vereinbarung | 
in dem Sinne zu Stande, daß FKreibig die Direction bis Ende: 
Mai führe, im Juni die finanzielle Adminiſtration an Nenmann! 















— 805 — 


übergehe, im Juli die Bühne gefperrt bleibe, mit 1. Auguſt aber die 
Direction Angelo Neumann definitiv in Action trete. Die 
rücdjtöndigen Sagen hatte Kreibig aus der Abldfungsfumme von 
60.000 fl. zu beftreiten, von dem Reſt waren die neuen Schulden 
des bisherigen Directors mit 20 bis 25%, zu begleichen. In der 
Zandesausfchußfigung vom 21. Mai, welcher die Logenbefiger 
Grafen Thun, Kaunitz und Noſtitz beimohnten, wurde der 10jährige 
Vertrag mit Ungelo Neumann genehmigt; fpecielle Bedingungen 
lauteten dahin, daß ihm die Zandesfubvention in derjelben Höhe 
wie für das Cechifche Landes- und National-Theater gewährt ſei 
und fein Nachfolger den Yundus mit denfelben Modalitäten zu 
übernehmen habe, wie er ihn von Kreibig übernehme. Die Unters 
fertigung erfolgte in der Sigung des verftärkten Landesausfchuffes 
. am 30. Mai. Einen Tag fpäter verabfchiedete ich die Direction 
Kreibig mit einer Vorftellung der Offenbach'ſchen komiſchen Oper 
„Hoffmann's Erzählungen"; das Perſonal verzammelte jich nach 
der Borjtellung auf der Bühne und jagte durch den Oberregiffeur 
Sfraup dem jcheidenden Bühnenleiter Lebewohl, welcher jeiner- 
jeitS feinem Dante für den bis zum legten Augenblid bewährten 
Bilichteifer der Mitglieder Ausdruck lieh. Damit ſchwand „die 
Firma Kreibig" von der Leitung des deutfchen Landestheaters 
in Prag. Der nominelle Unternehmer und Director Eduard 
Kreibig hatte feine Gelegenheit, fich von der Bühne, welche er 
vor neun Jahren Hoffnungsfreudig übernommen, zu verabſchieden; 
er war in feiner ftillen Urlaubs-Station Graz fern den wechjelvollen 
und trüben Ereignifjen, welche, durch fein eigenes Unglüd, fein eigenes 
finanzielles und künſtleriſches Ende eingeleitet, bis zu emer Kata⸗ 
jtrophe des Prager Theaters führten. Die Prager Direction hatte 
fein an Glüd und Erfolgen reiches, langes Bühnenleben in tragifcher 
Weiſe abgefchlojlen; ein gebrochener, beflagenswerther Mann, ift 
der Greis von Prag gejchieden. Sein Sohn Edmund, der unter 
dem officiellen Titel des „Director-Stellvertreters" vom Sept. 1879 
bis 31. Mai 1885 die thatjächliche Leitung der Bühne führte, hat 
jeine Fehler und Mißgriffe jchwer gebüßt; wenn wir ihm Ge» 
rechtigfeit widerfahren laſſen, müſſen wir aber hervorheben, daß 





— 806 — 


niht Mangel an künftlerifchem Eifer, an Thätigkeit und ehrlichen 
Wollen feinen Untergang herbeigeführt hat, daß er unter anderen 
finanziellen Verhältniffen, auf foliver materieller Bafis, jederzeit 
unterjtügt von ehrlichen, berufenen Rathgebern, mit mehr Geſchick, 
wohlgefinnten Rath zu befolgen, mit mehr Klugheit, Menfchen- 
und Welttenntniß feine Bühnenleitung einem bejjeren Ende, die 
Prager Bühne einer beijeren Verfaffung zugeführt hätte. Entblößt 
von allen Mitteln, ftand die Familie Kreibig nad) dem Zufammen- 
bruche ihrer „Firma“ da; die Gattin des greifen Directors er: 
theilte in Graz dramatischen Unterricht, Edmund Kreibig jun. 
ift nunmehr als Regiſſeur bei der Pollint’ichen Xheater-Unter- 
nehmung in Hamburg engagitt. 








— 807 — 


Director Angelo Aeumann. 
Wagners Nibelungen und das Don Juan-Jubiläum 
in Prag. 
(1885 - 1887.) 


(Angelo Neumann. — Der Monat des Interim. — Enſemble⸗Gaſtſpiel 
von Franz Jauner mit Mitgliedern des Theaters a. d. Wien. — „Wiener 
Walzer.“ — Auflöfung des Kreibig'ſchen Enſembles. — Neu⸗Orgauiſirung 
ber Bühne. — Programm-Rede Neumann's. — Populariſitrung der natio⸗ 
nalen Bühne. — Deutſche Theaterzüge. — Wagner's Nibelungen. — Triſtan 
und Iſolde. — Das Don Inan-Centennarium in Prag. — Mozart⸗Cyklus. 
— Der Mozartabend des 28. Oct. 1887. — Der 29. Oct.: Der deutſche 
Feſtzug in die Bertramka. — Der italieniſche Jubiläums-⸗Abend. — Der 
dentſche „Don Juan“. — Enthüllung der Mozart-Gedenktafel bei „drei 
Löwen“. — Nachträge zur Prager Geſchichte des „Don Juan” und „Titus“. 
— Die Feſtverſammlung im Rudolphinum. — Schluß des Mozart⸗Cyklus.) 


Nah Kreibig fam das Interim. Schon hatte Angelo 
Neumann die finanzielle Leitung der Bühne inne, das Perfonal 
aber blieb während des Juni in feiner bisherigen Zuſammen⸗ 
fegung und Organifation am Werke. Am 26. Mai hatte eine 
Mitglieder-VBerfammlung ftattgefunden, in welcher der Intendant 
den neuen Director einführt. Die Bühnenangehörigen unters 
zeichneten ein Protokoll, worin jte fic zur Fortfegung ihrer Mit- 
wirkung bis Ende uni unter Bezug ihrer vertragsmäßigen Sagen 
verpflichteten. Director Neumann gab feiner Freude darüber Aus⸗ 
drud, an die Spige eines fo bedeutenden Inſtituts geftellt worden 
zu fein, und erwartete, von Allen, die er berufen werde, 
in feinen Beftrebungen unterftügt zu werden. Diefer Berufung 
barrend, in peinvoller Ungewißheit über ihr Schidfal, verbrachte 
dag Perfonal den Monat des Interim. Angelo Neumann, ein Bühnen- 
leiter, deflen Name in der Theaterwelt Klang hatte, der als Mit- 
director in Leipzig und als erfolgreicher Förderer der Wagnerjchen 


Mufitoramen feinen Namen weitbefannt gemacht hatte,*) war 
darauf bedadıt, den Interims-Monat nicht ungenügt zu laſſen. 
Ein Enfemble-Saftfpiel von Mitgliedern des Theaters a. d. Wien 
unter Leitung Jauner's mit den Damen Buska (als Gall), 
Julie Marberg, Hartmann, Nötel, den Herren NRanzenberg, Jo— 
jephi, Thalboth leitete dieje Uchergangsperiode ein. Man brachte 
(am 1. Juni) die Dramatifirung von Joökai's „Goldmenſch“ in 
Jauner's meijterhafter Scenirung und begrüßte einige Tage jpäter 
Yofai jelbft in Prag; auch die Operette des Theaters a. d. Wien 
war durch Vorjtelungen von Audran's „Gilette de Narbonne“ 
vertreten. Das von Jauner feenirte Ballet „Wiener Walzer” mit 
einer von Luigi Mazzantini organifirten und geleiteten Balletgefell- 
haft, Gaftipiele von Johanna Busfa (Gräfin Tördk), Jauner, 
Scaria, Padilla, Egra. Arnoldſon, Labatt u. |. w. halfen über 
die Wochen hinweg, und bewegte Abjchiedsabende Iangjähriger, 
- beliebter Mitglieder zeigten, daß man die Auflöfung des heimijchen 
Enjembles, den Abgang hervorragender Mitglieder, ehrlich bedauere. 


*) Angelo Neumann ıft anı 18. Auguft 1838 zu Wien geb., war 
zuerft für das mediciniſche Studium, dann für den Raufmannöftand be> 
ftimmt, trieb aber frühzeitig Gelangöftubien bei Mad. Stilke-Seſſi, 
widmete ſich 1859 der Bühne und wurde als erfter Baryton nad Köln eng. 
Als dort dad Theater abbrannte, wandte er ſich nah Krakau, fang in 
einen: Concert ber Tietjens in Wien, dann in Dedenburg nnd Prefburg, 
üibertrat 1861 zur Dippern’schen Operngeſellſchaft nach Danzig, von wo er 
nad Wien berufen wurde und 1862-1876 dem Dofoperntheater angehörte. 
1876 gab er die Sänger:Laufbahn anf, übernahm bei Dr. PYörfter bie 
Opern-Direction und die abminiftr. Leitung des Leipziger Stabttheater3. 
Durch zahlreiche intereffante Juſcenirnugen von Wagner'ſchen, Gluck'ſchen 
und Mozart'ſchen Opern, namentlich aber durch die Inſcenirung des Nibe⸗ 
Inngen-Ringes, den er 1881 auch in Berlin zur 1. Aufführung brachte, 
bewieö er feine hervorragende Begabung, erhielt Anträge nad) London 
und Amerifa, leitete 1882 die Londoner Wagner- Aufführungen, legte am 
30. Juni 1882 die Leipziger Direction nieder nnd eröffnete am 1. Sept. 
die große Tournee des Richard Wagner-Theaters, welche die größeren 
Städte Europas paflirte und im Mai 1883 in Italien endete. Sodann 
übernahm er die Direction in Bremen, beren Niederlegung er fid) nad 
längeren linterhandlungen erwirkte, um dem Rufe nach Prag zu folgen. 














— 809 — 


Waren doch Kräfte von jeltener künſtleriſcher Güte unter den 
- Scheidenden! Man jah Sauer, Deſſoir, Roll, Martinelli ziehen; 
auch Gunz, Geiger, Yunzer, die Damen Meyer und Albrecht über- 
traten nicht zur neuen Gejellichaft. 

Und eben die Urt ihres Abgangs, vor Ablauf ihrer Verträge, 
in einer Zeit, welche die Ausficht auf ungeftörte Fortjegung ihrer 
Carriere nicht bot, — ein Fall, der in der Gefchichte des Prager 
Theaters noch nicht zu verzeichnen war — forderte zur gejteigerten 
Theilnahme für die von der Theaterkataftrophe unmittelbar Be: 
rührten heraus. Allmälig allerdings dffneten die Bühnen den 
in alle Weltgegenden zerſtreuten Pragern ihre Pforten. Sauer 
wurde, wie fchon erwähnt, Mitglied des kgl. Schaufpielhaufes in 
Berlin, wo er am 1. März 1886 als Uriel Ucofta mit vollem 
Erfolge debutirte, Deſſoir wurde an das faif. Theater in Peters⸗ 
burg berufen, Roll übertrat an das Stadttheater zu Frankfurt 
am Main, Martinelli wurde nach mehrfachen Gaftjpiel-Tourneen 
Mitglied, dann Oberregiſſeur am Larltheater in Wien, wo auch 
feine Gattin und Hr. Geiger Aufnahme fanden, Gunz wurde Hof- 
Ihaufpieler in München, Lunzer Mitglied des Theaters a. d. Wien, 
Herr v. Erneft Mitglied des Moskauer deutjchen Theaters (im 
Nov. 1887 Gaft am Wiener Carltheater), Frl. Albrecht übertrat 
an die Grazer Theater; Stoll, Schrödter und Streitmann waren 
bereit3 in Wien inftallirt, Marie Nenard an der Berliner Hof- 
oper. Im Berjonal der neuen Prager Direction fah man von der 
Kreidig’ichen Wera wieder: die Opernjängerinen v. Mofer und 
Blodef, die Sänger Dobſch und Ehrl, vom Schaufpielperjonal 
die Damen Bichler, Fiedler-Wurzbach und Pofinger, die Herren 
Kühns, Prechtler, Löwe, Schlefinger, Grauert, Heiter und Röbe, 
die Capellmeijter Slansky und Stolz. 

Im Juli beherbergte das Theater noch eine Schaujfpieler- 
Gruppe vom Berliner deutschen Theater, denen jich disponible 
Mitglieder des Kreibig’schen Enjembles zugefellten, und die Neu- 
mannjchen Schaaren*) rüfteten fi) zur Aufnahme ihrer fchweren 


*) Dad neue Opern-Perſonal wies folgenden Status auf: Capell- 


— 8310 — 


fünftlerifchen Aufgaben. Angelo Neumann entwidelte in einem 
Aufruf „an die kunftliebenden Bewohner Prags“ fein Programm 
zur Vervollkommnung der Bühne, legte dar, daß der Chor ergänzt, 
der fcenifche Apparat erneuert, das Orchefter verftärkt, die Lage 
feiner Mitglieder verbefiert werde; er wies ferner auf die kurze 
Friſt von zwei Monaten zur Vorbereitung bin und bat um Ber- 
trauen. Am lebten Juli nahm der neue Director die officielle 
Vorftellung des Perfonals entgegen. 


„Ein beteutungsvoller Augenblid naht Ihnen“ — erflärte der Bühnen- 
leiter feinen Rünftlern — „bebentungsvoll für Sie und mid. Es gilt, dieſes 
altehrwürbige, durch die Tradition eine Jahrhunderts geheiligt daftehenbe 
Kunftinftitnt wieber auf jene Stufe zu bringen, auf welcher ed fo lange als 
Vorbild, ja ald Mufter-nftitut in der deutſchen Theatermelt bageftanden. 
Ich bin mir der Schwere der Aufgabe volltommen bewußt, allein im Ber: 
trauen auf die um mich hier verfammelte Schaar von Künſtlern wage ich 
ed guten Mutbes....” 


Wie Director Angelo Neumann, der vom Landesausfchujfe und 
den leitenden Perjönlichkeiten der deutfchen Bevölkerung Prags an 
die Spige des deutjchen Landestheaters geftellte, erfahrene Theater: 


meifter Seidl, Slansky, Mahler und Stolz; Chordir. Rehbod. — Regiſſ. 
C. v. Jendersky (+ im Mai 1886). — Tenore Wallnöfer, Warmuth, Neyb- 
barbt, Bir. — Operetten-Tenore: Th. Wilhelmj und C. Drucker. — 
Barytons: Fol. Bed und Thomaſchek. — Bafliften: Dobſch, Ehrl, Elmblad, 
Schaffnit. — Dram. Sängerinnen: Fr. v. Mofer, Frl. Rofen, Rochelle, 
Fr. Seidl⸗Kraus, Minna Walter. — Color.-Sängerinen: Betty Yranl, 
Milles. — Mezzojopraniftinen: Frls. Hilgermann und Hofmann. — Son 
bretten: Sarolta Le Pirk. — Ingendliche Partien: Bertha Thomafchel, 
Marianne Heim. — Fl. Bartien: Luiſe Schaffnit. — Kom. Alte: Antonie 
Plodek. — Rocalfängerin: Betty Münl. — Das Schaufpielperjonal 
wurde in folgendem Status angeländigt: Günther Pettera, Oberreg. und 
Helbenvater, Mar Löwenfeld (Reg. Char.“Sp.), Eichenwald (um. Väter), 
Kuhns (Charalterfp.), Hugo Ranzenberg (Helden und Liebh.), C. Schönfeld 
(ing. Heldenv. und Converſ.⸗Liebh.), Heinr. Prechtler (jug. Liebh.), W. 
Stödel (Bonviv. und Geden), Guftav Löwe (Naturburſchen, Koın.), Yiber 
Grauert (bürg. Väter), R. Heiter, 2. NRöbe und Emil Mährdel (fl. Bartien), 
W. Thaller u. C. Schlefinger (Kom.), Friederite Bognar, Minna Bichler, 
Johanna Buska, Theodbora Fiedler, Marie Pospiſchill, Augufte Scholz, 
Joſefine Pettera, Elifabeth Flöffel und Therefe Pofinger. 











— 811 — 


mann und Bühnenleiter, jeiner ſchweren Aufgabe gerecht geworben, 
kann hier in keinerlei Weiſe zur Erörterung fommen. Wir fchreiben 
feine Gefchichte der Gegenwart, überlafien der Zukunft die objec- 
tive und getreue Darftellung diefer jüngften, in ihrer Entwidelung 
begriffenen Periode der Prager Theatergefchichte und begnügen 
und damit, einiger intereffanter Thaten dieſer Bühnenleitung zu 
erwähnen, die in diefem Buche verzeichnet zu fein verdienen. Am 
1. Auguft 1885 führte ſich die Direction Neumann mit einer 
Vorjtellung von „Kabale und Liebe” ein, die lebhaft intereffirte und 
reichen Beifall für die neuen Darfteller*) und deren Chef wedte. 
Die erfte Opern-Vorjtelung brachte Wagner's „Lohengrin” und 
ließ eine Reihe trefflicher Opernfräfte,** vor Allen den Bary- 
toniften Sofef Bed, Sohn des berühmten „Wiener Bed", einen 
gediegenen Künftler und Darjteller, der in Graz, Frankfurt am 
Main u. ſ. w. die größten künſtleriſchen Erfolge gehabt hatte, 
den Tenor Wallnödfer, der in Prag ſchon früher auf dem 
Concertboden erjchienen war und vornehmlih dem Wagner: 
ſchen Muſikdrama feine Kraft widmete, Frau Seidl-Kraus, 
Frl. Rochelle, eine begabte Aufängerin u. X. — Revue pafliren. 
Die nächſten Vorftellungen brachten „Tell“ (Oper), „Die Yung- 
frau von Orleans" mit der vom Cechifchen Theater zur deutjchen 
Bühne übertretenen Schaufpielerin Frl. Pospiſchill, „Fidelio“ 
mit Fr. v. Mofer, eine Schaufpiel-Novität „Frau Sufanne“ 


*) Die Beſetzung des Stückes war folgende: Präfident-Ranzenberg, 
Ferdinand⸗Prechtler, Hofmarſchall⸗Max Nömenfeld, Lady Milford⸗Friederike 
Bognaͤr, Wurm⸗Ludwig Schwarz, Stadtmuſicus Miller⸗Volkmar Kühns, 
Frau Miller⸗Thereſe Poſinger, Luiſe-Auguſte Scholz, Kammerdiener des 
Fürſten⸗Iſidor Grauert. — Die Direction hatte bei dem Perſonenverzeichniß 
der Theaterzettel die Bezeichnung „Herr“, „Frau“ und „Fräulein“ durch 
die Bornamen der Mitglieder erjegt. 

*, Lohengrin“-Wallndfer, König. Hans Thomaſchek, Elſa⸗Anguſte 
Seidl-Frand, Telramund-Zofef Bed, Ortrud⸗Marie Nochelle, Heerrufer: 
Felix Ehrl. vier Edle⸗Pirk, Wilhelmi, Robe, Schaffnit. — Cbellnaben: 
Bertha Thomafchel, Luife Schaffnit, Anna Hofmann, Marianne Heim. — 
Frau Seidl⸗Kraus verabſchiedete ſich ſchon am 28. Auguft und ging 
mit ihrem Gatten, Capellm. Kraus, na Amerika. 


— 812 — 


Lindau und Lubliner (mit Fr. Buska — feit Herbit 1887 
Sattin des Director Neumann — in der Xitelrolle) u. f. m. 
Am 2. September trat Frieverife Bognar ihr Engagement 
definitiv an, in den nächſten Tagen bewährte die neue Oper an 
„Don Juan“ ihre Leijtungsfähigkeit*) und gewann in dem „Trom⸗ 
peter von Sädingen" zwar feine Neuigfeit von mufifalifchem 
Werth, aber eine Zug-Oper. Das deutjche Landestheater wurde, 
unter lebhafter Betonung feines nationalen Charakter und feiner 
nationalen Bedeutung auch der deutichen Bevölkerung Gefammt- 
Böhmens populär gemacht. „Theaterzüge“ — eine Inſtitution, 
welche der großen nationalen Regſamkeit der anderen Nationalität 
nachgebildet war — führten Säfte aus den bedeutenditen deutſch— 
böhmiſchen Städten (Auſſig, Teplig, Gablonz, Saaz, Leipa, Leit 
merig, Zrautenau, Zetjchen, Eger, Carlsbad, Braunau, Arnau, 
Hohenelbe u. ſ. w.) nach Prag, wo fie von den Stammesgenofjen 
fejtlich begrüßt wurden und im deutichen Landestheater fih an 
Meijterwerfen der deutſchen Dicht- und Tonkunſt erfrenten. Ein 
Scdiller-Eyflus,** die Aufnahme der Nibelungen-Te 
tralogie von Rihard Wagner in das Prager Repertoire 
waren die nächjten Thaten der neuen Bühnenleitung, welche ihr 
Anſehen mehrten, erhöhtes Leben in das Anftitut brachten und 
demjelben eine vermehrte Theilnahme ficherten. Am 19. Dec. 1885 
fam „Rheingold“, am nächſten Tage „die Walküre“ zur erjten Auf: 
führung, ***) während „Siegfried“ und die „Götterdämmerung“ 


*, Don Juan-Beck, Leporello-Dobſch. Dttavio-Wallnöfer, Comthur: 
Elmblad, Majetto-Ehrl, Donna Anna-Mofer, Elvira-Rofen, Berline:Le 
Pirk. Dirigent Capellm. Mahler. 

**), Die Ränber, Fiesco, Kabale und Liebe, Don Carlos, Wallenſtein's 
Lager, Die Piccolomini, Wallenftein’d Tod, Maria Stuart, Die Jungfrau 
von Orleans, Die Braut von Meflina, Wilhelm Tell, Demetrius, Das 
Ried von der Glocke (Feſtſpiel mit Schluß-Apotheofe). 

***s) Mheingold”: Wotan-Hans Thomaichel, Donner-Felir Ebhrl, 
Froh⸗Fr. Neydhardt, Loge⸗Ad. Wallnöfer, Alberich-Joſeſf Bed, Mime—⸗ 
Engelbert Pirk, Faſolt-Dobſch, Fafner-Joſ. Elmblad, Fricka-⸗M. Rochelle, 
Freya⸗Bertha Thomaſchek, Erba-Anna Hoffmann, Rheintöchter: Betty 
Frauk, Sarolta Le Pirk, Laura Hilgermann. — „Die Walküre“: Sig: 








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einem fpäteren Beitpuntte vorbehalten blieben und erjt am 9. und 
10. Jäner 1887 in Scene gingen.*) Die Aufnahme des Bühnen- 
feitipiels, das in glänzender, Bayreuther Ausftattung vorgeführt 
wurde, mit Pietät und Gründlichkeit ftudirt war, war enthufiaftiich. 
Am 2. Mai 1887 wurde auch „Zriftan und Iſolde“ (Zriitan- 
Wallnöfer, König Marke⸗Elmblad und Dobſch alternirend, Iſolde⸗ 
Marie Rochelle und Marie v. Moſex alternicend, Kurwenal⸗ 
Thomafchel, Melot-Ehrl, Braugäne-Catharina Roſen, Hirt-Pirk, 
Steuermann-Rocbe) in forgfältiger Aufführung in Prag gehört. 
Bon den Opernfräften der neuen Bühnenleitung waren — wie 
Ihon bemerkt — mehre, wie der Baryton Joſef Bed, der leider 
ſchon in den erjten fahren verloren ging, der Tenor Wallnöfer 
und Marie v. Moſer für die Spnterpretation Wagner’8 geradezu 
prädiftinirt, jüngere, begabte Kräfte wie die Damen Roſen, 
Nochelle, Hilgermann, Frank, Le Birk ftrebten mit Glüd höheren 
fünjtlerifchen Zielen zu. 

In die jüngfte Zeit der Neumann’schen Direction, deren 
Gerichte zu jchreiben, wie gejagt, unfere Aufgabe nicht fein kann, 
deren bisheriges Wirken aber in diefem Buche nicht ganz unerwähnt 
bleiben darf, fällt die durchaus würdige Feier des „Don Juan 
Gentennariums" im October des %. 1887. Die Brager Bühne, 
welche auserfehen war, dem unfterblichen Werke am 29. Det. 1787 


mund-Wallnöfer, Hunding-Elmblad, Wotan-Thomaſchek, Sieglinde-Rofen, 
Brunhilde-Mofer, Walfüren: Damen Rochelle, Frank, Le Pirk, Hofmann, 
Mund, Thomaſchek, Heim, Plodel, Hilgermann. 

*) Die Belegung von „Siegfried“ war folgende: Siegfried Wallnöfer, 
Mime⸗Jul. Liban a. G. (dann Oscar Niemann und Engelbert, Le Pirk), 
der Wanberer- Hand Thomaſchek, Alberih>Bel und F. Ehrl, Fafner- 
Elmblad, Erda-Anna Hofmann, Brunhilde- Fr. v. Mofer, Stimme des 
Waldvogelö-Betty Frank. — „Götterdämmerung“ war folgendermaßen 
beſetzt: Siegfried-Wallnöfer, Günther-Thomaſchek, Hagen-Eimblad, Al⸗ 
berich⸗Beck u Ehrl, Brunhilde-Moſer, Gutrune-Rofen, Waltraute⸗Rochelle; 
Nornen: Damen Hofmann u. Heim, Rheintöchter: Damen Frank, Le Pirk, 
Hilgermann. — „Siegfried“ wurde bis 1. Nov. fünfmal und zwar am 
9. Jän., 17. Jän., 12. Yebr., 25. März und 18. Mai, „Götterdämmerung” 
ebenjo oft und zwar ſtets an ben nachfolgenden Tagen gegeben. 


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jeine Siegeslaufbahn zu erjchließen, war aud in erfter Reihe be- 
rufen, den hundertjährigen Gedenktag jenes Ereignijjes zu feiern, 
der mit goldenen Leitern in ihre Gefchichte eingetragen iſt. Im 
zweiten Theile dieſes Buches ift die Gejchichte der „Geburt Don 
Giovanni's“ in eingehender Darftellung geboten worden;*) mar 
„die Oper aller Opern” vor hundert Jahren auf der Bühne des 
heutigen deutfchen Zandestheaters, interpretirt von der italienischen 
Operngefellihaft Pasquale Bondini's (Dberregiffeur und artifti- 
cher Leiter Domenico Guardafoni), zuerft erfchienen und von 
dem Publicum des damals in nationale und politiſche Parteilager 
feineswegs gejpaltenen Prag mit Begeiiterung aufgenommen wor: 
den, fo nahm nun ebenfalls — ein feltener Fall in unferer Zeit 
— das ganze Prag Theil an dem Don Juan-Jubelfeſt. Dem 
deutichen Landestheater fiel die führende Rolle zu, aber aud 
die cechiſche Bühne gedachte pietätvol des unfterblichen deutſchen 
Meifters. Director Neumann arrangirte einen „Mozart-Eyflus", 
der — forgfältig infcenirt und vorbereitet — am 17. Oct. mit 
„JIdomeneo“ (die Damen Rofen, Rochelle und Hilgermann in 
den weiblichen Hauptpartien, Wallnöfer in der Zitelrolle, ‘Dirigent 
Capellmeiſter Mud) begann und in feinem ferneren Verlaufe die 
folgenden Vorſtellungen brachte: 

19. October: Die Entführung aus dem Serail. Selm: 
Hans Thomaſchek, Belmonte- Franz Heukeshoven, Conftanze-Betty Frank, 
Blonbehen-Sarolta Le Pirk, Pebrillo-Edwin Hinrichs, Demin- Wenzel 
Dobſch. Zwilchen dem 1. und 2. Act „Alla Turca“ aus ber A-moll-Sonate 
von Mozart. . 

21. October: Die Hochzeit des Figaro. Graf Almapiva-Dtto 
Brufs, die Gräfin- Marie v. Mofer, Cherubin-Taura Hilgermann, Snfanne- 
Betty Fran, Figaro⸗Thomaſchek, Marzellme-Anna Hofmann, Bartolo-Ebrl, 
Baſilio-Heukeshoven, Gänſekopf⸗Löwe, Antonio-Dobih, Bärbchen-Luiſe 
Grimm. 

*, Sie iſt bei Gelegenheit des Inbiläums vielfach nacherzählt worden; 
eine im Verlage von Vincenz Kerber in Salzburg erſchienene umfangreiche 
und gehaltuolle Feſtſchrift „Mozart's Don Inan 1787-1887" von Rud. 
v. Fraisauff ftügt fih in dem Gapitel „Don Juan in Prag” vielfach 
anf unfere Darftellung und bietet auch ſonſt noch zahlreiche intereflante 
Beiträge zur Geſchichte des „Don Yuan” in feiner Bühnenlaufbahn. 








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23. October: Coji fan tutte. (Orig.-Recitative von Kaliwoda.) 
Leonore⸗Cath. Roſen, Dorabella-Laura Hilgermann, Yerrando-Wallndfer, 
Guglielmo-Brudd, Marcefe, Don Adolfo⸗Thomaſchek, Deſpina⸗Betty Frank. 
Zwiſchen 1. und 2. Act Larghetto a. d. Quintett v. Mozart. 

24. October: Die Zauberflöte. Saraftro-Dobih, Tamino-Wall- 
nöfer, Königin ber Nacht-Frank, Pamina⸗Le Birk, Sprecher-Thomafchel, 
Priefter: Perluß, Rochelle, Rojenberg, Monoftato3-DHinrich8, Damen: Rofen, 
Nocelle, Hilgermann, Knaben: Damen Kreutzer, Thomafchel, Hofmann, 
Papageno-Ehril, Papagena-danna Wrada. — Dirigent Slausy. . 

Am Borabende des eigentlichen Jubel⸗Tages brachte das 
deutſche Landestheater einen Mozart-Abend, deſſen nachfolgendes 
Programm klar genug von der Pietät fpricht, mit welcher man die 
Bedeutung des Jubiläums für die deutjche Bühne Prags erfaßte: 


Koöͤnigliches Deutfdjes Landestheater. 


Freitag, ben 28, October 1887. 
292. Abonnements-Vorftellung. (4. Serie.) 


MOZART-CONCERT. 


I Abtheilung. 


1. Ouverture zu „Der Schaufpieldirector”. Das Orcheſter bes kgl. 
deutſchen Landestheaterd. Dirigent: Karl Mud. 

2. Adagio cantabile aus dem Concert D-dur für Violine mit Orchefter. 
Violine Concertmeifter Bernhard Defian. Das Orcheſter bes kgl. 
deutſchen Laudestheaterd. Dirigent: Ludwig Slansky. 

