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Seſchichte
Urprunge, —* und Verfalls
Wiſſenſchaften
Griehenland und Tom
Chriſtoph Meiners
ordentlichen Lehrer der Weltweisheit in Göttingen, -
Ihm. Abı
Zweyter Band,
Mos quoque apes debemus imitari, & quaecunqgue ex diverfa
le@ione comgeflimus, fcparare, Melius enim diftioda fer-
vanıur. Deinde adhihira ingenü noftri cura, & facultate,
in unum faporem varia illa libamenta confundere: w eriam,
fi apparuerit, unde fummum fit, aliud samen alle, quam
unde fumum ef „, appareat.
Lemgo,
im Verlage der Meyerſchen Buchganblung 178%.
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‚Sr. Wohlgeboren,
dem |
Herrn Geheimen Juſtizrath
Puͤtter,
widmet
dieſen zweyten heit,
als
ein Denkmal feiner Dankbarkeit
für
die vielen Proben von Freundſchafft und Gewogenheit,
welche er- und die Seinigen
von
Demfelden
empfangen haben,
der Verfaſſer.
Vorrede
ichichte der Wiſſenſchafften, welcher uns
ꝰſtreitig die glängendfte und lehrreichſte Pe⸗
tiode ſowohl des Griechischen Volks als der Grie⸗
rfchen Phrlofophie in fich faßt. Es wird mich
nicht'gereuen, ihn gefchrieben: zu haben, wenn er
meinen £efern nur die Hälfte des Vergnuͤgens und
Nujens gervährt , welchen er mir bey der Ausar⸗
beitung verſchafft hat. Er hat mich auf eine uner ·
fbüitterliche Art in dem Gedanfen beitdrigt, daß
nur die Tugend, oder das, was den Menfchen
vervollfommt, auch Dauerhaft gluͤcklich und das
after , oder das, was feine Natur verfchlimmert,
‚auch unausbleißlich ich made. Wenn.
Meiners Befh.ater Band. . a man
ST liefere jezo den zweyten Theil meiner Ges
u Vorrede. |
man aufmerkſam lieſt, fo wird man Bald finden,
daß die. Sefchichte der Griechiſchen, wie die aller
übrigen Voͤlker, lauter Urkunden oder Belege zu
dieſem Grundſaze der Sokratiſchen Philoſophie
enthalte, an veflen Wahrheit man nur alddann
zwenfeln konnte, wenn man das irdifche Leben,
oder den kurzen Abfchnitt des Dafennd. einzelner
Perſonen, den wir zu uͤberſchauen im Stande find,
in der Ferne betrachtete. Solche Zweyfel wuͤrden
aber nie entftanden feyn, wenn wir, wie Plato
fügt, einen jeden Gerechten und Lingerechten bis
an das Ende feiner Laufbahn verfolgen koͤnnten.
Wir würden alddann bemerken, daß der Linges
rechte , deſſen Gluͤck ein untrügticher Beweis eines
alles regierenden Ohngefaͤhrs zu feyn fchien, zulezt
alle die Schmach und Quaalen dulden mäffe, von
melchen er thoͤricht waͤhnte, daß fie die Begfelle⸗
rinnen der Tugend feyen; und daß hingegen ver
. leidende Gerechte, deffen Drangfale dem Anfcheine
nach Anflagerinnen und Zeuginnen mider eine
göttliche Borfehung waren, am Ende werde ge-
erönt und belohnt werden *). Eben diefe große
Wahrheit aber, welche durch die Gefchichte einzel:
ner Menfchen auf diefer Erde nur unvollkommen
hewieſen, oder oft gan erfchüttert wird, wird
durch die Sefchichte aller Wölfer und Staaten, die
man von ihrer Geburt an bis zu ihrer Auflöfung
beobachten kann, unwiderſorechlich bargetban.
EI
X. de Rep, 336.'p.
Vorrede. mn
Ale Jahrbuͤcher ber Menfchheit Ichren, daß Bil:
ligken und Gerechtigkeit Die Säulen der oͤffentlichen,
wie Maͤßigkeit und Rechtichaffenheit, der Wohl
fart einzelner Perfonen feyen, und Daß Bedruͤckung
im Innern, und Gewaitthaͤtigkeit gegen Fremde
eben fo unvermeidlich Entkräftung und Unter
gang von Staaten, ald Iinmäßigkeit oder Verbre
hen Krankheiten und Tod einzelner Menfchen.
nach ſich ziehen. Dieſe Geſeze der Geifterwelt,
nach weichen die Schickſale von Menſchen und
Voͤlkern beſtimmt werden, find eben fo unmwandels
ber, und haben eben fo wenig Ausnahmen, als
die Geſeze der Bervegung, nach welchen die himm⸗
lichen Cdrper in ihren reifen gehalten und herum
gerührt werden. Die Gottheit, fagt Plato in -
ſeinen Gefegen *), Hat den Anfang, das Drittel
und Ende aller Dinge in iheer Hand, und geht
ohne Wanken den geraden Weg Der Natur fort, .
Ihr folge die Gerechtigkeit; die Richterinn aller
derjenigen, weiche die göttlichen Geſeze beleidigen.
er alfo glücklich ſeyn will, der tritt beſcheiden
und demüthig in ihre Zußflapfen. Diejenigen hin⸗
gegen, Die entiveder von der Größe ihrer Aeich.
thämer, oder dem Adel ihrer Geburt, oder der
Kraft und Schönheit ihrer Jugend aufgeblafen,
fi) weigern, Der Gottheit zu folgen, ale wenn -
fie nicht allein Leinen Führer brauchten, ſon⸗
deen die Führer von andern werden könnten, 8*
as 0
ECEEX,
V.s4. |
IV Borrede
Toren koͤnnen zwar eine Zeitlang fich und andern
ihres Gleichen etwas zu ſeyn duͤnken, und gleich‘
unbaͤndigen Pferden wild umberfpringen, und um
fich fchlagen; allein fie werden doch gewiß zulezt
der Gerechrigfeit durch ihren, oder ihrer Haͤuſer
und Vaterſtaͤdte Untergang Die Schuld ihrer Der.
gehungen bezahlen muͤſſen.
| Ich Habe in diefem, wie in dem erften Bande,
die Geſchichte der Griechifchen Völker, vorzüglich
des Athemenfitchen, mit der Geſchichte der Philo⸗
ſophie verbunden, nicht nur, weil beyde in einem
gewiffen Grade unzertrennlich find, ſondern weil
ich auch nirgends -die urfprüngliche Werfaffung , die
almaͤlichen Veränderungen, und die Ausartung
des Athenienfiichen und der übrigen Staaten, Die
wahren lirfachen und Verbindung der wichtigften
Degebenheisen, die Charaktere der vornehmiten
Heiden und Staatsmaͤmner, die Pevolutiönen in
Seen, Denfarten, Handel und Wohlhabenheit,
und endlich Die aus endlofen Innern Zerrüttungen -
und auswärtigen Sriegen erfolgende Verarmung
und Entkräftung von Griechenland richtig und voll»
ſtaͤndig gefchildert gefunden Habe. Meine Gemälde
arbeitete ich nicht bloß nach Anleitung der Griechi-
-fchen Geichichtichreiber , fondern vorzüglich nach
den Schilderungen der Weltweifen und Redner
aus, aus welchen legtern ich die wichtigſten Züge
genommen habe. Ich bin zufrieden, wenn Com»
pofition und Eolorit nur einigermaßen der Zeich-
nung ent[prechen, für deren Richtigkeit ich eben fo
\ zuver⸗
—V
orrede. V
—1 6
zuderſichtlich, als irgend ein Mahler fhr Die Nich⸗
tigkeit feiner Gemaͤhlde einſtehen kann *).
Auch in der Geſchichte der Philoſophie bin
ich beſtaͤndig der Methode gefolgt, die ich im erſten
Theil beobachtet hatte. Ich habe naͤmlich alle
Werke und Ueberbleibſel der Männer, von denen .
ich reden wollte, von neuem nicht nur ein, fondern -
mehrmalen Durchgelefen und ⸗ durchgedacht, unges
achtet ich fie fonft vorher ſchon oft gelefen und durch
a. —
*) 36 Gabe mid), bemoͤht, allenthaiben der Zeitrechnung⸗
fo viel als möglich, treu zu bleiben. Wenn man fi
dieſer Genauigkeit, ohne welche Eelne wahre Geſchichte,
weder von Bitten, noch von Staatsveraͤnderungen,
noch von Begebenheiten, Statt finder, überbebr, fü
xeſhieht es entweder aus Unfaͤhigkeit, oder aus Un⸗
wiffenpelt, oder aus Traͤgheit, oder aus allen dreyen
Urſachen yafanımengenommen. Um aber diefen Ver⸗
dacht von ſich abzulehnen, tuendet man vor, daß eine
feige Genauigkeit nicht moͤglich ſey, weil daraus, daß
ein Schriftſteller irgend einer Sitte u. f. w. zuerft er⸗
wahne, nicht folge, daß fie erſt in oder kurz vor benr
Zeitalter diefes Gchrififtellers entſtanden fey. — Oo
bat aber Fein vernänftiger Menſch je gefchlöffen, und '
man verwandelt Das, was man thun follte, in eine
Ungereimtheit, nur um es nicht chun zu dürfen. Soll
oder kann man auch dann nicht der Zeitrechnung folgen,
wenn oft Diefelbigen Schriftſteller in verſchiedenen
Werten gegenwärtige Sitten und Verfaffungen auf
entgegengefezte Arten befhreiben, oder wenn fie fagen,
daß es zu der Väter und Vorfahren Zeiten anders,
abs zu den ihrigen war, oder daß diefe oder jene Perion,
„der Handlung und Begebenheit, ſolche Wirkungen ber».
vorgebracht Babe? — Wenn man aber in allen Fällen.
die Zeiten richtig unterſcheiden will, fo muB man frey⸗
lich nicht nur das Zeitalter von Schriftſtellern, fondern
auch die Zeitalter ihrer ſich oft widerfprechenden Werke
wm beſtimmen willen. ‚
se ei nn. VE — u — — —
Mm. Bottede-..
gedocht Hatte. Auch Babe ich. nie einen Abſchnitt
auszuarbeiten angefangen, bevor ich nicht das
Ganze geordnet und uͤberſchaut hatte. Dieſe An-
- -geduung und Verbindung einer großen Menge von
Factis, die ich nicht, wie politifche Geſchichtſchrei⸗
ber , in ganzen Klumpen beyſammen fand, ſondern
einzeln mühfam auffuchen, zufammentragen und
an einander reißen mufte, iſt der ſchwerſte Theil
meiner Arbeit, und verlangt viele vergebliche oder
unbequeme Combinationen der vorhandenen Ma⸗
terialien, ehe man diejenige trifft, bey welcher Beine
Verwirrung übrig bleibt, und Peine Wiederhoh⸗
lungen nothivendig werden. Nenn man aber
ouch diefe einmal gefunden hat, ſo kann man fei>
nem Vortrage leicht diejenige Klarheit und Leich⸗
tigkeit geben, welche den Lefer glauben machen,
daß der Schriftfteller alle die Data und Gedanken,
Die er erzählt, irgendivo eben fo beyfammen gefun⸗
- ven habe, wie fie in feinem Werke auf einander
folgen. Ben diefer Art zu arbeiten habe ich nicht
allein nıcht bemerft, daß wiederhohltes Lefen und
Nachdenken nachtheilig ſey; fondern ich habe viels
mehr nicht felten wahrgenommen, daß erft das
feste Durchlefen und Durchdenken mir den wahren
Sinn und den rechten Zufammenhang von Auds
fprüchen und Meynungen dargeftellt hat. Meinen
Erfahrungen nach muß ich alfo junge Leute vor
dem tumultuarifchen Leſen, noch mehr aber vor
dem tumultuariſchen Arbeiten warnen, wo man zu
fchreiben anfängt, bedor man fich der ganzen Ma-
Serie bemaͤchtigt hat, und auch immer nur fo weit
| um
Vorrede. vu
um und vor fich ſieht, als man jedesmal in ber "
Ausarbeitung fortruͤckkt. Wenn man auf biefe
Art verfährt, fo wird nicht nur eine jede Arbeit '
unendlich ſchwerer, als wenn man den ganzen Weg,
den man zu machen hat, vorher uͤberſchaut, ſon⸗
dern auch Das, was man zu Stande bringt, bleibt
immer einem Kunſtwerke ähnlich, das. ohne einen
gemeinfchafftlichen Plan von mehrern Meiftern ver⸗
fertigt wide, und in welchem fich alfo auch uns
möglich Ebenmaaß und feine Zufammenfügung aller
Theile finden koͤnnte. Man wird daher an allen,
die Stückweife oder in Abfäzen arbeiten, hemer⸗
Een, daß fie, noch ehe fie an die Hälfte fommen, -
dasjenige, was fie zuerft gefchrieben haben, ändern
möchten, und Daß ihnen vor ihrer ganzen "Arbeit
ekelt, wenn fie fid) dem Ende zu nahen anfangen.
Ungeachtet ich es in der Vorrede zum erften
Theile ausdrücklich gefagt hatte, und die ganze
Einrichtung meines Werts ed auch anfündigte,
daß ich nicht alle Audleger einzelner Zeugniffe, und
alle Meynungen und Träume über gewiſſe Meys
nungen anflıhren fönnte und würde; fo haben
doch mehrere einzelnen Abfchnitten Unvollſtaͤndig⸗
feit vorgeworfen, teil fie die Bermuthungen und
Auslegungen nicht darinn fanden, die ‚ihnen die
wahren und richtigften fchienen. Diele ungerechs
ten Urtheile zwingen mich etwas zu jagen was
ich ſonſt nicht geſagt Hätte *): daß nicht nur elle Ä
: a4 . A
*) ‚Dieendum igitur eft dd, .quod non dicerem, ni cag--
. Mus: mibil enim.sırgusm de- me dixi fublatus
afcifcendae laudis caufa potius, quam eriminis zepel-”
'landd, Cie, pro domo ad pontik, c, 36,
4
|
|
va . Berrede.
Artikel in beyden Theilen meines Werks vollſtaͤn—
dig ſind, ſondern daß ein jedes, auch das kleinſte
Capitel, neue Zeugniffe enchält, die man in mei
nen Vorgängern vergebens fuchen wird, und daß
es endlich viel mehr Kopf und Fleiß erferdere, den
ganzen Geiſt eines Mannes oder Werks bisweilen
auf einigen Blättern Darzuftellen, als eine Menge
von verftümmelten Factis und ungereimten Ausle⸗
gingen zwecklos zuſammen zu häufen. Man wuͤrde
mir mit Grunde nicht einmal alsdann Mangel von
Vollſtaͤndigkeit vorwerfen koͤnnen, wenn ich auch
in einer allgemeinen Geſchichte der Wiſſenſchafften
nicht alle Gedanken aller Weltweiſen, ſondern nur
Diejenigen aufzeichnete, Die Das Eiqenthuͤmliche ih⸗
ed Geiſtes und ihres Zeitalters offenbaren: denn
u wer hat jemals von dem Geſchichtſchreiber eines gan:
jen Volks verlangt, daß er alle Begebenheiten erzaͤh⸗
Ien follte, die inden Chtoniken aller einzelnen Städte,
oder den Lebensbefchreibungen und Tagebüchern
aller merkwuͤrdigen Maͤnner diefes Volks vorfoms»
gien; alleın mian hat es mir nicht bewiefen, und
wird mir es gewiß auch nie beweiſen koͤnnen, daß
ih Mennungen, die nicht durchaus unbedeutend
find, verichwiegen Hätte. Was für ein Ungeheuer
von Merk aber wide das meinige werden, wenn
ich ben einem jeden Zeugniffe alle Auslegungen,
unb bey einer jeden Mepnung alle die Bermuthun.
gen beybringen wollte, die man jemals Darüber ge⸗
wagt hat? „Würden nicht vernünftige Leſer mich
einer Pindifcher Mikrologie befebuldigen, wenn ich
zum Beyſpiel in der Seſchichte des Ru und
| SE un t ato
2
—X
“=
*
Borrede Ä IX
Plato alled das hätte wiederhohlen wollen, was
ich an andern Orten von dem Dämon des erftern,
und der Weltſeele des andern gefagt habe? Man _
vergeffe alſo indfünftige nicht, Daß meine Geſchichte
etwas anders, aldeine Sammlung von Diſputatio-
nen und Programmen fey. u
‚Hoffentlich wird man ben diefem zweyten.
Theile nicht mehr die Klagen erheben fünnen, die -
einige bey dem erften Bande erhöben.haben: daß
nämlich alle unfere Kenntniß der alten Philoſophie
Har zu ungewiß und zu fehr Stückwerk fen. Man
wollte durch dieſe bedeutungsoollen Klagen: die
£efer anf den Gedanken hinführen: daß alles, was
ich) in meinem erften Theile vorgetragen härte, eitel
Träume, und meine Betrachtungen bloße Traums
deutereyen wären. : Allein unter allen denen, Die
fo feufiten, Bat noch feiner mich einer unkritiſchen
Leichtgläubigkeit überführt, und wenn man es auch
könnte, fo bın ich mir doch beruft, Daß ich wenig
ſtens eben fo felten, ald irgend einer von denen,
dıe mich derſelben geargwohnt haben, im Diefe
Sünde gefallen bin. —
Ueber den erſten Theil habe ich nur wenige
öffentliche Urtheile, und kein einziges von einem
Kenner geleſen. Einige fuͤhrten mein Buch in
ſolchen Ausdrücken auf, die einer Warnung aͤhn⸗
lich ſahen, daß ja niemand daffelbe für zu wichtig
halten möchte: An dieſen will:ich mich aber nicht
anders rächen, als Daß ich ſtets etwas beſſeres und
a5 ur voll»
x —Vorrede—
voltommene lieſere, als ich bisher geliefert
babe * |
Ä Dem Berlinifchen Kecenfenten kann ich zwar
keine unlautere Abſichten, oder tadels wuͤrdige Par:
theylichkeit, aber wohl Mangel an Fleiß und Kennt:
niffen vorwerfen. Er nahm ſich nicht die Mühe,
oder war auch nicht im Stande, Das Linterfcheis
dende meines Werks richtig anzugeben, oder nur
einen vollftändigen Auszug daraus zu liefern; for«
dern er Dachte nur daran, wie er feine Bedenklich⸗
keiten und Einwürfe , die den Necenfenten immer
auf einige Augenblicke über den. Schriftiteller: erhe⸗
ben, ſchicklich anbringen möchte. Wenn er fo
aufmerkſam gelefen hätte, als ein jeder Schrift-
fteller von einem Kunftrichter, der ihn beurtheilen
will, verlangen kann; fo wuͤrde er gefunden haben,
daß faſt alles, was er in meinem Buche vermißt,
beſſer, als er ed verlangte, darinn abgehandelt war.
Damit der Rec. dieſe Erklaͤrung nicht fuͤr die lere
Ausflucht eines in die Enge getriebenen Autors
halte, will ich in der Folge die Stellen bemerken,
deren Ueberſehung ihn zu fo vielen unnoͤthigen Ein-
‚ wendungen veranlagt hat. Ich konnte nicht um⸗
bin, zu lächeln, als ich am Ende der Necenfion
lad, daß der V. ed mir zur Ehre anvechnete, daß
ex unter den vielen Hervorſtechenden, die inder
| alzemeinen Bolochet beurtheilt worden ſind, auch
mich
—
9 Anton. XI. 9. a3. Koraeornes us sis; eyo de
eboues, Ivos KATI noraadeoynsews ogrov 7000-
For m AEYEy EUBICKCHUE.
a
Vorrede. | ‚Al
mich nicht vergeflen hätte, Mit Hecht Hatte .er
aber zu mir das Zutrauen, daß ich von einem Mite
gliede des gelehrten Freyſtaats freymüthige und
ohne Birterfeit geſagte Einwuͤrfe nicht übel-aufneh-
men würde. Vielleicht ift eö aber auch nicht übers
fluͤſſig, wenn ıch Rec. daran erinnere, daß man
in einem jeden alten Freyſtaat, der nicht in eine
mbändige Ochlokratie ausgeartet war, gewiſſe
Jahte und Kenntniſſe erlangt haben mufle, um .
in öffentlichen Volksverſammlungen ferne Stimme
geben zu dürfen. J
Mit dieſem zweyten Bande werde ich mein
Werk eine Zeitlang abbrechen: denn erſtlich fürchte
ih, daß, wenn ich gleich fortarbaiten wollte, ale:
dann der Eifer erfalten möchte, womit ich mein
Wer angefangen habe, und auch gerne zu Ende
bringen möchte, Zweytens wuͤrde ich es faſt nicht
vermeiden koͤnnen, daß ich mich im Vortrage ſo
aͤhnlicher Materien allmaͤlich zu ſehr an gewiſſe
Woͤrter, Redensarten und Wendungen gewoͤhnte,
nd eben dadurch meine Schreibart langweilig
geihförmig machte. Ich Habe fihon in diefem
zweyten Bande bisweilen bemerkt, daß der eich»
thum unferer Sprache, wenigſtens in fo ferne ich
ihn keme, nicht unerfchöpflich fep, und wenn ich
| mich daher einigemal auf ähnlichen Formeln und
Bildern betraf , fo tröftere ich mich damit, daß
ten diefes den größten Künftlern der Sprache,
‚om Demoflhenes und Cicero, häufig begegnet. ſey.
Das gewiſſeſte Mittel einer unangenehmen Gleich
ſemigkeit der Schreibart auszumeichen, ift wi |
. fie
⸗
x Vorrede.
ähnliche Materien nicht zu lange hinter einander zu
bearbeiten, oder fich ın Werfen von eınem großen
Umfange bisweilen Kuhepunctezumwählen. Sprache
und Schreibart leiden in jedem Menfchen, wie
Syſteme und Charakter, unaufbörliche, aber nur
nach einer gewiſſen Zeit bemerfbare Veraͤnderun⸗
gen, und wenn man Daher eine reiche Materie, -
die man einige Jahre hat ruhen laſſen, von neuem
wieder aufnimmt, fo fann man hoffen, daß man
fie nicht nur mit frifehen Kräften, fonderd auch
auf eine neue Art behandeln werde. .
Ungeachtet ich das Manuſcript des erſten
Theils, nachdem es abgefchrieben war , ſelbſt drey⸗
mal durchgefehen habe, und ed noch von zween
Freunden habe durchſehen laſſen, fo find doch meh⸗
rere Schreib: und Druckfehler ftehen geblieben, die
ich , nebſt einigen Zufäzen und Verbefferungen,
diefer Borrede anhängen will. Ich ſchmeichle mix
zwar nicht, Daß ich Durch eine noch größere Sorg
falt die Handfchrift des zweyten Bandes ganz feh»
lerfrey gemacht habe; ich hoffe aber doch immer,
daß er deren viel weniger, als der erfte, enthalten
wird, weil ich durch anhaltende Uebung nicht wer
nig in-der Kertigfeit zugenommen habe, folche
kleine Mängel in meinen eigenen Arbeiten wahrzu⸗
‚nehmen. Wendw aber dennoch einige fichen geblier
ben ſeyn follten, fo kann ich mir wenigſtens das
Zeugniß geben, daß ich alles gethan habe, was in
- meinen Kräften war, um dem £efer auch den Plein:
ften Berdruß und jede Mühe zu erſparen, Nachiaͤſ⸗
ſigkeiten des Schrififtellerd verbeffern zu müffen,
- Sn ı
a
s
Boerede. 'XI2
In ir Borrebe Seite 3. Zeile 3. fuͤr Bifſen aften fe
Wiſſenſchafften, und fo in BA Woͤrtern, bi
a ofen herlommen, ein doppeltes f ſtatt eines ein⸗
©.6. 3. 7. fuͤr hineingejogen f. hinangezegen.
—7. : 19. deleatur, dennoch.
— 11. 3. für bie fie ſ. welche fie.
— 15⸗ 15. für folg:en f. nachſolgten.
1. 25. fin verlohren-f. verloren, fo auch Mab⸗hende
für gebohren — geboren. «
— 17. 3. für die f. welche,
ib, » 14. für Körper f Eirper, und fo Ami allenthal⸗
ben für Krone — CErbne, well beyde Wirter aus dem
Lateinifchen herkommen.
18. « 7. für zweifeln |. zwenfeln.
—19. : 1. für wurden f. wurde.
ib, » 20. für die ſ. welche die.‘
ib, » 27. für desjmigen f. defjenigen, und © * allent⸗
halben fuͤr deswegen — deßwegen.
— a 11. für eröfneten f. eröffnen, ı weil es von offen
omm
— 81. s 25. für die f: welche Die.
— 24. » 12. für ariechſchen ſ. Griechiſchen, eben fo in allen
Fenticten 3 Fällen.
- 31. » 16. für antraf f. antraff.
— 33. » 33. für ableitet ſ. abgeleitet.
ib, ⸗ 98. für beiden f. beyden.
— 33. 19. für nemlich T. nämlich, und ſe auch in der
ib. 28. für bie wir f. weiche wir,
— 54. : 6. für Meinung f. Meynung
— 41. « 6, del. fo.
— 42. 10, für vortreflich |. vortrefflich; fo durchgehends.
In Werke reift S, 14. die Worte: und daß fie ben lezten
anfer ihren Goͤttern und gotiesdienſtlichen Sebräuden,
\ außer den eriten Anfängen des Aderbaus u. f. vo. merke
fih der Berliniſche Recenfent, und fraae mich In’s kuͤnf⸗
tige nicht mehr, was Ich zu den Ihm gewiß nicht zur
Hälfte bekannten Thatfachen fagen würde, daß die Grie⸗
den den Bakchusdienſt, und andere veligiofe Degeiff
und Einrichtungen v von Gremben erhalten hätten
0
. &. 6.3. 11. für hoften ſ. hofften.
XV Borrebe
«
ib, .» 5. in der Mote für die Worte: nach dem Straße
f. nach dem Plato (S. 57. in Cratylo) und Otrabo traff
" man in der Eprache der Phrugier und Karier u. f. w.
und 3. 8. für er glaubte f. lezterer glaubte; für Heros
dots f. Herodot. |
— 8. » 6. für ſamlete f. ſammlete. |
ib, #8. fuͤr ſchuf ſ. ſcufſff.
2 26. hiuter geblieben ſ. waren. stern. | .
— 10,: 24. zu den Worten: zu fhmälern geſucht hatte
fee man Pi Note: So erzählt Plate de Leg. p. 531.
.Bal. Of, "
x = ır. in. der Note‘ ?. 8. für Nahmen f. Namen; ſo auch
in der Folk
ge. Ä |
ib. 3. 11. biner den Zahlen VII. 24. f. & Plat. de Leg:
p.$
31. Ä
—— 12. > 34. in ber Note: für ausjugen f. ausjagten.
ib. « 16. für giengen f. gingen.
— 19. » 16. für anfieng |. anfing.
um 18,
s 8. fir bewafnet ſ. bewaffnet.
19. 1. für aus ihren ſ. aus feinem.
— 19. « 17. für Zeritöprer ſ. Zerſtoͤrer.
— 30, s 13. hinter geftorben del. feye.
— 21. s 5, für Kolonien f. Colonien.
— 81, s 15, für Origena f. Aegina.
— 33. » 10. für dann f. da., u
— 34. in der Mote: für Pamphilien ſ. Pamphyllen. |
ib. in der erſten Note: für Neon Teihos f. Neon Teichos.
— 32. 9. für ſchiften f. ſchifften. |
— 33. Not. 3. vor.], 14. 19. fege Herodot. ,
— 38. s 17. für noch ſ. oder. " \
ib, > 25. fiir Architektur f. Architecture.
— 41. » 3. u. f. Außer den bisher von mir angegebenen
Vrfachen der Ausbildung der aflasifhen Griechen ver⸗
mißt der R. in der allgemeinen Bibliothek noch die Aus
einanderfezung der materiellen, wie er ſich ausdruͤckt,
oder der Kenntniffe des gemeinen Menſchenverſtandes,
von melden man zu höhern Speculationen überging.
. : Menn der Rec. anders wuſte, mas er eigentlich lagen
toolite ; fo hat er abermals die Betrachtung nicht gele⸗
fen, die ich über die Sprüche der ſſeben Weiſen ange
v
Borrede. NV
ſtellt Habe. Divfe Sprüche waren die Kenntuniſſe des
gemeinen Menſchenverſtandes, oder die erſten Fruͤchte
des Nachdenkens, von welchen wen‘ un wiſſenſchaff li⸗
chen —ã— fortging |
S. 41. in der Note 3. 2. für Bularehii f. Bularchi,
— 46. in der Vote 3. 5. für Soswides f. Sofades,
— 48. « I. hinter gelangt f. war. .
— so. Not. 2. fhr eexsas'f. Hipparch, "Plae, und eben fo
— in der —*8* der — Geite. ſ
— 53. zur zweyten Note ſeze man dieſes Hay: Piara
glaubie, bad das yrodı aeiurov älter, als die aͤbri⸗
gen in Delphi eingegrabenen- Sprüche ſeyen in Chasım,
p- 247.
— 53.5 26. für Heraklid f. Heraklit. nr
— 55.⸗ 7. hinter at gehabt.
ib, Not. 2. vor XIV. ſ. Strab.
— 57. 11. für foßt ſ. faſt.
— 58.⸗ 24. für Die f. welche.
— 61. s 1. für auf ſ. in.
— 63. » 13. die Bitten der Roͤmer waren namtich noch ſaſt
ganz unverdorben u. ſ. w. Dies gilt, wie ich in meiner
Geſchichte des Verfalls der Sitten unter den Roͤmern
zeige, von den Roͤmern uͤberhaupt nur im zwedten Pu⸗
niſchen Kriege; von den Häuptern bes Wolfe aber bis
auf die Zerftörung von Carthago.
— 63. s z. für die f. welche die.
— 64. + 3. für frug ſ. —
ib, ⸗16. für Kato ſ. Cato.
ib. ⸗19. für feinen f. feine.
— 66. » 1. deleat. nun.
— 70. » 17. zu Sokrates feze die Tote In Phaed, * p. 23.
— 1711. 16. ju Ariftoppanes fege die Note: Velp. v. 1392.
Avbs 472. v.
— 76. : 2. hinter en baren. i
— 78. » 1. für Dachus f. at
— 19. » 4. für Salurniniſche, N kenninifge Sefänge —
f. Saturninifchen, Feſcentiiniſchen Geſaͤnge.
ib, s 7. deleat. ferner.
— 80. » 20. zu den Worten: ganz befriedigen fege die Note
Arikopb. Thesmoph. v. 168. & ſq. wo er von der
Ueppigkeit und Pracht diefer Dichter seder. F
[2
‚xVI Vorrede.
©. ss. in ber erſten Note für Tunsass ( Tavus, für re⸗
DOns f Teufens, fürguanf. Xevam..
_ fie euomt how 0
‚Ib, +» 30. für verjugen f. veriagten. |
— 87 9. ſur der Bafedämonier £ den Bafedämoniern.
ib. ⸗ 28. für verbreitete f. verbreiseren,
ib, » 16. für gemacht babe f. machten,
ih, zur erſten Note ſeze mas noch folzendes Eiteram hinzu
Pht. de Rep. Lib, V. Vol I. p. 330. Edit. Maffey.
. = 90. in ber: lejten Zeile für ſeyn f. Mid.
ı = 91.. 28. für harten f. hätten, ib. zur erſten Nöte ſeze
4
wu
t
dieſes zu: doch ſcheint auch eben. dieſes Plato zu fagen
in Hippia maj. p. 345
— 06, s 1. für — der Könige.
— 98. » 3. für Schazfammer ſ. Schazcammer.
— 100. » 2. für Kommen:ar f. Tommenrar.
== 105, » 7. für die f. der.
s 11. für angrengenden £ anıränzenbden:
— 107. » 16. zu den Worten: eben fo fehr Barbaren ſeze
man die Note Plat. de Leg. III. p. 56.
— 112, unten für aeurneu f. BLTnRe, und in der drit⸗
‘sen Note für Lib. V. f. Lib. V
BE 114. unten in ber Note für 8* ex, devua ſ. emıra-
EUMOL."
— 121. > 1. delest. aun.
ib, = s 21, delcat. hätten.
. 16.% » 23. für haben f. hätren. |
— 1339: 21. für Heraklid f. Heraklit; fo auch auf der fol⸗
genden Seite. |
‚124. 23. ‚hinter geroorden f. wäre.
— "126. +19. für die die ſ. welche die.
— 128. s 8. deleat. aber,
— 130. s 39. für poetiſche f. poetifchen.
— 133. » 5. für Eleohufus f. Kleobulus.
ib, > 20, für wurden f. würden. |
— 133. 21. für feyern f. feiern, fo auch auf der folgens
den ®eite für ſeyerlich — feierlich. |
— 186... 11. zu den Worten: womit fe bealeitet waren,
eiferte, fere man die Note: Plat. de Leg. 1. sı5. Doch
erlaubte Piato die Trunkenheit in der Folge unter ge«
viſſen Enſchraͤnkungen wieder VI. Lib 564. p. © 6
" .13
=
Bortede .. XVU.
S. 136.3. 24. Hinter Maͤßigkeit in der Folge.
— 158. » 11. für Corintherinn f. Korintherinn. _ |
— 139. s I. Unter den Griechiſchen Wellen war Thales von
Milet u. f.w. — Wenn der Berlinifche Rec. dieſe
erſte Periode aufmerkſam geleſen haͤtte, ſo wuͤrde er
nicht gefragt haben, warum Thales der erſte Phyſiker
genannt worden ſey? Noch viel weniger wuͤrde er. une
terfepeidende Merimale des Thales und der alten Dich⸗
ter zu wiflen verlangt haben. Ä
— 140. in der Note, deleat. der lezte Abſaz. In Anfes
bung des erſtern u.f.w. | “
— 143.3.8. Dan muß fi) aber x. Ungeachtet ich in dies
fer kurzen Schilderung der Lehrart der aͤlteſten und ſpaͤ⸗
. tern Weltweifen deutlich genug gezeigt Habe, daß ih
eine Schule Griechiſcher Weltweiſen von einer Eruftus
ßiiſchen und Wolfiihen zu unterfcheiden wife; fo bat
mir doch jemand Schuld geben wollen, daß ich die eine
mit der andern verwechfelt babe, diefer Jemand glaubt
nicht nur etwas neues, ſondern auch etwas wahtes zu
fügen, wenn er die alten Schulen Griechiſcher Weit⸗
weifen mit den Prophetenfchulen unter den Iſraeli⸗
ten vergleicht, und die mändtiche Erklaͤrung kurzer Säge
und bie Leberlieferung diefer authentiſchen Erklärung
für ihren Hauptzweck ausgibt. Auch mepnt er, daß
e6 drey Perioden gegeben habe: die eine, da man alles
im Kopfe fallen und barüber nachdenken mufte: die. °
zweyte, da man nachher einiges Weniges aufzeichnete:
und die dritte, da man endlich alles, nach dem, was .
man aufgezeichnet vor fi) hatte, dachte: — und daß
biefe Perioden auf. die Richtung des menfchlichen Were
ſtandes einen großen Einfluß gehabt haben mäflen. Ich
wii diefen Kunftrichter mit den Fragen verfhonens -
welche bie Zeitalter und Weltweiſen waren, die gar
nichts , und weiche biejenigen, bie wenig aufichrieben ?
ferner: warum man, wenn man unzweydeutige Erkide
zungen von kurzen und dunkeln gefchriebenen Saͤzen
geben konnte, die erftern nicht‘ eben fo gut, als die lege
. tern aufzeichnete, anftart fie einer verfaͤlſchenden Ueber⸗
lleferung anzuvertrauen? aflein darnach muß ic ct
fragen, welcher alte Schriftſteller jemals die Nachfol
ger ber Älteften Weltweiſen, als eine Reihe von Aus,
Meiners Befch. zter Bond. 6 ’B,
2 woerebe Bu
dringlich.dunkel, als Heraklit gewelen war sn Yan
- ea varay Tay HeaxAesraay = dcoı 7000
æobxurœi Eu TesLoı PIvO, ade peeAov cıov Te
|
N |
|
ern, oder von Beſizern ädter Erklärungen der dur⸗ |
‚zen Size Ihrer Vorgänger geſchildert Habe? Erhellt
nicht vielmehr aus allem, was mir von der wahren
Beſchaffenheit der Jonifhen, Pythasprelfhen, Eleati⸗
fen, und Heraklitiſchen Schule willen, gerade das
Gegentheil? War Anarimander ein Ausleger des Tha⸗
led, uud Anarimenes wieder ein Ausleger des Anarie
inander? Kann man den Parmenides einen Ausleger
des Kenophanes u f. w. nennen? ben fo wenig, als
ſich die'es behaupten laͤßt, eben fo wenig kann man die
Seratli:eer, Weserlieferer des wahren Sinnes aller eine
zelnen dunkeln Säge ihres Meiters nennen, Dach den
Schilderungen des Plato, her ihrer felbft einige gehört.
hatte, (in Cratylo p. 83.) behaupteten ſie zwar alle
die beftändige Verwandlung Aller Dinge ; übrigens
aber ſtimmten fie eben fo wenig mit dem Heraklit, als.
unter einander.üßerein. Keiner wollte ein Schüler des
andern heißen; ein jeder war in’ Anfehung der Gedan⸗
ten nur. ſich ſelbſt gleich, und dabey eben fo undurde
arexInves, 1 Tos —
vuyyeanpura Degorräi. — av Ta Ts zen,
wozee en Degerges —— —W
— —
—E—— —
————
xoueves Supsxus, gde yıyversı Toy Toro
cregos ETELR HAITI CR avTonaroi 17.23
Qvoras. Solche Schulen von Auslegern, als wor⸗
Inn man die Schulen der älteften Griechiſchen Weltwei⸗
fen hat verwandeln wollen, entftanden erft Im dritten
Jahrhunderte aach Chriſti Geburt, Die neuern Plas
toniker. und hiejenigen unter ihnen Zeitgenoflen,, die
‚dem Ariftoteles folgten, wollten nicht mehr für Selbſt⸗
denter , ſondern für Ausleger des Plato und Ariftores
les anaefeben (syn; und fie trugen auch nicht ihre eiger
nen Gedgiken in Upterredungen, ober. zuſammenhaͤn⸗
genden Reden vor, ſondern fie legten, wie die Gram⸗
ma⸗
—
Vor re de | ‚XIX
yantiter Die Werte der alten Dichter, fo die Sariften
alter Weitweiſen aus. — Ich empfehle deren, die bie
ſes geleſen Haben, die erſte Weralhtung, bie ſie auf
der 148 ©. des erfien Thells Faden warden. |
‘
©. 148. 3. 5. Jür verwirren f veriten.
Tb. in des Dose für years yara. —
In dieſer Darſtellung der Gebanken der älteften
i, Klarheit,
|
s . x
.
. R n
Seſtimmtheit, und Vollſtaͤndigkeit. Nach der ſtreng⸗
er Drüfeng finde. ich nicht, daß ich die deyden erſten
ugenben der Schrelbart, die dem Roceuſenten gewiß
fehlen, am der angeführten Stelle zu ergänzen brauchte.
Auch glaube ich wiht, daß man mir deßwegen Unvoll⸗
Ktaͤndigkeit vorwerfen fönne, teil ih die Vermuihung
Des Ariftoteles und [eines Ausihreibers, des fallen -
Plutarch. über die Urfachen, warum Thale das Waſſer
für den Virftoff der Dinge erklärt, nicht angefuͤhrt har
be. Die Worte des Ariſtoteles felbft rue cos
ww. urorgbw zeigen, daß er dieſe Vermathungen
wicht ans Ueberlieferungen (denn alsdann ſezt er Immer.
Binju es Pacı) fondern ans ſich ſelbſt geſchoͤpft ha⸗
Ge. — Außer den Beweiſen der Brandfäze der Joni⸗
ſchen Philoſophen vermißt der Res. noch die Mrkidr
zungen der Entſtehung der Dinge, und müde eine
fo feine Diftinction, daB man nicht einmal errathen
kann, was er von einander unterſcheiden wolle, Wenn
der Nee. im Ernſte von mie zu willen verlangt, da:
ich if. fagen foll, wie Thales fi die Entkehung aller
Dinge aus dem Waſſer, und feine Nadfolger ang ie
ren Principten gedacht Hätten; fo bitte kich Ihn, mir erſt
die Schriftfteller zu nennen, aus welchen ich ſolche Er⸗
—
Luterungen nehmen kann. Beyliaſig mug ich dem Rec. .
noch die Erimmerung geben, daß, wenn er das Anfuͤh⸗
zen von Beweifſen Tür zeroiſſe Saͤze, wis das einzige
Unterſcheidungszeichen von Weltweifen und Dichtern,
- gelten laſſen toi, alsdann nicht nur die Joniker, ſon⸗
dern auch die Pythagoreer, Eleatiker, und faft alle
Weltmeifen bis auf den Anaragoras aus der Zahl von
Phübſophen mäffen ausgeſchloſſen, und den Dichtern
zmöefelle werden. Den BBeltweifen der alten Zeit fiel
4
26 noch gar micht ein, daß ein Philoſoph de Gründe -
' ’ b 2 | J oder
1)
l
xx. Vorrede.
oder Urſachen aller wirklichen und moͤglichen Dinge ans
. zugeben verbunden fey. | '
©. 152. für Lichtskreiſes f. Lichtkrelſes
ib. Wenn man allen den Factis und Beweiſen, die ich
ſowohl hier, als in meiner Geſchichte der Lehre von
Bott für den Saz andeführt Habe, daß weder die alten
Völker, mip denen die Griechen befannt waren, "noch
. bie Griechiſchen Weltweiſen vor dem Anaragoras, und
deſſen — den einzigen wahren Gott erkannt ha⸗
ben; welter nichts als allgemeine Declamationen über
die Unbegreiflichkeit oder Unwahrſcheinlichkeit dieſes
Sazes, oder auch über die Unvollſtaͤndigleit und Dun⸗
kelheit der übrig gebliebenen Nachrichten und Denfmä«
ler entgegenfests fo antworte ich auf folde unhlſtori⸗
ſche und unphiloſophiſche Einwendungen gar nichts ;
denn auf eben die Art will ich alles, was mir einfällt,
bezweyfeln oder zu bezweyfeln feinen. Wenn e6 je
manden unglaublich vorkommt, daß man vor dem Ana
zageras den Schöpfer der Welt nicht erkannt Gabe, der
bedenfe nur, daB es mir aus vielen bisher unwiderleg⸗
ten Gründen eben fo unglaublich feine, daß Barba⸗
ven und Griechen vor dieſem Zeitpuncte ſich zu dem
Gedanken von Gott follten erhoben haben.
— 161. » 12. für vorausfahen ſ. vorausfehen. -
ib, + 15. für ihre Freyheit f. feine Freyheit.
Ib > 17. fuͤr als fie ſ. als es
‚163. : 7. hinter angeboten ſ. worden.
— 166. » 4. in der Note für Kreuzes Tod ſ. Creuzes Tod
— 167. » 2. hinter kennen f. lernen.
— 171.⸗ 26. für Kybele ſ. Kybebe.
— 176. + 3. für großen f. größten. _
ib, in der zweyten Note 3.3. für Hermodors f. Hermodor.
179. » 24. für Macedonien |. Makedonien.
= 180. = 16. für ältefte f. älteften.
183. +3. u — ſ. u Cfrübe
— 136. : x. für frübern ober fpätern f. ve oder fpätere.
— 189. » 29. für Kleant f. Klearch. ver oder ſ
— 191. 2. ſich deleat.
— 197. in der Note für Ed. bie 4te ſ. Ed, in 4to.
— 204. » 31. für haͤtte f. harte.
— 206, : 5. hinter Glauben f. zu verfchaffen.
.n =208 6. hinter gelitten ſ. und; ſtatt endlich f. daher.
©, 210
x
4
Bo erehe XXI
©.210.3. 13. für zugeftanden l nugeſtand.
ib. » 24. für hat f. hatte. |
— 313. » 16. bintet Ariftorenus f. und, und dle beoben
Worte: und Hierouymus, reihe man weg. Diefe
Berbefferung bin ih dem Berl. Rec. fhuldig.
— 317. > 20. für die f. welche die. 2.
— 2318. » 3. fatt Eenophens f. Zenophon,
— 331. » 15. binter als f. den.
— 223. » 13. für einmal f. ein einziges mal,
— 2325. der Derl. Rec. las das Ende meines Undele uͤber
den Dikaͤarch nicht ans, denn ſonſt haͤtte er nicht geſage,
daß diefer Schriftfleller meinem Urtheile nach gar kei⸗
nen Glauben verdiene.
— 230. = 49 für allgemeinen ſ. allgemein.
ib, +» 24. ſtatt wichtigften f. wichtigen. '
— 333. » 21. deleat. nun und ſchon.
— 233. « 4. für brachen f. brach, und
s 6. für überfielen f. uͤberfiel.
s 18. für frug f. fragte.
— 342. » 10. vor Chaldäer ſ. und.
— 248. : 6. hinter und f. daß,
— 353. : 7. für falle f. fiel, |
— 355, « 230, für Plotins f. Pfotin. |
— 357. » 15. del, des un > fr Aleranders |. Alexander,
und fo in ähnlichen Faͤ
— 157. in der fejten Eh Pe hat f. hatte.
— 261. s 5. für bie erftere f. die erfiern.
s 25. für warn f. wenn. .
— 483.⸗ 31 für aus f. mit.
— 393. zur zweyten More feze noch folgendes Ctatum hin⸗
zu: Plut. in Vita Lyſand. p. 66. III,
Und im Terte 3. 2. für daß f. das.
= 294. > 1. für hatte ſ f. haͤtte.
ib. » 19. für Prolomäus. f. Piofemäus , fo in ber
Folge allenthalben.
303. > 3. für Hippobolus f. Hippobotus.
— 310, » 8. für verzweyfelt Hatte f. verzweyfelte.
— 311. » 11. für denen ſ. ben.
— 512. » IE. für verjugen f. verjagten. -
s 21. für auf die f. worauf.
— 319. » 7. delest. nun.
— 314. Ju der erſten Rue fe Colpii f. Colril, o
. .315.
s
SU - Bort ed
gr J.1. fur diefmweihedie,
ı = 326, » JO. für une ſ. und.
= 319 » 19. hinter Anhänger ſ. geblieben. |
- = 330, in ber legten Zeile für großer f. großen.
— 333, in der Note für YeyeuBoras f. yereacres,
-. für erpayparevomsvov | ZEXEAYAETEUME-
. vor, für naudm f.rando, | W
— 324. in der Note für surexvus ſ. evrexypus; für
_ Ornpmiades. (. Qu cds. nn
— 829. 3. 16. deteat. das Dunctum.
334. » 16. für Hermeſianap f. Hermeſianax.
— 541. » 32. fü. zwey f. zwo.
ib + 15, deleat. nun. ‘
— 344.⸗ 24. für ſtimmen ſ. ſtimmten.
— 353.⸗ 20. für. verdorben f. verderben. |
— 583. » 14. 15. für die Worte: einen Sohn des Badys.
ſ. den Sohn eines gewiſſen Baddc.
ww 338. 3.9. Nach dem Worte widerſprechen ſeze man fol⸗
gendes: Merkwuͤrdig iſt es unterdeſſen, daß die Spar⸗
taner ſich im Beſize der Haut eines weiſen Pherekydes
zu ſeyn tuͤhmten. Plutareh. in Pelop. p. 153. M.
= 360. 33. für Renophamenes |. Xenophanest.
— ger 9. nt ober. "
| der e 3.6. für fo f. ſchon.
— 563.3.5. für künnte f. konnte.
372.0. f. Anſtatt, daß ich drey Cafſfen von Pytha⸗
gereern unterſcheide, laͤßt der Berk. Rec. mich mus zwo
annehmen, und bedauert, daß miz der wichtige Zwey⸗
fel nicht eingefallen fey, daß die Abtheilung der Py⸗
thagsteer wenig Nuzen ſtifte. Dec. glanbte wahrſchein⸗
ki , aber wie er fich ſelbſt beſcheiden wird, etwas übere
eilt, daß, weil ich gerade hier feine Gruͤnde meinen
Eintbeitung der Pythagoreer anführte, ih auch gar
Beine hätte. Meine Gründe Hatte ich aber ſchon im
der Hi. dor. de deo angegeben, und fie fommen
auch in dem Werke ſelbſt etwas tiefer unten vor, ve
\ der Ree. fie fo wenig, als viele andere Puncte, bes
merkt bat. Eos iſt aber mit alle dem ein munderlicher
Schluß, daß, wenn Arifteteles nicht Immer von den
älteften Pythagoreern redet, ober.bie älteflen Pythago
reer
.Bortebe Xu
reer nicht mit einander übereinkimmten, alle Unter:
—— der Zeitalter der Pyrhägoreer unnoͤthig
au.
©, 378. 3. 13, au den Worten: Plato reiste; fege man
die Note: Plato ſelbſt ſagt, dab ihre Geſeze über
die Erziehung und den Unterricht in der Muſik, welche
immer derfelhige bleibe, vortrefflih, alles übrige aber
ig Aegypten elend fey; Lib. 1. p. 532. und an einer
andern Stelle heißt es, daß man den Aegyptiern und
Phoͤniciern feiner Zeit Feine andere Weisheit, als eine
gewiſſe Verſchmiztheit oder Erfahrenheit in der Kun
zu erwerben zuſchreiben föͤnne. Lib, V. in fine de
Leg. P. 554.
- 379. 3. 10 deleat. nun,
380. » 2, für empfaͤhle — empfoͤhle.
— 381. «+ 19. delest, nun,
— 383. » 17. für abſprechen f. abſprachen.
— 384. in der More für urrodeswvos [. Urrodesuyus.
ib. im Teste 3. 12, für die die f. welche bie.
— 394.3. 14. fuͤr läßt es fich f. Bann man es. |
= 400. Zn ber zweyten More für azrwWoge ſ. emı dofay,
und für avdenTs av ſ. —XRXX
= 401, 3. 27. für leztere ſ. leztern.
— 413. in der Note 3. 2. für re des ſ. va xSers.
— 416. in der erften Mote für. ogukww ſ. ogefw.
ib. 3. 10. für Davanes ſ. DauAns.
3b. in der zweyten Bote für. von f. vom.
- 433. 3. 25. delost. nun,
= 435. in. der erſten Note für Plaue. f. Plug, .
— 448. für in dem f. in melden, .n
ib. in der Note für FoAeuıs esev f. rodeuiresen.
— 452. 3. 8 für konnte f. könnten.
= 465. ». 10. für nie f: felten. >
— 466. in der zweyten More hinter Exziehung f. fe.
mar. unten fuͤr: an alte.Boruriheile f. an alıen Vorur⸗
theilen.
ur 474. 3. 2. hinter Wohnungen fı an,
— 476.⸗ 17. fürdie ſ. da. |
— 473.⸗ 18. für Angelegenheit ſi Angelegenheiten,
— 483. in ber erfien Note für Diog, f. Diodor.
64. S.. 488.
/
XXIV | Bortebe
©. 488.9. 13. für Lande f. Bunde.
-— 490. «' 18. für hätte f. hätten.
— 493. Man kann in dem Pythagoreiſchen Bunde, mie
Meiner jeden Geſellſchafft, die gewiſſe Seheimnifle har,
nur zwo Hauptelaſſen von Mitgliedern annehmen:
ſolche, die wirklich eingeweiht find, und folhe, die noch
geprüft werden. In die erflere gehören nur allein dies
jenigen,, die von der innerfien Einrichtung, den Haupt⸗
- zmeden und Entwürfen einer Geſellſchafft unterrichtet
find: in die andere aber diejenigen, denen dieſe Ge⸗
heimniffe noch niche geoffenbarer worden. Unter denen,
die noch geprüft werden, kann es viele Abtbeilungen
und Grade geben, die, Im allgemeinen zu urtheilen,
um befto zmechmäßiger find, je mehr fie vervielfältigt,
und fo eingerichtet werden, daß man auf einer jeden..
Sruffe, wie auf der leztern, zu fteben glaubt, "oder
‚ bed -'o wenig, als möglih, das, was man auf ber
naͤchſten erblichen wird, voräusfehen am.
— :496. 3. 9. für morben f. werden.
— 504. » 12. für verarbeitet f. bearbeitet.
— 506.⸗ 18. hinter Jamblich f. gefhöpft gaben. _-
— 507. 19. für mit f. und, |
— 508. » 7, für nichts f. nicht.
— 509. « 3. für Karthaginienſern f. Cartbaginienfern.
511. » 11. für fo wohl Ältere als neuere Schriftſteller ſ.
ältern, als neuern Schrififteller.
— 531.3.29. für die erftere ſ. der erftern. g
— 533 + 1.u.f. — Ungeachtet ich bier felbft fage, daß
die Zableniehre ber aͤlteſten Pythagoreer allen Welt⸗
welfen und Gefchichtfchreibern , welche uns diefefbe er.
Balten Haben, aufgefallen fey, und zugleich bemerke,
daß man nicht alles, was uns ungerelmt ober undenk⸗
bar ſcheint, als ungedacht verwerfen muͤſſe; fo glaube
doch der Berl. Rec. die Behauptung der Pythagoreer,
daß alles aus den Zahlen entftanden fey, bloß deßwe⸗
gen verwerfen oder bezwenfeln zu konnen, weil ſie ihm
undenkbar vorfomme. "Cine folhe ungeheure Mey⸗
nung muͤſſe, glaubt er, durch bie ſtrengſten Beweiſe
bargetban werben. — Hat denn ber Rec. nicht geleſen,
daß ich den Grundſaz der Pythagoreer mit den Zeug«
niſſen aller glaußmwärdigen Schriſtſteller ohne Ausnab-
me vom Ariſtoteles bis auf den Oextus beiwiefen er
Bottee xx
Hat er nicht geleſen, daß nicht bloß die aͤltern, ſond
auch die mittlern Pythagoreer alle Dinge fuͤr Wirk
gen der Zahlen hielten, daß Weigef und viele_ng
Muitiker in den Zahlen faſt diefelBigen Kräfte, vole
äreiten. Pythagoreer, wahrzunehmen glaubten?
ihm dann nicht das Buch des erreurs & de la ver
oder irgend ein Ähnliches Werk in die Hände gefall
Iſt er fo unerfahren In der Geſchichte, fo unbeleſen
Meifebefchreibungen, daß er nicht weiß, daß alle wil
und barbarifite Nationen gewiſſe Zahlen für heilig |
‚halten, und ihnen mundervolle Wirkungen yugetra
haben , und noch zutrauen? Glaubt der Rec., daß fe
Anfehen groß genug, dies unläugbare Factum umzufl
Gen; daß ‚unzählige Völker, und ſelbſt aufgekiä
Menſchen, ja ſogar große Mathematiker, in den Za
ten Kräfte zu finden glaubten, die uneingenomme
Menſchen nicht darinn entdecken Finnen? Die All
meinheit dieſes Wahns unter allen Völfern, und fi
allen Claſſen von Menfchen zeigt, daß er von einer «
wiſſen Seite ſehr arinehmlich und ſcheinbar feyn muͤſ
ungeachtet ich, vote bey unendlich vielen andern Me
nungen, Sitten, Gebraͤuchen u. f. w. nicht zu erklaͤr
im Stande bin, mie er entfiehen, ſich behaupten, ui
ſehr verbreiten konnen. ec. bat den Äriſtoteles c
ne Aufmerkſamkeit und Kenntniß der Sprache gelefe
wenn er in dem angeführten Capitel der Metaphy
Met, 1. 6. Beweiſe für die Meynung zu finden geglas
bat, daß die Pythagoreer durch ihre Zahlen gewi
Dubſtanzen in der Welt bezeichner Härten. Ariſtote
fage an allen übrigen Stellen, we er von den Zah
- der Pythagoreer redet, aber nirgends deutlicher, als
dem and) von mir angeführten Abſchnitt *), daß
Pythagoreer bie Zahlen für die Urfachen aller Di
gehalten hätten. O ev, ſagt er unter andern, ı
unter diefem verficht ex den Plato, Tas wpty
aan ra auctnra, 01 dapıduss ewaca Da
euro To Recypara. Dec. fpriht von vie
Stellen, an weichen Aciftoteles die Zahlen als bloße :
hen ber Dinge genanne babe. Sch fordere ihn |
5 0
⏑ ——
¶ Den ſete BR, dogs. de aeo 2.
'
KV Bertebe
bdlaeſe Zeugniſſe zu nennen, und wenn er. es. wicht thut,
fo,fpreche ich ihm nochmals, alle Bekanntſchafft mit dem
- Arıftotees ab. W
G. 524. 3.20. für.die ſ. welche die.
2 537. 17. fuͤr unwahrnehmlichen „. wafinntichen [x ums
wahrnehmlichem, ynfinnlihem,
4 528. 3.23. für die f. dieſe Bu
= 540, in der More für Ciof. f. Eck,
m 543. In der Note für Philspenus ſ. Philorenun,
— 546, 3..10. für eine ſ. eins.
— 550. in der Note für Eupitheus ſ. Tusicheus
— 551. 3..6. für die erſtere f. bie Wgtere. Vey dem. Ur⸗
theife, was ich auf diefer Seite über, die Pythagoreiſche
N fälle, fräge der Berl. Rec. woher 06 tomme,
wir von der Pythagorelſchen ittenlehtre und Pas
litik fo wenige Ueberbleibſel Härten, da die Geſchichte
r
theologiſchen Speculqtionen anfbehalten habe? Ban
Eanne, glaubt er, mit Recht hieraus den Schluß zie⸗
ben, daß Purhagoras einen großen Hang zu wiſſen⸗
vafftlichen Unterfuchuugen gehabt habe. Dies keztere
babe ich nirgends geläunnet, ſondern vielmehr durchge⸗
‚ bende bewieſen, dag Pyſhagoras alle wißenſchafftliche
Kenniniffe feinen Zeit in ſich vereinigt, und fie auch be⸗
reichert habe. Allein ich laͤugne es, daß die Geſchichte
ung viele theologiſche, metaphpfiiche und phyſiſche Uns
terfuchungen aufbehalten , oder daß Pythagoras feine
Schuͤler die Theorie des Geſezgebung gelehrt babe,
wundere mich aber zugteich,, daß.deg Nec. abermals das,
wos ich mehrmalen erinnere habe, nicht bemerkt Hat,
daß bie ganze Einrichtung der. Pythagoreiſchen Geſell⸗
affe eine tiefe Kenntniß der fittlihen Natur des
| nihen, und. der Mittel, fie zu vervolllommnen,
ankündige. Pythagoras gewoͤhnte feine Freunde an
eine folche Lebensart,, die alle Ermaßnungen zu. den
häuslichen und bürgerlichen Tugenden uͤberfluͤſſig mach
te. Wenn der Rec. die moraliſchen Grundſaͤze, (S. 565.)
auf welchen ber Pythagoreiſche Bund gegruͤndet wurde,
nicht abläugnet, fo. wird er geftehen muͤſſen, daß fie
viel zahlreicher und auch reifer find, als alle übrige
uns fo viel von feinen phyſiſchen, geomerziihen und
toiffenfeafftliche Kenntniſſe, die wir dem Prrhagoras
mir einiger Wahrſcheinlichkeit zueignen koͤnnen. Fr |
Bortede xXxxvm
Sittenlehre hingegen, die Pyothagoras feinen Schuͤlern
vortrug, und die nach dem Zeugniſſe bes Ariſtoteles
auf Zahlen zurüd gebracht war, iſt allerdings: bis auf
die wenigen Fragmente, bie ich in der dritten Beplage
gefammier babe, ganz verloren gegangen.
8.554. 3. 17. für fie fie f. fie dieſelbe.
555. « 24. für Dengrideg [ Denopideg,
ib, s 35. deleat. und .
— 556.⸗ 2. hinter und f. die Meynung . — —. N.
— 570. » 1. für die die ſ. welche die,
576. » 9. für fir fie f. fe dieſelbe.
581... 1. zu den Werten amesgonuÄss Manıtenı
fege die Nere: Rise. VE p. 564. de Legibus,
— 593. in der Note 3 1. hinten fehe ich ſ. nicht.
- = 603. 3.6. Die zweyte Periode von ber Werten: “Diie
Dielen Maͤmnern u, f. w. bis zu Ende fefe man foa.
Mit diefen Maͤnnern und ihren unmitsehharen Nachfol⸗
gen, dem Meliſſus und Zeno, dem Anaragoras, Des.
userie und Empedokles muß man dag Thor der alten
Beltweiten Sriechentandes. beſchließen; denn mit dem
Alleſten Sopbiften fängt fi eine ganz neue Periode,
ſowahl der Griechiſchen Sprache, ats der Weltweisheit
und üßrigen Wiſlſenſchafften an. —
ib, in der lezten Zeile ſuͤr Polikrates ſPolykrates.
- 6os. Z3. 17. für dieſe ſ. ie.
— 608, 18. für well f. daß.
619. Zum Adfıöalıg vom Xenophanes muß ich noch eis
nige Anmerkungen machen. : Herr Tiedemann in feiner
Abhandlung de Kenöphanls ’decretis *) legt die Mey⸗
nungen des Zenophanes anders ans, als ich; weßwe⸗
gen ich meine Lefer, bie eine Vergleichung anſtellen
wollen, auf diefe Abhandlung verweiſe. Doc muß ich
Bitten, die leztere zu leſen, und nice ohne Prüfung
den Ausſpruch zu hun: daß ihr Verfafler has Spftem
bdes Kolophoniſchen Weltweiſen von allen Seiten ange
fehen habe. Ich geſtehe, daß ich die Gedanken meines
Zreundes nicht recht Habe fallen, umd am alleswenigften
es redt deuttich Babe denken können, wie er fich vorſtelle,
daß Zenonhanes.die Gottheit von hen Welt unterfchles
GENE Su
.
=) Bibliorh, Phil, vol, IH. p 150. & fa,
“
KV Berrede
den, und fie ihr auch wieder aͤhnlich gebacht Gabe. 1er
brigens läuft es wider alle von mir in der Hi. dor.
de dev angeführten Stellen des Arifteteles und Plato
„ über das dv des Kenophanes und den Unterfchied feiner
Meynung von der des Parmenides, daß Kenophanes
Bewegung, Entfiehung und lintergang in der Welı bes
baupıec Habe: Beyde Weltiveiien fagen es an allen
Stellen, wo fie über biefe Materien reden, daß Zeno«
phanes alle Bewegung in der einzigen Weltfubſtanz ges
(äugnet, und daß Parmenides ih dadurch von ſeinem
Lehrer unterſchieden, daß er den Zeugniflen der Sinnen
nach, ſowohl die Bewegung, als die. aus der Bewe⸗
gung entſtehenden Erſcheinungen bebaupıer babe. Aus
fer den entſcheidenden Zeugniflen, die ich. in meiner
Hilf. dor. de deo gefammier habe, - verweife ich auf
das dritte Capitel der Metaphyſik des Ariſtoteles:
Evios daro Ev aanıyyrov Oaasmw enaus, x Tnv Qu-
AIV OANY 3 Movov Koss ‘Yereaıy, Kal PIogav (rE-
To MeV Yap weXiov TE Xu Mavres wuoAoyN-
Gay) ia Ks nora Tnv meralorny Trasse. —
Eben diefes lehrer der ganze Theatär des Plate. Die
Sründe, welche Fabricius *) und Hr. Tiedemann für
‚die Lesart eines Mpıs des Ariftoteles anführen, nach
welcher der Stagirit in feiner Abhandlung de Xeno-
bane, Zenone & Gorgia, juerft die Meynung des
Zeno, und nachher die des Tenophanes angeführt ha⸗
ben fol, ſcheinen mir nicht allein niche befriedigend.
fondern. folgenden unwiderleglichen Schwierigkeiten
ausgefezt zu feyn. — Erftlih wäre es feltfam, weim
Ariſtoteles wider feine Gewohnheit anfangs die Mey⸗
nung eines ſpaͤten Nachfolgers, und zulezt die Mey⸗
nung deßlenigen vorgetragen hätte, „ber zuerſt von ei⸗
ner Einheit zu reden anfing. Zweytens ſtehn dem
Leipziger Mſpt. alle Handſchriſten entgegen, nach wel⸗
chen alle Ausgaben des Ariſtoteles gemacht ſind. Drit⸗
tens wuͤrden alsdann, wenn Zeno zuerſt und Zeno⸗
hanes zulezt redete, Plato und Ariſtoteles nicht haben
ſagen koͤnnen **), daß Zenophanes bie einzige Subftang
un⸗
———— ——A
*
®) ad Sezt, Hyp. I. 214. 25.
”)
5
vide loca in Hiſt, do@. de deo p. 329.
Bortedbe xxix
unendlich genannt, und ſich dadurch ſammt dem Meliß
vom Parmenides unterſchieden haͤtte. Endlich find die
Sophiſtereyen, die ale bisher, und auch ich, dem Ze⸗
no zugefchrieben Haben, nicht des Renophanes, abet
wohl eines Mannes werth, den man für den Erfinder
der Sophiſtik bielt ‚ und der ſich ein Geſchaͤfft daraus
machte, feine Zuhoͤrer durch Gpijfinbigkeiten zu vers
wirren. — Der Berl. Rec. wird es mir nicht vers
argen, wenn ich bier auf das, mas er vom Kenophas ,
nes und Zeno ſchwazt, gar nicht antworte, weil es in
der That zu elend ifl. Er zweyfelt unter andern, daß
Ariſtoteles im dritten Capitel der vorbergenannten Ab:
handlung vom Zeno gehandelt habe, weil feine einzige
dem Zene eigenthämliche Meynung datinn vorfomme,
weil der ganze Inhalt dogmatiſch fey *), endlich weil
die Vewegung nicht darinn geläugnet werde. Dies
leztere koͤnnte ich beſtreiten: allein wer kat denn dem
Rec. gefast, daß Ariftoteles alle Meynungen des Zeno '
anfüpren, und unnäzer Weile die Sophiſmen wieder
hohlen wolle, die er ſchon In feinen Büchern der Phyſik
vorgetragen hatte?
©.620.3.5. die Sprache war zur ‚Zeit dieſes Weltweiſen
noch fo arm u. ſ. w. Der Berl. Rec. wendet ein, daß
man doch bey keinem feiner Zeitgenoffen über Duntels
beit Elage. Hatte er denn fehon wieder vergeflen, was
ich Aber ben Darmenides gefagt, und von ihm beyge⸗
bracht hatte
— 631.3.8. für Meynungen f. Meynung.
— 623. zur dritten Note feze man hinzu: Plat, in Lyfide
p. 365. An diefer Stelle redet Plato von, den Vers
haltniſſen entgegengefezter Dinge, wie ich glaube, nach
dem Heraklit. Das entgegengefezte, Heißt es, ift im»
mer dem entgegengefegten am meiften freund oder ver⸗
wandt, und fehnt fih am meiften darnach, weil nur’
entgegengefezte Dinge Nahrung für einander find. Das
Trockne trachtee daher immer nach dem Feuchten, das '
Kalte nach dem Barmen, das Bittere nach dem Süßen,
das Scharfe nach dem Stumpfen, das Leere u bem
| I oflen,
| << +
G —
id) oder den Ariftoteles geleſen, oder nut ge⸗
det ar aefagt DET, s
KK 0 RBorredbe
| . '
| Wollen, und das Volke nad) dem Leeren. — Empedokles
>... wollte gerade das Gegentheil bemerkt haben. |
— „SG..624. 3.8. zu den Worten: daß das Feuer u.f w. fee
J = ‚man folgende Note: Auh Plato in Cratylp p. 58.
| fegte das Feuer des Heraklit, oder das wirkende. Prin⸗
| eipium , was im euer enthalten fep, dem var
des Anaragpras entgegen. |
u 693. 3. 13. zu den Worten: geſchloſſen wurde, fee
man die. Note: Heraklit nannte hnierdeffen aud die
Schlafenden Mitwirker der Begebenheiten, die in der
Welt vorgehen. VI. $. 42. Antonin, |
— 643. Unten in der vierten Note fere man zu ben Schrift⸗
een, die über den darinn beräßrten Grundſaz des
Heraklit gefihrieben und gerachen Haben, und vom
Reiske an dee angezogenen Stelle genanat werden, noch
.. Heren Hofraih Heynens Program vom lezten Sabre
Hinz , in welchem die ſchon dft gedeuteten Zeugniſſe
— zuſammengetragen und ausgebegt werden.
2 646 oben für ©. 266 [. 626 ©. |
= 637. 3.9 zu den Worten: daß die fenrigen Duͤnſte, die
— aus der Erde aufſtiegen u. ſ. w. Unter den Heraklitern
waren einige, welche glaubten, daß die Duͤnſte, die
aus dem Meere eder ſalzigem Waſſer aufſtiegen, waͤr⸗
mer, als die vom ſuͤßen Waſſer ſeyen, und daß alſe
aus den erſtern die Sonne, und aus den leztern Erde
und Waſſer entſtuͤnden. Arift. Probl. x. V. $. A.
-. p. 171. Sowohl aus diefem Zeugnifle, als aus dem,
was ich ©, 628. in der erften Nose anführe, erhellt,
daß die Meynung von der plözlichen Entſtehung und
Verſchwindung der Sonne heratliriſch war, und daf
ich affo die Zeugnifle in den jüngern Sc:rififtellern, in
welchen dieſe Lebre dem. Renophanes zugeelgnet wird,
‚miche ohne Grund, und nicht bloß um einen Kusıen,
den ich nicht Iofen Fonnte , zu zerhauen, für unglaubs
yohrdig erklärt babe. — Dem Berl. Rec. der von mit
alle Grillen über die Meynungen des Heraklit erwarte
te, babe ich ſchon oben geantwortet. Ä
— 629. 3.22. für herumfliegende f. herumfliegenden.
— 634. » 20, für prächtigften f. prächtigen.
644, » 17. zu den Worten: Empedokles nahm zuerſt
fm Wer Luſt hat, der vergleiche meine Geſchichte
. . . ⁊ a
*
Borredc. X
de Bedanken des Empedokles mit Herrn Tiedemanne
Auffage im dierten Stuͤcke des Gottingiſchen Magazine
vom Tezten Jahre. | u
5.647. 3.13. für wurde T. wuͤrden.
— 659. > 2. deleat. warmen. F
662. » 4. zu den Worten: aus welchen Bründen man
ihn angenommen habe; feze man die Note: Giemk
vergleiche man, mas ih) ©. 150 und 151 gefagt Habe.
— 665.3.22. für weſſer oder Außerordentlicher f weifen
und außerordentlichen. | en
S. 672. Bey ber Schilderung Über die Wirkungeh bes var
Hab dem Anasgagoras, die ich auf diefer und den Hin
herachenden Seiten nah Fragmenten des Aharagdras
Telbe, .umd nach Zeugniſſen des Ariſtoteles entworfen
habe, ſagt der Bec., als wenn feine Einfaͤlld hler ein.
WVBegengewicht abgeben Einnten: daB es ihm fcheine, als
wenn der var des Anaxagoras nur allein Bewegung
hervorgebracht Habe. Einige Schriftfteiler glaubten,
daß Anarageras ſich die En ſtehung aller Dinge ohinger
faͤhr fo, wie Demokrit gedacht habe. Schol. ad Aritt,
Nubesv. 179. In der Beſchreibung bes Urſprungs dee
Welt, die ſich im Dioder findet S. ro. 11. Vol, I
Edit. Weſſ. iR vieles Anaxagoriſch, manches aber auch
nicht, wie man bey der Vergleichung derſelben mic mei»
mer Geſchichte der Gedanken des Klagomenifchen Neil
weiſen leiche finden wird. Die Stelle im Diodor If
mir vom Herrn Hoft. Heyne angezeigt worden, dem
ich auch meine Bermurbungen mweitläuftiger, als ich eg
bier nöchig finde, geſchrieben habe. 0
= 678. 3. 7. für ausgelofchenen ſ. ausgelöfchten. -
— 680. » 9. für wuͤrde ſ. wurde
687. in der erften Mote 3; 3. 071 Togur& euros
m f. w. Einer meiner Freunde glaubte, daß man
euros nicht durch ibnen, fondern für fie überfejen
müffe, und daß ber Ausſpruch des Anaxagoras alsdann
einen richtigen und tief eingehenden Sinn gebe. Ana.
xagoras habe nämlich fagen wollen, daß alle Dinge für
feine Freunde fo beſchaffen Myen, mie fie ihnen vorka⸗
men, — Allein die Abficht und Geſellſchafft von Welt⸗
weifen, worinn Ariftoteles den Anayagoras und feinen
Spruch anführt, ſtreiten wider diefe Auslegung , ‚uw
deigen,
XII | Borrede
zeigen, daß Ariftoteles die Behauptung des Anaragoras
mit dem berüctigzen Ausſpruch des Protagoras für '
gleihlautend gehalten habe.
©. 698. 3.19. für Charpbdes f. Charvbdis.
— 708. in der zivepten Note 3. 4. für ewiges f. einiges.
Zu S. Jı1. 12. Bey Gelegenheit meines Urtheils über
| den Zeno und feiner Dialektik bringe der Werl, Rec.
mehrere Bemerkungen über die großen Verdienſte die:
fes angeblichen Zweuflers,‘ und über bie großen or:
theile der Kunft zu zweyfeln vor, auf die er ſich, wie
man fieht, was Rechts zu gute gethan bat, die aber
fo ſchuͤlerhaft find, daß ein Jeder Kenner den Augenblick
merkt, dab ein folder Gemeinortsſager weder den Zeno,
noch deflen Sophiſtik, noch die wahre Kunft zu zwey⸗
fein kenne. ec. beherzige inskünftige die Worte des
Laches beym Plate D, die vollig meine Geſinnungen
enthalten: Adx xce eyo Tw ZoAavı Ey Movov
—— — Yap mom
dddæouecds eIeAm, Umo Xenswv uovov. — eu de
venragos 6 diduanay es = 7 Tı ud To
roiuTov EX@V, udev po meine.
&.713.3. 28. für Ungleichen f. Ungleichem. «
736. » 25. für Traſyllus ſ. Thraſyllus.
— 733. + 19. für: von ihnen f. von den Pythagoreern.
— 746. « 2. für großen f. größern.
— 747. » 14. für der f. oder.
= 750, » 6. für Achrodiſtaͤa f. Aphrodiſaͤa.
751. « 23. Diefer Hippofrates von Ebios if wahr:
ſcheinlich eben derjenige, deſſen Plato als eines Schuͤ⸗
lers des Protagoras erwähnt. in Protag, 282. 392. p.
GEER
259) ia Lachere p. 256.
LU 1
“.
U y
⸗
me
Sechſtes
Sechſtes Bud.
Geſchichte der Griechiſchen Sophifien,
\
Erſtes Kapitel
Welqhes Die Verfaſfung ahd Veränderungen des Yıbes
nienfifhen Stans bie auf Die adıtzıgile Olym⸗
piade entbalt.
enn man die Geſchichte der Wiſſenſchafften
in Griechenland bis über ben Zeitpunct
hinaus verfolge, vor welchem ich im erften
Bande ſtehen geblieben bin; fo trit man
auf einmal in einen neuen Schauplag, wie in eine neue
Belt über. Denn um und nad) ber achtzigſten Olympia»
bewerben alle Wiffenfchafften erweitert, und öffentlich
gelehet,, allein eben biefe erweiterten Wiffenfchafften wur·
den auch Mirverberberionen der Geiechiſchen Sitten,
Zweyter Band. a Auf ⸗
a. Sehfrs Buch. \
Aluftklärung und Durft nach Kenntniffen verbreiteren ſich
plözlich unter ‚allen beſſern Ständen des Europälichen
Griechtnlandes, das vor kurzem noch in trägen Schlum⸗
* > mer der Unmiffenheit begraben geweſen war; zugleich aber
zogen ſich alle Künfte und Wiffenfchafften, die bisher nur
in den veichern gluͤcklichern Pflanzftädten gewohnt hate
ten, nach einer einzigen Stadt des Murterlandes hin,
die ſich niemals weder durch vorzügliche Mache, noch
durch große Reichthuͤmer oder.ruhmvolle Thaten ausges
zeichnet harte, und fi) nunmehro in wenigen Jahren
zur Sehrerinn wie zur. Beherrſcherinn ber Griechiſchen
Voͤlker erhob. . . ud
Alle diefe wichtigen Eräugniffe begreift man ent»
weder dat nicht, oder nur Bart, 1 lange man fich wiche
mit der Berfaffung und den Veraͤnderungen dei Athes
nienfifchen Staets, und der Geſchichte bes übrigen Grie
chenlandes bekannt gemacht hat. Ich will daher beyde,
jo weit es meine Abfidjten erfordern, vortsagen, weil
vite niemand biefe Arbeit abgenommen Gar, und-ich
vhne eine ſolche Arbeit meinen Leſern nichts als Wirfune
gen vhne Urfachen, vder als verſtuͤmmelte Facta und
5;
WBegebenpeiten ohne Verbindung vorlegen inte, . .
Die Bewohner des Artifchen Geblets Ießten ur⸗
Ipränglich unter einer Verfaſſung, dergleichen man noch
jego unter ben meiſten unausgebildeten - Voͤlkerſcha fea
-anteiffe; und fie gingen auch alle die verſchiedenen Mer.
uAunderungen von Regierungsformen durch, durch welche
bie übrigen Griechiſchen Staaten endlich bis zur Demo⸗
kratie bingelangem, Die Arhentenfer waren von den
äkteften Beiten an, aus iwelchen ſich nut einige dunkle,
und mit Fabeln vermifchte Ueherlieferungen erhalten ha-
4
Geſchichte dr eiechiſchen 1Sophiſten. 3
ben, ia mehrere Grimme gatheilt, Die: Ab viele Jahr⸗
hunderte fung allein. von ber Jagd und Wiehzuche naͤhr⸗
tm,: und erſt unter dem ſechſten ober ſiebenten Künige,
ud dem Kekrops Ackerbau zu treiben anſingen *),,
Die Stämme erlannten zwar alle denſelbigen König;,
fie waren aber dennoch im Frieden faſt gang von einan⸗
ber mabhaͤngig, und warden ein jeder hon felnen Dan,
pte regieret, Das alle Streitigkeiten , Ne.untg. verfchier
denen Familien, ober. Mitgliedern, von. Familien ent.
ſtanden, ſchlichtete, und. Beleidigungen, ‚bie ihm und,
den Geinigen von anbern . Stämmen äugefügt wurden,
mit bewaffugser Hand raͤchte *). Die ttiſchen Staͤm
me fuͤrten deher Häufig. mit einander und ſelbſt mit den.
Kinigen Krieg, umd traten wur. alsbannı. zuſammen,
wenn ein auseörtiger Krieg zu befurchten, oder ein ges,
nun [peficher Geind —— war . ‚Die. -
“ Date, J
%) Den Anfang der Regieruns des Refrops feit man ge
welniglich iu bas Zah 1582 vor Chriſti Geburt, und
erft unter Pandion dem erften , oder unter dem Erechteus
— —— vn Ant , Kun br Bl
rt . Daß die Arhenienfer wir
von den übrigen Griechen für die Erfinder des Acer⸗
baues gehalten wurden, ſieht man aus einer" Stelle
des Iſkrates, in welchet dieſer Redner —F daß die
* übrigen Griechiſchen Staͤdte feiner Vaterſtade
ahre aus Dankbarkeit die Erſtlinge der Brüdte Ä
mer dt, und daß die Pythia ſehr oft fülhe, die
dieſe Pflicht verabfäumt, an bie Beobachtung derſelben
erinnert hätte. In Paneg, 1, 133. Ed. Beat,
3) Thue. 11. e, 15. Iſoc. in Encomio Hel, N. 12$- 131.
in Panathen, 2:8. 61, Plot. ia vit. Theſ. p. 48-51.
Te . Tomi. L Edi, Roekil,
- a
4 BScechſtes Buch.
Made der Koͤnige uͤber das ganze Wolf war viel gerin⸗
ger, als die Gewalt der eingehen Haͤupter über: Ihre
.. Stämme Die erfte dußerte ſich faſt ganz allein im
Kriege, in welcheni fie die Anführer aller Stämme wa»
rin; zur Zeit des Reirbens hingegen verſchwand fie größ-
tentheils, und ſchraͤnkte ſich auf die unbebeutenden Vor⸗
dzage ein, das ganze Volk oder Die Haͤupter ber Stämme
zu wichtigen. Berarhfclagungen zuſammen zu rufen, im
ſolchen öffentlichen Zufammenfünften den Vorſiz und das
eeſte Wort zu führen, mb an allgemeinen Feſten im
Namen des ganzen Vekks zu opfern und andere gottes⸗
dienſtliche Hanblungen vorzemehmen *), Die Könige
fonnten weder ven-bem Volke, noch von ben Oberften
der Stämme Abgaben fordern, ſondern alle Einkünfte,
fe mit ihrer Würde verbunden waren, befanden in frey⸗
zölffigen Geſchenken, die man ihnen bey feierlichen Se⸗
legenheiten, ober nad) einer großen und tapfern That,
befonbers nad) einem. glüdlich geenbigten Kriege mach-
=
+4 BR“
c
Ib. & Ariſt II. io. Wenn Ariſtoteles und andere das
Res zu richten und zu flrafen Inter die Vorzüge der
älteften Könige ber Athenienſer reinen; fo muß man
Diefes entweder nur allein von dem Stamme verfichen,
von welchem fie die Haͤupter waren, oder man wider»
ſpricht auch den obenangeführten Stellen bes Thukydi⸗
des, Iſokrates und Plutarch, wie den wahrſcheinlich⸗
ſten Zactis, die ich ſchon angeführt habe, oder die Ich
auch gleich vom Theſeus erzählen werde. Unrichtig
föhließt Goguet Part. II. Liv. 1. Ch. IV, Art, I, def,
weil Erechteus feinem Brüder Butes das Oberpriefters
amt abgetreten babe, das Icztere auch in der Kolge
ps von der koͤniglichen Wuͤrde getrennt gebliehen
n
⸗
De , t
Geſchichte Dr Erik Sorten 5
te ). Mech weit wetiger durften fie eas, wes di⸗
ganze Notion angiog, beſchließen und unternehmen;
ehne das Volt zufanınenzurufen ,: ober doch deffen Hüte
per zu Rache zu ziehen **). Wielmehr waren die Koͤ⸗
nige verbunden, gemelnfchaftliche ‚Angelegenheiten mit
den Häuptern ober. Aelteſten Des. Meils, aus welchen
scher in Athen und Sparta wie in Rom der Emaf
entſtand, zu überlegen, und ihre Entfehließungen ale
bean ben Volke vorzutragen, Boch mehr, wie ich glau⸗
be, um fie demifelben befannt zu madyen, als um feine
Einwilligung zu erhalten ***), Die Erbfolge mar m
fange in Athen gar nicht bt; fondern bee Kübnfle
—— 3. u und
ng
%) Homer Ilisd, IX.. 156. v. Odyff. XIII. v. 14. Goguet
1. €. p. 109. zieht flſchlich aus dieſen Verſen den eu,
daß bie Fe Könige Be Boltern Härten Taren,
—*
Goguet glaubte I. e. ie
& ae Han 2*8 Eu te
er Stände nicht — beſtimmt · waren;
N
angeben, —— sogen jene diefe im der Bey⸗
legung wichtiger Streitigkeiten und in andern Sachen,
Die den ganzen. Stamm. angingen, zu Rache, wie fie
ſelbſt von den” Königen zu Mathe gezogen wurden;
übrigens aber fiheinen ‚Re in vielen Zällen eine unum⸗
ſchraͤnkte und ſelbſt niederdruͤckende Gewalt ausgeübt
zu haben, wenn anders die Schilderuhgen des Iſokra⸗
. te6 von dem Zuftande der Athenienſer vor dem The
feus IL. a31. in Encomio Hel, und das Urtheil des Ari⸗
les Aber die Verbefferung der Staatsverfaſſung
bene a) eben Men 2 op. Plot. K, 52, tigeig
.
4 6 . BE Gechſtes Duch. I N
Ehrons, wenn dieſer durch den Tod ſeines lezten Beſt⸗
fers erlebigt war; oder. verjagte ſogar ben regierenden
noch lebenden Röulg, ‚wenn er nicht ftarf genug war ‚.febs
ne Würde zu behaupten *). Seibſt nachdem es unter
und nach dem Vandion gefegmäßige Gewohnheit wur ·
be**), Daß-ein. Sohn des:werflorbefhen Königs bas Reich
feines Vaters erbte, * blieb es noch ianner unentfchieben,
welcher von ſeinen Soͤhnen, wenn ex deren.mehrere nach⸗
RE, den fönigtichen Screpter führen follte. Es ent
ſtonden · daher unter Könige Soͤhnen Hdufig: Kriege über
das naͤchſte und gültigfte Recht zum Dhrone, fo wie wech
Immer fo wohl große als.mistelmäßige Könige von mäch«
tigen Familien. aus ihrem Reiche vertrieben murben gr
er WITT
. 2* Meurlup de Bespo Abi; . -
ID,
) Meurf. 1. e. II. 14.15. IM. 1. Ich habe in dleſem Abe
ſchnitte alles Aglammiet, was id) in den Leberlieferuns
: gen ber: Arheriterifee ans den aͤlceſten Seiten glaubwuͤr⸗
diges, und mit der’ Sefchih'e Anderer Wölker in aͤhn⸗
lichen Lagen übeteinftimmendes gefunden Gabe. Wer
Luſt bat, die Widerſpruͤche in den alten Heberlieferuns
gen, oder die Fabeln, mit welchen ſie verſezt ſind, zu
defen, der nehme wur die beyden erſten Blcher bes
Meurfius vom Reiche der Arhentenfer in die Hand.
BGelbſt Goguet Fi. 1. IV. war meinen Wedfinten nach
nicht vorfichrig gering in der Präfutig" und Auswahl
aller Sagen, die in foätern Griechiſchen Geſchichtſchrei⸗
M. bern ſtehen. So glaube ich zwar mit ihm, oder halte
“es nicht für unwahrſcheinlich, daß der Aegyptiſche Ke⸗
krops zuerſt die Burg von Athen ectbaut oder befeſtigt,
daß er neuen Goͤttern vorher unbekannte Altaͤre errich⸗
ter, und vielleicht auch bie verſchiedenen Stimme im
Actlka durch ein wiewehl fehe lofes ober ſaleſe⸗ Band
De
*
Pr -
—
Geſchichte der Griehifhen Sophiſten. 7
Ja diefer urfpeänglichen Werſaſſung bar Achenlen·
fer, bie mit der Regierungéeſorm faſt oſler barbariſchen
Voͤlker, beſonders derjenigen, welche im vierten und
fünften Jahrhunderte Europa uͤberſchwemmten *), die
groͤßte Aehnlichkeit hat, machte Theſeus wichtige und
war ohmgefäße ſolche Veränderungen. dergleichen in ben
Berfeffungen dee mieiften Europäilchen Reichen im zwälfe .
tem und drepefuten Japsfunberie vergingen **). (Er
rief wicht nur bie Athenienſer aus allen Stämmen, fü
viel ihrer nur wollten, ſondern auch Nachbarn und Fremde
nge nach Athen bin, und wurde ber eigentliche Gruͤn⸗
der der Stade, die Hin auf feine Zeit nur eine Beine
Burg von einen geringen Umfange geweſen war. Durch
feine Klugheit, uud fein Aufehn, das ſich auf außeryr⸗
deutlichen Thaten geünbste, vermochte er. die herrſchen⸗
den Hdupter der Stämme dahin, daß fie Halb frenmällig,
Halb gezoungen ihre Gerichtoſtuͤhle auf hoben, und Ihye
Gewelt zu richten einem eniaen hoben Tribunale abtra⸗
4 ten,
su einem einzigen Volke verbunden habe; allein ich
weile ſehr, ob er zuerſt feſte gefegmäßige A ein»
„ uad ben Areapag sgefifter hale.
Iejeugen zwar einige neuere Schriftfieller; u, % ..
A . Allein dieſe werden durch die ſchon von
‚mir angeführten Zeugniffe.gräßerer Männer, und durch
das, was ich glei fagen werde, völlig widerlegt.
Fre Kekroys auch
eia —— ſo F wiefes
Gerihesgwang ni ganz Attika, fondern
dene über die Burg in Athen aus.
®) Millar's Obfervatlony eopcerning the difinAlon Fi
ranks in Society p. 160, & Fergufon’s Eflay on the
hilory of Civil Soclety p. 129. & ſeq.
") Di fehe Tine, Uns AAlatı Ah a
8 See -
ten, das In Athen feinen Siz haben, und über alle "Bes
wohner von Attika, ſowohl Voryehme ats Geringe rich“
ten ſollte *). Er vernichtete die bisherige Einfheitung
der Bewohner von Artifa in mabhaͤngige Stämme, und
eheitte fie alte in drey große Claſſen: nemlich in. Edle, die
- Sandiente, und in Staͤdter, ober folche ein, bie ſich von
Handwerken näheren. Unter dieſen verfchiebum: Wolfs-
claſſen gab er den edlen und alten Gefchlechtern, um fie
"für den ertitcenen Verkuſt ihrer Mache zu entfchädigen,
das ausfehließende Recht auf alle hohe und ehrenvolle
Bedienungen, bem ganzen Volke aber, wie es ſcheint,
und alfo auch den beyden übrigen Claſſen bie Macht, ut
. ter feinem Vorſt; Priefter, Richter, Fuͤhrer und ande»
ve Magiſtratsper ſonen ermwählen zu dürfen. 2
Durch dieſe weifen und vortrefflichen Einrichtungen,
mm deren Andenken er mehrere Feſte ſtiftete, ſchuff ober
vergrößerte er die Stadt Athen, vermehrte die Bevoͤlke.
rung des ganzen Sandes, gründete bie Frepheit des Volks,
“erweiterte die Macht der Könige, zog alle bisher unab«
bängigen Stämme näher in ein einziges Volk zufammen,
und brach die faft unumfchränfte Gewalt der Edlen und
Vornehmen, bie bis dahin eine Quelle grauſamer Bes
druͤckungen, und unaufhörlicher innerer Kriege geweſen
. " war.
% Wenn man in einer Gage, worinn man zu feiner Ge⸗
wißheit gelangen kann, eine aunehmliche Wermutbung
nicht verwerfen will; fo wuͤrde ich es für das Wahr:
. fbeinlichfte Balten, daß Theſeus din Areopag geſtif⸗
tet, ober wenn vorher ſchon ein Gericht. unter biefem
Dramen da war, Ihm wenigſtens zuerfk die Gewalt und
Vorzüge gegeben Gabe, welche ber Areopag bis auf
bie achtzigſte Olympiade beſaß.
Geſchichte der Grtechiſchen Sophiften. -9
wor. Mit Hecht alfo preifen die groͤßten Echrififieie.
der Griechen ben Thefeus als einen der größten Helden,
der nicht nur Griechenland von Ränbern und Miſſecha.
tem gereinigt, fein Wolk gegen auswärtige Feinde tapfer
verheibigt , und vom einem ſchimpftichen Tribut, den es
jührlich nach Kreta ſenden muſte, befreyt, ſondern Der
audy der Urheber feiner Größe, und einer mildern
Staatsverfaffung geworben ſey, bie nach gehörigen Wer⸗
hälnifien aus Aeriſtokratie und · Demokratie gemiſcht 6
weien, und felbft vom $yfurg nachgeahmt worden fey *).
Mit dem Tode des Kodrus, ‚hörte gwar des konigll⸗
de Name, aber nicht die koͤnigliche Gewalt auf, ine
die Staatswerfaffimg durch die Eintretung der beſtaͤndi⸗
gen Archonten in die Stelle der Koͤnige weſentlich nicht
verändert wurde **), * Vorrechte der koͤniglichen
5 Waͤr⸗
— Ú
Tivs, n. 15. Moer. II, 161. und Ariſt. ap. Plut, in vie,
Tbefeil 1, p. $2.
2 In Attila herrſchten yon gekroys an bis auf den Ke⸗
drus u Koͤnige während eines Zeitraums von
487 Jahren. Fänge man aber vom Ogyges am m
wann: fo dauerte die Herrſchaft der Könige nach 222
Jahre länger. Die dreyiehn beftändigen Archouten,
Die ihnen folgten, vegierten zufammen so? Sabre.
Wenn man diefe Summen zufammen vedmer, fo kom⸗
men 1016 Sabre heraus, während weicher die koͤnig⸗
Ude, oder eine der koͤntalichen n greite Gewalt in Athen
danerte, de Reg. Athen. I1l,
"Eine Nachricht des Heraklides Pontikus: daß die
Athentenfer die koͤnigliche Gewalt bewegen abgefchafft
tten, weil bie Beſizer derſelben —— gewor⸗
n wären, verdient entweber gar feinen de
Civ. Athen, oder fie muß auch dahin — wer .
den, daß bie Vornehmen baum weiter keine
gedulder, weil fie ihnen zu beſchwerlich geworden feyen.
or” —* Erchſtes Buch. RE
Würde blleben In der. Aöniglichen Bamille, und erbeen,
wie vorher, vom Vater auf den Sohn fort. Durch
Se Einführung der zehnjaͤhrigen Archonten aber. wurbe
das. Eyftem, was. Theſeus gegründer hatte, beträdge
ch veriheft, indem dedurch His. Bönigliche, ober eine
He kaniglichen gleiche Würde, welche bisher erblich unb
:auf einer Samıikle suhenb gemefen war, allen ebleen Gig
Elecheern durch Wahl mitgetheilt, und alſo die Gewale
der Bornehmen auf Unkoſten der ehemaligen Macht der
Könige und des Volks erhoben wurda **). Dieſe une
Veorfaſſung haste ohngefaͤhr ein halbes Jahrhundert ge
daaret, als bie mächtigen herrſchenden Hoͤuſer ihre ge
wonnenen Vortheile bazı. mißbrauchten, die Ueberbleih⸗
Ku der koͤriglichen Semalt und der Freyheit des Maiks
ang. zu vervichten *c). Cie Dradhten es naͤmlich dq⸗
Jin daß jaͤhrlich neun Archonten aus ihrem Mittel er⸗
wähle, und unter dieſen alle Vorrechte ber ehemaligen
Könige, ober der bisherigen beftändigen ober zehnjäßrl-
gen Archonten verteilt wurden }); Ungeachetet wir über
Fa . | ‚bie
LU
8 ‘ . . ‘ .
— — Ns
)%. e. 16:
les geſchah DI. VIL 2. Meurſ. z. 3, Gemeiniglich
glaubt man, daß diefe zehnjährigen Archonteg verbuns
ven geweſen ſeyen, von ihrer Menierung Rechenſchaft
zulegen. Ich finde aber dieſe Meynung durch kein
siges Zeugaiß eines alten Schriftſtellers beftäcigt.
Kenn unterbeflen biefe Magiſtrateperſonen wirklich zur
Kechenſchaft gezogen wurden , fo geſchah es gewiß niche
vor dem Wolke, fonbein vor ben vornehmen Geſchlech⸗
tern, wie aus der Folge erhellen wird.
oh) Dies geſchah OL. 24. 3. Meurf, de Archont, hc. 9,
4) 'Meurf. loc. cit, Unter biefen wurde der erſte Archon,
der ander AmasAeus, ber dritte woAeguenos, und
ET bie
Geſchichte Ser Briechikfen Sopsifen,
die Seanzen der Macht ber alten jährfgen’ Archeicen wer
keine ausbruͤckt ich⸗ Zeuquiſſe haben *),!und auch nicht
des Verhaͤltniß derſelben zu dem Aredrag, und andern
hehen Berichten zu beſtimmen im Stande find; ‘fo kam
men Dec, theits aus der Art ührer Entſtehung, theils
ons den Namen, die fie führten, ‚au meiſten aber acns
Yen Nachrichten, und Urtheilen des Ariſſoteles über-bie
Berfeifung der Erlechiſchen Staaten nach den Zelten
der Binige, mit Zerevſicht behaupten‘, Daß die Arien
tm, und die Areopagiten , unter weiche die erſtern nach
Allegung ihrer Würde aufgenommen wurden, alle ge |
ergebende und ausübende Gewalt im Haͤnden Hatten, umb
Bas Bott weber zu hohen Wärden;, und zu den Berichten,
wi’ pr Eruemung und Prüfung, der Magiſtratoperſo⸗
wen, endlich nicht einmal’ zur Verteidigung des Water"
landes Mae * Die Vernehmen waren die einzie
die ſechs übrigen —E genannt. Zu den Zei.
ten des Ariſtides und in den folgenden Zeltaltern jour,
den fle zwar durchs Loos gew 1, Plut. I. p. 481. Pe.
üt. Leg. Att, p. 219. Meurf 1, Alehı urfpränglich
"wurden fie allein aus den’ Gornefmen, und zwar durch
Boruehme ernannt, wie man aus dern Iſekrates II,
861. und Ariftorefes de Civ, IV. 5. & ı3,
Deun alle —— Griechiſcher Eqtitaeuer von den
Worjůgen um Geſchaͤfften der Archonten gelten nur von
Seſen Magfſtratsperfonen, wie Solon fie ichtet
anf hat diefe Stellen gefemmiet do Arch,
* Ey fepe Sof. Arſſtoteles V. n. Kay ı mgarn de
MenreM ev Tas EMnaw Fynsto era Tu: Ae-
Ärıns, 2% Kan KoAusren, 3 nor of Vexns
ren hauen. © TR yag cn an Top. ümefe:
_ | a
- — ur . R
a... Gehe Bud.
gen Peleſter oder heiligen Diener der Götter, bie einji-
gen Richter, Gefezgeber, Heerfuͤhrer und Krieger; bie
Mittelmacht hingegen, die fonft in. ber Perfon der Koͤ—
. alge und beflänbigen Archonten des Wolf gegen Die Be—
Yrüctungen dee Vornehmern geſchuͤck, und beyde einiger
maßen im Gleichgewichte erhalten. hatten, war ganz
auſgeheben, und das Volk in eiaem Zuflande von Sela⸗
verey ml Erniedrigung, aus dem es ſchien, Daß es
icht anders · als durch eine gewaltſame Revolution here
ausgeriffen werden kͤunte J)J. dDi⸗⸗
—8
av Tow ImREUC 0 Mohapes are. avey yav
oe ourafeos uxensov To OmATıny.. ca de
| ze TETOV EUmMergIHs xy Tages ev Tom @e-
“ yamaıs un UmNEXov. ase ν Fois ImzEC evoy
a song. — naav de, fahrt er fort, aiwgxau-
os WolTesos evAoyas oASYoEXınas Ko de
- une. S-oAryar$eamieey ya an enger Karu To
nesov. a5 oAsyar Te orres To WANIOE KO ROSTEE
‚.yp auvrafı MaAA uronevor To weXroIc.
+) Wenn man die Merkmale lieſt, bie Arkteteles um einem
Oligarchiſchen Staate angibt; fo wird man finken, daß
die meiften auf die Verfaſſung von Achen, von der
sier und zwanzisften Olympiade an, bis auf-bie Ges
feggehung Solons paffen. IV. 5. de C.vit. Das ſicher⸗
fie Kennzeichen der Dligachie, fast Ariſteteles,iſt
diefes, wenn die erften Miagiftratsperfonen nur ans
Wenigen von Wenigen. erwählt werden ; umd biefes
fand wirklich in Athen ſtatt. — In diefem Beiltalter
der Oligarchie, oder wenn man lieber will, der druͤ⸗
enden Ariſtokratie hatte ein jeder Archonte feine eige⸗
nen Gefchäffte, und übte die Ihm übertragene Gewalt
einzeln, und an-befondern Plaͤzen der Stabt aus.
—* L, 8 de Arch, Dis: 73 I. 58. Selbſt die-
muͤſſen beſeſſen haben.
a.
Geſchichte der Geiechiſchen Sophiien m —
Diefe Webergänge von Rönigen zu befländigen Ar⸗
chonten, von befländigen Ardhonten zu zehnjaͤhrigen,
von zehnjährigen zu neun jaͤhrlich gewaͤhlten waren freye
Uch in Athen, wie Inden übrigen Griechiſchen Staaten;
ein beſtaͤndiges Fortſchreiten zur Demokratie, meil-diefe
nicht anders als aus der äußerfien Unterdrädfung des
Volks durch die Vornehmern eniftehen konute; allein
man irrte ſich gewaltig, wenn man ſich einblibete,. daß
alle diefe Schritte eben fo viele Fortgaͤnge zur bärgerli»
chen Freyheit und Gleichheit gewefen wären *), Die
bisher erwähnten Veraͤnderungen der Arhenlenfifchen
Siaatsverfaſſung wurden nice vom Velk, oder zum
Beten des Volle, fondern von den Wornehmen zur
Vnterdruckung deſſelben, und zur Erweiterung ihrer ei»
Gewalt veranftaltet, Dieſe Gewalt der Edlen
mar, wie die Knechtſchaft ber Geringern, um befto.grd«
fer, da es Fis auf den Drako gar feine gefchriebene,
ober genan beflimmte Geſeze gab, nach weichen Steel
tigfeiten Hätten.gefchlichtet, ober Vergehungen rechtmaͤ⸗
fig Hätten geſtraft werden koͤnnen, und da noch viel wes
niger eine höhere Macht eingefezt war, durch welche bie
Richter zur unpartheyiſchen ſtrengen Verwaltung Ihres
Amts angehalten, oder wegen ungerechter Ausſpruͤche,
gezchtigt worden wären. Alle Nachrichten von aus«
drüctichen oder gar gefehriebenen Gefezen des Kekrops,
ber Ceres, des Triptolemus und Theſeus koͤnnen nach
einer genauern Prüfung für nicht viel mehe als ——
— mmp SraEn
) GSo irrten Goguet ur 1 eh, L und alle andere Ge⸗
fehichefchreiber und Veurtheiler der Atheulenſiſchen
EEE.) .. 2; SEE
@röichtungen fpätgter Zeiten gehalten werben, fo wenig
8 ſich Idsgmen läßt, daß fich unter ben Bemohnern vom
Auka von ben Zeiten ihrer erfien Bereinigung an, noch
mehe aber feit der Einführung bes. Aderbaues, und des
faften unbeweglichen Eigenthums alte gefesliche es
wohnheiten und Herkommen gefunden ‚haben, durch wei⸗
die die Rechte der Väter über ihre Kinder und Weiber,
die Worjuͤge der Exfigebornen , die Anfprüche ächter und
maͤchter Kinder bepderiey Geſchlechts auf den voͤterll
chen Nachlaß, die Erhaltung der Güter in den |
Uen, und bie. Verhaͤitniſſe zwiſchen Mann und Frau el,
uigermaßen beftimmt wurden *). Nach. folhen geſezli
den Se ‚ ober auch nach Gutduͤnken und na
tärlicher Billigkeit wurden die Athenienſer von. den Mit
- 'gliabern bes Areopags gerichtet ). Vor dem Drafo
aber
©) Derglekhen find bielenigen, die Soguet P, IL, Liv, ICh.
X ‚IV, Art, VIE. gefammlet bat, wo man auch die ern
Uchen Geſeze des Kekrops, Teiptolemus und Thefeus
genanat findet. Unter dieſen ſeyn follenden altem Ges
- fen, pflest man Ah am meifien auf bie des Triptole
maus zu berufen. Allein außer daß fie ganz allein vog
einem jängern, und hoͤchſt leichtglaͤubigen und unzuver
iäffigen Oceiftfteler angeführt werden, iſt das erde
Geſez, was die Eltern zu ehren gebietet, gar Bein Gig
BY und bie beyden andern, bie unblutige Opfer vors
eiben, und den Thieren Leides zu thun unterianen,
niemals In Attila ansdehbe worden. Das zweyte dies
. WE Geſeze wurde von andern Erdichtern bald dem Res
krops, bald dem Drako zugeelquet.
) Vor dem Drako war der Areopag das einzige hoͤchſte
Gericht, was über alle Todesverbrechen richtete, Dras
ko fezte noch vier andere Gerichte ein, denen die Fres⸗
J — einige. Sathen abdeben mufen, Die Beweis
u werde ich gleich anfühen,
Seſchichte da Seiechiſchen Sophie. 15
ber waren nicht elamal die Strafen der geininſten,
md in jeher Zeiten ſo häufigen Verbrechen, bes Mordes,
des Ehebruchs, Diebſtahls und der gewaltſamen Schaͤn⸗
tung durch Gefeze beſtimmt *), und man fann daher
von denn Arenienfern- vor'ber neun und dreyßigſten Olpe"
piede mit Recht fagen, daß unter Ihnen mehr bee Wile,:
mb das Gutdunken ber Vornehmern als das Oft; Rich⸗
tee geweſen ſey, und daß Ihre Verfaſſung alfo für eine
fee gewaltfame Oligarchie ode oe en
werden mäfle we
| Dui
3.
©) Dies fest —— VI. 398. Ed. Cat. and wird auch aue l
ver Geſezgebungl des Drako offenbar
* & # ſagt Arkitoreles, ein Veweis von Oligarchi⸗
zex 71 vonoc, ar‘ 0) —
vr s de Civ, — In den alten Rebnern
fie Sefege des Areopags erwähnt, bie in eine En
eingegraben waren, und an dem Orte, wo dies Bericht
aufbewahrt wurden, Meurf de Areop. e,2.&c,
aß,
Kein diefe Sefeze waren nice ſolche, welche der Areas
dag gegeben Hatte, ſondern die ihm vom Drako und
vom Solon waren gefchrieben worden. Haͤtten
nachher
ih beRimmte Strafgeſeze vor dem Drafo gefunden,
fp würden die Geſeze dieſes Mannes überfluͤffig gewe⸗
fr und ihrer rs vom Drako als Solon gedacht
worden
Solon ſchaffte einige Geſeze des Drafo -
ſeyn.
er und andere behielt er ben, aber von Geſezen bes
Areopags fagte er'gar nichts. Wollte man unterdeffen
ſolche Areopagitifhe Geſeze annehmen, (und anwahr⸗
Weinlich ift es nicht, daß die Areopagnten Urtheile, bie
einmal ausgefprochen hatten, auch In der Folge in
li aͤllen zur Richtſchnur genommen
ri lee betweifen, dA daß die W An
gefesebende Drache In „Händen
N
j Secchſtes Bud
Daurch bie Geſezgebung des Drako, ber von meh-
rern alten Schriftſtellern der erſte Geſezgeber der Athe⸗
nlenſer genaume wird *), wurde zmar dem Mangel be⸗
ſtimmter Strafgeſeje einigermaßen abgeholfen, allein
Die. Verfafſung und Sage bes, Athenienſiſa/ en Volks blieb
nicht nur unverändert **), fonbern wurde noch viel mehr
durch Die tyranniſche Härte ber Drafonifchen Geſeze ver⸗
ſchlimmert. Er beftrafte ben Bleinften Diebftahl, der
kaum diefen Namen verbiente, und felbft den Müffig-
gang mit bem Tode, ober mit ewiger Schande, und
macht⸗ dadurch Die Richter gu Herren des lebens, und
der Ehre eines großen Tells des Volks **), Sowoehl
En biefe
Gell, XI. 23, Suldas in Voce Draco, Er ne Ges
2 ſeze DI. 39. 2. Meurf, Solon, c. 13. gen Fi
2) Drafo war nur, um mic einer Einthellung bes Ari⸗
ftoteles zu bedienen, vouon Inniseyos nicht aber auch
Tas Korrtesas wie Eukurg und Golon Il. de Civic,
10. Die ein und funfzig neuen Richter, die er allein
aus den Vornehmern wählen ließ, und in fünf Dita»
ferien vercheilte Pollux VIII. ı0. uͤbten gemeinid-affte
ih nur die Gewalt aus, welche bisher der Areopag
allein gehabt Harte. Weber diefe fünf Dikafterien, bes
nen bie Unterfuhung und Beſtrafung von Tedesvers
drehen anvertraut war, fehe man Demoſt. in Timoer,
437 ſeq. Ariſt. V. 16. de Cir,
3%) Plat. in Sol, I. 349. Pollux VIII, 6, Gell, I. c,° Des
mades fagte daher von ihm, daß feine Geſeze niche
ds meAcvos , vote wir uns ausdrüüden würden mir Din» -
te, fondern mit Blur gefchrieben wären. Plut. I, c,
‚Seratlides fpielte mit dem Namen des Gefezgebers und
fagte, daß die Belege des Drako nich: von einem Men
(den, ſondern von einem Drachen gegeben wären, Aritt,
\ s
Geſchichte der Gtiechiſchen Sophiſten. 37
uUe, als Die meiſten Abtigen Befye der Drake, tra⸗
gen mierkennbare Spuren an ſich, . aus weichen man
abaiiamt, daß ſie gu den erſten soben Verſuchen der Ge»
fagung gehören, und man fann auch won. ifren far
ges, mas Arifioteles von-den alten Geſezen der Grie⸗
chen überhaupt urtheilt, daß fie ſehr unzweckmaͤßig und
brbarifch gewefen fenen ). Drafo nohm ſich in feinen
Oefegen eben fo wenig vor Widerſpruͤchen in Acht, als
er das rechte Verhaͤltniß zwiſchen ber Gräfe des Ver⸗
beechens und der Strafe beobachtete. Auf der einen -
Seite verurtbellte er die Entwender der umbedeurenbfien
Kieinigkeiten zum Tode, und firafte Danegen Mord oder
vorfegtichen Todtfhlag nur mir emiger Verweiſung, und
dem Vertuft aller Büter *). Er nahm fogar Mörder
auf eine gewiſſe Art in Schuz, und forgte für ihre Eis
(herheit, indem er es unterfagte, fie jenſeit der Graͤnzen
des Artiihen Gebiets zu verfolgen, und ale Diejenigen
für Mörder erflärte, und als folche zu töbren.erlaubte,
Die Moͤrdern unfer einem fremden Wolke Schaden zufle -
gen oder fie tödten würden *®). Er geſtattete zwar ben
Anverwandten der Erſchlagenen, Mörder, mern ſie fich
da, wo fie ſich nicht inehe aufhalten follten, - Betreten
leben, zugreifen, fie ins Befängniß zu füpten t), und
wenn
Rher. N, 25, Selbſt Arlſtoteles * daß feine
Geſeze gar niches eigeuthamliches der Imerkmärbiges,
als ein ihre Abserricdene Härte haͤtten. de Civ, H.ı®, _
De Civ. 11.6.9. 176, Ed. Heinßi,
Demofl. io Finden, p. 441. Meueſ. Fam, Ast Lig
U, ı. Petit, Leg. Art, de Siearlis VII,
) ib, +) p. 449. Dem,
Zweyhtet Sant.
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7 ee >.) 2.775
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wenn Ra vom Serichte für ſchuldig befunden werben, Ute
aurichten; allein er verbot es den Btuträchern aufs Rreng«,
fie, Moͤrder in ihre elgne Käufer zu beingen, fit zu mar⸗
‚tern, ober Behrvon ihnen guerpeifen).
Be
—— — —..
V. Ich table es im geringften wicht, daß Drako ber wil⸗
9 den Wh der Blatxoͤcher Gehen ſezte, ſendern lobe
‚os vielmehr mit dem Pemoſtheues, daß er niche die
Rache des beleidigen Theils, fondern das Geſez zum
. I Mühen von Verbrechen machte. Allein das table ich,
daß er, der die gerinapen Bengehsingen fo unerbittlic
ſtrenge feafte, fo milde gegen gefaͤhrlichſten Sts⸗
zes der vffentlichen Ruhe und Sicherheit war, und daß
er vorfegliche Morder für unſchuldig erflärte, fo bald fie
. mus dag Gebiet, auf melden fie gefünbig: Gatten, wuͤr⸗
den verlaffen haben. Zu feinen heilſamſten Gefezen
gehörten unftreitig diejenigen, welche er über den uns
or willkuͤhrlichſten Todtſchlag, und äber das Strafrecht der»
peuigen gab, an deren eigenen Leibern, oder an deren
Kindern, oder Müttern, ober Frauen, oder Ihchtern,
oder Beyihläferinnen man Gewalt ausgeübt Karte,
=. sder aushben wollte. Er ſprach die erftern von aller
“ @erafe frey, und werlieh den legtern die Wacht, Den
- Ränbern ihrer eiguen oder Dlutsverwandten GE
und Unſchuld auf der Strelle das Leben zu *
Demofih. 435. 40. Die Athenienſiſchen Rebner ma
A fo wie einzelne Facta ‚gewifler, alfo au gewi
feze und Einrichtungen Alter, als fie find, um ihre
Zuhbrern zu ſchmeicheln So gibt Aeſchines die Year
trefflichen Geleze über die Erhaltung ber Unſchuld vo
Kunden und Sünglingen, die gewmiß alle von Solors er
shbren, für Geſeze bes Drako aus p. 171. Ed. Wal
inter Demofih. opera. Daß biefe Geſeze sicher de
7 Dale zum Urheber haben, erhellt aus. den Zeugmiſſe
des Piutar I. 349. in Sol. und fa. aller übrige
Schriftſteller, welche bezeugen, daB Solon nur alle
die Geſeje des Drake wider Mörder und Tobtſchlag
*
Geſchichte der Brichighen Sophiſten.
- Wie treffend bie Schilberung ſey, die ich von
Verfaſſung Athens ımter den jährigen Archonten g
ben habe, umd wie wenig diefe Verfaffung durch bie
fugebung des Drafo verbeffert worden, wird am me
durch den Zuftand Beier, in welchen bie Achenie
> '
ui
beubehalten , und alle übrigen abgeſchafft habe. 7
Demofttreries ſchrribt die Geſeze Aber Mord und 7
las, deren er in feiner Rede wider den Arifiofe
‚dem Drafo zu, ungeachtet in einem de
ben von der Heliaͤa geredet wird, melden Gericht
Solon fliftere, man ſehe Demofth. p. 432.
gänziie untergefchoßen Halte Ich das Geſez des Di
beum Porphyr: baß man die Götter und Helden,
At ita beſchazen, nach vArerlier Weile, aber o
Blutige Opfer verchren folle. Wenigſtens ſagt M
mus Tyrius or. 39. daß Drako gar feine Sefeze ı
- "ben Goͤtterdienſt gegeben habe. _
" Mertmürdig iſt es; daß die Athenienſer unter
Archonten gar feine, und unter ihren Konigen aut
mige, aber ſeht unbedeutende answägtige Kriege gefi
Gaben... Selbſt bie Arvenienfiicden Redner wuſten
ben Lobreben , die ie auf Ihr Belt hielen, keine ar
ge große oder glorreiche Thaten anzuführen, als
Steg des Thefeus über die Amazonen und den Eı
ſtheus, der die Herakliden verfolge, ferner den Kı
mit den Thebanern , bie der Argivern ihte In
Schlacht gefallenen Mitbuͤrger nid ausliefern wollt
vd endlich die Ueberwindung der Bewohner des Pi
ponnes durch den Heldentod des Kebrus uf Emıra
p. 28. & fq. Ifoe. orat. I, p. 146. Diefe Ruhe, bei
die Athenienſer von den aͤlteſten Zeiten an nenofli
war, wie ich ſchon im erſten Theile ans dem Thuky
des 3. 2. bemerkt Gabe, bie Urſache, weßwegen il
, Bitten fih ſruher milderten, un) warum fle auch
Stande waren, fo zahlreiche Colonien erft in ben f|
lgponnes, und nachher nach Aſien zu ſchicken.
a Bu
,#
u © 1 75: ⸗
Ri ofmgefäße ein halbes Jahe hundert nach dem Draißo
‚fanden, und durch welchen die Geſezgebung Solons ver⸗
anlaßt, und nothwendig gemacht wurde, Kurz vor dle⸗
fem großen Schöpfer der Athenlenſiſchen Stantswerfafe
: fimg *) waren die Bewohner von. Attila In drey Par-
theyen gefpalten, wovon eine jebe bie andere zu. untere
„ beädden, ober zu vernichten ſuchte **), Der Pihel eder
v. I der
nm Vid, Solonle frag. ep. Demofth. p. 234, Bd, Wolßl,
areracı d abınas. zeyuası Terdonevos.
uU leganm xraavon, BTe TI 1.
Qudouno. sAewtuce ıD' aezayn. awrroder
*
ræuur non Zaon nahe *5 —RRXI
as de nanıy Tagens νοα da von. _
3 Sacw suduAor , zorn Gi ’
| yırcı de
VId. Art, 1.10. deCiv. ZoAaya dev EV ray»
. Tabs Canb von dieſer Weeyeıng war auch Äriſtoteles,
wie des ganze Enpitet Ihre) voucdery Yerecdass
.. cs . oAsyapxiar TE ya xaruiucus,
Aray wngırer souv, Ro Öurevorre Tor Aypar
OO, Koks ÖNMERECTUN RETATNERE TI Zt
Tour} * als Tv — vide
Nr P- 338. 39. 45. Tom. I. oper,
‚0% v6 ren Asaremev Yeros ober die Vewehner der
bargichten Gegenden ſehnten ſtch nach einer ——
| Men Berfaflıng To Tar reden, sder die Vornehe
. wen und Eigenchämer ſuchten die Ofigardyte zu
RE Und ob Fregaskaı uber bie Anwohner bes Dorn Ä
Sefers Beten, * benden feindlichen
Partheyen einigen
| im Gleichgewiche, damit in offembare
. Kite aber Tfärkiöfeien eusbehden, PLLe nn
lichtkeiten
j
i
|
Seſchichte ber. Sriechiſchen Eoritn a
ber große Daufe war ben Vorvehmen aanzuch unit
than, und wurde von ihnen auf das graufamfte gemiß⸗
handelt. Die Meichern zwangen naͤmlich die Armen,
die ihre Schuldner waren ; entweder als Leibeigne ihre
Geider zu bauen, eder gar ihre eigne Soͤhne und Töchter
ja verkaufen, ober auch fich ſelbſt als Sclaven zu über,
geben, in welchem alle fie oft on Ausländer verhandelt
wurden. Durch diefe Härte der Glaͤubiger wurden viele
Arbenienfer gendchigt, ihr Vaterland zu verlafen, und
Selen ruͤhmte fich ſelbſt, daß ex durch feine Geſezge⸗
bung eine Menge von Bürgern zuruͤckgefuͤhrt habe, die
ſchon ihre iandesfprache verlernet,, und eine fremde ober
barbariſche Sprache angenommen Gärten”), Die Nele
dern unterbrüften aber nicht bloß die Aermern, fondern
plönderten auch den öffentlichen Schaz, und beraubten
ſeger bie Tempel der Götter *), Der ganze Staat
war daher in einer ſolchen Zerrürtung, daß man nicht
glaubte, daß er anders, als durch die Ernennung eines .
ueingefchränften Dev wieder hergeflellt werben koͤnnte.
Die Kütmern und Staͤrkern aus dem gemeinen Wolfe
gingen auch wirklich mit dem Gedanken um, fih einen
treuen, fichern und tapfern Züfwer zu wählen, Ihre über»
muchlgen Uinterbrüder zu erwuͤrgen, alle Sändereyen von
neuen gu verteilen, und eine ganz neue Reglerungsform.
eunfüheen 9.
Ia dieſer efet Soge bee Sachen, fingen bie Reichen
RR am zu fühlen, ET Regiment niit
— * — mì —
®) Vide Selonle frog. medo elt, & Pur. 1, m
es) Solon im frage. b. c.
“338. 39. Pi I Hl via 1.
—W Sie Buch.
laͤnger beſtehen koͤnne, und daß eine farchterliche Revo⸗
lution nahe ſey, bey welcher fie, als her wirklich ſchwaͤ⸗
chere Theil, nothwendig am meiſten verlleren muͤßten.
Sie wuͤnſchten daher eben ſo ſehnlich von der immer
wachſenben und gegruͤndeten Furcht, Leben und Güter zu
verlieren, als die Aermern von der Laſt ihret Schulbden,
und ben daraus entſtandenen Gewaltthaͤtigkeiten befreyt
zu werden. Beyde ſahen ſich nad) einem Retter um,
der den, Staat vor einem fonft ımvermeidlihen Verder⸗
ben bewahren koͤnnte, und diefen fanden fie bald in So⸗
Ion, einem Manne aus einem alten, aber bamals niche
fehr begüterten Gefchlechte *), der wegen feiner Weis
heit und Rechefchaffenheit allgemein berühmt und geehrt
war, der weber mit ben Reichen gedruͤckt, noch mit ben
Armen gelitten, und fich ſchon große Verdienſte um feine
Mitbürger erworben hatte **), der auch wirklich bie Tu⸗
send
— —
9 P. 314 . Plur. Er war aus dem Geſchlechte der 80
*13 Plut. Er war vorriglich Urſache 6 bie,
welche den Sort za Delphi und feinen Heiligen Tempel.
\ gefchändet hatten‘, Nie diefen Ihren Frevel geftraft: daß
diejenigen , welche bie Anhänger des Kylon wider Ihe:
gegebenes Wort ſelbſt an heiligen Plaͤzen umgebeacht
hatten, vor Gericht gezogen und verurtheilt: daß end⸗
ich Epimenides aus Kreta herbey gerufen wurde, um
bie Stadt von aller Schuld, bie noch auf ihr ruhen
mochre, zu reinigen, und die verwilderten Gemuͤther
ber Achentenier durch Neligionsgefühle, und neue feyer⸗
erfiche gortesdienftlihe Sandlungen fonfter zu machen,
blut 23. 8 Purarıh ſagt, daß Solon diefen Gert
sefälligen Mann, ber ein großer Propber im feinem
Volke war, als einen Vorläufer ober Vorbereiter u
feiner Geſezgebung gebraucht habe,
|
|
|
Geſchichte der —E Sorfiten. 23
gend meerals Reichthum liebte *), und bas Wehl ſei⸗
Voterlondes eifriger, als eigne Herrſchaft ſuchte *),:
Wegen dieſer hervorſtochenden Vorzüge, erwaͤhlten ihn.
ale Parcheyen ber delcten Ey ber. De und vleraaſten
A Olym⸗
we
0) Vida tgl. Kragen. ap. Flt:t. 9. dr.
Xenmeres di jEIpO vr Eye; —— — |
un Berw. murres vergvade dam
md ©. 916. FOAAn Yac FABTBTI naxcı —8
TEVOFO» - -
AAN Ayus wuraus 8 din nen ousIes
Tas gerne Toy mÄsTOr. em To eV sure
ven 5 “
*8* —XXXV e.
* Feeunde ermunterten ihn, ſich zum unume
a a zumachen, allein er ſchlug
es mit bewundernswuͤrdiger Standbaftigkeit aus, 4
überzeugt, daß die Begluͤckung feiner Meibärger und
die Erfhaffı ffung einer neuen — Negierungsfore
und Rufe bringen wirdez
als die ungerechte Anmakung einer Gewalt, die er nur
wenige Sabre behalten, und vielleicht nicht ‚einmal,
ober doc nice anders als durch veue Ungerechtigkeiten
behaupten koͤnne:
er du ns, (font er bey Pink 20.) PDer
cam warpides (Tv ‚yapı las ms
‚aparys & xa9mlaum) puvbss. Kom α -
væ Xuvex neos, udn ruhe - ‚Are‘ Wose
ode * Auen *8 nern,
Seine Zeitgen oenmen nicht zu dep uneigen⸗
nqꝛigen Baterlaubeliebe, oben dex edlen. —e——
erheben, we den Solon die Hichſte Gewalt verach⸗
ten maqhte. in ihm pielmehr feine Heihgüte
Vnigkelt gegen A nigsktone yir Cinfalt aus.
an «90 (fagıeh fie Solon’ flag, 8* Ara Bagır
Pa
f
Ds
- .
. U}
F \
" Sechſtes Bud.
4 _
Olympiede, etwas weniger als feche undere Jahre dor
Eprifti Geburt, niche nur zum Archonten, fondern auch
zum Oefezgeber *), und gaben ihm unumfihränfte
Macht, den Staat nach feinen beften Einfichten zu ord⸗
men, alte Geſeze aber Aemter, die ihm nachtheilig ſchie⸗
nen, abzufchaffen, und Hingegen andere, "bie er für nuz⸗
Hih halte, zu geben unb eingufegen **). Se Iehfafe
Solon feinen Mitbuͤrgern vorher die Greuel der Anar⸗
chie und Gefezlofigfeis gefchälbeer,, und fo Erdftig er fie
auch zur Einfüheung einer befiien Regierungsform ers
mahnet hatte **®); ; fü ſehr zweyfelte doch biefer groBe
Mann eine Zeitlang, ob er ſelbſt an das wichtige Werk,
deffen Vollendung man von ihm erwartete, Hand anle⸗
‚gen follte, weil er fh wor benz Uehermuth ber Vorneh⸗
mern und vor ber Bieriglelt der Geringern fürdhtete 1).
Erndlich gewann aber’ doch zu feinem umvergaͤnglichen
Rahm, und zum Seil feines Waterlandes, bie Begierde
feinen Mirbirgern zu dimen, über feine Befürchtungen
die Oberhand, wah er fegte ein Unternehmen muthig unb
“ Dion, be Buruee una EedAn yap Sau
: vos, avros am sdafarre. TA,
* at, 1. 348. m no Tor TUE BA TUNE
X — BT ner,
u: ware d near awırendarrer,
wexas, muwAyrms, Immenes, Bros. zus Yin
| mo vuran iase, kom amIum as Mascey
dVdeedovvo, Aura wu QUÄAETEOTE Ten Varalfe-
27 Yarraay neu Kanes 7a @7L.ÖONEEI«
„we, Vide frogu. ap, Demafh, p. 234.
Mpblurp 3
Gedichte der Griechiſchen Sophiſten. 25
zucküch durch, worien er ſich auſangs sicht ohne aͤngſt⸗
Ihe Sorge eingelaffen hatte ®). |
Schon gleich bie erfien Schritte, die Solon als
Geſegeber chat, zeigten, wie lange er über dos, mas
er jex ausführen ſollte, nachgedacht hatte, und wie fehe
er dazı gefchicht war, das erhabene Gebaͤude von Geſe⸗
gen gu errichten, weiches. bie großen Schriſtſteller und
Etaotstundige in allen nachfolgenden Jahrhunderten ale
ein unserbefferliches Mufter einer vollkommenen Regie-
rungeform für ein ſolches Volk, als: das Athenienſiſcho
wor , bewundert Gaben **). Er fing. bamiz au, ben
B3 ktan⸗
=
©) Co wer eine bloße Verllumdung Deo Phanias von Bes
bes, wenn ex, ſagte, daß Solon * betruͤgliche Ver⸗
heißangen zur Ehre eines Arhenienfiichen Sefegneberg .
net fen Er habe (erzaͤhlte diefer Schriftftelter) dem
eine Deſtaͤtigung aller ih orderuugen
on
ung affer ihrer j
den Armen die Aus hung aller Laͤndereyen verfpres
des ap. Plut. 339, diefe Nachricht auch wicht,
mit dem ausdruͤcklichen Seftändnife des Solon
ib. fo würde man fie doc deßwegen verwerfen muͤſſen,
weit eine ſolche Verſchmiztheit dem ganzen Charakter
des Selm widerſpricht, und auch andere en
und Abichten voraus fest, als @alen durch feine Ge⸗
fesebung zu erreichen ſachte
Ale Tadler der Geſezgebung Solons verwechſeiten bie
2N Berderbniſſe ——
ter den neuern Gegner DIE, 1. Ch. IV. 1, Wem leztern
wundert es mich am deſts mehr, Daß en fo ganz verſchie.
dene Dinge und Zeiten verwechſelt bat, da ey ein fiels
Biner Leer des Ariſtoteles war, ber on a on vielem
Orten eines beſſern haͤtte belehren Eugen, j
Wehe Boch.
kranken Gtaatsförper zu hellen, und bie elngewunzeften
Uebel zu. befämpfen, bie bisher bid Hauptquelle aller
Unerbmumge gemein waren, und wenn: fie fortgebauret
hätten, auch immer eine Quelle von Aufrüßren sb Lets:
einigfeiten geblieben wären. Er hob auf einmal bie wire
deriſchen Deſeze bes Drafo auf *), biejenigen aucge⸗
vommen, welche dieſer Gefergeber wider Mörder und
‚, Zoprfchläger geſchrieben hatte; und tilgete zugleich alle
Schulden, oder verminderte fie doch fo ſehr, daß fie
aufbörten, beſchwerlich zu ſeyn **). Mit biefer leztern
Eiinrichtung waren änfaugs fo wohl Arme als Reiche un⸗
zufrieden, indem die einen eine gleiche Austheilung ber
Güter, und die andern eine ungefränfte Erhaltung ih⸗
“res Eigenthums gehofft Hatten ***), Allein beyde ſa⸗
herr bald die unumgängliche Nethwendigkeit und Helle
ſamkeit der allgemeinen Schufdentilgung ein, um ſtifte-
. een zum etolgen Anbenfen derfelben ein Feſt, das dem
Mamen ber Abwerfung der Saft erhielt, umter welchem
das Volk bieher gefeufzt hatte +), Zugleich verbot Go-
fon zue Verhütung eines ähnlichen Ungluͤcks auf ewige
.
’ t.2. 340. ’ _
— de Civ. Athen, Flut. 1.344. Nur ei»
“ nige Schriftſteller, und unter biefen Andretien, fageen,
= Haß Solon nicht alle Schulden getilgt, fondern nut da⸗
durch vermindert habe, daß er die Zinſen ermjedrigte,
and den Werrh der Muͤnzen um ein Viertel erhöhte,
Platarch ſeibſt halt dieſe Meynung mit Recht. für uns
wahrſcheinlich; denn die Zinſen blieben auch In der Fol⸗
ge fire. ſeht had), indem man nach den Geſezen zwölf
von hundert fobern konnte. ,
sn, Plut. I. 245.
4) ib. p. 348. ° |
Se chihte der Geicchichen Sophiſten. 7
Zeiten, daß ein Athenlenſtſcher Bürger jemals ſich ſelbſt
und feine Freyheit feinen Glaͤubigern uͤberantworten, oder
feine eigne Rinder als Sclven perkaufen ſolle, ausge.
nommen wenn Die lestern ihre Ehre und Unſchuld muth ·
willlger Weiſe gefchänbet hörten *),
Mach biefen Vorbereitungen ging Colon zur Um .
fhaffung der Gtaatsverfaffung felbft fort. Er machte
es zur Grwidlage feines Soſtems, daß nicht wie bisher
ein Feiner Theil des Volks herrſchen, und der größte
T heit Deffeibigen dienen, fondern daß das ganze Volk {m
Beſinj der hoͤchſten Bpwalt feun ſollte. Es übergah da⸗
ber dem Wolf und dieſem aflein Die Macht, in feinem
algemseinen rechtmäßigen Verſammlungen, in toeichen
bes Reiche und Bornehme nicht mehr als ber Arme und
Oninge gelt, durch Die Mehrheit der Stimmen Krieg
und Fricde zu befchließen, Buͤndniſſe mit andern Graue
tem zu errichten, zu erneuern ober gufzuheben, alle Mo⸗
giftretöperfonen zu wählen, zu präfen, und mern fie Ihe
Amt gewiffenlos yermalter Hätten, zu beflkafen, endlich,
alte Geſeze abzufcheffen, und neue nüzliche einzufüh-
zen *). ‚Die Gerichtsbarkeit cheilte er unter dag Doif
und die Tribunaͤle aus, die in den älteften Zeiten oder
auch vom Drafo waren errichtet werben *). Diie Une
terſuchung und Deflrafung after öffentlichen Werbrechen.
des Mordes, bes. Jodtſchlags, der Pergiftung, den
Verr aͤcherey des Varerlandes, Der Merherhung der ode
” “ | \ x u tere
nn]
- 75 Ka —
2 *8* hie. — EM Ari ig,
Semalefamen Augriffs und gefährlicher Verle zungen, der
\
SSecchtes Bus.
tuurlichen Religion n. ſ. m. bllcb nach wie vor dem Areo⸗
pag, und ben übrigen Gerichten, vor welche ſolche Ga-
hen vor bem Solon gebracht wurden. Die Entſchei.
bdung von Privatſtreitigkeiten uͤbergab er hingegen meh⸗
rern neuen Tribunaͤlen, die aus dem ganzen Volke durchs
Loos gewaͤhlt wurden ®). — Zu
&o
a), Plut. I. 350, Arilt. IT, sa. Ich itoepfie ſehr baran, o6
—8 VBehauptung allgemein ſey: da
lon die Appellation von den Ausſp aller hͤßern
Zribunaͤle an hie Volkogerichte erlaube Gabe, Wenn
Solon diefes gethan Härte; fo mürde Ariftoteles nidge
die Macht des Areopag als eine Miſchung von Oligar⸗
bie in der Athenienſiſchen Re orm |
, 8334.
Unfeheng dieſes Gerichtehoſes durch den Ephlaltes für
eine Nauptveränderung in der Athenienftichen Otantse
verfaffung gehalten And wäre es alsdann nike.
wahr, was Plutarch ſelbſt und Ariſtoteles fagen, daß
Solon den Areopag und fein ganzes Anfehen beſideigt
babe, und daß diefes Hohe Gericht im den
Sriegen am maͤchtigſten geweſen ſey V. 4. de Civ.
Selbft die Veyſpiele von Muth. womit der Areopag
duch nach den —* des Ephlaltes Verbrecher befttafte,
Die das Volt frey geloſſen Gatte Cfieße Meurf. Arcop,
23 9.). feinen zu. Beweifen, daß ſolche A
ihrer Gewalt nur Wiederanmaßungen ehemaliger Wera
zechte gersefen feyent. Entweder alfo muß man behaus
dten, daß von den Aucſpruͤchen des Areopag
ders in veinlichen Fälen vor dem Ephlalies ger Feine
Appellation ſtatt en babe, oder ie dies Tribe»
nal au, was aus € eberreſten Areopagitiſcher
(fieße Ercheri Deciſ areop cr
Thef. V. 21. 33.) niche unwaheſcheinlich ik, Brigar:
angenomnten, und daß man in folhen Wällem
Br Be Besfsgfziden habe appelinen Armen
\
Gedichte Dir Griechiſchen Sophiſten. 39:
So aunumſchraͤnkt auch vielen die Macht fcheinen
mag, weiche Solon dem Wolfe gab; fo urcheilten doch
Ariſoteles ®), und Iſokrates **), die bepden heftigſten
Biberfadher ber fpätern clofratie, oder der Wiheh
tramey Ihrer Zeit, daß diefer Befesgeber dem „Wolke
niche mehe Gewalt überliefert habe, als unumgänglich
nmenbig war , daß ohne diefe Gewalt der Pöbel imo
mer Sclav umd ein Feind det Verfaſſung geblieben wäre,
und endlich oßme dieſe Vorrechte gar Feine Freyheit wür«
de Statt gefunden haben, die barinn befche, daß alle
Bürger tbeilweife vegierten und regiert würden, und daß
fie auch alle an Berichten, und an Berathſchlagungen,
die das ganze Welt beträfen, Theil nahmen ***), So⸗
lon ſcht aankte auch wirklich das Wolf, dem er die hoͤch⸗
fie Macht übergeben hatte, auf fo mannichfaltige Arten
ein, daß der Päbel den Üernehmern nie harte fchaden,
und deu Staat ins Werderben flürgen koͤnnen, wen man
Ehen nicht Die angelegten Feſſeln in den nachfolgenden
Zeitaltern abgenommen hätte. Er bändigte das Del
juerft und am meiſten daducch, daß er alle Aermern,
Die nicht ein gewiffes Bermögen befaßen, von den öffent:
lichen Würden ausfchloß, Daß er alle Magiſtratsperſo⸗
Ar & fee n.246.20 I
331. & leq. .
®e) i. ı. VL 2. de Cir. a yag, ſagt er an ber erſtern
Stelle, ebuons KOmBVEy SEX Burevruns 9
xgeræucs, ROTE u Aryouer was TEITNE
pras mar u nv WIORyRuen.
“4
von ben verfländigften Männern des Alterthums als
' ‘
(ERRESEEEBERSE
gr
'
t
vo.
| 39 | \ Steh Buch.
nen nicht derchs $006, fondern durch bie Sanmen des
!
verfammleten Volks wählen ließ, und daß er mit öffent,
Tichen Aemtern zwar große Ehre, aber gar feine Ein
“Fünfte verfrüpfte, ine jede diefer Einrichtungen iſt
ein Meiflerlü der geſezgebenden Weisheit gepriefen
worden.
Solon eheifte Das ganze Volk in vier große Claſſen
ein. In die erſte ſezte er diejenigen, die fünf hundert:
‚in die mente folche, die drey hundert: in die dritte folche,
"die zwey hundert: und in die vierte endlich diejenigen,
Die weniger als zwey hundert Maaß trodner und flüffie
ger Sachen oder Fruͤchte einerndteten *). Don biefen
vier Claſſen von Bürgern ließ er die drey erftern ohne
weitere Unterfchiebe zu allen Aemtern und Würden zu;
Die vierte bingegen, weiche die Unbegüterten oder den
Di
9 Plut, I. 348. 49. Ariſt. 1. 19. & Legem Akhenierhum
- ap. Demofth, ia Macartat p. 665. Plutarch und das
Geſez beym Demoſthenes ſtimmen in den Beuennun⸗
gen zuſammen, welche dieſe Cleſſen von Vuͤrern er⸗
hielten. Veyde nennen d-e von der erſtern Claſſe, und
dieſes ihut auch Ariſtoteles, fünfhundert es ffier
FeVTAÆMCοCMSJCMVMC: die von der z veyten —
dder imwales velayras: die von der deitten deu
sras, und die von der vierten endlich Rycus.
eiftoreles Hingegen nennt Die von der zweyten
roc, und bie von ber dritten iarexs, wel-
a een mir einander verwechſelt zu-haben "rei. Daß
Solon unter den fünfhundere Schefflern nicht ſolche
verflanden habe, die fünfhundert peedsgevas ausfäeten,
Babe ih in meiner Abhandlung von dem, rue der
ienſer gezeigt. vr
“ Ü».
- Gchihichte der Brichighen Sopfifien. "gu
Pibel'im ſich foßte, Konnte feine eigentliche Aemter be⸗
-Pieiden,, fordern mußre ſich mit'der Freyheit ie den al
gemiehten Beitsserfammiungen zu ſtimmen, und. mit
‚Dem Worpuge, za Richtern erwählt werden zu Birnen,
beguägen ). Durch dieſe Eimtpeikmg der Bürger ge ⸗
wann Bolon-wiete hoͤchſt wichtige Worcheile, unter wide
chen feiner dem Scharffinn des Iſokraces und Ariſte ⸗·
Ve eatgangen iſt. Indem er die hoͤchſten Wuͤrden eins '
jeden offen Neh, der gemiffe Einkünfte haben sche,
raubte er feinem der Aermern die Hoffnung ba, was tr
jegt nicht werden fünne, dereinſt eiamal zu werben. Kr
Befeuerte Vielmehr: den eig und bie Thätigfeit der Ge⸗
rlagern, und vermied zugleich allen ben Schaden, ber
mit Ouigarchiſchen Verfaſſimgen, ober mit einer Regie⸗
rungsform, in welcher ſtets dieſelbigen herrſchan und be⸗
herrſche werden, unmermeibli verbunden I") Auch
brachte er es dahin, daß nicht armſeelige, und eben deß⸗
wegen befischliche und ranbfüchtige Derfonen, die weder
Ihre ——* durch gymnaſtiſche Uebungen zu kriegeriſchen
- Arbeiten geſtaͤrkt, noch ihre Seelen jur Verwaltung
wichtiger Geſchaͤffte gebildet hatten, fondern allein ange
ſchene und fähige Männer, denen ihre beſſern Gluͤcks.
on 0 B J um
Tr GE EEE
m Fi. & Asi. a. ee. lioer. 1. 323, & ſeq. 11,248. 24
Es giebt, fast Ariftereles, Würden oder Aemter, d
auf eine beftimmte Zeit, und wiederum folde, die
auf eine unbeſtimmte gegeben werden. Von der legten
Act find die Würden des Richters und des Bürgers,
der in öffentlihen Volksverſammlungen feine Stimme
geben kann. Diefe beyden Würden ‚Zonen 00.2777)
nur uneigentlich fo genannt werden IL 5.
@@) Ari, 1. 6. VII, 14. de Civit.
Ba. Ceffieb Bud.
‚umflände zur Fuͤhrung öffentlicher Aemter Muße genug
übrig ließen, mit.den erſten Würden bekleidet wurden *).
Solon unterfchied, fagen Plato und Iſokrates, wo Arc
‚em von Gleichheit, ‚oder vielmehr Billigkeit; bie eine,
die alles zu gleichen Theilen austheilt: die andere, die
einem: jeden daejenige giebt, mas: ihm.zufdmmt. (Ge |
verwarf die eeſte, die Gute und Boe, Faͤhlge und Use
faͤhige gleich ſegt, als ungerecht, und. führte ngegen
diejenige ein, die einen jeden nach feinen Verbiuflen
„betont oder beſtraft, hervorzleht oder vernachläffige ⸗).
Endliich befriedigte Solen beyde Partheyen, die meiſtens
in allen Freyſtaaten gegen einander aufgebracht find, und
wovon die eine faft iaumer Unreche thut, und die anbere
Unrecht leidet. Die Armen und Geringern freuten fich,
daß fie alle Megifrataperfonen wählen, prüfen und ſirg⸗
. Ten, ‚und bey vermehrtem Bermögen ſelbſt zu allen Ehe
U
Ark, VL 4, Iloet. I. 248, 297. beſ. 331-934.
ds de awrouas armen, exeiva deyvaneres.
we, dr des Tor ner dluov dsnee Tugamıny xe-
Digarıı TuS BEYaSy Kai ** res sia-
Mmueruvorras , nl Keniv "el rν au
Orrdnrapenon Tas be OXOXm ayen dwaus.
yus, Kos Pıov inaver —A
Ta Kovav, Bowle bmeutaran, as dineiss
Miv Yeraouavus enäsveisIau, Kos Sepyen Tauryy
TV Ti... Kanne de Äösnezires undenas
evrpapms Tuyxare, AA Tis Meyıziid
’ BEATUETEN: . |
MM) Plüt, de Leg. VI. p. 957. & Iſoer, 1, Ja, Diefer os
danke Hear bey den beruͤhmten Ariſtoͤteliſchen Fincheis
Jang ber Gesedhigteit in die austheilende und ſtraſende
um Grande. tie, V, $ v .
Geſchichte der Sriechiſchen Sobhiſten. 8
renſlellen gelangen Pönnten; und die Relchern imb Vor⸗
nehmen hätten Feine Urſache ſich zu beſchweren, daß ſte
von ſchlechtern Menſchen regiert, ober dieſe ihnen vorge-
fat würden *2). Kin ſolcher Staat, ſagt Ariſtoteles,
muſte nothwendig gut verwaltet werden, und unter der
Herrſchaft der Geſeze ſtehen **); umd wie, ruft Iſokrä⸗
(6 aus, wäre es moͤglich, ine vollkommnere und feſter
gegründete Demefrase zu erfinden, als in welcher alle
Magiftratsperfonen vom ganzen Volke erwaͤhlt und. ges
richtet, aber nar die beften und fühlgften Bürger zu fe
fentlichen Ehrenſtellen erhoben wurden +)? 0
Mit nicht geringeren Sobfprüchen, als womit dieſe
Weltweiſen von der Verordnung über die Befezung dee
Aemter reden, erheben fie ein anderes Geſez Solong,
vermoͤge deſſen Magiftrarsperfonen nicht durchs Soon,
.
®) Avayın de moltevsuevas ST Welsrsuechey
ums. TE VE ax er die Toy [BeArıe
guy ETOyTu, TE INUE HsAouevs,: x "TOis
ERIESKEOIV 8 DIOVEVTOS. 8 TOIS ETIEINETE Ko
YYagıois BEHBCHV esvas ræurnv TNV row. &0-
YovTas yuo 8X, Um aRay Keıpovav. Ka ogf8-
os dns, din Ta Tav EuSuvay Eau Kugias
j Eregss. VI. 4. de civ, Aritt,
“) IV. 6 on
+) Moer. 1.324. Kos To Tws av TIıs TaUrTns 4 fe
Baıoregav, n dinmioreouv Önnoreurinv Eupen,
Ts Tas 'uev dwarwrarss em was menfee
nadızaoys, Burav de Taroy Tor dnnor xygior
BUSCH.
Zweyter Band. I €
u. Su 0
ſondern burch die Seimmen des Volks gewaͤhlt wurden *).
Durch dieſes Geſez behaupteten die Vornehmen und
Moͤchtigen ſtets einen großen Einfiuß auf die Wahl von
Muagiſtrats berſonen und die Beſezung von Ehrenſtellen.
Denn ungeachtet nach der Solonlſchen Oefengebung bie
edlen und reichen Gefchlechter den gemeinen Mann nicht
mehr willfürtich beherrſchten, oder drüden konnten; fo
blieben doc) diefe noch immer ohngefähr In eben der Abs
“ Hänzigfeit , in weicher in Rom zw:den Zeiten der Frey |
heit di? Elienten von den Patronen maren, und die ganz
natuͤrlich daher, entſtand, daß die Geringen faft alle von
und durch bie Begüterten ihren tebensunterhalt verdien
gen **). Die reichen Häufer alfo, bie vielen Aermern
Arbeit und Mahrung gaben, Fonnten ſich und ihren
‚Rreeunden immer ſehr viele Stimmen verfchaffen, indem
* Clienten ed nicht wagen durften, wenn fie anders
nicht ihre Beſchuͤzer und Wohlchoͤter beleidigen wollten,
ihre Stimmen andern als folchen zu geben, für bieman
fie gebeten harte. Aus dieſem Grunde fehen baher IM |
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‚de To TEOXpIveiv TUS ETIEINESATES, Tov Inpov
"E00 Is KYgsov eieo9adı Tas WYEROVTAaS aA
5 nv nafesausav erstes. Vide etiım Ariſt.
de Civ. N. io & IV.9. Avxeı Önnöxenrixon Br
eva, To KÄNESTRS Bivan Ts EX, Ted cr
gerus, DArYaoXinev. dc, |
Ifoer. I, 326. Befönders lefe mar den Polybius über
den großen Einfluß, den der Senat in Mom in dieſer
Ruͤͤckſicht auf den Plebs Harte. HIR, VI. 25. |
“
u
Geſchichte der Geiechiſchen Sophiſten. 35
wohl Ariſtoteles als Cicero die Art, Magiſtratsperſonen
öffentlich durch Stimmen zu ernennen als heilſam und,
ortitofratifch; und hingegen eine jede andere Art, wie
die durch Steinchen oder Täfelchen oder durchs Loos,
wo die Meynung eines jeden geheim und umbefannt blieb,
oder alles Urtheil gar aufgehoben würde, als ochlo⸗
ſokratiſch und verderblich an ®). |
Eine nicht minder vorereffliche Eintichtung des Eos
ion war dieſe, daß er die treufte Verwaltung öffentlicher
Woͤrden nur allein durch Ehre und Anſehen, aber’ gar
nicht mic Geld und andern Vortheilen belohnte, und daß
er Hingegen biejenigen, welche die ihnen anvertrauten
Aemter gewiſſenlos geführt harten, firengen Richtern
überantwortere. Du den Zeiten der Borfahren, fagt
Iſokrates ), buhlte man nicht, wie jego um öffentliche
Ehrenſtellen, weil man fie mehr für befchwerliche Buͤr⸗
den, als für Gelegenheiten fich zu bereichern, ober für
ein einträgliches Gewerbe anfah, Damals war es viel
fhwerer, Perſonen zu finden, die öffentliche Aemter
übernehmen wollter, als jeso ſolche, die auf Feine Ehe '
renſtellen Anfprüche machen; und das Bolt muſte daher
bisweilen große Männer faſt zwingen, hohe aber bes
ea ſchwer⸗
—— — ——
®) Dan ſehe Ariſt. de Clv. IV, 9. und was Cicero de Leg,
Ist. 15. r6. über die legen tabellaries fagt, _ Wende
Weltweiſe dacıren mit dem Sokrates Übereinkimmend,
als weichem feint Klaͤger vorwarfen, daß er den Ather
imienfiihen Juͤnglingen Geringſchaͤzung der Geftje ſei⸗
Net Varerfindr-eingefibgt habe, indem er es für thoͤricht
erklärt, Me Regteret der Stade durch's Raps zu wählen,
da man auf Diele Art weder Steuerleute, noch Baus
meifter, noch Fioͤtenſpleler, noch andere Künftiee und
Arbeiter, deren Fehltritte mit viel geringerem Schaden
für's Ganze verbunden feyen, zu mähten pflege, Me-
mor. Sack. ı. 2: p. m. Ed, Tbiein, 4
ee) Ateoꝑ. I: 324. 93: Panog, Il, 2:6, Panaid enale,
6 Che Bf,
ſchwerliche Würden anzunehmen *), Wenn jemand ein
Amt erhalten hattes fo forichte er nicht gleich am erſten
Zage feiner Einfesung nach, 0b feine Borgänger nicht
noch ırgend eine Quelle des Gewinnſtes uneröffnet und
ungenuzt, fondern ob fie nicht etwa ein dringendes Ges
ſchaͤfft vernachläffige oder unvollendet gelaffen Härten. —
Durch diefe Abfonderung aller andern Bortheile von Ho»
| hen. Ehrenftellen (die der dffentlichen Hochachtung ihrer
itbuͤrger ausg nommen) erreichte Solon den großen
Zwveck, daß die Mermern, welche ihrer Duͤrftigkeit we⸗
per nicht zu öffentlichen Magiftratsnerfonen erwählt wer⸗
en fonnten, ihre Dbern und Borgefezten gar niche bes
neideten, und ſich auch gar nicht nach dem fehnten, was
[e nichr erlangen oder befizen Fonnten., Beil gar feine
infünfre nııc den öffentlichen Aemtern verbunden war
ren; fo wollte der Pobel, der immer begleriger nach
Vortheilen, als nad) Ehre und Anfehen ift, lieber arı
beiten , als fich mit den Argelegenheicen des Staats bei
fangen *). &o wie aber Solon dafür forgre, daß
eine unwuͤrdige oder haabjüchtige Menfchen fich in wich⸗
tige Aemter einfchlichen, oder eingufchleichen Luſt befar
men; fo forgte er auch dafür, das Magiftrarsperfonen
die ihnen anvertraute Macht nicht mißbrauchen konn⸗
ten, indem er jie alle vom ganzen Bolfe,, ‘oder von Pers
fonen, die aus dem gangen Volke gewaͤhlt wurden,
prüfen, umd nad) abgelegten Würden richten lieg Er
machte das Doif, um mic) einer Redensart des Iſokra⸗
. tes
a und ®
*) Dies lejtere fagt Demofth, in exordile,
er) VI. 4. de Civ. Ein Beweis diefer Bemerkung, fezt Arie
fioreles hinzu, iſt diefes, daß mehrere Völker afıe
Despotien und Oligarchien geduldig erırngen, wenn fle |
nur nicht in ihren Arbeiten geſtoͤrt, und des Ihrigen
beraudt wurden.
Gefchichte ber Griechiſchen Sopbiften. 37
tes *) zu bedienen, gleichſam zum Tyrannen derer,
bon welchen es regiert worden war, um die Llebertreter
ber Gelege und ihrer Pflichten zu züchtigen; und zwang
die Magiſtratsperſonen, durch die Furcht vor der Stras
fe, ihre Aemter treu zu verwalten, und nicht alles zu
ttun, zu wollen, was ihnen beliebte *),. . -
Alle diefe Verordnungen waren eben fo viele Zuͤ⸗
gel, womit Solon den Pöbel bändigte. in anderer
gleichfolls flarfer, aber nur weniger fichtbarer" Zügel,
war die Sammlung von Geſezen und Einrichtungen,
wodurch er den gemeinen Mann zur Arbeitfamfeic an⸗
trieb. Er begnuͤgte fich nicht damit, Die Geringern —
die ſchmeichelhafte Ausſicht, mit der Verbeſſerung ihre
Gluͤcksumſtaͤnde fich zu den erften Würden hinaufſchwin⸗
gen zu koͤnnen, zum Fleiß oder jur müzlichen Geſchaͤfftig⸗
feit anfzumuntetn,; fondern ee nöchigte fie auch gewiſſer⸗
maaßen dazu, indem er den Areopagiten die Macht gab,
Alle diejenigen, vie feine ehrliche Handthierung trieben,
nad) Öurbefinden zu ftrafen **®), und indem er die Soͤh⸗
ne don aller Berbindlichfeit losſprach, ihre Vaͤter im
huͤlſtoſen Alter ernäßren zu Dürfen, wenn ſie vom ihnen
wicht zu näzlichen Arbeiten oder Handwerken wären an
gehalten, ober darinn unserrichter worden 7). Auf
diefe Art wandte er das Bolk zum Feldbau, und zu an⸗
dern mijfichen Gewerben hin, indem er wohl wuſte, Daß
Trägbeit Die Mutter der Armurh, und Armuth bie
Quells aller Bos heit und Ötirberseäcprigfei ſey 7; daß
ein
3
1328. |
") Ariß.VL 4. un
#40) Iſoex. 1. 334. Plut. in Sol; I. 361,
+) Plut. I. 360. |
+4) Ifoer. 1338.
38 Sechſtes Buch.
ein härftiger Poͤbel einen jeden Freyſtaat ſtuͤrze ), weil
‚ein folcher ſtets auf Öffentlichen Plägen berumtreibe, leicht
zuſammenlaufe **), und fich flets nach fremden Yütern
ober nach Meuerungen fehne, wodurch fein Zuftand vers
beffert werben könnte: und daß hingegen diejenigen Des
moftatien die vollfommften ſeyen, in welchen das Volt
ans Ackerleuten und Hirten beſtehe, ats weiche durch ih⸗
ze tebensart zu alten Muͤhſeligkeiten des Krieges abgehaͤr⸗
tet, umd im Frieden durch ihre elgne Arbeiten zu fest
befchäffrige wuͤrden, als daß fie fich gerne oft verſamm⸗
fen, ober um andere befümmmern, und ihnen zu ſchaden
ſuchen ſollten HD. Solon erreichte auch feine Abpehe
I vo
® Ark, de Civit. VE 5 7237. a Ed. Heisk
Adın. dar vv @AnIwas dyparınor ogau dzas Te
BANIOS 109 Auav 6TKOLOy U, TETO YO aıTıar TE
poxIungur eva Te ÖNMOREBT u.
. 4) Ib. e. 4. p. 714. 713. ‘Q vxx⸗ Bias Dasuhos,
wor uder EoYor MET OEETUS, ON HETOYEIHen
vd To mANdos Ta Te Toy Aavanany Ka To Tu
oc ayIguzov, zo Fa Inrınav. ori de,
Ta Teeı Inn YagaEı no Te su MulsecYaus
——
mon Ta TOHTay Yeros, ws me ondıms urän-
—X |
H Ariß. de cirit. VI. 4.p. 710, BeArısos yap Anuos,
6 Yeneyıras esıy. age um Zasıy evdexeran
Önporenriuv, 038 {n vo MAnYos aa Yeneyızzs
yvomns. dio Mey Ya To un Kor Keıay eyes,
aciyekch. se un Koiuxıs snxAnsiolen. +08
To HUN ENEW T VAN, MLOS TOIs geYos
darafscı, zo Tay aRoremv au ewiduuser.
ch ndıov To seyaleedaı TE ToAsreVeodar xieı
aeXev, 0A8 av ANY ÄNUKUTE usyarıı ao
nt ' Toy
-
Seſchichte der Griechlſchen Sopbiſten. 39 |
slfemmen, wie man aus den Schilderungen fieht, bie
Jſokrates von dem Athenienſern vor und furz nach den
Perifchen Mriegen macht ). Nach dem Berichte bies.
ſes Redners brachten die meiften vornehmen Arhenienfer
noch im Zeitalter des Ariſtives den größten Theil des '
Jehrs auf dem Lande zu, mo fie größere und geräumis -
gere Häufer , als ſelbſt in der Stadt harten. Cie far
mm nur fehe ſelten, nicht einmal ſtets an großen Feſten
jue Stadt, weil fie lieber das Ihrige in der Stille ges "
nießen, als an gemeinfchaftlichen Luſtbarkeiten Theil nehe
men mochten. Auch unter den Aermern durfte feiner, _
der uf n Arbeit hatte, befuͤrchten, in fchimpfliche
zu verfinfen, denn bie Reichern waren bereit,
ihren — Mitbuͤrgern tändereyen gegen einen
geringern Zins gu verpachten, oder fie auch in andern
Gelchäfften zu brauchen, wodurch fie für fich und ihre
Zamilie reichlichen Unterhalt finden Eonnten.
Das größte Gegengewicht aber gegen bie Gemals
des Volls legte Solon in bie Hände des Areopags und
bes en Raths, der von ihm zuerft eingefegt wurde,
eo) gichteten nicht nur über teben und
* ſondern übten auch g fun: Aufſicht über bie
—* — und bald nachher pP 714. —
o Yeneyınov aAudos, Beirıscs dymos. .
BE OB VOBEIS EICI, K-CMOH 70 Boexnue- ..
Toy. Boa Yag EX Tg Yeoeyız RALETM-
Bis. 0 TE DEE Tas. kalyınas wgofen,
parcH uro Yeyumvoopere vos üfeıs nou
area vo vumere, au duvaevoi Fuganı
®)\1.p. 326. 397. In Arcop.
(6 ⸗
ee) Deren A neorRheindig weißes nur de
—
[U U} %
-
m .. Srechfle Buch.
Grten und febensart aflee Stände, Geſchlechter und
Airer aus, and muften Darüber wachen, daß alle Geſeze,
anf welche Solon das Wohl des "Staats gebaut hatte,
genau beobachtet und erfülle würden“). Sie unterfuch:
sen, wie und wovon ein jeder lebte: zogen .einen jeden,
der die guten Sitten beleidigte, vor ihr Gericht, und
ermahnten oder drohten oder ftraften ihn fogar nach Gut⸗
hefinden. Sie ahndeten an der Jugend ederlichkeit;
an eswachfenen Perforien Muͤſſiggang oder Schaamlo⸗
figkeit: und ſelbſt an Magiftrarsperfonen Machläffigfeit
oder Treuloſigkeit in ihren Berufsgeſchaͤfften, fo wie fie
Vorgügliche Verdienſte oder herverſtechende Tugenden und
gute Handlungen belohnten *).“ Durch dieſe Macht,
die fich-über alle Athenienſer erſtreckte, wuͤrden bie Arevo⸗
pagiten Ihren Mitbuͤrgern eben fo furchtbar als ehrwuͤr⸗
Ug geworben ſeyn, wenn fie auch nicht, wahrfcheintich
nach einem Gelege Solons, berechtigt geweſen waͤven,
ih Zeiten der Noch, die ganze hoͤchſte Gewalt auszus
Üben, und fait alles dasjenige zu hun, was in &hıliz
chen Fällen den Dieratoren unter den Römern, . oder
auch den Conſuln erlaubt war, weon dee Senat ihnen
Me ganze Republik übergeben hatte }). |
Eine noch viel außgebreitetere Gewalt, als der
Areopag von dem Solon empfieng oder beſtaͤtige *
8 W bet,
Ging nel a ————————— ERPEEtEEEnGT Gute
Plut. 1, 352, Ifocr; 1. 329,334. & ſeq.
66) Ifoer, |. e, vide & Meurf. e. 9, Areop.
9. Man fehe Lyeurg. adverl. Leoer. p, 134. Meurf. Areop,
e. 9. & Petit. p. 243. inprim, Dinarch, sdr. Damofih.
58 & 100, Ed. Wolfii integ Demofih, . Der
“ Areopag muſte auch für die Erhaltung der Wege und
der Öffentlichen Religion forgen, und dahin fehen, dag
Saftmäler nicht mit größerer Pracht, oder mit einer
gebßern Anzahl von Tifhgenoffen, als es nach une
wnbelannten Geſezen erlaubt war, gefeiert waͤrden.
Sefchichte der Ontechifihen Sophiſten. 44
übergab dieſer Geſezgeber dem heben Rach Dar Vierhun⸗
derte, den ern zuerſt ſtiftete, und welchem er den größten
Tereil Der Worrechte der bisherigen Archonten übertrug *),
Solon ließ nemlich den Archonten **) nur einen kleig -
nen heit ihrer vormaligen Macht und Gerichtsbarkeit,
die fin miche mehr einzeln, ſondern gemeinſchafftlich
ausäben mußten **") Sie entſchieden arſtlich alle Ches
fachen ung unterfuchten die Klagen über geringere Ce
welsıhärigfeiten uhd über die Unordimmgen , welche bes .
eunfene Perfonen verurfacht hatten 7). ie batten
Die Auffcht über die Guͤter und Augplegenheiten von
Witwen nad Waiſen, beionters folchen, die von tar
pfern für's Vaterland gefallenen Kriezern nachgetaffen
waren, Sie beforgsen endlich die Feſte des Balchua .
und Die Thargelia, und waren bie Dorjizer bay ber Zahl
yon Richtern, bie aus ben ganzen Volke durchs Looq
aezogen wurden PP). de hohen Rath der Run
$ | erie
a
*) Mach Solona Einrichtung wähle eine fie Burn
Bundert Senatoren aus ihrem Mittel, die aber nur
aus den drey erftern oder beguͤterten Claſſen der Buͤrger
genommen werden konnten. Plut, I. 352, Sn der
Folge ging mit diefent Senat eine’ große Veränderung
vor, von welcher ich zu ihrer Zeit reden werte,
u) Dirk wurden noch immer ſehr ſtrenge geprüft, weil fie
nach Miederlesung Ihrer Würde in den Areopag über
gesen, Petit, p, 237. & Demoftb, p, 373. Ed, Wolßil,
ub Re. " -
®#®) Diog. 1,58, Meueſ. de Arch, I, 7. Polluz VII. e. 9.
1.
1) ih. a
tt) Ib. In ſpaͤtern Zeiten waren fie auch) yauoBuAuxes
Damafth. 279. & Uiplan, p, 156. ip Demalih, Ich
glaube aber, daß fle diefes Geſchaͤfft erſt erhalten haben,
nachdem Ephialtes die Mast deg Frcopag denn «6
vom Solon anvertraut war, vermindert hatte,
2’ ‚2.17 5.17 5
derte hingegen übergab Solon die Berwaltung aller wich⸗
eigen Neglerungsgeichäffte, ſelbſt derjenigen, gu deren
“ Ausführung oder Enticheldung des Denfall des Volks
erfordert wurde. (Ex. allein hatte die Schlüffel zu dem
Schage, und den Archiven bes Staats *): ur er bes
ſaß einen Tell dee gefesgebenden Gewalt, indem er
Schluͤſſe wachen konnte, die ein ganzes Jahr die Guͤl⸗
tigkeit von Gefegen hatten ”*): er allein hatte Bas Recht,
Merfonen, die der Derrächeren des Vaterlandes ſchul⸗
dig oder verdächtig waren, oder die auch Staatsſchul⸗
den nicht zur rechten Zeit abgetragen hatten, ohne weites
re Unflage ergreifen, und ins Gefängnis werfen zu lafs
fen **%). Er allein beforgte Die Erbauung neuer Schife
fe, und die Ausröftung won Fietten und Herren *"**),
und hatte endlich das ausfchliegende Mecht das Dolf zu⸗
ſammen jurufen 7), und vorläufig über alle Sachen,
‚die dem Volle vorgelegt werben ſollten, zu rachſchlagen,
und fie ihm alsdann erfi vorzutragen T}). &olon uns
terfagte es bey einer hohen Geldbuße und ſogar Bey
GStrafe ewiger Schande umd Ausſchließung von allen
Volfever ſammiuugen TI}, dem Volke icgend ein Safe
vor⸗
®) Petit. Leg. Att. p. 190. 197. \
°.) ib, p. 181.
“e) Paris, pm. 213. In andern Fällen durfıen fie aber
sen Atteuieufer ſeſſeln, der drey ibm am Vermögen
sche Bürger ale Buͤrgen Rellen Eannte: auch durf en
e niemanden über fünfhundert Dramen, sber ER
jwoͤlften Theils eines Talenıg ſtraſen.
O4) Petit. p. 215.
welches in fünf und dreyßig Tagen viermal geſchah.
v 8 Ariſtot. in frag. de Ciw, Athen.
4) 75 ib, & 143. Flut. p. 352. Demoſth. p, 375. 441.
. 467. Ä
AD 5. 10p Prtit, & Demo, U, ce.
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 4
vorzulegen, was man nicht vorher dem Rathe mitger
heit, usb von ihm hätte erwägen laſſen. Durch dieſe
welfe Verordnung brachte ed Solon dahin, daß das gan⸗
ie Bolt zwar nuͤzliche Geſeze und Anfchläge verwerfen,
ober feine neue fehädliche machen und einführen, und
daß es auch im Den alten Geſezen, und ber Grundver⸗
foftıng gar nichts verändern konnte”),
Solon glaubte aber noch nicht einmal, durch diem
Beranflaltung die van ihn geordnete ©taateverfaffung
feſt zeuug gegruͤndet, und gegen die Angriffe des Wolfe
oder -verfchmisten Volksfuͤhrer gefichert zu haben. Er
machte deßwegen noch mehrere nüztiche Einrichtungen,
wodurch die Heiligkeit feiner Geſeze erhöht, und die Ges
bung neuer Gefere fo ſehr erſchwert, und fetbft gefährlich
gemacht wurde, daß man kaum begreifen Bann, wie die
ur und Oemwalsthätigfeit verführerifchee Demagogen
doch noch über bie Weisheit und Vorherſehungsfraft bes
©efejgebers haben fiegen fünnen, Solon gebot **),
daßf fein Raths⸗ oder Volksſchluß wider ein wirkliches
Orfej geiten, und daß feiner befugt fenn folte, die Abs
ſchaffung eines alten Qeſezes anzucatgen , wenn er nicht
zugleich ein neues näzliches am deſſen Stelle zu geben
wuͤſte. Auch in diefem Falle nerpflichtete er einen jeden,
bende Geſeze, fomohl das alte, ald das neue, zuvor dem
hohen Rathe vorzuiegen, und biefen, bie Diüjlichkeie und‘
Schaͤdlichkeit des einen und bes andern unterfüchen zu
-
Li
·
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®, Ari. de Cir. IV. 16 p. 494. — 00 m via:
MoAremus esıv, ur meracı MeoßsAsus, vu
vouopsramas. Rau weg Tara enden,
mecı ou av Bro meolsAsucwcs. &ro A
pos pelefeı ra BsrsuraIe, vo —æ*
vuosTas T@V RER TAN OUT. -
°°, Demofth. 1, ce,
\.
m
**
\
44 | . Sechſtes Bud,
loſſen. Bände alsdann der Senat, daß er das neue Seſez
bag nicht leiſte, was es verſpreche; fo ſollte davon vor
dem Volke gar nicht geſprochen werden. Urtheile Hin
gegen ber Senat, daß das neue Geſez nuͤzlich und das
alte (chädlich ſey; fo follten in dieſem alle begbe Geſeze
an einem öffentlichen dazu beſtimmten Plaie aufgeſchrie⸗
ben, beyde mehrmalen in öffentlichen Bolfgverfamme
lungen vorgelefen, und endlich erft das Volk befragt
werden, ob es das eine vertilgen, und dad andere an
deſſen Statt annegmen wolle, Zeige ſich aller dieſer
in der Zolge durch die Erfahrung, dag. das neue Gefez
wachtheilig fen; fo ſolle ein jeder Achenienfischer Bürger
die Freyheit haben, denjenigen, der e6 zuerft vorges
fchlagen,, ale einen Beleidiger ober Zerflörer ber Geſeze
anzuklagen, und ber Anracher folle alsdaun, wenn et
Binnen Zahesfriit vor Gericht gezogen werde, zu einer,
dohen Geldftrafe verdammt, aber quch feiner Ehre vers
Inftig erfläre werden,“ Nach ber Berfliefung dieſes
Zeitraums aber koͤnne zwar die Klage nod) immer an
hängig gemachts allein der Schuldige nicht weiter ala
- Qurdy die Abſchaffung des, von ihm gegebenen. Geſezes
beſtraft werden,
Wenn man nun bie von mir aus den, glaubmür«
in unmöglich anders urcheilen, als daß die Geſeze des
Solon vortrefflich, und feine Staatsverfaflung weiſe
und heltſam geweſen fey, weit fie nicht auf das Oluͤck
oder die Wohlfarth eines Einzigen, ober einiger Weniger,
oder des Poͤbels allein, fandern auf die Wohlfarth bes
ganzen Volks abzielten *), Er ruͤhmte ſich mis Recht,
. Ä daß
N Di Nqozlichkeit oder Schaͤdlichkeit der Geſeze, ſagt
Ariſtoteies, wird durch die Negierungsform beftimmnr.
. » 8
Noften Urfunden hervorgezogenen Hauptſtuͤcke der So⸗
laniſchen Geſezgehung reiflich durchdacht hat; ſo Farm
Seſchichte der Gricchiſthen Sophiſten 145
daß er allen Gliedern des Staats dasjenige gegeben,
was ihnen zukomme, und zu ihrem Gluͤcke diene, und
daß er alle Theile des Volks fo ftarf geinacht habe, daß
fie ſich Hinlänglich zu vertheidigen im Grande wären:
ohne doch andern Schaden zufügen zu können *). ES.
verlieh freglich den Volke die hochſte Gewalt **), allein
diefe Gewalt war nichts weniger als uneingefchränft,
die Reglerungsform, die et den Arhenienfern gab, mat
nicht eine Tyranney des Pöbels, oder Demofrätie TR
der Bedeutung, in welcher Arifteteles uns Plato dies
Mort in einigen Stellen nehmen, ſondern ein gemaͤßig⸗
ted zur Ariſtoktatie fich hinnelgendes Volks » Regiment,
in welchem der große Haufe die ihm äbergebene Macht
weder zu feinem eigenen Schaden, noch zur Unterdeds
dung der Reichen und Vornehmen gebrauchen konnte N
ED einen te
GSo viel aber ifk offenbar, daß in einer jeden Verfaffung
diejenigen Geſeze gut und gerecht find, welche das
Wohl Aller befüzdern, und diejenigen hingegen fehädlich
und ungerecht, weiche auf das Gluͤck eines Einzigen,
uber Weniger, Oder det Armen, und nicht des ganzen
Volks abzweden. Ari, de Civit. il, 7. in fine,
9 Ap. Plat. 8, 351. | '
“) Die hoͤchſte Gewalt beſchreibt Ariſtoteles folgender Ge⸗
ſtalt. IV, 14. Rugioy d’ esı To BuAevousvov megı
BONEME Ka EIonvnS , xoœs GUUMRNIOS nos dicsAu-
Vens, AI Tee Vonav, no Nee Jovaats, Kae
Quyns, na dnueusews nal Toy &uguvar.
H Sowehl Plato, de Leg. VIII, p. 584. Ed. Raf. Gr.
ats Ariſtoteles III. 3. nennen ſolche Regterungsformen,
in weichen ein Einziger, oder einige Wenige , oder auch
das Volk die hoͤchſte Gewalt befizt, und dieſe hoͤchſte
Gewalt zum . allgemeinen Beſten Aller : ausübt,
morrrescas , und diefe beiegt der fextere mit dem Na⸗
men. der Monarchie, Ariſtokratie und deu Politie hu
ums
’ L Bu Sechſtes Buch.
Er vereinigte, wie Ich gegeigt babe ' in feiner Staats⸗
verfaſſung alle Vollkommenheiten, welche die größten
WMaͤnner in allen nachfolgenden Zeicalsern nad) Beobady
tungen, bie fie über die Schickſale unzähliger Republi⸗
Ben angeftellt hatten, als die uncräglichften Kennzeichen
unverbeſſerlicher Regierungsformen. angaben, und ſah
mit
der engern Bedeutung. Solche Verfaſſungen hingegen,
wo Einer, oder Meiſten ihre Macht
dzur Beförderung ihrer eignen Votthelle und zum Scha⸗
dem der übrigen mißbrauchen, mennen fie Fagexſoce.
VE Toy Bolten, wder Tuplviıdes, Ausar
zungen gerechter beilfamer Berfaffungen; und bien
geben fie die Namen Desporicmus (TvpRewsıs),
Oligarchie, und Demokratie. Die Bedeutung biefes
kEeiten Worte beftimmt Ariſtoteles gemeiniglich durch die
.Zuſaͤtze 4 vor Anporearın, n Teleurast, 7 &
OxXwTn Anygonparees weit zinaner, und underſcheidet
fie dadurch von der DEIN Anponpœorax, welche mit
morTesch in der zweyten Bedentung gleichgeliend HR,
Eben dieſer Weltweiſe nimmt das Bor Zorırem
noch in zwoen andern Dedeutunden, die von den bey⸗
den Jet. angegebenen verſchieden find. Er drück mämlid
dadurch bisweilen Resierungsiorm überhaupt aus:
IV, 1 Fohrea mey Yag ei TaEıs Tas worecw
M BERs TS UEKac, TEE TEEN VEYRuNyTEL,,
WO TE TO RUN TAS RONTEEE on Ta To Feios
ÜKaSUS TUE Kovamas ech bisweilen aber auch
Ariſtokratien, die einen Hang zu Demotratien haben.
V ä tas vae amonweres MaRo mcoL Tu
BASYOEXIEY, OBISOREETEE Warncı, us Ve
wer: vo mind, morrewe Golde Ariſtotr-
ten, die vinen Bang zu Demokratien haben ‚ fud frey⸗
lich von ſolchen Dempbrarien, die einen Hang zur Ari:
Röbsacie Haben, woefenslich nicht verfhiehen.
_ Schbichte ber Srichiſchen Eat ”
mit Gewunbernswürbigem' Scharffinn alle die Mittel dee
Erhaltung und die Urſachen der Verderbniß von Stoe⸗
ten voraus, welche die feinſten Grübler in fpäcern Zeh.
sen erſt aus mehr als hundertjaͤhrigen (Erfahrungen zus
fammen ſammleten *), Senn alfe das fefle Gebaͤude,
was er aufgefüßer hasse, In ber Folge erſt unmerklich
untergraben, und endlich ganz umgeſtuͤrzt wurbe; fo
war dies nicht Soiens Schuld, fondern Dir Wirkung
von Dorfällen,, die fich gar nicht vorher ſehen ließens
wenn auch eins, oder dad andere feiner Geſeze nicht
Pi olle Be Zölle ‚ die ſich Jahrhunderte nachher eräugneten,
war; fo hatte die Solonifche Geſezgebu
Diefes mic allen übrigen Syſtemen von Gefegen gemei rd
uud man muß diefes nicht ſowohl einem Mangel von
Weisheit im Solon, als der Eingefchränfcheir menſch⸗
licher Kräfte und Keuntniſſe überhaupt wufirelben >
,@) en fiße beſenders Arill, de Civit. IL 10. VL, 48.
— ames mi Grube ın Edi Ge Fr
55 te; ſo waͤre es meinem Urtheile
dieſes, Daß er keine — — machte, daß mit
Ber des Re der Arhenienfer auch die
Odäguns ber In ame —** von Bürgern erhoͤht
werden * teles bemerkt richtig, daß in ei»
nem jeden Sreuftaate, in welchen die öffenılihen Aem⸗
zer nach-der Schaͤzung oder dem Wesmögen ber Bürger
beit werden, ſich Geſeze finden follten, nach weichen
der Verminderung oder Vermehrung der Meichibh
* der Familien auch die Schaͤzung erhoͤht oder herab⸗
würde. V. 8. de Ci, Wenn Solon bier fehlte;
fehlte er wie blige andere, beſonders wie der
große Roͤmiſche König, der die Römer nach ihrem ver
ſchiedenen Vermögen in Centurien einiheilte, welde
Eimibeilung mic den ſchnellen Mahsıhume von Reich⸗
Fey den erſten auswärtigen Eroberungen von
oder doch ihse ripeunglige Adſicht 8
> u 2.77, 7:77 56 .)17,
Unter den Abrigen Geſezen Solons, die nicht eigentliche
Grundgeſeze find, und auf. meichen nicht die ganze
Staatsverfaſſung berufte, will ich nue noch kurz mit
Webergehung aller derer, die zum peinlichen und buͤrger⸗
lichen echte gehbren, viejenigen beräßren, die er zur
Erhaltung ber Unverfälfchrpeit ves Athenlenſiſchen Boiks,
jur Bewahrung der Reinigkeit der Sitten, endlich,
welche er Über die Erziehung von Knaben und Juͤnglin⸗
gen, und über die Neligion gab. Auch in einem jeden
diefer Geftze wird man allenthalben Ben großen alles
— um
uni un
— u — — |
fehlen mufte. Unterdeſſen ſcheint mir Solon immer deß⸗
wegen weniger dadelnswerth, daß er.den kuͤnftigen Reich⸗
thum der Athenienſer Nicht voraus ſah, als die Haͤupter
des Volls nad den’ Petſiſchen Kriegen daruͤber Vot⸗
wuͤrfe verdienen, daß fie die jezt mangelhaft geworde⸗
nen Geſeze Solons nicht nach den Abſichten des Geſez⸗
gebers zu verbeſſern fortfuhren.
. + Unter den Griechen tadelte man den Solen am mei⸗
J ſten darum, dab er dem Wolke die Gerichte Abergeben
babe, als vor welche im der Folge alle wichtige Sachen
und Angelegenheiten Yesugen werden. I. 10 de Civ.
Ariſt. & Plut. in vita Sol p. 350. Allein gegen dieſe
Beſchuldigung laͤßt ſich Solon leicht rechtfertigen Cr
verordnete zwar, daß Richter aus allen Claſſen des
Volks follten erwählt werden koͤnnen; allein’ er weiſt
den Michtern weder Sporteln aus: dem öffentlichen
Schaze, noch ans den Caſſen der Partheyen en. Line
narärlihe Zolge hievon war, daß die Armen es weit
mehr vermieden, als ſuchten, in bie Gerichtshoͤſe zu
kommen, weil fie durch Siefe Ehre von ihren Arbeiten
wären abgezogen worden. Die vom Solon errichteten
Betichtsſtuͤhle waren alfo noch: fange nach diefem Ge:
.. ſezgeber fait ganz allein mit wohlhabenden Bürgern be:
Sept, und wurden 'erſt gefährlich , nachdem Ephialtes
ben Areopag gedemuͤthigt, und Perikles den Richtern
VDeſoldungen ‚zu. geben amgefangen. hatte. Man ſehe
hierüber Ariit. de Civit. li. i10. Vl. 5.
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſien. 49
umfaflender Geift des Solon su bewundern Urfache
finden,
Solon ſah es voraus, was Ariſtoteles nachher aus
ſeinen Geſezen, und aus der Geſchichte der Griechiſchen
Staaten bemerkte, daß fein Volks + Regiment lange ber
ſtehen fönne, in welchem der armen und bürftigen Büro
ger Im Verhaͤltniß mit den Beguͤterten zu’ viel, ober
worſnn der Pöbel zu arm und elend fey*). Er erleich⸗
terte daher Fremden und Flüchtlingen nicht allein nicht
das Athenienſiſche Bürgerrecht, fondern er erfchmer
te es vielmehr, indem er verorbnete, daß feiner zum
Athenienſiſchen Bürger aufgenommen werben follte,
weicher niche fein erſtes Vaterland auf ewig verlafs
fen ꝰ), oder fich nicht inn das Achenienfifche Volk
große Verdienſte erworben habe, oder der nicht wenige
tens eine ſehr mögliche Kunft befize. Selbſt In dieſen
Foͤllen ſollte einer nicht zu dieſer Ehre gelangen, wenn
er derfelben nicht von ſechs tauſend Achenienfern, die
ganz geheim durch geroiffe Steinchen ihre Meynung zu
erfennen geben muften, würdig erfanntwerde 7). Auch
nach der gluͤcklichſten Wahl blieben neu aufgenammene
Bürger flers von gewilfen Priefterfiellen, und von der .
Würde der Archonten ausgefchloffen, und es fland einem -
jeden freg, folche Perfonen nach ihrer Aufnahme vor
Gericht zu fordern, und als folche zu verflagen, die des
empfangenen Dürgerrechts ' nicht wuͤrdis ſehen 77).
Wenn
f B
EEE
—* I, 365. Plut. Zu und vor den Zeiten dieſes Schrift⸗
ſtellers waren die Gelehrten über den Bewegungsgrund
diefes Geſezes nicht einig...
4) Demoßb, in Neaer. p. so
+) Ib. & 232 p. - Faft alle Redner halten den Achenlenſern
die Strenge. ihrer Vorſahren in ber Verſcheutung des
Zweyter Band. D Kür
N
” %
. Strafen auf diejenigen, welche ſich unterfiehen wuͤrden,
das reine Achenienfifche Blut zu verfälfchen, oder dem
-
ww. Segdſtes Bud
Wenn mar nicht das Gluͤck gehabt hatte, auf eine bies
fer außerorbentlichen Arten in die Zahl der Athenienſi⸗
ſchen Bürger eingefcheieben zu werben ; fo onnte man
die Vorrechte derfelben nicht anders ald durch Die Ges
burt empfangen, indem man von einem Acherienfifchen
Buͤrger und der Tochter eines Athenienffchen Bürgers
erzeugt ſeyn muſte. Der Geſezgeber feste fehr harte
Staate unaͤchte Bürger und Pürgerinnen zu geben.
Wenn fich alfo jemand für einen Achenienfifchen Bürger
ausgab, und die Töchter eines Athenienſiſchen Bürgers
heirathete; fo hatte ein jeder das Recht, Ihn ald einen
Betruͤger anzugeben, und er wurde alsdann ats ein
Sclave verfauft, und fein Vermoͤgen eingezogen, wos
von aber dem Anfläger der driste Theil zufiel“). Wohn⸗
se hingegen ein Athenienfifcher ‘Bürger mie einer frem⸗
den als mit einer rechtmäßigen Frau zufammen; fo mus
Re der erfte tauſend Drachmen Strafe geben, und bie
festere wurde ald Sclavinn verfauft **), Moch viel
ſtrenger war das Geſez gegen diejenigen, bie es wagten,
eine Fremde für eine gebohrne Arhenienferinn audzuger
ben, und fie als eine folche mitelnem Bürger von Achen
zu verheirathen, Solche Derächter der Geſeze wurden
igrer bürgerlichen Ehre, und zugleich lhres ganzen Ber:
moͤgens verluftig esflärt, von welchem leztern man wies
U 0, — — ——
Buͤrgerrechts, und beſonders das fo oft wiederhehlte
Beyſpiel vor, daß die Zeitneoffen des Themikokles
und Arifidesfo gar den König von Makedonien, Amyn⸗
tas, der die Perfer an die Griechen bey Plataͤa ver
viech,, nicht des Bürgerrechte gewuͤrdigt, fondern ihn
—
nur zu einem Gaſtfteunde ihres Stade ernannt haͤtten.
. %) Demoßtb, in Neser. 519.
0%) 1b,
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. sı
terum dem Angeber ben dritten Theil zufommenließ*),
Durch diefe Gefege wurde nicht nur die Verſorgung der
Tochter der Achenienfer befördert, die fonft, wenn fie
ohne Reichthum und große Reize gewefen wären, frem» '
ven Buhlerinnen häufig würden nachgefegt worden feyn;
ſondern es wurde auch dadurch der Derführung der
Weiber und Töchter der Athenienſer durch Fremde,
und allen den Uebeln vorgebeugt, die in fpätern' Zeiten
aus einer zu großen Anhäufung und Vermehrung des .
Pobeld in Achen entſtanden **).
Weil Solon wuſte, wie gefährlich in einem Frey»
ſtaate Armuih, befonders diejenige Art von Armuch
fen, die aus Verfchwendung entfteht, und auf den ‘Bes
ſij eine großen oder onfehnlichen Vermögens folgt: fo
unterfogte er allen Berfchivendern, die ihre väterlichen
oder andere angeerbte Güter herdurch gebracht hatten,
öffentlich vor dem Volke zu reden, und fchloß fie das
burd) von allen Wuͤrden und Ehrenftellen aus ,. in des
nen fie, wie Aeſchines im inne des Geſezgebers ſagt,
bie Angelegenheiten des Volks eben fo untreu verwalten
würden, als fie das Ihrige fchlecht In Acht genommen
haͤtten 7). Die noch gefährlichere Beftechung ftrafte
Solon fowohl an den Gebern ald an ben Annehmern
von Geſchenken entweder durch Tod, oder gehnfache Er⸗
fezung, oder durch Ehrloſigkeit, wodurch man faſt alle
Vorrechte eines Athenienſiſchen Bürgers verlot, ben
einzigen ausgenommen, baß man unter dem Schuze der
Geſeje in Achen Jeben forte Tr). Die größte Strange,
De aber
U] ı
®) Ib. 524. p. |
*+) Man jede Demoſth. in Neaer. p. 533. ,
+) Aefchiner p. 175. in Timarch. —
+4) Daß Tod die Strafe für Beſtechung geweſen ſey, ſagen
Demofth, in Phil. II, &, IV. p. 48. 50. 61. in Ti-
moc,
!
‘
- begder Geſchlechter in allen Altern zu fchügen ſuchte, und
die allein faft ein kleines Geſezbuch ausmachen. Er ließ
R vorausſezt, daß fie wie in Rom in eben dem Maaße
| “ \ {)
— Sechſtes Buch.
aber auch Weisheit bemerkt man in den Geſezen, wo⸗
durch er entweder eine eingewurzelte Sittenverderbniß
auszurotten, oder auch fuͤr die Zukunft die Keuſchheit
das Geſez des Drako in ſeiner Kraft, nach welchem
man einen Ehebrecher, oder den Verfuͤhrer einer Mut⸗
ter, einer Schweſter, einer Tochter, einer Beyſchlaͤfe⸗
rinn, oder einer jeden freyen Angehoͤrigen, wenn man
Ihn beteaf, ungeitraft toͤdten konnte )), und verur⸗
theilte fogar die Keuſchheitsmaͤckler, oder die Unterhaͤnd⸗
ler zum Tode **), Einer überwiefenen Ehebrecherinn
unterfagte. Solon allen Schmuck, und nahm ihr bie.
Freyheit, anöffentlichen Seiten ericheinen, und mit den.
übrigen Athenienferinnen die Tempel der Ooͤtter beſu⸗
. chen
moc,. p. 458. Aelfch. in Tim. p. 183. 186. Iſoer. I.
363. Dinard) dagegen giebt Tod ober zehnfache Erfegung
(p. 100, adv. ‚Demoftb.) und Demofihenes ſelbſt Cin
Midisui p. 401.) ewige Schande des Schuldigen und
feiner Kinder als die Strafe dieſes Verbrechens an. Wiels
leicht waren die ftärfern Strafen die fpätern, wenn man
erhöht worden feyen, in welchem das Verbrechen allges
meiner wurde. Die Rede wider den Midias wer eine
der erflen des Demoſthenes. Plut, IV. 713.
#) Demofth, adv. Ariſtoer. p. 43°.
#*) Aclch. p. 196. in Timarch. Plutarch I. 361. fast, daß
Solon die Verkäufer der Keuſchheit der Athenienſerin
nen nur um zwanzig Drachmen geftraft babe. Aklein
er hat hier, mie in einer andern Nacheicht, bie id
gleich anführen werde, unſtreitig Unrecht. Die Stren
ge des Solon, gegen ſolche fhändlihe Menfgen oa
fehr weiſe. Denn ohne ihre Hülfe Eonnte in eine
Stadt, wo beyde Geſchlechter ganz von einander bon
fondeet waren, ſchwerlich ein unerlaubter Licheshand«
zu Stande kommen. | |
Gefchichte der Griechiſchen Sophiſten. 53
chen zu doͤrfen. Wagte fie aber das eine ober das an⸗
dere; fo war es einem jeden Athenienjer erlaubt, eine
ſolche Ehrloſe anjufallen, ihre Kieider zu zerreißen, ide
ren Schmuck gu rauben, fie zu ſchlagen, oder-auf eine
ondere Arc zu mißhandeln, wenn er fie nur nicht toͤdtete
oder verſtuͤmmelte *) Der beleidigte Mann durfte
sicht einmal, wenn er aud) noch fo gern? gewollt hätte,
eine ehrbrecherifche Frau ben fich behalten, oder er büßte
unmiederbringlich feine ganze bürgerliche Ehre ein **),
Bewaltſame Räuber der Keufchheit und Unſchuld von
Weibern , Jungfrauen, Knaben, und felbft von Sclaven
wurden von ben Thesmotheten vor eins der großen Ges
richte, welche Solon geſtiftet hatte, gebracht, und nach
DJ Der
w) Aeſch. in Timareh. p. 196. &. Demofth. in Neaer.
p. 521. Neuern Schriftſtellern zu Folge follen Ehe⸗
brecherinnen ihr Heirathsguth verloren, und die Maͤn⸗
ner das Recht gehabt haben, ſie zu verkaufen, oder als
Sclavinnen zu gebrauchen: Meurſ. Them, Att. I,.%,
Allein diefe Nachrichten find gewiß ungegränder. Viei⸗
leicht kommt manchem die Beftrafung von Ehebreche-
rinnen zu gelinde vor; allein man muß bedenken, daß
Ehebrecherinnen durch die Strafen, die Solon ihnen
auferlegte, faft zu einer ewigen Gefangenfchafft oder
Eingefchloffenheit in ihren Gemaͤchern verdammt wur⸗
den, weil die Athenienferinnen ſich ſelten öffentlich,
als an allgemeinen oder Familienfeſten, zeigen,
und niemals anders als geſchmuͤckt erfcheinen durf⸗
ten. Es gab in Athen fbgar eigene Magiſtratsper⸗
fonen, welche darauf fehen muften, daß Weiber uns
geſchmuͤckt ſich nicht öffentlich zeigten, und welche dies
jenigen beftraften, welche dies Geſez Übertraten, ſiehe
‚Pollux VII. 9. (.32. Man muß auch nicht vergefe
fen, daß in einem Staat, wie Athen war, to bas
weibliche Geſchlecht fo einqeſchraͤnkt lebte, untreue Ehe⸗
frauen allemal, wenigſtens in Solons Zeiten, die Ver⸗
fuͤhrten, und nicht die Verfuͤhrerinnen waren. —
*®) Demofih.I.c. :
e GREEN CEEMEREHSEEEEHERGERREER
4 ”
s
54 Sechſtes Buch.
Beſchaffenheit der Umſtaͤnde, entweder ſogleich zum
Tode, oder auch zu einer beliebigen, aber immer anſehn⸗
lichen Geldſtrafe verurtheilt ) Solche Verbrecher
ſchwebten daher in einer doppelten Todesgefahr, weil
man ſie ſowohl, wenn man ſie betraf, ungeſtraft um⸗
bringen, als im Gerichte des Lebens verluſtig erkennen
konnte. Solon ſcheint aber nicht ganz mir ſich ſelbſt
überein zu ſiimmen, wenn er auf ber einen Seite Bir
‚ tern und Bruͤdern erlaubte, Tächtern und Schweſtern,
‚. weiche die Blüche ihrer Keufchheic verloren hätten, als
Sclavinnen zu vVerfaufen, und auf der andern Seite,
Vaͤter, Brüder, Oheime und Vormuͤnder, die die Um
ſchuld ihrer Söhne, Geſchwiſter, Neffen und Muͤndel
verfaufen würden, nicht härter, als die Käufer, und
allem Vermuthen nach nur mit Schande, gereiß abe
0 | wicht
%) Demößh. adv. Midiem p. 391. & Aefchines adv. Tie
march. p. 173. Wenn Solon auf die Schändung von
Sclaven (fagt Aelchines) eben die Strafe fezte, mit
welcher er die der Freyen belegte; fo that er diefes
nicht ſowohl aus Fürforge für die erftern, als damit
"die letztern fich nicht germöhnen möchten , das Verbre⸗
chen, was fie an Sclaven begangen hätten, auban
ihres Gleichen auszuüben. — Plutarch widerfprict
bier abermals den beyden größten Rednern der Grier
chen und den Geſezen, die fie uns aufbehalten Gaben,
und ausdrüdlih dem Solon zueignen. Er erzählt
nämlich, J. 361. in Vit. Sol, daß Solon aufden Raub
ober die gewaltſame Schändung einer freyen Acheniens
ferinn nur eine Strafe von hundert Dramen geſezt
babe. Maenner den Demofthenes und Aeſchines fleißig
Helefen haͤtie; fo würde er diefen und den eben bemert-
ten Jerthum vermieden, und die Bemerkung haben erſpa⸗
gen koͤnnen, womit er den einen und den andern begleitet,
—R de HABS exXew arTomıav ci Zee Toy Yu
may yoncsı To ZoAmvi doxägr. |
Geſchichte der Griechiſchen Sophiften. 55
nicht mit dem Tode ſtrafte *). Allein ‚hier muß man
bedenten, Daß Väter und Älrere AUnverwandten , oder der
ren Stellvertreter wor dem Solon eine faft unumſchraͤnkte
Gewalt über igre Kinder und jüngeren Angehörigen Hat)
ten, daß Solon dies Anfehen zwar fchmwächen, aber
nicht gänzlich aufheben durfte, und daß endlich bie Ver⸗
brechen, die Solon unſerm Urtheile nach viel zu gelinde
firafte, vor ihm wahrfcheinlich ganz ungeftraft waren
ousgeübt worden. Er erhöhte die uns. unbefannte-
Strafe, womit ee ausgeartere Vaͤter, bie Verraͤther
der Unſchuld ihrer &öhne geworden waren, belegte,
noch dadurch, daß er die Söhne von ber Pflicht fosfagte,
ihre unwürbigen Erzeuger in Ihrem Alter zu ernähren,
oder in ihre Haͤuſer aufsunehmen, wiewohl er den erſtern
doch gebot, die leztern nach dem Tode jur Erbe zu ber
ſtatten, und ihnen bie festen Pflichten zu erweifen *").
Solon häufte zwar das Unglück ſolcher Elenden,
bie dutch die Bosheit anderer ihre Unſchuld verloren hat
ten, nicht noch durch willkuͤhrliche Strafen, gegen welche
fich auch Vernunft und natuͤrliche Billigkeit empdre
haͤtten 7); er war aber deſto unexbittlicher gegen dieje⸗
nigen, die ſelbſt ihre Keuſchheit verkauft oder Preis ge
geben hatten. Solche ruchlofe Entehrer ihrer eignen
Derfonen kannten niemals weder Archonten, noch Prie⸗
fer, noch Richter werden. Ihnen war der Zugarig zii
allen öffentlichen Aemtern und Seichäfften, fie möchten
Damen Gaben, welche fie wollten ,: auf ewig. verfchlofe
fin. Sie dumften weder vor dem Volke reden, nad)
Geſeze oder andere Anordnungen vorſchlagen, noch in
bie Tempel der Goͤner, oder in die. allgemeinen Tolle
D 4 ver⸗
Te eK —⏑ ne
*) Aeſch. p. 172. in Timarch,
0°) Acfch, ib,
» Ib. ,
: 56 Sechſtes Bud,
verſammlungen, ja nicht einmal in die Öffentlichen läge
kommen, wo diefe Bolfsverfammlungen gehalten wur⸗
den. Hatte aber jemand, der fich feiner Schande bes
mußt war, dennoch die Srechheit, - diefen Geboten des
Gefesgebers zuwider zu handeln ; fo fonnte ihn ein jeder
anklagen, und er wurde ohne Gnade zum Tode verur⸗
heilt *), Mach dieſem Geſeze verflagte Aeſchines den
Timarch, und lezterer wurde wirklich, fo allgemein auch
damals die unnatuͤrliche Liebe war, zum Tode verdammt,
und hingerichtet.
Eine gleiche Strenge findet ſich in den Sm Es
lons über die Erziehung, Und eben diefe Strenge ift,
wie auch Xeichines beobachtete, der ficherfie: Beweis,
wie herrſchend die unnatärliche Liebe fchon im Zeitalter
dieſes Geſezgebers geweſen fen **), Am alle Verderbniß
ber Kinkheit und Jugend zu verhüten ‚bie. aus dem Um⸗
gange erwachſener Perſonen mit unerwachfenen in der -
Einfamfeit und Finſterniß entitehen fonnte, beſtimmte
er auf das genauefte die Zahl von Knaben und Juͤnglin⸗
gen, mit welchen Lehrer in ihre, Schulen oder in die df⸗
fentlichen Uebungepläge gehen, und die Zeit, wann fie
ihre Sehrftunden anfangen und endigen ſollten }) Ein
‚jeber fehrer, er mochte den feib oder die Seele bilden,
durfte feine Schule und fein Gymnaſium nicht vor Som
nenaufgens oͤffnen, und muſte fie vor Sonnenunter⸗
gang
(Gupumtsmtigunupen ut male SEE SEE RE ODER æ ÜBERS) ——
®) Aelch In Timarch, 173. p. Demofth, in Androt,
— — —— — — _
p. 4
®.) Fe, "adv. Timarch. p.472. Mera Taura Tosun
3 ans, vonoderes megı adınnnarav neya-
Awy Her, YWOMEImV d’ Quo 89 I Toies. EX Yap
.I8 mweurreodey rouæ @v 8 TEOCNKEV,. ER TETE
Tas vouus e$evra 0 TRAAMOn
9) Aeſob. ib, p. 172.
„®
4,
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten + —
song wieder fchliegen *) In die Schulen von Knaben
ſowohl ale Zünglingen durfte feiner, der älter alö die
ternenden war, einige nahe Anverwandte der fehrer aus⸗
genommen, bineinfommen; und wenn diefes gefchaß,
fo war der fehrer wegen feiner Machläffigkeit oder Ver⸗
rüheren des Todes ſchuldig *”). Auch an den Selten,
weiche die Knaben den Mufen, und die Juͤnglinge dem
Mercur zu Ehren in den Schulen und Gymnaſien feier
ten, war ed niemanden, der über die Zeiten der Kinds
heit und Qugend hinaus war, bey tebensftrafe erlaubt,
ſich in die frölichen Chöre der Kinder und Tünglinge zu
mischen 7). Solon befellte außer den Areopagiten,
weiche die hoͤchſte aber nur allgemeine Aufficht über die
Bitten künftiger "Bürger hatten, noch befondere Magi⸗
firatöperfonen ‚ die das Berragen von Lehrern und Schüe
lern bewachen, und wenn die erfiern ihre Pflicht vers
ſaͤumten, fie zur Kehenkhaftt sieben muften 7).
5 ieſe
: #) Die Sefege fauten beym Aefchines 1. e. fo: Oi de Tov
adav dıdaonaroı, avaryermaav ver res diıdas-
Xu Mm TEOTEOOV NAIB EVIOVToS, KASIETwOHV
€ 7500 nAs8 woyTos. xy un 'efeso rTois vmre@
TW Tv KeHdmv NAsnıay BO, EIOIEVAL TaY IT CU-
day evdov ovFo , ev un vos di aoxeAs, 4 ader-
Pe, n Iuyareos une‘ eu de Tıs maoa Fayr’
ech, Javarw CnnieoIw. &e,
* In. & Petit. Leg. Att. p.295 - 99.
) !b, j
tt) Ib. Aus.allen dieſen Geſezen erhellt, daß, ungeachtet
Solon eine zärtliche Verbindung zwoer Perfonen un-
fees Gefhlechts unter dem Namen von Liebe geftattete,
und diefe Liebe ſogar den Selaven unterfagte,, ſiehe
Aefch. p. 1809. in Tim. und meine vermifchte Scrif
ten ıten Band ©. 80. er dennoch die Verderblichkeit
. teften
_
der ummatärlichen Liebe einfah, und fie durch die här- _
v
38Scecechſtes Buch,
Dieſe zulezt angeführten Hefeze Solons machen
aber nur den’ Fleinften Theil feiner Geſeze über die Erzies
Bing aus, in welchen er ganz beftimme die Bildung von
naben, Sünglingen und jungen Männern vorgefcheies
ben harte, und bie nachher von andern Vaͤtern des.
Molfs mit neuen vermehrt wurden *) Wahrfiheinkich
find- die meiften biefee Geſeze verloren gegangen; bie
uͤbrig gebliebenen aber gehören gewiß zu den ſchaͤzbarſten
Reſten der geſezgebenden Weisheit der Alten, ' und ver⸗
dienen nicht weniger Aufmerkſamkeit, als die Geſeze des
Minos und feines Nachahmers des Infurg. Kenner
der leztern werben bey ber Dergleichung berfelben mie
ben Solonifchen bald finden, daß der Hauptgrund
dee Unterſchiede von beyden barinn liege, daß Seas
fon nicht, wie tyfurg, allen Reichthum und Armuth
und bie daraus entfiehende mefentliche Ungleichheit ber
| Dürs
(GiSHDERSEEEERESEEE GEEZISEEED —
teften Geſeze auszurotten ſuchte. Wenn eu ihr alſo
auch in einem gewiſſen Alter ergeben war, und ſie in
feinen fruͤhern Gedichten befang, Plut. 1. 345., fo ver⸗
beflerte er ale Sefesgeber , was er als ein junger Dann
verfehen hatie, und rettete andere von der VBerfüh-
tung, deren er fih na den Sitten feiner Zeit ſchuldig
gemacht hatte.
®) Acfch. in Tim. p. 171. Zxeacde yag, w &Ir-
yasoı, O0NYy Teovoy Tel Tns Ca Pgoruvns. Toy
meudav Toy Nmeregav evouoferncav, Ko —X
end —XX xen rov Tausdes Tov eAsude-
eov erırndevuew, va as des owron Ten Dnvcu.
ETEIT ÖEUTEOOV TED TV HEIEORKIWV. TErTOVv EDe-
g 780 Tav Amy NAııwv. 8 Movov de TECH Toy
HWTOV, BL Kos TE Tau eyTopan. Dieſe
leztern Geſeze find neu. Denn Solon kannte noch keine
öffentliche Gefoldete Redner.
‚N .
Sefhiäte der Griechiſchen Sophiſten. 59 |
Bürger aufheben, und daß er eben befmegen bie Athe⸗
nienter auch nicht ganz allein zu Kriegern ziehen konnte,
wenn er ed auch gewollt und für nüzlich gehalten
haͤtte.
Solon uͤberließ es eben ſp wenig als Minos und
furg den Eltern, wie fie ihre Kinder erziehen wollten;
fontern er noͤthigte die Vaͤter durch Sefeze, deren Aus:
dbung er den Areopagiten übergab, Ihren Soͤhnen eine
ihrem Stande und Bermögen angemeflene Erziehung zu
geben e). Die ärmern Bürger, wie nicht Vermoͤgen
gemug hatten, oder ihre Kinder nicht lande genug ent⸗
behren fonnten, um fie in die öffentlichen Schulen und
Symnaßen zu fihicfen, waren verbunden, ihre Söhne
von der eriten Kindheit an zum Ackerbau, ober zu Its
genb einem andern müzlichen Handwerfe und Gewerbe
anzubalten *9%. Solche Handthisrungen nun, in wel
chen man durch Handarbeiten für fich und feine Familie
nothdürftigen Unterhalt zu gewinnen fuchte, wurden
von ben ©riechen mit einem Damen belegt, welchen wir
durch nothwendige, aber unedle Künfte überfegen koͤnn⸗
ten 7). Sie glaubten, daß durch dieſe nothwendigen
dienenden Künfte,, beſonders aber durch diejenigen,
welche eine fizende febensart. verlangten, der Leib ſowohl
als die Seele gefchwächt, und bende untüchtig gemacht
würden, diejenigen Tugenden zu erlangen, weiche ein
' 1)
H Ariftoteles hielt diefes für eine der erfien und nothwen
digften Pflichten eines Gefezgebers VII. ı. Wenn er
aben fagte, daß alle Buͤrger biefeldige Erziehung erhal
ten, muͤſten, fo machte er feine Forderung zu einfeitig,
und 308. fie ganz allein von den Sazungen des Minos
und Lykurg ab._. Ä
er) I. 333. Areop; Mlder,
}) Texas Bavsvomon. Xenoph. Oecon 4 . K
Arift. VIU, 2. | _ .
x‘
6. -Sechfles Bud,
Bürger befizen müffe, um fein Vaterland nachdruͤcklich
gegen Seinde vertheidigen, oder öffentliche Würden
mit Klugheit führen zu Eönnen *), In mehrern Staa-
ten waren daher alle Handwerker und tebensarten, in
benen man durch Handarbeit fein‘Brod verdienen mufte,
den Bürgern gänzlich unterſagt, weil durch fie die Gym⸗
naftifhen Hebungen und die Erwerbung Friegerifcher Tu⸗
. genden gehindert wurben **), und ſelbſt in Achen fah
man Handarbeit, bie allein Erwerbung bes Unterhalts
zur Abſicht hatte, für ſchimpflich und freyer Mefchen
uns
EEE DU U}
. % Ariſt de Civit. VI. 9. — Oure Bavauoov Piov are
ayopasov des Cm Tas FMus. ayevvns Ya ö
rosros os, xas eos aeernv Umevarras.
vid. & VII. 1. & 2. Bavaucov, fast er an der lez⸗
tern Stelle, d’ zeyov esvau des TETo vonilew, xoy
TEXYNV TAUTNV NO MAINE, 0004 TREOS TAS XoM-
. 005 no Tas menfers TASTNS LETNS OXENSev @-
meeyalorasToowua Tav eAeudeenv, ray \yu-
ON NTNV diavosav. dio T&S Te TOIaUTaS Texvas,
OTAv To Can Tapuonrungacı Xesgov dinuese Fu,
PBavavoss narsuev, u TS MIOIagvinas ep-
Yarıas. ROXEA0OY Yap TOoi8cs TAYV dsccvoiny , xc⸗
Tara. — Amc xaAws Aryeıs, ſagt Gokrates
beym Xenoph. (Oecon. cap. 4.) » Kesroßsre: zu
Yug us ye Boœvouomou voAspevon, na eTıgonTor
2101, NEU EIKOTWS, EV Tor mavu Mdokavras Argos
oo. "TOYTEOAEOW. KATRAUMOIYOVTOL VE Ta TOMET os
Toy TE EEYALOMEVOy KU Toy EWIMEÄOHENHY,
avarynofsscı nuInoIcs Ras ana TeccDesahes,
evıcı ds naı Eos TUE jMegevanv. Tay 2 —RXC
InAvvouerwv, nos 6 \uXas ToAU mepwsorsans
Yıyvovrod. on
an) Xenopb. |. c.
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. a
unmüzdig an *), Diefen Begriffen zufolge fchloß Xe⸗
nopgen alle Handwerker ale untüchrige Streiter von
Kriegsdlenſten gänzlich aus **), und Ariftoteles char den ° "
Ausfprud) , Daß nur allein diejenigen, die megen Ihres
beffern Unterrichts öffentliche Würden befleiden koͤnnten,
und wegen ihrer Sertigfelt in teibesäbungen zu Kriegs»
dienſten fähig wären, wahre Bürger fenen; und daß
diejenigen hingegen, bie fich von ihrer Hände Arbeit
naͤhrten, nur in einer uneigentlichen Bedeutung dieſen
Namen verdienten *""). Handwerker und alle übrige
Handarbeiter unterfcyieden fich feinee Meynung nach
von Sclaven nur darinn, daß dieſe einem einzigen
Herrn, jene hingegen einem jeben dienfen, ber fie bes.
zahlte T),_ Mau fünne daher auch eine Stadt nicht
mächtig nennen, mern fie zwar viele Sdndwerfer und .
Koͤnſtler, aber nur wenige Männer habe, bie In ven
Krieg ziehen fönnten FF). | |
Diefen unedlen Künften festen die Griechen die
freyen, oder freyer Menfchen würdige Künfte entgegen,
in welchen alle begüterte Bärer, bie ihren Unterhalt
nicht durch die Arbeit ihrer eigenen Hände erwerben
durften, ihre Söhne unterrichten laſſen muften TFT).
Diefe edlere Kenneniffe , wodurch Knaben und Juͤng⸗
linge zur Berwaltung öffentlicher Ehrenftellen und zu
den £riegerifchen Tugenden vorbereitet und vorgeuͤbt
wurden, beftanden im Zeitalter Solons In der Kunft I
eſen
) Xenoph. memor. II. 7.
#°). Osconom. e. 6.
) vII.g.
4) II. 3. p. 320. |
4) vi.4. un
+44}) Vide Plat, in Protog. 289. Iſoer. 1. 333. & alia loca
ap. Petit, p. 163. de leg, Art. .
)
Sefen und zu fchreiben, in einer genauen Befanntichaft. mie
ben größten Nationaldichtern, in einer gehörigen Kennts
niß dee Mufit, und endlich in einer Fertigkeit in allen
Gymnaſtiſchen Uebungen, zu denen man Jagen und
Neiten mit rechnen mug ). Die jestgenannten Kennt»
niffe und Sefchicklichfeiten wurden uach dem Solon nice
nur erweitert, fondern aud) mir neuen, befonders der
Mahlerey oder geichenfungt **) und mit der Arithmetik
und Geometrie bereichere ***,, Bon der leztern weiß ich
nicht gewiß, mann fie zuerſt im bie Zahl der freyen
Künfte aufgenommen worden D5_ fe viel aber ift ge⸗
wiß, daß ale Weltweife ven Kreis von Künften und
Kenntniffen, welche die Ausbilbung und Erziehung eines
fteyen und begüterten Griechen ausmachten 77), flets
von der Kunſt der Redner, und der Philoſophie, und
den uͤbrigen eigentlichen Wiſſenſchafften unterſchieden ha⸗
| ben
®) Plat. & iſder. H. ec, Actiſtoteles VII. 6, de Civit, ſagt,
daß die Griechen erſt nach den Perſiſchen Kriegen ange:
- fangen hätten, ſich mit Eifer auf Mufie zu legen.
“) Die ‚eros feit den Zeiten des Pamphilus. Plin,
«ID.
*#°) Cie, de ort. II, 32. Quint. I: 10, & Tele fragm.
ap, Stob. Serm. XCVI, Die Beſchreibung der Bildung
eines freyen und wohlerzegenen Griechen beyn T
II. I, v. 23. in Eunucho, iſt daher unvollſtaͤndig
Fac periculum in Literis, fac in Palaeftra, in Mufi-
eis: quae liberum feire sequum eft adolefcentem, fol.
Jertem dabo, _ Doc zähle au Aeſchines p. 309, cont,
Gtefiph. das Mahlen oder Zeichnen nicht unter den Ge⸗
Sidlichkeiten eines wohlerzogenen Griechen auf, und
riſto eles bezeugt, daß nur einige dieſe Kr
gelegt haͤtten. VII, 3. de Civ, i nr Funp
7) Ariftoreles zaͤhlt fie nicht unter (nen auf: Vm. 3. Al—
lein ſchon Plato ſagte, daß keiner, der in der Geometri⸗
erfahren ſey, in die Akademie kommen ſolle.
—XX —X —
Gerichte der Griechtſchen Sopfifen.. 63
tn"), und baß man bie leztern niemals von einem
den wohl erzogenen Griechen erfobert hat ?*”). (Eine
traurige Beobachtung aber ift dieſe, dag in eben dem
Verhaͤltniſſe, in welchem der Umfang und die Menge
von Kenntniſſen und Künften, in welchen man junge
dem
⏑ ——— =
®) Diog. II. 79. VI. 103. & ib. Mensg.
*) Arifi. de Civit. VII. 2. 915. erklärt ſich hieruͤber fol
gender Geſtalt: Esı de nos Tav EAEUFELLmV ERISN
Kay nEXgı MeV TIvos avıov nerexe de Av Treos
vo evrelss, 80x Tas eienmevans BAulaıs.
EN de moRn? die doenv Ko To Tivos Kap
Keurrei Tis m mavaveı. MUTE MeV Yo Xozeıw, 9
Dirov, n di acer 8% aveAsudegov. 0 de auro
varo meurrwv dr aAABs, ToAAanıs Inrinov
ao 08AMaV dofeiev ay Aeotrev. Ueber. die -
wahre sadeıoo oder Ausbildung eines Mannes finder
man vortreffliche Sedanten beym Iſokrates Panathen. IH,
195:97. Wahre Eultur, fagt er, beſteht nicht in dee
Menge und Seltenheit von Känften und Wiſſenſchaff⸗
ten, die man beſizt; denn wie viele Meifter in beyden
fiept man niche, die fi felbft zur Laft, und andern
unerrrägtich find, die fich gar nicht um ihre Mitbürger,
sder um einen guten Namen bekuͤmmern, und dabed
in die geöbften Vergehungen fallen? Nur denjenigen:
halte ich für einen wahrhaftig ausgebildeten und vollen⸗
deten Wann, der alles, was ihm aufflößt, zu muzen
und zum Beſten zu kehren weiß, der-allen denen, mit
weichen er umgeht, gerecht und gütig begegnet, und
anderer ihre Thorheiten und Schwachheiten mir Gedulb
und Ganfımurh ertraͤgt; der ſich niemals weder von -
gegenwärtiger Luft überwinden, no von Widerwaͤr⸗
rigkriten niederfihlagen fäßt. Der ſich endlich im Glauͤck
nicht uͤberhebt, und von den Guͤtern, die dieſes geben
kann, nicht mehr aus ſich ſelbſt entruͤckt wird, als er
ſich des Verluſtes der Guͤter, die es bisweilen nimmt,
zu ſchaͤmen Urſache hat. Man ſehe auch Plat. de Leg.
Lib, I, p. 517. 520. 523.
>
64 = Sechſtes Bud.
zeute unterrichtete, zunafm, die Erziehung ſelbſt fich
verfehlimmerte, und daß ihre Sicten und Herzen um
defto mehr verdorben wurden, je mehr. man ihren Geift
mie fchönen und feltenen Künften und Kenntniffen aus»
zuſchmuͤcken anfing. |
Ungeachtet Solen in feinen Geſezen die genauften
Borfchriften darüber gegeben harte, wie und worinn die
Söhne der Achenienfer follten uncerrichrer werden; ſo
ſchuf er doch nicht, wie Lykaͤrg, die ganze bisherige Er⸗
jiebung feines Volks um, fondern er machte nur biejes
nige Erziehung, welche bie edelſten Bürger ihren Kin»
bern bisher gegeben hatten, allgemein und nothwendig,
oder reiste wenigftens durch große Belohnungen dazu am.
So bald ein junger Athenienſer aus dem Schooße feiner
Mutter, aus den Händen feiner Amme und Waͤrterin⸗
nen, und ans der geheimen Wohnung der Weiber ber
ausging *), mußte er nad) Solons Geſezen fogleich
zweyen tebtern übergeben werden, wovon ber eine bie
Bildung feines Geiſtes, umd der andere die Bildung ſei⸗
nes Leibes auf fich nahm **). ‘Der erftere unterrichtete
ibn In Sejellfchofft mit andern von gleichem oder faſt glei⸗
chem Alter im tefen und Schreiben, ald unentbehrlichen
Künften, die gleichfam der Schlüffel zu vielen andern nuͤz⸗
lichen Kenntniffen feyen T). In folchen Schulen lernten
junge Leute die Werke alter, beſonders Lehr⸗und Hel⸗
dendichter auswendig, damit ſie ſowohl durch die Er⸗
mahnungen und kehren, als durch die Beyſpiele und
tobreden auf große Männer zur Tugend erwedt wür:
den
| °) Und dies geſchah meiftens im fiebenten Jahr.
**), Plato in Protagora p. 289.
4) Ib. & Arift. de civie. VIII. 3.
Geſchichte ber Gricchiſchen Sopifen. 63
m‘), Außer biefen Schulen aber muften Knaben
noch die Öffentlichen ‘Möge befuchen, in weichen fie von - .
geſchickten dazu beftellcen Meiſtern in Seibesübungen, vie -
ihten Kräften angemeſſen waren, kunſtmaͤßig unterrich⸗
tet wurden, damit ihr Cirper, wie ihr Geiſt, fruͤh ent⸗
wicht, und einen a und Stärfe, wie
dem andern Tapferkeit mitgetheilt und eingepflanze
nee). So wie Knaben fich ben Zabıren der Au
Ä j gend
Cd
®) Plat. 2.289. Kaı emeidov cv YVERHKATE —8RX
nos MEAÄWTE-OUNTEN TE YEYERUMEVE, WETTER
Tore nm Dany MacaTıdeaciw MUTos 87 Tov
eur MVYmacHEıy Tomrav ayoaday Troi- .
PET&, na exuavdareıy avayralacıv. ev sis
OrAaı ueV vadernosis eveıcı, ToAAccı de dieEodos
NEL EIECHYOL , KO EYAOIC TEHNDLIRY EYORMV CE'YOb-
Jav, ivoe o maus (nAav. MIumTo, Kos OLE YATE.
rostos yevacdaı. Die Werke von Dichtern waren
Zeitalter Solons, fo wie fie es noch immer unter
—** und halbeultivirten Vblkern find, die einzi⸗
gen, wodurch junge Seelen gebildet werden konnten,
well die Proſa noch unerfunden, und proſaiſche Werke
noch ungeſchrieben waren. Auch in allen nachfolgen⸗
den Zeitaltern fing der Unterricht der Griechen ſtets
vom Leſen der Dichter an. Sowohl Plato 1. e als
Aeſchines p. 293. adv. Timarch. und eine der teden«
den Derfonen im Gaſtmale des Zenopkon mußten bie
Werte der Snomifer, und. ber leztere fo gar alle Ser.
‚dichte des Homer auswendig lernen. Symp. c. 3. |
“vi, 3. Ari. & Plat. I. e. Diele Leibesübungen bes
Randen hauptſaͤchlich im Schwimmen, Laufen, Ringen
und Balgen. Kine umfändlihe Befchreibung diefes
erften Unterrichts in Leibesübungen läßt fih nice mehr
geben; doch ſchließe ich aus einer Stelle des Ariſtote⸗
les, daß die Athenienſer die Kräfte ihrer Goͤhne niche
Zweyter Band, E fe
-
x 7
A
66 Sechſtes Buch.
gend naͤherten, ober batian übergingen, nahmen beyde
Aeten des Unterrichts auch ſtuffenweiſe zu. Man ver⸗
rauſchte die Schulen ber Grammatiker gegen die der
Tonkuͤnſtler, die ihre Zöglinge im tgeifchen Geſange 1
verbunden mit dem Spiel eines oder mehrerer muſikali⸗
ſcher Inſtrumente, unterwieſen *), um baburd) ihre
Sitten zu bilden, ihr Herz zu kriegeriſchem oder heili⸗
gem Enthuſiasmus zu entzuͤnden, und ihnen ein Mittel
ju verſchaffen, wodurch fie Ihre Muße eben ſo gluͤcklich
und würdig, als ihr geſchaͤfftiges deben auf eine dem
Baterlande erſorießliche Art hinbringen koͤnnten T
| na⸗
n
fo fehr als die Spartaner, angeftrengt Haben. de Ci-
wit. VII. 4. Denn nur. den leztern wirft er vor,
daß fie durch Übertriebene Leibesübungen die Kräfte ih⸗
rer Kinder mehr erfchöpft als geftärkt Härten. Unter
den Olympifchen Siegen (ſezt Ariftoteles hinzu, um
die Schädlichkeit zu früher Heftiger Anftrengungen des
Cirpers zu, beweifen) finden fi nur zwey oder drey,
die zugleich als Knaben, und au als Männer den
| Lorbeer erhalten haben. | |
®) Plato I. e. & Ariſt. VIII. 3-7. & Quint. I. 10.
®) Dan fehe befonders Plat, de Rep. Lib. II. p. 194. & ſq.
Ed. Mefley. Arift, I, c. 8.6.7. Hiemit vergleiche
man Polyb, IV. 30. ſq. Diefe Stellen über die gro⸗
Gen Wirkungen der Muſik der Alten auf die Sitten
find eben fo bekannt, als die Erſcheinung felbg den
großen Kunftverftändigen unerklärlih bleibt. Gewiß
wurde die Mufif in den älteften Zeiten mehr für eine
nüzliche als angenehme Kunſt gehalten, da le bingegen
in fpätern Zeiten VI. 3. Ari. unter die Bloß ergoͤzen⸗
den gerechnet» uud für eine eben fo mächtige Verderbe⸗
rinn der Sitten gehalten wurde, als fle vormals eine
Sehälfinn und Erhalterinn der Tugend gewefen war.
Seibſt im Zeitalter des Ariſtoteles aber unterſchied
man noch drey ganz von einander abweichende Arten
von
. Befchichte der Griechiſchen Sophiſten. 67
Knaben und Zuͤnglinge wetteiferten an gewiſſen Feſten
in der Kunſt des Inrifchen Geſangs, und die Eltern ſez⸗
ten für diejenigen Preiſe aus, welche die Gedichte des
Solon, ober anderer. alter und weiſer Bolksfänger am
beften abfingen würden *). So wie fie an Jahren, an
Ea Kennt
XXIRXXXCECR
von. Muſtk Ce. 7.) fo wie man noch immer die Naͤ—
lichkeit oder Schaͤdlichkeit einer jeden Art, die unter.
den Srischen gebräuchlich war oder gewefen war, une
terſuchte. So wenig die Muſik der Griechen unveraͤn⸗
derlich blieb, fo wenig wurden auch immer diefelbigen
Inftramente vor andern geſchaͤzt. Ariſtoteles nenne
mehrere, die man im Alterthume allein gekannt und
geliebr hatte, und die von feinen Zeitgehofflen ganz
vernadhläflige wurden, ib. e, 6. Alkibiades warf,
wie Ariftoreles urcheilt, mit Recht die Flöte weg, weil
fie das Geſicht verzerre, und den Mund verſqließe.
Laßt die Söhne der Thebaner, fagte er, auf der Flöte
fielen, weil fie nicht reden innen; uns Achenienfer
ziemt dieſes nicht, da wir die Minerva und den Apoll
als Schuzoͤtter anbeten, davon Die eine die Ziöte weg⸗
warf, und der andere einem Sibtenfpieler die Haut über
bie Ohren zog (Il. p. 6.7.) Durch diefe Einfälle Hob
er das Flötenipiel aus ber Zahl der ſchoͤnen Känfte heraus;
und von diefer Zeit an feinen die Athenienſer allein
nur Saiteninftrumente gefpielt zu haben. — Wie rich⸗
tig die oben angeführte Bemerkung des Ariftoteles ift:
daß die Griechen erft nad) den Perſiſchen Kriegen ſich
mit Eifer auf die Muſik gelege Haben, flebt man aus
den Depfpielen des Themiftofles I, 440. Plut. und
Kimen II. 177. id. die beyde unerfahren in diefer
Kunſt waren. Zwar fagen Plutarch und andere, daf
man ihnen biefe Ungeuͤbtheit im einer Kunft, die allen
beſſern Griechen unentbehrlich geſchienen, vorgetvorfen
habe; allein wahrſcheinlich ruͤhrt dieſe Machriche aus
ſpaͤtern Zeiten ber, in welchen dieſe Kunſt ein ganz
weſentliches Stuͤck der Erziehung geworden war. .
*) Plsto in Timaeo p. 474. Weil alle niche ganz arme - '
Argenienfer Geſang und Duft lernten, fh vu
au
J
68 | | Sechſtes Buch.
genntniß her Sprache ; bee Muft, und der groͤßten
Dichter gunahmen ; gingen fie auch zu immer hoͤhern
Stuffen oufder Paläftra fort. - Die teibesübungen, die
fie als Knaben getrieben hatten, wurden nicht nur fort,
gefest und verſtaͤrkt, ſondern auch. mit neuen, beſonders
mit Reiten und Jagen vermehrt; und um bie Jahre
der Manuharkeit, oder. kurz nachher muſten fie fich le
+ . k⸗
auch beyde zu den größten Feyerlichkeiten, von oͤffentll⸗
chen ſowohl als Familienfeſten. Man ſang ſogar die
Geſeze des Charondas in Athen an Gaſtmaͤlern ab.
Athen. XIV. e. 3. p. 69. — Sin den aͤlteſten Zeiten
fangen die Dichret ihre eigne Werke ab, fo wie bie er-
ſten Tragiker ımd Komiker Ihre eigne Schau’piele vor
ftellten. Achen. XIV. 3. 4. p. 620. In der Zolge
aber wurden die Arbeiten der berühmteften Dichter von
Rhapfediften abgefungen, von welden man glaubte,
daß fie von den Muſen der Dichter, deren Werke fie
declamirten, -begeiftert würden. ib. & Plat. in Jone.
Schon Hipparch machte das Geſez, daß die Gedichte
des Homer alle fünf Jahre an den großen Panarhenden
von Rhapſodiſten follken abgefungen werben. Lycurg.
edv. Leocr: p. 165. & Petit, de leg. Att. p. 24.
Wahrſcheinlich nach dieſem Muſter gab der berühmte
Redner Lykurg ein anderes, wodurch dem Schreiber
oder Syndieus der Stade Befohlen wurde, alle Jahre
die Tranerfpiele des Aeſchylus, Sophokles und Eurypi⸗
des, deren. Werke man in diefer Abficht in dem äffentli-
hen Archiven aufbewahrte, dem Wolke vorzulefen.
Petit. p. 68. Demetrius Phalereus war der erſte,
der Rhapſodiſten aufs Theater brachte, und fie den
Schaufpielern an die Seite ſezte. Athen. I.e. Nah
den Urtheilen, bie Renophon über diefe Rhapſobiſten
füne, waren fie meiftens unmiflende Leute, deren ein
ziges Verdienſt darin beſtand, daß fle die Werke von
Dichtern richtig abfangen oder declamirten, Die aber
aft dasjenige, was ſie fangen, nicht einmal verftanden.
IV, 2. Memor. Soer, & Symp,t, 3
\
Gefbichte der Oriechſſchen Sophlſten. 6
Beſchwerlichkeiten, und unter dieſen ſogar das gezwun⸗
gene ben Appetit eines jeden uͤberſteigende Eſſen gefallen
fen, wozu fich wenlgſtens biefenigen eutfchloffen, bie
an den Diympifchen oder andern Spielen Sieger wer⸗
den wollten ®). Solon zwang aber nicht bloß die Ather
nimienfifchen Tünglinge durch jeine Geſeze zu folchen hef⸗
gen teibesübungen, fondern er munterte auch
grehe Belohnungen dazu auf, Indem er den Siegern in
den Iſtmiſchen Spielen hundert, und benen Ihn ben
igmpifchen fünf Hundert Drachmen verfprach **); und
dieſen feinen Geſezen unb Aufmunterungen zur Gymna⸗
fit maß man es unſtreitig groͤßtentheils zuſchreiben, daß
das von ihm eingefuͤhrte Volksregiment befeſtigt, und
nicht lange nachher die Sieger bey Marathon, Su
lamin une Patäa gezogen gusen D. Mad) ver 33 u
3 n
#) Flat. & Teletis fragm, II. ee. Ari, c. 4. VII, de.
Civit,
®*) Plut. I. 363. Diogenes von Laerte, oder wem biefer
eleude Compilator folgte, urtheilte alfo ſehr fchief,
wenn er die Summe von fuͤnf hundert Drachmen, wo⸗
für man im Zeitalter Solons hundert Ochies kaufen
Eonnte, fir wicht größer hielt, als fie in feinem Zeit.
alter war, unb dabey glaubte, daß er durch diefe gerins
gen Belohnungen fiegreicher Kämpfer die Achletenfucht:
unter den Athenienſern babe einfchränfen wollen.
1. 55. 56. Ä
+) Se allgemeiner nämlich bie gymnaſtiſchen Uebungen wur⸗
den, deſto größer wurde die Zahl geſchickter Krieger,
defto flärfer ber Staat gegen auswärtige Feinde, und
defto mächtiger das Volk gegen Dligarchifche Bedruͤ⸗
der, die vorher die einzigen Krieger geweſen waren.
IV. 13. Arift. de Civ. Man ſah daher auch im aften
Zeiten die Paläftra für eine Ernährerinn und Beſchuͤze⸗
rinn ber Tapferkeit wie für eine Schule des Krieges an;
und eben deßwegen unterfagten Polykrates und andere
. ver⸗
j
4
70 Secchſtes Buch.
u lichen Einfchreibung ober Aufnahme unter bie Baͤrger
entgingen bie jungen Athenleuſer zwar ber genauen Auf⸗
ſicht ihrer bisherigen Lehrer, bie für ihre Sitten , wie
far die Staͤrkung ihres teibes und bie Bereicherung ihrer
Kenntniſſe forgen mußten *); allein fie wurden damit
noch nicht dee Aufſicht der Solonifchen Geſeze und ihrer
vornehmſten Handhaber entzogen. Vielmehr noͤthigte
der Areopag die jungen Maͤnner und Buͤrger, ſich mit
den Geſezen des Staats bekannt zu machen L und bie
Ghymnafi ſchen Uebungen beftändig fortzufegen **
u erſt im drengigften Jahre war es ihnen erlaubt, oͤffent⸗
), unb
lich vor dem Senat oder Volke gu reden; nachdem ſie
währendeines Zeitraums von zehn Jahren die runde
verfoffung der Nepublif, ihre gegenwaͤrtige tage, Ihr
Berhätenig zu andern Stoaten, und bie vornehmfien
Derfonen ihrer Zeit unter der Anleitung weiſer Männer,
und in den Bolfsverfammlungen Eennen zu lernen, Ge⸗
tegenheit gehabt hatten }). u Wen
| u Ä |
verfhmizte Tyrannen ihren Mitbuͤrgern, die fle untere
druͤckt hatten, alle bildende Leibesübungen. Athen, XIII 8.
p. 602. In fpäteen Zeiten und Schriftſtellern, befon-
ders Römichen, trifft man ganz verſchledene Urtheile
über die Palaͤſtra und Gymnaſtiſchen Uebungen der Grie⸗
den an. Man Biele beyde für eine Haupturſache der
Ausartung und Weichlichkeit der Griechen, und fezte
die eine wirklichen Lägern, und die andern wirklichen
Kriegsübungen entgegen. Mir ift es bier genug, die
nachtbeiligen Wirkungen der Griechiſchen Gymnaſfien
kurz angezeigt zu haben, damit man nicht die Zengniſſe
von Schriftſtellern, in denen fie bemerkt werten, von
- den ältern Zelten mivefihe '
°, Plut, 1. ce,
»9) Plut. & Tel.ll, ce.
4) Dinareh, p. 101. Aecfch, 371. 174..175. & Pet. ex his
orator. p. 260, & fg. ’
Geſchichte der Sriechiſchen Sophiſten. 7
Wenn man dieſe Erziehung der Athenienſer mit
der heutigen vergleicht, die mic ber Vernachlaͤſſigung
der Bildung der Sitten und bes Coͤrpers hauptfächlich
auf die muͤhſeelige und langwierige Einpfropfung mandys
faltiger, nicht ſelten entbehrlicher Künfte und Kennt⸗
niſſe abzweckt; fo wird man verſucht zu glauben, daß
die erſtere wegen ihrer Einfalt oder Einfachheit nicht die
Erlchung eines, wegen feiner Aufflärung fo beruͤhm⸗
ten, fondern eines halb barbarifchen Volks geweſen fen.
Unterdefien muß es einem jeben unpartheyiſchen und aufs
merffamen Beobachter einleuchten , daß die Erziehung.
der Griechen nach den Berfcheiften Solons unendlich
mehr, alö die heutige, bie Herzen und Sitten von Knaben
und Juͤnglingen bildete, und baß fie den Umſtaͤnden der
damaligen Zeit, den Bebürfniflen des Staats und ber.
künfiigen Beſtimmung junger Mitbuͤrger auf das Boll -
tommenfte anpoffend war, indem fie dieſe aflmälicy mit
allen den Tugenden bes Leibes und ber Seele ausrüftete,
die fie als tapfere Vertheidiger ihres Vaterlandes, und-
als kluge und rechifchaffene Nathgeber und Führer ihres
Bolfs brauchten.
Das weibliche Gefchlecht wurbe in Athen, unb in
den übrigen alten Freyſtaaten Griechenlandes faft eben
fo wenig als die Sclaven für einen Beſtandtheil des
Volks angefehen , well fie weder das Vaterland vertheis
digen, noch ihm im Frieden dienen konnten; und wenn
daher Die Griechifchen Schriftſteller *) von der (Erzie:
hung von Kindern reden, fo denken fie eben fo wenig an
die Töchter ihrer Mitbarset als ſie an ihre Sclaven
| | 4 dach⸗
2) Den einzigen Plato ausgenommen, ber aber die Weiber
wider die Abfichten der Natur in Männer umfchaffen
wollte. |
u Seife Buch.
dachten. .&olon- gab auch gar Feine Geſeze über bie }ı
Erziehung der Töchter *), und fo gütig er ſich ſonſt in
feinen übrigen Geſezen gegen das ſchwaͤchere Gefchleche ':
‚ bewies; fo sog er body die frenge Zucht, unter voekher ı
es ftanb , noch flärferan, und fchloß es auch mehr ein, -
als es vor ihm gemefen war. (Er verorbnete, daß Wei⸗
ber niemals anders als gepuzt ausgehen, uber doch auch
nicht mit mehr als drey Kleidungsſtuͤcken umgeben
daß fie nur drey Obole werthe Nahrungsmittel, und feis |
nen größern, als einen cubitalifchen Korb bey füch fuͤh⸗
een, daß fie enblich des Madre niemals ihre Wohnung
verlaſſen follcen, wenn fie niche auf einem Wagen fuͤh⸗
ven, undeine Fackel vor ſich ber tragen ließen ). Er
unterfagte ihnen gleichfalls alle’ heftige Traurigkeitsbe⸗
zeugungen,, bie bis dahin gebraͤuchlich geweſen waren;
das wilde Wehklagen, und Jammergeheul, das Aus⸗
reißen der Haare, das Zerfleifchen ver Bruͤſte, und ans
berer Theile des teibes. Auch verbot er ihnen, bie
GSrabmaͤler fremder Perfonen zu einer andern Zeit, als |
der des keichenbegängniffes zu befuchen +). Aus biefen
Geſezen allein kann man fchon fchließen, daß bie bebens⸗
art, und alfo auch die Erziehung des weiblichen Ger
ſchlechts in Griechenland nach weit mehr, als die bes
männlichen von ber unſrigen verfchieden gervefen ſey.
Die Eingeſchloſſenheit und Eingeſchraͤnktheit bes
weiblichen Sefchlechts überhaupt war in Grlechenland fo
alt, daß fie mir der häuslichen Sefellfchafft ſelbſt ent»
fanden zu ſeyn fcheine; und es iſt daher unmöglich, bie
Urfachen berfelbigen mit u Swwiſhet, und men: fehe
wer,
2 Und Diebe Fa et ng merklich vom wears.
His in Sol,
Sefchichte der Griechiſchen Sophiſten. 73
ſchwer, auch nur waheſcheinliche Bermuthungen baruͤder
anzugeben. Wenn ich aber die Griechiſchen Volker mit
andern Nationen unter aͤhnlichen Himmelsſtrichen und
Umſtaͤnden zuſammenhalte; fo kommt es mir viel glaub⸗
licher vor, daß die Sriechen die Eingezogenheit der Bel:
brr von den Fremdlingen aus Aften und Africa, welche
bie Urheber ihrer erften bürgerlichen Einrichtungen ma;
tm, alö eine ausländifche Sitte einpfangen haben , -als
dab fie eine Wirkung bes eigenthümlichen. Klima ihres
fanbes , ober ihrer alten urfprünglichen tebensart gewe⸗
8 ſey. Dem ſey aber wie ihm wolle, ſo glaubte man
von jeher in Selechentand, daß die Natur oder Vorſe⸗
hung den Dann zu allen öffentlichen ober Privatgeſchaͤff⸗
ten, die anßer dem Hauſe vorfielen oder verrichtet wers .
den muͤſten, und das Weib zu allen innern häuslichen
Arbeiten beftimme, und nach diefen verfchiederien Beſtim⸗
mungen auch Kräfte und Neigungen an beide Geſchlech⸗
ter verſchieden auagetheiſt habe *) Die Ehre einerivers
heiratheten Srau beftand barinn, fo wenig ale möglich
außer Hauſe zu fern, und von unbefannten bemerft zu
werben; umb bie gange Erziehung von STungfrauen zielte
darauf ab, daß fie fo wenig, als möglich, reden, hoͤren
mb feben möchten *°). - Durch biefe forgfältige Eins
ſchliefung des weiblichen Gefchlechts und Abfonverung
von dem unfeigen wurde cm un Gran I
m
®) tteber biefe verſchiedene DBeftimmung beuber Oeiäiehter
und bie Verſchiedenheit ihrer Gefchäffte fehe man Xe-
noph. Oecsnom, 3, 7. 10. €. aus welchen Capiteln ich
" auch ufles: das hergenommen Gabe, was man in diefem
Abfaze über die Freehuns, Lebensart und Geſchaͤfte der
Beiber tefen wird
tu) Ih bebiene mich hier der ‚eigenen Worte Aenophons
c. 3.7.
74 | ESeccchſtes Buch. |
moͤglich gemacht, hren Geiſt durch Kuͤnſte, Wiſſen·
ſchafften ober letzrreichen Umgang zu bilden, weil ihnen
der ieztere unterſagt war, und bie erſtern nur von Maͤn⸗
nern gelehrt wurden, bie zu ihren geheimen Wohnun⸗
gen keinen Zutricchatten. Wenn alfo junge Atheniens
ſerinnen aus vornehmen Häufern verheirathet wurden °),
fo brachten fie ihren Männern Feine andere Kenntniffe, als
eine Fertigkeit in gewiffen weiblichen Arbeiten, befonbers
Weben und Stricken von Kleidungsſtuͤcken zu*"); und
waren in den wichtigſten häuslichen Geſchaͤfften fo uner⸗
fahren, daß fie erft von ihren Männern, vie bey ber
größten Rechtſchaffeaheit mic den geliebteften Weibern
doch weniger als mit andern Menfchen redeten, zu-Elus
gen Hausmuͤttern muften gezogen werben. Die Pflich⸗
ten einer guten Hausfrau fezte man allein basinn: Daß
fie dasjenige, was ber Fleiß des Mannes angefchafft
und erworben habe, zu erhalten fuche: daß fie die eins
geeräidteten Früchte weder verſchwende noch verderben
. Ioffe: daß fie alles Hausgeräch in gehöriger Ordnung
"und gutem Standeerhalte: daß fie Sclaven und Scla⸗
vinnen. ihre Arbeiten weislich austbeile: daß fie Die Un⸗
wiſſenden unterrichte, die Trägen ermuntere, bie Treuen
und Sleißigen belohne, die Machläffigen und Untreuen
Geftrafe, und die Kranfen liebteich pflege: endlich da fie
ihre kleinen Kinder mit muͤtterlicher Sorgfalt erziche,
und ihrem Manne unverbrächliche Treue bewahre. —
Behy einer folchen Erziehung und tebensart wird es fehr
begreiflich, warum Solon von der Erziehung der Toͤch⸗
tee in feinen Geſezen gänzlich ſchwieg, und das weibliche
| | u
U lo u ——
"&) Und dies geſchah meiſtens im funſtehnten |
mas früher, ober fpäter. | y So I
#8) Yen. Il. cc. & Memorab. Soer I,2.
⸗
Seſchichte der Sriechiſchen Sophiſten. 75°
Geſchlecht in Stiechenland viel weniger ale unter und
serchägt wurde ”).
Dat Eolon in der Erzlehung der Athenienſer nur
gerimge Veraͤnderungen machte, iſt weniger zu verwun ⸗
dern, md auch weniger merkwuͤrdig, als daß er Die Re⸗
lien feines Volks faſt ganz unverändert lleß. Denn
eußer den Reinigungen und Ausföhnungen , wodurch
fein Freund — die. Athenienſer beruhigte °*) ;,
außer ben Altären, bie eben dieſer Weißager den Zurien
unb unbekannten Goͤttern, ja fogar tinigen laſtern ers
eichtete +), außer dem Tempel, welchen Solon der ger
meinen Venus erbaute, und worinn er öffentliche
Weibsperfonen zu Dienerinnen. ver Göctinn beſtell⸗
ce TI), endlich anfer den Geſezen, worurch bie Trauer:
ein⸗
” Die —— ber Subferinnen war von ber Eniehumg
freyer und ehrbahrer Athenienſerinnen ganz verſchieden.
Ueber die erſtern ſehe man meine Abhandlung über die:
Mannerliebe der Griechen, und meine Beſqhichie des
Laxrus unter den Athenienſern.
os) Plat. 1.936. Dieſer Schriftſteller ſchildert den Epimes
nides als einen mweilen Dann, der die Religion ber
Arhenienfer fanfter und milder gemacht habe. Euan⸗
thes hingegen beym Arhenäus XIII. 8. 602 p. erzähle, _
daß er die Achenienfer von dem Fluche, ber auf ihnen-
rubte, durch Menſchenblut gereinigt, und nennt den
ſchoͤnen Juͤngling, den er geopfert habe. Die leztere
Erzählung ſcheint mir die glaubmwürdigfte; denn Men⸗
ſchenopfer blieben noch lange nach dem Solon unter den
Arhentenfern und andern Griechen gebtauchlich, wie ich
an einem andern Orte zeigen werde.
H Diog. 1. 109, & fq, & Plut. 1.c.
+4) Athen. XIII. 4. Paufenias I. p. 2. fagt, daß Tbeſens
einen ſolchen Tewpel ertichtet habe.
Scheu N.
eingefchränft *),. dem Areopag die oberfte Aufſicht im
Religionsfachen **) aufgetragen, und der hohe Nach ber
fehlige wurde, fi) am Tage nad) den Myſterien im
Eleufinifchen Tempel zu verfammien, um alle bie Strei⸗
tigfeiten und Unorbnungen zu ſchlichten und zu beſttafen,
bie während diefer geheimen Felle entſtanden und vorges
fallen wären **"*), außer diefen Einrichtungen und Ges
ſezen finde ich gar Feine Neuerungen, die Solon in dem
Goͤtterdienſte feiner Bäter gemacht Hätte. Die Gefeze
wider. die Gottloſen, von denen ich gleich reden werde,
waren zu unbeflimmt und zu grauſam, als daß man fie -
bem Solon zufchreiben Fonnte; wenigſtens werben fie
‚ihm von feinem einzigen alten ober glaubwuͤrdigen Schrifte
fleller zugeeignet. Wahrſcheinlicher ift es, daß Solon
die ungeſchriebenen Geſeze der Eumolpiden, nad) wel⸗
dieſe vormals alle diejenigen, welche wider die Re⸗
igion und Goͤtter geſuͤndigt hatten, beſtrafen konnten,
abgeſchafft habe 7). Denn erſtlich verordnete er, daß
obrigkeitliche Perſonen, unter keinerſey Vorwand, und in
keinem einzigen Fall, einen Buͤrger nach ungeſchriebenen
GSeſezen richten ſollten T}), und zweytens führt Ly⸗
ſtas TF}) den Rath des Perikles, daß man nach den uns
gefchriebenen Geſezen der Eumolpiven wider die Sort.
lofen verfahren muͤſſe, als eine ganz neue und unge⸗
wöhnliche Maaßregei an, |
Wenn Solon nicht mit feinen Zeitgenoffen geirrt,
ober wenn er eine veinere und erhabenere Religion als
di
U LU
e) Plut. 1. c,
“#) ce, 9. Meurf. Areop,
#4) Andoe. or. I, p. 229. Ed, Hanovil, |
+) Diefe Sefeje erwaͤhnt Lyfies adverf. Andoe. p, 108.
’ -
Bi) vide Sal. Leg. ap. Andoc. p. ars. |, c.“
rt) 1. ©. p Pan. \.<
ee
ß
Gefchichte der. Griechiſchen Sophiſten. | 7
Diefe gehabt haͤtte; fo wäre es umerflärlich, warum er,
der body einiges im SBolföglauben änderte, und der fo
vieles haͤtte aͤndern können, nicht.eben das gethan, was
nachher Sokrates und Plato, Männer von viel gerins
germ Anfehn, thaten, und warum er nicht die JIrrthuͤ⸗
mer feiner Mitbuͤrger über göttliche Naturen zu verbeſ⸗
fern geſucht Härte, Solon berichtigte weder die Begrif⸗
fe der Athenienſer von Göttern und ihrer Verehrung;
noch ſchrauͤnkte er ihre Anhänglichkeit an Orakeln, Bors
bebeutungen und Mofterien, oder die Zahl und Pracht
ihrer Feſte und Opfer ein; noch machte er endlich) Ans
falten, modurd) die Aufnahme fremder Götter und ihrer
Dienſte gehindert, dem Mißbrauch von Goͤtterſpruͤchen
oder Warnungen vorgebeugt, und unausrottliche Vor⸗
urtheile wenigſtens zu nüzlichen Werkzeugen des Staats
and feiner Haͤupter gemacht worden wären. Die Athe⸗
nienfer blieben daher unter dem Solon, und nicht bloß
unter ibm , fondern aud) in. allen nachfolgenden Zeital⸗
- tern bee Aufflärung, der elendeften, fich Immer erwel⸗
ternden Bielgötterey, und einem eben fo fchimpflichen als
fchädlichen Aberglauben ergeben. So wohl das Volk
als der größte Theil feiner capferften Heerführer und wei⸗
feften Staatsmaͤnner, hielten die Goͤtter, die fie anbete⸗
ten , zwar für Weſen, die mächtiger als Menfchen wäs
ren , die aber mit Ihnen einerley Geſtalt, Beduͤrfniſſe,
teidenfehafften, Schwarhheiten und fogar Laſter haͤt⸗
ten *). Man glaubte allgemein, daß man die Gnade
und .
*) Man fehe Plat. de Rep. lib. 4. & II. p. 102. 4. 168.
140. 148. 150. 164. 172. 174. Ed. Mefley, Aus
diefen Stellen, in welchen Plato die Religionsbegriffe
feiner Zeitgenofien beftreiter, iſt auch dasjenige genom⸗
men, was ich noch uͤber die Religion der Athenienſer
fagen werde. "
728 Seechſtes Buch.
und den Schnz der Götter durch praͤchtige unb aude
ſchweifende Feſte, oder durch reiche Opfer, Gefchenfe
und Stiftungen erfaufen, und ihren Zorn abwenden
koͤnne. Nicht bloß alte Frauen oder Menſchen vom
Hobel, fondern die reichfien Häufer und ganze Staͤdte
eisen fich von nichtswuͤrdigen herumziehenden Gauklern
berhören , die fich Schüler des Orpheus nannten, und
fich dabey rühmeen, durch Opfer und Einwelhungen in
ihre Mofterien oder durch bie Thellnehmung an gewife
fen geheimen Seierlidyfeiten die Schuld von Sünden tils
gen, ihre Folgen in diefer und einer andern Welt abwen⸗
den, und eine felige Unfterblichkeit verfchaffen zu fönnen.
Eben diefe Betrüger maaßten fich fogar eine Herrſchafft
über die Bötter an, und gaben vor, fie durch gewiſſe
Beſchwoͤrungen nad) ihrem Willen beugen zu können ).
Alle Götter fohienen den Athenienfeen, wie den übrigen
Sriechen, fo bösartig, daß fie fich einbildeten: ein außer⸗
ordentliches oder langdaurendes Gluͤck ziehe den Zorn
und die Mißgunft der Götter auf jich, und werde durch
ihre Beranftaltungen übern Haufen geworfen *) Sie
dachten fich ferner eben dieſe Görter fo reizbar, daß fie
alle Ungluͤcksfaͤlle für 'gortliche Strafen anfahen, die
ihnen nicht um allgemeinere Sittenverderbniß, obereim
jeiner großer Verbrechen willen, fondern wegen unbe: |
beutender, meiftens unmillführlicher Machläffigkeiten
bey gewiffen Gebräuchen und Feierlichkeiten zugeſchickt
würden. Die Achenienfer ſahen nicht bloß In unge»
wöhnlichen Erfcheinungen, In Erdbeben, oder Berfine
fterungen der Sonne und des Mondes , fondern in den
allräglichften Dorfällen, in dem Voruͤberlaufen einer
Kage,
") Plat. 1. e p. 102. 104. .
* se) Her, Rn 32. Plut. VL 649. 51. 748. Luc. I. 5. 95 de
Saerit.
. a
Gefchichte.der Criechiifen Sopfifen. 79
Kaze, dem Anfteffen irgend eines Hausrachs durch eine
Maus, der oder Begegnung eines feichname,
*
oder den raͤ ften Phantaſien eines Traums, furcht⸗
bare Ankuͤndigungen des Zorns ber Götter, oder Vor⸗
zeichen kuͤnftiger Ungluͤcksfaͤlle ). So gewiß endlich es
iſt, daß die ausſchweifende Pracht ihrer Feſte eine der
ten des Aberglaubens die wichtigſten Miturſa⸗
chen des Verfalls ihres Staats waren, indem ſie da⸗
durch - zus der unbeſonnenen Unternehmung gegen Sici⸗
lien, zur Verurtheilung und Zuruͤckberufung des Alki⸗
biades, auf weichen das ganze Heer das größte Ver⸗
frauen feste, umd zum furchtfamen Zögern vor Syra⸗
kus zu einer Zelt, als das muthloſe geichlagene Heer
noch gerettet werben konnte, bewogen wurden,
Ale diefe Irrthuͤmer und abergläublfchen Thors
beiten Gatten die Achenienfer mit den übrigen Griechi⸗
ſchen Staaten gemein, als welche diefelbigen Claſſen von
Göttern anerkannten und diefelbigen oder doch ähnliche
Görter an ähnlichen Feten durch ähnliche Opfer, Ger
ſchenke, und Stiftungen verehrten. “Die erftern unter,
ſchieden fich aber doch von den leztern durch einen blin⸗
dern und beftigern Neligionselfer, welchen alle Redner
unter dem Namen der Srömmigfeit, als eine ben Athe⸗
uienfern eigenthuͤmliche Tugend, erheben; und durch
harte Geſehe wider die Verächter der Goͤtter, und bie _
Schaͤnder der Religion, deren Urheber unbefanne find,
die aber doch zwiſchen dem Solon und Perikles gegeben
ſeyn muͤſſen. Diefe Geſeze wider die Gottloſen waren
von
U U)
I) Theophr..Charsß, e, 16, de fuperfi, & ibi Cafaub, &
da Port.
'
BSR —————————
N
80 Sch Buch.
von der Art, daß allem Anſcheine nach die groͤbſten Irr⸗
thuͤmer der Volks: Religion dadurch geheiligt und ver:
ewigt, die Frege Linterfuchung der Wahrheit gehindert,
und die furchtiofe Ausbreitung Der gefundenen entdeckten
Wahrheit, dadurch unmöglich gemacht werden muſte.
Man muß daher die Wege der Borfehung und die Kraft⸗
loſigkeit menfchlicher Sazungen bewundern, wenn man
findet, daß gerade unter dem Dolfe, weiches muthige
Bekenntniß des Wahrheit als Todesverbrechen beſtrafte,
und deffen Religion dem forfchenden menfchlicyen Geiſte
die ſchwerſten Feſſeln anlegte, ver einzige wahre Gott
juerft öffentlich verfündigt, und die reine Religion zuerſt
gelehrt, und über die meiſten Voͤlker der (Erde verbreitet
worden, Die Gefeze ver Athenienfer wiber bie Unglaͤu⸗
bigen und Gottlofen waren den Roͤmiſchen Majeſtaͤts⸗
Geſezen unter den Kaifern fehr ‚ähnlich, und wurben
aud) eben, wie biefe, gemißbraucht. Das. Forum war
ben bepten ungewiß; und man fonnte daher Unglaͤubi⸗
ge und Gottloſe ſowohl vor dem Areopag *), als dem
hohen Nach *°), oder einem ber Archonten, ber den
Mamen des Könige führte 7), oder vor der Heliaͤa
angeben und anlagen 77). Die Strafen der Gottlo⸗
figfeit waren ferner, gleich denen des Majeſtaͤts verbre⸗
chens, willtührlich, aber immer äußerft bare, indem fie
entweder in ewiger Germeilung, oder in Hinrichtung
mit dem Verluſte aller Güter beftanden. So wie man
endlich in Nom nicht bloß durch wirkliche Thaten oder
Anid)läge wider das Leben der Tyrannen , ſondern burch
ſtille Klagen und Seufjer N burch Traurigkeit, ſelbſt
| durch
") Meurſ. 1. c.
*°) Andes. |. c.
. +) Lyf. 108. p. edv. And
++) Dies leitere erhellt aus der Geſchichte des Sokrates.
Geſchichte der Griechiſchen Sophiflen. gr
durch bie gleichguͤltigſten unverbächtigften Bekanntſchaff⸗
sen und Handlungen Majeſtaͤtsverbrecher werden fonnte,
fo konnte ınan fich in Achen:eben ſowohl Durch die Ver⸗
werfang fremder Dottheiten, durch die Erklärung nas
türticher Erſcheinunzen aus natürlichen Urfachen, oder
durch Die Unterfuchung der &efege und Beränderungen
der Natur al6 durch die Entwelhung ber Eleufinifchen
Geheimniſſe, oder durch die Berftämmelung und Schäns
dung beiliger Statuen, oder endlich durch das Ablaͤug⸗
nen und die Bezweyfelung des Daſeyns der vaterländis
ſchen Börter eine Anklage bee Sottloſigkeit oder des Um
glaubens zuziehen. Eben deßwegen, tell das Verbre⸗
chen unbeftimme war, dichtete man es wie in Nom das
Majeftärsverbrechen gerade ben größten Männern und
beten Menſchen an, die man fonft Feines andern Vers '
brechens zeihen fonnte; und wenn man alfo weiß, wie
reich, Athen an Sykophanten, und am parthenifchen, .
beitechlichen, ‚abergläubifchen, und unwiſſenden Richtern
war; fo wundert man ſich noch, daß Anflagen des Uns
glas. end und der Gottloſigkelt in diefer Stade nicht noch
viel häufiger gewefen find, als fie wirffich' waren *),
Ungeachtet Athen durch den Solon unter allen
Griechiſchen Republifen die beſte Negierungsform erhals
ten, und diefer Geſezgeber die vortrefflichten "Mittel ge⸗
waͤhlt hatte, die gegen einander aufgebrachten Partheyen
zu vereinigen; fo fonnte doch der Staat nicht auf ein.
mal geflärft, und die cief gewurzelte Zwietracht niche
auf einmal ansgerottet werben. ' Achen war durch bie
langwierigen Unterdruͤckungen oligarchifcher Defpoten ſo
ſebr geſchwaͤcht worden, daß feine Bürger zu ohnmaͤch⸗
tig waren, den Einwohnern von Megara die Infel Sa⸗
W la⸗
— — —— —
°, Eiche Beylage am Ende bes Capitels. |
Zweyter dad. 8 —
—M Sechſtes Buch.
elches nur die aͤußerſte Werzweyfelung und Muthloſig⸗
* eingeben Eonnte, - daß derjenige des Todes fchuldig
ſeyn folle, der den Rath geben würde, Galamin wies
ber zu erobern. Zwar gewannen ſie dieſes Eyland durch
die Weisheit und den Much des Solon und Piſiſtratus
auf eine kurze Zeit wieder, allein fie buͤßten es auch bald
nachher abermals ſamt Niſaͤa ein, . Armurh ber
Athenienſer war unter dan Solon faft nach größer, als
ihre Einkraͤftung. Sie hatten weder Kuͤnſtler noch
Werke der Kunſt; weder kuͤnſtliche Handwerke, noch
nuͤzliche Manufaeturen, ober einträglichen Handel,
Den legtern fcheint ſogar Solon mehr gehindert als be,
günftige, oder die. Borshelle deſſelben wenigftens niche
eingefehen zu Haben. Er gab nämlich. über Handel und
Wandel gar feine Gefeze; und das einzige, was er gab,
und wodurch es die Ausfuhr aller übrigen Probucte,
‚das Del ausgenommen, unterfagte, müfte den Handel ‚
wenn er auch blühend gewefen wäre, vernichter haben,
Wahrſcheinlich reichte der Ueberfluß an Del, das die
Arhenienfer bauten, und die Ausbeute ihrer Bergwerfe
lamin zu entreißen. Man hatte ſogar ein Geſez gemacht,
kaum hin, das Korn, was ihr unfruchtbarer und
ſchlecht bearbeiteter Boden nicht liefern konnte, nebſt
andern Nothwendigkeiten bes Lebens von Korinthiſchen
und Aeginetiſchen Handelsleuten einzukaufen. Seibſi
unter den beguͤtertſten und angeſehenſten Athenienſern
war in dieſem Zeitalter nur ein einziger, und auch dies
fer nur durch die Freygebigkeit eines auswärtigen KR:
nigs Im Stande, den Aufwand zu beftreiten, ber Dazu
erfobert wurde, einen Nennenwagen zum Kampfe an den
Olympiſchen Spielen zu unterhalten *), .
Die
") Die Deweisftellen zu diefem Abfaze findet man alle im
Anfange meiner Abhandlung über den Lupus der Athe⸗
———
\
nienfer.
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 83
Die Erbitterung, welche die von den Reichen aus⸗
geübten, und von den Armen erlittenen Gewaltchätige
feiten erzeugt hatten, war zu groß, ala daß fie. durch
die Beranftaltung des Solons gänzlich hätten getilge
werden follen. ‘Die alten Seinbfeligkeiten brachen daher
nicht nicht lange nach feiner Gefesgebung, und wie Piutarch
erzäple ), während feiner Abweſenheit von neuen aus,
Kine jede der drey Parcheyen, in welche das Athenien-
ſiſche Volk vorher gethellt gewefen war, erhielt, ober
erwählte ihren Anführer, unter welchen Piſiſtratus,
das Haupt, und der Bertheibiger ber Uermern,, ober
des Poͤbels der größte, berühmtefle, und geliebtefte
war *°°). Piſiſtratus ſtammte aus einem eben fo als
ten und edlen Gefchlechte, als Solon, ab, und hatte
fich durch die Ueberwindung der Diegarenfer, und durch
Die Wiebereroberung von Salamin und Niſaͤa einen
glänzenden Ruhm unter den riechen, und eine allge,
seine Hochachtung unter Ken Micbürgern eriworben D
2 r
«np unten
°) I. 376.
°s, Plur, l. e. Her. I. 59. & feq. ’
4) Plat. & Her. Il, cc. Diefe Stellen des Piutart und He⸗
ode: find nebft den folgenden, die ich herfegen will, die
wichiaften über die Herrſchafft bes Piſiſtratus und fe
ner Söhne. Her. V. 65. & ſq. Thueyd, I. zo, VI,
54. & ſq. Andoryd.1. 216. Iſoer. Il. 431. 32. Ari,
Vi. 1.12. Plat. eexs. p. 234. Die übrigen weniger
wichtigen Zeugniffe hat Meurfius In feinem Pififtratug
zufammenaetragen, welche Abhandlung cine von dem
volitäudigften, und ſelbſt mir Kritik gemachten Compis
larionen dieſes Diannes iſt. Die angeführte Stelle des
Andokndes ausgenommen, babe ich Keine andere von
Bedeutung vergebens darinn geſucht. Ich werde daher
auch in der Folge ber Kürze wegen auf dieie Kleine
Sarilt verweiſen, da ich die Hauptquellen angezeige
Habe. F —
1
34 0 Sehfles Bud. .
Er war nach dem Solon unflreitig der erſte ſeines Volks.
Ighn ſchaͤndete keines von den laſtern, die feinem Zeit⸗
alter eigenthuͤmlich waren, oder wodurch ſich die Maͤch⸗
tigen in Athen fo verhaßt gemacht hatten, oder durch
weiche auch andere Tyrannen bewogen wurden, bie hoͤch⸗
ſte Gewalt in ihren Vaterſtaͤdten an fich zu reißen; und
- unter feinen heftigften Feinden. hat es nie einer gewagt,
in einer unmenfchlichen Härte, oder einer rohen Wild⸗
heic, ‚oder einer viehiſchen Schwelgeren und Bölleren zız
beſchuldigen. Er befaß eine jede der Borgüge und Tus
genden, bie einen großen Feldern, Staatsmann ,
und Bolfsbeherrfcher bilden konnten. Durch die Würbe
und Majeftät, bie über feine ganze Perſon verbreiter
war, flößte er eben fo viel Ehrfurcht ein, als er durch
ſein liebreiches freundliches Berragen Herzen an ſich 309.
Seine Tapferkeit war, wie feine Beredtſamkeit, unwis
derſtehlich, und feine Freygebigfeit wurde durch Wohle
thun eben fo wenig, als feine Langmuth, Milde, und
"- Geduld durd die unverbienteften Beſchimpfungen und
Schmähungen gegen ihn und die einigen erfchöpft *),
ucch feine tiefe Klugheit, die aber vielleicht mehr den
Namen von feiner fift, und ſchlauer Verſchmiztheit vers
dient, blendete er nicht nur das ganze Athenienfifche
Bolt, fondern vereitelte auch alle Entwürfe feiner mächs
tigen Feinde, und machte felbft die Weisheit und Ent
fchloffenheir des Solon, der ihn allein erfannte, fruchtlos.
Dach) feinem Ehrgeize, dem einzigen Fehler, der an ihm
geradele werden Fonnte, und von welchem Solon ihn
sicht
EEE
) Plut. 1. 378. Cie. de Or. Hi. 34. Brut. I. 2. Meurf
e. 6. wo viele merkwuͤrdige Beyſpiele feiner Verfoͤhn
lichkeit und feiner Gleichguͤltigkeit gegen Schmach und
Sohn, deren nur-eine wahrhaftig große und flarte See⸗
te fahig ſeyn kann, geſammlet find. |
—
\ .
Gedichte der. Mriechlſchen Sophiſten. | 85 |
nicht zu heilen vermochte, war bie Begierde feine Mic
bürger ** und ſein Vaterland groß zu machen, die
erſte und muͤchtigſte unter feinen Leidenſchaften, und So⸗
lon ſelbſt gab ihm das Zeugniß, daß er ein untadelicher
und volllommner Bürger geweſen wäre, wenn er nicht
einen unmäßigen, und für Die Freyheit der Achenienfer
gefährlichen Ehrgeiz genähet Hätte”). Diefer außerordent⸗
liche Mann nun, der feinen Namen durch eine glorreiche
Regierung eben fo unfterblid) machen wollte, als Solon
den feinigen Dusch feine Öefesgebung gemacht hatte, faßte
den fühnen Gedanfen , ber in einem jeden andern Ropfe
Bahnfınn geweſen wäre, noch ben Sebjeiten des Solondie -
Achenienfer , als fie eben die erfien fügen Früchte ver
Freyheit zu kon angefangen hatten, diefer Freyheit zu
berauben, und fi) der Alleinherrſchafft zu bemächtigen,
weiche der Gefezgeber auögefchlagen Harte. Vergebens
toarnete der feztere bie bechörten Achenienfer vor bem
Piſiſtracus, noch ehe diefer feine Abfichten ganz deut:
lich erflärt hatte: umd eben fo vergebens forberte er fie
old Greis involler Ruͤſtung zur Bercheidigung ihrer Frey⸗
beit auf, ba die Entwürfe des Demagogen ſchon Mar
am Tage lagen **), Die Athenienfer achteten weder
auf feinen Rath, noch nahmen fie feine Hülfe ar , fons
dern ließen fich durch eine Liſt des Pifftrarus fangen, -
die, fo grob fie auch war, die Feinheit diefes Mannes,
und ie genaue Kenntniß, die er von feinen Zeitgenoffen
hatte, eben fo fehe beweiſt, als fie ein untruͤgliches
Merkmal des leichten und chörichten Sinnes, und ber
barbarifchen Uncufoetiarche ber Athenienfer war D-
3
9 Pluc-1. ec. "
2) Plut: I, 37981.
?) Piſiſtratus harte bie Athentenfr ſchon vorher durch
eine ad groͤbere, aber eben fo gluͤckliche Liſt, hintergan⸗
gen
-
Fin
sc - Sechſtes Bud. I
\
Er mißhandelte fich felbft gu Haufe, und ſtellte ſich mic
Blut und Wunden überdeckt dem ſtaunenden Bolfe var,
weiches er leicht davon Übergeugte, Daß er von feinen
Seinden für den Eifer, womit er die Aermern und Nie⸗
Drigen gegen die Mächtigen und Reichen vertheidigt haͤt⸗
te, fo graufam wäre zerfleifcht worden. Die Atheni⸗
enfer wurben durch diefes Schaufpiel fo fehr gerührt,
daß fie ihm aus Ihrem: Mittel eine gevoiffe Zahl von Ken⸗
Ienträgern bewilligten, bie ihn fernerhin gegen foldye Ge⸗
waltthaͤtigkeiten ſchuͤzen follten, die aber Piſiſtratus bald
nach ſeinem Wohlgefallen vermehrte, und dazu brauch⸗
te, eben diejenigen, weiche ihm dieſe beibwache zugegeben
hatten, zu entwaffnen, und ſich unterwuͤrfig zu mas
n e
). Zwar wurde Piſiſtratus in der Folge nicht
durch die Srenheitsliebe des Volks, fondern durch den
Meid einiger Mächtigen, befonders ber Alfındoniben
zweymal vertrieben, und mufte von ben drey und drey⸗
Bin. Jahren, die er regierte, fechsgehn Fahre mit dem
Verluſte aller feiner Güter im Elend zubringen **);
allein er kehrte immer fiegreich zuruͤck, ſtarb zuletzt ru⸗
Big als Alleinherrſcher von Athen, und übergab anne |
| Wü |
——————— —
gen: naͤmlich durch das Schauſpiel ſeiner uruͤckfuͤ
rung durch die Phya, eine große und ſchoͤne —*
die man mit den Attributen der Minerva ausgefchmiicke
hatte, und die auch wirklich vom Achenienfifchen Volke
als bie Beſchuͤzerinn ihrer Siadt aufgenommen und
angebetet wurde 1. 60. Her. Herodot fand dieſe Beträ.
geren fo grob, und die Thorheit derer, gegen weiche
fie gebraucht worden war , fo kindiſch, daß er es nicht
— —8 * Sieden ‚ * ſich ſtets durch ihre
ugheit von den Barbaren unterſchieden haͤtten,
dadurch hätten bethoͤren laſſen koͤnnen bitten, fig
'-@) Plut. & Her. 1.c. &Meurf. c.3. - '
“ 1. de Civ, V. 12. Hersel, de Rep. Athen, & Juſt.
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 87
Wuaͤrde feinem aͤlteſten Sohne Hipparch, der faſt eben
fo lange, als fein Vater regierte; und unter deſſen Ne
gierung die Athenienſer, wie Plato fagt, eben fo gluͤck⸗
lich, als die erften Sterblichen zu den Zeiten des Saturn
waren *). Mach der Hinrichtung des Hipparch durch
den Harmobins und Ariſtogiton, behauptete deſſen juͤn⸗
gerer Bruder Hippias noch mehtere Jahre die höchfte Ge⸗
walt, und wuͤrde fie vielleicht noch länger behauptet has
ben , wenn nicht dutch ein Öbngefähr die angefehenften
Merfonen feiner Familie den Alkmaͤoniden in die Hände
gefallen wären, und ihre Gefangenſchafft ihm gendchige
hätte, fein Vaterland auf ewig zu verlaffen *).
Ungeachtet der doppelte Berluft der Herrſchafft bes
Pifftratus , und die Doppelte Wiedergewinnung berfels
ben mit vielen Sewaltchätigfeiten verbunden war, ums
geachtet auch Piſiſtratus an feinen bitterſten Feinden den
Altmäoniven, welche ihn zweymal vertrieben hatten, die
ihm zugefügten Beleidigungen mit der äußerften Stren⸗
ge rächte, ihre Häufer zerflören, Ihre Gräber oͤffnen
und verwuͤſten ließ, ungeachtet ferner Hippias durch die
Ermordung feines Beuder erbittert das leichte Joch,
4- was
ee TEE — —
®) In Hipparch. p. 234. Die drey Jahre hingegen, waͤh⸗
rend welcher Hippias geherrſcht hatte, ſeyen die Jahre
der Tyranney geweſen. ib.
“#) Her. Il, ce. daß nicht Hippias, ſondern Hipparch ber
Alteſte Sohn des Piſiſtratus war, beweiſt Meusflus
wider den Thukydides (VE. 54.) mit unwiderleglichen
Gränden. Piſiſtratus fing Ol. 50.-I. an zu regieren,
und flach DI. 58. 3. (Meurl. 3 &4c) Hipparch
wurde im zwey und dreyßigſten Jahre feiner Regierung
ermordet, und Hippias (Thue. 1. c.) im vierten Jahre
verjagt. Das Ende der Herrſchafft der en ne
‚fälle daher in das vierte Jahr der 66 DI. an ſehe
ı Meurf, Pifif.c, 90.
J
ß
88 | Sechſtes Buch.
was bie Athenienſer bis dahin getrogen hatten, ſehr er⸗
ſchwerte, die Abgaben vermehrte ‚die Minze nach feie |
" nem Belieben herabfezte und erhöhte, dffentliche Aemter
verfaufte, und alle, die ihm verdächtig waren, hinrich⸗
ten ließ *); ungeachtet endlich ben der Ruͤckkehr der Alk⸗
- mäoniden, und der Wieberherftellung der Freyheit viel
Buͤrgerblut vergoffen, und wiele angefehene Haͤuſer ger
ſtuͤrzt wurden **); fo faun man doch nicht läugnen,
daß die Herrſchafft der Piſiſtratiden den Athenienſern
viel mehr Vortheile ald Schaden gebracht Habe, und
daß die ſtrenge Zucht, worunter Piſiſtratus und feine
Söhneden Pöbel von Athen hielten, vielleicht nothwen⸗
dig war, ven Einrichtungen Solons eine gewifle Feſtig⸗
keit zu geben, und feine Geſeze in Ausübung gu bringen.
Piſiſtratus und Hippacch erhielten die Sazungen des
Solon in ihrer ganzen Kraft F), und machten feine
andere Neuerungen, ald daß der Vater ſich den zehn:
ten, Hipparch aber nur den gwanzigften Theil ver Eins
Fünfte dee Achenienfer bezahlen ließ, daß ferner bende
fi zu beftändigen Anführern im Kriege, und zu ben
oberften Prieſtern im Frieden machten, und daß fie bie
wichtigſten Aemter durch Perfonen von ihrer Parchen
befejten, oder befezen ließen T})._ Weit entfernt nach
dem Beyſpiele anderer Tyrannen , feine Mitbürger bes
fländig von den Waffen zu entfernen, führte Piſiſtratus
| die
s Her. V. 68. VI. 123. Thuc, VI, zo. ſ. e.
ex oeconom, Ariſt. lib, II, 9. Mewl.c.ı5.
”) 1, And. 226 p. 2
3) 1.59. Her. VI. 54. Thuc. Plat. 294. p. cæccq.
‚# Thue. I. e, Piſiſtratus vermied fo ſehr alles Anfeben
eines unumfchränften Herrn, daß er fi fo gar vor dem
Aresopag ftellte, als er von einem gemeinen Kthenien-
fer verklagt wurde. Ariſt. de Civ. V. 14.
Geſchihte der Griechiſchen Sophiſten. J |
die Athenienſer häufig gegen auswaͤrtige Heinde an, er⸗
oberte Salamin, Sigeum, Naxos, und Detos*), und
gab fegar nach der Erzählung einiger Schriftſteller das
vortreffliche Befez , nach welchen die Kınder und Fami -
lien derjenigen, die für's Vaterland geſtorben waren, .
auf öffentliche Koften unterhalten wurden *t). Sowohl
Piſiſtratus als Hipparch ſchmuͤckten Athen zuerft mic
prächtigen Werken ver Kunſt, unter weichen der Tem⸗
idea Diympifchen Jupiters das größte war, ber aber.
unter ihnen nicht ganz vollendet vourde T)._ Dente gas
ben ſich auch alle erfinnliche Mühe, die dumme Unwiſ⸗
fenheit aus Athen zu vertreiben, und ihre Mitbuͤrger
allmaͤlich aufzuklären. Piſiſtratus ſammlete zuerft die
zerſtreuten Gefänge ded Homer, und faufte auch die
Werke aller übrigen berühmten Dichter: zufommen. -
(Gell.-VL. e. ult.) Nach diefem Beyſpiele feines Va⸗
ters rief Dippasch den Simonides, Anakreon, und an⸗
dere Dichter, welche damals die einzigen tehrer der Voͤl⸗
fer waren, nach Achen bin, errichtete an üffentlichen
Pläzen Hermen, in welche lehrreiche Spruͤche eingegra⸗
ben waren, und verordnete, daß an den Panathenaͤen
bie Gedichte Homers ſollten abgeſungen werden FT).
So gtoß dieſe Verdienſte auch waren, ſo wurden ſie
doch noch von den Bemuͤhungen uͤbertroffen, wodurch
ſie nach Solons Abſichten und Geſezen in einem Volk⸗,
das durch langwierige Kueniſcheſ in muthloſe Traͤgheit
ganz
RER
9 Her. 1. c. & V. 94. & Meurl. c. 8
s*, plut. I, 382. in Sol. nach dem Dottän V. 14. reinigten
fie andy das Meer von Beeräubern , die noch immer .Bte
Handlung und die Ufer der Griechiſchen Staaten unfls
9) Thu. — Ariſt. de Civ, V. 11. Meurſ. biaa. e. 9.
Ceramic. XIV.
+4) Plat. 1. Supra cit.
garız verfunfen war, Fleiß und Acheitfamfeit zu. erwe⸗
den fuchten. Sie trieben den müffigen ‘Pöbel aus Dee
Stade aufs Land, nöthigten ihn das Feld zu bauen und
Delbäume gu pflanzen, unterſtuͤzten die Aermern aus
ihrem eigenen Vermoͤgen, und zwangen fie eine kurze
Schavenfleidung zu fragen, damit fie felbft durch
Scham, oder Furcht vor der Schande zurüd gehalten
werden mächten, indie Stadt zurädufehtn"). Durch
foiche Thaten und Einrichtungen mufte die Macht, Ber
vökferung und ver Wohlftand, wie die Aufflärung der
Athenienſer nothwendig um viele Stuffen wachfen, und
mir Hecht alfo fann man fagen, daß die weife und mil:
de Negierung bes Piliftrarus und Hipparch die Acheniens
fer gieichfam vorbereitet, und in Stand gefezt Habe, den
Perſern zu widerſtehen, welche Hippias noch in feinem
hohen Alter wider fein Baterland anführte **).
Raum waren bie Piſiſtratiden aus Athen verjagt
worden, als die Zurüchführee des Volks und die Wie⸗
derherſteller ver Srenheit, Kliſthenes, aus dem Geſchlechte
der Rikmaͤoniden, und Iſagoras, gleichfalls aus einem
aten und edlen Haufe, mit einander zerfielen, und bas
Volk abermals in zwo Partheyen ſpalteten 7). Iſago⸗
on ras
®) e, 7. Meurſ. biſiſt. & Ariftophanes in Lyfifirate v.
r152. & fa. oo.
, #0) VI. 59. Thuc, Er fiel in der Schlacht bey Marathon,
nachdem er zwanzig Jahre ven Achen entfernt geweſen
war, und meiſtens am Hofe des Darius gelebt hatte.
Einer feiner Sohne war Archan in Athen, und errid»
tete mehrere Heiligthuͤmer, von denen Thukydides VI,
54. redet.
4) Her. V. 66. Mit dem Herodot ſtimmt Andokydes zu⸗
ſammen Or. I..p. 326. Iſokrates hingegen nennt den
Kliſthenes und. Alfibiades als die Urheber der Freyheit
de Bigis Tom. II. Or. 431. 492.
a
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 9
ras ſtellte ſich an die Spize der Ariftofratifchen Parthey,
tie ihr altes Anfehen wieder zu gewinnen trachtete; und
Klifipenes warf fich Hingegen In die Arme des Poͤbels
eder des großen Haufens, deſſen Madır er: auf alle
Weiſe zu verftärken ſuchte, um bie feinige dadurch zu
befeftigen *). Er machte daher mehrere neue Einrich-
tungen und Gefeze, wodurch er zwar feine Abſicht voll,
fonmmen erreichte, aber auch —8 das Gleichgewicht
ſtoͤrte, in welches Solon alle Theile des Athenienſiſchen
Staats geſezt hatte. Er gab zuerſt das Geſez des Oſtra⸗
kismus, und mit dieſem dem Poͤbel das Recht, alle,
Sabre, wenn er einen ſoſchen Schritt noͤthig fände, un
ter den angefehenften Bürgern, die ficd) durch Reichthum
eder Anfehen und Einfluß am meilten audzeichneten ,
denjenigen auf zehn jahre zu verbannen, der durd) die
meiften Stimmen für den mächtigften und der Freyheit
des Volks gefährlichfien Mann würde erfannt were
den »). Doch viel nachthelliger aber für bie Dane
ung,
©) Her.]. e. & Arift. de Civ. VI. 4. on
=) neber dies Geſez fehe man Plut. I. 4832. IT.'4BL, 95.06. .
lt. 360. 61. Ed. Reick. Andokydes, der in. Gefahr
war, durch diefes Geſez vertrieben zu werben, fuchte
es den Athenienfern dadurch verhaßt zu maden, daß
er ihnen vorfielke: fe ſeyen die einzigen unter allen
Griechen, dje ein folches ſchaͤdliches Geſez unter ſich gel:
ten ließen. Or. IV. p. 292. Wie wiſſen aber aus dem
Ariſtoteles, dag die Bewohner von Argos daſſelbige
Sefez harten V. 3. de Cie., und das Sefez des Peta⸗
liemus in Syrakus (Died. XI. p. 470. Ed. Werf. ad
Ol. gr. 3.) war von dem Geſeze ber Arhentenfer und
Argiver nur dem Namen nad) verfchleden. Dies Ger
ſez des Petalismus wurde von dem Syrakuſaniſchen
Möbel fo ſehr gemißbraucht, daß alle angefehene Buͤr⸗
, urcht vertrieben zu werden, ſich ganz von
chen Geſchaͤfften entfernten, und ſich der Schwel⸗
gerey und Weichlichkeit uͤberließen ib, |
‚92. Sechlſtes Bud,
fung, die Solon eingeführt harte, und viel güänftiges
für ‘eine unumfchränfte Herrfchaffe des Pobels war die
Einrichtung, wodurch er bie. Zahl von Stämmen oder
Zünften worinn das Achenienfifche Volk bisher getheilt
gewefen war, von vier bis auf zehn vermehrte, und im
‚ diefe vermehrte Stämme oder Zünfte eine Menge von
Fremdlingen, Srengelaffenen, usb fogar Sclaven als
ächte Bürger aufnahm *), Durch dieſe u
0
*) Her. V. 66. 70. Ariſt. de Civ. II. 1. VI. 4. Durd
ihn wurde anch der hohe Rath mit hundert neuen, Glie⸗
dern vermehrt, und von feiner Zeit an beftand er alfo
aus fuͤnfhundert Perfonen,, die in der Folge, wahr⸗
ſcheinlich erft unter dem Perikles, eine jede täglich eine
Drachme aus dem öffentlihen Schaje empfingen. Ueber
die Finrichtung des regierenden Senats nach dem Kliſthe⸗
nes fehe man Petit. Leg. Att. p. 186., der faft gam allein
einem ungenannten Commtentatog des Demofthenes (ad
ipf. orst, adverf. Androt. p. 417. Ed.. Wolfii) folgte,
aus welchem ich nur zum Lnterrichte einiger Lefer fol
gendes kuͤrzlich abſchreiben will. Weil die Athenienſer
fenden, daB die große Zahl ber Mitglieder des hohen
Raths den Gang der Gefchäffte aufhielt; fo machten
fie die Einrichtung, daß der Senat ſich in zehn Theile
teilte, wovon ein jeder 50 Perfonen enthielt, und
während eines Zehntheile des Jahrs, oder während
fünf und dreyßig Tage bie Öffentlichen Angelegenheiten
beſorgte. Das Attiſche Fahr beftand nämlich nur aus
354 Tagen, die alle duch bie Regierungszeit der zehn
Abtheilungen des Senats bis auf vier ausgefuͤllt wur:
den, als welche man als ein Sinterregnum anſah. Die
jedesmal regierenden 50 Mitglieder aber, welche man
die Drytanen nannte, theilten fich wieder in fünf Zehn⸗
tel ab, deren jedes w gern einer Woche die hoͤchſte
ausuͤbende Gewalt in Haͤnden harte, und den Namen
ber Vorfizer erhielt (eoedes,). Diefe zehn Vorſtzer
endlich muſten wieder foofen, welcher unter ihnen an ei⸗
ot \ . «, sem
Sefchichte der Griechikchen Sophiſten. 93
heb er das Verhaͤltniß auf, welches Solon unter Vor⸗
nehmen and Geringen feſtgeſezt hatte, verminderte den
Einfluß der erftern auf die legtern, vermehrte die Anzahl
tee Armen, ober den dürftigen Poͤbel, und legte den
eriten Grund zur Vederbniß und Zügellofigfeic des Volks,
die ohngefaͤhr ein halbes Jahrhundert nachher fehon uns
erträglich wurde *). Wenn alfo Iſokrates, Andoky⸗
des **), und andere Achenienfifche Redner den Kliſthe⸗
nes als einen zwehten Solon, und ale einen zweyten
lirheber ihrer Freyheit und alten vortreffiihen Staates».
verfaffungen priefen ; fo waren fie unſtreitig weniger ſcharf⸗
ichrig, als Ariſtoteles, der diefen Demagogen für den
erſten hielt, welcher die urſpruͤngliche Regierungsform
perfehrt , und Ihr einen Hang zur unbefchränften Des
mofratie gegeben habe 7). Beh aller der LIeberlegendeit
ıber , weiche Kliſthenes durch feine dem Volke ſchmei⸗
helnden Geſeze über ven Iſogoras erhielt, mufte er doch
uf eine Zeidang feinem Gegner weichen, weil dieſer
ven König von Sparta Kleomenes zu Hülfe rief FTP).
Auf den bloßen Befehl diefes Königs entfloh Kliſthenes
113 Arhen, und mit ihm fieben hundert andere Bürger,
veſche Iſagoras für Freunde feines Beindes hielt. pr
. nicht
—— — —
nem jeden Tage das Haupt oder der Vorſteher der
Prytanen und des ganzen Ra:-hs (emisurns) feyn
follte, dem die Schläffel der Stadt, bes öffentlichen
Schazes und der Archive übergeben wurden. Da nun
diefer Vorſizer zehn, und der Tage, an welchen fie dem
Rath und der Stadt vorflanden,, nur fieben waren; fo
blieben immer dren übrig, die nicht zur Ehre, die hoͤch⸗
fie Gewalt waͤhrend eines einzigen Tages befeffen zu .
baden, gelangen kenaiten.
*) Ari. c.
°*) }l, cc.
+) Arin. l..
++) Her. V. 73.
e_-
94 — Sechſtes Buch.
“nicht einmal mit dieſem Siege zufrleden, wollte Iſago⸗
ras die ganze Staatsverfoffung von Athen umkehren,
den regierenden Rath abfehaffen, und deſſen Macht eie
‚ ner Note von drey hundert Männern übergeben, Die zus
einer Parthey gehoͤrten; allein dieſem Eutwurf wider⸗
a ſich der Senat, und Iſagoras faßte daher den Ent»
fihluß,, mit feinen Anhängern und der wenigen Manns
fchafft, die Kleomedes nach Achen geführt hatte, . die
Burg von Achen zu beiegen *). Er konnte fich hier aber
nur zween Tage gegen feine Mitbürger halten, die ihn
muuthig belagerten,. und die gleich nach feiner und des
Kleomenes YAustreibung den Kliſthenes famt allen übris
gen Verwieſenen zurücriefen **). Der befchimpfte
Kleomenes wiegelte nach feiner Entlaffung ſowohl die
Spartaner alö die übrigen Städte des Peloponnes, und
andere Sriechifche Völker, zu einem Kriege wider die
Achenienfer auf, um fie zu zwingen, den Iſagoras als
ihren Beherrſcher anzunehmen 7). Die Athenlenſer lier
ben ſich aber durch die Menge von Feinden, von wel⸗
chen ſie auf einmal von allen Seiten angegriffen wur⸗
den, nicht niederſchlagen, fondern rücten zuerfi dem
vereinten Heere der Peloponneſier muchig entgegen, dos
ſchon bis Eleuſis vorgedrungen war. Zu ihrem Gluͤcke
entſtand unter ihren furchtbarſten Feinden Uneinigkeit,
indem anfangs die Korinthier, und nachher andere
Bundes genoſſen der Spartaner, und ſogar Demaratus,
König von Sparta, ſich weigerten, ein freyes Volk,
ohne alle gerechte Urſache bloß deßwegen zu bekriegen,
um es einem Tyrannen zu unterwerfen FF), Kleomenes
muſte
a) 1b:
) ib.
+) 0.74. & la.
TtHn «75,
Geſchichte der Siiechlſchen Sophiſten. 95
muſte daher, von allen Bundesgenoſſen und dem groͤßten
Theile feiner Spartaniſchen Mitkrieger verlaſſen, wir
noch groͤßerm Schimpfe aus Attika abziehen, als ihm
vorher feine Gefangennehmung gebracht harte, Durch
diefe abermalige Schmach wurde Kieomenes fo fehr ges
regt, Daß er ofles verſuchte, um feine Micbärger wider.
die Achenienfer aufzubringen, Dies gelang ihm auch,
theils durch eine Fünftliche Vergrößerung der wachfenden
Macht der Arhenienfer,, und ihre nachtheitigen Wirkun⸗
gen für Sparta, am meiften aber durch d.- Entdeckung
des Geheimnifles: daß Kliſthenes durch einen erdichteten
und der Pythia abgefauften Gstterfpruch die Spartaner
zur Berjagung der Piſiſtratiden bewogen haben ). Boll
Unwillens über biefe Betruͤgerey beriefen die. Lakedaͤmo⸗
nier den Hippias und alle Bundesgenoflen nach ihrer
Stadt, um den. erftern burd) die Michälfe der festen
in Achen wieder einzufezen; allein bie fortdaurende Abs
geneigtheit aller Griechiſchen Bölferfchafften , die Athe⸗
nienfer einem nicht lange abgeworfenen Joche wieder zu
unterwerfen, machte die feindfeellgen Entwürfe der
Spartaner und ihres Königs rückgängig. Kaum aber ' -
waren die Achenienfer von der Furcht eines Krieges mit
den Spartanern befreyt, als fie jich an den Boͤotiern
und Chalkidenſern rächten, die bey dem Cinfalle des
Keomenes ihre Felder verwüller, und Beute und Ge⸗
fangenen weggeführe hatten. Sie ſchlugen beyde aneis
nem Tage, und nahmen den Reichen in Chalkls fo viel
tand weg, dDafi fie vier taufenb arme Bürger als Colo⸗
niften nach Eubda ſchicken fonnten **). Dieſe fchnellen
Siege der Athenienſer über ihre Feinde, und der Much,
womit fie fich dem damals ‚für unuͤberwindlich gehalte⸗
nen
2) V, 90. & fq. Her.
“#) 37. c. Her. V.
u — — — — — -
den genannt wurden ꝰ). Durch diefe ihre Thaten, und
96 . Sechſtes Buch.
nen Spartanern widerſezten, zeigten einem jeden, ſagt
Herodot, welche eine herrliche und belebende Sache die
bürgerliche Freyheit ſey, Indem eben das Boll, Bas
unter den Tyrannen faum feinen Nachbarn die Spize
zu bieten wagte, nad) der Austreibung der erſtern ſich
plöjlich über die feztern erhob, und von Tage gu Tage
mächtiger und größer wurde *). ’ |
» Die Wahrpeit dieſer Demerfung des SHerobot,
und der feurige Enthufiasmus, den die von neuem uns
tee.den Athe⸗ienſern erſchienene Goͤttinn der Freyheit
- ihren Seelen eingoß, wird noch mehr durch die Unter⸗
ttehmungen des Milsiades vor Dem Siege bey- Maras
tbon, und durch die Bereitwilligkeit bewiefen, womit
fie dem Ariftagorae , und den Sonifcdyen Städten wider
die gewaltigen und alles beherrfchenden oder befriegenden
Perſer Hülfe fandten. Miltiades befegte von neuem
den Cherſenes, den fein Vater Bruder unter den Pifie
firariden, und auf ihren Befehl zuerit eingenommen und
befeſtigt hatte, und bezwang alle, oder doch einen gro»
Ken Theil der Aufeln, die von den Griechen die Kykla⸗
die
zn
noch an die Nachrichten des Herodot, wenn er im Leben
des Themiſtokles ſchrieb, daß noch im Zeitalter dieſes
Feldherrn, kurz vor dem erften Perfiichen Kriege, das
Athenienſiſchẽ Fußvolk, dem Ihrer Nachbarn nicht
gleich geweſen fey. 1. 446. Der Krieg mit den’ Ehaf:
Eidenfern und Bororiern fäle in die 67 Ol. Man fehe
Meurf. de Temp, Athenienf, ad h, Olymp,
®%) Her. VI. 36. & fq. 103. €. Cor. Nep, I. 3, in Vita
Mile Lezterer verwechſelt Miltiades, den Gieger
bey Mararhon und einen Sohn des Kimon, mit dem
Oheim deflelden, einem Sohn des Kypſelus, und be⸗
’ gebt
09 V. 66. 28. Plutarch dachte weder an diefe Bemerkung,
Seſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 97
die großen Vorthelle, bie fie dadurch gewonnen Hatten,
wurden Die Achenienfer fofühn, daß fiean einem Kriege
Theil nahmen, den felbft die Sportaner als zu gefährs
lid) oder doch ungewiß abgelehnt hatten *). Sie fand»
ten nämlich dem Ariſtagoras, der das Griechiſche Aſien
wider den ‚Darius Hyſtaspes aufgewlegelt hatte, zwan—
de Schiffe, und eine Anzahl tapferer ausgefuchter Krie⸗
ger zu Hülfe, die mic den Joniſchen Griechen in Indien
einfelen, und Sardes, dis ehemalige Königftadt, er⸗
oberten und abbrannten **). '
| | So
seht uͤberdem no andere Fehler, die ein jeder ſo gut als bie
Commentaiecen des Cornelius Nepos bey der Verglei.
chung der Erzählungen dieſes Schriftſtellers mi: denen dee
Herodot Anden und wahrnehmen kann. Die Wichtig⸗
keit der Einnahme des Cherſones und ber Pflanzſtaͤdte,
bie Hier angelegt wurden, babe ich in meiner Abhande
lung aͤbet deu Luxus der Athenienſer gezeigt. Die Uns
ternehmung des zweyten Miltiades A Tpracien fällt
mic den Siegen über die Boeotier und Chalkidenſer is
diefelbige Olympiade. |
nV.9.&l4.He
e) Die Arbenienfer wurden aber nie nur auf dem Ruͤckzu⸗
ge geſchlagen, fondren veranlaßten auch durch Ihre
Mordbrennerey die fürdrerlichen Heerszuͤge der Perfer,
weidge fie mehrmalen in Gefahr festen, gänzlich ver
nichtet zn werden. Die Unternehmung gegen Sardes
geſchah DI 69. 1. Als Darius die Verbrennung dies
ſer Stadt durch Die Sonier und Achenienfer börte,
fragte er (105. e. V. Her.), wer biefe Athenienfer
ſever, denn er kannte fie eben fo wenig als Artaphernes
einige Jahre vorher ihren Namen gehört hatte c. 73.,
ließ ſich darauf, einen Pfeil geben, warf. ihn in die
Luft, und betere zum Jupiter, daß er Ihm doch gewaͤh⸗
sen möchte, fih an den A-henienfern zu rächen. Zu
gleich befahl er einem feiner Selaven, ihm tänlich drey⸗
mal bey Tiſche zuzurufen, daß er der Athenienſer nicht
Zweyter Band. 8 ꝓex⸗
98 | Sechſtes Buch,
So fehr aber auch die Macht und Volksmenge ins
Athen gleich in den erften Olympiaden nach der Wieder
erlangung der Freyheit zunahm ®); fo war diefe Stadt
doc) immer noch ſo ſchwach und arm, daß fie fich nicht
einmal mit der Kleinen Inſel Aegina meſſen konnte, bie
damals unter allen Altgriechifchen Städten und Staa⸗
ten den größten und weitläuftigften Handel trieb, und
auch die größte Seemacht befaß *"). Die Yegineten
‚plünderten und verheerten aus einem alten Groll, aber
unter dein Vorwande eines Bundes mit den Döotiern,
die Ufer von Attika zu eben der Zeit, als die Spartaner
und ihre Gehuͤlfen vie Athenienſer zu Lande angriffen,
und nahmen ihnen fogar aus Sunium das heilige Schiff
weg, welches die Athenienſer jährlid) nach Delos ſchick⸗
ten, und auf welchen fich eben damals bie angefehenften
Bürger aus Arhen fanden. Die Arhenienfer muften
diefe Defhimpfungen eine Zeitlang mit Geduld ertragen,
und verloren eine günftige Gelegenheit, jich der ganzen
Inſel zu bemächtigen, weil fie ſelbſt Feine Schiffe hatten,
und die zwanzig Schiffe, welche die Korinchier ihnen
| ver:
J
Denen
vergeſſen möchte. Darius würde feine Rache wahr:
ſcheinlich auch ſogleich genommen haben, Bean Ir
feine Feldherrn und Heere eine Zei lang durch die De:
zwingung der Aſiatiſchen Griechen ſowohl auf dem feften
, Lande, als auf den Inſeln wären 6 ' u,
“rücgehalten an 9 N eſchaͤfftigt, und zu
8 Herodot ſchaͤzt die Zahl der Athenienſiſchen Buͤrger zu
der Zeit, als Ariſtagoras fie zum Kriege wider die
Perfer aufmunterte, auf drenßig taufend. V, 97. Ich
glaube aber, daß er hier eine runde Zahl für die wahre
gmommen, und biefe runde Zahl etwas zu groß ange: |
geben habe. Dies werden die Data beweifen, Die ich
in der Folge Über die Volksmenge in Achen zur Zeit der
größten Macht diefer Stadt beybringen werde.
9) V. 81:83. & fq. VI. 87:93. Her.
Geſchichte der Sricchſchen Sophiſten. 99
verſprochen hatten, niche zue beftimmten Zeit anfas .
men ®). abtfcheinlicy würden bie Achenienfer noch
viel haͤufigere Mißhandlungen von den Aegineten erfah⸗
ren haben, wenn nicht Themiſtokles die aufs hoͤchſte ges
ftiegene Erbirterung feinee Mitbuͤrger gegen ihre über,
möchigen , und die See allein beherrfchenden Feinde als
ein Werkzeug gebraucht hätte, die Macht feiner Vater⸗
ſtadt der Aegineten ihrer erſt gleich zu machen, und balb
nachher die legtere ganz zu vernichten. Themiſtokles bes
redete das Volk, den Öffentlichen damals reichen &cha;,
und vorzüglich die Einkünfte aus den Bergwerken, bie
man eben unter alle Bürger austhellen wollte, zur Aus⸗
ruͤſtung einer Slotte anzuwenden **). Die Achenienfer
folgten diefem weiſen Rathe, erbauten in furzer Zeit
zwey hundert Kriegefchiffe ), umd waren ſo gluͤcklich,
die Aegineten in einer offenbaren Schlacht zu uͤberwin⸗
den 7). Zwar war dies Gluͤck nicht beſtaͤndig, benn
die Athenienſer wurden nicht lange nach ihrem Siege von
den Aegineten unverfehens überfallen, und mit einigem
- Berlufte gefchlagen ; unterdeffen wurden die Achenienfer
doch immer mehr im Serftreite geübt, und vie Aegine⸗
ten erhielten niemals die Snerrfchafft des Meers wie⸗
dee ff). Der Krieg zwifchen benden Bölfern dauerte
bis auf die Ankunft des Xerxes in Griechenland fort,
um welche Zeit alle alten Fehden unter den Griechiſchen
Dölfern aufgehoben wurden 717). Herodot bemerkt ſehr
richtig, daß eben dieſer Krieg die Griechen von der
Sa _ Knecht⸗
nd
VI. 87:89. Her. |
2 —— VII. 144. Plut. in Themifſ;. I. 446.
ae#) Plutarch ſagt nur Hundert 1. ©,
3) VI. *. Her.
Her. ib. e. 93.
# Her. VIl. 145. & Andoryd. @r. 1. 226. 97 -
u‘
100 Secchſtes Buch. >
EKnechtſchafft gerettet Habe,”), Inden er bie Achenienfer
genoͤthigt, ſich aufs Meer zu wagen, und zu dem Kaͤm⸗
„fen mit den Parbaren ‚bey Artemifium und Salamin
borzubereiten ꝰ). . |
Während des Krieges der Aegineten mit den Athe⸗
nienſern führte Darius Hyſtaspes den fchon lange gefaß⸗
sen DBorfaz aus, fid) an Athen zu rächen 7). Ergab
dem Doris und Artaphernes Befehl,‘ eine Heersmacht
zu verfammien, die hinreichend wäre, Arhen und Ere⸗
tria zu zerſtoͤren, und das übrige Griechenland feinem
Scepter zu unterwerfen. Bende Feldherren fanderen
zuerſt auf Eubda, erfchlugen die Einwohner biefer In⸗
el, oder machten fie auch zu Sclaven, verwuͤſteten
tria, plünderten und verbrannten allenthalben die
Size der Griechiſchen Götter, die des Apoll und ber
Diana in Delos ausgenommen Ff), und ruͤckten enblich
in Attika ein, wo fie fid) nach einem Mathe des Hippias
bey Marathon lagerten, weil die ganze umliegende Ges
gend flach, und alfo der Perfifchen Reuterey am vor
» | theil⸗
*
nn en
U U EL 100
9 148. €. |
un) Herodot erzaͤhlt VII. 144. daß der Athen
= Staat zu ber Zelt, als er zweyhundert a ice
babe, ſeht veich geweſen fey, und doch betrug der Gcha;
den man vertheilen wollte, weil man ihn niche beffer
zu brauchen wufle, nur io viel, daß ein jeder ertondfes
ner Alhenlen er zehn Drachmen erhalten Eonnte. &
enthielt alfo Eine Summe von 33% Talenten, wenn man
in Athen 20000, und von 50 Talenten, wenn man
30000 Bũtger annimmt. Cine foldhe unbedeurende
Summe machte al’o damals (diem eine der maͤchtigſten
Sraͤdte reich ‚und ‚war hinlaͤnglich, eine Flotte von
dreyhundert Kriegsſchiffen auszurüften.
+) Herod. VI, 94: 117. ⸗
tt) Sie thaten dieſes, um ſich an den Verbreuner
| Tecpols Der Kupels-in Sardes zu rächen. "dr
5 \
Seſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 160
cheilhafteſten war. Die Athenlenfer waren viel weni⸗
ger vorſichtig, als ihre Feinde, und. handelten fo unbe⸗
fonnen, als man e& nur von einem in ber Staatsund:
Kriegsfssnft gänzlich unerfahrnen Volke erwarten konnte.
Sie befümmerten fich nicht eher um Bundesgenoſſey,
als bis Die ganze feindliche Macht fehon innerhalb ihrer
Graͤmzen war, und wählten nicht den tüchtigften Zelte:
ken, fonden zehn an Talenten, wie an Abfichten un⸗
gleiche Maͤnner zu ihren Führen, und nech dazu mil
ber Bedingung, daßeinjeder nad) ber Reihe, aber nur
einen einzigen Tag oberfter Befehlshaber ſeyn follte *),
Unter ollen ihren Nachbarn vereinigten fich nur allein‘
die Einwohner der Meinen Stadt Plataͤa mit ifnen: die
tafedämonter verfprachen zwar, Huͤlfsvoͤlker zu ſthicken,
allein fie weigerten ſich es gleich, zu thun, weil ihre Mes
figion es ihnen ünterfage, vor dem Vollmonde gegen ei⸗
nen freinden Feind auszuziehen ). Die Athenienſer
waren daher gezwungen, ſich faſt ganz allein einem viel
za Heere entgegen zu ftellen ***), und wuͤrden
allem Bermuthen nach, wo nicht durch die Tapferkeit
der Perfer, doch gewiß durch ihre Uneinigfeit zerſtreut
worden ſeyn, wenn nicht der eben fo kluge als tapfere
Mikkiades die Felgen zufeınmengehalten }), unb der
patrigeifche Artftives feine unerfahrnen Eollegen vermoche
haͤtte, ihr Anfehen und vie ihnen anvertraute Macht
dem Milciades in übergeben I. Unter der Te |
dieſes
“w) 10 j
2 Die Perſer maqhten nach dem Maee 500000, und die
Athenienſer nur zehn tauſend aus, ungeachtet fie alle
Verwieſene zuruͤckgerufen, ‘und alle Ehriofe ehrlich ger
a daseen, Lyf. p. 41. Asdoe. I, 236.27. =» Ä
rt) ©
> * —X 489:
I
122 Sechſtes Buch.
dleſes Feldherrn ſchlugen bie Athenienſer die Barbaren,
oder noͤthigten ſie wenigſtens, das Schlachtfeld zu ver⸗
laffen *);., allein dieſer von Dichtern, Rednern und
Weltweiſen uͤber alles Verdienſt geprieſene Sieg bey
Marathon war ſo wenig entſcheidend, daß die Perſer
gleich nach der Schlacht das Herz hatten, Sunium zu
umſchiffen, und Athen zu verbrennen **), und daß fie
auch die Beute und Gefangenen, welche fie vorher ges
, mache Hatten, unvermindert mit nach Aſien nahmen).
. — te
!
©) Bon ben Perfern fielen nicht einmal.6500 Dann, und
von den Athenienſern nicht einmal zweyhundert.
„®) ce. 116. Her.
3) ib. Sch glaube, daß es Manchem angenehm ſeyn wird,
die Beweiſe von Edelmuth und NHeldenftolze zu leſen,
" welche bie Arhenienfer in den Belohnungen gaben, bie
Me ihren größten Wohlthaͤtern und Helden abfehlugen,
und zugeftanden. Miltiades bat das Wolf, daß er
auf dem Gemälde, welches man an einem äffentlichen
Plaze von der Schlacht bey Marathon verfertigen lieg,
namentlich genannt werben möchte; allein man fehlug
diefe Bitte ab, und geftand ihm nur fo viel gu, daß er
an ber Spize des Heers in ber Stellung eines die uͤbri⸗
sen zum Streite ermunternden Feldherrn gemacht wer⸗
den follte. Acfch. adv. Ctefiph. p. 301. Diefe Erzäh-
tung iſt viel wahrfcheinlicher, als eine andre beym Plu⸗
tarch in Cimone Ill, p. 187. daß Miltiades um bie
Ehre mit einem Kranze aus Oehlzweigen gekrönt zu
werden gebeten, daß aber ein gewiſſer Sodares mit
ben Beyfall des ganzen Volks ihm geantwortet Gabe:
er folle alsdanın um eine vorzügliche Belohnung nachſu⸗
den, wenn er allein gefiegt,, und die Barbaren geſchla⸗
gen habe. — Als Kimon die Perfee am Strymon über
wunden, und die Thracier verjagt Garte, ließen die
Athentenfer den Siegern zu Ehren deey Hermen mit
ruͤhmlichen Inſchriften errichten, auf welchen aber des
Almon eben fo wenig als bey Thermopylä des ni
\
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 103 |
Wahrſcheinlich würde Darius den Krieg mit den Athe⸗
nienfern fortgeſezt, und den Einfall in Griechenland wies
derholt haben, wenn. nicht die Empörung Aegyptens
feinem Zorne. und feinen Heeren eine andere Richtung
gegeben hätte ). |
So wenig aber auch die Perfer durch die Nieder»
lage bey Marachon einbüßten ; fo fehr wurde Griechen,
lond Durch den gewonnenen Sieg geftärft. Die uner
hörte Wuth, womit die Perfer.alles Heilige und Unhel⸗
4 | « fige
DT — — ———— — — U U; ”
Ermäßnung geſchah. Aeſch. I, e. p. soo. Plus. I. e.
p. 186. — Thraſybulus und die übrigen Wiederher⸗
(keller der Freyheit erhielten Feine andere Belohnungen,
als taufend Dramen aus dem öffentlichen Schaze zu
Opfern und Geſchenken für die Götter, von welchen
saufend Drachmen einem jeden nur zehn zufielen, und
dann bie Ehre, ihre Häupter mit Deblzweigen umwin⸗
den zu dürfen. Acfch. p. 301. Konon war nah dem -
Harmodius und Ariffogiten der erſte, welchem man eine
eberne State feste, well er dur den Sieg bey Ky⸗
pern fein Vaterland von dem Joche der Spartaner bes
freyt harte. Demofth. adv. Leptin. p. 370. Im Zeit
alter des Demofibenes war das ausgeartete Bolt fo
verfhäwenberiich mit ehrenvollen Belohnungen, daß es
goldene Eronen viel häufiger, als vormals Craͤnze aus
Deblzmeigen bewilligte. Aefch. p. 301. Wos in Athen
Statüen und Cronen waren; das waren in Rom Dank⸗
fefte (Supplicationes) und Triumphe; die einen wie die
andern verloren in eben dem Werhältnifle von ihrem
Werte, und wurden ohne Prüfung den Unmürdigften
zuerfannt, in weldem große Thaten und Männer feltes
ner wurden. Es gibt daher audy kein fichreres Zeichen . -
der Verderbniß der Sitten und bes Verfalls von Frey:
ſtaaten, als wenn ehrenvolle Belohnungen ohne ftrenge
Unterſuchung weggewarfen, and immer vergrößert oder
vermebrt werben, I
®\ Her. VI 1.3.
”
[4
t
wu. Gehfies Bnch.
ge zerſtoͤrt, und Götter ſawohl als Menſchen befriegt
parte, vermehrte den Abſcheu gegen die Barbaren, und
ie Siebe zur Freyheit in eben dem Berhältniffe, in wete
ehem die Weichlichfeit und Feigheit der Afiatifchen Scla⸗
ven die Furcht vor ihnen verminderte, und Verachtung
erzeugte. Auch hatten die Gefahren, Benen die Athe⸗
nienfer zwar glücklich, aber doch immer unerwartet ents
gangen waren , die heilfame Wirkung, daß die Griechen
insgeſammt voeifer und vorjichtiger wurden, und für bie
Zufunfe beffece Maaßregeln nahmen. Sie legten nam»
lich vor dem Einfalle des Kerres alle gegenfeitigen Feind-
ſchofften ab *,, fihlöffen unter einander di Beihgften
Buͤndniſſe, and vereinigten ihre Kräfte, ums ſieh nach⸗
druͤcklich gegen den gemeinichafftlichen Feind zu vertheidi⸗
en. Die Griechen waren daher auch bey der- Ankunft
* XRerxes viel meht geruͤſtet und vorbereitet, als fie es
a eriien Unternehmung feines Vaters geweien wa⸗
een .- , :
x Kerges, der mit dem väterlichen Reiche zugleich
den väterlichen Haß wider die Europälfchen Griechen,
und den Borfaz fie gu unterjochen geeebt hatte, ruͤttelte
zu diefem Zuge alle Voͤlker, die feinem &cepter gehordys
sen, aus ihren Sizen auf, und ſammlete während gan⸗
% vier Fahre. aus allen Theilen von Alten und felbft aus
feica eine Heeremacht, die Meere und tänder bedeckte,
und die hinreichend jchien, ohne Schwerdtſchlag bloß
hurch ihre Zahl und die faft ihrer Waffen folche fleine
Häufein von. Dienjchen nieder zu druͤcken, dergleichen
| die
) Andoe. 1, e, J
ac) Darius Hyſtaspis Sohn ſtarb Ol. 73. 9., und Xerxes
unternahm einen Zug nach Griechenland Ol. 75. 1.
in welches Jahr auch die Schlachten bey Thermoppiä,
Artemiftum und Satamin fallen.
Geſchichte der Griechifchen Sophiſten. 105:
de Griechen wider fie aufbringen Fonnten®). Die
Zahl der Kriegsfchiffe ſtieg über zwölf hundert, denen
dren taufend andere folgten, die kehensmittel und Kriegs
bedärfniſſe führten ). Das Fußvolk und die Reuteren
nebft deren Gefolge machte einen zahllofen Haufen aus,
der gewiß nicht unter einigen Millionen gefchägt werben
fan, under ſich auf feinem Zuge durch die Aufnahme
aller Voͤlker, die er berührte, noch immer vergrößerte,
fo wie ein dein Meere jueilender Strom, durch einen
jeden Meinen Fluß, den er verfchlinge, mehr und mehr
erweitert wird F). Die tue und das Heer der Perſer
5 war
—————————— ——— —————— ——— —
®) vu. 20. a1. Her. Es iſt gewiß keine Uebertreibung,
wenn Heredot an dieſem Orte ausruft: welche Quelle,
welche Stroͤme und Seen, große ausgenommen, haben
die Derfer nicht ausgeleert oder ausgetrocknet.
“) VII 89. & fq. & 184. & fg. Man kann den Herodot
in diefer Angabe nicht leicht eines. beträchtlichen Ser:
thums beſchuldigen, weil er ganz genau die Zahl von
Schiffen beſtimmt, die ein jedes Volk geliefert hatte.
Mir dem Herodot ftimmt Sokrates zufammen I. 166."
„1. 205. Lyflias hingegen redet nur von taufend -
Kriegeſchiffen der Perſer p. 49.
H Herodot ſchaͤzt die ftreiibaren Miänher , die Kerres gegen
Griechenland führte, auf 2,6940000 Mann, und
glaubt, daß der Troß von Sclaven, Weibern, Kraͤ
mern u. f. w. eben fo viel ausgemacht habe, 186 VII.
Iſokrates fchläge das ganze Heer des Rerxes auf 500
Myriaden, oder fünf Millionen, die Krieger aber nur
auf 700000 Mann an. II. 205. 206. An einer ans
dern Stelle nennt er das Heer des Kerres, wie Loflas, -
zahllos oder unendlih. I. 166. Lyſ. p. 46. Diedot
zäbie im Perſiſchen Heere 800000 fiteitbare Maͤnner,
und nad) der Vereinigung mit den auf dem Zuge ber’
enen Griechen eine Million. Der Troß machte,
feiner Nachricht zufolge, eine eben fo große Zahl aus.
406. 401. Xl. Wenn alfo Herodot, wie I —
glaude
0 Sechſtes Buch.
war aber, oder ſchien nicht bloß durch bie Zahl furchtbar,
ſondern die erſtere enthielt die Schiffe von Volkern, die
. weit länger gehandelt hatten, und viel mächtiger und
geübter im Seekriege waren, als bie. Europäifchen
Griedyen, und die leztere beftand aus vielen Laufenden
der ſtreitbarſten Voͤlker Griechenlandes, und ber tapfere
ſten Nationen Afiens , die durch anhaltende Kriege abge⸗
härtee, und durch ihre und ihrer Bäter Siege und
Ruhm muthig zum Kampfe geworben waren. Nach
allem menjchlichen Anfehen alſo würde diefe ungeheure
Macht den Altgriechifchen Staaten Untergang ober
Knechtſchafft gebracht haben, wenn fie von einem er
fahrnen Haupte, oder nur von einem Manne wire ge
leitet
— —— Eng
‚ Stade, ſich in der Aufzaͤhlung der Landmacht des Rer⸗
res auch irrete, fo ſcheint es mir doch unlaͤugbar, daß
er nicht erdichtet,, und auch: nicht fo fehr geirrt Babe,
als viele feiner neuern Tadler ihm vorgeworfen Baben,
die niche wuſten, daß bie größten Schriftſteller Srie-
chenlandes entweder ganz oder doch größtentheils mit
ihm übereinftimmen. Herodot gebt auch bey ber Zu»
fammenrehnung der Mpriaden, aus denen die Arinee
des Perfiihen Königs beftanden Habe, in ein umfänd-
liches Derall ein, das er mahrfheinlih von Perfern,
oder von Griechen, die im Perfifchen Heere gebiene
harten, empfangen hatte, und dergleichen alle Erdich⸗
zer vermeiden. Mean kann ihn auch nicht befchuldigen,
daß er das munderbare und außerordentliche in dee An⸗
häufung fo vielee Myriaden nicht eingefehen, Indem er
ſelbſt e. 181. darüber erflaunt, woher fo viele Men⸗
ſchen ihre Nahrung erhalten hätten. Endlich finder fich
die Höchfte Genauigkeit, und nicht das geringfte Uns
glaubliche oder Unglaubwuͤrdige in der Aufzählung und
Beichreibung der Griechiſchen Flotte und Armee, - die
er gewiß auch unmahrfcheinlich würde verkleinert oder
vergrößert haben, wenn er die Abficht zu erdichten und
Verwunderung zu erregen gehabt hätte.
Gefchichte dee Griechiſchen Sophiften. 107
leitet worden, ber weifen-Rach anzuhören und ihm zu
folgen bereit gewefen wär. Nun aber wurden biefe
Millionen von einem Marne angeführt, deffen Deſpoten⸗
Seele durch die Sirenen: Stimmen der Schmeichler
verborben war *), . der vortheilhafte günftige Umſtaͤnde
und Gelegenheiten weder ſelbſt zu fchaffen, noch wenn
hie ſich darboten und von andern gezeigt wurben, zu nus
jen wuſte, der von unzähligen Myriaden umringt, fich
unäberwinblich zu fennfchien, und fo fange die Goͤttinn
bes Stücks Ihn begleitete, allen übrigen Göttern trozte,
der aber nach dem erſten Unfalle tiefer als feine niedrig
fin Sclaven fanf, und ſchnell Hinter einander fo viele
und grobe Fehltritte machte, daß er mehr durch feine
eigne Thorheit, als durch die Klugheit und Tapferkeit
feiner Zeinde überwunden ward. Anſtatt fein Heer durch
die unwiderftehliche Flotte, die Ihm zu Gebote ſtand,
auf eimmal in das Herz von Griechenland überzufezen,
ſchleppte Zerxes daflelbe langſam durch Thracien, Mas
kedonien und Theſſalien, und verheerte oder zehrte die
kaͤnder, die er durchzog, ſo gaͤnzlich aus, daß er bald
nachher auf ſeiner Flucht hunderttauſende durch Hunger
und Krankheiten verlor **). Anſtatt ferner, wie Des
maratus ihm rieth, die riechen zu zerſtreuen, und bes
fonders die Spartaner von ihren übrigen Brüdern ab;
sieben, ließ er fie alle ſich mit einander vereinigen, und
zu einer Ihm bald nachher verderblichen Mache anwach⸗
fen )). Anſtatt endlich nach dem Rathe der Urtemifie .
eine Seeſchlacht zu vermeiden, und die Griechen durch
die Immer mehr und mehr uͤberhandnehmende Furcht
vor
=) Pat. de leg. Ill. 536.
*®) Her. VIII. 115.
+) VUN. 235: Her,
' > Schlies Buch.
wor feiner Flotte aus einander zu jagen ®), flörgte er bie
frztere mic einee unverzeihlichen Unbeſonnenheit in einen
Streit, wo fie der viel ſchwaͤchern Griechifchen nicht ale
kein nicht gewachſen war, fondern fich durch ihre eigne
Größe zerfioren mufle |
etres brachte fein Heer **) ungeſchwaͤcht bis nach
Ihermopylä, wo er zuerft einen Kleinen Haufen von
Männern aus dem Peloponnes gegen fichfand, die vom
teontdas angeführe wurden, und’ es magten, ihm den
Eingang in Griechenland zuverwehren +). Diefer Heine
Haufe befland nur aus vier taufend Mann Tr),
dem die meiften Staaten ihre Krieger fchon eins
geichiffe und ben Artemijium verfammier harten TFT).
Ungeachtet der tapfere König von Sparta einem jeden
* saufend von Beinden faft nur einen einzigen Mann entge⸗
gen ftellen konnte, fo hielt er es doch für feiner und feis
, nes
⸗
— —
VIE. 9. ur
_#*) Wenn man ben. Verluſt abrechner, den Zufäfle unb
Krankheiten verurfacht haben mochten.
7) VI, 184. 205. & ſq. Her.
..++) Her. VIII, 235-2279,
+rr) Nah dem Ilſokrates fochten bey Thermopyhlaͤ tauſend
Opartaner und einige Bundesgenoſſen (I. 164.), Heros
- dot bindegen, mit welchem Diedor übereinftimme (XL
P. 410.), redet nur von drey hundert (e. 205.) Spar⸗
tanern mit ihren Söhnen, und die Inſchrift, welche
das Koh diefer Krieger verewigt, nannte 4000 Männer
aus dem Peloponnes, die fürs Vaterland geſterben
wären (c. 228.)
—EE
eu TleAvrovvaos XiÄsades Teroges.
Die Spartaner befonders. beehrte man wit folgender
Inſchrift:
—2* ayyeııov Aanedeuuorcis oT de.
neınego, Tois neıvav enuacı Beidouera. —,
.
“ ⸗ 1
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 109
ned Vaterlandes unwuͤrdig, einer ihm mehr als tauſend⸗
fättig überlegenen Macht zu weichen, und lehrte den ſtol⸗
zen Terxes bald, daß nicht chörichter Wahnſinn, ſon /
dern eine den Perſern ganz unbekannte Freyheitsliebe,
ihn und feine Heldenſchaar einen unvermeiblichen Top
mwernger als Knechtſchafft fürchten mache. Leonidas
fchiug das Heer des erftaunten Rerxes mehtmalen zuruͤck,
und wuͤrde es gewiß noch länger aufgehalten haben, wenn
nicht die Derrächeren eines ©riechen ihm einen Weg:
über Dad Gebürge gezeigt hätte, auf welchem er die
Griechen umringen fonnte. So bald teonidas diefes er⸗
fuhr; entließ er den größten Theil der Bundesgenoffen,
die erben ſich hatte, und fiel mit den fünf hundert Kries
gern, die ihm übrig geblieben waren, unter der Menge
von Pfeilen, unter deren Schatten er gefochten hatte.
Durch diefe Niederlage erwarb der König der Sparta
ner fich und feinem Vaterlande eineneben fo großen und
verdiencen Ruhm, als Miltiades und die Athenienſer
bey Marathon erfochten hatten. ‘
Mach ver Schlacht ben Thermopnlä drang das
Derfefche ungehindert in Öriechenland vor, langte
im fünften Monat, nachdem es ven Sriechifchen Boden
betreten hatte, in Attika an, zerftörte bie elenden Huͤt⸗
ten der Einwohner von Athen, famt den heiligen Woh⸗
nungen der Goͤtter, und eroberte endlich faſt mit eben
fo vieler Mühe, und eben fo großem Verluſte die Burg
dieſer Stadt, die nur von einigen reifen, und zum
Kriege unbrouchbaren Nerfonen vertheidigt wurde, als
wowit es fid) des Pofles ben Thermopyid bemächtigt
hatte *).. Durch) diefe auf einander folgende Begeben⸗
heiten geriefhen alle noch unbegiwungene Voͤlker Griechen»
" SL - landes
I 8 —h TS “
% Her. VI. 33. & 50. 53
10 oo Schites Bud, H
landes in eine fo allgemeine Beſtuͤrzung, Bag die Der
wohner des Peloponnes anfingen, bie Erbenge ben Kos
rinth mit einer Mauer gu verfchliegen, ‚und die Maͤch⸗
tigften unter den vereinigten Bundesgenoſſen, die fich
wit ihrer. Flotte von Artemiftum nach Salamin zuruͤck⸗
gezogen hatten, mit dem Gedanken umgingen, fich von
den übrigen Griechen zu trennen, und nah dem
Iſthmus hinzufegeln: ein Anfchlag, der, wenn er wäre
ausgeführt worden, ganz Griechenland unfehlbar ins
Verderben geftärzt hätte *). |
Die Griechen fanden fich jezo in einer tage, in
weicher es ſchien, daß fie nicht anders ,- als durch ein
-, Wunder , oder durd) die unmittelbare Hülfe einer Gott
beit gerettet voerden Fönnten. Ihre Städte waren in
Afchenhaufen verwandelt, oder täglich in Gefahr von fies
‚genden Feinden eingenommen, und durc) Feuer gerflört
‚ gu werden. ‘Der größte Theil der Griechifchen Staaten
war von den Perfern unterjocht,, ober, auch freywillig zu
‚ihnen übergegangen **), - Die tapferften Krieger der
Dölfer, die ihre Freyheit vercheidigen wollten, lagen
ben Thermöpylä hingeftrect, ohne daß man andere ges
habt hätte, die in ihre Stelle hätten treten, und ſich
* - den Perfern entgegen ſezen wollen. Selbſt ihre Flotte
hatte vieles ben Artemiſium gelitten: die Schaaren, mit
denen ſie befezt waren, hatten faft Alle ven Much verlor
zen, und bie Sührer berfelben waren uneins, und nicht
| Ä für
%, Man lefe Gierüber beſonders Herod. VII, 189. VIIL
57.63. Lycurg. adverf. Luer. p. 143., aus biefem
haben Plutarch und Diodor gefchöpft. —
00) Dies leztere thaten die mie he m Argiver, Thebaner
und mehrere andere, wie fie nachher vorgaben, \mit
Gewalt dazu genöthige. Plut. I. 447. II. 514. 23
Her. UI. 133. IX. ı. & Diodor. XI, p. 408, Edit.
Weffel, | “ u
NT.
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. in
für Die gemeinſchafftliche Wohifarth „ſondern ein jeber
für feine und feines Vaterlandes Sicherheit beſorgt. So
toumelte Griechenland am Rande eines fuͤrchterlichen
Abgrundes herum, in den es auch gewiß würde hinab»
gefallen ſeyn, wenn es nicht durch die Hand des Themi⸗
ſtokles waͤre aufgehalten worden.
Dieſer außerordentliche Mann war von ber Vor⸗
ſehung darzu erfohren, bie in Knechtſchafft oder Ver⸗
zweyfelung hinabgeſunkenen Griechifchen Voͤlker gleich»
ſam wider ihren Willen zu befreyen und aufzurichten,
und das niedergetretene Griechenland eben ſo ſehr uͤber
die triumphirenden Barbaren zu erheben, als er ſelbſt
über feine Zeitgenoffen erhaben war *,, Er beweiſt
vorzüglich die Beobachtung mehrerer großen Schrift,
fteller, gu welcher fie durch die Schichjale ihres eigenen
Volks veranlaft wurden, daß es faſt immer nur eini⸗
ge ungemöhnlid;e Menfchen find, won denen das Gluͤck
und Ungluͤck ganzer Nationen abhängt , oder durch deren
Tugenden und Safter ihre Wohlfarth wie ihr Umfturz bes
wirft wird **). Themiſtokles war es, der faſt zu glei.
cher Zeit in Achen eine Seemacht, wie aus nichts ſchuff,
und feine Mitbürger zu Beherrfcdyern des Meere und
zu Borfämpfern gegen die Perfer machte, Ex. allein
bewog die unentfchloffenen und zagenden Arhenienfer ,
durch die Erfaufung oder Auslegung eines Goͤtterſpruchs
ju dem fühnen Entfchluffe, der jie und die übrigen.
Griechen nur allein retten fonnte; alles, was ihnen am
theurefien war, ihre Weiber und Kinder, ihre väter:
lihen Wohnungen, und die Tempel der Öötter zu ver,
laffen, und Ihre Schiffe mic eben fo frohem Muthe zu :
| . beee 7
amanın GÜSEED GRÄBER
——n ii
⸗
=) Thuc. 1.74. Diod. XI. p. 498. Lyc. 9.143.
5”) Sail. Beil. Cat, 53. e. Cie, de Leg. Il. 14. frag. p: 36.
/
Fa Sechſtes Buch. J
beſtelgen, als wenn fie nicht von ihrem Vaterlande weg,
jondern ihrem Vaterlande härten zufegeln follen *). (Er
allein lößceden Achenienfern eine fo unbegwingbare Tas
pferkeit ein, daß fie für die Ruinen ihres vaterländifchen
Bodens ſtandhafter, als die übrigen Griechen für ihre
unverheerten Vaterſtaͤdte fochten *"): und er wares end»
. fi, der die Bundesgenoffen. erfi durch Ueberrebung,
“ dann durch Drohungen, und ald beyde nichts fruchten.
wollcen, durch Lift von einer verberblichen Zerſtreuung
surüc hielt, und fie zwang an einem Orte zu fechten, an
‚welchem fie allein ſiegen Fonnten, und auch wirklich ſieg⸗
‚ten®**), Wenn aljo die Achentenfer, die bey Salamin
eben. fo viel oder gar zweymal fo viele Schiffe hatten,
‚als die übrigen Griechen +), den Namen der Vefrener
des ganzen Griechiſchen Volks verdienen FF); fo ver
diente
#) Her. VII. 139. 143. Plut. I. 457. Cie. de off. I, sr.
#*) Dıod. Thuc. & Lye. Il, ce, |
eaa) Her, Vill. 60. & fq.
+) Herodot VIll. 43. & 82. c. jagt, daß die Griechen bey
Salamin 380 Schiffe gehabt, und die Athenienſer al:
lein 180 der beften geliefert haͤtten. Thukydides hinge⸗
gen gibt den A:henicnfern 400, und faſt zweymal fo
. viele Schiffe, als den Äbrigen Griechen I. 74., merkt
aber I. e. 12. zugleich an, daß diefe Schiffe nicht alle
bedertt gewelen wären. Iſokrates ſtimmt bald dem
Herodot, bald dem Thukydides bey I. 169. 174.75.
1, 206. Plutarch folgt dem Herodot I. 468., und
aus ihm flieht man, daß jedes Arhertienfifche Schiff mit
18 Krlegern, unter welchen vier Bogenſchuͤtzen waren,
befezt gewefen fey. -- .
+}) Her. VII. 139. Herodot VII, 93. und Dioder XI. 436.
— ſagen, dag man die Aegineren für diejenigen erfannt
babe, welche bey Salamin am tapferften gefochten haͤt
ten; allein fie fegen auch beyde Hinzu, daß die Lakeda—
monier ang Neid, und um die Achenienfer zu demuͤthi⸗
’ ⸗ gen,
Gefchichte der Griechiſchen Sobhiſten u3
diente Themiſtokles mit Recht ber Retter von Sricchen⸗
land genannt zu werben ).
Ungeachtet der Sieg bey Salamin nicht mie einee
sänzlichers Miederlage und Zerfireuung bee Perfiichen
Ziorte verbunden war; fo hatte er doch bie wichtigſten
Jolgen, und man muß es bloß ber übertriebenen Ab⸗
neigung bes Plato gegen alle Macht und Herrſchafft zur
See zuſchreiben, wenn er fagt, daß nicht Salamin, fons
dern Marathon und Pack Osiechenland gerettet haͤt⸗
ten *°). Die ganze Landmacht der Perfer verwuͤſtete
und breicete fich freylich noch immer ohne Widerftand
aus, und von der geichlagenen Flotte waren noch im⸗
mer mehr Schiffe übrig, als die Sieger jemals gehabe
hatten , weswegen die Griechen auch glaubten, baß bie
Perſer ihnen ein neues Treffen liefern wollten 7); allein
das fchwache und von jedem Schlage des Schickſals
ſchwindeinde Haupt des Terxes war ganz jerrüttet, und
mit aichts als mic dem Gedanken von eigener Rettung,
und mit der Furcht angefuͤllt, daß A ber Ruͤckzug abs
gefchnirtenwerben möchte Fi). Ex floh daher mic dem
größten Thelle feines Heers, von welchem viele eaufende
vor Hunger und Elend umfamen, dem Sellefpont zu,
und ließ den Marbonius mie dreymal hundert ar
einer
gen, ven leztern den Preis der Tapferkelt geraube
Gärten, den ihnen aber alle nachfolgende Zeitalter zuge⸗
2 —* zweyte Beylage, am Ende des Capitels.
ae, Pist. p. 540.
}) Her. vl 100.108. Nach dem Diodor verloren die
erfer bey Salamin 200 Schiffe, außer denen, bie
erobert wurden, die Griechen aber nur vierzig, PR a8. A
xı. Diodor,
4) Her. ib,
Zweyter Band. H
1. Seife Bud. .
| feiner auseriefenften Krieger in Griechenland zuruͤck, ums
es zu unterjochen, oder an ſeinen Bewohnern wenigſtens
das vergoſſene Blut der Perſer zu rächen *),
Mardonius uͤberwinterte in Theſſalien, wo er von |
allen Seiten Huͤlfsvoͤlker an fich z09. . Vorjuͤglich ſuch⸗
te er die. Athenienſer auf feine Seite zu bringen, die er
um befto eher zu gewinnen glaubte, weil er gehört harte,
daß fie durch mehrere Beleidigungen ber eiferfüchtigen
tafebämonier und der übrigen Bundesgenoſſen gegen die
fe erbittert wären ꝰ). Er ſchickte daher vor ber Er⸗
doͤffnung bes Feldzuges den. König von Mafebonien, Ale⸗
‚ander, an fie ab, und veriprady ihnen durch biefen kö⸗
niglichen Sefandten, Ihre zerflörte Stadt sieben aufzu⸗
bauen, ihnen fo viele Länderenen, als fie nur wollten,
‚iu fehenfen,. und ihnen alle ihre Gefege, ihre Frenpeie
und Staatöverfafflung unverändert zu faffen, wenn fie
die Parchey der übrigen Griechen verlaffen und zum Ko⸗
nig übertresen würden }), Durch diefe Botſchafft
nach Griechenland gebracht härten. Sie erboten fich
wurden bie Spartaner und alle übrigen Griechen fo fehe
‚ig Furcht geſezt, daß fie ſogleich auch Geſandten nach
. Athen ſchickten, um die Bürger diefer Stadt bey der
Vertheidlgung der gemeinfchafftlichen Sache gegen einen
auswärtigen Feind zu erhalten, den fie ſelbſt zuerft ger
reizt, und durch bittere ihm zugefügte Beleidigungen
aus
nn
4y Herod. Vili. 113. IX, 69, Plut. I, 501. Diodor gibt
450000 Mann an p. 418. die vor der Schlacht bey
Plataͤa noch mit 100000 Thraciern und Griechen ver⸗
ſtaͤrkt worden wären, p. 428. Diodor weicht in fo
vielen Puneren vom Herodot ab, daß ich es nicht allemal
anmerken mag; man Fann aber ſchwerlich zwenflen, wel-
cher von heyden Geſchichtſchreibern der zuverläffigfte fen.
#*) 426. p. Diod.
+) Her. Vill. 140, |
— —
Seſchichte dee Griechſchen Sopfifen. ns“
mleich, die Weißer und Kinder ber Achenienfer bis ans
Ende des Krieges aufjunehmen, und unentgeltlich zu
mterhaften °), Die Antworten, welche bie Athenien⸗
ke dem Alexander und den Spartanern gaben, find '
ndergeßliche Denkmäler ſowohl der Seelengroͤße bes
Ariſtides, der fie abfaßte, als der nach dem Siege bey
Salamin in allen Achenienfern herrſchenden Freyheits⸗
und Vaterlandsliebe.
ben Beſchelde zuräc: daß, fo lange die Sonne ihren ge,
woͤhnlichen Lauf vollenden wuͤrde, fie fich niemals mic
ven Perfern vereinigen, fondern im feften Zutrauen
ouf den Beyſtand der Götter und Helden, deren Tem»
pel die Barbaren verbrannt hätten, ihre Freyheit bis
auf den festen Blutstropfen vertheidigen würden **). -
Den tafevämoniern aber antworteten fie in folgenden
orten, die eben fo viel Adel und Würde als Feinhelt
ber Empfindung verrathen F): daß fie es zwar ven Pers
fern niche übel naͤhmen, - wenn fie, bie fie Feine andere
ser fennten, auch unter den Athenienfern alles für
Gold und Silber feil geglaubt hätten; daß fie es aber
den tafedämoniern kaum verzeihen koͤnnten, daß fie nach
fo vielen Proben bes unüberwinblichen Muths, der Uns
eigennäzigfeit oder Berachtung vergänglicher Güter, und
des nie: erfaltenben ober nachlaffenden Eifers der Aches
ninfer für die Freyheit und Errettung Griechenlandes
fie dennoch fählg Bieten, alle ihre Tharen, und ihren
mworbenen Nuhm zu vergefien, und zu Verraͤthern
guten Sache zu werden, Kein Reich enthalte
viele Schäge , und fein kanıd fey fo ſchoͤn und frucht⸗
Ib.e. 148. |
* 14 Plut. II. so3. so3, in Vit, Ari,
+) Ib, | ü
Den Alerander ſchickten fiemft .
t, daß fie dafür fich mit den Perſern verbinden, und
22 Grie⸗
16 Sechſtes Buhl:
Griechenland zu unterjochen helfen follten. Die tafes
bämonier hätten daher ihre Gefinnungen gänzlich vers
kannt, wenn fie geglaubt Hätten, bag bie Achenienfer ,
ſelbſt in ihrer gegenwaͤrtigen Armuth durch die Verſpre⸗
chungen von febensmitteln zur Vertheidigung von Srie⸗
chenland müßten aufgemuntert werden *). Sobald
Marbonius die abfchlägige Antwort der Achenienfer er«
fuhr, brach er mit Ungeſtuͤm gegen Attika auf, ſchickte
aber doch noch einen zweyten Geſandten ab, ber feine
erften Anerbietungen wiederholen mufte. Die Acheniens
- fer blieben aber unerfchättert, und fteinigten fogar einen
gewiſſen tufidas, ber den Nach gab, daß man ſich mic
dem Mardonius verbinden folle: ja jelbft die Weiber der
Athenienſer, als fie ven Nach und das Schickſal des
tpfidas erfuhren, wurden von Salamin durch den En⸗
. thuflasmus der Freyheit, wie durch einen Geift des Auf⸗
ruhrs nad) Athen herein getrieben, und fleinigten bie
Frau und Kinder des Ermordeten zu Tode, gerade old
wenn auch biefe Ihe Vaterland verrathen hätten, und
nicht einmal unter den Ruinen deſſelben zu beffeen Hoff⸗
nungen zu wohnen würdig wären »). Unmittelbar
nach diefem Auftritte faßten die Achenienfer auf den
Vortrag des Ariftides den Entſchluß: dag alle Prieſter
und Priefterinnen in Achen, ‚einen jeden, ber zu den
Perſern übergehen, oder Buͤndniß mit ihnen zu ſchlie⸗
Gen rathen würde, verfluchen, und dem Zorn der Goͤt⸗
tee überantworten follten 7).
Die Achenienfer, die nun ſchon zwey Fahre Hinter
einander feine Früchte ihres landes geſammlet hatten FF),
Zu mus
, hen mus
#).Her. ib. too man das Webrige der Antwort, das ich ni
abfihreiben mag, nachleſen kann. das ich nicht
"®) IX. 5. Herod.
+) Plut. in vita Ariftidie p, 303.
+4) VII. 142. ER
Geſchichte der Griechifchen Sopfiften. u7 .
muften bey ber Annäherung des bis zur Wuch erbitter.
tm Mardonius, abermals ihre Vaterſtadt verlaffen, die
zum zwehten male von dem Seldheren bes Xerxes noch
viel Härter ald vom Xerxes felbft behandelt wurde **).
Mardonius machte Athen dem Boden faft ganz gleich,
verbrannte oder warf alle Tempel und Häufer um, bie
noch verfehont worden waren, und ließ nur
eben fo viele Wohnungen übrig, als die vornehmſten
Derfer brauchten, um ſich gegen Sturm:und Wegen
zu ſchaͤzen **). Durch diefe barbarifche Rache wurden
die Arhenienfer nicht allein nicht niebergefchlagen , fon
bern es fehlen, als wenn fie aus ven Brande der Tempel
ihree Götter, aus der Umkehrung ihres Daterlanbes ,
aus der Verwuͤſtung ihrer Felder und Bäume, und ih⸗
er gegenwärtigen dringenden Noth neue Kräfte und,
neuen Muth zur Behauptung ihrer Freyheit ſchoͤpften.
Sie ſtellten ſich mit acht taufend ſchwer bewaffneten Krie⸗
gern, und eben fo vielen leicht geruͤſteten Fußvolk bey.
Plataͤa ein, und waren nach den Spartanern bdiejenis
gen, welche bie meilten Streiter wider den Mardonius
lieferten 7). Das Bean Sriechifche Heer gehorchte
3 dem
®, IX. 13. Her. Diod. Äl, 437. g
°s, 'Thuc. 1.89. \ |
+) Her. IX 29. 30. Die Spartaner lieferten T0000 Mann, -
umter denen 5000 aus Sparta felbft waren, von wel:
chen ein jeder 7 Heloten bey fich hatte. Die Sriechifche
Armee machte 110000 Dann aus, unter welchen aber
nur 38700 ſchwer bewaffnet waren. Die Lakedaͤmonier
wollten anfangs die Achenienfer im Stiche laflen, und
fih den Perfern erft alsdann entgegen fezen, wenn
fie in deri Peloponnes eindringen wuͤrden. ‘Sie fahen
aber doch bald ein, daß ihre eigne Sicherheit es erfobde⸗
ze, mit den Achenienfern und übrigen Griechen gemein-
ſchafftliche Sache zu machen, Her, IX, 8:10, .
%
ng | Sechſtes Bud.
ben Befehle bes Pauſanlas, Königs von Sparta, eines
war tapfern und erfahenen Kriegers, ber aber gugleid
olz, finfter, unerforfchlich verſteckt, und voll une,
nee heftiger Begierden, ſchwarzer Bosheit und Berräs
theren war, die aber zum Gluͤck von Griechenland bis
‚auf die Schlacht bey Mataͤa fhlummerten, und erft
- nachher auszubrechen anfıngen. Lnter dem ‘Paufanias
führte Ariſtides die Arhenienfer an, ein eben fo tapfer
ver Held, weifer Staatemann und eiftiger Patriot, als
Themiſtokles, aber weniger fchlay, frey von allem ver‘
derblichen, und feinen Bürgern gefährlichen Ehrgeize,
und fo fehe von aller Haabfucht und Ungerechtigkeit ent»
fernt, daß er die Armuth mehr ald Themiſtokles den
Reichthum liebte, und von feinen Mitbuͤrgern den Ch
vennamen bed Serechten erhielt *), Sowohl die Athe⸗
nienfer, als bie übrigen Griechen brannten von einer ſo
beftigen ‘Begierde, für Ihre Freyheit gu Fämpfen, und
fuͤr ihre Vaterſtaͤdte zu fterben, daß fie den fchönften Eid
. fhwuren, ben jemals ein ganzes Heer und viele ver
fammiete Völker gefchworen haben, Alle Streiter ge
x fobten vor dem Angefichte ver Götter, um deren Schu;
und Benftand fie inbrünftig flehten, ihr teben nich ho⸗
ber als ihre Freyheit zu achten, ihre Führer weder im
eben nod) im Tobe zu verlaffen, einen jeden, ber in ber
ESchlacht fallen wuͤrde, zu begraben, und ihm die lezte
Ehre zu erweifen, feine von den Städten, beven Buͤr⸗
ger für die Freyheit Griechenlandes gefochten hätten, zu
vernichten, hingegen bie Untreuen unb Verraͤtheriſchen
mic Zeuer und Schwerd zu zerftdren, endlich von allen
ben Tempeln, welche die Barbaren verbrannt hätten,
feinen wieder aufzubauen, fonbern ihre Truͤmmern ald
ewige Denkmäler ber Gottlofigfelt der Barbaren ben
pat
U u}
*) Siehe dritte Beylage am Ende des Capliels.
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 9
Paͤteſten Machkommen zu uberliefern ). Mit ſolchen
| gingen die Griechen ben Plataͤa in bie
Schaache, In welcher nicht nur die Perſer, und Pers
fifch gefinnten Gtiechen überwunden, fonbern auch eine
foiche Miederlage unter ihnen angerichtet wurde, daß fich
kaum ber zehnte Theil des Heers, welches Zerres dem
Mardonius zuräcgelaffen hatte, bis nach Afien rette⸗
te **), Getade an demfelbigin Tage, an welchem bie
riechen bey Plataͤa über den Mardonius fiegten, ve
richtete bie verbundene Sriechifche Flotte die Ueberbleib⸗
fel der Perfifchen Seemacht, bie nach Afien entflohen
war, und biefer zwente Sieg koſtete den Perſern eben
fo viel Volk, als dem Schwerdte der Griechen in Euros
pa entronnen war T). F
| 94 Dieſe
©) Lyeurg. sdverl, Leser. p. 199. 150, '& Diod, XI,
⸗ 437: P. "
@®) Herod, IX, 59. 60. Plut, in Arifi. 524. 35. Diod. XI.
90.
17 HK 101. 103. Diod, p. 430. 32. Nad ber
Schlacht bey Plataͤa machten bie Griechen viele Einric
sungen, und nahmen manche gottesbienftliche Handlun⸗
genvor, welche den Geiſt biefes Volks in jenen Zeiten,
und nad) einer fo freublgen Errettung aus dee Gefahr
einer harten immermwährenden Knechtfaffe, ſehr lebhaft
ſchildern. Ich will aber nur folgende beyde Facta an-
führen: erſtlich, daß bie Griechen, und vorzuͤglich die
Achenienſer, ‚von diefer Zeit an alle in der Schlacht ge:
fallenen Bürger oͤffentlich begruben, und Yon dem
größten Redner ihrer Stadt eine Lobrede auf fie Balten
liefen, 43. op. Diod. Und zweytens, daß bie Gegend
von Plataͤa durch einen gemeinſchafftlichen Schluß der
Sriechen geheillgt, und Ihre Einwohner von den Laſten
des Krieges wider bie Barbaren auf ewig befreyt wur: .-
den, zugleich aber auch den Auftrag erhielten, im Na-
men von ganz Öricchenland den Helden, die für's Var
. ters
. 120 |
Diefe auf einander folgende Siege. brachten "in
Sees Bud
Griechenland viele merkwuͤrdige Beränberungen hervor ,
und unter viefen einige, die man ſchwerlich vorausge⸗
. her mit Wein, und goß ihn mit biefen Worten auf die
ſehen Gätte, und auch nicht wohl voraus fehen Fonnte.
gerland geftorben wͤrrnt, Jährlich ein feierliches Opfer
au bringen. 529. IT. Plut. in Ari, Dies Opfer daus
erte noch bis auf die Zeiten des Plutarch fort, und wird
von Ihm folgendermaßen befchrieben Cib.): An den Ges
dachtnißtage der Schlacht ging ein Trompeter oder Pos
faunenbläfer vor einer großen Proceffion ber, welcher
Mögen mit Myrten und allerley Craͤnzen, ein ſchwar⸗
ger Stier, und ein Kaufen von Juͤnglingen folgten,
die Gefäße mit Wein und Mil, und Krüge voll Oehls
und Eöftlicher Salben trugen. Die ganze Verſamm⸗
lung, in welche ſich kein Sclave mifhen durfte, weil
‚nur freye Maͤnner die Freyheit von Griechenland ver⸗
theidigt hatten, wurde von der vornehmſten Magi⸗
firatsperfon in Plataͤa angeführt, die ſonſt kein Eiſen
beruͤhren, und keine andere als weiße Klelder tragen
durfte, die aber an dieſem Tage mit einem Schwerdte
bewaffnet, und mit einem dunkelrothen ſchwaͤrzlichen
Gewande angethan war. Dieſe Magiſtratsperſon
nahm aus dem Archive der Stadt einen heiligen Eimer,
und ging alsdann mit der großen Verſammlung nach
den Graͤbern der Helden zu. Hier fehöpfte fle mit eig«
ner Hand Waſſer aus einer Quelle; wufch die Denkmäler,
die man den Kriegern gefegt Batte, und falbte fie mie
koͤſtlichem Balſam. Alsdann opferte fie ben Stier am
Altar, betete zum Jupiter, und dem unterirrdifcher
Mercur, und rief die tapfern Maͤnner, die für Gries
chenland gefallen waren, felerlih zum Saftmale und
zum Tobdtenopfer herbey. Endlich füllte fie einen Be⸗
Erbe aus: Dies trinke ich den Helden und Patrioten
zu, bie für die Freyheit von Griechenland ihr Leben ges
lofien Haben — Mean kann über biefe Pelerlichkeie
nche Betrachtungen anftellen, bie ich aber diesmal
Nachdenken meiner Leſer Aberlaffen will.
f
Geſchichte der Griechiſchen Sobhiſten. u
Die reiche Deute, die man den Perſern abgenommen
hatte, und unter den Griechen werhältnißmäßig vertheil⸗
te, vermehrte auf einmal das Bermögen der vorher ar⸗
men, unb burch ben Krieg erfihöpften Staaten, und
verbreitete durch ganz Griechenland in: berrächtlicher
Menge das ebeifte Metall, das vorher Höchft felten ge⸗
wefen war *). Nicht aber bloß diefer zunehmende Wohle -
ſtand, fonberu auch) bas Bemmuftfegn der grofien Thaten,
Die fie ausgeuͤbt hatten, hob die Seelen der Europäifchen
i empor””); umd dies Gefühl eigener Berbienfte
und Kräfte erfüllte das Volk, oder die niedern Claſſen
von Bürgern, allenthalben, beſonders aber in Athen
—
mit einer unwiderſtehlichen Beglerde, alle Borrechteder
Freyheit, die fie fo oft. mic ihrem Blute verrheidigt hats
ten, gleich den Vornchwn und Reichen zu genießen.
5 ie
[U —}
@) Diodor. XI. p. 478. Herod. VIII. 96.97. 123. IX. 79.
Plut. ia Ariſt. U. 491. Die Beute bey Plataͤa allein
war fo beträchtlich, daß man achtzig Talente zur Er⸗
bamıma eines Tempels der Minerva bey PDlatäa, und
ur Ausſchmuͤckung deſſelben ausfeste. p. 527. Plur.
„€ 0.
er) Arifi.deCivit,V.4. Kar maAw 0 vaurınos ox,Aos
vevouevoc UToS TRs Megı ZA Yınns,
x due TEUTAS, TS Nyauovıns, dis TAV MTa
Yararrav duvapıy, Try ÖNMOREETIEY saxugo-
regœv EROMOE. Und VII, 6, OXOAuSIKWTeRO '
Yap Yiyvonevoi di Tas EUTFOEIES Kos meyccAo-
oregos TEOS LET. ET TE TEOTELON ‚Kos
pero To Mndınos Deovnuarindevres ex Toy
eyar, Rays nmrovro udmoeus adev ner
yovres, ai. enrıknrarres.: Won den Gitten der
Ythenienfer im Zeitalter des Ariftides finder man eine
GSchilderung in meiner Abhandlung über deu Luzus dies
ſes Volks.
x
m .. | Sechſtes Buch.
Die Haͤupter - ver leztern waren entweber zu ſchwach,
diefen. Wunſch ihrer ärwern Mitbürger gu. vereiteln,
oder fie hielten s6 auch für, ungerecht dergleichen zu chun,
da die Geringen eben forwohl als die Bornehmen in ben
Pet ſiſchen Kriegen gedient, und ben Sieg bey Sala
min größtentheild exfochten hatten. Selbſt Ariſtides,
der nichts weniger, als ein‘ er des Volks war,
und ſich wie Kimon ſehr oft den Mißbraͤuchen widerſezte
die Themiſtokles von ber Gewalt des Volks machen
wollte, ſelbſt Ariſtides alſo hielt es für rathſam oder
wurde auch durch die Umſtaͤnde der Zeit genoͤthigt einen
Schritt zu (hun, der den größten Tabel verbienen vode»
de, wenn er anders zu vermeiden gewefen wäre. Er
gab das Gefez: daß alle Borrechte Achenienfifcher Bär:
ger Reichen ſowohl als Armen gemein ſeyn follten; dag
den einen, wie ben andern alle Würben und Aemter
offen ſtehen, und die Acchonten aus den ganzen Volke,
ober aus allen Claſſen von "Bürgern gewählt werben foll:
ten. Durch dies Geſez wurde eine bei erften Säulen,
auf welchen die von Solon errichtete Staatsverfaſſung
beruhte, umgeſtoßen, und bem großen Saufen eine
Macht gegeben , die er bald nachher zur Unterbrückurg
der ebelften Bürger, "und zu feinem eigenen
anwandte. - Ariftides wuͤrde ih um fein Vaterland
eben fo ſehr, als Solon verdiene gemacht haben, wenn
er anſtatt diefes Geſez zu geben, bie Schazung der brey
erften Claſſen von ben Bürgern in eben dem Berältniffe
erhöht Härte, In welchem der Staat reicher geworben
war. Allein bies war wahrſcheinlich nach der damaligen
tage der Sache nicht möglich *), und Ariſtides gab in
| der
Daß diefe Staatsveränderung unvermeidlich war, zeigt
außer den angeführten Stellen des Ariftoteles noch das
Urs
Geſchichte der Sriechifihen Sophiften. 123
der Abſicht die Eintrache aller Staͤbte zu befeſtigen,
feinen ärmern Mitbürgern dasjenige, was fie entweder
batd nachher mic Gewalt würden drzwungen, oder
von einem Verfuͤhrer des Volks nach gefährlichen Uns
ruhen und Bewegungen würden erhalten haben,
Gleich im erften Fahre nach dieſer Staatsveraͤnde⸗
zung und dem Siege ben Plataͤa wetteiferten die Grie⸗
chen mit einander , ihre umgekehrten Baserftädte wieder
aufzubauen. Die Achenienfer fingen einem meifen Rache
des Themiſtokles zufolge. eher an, die Mauerh ihrer
Stadt, von welchen nur ein Fleiner Theil ftehen gebiies,
ben war, und bie jezo erweitert werden follten, als ihre
—
eignen Wohnungen aufzurichten *). Kein Geſchlecht
war fo ſchwach, und fein Stand fo niedrig oder fo vor⸗
nehm , der nicht von ganzem Herzen alle ſeine Kraͤfte zur
Befeſtigung ver Vaterſtadt angewandt haͤtte. - Männer
und
*
Urtheil des Plutarch: U. 531. in vita Asifid,
Era 0 avaxwenoavras as To asu ras AS9y-
vuss 0 Adısedus Snrevras ine wrolaßen '
FW Önnoxgaeriav , RU MEV ouıov nysuevos due
ap avdewyadıay ETTIUEÄSSUE TOV ONMoY, Mes
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u eri eosdıov, IOKXUOVTOL TOIS OTWAOIS, Ko ME-”
yo Deovavra raus ,yıncus, enfsaognvoy, “Ye
Des \nPısun, Komm vo TV Wodurey, ch
Tas apyaras ef Admoumv Zara wiow-
I.
) Thue, I, 89.99. Demofth, 390. Theop. sp, Plut. I,
475. Diod. XI. 435. Moe. 11.206. Alle diefe Schrift
ſteller, unter denen ohne Zweyfel Thukydides der glaub:
wuͤrdigſte if, erzählen die Geſchichte der Mieberanfs
baunng der Mauern von Athen, mit etwas veränders
ten Umſtaͤnden. Iſokrates glaubte fogır, daß Athen
pr den Perfiihen Kriegen gar keine Mauern gehabt
tte.
l
124 Sechſtes Buch.
und Weiber, Kinder und Greiſe, Buͤrger, Fremdlinge
und Sclaven arbeiteten unablaͤſſig und mit gleichem Eis
fer an den Mauern zu Athen, und man ſchonte weder
Haͤuſer noch Grabſteine, und andere oͤffentliche Denk⸗
maͤler, die Materialien hergeben konnten, um ein Werk
deſto geſchwinder zu foͤrdern, welches die Meider und
Feinde des Athenienſiſchen Namens gleich nach ſeinem
Anbeginn gu hintertreiben ſuchten. ‘Die übrigen Gries
chifchen Staaten, deren Eiferfucht durch die große
Menge ver erfahrnen Seeleute in Achen, und durd)
ihren bey Salamin und Mykale bewiefenen Much rege
‚gemacht worben war, teizten die mit ihnen gleichgefinn:
ten Spartaner an, ben Athenienfern wie allen Äbrigen
Voͤlkern außer dem Peloponnes die Wiedererrichtung ih⸗
rer Mauern unter dem Vorwande zu unterfagen, damit
vie Perſer bey einem abermaligen zu befürchtenden Eins
fall keine fefte Pläze finden möchten, in denen fie fi)
feft fegen und behaupten koͤnnten. Themiſtokles vereis
celte bie Anfchläge der Griechen burd) eine Staatsliſt,
die den Ruhm feiner Weisheit ſelbſt bey denen, die da⸗
burch Gerücht wurben, moch mehr aber bey feinen Mit
Bürgern. erhöhte, und an welcher ſogar Ariſtides und
Axiochus Theil nahmen *). Die Spartaner und uͤbri⸗
. gen Griechen muften zulezt gefchehen laflen, was fie
durch Ihe bloßes Anſehen niche Hindern konnten, und
durch offenbare Gewalt nicht hindern wollten, and bie
Mauern von Athen wurden daher unglaublich geſchwind
vollender, von welcher Eilfertigkeit ihrer Erbauer fie
auch viele fichtbare Spuren in den folgenden Jahrhun⸗
berten zeigten *").
Faſt
0 Man ſehe Script. it, Inpr, Thueyd.
“) bh, e ö
Geſchichte der Griechiſchen Sopfiften. 125
Faſt zu gleicher Zeit mic ihren Mauern enbigten
ienfer Die Werke an dem neuen Hafen, ben
Piräus *), die ichon vor dem erften Einfalle der ‘Pers
fer in dem Zahre, In welchem Themiftofles Acchon
war *"), auf ben Rath diefes großen Mannes angefans
gen , aber burch, die Perfiichen Kriege unterbrochen wors
den waren T). Themiſtokles war ber erfte, der die Be⸗
quemlichkeit des Piraͤus, welcher drey große Buſen oder
Behaͤltniſſe für Schiffe hatte, und feine Vorzuͤglichkeit
dor dem Phalereus, den man bisher brauchte, einfah,
fo wie er der erfie war, ber nad) dem Ausdruck: des Ari
ftophanes die obere Stadt an den Piräus kuͤttete, und
das fefte tand von Attika nur zu einem Anhängfel des
Meers machte, der die Achenienfer von ihren Bergen
und Feldern In bie Schiffe trieb, der ihnen vorher vers
tündigte, daß fie ſich nicht anders als durch Handel und
Schiffarth gegen ihre Feinde würden vertheidigen, und
über ihre Machbaren erheben koͤnnen, der ‘endlich Ihren
Dandel und Ihre Seemacht fhuff, und ihnen die Herr
hafft auf dem Meere verfchaffte T}). Erſt ſeit diefer
Zeit fingen die Achenienfer an, die Vortheile ihrer lage
und ihres fandes zu nuzen, die weder Solon nod) ſonſt
irgend ein Staatsmann vor dem Themiftofles bemerft
hatte, Attika war nämlich ein gebürgichtes unfruchte
bares Land, das mehr zur Viehzucht ald zum Ackerbau
geſchickt war, das nicht einmal viele waſſerreiche natuͤr⸗
liche Queſlen, und-vor den fruchtbaren umliegenden täns
dern feine andere als nur die Vortheile des Delbaus,
erg
e) Ol. 975.3.
“) Ol. 7ı. 3.
+) Thucyd. 1. 93,
++) Thücyd, 1. c, Plut. I, 476. is Themift, Diod, XI;
436. ’
——_ —— —
126 Sechſtes Bud.
i ergiebiger Slilberbergwerke und Marmorgruben haste,
"welche lejtere aber bisher entweder gar nicht, .eder fehr
wenig waren bearbeitet. worben”)., Der ganze Ertrag
aber des Delbaus ſowohl als der Bergwerke reichte nur
eben bin, Korn und andere Nothwendigkeiten oder Bes
‚ “quemlicjfeiten des lebens bon Ausländern einzufaufen ;
umb Attika würde baher noch länger, vielleicht ewig ein
armes duͤnn bevölfertes Ländchen geblieben feyn, wenn
nicht die Weisheit des Themiſtokles der Natur zu Huͤlfe
gefommen wäre, und ihre Abfichten errathen haͤtte.
- Er foh es zuerft ein, mas nachher Tenophon mit fo vie:
lee Wärme an feinem Vaterlande rühmte, daß Achen
gleichſam im Mittelpuncte von Griechenland, und von
den reichſten tändern in gleichen oder den angemeffenften
Entfernungen llege; daß es faft alle Bortheile einer
Inſel Habe, ungeachtet es nicht ganz vom Meer um-
floffen fen, Indem fein Wind wehen fönne, der ihm
nicht Beduͤrfniſſe und Neichthämer zuführe, oder mit
welchem man nicht in feine Häfen einfegeln Fönne; und
daß alfo die Natur ſelbſt Athen zu einer Handelsftadr,
und Krtifa zum Wohnfize eines mächtigen zur See herr,
fchenden Volks beſtimint Habe *"). | an
) Thue. I. 2. Plut. I. in Sol. 360. 62. 63. 64. Xenoph.
Kuvever. e. 12. de Provent. J,
- »ey de Prov. I. Zenophon preift überdem noch die Schoͤn⸗
heit und Milde des Artifchen Klima. Attika, fagt die
fer Weltweiſe, leidet weder von zu großer Hize, noch
von zu heftiger Kälte; und eben deßwegen komme im
Attiſchen Boden alles, was die Stunden oder Jahre
jeiten ſchoͤnes tragen und erzeugen, am frühften hervor,
und dauret am längften. Schon die Alten füchten in
der Wilde und Feinheit des Griechiſchen, beſonders bes
Attiſchen Himmels die Urſache der vorzüglichen Sein
kraͤf⸗
Seſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 127 |
In ber That hatten bie Arhenienfer ſchon vor der
bey Salamin und Myfkale, noch mehr aber
nad) dieſen Siegen, die größte Seemacht unter allen
Staaten bed Europälfchen Griechenlandes. Wenn alfo
ihre Herrſchafft auf: dem Meere noch mehrere Jahre
nachher weber von ben Spartanern noch von den übrigen
riechen anerkannt wurde; fo war dieſes von Seiten
der erfiern die Wirfung einer langwierigen Gewohnhelt
e
au herrſchen, ober die Bundesgenoſſen anzuführen, und -
| . . von
— ———————
kraͤfte und Tugenden der Griechen vor den Barbaren, und
der Athenlenfer vor den übrigen Griechen. Arift, de
Civ. VI, 7. ‚Und diefe Vermuthung kann man unmög«
lich ganz verwerfen, wenn man bedenke, daß das eins
zige Land, welches Delbäume und Silberadern nährte,
ſchon vor feiner Cultur ſolche Maͤnner, dergleichen So«
Isa, Ariſtides und Themiſtokles waren, bervorbrachte,
Daß es durch diefe fich über alle mächtigern und reichern
Staaten, befonders über Sparta und Korinth, empor
bob, daß es bald nachher alle Künfte und Wiſſenſchaff⸗
ten nicht nur aufnahm, fondern auch ermeiterte, und
als ihm eigenchämlich behauptete. — Mean kann frei«
lich einen großen Theil dieſer Erſcheinungen aus foges
nannten moralifchen Urſachen herleiten; allein daß dies
fe moraliſchen Urſachen nur in Athen, und nicht au
derswo wirkten, davon kann man fehwerlich den Grund
in etwas anderm als in gewiſſen phyſiſchen Eigenthuͤm⸗
lichkeiten diefes Landes fuchen, ungeachtet wir Die Na⸗
tur berfelben eben fo wenig ergründen, als ihre Kraft
. genau beſtimmen fünnen. — Mit der Schilderung von
Athen, bie ih aus dem Zenophon gegeben habe, ver
gleiche man noch die Gedanken des Ariftoteles über die
Lage einer gluͤcklichen Stadt, und die Beichaffenheit des
Landes, mit welchem fie umgeben feyn müffe VII, 5, 6,
Achen, fagte Perikles ap. Thucyd. I. 149. wuͤrde
unuͤberwindlich ſeyn, wenn es ganz vom feiten Lande
abgefehnitten, und eben dadurch den‘ Angriffen feiner
nur zu Lande mächtigen Nachbarn entzogen wäre. _
-
N
N U
_
128. Sechſtes Buch.
von Seiten ber leztern die Folge einer eben fo langen
Gewohnheit, nur den: Spartanern zu folgen, und ber
eingewurzelten Hochachtung gegen die entfchiedene groͤ⸗
Gere Tapferkeit und Landmacht der Lakedaͤmonier. Es
muſte ſich aber norhwendig bald bey ber einen ober an:
dern Gelegenheit zeigen, daß jego, ba der größte Theil
der Sriechifchen Inſeln, und ber an der See gelegenen
Aſiatiſch Sriechifchen Städte, die gleich nach ver Schlacht
bey Mykale von den Perfeen abgefallen waren, mit eis
ner binlänglichen Seemacht gegen ihre ehemaligen Her⸗
ren vertheidiget werben follten, daß jezo nicht derjenige
Staat, der die melften und topferften Fußvoͤlker, fon
deru der die größten Flotten und die Erfahrenften See⸗
leute habe, an der Spize des Aſiatiſchen und Europäis
fehen Griechenlandes zu ſtehen, und die Herrſchafft des
Meers zu erhalten verdiene. ine foiche Gelegenheit
war die linternehmung, welche die Spartaner in Ber
bindimg mic den Achenienfern und. übrigen Bundesge⸗
offen veranftalteren, um die Perfer aus Kypern und
andern Inſeln und Plaͤzen, die fie noch inne hatten, mit
Gewalt zu vertreiben *). Auf biefem Zuge wurde Pau
‚fanias, König von Sparta, und Befehlshaber dee ganzen
vereinigren Flotte, nicht nur des Vorſazes, ganz Grie⸗
chenland den Perfern zu unterwerfen, verdächtig, und
bald nachher überführt ,„ fondern machte ſich auch durch
fein ſtolzes Herrifches Betragen, das burch die fanfte
Güte, und die unbeftechliche Rechtſchaffenhit des Ariſti⸗
Des noch mehr gehoben wurde, bey allen Griechen fo vers
haßt, daß fie Ihn nöchigeen, bie oberſte Befehlshaber:
fielle 'niederzulegen , die fie fogleich auf den Ariftibes,
wie die Ehre, in den Kriegen wider bie Perfer ige Fuͤh⸗
rer
f
XXX
3) Ol. 75, 4. Diod. p. 437. Thuc. L 94. . Plut, is
d Ariſt. IL 532. & fq. v9
Spartaner machten zwar einige Berfuche, ihr verlor:
nes Anfehen wieder zu gewinnen, und dachten einmal
gar daran, deßwegen einen Krieg mit den Athenienfern.
anufangen ””); allein fie ließen es doch endlich bey dem.
bloßen Borfaze bewenden, und übten bald nachher den
GSroll, den fie weder an den Achenienfern, noch an den
übrigen Griechen auslaffen Fonnten, an dem großen,
Momme aus, der den Achenienfern die überwiegende
Seemacht erworben hatte: Themiftofles wurde durch
bie wiederholten Anflagen und Berläumdungen bee
Gpartaner erft aus feinem Vaterlande verwiefen, und
nachher durch ihre fortbaurenden Berfolgungen gezwun⸗
‚gen, Griechenland zu verlaffen und sum Zerres zu
Noch
fliehn T). ..
®) Seript. mod. eit. Paufanias trieb feine unvernünftige
Harte und Uebermuth fo weit, daß er mit eigener Hand
uͤhrer der Bundesgenoſſen prügelte , oder fie ganze
Tage lang mir großen Gewichten von Eiſen ſtehen ließ.
Er beftellte handfeſte Kerle, die alle Griechen, welche
vor den Öpartanern aus Quellen Waſſer ſchoͤpfen, ober
eine Lagerflätte einnehmen wollten, mir Schlägen weg⸗
teeiden mußten, oa
*) Ol. 76. 3. Diod.p. 442. Ohne Grund alfo bewun⸗
dert Plutarch die gleichgüftige Ruhe, womi die Spar⸗
taner die Herrſchafft der See den A:henienfern uͤberlaſſen
bärten. in Arift, p. 534.
}) Diod. 445,48. Dies gefhah DI. 77. 2. in weichem
Jahre Themiftofles auch. farb, oder vielmehr Hınd an
fein Leben lege. Er harte in: eben dem Sjahre, im
weichem Die Achenienfer die Herrſchafft zur See erhiels
ten, den beillamen Rath gegeben, jahrlih 20 neue
Schiffe zu bauen, und alle Kunftler uno Fremdlinge,
die ſich in Athen niederlaflen würden, von allen Abqa⸗
ben zu befregen. Diod, Xl, 437. Der erfte Theil die
Zweyter Band. J fe
Seſchichte der Griechiſchen Sophiften, 19
rer zu ſeyn, auf bie Achenienfer üßerteugen "), Die
\
0 Sehfied Bund.
-
- Noch, ehe: die yon den Perfern abgefallenen Srie⸗
chiſchen Bundesgenoſſen fich den Athenienſern anvertraut,
und ihnen die Vertheidigung ihrer Freyheit uͤbergeben
hatten, bezahlten ſie den Spartanern gewiſſe Summen,
von weichen ver Aufwand, den ihre Beſchuͤzung und
Berrheidigung verurfachte, beſtritten wurde ). ie
erboren fich deßwegen von freyen Stücen, auch in der
Zufunft ein Gleiches gu thun, und erfuchten die Athe⸗
nienfer, dem Ariftides die Vollmacht zu geben, daß er
die Bermögensunnftände aller verbundenen Staͤdte unter⸗
ſuchen, und einer jeden nach, ihren Kräften den Beytrag
beſtimmen möchte, ten fie vorhin zum gemeinfchofftlis
chen Schaze liefern folle ). Die Athenienfer willige
ten In diefe Bitte, und, Ariſtides vercheilce eine Summe
von vier hundert und fechzig Talenten, die jährlich zu:
_ fammengebracht werden mufte, mit einer ſo unpattheyi⸗
4
chen Billigkeit über alle Sriechifche Inſeln und Aſiatiſche
Städte, daß diefe Ihn noch Immer in den nachfolgenden
beſorgen mujten FF),
eitaltern als ihren größten Wohlthaͤter, und feine
chäzung als den Zeitpunet Ihres Wohlſtandes ſeegne⸗
‚ten }),. Man errichtete hierauf eine gemeinſchafftliche
Schazkammer auf der Inſel Delos, und es wurden
auch Schazmeifter von Oriechenland ernannt, die alle
Benträge der. Bundesgenoffen in Empfang nehmen,
und die Ausgaben nad) den Borfchriften der Arhentenfer
DT ——————————
[U UL}
Die
fes Raths wurde noch lange nach ihm Gefolge; die ans
dere Hälfte iſt aber, fo viel ich weiß, niemals in Er.
füllung gegangen.
°) Plut.I,c,p 539.
*“) Plut. I. c. Diod. p. 440. Thu. I, 96,
) 1. cc, Diodor gibt die Schazung des Ariftides unrichrig
zu 560 Talenten an. p. 446.
H ıb
’
f
=
Die Achenienfer begegneten ben. Bundes genoſſen,
von denen fie zu JFuͤhrern waren erwaͤhlt worden, in ven
erſten Fahren mit großer Gate und Gelindigfeit *), fs
lange fie nämlich, einen Krieg mit den Spartanern zu
fürchten hatten, und ſich von dem Kimon und Ariftides,
bie beyde das Bolf und feine Schmeichler kn Zaum⸗
Geſchichte der Sriechlſchen Sophiſten. BB |
a Ve
bielten ®), und auch gleich zeit von ungereihten Maas
zegelm entfernt maren, leiten ließen. Si⸗ rüfteren äle:
ein *°°) eine Flotte von zwey hundert Seegeln aus +),
de alle Aßatiſche Infetn, und alte Schloſſer und Gräm .
am Sellefpont, in Jonien, Karin und Inelen, welche
noch von den Perſern befest, oder ihnen zugerhan wa⸗
ren, befreyen, ober fie init Gewalt den Barbaren ents
reißen ſollte. Kimon, ber Anfuͤhrer dieſer Flotte, ein
eben fo großer Held, als Themiſtokles, umd nicht wer. -
niger eifriger Patriot und rechrfchaffener Mann, als
Ariflines, der aber weder bie großen Talente des erftern,
noch die erpabenen Tugenden des leztern hatte P), rich⸗
zete dieſen Auftrag mit der größten Gefchwinpigkeie aus,
ſchlug das Heer und die Siotte der Perſer, - bie ſich am
Fluſſe Eurnmedon verfammiet hatte, und erfoche an eis.
beim einzigen Zage zween fo a rändige Siege, als die
| | 2.0.
Grie⸗
——— — —
Thue. 1,99. ' J
2 it. 194. 205. Plut. in Cim,.
) SL 77.3. j
Diefe Biotte wurde bald nachher dutch die Huͤlfeſchiffe
y ber Dumbeögenoffen auf dreyhundert Und hun
meßrt. Diod. XI, 450, Ephor. ap. Plur. 351. III, ie
Cim, Disdor ſcheint durchzehends dem Ephorus ges
foßer zu ſeyn, der aber gewiß nicht fo viel Glauben als
Thutydides verdiente, von dem er oft abweih:, Pha⸗
nodemus redete gar von 600 Gchiffe der Hihenienfer. _
ap. Plut. I. « 0
44) 3; gez; Plus, i
N
⸗
133:
N
—F Sechſtis Buch we
Griechen weder vorher über die Barbaren erfochten hate
ten,
noth auch in der Folge erfochten *% Durch Biefe“
jene erhieiten ver Ruhm, der Much und das Bermb:
ante Athenienſer einen glei, großen Ruwadjss und
Kino
n wandte bie reiche Beute , Die er den Perſern abs
genpmmen.gatte, dazu an, feine Baterfladt-nu verſcho⸗
nern ,. oder.noch mehr zu befeſtigen. Er bepflanzte den
großen Matfc in Athen mir fehönen Bäumen, verwan⸗
%
deite die, Hfndentle ,. ‚die vorher eine duͤrre Woͤſte gewe⸗
fon war, in.einen-fählen (chartenreichen uſthain und
ichte
den Grund zu den zroßen Mauern, bie von Athen
biẽe an den Pholereus und Piraͤus gingen, und bald
"nachher **) vollendet wurden )..
“
227
—— — — —
Dad)
‘ Thuc. I. 100 e. Diod. p. 451. Plut. III. 199. Lyec.
⸗
"a0
mweggenonimenen. Schiffe.
p. 145. Diodor weicht von allen übrigen in der Angas
Be der Gegend aß, wo Rimon die feindliche Flotte ges
fälagen haben fol. Er ſagt naͤmlich, daß diefes bey
Kypern geſchehen fen, da die Übrigen den Eurymedon
nennen. Ein jeder diefer Schriftfteller erzähle ferner
die Größe des Verluſtes der Perſer auf eine andere Art.
Tach dein THufydides verdarben oder nahmen die Athe⸗
nienfer 200 Phoͤniciſche Schiffe weg: nach dem Lykurg
flieg die Anzahl der Schiffe, die den Siegern in die
Hande ſielen, auf 100, und nad dem Hlutarch auf
200. Diodor Bingegen gibt dreyhundert und vierzig
und zwanzig taufend Befangen? an, nufer der Abrigen
großen Deute, die den Athenienſern zu Theil geworden
. ſey. Dieoedor fehlte aber. unläugbar- ta der Angabe. ber
Denn: feinem eigenen Des
richte zufolge hatten die Perſer vor der Schlacht nicht
mehr als dreyhundert und vierzig Schiffe, und es mü-
ſten alfo gar feine untergegangen, und fein einziges ent-
flohen ſeyn, wenn die Achenienfer eine eben fo große
ze von Schiffen erbeutet haͤtten.
DI. 80.4.
7) Thuc. I, 107. 108. Plut, III. 208. 208. in Cimone,
—
|
Tr — 5 — — a En — I En En 4 ————75 — — J ann
" -
Geſchichte der Sriechiſchen Sophiften. 233 .
Mach diefem Siege am Eurymedon fingen bie
Athenienſer an ‚- jich faft-für unüberwinbfich zu haften,
und fürchteten weber Barbaren noch: Griechen mihr.
Sie allein griffen in den naͤchſten ‚vierzig Jahren, vie
bis anf den Pelopönnefifchen Krieg verfloffen, den Rd
nig der Perſer, ber kurz vorher dem ganzen vereinigteh
Griechenlande fo furchtbar gersefen war ; ungereizt zu
wiederhohlten malen an, und zwangen ihn emblich zu
einem fehimpflichen Frieden, der der fhaunenden Mad)
weit die innere Schwäche einer 'ungeheuren Despotie
eben fo fehr, als Die innere Stärke einer a kleinen
bluͤhenden und wohlgeordneten Nepubtief verräch *). Sie
Friegten ferner nad) einander mic allen Griechifchen Vol⸗
Eern, oft mit mehrern zugleich und an mehretn Orten;
und apiefer ganze Zeitraum alfo, ber von bem Siege des
Kimon bis aufden Peloponnefijchen Krieg verfloß, was
eine ununterbrochene Kerte von Schlachten , in welchen
fie meiftens über ihre Feinde fiegten. So wie ihre Flot⸗
fen auf allen Meeren herrichten, und alle Inſeln und
Städte in Alten ſowohl als am Hellespont zinsbar mach⸗
ten; fo durchzogen ihre fiegreichen Heere das ganze Gries _
chenland, verwuͤſteten ven Peloponnes und das Gpartas
oifche Gebiet wie Theflalien, und unterwarfen einen
großen Theil der altgriechifchen Staͤdte und Bölfer: ihs
zer Botmaͤßigkeit. Dieſer unaufhörlichen Kriege unges
achtet nahm die Bevdlferung immer zu; wenn niemald
baben die Arhenienfer mehrere und zahlreichere Colonien,
.
als gerade in dem Zeitraume ausgeſandt, im welchen fie
die meiften Schlachten geliefert haben. Das ganze
| 233 Bolt
“
‘
’ .
2
Q m 7 7 g , * *
) Wie ſehr die Kthenienfer die Perfer verachtet, und ihre
Ohnmacht gekannt haben, fieht man auch daraus, daß
ſchon Kimen den Gedanken hatte, dem König der Per: _
fer vom Throne zu ſtoßen. Plut..IU. 1919 'p. C*
134 Sehe Buch.
VMolk war von einem einzigen kriegeriſchen Seiſte belebt.
Weder vor «noch nachher boten fich die Athenienſiſchen
Zünglinge fo bereitwillig zu den gefaͤhrlichſten Unterneh⸗
mungen an; nie fochten reife, die das Alter von allen
Arbeisen des Krieges befreyte, mit fo viel jugendlicher
Tapferkeit und Stärke, und niemals hatten auch weber
bie Achenienfer noch irgend ein anderes Griechiſches Volk
auf einmal fo niele große Feldherren, als In biefem Zeit
alter in Achen verſammlet wurden. Kimon, Ariſtides,
Myronides, Tolmides, teagoras und Perikles wären
ein jeder ſchoun hinreichend geweſen, einen Staat gu ret⸗
ten und groß zu machen: und dasjenige Volk alſo, das
ſie alle beſaß, muſte nothwendig das erſte feiner Zeit,
und das maͤchtigſte in Griechenland werben *).
Dieie häufigen Ausruͤſtungen, welche bie Athenlen⸗
fer auf gemeinfchafftliche Koften machten, und zu weis
chen auch die Bundesgenoſſen Schiffe und Krieges
volk liefern muften, wurden den weichlichen Inſulanern
und übrigen Aſiatiſchen Griechen bald unerträglich, in⸗
dem ihre teiber und Seelen, entweder durch langıvlerige
Dienſtbarkeit, oder durch einen übermäßigen Genuß aller
Guͤter des Gluͤcks und des Friedens entnerot, und zu
. ben DBefchwerlichfeiten des Kriegs untächtig geworben
waren **). Faſt alle Bundesgenoffen wurden alſo
ſchwuͤrig; einige weigerten ſich, die Schiffennd Manns
ſchafſt, welche man von ihnen verlangte, herzugeben,
und andere fielen aus andern Urfachen ab. Ende
‘ 8
8
P)
mn
—
©) Wenn man die Geſchichte der Athenienſer nach den Derf,
ſchen Kriegen mit der Gefchichte der Römer nach dem
zweyten Puniſchen Kriege vergleicht: fo wird lan
zwiſchen dem Zuftande biefer beyben Völker und ihren
S hickſalen ſehr vieſe Aehnlichkeiten entbedden,
6°), Thue. 1, 98. 99.
|
— v ‘“
Geſchichte de Griechiſchen Sophiſten. | 135
Wiberfpenftigfeic oder Abfälle ahndeten die Arhenienfel
an den Einwohnern von Naros durch Sclaverey, und -
an den Thafiern durch bie Niederreißung ihrer Mauern,
durch Die Deraubung ihrer Schiffe, durch eine große
Geſdſtrafe, die fie fogleich, und durch einen harten Tris
best, den fie in Der Folge erlegen muften *). Bon dies .
fem Zeitpuncte an”) mißbrauchten die Arhenienfer ihre’
unnnmehro ummiderflehliche Macht 7), fie behantelten
bie Staaten, die von ben Perfern zu den Griechen,
und von ben Spartanern zu ihnen abgefallen waren,
nicht mehr als Bundesgenoffen, fondern als ihre: Unter⸗
thanen; waren nicht mehr ihre Fuͤhrer, fondern warfen
fh zu ihren unumfchränften Beherrfchern auf, und
wandten endlich nicht Ueberredung, fondern meiftens of⸗
fenbare Gewalt an, um fie nad) ihren Abfichten gu beus
gen. Der geheime Haß, der Hieraus entftand, wurde
zwar durch das noch immer fortdaurende und, ſteigende
Stück der. Arhenienfer fo ſeht niedergedruͤckt, daß er nicht
in Thaͤtlichkeiten ausbrechen fonnte; allein er bereitete .
ihnen boch in der Stille eben fo viel Unglück für die Zus
kunft vor, als fie an andern Unrecht ausübten, oder
ausgeübt hatten. WB
Wenn die Vorſehung einmal beſchloſſen hat, Voͤl⸗
ker oder einzelne Menſchen vor andern hervorzuziehen; ſo
pflegt ſie es meiſtens, wie die Geſchichte lehrt, ſo einzu⸗
richten, daß die Thorheit und Fehler ihrer Feinde eben
fo ſehee, als ihre eigene Weisheit und Tugend zu Ihrer
Vergroͤßerung beytragen muͤſſen. So ergind ed and)
jezo den Athenienſern. Die Weichlichkeit ver Bundes⸗
genoſſen, und Ihre Wögeneigigei gegen den Krieg ur
34 ür
x
®) Thor. 1, 101. 102. Died, p.457.X;
*) DI. 79.1. a
ı) Died. |}, e, 2
\
- Bamen in ihr Baterland zuruͤck }).
26 - Secchſtes Bud.
für die Athenienſer eine neue Quelle von Reichthum und
Macht, und für die Pundesgenoffen die Urſache des
Unvermögens, fich ihren Beherrſchern widerfegen zu koͤn⸗
nen. Kimon gab naͤmlich feinen Mitbuͤrgern den Math,
die Bundesgenoffen fernerhin nicht mit Gewalt zur fies
ferung einer gewiffen Zahl von Schiffen und Mannfchafft
anzubalten, fondern e& ihrer Wahl zu überlaflen, ob fie
beyde hergeben, oder an ihrer Start jährlich fo viel bes
zahlen wollten, daß die Achenienfer dafür Kriegsvoͤlker
unterhalten, und Flotten ausrüften koͤnnten. Die
Bundesgenoffen wählten das leztere, und glaubten: von
einer großen Laft befreyt zu fern, da fie doch wirklich
den Athenienfern mit ihren Reichthämern die Micrel in
die Hände gaben, fie nach Wohigefallen zu beherrſchen
und ihnen auch dasjenige mit Gewalt zunehmen , was
fie nicht mit gutem Willen hergeben wollten*), Durch
dieſe vermehrten Beytraͤge der Inſulaner, und der Aſia⸗
tiſchen Griechen, wurden die Athenienſer in Stand ge⸗
fest, eine Flotte von zwey hundert *") Schiffen einem
“ Könige von Aegypten zu Hülfe zu fehlten, ber fich ger
gen den Artarerges empört hatte. Diefe Flotte gewann
zwar anfangs große Vortheile über die Perfer, wurde
aber nad) einigen Jahren gänzlich zerflört, und nur
wenige von denen, mit welchen fie beſezt geweſen war,
3
üX LU)
“®) Thue. I, 99. Plut. III, 196. ia Cimone,
©) Thue. I, 104. & Ifoer. I, 462. Diodor 458. XI, ſagt
drey hundert. Ä
F) So erzänle Thukydides T. 109. 110. der diefer ganzen
. Unternehmung eine Dauer von fehs Jahren gibt.
Diodor bingegen ſchraͤnkt fie auf eine einzige Olyınplade
ein, von DI. 79. 1. bis 80. 1. und erzähle den Aus
gang derfelben noch ganz anders.
Geſchichte der Sriechiſchen Sopfiften. 37
In eben dem Jahre, in welchem bie Achenienfer
bie große Miederlage in Aegypten litten, erhielt die Staaıs,
verfaffung in Athen den gefährlichfien Stoß, den jie
fir den Zeiten Solons erhalten hatte. Ephialtes nahın
nämlich auf Anſtiften des Perikles dem Areopag außer
dem Vorrechte, Todrfchläger und Mörder zu richten,
alle Gewalt, die Solon ihm gegeben harte, bob damit
den Einfluß auf ; den die Bäter des Volks bisher über -
die Thoren und LUnverftändigen gehabt hatten, zerriß
bie heilſamen Zügel, womit der große Haufe bisher ge,
bändigt worden war, und nöthigte den fich felbft übers
lognen Poͤbel, feine ganze Macht in die Hände von Des
magogen zu legen, die von diefer Zeit an faſt unum⸗
ſchraͤnkt zu herrſchen anfingen ).
Die Folgen dieſer immer mehr und mehr zuneh⸗
menden Zernichtung der Staatsverfaſſung wurden in
Acthen fo wenig als in Nom oder andern Freyſtaaten
merklich, fo lange das erftere größere Staatsmaͤnner
und Feldherren harte, als alle übrigen Sriechifchen Voͤl⸗
fer zufommengenommen. Bielmehr müfte man, wenn
man die Guͤte der innern Verfaſſung der Athenienfer
ganz allein nach, der Dienge von erfochtenen &iegen' bes
ortheilen bärfte, den Schluß ziehen, daß dies Volk nie
eine beffere Megierungsform gehabt hätte, als in den
eriten zehn Rahren nach dem verderblichen Geſeze des
Ephialtes. Die U:henienfer überwanden nämlich unter
den teofrates die Aegineten, die ihnen noch immer nach»
on 935 buhl⸗
En En SED ge —— — — BEE 0
’
®) Ifocr. Il, Sup. eit. Diod. XI. 463, Plut. III, 205. 1.
602. 606. 607. I. 602. Plat. Perikles goß, wie
Plato fagte, dem Bolke eine ganz ungemifchte Freyheit
ein, die es: nicht ertragen konnte; und von diefer Zeit
an, ſcherzten die Komiker, habe das Volk Euboea an-
gehiffen,, und die Sinfeln gemißhandel.
/
38 LSecehdhſtes Ye
buhlten, in einer entſcheldenden Schlacht, nahmen ie
rien auf einmal frebenzig Schiffe ab, und zwarigen fie
durch die Furcht vor den äußerfien Gefahren, welche
ganz wehrlofen und fo wiele Jahre gehaften Feinden bas
vorftanden, Ihre Mauern nieberzureißen, und einen
Tribut gleich den übrigen Inſeln zu bezahlen ). Um
eben diefe Zeit fehlugen fie unter dem Myronides Die
Korinthier und Epivaurier viermal **): und wurden
durch den Berluft, den fie in dem Garcnädigen Treffen
ben Tamagra **") gegen die tafebämonier und deren Bune
besgenoffen erlitten, fo wenig gefchwächt *"**), bag fie
einige Wochen nachher den Myronides mit einem Heere
gegen die Böotier ausſchickten +). Dieſer große Feld⸗
berr fiegte zweymal hinter einander mit einer viel gerins
gern Macht Über die Boͤotier, eroberte und entblößce
‚alle ihre Städte, Theben allein ausgenommen, bezwang
bie Phokenſer und Lokrier, und drang bis ins Herz von
Theſſalien ein T7)._ Mac) dem Diodor war die erfte
Schlacht gegen die Boͤotier nicht weniger glorreich, als
bie befungenen Siege bey Marathon und Platäa, und
doch fand fich Fein Gefchichtfchreiber, der eine ganz ge⸗
Mame
naue Schilderung derfelben Hinterlaffen hätte T7 P. Dee
-
*) Ol. 80. 2 und 4. Thue. I, 105 & 108, Diod, XL
‚ 63 p.
0.08) Hnuc 1.105. 106. Diod. 463. 464. Nach dem Thu⸗
eyes sogen fle aber doch In der erſtern Schlacht den
en
rzern.
“sr Ol. 80.3. Ä
wenn) Thutvd. I. 108. fagt, daß die Athenienſer dieſe Schlacht
verloren Hätten, und ſchweigt ganz vom Perikies, der
‚Seesführer war. Diodor Hingegen p. 465, erzählt,
da biefes Treffen mit unentſchledenem Gläde geendigt
. worden. -
7) Thu. I. 108. p. 466. 467. Diod,
tt) SL: 80. 4.
‚ttt) Diod. p. 467.
’
„tr
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 139
Name des Myronides iſt daher kaum Gelehrten bekannt,
ungeachtet er mehr that, und oͤfter ſiegte, als Miltiades,
Themiſtokles und Kimon, deren Namen wir ſchon in
den Schulen lernen. So wahr iſt es, daß der Ruhm
von Helden nicht bloß von ihren Verdienſten, ſondern
weit mehr von gewiſſen Umſtaͤnden, und beſonders von
der Vortrefflichkeit der Geſchichtſchreiber abhaͤnge, die
ihre Thaten fuͤr die Nachwelt aufzeichnen.
Sa die Fußſtapfen des Myronides traten Tolmi-⸗
des und Perikles, unter welchen der erſtere Gythion,
einen Ort, wo die Spartaner Sciffswerfte harten, zer»
ſtoͤrte, Kephalenia und Naupaktus eroberte, und in der
leztern Stadt die Weberbleibfel der Dieffenier , welche die
tafedämonier nach einer zehnjährigen Einfchliegung ans
Ithome entlaſſen harten, eine Miederlaffung verfchaffte *).
Perikles Hingegen verwuͤſtete mit einer Flotte von funf⸗
zig Schiffen die Küften des Peloponnes, und machte alle
Städte in Akarnanien den Achenlenfern unterwürfig **).
Noch allen diefen glücklichen Unternehmungen dady
ten die Achenienfer daran, die Schmach, bie fie in Ae⸗
gupten erlitten hatten, mit dem Blute der Perfer abzu⸗
waſchen; fie rüfteten Daher eine Flotte von zwey hun⸗
bert Sesgeln aus, und gaben ihr den Kimon zum Aus
führer, gleich als wenn diefer Sohn des Milciades allein
zum Ueberwinder der Perſer beſtimmt gewefen wäre.
Kimon befiegte die Barbaren auch wirffich in einer Land⸗
und Seefchlacht F), und feste den König, der Perfer
dadurch in eine ſolche Furcht vor den Waffen der Athe⸗
nienſer, daß er feinen Feldherren den Befehl gab, den
ol ber
*
‘
U 4
d. p. 467. 68. DI. 81. 1.
.81. 2. Diod.p. 469.
85. 3. .
140 | . er Sechſtes Buch.
beruͤhmten FJeleden zu fchließen, von welchein fo viele
Schrifrfteller reden, und deffen Bedingungen folgende
waren: daß alle Griechiſche Städte in Aſien frey ſeyn,
und fein Perfifcher Satrap ſich dem Meere innerhalb
einer Entfernung von. dren hundert Stadien. nähern,
und fein beivaffnetes Perſiſches Schiff ſich außerhalb. der
Stadt Phafelis in Pamphylien, und ben gegenüberlie
‚ genden Kyaneifchen Inſeln ſehen laffen folle *). Gieich |
- €
N Ol. 83, 4. Diod. XII. 481. Iſoer. II. 210. Pansthen,
“Lycurg. p. 148. Demoftb, de falf, Leg, p. 237.
Plut. in Cim, III, p. 197. 201, 203. SKaflifihenes
zweyfelte, od ein folher Friede mit, ſolchen WBebingun:
gen jemals gefchloffen worden; aber wider alle Ur.
kunden und die glaubwürdigften Geſchichtſchreiber. Ich
: kann nicht umbin, bier noch eine fleine Bemerkung
“über bie Verweifung des Kimon hinzuzufügen. Won
diefer Verweilung fagen Thutybides und Diedor nichts;
Plutarch MI. 211. bingegen und Andofydes or. IV,
308 p. bezeugen fie, ungeachtet fie in Auſehuͤng der
naͤchſten Urſachen derfelben von einander abweichen.
Lezterer erzählt, daß die Athenienſer den Kimon dee
wegen aus ihrem Wolke ausgerottet Härten, weil er ei:
ne ungefezmaͤßige Liebe zu feiner Schweſter getragen ;
und Plutarch Hingegen, weil er die Athenienfer bewo⸗
gen habe, den Spartanern in ihrem Kriege wiber bie
Heloten und Meffenier zu Hülfe zu kommen, in wel.
‚dem .fe allein unter allen Bundesgenoſſen als verdaͤch⸗
.tig zurüd geſchickt wurden. Die erftere Nachricht iſt
gar nicht wahrſcheinlich; und nach der lejtern wuͤrde
"7 de Berwelfung des Kimon entweder in Ol. 77. 4. oder
8. 1. re Dun aber erzähle Plutarch, daß Kimon
erſt nach der Schlacht bey Tanagra Ol. 80, 3., auf An-
rathen des Perikles felbft, der der Haupturheber feiner
Entfernung geweien war, zurüdgerufen ſey; allein fo
lange war er gewiß nicht abweſend, denn Ol. 77. 1.
bezwang er ſchon die Thafier, die von den Perferk abs
gefallen waren. Gewiß Ift es, unterdeffen, ſomohl aus
| "der
Geſchichte der‘ Griechiſchen Sophiſter. a4.
|
Oteich nach) ven mic den Perſern geſchloſſenen Frie⸗
zen ®) ſchlugen die Achenienfer die Einwohner won Me⸗
gara, die ihren Bund. verlaffen hatten; verloren aber
and) in dem mächfifolgenden Jahre einen ihrer größten
Feldherrn, den Zolmides, in dem unglücklichen Tref⸗
fen bey Cheronaͤa, und mit ihm alle die Städte, wel⸗
che ihnen in Boeotien gehorcht Hatten. Schon dieſe eins
zige Niederlage zeigte, was fie dereinft in größern Un⸗
giäctsfällen von den Bundesgenoflen zu erwarten hätten,
Denn eine große Menge von Städten, . pefonderö auf
Euboeaq, fiel von den Achenienfern ab, die aber alle wie,
der burc) den Perikles zum Gehorfam gebracht wurs
den **). Ein gleiches Schickſal hatten die Samier, die
zwar einmaläber die Athenienſer jiegten, aber zweijmal
vom Perikles überwunden, und nad) der lezten Nieder⸗
Tage ihrer Schiffe und Feſtungswerke beraubt und zur
Erſtattung aller Kriegskoſten verurtheilt wurden 7),
on Dald
—— —
der Erzählung des Plutarch, als aus den ganzen Laufe
der Degebenheiten, daB Kimon von der acht oder neun .
und fiebenzigiten Olympiade bis an feinen Tod nicht fo
viel Anfehen als fonft, und nicht mehr Macht gehabt
babe, als Perikles für gut fand, unter gewiſſen ges
beimen Bedingungen ihm anzuvertrauen. &elbft die
äjwente Unternehmung gegen die Perfer übergab Peri⸗
Ples dem Kimon, um ihn den Augen der Mirbürger zu '
entziehen. Kimon ſtarb in eben dem Jahre, in wel-
chem er den Zrieden mir den Perfern geſchloſſen hatte.
Diod. I. e.
w) OL. 83. 1. Diod. XIl. gar.
“*) Ol. 83. 3. p. 482. Diod. nn
+) 9t. 84. 4. Died. Xi. p. 495. 96. Plutarch I. 047.
feine die Samier ſich als zu mächtig vorzuftellen, in«
dem er fagt, daB die Archenienfer in Gefahr geweſen
wären, durch die Flotten der Samier, und duch die
Tapferkeit und Klugheit des Meitffus, der Herrſchafft
zur See beraubt zu werden,
12... Scchfled Buch.
Bald nach biefen festen Begebenheiten entſpannen fidh
die naͤchſten Berantaffungen des Peloponnefifchen Krie⸗
ges, vom denen ich hier ſchweige, weil fie von der Een
ſchichte deſſelben nicht getrennt werden koͤnnen.
Ich fann aber diefen Abſchnitt der Geſchichte ber
Griechen, und vorzüglich der Achenienfer, nicht fihließen,
oͤhne eine kurze Schilverung bes Innern Zuftandes von.
Achen, und des Berhäleniffes diefer Stade zu den uͤbri⸗
den Sriechifchen Staaten hinzuzufügen. Ein foldyes
Gemälde ift um defto nothwendiger, da man fi) ger
“ waltig irren wuͤrde, wenn man aus den erzählten Tharen
der Ychenienfer, und ihrem Gluͤcke Im Kriege auf die
Vortrefflichkeit ihrer Derfaffung und auf die Guͤte der
Eitten des ganzen Volks fchliegen wollte”), Athen
‚ erreichte von den Jahren an, in welchem Kimon zum
legten male über die Perſer fiegte *"), bis auf den Ans
fong des Peloponneſiſchen Krieges durd bie Tugenden
eines einzigen Mannes den höchften Grad von Macht,
tanz, und Größe, von dem es bald: nachher herabfie,
und den es auch nie wieder erreicht hatte 7). Dieſer 3
— i ann
— — — — —2*
*, Billig ſollte man nie von den Heldenthaten eines Volks
J auf ſeine Sitten, und gute Regierungeform, und von
ſeinem Gluͤcke im Kriege, nie auf ſeine wahre und dau⸗
erhaffte Gluͤckſeligkeit ſchließen. Denn kriegeriſche Tu⸗
gend und Tapferkeit dauert oft noch fort, wenn fchen
‚alle übrige Tugenden ih verloren haben, und meiftens
it das Gluͤck von Völkern mehr der Klugheit und dem
- Much einzelner groger Maͤnner, als der aflgemeinen
.. Tapferkeit, . oder einem herrſchenden Eriegerifchen Geiſte
aanzer Nationen zu verdanken. |
) Ol. 82.4.
+) Selbſt Thukydides fein Beind gibt dem Perikles das Zeug:
niß, daß Athen unter ihm am größten wurde. IL. 65 c.
—.. "Ooor
.
x
Gefchichte der Griechiſchen Sophiſten 143
Mann war Perikles der allen Feldherren und Staats/
männern feiner Zeit an Tapferkeit, Vaterlandsliebe,
und sinbeftechlicher Rechtfcbaffenheit gleich fam, und fie
alle entweder an fihönen und wiſſenſchafftlichen Kennt
niflen, oder an Beredſamkeit, und der Kunft die Her
en des Volks zu gewinnen, ober an unermüden
tem Fleiße und Ordnung in öffendlichen Gefchäfften, -
oder an Behutſamkeit in Friegerifchen Unternehmungen
und dem jcharfen in die Zufunft vordringenden Blick,
oder endlich) an Seelengroͤße, Standhaftigkeit in Ger
fahren und Ungluͤck, und an Reichthum an großen Ent
mwürfen .übertraff *), &o wie er, nach der Bemerkung
. rn. „alter
in En En
"Os Tr ya xgovov eg TNS iroheme ev 2 Zu
eng, nerews ebmyesto, naı aoDaras deedu-
Aufp ausw, va eyevero em exeius MEYISN.
Bon dem Tode des Kimon an, war das Anſehen ber
Peritles faft uneingefhräntt; beun Thukydides, bez
fich nach dem Tode des Kimon zum. Widerfacher des
Perikles und zum Haupte der Ariſtokratiſchen Par:hey
aufwarf, ſcheint dem erſtern nie ſehr furchtbar geworden
zu ſeyn, wie man aus den auswaͤrtigen Kriegen ſieht, die
Perikles in der drey und achtzigſten Olympiade führte,
Bill man unrerdeffen die ungeftor:e Herrſchafft des Pe⸗
ritles in Athen mir dem Plutarch erfi von der Verwei⸗
fang bes Thukydides zu reshnen anfangen, und in einen
Zeitraum von 15 Jahren einfchließen, 1. 226. Plut, fo
fee man im Tepte ſtatt DI. 83. 4. Olymp. 83. 4.
e) Ich muͤſte das nanze Leben diefes Mannes vom Plutarch
abfehreiben , wenn id) die Reihen von Handlungen, vor
welchen ich einen jeden Zug feines Charakters genom⸗
. men babe, erzählen wollte Man fehe unterdeflen
Thue. 11. 65. welches Expitel man "mit deflo größere
Ehrfurcht gegen den Perikles, und deite märmerer Bi⸗
wunderung des Thukydides leſen wird, wenn man ſich
befinnt, daß lezterer ein Beind des erflern war. Man
!
—
fefe .
1444 J | j Seqchſtes Buch.
after teute in Athen feinem unter den beruͤhmten Maͤn⸗
nern, welche diefe Stadt herborgebracht harte, von
Perſon fo ähnlich war, als dem Pififtrarus ); fo kann
man ihn auch in Anfehung feiner Denkungsart, und ſei⸗
ner großen Tugenden mit feinem fo richtig, ale mit eben
dieſem Selbſtbeherrſcher vergleichen; und es Täße fich
daher von ihm wie vom Piſiſtratus behaupten, daß er
ein eben fo untadelicher Bürger gemefen feyn würde,
role er der größte war, wenn er nicht bisweilen, beions
ders in Fällen der Noth, das allgemeine Befte feinem
Ehrgelze und feiner Ruhmbegierde aufgeopferc hätte **).
Er machte gleidy feinen erften Eintritt in die öffentlichen
Berfammiungen des Bolfs mit der reifſten Ueberlegung,
und zeigte ſich anfangs ſchon als einen Manny. - der in
der Folge nie anders. als nad) wohlerwogenen Planen
handeln, und nie anders als vorbereitet dffentlich reden
mörde. Perikles bot fich zuerfi dem Volke als einen
jungen Bürger bar, der geneigt fen, ihm mic feinen
Kräften zu dienen, als Arifides geflosben, und Kimon
faft Immer in auswärtigen Unternehmungen begriffen
war 7). Well er nicht fo viel Bermögen harte’ als Ki
. mon,
ſehe ferner Iſoe. I. 433. Mem. Soer. IH, 5. we
o zevu genannt wird. Endlich Plutarch I. 392.96.
610. 621. 625, 630 & gr. bef. 669. 670. Wan Iefe
unterbeflen auch das Urtheil des Pinto p. 220, 31.
. Baf,
*) Plut. 1.d, 600. 2
**) Er war wie Kimen ein großer Liebhaber des ſchoͤnen Ge
ſchlechts, allein diefe Leidenfchafft hinderte ihn, oder
hielt ihn, nie von offentlichen Geſchaͤfften ab,
D Plut. 1. 600. _ Alfo gegen das Ende der 77 oder den An
fang der 78 Olymp. Mit Recht fagten daher Piu
tarch p. 626. und Cicero, daß Perikles vierzig Jahre
öffentliche &efchäffte verwalter habe, '
Seſchichte der Gtiechiſchen Sophiſten. 145
moa, und bie Athenienfer vicht, wie dieſer, durch bie
——— Unterhaitußg ie offenen Tafel, und durch
die Mittheilung der Erndten Und Fruͤchte ſeiner Landgoͤ⸗
ter gewinnen konnte ); 'fb ſchlug er wider feine Nei⸗
gung eben den aeg "auf mel em Themiſtokles ſich
die Gumſt des Volks drtonrben hatte, und warf ſich zum
Vertheidiger des Poͤbels, und zum Widverſacher der
Vornehmen auf**). Auf dieſem Wege hob er ſich bald
durch feine oͤberlegenen Talente und burch die Bewogen⸗
heit bed großen Haufens über alle feine Mebenbuhler ˖ fo
fee empor, daß er den Kimon und Thukydides vertrei)
ben ,. und ben Myronides, Tolmives, Epbialtes und
endete zu Werfjeugen feiner Abfichten brauchen fonnte,
Mac dem Tode des Kimon und der Berweifung bes
Thutydides herrſchte er fo unumfchränft in Achen, daß
Die Einwohner diefer Stadt zwar dem Damen nach un-
ter einer vernofratifiher,; aber in der That unter emer
monarchiichen Berfaffung lebten }). (Ex herrfchte aber
nicht mir Gewalt, wie Piſiſtratus, auch nicht Dusch nie⸗
Derrrächtige Schmeichelegen, wie die meiften fpätern
Demagogen, fondern durch die Mache feiner Beredfame
keit, mit welcher er. die Athenlenſer Ienfen, nieberfchlas
gen, und aufrichten fonnte, wieer wollte 17); od mege
.. 0 4 |
2) Put. 1.606. III. 192.‘ Cie. UI. de off. e. 18.
®*) Plut. 1. 600.
+) Thuc. I, ec. Eysyere Te Aryw ev, —XR
vi, eeyo de, umo TE ments wrdeos wexy.
44) Thuc. le. 'Omore Yar modorre Ti auras
000 xupor Uger Iaecuvrus, Asyay xare-
Arnccev emı To DoßesoIy. Kay Öediorans av
oeAo'yos , avrmadısn mal ei To .
Die uͤbrigen Zeugniffe von feiner Beredſamkeit werde '
ich in der Geſchichte der Derebfamteit beybringen.
1
Zweyter Band. AR
N
I
3 *
Br ut Fi EHRT,
46 7 Schffeh' Bad!
de Big Hfe Bpefunätn. Me ee flen Mike
gern, dur
Doch halb von aam, vn
- eigenen Schwaͤche unter de. Schirm feines mächtige
* umfaſſenden Genies zuruͤd IT).
re WW 3Di
w, Plat. I. 689. | Da
wa) Plut, 1. 623. 24. & Thue. 1. %; . Arrıo $ a, ir
cuemnos pay duvdros ay Ta Tr wfwmparı nes Tı
yopd, xXenparav re diadayos udaperura
Yeronavds > Krane To —X ereudeews y ke
ux yyero nat um’ alte, m wuras me, dm
To un xranevös uf 8 MOodNnevraN ri duvayı
1005 ndomy TI.Aeyav, A exon er — 2x
PN
nes 005 veynv Fı arten.
%) Tue. 1. ©. Demofh, odet wer der Verfaffer- dieſet Kr
de iſt adr. Ariſt. p. 504. Er war SERTWYos are
sgosrang, Thue. 1, e. weile Wuͤrde ſehr viel Ach⸗
Uchteit mit dee Roͤmiſchen Dictatur hatte,
ur +4 Thee. 1. c. Die beten Zeugniſſe und tt,
i
. das Aufehen und den Einfluß des Perikles, ber
sie bloß über Athen, Sondern Über gang G
land, und fogar über piele barbartiche Könige erſtreckte
ſtehen —— 1, 634. 26. und 29. Ihnm im
gaher
— BE
Seſchichte da Stiechlſchen Soppiten; _ 147
Diefer große Sca⸗ umann bolleubere: das eg
Ber — gi 7 —— — 8 s
Ariſtides und 008 augefangen hattac ‚Machte
fine Siege, beſonders die, |
———
der
ganzen Öriedyenlande eben firchie⸗,
Den Derfern gemadt | hate; — bien, up ade
äigfhen Olympiade fand ich Fein —— wa
nidt vor den Achenienfern gejittert haͤtee.
graͤndete mehr Colonien, als Athen in Morherge⸗
henden Jahrhunderten nicht ausgeſchickt hatte *); und
dieſes tar erniche nur um fich feine aͤrmern Mitbaͤrger
deſto mehr zu verbinben, fondeen auch um Athen von
inem überläftigen Poͤbel zu befreyen, und der Mutter⸗·
dadt In thren Tochtern eben fo biele Srözen und Gepäls
innen für die Zufunft zu verſchaffen *%), Ex verbrens
achte Die öffentlichen Einkünfte, rheils durch eine beſſere
Sinrichtung ber 5 ichen
Er⸗
— —— ——
Sben die Athenienſer, wie der Dichtet Telekdes ſate
ib. p. 626. '
IloAeoy Te. Dueus, eures Ta rac |
Boless, Taauer des vos P GevosAuaen
As Tan, Tos per oıkodemem, Tode, \
ur mo narocdohen, |
GBoydas, duvanıy xgœroc, one,
AABTOUT, Amovicey TE.
Mau wird nicht leicht cin merfioßrbigere Beyſpiel ale
bas des Perikles finden, sm zu beweifen, wie ſehr ein
einziger Mann nice duch Gewalt der Waffen, ſondern
durch erhabene Talente und Tugenden ganze Wölfee
und Reiche fi unterwuͤrfig machen Eiuns,
% Kane. 1. 100. Died, 471. 492. 409. Plus, L 613.
3
u) Plur 1, er
Acherieiſer dene.
A Kimon ſea
.
so Si Vach
geben pen %): Durch bleſe Einrihtengen unbe Me
Wahl von- Sykophanten, foiſchen Anklagen, und par»
we, "OOer unberftändigen' Uerheyin I Ins unenbFiche
. u“
’ . % y . ir
- 0 r [4
. Dur ı. dor. 606.* Die‘ Richter erhielten batb einen
en © Dösien (Eye baſd zween — 5 100)
ni. Li fen (Eqguites v. 255. Veſp. 607.
nn: — 202. —* — an welcher ee Stel
KTeus Sechethell Weizen
‚ gleichgefchägt' werden. Ale Ariſtephanes Teihe Welpen
u —A fanden Ad in. When —
er Gerichte befegt wourben. » Sie er»
: 7 un on N Doenate. Dusch. (demm zween fielen die
1
| en Obolen einem
aus) ein jeder täglich been Dibplen ,. und
er Stadt hundert und fun ara —8
0,8) Ihre Gewalt und den Bißbtauch bie
1 von machten; ſchildert Aiftephanes *5* A
7 ge, verteeffäch.. C548.%& fg iup"588.). Roh bes
ar — für den Stat, eis der Lohn der Richter,
war ber. Fohn, den alle. Arhenien Fr rger alcdann
— ——— wenn * m. an But tlichen a
—X De legen Keine
ya Dam en ee bes ar, und aus einee
u des Ari
erſt nach vom lei
. Das Chor der Weiber Au den XXX
fat naͤmlich: daß zur Zeit, ald Myronides Ardem
’ 2 war, niemenbitas Ser) gehabt (kttt, Daflir tu er
zn bſeuchichen —— Kheil - genommen,
I einen daß qu (arten: v „307:& 4. aAvexı Mu
DE —RX dT gern o ya $, uber WW EToALcs
To ns woNeos dioflet, " "ae yugv‘ Depar.
2 —— War, ie vetaum, en räeitgrneh es Pre
en — — I Bun. u
.
\
Seſchihte ber yiec ſchen Sopfiften gr
vermeger ; Dee Gang den Öffenstichen Zngefegenfeiten,
und der Gerechtigkeit, wegen der fich Gällferunr enge
hr Sachen, aufgehafen umd-neeyeittt, a der mens
Hufe aus feinen Werfäten une Bohmanigen auf die
Üfenttichen Pfoͤze hingelock,: img Miehter zus dem
Vermögen der Mirburher nutsingendin einen -
feinen Theil des jenigen empfangen⸗ Sad ſeedurch
ehtliche Arbeit zu Haufe ſich Härten erwerbam Fanmen ).
Er ließ ferner alle Feſte, deren die Axhenſ yo aymal
Pr viel als die übrigen Grlechen Barren Rh; ga einet
vorher unbefannten Prächt-felden;;. and Verfchwörtete
Be Schäje des Staats. en. wphje Schmaͤnſe uad kofi⸗
bare Opfer, an welchen dad ganze Voit Thoil nahm N
Er vervielfaͤltigte die öffentlichen tuftbasfdren /deven
Slang und: geſchmackvolie Einbichtung: freyfich manche
Fremdlinge nach Athen zoo, deren Aufwand uber· baid
bem Staate unerteägtiä wurde FF) ,. Udem Priti⸗
außer-den Koſten, welche die Yuffährung yon tuſtſole⸗
len, und bie Wettkaͤmpfe von Kuͤnſtlern erforderten.
einem jeden armen Ythenichfek fo viel ſcheu⸗ at⸗ für
bie Sije der Zuſchauer oder Zuhoͤrer Gegehlt. werben
muſte. Dusch biefe vermehrten uad- verfahnere
/
' en Sofbe
barfeiten Abßte eu den Athenienſern einen: unnsinerfiege
lichen Hang zu ſtets neuen. (nnlichen-Bergusgungee,unt,
ber wedet durch Klugheit, noch Durch die grhgeen Un⸗
Hühsfälte, ſondern oliein durch Die Unmoͤglichteit,
Kinger ja befriedigen, aufgegalten,. und g0fpesädoreg
ven fonuce, und erſtickte h
gen. den. Trieh der Thaͤtig⸗
ga {
.
—KKa keit
"y Bit, ig Ber. k 64p.. Moca, L, 435. Am wmeiſten
ober Lenoph. c. 3. de Reg, Athen. * ae
a ag a —8
us, . . J . eu, -
w 204 Bd, Calub, _ > oo. *
_
. tt .. 3 — 2.* 24 ı.
152 Sechſte ud
LE GL — 1) ED BEE
keit unb-bei Zieißeß ; dem er ſeioſt in ihnen eiwecke Ge
te . Emplid, machse Perikles durch feine Berwalcur
eins-der erfien Grundgeſee des Achenienfifchen Staa
unträftig „,biefag nämlich: daß man dem berfammnler:
Voſte nichas vortyagen fplle, was nicht vorher dem r
goerenden Rath vorgelegt „mb von ihm geprüft und 9
billigt zworbep, :,. Zwar legt fein einziger Schrififtelli
dieſes Henn Praifleg eprädlich zur Laſt, allein ma
form gas niche daran zweyflen, wenn man erwägt, da
Peritles funfzehn Jahre alle Öffentlichen Sefchäffte |
Haͤnden hate, und betrieb, ohne fich um den Areopa;
oder: um:bie Archonten, oder ben regierenden Een:
su hetümmeen , ja ohne felbft jemals Archon und "Aree
pagk: ader geworden zu feon, und daß es gleid
. mad. feinen Tore ſchon allgemeine Sitte war ,. fich un
mittelbar. an das Volk zu wenden, . wenn man &efe;
vWegehen oder abgefchaffe, oder Entſchließungen gefaf
haben walke. Segt man num alle Diefe ſchaͤdlichen Drew:
- gungen gegen feine wirklichen Berbienfte um feine Vater
ſtadt auf die Wage; fo muß man nothwendig urrheilen,
daß er feinen: Vaterlande mehr geſchadet als genuzt ha:
bern dab er zwar ein großer Mann, aber ein ver:
- ‚besblicher Bürger gefbefen ſey *).. Allem DBermurhen
nach geteute es ihn aber zu fbät, daßer der alten Grau
verfalſung und dem beffern Theile der Bürger fo viel
geben, und dem unbändigen Pöbel fo viele und fo m
t
%) Plut. 1, e. beſonderę Plat, in Gorg. p. 329.
“0, Die Florten; und Heere, und Mauern, und Sch
werfte, die Perikles errichtete, waren, ſagt Pfate, n
ve Groͤße, fondern nur Aufgebunfenbeit, die
“ % blendete, daß, als nachher die Krankheiten
Staats zum Ausbruch kamen, fie niemand dem wah
Urheber, fondern den lezten Aerzten zuſchrieb. S.
in Gorgis.
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 198
chellige Vorrechte gugewandt harte.‘ Wenigſtens zon er
in den lezten Jahren feiner Verwaltung die Zügel "Die
er ſonſt nad) den Einfaͤllen des Poͤbels nachgelaſſen hat
te, viel flärfer an, als yorher ")5 und and dieſer ver⸗
änderten ‘Denfungsärt des Perifies Hug mar die Er⸗
nenerung des Schu erklaͤren, wodurch nur diefenigen,
bie einen Achenlenfifchen Boͤrger, und eine Arhertienfiche
Bargerinn zu Eicern gehabt hätten ‚ für Achte Buͤrget
erflärt, und nahe an fünfraufend des Yürgerrechts; was
ihnen bieher nicht ftreitig gemacht worden war,
wurben .. . “ 5 : . .3
Außer ver Umfehrung der alten Staarsverfäffung
burch den Perikles dab es noch mehrere andere Utſachen,
um welcher willen die Groͤße und Macht von Athen
nicht dauerhaft feyn konnten. Mir dem öffenrlidem
‘ ⁊ K 5 | . Reich⸗
4 Pa
» Ya
©) L Plaf. 624. . . ee}
*, Plut, 1 667. Um mid hier zu verftehen, muß man
ſich einer oben mirgerheilten Bemerkung des Ariitoteles
eruinern: daß alle Demagogen, die eine unumſchraͤnk⸗
te Demokratie hervorzubringen oder zu erhalten bie
Abſicht gehabt, den Pöbel oder den armen Theil des
Volks fo viel als Möglich zu vermehren geſtichs Hätten.
Hiervon that Perikles gerabe das Gegentheil, and hatte
. ifo damals auch entgegengefezte Stefinnungen. ‚Des
See des Perikles fiel in Dt. 83. 4. und ga Ar
felhen blieben nur 14400 achte Burger in Athen Aßtte.
«ben dies Geſez wurde aber-von ben Xthenienfern kutz
vor dem Tode des Perikles aus The Inehmung an fei«
‚nen, traurigen Schidfalen aufgehoben. Er verlor näm«
lich feine Sohne, die er aug einer rechtmäßigen Che ges
kun hatte, und wficde alfo geſtorben ſeyn Jung dent
Staate Bürger zu binterlaflen, wenn fein’ Geſez gel»
tend gebliehen wäre. Plut. &68. Es war, um biefe
Bemerkung noch hinzuzufügen," unſtreitig eine dichte:
riſche Schaͤzung, went Artſtophanes die Zahl dev Dura
ger auf 30000 anfchlug. in Erriefisz. €, ı F34.
S
’ *
*
—
23 3.
- 1 wi; V % ”
23 a) re U, 5. Fa
\ »
eichthume, und der Sentlichen Pracht und Veeſchwen⸗
dung unter dem Periklels nahmen auch pldzlich die
Prachcliebe, Schwelgeren und Verſchwendung der Fa⸗
wien. und Prioggperfonen zu. Die alte Sparſamkeit,
Ehrbarkeit und Gerenge Acc, Kinderzucht verfchwanden,
ad. mg ihnen -wusdep Tapferkeit Und uneigennuͤzige
Bwarerlands liebe allmälich geſchwaͤcht, "oder audgerotter *),
. Dia: Erajehung der Kinder verſchlimmerte fich nad) weit
auchr,. als Die Regierungsform verdorben worder warx.
Zuͤnsldige wurden nicht mehr zu dauerhaften, ſtarken
und muchigen Kriegeen, und erfahrnen Staatsmaͤnpern,
Pudean zu geſchickten Tönen und Sängern, zu fellien
Tennern non Kunſtſachen zu angenehmen Schwoͤrern⸗
amd-tigigen Köpfen ausgebildet, bie fpigfinbige Fragen
auſwerfen, und. beantworten könnten. Anſtatt ihren
Seihznusch gumnaflifche Uebungen zu ftärfen, oder unter
der Anfährung älterer und weiſer Bürger fich in öfe
fentuche Angelegenheiten einweihen zu laſſen, vertrieben
Ge ſich die Zeit mit Spiel oder mit Pferden und Hun⸗
ven, ide mic Sophiſten, oder getflärten auch ihre Kraͤf⸗
e und Geſundheit an. üppigen Gafkinaͤlern, und in dem
— von Buhlerinnen M. . Der Zeitpunet alfa bes
göchften Reichthums won Achen war auch eben dee, in
welchera die Armuch an ‚großen. Männern am erſten
merkuch wurde, und worinn muthige, unelgenudgige ,
eßige arbeitſame, und faͤhlge Bürger faſt in. eben dem
irhiftniffe verfchwanden, In welchem der Franke Staat
(pre; Qülfe inuner mehr und mehr noͤthig gehabt vun.
oe „“ . 2. 8 cu
1
EEE EEE *
— — —
4)Mag leſe die vortrefflichen —— Piato
| r oͤber big Unmoͤglichkeit, daß nun no — Bürger
„. ohne beſondere goͤtiliche Fuͤgung entſtehen könuten. De
‚ Rep. IL p. 26:32. Bd. L.
am Hieruͤber fehe man meine Abhandlung Aber den Lurus
dee Athenienſer. ZE
—
GSeſchichte die Sticchiſtheuaophiſten. Ayy
ben fo war anuch der höchfke Eunfel der Mäche;: ' dem
Athen unter dem Periies eritieg, zugleich Wie-eoflt zu
fährliche Staffel zum unverneidlichen Verderben / Wen
der Hand eines Abgrundes, In welchen es durch innere
unbeilbare Schwäche, vorzüglich aber durch tiejenigen
—S ‚deren Macht es für feine hicher ſte
tuͤze hielt. . | *76
Alle Städte und Inſeln, dla’ den Athenlenſern
unsbar waren, Fonnten ihnen unmöglich gewogen fenn,
sder bie Fortdauer ihrer Herrſchafft wuͤnſchen. DieAihes
nienfer erhoben nach Wohlgefallen Die Schazung, welche
die Bundesgenoſſen bezahlen muften, und verſchleuder⸗
ten ſie/ nachher, wenigſtens zum Theil in Luſtbarkeiten
und Selten, ohne die gesingfte Rechenſchafft davon. zu
geben *). ie mafiten ſich das Recht an, alle Streſ⸗
tigfeiten der Bundesgenoſſen zu fihlichten, und wenn
biefe fich ihren Ausfprüchen nicht unterwerfen wollten,
fo’ verfolgten fie fie mit Feuer und Schwerdt, riſſen ihre
Mauern um, nahmen ignen ihre Schiffe, Eehrsen ihre
‚Hanze Verfaſſung um, oder führten fie wohl gat In vie
Sclaverey fort ). Sie verdrängen endlich, die Bundes
genoſſen begnoßg von allen Märkten, die fie biöher bes
ſucht hatten, verſchaſſten ſich mit Gewalt einer Allein⸗
handel, wodurch ſie faſt die einzigen Abnehmer und Zw _
führer, und die inebaren Bölfes und Städte hingegeh
außer Stand geſezt wurden, Ihren Bedruͤckern jährlich
fo viel zu deben, ald von Ihnen gefodert wurde ). Hus
dieſen Siemalssfätigfeiten entſtand natuͤrlich der Wunſch
dom elnew ſo Garten. Joche befreyt gu werden / une
+ ur BR. Wr —
e) Plut. . 614. iI. |
°) 1647. Plut, Xen, de republ. Atben. e. 3,
3) Plut,1 648. .Xengph. de Rep, Athen, c. 3.
“ . ” [4 ,
-
[
36 ‘ Bu “ Se Vnch. Zu
gefehne Bewogenfpit-gegeis.tie Feinde der Achenlenſer,
die ſich auch im Delopomstefifchen Kriege um. Schee⸗
das und Berbazden der legten offeabarte.
un 1% Erſte Beylage zu p. BL.