3. Lieder. Betty Frank. 

1. Vergißmeinuicht. 
2. Das Veilchen. 
3. Das Wiegenlied. 

4. Concert Es-dur für zwei Claviere mit Orcheſterbegleituug. Clavier 
Karl Mud, Friedrich Rehbod. Das Orcheſter des kgl. deutichen 
Landestheaters. Dirigent: Ludwig Slansky. 


IL. Abtheiluug. 
Sumphonie Nr. 4 C-dur. Das Orchefter bes kgl. deutichen Landes⸗ 
tbeaterd. Dirigent: Karl Mud. 
Orcefter-Anfftellung auf der Bühne. 
Die beiden Concert-Flügel von Böjendorfer find aus der Niederlage 
bes k. k. Hof- und Kammer-Lieferanten V. Micko. 





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Zum Schluß: 
Don Juan in Prag. 


Genrebild in einem Aufzuge von Beinrih v. Zimmermann. 


Wolfgang Amadeus Mozart - - - ren. Karl v. Zeska 
Sonftanie - > - nern Auguſte Scholz 
Stepanel, Mozartd Freund. Wilhelm Eichenwald 
Bonbini, Theaterdirector - . .» - - - - rn. +» Bollmar Kühne 
Frau Bondint (Darftellerin der Zerlina)- -. - - - - Joſephine Moller 
Baflı (Darfteller des Don Juan) - - » -» 2... Willi Felir 
Ponziani (Reporello)-. - » » ..» . .. Ludwig Rochelle 
Saporiti (Donna AnnaJd... rennen. Hedwig Walles 
Orcefterdirector Rudharz - - - - ren Rudolph Hellbach 
Gapellmeifter Strobad) - - - » » 2 2 20000. Bünther Pettera 
Nemec, Theaterdiener - - - 0200. Karl Sclefinger 
Kriſpin ren Buftan Löwe 
Wenzel \ Statiften 0000 Siegfr. Roſenberg 


Sänger und Sängerinen. Verſchiedene Nebenperſonen. 
Ort der Handlung: Prag. 
Die Scene ſtellt den Bühnenraum des Prager Theaters ungefähr eine 
Stunde vor Beginn der Vorſtellung vor. 


Anfang um 7 Uhr. Ende gegen '/,10 Uhr. 


Das Concert wurde durch die mitwirfenden Kräfte des 
Theaters in würdiger Weife durchgeführt; das „geichichtliche" 
Feftfpiel von dem Prager Heinrih v. Zimmermann fnüpft 
an die Don Juan⸗Tradition und bekannte, allerdings wenig halt: 
bare Don Juan⸗-Anekdoten an und war dadurch geeignet, das 
Publicum in die richtige Feſtesſtimmung zu verfegen. 

„Director Bonbini rennt verzweiflungsvoll umher“ — fo ffizzirt 
bas Neferat der „Boh.“ das Gelegenheitsſtück — „weil die in zmwölfter 
Stunde fertiggeftellte Ouverture, die noch vor der Aufführung probirt 
werden foll, nicht rafch genug abgefchrieben werben kann; Mozart’ jelbit- 
Iofer Freund Stepanek best neidiſche Gegner, die den Erfolg fälſchen 
wollen, auf die leßte Gallerie, wo fie, gefeilt in drangvoll fürdhterliche Enge, 
auf die Ausführung ihrer teuflichen Pläne verzichten müffen. Das ſchlimmſte 
Henimniß wird durch den Sänger Bonziani bereitet, ber den Keporello 
fingen fol, aber im legten Moment abfagt und eine Krankheit vorfchäst, 
weil ein Abſchiedsbrief feiner eiferfüchtigen Weliebten, der Donna Unna: 
Eäugern Saporiti, ihn außer Faſſung bringt. Sntbufiasmus unb 








— 817 -— 


. Klugheit befiegen auch diefed Hinderniß. Der Statift Kriſpin, ein Ber- 
ehrer Mozarts, verräth dem Meifter die wahren Gründe der Weigerung 
Ponzianid, und der große Tondichter fpielt den Heinen Diplomaten, um 
bie eiferlüchtige Sängerin und durch dieſe ihren Geliebten erfolgreich nm- 
zuftimmen. Die Abjchrift der Ouvertureftimmen langt noch rechtzeitig ein, 
und während Mozart an’d Dirigentenpult eilt, begleitet Capellmeiſter 
Strobad bie erften Klänge des Meifterwerked mit ftimmungsvollen 
Worten, welche die Bedeutung des Momentes verfünden.” 


Der 29. Detober 1887 — der eigentliche Jubeltag — war 
durch eine Neihe von SFeitlichkeiten innerhalb und außerhalb des 
Theaters bezeichnet. Um 2 Uhr Nachmittags zogen die deutfchen 
Sejangs: Vereine und Vertreter aller übrigen deutfchen Vereine 


jomwie eine Abordnung des deutjchen Yandestheaters unter Director 


Neumann im Feſtzug Über den Graben und Wenzelsplab, durd) 
die Waſſergaſſe zur Podskaler Brüde und über dieje zur Ber- 
tramfa, wo zahlreiche Säfte verfammelt waren; die Gefangsvereine 
jtimmten vor der Mozart-Büfte bei entblößten Häuptern das 
Bundeslied an; kaiſ. Rath Dr. Edmund Schebef hielt (ebenfo 
wie bei der Enthüllung der Mozart-Büſte elf Jahre vorher) die 
würdige und ſchwungvolle Feſtrede, worauf Frau Lirſch Namens 
der Deutihen Prags, Prof. Füßl Namens der Stadt Salzburg 
und des Mozarteums, die Vertreter deutjcher Vereine und Angelo 
Neumann Kränze niederlegten. Nach Niederlegung der Stränge 
ftimmten die Gejangvereine die zweite und dritte Strophe des 
„Bundesliedes” an, worauf die Gejangvereine vor dem Wohn: 
gebäude des jegigen Beligers der Bertramkfa, Herrn Popelka, 
Aufjtelung nahmen und den Sängergruß anftimmten. Brof. Füpl 
begab fich jodann mit dem Feitausichuffe zu Popelfa und über- 
reichte demjelben das vom Maler Kirnig aus Anlaß der Feier 
entworfene Bild der Bertramfa. Der wirdige Bejiger der denk— 
würdigen Stätte, den Krankheit in der Bertramka feſthält, daufte 
und machte zugleich die erfreuende Mittheilung, er habe die tejta- 
mentarische Verfügung getroffen, daß feine Nachfolger die Be— 
figung in dem bisherigen Beſtande erhalten müjjen. 

Das deutſche Landestheater feierte den Jubiläums-Abend 
durch eine fehr würdige und äußerſt gelungene Aufführung des 


52 


— 818 — 


„Don Juan“ in jener Sprache, in welcher er vor hundert Jahren 
auf diefen Brettern zum erſten Male erfchienen war. Die Wahl 
des italienischen Idioms für die Yeftvorftellung ift nicht obne 
Widerſpruch geblieben — die Direction des deutſchen Landes- 
theaters mochte diefe Wahl eben vom biftoriichen Standpunkte 
aus getroffen haben, von dem Streben geleitet, möglichft lebhaft 
an die glänzende Don Giovanni-Premisre des Jahres 1787 zu 
erinnern. Der Theaterzettel ded Tages zeigte in thunlichſt ge- 
treuer Fallung und Nachbildung den (nicht vorhandenen) Zettel 
jener Premisre und darunter jenen des Syubiläums-Abends:*) 


Grit. Botithes KODE Mationaltpenter. 


Il 29. Öttobre 1787. 


Oggi, per la prima volta: 


Don Giovanni offia il Diffoluto punito. 


Dramma giocofo in due atti con balli analoghi. Parole del Sign. Abbate 
da Ponte, mufica del celebre maeftro Sign. Amadeo Mozart. 


Derfonaggi: 
Don Giovannii.. . Sign. £uigi Baſſi 
Il Commendatore - - » » 2: 2 20200 Sign. Ginſ. Kolli 
Donna Anna. - 2222 2220er. Signora Terefa Saporiti 
Donna Elvireee.. Signora Cat. Miceli 
Don Öttavio. . . 2: 2: 2 een Sian. Ant. Baglioni 
Keporello » 2 2 2 rn Sign. Selice Ponziani 
derlina 2 2 2 2 oo rer enne Signora Terefa Bondini 
Mafetto, il fuo fpofo - - >» 2-2 2m 0. Sign. Ginf. £olli 


Cori di contadini, dame, damigelle, popolo, Ballabili di contadini, contadine etc. 








*, Wenig bekaunt dürfte e3 fein, daß eine Entelin der erften Domma 
Anna (Sgra. Terefa Saporiti), eine auf einem anderen Gebiete be- 
fannte Künftlerin, in Wien lebt. Diele Enkelin ber Saporiti, die Malerin 
Tel. Louiſe Codecaſa hat dem Verfaſſer Mitteilungen über jene in ber 
Mufitgeihichte unvergeſſene Sängerin gemacht. Darnach ftarb Terefa 
Saporiti, verebelihte Codecafa, im März 1869 im hohen Alter von 


— 819 — 


Königl. Deutfähes 5 Anndesthenter, 


Il 29. Ottobre 1887. 
Oggi per la 154. volta: 


Don Giovanni oſſia il Difjoluto punito. 


Dramma giocofo in due atti com balli analoghi. Parole del Sign. Abbate 
da Ponte, mufica del celebre maeftro Sign. Umadeo Mozart. 


Perfonaggi: 
Don Giovanni » : ernennen Sign. Mariano de Padilla 
Il Commendatore . Sign. Denceslao Dobſch 
Donna Anna . Signora Maria di Mofer 
Donna Eoira . Signora Cat. Rofen 
Don Ottavio . Sign. Adolfo Wallnöfer 
Zeporello Sign. Giovanni Chomaſchek 
Serlina Signoca Sarolta Le Pirf 
Mafetto, il fuo fpofo gn. Selice Ehrl. 
Cori di contadini, dame, damigelle, popolo, Ballbili di contadini, contadine etc. 

















106 Jahren zu Mailand. Eine vergilbte Zeitungsnotiz gibt — allerdings 
mit zwei weſentlichen Unrichtigkeiten (nämlich mit einer falſchen Alterd- 
angabe und der irrigen Annahme, die Saporiti fei bie erfte „Berlime” ge— 
wefen) — bie Todesnachricht folgendermaßen: „Zu Mailand ftarb, 102 Jahre 
alt, Madame Eodecafa, die [höne Saporiti, die vor 82 Jahren zu Prag 
die Rolle der Zerline (?) in Mozart’3 „Don Juan“ ſchuf! Was war aus 
ihr feit einigen Tagen geworben, aus ber jhönen Saporiti! Gie ftarb ver- 
geilen, aber dafür hatte fie allein über ein Jahrhundert gelebt, um Zeuge 
zu jein, daß „Don Juan“, den fie entftehen jah, jung blieb und friſch wie 
anı erften Tage! Sie ſah 82 Jahre ſpurlos an dem Meifterwerle vor - 
übergehen. Weber ſchrieb den „Freiſchutz“, Roffini den „Tell“, Meyerbeer 
geugte die „Hugenotten“, Halevy componirte die „Zübin“ — aber „Don 
Juan” fteht unbefiegt und unerreicht .“ Mad. SaporitirCobecafa 
war nicht mehr jung, als fie dem Vater deö Frl. Cobecafa das Leben gab, 
und biefer war 60 Jahre alt, als Luife geboren wurde; jo wirkt denm eine 
durchaus nicht „greife“, directe Enkelin der eriten Donna Anna in fünft« 
leriſcher Vollkraft und mit Fünftleriihen Erfolgen in Wien. 





52* 


— 820 — 


Das Publicum füllte alle Räume des Haujes und war in 
begeifterter Stimmung. Faſt allen Arien folgte ſtürmiſcher Beifall, 
nach jedem Acte wurden die Mitwirkenden wiederholt, zum Schlufje 
auch Dir. Neumann und Capellmeifter Slansky gerufen. Mariano 
de Padilla, ein Gejangskfünftler von anerkannter Bedeutung, war 
als Don Yuan künſtleriſch vollendet und mußte das Duettino mit 
Zerline, das Champagnerlied und das Ständchen mit Mandolinen- 
begleitung wiederholen. Die einheimischen Opernfräfte wirkten mit 
Freude und Begeijterung; der Chor fang die berühmte Stelle 
„viva la libertä“ mit foldem Feuer, daß eine Wiederholung 
erfolgen mußte. Das Orcheiter beftrebte fich, dem berühmten 
„Prager Mozart:Orchejter" nachzuahmen, die Ausjtattung war 
mit Prunk und Gefchmad hergeftellt, und namentlid) die pracht— 
volle Balljaal-Decoration des Hojtheatermalers Briojchi erregte 
Aufjehen. Bon dem Enthufiasmus Aller für das monumentale Werf 
zeugt die Thatſache, daß Capellmeifter Reich felbit das Amt des 
italienischen Souffleurs übernahm, um zum Gelingen des Jubel— 
fejtes fein Scherflein beizutragen. Am Abend nad) tiefer „italienis 
ſchen Jubelfeier“, deren Erfolg vollitändig war, wurde „Don 
Juan“ in deutjcher Sprache und theilweife neuer Bejegung ge 
geben — eine Thatjache, welche von der Leiftungsfähigfeit der 
Bühne Zeugniß gab. Der Theaterzettel jagte: 

Sonntag, den 30. October 1887. 
DB Mit aufgehobenem Abonnement. a 
Mozart-Cyklus VO. 
BB Zum 311. Male. aM 
DON JUAN. 


Große Oper in 2 Acten. Muſik von W. A. Mozart. Die Original: 
Recitative in der Einrichtung des f. k. Hofoperntheaters in Wien. 


Don Juan. : 2 > > nen Otto Brucks 
—— fein Dienerrr. 6 Wenzel Dobſch 

n Vedro, Gouverneur..84 Dans Thomaſchek 
Donna Anna, feine Todter - » - » - 2000. tarie Rochelle 
Don Ottavio - > 22m on Adolph Wallnöfer 
Donna Elvira - - - 220er Katharina Roſen 
Poſttto, ein Bauer - > 222m. elir Ehrl 
Zerline, ſeine Braut... Sarolta Le Pirk 


Bauern und Bänerinen. Muſikanten. Diener. 
Anfang um 7 Uhr. Ende gegen 10 Uhr. 


— 321 — 


| Die Vorftellung fand denſelben begeifterten Beifall wie die 
italieniiche.*) Un demjelben Tage, Vormittag 9 Uhr wurde die 
Gedenktafel, welche an dem Haufe des Großhändlers Ludw. 9. 
Reach zu den „drei Löwen“ auf dem Kohlmarkt, wo Mozart 1787 
zur Beit der Don Sfuan-Compofition**) gewohnt hatte, angebracht 
worden war, feierlich enthüllt. Nachdem der deutiche Männer- 
gefangverein unter Leitung des Chormeijters Hehler das „Bundes⸗ 
lied" angejtimmt hatte, hielt der Obmann diefes Vereins, Herr 
Ludwig Füßl, vie Feſtrede, welche Mozart als den „Schöpfer 


*), Im kehiichen Theater hatte Director Subert ebenfallö einen 
Mozart⸗Cyklus arrangirt; am 29. October gab man bei „theätre pare“ 
„Don Juan“ in der vollftändigen Mozart'ſchen Compofition und in fol- 
gender Belegung: Don Juan-Hr. Benoni, Comthur⸗Cech, Donna Anna= 
Fr. Parſch-Zikeſch, Don Oktavio-Hr, PVapra, Donna Elvira⸗-Frl. Sitt, 
Leporello-Hr. Hynek, Mafetto-Hr. Hed, Zerline-Frl. Kavalar, Arzt-Herr 
Hajel. Am 30. Oct. ging ein Feftzug Cechiicher Nationalität zur Bertramka, 
und Katharina Podhorsky (welhe am 8. Nov. ihren 80. Geburtstag in 
voller Rüftigkeit feierte) Tegte als „erſte cehifche Donna Anna“ einen Kranz 
vor der Mozart-Büfte nieder. Auch erfchien, redigirt von Fr. Ad. Subert, 
ein würdig ausgeltatteted Feſtblatt „Pamätce Mozartovs 1787—1887.* 


**) Don Juan wurde ın Prag vom 29. Oct. 1787 bis 31. Dec. 1886 
im Ganzen 532mal gegeben, und zwar von 1787 bi 1798 theild im ſtänd. 
Theater, theil3 auf den Nebentheatern im Ganzen 116mal, von 1799 bi 
zur Auflöfung der italienifchen Operngejellichaft noch 35mal; in deutjcher 
Sprade erihien die Oper am 8. Nov. 1807 zum erften Male (ſ. D. Band, 
©. 428). Am 2. Sept. 1791 erfolgte eine Aufführung des „Don Giovanni“ 
während der Anweſenheit Mozart’3 „auf allerhöchſten Befehl” in Gegen 
wart ber zur Krönnng anmejenden kaiſ. Majeftäten und des Hofftaates 
und, wie Schebef vermuthet, au in Anweſenheit und unter Leitung 
Mozart’d. Nr. 10 des von Scyebet in Rud. v. Freisauffs „Don Juan 
1787— 1887" citirten „Tagebuchs der böhmischen Königsfrönung, Brag 1791, 
bei Sof. Walenta, Kunſt- und Buchhändler” kündigt die PVorftellung fol: 
gendermaßen an: „Heute, 2. Sept. wird ım Atft. Nationaltheater auf- 
geführt: Il dissoluto Punito osia Il D. Giovanni. Der geitrafte Aus— 
fchweifende oder Don Sean. Ein komiſches Singipiel in 2 Aufzügen. Die 
Muſik ift von Hrn. Mozart.“ Nr. 11 vom 3. Sept. berichtet: „Abends 
(aın 2. Sept.) beehrten Ihre kaiſ. kön. Majeftäten mit den durchlauchtigſten 
Prinzen und Prinzeifinen K. 9. H. das hiefige Altftädter Nationaltheater 
mit Ihrer höchften Gegenwart, mo auf hödjftes Verlangen die italtänifche 





— 822 — 


der deutichen Oper" feierte und die Gedenktafel — „dem Haufe 
ein Schmud, der Stadt eine Zierde, dem unfterblichen Meifter 
und dem treuen, deutschen Sinn ein unvergänglich Denkmal“ der 


Deffentlichkeit übergeben. (Die Tafel ift vom Bildhauer Carl Möldner 
in Karolinenthal in Horitzer Sandftein mit eingefügter Marmortafel ans: 
geführt und zeigt folgende Inſchrift: „Aa dieſem Haufe wohnte Mozart 
1787" ; unten in Heiner Schrift: „Gewibmet vom deutſchen Männergefang- 
verein und deutſchen Singverein 1887.) Mittags 12 Uhr fand im 


Oper: Il dissoluto punito oder Il Don Jovanni gegeben wurde. Das 
Theater war ſtark mit Zuftern beleuchtet und bie kaiſ. Loge verziert. Ueber 
die „Zitnd”- Premiere desfelben Jahres jagt die „Urkunde über bie voll- 
zogene Königskrönung . . . Leopold I... . auf Veranlaflung ver Stände 
beichrieben von oh. Debroid, Prag 1818": „Die Stände hatten das von 
dem bisher unerreichten italiäniſchen Operndichter Abbate Metaftafio, 
verfaßte Singſpiel: „La Clemenza di Tito“ gewählet, und die Muſik 
hiezu von dem Compofitor am 8. f. Hofe, Wolfgang Mozart, deffen Namen 
jeder Muſikkenner mit Ehrfurcht nennt, verfertigen laflen ... Um 7 Uhr 
ging bie Aufführung diefes ernfthaften italiänifchen Singfpield vor fi... 
Ihre Majeitäten der König und die Königin fammt der k. Familie beebrien 
das Nationaltheater, das bis zur Vermeidung eine Gedränges ganz an- 
gefüllt war, unb wo man aus Prags bekannter Gefälligkeit den Fremden 
die erften Pläte überließ, mit Ihrer Gegenwart und wurben mit Jubel 
empfangen. Das Singfpiel felbft ward mit bem Beyfalle, welchen der 
Berfafler, Compofitor und die Singftimmen, befonders die rühmlich bekannte 
Todi, and vollem Grunde verdienten, aufgenommen, und es ſchien, daß 
Ihre Majeftäten mit Zufriedenheit das Schaufpielhaus verlaffen haben.“ 
Ueber die Mitwirkung der Todi liegen anderweitige Mittheilungen nicht 
vor. — Bon den Prager Don Suan-Anfführungen im Laufe dieſes Jahr⸗ 
hundert, die wir in diefem Buche wiederholt geftreift haben, heben wir 
eine Confervatoriumd- Aufführung bervor, deren Zettel (in Dr. Schebel’ä 
Autographenfammlung vorhanden) folgendermaßen lautet: 


Mozart. 


Die Direction des Vereins zur Beförderung der Tonkunſt hat als Prüfung 
und erften dramatiſchen Verſuch der Gefangsichüler bes Conſervatoriums bie 
Borftellung einer Oper im lanbdftänbiichen Theater am 12. Mai 1842 um 
12 Uhr Mittags veranftaltet, bei welcher auch ber Gefangslehrer und zwei 
abfolvirte Schüler, dann der Chor der Inſtrumentalſchüler mitwirken wird. 


[4 








— 823 — 


. Eoncertjaale des neuerbauten Künftlerhanjes „Rudolphinum”*) die 
Feſtverſammlung ftatt, in welcher die befte Sejellichaft Prags ver- 
treten war. Auf dem Podium fah man um die Büfte des Meiſters 
gruppirt den Damenchor des deutschen Singvereins und die Mit- 





Aufgeführt wird in italienifher Sprache: 


DON JUAN. 


Große Oper in zwei Alten. Muſik von Mozart, Boefie von Abbe da Ponte, 
Genau fo aufgeführt, wie fie Mozart in Prag für die damalige ital. Oper 


componirte. 

Berfonen: 
Der Comtbur - - -- er 0e. Joſ. Schütky (abfolv.) 
Donna Anna, feine Tochte.... Fannt Stolz 
Don Dttapio, ihr Berlobterr -. . - - - - Franz Jedliezka 
Domma Elvira - -» : >22. Ludmilla Stolz 
Don man. » - - 2-00. Giovanni Gorbigiani 
Reporello, fein Diener - - - - »-.. Franz Vogel (abfolv.) 
Berline, Bäuerin - -. - 2.00. Mathilde Hülzel 
Mafetto, ihr Verlobter -. . -» - Joſ. Schütky (abfolv.) 
Chor der Bauern.. Böglinge ded Conſervatoriums 


Mufilanten, Bravi, Gerichtödiener, Bagen, Bauern, Furien. 
Zeit: Mitte des 17. Jahrhunderts. 
Die auf der Bühne vorgetragenen Mufifftüde werden von Zöglingen des 
Conſervatoriums aufgeführt. 

Die Direction labet zu biefer VBorftellung geziemend ein. 
Anmerlung: Sämmtlihe Sperrfige werden zur Verfügung der in das 
Barterre Eintretenden geöffnet jein. 

Der Eintritt in das Parterre und auf die Sperrfite im dritten Range ift 
nur gegen die ertbeilten Einlabungslarten geftattet. 


Bon den Mitwirkenden wurde Schütfy Hofopernfänger in Stuttgart, 
Franz Bogel nahmald Profeffior am Prager Confervatorium, Mathilde 
Hölzel die Gattin de3 Dir. Wirſing. Im Ganzen murde in Prag vom 
29. Dct. 1787 bis 31. Dec. 1886 „Don Inan“ 153mal italienifch, 309mal 
beutfch, 7Omal cechifch, zufammen 532mal aufgeführt, 


*, Das Rudolphinum wurde am 7. und 8. Yebr. 1885 feſtlich 
eröffnet. Die Direction der böhmischen Sparcafla hatte befchloffen, ihre 
5Hjähr. Fubiläum durch die Widmung von 1,500.000 fl. für den Bau eines 
Künftlerhaufed zu bezeichnen; doch betrug der Gejammt-Banaufwand 2 Mill. 
Am 23. Juni 1876 wurde mit der Grund» Ausgrabung begonnen; ber 


— 824 — 


glieder der deutjchen Gefangvereine gruppirt. Ein Chor leitete die 
Feier ein, worauf der Oberregifleur des deutfchen Landestheaters, 
Günther Pettera, die Moſenthal'ſche Dichtung „Mozart” decla⸗ 
mirte. Das Ave verum (von dem mächtigen Chor unter Heßler 
gefungen), ein Vortrag von Dr. Guido Adler (Profeffor ver 
Mufifwiffenichaften an der Prager Univerfität) und „DO Iſis und 
Dfiris” bildeten die weiteren Programms-Nummern der pietät- 
vollen Feier. Anı 6. November fand der Mozart-CHflus mit der 
achten Vorſtellung, welche die Prager Krönungsoper des %. 1791 
und ein Tejtjpiel mit Apotheofe brachte, im deutfchen Landes- 
theater feinen Abſchluß. Der Zettel dieſes Tages verfündigte: 
Sonntag, den 6. November 1887. 
298. Abonnements-Vorftellung. (2. Serie.) 
Abſchluß des Mozart-Cyklus VII. 


Titus, der Gütige. 


Oper in zwei YAufzügen von W. U. Mozart. 


Titus, römiſcher Kaiſe.. Adolph Wallndfer 
Vitellia, Tochter des ehemaligen Kaiſer Vitellius . - Katharina Roſen 
GSertud ©. 1: ern Marie Rochelle 
Annius | zwei junge römiſche Batrigier Laura Hilgermann 
Servilia, des Sextus Schweiter - - - :» » 2 2 0. . Sarolta Le Pirf 


Publius, Anführer der kaiſerlichen Reibwae - - - . Otto Bruds 
Chöre des römischen Volkes. — Der Schauplat ift Ronı. 
Zum Schluß des Mozart⸗Cyklus: 
FESTSTPIIEL 
mit Schluss-Apotheose 
dargeftellt vom gefammten Perfonal des kgl. deutichen Vandestheaters. 
Anfang um 7 Ubr. Ende nah 4 10 Uhr. 


Glanzpunkt des prachtvollen Haujes bildet der Concertjaal mit einer Orgel 
im Werthe von 20.000 fl. von Sauer in Frankfurt a. O. Den Ban leiteten 
Prof. Zitek und Schulz (Banführer Werych). Dem Eröffunngscomite ge 
hörten der um das Werk vielverdiente, nunmehr verewigte Obmann Rid. 
Ritter v. Dotzauer, die Hrn. Tempsky, Ent und Löw an; als Spar- 
caffa-Oberdirector fungirte zu jener Beit Carl of. Freih. v. Beche, ald 
Director Ritter v. Woromwla. Das Eröffnungs-Feſtconcert wurde von 
Prof. Foerſter auf der Orgel eingeleitet, dad Orcheſter des Conſerva⸗ 
toriumg, dad nun im Rudolphinum die langvermißte Heimftätte fand, unter 





— 325 — 


Die Oper wurde unter Zeitung des Gapellmeijters Mud 
durchaus würdig interpretirt und war ebenjo würdig ausgeitattet. 
Das „Feſtſpiel“ eröffnete man mit der Ouverture zu dem Singfpiel 
„Der Schaufpiel-Director" von Mozart; hierauf zogen die Ge- 
ftalten ans Mozarts Opern von der rechten zur linken Seite eines 
Gartens dem Charakter derjelben gemäß entweder mit ruhigem 
Ernſte oder mit Iebhafteren Bewegungen über die Bühne, wobei 
das Orcheſter ftets eine Nummer aus der entjprechenden Oper, 
mithin ein Potpourri aus Mozarts Opern, ſpielte. Schliehlid) 
hob fich der rückwärtige Profpect und e8 wurde ein figurenreiches 
lebendes Bild fichtbar, in welchem fich die Jämmtlichen bekannten 
Geftalten und überdies Genien mit goldenen Palmzweigen dicht 
um die gemalte Kolofjalbüfte des Meifters jchaarten und um 
Hintergrunde von der Reiterſtatue des Comthurs überragt wurden. 
Den Schluß diejer Apotheofe bildete der Freiheitschor aus „Don 
Juan“ mit einem geänderten, den Zonmeifter feiernden Texte. 

So endeten die Prager Mozart-Tage des Jahres 1887; der 
pietätvolle Charakter der ganzen Feier jowie die zu einem jo 
edlen Zwecke aufgebotenen Fünftleriichen Leiftungen gereichen der 
gegenwärtigen Prager Bühnenleitung zur Ehre; diefe Mozart: 
eier bildet einen lichtvollen Moment in der Geſchichte der jüngjten 
Prager Zheater-Epoche und läßt wohl die Hoffnung zu, daß man 
aud in Zukunft die große Tradition, die erhabene Miſſion der 
Prager deutschen Bühne nicht aus den Augen verlieren werde. 


Dir. Bennewitz fpielte die Beethoven'ſche Ouverture „Die Weihe des 
Hauſes“; Thereſe Malten und Antonie Schläner jangen das Duett der 
Elfa und Ortrud aus „Lohengrin“ und jede eine felbitändige Nummer, 
der ſächſ. Mufikvirector C. Aug. Fiſcher fpielte auf der Orgel die F-dur 
Toccata von Bad) und einen Sat ang der 6. Orgel-Sonate von Mendelsjohn 
jowte eine freie Bhantafie. Den impofanten Schluß bildete das Hallelujah 
aus Händel’ „Meſſias“ für Chor, Orgel und Orchefter unter Mitwirkung 
der Chöre beider Yandestheater und der Geſangseleven des Conſervatoriums. 
Auch die Bemäldegallerie und die Funftgewerbliche Ausitellung wurde in dem 
neuen Runjtpalafte untergebracht. Am 7. April heſuchte das Kronprinzen: 
paar dag Rudolphinum, deffen Protector Kronprinz Erzh. Rudolph 
von Oeſterreich tit. 
male -- 


— 826 — 


XXXI. 


Das neue dentfhe Theater in Prag. 


(Ein Ruckblick auf die Gefchichte des Haupttheaters und der Tochter: und 
Neben-Bühnen Prags. — Das Niclaötheater, das Stögerihe Theater in 
ber Rofengaffe, die Arena im Pftroß’Ichen Garten, dad Nenftädter Theater, 
das teatro italiano, — Das Broject eines deutſchen Actientheaterd 1873 
und bie Verwerfung deö bezüglichen Gründer-Geſuches. — Der Plan des 
neuen beutichen Theaters als Ergänzung des deutihen Landestheaters. — 
Unzulänglichkeit des alten Gebäudes und Invalidität bes Neuftäbt. Theaters. 
— Der Landesausfhuß bringt die Theatervorlage im Landtage ein. — 
Cechiſche Oppofition. — Landtagsſchluß und Nicht-Erledigung ber Vor⸗ 
lage. — Gründung des beutichen Theatervereind. — Aufruf deö Vereins 
an bie deutichen Barteigenoffen. — Die Frage der Subvention für den 
2. bentfchen Theaterbau im veränderten Randtage; die Entſcheidungsſitzung 
und Ablehnung. — Gedeihen des Theatervereind. — Erfolge. — Theater: 
Iotterie, Matinee. — Das heute Suterimötheater. — Demolirung ded 
Neuftädter Theaters. — Das neue dentiche Theater. — Dad Eröffnungs- 
programm. — Schlußwort.) 


Während das deutſche Landestheater unter der „Firma 
Kreibig" einer Kataftrophe entgegenging, war eine mächtige Action 
in Fluß gerathen, welche für die deutfche Kunft in der böhmischen 
Landeshauptitadt von außerordentlicher Bedeutung werden mußte: 
die Action fir cin neues deutjches Theater in Prag. Die Prager 
Theatergefchichte diejes Jahrhunderts hat die bedeutſamen Wand- 
lungen berührt, denen das gejellige und Fünjtlerifche Leben diejer 
Stadt in einem Beitraume unterworfen war, welche die nationalen 
oder jagen wir genauer die ſprachlichen Verhältniffe von Grund 
aus veränderte. Imponirend durch feine Leitungen, geleitet von 
einem der beften Directoren, welche die deutfche Bühne über 
“ Haupt jemals bejejjen, ohne Concurrenz ftand das ftändiiche — 
nicht ausgejprochen aber jelbitverftändlich deutihe — Theater 
Prags in den erjten zwei Jahrzehnten dieſes Saeculums da. 
Das zweite Theater, das ehemalige „vaterländiſche“, eine utraqui— 
jtiihe d. 5. Ddeutjch-techifche Bühne, deren Conceſſion auf den 








— 827 — 


ftändifchen Tiheater-Director übertragen worden war und zulept 
in dem Sleinfeitner Theater bei St. Maria Magdalena (ehemals 
Dominicanerflofter, jeßt Gendarmeriecajerne) zur Ausübung kam, 
verlor allmälig feine Bedeutung, bis e8 ganz verſchwand; die 
dechiſchen Vorftellungen erfuhren eine confequente Einjchränfung 
und wurden fchließlich filtirt, die italieniſche Oper verwandelte 
fich in eine deutsche — das ganze künftleriische Leben Prags con» 
centrirte fich in dem unumfchränften, einzigen und nunmehr rein- 
deutichen ftändifchen Theater Liebich's. Wie ſich diefe Verhältniffe 
veränderten, haben wir gefehen; troß der zunehmenden nationalen 
Strömung im tehiichen Volke, troß der lange unterjchägten und 
ignorirten Einengung des deutichen Elements in Prag behielt 
aber das ſtändiſche, nachmals „Landes«-Theater" auf dem Objft- 
marfte feine dominirende Pulition bei, bis das vom Mutter- 
Inſtitute losgelöſte Cechifche Landestheater iu feiner Selbjtändigfeit 
zum „Nationaltheater” emporwuchs und als der impojantefte 
Theaterbau Prags wenigftens äußerlich das alt-ehrwirdige Mutter- 
injtitut zu überflügeln fchien. Die Nebentheater, welche allmälig in 
Prag entjtanden und zum Theil auch wieder vergangen waren, 
wie das Cechifche Dilettantentheater bei S. Cajetan auf der Klein- 
feite, das Dilettanten- und Hebungstheater zu St. Niclas auf der 
Altftadt,*) das Stöger’iche Theater in der Rofengafje, das unge- 
dedite Sommertheater im Pſtroß'ſchen Garten, endlid) das Neu- 





*) Das St. Niclastheuter, deſſen in biejen Blättern wiederholt 
erwähnt wurbe, war allmälig vorwiegend zum Schul-SCheater jowie zum 
Uebungstheater für die Prager Opernfchnlen geworden und wurde, nachdem 
es künftlerifhen und humanen Zwecken 64 Jahre gedient, am 18. April 1880 
gefchloffen. Der Eigenthümer und Director, C. U. Schweſtka, der jelbft 
als Dilettant in dem Miniatur-Theater gefpielt hatte, verabfchiebete ſich in 
der Schlußvorftellung in einer feiner Lieblingsrollen, dem „Meineidbauer“ 
und mit einer Abſchiedsrede, worin er fagte, daß nur Yamilienverhältnifie 
ihn von diejer Stätte fcheiden laſſen, auf der er mehr ald 25 Jahre ge- 
wirft. Er gedachte ferner der 30jähr. Mitwirkung der Damen Mannsfeld 
und Hampel fowie des Gecretärd Köhler (eined Neffen Polawsky's), 
jowie der Unterftügung dur die Hm. Kirnig (einen befannten Land⸗ 
ihaftömaler und Schaufpieler-Dilettanten) und Heiter vom bdeutichen 


— 328 — 


ftädter Theater kamen als Goncurrenz-Smftitute weniger in Be- 
tracht. Eben die Entjtehung und Beftimmung der drei legteren 
Theater aber lieferte den Iprechenden Beweis, daß das alte deutſche 
Zandestheatergebäude den Bedürfniſſen des deutfchen Kunſtinſtituts 
Prags allein längft nicht mehr zu entiprechen vermochte. Director 
Stöger hatte fein Theater in der Roſengaſſe gegründet, um 
nicht nur den Cechifchen Vorftellungen ohne Schädigung des jtäns 
diihen Theaters ein erweitertes Terrain zu gewähren, jondern 
aud) die deutſche Poſſe und das Ausſtattungsſtück außerhalb des 
Nepertoire-Bereichs jenes, höheren Zielen geweihten Inſtituts zu 
bringen; dort erblidten befanntlich „Der Zauberſchleier“, „Waſtl“, 
„Der Weltumfegler wider Willen" 1842 —43 das Licht der Welt; 
da aber Stöger's Perſonal für zwei Theater nicht ausreichte, 
dadurch dem Landestheater jchwerer Schaden gebracht und über: 
dies eine gewilje Concurrenz für das letztere gejchaffen wurde, 
fonnte der Landesausſchuß diejer Bühne eine ſympathiſche Förde 
rung keineswegs angedeihen laſſen: die Theilnahme für die Cechi- 
hen Vorjtellungen war — wie wir gejehen*) — fo gering, daß 
jie Stöger ganz einftellte, den deutſchen Vorjtellungen entzog das 
Verbot der Mitwirkung ftändifher Theatermitglieder ven Boden, 
und 1845 endete das Rofengafie-Theater ala jolches fein Dajein. 
Vier Jahre ſpäter ließ Dir. Hoffmann, um der Theilnahms: 
Iofigkeit des Publicums im Sommer zu begegnen, die Arena im 
Pſtroß'ſchen Garten als fein Privateigenthum errichten. Auch hier 


Zandestheater, der auch ald Regiffeur im Niclastbeater fungirte. Frl. Rott 
(jpäter eine erſte Kraft im cedyiihen Landestheater) überreichte dem ver: 
dienten Director einen filb. Lorbeerkranz; nah ſtürmiſchen Hochrufen auf 
den Scheidenden fiel der Vorhang, das Nicladtheater war gemeien. Director 
C. U. Schweſtka führte noch einige Zeit die Leitung bes im Neuftädter 
Theatergarten fpielenden dentichen St. Niclas-Theatervereins, zog jih dann 
zur Ruhe zurück und ftarb ım Herbite 1887. Als Schweſtka 1879 fein 
25jähr. Dir.-Jubiläum feierte, fonnte er betonen, daß fern Theater jeit 
deſſen Beſtande 20.353 fl. wohlthätigen Zwecken zugeführt hatte. Hervor⸗ 
tragende Künftler und Künftlerinen haben bei St. Niclas ihre erften Bühnen« 
verſuche gemacht. 
*, ©, Seite 294—324, 


— 820 — 


follten die cechiichen Vorftellungen Anfangs überwiegen, bald aber 
wurde das ungededte Theater thatſächlich ein deutſches Sommer: 
theater, in welchem „&ervinus” oder „Der Narr vom Unters- 
berge”, „Die Schweden vor Prag" u. |. w. Triumphe feierten. *) 
Allmälig genügte jedoch die von des Wetters Laune allzujchr 
abhängige und wenig geräumige Arena den Bedürfniſſen des 
Landestheater nicht mehr, und 1859 ſchuf Dir. Thome in 
Compagnie mit Stöger in dem Neuftädter Theater eine Bühne, 
welche in inniger Verbindung mit dem Stamm⸗-Inſtitute auf dem 
Obſtmarkte dasjelbe ergänzen und im Sommer erjegen follte; zu 
diefem Zwecke war es leicht und luftig gebaut und übertraf das 
Zandestheater weitaus an Umfang. Daner verſprach aber auch 
diefer Bau nicht: er war von vorneherein nur für eine begrenzte 
Zeit berechnet, die er allerdings um ein Bedeutendes ütcrlebte. 
Das deutiche Landestheater hatte fomit, auch nachdem das Sommer: 
theater im Pſtroß'ſchen Garten felbftändig geworden, in das Eigen» 
thum der Garten-Befiger itbergegangen und felbftändigen @efell- 
Ichaften Überantwortet worden war,**) zwei Bühnen zur Verfügung 


*) ©. Geite 389. 

**) In der Arena ım Pitroß’fihen Garten jpielten während des 
Sommerd deutſche Geſellſchaften unter, wechlelnden Directionen (Dorn, 
Bofinger, Starde, Palme n. |. w.), zumeift foldyen, denen im Winter eine 
deutihböhmische Provinzbühne unterftand; die Leiſtungen ftanden fomit auf 
mäßiger, mehr oder weniger anftändiger Höhe; erft in den legten Jahren, 
da der nunmehrige Eigenthümer des Garteng und SCheaterd, Hr. Heine, 
bem Theater die längft erwünfchte Dedung gegen die Ungunft des Wetters 
und eine mürbige Ausftattung gab, und Hr. Balme 'n die Bühnenleitung 
eine gewiſſe Stabilität brachte, hob ſich diefe deutjche Sommerbühne fichtlidh. 
Die Gegend vor dem (ehemaligen) Roß- und Korn-Thore war in ben 
Siebziger Jahren allmälig zu einer ganzen ZTheater-Colonie geworden. 
Außer dem Neuftädter und dem fog. deutihen Sommertheater im Pftroß’- 
Ihen Garten erhoben fidy dort die Cechilhen Sommerbühnen und ein 
Bariete-Theater unter dem befremdenden Titel „teatro salone ita- 


liano“; das lebtere, von dem Impreſſario einer Pantomimen- Truppe, 


Sgr Averind, gegründet, cultivirte die Pantomime und dad Repertoire 
des „Orpheum“, wurde 1877 von den Caſſieren des deutfchen Landestheaters 
Seltmann und Carmaſini in Eompagnie übernommen, überging dann 


— 850 — 


das Neuftädter Theater, das laut Revers feines Erbauers und 
Eigenthümers ftet3 nur an den Leiter des deutichen Yandestheaters 
verpadhtet werden fonnte und das alte Theatergebäude auf dem 
Obftmarkte. Die innige Verbindung beider Bühnen unter Einem 
Director, ihre Beſetzung mit einem einheitlichen Perjonal war 
fomit unumftößlides Princip. Un ein felbjtändiges deutſches 
Theater mit ganzjähriger Spielzeit, an ein deutſches Concurrenz- 
Juſtitut wurde nur einmal, in der jogenannten „Gründer⸗Aera“, 
gedacht, wo allen Ernſtes das Project eines neuen deutſchen 
Actien- Theaters in Prag beftand. 


Im Jahre 1873 war nemlich das Geſuch eines Conſortiums 
unter Hrn. ©. v. Bortheim um die Eonceffion zur Erridtung 
eines zweiten deutschen Theaters in Prag der Statthalterei zu: 
gegangen und von diefer dem Landesausſchuſſe zur Begutachtung 
übermiefen worden. Das Gutachten, welches zugleich einen inter- 
ejlanten Pidblid auf die Entwidelung des ftändifchen Theater— 
monopols gejtattet,*) fiel in durchaus ungünftigem Siune aus. 


Der Landesausfhuß recapitulirte die weientlichften Bhafen in ber 
Geſchichte des Prager Landestheaters. Dan bob hervor, daß die Stände 
feinerzeit da3 gräflich Noftig’iche Theater nur übernommen‘ hätten, weil der 
Kauf keine Landesfonds in Anſpruch nahm und weil fie auf dieſe Weife 
ein gut geſtelltes Theater zu erhalten und dem möglichen Uebelſtande vor- 
zubengen Hofften, daß das Theater Eigenthbum eined Privaten und das 
Bublicum hinſichtlich des edelften öffentlichen Bergnügend von der Caprice 
und dem Eigennuß eined auf Gewinn berechneten Unternehmend abhängig 
würde. In Würdigung bdiefer Umftände habe der Kaiſer mittelft Hofdecret 
vom 20. December 1797 3. 37.851 den Ständen bie Bewilligung zur Er⸗ 
werbung bed Altftäbter Nationaltbeaters ertheilt. Die Stände, welche nun 
Eigenthümer des Inftitnts geworben, während bie ſieben Erwerber der 
Erblogen „Miteigenthümer“ waren, ſuchten — fo führte dad „Butachten“ 
weiter aus — ihre Intentionen, bag ‘Theater zu einem Kunfte und Bil: 


an Seltmann allein, wurde eine Zeit lang von einem chineſiſchen Jongleur 
geleitet, diente anch zur Abhaltung von WRebouten und verihwand (ein 
leichter Holzban) bald vom Erdboden. Sgr. Averino verunglüdte 1877 
mir dem Projecte eines größeren Etabliſſements, „Tivoli Averino“, auf der 
Hesinfel. Seltmann leitet eines der erften Gafehänfer Prags. 

*) Landesausſchuß⸗Acten. 











— 831 — 


Bildungdinftitut zu erheben, darin zu verfolgen, „daß fie dasfelbe nicht nur 
angemefien ausftatteten, fondern e8 auch in artiftiicher, fittlicher und in der 
Geſchmacks-Richtung unter die ftrenge Auffiht eines eigenen Comites, ber 
Theaterauffihtscommilfion, ftellten, ferner zur Hebung ber Theaterzuſtände 
in Prag überhaupt und des von ihnen erlauften Theaters insbeſondere 
die in Prag beſtehenden Berechtigungen und Privilegien zu Theatervor- 
ftellungen im entgeltlihen Wege an fich brachten. So haben die Stänbe 
durch die mittelft Hoflanzleiichreiben vom 21. Sept. 1800 3. 13.205 ertheilte 
Bewilligung St. Maj. dad der Stadtgemeinde zuſtehende Einſtaudsrecht 
auf das Altit. Theater und bie auf dem Kotzengebäude rubende 
Theaterberedhtigung um ben Betrag von 3000 fl. C. M. abgelöft 
und ift der bezügliche Ablöjungävertrag ob dem Theater ftabtbücherlich ein- 
verleiht und ausgezeichnet worden. Ferner haben die Stände im J. 1805 
auch das dem Auton Zappe zuftehende Privilegium für Die fogenannte 
vaterlänbifche Cheaterunternehmung anf der Rleinfeite für böhmiſche Vor⸗ 
ftellungen, Singipiele u. |. w. im entgeltlihen Wege au ſich gebracht und 
anf dieje Art dag ausschließliche Theaterprivilegium für Prag 
erworben. Seit April 1831 ift mit der ausfchließlichen Theaterbewilligung 
auch das Redoutenprivilegium in Verbindung gebracht und mit Ent- 
Ihließung Sr. Maj. vom 17. April 1831 bewilligt werden, daß das Privi⸗ 
legium zur Abhaltung maskirter Bälle in Prag vom ehemaligen Rebouten- 
gebäude auf das ftänd. SCheatergebäude übertragen und zum Vortheile des 
Theaters entweder im Wege der Berpachtung oder durch den Theaterunter⸗ 
nehmer felbft benüßt werbe; ed wurde dad Brivilegium ob dem früheren Re- 
boutengebäube Per. 620—I. gelöiht und ob dem Theater Nr. 540—1. ſtadt⸗ 
bücherlich einverleibt und ausgezeichnet. Dieje Privilegien blieben fortan 
unangefochten“ — heißt es weiter — „und find auch ftet3 behörblich geſchützt 
worden. So wurde 1821 ein Geſuch des Prager Bürgers Fr. Doubel 
um Wiederauflebung des auf feinem Gaftbaufe zum Platteid rubenden 
Privilegiums für Schaufpiel- und Redouten-Beranftaltungen über Aeußerung 
ber Theaterauffichtscommilfion mit Hoffanzleidecret von 14. Juni 1821 
abgewiejen. Als ferner 1840 Director Stöger fein neuerbautes Haug 
Nr. 955—U. zu Theaterzwecken einrichtete, wurde ihm nach Einvernahme 
und mit Zugeftändniß des Landesausſchuſſes vom Gubernium zwar die 
Aufführung von ZTheatervorftellungen, jebody nur von böhmifchen, dann von 
Poſſen, Singfpielen und Concerten nur ad personam und folange 
geftattet, als er Unternehmer des ftänd. Theaterd verbliebe, 
fo daß diefe Vorftellungen nur der Ausfluß der Berechtigung der Inhaber 
bes ftänd. Theaters waren; es find auch jodann die Vorftellungen in dieſem 
Hauſe aufgelaflen worden.... Das Schriftftüd führt weiter aus, daß der 
Landesausſchuß nie Vortheile im Auge gehabt habe; e8 war ein Monopol, 
das den Beſitzern nur Opfer auferlegte und der Allgemeinheit Vortheile 





— 832 — 


brachte; denn es wurbe bei Ausübung besjelben an dem Grundſatze feſt⸗ 
gehalten, die thunlichfte Hintanhaltung einer Iucrativen Speculation zu 
erzielen, ber Theaterunternehmung die gebührende Stellung einer vom zu: 
fälligen Gefchmad der großen Maffe unabhängigen und ftatt von bemjelben 
geleiteten, dieſen jelbit leitenden und läuternden Kunſt- nnd Bildungs: 
inftituts zu erhalten. In diefer Intention haben die Stänbe 1805 zur 
Gmporbringung der Bühne mit derielben ein Penſionsinſtitut verbunden, 
deſſen Statuten mit den Hofbecreten vom 27. Oct. 1814 und 19. Oct. 1815 
beftätigt und in ihrer fchließlichen Revifion und Aenderung von ber kaiſerl. 
tönigl. Statthalterei unterm 30. Sept. 1868 genehmigt wurden....” Das 
„Gutachten“ weift ferner nad), daß bei jeder Gelegenheit in den einzelnen 
Phaſen der Prager Theatergeichichte jene? ausſchließl. Privilegium der 
Stände anerlannt wurde und fagt: „Ale 1858 das ftänd. Theater um: 
gebaut und in becorativer Hinficht entſprechend hergeftellt und erweitert 
wurde, wurde von den Unternehmern Stöger und Thome mit Bewilligung 
des Landesausſchuſſes das Neuftädter Theater mit Keitlegung ber 
ausdrüdlichen Bedingung gebaut, daß dafelbft nur mit Geftattung des 
Landesausſchuſſes Vorftellungen gegeben werben dürfen und dem Landes- 
theater freiftehe, diejes Theater mit Pachtausgang der Unternehmer des 
Stadttheaterd nad) dem faktiſchen Schäßungswerthe zu erkaufen oder um 
den dieſem entiprechenden Pachtzins zu pachten. Died Theater fteht nur 
in Verwendung ald Ergänzung der beiden Ranbestheater und wird in der 
Zeit wegen nöthiger Schließung des deutichen Ranhestheaterd oder während 
der Sommerbige 'unter Aufrechterhaltung ber für das deutiche Landes- 
theater beftehenden Contractö-Beftimmung benüst.” — Da: Scriftftüd 
berührt weiter die Gründung des cedhifchen Interimstheaters ald Randes- 
inftitut und folgert aus allen vom Lande geleifteten Opfern, daß das Land 
die Prager Theater mit einem Gefammt-Aufwand von 53.000 fl. jährlich 
erhalte. Died beweije, daß dad Prager Theaterunternehmen nur Landes⸗ 
angelegenheit und die Errichtung eines neuen Theater in 
ber Stadt nur von der Zuftimmung ber Landesvertretung ab- 
hängig fern könne. Ebenſo fei es zweifellos und erfahrungsgemäß, daß tei 
einem wirflih und dauernd vorhandenen Bedürfniß der Erweiterung oder 
des Neubanes eines dentichen Theaters in Prag die Hilfe bei der Landes⸗ 
bertretung in geeigneter Weile angeftrebt werden und zu erreichen fein kann. 
Der Randesansichuß findet aber (1873) die Gründung eines ſolchen In—⸗ 
ftituts, das ein felbitändiges Inſtitut werben wollte, nicht gerechtfertigt. 
Die von dem Confortium geltend gemachten Gründe — der Fremden— 
verkehr ım Sommer, Platzmangel im Winter — werden widerlegt, ebenfo 
gebe es keine literarifchen und artiftiihen Gründe zur Errichtung eined 
ſolchen Concurrenz-Inſtituts, das nur mit bedeutenden Mitteln zu erhalten 
wäre. Der Hinweis auf die Theater-Concurrenz ın Graz und auf bie 











— 8333 — 


Concurrenz des cechiſchen Interimsd- Theaters in Prag, dad nicht einmal ben 
Namen „Theater“ verdiene, fei ebenfall3 uuftichhältig. Da ferner die Con⸗ 
currenzwerber angeben, daß fte die Conceflion zum Baue und Betriebe eines 
deutſchen Theaters in Prag zu Gunften der Geſuchſteller mit dem Rechte 
der Webertragung an eine nah Maßgabe der Geſetze zu bildende Uctien- 
gefellichaft oder fonftige Geſellſchaft für alle Arten theatraliicher Aufführungen 
und Schauftellungen anftreben, beute dies auf ein Unternehmen, „wie alle 
in letzterer Beit entjtandenen Gründungen, berechnet auf bloßen Iucrativen 
Gewinn”. Die Berfonen, welche die Conceſſion anfuchen, jeien nicht Maece- 
naten des Landestheater, fie würden im &egentheil entweder noch mehr 
$ubventionirt oder ganz ohne Subvention gelaffen werden müffen. „Was 
feit 1796 Befleres geichaffen wurde, ginge zum großen Nachtheil ded Publi- 
cum? in Bezug auf Genüffe der Kunft umd des verebelten Geſchmacks 
verloren, darım müſſe in Wahrung bed von den Ständen erworbenen, 
auf die dermalige Landesvertretung überfommenen, für Prag ausichließ- 
lichen Theaterprivilegtumd, in Wahrung de3 mit allen Opfern gepflegten 
Standpunktes der Landestheater ald Kunſt- und Bildungd-Anitalten, in 
Wahrung der Intereſſen des PBublicumd und in Wahrung der Rechts- 
verbältnifje der Mitglieder ded Penſionsfonds die Wohlmeinung dahın 
abgegeben werden, daß fih gegen Ertheilung der angejudhten 
Eoncefjion mit aller Entfhiedenheit ausgeſprochen und dieſe 
umfomehr verweigert werden müſſe, als den dermaligen Unternehmern bes 
deutfhen und eechiſchen Theaterd contractlich die ausſchließliche Theater: 
Berechtigung übertragen und zugefichert wurde und daher, wenn wider 
alle3 Erwarten diefe Berechtigung nicht berüdjichtigt würde, unangenehme 
Rechts- und Entſchädigungs-Anſprüche hervorgerufen werden könnten.“ 


Dies war der Standpunft des Landesausfchufjes gegenüber 
dem Projecte eines jelbftändigen, auf Concurrenz und Fructi— 
fieirung berechneten neuen deutſchen Theaters in Prag. Das 
Project jcheiterte jelbjtverftändlich; das Monopol des Landes blieb 
ungejchmälert und unangetaftet. Ganz anders aber lagen die Dinge, 
als neun Jahre Später, im J. 1882, abermals das Project eines 
neuen deutſchen Theaters in Prag entitand und der Landes» 
vertretung vorgelegt wurde. Diesmal war e8 eben fein Con: 
currenz⸗Inſtitut, fondern das zur Ergänzung und würdigen Er- 
haltung des altehrwürdigen deutſchen Landestheaters unbedingt 
nöthige zweite Gebäude, welches man forderte, und der Landes⸗ 
ausichuß ſelbſt machte fich zum Interpreten diefer Yorderung. . 
Die Unzulänglichleit des Gebäudes am Obftmarkfte war ja, wie 

53 


— 834 — 


wir noch deutlich) aus dem vorcitirten Landesausſchuß⸗Gutachten 
über das Project des Jahres 1873 fehen, längſt und durch die 
Erridtung der Arena im Pſtroß'ſchen Garten ſowie des Nen- 
ftädter Theaters auch in der Praxis anerfannt worden. Ueber⸗ 
dies mußte das deutfche Landestheater für Deagazine und Maler⸗ 
jaal, die in dem faum mehr benugbaren alten Kogentheater unter⸗ 
gebracht waren, 2500 fl. Jahreszins zahlen, fand fich bei dem 
Mangel an Probefälen in der künſtleriſchen Arbeit beengt, durch 
Mangel an anderen Räumen in der Aufführung von Stüden 
mit einem impojanten Ausftattungs:Apparat behindert, und erwies 
fih in der eigentlichen Theaterfaifon, wo das Neuftädter Theater 
nicht in Betracht fam, zu Mein für die Menge der Bejucher. Nun 
war aber das Neuftädter Theater feinem natürlichen Ende nahe, 
weil die Befigerin des Grundes in eine Pachterneuerung nicht 
willigen, fondern ihren Grund Iucrativer als Bauparcellen ver: 
werthen wollte und weil der mächtige von feinen Erbauern auf 
zehn Jahre berechnete Holzban nach nunmehr 22jähriger Dienftzeit 
bei den gebotenen Feuerſicherheits-Maßnahmen der Demolirung 
wohl unabweisbar verfallen war. Die Eigenthümerin des Grundes, 
Frau Francisca Bahhaibl, war denn auch bereit, das Bau- 
terrain um 160.000 fl. an den Domefticalfond zu verkaufen, und 
die Wiener Architekten Kellner und Hellmer, deren Specia- 
lität moderne Theaterbauten waren, legten einen Bauplan und 
Voranſchlag vor, wornach fich die Koſten für ein an Stelle des 
Neuftädter Theaters zu errichtendes Gebäude fanımt Rejtauration, 
Magazinen, Malerſaal n. ſ. w. auf 705.000 fl. ftellen würden. 
Für den neuen Bau waren alfo, wie der Landesausichuß in 
jeiner dem böhmischen Yandtage zugegangenen Vorlage ausführte, 
865.000 fl. oder nad) Verkauf von überflüffigen Grundparcellen 
um 65.000 fl. noch 800.000 fl. erforderlich, welche Durch das 
Darlehen eines EreditinftitutS gegen 4%, Zinfen und 1%, An: 
nuttäten (binnen 41 Jahren zurüdzuzahlen) aufzubringen geweſen 
wären. Bon den erforderlichen Jahres-Ausgaben von 40.000 fl. 
famen 10.000 ft. als bisheriger Pacht des Directors für das 
Neuftädter und nunmehriger Pacht für das neue Theater, dann 


— 835 — 


3500 fl. Zins für die Neftauration und 2500 fl. als der bisherige, 
nunmehr überfläflige Pacht für das Kogentheater in Abrechnung 
und fomit nur 24.000 Sl. in Betracht. Der Landesausſchuß be- 
antragte nun 

1. den Anlauf des Bachbaibl’ihen Grundes um 160,000 fl. zu ge⸗ 
nehmigen und ihn (den 2.:U.) zum Abſchluſſe des Kaufvertrages zu er- 
mädtigen, 2. die Erbauung de neuen Theaters nad den Plänen von 
Fellner & Heller zu genehmigen, mit der Beſtimmung, baß der Ueberichlag 
von 705.000 fl. nicht überfchritten werde, 3. den Landesausſchuß zu er- 
mächtigen, den Geldbetrag von 800.000 fl. bei einem Ereditinftitute gegen 
4%, Zinien und einpercentige Rüdzahlung aufzunehmen und bie betreffende 
Urkunde auszufertigen. 


Am 21. October 1882 wies der böhmijche Landtag, der 
damals in feiner Majorität noch deutfch war und deshalb dem 
Brojecte volle Würdigung nicht vorenthielt, den Landesausfchuß- 
Antrag der Budget-Commiffion zu. Der Bericht des Landesaus- 
Ihujles hatte betont, daß nur durch die Eriftenz des Neuftädter 
Theaters die Aufführung großer Zugftitde, die Gaſtſpiele hervor—⸗ 
tagender Künftler auf der deutfchen Bühne Prags möglich gemacht 
worden waren. Da nun die weitere Benügung diejes Theaters 
unmöglich werde, müfje der Landesausſchuß trachten, den unbedingt 
nöthigen, den Zeitverhältniffen entſprechenden Erjag zu finden. 
Das Landestheater ſei zwar durch den letzten Umbau prafticabler 
geworden, die Beichränfung der Räumlichkeiten aber fei nicht 
behoben, dem Lafjaerfolg fühlbare Grenzen gefeßt, was die Er 
haltung eines den Traditionen entiprechenden Künftlerperjonals 
unmöglih mache und die Gefahr nahelege, daß das Theater zu 
einem Inſtitute dritten oder vierten Ranges herabjinfe, e8 wäre 
denn, daß die Subvention zu einer enormen Höhe gefteigert würde. 
Die Abhilfe diefer Zuftände bezwede der vorliegende Antrag. Der 
bisherige Pla des Neuftäbter Theaters ſei als der geeignetite für 
den Neubau erfannt worden, namentlich, weil er die Errichtung 
von Nebengebäuben geftatte, die dem bisherigen deutſchen Theater 
ganz fehlten, fo daß Magazine, Decorationen, Malerfaal in ge- 
mietheten Räumen untergebracht werden mußten ; eben dieje Räume 
aber konnten nicht mehr lange zur Dispofition ftehen, da das 

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gänzlich verfommene, feuergefährliche Kogengebäude in feinem Be- 
jtande längjt bedroht war. Der in Ausficht genommene Bau- 
plag hatte eine Gejfanmt-Area von 11.621°07 IM., von welcher 
160157 IM. als Gafjengrund unentgeltlih an die Gemeinde 
abgetreten werden jollten. 