= inen Hrund ter. Seltenheit dieſer Klagen will ich in
ber Geſchichte bed Sokrates anführen, und bier
ur kurz die Namen der Perfonen nennen, die
bon von Athenlenſern als Gottloſe oder Ungläubige vers
uͤrthellt oder Ins Gefängniß geworfen wurden. Der
erfte iſt Diagoras von Melos, der nicht, wie einige
Schriftſteller vorgehen, alle Götter der Griechen gelaͤug⸗
net, ober die Eleufiniichen Geheimniffe encweiht, fons
dern nur den Gottesdienſt feines Daterlandes enchelligt,
boder beſchimpft hatte *), Er wurde abmefend von den
‚Arhentenfern zum Tode verurtheilt, und man verfprach
demjenigen ein Talent, der ihn lebendig oder todt lie
wärde,. Faſt um dieſelbige Zeic wurde Protagdras'bon
Abdera aus Achen verwielen, und feine Bücher bffenriih
-berbrannt , teil er im Anfänge eines feiner Werke ge,
v t'hatte, daß er es nicht zu entſcheiden wage, ob es
tter gebe ober nicht gebe. Cic. de Nat. Deor. c. 23.
ex quoequidem exiftimo, tardiarem ad hancen-
'tentiam profitendam multös efle factos, quippe
xum peenam ne dubitatio quidem effügere po-
. uiſſet. Nilcht lange nad) biefem Soppiften lagte marı
Nie Aspaſia und den Anaragaras der Sortlofigkeit ar,
"weil man die Geliebte und den Freumd des Merities’feis
nes andern Öffentlichen Verbrechens bezüchtigen Fonnte,
- md biefen-großen Staatsmann doch durch bie Verur⸗
theilung ihm theurer Perſonen kraͤnken und demuͤthigen
oy £ . J
⸗ nen stüuhnnipnnmen
°) Man feheLyf. p. xie. adv. Alddeyde, : u
ne»
Geſchichte ber Grichlfhen Sophiſten. 897
wollte”). Dur mic genauer Doch Sad Peoritiecdie
Aspafia von den Richtern los, und den Anorageraudieß
er heimlich aus dem Gefängniffe entfliehen ‚: um ihn den
PBerfolgungen feiner Feinde zu entruͤcken. Bon dem
Sruͤnden der Anklage wider die erfiere fagt Platarch
nichts; dem Weilſen von Klazomene aber rechnete man
es za Unglaubenan, baßer feine Erfdietnung;, weh⸗
der Zeichendeuter Lampon für ein Ungluͤck weißngenbes
Wunder ausgab, nebft den Berfinfterungen det Gomme
und des Mondes, aus natürlichen Urſachen zu erklaͤren
(achte, und daß er die Geftiene nicht für gbrtiche Ma⸗
euren , fonbern für große leuchtende Maſſen beit, : N
erinere bier nur an die Nachricht, die ich ſchon im
Buche aus dem Plutarch mitgerheilt habe, bag
das game Studium bes Natur durch den Unaragoras
mehrere Menfchenalter: Hinter einander verdaͤchtig "gervoes
den fr. Einen viel fchredlichern Mißbraͤuch der Ser
feje wider die Gottloſen, als die biöher'ergählten, und
noch anzufüheenden Denfpiele enchälten, finder man .in
den “Berläumdungen, wodurch Alfibiabes und feine
Sreunde der Entweihung der Eleufinifchen Geheimniſſe,
und der Zerflämmelung der Hermen beſchuldigt wur:
den”). Keine andere Begebenheiten in der ganzen Athe⸗
wienfifchen Gefchichte zeigt ſo ſehr, als diefe, wie maͤch⸗
tig der Aberglaube in Achen, wie leicht nicht mur das
Bolt, fondern auch feine Häupter Die Archonten und
Mitglieder des hohen Raths zu verführen, und wie un⸗
ficher das teben und die Güter der vornehnflen Athenien-⸗
fer waren, Die größten Männer des Volks wurden
auf die ungeprüften Ausfagen von Sclaven, ober
andern unbefannten und nichtswürbigen Menſchen, ohne
| *
— —
®) Plut. I. 654. 55. |
©®) Andoeyd. I. p. 175’ mug.
1
" ” P 2 [3 [ ‚
t eo ® Duch
24 « e 0) * » zZ dar ru
ein Verhoͤb als Gottlaſe varurtheilt, und wer
fie Sch nicht durch die Jlucht veſteten, ihres Lebens und
threr. Guͤcer beupahtı. Durch die Ergreifung und Hin⸗
chtung ſo vieler unſchuldigen und angeſehenen Perſonen
verieth Die gange. Stade anfangs in eine. ſolche Beſtuͤr⸗
A3 dab Feiner es wagte, ‚aus ſeinem Haufe zu gehen,
wurd bald nadhher in einen ſolchen Aufruht, als wenn
eia Tyhrann die Burg eingenommen hätte, oder ein ouse |
waͤrtiger Feind vor dem Thoren erfchienen wäre, Ohne
bie Kuigheit des Andokydes, ber ſammt feinem Vater,
Ad mehretu nahen Anverwandten, in Feſſeln gelege
Mar,und einen ſchinaͤhlichen Tod befürchten muß,
würden noch weit mehr Unſchuldige eben und Güter
verloren haben, und die: Sitadt:in noch viel größere Lins
ruhen gemorfen morden fegn ®), — Zwar weniger nach.
theilig fuͤre Gauze, ‚aber noch angerechter war die Der
dammung des Sekrates, Den. mon ls einen Veraͤchter
der Goͤtter, und als einen gefauͤhrlichen Graͤbler anklagte,
ungeachtet er ber. Froͤmmſte unter ben Griechen war,
und bie Erforſchung himmliſcher Dinge auf das beftigfte
verabſcheute, ja fogar lebhafter als irgend einer ſeiner
Zeitgenoſſen beſtritten hatte ꝰ*). — Nach dem Sofrates
finde ich keine foͤrmliche Anklagen von Unglaͤubigen und
Gottloſen, wenigfiens feine Todesſtrafen mehr, die man
„ihnen auferlegı hätte, Ariſtoteles entfloh Eur; vor feis
‚nem Tode nad) Chalfis, und unter den vielen Geruͤch⸗
ten, die über dieſe ploͤzliche Flucht herumgingen, ſagte
eins, daß er ſich vor einer Anklage des Unglaubens ges
foͤrchtet, und den Athenienjern die Schande hätte ers
ſparen wollen, ihn gleich dem Sokrates aus dem Wege
» gu raͤumen. Mach dem Stagiriten erhielten Gtilpo
von
= —â—— —
9) 1,e.p. 195.
®*) Xenoph, Memorab. 1.9,
F
_ Sephihte der Grtthiiien Gopfihen 59
von Üegara, und Theodor, der Gotteslaͤngner genaunt,
dom Ateopag den Befehl, Athen zu meiden ®). Beyde
haften aber durch ihre ſpizfuͤndigen Fragen ber dffentll⸗
chen Religion gefpottet, and würden in einem jeden ans .
dern wohl eingerichteten Staate biefeibige Srtaft der,
dient Haben, ſo wie Ihr Muthwille wahrſcheimich m
fruͤher gelebt hätten, |
Zweyte Beylage zu p. Um... 2
Mine Abſicht un es nicht, daß ich den Charakter des
eine bhutige Art wäre geahndet worden, wen fe ch on
.* 9
Themiſtokles im Texte weiter ausmahlte. Sch kann
aber doc nicht umhin, die Züge,, die ich dort überges
ben utufte, in einem kleinen Anhange karz nadhzuholen.
Schon in feiner Kindheit *”) teuchteren aus Ihm fo viele
a feiner außerordentlichen Kräfte, und feiner kuͤnf⸗
tigen Größe hervor, daß fein behzrer zu Ihm ſagte; er
werbe feinem Vaterlande dereinft entweder großes Gluͤck
oder Ungluͤck bringen Noch ald Knabe verachtete er alle
Gpiele, die bloße Ergöjung oder Zeitvertreib gewaͤhr⸗
ten, und waͤhlte nur folche, die Rochahmungen bffetite
licher Geſchoͤffte waren Er befümmerte ſich garnicht,
fo viele Vorwuͤrfe man ihm deßwegen auch machte, um
Die Kunſt ſchoͤn zu fingen und zu ſpielen, ſondern wandte
\
alle feine Kräfte und Aufmerkſamkeit auf die viel erhabe
nere Kunſt, eine Kleine ruhmloſe Stadt groß und
rahmt zu machen 7). (Ehrgeiz oder vielmehr Ruhmbe⸗
gierde brannte ſchon fo früh mit ſo Keftiger. Glut in fels
nem Bufen, daß das Andenken an Die Thaten und Tro ·
phaͤen
Dieg. Laert. II, 101. 116,
2 plut. 1.439. & ſq. ——
» Ib, P- 440. er
, , 2
160 —W— n Sechſtes Buch. EN. ol
N} e Lr7} a „sd u... p 242
vhaͤen des Miltlades ihn In feiner Jugend manche Naͤchte
en ließ, &o bhlv’ er ſich mit dffenclichen Ge⸗
fihäfften. abgab, erwarb er fi) durd) feine Klugheit und
‚olles durchdringenden Scharffinn, durch das feltene Tas
lent in’ einer jeden gegenwärtigen noch fo unerwarteten
Sage die beſten Maaßregeln zu nehmen, aus Glü und
“ Unglüd die größten Vortheile zu ziehen, und befonders
duüurch die Babe, Fünftige Fälle vorherzufehen, ein fo
allgermeines Zutrauen feiner Mitbuͤrger, daß diefe ihn
bed den wichtigſten Angelegenheiten zu Rathe zogen, und
feinem Roche auch MA immer folgten. Themiftofles
war weder von Habſucht, noch von andern ſelbſtſoͤchti⸗
en teidenfchafften frey; allein eberi diefe teidenfchafften,
I fein Ehrgeiz, waren feiner Batertandsliebe unter,
geordnet. Er ließ ſich beftechen, und beſtach wiederum
‚andere; aber feins von begden thater jemals zum Mach⸗
theil ; fondern zum Bortheil feiner Vaterſtadt *). Bon
ben dreyßig Talenten, welche die Bewohner von Eubda |
ihm gaben, bamit er die riechen hindern follte, Arte⸗
‚ mifium zu verloffen, tbeilte er mehrere an ven König
der Spartaner, ımd an einen vornehmen Achenienfer |
aus, welche die vereinigte Flotte verlaffen wollten ; ja er
beſtach fogar einen nichtswuͤrdigen aber dem Volke wer⸗
then Schwaͤzer, damit er von dem verderblichen Bor
ſdze abjtände, ſich um die Stelle eines Heerfuͤhrers der
” Arhenienfer zu bewerben **). So wenig Ihn nun feine
"zigie Dortheile das allgemeine Beſte vergeilen ließen,
“ eben fo wenig machten ihn Nachbegierde oder Oering⸗
fchäzung und Empfindlichkeit über empfangene Beleidi⸗
‚gung feinem Baterlande, und dem großen Vorſaze,
Athen zu retten und zu erheben, ungetren. Er hatte
es
EIERN
©) Her. VII. 4. 3. 213. Pl. 1,478, |
0°) |. 430. Plut, “ |
Cekfiühte er Griccilten Sophiſten. 160
Einfafle des Zerpeö dahin geb racht, daß Aei⸗
seht Fahre war verwieſen worden; ee
:
Schlacht ben Salamin, als das Vaterland dieſen gro⸗
—
aan brauchte, und er ſelbſt befürchtete, daß Ari⸗
den Feinden ſchlagen möchte, nahm er ihn
wieder auf, und vermochte auch das Volk dahln
un 9). AM ferner die verbänteieh
n einen andern als inen ©partaner jum Füge
fen, und di Athenienfer wegen ber großen
Schiffen, die ie hergegeben harten, feinem
ordern als einem Mitbürger folgen wollten‘, befänftigre
die Iegtern‘, und beredete fie, dem Eyribiades zu ges
horchen, damit nicht durch unzeitige Zwietracht die
—32 — von ganz ÖriechenJand vernichtet wuͤrde *
Er * unterwarf
der ii
I
r
23
;
fich dem Befehl des Epartaners‘,
allem Städten weit'unter ihm war, und als vie⸗
fer bey yr Vorſtellung: Salamin nicht zu verfaffen,
und einkr durch Grobheit veranlaßten beigenden Gegen»
antwort den Stock gegen ihn aufhob, fagte er kaltbluͤt
zu Ihm: daß er nür fchlagen, aber ruhig und gefejt je
nen Nach anhören moͤchte 7). Wie fehr Vaterlands⸗
liebe alle übrige Neigungen feiner Seele oͤberwog, zeigte
er vorzäglich im Zode. Ungeachtet fein undankbares
Barerländ ihn werjagt, und Rerxes ihm bie größten Wohl»
thaten unb Ehrenbezeugungen erwieſen hatte; fo ſtarb we
doch lieber, ald daß er die Macht des leztern zu Bezmwins
gurig feiner Mitbuͤrger angefuͤhrt hätte PPY. Am mel»
ſten umterfchien fich Themiſtokles, und unterſchieden x
ia ae vr | j
9 Her. VI sg. & ſq. Plur 1 460. 64.
— VIII. 1. Plut. p. 455.
1) Pu p. 47%.
HAH ee: und Diod. X, 448.
Zweyter Band. 21
⸗
. . . , e n u " ' N nl - . j
u, Schu.
auch die Griechen. von allen. andern beräßmten Demagsn⸗
gen und Feldherrn ihres Volks durch bie Unerfchöpfläch»
feit an glücklichen Staats⸗und Kriegsliften, die er alle
mit bewundernswuͤrdiger Heimlichkeit oder Schnelligkeit
cusföhrte. Cic. de ot᷑. 30. Callidum Hanniba-
Yem ex Poenorum: ex noftris ducibus Q. Maximum
. . accepimus; facile celare ,. taceze, diflimulare, in-
fidiari, praeripere .hoftium conlilia. In quo ge-
rere Graeci T'hemiftoclem & Pheraeum Jafonem
. .ceteris anteponunt, Mar) den Abzuge der OEriechi⸗
ſchen Flotte von Artemiſium lieg er Steine ober Deuts
maler zuräch, durch deren Inſchriften er die Aſtatiſchen
Griechen ermunterte, die Barbaren gu verloflen, and
mit den Stiftern ihrer Städte gemeinfchaffcliche Sache
zu mochen. (Ex thot diefes in der. Abſicht, entweder bie
Kae en Griechen zum Abfall zu bringen, ober bem
"Zgrges Mißtrauen gegen diefeiben einzufögen"). Bor
der Schlacht bey Salamin nahm er die karve eines Ders
'gärhers der Orlechen an, und fandte dem Zerxes eine Bor⸗
ſchafft, wodurch er ihm den Rath ertheilte, bie Srie⸗
chiſche Flotte, bie jego entfliehen wolle, ja nice aus
dem Meerbufen, tworinn fie eingefchloffen ſey, \ anti
ſchen zu laflen. - Er verleitete durch biefen betr
Rath den Perſiſchen König zu einem überellten ritt,
der feine. ganze Unternehmung ſcheitern machte, und
zwang die Griechen zu einer heilſamen Schlacht, wog
‚fie weder durch Ermahnungen noch durch
gebracht werden konnten **), Durch eine ähnliche til
fehteunigte er die Flucht des Zerxes, Inden er ihe
wiſſen Iteß, daß die Griechen nad) dem Helleſpont fchif
fen, und bie von den Perſern errichtete Bruͤcke gerbren
Ä 0. wvoͤr⸗
*) VII 23. Her. & q. Ä
®®) VII, 75. Her, | ‘ ⁊
Geſchichte der Griechtſchen Sophiſten. 163
wären , um den Rdalz fammf nem Heere von. Wien
abzuſchneiden). Durch biefe Stratagemen, wie vurch
die vortrefflichen Nacthſehlaͤge, die Kb Im Terte augefuͤzre
*2 oder noch’ arfähren werde," erwarb jr Id —7
Namen des weiſeſten und verſaͤrigſten
Griechen ), welchen Ruhm bie Oriechifchen ee
rer ihm andy volber ihren Willen zugeſtanden. Denn
ungeachtet. ſe ſich nife TMbft den Vrele der Tapferkeit
renbegeugungen die ſie keinem andern jemals erzeigt
hatten, und auch nicht wieder erjeigten. Sie geſtunden
zwar dem Eyrtiblades ben erſten Preis des Wohlverhal⸗
tens zu; ſie beſchenkten aber dagegen den Themiſtotlus
zum lohne ſeiner Weldheit und Verdienſte mit einer aus
Oeſweigen geflochtenen Crone, und mit einem Ehren⸗
an und ließen ihn von dren hundert der. ausgelihe
teften vornehmſten Bürger zu Pferde bis an die Gräns
zen begfeiren #). Moch fchmeichelgafter war der Beyfall,
womit das ganze bey Olympia verjammelte Orliechen ·
land feine Tugenden belohnte FF). - Keiner unter den
neugierigen Zuſchauern achtete auf die Spiele der Kaͤm⸗
pfer, weßwegen fie nach Olyınpla gekommen waren;
ſendern aller Blicke waren deh ganzen Tag auf ven din,
zigen engene 9 gehefeet, und nur fm allein *
r .» vv ⁊ ., [ \ „ . ’ .. “ * men
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‚Seiite Veylage qu B: 1
— zle funzen, Seiherun fh fein, Wort , was nicht
Ausch mehrere euhmvolle Thaten · und Beugnifle von |
' Soheifftelern batraſtigt werden fan ze UN
. Da fFug Sehr vieles zu Den * Hey Marathon und
Galgmin.gep, ‚und-eäne Ihn:mäne Me Cchlacht ben
. Diasda gewiß nicht gewonngen werden. Er (Al ach
guur. hau sapferfien Theil des feinhlichen Hexets F
—2* ‚auch. durch feine weile Nachsiebigkeit *
Feiae Ungigigfeit - unter den Griechen *—
‚Dun BVoccinde plente er nice Im ‚feiner ſelbſ
pber ſeiner damen und Freunde ihn: niche um
Reichchum oder Ruhm oder Eprenfteil lem zu ju erwerben,
‚ ſondern um feine. Mirbärger gläflich zu mochen. (Er
Aieß daher nuͤniche Eurwärfe und — oft Dom as ·
dern vortragen, weil er befürchtete, „ba iſtokles
ꝛſich hnen ensgegeniegen möchte, wenn er efühee, 26
„8 Die feinigenJoären. Von diefer uneigenn —ã
Ferlondaliebe des Axiſtides waren bie Athenienſer
Aherzeugt, daß ſie bey folgenden Berfen des Aeſchyluůs
vom Amphiaraus alle auf i ned als wenn ſe
von pm mbeninang ware ein..
2*
8*
— ——— 5—7650
©) Man ſehe bef. Plut. In el. Vita 46. ,
0) 1X. 97.28. Plut, IL 508. Pt.
|
Seſchichte der Griechiſchen Sophiften. 363
Ov yar donsiwm Ömessos, ER" Ave Ian, =
Bad ceöäcxes die Dievos xdemupnevos,
s P. 436: Plur. u
Wahrſcheinlich dachte auch Plats an dieſe Uneigenmüjigs.
keit des Ariſtides, wenn er Ihn für den einzigen recht⸗
ſchaffenen Demagögen örflärte, ben Griechenſand ſemois
gehabt habe ). Am meiften bewundert Plutaich amt
Iriſtives *°%), und zwar mit Recht dieſes, daß feine
Daterlandsliebe in allen Zeiten und fagen feines: tebens
glelch rein und unvermindert geblieben, und durch die
Undanfbarfeit feiner Mitburger eben fo wenig, als vurch
bie Begierde ich an feinen Feinden zu rächen, ver
fäfcht oder geſchwaͤcht worden ſey. Er forgte fuͤr dab
Sloͤck feiner Mibürger nad) der Verweiſung mic eben
fo viefee Wärme als vorher, ging ſelbſt vor ber Schlacht
bey Salamin heimlich zum Themiftokles, feinem Heftige .
ſten Widerſacher, der ihn aus Athen vertrieben hatte,
ermunterte ihn, daß er jezo, da es um bie Rettung des
Baterlandes zu thun fen, alle vorigen kindiſchen Strei⸗
tigteiten aufgeben möchte, und gab ihm endlich die wich⸗
eige Nachricht, daß die Perſer ſich uin bie Griechiſche
Stotte herzögen, und den heilſamen Hark, dieſe Gele
genheit zur Schlacht ja richt vorbei zu laffen, ohne zu
wiſſen, daß Themiſtokles die eine ſchon gehoͤtt, und den
andern gefaßt hatte, und ohne auch für den Urheber des
jeztern befannt ſeyn zu wollen P. So ſehr ihn The⸗
miſtokles gekraͤnkt, und in feinen meiſten Unternehmun⸗
13 gen
En ——
©) p. 333. in Gorg. Rd, Bel, Gr. & .
RER
N I: N u.
3 Blut. p. 498. Ä Se
Ban
166 Gechſtes Buch.
gen gehindert hatte; fo trug er. doch dieſem großen
Manne eben fo wenig als feinem Vaterlande feindſelige
Gefinnungen nad. (Ex war ber einzige, der bey der
Beruschellung bes Siegers bey Salamin gar nichts
wider ihn fagte und that, und ſich über das Ungluͤck ſei⸗
nes Feindes eben fo wenig freute, als er ihn vorher im
feinem Gluͤcke beneidet haste .*). Ich übergehe ähnliche,
eben ſo viel Liebe als Bewunderung erregende Züge von
Verſoͤhnlichkeit, Sanftmuth und Uneigennuͤzigkeit );
und faye nur noch dieſes hinzu, daß Ariſtides die Pflich⸗
ten eines tugendhaften Mannes mit denen eines guten
Bürgers für einerley helt, und bag er Die Tugend uͤber⸗
Saupt in eine Meigung oder ein Beſtreben feste, feinem
Vaterlande nuͤzlich gu werben, Mach dem Theophraſt
ſoll ee gar das, was allgemein nuͤzlich und gerecht ſey,
unterſchieden, und feinem Vaterlande die treuloſeſten
Maaßregeln und. die ungerechteſten Handlungen empfoh⸗
len haben, wenn fie feinen Mitbuͤrgern nüzlich wären 7).
Man fann aber mit Recht an dee Wahrheit diefes Ur
theils des Theophraſt zweyfeln, weil die Nachrichten,
worauf er ed gründete, falſch find, und durch glaub»
wvouͤrdigere Facta voiberlegt werden. Theophraſt glaubte,
daß Ariftides die gewaltfanen Ecpreflungen, weiche die
Athenienſer wider bie heiligſten Desträge an den Bum⸗
besgenoffen ausübten, als nothwendig und nüzlich gut
geheißen, und alle ihre. Bedenklichfeiten oder ihre Ge⸗
wiſſenhaftigkeit bapucch beruhigt habe, daß er erflärt:
er allein wolle die Schuld des Meineides, welche die
ganze Stade auf ſich geladen, auf fich nehmen 2,
er |
Tee NUN |
XX |
5 p. 539. Ilot. . Ä
”e), Man fehe bef. Plot. p. 487. 496. 291. 538.
HÄLT ep. Plut. in Ariſt. vita p. 537.
—
Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 167
SR es aber wohl wahrſcheinlich daß eben der AKtiſtides,
der Die Beytraͤgt, weiche die Griechiſchen Staaten jaͤhrlich
zum Kriege wider die Perſer hergaben, mit fo vieler Billige
keit verrheilte, weil er die Billigkeit für den einzigen Grund
der Dauerhaftigfeit der ganzen Einrichtung hleft, daß eben
diefer Ariftides auf einmal ganz entgegengeſezte, und mit ſei⸗
nem uͤbrigen Charakter und keben fteeitende rundfäze follce
angenommen, und dem Athenienfifchen Volke gerathen
heben, ein beftändiges ſicheres Gluͤck gegenwärtigen
bald verſchwindenden Vortheilen aufzuopfern ? Dies
muß einem jeden um deſto unglaublicher vorkommen,
mern eu hört, daß Ariſtides ohne alles Bedenken den
Vorſchlag des Themiſtokles, die Flotte ver Griechen zu
verbrennen, als eine zwar jest müzliche, aber höchft ums,
gerechte und alfo in ber. Folge naghrheitige Unternehmung
verworfen, und die Argenienfer davon zurüch gebracht
babe *). Mech mehr aber irrte Theophraſt **), wenn
er vom Ariftides erzählte, daß er den Vorſaz der ches
nienfer , ben gemeinfchofftlichen Schaz der Griechen von
Deios nach Athen zu bringen, als einen zwar ungerech⸗
ten aber näsfichen Entwurf, mehr grbillige als getadelt
babe. Die Arhenienfer dachten, wie aus ber Folge er»
hellen wird, vor dem Prrifles niche simmal daran, ſich
die Schare aller Griechen zuzueignen. |
So oft Ich den Charakter des Ariſtides üserfchaue; -
fo oft erfkaume ich darüber, als über ein Muſter ober
Meifterftüct von Weisheit und Tuͤgend, das für die
Zeiten, worinn er lebte, faft zu vollfommen, und zu
vollendet ift, und das faſt eben fo viel Bewunderung
verdient, als wenn bie Arhenienfer auf einmal ohne
4 frem⸗
8
68 | Sechfes Buch. |
kremden Unterricht in ben Perſiſchen Kriegen foldhe Kun;
merke geliefert hätten, als fie unter der twaltutjg
Perikles errichteten. Ich ſinde es ſehr — wie
ein folcher Mann, dergleichen Themiſtokles war, tapfern
ſchlau, ehrgeizig, und fein Vaterland über alles liebend,
in einer folchen tage, und unter folchen Umſtaͤnden, *
unter welchen er ſich fand, ſich ausbilden konnte; allein
ein folcher Chara ter, und ſolche Tugenden ‚ als die des
Ariſtides waren, vorjzuͤ ſeine reine —
Pre feine >
wie fie unter einem Volke erzeugt wurben, das noch Ba
berborifch war, das noch keine Künfte und Wiſſe
ten fannte 7 ober hoͤchſtens nur mic den erften Anfängen
berfelben befannt war.
Sechſtes Bud,
Zweytes Capitel. |
Geſchichte der alten Sophiſten.
achdem ich in dem vorhergehenden Capitel die wich⸗
tigſten Thaten, Schickſale und Staatsveroaͤnde⸗
der Griechiſchen Vblker, beſonders ber Athenien⸗
rungen ber
fee ‚ 686 auf den Anfang des Peloponnefifihen Krieged . '
habe; fo Bin ich nun im Stande, die Geichichte
ber Beitweisheit weiter fortzuſezen, und die Gruͤnde
anzugeben, warum nach der achızläften Olympiade ein
ſolches Geſchlecht von Menſchen, vergleichen die alten
waren, ſich in Griechenland herdorthat,
warınm fie fo und. nicht anders lehrten, warum fie gerade
foiche Kenntniſſe vortrugen, und mit diefen Renntniflen
fo. nie) Raun. und Schaden flifteren, als wir finden, \
daß fie wirflich geftifcer Gaben.
Wenn man bedenkt, daß durch bie aroher Gefahr
ren, von Barbaren, unterjochs zu werben, ülle Kräfte
des Leibes und der Seelen, und die erhabenften oͤffentli⸗
chen Tugenden in ben meiften. Sriechifchen Völkern aufs.
hochſte geſpannt, und daß durch die glorreichen Siege,
weiche die vereinigten Griechen über die Perfer, und die
—— Pflanʒſtaͤdte über die Carthaginlenſer etfoch ⸗
tem hatten, die öffentliche Wohlhabenheit und das Ber:
mögen umzähliger Familien geais vermehrt worden
war;
170 Sechlies Buch. Zwedees Capltel
Wwar; fo finder man es ganz nataͤtlich, daß in ben Ge⸗
wuͤchern der tapfern und glürflichen Ueberw inder
mit dem Beſtreben, ihre Varerftädte aus dem Rau
"der gefchlagenen Feinde mit prächtigen Werken ber Zunft
zu verſchoͤnern, ein heftiges Verlangen nach allen‘ ergös
genden und miüzlichen Kenntniffen eäcbranwte, Daß Ue⸗
berfluß und gluͤckliche Muße Wißbegierde, und Wißbe⸗
gierde allgemeine Aufklaͤrung erzeugte, daß endlich in
allen Theilen von Griechenland Maͤnner aufſtanden,
welche die Gedanken und Erfindungen der —
den Zeitalter ſammleten, imd mit den ihrigen bereichert
fähigen und edien Juͤnglingen mitzucheilen wünfche
ten ) — Eben fo wenig iſt es zu verwundern, hag
Bexedſamfeit und Staatskunde, oder die Doppelte —*
freye Voͤlker zu leiten und zu beherrſchen, nach der acht⸗
zioſten Olympiade nicht nur erfunden und gelehrt, ſon⸗
dern auch vor allen übrigen Wiſſenſchafften gefchägt
kourde, ba bald nach ben Perfifchen Kriegen ber größte
Theil ber Griechlſchen Staaten eine demokratiſche Regies
zungsform erhielten, in welcher das. ganze Volk bie
höchfte Gewalt befaß, und diefe hechſte Bersals nad
dem Wohlgefallen großes Redner ımd Staatsmaͤnner
ausuͤbte **). Weil ferner Athen ums eben dieſe Zeit bie
| rerichſte
nme —————
28) Man ſehe die oben | angeführte Stelle des Acifioteles
vil 6, de Eivie,
. #9) Todten die Redner nicht, fraͤgt Dohis, en Schuͤler des
Gorrgias, um die Würde feiner Kunſt fühlen zu mas
hen, berauben und verweilen fle nice, weichen fie
wollen?. in Gorg: Plat. p. 3ıa uch Ariſtoteles be⸗
merkte, bag die Beredſamkeit eine Tochter des Frie⸗
bene, des Ucberfluſſes und der Freyheit geweſen fe. —
Pacie eft comes otiique focia, & jam bene conftitu-
tae elvitatis quali alumns quacdam cloquentis, Jt=-
N . ti, que
Geſchichte der alten Sophiſten. |, ızı
reichſte und maͤchtigſte unter allen Griechiſchen Staͤdten
wurde, in welcher das Volk bie groͤßten Summen an’
Werfe der Kunſt verfehwenbere, und reiche und ange .
fehene Bürger, Weiſe und lehrer der Weishelt am freie
gebigſten belohnten; fo muſte diefe Stade nothwendig
der melplaz ber größten Kuͤnſtler und Gelehrte
aus aflen Theilen von Griechenland werben. Nachdem
endlich ans den großen Reichthuͤmern des Staats und
der Familien oͤffentlicher und Privatlugus, Schwelges
rey mb alle Übrige Arten von laſtern enrflanten; (0
konnte es faft nicht anders gefchehen, als daß auch durch)
diefe ben Uebel die lehrer von Wiffenfchafften ans
geftedhe,, und ihre Orundfäze eben fo fehr als bie oͤffent⸗
lichen Gicen verborben wurden *). Mi |
" ie
que sit Ariftoteles, cum fublatis In Sicilia tyramnis,
res privatse longo intervallo judichs repeterenturs
tum primum, quod effet acuta illa gens & conıro-.
verſa nature, artem & prastepta Siculos, Coracens
& Tißem conferipfifle &c. Ich werde auf diefe Stelle
bald wieder zuruͤck fommen. Ä _
9) Mit dieſer Bemerkung ſtimmt folgender Gedanke des
Cicero vortrefflich überein, ungeachtet er ein ganz an⸗
deres Zeitalter im Sinne harte: Chartae quogue, quas
am prikinsm feveritatem eontinebent, obfoleve.
zunt: neque folum apud nos, qui hawe fellan ra-
tionemque vitae re magis quam verbie ſoeuti ſumut,
fed etiam apud Graeeos, dodiffimos bomines: gui
. Is, quum faeere non poflent, loqui tsmen & feri-
bere honefle & megnifice lieebat. Alla'quaedam,
mutstis Graseise temporibus, praecepts exfliterunt.
Pro Coelio e. 17. Gehe gluͤcklich ik ein Gleichniß,
was Diate im’fechrten Duch feiner Republik braucht.
Die Sophiſten, fagt er Vol, H. p. 26. lehren nichts,
als was der große Haufe, wenn er beyfammen tft,
denke uud auchhe. Sie Find ſolchen Perſonen glei,
die
17a Cected Buich. gweytes Capiel.
Mit Huͤlfe dieſer Bemerkungen iſt es leicht, bie
Eigenchümlichfeiten der alten Soppiften zu faffen, von
‚ welchen man ſich nicht nur die unvollftändigften, ſon⸗
dern auch die unrichtigften Begriffe gemacht har. Man |
hielt fie biöher entweder für leere Schwoͤjer und wort,
eihe Schreier, oder für nichtswuͤrdige Gruͤbler und
Brillenfänger, die ihr ganzes teben mic der Verfertigung
fünftticher , aber dünner und unbrauchbarer Geſpinnſte
von Trugſchluͤſſen zugebracht haͤtten. Man fand fie
nicht einmal eines Plazes in der Geichichte, der Griechi⸗
ſchen Weltweisheit werth, und glaubte ihnen ſchon zu
viel Ehre zu erweifen, wenn man’ ifrer henläufig: im dee
Geſchichte des Sokrates oder ber Griechifchen Redner er«
wähnte. Eine genaue Befanntfchafft aber mir ven Wer:
fen bes Plato und Ariftoreles, oder auch nur mit denen
bes Iſokrates und Cicerq waͤre ſchon hinreichend gewe⸗
fen, dieſe falſchen Vorſtellungen zu verbeffern, wenn
man auch nicht einmal die. fo leicht fid) harbieteifie Beeb
achtung grimacht hätte, daß die Altern Edphfiten un:
mirtelbare Nachfolger der großen Weltweiſen waren,
von denen .ich am. Ende des erften Buchs .gereber habe,
und Daß fie alfo auch nothwendiz ein berrächtliches Clien
in dee Werte der Geiſter ausmachen thuften, butch des
ren Bemühungen Wiffenfchafften in Griechenland erfun⸗
.
den und erweitert wurden.
a
So wenig bie. alten ‚Sopbifien ofle um rieſelbige
Zelt gebohren wurden; eben fo wenig waren fie ven
‚ bie ale Saunen einen großen. Ungeheuers ausfnbierten,
die darauf Acht gaben, weodurch es aufgebracht und be:
fänftigt werde, und die nun die Kunft, es in behandeln
lehrten, uud Weisheit netten. Gie.nemgen niche
| (don und gut, was wirklich fo iſt, fonbdern was bee
Poͤbel ſo nennt,
N
. @oipihte de am Cop. BL: Bu
threr Kraͤfte, Kenntnifſe und Verhienſte gheich.
he aber auch bed Nbftandes ihrer Geturtsjahte |
— dennoch Beitgensffen von einander waren; ſo
ch auch bey allen übrigen Berfchiedenpeicdn
an an Talenten und Wiſſenſchafften ſehr aͤhnlich. Sle ſtreb⸗
ten picht bloß nach dem Nuhme, für r große Redner und,
2 der Beredſambkeit gehalten zu werden, ſondern Nie
trugen auch alle übrigen Wiflenfchafften vor. Die be⸗
rühmteften unter biefen Gophiften waren Gorgias von '
teontium in Sicilien, Protagoras von Abdera, Hippias
Prodikus von Keos, und Thrafomachus, von
—22 weichen fünf Maͤnnern Evenus von Pazos,
Theodor von Byzanz, Akkivamas von Elea, and Polns
von Agrigent) beyde Schüler des Gorgias, ferner Uns
tiphon aus Noamnuſium, Simon und SPelgktates von .
an efimbrotus und Anoximander⸗ deren Vater⸗
ſtaͤde⸗ annt ſind, endlich Euthydemus und Dionp
fider aus Chios in fleinern oder groͤßern Cutfernungen
nachfoigen 9, Mina man den Gorgias den einige
für cinen Freund des Empedofles ausgaben *), und bie
benben eben genannten Schuoͤler dieſes Mannes aus⸗
nimmst; fo fand fich unter allen alten Sophiſſen, wer
uigßens r viel wir u feiner, der der „ine en
1rW elt⸗
—— — ne — 9
Dan Plato im Ap.p.8. in Phaed, 210, im Buthydem,
? I Ed, Bat. Kenoph. x. 5. Symp. Cicer. in
Bee «, $. Dionyf. Halicar. V. 625. 37. Ed. Lipf.
Qyiat. Ill. ı. Schol. ad Ari. Nubes, v. 390. Fe
Faies U. 381. 282. neue no elnen Eofimachus, deſſen
Barerland unbekannt iſt. Wahrſcheinlich iſt der Name
manches Sophiſten zugleich mir feinen Werten odet
mir feinem Corper umerdegangen, wie man aus einigen
nachher anzufapeenden Stellen dis des Aotraꝛe⸗ 6 vermuthen
“) Sarr. ep. Diog. VIII, 58.
-
24 Sechſtes Buch. Zweytes Kapıtel.
Meltweifen und Redner gehoͤrt, ober fremben mänbil,
chen Unterricht empfangen hätte *), Aus dem Der,
‚geichniffe ihrer Geburtsörter ſieht man, daß fie nicht in
„nein Theile, " fondern in allen Gegenden bes Gekechis
ſchen Musrerlondes‘, ünd der ältern ſowohl als ber fuͤn⸗
‚gern Pflanzſtaͤdte gebildet wurden, und daß alſo um dieſe
Zeit der forſchende Geiſt der Griechen eben fo allge⸗
on mein
„r \ ah .
H Vielleicht denkt man bier noch an den Protageras, von
welchen mehrere Schriftſteller, und unter diefen auch
q BSpilur erzählen, Daß er anfangs ein Baflträger geme:
hun fan ſey, datz er aber vom Demokrit wegen der vorzüg-
2: 3 Men: Geſchicküchteit, womit er Holzer ader Reifer in
. . . Buͤndel zufammen gelegt habe, als ein, fäpigee Kopf
... erkannt und unterrichtet tworben, ap. Diog. IX, 53.
“0 fihe auch Gel, V. z3. Das aber diefe Erzhlung ein
=. Maͤhrchen, und Protagoras viel: Älter als Demoßrit
120 geroefew.fep, UEst Mich mit vielen Gründen Smpeifen,
2 Erfikicg wuſte Ariſteteles nichts von dem Unterrider,
deu Protagoras vom Demokrit follte empfangen gaben,
ungeachtet er von einer Maſchlne redete, für deren Er:
0 finder Protagoras gehalten wurde, und die wahrſchein⸗
I lich zu der Fabel vom Laſttvagen des Protagoens An
[aß gegeben hat. Diog. I.e. Plato ſpricht ferner im
Protagoras von dem Sophiften gleiches Namens, ale
von einem der erſten Sophiſten, der viel After fe Ex
krates geweſen ſey. Auch Ariſtoteles feste ihn Über den
Corarx und Tifias hinaus, bie nicht lange nah ber
Austreibung der Tyraunen aus Syrakus und Agsigent,
4, und in der Jugend ober. dem Anfange des männlichen
"7. Alters des Demokrit bluͤhten. Ariftot, ap. Cieer. in
“0 Beute.c.29.. Mac den Apollodor ap. Diog, IX, 56,
u... mar Protagoras um bie 34 Diympiade am beruͤhmte⸗
Ren, woelchem Dato zufolge er zwar ein Zuhörer des
ker. Memeofris hätte ſeyn koͤnnen, wenn er nicht dem Se
‚halte ber fabelhaften_ Erzählung Nach erſt als ein er
machfener Mann vom Demokri zum Schaler wägs ane
genemmen werben.
_ Eadiäte ber alten Sopfiten. 175
uneen uvd — als —R Bass |
Innbpliebe erweckt worben fey *);
Die after Bophiften verdienen nicht sfoß berachtet
oder angeklagt zu werden, ſonbern ihnen gehürt in mals ⸗
cher Ruͤckſicht chtung und dob, welches ihnen auch
Ijee heftigſten Widerſacher und Tadler nicht verfagt ha⸗
Sie waren ihren größten Vorgaͤngern, oder ben
Wine, vie be ihnen bie ag erforſcht =
Er gelehrt Hatten, von mehrern Seiten fehr äh
Gieich Tiefen beſaßen und verbreiteten Me
— Sebanten und alle nuͤzliche, oder doch ber
wunderte Entdeckungen, welſche bie Bor ahren ihnen
überliefert hatten, odet auf welche der Scharffinn ser
sefallen war. Sie lehrten die Wiflenfchaffe
der Natur **), ober den Urſprung und das Wefen der
Dinge, bie Größe und Bermegumgen der himmliſchen
Edrper, und die Urfachen ber merkwuͤrdigſten Erfchels
nungen auf ber Erbe: ferner die Eigenſchafften und Ver⸗
iſſe von Zahlen und Otoͤßen, die Wirkungen und
rbindungen von Ahnen, und endlich bie Kunſt an⸗
dere zu verwirten , und in Unterredungen mit andern
unäberwinbfich gu leiben ‚ welche Bes mit lhnen er⸗
funben hatte 1 De
Siehe am Ende des Capitele.
2 nr gaben fie ber Welt zuerft den Nam
xooues. Mem. Soer. I, c. 1. p. 5. .
9» Plato p. 50, 886. 347. 357. Philoft, p. 481. Ueber
die Dialektik fee man a ak Dan 711 S. Unter
den Sephiſten war Hippias unftzeicig ber gzößte Diele
* Denn außer allen Bender feiner Bei
verfamb ober noch die meiften *863 |
Handwerker im lchen Grade, daß er nicht bio
. über ver Werke teile. ſondern ſie auch ſelbſt
6 Cafes Bu. Zugteh Eanfel,
Die Sophiſten blieben aber nicht da leben,
ge ———
worden waren; fondee fie eiferten den aͤltern
ihres Volko auch dorinn nad); Daß fe Die Kemneniffe,
‚die dleſe Ihnen hinterlaſſen hetten, zu erweitern uub zu
- bereichern fuchten. Sie erfanden Daher und lehrten
zuerſt Staatswiſſenſchafft und die Kumſt der Beredſam⸗
N
‚feit, wie fie bie erfien großen Redner waren , ‚welche
Grlechenland hervorbrachte ). Ce warn ferner bie
Ka u een,
*
. ge GE
. ———
>" fertigen konnte, Er rühmte ib SER an den elgmpi-
ſchen Spielen, daß er ſowohl dem Wing, deu er am
Finger wage, geftochen, ala alle Kleidungeſtuͤke, mit
denen er dedeckt ſey, bis auf den Gürtel, und die Zuß⸗
= 7. fohten,' imit eianer Hand verfertigr Habe. Er wiachte
a. 7 Ih blih in allen Dichtunagarten berühmt /" und" hin⸗
= tenieh außer vielen andern Schriften beraifche umb ele:
giſche Gedichte, Trauerfpiele unp Dithyramben. VBeſ.
* 7 Pak, in Hippis minor. p. 357. Pauf, V. 25. und aus
en der Plato €. IM. de orat. e. 32, Ex quibus Ellus
ANippiee, cum Ölyınplam veniffet, aarinn ilie quin-
queanalt celebfittte ludorum giorhitus W,
e- .... paene audiegte Grhecis, nihil effe ulla in aite serdm
omnium, quod ipſe nefciret: ase folum has nrtes,
quibus liberales do&tinse arque ingenuse contine-
rentur, geometrism, muficem, literarum cogultio-
en nem & po&tsrum, atque ille, quae de naturisrerum
quse de hominum moribus, quae de rebus publiris
dicerenturz fed annulum, quem haberet, pelllum,
. quo amicım, foctos, quibus indutus eflet, füs ms-
wi. nu'cönfeeifle. "Scilicet nimis hie quidew et pro-
greflus, fed ex vo ipfo eft eonieltura fardlie, quan-
tum Abi illi Ip oratores de procelemfiimis aftibus
appetieriat, qui ne fordidiores quideni repudiarint.
J ‘Weber ſein erſtauuliches Gedaͤchtniß ſehe man Fhiloſt.
u ,
pP. 495. "
9) in Apol. p. 8. vo N p. 384. 56. ia Gorg. 308.
- 7° 996.1aMenoR.p. 342. Hipp. Mei. p. 346. Cie. *
i a ee . . . @« 48.
[4
4 ” EEE Ar 4
Seſchichte der alten Sophiſten. 177
erſten, weiche über die Natur der Sprache, "über bie
Entſtehung, Zufammenfegung und Ableitung von Woͤr⸗
tern und ihren Beftandrheilen, über den Bau und den
Woplflang von Perioden Unterſuchungen anfellten, und
die Kunft richtig und. ſchoͤn zu und zu fchreiben
auf fefte Regeln brachten ) Endlich redeten fie zuerſt
| | en 177°
€. 43. Quintilian, ber in feinen hiſtoriſchen Nach⸗
richten meiftens dem @icero folge, erinnerte fich deſſen,
was er in biefem Schriftftellee gelefen Harte, niche
recht, wenn er fagte, daß Tifias und Corax früher,
als die Sophiſten, die Kunſt der Beredſamkeit gelehrt
IM. ı. Cicero fage nur, dem Ariftoteles zufols
ge, daß die beyden eben genannten Sicilier die Regeln
der Beredſamkeit zuerſt fehriftlich abgefaßt, daß aber
ſchon vor Ihnen Gorgias, Prorägoras und andere die
Beredſamkeit durch Denfpiele und Schriften gelehrt
hätten. Ueber bie Verdienſte der Sophiſten um die -
Griechiſche Beredſamkeit breite ich mich hier nicht aus,
weil diefe Unterſuchungen In die Gefchichte dieſer Wiſ⸗
fenfhafft gehören. — Bor den Sophiiten hatte ber
große Künftier Archidamus von Miler, der den Pirdus
erbaute, das Ideal einer glücklichen Stade oder eines
volllommenen Staats entworfen; allein der Auszug,
den Ariftoteles aus feinem Werke gibe, unb dag Urs
theil, was er von feinem Inhalte fällt, berechtigen ung,
wie das Stillſchweigen aller übrigen Schraftfteller, anzu '
nehmen, daß diefe Schrift wenig lehrreich geweſen ſey,
und end nur geringen Depfall gefunden babe. Arift, de
Civ, 1.
®) Pist. p. 48. so & 62. in Cratylo. p. 271. in Euthyda«
Zepter Band,
mo p. 346. in Hipp. Mej. p. 357. in Hipp. Alle
Sophiſten waren Spracdforkher und Sprachlehrerz
vorzüglich aber Proragoras p. 50 & 271. Dippiasp.
346. und Proditus, welcher Ieztere Borlefungen von .
verſchiedenen Preifen über die Kunſt richtig zu fchreiben
und zu reden hiele;? indem * fih einige mit funfzie, -
\ ‘
on s‘
\
8 u Sechſtes Buch. Zweytes Capitel. iu
über Tugend und Gluchſeligkelt, und trugen, wo nicht
Die Gedoͤchtnißkunſt, doch gewiß die Willenfchafft des
Krieges, und die Theorie dee Mahlerey und Bildhauer
Eunft zuerſt in Griechenland vor *), Alle diefe Kennt:
niſſe lehrten fie nicht nur muͤndlich, fondern faßten fie
“auch nad) ‚ven Benfpielen ver Weltweiſen, vie fur; vor
ihnen gelebt hatten, oder auch mit ihnen lebten, in vors
trefflichen Schriften zufammen, .die fowohl von ihren
Zeitgenoffen, als von den nachfolgenden Zeitalern ges
ſchaͤzt, und ſelbſt von ihren Feinden genuzt wurden **).
Durch diefe ihre großen Verdienſte um die Erweiterung |
und Bervolltommtung der Wiflenfchafften erwarben ſich
die Sophiſten eine allgemeine Ehrfurcht unter allen
Griechiſchen Völkern und Staaten, und erhielten mehr
Anhänger und Bewunderer, als irgend ein Philoſoph
bis dahin gehabt Harte, Allenchalben, wo fie erfchienen,
wurde ihr Umgang nicht nur von lehrbegierigen Juͤng⸗
lingen, fonbern von den vornehmſten Staatsmaͤnnern
geſucht; und wenn fie fortzogen, folgten Ihnen Schaa⸗
sen von Zuhörern: und Freunden nach ). Ihren Un.
N
-
terricht
—
andere nur mit einer Drachme bezahlen ließ. Pl. p_ 48.
Wahrſcheinlich hat Plato den größten Theil feines Kras
tylus aus den Schriften der Sophiſten entlehnt. —
®) Plat. Il, cc. beſ. p. 269. 286. 335. 346. 357. Cic, IT,
52, de erat, Philoft, p. 495. '
„0% Mocr. 1, 115 p. & fq. Cic. de or, I, 93. Plat. pafim,
Plato feldft entlehnte vieles aus einer Schrift des Pros
tagoras Porph. ap. Eufeb. de praep, Evang. e. 3. inp.
Ariftox, & Favor. ‘sp. Diog, If, 37. 51. faq. und
wahrſcheinlich auch aus den Wüchern anderer. So⸗
. p en. -
) Plato in Protag. p.285. So fam Protagoras in Athen
mit-einer Menge von Freunden an, die ihm aus allen
Städten nacgezogen waren. Auch Hippias, Gorgias
und Prodikus waren mit folhen Hauſen von Juͤngern
umgeben. ib, \ |
—
J ”
Geſchichte der alten Sophiften. arg
terricht bezahlte man Theurer als Goͤtte RF inb
ihre Bett — Hi bäßere Dei as kan a
t ..
| Außer biefen glücklichen Bemühungen die Hufkiäs
rung der Örlecyen gu befördern, atten Die —*
mit den ehrwuͤrdigſten Vorgaͤnger noch diefeß ger.
mein, daß fie ihre Kenntniſſe und Kräfte wenigſten⸗
mandhmalen Im Dienfle und zum Wohl ihrer Vacer⸗
ſtaͤdte anwandten. Üorglas, Probifss und Hihpias- '.
wurden von ihren Mitbuͤtrgern häufig in Öffentlichen Sa
fihäfften gebraucht; und der’ Seztere ſagt beym are von .
ſich ſelbſt, daß feine Vaterſtadt allemal, wenn fie Uns:
terhandlungen von Bedeutung mit andern Städten.
glücklich zu Stande gebracht wünfche, zu fm als zum
erften ihrer Bürger ihre Zuflucht nehme"), Nenn
es auch Yanz ungegrändet wäre, was Plato den Sokra.
tes fagen lägt, daß Hippias und die übrigen Sophiſten
ſich dadutch vonalten, oder den meiften äkern Weiſen
unterfchieden, daß fie firh öffentlichen Geſchaͤfften wid⸗
meten, fo hätte er ihnen doch dieſen Eifer ihrem Va⸗
terlande, wenn gleich nur aus Eigennuz ober Eitelkelt
zu dienen, nicht zum Vorwurf machen, fordern viel
mehr als eines ihrer größten Verdienſte anrechnen follen,
So ungererht es wäre, den alten Sophiften bie
bisher angeführten Borzüge und Verdienſte ſtreitig zu mas-
Ma chen;
+
2) Man fehe, was Plato vom Kallias p. 8. In Apol, See,
und Kenophon won eben biefem reihen Athentenfer und
vom Euthydemus und Nikeratus fagen. Memor. Socr,
IV, 2 Symp, c, 3 & 4. P. 469. Ed. Thieme. auch
. Seholiaft, Ariſtoph. ad Nubes v. 360,
##) in Hipp. maj. p. 345. 46. Weser die Geſandſchafft des
Sorgias in Athen ſiehe auch nos) Diod, XII, p, 514
«Bd, Wels), ' . Bu
_ 1 ⸗
.
v
.
180 | Sedſtes Buch. Zweptes Capitel.
chen; ſo. blind oder unwiſſend muͤſte man ſeyn, wenn
man es erkennen oder laͤugnen wollte, daß fie von den
großen Maͤnnern, die vor ihnen Griechenland erleuchtet
hatten, in viel mehr Puncten abwichen, als worinn fie
Ihnen aͤhnlich waren. Die Sophiſten erwarteten es
nicht, daß die Dankbarkeit oder Ehrfurcht ver Zeitge:
offen ihnen den Ehrennamen der Weiſen beglegten, ſon⸗
dern fie nahmen ihn felbft mic ſtolzer Zuverficht an ”).
Sie gaben ſich ungefcheur für’ die einzigen Lehrer der
Weisheit, Mlaͤckſeligkeit und Tugend, und für die Des
ſizer der Kunft aus, andere Menſchen weife, gluͤcklich
“und tugendhaft zu machen **). ie tuͤhmten ſich mit
kuͤhner Unverſchaͤmtheit des Gehelmniſſes einen jeden,
ber fich ihrem Unterricht anvertraue, gu mächtigen Red⸗
nern und Fuͤhrern oder Beherrfchern von Bölkern zu
machen T). Sie lehrten und bildeten nicht, wie die äls
teften Weifen thaten, Ihre jungen Mitbuͤrger, ober die
Juͤnglinge einer Stadt im vertraulichen Umgange, und
in einfamen Zimmern, fondern durchzogen die berühmte,
> flen Städte und Gegenden in Öriechenland, und wählten
immer öffentliche volfreiche Plaͤze, oder feyerliche Feſte,
befonders die Olympiſchen Spiele, um fic) vor den groͤß⸗
ten Haufen, oder gar vor der ganzen Nation hören zu
laſſen 177). Ihre Abfichtwar aud) nicht, den Berftand
ihrer Zeitgenoflen aufzuklaͤren, oder ihre Herzen zu beſ⸗
fern, fondern felbft zu glänzen , die lauten Zurufungen
bes Poͤbels zu gewinnen, und Schäze zu fammien, um
ihre
m
Li
®) Plat. in Protsg. p. 297.
“) Kom U, conıra Sophift, IE, 326: 330 p. Plat. in Prot.
p. 343. | Ä
7) Plat. in Soph. p. 102. in Euthyd. p. 269.
286. in Menl, |, e. „2.269 i⸗ krote
tt) 284 p. in Prot, p, 955, in Hipp. Min, Pauf, VI. 6.
\
—
Geſchichte der alten Sophiſten. 18
ihre Prachtliebe, Ueppigkeit und übrigen Begierden bes -
friedigen zu koͤnnen *). Plato und Eenophon nennen
daher Die Sophiften verfchmizte Menfchenjäger ,. die reis
che und ſchoͤne Juͤnglinge in ihren Schlingen'fingen **),
oder auch feile Mäckler von Kenntniflen, die gleich allen
Marfefchreiern falfche und verberbliche Waare anpriefen,
um fie defto cheurer verkaufen zu konnen ***). Sokra⸗
tes verglich fie mit ſolchen, die ihre Schönheit verfaufs
ten 7). Die Sophiſtik, oder ihre Kunft erklärte Plas
to, als eine Geſchicklichkeit oder Fertigkeit durch Zanken,
Widerſpruch, unverfehämtes Kämpfer, und Schöns
ſchwazen Neichthämer und das Lob der Unverſtaͤndigen
in erwerben T}). Dieſe niedrigen Abſichten erreichten
die Sophiften nur zu gluͤcklich; denn die größten unter
ihnew erwarben fich durch ihren Untetricht ein viel groͤ⸗
i M 3 | get
U 1
— — ya
®) Plat. in Crat. p. 48 & 62. in Theaet, p. 99- Tor. in
Prot, p. 384. in Men. p. 342. in Hipp. me), p. 346. _
Hocr. IL 116 & 32658, Cicer. IV. Acad. quaefl.
23. At quis eſt hic (Ansxegores)? num fophbiftes?
Sie enim appellabantur il, qui ofltentatlunis aut
quseflus caufa philofophantur. Weber die Liederlich⸗
keit des Prodikus fiehe beſ. Schol, Arifl. ad Nubes
V. 300.
*®) Plat. 98 & I01. in Theaet. Aoxw ey yae Tb 7row-
Tor EupeIm veny nacı mABCHmy euıoIos Ingeorns.
‚ Xenoph. Kumyer. c. 13. Oi pev yae ooQdısau
AÄBOIBS ac veas Ina. — —. . |
#00) Plato in Protag. Ouro In ol Ta patnuere
. WELIEYOVTES KAT Tas KoAcıs ns MmÄsvTeS
Ha KONAEUDVTES TO 8 ERIUREITI, EMEINE-
04 Bey TavTa.a TOABTı. ’
f) Xenoph. Mem, Soer. I. 6. p. 59.
tt) in Theaet. p. 98. 99.
N
\
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N x
. . ,
ı
22 Sechſtes Buch. Zwehtes Capitel.
be Bermdgen, als irgend ein Künftier wor oder ze”
fhren Ä |
geiten fich erworben hatte *),
y einer fo großen Verſchiedenheit ber Abſichten
muſte nothwendig auch eine große Verſchiedenheit in der
Lehrart dev vorhergehenden Griechijchen Keltweifen,
und ver Sophiften entſtehen. Anſtatt, daß jene durch
wielfährigen Umgang, durch Beyſpiel, und vertrauliche
Unterredungen ihre Freunde lehrten und beſſerten, hielten
die Sophiſten entweder glängende Prunfreben oder Des
‚clamationen **), oder auch an einander hängente u
0 — | äle
[2 . L .
” ‘
v .
. — —
9 Dies fagen: Plate. und alle uͤbrigen Schriftfteller one
Ausnagme. Wan ’fehe Plato p. 342. 46, über die
Reichthaͤmer des Protogoras, Gorgias, Prodikus und
Hippias. Lezterer ſammlete in kurzer Zeit in einigen
Sieiliſchen Staͤdten drittehalb Talente. Wie eheuer
ſich Prodikus feine Vorleſangen bezahlen ließ, Babe: ich
077 Son oben mit einem Zeugniſſe des Plato 'heiwiefen,
und ich will daher nur noch einige Stellen anführen, im
' welchen die Preife angegeben find, welche die übrigen
S—oophiſten auf ihren Unterricht festen. Gorgias und
Protagoras ließen fich für die Unterweifung in dee Be⸗
. zebfamkelt 100 Minen oder ungefähr 2000 Thaler bes
„zahlen. Diod. XIL p. 514. Quint. III. 1. Diog. IX. 53,
Hippias kann nicht weniger genommen haben, weil er in
furzer Zeit in einigen Siciliſhen Städten brittehalb Tar'
lente verdiente. 346. Plato, Als einen Beweis des
Reichthums der Sophiſten müfte man auch die goldene
Stathhe anführen, die Gorgias fich felbft geſezt haben
fol, 'Plgn. XXXUT, 4, & Athen, XI. e. ule. p. sos$,
wenn es nicht wahrkheinlicher wäre, baß fie ihm von
feinen Bewunderern errichtet worden. Cicer, de osat.
II, 33, & Pauf, VI, 6. p. 494. 95. Philoft.
P. 493. |
w) Dies hießen fle —X oe Philoſt. p. 482. de
vit, Soph, Asfchin, de Marte e. 6. & ibi Clericum &
Plat, paſſim. |
Gefchichte der alten Soyhiſten. 183
foͤltlg ausgearbeitete Borlefüngen.*), ober fie erlaubten
endlich einem jeden fie zu fragen, ober eine Materie auf⸗
jugeben, welche er aus einander geſezt und aufgeflätt .
minfchte ). Gorgias war der erfte, der die Kühne
heit hatte, die verfammieren Griechen bey Olympia auf⸗
zufodern, ihm nach ihrem Belieben Fragen vorzulegen,
die er auflöfen, oder worüber er fopleich reben folle, und .
ju erflären, daß er fie aus dem Stegreife beantworten,
und ohne weitere Borbereitung zu ihrer Befriedigung
darüber reden wolle 7). ben diefes chaten die meiften
üstigen alten Sopphiften; und hierinn ahmten ‚ihnen
auch fo gar die elenden Rhetoren im Zeitalter des Cicero,
und in den erſten Jahrhunderten nach Chriſti Geburs
nach, | \
Am meiſten unterfchieben fich aber die Sophiften ,
von den Altern Philofophen durch die Örundfäze, bie Ä
fie den Gemuͤthern der Griechifchen Juͤnglinge einfloͤß⸗
ten. Dieſe waren fo ausgelaflen und verderblich, daß .
man fie mit Recht die erften Berführer der Tugend,
bie erfien Lehrer des Unglaubens, bie erfien Spoͤtter
und Derächter aller Religion und Tugend, und die er⸗
ften lobredner bes Cigennupet, der Wohlluſt, und ber
. - 4 wia⸗
/
> N
e — —
#) Plat. in Crat. p. 48. )
%) Plat. in Protsg. p. 285. |
+) Craff, ap. Cie, de orat. P. 23. Quando enim, me iſta
eursffe, aut eogimffe arbitramini, & non femper ir-
rifffe putius eorum hominum impudentam, qui
cum in fchola aflediffent, ex magna hominum fre-
quentis dicere juberent, fi quis quid quaereret?
Quod primum ferunt Leontinum fecifle Gorgiem; -
qui permagnum quiddam fufcipere, ec profiteri vi-
debatur, cum fe ad omnia, de quibus.quisque audire _
vellet, eſſe paratum denuntisset, &c. vide etiam
U. 4 —
J
184 Seife Bud, Zoche Cepitel.
widerrechtlichen Gewalt nennen kann. Ihre tehren was
ren die Duelle, aus welcher Ariftipp fchöpfte; ; und Epis
kur feine Gärten waͤſſertez oder wenn man ein anderes
> Bd will; fo Fann man die Syſteme diefer Weltweiſen
Gebäude nennen, bie nicht nur auf dem Grunde ber
alten Sophiften, fondern auch aus Materialien, weiche
biefe zuſammengetragen und jubereiter hatten, errich⸗
tet wurden.
Die Sophifken leugneten nicht nur das Dafegn
eines mächtigen und verfiändigen Weſens, das Die Welt
hervorgebracht habe, fondern fie beftricten auch bie
Wirklichkeit der Görter, welche ihr Volk anberete .*).
Weder Feuer noch Waſſer, weder Erbe noch fuft, lehr⸗
ten fie, würden von einer weiſen und maͤchtigen Gott:
beit erzeugt, fondern alle diefe Elemente feyen Wirfun
gen des Dhngefährs und der Nothwendigkeit, und aus
ben verjchiebenen Mifchungen derfelhen, die nach den
Geſezen der Nothwendigkelt oder den Fuͤgungen des Zus
falls gefchehen, fegen Sonne und Mond, Himmel und |
Erde, und alles, was fie in fich faffen, entſtanden.
Selbſt die zahlloſen Batrungen lebender , empfindender
und benfender Weſen würden nicht durch einen gütigen,
erkundigen, Schöpfer, fonbern gleich der todten Ma⸗
te
-
es
#) Dean ſehe Plat. p. 605. in Lib. X. de Leg. Ich Gate
diefe Stelle ſchon im erfien Bande ©. 603 und 604
abgefchrieben. Daß fie aber bauprfächlich auf die ©e-
phiften gehe, lehrt das, was Plato gleich nachher fast,
und was mit allen Fragmenten der Sophiften und den
Nachrichten anderer Schrifrfteller über ihre Denkunge-
art übereinftimm. Euithydemus, den Sokrates von
dem Daſeyn und den Vollkommenheiten det Gottheit
zu überzeugen fuchte, war ein Schüler und Bewun⸗
derer der Sophiſten. Xenopb, IV. 3. Memor. Seer,
|
|
Seſchichte der alten Sopfiften. u 185
tie aus lebloſen und empfinbungsfofen Elementen tirch
ein blindes Glück hervorgebracht. "LBeisheic und alle nach
Abfichten. poirfende Künfte waren ihrer Meynung nach
färere Tbchter des Zufolls und der Nothwendigkeit,
oder einer blindwirfenden Natur, von welcher man fie
entweder Machahmerinnen oder Gehülfinnen und Mir
orbeiterinnen nennen koͤnne. Es. gebe alfo, fo fchloffen
fie, eben fo wenig eine Weltordnende oder erhaltende Gott⸗
heit, und übermenfchliche mächtige und weife Weſen,
als man Abfichten oder Spuren von Borfehung im Unis
verſo entdecke *). Diefe Behauptungen wurden von den
Sophiſten fo fehr verbreitet, daß fie nach dem Zeugniffe
des Plato in die allgemeine oder herrfchende Denkungs⸗
art feines Zeitalters übergingen *°).
Ungeachtet die Sophiſten die Seßrewon der Gott⸗
heit, und von göttlichen Naturen als eitien Wahn ver»
warfen; fe fuchten fie doch, amd eben dieſes chaten nach
5 . per
EEE. o GNS
%) Der Zweyfel bes Drotagoras an dem Dafepn der Gottes
beit war von der Ablaͤugnung derfelben m nichts ver-
ſchieden. Ich weiß nice, fagte er im Anfange eines
feiner Werke, ob es Götter gibt, oder nicht gibt?
Denn 68 find gar zu viele Urfachen, welche eine gewiſſe
Erfenntniß, oder entſcheidende Antwort unmöglich ma»
den: am meiften aber die Kürze des menfchlichen Le⸗
bens, und die Dunkelheit oder Unerforſchlichkeit des
‚ Gegenftandes ſelbſt. Wegen diefer Aeußerung wurde
feine Schrift in Athen verbrannt, und er felbft aus der
Stadt verwiefen, oder gar zum Tode verurtheilt. Cie.
1.23. Diog. IX. sı. Sext, IX. 55.
”) Plat. p. 606. de Leg. X. Ku yap a un xare-
ORALNEVO NP ci TOT Aoycı ev Tas Mac
is emos come Sgnmas, ade av ade. vum
eraunsvrav Aryav, as eos Iso. vor de
BYEYEN.
386° ° Sechſtes Bud. Zweytes Eapitel. u
N
her auch Demofrle und Epikur, die Entftefung ber
Begriffe von Göttern zu erforſchen. Prodifus glaubre,
daß Dankbarkeit die Mutter aller Neligion, und des
Glaubens an Goͤtter gewefen fey *). Die meiften ros
ben Sterblichen Härten naͤmlich allen Gegenftäuden, von
denen fie großen Nuzen erhalten, geheime und außerors
dentliche Kräfte zugetrauf, und hätten daher Sonne
amd Mend, Fluͤſſe und Quellen, ja fogar Brod und
Bein, Waſſer und Erde unter dem Namen von Eeres
und Bakchus, von Neprun und DBulcan. angebetet ©
| | | 6
? En, DESSERT
09 Cie. de Nat. Deor. I. 42. Sext. IX. 18 & 52 ſq.
eij) Diefe Erklärung des Urſprungs der Begriffe von Goͤt⸗
teen wurde nachher von vielen Weltweiſen angenemmen.
Sertus Hingegen beftreitet fie als ungereimt mit Gruͤn⸗
den, die mir nice befriedigend fcheinen. IX. 39,
Ale übrige Sophiften aber waren in der Meynung,
daß die Begriffe der Menfchen von Göttern, und die
Religionen der Volker urfpränglicd Erfindungen Eluger
Geſezgeber und verfhmizter Staatsmaͤnner geweſen
ſeyen. Plat. 605. unten: Oess ꝙ Manapıe esvors TEn-
ro Dacw Eroi, TEXyy 8 Duca, au Tıcı vo-
pos. Kos Teras adss ads 077 Erazcı
Zavromı auvanoAsyneav vonoIsrauero. Huf
diefe Meynung zielt Cicero L-42. Quid? ii, qui di«
xerunt, totam de dils immortalibus opinionem
fidam effe ab hominibus fapientibus reipublicse cau-
fa (ut quos ratio non poflet, eos ad ofliddum religio
duceret) nonne omncm religlooem funditus ſuſtule-
runt? de Nat. Deor. I. 42. Das Fragment des Kri⸗
tias, aus welchen die folgenden Gedanken der Sophie
ften gezogen find, ſteht beym Sextus IX, 54. Der
falſche Plutarch ſchreibt dieſes durch Sprache und Ein:
kleidung vortreffliche Bruchſtuͤck dem Euripides zu. de
‘ .
——— (ER RBB SE
Pluc, Phil. I. 7: Das Urtheil diefes efenden Compila |
ters müfte aber gegen das Zeugniß des Sertus verwor⸗
— . fen
4
/
|
Gedichte ber. alten Sopfiften. | 187.
„Es war, fo fang Kritlas, einer ihrer beruͤhmteſten
Junger, eine Zeit, wo bie Menſchen, gleich den reifen«
dern Thieren des Waldes, ohne alle Gefeze lehren, wo
Gewalt für Recht galt, und die Guten gar Feine Beloh⸗
nungen, und die Böſen gar feine Strafe empfingen.
Dies wilde außergefellichaftliche teben verließen fie end:
lich, vereinigten fich in Geſellſchafften, und erwählten
Geſeze zu ihren Herren und Richtern, die Gemaltchäs
tigfeiten beſtrafen follten. Weil aber dieſe Geſeze hoͤch⸗
ftens offenbare Miſſethaten zuruͤckhielten; fo ſann irgend
ein weiſer und verfchmizter Mann darauf ein Schreck-
bild zu erfinden, wodurch er auch heimliche Derbrechen
jurücfhalten, und bie verborgenen Uebertreter der Geſeze
in Furcht fezen koͤnnte. Zu dieſer Abſicht floͤßte er den
umoifienden Wilden den Gedanfen von ewigen und uns
fierblichen Göttern ein, die alles, ſelbſt dasjenige hoͤr⸗
tem und fähen, was dar Menſch in der tiefften Einfam»
keit vollbrächte, oder in dem Innerſten feiner Seele ent:
würfe, Um bie Furcht vor diefen unfichtbaren maͤchti⸗
gen Naturen zu vermehren, lehrte er ferner, daß fie
im Himmel, oder in denjenigen Gegenden wohnten,
woher bie meiften Schrecfniffe über den ſchwachen Sterb⸗
lichen Fommen , wo er bas Rollen fürchterlicher Donner |
böret, und von wannen er veißende Feuerſtroͤme ſich
ergießen fieht. Er wies den Beherrfchern ber Menfchen .
ihre Sige im ſchoͤnen Gewölbe bes geflicnten Himmels,
dieſem Gerrlichen Werke des weifeften aller Baumeifter,
| dee
“
fen werden, wenn jauch nicht Alexander bezeugte, daß
ber Athenienſiſche Iyrann eine moAsTesav sunsreor
gefchrieben Gabe, wovon das erhaltene Fragment hoͤchſt
wahrfcheinlichl ein Theil war. Alexand. Aphrod..sp,
| ‚ Pbilopon. in Lib, 1. Arift. de anima in|!haec verba ı
Ersgoı de ip wamee Karuas. u. A.
09
y
=
188 Sechftes Bud. Zweytes Capitel.
ber Zeit, an. . Auf dieſe Art entſtand der Glaube, und
die Furcht vor den Goͤttern, und durch dieſe —
urcht
wurde der im Finſtern ſchleichende Frevel gehemmt, und
der Suͤnder, den die Geſeze nicht baͤndigen konnten,
durch gluͤckliche Erdichtungen ber Gefezgeber zittern ger
macht.“ Mit Recht uͤrtheilten Cicero ), und Plato ꝰ),
doß ſolche Behauptungen alle Religion, und ſelbſt die
Grundlagen ber Tugend und bürgerlichen Geſellſchafft
untergrüben, baß man bie kehrer derjelben als Verder⸗
ber der Jugend, und als Feinde bes Vaterlandes ein:
ſchließen, und die Ausbreitung derfelben entweder durch
“ törperliche Züchfigungen und Seffein, oder durch Scham
de und Armuch ftrafen muͤſſe 7).
9,
Die
°) I, 42. da Nat, Deer.
es)
»
. 606. J |
on den Gedanken der Gophiften über die Natur der
Seele haben .wir nur wenige Weberbleibfel, aus denen
man aber doch fo viel abnehmen kann, daß fle die Seele
für einen Thell oder eine Eigenfchafft des Corpers hiel⸗
ten, die mit ihm aufgelöft und zerfiget werden edle,
fagte Protagoras, iſt ein leeres Wort; und aufer den
Sinnen, ober der Fähigkeit Eindräde von Gegen
ſtaͤnden zu empfarigen, fie zu erhalten, zu erneuern und
zu verbinden, gibt e6 im Menſchen feine vom Corper
verſchiedene denkende BSubftanz. IX. Diog. st. —
Prodikus dachte wahrſcheinlich auf diefelbige, oder
doch eine ähnliche Art, indem er fih und feine Freunde
duch folgendes. Räfonnement gegen die Schrecken des
Todes zu mwaffnen fuchte. sp. Aelch, Dialog. de morte,
e.14. Der Tod, ſchloß er, follte niemanden fürchter:
lich ſeyn, weil er weber die Lebenden noch die Todten
treffen kann. Die Lebenden nicht; denn fo lange wir
leben, ift der Tod noch nicht da; die Todten auch
nicht; dent wenn wir geftorben find, fo koͤnnen wir
gar nicht mehr leiden, meil wie miche mehr find. —
ı . | Nach
Geſchichte der alten Sophiſten. 189
Sie Sittenlehre der Sophiſten, ober. die tebensres
gen, nach weichen fie ſelbſt handelten und ihre Schuͤler
handeln snachten, ‚waren noch viel gefährlicher und fuͤrch⸗
eeelicher , als ihr theoretiſchrr Ungſaube. Diele Moral
der Sophiſten kann man in wenigen Worten nicht rich⸗
‚tiger bejchreiben, als wenn man fagt, daß ſie gerade
ber Gegenſaz von der Sofratifchen gewefen ſey. Ihre
erften Principia waren folgende; Daß es fein anderes
Naturgeſez gebe, alödiefes, daß ber Klügere und Mächs
tigere über den Schwaͤchern herrſche, und ihm fich un⸗
terchan mache: daß alle Handlungen von Natur gleiche
gültig, weder gut noch böfe feyen , und daß ihre Güte
oder Picht » Güre allein durch die Geſeze eines jeden tan
des, und durch den Willen oder die Vorthelle der hoͤch⸗
fin Gewalt, das heißt, besjenigen, oder derjenigen,
welche die oberſte Macht befäßen, beſtimmt werbe: daß ..
uneigennüzige Tugend oder Gerechtigkeit demjenigen, der;
fie befize oder ausübe, nachtheilig und folglich Thorheit;
Posheit und Ungerechtigkeit hingegen ihren Beſizern und
Ausübern vortheilhaft und eben bewegen Klugheit, und
ihren Gegenfäzen vorzuziehen fen: daß niemand die Tu⸗
gend und Gerechtigkeit, um ihrer felbft willen, oder
fregroitlig, fondern aus Limpiffenheit oder Zwang liebe,
und dag man nicht fie ſelbſt, fondern den Schein von
Senden zu erhalten fuchen muͤſſe daß endlich die Tugend
oder wahre Vollkommenheit eines Mannes datinn bes
fiche, andere Menfchen beberrfchen und zu Dienern feis
ned Bergnügeng machen zu wiſſen: und-die, Gluͤckſelig⸗
keit in der Kunſt, fich ſelbſt fo viele und fo Heftige Des
’ j oJ Bier
Nach dem Aterander loc. fup. eĩt. war der Kritlas, der
das Weſen der Seele im Blure ‚fand, Arift. de Anima
L 2. nice der Tyrann Kritias, ſondern ein anderer
Goppift gleiches Namens, j |
x
-
. x
⸗
⸗7
196° Säfte Buch. Zweytes Eapitel.
gierden und Bedärfniffe als nur möglich zu verſchaffen,
um fie mit Vergnuͤgen fättigen und befriedigen zu
onen.
Die Norur felbft (ſagt Kallikles, ein Schüler der
Sophiſten, den Plato mit einer erfiaunlichen Beredſam⸗
feit, und mic einer Kuͤhnheit, die feiner Sache und fei
nem Charakter angemeſſen ift, bie Srundfäge feiner tehr
ter vertheidigen, laͤßt) ruft es gleichfam allen Weſen zu,
daß es recht ober gerecht fen, daß das Beſſere und
Stärfere das Unvollfommenere und Schwächere über
wättige und beherrſche. Mach dieſem Geſeze richten ſich
und handeln nicht nur alle Gattungen von Thieren , fon
“dern and) ganze Städte und Völker, ‘Denn nach weld
einem andern Geſeze uͤberzog Rerxes Griechenland, und
fein Barer die Sfythen mit Krieg? oder warum anders
unterjochten von jeher mächtigere Staaten und Natlo⸗
nen.die Fleinern und ſchwaͤchern, als weil fie es für
Recht und ein allgemeines Naturgeſez anfahen, daß der
Staͤrkere mehr befize und genieße, als ber Schwächere,
und daß der leztere dem erftern dienen muͤſſe *)? Selbſt
Götter und Helden folgten dem Geſeze, was die Natur
vorſchrieb, und welchem Auch alle Theile ver Natur ger
horchten. Bloß nach dem Rechte des Staͤrkern trieb
Herkules die Heerden des Geryon weg, die er weder ge
kauft, noch geichenft erhalten harte **). Nicht Unrecht
thun alfo, wenn man es mit Vortheil thun kann, fon
bern Unrecht leiden ift fchändlich, oder beim erften ewi⸗
| gen
———— En ii aa FERN
“) Die Grundſaͤze water damals ſo allgemein, daß bie
Athenienſiſchen Geſandten fie Öffentlich ſowohl gegen
bie Spartaner als gegen die Melier äußerten, und für
die Grundſaͤze ihres Wolke ausgaben. Dan fehe. Thuc,
/ 1,76. V. 105. - — a
_ #9) In Gorg. p. 316. 17.
0
Geſchichte der alten Sophiſten. gr.
sen Seſeze der Natur zuwider. Männer waͤhlen lieber
den Tod, als ein Seben, das nur für Schaden win
ſchenswerth fenn kann, und worinn fie beftändige Miß⸗
handiungen geduldig über fich ergeben laffen müffen, ohne
ſich ſelbſt und andern Helfenzufönnen.
Mit diefem Moturgefeze, und diefen Begriffen von
Recht und Unrecht ſtreiten freglich die bürgerlichen Ge⸗
fese, wodurch Fühne Seelen, wid junge tümen durch
Feſſeln gezaͤhmt, und die nacuͤrlichen Triebe, oder
die natürlichen allen Menfchen eingegrabenen Begrifs
fe erſtickt, und wie durch Befchwörungen aus den
Genüthern heraus gezaubere werden”). Mach den
bürgerlichen Geſezen lodt man nur diejenigen als ger
recht, die einem jeden das Selnige geben und laflen,
und tadelt und ſtraft hingegen folche als Ungerechte, die
andere beeinträchtigen oder Übgrvortheilen, und ihnen
mit Gewalt oder Lift das Ihrige rauben. Dieſe der
Natur widerſorchenden Gefeze rühren von dem großen
Haufen fehwächerer Menfchen Ger, ' die ſich vor ven
— Maͤch⸗
LS U +
#) Callicles sp. Plat. in Gorg, p. sın' AN — _
Era Xarz Duow ray Ta Öinaıs TaUTOs medre "=
vucı, x vom mit As uohroe vouov YETov Tas
Quceus. 8 per ros IöWT RT TEToV dv yes
TIeuede, wAurrövres Tas Berrısas nos eg
7 BWMEVESETES nmᷣuwv æurov en veny Auudvovres
omee Aeovras, ns Ruterodovres x Yon-
Teyovres xaraderodeIe ; Asyorres ws 6 100
Ken een. xcu TETO E53 To KAoV Koh dinuor. -
doev de Ye old Ovass inarnv yevnreu IXav avıE,
Kavra Taure amoletanever cu dietsenfus
xeu dinluyav ku Karat Fit —*
“VoouuiToe neu peyyoveuuite zo. emrwdas
Xu vouus Tas Tag Dvcw ETAYTaS HT. .
‘
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⸗
⸗
— — —
J D
198 Saſtes Bud, Zweytes Capitel
Maͤchtigernd fuͤrchteten und ſelbſt zu ohnmaͤchtig waren,
Gewalt zu brauchen und abzuhalten *). Dieſe ſchwoͤ⸗
chern Menfchen fahen bald’ein, dag Unrecht und Gewalt
leiden mit größern Machtheilen, als Unrecht thun mit
- Bortheiten verbunden ſey, wenn man es nicht in feiner
- Gewalt habe, das eine zuzufuͤgen, und dem andern aus,
zuweichen. Sie hielten e& daher für rathſam, fich mit
einander bafin zu verbinden, daß man weder Unrecht
und Gewalt anchun, noch auch von andern leiden wolle;
und dieſer Berabredung oder Vertrage zufolge fingen fie
‚on, Geſrcze zu geben, und nur dasjenige für Recht zu
erkennen, was mit denfelben uͤbereinſtimmte, und alles
dasjenige für unrecht zu halten, wodurch fie befeidiget
wurden. Auf diefe Are entſtanden die gemeinen Bu
griffe von Recht und Unrecht, und die bürgerlichen Ge
fege, welche man als Mittelwege zwiſchen den größten
Borrheilen und Nachrheilen, zwiſchen dem Vermögen
ungeftraft Unrecht zu chun, und dem Unvermögen Un
—
©) Thrafymach, ap. Plat. de Rep, II, 36. 88 p. Edit. Mil.
(ey. Plat. de Leg. p- 605. & Callitles ap, Plat. in
Gorgis p. 316. AN. aus oi Tudeuevos Tas ve
yas 0 a0devas avfenmos ecı nu ol) woher
TEOS AUTES EV KUTO RUToss GuuDegov, Tas nr
vonuss TIIEVTO, Has TBS ERAVES ETAUETI, nal
ras Voyss Veyso,. enDoßavres Te Tas eogu-
" mevesseus Tav avdgonav, xas duveras ovras
NEOV EXEW, iv un uray mAsov eX80ı Acye-
o WS KITYEOV os odınov To TMÄLOVERTEN. *
AYATOT. Yap oma Auröı ν ro 00v αα
Davroreeon ares. — y de Ye oa Ducss aut!
enodansı av, ori dinaıov a5: Tov ‚apevo T8
XEsEovos EÄEOV EX, No Toy ODATTEEON TE
ABU ETWTERH. |
y on
- .
Seſchichee der alten Sophiſten. EX
—E——— E
wegen ein; weil jan für ef a
put erkannte, fendern aus Ohnmacht Gewalt zu bedas
den, und aus Furcht von andern gemißhandelt w
werben. Sein wahrhaftiger Mann affo, ber in
ſabſt Eraft genug fühlte, ſich gegen einen jeben zu *
digen, und einen jeden zu uͤberwaͤltigen, waͤrde, ehe
raſend zu ſeyn, ſolche Geſeze / wodurch feine Macht em
geſchroͤnkt; und er ſelbſt Den ſchwaͤchſten und nichtswuͤr⸗
digen Menſchen gleich gemacht wuͤrbe, freywillig uns
teridwieben Gaben ); und eben fo wenig wirv ein waht⸗
n
haftiger Mann Bedenken tragen, die ſchwach⸗
beihm von fchlechtern Menfchen angelegt werben, - abs
zuſchuͤttein und zu gerreißen, und alle die elenden
tereyen, wodurch man feine Kräfte und natürlichen ,
Rechte, bie eben fo weit ale feine Kräfte reichen, einzu
f sefucht hat, mit Fuͤßen zu treten ), Ein
jeder, der ſich ſeiner Ueberlegenheit über andere beruft
iſt, wirb, jo bald und fo oft er kann, aus dem Zwang⸗
ber buͤrgerlichen Geſeze unter die Freyheit des Raturge⸗
fees zuruͤck kehren, nach welchem der Vortheil des Staͤr⸗
fern der einzige Maaßſtab ber Gerechtigleit iſt )). Er
wird
RER
9) Glaur, ap. Plat, de Rep. Il. p. 88. Ezes rov duve-
peovov æuro Rolav, Koss ws aAndms —R 8d
av Ey Rote EivdeoIeu TO ANTE adınev UNTE
res. napsoIes ya av. Diefe Srundfäge
übten Theramenes und Kritias gegen ihr Vaterland
aus. P.398. 501." Philoftr. Vita Soph.
**) Cailiel. In Georg. Plat. p. 317. loeo modo oltato,
$) Torafy, ap. Plat. de Rep. p. 36. . Du yag ya
ev TO dischsoy SH ade Tr A ToTU NOTTOVOE .
ZuuPegor. — Tar' a *3 weine, Se ARy,
Zwepier Baud.
- ⸗
.
194 Soechles Buch. Zwedtes Capſtel.
> Sal erfennen, daß der Wäckigere und Beffere
er uu bed Schräcern und Okmmächtigern, fondern
| daß dieſer um jenes Willen da fey: daß die Natur ihn
daqu beſtimmt gabe, andere and eben den ——
| marten hend daß —** winearuche
o athe
ener ſorgfaͤltig befleißigen, und dieſe hingegen
oder die Beobachtung der bürgerlichen
Geſeie, ohne for TD, iſt mit fo vielen Glen
ev dnddms Tas ToAedı Tauröv eivas dineum
To Tns nadesnrums aeyns Eu Deren‘
"id. ib. p. 48. Kudnkus TuS ev Taus BOARCH 0P-
Xorræs, Üas aAnNdus apyacır, alas zus
vn havoewSas mreos Tas aeyoueas y ware
av vis neos meoßeres dieredem. YVide etlım
Menon. Plat. p. 335.
" LumDegev, XgeITTOVos Oyros, Ki eudaumon
MEIN MOiBcıy &e, |
H Guxue. ep, Piat, de Rep. II. 168. — Tay Ye
Ay ua önav dixakos. iR Umo avowdeses,
I n gnos Ans odeyesus, .
| , adıyaray sure demy.
90) Torafymach, ap. Phet. 1. so p. de.Rep. ib. p. 68.
. ko, der madı der Are und den Muſtern der Soph
-
daß
m SZ auberringen einem gerechten. und Der anbere einen
Manne übergeben werde
een aflee Sterbuͤchen erkannt werben, wenn. fie ke
ei aus Furcht darch Ungeredhegfei Saeden zu ne
496 Sachetre Dub. Bivented Copitel.
ven oͤffenelich mit den stößten tobfprächen übechäaftn
Ds
keit
Freunden und. Oloͤcksguͤtern umgeben, daß e einen
eb nicht um bee Vorttheile willen anhaͤnge, die ſeb
. *)'deRup. T.5op. Ih. 94. &fq, Ed,Mall,
| dis Grhitfnlf eines doilkommen gerechten, amd ein
gelte *).: : Wratı nehme. alfo: einen Mann an; dere
nnd Mtfenfoften int, (Ge habe Ciharfnn
edle Geſchicklichkeit, einen folchen-Mehlttite gleich mi
‚ee gut gwahachen: „fo fen er mit. fo vieler Darf
j
Boch beffee aber, als aus. dieſer Erdichtung, Fünnema
te: Mprtheile der Ungerechtigkeit, und ben Schadent
ahrnehmen, werm man das keben ob
gift. üngenschten Mannes mit elnonder zuſenm
fo groſer Meiſſer in der Ungerechtigkeit feg, als
Abscten Matzler, Budthauer und Aerzte es in Ihren
map, dad Mögliche und Unmbgliche, bad Oder u
Orfährliche zu anterfeheiben, „And wage ſich mit e
ſoiche Unternehmungen, von denen er einen glackig
Zuögang Soffh fanın. Bey dan geöften Beige
und- ‚Lögerechtigfeiten wiſſe er fich ben. Schein ein
richtſcha ſſenen unb tugendhaften Mannes zu geben, U
wenn er auch bᷣisweilen einen Fehltritt macht; ſo beſl
Muh und. Stärke ausgeruͤſtet, und mit ſo —*
dem nachtheiligen Einbruck gleich wieder auoldſchen, o
auch mit Gewalt über Geſeze und Feinde ſiegen kam.
Dieſem Idealt eines boshaften ungerechten Mannes
ran nun einen edien und tugendhaften, aber ſchlech
nnd einfäftigen Mann entgegen, her die Tugend
ihrer felbft willen Hebt,,. und nicht gerecht ſcheinen h
dern wirklich feyn und Bleiben will, Ma gute ⸗
micht nur allen Schein von Gerethtigfeit aus, 1
man erfahre, ob er der Gerechtigfeit auch um lhrer [A
——
Befchichte der Alten Sophiſten | vor
wien verfchafft: ſondern man gebe ihm iigfeich m |
Edhein von lingerechtigfeit, damic man ihn prüfe, eb
s nicht Durch einen boͤſen Mamen erfchürtere werde,
m ob ee Staͤrke genug befize, der Tugend bis in ven
tod nmwanbelbar treu zu bleiben. Menn man num
inen folchen ®erechten mit bem vorher gefchiikerten Bo⸗
micht vergleicht s fo fan man kaum fragen oder zturtz⸗
tin, weicher von beyden der Gluͤcklichfte feg. Da Geb :
echte, der aber durch den Schein von Lingerecjtigfeit
ntftelle iſt, wird gegeißelt, gepeinige, gefeſſelt und ver⸗
kimmelt werden; und wenn er unser ben größten Mar⸗
ern, mit Wunden und Schande uͤberdeckt, gleicheinenn
Diferhäter feinen Geift aufgibt; fo wird er zu ſpaͤt er⸗
ahten, daß man nicht gerecht zu ſeyn, fondern gerecht
u feinen fuchen muͤſſe. — Der Ungerechte hingegen
ird durch den Schein ber Berechtigfete, in weiden we
He in eimen Debal eingehuͤllt iſt, zu erften Kürden _
ı feiner Vaterſtadt erhoben werden. Er wisd —
Iınen, weiche er will, feine Rinder ausſtatten, und
ft umgehen koͤnnen, an und mit weichen er will
Beil er ich vor Feiner Ungerechtigkeit ſcheut; fo wird ae
eis durch liſt oder Gewalt über‘ alle feine Widerſacher
*3 und bey allerı Gelegenheiten über ben Oerechten
gewinnen. Wenn öffentliche Auflagen |
—* ge bezahfe werben follen, ſo wird er weniger
ee, olö ter Gerechte, und wenn hingezen Ansıher _
nm gemacht werden, wirb er ſich einen prößern Vor⸗
5 alt der Oewiſſenhafte zu verſchaffen wien. Ver⸗
Ie ſih, ſondern auch für feine Anhänger nun‘, und
iefe ich um deſto foſter verbinden, anfast na ner Ge⸗
* * bee Beſorgung der allgemeinen Wohlfart feine
Men vernachläffigen, und durch feine
ng ba —* de —— au Freundẽe ſich
ni 1; WER, *
Odyrfer die Gnade der Götter gewinnen und ihren
‚298 —E Zueytes Cavie
— ſchwer fen, fange ein Bd ſewicht iu fem
für einen folchen erkannt zuwerben. Allein hiera
' man antwarten, daß freylich eine ununterbrocher
’ Aufmertfomfeis und eine. beftändige Anſtrengung dei
‚arforbert ‚ Ungerecheigfeit unter dem Scheine ve
' Errectigfeit zu "üben, Daß aber auch feine große U
: sernehmung:' leicht fen, und daß man fich daher gefal⸗
laſſen muͤſſe, bie Gluͤckſeligkeit mic einiger Muͤhe zu r
Saufen. Der Uingerechte laffe fich auch nicht durch I
Gedanken beunruhigen, baß et zwar Menfchen , ci
Boch nicht Börcter. überliften und Sberswälcigen konne
Encweder gebe es gar feine Oobtter, die ſich um die di
‚gelegenheiten dee Dienfchen bekuͤmmerten; ober wen‘
diche gebes fo zeige Die Erfahrung, daß fie nicht pi
Shenifch für die Gerechten, oder weiber die Ungerech
ommen fegen, indem fie die leztern oft mit a
Gütern des Oläds überhäuften, und bie erflern, d
. Gh fr ihre Lieblinge bitten, I , {m Außerften Elende w
nochten ließen. berdem fängen ja bie &k
ter, und lehrten * immer —** und gott
änter, daß man Durch reiche Geſchenlen
Befänftigen , ja dag man durch die Enlweihungen a
imnißvoll und
—— — —
— als der aͤrmere
dual ana fc Fk
©) 9.96. 103. 206, ap. Biat, de Republ,
Geſchichto der alten Sophiſten. 109
Bern aber jemand nach. offen: biefen Betrachtun⸗
gm noch zweyſle, ob das kafler vortheiltzafter ale bie
Tugend, und ob das Weſen ber leztern dem Schein
berfeßben vorzuziehen fen; da? bünfe endlich Aus beben⸗
fm, daß die groͤßte unter allen Ungerechtigkeiten, die
gewaltſame Anmaßung einer unumfchränften Gewalt
in einem Freyſtoat, denjenigen, des ſich ihrer ſchuldig
mache, zum guuͤcklichſten, und dieſenigen, am denen ſie
ausgeuͤbt werde, zu den ungluͤcklichſten Menſchen mache, -
Ein Tytann ranbe nicht heimlich, oder Im Kleinen, fon
dern er plündere auf eimmäl und mit offenbarer Gewalt
ſewohl Menſchen als Götter, ſowohl heilige als unge
weine Pidie und Wohnungen; und ungeachtet er allein
olle diejenigen Verbrechen begehe, um derentwillen Tem⸗
peiräuber,, Diebe und Bestelfchneibee geftraft wirken,
ſo gebe man ihnen doch feinen dieſer verhaßten Mamen,
ſondern man nenne ımb preife ihn allgemein gluͤckſte⸗
ig *) PYoelus, ein Schüler bes ——ee —8
'Einfalt des Softrateß, weil biefer Bedenfen
katte, den König von Makedonien, Yechrlaus, *2
— — a m ren,
rien die gebührre, heimlich Bieten | eh, —
' Unmügläch Fanuft du, ſezt er hinzu, irgend einen Athe⸗
nienſer, dich ſelbſt nicht aussenemmen, für fo unfinnig
' halsen , lieber. das tooß eines jeden. anberu Makedonlers,
—XREXC — Ace Arche⸗
®) T. ep. Pist, 9.50, 58. Lie Rn
neo Sechſtes Bud. Zweytes Eopktel.
Is zu waͤhlen ®), Mie ſolchen Lobreben auf Une
eechtigfelt, . und foldyen Erhebungen ber:
Aſiers, und ber Slärkfeligkeit der Safterhaften, *
berte oder. betäubte wicht nur Thraſymachus, ſondern
—* übrige Sophiſten die Ohren. der Sriechifchen Siap
* Glachwle nun bie Govhiften bie unelgenuifsige Tu
* für Thorheit, uͤnd die bürgerlichen Seſeze für fire
mic den Geſezen der Matur erfiärten , fo glaubten
—8 fr au, daß Maͤßlgkeit und Emehaltfanfet
‚ und den Vorſchriften der
baden 1 Bermunfe entgegen gefest fegen ). Ihren Aus
ſoruͤchen zu Folge — die nehre Kunſt gu leben dazinn,
fich fo viele Begierden und Bebürfniffe ale möglich zu
verſchaffen, und diefe, fo viel man Shune, zu nähen
und zu entzuͤnden; und die wahre Glaͤckſeligkeit in der
‚Bättigung aller dieſer gereizten Begierben , und im Or
auffe aller. finnlichen Pergnuͤgungen, melche die wenſch
liche Matur. nur faffen und ertragen kͤnne. Wenn mas |
Klugheit, Much und Stärke befize, fo werde es einem
‚nie an Mitteln fehlen, eine jede Begierde und tufl zu
Bbefriedtgen, deten unbegrängte Soͤttigung man aus
aben dem. Unuermögen für unerlaubt und fehändlich er
Hört, aus. welchem man bie Derechtigkeit als eine Zu
omd empfohlen babe Mic Recht würde man hal
Die, de von Gran Vorſoheen die Macht see di
= . N ’ , - hr —
®, Plst in Garg. p. 312.
) TloAu Yarg auesvay ag ö T8 ln n NOTE u bana
Bios; as Aryson, era norye, a Zwngarıs,
eri.8 dones Eros. amoga nero, deredeuär-
MEroS TA. OITEE , ONBRY ÜRGSEUMENE sis zuge
ı Amy. Glauc.. ap. Plat, de Rep. Il, 86 p»
19) Callicles ap. — in Gon. p. Lei
\
. Gofhiäle der alten Gophiften, on
ten, eine jebe aufteigende Begierde mit Dergnägen ber
friedigen zu Fonnen, oder auch folche Männer, vie ſich
dergleichen durch · ihre eigenen Tugenden erworben, eines
umwerzeihlichen Wahnſinns beſchuldigen, wenn fie ſich
um grundloſer Bedenklichkeiten willen den ſich darbleten⸗
den Bergriügungen entziehen, uhd da, wo fie allein
ten , einen eigenfianigen Seren, nemlich Die Ge
, oder das Serede ihrer Michürger, auf ihren Ma⸗
dm fügen wollten. Mur ſchwache und elende Seelen
Kanten entweder einer eingebildeten Tugend zu gefallen;
ober auch Durch leere farven der Schande und des Gar -
richts geſchreckt, ihre Bergnägungen den Bortheiten
anderer aufopfern, da die Vernunft einen jeden, ber
fie gebrauchen wolle, uͤberzenge, daß bie Oluͤckſeeligkeit
allein im einem vollen beftändigen Benuffe der lebhafteſten
Stuben beſtehe, daß Maͤßigkeit und Enthaltfamfeit
leere MWorter und Erdichtungen unverſtaͤndiger Menſchen
fegen, und daß eine unnatuͤrliche Einſchraͤnkung ver Be⸗
gierden, ober Die geprieſene Genuͤgſamkeit den Menſchen
ſeiner Beſtimmung zuwider in den Zuſtand eined Steins
berſeze, oder bis zur Gefuͤtzlloſigkeit von beichnamen der
abwuͤrdige. — Bey ſolchen Behauptungen ann man
den Tadel des Sokrates nicht anders als gerecht finden,
wenn er. die Philoſophie bee Sophiſten eine Schmeichle: |
sian der Begierden
nennt, wenn er fie mit dee Koch⸗
funkt, und ber Kunſt des weichlichen übertriebenen Pu⸗
pi vergleicht, und von ihe fagt, daß fie durch ihre
füßen werfährerifchen Lehren die Seelen des Menfchen
eben ſo, wie dieſe durch Leckereyen und Schminke den
Übeper verderbe *). ur |
RE Def
— — — —
H is Sophifta p. 100, in Gorg. p. $0%
N
os GSeehſtes Buch. Zweytes Eapikel,
| | ‚Diefen bisher, beſonders ben zulezt angefäßeten
Orundfägen, febeint bie berühmte Exdichsung zu wider⸗
ſprechen, die Prodikus zuerft in feinem Werke über den
Herkules, ober über die Tugend, vortrug, ums bie Ze
»tiophon ihm in einer fo unbeſchreiblich füßen Grace
nacherzoͤhlt hat, daß Ich es für unmöglich halte, dieſen
ieblinge der Attiſchen Muſen in” einer jeden andem
. Sprache nahe zu kommen *), Als der junge Herkuler
(io bichtete Drobifus , und eg * em
ticheidenben Alter tzaͤherte, we pt * F—
w —* pflegen, ob. fie den Wetg ——
bdes Safter6 betreten wollen, ging er einſtens an einen -
einſamen Ort, um in ber. Stille darüber nachzudenken,
“welchen von benden Wegen ex zu wählen haͤtte. In
“a
Zuſtande von Ungewißheit erfchienen ihm zwo un.
biefem
bekannte weibliche Geſtalten. Die eine war ſchn und
bel von Anſehen, und. hatte, außer einem weißem GOe⸗
wande, womit ſje angethan war, Feines andern Schuud,
"als eine eiunehmenbe Derfehämtheit, bie aus einen je
den Blick ihrer Augen ſanft hervorſchimmerte, ala em
. teigende Defcheidenheit, bie über ihre ganze Perſon ner
’ u war, endlich als, eine unbefleckte nn bie
aus allen ſichtbaren Theilen ihres Leibes hervorleuchtete.
Die andere hingegen war wohl genaͤhrt, und alle ihre
Gliedmaßen waren. mit weichem Fleiſche und Zeche. über
he UAngeficht Hatte eine fo Kiendende Meike,
ooſſen.
upd eine fo lebhafte Röche, daß beyde nicht Geſchenle
—Xã * — der Kun
ſeyn fehle
ib r prächtig und glängenb, ihre
—————
ihre Stellung gerader, ale fie von Natur zu feyn ni
*) Memorab, Sope: I. 5.
Seſehichte der allen Sephiten. ⸗03
Cie Aberſchame ſich ſelbſt Häufig mit innerlichem Wohl
gefallen, gab Adırung, ob fie auch von andern bemerkt
würde, und blickte auf ihren Schatten mis fichebarem
Als dieſe deyden Weiber tom Herkules nahe kamen;
behielt Die erfiere denfelbigen Bang, den fie vorher ges
habt Hatte; die andere hingegen befchleunigte ihren
Scheitt, um Ihrer Sefäßrtian zuvorgufommen. Bi
eilte dem Herkules zu, und redete ihn fogleich in folgen«
den Werten on: id) fehe, junger Mann, daß bu zweye⸗
felhaft biſt, welchen Weg des lebens du wandeln ſollſt.
Wenn du mid) zu deiner Freundinn und Führerinn ers
waͤhlſt; fo will ich Dich den leichteften und fanfteften
Pfad führen. Nichts Süßes, und fein Bergnägen foll
don dir ungefofter bleiben, und bu ſollſt dein Leben end»
lUch beſchließen, ohne Schmerzen und Befchwerlichfeiten
erfahren zu haben,
Zuerft follft du dich weber um Kriege und Kämpfe,
wach un mühfelige Sefchäffte befümmern. Deine ein
zige Sorge foll dieſe ſeyn, gu uncerfuchen, welche Ge⸗
trönfe und Speifen deinen Gaumen am meiften kizeln,
weiche Töne und Melodien deine Ohren am meiften er»
gbzen, und weiche Gerüche und Reize deine Nafe, und
dein ganzes finnliches Gefühl am meiften erfreuen wers
den? wie du ferner am füßeften lieben, am weichlichften
ſchlafen, ımd am ungeftörteften in einge üppigen Muße
Babin leben Fünneft ? | =
Wenn dir aber je ein Verdacht aufſteigt, daß allı
Defe Freuden und Güter vielleicht einmal unterbrocher
werden oder gar verſchwinden Fünnten; fo laß dich j⸗
wicht von der Furcht bemeiftern, als wenn ich dich je
mals nörhigen würde, durch peinliche Anftzengunge
Des leibes und der Seelen die verlornen Seeligkeiten wol
der zu erkanfen. Dein tions foll dieſes ſeyn, dad 9
1204 Sechſtes Duch. Zweytes Lapikl.
nießen, was andere erwerben, und dich alles deſſen
zju bemoͤchtigen, was deine Vergnuͤgungen und Vor⸗
liheile befordern kann. Ich ſeze meine Freunbe im
Stand, keine ihnen guͤnſtige Gelegenheit ungenuzt vor⸗
begygehen zu laſſen, „und ihr Gluͤck nach allen Seiten hin
zu erweitern und zu befeſtigen.
Als Herkules dieſes hoͤrte; ſagte er: Weib, was
I haſt du für einen Mamen? und fie antwortete: Meine
Sreunde nennen mich Stäckfeligkeit, diejenigen aber, die
mich haffen, belegen mic) mit dem verläumderifchen Ma⸗
men des fafter6 oder ber Bosheit.
Waͤhrend dieſer Unterredung kam bie andere weib⸗
‚fiche Geftale herbey. Auch ich, redete fie den Herkules
an, junger Mann, trete zu dir, well ich biejenigen,
Die dich erzeugten, fenne, und beine Matur und Anlas
gen, bie du bisher gezeigt haft, erforſcht habe. Aus
benden faffe.ich gegründete Hoffnung, daß du, wenn
du meinen Weg betreten wirft, ein Vollender vieler ſchoͤ⸗
nen und großen Thaten werden, und felbft mich und
meinen Namen ruhmvoller und ehrwuͤrdiger machen
werdeſt. Sch will dich aber nicht durch betrügliche und
ſchmeichelnde Vorreden hintergehen, ſondern alles treu
und aufrichtig erzaͤhlen, was bir bevorſteht, und mas
du von mir zu erwarten Haft. N
Bon allem , was wahrhaftig fhön und gut iſt, ger
ben bie unfterblichen Goͤtter den Dienfchen nichts obpe
Möhe und Arbeit; fondern wenn bu dir die Gnade ber
Goͤtter erwerben willſt, fo muft du ihnen die gebuͤhren ⸗
de Ehre geben. Willſf du von beinen Freunden geiidbf
werben ;. fd muſt du dich durch Gefälligfelten und Bots
thaten um fie verdient machen. Oder denkſt du die Hoch⸗
achtung deiner Barerftabt ober des ganzen Briechenlans
des zu erwerben; fo muſt du deinen Mirbärgern oder
auch allen riechen wichtige und a =
* eiſten
‘
—
m
. N ur "
Seſchichte der alten Oophifen. 305
uſen ſuchen. AA es deine Asfiche , von deinem der
zeiche Fruoͤchte zu fammien, ‚oder durch Viehzucht ein
großes en zu erhalten; ſo muſt du notwendig .
deine Gelder uud beine Heerden warten. Haft bues dir -
vorgefeit, im Kriege Ruhm zu erwerben, und die Mache
gi a — Freunde aus der Knechtſchafft zu befrenen,
and in Krechtſchafft zu bringen; fo biſt bu ge,
nörhigt, die Künfte des Krieges zu lernen, und auszu⸗
Wuͤnſcheſt du endlich, Stärke, Geſundheit und
Dauerhaftigfeit des Leibes zu erhakten; fo fannit du es
aiche ander6, als wenn bu unter Schweiß und Muͤhe
deinen Körner unaufhoͤrlich üheft, und ihn gemöhnft,
heiter Seele geborfam u tn. —-—
Ser fiel, wie Probefus erzählt, das Laſter der
Tugend in die Rede, und ſagte zum Herkules: du hö
nun, lieber Juͤngling, welch einen rauhen und langet
Pfad zum Vergnügen biefe bich führen will... Sch hin,
gegen habe bie Abſicht dich auf einem ‚leichten und kurzen
Wege jur wohuen Gluͤckſeligkeit hinzubringen.
kannſt du, o Elende, fuhr hierauf die Tu⸗
gend fort, für Vuͤter beſizen, oder für Dergnägungen
‚, da bu. nichts von alle demjenigen thun
willft, wodurch fie allein erworben werden? Du erwar⸗
teſt nicht einmal die auffleigende tuft, foubern ehe noch
bie Begierde ſich regt, überfüllft du dich mit Seeuden, |
die Deine Matur nicht verlangte, und zwingſt ihr Suͤ
Gigfeisen auf, die nicht angenehmen Reis, ſondern Ekel
und Widerwillen hervorbringen. Du ißt, ehe dich hun⸗
gers, und trinfſt, ehe dich durſtet; und damit bu doch
wis Vergnuͤgen ſpelſen und trinken moͤgeſt, fchaffit da
‚die kunſtreiche Köche und koſtbate Weine an, deren
Bohlſchmack du durch muͤhſam gefuchten oder erhalte,
nen Schnee zu erhöhen ſuchſt. Um dir einen fügen
Gihlaf zu bereiten; legft Du Die miche mug weichliche,
Dolfter , ſondern auch aͤppige Geſtelle unter, . indem ”
2 N
>
406 Sechſtes Buch, Zweytes Capitel
den Sqlaf nicht zur Erquickum von der Arbeit, fon
dern ans kangemweile ſuchſt. Selbſt die Freuden der tie
be genießeſt du nicht, wenn ein natürliches Bedoͤrfniß
“ dich dazu auffodert, ſondern durch einen erfünftelken .
oder —** Reiz geſpornt, und alsdann iſt es
dir einerleh, ob dus fie den Abſichten der Natur gemäß,
oder ihnen zuwider genießeſt. Auf biefe Art ziehſt und
mißhandelfi du deine Fremde, Inden du fie die Macht
über —* und die beſten Stunden des Taget vers
ſchlafen ma
—* du eine Unfterbfiche biſt; fo haben dich
doch die Gotter ausgeworfen, und du voicft auch) vom
guten Menſchen gehaßt. Du haft niemals die lieblich⸗
fte Muſtk, die nur die Ohren von Yörtern und Mens
ergbjenfann, nämlich verbientes tob, gehört, und
daft auch nie das Schoͤnſte unter allen Schauſpielen,
nämlid) eigene gute Thaten, geſehen. Wer Bar jemold
deinen Worten getraut, jemals deine Bitten gehört,
oder auch ſemals ben gefunden Verſtande gewänfdk, in
deine Motte aufgenommen zu werben, die aus lauter
ſchwachen eefchöpften Juͤnglingen und Maͤnnern, oder aus
Einbifchen Greifen befteg:? ‘Denn alle ‚deine Bader
etten ſchnell, über die von ihnen gefagten Jahre, und
über die zuſammengedt aͤngten Freuden der Jugend hit,
und gehen, * ‘fie ſich s verſehen, ins traurige au
über, wo fie von allen Vergnuͤgungen verlaffen, und
bon den aufgehäuften Veſchwetlichteiten aller Lebend⸗
fluffen niedergedruͤckt werben.
"30 Hingegen Sin en ð ſeuſchaffterinn ber Okt,
‚mb eine Freundinn und Begleiterinn guter Menſchen.
Mich ehren und ſchaͤzen Götter und. Menſchen; be
- Rünftteen bin ich eine geliebte Gehuͤlfinn, den Hausvaͤ⸗
teen eine treue Huͤterinn, den Hausgenoſſen eine guͤtige
Vor geſezte. Im Frieden Gin ich eine nuͤtliche Theilnch⸗
meriun von Weichäfftens im. Kriege u
Seſchichte ber aiten Sophiſten . kor
Mickmpferinn; und in ber Irrundſchafft die befte Ger
— —
umd gnuͤgungen
und Teanf verferoffen. Cie fehlafen füßer , als die
Schon. die feine Ruhe Nr 25* verdient
Sie ſind nicht verdrießlich, werm ihr Schlummer um
terbrochen wird, und. unterlaſſen ſeinetwegen niemals
e und Pflichten, bie verrichtet und refüte *
den muͤſſen. Senglinge und Männer erfreuen füch übe
das 0b, was Ihnen die Alten geben; am Bm Bo »
bie Ehrfurcht, welche ihnen die Juͤngern erweifen.
erinnern fich mic Bergnägen lüter ehe ehemaligen —
u ergbyn fi mach Immer ie bob, ad fie noch jap
zu vermögen, - weil fie durch mich den Göttern -
‚ (ein Breunden theuer, und ihren Vaterſtaͤbten
wuͤrdig find. Wenn endlich ihre feste Stun⸗
de. herbey kommt; fo fallen fie niche ruhmlos In Die Fine
fteraiffe des Grabes, fondern blüßen in dem Danfbaren
Anbenken allee nachfolgenden Gefchlechter, und leben
ewig In den Gefängen der Nachwelt fort, — Aller dies
fee Seeligkeiten kannſt auch dus, Herkules, den gute
und edle Litern erzeugt haben, theilhaftig werben, wenn
du Das cfuft, mas Ich Die befoßten habe. ——. &o Khl
berte (ſagt Sokrates beym Zmnophon) Probitus De. ;
Art cd, wie die Tugend ben a Deus sum Guten
unb habe. - Man bee
bald von vun sänftigen Boruschelle zuruͤc, wenn
man
\
J
208 Sechſtes Buch. Zweytes Capitel.
nen erfahrt, daß die Fieilon des Prodikus eine base feb
gen. Prunkreden war, mis welchen er tn allen Griechie
fihen Staͤdten herumzog, und alle Bölfre gleich einem
Drppeus und Thamyris begauberte *): ‚daß er die Zus
- gend wicht als tehrer, und im Ernfte, fondern als De
. slamator und aus Gewinnſucht empfahl, um dadurch
: geicde Sünglinge an ſich zu locken **): und daß er end»
Ai Den Gefennen farm fine Bet, Dem. Bebgeie
2098 ber.
luft noch mehr als bie übrigen Soppiften
erggben gemejen fen ***). Prodifus war nieht ber einzige,
vder durch ſchone fohreben auf Tugenden ober große Her
N
den ſich Reichthumer und allgemeine Bewunderung ers
wach. Auch Gargias ermahnte die Griechen ap den
DPothiſchen und ‚Digapifchen Spielen zur Eimpadk,
ab zum Kriege wider die Barbaren); und Hippias
ſchildette die Sefihlechter und Thaten der Helden, und
‚anderer beruͤhmten Männer des Älterthums, oder bie
SGtoͤndungen vor Pflanzitädten , oder endlich die weißen
Rathſchlaͤge, welche Meſtor dem Meoptolemus mach der
Eroberung von Troſa gegeben habe, um ihn zur Tu⸗
gab aufjumuntern 7). Weil die einzige Abficht ber
)
7
Sophiſten war, die Griechen in ein lebhaftes Scaunen
über die Macht ihrer Bererſamkeit zu verſezen und Geld
‚nd Beyfall zu verdienen TFT); fo waͤhlten fie den Scoff
. , , ‘ ... ' . » N . . ihrer
4
AR: .
. Philaf. de vlt. Soph, p. 482 u
u 9* p. 496. Philoſt. Plat. 346. * J
“ww ib.
$) hilon. 493 pP.
) Pie. ia Hipp. Me. p 47: —
» 4) Ifeer. in Helen. Encom, IE 116. 117. Aka Ye
wderos autos AB æx Ae⸗ AnM TE Xxenſærv
Ge s wagen Tav:rawrager. — E Yac awan-
J -
3‘
| Zweyter Band. | 8.
A \
EGeccſchichte ber alten Sopfifien. 409 | |
ihrer Reden nach dem Geſchmack chrer Zuhdrer, und
richteten ihre Declamationen nach den Geſinnungen der⸗
jenigen ein, die ſie gewinnen wollten. In Theben und
Sparta ergoſſen ſie ſich in Lobeserhebungen der Tugend,
und tugendhafter Maͤnner, weil ſie wuſten, daß nur
ſolche Lobreden den Einwohnern dieſer Staͤdte gefallen
wuͤrden. In Athen hingegen breiteten ſie ſich uͤber die
Vortheile der Armuth und der Verweiſung, oder uͤber
die großen Vorzuͤge der gemeinſten geringfuͤgigſten Gegen⸗
ſtaͤnde aus”), weil ſie bemerkt hatten, daß man durch
ſolche Declamationen die Ohren der Athenienſer am leich⸗
teften gewinnen fonne. Kaum alſo brauche ich noch
hinzuzuſezen, daß man die Grundfäze der Sophiſten
nicht nach dem Inhalte ihrer forgfältig geſchmuͤckten,
und nur für gewiſſe Zuhörer ausgearbeiteten Prunkreden
beurtheilen bürfe, nn
Aus eben ven Bewegungsgruͤnden, aus welchen die
Sophiften über große und Fleine, über nüzliche und ſchaͤd⸗
liche Gegenſtaͤnde declamirten, trieben fie auch die Kunft,
die Zeno entweder mit ihnen erfand, oder aud) von ih⸗
nen annahm: die Kunft, „alles, ſelbſt entgegengefegte
„Säge, unmittelbar hinter einander zu vertheidigen, und
„zu beflreiten, die unleugbarften Wahrheiten ungewiß, '
„und die größten Ungereimtheiten wahrfcheinlich zu mas
„hen; endlich andere durch beftändige Fragen in die laͤ⸗
„Gerlichiten Widerfprüche zu verwickeln, oder auch durch
„toͤnſtliche und Ihnen unauflösliche Trugfchläffe zu vers
„wirren, fich ſelbſt Hingegen durch ähnliche Soppifmen
Fov TOy RORYMATOV EOS Tas MEITTOTNTAS
am Issumaromiias ETW Öisnesuevos Mure-
AgOH. . . J
© Iſoct. l.e.p. 112.219. . | ’
„uns
1
’
| so Se ſtes Bud). Zweytes Capitel.
„unuberwindlich machen zu Finnen *).“ Dieſe elend
Sophiſtik, oder Streitkunſt wurde tm SGriechenland un
glaublich bemundert, fo oft und gluͤcklich auch Sokrates,
Plato und Iſokrates bewiefen, daß fie nur ein *
| | | weig
09 So Habe I 1 Band 74 ©. die Dialektik des Zeno er
klaͤrt, und ich finde gar keine Urſache, jezo, de id
von der alten Sophiſtik rede, das geringite darinn zu
- verändern. Iſokrates nenmt diefe KunflAo'yes epısiza
4, ad Nieoclem:p, 79. und diejenigen, bie fie lehrten,
‚avriroysnos; Plato hingegen nenht fie bald ccdr-
den p. 103. Soph. bald eesiun, niemals aber
‚ ‚Aaenting, welchen Dramen fie nachher erhielt, wie
wohl auch Ariftateles die Sophiftit von der Dialektit
unterfcheiber. Metaph. y. B. p. 52. Plato in Pro-
tag. 297. und Iſokrates Hel. Encom, II. 115. nennen
den Protagoras und die übrigen Sophiften als die er⸗
ſten, welche die Kunft alles zu beſtreiten und zu ver
theidigen gelehrt, und für ihren Unterricht ſich hören
bezahlen laſſen; und mit, diefen Zeugniſſen ſtimmt
Diogenes IX. 31. oder der Schriftſteller, dem er hier
folgte, überein. Ariſtoteles hingegen und der eben ge
“nannte Diogenes von Laerte. Sext. VII. 7, & ibl Fahr.
gaben den Zeno für den Erfinder der Dialekif aus.
Vielleicht kann man diefe Schriftſteller mit einander
vereinigen, wenn man fagt, daß Ariftoteles unter der
Dialektik, deren Erfindung er dem Zeno zufhrie,
_ haupiſachlich die Kunſt eigentliche Trugſchluͤſſe zu Nr
2 den verftanden, und hingegen Sophiſtik in einer eben #
- weitläuftigen Bedeutung, ale ich dem Worte gegeben,
genommen habe. Ariſtoteles gibt ihr fünf Haupiſtuͤde:
de Soph. Elenck. IIi. e. 3. TIęoro- de Anzreer,
er 71.7777 —— ci ev Tas Aoyas ayanılı
evos xces din DiAovesuavres. escı dE TORTR ME
TE Tov @EıIROV, EAEYYOS, HK eudos,. xa⸗ Ai
gudofor, x aolınıopos, zas MEUETU, 7
i . gu
|
Geſchichte der alten Sophiſten. a
weig der ſchon lange befannten Kunſt zu gaufelnfeg®),
5 fie nicheimme gar. keinen: Nuzen fchaffe, fondern
sch den Verſtand junger Leute verderbe, und fie von
mftlichen und wichtigen Arbeiten abziehe *), ja bag
ı auch lange! fo fehwer nicht fen, als fie fcheine fon
mm daß fie einem jeben mirtelmäßigen- Kopfe leicht ma⸗
e, mit ige zu glänzen, da fis faft ganz allein in laͤcher⸗
hen Verdrehungen befannter Ausdruͤcke, und In ums
reimten Wortſpielen beſtehe. Die Zünglinge und.
I6ht die Männer von Athen brachen meiftens in ein
uted Gelächter und andere Zeichen bes hoͤchſten Bey»
ld und Vergnuͤgens aus, wenn fie hörten, wie bie
5ophiften ihre Gegner, oder diejenigen, an melche fie
ch wandten, durch verfängliche Fragen auf die offen
fen Ungereimtheiten binführten, und fie wider ih⸗
n Willen, wie Kreiſel, — hier bald dorthin ſchle
2 der⸗
romote⸗ —O Tv meocdiuheyonevor.
Er bringt von jedem Haupiſtuͤcke Beyſpiele bey, und
zeigt zugleich die Mittel an, wodurch man'den Fall⸗
firicten der Sophiften entgehen koͤnne:
®,) Ifocr. II, 116. Plat. p. 103; in Soph. p. VII. 281.. in’
Euthydemo Sophiſta p. 102. 103.
“) Wenn junge Leute die falſche Dialektik erſt Eoften, ſagt
Plato de Rep. VI. p. 148. fo freuen fie fih, mie die
jungen Hunde, daß fie durch ihre Spizfindigkeiten alle
ihre Dekannten zerren und zieben Eonnen, wohin fie
wollen. Wenn fie aber eine Zeitlana antere auf diefe
Art gefoppt Gaben, und wieder gefopps worden find;
fo kommen fie bald dahin, daß fie nichts von alle dem
glauben, wovon fie ſonſt Äberzeuge waren. Grnfihafs
tere Maͤnner meiden alsbann den Umgang folder Ver⸗
ruͤckten, weil fie nicht gene mit Perſonen reden moͤ⸗
gen, die im Ernſte weder ihre Meynungen behaup’en,
no anderes ihre beſtreiten. Dean fehe auch Phileb.
p. 156. : — ——
u⸗
⸗
—34
-
Fa]
! .
| )
|
!
Ze Ve , j — 1
) W
| a Seſtes Buch. Zweytes Capitel.
ten e). Die Sophiſten ſelbſt gaben Ihre Kunſt f
te beſte Gymnaſtik der Seele, und ihre Spizfindigk
ten für die Heilfamften. Uebungen aus, wodurd
x Kräfte derfelben zu allen Arbeiten geftärft wuͤrden
Sie rühmten fie als einen magifchen Schlüffel zu allı
übrigen Künften und Wiflenfchafften, und verfprache
daß man mic ihr aile Übrige Kuͤnſte und Miffenfchaffe
erlernen, ' und ducch fie zu den weifeften und fcharfis
nioften Menfchen ausgebildet werben würde""*), Eh
dieſe Kunſt war e8 auch, welche den Sophiften eiı
Zeitlang das Anfehen von Allwiffern gab, weil ſie a
les mit gieicher Leichtigkeit beſtritten und behaupteten f
Ich wuͤrde meine Leſer unfehlbar ermüben, wen
ich ihnen alle die abgeſcthmackten Gruͤbeleyen, und d
Reihen kindiſcher Fragen mittheilen wollte, auf welch
die Sophiſten fo ſtolz waren, Ich uͤbergehe daher af
andern Ueberbleibſel der eiteln Kunſt der Sophiſten F})
und begnuͤge mich damit, als die merkwuͤrdigſten Pre
ben derfelben die Gedanfen des Protägoras über di
Wahrheit. und den Inhalt einer Schrift des Gorgia
af
|
.%) Dan feheibef. 277, 281. in Euthydemo Plat. Geh
Perikles wurde von feinem Sohne beſchuldigt, dafı
einen ganzen Tag mir dem Protagaras bie wicht
Frage unterfucht habe: Ob man die Urfache des Tex
eines Pferdes, das unvorfezlih von jemanden dir
seinen Wurfipieß gerreffen worden war, in dem Kur
fpieße,, oder in dem, der ihn geworfen habe, ode
den Kampfrichtern fuchen muͤſſe? Plut. in Vie, Per
RER — ———
. 665. |
2) Iioer. ad Nicoelem I, 79. U. Encom, Hel, 116.
in Parmenide 14J. 42. j
°s*) Plat. in Sopb. p. 108.
+) Plat. ib, —
7T) Man ſehe beſonders Plato in Euthydemo p. 969, 70.
A Ariſtotel. in Sophiß, Elenchis, _
Geſchichte der alten Sophiſten. 23. \
führen, welche Ariftoteles und Sertus *), ber
Intere am dentlichften und ausführlichkten, ausgezog
busen, „5 u
In feinem Werke über das Unmirkliche, ober über
Ye Natur, fuchte Gorgias dreyerley darzuthun: erftlich,
daß nichts exiſtire: zweytens, daß, wenn aud) etwas
wirflich ſey, Dies doch von Menſchen nicht begriffen und,
erkannt werden koͤnne: undendlich drittens, daß, wenn
er ed auch erfennen Tonne, es ihm boch-unmdglich fen,
kine Begriffe und Kenntniffe andern mitzutheilen.. ‘Den
erſten Sa; : daß nichts fey, glaubteer auf folgende Arc
zu beweifen: Wenn etwas iſt, fchloß er, fo ift dleſes ent⸗
weder etwas Wirkliches, oder etmas Unwirfliches, oder
ſowohl das Wirkliche als Unwirkliche. Mun ift keiner
von dieſen dreyen Fällen moͤglich, alſo exiſtirt gar nichts.
Zuerſt kann das Unwirkliche nicht feyn. Wenn das
Unwirkliche exiſtirte; ſo muͤſte es zugleich ſeyn und auch
sicht ſeyn. Denn in fo fern es als unwirklich gedacht
wird, kann ed nicht ſeyn. In fo fern es aber als exi⸗
Rirend gedacht wuͤrde, muͤſte es wirklich ſeyn: nun aber
iſt es ganz ungedenkbar, daß etwas zugleich ſey, und
auch nicht ſey; und hieraus alſo folgt, daß das Unwirk⸗
iche nicht exiſtite. Wenn ferner das Unwirkliche exi⸗
dirte; fo muͤſte das Wirkliche nicht ſeyn, well beyde
Ic) einander entgegengeſezt find. Kaͤme alſo dem Uns
birflihen das Daſeyn zu; fo muͤſte vom Wirklichen die
Nichteriftenz gefagt werden, Das Wirfliche kann daher
zicht umoirflih; und das Unwirkliche nicht wirklich
werden. — Zweytens kang auch das, Wirkliche >
| 3 | ,
-
XRXRXRXRXRW
ii
) VII, 65 u.f. Schon Parmenides hatte zu bewelfen ges
ſucht, daß das Unwirkliche in einem gewiflen Berftan-
de eriftive, und das Wirkliche in einem gewiſſen Ver
ſtande nicht fey, Plac, in Sophifta p.:105.
ai4 Sechftes Buch. Zweytes Capitel.
exiſtiren. Dean wenn biefes ſeyn ſollte; fo muͤſte
encweder ewig, oder erzeugt, ober beydes zugleich ſeyt
nun finder weder daß erſtere, noch das zweyte, noch de
dritte Statt; folglich iſt das Wirkliche gar nicht. Wen
Das Wirflihe, um hiemit anzufangen, ewig wäre; |
muͤſte es gar. keinen Anfang haben, (weil alles, wa
entficht,, einen gewiffen Anfang bat), Wenn es abı
Eeinen Anfang bärte; fo müfle es unendlich ober unb
gränzt ; umd wenn es biefes wäre, niegends ſeyn; ben,
wenn es irgendswo eriflirte; fo moͤſte es von bem
woriun ed wäre, verſchieden, und alſo nicht unendlic
ſeyn, well es von etwas andern umſchloſſen wuͤrd
Denn das umſchließende iſt immer groͤßer als das, wa
umſchloſſen wird; nun kann aber nichts groͤßer als da
Unendliche, und folglich kann das Unendliche nicht in
gendwo ſeyn. Auch kann man nicht ſagen, daß es i
ſich ſelbſt enthalten ſey, weil alsdaun das, worinne
waͤre, und das, was in ihm waͤre, einerley, und da
Wirkliche zweyerley ſeyn wurde. Denn das, worin
ed wäre, würde Raum oder Ort; und das, mas bari
' wäre, Eörper ſeyn. ‘Dies it aber ungereimt, und
Wirkliche exiſtirt alfo auch nicht in fich feibfl. Men
alſo das Wirkliche ewig iſt, fo ift e& auch unendlich
folglich auch nirgends , folglich eriftiet «8 gar nicht. —
Eben fo wenig läßt es fich denken, daß das Wirklich
entſtanden oder hervorgebracht worden. ‘Denn wenn t|
entſtanden wäre, fo müfte ed entweder aus etwas Wirk
lichem, ober auch aus dem Unwirflichen entſtanden fe
Aus etwas Wirklichem konnte/ es nicht entfieben; den
wenn es fchon vorher wirklich war‘; fo entftand es nidı
erſt, fondern es eriftirte fhon. Auch kann es nicht au
etwas, was nicht war, herborgenangen feyn. ‘Den
das, was nicht ft, kann unmoͤglich etwas hervorbrin
gen, weil alles, was zeugen foll, nothwendig wirklic
ſeyn mug. Das Wirkliche ift alfo auch nicht entſtan
| ‚ben
7
eſhichto des alten Cophiften. mus
Im: mb ans beit angeführten Gränden Fann man auch
nicht fogen, daß es beydes antſtenden und unentflanden
ſey. Diefe Faͤlle heben ſich einander auf; denn wenn
das Wirkliche ewig iſt; ſo iſt es nicht entſtanden; und
wenn es entſtanden iſt; fo kann es nicht ewig ſeyn. De
alfo dad. Wirkliche weder ewig, noch entſtanden, noch
beydes zugleich iſt; fo exiſtirt 68 gar nicht. Wenn fers
ner das Wirkliche eriflinen ſollte; fo müfte es entweder
eine einzige Subflanz, oder ein Haufen mehrerer Sub⸗
fangen fen; num aber iſt es weder das eine, noch das
andere; alfo iſt es gar nicht. Wenn das MirPliche eine
einige Subſtanz waͤre; fo müfte e8 entweder ein aewlſ⸗
ſes Quantum, oder ein gewiſſes Continuum, oder eine
gewiſſe Groͤßs, oder ein Coͤrper ſeyn. Don dieſen Faͤl⸗
ken mag man annehmen, welchen man will; fo fann
man das Wirfliche unmöglich für eine Einheit, oder fün
eine einzige Subftanz halten. Denn als Quantum kann
es geiheilt, ala Continuum zerfihnitten, als Groͤße
zerlegt, und als Corper in feine Beſtandtheile aufgelöfl
werben. Ungereimt aber iſt e& zu behaupten, bag da
Wirkliche weber Duantum, noch Continuum, noch
Sroͤhe oder Cdrper ſey, und folglich kann es nicht eine
einzige untheitbare Subſtanz ſeyn. Noch weniger iſt
es ein Haufen oder eine Sammlung mehrer Subſtanzen.
Dem wenn «5 feine Einheit, Feine einzige Subftang
si fo kann es auch Feine Mehrheit derſelben geben,
weil mehrere Subſtanzen aus der DBervielfältigung dee -
Einheit ntfichen, — Endlich läßt es ſich leiche darıhun,
daß das Wirkliche und Unwirkliche nicht zugleich exiſtirt.
Denn wenn dieſes wäre, fo müßte das Unwirkliche dem
Airklichen gleich, und folglich Feines von beuben ſeyn.
Daß das Unwirkliche nicht ift, wird von allen zugeges
ben; und wenn alfe Bas MWirkliche dem Unwirklichen
gleich it; fo exiſtirt auch dieſes nicht. Wenn uͤberdem
Wirkliche mit dem "rigen eineriey Mn 8
216 Secchſtes Buch, Zweytes Capitel.
kann es nicht beydes ſeyn. Denn wenn es beydes iſt;
ſo iſt es nicht daſſelbige, und wenn es nicht daſſelbe iſt,
fo iſt es unmöglich, daß es beydes fen, und hieraus
folgt nun, daß es gar nicht fey. Denn wenn Das
Wirkliche weder iſt, noch nicht iſt, noch auch zugleich
exiſtirt und nicht eriftiets fo kann es gar nicht feyn. —
Wenn aber auch etwas iſt; fuhr Gorgias fort, fo
kann diefes von Menfchen nie erfannt und begriffen wer:
den, Wenn die Vorftellungen, ober das, was gebacht
dird, nicht die Dinge felbft ſind; fo denken wir nicht
Das Wirfliche, oder die Dinge, die wirklich find. Denn
gleich wie in dem Falle, wenn bie Borftellungen, ober
Das , was gedacht würde, weiß wären, nothwenbig bas
Weiße gedacht werden muͤſte; eben fo nothwendig iſt es,
dog, wenn die Borftellungen ober Gedanken nicht die
wirflihen Dinge find, die wirklichen Dinge niche ges
dacht werden koͤnnen. Daß aber bie Borftellungen,
... oder dad, was von Menfchen gedacht wird, nicht bie
wirklichen Dinge ſelbſt ſeyen, laͤſſet fich bald darthun.
Denn wenn diefes wäre: fo miüfte alles, mas er fich
denkt, wirflich, und zar ba feyn, wo er es ſich daͤchte,
welches ungereimt if. Denn wenn wir uns einen flie
genden Menfchen, oder einen über die, Oberfläche des
Meers fortrennenden Wagen vorftellen; fo fliegt deß—⸗
wegen nicht gleich jemand, und eilt auch nicht gleich ein
Wagen über die Fläche des Meere fort. Wenn ferner
unfere Gedanken wirkliche Dinge wären; fo müfle das
Unwirfliche gar nicht gedacht werben koͤnnen; weil alles
mal entgegengefesten Dingen auch entgegengefezte Eigen,
ſchafften zufommen, Nun ift das Unwirkliche der Ge:
genfa, vom Wirftihen, und wenn alfo das leztere ge
bacht werden kann, fo muß das erftere ungedenkbar ſeyn.
Dies iſt aber faiſch, indem wir uns eine Sibylla, Shi.
maͤta und viele andere Dinge, die nicht find, fehe wog!
denken können, - Ungereimt aber wäre 88, wenn —
agen
Geſchichte der alten Sophiſten. 217
fagen wollte, wo fo, mie wir ſichtbare Dinge niche
läugnen, weil fie nicht zugleich gehört, und hoͤrbare
nicht, weil fie nicht aud) gejehen werden, man-auch die _
MWirflichfeit dee Dinge, - die von uns gedacht werden,
nicht laͤugnen fönne, wenn fie auch von uns weder ges
hört noch gefehen wirden; indem doch die Kraft, bie
fie ihrer Beſtimmung nad) wahrnehmen folle, fie auch
wirklich wahrnehme. Wenn man alfo einen Wagen
auf vem Meere, den man fich benfe, auch nicht mit
feinen Yugen erblicke, fo koͤnne er deßwegen wohl wirk ⸗
fich feyn. Dies, antwortete Gorgias, iſt zu abge⸗
ſchmackt, als daß es weiter widerlegt zu werden braucht,
und man kann alſo zuverſichtlich behaupten, daß nicht
das Wirfliche, oder die wirklichen Dinge von Menſchen
erfannt und gebacht werden. Wenn aber dieſes auch
moglich wäre; fo würde doch das erfannte Wirfliche .
ganz unmittheilbar ſeyn. Denn wenn bie wirklichen
Dinge, die außer uns find, fichebar oder hörbar, oder
überhanpt durch die Sinne wahrnehmlich find ; fo muͤſ⸗
fen die Sichtbaren durchs Geficht , die Hörbaren durchs
Gehör, und nicht umgefehrt wahrgenoinmen oder em⸗
pfunden werben. Wie koͤnnen dieſe alfo anders bekannt
gemacht werden? ‘Das, wodurch wir und äußern, iſt
die Rebe oder der Derftand. Der Berftand ift aber. .
nicht einerfen mit den äußern. Gegenftänden; und wir
äußern oder theilen alfo nicht die wirflichen Dinge, fon
bern den Verſtand oder. Gedanken mit, die von den
wirklichen Dingen verfchieden find. So wenig nun das
Sichtbare hörbar, und umgekehrt, werben kann; eben,
fo wenig kann das Wirfliche, wenn es anders außer und
ft, unfer Verſtand werden, und wenn es mic diefem .
nicht einerley iſt, irgend jemand befannt gemacht oder
mitgethelle werben. Unſer Verſtand, oder der ganze
Vorrach von Vorftellungen entſteht allmälich atıs den
Einbrücen der äußern Gegenflände. Denn aus den Eins
.“ u DS wir⸗
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1
°.
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—
23, Cechfies Buch, Buepted Capitel.
wirfungen von Saͤften miflehen unfere Begriſſe ton
Saften; aus den Einwirfungen von Farben unfere Bor
“ Rlellungen von Farben, und f. wm. Wenn aber diefes
ft; fo fönnen nicht. unfere Begriffe die: Anzeiger oder
Dffenbager ver Dinge, fondern die Dinge müffen viel
mehr die Erflärer unferer Borftellungen feyn. Auch
kann man nicht fagen, daß der Verſtand auf eine felche
Art wirklich iſt, als bie Dinge außer uns; und daß alfo
. nad) ihm, als einer wirklichen Subſtanz, die Außern
wirflichen Dinge erfannt werben fünnsen. Dean wenn
der Verſtand und feine Vorſtellungen auch für ſich be⸗
ſtehende Wefen wären; fo mürben fie Doch von den übrigen
äußern Subftangen unendlich verfchisven ſeyn, und Die lez⸗
seen fönnen daher durch jene eben fo wenig befannt gemacht
werden, als fie fich einander erläutern, oder ins Sicht
. fegen foͤnnen. — Durch diefe Zweyfel des Gorgias,
fügt Sextus, wird alles Kriterium gänzlich aufgehoben,
Denn ein folches fann unmöglich flatı finden, wenn es
gar nichts Wirfliches gibt, oder wenn das MWirkliche
nicht erfannt oder mitgetheilt werden kann *). .
Faſt noch werkwuͤrdiger als dieſe Ueberbleibſel ber
Eertae bes Gorgias find die Gedanken des Protago-⸗
ras über Die Wahrheit, bie man in allen alten philofos
phlfchen Schriftſtellern, aber am umſtaͤndlichſen im
Sextus finder *°), und von welchen nur ein einziger
Schritt zum erklärten Skeptieismus übrig blieb, weis
chen Scheitt Pyrrho erft. ein ganzes Johrhundert nach⸗
her that. Alle Empfindungen und Vorſtellungen, be+
bauptete bee Abderitifche Sophiſt, find wahr, ober die
Wahrheit beſteht nur in einem gewiſſen Berhältuiffe,
indem alles, was jemanden wahr ſcheint, für ihn *
w
DE N N
EEE.
1
[|
. 87.
»*) VII. 59:64.
Geſchichte der alten Sopiften a9
wahr.ift, Ein jeber Menfch, fing er eins ſeiner Wale -
an, in weichem er diefe Meynung vortrug, iſt der
Maaßſtab der Wahrheit, und der Matur der Dinge,
die in feine Sinne wirken: oder er hat das Mecht, das,
+
y
was ihm wirflid) ſcheint, für wirklich, und as, was u
ihm nicht fo feheint, für unmdieflich zu halten. Dieſer
&az wird ſelbſt durch die entgegengefezte Behauprung
bewieſen. Denn wenn jemand fagte, daß nicht ein jrs
der Menfch der Maaßſtab oder der Nichter alle Dinge .
ſey; fo würde man ihm gleid) antworten können, dag
auch ex ein einzelner Menfd) feg, und das für wahr aub⸗
gebe, was Ihm wahr fcheine. Der Wahnfnuige (fuhe
Protagoras fort) iſt alfo das Kriterium, oder ein güls
tiger Richter deſſen, was er in feinem Zuſtande empfin
det; amd fo auch der Traͤumende, das Kind und ber
reis von allem, was einem jeden in feiner'fage oder in
feinem Alter erſcheint und aufftöße. Laͤcherlich wäre es,
wenn man die Empfindungen gewiſſer Menichen in ge⸗
wiſſen Sagen und Zuftänden durch die Empfindungen
anderer Menfchen in andern Sagen and Zulländen umge
wig machen, ober ‚widerlegen, und wenn man -alfo die
Empfindungen vom ABabnfinnigen nach denen von ger
funden Menfchen; oder Die von Traͤumenden nach denen
der Wachenden; oder die kon Kindern nach denen
von Greifen richten und verbeflern wolle. ‘Denn fe
wie jeue das nicht wahrnehmen, was diefe empfinden, fo
empfinden wiederum diefe nicht, was jene wahrnehmen, '
Wenn alfo der Wahnſinnige und Schlafende bloß defis
wegen, weil er in einem gewiffen Zuſtande iſt, kein guͤl⸗
tiger Nichter alles deſſen feyn foll, was er in dieſer tage
empfindet; fo iſt auch bee Wachende und der Menich
bey gefunden Berftande Fein gültiger Richter der Dinge,
die ihm begegnen und erfcheinen, weil beyde eben ſowohl
als jene in einer eigenchämlichen tage find. Da alſo fein
Menſch anders, al&jin einem ihm ebdenthumuchen· g |
. j ſtan⸗
x
4
220: Schftes Buch. Zweytes Eapitel,
ſtande, oder unter gewiſſen ihm eigenthuͤmlichen Umſtaͤn⸗
den empfindet; - fo muß man einem jeden in der tage
: trauen, in welcher er fich findet, und dasjenige für wahr
s
haften, was ihm in Diefer tage ald wahr erſcheint. —
Mit Nee urtheilten Ariftoteles ®) und Sextus ..),
daß durch diefe Behauptung alles Kriterium der Wahr:
heit und des Irrthums anfgehoben werde : und daß, wenn
alles, was einem jeden Menſchen wahr und falfch fchiene,
wahr und falſch fen, alles zugleich wahr und falſch,
. oder zugleich feyn und nicht feyn mäffe) weil viele Dinge
einigen wahr und anbern falſch, einigen wirflich und
andern unmirflich fchlenen 7).
Wenn man nun alle die von mir gefammelten Frage
mente der Sopgiften , und die Nachrichten and Urtheile
ver größten Zeltgenoffen über - dieſe Männer ruhlg und
unpartheyiſch überlege; ſo muß man nothwenbig den
übereinftimmenden Auefprüchen des Plato, RXenophon
und Iſokrates, und aller übrigen Schriftſteller, die ih⸗
‚new folgten, beptreten : daß nemlich die Sopiften dem
ganzen Sriechenlande weit mehr geſchadet als genuzt,
Daß fie mehe Herzen zerrürter, als Geifter .aufgeflärt,
und daß endlich alle ihre Erfindungen der Sittenverderb⸗
niß nicht dad Gleichgewicht halten foͤnnen, die fie unter
einigen Griechlſchen Voͤlkern zuerft hervorgebracht, und
unter andern beſchleunigt und befördert haben, Yu bes
dauren iſt es aber immer, daß alle ihre Werke bis auf
einige Bruchſtuͤcke verloren gegangen find, und daß wie
daher zwar wiffen, daß fie mehtere Wilfenfchafften er.
‚funben, und alle Wiſſenſchafften erweitert Haben, aber
niche
®) Methsph. Y. 8. p. 61.
°*) ],c.1.64.
+ Nah dem Sertus 1. «. dachten Euthydemus und Dieny⸗
fidor eben fo, wie Protagoras gelehrt harte. |
Geſchichte der alten Sophiften.. am.
nicht mehr genau zu beftimmen-im Stande find, wie J |
viel eine jede Wiſſenſchafft einen jeden unter ihnen zu
danken hatte. Zu |
Der Name, und das Gefchlecht dee Sophiften,
dauerte noch bis auf bie festen Zeiten des Iſokrates
fort ): allein fie wurden noch) bey tebzeiten. des Sokra⸗
tes, noch mehr aber nach deſſen Tode, eben fo heftig
berabfeheuet und verachter, als fie anfangs waren bes
wundert worden. Die Uchenienfer unterfagten ihnen,
vor den Nichterflühlen zu erfcheinen, weil man fie für
Schwaͤzer hielt, die das Recht in Unrecht, und Unreche
in Recht verfehrten ꝰ). Selbſt ihe Name wurde ein
Schimpfname 7), vor welchen. die größten Männer
unter den Griechen fich ſo ſehr fuͤrchteten, daß fie nichts
ſchrieben, um nicht file Sophiſten ‚gehalten gu wer⸗
den Tf). Den Grund hiefes allgemeinen Haſſes, und
der allgemeinen Berarhtung, worinn fie fielen, muß
‚man nicht allein darinn fuchen ,. daß fie vom Sokrates,
Iſokrates und deren Schuͤlern entlarvt, daß die Scheuß⸗e
lichkeiten ihrer Grundſaͤze geoffenbart,; und die Nichtigkeit
ihrer Grübelegen und Spizfindigkeiten lächerlich gemacht
wurde; ihre eigene Ausartung trug am meiften zu ihrem
Sale, und zur gänzlichen Umſtimmung des Urcheils
des Volks von ihren DBerbienften bey. Das außerors
dentliche Gluͤck, was die erſten Sophiften machten, er⸗
weckte auf einmal ganze Schaaren von mittelmäßigen '
und nichtswuͤrdigen Menfchen, weiche durch die Aunahme
des
a
©) Dies ſieht man aus dem Panathenaicus, der orat, con-
tra Sophiftas und zegı avrıdarews , die Jſokrates
alle im hohen oder hoͤchſten Alter ſchrieb
#%) Philoft. in Vit. Soph, p. 483.
+) Xenophon.- xuygyer. € 13.
+r) Plar. p..207. in Phaedon.
. B.
. - . \
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mi -
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aa Sechſtes Buch. Zweytes Eapitel.
des Titels Sophiſt eben fo großen Ruhm, und
eben ſo große Meichthämer zu erwerben bofften,
als die erfien, vie dieſen Damen trugen, eco
fange Hatten, Allein dieſe Dachfolger des Gore
glas, Hippias und Protagoras Übertrieben Ihre "Annas
ßungen, Berfprechungen und Unverſchaͤmtheit ‚eben fo
ſehr, als, fie in Anfehung der Talente und Kenntniffe
hinter ihren DBorgängern zuruͤckblieben. Sie gaben fich
nicht nur für die einzigen tehrer der Tugend und Weiss
hetit aus, fondern fuchten alle andere berühmte Männer,
- befonders den Iſokrates durch falfche Verlaͤumdungen
und Anflagen ins Verderben zu ſtuͤrzen ). Ihre Mies
dersrächtigfeit war fo groß, daß fie, die fich rühmten,
einen jeden weife und glüdlich machen zu können ,. ihre
Schuͤler noͤthigten, zur Sicherheit ihres tohns von vier
oder fünf Minen Pfänder bey reichen Wechslern nieder
zulegen. Diefe ſchmuzige Gewinnſucht der Sophiſten,
der Gegenſaz zwiſchen ihren Verſprechungen und Thaten
oder Leben, ihre —E in wichtigen Geſchaͤff⸗
‘ten und Aemtern bey allen Anfprächen auf die Erfor⸗
ſchung der Seheimniffe der Zukunft und Natur, endlich
Die Ungereimtheiten ihrer Gruͤbeleyen Öffneten zulezt ſogar
Menſchen vom Pöbel die Augen, und brachten in ihnen
die Mennung hervor, daß die Sophliten mehr tehrer
der Geſchwaͤzigkeit und unnuͤger Spijfindigfeit, als der
Weisheit und Tugend feyen”*). Gelche Männer nun,
Ä ’ | die
N
ee N ee. e ⏑
| *) il. Ifoer, in Panatb. p. 183. 191. 193. eontre Sophif,
p. 333. Tleg Avrıdeosews 388. 393.
eo) Iſoer. IE, p. 330. contra Sophift. Eraday 8 Toy
TO TIVES, HAT TaUTa CuROYırauevon,
nardan Tas ınv aodıav di BONNVTRS, os
Tv —RRX zagnddovras aurus de mor-
Any
Geſchichte der alten Sophiſten. n23
Die nicht nur Ihrem Samen, fondern ber ganzen Philos
ſephie Berachtung zugogen, konnten unmöglich gegen den
Sokrates und Iſokrates Stand halten, wovon der eine
bie Philoſophie, und der andere-die Staatskunſt und
amfeic vön allem Prunke und. Wuſte metapbnfie
ſcher und binlefeifcher Unterfuchungen fäuberte, und die
bende mehr Anſehen und Schuͤler erhielten, als feiner
F gtbien und beruͤhmteſten Sophiſten gehabt
tle )
Beylage zu p. 175.
fee die Zeitrechnung der aͤltern Griechiſchen Sophi⸗
ften kann man nicht viel mehr fagen, als was man
ſchon in den biöherigen Betrachtungen gelefenhat. Wir
wiflen von einigen , wie vom Gorgias und Protagoras,
\ daß
nm _
Accy deonevss, Kos Tas uadnras MINEOV TRORT-
TOBEVBS, xæ DAS EVANTIWTESS EMI MEV TOV Ad-
yıdımv Trewvras, errı de Toy eeyav un na Sopwv-
Tas’ ETı de TEL TV MEROYTwy MEY erdevu
REOTBUBKEVEE , NEO 0E TOVv TRPovTav undey
To deovroy unr esmew unre aumldaievoas dus '
yosnevac, ae war —— Kos AR
KROTOENEYTAS TES Ta dokaıs XKEwuEVEs, N Tas
FI ERIENKM EX ERAYYELOUEVES , SKOTwS
um naradgovsen, num yonılaam —
x mingoAoyıav, aD, 8 Tns Wuxns ETıneAesov
vos Tas diereildas Tas TOnsUTass-
*) Man fee Cic, de orat. IN, ı6. 17. Brut. e. 9. Dionyf.
de ifocr. V. 536. Pſeudo · Plutarch. Vita Rhet. IX, 929,
Hocr. 15. 388. 91. >
224 Sechſtes Buch. Zweytes Capitel.
daß ſie ſehr alt geworden ), und von allen, daß ſie zwi
ſchen der achtzigſten und neunzigſten oder fuͤnf und neun
zigſten Olympiade am meiſten gebluͤht haben; aber von
keinem iſt das Geburts und Sterbejahr genau bekannt.
Sch halte es für unnöthig, vie einzein Data über dis
Zeitrechnung der Sophiften zu ſammlen, ober bie Fehler
alter Schrififteller in der Chronologie derfelben zus wider,
legen, da die beyden weſentlichen Puncte durch die
Schriften der Sofratifer. außer allen Zweifel gefejt
find: daß nämlich die Soppiften im Zeitalter des Su
frates lebten, und daß diejenigen, bie Ich als bie groͤß⸗
ten und berühmtefien genannt habe, auch die erften oder
älteften waren. So genau aber das Zeitalter der So⸗
phiften einem jeden Gelehrten aus den Werfen des
Plato, Zenephon und Iſokrates bekannt ſeyn Fonnte;
fo madıten dody berühmte Schriftftellee zuweilen aus
Nachlaͤſſigkeit die grobiten Anarchronismen, wenn fiedie
fe Materie im Borbengehen beruͤhrten. Plinius erzählt |
‚ jum Beyſpiel, daß Gorgias um die ſiebenzigſte Olym⸗
piade fich ſelbſt eine goldene Statuͤe in Delphi geſezt har
be; ein Datum, welches fich auf feine Art vercheidigen
Jäße*"). Denn da Gorgias über den Sofrates hinaus
febte 7); fo muß er nochmwendig nach der fiebenziaften
Olympiade gebohren worden ſeyn. Noͤthiger aber ſcheint
ed mir gegen den Mißbrauch zu warnen, den eini
ge alte Schriftfteller von dem Worte Sophiſt machten,
ferner ihre Verwechslung mit berühmten Staatsmän
veen und Rednern zu bemerfen, und endlich die ſeltſa⸗
| men
4) Der erſtere erreichte ein Alter von 109 Jahren. Diog
IX. 58. Quint, HI, 1. ynd der andere von 70 Jahren.
Plat. P- 297. | |
Exn) L. 33. 0.4.
+) Quint, LT.
Geſchichte der alten Sophiſten. 225
men Merkmale zu ruͤgen, durch welche man fie von
den disern und neuern Rhetoren, welche leztere auch Sos
phiſten genannt wurden, zu unterfchelden fuchte. (Einige
nannten Sophiften alle Borfcher ver Wahrheit und Nas
tur, beſonders aber diejenigen, "welche über den Ur⸗
fprung der Dinge, und über bie Matur und Größe ber
bimmtifchen Coͤrper Unterfuchungen anftellten. In dies
fer Bedeutung nahm Aefchines das Wort Sophiſt, wenn
er ben Anoragosas und Sofrates ”) damit belegte, de⸗
nen er aber unter Feinerley Vorwande gegeben werden.
kann, weil fie weder ums Geld, noch in folchen Abfichs
ten, och auch folche Dinge lehrten, dergleichen bie So⸗
phiften vortrugen ). Andere rechneten alle diejenigen
zu den Sophiften, welche die Dialektik und die Kunft
Trugſchluͤſſe zu erfinden trieben, oder auch mır ‚Säge .
vertheidigten, die Den gemeinen Menſchenverſtand heleis
digten. Aus biefem Grunde zaͤhlte Sjofrates den Me :
liſſus und Zeno den Sophiſten zu 7), aus deren Zahl
man Ye mit Recht ausſchließt, weil bende weder Red⸗
ner, noch tehrer der Beredſamkeit und Staatdfunft was
rn. Unter allen unrichtigen Bedeutungen aber, in
welden ter Ausdruck Sophiſt genommen worden ift,.
feine Feine fo. algemein geweſen zu feyn, als diejenige,
in welcher Sophiſt als gleichgeltend mit Redner ober
tebrer der Bexedſamkeit angejehen wurde. Dieſen Sinn
verband Ariſtophanes mic dein Ausdruck Sophift, als
er den Sofrates unter dieſem Namen zwar als einen
Gruͤbler, der nach überirrdiichen Dingen forfcye, aber
vor⸗
⸗
ST TI 2
*%) p. 194. Dan fehe auch Schol, ad Arift- Nub, v. 330.
ee) Cic. Soc! Quael, IV.2.. — ' 9
M. W. & 327 p. Bd, Bealt, nn |
Zwenter Band. P
*
ENT
—— no
uw Sedftes Buch. Zweytes Capita.
vorzoͤglich als einen gefaͤhrlichen Schwoͤzer ſchiderte, ber
Die Kunft verſtehe und lehre, eine gute und ſtarke *
ſchlecht, umnd eine ſchlechte und ſchwache Sache gut
Hart zu machen. Eben fo brauchte —** ri
Wort, wenn er in der Gefchichte ver S ihr
len beruͤhmten Rednern und Lehrern ber
ndelt. Sowohl dieſer Schriftſteller als viele andere
—* den Kritias und Theramenes ımter die alten rH
phiſten, ungeachtet fie niemals irgend eine Kunſt ober
Wiſſenſchafft oͤffentlich gelehrt harten. Sobald man
‚alte Redner mit Sophiſten und Lehrer der Berebfamteit
für einerley Perfonen hält; fo muß man auch den Po
rifles, Alfibiades und unzählige andere Redner und
Staatsmaͤnner, die Eicerd richtig von den Sophiſten
unterſcheidet, in die Claſſe der leztern aufnehmen)
So fehe ſich Philoſtratus irrte, wenn er die Sophiſten
mit Volksrednern, oder gar mit Sternkundigen ber
mechfelte **); fo erdichtet find die Unterſchiede, die e
zwiſchen den Altern und neuern Sophiſten angibt. Dit
alten, fagt er 7), legten fich allein auf pie 5
gende und panegyriſche, und die neuern allein auf die
gerichtliche Beredſamkeit. Das Haupt der erſtern war
Gorglas; und das der leztern war Aeſchines. Dies un
gereimte Lircheil enthaͤlt faſt eben fo viel Fehler, ols &
Worte In ſich foßt. Denn etftlich it es faiſh,
Brut e.78g.
ve) Er fege nämlich ben es und Larneades auch niet
die Sophiſten. Dieſe Gerwechslung iſt um deſto let.
ſamer, da er aus alten Sqhriftſteliern richeige Dei ar
son den Sophiſten und Ihrer Kunſt
Dun ſehe ©. 481. 488. de Vita Go. 4. Ole
1) p. si. in Vik. Sopbißl,
=
/
Seſchichte der’ alten Sophiſten. 237
alten Sophiſten ſich gar nicht mit ber gericht
tedſamkeit befchäfftige * da ein —8* Pr j
srößten Schriftfteller vom Antiphon und andern das
Örgencheil bezeugen *), Eben fo ungegründer iſt es,
daß bie größten Männer, die vom loſſas an vor den
Nichrerftüpien redeten, die berathſchlagende und panes
gwifche “Deredfomfeit vernachläffige haben. Und lächer,
Kid) iſt ed endlich, den Aeſchines zum Haupte der jäns
gern Sopgiften zu machen, da diefer Name feinem Red⸗
Ber vom Lyſias oder Iſokrates an bis auf Ehrifti Geburt
gegeben, ſondern erft im erften und zweyten Jahrhun⸗
derte mach) Chriſti Oeburt erneuert worden iſt.
#) Plat. p. 269. Dionyf. V. 6837 p. Cicer. ia Brut, ,
I Thor. VI, & Quint, ill, ı Tu
Pe Siebentes
Siebentes Bud,
J Erſtes Capitel.
Geäecſchichte des Peloponneſiſchen Krieges und
der Unruhen in Griechenland, bis auf den
Srieden des Antalkidas, als eine Einleitung
in die. Sefchichte der Soxrratiſchen
. Philofophie,
Ur eben die Zeit, als die alten Sophiſten im aröften
Anfehen ftanden, und die Rathgeber von Bölfern,
wie die tehrer der größten Volksfuͤhrer waren, ensfsana
ſich der Peloponnefifche Krieg, den Thukydides mic Recht
den merkwuͤrdigſten nennt, der von Griechen geführt
soorden *). Kein anberer Krieg war jemals fe langwie
rig und hartnaͤckig, als dieſer; indem er fieben ur
zwanzig Jahre dauerte **): Fein anderer war oder wurde
fo allgemein, indem er ſich nicht nur von Attika und
vom Peloponnes aus Aber das ganze alte Sricchenan
nn nn Vu
9) l. 23 e.
"*) Thuc, V. 26. Diod, XIII, 630. Ed, Weffel,
phon Hiſt. Gr. IL, 3. p- 84. rechnete fall, wernn
{hm eine Länge von 385 Jahren gab. Der Krieg
Ol. 87. 2. an, und endigte ſich OL 93. 4
Geſchichte des Peloponnefifchen Krieges. . 229
fortwälzte, fonbern auch die Geiechifchen Inſeln und
Planzftäpte in Alien, Stalien und Sicilien ergriff. In
kinem andern Kriege wurden fo viele edle Gefchlechter,
bie fich bisher unter den fücchterlichfien Revolutionen von
Oriechenland erhalten hatten, vertilgt, fo viele Städte -.
entweder Durch daß Feuer ‚und Schwerdt der Feinde,
oder auch durch innere Meuteregen und Aufrähre vers
wuͤſtet, fo vide Laͤnder entvölfert und verodet, und fo
viele blutige Schlachten zu Waffer und zu Lande geliefert,
als indem ‘Peloponnefifchen *). In Feinemandern Kriege
endlich sourden die Sitten ber Griechen fo unheilbar vers
derben,, und bie Staatsverfaflungen aller Voͤlker, bie
Epartaner ausgenommen, fo häuftg umgemorfen, als
in demjenigen, benichjego befchreiben werde ꝰ). Cs
khien fogar, als wenn die ganze Natur und alle Ele⸗
mente fich mit den teidenfchafften und Laſtern der Grie⸗
hen zum Untergange der Leztern verfchweren hatten.
Denn in feinem andern Zeittaume wurben alle Theile .
von Orlechenland fo fehr durch vergehrende Seuchen, oder
durch zerſtoͤrende Ueberſchwemmungen, ober durch Duͤrre,
Mißwachs und Hungersnoth aufgerieben; und auch nie
wurden Die Gemuͤther der niedergefchlagenen Bewohner
durch fo drohende Berfinfterungen ber himmlifchen Chr⸗
per unb andere furchtbare Meteore in Schreden ges
kict). Durch diefe Plagen, womit die Vorſehung
das edle Volk, deſſen Sicht alle übrige Böifer erteuchten
bolte, Heimfuchte, und durch die Ungluͤcksfaͤlle des Krie⸗
zes, die es ſich durch feine eigne Thorhelt zugog, fiel
ber ganze Stiechifche Stamm N eine tödtliche Schwäche,
| BE ‚von
®) Thuc. I. 23. Iſoer. I. de Pace 402. 4. U. in Archid.
+) 1, 23. Thuryd,
ı Bu . f
© R oo. /
or. p. 44.
Il, ce, & Tbue, Ill, 81.83.
4‘
N
{
“30 Siebentes Buch, Erſtes Capitel.
von welcher er ſich nie wieder erhohlte, und die bald nach⸗
her allgemeine Knechtſchafft oder Abhaͤngigkeit, den Ver⸗
fnft der erhabenſten Tugenden, und den traurigen Fall
aller Künfte und Wiffenfchafften nach fich zog. Wenn
man darauf Acht gibt, was die Griechifchen Staaten
; Im Peloponnefifchen Kriege und kurz riachher gelitten und
gerhan haben; fo erflaunt man nicht darüber, daß fie
durch diefe unfäglicyen Drangfale und durch die unglaub⸗
lichften Anitrengungen, bie fie ſich ſelbſt niemals zuge
"traut ‚hatten, erſchoͤpft, fondern daß fie dadurch nicht
gänzlich zernichter wurden. So fchmerzhaft aber auch
der theilnehmende tefer und Gefchichtfchreiber durch Die
ſchnell auf einander folgenden Miederlagen und Unfaͤlle,
die allmälich ein jedes Griechiſches Volk betrafen, gerührt
wird, fo hinreigend und Geelenftärfend find wiederum
die DBenfpiele von umäberwindlicher Standhaftigkeit,
womit eben biefe Voͤlker, vorzüglich) die Achenienfer, if
vem widrigen Schickſale entgegen fämpften, und fid
pfözlicy alsdann mit erneuerten Kräften wiederum auf⸗
eicyteten, wenn man nicht anders als glauben Fonnte,
daß fie mit ihren eingeriffenen Mauern und gefchlagenen
even gefallen, oder mit ihren zu Grund gerichteten
otten verfenkt feyn müften *). . Si
©) Die Geſchichtſchreiber biefes Zeitraums And, wie bekannt,
Thukydides und Zenophon, die beybe Zeugen ober
“ Tpeilnehmer der Handlungen unb Negebenheiten wa
ven, bie de befchrieben haben. Won. ihnen weichen
Diodor in feinem zwölften, dreyzehenten und vierze
benten Bude, und Plutacch in feinem Perikles, Al
kibiades, Niklas, Lyſander, und Agefilaus Häufis al.
Ich darf aber wohl nicht beweiſen, daß die beyden erfim
Männer mehr Glauben verdienen, als die beyden ley
tern, welche meiftens den Ephorus und Theopomp fols:
‚ten, ungeachtet fie den Thukydides und, XRenophon
ı * Mannten, und auch bisweilen ihre gewöhnlichen Ge:
aner gegen fie verliehen. |
®
Seſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. ayı
Die wahre Urſache des Peloponnefifchen Krieges
war die außerordentliche Oroͤße, zu weicher die Acker '
nienfer fach in den legten Fahren Ginaufgefehwungen, und '
ber Mißbrauch, den fie dapon In der Unterdruͤckung dee
Dundesgenofen, und ber Mißhandlung der Übrigen
Oriechen gemacht hatten”). Die Bundesgenoffen feufs
ten über das harte Zoch, was die Achenienfer ipnen
t basten, und noch immer ſchwerer machten,
über.die Maueru, die man ihnen ’nievergeriffen, über
die Flotten und Gchäze , die man ihnen geraubt, und
über den faft jährlich fleigenden Tribut, den man von .
gefordert hatte, ober. noch forderte, Alle ſahen
daher mic flüller, aber doch beimerfbarer Sehnſucht auf
balı aus einer unerträglichen Knechtſchafft errettet gu
werden hofften *°). Die übrigen Griechifchen Staa⸗
ten , die den Athenienſern noch nicht unterworfen waren,
rchteten täglich ein gleiches Schickſal, und Flagten laut
über die ungerechten Sewaltchätigfeiten ver Athenienſer,
und über die Einſchraͤukungen des Handels, bie jie vom
ihaen auf allen Meeren und in allen Häfen dulden mu⸗
len 7). Selbſt die tafedäsnonier hatten es noch nicht
vergeffen, daß die Achenienfer ihnen bie Herrſchofft zur
See encriſſen hatten, u ſönen auch bey ber er
4
HER:
=
©) Thuc. 1.93. Mlutarch. in Perle I, 698.50,
em) 11, 8. Tihue.
P Thüe. 1. 68 & fg. Ariſtophanes fagt in Pace v. 681.
daß die Dundesgenoffen die vornehmften Spartaner be⸗
ſtechen hätten, um fie zum Kriege wider die Athenien⸗
fer zu bewegen; allein Thukydides beſtaͤtigt dieſe Gage
nicht allein nicht, ſondern feine ganze Erzäblung ſcheint
ihr wielmehr zu widerfpredden. Sie if alfo wahrſchein⸗
lich eben ſo ſehr Werläumbung, als das, was Hermes
an eben diefer Stelle vom Perikles fagt.
233 Siebentes Bud, Erſtes Capitel.
ſich dergroͤßernden Macht ber leztern eben fo viel Furcht,
als Eiferſucht. Von dieſen Leldenſchafften getrieben,
und gerelje durch die Klagen, Vorſtellungen und Auf⸗
munterungen der Bundesgenoſſen, ergriffen fie die
erſte Gelegenheit, den Athenienſern den Krieg anzukuͤn⸗
Digen, deſſen Größe fie nicht vorausfahen, und Den fie
mehrmalen bereuten, angefangen zu Haben. _
So gerecht die Furcht dee Spartaner, und beſon⸗
ders bie Defchwerben der Athenienſiſchen Bundes genoſ⸗
fen waren: fo ungerecht und grundlos waren bie Mor:
mänbe, unter welchen die erftern die Athenienfer mit ei⸗
nem Kriege bebrohren, und nachher auch wirklich Damit
"überzogen. Die Spartaner verlangten zuerſt ), daß
Die Athenienſer ihre Stade von dem Fluche reinigen folls
ten, der noch Immer auf den Nachkommen derjenigen
ruhe, welche die Mitverſchwornen des Kylon hingerich⸗
tet haͤtten. Ungeachtet ſie wuſten, daß die Athenienſer
die Schuldigen ſchon vor vielen Jahren geſtraft hatten,
und daß ſie mit einer Forderung, welche zu machen ſie
gar nicht berechtigt waren, nicht das geringſte ausrichten
wuͤrden; ſo glaubten ſie doch, daß ſie vielleicht den Pe⸗
rikles, der mit den verurtheilten Thaͤtern von muͤtterll⸗
cher Seite verwandt war, bey ſeinen Mitbuͤrgern ver⸗
daͤchtig machen koͤnnten. Micht lange nach dieſer erften
laͤcherlichen Jumuthung drangen ſie darauf, daß die
Athenienſer von Potidaͤa, einer Korinthiſchen Pflany
ftabt, die von ihnen abgefallen war, und die fie wieder zum
©ehorfam bringen wollten, ablaffen, daß ſie ven Eimwoh
ern von Aegina ihre Sreyheit(chenfen, voruehmlich aber,
bag fie den harten Schluß wider die Miegarenfer auf
- Beben follten, vermöge deſſen dieſe bey Lebensſtrafe web
e
N Thuc. L i27. ke
U
GSeſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 233
die Arhenienfifchen Häfen und Wärfte befuchen, noch
fonft den Attiſchen Boden betreten durften *), Endlich
verlangten fie fogar auf eine gebieterifche Art, daß bie
Achenienfer, wenn fie anders den Frieden mit ihnen er:
halten wollten, alten ihren Bundesgenoffen ihre alten
echte und Freyheiten wieder geben, und alle Anfprüche
oder Herrſchafft über fie fahren laſſen fellten®*). Dieje
Forderungen waren fo unvernünftig, daß die Arhenienfer
feine einzige bemwilligen fonnten, ohne eine ſchimpfliche
Kleinmuͤthigkeit und Unterwuͤrfigkeit zu verrathen, welche
Unterwuͤrfigkeit gewiß, anftart die Spartaner zu befrie⸗
digen, ihren Lebermuch nur würde vermehrt, und neue
noch kraͤnkendere und unleidlichere Zumurhungen nad) .
fi) gezogen haben. Die Arhenienfer gaben daher den
Spartanern auf den Rath des Perifles, der feiner Bas
terſtadt ni2 weifer und glädlicher rieth, in den gemaͤßige⸗
ften Ausdrüden die Antwort: daß fie unmöglich in die
Bedingungen, unter welchen man ihnen bie Erhaltung
des Friedens anbiete, einwilligen Fönnten P).
P5 Die
®) Thue. I. 139. Plut. ]. e. 650:52.
°s, Ib
+) I 144 Thuc. Diodor XIT. 503.505. und Plutarch 1,
647. fq. in Pericle ſchweigen nicht nur ganz von der
wahren Urſache des Deloponneflihen Krieges, und ver:
wedfeln nicht nur bie Urſachen und Weranlaffungen
oder die Vorwaͤnde, unter welchen die Lakedaͤmonier ihm,
anfingen; fondern fie waͤlzen auch auf die Verlaͤum⸗
dungen einiger Komiker, oder bie Erzählungen einiger
uͤbelgeſinnten Gefchichefehreiber bie ganze Schuld von
alle dem Ungläd, in welches Griechenland durch den
Peloponneſiſchen Krieg geftärze wurde, auf eine folche
Art auf den Perikles, daß ein jeder fieht, baß keiner
von ihnen fih die Mühe gegeben habe, die Aächteften
Urkunden zu Rathe zu ziehen, und über das, mas flo
⸗
ſchrie⸗
⸗
234° Sicbentes Buch. Erſtes Eapitel,.
Die Erbitterung dee Spartaner wider bie Athe⸗
nienfer,, und ber (Eifer befonders ber jüngern Dürge
kaciden, — — Feder — beib,
da er ⸗ am mie ur unbeſtech⸗
fi —æã
dieſe Stadt, und alſo auch des Peloponnefiigen Krie:
ges geweſen ſey. Thukydides erwehnt dieſer Geruͤchte
ader Vorwuͤrfe an allen ben Stellen, wo er von ben
Urfachen und Veranlaffungen des Krieges redet, I. 23,
' 387. 139. nicht mir einem einzigen Worte, und die⸗
Stillſchweigen allein würde ben: Perikles ſchen Kinläng-
on - . lich
Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges.
mir den fegtern zu kriegen, -war fo groß, daß fie 8
wider ihren eigenthümlichen Charafter, in welchen fa
ſemkeit in Entſchließungen, und Bedächtliehfeit und V
ſicht in Der Ausführung von Entwürfen die Haupt;
ausmachten.”), den Frieden mit dem maͤchtigſten ©
chiſchen Bolfe aufboben, ohne ſich einmal zu beſinn
eb fie auch gehörig zum Kriege vorbereitet und gerü
wären ). Zwar haften die fafebämonier außer ei
jahlreichen geübten und muthlgen Augend F) noch:
DBölfer. des "Peloponnes, die Argiver und Achäer aut
nommen, ferıer Die Boͤotier, Lokrier, Phocenſer, 9
zarenſer n Amprafloter N tenfadier und Anaftorier
ihrer Seite, und konnten alfo auch eine viel gebt
landmacht aufbringen, als die Achenienfer; allein
lich vechtfertigen, wenn fein edler Gegner ihm «
nicht das rühmliche Zeugniß gäbe, daß er bloß in
Höfe die Würde und Unabhängigkeit des Athenie
hen Staats zu behaupten, feinen Mitbuͤrgern 6
then Habe, den Forderungen ber Spartaner niche n
ingeben,, und daß er weit davon entfernt geweſen
das allgemeine Hefte Beinen perſoͤnlichen Vorthe
- oder Zeindfeeligkeiten aufzuopfern I. 239; IE, 65. TI
Wenn Plutarch und Diodor nicht lieber unwahrſch
lichen Erdichtungen von Komikern nachgejagt, als
wahren Triebfedern von Begebenheiten aufgeſucht
ten, fo wuͤrden auch fid leicht Haben bemerken koͤn
daß Perikles ohne Erdichtungen und Verläumbung
Urheber des Peloponneflihen Kyrieges genannt. we
inne, weil er nämlich den Athenienſern alle die
ternehmungen und Maaßregeln angegeben hatte,
durch ihte Macht den Griechen fo furchtbar, und
Herrſchafft den Bundesgenoſſen fo beſchwe
wurbde.
—2 Thac. I. 70 & go & fa.
i
)1L79.87. |
14.9. VIL 57. Thue, “ \
“N
.P ’
236 Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
‚ hatten keine Feſtungen, womit fie ben Feind ätten auf⸗
halten, keine Schaͤze, womit ſie den Krieg in der Länge
fortſezen, keine Flotten, womit ſie ihre Ufer decken,
und die Athenlenſer an ihren ſchwaͤchſten und empfinds
fichften Theilen, naͤmlich in den Inſeln, aus denen fie
ihre Reichthuͤmer zogen, tzaͤrten angreifen koͤnnen *).
Die Athenienſer Bingegen durften *”) es frenlich nicht
wagen, ben Spartanern und ihren Bundesgenoffen im
fregen Zelde die Spize zu bieten, oder es auf eine ent,
jeldende Schlacht anfommen zu laflen, - vor welcher
—* ſeine Mitbuͤrger noch vor dem Anfange des
Krieges warnete; auch konnten fie ihre Gärten, Felder
und Landguͤter nicht bor feindlichen Ueberfaͤllen und Ver⸗
heerungen ſchuͤzen; allein ſie bewohnten auf ber andern
Seite eine Stabt, bie ber groͤßten Heersmacht unuͤber⸗
windlich war, herrſchten über bie Inſeln, den Helleſpont
und das ganze Griechiſche Aſien, und hatten uͤberdem
noch mächtige Bundesgenoſſen, unter denen die Korky⸗
raͤer die wichtigſten waren 7). Sie beſaßen bie erfah⸗
venften Seeleute, und bie furchtbarſten Flotten, mit
“ welchen fie die vereinigte Seemacht aller übrigen Gries
hifchen Städte fchlagen, die ihnen unterthänigen Voͤl⸗
fer Im Zaume halten, und ihre Feinde, warn und wo
fie wollten, mit Sicherheit anfallen Eonnten Fr). End»
lich Hatten fie Einfünfte, mit welchen fie auch ohne ven
unermeglichen Schaz von mehr als fechs Laufend Talen⸗
Ä ten,
LU LU 77] 7
*) Mit diefen Vorftellungen ſuchte Archldamus, Kinis in
Sparta, feine Mitbürger von bet übereilsen Brechung
des Friedens abzuhalten; und mit eben biefen Gründen
muntette Perikles die Athenienſer zum Kriege mit den
Lafedämontiern auf. I. 80. 140. Thue.
*®) Pericles ap. Thue. I. 140, '
+) Thuc. II, 9.
Th IL 13. Xenoph. Auab, II, lib, p. 383.-
Geſchichte des Peloponnefifchen Krieges. 237
ten, den fie gefammier hatten, den langwlerigſten Krieg .
führen zu können [chlenen, und unterhielten ein zahleels :
ches Heer, mit weichen fie ihre Schiffe hinlänglich ber
fegen und ihre Feſtungen vercheibigen konnten. Wenn
man nun bie tage der Spartaner und Athenlenſer beym
Anfange des Krieges mit einander vergleicht, und bie
Nachrheile und Bortheile beyder Staaten gegen einuns
der aufwiegt, fo muß es einem jeden auffallen ‚ daß der
Schluß der Spartaner, ohne Borbereitung einen
Krieg mit dem gerüfterftem Volke anzufangen, eben fo
übereife, als die Hoffnungen, welche Perikles den Athe⸗
nienfern won einem glüdlichen Bortgange ihrer Waffen
machte, gegründet waren, Der Erfolg entfprach ven
hoͤchſt wahrſcheinlichen Erwartungen viefes großen
Staatömannes nicht; allein daran war weder Mangel
von Klugheit in ihm, noch größere Weisheit in feinen
Seinden, fonbern unvorbergefchene Unfälle, am meiſten
aber die Thorheit und Kigennüzigfeir feiner Nachfolger
Schuld, die feine Maaßregeln verließen, und feinen
erften Grundſaͤzen entgegen handelten *). Thukydides
ſelbſt gefteht, daB eben der Krieg, der Athen zu Grunde
richtete, eine ganz andere Wendung würde genommen
haben, wenn entweder ‘Perifles am Leben, oder die ſpaͤ
teen Demagogen feinen Apjichten treu geblieben wäs
tn”). 2 |
Der eigentliche Unfang ober Ausbruch des Krie⸗
ges war die verrärheriiche Lleberrumpelung von Plataͤa
durch Die Thebaner,, die ader in diefer unbefonnenen Uns
ternehmung faft alle das teben verloren 7). Gleich nach
blefem Vorfalle zogen die Lakedaͤmonier ihre Huülfsvölker
Ä | gur
"1,65.
1b,
) Tiuelı.&le
. %
233 Gichented Buch. Erſtes Capitel.
wufemmen, roͤcten mit einer Heersmacht vom ſechtig
tauſend Weonn in Attika ein, und verwuͤſteten die Fel⸗
ver und Sandgäter der. Achenienſer bis fechzig Stadien
vor der Stadt *), bey welcher Beſchimpfung Perikles
fein ganzee Anfehen anwenden mufte, um die muchigen
jungen Achenienjer, bie noch nie einen auswärtigen Feind
fo nahe an den Thoren gefehen hatten, und die durch
den Anblic der brennenden Wohnungen ihrer Bäter
und Bürger aufs äußerfie erhizt wurden, von einem ges
- . fährlichen Ausfalle zurüd zu halten, Perikles raͤchte
ſich an den Feinden durch eine mächtige Flotte, Die er
wider fie ausfchickte, und woburd er das Gebiet ber
Spartaner und ihres Bundesgenoſſen mit eben fo weni⸗
ger Schonung, als die tafcbämenier in Actifa bevodefen
hatten, verheeren ließ **). '
On ven neun folgenden Jahren thaten die Spa |
taner faſt alle Sommer einen Einfall in Attika, und
die Athenienſer wagten gleichfalls Landungen im Pelopon⸗
nes, ohne daß es zwiſchen den beyden kriegenden Maͤch⸗
ten zu einem entſcheidenden Treffen gekemmen wäre.
Die Achenienfer eroberten zwar Potiväa wieder, nad)
dem ſie es einige Jahre belagert *°*) harten, ſchlugen
die Peloponnefter einigemalen ſowohl zur Eee T) ale ar
tonde TE), bezwangen Lesbos, Das von ihnen abgefallen
war FF), fezten fich ſelbſt im Spartaniſchen Gebiet,
in Pylos feft, von wannen fie igren Feind durch —
| U)
®) 11, 1820. Thuc. Plut, I. 657, in Perlele,
‘e., 11,20. 28. -
aus) Sm dritten Jahr des Krieges Thuc, I. 70, Diod.
AH. 510.
pn 83:98. Thue.
" Diod; XII. 523. Ol. 89. T. -
HR it. 36. 49. 50 Thuc. Diod. XI. 516. Olymp. 88. s.
Geſchichte des Peloponnefifchen Krieges. 239
horſiche Streifereyen beunruhigten, und am meiſten
turch die Aufnahme der Heloten, die Schaaremveiſe aus
heer Knechtſchafft eutflohen, Schaben zufägten *), und
nahmen endlich ap ber Soartaniſchen Kuͤſte auf der Ins
kl Spakteria nahe an drey hundert ber vornehmfien und .
@eiften tafebämonier gefangen ); ollein alle dieſe Vor⸗
theile wurden durch viel groͤßere Machtheile Äberwogen,
vie ihnen aber nicht ſowohl von Feinden, ala durch Zus
fall oder vielmehr durch die teitungen der Vorſehung zu»
gefügt wurden. Sie muſten ſchon in ben ‚vier erfien
Jahren Des Krieges in den koſtbaren Ausräftungen, die
fie machten, und in den entfernten Kriegszägen , die fie
unternahzmen, alle die Reichthuͤmer verſchwenden, wel
che Derikies erfpart hatte ꝰꝰ). &ie verloren außer den
Städten, vie Prafidas ihnen in Thracien wegnahm
oder abwenbig machte T), noch die beyden größten
Schlachten, die in den zehn erften Jahren des. Krieges
geliefert wurden, eine ben Dellum gegen die Boͤotier PP),
‘und cine andere ben Amphipelis gegen die Lakedaͤmo⸗
niee FF). Zulest buͤßten fie außer der Mannfchafft,
die
———————— ————
in
©) Thuc. IV. 4. & fa. in 7 Jahren bes Krieges.
©*) IV, 38. Thue. & go. Diefer Zufall fezte ganz Gries
chenland in Erflannen. .
“m I. 17. Thue. Die Belagerung von Potidaͤa allein for
2000 Zalente. Thue. Il. 70. Wofür Dioder uns
richtig aur die Haͤlfte angibt. p. sog. XII, Sie muften
einem jeden Soldaten, ber vor Potidaͤa und auf ihrer
Flotte diente, taͤglich zwey Drachmen geben, -wahr:
(peinlich deßwegen, weil junge Leute durch die Seuche
fhon ſelten geworden waren, und elen biefe Seuche
den Kriegsbienft unter den Arhenienfern fo gefaͤhrlich
machte. IU. 170.
H W. so. Thur. ; \
+) IV. ati. Thue. Xil. 537. Diod. ad OT, 89. 1.
44H) V,11.&e Thoe. Diödor. XII. 590. Olymp. 89. 3
’ }
S
240 Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
pie diefe beyden Schlachten ihnen Fofteten, durch die
fehredfliche Seuche, die ſchon im zweyten Fahre te
Krieges ausbrach, und bis Ins fünfte fortdauerte, Über
vier faufend ſchwer bewaffnete Krieger, über drey hun
dert dee angefehenften Bürger, die zu Pferde dienten
und uͤber zehn tauſend aus dem Volke ein *). Gewiß
aber würde Athen den Verluſt feiner Schaͤze und der
Hälfte feinee Einwohner nicht fo fehr gefühte haben,
wenn die verzehrende Krankheit dieſer Stadt nicht auch
den erſten ihrer Buͤrger, der allein ſtark genug mar,
des wanfende zerrüttete Staatsſchiff in gefährlichen
Stuͤrmen zu regieren, id). meyne den Perifles, ſchon
im dritten Jahre des Krieges entriffen hätte *°).
4
*) Thuc. If. 17. 48-52. M. 87. Diod. XII, 508. if.
517. 18. Plut, in Per. 1. 660, .
"a, L.c. In der Beſchreibung des Urſprungs und ber Ur
‚ den der Seuche weiche Diodor auf mannichfaltige Ar
‚ten vom Thukydides ab. Lezterer erzähle IL 47.48.
daß diefe Peftilenz der Sage nach von Aethiopien aus.
gegangen fey, fih dann über Aegypten, Lpbien, UN
.2.. ben größten Theil der dein Perfifchen Sceprer unter
worfenen Länder verbreitet babe, und endlich nah ver—
fHiedenen Drten von Griechenland, und zulett ‚ud
nad Athen gekommen fey, vo fie ſich zuerſt im Pirdns
gezeigt habe. Merkwuͤrdig iſt es, daß eben diefer ©
ſchichtſchreiber Hinzufegt, daß das Jabr, in welchen N
zuerft ausgebrochen, in Aufehung aller andern Arten
von Krankheiten, eins der gefundeften geweſen MM
und daß alle Übrige Unpaͤßlichkeiten, die jemanden IV
geſtoßen wären, fich in die auſteckende Seuche verwen
delt Hätten. — Von alle diefem fast Diodor eK
der gar nichts, oder gerade das Gegentheil. Ab
die Haupturſache des Uebels gibe er Die Anhan⸗
fung den Menſchen in Athen vor dem Einfall der Pel
ponneſier in, Attika, und das Zuſammenpocin
Seſchichte des Peloponnefifchen Krieges. 241
Das abwechfelnde Gluͤck, welches bie Fämpfenden |
Mächte Bisher erfahren Hatten, und felbft- die Dauer
j | Des
Menihen, die iin freyer Luftrgu leben und gu arbeiten
gewohnt waren, in Meine oder ungefünde Wohnungen
an, Man fehe auch Plutarch I. 660 Dieſe Eins
raͤnkung vieler Menſchen in Eleine enge Räume ifk
lich nicht erdichtet. Denn Thukydides ſelbſt berich-
set, daß nur wenige von denen, die ſich vom Lande in
bie Stade gezogen hätten, bey Ihren Freunden ‚oder
Berwandten untetgekommen wären: IT, 17. Daß die
meiſten fi in Tempeln und Tapellen, oder in den
men der Stadtmauern aufgehalten, über daB fie
au kleine Hütten im Piräus fowohl, als in der
itſtadt, und fo gar auf den langen Mauern erbaut
Härten; allein dies Beyſammenwohnen fo vieler Men⸗
ſchen in engen Hlägen war nicht die Urfache der Entſte⸗
bung der Krankheit, fondern nur eine Urſache, daß fie
in Arhen länger und heftiger, als in irgend einem ans
dern Theile von Griechenland wuͤthete. ' Die übrigen
Zrfachen, die Diodor aufzähle, find eben fo erdichter, -
„der mit den Nachrichten des Thukydides eben fo ſehr
im Widerſpruch, als die eben angefuͤhrte. Der Wins
. zer vor dem Ausbruch der Krankheit fey, fadt er p. 518,
ungewoͤhnlich feucht geweſen, woher viele Sümpfe und
.. Moraͤſte entſtanden, -welche die Luft In dem folgenven
ebenmaͤßig heißen Sommer verpefter und mit faulenden
Duͤnſten angefüle haͤtten. Dutch bie heftigen Reger,
bie vorhergegangen, ſeyen Auch die Fruͤchte bes Feldes‘
verdorben und zu waͤſſericht geworden, welche Verdor⸗
benheit (die ſich aber mit der Hefiigen Hitze des Gom⸗
mers nicht gut reimen laͤßt) den Coͤrpern der Menſchen
geſchadet haͤtte — Alle bieſe Anmerkungen des Dlo⸗
dor halte ich fuͤr Vermuthungen, welche Ephorus oder
Zheopomp uͤber die Seuche anſtellten, weil fie enwer .
der den Thukydides nice machgefeher harten, uder es '
was anderes ale dieſer Geſchichtſchreiber fagen wollten,
Zweyter Band. >)
’
des Krjeges, "der ſich wider aller Vermuthen in die
Wilien fie den Krieg angefangen, ode die fie einandet
wiß ſchon mehrere Jahre froͤher geſchloſſen worden IN,
wenn nicht Braſidas, ein junger Spart aniſchet 3
9m ıtre
\
}
243°. Siebentes Huch), Erſtes Capita.
Ange g09 ,. machte bie Gemuͤther ſowohl ber Arhenienjer
als der Spartaner in gleichem Grabe zum Frieden ger
neigt. Binde Partheyen hatten die Unfälle, vom denen
fie betroffen worden noaren , weit tiefer als bie gemonner
nen Vortheile gefühlt, und beyde fürchteten auch be
der Forefezung des Krieges mehr. von ber Zufunft, ol
fie davon Hoffen zu konnen glaubten. Die Achenienfe
und Spartener ſchloſſen daber ") einen Trieben, in wel
chem fie ſich faft alle Die Rechte zugeſtanden, und alt
Die Plaͤze wieder aus zuliefern verſprachen, um welchet
abgenommen hatten **). Ein ſolcher Friede wuͤrde gr
und Kleon, ein Ithenienſiſcher Demagog, die Ausſd
nung der beyden Voͤlker gehindert häcten. . Der erltet
ger mit Spartaniichem Muche Athenienſiſches Feut
werband, harte ſich bey Methone eeey, Pylost)) beſo
ders aber durch die Klugheit und Tapferkeit, womite
den Athenienfern viele Städte in Thracien mit Ge
bgenommen, oder duch Borftellungen abmendig f
macht hatte, einen glänzenden Ruhm erworben, UN
hoffte bey der Fortſezung des Krieges immer Det tor
ven zu fammien f). Kleon hingegen hatte ſich bie
immer dem Frieden widerſegt, weit er überzeugt mil
daß mit ihm das ganze Anfehen, in welchem er Ko
| Ä )
— — —
——
2) Wiewohl Die legten ohne den Beytritt der machtigſe
u’ FE ‚ ber Boeorier und Korinthiet.
‚89. 3. Diod, XII. 530. ‚18.
es) I, 25. Thuc, 530. & Thut, V.18.
+5 Thue. V. 11. 12. & ſq.
Nr
\,,
Geſchichte des Peloponneſſchen Kiieges. 24)
Athenienfifchen Bolfe ftand, verloren heben wuͤrde 9. |
Er war nämlich dem Perikles als Nachgeber und Redner
zes Volks gefolgt, ohne eine einzige von den außeror- .
tentlichen Gaben und Tugenden zu befijen, wodurch
biefer große Mann das uͤbermuͤthige Achenienfifche Bolt
im Zaume gehalteri, und feine Vaterſtadt über alle Übrige
Staͤdte Briechenlandes erhoben hatte. Kleons Seele
war eben fo Elein, als feine Geburt niedrig, und feine..
Handthierung ſchmuzig war; und er gewann bie Gunft
des Volks nicht einmal durch eine hinreißende ober ein:
nehmende Berebfamfeit; bie er ben dem fchlechtefien '
Herzen und einem eingefchränften Kopfe hätte erwerben
fonnen, fondern durch eine unverfchämte Geſchwaͤzigkeit,
durch nieverteächtige Schmeichelegen, burch Fühne B.:
khimpfungen und DBerläumdungen der vornehmſten
Staatsmaͤnner und Heerführer **), endlich durch pöbel.
bafte Schwägfe, welche nur ſolche Menſchen, die ihm
aͤhnlich waren, ergözen und zum Lachen reisen Fondten,
Er tar der erfte in Achen, der den Öffenclichen Nedner-
huhl durch Poſſen und theatralifehe Geſtikulationen ent
—
—
chete f), der die Nathgeber des Volks⸗zu elenden Juftig- .
Da
. Machern
/
%) Ib. & IV. 23 & 132 €.
J
°”) Eine lebhafte Schilderung bes Kleon und bet ſchaͤndll—
nfte, die er brauchte, ſehe man be
ie v. 45⸗ — 717% En eaphi
P Kos rTov E71 78 Bnuœros xoGMov VERY, x—
Meatos Er To Onmoyogen Avakgayav, wos re
eo matas To imarıon, ——— —
xe⸗ deous pero TE Aeyav ua KENTaUErOS,
iin uni =
av oAiyov vseebv AWAYTa Tb MeRYUaTa duv-
WEBTV EUGEOBRV , bb oAYweıcv Ta BER ov-
vos evemomce Tas, MoAstevopevois. Plut, HI,
p- 953. 354. .
244 Siebentes Buch, Erſtes Capitel.
machern herabwuͤrdigte, und das Athenienſiſche Bolt
daran gewoͤhnte, die wichtigſten Angelegenheiten mit
eben dem teichefinn, wie die Streitigfeiten von Richtern,
öber die Zänferegen von Schauſpielern zu behandeln,
und in bie feierlichen Verſammlungen des Volks mit
‚eben den Abſichten zu fommen, mit welchen fie Das
Theater Gefuchten: m nämlich auf Unfoften anderer zu
tachen und ·ſich juſtig zu machen. Well er weder Faͤhig⸗
keit zu großen Geſchaͤfften noch Eifer für das allgemeine
Befte harte, ſondern einzig und allein darnach ſtrebte,
die Gunſt des Wöbeld zu gewinnen, und die Thorheit
deffelben zu feinem Dortheile zu nuzen 2)3 fo hielt er vie
chenienfer oft von ben heilſamſten Entſchließungen zu⸗
ruͤck ), oder verleitete fie auch zu den unbeſonnenſten
und graufamiten Anfchlägen }), Weiler fich feiner eis
genen Nichtswuͤrdigkeit bewuſt war, und gar wohl er⸗
fannte, daß er von den Achenienfern eben fo ſehr ver
achtet würde, als er fie bisweilen zu foppen ſich unters
ftand 71) fo widerſezte er fi) nie mit Ernſt den Geſin⸗
| \ | - nungen
s
p) Plut. 11. 339: 352. & Thue. Il. ec,
*)
: u —— — — r >
So hinderre er einmal den Frieden, den die Spartaner
der Arhenienfern — Thue. IV. 22.. -
4) Er verführte die At henienfer, den Waffenftififta
drechen, den fie mit den eokenern Betten par
ten IV. 122. und’ beredere fie, daß fie. alle männliche
Einwohner von Mitylene umbringen, "und ihre Weis
Ber und Toͤchter als Sclaven verkaufen laffen moͤchten:
ein Sans , ben ge aber Fr wieder berenten, und
gleich am zweyten Tage, nachdem fie ihr sten,
u re aufgoben., IH. 36. 49. fie ih | gefaßt hatten,
4p) Er rief einftens die Arhenienfer auf einen gewiſſen Tag
zufammen, m über wichtige Sachen zu rathſchlagen.
Ddas ganze Bolt verfammiere ſich zus beſtimmten
Bunde), und wartete eine ganze Beltlang vergebens
Ä oo. auf
r
⸗
Geſchichte des Peloponnefifchen Krieges. 245
mungen ber Athenienſer (melches fie von feiner Zeit an
auch immer weniger bulderen, und bald für ein Berbres
chen zu holten anfingen) und. bewarb fich auch nicht um
große und gefährliche Würden und Ehtenftellen,, die er
nie würde erhalten haben, wenn nicht die Achenienfer in
einem Anfalle von halb verdrießglicher, Halb muthwilliger.
kzune, worinn er. fie durch feinem Aberwiz verfezt hatte, ’
ihm wider feinen Willen eine Pefehlshaberftelle aufges
rungen hätten, um ihn für feine tolltühne Pralereyen
zu ſtrafen *). So wie er das Betragen alter gluͤckli⸗
chen ſowohl als unglücklichen Feldherren, die ihn nicht
erfauft harten , ohne Ausnahme durchzog; fü. warf er
auch denen, welchen die Belagerung dee Spartaner auf
ber Inſel Sphafteria aufgetragen war, entiweber Mans
gel von Muth und Berriebfaomfeit, "oder gar heimliche
Berbindungen mit den Feinden vor. Es muͤſte, ſchrie
er, ein beichtes ſeyn, ſich einer Handvoll von Sparta⸗
nern zu bemaͤchtigen, wenn man ihnen qur mit einer gut
ausgeruͤſteten Flotte nachdruͤcklich zu Leibe ginge. Er.
ſelbſt wolle fich anheifcdyig machen , dig Inſel in zwanzig
Togen gubezwingen, wenn das. Volk ihm fo viele Schiffe
und Mannſchafft geben wolle,. als er fordern würde,
Kaum hatte Kleon diefe praleriſche Erflärung vorge
bracht, als die Achenienfer den Mifins baten, feine Des
fehlshaberſtelle niederzufegen,, und ‚gleich mit Ungeſtuͤm
a
23
auf feinen Demagegen, bis endlich Kleon feſtlich Bes
eraͤnzt erſchien, und die ganze Berfammhung Bat, die
Berathſchlagung auf den folgenden Tag auszuſezen,
weil er heute den Goͤttern geopfert habe und Gaſtfreun⸗
de bewirthen wolle. Die Athenienſer lachten uͤber die
Unverſchaͤmtheit des Mannes, und gingen vun au,
‚einander. Plut. p. 352,
) WV. VI. a8. Thuc. Plut. II, 359. io Nice,
. .
.r
Ed
“, seirflich zu ihm gefaße hatten.“ (Er übernahın dat
ſie den Athenienſern in Tpracien abgenommen hatten 3
246 Siebentes Beh. Erſtes Capitel.
in den Kleon drangen, daß er dieſe Stelle annehmen
möchte. ‘Der betroffene Demagog, der diefe Wendung
der Sache gar nicht voraus gefehen hatte, fuchte zwar
diefen Auitrag unter allerley Vorwaͤnden von fid) abjur
lehnen; allein er mufte endlich dem Willen des lachenden
. Pöbels nachgeben, „und bie Unternehmung, bie er ſo
leicht befchrieben hatte, mwirflicy antreten, Die Arte
nienfer glaubten allgemein, daß er auf diefem Zuge um
kommen würde; zu feinem eigenen und der Achenieniet
Verderben aber war er glücklicher, als er felbft ober ſonſt
“ jemand gehofft harte. Er nahm in Eurzer Zeit die Anik
Sphafteria weg, und führte noch innerhalb der zmanyis
Tage, die er zu biefer Unternehmung beftimme hatte
die gefangenen Spartaner nad) Achen Hin. :Dieferum
erwartet glücliche Streich flößte dem aufgeblaſenen
Schwaͤzer noch mehr Kuͤhnheit und Zurranen zu Ih
felbit ein, als die mit ihm ausgefohnten Athenienſet
bald nachher die Führung eines Achentenfifchen Herd in
Thraeien, wo er aber ben Amphipolis feine Unwiſſenheil
mit demichen, und die Athenienſer das blinde, Zutrauen,
was fie in ihm gefezt hatten, mit einem anfehnlicyen Ben
luſte ihrer tapferften Mitbuͤrger bügen muſten *),
So fehnlich die Spartaner den Frieden gen
harten, fo werig-zeigten fie fid), nachdem er gefchlof
‘war, geneigt, die gemachten Bebingungen zu erfüllen,
Sie nörhigeen ihre Bundesgenoſſen nicht, wie fie ve
ſprochen h.tten; dem Friedensfchlufle beyzutreten, und lie
ferten auch unter alleriey Vorwand die Pläze nicht auf, de
————
—— —
u, V. Thue. e. 11.
" #9) Thue. V. 35. 4%
Seſchichte dee Pelopgnnefifchen Rip 247
Die Athenlenſer weigerten fi ch daher auch ‚ben Safebäe
mnoniern Pylos wieder zu geben, und faßten auf Anſtif⸗
ten des Alkibiades, der den Spartanern auffäzig, war,
weil fie ihn beym lezten Frieden vernachläffige hatten, |
den Schluß, ſich mit den Argivern zu verbinden *).
Durch diefen Vorſaz wurden die Spartaner fo ſehr in
Furcht geſezt, daß ſie ſogleich Geſandten mit uneinge⸗
ſchraͤnkter Vollmacht nach Athen ſchickten, alle obwal⸗
tenden Streitigkeiten benzulegen, und einen daurenden
Frieden zu ſchließen **). Weil aber Alfibiades eben dieſe
Gefandten durch eine fehändliche Beträgerey ben Athe⸗
menſern ***) verdaͤchtig machte; fo ſchonten ſie der
Epartaner nicht weiter, und ſchloſſen ein Buͤndnißz mit.
ben Argivern }), das aber einige Jahre nachher durch
eine große Niederlage, welche die legrern.von den Spar⸗
tanern licten FT), wieder aufgehoben wurde. Die Arhes
nienfer und Spartaner hatten fich moch immer Feine
Krieg angefänbigt;, allein fie lebten doc) in einem zwey⸗
Da deu⸗
En —— — ———— —— 8 — ———— — ——
°%, Thue. V. 43, Bu: -
v.45.
we) Er ſagte, daß er die Athenienſer zu allem — was fe
wollten, bringen wollte, wenn fie nur in ber .offeniki»
dien Bolksverfammlung nichts von anumfhräufter
Vollmacht, die fle bey fih hätten, fanen wuͤrden.
Die Sefandten waren thöriht genug, dem Alkibiades
ju folgen, und nun warf er: vor den ohnedem ſchon
ifoebradten Athentenfern den Sparsänern nnd. ihren
Gefandten lauter als jemals vor, daß fie die Athenien⸗
fer nur. hinhalten und zulezt beträgen wollten. V. 45.
Diefer Verraͤtherey wegen kann man den Alfibiedes mit
groͤßerm Rechte den Urheber der Fortſezung, ale den
Perikles die Urſache des Anfange des p ſloponneſiſchen
Krieges nennen. 11. 26. Plut.
) V..47. Thue.
H) Ib. 75. c. & 8
U | u
248 Siebented Buch. Erſtes Capitel.
beutigen Mittelzuſtande, in welchem fie ſtets mißteaulfh
- waren, fich, wo ſie nur konnten, allen erfinnlichen Scha⸗
ben zufügten, und jeden Augenblick befürchten muſten,
daß fie von ihren Feinden ploͤzlich überfallen würden).
In diefer mißlichen tage wagten die Achenienfer fich
an eine Unternehmung, die ihren Untergang eben fo ſeht
befchleunigte, als fie unbefonnen angefangen wurde.
Sie ließen fich nämlidy von den Geſandten der Eyw
ftaner und teontiner, welche Bundesgenoffen der Stadt
- waren, am meiften aber durch. die Vorſtellungen dei
Alkibiades bewegen, eine mächtige Flotte wider die S
rafufaner,, oder vielmehr zur Bezwingung von ganz Si:
eilten auszuräften, nach welcher Inſel fie ſchon bey bb⸗
‚ seiten des Verifles getrachtet, die fie auch bald nach fer
nem Tode einmal mit ihren Schiffen berührt harten,
und nun in kurzer Zeit ſich zu unterwerfen hofften *).
Alfibiades hatte fchon lange mit dem Nikias, den er wm
allen ˖ Seiten, nur nicht in Anfehung der Vorſicht und
Vaterlandsliebe übertraf, um die Gunft des Volks gr
buhlt, und ed war ihm endlich durch die ea
| 1
I
mungen U)
2) Die Athenienfer wurden allmaͤlich ihren Borſahten It
unaͤhnlich, als die Führer und Dachgeber, denen ft
folgten, dem Perikles ungleich toaten. Im vierten
Jahrse der 89 Ol. Äbten fie auf den Rath des Kleon an
den Skionaͤern, und im zweyten Jahr der gr auf den
Dach des Alkibiades an den Einwohnern von Melt
ine Grauſamkeit aus, die ihnen in allen nachfolgenden
Jahrhunderten von den Feinden ihres Namens vorg®
worfen wurde. Nachdem fie mämlich beyde Inſeln er⸗
vobert hatten, toͤdteten fie alle wehrhafte Maͤnner, di
fie vorfanden, und verkauften Weiber und Kinder ad
&claven. Thue, IV. 123. V. 116, Diod, Xll, 53%
535." |
®®) jI, Plut, p. 92. in Alelb, VT, y. 15. Thue, Died, All
514. 1d 01,98, 2. XII, 543. ad ol. 91.2.
a Du Je
Geſchichte bed Peloponneſiſchen Krieges. 249
Thaten, bie er unter dem Phormio in Thracien gerhan,
burch die glücklichen Unterhandlungen mit den —*
und andern Staͤdten des Peloponnes, am meiſten aber
durch Die Menge feiner. Nennpferde und Mennwagen,
und durch die erflaunliche Pracht, womit er bey Olym⸗
yia erſchienen war, geglückt ”), ein entſchiedenes Lies
+
bergewicht über feinen Mebenbupler zuerhalten. Natur -
und Gluͤck Hatten über diefen ihren tiebling ihre herrlich»
ften Gaben mit fo verfchwenverifchen Händen ansgefchäts
tet, daß alle feine Zeitgenoffen von feiner erften Kind⸗
beit aus Ihm den erften "Bürger von Athen, oder einen
Mann weißagten, der feiner Vaterſtadt dereinft großes
Heil, oder großes Unglüct bringen würde, Er flammte
aus einem der äkteften, ebeiften, und reichiten Geſchlech⸗
ter in Achen ab, welchem die Athenienfer vorzüglid) die
Austreibung der Pififtratiden zu verdanken hatten, und
verband fich wiederum durch die Dermählung mit der
Tochter des reichen Kalllas mic einem andern eben fo
vornehmen Hauſe ꝰ7). Kein anderer Achenienfifcher
oder Griechiſcher Füngling fam ihm an Schönheit,
Etärfe, perſonlicher Tapferfeit und Beredſamkeit
gleich F), und er war fo unwiderſtehlich liebenswuͤrdig,
daß er ſelbſt feinen Feinden und Neidern wider ihren -
Milln ihte Herzen entriß, fo bald fie ihn nur fahen, -
oder mit ihm redeten 7). Seine Natur mar ſo ers
ſtaunlich biegfam , oder in ihm waren fo viele entgegen
gefezte Naturen vereinigt, daß er mit Ablegung aller.
Arifhen Eigenthuͤmlichkeiten, welche Erziehung und
Gewohnheit in ihn bineingenirt baten, fih, wann .
er
Runge
®%) Thuc, & Plut. L. e.
®*) Ifocr, 11. 431. Demofthenes p, 405.
4) 1. te, & Plut, II, 18,
m ıibp.48
250 | Siebentes Buch, Erſtes Capitel.
er wollte, in einen rohen Thracker, oder in einen ſchwel⸗
geriſchen, prachtliebenden Perſer, oder in einen harten
Spartaner, oder in einen weibifchen Jonier umfchaffen
fonnte °). Mit diefen gußerordentlichen Borzügen
vereinigte Alkibiades eine geroiffe jugendliche Freymürhige
feit und Offenheit, die alle feine Ausfchweifungen weni⸗
ger ftrafbar und feine Berbrechen ſelbſt In den Augen
des Volks als verzeihliche Jugendſuͤnden erfcheinen
machte, Hiezu Famen noch die herrlichiten Anlagen uf
Tugend, wodurch er zu allem, was größ und erhaben
ift , fähig gemacht wurde, und ein zweyter Perikles ge:
worden wäre, wenn er dee Stimme des Sokrates Ge⸗
hör gegeben Härte ”*). Allein fo große Gewalt dieſer
Arhenienfifche Weiſe eine Zeitlang über feinen Zögling
hatte, und fo fehr er auch im den Jahren feiner under
porbenen Jugend von ihm verehrt wurde; fo konnte er
ihr doch nicht in feinen veifern Alcer feft halten, und
hen Strom der allgemeinen Sitrenverderbnig nicht
rechen, der unter allen Zeitgenoffen gerade mit bet
größten Heftigkelt auf den Alfibiades-eindrang, und die
fen mit unzähligen andern in's Verderben dahin tif 1).
Berruchte Keufchheirsfchänber zerrücterem nicht mur fer
nen Eörperund feine Unſchuld, fondern auch feine ſchoͤ⸗
ne Seele, und kehrten nicht nur feine Schwachheiten,
Tondern aud) fo gar feine Tugenden in bie gemalt
en
N
[4
nad
U 0 |}
|— -
#) Plut. p. 45. & Athen. XII. 9.
ve) Plut. II. 9:13. auf welche Stelle ich unten wieder zuräd
‚fommen. werde, .
H Xenopb, Memorab. Soer. ec. 2. p. 12:15. Ve
ſonders fefe man bie Schilderung eines verdorbenen
Buͤrgers in einer unumfhränften Demokratie, bey de
en Entwerfung Plato gewiß den Alkibiades im Sinne
hatte. de Rep. Vill, 200, 202.
Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 251
fim Safter um *). Seine Begierde nad) ruhmbvollen
Thaten, die Sokrates ihm eingeflößt harte, entzünderen
fe bis zu einem unbegrängten Ehrgeize *T), und feine
Einnlichfeit, die Sofrates unterdrückt und im Zaum
gehalten hatte, fachten fie bis zur ungeheuerften Pracht .
liebe, Schwelgerey und tieverlichfeit an. Die nieder
traͤchtigen Schmeicheleyen , wodurch fie ihn uͤber die ehr⸗
wuͤrdigſten Retter und Vergroͤßerer feines Vaterlandes
wegſezten, erzeugten in ihm den ungluͤcklichen Wahn,
doß er alles, was er nur wuͤnſche und träume, ohne,
Mühe ausführen und erlangen koͤnne, daß er über alle
Geſeze erhaben fen, und fie ungefcheut und ungeftraff
übertreten, daß er alle feine Mitbürger, felbft die ver⸗
bienseften, nach feinen Saunen mißhandeln, daß er die
Schaͤze und Koftbarfeiten von Achen als fein Eigenthum
nuzen, und die ganze Macht des Staats als ein Werks
wug feiner Größe brauchen Ehnne.***), Auf diefe Arc
wurde Alfibiades ber gewaltſamſte, üppigfte, und uns
moͤßigſte unter ven Arhenienfern }), und verbarb bie
Eitten der Jugend durch fein verführerifches Beyſpiel
—* mehr, als er von andern war verdorben wor⸗
den Tr). . "
Diefer wilde und von Ehrgeiz brennende junge
Mann wandte alle Macht der Beredſamkeit und ſelbſt
j ”- des
ö——— —
-
[U 0
4
°) 1b,
“) Das ſehe def. Plato in Alcib, prim, p, 215. Ed, Bf.
r,
*) Man fehe meine Abhandlung Über den Luxus der Athes
nienſet, und befonderg Andocydis orat, IV, 397:
08,
1) Xonanh, ll. cc,
+) Man jehe meine eben angeführte Abhandlung und Ande«' .
kydes S. 311. z
| a5 Siebented Buch, Erſtes Capitel.
des Aberglaubens *) an, bie Athenienſer zu einer U
ternehmung zu bewegen, in welcher er ſich ſelbſt hervo
shun, die Luͤcken, die durch unfinnige Verſchwe
dung in ſeinem Vermoͤgen vntſtanden waren, wied
aus fuͤllen, und neue Schaͤze zur Fortſezung feiner meh
als königlichen Pracht fammien fonnte **) Er erhizt
die Einbildungsfraft feiner Mitbürger fo fehr, Daß man
‚ allenchalben in den Gymnaſſen und öffenelichen Plaͤzen
Ber Stade nicht bloß Juͤnglinge, ſondern auch Männer
und Sreife fah, die im Sande die Geſtalt und tage von
Sicilien zeichneten, von welcher Inſel fie niche einmal
die wahre Größe Fannten"**). Sa fie blieben mic ihren
Wuͤnſchen nicht einmal auf Sieilien fliehen, ſondern fie
flogen nad) Africa und Carthago hinüber, welche fie
gleichfalls zu erobern hofften f). Vergebens tadelten
die weiſeſten Männer den Zug nach Sicilien als unge
wiß und gefährlih FF) Vergebens -fuchte Nikias die
Hoffnungen der Achenienfer Dadurd; niederzufchlagen,
- daß er ihuen die Große und Entfernung des Landes,
das fie angreifen wollten, die Macht und Menge bes
Städte und Voͤlker, mit denen fie zu Eriegen Haben wär
den, die Wehrloſigkeit und Erſchoͤpfung der Stadt, die
nothwendig daraus entſtehen müfte, eublich vie Gefah⸗
sen vorftellte, Die fie ben dem geringften Verluſte von
den feindfelig gefinnten Spartanern und ten nur aus
Zurcht gehorchenden Bundesgenoffen zu befuͤrchten haͤt⸗
ten.