Die Aufnahme, welche der Landesausfchuß-Antrag in der 
Budget-Commilfion fand, die Angriffe, denen er in der Cechischen 
Preſſe begegnete, zeigten deutlich, weldye Oppofition von Seite 
der damaligen flavifchen Minorität feiner im Landtage barrte. 
Man ſprach nur von dem Luxus-Bau eines „deutichen Sommer: 
theaters“, obwohl der wahre Charakter des zur Ergänzung des 
unzulänglichen alten Theaters unumgänglich nöthigen Neubaues in 
dem Antrage flar genug betout war, von einer „Ueberrumpelung“ 
und jtellte die Ablehnung des Antrags, eventuell einen Antrag auf 
gleichzeitige Erbauung eines großen dechiſchen „Sommertheaters" 
in Ausficht. Der Commiffions-Bericht der Mehrheit betonte feinen 
und damit auch den Standpunkt der Landesausihuß-Majorität 
jehr entichteden. „Sind die Theater in Prag, mwenigftens was die 
Näumlichkeit betrifft, Landesſache“ — hieß es hier — „van 
kann wohl nicht geleugnet werden, daß die Sorge um eine ent 
Iprechende Räumlichkeit eine Pflicht der Landesvertretung ift, daß 
die deutjche Bevölkerung Prags ein Recht hat, in diejer Hinficht 
berüdfichtigt zu werden, daß der Landesausſchuß volllommen correct 
gehandelt hat, dort, wo fich ein fühlbarer Mangel in diefer Rich— 
tung offenbart, einen Antrag zu jtellen und daß der Landtag mit 
diefer Frage nicht ohne Grund befaßt werde." Die fieben cechiſchen 
Commiſſions⸗Mitglieder gaben ein ablehnendes Votum ab, zu einer 
Entjheidung im Landtag aber fam es nicht, da deilen Seſſion 
ſchon am 23. Det. gejchloffen wurde. Die Auflöfung des in feiner 
Mehrheit deutfchen Landtags, die Neuwahlen, welche den feudalen 
Großgrundbefig fiegreich und damit die Yandtags: Mehrheit Cechifch 
machten, ftellten die Ausjichtslofigfeit des ganzen Projects als 
„Landesſache“ Mar; die deutiche Bevölkerung Prags und Böhmens 
mußte daran denken, aus eigenen Mitteln die Realifirung der Idee 
zu betreiben. Bald nad Landtags⸗Schluß kamen Sammlungen 








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fie das neue deutsche Theater in Fluß; eine Gruppe deutjcher 
Männer, deren Seele der Fabriks- und Großgrundbejiger Aler. 
Richter war, erwarb vorläufig von Fr. Bachhaibl um 160.000 fl. 
den Baugrund, und im Jäner 1883 bildete ſich ein mächtiger 
Verein, deifen Ziel die Verwirklichung des TheaterprojectS wurde. 
Als Satzungen des Vereind wurden in der conftituirenden Ver- 
fammlung vom 4. Febr. bezeichnet: 


1. Zweck des Vereins tft Die Wahrung und Fürberung des deutfchen 
Theaterwejend in Prag, 2. unbefchadet der bezüglich des deutichen Landes⸗ 
theater beftebenden Rechtöverbältniffe wird die Thätigleit des Vereins be» 
ſonders gerichtet fein: auf die Pflege ber Intereſſen des beutichen Theaters 
in Prag und auf die Sicherung eined zweiten Gebändes des beutfchen 
Landestheaterd in Prag, 3. die Mitglieder des Vereins find gründende, 
beitragende und Ehrenmitglieder (erftere mit 100 fl., beitragende mit 0 fl. 
jährlich), 4. die Geldmittel werden durch Einzahlungen der Mitglieder, 
durch Sahresbeiträge und freiwillige Beiträge, Kotterien u. |. mw. beihafft. 

Der Ausſchuß fegte ji) zufammen aus den Herren Oswald 
Graf Thun-Hohenftein (Präf.), Rich. Ritter v. Dotzauer 
(Stellvertreter), Dr. Franz Zunterer (Schriftführer), Carl Ritter 
v. Zdekauer (Caſſier), Clemens Bachofen v. Echt, Dr. Aug. 
Hanke, Dr. Wired Klaar, Prof. Dr. Nitter v. Kremer, 
Georg Löw, Alexander Richter, Victor Ried! v. Riedenſtein, 
Dr. Jaroſlav Ritter v. Rilke, Franz Altgraf zu Salm-Reiffer- 
Yheidt, Dr. Frievrih Nitter v. Wiener Diefer Ausſchuß 
erließ einen Aufruf an die „deutſchen Parteigenofjen in Oefter- 
reich”, in welchem es hieß: 

„Wir zweifeln feinen Moment daran, daß unfere berufenen Vertreter 
im Landtage auf den wohlerwogenen und rechtmäßigen Anſprüchen unjeres 
dentichen Theaterd an dad Land bebarren und diefelben unter allen Ber: 
hältnifjen mit der größten Stanbhaftigkeit vertreten werden. Un und aber 
liegt es nunmehr vor Allem, jelbftthätig zu beweilen, daß wir in feſt⸗ 
geihlofjenen Reiben für die Güter eintreten wollen, für deren Wahrung 
fih unfere Abgeordneten eingefeßt haben... . Aus diefem nächften Zwecke, 
ber die Gründung eines beutichen Theaters in Prag veranlaßt hat, ergab 
fih von jelbft ein zweiter, höherer. Mit der raftlofen Arbeit für die Er- 
richtung des nothwendigen deutlichen Theatergebäudes vereinigt ſich bie 
Sorge, daß dieſes Werk feiner deutichen und Fünftleriihen Beltinmung 
erhalten bleibe. Wir find entichloffen, mit berfelben Begeifteruug für den 


— 858 — 


Bau einzutreten wie für die dauernde innere Weihe ded Baned. Die notb- 
wenbdige würdige Form wie der würbige Gehalt Iiegen und gleichmäßig 
am Herzen. Wir verbeblen und nicht, daß auch in Bezug auf die innere 
Seftaltung dieſes Theater höhere Ziele angeftrebt werben müflen. Bir 
hoffen, daß folche Beitrebungen durch die Beihaffung der nothwendigen 
äußeren Mittel eine wefentliche Unterftügung erfahren werden. Wenn wir 
es mit Hilfe unjerer beutichen Parteigenoſſen, auf die wir bauen zu dürfen 
glauben, erreichen, daß ſich ein nener würdiger Kunſttempel auf unferem 
Grund und Boden erbebt, dann follen die Steine felbft reden und künftigen 
Geſchlechtern verfünden, daß wir unfere deutiche Pflicht veritanden und 
erfüllt haben. Aber lebendiger noch foll bad unfterbliche reine Wort unferer 
deutichen Dichter und Künftler von den Steinen wieberhallen und unſer 
gemeinfames Wert meihen durch bie unverfälichte Sprache ber dentichen 
Kunft. Das Wort des großen Kaiſers Joſeph, daß die dramatische Kunſt 
die Aufgabe habe, Gelhmad und Sitten zu veredeln, möchten wir lebendig 
erhalten auf den Stätten unferer deutſchen Kunft. Für die Erfüllung dieſer 
Worte wird ber deutfche Theaterverein mit gleichem Eifer forgen wie für 
die würdige und zweckmäßige Geftaltung des äußeren Baues. Deutiche 
Barteigenofien! Das deutiche Theater in Prag bebentet mehr als ein Kunft- 
inftitut neben vielen anderen in deutſchen Landen. Es ift eine Burg dentichen 
Geiſtes auf heiß umſtrittenem Boden, ein Bollwerk deutſcher Dichtung, 
Sprache und Sitte in einer gefährdeten Grenzmark. Wir fordern Eud 
auf, mit uns diefe Burg zu erneuen und zu vertheidigen, dieſes Bollwerk 
zu befhäten und zu befeftigen. Schon haben hochherzige Männer durch 
opfermwillige Beiträge den Grund zum nothwendigen Werke gelegt; wir 
erwarten von unjeren dentſchen Landsleuten in Böhmen, unferen nächiten 
Kampf: und Stammeögenoffen, nicht minder aber von allen im Wollen 
und Wirken mit und verbündeten Deutfchen in Defterreih bie kräftigſte 
moraliſche und materielle Unterftüßung. Jeglicher vermag nah Maßgabe 
feiner Mittel durch Beiträge, burch Beitritt zu unferem Verein, durch Ber: 
anftaltungen zu Gunften desfelben die Sache deutſcher Kunft in Böhmen, 
die nationale Ehrenfache, die wir vertreten, zu fördern. Wenn unfer Aufruf 
an die deutſchen Herzen greift, wenn gemeinfam ein edled nationales Wert 
gelingt, dann ift ein Schutzbau gefchaffen für hohe ibeale Güter der Deutichen 
in Prag und Böhmen, zugleich aber für Gegenwart und Zukunft ein rühm- 
liches Denkmal für die werkthätige Einheit der Deutichen im Oeſterreich!“ 

Der Erfolg diefes Aufrufs, der die nationale und Tünftlerifche 
Bedeutung der Sache fennzeichnete, trat bald zu Zage. Außer 
den großen Spenden der Gründer liefen zahlreiche Beiträge und 
Beitrittserflärungen ein, der Verein wuchs und gedieh. Und dies 


war in der That nothwendig, denn vom „Lande" d. 5. von der 


— 839 — 


parlamentariſchen Vertretung desjelben hatte man, wie die Ver⸗ 
bandlungen des neu zufammengefegten Landtags bewiejen, nichts 
mehr zu hoffen. Diefem Landtage lag ordnungsmäßig der Bericht 
der Budgetcommiffion über die Bewilligung einer Subvention zum 
deutihen Theaterbau und im Anjchluffe daran eine Petition des 
Theatervereing vor, worin um eine Landeswidmung von 500.000 fl. 
gebeten wurde, um das deutiche Theater auszubauen und dann 
unter entjprechenden Bedingungen an das Land. zu übergeben. 
Der Zheaterverein forderte, wie man fieht, weſentlich weniger als 
der frühere Landesausjchuß, aber auch dies fchien der Gegen- 
partei zu viel. Um die Petition zu paralyfiren, reichte gleichzeitig 
das dechiſche Rationaltheater-Baucomite die angekündigte Petition 
um eine Subvention von 800.000 fl. behufs Errichtung eines neuen 
cechifchen Sommertheaters ein und fuchte zur Rechtfertigung diefes 
Anſpruchs nachzuweiſen, daß das Land bisher um 760.000 fi. 
mehr für das deutiche als für das Cechiiche Theater votirt habe. 
Die Tendenz der durch das Bedürfniß keineswegs motivirten 
Petition von Cechifcher Seite lag auf der Hand; die neue Mehrheit 
der LZandtags-Budgetcommiffion konnte nunmehr, ohne feheinbar 
das Gleichberechtigungs-Princip zu verlegen, Uebergang zur Tages⸗ 
ordnung fiber beide Petitionen verlangen. Bezüglich des deutjchen 
Theaters ftellte diefen Antrag der der feudalen Gruppe ange— 
hörige Graf Franz Thun, bezüglich des kechifchen Dr. Rieger. 
Namens der deutfhen Minorität der Budgetcommiffion gab Dr. Ba- 
reuther eine Erflärung ab, worin er Ungefichts der großen 
Summe, die das Land in den legten Jahren fiir das Cech. Theater 
bewilligt habe, den deutfchen Anſpruch völlig begründet fand: nur 
Dank der Opferwilligkeit der Deutfchen jei die Summe der ver- 
langten 800.000 fl. auf 500.000 fl. ermäßigt worden; wenn nun 
auch das tech. Theaterconfortium eine Subvention von 800.000 fl. 
für ein neues Sommertheater fordere, obwohl ſich ihm ein Pracht⸗ 
bau öffne und das böhmische Muſeum neue Opfer fordere, könne 
man dies unmöglich bewilligen. 

Am 8. Auguft 1883 fand die bewegte, entjcheidende Sitzung 
des Landtags in der Theaterfrage ftatt. Der Intendant des 


— 840 — 
deutjchen Landestheaters Dr. Waldert vertrat die deutjche Peti⸗ 
tion von den mehrfach erörterten Gefichtspunften aus. Er wies 
jpeciell auf die Nothwendigkeit einer Erhöhung der Einnahmen 
zur würdigen Erhaltung des deutichen Landestheaters bin; vor 
zwölf Jahren habe der Gagenetat monatlich 11.700 fl., jährlich 
140.000 fl. betragen — nun beziffere er ſich auf 18.000 refp. 
216.000 fl.; die Autorenhonorare feien in derjelben Zeit von 
12 bis 15%, oder 10.000 fl. im Jahre 1883, der Gejammt- 
Ausgabenetat aber um 90.000 fl. jährlich geftiegen. Und fo 
leichten Kaufs könnten die Deutfchen nicht eine Stadt verlafien, 
in welcher jeder Stein jozufagen an deutiche Geſchichte, deutjche 
Kunſt und Wiffenfchaft erinnere. In heftigſter Weife polemifirte der 
Führer der Yunglechen, Dr. Eduard Gregr, gegen bie deutjche 
Forderung. „Prag“ — fo Schloß der dem Deutfchthum mit Er- 
bitterung gegenüberjtehende Redner unter Hinweis auf die {dee 
einer adminiftrativen Zrennung Böhmens in nationaler Hinfiht — 
„Prag werden Sie nicht zerreißen; wenn Sie ſich ein Theater 
bauen wollen, jo bauen Sie es in der zufünftigen deutſchen Haupt» 
ſtadt Böhmens. Wenn wir die Subvention bewilligten, jo würden 
wir eine Brämie für den Landesverrath votiren!" Die 
Enticheidung konnte nach alledem nicht zweifelhaft fein. Der An⸗ 
trag des Grafen Franz Thun auf Uebergang zur Tagesordnung 
wurde mit den Stimmen des Großgrundbefiges und der Cechen 
gegen jene der Deutichen angenommen, ebenjo fiel felbjtverftändlich 
das von vorneherein beveutungslofe Cechifche „Sommertheater”- 
Project. 

Das Reſultat diefer denfwürdigen Landtagsfigung wirkte 
befeuernd auf die Sammlung für den deutichen Theaterbau. Als 
die Mitglieder des Theatervereins am 27. April 1884 den erjten 
Thätigkeitsbericht entgegennahmen, konnte conftatirt werden, daß 
troß vielfacher Hemmniſſe binnen Einem Jahre die Grundlage 
für das Unternehmen gejchaffen worden war. Se. Maj. Kaifer 
Franz Joſeph I. hatte durch eine Spende von 10.000 fl. 
jelbft feine hochherzige Theilnahme für das Werk Tundgegeben, 
der Neuftädter Theatergrund war um den ftipulitten Betrag von 








— 841 — 


160.000 fl. in den Befit des Vereins übergegangen, das Ver⸗ 
mögen hatte die Höhe von 414.702 fl. erreicht und ftieg bis zur 
nächſten Generalverfammlung (30. Juni 1885) auf 445.284 fl. 
In der außerorbentl. Generalverfammlung vom 8. Nov. desfelben 
Jahres konnte Dr. Hande bereits beantragen, in den eriten 
Monaten des Jahres 1886 mit dem Baue eines zweiten deutjchen 
Theatergebäudes auf dem erworbenen Terrain mit Zugrundelegung 
der Skizzen von Fellner und Helmer zu beginnen, und mit Be- 
geifterung wurde der Antrag angenommen. Ein eigenes Comite 
veranlaßte die Vergebung der Bauarbeiten, in der Sigung vom 
25. März 1886 erfolgte diefe Vergebung an den Prager Archi⸗ 
teten Alphons Wertmüller und vier Tage jpäter der erite 
Spatenſtich. 

Das Neuſtädter Theater war 1885 von Director Angelo 
Neumann — und zwar unentgeltlich — zum letzten Male benützt 
worden, wurde im Jäner 1886 von M. J. Raubitſchek zum 
Zwecke der Demolirung angekauft; am 25. Jäner begannen die 
Demolirungs-Arbeiten, und wenige Wochen ſpäter war es vom 
Erdboden verfchwunden. Die Sommerfaifon zeigte recht deutlich, 
wie jchwer es hielt, mit dem alten Gebäude am Obftmarft aus» 
zufommen, wie nothwendig ein zweites, geräumiges und Yuftigeres 
Haus war. Schon im April wurde für die Zwede des deutjchen 
Zandestheaters das von Hrn. Tichy in Karolinenthal 1880 erbaute 
„theätre variete“, melches bisher auch zu Redouten, Eircus- 
vorjtellungen und Productionen mancherlei Urt gedient hatte, 
gemiethet und als „deutſches Interims-Theater“ in Ge- 
brauch genommen. Dort führte u. U. Director Jauner mit den 
eriten Kräften des Theaters a. d. Wien Johann Strauß’ Ope- 
rette „Der HZigeunerbaron” und ähnliche Werfe aus dem Neper- 
toire jenes Theaters auf. Mittlerweile waren Spenden fir den 
Theaterverein in reicher Zahl und zum Theil aus weiter Ferne 
(felbft aus Amerika) eingelaufen, zur Hebung des Erträgniſſes 
aber wurde auch eine Effecten-Zotterie mit 150.000 Xojen zu 
2 fl. auf zwei fahre in Scene gejest und behördlich in Anbetracht 
des „culturellen Zweckes“ der Sadje genehmigt. Ein Brillant- 


— 8342 — 


Ihmud im Werthe von 10.000 fl. bildete den Haupttreffer, ein 
eigenes Gomite, an deſſen Spige der Großinduftrielle Alerander 
Richter ftand, nahm den Verkauf der Loſe in die Hand, der 
bis 26. Aug. 1887 die Summe von 169.033 fl. 70 fr. ergab. 
Der KRaifer, der Kronprinz und Erzh. Carl Ludwig widmeten 
Geschenke für die Lotterie; in Wien wirkte ein befonderes Lotterie 
Comite unter Leitung des geweſ. Minifterd Dr. Freiherrn von 
Banhans. Einen ftarken materiellen Erfolg hatten auch die 
am 19. und 20. März 1837 unter dem Protectorate der Gräfin 
Chriftiane Thun und dem Präfidium der Fr. Louife Schmeyfal 
im deutſchen Landestheater abgehaltenen Matinéen. In „ven les 
benden Bildern“, welche Negiljeur Baumann geftellt hatte und 
Oberregiſſeur Bettera mit Worten begleitete, wirkten Damen 
und Herren der erſten Geſellſchaftskreiſe Brags mit; den muficali- 
ſchen Theil leitete Capellmeifter Slansfy. DBefonderer Ova- 
tionen erfreuten ſich bei diefen Matineen Fr. Lidwinna Kremer 
v. Auenrode und deren in Prag noch unvergejjene Schweiter 
Hermine Elaar-Delia, welche in Einactern mitwirkten, die dem 
nach Mojenthal bearbeiteten Melodvram „Das Volkslied" vorans 
gingen.) Den Epilog und die verbindenden Gedichte hatte der 
Prager Schriftjteller A. Klaar verfaßt. Das Neinerträgnig der 
Matineen allein ergab etwa 12.000 fl.; die jogenannten Theater- 
vereing-Bälle Tieferten 23.308 fl. 13 fr. Ertrag. So entwidelte 
ih und gedieh der Verein**) und mit ihm das Theater, das 
im November 1837 im Wefentlichen als vollendet gelten konnte 
und feiner Eröffnung harte. “Der Bau präjentirt fich äußerlich 
durchaus gefällig und vornehm und überrafcht im Innern durch 
glanzvolle künſtleriſche Ausftattung. | 


*) Diefe neueren Daten entnehmen wir vorzüglich einem im November 
1887 erjchtenenen, forgfältig gearbeiteten Werfchen „Das nene dentſche 
Theater in Prag“, ein Gedenkblatt zur Eröffnung. Bon Hermann 
Ras. Brag 1887, U. Haaſe. 

*) Auch jchmerzliche Berlufte trafen den Berein während jeined 
furzen Beſtaundes. Vom Ausſchuſſe ftarben die folgenden Herren: Clemens 
Bakhofen von Echt (am 80. October 1886), Dr. Franz Zuuterer 

J 


— 843 — 


Die Hauptfacabe des neuen Theaters ift der Brebauergafle zugekehrt 
und fchließt ben Straßenzug, ber vom Graben zum Franz Joſephs-Bahn⸗ 
hofe läuft, in effectvoller Weife ab. Eine Treitreppe mit zehn Stufen und 
Rampen von beiden Seiten führen in das Veſtibul. Ueber der Unterfahrt 
erhebt fich eine Terraſſe, zu weldher man von bem falonartigen Foyer bes 
eriten Stodwerles aus gelangen Tann. Sechs mächtige Steinfänlen mit 
korinthiſchen Gapitälern fragen den Giebel. Der von dem Wiener Bild: 
bauer Friedl ausgeführte figurale Schmud desſelben zeigt, wie der Dichter 
bie nach ber Zerreißung des Orpheus burd) die Mänaden von diefen ing 
Meer gemworfene aber wieder gefundene Lyra ergreift, um fich mit ihr auf 
dem Pegafus zu den Bahnen ewigen Ruhmes emporzujchwingen, Amor 
triumpbhirt, daß das Lied der Liebe forttönen wird, während die Muſen 
noch ihren Sohn beweinen. Die Krönung des Giebels bildet in ber Mitte 
Fama mit Pofaune und Palmenzweig. Rechts thront Thalia, links 
Dionyſos auf einem Wagen, welchem ein Löwe und ein Panther vorge- 
jpannt find. In den Untercolummen der Säulenftellung bes Giebels er- 
heben fih von Prof. Menzel ausgeführte Büften Schillers, Goethes und 
Mozart. Die an den Mittelbau anfchließenden Stiegenhäufer zeigen längs 
der Seitenfagaden von Säulen getragene Giebel, deren Tympanon von 
teigenden Kindergruppen ausgefüllt ift, welche eine Trophäe mit Blumen⸗ 
kränzen fchwingen. Terraſſen au der Geitenfagade, vom zweiten Rang 
ans zugänglich, Jollen den Beſuchern der Galerie zur Sommerözeit in den 
Zwiſchenacten angenehmen Aufenthalt gewähren. Die großen Feniter 
der Seitenfacaden beleuchten die Nebenfoyerd und Stiegenhänfer. Mächtig 
tagt der fehlichte Giebelbau der Bühne aus dem ganzen Complex heraus: 
die Eden vier kandelaberförmige Schornfteine tragend, die Giebel mit 
Lyren ald Akroterien. 


Im Veſtibnl öffnen ſich dem Eintretenden je rechts und links die 
Bugänge zu den Galerien, zu den Logen und zum Parterre. Lichte, luft⸗ 
räumige, breite Gänge, das impoſante, mit plaftifcher Ausſchmückung ge⸗ 
zierte Hauptfoyer, Nebenfoyerd, Garderoben und Communicationstreppen 
umfchließen den weiten Zufchauerranm. Derjelbe enthält im Barterre 456 


— 


(23. Dec. 1886), Dr. Ritter v. Wiener (9. März 1887), Gen. Director 
Georg Löw (8. Mai 1887, an ben Folgen eined Sturzes, den er bei 
Befichtigung einer Fabrik im Intereſſe des Vereins erlitt, ein überaus 
eifriger Förderer des Unternehmens), am 31. Mai 1887 der Vicepräfident 
und aufopfernde Mitarbeiter an dem Vereinswerke, Richard Ritter von 
Dotzauer. In den Ausſchuß wurden bei der Erjaswahl die Herren Dar 
Egon Fürft zu Fürftenberg, Dr. Fr. Schmeylal, Ingen. Hein. Schmeylal, 
Carl Oftermann und Dr. Wer. Baudiß neugemählt. 











— 844 — 


Yanteuilfige und einen Stehraum für 246 Perfonen. Rechts und links 
erheben fich je 4 Proſceniums- und je 8 Normallogen. Im erften und 
zweiten Rang recht3 und links befinden fih je 4 Proſceniums⸗ und je 
9 Normallogen. Ein vom zweiten Rang aus zugängliher Balcon faßt 
108 Fautenilfige, während die Galerie 470 Sitpläte und einen Raum für 
280 ftehende Perfonen enthält. Im Ganzen finden 2000 Berfonen im 
Zuſchauerraume Play. Im Innern baben Arditeftur, Sculptur und 
Malerei harmoniſch zufammengewirkt, um ben weiten Raum vormehn und 
geihmadvoll zu beleben und auszufhmüden. Diefer Hanptraum bes nenen 
deutichen Theaters in Brag kann fich den ſchönſten Theatern Deutſchlands 
an die Seite ftellen. Der in reicher Barod:Bildhauerarbeit ausgeführte 
Blafond verbindet in effectvoller Weiſe fignrale Blaftif mit einer von Maler 
Eduard Veith berrührenden künftlerifhen Malerei. Auf dem Proſceniums⸗ 
bogen thront in einem reich geſchmückten Tempel bie Korbeer ſpeudende Kunſt 
mit dem Genius de3 Dramas. Ihr zu Yüßen weilt die ernfte und beitere 
Mufit, während rechts die aeflügelte Poeſie und diefer zu Füßen die Proſa 
und die Wahrheit ihr Lager aufgefchlagen haben. Reizende Gruppen von 
GSeftalten des Orients und des Occidents und ein mächtiger öfterreichifcher 
Bannerträger flankiren dieſes herrlihe Bild — Alle der Kunft ihre Huldi— 
gung leiftend. Das jchmale Feld, welches an den Profceniumöbogen an« 
fchließt, verfinnlicht die Schriftftellerei und die Tonkunſt. An dieſes Bild 
reihen fich in geihmadvoller Weiſe Gruppen, welche die verfchiedenen Lebens⸗ 
alter darftellen. Links das Kindesalter mit einer beiteren Maskerade, bezug: 
nehmend auf die komiſchen Darftellungen: Poſſe und Schwank; gegenüber 
das ünglingsalter mit fröhlichen tanzenden Gruppen, binmweilend auf das 
Quftfpiel, die Operette und das Ballet, und fchließlich das Mannesalter ım 
Streben und Jagen nah Ruhm und Glüd ald Symbol bed Dramas, des 
Charalterftüds und ber Oper. Die theilenden und zufammenfaffenden Mar: 
morjäulen der Proiceniumglogen tragen Kindergruppen von Friebl und andere 
reizende Figuren von Vogel. Außerdem find die den Uebergang vom Pro- 
fceniumäbogen zum Flachgewölbe des Plafondbs vermittelnden Flachen mit 
figuralen Hochreliefd, ausgeführt von Vogel, reich geihmüdt. Alle Galerte- 
und Rogenbrüftungen tragen geſchmackvolle Bildhauereiverzierungen. Die reich 
decorirte Umrahmung des Balkons, jo wie die Logentrennungswände im 
erften Rang ſchmücken plaftifche Gebilde ron Friedl. Für den Hauptvorhang, 
ein Werk des Malerd Veith, hat der Künftler fein Gemälde „das Geſicht des 
Dichters” zum Vorwurf gewählt. Liebe und Haß, bie Treue, bad Familien⸗ 
glüd, die Freundichaft, die Habindht und der Neid, Leidenſchaften und 
Triebe, bie das Neben bewegen und bie vom Geficht bed Dichters erichaut 
auf der Bühne zur Darftellung gelangen, werben bier im Bilde in cha⸗ 
rakteriſtiſcher Weiſe vereint zur Anſchanung gebradt. Das Orchefter iſt 
vertieft angelegt und zu einem Drittel überdeckt. 


— 845 — 


Die Beleuhtung des Zujchanerraumes beforgen ein mächtiger Zufter 
mit 150 Öasflammen und 25 Glühlichtern, ferner 153 Glühlampen in den 
Umpeln der Brüftungen. Die Nebenräume des Zuſchauerraumes find theils 
mit Glühlicht, theils mit Gas beleuchtet. Die Heizung bed gefammten 
Zuſchanerraums bejorgen vier Caloriferen mit gemeinfamer Leitung. Die 
Ventilation ermöglicht einen Luftwechfel von 90.000 Cubikmeter in einer 
Stunde. Im Sommer wird die eingeführte friiche Luft durch Waſſerſchleier 
und Kühlflächen entiprechend temperirt. Die Bühne ift vom Zuſchauer⸗ 
raum durch eine Feuermauer und einen doppelmandigen eilernen Vorhang 
mit hydrauliſchem Antrieb vollftändig getrennt. Ihre Breite am Portal 
beträgt 13°8 M. und von Wand zu Wand 229 M., die Höhe 8°5 Meter. 
Die Borberbühne ıft 16°25 M., die Hinterbühne 875 Meter tief, jo daß 
für decorative Cffecte vom Vorhange bis zur Rückwaud eine Tiefe von 
25 Meter zur Verfügung fteht. Die eiferne Unterbühne enthält zwei Etagen. 
Bei ben Verſenkungen und jchweren Caſſetten, ebenfo wie bei der Eifen: 
Courtine kommt hydrauliſcher Antrieb zur Verwendung. Die Bühne hat 
genügendes Tageslicht, die künftliche Beleuchtung derfelben ift ausfchließlich 
elektriſch Der Zugang zu den Bühnennebenräumen liegt in der Reſſelgaſſe. 
Unmittelbar an die Bühne grenzen im PBarterre die Rocalitäten für den 
Portier, für die Feuerwehr, für die Theaterarbeiter und ein Inſpections⸗ 
zimmer ber Direction; an die Hinterbühne ftoßen zwei Locale für Requi- 
fiten und Möbel. In weiteren vier Geſchoßen befinden ſich die Ankleideräume 
für das Chorperfonale und für dad Ballet, die Probejäle, die Werkftätten 
der Schneiderei und die Bureaur ber Direction. Das oberſte Geſchoß 
enthält ausſchließlich Depots für Garderobe und Reguifiten. Alle bieje 
Räume find zwiſchen Eifenträgern gemölbt und haben maflive Zmilchen- 
räume. Dad GSouterrain der Bühnenräume enthält beiderjeit5 Stimm- 
zimmer des Orcheſters, unter der Hinterbühne ift ein Raum für Statiften 
hergerichtet. 