U nd
rn —— —— ——? —
”) Er verbreitete erdichtete Goͤtterſpruoͤche, in welchen die
- "Athenienfer zur Eroberung von Eicilien ermuntert wur
den. Plus, 1, 365. in Nicie,
. 88) VJ, 9, Thu«,
a0) VL 1. Thuc, Plut, 11. 32. .
2) Ib. & Ifocr. 402. Die Carthaginenſer fürchteten fih
damals wirklich vor den Arhenienfern, Thuc. Vi. 340.
7) Plus, 11,33. Siehe auch llocr. 1, «,
[4
En GE Da _
| Geſchichte bes Peloponneſiſchen Krieges. 853
im). Die Achentenfer hörten die Gruͤnde dieſes Red⸗
ms, dem die Vornehmen nad) dem Tode bes Perikles
‚einem egenftreiter des Kleon und nachher des Us
‚fibiades erwaͤhlt hatten **), zwar mit Gelaſſenheit an,
neil fie von feiner Vaterlandsliebe und Nechefchaftenheit
iberzeugt, und ihm auch wegen feines beftändigen Gluͤcks
m Kriege und der Bereitwilligfeit, womit er fein gros
sed Berindgen zu Ihrem Vergnuͤgen verſchwendete, ges
wogen waren t); allein fie folgten feinem Rathe nicht,
weil fie ihn Für kleinmuͤthiger, fchwächer und gegen alle
‚große Entwürfe adgeneigter hielten, als er wirklich
war Fr). Selbſt die Größe der Forderungen, die er
machtey
——
mi
#) VI 9, Thuc, Einen abermaligen Beweis der Bemer⸗
fung: dab man ſich nicht immer auf die hiſtoriſchen
Facta in den Rednern verlaffen könne, und daB oft die
größten Schriftftelles der Griechen die größten Fehler
wider die Zeitrechnung, und feldft wider die Geſchichte
ihrer eignen Zeit machten; finde ich in der. Rede des
Iſokrates vom Frieden, In welcher er außer andern
Fehltritten der Archenienfer auch von ber Thorheit ihrer
Ausräftung wider Sicilien handelt, Die Thorheit un⸗
ſerer Väter, fagt er, ging fo weit, daß fie zu einer
Zeit, da ihre Felder vermäfter, und fie ſelbſt nicht eins
‚ mal Meifter ihrer Vorſtaͤdte waren, da ihre Feinde for
gar ſchon auf Attiſchem Boden eine Feſtung wider fie
angelegt hatten, daß fie da noch eine Flotte wider Si⸗
eilien ausruͤſteten, und nicht nur Diefe Inſel, fondern
auch Stalien und Carthago zu erobern hofften. I, 402.
U. — Des Einfall der Spartaner in Attika, und die.
- VBefeftigung von Dekelia fielen zwey Jahr fpäter, ale
die Ausfendung ber erſten Heersmacht wider Syrakus.
ss) 11], 337. Plut.
H Hl, 339. Elat.
47) Nitias war unſtreitig ein ſchwacher mittelmaͤßiger Kopf,
der dem Poſten, auf welchen ihn vorzuͤglich ſein Reich⸗
thum hinauf hob, nicht gewachſen, und zu großen Un-
re ter⸗
254
!
biſchem Schrecken die glädlichften Augenblicke zu han
machte, und deren Erfüllung er für unumgänglich noth⸗
wendig erklaͤrte ), ſchreckte die. Athenlenſer nicht von
ihrem Vorhaben ab, wie Nikias ſich vorgeſtellt hatte,
heit erweckt wurde. Plut. Hl. in ejus Vita p. 342.
N
—
Siebentes Buch Erſtes Capitel.
ſon⸗
ternehmungen durchaus untuͤchtig war; indem er vor
furchtſamer zaudernder Unentſchloſſenheit odet aberglaͤu⸗
deln voruͤbergehen ließ, und nur erſt in den dringendften
Gefahren und Nörhen zu einer gewiſſen thätigen Kühn
346. 360. bei. 376. ‚Er wandte faft eben fo viele Zeit
auf Opfern und auf die Erforſchung der Zukunft, als
auf feine häuslihen und öffentlichen Geſchaͤffte; und
von ben lezten unternahm. er keins, mern er nicht vor
ber einen Weißager (dergleichen er ſtets in feinem Haufe
unterhielt) gefragt hatte, und bie Götter auf feiner
Seite zu haben glaubte. Seine Schwäde war fo al;
gemein bekannt, dag fie von allen Sykophanten gemiß⸗
braucht wurde. Er gab-nämlich denen, die ihm ſcha⸗
‚den konnten, eben fo oft aus Furcht, als-denen, die
er liebte, aus freyer Zuneigung, und man ſagte daher
von ihm, daß feine Feinde in feiner Furchtſamkeit einen
eben fo fihern Fond, als feine Freunde in feiner Gute
hatien. Sein eingeſchraͤnkter Seift wurde von der Lu
der öffentlichen Angelenenheiten fo niedergedrädt, daß
er darüber alle SHeiterfeit und Zufriedenheit des Ge⸗
muͤthe und alle häusliche Freude verlor, daß er: weder
ruhig und vergriüge eſſen, noch ſchlafen, noch ba⸗
den, noch feine Freunde genießen konnte, Und zus
lege in ein finiteres mürrifhes Weſen verfiel, welches
die Arhenienfer am meiften beleidigte, weil ie das, was
bloße Wirkung der Serge oder des unglüdlicken Gr:
‚ müıhszuftandes diefes Miannes war, für ein Merkmal
feines Stolzes hielten. p. 360. Plut, Unzer allen dl:
tern Demazogen fürchtere fih, wie Plutarch erzähle
p. 338. 347. keiner to fehr vor dem Volke, als Nikias,
aber aud) Feiner wuſte durch vorfezlicke Merkmale einer
ſolchen Furcht das Zutrauen des Volks fo ſehr zu erlan-
gen und zu evhalten, als eben er. .
Thuc. Vi. 20, "
-r
Geſchichte des Peloponnefiſchen Krieges. 25 5
fonbern fchien vielmehr ihren Muth zu- befeitern. Sie
bewilligten ihn alles, was er verlange hatte, und er
nannten Ihn famt dem Alfibiades und famadyus, einem ’
stopfern und erfahrnen aber fehr armen Krieger *), zu
unimjchränften Felpherren mit dee Vollmacht, alles
mas zur befchloffenen Ausruͤſtung nörhig ſey, nach ih⸗
sem Gutduͤnken zu beforgen und anjufchaffen **).
Wenn man nur allein daran denft, daß die Athes
nienfer in dem lezten Kriege bloß durch Kranfheit wenig»
ſtens Die Hälfte ihrer Mitbürger verloren und ihren gans
in Schaz bis auf einen fleinen Reſt verbraucht hatten,
und dann mic diefen Umftänden alle die Gruͤnde verbin⸗
det, womit Nikias fie auf beflere Gedanken zu bringen
ſuchte; ſo ſollte man faſt glauben, daß die Athenienſer
von einer allgemeinen Raſerey befallen waren, als ſie ſo
hartnaͤckig auf ihrem Vorhaben Sicilien anzugreifen be⸗
harreten. So wenig aber dieſes Unternehmen ſich je⸗
mals ganz entſchuldigen läßt, fo war es doch nicht ganz
fo unfinnig, als es beym erften Anblicke ſcheint. In
den zehn oder eilf Jahren, die ſeit der Seuche verfloſſen
waren, hatte ſich die Stadt nicht nur ſo ſehr wieder be⸗
volkert, daß ed an jungen Kriegern nicht fehlte, ſondern
man hatte auch eben fo große oder noch groͤßere Schaͤze
geſammlet, und noch zablreichere Flotten gebaut ‚als
man beym Anfange des Peloponneſiſchen Krieges gehabt
hatte )). Denn weunn Andokydes den Wohlſtand der
Achenienfer vor der Unternehmung auf Sicillen nicht
übertrieb, fo harten fie mehr als 300 Kriegsfchiffe *
mehr
”) Er war fo arm, daß er den Athenienſern die geringſten
Kleidungsſtuͤcke, die er gebraucht hatte, in Rechnung
au dringen pflegte. 13. 372. Plut, ia Nicie.- - _
“*) Vi, 26. Thucyd, .
) Thuc. VB. 26. Andoe, Ort, 111, p. 269. 220. :
ll
256 Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
mehr als 7000 Talente im Schaze, und nahmen auch
von den Bundesgenoſſen zweymal ſo vlel als unter dem
Perikles, nämlich 1200 oder gar nahe am zweytauſend
I Talente ein ). Mit dieſer Macht und mit diefen Reich⸗
thümern fonnten fie frehlich nicht fo viel ausrichten, als
Alfibiades ihnen vorgepralt hatte; es war aber dad
auch gar nicht voraus gu fehen, daß fie fo große Nie
berfagen leiden würden, Als fie in ber Folge wirklich
litten. | .. |
Sobald ber Entſchluß den Egefkanern beyzuſtehen,
und die Syrakuſaner zu befriegen unwiederruflich gefaßt
war, fingen bee Staat ſowohl als afle einzelne Mirgfiv
ber deſſelben an, fich zu beſtreben, die Ausräftung fo
furchtbar und prächtig als möglich zu machen ®), Die
Achenienfer allein T) gaben außer den Transportſchiffen
Hundert dreyrudrichte Schiffe her, zu denen noch vier
und dreyßig andere von den Bundesgenoffen ſtießen. Die
Befehlshaber der Schiffe werteiferten mit einander, wel⸗
cher von ihnen fein Schiff mic den ſchoͤnſten Maplene
nn | u
|
2) Dies ſadt Ariſtophanes In Veſpis, v. 656, u.
'Kafo vers (v8 Does ud Fa roAemv) TATEN
XogsS, Ks TAS BONES ENETOSaS,
Ileuravsa, nero, ayopas, Auevas, Wer
5 GES ne ÖNMIOmEaTe
Zr Terov HÄNDE, FeAovr". ey'yus —X yr
vera num.
In eben dleſer Farce ſagt Ariſtophanes, daß chufend
Staͤdte den Athenienſern zinsbar waͤren, und daß
zwanzigtauſend Athenienſer wie in den Elyſiſchen ef:
ben leben koͤnnten, wenn eine jede Stadt nur'zwanjig
u ernähren auf fih nehmen wolle, v. 705. 1 fi
e“) VI. 24.31. Thucyd, - Be
1) Ib.& 4 oo
Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges, 257
und Vergoldunhen ausſchmuͤcken würde, fo wie die uͤbri⸗
gen Krieger ſich durch die Koſtbarkeit ihrer Waffen zu .
übertreffen ſuchten. Sowohl die Begierde fremde Länder
zu fehen, als Die Hoffnung fich durch Beute und durch
den hohen Sold zu bereichern, ben die Stade und die.
Schiffshauptleute verfprachen,, lockten aus Achen und
den übrigen Griechiſchen Staͤdten die fchönften und uns
ternehmendſten jungen teute zuſammen, und nicht nur
die ſchwer bewaffneten Krieger, ſondern auch die See⸗
kute, womit die Schiffe befezt waren, beftänden aus
den außgefuchteften Männern, die man jemals beyſam⸗
men gefeben hatte *). Die Flotte felbft war die ſchoͤnſte
und mächtigfie, die jemals aus einem Griechifchen Has
feu gu einer langwierigen Unternehmung ausgelaufen
war, und ihre Abfahrt, die mehr einem feierlichen Ge⸗
pränge , als einer Friegerifchen Ausruͤſtung aͤhnlich fahe,
feste die aus allen Theilen von Griechenland verfammles
ten Zuſchauer in ein eben fo großes, und ehrfurchtvolles
Erſtauen, old fie den Achenienfern das feitefte Zutram
en einflöfle, daß ſie als Siegeriun von Sieilleri und
Carthago in den Piräus zurückkehren würde.**), Die
ganze Seemacht langte nach einer ungeftörten Fahrt glück,
lich bey Rhegium und in der Nachbarſchafft von Sic.
ken an T). entbecften aber die Befehlshaber bald
Ä ie.
. ‚
nm» Gina CE EDER
®) Ib, Die Stadt gab den eigentlichen Soldaren wie den
Seelenten taͤglich eine Drachme, und die leztern erhiels
ven außer der anfehnlichen Belohnung, welche der Gtaat
ihnen reichen ließ, noch eine beträchtliche Zulage von den
Trierarchen, die dadurch ihren Eifer vermehren weile
ten. . F
ae) Thue. I. c. & Diod. XIII. 543. Ol. qu. 2.
) VL 44 | \
Zweyter Band, R
t
—
258 Siebentes Bnuch. Erſtes Capitel.
zur großen Verwunderung des Alkibiades bie Wahrheit
beflen, was Nikias immer geweißagt hatte, daß ſie durch
| glänzende, aber Icere Beriprechungen ihrer Bundesgenoß
fin, der Egeſtaner, wären betrogen werden *), &ie
fanden. nämlich weder in Egefta die Schoͤze, mit welchen
ihre Abgefandten geptalt harten, noch in den Siciliſchen
‚und Griechiſchen Städten die erwartete Pereihoilligfeit
den Achenienfern beyzutreten, Die leztern wurden allentı
halben, wahrfcheinlicy wegen des böfen Getuͤchts, das
fie ſich durch Ihre gewaltthaͤtige Herrſchafft über die Zr
“fein zugesogen harten, abgewiefen; hoͤchſtens erlauste
man ihnen, vor den verfehloffenen, Thoren Sebensmicl
einzufaufen, und ihre fürchterliche Flotte würde alt
nicht einmal einen fidyern Hafen oder Anferplaz in Ei
- . eillen gefunten haben, wenn fie fich nicht mehr durch
Bft und Gewalt als durch Ueberredung der Statt Ko
Arana bemächtlät und die Einwohner derſelben auf ihr
Seite gebracht hätten **). Unter dieſen Umſſaͤnden ein
gen die verlegenen Feldherren darüber zu Nach, was it
nunmehro am Beſten zu thun haͤtten 7). Niklas fimm
te dahin, daß man an die Belagerung von Syrakul
nicht weiter denfen,, fondern die (Egeftaner mit Site
oder Gewalt mit Ihren Feinden ausfühnen, und alsdann
an den übrigen Städten Siciliens hinſegeln. muͤſſe, v
ihnen die Macht des Achentenfijchen Volks, und ih
Sorgfalt für die Bundesgenoffen zu zeigen. tamahıl
hingegen hielt Dafür, doß man gerade auf Syrakus Io
‚ gehen, und dieſe Stadt zu einer Zeit; .da ſich noch !
der größten Beſtuͤrzung und ohne alle Vorbereitung w
\ eine
9,046 | .
\ ®*) VI, 5158, Thur,
» 47:99. Ib.
=
21
Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 259 |
einen ſolchen Angriff fen, mit der ganzen ungetheilten
und ungeſchwaͤchten Flotte überfallen muͤfſe Alkibiades
endlich erklaͤrte die Entſchlleßung bes Niklas für zu
ſchimpflich und bie des Lamachus für zu verwegen. Er
wor der Meynung, daß man ſowohl an die maͤchtigſten
Städte, als an die Barbaren in Siciiien Sefandten ab»
fhitm möffe, um ſich ihrer Sreundfchafft und einer
techlichen Zufuhr zu verfichern, und daß man alsdann,
wenn man diefe Zwecke erreicht haͤtte, mit deſto größe
ter Zuverſicht fich an Syrafus felbft wagen könne *).
Ungluͤcklicherweiſe wurden bie Rathſchlaͤge ber beyben
Altern und weifern Männer verworfen, und der verderb⸗
liche Entwurf des unerfahrnen Alkibiades angenommen
und ausgefuͤhrt. Dies erſte Jaudern war Urſache, daß
die Syrakuſaner ſich allmaͤlich von dem Schrecken er⸗
hohlten, den ihnen die Athenienſiſche Flotte eingejagt
hatte. Sie befeſtigten die Gemuͤther und Treue ihrer
Bundesgenoſſen und gewannen Zeit genug, ſolche Zuräs
ſtungen zu ihrer Vertheldigung zu machen, daß ſie ſich
vor einer gefährlichen Ueberrumpelung nicht mehr zu
fuͤcchten brauchten **).
Nicht lange nachdem bie Athenlenſiſchen Feſdherren
ſich über die Maaßregeln vereinigt hatten, nach welchen
fe den Krieg fortfuͤhren wollten, langte ein Schiff mie.
Borkbaffrern von Athen an, die dem Alfibiades im Na⸗
men des Volks den Befehl überreichten, mach Athen zus
rͤckzukchren, um fich von gemiffen Berbeechen zu reini⸗
jen, deren man ihn fchon vor feiner Abreife beſchuſdigt,
eren Unterfuchung aber u Volk bis and Ende der gan⸗
Ä an un
*) VI. 47-49:
“®) 24.63 c, Thue.
Br
“die Urheber des Verbrechens zu nennen.
ale Deftürzung , weil man die Verſtuͤmmelung fo vide
I
460 Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
that ſezte das ganze Volk in eine eben fo große Mur)
geheiligeen Denfmöler nicht nur als eine üble Vorbeden
tung des Ausgangs des ganzen Kriegs anfah, fondern
weil man damit auch, ohne bag man ſelbſt wuſte war
um, einen Anſchlag auf die Umkehrung ber gan
Staatöverfaffung verbunden glaubte, Man verfptoh
ſezt einen der größten Redner und ber erften Bürger
Athen, den Andokydes, der ſich ſelbſt und ſeine Fteun
durch eine ſolche Angabe zu retten ſuchte, anreigte, ein
größe Zahl unſchuldiger und vornehmer Männer ai
Ungeadhtt
diefe Ungeber weder Zeugen noch andere gültige Vewei
für die Wahrheit Ihrer Ausſagen vorbrachten, unge?
tet fie alle entweber wegen ihres vorher geführten teben
oder ihrer Abſichten verdächtig ſeyn muſten, und UN
achtet fie fich endlich unter einander widerfprachen, 1
Dinge erzählten, deren Nichtigkeit erweislich AU;
traute doch der vegierende Nach, der no heftiger ®
(EBEN, —
#) Thuc. II, 27:30. 53. 61. Andor. orat, L p. 194
p. 258..Plut, IL 41. 42 p. in Alcib,
)
.”.
Dun EEE
[4
Gefchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 261
Dee Pöbel ſelbſt zu raſen ſchien, mit einer unverzeihli⸗
chen Blindheit ihren Ausſagen, und verurtheilte dieje⸗
nigen, die old Schuldige genannt. worden waren, füs
gleich zum Tode, wenn fie fich nicht ‚vorher durch Die |
sucht in Sicherheit gefezt Härten. Unter der Zahl der
Ingeflagten fand ſich aud) Alfibiades, dem man außer
tr Verſtuͤmmelung der Sermen und dem Borhaben, .
vie Demofeatie aufzuheben, ned) die Entweihung ber.
Eleuſiniſchen Gehelmniffe zur taft legte. Vergebens
ſuchte dieſer Feldherr ſich gegen bie ihm aufgebuͤrdeten
Verorechen zu vertheidigen, oder die wider ihn vorge⸗
btachten Anklagen vor feiner Abreiſe gerichtlich unterſu⸗
chen zu laſſen. Seine Feinde brachten es beym Volke
dahin, daß die ganze Sache bis zu feiner Ruͤckkunft aus⸗
zeſeſt bleiben follce; und biejes thaten fie theils aus
sucht, daß das Volk gegen einen Feldheren, welchen
u Sefallen ein beträchtlicher Theil des Heers mit in dem
$tieg jog, und der ben allen Kriegern am, meiften bes .
liett war, zu gelinde verfahren möchte, theils aber auch
m der Hoffnung, daß fie ihn während feiner Abweſen⸗
kit mit defto größerem Nachdruck. würden angreifen
Finnen, Der Erfolg zeigte, daß fie richtig gerathen
hatten; denn kaum war Alfibiades mit der Flotte abges
yangen, als feine Widerfacher die Unflage gegen ihn er⸗
neuetten, und ihn beym Volk fo verhaßt madjten, daß
dieſes dent Beklagten ohne ihn einmal hören zu wollen,
sine auch an den Schluß, den es kurz vorher -gefaßt
bite, oder an bie nachrheiligen Folgen, weiche die Zus
tüfterufung des Alkibiades für die ganze Unternehmung
den konnte, einmal zu denfen, zum Tode verdamınte.
Alttbiades erfuhr zwar dieſes Urtheil von den Gefandrfn _
’er Athenienſer nichts ee Fonnse aber aus der unregels
nößigen Are, wie man mit den übrigen PBefchuldigten
imgegangen war, leicht ſchließen, daß er won ber Er⸗
htterung des aberglaͤubiſchen und auf die Demokratie
N N 3 booochſt
ii.
A
262 j Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
höchft eiferfüchtigen Poͤbels das Aeußerſte gu befürchten
- Haben würde. Er nahm daher heimlich die Flucht und
begab ſich nach Sparta, wo er bald unumfchränfter als
in Athen felbft zu herrſchen anfing, und durch feine Ra⸗
‚che den Uchenienfern viel furchrbarer wurde, als er burch
feine Ehrſucht jemals den Feinden bed Vaterlandes
gewefen war ”). 5
Durch die Entfernung bes Alkibiades fiel Die ober,
fie Defehishaberfchafft faſt ganz dem Nikias zu, weil
Samachus wegen feiner Armuth gar fein oder. nur ein ges
xinges Anſehen im Heere und in den Berarbfehlagun:
gen hatte *), So ungebunden aber Mifiad jezo
aud) war, fo folgte ee doch weder den Fugen Maaßre⸗
‚gen, die er felbft anfangs für bie beften gehalten, noch
bem muthigen Rache, den Lamachus gegeben hatte, ſon⸗
bern er handelte, als wenn er von dem Geifte feines go
ſtuͤrzten und abwefenden Feindes wäre befeelt worden.
Er fegelte den ganzen Sommer durch von einem Ha
fen Siciliens zum andern, griff bald diefe, bald -jene
Peine Stadt an, und wurde dadurch den Syrakuſanern
fo verächtlich, daß dieſe ſich entfchloffen, ihn aufzuſuchen
und felbjt Angreifer zu werden 7). So gar bie Jandung
bey
N Als ihn auf feiner Flucht ein Athenienſer fragte: warum
er feinem Vaterlande nicht traue? antwortete er, daß er.
es in allen übrigen Stüden chue. Wenn es aber auf
Leib und Leben ankäme, fo traue er feiner eignen
Mutter nicht, weil fie leicht aus Verfehen ein ſchwar⸗
zes Steinchen für ein weißes ergreifen koͤnne. Pluc,
. €. P. 42,
@®) Plut. j I ol
) Thue, VI. 62. 63. Die Syrakuſaniſchen Reuter, bie
bis-an dag Lager der Athenienſer hinſtreiften, fragen
die fegtern unter andern bitteren Spöttereven, ob fie
fih als Coloniſten in Sicilien niederlaſſen wolken?
- Denn
Lo,
21 \ J > ver
Befchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 263
bey Syrakus, die er burch eine glückliche Kriegslift bes
werfftelligte. verriech den Seinden nur noch mehr bie
Unshägigfeit des Feldherrn, ober die Schwäche feines
Heers, indem er des Sieges ungeachtet, ben er über
tie Syrakuſaner erfocht, fich nicht in: der. Nachbar⸗
fFaffe ihrer Stadt erhalten Fonnte, fondern ſich nad)
Katana zurüc ziehen mufle, wo er den erften Wincer.
über zubrachte *), So verfloß ein ganzes Jahr, ohne
daß die Achenienfer einen einzigen wichtigen Streich auds
geführt Härten, oder ihrem Ziele um einen einzigen Schritg
näher gefommen wären; und dieſes unverzeihliche Zoͤ⸗.
gern des Nikias war, wie feine Feinde ihm vorwars
fen, und alle Gefchichtfchreiber bezeugen"), die Haupt:
urſache, warum der zweyte Feldzug fo unglücklich aus⸗
fil, und Die ganze Unternehmung in den Häfen von Sys
rafas fcheiterte F). —
Waͤhrend daß die Athenienſer von ihren Winter⸗
quartieren aus ſich in Sicilien ſowohl als in Italien und
Yrkca um neue Bundesgenoſſen bewarben TF), und
R4 alles
—
*
Denn dies fhiene doch mehr ihre Abfiche zu ſeyn, alg
ihre vertriebene Bundesgenoffen wieder in ihre Woh⸗
nungen zuruͤck zu führen, "
*) Thue, VI, 64: TxL ec.
#) "Tihue. VII, 43. Plut. III. 370, _
i) Nikias bleibt gleich ſchuldig, man may annehmen, daß
er mit der Mache, bie er bey ſich harte, Syrakus ana
greifen Eonnte, oder man mag annehmen, baf fle für
eine folche Unternehmung zu ſchwach war. Im erflen
Tall braucht die traͤge Unentſchloſſenheit dieſes Mannes
a int —— Pr andern Sale aber wäre es '
ine Pflicht gewefen, nad, Athen zuruͤck e
er‘ Anfangs ſelbſt die Abſicht hatte. | DR gehen. wie
tt) VI. 38. Thue. Sie baten ſich fogar von dem Torrhes .
nern und Carthaginienſern Hülfe aus: In Siclken
s (As
264 Siebented Buch. Erſtes Capitel.
alles anſchafften, was zur Belagerung ‘pon Syralkus nd⸗
thig war, wandten die Syrakuſaner mit einem noch
lebhaftern Eifer, der durch Zutrauen zu ſich ſelbſt, und
durch fröhliche Hoffnungen unterhalten und beſtaͤrkt wur⸗
de, alles an, soas in Ihrer Macht war, um nicht nur bie
ihnen drohenden Gefahren abzutreiben, fondern auf
den Seind zum Abzuge aus Sicilien zu zwingen. Sie
vermehrten ihre Kriegspölfer und Veſtungswerke, de
fezten eine Anhöhe vor der Stadt, ohne welche die up
tere gar nicht eingefchloffen werden konnte, und ſchickten
endlich eine Geſandſchafft nach) Korinch und Sparta,
um fich Huͤlfe von diefen Städten auszubitten*). Died
Geſuch der Syrakuſaner wurde vom Alfibiodes jo mich
fig unterſtuͤzt, (und dies war ber erfte große Schede,
ben Alfibiades feinem Vaterlande während felner Abwe
ſendheit zufügte) **), daß die Safedämonier ben Feinden
der Arhenienfer in Sichlien mehrere Schiffe und ne
an fieben hundert ſchwer beraffneter- Krieger bewilih
ten 7), und ihnen den Gylippus zum Befehlshaber gu
ben, der den Mifias an —A—— und Liſt, und be
fonders an Thaͤtigkeit umd Much eben fo fehe dere
als er in Anfehung der Rechtſchaffenheit und Uneigenn
zigkeit von ihm übertroffen wurde P1).
| Gleich mit dem anbrechenden Fruͤhling traten di
Athenienſer ihren Zug gegen Syrakus an, und *
— einander fo viele Vortheile, daß der Muth
prafufaner, der ihnen durch das Zögern ber sun
J
traten ihnen viele von den Ungriechiſchen Bewohner
‚ Am Innern des Landes bey, von meichen fie zum Th
ebensmittel. zum Theil auch Geld erhielten, ib,
Ib. |
0°) Thue. 89. VI, & Plus, II. 44. 47 p. In Aleib,
9 VI 104. VII.. ’
. xt) Plue, 2, 383.
{ *
Geſchichte des Peloponneffchen Krieges. 265
eingeſibßt worden war, faft gänzlich niebergefchlagen
wurde. . Die Arhenienfer eroberten die Anhöhe vor ber
Stadt, welche die Syrakuſaner befeftigt hatten, zogen
mit erſtaunlicher Geſchwindigkeit eine Mauer um bie
Stadt, wodurch fie die leztere einfchliegen wollten,
überwanden mehrmalen fowopl die feinvliche Reuterey
als das Fußvolf *), zerſtoͤrten die Feſtungswerke, wel⸗
die die Sprafufaner errichtet hatten, und fperrten end⸗
ich. die Stadt ſowohl von der fand’ ol8 Seeſeite ein **).
Diefe häufigen und unerwarteten Anfälle würden die
Eprafufaner gewiß bewogen haben, ben Athenienfern
Stieden anzubieten, wenn ihnen sicht Gylipp mit einer
enfehnlichen Macht zu Hülfe gefommen wäre. Durch
dieſe Erfcheinung des Spartanifchen "Befehlshabers , den -
Nifias wider alle Negeln der imperatorijchen Klugheit zu
ſehr vernachläffigt Hatte F), wurde die ganze Geſtalt
der Sachen, und das Verhaͤltniß der friegenden Mächte
auf einmal verändert. Gylipp verlor zwar bie erſte
Schlacht rider die Achenienfer, allein. er gewann bald
darauf einen wichtigen Sieg, wodurch die Syrakuſa⸗
ne in Stand geſezt wurden, ihre Gegenmauer gegen
die Achenienfer ungeftöre zu vollenden 77). Er reifte
felbft ia Sicilien umher, um den Syrafufanern neue '
Derftärfungen und Bunbesgenoflen zu verfchaffen, und
es gelang ihm auch noch vor dem Ende des Feldzuges
durch feine unabläffige Thätigfeir, daß die Achenienfer
mehr Belagerte als Belagerer wurden, und fich mehr
bertgeibigungs + als angrifianeif verhalten muſten, —
RR: - da
|
°) I ‚einem biefer Siege verloren fie aber den Lamachus.
. 10%
) e-103. 1b, "
) Vi. 104. VII, 3. Thue, Plut, III, 381
+) VII. 5. 6: - -
- | ! J x | 1
266 Siebentes Buch. Eiſtes Capitel.
daß ſie nicht einmal ihre Werke wider bi Stadt fort
Sen Fonnten 9).
Yunmehr fühlte Niklas felbft von neuem wieer,
daß es ihm unmdglich ſeyn wuͤrde, mit der Macht, bie
‚en ben fich Hatte, etwas gegen Syrakus auszutichten.
XEr meldete daher den Athenienſern mit einer edlen Frey⸗
mürthigfeit ben wahren Zuftand der Sachen **), Er
fehrieb ipner daß die Truppen zwar mit außerordenti⸗
cher Tapferreit gefochten und ſelbſt den Gylipp einmal
uͤberwunden haͤtten; daß ſie aber nachher durch die lle⸗
berlegenheit ber feindlichen Reuterey und leichten Trup
pen gezwungen worden, fich hinter ihre Werke zurid
zu jiehen:-daß ferner viele Schiffe, die wegen bes be
ftändigen Dienfted niemals aufs Land hätten gezogen
werben fönnen, unbrauchbar geworden, und ein großer
Theil dee Seeleute durch Krankheit und feindliche Ueber⸗
.” fälle umgefommen fe), daß endlich eine Menge ven
GSelaven und Dienftleuten zum Feinde übergegangen, und
nicht weniger von den fremden Kriegern, die fih in ih⸗
zer Hoffnung leichte und große Beute zu machen betr
gen gefunden, ſich entweder ſchon verloren haͤtten, odet
voch täglich verlören. Er beſchloß fein Schreiben mit
ber Bitte, dag man ihm feiner Kränflichkeit wegen ei⸗
nen Nachfolger ſchicken möge, und mit den: Narh, daß
man die ganze Flotte entweber nach Haufe formen laj
- fen, oder auch mit einer andern eben ja mächrigen ber’
ſtaͤrken muͤſſe. Go unerwartet diefe Nachrichten den
Arhenienfeen waren; fo befchloffen fie doch dem Mifios
eine neue Seemacht zu Huͤlfe zu ſchicken, und trugen
. bie Yusrüftung berfelden dem Eurymedon und —*
| e⸗
) vn. 7. 8.
**) VIl. ii. & ſq. Thuec.,
Geſchichte des Peloponnefifchen Krieges. 267
ſthenes aufs bie zu Defehlskabern derfelben ernannt
wu
Im dritten Jahre des Krieges mit den Syrakuſa⸗
nern und im neunzehnten des Peloponnefifchen Krieges
ruͤckten die Spartaner auf den Nach des Alfibiades miche
nur in Attika ein, ſondern ſie befeſtigten auch auf Atti⸗
ſchen Boden einen Ort, Dekelia, um die Macht der
Athentenſer zu theilen, und ihnen das wieder zu vergel⸗
tm, was fie im vorhergehenden Jahre bey. ihrem Uns
foße ins Lakoniſche Gebiet verübt hatten **). Ungeach⸗
ter aber die Uchenienfer durch die Befeſtigung von Des
kelia, und die beftändigen Ausfälle und Streiferegen der
Feinde alle Hoffnung von Erndte, alle Heerden und
Ansvieh, und faft zivanzig tauſend der Funftreichiten
Exlaven verloren, ungeachtet fie ſelbſt auf eine gewiffe
Art in ihre Stadt eingefperrt, und felbft die Zufuhr von
tebmsmitteln ihnen fehr erfchwere war; fo gaben fie dens
noch ihre Ausräftung nad) Siellien nicht auf, und gang
Grlechenland erſtaunte über die Stanbhaftigfeit und
Kuoͤhnheit, womit die Achenienfer einen entfernten Krieg
fortſezten, da fie einen andern, der fich unter ihnen
gleichſam niebergelaflen harte, nicht einmal aus ihren
Graͤnzen zu treiben vermochten 7). Sie ſchickten wirk⸗
lich den Demoſthenes und Eurymedon mit einer Flotte
von drey und ſiebenzig Segeln aus, die eben ſo viele
Mannſchafft, als womit die erſtere beſezt geweſen war,
und uͤberdem alle Kriegsbeduͤrfniſſe, die dein ganzen
Heere nothwendig ſeyn konnten, nach Sicillen übers
brachte FF)... Bevor aber dieſe Feldherrn vor Syrakus
| ans
*) VII. 17. 18. |
®«) VI. 91.105. VII. 19,
+) Thue, VII, 27. 28.
,;
/
+7) VI. 43. Unrichtig gibt Diodor die Zahl, der. Schiffe,
| *1 aus
268 Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
anlangten, hatten die Syrakuſaner eine anſehnliche
Flotte ausgeruͤſtet, und hatten, ungeachtet fie das erſte
Seetreffen gegen bie Achenienfer verloren *), dennoch
Die, Zeitungsmwerfe auf Plemmyrium, die mit großen
Schäzen und Vorrath von allerlen Art angefült waren,
erobert, und: in einer zweyten Schlacht einen vollkom⸗
menen Sieg über bie Arhenienfer erhalten **).. Durch
dieſe Niederlage verlor das gefchwächte Athenienſiſche
Heer allen Much, und gerieth ‚zugleich in Vie mißlichſte
Sage, indem ihnen bie Zufuhr von febensmitteln zur Se
faft ganz abgefchnirten wurde, und alle Proviantſchife
fi) entweder durchfchleichen oder durchſchlagen muſten.
Die Ankunft Des Demofthenes und Eurgmedon richte
zwar auf eine kurze Zeit die Gemuͤther der Athenienſer
wieder auf; allein dieſer Trojt war nur von Furzer Dauer.
Denn anſtatt der Netter feiner uͤberwundenen Brüder
zu werden, wurde er felbft nur eine Zugabe, zu Ihrem
Ungluͤck, und mit ihnen ins allgemeine Berderben hinein
gezogen... Weil Demofthenes wufte, daß das Zögern
des Niklas dem Feinde vorzüglid; Much und Kräfte ge
geben hatte; fo dachte er diefen Fehler zu vermeiden,
und foßte den Entſchluß, gleich in den erften Tagen fer
ner Ankunft, da die Syrafufaner noch am menigften
|
|
- vorbereitet, und in ber größten Beſtuͤrzung fegn wir
‘den, einen kuͤhnen Angriff auf Epipole zu chun.
Stück fchien ihn im Anfange dieſer Unternehmung zu be
günftigen; er wurde aber doch, da er den Sieg ſchon
in Händen zu haben glaubte, mit großem Verluſte tus
| de
aus welcher die zweyte Flotte beſtand, auf 310 an.
ad DI. 91. 4.
) 21.23 e, Thuc, | .
ge
Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. . 269-
vie Topferfeit der Bdotier zurück getrieben *). Wach
dieſem mißfungenen Berfuche riech Demofihenes, die Lie
berbleibfel des Heers einzufchifien und nad) Athen zuruͤck
zu ſegeln, welchem Auftrage fich aber Nikias aus allen
Kräften widerfeste **), nicht Bloß deßwegen, wie Pius
tarch und Diodor ihm Schuld geben, weiler lieber
durch das Schwert des Feindes fallen, als von dem
aufgebrachten Pöbel in Athen Hingerichtee werben
nollte***), fondern weil er bey einem öffentlichen Abzuge
gefährliche Ueberfälle befürchtete, und gegründete Hoffe .
nungen zu haben glaubte, daß er ducch ein längeres
Berwellen- die Syrafufaner aufs aͤußerſte bringen , und
ju einem für ihn und fein Vaterland rühmlichen Frieden
jeingen würde. Er mufte nämlic), daß die Feinde
durch die Anlegung fo vieler Seftungswerke, durch die
Unterhaltung fo vieler fremden Voͤlker, und durch die
Erbauung und Ausruͤſtung einer fo großen Flotte in uns
erträgliche Schulden geftürze worden, und daß es ihnen -
unmöglich feyn würde, dieſe Ausgaben noch lange zu bes
freiten 7). Er harte überdem viele Anhänger in Syra⸗
kus ſelbſi, die ihm die Stadt in die Hände fpielen wolle
tn, und ihn immer dringender baten, ja nicht vom,
danmen zu ziehn. Es zeigte fich aber bald, daß Nikias
ſich in feinen Erwartungen betrogen ‚hatte; denn die Sy⸗
rakuſaner erhielten doppelte Berftärfungen, ſowohl aus
dem Peloponnes als aus Sicilien, und wurden dadurch
fo fäpn , daß fie ſich entſchloſſen, die Achenienfer in ihr
tm Feſtungswerken anzugreifen FF), Nunmehr fehien es
Ä dem
m nd Du)
U —— j
1)
*) Thuc. VII, 43. Rad; dem Diobor 350 p, XI, verlo-
ren die Achenienfer über 3500 Dann,
ee, Thuc. vo. 47: '
N Xi, Diod, p, 550, J1k, Plus, 99T,
) VIE.
tt) vu. 50, Thue,
. —⸗
270 Sicebentes Buch, Erſtes Capitel. J
dem Nikias ſelbſt nicht mehr rathſam, vor Syrakus u
verwellen, und ed wurden daher in ber größten Grile
Befehle ertheilt, daß das ganze Heer fich zur Abfahrt fers
tig halten möchte. Ungluͤcklicher Weiſe aber fiel gerade
um die Zeit, als man auslaufen wollte, eine große
Mondfinfternig ein, durch welches Phänomen afle Athe⸗
nienfer,, - und felbft die Befehlshaber der Schiffe fo fehr
in Schrecken geſezt wurden, daß fie ben Niklas Inftän,
digſt erfuchten, noch bie dreymal neum Tage, bis an
soelche die Zeichenbeuterdie Abreife ausgeſezt Härten, ab»
—zuwarten. Rikias bewilligte diefe Bitte um deſto leid
‚ter, weil er von einem ähnlichen Wahn und aͤhnlichen
- Befürchtungen beherrſcht wurde, und dies durch Aber
glauben veranlaßte Zögern wurde bie nächfle und unmit:
telbare Urfache bes Untergangs ber Athenienſer; denn
fur; darauf wurden fie von den Sprafufanern zu Wafı
fer und zu lande angegriffen, und fo übel gugerichtet,
daß die Feinde fogar anfingen, bie Mündung des Ha
fens zu fperren, um Ihnen die Ausfahre unmöglich) zu
machen”). Durch dieſe Entfchliegung der Sprafufa
ner, die fogleich ins Werk gefezt wurde, fand es den
Archenienfern nicht mehr frey, ob fie fchlagen wollten
- oder nicht. Sie muften nunmehr angreifen, nice um
zu fiegen, fondern um ihr Leben und ihre Freyheit zu
retten. Nikias ftellte feinen Kriegern alle Bewegung⸗e⸗
gründe, wodurch auch die Feigſten zum muchigen Streite
hätten ermuntert werben fönnen, und alle Fuͤrchterliche
Folgen einer Niederlage, wenn fie jezo dergleichen leiden
follter, mit der ruͤhrendſten und eindringenften Bered
ſamkeit vor; allein die wichtigften Gründe und die feftefte
Hederzeugung von einem unvermelblichen, abet etwas fer!
| | | “ nern
N ni
9) VII 56. 59. Pr
ı
Sefchichte des Paoponneſ ſchen Krieges. a7t
nern Untergange bey dem Verluſte der Schlacht waren
doch zu ſchwach, der Furcht vor gegenmwärtiger, Gefahr
in den ſchon lange niedergeworfenen Seelen der Athe⸗
nienfer *) das Gleichgewicht zu halten, Die lejtern
murben ſowohl zu Waſſer als auf dem Lande überwuns
den, und büßten fo viele von ihren teuren ein, daß ſie
vor Beſtuͤrzung nicht einmal daran dachten, ihre Todten
zuruͤck zu fodern. Auch fonnten ipre Feldherrn fie auf
feine Weiſe bewegen, noch einmaleinen Berfuch zu mar
chen, fich zur See zu retten, da ſie doch noch fechzig,
und die Syrafufaner nur fünfzig Schiffe hatten "*),
Man faßte alfo den einmärhigen Entſchluß, die noch
übrigen Schiffe zu verlaffen, und zu tande fortzuziehen;
ein Entſchluß, der unftreitig auch gegluͤckt wäre, wenn
niche Hermofrates , eins von den Häuptern in Spras. -
fus, deſſen Klugheit und Berriebfamfeit die Einwohner
diefer Stadt nach dem Gylipp den jezt erworbenen Ruhm
und den blühenden Zuftand ihrer Sachen am meiſten zu
verdanfen harten, die Achenienfer durch eine Kriegsliſt
zuruͤck gehalten Hätte 7). (Er ſowohl als die Bornehms
flen ver Stadt verzweyfelten daran, Ihre Truppen das’
hin gu bringen, daß fie nad) vem entfcheidenden Siege,
den ſie erfochten, und nach den Drangfalen, die fte auo⸗
geftanben harten, ſogleich wieder in ber Macht, und
noch dazu an einem Felle des Herkules, mo fie fich ihres
Sieges recht zu erfreuen gedachten, dem Feinde nach»
ziehen ſollten. Er fchickte alfo einige feiner Freunde un⸗
\ ter
En RIED
u] VI, 61» 71 ce
“) Thuc, VIL 72. Diodor thut alſo dem Nikias ci abermals
Unrecht, wenn er fagt, daB er fih dem Rath des Des
mofthenes mir den Schiffen zu entfliehen entgegenges
FR, um ben Weg zu Lande vorgezogen habe, XIE,
p.5
—XR
ı
272 u Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
ter einer Bedeckung von Reutern an das lager der Athe⸗
nienſer, und ließ ihnen kund thun, daß ſie ja dieſe Nacht
nicht aufbrechen, ſondern ihren Abzug bis auf den füls
genden Tag auffchieben möchten, weil die Snrafufaner
alle Päfle beſezt haͤtten *). Nikias und alle übrige Haͤu⸗
pter des Heers wurden durch dieſe falſche Machriche bes
rückt, weil fie glaubten, daß fie von ihren Freunden in
der Stadt herfäme. Öpne alfo die Wahrheit derſelben
weiter gu unterfuchen, blieben fie nicht nur die erfte
Yacht , fondern aud) durch einen unverzeihlichen Fehler
die benden folgenden Tage ruhig im Lager liegen, und
brachen erſt am dritten Tage auf,. nachdem die Syra⸗
kuſaner alle Wege verhauen, alle Bruͤcken abgeworfen,
die engen Paͤſſe und Anhöhen befezt und befeſtigt, und
an allen Orten , die gefchickt dazu waren, Hinterhalte
gelegt harten. Die Achenienfer muften daher auf ih⸗
rem Marſche faft jeden Schritt, den fie thaten, mit
dem Schwerbte erfämpfen, und wurben felbft alsdann,
wenn fie vor fic feinen Feind oder feine Schwierigkeiten
fanden, von der fie umftceifenden Syrafufanifhen New
teren unaufhörlich beunruhlgt. Ungeachtet Nikias durch
eine langwierige Kränflichfeit entkräfter, und vom Feinde
eben fo viel ald die übrigen Achenienfer, nach ver glück,
‚lichften Ruͤckkehr aber mehr als irgend ein anderer vom
Volke zu füchten hatte; fü erfüllte er doch mit unges
wöhnlicher Heiterkeit und- Ruhe alle Pflichten eines gus
cen Bürgers und eines weifen und ſtandhaften Feldherrn.
.. Er munterte die Murblofen auf, tröftete die Verzwey⸗
felnden, lehrte oder beftrafte die Nachläffigen, und
fuͤhrte fie, wenn es nöchig war, mit ber größten Uner⸗
ſchrockenheit gegen den Zeind an, und es fchien, als
wenn die bringendfte Gefahr neue Kräfte in ihm entwi⸗
En det
—— — — — — — —
vi, 7% & fq,
u ur — ——— — — —
Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 273 |
deie und ihn über ſich ſelbſt erhoben Härte *), Unter
ſeiner Anführung legten die Athenienſer am erften Tage
einen Weg von vierzig Stadien zurück **), Am zwege
ten Tage aber famen fie (dien an einen vermauerten
Hohlweg, and an «ine befejligte Ynhöhe, die fie zum
erſtenmal eben fo fruchtlos, als aın folgenden Morgen
beſtuͤrmten. Die Heerführer wurden Daher eins, einen
andern Weg nach Kamarina und Gela zu nehmen, und
diefen Weg in ver größten Stille in der dritten Nacht
anutreren, um vor dem Feinde einen Borfprung zu ges
vinnen ***). Die Athenienſer wurden aber bald von
den Syrafufanern eingehohlt, und theils burch bie im⸗
mer Fühnere Reuteren Der Feinde, am meiften aber durch
Mangel von Ruhe, und tebensmitrel fo mitgenommen,
daß zuerft Demoſthenes, und nachher. Nikias fich mit
ihren Rriegern ergeben muften 7). Die Eyrafufaner -
begegneten ihren uͤberwundenen Seinden mit barbariſcher
Wurh, tödteten die beyden Feloherren wider ven Willen _
des Gylipp, und wider das Wort, welches man wenig⸗
ſtens dem Demoſthenes gegeben hatte, und ſteckte bie
übrigen Gefangenen in fürchterliche unterirdifche Gru⸗
ben oder $öcher, wo fie von Hunger und Durſt, von
Hije und Kälte, am meiften aber von dem unleidlichen
Geſtanke der faulenden Leichname ihrer Brüder alles
dulden muften, was bie menfchliche Natur nur vom
Eimd ertragen kann 77). uf diefe Art wurde bie
größte Heersmacht, toelche irgend ein Sriechifcher Staat
_ auds
® VIE 77 & fg. & Plut, TIL p, 401.
we 78, 79. Thoc DE
& —WM
vn. 31. 85 l
| 2, vil. 86. & fg. Thue, |
Zepter Band. 8 N
4
/
.® Thu. VI 75. VII, 1. & Cicer. in Verrem V. 37
274. Giebentes Buch. Erfied Capitel.
ausgefandt‘ hatte Fi gänzlich gu runde gerichtee, unb
won den vierzig taufend Köpfen, '. die den Zug mit bem
Mifias angerreten hatten, kamen faum fo viele nad
Athen zuroͤck, daß fie ihren Michürgern ven größten
unter allen Ungluͤcksfaͤllen, der jemals-ein Griedyifches
"Wolf betroffen hatte, glaublich machen konnten *).
Als die Athenienſer die erſten Nachrichten von dem
trautigen Ausgange der ganzen Unternehmung gegen
Sicilien hörten, begegnete ihnen das, was allen uͤbri⸗
gen Menfchen in ähnlichen‘ Fällen zu begegnen pflegt,
fie Hielten etwas, was fie gar nicht erwartet, und was
ſelbſt die furchtſamſten nicht einmal gefürchtet harten,
für unmöglich, und es muften ſich erſt mehrere Zeugs
nilſſe vornehmer Arhenienfer , die fich durch die Flucht ger
rettet hatten, vereinigen, ehe fie die Größe ihres Uns
gluͤcks, das mit ihren Hoffaungen einen folchen Abfoz
machte, für wirklich halten Fonnten *”). Nachdem fi
. . . . r . . a er
Hic te praetore, praedonum navieulae pervagstae
fünt, quo Athenienſium elaſſis fola poſt hominum
memoriam CCC nevibus, vi ac multitudine invaßt:
quae in eo ipfo partu, loci ipfus portusgee mature,
villa asque fupersta el. Hie primum opes illius
eivitatis villao, comminutse, depreflacque funt: im
hoe portu Athenienfium nobikitatis, imperii, gloriae
u naufregium factum exiftimstur.
) vili.ı. Thuc, Wenn alfo auch, mie Arhendus berich⸗
. tet, die Achenienfer bey dem erften Gerüchte ihres
Verluftes in Sjeilien im Theater blieben; fo war Die
fes nicht die Wirkung eines fträflichen Leichtſinns, ſon⸗
dern der Stimmung ihrer Gemuͤther, weiche fie unfä-
FR Hig machte, euvas, was fie ſich nie als möglich -vorge-
ſtellt harten, und auch jezt nach nicht vorfichen fon
ten, als wahr anzunehmen. Ale Menſchen mäflen
0, ein
ir
— — — I — I J VE
„% “ “a
4
Seſchichte des Peloponneſiſchen Krieges, 275
cher an dem Untergange und dem Verluſte ihrer Hee⸗ u
re nicht länger zweyfeln fonnten ; ſo fielen fie in eine
Beſtuͤrzung, bieder Größe ihres Ungluͤcks und ihrer eit⸗
kn Hoffnungen entiprechend war. Sie fürchceten naͤm⸗
lich, Daß die ſiegreichen Feinde jedan Tag mit einer furchts
baren Flotte erſcheinen, und. in den Piräus eindringen
möchten *). Diefe Befürchtung war nicht weniger als
ungegründet, und man muß fich eben fo fehr Darüber:
wundern, daß Gylipp und die Syrakuſaner feinen Ver⸗
ſuch auf den Hafen von Athen machten‘, als dab die
Achenienfer felbft nicht in eine muthloſe Berzwenfelung
verjanfen. Dieſe Hatten zu der verungluͤckten Unterneh»
mung alle ihre Kräfte aufgeboten. Ihre Flotten waren
zerſtoͤrt oder von den Feinden erobert, ihre ſchoͤnſten
Zänglinge , ihre gefehisfteften Seeleute und erfahrenften
Feldherren erfchlagen und ihre Schäze verfchwender, und. -
in der Stadt fanden fich feine Schiffe, die fie von
neuem hätten aueräften, fein Hol; oder Geld, aus
oder mic welchen fie dergleichen härten erbauen, und
keine Seeleute und Krieger mehr, mit denen fie fie hät-
ten bemannen foͤnnen. Sie waren in Befahr, alle ihre
Bundesgenoffen , unb mit diefen den größten Theil ihrer
Einfünfte, welche die Haupeftäze ihrer Macht waren,
einzubuͤßen, da hingegen die Lafedaͤmonier an den Sy⸗
takuſanern mächtige Dundesgenoflen gewonnen hatten,
| 3 | und
“en ober mehrmalen Die Erfahrung gemacht haben, daß
Re: geoße Unglücksfaͤlle, an Die fie vorher nie gedadhe
hatten, oder auf ˖ die fie vorher nicht vorbereitet waren,
anfangs nicht allein nicht glauben konnten, fondern daß
auch ſelbſt, nachdern fie fich von rer Wirklichteit
rzeugt harten, fie gleihfam unwilführlich von neueng
gu bezweyfeln anfingen. Bu J
N vi 1. Thhuee.
."
- -
"276 Ä Siebentes Buch. Erſtes Copitel. .
und noch taͤglich neue erhielten )Y. Denn kaum hatte
das Geruͤcht von dem Unfall der Achenienfer in Sicilien
Griechenland und Aſien erreicht, als der größte Theil
der Aufn, und faſt alle Städte in Jonien und am
Sellefpont zu den Spartanern übertraten, weil fie glaub
ten, daß die feste Stunde des flolzen und nunmehro ge
Demüchigten Achens gefommen fey **), Selbſt folhe
Staͤdte und Bölfer , die bisher gar Feine Parthey ergrifı
fen hatten, erflärte fich wider die Achenienfer, entwe⸗
- Der aus einem eingewurzelten Haffe ihrer Herrſchſucht, oder
aus Furcht vor den Spatranern, oder aus Moth, weil
fie von'den leztern dazu gesungen wurden }). Ja die
$afedämonier wandten fich fogar an den König der Per⸗
fer, ald wenn das ganze vereinigte Griechenland noch ju
ſchwach gewefen wäre, eine einzige verwaifete Stadt zu
zernichten. Sie fchloffen mit feinem oberften Befehls.
Haber im Borderäften, dem Tiſſaphernes, ein Bändnißtf),
worinn fie nicht nur die großen Thaten und den Ruhm
ihrer Borfahren, die bey Mararhon und Plataͤa gefal⸗
fen waren, bejchimpften, fondern auch alles, was fie
den Hriechifchen Namen fchuldig waren,‘ und die hei⸗
ligſten Eide, wodurch fie fich mit ihren Brüdern gegen
bie Perier verſchworen hatten, vergaßen, und fich ſelbſt
zu Sclaven ihres gemeinfchafftlichen Feindes, oder doc
von den Launen eigenfinniger und uͤbermuͤthiger Barbo
een abhängig machten DBermöge dieſes Buͤndniſes
übergaben fie dem Könige der Perſer alle die Erädte
. . und
DR
XVVXRW
©) von, 1.9. Thue,
®°) Thue. VIII. 1-20. in Of, 93. 1.
4) ibid, Ä |
41) VI. 18. Dies Bündniß wurde In ber Folge einigemal
erneuert, und mit verfhicdenen neuen Bedingungen
/
vermehrt, ib. c, 43. 58.
t
- 3» . !
r 7
N
Geſchichte des Peloponnefifchen Krieges, | 277
und Laͤnder, die ehemals feinen Vorfahren gehorcht,
oder in ben lejten Zeiten den Achenieifein Zribur bezahle
hatten, und verfprachen alle feine Feinde auch für dia
Ädrigerr zu halten, wenn er ihnen in dem Kriege wider _
Die Arhenienfer beyſtehen würde, Wenn die leztern bey
diefer allgemeinen Berichwörung von ganz Öriechenland,
und dem mächtigften Neiche Aſiens wider fie niche vers
jagten ; fo gaben fie ein nicht minder bewundernswuͤrdi⸗
ges Benfpiel von Standhaftigkeit, als ihre Vorfahren,
da ſie ihr Vaterland verließen, um die Erhaltung deſſel⸗
ben nicht mit dem Verluſte ihrer Freyheit zu erfaufen,
und fie bewiefen, daß eben der Geiſt, den Themiſtokles
ben Arhenienjern eingehaucht, und Perikles in ihnen zu
erhalten gefucht Hatte, noch nicht gänglich in ihnen. ers
fiorben war. Ohne ein Wort vom Frieden zu erwäßs
nen, rüfteten fie eine Flotte aus, als wenn fie nod) gar
Feine ausgerüftet und verloren gehabt hätten, und geifs
fen nun erft die taufend Talente an, die fie beym Aus
fange des Krieges als ein Heiligthum bey Seite gelege
hatten, um fich deffelben nur im Außerften NMorhfalle zu
bedienen °). Sie waren daher im Anfange des Früßs
ling im Stande, die untreuen abgefallenen Bundesges
noſſen eben fo nachdruͤcklich zu züchtigen, als fie gegen
die furchtbaren Rüflungen der Spartaner zu vertheidie
gen. Sie gewannen beträchtliche Bortheile über die
Thier und. Milefier **), wurden aber dagegen bald nach
einander in zween Seetreffen überwunden T), nach
weichen fie ohne Rettung verloren zu feyn ſchienen, wenn
niche eben ber Diann, ber fein Baterland in alle bisher,
ausgeftandene Ungluͤcksfaͤlle Buseingegogen y der die bitter⸗
ie 3 u
— —
®) VIII, 4. 15. Thue.
VIII. 19. 24. 26. Thue.
fin
welchem er fich Durch irgend eine große That twieder aus
278° Eirdentes Buch. Erſtes Capitel.
ſten Feinde von neuem wider daſſelbige gereizt, der die⸗
fen die feindſeeligſten Rathſchlaͤge gegeben, und fall
‚ganz Aſien zum Abfalle von Athen bewogen hatte, wenn
dieſer nicht ſeiner ſi ufenben Valerſtade u Hülfe gekom⸗
men wäre.
Alkibiades Harte r 4 durch dat große Anſehen, wes
er ſich zu Sparta erworben, einen fo gefährlichen Neid
der vornehmſten Bürger, und durch die Verführung
der Hemaliun des Agis eine fo unverſohnliche Feindſchoft
dieſes Königs zugegoaen, daß ein heimlicher Befehl ju
feiner Hinrichtung ausgewirft wurde *). Sobald Alflı
biades diefes erfuhr, entfloh er zum Ziffaphernes ),
und ſuchte das Gemuͤth dieſes Satrapen unvermerkt ge
‚gen die Spartaner zu ſtimmen, ohne fich einen verbäd,
' tigen Schein von Rachhegierbe gegen diejenigen , die ihn
meuchelmoͤrderiſcher Weile hatten umbringen wollen, not
von Partheylidjfeir gegen fein Vaterland zu geben, mit
zufohnen gedachte. Er ftellce alfo dem Tiffaphernes vol
gleißenden Eifers für jein und feines Koͤnigs Beſte vor,
daß es wider allen Bortheil der Perſer fen, den Pele⸗
Yonnefiera mit einem ſolchen Nachdruck zu Helfen, dab
vie Achenienſer dadurch gänzlich zu Grunde gerichtet
würden, Denn wenn die Sieger alsdann nach erlang'
‚ter Herrfchafft zu Lande und zu Waffer ihre Gefinnun
‚gen Änderten, mit weſſen Hülfe er alsdann ſolche ju
‚mächtige Feinde bezwingen wolle? Ihm ſchiene es da⸗
ber am vorficheigften gehandelt, wenn Tiſſaphernes die
Phoͤniciſche Flotte, die er mit der Peloponneſiſchen u |
_ _
'®) Thuc, VII, 95:47 c. Plur, U. 49. in Aal.
es) Bode nn nennt an deffen Statt gi den Peru
570. X
* ⸗
+ l
von
Seſchichte des Peloponneſiſchen Krieges, 79
vereinigen bie Abficht habe ‚ ‚entweber gar nicht kom⸗
men, oder doch in Unwirkſamkeit laſſe, und ——
ben Peloponneſiſchen Seeleuten anſtatt der verſprochenen
Drochme für den Mann nur die Hälfte reiche, womit
auch die Arhenlenfifchen Seeleute zufrieden wären, |
Tiffaphernes nahm die meiften dieſer Rathſchlaͤge an:
und als nun Alfibiades merkte, wie tiefe Eindruͤcke er
auf den Perſiſchen Befehlshaber gemacht hatte, zrat de
ſogleich mit feinen Freunden im Alhenienſiſchen Heere
auf Samos in Unterhandfung, um feine Zurücberufung
m bewirken. Er erbot fih, wenn man ihn in feine‘
VPaterſtadt wieder aufnehmen, und zu feiner größern
Sicherheit das Bolfsregiment, wodurch er ungerechter
Weiſe vertrieben worden, in eine Dligardyie verwandeln
wolle, ben Tiffaphernes zu einem Freunde und Buhdes .
genoſſen der Achenienfer zu machen, und ihre Flotten
aus feiner Schäzen unterhalten zu laſſen?). So fauer
es den Achenienfiichen Kriegern auch anfam, Die Demos
Eratie und mic ihr die edelſten Vorrechte, bie fie bisher
\
befeffen , aufzugeben, und fo ſehr fich auch. Phrynichus, j
einer von ben Befehlshabern, aus Feindſchafft und Eis
ferſucht gegen den Alkibiades dawider fezte,. fe wurde
doch Die verlangte Staatöveränderung in Samos anges
fangen, und durch Abgeordnete des Heers auch in der -
Stadt mit einer Geſchwindigkeit und Kuͤhnheit zu Stande
gebracht, bie den Volke weder Befinnen, noch Jet
zum Wiberſtande übrig ließ.) Die vorvehmiten
Urgeber. der Dligarchle. in Achen waren Pifander, bie
Hauptperfon unter denen, welche das Heer nach bee
Stadt gefchickt Harte, Aoripgon und Theramenes, beyde
4 Din
vul 47. 48. & fa. Thue.
£ vun 33. 63. Def. 63:67.
s;
289 J Siebentes Buch . Erſtes Capitel.
Männer, denen Feiner von ihren übrigen Zeitgenoffen am
Berepſamkeit und Talenten gleih kam, und endlich
Phrynichus, der aus eben der Urfache, aus welcher er
Anfangs die Dligarchie zu hintertreiben gefucht hatte, fie
jego mic dem größeen Eifer beforderce*). Diefe Mäns
her fegten Durch die Heimlichkeit, womit fie ihre Unter⸗
nehmung betrieben, und durch die Gewaltthaͤtigkeit, wo⸗
mit ſie alle, von welchen fie Widerſezung befuͤrchteten,
aus dem Wege räumten, das ganze Volk in ein folches
ſtummes und muthlofes Schrecken, daß fie ed ohne heftigen
Kampf dahin brachten, die höchfle Gewalt dem Vorge⸗
ben nach einer Zahl von fünf raufend Buͤrgern, diedem
Vaterlande mit ihrem teibe und Bermögen dienen. koͤnn⸗
Sen, zu übergeben, und aus diefen mic Abfchaffupg des
alten Senats einen neuen Rath von vier hundert Mic,
gliedern
7
“
o D
ine
. 9) Er char beydes, um die Ruͤckkehr des Alkiblades u hin⸗
| bern, von welcher er wuſte, daB fie uner einer Dis
garchiſchen Regierungsform niemalg zu Stande kom⸗
men wuͤrde. Thuc. VIIi. 66. Ungeachtet riſtoteles
den Theramenes für einen der beften Buͤrger In Athen
- erklärte, ap. Plut. IH. 337. und Diodor in von der
‚vorrheilhatteften Seite ſchildert, 1. 640. 6gr. Ed,
Weffel, ungeachtet er fi ferner. den dreyßig Tyrans
nen mit dem ruͤhmlichſten Muthe widerfezte, und mit
der ©tandhaftigfeit eines Helden ſtarb; p. 103. 104.
.Hiß. Gr. Xenopb, vid. Thieme & .Cie, 1.40, Tufe,
quacft, fo muß man ihn doch, den Zeugniffen gleich⸗
zeitiger und glaubwürdiger Schrifeſteüer zufoige, für
einen heftigen und unbeſtaͤndigen Mann erklären, der
» feine Größe ſelbſt auf dem Untergange feiner Vaterftade
gu erbauen fuchte, und nur fir daͤe Wohl feiner Mit⸗
Bürger ſtritt, wenn ex dadurch ſoine eigene te zum
befördern glaubte. Man fehe Thue VIII 68, & (q.
und lefe Lyf, p. 210. 215: 216, fq. Ed, Marklagdi,
welche Stelle ich in der Folge noch brauchen werde
*
Geſchichte des Peloponneſi ſchen Krieges; 281
gliedern erwählen zu laſſen, welcher die öffentlichen Ge⸗
* handhaben, und die Fanftauſende wenn es noͤ⸗
thig waͤre, zuſammen rufen follcen®).
Um eben die Zeit aber, als das Bolt in Athen feis
ner Hoheit entſezt mukde, ‚ging in Samos bey dem
Heera eine ganz entgegengefeste Beränderung vor, Die
beyden Feldherren teon und Diomedon **), und außer
dieſen Thrafgbulus und Thraſyſlus , wovon der eine
Trierarch, und. ber andere jezo nur noch ein gemeiner
Krieger war, berbanden fich mit dem großer: Haufen
in Samos, der von den Mornebmen .niebergedrückt
und gemißhandele worden war, und ermuntcrten zu⸗
gleich Das ganze Heer durch bie Vergroͤßerung der Uns
gereehtigfeiten und. Gewaltthaͤtigkeiten, bie fie von Diis
gorchifchen Tyrannen zu erwarten hätten, zur. Wieder -
ergreifunig und ſtandhafteſten DBertheidigung ber ihnen -
von ihren‘ Vaͤtern übergebenen unfchägbaren Freyheit.
Auf Ddiefe ——— — 1) ſchafften Die. Athenienſer auf
ber Inſel Samos die Regierungsform, zu welcher fie
ſich Fury vorher bequeme hatten, .ab, führten unter ih
und iu Samos die Demofratie wieder ein, ſezten die
Feldhetren und Trierarchen ab, die ihnen verdaͤchtig wa⸗
sen, waͤhlten an deren Statt neue und unter dieſen ben
Thraſybulus und Thraſyllus, ‚und riefen ſogar den Al⸗ |
fihiabes zurück, den fie gleichfalls zum Feldherrn ernann⸗
ten. Als ſie endlich hoͤrten, daß man die Abgeſandten,
die fie nach Athen geſchickt harten, um ihren Mitbuͤr⸗
gern Die Wiederherſtellung der Demofratie bekannt zu
maden, angehalten, und daß bie Vierhunderte alle
Arhenienfer nach ihrem Röobiefelken binrichteten, ober
mie
vmi. 68.70. — 91. 98. a. Dioder, p. 570. XII,
%) Thue. c, 72. & ſq.
9 VI, 26,81% The —
Lei
ua Giebentes Buch. Erfeb Enpitel
‚mit Schlägen befchimpften, daß fie ihre Weiber und
Töchter fchändeten, und mit dem Gedanken umgingen,
die Verwandten ber Anderögefinnten in Samos. als
Geißeln einzuziehen , und fie dadurch zum Gehorfam zu
‚bringen, foentbraunten bie fregen und ihrer Uebermacht
fi) bewuften. Seeleute und Krieger in Sams fo fehr,
daß ſie ſich Hffentlicd, wider ihre Vaterſtadt empörten,
ſich förmlich aller Gemeinfchafft und alles Gehorfams
gegen dieſelbe loeſadten, und unverzüglich Die Flotte
beiteigen wollten, um die Urheber der Tyranney und die
Feinde der Freyheit mit Feuer und Schwerdt zu verfol⸗
n*)., Während dieſer aufruͤhriſchen Wuth leiſtete Al⸗
ſbiabes feinem Vaterlande einen Dienſt, der es allein
‚alle das Ungluͤck, was er ihm zugezogen hatte, vergeſſen
machen konnte, und verrichtete eine That, welche die
. GSriechiſchen Geſchichtſchreiber die ſchoͤnſte feines tebens
‚nennen, und ahne welche, wenn fie auch nicht aus den
edlen Bewegungegründen herftoß, "woraus fie Plutarch
ableitet, die Arhenienfer. doch unvermeidlich. verloren ges
wefen wären *°). . Er widerfegte fich den a her
Ä 8
* ‚Tbue, VL 74.82 €.
En, VII, 86. Blut il, 54. io ei. Vita. Aleiliates mar ge
wiß nicht leer von allee Vaterlandsliebe, wie eime
Handlung, der ich unten erwähnen werde, zeigen wirds
allein wenn man auch vorausſezt, Daß biefe Triebſeder
im gegenwärtigen Falle gar nice gewirkt, und ser
nur allein nach den Regeln der Klugheit und ben Ein⸗
gebungen des Eigennuzes gehandelt Habe, fe konnte
Altiblades doch nicht anders handeln, als er that. Cr
mufte ſich den ungeftümen Zumurburigen des Heers und
der Fahrt nach Ben Piräus widerfegen, weil er einfab,
daß Arhen, von defien Erhaltung auch feine. Wohlfahrt
ebbing, dadurch ins Verderben geſtuͤrzt werben würde,
- und weil er nicht wuſte, wie mächtig. bie hertſchende Par⸗
‚they in Athen, und wie dag. Volk ſelbſt gegen ihn ge»
Anne war, das ihn bis jega noch. * vurhagerefe n
J
-
Geſthichte des Peloponnefifchen Krieges. ax3
Heerð und brachte es won feinem unbeſonnenen Unter⸗
nehmen durch die Vorſtellungen zuruͤck: daß fie alle "
durch ihre Entfernung aus Aſien fich in einen verderbs -
lichen Buͤrgerkrieg verwickeln und überdem Jonien, den
Hellefpont und die Inſeln den Feinden übergeben wuͤr⸗
den. Durch dieſe Gruͤnde beſaͤnftigte er die aufgebrach⸗
ten Krieger ſo ſehr, daß ſie die Abgeordneten der Vier⸗
hundert, welche ſie vorher umzubringen gedrohet hatten,
gelaſſen anhoͤrten und mit der Antwort entließen: daß
mar gegen die Regierung der Fuͤnftauſende gar nichts
einzuwenden habe,. daß aber die ungeſezmaͤßige Herr⸗
ſchafft per Vlerhunderte abgefchafft werden müffe *).
Als die Häupger der Dligarchie merften, daß fie
das, Heer in. Sanlds nicht zur Annahme ber neuen Nies
gierungsfoem wuͤrden bewegen fünnen; fo entichloffen
fie ſich ihre Herrſchafft, ohne welche fie jezo weder für
ige Leben noch für ihe Vermoͤgen Sicherheit mehr hate
ten, auf eine jede Art zu behaupten, und wenn fie auch
gesroungen ſeyn follten, ihre Vaterſtadt einem ausmwärs
tigen Geinde zu unterwerfen *'), Sie ſchickten daher
Abgeſandten nach Sparta, um mit den Lakedaͤmoniern
einen Frieden zu fchliegen und fie zu ihren Freunden zu
machen; auch erbauten fie am Pirdus eine Feſtung, wo⸗
durch fie Meifter vom Eingange des Hafens wurden und
Huͤlfs vdlker einloffen fonnten, wenn fie wollten. The⸗
ramenes und Ariftofrates waren die erſten, die es fühl
ten, daß ihre gewaltfame Herrſchafft nicht lange mehr
beſtehn koͤnne, und die es alfo für ficherer hielten, fich
in der Stille zu der immer fich vergrößernden Demos.
kratiſchen Parthey zu fihlagen, als mit der — —
| ſchen
X
#) VII 86. Thuc.
") 6,90. 9. J
084 : Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
)
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s
\. \
fchen unterzugeben *). Theramenes fing damit an, bie
Abſichten der Vierhundert verdaͤchtig zu machen, indem
er oͤffentlich erklaͤrte, daß die Spartaniſche Flotte wahr⸗
ſcheinlich niemals <was ſie kurz vorher gethan hatte) ihe
ren Standort bey Epidaurus würde genommen haben,
wenn ſie nicht Anſchlaͤge auf den Piräus haͤtte; und als
dieſe kuͤhne Aeußerungen bald noch kuͤhnere Reden ver⸗
anlaßten; ſo kam es endlich zu Thaͤtlichkeiten, indem.
ſelbſt die Hopliten, die auj Befehl des regierenden Kath
|
an den Werten im Piräus arbeiteten, und unter weh
den ſich auch Ariſtoteles, ber Freund des Therame
mes als Taxiarch befand, ſich des Alexikles, eines Feld⸗
Beren von der Dligarchifchen Parthey, bemaͤchtigten, und
ihn in Verhaft zogen. Eben diefe Hopliten riffen bald
‚nachher im Benfenn bes Theramenes , ber fie ſeines hef⸗
tigen anfcheinenden Zorns ungeachtet mehr aufmunterte,
als abhielt, die von Ihnen felbft aufgeführten Werke im
, Wiräus nieder, und festen die Vierhundert dadurch in
eine ſolche Furcht, daß fie ſich den folgenden Tog mit
ihnen in Unterhandlungen einfließen, in welchen fie ver⸗
fprachen, die hoͤchſte Gewalt den Fuͤnftauſenden zu über
geben, damit aus ihrem Mittel, ein Senat von vie
Hundert Männern nach ihrem Gutduͤnken ermählt wir
de. Dieſe Adfchaffung der Vierhunderte wurde durch
den vollkommenen Sieg, den der Spartauifcye Feldhert
über die Archenienfifche Forte bey Eretria erhielt, und
ber mic dem Berlufte von ganz Euboea begleitet war,
nur noch mehr befchleunige **). Denn’ nunmehro drang
| man
XE)VVR
®) ec. 92. 9%.
**) Viil.95. 90. Die Athenienſer geriethen über den Ver⸗
luſt von Euboea In ein größeres Schrecken, als bey Di
Nachricht von ihrer Niediriage in Sicillen. Sie mu
ſtin nun nicht mus alle die Vortheile entbehten, di "
Ä au
Geſchichte des Deloponnefifchen Krieges. 235
mar von aflen Selten darauf, daß die Bierhundert ihre
Herrfchafft niederiegen und die Berwaltung des Staats -
den Fünftaufenden oder allen den Bürgern übertragen
folten, die eine vollſtaͤndige Ruͤſtung zu fiefeen im Stans
feiegnwärden *). . Außer dieſer Staatsveraͤnderung,
wodurch Die Negierungsform wiederum auf die urfpränge -
kibe Solonifche zurüc gebracht, und ein glückliches
Mittel zroifchen uneingefchränfter Demofratie, und druͤ⸗
dender Dligarchie wurde, machten die Achenienfer, die
niemals weifer als im Ungluͤck waren, noch ‚viele vors
neffiiche Einrichtungen, wodurch vorzüglid) die Grabe
grettet, und wieder gehoben wurde, Sie beſtellten
Nomorfeten, und verordneten unter andern, daß feine
origkeitliche Perfon ins Fünftige Beſoldung erhalten
ke. . Auch riefen fie den Aifiblades aus feiner Ders
deiſung zuruͤck, und fandten an die Hrerfuͤhrer in Sa⸗
nos die dringendſten Befehle ab, daß fie fich der allger
meinen
n) !
aus Eunboea gezogen hatten, und bie groͤßer wa⸗
sn, als fie aus ganz Attika genoſſen, ſon⸗
dern hatten wirklich auch gar feine Schiffe, keine Sees
leute und Geld mehr, und muften ale um defio mehr
befürchten, daß bie Feinde auf den Piräus losgehen
würden, weil das Heer in Samos von ihnen abgefals .
fen, und die Stade felbft in Factionen getheilt und voll
Aufruhr war. Thukydides felbft urtheilte, daß es dem
Opartanern leicht gemwefen wäre, . den Athenienſiſchen
Saufen wegzunehmen oder zu fperren, um dadurch das
Heer tn Sanıos zu zwingen, feiner Vaterſtadt zu Hilfe
zu eilen, und alle Afiatiihe Beſizungen aufzugeben,
Allein dies war, ſezt diefeg Geſchichtſchreiber hinzu,
nicht das erftemal, daß die Spartaner die Vortheile ih⸗
rer Siege nicht zu nuzen wuſten, und durch ihre Lange
famteit das wieder verloren, ‚was fie durch ihre Tapfer⸗
Leit gewonnen harten. Thu, l. €, Ä
% ville. 97. Thuc,
+.
| 286 . Siedentes Buch. Erſtes —X
en Sache mie pateiorifchem Eifer annehmen fob
wm’. . J
Mitten unter den Spaltungen und Unruhen in
Athen erhielt Toraſhbulue, einer der vornehmſten Zer⸗
ſtorer der Oligarchie in Samos, einen vollkommenen
"Sieg über die Peloponneſiſche Flotte im Hilleſpont“),
und Alkiblädes hinderte es durch feine Unterhandlungen
mic dem Tiffaphernes, den er ducch fein Anſehen ben den
Achenienſern eben fo geſchickt zu ſchrecken, als er Die
Ahenienfer durch fein Gewicht bey dem Perſiſchen Eu
srapen in Ehrerbierung zu erhalten wuſte, daß die Phi
wiciiche Flotte fich nicht mit der Peloponnefifchen vers
Bigte, durch welche Bereinigung die Athenienſiſche ent
weder zu einer fchimpflichen Flucht würde gezwungen
over auch gänzlich zerſtoͤrt worden feyn }). In den bey
den folgenden ohren fchlug er die Peloponneſier und
den Pharnabazus, einen andern Perfifchen Befehlshaber,
in mehrern entfcheidenden Treffen, befonders ben 0%
dus und Kyzikus, umd eroberte Byzanz, und faſt all
Städte am Hellefpont, fo wie Thraſybulus Thaſus un
- . wiehrere andere Inſeln wieder gewann +1). — def
Ä ZZ 0 Ölen
\ u
8) Merkwuͤrdig iſt es, daß fein anderer Schriftſteller, 1
Ser dem Thukydides, der eben angeführcen wichtizen
Staatsverbefferungen erwaͤhnt, die leider alle nur eine
Surze Zeit dauerten ; denn aleich mach der Ruͤckkeht DS
Alkibindes wurde die Demokratie wieder fo zielt
als fie jemals geweſen war, und Beſoldungen ode
. Lohn von ‚Magiftra:sperfonen und Richtern wurden
u eben fo erneuert, als fie ſonſt ftate gefunden hatten.
®®) VIII. Thus. 106 ec. Diod. XIIL p. 571. _ ’
+) 0.82. 87. 88, .
+}) Xenuph, HIR. Gr. I. «. 1-4. Diod. XIII, p. 576°
. Plut. I, p. 38 & ſq. Dies geſchah in DI. 9%
x“ . u
a
\
Seſchichte des Peloponnefiichen Krieges. 7
Siege wurben bie Krieger bes Alfibiabes fo ſtolz, daß
je ich eine Zeitlang mit den Soldaten ber übrigen Felde
herren, befonders des Thraſyllus, nicht vermifchen, mit
pen ſich nicht gemeinſchafftlich in ben Waffen üben,
und nicht in densfelbigen Lager beyſammen wohnen woll⸗
im *), Die Spartaner hingegen wurden fo ſehr gede⸗
mürhiget, daß fie den Athenienſern unter den annehms
ihften Bedingungen Srieden anboten »*). Dae Athe⸗
nienſiſche Volk war aber durch das Gluͤck der Waffen ſei⸗
ner Feldherren, das allemal einen gefährlichen Ruͤckt all
In feinen kindiſchen Leichtſinn herborbrachte, noch wiehe.
cher durch die windichten fchmeichelhaften Proler eyen
kiner Demagogen , die nach gerabe fo unbedeutend was
nf), ‚daß die Gefchichte nur von den wenigften bie
Mamen
EEE Eu
®) Xenoph. Hill, Ge. I. e. 3, p. 17. Plut. p. 62.63.11,
*) Diod. p. 583. Der Brief, den die Lakedaͤm onier nach
threr Niederlage bey Kyzitus nach Sparta [dyicten, ih
ein fo merkwuͤrdiges Charakterſtuͤck, und ‚zugleich fo
kurz, daß ich nicht umhin kann, ihn berzulegen. Er
lantere folgendergeftalt: Eoges Tu ara, Mivdas
eos Ä AWECOUTU. TOYAyTI avdees. AROCEO-
es. TI Xen decev. Xen. I. i. p. 7. & Plut. p. 60.
+) Ein Nachfolger des Kleon wurde Hyperbolus, ein eben
fo kuͤhhner Schwaͤzer, aber noch veraͤchtlicherer Mann,
ats Kleon, und deſſen Anfehen beym Volk, wie Dius
darch fast, der ganzen Stadt die grhite Schande brach⸗
te. vid. Ariftoph. in Pace v. 680 &, 980. & Plut. in
Nie, Ill, 360. 61. : Miktas und Alkibiades brachten eg
dahin, daß er eroftrafifirt wurde. Hieruber lachen die
Arhenienfer anfangs; allein ‚nachher bereuten fie es, ,
daß ſie einen Nichtswuͤrdigen mit einer Strafe belegt
gan, die Bisher ein fiderer Beweis außerordentlichen
erdienfte und Talente in demjenigen, deh fie getroffen
batte, gemeien war. Durch diefen unwuͤrdigen Ge⸗
Strauch wurde ihnen die Strafe fp verhaͤßt, daß ſie nach
dem Hyperbolus keinen meht exoſtrakiſirten. Pius, I. c.
ie _ | |
as88 Biebentes Buch, Erſtes Capitil.
| Damen aufaezeichnee hat, fo fehr aufgeblafen werben,
Daß fie alle Anträge verwarfen und den Frieden als ein
Hindernig der Ausbreitung ihrer Herrfchafft und Erobe⸗
sungen zu fürchten anfingen *), |
Nach allen ven großen und ruhmvollen Thaten,
‚bie Aıfibiades verrichter hatte, fehnte'er fich nunmehro
eben jo. ſehr, fein ihm theures Vaterland wieder zu ſe
ben, und fich felbft feinen Mirbärgern zu zeigen, all
Die Athenienſer darnach verlangte den außerordentlichen
Mann voisder_zu fehen, der feine Vaterſtadt nicht nut
gerertet, fondern auch über alle ihre Feinde erhoben,
der ihr nicht nur die Herrfchafft zur: See wieder gemon
nen, fondern aud) die Spartaner auf offenem Felde gu
ſchlagen, und ihnen die Herrichaffe zw Lande ſtreitig ge⸗
macht Hatte **), Nachdem Alkibiades alle Sachen in
Sames und XAiien in Ordnung gebracht, und den jur
ruͤckbleibenden die närhigen Berhaltungsbefehle geacen
hatte, fo ſchiffte er mic feiner fiegreichen Flotte, diemit
ben Rriegszeichen von mehr als zweyhundert eroberien
oder verſenkten feindlichen Schiffen ausgeſchmuͤckt war,
dem auf ihn harrenden Arhen zu. Ben ber erften Nach⸗
eicht von feinee Ankunft ergoß fich die ganze Stadt in
ben Piräus, und Alkibiades wurde mit einem ſeihen
Gepraͤnge und fo lauten aufrichtigen Freudensbeſeuqun⸗
gen empfangen, als wenn der Gott des Krieges oder WE
Schuzgötsinn des Volks fich den Mauern ber Stodt ge
naͤhert haͤtte. Er allein war der einzige Gegenſtand
der allgemeinen Aufmerffamfeit, und der ſuchenden
Blicke felbfi derjenigen , die. ihn ſchon Eannten, a
. . \ m
EHER
°) Died. 1]. « |
a8) Xenoph. I. 4. Hill. Gr. Diod, XIIE, p, 596. ad Oh
98. i. Plus p. 67. & ſq.
-_
Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 289.
im eben fo gierig auflauerten, als wenn fie ihn noch
nie vorher gefehen, oder er ſich in ein höheres Welen
verwandelt hätte, Von allen Seiten drängten fich
Vornehme und Geringe, Männer und Weiber, Alte
ued Junge zu, um den Retter und Vater des Vater⸗
landes zu umormen, oder zu begrüßen, oder fein mit
lorbeeren umkraͤnztes Haupt init Diumen der tiebe und
Dankbarkeit zu beftreuen; und diejenigen, denen dies
Bid nicht zu Teil wurde, flartten ihn entweder mie
ſtummer Bewunderung an, oder zeigten ihn auch ihren
Kindern und Freunden mit lautern Freudengeſchrey, als
einen Wohlthaͤter, dem fie feben, Freyheit und Wohle .
fland zu verdanken hätten. Mit den Thränen der Freu⸗
de, weiche die Achenienfer über feine glüdliche Ankunft‘
bergoffen, vermiſchten ſich Thränen der Wehmuth, der
Reue und des Unwillens gegen ſich felöft,. welche ihnen
das Andenken an das Unrecht auspreßte, das fie dieſem
Helden zugefügt Hatten, und das ihnen jest viel groͤßer
up unverdienter vorkam, als es ihnen jemals erſchlenen
war, Der frevelhafte, muthwillige, üppige und rreus
loſe Alkibiades, ber aller Geſeze gefpotter harte, und
die Urfache der Fortſezung des ungluͤcklichſten Krieges ges
weſen war, verſchwand ganz aus ihrer Phantaſie, und
Bur ber fchöne , berebte, tapfere Sieger ber Spartaner
und Perfer ſtand ganz allein vor ihren verbienderen Aus
gm da. Sie beweinten aber nicht bloß fein, fondern |
auch ihr eigenes Schickſal, indem fie gar nicht mehe
iweyfelten, daß eben der Mann, der die fich unübere
windlich bünfenden Feinde mit den armfeligen Truͤm⸗
mern der vernichteten Vaterſtadt zu Boden: gefchlagen
be, mit der garizen ungefchwächten Macht der leztern
Sicilien und Carthago würde erobert haben‘, wenn man
er che mit Gewalt aus der Laufbahn feines Gluͤcks und
finger Tugend heraus geriflen Härte... Diefem lebhaften
Gersy der Neue über die Öugefögtn Beleidigungen ent⸗
Zweyter Band ſprach
gb" Wicsentes Vuch. Erſies Copitd,
fürac) ihre Begierde , Ihm Genugthuung ga geben , der
zen Heußerungen dem eitien und ehrgeizigen jungen Mann
gewiß in eintgen Augenblicken mit Seeligkeiten über,
ſhuͤtteten, wodurch er für alles, mas er in mehrern
ahren gelltten harte und bald nachher wieder dulden
wuſte, hinlaͤnglich entſchaͤdigt wurde. Es war den Athe
aienfern nicht genug, den Volksſpruch, wodurch fie
ion zum Tode verurcheilt hatten, feierlich zu widerru⸗
en , ihm fein ganzes Vermoͤgen zurüdzugeben, und als
fen Priefteen und Priefterinuen zu befehlen, daß fie die
luche, welche fie wider ihn ausgeftoßen haften, zuruͤck⸗
nehmen, und den Mann , mit welchen das Barerland
‚ch ausgeföhnet Hätte, auch wieder mit den GSoͤttern
ausföhnen follten, fie erönten ihn aud) mit goldenen
eonen, und ernannten ihn gu einem unumfchränften
eidtzerrn zu. Waſſer und zu tande, . voll der gerofffeften
—2 daß er alles vollbringen fönne, was er nur
olle, und baß er bie Mache Athens über olle ihre
änfche erweitern werde y. Man ruͤſtete ipm eine
e von mehr als hundert Segeln aus, und begleitete
4
Flott
hum
m
Ä »
Der Pöbel zu Athen war fo unfinnig in den Alflbiades
ihn ſogar, den ganzen Diunder von Gefezen nd Wolke:
ic noch heißern Wuaͤnſchen und noch frölichern Hoff
on nun⸗
\
.
verliebt, daß viele nichts mehr wuͤnſchten, als ihm zum
Alleinherrſcher erhoben zu fehen. Diefe. ermunterten
“fdtüffen mit Süßen zu treten, und fih zum unums
ſchraͤnkten KHeren von Achen zu machen. Zwar find die
wahren GSefinnungen des Alkibindes unbefannt, allein
gewiß iſt es, daß feine Feinde ſich fürdteten, daB er
die Bunft des Pibels zur Unter vchung aller feiner
Mitbürger mißbrauchen möchte. Sie ſtimmten dacher
eben fo eifrig als feine Freunde in ben Vorſchlag ein,
un als unumfchräntten Feldherrn ‚gegen die Feinde des
Staats auszufgicen. Plut. IH, p. 73. 74-
e
Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 291
nungen ,als womit man ihn bep feiner Abfaher nach '
Steilien begleitet hatte. | N
Alfibiades *) erfuhr aber bald die Unbeſtaͤndigkeit
des Glaͤcks und die noch größere Unbeſtaͤndigkeit des
Achenienfijchen Poͤbels, der ihn vor kurzem angeberet
und faſt vergöttere harte. Denn als er die Inſel Andros
nicht gleich beym erffen Angriff eroberte, und Antiochus,
den er während einer nochmendigen Abweſenheit zum Ber _
fehlshaber der Flotte beſtellt Harte, ſich wider feinen _
ausdrücklichen Befehl mit der Peloponnefifchen Seemacht
einließ und von ihr gefchlagen wurde; fo fuchte man den
Grund diefer Unfälle nicht in unvorbergefehenen ober
unvermeiblichen Umfländen, fondern man legte fie ohne
altern Abzug ihm ganz allein zur Laſt, weil,man in dee
Meynung war, daß ihm, wenn er nur thun solle, was
er fönne, gar nichts unmöglich fen. Man gab daher
den Feinden des Alfibiades> und den von ihnen gebuns
genen Schrenern Gehör, die feine tiederlichfeit, Raub⸗
begierde, oder gar heimliche Verbindungen mit den Fein⸗
den als die Urfachen des fchlechten Portgangs feiner Wafs
fen angaben **). Das Volk entfezte ihn unverzägl
feiner Würde, und beftellte an feiner Statt zehn andere
Feldherren, die das Commando der Flotte Übernehmen
muften. Alfibiades hielt es abermals nicht für ficher,
w feiner Nechtfertigung nach Achen zu gehen; er zog
ſich alſo im feine Burg us Thraeien zuruͤck, die er
2 N)
°) Xenoph. I. e. 5. Diod, XII, 596, 97. ad Ol, 93. 1.
Plut. p. 75.
®e) ji. ee. Unter dieſen war auch Thrafpbulus, vormals fein
elfrigſter Freund, und der vornehmfle Urheber feines
Zurudberufung Ich finde in Seinem Scheiftftefler
inte über die Veranlaſſung feines Jeindſchafft gegen
den Alkibiades. Zu
ga. Siebentes Buch. Erftes Capikl,
ſolche Faͤlle Harte bauen laſſen, und im welcher er große
Schoͤze geſammlet Harte. .
Der Ueberwinder des Antiochus, des Stellvertre⸗
ters des Alkibiodes, war Infander, den bie Spartaner
wegen feiner großen Erfahrenheit und Kenntniſſe im land⸗
. fowopl als Seekriege ˖ zur Wiederherſtellung ihrer An
gelegenheiten nach Aſien geſchickt hatten, und der nicht
nur um ſeiner ſelbſt willen, ſondern auch deßwegen die
Aufmerkſamkeit des tiebhaber6 der Briechifchen Geſchich⸗
"ge verdient, weil die Vorſehung Ihn zum Zerſtoͤrer ber
Athenienſiſchen Macht und Herrſchafft beſtimmt harte.
ufander ſtammte aus koͤniglichem Gebläte ab, allein er
war und blieb unter unzähligen verführerifchen Veran⸗
laſſungen eben fo arm, und an dem prächtigen Hofe dei
. füngern Kyrus und in ben üppigen Staͤdten Sonim
eben fo nüchtern und mäßig, als Ariſtides gewefen war").
Er vereinigte mit der Berfchmizcheie, der Thaͤtizkeit,
dem Eprgeize, und durchdringenden Scharfſinn bes The
miſtokles die Biegſamkeit und das einfchmeichelnde We⸗
fen des Alfibiades; nur unterfchieb er fich gu feinem
Bortheile vom leztern barinn, daß er ben aller fit
Spartaniſchen Einfalt die Gunſt der Mächtigen und
Großen eben fo leicht zu gewinnen, und noch laͤnger u
erhalten wuſte, als Alkibiades die Herzen der Weiber
und des Poͤbels feffelte**), So wie er ohne
Das Wohl des Vaterlandes feinem Eprgeije aufopftt
ter); ſo Het und char er alles um feine Freunde zu he
"ben, oder feine Feinde zu flürzen, und er war daher MM
“eben fo ſtandhafter Freund, als er ein furchtbarer *
U U
* 3
*
u
| 2 Plot in y Vie Tom, DL’ p. 4 | -
D Ib, p. u. & Xenoph, L. I, e, 6, HiR, Ge.
Geſchichte des Peloponnefifchen Krieges. :
war ). Muzen oder Nuͤzlichkeit fehlen ihm der ein
Maaßſtab der Gerechtigktit und Wahrheit zu fü
Beyde, glaubte er, wuͤrden nur deswegen geſchaͤzt,
fie nuͤzlich wären, und man koͤnne fie alſo ohne Sc
beleidigen, wenn fie anfingen, fchädlich zu werden
Er hielt feine Maaßregel oder Handlung für niedertr:
tig oder unmwürdig, wodurd) er zu feinem Zwecke gel
gen konnte 7); doch brauchte er lieber tift als Gew
und-denen, die Ihm fagten, daß er als ein Nachkoͤm
ling des Herkules feine Feinde nicht burdy Raͤnke bek
gen müfle, antwostete er: daß man da, wo mat ı
der loͤwenhaut nicht durchkommen fönne, ſich des Fuc
pelzes bedienen müfle TI). Er verladhte und- jert
Geſeze, Berträge, und bie helligften Eide, wenn
ihm entgegenftanden, und hatte den ®rundfaz, t
man Kinder mit Wuͤrfeln und anderm Spielwerfe, u
Männer Hingegen mit Eiden hintergehen muͤſſe. T
fer außerordentliche Mann, der Feine andere Leidenſche
als Ehrgeiz, und feinen andern herrſchenden Geb:
fen hatte, als fich durch die Demürhigung der Arche
enfer unfterblich zu machen, gab ber zerrüttegn Sa
der Spartaner noch vor ber Ankunft des Alkiblades
Alten eine ganz andere. Geſtalt, als fie vorher geh:
harte: Er Harte den jüngeren Kyrus, der von fein:
Vater zum Befehlshaber über Borberafien ernannt wı
den war, durch feinen Limgang und durch feine Schm
cheieyen, ‚die um deito füßer waren, weil fie aus di
Munde eines edlen und durch bie Einfalt feiner Sit
aufrichtig ſcheinenden Spärtaners kamen, fo für f
e
294 Giedentes Buch. Etſtes Capite.
eingenommen, daß biefer {hm alle feine Schaͤze, und
wenn ‘er auch ben goldenen Thron, auf welchem er ruh⸗
te, brauchen follte, mit jugendlicher Frengebigfelt anbot,
und ihm anſtatt der Gefchenfe, die er ihm felbft zuge
"dacht hatte, die Erhöhung des Soldes der Trüppen und
Seeleute von drey Obolen auf vier bewilligee, durch
welche Erhöhung Infander auf einmal die Athenienſiſche
Flotte entblößte, und ihr alle Seeleute entzog, die fei
- ne geborne Arhenienfer waren, und allein um des Johns
willen dienten ”). Uyſander übergab ferner in allen
-Städten , die von den Athenienfern abgefallen und mit
den tafedämonlern verbunden waren, entweder die hoͤch⸗
ſte Gewalt, oder doc) die Verwaltung der öffentliden
Geſchaͤffte einer kleinen Anzahl ausgefuchter Männer,
die ihn nachher als den Urheber und Erhalter Ihres
Gluͤcks und Anfehens deſto Eräftiger mit Gelbe und
Schiffen unterftäzren **), - Durch diefe Kunfigrifl
brachte er eine Slorte zufammen, womit er die Atheni⸗
enjifche Flotte wenigſtens beobachten, und einen tol⸗
kuͤhnen Anführer derſelben ſchlagen konnte, und machte
ſich bey allen ſeinen Bundesgenoſſen ſo bellebt, daß man
feinen Abſchied am Ende des Jahre, wo er nah Spar
fa zuruͤck berufen wurde, In allen Städten berbeinte }).
Ben Feinet andern Angelegenheit zeigte fich Iniom
ber Fleiner und nmiedererächtiger, als ben der Uebergaß:
ber Flotte und oberften Befehlshaberſtelle an ven Kal
lifratives Fr), feinen Nachfolger, einen Mann, der ihn
‚an Mäßigfeit, Enthaltfomfeit und Muth wenigftend
gleich kam, und an Edelmuth, Seelengroͤße und Ze
*
SERIE GE —
@) Xenoph. I. 5. Plut, Ill, 7. p.
4) Plut. p. ı0.
++) Xenoph. I. c. 6. Plut. Il. p. ar.
⸗
Geſchichte des Pelopennefifchen Krieges. 295°
ver offener Rechtſchaffenheit, einer in Sparta ſelte
Tugend, noch mehr überrraff, als er von ihm 7
leicht an Erfahrenheit im Seeweſen übertroffen wurde ).
Sen diefen Kallikratides machte Lyſander zum größten
achtheit feines Baterlandes nicht nur alle Bundesge⸗
noffen, als gehen einen Neuling in der Kriegsfunft aufs -
fäsig, ſondern wandte auch das Herz des Kyrus von
ihm ab, uͤnd ſchickte fogar alle nody übrige Gelder, die
er von dem lejtern zur Unterhaltung der Flotte empfan⸗
gen hatte, nach Sardes zuräd**), Er zwang dadurch
den edlen Kallikratides, der vor Friechenden Bitten und
por dem bloßen Schein von Erniedrigung einen unübers
windlichen Abfcheu hatte, feine Natur zu befiegen, und
zum jüngern Kyrus zu reifen, um von ihm bie fernere
Auszahlung der töhnung der Seeleute auszuwirken.
Katlifrarides hielt die Unmürbigfeiten des veraͤchtlichſten
Sclavenſtolzes, und den Uebermuth, womit Kyrus ihn
immer abweiſen ſieß, zween Tage aus; allein laͤnger
konnte er die Beſchimpfung ſeines Vaterlandes in ſeiner
Perſon nicht erdulden, und kehrte daher voll lebhaften
Unwillens nach Milet zuruͤkt. Er ſchwur, daß er bey
einer Anfunft in Sparta nichts War rg faffen wolle, -
um feine Mitbuͤrger mit den Athenienfern auäguföhnen,
damit fein Grieche fernerhin gezwungen werde, ‘um bie
Gnade von Barbaren zu Bette. Zugleich ermunterte
4 er.
©) Plut. & Xenoph, Il, cc. ‘
°s) ib, Als Lyſander feinem Nachfolger die Flotte übergab,
fagte er zu ihm, daß er ihm eine ficgreiche Seemacht
Iberliefere. Kallitrarides antwortete aber, um dem
Lyſander feine Pralerey fühlen zu machen, daß er doch
Samos, wo damals die Athenienfer vor Anker lagen,
worbeyfchiffen,, und ihm die Flotte in Deiler. übergeben
möchte, welches aber der beſchaͤmte Lyſander zu thun
ſich weigerte.
®
\
N
296 _Giebentes Buch, Erſtes Capitel.
se bie Bundesgeneffen ber’ gemeinſchafftlichen Sache aus
allen Kräften zu Huͤlfe zu fommen, um den Perfern zu
yeigen ; daß man auch ohne ihren Beyſtand fich feiner
Feinde erwähren könne, So unangenehm viefer Antrag
Den Meiften war ; ‘fo fehoffen fie doch theils aus Furcht,
‚und theils aus Mitleiden mit der Derlegenheit des gror
Ben Mannes beträchtliche Summen her, und fegtenihn
Dadurch in Starıd,, feine Flotte fo fehr zu vermehren,
daß er den Feinden die Spise bieten konnte. Er ſchlug
pie Arhenienfifchen Feldherren Konon und Diomedon,
ohne jedoch irgend einen Achenienfer als. Knecht zu ver⸗
Faufen, oder foldhe Grauſamkeiten auszuüben, als die
| Athenienſer ausgeübt hatten, und die Bundesgenoflen
"aus Rache an ihnen auszuüben geneigt waren *). Die
erfſte und größte diefer Niederlagen, im welcher fie drey⸗
Gig Schiffe verloren, vernichtete zwar die Seemacht der
Athenienſer nicht ganz, zwang fie aber doch zur lezten
faſt ganz unglaublichen Anftrengurig der wenigen Kräfte,
bie ihnen noch übrig geblieben waren. Sie ruͤſteten
naͤmlich in drenßig Tagen hundert und zehn Schiffe auf,
zu deren Beſezung aber faum alle Buͤrger, alle Fremd⸗
“linge, die fich unter ihnen niebergelaffen hatten, und
felbft alle Schauen, die zu Kriegsdienſten tächtig waren,
Binreichten *®) ; und außen diefen ſammleten fie noch vier
zig andere Schiffe von den Biundesgenoffen, die glei:
falls alles, wos auch Waffen tragen konnte, zur De
. manımung berfelben preffen muſten. Mit. biefer in
!
oo.
ne
u © Xenoph. 1. e, p. 41:44. Cr faste, daß er den Lonen
‚ lehren wolle, ins künftige niche mehr Ehebruch mit
dem Deere zu treiben, daß aber auch unter feiner Dr
fehlshaberſchafft fo viel an ihm ſey, Fein Grieche I
die Selaverey gerauben ſolle. *
#8) Xenoph. I, c. p. 45. & Diod. XIII. 630. ad 01.93. 3.
8 ⸗
flug Rohen ben Urginufe den Rallifrabides ‚ ber ent
weder aus einer übertriebenen Zörtlichfeit für feine Ehre,
oder auch aus einem gewiſſen Eigenfinn, dem oft die
groͤßten Maͤnner und Helden umterroorfen find, dem
iberlegenen Feinde nicht weichen wollte, in dem blutige
fen und entfcheidendften Seetreffen, das jemals zwiſchen
Griehifchen Völkern geliefert worben wär, und in weis
chem der Spartaniiche Feldherr feinen Fehltritt mir dem
leben buͤßen mufte *). Wahrfcheinlich würden die Athe⸗
nienſer Die ganze Peloponnefifche Forte zerftort haben,
wenn nicht gegen das-Ende der Schlacht ein heftiger
Sturm entftanden wäre, ber die Sieger hinderte, den
übermmdenen Feind mit Nachdruck zu verfolgen, und -
fogar ihte eigene Todten mitber aufzufifchen **)+
; 5
® Den Athenienſern wurden faͤnf und zwanjig Schr, u
ſammt aller Mannfchaffe, einige wenige ausgenommen,
verſenkt, und die Peloponnefier und ihre Bundesge⸗
noſſen verloren 69 Schiffe, Xen. I, e; und nicht 77,
wie Diodor fagt p. 621. Kallitratides wurde‘ vor der
Schlacht gewarnt, ſich nicht mie einem uͤberlegenen
Beinde einzulaſſen, aleln er erklaͤrte, daß Sparta auh
ohne ihn beſtehen, daß es aber für ihn ſchaͤndlich ſeyn
würde, wenn er fliehen wollte. Xen. p. 47. Cicero
und Plutarch radeln den Kallikratides mit Recht, daß.
er die Wohlfart feines Vaterlandes feiner Ehre nachſezte.
Cie, de of. 1. 24. & Plut, in Pelop, initio Vol, Il, Es
ſterer erzähle aber die Antwort des Kallitratives etmas
anders als Kenopfon. Von be weicht: Diobor ab
p. 619 & 20, der den Zenophon eben fo felten als den
Dabkydides zu Rathe gezogen zu haben ſcheint.
W) Xen: 3. €. 7. P.49:61. So unmbglih es den Feld⸗
hexrren ud) war, ihren Mitbuͤrgern die legte Pflicht zu
erweifen; fo wurden fie doch, gleich alle, den Konon
ausgenommen, dem man zween neue Gehuͤlfen zugab,
uruͤckberufen, und ale Majeätsverbrecher, oder als
Seffichte des Peloponneſiſchen Krieges, 297
0
/
8.Siedentes Buch. Erſtes Eapil.
So groß der Sleg war, den bie Achenienfer ge⸗
wonnen hatten; fo sog er doch gar keine wichtige Folgen
‚gar keine Bunbesgenoffen von ben Spartanern ab; viel
Unger
und Revolutionen nach. fich , und that den Lieberwunde
men auch keinen andern Schaden, als den fie in der ver⸗
formen Schlacht felbft gelitten hatten. Konon und feine
Gehuͤlfen eroberten nach dem Siege feine einzige Stadt
von Bedeutung, entweder weil fie wicht fonnten, oder
weil fie ihren Sieg nicht gu mungen wuſten. Auch fielen
mehr
/
Beleidiger der Heiligkeit des Volks angeklagt. Derzr
Gens bewiefen fie mit den Zeugniffen ihrer Steuerleun
und unzähliger anderer Perfonen, daß fie des Gturmes
halber das, was man von ihnen fordere, nicht hätten
ielſten können; vergebens beriefen fle ſich darauf, dej
fie den Theramenes und Thraſybulus zur Aufiugun
der Leichname ihrer Mitbuͤrger beſtellt Hätten, un
daß alfo , wenn aud) etwas verfeßen worden wäre, nich
fie, fondern diefe Trierarchen fehuldig wären. Sowoehl
der reglerende Math als das Volk wurde durch die Ans
lagen des Theramenes und Thrafpbulus, am meiften
aber durch das Jammern und die Trauerkleider der An
verrvandten der Gebliebenen, die von dem beyden eben
genannten Männern ju diefem falſchen Trauerſpiele wa⸗
ven gedungen worden, fo ſehr aufgebracht, daß fie die
Anſchuldigen Feldherren zum Tode verurtfeilten, u
feche davon auch wirklich hinrichten ließen. Xesoph. Le
& 62. Auch bey diefer Gelegenheit betrug fi der
ath viel unbeſonnener und haſtiger als da⸗ Roll,
das ohne das vorhergegangene Urtheil feiner Obern fein
unſchuldiges Blut vergoften hätte. Die Athenienſer
ſahen aber bald die Ungerechtigkeit ein, bie fi began⸗
gen hatten. Sie erklärten die Auklaͤger und Verfolger
der hingerichteten Feldherren für Betruͤger des Volk
umd Iegten fle auch Iuieflich ins Gefaͤngniß, aus m
ehem fie bey einem bafd darauf erfolgenben Anlauf ent
wifhten ber das Nriheil über fie war zeſotocht
wor en. + .
|
|
Geſchichte des Peloponnefifchen Krieges. 299
mehr ſchickten bie erſten aus. Furcht vor der crauſamen
Rache der Athenienſer aufs ſchleunigſte Geſandten nach
tafedamon ab, um die Hoͤupter dieſer Stadt auf das
dringendfte zu bitten, daß man ihren doch den Lyſander
als Befehlshaber ſchicken möchte, als welcher der eins
sige ſey, der die Infeln und Afiatifchen Städte vom Un⸗
tergange retten fünme *). Die Ephoren fahen das Ger
grändere dieſer Bitte ein; allein an der Erfüllung ders
felben wurden fie durch ein Geſez gehindert, nach weis
chem diefelbige Derfonen nicht mehrmalen als oberfte. Bes
fehlshaber einer Seemacht ansgefandt werden follten.
tm alſo dieſes Sefez nicht zu übertreten, und doch) au)
niche das hoͤchſte aller Geſeze, die allgemeine Wohlfart
gu verlegen, ernannten fie einen gewiffen Arafus zum
Befehlshaber über die Flotte, gaben aber dem tnfander
unter dem Titel eines Raths alle die Macht, die mit der
r
!
TWürbe des erften verbunden war. Sobald Infander
nach Aſien fam, rief er alle Schiffe nach Epheſus zur
ſammen, 1leß fogleich viele neue bauen, und erhielt vom
Kyrus, der von feinem kranken Vater nach Hofe beru⸗
fen war , nicht nur alles Geld, was er verlangte, fons
dern auch feinen ganzen übrigen Schaz, . und foger Die
Erfaubniß, während feiner Abweſenheit ven Tribut al:
fer der Städte zu heben, über welche Kyrus gefezt
war*”). Durch dieſe mehr als freundfchafftliche Unter, _
ſtuͤzung 7) fezte tnfander ‚feine Flotte fin kurzer Beie in
eine
®) Xenoph. 11. ı.
se) Xenoph, ib, | |
$) Andokydes bezeugt, baß die Spartaner bis auf die
Schlacht bey Aegos Potamos fünf tanfend Talente von
den Perfern erhalten hätten, ohne welchen Beyſtand es
U)
ihnen auch unmoͤglich geweſen wäre, ben Krieg gegen |
die Arhenienfer To Tange "auszuhalten. Orat, Ill,
P 281. Ä .
300 Giebentes Bud, Erſtes Capitel.
eine ſolche Verfaſſung, daß er angriffsweiſe handeln
konnte. Er ſchiffte daher nach dem Helleſpont zu, um
Lampſakus, eine Bundesgenoſſinn der Athenienſer, zu
belagern, die er auch mic ſtuͤrmender Hand eroberte und
von feinen Soldaten ausplündeen ließ ). Die Arche
nienfijchen Feldherren, die noch mic drey neuen Gehll
- fen. vermehrt worden waren, folgten den Lyſander nad,
und anferten mit einer Flotte von 180 Schiffen lampſo
Eus gegen über ben Yegod Potamos, two der Hellefpont
nur eine Breite von funfgehen Stadien hatte**). Diele
Feldherren, die, den einzigen Konon ausgenommen, aud
eben fo unwiſſenden als ftoljen und grauſamen Dem
gogen beftanden 7), berachteten den Feind fo fehe, un)
hielten fich ihres Sieges fo gewiß, daß fie des Allbi⸗
des fporteten, als er Ihnen rieth, die gefährliche Rhede
von Aegos Potamos zu verlaſſen, und nach |
zuſegeln, wo fie dem Infander ohne alle Gefahr auflaw
ten, und Lebensmlttel ohne alle Beſchwerden erhalte
tönnten PP); Sie faßten fogar den Entfchluß, ale
Feinden, die fie. gefangen nehmen wuͤrden, bie sehft
Hand abzubauen, und küdten jeden Morgen mit dem
Anbeuche des Tages mit ber ganzen Sorte in Schiahe
srdnung vor, um bem-tniänder ein Treffen anzublelen.
nfander merkte bald, daß die Thorheit feiner Freunde
ähm nächftens eine Gelegenheit verfchaffen wuͤrde, fe «uf
eine fürcherliche Art für ihre Prateren zu ſtrafen.
ließ ihnen alfo das eitle Bergnügen, mehrere Tage 2
9 Xen, p. 67.1.e,
.. ®*) ib, p< 68.
H Plur. Il, p. 168.
Fp) Xen. U. 1. p. 70. Tydens und Menander antworteten
. An, daß er fih.um ihre Angelegenheiten nicht weit
—— möge, weil nicht er, ſondern fie Gehe
von ſeyen. ; |
eier da debpomeliben Sig m
ter einander mit ihrer außgebeiteten Ftocie vor feinem
Augefichte zu prangen, ohne daß er mit der feinigen, ' |
Sache bereit war, den Hafen -
wf weicher alles zur
‚von tampfafus verlaffen hätte. Nur fchlekte. er den Athe⸗
*63 wenn ſie ſich nach ihren Ankerplaͤzen zuruͤckzo⸗
gen, einige Jagdſchiffe nach, die ihr Berragen beobach⸗ |
ten, * aber ſonſt in kein Gefecht einlaſſen durften.
Machdem er durch dieſe Jagdſchiffe erfuhr, dag die Athe⸗
mimfer gleich nach Ihrer. Ruͤckkehr nach Aegos Potamos
in der grbßten Unordnung ihre Schiffe zu verlaſſen und
anus fand zu gehen pflegten; fo gab er am Tage |
nach ber erften Aufforderung zum Treffen den Befehl; -
Ddaß ale feine Schiffe fich bereit halten follten, auf *
erſte gegebene Zeichen auf den Feind los zu ſegeln. Er
erwartete ruhig das legte Gepraͤnge der Achenienfer, und
"re Ruͤckfart nad) ihrer gewöhnlichen Station ab; als -
Sein kaum waren fie ihm aus den Augen verſchwunden,
— fine ganzen Mache aufbrach, und mit unwi⸗
derſtehlichem
Ung
der größten Verwirrung und faſt ganz von Menfchen '
mrblößt war *). Außer dem Paral Schiff, das
bie erſte Nachricht von dieſer Miederlage nach Athen
brachte, konnte ſich nur Konon allein mit acht Schiffen
retten, wit weichen er zum Evagoras, ſcher von
Kypern, entflog, weil er feine Varerftabe für verloren
hielt. Der ganzen übrigen. Flotte bemächrigte ſich iys
—* faſt ohne Schwerdtſchlag, und ſegelte mir ihe
rriumphirend in den Hofen von Lampſakus ein, Eu
Heß alle Arhentenfifche Gefangene, bie fich auf drey tau⸗
fend beliefen ee), und ihre Feldherren, den einzigen Adi⸗
man⸗
2 ren
anders Ding bingegen il, p, ao. ia
*X fest dem. Zenephen.
3
% r |
—
yo ° Siebenteh Buch. Erſtes Earitel.
- montus ausgenommen, erwuͤrgen, weil ſie die Mann⸗
ſchafft von zween Korinthiſchen Schiffen, die ihnen in
He Hände gefallen waren, bon einem Felſen geſtuͤrzt,
und den Anſchlag gefaßt Hatten, alle Peloponnefier, die
fie gefangen nehmen würden ‚, auf eine barbarlfche und
dem Kriegsrechte der Griechen zuwiderlaufende Art zu
verftämmeln *). |
Mach diefee Schlacht, ober vielmehr Niederlage,
welche die Arhenienfer litten, fiel auf einmal das ganze
‚ „Griechenland, was den Athenienſern unterchan oder mit
Ihnen verbunden gewefen war, zum Lyſander ab”), das
einzige Samos ausgenommen, in welchem der herz
ſthende Möbel hie Rache der Spartaner, und der Vor—⸗
nehmen, deren Verwandten er umgebracht hatte, fuͤrch⸗
eete, das aber doch audy bald nachher vom $gfander ber
greungen wurde). Der Spartaniſche Feſdhert ſchaffte
in alten Staͤdten und Inſeln, die er eroberte, oder bie
zu ihm uͤbergingen, bie Demofratifche Regierungsform
&, und übergab die hoͤchſte Gewalt einer © t
von sehen Männern, die ee ohne Nösfiche auf Bernä:
gen und Geburt unter feiner uud feiner Vaterſtadt eifris
gen Freunden ausfuchte, und beuen er. einen vornehmen
G:partaner unter dem Titel eines Harmoſtes vorfeste }).
Er-führee zur allgemeinen Freude yon ganz Oriechenland
Me Bölfer und Einwohner von Stätten, Die eysmpener
yon den Arhenienfern oder von dem durch fie herrſchen⸗
Ben Möbel aus ihrem Baterlande vertrieben tuorhen mar
ten, in ihre vaͤterliche Wohnungen zuruͤck Fr), und ent⸗
ließ
J
|
®) Xen. 1. c. p.-73. & Plut, p, 26,
| — Xenoph. I Fr 79. F y
0“) 11,9, p. 83. Xenoph, _
+) Xen. 1,5. Bil ig 27. .
Hi —— u
Geſchichte des Peleponnefifchen Keitges. ax
Heß alle Athenienſer, die ihm in bie Hände fielen, ohne ° -
Beleivigung und töfegeld, ‘aber mit dem Bedeuten, Db
fie ſich nach Athen begeben, und bey tebenöftrafe nicht.
anderswo betreffen laſſen follten ). Nachdem er bad
Oriechiſche Aſien und die Inſeln nach feinem Willen eine
gerichtet haste, ließ er die Könige von Sparta wien; '
do ee mit feiner ganzen Flotte zu einer gewiflen Zain.
vor dem Piräus ewfcheinen wuͤrde. Er fperzte auch , _
wirkuͤch die Athenlenſer um eben die Zeit wir 180 Schiffen
von der Seeſeite ein, als Agis und Paufanias wit einem
mächtigen Heere, was fie aus dem ganzen Delsponnes, -
Argos außgenommen, zuſammengebracht hatten, ſich in
ven Vorſtuͤdten Athens lagerten **), J
. Die erſte Machricht von dem umerfezlichen Vorluſm
der ganzen Flotte, den fie erlitten hatten, erhielten Kia
Urhenienfer durch Das entflohene Paralifche Schiff gerad
zur Rachtzeit, als der Hafen und bie öffentlichen Plaͤpe
ſchon leer waren. Allein kaum waren bie ungluͤcklichen
Botſchaffter ans fand geſtiegen, als ſich ein allgemeines
Wehhtiagen erhob, Bas ſich bald durch die langen Maucin
bis in die Stadt fortwaͤlzte. Die ganze erſte Nacht
durch; war niemand weder in Athen ſelbſt, noch ius
Piraͤns, veſſen Augen vom Schlafe gefchloflen wurden.
Dion bewrinte wicht bioß den Verluft der Flotte, der
ganzen zum Kriege tuͤchtigen Tugend und aller reichen
Defljungen , ſondern auch das eraurige Schickſal, mas
über den Häuptern ber Kbrig.gebliebenen fchwebte. Cie
jeder fuͤrchtete aicht ohne Erund für ſich und bie Seini⸗
gen ebon das, wos die Achenienſer an von Bel,
®) Er harte die Abficht, durch diefe Auhaͤufung von Men⸗
| —* deſto geſchwinder Mangel and Hungersnoth im
e in
0°, ib. . Rn , . +: .
\ .
-
o .
‘
304 Giebentes Buch, Erſtes Tape,
Sekilionaͤern und den Einwohnern vieler andern Stoͤdte
und Inſeln verübt hatten, die von ihnen oft aus feiner
andern Urfache, als weil fie Ihre Bundesgenoſſen nicht
werden wollten, mit unechorter Grauſamkeit waren er,
würge, oder zu Sclaven gemacht worden *), Eben
. Dieb Bewuſtſeyn ihrer Grauſamkeiten war die Urſach,
weßwegen fie nicht um Frieden baten, von: weichem ſie
gewiß vorausfahen, daß er ihnen würde abgefchlagen
werden. Sie faßten daher einen Entſchluß, den ihnen
Die aͤußerſte Verzwehfelung nur eingeben konnte, näm
lich ſich ſelbſt und ihre Stadt, ‚fo lange als möglich zu
dertheidigen, alle Häfen und Zugänge won her Seeſeite
. außer einem einzigen zu verſchuͤtten, alle biejenigen, die
“ Were bürgerliche Ehre verloren hatten, für ehrlich zu eu
Bären, und ihre Mauern fo geſchwind aus zubeſſern un
Sa gut m beftgen, als es ihre Kräfte verflarten würden.
Sie dachten aber nicht daran, daß fie, um eine laugwie ⸗ |
rige Belagerung auszuhalten,. Lebensmittel noͤchig hätten,
oder wenn fie daran dachten, fo fehlte ed ihnen an Gefte,
vornit fie vergleichen härten einkaufen, ober an
den, ton benen fie dergleichen hätten erhalten f |
Die Belagerung hatte daher noch nicht lange angefen⸗
gen, als in der Stadt ſchon ein folcher Prangel mv
ſtand, daß viele Menfchen vor Hunger ſtarben. Durh
Diefe Noth gedrungen, ſchickten fie Geſandten an dei
König Agis, die im Namen bes ganzen Volks erflärten,
daß fie bereit fegen, ihre bisherige Herrſchafft zur Sa
abzutreten, und ſich als Bundesgenoſſen den Sparta⸗
. nern’ zu unterwerfen, wenn dieſe won ber Belagerung
abſtehen, und ihnen wur ihre Stadt und Mauern um
zerſtdet laffen wollen. Agis, der gar Feine Vollmach
hatte, Frieden zu fhlleßen, hieß bie Achenlenſh⸗
—
Geſchichte bed Peloponnefiſchen Krieges. 305
Dorfiheffter ch on bie Ephoren wenden, bie ſich eben
damals an dee Graͤnze des kafonifcheu Gebiets aufhiel .
ten. Allein biefe ontworteten auf die Anerbietungen ver -
Achenienfer weiter nichts, als daß fie kuͤnftig einmal |
wiederfonnmen möchten, wenn es ihnen erfi ein wirkli⸗
er Ernſt wäre, Sieben zu fchliegen *). Diefe Ants
wort ſchlug bie Gemuͤthzer ber Mrbenienfer gänzlich nie⸗
ber , indem fie nicht anders glaubten, als dag man fie
alle umbringen ober zu Sclaven machen wolle, und zus
gleich bebadyten, bag, wenn man auch eine andere Ges
ſandſchafft abſchicken wollte, doch während der Zeit, die
dasuerfondert werde, fehr viele Bürger vor Hunger ums
fommen würden. Gelbft in dieſer fürchterlichen Sage
ober, wo fie nichts als Knechtſchafft oder / den ſchmaͤh⸗
lichſten Tob vor ſich ſahen, wagte es doch Miemand,
bon der Miederteißung der Mauern, als einer Bedin⸗
gung, zu reden, wodurc man den Frieden von den far -
kedaͤmoniern erhalten Fönnte, und ein einziger Rath -
herr, der biefen Dorfchlag that, wurde ſogleich ale ein
Vertaͤther des Vaterlandes in Feſſeln gelegt. Man
machte fogar einen Volkoſchluß, wodurch es ben der
bärteften Strafe verboten wurde, dem Volke bie Um⸗
werfung ber Mauern in einer fänge von zehen Stadien,
worauf bie Spartaner beftanden, anzurathen. Waͤh⸗
tend diaſes Kampfes der Athenienſer mit einem Elende,
das gar keiner Grade mehr faͤhig, oder won einem gaͤnz⸗
licher Untergange nur um ganz unmerfliche Stufen eng»
ferne zu ſeyn ſchien, erbot jid) Theramenes zum lyſan⸗
der zu reifen, und ſich ben ihm zu erfundigen, ob bie -
Spartaner auf ber Miederreißung der Mauern in der
Wſicht beſtaͤnden, um alle Achenienfer indie Sclaverey
N ' zu
—8
) ib. Xen. p. 77. |
—8 Sand U
|
* mn Gi
306 Siebentes Buch. Erſtes Copite.
zu ſtuͤrzen, ober um fie nut zu deſto treuern Bundesge⸗
noſſen zu machen )“ So mißtrauiſch auch viele gegen
die Abſichten dieſes unbeſtaͤndigen Mannes waren, ſo
wurde er doch vom Volke, das eine jede auch noch fe
entferrite oder geringe Hoffnung einer. befleen Zufunfe
als eine !inderung feiner gegenwaͤrtigen unerträglichers
teiden ergriff, dazu bevollmaͤchtigt, mit dem Spartanis
ſchen Feldherrn Unterhandlungen anzufangen. Anſtatt
aber ſein gethanes Verſprechen zu erfuͤllen, und die Her⸗
zen ber Feinde durch. Klugheit zu gewinnen, ober durch
feine. Beredſamkeit zu erweichen, verbärtete dieſer Ver⸗
raͤther ſie nur noch mehr, und gab ihnen Anſchlaͤge wi⸗
der ſein Vaterland ein, die den Spartanern wenigſtens
bis dahin nicht in den Sinn gefommen waren *). Um
nun feine Mitbuͤrger zu zwingen, dieſe zwiſchen ihm
und dem Infander verabrebeten Bedingungen anzunebs
men, blieb er, ohne daran zu benfen oder es zu fühlen,
da an einem jeden Tage ganze Haufen verhungernder
Dürger umfielen, drey Monate unter dem Vorwande
aus, |
°) So erzählt Kenopf. 1. c. 79 p. Lyſias bingegen faat,
daß Theramenes verſprochen habe, —* Loſander —*
Frleden auszuwirten, bey welchem ſie weder ihre Schif⸗
fe uͤberliefern, noch ihre Mauern niederreißen, noch
auch Geißeln geben dürften. Adv, E
Edit, Markl, ” ß v. Etatoſth. p. 216.
#6) Lyf. 1. e. p. 207. Die übrigen Bundesgenoſſen woll⸗ |
ten, daß man mit Athen gar keinen Frieden oder Bünde
niß machen, fondern daß man die Stadt dten, .
und ihre Einwohner ale Sclaven verkaufen ——
Lakedaͤmonier Hingegen widerſezten Ach, und zwar gan
allein, Diefem Vorhaben, indem fie fagten, daß fie
keine Stadt vernichten wollten, Die dem ganzen Grie-
chenlande in den größten Gefahren ſo außerordentliche
Dienſte geleiſtet Härte. Xen, p. 79.
Geſchichte des Peloponneffihen Krieges. 307
aus, daß tnfander ihn feſt gehalten haͤtte, und brachte
voch keine andere Antwort mit, ald daß nicht dieſer
Feldherr, fondern allein die. Ephoren den Frieden fchlies
ßen koͤnnten. Well aber die Hungersnoth In Achen eine
ſolche Höhe erreicht hatte, daß eine jede Zögerung den
wenigen Lieberbleibfeln der ausgemergelten Einwohner
ein nahes graufames Ende drohete, fo ernannten die
Achenienfee abermals den Theramenes mic noch neun
andern Gehuͤlfen zu Geſandten an. die Ephoren, mit uns
eingefchränfter Bollmacht den Frieden unter jeder Bes. -
dingung zu Stande zu bringen. Diefe Gefandten kamen
bald mit der Antwort zuruͤck: daß die Spartaner die .
Belagerung wie alle andere Feindfellgkelten aufzuheben,
und ein ewiges Buͤndniß mic den Achenienjern zu fchltes
Gen bereit fenen, wenn diefe den Piräus und die fangen -
Mauern gerftören, alle ihre Schiffe bis auf zwoͤlfe aus»
liefern, die Verwieſenen wieder unter fich aufnehmen,
mit den Safedämoniern eineriey Freunde und Feinde has
ben, und ihnen zu Waſſer und zu tande folgen wollten,
wohin diefe fie führen würden. Die Arhenienfer, vie
nichts mehr gefürchtet hatten, als daß ihre Abgeordne⸗
ten unverrichteter Sachen zuruͤckkehren möchten, nah⸗
men biefe harten Bedingungen, des Widerfpruchs von
einigen ungeachtet, mit der größten ‘Begierde an, und
ſelbſt die fpottende Äbermüärhlge Art, womit die Beinde
ihre Mauern zerſtoͤrten, machte nad) aller der Word,
die fie ausgeftanden,, und den noch größeren Liebeln, vie
ihnen gebrohr hatten, einen viel geringern Eindruck, als
fe fonft würde gemacht haben. Die Spartaner ließen
unter dem munterften Spiele und den frölichiten Ge
fange allee Tonfünftler und Sängerinnen, die fie nur
anfrreiben konnten, die Feſtungswerke der Stadt nies
derreißen, und diefe Umwerfung der Denfmäler des
Themiftofles und Konon feierten alle Griechen als ein
Feſt, an welchem fie Ihre Srenkelt wieder zu genießen
. " “a ans
—
m Siedentrd Buch. Erſtes Capitel.
anfangen wuͤrden ). So enblgte ſich ber Peloponneß⸗
fihe Krieg nach unzähligen Abwechſelungen des Gluͤcs
för die Athenienſer mit dem gaͤnzlichen Berlufte ihrer
Derrſchafft, ihrer Beſizungen, ihrer Slotten, ihre
Schoͤze und Einkünfte, und man kann ſelbſt fagen, Ih
ter Unabhängigkeit. beim ihre entwölferre und erichörfte
Stadt, die fo lange die Fäprerinn und Befchiemerinn
von Griechenland geweien war, wurde jego eine von den
vielen Städten, bie jedem Winke der ftolgen Epartor
ner folgen muften *°). L 2;
i
.
a » .
HOHER
°).Xen, I. c. p. 8r.'
ee) Der Friede Iwiſchen den Krhenienfern und Cpartanr,
ber dem Peloponneflichen Kriege ein Ende machts
| wurde gegen Das Ende des vierten Jahres der 93 Ol.
geſchloſſen. Wan ſehe Xen. 1.2. in fine & 3. Initio,
Eins der merkwuͤrdigſten Beyſpiele der Nacläfigfet
Griechiſcher Schrififteller in der Zeitrechnung finder man
in den verfchiedenen Angaben der Dauer der Athenienſ⸗
fyen Herrſchafft. Die größten Nedner und Geihihr
fehteiber weihen in der Beſtimmung bieſer reich,
während welcher einige lebten; welcher die woeiften ehe
. ehe waren, und die alle, wie es ſcheint, haͤcten mi
ſen muͤſſen, weil fie fo wichtig und gar nicht vermidelt
war, nicht nur von der Wahrheit und von eimanber, for
dein fogar von fich felbft ab. Lyſias ſchlagt fie auf 10
(p. $7. in Epit.) Andotydes auf 85 (or. Il, p. 286.)
- 2ykarg anf 90 (p. 145. Adv. Leoc.) Dionns von Zul
> esta auf 68 (Ant. Rom. I. inie.) und Disder uf
65 Jahre an (ad Ol. 75 & 92. 1.). Iſokrates ſtinmt
an einer Sielle mit dem Luflas CI, p. 174) a eine?
andern aber mit dem Diodor zuſainmen (I. 209.)
Moch unbeftändiger ift Demoſthenes, der die Arhenict
Pa ſer bald 45 (p. 71. Ed. Wolf.) bald 65 (Olyeth.
| HI.) bald 73 Jahre (Philipp. IH.) die Veherrſcher da
Gee ſeyn laͤßt. Man kann Faum begreifen, wie eK
dieſe Maͤnner über die beyben Zeitpuncte, win dh
. : Day
Geſchichte bes Pelopondeſſchen Krieges. 309
Die Treuſoſigkeit des Theramenes und feiner Bes
soffen war aber nicht bloß die Urfache, daß bie Athe⸗
rienfer fich auf viel härtere Bedingungen, ale die Feinde
fonft vorgefchrieben häcten, ergeben und fich felbft wehr⸗
los machen muſten, fondern fie war auch bie geheime
Triebfeder einer gänzlichen Umkehrung der Staatsver⸗
faffung, die faſt eben fo viel oder noch ‚mehr edles Athe⸗
nienfifches Blut Foftete, als Im Peloponnefifchen Kriege
vergoffen worden war. Denn kaum war der Friede ges
ſchloſſen, und von Selten der Achenienfer der Anfang
mit der „Erfüllung der ihnen aufgelegten Bedingungen -
gemacht worden *); als Theramenes das Volk zufam»
menrief, und mic einem Antrage hervorrägte, um wels
des Willen sr feine täckijche Reife zu dem Lyſander uns
ternommen, und Laufende von feinen Milbärgern hatte
verhungern laflen *"). Cr ebat nämlich den. Berfülp
| 13 da
— —— — — —
Hexrfchafft der Athenienſer begraͤnzten, fo ungewiß
a, ober ben Abſtand derſelben fo unrichtig ynd ver⸗
isden berechnen Eonnten. Die Arhenienfer erhielten.
die Fi der See ohne Widerſpruch nach ben übers
Saflimmenden Zeusniflen aller —— und
Chronologen im 4 Jahr der 75 Ol., und verloren fie
sicht eher gie durch die Niederlage bey Aegos Potamos,
und den bald darauf folgenden Srieden, der Im vierten.
Aahre der 93 DI. geſchioſſen wurde. Sie dauerte alfo
73 Sahr: ein Datum, das man won einem alten
Sal eller angegeben findet.
* Im ng des eriten Jahre der 94 DI. welches das
Jahr der ‚Anarchie genanut mwurde, toell man es unter
eingt ungefegmäßigen gyranniſchen Regierung zubrachte.
Xap.li. 3 e: 81. .
ui et gut Renophon 1. e. p. 82. der die Einführung
der Nigarchie in den Anfang dieſes Jahrs, und vor bie
Eroberung von ‚Samos fe. Plu:arch UI. p. 31. in
Lyf. immt dem Zenephon Key; Lyflas Fan,
\ en u gleich⸗
NS
210 ¶ Sechentes Bud: Erſtes Capitü.
⸗
daß das Volk dreyßig Männer erwählen möchte, welche
Sie in Verwirrung gerathene Geſeze in Ordnung bringen,
pie ſchaͤdlichen abſchaffen, den nüzlichen neue Kraft ge
ben, und andere, welchebie gegenwärtigen Beduͤrfniſſe des
Staats anriethen, einführen moͤchten ). Allein das Dal
Bas durch die nicht lange vorher aufgehobene-Dligardie
ſchuͤchtern und mißtrauifdy geworden. war, nahm feine
Math mit dern lauteften Unwillen auf. Weit entfern
fſich Durch das Geſchrey des Poͤbels abſchrecken wu
erklärt
tangfale, welche in dieſem Sabre über Athen herein
achen, berichtet, und ruft alle feine Mitbuͤrger glei
ſam zu Zeugen an, daß Theramenes nicht eher fin
Anſchlag, die Staatsverfaffung zu vernichten, geof
baret habe, als bis Lyſander auf feine Bitte nad
Eroberung von Samos aug Aften zuruͤckgekommen
(adv. Eratofth. aot. 18.) In Anfehang bet
dieſer Staateveränderung ſtimmt Diodor dem &f
bey; allein in Anfehung ihrer Urheber weicht er 9
vom Lyſias ſowohl als Renophon ab. Anftart nämli
dern Theramenes als den Entwerfer und Stifter
—W Oligarchie anzugeben, ſchildert er ihn vielmehr alt
"nen Parrioten, der ſich Ihr auf das nachbrüdlicfe
= derfegt, und dem das Volk nachher aus Dankbarkeit
“7 einem feiner Beherrſcher erwähle habe. XIV. 64
0 Dieß Lob auf den Theramenes , es mag aus dem a)
rus oder Theopomp genommen feyn,. kann man |
"ohne Bedenken für ungegränder erflären, allein
ſeioſt Hin dach unentſchieden, ob ich mir Recht die N
richt des Kenopfon dem Zeugniffe des Lyſias verg
gen habe. Man trifft Hier ſowohl als In ber gm
SGriechiſchen Geſchichte Schriftſteller aus Ken
Zeitalter und von gleichem Anfehen fo oſt ®
ſpruch an, daß man unmöglich entſcheiden kann,
einer berfelben allein richtig, oder ob mehrere zug
etwas wahres und falſches erzaͤhlt haben.
:$) Xen, Plot, & Lyf, Il, er.
Fan ein Zeitgenoß und Teilnehmer aller dr
I
F
\ Goeſcichte des Peioponnefiſchen Krieges. zu
eflärte Theramenes ben Achenienfeen frey heraus ‚do
er fich vor ihrem ohnmaͤchtigen Laͤrmen nicht fürchte,
weil viele Ber angefehenften Bürger und felbft Infander
feiner Meynung wären , and gleiche Abfichten mit ihm
hären”). Kaum hatte Theramenes diefes gefügt, als
Infonder , der gegenwärtig war, auffland, und zur Un-
terſtuͤung feines Sreundes den Athenienſern Fund chat,
bag gar nicht mehr von Regierungsform, fondern-von |
ihrer Wohlfart die Rede ſeyn würde, wenn fie fich im
geringften weigerten, fid) nad) dem Willen.des Theras .
menes zu bequemen. Er febe fie jezt nicht mehr al’
Yundesgenoffen von Sparta, fondern ald Bundbruͤchige
an, weil ſie ihre Mauern nicht zur beſtimmten Zeit nie
dergeworfen haͤtten **), Mach diefen Drohungen des
lyſander entfernten ſich auch die muthigſten Widerfpre
der. Die gutgeſinnten Bürger ſchwiegen, und derans
gebliche Volksſchluß, durch weichen dreyßig Männer
we Einrichtung des Staats und zur Verbeſſerung ber
Geſeze ernannt wurden, mar allein das Werk des The
tamenes und feiner Verſchwornen 7). Dies neue Col⸗
lezium ſchob Bas Geſchaͤfft, zu welchen es beſtellt war,
bon einem Tage zum andern aufs befezte aber ben rev
gierenden Nach und alle übrige Wuͤrden nad) feinem Der
leben, und ergriff alle Sykophanten, die unter der Der
mofsatie von falfchen Anklagen und Verlaͤumdungen der
vornehmſten Maͤnner Ss hatten T7).” Der regle⸗
tende Rath verurtheilte diefe Feinde aller N Berbinfte und
Rechtſchaffenheit ohne wei Unterfüchungen zum
ode,
Ylslie . \ \
“) ib, & Plut. 1. e.
Hduy.ic Im Zenophon. finder man die Namen. der.
dreyßig Männer, 1, 3 Hi, Gr,
tt) Xen, L<,
m
-
su Siebentes Buch. Enſtes Capitel.
Tode, und das ganze Volk freute ſech über die helſeme
Strenge der dreyßig Männer, für weiche thoͤtichte
Freude bie Athenienſer bald nachher ſchreckſich geſtraft
wurden ). Die dreyßig Moͤnner baten ſich noaͤmlich
zu ihrer Sicherheit vom Infander eine Wache aus, die
- er ihnen auch ohne Verzug ſchickte; und nachdem fe
dieſe erhalten harten, bemaͤchtigten fie fich nicht bloß der
nichtswuͤrdigen und offenbaren Boͤſewichter, ſondern
griffen nun auch das Leben und Vermoͤgen ber aunſchul⸗
digſten und größten Bürger anꝰ). Well ſie aber doch
Roc) immer beſorgten, daß die aufgebrachten Arhenin
fer einen ‚gefährtichen Aufftand erregen Imbdchten, wer
nemlich aber well fie fich von dem Theramenes fuͤrchte⸗
ten, ber fein Mißvergnügen init ihren Gewalttchaͤtigke⸗
‚ten, und der ungerechten Ausſchlleßung aller Abrigen
Dürger von der Regierung des Staats oͤffentlich zu er
kennen gab, fo befchloffen fie, theils um den uͤbelgeſim⸗
. ten Theramenes zu befriedigen, noch mehr aber um ſich
in der Stadt felbft eine mächtige Parthen zu verſchaffen,
hoch dren faufend der angefeheniten Athenienſer an det
hoͤchſten Gewalt Theil nehmen zu laſſen. Ulnngeachtet
Theramenes gegen biefen Vorſchlag einwendete, daß die
Zahl Dreytaufend unmöglich lauter gute und verdlenſi⸗
volle Männer enchalten, oder fie gerade alle ehe
Ä ' ans
0 "EHBEHEEEREEEERED (Ott GEEBERSEERERSEDEEESERD
%) Caefar ap. Saluſt. de bello «stil. e, st. Lacedsemonil
devictie Athenienfibus, triginta viros impofuers,
gui rempublicam tractarent. Hi primo eoepere pel-
ſimum quemque, & omnibus invifum , indemanstum
necare. Eo populus laeteri & merito dicere hierl.
Poſt, ubi paullstim licentia ererit juxts bonor & mt
. Jos lubidinofe interficere, ceteros metu terfere,
Ita cieitas, ſervitute oppreffe, ſtultae lactitiau gie
ves poenas dedik, |
um) Xen, |. e.
Sehdihte des Pelopemmehltien Krieges. 33
finnte *); fo ſezten fie Doch ihren Entwurf ohne Derziw °
gerung durch, laſen drey taufend gleichfam zu ihren Tra⸗
banten aus, entwaffneten die übrigen, und machten bas
Geſez, daß die dreyhßig Männer von dem drey taufend
nemand
ohne Vorwiſſen und Einwilligung des Senats,
von allen übrigen Einwohnern in Achen aber hinrichten
fünsen , welchen fie wollten, ohne deßwegen jemanden‘
Rechenſchafft zu geben **). NMach biefem Schritte
nehm ihre Grauſamkeit noch ‚unendlich ſchneller, als
ne Macht zu. Sie verjagten ober ermordeten entwe⸗
der aus Rache oder aus Furcht, am meiſten aber aus
Raubſucht, die vornehmſten Männer von Athen, und
erlaubten den Anverwandten nicht einmal, daß fie die
teleyıname der getöbteten beerbigen, und ihnen bie feste
Ehre erweifen fonnten 1), Well ein großer Theil der
Yuhensienfer FF) aus Furcht vor einem ähmlichen Schick
fale entfloh; fo wirften die Tyrannen beym Lyſander ei⸗
um Befehi aus, wodurch es allen Bölfern und Städten
unterfagt wurde, Atchenienfifche Flüchtlinge aufzuneh⸗
Us men,
*, Diefer Einwurf traf nur das Vorgeben, unter welchen
die Tyrannen fich eine fo große Korte zugefellten, niche
aber die wahren Abfichten, welche fie erreichen wollten,
die fie ſelbſt wicht verrietben, und bie Thesamenes, der
fie gewiß merkte, damals wech nicht aufzudecken
er) Xen. 1.c.p. 88 & 101. |
V Lyf. p. 193. 198. 247. 255. 933. Xen. |, c. p. 07.
Hoer. 1. 945. beſond. Aeſeh. p. 307. adv. Cteſ. Die
leztern beſtimmen die Zahl der Erſchlagenen auf
beyben |
1500. Es ift daher eine niche geringe Webertreibung,
wenn Kleokritus beym Xenophon p. 113. lib. IL 4.
fast, daß die Tyrannen eben fo viefe Unſchuldige um-
gebracht, ale die Peloponnefier in zehn Jahrey erfchlas
gem hätten. .
+) Dioder fagg mehr als die Hälfte.
—.
⸗
.
314° Biebented Buch. Erſtes Capkel,
men, ein Befehl, welchem alle Griechiſche Völker, die
Argiver und Thebaner ausgenommen, aus Furcht vor
den Spartanern gehordyten *). Auch die Ftemdlinge,
die ſich in Athen entroeder um des Handeld Willen ode
aus andern Urſachen niedergelaſſen hatten, wurden von
den blucbörftigen und raubgierigen Thrannen nicht vers
ſchont. Vielmehr cheilten diefe die erftern als Schlacht ˖
opfer, und ihr Vermoͤgen als gewonnene Beute unte
ſich aus, und verabredeten ſich, ein jeder einen reichen
Fremdliug zu ermorden, um mit ihren ärern die Spar
sanifche Mache bezahlen zu foͤnnen **). Ja die immer
twachiende Wuth der dreyßig Männer ging zulet ſo
weit, daß fie nicht bloß Das Volk zu wernichten, fon
Bern auch die Stadt felbit , und die Denkmäler ode
Stuͤzen ihrer ehemaligen Macht zu zerftoren trachteten.
So verfauften fie die prächtigen Gebäude, Im melden
Schiffe und alle Beduͤrfniſſe, die zur Ausrüftung von
Flotten nothiwendig waren, aufbewahrt wurden, für
drey Talente, da fie über tauſend gefofter harten ).
Ueber alle diefe Gewaltchätigfelten und Freveltha⸗
sen murrte Theramenes laut, aber gewiß nidt aus
VWaterlandsliebe, oder ayıd Reue über Das, was er zur
Einfuͤhrung und Befeſtigung der Oligarchie gethan hat
te, ſondern weil er entweder weniger Macht und Anſe⸗
ben erhielt, als er gehofft harte, oder weil er befürdte
te, daß feine und feiner Collegen Herrſchafft bey einem
ſolchen graufamen Betrogen nicht beftehen fünne, Kri⸗
tia& verflagte ihn daher vor ben übrigen Tyrannen und
vor dem Mache der Vierhundert, als einen Verraͤther
ber gemeinfchaffrlichen Sache, ber aus eingemuy
an⸗
— m — — —
——— — p
2) Diod. J. e,
##).Xenoph, l. e. p. 899.
t) lſoer. 1, 345...
‘
r -
Gefchichte des Peloponnefifchen Krieges: 315
Wankelmuth und um feiner perföhnlichen Sicherheit wi,
len, eben fo wie vormals, den Freund ber Demofratie,
den Beſchuͤzer des Volks und den Haffer aller Gewait,
thaͤtigkeit ſpiele, um feine. Amtsbruͤder verhaßt zu mas
chen. Theramenes vertheidigte fich mit männlicher Ent.
ſchloſſenheit und ächtem republicanifcyen Muthe. ˖ Er
geſtand, Daß er die ungerechten Berweiſungen, Erwin
gungen, und Beraubungen der angefehenften Perfonen _
und Familien der Stadt ſtets gemißbillige umd zurächzus °
halten geſucht habe, weil es ihm fchändlich geſchienen,
ſelbſt die Sykophanten an Grauſamkeit zu übertreffen,
die denen, welche ſie ungluͤcklich gemacht, wenigſtens
dad teben gelaſſen haͤtten, und weil er überzeugt fen,
daß durch ſolche Maaßregeſn, dergleichen Kritias befolgt
habe, feine und der übrigen Häupter Gewalt nidıt allein
nicht vermehrt, fondern wanfend gemacht, bie Zahl
furchtbarer Feinde vervielfältiget, und alle gutgefinnten
von ihrer Megierung entfernt voürden. Der Nach ber
Bierhunderte nahm bie Bertheidigung des Theramenes
mit fichtbaren Zeichen des Benfalls auf ,. und Dies nd»
thigte den aufgebrachten Kritiad nach einer kurzen Ung
terredung mit den übrigen Tyrannen zu Arklaͤren, daß er
es für die Pflicht eines Bolfsregierers halte, fich von
ſolchen gefährlichen Betruͤgern, bergleichen Theramenes
eg, niche hintergehen zu laffen; und daß er alfo im Nas
men feiner Collegen und Sreunte ben Theramenes als
einen öffentlichen unverfühnlichen Widerſacher der einge,
führeen &taassverfoflung zum Tode verurcheile, Als
Kritias Diefes geſagt harte, ergriff Theramenes einen
nahe ftehenden Altar , nicht, wie er fagte, weil er glaus
be, Daß diefer ihn ſchuͤzen würde, fonbern um allen
Athentenfern zu zeigen, daß feine Wuͤrger nicht nur alle
menfchlichen, fonbern auch alle göttlichen Nechre und
Geſeze verlegten. Theramenes wurde auch wirflich
durch die ellf Märmer, welche bie Vollzieher der uns
' Ä .. menfchs
4
316 Giebented Bach. Erſtes Capitel.
/
menfchfichen Befehle der Thrannen waren, von bir bei
figen- Städte weggeriffen, und unter lauten Klagen über
das Unrecht, was er leide, Ins Sefaͤngniß gefchteppt,
wo er ſogleich ven Giftbecher trinfen mufte *).
Beruechellung und Hinrichtung des Tiheramenes wor
eine von den Begebenheiten, wodurch in einem fonft
freyen und jezt unterdruͤckten Volke bie Liebe jur Frey⸗
heit auf einmal wieder erweckt zu werben pfleges allein
der Rath war durch) die bewaffneten Trabanten, mit
denen Kritias umgeben war, in ein folches ſtarres Schre
den geſezt, und das Volk durch die Grauſamkeiten der
Tyrannen, amd durch den Mangel fühner Anführer fe
betaͤubt, daß weder der eine, nech das andere das Ge
singfte zur Rettung des Theramenes- unternahm. Die
ſer fich immer ungleiche Mann farb mit einer helden⸗
muͤthigen Heiterkeit und Standhaftigkeit, die ihm nicht
das Bewuſtſeyn eines tugendhaften lebens, ſondern al⸗
lein die Staͤrke ſeiner Seele gab, die aber immer einen
Theil ber Schande feiner ehemaligen Thaten tilgte, und
viele große Männer zu feinen Lobrednern, und ſelbſt die
jenigen, die ihn kannten, zu feinen Bewunderern, we⸗
wigftens in dem entfcheivenden Augenblicke machte, wo
oft auch diejenigen, die in ihrem ganzen teben groß und
kart waren, Bein und ſchwach erfeheinen **).
ı, ®y) Xenoph. I. 3. Diefes Capitel ik eins von ben ſcho
ſten in der ganzen Geſchichte dieſes Schaͤlers des ©
krates, und am meiſten verdienen die Reden des Frl
cias und Theramenes Aufmerkſamteit. |
“) Kon. d,e, Exemo, fagt Kenopfon, ds veno 78
evoees ayasıy vo va Iawars agpsnur,
gunTe To Beovspev ,„ ante To zutyyındes azıN-
zen en Tas Jun. Als Saryına, bei tollkuhnte
und sraufamfle unser deu Tyrannen, auf der *
— — — — Di un — —
Seſchichte des Peloponneſſchen Krieges. 917
Nachdem die dreyßig Männer den Theramenes aus
dem Wege geräumer hatten, glaubten fie, daß fie jezo
aichts mehr zu fürchten haͤtten und ganz nach ihrer Will⸗
kaͤhr fchalten‘ und walten koͤnnten *). Sie beobachteten
daher nicht die gemeinften Regeln der Klugheit, und
nicht den geringften Schein von Gerechtigkeit mehr, fon-
dern. hundelten oder wuͤtheten vielmehr, als wenn ſie alle
in eine wirkliche Raſerey gefallen wären, Sie zwangen
jerft mehr ald die Hälfte der Achenienfer, nämlich alle
diejenigen, bie nicht zur Rotte der Dreytauſend gehörs
* N ten,
zum Gefängniffe drohend zum Theramemes fagte, daß
sg die Angſt Friegen follte, (ih weiß die Wörter:
Or aum£oıto, & un Cazycaey — nicht an
ders zu überjegen) wenn er nicht fein ungeſtuͤmes Kla-
. gen und Schreyen einftellte, antwortete dieier: Würde
das nicht auch geſchehen, wenn ich auch gleich Manz ftill
ſchwiege7 Die zweyte Anekdote, die Kenophen erzählt,
will ih mir den Worten des Cicero anführen: Qusm
me deleftst Theramenes! quam eleto animo ef!
etfi enim flemus, cum legimus, tamen non milere-
bilites vir clarus morltur. Qui cum conjedus in
earcerein triginta tyrannorum juflu wenenum ut fi
tiens abduziflet, rellquum De e poculo ejeeit, ut id
selonaret; quo fonitu reddito, arridens, propino,
Joquit, hde pulero Critise, qui in eum fuerat taeter-
mus, Gracei enim in conviviis ſolent nominsre,
eni poculum tradituri fint, Lufit vir egregius extra.
mo fpiritu, cum jan prsecordiis conceptam woftem
contineset: vereque ei, qui venenum praebuerat,
mortem ei eam. auguratus, quae brevi confecuts eft.
Quis hanc mazimam animi asquitstem in dpfe morte
ksudaret, fi mortem malum judicaret? Ich kann
aber doch nicht unterlaffen, anzumerfen, daß Renophon,
aus welchem Cicero feine Nachricht genommen, dieſe
und ähnliche Spräcde und Sagen von berühmten Maͤn⸗
nern für ſehr amepdeuudg ertlart. l. e. p. 104 | Ä
®) II. 4. Kenoph,
—s—⏑
318. Gieberted Buch. Erſtes Capitel.
een ‚bie eigeitliche Stade zu verlaffen und in den Piräus
zu ziehen, um ſich fowoßl ihrer Güter in der Stadt als
auf dem Sande bemächtigen zu koͤnnen *). Als nicht
| a — ange
8)Xen. 1.4. Iſokrates I. 345. ia Areop. ſchaͤzt die Zahl
derer, die aus der Stadt weichen muſten, auf mehr
denn fuͤnftauſend. Wenn man zu diefer Zahl die drey⸗
taufend, welche die Tyrannen zu ihrer geößern Wade
erwaͤhlt harten, hinzuthut, und mit dem Diedor au:
nimmt, daß eben fo viele ihr Vaterland verlaffen bar
ren, als in Athen Zurück geblieben waren; fo würde,
man in dieser Stadt beym Anfange der Regierung der
dreyßig Tyrannen fehszehen taufend Bürger annehmen
muffen. Ungeachtet ich diefe Summe nicht vertbetdigen
will (denn Diodor har die Zaähl der Gefluͤchteten ge:
wiß zu groß angegeben, weil Thraiybulus, als er den
Piräus einnahm, nur caufend bey ſich harte, die wahr⸗
fheinlich nicht alle Bürger waren), fo Eünnte man es
doch, wenn man fie als richtig voransfezt, erklären,
‚ warum Athen, das in feinen blähendften Zeiten gewiß
nie mehr als zwanzig taufend Krieger gezählı hat, nad
den großen Verluſten, Die es durch den langwierigen
Krieg, durch die häufigen Niederlagen, durch die ver
derbliche Seuche, und durch die faft noch ſchretklichere
Hungersnoth während der Belagerung gelitten burre,
dennod) bey dem Anfange der Herrſchafft der dreypig Ty⸗
sannen ſechszehn taufend Bürger befizen konnte. Die
Urſache dieſer Volksmenge war der Befehl ded Lyſan⸗
der, wodurch er alle Coloniſten, welche Achen nad
Euboen, Aegina, Melos, und unzähligen andern In⸗
feln und Städten ausgefhickt hatıe, ' bey Lebensſtrafe
- tn ihre Mutterſtadt zurüdtrieb. Anftart uns alfo zu
wundern, daB Athen nad) der Uebergabe an die Spar:
taner noch fo viel Volk enchaleen habe, müflen wir
vielmehr darüber eritaunen, Daß es nicht noch weit bes .
völterter geweſen fey, da diefe Stadt alle ihre ehema-
ligen Söhne und deren Nachkommen in ihren Schooß
wieder aufgenommen ‚hatte, u
m... ———— — ——— —
Gecſſchichte des Peloponueffchen Krieges. zi9
lange nachher Thrafnbulus *) von Theben aus mit eis -
nem Haͤuflein von fiebenzig Mann, das aber bald nach⸗
her auf ſieben hundert anwuchs, ſich in Phyle, einem
feinen Orte in Attiſchem Gebiete, feſtſezte, und die Rox⸗
ten der Tyrannen zweymal hinter einander ſchlug, ermor⸗
deten dieſe alle Einwohner von Eleuſis, um ſich dieſe
Stadt zu einem Zufluchtöorte in kuͤnftigen Gefahren zu
bereiten. Nachdem endlidy der Fühne Thrafpbulus fo
gar bis an den Pyraͤus vorrüdte, und dieſen Hauptha⸗
fen der Stadt einnahm, ſtuͤrzten fie fich mit der uns
üerlegteften Wurh an dem ungänftigften Plaze in eine
Schlacht, in welcher Kritias und Hippomachus fielen,
und. die übrigen zurück getrieben wurden**). Dach dies
fee Niederlage verloren die Tyrannen auf einmal allen
Much, und die drey taufend, die fie zu ihren Waffen⸗
trägerm ermählt hatten, waren übertie beſten Maaßre⸗
gein, die fie in Ihrer gegenwärtigen tage zunehmen häts
ten, felbft unter. einander 38 Diejenigen, welche
ſich feiner verübten Sraufamfelten und Gewaltthaͤtigkeiten
bewuſt waren, ſtimmten für die Schließung des Fries
dens und die Ausſoͤhnung mit den Michürgermim Pis
raus; Die größere Zahl hingegen, die an den Verbre⸗
den, wie an der Beute der Tyrannen Theil genommen
hatten, beſtand darauf, daß man den Krieg muthig
fortfegen, aber nur andere Anführer und Vorſteher waͤh⸗
len muͤſſe 7). Sie entfejten daher die noch übrigen Ty⸗
ran⸗
LU 0] km
YXomle .
9 Xen. I. ce. p. 110. 178. Die Flüchtlinge griffen die
dreyßig Thrannen auf ben Rath des Wahrſagers nice
eher an, als bis einer von ihrer Seite gefallen war,
und Diefer erfte Erſchlagene war gerade der Wahrſager
16 FR
ſelbſt.
4) ib. p. 114.
Sn
30 BGiehentes Buch. Erfiod Capitel.
rannen ®) ieer Serrfchafft, und ermannten an berm
Stelle ein Eotlegium von zehen Männern, zu welden
eine jede Zunft einen bergab °"). Dieſe neuen Käupter
des Staats geisten bald noch feinbfeligere Geſinnungen
gegen ihre unglüclichen Mitbuͤrger im ‘Piräus, als ihre
. wilden Dorgänger geäußert hatten, und die Erbitterung
beyder Parthegen gegen einander flieg daher, wie die
Moch in der Stadt ſowohl als im Hafen mit jedem To
ge. Thraſybulus und feine Helden, bie ihre Fteyhei
und Vaterſtadt mieber zu geroinnen ſuchten, werheerien
die umliegenden Gefilde und Gärten, verbrannten die
Käufer in den Vorftädten, und bemaͤhten ſich die Mau
ern niederzureißen, hinter welchen ſich ihre Feinde vet
ſteckt hielten, und wodurch fie ſelbſt von ihrem Vata⸗
iande ausgeſchloſſen wurden f). Die zehn Männer hin
gegen und ihre Anhänger waren im der augenſcheinl
ften Gefahr, in dem menfchenkeeren Athen ju verhun
gern, indem die Stadt gar feine Zufuhr harte, ale Ge
werbe und Handchierung gänzlich darnieder lagen, ”
0
U 0}
“) Diefe entfiopen fogleich nad Elenſis.
"@#) ib, Mey Gelegenheit diefer zehn Manner kam id nik!
umhin zu bemerken, dag Lyfias allein adv. Eratoflb.
p. 807. eines Collegii von fünf Ephoren erwaͤhnt, DE
gleich nach der‘ Niederlage bey Aegos Potamos, und
noch vor der Abfchaffung der Demokratie von den Ent
werfern der Olligarchiſchen Tyranney beftellt werd,
und die wichrigften Geſchaffte an fich geriſſen haͤtten.
Diefe Nachricht beſtaͤtigt es, was ich oben ſchon bemerkt
babe, daß Theramenes nicht der einzige mar, der Dt
Staatsverfaſſung In Achern umgekehrt wuͤnſchte, und
daß der Gedanke, dieſe Revolution zu verauſtalten,
nilcht plozlich und erſt während der Belagerung entfand.
+) Lyf. adv. Erstoftb. p. 213. 213., Iſoer. zegı TE geuyos
II. p. 436. VI. Xen, I}, 4. Hif. Gr. p. 116.
⸗
—
Geſchichte des Peloponneſitthen Krieges. gar .
bee Credit fo fehe gefallen war, daß man auf die koſt⸗
berfien Pfänder auch nicht unter den härteften Bebin⸗
gungen baares Geld erhalten fonmte ”). Die Furcht on
ihre Feinde verrachen zu merden, höchigte fie, Tag und
Mache in den Waffen zu bleiben und auf ihrer Hurt zu
feyn **); und demnach wollten fie ihre Vaterſtadt lichen
den Spartanern in die Hände fpielen, als fie ruhig mit
ihren Mitbuͤrgern theilen. Sie ſchickten daher Geſand⸗
sn nach Sparta T) und baten ſich Huͤlfe gegen das
Volk aus, von welchem fie fagten, daß es von den fas
kedaͤmoniern abgefallen. ſey, und bie Stadt den Boeo⸗
tieen übergeben wolle. Die Spartaner trugen zwar
Bevenfen, den zehn Tyrannen Öffenrlich beyzuſtehen T}) ;
fie ließen ihnen aber doch hundert Talente, und erlaub⸗
ten es auch, Daß tofander das Bott, was fie mit dies
fie Summe anmerben würden, anführen dürfte. Dusch
diefe Anſchlaͤge geriethen die Arhenienfes im Piräus, bie
bisher den Dreytauſend in der Stadt weit überlegen ger
weien waren, in die größte Verlegenheit, und würden
auch
GEEDeREHEEENEITIE
®) Memor. Soer. 11.7.
“ p. 115. Xen. c. | —
+4) Zenophon l.c. p. 116. ſagt, daß die dreyßig Tyrannen au
dieſer Geſandſchafft Theil gehabt; Lyfias hingegen 1. e.
dag die zehn Männer die legtern eben fo heftig als das
Bolt im Piräus bektiegt Härten. 1. e.
4) So erzählt Lyflas p. 213. und meinem Urtheil nach rich⸗
tiger als Zenopbon p. 117. welcher fagt, daß die Lake⸗
dämonier den Lofander zum oberften Befehlshaber zu
x Rampe, und feinen Bruder Libys zum erften Befehlcha⸗
ber zur See wider den Poͤbel im Piräus ernannt haͤt⸗
ten. Wegn dies gefchehen wäre; fo ließe es fih gar
nicht erklären, warum fie nachher den Paufanias mit
einer groͤßern Macht und in einer ganz andern Abſicht
ausgefandt hätten.
Zweyter Band, &
a Giefentes Buch. Erſtes Capit.
aud) allem Anfehen nad) zu Grunde gerichtet worden
fenn, wenn nicht theils Meid gegen die Thaten bes In
fander , theils aher auch Erbarmen mit den edlen Ver⸗
fechtern der Freyheit *) den Lakedaͤmoniſchen König Pau
fanias zur Errettung des faft ganz aufgeriebenen und
noch immer in feinen Eingeweiden wuͤthenden Volks er⸗
weckt hätte. - (Er. berebete die Ephoren , daß man noch
ein beobachtendes Heer zuſammen bringen, und daß drey
von Ihnen, ‚die einerlen Geſimungen mit ihm hatten,
ben Feldzug ſelbſt mitmachen möchten. **). Er vereinigte
fich Hierauf mit dem Lyſander, der nunmehr unter Ihm
fland , und lagerte ſich nahe am Piräus, als wenn er
bie Slüchtlinge, welche die Stadt bekriegten, härte ein
fliegen wollen. Mit Borwiflen der Ephoren ſchict
‚er den Delagerern den Befehl, daß fie die Waffen nieder
legen follten, und ſchlug fie auch, als fie ihn mic under
ſichtiger Kuͤhnheit angriffen, in die Flucht ; zugleich aber
Heß er fowehl ihnen, als denen in ber Stadt, bie zum
Frieden geneigte waren, heimlich fagen, sie fie ſich iv
verhalten hätten, und mit welchen Anerbietungen jt
Geſandten an ihn und die Ephoren ſchicken follten. Bey
de Partheyen nahmen diefen gütigen Wink mic: Freuden
an, -und liefen dem Könige Paufanias entbieten, dah
fie die Stade ſowohl, als die Häfen Piräus und Mu
nichia_den tafebämoniern übergeben wollten, wenn dielt
ihnen ihre Breundfchafft wiederſchenken, und fie zu Bun
deögenoffen wieder aufnehinen würden, Die Athenien⸗
fer in der Stadt erklärten Hierauf; daß fie vn.
| | if
“, Pauſanias fchlug.fchon vorher die Geſchenke aus, welch
die dreyßig Männer Ihm ſchickten, und nahm hingegen
dieignigen an, welche die Arhenienfifchen Fluͤchtlinge Ihm
anboten. Lyf. adv. Poliuchum p, 323,
°°) Xen, ll, 4. 107124 p. '
Geſchichte des Peloponneſſchen Krieges. 323
Nitbuͤrger im Piraͤus weiter keine Feindſeligkeiten heg⸗
tn, und auch bie leztern ſagten, daß fie bereit wären,
ich mit den erſtern auszuföhnen, nur mit ben dreußig
Tyrannen, den. sehen Männern und ihren eilf Henkern
aicht. Pauſanlas Hatte in Sparta alle Gemuͤther ſo
vorbereitet, daß der Friede unter ben angebotenen Bes
dingungen ohne weitere Schwierigkeit zugeftanden und
die Ausſoͤhnung zwifchen den beyden bisher gegen einan⸗
der krlegenden Parthegen unverzüglich zu Stande gebracht |
wurde *).
des Thrafpbulus und feiner Gefährten betrugen fich nicht.
nur die Haͤupter des Volks, fonbern das ganze Dolf, |
ſelbſt mit einer Weisheit, Mäßigung und Seelenguöge,
die des Solon, Ariftides, umd ihrer Zeitgenoffen wire.
tig gewefen wäre. Um allen Saamen von Zwietracht.
und bürgerlichen Unruhen , der nach fo langwierigen. Sr»
bitterungen nothwendig übrig bleiben mufte, und ohne
die angewandte Vorſicht gewiß auch aufgefelmt- wäre ,
sänzlich zu erſticken, legte das ganze Volk einen feierli⸗
den Eid ab, daß es alle alten vorgegangenen Beleidi⸗
gungen in ewige Vergeſſenheit begraben und Feinem Bir
ger Feindſchafft nachtragen wolle, felbft den dreyßig Typs
tonnen nicht, wenn diefe fich vor Bericht ftellen, - und
Rechenſchafft von ihren Heydlungen ablegen wollten **).
2 |
Das ' |
©) Dies geſchah im Anfange det zweyten Jahrs der 94
Olympiade. Siehe Markl, vita Lyfise p. 48. .
er, Die Eide, melche das ganze Volk, weiche nachher der
regietende Senat und die Richter zur Tilgung und
Vergeffenheit aller Bergehungen in den Zelten der Anar⸗
«hie ſchwoͤren muften, ſtehen beym Andofydes de My-
Rerlis I. p. 217. Mit diefen Eiden noch nicht zufrieden,
gab Archinus, zur größern Sicherheit und Beruhigu
aller Bürger, noch das Geſez, daß, wenn jemand pe
Gleich nach gefehloffenem Zeieben und dee Rädtege.
N
724 Giebentes Buch, Erſtes Capitel.
Das ganze Volk erfuͤllte ferner unter allen Pflichten ker
ne eher, ols die Pflicht der Danfbarfeit , indem «6 dm
Thraſybulus und feinen Gehälfen, bie mit ihm guerft
von. Phyle gegen die dreyßig Tyrannen ausgezogen mas
ven, bie fchmeichelhafteften Belohnungen befchloß, di
“ oben mehr ehrenvofl als Foftbar, und mehr durch di
Dewegungsgruͤnde und Abfichten, aus und zu meiden
fie gegeben wurden, als durch ihren Meer; fchägbas
waren *). Endlich faßten die Athenienſet den heiſa⸗
men Entſchluß, alle Einrichtungen, Urtheile, Verttoͤ
ge und Geſeze, die von oder unter den dteyßig Tyrannen
gemacht worden, ga vernichten, die Geſeze des Solon
und Drako hingegen nebſt allen Vertraͤgen nnd gerihl
lichen Ausſpruͤchen, die In den Zeiten der Demofratl
gefchtoffen oder gefällt worden, zu erneuern und zu be⸗
ftärtigen **). Weil aber unter den Solonſſchen Geſo
zen manche waren, die auf den gegenwaͤrtlgen Zuftand
des Staats nicht paßten, und eben dieſer Zuſtand des
Staats wiederum andere neue Geſeze nothwendig mad
te; ſo vereinigte fich das Volk dahin, daß die ganze En
loniſche Gefeggebung von neuem geprüft, daß Be
Ä u
— — — — —
der dieſe Eide verklagt würde, ex ſich alsdann glrid
der Exception der Widerrechtlichkeit einer ſolchen Kay
bedienen, und an die Archonten appelliven koͤnne, die
— Grund des Klage und: Eyception unterſo—
Acfch, edv. Ctef. p. 300. 801. "
ſelbſt habe ic — * oben. an a el 9
W redet.
' %®) Demoſth. adv. Timoc, p. 469. und Andordii |. de
MyR. p. 212. & fq. An diefen beyden Stellen Rei
die Gefeze und Volksſchluͤſſe der Achenienfer, mit de
fen den Nachrichten, die ich über biefe Moazerie ned
anführen werde,
{
Seſchichie des Peivpoanafchen Sritged. sag:
Gajungen, die jego gefährliche Feindſchafft und Spal⸗
tungen: erzeugen fonuten, abgefchaflt und durch aubere
wäglichere, den Beduͤrfniſſen dee Athenienſer angemeffer
nere ergänzt werben ſollten ). Diefe Unterſuchung bee
alten Geſeze geſchah mir bewundernswuͤrdiger Vorſicht,
ſe wie auch die neuen Geſeze ganz im Geiſte Solons
geſchrieben wurden. Man erwoaͤhlte außer den übrigen
Magiſtratsperſonen, bie aud) vorher ſchon in Ben Zeiten
der Demofratie waren. beftellt werden, noch zwanzig
Märmer, die bis zur Umarbeitung der alten Gefeze über
das Wohl des Staats wachen muften, beren Gewalt
aber unbefaunt iſt; und außer dieſen noch fuͤnfhundert
geſchworne Nomotheten, oder Gefegverbeflerer, die alla
ihnen nüzlich ſcheinende Geſeze an einem öffenclichen dazu
befliimmten Orte anfchlagen, und dem regierenden Nax
the und den übrigen obrigkeitlichen Perfonen mitcheilen
mußten. Wenn nun foiche Sefege vom Senat *”) ges
billigt , amd vom Volke betätigt worden waren, fo er⸗
hielten fie alchans erſt das Anfehen und die Kraft wirk⸗
licher Gefege. Ale Sazungen Solons -muften auf bie
jegt erwähnte Art geprüft und befräftiget werben, ehe
fie ihre alte Gültigkeit mieder empfingen 7), und ‘alle:
Redner und Gefchichufchreiber . ber rischen ſehen daher
das Jahr der wwiebererlangten Freyheit, in welchem Eu⸗
klides Archon war, als eine wichtige Epoche in der Athe⸗
nienſiſchen Geſezgebung an, im welcher viele alte. Gefeze
abgeſchafft, oder verändert, und viele neu gegeben war⸗
den FF): Wir find niche mehr im Stande, die Ans
zahl wid Beſchaffenhelt aller neuen, oder weränderten
3 on und
vo.
[
7
m
Vandle et
ar) Der die Gedanken minsk : jeden -amgubbren verbunden
ve. da u ET er Peer Pen ., un
}) Demofih, & And. |, c. DL... winmin
44) ib.
. x
6 Giebentes Bud. Erfied Eapiidl.
mb abgeſchafften Seſeze anzugeben; allein unter ben
- neuen, die unter dem Aechontat des Euklides gegeben
worden, und von welchen Macheichten zu und gekom⸗
men find, find unftreitig Die wider die Thrannen, und.
über das Dürgerrecht,, die-wichtigften. : Ein gewiſſer
Ariftophon *) gab das Geſez, (und dies Seſez zeigt, Daß
man die Abficht hatte, dem Staat feine ehemalige e⸗
fundheit wiederzugeben,) daß feiner ein aͤchter Achenien
ſiſcher Bürger fenn ſollte, der nicht von einer Acheniens
. fiichen Bürgerinn geboren worden, welches Inden lezten
Beiten der ‘Demoftatie vor den dreyßig Tyrannen zum
Buͤrgerrechte nicht nöthig war. Nach einem anderu
Gefeze des Demopdantus war es nicht bloß erlaubt, eis.
sen jeden Tyrannen oder Umkehter der Demokratie, und
felbſt folche, die nach abgefchaffter Demofratie ein öffent
liches Amt verwalten würden, ungeftraft umzubeingen,
fordern ein jeder Achenienfer muſte fhwören, daß er
fich Seine Gefahr oder perfönliche Ruͤckſichten abhalten
haſſen wolle, das Vaterland don ſolchen Unterdraͤckern
ober Verraͤchern zu befregen *).
Um eben die Zeit, als Achen am tiefſten ernie
bdetgt wurbe,.. erreichte ihre Siegerinn und ihre Neben⸗
buhlerinn ven hoͤchſten Gipfel ihrer Macht und Groͤße.
u le a Ben Ze Epars
„*) ‚Athen, XI. p. 285. & Mark]. in Lyf. Vit. p. 5$.
‚®M) Das Gefez und der Eid, den. das Geſez vorſchrieb, fe
on r beym Andokydes Or. I, p. 320. de My. - Au
Eyklirg waͤhnt dieſes Geſezes p. 180. ade. Leocr. Aus
—: dem leztern Redner ſicht man, daß das Volk in Athen
mehrere Jahre vor Dem Geſeze bes Demophantus Kia:
gen folder eriökdete Werräther annahm, ihre Gebei⸗
ne, wenn fie feaufdig befunden wurden, anskeub und
. Über bie Gelingen: warf ‚mid nicht: nut ihre Diöcder un-
eeſtraft ließ, ſondern fogar Ihre Vertheidiger mie dem
Tode firafte. p. 274. mer
*
Sehbiche des Peloponneiihen Kriees. ga7
©parta wurbe nach dem Siege ben Aegos Patamos
und der Eroberung Athens das Haupt ale Staa
tes alten Öriechenlandes, die Deherrfcheriun des Meere,
and der Aſiatiſchen Städte und Inſeln, von welchen fie
ſich gleich den Arhenienfeen jährlichen Tribut bezahlen
eh). pastaner hielten nicht nur ſich ſelbſt
für unuͤberwindlich, fondern wurden auch von den übris
gen Griechen dafür gehalten, und man glaubte, daß bes
nen, welche die Ychenienfer überwunden hätten, feiner
widerfiehen fonne ꝰ). Mom verehrte fie als bie Bes.
freger. von Griechenland 7), und feine Griechifche Stade
häree es gewagt, rich den Befehlen. eines Spartaner&
wimnctegn, ur (- 4 40
kein Die Griechen fuͤtzlten bald, Bo hls gu laſſen ID. Ur
ihnen, wie Theopomp fagte, den füßen Becher der Se
heit zus reichen, den herbeften Trank der Knechtſchafft
einfchenften, und eben fo bald zeigte es ſich, daß der
Zeitpunkt des glänzendften Sluͤcks der fafebämonier der
Anfang einer allgemeinen Sittenverderbniß des Volks,
einer fuͤrchterlichen Umfehrung ihrer Orundverfaffung,
und einer unhellbaren Zerrüttung ihres Staats und bed
ganzen übrigen Griedyenlandes war, von welcher ſich
weder der eine, nod) das andere in ber Folge jemals wies
ber erholen fonnte, :
E4 | Die
Den u u}
1) Din, XI, 649. Sie hobẽ jaͤhrlich tauſendt Talente
t.
“) Korn. M. 96. 97. in Archidami,Orat, —
H ib. p. 59. An den Olympiſchen und andern Spielen he⸗
teachteten die Griechen die Spartaner, wenn derglel⸗
pen zugegen waren, mil:geößerer Bewunderungl und
Aufmerkfamteit, als die Sieger, welche geeroͤnt
wurden.
») Xen, 1184 4. RR, or.
!,
228 Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
Die großen Schaͤze, welche Igfanber nach ber Er
oberung von Athen und ber Bezwingung von Samos
aus Alien zuruͤckbrachte, und die jährlich von den Bun⸗
desgenoſſen nach Sparta geſchickt wurben, . beachten ſo⸗
.. wohl in den. Srundgefegen bes Staats, und in den
Maaßregeln, weiche die Haͤupter deſſelben Bisher befolgt
hatten, old in den Gemuͤthern der einzelnen Mitbürger
Die größten und nachrheiligften Beränberungen hervot).
Man rathſchlagte zwar ) eine Zeitlang, ob man die ge⸗
fährlichen Schäze des nfander wider das ausbrüdic
Gebot tnfurgs aufnehmen follce, und als man ſich end
he — & ide abyrmoeifet, (eeil man ri
d man 0 ne d RN er Pa De -ν
pala ensyoülter bezahlen hınd Feine Flette
baupten 0 Unterpalten Eönnte) — rar On
ſez, woburch der Beſiz von goldenen und filbernen Min
gen nur dem Staate allein erlaubt, und allen einzelnen
Bürgern ben Todesftrafe unterfagt wurbe 7); allein dier
Geſez war für Die gereizte Habfucht der durch fiat
und lange Entfernungen von ben Cefegen ihres DBatır:
londes entwöhnten, und mic ben kaftern der übermundt
wen Feinde. bekannt gewordenen Spartaner +) vie it
ſchwach, und wurde ſelbſt von denen nicht gehalten, die
es gegeben harten. Maͤßigkeit, Enthaltanlet d
vñ t⸗
* Ein Verzeichniß der Reichthuͤmer, die Loyſander ten
Ephoren übergab, lieſet man beym Xenophon II. 3
p. 83. und Plutarch in vita Lyf. 35 p. weicher Imre
Auch über ihre Wirkungen Betrachtungen anfellt
*) Plut. I, c.
1) Dies gefhah DL. 94. T.
TI) Ageflous wurde daher von feinen Mitbuͤrgern bewun-
bert, daß er fi nicht wie andere durch auslaͤndiſche
Bitten und Lafter hatte anfteden laſſen. Plut, in eu!
vita HI, 657. 58.
Geſchichte des Peloponnefikhen Krieges. ga9
porfom gegen bie Geſeze, und Gerechtigkeitsliebe entwi⸗
chen von biefer Zeit an alimälic, aus ben Herzen der
Gpartaner , und Schwelgeren, Ueppigfeit und Begierde
nach unrechtmäßiger Gewalt nahmen die-Stelien ver
alten entflohenen Dationaltugenden ein *). Der Staat
ſeibſt und feine Haͤupter achteten weber auf Eide und- .
Buͤndniſſe, noch auf die heiligſten Rechte der mit ihnen
veebunbenen Möller , noch auf die Regeln der Klugheit
—
und Regierungsfunft, . bie fie bisher beobachtet hat⸗
ten *).. So bedoͤchciich umd faſt ſchuͤchtern fie ſonſt bey
allen, bufeötts großen und wichtigen Unternehmungen
orwegen waren; fo rafch, Fühn und gewaltchätig wur⸗
ders fie jezo, gleich als wenn diefe Fehler von ber Ober⸗
herrſchafft unzertrennlich gewefen wären 7), Ohne ſich
an das warnende Beyſpiel der Athenlenfer zu kehren
X5 ſtuͤrz⸗
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®) Iſoer. 1, de Pace p. 408, 400. Tnv yapo Ton. u
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330 Siebentes Such. Erſtes Capitel.
ſtuͤrzten fie ſich noch viel tiefer in alle die Vergehungen
und Loſter hinein, wodurch dieſe geſtuͤrzt worden waren,
Schon in den erſten Jahren ihrer Herrſchafft war kein
Wohlthaͤter mehr, den ſie nicht beleidigt, kein Bundes⸗
genoß, den fie nicht mißhandelt und bekriegt, und fen
Staat in Griechenland, Itallen und wöichien *), in
weichen fie nicht Meuteregen und Unruhen geſtiftet hats
ten, Am härteften und ungerechteften aber begegneten
fie den Inſeln und Stätten in Aſien, die in der Hof
nung, thre Freyheit wieder zu erhateem, zu ihnen abge
fallen waren **). Dieſe unterwarfen fie einer nnppelten
Tyranney , indem fie ihnen niche nur Spartanifg
Defehlshaber oder Harmoften, die oft Heloten waren,
ſondern auch zehn oder dreyßig Männer vorfesten, die
den erfien knechtiſch fehmeichelten, um ihre Mitbürger
defto ficherer beherrfdyen zu koͤnnen. Dende übten in
‚allen Städten, denen fie vorſtanden, die unerhoͤrteſten
"Sraufamfeiten und Ungerechtigfelten aus. Sie cötte
ten oder verjagten die reichſten und mächtigften Buͤrzer,
- fihänderen ihre Weiber und Kinder, riflen Ihre Gäte
mit Gewalt an fich, zerftörten alle alten Geſeze und Ein.
richtungen, und richteten unter ben zuruͤckbleibenden
Einwohnern unheilbare Feindfchafften und Meutereyen
an 7). Es blieb nicht allein Feine Stadt verfchont, fon
dern in feiner Stadt war fein Bürger, den 4 *
| U 0)
mmuzyusgälaun
*) ib, & p. 410. & Or. Theben, sp, xenopb. Vne$,
p. 182.
“%) Xen, i e, & lib. VI. 3. p. 384. Ifoer. I, io Paneg. p.
178-181. II, in Archidam, Or, p. 44. Panatben.
9.214. 215. | |
9 Diefe Tyrannen waren fo graufam, daß fie, wie Sf:
krates fast, I. 179. in drey Monaten mehr unverhert
hinrichteten, als in Achen jemals vor Gericht gefordert
worden waren. ————
. 8
Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 331
Naubſucht und Grauſamkeit ber Bedruͤcker erreicht
haͤtte *). Ein jeder Staat glaubte ungluͤcklicher, als
bie uͤbrigen zu ſeyn, und ‚alle wurden fo ſehr von der
taft ihres eigenen Elendes niedergedruͤckt, daß fie für
fremdes Ungluͤck fein theilnchmendes Mirgefühl übrig ber
hielten *°), Wegen der häufiger, Nevolstionen waren
bie Buͤrger, bie in ihren Vaterſtaͤdten zurück geblieben
woren , muthloſer und niebergefchlagener , als die Der
triebenen, weil dieſe doch Hoffnung hatten, bereinft zu:
ruͤck zu kehren, jene aber in jevem Augenblicke dad Aeu⸗
ßerſte befürchten muften 7). Auf diefe Art thaten vie
Spartaner alles, was fie. nur fonnten, um fich felbft
eine ſolche Niederlage, als die Athenienſer bey Aetos
Potamos gelitten hatten, juzubereiten 77), und fie bes
ſchleunigten ihren Fall in ebendem Grade, in Pe
| ihre
en N ].
»f, | I
°*) Ifoer. 1. 178. Paneg. Eis Taro Smuorgros
EHUYTAS NUOAS NETESNEOV, SE MEO TE Ev
ver Tv WREBOV eudeupoyicy, Kos Teus MINECUS
ETUXIUS, BORBS EUSOS NUOYyE TES GUN- '
wadnoovra&s. emı de Tns Tay TaTOV aexns din
To MANDos Tom oınesmy Kanamy errauanuede
ABNABS ENEBITES:
ib. & p. 180. Ass de TW RUNNOTTE Ton. .
nsraßorwv, a$unoregov dieeyasıv cı Tas me-
Ass oIKBYTes Toy Tas Duyoss eeNKimuevov,
ds ner yap To necv dedinaw, cu dam narısvan
zeoadoradı.
+F) Hoee..I. de Pece p. gu. Hr Dacı'rwes asrıwv
yxveocu Tg Zruery Tov nano), 8m aAndws
ALYOVTES. ı |
332 Giebantes Bud. Erſtes Capitel
ihre Herrſchafft weniger gegründet ‚- und doch haͤrter und
grauſamer, als die der Athenienſer war *).
Gleich indem folgenden Jahre, ald die Spartaner
mit den Achenienſern Frieden geſchloſſen hatten, zuͤchtig⸗
ten fie die Elier dafuͤr, daß fie ſich mit Ihren Feinden
verbunden, und fie ſelbſt von den Spielen ſowohl als
. von den Opfern bey Olympia audgefchloffen harten").
Mach diefer an ven Eltern genommenen Mache vereinig
ten fie ſich mit dem jüngern Kyrus, der feinen Bruder
Artarerres vom Throne floßen wollte, und ber. wahr
ſcheinlich aud) bie Lakedaͤmonier bisher fo mächtig unten
ſtuͤzt harte, um fie vereinft zu Gehuͤlfen einer folchen Um
ternehmung zu machen 7). Der ungluͤckliche Tod des
jungen Helden ſezte die Griechiſchen Städte in Aſien *
N
*) Wenn die Spartaner auch nicht fo grauſam wmit br
Bundesgenoſſen umgegangen wären, als fie thaten; fo
mürde ihre Herrſchafft doch nicht fo lange als die der
Athenienfer haben befichen kͤnnen. Die Oberhert
ſchafft in Griechenland King ganz von der Weberlegenheit
sur See ab, welche die Spartaner niemals duch Rd
allein, fondern nur durch die Bundesgenoffen erhalten
und behauptet Haben. Diefen Grund führen auch de -
Thebanifhen Geſandten in ihrer Rede an, um DM
Achenienfern ju beweifen, dag die Herrſchafft der par
taner leichter, als die ihrige zu zerſtoͤren fey, und daß
fie ſich alſo auch um deſto muthiger zu einem Kris
wider die Spartaner entfägließen Emuten. DIE. $. p.184
Xenopb. Hifl, Gr. Die Verfaffung in Gparta war
ung biefe Zeit viel gewalcfamer und unfidherer, als dk
in Arhen war. Man lefe die Geſchichte der Verſchuo⸗
rung im AXenophon III, 3. j
; %%) Diod. XIV. p. 652. ad O1. 94. 3. -Kenophen fer-Kr
‚fen Krieg eine ganze Olympiade fpäter MI, 2. p. 180.
u. f.
}) Diod. XIV. 654. ad Ol. 94. 4. & Xen. II. ı.
Seſchihte des Peloponnefikhen Rrieged, 333.
Sußerfte Beſtuͤr zung, weit fie fich vor der Mache des Tiſſa⸗
phernes, des Nachfolgers des Kyrus fuͤrchteten, den
ſie gegen den lezten verlaſſen hatten, und der es auch gar
nicht verhehlte, daß er die Feindinnen feines Könige unter⸗
jochen wolle. &ie baten fich daher. von den Lakedaͤmo⸗
aiern fehleunige Hülfe aus, damit ihr Gebiet nicht ver»
wuͤſtet, und ihre Freyhelt ihnen nicht genommen würbe:
Stolz auf ige Gluͤck und ihre Tapferkeit, ſchickten bie
Spartaner ven erfchrocdenen Sriechen in Afien erſt den
Thimbro, und weil diefer den Bundesgenoffen faft eben
fo erlich, als den Derfern furchtbar wurde, ben.
rechtichaffenen Derkyllidas mit einer anſehnlichen Macht
zu *). Beyde eroberten viele Städte, Die den Perfern
unterthan waren, und fchlugen ihre Feldherren, unge
achtet diefe ihnen ander Menge von Kriegeen und beſon⸗
ders an Reuterey weit überlegen waren **). Dem eblen
Derkyllidas aber war es mehr darum zu thun, die
Grierhifihen Städte, zu deren Vertheidigung er ausge
fand war , durch Ruhe und Einigkeit gluͤcklich und bluͤ⸗
hend zumachen 7), als blutige Siege über den Feind
gewinnen. Er ſchloß alfo mit den Perfifhen Sa⸗
ira
[U U}
®) Xen. 1.1. Thimbro kam Ol. 95. 1. und Derkyllidas
95. 2. nach Ajien. Lezterer blieb drey Sabre, bis er‘
vom Agefllans“abaetöft wurde. Diod. p. 670. 72.
**) Xen, tl, 1.2. In Kenophons Geſchichte und übrigen
-" Werten finden ſich unzählige Beyſpiele, daß felbft die -
groͤßten Eparraner allem Aderglauben des gemeinen
Volks unterworfen waren. So brannte Derkyllidas
vor Begierde, einen feften Ort, Ketrene, vor der An
näherung des Pharnabazus zu beflürmen; allein er ſchob
es drey Tage auf, weil die Opfer nicht glücklich waren.
Xen. |. e. p. 134. Aehnliche Beyfpiele finden fih im
Leben des Ageflaug vom Zenophon, und Hiſt. IU. 3.
p. 157.
I Pd Xen. Ik 2.
nn \
34 Siebentes Buch. Erſtes Capitel. | |
trapen, dem Tiffophernes und Pharnabazus, einen Waf⸗
fenftilitand , um die zerrätteten Staatsverfaffungen al:
jenthalben ordnen, und’andere heilfame Einrichtungen
in den Städten machen zu koͤnnen *). Er mufle aber
wider feine Neigung auf den ‘Befehl feiner Opern diefen
Waffenſtillſtand brechen, und in Karlen einfallen, um
den Tiſſaphernes zu nöthigen, den Griechifchen Seädten
- ihre Freyheit zu ſchenken **). Weil aber diefer Befehls⸗
haber den Krieg mit den Spartanern, und. sine Schlacht
mit dem Derfyllidas auf alle Arc zu vermeiden ſuchte,
fo kam es bald zu neuen Unterhandlungen, wehren
weicher die fafebämonier erfuhren, daß In ben Phoͤnici⸗
ſchen Staͤdten eine Flotte von drey hundert Kriegäfhil
fen für den Ziffaphernes und den König von Perſien audı
gerüfter wuͤrde ***). Auf diefe Nachricht beſchloſſen die
Ephoren, dem König Ageſilaus, der ein Jahr vorher
durch die Liſt und Unterſtuͤzung des Lyſander ſtatt dei
feotychides, den man für einen Sohn des Allibiadel
biele ; zum Koͤnig erwählt.worben war, mit eine anı
fehmtichen Mache nach Aſien zu fchicken, um den Kris
mit defto größerem Nachdruck fortfegen gu, können }).
Agejilaus beſaß alle Tugenden, die Lykurg von feinen
Söhnen forderte, in einem foldyen Grade, daß er felbfl
von Lugendgaften Sparcanern bewundert wurde P). I
\ . ⸗
— —
) ib. (Er befeſtigte unter andern ben thraciſchen Cherones
durch eine Mauer genen die Einfälle der Barbaren,
richtete auf diefer fehönen Erdzunge elf Staͤdte wieder
auf, und fezte bie griechiſhen Einwohner in den Or;
der fruchebarften Fluren und der ferteften Weiden. Ib.
145 p.
“r) ib. D. 146.
«*) III, 2. p. 140. & 4 2 elyımn. 96
+) IIL 4. Xen. Diod. XV. 7603. ad olymp. 96. J.
+H Ueber feine Maßigkeit, Enthaltſamkeit, Froͤmmigkei
t
nnd
Geſchichte des Pelopommefſchen Krieges. 338
hatte ferner. alle Talente, die zu einem großen Feldberrn |
nd Staatsmann erforbert wurden, ohne die unbiegfas
me Haͤrte des Infander und deſſen ‚Treuiofigkeic ”),
und
®
/
£ Da
und Baserlandsliebe fehe man bie Lobrede des Kenos
phon auf diefen Spartanifchen König im fünften und
den folgenden Capiteln. Um ſeinem Warerlaride zu -
dienen , ſagt dieſer Lobredner, weigerte er ſich weder
bie beſchwerlichſten Arbeiten zu übernehmen, noch fich in
die größten Gefahren zu wagen: er fihonte weder feinen -
Corper noch fein Vermögen: und wandte niemals Kranke
beit oder Alter vor, um fich feinem Dienfte zu entzies
ben, weil er es für die Pflicht eines guien Könige
hielt, feine Mitbuͤrger fo glüdtich als möglich zu ‚Mas
den: c. 7.
* Er hatte ein fo mildes und menſchliches Herz, daß er
"immer Sorge trug, daß hülflofe Kinder oder ſchwache
Greiſe, die man gekauft oder zu Sclaven gemacht
harte, niemals den wilden Thieren oder dem Hunger
zum Raube zuruͤckgelaſſen, fondern von feinem Hee⸗
re mitgenommen tourden. e. 1. Xen. L. c. p. 470.
Er behandelte ſchwache ober uͤberwundene Feinde nie
mit der Grauſamkeit, womit Eyfander ihnen begegnete.
Auch-fagte er, daß man Griechiſche Städte nicht ver:
nichten, fondern nur züchtigen und in Ordnung beim
gen müffe. Er weigerte fih daher Korinth zu eros
bern, wozu viele von feinen Kriegern ihn ermunterten.
e. 2. p. 508. Ihm fihien es Weisheit, Feinde durch
Klugheit zu, hintergehen, aber goulos, Freunde zu bes
truͤgen, oder auch ſelbſt Buͤndniſſe mir den Feinden zu
brechen, welche legtern deßwegen fein Wort für ſicherer
als ihre eigenen Entſchließungen hielten. e. 3. & faq.
Mir Recht aber kann man daran zweyfeln, was fein -
Lobredner faat, daB während feines Aufenthaltes In
Aflen die Griechiſchen Städte ohne Vertreißungen und
Hinrichtungen ihrer Bürger in der größten Einigkeit
gegiert worden wären. (e. 1. p. 48.) Tenophon fage
fetößt in feiner Geſchichte, daß Lyſander ben Ageflaus
. au
x
*
336 © Ciehentes Wach. Erſtes Eopil,
und wurde zugleich von einem folchen Ehegee gerisen,
der mic nichts geringerm umgiedg, ald den König.der
Perſer vem Throne zu ſtoßen, und dieſe Sriechenfeinde
aus
U U 7 U] 7 Un
2 zu diefem Zuge nach Aflen aufgemuntert habe, weile
die. Abfiche gehabt, die Regierungen der zehn Männer,
die von den Ephoren meiftens aufgehoben worden,
wieder einzuführen II. 4. p. 163. und bald nachher
fegt diefee Geſchichtſchreiber hinzu p. 163. daß nach det
Ankunft des Ageſilaus alle Städte in der groͤßten Ber
| wirrung geivefen, weil fie weder Volksregiment neh
| | zehn Männer zu Herefchern gehabt hätten. Iſokratts
(ad Philippum I. p. 272.) erzähle, daß Agefllaus bey
feiner Unternehmung' nach Aflen zwo große Abſichten
.„ und Wuͤnſche gehabt habe, die aber nicht mit einander
vereinbar geweſen feyen; den einen, die Barbaren jı
befriegen; den andern, feinen Freunden die oberft
Gewalt in allen Staͤdten zu übergeben, melde Igtat
Beſchaͤffeigung ihn am melfterr gehindert habe, Mn
Krieg wider die Perfer mit alle dem gehörigen Eikrlis
führen. Hiemit ſtimmen wlederum ZLenoppon um
Piutarch zufammen, von welchen der erfere ſagt
(Xen, c. II. p. 522.), daB Agefilaus ſtolz darauf $'
wefen fey, fur ſich ſelbſt ſo wenig als möglich zu brau⸗
den, feinen Freunden aber fo viel als möglih M
nujzen; und der andere bezeugt, daß er um fint
Freunde willen oft gleich dem Lyſander von dem Best
der Gerechtigkeit abgewichen fey, in ejus vita Il. p.
630 & 644. Hill. Gr. V. 4. p. 330. 339. 349
Wenn man alfo das ſchoͤne Lob lief, weiches Aensphın
dem Agefilaus gibt, daß er nämlich zw dem wenigen
Menſchen gehört Habe, für weiche die Tugend nick ti
“ne befchwerfiche Anftvengung, fondern heitere Behr
lichkeit geweſen fey; fo muß man nicht vergeffen, dad
Agefilans, wie alle übrige Spartaner, die Tagend In
An Beſtreben fezte, das Weite feines Vaterlandes ii
befördern, und wenn es auch auf Unkoſten aller ar
gen Menſchen geſchehen ſollte.“ So billige Ageſlam
der die Gerechtigkejt für die erſte aller Tugenden ei
—
en d ‚Bünteiß
ung auf, daß fein König, we
anvertraute Phrygien uͤberzugehen, als wenn dieſes Land
nicht ehen fo gut, als feine Provinz dem Perſiſchen Si
. Be _ . ge
aiches deſtoweniger die ungerechte nehmung |
ven — fie für nuͤzlich en ia
Agel. p. 668.) und verlieh einen Aegyptiſchen König,
Ser ihm zu Hauͤlfe geruſen harte, gegen einen
bAchler welchem er größere B
und Beiürberis der 0 )% u
e An,
wepter Band; 9
— — — — — — —
” Sieben reiteb Ba Ees Cuple —F
nt As obet der ame
J a ae ee
une 775: Xen, $4 fm
N 3
== ee vafälfge, un
. leiter für den König, und den Sanig
ie balten follen. Dies —8 hide ben
mu veradhte, und die Abſch *
vv :
B
106 —ã la Lyf. 50-53 p. Hs Age
Eufander nach Aflen kamen, machten dem
ne Freunde ben Hof, nnd waubeen fi
audgeseirte
ante he vom aus etwas
: ben walten. Mach der ‘ — Meer Me ben.
Agefllaus und feinen Sr en Fine
geſilaus fe fondern ug dx die übrigen Spartuner,
* man als Rathgeber unnd Begleiter zugegeben
—— von allenı ben arm
Freunde basen, nit nur nichts, ſondern
that, wenn es nur irgend möglich war, gerade Das Ce
gentheil. Als Lyſander dieſes merkte, riech er ſeinen
Sreunden ‚ id unmittelbar an den Wgellans 3 wen⸗
— den, und ſagte zu dieſem: Du verſtehſt es recht gut,
Beine Freunde zu demuͤthigen. Se, ant⸗
— — — — größer feyn wollen, als tb.
"Hingegen wuͤrde ich mich ſchaͤmen, weht ich Die: Beſor
deren meines Anfehens nice wiebet ehrte umbs empor
—* Du Haft beſſer und vernünftiger gehardelt, als
erwiederte Ipfanders erzeige mic alſo nur Sie Ge⸗
— mie fo zu begegnen, daß ich nicht bie Schan⸗
de habe, nichts bey dir zu gelten, und daß ip Sir auch
a Dan Wege ffehe. Geiche milch Irammd woßhn, ud
au ſoliſt inden, daß ich mich bemühen werde, dir al
| —28 brauchbar zu ſeyn. So erzaͤhlt Senophon.
Plutarch Hingegen träge eben dieſen Zwiſt fo:wer, As
Agefllaus einen niedrigen Neid
‚gen den Epfander kunden hate vor Eferfuhe ge
— Du a; 1
—⏑ —
Seſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 239
Aßen nicht eher zu verlaſſen, ala bis er es erobert haͤtte,
ſuchte er dieſes gefährlichen Gegners auf eine andere Art,
als dusch offenbare Gewalt, 108 zu werden *). Erbe .
flach die angeſehenſten Volksfuͤhhrer In Theben und Ko⸗
rinth, um bucch diefe die mächrigften Bundesgenoſſen
von Sparta gegen Ihre Fuͤhrerinn aufzumlegeln**). Die .
beftochenen Demagogen berebeteh die Lokrier, daß fie ſich
eines Striches Landes bemaͤchtigen ſollten, über welchen
fie bisher mit den Phocenſern Im Streit geweſen ware,
indem fie borausfaßen y daß die lestern alsdann in daß.
Gebiet der erſtern einfoflen, und ‘dadurch Anlaß zum’
Kriege geben wuͤrden. Der Ausgang erfüllteigre er
agen. Denn ſo bald die beleidigten Phocenſen
ihre Roche vollſtreckt hatten; eilten die Thebanet den.
zu Huͤlfe, und befriegten die Feinde det leztern,
die fie ihnen vorfezlich erweckt harten. Betroffen ber‘
diefe neuen mächtigen Widerſacher, nahmen die Pin,
cenfer zu ben Spartanern pre Zuflucht, die ihnen auch,
unverzüglich Benftand verſprachen, und ſich freuten,
eine Geiegenheit gefunden zu Haben, die Thebaner me‘
gen ver Weigerung, ihnen gegen bie Arhenlenfer und,
noch Aften zu folgen, und für die Kuͤhnhelt, womit fie
ben Agefilaus In einem felerlichen Opfer bey Aulls ges
flöre hatten, ſtrafen zu koͤnnen 7). Sie ſchlckten daher,
ben tnfander und den Koͤnig Pauſanlas auf verſchiedenen
Wegen wider die Thebaner aus, mit weldyen fich die,
Achenienfer, Korinchiee und andere Bundesgenoffen..
bee ©partaner vereinigt — allein jener wurde, gr
Zn 2 | de
„U AB
rn?
2, m. 5. Xen. .
‚U, g p. 179. Died, XIV.p, Jaf. ad olyam,
® gr; 1. Pe ia Lyf. IL p. 58. Dein, Brisg neun
ie Oridiiten Grtihäen den Bawakgen
FL 4 2* pP
Siebentes Buch. Erftes Capitel.
— zu ip toßen konnte, bed Hallartot ge
hlägen und ſelbſt In Treffen —* Das durch dieſe
ederlage erſchrockene Heer bei un Ba
mufte ſich gefallen late‘, u f 3 Eine
* Gebiete en ft" *
me des Infauber und ber rg €
| sehalreny Ma c$ Imufie
| De kb
. —— der et —E weil du
vutch auf einmal alle feine ehrgelzigen Entoikfe vereitelt
— bedachte ſich aber Bach kelnen Pr
ob er feinen Obern gehorchen, und den Ruf feines Bu
terlandeb ber Stimme des Ruhms borziehen ol odet
ei 9. Er hog in der größten Dean eit ſeb
sie und der Bundesgenoſſen Voͤlfer * fate
über den Sellefpont, nahm feinen Re ber ber Eiche
Keitund Buverficht eines un Bee Eleget *
racien, Mokedonlen und Theffalten, und fählng die
aller, die fich feinem Marſche voiberfehten. und olb
. beſten Reuter in Griechenland bekannt waren, und
I ken ve das Bergnögen hoch unterweges zu hören, J
ww’ > . wa nm m
KÄrich IV, 3. & Diod, XIV, 706. 707, ad 01.96. 4.
Bier tauſend ausgenommen, Die er zur Beſch er
Aſiatiſchen Orädee, F dem Eurenus, —* einer
in ı Yiette. vor hundert und zwanzig Sauff |
| Tender Piſander wc Ah 4: IV 3 Kos. Kine |
achaͤngt hatten — obpewafdhen,
einen herrl an"
Bee en ann)
2 209. ⸗ — J et
1, un. Diad XV: p. zar
det In a Ver de u
Au
Fi
‚ und
— karnaß pi deeußig ee erſte
— en
Ehren andere pi Hein, Ste bes bie. Sperufaffe der
n näherte,. hl
nn Deriug mi ann a Ben .
= mar (südl, Ne Bar ie 5* |
%) Vi. Moe, ı 260. a de nd Tas. ed ol.
3. BSechented Buch. Eiſtes Eapiid
ſo hatte er body gewiß viel veichtigere Folgen, „ala bie
deyben Stege, welche dis Dpartaner erfochten hatten.
| Die iegtern gewam Faft weiter nichts als bie Ehre eb
ige Olegeögeichen errichten zu bürfen; Konon Pinge:
Kr ek den Spartanern gleich nach der Schlacht
alle Aſtatifchen Städte und Inſeln, ſelbſt die Ratio
ben, ebwenbig, und baute mic Perfifchenn Gelde bie
"Werte Im Pickus und Die Mavgrn wieder auf, weiht
1, Ne ‚legten Frieden waren nledergeworfen wor⸗
lerderſeitigen Mederlagen zum: Frieden wären geneigt
. worden; wurden ihre Gemuͤther mur -noch mehe dur
‚dien Aufn im Rorinch erlittert, in welchen de
e Teil der Vornehmen, bie.rman eines heimlichen
J Aadniſſes mic den Spartanern wegen im Derdodt
. gatte, ‚von bem-Pöbel erſchlagen ober xettrieben mir)
= e9)..: Die Spertanse nahmen ſich der Verjaglen, und
. Be, Thebaner', Achenienfer und: A ber Befebiget
4. Die erflern eroberten einen der Feſtungewer⸗
& von Korinth, und’ erhielten über ihre Feinde noch av
dere Borthelles wurden aber nachher für den tolj, bl
diefe Meinen Glege Ihnen einflößten, und für bie Dee
echcung, — — —— — —
ederum durch Meine pen iger, m!
ber Oriechifihen Gefchichefeheeibern diel toichtiger gemach
und viel umſtaͤndlicher evzäple werben, ale ei a
m. Xen, IV.8. 9.059, & Died. XIV.p.609
u; 4, & Died, XIV..p, 700.04 O1. 98.4. Di
1 nn er EL
. 2° Nnruhen / die Hieraus bis auf den Weieden
Bas erfolgten, werden der Rerkichifipe Krieg ginant
Seſchichte bed Friaponuckigen. Sriuged. 743
erben nad u O
ker Armuth Sure nes
—5 Staaten waren bie Urſache, daß, keine ger
Ge Blanc or und Heere mehr aͤusger öfter, keine
ſcheidende Schlachten ‚weder zu lande noch zu
mehr geliefert wurden, und ba die oßnmächtige € *
der Seiechen in unbebeutende Kriege und Zänferenem |
brach "*). In diefen Fleinen Kriegen, die neun Qabrg
bauerten, bebielten die dakedaͤmonler Das Uebergewict *
ſie wurden aber doch des Krieges nicht weniger, als 4
Feinde oͤberdruͤſſig, weil ſie beſtaͤndig Fleine Heere t
Vertheidigung ober Bereguna ke hrer Punbeigene —
on 4
w Art war Die bey Se Rechäum Kun, IV. 4. Di
2 — ad Ol, 96, 4. in welcher etwa ei
Eportaner fielen. Diefe Stteberfage verurfachte hin
großes Trauern im Spartanffhen Heer, weil 16
foldye Unfälke m feenib warn; und ahnen
Zteusphen 1. c. m. 288. waren frohen Muths, de
‚zen. Ohne aber Bater oder Bruͤder geblichen waren. .;
” Dan lefe, was Kenophon vom Ihrafybulus IV. 8. p.
79. und V, 1. p, 285. vom Teleutias erzähle. Thra⸗
fus voncde von den Aspendisen erfchlagen, wei
E Soldaten Gewalithaͤtigkeiten ausgeuͤdt
thut es dem Freunde der Tugend, wenn (ef
‚us biefer. muthige Wiederherſteller der Freybeit und
alten Oxaatsverfaflung gleich andern Demagogen feil
wear. war. (Aridoph. Beelef, v. 356. & Ib. Schol.), und
bdaß er zulen ein Ferrůcher ſeines Tolle wurde. Lyf.
"2.438. Bd. Ms
—— 98. 8. eine glotse yon wit.
. 0 ‚fen zuſanmen, Wontt we den Athenien Gen Kauffar
chevichiffen die ‚Rüti: aus. den Helle ſuont —
Haufe abſchnitt. Diodor merkt ſchon 1 . 97: 2.
.P:736, au 0. ba die Spartaͤner alimäfidh die Merhand
wleder gewonnen haͤtten.
1
8&
m. hands —*
eier en au
_ beffelben waren N
— 2 auf dem n fehlen ve, ih So
| m anbern Eylanben dem Könige
re alle übrige nel un und Srädre ee ſe
snbchten groß oder klein ſeyn, frey und unabhängig me
ben und bleiben ſollten, Lemnus, Imbrus und Ska
‚auögenemmnen, bie ben enfern, wie vormals, u
‚ erworfen ſenn ſollten }). . Durch biefen Frieden, den
niemand aus zuſchlagen wagte, weil der Känig der Der
fer denen, die dies chun wuͤrben, ben Krieg beofte,
. ourbe das Aftatifche Griechenland wiederum ein Fa
> ums der Barbaren, und die übelgen Oiiecifgen Bus
gen wurden umter bes Scepter des ‘Perfifchen Koͤn
geben, dee fich von biefer Zeit an 55
Gen einander ab Gebiete In ale ine Sr “)
)Xm).e
1J pi Kriege, kefondens das En,
23 in Außen viele gewalsthätige ——
von denen die Geſchichtſchreiber nichts ſagen. Ge m
wähn: Ariſtephanes zwerner harten, Volkeſchluſe, we
von ber eine plöjlide Veränderungen der Diänge, und
ber ande Den iBeperag bes Wirtgigen Disanigs ka
Xesopk. V. 1.289.291. Diod, XIV. ad Ol.
* —* Im Paneg. 3. 181. ——
——
#1) How. I p 188. Nr de eures ——
—8Z
Gefbichte ed Peiopomuffiien Krise. da
pP -
2
Gel durch die Beſigungen, die man ihnen entzog; die
Spartaner hingegen erhielten fuͤr die biſt, womit ſie ihre
Bruͤder an die Perſer verrathen hatten, die Dberherr⸗
Schafft in Geiechenland, indem fa feine von den Staͤd⸗
ten, die ihnen gehorcht harten, von den alten Feſſeln
Gefregten, und viele andere unter dem Vorwande von
Bandniſſen oder auch mie Gewalt ſich untermürfig
machten N. . .. . , ’ . s X
vos ran 'ERyyav ns MESCTATTuv ei Key were
dns, au Kovov un errisarfus er Tas olseı
z9ısus. TA yag Tara, Tı Tev adur ve ..
Auov ÆSAn.; RE Vex TE BONEHE RULES SYevETE
Kos TU RIND SREUTAVESEE, KO TON EAEONe
Tom WO YMToy amisurns nudeenuer; um al
auenor asp), aoTree wees deomornv, a
Au erwyagnaowres. Vid. ib, & p. 214. -
©) Xen, p. ap. Moe. 1. 2.186 & nik. Br
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Siebentes Buch.
m. in. RE Zweptes Capitel. : i
Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phi⸗
u de nn ſunt
FE 7 Pr Tu,
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n einem. folchen Zeftalcer und unter folchen Men⸗
J I Then, ala ich in den vorhergehenden Abſchnitten
beſchrleben habe, lebte Sokrates, deſſen Kindheit und
Jugend die slide —— Qu A *
unruhigſte, und ! legte Jahre e
riobe I Athenienſiſchen reits. falten. Gofrateb Gor
nicht nur der erfte, fondern auch der größte Volkslehrer,
. den Achen jemald Geruprgebracht hat. Er hat dieſes
mit allen großen und Meinen Moͤnnern gemein, daß
man ihn niche richtig beurthellen kann, fo fange man
ihn nicht in allen Berhältniffen und tagen beohachtet Het.
Allein dadurch unterſtheldet er ſichon Yielen der beruͤhm⸗
teften Menfchen, daß er um deſto verehrungswaͤrdiger
erſcheint, je genauer man Ihn Fennen lernt, und je tie
fer man in fein feben und In feinen Charakter einbringt,
Wichtige und umtvichtige Männer haben Ihn .verfannt,
und ungerecht getadelt, ober gar feindfeelig verlaͤumdet,
- weil-fie ihn gleichſam aus feinem Zeitalter heraus riffen,
| ihm, ohne es ſelbſt zu merken, zu ihrem Beitgenoffen
wahren, und ihn nicht durch alle die Reihen vor
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— verſolgten / ker aka] beft⸗
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So umſtaͤndlich late und Kenop 8. ihren ai
—* in ln feines $ebens Ichilnern ; ſo a
uͤler des Athenlenſiſchen Weiſen, wie'alle
ie Seife, an eichtigen Machrichten über bie
erſte nicht weniger
wiſſen alſo auch viel genauer , „was Sokrates war, ‚ale
wie er Sokrates wurde,‘ Es ift außer Alm ed,
baß er der Sohn eines mittelmaͤßlgen und un 5*
—— ſchen Bildhauers Sophroniskus war
baß er der Arm reine Dame ungeachtet *
“ & » ”
. 22
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De Zeitre haung bee Eriecichen — FFIR vom
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at, Plato na ee Ed.: Baf,
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Bokrates. nom Charhentier. a dee
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dan; er wuͤrde aber auch ff eben Noch ttiche den
| en eines — verdichen, wenn
es auch gewiß wäre; was Pißanfus allein — daß
se feinem. Song ein Vermögen von achtzig Minen
Zu Sinterlaffen, welches aber diefer burch das Ungluͤck ei⸗
—A dem· er es —— elngebũ t ehe, |
—* 1, p. 640. Edi
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I gft durch Träume erinnert worden, (4
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GE SV METINZ 0A Yuypogsucg, Feundiuger. Plate I
.iritone p. 20. Die — des Plate ſcheint mit d
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eichenden den, mehrere Thellt
ber Tonkunſt, waren er ben einen im ber Jugend, ben
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20 Oki Bad. Zumapd Capua.
kamen, um en und Kenntniſſen ju wu
chern oder zu glaͤnzen *Er ſuchte alle Perſonen auf,
Die ſich in. irgend einer Kunſt ober Wiſſenſchafft hervor
jethan. hatten, und wenn es auch Meifagerinmen oder
Bublerianen waren, Ee 2 deßwegen ſelbſt zu 96
fiegen,. daß er bie Kunſt der tiebe von ber Diorima: und
die Kunſt ‚zu reden mit vlelen andern von“ ber Adaſa
gelernt habe °*). , An. ben erſten Zeiten des Gelhilte
&gn6 und der Entwickelung ſeines Verſtandes .
iu“ -- ⸗22212 — EXX
—x
‚%) Man ſehe Plat. In Phaed, p. 39. in Theatt. . I. I
2 Menep. p. 365. Xenoph. 2. Osconom, .
@®) Ia Sympof.-Plet. p. 187. in Memep. 1, c. Ehen def
gen, weil’ Oetrates fi it elta. Dienfihen helamt
machte, von demen er nur einige Hoffnung eos je
lernen harte, werden. ihm vom Jüngern
Ä ſo viele Lehrer und Lehreriunen zugefchrieben, die aur
- In einem maeigenitlichen Verſtaude fo genaunt werden
innen. Man ſehe das Verzeichniß beym Max. Tr.
- DIE xxu. Im Diogeries werden Anaragezas und
AArchelaus feine Lehrer genannt MH. ı9. Daß Gotrars
een erſtern nicht gekannt habe, iſt ſchon im erſtn !dan-
... de bemerkt werden; daß aber auch Archelans nike iR
vom Verſtande fein Lehrer genannt werden kann, IM
welchem er es vom Plate und Zensphen war, mu) tv
mem jeden einleuchten, ſo bald er bemerkt, daß Goktn
886 ſolche Unterfuchungen,, als Ardyelaus vorteng, vi
— achtet, und: ſolche Srundfä;e, als er gelehrt Gaben hl,
verabſcheut Habe. Sokraies hörte oder ging wit der
Archelans, wie mit den Seophiſten um, micr zn fd
feine Gedanken zuzueignen, fondern um ihn kennen MI
lernen. Im eben diefer Abſtcht machte er Aelleicht auch
die Bekanmſchafft eines gewiſſen Ariſtagoras, welchen
“Br Scholiaſt bes Ariſtophanes einen Schüler des Die
7 geead son Meles, und eimem Lehrer des Goktaird
menm. adv.898. Nab. '-..;. -- ° -
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Die prächtigen Werhelßunden ber Meinmelget
* — —— Au *
wlchtigſten
der Erde,
offenbaten
udlich das
dee.
auf-
0
(6 entfal |
— Se: mit 24 dickern Sinftern
» daß. er in feinen feſtagen
oder
eächfihaft unb unaufbETid) zu feyn ſchlenen ).
gab. daher Kenntniſſe auf, zu welchen ee in ſich fe
Geſchick fühlte, und von weichen er Durch eigene (Er
aatworfen habe. Ni —* ſich felbft aus den
Gelingen des Jerthums gerettet zu haben, nehm er
vor, auch andere vor dem glängenben r aber eitlen
von gefäßelichen Eieurinfägen der Soypifien
ottheit dodurch u Br daß ax durch
moſterhoftes B
nt en y
y) all,
— A mehr geſchabet als
get 1) Von biefem Zeitpuncte an fann man
en, daß er rem] ur Erkenntniß der Wahr⸗
beit gelangt ſey, und den Plan feines- Fünftigen tebans.
Seſchachee des Sokrates und feinte Phil. ae
ke daß er mit. der in Ba * in *
rn“
130. @kienieh Bad. Zmnue Capic.
Wem, ale. Männer, die nach Achen
— * * Kr Fon und Konntniſſen zu wu⸗
heran ober zu glaͤngen *). Kr ſuchte alle Perſonen auf,
die fich in irgend einer Kunſt ober Wiſſenſchafft hervor⸗
chon hatten, und wenn eg auch Weißager innen ober.
— —ã—enù„r waren. Er pie bewegen. ſelbſt zu ges
fichen, daß ee bie Kunft ber liche von ber Diotinia und
bie er ‚gu seen mit vlelen andern von der Apaſia
gelernt habe **). , In ben erſten Zeiten des Selbiloene
Lenk und der Enwikelung feines, Berftandes m
.— vo
—
—
Man Plat, In Phacd, p. 39. in Theast, p. 85. in
” —** p. 365. ‚Xenoph, e. 2. Osconom,
Ina Sys ‚Plet. ı87. ia M l, Eben deßwe⸗
” ‚gen, Le —* ſich —* Drenien vekannt
machte, von deuen er nur einige Hoffnung etwas zu
lernen harte, werden ihen von jängern Sceifftellern
. Im Diogeries werden Anaragoras und
AArchelaus feine’ Lehrer genannt HM. 19. Daf Sokrates
’ den erſtern nicht gekannt babe, ift ſchon im erſten Dane
© De bemerket werden; daß aber auch Archelaus nicht in
den Verſtaude fein Lehrer genaun: werden kann, im
" weldyem er es vom Pla und Zensphen war, muß eis
wem jeden. einleuchten,, fo bald er bemerkt, dab Sokra⸗
286 folche Unterfuchungen, als Archelaus vorteng, ver«
aachtet, und ſolche Grundſaͤze, als er gelehrt Guben fol,
verabſcheut Habe. Gofraes härte oder ging wit dem
feine Gedanken zuzueignen, fondern um ibn kennen zu
lernen. In eben biefer Abſicht machte er vieleicht auch
die Bekanmſchafſt eines gewiſſen Arikageras, welchen
eo Mm Scholiaſt des Ariſtophanes einen Schüler des Dia⸗
*äl son Meles, uud einen Lehrer des Sokrates
en. * v. aas. Nd.-
..r, 4
— — — — —
—— On moi. der Be
umb * entfaltet zu ſehen, bemerfte er bald
un Kl daß /er ae noch dickern Sinfternif
als vorher umgeben Werbe '
Meberzeugungen jur wanken anfange, und daß fogar Fra⸗
en oder Sachen, die er fonft leicht gefunden, ihm Ip |
—* und unaufſoͤslich zu ſeyn ſchienen *%,
bar Kenutaife. anf , gu weichen oc in ſich aibſt ein
Geſchick fühlte, und von welchen er Durch eigene Erfah⸗
zung. len "weis: ehe gefchaper als
genuızt Bon Zeitpuncte an fan man
annehnien, 8 er allmaͤlich zur —* Erkenntniß der Wahr⸗
heit gelangt ſey, und den Plan feines. Fünftigen debans
entworfen habe. Micht zufrieden, fich felbft aus ben
Schlingen des Zerfums gecatter zu Gaben, aafım er
fich vor, auch andere vor dem glängenben, aber eitien
Zend und den gefähelichen Grundſaren ber Sorgiken
zu warnen, und fein ganzes Leben bem
Dice der —X dadurch » een daß as durch
iel feine Michi
aan Se vo een v
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—S u oo
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0. Siegen hu guevtes Engl.
AAMnx vlſe macheꝰ). Oiezu glaubte er ſich von ber
ee daher weber Dusch
Lingebungen des Ehrgeijes und Eigennuges, noch
bLodungen und Meise des Vergnuoͤgens, ‚mode
h die Dechuugen ‚von Tyramuen, noch, enblich ducch
8
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3
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ae war, als Sokrates die Wahrheit fand, wich
ben das Bolt, unter weichen er himmliſche
nicht nur ohne alle Vergeltung, ſondern uns
Inbigen Verfoigungen und Gefahren des Todes
feet; fo kann man ſich kaum bes Gedauken⸗s engen
N
.* ®) Diet. Apol, Socret. p. Ra⸗ wre Taurns Tu
7 gayolas, Bra Te Tun TuS wehens Tgnfor pas
ax vVevovev, afın Aoys, BTE TV on.
"ah ev BEI MupIs ei, din vv 3 Ses Au
TERN. R
ar } n“ p. 12 & 18. Tauræ 'yap xeleue 6. Ye,
ae. na Eyw aruass uber Tree Um erfor SSYie--
Zw Yov veredu u TU were, na Ep TO dev
vnpeeso xv. | .
9 Tlecomu de Ta Yu ma, mund. ⸗ñ⸗
Movres uw EuUNVER, Ro O5 TE 0, 5 MN BEU-
' ooꝛte⸗ XXVV
h Pag. 11 & 16. Ib. Ta de Isa rurrures u any
7 dee ve non unelaraßer, Piiosodnra ns
den (ur, nes eferalore eumurov, x Tes
wur, erauda de Doföndess y —RC I
aa or: 8 zenype, Ammanı zn rufe. da
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vwuutaren..
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EEE Sn Zu [}
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Scſchichte des Sokrates und feiner Phil. 353
daß er von einem hoͤhern Weſen erleuchtet und geblldec,
oder daß er wenigſtens einem Volke gerade zu der Zeit
von der Vorſehung geſandt worden, als es eines ſolchen
teprers am meiſten nothls hatte L . est
[ 17 U)
°) Plat, Apol. Soer. p. 12. Ori deya 21272.
‚0 TOBTOE, 005 UNO TE JR Tg For fi 67.
I, evrode DV KETOVONTUTE. & Yocp 0a.
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NMEÄNKEVOG, NoLs OVEX ECT TO oInesay caaAa-
perav Tocausn ndy EIN, TO.ÖLMETEROV KET-.
vo es &c. & de Rep. Lib, VL p. 26. Vol, IL-
Eu. yag xem edeycs, DTI Tee av 0adn va Row
YayıTaı 0109 des „ IV TORWTY RATES oA
Toy, Ges MoIoay auTo Cara Aryay, 8 ran.
xus eoeıs. Daß Sofrates die Lebensart oder das
Amt eines allgemeines Lehrers und Auffehers, worinn
er bis an feinen Tod beharrete, ſchon als ein junger
Mann ermählt habe, kann man aus vielerley Unftän»
den Schließen, Erſtlich war Sokrates nur etwas über
viergig Jaht alt, als Ariſtophanes feine Wolken ſchrieb
Es mufte alfo damals ſchon lange und allgemein Bes
kannt feyn, weil die Komiker ib nur an folge Der:
fonen madıten, Die Das ganze Volk kannte. Ariſtepha⸗
nes war aud) nicht einmal der erfte, der ihn lächerlich
gu machen ſuchte; dies Hatten fhon mehrere andere vor
{fm gethan. Zweytens iſt es aus den oben angeführ:
ten Stellen des Plats gewiß ,. daß Sokrates als ein
ſehr hunger Mann die Weitweiſen feiner Zeit Körte,
und auch bald die Undraucbarkeit oder Scpädlichkeit ihr.
ver Lehren einſah. Man kann alfo auch als wahr:
ſcheinlich annehmen, . daß er nicht lange nach diefer Der
merfung bie Wahrheit entdeckt und den erfannten Ser
thum beftritten habe. Drittens erzähle Zenophon, daß
Alklbiades und Kricias erſt lange, nachdem fie fih vom.
Sokrates getrennt härten, in alle die Auefweifungen
Zweyter Band. 8* und
ĩ
354 Siebentes Buch. Zweyes Capitel.
Selbſt der goͤttliche Beruf, den Sokrates in ſel⸗
oem Janern fuͤhl 35 ang ihn, die Sophiſten ohne
nung and Unterlaß zu verfolgen, weil fie nicht nur
die Köpfe der hoffnungsvollſten Juͤnglinge und ber
gedßten Männer mit meiftens unnuͤzen Spizſindigkeiten
nföllten ‚, fondern auch ihre Herzen durch die verruch⸗
ceften Srundfäze verdarben. Sokrates ließ daher kein
Mittel unverfucht, das Anfehen diefer Falfchen Weiſen
zu untergeaben,, und er richtete ſeine Reden und kehren,
und felbft fein Betragen und feben fü ein, daß die So⸗
dadurch als elende Schwäger und Gruͤbler bes
ine , und als Berführer der Zugend und des Volks
gemacht wurden. ch wiederhohle hier nicht,
mit —— —— Sokrates wider die Sophiſten ge⸗
kriegt, und fie endlich uͤberwunden habe; allen das darf
ich doch nicht unbemerkt laſſen, daß ſeine Kaͤmpfe und
Siege über bie + orten ige wegen juerft einen
großen
\ ' .
und Be gefallen Keyen, (Memor. Soer, ], 3.
Thiem,) welche die Anklaͤger des Oofrares
ih — Weiſen zur Laſt legten. Nun aber war
Aitistades bald nach dem Tobe des Merikles eben der
‚ üppige, gemalfame, ehrgetzige Mann, der er in feis
nem ganzen übrigen Leben blieb, and Die Zeie feines
genauen Umgangs mit dem Gofrates muß alſo Beikhen
das ösepbigfte und vieräigfte Jahr des Iegtern fallen
(Man fehe Plat. Aleib, 1. Initio.) — Cine der un.
wahrfcheinfichften Berlänmdungen des Ariftorenud war
diefe, daß Krico den. Sokrates aus einer Werkſtaͤtte
hervorgezogen, und ihm eine feinen Talenten angemefs
fene ——— gegeben Fa — Ap. Diog. II. ao. Krito
war einer der eifrig hrer und Zuhoͤrer des En
krates, und ale — etwas — als ſein
ümgendptet diefer im Krito des Piero, von feinem
Sreunde und ſich ſelbſt, als von zween alten Männern
. Weit. p. u
Geſchichte des Soktates und feiner Phil. 355
Mamen gaben, indem fie bie reichſten und ebel⸗
, Juͤnglinge auf ſeine Seite zogen,
und ihm in ihnen eben fo viele Bundesgenoſſen und Mit⸗
eiter erwar welche bie gemeinfehafftlichen Beinde
* denſelben Waffen angriffen, a Fr fie,
gefchlagen hatte. un |
Ä Anftott dag bie Sophiſten einen Theil ber Reich⸗
thümer, die fie durch ihren Unterricht gewannen, an
Tofibaren Schmuck und prächtige Kleider verſchwende⸗
ten, ging Sokrates ohne Schmud und in ber einfady .
ſten Kleidung einher. (Er werhfelte nicht, wie die Übrir
gen Griechen thaten, mit ben Jahrszeiten die Kleidungs⸗
ftuͤcke, ſondern wickelte ſich das ganze Jahr durch in ei⸗
nen einzigen Mantel oder Gewand von demſelben Zeuge
ein *). Auch trug er niemals In ber größten Kälte
Schuhe oder ondere Bebedungen von Süßen 7), aus⸗
genommen an Seiten und feftliche® Gaſtmaͤlern, wo er
fich ihrer bebiente, und fich auch forgfältiger, als ges
woͤhnlich, zu Heiden pflegte D. Ungeachtet bie an
| e as
|
|
|
EIIE
eferayxopavon Tav ayIeumay. Kar euros wor-
> Aus spe IMBITOL, OT EBEN ARE
eberagım. = reider 8 407 aurov afera-
‚Lousvor, eos ogYılovras, Ux areas.
=) Xenoph..;Memor. I. 6. p. 54. fq.
4) Ib. & Plat. in Cooviv. p. 194. Das Barfußgehen iſt
faft der einzige Zug in der verzersten Schilderung bes
Ariſtophaniſchen Sokrates, der nicht erbichter oder über
PN Sieben if v. ** F ken bie ©
ist, in Conv. p. 176. An eben dieſer Stelle heißt cs,
baß Sokrates ſich nut felten gebadet habe, Dies muß
man
©) Apol. Soerat. p. 9. Ileos de Tæros es veo⸗ pa
EREKOABIEYTES, Is MOSÄISOE OXOAN esiv, p Tay
V
-’
9 Siebentes Buch, Zweytes Tapitel.
fumfelt, weiche dem Sokrated ſeine Armuth nothwen⸗
Dig inachte ), ferner die Begierde, ven reeichlichen
Athenlenſern ein Benfpiel alter Einfalt, und einen Bes
weis von ben mäßigen Forderungen der Natur zu geben,
endlich vielleicht auch das Bewuſtſeyn, wie Fehr fine
Haͤßlichkeit Durch gefuchten Puz und prächtige ‚Kleidung
würde efdoben werden, zu dem Entfchluffe mic gewirkt
Haben mögen, auf die Bedeckung feines teibes weniger,
als bie ärmften feiner Michärger und die Niedrigſten ih⸗
ver Sclaven zu wenden; To laͤßt es fich doch ſchwerlich
1augnen, daßnicht Die Haupturſache dieſes Entfchluffes
Der Vorſaz gerefen fen, die unmännfiche Ueppigfelt der
Sophiſten deilo mehr in die Augen fallen zu machen,
amd es ihnen auch Durch feinen unanfehnlichen, und ihre
doch Kinlänglich beſchuͤzenden Anzug ſtillſchweigend vors
zuwerfen, daß fie die Weisheit, die fie zu lehren vors
gäbeny beſchimpflen, dund die ohnedem überhand nehe
' mende
— — — wor *
N
-man von warmen Bädern ‚ die
die Urſachen ber —e— von —8 eg
Ariſtophanes leitete dieſen Adſcheu vor warmen
dern ans Unreinlichkeit und Kargheit ab: ia Nub,
an 833 & tg: u, ‘ . | |
... — J —
un WERE Heıs Harore, ad
ren wwelenbard - |
ad: ws Beshaveııv ide —XX
Allein dies it eben fo falfch, als wenn er ihn als einen
. Zend aller symnaftifhen Uebungen ſchildert v.a15. : |
Ons F aREexXei, kai Yupvaoıody, Raı Toy
u. @AwV avoNToy
= Beym Xe ſchaͤzt Sokrates fein gan ‚ !
j hr au fün ‚ Xen. Oecouom, — Pa hen Diate |
" Apol. © 25. gar fur auf eine Deine,
+
Geſchchte bed Safrates sind fi Phil, 357
mende Peachtliebe der Athenlenſiſchen Tugend durch if
Beyſpiel nur noch mehr entzuͤndetien.
Bey aller feiner Armuth aber, bie In unfern Beis
. ten die meiften Meufihen vom Pöbel entiveder zur Days
zwenfelung , oder zu einer underfihämten Betteley heine
gen wiürbe, nahm. Sokrates von einem feiner Freuube,
bie durch ihn weiſer uhb eugenbhafter wurden, Beloh⸗
nungen an, wie die Sophiſten taten, die das Vermoͤ⸗
‚gen Ihrer Zuhoͤrer mehr auspländerten, als fie die Kennt,
niffe derfelben bereicherten. Er kehrte ſich nicht an die
Spöttereyen feiner Gegner *), die es zwar zugaben,
daß er reblich, aber nicht, daß er weile fey, und die es
ihm Ins Geficht fagten, daß er feine eigene Schwoͤche
oder Unwiſſenheit fühlen müffe, well er für feinen Unten
sicht nichts verlange, da er doch von dem Seinigennichts
son Werth umſonſt meggeben wuͤrde. Sokrates anf
wortete, daß es ihm eben fo ſchlmpflich ſcheine, mit
Weisheit, als mit Schoͤnheit gu wuchern, unb daß er
denjenigen nicht weniger für einen Schänder der Weiss
heit Halte, der dieſe gleich eisen feilen Dirne an den
Meiftbierenden verkaufe, als er denjenigen für einen
Schänder feiner Perfon Halte, der den Genuß feiner
Heise um Geld verhandele; daß endlich ein jeder, ber.
“am Geld lehre, fich zu einem Sclaven von andern
mache, weil er das durchaus lehren muͤſſe, wozu er >
perdungen habe 9%. Gewiß würde Sokrates bas
jureichende in biefer Art zu ſchließen bemerkt, und nicht -
auf eine fo eigenfinnige Are den Benftand feiner Freunde
ausgefchlagen haben, wenn er nicht durch feine Unelgen
nuͤzigkeit die. Sophiſten ei befhämen wollen, Er mar
ü Ba bon
#) Antiphon a Xoro b,M b, L
, —F Fer or! emorab, I, 6, P 58. 59.
J
358 . Ciebanted Buch. Zweytes Capitel.
vonder Habfucht dieſer Maͤnner fo weit entfernt, dag
er für alle Verdienſte, bie er fich um feine Freunde ers
⸗
warb, nicht allein n forderte, oder erwartete, ſon⸗
vern auch fogar feine haͤuslichen Angelegenheiten, und
feine und feiner Famille Gluͤcksumſtaͤnde vernachlaͤſſ igte,
am ſtets zum Dienſt feiner Mitbuͤrger bereit zu feyn®).
Dies uneigennäzige Detragen des Gofrates war auch
fo allgemein befannt, daß felbft feine Ankläger , fo ſeht
fie ihn auch fonft in einen Sophiſten zu verwandeln fich
bemüpten, ihm ben Borwurf: von feinen Zuhörern
Geld geriommen ober erpreßt zu haben , nicht machten,
weil fie durch feine aͤußerſte Armuth wären widerlegt
werben **). Wenn es aber nicht die gehäuften aus⸗
druͤcklichen Zeugniffe feiner groͤßten Schüler beftätigten,
baß er von Niemanden das geringfte genommen habe t);
fo würde man doch kaum anders, als die Nachrichten
einiger neuern Schriftſteller annehmen können, welche
| verſichern, daß Sokrates zwar nicht von allen, aber
doch von einigen reichen und geprüften Sreunben, die es
für eine Wohlthat hielten, wenn fie Ihrem tchrer *
thun
©) Plat. in Apol. p. 12.
un Ib
4) Außer den ſhon angeführten Stellen ziehe ich nur noch
eine des Piato, und eine andere des Zenophen an,
Saftmale des erſtern fast Altibiades ſelbſt, der ihm
Geſchenke zu geben vergebens verſucht hatte, daß
et gegen Reich huͤmer unverwundbarer, als Ajax gegen
Eifen ſey. p. 193. In der Haushaltungskunſt des lez⸗
tern ſagt Sokrates zum Kritobulus: Du weißt es, daß
{ch viele Zreunde habe, die, wenn fie mir ein jeder auch
nur wenig gäben, mid dennoch in Ruͤckſicht auf meine
wenigen Veduͤrfniſſe in Weberfluß gleichſam erfaufen
Eönnten e. 2.p. 281. Kurz vorher befennt er (p. 378.)
' Fa das Wenige, was er habe, ihm dennoch genug
p. |
\
y
Gifdichte des Sokrates und feiner Phil, 339
chun konnten, lnterſtaͤzung empfangen und angenom⸗
mer habeꝰ). Denn fo außerordentlich man ſich auch =
die Genuͤgſamkeit und Sparſamkeit bes Sokrates bens
ten mag, fo iſt es doch faft umbegreiflich, wie er mit
einer zahlreichen Famille, ohne eigenes beträchtliches
Dermögen, ohne Irgend eine einträgliche Kunſt ober
Handthierung, ſelbſt ohne Theilnehmung an den dffent,
lichen Wohlthaten und Geſchenken des Staats, in Athen
3 2 habe
— en
©) Man fehe den Diogenes 1. 74. 121. ſ. auch Seneca te
bet von vielen Anerbletungen, die dem Sokrates von
inen Zreunden wären gemacht worden, und bie Ges
chichte des Aeſchines, die er erzählt, bewelſt, daß So⸗
krates dieſe Anerbietungen nicht alle ausgeſchlagen habe.
3. 8. de benef, Ich wundere mich nicht darüber, „es \
Seneca biefes vom Sokrates glaußie, aber dar
wundere ich mich, daß er deu Sokrates fo wenig ge
kannt habe, daß er folgendes Mährchen von ihm nach
erzäßlen konnte: Socrates amicis audientihus: Emil.
fem, inquit, pallium, fi nummos haderem. Ne«
minem, fezte er hinzu, popoſeit, omnes admenuft,
s quo aceipere ambitus fult, quidni effet? Quantu-
lum enim erat, quod Socrstes aceipiebat? at multum
erst, commeruiffe, a quo Soerstes acceperit, &e.
Wahrſcheinlich machte die Unverſchaͤmtheit der Weltwel⸗
fen feiner Zeit, daß Seneca bas Unwuͤrdige in der von
ihm ’ erzählten angeblichen Aeußerung bes Arhenienfi-
fen Weltweifen nicht fühlte, Allein diefe erdichtete
Aeußerung vwolderfpricht den Charakter des Sokrates .
eben fo fehr, als die Betteley, die Arifiorenus vers
muthlich von einem abtrünnigen Schüler des Sokrates,
dem er felne Nachrichten ſchuldig war, gehört hatte:
Sokrates fol nämlich, fo oft er in Noth gewefen, fei-
nen Freunden eine Büchfe hingeſezt haben, damit ein
jeder nach feinem Vermögen habe beytragen Eünnen.
Il, 20. Wenn Sokrates auch gezwungen geweſen wäre, _
ſich der Hälfe feiner Freunde zu bedienen; fo würde er
es am wenigſten auf dieſe Art gethan Haben.
_
360 Siebentes Buch. Zweytes Capitel.
dobe leben tdnnen. Sobkrates ſaß nie in Gerichten, er⸗
ſchien nie in oͤffentlichen Volksverſaminlungen oder
Schauſpielen, ließ ſich auch nicht in die Claſſe der Ar⸗
men einſchreiben, die aus dem Schaz der Nation un⸗
cerhalten wurden, und er konnte alſo auch nicht die All⸗
‚mofen oder den Lohn genießen, welchen die Achenienfer
ihren Armen, oder Richtern, oder allen unbeguͤterten
Bürgern zu den Vergnuͤgungen des Theaters ober für
bie Bemühung gaben, fich an ben allgemeinen Volks⸗
verſammlungen einzufinden,
Weil Sofrares fich nicht, wle die Sophiſten zu
‚bereichern fuchte, fo jagte er auch nicht gleich ihnen nur
angefehenen und reichen Männern und Zünglingen in
allen Theilen von Griechenland nach. Weder Neugier⸗
de, noch die Einladungen von Königen und Mächtigen
vermochten ihn feiner Beflimmung untreu zu machen *).
Er blieb unverruͤckt in Achen, als wenn er durch Blinde
heit oder andere Förperliche Gebrechen an feinen väters
lichen Boden wäre gefeflelt worden, eine einzige Reiſe
zu den Sfihmifchen Spielen und einige Felbzuͤge ansger
‚nommen, zu denen er von feinem Baterlande aufgefors
dert wutde ꝰ). x fchäzte und wählte feine Sr
| | nicht
%) Dig, II. 25. ds ib. Menag. ’
‚“s) Plet. in Criton. p. 21. Ovde arm eromoo œro-
—R vores 0 R.01 avdenmor. ‚80° er do-
pa os alns Hoiews, BIE Amy vouwv EAc-
Bev sıdevu. aA npeis (fo läßt Plate die Athe⸗
nienfifhen Sefege zum Sokrates reden,) cos ixayoı
per, non Nuereoo moAıs. fra oPodon us
nes. Sokrates ging fogar nur fehr felten außer der Stade
foazieren, weil die todte, wenn gleich ſchoͤne Natur,
ibm nicht fo intereffant und lehrreich, als der Umgang
mit feinen Mitbuͤrgern war. (in Phaeds, p. 196.)
| Wenn
- .
‘
nn — 4 Ben
N
Geſchichte des Sofrates und feiner Phil. 361
nicht nach Ihren Vaterſtaͤdten, ober nach dem Alter und
Adel ihres Geſchlechts, oder nach der Groͤße Ihrer Ver⸗
bindungen und ihres Anſehens, oder nach ihrer Frey⸗
gebigkeit und Reichthuͤmern, ſondern ganz allein nach
ihrem wahren Werth, ‚oder nach den Anlagen, die er
in ihnen zu entdeden glaubte *). Feſt überzeugt, daß
Freundſchafft niche anders, ald unter Tugendhaften bes
fieen, und daß Fafterhafte weder unter einander wahre
Freunde ſeyn, noch fich mit rechtſchaffenen Männern
vereinigen Eonnten, ſchloß er alle Diejenigen, und wenn
fie auch Söhne aus den erften Familien waren, von ſel⸗
nem vertrautern Umgange aus, die fich ſolchen Aus⸗
ſchweifungen und faftern ergeben hatten, wodurch ſie ſich
und auch ihre Freunde in's Verderben ſtuͤrzen muften **),
Miedtige Sclaven Ihrer Lüfte gh ‚, bie ihrem Gaumen
. 5 | ober
LU U] (U \
Wenn man dieſe Geſinnungen des Sokrates uͤber fein
Barerland und feine Mitbuͤrger, und die Urfache,
warum es ſich von ihnen faft niemals trennte, gelefen
bat; fo wird man argwöhnifch gegen den Spruch, ber.
im Munde eines jeden Republicaners, und am meiften
des Sokrates übel ſteht: daß er kein Achenienfet, kein
Grieche, fondern ein Weltbärger fey, Plutarch, de exi-
lio Tom. VIH, 371. Cieer. Tufe, quaeſt. V. 37,
Man fieht aus dieſen Beyfpielen, wie wenig man fich
auf die Aechthelt der Sprüche und Anekdoten verlaffen
fönne, die felbf Im Cicero und Platarch enthalten
find, und wie viel mißtrauiicher man alſo gegen die im
Seneca, Diogenes, Athenäus, oder gar Aelian ſehn
mnwuͤſſe.
7) Flat. in Convivio p. 192. Ise, ſagt Altibiades,
vier eo TIS BÄBCHS, ET 68 0A Tvaa Tılany
EX Tom. URO MANIES mosxcgrlousvav. Yyes-
vous de KOYTE TAUTO Ta KTNURTO, Bdevag
oefıoe, xas nes Bdev ayon. |
®*) Xenoph. Memor. II, 6,
on GSiebentes Buch. Zweytes Capitel.
ovber Bauche mehr, als ihren Freunden dienten; unbe⸗
ſonnene Verſchweuder, die ihren Freunden ſtets mit
nieuen Fordetungen beſchwerlich fielen, und wenn biefe
unerfuͤut blieben, übte hitterſten Feinde wurden; ſchmu⸗
zige Zilge, denen die Vermehtung ihrer Schaͤle mehr
als die Wohlfart igeer Freunde am Herzen lag; umru⸗
ige aufrüßrerifche Köpfe, die fich und ihren Freunden
etö neue Feinde machten, wies er alle, wie Blöbfins
nige ‚oder Wahnſinnige, unter dem Vorwande oder
bielmehr in der Meynung ab, daß die Verbindung mic
—* Perſonen ihm von ſeinem Daͤmon unterſagt wer⸗
be, und bet Gottheit unangenehm ſey*). Wenn hin⸗
‚gegen unverborbene fähige Fünglinge und rechtfchaffene
tätige Männer ſich um feine Beeundfchafft bewatben;
- fo ging er ihnen, fie mochten reich oder arm, vornehm
oder gering, Bürger ober Fremde, jung ober alt feyu”),
mit offenen Armen entgegen, und freute ſich über einen
neuen wahrbaftigen Freund meht, als andere ſich über
die ſchoͤnſten Pferde, oberBögel, oder Hunde nur freuen
Fonnsent). Er hielt einen wahren Freund für das ein«
traͤglichſie unter allen Gütern, die man befizen Fünnte,
und für das beauchbarfte unter allen Werkzeugen, das
uns alle die Dienfte und noch mehr leiſte, bie wir von
unfern Händen oder andern Sinnen und Gliedmaaßen
gehalten T}). Chen befwegen nahm er biejenigen —*
N) Ib. & Plat, in Thecen. p. 249. TINon neu Ye
NAVTIETH, ROM UN 855 ‚wDeAndaves per zu8
dateßace, Os Te 8X Qov Te Ka TETOS ouV-
dinreuger. Cr Befümmerte ſich deßwegen auch lan⸗
ge um den Altibiabes nicht. Aleib. I, initio,
en) Pit, ia Apol. p. 13 & 13.
+) Memar, 1.6. p. 59. & in Platonis Lachere p, 263.
Mae In eben dieſem Abſchnitt finder ſich auch die Bes
(Geltung einen vallfommenen Freundes.
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 363
ſeiner Freundſchafft werth waren, nicht mie alsdann,
wenn fie ſich Ihm anboten, mit Freuden an, ſondern er
ſuchte fie auch ſelbſt auf. Er nannte ſich daher einer
Uebhaber aller großen und edlen Menfchen, die er micht
weniger ald die Vaterſtadt liebe, und um deren Liebe
er mit dem Vaterlande buhle *). Er fagte, daß er fi
ber Kunſt, Menſchen zu jagen und zu fangen, nicht
unerfohren fen, und daß er in der Kunſt der liebe Bet;
wen Sterblichen etwas nachgebe *). Er rähmtefih
Schilingen, Uiebestraͤnke und Zaubermittel zu befijen,,
wodurch er Menfchen gewinnen und feine Freunde feſt⸗
halten fünne*®*); under rieth alfo audy denen, die wah⸗
re Sreunde erhalten wollten, ihn gleichfam zum Mit
— oder zum Gehuͤlfen F nehmen 7). Er fange,
cherzte er nicht ‚.inie ,
—* mit ei, wie Bögel, —* mit Gewalt, wie Seins
de , fondern gleich den Sirenen durch unfichtbaren Zau⸗
bee, ohne fie zu berühren, oder ihnen Gewalt anzuthun.
Dieſer Zauber beftehe darinn, daß er ihnen zu erfennen
gebe, baß er rebliche Freunde über alles ſchaͤze, daß er
ſich über ihr Glück nicht weniger als über fein eigenes
freue, und über ihr Ungluͤck nicht weniger als das fel«
nige betrübe: daß er in Ihrem Dienſte gar feine Ermuͤ⸗
dung fenne, und es für.die größte Tugend und Dolls
Fommenheit eines Mannes halte, Freunden fiets im
Wohlthun, wie Feinden im Leidthun zuvorzufom«
men). Mit dieſem unſchuldigen liebestranke ſuchte er
“wear
Symp. Xen. e. 8. p. 493. So nannte er Be
loſophie feine Geliebte, To Eucs 7
Gorgia Plat. p. 816.
#5) Xen. 11.6. & Pia. In Theag, p. 241.
weh) Yen. I & Il. 1
P Siehe auch —* Plat p. 72.
1) Xen. l. e. p. 113. J
364 Sichentes Buch. Bivented Capitel.
zwar alle wuͤrdige Menſchen, aber boch meht feine Mie⸗
bürger als Fremde. und Auslaͤnder an ſich zu ziehen;
weil er es für feine Pflicht hlelt, ‚eher jenen als dieſen zu
nögen ).. Unter feinen Mitbärgern ſtellte er am mei⸗
en ber biegfamen Jugend nach, weil er fich am mei,
u fehmeicheln Eonnte, dieſe nach feinen Abſichten bils
den zu koͤnnen **). Sokrates war fü gluͤcklich in feinen
Bemühungen, baß er die größten Männer feines Volks
unter feinen Schülern zählte, und Dia reichſten genie⸗
vollſten Juͤnglinge in fich verliebt, ober. zu feinen ehe
heru machte, anftatt daß fie, um in ber Sprache
bamaligen Beit | u reden, fine Selite hätten in *
le
nf). 2
Tem
® Plat. p. 12. in Apol. Soer. Tours nes veorega
nos mesafuree®, OT Ay EVTUYXArO TOMTE
ns Ferm Ru SQ. BEL E.TUS Sais.
M Benn ich mich, ſagie er zum Theodor, der die Mathe⸗
matik mit Beyfall In Achen lehrte, mehr um das, was
in Kyrene, als was in Athen vorgeht, befümmerte;
fo würde ich dich fragen, ob es in deiner Vaterſtade
auch Zünglinge gebe, die der Weltweisheit und andern
Wiffeufhafften obliegen. Da ich aber meine Landsleu⸗
te mehr als bie deinigen liebe; fo wuͤnſchte ih von Dir
zu wiffen, od du unter unfern Sünglingen nicht eini«
ge angetroffen Haft, Die deinem Vermuthen nach ber
einft einen großen Namen erhalten werden, Hiernach
forſche ih felbft, fo viel ich Eann, und erfundige mich
bey allen, von denen i „abe. def gJanglinge ſ ſich |
um fle der verfammlen. heaet. p 69
a) Alcibled, ep. Plat. in Convivio p. 104 Kos ev
"FOR ER EHE JOVOV TOAUTE MERONKEVY, AM 106
Xoanıdıy vov TAxuxwuos, au EuQuonpov, Tor
NioxAeas, Ko aRBS mau MoMES, &s Bros
efamarav as egesne, Mod Mey wuros
KAISRTa RT eeuse de, -
-
| Geföstcte des Sokeates und feiner Phil. 368. |
Auch in Anfefung der Sprache und der Einklel⸗
dung feiner Gebanken unterfchled fi) Sofrates von den
Soppiften eben fo fehr, als In Ruͤckſicht ber Abfichten,
in welchen er lehrte. . Anftatt daß die Sprache der So⸗
phiften gang aus Fünftlichen und prächtigen Blumen ge⸗
webt und ihre Reden mit dichterifchen Tropen und Figur
ren‘, befonders mic kuͤhnen Metaphern und auffallenden
Gegenfäzen gefhmädt und überladen waren, ' bie Un⸗
wiffende in Erftaunen fegten, aber in Kennern bald Lies -
berdruß erweckten ”), fo war die Sproche des Sokra⸗
tes eine ungeſchmuͤckte Tochter der unverdorbenen aber
feoftvollen Natur, die gleich Ihrem Schöpfer beym er»
ften Anblick nicht allein nichts einladendes, fondern viels
mehr etwas abfchrectendes hatte, bie aber auch ben ei⸗
wer nähern Bekanntſchafft, wie Sokrates ſelbſt, relz⸗
voll, und gleich dem Geſange der Sirenen unwiderſteh⸗
Ich war. Sein Vortrag, ſagt Alkibiades **), hat we⸗
der mit dem Bortrage eines dltern, noch eines neuern
Redners die geringfte Achnlichfeit, und man kann ihn,
wie den Sokrates ſelbſt, mit nichts beffer , als mit den
hölzernen Silen « Bildern vergleichen, die äußerlich une
entehnlich, innerlich aber mit den fchönften Statuͤen von
Goͤttern angefällt find. Eben fo feheine die Sprache
des Sokrates pöbelhaft und lächerlich, wenn man. ihn
ſtets von Schuftern, oder Gerbern, ober fein reden,
und ähnliche niedrig fcheinende Woͤrter und Gleichniffe
brauchen hört; allein wenn man eben diefe Worte und .
| Heben, |
+, Dean fehe nur allein Cicer. orat, e. 52. Die übrigen
Stellen werde ih zu ihrer Zeit prüfen und aus einan⸗
. der fezen. |
as) In der Lobrede, die Plato ihn vol Begeiſterung auf den
“ Sofrates, deffen Philofophie und Veredſamkeit halten
laͤſt, in Conv. p, 193194 | \
— DT
366 Siebented Buch. Zweytes Capitel.
Reden, die zuerſt das Ohr beleidigen, aufſchlleßt; fo
findet man fle voll von Goͤttlichkeit, und mic den gläns
genden Bildern der Tugend angefüll. Wenn ich fonft
den Perikles oder einen andern großen Redner hörte, fo
tourde: ich unterhalten und ergögt, und ic) fühlte, daß
er ſchoͤn geſprochen hatte. Aber bey Feines Sterblichen
Reden habe ich das empfunden, was mich diefer durch
bloße Worte bezaubernde Satyr hat empfinden laſſen.
Sdo oft ich ihn höre, fo bin ich wie bezaubert und ans
gefeffele. Mein Herz pocht mir, wie einem begeifterten
Korybanten; meine ganze Seele wird von feinen Wor⸗
ten, wie von Schlangenbiſſen, verwundet, und iſt voll
Unwillens, daß fie noch immer fo roh und fo felavens
artig gefitnt ift. Ich weine oft Thraͤnen des Unmuths,
und ftelle mir vor, daß ein foldhes teben, als ich führe,
elend und unräßmlich ſey. Und ich bin, fegt er hinzu,
nicht ber einzige, der fo Findifch weint und fo an ſich
ſelbſt vergwenfelt, fondern viele andere thun desgleichen ).
Er iſt der einzige, vor dem Ich mich, fo unglaublich bier
ſes auch fcheinen mag, fehäme, und fürchte. Er zwingt
mich zu geflehen, daß mir noch unendlich. vieles zu einem
guten Bürger und vollendetem Manne fehle, und daß
ich mic) immer noch felbft vernachlaffige, da ich mich
fehon mit den Angelegenheicen der Achenienfer befange.
Boll Schaams und mir meiner eigenen Unwuͤrdigkeit
bewuſt, fliehe ic) vor ihm, als einem erzuͤrnten eh
N
\
ä —
®) Eben dies erzählen Plutarch I. p. 12. in Vit, Alelb,
und Cicero, 111 Tuſe. quaeſt. 33. wie es feine, noch
ans andern Scriftftellern, als-aus dem Plato. Als
tiblades fühlte bie Wirkungen der Lehren des Sokrates
fo lebhaft, baß er fagte: Die Bemuͤhungen des So⸗
Erates feyen ein Goͤtterdienſt, der zus Bildung und
Wohlfart der Jugend abziele. Plut. 1, e, u
Geſchichte ded Sokrates umd feiner Phil, 367°
leidigten Herrn, und wuͤnſche oft, daß er niche mehr
ſeyn möchte, ungeachtet mir doch auch kein größer Un⸗
giücß widerfahren koͤnnte. Dieſer meilterhaften Bes
fegreibung des Sofatifchen Vortrags, bie das Gepräge
der Wahrheit unverkennbar an fic) trägt, ſcheinen an:
dere, nicht minder richtige Schilderungen verfelben u _
widerförechen, und ſchwerlich wuͤrde jemand, det bie So⸗
kratiſche Beredſamkeit nur von der Seite kennt, von
weicher Allibiades fie beym Plato darſtellt, ihre uͤbri⸗
gen nicht weniger eigenthuͤmlichen Borgäge errachen koͤn⸗
nen. Ein Vortrag fiheint es, der fo Appige und aus⸗
geloffene Joͤnglinge, vergleichen Alfiblaves und feines
Gleichen waren, fo tief rährte, fo gewaltig erſchuͤtterte,
fo nachdruͤcklich ſtrafte, und fo mächtig beklemmte, ein
folcher Bortrag, mufte ernfihaft, und finfter”); wie bie
Demofigenifche Beredſamkeit, vielleicht gar mürrifch
und zuͤrnend, wie die des Epiktet, feyn. Bon alle die⸗
ſem aber traf man In den Neben des Sokrates niche
allein feine Spur, fonbern gerabe das Gegenthell an. - -
Denn felbft alsdann, wenn er ſtrafte und nieberfchlug,
ſchimmerte in feinen Neben eine himmliſche Milde und
Heiterkeit, welche ber Abglanz feines ſtets ruhigen zus
friedenen 8 waren *), und überdem eine unbe⸗
——— und Saßigkeit durch, bie aber nicht
bloß ergdgte und in Vergnügen auflöfte, fondern die
\
®) Die Griechen druͤcten dieſes durch das Wort Irma
aus. J
Cie. de oflie. 1. 370. De graecis autem, dülcem,
” facetum , feRiviaue fermonis, atque in omni order .
ne imulatorem, quem esgnycs graecl nominaverunt,
Soerstem accepimus, de, 37. Sit — bie ferne,
in quo Socraticl maxime excellunt, lenis minimeque
periinaꝝ: int in co lopı, Ä
‚968 . Siebentes Buch. Zweytes Capitel.
Gemuͤther durchdravg, und verwundende Stacheln dar⸗
inn zuruͤckließ ). Seine Sprache war ſich ſelbſt eben
ſo gleich, als ſein Geſicht und Charakter es waren; und
eben fie wurde auch das erſte Muſter der wahren Atık
fchen Sprache und Woylredenheit, die er auf einmal
von aller ber falfchen Schminke und unächtem Puzwerf
fäubzrte, wornit bie Sophiften fie beitrichen und ber
hängt harten”). Seine Sprache war fo einfältig und
kunſtlos, und bed gemeinen Lebens fo ähnlich, daß
- man fihon Kenner ſeyn mufte, wenn ınan fie vor-biefer
. unterfcheiden wollte, und daß Unmiffende diefe am ſchwer⸗
ſten nachzuahmende Einfalt leicht erreichen zu foͤnnen
glaubten }). Ihre größte Zierbe beftand in einer uns
verdorbenen Feaftvollen Geſundheit, in einer jungfräus
lichen Reinigkeit, und oft in einer anfcheinenten Nach⸗
fäffigeelt , die ige aber, mie einem fehönen Frau⸗nzim⸗
mer beſſer als der aufgefurhtefte Puz fland- Diefer
| | wah⸗
N
—— —⸗
e) Gerade das Gegentheil von der Beredſamkeit des De:
metrius Phalerens, wie Cicero fie ſchildert in Bruto
e, 9. Bic primus inflexit otationem, & cam mol«-
Jem teneramque reddidit, & fuavis, fieut fuit, vi«
deri malult, quam grevis; fed fuavitste ca, qua
perfunderst animos, hon qua porfringeres: & tan-
tum ut memorism coneinnitatis fuse, non, quemad-
modum de Pericle feripfit, Eupolis, cum dele@tstio-
ne aculeos etism relinqueret in animis eorum, a
| quibus effet auditus,
°.) Vid. Cie, Brut, e. 8. & oratore €, 12, Haeec tractafſo
Thrafymachum chalcedonium , primum, & Leonti-
"num ferunf Gorgiem. Theodorum inde Byrantium,
mufltasque alios, quos Aoyodandarss appellat in
Phaedro Socraten: quorum fatis arguta multe, jed
ut modo, primuimque nalcentis, minuta & ‚verlicu-
lorum fimilie depiet«,
4) Brut. 92. & Orat, 23. . nn,
Dun Ve
_ Ochbihte des ofratchind finer I. 369
Attiſchen Sprache blieben alle feine Achte Schaͤ⸗
ler, und olle.nachfolgenbe große Nebner und Schrift⸗
je treu, ‚fo ſehr fie auch durch die Berfchlebenpeit Der |
ote biefer Maͤnner vermannichfaltigt veurde ). Um -
ser den Verdienſten bes Sokrates darf man alſo auch _
dieſes nicht vergeffen, daß er die Sptache feines DBolfs
micht weniger, ols die Denkungsart beffelben, und die _
ganze Philoſophle gereinigt und gebeflert Habe. .
Die tehrart des Sokrates war. nicht: minben ber
Gegenjaz von der Methode der Sophiſten, als er von
innen in Rüdficht auf Betragen und Sprache abwich.
Sokrates lehnte nicht nur den Ehrennamen des Weiſe⸗
- ten. unter den Öriechen ab, den Apoll ſelbſt ihm zuer⸗
kannt hatte, ſondern er wollte nicht einmal. für einen
eigentlichen Jehrer gehalten feyn"*). (Ex ſey zwär, fagte
er, ſtets bereit, einem jeben auf feine Fragen zu ant⸗
worten: er cheile auch alles, was er wiffe, gerne jeinen
reunden mit, fefe mic ihnen die Werke der alten Wei⸗
FA ‚ merfe fich in, ihrer Gefellfchaffe alle Gedanken und
' Sprüche, bie ihm wahr und nuͤzlich fchienen, und prüs
| fe Diejenigen, bie er für falſch und ſchaͤdlich halte: end»
ich führe er die wißbegierigen Juͤnglinge, bie etwas zu
lernen begehrte, was er nicht miffe, zu folchen, - we
fie den gewuͤnſchten Unterricht empfangen koͤnnten; uͤhri⸗
gend ſehe er’ ſich feiner geringen Kräfte und Kenntniſſe
gu ſeht berpuft,, als daß er es auf fich nehmen folk,
andere Üenfchen gleich den Sophiſten unterrichten,
und ihnen neme und ſeltene Kenntniſſe mittheilen zu koͤn⸗
46. g2. ora. Cieds, lt BEE on
er) Plat. in Agol. Soct. p. 8. & Xunogle. Memur, I. 8.
—8
Arne Band, An
,
«
370 eExbemes Vuth· —* Eapitd. :
BEN Solrates Tepe daher Ach nicht zu ——
ten Zeiten, - an beftlänmten: Orten und für ———
Perſonen: er errichtete keinen bahrſtuhl für ih,
Beine Size fuͤr feine Zuhörer ; ſondern er wandelte por
‚sangen Tag in den Gymnafien, und an anders oͤffentſ⸗
den Drägen ver Stadt, in den Werkſtaͤrten von Känfls
fern und Handwerkern, - ja ſelbſt in den Haͤuſern vom
Buhlerinnen ‚und an len übrigen en umher, wo
hoffen Fonnte, viele Menſchen anzutreffen *°), und uns
terhielt ſich an allen Orten, zu allen Stunden dis
des, mie einem jeden, der an antebete oder Ihr aufs
ftieß, über allerien Gegenftände, meiſtentheils über fols
che, In beten Behandlung entweder er ſelbſt, vder dies
jenigen, zu weichen er ſprach, nuͤzliche ung finder
fonnten Cr phllofophirte alfo, wie Pihcardy fich aus⸗
Brüche, er möchte mit feinen Freunden fpiefen und trin⸗
fin, oder ſich mie ihnen Über ernſtiſche Materien unter⸗
teden, Im Felde ſowohl als in der Stadt, auf bffentila
chen Pläzen, wle in tiparhänfern , ſeloſt an Gefarg⸗
ae ‚ äls er ſchon gefeſſelt war, und din tbbtenden
Giftbecher in der Sand hielt 1» &r redete aie u
* | bn
23 * Fr Lð. p. 39. w. 2. ah. * Apol,
os Km t; Mein, Spet. Pi
e fine, Liben, Ay Kara * wir Eos. 1a by ia |
— op. — IX, p. 17. in.ber Abhaud⸗
ung, vb ein" Ge entlichen
ſchaͤfften abgeben Mg u u iſ *
H Tlote. "Lonearıs yir ar⸗ BosGecs —
‚ws Sgovor audıoas, Ere aieor dierenf.
"MORE TU Y his Tray Dura
vv, aa Ron BUKav OT8 TuX&is —** nun
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vor, xu BUSPRTELOHEVOS EviDIE, Kits CUvasyopss-
duv, TeXes. de zo PET P RE? 77° 2 7
Poieman aDıäor de . 9 FI
®) Pit.in Prolog pi.
»
hy .
z0. Gebentes Buch Zivepteb Cape,"
worten zu ercruͤnden Y '' Diefe Unsereebungsfunft ,
oder Diateftif, deren ſchrerſter Theil immer die Kunfd
zu fragen war, If von der eenden eingefehränften Dias
iektik der Sophiſten fo Hänzlich verſchieden, daß man!
fie als eine dem Sokrates eigenthuͤmliche Kunft anſehen
fan , die er zuerſt erfunden, und bie auch es allein in
Oriechentand mir Slaͤck und Mujen autgeuͤbt det, Se⸗
- ne Schäler bruͤckten fie vollfommen In ihren Werken aus,
aber keiner ahmte fie im wirklichen Untereichte und Im
Umgange mit feinen jüngern Freunden nad) )
—— — —
) Pint, l, e ”
en) Diefe dem Gokrates eigenthäctide Mierhee, wide:
dur; lange Reden, fendern in freundfehäffikigen Che
ſoraͤchen zu untetrichten, weranlaßte Cicers zu dem U⸗⸗
cheile, daß Sokrates zuerſt ſolche Kuͤnſte, bie durch
ein natuͤrliches Band mir einander verbunden ſeyen,
getrennt, und zuerſt Philsſophie von Werebfamfeit abe-
Zeſondert habe, de orat. U. 16. Quoxum princepe'
Soeratds fuit, is qui umnium eruditorum tefimonio,
totiusque.judicio Graeciae omni grudentia & .acumi-
oe, & venuftste, & fubtilitate, tum vero eloquene
fa, varletate, copia, qumM fe cumque ia parteın de=
Aiffet, omnium fult faciie princepe, Is iie, qui haec,
quae nos quserimus, treflärent, agersat,
cum nomine appellasentüur uno, quad omeis rerum
optimatum coguitio, atque ia ils ezereitstio philo-
- Sophia nominsretur, hoc commune somen eripult,
fapienterquw fentkendi & ornate dixendi fclentiam.;
te cohaerenten fur difputstionibus feparari, —
Hinc difeidium iſtud exficit quali liaguse atqus cor-
dis, abſurdũm fane & inufile, & reprehendenduns,
x.alji os fapero, alil diecre docerent, Mit Recht
fe man aber gegen ben Cicers eiuwenden Fbnnen,
dag die Segdiſten zuerk Veredſamkeit und ie
mic der Philsſophie Au geußen Nathhtheil det ieztern
verbunden hatten, und daß die Weltweiſen allmäk h
DE ie:
[4
Oeköichte des Sokrales und feiner‘ Phil. rs
Die Disteftil ober Unterredungskunſt 468 Sofas
| tes Hatte gleichfam zween fich gang entgegengeſezte Theile,
ober er ſelbſt Haste und behauptete-in feine: Deſoroͤchen
einen jreiefachen ungleichen Ton'*). Wenn en mit folo
chen Perfenen redete, die er zu widerlegen und zu be⸗
fireiten und deren einbilderifche Unwiſſenheit oder Unfaͤ⸗
digkeit er. fie ſelbſt und andere Fühlen machen wollte;
ſo bebiente er fich der Sirpnie , von⸗welcher ihn das ganı '
ge Alterthum den Erfinder nennt **), Diefe Sch
aiſche Ironie beſtand nicht bloß dariun, daß er: unter
den Scheine des Ernſtes, oder des tobes, oder Bey⸗
falls, Verfonen, Gegenftlände und Meynungen cadelee,
lächerlich machte, und verwarf 7), oder daß er feine eis
gene Kräfte und Kenntniſfe herabſezte, und die Gaben,
VBolwiſſenheit, und Wooden ſeiner Widerſoche er⸗
Ya 3 beb;
wieder E ·hiſten wurden, als fie die Philoſophie uud
Rhetorik mic einander wieder zu verbinden, und zu⸗
gleich vorzu:ragen anfingen, Man fehe noch das Ur
heil des Trafius, den Ticera in diefem Due reden
fe, über don Sieg, den Sokrates Kber den Gorgias
Im dem Platoniſchen Seſeraͤche gleichess Namens davon
trägt ⸗. 32.
0 Xen, 1. 14. p. 42.
©) Dies war aber nicht in dee Bedeutung wahr, als wenn .
Siemand vor. dem Sokrates ironifch gereber Hätte,
%
denn ſonſt waͤre ſelbſt der Name esgay und eemver as
"noch nicht erfunden zeweſen, ſondern nur in dem Sin⸗
me, daß kein Weltweiſer in dieſem Tone geredet -und
gelehrt, und die Ironie in einem ſolchen Iihfange ge
nommen haͤtte.
So beſchreibt fir Eicrero⸗ de OÖrst. II. 67. I. se. Tufe
qugeſt. So finder man Me in der Unterredung mit
ben Kritias und Charikles Momor. vorn. La. P 23.
nl dem Euthydemus IV. 2. u
P\
374 Giebentes Buch. Zweytes Eapitel: ”
hob )3 oben daß er die leztern für feine Meifter, und
für Weliſe, und fich für einen lernbegierigen noch unwiſ⸗
ſenden und fchroachen Schäfer ausgab, mit welchem fie
mehr Machficht und Mitleid Haben, als fie über’ ihn zuͤr⸗
nen müßten *”); ſondern vorzüglich darinn T), daß er
unter dem Vorwande ber Unmiffenheit. niemals etwas
«auf eine entfcheivende Art behauptete,. über Feine Mey⸗
nung fich beſtimmt herausließ, daß er allen Bemuͤhun⸗
‚gen, ihn zu ſixiren, geſchickt aunszumweichen und feine
"Gegner durch feine Wendungen bahin zu bringen fischte,
ihre Meynungen frey herauszuſagen 77)3 baß er albbann
mit der unfchufdigen Miene eines Mannes, ber fich bloß
ju unterrichten, unb nähere Beflimmungen auszubitten
fuchte, und ofne füch durch Grobheiten ideen dder aus
Ber Faſſung bringen zu faffen, feine Gegner durch eine
Menge von Fragen, von denen eine jede leicht zu beant«
worten, ober wenigftens gar nicht werfänglich fchien ,
wie durch eben fo viele unfichtbare Stricke fo band, daß
fie ſich nicht mehr bewegen Founten, ober auch fo 7
EEE ERSTE GER An GERZEEEEEIETER
0) So beſchrelbt le Cieero In Rruto e. 85. So Andet men
fie im Protagoras des Plato p. 293. 94, is Hippia
minore p, 357. 358. .4e republ, I, 93, 34, &
Ed, —8 3 a |
2*5) Lp. 30 de Rep. Plt „. on
P- Und diefer Theil der Ironie war dem Goltates ganz eis
genthuͤmlich. . |
IH Dan fehe Plat. de Rep. I. 30 p. bef. aber Xen. Mom,
Soer. IV. 4. p. 236, 37. Du ſollſt, ſagt Gipplas an
der festen Stelle, nicht eher meine Meinung hören,
als bis du gefagt haft, was du bir unter dem, was |
Recht ſey, denkt, Denn es iſt niche genug, daß du |
beftändig frägft und widerlegſt, ohne felbft deine Mey⸗
nung fagen zu wollen. — nd etwas weiters — Eu
iſt offenbar, Sokrates, daß du es ſchon wieder’ zu ver⸗
meiben ſuchſt, deine eigenen Gedauken varzubrim
Seſthichtedes Sokratesund ſeiner Phu. 75
Ion ua verrölig machte, daß fie. mie vom. einem
mächtigen. Beaſchwoͤrer d fanden ,. ohne ein
Wort wereeen su Sönnen * =
Aa Ye 000.8
ö— — ———
So ſagt Denon p. 337. in Men, Plet. Keoæs doneg
Kai —2R e des Targy. ——* —XR— —
TOS EHKTA.TE OK Ko TA AR, Taury 74
Maærog verpny. Try SRÄRTEHR . Ku yug aury
rVor sep6. mANTIR OUT. Mph, DRZKTOMEVON Vougicon \
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TEOMHEVAL VERS. —RXE væg uye no Tnw
Yuxay na. To Gmum Yan, x &% exo, ars
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VHS. BAUTAMBS \oyäg. SICH, Snkeates will
Niefes Gleichniß nicht gelten fafen. 4 yacı fagt es,
Anmoocer AUTOS, TES wars? ‚mem DOCE,
"MOYTOS MORON, — oͤro To TES Mασ
oo eroges, Dies. Dur unterdeſſen Sokrates im
Gorgias des Plate, un dallen? — Geſpraͤchen, in denen
er ſich mit den Sophiſten unterhält. Man leſe kefanderg,
, wie fon nft Sokrates vi rohen Kadikfeg antwortet, aber
nel) er ihn durch die —3 beſchaͤmt, ven wel.
ver zeigt, daß fie in feinen. Behauptungen verborgen
er 318. Selhſt feine —5— von Unwiſſen⸗
* und jwar Ip Dingen, die alſe Menſchen wiſſen ſoliten,
aym Veyſpiel Ring wicht weifff, toag Tugend. fep,
und X noch niemanden gefunden, det eg gewußt
er, in Meopng Elat. B; 234. Selhſt dieſe Sefläud-
machten einen Theil feiner Ironie aus, wie Varro
Kr bemerkte. (As. quasi, Gicer. I. 4,), uud es war
3 cherlich, wenn die neuern A —*&8 den En
Krateg In ihre Parthey zu ziehen, und zum Vertheidi⸗
ger. der Unbegreiflichkett aller Dinge zu, maden füchten,
_W.a3. ib, ch Sertug the des Gokrates Linrerhr,
wenn, er n fAbt, dah er'miche einmal wife,
eb er ein a oder ein noch rͤchtithaſteres une“
\
’
-
ESo beſcheiden und oft demüthig Gokrares in An⸗
fange der Unterredungen mit ſolchen Menſchen war, Die
er züchtigen wollte, ſo zuwerſechtlich und unbarmherzig
wurde er meiſtens gegen das Ende derſelben, wenn er
fi) feines Sieges einmal verſichert hatte. Alsdann ließ
er nicht eher von feinen, Gegnern ab, als bis er fie gaͤnz⸗
lich gebemüchiget und zum bffentlichen Widerruf und
zum Geftändniß ihrer Jerthoͤmer oder ihrer Unwiſſen⸗
heit und Unwuͤrdigkeit gezwungen harte *).
‚Anlage feines Geiſtes, fondern das Werk freger Wahl
» “
Wenn die Ironie bes Sokrates nicht bloß eine
Babe der Natur und eine Folge der .eigentünslichen
and
|.
fotſchlicheres Geſchoͤnf, als Typhon, ſey. VII. ade,
Maihem. S. a64. Sokrates fagt im Phaͤdrus meiter
nichts p. 196. Plat.. als daß er alle Lnterfüchungen,
die ſich nicht auf ihn und feine Natur bezoͤgen, aufge
geben Babe, daß er fi ſelbſt noch nicht ganz Fenne,
wie der Apolf zu Delphi einem jeden Menſchen anta>
the, und daß er fi affo ganz allein damit befchäfftige,
ich ſelbſt zu erforſchen, und zu entbeden, ob er ein
dem Typhon ähnliches unerkfärliheg, oder vielmehr
ein fanfteres zahmeres Gefchöpf fep, das einen Funken
der Gottheit in feiner Bruſt trage, und ein Theilneh⸗
mer eıner reinen göttlichen Natur fey,
So gab Thrafpmanhus das Gegentheil von allen, war
“ er vorher ſo dreift behaupter harte, nur gezwungen, und
mit Vergießung von vielem Scheiße u, und man
ſah ihn jego zum erftenmale erroͤrhen. de Rep. 1. p,
68.69. Auch Kallikles wollte gerne das mie
dem Solkra:es abbrechen, als er merkte, es «ine
ihm nachtheilige Wendung nahm (p. 325 in Gorgie);
allein Sofrares drang immer heftiger in ihn, fo daß ex
Ye über Gewalt beſchwerte, melde Sokratet ihm
anthue. Qs Bicio. es o Coxexres. Ey de 73 77
werdn, Euaas Yarıgem Tov Aoyoy TUT, U K064
erw Ti wien. .
4dı
Dennoch für ‚ben Weiſeſten der Griechen habe erklaͤrt
Geſthabee de⸗ Sokrates und feiner Ye
und einer. befländigen Uebung war; fo verdiente Ger
fkrates, ihr Erfinder, um deſto mehr Bewunderung,
ba die Pfeile der. Ironie, wie audy bey Erfolg *
| - die angenteflenften Waſſen waren, womit er
de Männer, als bie Sophiſten waren, le N
pfen konnte. Ben alten den großen Wirkungen aber ,
weiche die Sokratiſche Ironie hervorbrachte, war fie
doch nur in einer Demofsatifchen Verfaſſung, in weis
eher faft unbegraͤnzte Freyheit, eine eben fo große
muͤthigkeit im Neden gerade.gegen bie angefehenften
ner nad fich .gog, und auch nur in folchen Zeiten, *
weichen Sokrates lebte, brauchbar und heilſam. In
andern Staaten, und Zeiten, und gegen anbere
ſchen wuͤrde fe unanwendbar und vielleicht. ſchaͤblich, wo
nigſteris demjenigen, der fich ihrer wie Sokrates bedient
ärte, noch ſchneller, als Ihrem Urheber toᷣdtlich gewer .
en ſeyn. Sokrates wagte ſich mic feiner Seelen durch⸗
dringenden und entkleidenden Jronie nicht bloß an vie
Sophiſten, ſondern auch an alle diejenigen, wie fich
weiſe duͤnkten, ohne es zu ſeyn, oder die den beſſern
Theil ihrer ſelbſt um vergaͤnglicher Kleinigkeiten willen
vernachlaͤſſigten. Als Chaͤtephon, ein warmer Jugend⸗
freund des Sokrates, auf ſeine Anfrage vom Apoll zu
Delphi die Antwort erhalten hatte, daß es keinen wei⸗
fern Mann in Griechenland gebe, als Sokrates ſey,
konnte dieſer nicht begreifen, wie er, der ſich ſeiner ei⸗
genen Schwäche und Unwiſſenheit bewuſt zu feat glaubte,
wur
ven fonnen. Er fingalfean, In ber Abſicht, Pe
Sim des Gotterſpruchs zu erfahren, Dichter,
und Redner zu unterfuchen. Er fand ab
durchgehende, daß dieſe Männer nur weiſe fehlenen,
ohtie es wirklich zu ſeyn ) — überzeugte er
——
⸗
re Sieies Bu gwehted Capiiet
| daß Weitheit nur allein ber Sottheit jufonmme, nabtaf
Apoll ih wahrſcheiniich deßwegen fuͤr weiſer, old andere
eriaunt Babe, wweil er es wiſſe, role wenig en. dieſen Ma⸗
men verdiene.
Sokrates war aber nicht bloß den Tho⸗
vom eine Geißel, ſondern auch den Traͤgen ein Sporen,
und den Kranken ein heilſamer, aber meiſtens beſchwerll⸗
aber Unit. Er verglich das Achenienſiſche Volk mie
großen und eblen, aber durch. feine Größe ſelbſa
äfflichen und ſchwerfaͤlligen Dferbe, das erwede
| * muͤſſe *), oder mit einem Kranken, ben durch
\
I
bdoͤrdliche Schmeichler, wie durch Beſchwoͤrer in einen
gefährlichen Schlummer eingewiegt worden, und nicht
«ber geheilt werben koͤnne, ala bis ex feine Krankheit zus
. fühlen anfange "*), Gr erllärte, baß er, fo latige er
Sebe, nicht unterlaflen wolle, gleich einem zutgeßnnten
KBater ober Bruder, feine fchlummernden Michärger gu
ernmuntern und ihre Wunden aufzureißen, damlt fe von
>. Grund sus geheilt werben kaͤnnten }). Er wolle, ſagte
“ eett)% wie er bisher. gerhan habe, aͤllen Menschen ohne
Unterſchied, Bürgern und Fremden, Jungen und Alten
zurufen, daß ſie weder für ihre feiben, noch für ihre Güter,
voch fuͤr irgend etwas anders fo fehr, als für bie Ausbilrung
ihrer Seelen forgen follten, inbem man nicht busch Schäge
Tugend, fondera durch Tugend Schäge, und olle andern
ſowoht Häuslichen.als Öffentlichen. Guͤter erwerbe. Wenn
er folche antraff, die diefes ‚nicht baten, ſo fragte er fie, _
| ob fie, bie fie ürger einer Stadt wären, welche wegen
ihrer Weishele und Macht fo beruͤhmt fey, ob fie ſich
aiche fhämten, nad Ehre unb. — un Meich
— ui
⁊
da⸗el.p.i⸗
4) in Gen. gar P
re Plat.ꝑ. 12. in apol
Geſchichte des Sokrates und inet WEIL." App
mern mit einer fo heftigen Begkerde zu ſtreben, vnd bins
gegen. Weisheit und Tugend fo ſehr zu vernachloͤſſ igen.
Sagte alsdann jemand, Daß er ſich auch un bie leztern
Vater bemuͤhe, fo.ließ er ſich nicht gleich befelebigen,
_fenbern er präfte ihn ſcharf, und wenn er das Gegen
shell des abgelegten Bekenutniſſes fand, fo mochte ee
. im deßwegen fregmüchige Vorwuͤrfe *), Lem: felchez
Warnungen und Prüfungen willen verfünbigten ed. meh⸗
were dem Sokrates, und Sokrates ſelbſt fah ed vorher,
daß er vielleicht dereinſt von ſchlechten Menſchen werke
vors Gericht geſchleppt, und wie ein Arzt, var einen
- Koch zum Antläger babe, von einem Gerichtshoſe von
Kindern werde verurtheilt werden ). So wis ein ſol⸗
chger Anklaͤger ſolche Vichter leicht aͤberreden wuͤrde, daß
der Arzt ein Verderber ber Kinder ſey, indem er ihnen
wicht nur alte Annehmlichkeiten verſage, ſondern auch
die bitterſten Troͤnke reiche, fie gun Hungern und Dus⸗
flen zwingo, und ihnen wohl. gar ſchmerzhafte Hunden
benbeinge; fo werde auch er waheſcheinlich won füßen
Scchmeichlern angeflagt , und - von Kranken, die ihre
Krankheiten mehr als bittere Huͤlfomittel liebten, als ein
Verfuͤhrer ber Jugend und ein Feind det ganmzen Wolfg
Yerbammt werden T).. - . — u '
Von ber Ironie bed Sakrates war feine zwente
Methode, vie geiftige Hebammenkunft, meht in Anſe⸗
Hung des Iwecks, den er zu erreichen fuchte, als in An⸗/
feßung des Ganges feines Geiſtes, und der Manier,
. auch ſelbſt des Tons, in dem en redete, verfi |
Anſtatt nämlich, daß es durch die erſtere Maͤnner, un
| | | ei
u u ’b, p. * & inpr. in Lechete 2.255, ...
. 0) Man febe Plate ia Gerga ©, 835. % ia Menane
p u 243.
se‘ Siebenies Buch: Iweytes Capiidl.
deren Beſſerung er ver weyfelte, laͤcherlich und veroͤchs⸗
Uch mathte, demuͤthigte und m ug, ſuchte er
durch dieſe Juͤnglinge und Maͤnner, Denen er. noch trüge
lich zu werben hoffte, zu belehren und zu beſſern. Diefe
poente Mechode beftand: hauptfächtich berian, -doß er
Diejenigen, auf welche er. Abfichten hatte, durch feine.
Schweicheleyen an fich zu ziehen, und ihre Aufmerkſam⸗
keit und Zutrauen zu gewinnen ſich bemäßte*), une
daß ee alsdann durch eine Menge von Beyſplelen, wo⸗
von die · erſten oft gar feine, bie folgenden aber unmen
mebe und mehr "Beziehung auf bie ke gesenmeärtige Perſon
hatten, darthat, daß eben ſie, bie fie jego etwas chum,
oder unterlaſſen wollten , etwas billigten oder tadelten,
etwas annaͤhmen oder verwuͤrfen, gerade daſſelblge Im
maͤhligen oder allen andern Faͤlen nicht würden getham
oder unterlaffen, nicht wuͤrden gebilligt oder getabelt, aus
ober vermorfen haben **). Oft aber lockt⸗
ZZ aub anern erooe, ab nächte fir dann dur bftän
dige Binwärfe, ſich ſeibſt fo lange zu wiberrufen und im⸗
mer naͤher zu beſtimmen, bis fie endlich, durch fine
Sölfe , zu vollſtaͤndigen und richtigen Begriffen und Eps
Flärungen gelangten, Das erſte Verfahren hatten E27"
nophon, Arſſtoteles und Eicern im Ginme,:: wenn fie
rm. daß Sokrates die Juductlon oder die Kunß *
— —
— — —
-Mersex.. Soon; IL. 8, 4. 14. wie fanfe 0
. —* ſtreichelte, um ihn zur *
| * feinem Bruder zu bewegen: wie meiſterhaft er dem
Alaut⸗ m ihn von einer Thorheit
zubringen, wovon ihn alle feine Freunde und Ver⸗
wandte nicht Heilen ea SL"6: $.'8. endlich wie er
don Gnrhykrurue, der ihu zu: verachten affeczigte, ghich
fam rolber. feinen Willen fe le IV, 2.5.9.
Man fehe die angeführten Stellen des Renephun.
O ⸗colatꝛ des Setxates iud feiner Mi. zur
AQulichen Jill zu fhlleßen erfunden, oder doch häufl
gebraucht, daß er- nie eine. ——— geradezu angenom⸗
en undb:buwiefen, ſondern immer aus den, was am
- Dereigun zugegeben, ecwas geſchloſſen habe, wad dieſe nicht
AAngnen konnten, und daß er fie endlich —— Bil
Die ſie zugegeben, zu ſolchen hingefuͤhrt Gabe, die fie ſonſt
u Fer „auf das aweyte Berfaße
); wenn er den Sofrar
28*8 5 der Kunſt zu erklaͤren ausgab, und
Sorrates f daß
Blansen yaben, en je 37
\
— —
4) Kasop, w. e. 6. p. a37 dnere de wure ni
su Ayo dieke, da Dar un duaroys
VO BOREUETO, Vosskom TauTne Tip
—X Avy8. rouę xv 77,79 — v vö
cudes;, ν Aryos,.'Tus NBOVTeS , duoAeyartue-
wage. Man fche auch Arifiotel, Metaph, m. di
p. 217; Cicer. Top. t. 20. & de invent. 1. 31. hp em
f Der lejten Stelle eine wahre oder
per Aspafa mit dem XÆenophon.
| ©
A Arsiss; Differt. II e—
rer He „gie
t
er Buch goge Cariu.
* bit mie davon gehhet, mein tieber , —* Grant ,
nd. Sgaäter *), da ich der Sohn eines gefchichtun
—— bin, und daß ich die Kunst meiner Mutter
treibed ar Biele. die dieſes nicht wiſſen, ſagen mir ohne
rind wach, baß ich ein. uugerehmter Mann ſey, Dem
Fin Vergnuͤgen darinn-fuche, andere verwirtt ** han
hen, == ;ÜBenn du dir aber die Mühe geben.
Matur der. Hebammenkunſt genauer zu unterſuchen;
wirst au; bald finden, daß- ich mich mit Recht für 3
| Erfährner in tiefer Kunſt autgebe. Du weißt erſtlich n
daß niemals Jrauen, ‚bie ſelbſt —— nee
Keingen,. ‚fonbern wur ſalche, die Alters wegen weber
— — och srbäßren. € —* die Hebammrenkunſt
vuüben-pflegen. . Es if dir ferner nicht unbekannc,
daß Die, Eebamipen Argnepmmittel unb Beſchwoͤrumgen ans
werben, um die Geburtöfchmergen und Wehen entwe⸗
des zu Ändern ober zu erroedfen, um ſchwer geöhtenten .
Die Seburt der Kinder zu erleichtern, oder ſolchen, bie
aicht gebäßren wollen, die Frucht abzutreiben, - Auch
muft du gehöre haben, daß Die Hebammen bie fhlauften
Freywerberinnen und Eheſtifterinnen find , inbem fie &
am beften verftehen,, welcher Diann oder Jüngline zu
‚ "welcher Frau oder Jungfrau paffen, und in welchen Bos
-
Ben man diefen ober jenen Saamen werfen muͤſſe. End»
machen Hebammen Anſpruch auf Die Gabe unter⸗
Förde zu Den ka tionen 06 eine Frau gebähren wolle ober
it: wahrhaftig eine herrl vn Bee arm fie suenn fie
—* wirklich beſaͤßen? — Meine K
der Wehemuͤtter in allen Stuͤcken ähnlich: und —*
mur. datinn von der leztern ab, daß ich nicht Weiber,
fondern Männer, und nicht Görper, fondern Seelen
Äne, und daß ich in allen Fällen zuveriäff ig ohgrben
a,
— nn
Dun fin Blit. Thenet u | J
I u. , 6
⸗
a eg —
x
chohe, um meinen Umgang bemerken, for erlgme wi
mm 77m
nee Sicentes Buah, Buepted. Cal,
mein Bdenburs, nur einige noieder annehmen, umb anderr
hingegen abzuweiſen, von welchen jen⸗ alodann eben fa
gut, ald.biejenigen, die mir nie untren geworben. find,
im Butey uud on Weitheit zunehmen. : Wie meine
Sreunde aber erfahren ehen · das, was die Bebährenden
feiden, Gie fallen. in Geburtsſchwerzen, und werden
Kay und Macht durch. Zweyfel und Lngergiieiten..uech
mehr/ alo dieſe genartert 3 und dieſe Geburts ſchmerzen,
wein Freund, kann ich Durch) meine Kunft ſowohl beſaͤnß
* ald erregen und verftäcfen. Wenn ic) aber folche
Perfonen antrefle,. die mir wicht ſchwanger zu ſeyn ſchei⸗
wens ſo ſuche id) Ihnen alsdenn einen Garten. --
Weide gleichfam ihr Freywerber, und errathe audı meir
„Wens mic Gottes Huͤlfe ganz gluͤcklich, weſſen Merbins
bung Ihnen. zucräglich ſeyn kann. Auf diefe Aet habe ich
Diele mit · dem Prodifus ober mic andern weifen und gott⸗
. fichen. Mönnern vermaͤhlt. Dies alles habe ich die,
mein licher. Theaͤtet, bewegen recht ausführlich ersäßkt,
weil ich ,. wie du, vermuthe, daß beine Seele: ſchwanger
8 Gehe daher mit mie‘, wie mit dem Sohne einer
‚ uud als einem Exfahenen in der Hebam⸗
| 42 — um. Antworte, fo zut du kannſt, auf bie
Magen, Die ich bir vorige, und wenn ic) denn, ben
genauerer Unterſuchung, beine —* als Mißge⸗
burcen wegwerfe: fo werde nicht boͤſe, wie bie jungen
Bram, bi die zum erfienmale niederkommen. Schon
umtben daruͤber, daß. ich irgend eine iheer Unge⸗
| ———
für wich hatten beißen moͤgen, ohne daran zu denken,
. We ich thuen gu ihrer eigenen Wohlfart Schmerzen
vnaäu) Ich werde dich fo lange befanden,
2 A— eren verurſachte Oektates dem Lu⸗
un. in Lacher Pi I €58: Hab dem. —
Geſchlchte des Sokrates und feiner Vhil. 83
amd bich fo viele Geelenarzneyen koſten laſſen „bis ich
deine Gedanken gluͤcklich an's Tages licht werde 4
aben. — Aus dieſem Chemälde, zu welchem man feinen
g welter hinzufuͤgen kann, erhellt, was ich vorhin °
bemerkte, daß bie geiſtige Hebammenkunſt bes Eckra
tes ſich feiner Ironie oft ſehr nägerre, und ihhr ſowohl
in Anſehung des Tons, in welcher er kedete, als In Ane
fehung ber Wirfungen, nur niche in Anfehung bee Ab⸗
Fichten ähnlich war *). Zu
Don Feiner andern Seite unterfchieb ſich Sokrates
metht von allen denen, bie vor ihm Weisheit gelehrt hats
ten, als in Anfehung der Saͤze, die er als Wahrhel⸗
tem vortrug, und nach benen er in feinem ganzen feben
handelte, und fo viel er Fonnte, auch andere handeln
machte. (Ex reinigte bie Weltweisheit nicht nur von
bem tödtenden Gifte, mwornit:fie von den Sophiſten ans
geſteckt, fonbern auch von ben abentheuerlichen Orien
und Träumen, womit fie von den ältern Phyſikern ans
gefälle worden war", Er rief fie aus ben dr
| ofen
Memor, Xen. IV, 2,5. 19 & gö., unter welchen der
leztere Dutch die vielen unrichtigen Antworten, ‚die ep
——
u geben . '
—* 5 dem Soekrates In der Folge reuig
an n ib.
2) ee Aleib, pr, Plat. und einen Charmides,
Syn Iegteen * * Besen —— Erklaͤrun⸗
gen, weiche Charmides und Kritias von} Tr.
geben; micht, in der Abſicht fie zu be » der
verwirren, fonbern um den jungen mibes zu nos
ginn: ſich über diefen wichtigen Gegenſtand in der
olge Erläuterungen auczubitten.
er) Pfeudo-Xenoph, Epin. ı, und t, une der re⸗
denden Perfönen in Plutarche Abhandlung vom Ge
hins bes Sokratet ©, 292, oper, T. VIIL, |
Zweyter Band. De
386: Siebentes Buch. Zweytes Capitel.
loſen Räumen ber Erdichtung, in welchen fie bisher
- herum geſchwelft oder gewohnt hatte, auf bie Erde
Berab, und führte diefe bisher unerfannte ober gemiß⸗
handeice Tochter des Himmels m die Städte und Behau⸗
fingen bes Menfchenein”). Er zog fie von den umuͤ⸗
zen und unergraͤndlichen Grübeleyen, worinn fie bis auf
feine Zeit gänzlich verfunfen war., ober von Gegenftäns
Den, welche dis Natur zu ſehr -üer den Menfchen erho⸗
ben, oder zu fehr vor ihm verſteckt hat, weg, und
gandte fie auf. den Menſchen Hin, den er ihr gleichfam
‚als ie Eigenthum und als ihren einzigen Vorwurf ans
wies *). Er machte e6 zu feinem und aller- ächten
Weltweiſen Hauptgeſchaͤfft, ihre eigene Natur zu erfor
ſchen und zu vervollkommnen }), und die TBelrweiöhelt
Jeibſt zu einer: Wiffenfchaffe des Menfchen, ven fie befe
feen und ſich ſelbſt Kennen lehren folle 77). Alles, 3*
"®) Cicer. Tuſenl. quaeſt. V. 4. Soerates autem pri.
: mus philofophiam, devocavit e eoelo, & in urbibus
collosayit,.& in domof etiem introduxit, & coegit
da vita, & moribus, rebusque bonis, & malis quao-
2 BEER, or
» ©®) Cicer. Acad, quseft. I, 4. Soerates mihl viderur id
quod qouſtat ihter omines, primus a rebus. occultie,
&ab-ipfa ‚natura. involuris, in quibus omnes ante
eum pbilofophi occupati fuerunt, avocaviffe philo-
fophiam, & ad. vitam cammunem adduzxiffe: ut de
virtiatibus & vitiie, omninnque de bonie rebus &
malis quaererat: coeleflia autem ve) prorul a nofira
cognitinne efle cenferet, vel fi maxime cognita eſſent,
nihil tamen ad bone vivendum,
) in Phaedr. p. 296. in Gorg. p. 331.
) Xenopb. I. ı. p, 7. Memor. Soer. : Auros de ze01
Toy avYgoizıyay does ÖieAryero, Gnomay Fı svoe-
"Bis, 7 aaehas Tınadoy, Tı uoxger. Fi di-
a. Kosov,
9 s
-
Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 387
nicht den einen: ober andern dieſer großen Iwecke befoͤr⸗
derte, warf er aus dem Gebiete der Philoſophie heraus,
und er. verhehlte es gar nicht, daß er den Unterſuchun⸗
gen ber Phyſiker und Sopbiften über bie Entflehung und
ven Untergang aller Dinge, über den Urſtoff und bie
Beſtandtheile der Subſtanzen, über die Natur des
Raums und der Bewegung, über die Sroͤße, Bewe⸗
gungen und Abftände der himmliſchen Edrper, über
die Geheimniffe der Zahlen und anderer Oroͤßen ald uni⸗
nuͤzen Tand verachte, oder als fchädliche Irtthuͤmer vers
abicheue”). Er fragte die Liebhaber folcher Unterfuchuns
gen, ob fe denn ſchon fich und den Dienfchen genug ers
forfcht Hätten, daß fie fi an Dinge wagten, die auf
den Menfchen gar feine Beziehung hätten? Und wenn
fie diefes nicht gethan, warum fie denn das; was ihnen
näher und unentbebrlicher ſey, dem entferntern und
gänzlich unbrauchbaren vorzögen? Er wunderte fich,
wie ed noch Niemand bemerkt habe, baß der Menſch
nicht Im Stande fey, folhe Dinge, denen man bi6 da»
bin allein nachgeforfcht Hatte, zu ergründen, und daß
die Gottheit eben dieſe Dinge mic Fleiß vor dem Men⸗
fchen verborgen habe. - Wenn diefe Forfehungen nicht.
die Kräfte des Menfchen überfliegen, woher es dann
komme, baß diejenigen, die am längften und tiefften
Bu Ba nach⸗
meuev, TI MdıRov; = nu rel Toy Ay, Ci
rus ev Mboras MyErTonÄus na Myadus even,
Tas de ayvoßvras, cevdanszoöaddess ouy Oboe
xerAno9as. & Plat. in Apol, Soer. — die Bodıay
rα, TETO TO.0vOL ERXHN. O0 Om @odcay
raurm; NEO 850 1005, a Igarımn CoDic. rw
OyTı YOE RIVÖLMEUW. TOSUTaV, cavaı 00Dos.
®) Xen, 1,0. 1.0. 6, & IV. 7, Memor, Boen,.g 260.
—
3388 Siebentes Vuch. Zweytes Eapitel,
nachgeſucht haͤtten, ſich wie Wahnſinnige widerſpraͤchen,
“amd mie einander ſtrictken. So wie Verruͤckte ſich bald
vor ſolchen Dingen nicht fuͤrchteten, die fie fürchten
follten, und bald wieber Dinge fürchteten, vor denen
fie fich gar nicht zu fürchten brauchten, ober wie fie bald
glaubten, daß man oͤffentlich alles thun und fagen koͤnne,
was man wolle, bald, daß man gat nicht unter Men⸗
(er gehen möfk: oder wie fie endlich bald weber vor
mpel, nöd) Alcären oder andeen heiligen Dingen Ehr⸗
furcht hätten, bald aber die verworfenften Thiere, oder
gar Hölzer und Steine anbeteten; eben ſo behaupteten
einige acurforfchtr, daß alle Dinge nur einige einzige
Eubftan; ausmächten; andere, daß es unzählige Grunde
chrper gebe: einige tolederum, daß gar feine Bewegung
in der Welt ſey; andere hingegen, daß alles In unaufs
hoͤrlichen Bewegungen und Berwandlungen ſey. Zulezt
erkundigte er ſich, ob dann die Forſcher himmliſcher
Dinge gleich denen, die fich gertreine menfchliche Kennt
niſſe In der Abſicht erwürden, um fie zu ihröm und ih⸗
rer Freunde Nuzen anzuwenden, v5 fie auch gleich Dies
fen den Vorſaz Härten, Winde oder Waſſer oder Witten
zung hetvorzubringen, wenn fie die Urſachen entdeckt
‚ Hätten, wodurch die Natur fie zu erzeugen pflege? Und
wenn fie dergleichen nicht hoffen, vb es niche vineriey
ſey, mit Würfeln oder mic unbrauchbaren Kenntniffen
"zu fpielen *)? Wenn Sokrates auch nach den Erfah⸗
‚ zungen über die Müzlichkeit von Kenntniffen, die wir Bas
ben, die Weltweisheit ſowohl als andere Wiſſenſchafften
au fehe zufammenzog, fo hatte er doch immer darinn
» , Becht, dag er den Werth von Wiſſenſchafften ganz allein
| | nach
XXLILLXR
#) Xenoph. I. e. & 1. e. 2. p. 34. & fogte mat von de⸗
nen allein, die etwas nuͤzliches verrichteten, daß fie ars
beiteten. un |
— —
Gefchichte des Sokrates und feiner Phil. ‚389
wach ihrer größern oder Fleinern Nuͤzlichkeit beſiimmte,
und daß alle diejenigen Theile der Weltwelsgelt und an⸗
derer Wiffenfchafften,, die er verwarf, und vom denen
er. abriech, damals wirflich unbrauchbar, und dee Auf⸗
tunei eines vernünftigen Mannes unwürdig wa⸗
gen ) ’ |
Sokrates war aber weit davon entferne, alle übrige
Kuͤnſte, Wiffenfchafften und Berkhäfftigungen neben bee
Kunſt zu leben, bie er Iehete, zu verachten, oder Davon
abzurathen, sole einige feiner Nachfolger thaten. Er
hielt vielmehe einen jeden, der eine mäzliche Kunſt ober
Handthierung treibe, er mochte Arzt, oder Staasemann,
over Sandmann feyn, für einen guten und gottgefälligene
Mann, wenn er mit allem Fleiße das chue, was feines
Amts, feines Standes und feines Berufs fen; und nur
diejenigen erklaͤrte or fuͤr unnuͤze und den Goͤttern ver⸗
haßte Menſchen, die entweder etwas Boͤſes oder auch
nichts Müzliches thaͤten **), — Noch weniger kann man
den Sokrates beſchuldigen, daß er die Philoſophie, ſo
wie ſie zu ſeiner Zeit war, verſtuͤmmelt und auf bloße
Sittenlehre zuruͤckgebracht habe 7). Denn indem er die
Philoſophie aus einer angeblichen Wiſſenſchafft natuͤrli⸗
eher. oder himmliſcher Dinge in eine Lehre des Menſchen
Bb3 .- ums
6) Xen. IV. 7. Sokrates vieth, fich nicht weiter auf Geo⸗
metrie und Afttenemie zu legen, als im ſo ferne die ei
ne im gemeinen Leben zur richtigen Abtheitung und
Ausmeflung von Feldern, und die andere zur, richtigen
Beobachtung der Tags⸗ und Jahrszeiten uud zur Schi
fart noͤthig ſey. Zenophon ſeit hinzu, daß Sokratee
in allen deu Bädern, von denen er andere abgehat⸗
sen habe, nicht unerfahren geweſen fen. ib.
©°) HI. 9. Memor. Soer. p. 177.
$) Ser, VIL adv_ Math, S.,
| U 2
390 Siebentes Buch. Zweytes Capitel.
umſchuff, trennte er: von Ihr freylich eine Menge von
fautenden oder unnüzen Theilen; aber er bereicherte fe
Dagegen auch mit einer viel größern Anzahl erhabner
Wahrheiten, bie entweder feiner vor ihm gelehrt, oder
wenigſtens feiner auf. eine ſolche Art zur Beſſerung feis
ner felbft und feiner Nebenmenfchen angewandt harte.
Diefer. Bater der Menſchenbeſſernden Philoſophle unter
den Griechen rebete, wie die Folge zeigen wird, über alle
wichtige Gegenftände, ‚welche die fpätern Griechifchen
Weltweiſen ſowohl, als die der neuern Zeiten in allen
Teilen ihrer Wiſſenſchafft umterfücht haben. 1.
Schon vor dem Sofrates hatte Anaxagoras es ers
kannt und gelehrt, daß eim Über alle Gedanken erhabe⸗
nes weifes und mächtiges Weſen die ganze Welt erichafs
fen habe, und noch immer regiere *). Allein Anaragos
ras hatte feines verftändigen Weltordnenden umd erhal
tenden Weſens zu ſelten erwähnt, hatte zu wenig ans
defien Wirfungen, und zu viel hingegen aus den unzer⸗
fiörbaren Kräften ewiger Elemente erflärt, die den meis
ſten erdichtet fcheinen muften, hatte felten oder niemals
auf die Spuren der Sortheit in der Natur hingewiefen,
oder die weiſen Ginrichtungen der Dinge aus einander
geſezt, und hatte endlich ſich durch Die Abläugmung der
Goͤttlichkeit der Geſtirne zu fehr verbächtig und verhaßt
gemacht, als daß feine fehre von der Sorcheic fid) allge |
mein
nen
) Aus ber Art, wie Plato 12 39, in Phaed, das Urtheil
des Sokrates über das Buch des Anaragoras, und |
über die Lehre diefes Weltweiſen von einem verfländigen |
Urheber der Welt erzähle, muß man fchließen, daß
Sokrates den wahren Gott fhon lange in feinen Wer⸗
fen eutdeckt Hatte, ehe ihm die Gedanken des Klazome⸗
nifgen Welfer zu Ohren und fein Buch zu Geſichte
kam.
Goeſchichte bed Sotrated and keiner Phil. 59
men. ‚hätte verbreiten. und ‚gute Fruͤchte haͤtte bringen
können). ‚Seine Lehre wurde daher, wie faft alle jeine
übrigen Entbecfungen, von denen wenigen; denen fie
Hefannt war, als ein Geheimniß bewahrt und anver⸗
traut, und Sokrates war es, der fie nicht nur allge -
mein verbreitete ‚. fondern auch) fruchtbar. für Die Herzen
der Menſchen madıre. Er war auch der erſte, der die
Gotthelt ſowohl in fich ſelbſt als in allen Theilen der
ihn umgebenden Natur auffurhte. und. andere finden ließ,
und der.alfo feine Freunde auf dem leichteſten und ſicher⸗
fien Wege zur Gotcheit hinfuͤhrte, auf welchem man, zu
ihr gelangen Fan, | Ä ne
Ohne zu forfchen oder fich darum zu befümmern, .
ob die Welt aus einem gleichartigen, und aus welchen?
Grundſtoff, oder ob ſie aus mehrern oder gar unendlich
‚vielen Gattungen ewiger Grundeorper hervorgebracht
worben, fragte er die Zweifler oder: bie fäugner des Das
ſeyns göttlicher Naturen, ob diejenigen mehr Bewun⸗
berung verdienten, bie unbewegliche ſeelenloſe Bilder
ausarbeiteten, ober diejenigen, welche thätige und hier
feelce Weſen erzeugten ? ob es ihnen möglid) fen, Werke,
in denen fie unläugbare Spuren von Ablichten und nüge- .
lichen Beſtimmungen entdeckten, für Wirfungen des
Zufallö, und nicht für Wirfungen weiler verſtaͤndi⸗
ger. Wefen zu halten? Wer aber (fuhr er fort) will
es läugnen, daß derjenige, der bie Menſchen zuerft
ſchuff, ihnen nicht alle ihre finnlichen Merfzeuge abfichte
— “ Dh (ich
*). Man fehe das Urtheil des Sokrates über - das Werk bes
Anaragoras in Phaedone p. 39. — Als ich, faaıt er,
merkte, daß Anaxagoras mid die verſtaͤndiage Urſache
alles Schoͤnen und Guten in der Welt nicht ſo kennen
lehrte, als ih vermuthet hatte; fing ich ſelbſt an, ober
fuhr ich vielmehr fort, fie aufzuſuchen.
2 Giehenteb Buch. Zweytes Capite;
Uch zu ihrem Nuzen gegeben habe: bie Augen zum Se⸗
hen, die Ohren zum Hören, die Raſe zum Riechen, und
fo weiter? Wem wird nicht darinn göttliche unbeſchreib⸗
Viche Weisheit ſichtbar, daß die Augen mit Augenliedern
„bedeckt find, Pie man, - wenn mar will, zuruͤck ziehen
und im Schlafe zufchließen kann, damit die Augen feis
nen Schaden nehmen; daß die Augenlieder ſelbſt mie
"Wimpern verfehen, und über ihnen die Augenbraunen
wie Daͤmme bergesogen find, damit durch bie erftern bie
Gewalt des Windes gebrochen, uub durch die andere
der von der Stirn herabfließende Schweiß aufgefangen
werde: daß ferner das. Gehör alles empfange, und nie
ausgefuͤllt oder verftopft wird: daß alle Thiere die Vor⸗
derzaͤhne zum Zerſchneiden, und bie Badenzähne zum
Bermalmen der Speifen haben: daß endlich der Mund,
der alles, wos das Thier begehrt, aufnimmt, fd nahe
or Augen und Naſe hin gebaut, und diejenigen Deffnune
gen hingegen, wodurch der eckelhafte Abgang von Speiſe
and Trank äbgefüger wird, fo weit als möglich von bies
fen druͤfenden Sinnen entferne worben. Alles biefes ,
fagte er, fen fo weile eingerichtet, daß man unmöglich
zweyfelhaft bleiben koͤnne, 06 os Wirkungen bes Stäcde
und Zufalls, oder Beranftaltungen einer verfländigen
sach Abfichten handelnden Matur ſeyen. — Wenn man
Aberdem noch bebenfe, welch ein gewaltiger Trieb alle
empfindende Weſen zur Jortpflanzung Ihres Gefchlechts
treibe, wie heftig die angeborne fiebe ber Eltern zu ih»
ren Kindern und ungen, und bie tiebe ber feztern zum
geben fey; fü werde man gleichfam gegwungen, einzuges
fiehen, daß es einen weißen und gütigen Urheber der gan⸗
gen chierifchen"Plarur gebe,
Ou fuͤhlſt es ſelbſt, fuhr Sokrates zum ungläuble
gen Aeiftodemus fort, daß eine denkende Natur In die
wohnt, und eben du kannſt noch werfen, pb außer
und über die ein anderes vernünftiges Weſen erie,
?
occhiee des Sottates u und fine Phil. 393
va bu doch weißt, daß die Beftandthelle von Em,
Waſſer u. ſ. w., aus denen bein Leib zuſammen geſezt
IF, nur einen unendlich Eleinen Theil ver Orunbeörper
ousmachen, aus welchen fie genommen find? Iſt es
bir denn nur wahrſcheinlich, oder gedenkbar, daß bu bie
in bie denkende Kraft ober Subſtanz nirgends woher,
und ohne Geber und Urftoff.erhalten haft, — und daß
alle bie zahlloſen u überfchwenglich großen Cörper, aus
Ko die Welt befteht, durch vernunftloſe Kräfte und.
ren ſo kuͤnſtlich zebaut und zuſammengefuͤgt wor⸗
| enn. jemand befwegen an dem Daſeyn des Ur⸗
hebers und Seren aller Dinge zweyfelte, weil er ihn
nicht role den Urheber menfchlicher Werke fehe, fo ant⸗
wortete Sokrates), daß man nicht auf Erfcheinungen
der Gottheit warten, ober ihre Geſtalt zu erblicden vers
‚langen müffe, da man fie binlänglich In ihren Werfen
„erlenne, Unfichtbarfeit ſey Fein Beweis von Unwirk⸗
lichkeit, denn es gebe felbfl in der uns befannten Na⸗
tur fehe viele Kräfte und Gegenſtaͤnde, deren Dafenn
man läugnen möffe, wenn man nichts für wirklich Hals
ten wolle, als was man mit leiblichen Augen wahrneh⸗
men koͤnne. Welcher Sterbliche fich unterfianden habe,
feine Augen gegen die Mittagsfonne zu erhoben, und fie
in ihrem vollen Glanze zu ſchauen ? welcher ſich ruͤhmen
koͤnne, den Diener der Gottheit, den Wetterſtrahl, als⸗
donn, wenn er alles zerſchmettere und überwältige,, bes
abachtet zu Haben , oder wer jemals darnach getsachtet,,
feine Seele, die wie eine Koͤniginn den ganzen teib zer
giere, mit den Binnen ertappen zu wollen? Da nun
alle diefe Dinge fich den Iomachen menfchlichen Sinnen
5 ent⸗
9) le 4 5. 9. IV. 4. % 13 & 14.
J
t
-
594° Giebented Buch. Zweytes Capitel.
entzoͤgen, ohne daß deßwegen jemand ihr Daſeyn laͤug⸗
nen koͤnne, wie es dann moͤglich ſey, an dem Daſeyn
desjenigen zu. zweyſten, ber zwar ſelbſt unſichtbar ſey⸗
aber in jedem Augenblicke die erhabenſten Thaten vollen⸗
be, Indem er die ganze Welt unverdorben, und in ihrer
jugendlichen Schönheit erhalte, und unermeßliche Coͤr⸗
- per ohne allen Seht fchneller, ‚ af6 wir unfere Gedanken
. Ienfe*)? Sokrates hielc. es für ftrafbare Kuͤhnheit, über
die Subſtanz der Gottheit, oder-äber das Gubftrarum,
in welchem alle göttliche Kräfte wohnten, etwas mit Zus
verſicht entfcheiden zu wollen. Wenigſtens beobachtet
derjenige unter feinen Freunden, der feine Meynungen
am richtigften aufgezeichnet hat, hieruͤber eintiefes, und
wie 28 ſcheint, vorfezliches Stillſchweigen, fo wie ee
wahrſcheinlich auch aus Fluger Behutſamkeit und in ber
Abſicht, den Berdacht gegen feinen Lehrer von der Ein⸗
‚führung neuer Goͤtter nicht in ſchwachen Gemuͤthern zu
“erneuern, oder zu beftätigen, den Schöpfer und Erhal⸗
ter der Diele mur einige male gerade zu Gote nenne **),
und fonft Immer entweder durch Umſchreibungen aus⸗
druͤckt, oder fich auch der gewöhnlichen Redensart Böts
fer
— ————— —
#) Xenoph, Lib, IV. 3. c. p. 230. Memor, Soerat,
Ks 0 Toy 0oAov KooMov CUVTATTWV TE Kay Cuve-
Kay, Ev 0 Tayra ner ncı ayade esı, ns
es ev Xenuevas rein Te, x uvm, mars
AymEaTov MALEXOY 5 JaTTov de vonuæ ros ara-
. KELTNTOS, UMNETENTE , STOS TE MEYISE peev
TERATT@V ORT, Tode ds OHWOHRY MOLEToS
aa es, Haft mit eben den Worten läßt Renophon
den ſterbenden Kyrus von der Gottheit reden. Cyro-
paed. VIII. 7. p. 548.
La.
.- .
Geſchichte ded Sofrates und ſeiner Phil. 305
ter bedient *), Allem Vermuthen nad) hielt aber So⸗
Erates die Gottheit für eine feine gleichartige ächerifche
Natur, die nicht nur ihren Wirkungen, fendern au)
ihrer Subftanz nach, allenthalben gegenwärtig fen, ‘und,
die alles durchdringe, ohne mit irgend einem Weſen ver
miſcht zu ſeyn. Daß Sofrates auf diefe oder eine aͤhn⸗
liche Art über die zoͤttliche Subſtanz gedacht habe, ſcheint
mir theils ſaus der Benennung eines im Univerſo ſich fiu⸗
denden und durchs Ganze ſich verbreitenden verſtaͤndi⸗
gen Weſens, womit Zenophon ihn die Gottheit belee⸗
gen laͤßt **), theils aber aus der Urt zu erhellen, wie er
uͤber die Entſtehung der Goͤtter und Daͤmonen denken
muſte, und uͤber die Entſtehung und Natur der menſch⸗
lichen Seelen ſich wirklich erklaͤrte, wie ich gleich nach⸗
her zeigen werde. | J
Eben fo einleuchtend und ruͤhrend, als feine Grün, '
de für das Daſeyn eines verftändigen Urhebers der Weit,
waren feine Peweile für die göttliche Borfehung, und
- befonders für die liebreiche Yürforge, womit die Gott»
beit über das menfchliche Geſchlecht walte. Es läßt _
fich gar nicht denfen, fagte diefer ſcharfſinnige Beobath⸗
tee, daß die Gottheit den Menfehen, den fie als ihren
gebling mit den berrlichften Gaben vor allen übrigen Ge⸗
fehöpfen der Erde audgeräfter hat, ganz und gar vers
nachlaͤſſ igen ſollte. Ihm allein Hat feine Schöpferinn
nicht bloß einen gefunden teib, undalle Gließmaßen und -
Sinne jur Erhaltung und zum Genuffe des tebens , ſon⸗
bern auch vor allen andern einen geraden Wuchs, Im
—. | . allein
“Die Umfchreibungen der hoͤchſten Gottheit, oder die
gfeichgeltenden Redensarten, — fie be⸗
zeichnet hat, finder man In meiner hiſtoris dacrinag
de Deo p, 392. | |
. #9) 1,4. p. 56.
UL UL U) m Gm,
die Macht zur Ruhe gegeben, daß fie den erftern ihm
396 Gichentes Buch. Zweytes Capitel.
aallein Hände, bie Werkjeuge und Xusüberinnen aller
Künfte und Handwerker, ihm“ allein eine articulirte
‚Sprache zur Bezeichnung feiner Gedanken und que
Errichtung dauernder Geſellſchafften, ihm. endlich das
| Vermoͤgen gegeben, die Freuden der tlebe, hie bey allem
übrigen Thleren nur auf gewiſſe Zeiten eingefchrärfe
find, zu. allen Zeiten zu genießen. Die gütige Gott⸗
heit forgte aber nicht bloß für feinen Körper, fondern
was das Wichtigſte iſt, auch für feine Seele, Welch
‚eines andern Thieres Seele erfannte je bie Gottheit, bie
alles, was ſchoͤn und gut iſt, hervorgebrqcht und georbnee
Hat? Welch ein anderes Geſchlecht empfindender We⸗
‚gen betet die Gattheit an? Welche find im Stande das
GSute uns Böfe, das Muͤzliche und Schaͤdliche zu uns
teefcheiden,, umd fich gegen das eine, gegen Hunger uns
Durſt, gegen Hize, Kälte und Krankhelten fo zu bers
mahren, oder ihnen abzuhelfen, und alle Arten des
Buten hingegen ftch fo anjufchaffen, als ber Menſch
es faun? Haben wohl andere Thiere die Fähigkeit, eis.
ne ſo zahlloſe Menge von Kenntniſſen zu erwerben, und
zu behalten, das vorhergegangene mit dem nachfolgen⸗
ben jo gluͤcklich zu verbinden, Die Urſachen gegenwaͤrtl⸗
ger Dinge zu errathen, und fo weit in die Zukunft bios
‚einzufehen, endlich den Corper mic fü vieler Gtätfeund
Schoͤnheit, und bie Seele mie fd vielen Tugenden zu
ſchmuͤcken ? Unläugbar leben Dienfchen allein, role Gde⸗
‚ser auf ber Erde, und übertreffen alle übrige Gefchbpfe
fowohl der Seele, ats dem Leibe nach; denn wenn der
Menſch auch feine Seele, aber den feib eines Stiers
haͤtte, ſo würde er nicht alles verrichten können, wa&
er jego fann: und wenn er hingegen feine Hände, aber
Beine Vernunft härse 5 fo würde er such mit jenen nichts '
anfangen fönnen, — Lleberlege man noch julest, daß
bie Oottheit vorzüglich ihm ben Tag zur Arbeit, und
zum
Ä
u‘
Sefehichte des Sofeates und feiner Phi, 397 -
som Beſten mit der Sonne, und bie leztere durch dem
Mond erleuchtet; daß fie das Größte diefer Himmels⸗
lichter allmälich allen Voͤlkern zu beſtimmten Zeiten ſich
nähern, und auch wieder won ihnen fid) entfernen läßt,
damit Feines vor Froſt erſtarre, oder vor Hize vers
ſchmachte, daß fie. für ihn vorzüglich, die Erde befruche
rer, die Luft, Meere und Fluͤſſe bevoͤlkert, und alles‘
vorbereitet Habe, was nicht nur zu feiner Nahrung, ſon⸗
dern Auch zu feinem Vergnuͤgen dienet, daß endlich ſelbſt
die uͤbrigen Thiere entweder zu ſeiner Erhaltung, oder
zur Erleichterung ſeiner Arbeit, oder zu ſeiner Verthei⸗
digung beſtimmt ſtind; fo kann man, ohne alle Vernunft |
zu verläugnen, nicht länger daran zwenfeln, daß ein
weiſes und güriges Weſen den Menfchen gefchaffen und
fer ihn geforgt Habe. Daß aber eben biefes Weſen, das
en Menfchen fo fehr über alle Thiere erhob, ihn mache
er fich. ſelbſt überlaffen, und feine Yugen gänzlich vom-
Hm zurück ziehen follce ; Ift eben fo wenig gedenfbar, ale
daß alle die leuchtenden und kaum mit unfern Gedanken
zu umfpannenden Himmelsebrper, die fich In unermeßs
fichen Entfernungen über unfern Häuptern waͤlzen, fich
ohne einen mächtigen und verfländigen Aufſeher in uns
verruͤckter Drdnung fa viele Jahrtauſende erhaften Haben
*
ſollten, und noch immer fortdauerten ). |
Freylich, fo ſprach Sokrates weiter zum Ariſtode⸗
mus, iſt es dem eingeſchraͤnkten Verſtande des Men⸗
ſchen ſchwer zu begreifen —*), daß ein einziges Weſen
alles, was in dem unbegrängten Ganzen vorgeht , zur
gleich fehen und hören, allenthalben gegenwärtig ſeyn
und für alles forgen Fünnd. Allein wenn bu bich —
| ’ -. da
N DU on
°) Xenoph. .e
) L 4. p: 59
.
398 ¶ Siebentes Buch. Zrosgted Capitel.
daß deine Seele den Coͤrper ohne Mühe nach Ihrem: Wil⸗
len regiert; fo wird es dir nicht mehr unglaublich vor⸗
kommen, daß derjenige, der alles hervorgebracht hat, ohne
Schwierigkeit fein Werk nad) feinem Wohlgefallen len⸗
fen Fonne, und eben fo wenig wird es bir länger. uns
möglich feheinen, daß das göttliche Auge alles durchdrin⸗
ge, und der goͤttliche Verſtand alles umfafle, wenn dus
in jedem Augenblicke erfährt, daß dein fchwaches Auge
viele Stadien zu überichauen, und daß beine Seele
das, was in den entfernteften Gegenden der Erde vor⸗
. geht, In denfelbigen oder wenigen Augenblicken ſich vore
‚ zuitellen im Stande ſey. — Durch ſolche Betrachtun⸗
gen, fest Renophon Hinzu *), ſuchte Sokrates niche
bloß die Begriffe derer, die mit ihm umgingen, zu bes
richtigen, fondern auch fie zu beſſern Menfchen zu ma⸗
chen, indem der Gedanke, daß die Gottheit allenchale
ben gegenwärtig, und ihr alfo nichts, auch nicht die ges '
heimſten Gedanfen unbemerkt und unerforfcht blieben,
ſie auch von heimlichen Miflerhaten zuruͤckhielt, bie fie
der Aufmerffamkeit des menfchlichen Richters hätten ent⸗
ziehen koͤnnen. |
So ſehr aber auch diefe Gedanken bes Sofrates
über die Gottheit mit den Begriffen des Sriechifchen "Pos
bei ſtreitend, und über die Schilderungen der Griechis
ſchen Dichter erhaben waren, fo wufte er doch die einen
mit den andern zu vereinigen, und zwar nicht bloß zu
feiner Sicherheit, oder um allem Argwohn von Unglaus
- ben und Meuerungsfucht zuvorgufonimen, fondern weil
er von den wefentlichften Puncten feiner väterlichen Re⸗
ligion wirklich überzeugt war”). Sokrates betete, wie
| ' Ä alle
au
j /
.91p9%4P.51. IV, 3. p. 235.
a4) Xenoph, Mem. I. 1. P. 2. L03.p, 36. IV, 2.
p. 232. —
SGeſchichte des Sokrates und feine: Phil. 39
ale übrige Griechen, drey Claſſen görtlicher Naturen ar
unfterbliche Gdrter, zu denen er wahrſcheinlich die G
ſtirne vechnete *): ferner die Söhne und Töchter dief
Gärter, die Dämonen oder Halbgoͤtter, und endlü
Helden ober vergütterte Menfchen**). Er opferte göt
lichen Naturen häufig, ſowohl in. feinem Haufe als |
den Zempeln und auf den Altärender Stadt. Er glau
ge, daß die Götter den Menfchen bie Zukunft durı
Träume, oder durch den Flug und die Stimmen bi
WVoͤgel, ober durch unmittelbare Sprüche, oder dur
bie Eingeweide der Opferthiere, ober durch andere Ze
chen. und Borbeveutungen offenbarten. Er ruͤhmte ſi
ſelbſt von einem warnenden Dämon begleitet zu werde
und fah die Zeichen und Vorbedeutungen der, Zufunfi
ais wichtige Beweiſe für Das Daſeyn und bie Borfehut
der Gottheit an. Er empfahl fogar. die Weißagung
Funft denen, die fi) nicht bloß mit den gemeinen od
menfchlichen Kenntniſſen befriedigen wollten, und bie
diejenigen, die an der Wirklichkeit oder Nüzlichkeit di
fer Kuuſt gwenfelten, für eben fo verrückt, ale ſolc
Menfchen, welche die Gotter über Sachen und Ang
fegengeiten fragten, bie man durch menfchlichen Fle
amd Scharffinn ‚erfahren ober zu Stande bringen Ed
ne }). > Sokrates war daber ein frammer vechrglä
\ Giger Grieche, der ſtets den Spruch des Apoll zu De
‚ N p
— — —
0) Plat. Apol. Soer. p. io. | -
we). Ueber Diele Gtajten gättliher Weſen fehe man mei
‚Hiftor. doAr. de Deo p. 205.
4) Die Stellen, In welchen alle diefe Gedanken des Sof:
"ges über die arm ſtehen, find folgende: Xonoy
Mem. I. 1. p. 3. efr. 1. e. 4. P. 45. IV, e. 7. oecono
e. q. de art, Equeſt. €, 10, Dan fehe auch no Sy
pol. c.4.P: 464 Ä oo.
400 Slicentes Bu: tyweytes Capitel.
phi im Munde führte: daß man bie Goͤtter nach der
Weiſe und den Sazungen feiner Vaͤter verehren muͤſſe *).
VUngeachtet aber Soerates Fein Meuerer war, und
auch keine Meuerungen In der Religion liebte; fo beſtritt
er doch mit der größten Freymuͤthigkeit die herrſchenden
- Serthümer feiner Zeitgenoſſen, die für die Gottheit eben
fo entehrend, als für die Tügend und guten Sitten
derer, die fie hegten, nachtheillg waren, Mit unicht
geringerm Eifer bemühte er fich bie Gedanken der Gries
chen über Gott und görrliche Dinge zu heben , und ihnen
bey denfelbigen heiligen Gebräuchen und Handlungen
edler Abfichten und Bewegungsgruͤnde einzuflögen, als
fie geroöhnlich harten. Es würde, fagte Sokrates ,
eben fo thöricht, als undanfbar fegn, wenn wir ein We⸗
fen, dem mir alles, was wir find und haben, ſchuldig
find, In deſſen Händen unfer ganzes Schickfal liegt, das
und alſo mehr als alle Menfchen giuͤcklich oder ungläckfich
machen kann, wenn wir ein folches Weſen nicht aus
allen Kräften verehren wollten, da wir unfern menſch⸗
tihen Wohlthaͤter die rieffte Ehrfurcht bemeifen **),
Man würde aber die Majeſtaͤt des anbetungswuͤrdigſten
Weſens beleidigen, wenn man glaubte, daß man feine
Gnade, wie die Sreundfchafft-eigennüziger und beftechlis
cher Menfchen, dutch reiche und prächtige Geſchenke
und Opfer erlangen koͤnne, und daß Gelchenfe
und Opfer ihm um deſto angenehmer fenen, je Foftbaree
fie find 7)). Wenn ſo etwas Start fände; fo müfte die
Gottheit aufhören, Gottheit zu feyn, und rechrfchaffene,
aber arme Männer würben ein treftiofes freudenleeres
Leben fuͤhren . Allein mit Zuverficht kann man fagen
\ . amd
°) 1. 9. p. 36. IV. 3. p. 233. Xenoph. Memorab.
e#) Xenoph, Mem. Soer, IV, 3, p, 337.
4) Mem, I, 3. p, 87. Xenoph,
tt) ib, |
Seſchlͤte des Selrates ud feiner Phi. on
sind behaupten, daß ein unffraͤfliches gemein (es
ben ber Geitigfte rannte en Bar — is
feinem Beruf ber herrlichfte tobgefang, und daß einrels
nes unfchuldiges Herz, und eine Heine Gabe mit undes
fledten Händen dargebracht, das Heblichfte Opfer fen”),
Ate diefe Wahrheiten, fezte er hinzu, haben die Goͤtter
ſelbſt dadurch beftäciger, daß fie die Unternehmungen
ber Spartaner, mehr als die aller Äbrigen Griechen,
beglüct und gefegnet haben, ungeachtet von den erflerm
Immer nur kleine Opfer auf ihre Miräre gelegt, und vom
ben lestern hingegen bie zahlreichſten Heerden gefcylachter;
die gländzendften Feſte gefeiert, die prächtigften Tempel
gebaut, und diefe Tempel mit den Foftbarften Geſchen⸗
Een und derrlichften Denfmälern find angefälle wors '
den**), Mic diefen vortreff lichen Gedanken des Sokra⸗
tes über den wahren Gottesbienft und über Opfer
flimmten feine Ausfpräche und Rachſchlaͤge Aber das
Geber übereim Er hielt es nicht nur für vermeſſen
und gefährlich, die Goͤtter um bie Zuwendung beſtimm⸗
ter Güter, oder um die Abwendung beſtimmter Uebel
des Gluͤcks und des feibes anzuflehen, fondern auch fie
eben fo thoͤricht, als wenn man fie um Wärfelfpid,
oder um Treffen oder ähnliche Dinge birten wollte,
von welchen es fehlechterdings ungewiß ſey, wie ſie aus⸗
fallen wärden.}). Die Dinge außer uns, bemerkte
find In einen gu dichten Nebel gehüfle, und unfere Aus
gen mic einem zu undurcchlichtigen Schleier bedeckt, als
Daß wir den Werth der erſtern richtig und zuverläffig en
WM Xos. . c. œ 11,9. IV. 4.: Plat. Apol. 1815 p, =
@°) Plato In Alcib, fecundo p. 231.
4) Xenoph. Mem, 1,-3, p. 36. 37. Flat, in Aldb, fee. 9
837.29. 0
—
— —
da Slebentes Buch. Zweytes Capitel.
Fänen und abivägen koͤnnten ®), Ungeachtet ein jeber
enſch ſich fähig glaube, das, was ihm heilſam oder
habilch feg, ‚au entſcheiden; fo ſey doch Feine Wiſſen⸗
fft fo ſchwer, und fo ſehr über bie Kräfte der Men⸗
en erhaben, als die MWiftenfchafft des Guten und Bd⸗
pn ‚ oder vielmehr ols die Gabe zu erlernen, welche von
ben Dingen, die ihren Beſizern und Gentegern ſchaden
öber mijen Ehnnten, uns wirklich ſchaden oder nüzen
wären 9%). Dur bie Gortheit allein, bie nicht bloß
Has Gegeriwärtige, fondern auch das Künftige, nicht
Uoß den jezigen, ſondern auch die nachfolgenden Zus
ftänbe ber Dinge Aberſchaue, nur biefe allein wiſſe, mas
uns vortheilhaft , und mad und nachtheilig ſey. Es fen
daher auch am ſicherſten und unſerer Schwaͤche am ans
emeffenften,, uns in unferm Gebete gleichſam ber Gott⸗
it ganz zu Übergeben, und entweder mie dem alten
ke ter zu ſagen: Water Jupiter, gid une alles Gute,
Farum vir dich bitten, und nicht bitten, und wende
alles Böfe ab, ſelbſt aloddann, wenn wir dich darum
bitten ſoliten 7): oder auch mit den Spartanern zu ber
ten: dab Sort alle gute Handlungen fegnen und unfte
Ir
me
| O Plat. l. c. p. 048.
* @% Plat, I. c. p. 227. 229. _
+) Plat. io Alcib. II. p. 329. |
. Zev. Bacırsv, To mov 209m aa suxoumveis,
„RO OVEUNTOIS
. Aypi Ida. Te de desvos not EUXOUEVOIS ETC
Neben zer.
Fall ib. .p. 381..— Euxoru, Ta nA em To |
ayagoıs tus Jess ddovası nerevovres au eQDicır
auras. Aeon.d' das enevay — —
‘os.
Tusend mit Wohlſtand und Gluͤck belognen wolle m»
" | " >)
Geſthichte des Goffateb und feiner SE. 4og
fentlich, verfchleben fep: : Yen ingaub etınas ift, fagee
er, was an der Gottheit Theil nimmt, ober. mic ihr von
gleicher Natur iſt; fo ift e bie: menſchliche Seele, Die
| Ce 2... fh
. ..
U 77
| U |
oese. Auch bier führte Sokrates wieder das Anſchet
and den Spruch eines Gottes an. Die Athenienfer,
erzählre er, wuſten es fi gar nicht zu erflären, ward
um fie den Spartänern immer: unterlagen, uud dig
Bötter ihren Feinden fers den Steg zumenderen, da fie. °
"doch weit mehr an Tempel und deren Versterungen, as
- Zefte und Opfer verfhmendeten. ie ſchlckten dahet
eine Sefandfchaffte an den Jupiter Ammon, und ließen
Upn'flagen: woher es käme, daß die Spartaner ſo ſehe
von den Goͤttern beguͤnſtiget würden; und der Gott
antwortere: daß es deßwegen geſchehe, weil das Gebet
der Spartaner den Goͤtiern angenehmer, als alle
Opfer und Feſte der übrigen Griechen ſey. Flat. 1. «
x
2
ober
Angelegentzeiten zu behandelt wüften 1), Gerade
fokhe Perſonen, die won dei Gottheit mit ungewdͤhnli⸗
den Kraͤften ausgeruͤſtet waren, ermunterte er am deins
gendſten zu einer ernſtlichen Ausbildung und Uebung
| | ihrer
©) Xen. I. 4. IV, 3 Memor. Sokz,
se) M. 9. IV. 1. Memog, Soct
HVW.i. |
Goſthichte des ekrat⸗ und ſeiner Fo 409
dh Köpfe wir 7 Denn ee Die muthig⸗
ſten kraftvollſten Pferde und Hunde, wenn fie bezaͤhmt
* gezogen ke * beften und brauchba weun
— gt. und ununterrichtet blieben ‚vie
— —5 wären, eben. fo wuͤrden
mit geoßen Anlagen, menn’fie in dem,
Kor * 8 —* gehörig waͤren unfertgiefen wor⸗
ben, ſich und andern am nözlichfteng, wenn ffe hingegen
vernachloͤſſigt ober verwiſdert waͤren, 'gerabe biejenigen,
von denen, man am meiſten zu befuͤrchten hätte: denn
nem fie nicht wüfleg, mas oe ehun und ĩaſſen follten,
ie fi afe in Döge und fehändliche Untergehmune '
* n., die fie alsdann in allen ihren. außerorbenttg
chen Kräften. durchſezten, unb von.denen fre am aller⸗
ſchwerſten zu bringen Ie .Wie ſeh⸗ *
les —— J— und Uebung, zus Ausbildung oden
——— owohl —— X **
Naturen. beyẽerage, koͤnne man aus ben Beyſpielen mehe
rerer Voller abnehmen, unser welchen ein jedes in dem,
worauf es fish am weiſten * * —* —
noch
SE —
en vi denn — Bade MR Ye De
N
86 Chad Much: Buvepteh Cobitel.
mon das Müzliche und Schaͤdliche, das Gute und Böfe
von felbft ohne Unterweilung unterfcheiden koͤnne, thoͤ⸗
‚x. Bde, wenn man hiezu unfaͤhig ſey, ſich einzubilden,
daß man durch Reichthum allein alles, was zu eines je⸗
ben Deften diene, erzeichen fönne, und thöricht, wenn
dleſes unmoͤglich fen, fich dennoch zu fehmeicheln, dag
man fein teben glücklich und ruhmvoll hinbringen werde,
und unfinnig endlich, wenn man ſich einfallen laffe, bloß
hurch ein beträchtliches Bermögen, ohne nügliche Kennt
niſſe und Innern Werth, den Namen eines verfländiges
und wahrhaftig großen Mannes zu erlangen *).
Unter allen Künften, womit ein junger Dann ſel⸗
we Seele ſchmuͤcken koͤnne, empfahl Sokrates feine fo
(ehr, als Die Kunft der Selbſterkenntniß, oder die Kunſt,
Sch feibft zu erforfchen und Fennen zu lernen. Keine
endere Wiftenfchafft fey demjenigen, der fie befige, nuͤz ⸗
licher, und beraube denjenigen, dem fie niangle, größer
ser Vortheile, als eben dieſe, zu welcher ſeibſt ver Gore
zu Delphi durch eine Anschrift feines Tempels auf⸗
Ä oo u mun⸗
———— —— — —
ib, Sokrates war gewiß nicht der Meynung des Ara
” beym Xenophon VI. 3.5. 19:21. Cyropsed. daß
"der Menſch zwo Seelen, eine gute und eine böfe habe,
daß er, fo lange die gute herrſche, gut, und fo fange
Die boͤſe regiere, böfe handle, indem es unbegreiflidh
ſey, wie ein und eben dieſelbige Seele zu gleicher Zeit
gut web. boſe ſeyn, das Gute und Voͤſe lieben, oder
baffeibige zu gleicher Zeit wollen und nicht wollen koͤn⸗
ne. — Daß diefe Lehre von mehrern entgegengefezten
Seelen im Menſchen, worinn von jeher alle diejenigen,
die ihren Leidenfchafften unıerlagen, glei dem Arafpes
eine Zuflucht geſucht haben, nicht dem Sokrates eigen
war, wied die Folge lehren. Ich erinnere diefes um
derer willen, welche glauben Eönnten, daß Piete’s
Meynung von der Mehrheit menſchlicher Seelen ſchon
..
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 407
muntere ). Sie allein verdiene vor allen andern.
Miffenfchafften den Namen der wahren Weisheit odek
Klugheit **), Sich felofifennen, heiße aber nicht bloß,
feinen Namen, feine Abkunft, Verwandte und fo weiter
wiſſen; fondern wie ein Liebhaber nicht eher glaube, ein
Pferd zu kennen, als bis er unterfuchr habe, ob es bieg⸗
fam oder hartnädig , ſtark oder ſchwach, geſchwind oder
langfam, und zu allem dem brauchbar fey, wozu man
ein Pferd zu brauchen pflege; eben fo fünne niemanb
fi) einer richtigen Kenntniß feiner ſelbſt ruͤhmen, als
bis ee das Maaß, und den Umfang feiner Kräfte, und
ſeine Faͤhigkeit zu allen menfchlichen Gefchäfften geprüft
habe. Nur diejenigen, die ſich felbft erforſcht Härten,
wüften, was ihnen zuträglich oder nachrheilig ſey, unb
was fie vermoͤchten oder nicht vermöchten. Sie ſtreb⸗
ten alfo nach nichts, als was Ihnen heilſam und erreichs
bar fen, und unternähmen nichts, ale was fie mir Y
ren Kräften und Kenntniſſen auszuführen überzeugt wär
ven. Sie erlangten daher auch immer , was fie wuͤnſch⸗
ten, und hätten nie die Demuͤthlgung etwas ſchlecht
oder vergebens gemacht und angefangen zu haben. Weil
fie ſich ſelbſt genau kennten, fo feyen fie auch um deſto
mehr fähig, andere zu prüfen, und biefe zur Beſoͤrde⸗
sung ihres Gluͤcks und zur Abwendung aller Machtheite
zu brauchen. Eben diefe gluͤckliche Erreichung aller ih⸗
3 rungen F wir bie a te —5 fie he
ſeuſchen zu behandeln wuͤſten, v e ihnen Anſe⸗
hen und liebe, indem diejenigen, die gewiſſe Entwaͤrfe
gerne gluͤcklich ausführen woͤchten, oder in ber Aus⸗
führung derſelben Servers fünden, ſich vorzüglich pr
Ä zu ie
‘
®%) Mimor. Soer. IV. 2. 6.23. & fq. Plat. in Alcib. 1. in
Ecqꝙavus p. 238. in Charmide p. 247. .
”) Um, ER
vv
|
. —
> 408: Ohebentes Buch. Zweytes Eapitel.
ge iwenberen, ſich Ihre Natbſchläge ansbäten, und fie
| — nem —2 —* Soiche hinge⸗
gen, bie ſich ſalbſt nicht kennten, wuͤſten weder, weſſen
(ie bedaͤrften und mas ihnen heilſam ſey, noch was fie
eigentlich anfangen, oder thun folkten. Sie verfehlten
fat immer, was fie fuchten, ſtuͤrzten fich in viele Lies
. bel, die fie nicht voraus geſehen Härten, und würden da⸗
Burch für Ihre Unwiſſenheit nicht nur auf der Stelle. ger
ſtraft, fondern zogen ſich auch den Sport und die Ber⸗
1t
achtung anderer zu, von denen fie als unerfahrne und
ungeſchickte Menfchen ausgelacht wuͤrden.
+ &ofrateb biete es für gereif, aber bach für viel
, daß unfere Seelen nach dem Tobe forte
Sauren , als daß fie ensweder mit dem Coͤryer zerſtreut
werden , oben untergehen, oder: auch mit dem Verluſte
‚Ihrer Perfbnlichkeit, und aller Erivnerungen ihres ches
maligen Zuftanves, indie Gottheit, woraus ſie entſprun⸗
\
— ⸗
o M lehe ohne Bedenten die Otuͤnde wernke der ſerbende
Ci | |
weite für die Unfterblichkeie der Geele, weile Data
w Phaͤden vortragen läßt, Sie
nige von diefen Muh wahrſcheinlich auch Goktasiihs
wi haher
andere hingegen find es geiiß nicht, und ich will
Ueber gar feine Davon beim Sokrates zueignen, eis heim
Plato etwas abſprechen, was fin CTigeuthum if.
— ®), Glaubt nicht,
u Zn 7 do "Sue —4 5
Geſthichte des Sokvatet und ſeinet BEL 409
ihr meine Seele nicht, hondern ihr ſchloßt das Daſeyn
derſelben nur allein qus ihren Wirkungen; und eben fo
glaubt auch dann, wann iht wich nicht mehr ſehet, daß
ich doch Immer noch da ſeyn werde, Habt ihr nicht of
‚erfahren, mit welchem Schrecken die Seelen derer, die
Unrecht gelitten, ihre Beleidiger und Verfolger uͤberfal⸗
fen haben )7 Könne ihr euch wohl vorſtellen, daß die _
Denkmäler und Beierlichkelten, die man zu, Ehren der
Derfiorbenen zu errichten. und einzuſezen pflegt, fo. fange
fortdauren wuͤrden, wenn ihre Seelen nicht noch. vieleh
zur Erhaltung ihres Gedoͤchtniſſes vermochten % Ich Se
nigfteng habe mich nie Überrebenfönnen, daß die Geeie,
fo fange {je Im fterblichen Edrper verweilt, leben, und
wenn fie von. dieſem abgeldſt wird, ferben Re Ich
fehe ja allenthalben, dag Seelen ſolbſt lebloſen Cörpetn,
fo fange fie In ihnen, wohnen, eben geben; wie ſollte
ich aufn glauben Fünnen, baf die Seelen Einpfinbung
und Bernenft verloren, wenn fie von dem gefühllefen
und yernunftlofen Corper getreunt werben t Vlelwehr
(ft es wahrſcheinlich, daß das in ung denkende Weſen,
wenn «6 mit aller Fremden Materie unvermiſcht und un⸗ |
beſchwert ift., am wirffamften und weißsften fegn. werde,
Wenr der Menſch im Tode aufgeläft wirb, fo heht
"war, wieein jeder Veſtandtheil ſich zu ſeines Sleichen
Gmmiets nur die Serle allein nimmt man weder wahr,
long fie noch da Ib, wach wenn Ge ſich vom (hrper
trennt, Endlich muß man auch dieſes bebeufen, doß
ein Zuftand dem Tode äpnlicher fen, als der Schlaf,
und daß fich gerabe In diefem Zuftanbe ben göttliche Ur:
fprung und die gürrliche Ratur des Seeke
ES Oilefe ir fe fe PISR I De gufume
nbare. Im Schlafe fi 16f, in die Zufunf
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angeführt
m) Dielen Sebunten kat Cigere in feinen Mefkrfepung an der.
ee re ae RER en
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ni u — —
ga Gihenteb Buch. Zweptes Capitel,
hinein, - weil fie, wie es ſcheint dladann vom leibe am
euigften gedruͤckt wird. — Wenn es ih nun, faͤhrt
Tyrus fort, fo. verhält, mie ich euch geſagt babe, und
auch felbft glaube, und meine Seele ihren Eörper nur
. verläßt, ohne mit ihn unterzugehen],. fo ehrt mich. das
durch, daß ihr.das thut, was ich euch befohlen habe,
Stirbt hingegen mein Geift.mic dem Leibe ab; fo fuͤrch⸗
tet immer die unfterblichen. Götter, die alles fehen und
vermoͤgen, und die das unermeßlidy große und unbe⸗
ſchreiblich ſchoͤne Ganze in unveraͤnderter Ordnung erhal⸗
ten. Thut und denkt nie etwas Unheiliges, und bee
Gottheit mißfaͤlliges; oder ſcheut wenigſtens, wenn ihr
keine Gdtter fürchtet, bie Urthelle des ganzen Mnfcheng
gefhleches. — Ruft alle Perfer und Bundesgenoffen bey
meinem Srabe zufammen, und laßt fie alle ſich darüber
freuen, daß ich in Sicherheit und. allem Uebel:entzogen
bin; ich mag nun nad) den Tode gar nicht mehr fegn,
oder unter den Goͤttern lehen.
In einem ähnlichen Tone, in welchem aber doch
die. Hoffnung der Unſterblichkeit bie Furcht vor der Zer⸗
ſoͤrung noch weniger uͤberwiegt, laͤßt Plato ben Sokra⸗
tes nar feinen Richtern reden. — Ich wuͤrde ), füge
er, den Plaz verloffen, auf welchen mich die Goͤtter hin⸗
geſtellt haben, wenn ich aus Furcht vor dem Tode aufs
görte, mich ſelbſt und euch zu unterfuchen. , Henn ich
diefes. thaͤte; ſo koͤnnte mau mich. mic Recht als einen
- Mann vor Gericht führen, her Feine Öötter glaube, well
er ihren Befehlen und Warnungen nicht gehorche, und
der ſich welſe zu fegn duͤnke, ohne «8 wirklich zu fen.
Denn ſich vor tem Tode fürchten, * Arhenienfer , iſt
6 anders, als weiſe fcheinen, ohne eg. zu fenn, In
‚dem man fich. einbüber, efwas zu willen, was man niche
a weiß.
—
S. xx un is.
J Nr N ar FT. u
Schsige bed Sefrates ud fine gu. au
"Denn niemand kennt die ße Muse des zu
u. und feiner alfo meiß ed, ob er. niche vielleicht hey
Menſchen das größte Sur fen, -ungenditet bie: —2*
ihn als das groͤßte Uebel fuͤrchten. Wenn ich in irgend;
einem Stuͤcke welfer zu ſeyn glaubte, als andere Men⸗
fchen ; fo wuͤrde es darinn fegn, daß, fo wie ich nichts
Zuverläffiges von dem weiß, was mit dem Menſchen
nach dein Tode vorgeben wird, ich es zu wiffen mir auch
gas nicht einbilde. Daß es — ſchlecht und ſchaͤnd⸗
lich ſey, den Goͤttern oder beffern Mienfchen nicht zu ges
horchen, davon bin ich feſt aͤberzeugt; und ich werde
olfo niemals etwas, wovon Ich nicht weiß,—ob es nicht
wielleiche ein Gut fen; mehr fürdgeen , als böfe Hand⸗
lungen, von denen ich gewiß weiß, daß fie Uebel find. =
Seibſt daraus , fährt Sokrates gegen das Ende feiner
Schuzrede fort *), daß mein Genius mich gar nicht. gee
warnet, ober mir gar Fein Zeichen gegeben hat, als Ich
vor Gerichte ging, ſelbſt daraus fchließe ich, daß Fa "
was mie begegnet iſt, nichts Döfes , und daß ber Ton
ſelbſt ein Gut fen. Dean. Sterben iſt eins von beyden:
entweder eine gänziiche Dernichtung des Menſchen, oden
auch nur eine Berfezung der Seele aus einer Wohnung
in eine andere. Iſt das. erſtere, und liegt alſo der ere
blaßte Leichnam tele in einem tiefen Sciafe, der durch
keine bofe unruhige Traͤume unterbrochen wird, fo kann
man ben Tod micht anders, als für einen großen Ges
wina halten. Denn wenn man alle die Tage una Mächte
des Lebens unterſuchen wollte, die man noch angenehmer
wmorhracht hätte, als eine ſolche Macht, in weicher man
in.einen tiefen traumloſen Schlummer verſunken war;
fo. würden nicht. nur geineine. Menſchen, ſondern auch
ER Di größten Abnige der Erden bie ee ehr 7
—X
am Ortendeh Wach. Suehles Kari
— 5* ; Sf alfa der Tod einem tlefen Schlaf⸗
* fa fand man ſich bie ganze Ewigkeit als sine ein⸗
igt lange Macht danken, Wäre hiagegen der Vod nur
eine Veraͤnderung des Aufenthalta, ond waͤre es niche
“:falfch, was die Vorfahren geglaubt Haben, daß alle
WVerſtorbene noch irgendwo fortieben, . mie koͤnnte man
6ch alsdann ein größeres GQut, als den Tod denken,
wodurch man, auf einmal, der Gewaſt irdiſcher Richter
entciffen ‚ und vor die Stuͤhle des Minos / Rhadaman⸗
2508, Aeakus, Triptolemus und anderer Helden des Ms
teeihums gaftellt wird, bie ſelbſt ein Heilige Sehen gen -
" führer gaben, und. feine andere, als gerechte und ungars
theyiſche Urtheile fällen. Wie viel waͤrde nicht ein jeder
unter euch darum geben, wenn er mic dem Orpheus,
Mufius, Heßodus und Homer jufanmen kommen
Binnte$ Ich wenigftene würde mit Freuden einen viel⸗
fachen Tob ſterben, wenn. Ih dieſes Stück zewiß hoffen
töonnte. Foͤr mich. würde es eine entzoͤckende Untechals
tung ſeyn, wenn ich mit dem Palamedes, oder dem
Ajax, dem Sohn des Delamon, ober andern beruͤhm⸗
‚ten Männern, bie durch ungerechte Uetheila ſpruͤche
ungefommen find, zeben, und weine Schickſole mit
Wergnuͤgen. aber wuͤrde ich darinn fuden, bie abge⸗
ſchiedenen Seelen in den unterirdiſchen Wohaungen,
muͤſte
hren, um,berentwillen. biejes -
vn die hier richten, gewiß, nice terurtheilen uub
edören würden. Auch bazian Fa& Die Bersoßner ber
'
J
⸗
den Ifrigen vergleichen. konnte. Ein noch größeres‘
En nn Su
j . |
Geſchichte des Sokrates und.feiner Phil. 23 ..
antrrirdiſchen Oerter giäcficher, als die Vewohner ber
Erde daß ſie wrlter keinen Tod zu fuͤrchten haben, ſon⸗
bern ein unvergaͤngliches leben führen, wein es anders
wahr iſt, was davon erzaͤhlt and geſungen wird.
In eduem diel juverſichtſichern, und, woteidh glaube,
rern Tone, ter gleichfam ein Wiederhall ſeiger in
en ngen wär, redet Sokrates im Phädon
vd Gorglas des Plato über die nſterblichteit and Schic
_ fübe der Seele nach dem Tode des Edrpets, und bemerkt
es auch ſogleich, daß er ſich gegen feine Freunde ernſtli⸗
cher und. freginächiger, als gegen feine Richter aͤußern
bl 2. Ohne die Ueberzeugung, ſagter zum Simmias
und Kebes, dag ich nach dem Tode in die Geſelſchaffe
weiſer und guter Goͤtter, und auch beſſerer Menichen,
nis diefe Erde trägt, Fommen werde, wuͤrbe Ih une |
thun, oder wenigſtens anf eine unvernuͤnftige Art forge
los ſeyn, wenn ich mich niche vor dem Tode fürchtere,
Maun über wißt ihr N daß ich mic guten Menfchen ‚ und
wenn ich auch dieſes nicht zuverlaͤſſig verfichern kann,
boch gewiß mit guten Göttern und Herren werde verei⸗
nigt werdet. Hiervon bin ich ſo gewiß, als von irgend
einer andern Sachr, Aberzengt, und ich bin daher an,
nicht umdillig über mein Schickſal, Ffondern lebe ülfinehe
ber guten Hoffnung , daß auch die Berftorbenen niche
ganz aufüdren au ſeyn, und dag dR dutch Menſchen
ſich in einem been Zuſtande, als bie böfen, finden
werben. — Ihr koͤnnt mich, antwortet er auf die Frage:
wie er begraben ſeyn wolle**)? beerdigen, wie ihr wolle,
wenn ihr meiner anders habhaft werben könnt, und ich
- ach nicht entwiſche; und mit einem fanften lächeln und
nn}
L
\
*
er Sichentes Buch, Zwehles Capitei.
einem nicht weniger fanften Blick auf feine ihn umgeben
den Freunde fuhr er in folgenden‘ Wörten fort: Ich
Bann den Krito nicht überreden, daß ich der Sokrates
bin, der jezo mie ihm ſpricht, und feine Gedanken nach
Abfichten ordnet. Er glaubt Immer, daß Ich derjenige
bin, den er nach wenigen Augenblicken erſtarrt und ent⸗
ſeelt ſehen wird, und frägt daher, wie er mich begraben
fol, da ich ihm fchen lange bewiefen Gabe, daß ich nach
dem ausgeleerten Giftbecher nicht bey euch bleiben , ſon⸗
bern in Wohnungen ‚der Seeligkeit übergehen werbe,
Mic dieſem Gedanken habe ich fowohl euch als mich ge
eroͤſtet, und Ihr koͤnnt daher eine der feinigen ganz ent»
gegengeſezte Puͤrgſchafft übernehmen, ‘Denn fo wie er
ſich bey den Richtern verbürgte, daß id) nicht aus dem
Gefängniffe entfliehen würde, fo kont ihr euch gegen
ihn verbürgen, daß ich nach dem Tode des Coͤrpers niche
bier bleiben, ſondern won dannen ſcheiden werde, damit
Reito bey der Verbrennung oder Beerdigung meines
Leibes nicht unwillig werde, als wenn ich noch etwas
Schreckliches litte, oder nicht ſage, Daß Sokrates begra⸗
ben oder ausgeſtellt werde. Denn wiſſe, mein lieber
Krito, daß, wenn man ſich hier unrecht ausdruͤckt, man
dadurch nicht nur Fehler im Reden macht, ſondern auch
‘feiner Seele Schaden thzut. Seyd alſo guten Muthe,
urld begraht meinen teib, wie es euch ſelbſt gefaͤllig,
‚uud ben värtrlichen Geſezen und Gebraͤuchen am meiſten
gemäß if *). Ä
— —
9 Als einen Beweis, daß Sokrates oder Plato dennoch
in der Meynung von der Unfterblickeit der Seele ges
warf babe, führten viele folgende Worte an. in Phaed,
©. 46. Es würde einem vernänftigen Mann pice
diemen, mir einem entfceibendefl Tone zu verfichern,
| baß
EEE ui u
Gefchichte des Sokrates und feiner Phil. "415
- Bor dem Tobe, fagt Goftates zum Kallities ;,
kann fich Fein anderer, als ein feiger und unverſtoaͤndiget
Mann fuͤrchten. Vor Unrechithun hingegen muß fich
bitlig ein jeder fcheuen , weil‘®6 Fein größer Ungfuͤck gibt,
als mir einer von Miſſethaten beläfteten Seele in vie
unterirdiſchen Wohnungen zu kommen. Wenn es die
wicht zuwider iſt, ſo till Ich dit eine fchöne Rede ergäßk
fen, die du vielleicht für eine Fabel Halten wirſt, blemit '
aber durchaus wahr fiheint. — Jupiter, Neptun und
Pluto cheilten, fo ſingt Homer; das Neid), was fievon
ihrem Vater empfangen hatten. Nun war es Gefez sin
ter der Regierung des Saturn, und iſt es auch noch jer
und wirb es auch ewig bleiben, daß Menſchen, die
dhaft und heilig ‘gelebt Haben, in die Anfeln der
en und dort Fön forgen und
mer n en, und daß die kafterhaften
—* Gottloſen hingegen in einen Ort der Strafe unb
. . R Des
daß ſich alles genau fo verbale, wie ichs erjaͤhlt ha⸗
be. — Allein dieſe Worte sehen nicht auf die Gruͤnde,
die Sokrates für die Usſterblichkeit der Seele vorg⸗
bracht, ſondern auf die Fabeln, die er vom Zuſtande
der Serien nach dem Tode erzähle harte, Dies erhellt
nicht nur aus den wiederhohlten Verficherungen feiner
feften Ueberzeugung von def Unſterblichkeit der Seel,
fonbern auch aus dem, was unmittelbar auf die miß⸗
verſtandenen Worte folgt. — Daß es ſich unterdeflen
auf diefe oder andere Ähnliche Arten mit unfeen Gesten
verhalte, die wir für unſterblich halten muͤſſen, dies
: Haube ich, laͤßt ſich ſchwerlich Iäugnen. — An
dieſem Sinne muß eine andere Stelle gelefen werden,
- die man auch unrecht verfiehen könnte p. 23. in Phaed,
Kus yag cos nous mals none, Mekorte
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” einen. aus Eusopa, den Aeakus. Wenn diefe geflorben
46 Gbentes Buch. Zweytes Capitel.
des Gerichts, welchen man Tartarus nennt, hinabge⸗
ſtoßen wurden. Sowohl die einen als die andern wur⸗
den unter den Saturn, und anfangs auch noch unter
der Regierung bed Jupiter, bey ihrem feben, und zwar
an Ihtem &terbetage, von lebenden Peifonen gerichtet.
Allein die Ansfpehie ber Richter waren fo ſchlecht,
baß Pluto und bie Aufjehet der Wohnungen ber Seeli⸗
gem fich gendthigt fahen, es dem Jupiter zu meiden,
daß viele in mehrerer Ruͤckſicht unwuͤrdige Menfchen in
den Aufenchalt glücklicher und tugenbhafter Seelen eine
gegangen jenem Jupiter veripräch dieſe Unordnungen
abzuftellen, und ſagte ⸗ daß bie Urſache der falſchen Ur⸗
theile, die man Bisher gefälle Hätte, darinn liege, daß
aan die Menſchen noch bey ihrem Leben umd unter allers
ley Hüllen gerichter Habe, Diele ruchlöfe Seelen fenem
mit fchönen Cörpern, mit dem Glanze eines alten Ge⸗
ſchlechts und großer Reichthaͤmer umkleldet geweſen,
haͤtten auch viele Zeugen für ein tugendhaft gefuͤhrtes
teben beygebracht, unb eben dadurch ihre gleichſalis noch
bekleidete Richter um deſto mehr geblendet, & fie noch
Maſen, Ohren, Geficht und ihren zamen Cörper, als
eine werbergende karve vorgehabt haͤtten. Man. müffe
Daßer vorserfie biefed abändern, Buß bie Menſchen bie
Zeit ihres Todes vorher willen, und dann muͤſte .
die Serien efle nackt und mach dem Tode des Eörp
richten, uch der Nichrek muͤſſe entkleidet und verftors
ben damit er unmittelbar mit ‚feiner Seele eine
jede abgeſchiedene Seele unterfuchen koͤnne, die uner⸗
wartet von ihrem teibe gefchieden worden, und allen
ihren Schmuck auf der Erde zurück gelaffen habe Zu
dieſer Abſicht, alle Urtheile über abgeſchiedene Seelen
gerecht und unpartheyiſch zu machen, habe ich, fuhr
Jupiter fort, meine eigene Söhne zu Richtern beftimme,
gween aus Afien, ben Minos und Rhadamanthus, und
ſeyn
Oekächte des Gofrates und feinen Pod, a7
fegn werben, ſo follen fie auf ber Wiefe an ber Sch.
dung
bee Wege, wovon ber eine nad) bein Tarsarus,
und bee andere nach den Glen ber Geeligen hinführt, .
Gericht Halter, und zwar fol Rhabdamanthus die Men⸗
fihen aus Afien, und Aeakus die aus Europa richten,
Den Minos hingegen will ich) die legte Entfcheibung fol
cher Zölle aͤberlaſſen, worinn ber eine oder andere feiner
Sehaͤifen Schwierigkeiten finden, ober ben welchen fie
Math brauchen koͤnnten. — Died ifi es nun, Katikies,
was ic) gehoͤrt habe, und für wahr balte, und woraus
man, wie Ich glaube, folgendes ſchlleßen kann: daß der
Tod weiter nichts als eine Trennung zworr Maturen,
des Leibes und. dee Seelen fen, und wen fie beyde von
einander gelöft werden, Bag fie ihre Geſtalt und Eigen⸗ ”
fhafften behalten, wie fie diefelben während ihrer Ders
hatten. Wenn alfo jemand bey feinem eben
‚groß und ſtark von Eörper war, fo bleibt audy der feichs
nam fo; oder wenn jemand einen reichen Snarwuche,
ober Sirlemen von Schlägen, oder Narben von Wun⸗
ven, oder zerbrochene und verdrehte Gliedmaßen anfel- .
nem Selbe hatte; fo behält er diefe alle aud) im Tode we⸗
nigſtens während einer gewiflen Zeit. Auf eine aͤhnliche
Art ſcheint es fich auch mit der Seele zu verhalten : wenn
fie vom Corper entkleidet ift; ſo wird alles an ihr ſicht⸗
bar, ihre urſpruͤngliche Natur, und alle Derbefferungen
: oder
mmerungen, die fie durch Gevanfen und
Taten erhalten hat. Wenn aljo die Seelen aus Aſien
vor den Rhadamanthus fommen, fo unterjucht dieſet
eine jebe Seele, ohne zu wiflen, wem fie gehört. Er
trifft daher oft die Seele des großen Königs der Perfer,
oder auch anderer Könige und Satrapen, frank, durch
Mannsägigfeit, Weichlichkeit und anderer Ungeheuer vers
bogen, : und voll Narben und Geſchwuͤren an, vie ih⸗
nien ·durch Meineive oder andere Ungerechtigkeiten einger
>) | druͤckt
Zuwywepter Band.
4
*
Mr Siebentet Bud, Zweytes CTapltel.
druoͤckt und geſchlagen worden”). Solche haͤßliche ver⸗
gerrte Seelen ſchickt er ſogleich mit Schimpf an. ben Ort,
Wwo ſie die Strafen, die ihnen bevorſtehen, leiden müfe
ſen. Denn ein jeder, der von einem andern auf eine
gerechte Art geſtraft wird, wird entweder ſelbſt gebeſſert,
ober dient auch andern zum warnenden Beyſpiel, Damit
fie fehen, was er leide, und burch Furcht vor dieſen Lei⸗
_ den zur Beſſerung bervogen werden. Solcher Seelen,
deren Seiden für die neuen Ankoͤnmlinge ein lehrreiches
- Schaufpiel find , finden fi) Immer viele in den unteries
diſchen Dertern, und eine von diefen wird gewiß bie
Seele des Archelaus ſeyn, wenn ed anders wahr If,
was Polus von dieſem Makedoniſchen Könige erzaͤhlt
hat. Die meiſten Seelen von dieſer Art find bie Gew
ken von Tyrannen, Königen, Satrapen, ober Häuptern
von Städten, die alle zur Büßung Ihrer tüfte bie groͤß⸗
ten Berbrechen leicht begingen,, weil fie diefelben unge
ſtraft begehen Fonnten, Denn ſehr fchwer, mein lieber
Kallikles, iſt es für die meiften Menfhen, gerecht gu
handeln, wenn fies In ihrer Gewalt haben, ungerecht
zu ſeyn. — So wie nun Rhadamanthus alle böfen See⸗
-. :jen (unter welchen er die heilbaren von den unverbeſſer⸗
fichen auszeichnet) -in den Zartarıs hinabſchickt, fo
fendet er die guten und Heiligen in die glücklichen Geſilde,
und eben biefed thut auch Aeakus. — Weil iche von der
Wahrheit deſſen, was ich dir, mein lieber Kallikles, jezo
"erzähle habe, feſt uͤberzengt bins fo bemuͤhe ich mich,
: meine
—
nme ss
9) Auf dieſe ‚Stelle im Sorgias zielt Tacitus in ß
Worten VI, 6. Annal. Neque fruſtra en
mus fapientise firmare folitus ef, fi reciudansur ty·
rennotum mentes, poſſe aſpiei laniatus & idus;
quanda ut corpora verberibus, it
’ . malis confultis animus dilaceretur, Beri ia, Hibddi 08
Du
+
. Gefshichte des Sokrates und feiner Phil 419
meine Seele fo gefünd, als Ich nur kann, zu erhalten, -
um fie meinem Richter fd unverdorben, als nur moͤglich
if, darſtellen zu können. Unbefümmert um den Ruhm,
dfe Würden und Güter, nad) welthen andere Menſchen
trachten, forfche ich nach Wahrheit, und fische fü volls
kommen und gut, als meine Kräfte es "erlauben, zu
leben, und dereinſt auch abzufcheiden. Auch muntere
ich afle übrige Memſchen, und ſalbſt dich, Kallikles, zu
einen ähnlichen Jeden und Kampfe auf. Denn wenn
das Urthell wider Dich ausfallen, und ber Sohn ber‘
Aegina dic) ergreifen follte, fo wuͤrdeſt du gewiß außer
Stande ſeyn, dir ſelbſt zu pelfen, und beine &eelt würde:
von einem eben fo heftigen Taumel oder Schwindel ber
umgetrieben werden, als du fagft, daß mich überfallen '-
wide, wenn Ich auf einmal von einem mächtigen Red⸗
ner vor den Richterſtuhl folte gefuͤhrt werden.
Deieſe Erzählung oder Rede des Sofrares iſt mies
nem Urtpeife nach die fhönfte "und der Dernunft ans.
nehmlichſie Erdichtung über die Schickſale der Menfchen
nach dem Tode, die jemals erfunden worden. Denm
was kann bie fich felbit überlaffene Vernunft der Sort,
Geis würdigeres, zur Tugend mehr alfimunterhdes, dem .
Tugendhafien tedftlicyeres, und den kafterhaften niebets
fehlagenderes Denfen, ols daß die teinen Seelen, die -
woͤhrend ihrer Verbindung mit dein fterblichen Iribe aus -
allen Kräften nach Wahrheit und Tugend geftrebt haben,
nach dem Tode mit höhern Maturen und beffern Men,
ſchen vereinigt, und in dieſer Bereinigung ſtets ar Weis⸗
helt und Tugend wachſen, und eben beßwegen auch an
Gluͤckſeellgkelt beſtoͤndig güntehrnen ? Dos hingegen bie
ungeinen Sezten In Wohnungen der Quaal hinabgefchickt,
and Durch gewiſſe, ihrer Verdotbenheit und Verbrechen
genau entfprecheribie Strafen gelaͤutert, oder. aebeffert,
und ivenn feine befferung Start finder, andern zum
Deyſpiel werden gegüchtiget werden? = &o wenig ich
| u . —XY a aber
420 GSiebentes Buch. Zweytes Eapitel.
aber über ven Werth der Sokratiſchen Erzählung entger
gengefejte Urtheile erwarte; fo ſehr werden, glaube ich,
viele ſich darüber wundern, baß ein fo großer Mann,
ol6 Sokrates war, ſich mit feichen Beweiſen befriedigen
konnte, als worauf er feine Hoffnungen der Unfterbe
lichkeit gründete. Allein diefe muͤſſen fich erinnern, daß
das Gewicht von Gründen in Ruͤckſicht auf verſchiedene
Gemuͤther eben fo verſchleden, als die Meynungen ſelbſt
fenen, und daß alſo auch Beweisarten dem Sokrates
genug hun Fonnten, bie uns ganz unzulaͤnglich ſcheinen.
Ueberdem darf man nicht vergeflen, daß Sokrates außer
den Gründen, die wir ihm jezo mit Zuverſicht zueignen
koͤnnen, vielleicht noch andere hatte, die wir nicht wie
fen. Denn alles, wos uns von ber ‘Denfungsart und
den ehren des Sokrates bekannt ift, iſt doch Immer
nur Bruchſtuͤck, indem feine Sreunde gewiß nicht alles,
wos fie von ihm gehört, aufgefchrieben haben, und
wiederum von dem, was fie aufgezeichnet Hatten, det
dep weiten größere Thell verloren: gegangen iſt ”)- Auf
*) Vielleicht awegfes man daran, ob dis ganze Erbichtung
vom Sokrates herruͤhre, und ich will daher die Gruͤn⸗
de anführen, warum id ſowohl diefe Fietion, als die
übrigen Gedanken, die ih aus dem Plato genommen
Gabe, oder noch nehmen werde, für aicht Sokratiſch
halte. Es tft freylich viel leider zu fagen, was im
Plato nicht Sokratiſch fey, als was dem Sokrates zu
gehoͤre. Denn alle Saͤze und Schluͤſſe, die beten,
welche Zenophon anführr, nicht widersprechen Tinnen
vom Sokrates herruͤhren, Tonnen aber auch bloß Er
weiterangen und Ableitungen Sokratiſcher Gedanken
ſeyn, die Plato gemacht hat. Ich beobachte daher ſol ⸗
gende Regel, um zu unterſchelden, welche Lehren dem
Plato, und welche dem Sokrates zugeeignet werden
miiſſen. Wenn Plato den GSokrates ſolche Gedanken
| | von
\
e.
Geſchichte De& Sokrates und feiner PS 4ar
| Auf diefe Ueber eugungen von der goͤttlichen Vor⸗
ſechung, von der Untereliän der Seele und von 2
| I. e⸗
vortragen laͤßt, die auch Zenophon fuͤr Sokratiſch aus⸗
. gibt, oder die unmittelbar aus ihnen folgen, oder die
wohl gar den eigenthümlichen Meynungen des Plate
wideefarechen; wenn er fie ferner in der feinem. geb
rer eigenthuͤmlichen Sprache und Manier, ohne Ein⸗
miſchung von Spizfindigkeitean, weit hergehohlten
Gruͤnden und Lieblingsideen mitteilt; danıı glaube ich
herechtigt zu ſeyn, ſolche Gedanken für aͤchte Ookrati⸗
ſche — *5 Wenn hingegen Plato durch den
Mund des Sokrates ſolche Behauptungen und Unter
ſachungen vortraͤgt, die den Nachrichten des XRenophon
wißerfpeechen,, oder zu muͤhſam erſonnen, zu kuͤnſtlich
gebscht, mad zu dichteriich eingekleider find, dan, farın
man wieder mit. Zuverficht fagen, daß Plate den So⸗
krates an feine Stelle gefezt habe, anſtatt daß er fich in die.
Geſfinnungen feines Lehrers, bie er kannte, hätte ver⸗
fegen follen. Wenn man biefe benden Regein gelten
Ußt, fo kann man auch ſchwerlich Tängnen, daß bie
ſchöne Fiction im Gorgias, und der größte Theil der
. übrigen Naiſonnements in eben dieſem Geſpraͤche nom
Sofrates herruͤhren. Denn fle enthalten nichte, was:
ben Sedanfen des Sokrates heym ZTenophon entgegen» -
geſezt iſt, fondern ſtimmen vielmehr mit diefen überein,
oder ind dach ummittelbare Jolgen berfelben, bey denen
Plato feine eigne Träume ganz vergeſſen zu haben
(dein. Namentlich iſt der ues im. Gorgias bey
weitem nicht fo abentheuerlich,, als der im Phaͤdo, oder
ber Mepubtifs und if auch nicht Im einer fo pomphaf⸗
sen Sprache erzählt, als die beyden leztern. Wen folchen
pudors wan, al6 ich dem GSokrates juelane, war dieſer
Bieife gar kein Feind, mie feine Griälung von ber
Wahl des Herkules beym Zenophon und andere aͤhnli⸗
de Beyſpiele beweifen. Allein wenn man auch das
dichteriſche Serüfte ber Erzählung im Gorgias dem
late zueignen wollte: fo fhe id doch gar einen
Grund, warum man bie Gedanken, anf welden dieſes
errichtet iſt, dem Sokrates abfprehen wolle. ,
'
422 Siedented Buch. Zweytet Capitel. F
Belohnungen und Strafen ber Gerechten und Ungerech
ten in einer andern Welt , gründete Gofrates feine Tu
gendlehre. Er führte diefe großen Wahrheiten, als bie
Zeuginnen und Bürgerinnen feiner Hoffnungen, und der
Heiligkeis und ver Mothwendigkeit der Tugend an; und
aus ihnen nahm er Troſtgruͤnde für den leidenden Tus
gendhaften, und Warnungen ober Schreckniſſe für ben
fichern und verſtockten Böfemicht her, Wenn wir am
ders, fo rief Sokrates feinen Freunden und Bürgern
zu, bie Gnade Ber alles durchſchauenden und mr gute
Menfchen und Thaten Hebenden Gottheit verdienen, und
nicht bloß in tiefem vergänglichen, fondern In einem un.
pergänglichen Leben gluͤcklich fenn wollen, fo müffen wie
nothwendig Feufch, mäßig und gerecht umherwandeln,
und nach Tugend mehr, ala nad) Reichtum, nach
Ehre, Ruhm und andern Guͤtern trachten ), Wir
möflen Verbrechen und fafer mehr, als ben Top fliehen,
und gern alles, was wir Haben, felbft unfer Sehen aufe
opfern, um den Willen der Gottheit zu erfüllen; denn
Gehorſam geaen ihre Befehle iſt das einzige Gut, was
uns aus diefem Leben nachfolge, und Beſtreben, ihr zu
“gefallen, ſtets beffee und vollfommner zu werben, das
einzige Mitteh, ſich von allen Uebeln auf eine unermeß⸗
liche Ewigkeit los zu machen" Des Tugentbafte
oo. u . Q ein
ng
#) Plat. Apol, p. ia. Crito p. 19. de Rep, I, p. 74. Ed,
“ Maffey. |
“) Pla, in Phaed, P. 43 Es Her Ya & Savesros |
: TB ToprTYE mraicıyn, Eppesov av m Foss
NENOE, GEEIH-ECLTE TE BONLSTeS du BENAr
Auytes,; Kos Tas ayray naxıans Meros Tas \bu-
ns, vun de emeidn_ adavgras Daperas gace,
Wie &y Un auTy an wraduya zone de
Ä —
v
Geſchichte des Esofkarzs üb feiner Phil. 423
alleia Ponte, glaubte er, mic frohem Marke dem Tode
eargegen'gehen, weil er uͤberzeugt fen, - Daß er mit ſei⸗
nem Selbe nicht ganz ſterben, ſondern in gluͤcklichere Woh⸗
nungen verſezt werben werde *). Cr allein koͤnne, uns
ser den Berfolgungen boͤſer Menſchen, und unter allen
Widerwaͤrtigkeiten, welche die Vorſehung zur Priifung
und Stärkung feiner Tugend über ihn verhaͤnge, getroft
und unerſchuͤttert bleiben, weiter wiffe, daß keine menſch⸗
liche Bosheit ihm fchaden, und bag Die Gottheit denjeni⸗
gen nicht vernachlaͤſſigen werde, der ſich aus allen Kraͤf⸗
ten bemüht habe , ihr ähnlich zu werden *8). Der'ias
ftechafte Hingegen koͤnne ſich unter der Angſt, die ihn bey
heracnehendem Tode en 7), nicht einmal mit dee
trans
v
arme, ZAM TE: 0% Berrism TE no Ocou-
"ara yasıde udev 'Yyasg. ao eXsou eu
—XIIL Hluxn.sexerai, Am Ins Fadens Ta
wos TEoDns, © da may. Asyeray. MEyste oDe-
Ay 2 Birgren. rov TEÄEUTNCAYT dus: ww
BOX PNS BKEITE WOREIRS
N Lip ta. de.Rep.
ws) Plat. Yapol. Socrat, p. 12 & 16. de Republ, nb X
vol. II, p. 334. Ed. Mafley: "Ourws æge⸗ —2*
Armraov WERTE Unis aovdpas „ acr miev reyns
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KEVTOY HOSE, AS TETD TAUTE us —RXRX
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9 ſehr und allgemein die Zeltgenoſen Bes. Sokrates
Yon Fun ſich vor Strafen der Suͤnden in einer —
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I
EURN ROETTW., EIS 000v duvasToy wine
.
r
124 Sichentes Vuch. Zweres Eopitdl
waurigen. Hoffnung aufrichten, daß er gänzlich an Tode
werde vernichtet, und zwar auf einmal aller Freuden
beraubt, aber au) von allen Uebeln und deres Folgen
befreyt werben *), Denn er müfle nichriallein. winer
feinen. Willen alle Güter, um berennwillen er fo viele
Verbrechen ausgeübt, - verlaflen, . fondern feine kranke
verwundete Seele werbe auch von ihren taftern und deren
Strafen bis über das Grab hinaus verfolgt, und von
ihnen, wie von wuͤthenden Furien, fo lange gedeiniget
werben, bis fie für ihre Miſſethaten gebuͤßt habe, und
alle ihre Beuten und Narben, wie durch Beuer, auöges
brannt worden.
Nenn aber auch der Menſch, ſo fuhr Safraces
fort, nach dieſem Leben gat nichts zu fürchten oder zu
hoffen haͤtte; fo muͤſſe doch ein jeder, dem fein eigenes
Wohl am Herzen liege, fich der Tugend nady ſeinem
‚ganzen DBermögen befleißigen,, und hingegen das faftee
fliehen, weil Tugend unzertrennlich mit. Glauͤckſeeligkeie,
und laſter mir Elend verbunden fen. Sokrates knaͤpfte
uerſt das ſchoͤne Band zwifchen Tugend und Gluͤckſee⸗
-Hgfeit wieder, was die Sophiſten zerriffen harten, unb
er verfluchte diejenigen ald Derrächer des menfehlichen See
Fhieden, die Die pimmliihen Erfwefen gm,
or enelday TIE EYYyus y Tu 80 Iaı TIEUTROEN,
—— wur deos xt Dporris, ag ar
surgodgev un way, 05 TE ‘Yae Anyomevos
wc weoı ray ev ads, ar vov er9ade adınn-
warte ds exeı —RE din » RETAYEADUEVO
Teos, Tore dn seedgew aura m \yuym, pr
arndeıe was. &e,
. ®) Phaed. p. 42.
— nn > u 7
Deit fürdteten, fee man aus folgender Stele dep
‚Repusit I. p. 23. Ev Yale se9:, 9) Zongates, |
Oefbichte det Sekrates nd feiner BL. 4a5
die das dffentliche Veſte von der Wohlfart einzelner Per⸗
ſonen abgeſondert und gelehrt hätten, tag man für feine
Perſon gluͤcklich ſeyn könne, wenn man gleich andere
Menfchen vorfezlich unglädtich mache %), Er war bet
erfte, welcher bewies, daß Tugend wahre Klugheit oder
Weisheit, und Safter Thorheit oder Wahnſinn ſey; und.
der nicht nur durch feine fehre, ſondern auch durch fein
—— in bewog, erſt e N
genbhafte Männer zu werden, um nachher deſto glaͤck⸗
lichere Menfchen zu fen, \ |
Ä Die Tugend erflärte Sokrates a eine Fertigkeit,
bats Schöne und Oute nicht nur zu empfinden und zu exe
kennen, fondern aud) auszuüben **), oder als ein Be⸗
fireben,, ſich ſelbſt und andere fo viel, als moͤglich,
bervolllommnen, oder enblich als ein Bemühen, .
felbft und andere Menfchen, fo viel man könne, glaͤk⸗
ſich zumachen, und feinem, felbft nicht einmal Bein
Ben,‘ Schaden zu thun * Tugend Im dieſer Beben
fung theilte Goftates in AßigPeie und Berechrig:
keit ein, wovon er bie erfiere als bie Cchuggsteinn der
verföntichen Gluͤckſeeligkeit, bie andere als die Schoͤpfe⸗
eian ber Öffenglichen Bay N ouſahe T). Mur ders
bs fenige,
My Lieer. de of, I, 3, Dubitendum ser la
7 nunquont pofft willitge cum —— Kur 8*
Itaque accopimue Socratem exfecrari falitum |
gi primym, hase natyre enhaerentis, opiniong di.
eaxiflens, |
‚ ®°) 111,9. 171, 172, Mem. Soeg,
' M . Soer. 1, ı, . 72. IV, 8, IK, 70 .
n de her. * ar? 8: 267, Flat, Crit. p. iq
M) Amasooyvn x EYNET EI, Memor, IV, 4 $.
Plate ſagt Immer anmporum war dreogum
p- 324, in Gorg. 335, in Mcnone, Chen Mefer füpre
| | Be
fenige, der biefe beyden Tugenden befize und ausübe,
verdiene ben ehrwuͤrdigen Namen eines wadern recht
ſchaffenen Mannes , der im Sokratiſchen Sinn mie dem
mäßigen und gerechten Manne einerley war, und auf
diefe Art aud) häufig vom Benophon und Plato umfchries
ben wird *), 0 | :
. "Unter Maͤßlgkeit verſtand Sokrates nicht bis die
‚Sertigfeic oder Gewohnheit, im Genuffe von Speiſe
und Tran nicht zu viet zu thun, fondern eine Erhaben⸗
heit ober Herrſchafft über alle coͤrperliche tüfte, über alle
Leidenſchofften und Gewohnheiten, deren Befriedigung
ober Unterhaltung ben Leib und bie Seele des Menichen
verderben , oder ih wenigſtens hindern, ſeinen Ehren
uud Geif zu vervolffompunen , und alle Pflichten eines
guten Bürgers. und rechtfchaffnen Mannes zu erfüllen **).
Nicht alfo bloß Herrſchafft über Schwelgerey und Lecker⸗
haftigkelt, fondern auch Über unmäßigen Hang zur ſinn⸗
lichen Slebe, üben thoͤrichte unmäßige Prachritebe, Eis
telleic, Stolz, Weichlichkeit, GOeldgeiz, Auhwſg /
W ‚Its
u.
. dritten Hauptzweig der Tugend an, und erklärt fie als.
ein Beſtrehen oder Fertigkeit, alles das zu thun, was.
"man den Göttern ſchulbig ſey. Plas in Gorg, p. 329.
.A 997. in Menons. oo ü
2) Deyde druͤcken ihn am haͤufigſten durch usAos Te
" wayaSos aus. Xenoph. Oecon, c. 6. p. 309. 31a,
wro Sokrates fagt, daß dieſes ein wemvor ovoman
ſey. Plato nenne die Rechtſchaffener auch zoues
und. yore qus einer Uefache, die weiter unten aus
geführer tverden wird in Gorg, ©. 325.
©®) Xen. Memor, Soer. J.c. 5. p. 57 %&53. IV. p. 63. &
plat. iu Garg. p. 319, Zupgora VTroa, Ko Ey.
Ren RuTav KANTE, Tv Udanmy 80 erg Supian
EeXOvTE TOV EV ERUTO.
5 bleweilen die Helligkeit oder Frömmigkeit ats- einen
Geſchichte des Sokcates und feiner Vhil. Hy
Ehrbeglerde, endlich über Furcht vor "Dingen, "vor be
nen der weite Mann fich niche fürchten follte, named
Sokrates Maͤßigkeit. Die Beftonerpeite Biere Tugend
waren baher Mäßigfeit in der engern Dedentung; Ent
haltſamkeit, Genuͤgſamkeit, Beſcheidenheit, Abhaͤrtung
des Leibes und der Seele gegen folche Unbequemlichkeiten
der Witterung und anderer Zufaͤlle, wodurch die verzaͤr
teften Ehrper von Weichlingen zu wichtigen Geſchaͤfften
unbrauchbar werben, endlich Standhaftigkeit und eine
folche Schaͤzung von Reichthuͤmern, Ehrenſtellen und
Ruhm, wodurch ihnen kein hoͤherer Werth beygelegt
werde, als fie wirklich haben. Sokrates nahm did
Woͤrter Maßigkeit und Unmaßigkeit in eben der. Beden⸗
. tung, in welcher fie nachher von den Stoikern genoch
men wurden *), und er verlangte bon dem mäßigen,
Manne nicht weniger; als Zeng von dem leidenſchaffi⸗
(ofen Weißen forderte. O0.”
Sokrates hielt die Maͤßlgkeit mit: Rocht fir die
Grundlage oder Grundſaͤule aller Tugend, und glaubte,
daß alte diejenigen, die Diele erwerben wollten, ſich des
erſtern zuvor befleißigen möften ). Er empfahl die -
Maͤßigkelt, befonderg den mäßigen Genuß von Speife
und Trank, von tiebe und andern Bequemlichfeiten, u
beftrice hingegen tUnmäßigfeie, befonders Schlemmerey,
Bölleren; Siederlichfeit und Weichiichkeit mit ſo uͤberw⸗
| | . genden
.. 8) -@fehe Cie, HI, 8. IV. q. Tuſc. quaoſt. f
8) Man fehe meine Abhandlung über die Apathle bey Stei-·
-. ter im zweyten Theile meiner philoſ. Sqhriften,
.150 ur
$) Xen. Memor. Soer. Lip 5% Asa Ye a ven
mat arlen, - iyytaneron Ta AyngmTan
BETUS as MEN, TAUTUr KERTE Er TE
VuXa NATURE
MB Sicbentes Buß. Zweyes Copitel.
genden Gründen, daß ihr Gewicht mur allein
durch diejenigen, welche eine höhere Offenbarung her⸗
gibt, vermehrt werden kaun. Maͤßlgkeit, fagte Sofras
des, iſt die einzige wahre Quelle der lebhafteſten Vergnuͤ⸗
gungen, ſelbſt derjenigen, die der Unmaͤßige allein ſucht
und allein zu genießen glaubt. Nur der Maͤßige laͤßt
Bio Degierde nach Speife und Trank, nah Schlaf unb
Beyſchlaf fo ftarf werden, daß die Befriedigung derſel⸗
ben mic dem lebhafteften Vergnuͤgen verbunden iſt *),
Weil er nicht eher ißt und trinket, als bis ihn hungert
und durſtet; fo ift felbfk dee Hunger und Durſt die uns
ſchuldige Würze ber Nahrungsmittel , welche die Matur
ga ihrer Unterhaltung verlangt **). Und eben fo ift fein
"Sojlaf füßer, und Die Siebe fIbft gewäßet ihm größere
Beruben ‚ als dem Schwelger, weil er den erften durch
t verdient, und bie andern nur alddann genießt,
vwenn er durch bie laute Stimme ber Natur dazu aufs
gefordert wird, Er allein hat den großen Borzug, daß
ee unſchuldige Freuden nicht nur lebhafter empfindet, als
endere, ſondern daß er fie auch ſtets mis Dergnügen
wieder genießen kann, und bey ihrer Erinnerung nies
wald weber erröchen, noch ſich Borwürfe machen darf }).
Auch hat er nicht nothig, Bergnügungen mit ängftlicher
Muaͤhſeeligkeit oder großen Koſten zuſammen zu fuchen
und anfjıkenfen. Vielmehr hat die Natur ehr ihn ale
denthalben feine Tafel, und fein Lager bereitet, weil er
nicht felteng Leckereyen nötig hat, um feinen Qunger
and Durft zu ſtillen, und keine prächtige Teppiche, um
‚fkine ermübeten Glieber gu erquicen, Gap we; A
tagt
%) 1V.g.Mem. p. 248. U. 1. p. 80, I. 3 p.38.
00, Bb.
+) IV. 5. p. 248. Xenoph,
4
Geſchichte des Soktates und feiner Phil. 429
fraͤgt Sokrates den Antiphon ”), der feiner geſpottet
hatte, weil pr ſchlechter als ein Sclave lebe und einher⸗
gehe, tadelſt du meine Art zu leben, etwa deßwegen,
weil ich weniger nahrhafte und geſunde Speiſen zu mir
nehme als du? oder. nur deßwegen, weil die meinigen
nicht fo felten, fo. foftbar, und leckerhaft find, als bie
deinigen? Weiſt bus denn nicht, daß derjenige, des
mit dem größten Vergnuͤgen fpeift, aller Föftlichen und
reizenden Brüben und Leckerbiſſen am wenigften bebarf,
und daß derjenige, ber mit dem größten Vergnuͤgen
seine, am allerleichteften folcher Getraͤnke entbehre
die ſchwer zu haben find ? Du feheinft zu glauben,
die Gluͤckſeeligkeit nur allein in Pracht und großem Auf⸗
wande beruhe; id) hingegen bin überzeugt, daß Nichts⸗
bedürfen ein Vorzug der Gottheit, und am wenigſten
Beduͤrfen die groͤßte Gottaͤhnlichkeit fey *°). ur bey
einer folchen Denfungsart kann man das ebelfte Klei⸗
nod des Menſchen, uneingefchränfte Fryheit oder Uns
abhaͤngigkeit von peinigenden tüften und Begierden ber
baupten; unb der Mäßige allein wird nie durch gegen
waͤrtige Dergnägungen von guten Handlungen zurück
gehalten oder zu Maͤndlichen Hingerrieben). Sein Chr»
per ift niche durch Weichlichkeic fo verdorben, daß er
nicht, um feiner Sreunde oder feines Vaterlandes wil⸗
len, Hunger und Durft, Wachen und andere Beſchwer⸗
lichkeiten aushalten fönnte FF). Oder glauhft du, daß
berjenige, den du glücklich preifeft, zu alle dieſem faͤhige
fegn werde, als derjenige, der mir gluͤcklich ſcheint
Wer, meynſt du, wird leichter und fchnetler gr den
nd
7) ib.
N 1. 6. p. 97; Memor. Soce.
430 SGiebentes Buch. Zweytes Capitel.
Feind ausziehen, derſenige, der an ein prächtiges beben
gexwohnt iſt, oder der ſich mic allem, was er vorfindet,
begnuͤgt? wer · in Belagerungen geſchwinder zut Lies
hergabe gezwungen werben, berjenige, dem Die koſtbär⸗
“fen und felceften Sachen zu Nothwendigkeiten gewor⸗
den find, ober cin anderer,’ dein dad, was er allent⸗
KHalben antrifft, hinreichend IM? _
. Wenn aber auch der Maͤßige und Enthaltſame ſich
elnige Freuden verfagt, die der Schwelger und Wol⸗
luͤſtling fi) erlaubt, glaudft öubenn‘, daß er biefes ums»
| pri und ohne alle Belohnung thue *)? Er dient weber
en Pauche, hoch der Unzucht, und zwar aus Feiner an⸗
bern Urſache, als teil er größere und beflete Freuden
"dadurch erhäft, die ihn nicht nut fo lange gluͤcklich mas
chen, als fie dauren, fondern die ihm auch die etfteulb
che Hoffnung geben, daß fie ihm beftändig nugen wers
den. Du weilt doch, daß diejenlaen, denen nichts
gluͤckt, durch folche Beftändige Unfälle niebergefchlagen
werden, und Daß hingenen diejenigen, denen alles, was
| —— , nach Wanſche gehe, ſich für gluͤckliche
enſchen halten? Glaubſt Bu hun wohl, daß auch der
erwuͤnſchteſte Fortgang von Gefc;äfften und Handthie⸗
kungen fo viele Freude gewähre, ale das Bewuftſehn,
daß man täglich ſelbſt Geffer und vol!fommnek werde,
und auch feine Freunde oder andere vollfommmer und
gläticher mache? = Oper fcheint dir ) das nut ein
Bleiner ‘Preis für die Bergnäaungen zu ſeyn, die Moͤßl⸗
gt aufopfern, oder für die Beichwerden, die fie über:
‘nehmen, daß fie nicht allein mächig atı felß und Seele
0 wer⸗
u En ME 8 A .
9 ib. p. 56, 0, .
“) Sagt er zum Ariſtipp IL £. 8. 22. und Eurhpdemus
I, 5.9.2458. 49. nt
22
Geſchihte des Sofrates und feiner Phil. An
werben, unb dem einen Staͤrke und Geſundhzrit, und
‚der andern einen. Schaz von Tugenden und nözlichen
Kenneniffen verfchaffen, fondern daß fie auch redliche
seunde erhalten und ihnen dienen ,. daß fie ihre Feinde
berwaͤltigen, ihre Haͤuſer und Familen weifer regieren,
und ihre Vaterſtaͤdte begluͤcken kͤnnen? Kömmt es
bir denn fo ſchwer zu begreifen vor, daß qlles biefes, was
ber Maͤßige durch feine Aufopferungen und Arbeiten ges
winnt, nicht bloß die größten Bortheile, fondern auch
die großten Freuden bringe, deren ber Unmäßige und
Weichling enchehren muß? Wenn du endlich zu der an⸗
geführten eigenthuͤmlichen Belohnungen der Maͤßigkeit
noch diefe hinzudenkſt, daß der Mäßige und Tugendhaf⸗
Je allein, oder doch unendlich beauchbarer in allen Kan⸗
ften und Geſchaͤfften des Krieges und Friedens fey, daß
ihm allein liebe und Zutrauen,; Ehre und ewiger Nach⸗
ruhm Im Seben, vote im Tobe nachfolgen; kannſt du
denn noch zwenfeln, baß der Mäßige und Tugendhafte
glücklicher, als der Unmaͤßige und tafterhafte fen, und
daß der erfiere weifer handle, wenn er fich gewiſſe Betr .
gnuͤgungen werfagt, als diefer, wenn er fie fi) ohne Bes - |
Denfen erlaubt? Sind es aber nicht die Mäßlgen und
Tugendhaften allein, die in ihrer Jugend von den Alten
gelobt, nd in ihrem Alter den den Juͤngern vereher
werden? Sind fie es nicht allein, die fich ſowohl ihrer
ergangenen als ihrer gegenwaͤrtigen Thaten freuen, bie
den Goͤttern wohlgefällig, ihren Sreunden werch, und
ihrem Vatetlande theuer und ehrwuͤrdig find, die ende.
Sich, wenn ihre fezte Stunde herannaht, nicht in eine
eroige Vergeffenheic verfenft werden, fondernin den bob⸗
‚gefängen der fräteften Machwelt fortgruͤnen?
- Sage mie einmal, mein lieber Ariſtipp, fo redete
Sokrates diefen ihm fehr ungleichen Schüler an”), wenn
SAL
En
473 Giebented Buch. Zweytes Capitel.
du von zween Knaben , den einen ju einem brauchbaren
Geſchaͤfftsmann, und den andern hingegen auf eine ſolche
Art erziehen ſollteſt, daß er am wenigſten geneigt und
geſchickt würde, andere Menſchen zu regieren, wie woll⸗
set du dieſes anfangen? Laßt uns erſt unterfuchen,
weil Nahrung doch der Grund des kebens und der Er⸗
slehung ift, wie du es in Ruͤckſicht auf diefe mic dem
einen und dem andern der bis anvertrauten jungen leute
halten wollteft ? Welchen von beyden würbeft du dazu
gewöhnen , lieber erft ein dringendes Geſchaͤfft zu vers
richten, als feinen Bauch zu befrienigen ? — Ohne
fel, antwortete Aciftipp, denjenigen, ber zu öffentlichen
Würden beftimme wäre, damit nicht Schweigerey ihn
die Angelegenheiten des Staats vernachläffigen mache.
a — Wenn alſo auch bende trinken wollten, fo wärbefl
du eben biefen daran gewöhnen, eine Zeitiang feinen Durſt
aufzuhalten? — Allerdings, fagte Ariſtipp. — Welchen
von beyden ferner wollteſt du fo ziehen, dag er Meiſter
feines Schlafs würde, daß er fich ſpaͤt niederlegen, früß
auffichen, oder gar Mächte durch wachen koͤnnte7 MNiet
auch ebendenfelben? Welchen von benden wollteſt du
zur Keuſchheit, Enthaltſamkeit, zur Arbeitfamteit u
wrilligen Uebernehmung "von Befchwerden und zur €
werbung nüzlicher Kenntniffe anhalten, damit er J
durch Uederlichkeit, noch durch Weichlichfeit, noch durch
Unwiſſenheit gehindert würde, feinem Vaterlande zu
Denen, und Herr feiner Feinde gu werden? — Eben
‚ Defen, erwiedert Ariftipp. — Wenn alfo jemand auf Dies
fe Art gegogen würde, der ſcheint dir der Gefahr von
iberfachern gefangen zu werden, weniger ausgeſezt zu
ſeyn, als die übrigen Thiere; denn du weiſt doch, daß
inter den Thieren einige Durch Lockſpelſen, andere durch
Soctränfe, mod) andere Durch einen Reiz zum Genuß
licher tiebe, entweder in Eifen ; oder Gruben, oder
gegogen werden? Du Hältft es alſo auch für
| ſchaͤm⸗
/
Geſchichte dei Sokrates imß flner PH. '433
Khänpfich , wenn Menſchen, gleich. den unbernänftigffen
Thieren, zelockt und ertappt werden? Wie, wenn Ehe
. brecher ſich in fremdes Gehege wagen, da fie doch wife
fan, daß es ihnen bevorſtehe, ettadpt ud nach den Ges
⸗
fegen geſtraft zu werden? Mennſt du es auch nicht
fehimpfliche Machlaͤſſigkeit, wenn Menſchen ihren Coͤr⸗
per gar nicht darinn üben, oder daran gewoͤhnen, Hije
und Kaͤlte, und andere Veraͤnderungen und Unbequem⸗
lichkeiten der Witterung zu ertragen ,. "da doch die mei
Dr und wichtigſten Arbeiten , "die des Ackerbaues "zum
enfpiel, des Kriegs, und wiele andere nut in freyer tuft
berrichtet werden? — Ariſtipp beantwortete diefe, wie
die vorhergehenden Fragen, mic Ja. — Wir wollen
alfo, fügte Sofrates ; diejenigen, die ſich von alle dem
angeführten enthälten, oder es aushalten koͤnnen, In vie
Elafje bauchbarer, und diejenigen, die es nicht können,
in die Claſſe unbrauchbarer Menſchen fezen, bie andere
it tegleren und ihnen zu nuͤzen unfähig find? Ariftipp
inufte auch dieſes mic einem Ja befräftigen, und zulezt
das demuͤthigende Beſtaͤndniß ablegen, daß er ſelbſt und
alle diejenigen, die nach ſeiner Art und nach ſeinen Grund⸗
ſaͤzen lebten, zur lezten Claſſe gehoͤrten.
Mit eben ſo lebhaften Farben und ftarfen Gruͤnben,
als womit Sokrates die Moaͤßigkeit ſchilderte und em⸗
pfahl, mahlte und warnete er vor allen Arten von Um
mäßigfeir. Er ſtritt wider fie, wie gegen die gefoͤhrlich⸗
ſten Seinde, und fagte, daß man wider bie Räuberinn
der menſchiichen Freyheit ernfllicher als gegen folche
Begner kaͤmpfen müfle, weiche bie Waffen in ber Hand
uns zu ©claven machen wollten; indem jene olle Diejes
nigen, vie fig überwände,, Ind Verderben flürze; dieſe
ingegen ſchon manche wider ihren Willen zu einem
Geffern Leben und auf beſſere Gedanken gebracht hät
Zwepter. Band.
|
%
3 J
434 Siebhentes Buch. Zweyles Capitel.
cen *). Ge riß dieſer Sirene alle bie falſche Schminke
und —* — Relze ab, wodurch fie unvorſichtige
oder betropene Sterbliche in ihre Meze lockt, ober darin
feſthaͤtt, und geigte, daß dieſe Moͤrderinn menſchlicher
WGluͤckſeeligkeit — **— tt ‚bie ihr dienten, nicht nur abe
halte, an ihrer eigenen Vollkommenheit und ber Wohl⸗
fart anberer zu Arbeiten ‚- ſondern baß fie auch ihren Leib
und Geele verderbe, daß fie ihre Verehrer in die härtes
ſte und fehimpflichfte Knechtſchafft ſtuͤrze, und aller eis
genthämlichen Vorzuͤge der Menſchheit beraube, daß fe
endlich Ipten efenden Sclaven nicht einmal bie Freuden
und Güter gewährt, die fie ihnen verfpreche, ſondern
. bielmehr die fangreierigften Dienfte mit ſchaͤndlichen Seu⸗
chen; mic Unehre umd Berachtung Im eben uub mit
Vvergeſſenhelt oder Fluch im Tode fon |
Wenn wir in einem gefährlichen Kriege, fo tebete
Sokrates einft zu feinen Sreunden *°), einen Mann
wählen wollten, der uns am beiten vertheibigen, und bie
Feinde am wmächtigften nieberichlogen tönntes würden
wir dazu wohl jämanden wählen, von dem wir wöfen
wo j | | a
. 04
) Xenopb, Oceonom. l. p. ay7. Als de, v Kon
volösre, meos TRura 8%, Jeser dauaxeedes
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Yuxas za Tas oınss, Emors Anysan, sw
GEXWEN Uran.
9) 1. 8, 5. p. 51, Memor, Soer,
verunſtaltet, und den niedrigften Lüften mehr, als fels
nen Freunden diente? Wenn Freyheit anders bariımp
Geſchichte deB Sokrated und feiner PER. 435°
daß er dem Bauche, der llederlichteie und Schwelgerey
ergeben, ober in Weichlichkeit und Traͤgheit verfunfen
fen? Oder wenn wir am Ende unſers lebens entiveber
anfere Söhne und Loͤchter zur Erziehung, oder unfer
Vermögen gu einer gewifienhaften Berwaltung jeman⸗
den anvertrauen wollcens wuͤrden wir auch dazu einen
unfeufchen oder unmäßigen Mann nehmen? Würden
wir wohl einen unmäßigen Sclaven zum Auffeher über
unfere Heerden, über unfere Vorrathekammern und
Häufer, ober Über andere Arbeiter fezen, oder auch nur
umfonft zu unfeem Verwalter und Stellvertreter nehe _
men? Und wenn wie alfo nicht einmal einen unmäßls
gen Selaven in ımferm Haufe dulden möchten, wie viel
mehrt müffen wie uns feleft hüten, in ein Lafter zu fale
len, das felbft an den verächtlichften Menſchen veraba
ſcheuungswuͤrdig it? Wer von uns möchte mit einem
Menſchen umgeben, ber on Leckereyen ober koſtbaren
einen mebe Wohlgefallen fände, als an feinen Sreung
den, oder ber liederlicdye Weiböperfonen mehr liebte, al
feine vertraureften Bekannte, ober ber endlich duch bie
ſchaͤndlichſten Husfchweifungen feinen Leib und Gede -
beſteht, dad, was uns am beften ift, zu wählen und
zu thun, wie kann man denn diejenigen frey nennen, '
die fölchen Herren dienen, wodurch fie das Beſte zu chum
und zu wählen gehindert werden *)? Sind die Unmäs
Gigen nicht vielmehr die elendeften Sclaven, die in ihoe
zen Luͤſten den bärteften und bösartigiten Herren dienen,
als wodurch fie nich Bloß von allem Guten, von dee
Erwerbung nüzlicher Kenntniſſe und großer Tugenden
zurüdgebalten, fondern auch in die werberblichften und
Ee a ſchmach⸗
ib. & V. 3. Me. & Oecon. I, 9. 875.77.
436° Giebented Buch. Zweytes Capitel.
ſchmachvollſten Thaten und Unternefmungen geflürze,
und nachher, wenn fie ihre Geſundheit und Ehre, ihr
Vermoͤgen und ebelften Kräfte verzehrt haben, In einem
huͤlfl oſen Alter verrärherifch verlaſſen werden? Wodurch
unterſcheiden ſich ſolche Menſchen von den unvernuͤnfti⸗
gen Thieren, da fie, eben wie dieſe, nicht auf das, was
am beſten iſt, ſehen, fondern immer nur dem gegen»
märtigen Bergnügen folgen *)? Aus feinem andern
Grunde fang Homer, daß Eirce die Begleiter des
Ulyſſes in Schweine verwandelt habe, als well biefe
durch Voͤllerey und Gefräßigfeit den verworfenften Thies
ren gleich geworden waren, und auch nur bewegen
fen Ulyß gegen den mächtigen Stab der Zauberinn uns
erfchütterlich feft geblieben, weil er allein fich nicht zu
tbierifchen Luͤſten erniedrigt habe. Dem Schweiger und
Wohlluͤſtlinge gefchehe nicht einmal, wie andern Laſter⸗
haften , die zwar ihrem Mebenmenfchen fchabeten, aber
doc) ihre eignen Vortheile zu befdrdern fchienen. Viel⸗
mehr ſchade der Unmägige fich ſelbſt unendlich mehr, als
andern, indem er außer feinem und feiner Famllie Gluͤck,
noch feinen Leib und Seele zu Srunderichte**), Schon
‚in feinee Jugend trage er einen fraftlofen durch Weiche
lichkeit und zerftörende Säfte erfchöpften Cörper mit fich
herum, und koͤnne alfo nicht einmal auf der Stuffe des
lebens, auf welcher der Menfch am meiften blühen und
feines tebens genießen follte, wahre und lebhafte Freu⸗
den empfinden 7). Weil er fich ſtets mic allem über» -
fülle, ehe das geringfte Verlangen oder Beduͤrfniß da
fey, weil er die Forderungen der Natur nicht abwarte,
fondern ihnen zuvorkomme, und Feine Begierden unru⸗
' | big
®) IV, 5, Memor. p. 249.
“#).], c, 5. Memor. Socr, p. 52.
4) Memor, Soer, I, ı. p. 78. 79.
Geſchichte des Sofrateß und feiner. Phil, 437
hig oder dringend: werben laffe, fo fonne er mit. feinen
efien gefärtigcen Sinnen feine Art von Vergnügungen .
in ihrer ganzen Scärfe empfinden. Weil er'effe, ehe
ihn hungere, trinke, ehe ihn durfie, schlafe, ehe er
müde fey ; fo müfle er zu den verderblichen Künften.von
Köchen, zu feltenen und erhizenden Weinen, zu weichen
auflöfenden Polflern feine Zuflucht nehmen, um feine
srägen Begierden und den ihn fliehenden Schlaf zu reizen,
oder herbeyzulocken. MWenn er endlich aus einer ruch⸗
lofen Jugend, In welcher er alle Bergnügungen nicht ger
noſſen, fondern gemißbraucht, nicht geſchmeckt, fondern
ohne fie zu koſten, gleich einem gefräßigen Ungeheuer
Binabgefchlungen habe, in ein fieches befchleunigtes Alter
übergehe; fo werde er von allen Freuden des Lebens auf
einmal verlaflen, und von allen Uebeln des gegenwärtis
gen und ber vergangenen Alter niedergevrädt, Ihn
peinige alsdann die Erinnerung feines vorigen febend,
und die Neue Über begangene Thaten gleid) einer rächen»
den Gottheit; und das fürchterliche Gefühl einer gänzlichen
Untuͤchtigkeit ftehe ihm wie ein unerbicclicher, Feind uns
aufhörlicy zur Seite, Wenn er zulege unter allen die,
fen Quaalen erliege; fo finfe er von Göttern und Men»
fehen gehaßt, und ohne die lieblichfte Muſik, die ein .
menfchliches Ohr nur rühren koͤnne, verdientes Lob, je»
mals gehört zu haben, In ein ruhmlofes Grab, und in
bie haudervolle Nacht einer ewigen Vergeſſenheit hin⸗
ab *).
Einen mit Tugend fo feſt gerüfteten, und mit fo
richtigen Begriffen, und jo durchdringendem Scharflinn
bewaffneten Dann, ale Sokrates war, fonnten die An⸗
fälle eines Ariftipp und Kallikles nicht beunruhigen,
oder wankend machen. Im Grunde, fagte ber er»
\
Ce 3 ſte⸗
| SU1P78.79
ee...
433 Gibentes Buch, Sivepted Capitdl,
. fire ), iſt es einerley, ob ich aus Zwang oder freyer
Wahl Hunger und Durſt, Froſt und Hize, Schlaflo⸗
ſigkeit und andere Beſchwerden leide. Wenigſtens ſehe
ich nicht ein, was meine Haut dabey gewinnen wuͤrde,
wenn ſie mit meinem guten Willen zerriſſen, ader mein
Leib, wenn er mit meinem guten Willen durch alle Ar⸗
ten von Schmergen verwuͤſtet wuͤrde. Es ſcheint mie
daher Wahnſinn zu ſeyn, Schmerzen und Uebel auch
freywillig zu wählen. |
Du kannſt eifo , erwiederte Sokrates, unter freye
wellligen und aufgeswängten Lieben und Beſchwerden
einen Unterſchied finden? — Siehſt du denn nicht,
daß diejenigen , die fich freywillig von Speiſe und Trank
. enthalten, effen und teinfen, wenn fie wollen, und
daß hiefenigen,, die diefes gezwungen thun, ihren Hun⸗
ger und Durſt nicht nach Belieben ſtillen fönnen? Be⸗
merkſt du denn nicht auch, daß diejenigen, die fich
Derguügungen verfagen, oder Unannehmlichkeiten ges
fallen laſſen, dieſes in der aufrichtenden Hoffnung thun
Bafür belohnt zu werben , fo wie Jaͤger in der Hoffnung,
etwas zu treffen oder zu fangen, gernealle Beſchwerlich⸗
keiten der Jagd Übernehmen? — Und hier zählte als⸗
Bann Gofrates alle die eigenthümlichen Freuden und
Guͤter auf, womit dem Tugenphaften feine Aufopferum ⸗
gen und feiben vergolten werben,
Doch Fühner und: unverfehämter drang Kalllkſes
auf den Sokrates und bie Mäßigfeit ein. Die wahre
Kunft zu leben und glücklich zu ſeyn, fagte Diefer Sophi⸗
fienfreund, beſteht darinn, feine Beduͤrfniſſe und Ber
gierden fo viel als möglich zu vervielfältigen und zu
entzünden ; und es gibt Feine andere wahre Vollkommen⸗
heit und Tugend, als das Vermoͤgen eben dieſer er |
| | u
J
©) IL 2. p. 70. Memos. Boer,
.
Da
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 439 .
niſſe und Beglerden mic dem größten Vergnügen befrie⸗
digen zu Fonnen. Thorheit hingegen ift es, feine Ber
duͤrfniſſe einfchränfen, und feine Begierden bändigen
und beherrfchen zu wollen. Menſchen, die nur wenige
Beduͤrfniſſen und ſchwache Begierden haben, find, wenn
man fie auch. nicht. elenb nennen will, doch wenigftens
gefuͤlloſen Steinen gleich, die weder Vergnuͤgen noch
Schmerzen empfinden und ſich ihres Sehens nicht erfreus
en können, Zum glüdlichen Leben gehört .norhivendig ,
daß durch ven feib einge Menfchen ;. wie durch ein Sieb
ober Gefäß, vieles eig pnd auch wieder ausfliefe. j
In der That, antwortete Sokrates , ſchilderſt bu
mie den Zuftand deiner glüdlichen Menfchen, wie ben
Zuſtand von Näubern, die unaufhoͤrlich plünhern **),
ohne je genug zu Gaben, aber nody mehr, wie die Dis .
ger den Zuftand der Verdammten mahlen. Denn fo
wie dieſe Waſſer in durchlöcherten Gefäßen tragen; (6
hättet der Glückliche, deiner Meynung nach, unaufhoͤre
che Vergnuͤgungen in feine lechzenden Begierben hinein,
ohne ihren Durfd je loͤſhen zu foͤnnen. Selbſt aus bier
fer Verglelchung muͤſte 6 bir, lieber Kallikles, einleuch⸗
teil, daß derjenige, den du glücklich preifeft, niche anders
‚ol$ der elendeſte unten den Sterblichen ſeyn kann. Denn
er mag auch in der Befriedigung: feiner unerfärtlichen
Begierde fo wiel Bergnügungen finden, als er immer
wili, fo werben. fie boch nie ausgefüllt werben, ober es
wachen ouch.fbetö neue eben fo quälende wieder auf, und
es bleiben daher ſtets mitten untes und gleich nach dem
Senuſſe peinigenbe Verlangen übrig, die niche geſtillt
End, und oft uiche geftifit werben Eonnen, . Wenn dich
aher auch biefe Betrachtung noch wicht uͤberieugetz follte,
daß daa teben tes Moͤßigen dem Lben des Uumäßigen
* 21 64 * 221 vor·
*
9 ©. 2806.
-
440 „ Gichented. Buch. Zweytes Capitel.
"vorzuziehen ſey; fo wird es vielleicht folgendes Biid hun,
Denke die einmal zween Menſchen, die beyde viele Faͤſ⸗
ſer, der eine geſunde und volle, der andere verdorbene
und durchloͤcherte haͤtte. Nimm ferner an, daß es bey⸗
den gleich ſchwer wuͤrde, ihre Faͤſſer, ſie moͤgen nun
Wein, oder Milch, oder andere Feuchtigkeiten enthalten,
an : oder nachzufuͤllen, und vergleiche dann den Zuſtand
derjenigen, ber volle und gefunde Fäffer Hat, mit dem
keben eines Mäßigen , und den Zuftand bes andern, der
durchloͤcherte anfüllen muß, mic. nem teben des Unmäs
ßigen. Meinem Urrheile nad) ift der Schluß leicht zus
tehen , daß derjenige, der fich um die Anfüklung feiner
äffer nicht zu befümmern braucht, ohne Vergleichung
glürflicher fen, als der andere, der das, was er nach⸗
füllen muß, mit der größten Muͤhe aufzufuchen, und
dann doch nur in durchfliegende Gefäße zu fchätten ges
fwoungen ift, die den Augenblick nachher eben fo leer find,
äls fie vorher waren. Wenn man, wiedu, Vergnuͤ⸗
gungen allein nach ihrer tebhaftigkeit, und nicht nach ih⸗
gem Inneren Werthe, oder nad) ihren Urſachen und
Wirkungen ſchaͤzt, und dann Diejenigen für bie reizend⸗
en erflärt, die durch die Befriedigung ber dringendſten
tduͤrfnifſe hervorgebracht werben, fo muß man räubls
ge und ansfäzige Menfchen für die gluͤcklichſten halten,
weil dieſe ein beftändiges Jucken empfinden, und’ diefes
Iucken durch beitändiges Reiben und Kragen ftillen fürs
nen. So wenig du diejes zugeben wirft, eben fo wenig -
witft du läugnen, daß beine “Denfungsart und Rath⸗
fihläge der ‘Denfungsart und den Dorfcheiften der Aerz⸗
te völlig enfgegengefezt find. Die legtern erlauben zwar
sefuuben und ftarfen Perfonen zu eflen, was fie wollen;
allein Kranken unterfügen fie gerabe diejenigen Spelfen,
Öhrt ſtrengſten, nach welchen fie ſich am meiften fehrien,
u Homit fie fih alfo am leichteſien überfüllen, und ihren
7 Du J
Seſchthte dez Gofrateb u fir. PR. 44a
Das hingegen gibft den Unmaͤßigen den Rath, nicht nue
alle ihre Begierden zu befrienigen, fondern fie ouch im»
mer noch mehr zu echigen, und machſt alfo die Franfen
Seelen immer fränfer , onftart daß du fie durch firens
ges Faſten und Enthalt ſamkeit allmälich- zu ihrer vorigen
Geſundheit zuruͤckbringen follreft.
Sokrates zeigte aber nicht nur mit ‘den einleuch⸗
tendſten Gründen die großen Vortheile, die mit Maͤßig⸗
keit, und den unerſezlichen Schaden, der mit einer jeden
Ars von Unmaͤßigkeit verbunden ſey, ſondern er theilte
ſeinen Freunden auch vortreff liche, auf Erfahrung und
Vernunft gegruͤndete Regeln mit, nach welcher ſie ſich
der einen befleißigen, und von der andern entwoͤhnen,
oder ſich vor ihr in Acht nehmen koͤnnten. Er rieth
alſo denen, die Durch Gewohnheit oder Anlageihres Coͤr⸗
pers vorzüglich der Gefahr ausgeſezt waren, fich im
en und Trinken zu übernehmen, fich vor allen Gerich⸗
sen und Getraͤnken zu hüten, die fie durch ihre verführ
zerifche tieblichkeiten verleiten könnten, noch zu eflen,
"wenn fie nicht mehr Qungere, ober zu teinfen, wenn ſie
nicht inehr durſte, und alſo durch Ueberladung ihrer Ge⸗
ſundheit zu fehaden *). Andern, die aus Sorgloſigkeit
oder Weichlichkeit die Geſundheit und Stärfe ihres Lei⸗
bes vernachläffigten, ftellte er vor, wie Weichlichkeit
und Mangel von Uebung und Abhärtung den Coͤrper
fchwäche und unbrauchbar mache, wie geſchwaͤchte Ebr- .
per viele Menfchen in Schande und Sclaverey ober In
Merdrießlichfeit und Niedergeſchlagenheit, ja felbft im
Wahnſinn und Tod geftärzt, und hingegen Gefundheit
und Stärke des teibes unzählige Menfchen ans den größs
ten Gefahren gerettet, zur DBerrichtung und Ertragung
ber größten Arbeiten und eſchwerden faͤhig gemacht,
u eg. und
—
Re“
©) 1, 3. Mem, Som, p.39.
—
ar Slcbentes Buch. Zweytes Capitel.
| . end eben bewegen mit Chre und Ruhm geerönt Gabe; |
Cr rieth einem jeden, erfahrne Arzte über die ebensart,
die er zu führen habe, um Rath zu fragen, und vor
allen Dingen felbft darauf Achtung zu geben, welche
Gpeife und Tranß, welche. Ruhe oder Uebum und Ar:
beit ihm heilfam oder ſchaͤdlich ſey. Wenn mau diefes
eine Zeitlang mit Sorgfalt und Genauigkelt gethan habe ı
fo werde man fhwerlich einen Arzt’ ſinden, der einen
Aber bie Erpaltung der Geſundheit fo gute Rachſchlaͤge
geben könne, als man durch eigene Erfahrung und Das
ohachtung zu finden Im Stande ſey *),
Denen , die einen fo großen Hang zur ſinnlichen
j Gebe, oder ein zu weiches verwundbares Gerz hatten,
rieth Sofrates zuerſt, durch anhaltende Lebung ſich fo
zu gewöhnen, daß Ihre Phantaſie keine frühere Jorde⸗
zungen mache, al& ihr Coͤrper, und daß fie febit als⸗
dann, wenn der Görper des Vergnuͤgens ber tiche bes
dürfe, durch dieſes Beduͤrfniß nicht beunruhigt wuͤr⸗
wen"), Er warnete ferner ſolche Menſchen, mit ihren
Augen nicht auf ſchoͤnen Perſonen zu verweilen, noch viel
weniger, ihnen quch nur unſchuldige Hebfofungen zu ma⸗
cheo. Die liebe zwinge und unterjoche zwar nicht ade.
Mendſchen wider ihren Willen, vie das Feuer brenne,
und man verllebe ſich auch nicht fo nothwendig, wie man
in einer großen Hize oder Kaͤlte warm. ober halt, ober
wenn mar fange uiche gegeffen und getrunken habe,
grig und durſtig werde; allein bie Siebe: fen doch immer
‚ein gehebnes fhlelshendee Gift, was ſchon manche tu⸗
endhafte und Fluge Männer, bie nicht genug auf Irer
dus geweſen, angeſteckt Gabe, unk meuon man nach⸗
——
eng TEEN
_ ®) Memor. Soer. H. 1, HE 12 IV. 8. p. 269.
8) 1,3, Mem. Soet. V. I. & VL. Cyeopeed, ©
Geſchichte des Sokraies und feiner Phil. 443
1
wenn man einmal davon ergriffen worden „fſich
. wieder frey machen foͤnne, wenn man wolle. Wenn
man bedenke, wie viele Menſchen bie liebe zur verderbli⸗
chen Verſchwendung, zu den ſchaͤndlichſten Taten, des
ren nur Raſende fähig zn fegu ſchienen, zur fchimpflich,
fin Bernachläffigung Ihrer Angelegenheiten getrieben⸗
und wie viele jie auf einmal in eine ſolche Sclaverey gw -
ſtuͤrzt Habe, daß fie ich auch alsdann nicht, wenn fie eb
fchon gewollt , won ihren Feſſeln hätten Gefreyen können,
fo könne man ſich vor den erften Anfängen diefer gefährtis
chen teidenfchofft nicht genug in Acht nehmen. Cine
ſchoͤnen Perfon zu Hebfofen, oder Ihr einen Kuß zu geben,
> fcheine ihm eine viel größere Tollkuͤhnheit, ald wenn jes
wiand über Degenfpljen weg oder ins. Feuer hinein ſprin⸗
ge. Eine einzige Kebfofung verwunde vlel tiefer und ges
fäßrlicher, ala des Biß einee Seorplon, der nicht nur
die unerträglichftien Schmerzen verurfache, ſondern auch
des Derfiandes beraube. ine fehöne Perſon fey alfe
ein noch viel fruchtbareres Angeheuer, als Schlangen
und Bipeen, indem diefe doch. nur diejenigen verwunde⸗
ten, die fie berührtens jene hingegen auch diejenigen
krank und wahnfinnig mache, welche ſie nur aublickten,
und wahrſcheinlich habe man die Uebesgoͤtter deßwegen
als Bogenfchügen geſchildert, weil ſchoͤne Perſonen auch
in der Ferne verwundeten.
Den Eiteln und Stolzen, bie ſich eutweder ſelbſt
mehr Vorzuͤge zutrauten, als fie wirklich hatten, ober
doch andere von ſich glauben machen wollten, führte So⸗
Erates gu Gemuͤthe, wie eine große Thorheis es fen, ſich
um ben Beyfall von Menſchen zu befümmern, bieman
olle einzeln verachte, und hingegen ben Vetzfall weißer
Männer, vorzäglich deßjenigen Wefens zu vernachläffis
gen, das allein den wahren Werth von Menfchen und
Handlungen erfermen, und deſſen Beyfall man allein
darch Weisheit und Tugend verdienen könne, Er iu
. . ⸗
. rvr⸗
4244Siebentes Buch. Zweytes Capitel
merkte, daß fein ſicherer Weg zum Ruhme ſey, als gut
und brauchbar zu ſeyn, und niemals etwas au fcheinen,
was man nicht wirklich fen *), Michts fen gefährlicher,
als deu Schein von Borzügen anzunehmen , die man
nicht wirflich beſize, man möge andere bintergeben, oder.
nicht hintergehen. Im lesen Falle werde man fogleih
al6 ein eitler Thor befunden, im andern Falle würden
bemjenigen, ber falfche Anfprüche made, bald ſolche
Arbeiten ober Verrichtungen und Dienfte augemuchet
und aufgetragen, bie ihn gleich bey der erften Probe nos
thigren, ſich in feiner ganzen Bloͤße darzuſtellen.
Den eigen. und Tollfühnen gab Gofrates den
Rath, fich richtige Begriffe von dem Werthe und Un
werthe der Dinge zu erwerben , weil aladann die erſtern
- aufhören würden, eine fchimpfliche Furcht vor Dingen
zu haben, vor denen fie fich nicht fürchten follten, und
bie andern eine nicht minder ſchaͤndliche Rüpnpett zu Thas
ten ablegen würden, vor denen fie fich billig fürchten
ſollten **), Wahre Tapferkelt oder Standhaftigfeit bes
ſtehe in einer richtigen Kenntniß ober Wiffenfchaffe, und
Feigheit ſowohl als Tollkuͤhnheit in einer Unwiffeneie
furchtbater und nihtfurchtbarer Dinge 7). Der wahre
haf⸗
*
.
/ x R ‘
-@) Memor, Soc. L 7.2.60. As Yap-sAeyer, a5 um
en 0dos ex eudokw, N du a6 av Ts ayados Te
evorro, neu am done Baoıre.
. 08) IV, 6. Xenopb, P- 25456. Plat. in Protag, gas. 908.
“ In Gorg, 325.