Neben bem Bühnenhaus — verſenkt im &artenterrain — liegt 
das Maſchinen- und Keſſelhaus. In demfelben find drei Röhren- 
feflel, eine Compoundmalhine mit 75 Pferdekraft und zwei Dynamo: 
mafchinen untergebradt. Durch diefe Anlagen werden bewirkt die elektriſche 
Beleuchtung, der directe Antrieb des Pulſators, der Seilenantrieb des Er: 
bauftor8 und zum Theil ald Nebenleiftung die mit Bulfion betriebene 
Dampfheizung der Bühne fammt allen Nebenräumen berfelben. Die Fener- 
fiherbeit des neuen Gebäubes ift fo groß wie faum die eines zweiten 
Theaters, denn abgefehen von Thüren und Stühlen ift faft gar kein Holz 
beim Baue zur Verwendung gelangt. Der Blafond, alle Conftructions- 
tbeile, fämmtliche Zwifchendeden, die Logenabtheilungen, die Brüftungen zc. 
find aus unverbrennbarem Material. Die Leerung des Hauſes geichieht 
gleichzeitig nach ber Hauptfront und nad) ben Seitenfacaben. Die Gallerie: 





— 846 — 


beiucher Tönnen auf den feitlichen Terraſſen über abfolut rauch- und feuer- 
fibere Stiegenhäufer in’3 Freie gelangen.*) 

In diejer Gejtalt**") — eine durchaus moderne, ihren fünjt- 
lerifchen Zweden vollfommen entjprehende Bühne — fteht das 
neue deutſche Theater der Bühnenleitung des deutfchen Landes⸗ 
tbeaters8 in Prag zur Verfügung. Der Ausſchuß des deutjchen 
Theatervereins hat nämlich — wie es in der Organijation des 
neuen Theaters begründet ijt — Herrn Angelo Neumann das 
Haus pachtmweije überlaffen, nachdem derfelbe vom Landesausichuß 
die Bewilligung zur ſubſidiären Benügung der neuen Bühne 
erhalten hatte. Um das Verhältniß der neuen Bühne zum Stamm- 
Inſtitute zu regeln, hatte der Landesausſchuß am 31. März 1887 
eine Sigung unter Zuziehung der Logenbeſitzer gehalten, in welcher 
einftimmig anerfannt wurde, daß die Verauftaltung von regel- 
mäßigen BVorftellungen oder auch von Doppel-Borjtellungen (mit 
dem Stadt⸗Theater) in dem an Stelle des ehemaligen Neuftädter 
Theaters erbauten neuen Xheaters unter den bisherigen Modali— 
täten feinem Anftande unterliege. Nur mache der Umstand, daß 
ſich dieſe Benügung auf die ganze noch übrige Pachtdauer Angelo 
Neumann’s erftreden fol, einen Vertrags-Nachtrag in diefem Sinne 
‚nothwendig. Dem Landesausfchuffe jowohl al3 der Theaterinten- 
danz bleiben bezüglid) der im neuen Gebäude ftattfindenden Bor: 
ftellungen alle hinſichtlich des Landestheaters beftehenden Rechte 
ungejchmälert vorbehalten. Bon den laut Art. XVII des Theater: 
padhtvertrags im Landestheater täglich mit Ausnahme der Norma- 
tage regelmäßig abzuhaltenden Abendvorftellungen dürfen nun 
während der Winterfaifon d. h. vom 1. November bis 15. Mai 


.*, „Bobemia”, Beilage zur Nr. 257 vom 18. September 1887. 

**) Die Frage bezüglich ber Errichtung eines Decorationd: Magazins 
war zur Beit, ald diefer Abjchnitt geichrieben wurbe, noch ungelöft, ebenfo 
war die Herftellung eines Neftanrationd-Gebäubes noch nicht im Gange, 
die Demolirung bes alten Gebäudes erft im Zuge, welchen Umftand bie 
bem bentichen Theater feinblich gegenüberftehende kechiſche Gemeindever⸗ 
tretung ber Stadt Weinberge benüste, um bie Eröffnung des Theaters 
ſelbſt zu verzögern. 











— 347 — 


nie weniger als vier Borftellungen im Landestheater abge- 
halten werben, während in der Sommerjaifon die Borftellungen 
auch ganz in das newe Theater verlegt werden können. Ein 
Antrag, daß in der Winterfaifon alle Tage im Landestheater 
gefpielt werden müſſe, blieb mit 2 gegen 13 Stimmen in der 
Minorität.*) 

So ftand denn im Nov. 1887 das Perjonal des deutjchen 
Zandestheaters unter Führung Angelo Neumann’s**), zum Ein: 
zuge in das neue Haus bereit. 


*), Die Breife der Plätze wurden mit Genehmigung des Landes 
ausichnffes folgendermaßen feſtgeſetzt: Parterre- oder 1. Rang-Loge 10 fi., 
Roge 2. Rang 8 fl., 3. Rang A fl. 50 kr., Fauteuilſitz 1. bis 4. Reihe 
2 fl. 50 kr., Parketfit 5 bis 12. Reihe 2 fl., Parketfis 13 bis 20. Reihe 
1 fl. 50 kr., Mittel:Balconfis (1. Rang) 1—4. Reihe 2 f., 5—7. Reihe 
1 fl. 50 kr., Galleriefig 1—4. Reihe 1 fl., 5—10. Reihe 80 kr., Gallerie: 
feitenig 1. Reihe 80 Er., in den übrigen Reihen 50 !r., Parterre-Stehplat 
80 kr., Gallerie-Stehplag 20 fr. — Das Abonnement, auf 320 Vor: 
jtellungen berechnet, beträgt für eine Loge Parterre oder 1. Rang 1700 fl., 
Loge 2. Rang” 1332 fl., Fantenil 480 fl., Barterrefig 320 fl., Gallerielig 
160 fl. Das Verhältniß zwiſchen dem Randestheater und bem neuen Theater 
bezüglich der abonnirten Plätze iſt dasfelbe, wie ed zwilchen dem Landes⸗ 
theater und dem Neuftädter Theater beftand. 


**) Dad Perſonal des deutfchen Landestheaters hatte ım Herbit 1887 
folgenden Beſtand: Schaufpiel. Herren: Willy Felig, Heinrich Prechtler, 
Carl v. Zeska, Carl Peppler, Wilhelm Stödel, Guftav Löwe, Günther 
Bettera, Rud. Hellbach, Volkmar Kühne, Rud. Bolfen, Iſidor Grauert, 
Siegfr. Roſenberg, Wilh. Eichenwald, Carl Schleſinger, Wilh. Thaller, 
Alex. Elmhorſt; Damen: Johanna Buska (ſeit Oct. Gattin des Director 
Neumann), Hedwig Walles, Auguſte Scholz, Joſephine Moller, Minna 
Bichler, Betti Dinſtl, Georgine Galſter, Minna Wollrabe, Gabriele Pol⸗ 
koffsky, Olga Engel, Roſa Roll. — Oper: Herren: Adolph Wallnöfer, 
Frauz Heukeshoven, Edwin Hinrichs, Adolph Perluß, Otto Brucks, Hans 
Thomaſchek, Felix Ehrl, Wenzel Dobſch, Ludwig Rochelle; Damen: Marie 
v. Moſer, Catharina Roſen, Marie Rochelle, Betti Frank, Sarolta Le 
Pirk, Luiſe Grimm, Bertha Thomaſchek, Laura Hilgermann, Anna Hofmann,“ 
Hanna Wrada, Antonie Plodek. — Capellmeiſter: Dr. Carl Muck, 
Wilhelm Reich, Ludwig Slansky, Chordir. Friedrich Rehbock. — Regie: 
Collegium: Hm. Baumann, Eichenwald, Dr. Mud, Pettera, Rehbock, 


— 848 — 


Eommiffionelle Prüfungen fowie eine Reihe auffchiebender 
Forderungen und Maßnahmen der dem deutjchen Theater nicht eben 
wohlwollenden &emeinderertretung der Stadt „königliche Wein- 
berge”, in deren Verband das neue Haus gehört, bedingten eine 
wiederholte Verlegung des Eröffnungs-Termins, für welchen end- 
lich der 5. Jäner 1888 gewählt wurde. Das alt-ehrwürdige deutjche 
Landestheater in Prag, das in diefer Gefchichte den ihm ge- 
bührenden vornehmiten Play eingenommen bat, ift dur das 
neue Haus — einen durchaus modernen, praftiichen, in jeinem 
Innern durch künſtleriſche Dijtinction und Geſchmack der Aus: 
ftattung gleich einnehmenden Theaterbau — in die Zage verjegt, 
die große Million, die es in fünftlerifcher, cultureller und natio⸗ 
naler Hinſicht zu erfillen hat, erfolgreich durchzuführen. Die 
Beichränfungen, die dem Inſtitute im alten Haufe auferlegt waren, 
find beheben; das deutfche Landestheater hat den Raum und die 
Mittel zur freien Entfaltung; es hat eine breite und ſolide mate: 
rielle Baſis gewonnen, die e8 durch eine vom Lande erbetene 
Subventions-Erhöhung noch zu fejtigen jtrebt; auf diefer Baſis 
fann es weiterbauen mit der Ausficht, auch in den neuen, jo 
vollfommen veränderten Zeiten feine alte ruhmvolle Pofition zu 
behaupten. 


Reich, Slansky. — Directiong-Secretär u. Hanptcaflier Carl Roſenheim; 
Dramaturg Temeled. — As Intendant bes deutichen Landestheaters 
fungirt feit dem Austritt ber deutſchen Randtagsabgeordnneten aus dem böhm. 
Landtag und ber beutichen Landesausſchußbeiſitzer aus dem böhm. Landtage 
ber Randesausfchußbeifiger Alfred Freiherr Pfeill v. Scharfenftein. — 
Erblogen-Befiger find: Fürſt Samill Rohan, Fürft Carlos Auersperg, 
©. d. Cav. Graf Ed. Elam-Gallas, Graf Albrecht Kaunig, Graf Erwein 
Noftis, Graf Eruſt Valdftein, Graf Oswald Thun. Die Logeneigenthümer 
baben auch nach der Eröffnung des neuen dentichen Theaters bad Recht, jeden 
Spieltag des Jahres ihre ftäudige Loge zu benüsen; in Folge defles haben 
fie and an den Tagen, wo allein im neuen Theater geipielt wird, dort 
ihre Loge zur Dispofition, an Tagen mit Doppeloorftellungen ihre Loge 
im (alten) Landestheater. Fünf der Logenbefiter haben ſich durch Separat- 
vertrag mit bem Director gegen eine Pauſchalſumme bei Doppelvorftellungen 
ihre Logen in beiden Theatern gefichert. 








— 849 — 


Mit möglichſter Treue ift in diefen Büchern die Entwidelung 
der dramatifchen Kunft, des Bühnenweſens überhaupt und der 
deutschen Bühne Prags insbejondere ſeit dem vierzehnten Jahr—⸗ 
Hundert verfolgt und dargeftellt worden; in dem Theaterweſen 
Prags jahen wir die Gejchichte der deutſchen Schaufpielkunft, des _ 
Dramas und der Muſik, aber auch die Geſchichte Prags in ihren 
einzelnen bedeutfamen Phajen ausgeprägt; wir können unfer Wert 
nicht beſſer fchließen als mit dem Wunjche, daß die wechfelvolle 
Seichichte des Prager Theaters in den künſtleriſch maßgebenden 
Kreifen Böhmens gekannt und erkannt werde in ihrer ganzen 
Bedeutung; diefe Erkenntniß wird nicht nur die Pflege wahrer 
Kunft in Prag fördern, fie wird auch manche Gegenſätze aus⸗ 
gleihen und vor Allem dazu beitragen, daß dem deutfchen Theater 
der böhmischen Landeshauptſtadt feine hiftorifche Pofitign gewahrt 
bleibe, daß diefem Institute allezeit nicht nur die begeifterte Pflege 
der deutſchen Kunft- und Bevölkerungskreiſe, ſondern auch die 
pietätvolle Achtung der Gegenpartei gewidmet werde! 


(Ende des dritten Theiles. 


— 850 — 


Anhang. 
Alphabetiſches Berzeihniß 


der in Den Jahren 1836 bis 1885 am (dentſchen) königl. Landestheater 
zu Prag eugagirt gewefenen Mitglieder und der Bühnenleiter in dieſer 
g Beit, 


(Die eingeffannmerten Zahlen bedeuten Funetions⸗ reſp. Engagementöbauer, Zahlen am Gnbe 
ber Zeile bie Geite des Buches, auf welcher fie erwähnt ober behandelt find.) 


I. Ständifhe (Landes-) Theaterbehörde. 
Ständifhe Theaterauffihtscommiflion (bis 1846). 


Inteubanten: 


Wbert Graf Noftig (1846—1852) - - : -.-.. 344, 380, 413, 505 
Wenzel Ritter v. Bergenthal (1852—1857) 424, 426, 455, 459, 479, 504 
Ritter Bohuſch v. Ottoſchütz (1857—1863) - - - - .... 504, 582 
JUDr. Mb. Maria Pinkas (186A—1865)- - - - - ern e.n 673 
JUDr. Börner (1865-1870) - - rennen 673 
Wilhelm Graf Wolkenſtein (18711—1872) - - - : - 220. 674 
Carl Joſeph Freiherr v. Peche (1872—1882) - » . . = - 674, 791 
JUDr. Ant. Walbert (1888-1887) -. - » 2... 792, 801, 833 


Begenwärtig: Freiherr Pfeill v. Scharffenftein. 
II. Unternehmer und Pirectoren. 


J. A. Stöger (1834-146) - »..... 52, 54, 109, 1%, 193-340 
ob. Hofmann (1846-1852) - - - - nennen 839—417 
EU Stöger (1852—1858) . - » - 222000 ren en 417—507 
Kranz Thome (1858—1864) - - - - 200... 483584, 681—83 
Nubolph Wirfing (1864-1876) - - » - . »» 582--676, 680, 688 - 90 
Eduard Kreibig (1876-1855) - - «rennen. 700—806 


Edmund Kreibig ald Director-Stellvertreter (1879— 1885) - - 751—806 
Gegenwärtig: Angelo Neumann. 


LI. Mitglieder.”) 
Albrecht Charlotte, Sch. (1883-85). - - - - nn en 771, 809 
Aliprandi Frl, S. u. Sch. (1884-85) - - v2. 2 nn. 772 
Allram Frau Babette, S. u. Sc. (1815—1852 [penf. jeit 1841]) 
2%, 50, 60, 125, 211, 328, 361, 409 


*) Abkürzungen: S. — Sänger oder Sängerin, Sch. Schau 
ipieler oder Schanfpielerin, Cap. — Gapellmeifter, T. — Tänzer oder Tän= 
zerin, Balletm. — Balletmeifter oder Balletmeiſterin, Reg. — Regijleur, 
Ir. = Fran, Frl. = Fräulein, Geg. — Gegenwart, N. — Nadıtrag. 





— 85 — 


Allram Frl. Gabriele, Sch. (1837 — 1842)...... 212, 91, 2 
Allram⸗Lechner Frau [f. Kechner] (1846—1861) - - - - ... 

Alt Jenny Frl. S. (1882-84) - 2 00er 162 
AUtmann Ung. Fl. Sch. (1869-72) . ... . . ....“.. 609 
Arnau Carl, Sch. (1870—72). - «2: 2er een. 597, 598, 628 
Arnurins. S. (1858-59) - - 22 20er. 638 
Bach Fl., Sch. (1852-54) - - : >: 22er nn 421 
Bahmann, ©. (1857—65) - . 476, 480, 531, 534, 648, 555, 565, 642 
Balzer Frl, ©. (1837-88 [F)) - - - - - >20 — 
Bandmann, Sch. Liebh. (1859-59) - - - - 2: > 2.222 — 
Baifon Augufte Frl., Sch. (1858-59). » - » 2 2 2 ren. 491 
Barnay Ludw., Sch. (18614 —641)J. ........ 588, 590 
Barthels Heimr., Reg. (1862 64).. ... 425, 426, 438 
Bartovsky, ©. (1814-85). . - -.... nn 756 
Bartih Frl, S. 18-62) - 22er — 
Baſté Panla Frl., Sch. (1878 - 79..... 724 
Baudius C. F., Sch. (1845 - 46)........ 226, 362, 630, N. 


Bayer Fr. Rud., Sch. (1815—56 [penſ. 1843)) 8, 13, 22, 47, 51, 
125, 1535—4, 161, 207, 211, 328, 361 


Bayer Marie (fpäter Bürk) Frl., Sch. (1834 -38)..... 208, 222 
Bayer, S. (1835-37) - - - 2 rn en . N. 
Beck, S. (LEBE) - : : nern 262, 329, 457 
Beer Frl., S. (148-580): - > - Herrn. 386 
Beitl Frl., S. (1864-65) - : «een nn. » 634, 641, 659 
Belke Frl. T. u. Balletm. (1860-85) - - - :..... . 663, 773, R. 
Benetti Adele Frl., S. (1L8TT—85) - - - 2 or rn nennen 731 
Bergauer Luile Frl, ©. (1849-50) . - - » 271, 394, 396, 400, 666 
Berger, T. (1879-81) - - - > 2 Keen 754 
Bergmann, Sch. (1858—60) - »- - een nenn. 494, 495, 514 
Beringer C., Sch. u. ©. (18476) . » 2.0. 588, 590, 595 
Bermann Stephanie, S. (1BA—85) - - er. en. ne 762 
Bernard, ©. (1861-66) - - - - ver 20. 651, 565, 641, 645 
Bervifon Frl, Sch. 189): - - rennen 222, 328 
Beſchta Kl. ©. u. Sch., Soubr. (18T3—T4). - . 2. 22. . — 
Bihler Minna, Sch. (1876 bis Gegenw.) - » ..... 7104, 720, 809 
Bidſchofsky Frl, T. 1850-51) - -- 2er — 
Biel, Sch. (11844—45, 1880 -51)... 215 
Bigl Fr. S. (1842 483).. N. 
Bigl, ©. (1842 —49)... N. 


Binder Mars. Fr. (v. d. Klogen), Sch. (184— 1854) 159, 187, 217, 
828, 361, 421, 485 
54* 





— 852 — 


Biſchitzky, ©. (1868—69) 2. Tenor - -» -» 2: 2 . — 
Blok Frl., Sch. (44 48)........... 221, 329, 261 
Böhm, ©. 11848—64) u. 0 Tr TR 2 2 °.  .°. —. 480 


Bognär Friderike Fri., Rinderolien nad Sch. (1846-52, 1880—81, 
1885—87) 861, 361, 428, 630, 767, 812 


Bognar Anna, Sch.. 361 
Bollard Frl., Sch. (1859-64) - - - >: 2 en nenn 495, 565, 679 
Bolze Peter, Sch. (1815—56 [penf. 1843)) . - . 51, 213, 231, 328, 361 
Borde Minna Frl. S. (1876-7) : - 220er 132 
Born Helene Frl., Sch. (1876—78) -» : - 2 rennen. 7104, 725 
Bofchetti, Sch. (1862—64) - » > > 2: 2er ern en 565 

„ Thereſe Frl., S. u. Sch. (1862-64) - - - - . » » 547, 565 
Boft Frl., Sch. (1EEAI—6H) » >: 2 2 nern 588, 592 
Bradt Laura v., ©. (1852-55): - » 0. 453, 459, 465, 468 
Brand Elite Frl., Sch. (1863-64) . » re... 516, 529, 565 
Brandftöttner, ©. (1EC6-—M8) - » > > >00 ren 651 
Brandftrnpp Frl., T. (1856-57). - - - - ren — 
Brandt, Sch. (1855—55) Liebh.- - - : > > vr rennen — 
Braun Bertha Frl., Sch. (1872 -739).. 609 


Brauneder- Schäfer Fr., S. u. Sch. (1861- 55) 409, 427, 431, 437, N. 

Brava Franz, Sch. u. ©. (1834—58 [penf.)) 200, 230, 268, 329, 
861, 411, 424, 453, 465, 480, 487, 535, N. 

Brenner Jenny Frl., S. (1856-69) 471, 472, 474, 531, 534, 546, 


566, 656, 679 

Breuer, ©. u. Sch. (146-4) - - : : 2 > rennen 361 2 
Bucher Frl., Sch. (12948 —48).. — 
But Frl., ©. (1854 555... . 459 
Bänau Iſabelle v. Frl., Sch. (1879-83). . - ... 708, 722 
Bury (Byry) Frl., S. 149—50) - - - > ernennen 403 
Buljowszky, I. (I. m. I.) (1859356) - - 2er... — 
Burenne Frl., ©. (1874 —76)3.... 659 
Burggraf Fr., Sch. (1858-64) . - -.. - 491, 495, 538, 529, 545 
Buſe Ha Frl., S. u. Sch. (1869-70). - - » 2 2 22000. 611 
Sabifius Arno, ©. (1883-85) - - - - 2 2 2 nr rennen 756 
Ealdi, T. (1813-46) > = 20 2 mern. 277 
Ealliano Nleyandrine Frl., Sch. (184849) Lieb. u. Sonde. - - — 
n Antonie Frl., Sch. (184849) Rocalfäng. - - - - - 378, 399 
Carl, Sch. (1870-70) 2. Rom. - - - 2 2 2 2 2 ren — 
Eaffio Theodor, ©. (LBT3I—T6) - - - = ... . ... 645 
Chaloupla Frl., S. (1866-57) - - - 2 > 22er nen 472 


Chandon, ©. 1870-73) » - 2 ne nennen 650 











— 853 —. 


Charles Frl. Sch. (1862-62) - - - 20 rn nen — 
Charles-Hirſch Fr., ©. (1878 -79....... 729 
Chauer Joſ., Sch. (1844—59 [F]) - - - - 227, 320, 361, 438, 480, 497 
CHriftl, S. (1BBL—E2) : 2 222 755 
Chramofta, Sch. (1858—62) - > 2 2m eo or m een 495 
Chrudimsky, ©. (1839-39) . : >: 2 2 nr. 268, N. 
Claar Emil, Oberreg. u. Sch. (1872—76) - - .»...-. 606, 615, 674 
Claar-Delia Hermine Fr., Sch. (1872—76) - - » : 2... 606, 674 
Czaſchke, Sch. (1BEA—5) - = = .... . ....... 588, 590 
Dahlern Frl. v., T. (1872-3) 2:2 20er 664 
Damde ©, (1844—46)- - - 2: 20 nn rn 263, 362 
Danjczek, S. (1880-83) » - > 2 nm m rennen 7157 
Daun Frl., Sch. (184-5) -.- Herne 433, 437 
Deet, Sch. (1850-50, 1869—70) - - > > vn en nenn 388, 597 
Deihmann Elife Frl., ©. (1811--3) - 2222-2. 657 
Demmer, ©. (1834-45) - - 222. 200, 260, 329 
Denemy, Sch. (1839-39) - 2200 m ren 230 
Deifoir Ferd., Sch. (1830-85) - - - .. nen 7165, 797, 809 
Dietrih Karl, Sc. (1822—42) . » : - 22. . 161, 215, 328, 338 

„FIrh. T. EAI5O) > 2 _. 


. Dieg, Sch. (1834—64 [penf.)) 199, 224, 329, 351, 361, 411, 428, 


433, 480, 494, 495, 528, 565 
Diet Anna Frl. (nachmals Beyer-Dieb), Sch. (1853—58) 361, 422, 480 


Dietze, T. (1ETE-T3)) > 200er 704 
Dillner Frl. v., ©. (1869-73): - >: 220er. 660 
Dobſch Wenzel, (1873—Gegenw.) - - 2-2... 650, 740, 809 


Dolt Carl, Sch. u. ©. (1842—72 [penf.]) 161, 227, 306, 361, 411, 
480, 495, 522, 524, 565, 591, 595, 615, 621 


Dorner Lori Frl., Sch. u. ©. (1880-85) - - : > 2 2200. 763 
Duſchenes, ©. (1865-67) - - >: >: 2 nennen 651 
Duſchnitz, ©. (1858-58) : > > ren 533 
@dert, Sch. (LEL-73) 000 615 
Eghardt, ©. (1865—82 [Ü) - - - - rn nn nen 647, 651 
Eblert, ©. (1E2—MB) - » : = 2m nn ernennen N. 
Ehrenberg Eleon. v. Frl., S. (1861—64) 462, 472, 546, 565, 659, 679 
Ehrl Felix, S. (1883 —GegenwJ)). 757, 809 
Eichberger, ©. (1870 85)........ 650, 740 


Eichenwald, Sch. ©. u. Reg. (1862--76 u. Gegenw.) 518, 523, 
565, 545, 623, 641, 646 


Eichheim, Sch. (1868-69) - » - >» 2 rennen 621 

Eilers, ©. (1858-65) - - - ne... 487, 532, 565, 641, 649 

Emminger Joſ., ©. (1834—64 [peni. 58)) 200, 263, 329, 358, 361, 
405, 411, 465, 480, 531, 536 


Erhart Marie Frl., ©. (1873-78) - - 22 8 657, 729 
Ermarth f. Puls. 

Erneft & v., Sch. (1878-85). - »- - 22.2000. 526, 707, 809 
Ernft F. Val., Sch- u. Reg. (1822—52 [}]) 158, 214, 328, 338, 361, 411 
Ernit-Raifer Fr, ©. (1848-49) . : 2 2 en een .. 380, 400 
Eſchen Frl., S. (1838-40). - > en. nnn 270 
Ewald, Sch. (1884 -84) Rom. - - rennen — 
Fehringer-Knopp Fr., ©. (1848 -51)..... 386, 404, 405, 411 
Feigert, I. (LBEEC-M) - 2 nern 977 


Feiftmantel Franz, Sch. u. ©. (1817—57 [t] penj. 1848) 9, 31, 
60, 125, 156, 212, 328, 361, 443—45 


Telter, ©. (1857-61) - - 73, 480, 487, 581, 670 
Feld Fl, S. (18-61): 2 een _ 
Feltſcher Ant. Reg. (1882 —8141). 789 
Fiedler-Wurzbach Fr. Sch. (1879 86)....... 726, 809 
Fiedlerd. &, 8. (1836-389) - - - rennen. 277 


Fiſcher Carl Wilh., Sch. (1839—65 [pen].]) 199, 222, 328, 3851, 361, 
883, 411, 438—39, 446, 480, 495, 527, 565, 590, 594 


Fiſcher Eugenie, ©. (1851-52) - - - ern nnnnen 404 
Flies Fl, ©. (1865-66) - - - - - ........... 659, 669 
Forft, Reg. (1849—52) - - - - - 2er u nn 338, 392, 411, 5% 
Fraenzel Frl, Sch. (1866-67) - - - =: rennen 596 
Trank, Sch. (1863 —641J). 524, 528, 565 
Franke, ©. (1863—64, 1867—69) - - - 2 2 nenne. 565, 645 
Franoſch, ©. (1864-66) - - or 641, 651 
Freitag Frl. sen, ©. (14546) - - : 2 2.2... 273, 320, 362 

n Frl. jun., ©. (1865—66) - - - 2 een nen 652 
Teeny, S. (186668)................. 47, 471. 480 
Freund, T. (1861 645.... 565 
Frey, ©. (1852-52) Tenor -» 2 2 meer. — 


„ Friedr., Sch. (18652—83 penſ. 82)) 420, 428, 433, 446, 480, 
495, 565, 5%, 595, 6%, 707, 714 

Frey Marie Fr. Sch. (1834-70 [F) 199, 216, 219, 328, 361, 397, 
| 408, 421, 480, 495, 527, 529, 593 
Fridlovsky Fl. ©. (1858-59) » - 220er nenn. 534 
Friedrid, Sch. (1869-71) Uebh.. -. - -» 2 2 2 2 nn nn. — 











— 855 — 


Fries Frl, Sch. u. ©. (1846-85) 851, 361, 362, 480, 495, 565, 
5%, 595, 609, 662, 727 


Frühling Yrancidca Frl. Sch. u. ©. (1873-74). . - - - » 612, 663 
Gallmeyer, Sch. (1860-61) - - - 2: 2 2 ee rennen en 514 
Gautſch Clotilde Frl., Sch. u. S. (1853—63 [penf,]) 465, 480, 495, 533 
Gebhardt Eharl. Frl., Sch. (1861-68) - - - »- - nn... 515 
Geiger Joſ., Sch. (1873-85): - - - 0... -...619, 706, 809 
Geiſt, S:(1E66—68) - - = sn nenn 645 
BGente R., Eapellm. (1864-68) - - - u 0 nennen 634 
Gomansty, Sch. (1843-48) Liebh. - - - » >» - _ 
Grabinger Joſ., Sch. (1829—52 [+]) 161, 187, 215, 315, 320, 328, 361, 389 
„ Irlh., S. (1861 -62)............... 545 
Grad de, ©. (184—85) - - 2 > 2 rn nn nennen 159 
Grans Heine, Sch. (1847-52) . - - - 20... 852, 408, 411 
Orauert Lonis, Sch. (1846-55 [F]) - - - 347, 861, 362, 411, 427, 442 
| n Hidor, Sch. (1865—Gegenw.) - - - » » 595, 621, 715, 809 
Grengg Earl, ©. (1879-82). - - - 2... nen 740, 756 
Brifa, ©. (LET) >: Meere 135 
Grois, Sch. (1849-54) Nebenrollen - - - 2: .. — 
Groß Frl., Sch. LBUI—-T2): : 2 2 nern 609 
Großer Henriette Frl., S. (1837—50) 260, 269, 329, 355, 361, 380, 
400—402 
Grün Fl. S. u. Sch. (18A—65) - - - - 611, 663 
Grünbaum, ©. (1837-38) 2. Tenorp. - - - er... — 
Grünwald v. Fl. ©. (1843 —489). 8 — 
Günther Adelheid Frl., S. (1855—58) - - - » - 467, 471, 480, 483 
n (nachmals Frau Guns) Frl., Sch. (1888—83) - - - - - 764 
Gatlich Frl., T. (1876—Begenw.) - - - :- 20.0.0. 73, N. 
Bundlad, T. (EOV-TU). >: 02 nern — 
Gunz Willi, Sch. (1880 85)... 764, 809 
Gutenthal, Sch. (1857-58) - - - >: > 2er en 480 
Gyſi, Sch. (1850-51) Lieb. - -  - > Keen. 
„ Frau, Sch. u. ©. (1850-51) Rocalfängerin - . - ... — 
Haag, Sch. (1836—37) Nebenrr.......... — 
Haaſe Friedr., Sch. (1860 -652)... ernennen 406, 441 
Haeckel Melanie Frl. (nahmald Puls-Haeckel, dann Frau Ermarth) 
OS2627. . .. ... . . .. . . . . . . ... 704, 731 
Haeger, Sch. u. ©. (1864-66) - - - >» - 2 2 200. 621, 641, 651 
Hahn Lina, Frl, Sch. (18-72). - rennen 604 


Hdjos Sigm., S. (1B74—T%) - - >» nee ren 645 


— 856 — 


Hallenſtein Conrad, Sch. (1858 -71).... 487, 495, 565, 5%, 613 


n Kathi Fr. (Haflel-Hallenftein) (1855—71) 495, 515, 520, 
564, 534, 590, 595, 609, 613, 662 
Dametner, Sch. (1829-64) - » - - : » 227, 315, 320, 328, 361. 480 
Handrich, Sch. u. ©. (1864-65) - » - «rennen. 621, 641 
Harry: Meyer Sch, (1861-64) - - - 2 nee ne. 514, 565 
DHarbtmuth, ©. (1861-68) - - - > nennen De. 534, 565 
Dartig Frl, Sch. (1872-76) » » : 2 0. . Be 609 
Hartmann Carl, ©. (1869 —7606. nenne. 646 
„ Frl., ©. (1858-58). - - 22er nn — 


Haſſel, Sch. u. ©. (1858—82) 488, 495, 538, 665, 591, 595, 646, 703, 713 
„Kathi Frl. Grau Hallenftein ſſ. diefe)). 


Heinz Frl., Sch. (1857-59) . - :» - 2er. 480 
Heiter Rich. Sch. (1876—Gegenw.) - - - - - 2.220. . 715, 809 
Helb, ©. (1851-52) : - : > 2 HE rennen — 
Hellmer Marie Frl., S. (1877-80) .» ..:.- 0000. 733, 759 
Heurion, ©. (186T—6T) - - -» > 2 een rer en 645 
Henze Gentze) Frl., T. (1860 -64J. 565 


Herbft Friederike Frl., Sch. (1829— 52, als penſ. 1854—56) 158, 216, 
328, 397, 409 


Herrmann Henriette Frl., ©. (1841-43 [M)- - - - ..... 2 
Hersich, S. (1LB55-—62) - ren ne 533, 545 
Heſſel, ©. 1870-70) » : 2: EEE er e rn nnne 651 
Hiller Toni Frl., Sch. 1E3—7%) - - - >. - ern nnn 608 
Höpftein Frl., S. (146—46)- - - - > 2er e rn ne. 273, 362 
Hoffmann Frau, ©. (1464) : -» » >: 22200. 355, 362 
Hofmeister, ©. (1868-69) - : > 2 2 ne ee ern. — 
Hofrichter Frl., ©. (1869-71): -» : 2 2 2 2 en nr nn. 656 
Holland Fıl., S. (1B5B-58) - 22er 487, 533 
Holzbauer, T. (1859) > 2 2 m m men 481 
Holzer, I. (1LE65—66) = 220er — 
Horſchelt, T. u. Balletm. (1863 -57).......... — 
Hovemann, ©. (1858 -61).......... 533 
Hrabowska Clara Frl., Sch. (1872 - 76......... 608 
Hradetzky, I.u. U, Sch. 1858-59) - >: 2 2 2 2 rennen 480 
Hrimaly, Sapellm.*) (1873-74) - 22 202er. 548 
Huttary Carla Frl. (nahm. Vollaf-Hnttary) (1866-69) - - - - 659 
Huvart, Sch. (LETC-T9). 2 2: rennen 704, 707 

„ Frl., Sch. (1863-64) - 222... ... 665 
Hynel, Sch. (18560 — 53333. 389 


*, Capellm. Hfimaly iſt uf S. 640 unter ben zweiten Capell⸗ 
meiftern ber Wirfing’schen Oper nachzutragen. 





— 857 — 


Jaeger Ida Frl, SENT... 220 ernnn 
Jahn Wilh. Capellm. (1859-64)... 2... 
Jaich Frl, Sch. (1855-56) 
Jakobſon (Facobfon) Frl., S. (1850-51) . - - - 
Jakubowska Emma v. Frl., Sch. (1872-75) . . - 
Janauſchek Frl., T. 188-389) - ... .... 
Janda Frl. ©. (1852-54) .. 
Jantſch-Ziegler Fr., Sch. (18 
Jary, Sch. (1852—54) Nebenr. 
Jazedé Fl, S. (1184-37) .-. 2.2... 
Jelenska Irma v., Sch. (186-3)... .... 
Illner, Sch. u. ©. (1846-58)... 2.2.2... 
Zund Wilh. ©. (18-80) . 22000. 
Jung, Sch. (1837-38) Neben... - 22-2200. 











Kainz-Brauie Fr. (ſ. Braufe). 
Kaler Frl. v., ©. u. Sch. (1865-69) . - - - . - . - - 
Kaminski v. ©. (1876-71) . 22.2... 
Kayſer Marie Frl., ©. (18-16) 2... 
Kelberg Fl, ©. 1852-59) 222.220. 
Keller, Sch. (1867-68) 
” Sch. (1876-76) .. 
Keller⸗Frauenthal Roſa Fr. Sch. (1876- 7N) . 
Keßler Frl. Sch. Is6166)..... .. 
Kilanyi T., Balletm. (1850-53) » +. - - 
on Fr, T.(1850-53) 2:20. 
” 3r., Balletm. (1866-69)... 2... 
Kirhberger Frl. (nahmald Schreiber-Kirchberger) ©. 845-. 
273, 8 





Klaf, T. (1837-38) . 
Klempfner, T. (1840 - 
Klein Frl., Sch. (1866-68) 2er... 
„ Regine Frl, ©. (1882—84) 
Klinger Frl, ©. (1852-59) . 22.2... 
Klofat Frl, ©. (1868 69) - 2-20 .. . 
Knaack Wilh. Sh. 1B56-5N) ....... .. 4 
Knopp, ©. (1848-61) ... 
Knopp⸗Fehringer Fr. (f. Fehringer). 
Kobler L, T. u. Balletm. (1846—49) 
„IL. T. Asab- 49)........ 
Nina Frl., T. (1846-249) ...... 
Luiſe Frl, TAN) ....... 











— 856 — 


Hallenſtein Conrad, Sch. (1858-71) - » » » 487, 495, 565, 590, 613 


n Kathi Fr. (Haffel-Hallenftein) (1855—71) 495, 515, 520, 
564, 534, 590, 595, 609, 613, 662 
Hametner, Sch. (1829-64) - » - 227, 315, 3%0, 328, 361. 480 
Handrich, Sch. u. ©. (1864-65) - - rennen. 621, 641 
Harry- Meyer, Sch. (1861-64)J). 514, 565 
Hardtmunth, ©. (1861-64) -» » >: een nen 2. . 534, 565 
Dartig Frl. Sch. (1872-76) - » : 2... . ** 609 
Hartmann Carl, ©. (1869 —76066. 646 
Frl., S. 1888 58).............. — 


Haſſel, Sch. u. ©. (1858—82) 488, 495.538, 565, 591, 595, 646, 703, 713 
» Kathi Frl. (Frau Hallenftein ſſ. diefe)). 


Heinz Frl., Sch. (1857-59): » >: 2 Here 480 
Heiter Rih., Sch. (1876—Gegenw.) - - - - nen. 715, 809 
Held, S. (LBEI-52) - : Herren _ 
Hellmer Marie Frl, ©. (1877-0) » : nenne. 133, 759 
Henrion, ©. (16767) » > 2 2 een 645 
Henze (Henke) Frl., T. (1B6O-64) - - 22er 565 


Herbft Friederike Frl., Sch. (1829— 52, als penf. 1854—55) 158, 216, 
328, 397, 409 


Herrmann Henriette Frl, ©. (1841-43 [}])- - - - - =. . 270 
Hertzſch, S. (1855-62) - > >: nennen 533, 545 
Heſſel, S. (1870-710) » » >: 2 2 rennen 651 
Hiller Toni Frl., SH. 1Ea—T6) » . 22er. 608 
Höpftein Frl., S. (146—4)- - : :» > 2 2 rennen 273, 362 
Hoffmann Frau, ©. (16T) - - >» 2 2 2 rennen 355, 362 
Hofmeifter, ©. (1868-69) - : - : 2 2 Hr rennen — 
Hofrichter Frl., ©. (1860 71)......... 656 
Holland Frl. S. (1858-58) - - - 2 > 2 2 2 rn. 487, 533 
Holzbauer, T. 1854-59) : > 2 2 2 N rennen. 481 
Holzer, T. (1EBE—b6) > > 2 ren — 
Horſchelt, T. u. Balletm. (185357) ren — 
Hovemann, ©. (1858 -61)........... 533 
Hrabowska Clara Frl., Sch, (1872 - 765........... 608 
Hradetzky, J. u. I. Sch. (1858 -59)9. ...... 480 
Hrimaly, Sapellm.*) (1873 -74)....... .. 548 
Huttary Carla Frl. (nachm. Vollak⸗Huttaryd (1866-69) - - - - 659 
Huvart, Sch. (18716 —799............... 704, 707 

„ Frl., Sch. (1863-64) - - - - 2... Pernen- 565 
Hynek, Sch. (1850 —53)3.. 389 


*) Capellm. Hrimaly iſt auf S. 640 unter ben zweiten Capell⸗ 
meiſtern der Wirſing'ſchen Oper nachzutragen. 








— 857 — 


Jaeger Ya Frl. S. (LEI—T3 .» 2 2 2 nennen 662 
Zahn Wilh., Eapellm. (1859-64) - - . 2 2.2. 538, 541, 565, 566 
Jaich Frl., Sch. (1855—56)- > = Mn nern _ 
Jakobſon (Facobion) Frl., S. 1850-51) - - -.- . - - 404, 405, 411 
Jakubowska Emma v. Frl. Sch. (1872-75) - - -:. 2... 605 
Janauſchek Frl., T. (1838-38) 2 2 2 euren 277 
Sanda Frl., S. (185954): 2 20 0 nennen 452 
Jantſch-Ziegler Fr. Sch. (1877--738 [F])- » : - : 2220. 718 
Jary, Sch. (1852—54) Nebeur. - - 2 2 > 2er — 
Jazedé Frl., S. (18334 -37)7......... 253 
Jelenska Irma v., Sch. (1876 78).. 723 
Illner, Sch. u. ©. (18416-58)...... ... 361, 362, 480, 552 
Junck Wilh., S. (LBTE-80) 2 men 738, 757 
Fung, Sch. (1837-38) Neben. - - » 22-202 — 
Kainz-Prauſe Fr. (ſ. Prauſe). 
Kaler Frl. v., ©. u. Sch. (1865—69) - - » 2 2... 595, 611, 663 
Kaminski v., ©. (1376-7) - - 2: 2 2 2 Een 461, 735 
Kayſer Marie Fl, S. 1873-76) : 2: 222... en 662 
Kellberg Frl., S. (1B52—53) > > nenn 452 
Keller, Sch. 1867-683) : 2 2 2m rn ren 621 
MET nn 7 
Keller-$ranenthal Roſa Fr., Sch. (1876-77) » ». . - - 705, 717 
Kepler Frl., Sch. (1861-66) - - - >» > 2 2 2 en nn... 58 589, 595 
Rilanyı Z., Balletm. (1850-53) - » 2 2 2 2202. 406 
u Fr, T. (180-583) : 2: 2 nenn 406 
n Fr., Balletm. (1866-69) - » 2 2 2 22er. 663 


Kirchberger Frl. (nachmals Schreiber-Flirchberger) S. (1845 46) 
273, 362, 457 


Klaß, T. (LEBTE) 2 2 nennen — 
Klempfner, T. (1340- 41151....... — 
Klein Frl., Sch. (1866 —68.... . 609 
„Regine Frl. S. (1882 -84).. .... .. 761 
Klinger Frl., ©. (1852- 529......... — 
Klofat Frl., ©. 1868 69) > 22 nr. 658 
Knaack Wilh., Sch. (1856-57) - - > 22 2 rennen 442, 479 
Knopp, ©. (1348-51) - - Hmm rn 386, 411 
Knopp⸗-Fehringer Fr. (f. Fehringer). 
Kobler L, T. u. Balletm. (1846—49) . . - - 220. 362 
2» TUE) .. . . . . .. . . . . . .. 362 
Nina Frl., T. (1846-49) - > 2 0 een 362 


»  Ruife Frl. T. (18546 —499.............. 362 


— 858 — 


Kocky, Sch. (1849—50) Nebent. - - - - - 020er nn en _ 
Köbiſch Frl. T. (1846 -499. 362 
Köckert, Sch. (18045 — 46). er 00. 225, 339, 362, 418 

„ Irlh. S. (184246)............. 272, 320, 362 
König, Sch. (1866-66) - - > nennen 621 
Koppe Frl, ©. u. Sch. (1864-65) : : >: een. 641, 662 
Kolar Franz, Sch. (1855-64) - -: : 480, 495, 565, 678, 686 


„5% ©. Sch. (1842-66) 187, 227, 311, 320, 361, 389, 480, 
495, 565, 550, 590, 595, 621, 684 
Kolar Frau, Sc. (ſ. Manetinsky). 


Korner, Sch. (1834 - 37) Liebh.c.... — 

n Frau, Sch. (1834- 37) Anitandedame . - : --... - _ 
Kral Frl., Sch. (1848-49) Liebb. u. Soubr. . -» » - - er... — 
Kramuele, Sch. (1849 -58) Nebeur. Deren 389 
Rreiit, ©. (1868—70) - : 2 2er rennen 647 
Kreibig Edmund, Reg. u. Dir.- „Stelle (1876-85) . . 706, 750-807 
Kren, ©. (1861-64) - : : 2 2 Henne 552, 566 
Kroll, Sch. (1839—39) Nebenr.- - : > > rn nn nenne — 
Kropp Fl, ©. (1849 -50—21......— — 
Kröſſing Julie Frl., Sch. (1878 -85)...... 725 
Küffel, Sch. (1815—38 [penf.]) Nebeur... 8 — 
Kügler Frl., ©. (1860 -61)... 547 
Kühn, Sch. (1858 —5995.. n nn 492 


Kähns Volkmar, Sch. (1864—76, 1883 - Gegenw.) 588, 595, 615, 
621, 771, 797, 809 


Rüper, Eh. (1868-09) 2 22 rn. — 
Kunz Ed., ©. (1838 -52). .... 263, 329, 361, 405, 411 
Kupfer, Sch. (1868-68) - - - - .1 621, 651 
Kaddey, Sch. (1852-52): > 2 rn ren 419 
Zamolliere Frl. T. (1862-64) : > > rn 565 
Lamſefsky Frl., Sch. (1864-66) - - - 22 een. 591, 596 
Lang Frl. S. (LBEA-G6) Sn 641, 658 
Laufer Laura Frl. (nahm. Oberländer), ©. (1868-69) - . 614, 660 
Rauterbad Fl. S. (1868-69) - : 2 Here. 660 


Lehner Frl. (nahm. Fr. Allram Lechner), (1846-61 [7) 362, 408, 
428, 446, 480, 495, 519 


Lehmann Lili Frl, S. u. Sch. (1866-68) - - . - - .» 469, 609, 663 
n Marie Frl., S. (1879-82) - » 2... ... 469, 729, 762 
Lenners, T. (1836—52) - - » 2 22 ren. ven. . 977, 362 


Lewinsky-Precheiſen Fr. (f. Precheiſen). 
Leonoff Frl, ©. (1866-68) > 2 0 nn nern nn 660 











— 859 — 


Lichtmay Luiſe Frl., S. 1859-0) . - 2.200. 587, 545, 563 


Liebich Frl, Sch. (1843--43) - » : 2 en 2 2 een nn 221 
Liebold, Sch. (1EH—46). - > 2 2 2 nr rn 215, 227, 362 
Lindmäller Frl., Sch. (1859-60) - - - rn — 
Lingg Frl., Sch. (1346 —48)3......... 361, 362 
Lipſch Frl., Sch. 1855-63) - - > nenn 480, 495 
Löſcher Frl. S. (1813-74) » - >: 658 
Löwe, Sch. (LB5EE—58) : > = 200 0 u m ren 487 

„ Guſtav, Sch. 1881-86) - - : 2 > 2er. 770, 809 

„ Bl. ©. (1870-73) » 2: onen 652 
Lucca Banline Frl., S. (1860-61) - - - - 2 nenn 541 
Ludwig Emil, Sch. 183-7) - 22er 621 
Lük, Dpernreg. u. ©. (186466) - - - 641, 646 
Lukes Johann, ©. (1854-57) . :..... 460, 465, 471, 474, 679 
Lunzer Ed., Sch. (1872-85) - . » ...... 622, 705, 717, 809 
Lutzer Jenny Frl., ©. (1832-37) . : - 2... 187, 200, 258, 256 


Mader S. (1866-79). » 2 > 20er 651, 740 
ManetinstyKolar Fr., Sch. (1834—63 [penf.])) 187, 222, 311, 
320, 328, 361, 389, 480, 486, 495, N. 
Markwordt, ©. u. Sch. (1858 - 62)...... 492, 495, 522, 533 
Marteau Frl., T. (1855-54) - : : ernennen 
Martens, ©. (1877-79, 1883-84) - - : 2 2 nenn 736, 158 
Martinelli Ludw., Sch. (1876-85) - - . . 705, 710, 797, 808, 809 
Martinellis:Seeberger Luile, ©. u. Sc. (ſ. Seeberger). 
Martorel Luiſe Frl., Sch. (1872-73) . - :- ern ne. 608 
Mayr. N., S. u. Capellm. (1842—44, 1850-53) 308, 316, 358, 
361, 322, 8362, 582, 681, 686, 640 


Mayer Hedwig Frl., Sch. (1868--1) - - - ern ne 609 
Mehrmann, ©. (1858-54) Teur » 2:2 een ena _ 
Melle Frl., SEEN) - : >: 222er. 356, 361, 362 
Meller Babette Fr. S. (1858-59 [F}) - - - - 2.20 .. 537 
Melzer Frl, T. (1866-69) - » - - rennen nn 664 
Mende, Sch. (LBEL-52) - - - - ernennen 407 
Menzl, Sch. (1847-48) Kom. : -» : >: rennen. — 
Mertens, ©. (1852—58) Tenor... — 


Meyer Luiſ⸗ Frl. (nachm. Duftmann), S . (1854—57) 458. 465, 467, 
471, 474, 487 
Meyer Marie Frl., Ch. (1883-8565) - - - rennen. 771 
Mid Frl., S. (1868--62) - - 2200 e. 487, 532, 545, 546 
Mint St, Sch. 1851-53) - - -- Herner. 396 
Mitſcherling Georgine Frl., Sch. (1874-76) - » - - 609 





— 360 — 


Monhaupt Fr. Sch. (1855-61) - » - » - 20... 491, 495, 564 
Mofer-Sperner Frl., Sch. (1879-79) -. » » 2. 20 0000. 724 
Moſer-Steinitz v. Fr. ©. (1873—Begenw.) 653, 727, 761, 809, 818, 819 
Müller Betti Frl., Sch. (1850-52) Liebh. u. Soubr.. -. . ...» — 

n Ferdinand, Sch. (1872—78) . » - 2. en... 621, 714 

„ Therele, Sch. u. ©. (1856—61) 446, 472, 480, 482, 4%, 521, 563 
Mut, ©. (1853—53) Tenor : >» > > 2er — 
Mylius, Sch. (1866 —666... 620 
Nachbaur, ©. (1860 63)... 549 
Naumann, ©. u. Sch. (1846—52) 2. Char.⸗Rollen.. — 
Nerking, Sch. (1839-42, 1832 -55).. 225, 328, 424, 438 
Neſwadba, Capellm. (1857 æ699.. 478, 480, 537 
Neudolt, © (186566...... 645 
Neuffer Dagobert, Sch. (1882 82)... 768 
Ney Jenny Frl., (nahm. Bürde), S. (1846-47) . . 355, 361, 362, 564 
Nikolai, Sch. 1851-69). - - - > nenne 320, 389, 480 
Riff, SH. LACHT) > ............... 347, 361, 362 
Nittinger Irma Frl., Sch. u. ©. (1871-73) -» . -.... 612, 663 
Nollet Frl., Sch. (1867-70) : 02H Herne 598, 604 
Norrenberg, Sch. (1867—68- - - 2 ernennen. 621 
Oberländer, Sch. u. Reg. (1860-71). ... 513, 527, 565, 595, 613 
Detelberger Frl., T. (1864-66) - - »- 2er nna 641, 663 
Dgris Fl, Sch. (1870 - 71 [F))- - - - - > ernennen 609 
Baetſch, Sch. (1846-47, 1855—58) 351, 361, 362, 438, 446, 480, 597 
Pagay Fofephine, S. u. Sch. (1870-71). » - er... 611, 663 
Panocha Fl, ©. (1867-71): - - Seren 660 
Paſta Fl, T. ABB-T) - ......... een 664 
Paul Alerander, T. m. Balletm. (1864-65) - - - . 641, 663 

„Alfred, T. (186468). > - ern 641 
Pauſer Frl. Sch. 1166-67) - » - 2: 22 rennen 609 
Perechon Fr, S. 11865—72) > ren ren 658 
Berl Frl., Sch. 1BI—73) » 2: Henne 609 
Peſchke Fr., Sch. (1849—54) Liebh. u. Soubr. . . » - - 2... — 
Piſchek Joh. Bapt., ©. (1835 -360.. 8 289 
Potak, S. (115) -: - >: ren. 320, 862 
Pflug ©. u. Sch. (1878-85). - : - 2-20 ren 740 
Pittmann, Sch. (1866-69) - - nenne 597 
Plodek Fr., S. (1869-Gegenw.) - - - - ru... 658, 733, 809 


— = 


— 861 — 


Podhorsky, Katharina Fr. S. (1823—49 [penf.])) 102— 106, 176, 
181, 186, 2583, 268, 3230, 329, 362, 361, 399 
a, Mathias, ©. (1824 -44) . . . . 105, 176, 186, 268, 329 
Pock (Pok), S. (184-383) . : >: 220er nne 200, 258, 258 
Pokorny, Sch. (1855- 62)....... .. 480, 495 
Polawsky Ferd., Sch. Dir. u. Reg. (1808—1844 [}]) 13, 27, 52, 
125, 132—192, 210, 829 


Polenz, S. (1868 —7393....... 645 

Pollert, Sch. (1846 —48). nenn ..361, 362, 386 
„ Frau, Sch. (1846-48). - -: - 2... 350, 361, 362, 386 

Bollat Fl, S. (1837 -68).............. .... 480 

Bollal-Huttary Fr., ©. (f. Huttary). 

Porth Frl., Sch. (1864-67) : : > >>: rer en. 591, 595 

Poſinger Therefe, Sch. u. ©. (1873-86) - - . - . - « 610, 727, &09 


Braufe Hl. ©. (nahm. Kainz⸗Prauſe), (1859-60, 1862—65) 
540, 545, 565, 634, 641, 651 
Precheiſen Olga Frl. (nachm. Lewinsky), Sch. (1873-76) - - - - 607 
Prechtler, Sch. (1882—Begenw.) - » » = 2:20 nennen 168, 809 
PBreifinger ©. u. Sch. (1834—62 [penf.]) 300, 229, 268, 329, 338, 
361, 427, 480, 495, 551 
Prochäzka-Schmidt Fr. (ſ. Schmidt). 


Puls Albert (Ermartb), Sch. u. ©. (1876-78) . . » -.. . 715, 740 
Puls-Haeckel Fr. (Ermarth) ſ. Hacdel. 

Puſch, Eh. (1834-37) Mebent. - - - -» > nern — 
Raab, Balletm. (1834I—40) » - : 2 2 2 2er nn. 201, 222 


» Fran (f. Zöllner-Raab). 
Naabe Hedwig Frl. (nahm. Niemann.) Sch. (1863-64) 518, 


527, 629, 565 
Raberg, Sch. (1ETE-TT) - - - Seren 709 
Raday Fıl., Sch. (1868-69) - » > 2 2 nern 609 
Rafael, Sch. n. ©. (1858-64) - - » : 2 2 2 nn. 487, 533, 565 
Rainoldi Paolo, Balletm. (1840—46, 1852) - - - - - » 277, 329, 362 
n Frau, T. (1340-42). >» > 222er nn — 
Rappoldi, Capellm. (1668 71)......... 638 
Raviti Frl., Sch. (1862—62) Liebh. u. Soubr.- . - » . - .- - - — 
Rehwald J. Frl., T. (1866 —720........ 664 
„DM. Hl, T. 828-81)............... _ 
Reichel, ©. (1846—58) 358, 369, 361, 362, 405, 411, 456, 465, 471, 
480, 534, 679 
Reifinger, T. un. Balletm. (1860-64) - - - : 2: 200. 565 


Remoſani Frl., Sch. 1858-61) - - - - 20.0 491, 495, 515 


— 862 — 


Renard Marie Frl., S. (1882-85) - - - - >. 2200. ... 759 
Reuner Frl., Sch. n. ©. (1855-57) - - 222er. 438 
Rettig(h) Frl., ©. (1834-39) - - - 2 2 ern nen 272 
Reiny, ©. (16T—T) . -» . 2... FE 651 
Richter Frl., T. (LBEI—61) » - vr een en — 
Rigol Emmy Fr., Sch. (1876 —889).. .. 704, 719 
Rineſch, T. (1AOA2). 2 2 20. 277 
Robinfon, S. (1864-65) - : nn. 634, 641, 646, 679 
Röbe, ©. un. Sch. (1882—Gegenw.) - - - 2 20er... 756, 809 
Röhrina, ©. (1842-45) 2. Tor - » > 2 2er — 


Römer, Sch. (1846-48, 1864—77 [}]) 351, 361, 362, 480, 595, 621, 714 
Rohrbeck Fr. Sch. (1852—68 [}]) 421, 427, 480, 495, 525, 565, 590, 593 


Rokitausky Hans, ©. (1862-64) - - - - 2... 553, 565, 566 
Rokſch Frl., T. (1B58-60) - en een 
Roll Ant., Sch. u. Reg. (1876-85) - - - 705, 797, 804, 809 
Rofen Tath Fl. ©. (18834 -Gegenw)... 220000. 7162 
Rofenfhön, Reg. (1857-64 [})) - - -: 2.020. 480, 495, 565 
Nofner, Sch. (1846-46) - - » 2: 2 rennen 347, 362 
Roffi Frl, T. LSAIM-T6) - > 2 een. 664 
Rotter Frl., ©. (1849—52) · BE Zu BE BE Zu Zu Zr Zur Ze 400, 405, 411, 473 
Rottmeyer Friedr., Reg. (LACH) .» - » - 20... 349, 361 
„ Frl., Sch. (1864—67) - -» » 592, 596, 601, 630 
Rovella Irma v. Frl., Sch. (1879-88) - - » . 2:20. 724 
Rükauf Frl, Sch. u. ©. (1865-66) . .. 8 596, 662 
Rudloff Frl, Sch. (1857-59) - - -.... 445, 430, 487, 497, N. 
Nudolf Fl, T. (1861-65).......... ... 6Al, 668 
Ruzek Luiſe Frl., T. (1873—85) : - 2 Seen 773 
Saag. Sch. u. ©. (1E62-6N . .» - 2 2 2 nennen 565 
Sabatzky, S. (1852—52) Tenor. - - >»: 200er. — 
Salm, Sch. u. ©. (1858-59). : : >: 2: 2 2 495 


Saner Ebm., Sch. (1859—85) 498, 495, 528, 565, 591, 595, 617 
703, 706, 739, ” 


Schaefer, T. n. Balletm. (1149-50) - - 2... nee. 
Schaefer-Brauneder Fr. Sch. n. ©. (f. Brauneder). 
Schaeffer, Sch. (1849-50) 2. Kom. ne — 
Schaffganz, ©. (1880-82) - - - Keen 154 
Schamberg, Sch. (1860 -64). nen. 565, 678, 692 
Kan Julie, Sch. (1BBI-84) - - - - - 766, 771 
Scharff, ©. (1837 -38)J... 196. 259 
Schebeſt a Adalb. S. (1870-80 [f) - - - - 8* 647, 739 


Scheller Abertine Frl., SH. (1EW—U) .. 22. nnen 609 





— 863 — 


Schent: Thaller Fr. Sch. (1883-84). . 2 2 2 2 2 en 771 
Schenk-Ullmeyer Minna Fr., Sch. u. ©. (1874-84) 517, 612, 
663, 705, 734 
. Schilaneber, Sc. (1819—45 (}]) 38, 52, 55, 125, 156, 213, 230, 329 
„ Antonie Yrl., Sch. (1819—56 [penf. 1849]) 51, 55, 
213, 328. 361 
n Frl., S. (1411-42) . » 2 2 2 2 2 2 ren — 
Schilke, ©. (1838 -588. nn. — 
Schimanousty, Sch. (1853-54). - » 2 2 2 2 00. 3%, 678 
Schleſinger C., Sch. u. ©. (1876—Gegenw.) . . . . 706, 715, 809 
Schmid Earl Dr. ©. (1852-55). . . . .» 458, 459, 465, 466, 670 
Schmidt Emilie Frl., S. 1S5T-58). . > 2 2 2 2 2 2 en. 480 
n Marie Frl, S. (187476)... . .: 662 
Schmidt-Prochazka Fojephine Fr., ©. (1808-67 [}) 588, 547, 565, 658 
Schmidt Frl. T. (1836 - 6 . 2... FE 277 
Schmiller, Sch. (1829-3). - : 20 0 2 0 2 2 nn. 28% 
Schneider Sch. (1844-4). . . 2 2 2 2... 226, 347, 361, 862 
„ Frl., S. (186566): - > 2 2 er ne 652 
Schönwald Frl. T. (IBEEC-6T) . » > 2 2 2 er nn en 664 
Schrauff &ubw., S. (181-892) . . : 2 2 2 2 nn. . 755 
Schröder Ft. ©. (1855-54). - : 2 2 2 rn ne. 458 
Schrödter Frik, ©. u. Sch. (1879-5) - » .: 2... 138, 758 
Schrötter Fl. ©. (13-7) . 2. 2 2 2 2 2 rn 662 
Schüßler, ©. (1882-4) 2 2: 2 0 en nr. 756 
Schütky, ©. (1842—M) , . 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2. 265 - 68 
Schütte⸗Harmſen, ©. (1880-80). - - > 2 2 2 2 2... 7154 
Schütz Frl., Sch. u. ©. (1846—48) Localſäng. . . . . 361, 362 
Schumann, Sc. u. ©. (1837-38) Neben... . . > 2 2... —_ 
" Frau, Sch. u. ©. (1887-38) Sonhr.. . . . . .» — 
Schultzendorff Roſa v., Sch. (1861-698) . . . ... 516, 517 
Schurz Fr, Sch. (1861-62) . -: > 2 m 2 2 nr rn ran — 
Schuſter, Sch. (1868 64). ...... 002. 487 
Schwanfelder Frl. Sch. 124) . . . 2 2 2 2 20. 221 
Schwarz, S. (1876 -795.... ...... 738 
„ Frl., S. (184-4). . 2 2 2 2 2 2 2 en 269, 362 
Schwarzbach Frl., ©. (1851-52) . 2 2 2 2 2 2 en „ 404 
Schwelle Frl., (1839—41, 1854-55) . : 2 2 2 2 0. 222, 328 


Scutta (. Shutta). | 
Seeberger Luiſe Frl, Sch. u. ©. (nahm. Martinellis-Seeberger), 
(1876—85) 705, 713, 734 
Seemann Fıl., Sch. (1863-64) . 2 mo rn ren 565 
Segni Frl., €. (1856-58) . . 2 2 2... ren. 6, 5 


— 864 — 


Seher Frl., S. (1852-53) . . 2: 2 N N Er — 
Seitler Frl., Sch. (1867-72). . 2»... 2.601 
Selyra, Sch. (1845-64 |) - - - » .. 320, 480, 495, 522, 565 
Senger Frl. S. (13 2.22 2 2 nn nn. MR, %7 
Seyler, ©. (1846 —47) . . . 22.0. .859, 361, 362 
Siebers (Sievers) Fr., Sch. (186872) en 2.2.60 
Siege, Sch. (1856—Gegenm.) . . .446, 480, 495, 565, 595, 620, 714 
Siehr, ©. (165-7 . . 2... 2.2.69 
Simon, &d. (1852-53). : : 2.2.0. 2.418, 419 

n Jul., Sch. 1EM-WB8) . . 2... 598, 615, 617, 703, 707 

„ Ludw., Sch. u. Reg. (1866-85) - - . 2. .596, 615, 706 

„ Dttilie Fr. (185253, 1874-76) . . 2 2 2 0202597, 609 
Sitt Hans, Kapellm. (1872—73) . . . 64 


Straup Franz, Capellm. (1827—57 (penf.)) 273-5, 329, 361, 480, 48: 
„ Koh. Nep., Capellm. (1839-48, 1870—72, 1874—82) 275, 

320, 362, 471, 640, 764 

„ Carl, Sch., Oberreg., Dir.-Secr. (1879—79, 1884— 85) 794, 798 


Stutta C., Sch. (1852—63 [f} - -. » » 2. . 427, 480, 495, 521 
Slansky Ludw., Capellm. (1863—Gegenm.) 405, 553, 565, 639, 763, 809 
Sontag Francisca Fran, Sch. (1886-87) . . 14, 55, 74, 100, 218 
Soutup, ©. (1880-82) . . . . . 7157 
„ Gäctlie Irl. (nam. Fr. Votſchon), (1846-—49) 356, 361 
380, 382, 400 
Spiro, Sch. vera rennen... .156, 228, 329 
Springer Fran, T , (188644) een ZU, 329 
Staudt Fıl., ©. (1852—52) ee ee. . . 42 
Steger, ©. (1852-583) . . nn As, 454, 473 
Stegmayer, Capellm. (184446). een nn. 30 275, N. 
Steinar Theodor, Sch. 1BEI—0) . . .» » . . 617, 708, 706, 764 
Steinbah Emma Frl., S. 1880-83). - : 2 2 2 nen. 7 
Steinede, ©. 1852-62) . . „458, 465, 471, 480, 487, 531 
Steinit- Mojer (j. ‚Mofer-Steinik). 
Stipan, ©. (12-43) . . . ernennen. 316 
Sternau Fri, S. u. Sch. ———— ..... 331, 565 
Stende, Sch. (1864-65). . . .. >. 