7) Plat. p. 302. in Protsg, Oyxsy cAws du —RX
un auxgss Dass Poßzrui, irar Poßayren,
8 N LITE Jagey Sapesoıv; — à darcı xœ⸗
4 ασ KO 04 [lVoneva TayayTıay, wuc-
xess ya Poßss Poßarrau, z0u.qurxga Iapey
| xp-
Fr
|
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 445
| haftig ſtandhafte Mann fürchte ſich hie vor Dingen,
Ä weiche zu fürdjten ſchaͤndlich fen, und habe nie Murh
zu folchen, welche nicht zu fürchten Schande bringe.
Selbſt der Feigeſte fürchte fich nicht vor Dingen, die
ihm nicht furchtbar ſchienen, und der Tollkuͤhnſte hinge⸗
gen bebe bor ſolchen zuruͤck, die er ſelbſt für furchtbar
Balte *). Wenn alfo. jener fid) Überzeuge, daß bie Zur '
gend ſtets nüzlich und heilſam, und diefer, daß alle far
er und fafterhafte tüfte ſchaͤdlich und verderblich ſeyen;
o werde der eine fich nicht mehr. vor guten und edlen
Handlungen fürchten, wenn ſie auch die Aufopferung
von Gütern und Leben verlangen ſollten, und dieſer wer⸗
de feinen Diuch zu böfen Thaten mehr haben, mein &
auch durch die dem Scheine nach reigendften Belohnum
gen und Vergnuͤgungen dazu gelockt würde **) Link
richtige Schaͤzung der. Dinge allein fehre, daß Gefäne
niß und Bande, Verweiſung und be nur Schreckbil⸗
- der für Weiber oder Rinder, oder den Poͤbel feyen; daß.
es gar nicht darauf anfomme, vole fange , fondern wie
gut man lebe, und bag man alfo fein. eben. ruhig und
gelaffen dem Seren deſſelben überlaffen fünne, ohne auf
eine aͤngſtliche Art für die Derlängerung deſſelben zu
forgen, ober auf eine fchimpfliche Art darum zu Bits
ten t). - '
| | Durch
Iuepzon; — unur nes 7 devav vu ua desvom
&
posIıos , desAıcs ven; —- nn Tan devan _°
res un demwan acc, vorm vg Tara barun
31; ‚vide & Lachet. p. 258. W
6) ib.
i. & p. 385. in Gorg, .
$) Plat. in Crit, p. ig. & in Gorg. p. 338. Mn vaę
FETo may To (Av OWowov du Xeovov., Toy ya ac
| | —
Pa
a [a nn
— —
M6 . Cebenes Bach Zwehtes Cpl |
Durch eben das Mittel, wodurch Sokrates Furcht⸗
fame und Tollkuͤtzne Beilte, : nämlich durch eine richtige
Kenmniß und Schäzung des Werths und Unwerths der
‚Dinge, ſuchte er auch die Ehrgelsigen, Geldgeizigen,
und überhaupt alle diejenigen von ihren Thorheiten zurü |
zu bringen, vie igre ‚Gtächfeeligkeie in foldyen Gurerm |
fuchten, deren Beltz und Erwerbung wir nicht in unferer
Gewalt haben, die eben ſowohl fchaden als nuzen küne
. von, bie bes Mißbrauchs fo gut als eine guten Gebrauchs
fäble ſind *). Dieſen zeigte er, daß keine Sache ein
Br genannt werden koͤnne, wenn fie ihrem Beſiger
ſchade, oder doch ganz unbrauchbar fen: bag nur da6jer
ge den Nomen eines Guts verdiene, was dem, wel
cher es defige, nüzlich fen: und daß endlich nur Dasjenige
wieder nüzlich ſey, was ein jeder recht zu gebrauchen
zoifte. Weder Geſundheit noch Schoͤnheit und Stärke,
weber Würden noch Huhm, weder Freunde noch Ges
lehrſamkeit, ober wenn es fonft noch andere fogenannte
Suͤter des ‚teibes und Gluͤcks gebe, dürften für wahre
Güter gehalten werden, weil fie viele Menfchen an Leib
und Seele verborben hätten, und eben fo wenig fünne
man Kränflichkeit und Schwäche des Edrpers, Niedrige
Keit und Feinde ſchlechtweg für Uebel halten, weil fie
viele Menfchen vor großem Ungluͤck bewahrt, oder ihnen
gar» große Vortheile zugewandt haͤtten. Aus ie
n⸗
7 Anders erden Kara esı, Ka & Qrioluue-
2. ver, nd enıreenbarre Tea TEroy To ea,
xææs WISeudayTen Tas Yuvaıkın, drı Tum Eidg
par ad av dıs enuyo, TO em Era anenTeor
Tw av Team Tarev 6v eier error Bravar,
as Rs DIoM.
2) Xenoph. Men, IV, 4, p. 233. In Osconom, e. 1. & 6.
>
.
\ .
Seſclichte des Gokentes und feinen PER a4F
Geänden rief Eofretis ailen feinen Freunden zu, daß
vergänglichen Guͤtern fireben möchten, und daß fie bey
den leztern nicht ſowohl darauf fehen und darnach trach⸗
ten muͤſten, wie fie fie bern ober erhalten, als wie
ben auf eine ſolche Art anwenden und. genießen
Fie nach den allein unverlierbaren Gauͤcern, nach Welse -
beit und Tugend, mit groͤßerm Eifer, . ale nach allen
,
möchten, daß fie fowoßl ipnen. aid autern — —
wirkliche Guͤter waͤrden JJ
| o wie Sokrates das Wort Maͤßigkeit in einen
piel weitläuftigern Bedeutung nahm; als worinn wie
es zu nehmen pflegen, fo auch den Ausdruck Gerech
tigkeit. Er verfiand unter her legtern nicht bloß eing
igung und Fertigkeit, alles dasjenige zus chun und zu
y was die bürgerlichen Geſeze befehlen oder verbie⸗
ten, und was man. nach zwingenden Geſezen forbern
ober ſtrafen kann ſondern or faßte banınder, um a
ber Sprarbe der wesen Weltweiſen zu reden, ohne Aug
nahzme alle Dichten: zuſammen, die: wir andern Mine
6s
nee ———— ⸗
.96. —F
2 In Gorg. p. 338. Kas ip u cr tewzus
Ts — 706 ROOTTO, NIAV TERTTEN
macı de Jeas, Odıc. 77,5,
4) Xen.1V. 4. Memos, et
+) ib, P. 441.
— — —
—
8 Sliebenteg Buch. Swehtes Capitel.
GSdoeter und Eitern ehren, daß Kinder ſich niet: mit ih⸗
ren Etern, und Eltern ſich nicht mic ihren Kindern
vermiſchen, daß man fi ch gegen "ferne: Wohlthaͤter dank⸗ |
bar beweiſen muͤſſe, ui ſ. w. Diefe -ungefchriebenen
und doch allgemeln befannten Geſeze unterfchieden ſich,
glaubte Sokrates, von den menſchlichen am meiſten
dacinn, daß ſie nicht nur dem ganzen Monſchengeſchlechte
ader ganzen Staaten, ſondern auch einem jeden, der fie
beobachte, heilſam, und daß mit ihrer ·Uebertretung nas
kuͤrliche unvermeidliche Strafen verbunden feyen. Wenn
alfd jemand fich gegen feinen Wohilthaͤter undanfbar ber
weifes fo iverde er für die Uebertretung eines Geſezes,
De kein Bolt. oder Staat :eder menfchticher Sefeigiber
Re , gleich Dadurch geftvaft, daß er bon alla guten
eechtfenaffenen Menſchen oder. Freunden veriaſſen
* gezwungen · werde, bie Verbindung ſolcher Men⸗
- üben zu fuchen ‚? denen er verhaßt fin. Ferget wenn
Rinder wider · ein. anderes goͤttliches Maturgefez mitt ih⸗
ven’ Eltern, oder Eltern mit ihren: Kindern fich vermifche
ten, fo müften fie dafür gleich die Strafe leiven, vaß
u in wegen der Verſchiedenheit des Alters und der Rräfte
feine: geſunde und: dauerhafte Kinder zeugen könnten]
Diefen Geſezen alfo nicht gehordjen zu wollen, fen eben
—
—r — e—
+
fd thoͤricht, und werde auch eben fo-beftraft, ala wenn
man In einer Krankheit die Vorſchriften eines erfahrnen
Arztes, auf einem Schiffe die Befehle eines geſchickteri
Steuermanno, oder in häuslichen and andern Angeles
benheiten den Rath weiſerer Männer verachte *). °
So wie nun Serechtigfeit oder Gehorſam gegen
die Geſeze allein Familien ‚- und Städte und Voͤlfer er⸗
“ Balte**), fo zerſtoͤre Ungerechtigkeit hergegen alle te
" 8
ib, & III. Memor, Soeg,
a) IV, „ie,
j nd
Geſchichte des Sokrates ind ſeiner Phil. 449
ſchafften, und nicht einmal Raͤuberrotten koͤnnten beſto⸗
hen, wenn ſie nicht gegen einander die Geſeze beobachte⸗
ten, die fie gegen alle übrige Menſchen uͤbertraͤten *),
Seid; wie aber Liebertrecungen der Geſeze durch Berluft
des Dermögens, oder des Vaterlandes, ober der Frey.
heit, oder der Ehre, ober des Lebens, oder doch durch
beftändige Unficherheit geftraft werde; eben fe werde
auch wiederum Gerechrigfeit auf die mannichfaltigfte und
wuͤrdigſte Art belohnt, Wie fünnte man ſich, fagte
Sokrates, mehr Achtung und Unfehen unter feinen
Mirbürgern erwerben, oder wie fich furchtbarer und
umäberwindlicher vor Gerichten machen, als durch Ges -
horſam gegen bie Gefege? Wem möchte man lieber fein
Bermögen, feine Söhne und Thchter anvertrauen, als
dem Gerechten? Von wen anders fönnen Eltern und
Kinder, Knechte und Freunde, Bürger und-Fremdlinge
mit größerer Sicherheit das erwarten, was Ihnen ges
buͤhrt, als vom Gerechten? Wen anders möchten
ganze Staaren ihr Wohl, Bundesgenoflen fich jelbft
und das Ihrige, und Feinde fogar Buͤndniſſe und Fries.
densfchlüffe übergeben und auftragen, als dem Gerech⸗
ten?" Mic wern möchte man lieber Berbindungen eins
gehen, und von wem fünnte man eher MWiedervergefs
sung von Wohlthaten hoffen, als vom gerechten? Bon
wem endlich möchte ein jever lieber Freund, und went
ger Feind feyn, als von demjenigen, der bie meiften
Freunde und Bundesgenoffen, und die wenigften Feinde
und Gegner hat? So wie fein Staat gluͤcklicher iſt, als
welcher von einem rechtmaͤßigen KRonige, und Feiner
elender, als welcher von einem gewaltthärfgen Tyran⸗
nen regiert wird; fo ift auch Feine Seele glücklicher, als
a
Da HR
. ı \
*) Plat. de rep. 1. p. 72.
Zwepter Band. Bf
[
, 450 Siebentes Buch. Zweytes Capitel.
in welcher die Vernunft, und feine elender, als In wel⸗
cher wilde gewaltthaͤtige teivenfchafften herrfchen*). Eine
Beedle, die ſolchen Leidenſchafften dient, iſt gleich einer
Stadt, die einem Tyrannen gehorcht, in der ſchimpflich⸗
ſten Knechtſchafft, und kann faſt niemals thun, was ſie
thun möchte. Sie wird von ihren: Begierden bald hier
bald derchin geriffen, iſt ſtets voll Reue oder Unruhe,
ſeufzt wegen ihrer Unerſaͤttlichkeit unter der druͤckendſten
Armuth, und bricht, wie ein uͤberwaͤltigtes und aus⸗⸗
geplündertes Volk, in unaufhoͤrliche Wehklagen und
Aechzen aus, welche die Schmerzen der nicht befriedig⸗
ten Luͤſte aus Ihr herauspreſſen. -
Man fann ven Menfchen mie einem mannigfalti⸗
gen Ungeheuer vergleichen, dad zwar eine menfchlicye
Seftale Härte, das aber die Köpfe von vielen gahmen und
wilden Thieren in fich vereinigte, und auch aus ſich
ſelbſt erzeugen Fönnte**"). Wenn man nun fagt, daß
‚ Ungerechtigkeit nuͤze, und Gerechtigkeit fchade; fo heißt
das eben fo viel, ald daß man den Loͤwen, die Schlange,
den Affen und andere wilde Thiere in fich flärfen, und
fie ſich unter einander herumbeißen und verzehren laſſen,
-, und den Menfchen hingegen tödten oder ſchwaͤchen folle,
Behauptet manaber, daß Rechtſchaffenheit nuͤzlich, wind
Bosheit fchädlich fen, fo gibt man, wie ein guter Acker⸗
mann, den Math, dag man die zahmen Theile des Ins
niern Menfchen ftärken und näheren, und Die vollden ent:
“ weder unterdruͤcken, oder doch mit einander vereinigen
olle.
| ! Mit Recht Hält man unter allen Verbrechern einen
Tyrannen, ter feine Vaterſtadt unterjocht hat, - für
ben
N
. #) Plat. de Rep. IX, p, 240.\& fa,
“) ©, 374. ib,
‘
XXVXVEEEIEEIEA
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 452
den größten; allein man irrt ſich ſehe, mern marr glaubt,
daß er unter allen Sterblichen der gluͤcklichſte und beneis
denswertheſte fen *). Ein jeder Thrann iſt einem ver “-
chen Manne gleich, der mit Weib und Kindern u eis-
ner großen Menge von Srlaven auf einmal in eine Ein
‚öde ‚verfegt wuͤrde. Ein ſolcher Mann würde in beftäns
diger Furcht ſchweben, von feinen Sclaven verrarhen
und ermordet zu werden: er wuͤrde genoͤthlgt ſeyn, einem
Theile feiner Sclaven zu fchmeicheln, ihnen große Vers .
fprechungen zu machen, oder gar die Frenheit zu fchens
fen. Auf eben diefe. Art iſt ein Tyrann ein Sclave ders BR
jenigen, durch deren Huͤlfe er feine Herrſchafft erlangt
Hat und behauptet. Er lebt wie ein Verbrecher „ im
Sefängniffe, oder wie ein Weib in den innerſten Gemaͤ⸗
cherh feines Hauſes. Es kann nicht, wie andere, alles
Schöne und Gute fehen und genießen, wann und we
er will; iſt einſam, und ohne Freunde, und mißtrauiſch
fowohl gegen die Unterdrüdten, als feine Miträuber.
Er wird endlich von fich ſtets vermehrenden und verſtaͤr⸗
kenden Begierden, wie von eben fo vielen Feinden oder
Wachen umringt, beren Gierigkeit ee niemals befrledl⸗
gen oder ausfüllen fann, Gewiß alfb iſt kein Menſch
unglüclicher,, als derjenige, ber am meiften ungluͤcklich
mache, .
lich) , und Ungerechtigkeit ſtets elend, wenn anders alles,
was ſchoͤn und edel und lobenswuͤrdig If, auch nuͤzlich,
und alles Hößliche und Schaͤndliche auch ſchaͤdlich und
nachtheitig ift **), Daß aber in allen Fällen das Schöne
j Sf - auch
% . .. j no;
Sem Soer. 111. 8. 9. 168:17 IV. 6 Sympol.
e, 5, Plato in Gorg. ©. 313; | '
Gerechtigkelt macht, role Maͤßigkeit, unmer At? PB
4
Li
aa Giebentes Buch . Zweytes Eapitel.
auch näzlich, und das Haͤßliche fchädfich ſey, bewies er
mit den Beyſpielen aller Gattungen ſchoͤner urd haͤßli⸗
cher Gegeuſtaͤnde. Farben ſowohl als Formen von Cor⸗
pern, Töne ſowohl als Gedanken ſeyen nur alsdann
ſchoͤn, wenn ſie entweder Vergnuͤgen allein, oder Mu⸗
zen, oder beydes zugleich gaͤben, und eben dieſe Dinge
. feinen auch nur in den entgegengeſezten Fällen haͤßlich.
Man möge vaher die Schönheit beurtheilen, von weis
chen Werfen der Matur und Kunft nan. wolle, fo fey
die erſte Frage und Unterfuchung immer diefe, ob Ger
genftände zu dem, wozu fie gebraucht werben: follten,
auch brauchbar , oder ob fie ihrer Beſtimmung entſpre⸗
chend feyen ? und wenn man fie hicht fo finde; fo fünne
, "man fie nicht anders ale für häflich erflären, undwenn
fie auch, mie ein goldner Schild, noch fo Fofibar fenen.
Berjchiedenheit des Gebrauchs oder der Abſichten und
Beftinimungen von Dingen ziehe allemal aud) Verſchie⸗
denheit in der Schönheit ihrer Bildung nach ſich; und
ein jeder erwarte und verlange alfo, daß ein Schild ans
ders, als ein Würffpieß, und ein fchöner Wettrenner
anders , als ein geübter Balger gebilver fen *), Da alſo
Moͤzlichkeit und Brauchburfeit durchgehende Schönheit,
and Schäplichkeit und Unbrauchbarfeit hingegen Haͤß⸗
lichkeit ausmache; fo koͤnne auch) die Tugend nur deßwe⸗
. gen
m
gu
®) Xen. Il, cc. Unter den cörperlihen Gegenftänden, fante
Sokrates, find nur allein diejenigen ſchoͤn, die dag
‚Aug und Ohr angenehm rühren; alle andere hingegen,
welche den übrigen Sinnen Vergnuͤgen geben, find nur |
[eblich oder angenehm. Der Grund, warum bie er.
fteen allein fhon genammt werben, kann fein anderer
ſeyn, als weil die angenehmen Empfindungen, die fie
- m. Xıme und Ohre hervorbringen, unter allen finnfis
hen Veranügungen die unſchaͤdlichſten und heilſamſten
find. ap. Plat. in Hippia ma), 352: 354. Ä
N
Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. | 43
gen fchön, und Laſter nur deßwegen häßlich fen, weil,
die eine Vergnügen und-Nuzen, und das andere Schmer⸗
zen und Schaden hervorbringe. Auch die Gerechtigkeit
alſo muͤſſe ihre Verehrer gluͤcklich, und Ungerechtigkeit
hingegen ihre Diener elend machen *). Hieraus folge,
daß Unrecht leiden beſſer ſey, als Unrecht thun, und daß
ber Koͤnig Archelaus, wenn er ſich durch alle die Ver⸗
brechen, die man von ihm erzaͤhle, den Weg zum Throne
gebahnt habe, zugleich einer der groͤßten Boͤſewichter und
einer der elendeſten Sterblichen ſeyn muͤſſe *). Eine
andere Folge derſelbigen Wahrheit fen dieſe F): daß
man über die Gluͤckſeeligkeit von Menfchen Fein Urtheil
fällen könne, fo lange man nicht ihr Leben und den Zu⸗
fand ihrer Seele fenne, und dag man alfo auch ſelbſt
den großen König der Perfer nicht glücklich preiſen dürfe,
fo fange man nicht wiffe, ob er weile und tugendhaft
®
&o wie Armuth, fuhe Sofrares fort, eine
Verderbung des Außern Wohlftandes, und Krankheit
eine Berderbung des Leibes iſt; eben fo ift Ungerechtigkeit
eine Zerrätturig der Seele, von welcher man fid) um
deſto mehr zu befregen fuchen muß, je fdhlimmer es ift,
eine franfe verdorbene Seele, als einen fiechen und ge⸗
brechlichen Eörper zu haben 77). Ein folches Mittel,
bie Seele von aller Bosheit und Ungerechtigkeit zu reinis
Sf 3. 2 ge
°, ib,
“e) ©, 313. 315. in Gorg. Plat,
+4) ©. 312.
+}) ib. p. 314. 315. & de rep. IV. 316. vol, I, Aceıy
KEV ASS, WE EOIKEY, VYIESC TIEAY EM, KOUKAA-
Aos, ns euefsn \uyus. Koxıa de , yooos Te
NO aKos na adavese. Ä
um
\
e
⁊
454 ESiebentes Buch. Zweytes Capitel⸗
‚gen und zu beiten, iſt das Leiden gerechter oder verdien⸗
ter Strafen?) Wenn man ſich alſo irgend einer Uns
gerechtigkeit fchuldig gemacht hat, fo iſt es am beften, fo
gefchwind als möglich zum Nichter, vote der Kranfe
zum Arzte zu eilen, damit das innere Uebel nicht weiter -
am fich freffe, nice mehr genährt und dadurch unheil⸗
bar werde. Man müffe bevenfen, daß es nicht nur
fchön, und alfo auch gut: und Heilfam fen, gerechte
Strafe aufjulegen , fondern auch fie zu feiden, und doß
man von großen Krankheiten der Seele fo wenig, als
Des teibes, anders als durch unangenehme bittere Arz⸗
neyen geheilt werben fünne **). Es jen daher rathfamer,
alles, was man verdient habe, zu dulden, um dadurch
bed größten Uebels fos zu werden, als fich ben gerechten
Strafen zu entziehen, und dafür ſtets mit einer franfen
ausgearteten Seele zufaınmen zu wohnen, Unter mehr
zern Derbrechen Eönne zwar feiner glücklich ſeyn; aber
- Immer ſey doch von gween Tyrannen herjenige, der für
feine Grauſamkeiten gefoltert und verftümmele und hin
gerichtet werde, und fein Weib und Kinder foltern,
verſtuͤmmeln und binrichten fehe, weniger efend, als ein
anderer, det fich Durch ungerechte Mittel einer uneinges
fchränften Herrſchafft über feine Mitbuͤrger bemächtiget
Babe, und diefe Herrſchafft ohne Widerftand und Gegner
ganz nach feinem Willen ausübe 7). Don allen dieſen
Säaͤgzen, vorzüglich aber von diefen, daß Unrecht chun
ſchaͤdlicher als Unrecht leiden, und Strafe fliehen nach⸗
theiliger als Strafe dulden fey, waren Sokrates und
fein Schüter fo feſt überzeugt „ daß fie fagten: fie ſchie⸗
nen
“) ib,
ib,
f) Pag. 315.
Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 455
nen ihnen mit diamantenen Ketten und Gruͤnden zuſam⸗
men gebunden, oder an dem Felſe der Wahrheit befe⸗
ſtigt zu ſeyn ®). on
Weil Sofrates Unrecht thunfür ein größeres Uebel
hielt, als alle diejenigen, welche anfer Coͤrper leiden,
oder das Glück ung. zufügen fann,. fo mufte er nothzwen⸗
dig auch lehren, daß wir auch nicht einmal unfern Feins
den, nicht einmal denen, die uns ungerechter Weiſe bes
leidige hätten, Linrecht oder Schaden thun, und ihrem
Gleiches mit Gleichen vergelten follsen »8). Dieſem
Grundſaze zufolge entwich er nicht aufdas Zurachen ſei⸗
nee Freunde aus dem Sefängnifle, well eres für ſchaͤnd⸗
Hich hielt, Die Geſeze Des Vaterlandes zu uͤbertreten, uns
geachrer dieſes in feinem Urtheile über ihn alle Geſeze bes
leidige Harrer). Wenn aber Sokrates befahl, nicht
einmat feinen Feinden und Beleidigern zu ſchaden, ſon⸗
bern-ihnen vielmehr alles Gute zu thun, fo wollte er
nicht, daß man einem jeden Boͤſewicht feine Berbrechen
ungeftraft hingehen laſſen, fondern daß man felbft Feinde
nicht ats Mienfchen unvollfommner, oder untüchtiger
machen follte, ihre Beftimmung und ihre Pflichten zu
erfüllen FF), Er mar aber fo weit davon entfernt,
Verbrecher durch unzeitige Nachſicht und Gelindigkele zu
neuen Mifferhaten aufjumuntern, daß er, der einem
jeden anrieth, fich ſelbſt dem Richter darzuftellen, wen
er gefündige habe, es gewiß für fträfliche Schwachheiten,
und felbft Ungerechtigkeit gehalten hätte, einen Stoͤrer
unferer eigenen oder anderer Rihe und Sicherheit niche
zu zuͤchtigen oder zur Nechenichaffe zu ziehen, wenn
Ä 3f4 Strafe
") ib. p, 326.
®°) P. 19, Plat. in Cris, & de Rep, I. 26,
P Crit h, c
NTD de Rep. 1, o,
⸗
456 Siebentes Bud. Zweytes Copitel.
Strafe ihn kraͤftiger, als Gnade und Vergebung, vom
haſter zuruͤck bringen und beſſern koͤnne. Vielmehr hielt
er denjenigen für den preiswürdigften Mann, ber feine
Zreunde im Wohlthun, und feine Feinde im Leides⸗
jafügen überträffe *), Und gewiß ift feine andere Sein,
desliebe ächt und vernünftig; als diejenige, die wohlchäs
tig iſt, die auf das. Wohl des Feindes und das allges
meine Berte.abamerft, und bie Durch jedes Mittel, und
wenn ed auch Schmerzen und gebe feyn follten,
andere vollkommner u machen ſucht ** Bel
e
— ——— er —— U U nl
» u, 3. p. 92. Memor, Soer. Dit Fleiß habe ich dad
\ 'vorws wosesv durch Leideszufügen überfest, um eg
vom BAaxzres des Plaro gu unterfiheiden, Jenes
hielt Sofrares für erlaubt, weil man durch Schmerzen
und Nachcheile, die man andern verurfache, beſſern
. tonne. Diefes hielt er für fehändlich, weil er unter
Schadenthun die Verfhlimmerung des Menfchen vers
ftand, Ich behaupte aber nicht. daß zunms TFosey
und BAuaresv. ftets im Renophon und Pinto in deu
felbigen Bedeutungen voreommen,
» #6) Daß nicht alle große Zeitgenofien, wie Sokrates, über
Wohl-hätigkeit und Liebe gegen Feinde dachten, erhellt:
ans folgender Stelle des Iſokrates. I, p, 33. in
moecuves. „Thue guten Menſchen wohl; denn eine
„Wohlthat, die ben einem rechtſchaffenen Manne nie:
„dergelegt wird, iſt ein großer Schaz. Allein‘ böfen
Menſchen wohlthun, beift eben fo viel, als fremde
Kunde füttern. Denn fo wie diefe auch ſolche, bie
„ihnen etwas geben, glei andern Unbefannten anbel⸗
„len; fo Beleidiren Boͤſewichter ihre Bohfihäter eben
nf wohl, als diejenigen, von benen fie Boͤſes fuͤrchten,
„ndet empfangen haben,” Diefe Benierkung, daß
bösartine Gemuͤther oft durch Nachſicht und Güte nur
noch mehr erbittert und verborben werden, mufte noth-
wendig viele nachdenkende Meuſchen von Wohlthaten
gegen
Geſchahte des Sokrates und feiner Phil. 457
Meit-Sofrates überzeugt war, daß die Tugend
den Menſchen gluͤcklich und et und das tler
| .. I: | ‚sm
— — — — — — — —X
gegen Feinde und Laſterhafte abſchrecken, ſo wie hinge⸗
gen die Erfahrung, daß Sanftmuih und Güte oftmals
die roheſten und anfgebrachteften Seelen entwaffne,
dazu aufmuntern muſte. Det Gedanke aber, daß eg
Pflicht ſey, ſelbſt Feinde zu lieben, oder Ihre Gluͤckſee⸗
ligleit zu befördern, konnte nicht eher entftehen, ale
bis man fi, mie Sokratfes, Überzengr hatte, daß es
Gehorſam gegen den’görtlihen Willen, und Sorge füy
unfere wahren Vortheile fey, gerecht und tugendhaft
au leben, das heißt, andere Menſchen fo viel ais mig
lich vollkommen und, gluͤcklich, und Leine Menſchen,
‚ſelbſt Feinde und Böoͤſewichter nicht, unvolſlkommner
und unglaͤcklicher zu machen. Diefe Pfiicht der.
Feindesliebe iſt im allgemeinen viel weniger anerr
kannt, als! in unzaͤhligen einzelnen Fällen ausgeuͤbt
worden; und es verraͤth gewiß Unbekanntſchafft mit
ber. menfhlichen Natur, wie mit der Geſchichte, wenn
man Feindesliebe für eine ſehr ſchwere und ſeltene Zur
> gend hält, Eine gewiſſe Feſtigkeit oder Unerfchütters
lichkeit der Seele, vermöge deren man nicht gleich yon
* jeder Beleidigung heftig gereizt und empört yolrd, Ver:
ſoͤhnlichkeit oder Dereitwilligfeit, empfangene Beleldl;
- gungen zu vergeffen und zu verzeihen, und endlich
Wohlthaͤtigkeit gegen ehemalige Feinde waren von jeher
unter allen aufgeklaͤrten Völkern Erbiheile großer aus
Berordenrliher Seelen, und wie es ſcheint, unzertrenn;
lie Hegleiterinnen des Gefühle von lieberiegenheit
oder überwiegenden Kräften, wodurch man, went man
wollt , einen jeden niederdruͤken oder im Zaume halten
koͤnnte. Schattenbilder diefer Tuganden trifft man
ſelbſt in allen edlern Thieren an, in deren Natur nicht
unbezaͤhmbare Wildheit, mie in die Natur des Barba⸗
‚ten unerfärtlihe Rachſucht eingewebt iſt. Außerordent⸗
liche Reizbarkeit oder Empfindlichkeit hingegen, Unver⸗
ſoͤhnlichkeit, und brennende, nur durch Blue und Uns
aluck zu loͤſchende Rachgier, find im Menſchen ſowohl
als
-
-
48 - Siebentes Buch. Zweytes Capitel.
ben Menſchen unvollkommen und elend mache; fo konnte
er mit Recht ſagen, daß die wahre Gtäckfeeligfeic nicht
im äußern Glü und in einem Ueberfluffe von Gluͤcks⸗
guͤtern fondern im Rechthandeln, und Elend wiederum
nicht In Unfällen ober einem Mangel von Gluͤcksguͤ⸗
tern, fondern im Unrechrhandeln beftehe *), Eine ans
bere Folge deflelbigen Prundfazes war diefe, daß Tugend
wahre Weisheit oder Klugheit, und Laſter hingegen
Thorheit ſey: ein Ausfprüch, der außer dem fich aleich
bardierenten noch einen andern Sinn hatte, in welchem
er in der Felge von vielen andern Weltweiſen, vorzuͤg⸗
lich von. den Stoikern, genommen wurde, Sokrates
glaubte, daf fein Menjch vorjezlich und freywillig böfe
fen, und böfe handles daß alte fajter und Verbrechen
aus bloßer Unmiffenheie entfprängen , die freylich nahe
an Narrheit grängte: daß endlich alle Menfchen rugends
haft fen, und roerden würden, wenn fie den wahren
Maaßſtab und die wahre Wiflenfchafft des Angenehmen
und Unangenehmen, des Guten und Boͤſen beſaͤßen oder
erlangt hätten **), |
ur Alle
’
als in Thieren meiſtens nur Fehler dee ſchwaͤchern Ges
ſchlechter und Geſchoͤpfe, die fich vor ihren Feinden ſelbſt
alsdann noch fuͤrchten, wenn fie dieſelben uͤberwunden, und
nicht eher ſicher zu ſeyn glauben, als bis ſie diejenigen,
, die ihnen ſchaden koͤnnten, zu Grunde gerichtet
aben.
®) n 9. Memor. Soer. p. 177. & Plat. ia Gorg.p. 326,
-%0) Xenoph. }. ©, p. 172. 173. Sokrates, heiße es bier,
fagte, daS bie Gerechtigkeit und eine jede andere Tun
gend Weisheit fey. Weiſe nannte ev alſo nur diejeni⸗
‚gen, die das Gute und Böͤſe erkennen und darnach
handeln; und Unmeife Bingegen ſowohl biejenigen,, die
nicht handeln, wie fie willen, daß fie handeln follten,
als diejenigen, die gar nicht wiſſen, wie fie a
ollen.
Seſchichte des Sokrates und.feiner Phil. 459
Alte Menfchen , fügt Sokrates beym Plato, ſtim⸗
men darinn überein, daß die Dinge außer ihnen in
Ruͤckſicht auf fie entweder gut oder böfe, oder gleichguͤt⸗
tig, dad heiße, weder gut noch böfe, oder daß fie bald
gut oder bald böfe ſeyen?). Gut nennen fie ales, —*
en
—
ſollen Wenn jemand einmal recht davon uͤberzeugt
ſey, daß nur das Schoͤne und Gute nuͤzlich ſey, der
werde niemals In feinem Leben anders, als das Schöne
und Gute wählen und thunz und diejenigen Bingegen,
die hievon nicht überzeugt wären, wuͤrden nicht gut
handeln, felbft alsdann, wenn fie den Vorſaz Härten.
Der Weisheit fegte Sokrates die Thorheit ader den
Wahnſinn entgegen, glaubte aber nicht. daß eine jede
Unwiſſenheit Wahnſinn ſey. Doch ſchien ihm diejenige
Unwiſſenheit, vermoͤge deren man ſich ſelhſt nicht kenne,
‚oder gar zu wiſſen glaube, was man nicht wiſſe, nahe
an Wahnſinn zu graͤnzen. Gr bemerfte, daß man e4
—EE nicht für Wahnſinn halto, wenn jemand.
etwas nicht wiſſe, mas den meiſten Menſchen unbekannt
ſey, daß man aber diejenige Wahnſinnige nenne, die
etwas nicht müßten, was alle willen Wenn alfa je
mand ſich fo groß zu fenn duͤnke, daß er ich buͤcken mim
fie, wenn er unter den Stadtthoren weggehe, der ſo
ſtark, daß er Käufer venfegn oder andere unmoͤgli
Dinge verrichten Fonne; fo erhalte ex alsdanı 6
den Samen eines Verruͤckten. Diejenigen aber, die
wicht auf eine fo grobe Art irren, ſchienen dem großen
Haufen nicht wahnſtanig zu ſeyn; fondern fo wie man
nur eine heftige Begierde nach dem Beſiz einer Perfon
Liehe nenne; fo belege man aud nur eine große Ab
weihung vom gefunden Mienfchenverftande mic dem
Namen des Wahnſinns. — Mit Fleiß habe ich diefe
Worte des Xenophon überfege, weil fie in ber Kürze .
von Marimen das Welentliche von bem enthalten, mad.
Plato mie allen Beweiſen ausführe, und was: ich deß⸗
wegen mit Grunde bem Lehrer, und nicht dem Schülst
juzueiguen glaube,
®) In Gorgia p. 310.
460 - Giedented- Buch. Zweytes Capitel
Ihnen unfchulbiges Vergnuͤgen, oder Vergnuͤgen und
Mujen zugleich, wie Geſundheit und Verſtand, ober
aber auch Mugen allein bringe, wenn es auch mit
Schmerzen und Beſchwerlichkeiten verbunden ift *).
‚ Kür Boͤſes oder Uebel Hingegen erklären fie alles, was
ijhnen entweder unnöthige Schmerzen , ‘oder Schmerzen
und Schaden zugleich, oder auch Schaden allein werurs
ſacht, wenn es auch mit einigen Vergnuͤgungen beglei⸗
tet wäre. Niemand alfo fliehe und halte Bergnügungen
um ihrer ſelbſt willen für Uebel, fondern wegen der Krank⸗
beiten, Armuth und anderer Machrheile, in welche fie
fi) endigten **). Und eben fo wenig wähle jemand
Schmerzen und Befchwerden um ihrer ſelbſt willen, ſon⸗
dern weil fie uns entweder von noch größern Schmer⸗
zen und Beſchwerden befreyten, oder uns auch größere
Bergnügungen und Güter verfchafften. Bergnügungen
feven daher auch nur alsdann ein Liebel, wenn fie größer
re Schmerzen und Schäden nad) fich zoͤgen, oder und
größerer Freuden beraubten; und Schmerzen nur. in
dem Ball, und aus feiner andern Urfache ein Sur, als
weil fie größere Vergnuͤgungen und Bortheile brächten,
oder von größeren Schmerzen erlöften, Ja alle Guͤ⸗
tee feyen nur deßwegen Güter, weil fie zulegt Bergnügen
gersährten; und alle Llebel nur bewegen Uebel, weil fie
fich in Schmerzen endigten }). So wie alle Dafke
' diefe
U 1
°) De Rep. lib. II. p. 84.
@*) Protsg. 299301. Aus biefer Stelle iſt auch das fol⸗
gende genommen.
$) L. e. & in Gorg. p. 322. 23. Mit dem Gedanken,
den ich zuleze aus dem Protagoras angeführt habe,
ſtreitet ein anderer im Gorgias, wenn er nicht: fehr ein
geichränte wirt, diefer nämlih: daß man das Gute
nicht um des Vergnägens willen thun, fondern, bas
Ver⸗
=
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 461
dieſe Beobachtungen für wahr anerfennten, fo muͤſten
ſie auch alle zugeben, daß ſie, wenn ſie handeln, eigent⸗
lich nicht dasjenige wollen, was fie thun, ſondern wars
um fie ed thun, und daß die Abſicht bey allen ihren
Handlungen Beförderung ihrer Wohlfart fen ), Kei⸗
ner teinfe Atzneyen, oder treibe Handel und andere Ge⸗
werbe, oder übernehme die Beſchwerlichkeiten und Ge
fohren von Feldzuͤgen und weiten Seereifen um ihrer
ſeloſt willen, fondern in der Abſicht, fich dadurch Ders
gnuͤgen und DBortheile zu verfchaffen. Alle verfolgten
ofme Unterlaß ihr Gluͤck, und fuchten es durch eine jede
ihrer. Handlungen und Unternehmungen zu befdrdern :
feiner hingegen wolle unglüdlid und elend ſeyn, und
Feiner unternehme und thue daher etwas, (denn dies
ftreite mit der menfchlichen Natur felbft,) wovon er felbit
glaube, Haß es ihn ungluͤcklich machen werde **), Gelbft
alsdann, wenn der. Menſch, wie man fage, gewiflen
Berjuchungen unterliege und von gegenwärtigen Bergnüs
gungen bingeriffen, etwas zu thun fcheine, was er ſelbſt für
. Be böfe
Vergnügen nur um feines Nuzens willen wählen muͤſſe
Tav zyadov ago Evenn des nu Ta ns vos
new meurrev, ar alrayado Toy ndewy,
p. 328.
@) p. 310. in Gorg,
aꝛn) In Gorg. p. 310. U. in Menon. p. 936. 337. bef. in
Protag. p. 301. Aor a edw eyw ve To
xœxœ adess EROy EEXETOL. BÜE EMI OIETOU xt
no esvcu. 80 Edi TETO WS EnEV V alone
Quoes, EWI & 01ETOs Kuno eve EIEAesv ıEvau
11 Tov ayaday. orav re asaynuc9n duo
xæxon To Eregov ige, BÖS TO psılov
Kıenoaraı efov To SAATTeV.
Sn
x
’
.
‘
a6 \ Siebenteb Wu. Zweyes Capitel
böfe und fehädlich erkenne, oder etwas zu unterlaffen,
was er felbit fuͤr gut und nüslich. halte, ſelbſt aledannı
waͤhle per Menſch nich vorſezlich, was er für ſchaͤdlich
oder ein groͤßeres Uebel, und unterlaſſe nicht, was er
für nuͤzlich, oder für ein größeres Eur Halte, ſondern
er wähle nur ein geringeres Cut gegen größere Uebel
. und Güter, die ihm aber megen ber Entfernung Fleiner,
als das ‚gegenwärtige Vergnuͤgen vorfämen, fo wie wie
fichtbare, aber entfernte Gegenftände Kleiner, als wenis
ger große aber wäßere, erblicken ) Dicht alſo aus
Vor⸗
%) In Protag. p. 306. AnAov wor Bus, örr ro
HrracIaı TETd Aeyeröı, — —
Yav peice Kan Anuldaven, = u ya Te
Asydı, Or wid woru —RXR TO ———
u ido Tu eis Top ösegor Yeovay was Mies weil
Auxuos, 409 aA ta Day 8 eyaye, m do-
m xas Auxyj. Es folde, ſagt Sokrates beym Plato
tb. viel ungerehmtes, menn man annimmt, Daß der
Menſch, von gegenwaͤrtigen Vergnuͤgungen gebfender
und hingeriſſen, das Boͤſe wählt und thut, was er
feld fire Böfe erkenne, und dad Gute unterläßt, wo⸗
von er einjieht, daß es gut oder ihm müzlich fey. Wie
Tächerlich diefes fey, kann man am beften wahrnehmen,
wenn man das Nuͤzliche und Schaͤdliche nicht bald mit
diefen bald mit jenen Worten, fondern wenn man das
wine und das Andere erft mit den Ausdrüden But und
Uebel, Und dann mit den Wörtern Angenehm und
Unangenehm bezeichnet. Im erftern Kalle Eonne man
nicht ſagen, daß der Menſch böfe gehandelt vder ‚ges
wählt habe, well er vom Vergnuͤgen, ſondern weil er
vom. Guten uͤberwaͤltiget worden; und im andern Fall
muͤſſe mar fagen, daß der Menſch nicht das Boͤſe,
fondern das; Öchmerzhafte oder Unangenehme gewählt
babe, und zwar vom Angenehmen oder vom Vergnügen
hingeriſſen. p. 300. in Gorg, —
4
_
Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 463
Borfaz das Boͤſe oder Schaͤdliche zu thun, und das _
Gute und Nuͤzliche zu unterlaffen, chue der Menſch das.
eine, und unterlaffe er das andere, ſondern allein aus '
Unwiſſenheit oder aus Mangel einer richtigen lebharten
Erfenntniß des Guten und Böfen *), Kap eben fü ſey
das Unterliegen unter Berfuchungen weiter nichts als
Umviffenheit, und dad Lieberwinden derfelben nichts ans
ders als Weisheit *°). Wolle man aljo gut wählen
und Handeln, un fich nicht durch boͤſe Wahl und Hands
lungen ungluͤcklich machen; fo mäffe man ſich norhivens
dig eine vollkommene Wiflenichafft, oder einen richtigen
Maaßſtab des Guten und Boͤſen anfchaffen, nach wel,
chem man Hüter und Uebel, Verznuͤgungen und Schmer⸗
gen ohne Schi fihägen und mit einander vergleichen kon
ne 7). Wenn unfere Wohlfart darauf berußte, von
der Groͤße und Kieinheit von Gegenftänvden richtige Bes’
griffe zu haben, oder gerade und ungerade Zahlen ridytig
gu unterfcheiden und zu wählen; fo würde fein Vernuͤnf⸗
tiger ermangeln, ſich auf diefenigen Künjte und Wiſſen⸗
ſchafften zu legen, in welchen das eine oder Daß andere
ZZ | gelehrt
-
E
) In Protsg, p. 30T. Eı get ev eyo To ndu —
ey esw, udeis are eıdas, ure olomevos aa
Berriw eva db arroieı Ko duvesrası N eruTo
oe Tauta sEov Ta Berrım.
*e, 5, Oude Tonrra eıvaı aur&, wid TI TEr egw
u] Audi; ade RENTTW EaUTE Ari n 00QDus.
Dach diefen Gedanken muB man die Worte des eng
phop Lib. IV, 5. Memor. Socr. auslegen, wo er vn.
en Birfunsen bofer Lüfte und Begierden reder p. 246,
347: und nicht ganz mie dem zuſammen zu Einmen
ſcheint, was ich kurz vorher über Weisheit und Thor⸗
heit aus ibm angeführt habe,
+) Gorg. p. 360. 301.
\
—
Handlung von feinen Geundfäzen und Vorſaͤgen fo gaͤnz⸗
I
‚464 Giebentes Buch. Zweytes Capitel.
gelehrt wuͤrde. Und da nun unſere Gluͤckſeeligkeit darauf
beruhe, Güter und Uebel, Vergnuͤgungen und Schmer⸗
zen richtig zu ſchaͤzen; von mehrern Bortheilen und Ber
gnuͤgungen immer die meiften und größten, von meh
- ern Nachtheilen und Schmerzen immer die wenigften
und geringftens und wenn Vortheile ud Nachtheile,
Bergnügungen und Schmerzen mit einander verbunden
wären, immer diejenigen Nachtheile und Schmerzen zu
wählen , die von größern, es feg nahen oder entfern⸗
ten Vergnägungen, überwogen wuͤrden, mb hingegen
diejenigen Vergnuͤgungen ynd Vortheile zu fliehen, die
don größern, entweder nahen oder entfernten Schmierzen
und Nachtheilen übertroffen würden; fo muͤſſe ein jever
ſich Seftreben, «se vollkommene Wiflenfchafft von dem
wahren Werthe oder Unmerthe der Dinge zu erlangen
— Gegen biefe tehre bes Sokrates iſt es fein Einwurf,
wenn man fagt, daß viele Mienfchen das Gute uno dor
fe Fennen, ohne das eine zu thun und zu wählen, unb
das andere zu faffen und zu fliehen; und daß alſd rich⸗
tige Kenntniß des Werths und Umwerths der Dinge zu
einem tugendhaften Leben nicht Hinreichend fe, Aus
der ganzen Folge Sokratiſcher Gebanfen., die Plato und
aufbehalten hat, ergibt es fi), daß Sokrates nur dad
Weisheit und Wiffenfchafft nannte, wenn man richtige |
Begriffe und Grundſaͤte nicht bloß gefaßt, fondern fich
auch fo eingeprägt und fo gegenwärtig habe, daß man
fters nach ihnen wähle und handele, und daß er es hin⸗
gegen für Thorheit und Wahnfınn erflärte *), wenn
man in den entfcheidenden Augenblicken der Wahl und
lich
— —
Siehe erſte Deplage, | -
‘
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 465
lich verlaſſen, oder die leztern fo fehr verbumfelt wuͤrden,
als wenn man fie nie gehabt Härte *), |
| Sokra⸗
— — nm
/ .
2) Ungeachtet es im eigentlichen Verſtande unmögfich iſt,
daß der Menſch jemals wider beſſeres Wiſſen handie,
oder daß er, im Augenblicke dee Handlung, das ihm
ſelbſt fo fcheinende Eleinere Gut oder größere Uebel
wähle; fü dleibt es doch wahr, was der Cyniſche Welt⸗
weite Demetrius fagtert Senec, de Benefie. VII, y.
Plus. prodeffe, fi pauca praecepts fapientise tencas,.
fed illa in promptu tlbi & in ufu fint, qua fi multa
quidem didiceris, fed illa non babeas ad manum:
und mas Geneca an zinem andern Orte bemerkt:
Hoc quod liquet, Ermandum & altius quotidiane '
meditstione figendum ef. Plus operis oſt in eo, ut
ropofira cuflodies, quam ut honefla proponas.
—— eſt, affiduo Audio robur adden-
dum, donec bona mens fit, quod bana voluntas eſt.
Epiſt. 16. Damit nun gute Gedanken _fruchtbor wer⸗
den, und Aute Handlungen hervorbringen, oder guter
Wille und Borfaz in Gewehnheit und edle Denfungss
art Äbergehen möchten, verfertigren die Pythagoreer be
„ goldenes Gedicht, ſchrieb Eyikur feine ratas fententins,
fammieten endlich die Stoiker ihre praccepta,: ud
Epiftet fein Enchiridion, und alle befahlen, dieſe Eure
zen Tugenpfehren niemals aus den Gedanken zu verlles ı
ren, und bey allen richtigen Handlungen und Bege⸗
benheiten gegenwärtig zu haben. Ueber die praccepta
der Steiker, ihren Nuzen und ihren Unterſchled von
den deeretis fehe man den &eneca Ep. 94. 95. Per
fonen, um dieſe Bemerkung nod hinzuzuſezen, bie,
wie man fast, wider beſſeres Wiffen Handeln, Mind bes
nen ähnlich, die eine Sache ſchlecht vertheidigen, weil
ihnen die beften Gründe und Faeta, die ihnen ſonſt
niche unbekannt waren, nit einfallen, oder die ſich
gar ſelbſt widerſprechen, weil fie ſich nicht darauf bes
ſinnen, was fie ehemals behauptet haben. Und nur in
dem Verfiande, in welchen man ſagen kann, daß bie
Zweyter Sand. - 89 lez⸗
+
7
ad “ .
m. P
466 Siebentes Buch. Ztweytes Capitel.
Sokrates lehrte aber nicht bloß Tugend, ſondern
et übte fie auch aus, und fein ganzes teben war noch
reiner und freger von Fehltritten, als feine Philofophie
von Irrthuͤmern war. Im ganzen Öriechifchen und Ro»
miſchen Alterthum fenne ich feinen”), deſſen Wandel fo
ancadelich und mufterhaft, und deffen Charafter von
allen Seiten fo vollendet, als der des Gofrates war.
Diefer Weiſe war nicht nur über alle kaſter feiner Zeit⸗
genoflen, fondern man fann auch fagen, faft über alle
Schwachheiten feines Geſchlechts erhaben. Er erfüllte
nicht nur alle Dilichten, die er in allen tagen und Ders
| haͤltniſſen ale Menſch und Bürger, als Vater und Gat⸗
t?, als Magiftraröperfon und Krieger zu erfüllen hatte,
vollfonnmen, fondern aud) mit einer folchen keichtigfeit,
daß Tugend zu feinem Weſen zu gehören, und Mechts
sun die Wirkung einer unfehlbaren Natur zu fegn
fehien ”*). Seine Vernunft, ſagt Montagne, war f
M maͤch⸗
leztern gegen beſſeres Wiſſen geredet oder geſchrieben
haben, nur in eben dem Verſtande kann man auch
„‚fagen, daß ‘Perfonen gegen beſſeres Wiſſen handeln.
©) Und ſchwerlich wird man auch aus ber neuern Geſchichte
ijemanden anfuͤhren können.
#4) Montagne Eſſays lib. II. ch, XI. p. m. 329. . On volt
aux aines de ces deux perfonnages, (Socrate & Caton)
, & des leurs imitateurs une fi parfaite babitude 3 la
vertu, quelle leur el ’paflte en complezion, 'Ce
n’eft plus vertu penible, ny des ordonnancers de la
sailon, pour laquelle maintenir il Faille, que leur
ame fe roidifle: c’eh l’effence meme de leur ame,
u eſt fon train naturel & orfdinaire, Tugend, ſagt
. ontagne,. iſt gang was anders, ale Gutartigkeit,
oder nazuͤrliche Guͤte, ober Unſchuld und Unſchaͤdlich⸗
geit. Jene verlangt Immer einen Gegner, und ſejt
„ , ſtets Kampf voraus, doc iſt fie am görelihften und
:. volltommeunſten, wenn fie alle ihre Widerſacher [6 gaͤnz⸗
| lich
, l
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 467
mächtfg, daß fie boͤſe Luͤſte und Begierden nicht einmal
auffeimen ließ, und er ging daher niit dem ſichetn
Schritte eined Siegers , der alle. ſeine Feinde uͤberwun⸗
den hat, vhne Mühe und Anfechtung auf dem Wege
der Tugend fort )). Am Genuffe von Rahrungsmit⸗
fein war ee fo maͤßig und gemigfom, daß er niemals
mehr oß und tranf, als die Natur forderte, und mit
einer jeden Hefunden, auch der gemeinften Speiſe und
Zranfe zufrieden war **). Hunger war die einzige
SB ürze feiner Speife, und Darſt dfe einzige Verfügung
"feines Tranks. Wenn er auch zu Gaſtmalen eingela⸗
den wurde, fo foftere es ihm gar Feine Mühe, fich vor
Ueberladung mit lecferhaften Gerichten, oder koſtbaren
Beinen in Acht zu nehmen ). Gr konnte alfo one
Gefaht .an den Freuden der Bejelligfeit Theil nehmen,
und feine Freunde ermuntern, ihre Seelen mit feinen
Bechern zu begteßen, weil der Wein gleich bem Mans
| dragoras alle Sorgen einfchläfere, und Srölichfeit und
| - Gg 2 freund»
— Andi
lich uͤberwunden bat, DAB Me-fih nicht mehr erheben
koͤnnen, and wenn fie ohne allen Zwang, Schwierig⸗
£eit und mühfame Anftrengung dad Gute ausübt.
w) ib. je ne puis cogcevnie en ce perfonnage auean ef»
fort de: vitieufe entieupifcenee. Au train de fa ver⸗
tu, je n’y puis imaginer aucune difficuled, ny aucd-
ne enntreinte, Je engnüy fa taifon fi puiffante, & x
fi maißtreife chez Iul, quelle n'euſt ſamais donné
moyen % un appetlt — 8* ſeulement de halfire,
jl me femble’la voit miarcher d’un viltorleux pas,
& telomphant, en pompe & A fon syle, Tans om-
' ı pefchement, ne deflourbier. Man ſehe auch die
Lobrede des Laches auf den GSokrates In Lächete
2. 256. |
ee) Xen, Mem. 1. 2. p. 9. €. 8. p. 38. 39. &. 6. p. 58.
7) Xen. 1.3. p: 39, vide etiam Anton, Tay\ as Jury.
3, 10. y
!
8 e
2
468 Siebentes Buch. Zweytes Capitel.
freundſchafftliche Geſinnungen erwece %), Doch warn
ge er fie, mit dem begeifternden Geſchenke des Wein»
gotts ſich nicht zu überfülled, ‚ damit ihre Seelen und |
Jejber nicht erfäuft wuͤrden, sie die Pflanzen und Ge⸗
waͤchſe der Erbe, wenn man fie auf einmal zu reichlich
tränfe **) Den einer folchen Maͤßigkeit im Genufle
von Nahrungsmitteln Fonnte es ihm nicht ſchwer wer⸗
pen, den mächtigiten unter allen finnlichen Trieben im
Zaume zuhalten. Er enthielt ſich, fagt Renophon, leich⸗
ter von den ſchoͤnſten Perſonen, als andere von den
Haͤßlichſten ***), und fchlief eben fo fanft und ungeflört
an der Seite des fchönften Griechifchen Juͤnglings, dem
n; When nachjagte, als wenn er an ber Seite feines
ers geruhet harte }), Seinen teib pflegte er nicht,
als einen Herrn und Liebling, zu deflen Wartung er von
der Natur beitellt worden, fondern als einen Diener
und als ein Werkzeug der Seele, das zu allen Zeiten
bereit ſeyn muͤſſe, ihre Befehle zu vollſtrecken F}), Er
ſtaͤrkte ihn täglid) durd) mäßige llebungen, damit er dad,
was er empfangen hatte, gehörig verarbeiten mochte;
and ats er in feinem höhern Alter es nicht mehr für ſchick⸗
lich hielt, in den Önmnajten bey den öffentlichen Uebun⸗
gen feinen Leib zu entbloͤßen, wählte er das Tanzen, als
| eine
ED aD U
Zn ’
*%) Xenophontis Symp. c. 2. p. 440.
nr) Kein Meufh, ſagt Alkibiades beym Plato in. Symp.
p. 193. ſah den Sokrates je trunken. Gelßi an fell:
lien Schmäuien trank er nie mehr, als die Befund:
ben erlaubte ; mean er pe gezwungen wurde, ſo
onnte er alle diejenigen überwinden, bie i
. Trinken genschigt hatten, tt bie ihn zum
e*) Mem. I. 2. p. 9. €. 3. p. 39 & 42,
T) Siehe zweyte Beylage.
+}) Xenoph. 1. a, p. 10. & e. G. p. 56. Memotr. Sorr.
Plat, in conv. p. 193. 1194
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 469
eine für Ihn als Grels nicht zu heftige, und ben Chrpet
vor allen andern zuträgliche Bewegung , Indem dadurch
nicht einzelne Theile, ſondern alle Gliedmaßen ohne Aus⸗
nahme gleichfbrmig geftärft würden *,, Sokrates hate
te ſich durch vieljährige Gewohnheit fo abgehärtet, daß
er ohne Möge und Schaden, Froſt und Hize, Hungeb
und Durft, Schlaflojigfeit und andere Beſchwerden ers.
tragen fonnte **). Den der Belagerung von Potivää
wurde es feinem Krieger fo leicht, als ihm, zu faſten,
und die ungewoͤhnliche Kaͤlte des Thraciſchen Winters
ans zuhalten. Er allein wandelte baxfuß und mit einer
einzigen Gewande bekleidet im Schnee und auf dem Eifke
umher, da alle Übrige Krieger ſich entiveder gar nicht
auswagten, oder ſich in eine Menge von Pelzen huͤll⸗
sen P). Alle dieſe Tugenden, die im Ganzen genom⸗
men. feitener als die bffentlichen find, ungeachter (ie
unmirtelbae das Wohl und die Erhaltung ihrer Beſizet
befoͤrdern, wurden dem Gofrates durch eine ununteed
beochene Geſundheit, die nicht einmal in der ſchreckll
chen Seuche die geringſte Veroͤnderung litt 7), and
Sutch eine beftändige Heiterheit und Gleichheit des Ge⸗
muͤths belohnt. Sein Geſicht war nicht bloß an Offenes
lichen Orten und vor den Yugen des Volks, fondern |
auch in ver Einfamfeit feines Haufes und Im vertraten
85 Um⸗
2* Lu alt ten IETED
#) Symp. e. 2. P. 437. 438. Der Tan; war fonft, den
.eriederifgen ausgenommen, unter den Griechen eine
nunſchickliche Uebung oder Bewegung des Leibes. Als
er Charmides feinen Lehrer zum erftenmal allein
tanzend antraff, glaubte er, daß dieſer von Sinnen ge«
kommen fey, bis er ihm die Vortheile dieſer Bewegung
des Leibes mus einander gefezt hatte, ib
°., Plato in convivio d. 193, 194.
27.1, | P. 193. 194
+4) Gettll Modi. Aii. IL, 1.
470 Siebentes Buch. Zweytes Capitel.
Umgange mit feiner Familie, in welchem alle Verſtel⸗
Jung aufhoͤrt, ſtets daffelbige, und feine Frau Kantippe
gab ihm daher eigen vobſpruch, den: wahrſcheinlich nur
wenige Weiber ihren Männern ohne Schmeicheleg has
ben geben koͤnnen, und deſſen Größe man erft einfieht ,
wenn man ihn eine Zeitlang uͤberdacht bat, Zantippe
fagte von ihrem Gemal, daß er ſtets diefelbige Miene
beym Eingange und Ausgange gehabt habe *). Ueber
die Unarten anterer zürute er fo wenig, ale über ihre
Kranfheiten, oder teibesgebrechen *%), und ihre Un;
böflichfeiren und Beleidigungen fah er entweder als Lle«
bungen feiner Geduld an, oder er ertrug fie rubig und
ohne Aeraerniß, wie Schäden, die ihm durch unver:
meidliche Zufälle oder durch unvernünftige Thiere zuge⸗
fügt worden 7). Wenn er fich aber durch eine jner⸗
wariete Grobheit oder Micderträchtigfeit ein wenig ges
ruͤhrt fühlte, fo unterdrückte er gleich die erften Regun⸗
gen des Zorns dadurch, daß er den Ton feiner Stimme
mäßigte, und fanfter als gewöhnlich redete, daß en
freundlicher alö ſonſt lächelte, und heiterer als foaft um
| ſich
®) TIL 15, Tuſe. quael, -
#®) Mem. Socr. 11. 13. p. 194, °
}) Ib. & Epi&. ap. Arrian. diff, IV, 9. Proben feinen
Langmuth finder man im Plutasch de liberis edur. vv}.
8 33.34 de ira cohibeada VII. p. 809. Dingen IR. ar.
ib} Mensg, Seneca de ira IH. €. IT. und andern,
für welcher Erzählungen Glaubwuͤrdigkeit ich aber niche
einftehen mochte. eine andere Tugend” bemunderte
der" Ältere. Caro im Sokrates fo fehr, als feine
aoerynoıcev , der bie Geduld, womit er die Unarten
feiner Fran und feiner ihm ungleihen Kinder ertragen
habe; Plut. IE, In Cat. vita p 588. wahrfcheinlid def.
wegen, well er fühlte, daß er diefe Tugend am wenig:
ten oder am ſchwerſten wuͤrde erreichen Eünnen,
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. am
fich her blickte, an weichen Zeichen feine Freunde es fo
gleich erfannen, daß er mit einem Innern Feinde fampf:
se, der ihn zwar bisweilen anfallen, aber nie überwins
dem konnte *). lleber die Begierde nach überflüffigen
Guiern und eitler Ehre war er fo fehr erhaben, daß er
von reichen Freunden, denen er viele Jahre gennzt hate
te, vielweniger Gefchenfe annahm, ald andere fich durch
Beftechungen zu gefezwidrigen Handlungen bewegen liee
gen, und daß er eifriger, als die dem Alkibiades guͤn⸗
ſtigen Feldherten daran arbeitere, daß der Preis der Ta⸗
pferkeit der ihm eigentlich gebuͤhrte, diefem boffnungss
vollen jungen Manne zur Ermunterung und Stärfung
feiner Tugenden zugefprochen würde **), Ben einer
gänztichen Abweſenheit aller böfen füfte und Begierden,
wodurch Menſchen zu Berbrechen verführt werten,
fonnte e6 dem Sokrates gar feine Mühe koſten, Tugend
und Wohlwollen zu üben, Keiner konnte ihn falfchee
Zeugniffe, oder Angebungen, ober anderer ungerechter
damals gewöhnlicher und einträglicher Handſungen zei⸗
hen 7). Er erfuͤllte alle Geſeze ſeines Vaterlandes in
allen Stuͤcken, und falgte ohne Murren und Zaudern
dem Winke ſeiner Obern, wenn ihre Befehle mit den
Geſezen uͤbereinſtimmten; allein er widerſezte ſich ihzuen
auch mit unuͤberwindlicher Standhaftigkeit, wenn fie
ihm etwas unrechtmaßiges zumutheten. (Er. weigerte
ſich nie ſein Leben fürs Vaterland zu wagen, fa oft er
dazu aufgefordert murde, und er fochte alfp vor Poris
daͤa ſowohl, als in den Schlachten bey Delium und Ama
phipolis mit einem foichen Murhe, daß Athen ihn für,
einen feiner tapferften Krieger, und die Feinde für einen.
| Gg4 ihrer
H Plut. de ira cohib. VII. 785. Senee. de ira HI. 13.
*s) Xeg.L 5. p. 51. Mom. & Plat. in conr. p. 23
7) Zen. IV. 4. p. 237.
m un un up
422 Siebentes Buch. Zweytes Sapitd.
ihrer furchtbarſten Gegner erkennen mußten ). Mit
eben der Kraft und Feſtigkeit des Geiſtes, womit er die
Feinde ſeines Volkes ſchlug, ſtritt er wider die Unge⸗
rechtigkeit eben dieſes Volks und feiner Gewaltigen; und
ließ fich weder durch) das wilde Geſchrey bed erſtern,
noch Durch. die Drohungen der leztern bewegen, etwas
zu thun oder zu laffen, was er für unrecht hielt. Cr
_ N vers
mug ggg — — — en
8) Ueber dieſe Feldzuͤge ſehe man Plat. in Apol. p. II. ia
Convivio p. 193. 194. in Charmide p. 242. in La-
chete p. 253. Athenaus ſuchte alle diefe Feldzuͤge dee
Sokrates und das Anſehen des Plate —— zu Mas
den; allein die Gründe diefes Saumlers find fo efend,
als die Nachlaͤſſigkeitsſuͤnden, dierer in der Anklage des
Soktates und Plato beging, ſchimpflich And. Lib. V.
e, 12. & ibi Cafaub. Plate war nidhe der einziae,
welcher der Feldzuͤge des Sofrates erwaͤhnte; auch Fe
nophon und Antifthenes thaten es. Athen. I, e. &
ı Xen, Mem. IV, 4. In einem Treffen vor Potidaͤa
[ns
rettete Sokrates dern Alkibiades das Leben, und auf
dem Ruͤckzuge bey Delium war ed, wo er Ach mit eis
nem fo zuverfichtlich fangfamen Schritte zuruͤck joa, und
fo furchtbar um ſich herblickte, daß Feiner der Zeinde
es wagte, ihn und den Laches anzugreifen. Plet. Il, cc.
In eben diefer Schlache foll er, wie mehrere Schrift: ⸗
fieller erzählten, dem Kenophon das Leben geretiet
haben; allein ich zweyfle daran, weil weder Plato au
den beyden Stellen, wo er von dem Betragen bes
Gokrates den Delium redet, noch auch Kenophon felbft
diefer That erwähnen. Mean fehe Diog. H. 22. & ibi
Menag. Diefe Nachricht ift wahrſcheinlich aus einer
Verwechfelung entflanden, wie eine andere, daß So⸗
Erates bey Dellum den Preis ber Tapferfeit erhalten
habe. Simpl. ad e. 31. Euchirid, Epict. Simplicius
harte offenbar die Stelle Im Gaſtmale des Plaro lim
Sinne; allein er erinnerte ſich derfelben nicht recht,
und ſchrieb dem Sokrates etiwas zu, was biefer bey
einer andern Gelegenheit dem Alkiblades zugewandt
hatte.
4
j
!
Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. an
verachtete die Wuth Des Poͤbels, als biefer gerade zu
ber Zeit , da er das Haupt des regierenden Raths war ,
mit Uingeflüm won ihm verlangte, daß er feine Stim⸗
me zur Verurtheilung von nem unſchuldigen Feldher«
ren geben follte *), und er blieb lieber, wie Zenophon
fast, feiner Pflicht und dem Eide, den er geſchworen harte,
treu, als er dem Volke oder den Mächtigen der Stade
willfahrte, Er fpotiete der dreyßig Tyrannen, als biefe
ihm unterfagten,, forehin junge leute in ver Regierungs⸗
Funft zu unterrichten **), unb lachte ihrer Befehle, als
fie ihm auftrugen in Gefellfehafft von noch vier andern
einen Einwohner von Salamin zu ergreifen und nach
Arten zur Todesſtrafe zu bringen; eine Widerſez⸗
lichkeit, die ihm wahrſcheinlich das leben wuͤrde gefofter
Haben, wenn nicht die Tyraunen bald nachher wären ger
ſtuͤrzt worden 7). Wenn man die Würde eined Mite
gliedes bed hohen Raths ausnimmt, die Sokrates eins
mat befleibere, fo biele er fich während feines ganzen
übrigen Lebens von öffentlichen Aemtern und Gefchäfften
entferne, weil Welt uni Ele zu verborben waren, si
| 95 a
‘
rungen ] — — — ———— — — ⏑
®) I. 1. Nem. Socr. p. 8.
#®) I. e. 2.p. 21. Mem. Soer.
4) Plst.d.c, Diodor ſagt an der Stelle, wo er den Ted
des Theramenes erzähle, daß Sokrates nebſt zween
ſeiner Freunde dem eben genannten Demagogen, als
er ins Gefaͤngniß geführt worden, zu Huͤlle gefemnen
ſey, bis diefer ihm gebeten Habe, ſich nich: in unndehi⸗
ge Gefahr zu kürzen, und bis er ſelbſt geſehen, daß
Feiner zur Rettung bes Ungluͤcklichen herbey eile. —
Deſe abentheuerliche Handlung widerſpricht nicht allein
dem Charakter des Sokrates, fondern wird auch weder
vom Plate noch vom Zenophon, noch vom ingend ei
nem andern zuverläffieen Geſchichtſchreiber erzähle,
und kann daher ohne Bedenken als erdichtet verworfen
werden.
474 Siebentes Buch. Zweytes Capitel.
daß er ihnen auf dieſe Art haͤtte nuͤzen kͤnaen. Cr
konnte und wollte pe aicht zu tolchen Schmeichelegen
und einer foldıen Nachgiebigfeit erniedrigen, als der
Poͤrel auch bey den unſinnigſten und gewaltthaͤtigſten
Unternehmungen won. feinen Demagogen erwartete.
Wenn er ſich aber dem Willen des Volks ſtets widerſezt
haͤtte, ſo wuͤrde er, wie er ſelbſt beym Plato ſagt *),
‚ bald getoͤdtet, und Dadurch gehindert worden ſeyn, ſei⸗
nen Mitbuoͤrgern auf andere Arten zu dienen. Gben
deßwegen, weil er fein Qeuge und Theünehmer unge
reimter Entfchlüfle, unaerechter Hrcheile, und much
. Williger oder ſchaͤndlicher Ausgelafſenheiten ſeyn mochte,
beiuchte. er weder Die Volfsverſammlungen, noch die
Ge richtsplaͤze **), und nus ſehr ſelten die Öffentlichen
Schauſpiele. Nichte deſtoweniger wurde fein Leben eben
jo gemeinnuͤzig, als wenn er das ganze Volk, wie Des
tifles geleitet, oder flers Flotten und Heere ongeführs
hoaͤtte f). Sofrates wandte feine beften Kräfte und
Stunden an, um die Stolzen und Berderber des Gei⸗
ſtes und Herzens der Jugend zu demuͤthigen, die Zwey⸗
deutigen zu flärfen, die Schwachen aufzurichten, over
von Geichäfften, denen fie nicht gewachfen waren, abs
zuhalten, und tüchtige, aber.träge oder an den Wohl⸗
fart der Stade verzwenfelnde Michärger zum Dienſte
ihres Vqterlandeg Ju ermunfern FT), Ex fühnte unge
" | on nige
V p. 13. in Apol,
"*) ib. p. 7.
H Er zeigte zuerſt, ſagt Plutarch, daß das ganze Leben zu
allen Zeiten und in allen Umſtaͤnden und Vorfaͤllen für
die Philoſophie empfängiih ſey, und daß man ein
wahchaftiger Bürger und Menfhenfreund ſeyn könne,
wenn man auch nie den Diantel des Pelüheren und bag
Gewand des. Redners anſege. an ſeni Gt gerend, reſp.
vol. IX. p. 180.
tf) Mem. Socr, IM. e. 1-7. Plut Lc.
Geſchichte des Solrätes und ſeiner Dit 475
nige'und gegen einander aufgebrachte Eftern und Kinder,
Ehegatten, Brüder und Bekannte aus”), tröflere fe -
sie niedergefchlagenen Freunde im Unglück *%),' half ide
nen durch feinen weiſen Rath aus der Noth ***), bea
fehrte die Unwiſſenden, "bildete die Hoffnungsvollen aus,
und biels ſeibſt ſchloͤpfrige Gemuͤther durch feine ehren
und Beyſpiel von taftern und Verbrechen zurück 7).
Durch alle dieſe wohlchätigen Bemühungen wurde das
geben des Sofrates eine unerfchöpfliche Duelle von Sega
unngen für fein Volk, und mit Recht konnte Plato von.
ihm fagen, daß er der einzige in feinem Zeitalter, oder
einer von. ber Wenigen geweſen fen FF), die ohne alle
eigennügige Abfichten für das Wohl ihter Mitbürger ge
arbeiter hörten.
| Daß nun ein folcher Mann, als Eofrates war,
der feines Poͤſen gefchönt hatte, unter einem Volke, das
alle große Berbienfte und Tugenden Baßte, und fie zu
unterdrücen fuchte, Feinde, Neider und Verlaͤumder,
fand: daß er ferner in einer: Stadt, in welcher falfche
Ankläger oder. Syfophanten tie tieblinge des herrſchenden
Poͤbels waren, um erdichteser Berbsechen willen vor’s
Gericht gefchleppt wurde, ifk meinem Urtheile nad) gau -
nicht zu verwundesn; allein daß Sofrates gerade um
ſoſcher böfen Künfte und Thaten willen, wider welche
fein ganzes Leben zeugte, die er beſtaͤndig beſtritten, und
un derentwillen er den größten Theil des Haffes auf fich
geladen hatte, angeklagt und verursheilt wurde, daruͤber
eritäuns ich. immer von neuem, fo ſehr ich auch haben.
bedenke, daß unzählige unſchuldige Menſchen vor in
va
——— Dumm ax 0a r
®) Mem. IL 32 & 3.
8) Senec. de trang. animi e. 3. 0
®s®) 1. 7. Memor. Soœer. p. EE?.
+) Memor. $oce. 3, 2. p. 35,
+}) in Gorgia p, 931.
476 Siebentes Buch. Zweytes Capitel.
sach ihm von dem ausgearteten Achenienſiſchen Poöbel
nm Tode verdammt worden find. Die Verlaͤumdun⸗
yen, Anflogen und Berurtheilung des, Sokrates machen
einen Hauptabſchnitt der Geſchichte feines tebens und ſei⸗
hes Charakters aus, weil er durch fein leztes Betragen
feinem ganzen volibrachten teben gleichfam die Crone aufe
fee, und alle feine Tugenden nicht nur verfiegelte, ſon⸗
dern auch) viel heller leuchten ließ, als er fie vorher zu
jeigen Gelegenheit gehabt hatte,
Die enrferntefte Veranlaſſung der Berurtheilung,
olelleicht auch der Anklage des Sokrates, war ein Pofs
enfpiel des Ariſtophanes, bie Wolfen betitelt, worin
er den Gehn des Sophroniskus nicht nur als einen arm⸗
feeligen, fchmugigen und efelhaften Grillenfänger und
Srübler lächerlich und werächtlich machte, fondern ihn
auch als einen gefährlichen Sophiſten ſchilderte, der ſich
mit ber (Erfahrung überirbijäber Dinge abgebe *), bes
vie Götter des Volks Iäugne, und hingegen neue Gott⸗
keiten , den Aether , die Nothwendigkeit und die Wolken
Nnführe, dee endlich Die Kunſt lehre, weiche die Sophi⸗
ten zu beſtzen vorgaben, eine jede gute oder Harfe Sache
ſchwach, und eine ſchwache Sache ſtark zu maden,
Ariſtophanes vergriff fich am Gofrates wahrfeheinlidy
weder aus eingewurzeſter Feindſchafft, womit nach deu
Traͤumen ſpaͤterer Scholiaſten alle Komiker gegen die
Weltweiſen erfuͤllt geweſen ſeyn follen **), noch aus eifer⸗
Nchtiger Rache, weil Sokrates dem Ariſtophanes vom
Könige Archelaus war vorgezogen worden F), noch auf
die
—
Solche Naturforſcher wurden von dem Pebel in Athen
"ohne Ausnahme für Gotteslaͤugner gehalten. Pläc.
Apol. Soer p. 7.
e*) Vide Schal, sd Ariſtopia Nubes cum Scholile anttgais
ex recenfione Richteri, Harderovict 3752, in 9.
4) Ibid, -:
\ \
Gehchihte des Sokrates und feiner Ph, 47
die Beſtechungen ſeiner nachhzerigen Feinde und Ankld
ger, die Eenophon und ‘Plate gewiß nicht mit Still
ſhweigen uͤbergongen hätten, fondern weil Sokrate
viel Freunde und Anhänger hatte, weil er dem ganze
Polke befannt *), und, alfo gerade eine folche Perio:
war, dergleichen die Arhenienfer aufs Theater gebrad)
wuͤnſchten. Kein tuftipielfchreiber durfte fich unterſte
hen, das hochheilige Bolt in Athen anzurallen; afleiı
einzelne Perfonen konnte man ungefiraft mißhandeln
weil diefe entweder reiche, mächtige und edle Bürger
oder wenn auch vom Poͤbel, wenigftens folche waren
die fich vor ofen andern auszeichneten, und die eben def
megen der grofie Haufe nicht ungern gedemuͤthigt fab **)
- Sofrates hatte alfo mit allen großen Männern in Athe
einerieg Schickſal, wenn er dem Poͤbel in einer Sarı
Preis gegeben wurde; und Ariſtophanes war nicht de
‚ einzige, der ihn auf der Bühne laͤcherlich gemacht, un
gehäffiger Thaten beſchuldigt hatte 7). Ungeachtet di
Wolken des eben genannten Dichters, was Sprach
- Erfindung, Anlage und Einfätle betrifft, die beſten unte
allen feinen Farcen iſt, wofür er fie auch ſelbſt hielt,
machte fie doch mwenigftens bey der eriten, und vielleich
auch ben der. oder den folgenden Vorſtellungen, air %
| SGluͤc
—
a) Welch einen großen Eindruck Sokrates gemacht hal
kann man aus folgenden Stellen des Ariſtophan
ſelbſt fehen: in Avibus v. 1280.
Ilew pev yag oma a8 rmde Tv BoD
EAuxwveyavav WTaVTEs aUNERZO Tore
Exou@v , ETRESYOV 5 ERLUERV 5 STRLERTONY.
X am — nu
Kazer'av ana narıgay ec vo Br.
#*) Dercp. Athen. e. 2. p. 585. Xenoph. -
» Den Ich Sche). ad v..96 &. 289; Nuklom’ Arıfl
. phenis,
U
machten ſich feine Feinde dem noch friichen Haß, ber in
den Gemuͤthern der Uchenienfer gegen den Alfibiades und
Kritias , feine ehemaligen Schüler, übrig war*), und
feine Eimamkeit oder Armuth an vielgeltenben Befchüs
jern zu Nuze, und ließen iyn durch drey dazu beſtellte
Männer, als einen Feind der Goͤtter und des Wolks,
Bericht fordern. Angtus verflagte ihn auf Auftifr
A a der Demagogen und anderer, bie fich mit. bffenrlis
= then Geſchaͤfften abgaben +), Melitus im Namen der
—Diichter, und tyko im Namen der Sophiften, als einen
verderblichen Buͤrger, bet die Jugend verderbe, ber bie
Goͤtter, welche die Stadt aubete, läugne, neue Gott⸗
heiten einführe, und durch diefe Berbrechen ben Tod
verdiene }). Dieſe grandiofe Anklage brachten fie nicht
vor
ae een
.®) Aeſchines in Tim. p. 194.
©, So maß man die Wörter dnuueyor, Kos Poliricd
verfichen. Man fehe Plat, in Gorg, 317. & is Me-
nOöne p. 345:
4) So führen Plat. in Apol, p. 9. Xenoph. Mem. 1. 1.
und Dicg. 1.40, die Worte der Anflage mit denfelbi-
\ gen Worten an. Antifthenes ſtimmt vollfommen mit
dem Plato in der Angabe der Feinde zufammen, in
® beren Namen Sokrates von feinen Anklägern belangt
wurde. ap. Diog. Il. 39, Auch Xenophon und Plato
kommen In allen Hauptſtuͤken der Anklage, Verurthei⸗
lung und des Todes ihres Lehrers überein. IB Xeno⸗
phon, der dem Plato ſo wenig als diefer bem Kenophon
gewogen war, beftätigg die Nachrichten des Erſtern,
ſelbſt durd) feinen Tadel: daß viele zwar die Geſchichte
des Todes des Sokrates richtig befchrieben, äber die Urs
’ fachen anzugeben vergeffen Härten, warum er den Tod
dem Leben vorgezogen habe, in Apol: Sner. p. 409.
Die Ankläger des Sofrares harten, wie es ſcheint, alle
einen perfonlichen Haß gegen ihn, menigfens läßt «8
. fi von zwern beweilen oder wahrfcheinlih machen, Lay
‘ fie
Geſchichte des Solrates und feinen AS. au:
nor .den Aresbag, der vormals Beſchuldizungen dee,
Gottlaſigkeit und anderer Beleldigungen der väterlichem.
Rellgion unserfucht hatte, fondetn vor eins bet zahlrel⸗
chen Volksgerichte, und hoͤchſt wahrfehelnlich dor das:
angefehenfte unter allen, nämlich die Selida, sfr
. . *
° MEN nicht nur in bei, Claffe von Menſches, Zu wel⸗
Der ſie gehorten, fondern auch Mh Ihrer Perſon feibfk
beleidigt glaubten. Anytus wurde dadurch gegen der
Sokrates aufgedracht, daß dieſer in einer kurrzen Un⸗
reeredung mir feinem Sohne geſagt hatte, daß vr "iin
einer Talente willen verdiene, fi) nicht bloß mir dee
- Bertitung von Leber (det Handthierung des Vaters,
der fonft in der Stadt im größten Anſehen ſtand,) zu
befhäfftigen , fondern einem Ersicher und Ansbiloer .
{einer higkeiten und Anlagen übergeben zu werden.
‚ Xenoph, in Apol. Soer. p. 422. 4323. Wie wenig
man fi auf die Nachrichten der ſpaͤtern Scriftſteller
verlaſſen eͤnne, erhellt wiederum aus dem Beyſpiel⸗
des Libanſus, als welcher erzaͤhlt, daß Anyıns ſonſt
| [eine Söhne zum Soktates geſchickt Babe, aber dadurch
leidigt worden ſey, daß diefer flerd det Gerberey,
" Hinds Handwerks, was er von &xlaven treiben laſſen,
erwaͤhnt Babe, daß er ſich aber gegen den Sokrates era
boten, bon feiner Anklage abzuftehen, wenn er ins⸗
kanſtige von feiner Handthierung zu —5* verſpre⸗
en wolle. Apol. Soct. I. p. 642. 43. Den Melitus
gethan, was Sokrates nicht thun wollte, und deu
Lesa von Salamin auf Befehl der Tyrannen
Zweyter Band. BE \..
,
N
)
er Cibenteb Bat. Zwehtes Eapiil. >
Fünf hundert Perſonen beſtund ). Die Groͤnde, wo⸗
mic fie Ihre Beſchuldigungen zu bemweifen ſuchten, waren
x
‚“) Meufis
f ‘ .
fo elend, daß fie nur allein von ſolchen Sykophanten
W u ed und
-
Athen gebtadye hatte. Andoc. orat. I p. 218. und
Plat, Apol. p. 13. Lykon wat fetdft ein Redner un
Soephiſt, und vermuthlich auch, gleich feinen Mrübern,
- vom Soetra es gedemürhiget worden. IL. 38. Diog.
: Ben ibm heißt es, daß er alles zur Antiage des So⸗
trates geſtimmt und vorber eitet habe.
in feiner Abhandlung über ben Areopag ec. V.
p. 088. in Gron. Thef. Vol. V. glaubt, daß Sokra⸗
tes con den Areopagiten gerichtet worden fey, und zwar
aus tem ſchwachen Grunde, weit alle Auklagen von
Sortiofigteit vor diefen Gerichtshof gehört Hätten.
. Aus dieße feiner Meynung zieht et den Schluß, der
ihn allein auf andere Gedanken hätte bringen follen,
daß der Areopag aus vielen hundert Mitgliedern beſtan⸗
den. habe, weil Sokrates durch 285 teinchen mehr
wernerheift als frey gefprochen fy. ſ. 41. Diog. 1.
Spy wil nicht einmal dieſe Nachricht des Diogenes von
der geußen Zahl von Richtern, die unmöglich von dem
Arcopan geiten konnen, wider ben Meurflus brauchen.
weil Piato erzählt, daß Sokrates nur durch einen klei⸗
nen Ueberſchus von drey Steinchen für ſchuldig erkläre
werden. in Apol, p. 24, Allein aus andern aͤn⸗
den wird es unläugbar, daß die Richter des okrates
wicht Areopagiten, ſondern Menſchen aus den Poͤbel
waten. Denn erſtlich laͤßt es ſich gar nicht denken,
daß Die Ankloͤger des Sokrates ihre laͤcherlichen Beſchul⸗
ugen vor einem Gerichtshofe, ber no immer aus
- den verxehrungs vuͤrdigſten und verftändigften Männern
deſtand, Ill. 5. Memor. Soer. angebracht; und noch
\
ır
weniger , daß diefe Areopagi:en den Sokrates auf ſolche
„Beftuldigungen fo geſezlos, und mi: einer f6 unver»
nünftigen Hize verdammt haben follten, wenns
war die Haupturface, warum Goftates von feinen
Sidprern verurcheilt wurde dieſe, daß er ſich nicht au
Echmeiche leyen und demuͤthigen Klagen ernlteigen |
. " wolite,
⸗
⸗
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 489 =
und vor ſolchen Richtern vorgetragen werberi koemten
Ste warfen ihm vor, F — der Jugend eine Verach⸗
’ rt
urn SEES ——— —— —
weile, dergleichen die Richter erwarteten und gewohnt. -
= waren. Kenoph. Apol. Soer. p. 410. Solche Nies
derrädhtigkeiien und Künfte konnten die Arenpagiten
anmöglid erwarten, weil fie vor Ihrem Gerichte durch
die Geſeze unterfage waten. Drittens behandelten Die
Antläger des Ookrates ſeine Richter völlig fo, wie die
Medner den Pöbel Behandekten, und auch nur den Poͤbel
behandeln konnten. Sie ſchilderten den Sokrates als einen
mächtigen Redner, gegen deſſen Beredſamkeit fie auf
ihrer Sur feyn (Plat. Apol, Socr, p. 7. initto) und .
als einen gefährlichen Mann, den fie um ihrer folk
willen tobten mäften,, weil er ſich fonf an ihnen raͤchen
und ihre Gähne verderben würde, Ib. p. 12. Auch
die Beweiſe, die fie für ihre Beſchuldigungen vorbrach⸗
ten, und die ich Im Texte anführe, konnten nur auf
den Poͤbel einen Eindruck machen. Viertens läßt es
fi von keinem alten Tribunale, ſondern nur allein von
einem allmächtigen aus dem Poͤbel beſezten Volkge⸗
richte annehmen, daß es dieſenigen, bie es ſchuldig be⸗
funden hatte, nad bloßem Wohlgefallen, entweber nur
um eine kleine Geldſumme, oder mit einem kurzen
Gefaͤngniß, oder mit Verweiſung, aber auch ſelbſt am
Leben ſtrafen konnte. Endlich konnte es nur von/
Mitgliedern eines Volkegerichts gelten, was bie Ftreane
de des Sokrates zu Ihrem Lehrer fagıen: daß die Ridge,
ser’ ſchon ‚oft Unſchuldige um ihrer Neben willen ver⸗
dammt, und andere losgefprochen hätten, Mem. Soer.
IV. e. 8. & Xenoph. Apol.$. 4. — Daß aber unter
allen Volksgerichten gerade die Hellda ſich mit dem
Dlute des Sokrates befledt Babe, wird mir daraus.
wahrfeinlih, daß Sokrates eines Eides erwähnt,
wodurch feine Richter feierlich beſchworen Härten, ums
iſch und nach ben Sefegen zu richten. p. 14. im
- Apol. Soct. Einen folden Eid legten 'mur die Helles
ften allein ab. Das Formular diefes Eides finder mau -
beym Demoſthenes p. 481. In feiner Rede wide Dim
Ea Sebentes Bud Awertes Caritc
dguaq engen die eingefühete. Staotsverhaſſung eingefbfie
habe, ‚indem er gefagt, daß es. lächerlid) fen, die Vor⸗
eher des Staats durchs food zu wählen, da niemand
| ‚auf diefe Art Mauerleute, oder Baumelfter, oder ans
Bere Künftter wähle *), Sie fchrieen, daßer den Kris
das und Alkibrades gezogen, wovon det, eine Dit graue
mſte unter. den Tprannen, und der andere bet zügels
fefte und gewaltthärdgfle unter allen Buͤrgern geweſen
. 69**)5 ja daß er die Böhne der Athenienſer Geringſchaͤ⸗
der Väter, wie des Vaterlandes gelehrt, indem er
nen verfprochen ‚ fie weifer als ihre Vaͤter zu machen,
und zugleich Hinzugefezt habe, daß bie Linmeifeen von
> pen Weiſern gefeſſelt zu werben berbienten, wie man
PV zn
gerrücte Eltern, wenn fie ihren Verſtand verloren haͤt⸗
"> gen, felhft nach den Gefegen binden koͤnne *%%), Er habe
. kinen "Anhängern gerattrhärige und tyranniſche Sefine
Sungen bengebracht, weil er mit dem Heſiodus gefage
- , Kätte, daß Peine Art von Arbeit und Unternehmung,
aber wohl Trägheit und Unthaͤtigkeit Schaude bringe }).
Er habe fie endlich dazu, aufgemuntert, arme und ges
. einge Bürger zu mißhandeln, weil er ſtets die Homeri⸗
en Derfe im Munde gehabt, in weichen Ulhß den
rſites durch Worte und Tharen zum Stillſchweigen
Beinge FI) Alle dieſe Deichuldigungen befräftigten fie
mit falichen Zeugen, bieman, wie falſche Anklöger, um
einige Drachmen erfaufen fonnte FF). Sokrates gab
ch nicht die Mühe, fich gegen die Verbrechen, bie man
aufgebürder hatte, Im einer weitläuftigen Schuzrede
Br | zu
|
l. . P> \ 1. M N *
wi) ib. ©. a
4) ©. 31. —
BR ©. 32. 33. Ib,
SD Xenoph, Apol, Soes, $, 24:
Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 485
zu vertheidigen ), und er nahm nicht einmal diejenige
an, die Lyſias ihm anbot, weil fie fich , wie er fagte, für
ihn eben fo wenig fihide, als Sikyoniſche Schuhe
wenn ſie auch noch fo ſchoͤn gearbeitet wären *"), as
feine Sreunde ihn an eine Schuzrede erinnerten, und
&hm zugleich vorftelleen, daͤß die Nichter in Achen viele
Unſchuldige bloß um Ihrer Neden willen verurtheilt, und
viele Schuldige hingegen frengefprochen hätten, erwies
Derte.er, daß fein Dämon ihn von einem wiederhohlten
Verſuche, eine folhe Rede zu machen, abgehalten
habe . Zugleich fragte er ie ie ,. ob fie nicht glaubten,
daß ein ganzes nach ven Geſezen der Tugend vollbrachtes,
und durch feine Ungerechtigkeit oder böfe That beflecktes
Leben, die fchönfte Apologie ſey? Vielleicht, fagte er,
iſt es der Wille und eine Gnade der Gottheit gegen
mid), daß ich flerben ſoll, weil fie einſſeht, daß es beſ⸗
fer nn, michfen, in den Top zu geben, als fortzule⸗
Wenn ich jezo verurthellt werbe, fo fterbe ich
He I gefunden tel * ſtarker Seele, den leichte⸗
ſten Tod, der meinen —2 und Angehoͤrigen die
wenigſten Beſchwerden und Bekuͤmmerniß verurſacht,
ber auch gar feine widrige Bilder und nachtheiliae Erins
nerungen, fondern vielmehr die Iebhaftefte und hellſamſte
—— nach dem Verſtorbenen zuruͤcklaͤßt. Bisher,
bu weißt es Hermogenes, habe ich es feinem Gterbli⸗
om gugegeben, daß er beffer und glücklicher gelebt haͤtte,
ats ich, Ich war überzeugt, daß diejenigen am beften
lebten, die fi) am meiſten bemühten, immer vollkomm⸗
ner gu werden, und daß diejenigen wiederum am glück
Hatten wären, die es am meiften fahtten daß fie voll⸗
H63 komm⸗
XXXXXX
©) Memer, Soer,
> — 5 «8. „& Xenoph. Apol, p 418. a
Xen.) e,
1 ec. p. 65. &
t
486 | Ciehente Bud. Bmerkeh Gapil,
kommner geworden ſeyen. Wenn ich “aber noch länger
am Leben bliebe; fo würde ich wahrfcheinlich alle Uebel
eines freubentofen Alters erfagren müffen, und vielwe
niger bollfommen werden, als ich jezo bin. Mein
Sinne wuͤrden allmaͤlich abgeftumpfe, mein Verſtand
geſchwaͤcht, und meine Kraͤfte durch langwierige Schmer⸗
zen und Krankheiten aufgerieben werden: ein gleich trau⸗
giger Juſtand, ich möchte Ihn in allen feinen Schr
br fühlen, ober mir auch der Abnahme und Der
chlimmerung meiner Natur nicht bewußt werden, Wenn
cch widerrechtlich zum Tode verurtheilt werde, fo fällt
"die Schande nicht auf mich, fonbern auf meine Richter
und Mörder. Denn wie fann es mie Schaphe brin⸗
en, wenn anbere das, was recht iſt, nicht einfehen
Ina, ober nicht chun wollen? Erfahrung und Ga
ichte haben mich gelehrt, Baß diejenigen, die Unrecht
hun, und diejenigen, die Unrecht leiden, nicht einerleg
tamen bey der Machwelt haben. Ich Bin feſt über
aeugt, daß es Menſchen geben werde, die ſich nach
einem Tode auch um mich bekuͤmmern, und gar; am
ders über mich, als über meine Moͤrder urchellen wer⸗
Ben, Auch lebe ich der gewiffen Hoffnung, daß man
% ſtets das Zeugniß geben werde, baß ich feinem |
enfchen Unrecht gerhan, und Niemanden verborben,
fondern vielmehr aus allen Kräften mich bemüht habe,
alle diejenigen, mit denen ich) umgegangen bin, befler
And glücklicher zu machen *). Aus diefen Gründen, ſagt
Fenophon, glaubte Sokrates, daß ber Tob für ihn
nicht allein fein Uebel, fondern vielmehr wuͤnſchenswer⸗
ther als das Leben ſey ap}
Mit
Bd, —. | |
e Im Kenopfon fommen einige Stellen vor, ans denen
man fihließen koͤnute, daß Oofrates mit a: *
. Mich⸗
Geſchichte des Sokrates sind feiner Phil. 487.
Mit Geſinnungen. ging Sokrates vor’s Gr
sicht —— auf das, was er fügen wolle,
| 994 “aber
rmaBEen — —— — —
MRichter durch die Erwähnung feiner eigenen Verdienſte
gerelie habe, um von ihnen zum Tode verurtheilt zu
werben. Biele, fast er im Anfange feiner Apologie,
baten die Schuzrede des Sokrates und bis Geſchichee
feines Todes. aufgezeichnet; und alle haben die. Groͤße
feiner Sefinnungen erreicht und aushedrkkt: "um ge
wien Beweife, daß er fie wirklich geäußert habe;
altein Feiner bar-die Sehnde angegeben, ' weßwegen er
den Tod für waͤuſchenswerther, als das Leben biele,
und eben deßwegen ſcheint die Zuuerficht und Kuͤhnheit,
womit ex von ſich felbft. redete, unüberlege und unklug
gewefen zu fenn. — An einer andern. Stelle fügt er
Binzu: daß Sofrares ebem Dusch bie Erwähnung feiner .
Verdienfte den Neid des Richter gegen ih gemacht,
und dadurch feine Verurtheilung beſchleunigt habe $. 32. ,
p. 438. — Vielleicht wäre es Niemanden einaefallen,
aus den Worten des Zenophon den angeführten
. Schluß zu ziehen, wenn ich wicht meine Leſer daran
erinnere haͤtte. Allein um derentwillen, welche die
Orellen des Zenophon zum Nachtheile des Sofrares
ausiegen koͤnnten, erinnere ih, daß Kruophon fe wicht
ſo verftanden willen wollie, weil er ſonſt nicht in feiner
Schuilchritt ſelbſt, und an vielen andern Orten, den
Gokrates als einen Mann haͤtte ſchildern konnen, der
eben fo wenig andere zu Fehltritten und Ungerechtig⸗
feiten verleitet, als ſeibſt gefündige habe, — Wenn
auch niche das ganze Erben des Sokrates und fein Be⸗
tagen vor dem Tode, das ich nech beſchreiben werde, wi
der die Vermuthung firäfliher Bewegungsgruͤnde ei⸗
ner der Äberlegreften Handlungen des ‚Sokyatss ſtritte;
fo würden doch die Betrachtungen uͤber den Gelbftmord,
de Soktates dem Philolaus zuſchreibt und als wahe
annimmt, p. 24. in Phaed, Plat. eine ſolche Vermus -
ng widerlegen. Wir fiehen, fast Sokrates, in dies
eın Leben auf einem Poften,, den wir nicht nach uns
ſerm Wehlgeſallen veriaſſen können, - Miiz find si
/ 0 ud m
X
—
J
asa
R
Sichentes Buch. Zweytes Eapitel. -
"aber mit feiner Unſchulb, feinen Tugenden und ſeknen
nden umgeben, ‘Die niederträchtigen Raͤnke unb
ven
Fi feiner Anklaͤger, und die Ungerechtigkeit feiner -
Richter verieiteten ihn zwar nicht zu Heftigkeiten gegen
Die einen, und zu Troz gegen bie andern; allein fie er⸗
weckten umd erhöhten dach in ihm das Gefuͤhl ſeiner
. Größe, umb weil von dieſem und der Verachtung bes
Vodes redete er zu feinen Richtern, nicht als einer, Der
Lr
.
4
'
ic) ſchudig fan, oder fein feben erbettein wollte, ſon⸗
—— ein Herr und Meiſter derer, die ihn toͤdten
> Cr brachte zu feiner !Berteibigung ne
fm fein Eigenthum oder Knechte der Otter, und fe
wenig wir eg dulden, und wenn wir koͤnnten, unge
ſtraft laſſen würden, wenn unfere Sclaven ſich durch
pre eigne Hand unſerm Dienſte entsgen. chen fo we⸗
mig werden es die Herren unfers Lebens ungeitraft laſ⸗
fen, wenn mir duch Selbftraord won ihnen abtriännig
wöärden. Wir müffen alfo nicht cher aus dieſem Beben
herausgehen, als big wir vom ihnen Beſehle aber Aufı
Forderungen erhalten, wie diejenige ift, die jeze am mich
ergangen iſt.
* Cie. de oret. 1. gg. Imitatus ef homo Romanus, &
confularis veterom illum Socrstem, qui, quum
. omnium ſaplentiſimus eflet, fsu&tifimequa viniffer,
ite in judielo cepitis pro fe ipfe dixit, ut non fup-
Bier, aut seus, fed magifter, aut dominua effe vi.
r judicum. Quin etiem, quum ei feriptem
erstionem difertiffimus oreterum Lyflas attuliffee, &c,
Tufe. quaefi, 1.29. His & talibus rationibus addu-
&us Socrates nec patropum quaelivit ad Judicim ca-
tie, nee judicibus fupplex fult, adhibuitque H-
» contumacism, a magnitudine aulmi duftsm,
a fuperbis: & füpremo vitse die de'hoc ipfo
‚muiss differule, & paucis ante, diebus, cum faciie
poffet educl e euftndia, noluit: & cum paene in
manu jam mortiferum illud teneret poculum, locu-
. Mas ia. efl, ut non ad mortem tgudi, verum im coo-
lum videretur sfeendere,
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 499
drungener Kuͤrze und ohne rebnerifche Kuͤnſte das we⸗
ſeatliche von dem vor, was Plato und Fenophon nach⸗
ber In ihren Schurſchriften, und in den Denkwuͤrdigkel⸗
ten des Sofrares aufzeichneten )Y. Cr wundere fich,
fagte er **), dag Melitus ihm die Ablaͤugnung dev wäs
terlichen, und die Einführung neuer Görter vorwerfe,
da er ſelbſt ihn oft In den Tempeln der Bolfögätten, und
niemals auf den Altären neuer Gottheiten habe opfern -
fehen. Er Habe niemals , wie fein Anftäger ihn befchule
bige, die Gottheit der Sonne und des Mondes gelduge
net, oder nach himmliſchen Dinger geforfcht, ſondern
vielmehr diejenigen, die dieſes gethan, aus allen Kraͤf⸗
‚ten beftsiten, wie ofle feine Freunde und. Bekannte be⸗
zeugen koͤnnten. Von der Einführung neuer Götter
fey ex fo weit entfernt geroefen, daß er vielmehr geglaubt,
daß die Sorcheit ihm durch gewiffe Zeichen oder Stim⸗
men künftige Dinge befannt gemacht habe, fü wie fis
andern Menſchen durch das Geſchrey und den Flug ber
Döget, ober durch Träume oder Drafel, oder auf au⸗
dere Arten ihren Willen mitzucheilen pflege. Daß es
ober die Wahrheit rete, und nichts worgebe, als was
wahr ſey, koͤnnten feine Freunde erhärten, denen er oft
die Warnungen und Rathſchlaͤge der Gotcheit mitgetheilt
Babe, und die niemald dadurch wären hintergangen wor⸗
den. As die Michter biefeg hörten, machten fie ein heß
tiges unwilllges Oeraͤuſch, er einige das nicht glaub⸗
583
ten.
4
©) Das Sokrates geredet, und zwar weitkäuftiges gerehet
habe, als TZenophon Ihn in feiner Schuzſchrift reden
läßt, geſteht lezterer ſelbſt $. 22. p. 418. Ich halte
es aber zugleich Für wahrſcheinlich, daß Sokrates nicht
ganz [5 ausführen gefproden habe, ale Plate a ce. -
!
. n läge, il
) Plat, apol. p. 8. Xenoph. |. ı1. & fg,
490°» @iebenies Buch. Zwepted Capiek
&
ven, was Sofrares fagte, und andere Hingegen ihn ale
* einen Mann beneideten,, dem von den Göttern größere
Ginade, als ihnen, wieberführe. Noch unruhiger aber
“wurden fie, old Sofrares Ihnen fagte, daß der Gott zu
Delphi ihn für den Weiſeſten unter den Griechen erflärt
babe, und baß eben dieſer Goͤtterſpruch, und die Art,
wie er fich von der Wahrheit deſſelben Überzeuge, Ihm
feine Feinde und Anklaͤger zugezogen habe. Machdem
diefer Sturm ſich wieder gelege hatte, fuhr Sokrates
weiter fort; Wann habt ihr jemals einen Menfchen fen
nen gelernte, der aflen Gefezen jo vollfommen Gehor⸗
ſam geleiftee, der fich weniger durch Drohungen des
Bolfs und der Tyrannen zu Ungerechrigfeiten bewegen
oſſen, ‘der endlich den luͤſten des feibes weniger gedient
haͤtte, als ich; der Ich mich bon der erften Zeit meines
MNachdenkens an bemüht babe, alles Gute und Naͤlliche,
was in meiner Macht war, zu thun und zu erlernen?
Und doch beſchuldigſt dus mich, Melitus, daß ich die Ju⸗
od verhorben habe, Wenn diefes wahr iſt, warum
‚pennft du Niemanden, den ich aus einem mäßigen und
enchaltfamen Juͤnglinge gder Wanne in einen Schweiger
und. Trunkenbold, oder auß einem frommen, fparfamen
und arbeitfamen Bürger in einen gottlefen Verſchwender
and Weichling umgefbaffen Habe? Unter allen Freun⸗
den, die mich umgeben, {ft feiner, ber für dich zeugt,
fonvern alle legen das Bekenntniß ab, daß fie durch mei⸗
nen Rath und Umgang gluͤcklichere und beffere Menſchen
gervorden find. Selbſt aus der großen Zahl von Bäs
sen, Bruͤdern und Verwandten abmeiender ober vers
florbener Freunde, die ich um mich Ger fehe, tritt Fels
. wer volber mich auf, wie doch not 8 geſchehen
müfte, wenn ich die Jugend fo verdorben Härte, als
Melitus vorgibt. — Diefer feiner Rechtfertigung
miſchte Sokrates keine Beſchimpfungen feiner Wider⸗
acer, uab.uoch weniger Schmeicheiehen won Tine
u. j
Schbiehte des Sotrotes und feiner PSiL. "gr.
alle andere Deflagte ben viel. geringern. Gefahren thaten,
noch ließ er fein Weib und feine Kinder ſich zu den Fuͤ⸗
Gen der Richter hinwerfen, noch erlaubte er feinen Kreun
den, irgend einen Mitleid erregenden und die Eitelfelt
der Richter fizeinden Aufzug gu machen **), (Er hielt
es für eine ſowohl feines Namens , als des Ruhms her
Stadt, unwuͤrdige Beſchimpfung, renn.ein Mann,
wie er, von dem doch ganz Griechenland glaube, Daßer _
ſich von gewoͤhnlichen Menfihen unterfcheibe, in der
Stunde der Sefahr wie ein Weib: zage und mwinfele, unk
ſch alles zu fagen und gu chun erlaube, um nur dem
Tode au entgehen "*Y, Noch mehr aber fchien es ihm
Unrecht, Richter, die gefchworen und ſich niebergefezt
haͤtten, nach den Rechten zu richten, und nicht pare - -
theyiſch zu verzeihen, durch ungefegmäßige Mittel zum
Meineide und zug Verlezung ihrer Pflichten zu. verfüß
zen TI: Leber alfo wollte er nach den Geſezen fters
ben, als auf Unkoſten der Geſeze ieben, ungeachtet er
ſich mic leichter Mühe Härte retten koͤnnen, wenn er nur
einen kleinen hell von demjenigen gethan härte , was
‚gnbere thaten,. und die Richter von andern gewohnt
waren TE). Dieſes ſtandhafte Beharren im Qehorſam
gegen die Geſeze ſchien deu Richtern unleidlicher Sol,
und ein unverzeibliches Derbrechen wider ihre Majeſtaͤt
zu Senn TI). Sie erklärten ihn daher für Foul,
| . 0
6) Xenoph, IV. 4. Mem. Soer, p. 234. & Bist. Apol,
.Soct, p. 14, 15.
en, ib,
ww) Plat. l.e.
4) Xen, & Plat. l. e.
.4) IV. Xen. ꝓ. x & Blat.Appl. 3.
Dt 20 | » .
a: Sicbenies Buch. Zweyles Copitel.
aber doch nur inlt einem Ueberſchuſſe von drey Stein.
“den, woruͤber fi) Sokrates weit mehr, als über ſeine
Verurtheilung feibft wunderte ). Mach diefem Aus⸗
ſpruche uͤberließen es ihm die Richter nach einer damals ein⸗
geriſſenen verderblichen Gewohnheit, bie ganz den Geiſt
der Pobeltyronney verraͤthe ſich felbft die verdiente
Strafe zu beſtimmen **). Allen Sokrates wollte ſich
auf Feine, Art dazu verfiehen, fich ſelbſt eine Strafe
aufjulegen , weil biefes das Geſtaͤndniß von
in ſich ſchließe. Auch wollte er nicht verſprechen,
insfünftige nicht mehr zu lehren, unb zu prüfen, weil er
ber Gorrheit, die ihm dieſes anbefehle, mehr als den
Menſchen grhorchen mäffe. Ja er erlaubte es nicht eins
mat feinen Freunden, eine Geldſtrafe zu beſtimmen und
in feinem Damen zu bezahlen, vielmehr, fagte er, vers
diene er, wenn man anders feine Thaten vergelten wol⸗
be, als ein Wohlthaͤter des gauzen Dolls, dem er bite
ber mit Vernachlaͤſſ igung feiner eigenen Vortheile unb
Angelegenheiten genuyt habe, Im Prytaneum auf öffents
Hiche Unkoſten unterhalten zu werben. Er ſey biefer Bes
lohnung weit mehr werthh, als biefenigen , bie zu ‘Pferde
oder Wagen Preife genommen Hätten, weil diefe nur
dem Scheine nach, er aber in ber That feine Mitbuͤr⸗
ger gluͤcklich mache. Diele unerwartete Erklaͤrung brach⸗
ta feine Richter, wie ſich von Menſchen aus dem nie⸗
drigſten Pobel vermuchen Heß, In eins ſolche Wuth, daß
ie ohne weitere Ueberlegung und Umftände ihn zum Too
Be verdammten, und Bürgfchofft verlangten, Baßer niche
entweichen wolle, welche Buͤrgſchafft auch Keiro leiſte⸗
te ).Er ſelbſt wieder hohlte nach empfangenem Todes⸗
urtheil
NPapı.
en) n, 14. 15. Plat. Apol. Soer. und Cleer. de en, 1. 394
$) Plat, Phaed, p. 46. ,
r
Geſchichte des Sokrates und ſeiner BEL. 493.
urcheil noch einmal kuͤrzlich and oßne Klagen und Vor⸗
wörfe die Gründe ver Rechtfertigung, die erden Richtern
ſchon anfangs vorgelegt harte, und fagte gu feinen Freun⸗
den, daß er gar Feine Urſache habe, jest kleinmuͤthiget
und niedergefchlagener , als vor feiner Verurtheilung gu
ſeyn, da man von alle dem, deſſen er beſcuudigt more. -
dern, nichts bewi *).. eine Blide, Besen
B
3
e
> u
E
a
8*
u
te it troͤſtender Gtimme:
Nice —— gewuſt — die eur von
dem Tage feiner |
fenigen, die Igım woßt weten, Urfache Gaben fich u bes
trüben, wenn Ai Aa Tod inet ri — -
naͤhernden wuͤrde; alle am»
n fie ſich alle wegen inne € Schickſals freien ” da er
MBeife ſterben muͤſſe, ſtreichelte er das Haupt feines:
Par und fragte ihn lächelnd! ob er denn lieber
würde, daß er einen verdienten Tod ftürbe ? fur
der
Xenopb, Apal, Soer. 5,
—X
N
⸗
494 ' Bichentes Buch. Zweytes Eapitil. ,
der Welfe, der in den erſten Augenbfien feines empfan»
genen Todesurtheils zu feinen ungerechten Richtern ohne
Bewegung und Bitterfelt reden‘, der feine niebergefchlas
Betten Freunde, durch eben fo wahre ais ſchoͤne Berrach⸗
tungen, aufrichten und in dem ihm efgenchümlichen uns
geſuchten Tone mie ihnen ſcherzen Fonnte, nur der allein
wor im Stande, von feinem trosig voruͤbergehenden
Feinde mit diefen Worten Vofchieb zu nehmen: gebt
nicht der Mann fo flolg umher, ald werm er eine |
That verrichtet hätte, indem er mir bloß deßwegen ein
Todesuttheil zugezögen, daß ich An erinnert habe, ſeb⸗
nem Bohne eine beffere Erziehung zu geben? Wie vers
dorben und elend muß nicht der Mann ſeyn, wenn er
nicht einmal fühlt, DAB derjenige von uns beyden ber
@ieger fiy, welcher von uns die ſchoͤnſten und ebeiften
Thaten fir die ganze Ewigkeit ausgeäbe dat).
Sokrates wurbe unmittelbar vom Gerichtößefeins
© fängnig gefuͤhrt, und gleich andern Miffechärern. in
Zeilen gelegt. Er mufte aber nicht, wie es fonft ges
wöhnlich war, gleicd) nachdem er gerichtet worden, den
Giftbecher erinken, weil am Tage vor feiner Verurthei⸗
lung der Prieſter des Apoll das Heilige Schiff becränge
hatte, welches die Uchenienfer jährlich mic großem Pome
pe und reichen Opfern und Gefchenfen nad) Delos ſchick⸗
ten, um den Gort für die glückliche Errettung des The⸗
feus und feiner Gefaͤhrten zu danken **).. Von dem Aus
genblicke an, in welchen dies heilige Schiff beeränge wur⸗
de, 6is auf feine Ruͤckkehr feierten die Achenienfer ein
allgemeines Entſuͤndigungsfeſt, an welchem fie ihre
Stadt reinigten, und ſich auch nicht einmal mie dem
lute
9 $. 29. Xenoph. Apol. Soer.
#°) Xen, IV. 8. p. abs. Plat. Fhacd. p. a3.
J
Geſchichee des Sokrates und ſeiner Mil. 499
Biute von Mifferhätern oder Verurtheilten beflecken
durften: Die tänge dieſes Feſtes hing von veränderfis
chen Urſachen, naͤmlich von gänftigen oder ungünftigen
Winden ab, wodurch die Parc des Schiffes befchleus:
nigt ober aufgehalten würde, : Diesmal dauerte eb
brenßig Tage, und eben fo lange mufte Sofrates feine
Feſſein ragen, und die Vollendung des über Ihn gefätls
ren Urtheils abwarten, Dieſer ganze Zeitraum, der
für einen jeden andern eine furchtbare Verlaͤngerung von
Tobesſchrecken geweien wäre, war für den Sokrates
eine neue Wehlihat, weiche die Borfehung ihm erzeigte
indem fie im Dadurch Gelegenheit verfchaffte, feine.
noch im Guten zu Rärfen, feine Tugenden zu
bewähren, und den Zeitgenofien ſowohl dis der ſtaunen -
den Macwelt zu beweifen, daß die Ruhe, Meitertelt ,’ - :
Seduid und Gtandhaftigtelt, Die er bey feiner Verur -
chellung geäußert und behauptet hatte, nicht unnatürte
che Ueberſpannungen aller feiner Kräfte, ober Furgbatte .
gende Anftrengungen des Stolzes und ber Eitelkeit; ſon⸗
dern Ausuͤbungen gewöhnlicher Tugenden geweſen fenen,
Die ihm gar feine Mupe koſteten. Wäßrend der ganzen -
Zeit feines ©efängniffes blieb er fich immer gleich, und
man bemerkte nicht die geringſte Veraͤnderung weder in
feinen Neben, noch in feinem übrigen Betragen 9. Ce
Sehete und untetrebete ſich, wie er ſonſt gethan hatte, .
mit feinen Freunden, vie ſich alle Morgen verfammies
ten, und zu ihm Hineinfamen, fo bald nur die Thuͤr
des Sefängniffes erbffner wurde ). In den Stunden
der Einfamkeit verfertigte er einen tobgefang auf ven
pol, und brachte verfchiedene Fabein des Aeſop in’
Werſe, um einer wieberhohlten görtlichen Warnung zu
. n . 7"
D Xen], e, |
'@0) Plat. in Phaed, p. 93.
’ u
496.» @ichentes Buch. Zweytes Capitd,
gehorchen, ‚die et im Traume erhalten haste, und ſchon
erfuͤllt zu Gaben glaubte Sokrates war nämlich in feis
nem vorhergehenden beben oft daran erinnert morden‘,
fich auf bie Kontunft zu legen, und hatte ſtets geglaubt,
Diefem Befehle dadurch genug zu thun, daß er ſich auf
u? — als die vollkommenſte Muſtk oder Har⸗
ele, legte: Weil aber daſſelbige Traum⸗
* * noch kur; vor feinen Tode erſchien; ſo ver
wuthete ex, daß die Tonkunſt, die ihm empfohlen mer
be, die gemein? obre eigentliche Tonkuuſt ſeh. Er faßs
‚tg alfo AÄtſppiſche Maͤhrchen ir Verſe, weil dieſe wohre
edichte jenen, da in ihnen nicht die wirkliche Nlarur,
ſendern erbichtete Derfonen, Reden, Handlungen, und
Degebenheiten gefchüdere wärden. Ihm entwiſchte waͤhh⸗
a bet ganzen Zeit feines Gefüngniffes nicht das ges
Eingfte unzufriedene, klagende, oder kleinmuͤchige Wort
—** Miene, und e war fo volltommen Herr über olle
inpfindungen und Bewegungen feines Corpers, daß
man mi Send von ben Äußern Beiden eichen von örtliche
keit amd Aührung wahrnahm ſelbſt die Stoi⸗
ker ihrem Weiſen als tm * — der thle⸗
riſchen —ã erlaubten, und vom Wei⸗
be gebohrner ihm zur —— wuͤrde *
ben, weun die unwiderſtehllche Mache der Sympac
ke durch die häufigen u des Schtuerges, *
hraͤnen und NBehffagen feines —* ſeiner Kinder
* Freunde hervorgeſockt hätte,
Michts war natuͤrlicher, als daß waͤhrend eines fo
| Vangrolerigen Gefängniffes in den Schuͤlern bes Sokra⸗
Gedanke entſtand, ihren widerrechtlich berute
ya ke von feinen 3 * zu defregen,. und in
icherheit zu bringen ®). inmias | von Theben alleine
ſchoß
—— —— —
Bitten a
e) Dan fe ſehe Pi, . p., 37,28. Und Xenoph, Apol,
Sqchichte bes Sokrates und ſeiner Phil. 497
ſchoß ſo viel Geld her, als zur Beſtechung des Gefan⸗
genwaͤrters nothwendig war; und alle uͤbrigen waten be⸗
reit, ihr ganzes Vermoͤgen fuͤr ihren Meiſter aufzuopfern.
Es wurden daher alle Anſtalten zur ſichern Entfuͤhrung
Des Sokrates gemacht, und es fehlte weiter nichts, als
die Einwilligung defien, ben man retten wollte, Um
Diefe zu erhalten, ging Krito, der ältefte und vertraus
tefte unter den Freunden bes Soktates früh Morgens
gum leztern ins Gefängniß, und zwar an eben dem Tage,
an welchem man glaubte, daß das heilige Schiff, was
Schon bey Sumium lag, nad) Achen kommen wuͤrde.
Rrito fand den Sokrates in einem füßen und tiefe
Schlafe, und ließ fid) ruhig an feiner Seite nieder, bis
fein Freund von felbft erwachte. Er bezeugte ihm feln
‚ bevvunderndes Erftaunen über die Ruhe und Gelaſſen⸗
Heit, womit er fein Schickſal ertrage, fagte ihm, daß
bas heilige Schiff vielleicht Heute in den Piräus einlau⸗
- fen, und daß alfo der folgende Tag der lezte feines Sehens
fegn würde, Endlich ſtellte er ihm vor, daß er den Ger
Danfen, einen Berrrauten ıu verlieren, dergleichen er:
nie wiederfinden würde, nicht ertragen koͤnne, und dag
er. daher Mittel gefucht und gefunden habe, ihn der Ras
che feiner Feinde zu entziehen. Selbſt die Befürchtung,
daß viele, die weder ihn, noch den Sofrates genau
Eennten, denken möchten, baß er feinen Freund Hätte
retten können, wenn er nur etwas Geld hätte anwen⸗
den wollen, felbft diefe Befürchtung habe feinen Eifee
befeuert, und er, Gofrates, könne daher, wenn er
wolle, ohne Gefahr aus dem Gefängniffe herausgeben ;
Doch muͤſſe er fich bald entfchliegen, weil alle Bemuͤhun⸗
gen feiner Freunde fruchtlos ſeyn wuͤrden, wenn man
die fommende Macht ungenuzt vorbengehen ließe. Als
Sofrates fich gegen den gethanen Vorſchlag wenig ger
neigt bezeigte und dem Krito antwortete, dag man ſich
am die Urtheile des großen Haufens nicht bekuͤmmern
3Zweyter Band, Ji muͤſſe,
298 Siebentes Buch. Zweytes Eapitel.
möffe , well dieſer zwar in Bande legen, verjagen und
Adten, aber. doch Niemanden voirflich ſchaden, oder
nqͤzen koͤnne; Indem er nicht im Stande fen, auch nur
einen einzigen Menfchen in einen Weifen oder Unweifen
umzufchaffen, Drang Krito In den Sokrates mit allen
Gründen, welche ihm die feurigfte Beredſamkeit und
die wärmfte Freundſchafft darbieten und einflößen konn⸗
te. Wende nicht ein, fagte er zu feinem widerfpenftis
gen behrer, daß dir Sykophanten mich und beine uͤbri⸗
gen Freunde, als diejenigen, ergreifen werden, die dich
aus dem Gefaͤngniſſe geſtohlen haͤtten. Wenn wir auch
alle unſere Guͤter verlieren , oder in noch größere Oefah⸗
gen kommen follten 5 fo müften wir doch thun, was recht
, und olles für unfern Wohlthaͤter und tehrer wagen,
Allein du darfft dergleichen nicht einmal befürchten.’ Du
weiſt felbft, wie feil, und um weiche Kleinigfeiten jene
rchtbaten Sytkophanten zum Stillſchweigen zu brin⸗
gen find. Sage uns aud) nicht, was du deinen Rich⸗
‚teen ſagteſt, daB du, wenn du nicht länger in deiner
-Karerftadt bleiben koͤnnteſt, gar nicht wuͤſteſt, wohin
du dich wenden, oder was du mit dir anfangen follteit.
Gewiß wird man dich allenthalben, wohin du fommen
wirft, mit Sreuden aufnehmen, und wenn du Luſt haft,
nad) Theffalien zu gehen ; fo kann ich dich vielen maͤchti⸗
gen und angefehenen Freunden in diefem Sande empfeh⸗
ien, die dich hoch ſchaͤzen, und gegen einen jeden in
Schuz nehmen werden. Du fcheinft mir darinm fo gar
unrecht zu handeln, daß du ein Derrächer deiner felbf
werden, und bich frenmillig In das Verderben ftärgen
wiuſt, in welches beine Feinde dich bringen möchten.
Ja, wenn du je40, da du dich noch retten kannſt, dein
Wohlfart vernachläffigft, fo wirft du ein Verroaͤthe
deiner eigenen Kinder werben, welche e6 nicht genug wat,
u jeugen, ſondern die du auch erziehen, und zu nuͤzt⸗
chen Bürgern ausbilden folteft. Durch deinen Eigen
| nn fine
e Seſchichte des Sokrates und feiner Phil. 499
finn wirft du fie, fo viel an die iſt, allen den Uebeln
überantworten, denen verlaffene vaterloſe Waiſen ausge
feze find. Endlich muſt du auch diefes bedenken, daß
du als ein Dann, der ſich feinem Vorgeben nad; waͤh⸗
rend feines ganzen tebens der Tugend befliffen hat, nicht
denjenigen Weg wählen mußt, ber dir ber leichtefte fcheint,
fondern den ein fandhafter und rechefchaffenee Mann
wählen würde. Wäre alfo auch der Neft deines febens
im Elende und von Freunden und allen den Deinigen .
entfernt bir eine Laſt; fo muft du dieſe Laſt aus Sorge
für deinen und deiner Freunde guten Damen fragen,
Denn wird nicht alle Welt e bie und uns zu einer
fchändlichen Feigheit und Michtswürdigfeie auslegen,
daß wir deine Anklage Haben anhängig werden, daß wie
dich) haben verurtheilen und zulezt hinrichten laſſen, da
wir alles diefes hätten zuruͤckhalten foͤnnen? Gib alfo,
lieber Sokrates, meiner Bitte Gehör, und fuche nicht
neue Ausflüchte oder Bormände hervor, — Sokrates
hörte diefe Borftellungen feines Freundes mit der groͤß⸗
ten Ruhe an, und danfte ihm für den guten Willen,
den er für fein Beſtes beweife. Allein du wirſt es, er.
wieberte er dem Krito mit feiner gewöhnlichen Sanft⸗
much, du wirft es mie doch nicht übel nehmen, daß ich
jego, wie fonft, meinen $reunden nicht anders nachge⸗
be, als wenn ich ihre Meynungen und Gründe fürbep
fer und ſtaͤrker, als die meinigen, halte. : Keiner von
den Srunbfägen, die ich bisher für wahr gehalteri habe,
iſt durch die lezten Begegniſſe erſchuͤttert worden; ‚fie
feinen mir noch Immer das, was fie fonft waren, und
wir wollen fie daher mit denen, bie du mir jego vorge
tragen haft, vergleichen, um zu fehen, welche Die rich,
cigften find. aß uns zuerit von dem Werthe der Lie, _
theile anderer anfangen, Du wirft mir doch nody immer
zugeben, daß man ſich nicht umalle, fondern nur.um die
Urtheile weifer und tugendhafter Männer, und vorzaͤg
3ia lich
500SGiebentes Bud) Zweytes Eapitel.
Uch um. bie Urteile des Einzigen, der vor allen Men⸗
chen die Wahrheit fieht, gu befümmern habe, auch
wirft du nicht läugnen, was-wir vorher immer bewien
fen zu haben glaubten, daß Rechtthun ſtets nuͤzlich, und
Unredyerpun allemal ſchaͤdlich fen; und wenn du dieſes
glaubit , fo wirft du es noch vielweniger bezweyfeln, daß
"08 viel beſſer fen, zu ſterben, als ein elendes feben in
einem ſteia Rechen und leidenden Chrper fortzufchleppen,
oder gar mic einer Franfen verunftalteren Seele zuſam⸗
men zu leben. Alles dieſes vorausgeſezt, frage ich dich,
06 wir recht handeln werden, wenn wir diejenigen, die
mich aus dem Sefängniffe entlaffen wollen, durch Schmeir
helögen und Geſchenke beftechen ; und wenn dies unrecht
iſt, ob es nicht beſſer fen zu ſterben, als Unrecht ja
un. Wenn wie hieran im getingften zweufeln, und
und in wenigen Tagen aus allen unfern borigen Leber
zeugungen und Geundfäzen herausſchuͤtteln laffen , find
vole benbe’ alten Männer alödann nicht Kindern aͤhn
uch, die immer anders handeln, als fie reden, oder in
ihren Meven oder Handlungen ſich immer ungleich find?
Siehſt du es wicht ſelbſt ein, Daß, wenn wir ohne Vor⸗
wiſſen und. Willen unfere Barerftadt durchgingen, wir
Asdann andere, und zwar gerade diejenigen beleidigen
wisrden, die wir am wenigften beleidigen follten? Oder
suenm die diefe Frage nicht gleich verſtaͤndlich iſt, fo ftell
hir vor, dag und auf unferer Flucht daB Baterland und
feine Geſeze begegneten, and und mit ber Frage anhie
ten: Was Haft dus anders im Sinne, Sokrates, als
piel an bir iſt, die ganze Stadt und ihre Geſeze zu ven
nichten ? Glaubſt du denn, daß ein Staat beftehen Fon
ne, in weichen die gefällten Urthelle micht vollſtreck
umd von einem jeden, ber tuft Dazu hat, vereitelt win
den? Was wollen wir, lieber Krito, auf eime ſolche
Stage antworten? Etwa, daß ich wider die Gefeze fey vers
uecheift worden? Würden aber die Geſeze nicht gleich
erwie⸗
n
„x
-
Gefchichte des Sokrates und feiner Phil. zor
erwiedern: was haben wir bie denn gethan, Soktates,
daß du uns zu Grunde zu richten ſuchſt? Haben wir bie
nicht das Daſeyn gegeben, oder findeft du etwas an ven
Geſezen zu tadeln, nach welchen dein Vater, deine Mut
ter geheirachet, und dich mit Ihr erzeugt bat? Over ges
fallen die etwa die Geſeze nicht, nach melchen du bift er»
zogen und in allen nüzlichen, freyer Männer würbigen
Künften, und Kenntniffen unterrichtet worden? Und
wenn ich alle diefe Geſeze nicht anders als billigen koͤnn⸗
te, würden fie denn niche mit allem Nechte fortfahren:
weil du nun unter unferm Schuze bift geboren, erzogen
und ausgebildet worden, biſt du denn nicht gleich dee
nen Borfahren unfer Find und unfer Kuecht, und wenn
du dieſes zugeben muft, wie kannſt du denn verlangen,
daß du mit und völlig gleiche Rechte habeſt, und daß bir
gegen uns eben das erlaubt ſey, was uns gegen dich er⸗
faube IE? . Du wuͤrdeſt ja nicht einmal deinem Vater,
oder deinem Herrn, wenn du einen folchen haͤtteſt, das
wieder thun dürfen, mas er bie chäte, micht wieder
ſchmaͤten, wenn er fhmäfte, nicht nieder fihlagen, wenn
er ſchluͤge; wie viel weniger alfo kann bir dieſes gegen
dein Daterland und feine Geſeze gefkarter fenn? Wenn
wir dich alfo auch tudten wollen, weürdeft du, wenn du
anders ein guter "Bürger und rechrfchaffener Mann waͤ⸗
rejt, ums wieder zu verderben fuchen muͤſſen? Oder
bift du viefleiche einer von den Weiſen, welche nicht
glauben, daß das Vaterland heiltger und verehrungss
wuͤrdiger, ald Bater, Mutter und Berfahren fen, daß
es ben den Göttern und allen vernünftigen Menſchen
mehr geftd, und daß man dem zürnenden Baterlande
mehr, ats einem zürnenden Bater nachgeben, undes in
Ehren halten muͤſſed Daß es alfo auch Pflicht fen,
fles zu thun und zu leiden, was es gebeut: es mag
un Seißeln oder Feſſein antegen, oder in den Krieg
um. Tode und zu Berrzundungen führen wollen: daß
33 .0° man
4
7
504" Giebented Buch. Zweyes Caͤpitel!
nach Theſſalien, wo Krito ſo viele Gaſtfreunde, und
Voͤllerey und Zuͤgelloſigkeit ihren Siz haben, wuͤrdeſt du
dich nicht ſchaͤmen, in der ſchimpflichen Verkleidung eis
nes Entfluͤchteten zu erſcheinen? Wuͤrde man auch nicht
dort von bie ſagen, daß du als ein alter Mann noch fo
geisig nach tebenr'gewefen ſeyeſt, dag du um eined elen⸗
den Meftes weniger Jahre, oder Monate willen die heis
UÜgſten Gefeze uͤbertreten härter? Glaubſt du niche,
. daß du allen Menfchen ſchmeicheln und dienen müfteft ?
Dielleiche aber fagft du, daß du deßwegen noch feben
> möchtet, damit du deine Kinder erziehen und bilden
koͤnnteſt. Und auch) dieſe wollteft du alfo in ein fremdes
fand fühten, damit ſie gleiche Unwuͤrdigkeiten mie dir ers
tragen lernten? Willſt du fie aber in Athen zuruͤck laſ⸗
fen, wie kannſt du dann daran zweyfeln, daß deine
Sreunde ſich ihrer ben fo gut annehmen werben, wenn
dui in den Wohnungen abgefchiedener Seelen, als wenn
bu in Theſſalien feyn wirft ? Höre uns alfo noch einmal,
Sokrates, umd ziehe weber deine Kinder, 'noch bein tes
Ben, unfern Befehlen vor, damit bu nicht, als ein Ders
raͤther eines Vaterlandes, deiner Freunde und deiner
ſelbſt, in eine andere Welt uͤbergeheſt, und von unfern
Bruͤdern eben fo hart empfangen werdeſt, als wir über
Dich zuͤrnen würden, wenn du und übertreten haͤtteſt. —
Mit viefen Gründen brachte Sofrates ben Krito von
dem Vorſaz zuruͤck, feinen Freund der Strafe der Ges
fege zu entziehen ")s
j . Sokra⸗
J
) Serrachre, fast Epikiet (IV. Diſſ. 1. p. 573. Ed. Upten.),
. den Eofrates, wie er Weib und Kinder, Vaterland,
Dennde und Verwandte hat, aber fie alle den Gefezen
und bene Gehorſam gegen die Geſeze nachfeze! Wenn
‚er zum Kriegsdienſte aufgefordert wurde; fo war er
ger efie, des aus,og, und, der feines Lebens am we⸗
Br ... | nig⸗
J
|
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 505
Sokrates blieb nicht bloß bey dem Gedanken des
gewiß bevorſtehenden, ſondern auch bey dem ruͤhrenden
und feierlichen Gepraͤnge Bes nunmehr heranruͤckenden
Bu Sis Todes
nn]
nigſten fhonte. Als aber die Tyrannen ihm Befahlen,
den Leon zu ergreifen, bedachte er ſich nicht einmal, ob
er diefe fchändlihe That unternehmen fellte, ungeachtet
er wuſte, daß feine Weigerung ihm den Tod zuziehen
koͤnnte. Allein was lag ihm daran, da er nicht fein
Leben, fondern feine Rechtſchaffenheit erhalten weilte,
die weder mit Gewalt zu bezwingen, noch durch Ränfe
zu überliften ift? Als er ferner vor Gericht fand, um
ſich gegen eine Todesanflage zu ver heidigen; betrug er
ſich wohl als einen Mann, der Frau und Kinder harte?
Und als er den Giftbecher ırinken follte, börte er da
wohl die Stimme des Krito, der ihn bat, ſich doch um
feiner Kinder voillen zu retten? Dachte er wohl an et⸗
mas anders, als wie er feine Tugend. nicht. fein Leben
bewahren wolle? Es war ibm nie darum zu thun,
feinen Leib, fondern das zu erhalten, wodurch der Adel
der Seele bebanpter und vermehrte wird. Sokrates
” wollte fein Leben nicht durch eine Schandthat erfaufen,
er, der feine Einwilligung nicht gab, ats die Athenien⸗
fee fie verlangten, er, ber die Tyrannen veradhtete,
und auf eine folhe Art von’ Tugend und Rechtſchaffen⸗
beit redete. Es ging ihm, mie guten Schaufbfelern,
die oft ihren guten Namen mehr reiten, wenn fie niche
fielen, als wenn fie zur Umeit ſpielen. — Aber
was werden num feine armen Kinder anfangen? Wenn
ich nach Theffalien gegangen wäre, würdet ihr euch un«
fireitig ihrer angenommen haben, und jejo, da ih im
den Tod gehe, folltet ihre fie wernachläfligen? — Wie
verfuͤßt er den Tod, oder vielmehr wie ſpielt er niche
mit demfelben? Wären ich und bu an feiner Stelle ges
weſen; fo bitten wir gleich gedacht, dab man diejeni⸗
gen, die une Unrecht thun, wenn es night anders feyn
fönne, durch Unrecht abzubalten fuchen wife. Wir
wuͤrden überdem noch überlege haben, daB wir, wenn
- wis am Schen blieben, noch vielen, und wenn tie
. ſt r⸗
506 Giebented Buch. Zweyhtes Capitel.
Todes unerſchuͤttert, das oft den Mur und bie Stanb⸗
haftigkeit der feiteften Gemuͤther brach, die ſich weder
vor der Auflöfung ihrer Natur, noch vor den Schmer⸗
gen der Zerftörung des Cörpers fuͤrchteten. Sokrates
redete am Tage feiner Hinrichtung, da er den toͤdtlichen
Becher faft ſchon In der Hand hielr, nicht nur mit ſei⸗
ner gewöhnlichen Ruhe und Unerfchrodenheit, ſondern
auch mit einer ungewöhnlichen Heiterfeit und Erhebung
der Seele, fo daß es fchien, als wenn er nicht ohne
eine göttliche Fuͤgung in den Tod ginge, un» ald wenn
er nicht in's Grab follte Hingeftürze, fondern in den
Himmel erhoben werden ). An diefem traurigen Tage
verfammleten fich feine Freunde vor dem Gefängniffe
früher, als fie fonft gethan hatten. Sie muften aber
eine Zeitlang warten, weil Sokrates am legten Morgen
m meinen
ſtuͤrben, niemanden nuzen Fonnten. Ya wie würden
uns, wenn wir gekonnt. hätten, durch eine jede Deffe
nung oder Rize gerettet haben. Wo wären dann audh
diefe geblieben? Würden wir nice andern Menfchen
- viel mehr genuzt haben, wenn wir geftorben wären,
"wann und wo wir follten? Sokrates begluͤckt jezo die
foäteften Nachkommen durch die Erinnerung oder das
Andenken deflen, was er vor feinem Tobe gefagt und
gethan hat.
®) Cicer. Tuſe. quaeſt. I, 29. Plat, in Phaed, p. 23.
Os adens na Yarıuos ETeÄAsura, se Mon
RACE Iu erevor ndes CidE 10VTaR aveu
Jess pwigas ıevas, xas enesce abızouerer eu
mwonler, MER TIS WOMorE nu ads. —
Mont. II. 11. p. m. 138. Et qui ne recognoifle eu
Juy, non feulement de Is fermet&, & de la conflın.
ee (c’etoit fon sfliette ordinsire que eelle 1A) mais
eneore je ne fcsy quel conteutäment nouvesu & une
ollegrefle enJoute en fes propos & facons der-
nieres,
——
Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 507
feines lebens, wie dieſes In Athen gebräuchlich war, von
den dazu 'beftellten elf. Männern, feiner Feſſeln entledigt
wurde *). Als aber bald nachher der Gefangenwär:
ter ihnen erlaubte, daß fie jego ihren Freund befuchen
koͤnnten, wurden fie von der Tantippe, die nebft einem
ihrer Fleinen Söhne an der Seite des Sofrates faß,
mit einem Fläglichen Jammergefchren und der Ausrufung
empfangen, daß fie jeso den Gofrares, und Sofras
tes feine Freunde zum leztenmale fühe. Der erhabene
Weiſe fah den Krito mic einem bedeutenden Blick am,
und bat, daß bod) einer von ihnen feine Gattinn nach
Haufe bringen möchte. Xantippe wurbe daher unter
lautem Geheul und heftigen Schlägen auf ihr Geſicht
und’ Bruſt weggeführe. indem dies geſchah, 309 So⸗
krates fein Bein in die Höhe, und ſagte, indem er 'es
rieb: Welch ein felrfames Ding, meine Freunde, iſt es
‚ um das, was die Menfchen Bergmügen nennen, und
wie wunderbar verhält es fich zu dem, was fein Gegen⸗
ſaz ſcheint, nämlich zum Schmerze? Beyde laſſen fich
nicht zugleich Im Menfchen vereinigen, und doch, wenn
er dad eine verfolgt oder nimmt, muß er aud) das an⸗
dere nehmen, als wenn fie an einem einzigen Gliede zus
fammentingen. Hätte Aeſop dieſes bemerfe, fo würde
er daraus wahrfcheinlid, den Stoff zu einer Fabel genoms
men haben, daß nämlich bie Gottheit diefe mit einander
ſtreitenden Seindinnen hätte verfühnen wollen, und da
fie diefes nicht gekonnt, daß fie wenigftens ihre Enden
zufammen gebunden hätte. Aus biefem Grunde folgt
immer, wenn man das eine dat, auch das andere nach,
wie je6 auch jezo mir geht. ‘Denn ba mir vorher die
Feſſeln Schmerzen verurfachten, fo fcheint jego das Der
gnus
) Pist. in Phaed, p.'23.
⸗
508 Siebentes Buch. Zweytes Kapitel.
gnuͤgen nachzufolgen *). Dieſe Beobachtung veranlaßte
zuerſt ein Geſpraͤch uͤber die Gedichte, die Sokrates im
Gefaͤngniſſe gemacht Harte, führte alsdann zu Betrach⸗
tungen uͤber den Selbſtmord, und endlich zu Unterſu⸗
chungen über die Unſterblichkeit der Seele, womit So⸗
krates und ſeine Freunde ſich den groͤßten Theil des Ta⸗
ges beſchoͤfftigten. Als aber derjenige, der dem Sokra⸗
tes den Giftbecher reichen ſollte, merfte, daß dieſer mit
vieler Waͤrme redete, gab er ihm ven Rath, fich niche
zu erhigen, weil er fich fonft der Gefahr ausfezte, ders
_ Gifebecher zwey bis dreymal trinken zu müffen. Sokra⸗
tes danfte ihm für die Warnung, fuhr aber nichts bes
ftoweniger in bemfelbigen Tone fort, und bat ihn, fo
viel Gift zugubereiten, daß genug ba wäre, wenn er
auch zwey bis dreymal trinken mäfte ). Waͤhrend dies
fer Unterredungen waren feine Freunte nicht fo betruͤbt
- and gerühre F), als es ſchien, daß fie bey dem nahen
Tode ihres lehrers Härten ſeyn ſollen; fie fühlten aber _
auch nicht das reine Vergnuͤgen, was fein Umgang und’
Unterricht ihnen fonft verfchaffte, fondern eine ſeltſame
Mifchung von Freude und Schmerz, die in ihnen bald
tachen und bald Thränen hervorbrachte. Sokrates hörte
bie Einwuͤrfe feiner Freunde mit eben der Aufmerkſam⸗
£elt und Gelaſſenheit an, womit er fie fonft aufgenoms
‚ men hatte, und ald Kebes und Simmias fich fcheuten,
ihm ihre Gedanken zu eröffnen, weil fie fürchteten, Ihm
in
UL ci
+.
üöxXXXLLEXEXALEEEEEXRR
®) Montsgnc J. e. A ce treſſoillir, du plaiſie qu'il ſent
& gratter fa jambe, apr&s que les fers cn ſurent hors,
sccufe-t-il pas une pareille douceur & joye dans
fon ame, pour eftre desenforgte des incommoditea
paſſées & 3 miöme d’entrer en coguoiflsnce des chofes
ad venir?
°s) In Phaed. p. 24. n
+) ib. p. ax.
y
Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 500
in feiner tage beſchwerlich zu fallen, laͤchelte er freund⸗
lich und ſagte zu ihnen *): wie ſchwer würde es
mir werden,. andere Menſchen zu überzeugen, Daß
ich den mir zugeſtoßenen Zufall für Fein Unglück hal⸗
te, da ich euch, meine ‚lieben, , nicht einmal davon
—*
uͤberzeugen kann! Indem ihr glaubt, daß ich jezo
verdruͤßlicher fen, als ich in meinem vorhergehenden fee
ben war, ſcheint ihe mir in Ruͤckſicht auf Weißagungs⸗
vermögen oder Vorherſehungskraft nicht einmal fu viel,
als den Schwaͤnen zujutrauen. Nenn diefe fich dem -
Zode nahe fühlen, fo fingen fie viel mehr und fchöner,
als fie ſonſt thaten, weil fie fich freuen, daß fie zu dein
Gotte gelangen werden, deſſen Diener fie find. Die
Furcht der Menfchen vor dem Tode ift Urfache, warum
fie die Schwäne .belogen, und ihnen nachgefagt haben, '
dag fie voll Beträbniß Ihren nahen Tod bejammerten.
- Diefe falfchen Ausleger bedachten nicht, Daß weder bie
Nachtigall, noch die Schwalbe, noch Irgend ein anderer
Vogel ſingt, wenn er Schmerzen leider, und daß man
diefes alfo auch nicht von den Schwaͤnen vermutken
koͤnne. Als Geheiligte des Apollo fehauen fie in die Zus .
Funft, und fehen alles das Gute vorher, mas ihnen nach
ihrem Tode bevorſteht, und nur deßwegen freuen ſie ſich
und ſingen an ihrem Sterbetage mehr, als in ihrem
uͤbrigen Leben. Auch ich glaube ein Mitknecht der
Schwaͤne und ein Prieſter deſſelbigen Gottes zu ſeyn.
Zugleich hoffe ich, daß ich nicht weniger weißagend bin,
als ſie, und auch nicht unlieber aus dieſem Leben abſchei⸗
den werde, Ihr koͤnnt deßwegen fagen oder fragen, was
ihr wollt, fo lange es noch bie elf Männer der Athe⸗
nienfer erlauben. Auf diefe Berficherung brachten Sims’
mias
©) p. 33. 34. in Phacd.
sıo Siebentes Buch. Zweytes Capitel.
mias und Kebes ihre Entwuͤrfe vor, und als er dieſe ge⸗
hoͤrt hatte, legte er feine Hand auf das Haupt des neben
ihn ſizenden Phaͤdo, und fagre zu ihm, indem er, wie
fonft, mic feines Haaren fpielte: Diefe fchönen Haare,
- mein Freund , muft du noch heute abfchneiden, und ich
will deßgleichen thun, wenn uns unfere Ueberzeugung
von der Unſterblichkeit der Seele geraubt werben follte.
Wenn ic) in deiner Stelle wäre, fo würde ich, tie bie
Ürgiver, ein Gelübde thun, nicht eher meine Haare
wieder wwachfen zu laflen, als bis ich die Gründe des
Kebes und Simmias überwunden hätte. Er ermuns
terte hierauf den Phädo zum murhigen Kampfe, warnte
feine Sreunde vor dem Haffe der Vernunft, und aller
Vernunftſchluͤſſe, welcher der Menſchenfeindſchafft aͤhn⸗
lich ſey, und eben wie dieſe entſtehe, und erklaͤrte, daß
er aus allen Kraͤften fuͤr feine Meynung ſtreiten werde,
nicht bloß, um die Ehre zu haben, ſeine Zuhoͤrer zu
uͤberzeugen, ſondern auch um ſeiner ſelbſt willen. Denn
wenn ſeine Behauptung wahr waͤre; ſo ſey es immer
ſchoͤn, eine ſo troſtreiche Wahrheit zu erkennen. Waͤre
ſie aber auch falſch; ſo wuͤrde der bald mit ihm ſterbende
Irrthum nicht allein nicht ſchaden, ſondern ihm wenig⸗
ſtens das Sterben erleichtern, und feinen Freunden das
Anhören fleinmärhiger und befchwerlicher Klagen erfpas
ren. Uebrigens follten fie bey feiner Bertheidigung gar
nicht auf ihn, fondern allein auf die Wahrheit ſehen,
follcen ihm alle ihre Zwenfel und Gegengründe frehmuͤ⸗
thig offenbaren, und ſich in Acht nehmen, daß er nicht
aus Eifer für feine Sache fie und auch fich ſelbſt Hinter»
gehe, und. gleich einer Diene fterbe, nachdem fie ihren
" Stachel in einer gemachten Wuride zurück gelaffen babe.
Als nun Sofrates alle feine Sedanfen über die Unſterd⸗
fichfeit der Seele und ein anderes teben vorgetragen, und
alle Einmürfe feiner Sreunde beantwortet hatte, ermahnte
er dieſe noch zulezt, ſtets darnach zu ſtreben, ihre Su
en
Geſchichte/ des Sokrates und feiner Phil 5n1
len mic dem ihnen eigenthuͤmlichen Schmuck, mit Mi
ßigkeit, Gerechtigkeit, Standhaftigkeit und andern Tu⸗
genden, zu ſchmuͤcken, well fie alsdann mit frohen Hoff
mungen der Zufunft entgegen gehen könnten. Ihr alle,
fagte er zum Kebes, Simmias und den Übrigen, müßt
ein jeder zu feiner Zeit eben den Weg wandeln, ben ic jezo
gehen werde. Allein mich ruft jezo, wuͤrde ein tragifcher
Dichter fingen, mein Verhängniß, und es ift Zeit in's
Bad zu gehen, das ich noch vor meinem Tode nehmen
will, um nachher den Weibern nichts zu fchaffen zu mas
chen. Nach diefen Worten fragte ihn Krito, ober nicht
ihm oder feinen übrigen Freunden in Anfehung feiner
inder oder auch anderer Angelegenheiten etwas zu. bes
fehlen und aufjutragen habe? Nichts neues, mein tier --
ber, antworteteer, ats was ich euch Immer gefogt habe,
daß ihr, wenn ihe Sorge für eure Herzen tragt, auch
ohne Berfprechungen, meinen Willen erfüllen,‘ und
meine Kinder und euch felbft gluͤcklich machen werdet.
Wenn ihr hingegen euch felbft vernachläffiger, und niche
genau nach dem lebt, worüber wir jezo und auch fonft
geredet haben; fo werber ihr alddann auch die heiligften
Seluͤbde und Verſprechungen nicht erfüllen, die ihr jezo
ablegen koͤnntet. Was meine Beerdigung betrifft, fuhr
er fort, denn auch darüber wurde er befragt, fo konnt
ihr fie einrichten, wie ihr wollt, wenn ihr mich anders
halten koͤnnt, und ic) euch nicht entwifche. Ich Fann,
fagte er mit einem fonften tächeln, den Krito nicht über»
zeugen, daß ich der Sofrates bin, ber fego mit euh
fpricht, — und feste aladann die übrigen Xorte hinzu, -
die ich oben angeführt habe. Als er Diefes gefagt hatte,
ging er in ein befonderes Zimmer, um fich zu wajchen,
und nahm nur allein den Krito mit ſichz die übrigen bat. -
er zurück zu bleiben, Mach dem Bade ließ er feine Kin,
der und Weiber vor fich kommen, fagte ihnen in Gegen,
watt des Krito, was er ihnen noch zu fagen hatte, nahm
als⸗
sa Siebeutes Buch,“ Zweytes Capikel.
alsdann Abſchied, und kehrte gegen Untergang ber
Sonne zu ſeinen uͤbrigen Freunden zuruͤck. Von die⸗
ſem Augenblicke am vwebete Sokrates nicht viel mehr,
nicht weil er alle ſeine Kraͤfte und Aufmerkſamkeit brauchte,
um fein Gemuͤth in ber bisherigen tage zu erhalten, oder
weil er fich ſeibſt fo erweicht und gerührt fühlte, bag er
. alle Reden und andere Deranlaffungen zu unmännlichen
Erweichungen hätte vermeiden müflen, fondern weil
fein Beift fchen in befferen Welten ſchwebte, und einen
Borgenuß der Freuden empfand, In welche er nun bald
“ eingeben ſollte. Auch blieb ihm nicht einmal Zeig zu
ausführlichen Geſpraͤchen mehr übrig, Denn bald,
nachdem er zu feinen Freunden zurücdgefommen war,
meldete ihm ber Diener ber elf Männer, daß es nun
mehro Zeit ſey, ben Giftbecher zu crinfen. Du wirft
mir gewiß, fagte er zum Sokrates, nicht fo begegnen,
wie andere, bie mich verfluchen, wenn ich ihnen auf
Befehl meiner Obern anfünbige, daß fie fterben muͤſſen.
Ich Habe dic) die ganze Zeit her. als den ftandhafceften,
mildeſten und beiten unter allen denen erfanne, weiche
ihre Thaten ober ihr Unglück hieher gebracht haben, und
“ ich bin Übergeugt, daß du auch jezo nicht auf mich zuͤr⸗
nen werdeſt, da ed bir befannc iſt, dag nicht ich, fon»
dern andere fehuldig find. . Du Fannft leichte denken,
weßwegen ich zu bir fomme; lebe wohl und ertrage bein
Schickſal fo leicht, als es nur möglich il, Indem er
biefes fagte, wandte er ſich um und ging mit weinenden
Augen weg, Sofrates rief ihm das lezte Lebewohl?
mach, und verſprach zu thun, was er ihm befohlen hatte.
Wie gutartig, fuhr er zu feinen- Freunden fort, ift dies
fer Mann! Er Hat mic) die ganze Zeit meines Gefaͤng⸗
niffes über oft befucht, und freundlic, mic mir geredet,
und wie theilnehimend beweint er nicht jezo mein Schick,
fal! Laßt uns aber hun, was er gejagt hat; forge da⸗
für, mein Krito, daß jemand das Gift bringe, wenn
ON es
oe
\ [
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil, Stz
es ſchon gerieben ift, oder wenn dies noch nicht geſcha⸗ |
hen ift, daB es gerieben werde, Die Sonne, antwor⸗
tete Krito, glaͤnzt noch an den Häuprern der Derge, .
und iſt noch nicht untergegangen; eile alſo nicht, indem
du noch Zeit genug haltı Ich habe viele gekannt, die
noch fpät gegeflen und getrunken, und mit denen, wel
che fid ſprechen wollten, geredet haben, ehe fie. den tͤdc⸗
lichen Trank zu jich nahmen, Ich glaube wohl, erwies
derte Sofrates, daß andeke gechan Haben, was du far
geft; id) werde aber nicht fo Handeln , weil ich nichts,
als verdienten Spött gewinnen würde, wenn id) aus
einer elenden Begierde nach einer Feift von wenigen Aus
genblicken dad Gift etwas ſpaͤter rränfe *), Als Kritp
diefes höfte, winkte er einem Selaven, ber das Gift
rieb, und denjenigen hekein führte, ber es dem Sokra⸗
tes reichen ſollte. Sobald Sofrätea diefen Mann ers
blidte, grüßee er ihn, und fagte ihm, was muß ich
| Ein, äurer Freund, wenn ich den Becher ausgeleer €
Babe?
Nichts weiter, antwortete Diefer, als herums ..
‚ gehen, und dich niederlegen, wenn deine Beine ſchwer
zu voerden anfangen: Mic diefen Worten reichte er dem
Sokrates das Gift, und diefer nahm es willig, ohne
Zittern und ohne die geringſte Veränderung von Farbe
und Mienen Bin. Er heftete feitien Blick mit der ihm
gewoͤhnlichen Feftigkelt auf den Mann, und fragte ihn,
ob er wohl glaube, daß genug da fen, um den Gottern
etwas ausgießen zu koͤnnen, und als dieſer es verneinte,
fuhr er fort: Gut, mein Freund! es iſt abet dennoch er⸗
laubt,
—
m. ..
a4) Hieraus entſtand wahrſcheinlich die Sage, Mufon, ap,
Stob, Serin. p. ‚20. daß Soktates glei an dem erſten
von drey Tagen, . die er zu leben gehabt habe, geſtor⸗
ben fey. | —
Zweyter Band. Kr
514 Sicbentes Buch, Zweytes Eapiteh
faubt, und recht, die Götter-anzuflehen,, daß fie meine
Hinreife beglücken wollen, Ich bitte alfo darum, und.
hoffe, daß fie meine Bitte erhören werten, Kaum |
hatte er dieſes geſagt, als er das Gift langfam und ruhig
binuntertranf, Bis hieher waren noch viele feiner ges
genwaͤrtigen Freunde im Stande geweien, ihre Thränen
quräck zu halten. is fie ihn aber trinken fahens floſſen
ihnen allen die Thränen firommeife über die Wangen
herab: einige verhüllten ihr Antliz, andere veränderten
ihre tage und Stellung, um 'ſich dadurch $uft zu mas
chen, noch andere endlich brachen in ein lautes Wehkla⸗
gen’ aus; allein Feiner beweinte und bedauerte das Schick⸗
fal des Sofrates, fondern fein eigenes und feiner Freunde
Schickſal. Sokrates war der einzige, deſſen Augen
trotken und deſſen Geſicht nicht durch Betruͤbniß und
Klagen verzogen war. Er ſtillte oder beſaͤnftigte die
Thraͤnen und Das Geſchrey feiner Freundes indem er
mit unaustprechlicher Ruhe und Sanftmuth zu ihnen:
ſagte: Was macht ihr denn, ihr lieben wunderbaren
keute! Auch deßwegen habe ich vorher die Weiber weg⸗
ygeſchickt, damit fie uns nicht auf eine aͤhnliche Art ber
anrubigen tollten, Ich Habe gehört, daß man unter
froͤlichen Zeichen und glücklichen Worten und Segnun⸗
gen fterben muͤſſe. Seyd daher ruhig und ermannt
. euch» Micht fange nachher merfte Sokrates, daß feine
‚Beine fchwer wurden: er legte ſich alfo nieder: fühlte
allmaͤlich feine Füße und feinen übrigen teib bis ang Herz
erfalten, und fagte furz vor feinem Tode: Wir find
dem Arsculap noch einen Hahn ſchuldig: opfere Ihn ja,
und vergeßt es nicht! ‘Diefe waren feine leiten ABorte ;
denn als Krito ihn. fragte, ob er nicht noch fonft etwas
zu beftellen hätte, antwortetejer nicht Mehr, und ber
ſchied nach einigen Augenblicken. |
So ſtarb der Beſte der Menſchen den fchönften
und gortgefälligften Tod, wie er das ſchoͤnſte und gott⸗
\ Ä 9
/
21
V
GBeſchichde des Soktates und ſeiner Phil. 315
gefaͤlligſte teben gefuͤhrt hacte ). Seine Frrunde trauer⸗
ten um ihn, wie verloſſene Waiſen um ihren Bater*”), .
und vermißten in ihm den weifeften Rathgeber, den
rreuften tehrer, den waͤrmſten Freund, und den fichers
ften Führer zur Gluͤckſeeligkeit **%. Sie zwenfelten
mit Hecht, daß es einen beſſern und glädlichern Mann
gegeben habe , und forderten diejenigen, bie dieſes nicht
glaubten, auf, ihre Helden mir dem Sokrates zu ver,
gleichen, und alsdann den Ausſpruch zu thun 7). So⸗
krates, heißt es beym Zenophon FF), wär fo Fromm,
daß er nie etwas ohne oder wider den Willen der Götter
that; fo gerecht, daß er nicht allein niemanden ſchadete,
ſondern allen denen, twelchen er konnte, fd viel ald moͤg⸗
lich zu nuzen fuchtes fo mäßig, Daß er niemals das An⸗
genehme dem Nuͤzlichen vorzog; fo Elug und verftändig,
daß er niemals fehlee, und auch Feines andern Rath
brauchte, um bas Gute und Böfe zu unterfcheiden; ends
Vi) ſo aufgetlärt, fo ſcharfſinnig und uͤberredend, daß -
er ſeine Gedanken vollfommen ausdrücden, daß er ana
dere erforſchen und prüfen, und eben fd Fräftig ſowohl
zu Recht weifen, als zur Tugend aufmuntern fonnte,
gta Ohne
r\ ' .. - .. PR “ A
e2 ww... .. ..
6) Xenopb. VII. 8. p. 263. OpoAcyeras 'yap, ade.
yos mi Toy rnmovevbusvov avIenwuv Ko
Savarır veyner. Auch Montagne 1. €. p. 139.
hielt den Top des Tato zwar für tragiſcher, aber nicht
für fo Thon, als des Sokrates feinen.
an) Plat, In Phaed. p. 46. | |
ent) Xen. I, c. 9. 267. 68. und Blut. 1. &.p.47
Xen, I. e. p. 268; Auch Montagne fagt: Lame de
Socrater qui eft ſa plus parfaite, qui Toit venie &
ma eognoiffance p. 133. und ©. 139. de ſemblables,
je fais grand douie, qu'il yon ait em,
th) p. 807. | |
516 . - Giebentes Buch. Zweytes Capitel.
Ohne Bedenken, ruft eben dieſer Schriftſteller aus ),
würde ich denjenigen für den Glaͤckuchſten unter den
©terblichen Halten, der mir einem noch lehrteichern
Manne, als Sokrates war, befannt geworden waͤte.
Wenn vu mie bis hieher gefolgt bift, lieber Leſer!
ohne mit den Freunden deßſenigen, der nie meinte, Thraͤ⸗
nen zu vergießen, - ohne in deinem Snnerften von Ehr⸗
futcht und Bewunderung für denjenigen durchdrungen
gu werden, der nichts als das Safter fürchtere, und nur
Die Tugend und Tugenthoften bewunderte und verehrte,
ohne es dir endlich unzählige mal zu geftehen, daß du
noch lange der nicht fenft, und das nicht thun koͤnneſt,
was Sofrated war, und wirflid) that; Bann bedaure id)
dein Ser; und deinen Verſtand, dann warft du nicht
werch, mir dem Mann, den ich die gefchifvert Habe,
bekannt zu werden, und du wuͤrdeſt unftreicig von ihm,
wenn er noch lebte, verfiögen worden ſeyn. Du aber,
hoffnungsvoller Jüngling una edier Mann! beflen Seele
.-
das jchwache von mir entworfene Gemälde mit tiebe zur
Zugend erfuͤllt har, ſchließe das Bild dieſes Weifen,
wenn du es anders faflen kannſt, ganz In deine Bruſt
ein, frage es, wie das Orakel der Wahrheit und Tue
gend, um Nach, fo oft vu handeln willit , opfere ihm
Danf, wenn du ihm irgendwo ähnlicdy geworden, und
erröche vor ihm, wenn du von ihm abgewichen biſt.
Zwar kannſt du nicht. meht die Heilige Stätte befuchen,
wo feine Afche ruht, und bie jejo von den wildeſten aller
Barbaren und von den verächtlichen Nachfommen feiner
Morder enrweiht wird; allein du fannft das, was felbft
Die Rreunde des Sokrates am meiiten on Ihm lebten
und ſchaͤzten, feine große Seele anfchauen, und mit ihr
Ä ums
y
° Apol, Sack, p. 4 34.
Geſchichte des Sofrated und feiner DSL. 57
umgehen, kannſt alle feine Worte und Tharen bir ftets
“ gegenwärtig erhalten, kannſt ſtets die Mufter feiner eye
babenen Tugenden betrachten, und ihn gleichjam felbft
onrufen , daß er dich in deinen Peftrebungen. ihm ähns
fich zu werden, flärfen und unterſfuͤzen moͤge“). Wenn
du olles dieſes thuſt; jo ehrſt du fein Andenken froͤmmer
und heiliger, als wenn du Ihm Bildſaͤulen, Altäre und
Tempel errichteseft, und kannſt überzeugt ſeyn, Daß du
in eben dem Verhaͤltniſſe, in welchem du fein Leben durch
das deinige ausdruͤckſt, auch in biefer Welt glücklicher
werden **),. und daß er dereinfl an dem Orte, wo ee
Beinen ungerechten Nichter und boshaften Anfläger mehr
zu fürchten hat, dich als einen feiner geprüfteften Freunde
ngen werde T). \
emo T Kt 3 ' Nicht
1) Preinde, fagt Erasmus, quum hujusnsedi quaedam
logo de talibus viris, vix mihitempero, quin dicam: -
Sande Sacrstes! ora pra nobis.
* 00) Siehe dritte Beylage. |
+) Die fhönen Gedanfen, womit Tacitüs fein Leben des.
Agricola beſchließt, hatten fich meinem Gedaͤchtnliſſe fo
lef einaedruͤckt, daß fie ſich mir an dieſer Stelle wie
von ſelbſt darboren, Ich will diejenigen. bie mir, wie
meine eigene Gedanken, geläufig geworden find, -mit
feinen Worten heriegen, weil fie gewiß auch denen
wieder gefallen werden, die fie ſchon mehtmalen gelefen
‚Haben. Si quis piorum menibus locu; A, ut fa-
pientibua placrt, non cum carpore exflinguuntue
megnae animae; placide quiefcas, nasque, domum
tum, ab inßrmo defiderio & muliebribus Ismenti®
ad eontemplationem virtutum tusrum voces, qus®
. geque lugeri, neque plangi fas et, — Is verus ho-
nas, ea conjundiffimi cujusque pletss, Id filise
quoque uxorique pracceperim, fic patris, fic merleh .
‚memonam venesarl, ut omnia fafta didiaque ejus
fecum revolvaot, formamque ac fgursun animi ma-
" . gie,
Dur Siebentes Buch, Zweytes Capitel. ,
Micht fange nach dem Tode des Sokrates erging
es ben Athenienſern, wie es ihnen in allen ähnlichen Fäl⸗
len zu ergeben pflegte: ſie bereuten ihre Uebereilung eben
ſo Heftig, als fie vorher unbefonnen und ungerecht in
ihrem Wechelle gewefen waren *). Sie ſchloſſen nicht
nur, fo erzähle wenigftens Diogenes, Ihre Gymnaſien
und andern tiebungspläze, errichteten nicht nur dem
Sokrates eine eherne vom tofipp gearbeitese Statue,
eine Ehre, die fie nur ihren größten Wohlthäͤtern und
Heerfuͤhrern erwieſen **) „ fonbeen fie toͤdteten audh den
Melitus, und verwieſen die übrigen Anfhäger des Sokra⸗
tes ala Betrüger des Volls 7). Die Steafe ihrer Bo
= | Ä deit
..
N
——n chin
gls, quam earporis compledantur. non quis inter.
cedendum putem imaginibus, quse mermoro set
sere finguntur; fed ut vultus hominum, ita ſimu-
Jacra vultus imbecilla ac mortalia funtı forma men-
. ds seterns, quam tenere & exprimere non por alio-
sam materiam & artem, fod tuis ipfe moribus poffis,
Quidquid ex Agricola amsvimus. quidquid mirati
fumus, manet, manfurumque eft in animis hominum,
In seternitate temporum, fanıs rerum.
®) ifocr. vol, N. p. 383. 384. Diog. Il, 43; & ibi
Mensg. @.
“*) In ſpaͤterndZeiten follen fie ihm f gar eine Copelle ex:
baut haben. Mario. in Vit. Proch,
) ib. & VE 10. 11. An der lezten Stelle Heißt es, daß
Antiſthenes die Rache der Athenienſer wider die Moͤr⸗
‚der feines Lehrers gereizt habe. Plutarch hingegen be:
xichtet VIII. 128. de invidia & odio, daß die Anklaͤ⸗
ger.des Sokrates yon ihren Mitbuͤrgern ſo verabſcheut
worden, daß fie ihnen Fein Licht angezuͤnder, ihnen,
wenn fle von ihnen gefragt worden, gar nicht geant-
wortet, fih mit ihnen nicht gebadet, fondern ba:
Waſſer, worinn fle fich gewaſchen, als unrein haͤtten
weggießen laſſen. Diefer allgemeine Abſcheu babe fie,
ſetz e er Hinzu, zu einer folchen Verzweyfelung gebracht,
daß fie fich ſelbſt erhenkt hätten, |
Geſchichte ded Sokrates und feiner Phil. 519
heit folgte den. Verwieſenen noch Über die Bränzen Ihres
Vaterlandes nach; denn Anytus foH von den Herakleoten
entweder ausgeworfen oder gar geſteinigt worden ſeyn *),
Bon einem fo merfmürdigen Mann, deſſen tes
ben, Charakter und Denfungsart man fo genau bat
fennen gelernt, darf ich wohl vorausſezen, daß mar
auch die Perſon und häuslichen Umſtaͤnden wiſſen
möchte, fo. vie uns deren von zuverläffigen Schrift
flellern find aufbehalten werten. Das Aeußere
des Sokrates entiprach feinem Innern im geringe
ſten nicht, und fein feib war eben fo Häßlich, als
die Demohnerinn defielten (hön war. Selbſt feine
Schüler verglichen ihr mir den Silenen, wie fie von
Kuͤnſtlern, ober. aber in den Satysifchen Schaufpielen
vorgeftelle wurden **), Er hatte einen kahlen Kopf ***},
auffallend hervorſtehende Hugen, eine. Peine aufges -
Bälpte Nafe., einen großen. Mund, aufgeworfene füp
pen, und einen hesvorragenden Bauch }). Den allen
Diefen Haͤßlichkeiten oder. Abweichungen. von dem Ideal
Griechiſcher Künftter hatten die übrigen. Gliedmaßen des
Sokrates ein ſolches Ebenmaaß, daß die untern Theile
feines teibes den obern vollkommen entſprechend waren,
und auch felbfb dem, Gewicht nach gleich zu ſeyn ſchie⸗
zen T}). Ungeachtet er fich nicht ſo oft als die übrigen,
riechen badete, fo mar fein Coͤrper doch ſtets durch
Maͤßigkeit und vollfommne Schande reiner und gläns -
4 oe.
! . Tr RUN 7 *
®) Diog, 11, 43, & ibi Meng. |
#4) Plat. in. F p. 192. Xenoph, $ymp. IV, $. 19, p:
3.&c.5.6.7. ꝑ. 473.
wu) Khok, Ariftoph. ad v. 146.
)- Xenoph. Symp. c. 2. p, 438. & ec. 5. p, 472. 73. &-
t Plet. p, 60. in Thrast. wi “RE \
+!) Xen.Symp.c.2..e . ' ’
520. Siehentes Buch, Zweytes Capitd-
gender, als bie teiber derjenigen, bie ſich zwar häufig wu ⸗
ſchen, aber durch Unmaͤßigkeit und andere Laſter verunrel⸗
nigten ®), Seine ganze Perſon hatte etwas fo reizwolles
und anziehendes *°), daß er ben einer fängern Befannts
ſchafft vielmehr, ale die ſchoͤnſten Juͤnglinge feflelte ;
und Zopprus, der Phnfiognomifer, wurde daher nit.
MRecht vom Alkiblades ausgelacht, als er mit Ueberſe⸗
bung des ſtarken Ausdrucks großer Talente und Tugen⸗
ben in den Augen und beweglichen Theilen des Geſichts,
ollein aus dein Bau der Kehle und des Halſes ſchloß,
daß Sofrates Hlödfinnig und ansfchweifend feyn mäffe,
und in diefen feften Teilen zwar den Hang zu gewiffen
kafteen,, aber nicht die Stärke und Anlagen wahrnahm,
wodurch Sokrates fie bändigen und unterbräden
fon |
goͤgich als er es verdiente. Seine einzige Sattinn,
bie berüchtigte Eantippe, war, feheint es, eine fparfame,
thäcige und Eluge Hausfrag 7), liebte ihse-Rinder für
wohl, ala ihren Mann zärtlich, nahm menigfiens an
dem Tobe des Sokrates einen fo zaͤrtlichen Ancheil, ala
eine Frau nur nehmen fonnte, bie in ihrem Manne
bie sröfite Stuͤle und einen unerfeglichen Freund gu vera
|
nte.
Als Gemahl und Vater war Sokrates nicht fe
lieren
‘
— — —— ⸗—822— a nt [Ts Der nr 77 "Tri —
8
SHAW. e. ı1. p. 663. Fpictet. Diſſert. Epiktet ſagt, deß
“alle Schriftſteller dieſes bezeugt hätten, und er erklärt
den Vorwurf von Blaͤſſe, Kraͤnklichkeit und Schmutz
den Atiſtophanes ihm machte v. I64 & 835. für eine
- eben fo. arumdlofe Verläumbung, als die Defhuldigun:
; gen, daß er Kteidungsſtuͤcke entwendet, ober, kann man
noch hinzuſezen, daß er die Leibesübungen vernadläf:
Rat hahe vV. 834. j .
N Cicer. de fata c. 5.
V Dpne diefe Tugenden der Xantiphe hätte die Hauchal
tung des armen Sekrates gat nicht deſtehen können.
⸗
Geſchichte des Sokeateg und feiner Phil sat
lieren fuͤrchtete )3 aflein fie war zugleich, was auch
Heumann- zur Nettung ihres guten feumunbs geſagt
hat**), von einer fo fauren, muͤrriſchen und zaͤnkiſchen
Gemuͤthsart, und von einer fo. anhaltend üblen Laune,
daß fie gerade diejenigen ‘Perfonen am meiften quälte,
die ſie am meiften liebte, und daß nichts weniger, als
die Geduld eines Gofrates erfordert wurde, um fie
nicht unerträglich zu finden. Ungeachtet ich nicht alle
die Erzählungen für wahr Halte, die von den Ausbrils
chen ihrer Hefligkeit erzähle werden; - fo ift es doch ges
wiß, daß fie Ihren eigenen Sohn bis zur Unverfühnlichs
feit rider fich. anfbrachte *°*), und daß ſelbſt die Freunde
des Sokrates darüber erflaunten, wie er }) ein Weih
dulden könne, dag unter allen, die jemals geboren waͤt
gen, ober geboren werden wuͤrden, das unleidlichfte fen.
Die Hefrigkeit und Verdrießlichkeit der Fantippe war fo
unbezwingbar, daß Sofrates durch vieljährige Nachgies
—* und Sanftmuth fie um nichts mildern konnte.
Er pflegte dahet au fagen, daß, fa wie diejenigen, bie
geiten lernen wollen, nicht die zahmften, fondern die
muthigſten Pferde wählten, er auch nicht eine fanfte,
ſondern eine heftige Rrau genommen habe, um bie Kunſt
au lernen, mit allen Arten yon Menfchen umzugehen.
enn menn er diefe ertragen koͤnne; fo, fen er gewiß,
Daß ihm niche leicht ein anderer. Menſch unerträglich ſeyn
würde, Mic dieſer feiner Gray zeugte Sokrates wenig,
ſtens fünf Söhne, unter welchen fammprofles der. ältefte
war TE), der ſammt einem | „Sophroniekus, noch
on Kt 5 vor
— —— — gern,
@) Plat. Phaed. p. 23.
..90 3, 103. A, Philof,
. €) II. 2, Memor. Soer,
»D Symp. e. 8.p. 495:
71) Xen, ii, 3,
.
® \ \
223 iebented Buch, Zweytes Eapitel.
Son dem Sokrates ftarb *), Nur noch ein erwachfener
und zween unmuͤndige Söhne überlebten ihren Vater **),
ven deren Schickſalen wir aber nichts wiſſen. Dur
bon den älteren Söhnen hat fich eine Sage erhalten,
das fie ihrem Vater ſehr unähnlich gewefen ſeyen, und
Ihm durch ihre Unbefonnenheit yielen Berbruß gemacht
käten {I
| | „Erſie
«) <tob, Serm 106. PHutarch de genio Soer. VIII, p. 331.
er) Plat. in Apol. p. 14. & in Pbaed. p. 46.
dp Plur. in Cat Mai. II, 558. Die meiften Leſer Gaben
ſich vieleicht darüber geroundert, daß ich dem Sokra⸗
tes nur eine Frau gegeben habe, da faſt alle afte
Schriftſteller ihn zwo entweder zugleich oder doch nad
einander heira hen laſſen Viel⸗ Geſchichtſchreiber vid
Athen. Xill, principio, und un’er dieſen Atiſtoteles
in feinem Werke vom Adel ib, & Dicg, IL 26. erzähl
ten, daß Sofeares, erft die Zantippe, ynd dann die
Morto, eine Toch er des Ariſtides, oder wie Athenaͤu
verbeflert, eines Enkels des Ariſtides, nehetrarher habe.
Allein dieſes iſt zuverläflig Fatih. Denn Kantippe leb⸗
te noch, als Sokrates hingerichtet wurde, p. 23. 46.
Plat. Apol, Koct. Dies konnte dem. Iriſtote les uns
moͤalich unbekannt feyn, und man kann daher das Buch
eo EUYEVERSS, wovon ſchon Plutarch zweyfelte,
ob es Acht ſey, Cll. in vita Ariſt. in fine) ohne Be⸗
denken für unrergefchoben erklaͤren. Andere Schrift
Keller, und unter diefen vorzüglih Satyrus und. Hie⸗
toupmus yon Rhodus fasten. daß Spfraseg die. Diprtg
uerſt gehrirathet, ynd nachher die Rantippe als eine
—— zu ſich genommen habe, weil die Athe⸗
nienſer, um ihre durch die Seuche ertvoͤllerte Stade
‚mir Bürgern wieder anzufuͤllen, das Geſez gegeben
daͤtten, daß ein jeder Arhenienfer außer einer. rechtmaͤ⸗
Sigen von Burgerg erzeugten Sastinn ich noch eige ans
dere Freunt:nn beylegen fonne. Ding L « - Alein
auch diefe Nachricht iſt gewiß erdichtet. Plato und
| Eenophon
a ——— —
Geſthichte des Sokrates und feiner Phik. 433. J
Erſte Beylage zu p. 4a4.
Außer den aflgemeinen Grundſaͤzen des Sokrates, bie
ich bisher angeführt Habe, und die alle mit einander
verbunden find, finden ſich in den Schriften Des Xens⸗
phon und Plato noch. manche abgeriffene fchone Gedan⸗
ten, bie fich aber nicht gut in einen Zuſammenhang
bringen faffen, oder auch befondere Borfchriften über
einzelne Pflichten, die in einer allgemeinen Gefchichte ,
wie Die meinige ift, nicht gut Plaz fanden. Von den
leztern will ich aber doch noch die Betrachtungen de&
Sokrates über die Pflichten der Kinder gegen ihre Ela
sern, und ber Brüder gegen einander, wegen Ihrer Vor⸗
trefflichkelten mittheilen. J
e
⸗ \
Zenophon reden durchgehende: von. ber Kiantippe, als
einer rechtmäßigen, und als der einzigen rechtmäßigen
Gattinn des Sokrates, und fagen nichts von einer ans
dern Frau, oder von dem Geſe;z der Athenienfer, mag
. bie Bygamie erlaubt haben fol. Auch. war. Lame
prokles der ältefte Sohn von der Kantippe, und nicht
von der Mrrto, ein Nebenbemeis, daß Sokrates die
erftere nicht als eine Beyſchlaͤferinn nach der leztern ge⸗
nommen babe. Ich trete daher / dem Panäelus bey,
der die Mehrheit der Frauen des Sokrates laͤugnete,
und wit Ständen heſtritt, die wir nicht mehr wiſſen.
Athen, I, c. Diele falfhe Meynung ift vielleicht durch
einige mißverftandene Stellen des ‘Plate veranlaßt wor»
ben. Diefer Weltweiſe fage nämlich in feinem Phaͤdom
daß cds omesas Yuvaues jum Gofrates gefommen,
ſeyen, und daß er rass ‘Yuvaascass- weggeſchicht babe,
um fi nichts vorwinſeln zu laflen p. 46. 47. “Plata
. batte Bier aber nicht zwo Sattinnen des Sokrates im
Sinne, fondern deurere auf die Tantippe, und eime
oder mehrere Degleiterinnen open, Sclavinnen, die ihre -
beyden kleinen Söhne trugen oder ttagen halfen, Ä
224. Siebentes Buch. Zweytes Eapitel,
Als er merkte, baß fein ältefter Sohn Lamprokles
gegen feine Mutter aufgebracht war *), fragte er ihn
einftens , 0b er nicht undankbare Menſchen habe kennen
lernen, und ob er nicht diejenigen fa nenne, die Wohle
tharen, die fie genoſſen, vergelten fönnten, und ed niche
täten, Als fein Sohn dieſe Frage mit Ja beantwor⸗
tete, fuhr er weiter fort; . Glaubft du nicht auch, dag
ein jeder, der Wohlthaten unvergolten läßt, ober nicht
einmal mic danfbaren Geſinnungen erroiedert, ungerecht
fen? der MWopichäter mag Freund oder Feind feun ?
. und daß einer um deftomehr unrechr chue, je größere
MWopichaten er empfangen hat, und unvergolten laͤßt?
Als tamprofleg auch diefes bejahte, ſagte ee ferner:
Kann man denn auch wohl Perſonen nennen, die größe:
ge Wohlthaten empfangen haben, als Kinder won Eis
tern, denen fie ihr. :Dafeyn und den Genuß alles des
Guten zu banfen haben, das die Götter den Menfchen
mittheilen Bilde Die ja nicht ein, als wenn die Men⸗
fchen blog um des Vergnuͤgens willen Kinder zeugten:
benn wäre es ihnen bloß um das Vergnuͤgen des Bey⸗
of& zu thun; ſo Könnten fie das genug bey Perſonen
npen, mit welchen alle Häufer und, Strafen angefuͤllt
"find. Unläugbar fuchtein jeder, der fich vermählen will,
eine. ſolche Gattinn aus, mit welcher er die beften Kinder
erzeugen Fonn. Der Mann ernährt algdann feine Frau,
und bereitet den Fünftigen Kindern alles vor, was zu ih⸗
rer Erhaltung und Wohlfart nothwendig und bienlich iſt.
Die Frau hingegen empfängt die faft des Kindes in ige
zen Schooß, träge es mit vielen Befchwerden, bringt
06 mit unfäglichen Schmerzen und. tebensgefahren zur
Welt, währt es mit ihrem eignen Blute und Saͤf⸗
ten 3
-
9) Memor. Soar. II. 2.
—
\
Geſchichte des Gokrates find ſeiner Phil, 423
ten, und zieht es mic taufendfältigem Ungemach auf,
ohne daß fie jemals von Kinde Gutes empfangen hätte,
oder das Kind nur wuͤſte, von wem es alles das Gute
erhaͤlt, oder auch nur zu erkennen geben Fonnte , weſſen
ed bedarf. Die Murrer allein bemüht fich zu erfahten;
was ihren Kindern zucräglicdh und angenehm Iff, und
forge für dieſelben Tag und Nacht, ohne zu wiſſen, ob
fie jemals nur Dank dafür erhalten werde, Die Eltern
begnügen fich aber nicht damit, ihre Kinder zu ernäßp
ven, ſondern fobald diefer Ihre Aräfte und Altet es ers
lauben, lehten fie diefelden auch alles nüsliche, was fie
ſelbſt wiſſen, oder laſſen fie auch von andern Unterrich⸗
ren, und werden alles an, was fie koͤnnen, damit ihre
Kinder ſo gluͤcklich und vollkommen, als nur moͤglich,
werden. — Auf dieſe Vorſtellungen antwortete der Sohet
des Sofrates: Wenn meine Mutter alles dieſes und
noch mehr gethan hat; fo Fanti doch deßwegen kein |
Menſch und auch ich nicht ihre Heftigkeit aushaiten.
Iſt denn, fagte Sofiates, die Wiſdheit deiner Mutter
unerträglicher ‚. als die eitied wilden Thieres? Aller⸗
Dinge, atitwortetelamprofles, Hat fie dich denn, frage
te fein Vater, ſchon etwa gebiſſen oder geſchlagen, wie
wilde Thiere zu thun pflegen ? Das eben nicht, erwie⸗
derte der Jungling, allein ſie fagt immer etwas, was
man für fein teben nicht hören möchte: — Wie viele
Beichwerben und Berprießlichfeiten magſt du ihr aber
wohl von deiner Kindheit an ſowohl in Worten als durch
Thaten verurſacht haben? — Ich bin mir eben keiner
Rede oder Handlung bemuft, deren fie ſich zu ſchaͤmen
Bärte, == Gollte dir denn das Zanfen beiner Mutter
unerträglichee fern, als den Schaufpielern bie Heftig⸗
keiten, die fie in den Trauetfpielen gegen einander aus
flogen ? Diefe ertragen fie leicht, weil fie wiflen, daß
diejenigen , die ſcheiten und drohen, es nicht in der Ab⸗
ſicht gu ſchaden chun. Und du züenft, wenn beine Mist,
. oo. . ter
4
gꝛs Sebenles Burh. Zwehies Capird,
ter die etwas Unangenehmes ſagt, da du ˖ doch weiſt,
daß ſie dir nicht allein nichts Boͤſes, ſondern alles Gute
wuͤnſcht. Oder glaubſt du etwa, daß fie es nicht gut mit
die meyne ? — Dazu habe ich gar feine Urſache. —
Und eine folche Mutter alfo , die dich fo innig liebt, fo
eifrig für dich forgt, und betet, du magſt gefund obee
Eronf ſeyn, eine ſolche Mutter haͤlſt du für unleidlich ?
In der That, wenn du die nicht ertragen kannſt; fo iſt
dir ſelbſt dein Gluͤck unerträglich. Du wirſt doch nicht
denken, daß du gar wicht noͤthig haͤtteſt, dich andern
Menſchen gefällig gu machen, umd keinem, felbft nicht
einmal Heerführern oder Magiſtratsperſonen gu gehor⸗
hen? Vielmehr wirft du dem Nachbar zu gefallen ſu⸗
chen, damic er bein Licht anzände, am deinem Gluͤck
Tyeii nehme, und die helfe, wenn du feine Hulfe
brauchſt. Eben fo wirft du einen jeden, ver mit die
eiuerley Straße sieht, oder in einem Schiffe ſich finden,
oder auf andere Art mit dit in Verbindung Fommty
rher zu deinem Freunde als Feinde mächen wollen. Du
moͤchteſt alſo alten andern Menſchen, und nur deinet
Mutter allein nicht, gefallen? Weiſt du nicht, dag um
ſere Stadt alle andere Arten von Undankbarkrit übers
u un —. —
Rieht, und ungeflvaft täßt, daß fie Hingegen denjenigen
der feine Eltern vernachtäffigt, won der Wuͤrde von Ar⸗
"Choneen und Prieſtern ausſchließt, als.werm ein fold.e®
weder den Göttern auf eine gefällige Arc opfern, och
dem Vaterlande gewiffenhaft dienen fünne? Wenn du
ulfo weife feyn willſt, mein Sohn, fo bitte den Göttern
das Unrecht eb, was du deiner Mutter gethan haft, das
mit fie Die nicht als einen Undanfbaren ungemwogen werz
den. Hüte Dich, daß nicht andere es erfahren, daß tu
deine Eltern gering ſchaͤzeſt, damit nicht alle dich vers
‚abfchenen, und felbft deine Freunde Dich verlaffen Denn
wenn diefe merfen, daß du gegen deine Eltern undank⸗
W bar
Geſchichte des Sokrates tind feiner Phil. 27
bar biſt, fo werben fie gewiß glauben, daß du keinem
andern Öutes mir Gutem vergelten werdeft. — |
Als Sofrates (fo 5** FZenophon, gleich Im fol
genden Abſchnitt) einft.merfce, dab die beyden Bruͤder
Ehärephon und Chärefrates mit einander gefpannt was
ren: redete er den Chaͤrekrates folgender Geſtalt anı
Biſt du nicht auch einer von denen, welche glauben,
bag Reichthuͤmer näzlicher find, als ein Bruder, unges "
achtet dieſer Verſtand hat, und jene nichts ungeachtet
ber erftere nur einzig ift, und helfen kann, und der ans
dern viele find, und Wartung verdienen? In der That
ift es zu verwmundern, wenn jemand Bruͤder deßwegen,
weil er ihr Vermoͤgen nicht beſizt, für eine Strafe hält,
und hingegen feine Mitbürger - aus einem ‚ähnlichen
Grunde nicht dafür anſieht. Im lestern Kalle merkt
man es bald, daß es befler fey, unter vielen ficher zu
wohnen, und nur das Nothwendige zu haben, als das -
Vermoͤgen aller übrigen Bürger zu beſtzen, und feines
tebens und Eigenthums nicht ficher zu fen In Ans
fehung der Brüder aber will oder mag man dieſes nicht
elngeſtehen. Man fäuft, wenn man fann, Seclaven,
um. Mitarbeiter, und bewirbt fih um Freunde, um
Gehälfen zu haben; und Brüder hingegen vernachlaͤſſigt
man, als wenn zwar aus Mitbuͤrgern, aber nicht auf
Bruͤdern Freunde werden könnten Michts deſtowe⸗
niger träge es zur Freundſchafft viel bey, von denfelbis
ger Eltern erzeugt und zufammen erzogen zu ſeyn, im
dem felbft die Thiere fiebe für diefenigen haben, mit
denen fie aufgewachfen find. Auch andere Menfchen
haben mehr Achtung für folche, Die noch Brüder has
ben, als für diejenigen, die feine haben, und wagen
es auch vlelweniger, fie anzugreifen, Freylich, unters
brach Eharefrates ven Softares, muß man einen Bru⸗
der nicht um geringer Kleinigkeiten willen meiden, weil
er, wenn er it, wie er fegn fol, allemal ein großes
. Sur
!
38 :.. Siebented Buch. tZweytes Caditel.
But if. Allein wenn nun gerade das Gegentheil ein⸗
tritt, was ſoll man dann machen? Hat denn, er⸗
wiederte Sokrates, dein Bruder das Ungluͤck, außer dir
üdch keinem andern Menſchen zu gefallen? bber gibt
es noch welche, init denen er fich gut vereinigen Fann ?
= Um defto haſſenswuͤrdiger iſt er, Antwortete Chaͤre⸗
krates, weil er fich andern Leuten gefällig zu machen
weiß, und mir hirtgegen duürch Neben und &päten be
ſtaͤndig beſchwerlich oder ſchaͤdlich ift. = Vielleicht aber
iſt dein Bruder nut deßwegen eine Strafe für dich, weil
du ihn Nicht zu behandeln weiſt, wie Pferde deren el⸗
ne Strafe find, die mic ihnen nicht umzugehen wiſſen.
—Wie ſollte ich aber hicht wiſſen, einem Bruder gut
‚ja begegnen, ba ich einem jeden andern, bes von mir
Sutes redet, oder init Gutes thut, mit Worten und
Thaten wieder vergelten kann? Denjenigen hingegen,
der ſchlecht zu und von mir ſpricht und ſchlecht gegen
mich handelt, kann ich nicht allein, ſondern ich will ihn
auch nicht ſegnen, über ihm Gutes erweiſen. ⸗ Du
redeſt wunderbar, Chaͤrekrateß. Wenn du einen Hund
bey deinen Heerden haͤtteſt, der den Schaͤfern ſchmei⸗
chelte, und dich —— anbellte, wuͤrbeſt du den nicht
durch irgend etwas Gutes, das bu ihm erwieſeſt, zu be
ſanftigen und dir gewogen zu machen füchen ? und einen
Bruder, von dem du eingeſtehſt, daß ee bir ein großes
But werben koͤnnte, willſt du nicht dutch Güte und Ges
faͤlligkeit zu deinen Freunde machen; da es bit fo leicht
Wird, Freundſchafft durch Tiebliche Reden oder Tchöne
Thaten zu erwerben? = Sch fürchte aber, daß ich
wicht weife genug bin, um ben Chaͤrephon fo gegen ihich
geſinnt zu machen, wie ich es wuͤnſche. — Und doch
barfft du dich gar keiner neuen und ſchweren Kuͤnſte ge
gen ihn bedienen, ſondern nur foldjer ; bie bir vollkom⸗
men bekaͤnnt ſind, und mit denen du, wenn du ſie nur
brauchen willſt, deinen Bruder faugen, und gang nach
— dei
9
— nn — [an
Du —— — — — 757— — —
' \
Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 529
Deinem Willen regieren kannſt. — So virheele mir doch
bie Zauberkunſt nicht, lieber Sokrates, Die ich bisher,
ohne es zu wiſſen, befeflen. habe. — Wohlan denn ! ſo
ſage mir einmal, wie du es anfangen woliteſt, daß eis
ner deiner Bekannten dic) zum Gaſtmale riefe, wenn er
geopfert härte? Wuͤrdeſt du ihn niche ſelbſt zuerſt einla⸗
den? Und wenn du wünfchteft, daß einer Deiner Freunde
in deiner Abweſenheit fich deiner Angelegenheiten anneh⸗
men moͤchte, wuͤrdeſt du ihm nicht in demſelbigen Fale
deine Dienſte anbieten? Und eben ſo, wenn du wollteſt,
daß jemand dich als Gaſtfreund aufnaͤhme, wenn du in
feine Stadt kaͤmeſt, wuͤtdeſt du nicht in Athen die Pflich⸗
ten der Gaſtfreundſchafft gegen ihn ausuͤben? Du wuſteſt
alſo ſchon lange, ohne es dir zu geſtehen, alle fiebess,
traͤnke, womit man andere Menſchen zu Freunden ma—
chen, und zur Gegenliebe bewegen kann. Oder meynſt du
etwa, daß ed dir Schande bringen werde, wenn du beis .
nem Bruder zuerſt Gutes thuſt? Meinem lUrtheile nach
iſt derjenige der volffommenfte und lobenswuͤrdigſte Mann,
der ſeinen Freunden im Wohlthun und ſeinen Feinden im
Leideszufuͤgen zuvorkoͤmmt. Wenn mir Chaͤrephon ge⸗
ſchickter dazu geſchienen haͤtte, ſeinem Bruder zuerſt
wohl zu thun, fo würde ich ihm dazu zu bereben geſucht
haben. Allein ich habe geglaubt, daß ich dich biegſamer
und. geneigter finden wuͤrde. — Du mutheſt mir, ſagte
Chaͤrekrates, etwas ſeltſames zu, daß ich als der Jüngere
die Sreundfchafft mit meinem Bruder wieder anfangen
foll, da doch die ganze übrıae Welt urtheile, daß der
Aeltere im Neben und Handeln der eritere feyn müff:. —
Wie, fagteSofrares, iſt es nicht allenthalben Sitte,
das der jüngere Bruder dem aͤltern ausweich', wenn fie
fich einander begeguen ? daß er im feinen MM. uͤberlaſſe,
und in Geſpraͤchen nachgebe ? Zoͤgere alſo nicht laͤnger,
|
|
mein Freund, fondern fuche deinen Brurer zu befänftle
gen. under wird gewiß wieder zu dir Fommen, Sieheſt
\
Zwepter Band, du
—
330 Siebentes Buch. Zweytes Capitel. |
|
du nicht, wie edel und ehrgeizig ee von Natur iſte
Michtswuͤrdige beute Eönnteft du nicht befler gewinnen,
als wenn du ihnen etwas ſchenkteſt; gute und vortreff⸗
liche Mäuner aber. nicht beffer, al& wenn du ihnen gätig
oder freundlicd, begegneft. — Wie aber, wendete Chaͤ⸗
refrates zulezt ein, wenn.id) burch mein Entgegenkom⸗
men nichts audrichtete ? was habe ich dann davon? —
Dieſes, antwortete Sokrates, daß du allen Menſchen
bewieſen haͤtteſt, daß du ein güriger, und Ehärephom
hingegen ein fchlechter Bruder fen, der gar feiner Wohle
thaten werth if. Allein ich bin überzeugt, daß du ders
gleichen nicht zu fürchten haben wirft , und daß Chaͤre⸗
bon, wenn er merkt, daß du ihn zu einem Kampfe
p
brüderlicher tiebe aufforderft , dich in Worten und Thas
“ten zu übertreffen fich beeifeen werde. Jezo ſeyd ihrin
einem foldyen Derhältniffe gegen einander, wie Hände
und Füße, wenn fie, anflart einander gu Helfen, fich
gegenfeitig hinderten. Iſt es nicht große Unwiſſenheit
und ungluͤckliche Verblendung, das zu ſeinem Verderben
zu verkehren, was sum Nujzen gefchaffen iſt? Brüder
hat die Gottheit fuͤr einander zu groͤßerm gegenſeitigen
Mujen geſchaffen, als Haͤnde, Augen, Süße und alles
andere, was ſie dem Menſchen doppelt gegeben hat.
Haͤnde koͤnnen ſich ſchon einander nicht helfen, wenn das,
was ſie bearbeiten ſollen, nur etwas weiter, als eine
Klafter von einander entfernt iſt; Fuͤße, nicht einmal in
einer fo kleinen Entfernung; und Augen, von denen es
ſcheint, daß ſie am weiteſten reichen muͤſten, koͤnnen
nicht einmal Gegenſtaͤnde, die noch naͤher ſind, zugleich
von allen Seiten betrachten. Bruͤder hingegen, die in
Eintracht leben, koͤnnen zuſammenwirken, und ſich ein⸗
ander nuͤzen, wenn ſie auch noch ſo weit von einander
entfernt ſind. |
Under
' —
Seſchichte des Sokrates und feiner Phil. 531
Andere Betrachtungen über den Neid, äber die
wahren Borgefezten, und über die verfchiedene Regio⸗
rungeform findet man Memor. Socr, ill. 9.1V, 6. j
Zweyte Beylage zu p. 468,
en leſe die Schilverung ber Berfuchung bes Sofras
tes beym Plato p, 192. 193. in der Grundſprache;
denn Ins Deurſche laͤßt fie ſich nicht gut, mag ich ſie we⸗
niaſtens nicht überfegen. Man fehe auch Petronii Sa-
Iyricon p. 245. Mach den ongeführten Zeuguiffen des
Plato und Zenophon, und bey dem gänjlicyen Stile. -
weigen des Uriſtophanes ſowohl als feiner Anklaͤger,
n einem unerlaubten Umgange mir ſchoͤnen Knaben.
md Juͤnglingen it es mir unbegreiflich, wie man dem.
Bofrated jenen. Hang zur Knabenliebe habe vorwerfen.
brnen. Keiner tadelt diefe unnatuͤrliche Luſt fo bittet,
is Soktates, (l. 2 Mem)) keiner warnte jo nach⸗
küdlich davor, als er, (ib v. 3.Symp. c.4.p 246.)
nd Feiner bemühte fich jo ſehr, fie in andern in eine
eine tugendhafte Seelenliebe zu verwandeln, „die niche
je Stillung einer viehiſchen Brunft, nicht den uners
zubten Genuß coͤrperlicher Schönheiten, fondern vie
Beredelung des Herzens zärtlich geliebrer Freunde zur.
loſicht habe. Man lefe außer den angeführten Stellen,
n Saftıngle des Zenophon c. 8, die ernſtliche Straf
de wider das In Griechenland, vorzüglid) in Elis und
‚heben, fo gemeine tafter, und die ſchoͤne Schilderung
m zärclichen liebe, mic welcher er jagte, daß er alle
eunde der Tugend umfafle; man vergleiche alle dieſe
berbleibfel feiner Grundſaͤze mir dem Stillſchweigen
er Feinde und Anfläger, und mic dem ganzen übrigen
a und |harafter des Sofrates, und frage fich als⸗
n, ob man nicht einen jeden Schatten von Verdacht
12 gegen
Te —
-
=
332Siebentes Buch · Zweytes Eapitel,
gegen den Sokrates für Wahnſinn und Entweihung
feiner Tugend und Weisheit halten müffe, und ob man
noch einen Augenblick zweyfeln fünne, dag Sokrates
feine Freunde mir eben der unbefleckten tiebe geliebt hate,
womit entcorperte tugendhafte Seelen fich dereinft lieber
“werden. Gewiß würde es auch Miemanden, als den
Wenigen, die ſich ein Gefchäfft daraus machen, einen
Mann. zu tadeln und herabjufezen, den alle weife und
tugendhafte Menfchen bewunderten, in den Sinn ges
kommen ſeyn, den Sokrates eines Laſters zu argwohnen,
das auch in feinem Zeitalter für dad, was es war, ger
Halten, und als ein öffentliches Verbrechen beftraft wur⸗
de, wenn man nicht im Kenophon felbft Gründe zu die⸗
fem Argwshn zu finden genlaubt haͤtte. Im Baftmal
diefes Schriftſtellers ſagt Charmides *) zum Soͤkrates,
der vor allen Dertraulichfeiten und kiebfofungen ſchoͤner
Perſonen gear hatte; daß er Doch nur andere nicht
fo in Furcht jagen möchte, da er einftens felbft fein
Haupt an⸗das Haupt, und feine entblögten Sihultern
an die nackten Schultern des ſchoͤnen Kritobulus, mit
welchem er in einem fchönen Buche gelefen, gelegt habe,
Auf diefen Angriff antworter Sofrares mit einer Ausru⸗
fung von Verwunderung und DBerdruß, daß er, role
von einem giftigen Thiere gebiffen, fünf Tage hinter
einander einen empfindlichen Schmerz in der Schulte,
ind eine beklemmende Unruhe in feinem Herzen empfuw
den habe. Er wolle aber zum Zeichen feinee Neue vor,
allen Mitgliedern der Gefellfchafft, ale fo vielen Zeugen,
feierlichft verjichern, daß er den fehönen Kritobul
" ni
— a
;®) Eben. diefer Charmides ſezte als, Sängling durch feine a
perorbentliche Schönheit den Sokrates falt noch me
als Kritobulus in Erftaunen, in Charmide, Plato
initio,
Zn mw —”
⸗
Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil" 33 -
nicht eher wieder beruͤhren wolle, als bis ſein Kinn eben
fo ſehr, als fein Haupt bewachſen ſey. — Aus dieſer
Stelle würde man zwar nicht ſchließen koͤnnen, daß So⸗
krates fträflich, aber wohl, daß er weicher und empfindli⸗
cher gegen die Schönheit von Knaben und Juͤnglingen
geweſen ſey, als man von einem weifen Manne erwar⸗
ten follte, wenn nicht gleich Zenophen himzuſezte, und
ver ganze Ton bes Geſpraͤchs es aud) lehrte: Daß bie
Tiſchgenoſſen auf diefe Art abwechſelnd gefcherzt, und
ernftlich fich unterrever haͤtten. Das Scherjen kann
allein von den Mecferegen des Charmides und Sofrates
gelten, indem der leztere vorher. ernſtlich gefprochen harte,
Waͤre man auf eine ähnliche Bemerkung des Renophon
En en re
Ds. uf
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E_ 2
und auf die nicht minder veritecfte Sronie des Sokrates ,
aufmerkſamer gewefen; fo würde man dem leztern feine
Untertedung mit der Theodota nie zum Verbrechen ges
macht, und wie Achenäus (V. 18. p. 220.) geglaubt
haben, daß er diefed Mädchen in der Buͤhlerey, wie
feine Sreunde in der Weltweisheit, habe unterrichten
wollen (III. 11. Mem. Socr.). Wie, fagte Theodota
am Ende des Gefprächs zum Sokrates, willſt du denn
nicht mein Mitwerber um Freunde und Liebhaber wers
den ? O ja, antwortete diefer, wenn bu mir gute Worte
gibſt. Wie fol ich das machen? fräge die Buhlerinn
von neuem. Das ift deine Sorge, erwiederte Sofas
tes, du felbft muft fehen, wie du mic) gewinnen kannſt,
wenn du meiner nöthig haft. — So befuche mich, ſagt
der ſich, wie Eenophon ausdruͤcklich erinnert, - über die
fie, fleißig. Und hierauf antwortet Sofrates zulezt,
Einfalt der Theodora fuftig machte: daß es ihm niche
leicht fen, ſich abzumuͤſſigen, indem ihm ſowohl feineels .
gene, als .öffentliche Gefchäffte viele Zeit raubten. Auch
habe er Freundinnen, dis ihn Tag und Mache nicht von
fich ließen, weil fie tiebescränfe und Befchwörungen von
ihm lernten, und ſ. w. Senn aber jemand- feibft De
3
t
3
-
⸗
—8
9... Sichentes Buch. Zweytes Capitel.
Uaterredung mit einer Buhlerinn unfchicfich finden ſollte,
per bedenke, daß Sofrates nicht in feinem Zeitalter lebte,
and daß er wahrfcheinfich, wenn er jezo wieber erwachte,
«8 ‚für eben fo unanfländig haften würde, daß, wir bie
Weiber und Töchter unferer Freunde befuchen, als es
uns ſcheint, daß ein Athenienſiſcher Weiſe ſich mit einer
Buhlerinn unterredet habe.
Dritte Beylage zu p. 517.
Nie Anflaͤger des Sokrates waren nicht feine einzigen
Berläumbder; er fand auch unter feinen übrigen
Zeitgenoffen bittere Tadler, und felbft in den nachfolgen
den Jahrhunderten, als er Niemanden mehr durch fein
Orronie beleidigen und durch feine Tugenden verbunfeln
fonnte, erhielt er Widerfacher, bie ihn noch heftiger,
als feine Mörder anflagten. inter ben fegtern zeichnete
fi) befonders Ariftorenus aus, beflen Schmähungen
—5 — nur wiederhohlte. Die Duelle, aus welchet
riftorenus feine Beſchuldigungen fchbpfte, und- die
wahrfcheintiche Urfache feiner Erbicterung gegen den So⸗
frates habe ich Infurften Bande in dem Abfchnicte von .
den Sefchichtfchreibern ber ——— unter dem Artl⸗
kel Ariftorenus anghgeben. / Diefer font vortreffliche
Schriftſteller —2 Sokrates eines unvernuͤnf⸗
tigen Jaͤhzorns, eines ſtraͤffichen Ungehorſams gegen
feinen Vater, ſchaͤndlicher Ausſchweifungen,
unnatuͤrlichen Siebe, einer pöbelhaften Unwiſſenheit un.
Ungebildheit, und vielleicht noch vieler andern Untugen
ben. Allein audı er fonnte und mochte es nicht laͤugnen
daß Sokrates gerecht und aeborſam argen bie Gefeze geı
weſen fey. Plut. IX. 399. de Herod, malignit. De
‚ältere Cato biele den Sokrates für einen Schwäzer
leerer, und für einen Tyramen, ber ſich über ba
x \ geb ef!
. | " P '
Gefchichte des Sokrates und feiner Phil. 535
‚sehen und bie Handlungen feiner Mitbuͤrger eine unrecht»
mäßige Gewalt angemaßet habe. ap. Plut. in ejus vita,
4. 196. te diefe Vorwuͤrfe haben nicht einmal einen
Schein von Glaubwürdigkeit, und fonnten auf ver⸗
nänftige Maͤnner lange nicht den Eindruck machen, den '
die feurige Strafvede des Katliftes im Gorgias des Plato
auf umvorbereitete Gemuͤther vielleicht machen würde,
Wenn du dich, fagt dieſer Sophiſtenfreund p. 317. um
Sokrates, mit wichtigern Dingen befchäfftigen follceft,
fo wuͤrdeſt du die Philoſophie gewiß fahren faffen. Die
Philoſophle Hi ganz was artiges, wenn man fie in einen
gerolffen Alter und in einem gewiſſen Maaße Eoftet.
Wenn man aber zu lange ben ihe verweiltz fo wird fie
eine wahre Berderbnig ver Menfchen. Denn wenn jer
mand auch mic noch fo großen Faͤhigkeiten geboren iſt,
und ſich zu ſpaͤt in's Leben hinein noch immer mit der -
Philoſophie abgibt, der muß nothwendig in alle dem une
wiſſend und umerfahren werden und bleiben, was ein jer
der br ‚, nad) großem Ruhme ſtrebender Buͤr⸗
ger wiffen muß. Solche Menfchen fennen weber die
Geſeze und Verfaſſung der Vaterſtadt, noch die Art,
wie man mit dem Volke oder mit einzelnen Perfonen
umgeben muß, noch die Bergnügungen und Leidenſchaff⸗
ten und Sitten ihrer Zeitgenoſſen. Sie machen ſich
alſo lächerlich, wenn fie irgend eine Häusliche oder oͤffent⸗
liche Angelegenheit verrichten follen , fo wie Männer von
Geſcſſchaͤfften, wenn fie in eure Berſammlungen kommen.
. Bier trifft der Ausfpruch des Euripides ein: dag en
un jeder in feinem Sache am meiften glaͤnzt, daß er es aus
pr Eigenliebe am meiften lobt und; feine meifte Zeit darauf -
ud verwendet, um Immer vollleommner darinn zu werben,
‚je daß er hingegen die übrigen Rächer, in denen er unwiſ⸗
Dei-fend oder ſchwach iſt, meidet und tadelt. Meinem Urthei⸗
jet. ie nach aber iſt es am beſten, weder die Philoſophie ganz
lau verachten, noch auch von den öffentlichen Befchäfften
ht J 114 ſch
3
x
J
536 Siebentes Buch. BZweytel Caopite .
ſich gänzlich zu entfernen, Es it fchön, wenn man bie
Philoſophie zur Aufklaͤrung des Verſtandes braucht,
und einem Juͤnglinge macht es alſo keine Schande zu
philoſophiren. Wenn aber ein Mann in reifern Jahren
eben viefes noch thut; fo wird die Sache in der That läs
eherlich. Ich denke über biejenigen,, welche fich auf bie
Philoſophie legen, ' eben fo, als über folche, die ſtam⸗
mein ober fpielen. Wenn ich dad leitere von Knaben
fehe und höre, fo ſcheint es mie noͤthig, und diefem Als
ter angemeffen zu ſeyn; wenn ich es aber an Juͤnglingen
> wahrnehme, fo beleidigt es meine. Augen und Ohren,
und id) fine etwas knechtiſches daring; und wenn man
gar einen Wann gleich Kindern folelen ſaͤhe, oder ſtam⸗
mein hörte: fo würde ein jeder bendes old unwuͤrdig tas
dein So liebe ich auch einen jungen Menfehen, wenn
ich ihn fich eifrig der Philoſophie ergeben’ fee, und —*
hingegen denjenigen, der ſich davon entfernt, fir eine
knechtiſche Seele, die ſich ſelbſt nichts Edles und Großes
zutraut. Wenn ich aber noch einen alten Wann phls
lojophiren höre, fo fcheint er mir, ich fann es nicht ber
gen, Sofrates, Schläge zu. verdienen. Ein ſolcher
Mann muß ganz ausarten; und zu großen und tühnen
Thaten unfänig werden, indem er die Vollsverſamm⸗
Jungen und öjfenttichen Pläge flieht, und fein ganzes ter
ben üher ſich &ald in diefen, bald in einen andern Win»
Bel verfriecht, um mit dren oder vier jungen teuten ſchwa⸗
zen zu fönnen. Ich babe fir dich die beiten Geſinnun⸗
gen, Sofrates, all-in id) muß dir eben Das fagen; was
Zethus zum.Umpbion Seym Euripides fagt: daß bu das
vernachläif.git, wofür du forgen ſollteſt: daß bu ber
edellten Seele eine Findiiche Larve anhaͤngſt, und deinen
.Mirbürgern, weder in Gerichten, noch im Rache, oder
im Volke mit deinen Einfichten und Kräften dienft. Du
muft aber nicht boje auf ımıd) werden, lieber Sofrates:
denn was Ich fage, lage ih aus bloßer Freundſchafft.
Scheint
[2
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 537
Echeine die ſelbſt nicht etwas Schimpfliches ober Er⸗
niedrigendes in dem Zuſtande zu fenn, im welchem tu
und alle diejenigen ſich finden, die fich zu weit
in die Philoſophie eingelaſſen haben? Wenn dich je
mand anpackte, und dich als einen Verderber oder Bed‘ )
raͤther bes Dolls in’s Gefaͤngniß fährre, fuͤhlſt du niche;- :
Daß du gar nicht wiſſen wuͤrdeſt, mas du anfangen foll⸗
teſt; du wuͤrdeſt verlegen fenn und nice wiſſen, mas du
fügen ſollteſt, und wenn auch ein noch fo elender Anklaͤ⸗
ger wider dich aufſtuͤnde, fo wuͤrdeſt Tu doch ſterben
mmüflen, wenn er dich als einen bes Todes fehuldigen
Verllrecher angeben wollce. Wie kann denn das Weis⸗
heic ſeyn, eine tebensart und Kunft zu wählen, die Mes
jenigen, welche fie treiben, unvollfommen und unfär
Gig, macht, ſich felöft und andere aus den größten Ges
fahren zu retten, ober ſich gegen die Näubereyen und .
Ungerechtigfeiten von Feinden in Sicherheit zu ſezen,
oder fie auch sur. Mechenfchafft zu ziehen, wenn man von
ihnen Backenftreiche empfangen, oder andere Mißhand⸗
lungen geliccen. hätte? Höre alſo meinen Rath, lieber -
Sreund, und laß von dem elenden Geſchwaͤze, oder den
‚hohlen Grübeleyen ab; table nicht weiter an Männern
Peine unbedeutende Fehler Im Reden oder Schließen,
ſondern in Enefchläffen und Unternehmungen, worauf
seben und Ehre, und andere große Guͤter beruhen. —
Diefe ganze Unflage aber traff den Sofrates nicht, wie
meine tefer fich aus dem Vorhergehenden jchon felbft wer⸗
den ſegen fonnen. Sokrates war in öffentlichen Ge⸗
fchäffen fo wenig unerfahren, daß viele und unter dies
fen Kritias und Alkibiades bloß deßwegen feinen Umgang
ſuchten, um von ihm die Fönigliche Kupft (fo nannte
man damals bie Staatsfunft Mem. Socr, IV, 2. p. 210.)
oder die Wiflenfchafft zu lernen, Mienfchen und Voͤlker
regieren zu fönnen. (ib. l. c, 2, p. 15.) Auch enthielt
er ſich niche von öffentlichen Yentern und, Geſchaͤfften,
- 5 weil
/ ®
| Siebentes Buch, Zweytes Capitel. J
Weltweiſen· Oriechenlandes an alle Arten von Vorbe⸗
deuftingen und Vorherverkuͤndigungen glaubte, daß er
Merzengt war, daß die Gottheit weiſen und tugendhaf⸗
sen Menſchen, denen fie gnaͤdig fen, ſich und die Zus
kunft offenbare, und daß endlich nicht er allein, ſondern
viefe-Andere verſtaͤnbige Männer eben fo geſchwaͤrint Has
‚bei.‘ Die Zetigniffe der. Alren uͤber den Genius des So⸗
krates führe ich deßwegen nicht an, weil ich‘ fie in einer
Mbhandlung Über Blefen Gegenſtand geſammlet Habe *),
bie fm breiten Theile meiner philofoppifchen Schriften
ſtehr, ind woriun man auch die Gründe meiner Mey—⸗
mg wöitfäufeiger aus ‚einander geſezt finden wirtd.
* — ben In der "Abhandlung ängefährten Zeugniſſen ſe⸗
he man ndch die Stelle Äber das dsumdsov im erſten
2 Mewiudes, S. 215. und Über den are dasavınc
re im Bit ©. 27
. Lu
Achtes
Achtes Buch.