Stöger Fıl., Sh. u. ©. 189-5) .. 482 
Stoll Ang, S. (1876—84)........ 705, 736, 767, 758 


Stolz Ed., Capellm. (1882-86) . » 2 2 2 2 een. 809 
" en en m — 
Storch-Zoder Marie Fr., =. (1876778) a \\\; 733 

Stork Frl., ©. 1850-51) . .- . -» Denn. 4 


Stradivt-Mende Fr. ©. (1850-52). rennen 404, 411 








— 865 — 


Stralaty, S. (1827 57 [peni.]) 169, 264, 3%, 329, 361, 405, 453, 


465, 478, 480 
Streitmann Carl, ©. (1882-85) . . . . 2.2... 757 
Streitmann-Uebermaſſer Fr. (i. Hebermaffer).. 
Strömer (Stromeyer) Frl., Sc. 1876-78) . ...87725 
Stropnicky, ©. (1882-83) . . nn nn. 756 
Smwoboda Marie Fr., Sc. (1878-0) . nenn... 718 
„ L, Sch. (1862—64). . > 2 2 2 m nn nenn. 565 
„ IL., Sch. (1862—62) Nebent.. . > 2 2 2 2 — 
„ Frl., T. 1865-3) 2.2 rennen. 664 
Szegal Frl., S. (1866-70) . . . . 652 
Szegöffy Fr., Sch. (1854-73) . . 436, "480, 445, 565, 530, 596, 610 
Szöld Irma Fıl., Sch. (1876-78) . . . .. 2. 785 
Taltro Fanny Frl. ©. (1184-85) . . . . . 762 
Tauwitz Ed., Capellm. (1846--639) . . . . 361, 362, 478, 480, 553 
Tely Frl. ©. 1860-60) . 2 2 2 20.0. . — 
Terey v. Fl, S. (1864-65) . 2 > rn 6a, 656 
home Frau, S u. Sch. (1845-46) . . ... . 222, 362, 683 
Tipka Luiſe Frl., ©. (1862-52, 1857—59) 452, 471, 475, 480, 531, 534 
Tonner Fl. ©. 1184-45) . .... 202020. 400 
Topolandty Frl. ©. (1816-6) . 2 2 2 2 2 2 nn... 798 
Trautmann Sa Frl., Ch. (1876-77) . . 20. 0.79 
Zriebenjee, Capellm. (1817—38 [7]) . 19, 72, 85, 125, 180, 273, N. 


„ Ft, S. 1839-4) 2 2 2222 22.270, 329 


Uebermaſſer Luiſe Frl., Sch. (nachm. Fr. Streitmann) (1882—85) 772 
Ullmeyer (}. Schenf-Ullmeyer). 

Urban Mar, Sch. (1859-60) . - 2 2 2 2020 202..494, 495, 513 
Uttner, S. (18666 —708..6 bl 


Banini, Sch. (1849—50) 2. Char.⸗Rollen. . — 


Vecko Bincenz, ©. (1865-74 [f) : - 2 2 2 2.2.58, 648, 679 
VBerjing, ©. (1846-55) . . . . 359, 405, 411, 453 
Berling- Hauptmann Anna Fran, Sch. (186779) 398, 515, 599, 
605, 610, 725 
Vogl, Balletm. u. T. (1858-60) . - 2 2 2 rm 
„ Eee nn. 533 
Vollmer sen, Sch. 1AC—) . 2 2 2 2 2 nn nn. 347, 362 
„ Arthur, SH. 180-7) . 2 2 2 2 2 2... 618 


55 





— 866 — 


Wagner, ©. (1887-38: . . 480 
Walter Wilh., Cd. (183466. H) penſ. 1864) 199, 226, 329, 361, 
480, 565, 495, 527, 590, 594 


Walter jun, Cd. (1860-62, 1865—66) . . . . . .595, 6%, 621 

rn. 21297 
Wauer, Cd. (1846-46) . . nn. 362 
Webers Frl. Cd). (1862 —62) Liebh. u. Soubr. on — 
Weilenbeck, Sch. (1853-58) . . 419, 428, 480, 483 


Weisbach Amalie Frl. (nachm. Mittel Weisbach) Sch. (1842 46) 
221, 361, 362, 434 


Weisbach Th. Frl., Sch. (1845—68 Denk. . ... |’) 
Weirlbaum, ©. (1869-W . . 2.222.623, 651 
Weirler Frl. T. 181-883). 2 — 
Werner Frl. T. (1BE2H — 
Werther Baul, Sh. 1180-72) . . 2 2 2 2 2 2 22.821 
Wiedemann, ©. (1859-50 . . en .. 320 
Wiedermann Fr., Sch. (1851—61 PH) en 421, 480, 495 
Wieland Marie Frl., T. (1846 —466. .... 362 
Pauline Frl., T. (1846-46) - . 2 2 2 2 2 nn. 362 
Wienrih Adele Frl., Sch. (1874-79 . . 2 2 2... .. a 
Wimmer Frli., Sch. (18341 -246. 2 2 2 0. a, 361— 6° 
Winter Sch. (18ö5—55). . en . 
Wohlſtadt Jakob, Reg. (1864— 65) rn . 588, 592, 6 
Wolff Aug, Sch. un. Reg. (1856-58) . . 446—7, 480, 483 
Wollrabe Minna Fr., Sch. (1870-77 n. Gegenw.) 2.610, 727 
Rolmany, a 1812-4). . . ... 220.226, 362 
Würft Frl., IE) nn, 362 
Zaengl, Sch. (1838-41). . nn. 221, 329 
n Martanne Fr., Cd). (1838 — _4 Mm. nn. 1, 328 
Zanfretta Frl., T. 187-9) 2. 2.2 2 2 2 2 I rn 
Zawiszanka Frl. S. (1862-64) . . 2 2 020202..545, 565, 679 
Zechtiel Joſ., Ed. (1852—63 Penl.)) - > > 2 2020202862, 480 
n Saroline Fr., Sch. (1853-64) . . 2 2 0202..862, 480 
Fr., S. (18411 -46......... — 
Zengraf Frl. S. u. Sch. (1849-51) . » 2 2 220202898, 411 
Ziegler Frl., T. (1884-85) . . nn... 013 
Ziegler: SE Fr. (f. Jantſch- Sale), 
Zink Fıt., (1866-67) ... nenn. 506 
Sintenzgel, €. (1866—67) . . nenn 6 
Zöllner-Raab Fr. Cd. u. ©. (183645) . nenn 222, 329 


— — 








— 867 — 


Das Penfions-Inflitut des deutfhen Sandestheaters. 


Eine Kifte der Denfioniften feit 1834 nach dem Iahre der Penfionirnug.*) 


Mad. Therefe Knize-Brunetti (Schanfpielerin), penf. 1. Febr. 1834, 
T 1864. 

Carl Joſ. Schikaneder, Schaufp. u. Op.⸗Reg., pen. 1. Mai 1834, 
+ 27. März 1845. 

Joſeph Kainz, gew. Sänger und Mitdirector, pen. 1. Mai 1834, 
4 1858. 

Ignaz Brinke, Opern.-Sonuffl., pen). 10. Febr. 1838, T 1844. 
Adald. Rüffel, Schanfp., penj. 10. Febr. 1838, T 15. Apr. 184. 


.Joſeph Triebenfee, Capellm., peni. 10. Febr. 1838, + 22. Apr. 1846, 


im 87. Lebensj. (geb. 1760 in Wien). 

Ignaz Ulbricht, Schaufp.-Souffl., penf. 10. Yebr. 1838, T 1868 0. 69. 
Mad. Babette Allram, Schanfp., penſ. 1. Juli 1841, F 1872. 

Carl Beter Bolze, Schaufp., penf. 9. Apr. 1843, T 1869 (0. 68). 
Fr. Rudolph Bayer, Schaufp., penf. 19. Apr. 1844, 7 25. Apr. 1860. 
Matbiad Podhorsky, Dperni., pen]. 1. Nov. 1845, 1 5. Dec. 1849. 
Friedr. Demmer, Opernſ., penf. 17. Sept. 1847, + 1859. 


. Franz Feiftmantel, Schanfp., penf. 1. Dec. 1848, F 27. Oct. 1857. 


Carl Dietrich, Schaufp., penf. 1. Dec. 1848, + 9. Febr. 1881. 
Catharina Pedhorsky, Dpernf., penſ. 1. Febr. 1849. 
Fl. Antonie Schiltaneder, Schaufp., penf. 1. Mai 1849, + 1872. 


. Frl. Friederike Herbft, Schaufp., penſ. 1. Apr. 1854, + 1866. 


Fl. Henriette Groffer, Opernſ., pen). 15. Sept. 1854. 
Fr. Marie Frey, Schaufp., penf. 1. Oct. 1854, + 24. Aug. 1870. 


. Fr. Margar. Binder, Schaufp., penf. 1. Nov. 1854, +3. Juli 1870. 
.Franz Stranp, Sapellm., penf. 1. Oct. 1857, 4 7. Febr. 1862. 

. Carl Strafaty, Opernſ., pen‘. 1. Nov. 1857, 7 26. April 1368. 

. Yranz Brava, Operni., penſ. 1. Mai 1859, t 22. Jän. 1882 zu 


Graz, 71 Sabre alt. 


. Hof. Emminger, Opern]., penf. 1. Mai 1859, } 26. Dec. 1872. 


Son. Illner, Sch. u. Opernf., penf. 1. Nov. 1859, T 2. Nov. 1861. 


. of. Breifinger, Sch. u. ©., penſ. 1. Mai 1862, F Inni 1865. 


?) Jene Mitglieder, deren Namen fettgebrudt find, bilden den gegen: 


wärtigen Status der Penftonäre. 


55* 


FERBERBBSSEHRESBESSBSEREERSSB BN 


— 863 -- 


Eduard Kunz, Operni., penf. 1. Jän. 1863, 4— Juni 1876. 
Frau Anna Kolar-Manetinsky, Sch. penl. 1. Februar 1868, 
7 10. Juli 1882. 

Frl. Clotilde Gautſch, Sch. u. S., penl. 1. Apr. 1863, T 1872. 
Joh. Zechtiel, Sch., penf. 1. Oct. 1863, T 1880. 

Frau Caroline Zedtiel, S. u. Sch., penf. 1. Oct. 1863. 

Carl Dies, Sc., penf. 1. Apr. 1864, T 7. Sept. 1865. 

Wild. Walter, Sch., penſ. 1. Mai 1864, T 1866. 

Frau Maagd. Hynek, Sch., penſ. 1. Aug. 1864, + 9. Apr. 1863. 
C. Wilh. Fiſcher, Sch., penf. Oftern 1865, t 10. Sept. 1873. 
Fl. Joſ. Weisbach, Sc., penſ. 1872, + März 1884. 

Auguftin Nikolai, Sch. u. ©., pen. 1872, + 1877. 

Eduard Tauwitz, Capellm. penj. 1872. 

Eduard Bahmann, ©., penſ. 1872, T 1880. 

Carl Dolt, ©. u. Scd., peni. 1872, 7 12. März 1882. 

Fran Francisca Szegöffy, Sc., penſ. 1873, + 18. Nov. 1881. 
J. ©. Rolar, Sc., penj. 1874. 

Franz Martines, Souffl., penf. 1874, 13. März 1879. 
Frau Emmeline Farnik, Sch., pen]. 1874, T 1876. 

Frl. Amalie Fries, Sc., peni. 1878, T 8. Oct. 1887. 

U. Weleba, S. u. Sch., penl. 1880. 

3. B. Haſſel, Sch., penſ. 1882, 7 29. Sept. 1884. 

Friedrich Frey, Sc., penj. 1882. 

Koh. Nep. Skraup, Gapellm., peni. 1883. 

Ludw. Simon, Sch., penf. 1885. 

J. N. Siege, Sch., pen. 1885. 

Edmund Sauer, Sch., penf. 1885. 

Hof. Eichberger, ©., peni. 1885. 

Fr. Thereſe Pofinger, Sch. pen. 1886. 





— 869 — 


Nachträge und Berichtigungen. 


Zum I. Capitel. ©. 31: Der Bräfident der ftänd. Theaterauffichte- 
commilfton Sürft Anton, Iſidor zu Lobfomwig legte am 1. Juni 1819 
bar, daß er beftrebt gewelen fei, mehre Inftructiond-Punkte für die Com⸗ 
million zu ändern, babei aber das Fehlerhafte ber gegenwärtigen Einrid= 
tung erfannt und in einer eigenen Denkſchrift dem Sberitburggraien feine 
geläuterten Anfichten über diefen Gegenftand eröffnet habe; er bitte ihn von 
ber Verfaſſung der Inftruction zu entheben. Am 12. Juni ftarb der Fürſt, 
und ber Landrechts-Präfident Johann Graf Lazansky wurde an die 
Spige ber Theateraufſichtscommiſſion berufen; er, lehnte zwar ab und 
ſchlug den Oberftlandfämmerer Graf Carl Maris vor, nahm aber 
nad deſſen Ablehnung doch die Ernennung an. Graf Lazansky ftarb 
1830, und der Appellationögerichtäpräfident Sreih. Hermann v. Heß wurde 
an jeine Stelle berufen. 


* * 
* 


zu Seite 35: Die 1819 publicirten, bei Franz Gerzabek in Prag 
gebrudten „Gelege und Anordnungen für die Mitglieder des 
Nandftändifhen Theaters” enthielten zwölf Abichnitte. 

In der Einleitung wird die Nothwendigkeit beftimmter Regeln ſpeciell 
für die „an ausgezeichneten einzelnen Kräften jo reiche Bühne“ Prags her⸗ 
porgehoben, damıt „diefelbe an jener harmoniſchen Zuſammenwirkung biefer 
Kräfte nicht zurüdbleibe, ohne welche weder eine volllommene Darlelun 
möglich ift, noch ber Einzelne ſein Talent vollftändig und mit der höchſten 
Wirkung entfalten kann“. „Die Een ftänd. Theateraufjihtscommiilton“ 
— heißt e8 weiter — „wacht ald ſolche Aber die Aufrechterhaltung dieſer 
Geſetze und ift bemnad in allen darauf Bezug nehmenden Fällen, wo ed 
ſich Ai um etwa3 handelt, worüber von Amtswegen, mithin aud ohne 
vorläufiges Anſuchen die Amtshandlung der öffentl. und Gerichtsbehörden 
eintritt, von dem gefammten Theaterperſonale als oberite ſchiedsrichterliche 
Behörden, deren Ausſpruch fich jedes Mitglied ohne weitere gerichtliche 

tervenienz zu unterziehen hat, anzuerlennen, gleihwie bey augenblidlich 
ich ergebenden Unftänden jederzeit am einen der beyben von der Theater: 
auffichtö-Commilfion zu Diefem Ende ernannten, in der unmittelbaren In— 
ſpekzion über das Theater von Zeit zu Zeit fih abwechſelnden Tit. Hrn. 
Comm.-Beyfiger, von denen aud ftetd wenigſtens einer ben jedesmaligen 
Boritellungen beywohnen wird, zu deren Behebung fid zu verwenden, und 
ihrem Ausſpruche, da fie im Namen der hochlöbl. Aufſichtscommiſſion 
andeln, Folge zu leiften ift. Wichtigere Fälle werden zur Kenutniß des 

äſidiums der hochlöbl. Aufſichtscommiſſion gebracht, welches dann über 





— 370 — 


die weitere Verhandlungsart entſcheidet.“ Von jedem Mitglied wurde die 
Unterfertigung und genaue Befolgung der Geſetze als Bedingniß ſeiner 
Aufnahme oder ſeines ferneren Verbleibens gefordert. Der erſte Abſchnitt 
handelt von den „Verhaltungsregeln im Allgemeinen auf und außer dem 
Theater“, verbietet die Anweſenheit Fremder auf ber Bühne, ſpeciell von 
Dienjtboten der Schaufpieler auf der Bühne außerhalb der Ankleidezimmer. 
Ahtungswibriges Verhalten gegen einander, gegen Commiſſionsmitglieder 
oder gegen dad Publilum war mit /, Monatsgage ald Benfionsbeytrag, 
Ihlinnmerenfall3 durd; die Stadthauptmannſchaft mit Verweis oder Arreſt 
zu beitrafen, bewiejene Unfittlichleit mit einer ‘Monatdgage Strafe, eventuell 
hofortiger Entlafjung, worüber die Penfiond-Fnftitut3-Commillion als com⸗ 
petentes Schiebögeridht zu enticheiden hatte, „Verbreitung unvortheilhafter 
Gerüchte von Schaufpielen und deren Rollenvertheilungen 2c.“ mit 5 

Penjionsbeitrag. — Der zweite Abichnitt handelt von den Rollen und 
fagt u. U. „Die Entihuldigung, diefe oder jene Rolle wäre zu unbedeutend, 
ihr Charakter wäre zu nachtheilig gezeichnet, diefe Rolle könne eher dieſes 
oder jenes Individuum jpielen, wird durch dad Geſetz ein für allemal als 
unzuläflig erklärt. Man wirb bey Dertheilung von Rollen auf die über- 
triebene und unbeicheidene Meinung, die Halblünftler von ihren Talenten 
haben, feine Rüdficht nehmen... .. Obwohl fih Kopfarbeit nidht er- 
zwingen läßt, gi laubt man vierzehn Tage als Hinlänglich zur Erlernung 
einer großen Rolle, und acht Lage zu einer kleineren beitimmen zu fünnen. 
Man wird dagegen Sorge tragen, baß das Individuum in jener Zeit, wo 
es eine Hanptrolle einzujtudiren bat, nicht mit großen Nepetizionen lange 
liegen gebliebener Vorftellungen bejhäftigt werde. — Der dritte Abſchnitt 
beipricht bie Lejeproben und deren Bedeutung und ftatuirt Strafen für Ver— 
Ipätungen, ber vierte handelt von den Darftellungeproben und jagt u. U. 
„Da die Proben bie Grundlagen einer quten DSaritellung find, fo ai: fie 
auch mit allem Ernfte gehalten werben. Wer daher die Stille durch Poſſen, 
Streit, Lärm, Gefhwäs unterbricht, zahlt 2 fl. Penſionsbeytrag.“ — Im 
fünften Abfchnitt werden die „Proben alter Stüde und Opern“, ım 
ehiten die Aufführung beiprodhen. Hier beißt e3 u. U. 8. 8: „Der 
Scaufpieler, der am Ende eines Stüdes vorgerufen wird, hat nur mit drey 
Berbengungen zu danfen. Unter feinem Vorwand darf ein Mitglied eine 
Anrede an's Bublitum halten. Nur gaftirenden Scaufpielern oder nen 
engagirten Mitgliedern ift bey dem 1. Debut erlaubt, ſich durch paflende 
und verbindliche Ausdrüde in die Gunft des Publikums zu empfehlen.“ 
$. 9 fagt: „Ueberhaupt barf fein Mitglied fich erlauben, feiner Rolle Etwas 
aus Eigenem beyzujegen. Ein folder Beyſatz ift auch oft ein Verſehen 
gegen den Dichter und die Kunft, zumal wenn durch Anfpielungen, Local⸗ 
verhältniſſe und Zeitumſtände der guſchager and dem Kunſtkreiſe des Dar: 
geltellten zurüd in feine Verhälmiffe und fo aus der Täuſchung gehoben 
wird. Der muthmwillig Crtemporirende bat 5 fl. zur Penſionsfondscaſſa 
zu erlegen. Hingegen Ausrufungen, Blite des Wiges und der Lanne, 
welche die Situation und ber Augenblid herbeyführt, und das etwaige 
Stoden oder fpätere Auftreten eined Mitipielenden verbergen, unterſcheiden 
I weientlih von jenen egoiftilchen Buliben und Spielerweiterungen, und 
ind alles Beyfalls wertb.” — Im licbenten Abſchnitt ift von der 
Garderobe, Requiliten und Wagenbeftellungen die Rede; es wird barin 
jpeciell verboten, in der Garderobe „Schuhe zu pußen und Kleider and» 
tlopfen zu laſſen, auch mit weißer oder rother Schminke die Tiſche zu be= 
ſchmutzen“; ferner erfahren wir aus den $. 11 und 12, daß bereitö 1819 








— 871 — 


eine eigene Theaterkutiche zum Abholen der Mitglieder eriftirte; der Kuticher 
konnte bei ftörender Verſpätung von der Stadthauptmannſchäft mit Arreft 
belegt werben. — Der achte Abichnitt handelt „von ten Pflichten zur 
Erhaltung der Ruhe und Ordnung“ und beſtimmt u. U., daß bei Mangel 
eines jchriftlichen Contracts eine breimonatliche Auflündigung zu Rechte 
beftege. — Im neunten Abfchnitt waren die Beftinnmungen über Ent: 
(enung vom Haufe, Urlaub u. |. w. enthalten; der zehnte ftatuirte die 
erpflichtungen gegen das Penfionsinftitut, für welches jedes Mitglied 
2'/, Procent von feiner Sage in Monatdraten zurüdzulaffen hatte, doch 
eritrebte fich diefer 2"/„procentige Abzug nur auf Gagen bis zu 2000 fi., 
von dem eventuellen Mehrbetrage war fein weiterer Abzug eingeführt. 
Der elfte Abichnitt galt der Oper inäbejondere und handelte von geile 
keiten, Abjagen u. |. w., der zwölfte Abichnitt endlich von der Kund⸗ 
machungs⸗Art neuer Geſetze. 

Ein älteres Theater-Reglement, das ich aufgefunden, ſtammt 
noch aus Bondintfcher Zeit vom Jahre 1785. Ich theile nur 
einige Paragraphe daraus mit. So heißt es in $. 5: „Spielen zwey 
Scaufpieler oder Schaufpielerinen ein Fach und werden ſolche vom 
Publicum gleich gern geſehen, ſo haben die Regiſſeurs alſo zu handeln, 
beyde in gleich aroßen und gleich kleinen Rollen wechſeln zu laſſen, alſo 
heute mir morgen dir. Falls aber nach obiger Erwähnung ma Schau: 
fpieler oder Schaufpielerinen in gleichen Fächern die erſten Rollen jpielen 
wollen, und eine Berjon vor der andern dad Publicum durch fein 
Spiel mehr fatisfafirt, fo ſollen die Regiſſeurs beionders fich nad) der 
allgemeinen Stimme und dem Ausſpruch des Publicums richten nnd ber 
Perſon, welche am meilten durg deutliche Beweiſe goutirt wird, den 
Vorrang bei, Austheilung der Rollen zuſtehen laſſen, wodurch nicht nur 
meine intentionirte Willensmeinung ſondern auch die Befriedigung der 
Wünfche und die Zufriedenheit des Publicums erfüllt wird. — 8. 10 
fagt: Ein Jeder muß bey den Broben zur angefegten Stunde pünft- 
lich erfheinen. „Um 9 Uhr ift Brobe,” heißt: um 9 Uhr auf den Theater 
feyn, niht um 9 Uhr vom Haufe zur Probe geben, 10 Minuten aus- 
bleiben beträgt 20 kr. 15 Minuten 40 kr.; ganz außbleiben ohne be- 
wiejene Krankheitsumſtände 1 fl., ſowie basjenige, Mitglieb der akt: 
ichaft, weiches ſich ohne angezeigte Urſache beim Wochehabenden Regiffeur 
aus dem Theater entfernt, 20 fr., und diejenige Verſon, welche bey Broben 
ſich zwey oder mehrmal aus den Garderoben rufen läßt, 10 fr. Strafe zu 
erlegen Ichuldig ift, welche Strafen ber Wohehabende Regiſſeur in feinen 
Wöchentlichen Bericht aufzuzeichnen und dem Theater-Lafjter zum, Abzug 
der Gage ohne Rüdficht anzuzeigen und für arme reifende Schaujpieler zu 
deponiren verpflichtet iſt. Fehlt einer der Regiſſeurs in ber Aufzeichnung 
biejer Strafe aus Partheylichkeit gegen feine Frau, Schweiter, Bruder oder 
jonftigen Freund, jo verfällt er nach dargethanen Beweiſen diefer Parthey- 
lichkeit in doppelte Strafe. — 8. 16 jagt: Während der Leſe⸗ und Theater: 
probe, vorzüglich aber während ber wirklichen Vorſteuung muß ſich ein 
jeder aller Zänkerei oder Sticheleien über irgend einen Gegenſtand, ber 
das Theater betrifft, enthalten! Fallen ja Zwiſtigkeiten vor, jo ſollen ſolche 
durch die Regiffeurd vermittelt und anderen Tags geichlichtet und bie, Strafe 
des Beleibigers beftimmt werden. Wollen ſich die ftceitenden Theile ihr 
Urtheil nicht gefallen faffen, fo bleibt ihnen in Sachen von Erheblichkeit 
der Weg, zum Impreſſar Herrn Bondini mit Vernunft zu geben, defjen 
Urtheil au ihre Klage und ber Regiffeurd unpartheyiſche Relation der 


— 872 — 


Sache fie fid) unterwerfen müſſen, wenn es Febler ihrer Schuldigkeit und 
nicht Verlegung ihrer Ehre gegen einander betrifft, deren Widerberftellung 
ber Juſtiz angehört. Bon ber Stunde ihres Widerwillend gegen den 
Ausſpruch ihrer Strafe von, Seiten der Regiffeurs und Impreſſars liegt 
auf den gereitenden heilen ihrer Gage nad) Anzeige der Regiſſeurs beym 
Caſſier Beichlag, bi8 zur ausgemachten Sache zur Sicherheit der Proceß⸗ 
toften unb ber nach ben ‚ehealergeichen beftimmten Strafe. — 8. 17 lautet: 
Auf grobe Ausſchweifungen, Zeugniffe von ſchädlichen und unfittlichen Hand- 
lungen wiber die Ehre der Geſellſchaft, vorzüglich aber thätliche Miß⸗ 
bandlungen gegen einen deren durch ni bevollmächtigten Regiſſeurs ſteht 
wie im Art. 12 ohne Anſehung der Perſon unvermeidliche Aufhebung des 
Contracts ohne alle Gage-Vergütigung.“  _ 

„Da Hr. Impreflr Pasqual Bondini“ — ſchließt dad Reglement — 

„ſämmtliche Herren und Damen feiner Geſellſchaft zu einem Zwed engagirt 
hat, nemlich für die Kunft zu feiner und des Publicums Zufriedenheit mit 
möglichitem Fleiß, und Gifer zu arbeiten, fo hofft der gedachte Impreſſar 
Hr. P. Bondint von jämmtlihen Mitgliedern feiner deutichen Schau⸗ 
jpielergefellichaft in Prag und jedem Ort, wo jelbige unter ſeiner Direction 
bingeftellt wird, daß alle Bunte bes vorftehenden Neglements befolgt, und 
bie von ihm zur Aufrechterhaltung biefer Wahrheit bevollmächtigten und 
vorgeftellten Regiſſenrs in allen und jeden gleich als meine eigene Perſon 
laut habenden Vollmacht anzujehen und zu begegnen find. (L. S.) Uuter- 
ſchriehen find: Basquale Bondini, Imprellar. — Carl Theodor Emridh, 
Carl” Friedrich Zim dar, Franz Heinrih Höpfler, Regiſſeure.“ 
Im I. 1819 beitand das Project, ein neues ftändifhed Theater 
in der Nähe des Pulverthurmd auf dem Graben auf dem Plate ber 
Staatögüter-Adminiftration zu bauen und bad Theater auf dem Objt- 
markte zu einem National-Mujeum umzugeftalten. 