Edrſtes Capitel,
welches die Geſchichte der Griechen, beſon⸗
ders der Athenienſer, vom Frieden des An⸗
talfidas, bis auf die Schlacht bey Cheronaͤa,
oder von DI. 98, 2. bis Ol. LIE, 3,
enthält. Ä |
les dem Tode bes Sofrates nahm die Zerruͤttung
des Athenienſiſchen Staats noch immer zu, und
harte nicht nur auf die Sitten, fondern auch auf die
Philoſophie die nachtheiligften Einfläffe. Ich will Daher
die Geſchichte der Arhenienfer bis auf den Zeitpunce
forterzäßlen, über welchen wahrjcheinlich Feiner der
Schuͤler des Gofrates hinaus lebte. Ä
So voie die Spartaner ihr Anſehen am Perfifchen
Hofe dazu gebraucht hatten, den übrigen Griechifchen
Staaten einen harten Frieden aufzubringen, um 'viele
derſelben in eine ſchimpfliche Knechtſchafft zu ſtuͤrzen; fo
mißbrauchten fie wiederum Ihre durch den Srieden were
größerte Mache dazu, diefen ihnen allein günftigen, und
alle übrige Griechen beeinträchtigenden Frieden zu bres
. den. Sie fuhren fort, wider.den heiligften Eid, den
n fie
544 Achtes Buch. Erſtes Capitel.
des Phoͤbidas entruͤſteten, nicht weil ſie ungerecht war,
ſondern weil er fie ohne ihren Befehl ausgeführt hatte,
ſo hießen ſie dieſelbe doch bald, als eine dem Vaterlande
erſprießliche Handlung gut, und behielten Kadmea, in⸗
dem ſie den Eroberer ſeiner Wuͤrde entſezten, und um
sehn tauſend Drachmen ſtraften *). Sie ſezten ſogar
ein Gericht nieder, das aus Spartanern und Bundes⸗
genoſſen beitand , und ließen die tapferiten Vertheidiger
der Frenheit ine Elend jagen, und den Iſmenias, ih⸗
gen heftigften Widerfacher, als einen Derrärher von
Griechenland und ale einen Stoͤrer der allgemeinen Rus
be zum Zode verurtheilen »*). Gleich nad) diefem
Sıreiche, der fie zu Herren über Theben und die Boe⸗
otier machte, festen die Sparraner den Krieg gegen
die Olymchier mic deſto groͤßerm Nachdruck forr, weil jie
eine Furze Zeitlang waren aufgehalten worden ***). Sie
litten zwar mehrere, befonders eine große Niederlage,
in welcher Teleutias, der Bruder des Agefilaus, mit
dem hrößten Theile feiner Krieger erfchlagen murde 1):
allein fie zwangen Boch endlich Die Olynthier ſowohl, als
‚ die, Poliatier , die ſich ihnen widerfeze Hatten, fich ihnen
unter den Namen von -Bundesgenoffen zu unterwers
fen TH. Bisher Harte das Glück alle ihre Ungerechtig⸗
feiten begünftige, und es ſchien, als wenn ihre Hero
ſchafſt feſter, als jemals gegründer wäre. Die Thebar
ner jowohl als die übrigen Boeotier waren unterjocht,
die Argiver gedemuͤthigt, die Athenienſer von ihren
Bundesgenoſſen encblöße, und ale Staͤdte, die ihnen
| | 1 4
——— — —
ten une Biuzzmetmsnsuugn
) Xenoph. I, e. & Plut. TI. 336,
en) Xenoph. l. e. p. 308. 309.
asey Xen. |, e.
+) Xen. V. 3. 315. 316.
71) Xenoph. l. c. p. 334. 25. Diod. XV, p. 20. ed Ol.
C. ı.
— — ·—
mn — EEE En FE SEE
/
x
)
Geſchichte von DI. 98,2. bis DI. 110,3, 345
verdächtig ober feind waren, gesüchtige, und alle übrige
Staaten und Infeln mic Männeen angefüllt, bie ihre
Erhebung den Spartanern zu danfen, und ohne biefer
ihre Unterſtuͤuung, wegen. der Unterbrädung, worinn
fie ihre Mitbürger hielten, das äußenfte zu fürchten bass
ten”).
fein. Staat eber König in Griechenland war, der fich
“=
gen erſt erſchuͤttert, und bald nachher umgeſtoßen. Dies
fer plözliche Umfurs der Tyranney der Spartaner war,
wie Zenophon fegt, ein Beweis , daß die Gottheit uns .
heilige böfe Thaten mir ihrer Mache verfolge, oder viels-
‚ mehr eine neue Beſtaͤtiaung deſſen, was die ganze Ges
ſchichte beweiſt, daß Gloͤck und Herrſchafft durch Uns:
gerechtigkeit erworben, und auf Gewaltthaͤtigkeit ge⸗
gruͤndet, niemals dauerhaft ſey **), Dur ſieben von
den Min
ihre Vaterſtadt verlaffen harten 7), faßten den großen
Gedanken, den ein jeder anderer, der nicht fo fehr mie
Daß gegen bie Spartaner, und mit Siebe der Freyhelt
erfüllt gewefen wäre, für unausfügrlich gehalten hätte,
der
a
“ib,
”®) LIb. V. 4. Xen, Hell. '
1) Kenophon nennt immer den Wellen als. die Hauptperſot
.. bey der ganzen Unternehmung 1. c. p. 326. Plutarch
Pr)
! Wenigſtens war. Delopidas, wenn auch nice der erſte
Entwerfer, doch gewiß ber .tapferfte Anführer derſel⸗
ben, Plutarch gibe ihm zwolf, Zenophon aber aus
.ſieben Begleiter.
Zweyter Band. Mm.
Gerade um bie Zeit aber, als die Macht der Spar |
taner aufs höchfle.geftiegen, und allem Anfehen nach |
ihnen haͤtte wiberfegen Fönnen, wurde das fo fefk ſchei⸗
nende Gebäude ihrer Herrſchafft von einigen Ziächtlins.
nern, ‘die nach ber Eroberung von Kabmea
| Bingegen den Pelopidas, in ejug vita II, p. 338. 349.
- ‚allgemein, als Raſerey würbe getadelt worben ſeyn: das
\ . -
5
346 Acchtes Buch. Erſtes Kapitel, -
der ſelbſt dem Epaminondas zei’ bedenklich und gefahrvol
ſchien ) der gewiß auch che gluͤckliche Ausführung
Joch eines Volks, vor dem ganz Griechenland jirterte,
oghne alle fremde Hülfe, bloß durch ihre Fauſt von ihrer
Vaterſtadt a6juwerfen ). ie fhlichen ſich, nur
allein mit Dolchen bewaffuet, anbemerkt in die Star,
verkleideten fich am folgenden Tage, an welchen gerabe
ein großes Feſt gefeiert wurde, in weibliche Rieder, und
ließen ſich vom Phyllidas, dem Schreiber eines der Das
maligen Befehlshaber zu dieſen Tyrannen, als eben fo
siele fhöne und vornehine Weiber führen, beren Bunfts
begeugungen fie ſchon lange zu genießen gehoffchatten‘T),
Sie und ihre Mitverſchwornen cödteten mic eben fo
großer Borficht und Tapferfeit, als Geſchwindigkeit PP),
ihre trunkenen oberfchlafenden Feinde, eröffneten alsdann
das Gefänguig , und forderten ihre übrigen a
m Epaminondas hielt die ganze Unternehmung für unmdg«
U, und wollte an feinem Entwurfe Theit nehmen,
von welchem er glaubte, daß ex alle diejenigen, die kp
darinn einließen, —* ins Verderben
oder wenn er etwa gluͤckte, bie Stade mit Word
und Blur erfüllen würde. Plat de Genio Soerat. VIII.
4 278. 79. 318. 345. 346.
) Veber die unglaublichen unmittelbar auf einander folgen»
ben Gefahren dieſer Männer leſe man Plut, in Pelop.
U. 340:49. VIII. de Genio Socr. 3298. & fq. & 353s
39. Niachts koſtet in der Thar mehr Ueberwindung,
** Fan folden Auftritten und Tharen ſchweigen zu
muͤſſen.
7) Plutatch redet bald nur von einem, Bald von Mebrern
. Weibern, welche Archlas erwartet Habe, de Genio So-
‚rat, VIII. 281.347. 356, - j
Es ihre d vierzig. .
tt) es maren Aber vor un vierzig K Plus, 948, de
GSeſchichte von DI.98,2. 58 DI.n0, 347
nicht eher zur Vertheldigung der roiebergewonmenen Frey⸗
heit auf, als bis fie die Räuber derſelben, As Schlacht⸗
opfer am Altare des erzürnten Baterlandeberwirgt Hate
sn”). Gleich am folgenden Tage jagen fie auch der
Gpartanifchen Defazung in der Burg ein ſoiches Schre⸗
dien en, daß dieſe, ohne auf Huͤlfe gu warten, die Fe⸗
fung, den Schlaͤſſel zur Thebaniſchen Freyheit, den
jederferftelern ber deptern gurbefgab, — Diefe Wie
‚Gefäheren gechan Haben; denn der Krieg, der die Spare
taner der Herrſchafft zur See ſowohl als zu Sande ber
raubte, brach in eben der Nacht ans, in weicher Yolos
pidas mit einigen wenigen Freunden in feine Vaterſtadt
zuruͤckkehrte, und die unzerreißbar ſcheinenden Zefleln
gerbrady, womit die Lakedaͤmonier Theben und das uͤbri⸗
ge Öriecyenland gebunden hatten ).
Bevor die Griechen ſich beſamen, welch einen
wichtigen Verluſt die Spartaner durch den Abfall der
Thebaner und Boeotier gelitten hatten; war die Furcht
vor ben erſtern fo groß, daß fein ‘Bol das Herz hatte,
— 2 fh
| .
®) Xenoph. ib. p. 329. Diod, XV, p. 27. ad Ol. C. 2.
plut. 1, 349. E | u |
®®) 15, 953; Plutarch,
b
N
%
346 chtes Buqh. Erſtes Kapitel,
der ſelbſt dem Epaminondas zu bedenklich und gefahrvol
ſchien *) der gewiß auch ohne gluͤckliche Ausfuͤhrung
allgemein, als Raſerey würde getadelt worden ſeyn: das
och eines ‘Bolfs, vor dem ganz Griechenland zitrerte,
ohne alle fremde Huͤlfe, bloß durch ihre Fauſt von äfjrer
Baterſtadt abzuwerfen **), Sie ſchlichen ſich, nur
allein mit Dolchen bewaffnet, anbemerkt in die Stadt,
verkleideten fich. am folgenden Tage, an welchen gerabe
ein großes Feſt gefeieetwurbe, in weibliche Kleider, umd
liegen fich vom Phyllidas, dem Schreiber eines der da
maligen Befehlshaber zu dieſen Tyrannen, als eben fo
Viele ſchoͤne und vornehme Weiber führen, deren Dumſt⸗
bezeugungen fie ſchon lange zu genießen gehofft hatten 7).
Sie und ihre Mitverſchwornen : cöbteten mic eben fo
großer Vorſcht und Tapferteit, als Gefchwindigfeic‘}t),
ihre trunkenen oberfchlafenden Feinde, eröffneten alsdann
das Gefaͤnguiß, und forderten ihre übrigen —
Pr
0) Epaminondas hielt die ganze Unternehmung für urundg
lich, und wollte an keinem Entwurfe Theil nehmen,
von weichem er glaube, daß er alle dielenigen , die fi
darinn einließen, anfehlbar ins Verderben
oder werm er erwa glücte, die ganze Stadt mit Mord
und Blut erfüllen würde. Plut. de Genio Socrat. VIII,
5 278. 79. 318. 345. 346.
RE) Neber die unglaublichen unmittelbar auf einander folgen:
ben Gefahren dieſer Männer lefe man Plut, in vo
|
II. 9340-49. VIII, de Genio Socr. 328, & fq. & 353.
29. DMichts Eoftet in der Thar mehr Ueberwindung,
* von ſolchen Auftritten und Thaten ſchweigen zu
muͤſſen.
4) Plutatch redet bald nur von einem, bald von mehren
. Weibern, welche Archias erwartet babe, de Genio So
„erst, VIll, 281. 347. 356. .
+4) Es waren ihrer zwey und vierzig. VM. Plus, 948, de
Genio Sorrais, . _
—
Ochs von Di —RX no,3 40
niätepee ame Dercheldigung der wiedergewonnenen Sea
heit auf, als bis fe die Räuber derfelben ; ab Schiach
—* am Altare des erzuͤrnten —e—— da
sen”) Gleich am folgenden Tage jagten fie auch di
Spartaniſchen Beſazung in der Bu ein ——
den ein, daß dieſe, ohne af Hälfe zu warten, die F
fung, den Schläfel zur Thebaniſchen Freyheit, de
Wiederherſtellern der (cken —** —Dieſe Bir
dereroberung von Radmea verglich gang art.
wohl in Ruͤckſicht auf den Murh der nee, die
zu Stande brachten als der Gefahren, ie
Den, und des Siaͤcks, womit fie gecrönt wur
Miederherfiellung ber Achenien ſiſchen Freyhheic Are 5
Tecaſybulus. Und gewiß wird man wicht leicht ander
Benfpiele finden, we eine fo kleine Zahl verlaflener Men
(chen eine fo große Uebermacht von Feinden mit fo tie
Vera Dioche angegriffen, und dadurch fo große Berän
derungen hervorgebracht hätte, als Pelepidas und ſein
— gechan haben; denn ber Krieg, der die Spar
taner der Herrſchafft zur See ſowohl als zu Lande be
brach in eben der Nacht ans, ie weicher Polo
mit einigen wenigen Steanben in feine Vaterßad
—— und die unzerreißbar ſcheinenden Foſſelt
ach, womit die Lakedaͤmonier ı Tpeben und des übel
ee
ge Öriechenland gebunden hatten “ *
Bevor die Griechen ſich befanmen, welch einen
wichtigen Berluft die Spartaner durch den Abfall ber
Thebaner und Boeotier gelitten harten; war bie Furcht
vor ben een fo groß, pe fein Voit das oe ur
fe]
©) Xenoph. ib. p. 329. Diod. xv. p. 37. ad 01, c. 2
plut. 11. 349. . | u
®°) 13, 953. Plutarch,
548 Achted Buch. Erffes-Capitel:..ı
ſich der Unterdruͤckten anzunehmen *). Selbſt bie Ache⸗
ienfer tödtegen einen von ben Feldherren, bie ben The⸗
| Kanern zur, Wiledereroberung von Kadmea geholfen hate
‚ten, „und einen andern verwiefen fie auf ewig aus ber
Stadt, weil er fein Urtheil nicht erwartete, *) Da
aber die Lakedaͤmonier Ihren Feldherrn Sphodrias, ber
ſich durch die Beſtechungen der Thebaner (weiche bie
Achenienfer gerne gegen die Spartaner aufhezen wollten)
zu einem abenthyuerlichen Auſchlag anf den Piräus hate
terbegegen laflen, für biefe wahnfinnige Ftevelthat gar
t beſtraften, fo wurben die Achenienfer fo ſehr aufe
A , „Daß fie den Boeotlern aus allen Kräften beys
“fanden, und fi) mit dem größten Eifer zum Kriege
wider die Spartaner räfteten 7). Sie ſchickten Ger
ſandten an alle Inſeln und Seeſtaͤdte, welche bie Bun⸗
hesgenoffen der Spartaner zur Wiedererlangung ihrer
Freyheit ermuntern muften ; und diefe Geſandten waren
> fo.glüclich, daß fiedieChier, Byzantier, Nhodier, und
- piele Infulaner zum Abfall von ihren bisherigen Thran⸗
nen bewegten TF)..: ‘Die Gerablaffenpe Güte, womit bie
- Achenienfer diejenigen, bie ihnen fonft gehorcht hatten,
fi) jego gleich) fezten, . noch) mehr aber des Volks Schluß,
der das Eigenthum der ehemaligen Bundesgenoyſſen ficher,
ie,
* So Plutard) IT. 351. in Pelop. "
n°), Xenoph, 1. c. p. 334. Dinar) Hingegen contra De-
mofth. p. 100. fagt, daß die Athenienſer auf dem
Vorſchlag des Kephalus den Thebanifchen Fluͤchtiingen
voider die Thebaner beygeftanden hätten.
+) Xenoph, 1. c. p. 340. Diod. XV. p. 24. «d Ol. C. 4.
Es iſt aber gewiß übertrieben, wenn er fast, daB die
‚ Athenienfer befcyloffen Härten, mit 20000 Mann Fuß
"= volt,, 500 Reutern und 200 Schiffen wider ihre Feinde
zu fechten. '
+4) Diod. p. 33.
>
Geſchichte von Ol.8,2. Bid DI. no, 3. 549
te, daß Fein Athenlenfer außer Attika das Feld bauen,
‚ oder unbewegliche Güter beftzen folle, vielleicht auch der
Vortheil, den die Thebaner über die Spattaner ge -
wannen ®), - vermochten immer mehrere Städte ſich
voh den leztern zu trennen, und an dem großen Nach
Theil zu nehmen, den die Athenienfer aus allen abtruͤn⸗
nigen Bölfern in ihrer Stadt verſammlet hatten, um
ihre gemeinfchafftliche Angelegenheiten in Ueberlegung
zu nehmen **%). Die Bölfer des Peloponnes hingegen,
die feit undenflichen Zeiten an die Herrſchafft ver Spar»
faner gewohnt waren ,: blieben ihren bisherigen Fuͤhrern
sicht allein getreu, fonbern machten ihnen ſogar Vor⸗
wuͤrfe darüber, daß fie durch ihre zu große Gelindig⸗
keit ihre Feinde ſtets Fühner und zahlreicher, und den
‚Krieg befchwerlicyer machten. Sie rierhen daher, eine '
Flotte auszuräften, die der Seemacht der Achenienfer
überlegen ſey, und womit man Achen felbft aushungern
Tonne PD. Dieſem Rathe zufolge brachten die Sparta⸗
ner in kurzer Zeic.fechzig Segel zufammen, und fchloffen
wirklich eine Proviantflotte der Achenienfer ein, verloren '
‚aber gegen ben Ehabrias eine Schlacht, mozu fie Ihn
gezwungen harten. Auf diefe Miederlage folgten im
naͤchſten Jahre mehrere wichtigere. Denn Timorheus
und Sphifrates fiegten beyde über die Epartanifchen
Flotten und verficherten dadurch den. Athenienfern nicht
nur die Inſeln und Städte in Afien und Thracien, fons
dern gewannen ihnen auc) die mächtigften Enlande, Kor⸗
kyra, Kephalenia und andere Staͤdte zu Dundesgeref
| a fen
m 3 \
6095 Xen. 1. e. p. 345.
*#) Diod. XV. p 15.
+) p. 352. Xen. Die Bundesgenoffen der Spartaner wer:
| den VE. 2. p. 367. genannt. |
!
s;0 MWchtes Vuch. Erſtes Eopitel,
fen *) Diefe Unfaͤle machten bie Gpattaner pun Brio
ben geueigt,, nach weichen bie Athenlenſer ihrer großen
Siege ungeachter ſich nicht weniger fehnsen, well fie un⸗
aufhoͤrlich durch Seer aͤuber aus Aegina beunruhigt wur⸗
den, weil fie ferner durch die beſchwerliche Wochen an
ben Graͤnzen ins tanbes, ; noch mehr aber burch Pie
gro:
1
Km. Ve. vn. in Bine p. 353. Lib. VI. e. 2. p. 370+
80. Died. p. 30. d Ol. 101. 1. Merfwürdig iſt es
doch „ daß weder Renophon, noch Diedor von der Er⸗
sberung von Byzanz, Kyzikum. Samos, Olynth, und
- vielen andern Städten durch den Timerheus, und noch
. weniger von ben. Schären reden, die Dieter Feldherr von
onen und’ dem Könige Kotys erhalten haben fol.
Cornel. Nep, in ejus Vite cap. 5. & Dinafch, adv,
- Demoflb, a 94. & adv. Phil, p 87. welche lejztete
' Dede ich aber nicht für Acht halze. Das Gluͤck des Ti⸗
motheus war fo groß, daß man ihn ſchlafend mit einem
Neze mahlte, in weichen die Staͤdte und Inſelkn ſich
von felbft fingen. Plus, de Inv. & odio. Xenophon
erzaͤhlt mehrere Faetoa, aus weichen mean ſchließen folle
te, daß Timo heus um diefe Zeit nice ſolche Croberun⸗
gen babe machen koͤnnen, als ihm von andern zugeſchrie⸗
Ben werden. Die er Feldherr (ſagt der Schüler des
Sokrates) konnte die ſechzig Schiffe, womit er den
Korkyraͤern zu Nülfe eiten folkte, in Athen ſelbſt nicht
Bemannen; er ſegelte deßwegen nach den Inſeln, un
Schiffs leute und Krieger einzunehmen. Allein bies
dauerte den Aıhenienfern zu lange, und fe festen ihn
bdaher um aufgebürberer Saumſeeligkeit willen aß.
Sein Nachfolger, fährt Zeuephon fort, fand gleich
falls un aͤgliche Schilerigkeiten, fiebenzig Schiffe aus
zurüften, und mufte die größten Gewaltthaͤtigkeiten
brauchen, um bie Beſazung derſelben vollfländig zu
machen: Maaßregeln, die biefer ſchlaue Feldherr, feheint
es, nicht ergriffen hätte, wenn Athen damals fo reih
gewefen wäre, als es nach dem Cornelius Weges haͤtte
feya muͤſſen. Xevoph. p. 370.
Gefhichte don Ol. 98,2. bis Ol no, 3. -551
großen Kriegsruͤſtungen erſchoͤpft, und auch mit dem
Thebanern nicht mehr zufrieden waren, als welche an
den Plataͤenſern, Thefpleen und Phoeenſern, lauter
Bundes genoſſen oder Clienten von Achen, Gewaltthaͤtig⸗
keiten ausgeuͤbt hatten, oder noch ausübten*), Beyde
Voͤlker vereinigten fich daher bald über die Bedingungen,
unter weichen die vornehmften diefe waren* daß ſowohl
die Spartaner, als Athenienfer ihre Flotten und Heere
zuruͤckrufen, ihre Veſazungen ans ben Staͤdten bee
Bundesgenoſſen wegsiehen, und den lestern eine unges
kraͤnkte Freyheit laſſen ſollten ). Ale Bundes genoſſen
traten dieſem Frieden bey; nur die Thebaner ˖ nicht, weil
ſie ſich auf Anrathen des Epaminondas nicht entſchließen
wollten, ihre Anfprüche auf die Boeotier, die ihnen bis⸗
her zinsbar gewefen waren, aufzugeben 7). "
Die Spartaner brachen aber das gejchloffene Buͤnd⸗
niß gleich darinn, daß fie deu König Kleombrotus, den
fie wider die Thebaner ausgeſchickt Hatten, nicht allein
nicht zurücksiefen, ſondern ihm auch den Befehl ſchickten,
dieſe halsſtarrigen Bedruͤcker der Boͤotier fo lngema
Feuer und Schwerdt zu verfolgen, bis fie den legten
ihre Freyheit wieder gegeben härten, Dieſer uͤbereilte
. Befehl zwang den Spartanifchen König, der fchon lange
. woogen freundſchafftlicher Sefinnungen gegen die Thebaner
verdächtig war, amd nummehr auch bey Fluger Scho⸗
' Mm 4 | uung
nn ç —
%) Xenoph, VI. 2. p. 366. e. 3. 330..
“) VI, 3. Xen. p. 389. Diod. XV. & 32. Ol. Ior. &
Diodor fagt noch, daß die Opartaner den Achenienfern “
die Herrſchafft zur See, und .diefe, den Spartanern
wiederum die Herrſchafft zu Lande zuerkannt haͤtten.
Ich alaube aber, daß man ‚die Abtretung der Herrſchafft
zur @ee an die Athenienſer nah einige Jahre fpäter
herabſezen muͤſſe.
552 Ahle Buch. Erſtes Capitel.
nung und Gelindigkeit das aͤußerſte zu befürchten hatte,
ein Treffen zu wagen *), wogu bie Haͤupter der Feinde
mit der ganzen Macht ihrer Beredſamkeit, und durch
alle Kuͤnſte des Aberglaubend aufmunterten **), weil ih⸗
rer Stadt fonft Belagerung, Hungersnoch und Abfall
aller Bundesgenoſſen, und ihnen felbft abermalige Ver⸗
weifung bevorftund 7). Wende Voͤlker gerierhen bey
leuktra an einander, wo die Spartaner mehr durch ihre
eigne Thorheit, Unmäßigfeit, und bucch den Ungehor⸗
fam gegen Lykurgs Geſeze, ald durch die Tapferfeit ber
Thebaner, oder durch die Weisheit ihrer Anführer übers
‚wundben wurden IT). Die Schlacht war zwar biutig,
®, Gleich nad der Eroberung von Kadmea fochten die The⸗
baner felbft rider die Spartaner mit dem unerfchro»
ckenſten Muthe. No vor der Schlacht bey Leuktra
überwanden fie biefelben in mehrern Eleinen Treffen,
befonders bey Tegyure, wo Pelopidas mie dreyhundert
Kriegern taufend oder gar funfzehnhundert Spartaner
in die Flucht fhlus. Dies war, fagt Plutarch, das
erftemal, daß die Spartaner in fo vielen Kriegen mit
Griechen und Barbaren von einer Eleinern Zahl auͤber⸗
wunden wurden. In Pelop. Il. 355 » 360.
“rn Man fehe Xenoph. p. 393. 394. Plut. II, 366. Man
breitete Söcterfprüche aus, in welchen den Spartanern
gerade bey Leuftra, mo fie vormals eine Frevelthat bes
Yangen hatten, Tod und Verderben gedroßt wurde:
man erzählte, daß die Tempel der Goͤrter fih von
freyen Stuͤcken geöffnet hätten: daß alle Priefteriunen
Sieg verkündigten: daß die Waffen des Herkules ver
ſchwunden wären, weil er felbjt mit ins Treffen gehen
‚ Würde. — Alle diefe Gerüchte hielten viele, fagt Zens«
phon, für Künfte der Feldherren.
$) VI. 4. Xen. p. 393. . |
+4) Wenigfteus nad) der Erzählung des Zenopfon 1, e.
p. 394397. Die Spartaner waren meiſtens be
rauſcht,
Geſchichte von DI. 98,2. bis Ol. no, 383
indem die Spartaner nahe an vierzehn hundert Mann
verloren, allein übrigens war fie fo wenig entſcheidend,
daß diefe weder kager noch Gepäde einbäßten: baß vlele
BE Mm sg noch.
2
raufcht, als fie In die Schlacht gingen: fie jagten fer-
ner eine Dienge von Perſonen, die ſich eben entfernen
wollten, ins Lager der Thebaner zuruͤck, und vermehr-
ten dadurch die Anzahl ihrer Feinde: endlich flellten fie
vor dem Fußvolk ihre Reuterey ber, die in dem elendes
ften Zuftande, und.der Thebaniſchen bey weiten nicht
gewachſen war. In Sparta hatte ſich nämlich damals
die verderbliche Gewohnheit eingefhlichen,, daß zwar
die Neichen Pferde zum Dienſte des Staats‘ halten,
und die Ruͤſtung und Waffen von Reutern hergeben
muften, daß aber zu den feztern meiſtens die ſchwaͤch⸗
ften und ungeübteften Leute erwaͤhlt wurden. Dieſe
erbärmliche Reuterey wurde aleich übern Haufen gewor«
fen, und brachte das den Thebanerh überlegene, und
auch ſchon fliegende Fußvolk In Unordnung — Des
großen Verfolls aber der guten Sitten und der Zucht
unter den Spartanern ungeachtet, war doch immer nach
vieles von dem alten Geifte übrig, den Lykurgs Geſeze
ihnen eingeflößt hatten, und der fich bey ihnen, wie
bey andern Völkern, und felbft einzelnen Menfhen, :
in ähnlihen Fällen, vorzüglich in Zeiten der Noch aͤu⸗
ferte, wo fle gezwungen wurden, alle ihre Kräfte zu⸗
fammen zu nehmen. Als die Nachricht von ber uns
gluͤcklichen Schlaht nach Sparta Fam; feierte man
eben ein Feſt, das durch ein Eriegerifches Spiel, oder
‚dur einen Kampf yon Mannern beſchloſſen werben
foitte. Die Ephoren wurden zwar durch Diefe traurige
Bothſchafft niedergefhlagen ; fie liegen aber doch bie
Kämpfer nicht aus einander geben, fondern fezten bie
Beierlichkelten des Tages fort, und theilten am Ende
derfelben erfi die Namen der Erfchlagenen aus. Am
fofgenden Tage fah man die Anverwandten derjenigen,
bie im Treffen geblieben waren, mit der Miene des
Trinmphs und in Zelerkteidern auf den oͤffemlichen
Diäzen ſtolz einhergehen; bie Nachgebliebenen berer
Bin
g" .
t
”
8 Achtes Buch. Erfſtes Eapitel, |
noch auf dem Schlachtfelde bie Leichname ber gefallenen
Mitbürger nicht von den Feinden erbitten., fondern mit
dem Schwerdte in der Fauſt erfechtenwäßten, und dag
kurz noch der Schlacht alle ihre alten Bundeögenoffen, '
die Tegeaten, Korinthier, Sifyonier, Achaͤer und vide |
‚andere Staͤdte mis unermuͤdetem Eifer ſewohl Mann⸗
ſchafft ale Schiffe hergaben?). „Nichts deſtoweniger
verſichern alle **), daß die Spartauer bey keuftra viel
. tiefer gedemuͤchigt worden, als die Uchenienfer ben Aegot
Potamos, und. baß biefe Niederlage ihre Herrſchafft ſo⸗
wohl au tanide als zur See auf ewig zu Grunde gerichtet .
gabe, Die Urfachen biefer fchrecklichen Folgen eines faſt
jwendeutigen Treffens waren nicht die Thebaner, fondern
.. die Athenienſer. Denn.ungeachtet diefe T) ſich uͤber den
Sieg den Thebaner fo wenig freuten, daß fie.gegen den
‚Beten, der ihnen bie Nachricht davon brachte, wicht
| | eins
nd
hingegen, welche mit dem Beben davan gekommen wa⸗
ren, ſchlichen mit niedergeſenktem Blick und im Schmu⸗
ze der tiefſten Traurigkeit umhet. Xenoph. p. 398.
Nach den Dledor fiel dieſe Schlacht ben. Leuktra in das
vigere Jahr der Tozten Olymp. Nach ber Erzählung
des Kenophon hingegen kann man nicht anders Tchließen,
als daß fie gteich in demfelbigen Jahre, in welchem der
Friede zwiſchen ben Gpartanern und Athenienfern zu
Grande Fan, geliefert worden ſey. Wan fehe Chron.
Xenoph. Hutchinf. ad Ol, 102. 1.
Xen. }. e. p. 397. 399, Diodar, der wahrſcheinlich dem
Ephorus folgte ©. 50. verfihert, daß von den Spar ⸗
tanerır wierraufend. gefallen wedren. Er bat aber nicht
bloß den Kenophon, fondern auch den Plutarch gegen
ſfich, welcher fügt, daß nad ber Zählung des, Epamis
nondas etwas meht als taufend todte Gpartaner auf
dem Schlachtfelde wären gefunden worden. VI 730,
Apophteg. Lacon. .
©6) Xen. VIE. ı. Iſoer. 1.210.
+) VE. 4. p. 400. 5. p. 408. 9. Xen,
¶Geeſſchichte von Ol. 98.2. Bi8 Of. 110, 3. 955
_ einmal bie Pflichten ber Goſtfreundſchafft ausuͤbten; fo
nusten fie doc) den Sieg befier, als die Lieberwinder .
ſelbſt. Sie vergalten jego den Spartanern, mas biefe
vormals an ihnen ausgeübt hatten, und ſchickte Geo -
ſandte im Peloponnes umher, welche die Heloten und
Bumdesgenoffen der Sportaner zum Abfall reisten *),
Sie erfüllen die Mächtigften unter den Leztern, die Ar⸗
giver und Arfodier, mit einer folchen fiebe zur Freyheit,
und einem folchen Haſſe genen Die Spartaner, daß fie
fogar die Thebaner wider ihren Willen beredeten, mit
ihnen das tafonifche Gebiet zu vermüften, das feit fünf
Jahrhunderten von Feinem feindlichen Fuße betreten wor⸗
Den war. Auch arbeiteten fie aus oflen Kröften daran,
daß die Erbfeinde der Spartaner, die Meffenier, nach
einer faft drittehalb hundert jährigen Entfernung von ih⸗
rem väterlichen Boden indie faft verſchwundenen Ruinen
der Size ihrer Vorfahren zuväckgeführt wurden u
r
v
®) VII. 8. p. 400.
Xen. VI. 5. p. 518. 520. 22. 33. inp, in Agef. e. 9,
$. 24. p. 491. Plut. 11. 371, U. in Pelop. 17. Apophth,
VI. p. 733. Diod. 5ı; 55 p. Ueber diefe angeführs
ten Facta finde ich in den Geſchichtſchreibern große Ab⸗
weichungen. Bon dem Verfahren der Achenienfer für
gen alle übrige Schriftſteller, außer dem Kenorbom,
gar nichts. Diodor ſezt den Einfall des Epaminondas
in das Spartanifhe Gebiet in Ol. 104. 4, und fast,
daß er mus 50000 Mann bey fich gehabt habe. Pius
tarch hingegen ſchaͤt das Heer der Thebaner auf 70000
x
ı fein Freund Pelopibas gteich nach dem großen Siege
in das Spattanifche Gebiet eingefallen feyen. in Pe.
lop. 1. e. Xenophon endlich fezte dieſen Einfall zwar
. In daffelbige Jahr mit dee Schlacht bey Leuktra, allein
feinem Zeughiffe nad) zieh ber Dyrann Jaſon fie an-
N
Mann, und erzählt, daß der Sieger Ley Leukıra und
556. Mchted Buch, Erſtes Capitel.
Der Sieg bey Leuktra erfüllte alle Griechiſchen Bis
ker mit ehrfurchtsvoller Bewunderung und Liebe gegen
die Ueberwinder der Tnrannen, die man für unuͤberwind⸗
lid) gehalten hatte, und mit einer fo großen Freude Über
die unerwartete Errertung aus der Knechtſchafft der as
fedämonier, daß fie alle freyroillig den Thebanern, als
ihren Defchäzern und Fuͤhrern, "folgten *).. Allein Dies
fer Taumel von Bewunderung und Freude dauerte. nur
eine kurze Zei. Die meiften fingen bald an, von den
Thebanern eben das zu fürchten, was fievon den Spar
toneen gelitten hatten, oder doc) zu bemerfen, baß bie
Sieger der leztern gar feine Rechte der Obern über fie
Härten. Andere glaubten ””), mit eben fo vielem oder noch
größerm Grunde, als die Thebaner, auf die Oberherrſchafft
in Griechenland Anfpruch machen zu fönnen. Solche Ges
Annungen hegten die Arfadier, bie unter dem Lykomedes,
einem ehrgeizigen Manne, fich auf einmal aus ihrer
Dunfelbelt empor arbeiteten, und auf dem Schauplaze
von Griechenland eine glänzende Rolle fpielten 7): nody
mehr aber Zafon, Beherrſcher von einem großen Theile
von Theffalien, der ſchon alles das im Sinne harte,
was Philipp und Alerander nachher ausführten, der auch
feinem von ihnen weder an Talenten, noch an Macht
etwas nachgab, und ber alfo wahrfcheinlich den Leber
sondern von. Griechenland und Afien guvorgefommmen
wäre, wenn er nicht durch Meuchelmoͤrder an der Bol
lendung feiner großen Entwürfe wäre gehindert wor⸗
den
REED m r
X
fangs von dieſer Unternehmung ab, und ſie ließen ſich
NRerſt eine gute Zeitlang nach dem Treffen von. den. Arka⸗
| dien, Argivern, Eliern dazu bereden.
*) Xen, VII, 1. p. 405. Plut, Il, 371. in Pelop.
ee) VII. I. 447. Xen. |
4) VIL 1. p. 445. Xen. XV. 49, Diodor,
Geſchichte von DL. 08,2:88 Ol.no,3. 397
den ®). Die Thebaner wurden daher gleich im -folgens
den Jahre von dem größten Theile der Staͤdte und Voͤl⸗
‚ Eer, die von ben Spartanern abgefallen waren und fic)
zuerſt in ihren Schuz begeben hatten, verlaſſen, und
man konnte mit Recht von ihnen fagen, baß fie bey
Leuktra mehr die Herrſchafft ber Spartaner zerſtoͤrt, ats
Die ihrige gegründer hatten, Alle Mictel, die fie ans
wandten, um ein folches Anſehen gu erlangen, als die
Spartaner gehabt hatten, waren fo übel gewählt, daß
fie gerade ihren Abfichten entgegengefeste Wirfungen hers
vorbrachten, und fichtbarlic) Menſchen verriethen, vie
ſich in ein großes unerwartetes Gluͤck nicht zu finden
wuften, und. die niche nach reiflicdy erwogenen Planen,
ſondern nad) augenbliclihen Einfällen handelten. Nicht
alſo bloß ungänftige unvermeivliche Umſtaͤnde, ſondern
vorzuͤglich die Denk und Gemuͤthsart ihrer Führer, und
die Sitten und Berfoffung des Volbs waren die Urſachen,
daß die Thebaner das ohnmaͤchtige Griechenland, fi)
vicht unterwarfen,, und auch nicht die Oberherrſchafft in
der Bedeutung gewannen, in welcher die Achenienfer
und Spartaner fie viele Jahre befeffen harten. Ä
Diie Thebaner legten ſich freylich, gereizt durch bie
Denfpiele des Pelopidas und Epaminondas, noch vor,
am meiften aber nad) ber Eroberung von Kadmea, mit
einem viel größern Eifer auf alle Arten von gumnas |,
fiifchen Kämpfen und Exiegerifchen Borübungen , als ice
) ı° , >» ; gend
—— RR 7 ——
| 9% Xen. VI. 1. p. 357:65. Er hatte ein viel größeres
Speer zu feinem Befehl, als weder Philipp noch Ale
zander gehabt haben: achttauſend Neuer, zwanzig
taufend ſchwer bewaffnete Krieger, und leicht bewaff⸗
netes Fußvolk in einer folhen Dienge, daß man, wie
Zenophon fagt, alle Völker damit hatte bekriegen koͤnuen.
_ BENTOSIKOV Ye KNV Ixcevoy TEOS TAVTaS av gew-
BEE MYTITEX IH.
-
i
558 Achte Buch. Erſtes Capitel.
gend ein anderes Griechiſches Volk; und bieſen ihren
\
gymnaſtiſchen und Friegerifchen, Uebungen, die nach der
Schlacht bey teuftra noch allgemeiner wurben, hatten
fie die außerordentliche Größe, Schoͤnheit und Stärfe
ihrer Leiber, ben unwiderſtehlichen Muth ihrer heiligen
-
Schear, und alle ihre Siege über die fo fehr im Kriege
geädten Spartaner, ‚zu danken ). Allein bie Sitten
der Thebaner waren faft eben fo fehr verdorben, als bie
irgend eines andern Griechiſchen Volks **), und igee
Verfaſſung war In eine unbändige Ochlokratie ausgeartet.
Die oͤffentlichen Angelegenheiten wurden nicht unter ber
leitung der weifeften und edeiften Männer, fondern nach
den Eingebungen feiler felsftfüchtiger Schwaͤzer, oder
nach den Einfällen eines eben fo unverftändigen als zuͤ⸗
gellofen Poͤbels abgethan 7). Nichtswuͤrdige Demago⸗
gen ſchleppten ſelbſt die Erretter des Staats nad) den
glorreichſten Siegen und Unternehmungen vor den hoͤch⸗
ſten Richter, den Pöbel, und zwar allein deßwegen,
weil fie wider ein Geſez, das nur ein auf feine Gewalt
Ä bis
J
"(GESEEREEEEERE:
) Xenopb. VI. p. 419. Diod, paſſim. Plug. IL sg
351564. |
n) Dies zeigt die ganze Geſchichte der Werrätheren von
. Kadmea an die Epartaner, und auch der Wiedererobe⸗
rung der Thebanifihen Burg. Demi ohne die ſchaͤndi⸗
che Schwelgeren des Archias und feiner Gehülfen wäre
be Theben nie von dem Joche dieſer Tyrannen befrene
werben ſeyn. Selbſt die zärcliche Verbindung zwifchen
ben Kelden der heiligen Schaar war nicht fo unfchuldtg,
als Philipp aus dem Muthe, womit. ſie bey Eheronda
fochten, ſchließen zu Eonnen glaubte, (II. ge1- 64.
klut.) Epaminondas, ein Mitglied berfelben, hatte
“ zwar einen Geliebten, aber feine Fran und Kinder,
Corn. Nep. e. 4 & 10. und der einzige Sohn des Des
Iopidas war im hoͤchſten Grade verdorben, ib, 7
D Phut, Il. 978: 74 | x "
GEeſchichte von DI. 98, 2. bis DI. 0,3. 55
Bis zur Wach eiferfüchtiger Pobel geben Fonnte, Ihre
Wouͤrde nicht mitten in einem feürblichen Sande, zu der
ähnen vorgefchtiebenen Zeit niedergelegt harten ®). "Eben
Diefe Verderber des Volks klagten ven Heſden, ber bie
Spartaner bey Leuktra gu Boden gefchlagen, und faſt
wertilgt hatte, eines feindlichen Verſtaͤndniſſes mic den
Feinden an, und entfezten ihn durch den neidifchen Poͤbel
auch wirklich feiner Feldherrnſtelle: eine Ungerechtigkeit,
wodurch fie ſich ſchon Früher ihren Untergang hätten zuzie⸗
Ken konnen, wenn nicht Epaminondas eben fo fanft gegen
feine Micbürger, als feinen Feinden furchtbar geweſen
wäre, und dern undankbaren Baterlande auch die kraͤn⸗
kendſten Beleidigungen leicht verziehen Hätte ”*). Ein:
fo ausgelaffenes Volk nun mit foldyen Sitten und einer: -
folchen Regietumgsform, als die Thebaner hatten, Fonnte
unmoͤglich eine große und dauerhafte Macht erhaften und
behaupten, weil es weder Klagheil noch Billigkeit genug
Harte, fein Gluͤck zu nuzen und zu befefligen. elbſt
die beyden außerordentlichen Maͤnner, denen Theben,
nach dem Urtheile aller alten Schriftſteller, ſeinen vor⸗
übergehenden Glanz zu verdanken hatte 7), beſaßen ne⸗
ben den großen Vorzuͤgen und Tugenden, wodurch ſie
- ihre Mitbürger und Zeitgenofien fo weit übertroffen, doch
diejenigen Talente nicht, bie dazu nöthig gewefen wären,
Die Folgen der Sittenverderbniß, und die Mängel der
Verfaſſung ihres Volks wieder gut gu machen. Pelo⸗
pidas und Epaminondas waren beyde eben fo nächtern,
ent»
®) Plut. |. o. Core. Nep. in Epaminonda e. 7.8, Wenn
Epaminondas fih mit den Worten, die der lezte
Ochriftſteller anfühne, vertheidigt hätte; fo würde ee -
ſich unftreitig zu viel angemaaßt haben,
"#) Plut. I, c. & Diod, p. 59.
%) Vi: 41, Polyb, Goran. Nep, «, 10,
90° Whted Buch. Etſtes Capitel.
entchaltſam und uneigennuͤzig, hatie nicht weniger Pas |
teiociemus, feldherriſche Klugheit und Begierde Ihe |
Vaterland groß, umd ſich felbit unfterblich zu machen,
vielleicht noch mehr perfönliche Tapferfeit, als die
goͤßten Helden der Athenienfer gehabt, hatten *); aflein
Ä 3 fe
|
'@) Ueber die Charaktere diefer beyden Männer fiehe Plut. Ie
Pelopide 11, 331. 365. 977. Xen, VII, 5, pP. 49.
503. 508. 509. Diod. XV. 44. 48. 59. 64. 72. Corn,
Nep. in Epem. beſ. c. 2. in Pelop. 2a & 5 c. Unges
achtet Pelopidas ein großes väterliches Vermoͤgen bat:
‚tes fo lebte er doch eben fo einfach, als Epaminondas,
der bey aller feiner Armuch den Beyſtand feiner Freun—
de nur für andere brauchte, wenn er nämlich einen ges
. " fangenen Bürger loskaufen, ober eine edle oder arme
Jungfrau ausftatien wollte. Plut. II. 937. & Corn,
Nep. c.3. Die Einfalt und Genuͤgſamkeit des Epa— '
minondas läße fih am meiften daraus abnehmen, dei
er nicht mehr als funfzig Drachmen zu feinem Feldzuge
in den Peloponnes aufnahm, in weichen er als Feid⸗
Here mit einem Heere von mehr als funfjig taufend
Maun einfiel, Plut. Apophth. VI. p. 730. ‚und def
- feine Equipage nur in einem Keffel und rate
ſpieß ad. Feontini Stratag. Lib, IV. e. 3.
glauße, daß man ben Epaminondas mit keinem ander
beruͤhmten Manne fo richtig, als mit dem jüngern
Seipio vergleichen kann. Er war eben fo keuſch und
unbeſtechlich, eben fo aufgeklärt und beredt, eben fo
‚heiter und wizig, endlich ein chen fo treuer und ange:
nehmer Freund, als der Romifche Held, Auch harte ex
dieſelbige Groͤße der Seele, eben das untrügliche färe
Sende Bewußtſeyn derſelben, und die aus diefem Ge⸗
nuſſe feiner ſelbſt und feiner Thaten entſtehende Verach⸗
tung unwuͤrdiger Widerſacher, und ſolcher Freuden und
Guͤter, die der Poͤbel allein nur kennen und fchägen
kann. Ich glaube aber doch noch Immer; dag Epami—
= nondas fein fo großer Staatsmann und Feldherr war,
N ale Ocipio, und daß er es auch a feinen Umftänden
u nidt werben Fomnte, weun er gleich eben fo große Gei⸗
fkteskraͤfie gehabt haͤtte.
Gehbichte von Ol 96,2. BE DL mE;
nn
” »
©) Ich weiß zwar, daß viele deu Epaminoudas für einem
der größten Feldherren und Staatsmaͤnner er |
gehalten Gaben, Ael. VIL 14. allein dieſem Urthelle
kann kein Bewunderer des Epaminoudas, wenn «8
—— ein unpartheyiſcher Geſchichtforſcher IB, Bey
.__ immen, |
#®) Hoer. 1. 254. Epißel, ad Philipp,
VIELE P.498.
m ib. —* Ei. J
Zweyter Band. Ur
364 >. AHOE Buch. Eifed Eapie
tigen, Kriegsſchiffe auszuruͤſten, und die reihen Iuſela
und Staͤdte, die den Athenienſern Tribut bezahlten, ſich
unterwuͤrfig zu machen). Er war es, der Die Wieder⸗
aufbauung von Meſſene am meiſten betrieb, und im die⸗
ſer Stadt freylich feinem Volke das glorreichſte Siegs⸗
⸗
a
jeichen, und für vie Spartaner. das fehimpflichfte Denk⸗
. Wat errichtete , aber auch eben dadurch Feindfchaffe und
Krieg pwiſchen benden Voͤlkern verewigte ). Epami⸗⸗
+
nondas war ed endlich, der auf die Bitten einiger Aw
kadiſchen Raͤuber, die ſich fuͤrchteten, von den aus
entwandten heiligen Schaͤzen Rechenſchafft zu geben, ein -
maͤchtiges Heer An den Peloponnes fuͤhrte, ungeachcet
x
alle Atkadier erklaͤrten, daß Re Feine fremde Hälfe und
Vermittelung brauchten. rch dieſe eben ſo um
vorſichtige als ungerechte Handlung verrieth er einem
pden feine Abficht: die Ausſoͤhnung ber Arkadier unter
cnander, und mit den Eliern zu hindern, oder zu vers
nichten, und die Einwohner des Peloponnes nur deßwe⸗
yon gegen einander aufzubezen, damit fie ſich einander
aufreiben, und den Thebanern nachher eine defto leich⸗
Sere Beute werden möchten. Ex bewog dadurch die Ar⸗
kadier, Achaͤer und Eller, um befto fchneller ſowohl
untet einander, ald mit den Safebämoniern Friede jun
[2 “
. ger ⸗2
i 9 — L.c. Diod, B- 64. "Diode Eyem .
J nondas dem Athenilenſiſchen —ãS Pe eine
-
. ſolche Furcht eingefage hätte, daß diefer ein Treffen abı
gelehnt babe, | Tuner bingesen verfihert, daß Epa:
.. minondas chen fo menig als nach opoeme
Gluͤ zut See gehabt hätte. in vira —R
Eben dieſer Schriftſteller mpeft an, daß einige bu ge⸗
ringe Glück des Epaminondas von dem Worfape abges
leitet hätten, feine Weirbürger vom Gesteine. chen ab»
Auchreckeiq, ale pazu aufzumuntern. 2
“) Diod, p. 55. ”. . "
.
x
Gecchichte von OL 98, 2. bis Ol. uio,3. 563
ſchueßen; brachte ganz Griechenlaud wider ſich auf, und
wurde zus Schlacht bey Mantinea gezwungen, in wel⸗
eher er jeinteben, und fein Vaterland den größten Tel.
des erlangten Nuhms upd Anſehens verlor *), Doch
raſcher und haftiger, ats Epaminondas, war feind Freund
und der Theilnehmer feines Ruhms, Pelopidas, „ Dige |
fer unruhige Seid brannte vor eblem Wetteifer, und vor
Degierde, irgend einen Schauplaz zu finden auf wel⸗
chem er alle feine Kräfte und Tugenden anſpannen und
zeigen, und folche Lorbeeren erlangen fönnte, als Epamis
nondas Im ‘Peloponnes geſammiet hatte **), „Diefe
feine Wünfche wurden durch die. Gefandten vieler Theffas
liſchen Städte erfüllt, die fich wider den unmenfchlichen
Tyramnen Alexander, von welchen fie gedrückt eder bes
kriegt wurden, Huͤlfe von den Thebanern ausbaten.
Peloplvas berebete feine Michärger, Ihn mit einem an⸗
fehnlichen Heere nach Theſſalien zu fchiden, um, wie er
fogte, den Öriechen zu zeigen, Daß bie Thebaner mit
Der ebeiften Unelgennuͤtigkeit zu eben der Zeit, wo die
Spartaner den Dionys von Sieillen, und die Athenien⸗
fer den Alexander zu ihrem Bundes genoſſen aufgenommien
Hätten, ihr Blut für Die Freyheit ihrer Bundeögenoffen
aufopfertn. Er entriß wirklich dem Theſennwn
1 ns | Bu "
EEE — —
© Xen. VIl.4. 5«, ©, 406:507. Die Zeit einer jeden
. der bisher erzaͤhlten Begebenhelt laͤßt ſich nicht —*
beſtimmen, da Diodor einiger gar nicht erwähnt, und
im Anſehung anderer nice mit dem Renophon überein.
ſtimmt. Sie fallen aber alle zwiſchen Öl. 102. 4. und
DI. 104. 8. Entweder Epaminondas oder Delopidas
war e6, der Euboea verwäftete, den Megarenfern .
drohte, und den Arhenienfeen eine Stadt auf eine ver⸗
raͤtheriſche Weiſe abnahen. Hoer. |, e, & Diod. sd Ol.
102. 3 — Chef. P. 286. .
.. M Put. in Pal, I, 9, 992996. Diod, p. ze ‚6x: €
vi oo. R 38-05: Chr
-
664 Achtes Buch. Erfied Capitel. |
Waͤterich einige. Städte; and drang ſelbſt bis ia Make
donien ver , wo er in dem zerruͤtteten Foniglichen Haufe .
| ‚ ...$eiebe wieder herſtellte, und zur Beſtaͤtigung
‚Mich den jungen Phillpp und dreyhig andere vornehen⸗
—— ha kan ng
gluͤckliche Seldpug «aber:
: Henn in einen kaͤhnen Ebentheuer. Pelopldas ging Im
Jahre zums zweyten male, aber nur mit eimer
————— ne aan in de
‚da ame tut un thalben,
Be erhiene, ein Heer um ihn verſammlen wuͤrbe.
Allein er. wurde, wider fein eignes und aller feiner Freunde
Wermuthen, vom Alexander aufgefangen, und anbert i
Halb Jahre in einem engen Gefaͤngniſſe gehalten, aus
welchem er nue mit gehauer Noth durch ein ſtarkes Heer
unter dem Epaminondas erlöft wurde ). Dach feiner
Befreyung dachte er durch Unterhandlungen ‚das zu ge
innen, was er burch das Glück der Waſſen nicht harte
“erlangen fonnen. Er trat eine abentheuerliche Reife am
den Perfiichen Hof an, um durch deflen Beyſtand feiner
Vaterſtadt die Oberherrſchafft in Griechenland zu wers
fehaffen, wie Autalkidas gerhan hatte (Er erlangte
vom Verfifchen Könige alles, was ee gewuͤnſcht hatte,
‚umd brachte einen Srieben nach Griechenland gurüd 7),
nach welchem die Spartaner Meſſene für fren erklären,
die Achenienfer alle ihre Kriegsichiffe abtakeln, und wenn
die einen oder die andern diefe Bedingungen nicht erfül
- Ien würden, alsdann alle Sriechifche Staaten verbunden
ſeehn follten, ihre Waffen mit den Thebanern zu verein
gen, und diefen als ihren Fuͤhrern zu folgen. —5
— — — —
) Plut. Ne. Diod. p. 55.4 Ol. 102, 4.
wR), Diod. p. 58. ed Ol. 103. 1.2.
VII. 7. Xen. 451: 455. Flut. II. 386. .
D add. 1c8. % 455. Plut, 386 Died. p. 63.
GSeſchichte von Ol. 99,2. bis Di. no, 3. 568
ı Mleberlegung , und noch mehr bie freyen Reden, welche
ı bie Geſandten der Arhenienfer ſowohl, als der Arkadier
ſelbſt, am Perfi fen Hofe führten, Hätten den Pelopis
} dos überzeugen muͤſſen, baß der Wille eines Könige;
ı deffen Schwäche alle kannten, und der unoufhoͤrlich nit
| faft eben fo vielen abtrünnigen Sotrapen zu kriegen hatte,
als ihm treue anhingen, jego wicht mehr den Gehorſam
; in Griechenland finden wuͤrde, womit man ihn noch vor
ı wenigen Jahren erfüllt hatte. Alle Staaten weigerten
fi —*— den Irleden des Pelopidas zu unterſchrei·
ben, und lejterer muſte daher zu feiner Kraͤnkung und
——— © erfahren, daß fein Anſchlag auf bie Herr⸗
ſchafft von Griechenkand nicht nur vereitelt wurde %,
ſondern * er auch ſtatt Ehre und Macht Haß und
Werachtung eingeernbtet hatte. lopidas überlebte die⸗
fen ungtücichen Ausgang, feiner ͤnterhandlungen nicht
lange Denn als er zwen Jahre nachher einen brigeh
Feldzug gegen den Alesanber unternahm, und dieſen feis
en Feind an ber Spize feined Heers erblickte, wurde er
vote feiner. Hize fo ſehr hingeriſſen, daß er mit einer,
mehr eines gemeinen Soldaten, als eines großen Feld⸗
bern woärbigen Heftigkeit, den Theſſaliſchen Tyrannen
bia mitten unten feine Rrieger verfolgte. Pelopidas ver⸗
lor daruͤber > teben, das er ne — haͤtte friften,
und. feinem Vaterlande auf mann Au hoͤtte
mög ‚machen koͤnnen *°). .
Mn3 . “ Die
®) Xenoph, p .
3. p. * N 104. 1. Hide iſt ſchoͤner und
rihreuder, als. die Pisstarchifche Beſchreibung der tiefen
VBetrauͤbniß, welche ſowohl die. Thebaner. als, Theffälier
bey dem Tode des Pelopibas ergeiff, — und- det Eh⸗
renbezeugungen, bie ihm von beyden eriviefen, wusden,
U. p. 398:398. Es ſcheint aber ar al ——
ar
oe
6. uchtes Vuch. Crfled Capua.
Die Athenienſer und Spartaner betrugen ſich beyde
berwundenen gleich nach dem Einfall des Epaminon⸗
Hälfsvölfer unter dem Iphikrates gu, die wahr⸗
fehjeinlich die Thebaner ihre Unternehmung hätten bereuen
machen, wenn der Achenienfifche Heerfuͤhrer gerhan
tte, was er hätte chun koͤnnen, unb thun follen,
ald nachher ) ſchloſſen die Achenienfer init den par
tanern ein eben fo rühmliches als wohl uͤberlegtes Buͤnd
nach. der Schlacht bey Leuktra viel weifer, als die ihrer _
ſelbſt nicht mächtigen Sieger. Die erften jchichten den
Bi worinn fie Dielen Eräftigen Beyſtand unter der
din
gung verfpradyen, daß ihre Feldherrn wechſels⸗
weiſe mit. den Spartanifchen das fie Commande _
en follten. Als die Lakedaͤmonier dieſes zugeflanden,
and snen überdem noch freywillig die Herrſchafft zur
See abtraten **); fo leifteten fie treulich, was fie vers
ſprochen hatten, und erlangten burch bie Siege ihrer
Feldherrn faft eben vie Macht und das Anfehen wieder,
was fie unter dem Perikles befeflen hatten, tch noch
größere Tugenden, als wodurch die Achenienfer fich von
neuem aufrichteten, entgingen die Spartaner ihrer gänp
chen Vernichtung. Denn ungeachtet fie in und nach
ber Schlacht bey Leuktra ihre ſchonſte und tapferfie Zus
gend, und den größten Theil ihrer Bundesgenoſſen und
ihrer Sclaven verloren hatten; fo gingen fie doch einem
überlegenen Feind muthig entgegen T). Unerwachſene
Knaben und abselebt⸗ Greiſe teſſten ihre Schwachen und
lezten
tarch, der uͤberhaupt ſehr thebaniſch geſinnt war, ſich
in der Schilderung und Lobpreiſung feines kiebliagehel
den recht gefallen 5
‘VI. Xen. cap. ult. p
Vu, ı. Xem. & Did, 8 55. gu Dtn
HVLap. uf p. 44 &lg. Xe
Geſchichte non Ob 98, 2. 8 DI, 3,
„ Texten Kräfte zuſammen, um die Thebaner wenigſtena |
, von den väterlichen Wohnungen und Oraͤbern zuruͤckzu⸗
!
Halten, und ſchlugen auch wirklich zweymal, zum Exe
flaunen von Griechenland, ihre ſiegteichen Feinde zuruͤck,
die den Vortheil ber bey weiteni groͤßern Zahl. und das
leztemal auch des Plazes hatten *).“ Mach dieſer wun⸗
derbaren Errettung wurden die Spartaner freylich noch
einigemale von den Thebanern ſowohl als Arkadiern übers
wunden ); allein ſie ließen ſich dennoch durch alle dieſe
Niederlagen nicht bewegen, mit dem gegen fie errichteten
Meſſene Friede zu machen 7). Ihre Stanphaftigfeit wur⸗
de ihnen auf eine doppelte Art belohnt: zuerſt durch einen
von ihrer Seite ganz unblutigen Steg über die Arkadier,
wovon die Nachricht allen Bewohnern von Sparta vom,
alten Könige Ageſilaus, ven Ephoren und Geronten any
bis auf den gemeinften Bürger; Freudenthraͤnen aus⸗
preßte FF), und dann durd) die Ruͤckkehr der Arkadier,
Achäer und der übrigen Städte des Peloponnes , weiche
die Thorheit der Thebaner wieder in ihre alten, Verbin⸗
bungen hineintrieb. !
Die übrigen Griechifchen Städte, weit entferne
durch den Frieden zwiſchen den Spärtanern und A
nienſern, der ihnen ihre Freyheit wieder ſchenkte, oder
durch den Fall der Spartaniſchen Herrſchafft gluͤcklicher
und ruhiger zu werben, wurden vielmehtz in innerliche
Kriege und Aufruͤhre hineingeworfen, die piel fuͤrchterfi⸗
cher, als die biͤherigen Unterdruͤckungen waren. Allent·⸗
halben waren Nachbaren gegen Nachbaren, Bürger ges
gen Bürger, durch wechfelöweife ausgeuͤbte und gelictene
Nu 4 und
·
oAb. — nn,
“*) Siehe bef. vu. 4.p.491. . .
‚,#, VI. 4. p. 480. Xen. u En
“ ti) Xen, VIL 4. p. 483. Ba
w ſaie
Jahchaaderte⸗ Gewainrhädhgfeiten
fe fee gegen einander —— mit Ka ehe
eher Wilopelt uͤber einander berfieten, fo bald bie Macht
zu Boden ſtuͤrzte, wodurch ſie bisher waren im Zaume
dehalten worden ). In allen Staͤdten wurden bie
Maͤnner, weichen die Spartaner
reichſten und
. Die hoͤchſte Gewait übergeben hatten, als Verraͤther des
i alſo nach der Schlacht bey Leuktra —— —
Zuſt and, worinn weder bie Rechte ber Wienfchlichkeis,
Geſeze des Krieges geſchout und. beobachtet
wurden. |
. Das Treffen bey Mantinea, in welchem faft alle
BGriechiſche Bölker gegen einonder fochten, änderte und
beſſerte in ihrer age nicht allein. nichts , ſondern brachte
vwioch größere Linrußen und Verwirrungen hervor, gi
wobucch fie vorher waren zerruͤttet worden ).
— — —
Xen. V. 4.345. VIL L p. 456..& fa. ©. 4. p. 486.
Din lan * ind. p bag. DER. Ela
Seſchichte don Ol. 98,2. ei 0,3: S6g :
biefer Gchlacht glaubte man allgemein, daß ſie das
Schickſal von Öriedyenland auf immer entfcheiden, und
Die Hebenvundenen dem &ieger unterwerfen vwohrde );
allein man dachte nicht daran, daß fie wenig entfcheis
denb , und der Sieg fp wankend bieiben koͤnnte, als
wirklich geſchah. Epaminondas rhat aflee, was man -
von einem, großen Feldherrn und einem tapfern Krieger
erwarten konnte: er brachte mit der Schaar, women
auf Die entgegenftehende Schlachtorinung ſtaͤrzte, Die
leztern zum Weichen; allein die sddrliche Wunde, die
er empfing , fühlen auf einmal die Sinne aller Thebanee
zu beräuben, und ihre Arme zu laͤhmen. Das Fußvoll
blieb wie verfteinert auf dem Plaze fliehen, den es ge
wonnen hatte, und nicht einmal bie Reuterey dachte
dotan, den fließenden Feind zu verfolgen ** Die ge
fchlagenen Haufen ſchoͤpften daher atimätich Mur
ſammleten ſich wieder, erhielten Feine Borthelle,
errichteten ſogar ein Siegeszeichen, welches die el
wer nicht —5 weil fie eben ſowohl als die Spat⸗
taner und ihre Bundeögenoflen um bie Austieferung
ber Tobten bitten muſten. DBalo nach biefem Treffen
—J die Griechifchen Staaten einen Frieden,
allgemein noch dauerhaft war. Die Ep
ae —** ſich, die Waffen niederzulegen, fo lange
Meffene noch Hände +); und die Hehenienfer übten for .
Gewaltthaͤtigkeiten
weh 2 Arkadien als in Korkyra
a dem: Ausgange der Dfympiade, in welcher
die Mantinea ſchie lles
Griechen bey en Fin Pe ae
LU}
2,
u) 508:513. Xm.te.
$) Died. p, 73- W
—— Dod. p. 72.
EEE ,
vn
ae : he Vuch. Erſtes Capic.
”
⸗
einer großen Revolution vorzubereiten, und |
ba
einen neuen ‚Seren zu erwarten, Indem ſowohl die Biss
herigen Höupter der gangen Nation, als Diejenigen, bie
eö hatten werben wollen, geflürgt worben waren. Die
vier groͤßten und maͤchtigſten Staͤdte Sparta N) Argos,
Thehen und Arhen, waren alle gedemuͤthigt *), md un⸗
1er Ihnen fchien feine einzige, fo wie überhaupt Beim
Volk zu ſeyn, was ſich jego die Herrſchafft über Gries
qhenland erwerben fünnte, Dee Spartanifdhe Staat
vwar durch die beſtaͤndigen Kriege ımd Miederiagen, bie
geführt und gelitten harte, nicht weniger durch Die
dadurch verurſachte Sittenverbsrbniß fo geſchwaͤcht und
antvoͤlkert, daB er nicht einmal fo viel Bürger mehr im
ch faßte, als bey leuktra gefallen waren, nicht dem
en Theil von denen, bie ben Plataea gefochter hats
tem, und nicht den dreyßioſten Theil von Volksmenge,
welche ex ernähren fonnte ). Den aller viefer Armuthh
an Kriegern waren die Spartaner dennoch gezwungen,
ohne Unterlaß mit den Meſſeniern, oder mit ihren Scla⸗
yon zu friegen, und entweber andere anzugreifen, ober
auch fich felbit und das Ihrige zu vertheidigen. In Dies
fer traurigen tage hatten fis nicht einmal den Troñ, dag
.
e, Ifocr, ad Philipp. 1. 248. 47. *rW
#*) Xen. in Ageſ. e. 2. $. 24. p. 491. und Arit de Civ,
. A. 7. p. Iox. Ta yoe av —E ups
Ass Inres TeeDen x MEVTanooIsEs, Nas
emAras Teis pugiss, Bde Kl To mAndos
n0aV. — UV YaE RANYNV EX, UMNYEYKEV TO»
As, ar wunsAero din vw oAıyardenmay.
Eigentlich ftürzte niche die Schlacht ben Leuktra die
Spastant ne en mosrben, fondent.Dis Safler, im die
vor r ge a un rechtigken
— hatten. er
4!
Geſchichte von DI. 98, % bis DI 20,3 SU
man Mitleiden mit ihnen trug. - &ie wurben vielmche
wegen ihrer vormals ausgeben EOrauſamkeiten fo allges
mein verhaßt, und gefürchter, Daß man glaubte, fie
wuͤrden mit zunehmenden Kräften auch ihre alten Ans
foräche und Maafregein erneueen®), Die Argiver hats
ten noch mehr, als die Spartaner gelitten; denn fie
waren nicht nur durch beftändige unglückliche Kriege, in .
weichen die Feinde faft alle jahre ihre Felder vermüs
ſtet, ihre Fruchtbaͤume abgehauen und ihre Wohnungen
auf dem fande verbrannt Karten, fondern auch durch
mörderifche Aufruͤhre, und durch den Verluſt der anges .
febenften Bürger geſchwaͤcht und aufgerieben worden ).
Den Thebanern hatte felbft ihr anfcheinendes Gluͤck einen
unerfeglichen Schaden zugefügt. ‘Denn außer der Ente
völferung, welche ſelbſt ihre Siege nach ſich zogen,
waren fie mit dem Haſſe aller Griechen beladen, und
mit einem verderblichen Uebermuth und Ehrgeize anges
fülle, der ihre Kräfte weit uͤberſchritt, und ihren Linters
gang nod) ſchneller, als den der übrigen Griechen bes
fchleunigte })._ ‘Die Athenienſer endlich hatten freylich
ihre Herrſchafft über Die Anfeln wieder erhalten, und be⸗ =
Gen auch erfahrene Feldherren und Staatsmaͤnner, unb
icht ungeübte Krieger 5 allein Die Derfoflung und Site
ten deö ganzen Volks waren zu unbeilbar verborben, als
daß ihr Wohlſtand Härte Dauerhaft feyn, oder fie ſelbſt
an folche Unternehmungen hätten’ denfen foͤnnen, gu weis
«hen außerordentliche Tugenden und "anhaltende Ans
an wären erfordert worden, Menſchlichem Ans
nach wat es aber doch. Immer noch glaublicher, daß
97 Ifaer. 1, e. p. £5z. 258. ,
4) Iſoex. 1, €; P. 258. |
DB
7a cchtes Buch. Erſtes Capitel.
Athen wieder zu feiner vormaligen Macht gelangen,
als daß der fünftige Herr. von Griechenland in einem
unbebeufenben Seibel erzogen wurde, der niche einmal
entfernte Hoffnungen zum Throne feiner Väter harte,
and aus einem &efchlechte abflammte, das durch Dres
chelmord und Verſchwoͤrungen faft ganz aufgerieben,
und ohne den Beyſtand zweenet edler Griechiſcher Feld⸗
herren vernichtet worden waͤre, der endlich unter einem
Dolfe war geboren worden, ‚das blöher immer Barba⸗
ren geblent und den Achenienfern Tribut bezahlt harte *);
das noch ver fürzem van einer einzigen Griechifchen Stade
beynahe aus feinen Grängen verjagt **), von ben täus
berifchen Jllyriern aufs Haupt geſchlagen 7), und von
der Sriechen von jeher fo fehe war verachtet worden,
daß man es nicht einmal zu Schauen tüchtig" geglaubẽ
Hatte 77). Diefer kuͤnftige Unterjocher von Griechenland
| wag
EEE
©, Demofh. p. zu 66. Edit. Wolßi,.
#4) Xen, V. 2. p. 298. die Stadt vor Olynth.
4) Diod. p. 83. XVI. f
73) p- 48. Demoſih. Die beyden Felbherren, deren ich ing
| 54 erwaͤhne, find Pelopidas und Iphikratee. Vom
Zuge des Pelopidas nach Makedonien habe ich fon
sben geredet. Zum Iphikraſes, ſagt Aeſchines de fal-
fa leget, p. 250. führte Euridice, die Witwe des ver⸗
ſtorbeuen Koniges Amyntas, ihre Suͤhne den Perbits
Las und Phikinp, und beſchwor ihn bey ber ’
galft, „die er für ihren verſtorbenen Gemal gehabt
hätte, doch fie und ihre Kinder und ihr Reich gegen efe
nen ungerechten Räuber zu vertheidigen. Gerühre vom
den Bitten der Konigin, ſchlug und verteieh
tes den Pauſanias, der Anſpruͤche auf den @xepter
machte ‚, und rettete alfo das vegierende Haus vom mas.
ben Untergange. — Leber den Stammwatet und bie
Seſchlechtsfolge der Makedondfhetr Könige leſe man
ben Herodot VIE, 137.139. Mit großem Bersndgen
erwWähn
Gefchichte von Ol. 98, 2. bie Ol. uo, 3: 573
war Phllipp von Makedonien, der zweyte Sohn des
Königs Amyntas, und eben ber, den Pelopidas als
Geißel mit nach Theben genommen hatte, und der zu⸗
gleich mit dem Epaminondas in allen Künften des Krie⸗
ges und Friedens war erzogen worden. Wenn bas
._ Gtäd diefen außerordentlihen Mann auch darinn *) bes
günfligte, daß es ihn zu einer Zeit geboren werben ließ,
roo bie mächtigften Griechiſchen Staaten gefchwächt, und
gegen einander aufgebracht, und eben befwegen menjgee
fähig und geneigt waren fich mit gemeinfchafftlichen Kraͤf⸗
ten iprem-fünftigen Bezwinger entgegen zu ſtellen; fe
zte es ihm auf ber andern Seite faſt unü
waͤhnten die Athenlenſtſchen Nedner des Stolzes tier
Vorfahren, die den Perdikkas nach dem großen Dien⸗
ſie, den er ben Griechen geleiſtet. nicht einmal das
Würgerrecht gegeben hatten p. 70. Demofih. — Biel
leicht denkt mancher, daß ber König au une
‚ bie damalß
auf die Herrſchafft von Griechenland Auſpruͤche 5
Sonnten. Hein ſolche verweiſe ich hier nur auf
Sokrates 1. p. 281. 283. und Dioder p. 78..215. ©.
oO N‘ .ı 4.
*) Wie fon viele Saqriftſteller demerkt haben. Man ſehe
duter anden Juſt. VIIL 1. J ur
374 Achtes Bach, Erſtes Eapitel.
feiner Dunfelgeit: geblieben ſeyn; die Perfer oder ein
anderes barbariſches Volk würde wahrfcheinlich noch lan
ge Aſien beherrſcht, und die Griechiſchen Staaten ſich
onge unter einander aufgerieben haben‘, bis iegendwo
ein Coͤſar aufgeſtanden wäre, und fie alle ſich unterwot⸗
"fen hätte. Ä ' =
Philiwp entſtoh aus feiner Gefangenſchafft in The⸗
ben, kurz nachdem Perdikkas, der Moͤrder des Ptoie
moaͤus, welcher feinem aͤlteſten Bruder das Reich geraubt
hatte, in einer ungluͤcklichen Schlacht wider die Illy⸗
rier mit vier caufen» feiner Unterthanen gefallen war ).
Mach dieſer Niederlage fchien es, als wenn das arme
makedoniſche Volk auf einmal ſollte zerriſſen, ober ver⸗
zehtt werben. Die ſiegreichen Illyrier ruͤſteten fick wie⸗
der an, mit einer großen Heersmacht in Makedonien
einzufallen. Die Päonter, ein anderes benachbartes
Bolt, raubten und pländerten auf die graufamfte Art,
weil fie ihre Feinde verachteten, und gar feinen Wider
ſtand befuͤrchteten. Auch war Paufaniad, eben ver,
Yen Sphifeares gleich nad) dem Tode des Amyntas vers
jagt hatte, wieder Im Anzuge, um mit Huͤlfe eines
Thraeciſchen Königs. feine Anfpräche auf die Crone gel
"send zu machen. - Endlich hatten die Achenienfer eine
mächtige Flotte ausgeſchickt, um einen geroiffen Argaͤ⸗
us auf den Thron zu ſezen. — Mitten unter diefen
Schrecken und Gefahren bot fich den bebrängsen Ma»
Sedoniern Philipp dar, der feinen Begleiter, als feirien
- Much, keine Gehuͤlfen, als feine Talente, und feine
„andere Empfehlung, als fein värerliches Recht zum
Throne hatte; der aber Übrigens weber Sreunde, noch
- "Gchyäge, noch große Taten, die er ausgeübt, nicht ein
Ä mal
Gůů—— —— ——ar un
DO Di. 105. 2, Dlod. p. 82. 83. XVI. Lib,
Geſchichte von DI. 98,2. Bid DI. uo, 3. 2.
mial Uebung und Erfahrenheit im Ktiene, ober in öffent,
lichen Gefchäfften aufweifen und von fich raͤhenen konn⸗
.te. Schwerlich atfe wuͤrden die Makebonier einen ver⸗
— unerfahrnen, und von ſeiner Kindheit an
weit von ihnen erzogenen Juͤngling, als ihren Netter
angeſehen, und angenommen haben, wenn er nicht
durch feine Ginreißenbe Derebfannfeit, weiche felbft bie
‚größten Redner an ihm bewundeeten *) , die Gemuͤther
feines Dolls gewonnen ”*), und ihnen Zutrauen gegen
Fi, und Buch gegen Die Beinde eingefbgr Härte 7)
Die Menge der Gefahren, von denen er fich und fein
Volk umeingt foh, und die Erde bes Preifes, um wel⸗
chen er kaͤmpfte, bradyten auf einmal, durch einen be⸗
ſchleunigten Trieb, alle feine Talente zur Reife, und es
fehien, als wenn es mit. ben Titel eines Königs bie
- Künfte und · Erfahrenheit eines alten FJeſdhherrn umd
Staatemannes erlangt hätte. Er übte feine Makedo⸗
nier nicht nur unaufbörlich in den Waffen, fonbern ir.
erfand fogar eine neue Schlachtordnung, wodurch er
und ſeine Nachfolger mehrere Jahrhunderte lang die
Sieger ihtrer Zeinde wurden 77). Die furchtbaren Wi⸗
- Merfacher, ‘die ſich von allen Seiten wider Ihn erfeßen
und ihm und feinem Reiche ben Lintergang broßten, wu⸗
a \
fie er mic der Schlauheit eines alten Staatsmannes ente
weder durch Sefchenfe und Berfprechungen, (wie vie
„.f ge
®) IV. 7.19. Pt. in Demolh,
es) Diod. 1. c.
4) Philipp wurde im 4 47 Inhre fees Altes ermniide,
uf, IX, 8. und regierte fünf und zwanzig, oder wie
"Dieter hat p. 81. aur vier und zwanzig JIchre. Cr
war alfo nur zwey oder. hödftens drey und zwanzig
Sabre alt, als er die ung autrat. »
Diod. p. 83. Der Phalanx unter ‚wie he j
\
6 Achtes Buch. Erſtes Eapitel, J
gierigen Thracier und Paͤonier oder auch burch ſchmel⸗
chelnde Unterwerfung gu beſaͤnftigen *). Allein kaum
hatte er ſich ſelbſt recht befeſtiget, und feine Unterthanen
gehoͤrig vorbereitet, als er zuerſt über die Paͤonier her⸗
fiel, und fie unterjochte, ud dann den König der ll
rier durch einen blutigen Sieg nöthigte, ihm alle vie
Staͤdte, die er von Mafedonien obgerifien hatte, wie⸗
‚der herauszugeben ꝰ). :Diefe Vortheile waren für ven
‚jungen Helden nur ein Reiz zu neuen Unternehmungen, |
rich⸗
und eine jere Eroberung wurde, wie Demoſt
tig ſagt 7), nur die Stuffe zu einer neuen, oder die
|
%
MWeranlaflung , daß er an noch größere und gefährlichere '
dachte. Ohne fid) an den mit ben Achenienfern gefchloß
fenen Frieden zu. fehren, ‚belagerte und nahm er Am⸗
phipoliö, Poriväa, und Pydna weg, vnd ſchenkte die
Segtere &ranc an Olynth, weiches ihm jezo noch zu moͤch⸗
En Anna
„ m wollte TT). wie Philipp. feindli
Städte eroberte und gerfidtte, legte er in feinen Ges
biete neue an, oder erweiterte wenigſtens die alten. Er
verkaufte die Einwohner bezwungener Städte nicht im⸗
‚mer als Selaven, fondern führte fie meiftens in. fein :
eich, und wies ihnen neue Wohnungen an: eine Manage
regel, die eine wichtige Miturfacye der Entvölferung vor
Griechenland, aber aud) zugleich des unglaublich ſchnel⸗
ien Wachsthums und Flors des Mafedonfchen Reichs
— —
. ©) Wie bie Achenlenſer, denen er gleich Amphipolis cherat,
E um welcher Stadt willen er wufte, daß fie einen! Te»
| Aenbußler auf feinen Türen ſeien mellın p. 85
"9 DI. 105.8 Diod. p. 84. 88.
De: _ |
men Died, xos. Ol. g.
wurs
— — — *— ——
En — 7577 7—
Geſchichte don DI. 98,2, bis Ol, no3. 377
wurde 9. Schon Im dritten Jahre feiner Regierung
vergrößerte. ober erbanete er vielmehr Philippi, und
fing an, die bioher faft ganz vernachläffigeen Boldberg,,
werfe zu bearbeiten, die ihm jährlich über taufend Tar
lente Gpldes gebracht haben follen ”) Die Rubeund
Sicherheit, welche ihm der Krieg der Urhenienfer, dies
ſes ihm Immer furchtbaten Bolfs, mit den Bundesge⸗
noſſen verſchaffte, nuzte er dazu, daß er Methone ers
oberte***), daß er ganz Theffalien fich fo gue, ala uns
gerwarf, indem er allen Staͤdten Ihm ganz ergebenevier
Männer vorfezte 7), daß er endlich drey Könige, die
fich wider Ihn verfchworen hatten, die Könige der Dior
mier, Thracier und Jllyrier, fich jinsbar machte +7).
‚Des Krieg ber Athenlenſer micden Bundesgenoffen,
ber jene hinderte, ſich ben erften Unternehmungen Pofs
lipps zu widerfegen, wurde durch Die Schwere des Joch⸗
veranlaßt, das ſie den Inſulanern aufgelegt hatten, und
mit jedem Jahre noch unertraͤglicher machten, Die:
größten Inſeln und Städte alfo, die bisher den Athe⸗
mienſern Tribut bezahle hatten, verſchworen ſich wider
ihre Unterdruͤcker, und ruͤſteten mächtige Flotten aus ,
wider welche die berühmteften Feldherren ber Atheniens
fer mic abwechfelnden, nie eutſcheidendem Glide ſtrit⸗
5
® en
* 6 ein wu FR |
#) Diod. 1. c. anders von feinen Bergwerken,
ee met
p. 4. p» 106. fezt obern
ken exit in das Ste Jahr der 106 ae von
4) Demofth. in Philipp, IL p 48. Diod, P 9% ad Ol.
106. 4. erzählt die Sage andere, aber migs (a glaub,
lich, als Demoſthenes.
H Diod. p. 98. ad Ol, 206, 2,
*
‚
t
s / ⁊
—* 2
“ .
*
578 0Alchtes Buch. Erſtes Capitel. —
ten ). Ungeachtet dieſer Krieg nit drey Jahre währe
“te, und die Ausruͤſtungen, welche die Achenienfer mach⸗
diejenigen , die fie fonft aemadıt harten, nur
geringe waren; fo wurbe döch bie Staͤdt fo fehr dadurch
erſchoͤpft, daß fie mur hundert und dreyßig Talente Tris
but von ven treu gebliebenen, aber armen Bundesgenofe
fen, übrig behielt **), und daß die meiften Einwohner
gur tiefften Armuth / und die wenigen Vermoͤgenden
faſt zur Verzweyfelung gebracht wurden »ery. Zwo Per⸗
onen waren genoͤthigt, ein Kriegsſchiff auszuruͤſten,
ten, gegen
on Shares felbft fah ſich in der Nothwendigkeit, feine
Feinde eing Zeitlang aufzugeben, und bey einem vom
Herſiſchen Könige abgefallenen Satrapen in Gold zu
geben, um nur Unterhale für feine Völker zu finden f).
“Den dieſem offenbaren Unvermögen, ben Krieg fänger
forrfegen zu können, würden die Athentenfer ihre Anſpruͤ⸗
che auf die moͤchtigſten Bundesgenoffen haben fahren
laſſen muüffen, wenn diefe entweder nicht noch mehr ente
kraͤftet geweien wären, als ihre Feinde, oder. fich au
Niicht vor noch gefährlichen Widerſachern, dem Perſi⸗
ſchen Könige, und Philipp von Makedonien, gefürchtet
hätten, gegen welche fie von den Arhenienfern gefchüge
zu werden hofften. Die Inſulaner ſchloſſen daher mit
‚ ihren bisherigen Fuͤhrern einen Srleden, worinn fie
wahrſcheinlich ipren Tribpt unter ber Bedingung ferner⸗
“ Hin’ zu bezahlen verfprachen, wenn die Atheniehier fie
gegen eine jede auswaͤrtige Macht fehligen wuͤrden P.
Bu nn 000 Ma
#) Diod, p. 97. 98. Corp. Nep. in Timotheo c. 3. Die
voruehmiten Abrrünnigen wareh Samos, Chios, Rho⸗
dus, Kos und Byzanz Ib, —26
se) Demoftb. in Philipp, IV. p. 52, de.cerons-p, 346.
ss) Ifocr, 1, 379. 424.85. de Per. oe
I Demofth..p. ap, adv. Midiem & Diod. 9.98,
tt) Der Krieg dauerte von 105 DI. 3. bis Ol. 10 L.
Geſchichte don Ol. 98, 2. bis Ol. no, 3. 379. -
Mach dieſem Kriege erhohlten die Athenlenſer ſich
| fo unglaublich gefchwind wieder, daß fie bald nachher-
»
- o— x ®
eben fo große Heere und Ftötten ausräften und unter
halten , eben fo große Wekke errichten, und noch größes
re Schäge jammien fonmten, als fie'in ihren beften: Zei
ten gethan ‚hatten *). „Allein ein neuer Krieg, der von:
‚ben "Sriechifchen Schrifiſtellern der Heilige genannk
wird, hinderte fie, auf die gefährlichen Fortgänge Phi⸗
lipps Acht zu geben, oder ſich ihnen-ehtgegen zu ſezen. J
Die Urheber ·dieſes Krieges waren die Thebañer, welche:
den Gedanken, die übrigen Öriechen zu beherrſchen, nicht:
aufgeben wollten, und das, mwäs ſie durch offenbare Ger
walt nicht erreichen Fonnten, durch liſt zu erlangen
fuchten *°).. Sie ſezten es im Rath dee Amphicthonen
burch,. daß die Phocenfer, wegen gewiſſer Heiliger fäns .-
dereyen, die fie lich zugeeignet hatten, als Entweiher
der Beftjungen eines Gottes, und die Sparfaner wegen
der Wegnahme von, Kadmea, als Stoͤrer der oͤffentli⸗
chen Ruhe, um ſolche Summen geftraft wurden, bie
fie beyde unmöglich aufbringen konnten. Durch biefe,
wenn auch nicht ungerechten, das hoͤchſt unbefonnenen
Ausſpruͤche wurden die Phocenfer in-eine'folche Surde
gefest,. daß fie den Anſchlaͤgen eines nnternehmenden!
Mannes, mie Namen‘ Philomelus, Gehör gaben, den!
Tempel zu Delphi, ven welchem vormals ihre Votfah⸗
ren die Beſchuͤzer und Vorſteher geweſen wären zu be⸗
ſezen, und die ungerechten Urtheile, welche die Amphi⸗
ctyonen über fie gefällt hätten, auszutilgen. Sie er⸗
waͤhlten eben dieſen Philomelus zu ihrem Heerfuͤhrer,
und nahmen auch wirklich geh der Unterſtuͤzung, die ſie
J o 2 in
°) tan fehe meine Abbanslung über ben Lupus der Arhes
. nienfer. :
*
«°) Jußis, van. & fq, Diod, XVI, p. 499. ed Ol, 106, 2.
⸗
:
a. SAchtes Buch. Erfieß Eapitel.
Inder Stille vom Archidamus, Könige in Sparta, ers
Ä Halten Karten, den Deiphifchen Tempel mit Gewalt
ein. - Philomelus erwürgte die vornehmften und reichfien
Einwohner in Delphi, vie fich ihm widerfegt Hatten,
und das Vermoͤgen der Erfchlagenen ſowohl als die ſtar⸗
ken Contributionen, - die er von den übrigen eintrieb, fezs
ten ihn in Stand, den feilen Kriegern, die damals ihs
ze Dienfte den Mleiftbietenden verfauften, einen halbınal
ſtaͤrkern Sold zu geben, als fie anderswo erhalten konn⸗
sen: ein Mittel, wodurch er bald viele Taufende zuſam⸗
men brachte *), Er ſchickte zugleich Geſandten an die
muaͤchtigſten Oriechiſchen Staaten, und ließ fie nichenur
zum Beyſtende einladen, fondern auch feierlichft vers
fprechen, daß er die Schaͤze zu Delphi nicht berühren,
und die genaufte Nechenichafft Davon vor dem verfamms
leten Griechenlande Ablegen wolle. Der Phocenſiſche
Feldherr hielt dieſes Verſprechen fo lange, daß man um
möglidy an der Aufrichtigfeit deffelben zwenfeln kann,
und ohne Grund alfo klagte man anfangs die Athenien⸗
‚fer und tafevämonier einer firafbaren Gemeinfchafft mic
Temwpelraͤubern und Schändern ber Gottheit an, weil
fie einem Volke zu Huͤlfe eilten, dem man offenbar Line
recht gerhan hatte, und das alle Rechte wieder gültig zus
* machen ſuchte ). Philomelus ſchlug ſowohl die tofrier,
welche den Gott zuerſt zu befreyen ſuchten, als auch die
Thebaner, die erſt ein Jahr nach der Beſezung des Tem⸗
peis mic allen ihren Bundesgenoſſen auszogen. Nicht
| ’ lan⸗
— —
\ @) Diod, p, 190. 103 & 104, ga |
ar) Philomelus war wenigftens ein Jahr im Beſtz des Tem⸗
= pele, ehe er fih an den Echägen des Tempels vergriff,
Diod, p. 104, ad Ol. 106. 3, An einer andern Grels
le p. 125. fat Diedor, im Widerſpruch mir ſich felbgt,
daß — Feldherr ſich ganz von dieſen Schaen enthal⸗
ten habe.
Eu
“
.»>
— — — eo ws -
— .
Gefchichte don DI. 99, 2. bis Ol no) 3. gr
fange nachher abee wurde das Haupt ber Dhocenfer von
den Thebanern plözlich überfallen, und ferbft im Treffen
getoͤdtet *), Der Tod diefes Feldherrn verfchlimmerte
nichts in der tage und den Angelegenheiten der Phocens
. fir. Vielmehr war fein Nachfolger Dnomardus.ein
noch Hühner und thärigerer Krieger, und erhob bie
Macht feines Volks in Furzer Zeit zu einer folchen Hö⸗
be, DER er den künftigen Bezwinger vom Griechenland
übern Haufen zu werfen, und fich ſelbſt die Herrfchäffe _
über alle DBölker zu erwerben drohte. Dnomard) ließ
aus ‚ben filbernen und goldenen Denfmälern in Delpbi
Münzen fchlagen, beſtach damit die Häupter der vor⸗
nehmſten Staaten, und richtete Heere auf, dergleichen
noch fein Sriechifches Volk, umd fein Griechifcher Koͤ⸗
nig ins Feld geftelle hatte. (Er fehichte feinen Bruder
mit fieben taufend Mann einem Theffallfhen Tnraunen
zu Hüffe, und ale diefer gegen den Philipp nicht Stand
halten konnte, beach er ſelbſt mis einem Heere von
mehr als zwanzig taufend Mann nach Theffalien auf"),
Er uͤberwand den Philipp in zwoen blutigen Schlachten,
‚ 9 Diod.
und brachte ihn fo weit, daß er faft von allen ſeinen
Kriegern verlaffen wurde 7). Endlich aber behielt Doch
die Klugheit und Tapferkeit des Makedoniſchen Königs
Die Oberhand. Philipp bewegte die Theffalier, alle ihre
Kräfte zus Ihrer und feiner Vertheidigung aufzubleten,
and mic dieſer Huͤlfe ſchlug er die Phocenfer aufs Haupt,
fo, daß ſechs tauſend Feinde, und unter Diefen Onomar⸗
chus felbft auf dem Plaze blieben, und fechs taufend ges
fongen wurden. Durch diefen Sieg. rettete Philipp
nicht nur fein Reich, ſondern erwarb ſich auch den Ruhm.
Oo 3 | eines
'
[UL )
®) Died. p. ro. ad 10601. 4, Jah, VII z.
"©, 27. 109. ad Ol. 106. ji *
u
x
582 Achtes Buch. Erſtes Capitel.
‚eines Nächers der Gotter, und eines Befreyers von Theſ⸗
‚fallen *): ein Ruhm, der ihm alle feine nachherigen Un
Teternehmungen erleichterte. n
Nach einer ſolchen Niederlage Härte man glauben
ſollen, daß ein fo kleines Volk, als die Phocenſer ına,
sen, das fchon vorher in mehrern gluͤcklichen und ungluͤck⸗
lichen Schlachten vieles gelitten Hatte, gänzlich wäre
‚aufgerieben worden, Allein Phayllus, ein Bruder des
-erichlagenen Feldherrn, verſammlete in kurzer Zeit eine
eben fo große Macht wieder , als Philipp überwunden
| ‚batte**). Er verdoppelte den Gold feiner. Krieger, und
309 dadurch nicht wur. Fluͤchtlinge aus ganz Griechenland
an ſich, fondern reiste auch die mächtigfien Völker, die
Achaͤer, tafedämonier und Athenienſer? daß fie gleich⸗
-fam in ſeine Dienſte traten"). Chen diefe Verſchwen⸗
-dung war aber auch bie Urſache, daß die Quelle der
Schaͤze, aus welchen.er und feine Vorgaͤnger gefchöpft
‚haften, um deſto gefehwinder verfiegre. Die Phocenfer
hielten es unterdeflen länger, ale die Thebaner und Boͤo⸗
tier aus; die beyden leztern Bölfer waren durch bie Drang
ſale des Krieges, befonders durch die beſtaͤndigen Kuss |
fälle und Verheerungen, welche die Phocenfer von drey
in ihrem Gebiete eroberten Staͤdten thaten und ans |
richteren,, fo mürbe gemacht , daß fie endlich den König
Philinp zu Huͤlfe riefen T). Dieſe Wendung der Sa⸗
chen hatten die Arhenienjer ſchon lange zu verhüten ges
ſucht. Ele waren.die einzigen, die dem Philipp nach
feinem Siege über den Onomarch das Eintringen in
‚Selechenland-verwehut FF), uũd die auch nach der 37
- % Mod. ꝑ. us, und Joß. VIII. 2.
*s) Ol. 100. 4. Dio4. p. 10%
se%) Diod, p. To. 117.6)‘. 106. 4 & 197. 7,
+) Diet, p. 12. O. x. -.
+) Ol. 107. 1. p- IL. „u.
|
Geſchichte von Ol. 98,2. Bid DI. 11073. '583
ſtoͤrung vom Olgarh‘, vom Aeſchines und Demoftpenes
erweckt, alle Griechiſchen Staaten zur Berrheidigung_
Ihrer Frenheit gegen den gemeinjchafftlichen Feind aufge⸗
fordert harten”). Allein die Achenienfer richteten nichts
aus, weil die vornehmften in allen Städten, und ihre
eigene Geſandten fich an ben Philipp verfauft hatten”®).
Der Mafevonifche König rückte alfo unvermuthet in ,
Griechenland und das Phocenſiſche Gebiet ein, zwang
den Feldherrn Phaläfus zum Abzuge, beredete alle
Städte, die er nie mit Gewalt würde erpberr haben,
zur freywilligen Lebergabe ***), und zerſtoͤrte fie alle wider
fein gegebenes Wort in wenigen Tagen. Er mörhigte,
bie Einwohner, die er nicht wegführte, in Fleinen Doͤr⸗
fern zu wohnen, bemächtigte fich der Stimmen, welche
Die Phocenfer bisher im Rath der Amphiethonen gehabt
hatten, und fogar des Vorſizes an den Pythiſchen Spies
len 7), öffnete fich den Eingang in Oriechenland, hereichers ,
te die Thebaner, und nahm den Yrhenienfern eine der ftärfe
ften Bormanern, die fie fonft gegen ihn gehabt harten MM
Durch folche Treulofigfeiten und Srarifamfeiten würde
Ppilipp zu einer jeden andern Zeit fid) einen unaus⸗
Yofcyfichen und ihm ſelbſt verderblichen Haß, zugerogen
haben; allein jezo brachten gerade ſolche Miſſethaten in
N . " O
o4 ne den
— — — 7 —
*) Demoſih, de fall, leg. p. 201. & Diad, &, 124. OL
”x03. I
“#) An der Beſtechung des Aeſchines und ber uͤbrie nA‘
. nienſiſchen Sefandten Eann man gar wich: —*8—
wenn man. die Reden des Demoſthenes de ſalla lega
tione und de cörona geleſen bat. Man ſehe beſ. &,20g -
‚bis 212. 218. 219, 222. 23. 28. Aeſchines und feine
Gefaͤhrten erhielten Geſchenke aus den Beſtzungen der
Ungluͤcklichen, die fie verrarhen hatten, S 219.
wu) ©. 210. \ ven baten, © ur
?) Demofth, ib. Diod, &. 139. ad Ol, 198.3: - .
tt) Demoftb, p- 112.
J
384 Achhtes Buch. Erſtes Capitel,
den äußerft ausgearteten Griechen mehr Bedlerde nach
feiner Freundſchafft als Abſcheu hervor. Es gehoͤrte,
wie Demoſthenes fagt *), zu feinem Gluͤck, daß alle
Griechiſche Städte mit Derrächeren des Vaterlandes,
wie mit einer unhellbaren Seuche befallen, und mic Diem
- chen angefülle waren , die Philipp fich-nicht einmal fo
ſchlecht vorgeftelle harte ⸗). Er mochte noch fo viele
Städte jerfiören, und noch fo viele Verraͤther wieder
verrathen; fo konnte er doch eine jede Stadt, um weh
chen Preis er wollte, erfaufen F). Und nicht blog De
moſthenes und andere, ſondern auch er ſelbſt fagte es,
daß nicht feine und feiner Heere Tapferkeit, ſondern fein
Gold, und die Menfchen, bie ihre Gluͤckſeligkeit nad)
dem Bauche mäßen, Ihın die Städte erobert, und Grie⸗
land unte n hätten 77).
chenland unterworfen h rn. Die
® De falla logat. p. 309:
un) 1b, Demoſthenes nennt die Namen aller Verrärher ber
vornehmſten Städte in Griechenland in Philipp. 111.
p. 30. de Corona 319.854. Ihre Zahl war größer,
ats fie fonft je geweien war. de Coson. ©. 331.
Flags Yae ros EAycw, 8 Toy ala aa
. dpoiss, (Dogar weodorey nu dwpodoxur, mass
Secıs eyIeav aydenomev auvefın yareedas, zes
reocuriu, canv Bdus Fan EOTEEV MEuTwTas
yayonıny, ES UVA YanıaTas Nu Guveeyas As-
Boy. Und fle dediten ihre Verraͤtherey unter dem Na⸗
men von Freundfchafft, bie viel mehr beneidet als bes
firaft wurde ©. 48. ia Philipp. III. & 235. de fal-
a leg.
3) Oft fehr geringe S. 219. de fall, leg, .
M Diod. p. 128. Demofth. p. 49. Nuvs de Oposre
5 pev OnK8 Ta RÄT TES —X —xXx
—E ud ex, mans
yo.
j
Geſchichte von OT. 98, 2. bis Ol. no, 3. 385
Die Haupturſache der fürchterlichen Sittenverderb⸗
nis, welche die Griechifchen Srädte zu Sclavinnen
Philipps machte *), lag in den häufigen Nevolutionen,
welche alle Staaten in den langwierigen oft abwechſeln⸗
den Kriegen erfahren hatten, oder noch erfuhren, und
in der. Grouſamkeit, womit der In den Staͤdten here»
ſchende Pobel die Bornehmen behandelt hatte, oder noch
behandelte. Durch diefe häufigen Ummälzungen, und
durch die Tyranney des Pohels, wurden teben und Ver⸗
mögen, und das, was einem jeden Achten Bürger noch
Sieber, als beydes ſeyn mufle, das Vaterland unficherz
und man fonnte alio unmöglich tiebe gegen ein Vater⸗
land behalten, das manche ſchon einigemale verloren -
Basten, das man In jedem Augenblicke wieder verlieren,
und das niemanden weder gegen innere noch äußere Ge⸗
waltthätigfeiten ſchuͤzen konnte. Unter folchen Umſtaͤn⸗
den zog der groͤßte Theil der varnehmern Griechen ſichere
Wohnungen in Makedonien dem unſichern und gefaͤhr⸗
lichen Aufenthalt in ihren Vaterſtaͤdten *), und die
Geſchenke oder Belohnungen Philipps dem Wohl ihrer
Mitbuͤrger vor, von welchen ſie fuͤrchten muſten, daß
fie vielleicht bald wuͤrden getödtet oder verwieſen und
gepluͤndert werden. Griechenland war zu ber Zeit, als
Philipp es uͤberwand, einem Saufen von Mördergruben
ähnlich, in weichen ein jeder für ſich, Feiner für andere,
und die Angefehenen und Reichen am wenigſten für’6 ges
meine Defte forgten. Oder man kann auch die Sriechi⸗
fchen Staaten mit folchen Sräntem vergleichen, die nt
Ä | o 5 we⸗
— r x
monevov. æxxere de Bazar, ax Tre Da-
Asyyas onAıravy yes. de. beſonders © 354.
de Corone,. Er
®) p. 48. in Philipp. Il. & 321. de Coron,
°e) 1, 337. Hocr, ad Philipp, u
weder‘, tie Achen, im Anfange des Peloponneftfchen
Krieges‘, von ſchrecklichen Seuchen verwuͤſtet, oder von |
wilden Feinden erobert ‚oder von heftigen Erpbeben um
geroorfen werben, in welchen-die Größe und Nähe eige: |
ner Gefahren alle Thellnefinung an den Schicfalen
anderer aufhebt, in: welchen ein jeder nur für ſich und
die Seinigen ſorgt und Verzweyfelung fowohl als
Stillfchweigen "der Geſeze alle. Arten von Bosheiten, '
und unreine Begierden bis zur hoͤchſten Wuth reizt,
Eine andere Urfache, dee allgemeinen Sittenverderb⸗ |
niß der‘ riechen In den lezten Dinmpladen vor der
Schlacht bey Cheronaͤa waren die großen Schaͤze, die '
Philipp aus feinen Holdgruben, und die Phocenfer aus
dem Tempel zu Delphi hervorzogen. Durch dieſe Reich⸗
thämer wurden die edlen Metalle in Griechenland In we⸗
tig», Jahren nicht ein oder einige male, fondern vielmal
vervielfältigt, und In gleichem Verhaͤltniſſe nahmen alſo
“ auch Gleichgültigfeit. gegen Baterland, Prachtliebe,
Schwelgeten und andere felbftfüchrige teidenfchafften zu.
Die Beraubung des Delphifchen Tempels: war für die
Griechen eben das, mas für die Nömer die Ueberwin⸗
dung des Perfeus und Antiochus, und für-ein meueres
Volk die fchnelle Eroberung feiner oftindifchen Beſizun⸗
gen wurbe.- Denn wenn es aud) nicht wahr iſt, was
Die Schriftfteller verficherten, denen Diodor folgte *),
daß die Phocenfer dem Delphifchen Apoll zehn taufend
Talente entwandt härten; fo inuß man doch den Raub
auf' eine erſtaunliche Summe ſchaͤzen, weil die Phocen⸗
fer von dem Reſte der Schäje, den' ihnen nntreue Ver⸗
waltung und koſtbare Beſtechungen uͤbrig ließen, eilf
Jahre hinter einander oft mehr, als zwanzig nd
‘ [) . .. nn
-.
O1 aaxss. on
Geſchichte von Ol. 98,2. Bid DI. uo, 3, 5%7
Mann auf doppelten Sl unterhalten fonnten *).
Diefe Reichthuͤmer würden immer den Sitten gefchabet -
haben, wenn fie auch nicht auf eine folche Art wären
verfſchwendet worben, als wirklich geſchah. Allein ge-s
rade die Art, wie fie herdurch gebracht wurden, machte
fie noch viel verderblicher, als vielleicht fonft noch zwey⸗
mal fo große Schaͤze geworden wären. Sie famen
nämlich größtenrheild in die Hände uͤppiger Schwelger
ober ruchlofer Ebencheuer, die meiftens fein Vaterland
and feine Familie hatten, die in allen Verbrechen und
Schaͤndlichkeiten geäbt waren, und fein anderes Gluͤck
kannten, als was der Raͤuſch der unfinnigften Ausfchwels
fungen geben kann. Diefe Elenden verpraßten daher
das, was fie fo leicht erworben und zuſammengepluͤn⸗
bert. harten, in den unnarärlichften Lüften‘, und verdar⸗
ben nicht bloß die Werkzeuge und Diener, fondern auch
die Zeugen. ihrer Uusfchweifungen, Wenn man alfo
auch annehmen wollte, daß durch die allmäliche Auf⸗
haͤufung der koſtbaten Heiligehümer in Delphi, und die
damit verbundene allmäliche Entziehung der edlen Mer
solle aus dem Handel und Wandel die Neinigfeit und
Einfolt der Sitten in den meiften Staaten länger. er
halten, und Prachtliebe und Schwelgerey länger unters
brückt werden, als fonft gefciehen wäre; fo fann man
Dagegen auch mit Zuverjicht behaupten ‚. bag die pfözliche
Hervorziehung fo großer: und während fo vieler Sahrs _
hunderte geſammleter Schäge den Sriechifchen Sitten
viel nadırheiliger wurde, als wenn man fie in eben dem
Maße, in welchem man fie dee Erde oder andern Bil
u fkern
®) Diod. S. 120. u. f. redet von den Perſonen, die Kleino⸗
dien oder Gelder entwandt und unterzefchlagen hatten,
und von den Strafen, melche fie, wie er glaubt, durch‘
die Fügungen des deleidigten Goties empfingen.
— — —— — —
lipp von dem Tage an, da er die Staͤdte der Phoce
bald er fich alſo auf Eubda zeigte, ermunterte der Redn
3883 Dichte: Bud, Erſtes Capitel.
kern abgewonnen hatte, in Umlauf gebracht, oder
auch ſogleich in die Tiefe des Meers hinab geworfen
aͤtte. |
ı Nach der Bernichtung aller Phocenfifchen Stätte,
‚und dem fchimpflichen Frieden, den die Arhenierfifchen
Geſandten bald darauf mie’ dem Philipp fchloffen ),
Fonnten den Eroberer und feine Gierigkeit, wie De
| moſthenes fagt **), weder Griechenland noch alle fänder
der Darbaren faſſen. Er brach von neuem in Thracien
en, und zerſtoͤrte zwo und dreyßig Städte mit einer fol
chen Wurh, daß nicht einmal ihre Einwohner eine Spur
oder die Stellen wiederfinden konnten, auf welchen fie
. geftanden hatten F). Zugleich ſchlich er fich in Griechen
- Jand ein, und nahm die vornehmſten Städte, befonders
auf Eubda und im Peloponnes , entweder mit Gewalt
nder Liſt weg, und unterwarf fie Tyrannen ober active
nen, bie ihm gänzlich ergeben waren, und die meiftens
zu ihrem Schuze Makedoniſche Wachen um fidy hats
ten tt). Von nun an aber machten ihm ver chärige und
für das. Wohl feiner Vaterſtadt beftändig wachende Des
mofthenes, und der eben fo tapfere als Fluge und rechts
fehaffene Phokion jeden Schritt ftreitig, oder vertrieben
ihn gar aus den Städten, wo er fchon Buß gefaßt Hatte.
Demoftpenes wiederhohlte ed ohne Unterlaß, daß; Mo⸗
u Grunde gerichtet, ben Achenienfern ſowohl als d
beigen Griechen den Krieg angefündige hätte; und I
feine Mitbürger, den Einwohnern dieſer ihnen fon
sine
‚
“), Demoßih. 232: 25. 28
#8) p. 47. in Philipp. III
+4) Diod. ©. 139. ed Ol, 209. 2 & Demohh, Le ,
Demofthenes nenut biefe oe, dt. & 20.
m pro Corome, | sup. 354.
«
Seſchichte von Ol. 98, 2. bis Ol. no, 3... 589
ainsbagen Inſeln benzuftehen. Auf diefen Rath wurde
Phokion mit einer hinreichenden Zahl von Bölfern aus⸗
geſandt, die aber fo felge und ungeborfam waren, daß
Die Weisheit und der Much eines Phokion erfordert
wurden, um damit den Feind und alle feine Anhänger
aus Eubda zu vertreiben”). Als Philipp im folgenden
Jahre in den Eherfones oder Helleſpont einfiel, und Pe⸗
zinch und Byzanz belagerte, ruͤſteten die Athenienfer'
abermals, auf den Nach des Demoftpenes, zwo Flot⸗
ten hinter einander wider den Philipp aus, und fehloffen
fein Reich mit Hülfe von Seeräubern fo ein, daß es
gar nichts aus ſchicken oder erhalten konnte *). Philipp '
hob daher plözlicdy die Belagerung ber von ihm beranne'
ten Städte auf, und ſchloß mir den Arhenienfern und’
ihren Bunbesgenoffen einen Frieden }), den er aber nicht
länger hielt, als feine Buscht dauerte. Denn kaum
glaubte er fich der Theſſalier, Böorier und Thebaner
verfichert zu haben, ala er unter dem Borwand, auf
den Defepl der Ampfictyonen, die Kirrhäer als Entwei⸗
ber Heiliger Laͤndereyen zu züchtigen, bis Elatea vors
ruͤckte, um den Much feiner Anhänger in Theben zus
ftärfen t}). Die Nachricht von Philipps Einfall verur⸗
fachte in Athen eine fo aflgemeine Beſtuͤrzung, daß in
einer Stadt, die fo reich an Nebnern, Schwaͤzern und
Nathgebern war, fein einziger durch die wiederhohlten
Aufforderungen des Herolds, oder durch Die Stimme
des Vaterlandes bewogen wurde, aufjutreten, und zu
' garhen, was unter den gegenwärtigen -Umfländen zu
l thun
U U)
—X
NN ⏑
50) Demoſib. pro torone p. 324. Plut. IV, in Phoc. 313.
& Demolth. P. 719. Diod, pP: 139. ad Ol, 10924,
600) 9, 334. de eörona Demoflh. |
7) ib, Diod, ad 110 Ol.-n;p: 14%,
j +?) Demoßb, 8, 9397.
N
.
=
590 Alchtes Durh. Erſtes Capitel.
thun ſey, bis endlich Demoſthenes aufſtand, und dem
Volk, das ſich an ihn, wie an feinen Mercer, anfchmiegtr,
mit feiner über Furcht, wie Über andere leidenſchafften
herrſchenden Beredfamfeit ‚vorftellte, Daß man vor jegp
altes Zagen und alle Kleinmuͤthigkeit ablegen, daß man
ferner, um die Parthey ver Arhenienfer in Theben und
Boͤotien zu befeftigen, altes Fußdolk und Reuter bis
nach Eleufis hinaus ziehen laſſen, und endlich Ge ſandten
nach Theben und andern Städten ſchicken müffe, um
Biefe zur Austreibung ihres gemeinfdyafftlichen Feindes
einzuladen *). Demoſthenes, ſowohl von Parriories
mus als von Eigennuz angefpornt **), bewies ben die
fer Gelegenheit einen Murh und Thaͤtigkeit, dergleichen
feine Feinde ihm nicht zugetraut harten, und richtete
durch: beyde‘, und-durch feine Beredfamfeit auch mehe
aus, als die Achenienfer gehofft, oder Philipp gefürchtet
harte, Ungeachtet en zu Haufe mir der.Berrärheren ber
ſtochener Redner, mit den kaunen des Volks und den
Maͤngeln der Staatsverfaſſung kaͤmpfen mufte }); und
ne une
—.
0) ib. & p.3 8* u
) Plut. in e}. Vit. p. 726. Er ließ fih von den Perfi⸗
- fen Satrapen beftechen, um die Griechen twider den
Philipp, der den Perſern fon furchtbar war, aufzu⸗
bringen, und eben dadurch von der Unternehmung ge:
gen Afien abzuhalten. Alexander fand in Sardes das
Verzeihnig der Summen, welche dem Demoſthenes
geſchickt worden waren ib.
$) p. 36. de Cherſ. p. 346. de corona, Txde Te Dr.
s, coos ör num 0 ayav, axeibacde Tras.
DrEwTöV' ey NEXE Toy anoABIETay MUTes a
auTongaTag, 0 Tay Ess Toy ToAeuoy neyusov
EIN ETaTaV I ETOI TR OMA eryoy €v Tag
XecGqæur A. ERAT KENT EUTFOLE. Kos
ergaTrın
=
-
Geſchichte don Ol. 98, 2. bio DI. no, 3, 598
ungeachtet er in den übrigen Städten bie Beſtechungen,
Drohungen und Verheißungen Philippe, die kangſam⸗
| Feit In Entſchließungen und deren Ausfuͤhrungen, die
VWorurtheile, Meinen Seindfeeligfeiten und Eiferjuche fo
vieler Bölfer zu überwinden hatte *): fo ſiegte er doch
allenthalben über die Gefandten und das Gold des Mas
Fedonifchen Königs ); er weckte 'noch einmal in deu
ausgearteten Nachkommen der Kämpfer bey Marathoyn
und Plataa die faſt ganz erftorbene Liebe zur Freyheit,
und brachte faft ganz Griechenland wider deu Philipp
auf. Die Einwohner von Eubda und Achaja, die Kos
rinthier, Thebaner und Boͤotier, die Megarenfer , Leu⸗
Fadier und Korkyräer fandten neben beträchtlichen Sum»
men, und einer großen Menge tapferer Bürger, allein
zwey tauſend Reuter und fünfzehn tauſend gemierhere
Soldaten ***), und Demoſthenes rühmte daher nicht
ohne Grund von ſich, daß er Athen mit großen Flotten
und Heeren umgeben und befeſtigt habe f). Dieſer all⸗
gemeine Aufſtand ſezte den Philipp um deſto mehr in
Schrecken, da er ihm ganz unerwartet war, und er auch
ig einigen kleinen Treffen den kuͤrzern zog 77). Er bot
\ . daher
\ EWLATTEV & dogesev œuro, 8 MEoAeYay Ev Toss
Undiouacw, 20 ev To Davepw BBAsvoneves,
Sduno Toy OuKoDayrayray newonevos,
yearDas Devyay moapuvouav, 80 umeuduvös
av Bderı. u AamAas euros. deamorys, Mye-
av, xugios array. yo GO TEOE FETON ATi
TETEYMEVOS TWOS Kugios nv 5 &c, -
T)_p. 355.
+}) ib, 344.
F .
398 .. Mies Buch, Eiſtes Cabiten
daher ben vereinigten Griechen Frieden an, den aber
Demoſthenes wider den Nach des Phokion hinderte; es ı
fey nun, daß er vom Ölanze des Perfifchen Goldes ge
biendet war, oder daß er dem Muthe der nad Streit
ſich ſehnenden Sriechifchen Tugend zu vieltraute*), ode
dasß er eine baldige Zerftörung des wichtigen Bundes fo
vieler Oriechiſchen Staaten durch die tif} und Beftechum
gen Philipps fuͤrchtete *°). Auf das beftändige Zw |
‚ zeden dieſes Redgers noͤthigten endlich ‚die Griechen :
ipren Wiberfacher zu einem entfcheidenven Treffen bey
Cbberonaͤa, in welcher fie aber ihrer bewiefenen Zapfen
keit ungeachtet aufs Haupt gefchlagen wurden T). van
ee EHRE
| ‚ Plut. p. 724. in Dem.
865) Demolib, p. 344. Plut. ia Phocioa IV, B g819.
> Pholion, ber die Ueberlegengeit Philipps und frineg
geuͤbten Heers über die rohen Anführer, und zwar mus
thigen aber unerfahrnen Krieger der Griechiſchen Grass.
ven ——ãA — zum Örieden, ib,
das Herz, fagte einer von den mit der Zunge kahnen
Spykophanten zum Phoklon, den Achenienfern die Ka
fen zu entreißen, die fie ſchon in Händen haben 7 Sa,
antwortete biefer, ungeachtet ich weiß, daß, wenn
Krieg ift, ich über dich, und wenn Friede iR, du über
mich zu gebieten haſt. Lind als Demofthenes mır dem
Vorſchlage durchdrang, daß die Athenienſer fo weit, alg
möglich, von den Graͤnzen Ihrer Stadt mit den a;
Lpp ſchlagen müften, fagte er: Laßt uns, guter Freund,
nit darauf ſehen, wo wir fechten, ſondern mie wir
wollen. Nur der Sieg entfernt den Geind und
ben Krieg, und nach einer Niederlage ifk die Vefahr
immer zu nahe. ib, Man ſuchte den Demojipensg
durch Sötteriprliche des Apoll von dem Bath, eiy
Treffen zu liefern, abjubsingenz; allein er machte diefe
Drakehpräce dadurch verdachtig, daß es Yagıez Die
Ppythia philippifiee. Plut. P. 734.
$) Aeſch. Pı 295: adr. Ciefiph,
!
+
-
ber auch die Freyheit, die Macht und ber Ruhm von.
ganz Griechenland *). Die Nachricht bavon**) brachee
in allen Griechifchen Städten ein allgemeines Wehkia⸗
gen, und eine der Derzwenfelung nahe kommende Ders
wirrung hervor *). Die Arhenienfer glaubten (ich
nicht anders retten zu Fonnen, als wenn fie den Sclas’
ven bie Fteyheit, den Fremdlingen das Bürgerrecht,
and dem Unehrlichen ihre Ehre wieder fchenften }).
Diele der. angeſehenſten Bürder entflogen mit Ihren koſi⸗
barften Sachen, weil fie den erzuͤrnten Sieger an jedem
Eeſchichte don Ol. 98,2. bis Ol no, 3. 993
| biefr Schiacht fiel nicht nur Die bluͤhendſte Jugend, ſon⸗ |
⸗
Tage vor den Thoren erwarteten FF). .. Allen Philipp
begegnete. den Achenienfern, wahrſcheinlich aus Hoch⸗
achtung gegen die Thaten ihrer Vorfahren und den als
zen Ruhm ihrer Stadt, oder aus einer gewiffen Rück,
ſicht auf die Urtheile der Nachwelt, vielgätiger, ale man
“aus feinem bisherigen Betragen gegen überwundene -
Feinde, aus feinen bisherigen Gefinnungen gegen. als
on . I olf,
üö——
*) Juſt. IX, 3. Hie dies univerfao Gtaeciae & gloriam
dominationis & vetuſfiſſimam libertstem fnivie,
Mic den Leibern der Helden, die bey Cheronaͤa für ihr
Vaterland ftarden, fast Eyfurg adv. Leoer, p. 132,
wurde die Freyheit von ganz Griechenland begraben,
und ihr Ruhm iſt der legte Cranz, womit das Vater
land becraͤnzt worden iR,
we) Philipp machte 10000 ſchwerbewaffnete Krieger und
taufend Reuter zu Gefangenen, Demofth, p, 230, de
fall, leg. Die Arhenienfer allein verloren 1000 Todte
und 2000 Gefangene, Lyc. p. 192. & ap. Diod,
‚149.
a) on Ich die Beſchreibung bes Lykurg &, 197. 128,
ib
HN ‚Dies that eben der Leokrates, wider welchen Lykurg ſel⸗
ne Rede hielt. on
Zweyter Band, Pr
94... Adtes Bud. Erſtes Capitel.
Bolt, vnd aus ber Gefahr, worlun. fie ihn kurz vorher
geitärzt hatten," harte vermuthen fönnen *). Er er—
wies Benien „ Die in der Schlacht gefallen waren, die lezte
Ehre, tieß ihre Gebeine durch den Antipacer nad) Achen
bringen, damit fie in den Grabmälern ihrer Bärer bey
geſezt würden, gab die Öefangenen ohne thfegeld zuruͤck,
und beſchenkte die meiſten unter ihnen mir Kleidunge ſtoͤ—
cken ꝰ). Nichts deſtoweniger nahm er ihnen ihre Herr,
J R .. . " | . ſchafft
©) Der Eindruck, den der Sieg bey Cheronka,, der wichtis
ſte unter alleh, die er erfochten hatte, auf den Philip⸗
» machte , wird von verfchledenen Schrifrftellern auf ein
ganz entgegengeſezte Art beſchrieben. Man fehe IX. 4.
Juſt. Diod.:p, 149. und Blet.. IV, in Demofth, 725.
& Theop. ap. Athen. X. 10. p. 435. Die, Erzshlun:
gen ber beyden leztern Schriftfteller, vorzüglich bie
"des Plutarch, halte ich für die mahrfcheinlichke, meil
- fie am meiften mic dem Charakter Philipps üsereins
ſtimmen.
‚0 Ci V. ı0, Juſt. IX, 4. Erfterer glaubte, daß Phi:
Kipp die Arhenienfer aus angeborner Nilde fo gürig bes
handelt, und daß er überhaupt feine Feinde nur fo lan-
e verfolgt habe, bis es Gelegenheit erhalten, ‚Ihnen
eroeife feiner Sinade.und Großmuth zu geben. Allein
in biefem Bilde iſt Phil:pp ‚dis zur Unäbhnlichkeir ver:
“ fbönert. Der Mafedonifhe König gab gleich mad
der Schlacht bey Eheronda einen Beweis, daß
ſein Zorn nicht mit dee Niederlage und Demuͤthigung
des Feindes aufhoͤre, und daß er den Athenienſern
nicht blog als uͤberwundenen Feinden fo guͤtig begeg⸗
nete. Er verkaufte nicht nur die gefangenen Thebaner,
ſondern ließ ſich auch die Erlaubniß, die Leichname der
Er clagenen begraben zu dürfen, mit Gelde abbandeln,
Er befahl, die Häupter der Stadt, die das Volf gegen
ihn aufgewiegelt Hatten, Sinzurichten, oder ins Elend
gu verweilen, und ihre Güter auszuliefern. Endlich
führte er drey hundert Verwieſene zurüd, und deſtrUte
i zu Regierern der Stadt, von denen ſogleich alle ihre
Geinde aus dem Wege geſchafft oder verjagt wurden.
uſt. I, e. |
’
«
Vu Our ni —
4
— — — — — — .— De Et
— -
Geſchichte non DI. 98, 2. Bis Ol. 110, 3. 95
ſchafft zur See und uͤber die Inſeln, und mit dieſen
Den größten Theil ihrer Einkuͤnfte, und beugte fie zwar
für den gegenwärtigen Augenblick nicht fo tief, ale die
Spartaner gethan harten, aber mit einer fo ſchweren
Hand, daß die Stadt nie wieder zu ihrer vorigen Stärke
gelangen konnte, und ihr ganzes übriges Seben weiter
nichts , als eine mit jedem Jahrhunderte fich verſchlim⸗
mernde Entfräftung war *). Mach dem Siege bey
Cheronaͤa machte Philipp in Grlechenland, was er wollte;
er beſezte, plünderte und zerſtoͤrte Städte nad) feinem
Wohlgefallen, und ließ ſich zu einem Anführer aller
Grriiechiſchn Staaten wider Die Perfer erwaͤhlen “*). Er
hatte fchon die Zahl von Fußvelfern, Reutern und
Schiffen, welche eine jede Stadt zum Kriege wider die
- Barbaren hergeben follte, ausgefchrieben, und war eben
Im Begriffe nad) Afien 7), wohin er die größten unter
feinen Heerfuͤhrern vorausgeſchickt hatte, überzugehen,
als er an einem Feſte, an welchem er fich ſelbſt den Goͤt⸗
tern an die Seite fezen ließ, vor den Augen des ganzen
von ihm eingeladenen Sriechenlandes , als:ein Schlacht⸗
opfer der Freyheit, erwürgt wurde, und zwar durch die
Hand des Paufanias, eines Fühnen Juͤnglings, den At⸗
talus auf die ſchaͤndlichſte Art gemißhandele, und deffen
Rache Philipp nicht nur Immer aufgeichoben, fondern
auch verfpottet hatte FF). Auf dieje Arc mufte Philipp
feine Ruchlofigfeit mit demjentaen Theile bes ihm zuge⸗
dachten tebens buͤßen, der wahrfcheinlich noch. viel gläns
gender, old der zurückgelegte geworden wäre. (Er war
unſtreitig der größte Feldherr, der glüclichfte König,
Pp a aber“.
, . Angie SEE — — — nn — —
—8
2) Pauſ. I. e. 25. p. 59. Ed. Kuhnii.
**) Diod. ©. 150. ad Ol. 110. 4. Juſt. IX, 5.
+) ib. & Plug. IV, in Phoc, 320.
+}) ‚ib. & Diod, 151. Ol. CXI. x,
596 Achtes Buch. Erſtes Capitel.
aber and) einer der ſchlechteſten Menſchen feines Zeital
ters. Er vereinigte alle tafter und Unarten eines Bar
baren: viehifche Vollerey und Unzucht, bübifche Falſch
heit und Untreue, unergründliche Berfchmischeit, raͤnk
volle Verftellung, fürchterliche Graufamfeit, unerfär
liche Raubſucht, wuͤthende Tollkuͤhnheit, und unbedacht
ſame Verſchwendung, mit den Talenten eines großen
Mannes, und der Annehmlichkeiten eines feinen ausge
bildeten Öriechen.. Cine ſchmeichelnde tantfeeligfeie, ber
ablaffende Vertraulichkeit, gütige Theilnehmuna an den
Freuden und feiden feiner Freunde, Beredſamkeit, die
eined Achenienfifchen Deinagogen würdig geweſen waͤre,
Klugheit und Erfahrenheit eines großen Feldherrn, un
ermüdliche Thätigfeit, und die unruhigite in feiner klei⸗
nen Seele wohnende "Begierde, fein Volk groß zu ma
chen, konnten ihm feloft feine Feinde nicht abſprechen.
Demoſthenes fagte Daher eben fo wohr, als ſchoͤn von
ihm, daß er ſich fein Auge habe auswerfen , feine and
and Bein laͤhmen, und alle Theile feines Leibes, die das
Gluͤck von ihm gefordert, willig habe nehmen laffen, um
ſelbſt mic defto größerer Wuͤrde zu leben, und feinen
and feines Volks Damen in allen ändern berühmt zu
machen *). . So wie er durch feine after Griechenland
zu Grunde richtete **); fo erhob er durch feine Tugend
die
m GR
®) p. 322. de Corona,
#%), Man denke nur an die Verwuͤſtungen und rn
fo vieler großen Städte, an die ee afterangen
er beforderte, und an die Revolutionen, die er veran—
-- Faltete. Athen und Sparta ausgenommen wurden alle
Griechiſche Städte in Europa und Aflen entweder Tyı
vannen oder wenigen Dligarchifhen Despoten unter
worſen, die ihm ergeben waren. in Philip, IV. p. 53
de’Khodior, libertate p. 80. Denofh, Man jehe
auch noch Ifocr. ad Philip, }, p; 247, &1q.& D
' de falf, leg. 208, 316, BT Ye emodth. |
Geſchichte von Ol. 98,2. bis DL 110, 3. 597
Die verächtlichften unter allen Griechenland begraͤnzenden
Barbaren zur reichſten, tapferfien und mächtigfien Na⸗
tion des Erdbodens. Er fuͤhrte zuerſt die armen, in
Thierfelle gekleideten, und unter Thleren wohnenden
Makedonier, die mit kleinen Heerden auf den Gebirgen
herum zogen, im die Ebenen herab *), lehrte ſie großen,
Städte und prächtige Pallaͤſte bauen, und machte fie
zu Siegern über alle Voͤlker, denen fie bisher hatten Dies
nen muͤſſen. Durch die Bearbeitung feiner Goldberge \
soerfe, noch mehr aber durch die Eroberung von Thras
cien und der Griedyifchen Städte an der Seefüfte ver«
breitete er Handel und Reichthum unter feinen Unter⸗
thanen, zog Gewerbe, Handwerke, Kuͤnſte und Wiſ⸗
fenfchafften, in fein Reich, und machte Griechenland
gleichſam zu einem Anhange von Mafedoien, da dies
ſes vor ihm einer einzigen Stiechifchen Stadt zinsbar
gewefen war L). | en
Pp 3 Wenn
*) Alexand. sp. Arrlan. VII. 9. de Exped, Alex,
an) ib. Außer diefen Stellen findet man die Schilderungen
der guten Seiten und Thaten Philipps beym Diodor
XVI, gr. & 159. 155. Juſt. IX. 8. Bon feiner nahe
theiligen Seite aber mahlt Ihn keiner ſtaͤrker als Theo '
pomp beym Arhenäus IV. 19. VI.e.17. X. ıa SS
will nur einige Züge nachzeichnen. Phiſipp war fa
verſchwenderiſch, daß er bey allen den Reichthümern, :
die er aus feinen Bergwerken, und durch feine Erobe
rungen gewann, dennoch flets arın und verfchulder
"war. Er hinterließ nad feinem Tode nur einige gotde«
ne und filberne Gefäße, und nur 60 Talente baaren
Geldes, hingegen 500 Talente Schulden. Arrian. |. c.
Eben diefe Armuth ziwang ihn oft zu den niederträchtigs
ften Handlungen, ſelbſt zu Seeräußereyen. Ju. IX. 1
Er war nicht allein ſelbſt Verſchwender, fondern konnte .
auch Feine andere um ſich feiden, als die es gleichfalle -
waren. Theop, U, ce. Gerade aljo die liederlibſten
.. * on os ne;
1. 00m“ .
308° Ahtes Buch. Erſtes Capitel.
Worn aber auch gar fein Philipp gelebt, und bie
Griechiſchen Städte zerftört oder unterjocht, ober ihrer
Serrichafft beraubt haͤtte; fo würde doch Feine untet
. Ihnen, wenigftens Achen nicht, die doch die maͤchtlaſte
unter allen war, fich auf der Stuffe von Macht, Auf
klaͤrung und Reichthum, von welcher fie duch den Me
kedoniſchen König herabgeftürgt wurde, haben erhalten
| 7
«
Men'hen aus ganz Griechenland verſammleten ſich za
ihm, und waren ihm ſters willkommen, wenn fie nu
Laune und Munterkeit harten, welche Gaben er eben
fo ſehr als kriegeriſche Tugenden ſchaͤzte. Sein Sof ber
ftand aus achthundert Perfonen, die, wie Theopomp
! fagt, mehr befaßen, und in den febandlich tem Luien
Mi« mehr herdurch brachten, als zehntauſend ber
reichſten Griehen nicht beſaßen oder ausgaben. (ib.)
Bon Schwanken war er ein ſo großer Freund, daß er
ben Pickelheetingen in Athen, die einen ‚Orden von
fechzig Perſonen ausmachten, und fib im Tempel des
ules und anderswo verfammieren, ein Talent
ſchickte, um ihre Einfälle zu erhalten. XIV. p. 614
Athen. Kr war alle Tage betrunken, und alsdann
ſcheute er ſich nicht zu tanzen, und andere nicht nur
eines Köni1s, fondern auch eines.gemeinen Kriegers
unmwurdige Ausfch velfungen zu begehen. Laßt uns
trinken, rief er feinen Sreunden au X. zo. denn es if
"genug, daß Antipater nüchtern ifl._ Gegen diefen fels
nen Freund und Keerführer ha're er fo große Achtung,
dan er einft, als Antiparer ihn befuchte, in der Angſt
Würfel und alle übrige Spielgerärhe unter das Bette
warf, um von ihm nicht berroffen zu werden. X. ı0. |
Seine Beqleiter dienten und brauchten ſich unter einan«
der ale Beyinläferinnen und Liebhaber, und in feinem |
Heere wurden ftets fchöne Knaben, wie in dem Gefol-
ge morgenländifcher Könige Haufen von Weibern und
Kebsweibern , ‚herumgeführt. Auch Däilipp und feine
Krieger find Ben piele, daB Tapferkeit mit der größten
+
Olttenverderbniß beſtehen Eonne.
⸗
4
Geſchichte von OL 98, 2, bis Ol. no 3. 899
kbnnen. Sowohl die Dtaatsverfaſſung, als das Bolt
ſelbſt war in allen Staͤnden, Geſchlechtern und Altern
fo fuͤrchterlich verdorben, daß nichts anders als gänzs
liche Vernichtung übrig zu ſeyn ſchien. Die Höchfte Bes
walt und alle Vorrechte derfeiben lagen In den Händen
eines: liederlichen, niederträchtigen *) und unwiſſenden
Möbels, der den öffentlichen Schaz, feine Mitbuͤrger
und die Bundesgenoflen beraubte, und immer gewann,
er mochte rathſchlagen, oder richten, oder ſich ergoͤzen,
oder in ven Wettkaͤmpfen und Schauſpielen tangen, oder
endlich fiegen und laufen **). Dieſes Räuberleben flögee
ihm überwindliche Trägheir ein. Daher fam es, Daß
eben der Poͤbel, der auf den Theatern i in goldenen Klei⸗
been prangte, an öffentlichen Hlaͤzen in den efendeiten
Lumpen einherging, And zu Hauſe im Elende der aller⸗
tiefſten Armuth ſchmachtete H. ¶ Ein ſolcher Haufe von
Nichtswuͤrdigen wurde zu ſehr von- dee laſt ſeines eigenen
Elendes niedergedruͤckt, als daß er warmer Vaterlands⸗
liebe, oder ‚großer Entwürfe und-Unternehrmungeo fähig
gewefen wäre; und er befümmerte fich alſo auch weni»
ger um die Wohlfart oder den Flor des Staats, als
wie er fein tägliches Brodt und einige Obolen gewinnen,
und die Derfaflung erhalten. möchte, . obme welche er
nothwendig hätte verhungern müflen F}).- Die taiter
und das Elend der Armen zog die Verdorbenfeit und
das Unplüc der Reichen Br To unvermeiblic)
»4 nad)
*) ariñ. de civ. VL. 3. 698. &e.:4.P.716, \
%) e, 5. p. 575. de.Rep. Athen. Xen,
9 — de Pror. c. Liſoer. I. 338. & 453. in’ ‚Areopa-
wi 434. * de Pace.
4) Her. 554. Kon. de Rep. Athen, «,].p. 572 p.
* Sea Ian, Philip; 1, Pr 54. de Rep, ne p. 68.
U}
—
nach ſich . Sie muften ſich nicht nur auf dem Theo
600 Alcchtes Buch. Erſtes Capitel.
ter öffentlich. mißhandeln laffen.*"), ſondern auch den
verworfenften Bettlern ſchmeicheln, ihnen aus denn We⸗
gehen, oder ihre Size eimdüumen F)5 und bey allen dieſee
Aufopferungen waren ſie noch gezwungen, ihr Verm⸗
gen zum Vergnuͤgen oder Nuzen des Volls mie de |
größten Bereitwilligfeit herzugeben, weil ber geringe :
Schein von Sparfamfeit als‘ Raub und Diebflai ae .
ahndet wurde FF). . Kein Wunder alfo, wenn viele
Reiche ihr Dermögen verbargen, und nicht fo brauchten,
als fie es fonft zu ihrem und ihrer Mitbürger Borrhe |
a „ fen '
. . —X —
= ww; ‘ * ‘ u +
nn nn ——
w Dies fagen Iſokrates de Pace und Xenophon Symp. !
‚6 4. P. 457. 458. Als Ich noch reich war, fagt Char⸗
mides beym leztern, mufte ich im Namen der Stadt
unauf hoͤrlich Aufwand maden, und durfte nicht eins
mal ausreiſen, wenn ich wollte. Jejo bin ich vor fol
chen .Bumuthungen:ficher, und kanñ gehen, waun ih
will: VBormals daohte und ſchimpfte mich ein jeder,
‚ ber. nur Luft ‚hatte ;- jezo bedrohe und beſchimpfe ich
andere. Sonſt war ih ein clan von andern, und
mufte zu ihrer Unterhaltung Tribut bezahlen, jezo lebe
ich als ein Herr, und laffe mid) vom Staate ernähren.
Vormals Ürte ich immer entweder durch die Stade, oder
durch Gluͤck Schaden, jezo fuͤrchte ich nicht allein
u * zu verlieren, ſondern ich hoffe vielmehr etwag iu
‚. ewbenien.
am II. de Rep. Athen. Xch, p. 585.
.„.DXen he p.as8sSs. DEE
+7) Xen. de Rep. Athen. I. p. 570. 71. Inp, OÖeconem,
c. 2. p. 229. Iſoer. }, 434 de Pace... Wir:boch ich
der Aufwand belief, den bie beguͤterten Athenienfet
e . machen muſten, und die. enge, dee Gelegenheiten,
bey welchen fie dazu gezwungen wurden, babe ich in
03 meäner- Abhanahıng. ve Puyıs: der Athe ienfer in
4 erg erkwuͤrdigen Deyſqiele aus dem Lyſtac ge⸗
it gt. tus 2.3
S
Geſchichte vor DI. 98, &.58 Okimo, 3. 6
len gebraucht gärten; ‚wenn fie. ihe Geld entweder gar
nicht, odermicht anders, als auf ungeheure Zinfen aus
liegen, theils aus Furcht, daß man Ihnen defto mehr
Laſten aufbärden möchte, am meilten aber, weil
mon ben zeichen Gläubigern gegen - einen elen⸗
den Bettler kein Recht ſprach; der leztere mochte
ſich ſo buͤndig verſchreiben oder verbuͤrgt haben, als
er immer wolle *). Ungeachtet durch dieſe Bedruͤ⸗
ckungen, Betriebſamkeit, Handel, Gewerbe und Cre⸗
dic fielen, und das Elend der Armen nur noch größer
wurde **); fo trieb man fie doch noch weiter: Man bes
raubte die Reichen, in der Stadt ſowohl, als auf den
Inſeln oft auf einmal, ohne die geringfie Verſchuldung,
ihres Bermögens, ihres Vaterlandes, oder ihres Lebens,
wenn feine andere Quellen vorhanden waren, den hun⸗
grigen Pobel zu unterhalten, und ihm ven Lohn auszu⸗
zahlen, den er für feine Gegenwart in öffentlichen Bers .
fammlungen, oder für feine richterlichen Gefchäffte,.
oder für die Size bey den Schaufpielen erhielt 7). ‘Der
Poͤbel und feine Schmeichler fahen, wie Iſokrates fagt,
das Dermögen der Reichen, als ein Eigenthum des
Staats, und biefes wiederum, als ihre feigene Guͤ⸗
ser an IT). Alle Würden des Staats ſtanden ‚nicht
Pp5 nur
. ®) Hocr. 1. 387. 928. in Areop.
iĩ
}) Xen. de Rep. Ath. I. p. 575. 577. Plet. de rep, VIII,
313. Ed. Moſſ. Ifocr. de Pace I. p. 425.
4} 3. 259. Panath. Auch Ariftoreles fiehe mie Recht die
große Menge von Bettlern in Demokratiſchen DBerfafk
ſungen, und den Lohn, den fie für ihre Sefchäffte in
Gerichten, und für ihre Gegenwart in Volksverfamm« ' ”
lungen erhalten, als die Urſache der Erpreffungen, die
2 an den Reichen ausgeußt werden, und diefe wiederum
\ als
N
603 Achtes Buch. Erfted Capikel.
nur einem jeden ohne Ruͤckficht auf Verdienſt unb Ver⸗
mögen offen, ſondern wurden auch faſt alle durchs Loos
beſezt, Diejenigen ausgenommen, zu deren Führung ger
toiffe Kennteniffe und Geſchicklichkeiten unümgänglih .
örfordert wurden, oder die mit großem Aufwande ven '
bunden waren °). Durch diefe Einrichtung bemaͤchtigte
fich der Poͤbel aller einträglichen Ehrenftellen ⸗), vie
alſo auch immer mit eben fo unwiflenden und unerfahr
nen, als feilen und beftechlichen Menſchen beſezt waren,
vorlche ihre Würden als Gelegenheiten anfahen , fich zu
bereichern, und ihre ganze Aufmerffamfeit darauf richte
ten, von ihren Vorfahren uneröffnete und ungenuste
Quellen des Gewinnftes zu entdecken }). Selbſt ſolche
Wuͤrden aber, die mehr ehrenvoll,, als einträglich wa⸗
ren, und die, wie bie Feldherrn⸗ und Anführer » Stellen,
nicht durche Loos, fondern durch Wabl befegr wur
ben FF), vergab man nicht an den Wuͤrdigſten, ſondern
| an
J
als die Urſache des Untergangs ſolcher Republiken an.
VI. 5. p. 726 28. de Civ. Ed, Heinſil. Alle Geider
aber, die man durch folde Gewaltthaͤtigkeiten zuſam⸗
menbringe, um den trägen Pöbel zu unterhalten, feyen
weiter nichts, als Wafler in durchloͤcherte Gefaͤ⸗
- pe geſchuͤttet. Denn eben bie Bebärfniffe , die man
dadurch für einen Augenblick befriedige, entflünden glei
nachher von neuem wieder.
©) Ifoer. Arcop. I. 322. Als Zeichen der Ochlokratie gibe
auch bier Ariſtoteles wieder an. VI. 2. p. 699.
, To wAnparas even Tas aoxas, n Facas,
00 un EUTELIOS Öeovros was TEXvas. To um
ATO TIMNAEETOS Ey Tas WR, n° Te
xeoræœrs.
e) de Athen. l.p. 7.
: }) lſoer.
. tt) Aen. i 7 ®
!
‘
*
Geſchichte don Ol. 98, 2 Bid Ol. no, 3. 663
: an den, ber am meiſten bafuͤr bezahlte *); eine Folge
dieſer Schändlichkeit war, daß Peitechungen von ben»
— — — wu — m >
berlen Art, ſowohl diejenige, wodurch man andere ver.
darb, als wodurch man felbft verdorben wurde, fo of
fenbar, und fo allgemein wurden, daß fühne Boͤſewich⸗
tee fie felbft eingeftanden **), daß man, wenn man dier
felben auch entdeckte, ſie entweder gar nicht ahndete,
und nur mit einem lauten muthwilligen lachen aufnahm,
oder daß man ſie hoͤchſtens mit einigen Drachmen, oder
Minen beſtrafte, da bie Geſeze einen jeden Beſtecher,
und Beſtochenen zum Tode, oder doch zum Verluſte
feiner Ehre, oder auch zur zehnfachen Erſezung verur⸗
teilten. Ungeachtet die meiften Aemter mit Dienfchen
aus dem Poͤbel befest wurden; fo fchränfte man doch
aus einer der Volkstyranney, wie allen übrigen Tyrons
niſchen Regierungsformen eigenrhämlichen Furcht und
Eiferfucht die Zeit und den Umfang der Mache von
⸗
Magiſtratsperſonen fo viel als moͤglich ein®**), erlaubte es
nur felten, daß dieſelbige Perſon dieſelbigen Aemter mehr»
malen bekleidete f), und riß allmaͤlich die wichtigſten,
oft aber auch die unbedeutendſten Angelegenheiten, be⸗
ſonders diejenigen, die Öffentliche Ergoͤzungen zum Ges
genftande hatten an ſich ID. Hieraus entſtanden zu
erſt
*) de Pace ı, 386. 387. Iſoer.
. ©) Wie Timarch p. 186. Acfch,
es) ariſt. VI. 2.deCiv.p. 699. To —E—— Tas
REXaS, n Macs m omas EVÖEKETOU. m EX
de undewuv undevos, 9 073 oAsyısav, n Tom
| peyYISov KUPIav.
P) ib. To un dis Tor ur ex undeunev, » *
oAsyanıs n oAsyas,
+}) Xen, de rep. Athen. e. 3. p. 587-589. mo fer ein
Verzeichniß der Geſchaͤffte gibt ‚ deren Entfcheidung
oder Durchſich man allmaͤlich dors ganze Vole gezogen
hatte.
— —⸗ — —
1
604 - Achtes Buch, Erſtes Capitel.
erſt Verwirrung, Anhaͤufung und bangſamkeit in Ge
ſchaͤſften“), dann Beſtechungen des Volks und des ra
gierenden Raths, wenn man gewiſſe Sachen abgethan
haben wollte, und endlich die Nothwendigkeit, öfter
Bolfsverfommlungen zu halten, durch weiche ber Pöbe
immer möffiger, und der Staat, der ihn feine Muͤhe
bezahlen mufte, immer mehr und mehr erſchoͤrft wur |
de **). Demoſthenes wirft es den Athenienſern in vie
len feiner Reden vor, daß fie durch ihre Langſamfeit und ;
Nachlaͤſſigkeit in Entfchliegungen ſtets die glücklichen
Augenblide und tagen der Dinge vorüber gehen lie
Gen %**): daß fie das einzige Volk waͤren, welches im⸗
mer erft mach gefchehenen Sachen rathſchlagte F), und
daß fie furchtbar und hizig in ihren Verſammlungen,
aber feige und Falt in der Ausführung ihrer Entwuͤrfe
fogen 77): lauter unverbefferliche Mängel eines Staats,
in welchem der unerfahrne, und von feinen Demagogen
nach entgegengefejten Richtungen hingerriebene Pöbel al:
les entfchied, und die Ausführung feiner Entſchluͤſſe eben
fo unerfahrnen, oft beftochenen Männern aufrrug: in
welchem die weiſeſten und rechtſchaffenſten Bürger mit
verrächerifchen Schmeichleen zu kämpfen, und wenn
fie Diefe auch Äberwanden , und das Volk auf ihre Sei
te brachten, dennoch die Berlaumdungen por Sy |
phanten, und falfche Anklagen wegen verberblicher Ans
ſchlaͤge
—— —— — ne
®) Ib. & Iſoer. 1.324. Sogar, ſagt der leztere, in Re⸗
ligionsſachen. Bald unterließ man Opfer gauz, |
und bald brachte man auf einmal drey hundert Ochſen
dar,
Xen. L. e. & Ariſt. VI. 5. p. 726. de Cir.
*2*) In Philip. 1. p. 19.
?) De psce p. 21.
f}) De Cherſoneſo p. 97. 38.
En We .
*
%
Geſchichte von DI: 98, = bis Ol. uo, 3. 605
Schläge zu fürchten hatten *). Selbſt das Anfehen des
regierenden Raths, der meiftens aus dem Pöbel erwaͤhlt
wurde, und unter aflen hohen Eollegien am melſten des
mefratifch gefinnt war, wurde beträchtlich gefchmälert,
Man nahm nicht nur,. wider Solons Verordnungen,
Geſeze und Entwürfe an, die dem Senat nicht waren
vorgelegt worden, fondern man unterfuchte von’ neuent
auch folche Sachen, bie er fehon enefchieden hatte, am
nur deſto dfter Gelegenheit zu erhalten, ſich zu verſamm⸗
len, und einige Obolen zu verdienen **). Um aller
meiften aber verloren in den legten Zeiten der Dchlofratie
Diejenigen Collegio, bie nad) den Abfichten ihrer Urhe⸗
ber wider ein unumſchraͤnktes Volksregiment errichtet
waren. Die Areopagem und Archonten wurden faft
ganz überfläffig und unwirkſam, nachvem ‚ver Pöbel
Die erftern ihrer höchften Aufficht über die Sitten, und
beyde des gröften Theils ihrer alten Gerichtsbarkeit bes
raubt hatte N So wie die Aufhebung des Sitten⸗
richteramts- felbft eine Wirkung der. Berdorbenheit der
Staatöverfaffung gewefen war; fo wurde fie wiederum
die Urſache der hoͤchſten Ausgelaſſenheit, und einer gaͤnz⸗
lichen
U [U |
(ne GEBE SEHERSERFEREERE
®, Demofth. p. Corona p. 346. u >
9 Xenoph. 1 3, de rep. Athen. Demolth. VI. e, 2. p.
99. “Nur allein die Größe des Reiche, und der ere
ftaunfiche Reichthum von Privatperſonen, die den Poͤ⸗
© Bel fo ernaͤhrten, wie er ſich in Athen vom Staate ers _
nähren ließ, waren in Nom die Urfaen, daß man _
weder dem Poͤbel fir feine Gegenwart in Volksver⸗
ſammlungen oder für oͤffentliche Luſtbarkeiten Geld reich⸗
te, noch den Richtern und andern Magiftraisperfonen
Lohn und Beſoldungen gab. |
4) Ifoer, 1. 329. Areop. und Arift, VE. 2. p. 699. als eine.
der unterfeheivenften Merkmale der Ochlokratie nennt Arts
ftoteles dieſes To dinalesv MAVTRS NM ER TAYTRV
na TER TAT.
N
606 Achtes Buch. Erſtes Capitel.
Ulſchen Vermiſchung und Gleichheit aller Staͤnde, Se
ſchlechter und Alter in Athen *%). Söhne und Vaͤter,
Weiber und Männer, Junge und Alte, Sclaven un
Freye, Buͤrger und Fremdlinge, Bornehme und Serin
ge hatten und maßten fich alle gleiche Vorrechte an **).
Manche Sclaven gingen viel ſtolzer und prächtiger ge
kleidet einher, als arme Bürger, und es war eben fü
wenig erlaubt, den Sclaven eines andern zu zuͤchtigen,
als einen freyen Achenienfer zu fchlagen ***),
Der Poͤbel, noch nicht damit zufrieden, fich rei
he Bundesgenoffen, und alle Magittrarsperfonen unter:
worfen zu haben, unterjochte zulegt die Geſeze felbft, das
mit er gar feine Herren mehr über ſich härte }). Er
ſezte feine Freyheit darinn, zu hun, was er wolle f}),
and hielt Ausgelaffenheit für Deinofrarie, Geſezloſigkeit
für: Freyheit, unbändige Unverfchämtheit in Worten
und Reden für Sregmüchigfeis, und die Erlaubniß, ale
les zu chun, was ihm beliebte, für die hoͤchſte Gluͤckſee⸗
| lige
, “ J
— ——— — ———————äö»— GEBR
5) Iſoer. 1. e. p. 335. Xen, de Rep, Athen, I, p. 573. 74.
Plat. de Rep. Vill, p. 206. Ariſt. de eivit. VL c. 4,
. 717.
ee) jb,
\ war) Xen. 1. e. Die ollgemeine Sittenverberbniß der Athe⸗
/ nienſer in den vier lezten Ölympiaden vor der Schlacht
bey Eheronda habe ich in meiner Abhandlung uͤber dem
Burus der Arhenienfer geſchildert.
4) Pkat. p. 208. de Rep. VIII. TeAsvrovrer yap 78
‚009° ori ade Twr vonwv Deovrilacı, Yeypap-
nevor 1 gyeaDwv, iva dq undaum undeıs auras
| y deamorns. |
+) Ari, VI. e. 2.698. — To y os Beier vis.
T8Tro Yal Tas EAEUJEGIES eeyov ewu Daaı,
RER TE daru ovTos, To lv un ms Baisten.
N u ni
[4
.»
Geſchichte von DI.98,2,.5i8 Ol. 110,3. 693
ligkeit ). Sein Wille war das hoͤchſte Geſez „und ſel⸗
ne Schiuͤſſe galten mehr als die älteften und heiligffen .
Saqungen **),. Weiler gleich einem unartigen Kinde
Häufig in den Bolföverfommlungen billigte, was er vorher.
geradelt hatte, und auch gleich wieder verwarf, fa bald,
er nach Haufe gegangen war "?*); 10 wurden feine Öe-
ſeze, oder die für Geſeze geltende Schlüffe auch eben ſo
wider ſprechend, ala feine ploͤzlich entſtehenden und wieder.
verſchwindenden Einfälle zu. verfchiedenen Zeiten wa⸗
zent). Fuͤr dieſe Bemerkung kann man kein auffallen,
Derer Bepspiel anführen, als die Geſeze über die Aus:
eüftung von Kriegejchiffen, welche den: reichften Bür-
gern aufgedrungen wurden. Denn bald waren vierhun⸗
dere f), batdzwälf hundert dazu beſtimmt F}}), die nd⸗
thigen Rriegöfchiffe zu bemannen, und in tegelferrigen
Stand a bu ars und bald muften zwo, bald vier, bald
. , on. zehn,
4) Iſoer. I. 321. Plat. VIII. 200. 202.
“4) ib. & Ariſi. VI. 2. p. 699. Try enxAnasav zugıcca
ts navrav. & Demoflh. contra Leptinem
m loan, ‘de Pace 3. p. 387. Euragos aroı de Av-
Yoy x MERYURTRV OVTES, BTWS akoyız vs
onpev, Me TER TOy EUTOy THE UTnS Nuegacg
Tnv ennänascev voeldnvers, KOTWYOSSMEV , TUT
awveAfovres Xesgorovsper.. —
Jaramores, Tos evrauds \WrQic9ecw,
eredær —A — — FOAMM ERITIURMEV.
4) Uner. 1. 255. in Panath. & Demofth. l. e,, contra
Lep
+}) Kennph, de Rep. Athen. c. 3 p. 589.
m Nee —XXX Demoftb. r 2 & 9 .& pro
Corona. 337. 328.
—
8 Tauta Ynworouev. a av HE, mov es“
FA
770
608 Acchies Buch. Erſtes Capitkel.
sehn, bald ſechszehn Perſonen ein Krliegsſchiff ausroͤ—
Nen“). Untet dieſen widerſprechenden Deſezen waren
manthe, von denen man kaum hätte glauben ſollen, daß
fie in einem Narrenhauſe hörten ausgebruͤtet, ad aufı
genominen werden koͤnnen. Bon’ biefer "Art war dad
Geſez des Eubiiſus, nach welchem es bey Todesftraft
unterſagt wurde, das Geld, was dem Pöbelzu Opfern,
zu’ Brod, und'zur Bezahlung der Size inden Schau
jplelen'gegeben wurde, zu’ andern Abſichten, namentlich
A— Mina BA
zur $öhnung von Kriegern anzuwenden *”), Nicht we⸗
nigee unvernuͤnftig war ein anderes Geſez, vermoͤge
deſſen. Perſonen von ganz ungleichem Vermoͤgen gezwun⸗
gen wurden, ‘zur Ausruͤſtung von Kriegöfchiffen einen
gteichen Beytrag zu liefern. Durch died Geſez wuͤrden
die mittelmaͤßig begäterten Bärger und die Seemacht
der Athenienſer gänzlich za Grunde gerichtet worden ſeyn,
wenn Demofthenes es nicht abgefchafft, und eim weis
feres an deffen Stelle gegeben härte 1).
j - Saft
U]
m.
—TTT N
#) Demofth, contra Mid, p. 406. & Ulp. ad hune locu
#%) Demofth. p. II. in Philip. HI, Petit, Leg, Att, p. 385.
& Meutf. Led. Att. V.ı2. Bug
4) Pro Corona p: 328. Demoftheries "beftinme nämlich
zehn Talente als dasjenige Vermögen, von we
man gehalten fen follte, ein Kriessſchiff auszuräften,
und verordnete, daß unter ben zwölfhundert Trierar«
chen diejenigen , die mehr oder weniger befaßen, in ebew
dent Verbalniffe mehr oder weniger beytragen ſollten,
{in weldyem ihre Güter über oder unter dieſer Summe
wären. Nicht viel bee als die angefuhrren Geſeze
+ waren die WEL RYTI0OTEwS , ungeachtet fie zur Er»
lefchterung derer gegeben waren, bie durch ihre Beyttär
ge zu den Bedurfniſſen des Staats zu ſehr erſchoͤpft
wären. Man ſehe den Demofipenes, oder wer ſenſt
der Verfaſſer dieſer Rede ift, adverſ. Phaenip. p. 053⸗
658. & ex hoc Petit, Leg, Att. p. 281, ach *
n
Geſchichte von DL.’98, 2. bis DI. 110,3. 609
Ä Faſt noch verberblicher, als bie Geſezioſigkeit des
Poͤbels, war die unumſchraͤnkte Gerichtsbarkeit, welche
ſich derſelbe allmaͤlich anmaßßte. Er zog nicht nur alle
Streitigkeiten der Bundesgenoſſen nach Athen hin, ſon⸗
dern brachte auch alte Sachen, die vor andern Tribus.
‚nälen waren anhängig gemacht worben, vor bie zahlrei⸗
‚chen Serichte, die aus feinem Mittel befezt wurden, era
laubte weniaftens Appellationen an die legtern, und ente
fchied fogar den Grund oder Ungrumd mancher. Klagen
in Öffentlichen Volksverſammlungen *), Durch dieſe
. un⸗
fen Geſezen konnte ein jeder Trierarch oder Aufuͤhrer
eines Chors (Xen, e.7. Decon.) von ber Laſt, die er
. teagen mufte, frey werden, fo Bald er einen andern
Reichern an feiner Strelle zu. nennen wuſte. Wenn als⸗
dann der angegebene fäugnere, daß fein Vermögen
größer, als das feines Angebers ſey; fo Eonnte diefes
—* zwingen, Ihre beyderſeitigen Gitter (die Antheile
in den Silberbergwerken allein ausgenommen) gegen
einander auszu auſchen. Ließ der Angegebene ſich diem
fen Tauſch gefallen; fo aaben die Geſeze dem andern
‚das Recht, die Güter des von ihm vorgefchlagenen am
. demfelbigen Tage: zır verfiegeln, und beyde muften bins
nen drey Tagen ein vollitändiges Verzeichniß aller ihrer
beweglichen und unbeweglichen Hiabe angeben umb
beſchwoͤren. Alle diefe Geſeze vereitzlte man durd
mehrerley Betruͤgereyen und Nänke, wie man aus: der
- angeführten Rede ſieht. Man brach die Siegel von
‚ den Aellern, Boden und Schränken weg, und ſchlepp⸗
te fort, was man wollte; aud gab:man eine Menge
von Schulden an, die man nicht Harte. Aus eben dies
fer Rede ©. 656. erhellt, daß oft die reichften Leute
Mittel fanden, ſich allen Abgaben zu entziehen, und '
es abzuwenden, daß fie nicht in die Zahl ber Trierar⸗
hen gefegt wurden.
. %) Xen. de Rep. Athen. I. p. 575.- Aefch. contra Ti.
march, p. 182. Demofth, cont. Midiam p. 383. Plut,
IV, 716. in Demofibene, s ji
Zweyter Band. Qq
nn en und
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|
er } nn — —
610. Achres Buch. Erſtes Capitel.
unbegraͤnzte und allen alten Geſezen widerſprechend
richterliche Gewalt, welche ber Poͤbel ſich zueignere,
würde er Heer über das leben, die Ehre, und das Ei
genthum der Neichen und Bundesgenoſſen, zwang beyde
in zu ſchmeicheln, und fich vor ihm zu demuͤthigen
und veraufaßte eine unfägliche Menge falfeher Anlagen. .
Er ſchaͤzte die nieberrrächtigften Sykophanten als fein .
Wohlthaͤter und Beſchuͤzer, weil fie die Meichen un
Bundesgenoſſen, bald als Freunde der ©partaner, un -
Bald. als Goͤnner · der Diigarchie anflagten, und eben ds
durch deſto mehr Bertlern ihren Richterlohn gumwand |
ten *). Dies große Unfehen mißbrauchten die Syk⸗
Fhanten dazu, von Unfchufdigen wie von Schuldign
große Summen herauszupreffen, weil der untabelhafte -
fte Wandel nicht gegen die äußerften Strafen ſchuͤzte **), |
Die heifamen Geſeze, nach weichen falfche Anklaͤger,
die niche den fünften Theil von Steinchen für ſich hat⸗
ten, oder die eine angebrachte Anklage finfen liefen,
am taufend Drachmen beftraft wurden }), fonnten bie
Angeber nicht abjchredten , weil diefe Geſeze oft nic
bollftrecft wurden, und weil Sykophanten eben fo oft
über Unfchuldige fiegten, als diefe freugefprochen wur:
den.
“ Weil die Athenienſer von ihrer Kindheit daran ger
wohnt wurden, und fogar eine Ehre darinn fuchten,
ihre Dbern und Borgefezten zu verachten; fo würden
Mangel von. Zucht und Gehorfam fie zum Kriege un
tuͤchtig gemacht haben, wenn fie auch noch fo viel Srän
| kt
#) Xen. Mem. Soer. I 9. Lyfiss p. 148. Iloe
J ee⸗ Avridoceus N. p. 385. 387. inp, *.. 15.
7) Demofth, adv, Theoer. p. 508. * In der Rebe pro co
rona p. 328. gibt er nur 500 Drachmen an.
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—— — — Me EEE | ER 1m > ME >» en GE EL 22
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Geſchichte von DL. 98,2. bis Ol. no, 3. 6u
ke und Tapferkeit beſeſſen Härten). Die gemeinen
Soldaten vernachläffigeen nicht bloß die Befehle ihrer
Anführer und nahmen andere Glieder und Pläze ein,
als ihnen angewiefen worden waren; fonderu verließen
—* ihre aͤger und Heere, ohne daß die Feldherren
fie deßwegen zur Rechenſchafft ziehen konnten **). Die⸗
ſem ihrem Ungehorſam kam nichts, als ihre Weichlich⸗
keit und Feigheit gleich; denn ſo furchtbar ſie unſchul⸗
digen Mitbuͤrgern und in oͤffentlichen Verſammlungen
waren; ſo kleinmuͤthig und veroͤchtlich waren ſie, wenn
fie gegen den Feind ziehen ſollten ***). Ungeachtet ver
Mbel für fich die prächtigften Gymnaſien hatte erbauen
Saffen 7); fo vernachläffigten doch die Achenienfer alle
geibesäbungen gänzlich, und fuchten es fogar zubindern, _
daß auch nicht die Vornehmern ſich auf kriegerifche Ue⸗
Bungen legten, damit fie von biefer ihrer Stärfe und
Geſchicklichkeit nichts zu fürchten hätten ff). Sowohl
Mangel von Patriotismus, al6 von Uebungen und Ab»
bärtung hielt fie ab, gleich ihren Borfahren für ihr Bar
gerland zu fechten; und eben diefe phufifche Ausartung
wor die Urſache der fonft unbefannten und unnatuͤr⸗
lichen Erfcheinung, daß Heere, die aus gemietheten
Fremdlingen beftanden, Heeren von Buͤrgern vorgezo⸗
gen wurden fff). Die Athenienſer harten nicht einmal
Das Herz, den Feinden gleich außer den Thoren ihrer
Stadt entgegen zu gehen; und wenn fie es wagten, fo
thaten jie es in Gefellfchaffte von Barbaren, von Phrys
giern, indiern, Syrern und andern, die allemal den
Dge größten
*) Xen. Memorab, Soer. III. 5. p. 152. 153,
“sy ib, & Plut. in Phoc, IV. 313. 334. 37.
#8*) p. 37. 38. Demofih. de Cherfonefo,
7) Xen, de Rep. Athen. c. 2. p. 532.
+}) Xen. Il. 5. * de Rep. Athen, I. e. p. 574.
+t}) Jafon. ap. Ken, Hellen, VI, c, 1. p. 357.
l
4
612°" Achtes Buch. Erſtes Eapitel,
groͤßten Theil igrer Heere ausmachten ). Meiſtens
waren die ſchwerbewoffneten Krieger Auslaͤnder, und
nur zu Ruder ˖und Bootsknechten wurden Buͤrger aus
“ eben dem Pöbelgebraucht, der alleubrige Griechen miß⸗
handelte, oder ſie zu beherrſchen werth zu jeyn glaubte **)
Pen viefer Uinfähigfeit und Abneigung gegen den Krieg,
brauchte Demoſthenes afle feine Feinheit und Behutſam⸗
feit, um die Arhenienfer nicht durch den Vorfchlag zu
empören, daß fie doc) zu zweykauſend Mann Fußvolf,
und zwenhundert Neutern, ein Viertheil aus ihrem
Mirtel hergeren möchten}. An einem andern Drte
ſpottet diet Redner der Beſcheidenheit, womit die Athe⸗
nienſer alle ihre Siege der Klugheit und Tapferkeit h⸗
rer Feldherren zuſchrieben, und ſich von dem Gluͤck ih⸗
rev- Waffen nichts zueigneten, ſo wie ſie auch wirklich
keinen Theil daran hätten ff). Die große Zahl von
Mierhlingen, denen die Urhenienfer die Bercheidigung
ihrer Herrſchafft und ihrer Stadt Übergaben, waren
felbft die Wirfung unheilbarer Zerruͤttungen, und wur
den auch gleich wieder eine der Haupturfachen des Unter⸗ |
ganges der Sriechtichen Staaten, "und der Entvoͤlke⸗
sung von Öriechenland, Mie viele Städte muften nicht
durch Empörungen, oder auch durch feindliche Gewalt
umgeworfen werben, bevor in einem tänbchen, wie Gries
chenland war, das fehon fo viele Jahre durch die harmä»
digften Kriege gelitten hatte, eine fo große Zahl von hers
umziehenden Flüchtlingen entſtand, daß es leichter war,
a EZ _ Ä e
— u
*) de Prov. c. 2, Xen, p, 597. & iſoer. de Pace 1;
p. 398.
*#) Ifocr. de Pace I, p. 385. Noch zu der Väter Zelten
harte das Gegentheil Statt gefunden, db, & Thuc. L
c. 121. 0
) P. 17. in Philip, I,
tt) De rep, ordinanda, p, 70,
\
-
6}
Geſchichte von DI. 98, 2 bis Of no, 3. 613
| Heere aus ihnen als aus anſaͤſſigen Buͤrgern zu errich⸗
ten *), und daß eben dieſe Flüchtlinge den Griechen füs
wohl, als Barbaren, furchtbar werden. konnten **),
Diefe Ebentheurer hatten weder Vaterland, noch unbe⸗
wegliche Guͤter, und nur fehr felten Samilien ; oder wenn
fie vergleichen batten.,. ſo fcheuten fie fich nicht, ihre
Weiher und Kinder an einem Orte zu verlaſſen, und
an einem andern neue wieder zu nehmen, und wieder zu.
zeugen ꝰ). ihre Dienfte verfauften fie an den Meiſt⸗ |
bietenden, und fie gingen alfo gleich zum Feinde über,
gegen den man fie. gedungen hatte, wenn. fje won ihm
mehr zu erhalten hofften T). Sie übten allenchalben
unter Sreunden und Feinden die größten Gewaltthaͤtigkei⸗
ten aus, und zwangen. diejenigen, die fie unterhielten,
und namentlich die Arhenienfer. zu: gleichen Ungerechtigs
feiten gegen. bie Bundesgenoffen, um nur den. Berräs
thern und gemeinjchaffelichen Feinden aller Griechiſchen
Staaten. ihren Sold. reichen zu koͤnuen }f),. Wir. find,
243 © ru⸗
— —
*) Iſoer. d Phil, L 278.
"*) ib; p. 292. Daß der Redner nichts uͤbertreibt, erhellt
ſowohl aus den großen Heeren, welche die Phoeenſer
fo. viele. Jahre Anterhieken, als aug den ehen fo großen,
Armeen, welde.der König won Perfien, und afle dies
jenigen, die von ihm abfielen, aus diefen Nichtswär⸗
digen errichteten. Man lefe das- ganze fetszchn:e
Buch des Diedor, bef: &. 26. Imp. Cyrop. in Sue.
Es iſt bekannt, daß aͤhnliche Bauden yon Raͤubern
und Miethlingen im Jaten und den folgenden Jahr—
hunderten in Italien, Frankreich und Deutſchland her⸗
umzogen.
uxn) * II. 522. Aeginet. inp. bp. 363. 364. de Pace
+) ib. & Demoſth. adv. Timoer, P- 446: ‚452. Plut, in
-.Pelop. Il, 378.
+) Hocr. 1. c.
614 Mhtes Buch. Erſtes Copitd,
rufen Iſoerates *) und Demoſthenes **) aus, fo tie
. unter. unſre Borfahren herabgefunfen, dag wir, inte
äußerften Dürfcigkeit , die lesten Nefte des Vermoͤgens
der Stadt fomohl, als der Bundesgenoffen an elende
tandftreicher verichwenden, und uns wohl gar freuen,
wenn wir boren, daß fie die mit uns verbundenen Bil
fer beraubt haben’, anftatt dag unjere Bärer in ben Zei
ten der höchften Macht, da die ganze Burg mit Geh
und Silber angefüllt war, nicht nur ihre Stadt, jon
dern auch die Bundesgenoffen mit Ihrem eigenen Blut
und Leben vertheidigten }). oo. |
MNicht aber bloß der Pöbel und die Magiftrarspen
‚ fonen, die aus dem Pöbel genommen wurden, fonderm
auch Heerführer und Medner oder Demagogen , Die man
ganz allein durch freye Wahl aus dem beffern- Theile ver
- Bürger aushob, waren im höchften Grade verdorben,
ben einzigen Phokion und Lykurg ausgenommen. Seit
der Wiedergewinnung der SHerrfchafft zur See bis kur;
vor der Schlacht ben Cheronaͤa zeichneten fich unter den
Arhenienfern mehrere Feloherren , vorzüglich Iphikrates,
Timotheus, Chabrias und Ehares, aus, bie wie es
feheine, einen großern Eriegerifchen Ruhm als Phofion
| | ei
—59) 1L. e. |
- 8) p, 71. de rep. ord. 0
) Als Beweiſe und Wirkungen der Verdorbenheit des
"Wolfs und des Poͤbels kann man auch diefe anführen,
daß fie ſowohl das Buͤrgerrecht, als die ehrenerllen
Belohnungen großer Verbienfte, Eronen, Gratin,
nf. w. an Unmürdige verfhwendeten. Demofib, de
rep. ord. p. 20. adv. Arifiocr. p. 437. contra Eube
Hdem p. 543. Aefch, contra Cteliphontem p. 280.
300. 301. und daß feine Treue und Glauben mehr im |
Volte, und weder Tide noch Verträge heilig waren.
Acfch, in Tim, p. 186. Iſoer. ręnureg. I, p.466.
- J
Geſchichte von Ol. 98, 2. Bid DI. no, 3. "615
erhielten. Unter allen diefen Heerführern war aber,
wenn man den Photon ausnimmt, feiner, den man
mit den ältern Helden der Athenienfer, ober auch nur
mit dem Ageſilaus, Epaminondas, und Pelopidas vers
gleichen fünnte, Ihre groͤſten Verdienſte beitanden dar⸗
inn, daß ſie ihrs Krieger zu einer außerordentlichen Fer⸗
tigkeit in allen Arten von Waffenuͤbungen gewohnten,
ober den Feind durch irgend eine neue unerwartete Wen»
dung überrafchten *). Selbſt die Erfindungen , die dem
Iphikrates fo viel Ruhm bradıten, waren vielmehr Deka
fchlimmerungen als Berbefferungen der Krieasfungt, und
suverläffige Beweiſe ber abnehmenden Stärke, Tapfer⸗
Feit, und Eriegeriichen Erziehung unter den Griechen "”).
Er machte nämlich die Schilde und Panzer Fleiner und
leichter, und die Degen und Spieße länger , als fie vors
ber waren, und verwandelte Dadurch das ſchwerbewaff⸗
nete Fußvolk in leichte Truppeh, die dem Phalanx
Mofedonier nicht widerftehen fonnten. Sowohl Iphi⸗
Frates, als bieubrigen Feldherren Diefes Zeitalters, (den⸗
jenigen ausgenommen, den ich vorher ſchon von dem
Übrigen abgefondert habe,) liebten alle ihre Derpnügen
mehr, als ihre Baterland, und mieden deswegen Athen,
fo viel fie nur konnten, um ihre Luͤſte defto ungeſtoͤrter
Dg 4 bes
®) Corn. Nep. in Iphicrate. .
“) ib. Auf eine ähnliche Are ſank die Kriegskunft. unter
den Römern. Vegetius de Re Milit. ı. 20. AB ur-
be enim condita ulque.sd tempus D. Grarlani, & ea-
tsphractis & galeis muniebatur pedefiris exercitus,
Sed’ cum campefiris exercitatio interveniente neglis
gentia, defidiaque ceflaret, gravia videri arnıs soe.
perunt, quae raro utique melıtes induebant. Itsque
ab imperatore poflulant, prime cataphradter, deinde
caflüdes deponere. &c,
4
-
66 Mihtes Buch. Erſtes Capitel.
befriedigen zu koͤnnen *). Iphikrates lebte meiftens i
Thraeien, Timotheus in tesbos, Chares in Sigeum
und Chabrias in andern Staͤdten?“). Wenn dieſe Kri⸗
ger von ven Athenienſern ausgeſandt wurden, fo Dad:
sen fte weniger Daran , ‚wie fie dein Seinde fhader: , a“
wie ſie fich- auf Unkoſten der Puntesgenoffen bereichen
wollten *). Go build alfo die leztern hörten, Daß die
Athentenjer einen ihrer Feldherrn zu irgend einer Lärter:
nehmung ernannt batten, fo verſchloſſen fie ihre Haͤfen
und Thore, und brachten ihre Weiber und Kinder, if
ze Sciaven und ihre Heerten in Sicherheit, als werm|
fie den Ueberfall von dem gefährtichften Feinde zus bw
färchten gehabt hatten """*). Die Raubfucht dieſer Heer
führer und der unbezaͤhmten Schoaren, mit denen fe
umgeben waren, war ben vereinigten Städten fo ſchreck⸗
lich, daß fie Heber einen Feind, von dem fie waren he
lagert worden, ats Huͤlfsvolker von ben Achenieniern
aufnahmen 7). Doch machten fie fich diefe Mäuber
gerne mit großen Summen geneigt, damit fie nur nicht
‚ihren Handel gerfiören, und ihre Schiffe plündern und
wegnehmen möchten T}).. Kein Wunder olfo, wenn
Die meiften wegen ihrer Erpreffungen in Athen angeklagt,
und als ungerechte Bedruͤcker verurteilt wurden FIT).
Den
») Athen. XIL 8. 532 p. Corn. Nep. in Chabrise vita,
ce, % “ -
rn jh, |
8 Demoſth. de Rep. ordinanda. p. 68. & Diod. XV. &
XVI. p. 78. 98. 107. 186. Plut. IV. 406. in Phec.
ss.s) Plut. IV. 313. 317.
‚$) 1. 254. Iſoer. Panathen. |
+4) Demofih. de Cherfonef. p. 38. Ä
. +44) &o Dinar) eohtra Philoclem p. 87. Ed. Hanor..
1619. 8. vom. Timorheis. Cornelius Nepos erzählt
an:
Geſchichte von Ol. 98, 2. Big dr 10,3. 617
Den Feldherren vollkommen aͤhnlich, und des Poͤ⸗
bels, den fie leiteten, vollkommen wuͤrdig, waren bie
zehn Redner die. in ven legten Zeiten der Freyheit jaͤhr⸗
lich, als Fuͤhrer und Raͤthgeber des Volks erwaͤhlt wur⸗
den, und wenn fie redeten, eine Drachme empfingen *).
Dieſe Gewohnheit, jährlich zehn Sprecher des Volks
zu wählen, fleige weber bis zum Solon, noch in alte
Zeiten. hinauf, wie ber gelehrte, aber unkritiſche Ger
ſchichtſchreiber der Athenienſiſchen Geſezgebung glaube :
te *); ſondern entftand gewiß erft nach dem Frieden
Des Antalfivas, aber por dem Ende des Krieges mit _
den Bundesgencfien. Mehrere alte Schriftſteller reden
von der Trennung der Perfonen des Feldherrn und Med»
ners, die nochim Perikles, Nikias, Alfibiades, Thra⸗
ſibulus und andern vereinigt waren, als von einer neuen
Erſcheinung, und als einem zuverlaͤſſigen Merkmale des
Verfalls des Staats fomohl, als der Nichtswürdigkeit
der neuern Demagogen 2 um Plutarch ſagt daher
vom Phokion, daß er wider die Gewohnheit ſeiner Zeit⸗
genoſſen, die Kuͤnſte und Kenntniffe des Redners und
Reloheren In fich zu verbinden gefucht habe +). Auch
die Geſeze alfo über die Medner, die man im Dinarch Tf)
Das und
I > GE GE
anders, aber wie faft immer unrichtig. ce. 3. in Ti.
motheo. Aus diefer Stelle finder man aber doch, daß
die Arhentenfer damals, wie zu Sokrates Zeiten Feld⸗
herren erwaͤhlten, die nicht die geringften Erfahrungen
und Kenntniſſe hatten. Memorsh, Soer. 1. 5
p. 154.
©) Petit. Leg. Att. 259. feq.
©, Auch Aeſchines 274. contra Etef. nennt unrecht ben Ss
lon den Lirheber der Geſeze über die Redner.
©) Iſoct. 1. 389. in Pace & Ari, de Civ, c.5.
+) IV, p. 306. in Phor. ..
#1 Adv. Nemoſth. p. 105.
u . |
68 Achtes Buch, Erftes Eapitel.
und Aeſchines findet *), waren, wie die Wuͤrde ſelbſt
nen, würden aber doch vielleicht einen Theil dieſer ſchaͤd
lichen Einrichtung verbeffert haben, wenn fie nur genau #
wären beobachtet worden. Dieſen Gefezen zufolge fol
ten die Öffentlichen Redner verheirathet feyn, und unde |
wegliche Güter in Artifa befigen. Keiner follce zur Epn
eines Demogogen fommen, ber feine Eltern gemißhan:
delt, oder verftoßen, oder der dem Vaterlande die fchul
digen Rriegsdienfte verfagt,, oder der feinen Schild weg
. geworfen, der envlich fein väterliches Erbe herburch ge
bracht, und feine Unſchuld preis gegeben, ober Die Un ;
ſchuid anderer gefchändet hätte *). Wenn jemand ei⸗
‚nen Redner folcher Berbrechen und tafter fchulbig wuſte;
fo hatte er das Recht ihn zu belangen, und. auf fein
Abfezung zu dringen ***). Andere Geſeze gaben fogar
dein regierenden Rath die Macht, einen Bolfsredner,
aber nur bis auf funfzig Drachmen, zu firafen, wenn
er zweymal von derfelbiger Sache zu denfelbigen Perſo⸗
nen geredet, ober jemanden faͤlſchlich angeflage, oder
ſich ſonſt ungebuͤhrlich aufgeführt hatte 7). Der Pöbel
übertrat aber ſelbſt zuerſt alle dieſe Geſeze, und verdarb
ſeine Redner, damit er von ihnen wieder verdorben wuͤr⸗
de th. Weil der große Haufe eben fo wenig, als alle
übrige Tyrannen, unangenehme Wahrheiten‘ hören,
‘oder. Widerforucd) und Gegenjaz gegen feine böfen Ent»
würfe und Begierden erfahren mochte; fo wählte er als
fein oder größtenrheils nur folche zu feinen NRachgebern,
von welchen er weder das eine, noch das andere zu bes
fuͤrch⸗
U end
°) Adv. Timarch. p. 174. 175.
®°) Script, eit.
&0#) ib,
+) ib. ’
++) Mocr. I. 362. 63. 67. de Pace Demofth. p. 39. de
Cherfonef, & p. 49. in Philipp. IH,
s
' 4
\ .
Geſchichte von DI. 08,2. bis Ol. no 3. 619
fürchten harte. Die Bermaltung ber öffentlichen Ge⸗
fchäffte war daher in den Händen der nichtswuͤrdigſten
Dienfchen, denen feiner feine häuslichen Angelegenheiten
würde anvertraut haben. Man zog wahnfinnige, uns
mäßige, und verjchweiderifche Menfchen, klugen, nuͤch⸗
ternen , und gegen den Staat frensebigen Perfonenvor,
weil man die erfteren für größere Sreunde der Demofrar
tie hielt *). Da die Demagogen wuften, daß der
Poͤbel alle diejenigen vom Rednerſtuhle herabwärfe,
die fich feinen Abſichten widerſezten, oder ihm frey⸗
müchig tadelten; fo ſchmeichelten ſie feiner Eitel⸗
Felt, und feinen verwöhnten Ohren, wie den Oh⸗
ren eines verzärtelten Kindes, rierhen nicht - das
Beſte, fondern das, wovon fie wuſten, daß es ihren
Zuhörern am angenehmften jeyn würde, verflagten Reiche
und Vornehme, um den Raub mir den Richtern zu theis
fen, und reizten zum Kriege an, wenn fiewuften, daß
das Volk Freunde und Feinde geplündert wünjchte **).
Ungeachtet fie aber die ſchaͤndlichſten Schmeichler, und
die
„I
®) ocr. p. 367. 389. |
°%, Plat. de Rep. 210. 212. Gorg. 324. Hoer. ]. e.
379 p. & 425. 26. Die einzigen, bie diefes nicht
‚tharen, waren Phokion und Demoſthenes, und lezte⸗
ser fagte daher, daB die Achenieufer es ibm Dank
wiſſen muͤſten, daß er fie gewohnt habe, die Wahrheit
‚zu hören. p. 69. da rep, ord. Die Namen der Des
magogen in ben legten funfjig Jahren vor der Schlacht
ben Cheronaͤa finder man ap. Pfeudn Plut. in vitie _
Rbetuorum, ap. Dinarch. p. 97. Iſoer. F 398. Plat.
IV. 698. in Vit. Demoſth. & 740. & in Vie. Phoc. IV.
205. 339 347. 353. In den leztern Stellen findet
man Schilderungen des ruchlofeften unter allen, des Des
meas. Die Urrheile des Dionys ven Halikarnaß über
die Griechifchen Redner führe Ich nicht einmal an, da
ich voraus ſeze, daß fie einem-jeden bekaunt find.
! \ "
620 Achtes Buch. Erſtes Capitel.
die. Schaven aller Einfälle und Launen des Poͤbels wa
ren ;' ſo hatten fie dod) auch wieder das Gluͤck von Günk
lingen: fie beherrfchten nämlich ten Poͤbel, ver Para
und Bergnügungen von ihnen erhielt und erwartet,
unumfchränft, behandelten ihn oft wie einen kindiſche
oder blodfinnigen Alten , und ließen ihn beſchließen ode
verwerfen, was fie befchloffen oder verworfen haben woll
ten *). Die Redner tödteren daher oder verjagten und
beraubten, gleich Tnranıfen, wen fie wollten **), un
thaten die wichtlaften Gefchäffte für fich ab, weßwegen
auch Könige und Staaten fich nicht mehr an dag Bolt, :
fondern an deffen Führer wandten **Y), Beſtechungen
waren unter ihnen fo gemein, daß nur Phofion und ir
Furg allein unäberwindlich gegen Geichenfe, und rein
von ungechterworbenem Gure blieben ****). Krieg wor
für fie Friede, und Friede Krieg, und ihr Eigennuz war
alfo mit dem allgemeinen "Beten in einem beftändigen
Streite, . in welchem aber das leztere nicht anders als
verlieren Eonnte 7). Sie ließen fich von den Feldherren
beftechen, um ſie zu begünftigen, oder um ihnen nur
niche zu fehaden }}), und zwangen die vornehmften unter
Bürgern und Bundesgenoflen, fie mit Gefchenfen zu
“ überhäufen, damit fie ihre Namen nur nicht dem Poͤbel
verdächtig machen möchten Tf}). Durch fülche Erprefi
fun
en RR
EEE nn
U U ni
®) Demoſth. p. 71. de rep. ord. & Ackch, contra Ctef.
pP. 309.
us) Platin Gorg. p. 310. IT.
une) jb, & Aslch. | e,
ane*), Ifocr. 1, 379 & 423. de Pace Demoßih. p. 458. adr.
TFimarch. p. 458.
+) Philippi Mared. Regis Epifl, inter Demofih, op. p. 64.
77) Chares ließ deßwegen auf allen feinen Kriegszuͤgen
- große Summen für die Demagogen gurüd,
HH ib. Man fehe das Beyſpiel des Harpalus beym Plu⸗
tarch IV. 331. in Phocione,
. Gefhichte von DI. 98, 2. bis Ol. no,3. Bar . -
fungen,. bie nicht weniger ungefegmäßig, als die det
Feldherren waren, brachten die Redner in kurzer Zeit
große Reichthuͤmer zuſammen *), führten von dieſen
Reichthuͤmern Patläfte auf, welche die Tempel der Goͤt⸗
‚tee on Pracht uͤbertrafen, verſchwendeten fie, voie die -
Feldherren, an Bupleririnen; Foftbare Kleider, Geraͤthe
und Salben,’ vder an ſchoͤne und funftreidye Knechte,
‚oder an üppige Gaſtmaͤler, deren Genuß und Beſiz fie
für die höchfte menfchliche Gluͤckſeeligkeit hielten **),
Wenn man dies von mie entworfene Gemaͤlde der
Sitten und Staatöverfaffung der Achenienfer gelefen
bat; fo fieht man bald ein, daß in einer fo gänzlich vers
Dorbenen Stadt, wo alles fi) unter einander verzehrte,
Freyheit, Handel, Gewerbe, Wohlſtand, Künfte und
Wiſſenſchafften unmöglich noch lange fo fortbluͤhen konn⸗
ten, wie ſie bisher gebluͤhet hatten.
—
4
©) Iſoer. I, 423. de Pace Demofth. p. 458. adv, Arift,
=) Die Zeugniffe zu diefen Bemerkungen findet man it
meiner Abhandlung über den Lurus des Athenienſer.
Lemgo 1788.86: |
Achtes Bud),
Zweytes Eapitel,
Von den Schülern des Sokrates, den Platr
| ausgenommen, |
m
J.
Zenophon. .
ch die Sophiften, noch mehr aber‘ durch den
*Sokrates, hatte Die Philoſophie fo tiefe Wur⸗
zeln gefaßt, daß fie weder durch Die ungerechte Hinrich⸗
‚tung des leztern, noch durch die fürchterliche Sittenver⸗
derbniß und Entfräftung bes Achenienfifchen Volks, noch)
auch durch drohende Volfsſchluͤſſe *) auf: einmal Fonnte
ausgerottet werben. Es zeigte fich hier, wie in unzaͤh⸗
ligen andern Fällen, daß der mienfchliche Geift, menn
er einmal einen flarfen Stoß einpfangen hat, gleich bes
wegten Cörpern, noch eine ganze Zeitlang fortlaufe,
wenn gleich Die bewegende Kraft. lange zu wirfen aufge
hört Hat. Alle Wiſſenſchafften dauerten noch mehrere
Ä Men
o) Einige Sqriftſteller erzaͤhlen, daß man die Weltweiſen
nach dem Tode des Sokrates aus Athen vertrieben he
&e. AL. Diog. 106. f. |
" Bon!den Schuͤlern des Sofrated. 623 —
Menſchenalter in Athen fort, und wurden noch immer
erweitert, ungeachtet fie viel mehr Hinderniſſe, als Auf⸗
munterungen fanden. Selbſt die Zöplinge der Schu
Ien , die Euflides in Megara , und Phaͤdon in Elis ſtif⸗
teten, kehrten wieder nach Achen zurück, gleich ald wenn
die Philoſophie eine dem Actifchen Boden eigenthuͤmliche
Brucht gewefen wäre, die in feinem andern Erdreiche
hätte fortkommen fönnen. Ä
Sokrates hatte Zuhörer aus allen Ständen und
aus allen Gegenden von Öriechenland, von deren größten? -
Theile voahrfcheintich nicht einmal die Namen erhalten
worden find *). Unter diefen feinen Freunden begnuͤg⸗
ten fich die meiften damit, vie lehren ihres Meifters. -
durch ihr feben aus zudruͤcken, andere trugen fie auch in
Schriften oder Reden vor, oder wurden wenigftens
Durch den Unterricht des Sgkrates in Stand geſezt, an⸗
Dere wieder zu lehren. Dieſe leztere theilten fich wieder
in viele fehr ungleiche Bamilien ab: einige blieben den
Orundfäzen des Sokrates getreu: andere übertrieben
oder verfälichten fie: und noch andere verdarben oder
verließen fie gänzlich **). | |
Unter den Schülern des Sokrates, die nicht von
feiner tehre wichen, hatte feiner eine größere und ie
u eele,
!
(EEE GE GEBE
RER ä ⏑—
/
@) Die übrig gebliebenen Namen findet man beym Xmo⸗
phon Memor. Soer. l.e 2. p. 10 & as. ec. 4. p. 43.
IV. 1 & 8 «, Plat, Apol. p. 9. 13. & Phaed. p. 29,
. &ap. Diög. lib, II, imp. 8. 121. & Ki
en) De orat. Cie. III. ı6. Nam cum plures orti effent
! fere a Socrate, quod ex illis variis & diverfis, & ia
omnem partem diffufis diſputationibus alivus aliud
' apprehenderat, profeminstae funt quafi famillse dif.
fentientes inter fe, & multum disjundae, & dispe-
rer, quum tamen oune« fe philofophi $osratiel &
diel velleut & eſſe atbitratentur. ..
624 | Achtes Buch. Zweytes Capitel.
Seele, und feiner wär ihm in Anſehung der Sprache,
der Gemuͤthsart, und aller Tugenden und Schwachher
ten fo ähnlich, als Kenophon vor Athen, Dieſer vor
treffliche Mann hatte ſchon den größten und ſchoͤnſten
heil feines Lebens im vertrauten Llingange nıit den Eu
krates, und in einer glücklichen, aber ruhinlofen Muße
verlebt, als er zuerft Gelegenheit erhielt, feine vom So
Frates gebildAen außerordentlichen Kräfte und die in der
Stille bisher .geäbten Tugenden auf einem glaͤnzenderen
Schaupfage wirfen zu laffen, als auf welchem damals
irgend ein anderer Grlechijcher Weltweijer und Feldherr
bandelfe*), Prorenus, ein vornehmer Thebanifiher
Stüchtling und alter Saftfreund des. Renophon, bat ihn,
nach Sardes zu kommen, weil er ign mit dem jüngern Aus
rus, dem Bruder bes damaligen Königs von Perfien,
und Gouverneur von ganz Borderafien, als einen Mann
befanne machen wolle, deffen Freundfchafft ihm cheurer,
ale fein Vaterland fey **). Zenopkon folgte der Eins
lodung feines Freundes auf den Rath des Delphiichen
Apoll, an den ihn Sokrates gewiefen hatte, und trat
auch wirklich im Gefolge, und als ein Freund des Kyrus
‚ mit diefem jungen Helden den Zug in's innere Afien an,
ohne zu wiffen, daß er gegen den König der Perjer ftreis
ten ſollte f). Dies erfuhr er nicht eher, als die übris
| " gen
—
52. ®) Xenophon wurde Ol. 82, 3. geboren, ging ohngefaͤht
im funfjigften Jahre zum Kyrus nach Aſien, Ol. 94, 4.
und ſtarb Dl. 105, 1. vid, Hutchiof. Vit. Xen,
.1.4. |
ur) Faber, III. j.
>
+) Als Zenophon den Brief des Prorenus erhaften Harte,
und den Sokrates fragte, was er thun follte, wies die
fee ihn am den Gott zu Delphi, weil es ihm bedenklich
ſchien, zu einem fo erklärten Freunde der Lakedämonier,
als Kyrus war, zu reifen. Kenophon erfundigee ih
aber
Bon den Schulem des Gofratet. Gas
gen Griechen, ba fie ſchon in Eitieien angekommen, and
es viel ſicherer war, dem Kyrus zu folgen, als u *
der feinen Willen zu verlaſſen *). ach dem
dleſes edlen Perſers, und der menchelmbrberifchen Se
richtung der vornehmften Anführer und Hauptleute des
Griechiſchen Heers, melche bie Perfer unter den heilig⸗
ſten Berheurungen in ihr fager gelockt und getoͤdtet hat
‚ten, fanden fich die Mitſtreiter des Kyrus in ber ver⸗
zweyfeltſten kage, worinn fich jemals ein Heer gefunden ,
: hat. &ie waren nicht nur in einem feindlichen fande,
und mit zaßflofen Feinden umringt, fonbern auch one -
Anführer und Wegweiſer, ohne Lebensmittel, und Neuss '
teren, die ihnen das Nothwendige hätte verfihaffen und
den Seind verfolgen fönnen, und was bas fuͤrchterlichſte
wär, mehr ats zehn tauſend Stadien von ihren Vater⸗
ftädten entferne, von denen fie Durch viele reißende und
tiefe Stroͤme, durch faft unerfleigliche Berge, durch
bdeuhnen unbefannte tänder, und ducch eine Menge
wilder Voͤlkerſchafften getrennt waren, die mit allem .
übrigen Menſchen in einem beftändigen Kriege waren,
und für ihre Härten und Nahrung, wie für ihr sehen
kaͤmpften. Durch die Vorſtellungen aller biefer Gefah⸗
zen, und durch die Sehnſucht nach ihren Eitern oder
Weibern und Kindern und väterlichen Wohnungen, wa⸗
‚sen die Griechen, die kurz vorher unter dem Kyrus die
‚Perjer beſiegt hatten, ‚fo gänzlich niebergeflagen f *
"aber nicht, ob es — ihn ſey, nad Aſten zu zie⸗
hen oder zu Haufe zu bleiben, ſondern wie er um beſten
Syeus di binfommen inne: hen * ihn
Pop wie ER Mir Einer elnne Dffens
nn „Peruisfeis erzäble Le,
Ziwepter Band... Me
u Bu ”
\
626 Bond, es Ce
fer meine oßne ihre Waſſen und Kifung ,
as genoſſen, oder Feuer angezändet, ober —
—S einzein —7 Datcen
nd mit dem kommenden Tage ihren Tob entweder: vor
Bunget ober von dem Schwerdte der Feinde erwarte:
R,
lummer ber Ver
t, und im V ⏑ fo vd
de doch die Hauptleute feines ermordeten Freuudes zu
ſammen, und flößte anfangs nur biefen, und Bade
duch dem übrigen Heere aufrichtende Soffoungen eine
—** Ruͤckkehr nach Griechenland ein. Er ware
vor den verraͤtheriſchen Anerbletungen der Perſer,
und ſchlug 7 die —— * bie fie —*
Stelle zu faſſen haͤtten ie
Tapferkeit entgingen die Griechen — 32* 5*5
(in ungen ber eben fo felgen, als weihliihen Perfer, un
legten aud alle ‚are Feinde, unter — der
Hunger unſtreitig der egugn war.
pbhons Vorſicht vermieden fie die Beruͤckungen Ba Di U
herſacher, und bereiteten denen, bie ihnen nachſtellten
. Sollen, worinn fie gefangen wurden, Jenophon wat
inmer der erfte, wenn gefährliche Högen und Släffe u
pieigen und durchzuſchwunmen, oder Feinde
n unb abzuhalten waren. Ja Gefahren ober Dean⸗
uni er die im mit
en oder Vermoͤgen, terts bie
I
ih,
Von ben Schalern des Sokrates. 6
auf, ſtrafte die Ungehorſamen uib Raubſacheigen, un
ſtaͤrkte die Muthloſen und Ermattenden durch das Bey⸗
(piel feiner Standhaftigkeit *). Oft hielt er die wuͤthen⸗
it ke von ten und Un⸗
⸗
um nar wieder aach Kaufe zu kommen 1). Wegen die⸗
fer großen Verdienſte nannten und verehrten ihn bie
Sowaten als Ihren Baer und Wohlchäter,, und waͤhl⸗
sen ihn zu Ihrem oberſten Anführer, weſche Stelle er
aber ſtandhaft ausfchlug, um nicht fi und feiner Va⸗
terſtadt ben Haß der Spartaner zuzuziehen 17). Michts
deſioweniger mufte Renophon mehrmalen ſowohl mic dem
Meide anderer Hauptleute, als der ploͤzlichen Wuth ber ges
meinen Krieger kaͤmpfen, die alle nur gehotchten, ſo
lange Feinde und Gefahr da waren, und hingegen In
den Zeiten der Sicherheit auch die heilſamſte und noth⸗
swendigfte Strenge ihrer Fuͤhrer mic dem Tode zu ſtrafen
| Ara geneigt
99 Anab IV. 4. p. 214. Einſtens wurde das tiq
bdeſchneit, daß viele Soldaten Maͤhe Kern Audi
dem Schnee herauszuarbeiten. Hierauf ſtand Zeno⸗
phon nackt auf, und fing an, ohne alle
‚Bol pı bauen, ums ſich zu erwärmen, und den:
gen Muth zu machen. Wan fehe ferner Lib, V. Cap.
ult. p. 315. 819.
I AR ne Cleoais Epik, ds eonlerv. a Zenoph,
er) VIL6&7.p.431.450:51. . -
De J 4536.
VL. 937. Vi ..
- (hi Felbgerrifcher Weisheit hielt, und wie wiel De
mitten in der Gefahr, mit einer zehnmal groͤßern Armer
das andere in bie Worte ansbrach: O die zehu Saufen
628. Achtes Buch. Zweytes Capitel.
geneigt waren *). Wenn man dieſe Schwierigkelt =
zu den übrigen hinzudenkt, fo beaucht man Beine
der Kriegskunſt zu ſeyn, um einzufehen, warum
im ganzen Alterthum den Ruͤckzug der Griechen bon
Ufern bes Tigris und Euphrat fir das größte Meiſter
wunberung in der Autzeufung des Antonius lag, de
won ben Parshern erſchlagen gu werben, einmal übe
Griechen .
» Die Verrärheren eines Wahrſagers, bem Kens
phon fid) andertraut hatte, zerflörte den eblen Vorſa,
den er gefaßt hatte, ber Gründer einer neuen Stadt
am ſchwarzen Deere, und der Beglüder und Geſege
ber von Menfchen zu werden, deren Ertetter und Heer,
führer er bisher geweſen war »). Allein weder dieſe
ch andere Berbindungen Fonnten ihm das Zutrauen
des Heers rauben. (Er führte es daher, um Ihm noch
tim nahe bevorſtehenden Winter Unterhalt zu verfchaffen,
zum Seuthes, damaligen Könige von Thracien, wel
chem er fein värerliches Reich wieder eroberte und erwer
certe; and hierauf übergab er ed dem Thimbro, und zu
legt dem Ageitlaus, ber: durch ſeinen Unterricht und
Denfpiel die Tugend und Kriegsfunft üben lernte }).
Daurch die Veguͤnſtigung bei Spartaner ſowohl, als
ber ihm ergebenen Hauptleute, erhielt Kenophon einen
fa berrächtlidyen Theil der zulezt In Phrygien gemachten
Be? 0b er ie u fü Sega In, fen
H I. .& V. e. p. gig |
“a, V. 6. P- 293. & faq. de |
t) auabaſ. in fine, Cloer. de orat. UI, 34. RL vu
Von dar Cchlteen des Bolätd. 6)
4 . . ‚ . a
‚‚ auch andern moßlegan-Tonnte *), Ohngefoͤhr um dieſe
s Zeit aber vwerwiefen ihn die Achenienſer wogen feiner ge⸗
. ne. Berbindung mit dem Kyrus, und nachher.mig
; dein Spastanifchen Feldern Er biieb alſo aben fu
lange in Aſien, als Ageſilans, und joa. mit biefem Kiy
nige nach Koronea, wo die Thebaner Ähermunben tus
"den", Bald nachher lieg Tenophon ſich in Sitllluc
j einem Beinen Staͤdchen, niener, welches. die kafedämeb .
nier ohngefaͤhr zwanzig Stadien von Diympia erbaut
harten. Hier kaufte er von demjenigen Theile der Beute,
welchen er der Diana gelobt hatte, beträchtliche baͤnde⸗
reyen, erbaute bes Goͤttinn einen Tempei, der dem
: Epheflichen ähnlich war, und feierte ihr zu Ehren ein
Jährliche Feſt, zu welchem alle Einwohner des Stade,
und auch wiele Fremdlinge eingeladen wurben F). ... Er
mufte aber zulezt diefen feinen geliebten Aufenthalt ver -
loffen, unb gegen Korinch vertauſchen, weil Gifillus
bon den Eliern überfallen und faſt gaͤnzlich zerfiorc.
wurbe.
Xenonhon glaubte zwar nicht, mia Sofnates, daß
er von einem Daͤmon begleitet werde; allein er gab hoch,
eben wie fein tehrer-, auf bie Offenbarungen des Willeus
der Goͤtter in Träumen, oder in andern Zeichen, wie
Tiefen, am.meiften aber in den Eingewelden ber Opfer.
tbiere, Acht. der Auslegungber leztern glaubte cr
ſich ſelbſt nicht unerfahren, und ex ließ Daher feine wich,
tigſten Entfchließungen ſtets auf die Ausſpruͤche der Goͤt⸗
ter durch die Eingeweide von heiligen Önferthteren anı
| Kr 0°. kom
BE — —
) Xenoph. ]. e. p. 462. -
V. 3. . 270. BE
Due ) Be F
4
638°. Mitch Mach. Bisepteb Eapiet;
founnen *). Man finder aber in allen feinen SSchriffte
wenig, als im teben des Sokrates ein einziges ‘Ber
(piel, daß dieſer Aberglaube ihn von etwas Gurn
. abgehalten, ober. zu böfen oder shörichten Unternebmus
gen veriekter Härte. Die Warnungen der Soͤrter, f
wie ex fie wohrnahm, ſtimmten, gleich den Eingeb
gen des Sokratiſchen Dämons, ſtets mic den Entfche
Yungen der gefunden Vernunft überein"). Ä
So wie Zenophon in dem kurzen Abſchnitt feine
öfftigen Lebens mehr Menfchen durch wirklich
haten begluͤckte, als man mit einiger Wahrſcheinlich
Seit. von allen übrigen Freunden bes Sokrates vermuthe
kann, eben fo nuzte er auch durch feine Schriften feine
Deitgenoffen mehr , ald irgend einer ber übrigen Gofte
die. Er ließ keinen Zweig von Kenntniflen, der Fin
Angel
Zn m
*) 3, 8. bie Errichtung der Stadt am ſchwarzen Meer
loe. fup. eit. und die Annahme ober Ablehnung der Heer
füßrerftelle, die man Ihm anbot. VI. ı. p. 927.
we’ Diogenes N. 54. erzählt noch vom Zenephon, daß rn
feine beyden Böhme ben Athenienfern, als Re Im
Spyartanern bey Mantinea Huͤlfe geleiſtet, zugeſchict
habe, und daß einer von beyden, als ei⸗
Held gefallen, und von unzähligen Di
worden ſey. Tenophon erhielt, ſagt eben- bier
- Gcriftfteller, die Nachricht von dem Tode feines Soh⸗
nes gerade, als er opferte. Er nahm deßwegen bes
Eranz von feinem Haupte, feste ihn aber gleich wieder
anf, als er Hirte, daß fein Bohn tapfer gefachten,
und wie einige fagten , felbft den Epaminondas erleg
babe. Ich wuſte, fol er, ohne eine Thräne zu ver
gießen, gefagt haben Be ih .einen ſerblichen Sehe
- 2 nd mebrern — und dieſen ash
zugeeignet, weßwegen ich nicht da
RZenophon zuſchtelben moͤchte.
Bon dein Schuͤlern des Schatd. Bir
fingen und Maͤnnern näslich und unentbehrlich war, uns
bearbeitet, und machte die Griechen niche nur mic den
Verfaſſungen Ihrer Staaten, mie des. Sefchichte und
ben Begebenheiten ihser Zeit bekannt; ſondern lehrte
fie auch durch Regein und Mufler, wie fie feib un
Seele bilden, und durch Weisheit und Tugend eben
gücklich, als Sokrates werben koͤnnten; 'wie fie ihr
Häufer und Vaterſtaͤdte regieren, ihre Feinde übers
winden, und ihre Buͤrger im Kriege anführen mi
fin, Freylich haben mehrere unter feinen Werfen
den größten Theil ihres Iuterefle, und ee Brauchbar⸗
keit für uns verlosen; allein man muß den Xenophop
doch immer noch für einen fehrreichern — |
als den Plato erklären, oder body wenigfiens zugeben,
ba er sl kraͤftiger zue Tugend erweckt, als biefer ſein
er Schreibart des Zenophon hat nicht fo große -
und mannigfaltige Schoͤnheiten, als bie des Diaro, aber
fie {ft dagegen auch von den Fehlern ber leztern frey.
Sie entfpriche dollfommen der Schüberung, die Alfie
biades im Gaftmale des Plato von der Sofeatifihen‘
—— macht, und mon kann fie alſo mit Recht ei
ber genauften Abdruͤcke der lestern nennen. Sie r
rein, und ſchoͤn, ruhig und edel, wie die Seele ihres
Urhebers; auch erhebt fie ſich bisweilen, aber doch nie
8 3* daß ſie ſich ſelbſt ungleich, oder der Sprache der
ichter aͤhnlich wuͤrde, wiewohl Xenophon nicht -feiren
Goethe Wörter braucht *), Ihr Wohllaut Hatte, für
Sricchiſche Ohren etwas ſo re. Bi , daß |
m
9) Diefes bemerkt auch Hermogenes, ber den Zenephen,
meiner Meynung nad, richtiger als Dionns beurtheilt,
roman bie Zeugniſſe anderer Säriiteter vom
Ga AUcchtes Buch. Zwedtes Erpitel-
man ben Zenophon die Attiſche Biene oder Muſe m
und von ihm ſagte, daß die Muſen durch ſeinen
geredet, oder die Orazien feine Sprache gebildet hätt
and daß die Goͤttinn der Ueberredung auf ſeinen tip
wohne“). Dieſe ungeſuchte und aller Kunſt unerreit
bare Heblichkeit der Renophontiſchen Schreibart **) i
unfern für eine todte Sprache weniger geäbten Obt
wicht viel mehr bemerfbar, als die ben Reden des Inf
eigenchümtiche Grazie, wodurch Dionys von Holit
die aͤchten Werke diefes Monnes von den unächten
terſchied. Wenn ich an der Sprache des Kenophon er
tadeln follte; fo wären es einige froſtige Scherze, bie
den älter Kyrus oder feine Gefährten vorbringen laͤß
und einige Spuren von Nebnerfiguren des Sagies, de!
Ich In feinem Ageftlaus finde. - Diefe Sobrede IR ee BR |
telding von hiſtoriſcher Erzählung und panegpeifcher Da
‚damatlon. Zenephon wollte darinn den Nednetton am
flimmen; - allein er konnte die Pracht. und Ruͤnde ne:
nerifcher Perioden niche erreichen, und fiel daruͤber, be
fenbens in ben leztern Abfchnitten, in ganze Reihen von
tiehefen, die man nirgends im Plato fo gehäuft
det,
Unter feinen philofopbifchen und policiichen Schrif:
ten, wenn man bie ®efchichte des älteren Kyrus nick
wit daranter technet, find feine Haushaltungsfunf,
. oo ver
H Man fehe die Zenguiffe der Alten deym Hutchinſe
'p. 14. u
uint. X. 1. 9. 978. Quid ego commemorem Xeno-
* ont ‚ucunditatem Ham iInsfleftstem, fed quan
aulin poffit affetstio eonfegai? ut Ipfee finxiſſe
fermonem Gratise videsatur;, & quod de Pericle v«-
teris comoedise teftimonium eft, in hune transferri
Jufifäme poflit, in labris ejus fediffe quandam per-
"Suadendi dem. |
Bon den Schuͤlern des Sokrates. 633
vorzuͤglich aber ſein Hiero die vollendetſtan. In der er⸗
ſtern faßt er alles vollſtaͤndig und in einer vortrefflichen
Ordnung zuſammen / was einem Griechiſchen Hausvater
gu wiſſen noͤthia mar, und in dem andern Aufſaze mahlt
er die Beſchwerden ded fü fehr beneideten Tyranmenies
bens, und die ‘Dortheile einer milden, mit den Geſezen
Hbereinitimmenden Megierung mit fo lebhaften Farben
ab, das man, glaube ich, weder zu der einen noch ber
andern Schliverung etwas berrächelicheg binzufegen kann.
Stine Dentwürdigfeiten find dem Inhalte nach viel wich⸗
tiger, als bie beyden vorher genannten Scheiften, und
mehrere einzelne Abſchnitte, befonders die Zabel des .
Prodifus, find. von einer Meifterhand ausgearbeitet
worden ; allcin das Ganze fonnte beſſer geordnet und in
einen genauen Zuſammenhang gebracht worden fepn,
In feinen Betrachtungen über die Berfaffung der Aches
nienſer madıt Kenophon feinen. Mitbuͤrgern zwar feine
unverdiente Borwürfe, ungeachtet ber Ton bisweilen .
fpottend ſcheint *); allein in dem Gegenbilde derfeiben,
in der Defchreibung ber Spartanifchen Regierungsform
und Sitten ſchildert er offenbar, zur Kroͤnkung ber
Athenienfer, nicht die ausgearteten Spartaner feiner
Zeit, und alle Gebrechen ihrer tyranniſchen Berfaffung,
fondern die Sefeze und Menfchen aus dem Zeitalter Sys
kurgs; under bemerfte nur kurz und faft mie Wiber⸗
willen, was er nicht ganz verfchweigen Fonnte, Laß bie
eriten ben leztern unähnlich geworben fenen *°). Das
größte Meifterftück ded Kenophon iſt ſeine Gefchichte bea
Ar— aͤltern
*) Daß ZLenophon ‚ feiner Verwelfung ungeachtet, gegen
fein Barerland nicht aufgebracht war, zeigt feine Ab:
handlung über die Einkuͤnſte von Achen, in weicher er
‚die wohlgemeynteſten Worfhläge zus Vermehrung der
fegtern thut.
8) e, 14. |
ww
EN air Bus Zveytes Capiel.
item Kyrus, bie. mon feine Repubue mennen
kann, bie er wwenigflene] ber Repubut des Piast
. entgegen ſtellte. Dies Werk kann, meinem.
nad), nur allein von großen Regenten und Feldherren
gecht geſchaͤzt werden; wenigftens wirbe ich es nicht wo
gen, dtwas-an dem Inhalte des Werks eines berühenren
———— in tadeln, welchen zween der größten >
und in ber har läßt es fich auch niet , —* |
er in diefem Werke mehr Dichtungsfraft gezeigt habe,
als Plato in feiner Republik, ungeachtet das erſtere nice
fo reich an Bidern, Seichoſn und Alezerien, ei * |
Bon den Schhlen des Sohrated. 6
' bie Leitere iſt. Zenophon fezt feinem Helnen, als Kne
' ben und Juͤngling, als Mann und Greis, als Soht
und Dater, ald Freund und Zend, als Bundesgenoſſer
und Eroberer, als König und Feldherren in alle nur er
denfbare Sagen ‚ um durch Beyſpiele zu lehren, wie mar
fich in jedem Falle nad) den Geſezen der. Kiugheit unl
Zugend zu betragen Gabe. Man finder daher fein
Denkwuͤrdigkeiten des Soktates faſt ganz in der Ge
ſchichte des Kyrus wieder, und außer biefen noch man
che Bruchſtuͤcke Sofratifcher Weiögeit, die er in den er
ſtern anzuführen vergeffen hatte. Am meiſten Kiel;
ſcheint Fenophon auf die Epifoden verwandt zu haben
denn dieſe find nicht nur fo vercheile, Daß Re die hell
nebmung ar ber Hauptperfon und Haupthandlung er
frifchen und verſtaͤrken; fondern fie find auch Iehrreiche
un ſchoͤner gefchrieben, als die‘ übrigen Theile de
- Unter feinm beyden eigentlichen hiſtoriſchen Schri|
ten hat die Geſchichte des Zuges und Ruͤckzuges ber Srie
chen fo große Vorzüge vor der Forrfesung der DBüche
des Thufydides, daß, wenn ich nicht vom Gegenthe
überzeugt wäre, ich eben diefe eigenthuͤmlichen Vorzuͤg
als Beweiſe der Mennung einiger Alten brauchen wuͤ
de, daß biefe Arbeit nicht vom Zenophon, fondern vo
einem Syrakuſaner Themiftogenes herruͤhre. Die E
zaͤhlung iſt in der erftern viel munterer, und die Rede
find viel feuriger, als in der Griechifchen @efchichtı
vorzüglich aber find die Zeichnungen von Eharafrerei
dergleichen man in ber leztern gar nicht anteifft, fe mu
ſterhaft, daß man den großen Dienfchentenner ur
Selbſtibeobachter nicht darinn verfennen fan *). a
9) Mas leſe die Schilderung des Kyras 1.'9. Auab, II,
bie bes Klearch. Aroprans und Minen ©. 182126.