* R 
* 


Zu ©. 226: Auguſte Wilbrandt-Baudius war nur die Zieh— 
tochter C. F. Baudius’ (f. auh ©. 630). _ 

u ©. 251: le om r 24. Mat 1881 in FRöntgfaal, nachdem 
er 47 Jahre im Orcheſter des ftänd. (nahm. deutichen Landes-)Theaters 
gewirkt und zu Oftern 1881 in den Nuheftand getreten mar. 

Zu ©. 264: Ednard Kunz + Juni 1876 zn Graz; ald unmittelbarer 
Pagfolae Por's wirkte 1837—38 der von Stöger entdeckte Sänger Scharff 
9. ©. 196). 

Zu ©. 275: An Stelle Franz Skraup's wurde 1838-39 Johann 
Nep. Straup 2. Sapellmeifter, blieb auf diefem Poften bis 1843, worauf 
Stegmaner bis 1845 ald zweiter Gapellm. fungirte, 1845—46 wirkte 
abermaldö Johann Skraup, 1847—1863 Ed. Tauwitz (ueben diefem 
1850—53 Mayr), 1863—70 Slansky, 1870-82 abermald Johann 
Straup, 1882—85 Stolz al& 2. Sapellmeifter. — Ferd. Stegmayer 
(and Stegmayr oder Etegmeyer), ein Sohn des Tonſetzers, dram. Schriftit. 
und Schanjp. Matthäus Stegmayer, war geb. 25. Aug. 1808 u Wien, 
T 6. Mai 1863 ebenda, ein Schüler Seyfried's, Riotte's und Zriebenjec'e, 
war bereitö 1819 Correpetitor am Linzer Th., dann am Kärtnerthorth., 
1825 Mufildir. des Königft, Th. in Berlin, 1831—32 Th.-Capellm. in 
Reipzig, dann Bremen und Mufilmeifter der Fürftin Nariſchkin in Odeſſa 





— 373 — 


und Paris, 1843-46 in Prag, 1848 Operndirig. in Zofephftäbt. Th. in 
Wien unter Stöger, hierauf Shormeift. de Wr. Männergefv., Lehrer am 
Gonferv., Leiter der Gejellichaftäconcerte vor Herbed, mit Dr. Aug, Schmibt 
Gründer der Wiener Singafadentte, mit welcher er berdorrag. Werke wie 
Bach's Matthäus Paffion, Hiller's „Saulus“, Schumann’? „Der Role 
Pilgerfahrt” in Wien einführte. Starf gealtert und durch Mißlingen mancher 
Bläne verbittert, gerietd St. ın Noth, wurde von Eckert als Cap. in's 
gofonib. berufen, fonnte nicht mehr gemi en, verjuchte ſich ald Cap. im 
arlth. und erlag, 60 F._alt, einem Blutiturze, eine junge Witwe und 
ein Kind gurüdiafienn, Seine Compof. waren zahlreih, namentlih für 
Clavier, Kammermufil, Tänze, Lieder. Als Dirigent hervorragend, als 
Muſiker gründlich und tief gebildet, jchädigte er fich viel durch fein derbeg, 
knorriges, unſtetes Wefen. 

Zu ©. 263: Tenorrollen fangen noch 1836-38 Baier, 1838—38 
Grünbaum, 1832 Chrudimety, 1841—184 Mahr (1. Tenorr.), 
1841—43 Big! (1. Tenorr.), 1842 Ehlert, 1842—43 Roſen berg. 

3u ©. 268: Bufforcllen wirkten noch 1842—43 Stepan, 1843 
Stolz, 1846-52 Nanmann, 1846—47 Breuer. 

u ©. 272: Als jug. Sängerinen hörte man noch 1837—38 Mad. 
Schumann, 1343 Damen Big! und Grünmalbd. 

Zu ©. 311: Anna Manetingty-Rolar war 1817 zu Peſt als 
Tochter de? Schaufp. Manetinsky geb., der ſchon zu Liebich's Zeiten in 
beiden Sprachen zu Prag agirt hatte; fie ftarb 11. Juli 1882 zu Prag. 
Ihre Tochter war bie Want Auſpitz⸗ Kolar. 

in ae S. 343: In der Note fol es ftatt „injpicirte” Biographien heißen 
„inſpirirte“. 

u ©, 402: Fr. Ulm 7 15. April 1881. 

u ©. 409: Frau Branneder-Schäfer lebt jeit Mai 1887 von 
der Bühne zurüdgezogen in eine mähr. Landitadt. — Rocallängerinen in 
Prag waren 1846—47 (nah Mad. Thome) Frl. Schütz, 1848 Frl. Cal: 
liano, 1849-51 Frl. Zengraf, 1850-51 Mad. Gyſi. 

Zu ©. 417: Dir. Joh. Hoffmann T 13. Sept. 1865 zu Wien, 
wo er ald Bühnenleiter mit großem Erfolg gewirkt und u. A. den „Tann⸗ 
bäufer” zum 1. Male zur Aufführung gebracht hat. 

ge ©. 421: Fr. Rohrbed fpielte in der erften Wiener _„Verichwen- 
der“: Borftellung das Rofel, nicht das „alte Weib“, womit fidh der Diele 
Schaufpielerin betreffende Paſſus corrigırt. .. 

u ©. 423: Frl. Bognar fiehe auch ergänzend und rectificirend 
©. 767 diefed Bandes. m 

3u ©. 467: Der Ballift Dr. Schmid + 25. Apr. 1873 in Wien; 
er war nad dem Tode feiner Frau trübfinnig und trat felten auf. Als 
theoretiich gebildeter Arzt unterwarf er ſich Jelbftgewählten Curen, ohne 
die erichnte Gefundheit zu finden. 

Zu 5.470: Riharb Wagner richtete ald Dank für den Bericht 
über die Prager Rohengrin-Premiöre folgenbes Schreiben an die Harfen- 
Birtuofin Frau Marie Lehmann-Löw (Mutter von Lili und Marie 
Lehmann) de dato Zürich: 

‚ .„Kiebfte Freundin! Haben Eie taufend Dank für Ihren frennblichen 
Brief mit dem ſchönen Inhalte. Daß ich nicht eher antworten konnte, war 
ein Leidweſen. Sch war von dieſer abjcheulichen Krankheit ſchon den ganzen 
Winter an der Ichließlichen Vollendung einer großen Arbeit — der Partitur 


874 — 


meiner Walküre — verhindert worden, jo baß ich nun, als ih nur kaum 
wieder daran denken konnte, mit Teidenfchaftlicher Oftination zu nichtö eher 
die Feder in die Hand nahm, ald eben zur Beendigung dieler Arbeit. Dies 
it denn nun glüdlih zu Stande gebradit, unb mein Erſtes, was ich thue, 
ift nach Prag zu fchreiben. Was nun die Aufführung des Koben- 
grim betrifft, jo muß ich — beſonders and Ihren Nachrichten — wohl 
lauben, daß einmal wieder ein Wunder geicheben ift, denn weun ich diele 
per an ein Theater verfaufe, jo geichicht es jedesmal mit, einer wahren 
Verzweiflung, da ich um der infamen paar Thaler wegen mid; mit diejem 
Werke, das ic) felbit noch nicht einmal aufführen oder hören konnte, Au 
Markte bringen muß und, wie ich jedesmal fürchte, mid) den größten Miß— 
verftändniffen preisgeben fol. So viel fteht feſt, daß ih nah Berlin 
und Münden den Lohengrin nicht gebe, e3 fei denn, daß ich ihm ſelbft 
dort aufführen könnte. Wenn nun bei Euch Manches nicht war, wie es 
follte (namentlich fheint mir ber Zohengrin-Reichel felbft ſehr unintereffant 
eblieben zu fein, was eigentlich denn doch die Hauptiadhe nicht zur Wir- 
ng fommen läßt), fo febe ich denn doch, daß fo viel und wahrſcheinlich 
dag Meifte mit ungewöhnlichem Gelingen gefrönt wurde, fonft wäre diejer 
Orfolg nicht möglih. Daß die Elfa*) jo gut ift, war die Rettung für 
das Ganze: fie it die tragiiche Hanptperfon, und wenn bad Intereſſe für 
fie nicht durchgehend rege wird, fo iſt jede Hoffnung de3 Gelingens ver- 
loren. (In Breslau hatte man ben Fehler gemacht, neben der vortrefflichen 
Nimb3 ald Ortrud eine Unfängerin zur Elia zu nehmen, und da nun 
noch der Lohengrin ſchlecht war, mußte natürlich Alles verloren geben. 
Partien wie die Ortrub, jo ſchwer fie erſchien, machen ſich oft von jelbft, 
während eine matte Dame als Elia leicht gleihgiltig laffen fann.) Lohen— 
grin müßte, um ſchließlich als die tragifhe Hauptperſon An ericheinen, 
ideatiſ erhaben und anziehend dargeſtellt werben, in der Weile, daß er, 
als er Elſa ſchließlich anklagt und nach feiner Entdedung im vollen Schmerze 
losbricht, fo erſchüttert und faft erichredt, daß plöglih Er ald der Ber- 
nichtete ericheint. Doc hiezu gehört unendlich viel, wenngleich die Wirkung 
eigentlich doch nicht fo fchmer wäre, wenn unfere unglüdlihen Zenoriften 
durch Martha u. dgl. nicht gar zu gräßlich heruntergekommen wären, fo 
daß jeßt gar nichts mehr mit ihnen anzufangen iſt. um, begnügen wir 
ung diesmal, und wahrlich, ich bin froh, bb ed jo ging. Seien Sie ver- 
fihert, daß Ihre Nachrichten und jede Ihrer Nachrichten und Mittheilungen 
mich ſehr erwärmt und erfreut hat. Der Wunſch, mir endlich Deutſchland 
wieder zu öffnen, ift mir bei biefer Gelegenheit Iebhafter erweckt worden 
als je. Wirklich dachte ich bereit? daran, ob es bereit3 möglich wäre, von 
ber Öfterreichiichen Regierung einen Paß zu erhalten, daB ich von bier aus 
zur Noth fo reifen Fünnte, daß ich fein andered deutſches Land außer 
Deiterreich berühre, doch benfe ich daran, biefer dummen Lage ein Ende 
in machen. Mit großer Freude würbe ih Sie gerade in Prag wieder: 
eben. Ihr ꝛc. Richard Wagner. 

Zu ©. 470: Dir. Apt + Oct. 1887 zu Prag: 

Zu ©. 497: Augufte Rudloff geb. zu Wien, betrat ſchon in der 
Jugend in Heinen Rollen die Bühne des Burgth., erbielt ihres Talents 
wegen auf Staatskoſten die Mittel zur weiteren Ausbildung, gehörte dann 
den Bühnen von Brünn und Prag an, wurde an Stelle von Marie 


*) Elſa war Frl. Luiſe Meyer (nachmals Fr. Duſtmann-Meyer). 








— 8373 — 


Seebad an’3 Burgth. berufen, deb. im Winter 1858 ald Jane Eyre und 
Hero an diefer Bühne und hatte großen Erfolg. Laube ſchwärmt in jeiner 
„Selchichte bes Burgth.“ von ihrem hohen, ſchlanken Wuchſe, großen blauen 
Augen, weichen ſchönem Organ, warmem, reihen Gefühl. 1859 ſchon 
vermälte ſich Aug Rudloff nit Lord Maxse, Goup. auf Helgoland. 
Zu ©. 508: Statt XXI. foll e8 bier heißen XX., und ebenjo ift in 
Bolge eined unlieblamen Verſehens bei ben folgenden Bapiteln bi3 XXXI. 
GE bie nächft niedere Ziffer zu benten. Das legte Capitel joll die Nummer 
. haben. 


Du ©. 509: Mit ber neuen conftitutionellen Aera ging auch (1861) 
bie felbftverftändliche Ummwandlung des „ftändifchen“ Theaters in das 
„Kandes“- Theater vor fih. (S. Einleitung Seite XVI.) Zur eier der 
Eröffnung des nenconftituirten böhm. Laudtags gab am 6. April 1861 das 
(an dieſem Tage noch „ſtändiſch“ genannte) Landestheater eine Feſtvorſtel⸗ 
lung in beiden Landesſprachen. Fiſcher hielt eine deutſche, Kolär eine 
dechiſche Seltvebe; hierauf gab man das techifche Luſtſpiel „Zenichove® von 
Machãcek und den 1. Act der Oper „Das Nacırlager von Granada“ (deutſch). 
Der Statthalter Graf For gäch, wurde bei feinem Erſcheinen mit ftürmt- 
Ichen Hoch nnd Släva-Rufen empfangen und nad) der Einleitung („Sommer 
nachtstraum“⸗Marſch) nochmals ın diefer Weile begrüßt. Den Prinz-Re- 
genten fang Hr. Hardtmuth. Beide Feſtreden betonten die nothmendige 
Eintracht im Lande und liefen in eine Apoftrophe an den Katier and. — 
Auf das junge parlamentarifche Leben deutete Roſen's Xuftipiel „Im 
Parlament“, in welchen die Darfteller mehre befannte Parlamentarier in 
guten Masken auf die Bühne brachten. — Eine Feftvorftellung bed J. 1860 
get dem 500jähr. Jubiläum bes Beftandes des Prager Scharfihüben- 

orps. Hallenftein ſprach ein Feftgediht von C. Bergmann mit lebenden 
Bildern, Dann gab man je einen Act von „Jean de Barid” und „Don Juan”; 
eine Vorftellung in dech. Sprache war derfelben „Subelfeier geweiht. 
51% Bu S: 514: Chriftian Gallmeyer + 25. Febr. 1867 zu Wien, 

abre alt. 

‚ Zu ©. 530: Der Komiker Franz Frank, zulegt Dir. des Rudolphs⸗ 
beimer Theaters bei Wien 7 im Herbft 18837. 

Zu ©. 533: Franz Brava 7 22. Jäner 1882 in Graz im Alter 
von 71 Jahren. Ein Cohn wirkte ald Dir. ded Mufilvereind und Chor» 
meifter ded Sängerbundee in Linz. 

Neben der Primaballerine Frl. Köpel wirkte Frl. Belte, die am 
6. Mai 1860 in dem von Balletm. Reifinger arrangirten Ballet „Die 
Liebe auf dem Lande” neben bem kom. Tänzer Knaak bebutirte. — Frl. 
Belfe wirkte nachmals am deutichen Landestheater als Balletmeifterin bis 
1885 in fehr verdienftlicher Weiſe. — Seit 1876 wirkt Frl. Gütlich ale 
funftgewandte, trefflihe Solotänzerin am deutichen Landestheater. 


Zu ©. 537: Frl. Friedlowsky war die erite Eliſabeth in der 
Wiener „Zannhäufer”- Premiere geweſen. 

Zu ©. 582: Das Landed-Budget des Theater? wies 1863 
aus: au ordentl. Auslagen, Emolumenten, Löhnungen, Subventionen, 
Steuern und Venſionen Fir dag deutſche Theater 24.319 fl., für das 
cehijche 29.643 fl., für den Neubau bes tech. Th. 39.400 fl., Subven⸗ 
tionen für den Theaterpädhter (Thome) für je ein Theater 10.500 fl., Zins 
bes deutichen Th. für das Kosengebäude 1575 fl. Für die mit 98.000 fl. 
prälim. Baukoften für dag cechtiiche Interimstheater wurden 1862 bereits 


— 876 — 


70.637 fl. 37 kr. bezahlt, der Reſt betrug 27.400 fl., Einführung des Gaſes 
7000 fl., fundus instructus für Bühne nnd Orcheſter 2000 Fl., Teppiche 
n. f. w. 3000 fl. anfammen 39.400 fl. 

Zu €. 583: Das Neuftädter Theater hatte den Werth der 
Arena im Pſtroß'ſchen Garten für das Landestheater erheblich her⸗ 
abgemindert; deshalb befaßte ſich der Landesausſchuß im Nov. 1861 mit 
ber Auflaflung dieſes Theaterd. Dagegen entichloß fih der Eigenthümer 
des Gartens, die Arena ald jelbftändiges Concurrenz-Inſtitut 
aus Privatmitteln zu reftituiren und zu erhalten. Das Project, eine neue 
Arena aus Landesmitteln an dad Neuftädter Theater anzubauen, 
fand feinen Anklang. Im Sommer 1862 jpielte die Arena nicht. Prag 
hatte hereits 1860 in jeder Vorſtadt ein Theater, in Karolinenthal fpielte 
bie cech. Geſellſchaft Hoto eng, in Smichow die größtentheild deutich, aber 
auch techiſch fpielende Geſellſchaft Sterufeld. an Smichow behauptete 
fi nachmals eine ce. Arena in guten Verhältnijfen. 

u ©. 620: Statt „Steuden” foll es richtig heißen „Steude“. 
u ©. 643: Eduard Bachmann T 18. April 1880 ala Theater- 
Director in Carlsbad. 

Zu ©. 668: Mathilde Berehon mar eine Tochter ded Sängers 
und Theater⸗Dir. Wild. Swoboda, der 1806 zu Prag geb. war. 

u ©. 686: Smetana 12. Mai 1884 in der Landed- Frrenantalt. 
u ©. 696: Das „neue cech. Theater” wurde im Jäner 1886 
abgetragen und um 5000 fl. verfauft. 

Zu ©. 697: Am 27. Dec. 1883 wurde vom Landesausſchuß die 
Uebernahme des neuen ce. Theaters in das Cigenthum bed Landes 
beihloffen; das Gonfortium hatte jedoch einen Never? auszuftellen, im 
welches e3 die bindende Verpflichtung übernahm, die noch zu vollendenden 
Herftellungen am Baue auf feine Koften zu übernehmen. Die Uebernahme 
felbft wurde mit 1. Jän. 1884 vollzogen. 

Zu ©. 724: Die Angabe, daß rl. Paula Bafte gegenwärtig Hof: 
Ihanfptelerin in Dresden ſei, beruht auf einer Verwechslung; Kinn Schweſter 
Charlotte iſt gegenwärtig am Dresdener Hofth. eng.; Paula Balte 
bat "2 von der Bühne zurüdgezogen. . 

u ©. 739: Den weientlihften Antheil an dem Erfolge des Sche⸗ 
befta-&omite’3 hatte der Rebacteur Jul. Steinberg ın Prag. 

Zu ©. 744: Am 12. Oct. 1876 fam „Der fliegende Holländer“ als 
geftonrfteltung zu Ehren der Anweſenheit und Inſtallation der Frau 

rzherzogin Marie Chriftine (nahmald Königin von Cpanien) 
als Aebtiffin des abel. Damenftifts auf dem Hradſchin zur Aufführung. 
Es ijt ein altes Brivilegium ber Aebtiflinen dieſes freimeltlich-adel. Stiftes, 
„wenn ed in der Willfür hr. k. Hoh. fei, wenn in der Stadt Prag eine 
gute Komoedia oder Opera vorgeftellt werde, ſolche in dem Hoftheater oder 
in einem folchen bei Hrfe einige Mal aufführen zu laffen, jedoch jollen fich 
bie Damen dann allein in einer Extraloge oder Platz befinden.” Die beiden 
Damenftifte (Hradihin und Neuftabt) haben denn auch ihre Logen im 
Ranbestheater. 

Zu ©. 748: Kronprinz Erzherzog Rudolph befudte am 
1. Oct. 1878 zum 1. Male das deutfche Landestheater, wo er die bisherige 
Intendanten⸗-Loge Nr. 1 rechts (im Neuft. Th. PBarterreloge Nr. 3 links) 
zur Verfügung atte. 

Bu . 811: Joſ. Bed deb. 1868 im Alter von 18 %. als jug. Kom. 
in Dedenburg, 1869 als Herzog in Querezia Borgia an der). Bühne, gehörte 





— 877 — 


dem Grazer Landesth. und feit 1873 dem Stadtth. zu grankiurt a. M. an, 
wo er fih im uni 1885 ald Werner Kirchhofer in Neßler's „Trompeter 
von Saftingen unter großen Ovatiouen empfahl. _. 

‚gu ©. 818: Im ö; 1786 erichien gedrudt bei Diesbach in Prag ein 
Huldigungsgediht an Signora Caterina Bondini nunter dem Titel: 
„Cantando con universale applauso e commune gradimento la celebre 
virtuosa di musica signora Caterina Bondini nel teatro nationale di 
Praga l'anno 1786. Sonetti dedicati alli meriti e preggi della rino- 
matıssima attrice.“ Sollte der hier gebrauchte Borname Caterina auf 
eine andere Sängerin als die erſte Berline, auf einen Irrthum bei ber 
Namensgabe von Seite des Dichters oder aber von Seite ber Nachwelt 

euten ? 

Zu ©. 848: Die Erdffuung des nenen deutfhen Theaterd 
wurde für ben 5. Jäner 1888 dad Nepertoire ber erften Tage folgender- 
mapen feſtgeſetzt: „Die Meifterfinger von Nürnberg” (Cröffnungs-Abend), 
„Minna dv. Barnhelm” und „Der mpfang. Feſtſp. v. A. Klaar (2. Abd.), 

Don Juan”, „Egmont“, „Fidelio”, „Die Jüdin von Toledo”, „Der Frei- 
Ihüß”, „Der Sommernadtstraum“. 


Zum II. Bande S. 339, 


Am_6. Jän. 1798 langte das Geſuch des Karl Ritt. v. Steinsberg 
um die Pachtung des Nat.⸗Theaters oder wenigftend um Verlängerung 
feines bish. Pachts von Oſtern 1798_bis Oftern 1799 an. St. fagte, ber 
ıhm gemachte Vorwurf, daß feiner Geſellſchaft noch verfchiedene Fächer 
mangeln, ſei gerecht, boch liege die Schuld daran, daß er während der 
Unterhandlungen wegen Verkaufs des zn an die Stände nicht gewußt 
babe, ob er überhaupt an fein weiteres Werbleiben denken bürfe. Wenn 
ihm geftattet würde, als Landeskind die Th.-Unternehmung zu führen, fo 
würde er eine vollkommene Geſellſchaft deutſcher Schaufp. und Sänger 
ftellen; er bittet, dan nıht völlig brotlos zu machen, da er jein Wert 
ftet3 als ehrlicher Mann geführt Babe, Er unterzeichnete: Carl Ritt. v. 
Steindberg, Dir. zu Prag und Regensburg. Das Geſuch wurde ab- 
ewiejen. — Öuarbafoni, deſſen Contract vom 16. Jän. 1798 auf zwei 
\ ne lautete, hucte im März 1798 um Verlängerung auf ein weiteres 
Na r an. Das Geſuch wurde genehmigt. 

‚ Am 30. Nov. 1804 verbot der Landespräſident dem Dir. Guarba= 
font dad „Aufführen” böhmifcher Komödien auf dem ftänd. Th. und zwar 
deshalb, weil die Logen durd den Gebraudy an Nachmittags-Vorftellungen 
beſchmutzt würden. 


— 878 — 


gfündiſches Chenter 5 der R. Altit. Drag. 
Dienitag den 7. Juni 1825. 
Der Barbier von Sevilla. 


Dper in 2 Alten. Muſik von Roffint. 


Berfonen: 


Graf Almaviva . . > 222. Herr Binder. 
Doktor Bartholo... . Rainz. 

Mofine, feine Mündel -. . . 2 2 22202. ** 
Baſilio, Mufitmeilter - . - - 2 2200. Herr Michaleſi. 
Bertha, Roſinens Kammermädden-. . . . . Dem. Schlager. 
Figaro, Barbier . . -- 2 2 2 220. Herr Wiedermann. 
zziorillo, Diener des Straf . . -.... Herr Schimel. 
Ambrofio, Bartholos Diener -. . . - - . . Herr Schmiller. 
Ein Notar >: 2 Coon Herr Herold. 


Eine Gerichtsperfon. 
Ein Offizier. 
Serichtsdiener. Muſikanten. 


Roſine, *,„* Dem. Henr. Sonntag, 
t. k. Hofopernfängerin von Wien. 
2... Per Säifaneber iſt Frank, 
Morgen: 
Auf Hohes Berlangen: 
Das Hotel von Wiburo. 
Luftipiel in 4 Alten, von H. Clauren. 


Hannchen, * „* Dem. Nanette Sonntag. 


Anfang 7 Uhr. (11 Abonnement) Ende 9 Uhr. 
—— — ————748. — 














— 879 — 


Gtündiſches Chenter 8 der k. Alt. Drag, 


Samjtag den 25. Oft. 1828. 
249. Borftellung im Abonnement 


Launen des Zufalls. 


Luſtſpiel in 3 Akten, nach Jüngers „Strich durch die Rechnung" 
frei bearbeitet von Carl Lebrün. 








Perſonen: 





Major von Hitzig, außer Dienſten. Polawsky. 
Henriette, feine Tochter. . . Dem. Kandelka. 
Fanny, feine Nicht. nn Mad. Binder. 
Rarl, fein Sohn - - »:.: 2 2 22er. Herr Moritz. 
Affeffor von Brand . - - .. . . re. Herr Swoboda. 
Sobann, Karl Dimerr - - 2: 2 Hm. Herr Hartmann. 
Konrad, Anfwärter im Gaſthof - - - 2... Herr Feiitmantef. 
Nettchen, Henriettend und Fannys Mädchen - - . - Dem. Allram. 
Borher: 


777. 


Poſſe in 1 Akt, von C. Lebrün; freie Nachbildung des franzöfischen 


Vaudeville. 

Perſonen: 
Vortheil, Notar: - - >: 22 2 nenne. Herr Schikaneder. 
Pfeffer, fein Schreiber - . - . - - ........ Herr Feiſtmantel. 
Rofine, feine Mad - -» > - >: 20 Dem. Alram. 
Karl, Rammerbiener in der Refiden - - Herr Dietrid. 
Gran Busig, Krämerin - >» >22. Dem. Schikaneder. 
Der Stadt Tambour - - » >»: 2:22 nennen Herr Echmiller. 


Nahermãdchen. Einwohner beiderley Geſchlechts. — 
WW nedeli odpoledne we 4 hodiny (poneyprw:) 
w profpech pana a panj Podhorjfr, 
Wladimir. 
Anfang 7 Uhr. Ende /,10 Uhr. 
1 2 7 —— 





— 880 — 


Neues Theater in der Rofengafle. 


Einem hohen Adel und verehrungswürbdigen Publikum dient zur Nachricht, daß 
Sonntag Den 10. Rovember 1843 ⸗ 


zum Vortheile der Unterzeichneten 
zum Erftenmale in böhmiſcher Sprache aufgeführt wird: 


Adler, Fiſch und Bär, - 


oder: 


Die verwunjhenen Prinzen. 
Komische Zanberpoffe mit Gefängen und Zänzen in 2 Alten, nad EN Ei Sieich von 
Branibor W Wewerka. Diufil vom Rapellmeifter W. 
Sämmtliche Tänze ſind vom Balletmeiſter Herrn B. Hainofdi. 
KArakowianka, polnischer Nativnaltanz, arran it von Herrn Caldi, 





audgeführt von Mad. Springer und Herrn Caldi. 
Perfonen: 
— Beherrſcherin des Zauderreiches Dem. Serhit 
— ihre Dienerinnen 7 777 Rankarek 
luſina, Zauberin . ee . Mad. Hunel. 

Bandolfo, ein Magier err Lapil. 
Bella, eine jun . Zauberin in feinen Dienſten Marie Müller. 
Prinz Liborin, der Bar . Herr Biel. 

rinz Dobroflam, der Adler Herr Rrumlomfiy. 

rinz Milan, der Fiſ ‚Herr Kolar. 


Zacharias Matarius Grenneſſel von Doorgrund, ein verarmter 


Edelmann 


Anaftafia, feine Gattin 


Fi ulein Runigunde, 


räulein Jaro lawe, h ihre Tühter . 


gr äulein Felicitas, 
Sturm, ein Invalide 


Schwenda, Dorfeichter 


Feder, Schreiber 
—* ein Bader 


Bere Orabinger. 
tad. Skalny. 
Dem. Forchheim. 
Yuna Selar. 
Tem. Tonner. 
Herr Nicolai. 
derr Kaſchla. 

err Hametner. 
Ser 8: ille. 


Affe, Wirth . . . . . . . . . . . err Yeitner. 
Drug, . . . . . . . . . Ber Reitmabbe. 
ozian un: >. . . . Herr Hammel. 
Smanziger, Breuneſſels Gläubiger St 2 Herr Ötudeny. 
Moyſes Places, . . . . . Herr Ruber. 
Snpofit ifium, ein armer Theaterbireftor . . . . . err Dolt. 
ebefomarbaparba, Anführer einer Bigeunerhorbe . . . Herr Broloy. 
Elawal, Herr Ofliflo. 
Ieum, . . . . . . . . . . err Saucek. 
Dsewadi, . . . . . . . . Sec Beterfilta. 
Sajar, Zigeuner err Wyhlidal. 
Kibabdor, . . . . . . . . . . err Detore. 
Lulek, en . . . . . err Köhler. 
Ohudbara, 0. Herr Rangel. 


Dergenmeifter und Seren. Seen und Genien. Seforg e ber verwunfchenen Prinzen. Bigeumer. 
Bauern und Bäuerinnen. Bären. Bögel und Böglein. Fiſche eins 


Die Handlung ereignet fid) im Himmel und auf Erden zur Zeit des guten 
iere3 und der, fliegenden Bratwürſte 
Serr Pott bat aus Gefälligleit die obbenannte Rolle übernommen. 
Zu welder Vorftellung ihre ergebenfte Einladung zu machen die Ehre hat 


Anna Solar, 
Mitglied des ftänd. Theaters.