EEE | tb. Zienked Tapitel.
tft feenlich ſehr begreifich, wie Tenophen Begebenhekten
Handlungen und Neben, die er ſelbſt erlebt, ausgeübe,
und gehalten harte, mie lebhafterm Intereſſe nieberfchriet,
als die von andern unbekannten Perfonen; man af
. Rich aber doch immer wundern, daß In feiner Briechh
fihen Geſchichte fo wenig Machrichten über die Beräm
“ derungen in ben Bitten, den Staateverfoffungen und
dem Wohlſtande ber Griechiſchen Völker vorkommen,
daß nur felten die Urfachen und Wirkungen wichtiger
Eraͤugniſſe bemerkt, und Begebenheiten ſowohl ale Hand⸗
lungen faft im Geſchmack von Chroniken, oder von Ta:
gebüchern aufgezeichnet find, aus denen fie erfi in eine
vechte Geſchichte hätten verarbeitet werben follen ®).
N . " n. N
Megariker, oder Dialektiber, oder Eriſtikey, und Eliſche
and Bretrifcdye Weltweiſen.
Ga unaͤhnlich dem Zenophen und feinem tehrer wa⸗
zen Euklides, Phaͤdo, und Ariſtipp, die zwar lange mit
dem Sokrates umgingen, aber weniger in die Fußſta⸗
pfen dieſes Weltweiſen, als in die der Sophiſten traten.
Die beyden erſten dieſer vom Sokrates abweichenden
Schuͤler ergriffen die Eriſtik oder Zankkunſt, und der
leztere die Sittenlehre der Sophiſten. Webder bie einen,
noch die andern hatten viel eigenthuͤmliches, und man
“ ©) Mein Urthell über die’ Geſpraͤche des Aeſchines, über
das moralifche Gemaͤhlde des Kebes, und über bie fa-
genannten Vriefe der Sokratiker wird man in. den
Schriften der Koͤniglichen Geſellſchafft der Wiſſenſchaff
ten in Ööttingen vom Jahre 1783 finden,
—
NUDE des Cala dea Con Ga?
Ban alfo vom ifmen.fehe Ecg handele, menn-man bie
| Seſchichte der Soyhiſten recht vorgetragen Hat),
Euklides gab niche nur, ber Warnungen. des &os
krates ungeachtet **)', gerade biejenigen Unterfuchungen
af, von denen fein tehrer urthellte, daß fie allein ben
Menſchen weifer und beſſer machen könnten, ſondern er
ve rwarf auch bie ihm eigenchämliche Lehrart durch Bey⸗
ſplele und Gleichniſſe 7). Eins von beyden, ſagte er,
muß nothwendig ſtatt finden. Entweder werden in
Sleichniffen Dinge mit einander verglichen, bie fich wirk⸗
Sich Abnlich find, ober nicht. . Am erftern Balle wäre
es beſſer, daß man bey den Dingen ſelbſt, bie man durch
die Zufanmnenhaltung mit andern zu erläutern fucht, ſte⸗
n bliebe. Im andern Falle hingegen hört der ganze
Dre ber Bergleichung auf, und bie Bergleichung ſelbſt
wird Überfläffig. — Euklides verband die Spi;findigfeis
sen der Sophiſten mit ben Grübelenen. ver Eleatiker,
und redete, wie diefe, von einer Einheit, oder ſagte we⸗
nigftens, daß nur das, was einzig und fich ſtets aͤhn⸗
lich und gleich fen, gut genannt zu werben verbiene; man .
möge es Sort, oder Weisheit, oder mit noch andern
Damen nennen 7). Man that alfo ihm und feinen
Schülern, die von ihm bie Megarifchen
nannte wurden, fein Ungecht, wenn man fie mis dem
Damen der Eriftifer, den die Soppiften fchon getvas
. ' er u Er er gen
ie Zeitrechnung aller dieſer Maͤnner IE nid geyau
2 vorne" Man kann aber als wahrſcheinlich anneb⸗
„men, daß vielleicht einer ober der andere vor bem Ze⸗
neophon ſtarb, Haß’ aber keiner über den Plato hinaus
lehte. nt
. 0 Ir. Dlogen. 30. on nn
Bun +18. SERIE er
Pre que; Tem Di ip. ©
68: Wehteb Tuch, weytes Exp.
en hatten; “), ua wenn. mon fie ehe fi
Macheiferer ee deo und Pormienides , als Dei
Sokrates hielt **). ‚Später nannte man fie auch Die
lettter **®), ein Mame, den fie um befto mehr zu ven
bienen glaubten, da fie nicht bidß, wie Sokrateſ, dk
Kunſt zu fragen, ſondern auch die zu antworten ans
übten. Diefe Benennung blieb ihnen aber nicht eigen,
Inden bie Sioiker and) febe oft Dialektifer genanuzs wur
| . Die unnuͤzen Känfte des Eufildes behaupteten
—— noch immer ben großen Beyfall, ben die
Sophiſten ihnen erworben hatten, Der Megarifche Welt
weiſe sog und erhielt alfo auch viele Schüler, bie aber
hiche In feiner Baterſtadt zu lehren fortfuhren, fondern
fich In andere Griechifche Städte und felbft außer Srie⸗
chenland zerſtreuten. Die Vornehmſien waren Eubu⸗
ſlltdes, ein Schuͤler des Euklides, Diodor und Stilpo,
beyde Zeitgenoffen, die den Eufildes gleichfalls hören
fonntenT}), und endlich, Alexinus FF), Unter allen die⸗
*. fen Männern war Stilpo der einzige, deſſen Seele gie
ais feine Kunft wor, und deffen Kräfte nicht *
|
fl. 106. Diog. 7 ke ,
Zr 58* in feinem —* * —
run nos adınav, Ku Treoe To ah dAnıt
— *c — we E. Ir
a had hc, queef: IV, 4.
— EEE am amt m Mb. ca
tt) IL 1 180. Cie waren Zeitgenoſſen des
—* orketes, und — ih
markzian Fabtie ad 1. p 108.
_
| ‚Bon den Schuern dee Sokrates. 639
de Die Gereitn der Euffitifchen Dialekck befriedigt wur⸗
den") Er mochte eine Zeitlang Megara zum Haupt⸗
wi der —** in Sriechenland, ‚und entf
sch feine Beredſamkeit nicht mır den be
5* ihre —* „ſondern machte auch vice
Pe wieder zu feinen öl, ‚bie ſchon
der falfchen Weisheit der un en be Sophiſten ver _
ſchlungen Gatten; fo wurde ihre Dialektik wiederum von
der Dialektik der Stolker verzehrt. Die Megariker dau⸗
erten hoͤchſtens vier Menfpenalter fort, und berfiäman
den, nachdem Chryſipo feine Dialektik geſchrieben und
Die Stoiker ſich ganz allein in ‚den Beßn bier Wiffen
fipafe gefeye karten,
ECuklloes und feine Dachfolge chaten eben das, was |
— a wei
anderer um es
und Melgion ihres Volts lächerlich D; en
N. 113-120. -
Achtes Bud Zweytes Capitel.
ſich ihr ganzes Leben mit der Erfmdung oder Aufloſum
einiger
elenden Trugſchluͤſſe, mit welchen fie ſich fo ga
unter einander auftieben ”); ſuchten die unleugbarſtes
Erfcheimungen ober Erfahrungen ungewiß zu machen ”*);
XEXC2CG
i
Stammarif erfahren feyn. IX, Sezt. 108. 109. sdr,
Mathem. Biel tadelnsmürbiger war die Epör ern
des Otilpo, welche Diogenes anführt: IR die Deinen
va, fragte er jemanden, die Tochter Jupiters, ein
. Bon? Und als diefes bejahet wurde, erwiederce er:
Allein diefe iſt doch vom Phidias, und nicht vom Sjupk
„ter, und alfo aud kein Gott. — Stilpo wurde bier:
Aber vor ben Areopag geforbere, wo er fich gegen ben
Verdacht der Gortesiäugnung durch eine Sophiſterey
zu retten fuchte: daß er nur geläugner babe, daß Mir
nerva ein Sort, nicht aber, daß fie eine Goetin ſey.
216. I, Allein ber Areopag nahm feine Bertheidi⸗
N
*8 1.
gung, wie feine Spoͤtterey, doch fo Übel auf, daß er
tn, feines großen Ruhms ungeachtet, aus der Stadt
erwies.
gen vom Prolemäus ben Namen Keoyos erhielt. |
%®) So behaupteten fie, daß nur das Kraft befge, man ie
ber That wirfe, und daß mir der Wirkung ſich au ale
Kraft verliere. Keiner fey alfo ein Baumeiſter, als
wenn er wirklich baue. (Met. Ariſt. cap. V. p. 144.)
„ „Ss betritt Diodor auch die Wirklichkeit ber Bersegung
“oo.
und des Todes. Wenn fi etwas bewegen foll, fast
er, fo bewegt es fih entweder in der Stelle, wo es If,
oder von es nicht iſt; nun iſt weder der eine noch der
andere Fall möglich; alfo efriſtirt auch dar Feine Bewer
9, und wenn keine Bewegung if; fo iſt auch kein
d und Sein’ Untergang. Denn fo wie deßwegen al
les unbeweglich iſt, weil etwas fich weder an dem Orte,
wo es iſt, noch wo es-nicht iſt, bewegt; eben fo findet
: ehn Tod Rate, weil ein Thiee weber in dem Augenbii
de, wo es lebt, noch worinn es todt ft, ſterben kann.
Sext. adv. Grammst. ſ. HIT. zia. Das erſte ©
pbiem war dem Zeno von Elea abgeborgt.
119. Diebor flach darüber, daß er ein Sophiem det
Stilpe wicht gleich hatte anflöfen Finnen, und deßwe⸗
Bon dm Glen da Eat
Vafebemifem '
— Mr een ——
—*
die a einen oder abgezogenen
Berl —
genden Jahrhunderten bie Nominaliſten.
| oe Degeiff vom Dienfchen, ſagte er, drüͤckt bei
17 noch jenen, noch ichend vinen aubern einzeineie
WMenſcheũ aus, und iſt alfo erdichtet )J. Tas um -
(oe vor Taf Safzen geb 6 Kal a
Farm biefes Keiner fegn "®), — ge
Waffen * Cable im feinem Gorites ur alle Ber
sige Einheit aus wenig viel, — tt). |
Polefe "Art zu feagen brauchte er nicht bioß bey den Bes
griffen und Wörtern viel oder Wenig, fordern auch
be dem sehften tel ber. übrigen Berhätenißbegriffe,
be uneft, IV, Atgoi habebapı moleflos vo-
.” 2 am 8 Die Alezi-
*3 quorum ſunt contra, & stulesta qusedem
Gophifmete, Sic valm sppellentur sur Snlaene condu-
nculae
nu
pe —8 Diog,
a a. on =
Zuweyter Band. 7 2
643 Achtes Buch. Zweytes Capitel.
hey Reich und Arm, Klar und Dunkel, Groß uni
Stein, ‚fang und Kurz u, ſ. w. und hieraus ſchlaß er,
dag die. Natur uns die Kenntniß der Graͤnzen der Din
ge verſagt habe. Chryſior brauchte ein fehr unzulaͤn⸗
liches Mittel, um den Schlingen des ax
gehen, Er ſqhwieg nämlich-fiille, wenn er , da
- er ben Bränzen jüölfchen wenig und viel, groß und kleie
atm und reich u. f. ww, nahe Fam; und fejte Asdam
auf einmal mic einem Geftigen Ciprunge von einen Bas
" griffe in den andern über ). Die befte Auflöfüng bei
Torites wäre immer die geweſen; die Macur der Wen
daͤlt nißbegriffe zu erflären, und zu jeigen, baß Fein Be
ariff von diefer Art etwas beſtimmies ausbtäde, „um
benfen laſe, al6 bis der Degriff, auf dem ex ſich begeht,
bekaunt iſt, ober angegeben wird, |
| Die Nichtigfeit aller unferer Werheile gfaisbten Di
Megariker durch die Bemerkung umzuſtoßen, daß man
von keinem Subject etwas bejahen oder fagen konne,
—— * ‚aus man * Zu ya Pa
| man es ‚ völlig einerieyfeg. Dan daͤrfe alſo zwar
"Jagen: ver Menſch iſt Menſch, Buttit'One, —*
0,9 ib. Placet enim Chryfippo, fi gradatim interrogetat
| . verbi eaufa, era, paum fat, anne mulea?- *
to priua, quam sd mult⸗ perveniat, quigfesre,, -1d
eft, quod ab His dieitur, neugaden. Per me ve
ı . Rertas licet, inquit Carnendes, non mode quisfc.
Sed quid proßsit? Sequitus enim,, qui te ex (omas
oxeitet, & eodem modo interroget, =: 'S5 haben
quod liquest, neque refpondess . Si um
Babes; ne tu quidem peripichs, — Si id tanken mo
do, ut tacess, nihil alfequeris, quld enim ad Ihe,
qui te captare vult, tatendesss iczetiat ‚to, c
‚ loquentem ?
by
!
\
¶Von den Schüleen des Sotrates. 63
aber niche: dee Menſch Kt gut; das Pferd
uf: ie Wenn man dieſes chue, fo bejahe man vom
Megnſchen und erde etwas, mas ben ihm verſchleden
ſer. Denn wenn Bur:mit dem Menſchen, und laufen
mit dem ‘Pferde einerley wäre; warum man Das eine:
auch von Nahrungemittein und Ar nechen, und das ans
dere von Hunden und hwen ſagen Eonne ? Diefen Trug⸗
ſchluß eutlehnten Die 2 von den Sephiſten,
fon Sokrates wunderte ſich en, We ſelbſt line
aus Armuth an Verſtande
——
Sopkism
Viellelcht aber drehten Die Megarifer guerft das
um, und fagten, daß alles, wohen man
SPräbicate behaupte, ad ſeyn muͤſſe 2
2* und Bist un, Sofeatek hie
— —
H Plut. edv, Colt. Xp. 11777 7 Ge 3 |
‚**) In Sophjfl, p. 199.
9» Simpl . Phyk,Kufa, Act 56 fol.a, .'
: :Omne quod enuntietur, sut verum Pr
N aan item NE in u Bent. edr. Math,
‚VIE. 313. & (4. Diefen Ca; längnere —* eben
— ‚ weil Mi gr — 1* fuͤrchtete, die 22*
58* ee (bon geliehen 7 ober noch seien, m werbe:
. dquid Berl pollit, dd aut eſſe dam aut futuram
ee ase * eommutari ex veris in falfa ea poffe,
use future funt, quam es, qusc fadta funt,. Re im _
immwtsbilitetem apparexe,. Gle, de fato 4 9.
U. Bplizti u. ip. 757
pi ® N . 22
J (9 B .. ’ 21
2.) N. °
m.
6
4 xytes Capitel.
5 ideleheiden Eordlemen —*
nur einen einzigen anführen wid”),
ten ſie, kann gegen folgenden Schlaß etwas
"Wenn du ſayſ deß er jo np fen, 228*
ſagſt, fo iſt ed Tag; nun aber verſicherſt dus un
ejwae mit Wahrdelt/ alſo iſt es es Tag. 3
Schluß iſt folgender vollkemmen — Wenn
a daß du luͤgſt, und die Bahrheit ſagſt, ſo läsf
Mun fagſt du, daß du laͤgſt, und ſagſt die Wahr
— fe gl — Erowetee maß man, vochten fr,
Schluß zugeben, man gany
Art.zu fchlleßen ; und den runbfaz aufgeben , daß as
Je zn en oder falſch fen bar)
‚an — gen
m en Ken, Ib, und Die alter, uns ae
p, de be Gäiehens
8 ” —— gen. rm ep ch
lein ſelbſt dieſe Behungen wurden der wahren Phil
5*8 nachrheilig. Denn dadurch artete Die Dialektl
Griechen in eine Sammlung unerttäglicher Spij ſin
—5* Aus, mit deren Hälf man ne zur Noch
‘der Eriftifer etwehten Ponte, die ab&t fafl
brauchbar wurden. -fo bald die Shoren. verkhwanten,
welchr fit nochwendig machten, und bie. and wisfic
da⸗ aut Ausbildung des s Einmnigteifte, .
s
Cie, —E— e. Die
2 nase-ad Diog. IL Bir te * nun Kin m
Ä „*”) Hape, foot Cioege unenät, Chryüpple Cine abe ri
ti —*** fon, 08.0 Hinzufget ae-ab.delo ad
. Bon De Ekin bed Sokrates. 645,
dung der Wahefeit, und zur vichtigen Sertaceung
eier feibft und anderer beytztugen ).
- Bon den Megariſchen Weltweiſen waren bie Eli⸗
then und 2*8 ſo wenig varſchicben, vdaß ich ſie
einmal ausmführen brauchte, went fie nicht add
neu⸗ a Olten von mehrern Schriftſteſtern genannt wuͤr⸗
ben. Phade, das Haupt dererflern, und Menedemus,
ber Stifter der andern, ſtimmten mit dem Euffibes und
beſſen Dtachfolgern fo gemau überein, daß man faum
eine einzige ihnen eigemthämtiche Lehre anfgegeichtrer fin⸗
det. Die Blifchen oder doch die Eretrifchen Weltwei⸗
ſen befiriteen eben die Arten zu urtheilen, und zu fehlie«
fien , welche die Megariker angegriffen Hatten **). Sle
gebeten nur von einer einzigen Tugend, die aber wichren.
ze Damen habe **®}, "und festen biefe eingige Tugend in’
Scharffinn eder eine vorzägliche Fähigkeit, die Wahr⸗
beit zu erkennen F). Den einer ſpichen Armuth on
eigenen Gedanken wur: neuen Warheiten iſt es leicht zu
2 wis: Dis: Gegen. Aeine Schulen Fan *8
Merſchenalter fortdauerten, und alſo noch früher, ats
die Ræxe meinen gen ).
©: 3 BR
— ——— —
Nach denr Diogents handelte ein weiße Kitsimacos
2 von Thurium, einer der Nachſolger des Cullibes, zu⸗
erſt von ben verſchiedenen Arten von Sägen, und von den
Kategorien; allein Ich -zweufle ſeht daran, daß Man bie
Six * —— eingerheikt „ und vor dem Xeiftos
| den: Präbicamenten gehandelt Gaben; wie:
—— ea un auch gekenut Hüne, uhäe fie fo auseinanı -
ben zu ſezen, eis der Srosieit sehen bat;
00) Ding. Hi, 190. & Simpt. in Ari. Phyfi fol, so, s,
. 683 VER, Plut, de virclonr. P. 734.
91 J Clecer. Ae. queeſt. IV, 431.
Mhu. es. Ich taun * Run, 1 Dub 5 fon mans
malen gepweyfelt hade, dom Phlde den re: en’
e
' y'
| Bu Bu Br Zee SE, Bu SEE En EEE DEE Zn
7.646 dhtes Buch. Zweytes Capitck.
Ariſtipy und deſſen Nachfolger:
| | ärdigerer Zubbrer des Sokrates, als Er
En , — is * Kyrene. Der Vnregari⸗
Weitwoeife verdunkelte oder verwirrte doch nur den Ver
“fand feiner Zeitgenoffen ; Ariftipp hingegen verdarb ihre
Derzen. Jener verließ zwar feine kehren; allein dieſer
füchte: Ihe ſogar lächerlich zu machen r) . Ein jen
Philofophie gersamn
anufte notwendig aufhören, ein Freund feines Bater
—
—
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*
*
*
ẽ
ẽ
&
1 — nad Ta T 3%
| Son den Schülern des Sokrates. 647
hatbſt Srauche, "gi verſchaffen ©. Ihm ſchlen es Id
cherlich, ſich vieles. zu verſagen, mas man gerne haͤtte
Beſizen oder genießen mögen, um die Wuͤnſche eines wart,
Felmüchigen Volks zu befriedigen, oder ſich um einen -
Möbel verdient zu machen, ber oft feine größten Wohl⸗
thaͤter tönte, oder (fe, wie ein harter Herr feine Schar
ven behandele, oder. wenigſtens von. feinen Hoͤupters
ale Arten von Gluͤck erwarte, und zugleich verlange,
daß fie an benen von ihnen erworbenen Gütern keinen
Zell nehmen follten W;
wenig König oder Volksfuͤhrer, als Knecht zu fenn;,
und entfagte ſogar allen Vorrechten eines Baͤrgers, ur
nur auch der oft —R Dichten —2 — üͤber⸗
hoben zu werden 7). Er zeg gleich den Sophiſten in
allen —* Staͤdten umher, hielt fich aber nik»
gends länger auf, ala es. von feinen Vortheilen und Vet⸗
nügungen gefeflele wurde, und ſuchte als ein ewigen
Srembling die Freuden einer jeden Stadt zu geniehen,
‚ohne von ben faflen, womit ihre Einwohner fie erfaufe ·
cn, etwas auf ſich zu nehmen. Ihm war es niche
darum zu thun, ‚fein Glück in dem Gluͤcke anderen zu
| N und. Busch, Disnfle und i
unberuͤmmert um bie Bergangenheit und Zukunft
dahin, Ä
eden gegenmärtigen Ausenblick, fo viel er kaunte, zu
nuzen, von allen Seiten fo viel Freuden, ols möglich,
aufutreiben, und alle Sinne mit den auögefuchseiten
F X ER 8 X
- ..
open, Men, born nen
“°) Xen. U. ı. p. 67.. 0
„ib. |
a “f
Aufopferungen-füs-feine
‘für fein et fuͤr el Goleres unseahnglihel *
ben zu ſammlen; fein ganzes Beſtreben ging "vielmehr
t . ,
GERD AHREEEREESERESESEEEUEFENEER GEHE
- .. « . 8 J
Ariftipp verlangte eben .
I
17
‘
Li
17
&
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gr
Ledenſch
üge nachher
Er leante alfe die fals
und in’s Berberben u
es hen
| ſchenkte, und bie u
um den Preis der Schoͤnheit geſtritten Härten,
3
⸗
Ä&
:
8
!
ss - .
9) Al, version HAM, XIV. 6. Loclen. Vi. Anl. L 552
. To da nedaAuıcv Tas goereus dmearren na
Todenev, aması yensIes, Barraxode sea
voloadeu Try ydoyae. & Ari. op. Xenoph. ML
‚ Memeor. Soer. p. 68. Euaurov Tony varra
m „es Tas Buropmas y gas au nina Alorevan.
#e), Has. 1, Epiß. ı. ‚Nune ie Ari ———
zer, nen * fubjungere
j eonor. .
h Dios. H. 75. E ” |
%) Die 1.75 Exe Aude, hr *
W) 8. 67. Diog. 2 |
Ben One Eck [”
hm "ober nur feinen Selaben beſchwerlich wurden ®),
und verlor beträchtliche Güter,“ ohne den Troft eines
Sreundes zu beauchen, der weniger befaß, als er übeig
behalten harte *”). Ja er verlachte biejenigen, bie ger
mug hätten, um bequem zu leben, und doch immmer |
verlangten, als Thoren, und verglich fie mit den Kran⸗
ken, die beſtaͤndig aͤßen und tränfen, ohne jemals ges
färtige gu werben *°%). Dichte deſteweniger — es
Die größten Lmeärbigfeiten, und fhmeichelte Tuyzannen, -
um a — zu nehmen, oder
von Ihnen auch Reichth ken, wofür e Den
anägungen faufen könnte 5 alſo eben —*
Ariſtipp ſich vor Nebermoaß nicht weniger, als vor
lien Enthaltungen in Acht nahm FF); fe chat er Dies
fes in Peiner andern Abſicht, ale um eben bie finntichen
Dergnügungen, in welche er fein hoͤchſtes * feste,
deſto länger genießen zu konnen: denn ee zog die Seen
den ber liche und dee Tafel, den Defiz prächti
weichlicher Kleider und Geräche, den Genuß —2*
und Balſame und anderer Soͤßigkeiten
bes ſebens, allen Entzuͤckungen vor, welche die Erſor⸗
ſchung der Wahrheit, und bie Auduͤbung bes Tugend
oewihren Fonnen m. + \ eigennüjlge —
©) ib. f. 77. & Horst, Serm 11, 3.
Plut. de Animi trang, tom, Vf, p. 836,
“#) VIE. 79 p. de divitisrunms cupid, de
| Plutarch — Gedanken bes Anithen⸗⸗ dem
ne
tiſtiyp
H Diog. 67. 78 5. & ibl Menag.,
#) Ib. 75 Fas To nenren;, nn yon srl ii
#) Ge mei —* Keen
ehlleben
| Angenblick, um feinem Schere im De aa
650 uchtes Vuch. Zweytes Capitel;
"bie ihm vor aller Unmaͤtigkeit bewahtte, lehete Age aud
—— Ungluͤcksfaͤlle mit Standhaftigkeir zu
Fragen; das Vergangene nie zu bedauren, und
kunft nicht mit unruhiger Sehnſucht herbeyzuziehen
oder fie oͤnzſtlich vor werpfinben *) Eben biefe Mary
floͤſterte Im en s Ohr, fich
gid Verlaͤumdungen fo sefchwind als möglich gas ent
Heben"), und Feindſchafften, fü bald es nur **
dane, zu endigen, weil ſie niemals ohne —7
Jerdruß unterhalten werben foͤnnten y. So ſeht
er die Fönigliche Kunſt, die Sokrates Iehrte, ober dk
Kun Menſchen zu regieren und gloͤcklich zu machen,
perachtete 3 fo. ſehr verftand uud fehäzte er neben ber
Kunſt des Wohllebens Tf), bie ichelt , fich in
‚alle Zeiten und Menſchen zu fehlen; eine Wiffessfchafft,
Die keinen nothwendiger und wichtiger iſt, ois fülchen,
weiße ie Wefien f muyn mode, wi Zei
4
—— ——
— um men funkt Euabin m ie entferne wer,
ERKYTOY eona ven‘ udupuas Ya —22
ve rovoxro. as co ierouc er
Ten Sal mu In Jmanıın. fin) Ars |
‚ wehen nicht arzuhoren. 70 ſ. |
ae BEE BEE Fern Zen SEE VE Er Fe
me. Bon! den Schuͤlern bed Gofcated. ‚65
| N
zu sinn bie Abfichl faire *). Sem Erde Ste
Bau De Bu ae, Ban Oi Bee, -
AB; au pin Sehe Di Kbrnwafen ua Ä
a he als den
zu tragen an „hatte einen ni
| en um bie des Mlohhftandes un
Miiedertroͤchtigkeiten, die —3 N nee |
. —— — Menn mon q vorwac;
—
denn —e al befdimn;en ne aut einen 23
‚Yang: ja cum )7 5* man I abrr da erg:
und verfänendrifilebees ſo erisiberte ir, deß mam’
ſelbſt die Götter an Inuen groͤßten Fokus Prache
—328 — Pe oder pi a * *8
en Yen ee di
ka igem Namen — da et ih in ein beruͤch⸗
— Hor. Lib, L Ep. 17.
OmniaA —Seſù An
Ro ib, Auch die Beyſolele der Trepnipigkeie, die man
won Ihm erzägkt, And —— —
Aut ab Bi wien Eine ben m
£ Sal darinn Ing, ihn beißen
. Gran fhe L 73. 98. Diog, & ih Comment, Ze .
ven doch von Hofnatren alg die -
„gen Pi, ‚And Wwar wait viel geringerer Gelalnl
| Does —8
m Pius Buß —XR
Schande bringe 5. Liagte man ihn endlich an, sage
ſich gleich Dem’ —— —8532 Untertice begablen
wvort da, dafi ea bad erſtere nicht ſowehl uns feines Vor⸗
theils willen ſhue, ſondern damit bie Menfchen
wozu fi fin ihr &eld’bünuchen follie
1
“ * 2. Dim Inn na
—*
J— *22228*
— er dia |
. Cplegd. der Leis. — erh
gegen diejenigen „ bie ihn Werwürfe da
Baß er eigen prächtigen Tiſch führe, daß er alte
„ab. Ihäne Bupferinnen befize, und daß ex ſich der al⸗
Einer vn ——— ** iſt ie
ius em v us Soeretlent,
men eriden "Auffaz an baum oder Hosollen Ifen
— — — — — u ———
— — — —
| 43 F |
. Bon ben —* Ds Le .. 693
Pre Ju
aan 355 —* \
2; Aufgegeichnet. _
keinem —* weiß man genaü’bie Zeltrechmung pr
auch ſelbſt ihre. Folge iſt ungewiß ). eine bir |
Männer milderte die — des Ariſtippz; die abei⸗
gen trieben fie im eben dem Maaße weiter, in melden
Die Sitten der Griechen verbörbener wurden. Dieb
Krieg wider Sitten und Religion befchleunigte ber den
Ball der Nachfolger des Ariſtipp; denn dffetnliche Lehrer
Der: Unſittlichkeit und des Unglaubens Pbnnen ſelbſt Die
zuchtofeften Bölfer und Zeitalter nicht ertragen. S
wie die Stoifer die Megarifchen Zänfer aufrieben; ſo
zerſtoͤrte Eyiffur die Ariſtippiſche Phuoſophie, Die er eben
fehr als die Demokratiſche plünderte ‚ ober befler ver
djlelerte,; um eben dadurch auch weniger obſchrecan
machte.
Ai
Diog. l. «. & Gicer. IH.
er BR gewiß, daß de feine Zecheer Ar und
Biefe ihren Sohn Ariftipp unterrichtete. XIV, *3 Bu
‘:feb; Praap. & Diog. U. 86.), allein Aber Die Folge
Ber übrigen widerfpricht ſich Diogenes, Des aus ver⸗
fhlebenen Quellen fü reitende Nachtich⸗
ten aber * die einzigen "Quellen find, fiehe l.d, &
f. 98. wahrfheinlichiten iſt es mis, daß Anttice⸗
- 6, —* nage ohne Noth verdoppelt, den Ariſtipp
gehaͤrt habe, daß auf Diefen St —— und auf den The⸗⸗
dor Hegeſlas Diem u ge
folge fepen.
054 Whhets Bach Bmeted Capitel.
Bu mt dr Beien Se Surf eich
gun hab
„MU D). Seine ganye Phlloſophie befland gene *
fünf Abſchnitten; aus ber Lehrs von den Guͤtern um
AU⸗bein, won den Engfinbungen und fsibenfchafften, von
den Handlungen, wen bein Urſachen, und 8* vom
Be ) dern Abſchnitte von den Urſachen far
cheinlich nur einige Betrachtungen Aber Res
| Aion und Tod ver ; benn eigentliche yhnfifche !
ges hat fein Sarkehele den Rorenälfchen Weitweiſen
Der fünfte Abſchnitt enchoͤlt einige Sedan⸗
ken über.die latur unferer finnlichen Erfenumiß, : wel
che Gedanken unftceitig He richtigften und eigenchämlich
Nien unter allen find, D, welche Keine urn. ine Machfob
ger vorgebracht Gaben,
Maier Empfindungen, fagten bie atoaſe iM,
- % «il m.
r
_
®
pp y 7
0) Euf. XV. 13, Mellsg. achten Diog. p. 9. "
% ‚Diog. |
rn
H xiusi * n. e. 2. &r amt den: Ati
9) ren. 15.8. sm; --
“ TUR) DIR Tode, me des Xibehcanbin tun
erturbstiones uneichtig set. Diog. Lib. IT, 86.
u Hab es richtiger durch —— intimse IV,
- ‚36, ara. — Ka ae 0 futetloe den ind,
— — [8 ut
j
|
| Bon den Schälern des Sokrates. ‚655
a; ie elnsigen Kriterla Oder Kegeln der Wohrheit und
2 de Srerhums, und auch allein um fen m unter
cm ak eidg erkennen nn) ei Fig men d
Gefahr des Jrrthums fagen, daß wir die Em⸗
vom Suͤßen oder von etwas Weißen haben;
allein wir koͤnnen nichts daruͤber entfcheiden, ob ob
mige, was ums diefe Empfindung verſchafft, Suͤß oder
i6, oder etwas unferer Empfindung entfprechendes
Bode. Wir könnten eben biefe Empfindungen auch don
Dingen erhalten, bie weder ſuͤß noch weiß wären, ſo
wie Perſonen, die an den Augen oder dem Verſtande
leiden, als dunkel ober roth oder boppelc fehen. Dieſt
Ringläctiichen haben allerbingg die Empfindung von etwas
blaſſem ober rothem oder doppelten; allein fie Icren fich,
rwenn fie glauben, daß das , was fie aff leirt, blaB ober
soth oder doppelt fe. Mennt man alſo unſere Empfin⸗
Bungen finnliche Erſcheinungen; fo ſind die legteen alle .
wwahr. Gibt man aber diefen Namen den Urſachen sum
Empfindungen; fo find fie alle falſch, vr dech JdJſ
offen, daß wir ihre Wahrheit nicht erfennen und
beweiſen können, Unfere Empfindungen beweiſen nichts
weiter, als fich ſelbſt und ihr Dafenn; und das, was
außer uns ft, und unfere Empfindungen veranlaße ‚HR
vielleicht etwas wirkliches, aber niche fo, daß wi 7
wahruehmen fönnen, In eier enger —— —
—*
heit irren * uns alle ‚in Inden vole kai beftinunan
? ; Welche unter den verſchiedenen Emmpfinbimgen,
die Adenſabien Oegenftänden nach der Verſchieden ⸗·
ↄ vn nr... 7
> Aber Damen geben, Daß aber ac A Kl aan
| geden, aber
uͤmliche Eindruͤcke von ihnen erhalte ee *
4
‚ — —— — 7 ann
%) Außer dem Crznas ſche man nad den Cieere an den. an
\_ \ Deten, .
aefähıren
. 14
Don den Schülern des Sokrates. 657
Asitiep unb feine Zuhoͤret hielten bie Eimpfindun
gem nicht nur für die Reiteria der Wahrheit, und für bie
Grundlagen unferer wahren Kennenifle, ſondern auch
für die Keieria oder Richter von Guͤtern und Uebeln, E
von Glädfeeligkeit und Elend *). Alle unfere Empfinz
dungen (ind entweder angenehm, ober unarigenehm, oder
auch gleichgültig, Pas heißt, weder das eine noch andere.
Die leztern verglich Ariſtipp, der Sohn der Arete, mie
einem ſtillſtehenden Waſſer; Die angenehmen mit einem
ſanft bewegten, und bie unangenehmen sit einem tofls
ben von Stuͤrmen vmpoͤrten Meere **). : Der Zuftond
Schmerz verſchafft. " Gepenmärtiges Vergnuͤgen hinge⸗
gen iſt das einzige and hoͤchſte Gnt, ſo wie gegenwaͤrtl⸗
ger Schmerz das einzige und hoͤchſte Hebel ). Dies
ruft uns 8 die Natur zu, indem wir von unſerer
5* an den Schmerz mehr ale alles andere fliehen,
a
d das Vergnuͤgen durch einen unwillführtichen Trieb
u, und wenn wir ed gefunden haben und genie⸗
—
Gen, Gefelrdige find. Das Vergnuͤgen bleibe Immer
ein Bar; die Gegenſtaͤnde, bie es geben, und bie Hand⸗
lungen, wodurch es erworben wich, mögen fo ſchaͤnd⸗
lich feyn, als ſe imer weh TR). nf genen De
®) Cie. 1, c. Sext. VII. 190. Diog, II, 86.
#®) XIV, 18. Eufeb. Praep, Gran.
- 98.88. 89. II. Diog,
+1) »b.
|
|
Zweyter Band, Te
N
. - Beenerten Art. DBergnügungen des Coͤrpers ober dr
chen wir bey den Vorſtellungen von Trauerfpielen, und
den gläclichen Nachahmungen der Wehklagen Feidender
gen entgegengefest, und unter diefen Schmerjen und
, Bergnägungen werden bie der Secle ohne Bergleichung
* und abwenberen; fo würden fie eben fo wenig, ale je
f _ ihe
o58 Achtes Bach. Zweytes Capitel.
gnuͤgungen find fo ſehr verdunkelt, und fänftäge zu
gewiß, als daß wir den Nachgenuß der einen, und
Vorgenuß der- andern für wirfliche Bergnäaungen he
ten Könnten *). Mur gegenwärtige fanfte Ruͤhrung
und Bewegungen unſerer Natur verdienen allein ve
Namen von Bergnögen , und find aud) allein um ihr:
ſelbſt willen wuͤnſchenswerth. Alles, was man fer:
Suͤter nennt, ift es nur deßwegen, weil es uns entm
der gegenwärtige Vergnuͤgungen verjchofft, oder amd
Schmerzen von und entfernt. Selbſt die Gtückfeelig
keit iſt nur um der einzelnen Bergnägungen willen, au
welchen fie erwaͤchſt, ein Begenitand menfchlidyer Wuͤn
ſche und Beſtrebungen. Ale Vergnoͤgungen find ve:
Seele, wie vie Freuden über unfere eigene, ober unfer!
Barerlandes Wohlfart, oder endlich geinifchte, derglei⸗
Menfchen einpfinden **), Dieſen verfchiedenen Arten
von Vergnuͤgungen find eben ſo viele Arten von Schmer⸗
won denen des Cörpers übertroffen. Dies erhellt unter
andern daher, daß ınan Miflerhärer am teibe, und nicht
an ver Seele firafı 7). Freunde, Reichthuͤmer, und
ſelbſt Tugenden find nur wegen ihrer Müzlichfeit werth,
von uns befeffen und erworben zu werden FF). Wenn ſie
ums werer Freuden verichafften, noch Schmerzen von
=
2) Diog. 1. c. & Alhen, XII. | _
**) 8. 90. Ding, a
4) ib,
td) ib.
Bon ven Schlilern des Sokrates. 659
Hr Gegenthell, unſere Beſtrebungen verdienen. ESs iſt
rrſtaunlich ſchwer, Vergnuͤgungen fo an Vergnuͤgungen
u knuͤpfen, daß daraus eine ununterbrochene Gluͤckſee⸗
igkeit entſteht. Selbſt Weiſe alfo iind nicht alle gleich
ollfommen, und nicht beftändig gluͤcklich, fo wenig als
ılle Thoren gleich tugendleer oder ſtets elend find *),
Der Weiſe iſt eben ſowohl, als der Thor, der Traurig
’eit über gepenwärtige, und der Furcht vor Pünftigen
lebeln ausgefest, (denn dieſe Empfintungen find vom.
ver thierifchen Natur unzertrennlich) allein der erſtete
anterſcheidet fid) von andern dad) darinn, daß er weber
on ben eingebildeten Schrecken des Todes und Aberglau⸗
end gefoltert, noch von unvernänftigen teidenfchafften)
He aus falfchen Begriffen und Urcheilen entſtehen, uͤber⸗
vältigt wird. Ungeachtet der Weiſe Überzeugt iſt, daß
5 von Matur weder Hecht noch Unrecht gebe, daß tie
Süte und Nichtguͤte menfchlicher Handlungen ganz allein
yurch die abweichenden Gewohnheicen und Befeze vers
chiedener Voͤlker beftimmt werde; fo häter er fich nichts
yeftoweniger, dieſe Gefeze zu uͤbertreten, um nicht in
ie Schande und Strafe zu fallen, welche den Belel⸗
rigern derfelben unausbleiblich bevorftehen *"),
q
Diefe Grundſaͤze, die eines Lehrers der Ueppigfeie
selllommen würdig, und meiter nichts, als eine Wie
derhohlung dee Sittenlehre ber Sey biſten waren, ſchraͤnk.
t ten
U)
S. 98. 92.
2* VNo in den Abſchnitten, in welchen Diogenes bie
Lehren uad Meynurgen bee Ariflippiichen Weltweiſen
erzählt , kommen mehrere Widerfprüche und falfche
Nochricheen vor. Zu biefem gehört auch folgender
Ausſpruch: Mn dic Deeesv ndovay ndovns, unde
Adesev Fr a. Diele Lehre iſt Epikuriſch; aber nice
Atiſtippiſch. |
[4
660 Achte’ Buch. Zweytes Capitel.
ten Annikeris *) und_feine Schitee, tie von ihm
nannt würden, von mehrern Geiten,, aber auf ı
ſolche Art ein, daß fie fi) eben, wie Epifur, . wa
ſptachen, wenn diefer feine Wolluſt mir ver Zus
vereinigen wollte. Das Vergnügen, ſagten fie,
freylich dad grögee unter allen Gütern, und die Trier
der und.der —* aller unſerer Handlungen, allein nic
deſtoweniger wird der Weiſe für feine Freunde, fa
Eitern und fein Vaterland willig Vergnuͤgungen v
Vortheile aufopfern, Beſchwerden übernehmen, ⸗
dennoch bey dem Oenuſſe weniger Freuden glücklich fer
Die Freundſchafft ft zwar nicht um .iheer ſelbſt mi
wünfchenswerth, man muß fie aber doch auch nicht gir
abbrechen, wenn ſie aufhört näslich gu ſeyn, ſende
man muß fie vielmehr um der alten Siebe willen fortfegt
wenn fie und auch gleich ‚zur Uebernehmung von B
ſchwerden aufforderte, Alebrigens ſtimmten Diefe Mär
ner mic dem Söfrates und ihren Gegnern, den Em
kern, überein, wenn fie lehren, dag Vernunft un
Machventen allein uns nicht gegen die Schrecken te
Todes und Aberglaubens ftärfen Fonne, fondern 1
anhaltende Uebung hinzu fommen müffe, um der Secu
Die gehörige Feſtigkeit zu geben, |
Eben die Säge, die Ariftipp niche in ihrer wah⸗
ren Geſtalt zu zeigen gewagt, und Anniferis zu miltern
geſucht harte, trugen Hegeſias und Theodor ohne alt
Berfchleierung in einer fo empörenden Härte vor, dah
fie, ſcheint es, nichts als den lebhofteſten Abſcheu hät,
ten erzeugen muͤſſen. Vergnuͤgen, lehrte Segefias )
iſt das hoͤchſte Gut des Menſchen, und Eigen de
0 —2
x
| * u. 96. 97. Diog. & Menag. ad f, 99 :
“) 11, 94.96, Diog, '
Von den Schülern bed Sokrates. 661
riebfeber aller feiner Handlungen. Der Weife thut
e etwas, als um feiner felbſt willen, weil feine Der
euſte ihm gar nicht koͤnnten vergolten werden.” Dank
ırkeit, Sreundichafft und Wohlwollen find leere Woͤr⸗
T, wenn fie feinen Nuzen bringen. Bon Natur ift
ichte angenehm oder unangenehm, fordern Seltenhelt
nd Meuheit machen, daß diefelbigen Gegenſtaͤnde eini⸗
en gefallen, und Eärtigung hingegen, daß ſie andern
?ckel ertegen, Reichtum und edle Geburt, Freyhelt
nd Ruhm tragen eben fo wenig zur Befbrberung , als
e Gegentheil zur Berminderung der menichlichen Gluͤck⸗
:eligfeit bey. Die Sluͤckſeeligfeit ſelbſt ift vollig unmog⸗
ch, weil ver Coͤrper einem zahllofen Haufen von Leiden
ntermworfen ift, an wetchen allen die Seele Theil nimmr,
Ridhr einmal Hoffnungen einer beſſern Zukunft konnen
en Elenden aufrichten; denn die Zufunfe if fo unger
oiß, daß fir die Seiden eben ſowohl vermehren, aͤls vers
nindern kann. Der Welfe bemuͤht ſich daher mehr,
ich gegen Schmerzen zu verwahren, als Bergnüzen zu
jenleßen, und dies erreicht er am meiften dadurch, Daß
r fich gleichgälcig gegen, folche Dinge gu machen fucht,
ie Dergnügungeu gewähren. Hegeſias faßte alle AL
yermwärtigfeiten, des menſchlichen tebens in einem, bejon«
yern Buche zuſammen, und trug fie feinen Zubbrcen
mit einer fo hinreißenden Beredſamkeit vor, daß, viele
aus Verzweyfelung an Gluͤckſeeligkeit, wie an Tugend,
fi) das leben nahmen, Er erhielt daher von einem der
Ptolemaͤer den Befeht, feine Anklagen bes menfrhlichen
tebens einzuftellen, und wurde von feinen Zeitgenoflen
der Ueberredner ober Lobredner des Tobeg genannt *).
| 3 00.0. Auch
ED
m
*) Diog. I. c. & Cicer. Wufe, qua. 1,34. - Nach dem
Diogenes behauptete er, daß nach Beſchaffent eit der
Am⸗
662 Achtes Buch. Zweyted Capitel.
Auch er nahm sinen Grundfaz vom Sokrates an: de⸗
niemand freywillig fuͤndige, und dag mar alle auch m
mand um feiner Vergehungen wilten. baflen, fondern ik
> ‚verzeihen und ihn zu beſſern ſuchen muͤſſe.
.Moch viel ruchloſer ſowohl in feinen GOrundfaͤn
als in ſelnem keben, als irgend einer der vorhergehendn
war Theodor *). Dieſer Theodor vereinigte das m
der, wos Euflives und Ariſtipp getrennt harten.
verband nämlich die Sittenlehzre ver Sophiſten mit kr
Dialektik, und veriheidigte die arößten Berbrechen zu
Schaͤndlichkeiten mit ſolchen Sophiſmen, old weit?
Harte die Bernunflehre zu verwirren gefucht hate
e war flol; Darauf, die Ooͤtter der Erbe fo wenig, @
bie des Himmels zu fiheuen, Religion, Tugend ur
Wohlſtand mir Fuͤßen zu treten, alles das zu verachten.
was andern groß und ehrwuͤrdig jchien, und nichts ve:
. dein zu fürchten, wovor fonft die menfchliche Natur ev
bebt. Er fpottete der Könige, die ihn mic dem Tore
bebroheren **),. und verlachte feine Mitbuͤrger fowegl
als die Achenienfer,, daß fie ihn ausgewerfen, weil fie,
wie er fagte, feine Groͤße fo wenig,‘ ald Jupiter di
Segmele laͤuger hätten tragen fünnen 7). Er hielt es
für lächerlich oder unvernönftig, wenn ein weifer Mann
fürs Vaterland Herben wolle, Nicht eine einzelne Statt,
\ feste er, fonderir Die ganze Welt ift des Weiſen Bater
and; und es iſt nicht der Muͤhe werch, daß ein Weiſer
- um
U nd
Umſt aͤnde bald das Leben bald des Tod wuͤnſchenewerth
fey. 94 f. Gteich nachher heißt es, DaB Hegeſte⸗
das Leben dem Thoren für wuͤnſchenswerth, und dım
weifen Manne für gueiibgältig gehalten habe. £ 95.
H. ‚3094. Diog. |
2* —R qunef. Lg. V. 40. vid. & Stobaeus
ex Pharor, Serm. 118. p. ᷣoo- |
» Diog. AL oo.
Bm den Schhlern des Sokrates 663
um elms Haufens von Thoren willen verloren gehe.
Herder Ehebruch, noch Diebſtahl und Tempelraub find .
von Natur ſchaͤndliche Hondlungen. Mur das lerheil
der Thoren hat fie Dafür erflärt, und der Weiſe wird
fein Betenfen tragen, ftch alle dieſe Handlungen zu er⸗
lauben, wenn er es ungeſtraft und mis Vortheil thun
kann. Freundſchafft iſt ein Unding; denn Thoren find
ihrer nicht fähig, und Weiſe fixd ſich jelbſt genug, und
bedürfen ihrer nicht. Wenn wir einejeve andere Sache . - '
Dazu brauchen, wozu ſie nuͤzlich ft; warum follen wir
uns eines fchonen Knabens nicht eben ſowohl, als eines
fchönen Moͤdchens zu unferm Bergnügen bedienen, *) ?
Lind wenn es erkaubs iſt, einen Freund log zu faufen,
warum nicht auch eine Geliebte? — , Der Cohn tes
Phokion · hoͤrte dieſea Sophism, und feste fogleich eine
ſchoͤne Buhlerinn in Freyheit, die bisher in einem lieder⸗
lichen Haufe gedient hatte).
Theodor begnuͤgte fich nicht damit, die Gieten feir
ner Zeitgenoffen zu verderben; er fuchee auch die Reli⸗
gion feines Volks zu zerfioren. Gr muſte chen mei⸗
den, sveil er der Winfterien, oder wenigſtens des Hiero⸗
phanten gefpertet harte 7), und wurde der Gottes laͤugner
- oder der Sort genannt, weil er die Griechiſchen Goͤtter
und ihren Dienft in einem eigenen Werke angegriffen
hatte, das aber doch nur wenig von alten Schriftjtellern
' Sta An: -
— — — — ee nn "
#) Diog. l.e. 0
) Plut. IV. 358. Mit dem. bisherinen und unter fi ſtrei⸗
ten die Säe, die Diogenes dem Theodor zueianet f, 98.
daß das höchfte Sur und Uebel Freude und Traurigkeit
über Weisheit und Unwiſſenheit ſey: daß Weisheit und
Gerech: igkeit Guter, und ihre Gegenfä,e Uebel: Ber:
| engen und Schmerzen hingegen gleihgälige Diuge
even.
}) 8, 100, Diog, ,
x
664 Mchted Buch. Bwerteiftugiid,
‚angeführt wirb ). Theodor war gewiß Ber erfie, be
die Goͤtter feiner Vaͤter oͤffentlich befriegtes -benm we
ihm hatten Schriftſteller über die Matur der Oberer na
gezweyfelt, und Sophiſten hatten ihren tinglarhen mu
in geheimen Unterredungen mitgerhein. Wahrfeheinkd
wuͤrde auch Theodor nicht fo Fühn gewefen ſeyn, fich a
einem öffentlichen Widerſacher der Sdeter aufjuwerfen
wein er nicht an den verdorbenen Höfen von Kbnige
Schuʒ gegen die ohmmächtine TBurh des aflenehatben ar
bdemuͤthiaten Pöbeh: und feiner Prieſter gefunden haͤtte
In wizigen Spoͤttereyen über die Religion uͤbertraf ie
noch fein Schüler Dion Boryſthenites, der aber Bas ge
wöhntiche Schiffat won Frengeiftern harte, una bey An:
noͤherung bes Todes nicht nur feinen ſtrafdaren Mutch ⸗
willen bereute, fordern auch zu allen ben Mietein feine
Zuſtucht nahm, welche ber Aberglaube der Sriechen
zur Abtreibung bon Krankheiten erfunden hatte **).
Den eenftlichen Krieg des Theodor wider die Gotter ſezte
fein. ziwenter Schüler Evemerus in ſeiner berüchtigten
beliligen Gefchichte fort, wodurch ee fich gleichfalls den
Beynamen bed Gortesiäugners erwarb ). Evemerus
bemuͤhte fich zu bemeifen,, daß die Gorcheiten aller Boͤl⸗
ker, vorzuͤglich der Griechen, mächtige ober babieof |
“
‘ ®) Cieer. 1. 23. de Nat. Deor. Sext, IX. sr. 55, & Bi
Fabr. Dieg. U. 97. Sn -
) Diog'IV. 46-48. Inp. 34. Beine Spöttereyen verdie⸗
nen nicht, daß fie in einer ſolchen Gefchichte, als bie
meinige iſt, angeführt werben. ie ftehen beym Dio-
genes I, c. Seneca VIl.’7. Plut. de Sera Num, via-
dicta VIH, 168. |
#) Cicer. 1. 42. de Nat. deor. Sext. IX. VI. 94. sr. Plut,
de lüde VII. 420. & fa. & ipf. Evemeri frag. ap.
Diod. Il. Vol, in egeerpt. p. 633. Ed, Weflel, & sp.
Colonnam in frag. Ennü.
!
.
\
Bon den Schuͤlern des Sokrates. 665
volle Könige, Helden und Geſezgeber geweſen fenen, die
fich entweder ſelbſt zur Bermehrung und Befeſtigung
ihres Anfehens göttliche Vorzuͤge angemaaßt, oder auch
mach ihrem. Tode durch Die Danfbarfeit derer, weſche fie
begluoͤckt, goͤttliche Ehrenbezeuqungen erhalten. hätten:
Ungeachtet. Evemerus die Geburten, den Tod und die
Begraͤbniſſe der Griechiſchen Goͤtter ohngefaͤhr fü erzaͤhtt,
wie fie in den Myſterien des. Gottheiten, ‘denen derglei⸗
chen geheime Feſte geroeiht waren, vorgeftelltwurden *),
fo widerfprach jeine Meynung doch ſowohl den alten Lies
Berlieferungen feines Bolfe, als auch der. Geſchichte und
Den Religionen umzöhliger anderer Böffer, und feibft als
ler Woahrfcheinlichfeit **). Er uahm daher zu Erdich⸗
zungen feine Zuflucht, wogegen man den Evemerus una
moͤglich retten kann, wern man auch nur hloß die Tha⸗
ten des Uranos, Kronos und Zeus. geiefen has, Lieen
in eine goldene Säule im Tempel des. JIupiters auf ber
Inſel Panchoͤs eingegraben gefunden haben weilte $).
Merkwuͤrdig iſt ed, daß die meiſten Kirchenväter einem
Theodor und Evemerus, als muthige Beſtreiter des
Aberglaubens, in ihren Schuz nahmen, oder gar lob⸗
prieſen, als wenn dieſe verabſcheuungswuͤrdigen Men⸗
ſchen einerley Abſichten mit ihnen gehabt hätten. Boyde
jaͤugneten nicht bloß das Daſeyn Sriechiſcher Gbtter,
ſondern der Gottheit oder goͤrtlicher Naturen übers
aupt TE). Allein wenn fie dieſes auch nicht gethan,
—* nur bie Religion ihrer Vaͤter verworfen hätten,
one eirte beſſere an ihre Stelle zu ſezen; fo. würde man
fie doch mie Recht Gotteslaͤugner genandt haben.
Ar |.
*\Cik.le -
“#) gext. IX. 34.
) Diod.l,e. _
+4) Faber. ad Sext.l.c ..
\
666 Achtes Buch. Zweytes Capitel.
Autiſthenes und die übrigen Eyniker.
enn man von der Geſchichte deu Megariſchen un
Artiſtippiſchen Poilefophen zur Geſchichte des Antifthene
und feiner Machfoiger fortgebt, fo wird das erbittern
oder niedergefchlagene Gemuͤch wieder erheitert und ge
ſtaͤrft, indem man Spureh der Sekratiſchen Ppilof-
phie erbliht. - |
Untifhenes war einen’ ber. wärmften Verehrer des
Sokrotes, unb ein Mann. von fo herkuliſcher Geiften
- Rärfe, daß er Die ganze tafl der fehre ſeines Meiſters er: |
"tungen fonute ”). Er war noch firenger gegen fich ſelbſt,
und noch unerbittlicher gegen bie Thorheiten und Laſter
Biete 77 Er hatte biefelbigen fichten und Orundfäge
feiner Zeitgenoſſen, als Sokrates, aber daben eben fo
= einfehmeichelnd una Herzen gewinnend *°), Senn er
afo nicht fo wiefe Schüler erhielt, alo andere Freunde
der Sokrates *°9); fo Sag die Urſache gewiß nicht in
einer muͤrriſchen Gremürhsart, fontern In ben großen
Borderumgen, die er an feine Zuhörer machte. Antis
enes tehrte fchon bey dem feben bes Bofrates }), und
wurde der Cyniſche Weltweife genonnt, well er ſich am
meiſten in einem Gymnaſio, Ennofarge genannt, aufs
mit
5 u Abe En
t
) VI. I. & fg. Dive .
20) Dies Zengniß gab ihm ſelbſt
14. und Soekrates Fe ig +
£. 61. 62.
ane) Diog. f. 4.
$) Xen.lec
+) VI. 13. Dig. & ibl Men, Gertus 1. 14. Hyp, Pyreh,
und andere fagen, baß die Eyniter ihren Namen von
den Hunden erhalten, nad deſſen eigenthuͤmlichen Tu:
genden, ber Wachſamkeit, Treue und Freymuͤthigkeit
“. x
fie am meiften geftsebt Hätten
t
Voen den Schhlem des Sokrates· 67
mit dem Sokrates, ungeachtet ex die Intern bio⸗len
uͤberttich, und jur Erreichung der erſters andere Mittel
vaöplte. Er verwarf alle übrigen Künste 9 Wiſſenſchaff⸗
ten, denjenigen Theil der Philoſophie ausgenommen, der '
den Menſchen lehre, gluͤcklich zu iegn ; un ) emchiett fich-
Dicht —8 öflenslichen Geſchaͤfften, ſondern fuͤhrte
auch ein eheloſes Leben, :wahrjcheinlich um deſto unge.
bundener gu ſeyn, und weil er gloubte, daß es widhtis:
ger fey, alle Menſchen zu beſſern, als einige. Kinker-
von guegbeutiger Matut in die Welt zu ſejen, ober fies
mit einem unvernänftigen Poͤbel zu kampf *%), He.
brigens flimmte er darinn mit dem Sekrates übereip,‘
daß es einen einzigen Schöpfer Himmels unn der Exbe,.
aber viele Volksgoͤtter gebe ***), daß die Tugend allein
4
den Menfchen gluͤcklich mache, und nicht viel Wiſſens,
aber anhaltende Llebung und Sokratiſche Scaͤrke brau⸗
det), und daß Reichthum und Armutthz nicht in einem:
kleinern oder groͤßern Vorrath von Stüdtägärern, ſon⸗
bern von Tugenden der Seele beſtrhe TF).:
‚ füge Antiſthenes beym Ermepkon | |
ee — Veberfiuß von Schoͤren ng
und dennoch fo arm find, daß fie. alle Miühfeeligfeiten ·
und. Gefahren übernehmen, um nur nor mehrere zu
erhalten. Eben fo oft Habe ic) bemerfr, daß unter
| meh:
rern Bruͤdern, bie gleiche Theile ihrer ‚näserlichen a.
9 VI. To. 104. | . -
*) Diefe Gründe gibt Epiktet vermuthlich ans dem Anti⸗
ſthenes an, warum eim aͤchter Cyniker cher beirathen,
. noch ſich mir öffentlichen Geſchaͤfften Kefangen mäße.
IH, a3. DIT, Epid. p. 461465.
ws) Well, ap. Cic. de Net. Deor. I. 13.
(GEREEREEREEERIED
4) VL. 11. 105 f. Diog,
+) Xen.1.c. 5.34. & ſq.
668 SE Buch. Zweytes Capitel.
ſchafſe empfſtengen, der eine alles, und noch mehr hatte,
als er. brauchte, während daß der andere maufhörlich
darbte. Selbſt Tyrannen wuͤrgen und kehren Haͤuſer
amd Städre um, um ihrer Armuth abzuheifen. Alle
dieſe Menſchen bedaure ich, ale gefährliche Krante. Sie
ſcheinen mir ſolchen Perſonen aͤhnſich zu ſeyn, bie flers
effen ever trinken, und ujemals geſaͤttigt werden. ch
für meine Perſon Gabe alles, was id; brauche, umb ich
bin alfe nicht dürftig, wenn anders nur derjenige fo ae
vannt werden farm, der weniger hat, als ihm wörbig
IR 9. - Ich gabe immer fo viel zu effen und zu trinfen,
daß ich nicht zu ungern und zu durften Grauche, und
Gabe auch genug, uns seinen lelb ſo zu beMeiden,, bag
ich gegen Räte eben fo fehr, als birfer reiche Follios
geſchuͤzt bia. Wenn ich mich in meinem Haͤuschen
aufhaite, jo feheinen mir die Wände warıne Ueberfeis
der, und das Dach eine Dicke Decke zu ſeyn. Mein fager
iR fo ſonft, daß ich auch ohne weiche Polfter und Ma⸗
tragen kaum zu etwecken bin. Finde ich es endlich meis
nem Eörper zuträglich, auch einmal der. tiebe zu pflegen ;
fd begnäge ich mich mit dem erſten dem heſten Gegen
— der ſich mir barbierec, fo, daß diejenigen, die
ch um ihre Gunfbezeugungen bitte, es mir Dank wiſ⸗
fen, und mich mie Kebkoſungen überhäufen,, weil Fein
anderer fich mehr um Ihre liebe bewirbt: Alles dieſes
ſcheint mix fo angenehm/ daß ich nich? meße ——
u te,
- - - ‘
UBRpPSSEEREED GEESBESEREDED — — Te — — ⸗
..
®) Luclan in Can. II, 541. Ed, Reitz, Ich fege Hier
dem Autiſthenes in den Mund, was Luclan feinen aͤch⸗
ten Eyniter vortragen laßt, weil das leztere ganz in
die Gedanken des Antiſthenes beym Zenophon einpaßt,
und mit demjenigen genau uͤbereinſtimmt, was Arzian
oder vielmehr Epittet IM. 22 &.24, p. 501. IV. c. 11.
663. IV. 8. 640 p. und Julian Orat, VIl. dem Antis
fihenes und Diogenes zuſchrelben. et
Bor den Schůtern des Sotratee. 669
— and daß einiges mir mehe Auf bringt, «is
ich für zuträglich. halte *). Der größte Vorcheil des
Reichthums, Auf welchen ich ſtolz bfn, if diefer, daß,
wenn nie auch alles das Meinige genommen wirb, doch
nichts fo fehlecht erfunden werden fann, wovon Ich niche
feben wollte. Gerade diefe Genuͤgſamkeit aber mache
- man mir zum Vorwurf, und rechnet fie mir zu einer
firäflichen Verachtung der Gaben der Naturan*"). Die
(Erde, fagt man, bringt aus ihrem fruchtbaren Schooße
nicht nur alles hervor, was zu unferer Mechdurft, ſon⸗
dern auch was zu unſerm Vergnügen bient, und an al⸗
Ten diefen Geſchenken nimmſt du eben fo wenig Theil als
das unvernünfrige Dieb, * Du trinkſt Waſſer, wie die
Thierz, ißt und ſchlaͤfſt, wie die Hunde, was und wo
es 35 iſt; und traͤgſt ein Gewand, dos Fein Bettler
fchlechter wählen fonn. Wenn du mit deiner Genügs
famfeit Recht haͤtteſt; jo würde bie Gottheit Unrecht
“haben, daß fie und mit Wolle bekleidete Schaafe, daß
fie ung faftreiche Weinſtoͤcke, daß fie uns Del und Ho .
nig und eine unbefchreibliche Menge anderer Bequem⸗
fichfeiten gegeben hat, damit wir mannigfaltige Spele
fen, füße Betraͤnke, weiche Betten, und ſchoͤne Häus
fer erhalten möchten. Selbſt die Werfe der Kunft ſind
Gaben der Götter; und aller diefer beraubt zu fenn,
wäre ſchon traurig, wenn ed Durch andere geſchaͤhe; aber
noch trauriger iſt ed, wenn jemand fich aler Bäle und
Ä Sreus
e) Wenn daher der Ausſpruch navemy auRov n naYemy
(v1. 3. Diog.) auch vom Antiſthenes hertuͤhrt, fo muß
mar unter dem 109m ein. berändiges Möohllchen
und einen ſchwelgeriſchen Genuß ſinnlicher Vergnuͤgun⸗
gen verfichen. | .
ur) Luelan. l. c. P. 548%.
⸗ a x
670 Achles Buch. Zweytes Capitel.
"renden beB lebens ſetoſt beraubi. Dies kann man für
niches, als effenbaren Wahnſim halten,
Hierauf ancworte ich aber in einem Gleichniſſe *).
Wenn ein reicher Mann eine große Anzahl von. Men
ſchen aus allen Ländern, und von allen Altern, freunt:
lich und reichlich bewirchere, und alsdann ein einziger
gefunder Gaſt alles verfchlänge, mas nicht bloß” für ih,
Benz auch) A andere, ſelbſt für ſchwache und Kranke,
wuͤrdeſt du ein ſolches gefraͤßiges Un⸗
* wohl mäßig und weile nennen? Wenn nun an
eben. diefem Tifche rin anderer ſich um bie große Man⸗
nigfaltigkeit der übrigen Gerichte nicht bekuͤmmerte, fon
dern von demjenigen, das vor ihm flünde, fo viel, als
. er zur Stillung feines Hungers brauchte, zu fich nähme ;
woͤrdeſt ‚du ihn, nicht für einen beflern und mäßigen
Wenn, als jenen, holten? — Die Gottheit iſt jenem
reichen Mann ähnlich, der Kranke und Arme reichlich
und gätig. bewirihet, nicht, damit wir alles verzehren,
mm damit ein jeder fo wiel nimmt, als er noͤthig hat.
Die Neichen Hingegen find einem täuberifchen und uner⸗
—*88 Vieifraß gleich. Sie reißen alles, und von
allen Seiten au ſich. Sie begnuͤgen ſich nicht mit ben,
was ihnen luft und fand, Ströme und Meer in ihrer
Nachbarſchofft liefern, fondern fie laffen ſich Ihre Ver⸗
gnuͤgungen von den Enden der Erde zufahten und ze
ben das Frembe dom Einheimifchen, das Koflbare dem
MWohlfeilen, das Seline dem Beſſern und leichter zu
erhalsenben vor. Wenn id) mich einmal zecht erfreuen
will, kaufe ich Feine Eofibare Sachen vom Markte, fon
‚ dern ich ſchoͤpfe meine Freuden ohne Unkoſten aus-mit
(ei. Ich weiß, daß es zum Vergnuͤgen weit *
| nn y
®) Læx. ]. e
s
L
»
-..- m {yı
: gewänfchten Schäge, Ihre koſtbaren Kleider, ihre praͤch⸗
\
Won den Schulen des Sokrates. 671
Genträgt, die Zeit des Genuffes abzuwarten, als koſtbare
Seat zu genießen, wie ich zum Benfpiel biefen
bafifchyen Wein reinfe, ohne bueftig zu fepn. Diefe.
Senuͤgſamkeit bewahrt mich auch vor atlen böfen Bes E
gierden und angetechten Tharen: denn je werriger 'man
Sraucht, deſto weniger trachter man nad) fremden Bü«
gern; je mehr man aber andere beeinträchtigen will, bes
ſto mehr Sofgen muß man fi) und andern machen.
Schwelger und Wohlluͤftlinge muͤſſen daher die Werke '
zeuge und Gegenftaͤnde ihrer teidenfchafften , ihre fo feht
rigen Hänfer und Seräche mit unſaͤglichen Beſchwerden,
Acbeiten, Gefahren, und dem Blute und Untergange
vieler Menſchen erfaufen. Denn nicht nur dag Auffu⸗
chen, Herbeyfahren, und Berarbeiten der Dinge, nad)
Denen fie fireben, ſtuͤrzt viele Dienfchen in Ungluͤck, forte
dern auch ſelbſt der allgemeine Wetteifer, momit alle u
nach ihnen trachten, bringe Sreunde gegen Freunde,
Kinder gegen ihre Eiern, und Weiber gegen ihre Mäns
. wer auf, Und afles dieſes gefchleht, ungeachtet die
koſtbaren Kleider nice mehr erwärmen, bie vergolbeten
Käufer niche mehr gegen die Kälte ſchuͤzen, die elfen⸗
Heinere Betten nicht mehr zum Schlaf einladen, die ſil⸗
Bernen und goldenen Gefäße nicht mehr den Dienſt, und
die felrenen mannichfaltigen Speifen nicht mehr den
Hunger ſtillen, als die gewöhnlichen, fondern vielmehr
den Eürper verderben. a
Zulezt kann ich auch dieſen Bortheil der Genuͤgſam⸗
Felt und Mäßigfeit nicht vergeflen, daß ich dadurch frey⸗
er und unabhängiger, als die mädhtigften Schweiger
werde.- Ich bin weber durch meine feidenfihafften und .
Bedärfniffe, noch durch Sefchäffte und andere Mens:
ſchen eingeſchraͤnkt; ich‘ werde nie zu etwas genoͤthigt,
oder von etwas abgehalten, was ich gerne laſſen oder
ehuun möchte- Ich geniege der füßeften Mufe, tan
| alles
Pr .
if
672 Achtes Buch. Zweptes Tapitel.
alles fegen, was ſehenswuͤrdig, sub hören, was Kibrens
werth iſt ; und was ic) mehr, als alles dielesfchäge, Fans
säglid) wir dem Sokrates jufammen leben, der Men
fchen nicht nach dem Gele, fondern nach ihrem innen
Werthe ſchaͤzt. Gerade dies freye und wenig beduͤt
fende teben fcheint vielen nicht das teben von Menſchen,
fondern von Thieren zu ſeyn. Allein nad) diefee Arc ja
urtheilen,. müften die Götter noch elender, als bie Thie
“re ſeyn, denn fie Gebürfen gar nichte. . Wenn man
aber recht darauf Acht gibt, was das viel und weni
bedürfen bedeute, und wem ed zukomme, fo finder man,
daß Kinder mehr als Erwachſene, Weiber mehr als
Männer, Kranfe mehr als Gefunde, überbaupe abe
unvollkommenere Sefchöpfe mehr als die vollkommnenern
brauchen. Die Götter, als die vollkommenſten, brau⸗
‚chen daher nichts, und diejenigen find olfo gewiß am |
gortähnlichiten, welche am wenigften noͤthig Haben,
Selbſt die Beränderungen der Jahrszeiien, und
‚bie Unbequemtichfelten der Witterung, flören weder
meine Gemuͤthsruhe, noch fchränfen fie meine Frenheit
ein. Ich erteage Hize und Kälte, und bin mit allen,
feloft harten, Schicfungen ber Götter zufrieden, weil
ich daran gewöhnt, oder Darauf vorbereitet bin. Die
Reichen und Glädlichen murren über alles , was ihnen
begegnet, fönnen das Gegenwärtige nicht ertragen, und
fehnen fich ftets nach der Zufunfl. Am Winter win
fchen fie Sommer, und im Sommer wünfcyen fie Win
ter; in der Kälte fehnen fie fich nach Wärme, und in
der. Wärme nad) Kälte. Sie find, wie Kranfe, vers
drießlich und empfindlich. Anſtatt aber, daß in dieſen
die Urſache ihrer Verdrießlichkeit in einer Verdorbenheit
des Ehrper liegt, liegt fie bey jenen in ver Derberds
niß der Sitten und der Seele. Sie handeln faſt gar
‚nicht noch Grundfägen, fondern nach. Gewohnheiten
und gegenwärtigen Begierden, und find denen gleich,
die
4
"Bon den Echulan des Sofrateh, 673 |
die won einem heftigen Strom fortgerifien werben. So
; wie diefe folgen müflen, wohin der Strom fie führes
ſo muͤſſen diefe ſtets folgen, wohin ihre Begierden fie- |
ſchleppen. Es begegnete ihnen eben das, was jemanden
geſchah, der ſich auf ein wildes Pferd geſezt harte.
Denn ald das Pferd mic ihm davon lief, und er vom
‚einem Borübergehenden geftagt wurde, wohin er wolle,
antwortete er, indem er aufs Pferd hinwies ‚wohin ed
dieſem gefaͤllen wird. Wenn man. den Reichen und
. Schwelgern die Frage vorlegte, wohin fle jezo gebächz
‚sen, ſo woͤrden fie, wenn fie anders aufricheig Tem
wollten, antworten miffen, wohin es unfern Begler⸗
den gefallen: bald alfo, wohin unfer Durft nach Ver⸗
| guügungen „ bald wohin unjere Ehrbeaierde , bald voobini
ucifer Geig, oder unfere Furcht, oder unfer Zorn, oder
ärgend eine andere teivenfhafft uns füheen wird. Sie
beſteigen nicht bloß ein, fondern mehrere wuͤthende Pfer⸗
de ,. werden: alfo auch von Ihnen in Abarände hineinge⸗
worfen, ‚und wiffen nicht eher, daß fie fallen werden,
als bis fie wirklich gefallen find.
Dereieſe Grundiäze und Geſinnungen lehrte Antiſthe⸗
nes nicht bloß, fondern er übte fie auch aus, und fuchte
fie jelöft durch fein Aeußeres an den Tag zu legen. In
Anſehung des leztern unterfchied er ſich ſowohl von den
übrigen Griechen, als auch von. den Sriechifchen Welt⸗
weiſen; und um biefes ihm und feinen. Machfolgern eis
genchuͤmlichen Aufzugs willen koͤnnte man die Ennifer,
wenn man ſcherzen wollte, einen philoſophiſchen Bettler⸗
Orden nennen. Dieſer Aufzug war darnach eingerich⸗
tet, um den ausgearteten Griechen ihre Weichlichkeit,
Prachtliebe und Schwelgerey vorzumerfen, um ihnen
zu zelgen, mit wie wenigem die menjchliche Natur zufrie⸗
den ſey, um ihnen die Tugenden und vorzuͤglich die
Mannheit ihrer Vorfahren zuruͤckzurufen, und ſich ſelbſt
7
Zweyter Band.
als Männer. anzukuͤndigen, welche die Gottheit, als '
Wu. . Dem
-
674 Achtes Bud, Zweytes Capitel.
oten und ber Wahrhelt und Tugend, als Ari
igret Nebenmenſchen, als Raͤcher von Thorhe
en und Laſtern, und ald Erretter aus der Knechrfchef
bee Selbenfchafften auf die Erde herabgeſandt habe *)
Antiſthenes ging gleich dem Sokrates, und den Selda
z Alterthums, unter welchen er fich vorzüglich da
ules zum Muſter vorfejte, befländig baarfug, um
wuͤuſchte, daß feine Füße eben fo hart, als die Hık
von Pferden werden möchten, fe wie er eben fo weni
Dolfter , als die wen, und Leckerbiſſen fo wenig, ai
die Hunde, brauche ""). Er legtebas Oberkleld Corru!
ab, beflen fich die übrigen Griechen bedienten, und m
‚sehse fich in ein einziges Gewand ein, (vera) das ;
an
®, artlan. Diff, III, cap. 22. p. 448, 461. Lue, I, 54.
"549. Einige Schriftſteller glaubten, daß nice Auch
ſthenes, ſondern Diogeues, die Infiguich des Cynle um
eingefuͤhrt habe. VA 23. Divg. Allein hiewiber fire
ten nicht nur viele Stellen und Nachtichten ig Diege⸗
ms ſ. 2. 4. 6. 8. beſ. ſ. 13. & ibi Menag, fentern.
auch die gange Beſchreibung, die Antiſthenes von fd
feibit beym Zenophon macht. — Ehemais fans ih
wahrſcheinlich, daB eine det Urſachen, warum die Che
niker ſich fo — . ei 57 ausgezeich⸗
nee haͤtten, die. Sorge fuͤr ihre gervefen fen;
vr indem fie in ber Geſtalt von Vettlern ai
erhielten fle auch das Recht derfelben, graͤnzenloſe Zreys
muthigkeit, welche diejenigen, Die nicht zum Poͤbel
gezahlt wurden, oft mit dem Lehen Sezahfen maſten
Nach abermaliger Weberlegung aber Ehınas wie mchk
.Berimitgung nicht fo ennehmlih vor, als wofur ich fr
fouft gehalten. babe. Säen nämlih die Cyniker fir
Dettler und Menſchen vom Poͤbel gehalten ſeyn mob
len; fo wurden fie ſich dadurch zwar. gegen dis &chib
Tal des Sokrates in Sicherheit geſezt, aber. auch jr
eich ihren Reden alles Anfahen genommen Haben. -
CP 346. 547. .
EZ
nes, warum foll ſich dann auch nicht der vechrfchaffene
)
Zierrath, ſondern für e
—
Bon den Schuͤlern des Sokratee. | 675 | |
oft unter Dem rechten Arme zuſammen zog, und-micde
en des Herkules verglich *). Er ließ ſowohl fein
Hauptbaar, ald feinen Bart wachfen, weil er glaubte, '
dag die Gottheit beyde dem Dianne zum Schmud, wie
dem Pferde und kowen feine Mähne gegeben habe, und
daß das Schaben und Glätten der Haut, das damals
unter den Griechen aligemein gu werden anfing, eine
Schändung des männlichen Sefchlechte ſey **). Um
die Arhenienfer beftändig daran zu erinnern, daß er wis
der die Ungeheuer der firtlichen Welt einen eben fo nach⸗
druͤcklichen Krieg als Herkules wider. phyſiſche Ungeheure
führen wolle ***), nahm er einen Staab, oder vielmehe
eine Keule in die Hand), welche fonft unter den Oriechen
nicht für eine — oder unent behrlichen
| Beleidigung ber allgemeinen
Freyheit und Sicherheit galt 7). Endlich Bing er (ih
eine lederne Taſche um, In welcher er etwa ein Buch,
ernen Becher, womit er Waffer fchöpfen fonnte, yab
einige ſchlechte Lebensmittel mit ſich herumfüpree FF),
Seine gewößnlicye Nahrung war Brod und ungefochte
rüchte, ſelten zekochte Semüfe, und faſt niemals
teichfpeifen tt). Wenn Flötenipleler und Schauſpie⸗
ler ihre eigenchämilche Kleidung haben, fragte Antiſthe⸗
Wann von dem großen Haufen verdorbener Menſchen
unterfcheiden, und eide ſolche Kieidung anlegen, die der
| Uu a laſter⸗
@) Er brauchte es: auch die Made über, als eine Dede
ze u
ask) ib,
$) Moenag, ad f. 15. VI. Diog.
+4) Ib,
rm.
-
676 Achtes Bud. Zweytes Capitel.
Laſterhafte am meiſten verabſcheut, und ihm zugleich zun
"größten Borwurfe gereicht )7 | 5
Nicht minder eigenthuͤmlich, als die Kleidung, |
‚war den Antiſthenes und ben übrigen Cynikern eine us
eingeſchraͤnkte Srenmüchigfeit, reiche fie al6 Das edelik
Kleinod des weifen Mannes und ale dad wefentlicik
Morrecht ihres Sittenrichterlichen Amts anfahen. Die
Vorrecht übte fie in einem viel Hrößern Umfange, «'
..° Wofrates, und felbft ala die Dichter der Alten Komoͤrt
aus. Sie griffen alle Thoren und Safterhafte, Die #
nen aufftießen, ‚zu allen Zeiten, an allen Orten, un
"ohne Unterfchied der Perfonen an; fo mie fie auch eines
Yeden ihren Rath mittheilten, oder bey entftandenen
Vwiſt ſich als Mittler anboten. Sie brauchten deßwe
gen nicht bloß Scharfſinn, Beredſamkeit und Recht
ſſcchaffenheit, ſondern auch ſchnellen und lebhaften Wij,
um widerſpenſtige Thoren und Verbrecher befcbämen,
und zum Stillſchweigen bringen zu fünnen, Wenn das
Athtiſche Salz In Griechenland das durchdringendſte war;
» fo kann man fagen, daß unter dem Attiſchen das Eonl
ſche für das beißendfte gelten konnte. Viele sadelten
dieſe Freymuͤthigkeit der Cyniker vorzäglid) aus dem
Grunde, weil ſie ſich an alle gewagt, und eben. deßwegen
fo oft ihres Zwecks verfehlt, und ihrem Spott und Tas
del das Gewicht genommen hätten, Allein wenn die Ch⸗
niker durch ihren Spott auch niemand beſſerten; fo zwan⸗
° gen fie wenigftens ſehr oft Thorheiten und Later ſich zu
verſtecken, und hinderten, daß fie durch-einen oͤffentli⸗
hen Triumph fich nicht fo fchnell, und fo allgemein vers
breiten fonnten,, als bey einer völligen Duldung gefche
dhen waͤre. Unterdeſſen zog ihnen ihre Freymuͤthigkeit
ſehr oft, Mißhandlungen zu, aus welchem Grunde Epik
j 2
EEE en en — — —— BE
) 3,48. 1. Lucien, in Cyuico,
- Bon den Schülern des Sokrates. 677°
tet unter. den Cyniſchen Tugenden auch Unempfindlich⸗
keit gegen Hohn, und felbft gegen Schläge aufzähle ).
Ein ächter Gynifer, fans er, muß dem großen Haufen
fo gefuͤhllos, als ein Stein:zu ſeyn feheinen: er muß
es ertragen können, daß man auf ihn, wie auf einen
2
Eſel losfchlägt, und muß, als der Vater und Bruder
von allen, felbik diejenigen lieben, von denen er gegels
ßelt wird, Ä
pe Der größte und beruͤhmteſte Sreund des Antiſthe⸗
ned war Diogenes von Sinope, welchen. Epifter und
Seneka **), ala das vollkommenſte Muſter cyniſcher
Tugenden ſchildern, von welchen aber das Geruͤcht, und
die Schriftſteller, denen Diogenes folgte, fo entgegen⸗
gefezte Dinge erzählten, daß, wenn. alles, was von dem
Treunde des Ansifihenes herum getragen und aufgezeich⸗
net wurde, wahr wäre, er zugleich ber weifefte und rechte
ſchaffenſte Mann, und der verächtlichfte Thor und ver⸗
abſcheuungswuͤrdigſte Böfewicht muͤſte geweſen ſeyn ***).
Die Menge von Gerüchten und Fabeln, dergleichen
son keinem andern Cyniker fo. viele als vom ‘Diogenes
herumgingen, und erhalten worden (ind, beweiſt, daß
er unter allen Weltweiſen feiner Schule die größte Auf⸗
werkſamkeit erregs habe, und aus den Machrichten hin⸗
gegen, bie entiweber feinem Verſtande, oder feinem
Herzen nachtheilig find, kann man, -wie aus den ihm
angedichteten Briefen P), und: Trauerfpielen F}), mel
ter nichts. ſchliefzen, als —* entweder einfältige Be⸗
u 3 wun⸗
un
⁊ *
*) Ib 22. 457. Ih Bu
**) In Arrien. Diſſ. I, 23 & 24 e. IV. 8 & ı1. Senec, de
trang. €. 8. EEE
“er, ⁊i. vq· ai. Ping
IV; ı. Arrion.
rt) Orat, VII, ꝑ. 210, Julian,
678 an Buch. Zweytes Copitei.
u münberer des Diogenes gegeben habe, bie ihm manche
imn guter Abſicht nacherzähften,, was vernünftigen Pr
forren fächerlich ſcheinen muß, oder auch mäffige Wi
Unge,. die ich ein Vergnuoͤgen daraus machten, ie
Zeitgehoffen auf Unfoften eines Mannes, ven bie me
Bra. für weiter nichts, als einen Sonderling Hielten, u
esgäzen oder endlich beleidigte Thoren und ——
die dem Diogenes und feinem Tadel durch giftige Der
Jäumdungen ihr Anfehen nehmen wollten, Es ER alfı
nicht Partheylichkeit, ſondern Gehorſam gegen bie Gr
ſeze der geſunden Kritik, und der Billigkeit, wenn ma
bie Urtheile und Erzaͤhlungen weiſer und rechtſchaffenz
Maͤnner namenlofen, und ſich ſelbſt widerſprechenden
Machtichten vorzieht, und feine angeblichen Soeteslo⸗
ſterungen, ſeinen Umgang mit der fais, der äüberdies
unübermwinbliche Schwieriafeiten der Zeitrechnumgen ger
gen fih hat *), feine fehändlichen, allen Wohlſtand
und Sitt ſamkeit beleidigenden Handlungen, enblich feine
zichlofen Grundſaͤze von der Erläubtheit der größten
Berbrechen, für unglaubwärdige Erdichtungen erklaͤrt *),
Diogenes haste ſeltſame Schickſale, allein er betrug ſich
anter allen Umſtaͤnden, alsemen Weltbuͤrger, ber nit
gends aufhören müfle, ein Diener der Gottheit zu fern,
“ and das Gldck ber Menfchen ‚, als feiner Brüder zu ber
fördern. Er fiel in die Hände von Seeraͤubern, bie
- im als einen Sclaven verfauften F), und wurde zum
MPhbilivp, als ein verbächtiger Kunpfchaffter geführt, ba
‚ ber Sohn biefes Khnigs Ion ale einen Weiſen beſuchte Mm. |
—®) Brucker I. 881.
®s) Cie, de Nat. Deor. Ill. 3 Diog. VI. 29. «. Le
73.73 & ib. Meng |
H) Epiä. 1. c. p. son.
4t) Pag. 448. 468. Arr.ib. Die loljen Antworten, bie e
| ' dem
on den Echulern des Sotraucs · 678
Eer hach weder Voteriand noch Eisenthum / weder Weit
noch Kind, weder Haus *) noch Knecht; und er pflegte
ſich daher im &cherje mit einem won ben Furien getrle⸗
benen zu vergleichen “e); allein zu gleicher Zeit rühmte
‚er, wie Sokrates von fich felbft, Daß er dem gro
. Könige der Perfer an Gluͤckſeeligkeit nichts nachgebe /
und Geneca glaubte, daß man an feingr Oluoͤ fell
‚eben fo wenig, als ander Siüächfeligfeis der unfterblichen
Goͤtter zweyfeln koͤnne 7). Er war ohne Traurigkeit
und Furcht, ſtets heiter und frey, und harte nie das
‚ Unglüd,,. daß Ihm erwas begegnete, was er hätte vers
meiden moͤgen, ober daß er etwas nicht erlangte, wat
| ar gewuͤnſcht haͤtte PFr). Er war weber mit dee Gott⸗
heit, noch mis den Menſchen ungufrieden, fürchteteunb
Bemunderte feinen von denen, welche andere zu fürchten
und ju beroundern pflegten, und ging mit einem jeden
um, ale wenn er fein Herr und Meifter gewefen woͤ⸗
re Fif), Ungeachtet .er feine Bebärfniffe fo viel ale
moͤglich einfchränfte., und fein teben durch bie u
u u4 fen
dem Alerander gegeben haben fall, halte id für chen fa
erdichtet, als die ungereimte Vergleichung zwiſchen fig
und dem Diogenes , die man ‚dem Alezander in den
rund. tegt. Es läßt fh abeb deßwegen nicht gleich
kinsmen, daß.er. mit dem Alexander zufmumengefume
men ſey. Ib. | |
"Seine Babnung in einem. Gafe halte ich nicht ga
“eine Zubel, ungeachtet ich nicht — daß Fa
dig darinn gelebt habe. Die Gründe für und wider
dag Faß: des Diogemss-findet- man im Anszuge bey
Bruder in vita Diog.
as) Vi, 58. Dieg. Arr..p. 640. 664. imp. 455.
Arelım. p. 459; & Citer. Tuſe. queeft. V. 32.
+) de trand. €, 8. ° ” .
+) Arr. p. jei. |
tm ib. .
"680 hie Buch. Ziveptes Copite
fen Nahrungemittel feiſtete; ſo gab er doch feinem
per durch Mäßigfeit und zweckmaͤßige Uebungen eine in
Stärke und Schoͤnheit, daß er ſelbſt, durch biefe, “MM
ehe auf fich aufmerkſam madhre , und von bes
keit feiner teberisart überzeugte 5 Endlich verband
mit der waͤrmſten Menſchenliebe, und der einnehm
ſten Sanftheit der Gemuͤthsart den leichteſten und dur
dringendften Wiz); under war unter den alten We
weiſen nicht allein. derjenige, der bie meiften gluͤckli
Einfälle hatte, und bie wizigften Gegenantworten gab
fondern der auch am meiſten die Kunft verſtand Lehr
‚ber Weisheit, und Tugend in dad Gewand von Schnu
"en einzufleiven. Er ging noch mehe unter's Volk, |
Antiſthenes, und tadelte die Gebrechen des Stoats,
vole einzelner Bürger. Es war kein Stand, „oder Claſſe
von Menfchen, deren herrfchende Thorheiten er nicht ge
zügt und fächerlich gemachte hätte 7)). Er verfchonte
felöft den Aberglauben, ober die heiligen Vorurt heile der
©riechen nicht, und verlachte diejenigen, welche Bie Arı
beiten Ihres —* und die Geſchaͤffte des Tages ver⸗
- und ſich mit einem jeden leeren Traum
pgleich an beträgerifche Traumdeuter wendeten, oder
ie den Göttern opferten, um die Fortſezung ihrer Ge⸗
ſundheit zu erhalten, und die felbjt an deu Dpferfeften
ihre Geſundheit dur) Unmäßigfeit verbüchen : oder tie
endlich glaubten, daß Räuber und Diebe durch Be
forengungen, Wafchungen und Einweihungen in gewiſ⸗
fe Moyſterien fid) der Gnade der Goͤtter und eines gloͤck⸗
Jichen tebens nad) dem Tode des Coͤrpers verfichern fünn
ten, und daß Ageſilaus, und Epaminondas, well fe
d
*) Arrian. 1. e PB 466. 467.
es) ib.&p
7) VI. a7. Pe er Diog
N
Von den Schülern des Sokrates. 68r
bieſe gottesdienſtlichen Handlungen vernachlaͤſſigt Hatten,
ſich in dem Pfuhle des Tartarus mälen muͤſten *)
Nachdem er fein Jeben in dem Dienfte der Gottheit
und in einem beilänpigen Kampfe wider Voruribeile,
Thorheiten und Laſter hingebracht hatte; ftarb ex endlich
in einem hohen Alter, und fuchte auch ſelbſt feinen Lob
noch lehrreich für feine Mitbruͤder gu machen, Ex feste
fid) bey der Annäherung feines Todes au den Wege
- nach Dlpmpla hin, und forderte Diejenigen auf, welche
bie Neugierde zu, den Spielen trieb, doch einige Augen⸗
blide zu verweilen, um zu ihrer eigenen Stärkung und
Erbauung den Streit eines Greiſes mir her ploͤzlich zu⸗
nehmenben Krankheit zu betrachten **), i
Diogenes erhielt mehrere Machfolgen, als may
ben, der allgemeinen Weichlichkeit und Sittenverderbnig
ber damaligen Zeie hätte erwarten follen***). Unter dies
fen Rachahmern zeichneten Tich vorzüglich Oneſiktitud,
Ser Degleiter und Geſchichtſchreiber Alezanders, und
Krates von Theben aus, feyterer wird von den glaußs
wuͤrdigſten Schriftftellern , :als ein, würdiger Freund des
Diogenes geſchildert, und man kann Daher die Kabel,
von dem öffenslichen Senuffe der ehelichen liebe in dem
Armen der Hioparchia, ER Bedenken verwerfen, fo
waßrfiheintich es iſf 7), daß dieſes ſchoͤne Frauenzimmer
ſich in ven rechiſchafſenen, wenn gleich haͤßlichen Krates
verliebt, und ſich darch keine Drohung und. Vorſtellung
von der Verbindung mit Im babe abſchrecken laſſen +}).
' u5 "Ma
[U [WU |
°) 94.39. 42.43. 0p.Diog, | -
@€) Arrien. p. 458.
ses) Vi. 84, Dig £ “
+) VI. 85. .
7) VI85 "
++) ib. Krates wurde fo allgemein geliebt, und allenthalben
fo gerne aufgenommen, bei man ihn daher den Thuͤr⸗
er ·
OB: Adıed Bud, Zweytes Eopiek |
Mach dem Krates dauerte dig Caniſche Schule umpnter:
brochen bis auf und nach Chriſti Grburt fosc*); allein
Wie fpätern Cyniker behielten entweder bloß das Aeußer
Hhres Ordens bey, wie Menipp, ein beräßmter Paro⸗
bienfchreiber, aber auch fchänplicher Wucherer, der ſich
aus Verzweyfelung erhinf, als ihm ſeine Schaͤze geraubt
wurden , ober fie arteten auch in tragiſche Schwaͤr⸗
mer aus, wie Menedemus }), der in eben ber Seſtalt,
in welcher die Furien auf den Sriechiſchen Theatern er:
ſchienen, umberwankelte, um, wie er ſagte, die Thu
ten der Dienfchen zu beobachten, und fie den Beberr:
ſchern der unterierbifchen Wohnungen zu verfündigen.
Wechte Cyniker muften gu vide Tugenden und Talente
befizen, muften ſich zu viel verfagen und zu. viel dulden,
ats daß fie fich In folchen Staaten, als hie Griechifches
nach dem Alegander waren, haͤtten erhalten fbnnen tt).
— — — —— —
.*
...„eräffner nannte, eher tfhefler. vergl man üke
| mis dem Play, und es find noch mehrere ſchoͤne
mente ſowohl beym Diogerieg als dem Julien Abe
die dirfe Vergleihung beſtaͤtigen.
ı % VA 95. Diog,
vn 99. TOR
‘ D- ie 193,
.. 33) Es il vergebens und unndz, bie. : Ep
m A Beltmelfen genau Asche Dep
weiß genug, wenn mian fi. gemerkt bat, daß A
ſthenes zwiſchen det 100 und 110, und Krates endlich
iſchen ber 140. und 120 Olijmpiade gebluͤhet habe.
ähere Beſtimmungen der Zeitrechnung des Diogenes,
gegen welche ſich aber Einwendungen machen leffen,
. aber man im Bruder in vita Diogenis, und in
Meurfil Leci. Atticis Il. ggrcap,
ee — 77
. Acchtes
Achtes Bud,
Deittes Eapitel.
Geſchichte des Plate. umd feiner
| Philoſophie.
lee allen Freunden des Sokrates war Plato zwar
v_* nicht der größte Mann, aber gewiß der feinſte
Kopf, der tieffinnigfte Gruͤbler, der fehönfte Schrift⸗
ſteller und der gluͤcklichſte Erzieher großer Männer, de⸗
ven aus. feiner Akademie mehr, als aus den. Schulen als:
‚ Ser Äbrigen Sokratiker hervorgingen. So wie man die.
Sokratiſche Philoſophle mit einem mächtigen Stamın-
Vergleichen kann, aus welchen viele fruchtbare, über .
ganz Griechenland, ſich verbreitende Zweige entſtanden;
eben fo kann man die Werke des Plato eine reiche Quelle
nennen, aus welcher alle nachfolgende Weltweifen, und
ſelbſt diejenigen gefchöpft haben, bie ſich von ihm trenn⸗
ten, oder ihn beſtritten und lächerlich machten. "?
"Ungeachtet Piato’ zu einer Zeit lebte, im welcher
Achen der einzige Si, von Künften und Wiffenfchafften
war, ungeachtet er unter allen Weltweiſen am meiften
von Sefchichtfehreibern und Rednern geſchaͤzt und geleſen
wurde, und viele beruͤhmte Männer gleich nach-feinem
Tode fein teben befchrieben, fo wiffen wir doch von fels
ner Perfon, feinem Chatafter und feinen —
mn | nicht
864 Achtes Buch, Drittes Capitel.
nſcht mehr, oder kaum ſo vief, als wir vom Sokrate
wiſſen würden, wenn die Werke des Plato und XRend⸗
phon verloren gegangen wären. Alle Nachrichten, wel⸗
ehe tie Derfon des Plato betreffen, find nur klein an -
Zahl, und noch dazu. iyderprechend oder zweydeutig,
- und mit abgeſchmockten Fabel vermiſcht.
‚ Moto wurde in Athen gerade in eben dem Jahre
“geboren, in welchem der unglüdlige Pelovonneſtſche
‚ Krieg zroifhen den Achenienfern und den Spartaneru
ausbrach Das Sefhlecht, aus weichem er abs
ſtammte, war eins der ebelſten in Artifa, und leitete
fich His zum Solon und Kodrus, ja fogar bis zu den
Goͤttern hinauf 8, Biele angefehens Schriftfteller,
und unter diefen Speufipp, ein Nachfolger des Plato
Is der Akademie, wagten es, die Sage zu wieberhoßlen,
daß Plato nicht vom Ariſto, fondern vom Apollerzeugt,
und daß feine kuͤnftige Größe, vorzuͤglich feine Bered⸗
ſamkeit, durch wundervolle Zeichen verkuͤndigt werden
fen ). Sr erhielt den ſorgfaͤltigſten Unterticht in allen
den
D OlL 87. 2. Meiſtens ſezt man feine Geburt einige
Jahre fruͤherz allein meinem Urtheile nach hat Gu⸗
ding, mit uͤberzeugenden Gründen dargethan, dah Pla⸗
to Im Anfange des Peloponneſtſchen Krieges geboren
worden ſey. ap. Mensg. ad 6, 3. HI, Diog. Piste
' farb DL ios, x. Diog. f. 3.
We) Diog. IN. I. '
V Mau erzähle, daß eig Pienenſhwarm ders Pinte In
feiner Kindheit Honigfelm in den Mund gelegt, und
I dem Softateg kurz ver feiner Bekanntſchafft mit
m Plato geräumt babe, als wenn ein junger
Schwan vom Altar in der Alademie, ber dem Gott der
Liebe. geweiht war, ſich in feinen Schooß gefluͤchtet,
- und alsdann ploͤzlich heſiedert ch unter dem ſchoͤnſten
| efange in die Lüfte erhoben hätte. Apul. de dog.
4 Rat. p. 249. Disg, 1. 5. & ibl Comment, Cie, de
F. 1. 30.
„ii
‘
Geſchichte des Pieto und ſeiner Phil. | 685 5
den Känften, wodurch in Athen die feiber und Seelen
von Kuaben und Yünglingen aus den eriten Haͤuſern ge⸗
bildet wurden; er zeigte füch deßwegen I früh M.
mehrern Dichtungsarten, ſelbſt in Trauerſpielen, und
war eben im Begrif, einen Wettkampf mit andern tra
' "gifchen Dichtern einzugeben, als er mit dem Sokrated
befannt wurde, und die Dichtkunſt nicht nur verließ,
fondern ihr auch fogar einen Krieg anfühdigee*). Mit
dem Sokrates lebte und forſchte er acht Jahre"), und
nach deffen Tode bereifte er Aegnpten, beſuchte pen Dias
thematiker Theodor in Kyrene, den Euklides In Megara,
und die legsen berühmten Pyhthagoreer in Stalien, um _
in allen diefen Gegenden und von allen dieſen Männern
nügliche Senntnifte einzufammien, mie er fie vom So⸗
rated, und noch früher vom Kratylus, einem Sheras
klitiſchen Philoſophen, empfangen hatte +), Nach der
Ruͤckkehr in feine Vaterſtadt faufte er ein Feines Gaͤrt⸗
chen, das an die Akademie, ein vom Kimon verichds
nertes Oymnaſium, in einer der Vorſtaͤdte Athens
gränzte, und fing an, in diefem Gymnaſio gu lehren,
welches er bis in jein höchftes Alter, und nahe bis an
den Zeitpuurt forıfegie, wo die Achenienfer vom Philipp
W bers
®) Die. l.e.
.. m) Diog. 1,6, Er wer zwanzig Jahr alt, als er dieſen
feinen Lehrer kernen lernte. ib, |
) Ari, Met. X, cap. 5. p. 15, Ed, Sylb, gr. Cicer. de
. Fin. V. 29, Tufe. quaeft, ı. Vi, Apul, de dog. Plat.
. 250. Diog. Ill, 6. Weber die Folge der Reiſen des
. Die, und die Ordnung, worinn er die angeführten
Beltweiſen gehörer har, find die meiften Schriftſteller
nie mic einander einig; es {ft aber nicht der Muͤhe
nu ⸗bdieſe unbedeutenden Streitigkeiten zu ſchlich⸗
—3
665 Achtes Buch. Dritted Capitel.
Werwunden, und von den Nachfolgern dieſes Kbnig
abhänaig wurden *). Bu
0, Plato hatte, ſcheint es, eine noch feurigere Phan
taſie, ats fein Sehrer, ungeachtet er nicht denfelbige
Entzuͤckungen, Schwärmeregen und Aberglauben unter:
tvorfen wor. Dagegen fehlte Ihm der feinfte flers ge
fpannte Beobachtungsgeift des Gofrates, und ber m
efongene ftets richtige Derftand, der. ſich weber von
feidenfähaffren blenden, noch von der Einbildungskroft
verführen ließ, der eine jede Sache ruhig vom aflen
Seriten betrachtete, und bey jedem Schluß, den er
machte, auf die Erfahrung zuroͤckblickte ), der fid
Daher auch felten aus dem Gebiete der Wahrheit arı vie
abdrinthe des Irrthums verloren, und feine Sinne ſelbl
_ aus
——
(er EEE ,
9% eben die Akademie fiche Diog. II, 7 & so. & ibl
| Comment, Pauf. 5. 38. Schol. ed Nubes Ariſt. 1001.
unter den Neuern Midleton Life of Cicero IL, 596.
Diogenes erzäplt eine Antwort des Plaro, aus welcher
man ſchließen mühe, daß er feinem Vaterlande als
ITrcrieger gedient habe. 1.24. Allein alle
ſchweigen von ben Kriegszügen des Piste, und man
kann es auch aus der Geſchichte und Verfaſſung bes
Starts im: Zettakter dieſes
hoͤqhſt wahrſcheinlich machen, daß er nicht wie Sokre⸗
tes ımrer feinen Mitbuͤrgern gefochten habe. -
‚ #8) ‘late füht den Sokrates feine Borficht im Unterſachen
und Entſcheiden vortrefflich in folgenden Worten aus
drucken: Aoxcs me xonvos amavacne Vaslas
x Aeyaı To yag efararacder urn
uD'aurs array Kalemarare. Orr ag
unde opıngov anısarn, alas warm 6 efa-
. uarnsov, mus 8 davor; des dy as ecıxy Say
neruserdesIeu ori To REOEKANEVG , no 7a
encden To ınavu Ta munre, DAmev Aus
LOCO xeu OTIOH. p. 64. inCratylo.
ı
1
Geſchichte des Plato und feiner Phil. 687
aus den gefährlichften Feinden gu den treuften Dienern
feiner Seele machte, indem er fie faft alle Dinge ſchoͤn
und haͤßlich, angenehm und unangenehm empfinden
lieg , wie er fie für gut umd böfe, für näzlich oder ſchaͤv⸗
lich erkannt hatte. Plato befaß mehr Tieffinn als hellen
Yefunden Beritand, und mar weniger ſcharfſitinig als
ſpigſindig; eine Eigenfchafft, die fchön unzählige male
mit einer lebhaften Phantaſie verbunden war, fo unver’
einbar fie auch damit zu ſeyn ſcheint. Unterdeſſen war
Plate doch immer dem Sokrates in Aufehüng ſeiner
Geiſteskraͤfte viel ähnlicher, als in Anſehung feiner Ge⸗
mathsart und feines Charaktert. Zwar find von leztern
nur einige dunfle Züge zu uns gefommen, allein a
biefe reichen jchon hin, un zu Überzeugen, daß Plaro,
ats Menfch betrachtet, noch ſehr weit von der Sokrati⸗
ſchen Bollendung entferne war. Er war nicht beiten,
öffen und einladend, wie fein tehrer, fondern eher vers
ſchloſſen, muͤrriſch und abjchrectend , und daher entſtand
unftreirig die Sage, daß er den Gott ded kachens und
der Brölichfeit aus feiner Akademie gänzlich verbannt
härte 2). Vielleicht war es eben diefe bittere unfreunds
Hare Gemärheart, die ihm den Schein des Stolzes und
dee Verachtung anderer gab ), und ihn zur Mißgunft,
sum Meide und allen damit verbundenen Schwachheiten
deſto gemeigter machte 7). Wenigſtens fiel es dem hans
gen Alterthume auf, daß er mitkeinem der großen Fteunde
und
M " sd Er :
9 Diög, IN. 26. Ael, II, 35. |
" 80 v1. p..756. Dionyf. de Plat. Edit, Lipüent. '
Abein der Tadel Des Loſtas in feinem Phädeus,' und die
—— — F aroben Rebner zu übers
Meier vber kim: die Nelt graͤnzenden nee:
hebte, daß er —8* die meiſten mit —— —
Pr wre 2 ‚Drittes Eapitel.
des Namens angrif, (0, wie er von allen heimlich ode
offenbar getabelt wurde ). Die Erzählungen von je
nen wiederhohften Neifen nach Sitilien, und von feinen
Aufenthalte an dem Hofe des Altern oder Hunger on
beyder Diomſe Fud zu abweichend und unzuveriä ol |
dog man nad) ignen allen ein tichtigeg Jichereß Ülerpei
über die Bewegungsgruͤnde derſeſben Fällen fonnte; allen
- wenn man bedenft, dab Nato der erklaͤrteſte Haſſe
von Tyrannen war, daß er ſeldſt diejenigen Weltweiſea
getadelt hatte, welche die Haͤuſer der Reichen beſuch
ven **), daß ihm nicht unbekannt ſeyn konnte, wieman
alle diejenigen, bie ſich den unrechtmaͤßigen Beſizern einer
unumfchränften Macht naͤherten, entweder für Boͤſe⸗
wichter, oder fuͤr Schmeichler und Sclaven hielt, daß
endlich Die Reifen des Plato nah Sicitien fat allgemein |
getadelt, und von feinen Bewunderern nichts wichtiges
jü ihrer Nedufertigung oder Entſchuldigung bengebradk
wurde; fo fann man, glaube ich, wenigſtens dieſes ſa⸗
gen, daß Plato etwas chat, was Sokrates nie gechan
härte, und was er dem Archelaus beftändig abgeſchla⸗
gen hatte 7). Auch aus ben Orbichten auf fehöne Knaben
md
— —
59 Diog. II. 34. «36. & ibi Menag. id, ed II, 57. Hotch,
de Xennph. DIT. prim. p. 11.
- ®) II. de Rep. VI. P. 16. Vol. IL Oy yap eye
Quon, xußsergrau. vouran deodas
Um Aurs, 8de Tas 00Das er Tas ray aan
Yupas ızva. aM 0 Taro ron \eucausves aneu-
oosro. Er ſtichelte hier anf den Arikipp, den Urhe⸗
ber des Son Met.
" Saft alle Schrifiſteller, die der Siciliſchen Reiſe des
Plato eilt, vider ſprechen ſich eaweder in pi
Br Dun ann E
ad Buhlerinnen, Die fm jıigeeignet werden
Ä y im Borwürfe i
55 — Kern — = |
. Yard übrigens die —— ta 5
muůthigkeit ſeines lehrers auch nicht erreichte: fo war eu
feiner Zelt
Mufter, n er aufbebracht war, To Arafte eh -
. Velbft mehr, als diejenigen , bie ihn gereist *
| Ungeachtet er die reichten Könige, und Die Felb⸗
herren und — unter ſeinen Schuͤlern unb
| reunden zaͤhlte; fo ftarb ——** und hleraus a
wohl als aus dem beftänbigen
der Sopgiften muß man fihfiegen, dah er nicht, wie
bieje, ums Geld gelehrt beb⸗ LCEr berabſcheute bie
ung der Zahl, Bauer det Belt, dder der Bewegunge⸗
5 gruͤnde derſelben, oder Auch in ber vie in De der Sen
—— A
en von dem gen. Tpranneg aus
| Mat che Cie. pro Rabirio Pofik, ...
XV, p. 8. ad Ol, 97.3. Athen. VO.<.p. 279.
kap. ult. 505500, Diog. II. 18. 91. & Ib
Apul, — 351. de dogm, Plet, Bern 73 %
erwartete, fd würde ich mich
biefe —XE ſo viel as möglich eutweder
heben, über Andere dazu aufzumunteen.
® 1L 9. & fa. Diog,
‚ ®) Pluterch, VI, 178,
*
I
Saldat im Wer Plato, st pP.
» A Diane finder * Pe
Be —** wenn bi ——A
Big Thieme vu
tens dingegen
und &€ ®
d. ei, er u
Al
— — — — — — — —
656 „2 Ahtes Bad; Did Eat -
elle mine der Syrafuſaner als. Ver
Per des Leibes und der Seeſen, und felerte in der M
"bemie auch an den arößten Feſten feine andere,
| ‚bie, deren Erinnerung feine (freunde noch mehr,
“der. gegenwärtige Genuß erfreute”). Ebendie Urfa
„pin derentwillen Sokrates ſich von Öffentlichen Gert:
. en und Aemrern enthielt, bemogen auch ihn, ſich
‚von zu entfernen, Er verglich das Athenienſiſche Ve
bald mit einem äbgelebten Alten, der wieder in kindiß
Schwachhelt und Unverſtand zuruͤckgefallen fey 2: b
Ziit einem Saufen von wilden Thieren, von weld:
inan, mern man fid) Darunter wage, alle Mugentit
In Befahe'fen, zerriffen zu werden: bald aber mit em
Anfruchtbaren Acker, der nur Unfraut trage, und fe
a erſticke }). Ihm fchlen es Thorheit
ſehn, ſich den Einfällen eines unbändigen Pöbels ohn
alen. Nuzen enfgegen gu ſezen, und ſich dadurch In
Werdverben zu flärgen, bevor man frinen Freunden un
WBaterlande dedtent habe: und VBuͤberey ober —
=, erhalten habe, Allein dieſe Nachricht deine tie nice
Pehiger erdichtet, als eine andere eben dieſes Cxchrift
En efferd, daB Plaio Phthagoteiſche Schriften dom Phi
=... lolaug dm 100 Minen gekauft habe. ot
“ 4) Cicer, Tufe, quseft. V. 35. J
ær) 1d enim jubet idem ilſe Plato, quem ego vebementet
“4 audtorem fequor, tantum vontendere In Jepublic,
.. quantüdr probare tuis <ivibus poſſis: vim neqyp
e
{
rentt neque patrise afferre oporfere, Atque ba
FIRE op guid m yıncanfam ſibi at nön attihgendse,reipubll
— ar * quod cum offendiffer populum Nihenies·
un har Aelipientgun (nfgtute, ewige cum or
© 177 pehladends’nec 4— —RX poſſe vidifler, .cum
e
PR | a 487 fi : 2 5
.... „perfuaderi poſſ dergt i Eis affe nd arblur
Eu a ke age Re
*
SE, de Rep. VI. Hp. 38.
%Ü .
2 #
Seſchchte des Piato und fen PEL Gyr
fehler. es ihm „mit dem großen Haufen zu plünderm,.
oder fein Vatetland mit Gewalt zum Guten zu zwingen.
Er hielt es für viel vernünftiger, in dem heftigen Wir⸗
belwinde, der faſt alle ſeine Mitbuͤrger mit dem Unrath
der ar beſchmuze, ſich hinter eine fichere
Wand zu
muͤth und deſto frölichern Hoffnungen das Ende dieſes
irdiſchen, und ben Anfang eines. beffern teben6 erwar⸗
ten zu können ”).
Als Weltweiſer ftimmte er barinn mit dem So⸗
krates überein, daß er die Sophiſten unablaͤſſig in ſei⸗
ellen, dem Gerämmel und Wuͤthen der
Bosheit von ferne zuzuſchauen, und ſich ſelbſt von allen
Laftern rein zu erhalten, um mit befto ruhlgerem Ger
nen Schriften verfolgte; und faſt alle Orundfäge feines
Lehrers beybehielt und vertheidigte; allein in Anfehung
feiner tehrart, feiner Sprache, und bes Umfangs fos
wohl als des Juhalts feiner Ppilofophje wich er eben fo
weit vom Sokrates ab, ald viele von denjenigen ,. bie
dieſer am lebhafteſten beſtritten harte. Ex unterredete
ſich nicht, „wie fein Meifter, mit einem jeden, der ihn
ſuchte, oder ihm aufitieß, zu allen Zeiten, an allen Or⸗
sten und über allerley Gegenſtaͤnde, fondern ex lehrte
gleich den Sophiften an ‚einem gewiflen Orte über bes
ftimmte Gegenflände-und für-gewifle Perfonen. Seine
Sprache war nichtein Kind der einfachen unverborbenen
Matur, fondern eine Tochter der Kunft, und fie zeigte
fich daher auch unter fo mannichfaltigen Seftalten, und
trug fo abmechfeinden Purz, wir eine fchbne Buhlerinm,-
die mehr durch äußere erborgte Meize blenden, ald durch
ächte Tugenden feſſeln wi, Seine MRede ſloß nicht ru⸗
big, wie ein fi lberheller Voch uͤber weißen Sb, ober
Era grüne
N
„
. . ⸗ IS \
| a ’ . “ ® “ . . . iv .
9) Blat, & Chen, 1. e,
\
692 Achtes Buch. Mrifted Copitel.
groͤne Raſen Yin, ſocdern ertioß Och, wir en mach
—* ber ſeine trüben Woſſer bald jn hohen Be
dahetwaͤlzt, bald alle Dämme und Ufer durchbricht
Gberfteige , bato aber and) ſich fo tief tn fein Bert gui
zieht, - 916 werm er in fich ſeibſt verſchwinden \oci
NMichts deſtoweniger ethieft Plato durch feihe Schrei
unter allen Weltweiſen die meiſten Bewunderer
Machahmer, und inn ſeiner Beredſamkeft willen man
® N |
d oden, ſndern duch in einzelne Eleinete ©
————————— zu kegen . Wenn Plato,
Dionys ferner 7), in Me Fußſtayfen ſeines fe
'
“
—XEIXRX
Ö Man fehe unter andern L ıT. de or. Ticer.
6) De admireb, vi disendi in Demoßh,, VI,
= BIO. 5°
©, +) De comp. verb, VI. 101. Dan fehe ihre Mamen
Dionyf, de Platpne ad Co, Pomp, 757. 59. 60.
— ⸗ . 4; 97. 38. " : .
| VI, de admirab, vi dicendi in Dem, p, 065, &
D de Pte 75. — BP 963.
’
\ -
Oeföihie dd Dat und ige BL." 693
ist, oh ſich ohre allen Amang ober muͤhſeellge An⸗
rengung ausdroͤckt; fo wird feine ungefünftelte Schrei:
et unaus ſprechlich füß und anziehend. Sie if} alsdann
iner und richtigen, als die. ausgearbeitetite Sprache
erer, deutlich und Har, mie der Tag, und mit kei⸗
em einzigen -überflüfligen Beyworte beſchwert. Unge⸗
chtet fie hin und wieder mit dem Mooſe des Alterthums
icht bewachſen iſt; ſo blüht fie dach voll unwiderſtehli⸗
ven Reizen, und ven ihr duften dem. tefer, wie von
lumenreichen Fruͤhlingewieſen, die herrlichſten Wohl⸗
eruͤche entgegen. Sobald aber Plata die tragiſchen
Schuße des Thukydives oder bie Rebnerroͤſtong bei
dorgias anlegt; fo finfeen weis unser fich ſalbſt hinab *),
xil ex zu ſehr an feinen Warten puzte. Dies fezte er
is ans Ende feines Lebens fors, und man fans Daher
ach feinem Tode ein Exemplar feines Republik, in wel⸗ E
bey. ee hen Anfang bes erſten Buchs auf mehrere Ar⸗
en verſezt harte, ums einen größeen Wohllaut hineinzu⸗
eingen *). Plato ſuchte eine größere Ehre darinn,
chön zuſchtaiben, ats richtia in henfen:. und er verhehlte
s auch gar nicht, daß er weit mehr Sorgfalt auf ſchoͤne
Worter und Sprache, als auf wahre Gedanken wendete |
%r 3
®) Vi Diengf; 768. 64.978. 78. 1038-44. V: aet =
u) Dionyf,. de Gomp, verb. V. p. 308. 209. O de:
Haar wur daura disrcyas urevigav. neu Bo»
SeuKIdom Kom. Foyres Teowov avazNenen, 8 die.
Are oydannonres Xeyoras ern. macı Yasg da
u Tosc. PrAoAoyois. YYapııa Fe Tregi. Tus Di
Aomenae Tandgos Isoesueva, Ta Ta, 1%
In nasen mag. vu beiten, Mu, WArUmIGaEITES
aure, Aryuair Eugedwvas, MWomÄns METEHe-
Berm TI ag Tas TOTeENG, TWÖt ae.
..» Pr“
nen, daß er nicht Die Sprache der Menfchen , fonde
. '
’
. tee, im der Hervorziehung und dem Gebrauche alır
ſondern In ‚den fehartenrelchen Gängen ber Afademie ;
v2 ’
r |
694 achtes Buch. Drittes Capitel.
Er ſchien ſogar den Vorwurf nicht ungerne zu ber
fiefler famen ihm, wie ſelbſt feine freymuͤthigſten T2
fee "*} zugaben, in ber glaͤcklichen Erfindung neuer Wa
aber kraftvoller Ausdrtuͤcke, im Reichthum ſchoͤner ⸗
erhabener Bilder, Oleichniſſe, Allegorien und Fiction⁊
andlich Im der Pracht und Größe feiner Pefchreibuns
gleich. Ja die beyden aroͤßten Mebner , "die je gelebt b
ben, geſtanden, daß fie Ihm vorzüglich den unerfehör®
hen Vorrath von Wörtern und Gedanken ſchulvig ferc,
amd baß fie nicht in den finſtern Schulen der.Stber
großen Rednern gebildet worden 7). Zugleich a
tonnten fie fe wenig, als feine übrige vernuͤnftige
wunderer, fängnen, daß der Reichthum des Mato ef
#) Dionyf. 964. 972. 1032534. vi —
“*) ib, 1083. | -
Cieer. Orst! V. 3. 4. Ego autem & me faepe zer
__videri dicere, intelligo, euin pervetern dieam, fe
inaudita plerisque: & fateor, me oratorem, 6 me
.do im, sur etiam quieunque fim, non ex rhetorul
ofichnis, ſed ex Acadewise (patils ezfitifie. ,
enim funt curriculs.moltiplicium uberlorumgque ſ
monum, in quibus Platonis primam impreile fu
veigia; fed & hujus, & aliorum phifefopherum
difputatlonibus, & eragitetus marime orator efl 4
unse EEE
edjutue. Omnis enim ubertos & queli (ylva dien
di; die ab illi eſt. — Quod idem de Demolbe
ne exidimari poteſt: eujus ex epiftolis intelljgi bat
" quam frequens furrit Platond auditor.
Gefchichte des Plata und fine Phil. | 695
in barbarifche, die Philoſophie entehrende Pracht und
Ueppigkeit augarte, daß er nicht ſeiten feine’ Gedanken
in einer Fluch von leeren, aber rauſchenden Mörtern ers
fäufe, doß feine. Bilderfprache bald unertraͤgliche Weit⸗
ſchweifigkeit, bald undurchdringliche Duͤnkelheit, oder
dithyrambiſchen Schwulſt erzeuge, daß ſeine neuen
Woͤrter manchmal ungeheuer, feine alten geiuchr‘ und
erzwungen, feine Defchreibungen überladen, feine Gieich⸗
‚niffe und Allegorien unzeitig, oder froftig, oder unwaht⸗
ſcheinlich, oder gleich Ammenmaͤhrchen gedehnt ſeyen,
daß er in gewiſſen Augenblicken von, erfürfftelrer Begeiſte⸗
‚zung von den geringfügigften Dingen mir Pindariſchem
Mompe, und wenn biefe Begeifterung nächtaffe, von
den erhabenften Gegenfländen mit einer beleidigenden
Kaͤlte und Mattigkeit rede, ja daß er ſogar uͤber dem
beftändigen Suchen nach ſchoͤnen Worten, oder auch
durch fruchtiofe Anftrengung ermüber bisweilen bie erften
Geſeze der Sprache und des Mumteus berfege, und fich
die härreften Wendungen und Solöcktmen, eriaube *).
Ale ſtimmten darinn überein, daß feine Scireibart mehr
Poeſie als Profa ſey, daß fie wenigftend zwiſchen benden
in ber Mitte fiehe, und Daß vielen Stetlen In feinen
Schriften nur allein angemeßner Rythmus fehle, um
in ᷣindariſche Oden verwandelt zu werden ?%). Aber
u I E44 ' neben
—
* Dion. VI: 957. 64. 972. 103234. 1038. 1043. Aut
Longin. regs uyes pelim. Veym Diongs, finde
man Bey'piele der getadelten Fehler aus afleg Schrif
ten des Plato.« | Ä N
“) Ariſt. ap. Diog. II. 37. Cleer. or. ec. 26. Dionyf, VI
“ 973 p. Quint; X, 1. p. m. 578. Philoſophorum, e:
quibus plurimum fe traxiſſe eloquentise M. TuHiu
tonfitetur , "quis dubitet Pletonem eſſa praecipium
‚Ave acumine differendi, ſive eloquendi ‚facultat
D vo. \ma.,.e W .. Ki ‚- quadaı
= Vbrede auf die fürs Vateriand geſtorbenen Krieger wit
. gerb ven folchen, die nur zur Schau ousgeßeiir werben,
Go Med Bach, Drittes. Capitek.
eben hiriu⸗ iege auch / der Grund, warum Plate ſe
wehr ſchoͤner Schriſtſteller, als grofier Rebner ſey, um:
auch mehr die erſtern als die leztern bilden fünne *
Wenn Plate olſd ven Rednerſtuhl beßeige, und.
mache, entweber die. Unſchub zu vertheidiges,
aber die Tugenden gefallenen Helden zu erheben: fq
. man gleidy, daß er niemals weder vor dem Michtern,
mach gu dene verſammleten Volt getedet habe **), Mas
doͤrfe nur feine Schuprede für des Sokrates umb feine
- ägnlichen Seven des Demolipenes vergleichen, ymı fi
Überzeugen, daß fie eben ſo ſehr won einander unten
leben, ſeyen, alt die Waflen und Niftungen eines Kris
oder als wahre lebhafte Empfintungen van keexen Traͤu
nen, ober als Coͤrper, bie durch ige und Kälte abge:
haͤrtet worden, von folchen, die duch
** garten, Plato's Reden ſeyen allein fihönz
— —5 auch lehrreich und nolich.
man wit einer Leblichen Wieſe Yergleichen,
die durch kurz dauernde Anuehimichleiten ergdzes dieſe
Hingegen mit einer fruchtbaren Fur, deren Aublick micht
wur das Auge erghie, fonbern Die au seidhlich Die Morte
wendigfelten des Sehend liefere 9), e. |
qusdım diriga & Kompricat mulum enim Kanes
—2223 & quam padetrem Graecl vorast,
rgit: ur miki uon —— ſed quodam Delgbiea
vwuibdaeatur oraeulo.
he) 8 0.0.4 hour Vi. 109 5 & fg. & 1056. &
* 4) Dies, VL ı a eng bohren
9) Dion ** —*
. Musik, —A Ran |
!
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I
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Gefdihte dei ato vad finer Ya. 697
j Depunderen, u ihn üben Die anges
beteten —e Belt 2. und den Ehetern gr
Altrsıhume.ale —*
vum a ER not it me
rg!
u
Hr
8
eine Deenge
‚von Aualegern, weite. ie Dunfelfeiten feiner —D
—* € i in
6 ii iheiten, t feat diefe
en etc nus Bit ches Seren 8
dd ein atß Piaten! n und See
Sommer, Hr. Rußnten und
——
ext *
man die. wichtigken hen Plate eigenchämlichen .
Em ve —XR Ar man. andere,
un; m. ambers
Pay 4 gar. nicht einmal in feinen Westen vortem«
—* En Ban a ar Anwandiang von.
—— Daß. fie. —X den elendeften. x
Fa Bil —8 ftent ungweckmaͤßger Gelshrfämfeig,
\ ‚ und hingegen die erößten
—* —* dieſes — ganz,
menlg Dez sr Eine ſewittel geliefert "
x —5*— ‚der, Eee die der jen,
rue are, Men
n?. Ber be
id die bewun⸗
Werbinbungde‘
fen ine Nu.
ma aud Sictler
6 mbtes Bus Drittel Capitel
. fegten ®), au feier Schreibart ‚oft dasjenige am meiften
ſchaͤzten, und nachahmten, was den größten Tadel ver,
diente; fo. priefen fie auch an feiner Philoſophie und feis
“ nen Schriften gerade diejenigen Theile und Abſchnitte
vor allen andern, bie dieſes fobes am wenigſten werth
waren. So erhoben fie ihn aus feiner andern Urſache
—ſo ſehr, als weil er nicht bloß bey den Lehren des So⸗
krates ſtehen geblieben ſey, fondern fich die Entdedfun
gen des Heraklit und der Übrigen Phyſiker, die himms
lichen Betrachtungen. der Pythagoreer, die Wahrkei |
-ten der Mathematiker, endlich die Weisheit der Aegyp⸗
tier, und wie viele glaubten, auch der Juden zugeeig⸗
net, . und alle diefe zerfireuren Glieder der Oriech iſchen
uud barbarifchen Philofophie geſammlet, verfchönert und
in einen einzigen ſchoͤnen Coͤrper vereinigt habe**.. So
vlel ich aber urtheilen kann, verdiene Plato mehr dars
über tob, baß er die Neben bes Sokrates aufzeichnete,
und die Gedanfen deffeiben weiter fortfuͤhrte, als daß er
die leztern gewaltfam mic folchen zufammenmifchte , die
mit ihnen unvereinbar waren ; ‚daß. er Unterfuchumgen
aufnahm, wie Sokrates verworfen, und einer Dienge
. von Disigen nachgrübelte, die biefer für unerforfchlic
erkläre hatte. Plato char faſt Feinen Schritt Aber bie
. > Orängen der Sokratiſchen Philoſophie hinaus, ber ihn
hi ⸗ *
— — ———————— =
DU}
lungen und Gedanken zu prüfen? Wer endlich hat es
gewagt, zu beflimmen, mo er feine Perfonen ihrem
Charakter gemäß, oder nicht gemäß, wo er fie im Ern⸗
fie und: Scherze reden, vertheidigen und beftreiten
. laßt? Er
= Apul, de dogm, Plat. n. 249. . Talis igitur ae de tell.
. + bus Plato, non ſalum heroum virtutibus praelitit,
verum etism-acquiparavit Divaaı potellatibus,
%) Artic. & Ari. ap: Euſ. XL ı & 2. Apul, p. 250. Sı.
Diog. ULR-: . — 136
>
¶Geſchichte des Plato und feiner Phil. 699 -
niet in unnäze Spizfindigkeiten, oder In eitte Träume,
‘oder in ungereimte Irrthuͤmer bineingeführt haͤtte ).
Weil er die Meynungen von Männern annahm, ‚deren.
tehrart und Grundfize einander entgegengefet waren ;’.
ſo konnte es faft nicht fehfen, daß nicht feineh Gedan⸗
ken oft die gehörige Ordnung und Zuſammenhang gefehlt
hätte, daß er nicht häufig in Widerſpruͤche gefallen, und
. der Inhalt feiner Schriften eben fo verſchieden, als ſei⸗
nie Schreibart und feine ehren geworden wäre. Man
kann daher die Meynungen des Plato nicht, wie bed an⸗·
dern Schriftſtellern, aus einer einzigen Stelembnehmen,
fondern man muß nochwendig alle Stellen über dieſel⸗
"Bige Materie zufammenhalten, weil man fonft In Gefahr
Monimt ,. ihm etwas zugufchreiben, was er nicht wirklich
behauptete, -. Doch ſchwerer aber, als die Aus ſindung
der wahren Meynungen des Plato, IR die Auseinander⸗
ſezung deſſen, was ihm ſelbſt und was andern uph men
es gehört; denn fü mie er oft feine Gedanken andern in
den Diund legte, fo eignete ex fich auch ſtillſchweigend
nie Gedanken anderer, ſelbſt des Sophiften, zur, deren
Werke verloren gegangen fiad, Unterdeſſen fann man
Boch aus Jeugniſſen des Ariſtoteles, aus einzelnen Win⸗
Ben des Piato ſeibſt, und aus der Dergleichung feiner
Echriften mit denen bed: Kenophon, bey manchen wich⸗
“tigen fehren, mit großer Wahricheinlichfeit angehen, |
was des Plato, und was bed Sokrates, aber eines an
dern Altern Doilofopgen fey. ne
0, Die Bermifhung ganz ungleichartiger Lehren wirſt ihm
Dauch der Verlaſſer der Briefe vor, die dem Zeuophon
zugeſchrichen werden p. 671. Asyvarre 4000 I7-
I ea um. 74 IlnStayocu Tagazodss ‚oDses.
un Dieſer Vorwurß mas gegründeten, als des anbere von
Sichtiiher Schlemmereg, den man In chem dieſer Stelle
Ge
findet.
[4
S
x
. ,
- „Plate 996 feines Schriften eine gam; andere Moe,
as feine Reden hatten. (Gr- befolgee uämlid. in ben
Ierteren die kehratt her Gophiften, und ia ben erfleru
bie des Soktotes. Die Gründe yon biefem große Un⸗
tet ſchiede des fhriftlichen und mündlichen Vortrags des
Plato laſſen fich leicht angeben. Gr muſte norhmendig
aus eben ber Urſache, aus weicher bie übrigen Sokro⸗
tfer eg thaten, marche von feinen Aufſoͤzen in die
orm von Gefprächen. einkleiden, weil er in ihnen Die
. Gedanken des Sokrates entweder unveraͤndert, ober
Boch pur mit Heinen Veränderungen qufsekhnete, und
hiefer fein kehrer ich wicht anders als in Unterzehungen
. witgergelt arte *), Diefe Sokraciſch⸗ Mechode konnte.
Plato aud) in den Schriften nicht verlaſſen, in weichen
ex ſeine eigenen Begriffe und Uncerßichongen wer
x ——ã— — bloß erzähle, — in Form ei⸗
es zu, überhoben würde. p. 69. — Wiele naun-
gab es zu
‚tfinber von nhllefopbifden |
chen IU. 48. Diog.; allein dieſen Damen, würde er
nicht verdlenen, wenn auch nicht ein. gewiſſer Alexame⸗
06: won. Veos Sokraliſche Geſpraͤche vor ihm Bes
u Eannt gemacht haͤtte. Aels. ap, Aches. Xi, x
Piarg that in feinen — wer nichts eis sb
‚bie Unterxedungen des Sokrates auı ö
— Arhendus wirft dem Piarg an ber angefäßr»
ven Stellenicht ohne Brund vor, deß er. die Nachahmung
yanıgcız, in ben teagifhen und epifhen Dichtern feines
Bolfs-, die er der ſchlichten Erzählung entgegenfezte,
nicht Hätte tadeln ſollen, da feine Dialogen felhf: den
masifch oder Nochahmuns im der Bedeutung feyen, dee
welcher er dies Wort genonmun Gabe, | -
>
Geſchichte des Plato und ſeiner Ph. Hor
Er würde dadurch das, was Ihm, und das, was din
Sokrates gehoͤrte, zu ſichtbar unterſchleden, nab int
weder die Beſchimpfungen ſeines lehrerb durch feine eige⸗
nen widerlegt, oder auch ben, Einbrud der leztern durch
Bas Anfehen der erſtern geſchwaͤcht haben, Gleichiwie _
aber Plato gendrhlär war, feinen Werfen auch alsdenn _
eine Sokratiſche Jorm zu geben, wenn der Stoff fh
Dagegen ſtraͤubte; eben fd wurde Fr gezwungen, in fir -
nem mündlichen Unrerrichte die lehrart der Sophiſten
anzunchmen, wenn er Auch Achte Gofratiiche Geban⸗
Een vortrug. Er deftrike nicht, . le Sokrates gethan
Karte, die Sophiſten und veten Schuͤler in ihrer So
genwart, vebete nicht mit allerley Perſonen zu Allen Je⸗
sen und über allerley Gegenftänte, hatte andere Abſich⸗
“sen, ändere Perfonen, andere Materlen, zu wehren
amd Über weldye et redete, und konnte alſo auch niche
eine Methode behbehalten, die durchaus unanwendbar
wird, wenn man nicht in alle die Umſtaͤnde eintritt, Im
welchen ſich Gokrates gefunden kat ®). u
u Durch die Nachahmung der Goßrarfichen Hüter
redungekunſt in feinen Schriften erreichte Plato mariche
Bortheile, die et ben einem fhlichten oidaktiſchen Vor⸗
txrag nicht erreiche haͤtte; allein ic) weiß nicht, ob fie
den damit —8 —— ft Freier Fir
©leichgeroicht halten, wenn er jeinen Sehrer glücklich
nachahmt, und die Perfonen, bie er einfüher, hrem
j s " ——* 4 2 ads), 2
\ \
n. karm bein ansörädlichts Zenaniß irgend eins
7 Sm Sariftkelers dafür deybringen, daß Pinto niche
wie Sokrates, foridertl wie die Sophiſten geleher habe,
Allein die Sache laßt ih meinem Urtheile nach iaum
un a Bo
——ã—— leheten. Diog. IV.16.
708: chtes Buch. Dritte Capitel.
Charakter und ihrer Deufungsart gemäß reden Tägt.
Plato erregt durch feine Dialogen Anfangs ein lebhafteres
Intereſſe, ale man vom gewoͤhnlichen Vortrage in un
terrichtenden Schriften erwarten fann, Auch bemerft
„man nicht felcen mit Bergnügen, wie ber gefchräfftige
Geiſt Wahrheit fuchender Juͤnglinge von verworrenen,
-unvollftändigen und falſchen Begriffen allmälich bis zu
hellen und richtigen Seen binanflimint, oder wie einge
‚bildete Perjonen viele fruchtlofe Verſuche wagen, Die vor
Innen fliehende Wahrheit zu erhafihen, und wie fie Doch
nad Öfteren vergeblichen Anſtrengungen ganz erfchöpft
nicht weit vom Ziele liegen bleiben: oder endlidy wie So⸗
phiſten erft, ohne es felbit zu merfen, und nachher wider
ihten Willen in die augenfcheinlichften Ungereimheiten
gegogen werden; allein, zugleich fann man es doch micht
- verhehlen,. daß man auch oft durch die Weitſchweifig⸗
kit, welche Sefpräcye über wiffenfchafftliche Materien
unvermeidlich nach ſich ziehen, oder durch die dem Plato
eigenthuͤhmliche Srijfindigfeit, womit er die leichteften
Materien ſchwer macht, in feinen Erwartungen geräuicht
"und gaͤnzlich ermüder, und noch öfter irre gemacht wird,
mas man für Wahrheit, oder doc) für ernſtliche Mey⸗
‘nung des Plato und Sokrates halten oder nicht halten
foll )y. Dieſe Unbeqiiemlichfeiren werden noch um
nn oo. vieles
—
—
’®) Verdrießliche Weitſchweifiukeit finde ich in feinem Theaͤ⸗
ttet, Sophiſtes, befonders aber in feinem -zoAsTincs.
Getaͤuſcht wird man durch feinen Eutyphron, Menon,
u» Eharmides, Lyſis, Hippatch; Hlppias Minor im Yes
F nen man gar Seine Aufſchluͤſſe uber die. aufgeworfenen
Fragen findet, und an deren Ende man noch zweyfel⸗
hafter wird, als man Anfangs war. Sein Menon hat
- viele irre geführt. befonders Geddes in feinem Elfay
on the- compolition and Mauner of Writing of the
. Andent,
Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. 7
vieles vergrößert , wenn Plato feine Merfonen wider ih
allgemein befannten Srundfäge reden, ader fich felt
wiberiprechen,, aber auch auf fremde mic der angefang
nen Unterfuchung aar nicht verwandte Materien abſchw
fen, ober über Dinge fich unterreden läßt, über welt
bernuͤnftige Perfonen fich mie fo ınterreden würden "
Er ſagte fh felbft -**) fejerlich von allen Geſezen d
Diaiogs los, denen die Dichter unterworfen ware
er erkannte Feine Richter und fuͤrchtete feine Zuſcha
x gie dieſe, und geſtand felbſt, daß er eine jede Unterredu
ober Unterſuchung nicht als eine Beherrſcherinn, fü
Bern als eine Dienerinn feines Willens betrachte.
Sdhon unter den Gtiechen tfeilte man die Pla
niſchen Dielogen anf.mannichfaldge Arten, bald n
ihrem Inhalt, dald mach ihren Abfichten, oder ai
J | m
\ Antienh, particularly of Platop. 106. Diefer oe
ſtellet glaudt , dag Plato die Tugend als eine
iommenheit angeſehen ‚habe, bie. gar nicht erwor
werde, und bloß vom Himmel herabkaͤme. Eber
ſehr als yeddeg. würde man fi irren, wenn man
dem Diogenes In. 52. annähme, daß Plato fi
Aeynung ſters durch den Mund des Sokrates,
Timäns des Athenienfiſchen und Eleatifchen Sremdli
N rgetragen babe. _
9) —88 geſchieht Häufig in feinem Theaͤtet und (
— * u
-20) in Theaet. p. 8. Tlasu yap gu Tero eseni
Tr any ine, 0 u To Fade gotuzen
, Aoyay vVRNERTAR; am cı Aoyos os: NMEeTE
drmep nero. nous hascn muroy Ferm
umerensoInvos, Sravy'nuw donn. Ure 7
Rasni, ure Iearas, wone MOnTeus, 7
uncoy Te men gg EIREATTPAE NV.
ß
—
N
nacdh Ihe Mauer ir Behandlung ein ?). We bief
on
- De machen
+
.
794 Achtes Buch Drittes Capitel.
Eintheilungen aber bringen, fo viel ich fehe, Feiten Mu
gem, den nicht auch die bloßen Ueberfchriften der Seſpro
een Kane Benaue — die man unte
denſelben zu ſinden geglaubt hat, iſt eutweder einge
der, oder wenn anch dieſes wicht iſt, fo träge fie doch
wenig oder gar nichts gar gegerfeitigen Aufklaͤrung fol
der Die ve) Wichtiger aber kann es für den
"fingen Liebhaber ber Griedjifchen Philoſophie feynn, wenn
man ihm fagt, daß er fich Anfangs nicht an Diejeni
fe, im welchen Plato bie Spin
digkeiten ber Eleatiker und Sophiſten entweder wiedet⸗
hie, und nachahmt ®°*), oder auch bloß widerlegt, ohne.
e Meynung gu Außern $), oder worinn er endlich
ne elgenchämitchen der Sokratiſchen Weisheit wlder
ſprechenden Spekulationen vortraͤgt FL), Unter dieſen
Seſoraͤchen find nur wenige, bie ſelbſt der Kenner leſen
wuͤrde, wenn er bloß zum Dergmügen läfe, und einige,
Die auch) der groͤſte Kenner der Sprache, und der fir
. Siofte kefer des Plato nicht ganz verſteht. Ale biefe
Dialozen würden der in die Geheimniffe der Griechtſchen
Sorache und Philoſophie noch nicht eingeweihten Juͤng⸗
| J ling entweder durch ben neuen, von dem aller übrigen
Griechiſchen Schriftſteller verſchledenen Ausdruck, oder
durch die fremden unverſtaͤndlichen Grillen, oder endlich
durch bie ſeltſamen Träume, die fie enthalte, vom
=
J
) Il.Dles. 49-
a, FA l. p. 104. & le
nnu) Wie im Parinenides und Kraiylus.
y Bie im Ren» und den Aprigen vorher Benannte Elch
nern Dialogen,
9) Ste in feinem Theaͤret,
m mw n ſe Fi Da Keltmen,
.
Geſchichte des Plato und feiner Phil. 705
Studio des Plato abſchrecken. Viel rathſamer alſo iſt
es, mit den Geſpraͤchen anzufangen, in welchen dieſer
Weltweiſe die Grundfäze feines tehrers in der Manier
deſſelben vorträgr ), oder worinn eg mit ben größten
Dichtern und Rednern feines Volls um den Preis
buble *®), oder in welchen er auch die mit der Sokrati⸗
fchen nicht ganz unvereinbarten Theile feiner -Philofophig
abhandelt 7). Der größte Theil diefer Gefpräche ba
mannichfalcige Neige der Sprache und des Inhalte,
und verlange weder ungewöhnliche Vorbereitungen und
Kenntniſſe, noch mühjame Anftrengungen,. um verſtan⸗
yen und mit Dergnügen gelefen zu werden. Linter allen
Hriechifchen Weltweiſen verliert Feiner ſo febe in Ue⸗
yerfezungen und Auszügen, und alfo auch in einer alla
zemeinen Geſchichte feiner vornehmften Gedanken, als
Plato. Ben ihn find Gedanfen und Ausdruͤcke fo zus
ammen gefchinolgen, unb in einander gefügt, daß.man
ie felten ohne Verlezung oder Zerfiörung der erften von.
inander trennen fann. Auch wird der Werth der Ges
yanfen durch die Schönfeit und den Wohllaut der Spra⸗
be fo fehr erhöht, daß: man ihnen ihr Kleid nicht neh⸗
nen fann, ohne daß fie, wie es bey allen großen Dich;
ern und Rednern geſchieht, faſt gang unfenntlich were
ven und kaum biefelbigen zu ſeyn fcheinen. Hiezu komme.
och dieſes, daß im Plato diejenigen Gedanken, bie
hun von allen vorhergehenden Weltweiſen am meiften une - _
erſcheiden, und die anf die Denkart folgender Geſchlech⸗
ver
0) Wie in der Apologie, Krito, Altiblades, Gorgias, be
sehen Theile des Phuͤdo.
es) Wie in feinem Epitaͤphlo, feinem Gaſunaale, Phaden,/
und manchen Stellen ſeiner Republif
+) Wie z. B. in feinen Opern von den Geſezen. .
Zwepter Band.. vr...
rs
706“ Achres Buch. Dritte Capitel.
- oder logik begriff, vechnete Plato die unnäger Epkufie
Digkeitn jur Crit, oder Sophiſtik; und bie 3 Kun
Do
‚abyeriffenen eben To neuen als wahren Bemerfungen, du
. Ben Zeiten des Plato in eben fo viele Abfchnicse zerlegt
PBlato von ben Unterſuchungen über, Gore, Materie an
der Die meiflen Einfläffe gehabt Haben, bie lädkerfichfie
Ferthoͤmer find, und daß man Bingegen die unzählige
Busch feine Schriften zerſtreut find, nicht afle auffaͤden
and mircheilen Bann. Da
Me GBriechiſche Philoſophie war ſchon vor und z
als worinn fie nachher abgethelit bileb; allein bie Gr
dieſer großen Abſchnitte waren noch nicht genau
und fie felbft, auch nöch nicht mit den Mamen beiegr, d
Zenokrates zuerft erfand, und bie auch alle ſpaͤtern Weit
wwelfen benbehielten ”). Unter allen den Kerneiffen,
Die man in der Folge unter dem Namen ber Diateftil
richtig ja erflären und eimurheilen zur Dialektik *%
Die Unterfuchungen, die mar nachher in der Phoſk
vortrug, nannte er noch mit feinen Zeitgenoffen bie Wiſ⸗
ſenſchafft goͤttlicher, oder himmliſcher, oder übertrbifcher
‚ Dinge +), fo wie bie Ethik oder Sittenlehte des Zeno⸗
krates und feiner Nachfolger, eine Wiſſenſchafft meuſch⸗
licher Dinge oder menfchlicher Weisheit TF). Die Ord⸗
nung, in welcher biefe verſchiedene Theile der Philoſo
Yale in Plato's Kopfe geordnet waren, ging von der
Ordnung, meldye die Übrigen Weltweiſen beobachteten,
gänzlich ab. Anſtatt daß die leztern die Dialektik vor
Phyſik endlich mic der Sittenlehre befchloffen, fo fing
x D
.
a ne EEE Ennen
.
° . j
Bet. Emp. VIE
2°) Siehe Def. Sophift, TIo, 128.
N Apet, ton,
9
)
h
Sefbichte det Plato und feiner SSL" 702,
Melt an, ging alsdann zu feiner Seelenlehee und Dies -
lekcit fort, und endigte mic feinen moralifchen und pe .
tiſchen Grundſaͤzen. Ich mache zwar einen Anſpruch
barauf, die Sedanken des Plato im eine ganze genaue,
nirgends unterbrochene Berbindung, ober in gefchloffene
Reihen zu bringen; allein id) fchmeichte mir doch,
bequemer u ftellen, als man fie in feinen Schriften
georbnet anteifft, ober als fie felöf in feiner Oeele georbe
[}
*
Ge
Wahrheiten werden einem jeden fejer von chraͤukter
Faſſungskraft begreiflich, und alle überzeugen nicht uu
den Verſtand, ſondern ruͤhren auch zugleich das Herz.
Der Timäus des Plato hingegen iſt groͤßtentheils mis
undurchdringlicher Finfterniß, oder mic dichten Nebel
bedeckt, und nur bin und wieder heben ſich einzelne exe
leichtere Flecken hervor , bie aber meiftens durch ihres
zu lebhaften Glanz und zu helle Farben bienden. - Die
Jeichteften Unterſuchungen werben fo ſchwer, ald wenn
Plato mit Fleiß fie Härte verfinftern wollen, und die fe⸗
fteften Wohrheiten werden, durch die Bermifchung mis
grundloſen Borausfegungen und Raͤthſeln, ungewiß,
Alle Kusfpräche Piato’s über ben urfpränglichen Zuftante
der Materie, uͤber die Matur des fie bewegenden vers
nunftloſen Weſens, über die Schöpfung der Elemente,
der Weltfeele und der menfchlichen Seele, find fo uns
begreiflich oder unverſtaͤndlich, daß nur foldhe Männen,
als bie neuern Platonißer, Ss Ropf ao Dunkle *
\ 92
278Iehtes Bu. Deittes Capitel.
die dunfelſten Stellen des Timaͤus waren, ſich fchme
chein kounten, ſie zu verſtehen, und andern erflären je
Eimuen, In keinem andern Geſpraͤch hat Plato vera;
tete oder. dichteriſche Wörter, mis einer ſolchen De
bmendung, oder. vielmehr Unmäßigfeit gehäuft, al
in feinem Timaͤus, und zwar wahrfcheinlich in wer Ab
ſicht, feiner Abhandlung dadurch das Heilige und Er
tagedige der Gejäuge oder Werke der alten Goͤrterlehret
— Zzügeben. Wenn diefes wirklich feine Abficht war, ſo
verfehlte er fie gänzlich, mwenigftens bey Leſern, bie ſo
deaten und urtheilen als id. Denn anflatt das Ge
wicht und den. Eindruc feiner Betrachtungen , burd
7 da von ihm geivählten Vortrag zu verfiärfen, nahm
en.iänen vielmqhr. alle ihre überzeugende Kraft, indem
em fein aͤngſtliches Beſtreben nach feierlichen Woͤrtern
und. prächtigen Bildern gu ſehr Durchfcheinen ließ. Uebri⸗
gms iſt es untäugbar, daß in feinem Timäus die mei
ſtan ihm eigenthoͤmlichen, wenn gleich nicht Die richtige
(ten Gedagken enchalten find. -
5 Wir mögen um uns herbliden, fängt Plato in
ſeinem Timäus an *), wohin wir wollen, fo nehmen
sr allenthalben zufammengefezte und veränderliche Din
ge wahr, die eben fowohl dem Untergange unterworfen,
al entſtanden find, und die alsdann untergehen, wenn
fig io ihre Beſtandtheile aufgelöft werden. Ale dieſe
wandelbaren Maturen fünnen unmöglid) ewig, und ohne
Upfache da feun, und es muß aljo nothwendig eine um
enifiandene und unwandelbare Urjache geben, wodurch
fie: ſiad hervorgebracht worden. Wir entdecken ferner,
wohin wir auch unfere Blicke werfen, mannichfaltige
Arten von Bewegungen **°). Ein Coͤrper ſtoͤßt immer
. , . ven
— —
nnainnen
—
. 476. 477. “
Sy da Les. 3.605. 607.609,
.ı.
Gaſchichte des Plato und feiner Phil. RB
| den andern, ober erhäft auch Bewegung von anbern und
: e8 läßt fich nicht anders denfen, als daß eine ſelbſtſtaͤm
dige Lirfache aller Bewegung eriftire, bie ſich ſelbſt u
: alle übeigen Dinge in der Welr bewege *), Diefe ewige
Urſache aller Bewegung und Entſtehung fan weder ein
—
' blinde® Gluͤck und Ohngefaͤhr, noch eine vernunftloſe
: Matur ſeyn; denn ſowohl bie erflaunliche Schoͤnheit der
himmliſchen Coͤrper und die Ordnung ihrer Bewegunj⸗
ı gen, als die regelmäßige Folge der Jahrszeiten, und die
zweckmaͤßige Einrichtung aller Dinge auf der Erbe, ze
; gen für das; Dajenn eines verfländigen Urhebers der
Welt **), Es iſt frenlich ſeht ſchwer, ben Bater und
"Schöpfer des Ganzen zu erforfchen, und unmoͤglich, ihhn
allgemein befannt zu machen, ober feinen Namen allen
; Menfchen zu verfündigen *"9); allein feine Werke be⸗
rechtigen uns doch anzunehmen, daß ee Weisheit,
Macht und Site, und alle übrige Bollfommenheiten m
viel höhern Graben befie, als wohin wir und mit uns
fern Gedanken erheben foͤnnen }). Wandel und Behr
änderung, Vergangenheit und Zufunft finden in diefer
vollkommenſten Natur gar nicht ſtatt. Sie war vote
mals nicht jünger, und wird aud) niemals älter werben,
ats fie jezt ift, ſondern bleibt ſich immer ſelbſt gleich FF).
Dieſe Unwandelbarkeit iſt von ber volltommenften Dlatür
Y93 unzer⸗
U)
®) ib. & In Phaedro p. 202. se
- #8) deLeg X 609 p. Die Seele, und ihre Kräfte und
Verrichtungen find daher, fihließt Plato, ‚älter, als
Corper und die Eigenſchafften und Verrichtungen ders .
felben. 608 p. Unter Seele verftand er ein feloftitändis
ges Principium von Bewegung. ib, & in Phacdro
2023.
nn Tim. p. 477. 8
+) ib. & de Rep. Il. p. 144. 148. 156. Ed. Mafley,
1t) in Tim, 2 480. . a
J
a. '. Mchted Buch. Drittes Capitel.
3 denn ſchon unter den vergaͤnglichen Min
leiden Diejenigen ‚, welche die beiten und vollfommmen
find, am wenigfien Veraͤnderungen, und fuͤh⸗
In am wenigen die Wirkungen ber Zeit, um
wie ſollte alſo die allervolllommenſte Subſtanz Berwas
delnngen unterworfen fen? Es läßt ſich nicht einmd
denken, daß fie ſich ſelbſt verwandeln ), das deißt,
dervellkommnen, eber verſchlimmern koͤnnte. Bervol⸗
kommnen nicht, weil alsdann das vollfonmenfte ——
wor) eines Zuwachſes am —— — faͤhig,
7 nicht das Vollkommenſte wäre. —
"auch nicht; benn fein verfhändiges Wehen farm feine Bon
‚gage zu zerſtoͤren oder zu vermindern ſuchen »).
un aan fchuff aber, fuhr Diato fort, die Welt nicht
‚aus Michts, oder aus der Fuͤlle feiner eigenen Moatur,
dem dieſe Eonnte gar nicht verchrpert werben,
aus einen rohen unentſtandenen Urfioff, der von oller
Ewigkeit her neben ihm fortbauerte, feichen un
entſtandenen Lirfioff behauptete Plato zuerſt, *7* bie
Wirklichkeit deſſelben darzuthun, belegte ihn zuerſt mit
dem Namen von Materie 7), und ſagte, diefe Mor
terie urfprünglich weder euer nach Luft, weber
noch Erde, aber fähig war, alles diefes zu werben, und
alle Geftalsen und Eigenfchafften anzunehmen. Cr
ante fie daher die Mutter und Saͤugamme alle
— Ar 7 alfo dem Pinto Unrecht, werk 4 ©. got.
meiner Hifloria doctr. de deo fagte, daß er die Limvan-
delsarkeit Gottes ohne allen Beweis angenommen haͤtte.
Aus diefer Unwandelbarkrit folgte, nach Plars’s Grunde
Ken, daß die göttliche Subſtanz nicht —
fps denn wandelbar und unauflöslich war, feiner Dir
nung nad, nur das, was aus Theilen
— Erika ntae |
“TUE nf
Geſchichte bed Plato nund feiner Mil. ya
Dinge, ımb bie allveraͤnderliche Aufnehmerinn afler Ge
flalten und Beſchaffenheiten, ſprach Ir aber den Mar .
men von Corper ab, weil fie vor igree Bearbeitung
gar feine beftimmte Form, und feine won den Eigene
fchafften gehabt habe, die wir mit unfeen Sinnen in den
Ehrpern wahrnehmen *), - Diefer unformliche Orund⸗
ſtoff lag, nicht ruhig, und unbernegt, wie fie Hemoio⸗
snerien des Anaragoras ; ſondern er musde von ehem
ihm beywohnenden Principio von Bewegung, ober von
einer vernunftloſen Seele wild und ungeftäns nach allen
Richtungen herumgerrieben. Dieſe vernunftiofe Seele
bezeichnete Plato mit mehrern Namen: er nannte ſie
Gold die Unendlichkeit, und eine gaͤnzliche Beraubung ber
Harmonie und Dernunft, bald ein Weſen, das in wie
rracht und Ungleichheit weder Mao noch Ziel, heobach⸗
te: bald dos Theilbare und flerd Unglaiche, bald Roth⸗
wenbigfelt, und bald die zuͤgelloſe und unvernünftige Sees
fe *"); aflein nirgends erfläst er. die Natur biefer Lies
quelle von Unordnung T). Ss Beweiſe ihrer wu
*) in Tim, 484. 485. Plato widerſptach ſich aber Bier,
wie ben vielen andern Gelegenheiten. KBisweilen nann⸗
ge er fie unfichtbat: Aso Tv TE VEFVneros Ogere,
N TAVTOS UINER UNTeER.TI varpboynv, ie
TE YMv ANTE egce, JATE TUR, HATe Vbag Arı
Vous, uNTe Co 8X TETRN, TE eE an Tourca
voyover, MR ‚wogreroy endos Tı zus nee don
naydeyes. An einer andern Stelle hingegen nannte .
er fie das Oichtbare: — Yeos — Era da mm Coca
m dperov magaAwfdev. P. 477. .
ss) Siehe meine ung über. diefe Materie im erſten
Tpeile meiner philoſophiſchen Schriften ©. 40. ws
man alle Stellen, Meynungen und Anslegungen bey,
fammen finden wird. *
H Am beftimmteften aber boch in Politie. p. I20. 225. in
Phil, p. 160, de:Leg. X, p. 608.
— —
Own m —
u taie und für Spuren derſelben in ber gegen
Geſezen der Natur, alle Gebrechen, Schwachheiten un
J Mängel der Menſchen ſowohl als Thiere, alle Jrrthuͤl
yi5 . es Buch. Drittes Capitel:
Welt hielt er alle Abweichungen von ven gembhprrfi
mer, heftige Begierden , teidenichafften und tafter, en»
- Sich alles Elend, worinn der Menich durch bie Perderb
niß feiner Matur geftürzt wird. Ohne ein folches vor‘
- ber Sortheic verſchiedenes bösartiges Principium schien |
ihm der Urweung des Bofen in der Welt unerflärlid),
Indem fein Gtundſaz unwiderſprechlicher fen, als Diefer:
daß die Gottheit unmönlich etwas anders. als Gutes,
hervorbringen, und rhun, und niemals ſchaden Fünne. -
Weit nun der Wille der Gottheit war, daß alles, .
fo viel als möglich, gut, und nichts hingegen böje, oder
mvollfonimen werden und bleiben follte *), fo näherte
fie ſich zu einer aewiffen Zeit der mülten und unordent
Hich bewegten Materie, um fie in Ordnung zu bringen,
und aus ihr nach ewigen Muſtern oder Urbildern, von
denen ich nachher reden werde, eine ſchoͤne Welt zu
bauen. Dieſe Welt mufte nothwendig die befle werben,
die aus einem folchen Stoffe geichäffen werden konnte,
» weil Gort bie befte der Liefachen, und gar feines Neides
fühlg war. Er ergriff daher den nackten Urfloff, und
bildete ihm zuerſt, um ihn zu einer fichtbaren und feften
Subſtanz zu machen, in Teuer und Erbe um, weil
ohne das erſte nichts ſichtbar, und ohne die andere nichts
“ fbar if. Hätte die Welt eine bloße Fläche werben
en, fo würde ein einziges Mittelweſen **) Kingereicht
Gaben, Feuer und Erde zu vereinigen. Allein da die
Welt eine undurchdringliche fefte Subftanz werben er
‚ %) in Tim. p. 477.
HOhne welchen zwey andere gar nicht verfunden merken
Eaunen,
\
JE — — --
E—
Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. | 713 |
fo wurben zwo Mittelnaturen erfordert, um bie benden
erften Elemente zufammen za binden. ort ſchuff deß⸗
wegen noch tuft und Waſſer, und zwar fo, daß das
Feuer ſich eten fo zur tuft, wie die tufe zum Waſſer,
und wieberum die tuft zum Waſſer, wie bad Waſſer zug,
Erde verhiek *). Aus diefen vier Naturen wurde bie
Welt nady harmonifchen Verhaͤltniſſen auf eine ſolche
Art zufammengefezt, daß fie einer jeden andern Macht,
‚als der Macht deßjenigen, der fie gebaut hatte, unaufs
‚ blich oder ungerflörbar wurde .), Zu! diefen vier Elemen⸗
ten verbrauchte die Gotthelt allen vorräthigen Grundſtoff,
und ließ außer ber Welt, die fie hervorgebracht hatte, nichts
uͤbrig, woraus euer, oder Erde, oder tuft, oder Wab -
fer Härte werben Fonnen. Sie that dieſes, theils um
Das Ganze fo vollftändig, als nur moglich, zu mache
cheils aber auch, damit die Welt weber Alter, 10 |
Krankheit erfahren möchte, die alsdann haͤtten entfichen
koͤnnen, wenn gewiffe Reſte des Urſtoffs fie von außew
zur Ungeit angefallen, und Verwuͤſtungen in ihr anges
richtet hätten 7). Mach der Schöpfung der Grundedr⸗
per gab Gott der Welt eine Geſtalt, die ihrer Dehins
mung am angemeffenften war, und fie ihm am aͤhnlich⸗
ſten machte 7 7). Er eget ſie naͤmlich in eine tu⸗⸗
95
%) Veber die Schoͤpfung der Elemente aus geometriſchen gie
2 Eiit. W Bie im Sm Ben aut
Pu dal, at er gewiß ſelbſt nie genau. sewuß, —
tn KunAoreges AUTO STOVeVTaTe MT —
—
p. 478: Tim, Bach dieſen Worten gab Diogenes
dem Platoniſchen Gore eine ſphaͤriſche Figur. IL 72,
ZQusgoesön de, du To nas' Toy YarrrorTes Tas
Tex ** |
x
"714. Achtes Buch. Drittes Capitel.
runde Figur als eine ſolche ab, bie alle übrigen
in ſich ſchließe, und alfo für diejenige Gubftang,
alle übrigen enthalten. folle, bie ſchicklichſte fey:
dieſer Geſtalt und Vereininung alles Ucftofis des
Schooße brauchte die Welt weder Augen noch Däre.
weil außer ihr nichts zu fehen und. zu hoͤren war: keia
MWerfzeuge der Erhaltung, meil fie meber neue Thek
erhäls, noch alte verliert, fondern fich ſelbſt genug if,
‚weil fie allein von fich leider, und in ſich ſelbſt wir,
und fid) gleichfam von Ihrer eigenen Verderbniß nähe:
Moch weniger hatte bie Welt Füße und Hänbe nöchk,
weil außer ihr nichts zu ergreifen, und zu der Deiweguns,
welche die Gottheit ihr mittheilte, gar Feine dem chieri
ſcchen ähnliche Gliedmaßen erfordert wurben, |
Aller dieſer Borzüge ungeachtet würbe bie Melt
boch nicht das vollkommenſte Werk geworben ſeyn, wenn
die Sottheit ihr nicht eine vernuͤnftige Seele gegeben
tte. r Urhebert ſah ſelbſt ein, daß alles Beſeelte
eſſer, als das Seelenloſe fey.”), und er faßte daher
den Enefchluß, der. Welt eine vernünftige Negiererimn
‚Au ſchenken. Well es aber unmoͤglich war, daß reine
Vernunft und Verſtand unmittelbar mit Cörpern ver⸗
bunden wuͤrde, fo vereinigte Gott eine feiner goͤrtlichen
Vollkommenhelten, feinen Verſtand, mit ber unvernuͤnf⸗
tigen in der Materie wohnenden Seele, und in und
durch dieſe mit der Coͤrperwelt *), ber er vereinigte
die untheilbare ſich ſtets gleiche Natur mit Gewalt mit
ber in den Coͤrpern wohnenden theübaren, und wider
biefe Verbindung ſich ſtraͤubenden Subſtanz, und ſchuff
aus dieſer Miſchung eine vernuͤnftige Seele, die er in
die Mitte der Welt ſezte, durch das Ganze ausſpannte,
°.. Zu . und
®) p. 477. 478
) p. 477.
1
Geſchichte des Plato und feiner BL 78
und gleichſam mit allen chrperlichen Weſen Geflelbete”).
NMun wurde diefe göttliche Seele die Königin und Fuͤh⸗
" rerimm der Welr, und die Welt feibit ein vernünftiges
Thier, ober eine feelige und unſterbliche Gortheit ,. bie
* in alle Ewigkeit ohne den geringſten Wandel ihrer Gluͤd⸗
ſeeligkeit fortdauren follte ). u) j
Nach der Weltſeele brachte die Gottheit den Him ·
miel und die Geſtirne, und mic ihnen-bie Zeit and alle
Aöſchnitte der Zeit, Tage und. Boden, Mongathe und
Zahre hervor, die font nicht waren. Er zuͤndete dem
! Bewohnern der Erde im Monde und in ber Some, bie
ijhnen am nmächften find, geh große kichter an, unb
I fegte fie und die übrigen himmliſchen Cörper als die me
OD Die gioepte Stelle, in welder Plato von der Schöpfung
! der Welifeele redet S. 478. Tac auegıse us ces
KAT TAUTE EXBONS BMAS Nas TNS MO ep.
To Gore Yıryvousvos negisns. u. |. vo. behält im»
mer etwas Tinerflärlihes, indem er nicht nur ſagt,
daß Gore das Untheilbare und Theilbare unter einander,
ſondern auch mit der Wifchung, bie aus ihnen entſtan⸗
den, wieder vermifcht habe. Noch dunkler find. bie
Eincheilungen der Weltſeele, Die er gleich darauf ans -·
führt, und die man eher einem Bewohner des Narren⸗
hauſes ats dem Plaro zutrauen folle. Zur Probe
oil ich nur den Anfang mit ben Worten bes Cicero
Gerfegen: Jam partes fingutes ex eodem, & ex al.
tero, & ex materia temperavit, Fuit autem talis il-
Ja partitio. Unem principio partem detrazit ez toto:
fecundam autem primse partis duplanı: deinde tere
tlam, quae effet fecundae fefquisitera, primae tri-
pla: deinde quartem, quse fecundse dupls eflet:
quistem inde, gan tertiae tripla, tum —* o@u-
am primse: pofremo feptimarm, quae feptem de
—** partibus autecoderot primae,
Ep 89.
—
1 £
26 Aſchtes Buch. Drittes Capitel.
ſer ver Jeit feſt ). Die Geſntene ethleiten aber
alle dieſelbigen Bewegungen, denn nur bie ſogenannte
Firſterne bewegen ſich in einer ſolchen Richtung, die E.
san unwandelbaren Schöpfer am aͤhnlichſten iſt. i
Bewegung ber Jerrſterne hingegen iſt ein Ueberbleibſ
der Wirkungen der ewigen, die Materie regellos herum
treibenden @eele, welche die Gottheit ſelbſt durch ihre
Mimacht nicht gan zu baͤndigen vermochte. So wie
die Bollendung des Kreiſes, den der Mond und de
Sonne durchlaufen, einen Monat und, ein Fahr aus
J
machen; fo wird ein großes Himmelsjahr zurück gelee
denn, wenn alle himmliſche Eorper an eben die Puncte,
von weichen fie zuerſt ausgingen, zurück kehren, um
denſelbigen Stand, den fie urfprünglich hatten, wieder
erhalten werden *). | Ä |
Nachdem die Gottheit die Geſtirne gefchaffen,, Ges
„feele:unb zu ſichtbaren Göttern gemacht hatte; brachte
fie auch) die unfichtbaren göttlichen Naturen hervor }).
| Zwar uͤberſtieg es, füge Plato, unfere Kräfte, bie
Entſtehung und Natur dee leztern recht gu erkennen und
Detvegungen der Geſtirne noch ſehr irrige
R -gen, — Ita vim funm, fagte ee an der ang
Stelle, aber mir den Worten des Cicero: natura con-
vertit, ut torram lunae curlus prozime ambiret, e«i«
que fuprs terrsm proxima folls eireumveRio effet.
Lucifer deinde, & fans Mercurli Alla curfam ha-
bent celeritati folie parem , fed vim quendem com
trarlam eaque converfione, quam inter fe habent
Lucifer, Mercurius, fol, alii alioe vinzust, vichlim-
quo viscuntus. Siehe auch Somalum Scip, e. 4
U Ks. |
es) Somn. Seip. «. 7. Pate
x siele Saßeraufeße an. ib, vi vi * ei
p. 481.
90 S. 480.81. Plate hatte uͤber die Entfernungen und |
\ Vorſteſtun⸗
Geſchichte des Plato umd ſeiner Phil. 717.
anzugeben; allein es iſt auch ſchwer, den görtlichen Maͤn⸗
arern nicht zu glauben, die ihre Schickſale und Thaten
befungen haben, und wiflen konnten, weil fie ihren Exs
zeugern am nächften waren. Am ficherften alfo ifl es,
‚ben väterlichen Geſezen zu gehorchen, und den Söhnen
‚ber Götter ſelbſt aladann zu folgen, wenn fie Feine hin⸗
‚zeichende Beweiſe benbringen. Plato erzählt Daher den,
‚Urfprung der Sriechifchen Öotter , wie Homer und Heſio⸗
‚bus ihn befungen hatten, und behält auch die Namen und
‚Eintpeilungen goͤttlicher Naturen bey, die er unter feinem
Volkt vorfand. Errteder mic den alten Dichtern von,
‚Göttern, Dämonen, Halbgoͤttern und Helden), nahm
"aber außer den Geſtirnen oder fichtbaren Goͤttern nur
‚eine einzige Claſſe höherer Weſen, nämlich) die ber Ds
monen an, aus deren Mittel die Seelen der Menfchen
‚auf diefe Erbe herabgekonunen feyen, und zu welchen fie
auch wieder hinauf fleigen würden **). Bon diefen Die.
monen glaubte er, daß fie in Anfehung ihrer Kräfte, _
Kenntniffe und übrigen Bollfommenheiten weis unter den
Göttern und von ſich ſelbſt verſchieden, daß fre auch alle
fehlbar und unordentlichen Negungen unterworfen, aber
doch von Bösartigfeit und Begierde zu fehaben frey
ſeyen 7). Sie wären alle, lehrte er ferner, in feine
u . ” oder.
)
r
i ———
x p. I1. Cratyl, p. 53. 59. Tim, p. 485. Doh Au-
e 3. er fi) Über den Rang der Dämonen, Halbgoͤtter
‚und Helden nicht immer auf hiefelbige Arc, Man fer |
he die beyden zuerſt angeführten Stellen, wo er bald
" die Dämonen, bald die Halbgoͤttet und Helden: für
| Söhne und Töchter der Götter ausgibt.
8) h. ec. & Symp. 187. Epiu. 639. bef. in Crat, p. 53. &
de Rep. 420. An den legen Siellen ſagt Plato,
daß man alle rechtfchaffene Männer, fie möchten leben
.. oder geftorben ſeyn, Dämonen nennen muͤſſe.
) Man ſehe die Allegotie des Phaͤdrus in der erſten Bey
ge, und Eutyph. p. 6. und de Rep, Vol U. p. gt
| 28 Achtes Buch. ‚Dritte Capitel.
oder luftige Eörper gekleidet, und ſowohl über dem Dim.
mel und die Geſtirne, als über die Erde verbreiter )
Die leztern, welche unſichtbar auf ber Erde Gerum
ſchwebten, nannte er Diener und Boten der Soͤtte
welche dazu beſtellt wären, die Bebere und Wuͤnſche be
Menfchen zu den Göttern, wie die Befehle Der Gärız
su den Menſchen zu bringen, und alle vernuͤnftige weh
unvernuͤnftige Bewohner ber Erbe In ihren Schuz un
Aufficht zu nehmen ). Endlich, behauptete er, ſeye⸗
fie allein die Vorſteher und Urheber von n arte Dre
- and Borbebentungen, und ihnen allein wären Feſte, Opfe
- und Geheimniſſe beftimme und geheiliget FT).
Machdem der Baumeifter des Ganzen bie
sen und umfichtbaren Odtter hervorgebracht hatte, blickte
er suf das eroige Urbild der vollfommenften Welt in y
nem DBerfiande, und fand, daß dieſes noch die Muſter
oder Ideale yon drey Sattangen von Sefchöpfen euthalte,
die in der wirklichen Welt erzeugt werben muͤſten, wenn
fie anders nicht unpollenbet bleiben follce FF). Dieſe feh⸗
lenden Sefchöpfe waren die Bewohner der tufe, ber Erbe
und bee Gewaͤſſer, zu deren Hervorbringung er die ſicht⸗
. baren ſowohl, als die unſichtbaren Goͤtter zuſammen
rief, * und ſie folgendergeſtalt anredete. Ungeachtet alles,
wad entſtanden und hervorgebracht it, feiner vr
Dir ib, & Eutyphr. p. 6. & Rep. Vol: II, p. 391. ia —
9) Pia gab einem jeden Menſchen einen
Auffeher , deſſen wichtigſtes Geſchaͤfft er darinn *
te, die Seelen zu den Dertern der Reinigung
und Strafe zu führen. Mit einem jeden neuen Leben
erhielt die Seele, feiner Meynung nach, auch einen
neuen Dämon. in Phasds, p. 45 & 45. de Rep.
WELLE u
Sefthichte des Plato und feiner Phil. 719
mach nicht uwergaͤnglich und unauflöslich iſt; fo werdet
nihr doch, meine Kinder, durch meinen gnäbigen Willen
niemals den Tod fehen, indem es unrecht fenn wuͤrde,
Weſen zu vernichten, die fo ſchoͤn und harmoniſch gebaut. -
und zufammengefest find... Es müffen aber. noch außer
teuch drey andere Geſchlechter fterblicher Naturen wirk⸗
lich werden, ohne welche bie Welt nicht ein ganz vollen⸗
: Detes ‚und meiner würdiged Werk ſeyn wiirde. Diefe .
ſterblichen Gefchöpfe fünnen nicht aus meinen Händen
hervorgehen, well fie alsdann Unſterblich, und euch,
‚ meine Soͤhne, gleich werden würden ®). Damit alſo
dieſes nicht geſchehe; fo übernehme ihr die Schöpfung
dieſer Thiere, und ahmt meine zeugende Kraft und
‚ meine Werke nach. In fo ferne fie aber unferer Na⸗
| zur verwandt feyn follen, will ich euch vorarbeiten,, und
! hr folle alsdann dem unfterblichen Beftandrbheile den vere
ı gänglichen anknuͤpfen, den ihr erzeugen, aufziehen, und
wenn er ſtirbt, wiederum aufnehmen werdet. Als der
Gott der Goͤtter dieſes gefagt hatte, mifchte er in eben
dem Becher, in welchem er die Seele der Welt zeſchaf⸗
fen hatte, die Ueberbleibſel derſelben abermals, doch mit
einem geößern Zufaze des Thellbären und Lingleichen zu⸗
ſammen, fäete die Seelen, die hieraus entſtanden, über
bie Geftiene aus, und machte jie mit der Natur des
Ganjen und den unwandelbaren Gefezen des Br
0) Eicero hat den Plate mandmal, und auch an dien
9 fer u nicht verftanden. & uͤberſezt folgende
Worte biefes Weltweiſen: Aveaus de Taur& Yelo-
pero, nu Bis meraoxovre Jeos salat’ av;
fo: Qyae a me Ipfe dffeAs (int, quod deorum vi.
tam poflit adeequare. Anſtatt, daß er hätte fagem
folen: Quae Aa me ipſo effixerentur, deorum vitam
adacquazent, | Ä
qaa Achtes Buch. Drittes Capitel.
niſſes, ober vielmehr. Rathſchluͤſſen ſeines TBillens
kannt. Keine, ſagte er, wuͤtde ſich über ihr Schich
oder über Beeintraͤchtigung beſchweren kͤnnen, int
ihnen allen diefelbige Zeugung oder Perwandlung bevi
fliege. Denn nachdem jie eine jede. über die ihr ci
fprechende Werkzeuge der Zeit ausgefäet worben, mil!
us ihnen ein Gott verehrendes Geſchoͤpf, „nämlich d
enich, entftehen ”), ‘Da nun bie. Menſchenng
in zwey Geſchlechter gerheilt fen *”), fo würden die
fen zuerſt in der Geſtalt bes männlichen, ald des beſſer
erfcheinen. Gleich mit diefer Einpflanzung in beräne
“ D
(RER EEE
©) Cicero uͤberſezt wiederum einigemal nicht recht. Di
Worte: Ors Yeızamy TEWTN EV ECOTO TETOSYur-
vn pie mac, Ivo um Tıs EAGTTON UM aUTE;
gibt er fo: Et ofendit primum ortum unum fors
omnibus, eumque moderstum atque conflanten,
neque ab ullo imminutum, Won ortus, moderstu,
conſtans, neque ab ullo Iimminutus, ſteht im Piste
nichts, und ich kann mir auch nicht einmal etwas dabey
denken. Eben fo wenig finder fih im Orisinal in da
Beſchreibung der Schöpfung der Menſchenſeelen der
Zuſaz: fed a diis fecundum fumebat, atque tertium,
Webrigens merfe ich noch an, daß das, was Pla:s hier
fügt, dem widerſpricht, was er. in feinem Phädruf
vorgerragen hatte. Denn anftart, daß er in =
. Zimäus allen Dämonen nad den Gefezen des Ber
Zu Bängnifles. auf eine Zeitlang. die Einwanderung in ic
| diſche Leiber verkündige, bebaupter er im Phddrus,
. daß nur einige. Seelen, und zwar jur ‚Strafe für un⸗
„reine Begierden, die fie gehegt hätten, in menfchliche
Cuourper wandern follren. (Man fehe die erſte Beylage)
aAus der Verfchiedenbeit der Ausſpruͤche des Plate über
die Urſachen der Eincoͤrperung der Seelen entſtanden
| ‚die fireitenden Meynungen der neuen Platoniker Aber
eben diefe Trage, . 0.
0) p. 483.
.2*
‘
Gaoeſchichte des Plato mb feiner Pl. zur
üche Chrper, die Theile veribren, und wieder erhielten,
‘würden fle mit einer zarten Empfindlichkeit, ber Urfache
ver heftigften Erſchuͤtterungen, nicht weniger mit Freude
and Traurigfeit, mit Furcht und Zorn und andern hef⸗
igen teldenfchafften verfnäpft werden, deren Bezäfmung
ınd Ausrortung fie in ihre urfpränglichen Wohnungen,
sie Geftirne, hinaufheben, deren Kerrfchaffe und Gieg
ıber ihnen eine zwote Strafe und Verwandelung zugle⸗
yenn werde, Sie würden nämlich zur Strafe ihrer Vers
yehungen abermals in menfchliche, aber weibliche Corpet
ingeſchloſſen, und wenn aud) diefe Zuͤchtigung fruchtlos
liebe, in folche Thierleiber verwieſen werden, die ihrer
»erdorbenen Gemuͤthsart am aͤhnlichſten ſehen ). Diefe
Wan⸗
’
— û
Ta ——— | Denn |
®) Hier finden fih in Plato Worte, die Eicero nice übern
ſezt hat, weil er fie nicht verſtand, und’ bie ih aud
eben fo wenig verfiche: XuÄsosw de ers au Dore-
004 SDIRVEMEV ETF NÄNCOTIV, Kos oıpesıy TR
sureos Biu, aıguvras ov av edary PBrov EN
oda de es Sugis Bir. uuIeuman Yuxn -aQpı-
KPESTOR. - um TRORLOKEVES de ev TEBToSs erı wars
TEOMOV 50V HOKUVOTO, KAT TAV ÖMOIOTNTE
TNS TE TOOME YEVETEwS, ES TV Toiaurav oa
peraßareı Ines Duos. Dies überfezt Ficere
ſo: Et fine tum quidem fnem vitiorum fariet: gra-
sius etlam jactabitur, & in fule morlbus Nmillimse
ſfiguras pecudum & ferarum transferetur, Das ‚was
Cicero ausgebräde hat, iſt das einzige Wernänfiige .
oder Verftändlihe, mas fi in den Worten des Plato
findet. Ich wenigſtens fehe gar nicht, wie er ouf ein-·
mal vom XuAssw Eeres, bas er gar nicht vorbeteitet .
hatte, reden konnte, werauf ſich das au DoTeRns
besieht, und mwie.die Wahl eines Lebens mir dem ges
zwungenen Aufenthalte in Thlerleibern vereinbar iſt.
Zweyter Dad. 3,
6
= möglich, fein teben hinbringen, und fich ſelbſt Feine
„22 Achtes Buch. Drittes Enpitel.
Wanderungen In Häßliche ober veißende Tiere
nicht eher aufhören, als bis die Seelen fich von allem ti:
rathe der Materie, welche ihnen anflebe, frey gerad
hätten. — Nachdem bie Gottheit den Seelen Biefe
ſeze in der Abficht befannt gemacht hatte, damit fıei
von allen den Fehltritten und Uebeln, in welche fie fa;
fen fünnten, nichts zur Saft legten, fo fäete fie Diefelk
über die Sonne, ben Mond und die übrigen Seſtim
ans, und gab den Goͤttern Befehl, ſterbliche Leiber, un:
bie noch fehlenden Theile und Kräfte der. Seele js
bauen *), bamic der kuͤnftige Menfch, fo angenehn al
Schaden zufügen möchte. Die Söhne der Odtter gr
horchten dem Willen ihres Baters, entlehnten aus Feun
und Erde, aus Waſſer und luft, fo viele Deftandrheite,
als fie brauchten, loͤtheten diefe mic unfichtbaren , aber
nicht ungerflörbaren Heften, in einen Chrper zuſam⸗
Ä | | ’ me,
nme —
©) Dies widerſpricht nicht nur dem Vorhergehenden, fon
J
——
XXXXIXIEEEX
id ’
dern auch dem klaren Worten bes . Bocther
fagte Plato, daß Bott die Seelen oder Dimonen aus
gleichem Stoff mit der Weltſeele, aber noch mic einem
größern Zuſaz des Veränderlichen geſchaffen hattr
Mir diefem Veränderlichen empfingen die Geelen ale
aus den Händen ber Gore felbft und vor ihrer Bereini-
gung mit den irrdiſchen Leibern den Gaamen ber Sinn⸗
7 Melt und Verderbniß, ans welchem auch, wie es km
Phbaͤdrus Heißt, noch im Dämonenzuftande unreine
Begierden hervorbrachen, um derentwillen die Seelen
auf die Erde herabgeſchickt wurden. Wenn alſo Plato
mit ſich ſelbſt haͤtte übereinftimmen wollen; fe häre er
behaupten muͤſſen, daß nice die Goͤtter, fondern Die
hoͤchſte Gottheit felöft den Dämonen den Gaamen aller
geibenkeffien ‚ oder 8* Being Theile der
e, und jwar nicht r Eincheperung,
fondesn bey ihrer Cutſtehung, gegeben haͤtte.
vv.
o.
“4 m cn, Wi m_ 1— 3 ur ww 7
—⸗ — va x
— —
Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. 723
men, und banden bie unſterbliche Seele an ven ſterbli⸗
chen Lelb feft. Hierauf arbeiteten fie in ven Eörper
noch zwo unvernänftige Seelen hinein, die von der edr⸗
perlihen Natur unzertrennlich, : und gleich ihrer Mut⸗
ter, ber umvernänftigen Beherrfcherinn ber Materie,
Durch die Verbindung mit einer höhern und beſſern Mas
tur gemildert, und in Harmonie gebracht werden folls .
ten ®), Die erfte diefer unvernänftigen Seelen wurde
ver Siz, nicht nur von gefährlichen in's Verderben los
enden Vergnuͤgungen, und von peinigenden, vom Gu⸗
ten abfchredenden Schmerzen, fondern and) von Kühne
heit und Furcht, dieſen unvernänftigen Rathgeberinnen,
vom unbezwingbaren Zorn, von der verführerifchen Hoffe
nung, dee alles uͤberwaͤltigenden fiebe, dem raftiofen
: Ehrgeize, dem verzehrenden Seide, und andern aus dies
fen .abjtammenden Ungeheuren. Damit aber die goͤtt⸗
liche Seele, die im Haupte wohnte, nicht Durch die Ges
meinfchofft wit der unvernünftigen befleckt würde, fo
festen die Götter die legrere in die Bruſt, umd fonberten
ſie durch den Hals, als eine Scheidewand, von ber ers
j
fieen ab **). NMoch weiter entfernten bie Götter die
34 2 | zweyte
®) p. 492. in Tim. Qoxte voe 89 ns wur ag-
Yas eAeXIN, Tauura wrarnras ayovros 0 Seos,
&v Enns TE AUTO MEOS MUTO na WOos- N,
GUMMETEISS EVEROMTEV, OTAS TE KO O7N duio-
Tov my arahoyas Kos TUMMETER esvch. Die wich⸗
tigften Stellen über die beyden unvernünftigen Seelen
find außer der angeführten folgende: in Phsed. p. 202.
205. ©. 495. in Tim, und de Rep. Lib. IV. p. 298,
802. 306. 308. Lib. IX Vol, Il. p. 228. 252. 268.
er) Sie offenbare ih, glaubte Plao, duch heftiges Herz⸗
klopfen, und werde durch bie Lungen abgeküͤnle, die
hauptſaͤchlich deßwegen gebaus worden. Piaro’s Bes
fhreibung
924 Achtes Buch. Drittes Eapitel.
- goente unvernünftige Geele von ber Regiererinn Des gan
zen Menſchen. Sie banden nämlich diefe Muctter der
Keftigften Begierden nad) Speife urid Tranf, nach dem
Senuffe finnlicher liebe, und felbft nad) Reichthuͤmern,
wodurd) die erfien Begierden befriedigt werden, als ein
wildes Thier, in dem Unterleibe feſt, damit fie Dei
weniger Geſchrey und Aufruhr maden möchte. Ei
iſt um defto gefäßrlicher, da fie gleichfam Die Krippe,
‘oder die Aufnehmerinn und Derarbeiterinn aller Nah
eungsimistel iſt, und alfo unaufhörlich genäher werben
muß. Nach diefer Hineinwirfung der unvernänfti
gen Seelen in ven Cörper, wurde die vernünftige An
- fange wie von einem reißenden Strubel herumgerrie
. ben, und die ganze Mienfchennatur unter den heftigften
Ausfällen und Kämpfen erfchürtert. Die berdubenben
t
ro
ſchreibung des menſchlichen Corpers iſt faſt ein eben
qſo roher Anfang von einer auf Becbachtung segrände:
ten Phyfologie, als die Kosmogonie des Heflodus ein
roher Verfuch von Betrachtungen über das Weltgebäu:
de iſt. Plato, und felbft Ariftereles, muſten noch⸗
wendig die Beſtimmungen mancher Theile des menſchu⸗
. hen Corpers verfehlen, weil fie beyde noch vor den er»
ften eigentlichen Zergliederern in Griechenland lebten.
©) Daß diefe Lehre von den beyden unvernänftigen
J dem Plato eigenthuͤmlich war, kann man nicht nur
daraus abuchmen, daß fie bloße Folgerungen der felt
famen Behauptungen von einer in der Üaterie von
Ewigkeit her. wohnenden Seele war, fondern daß er fe
au zuerft benannt hat de Rep. p. 253. Die eine
drückte er durch rd dunocides oder @ Yuparas eer-
eo os aus: die andere nannte er To erıduuyrı-
wov esdos. vns Wuxns: ERIJUUNT MON Yon. auto
KEHÄNKDEMEV 5 O1 ODodgornTa Ta Te ep ede-
ERIIUMIOY Ka Wocıy, KH Deodinın, zer
Ancæ THTONx aroAsder Ar,
Geſchichte des Plato umd feiner Phil. 7235
Eindruͤcke, die von äußern Gegenftänden in den innen
hervorgebracht, und von diefen bis zur Seele fortgepflanjt
wurden, nicht weniger die zufließenden Mahrungeſaͤfte,
die wie gegen einander laufende Ströme aufbrauſten,
' fliegen den Menſchen nach allen Richtungen, und made
zen, daß fein befferer Theil zwar nicht gänzlich fortgeriſſen
wurde, aber auch nicht leicht Siegerinn uͤber ihre Fein⸗
de werden konnte ”). |
| Es gibt viele Menfchen, fährt Plata in feinen Ge
ſezen fort, die zwar glauben, daß es Goͤtter gebe, un
Daß dieſe die Welt hervorgebracht haben, die aber die
Ungeſtraftheit und das langwierige Gluͤck fo vieler laſter⸗
haften Menfchen und umgerechser Unterbeüder gweys
feln machte, ob die Eiörter ſich auch) um die Menſchen
und ihre Angelegenheiten befümmern. Unterbeffen laͤße
eö fich leicht darthun, daß die Gottheit alles, ſowohl
große und wichtige, als Fleine und unwichtig ſcheinende
Segenſtaͤnde mit ihrer Dorforge umfaſſe. Unlaͤugbar
ift fie ein Inbegriff ve baden Vollkommenheiten,
33 m
an
* 36 will nur noch einen Fall anmerken, wo Gfcero in
der Ueberſezung gefehlt Hat. Bolgende Worte des Plato:
Ev et amaray ameeyafonmar can αα
So, Tas ans adayers uns weeiodsc eve.
dur as FAIREUFTOV FW Ka mogeuToy, beiilt
er fo aus: — unum efäciebant ex omnibus corpuss
itemque in eo influenie atque efluente animo divino
ambitus Nigabant, anſtaͤtt, Daß es heißen follte:
itsmque immortells animse ambitus Auxo atque ca.
duco sorpori Hligebant. Vcero zog die Beywoͤrter,
die Plato vom Corper brauchte, anf die Seele. Ur
brigens vereinigt Plato unverelnbare Buͤder, wenn er
ſagt: du de er Tora evdedesaus
in Tim, p. 482. N
J
—3
76. Schtes Vach. Deitteb Eapitel,
frey ven allen Mängeln, am meiſten aber von feldhen,
‚die. wir am Menfdjen, als. tafter, cadeln und ſtrafen
Weder Unwiſſenheit alſo, noch Ohnmacht, weder Trös
heit, Weichlichkeit, noch die Unterliegung unter Ber
grügungen und Schmerzen, vielweniger Bosheit, kam
die Gottheit abhalten, die Welt zu regleren, und m:
Sluͤck aller Geſchoͤpfe, und alfo auch der Menfchen ,
Bejorgen. Schon unter uns ſchwachen Menfchen fchör
man Seldherren, Steuerleute, Hausväter und eine
jeden andern um befto höher, je mehr er in feinem Be
ruf und Geſchaͤfften nicht bloß das Große, fondern aud
das Kleine beſorgt, ohne weiches das Große nicht beſte⸗
hen kann; und von ber Gottheit wolle man verimuchen,
daß ſie weniger aut, als ihre Seſchoͤpfe ſeyn, und han⸗
bein koͤnnte7 Auch darf dich (fo redet Plato feinen leſer
an) dieſes nicht zum Zweyfel an der goͤttlichen Borfehung
Bringen , Daß du bisher unverdiente Leiden gebuider haft,
| ader noch duldeſt. Die Sottheit ſchuff die Wehr um.
ber größten Vollkommenheit und Glaͤckſeeligkeit des Gan⸗
gen willen, und du kannſt alſo uͤberzeugt ſeyn, daß auch
bir bein beſchiedenes Theil zufollen werde... Mur muf
du nicht mit aufruͤhreriſchem Murren lagen, oder for⸗
dern, daß die ganze Welt für dic allein da ſeyn, uab
arbeiten. vich allein mit Seeligkeiten überjhärten , und
von ollen Truͤbſafen befrögen folle. Unter allen Wider
wärtigfeiten , die dich treffen, kannſt du dich immer mit
dem Gedanfen aufrichten, daß das, was du leideſt, die
Wenifart der ganzen Wer, unb am Ende alfo auch
geroiß bie deinige befördern werde. Gefchichte unb Er
fahrungen führen dich beyde auf-Die ewigen @efege ber
Macur, ober auf die Rathſchluͤſſe der Goctheit pin: dag
‚die Tugend zulet über das Laſter ſiege, med baß eine
jede Seele ſinke und ſteige, und einen beſſern ober ſchlech⸗
term Plaz behalte, je nachdem fie ſich ſelbſt verbeſſert
ober verſchlimert. So feſt ale da äberzeuge fen fan |
Geſchichte des Plato und feiner PiL 727
. 2aß du, wenn bu den Willen der Gottheit ausgeübt haſt, |
: won ihe niche werdeſt vernachläflige werden ; eben fo feſt
ar
vv ir |
”-. | va wa “. [1 ..
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kannſt du glauben, daß du weder fo tief Fallen, noch fo
hoch fleigen fonneft, daß du dem Auge und bem Arme
der Gottheit entſinken oder ensfliegen koͤunteſt ”).
‚Zaft eben fo. gefährlich und verderblich, als die Ab⸗
läugnung ber Gotrheit, oder der Borfehung, iſt ber -
Glaube, daß Gefihenfe, Opfer oder gottesdien
Handlungen, die man mit ungebeflertem oder berborbes
nem Herzen verrichten kann, die Goͤtter verſoͤhnen koͤnne.
Wenn man von der Gottheit glaubt, dag fie um gewifs
fer Geſchenke willen ſich felbit vergeffen, und die Tugend
oder. die MWohlfart der Welt verrarhen könne; fo hat
man fchlechtere Begriffe von ihr, als von guten Hirten,
Steuerleuten, und felbit Hunden, von weichen Feiner
sım eines elenden Sewinftes willen fein Schiff oder feine
Heerden verräch **). Und mas können wir denn der
Gottheit darbieten, was fie uns nicht ſelbſt geſchenkt
hat? Iſt fie nicht die. Geberinn aller guten- Gaben, und
alfo auch derer, womit man fich einbilder., fie
zu fönnen? Der wahre Gottesdienſt beſteht gewiß nicht
in einem auf Eigennuz gegründeten Handel, oder in el
nem Austaufch von Geſchenken und Opfern gegen Bot
thaten und Gluͤck, fondern In einer Bereitwilligkeic, den
Willen der Gottheit zu erfüllen, und fich und andere
| 814 dutch
° Es if fa unglaublih, daß ein Denn mit folhen
Grundſaͤzen glauben fonnte, daß der egierer der
Belt bisweilen rein Geſchaͤfft urn und daß alsdanıı
fogleich die vernunfslofe wicht Seele der
Materie in ihre alte Wuth —** und alles in be
gi Unordnung zuruͤck uſtuͤrzen füche Polit.
122.
” 8 Leg. 1 e.
78 Adqies Vach. Dates Kapitel.
durch tugenbhafte % Thaten, fo viel als moͤglich, —*
zu machen ). Wenn mon glaube, fo eifert Pfato :
feiner Republik, wie Die aͤlteſten Dichter gefungen he
“ben, und nod) viele Seelenverderber lehren, daß de
Otter veränderlich,, rachfüchtig,, zänfiich und bösanı:
find, daß fie unter einander in Hader und Beindfchet
- feben, daß ſie dem Menfchen ſchaden koͤnnen, daß it
nicht die Tugend belohnen, und das laſter beſtrafen, fon-
been ihee ** in eben dem Verhaͤltniſſe ab + umnd zu
wenden, in weichem man gegen fie mehr ober wenige
feengebig iſt »), fo fchänder man die Gottheit eben k
ge. ale wenn man ige Daſenn umd ihre
längnet. In einem jeden. wohlgeordneten Staate fl
sen alfo Geſeze vorhanden ſeyn, nach weichen beyde
Gottloſen und Schänder ber göttlichen Majeſtaͤt *
and beſtraft wuͤrden 7)). Sowohl die einen als die au |
Seen könne man wiederum in zwo Claſſen eincheilen.
Einige laͤugneten zwar das Daſeyn ber Gottheit und
MBorfehung, und fpotteten aller Eide, Opfer und äbrigen
gottesvienftlichen Handlungen, allein fie haften niches de⸗
foweniger. alle bbfen umd ungerechten Tharen, und lebten
eben ſo gut, als die froͤmmſten Verehrer der Sottheit
und Tugend nur thun koͤnnten. Andere h fielen
mit der‘ Ablaͤugnung verfelbigen Wahrheiten in alle Arten
‚son Unmaͤßigkeit und Nuchlofigfeit, verftechten aber der
869 ihren Unglauben, und mißbrauchten foaur bie Dekhe
‚giäubigkeit der Schwachen zu ihrem Vortheile, indem
fie mit heuchelnder Scheinbeitigfeir vorgäben, daß fie
durch gewiſſe Dpfer und sebenie Feſte die Seelen von
Mearſtorbenen hervorrufen, Götter befänftigen ober beu⸗
vn
ar6h Eutyphron.
B de Rep. 100, & fg. 144. &1g
‘ ’
\
Geſchichte des Plato und feiner Phil. gay
gen, bie Schuld von Sünden tilgen, und ein undens
Zaͤnglich glückliches teben nach dem Tode diefes Chryers
verſchaffen könnten: Unter dieſen beyden Arten von line _
gläubigen muͤſten, glaubte Plato, Die erfiern fünf Jahre
von der Semeinſchafft ihrer Mitbuͤrger, die ſie ſonſt ver⸗
derben koͤnnten, ausgeſchloſſen, und durch richtige Vor⸗
ſtellungen zur Wahrheit azuruͤck gebracht werden. Wuͤr⸗
den ſie alsdann geheilt, ſo koͤnnten ſie wiedet in die Ge⸗
ſellſchafft ihrer Mitbuͤrger zuruͤckkehren. Beharrten ſie
aber in ihrem Unglauben, oder fielen ſie wieder in den⸗
ſelben zuruͤck; ſo muͤſten ſie als verdorbene Glieder von
dem Staatscoͤrper abgeſchnitten una vernichtet werben,
Die viel gefaͤhrlichern Betruͤger ganzer Staͤdte und rei⸗
cher Hauſer hingegen muͤſten nicht zur Beſſerung, fons
dern zur Strafe auf ewig in das finfterfte und. graufens-
vollfte Sefängniß geworfen, von allem. Umgange mit
fregen Menſchen abgefchnitten, und nach dem Tode
über die Oränzen geworfen werden, damit auch nicht
einmal ihre vermodernden Gebelne das lond und ſeine
Bewohner beflecken koͤnnten *).
Nachdem ich bisher die wichtigſten Gedanken. des
Plato uͤber Gott, uͤber Schoͤpfung, und Regierung der
Welt vorgetragen habe, fo muß ich nur noch kurz feine
Lehre von den ewigen Muftern oder Urbildern nachholen.
Unter diefen Urbildern oder Muftern dachte ſich Plato
allgemeine Begriffe von Guttungen und Arten, bie alle
wefenstiche Ginertichafften oder das Wefen ber Dinge
enthieiten, und ausdruͤckten, und die fich von Ewigkeit
ber in Gottes Verſtande gefunden hätten **). Auf dies
fe Urbilder ſchaute feiner Meynung nach die Sorcheit bey
Bis der
GEHEEEHEEEEED GEEERREREENTEN CEEREEEEEEA> GR ip
g
ib.
* Tine: P. 477. etiam p. 3. In Eutyphr. & 116 p:
Poik.
ui”,
730 Achtes Wuch. Drittes Eapktel,
der Schöpfung ber Welt, wie der Kuͤnſtler auf a
AIdeal hin, und nad) ihnen wurben alfo alle Arten un
‚Gattungen von Dingen hervorgebracht *). Diefe &
sen und Gattungen chrperiicher Dinge feyen in fo fen
nur wirflich, in fo ferne fie an biefen ihren Lirbilten
Teil naͤhmen *%), und man £bnne alfo Chrper, Mu
ſchen und Handlungen nur. in fo ferne fehön oder Häglis,
gut oder böfe, gerecht ober ungerecht nennen, in fo fer
ne fie den Muſtern, nad) welchen fie hervorgebrach
worden, ähnlich und entfprecherib wären *°*).. Die Iden
oder Urbilder allein machten das Wefen der Dinge, un
mit ihrem Vater die einzige Gattung aller umdergängii
den, und unwandelbaren ‘Dinge aus 7). Alle Edrpe
eber fonnten nur in einer Unelgentlihen Bedeutum
wirkliche Dinge genannt werben, weil fie alle beftänti
‚gen Derwandlunges, oder gar dem Untergange umte
worfen wären FF). Die erftern fegen ber einzige Vor⸗
wurf der Wahrheit, und ihre Kenntniß und Erfor⸗
ſchuug gewährte einzig und allein Achte Weisheit IF).
———
®) ib, & de Rep. Lib, VI, Vol. IL, p. 4.
**) in Phaed. p. 40, in Perm. p. 140, 41. imp. 191 in
-Cony, « An biefer lezten Stelle fagt Plato dag alle
ſchoͤne enſtaͤnde auf der Erde nur deßwegen hin
feyen, n fie an dem —S Sehoͤnen Theil
nabmen. Um ung zu der urſpruͤnglichen Schoͤnhe |
erheben, muͤſten wir allmaͤlig vom Eörpselich. —*
nen sum Sitilich und Verſtaͤndlich Schonen fort:
neben Er — dieſe drey Arten des Schoͤnen
an mehrern n feiner Schriften, vorzuͤglich aber
in feinem Saftmaale. 1. e. ' “
a⸗n) ib, | |
. dla Tim, . e. & in Phaed, p, 29. 40.
tt) ib,
'+tt) in Phaed. p. qo. in Theset, p, 82. ia Parm.-n. rer.
' beſ. de Rep. V. Vol, 3. p. 402.406. &-Vol. H 8
VI, p. 60. 70. 88. VIE, 94. 98. 114.
Geſchichte des Plato und feiner Phil. 731
Die’ leztern hingegen koͤnnten nur der Gepenftand von
wahren und falfchen Meynungen ſeyn, und niemals; '
eine gewiffe und zuverläffige Erkenntniß geben, weil fie
in eben dem Augenblicke , in welchem man fie wahrnaͤh⸗
sne, ſich ſchon wieder verwandelten, und ‚anders wuͤr⸗
den *). Mit Recht fagte alſo Piato von ich ſelbſt, daß
er den Heraklit mit dem Parmenides vereiniae ’"). Er
‚behauptete, wiejener, baß alle cörperlichen Dinge in els
‚nem beftändigen Fluſſe ſeyen, und läugnete doch auch
‚nicht, daß ed Dinge gebe, die flünden, oder fich ftets
‚gleich und unmwandelbar fenen 7). Micht weniger richtig
‚war die Bemerfung bes Ariftoteles FL), daß die fehre
‚der Herafliteer von dem befländigen Fluſſe aller coͤrperli⸗
‚chen Dinge, die Plato von feiner Kindheit an als eine :
, Wahrheit angenommen, und die hieraus folgende Un»
begreiflichfeic aller Dinge ihn auf die Gedanken gebracht
Babe, daß die allgemeinen Begriffe von Arten und Gats
tungen, und bie Erflärungen, die Sofrates zuerft von
denfelben gegeben habe, bie einzigen unwandelbaren Dins
ge und den Vorwurf ber wahren Kenntniffe des “Mens
ſchen ausmachten. Kaum darf ich Hinzufezen, y; Ari
oteles
rEEEESOFEED
®) ib, & in Cratyl. p. 68.
“) in Theaet. p. 83..86. in Sopk, p. 108. |
PH Auf diefe Art zu reden des Parmenibes und des Ze
‘deutete Dlato, wenn er von feinen Ideen fagte, daß fie
mr cspodesyLosT oe To 0971 p. 82. ie Theset. oder
er Ty Dvces Eswra fegen. p. 141. In Parm. Aug
dräde, die man wider feinen Sinn fo auslegte, ale
wenn er fie für wirkliche von Gott und den Cörperlichen
Ä Naturen verſchiedene Subſtanzen gehalten hätte.
ff) Met. ©. ap. 5. p. 15. Ed. Sylb. Gr. & Lib. A. cp.
. & €. p. 317: 280. oo.
73° Achtes Bu. Drittes Capitel.
ſtoieles bie Ideen des Plato für leere Erdichtungen ek
höchftens für dichterifche Bilder gehalten habe *).
Diefe Lehre von den Ideen und einem workers
henden Zuftande der Menfchenfeelen find die Grundpfe
ler der ganzen Platonifchen Philofophie, aber auch &
erften Irrthuͤmer, aus welchen faft alle übrige falke
Speculationen diefed Mannes entfprangen, und bie fen:
meiften Ausfprüche Über dle Natur und Beftimmar:
des Mienfchen, über Wahrheit und Gluͤckſeeligkeit, ur:
Über die Mittel beyde zu erreichen, verdrehten oder einſ⸗
tig machten.
Ungeachtet, fagt Plato, alle Menfchen opne Aus
nahme görtlichen Urfprungs oder himmlifche Pflanzen
und heilige unverlezliche Weſen find **), ungeachtet ale
Menjchenfeelen vormals feelige Dämonen waren, und
noch jego Dämonen genannt werden können }); fo fin
den fich doch unter den Wienfchen, fo wie fie aus leib
und Seele beftshen, unendlich viele urfprüngliche Unter⸗
ſchiede. Schon von Ihrem Anbeginn an waren nid
alle Seelen gleich rein und flarf, und ihrem Schoͤpfe
ähnfich. Auch firebren fie in ihrem Dämonenleben ber
Gottheit nicht alle mit gleichem Eifer nach, und fehaw
ten bie ewige Wahrheit nicht gleich lange, und mir ders
ſelbigen Aufmerkfamfeit an. Selbſt nachdem fte ſich von
| der
9 Siehe Bevlage. \
#*) Plat, in Tius, p. $00. In Minoe p. sıo,
+) in Tim. l.c. Ns wow auro desuors eos Exee-
so dedune TEro, © dn Danev oe KEY Yuar
—XRX TO ORHETI. BLOE de ν 89 um
qUyyevesav TO US NOS augeıv Ws ovTas
Tov 8x eyyaoy, ah ugevioy opforeer& Asyır
TS.
Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. 733
ee Sottheit entfernten, fielen fie nicht alle gleich tief,
urden alfo auch nicht alle gleich ſchuddig, und machten
ch auch nicht alle ihre Strafe im irrdiſchen Leben, und
zre Ruͤckkehr zur verlornen Seeligkeit in gleichen Grade
Hwer“). Nach dem Maaße der Schuld, die eine je⸗
e Seele auf ſich geladen hat, werden ihnen auf dieſer
Erde Coͤrper ausgetheilt, deren verfchiebene Einrichtung
md Miſchung, verbunden mic ber Art, wie fie gezogen
verden, den Fortgang des Menfihen auf dem Wege Dre
Bahrheit ımd Tugend fo ſehr befördern ever zuruͤckhal⸗
en, daß man mit Zuverſicht behaupten Fann : der
Werth oder Unwerch des kuͤnftigen Menſchen hänge
aft ganz allein von ihnen ab: dee Menſch werde nur -
zurch fie verdorben: und wenn er verborhen iſt, ſo muͤß
e man inner mehr die Erzeuger und Erjieher, als
ven Verborbenen felbft anflagen **). In den meiflen
Dienfchen finder ſich ein gefährliches Mißverſtaͤndniß preis
chen teib und Seele, indem diefe für jenen entweder
ju flarf, ‘oder zu ſchwach iſt. Am erften Ball treibt
ie Seile den Eörper fo gewaltfom umher, verzehrt iger
yurch das mächtige Feuer, das fie ihm mittheilt, fo unheil⸗
yar, und erfchöpft ihn durch die unaufhoörliche Thaͤtigkeit
and Anfirengung, worien fie ihn unterhäte, fo fchnell,
baß er darüber zu Örımde gehen muß. Am antern Fall
wird die ſchwache Seele entweder vom Chrper und feis
nen Beglerden, wie eine gefeflelte Sclavinn, : fortges
ſchleppt, vder wenn diefe eben ſo kalt find, als fie ſelbſt
ſchwach iſt, fo Fann fie die ſchwerfaͤllige Maſſe des Chr
pers, unter welcher fie erliege, nicht anders, als mit .
der äußerften Mühe und doch nur langſam bemreen..
. un
| » Hieruͤber fehe man die Allegorie im Phaͤrrus.
at) in Tim. p. 499. |
[U |} ”
. Sieren ımb abändern, Das Uebergewicht des Ci
5 ächtliche Menfchen, die, vole ein ſchwankendes
N
734 . . Wdites Buch.’ Drittes Capitel.
Ein zu großes Uebergewicht ber. Seele über den
bringe zwar fcharfjinnige und wirffame, aber a
gleich veränderliche und unzuperläflige Menfchen
die gute wie böfe Eindruͤcke und Vorſaͤze gleich lei
hingegen über die Seele erzeugt entweder ſchwache
von jeden, aud) dem leifeften Winde des Vergn
oder Schmerzed , der Hoffnung oder Furcht. bewegt
den; oder trägt unberwegliche Gefchöpfe, die man n
anders, als durch heftige Erfchätterungen aus ber *
fortbewegen kann *). Viel ſeltner find die glüdid
Sterblichen, in welchen Seele und Leib fo mir ein
. ‚ber barmonicen, und in einem folchen Gleichgewicht
hen, daß die eine über den andern herrſcht, ofnei
zu zerſtoͤren, und der leztere der erfiern willig dien
ohne fie zu überwältigen, oder in ihren Verrichtunß
aufzubalten"”). Nur folchen Dienfchen, in welchen
„Kräfte der Seele und des Leibes gleichſam gegen eine
der abgewogen find, fann man vollendete Dienfchen mer
nen, indem fie weder durch einen fchädlichen Ueberfu
von Theilen gebrechlich, noch durch den Mangel von un
entbehrlichen verſtuͤmmelt find. Solche Menfchen 5⸗
währen das fehönfte Schaufpiel, weil man in ihnen du:
vollkommenſte Ebenmaag wahrnimmt, was den menich
lichen Geiſt nur ergdgen oder befriedigen fann. Sie ſin
ed auch, welche den Namen giüclicdr geborner Men
fchen, und phllofphifcher Naturen verdienen }). *
°) ib, E
“r) ib,
PB EvQvis und euduns fanten weit mehr, als Gr
‚nie in unferer oder ber frauzöfifhen Sprache. Mas
drückte dadurch nicht nur vorzügliche Geiſtes⸗ u
Ä Geſchichte des Plato und feiner Phil. 235
Haben nicht nur eine außerordentliche Begierde nach al⸗
ſen nuͤzlichen Kenutniſſen, ſondern ergreifen auch ſchnel⸗
der, als andere Menſchen, behalten dauerhafter, ſchlie⸗
‚Gen und erfinden mehr aus dem, was ſie gelernt haben,
Saffen fich weder durch Befchwerlichkeiten noch Gefahren,
son der Erforfcyung dee Wahrheit und von wichtigen
—— abſchrecken, und verbinden mit der aͤu⸗
‚Berften Thärigkeit und Feuer ihrer Natur, eine uner⸗
ſchuͤtterliche Feftigkeit des Eharafters, und die liebens⸗
wuͤrdigſte Sanftheis der Gemuͤthsart, die mit jenen
‚Borzügen fo felten vereinigt find *). ge
Selbſt aber in folchen volllommnen Menfhenmuß ' -
‚die Seele durch Künfte und Wilfenfchafften, und ber
Leib durch Gymnaſtiſche Webungen beftändig und gleich»
foͤrmig geſtaͤrkt, und bewegt werben, wenn fie.nicht aus⸗
arten follen **). Auch die vorerefflichfien Naturen vers
- fchlimmern ſich, wenn die Seele durch herrfchende Sic’
tenverderbuig mit unzeinen Degierden, und der feib
durch Weichlichfeit oder Unmaͤßigkeit mic fcharfen froſ⸗
fenden Säften erfällc und entfräftes wird. Dieſe leztern
erzeugen nicht nur unzählige Krankheiten Im Chrper,
fondern werfen ſich auch auf die Seelen und Size der
Seelen, und bringen in ihnen Langſamkeit und Unfähige
keit des Geiſtes, Verdrießlichkeit oder Niedergeſchlagen⸗
heit, wuͤthende Kuͤhnheit oder weibiſche Furcht her⸗
vor.
Erkenntnißkraͤfte, ſondern auch Anl zu großen
Zugenden und Taten aus. Die Römer brouchten
für das Griechiſche au vis die Wedensarten bons,
egregia, eximin, praeclera nature. |
©) Plat. deRep. V. Vol. 1 336. 394. Lib, VI, Vol, 11. p. 8,
.54. 56. VII. p. 136. 138. .
u) £ Rep. Vol. I, p. 236. in Tim, p. 484. 499.
t
136 Achtes Buch, Drittes Eapitel.
vor*), Nicht weniger nacırhellig für die Geſumdhe
und Harmonie bes teibes und der Seele iſt De allgem
ne Berdorbenheit des Volks, unter welchem man
bören wird. Denn ohne eine befondere teitung der Gr
ſthung iſt es faſt unmöglich, daß auch der befie Menit
fich aufrecht und unbefleckt erhält, wenn er von fein
Kindheit an, wie es in franfen Staaten geſchieht, grei
Fepigkeiten, Tugenden und Thaten derſpotten, ode
‚gar beftrafen, die größten tafter und Derbrechen hinge
gen empor ſteigen, und belohnen, und die ſchaͤndlichſte
Luͤſte, als bie einzigen wahren Güter verfolgen ſieht.
Außerordentliche Menſchen aber find, wenn fie Werder
“ben werben, unendlich gefäßrlicher,, als gewoͤhnliche
Naturen, bie wegen ihrer geringen Kräfte nicht viel nd
zen, aber auch niche fehr fhaden fönnen *®),
Nach dem Placo ſind daher bie reichtigften Urfe:
chen der Verſchiedenheit der Menſchen bie geringere oe
i groͤßere
XXIXEVCXD
® p- 499. in Tim, Ors yae av y Toy ofen Ko
—X DAeyuarav, Has 000 = zo
oAwdess Yun Karo Fo qonmæ BAuynIevres,
Pr pev un Außwew avamvom, evros de ine-
pevo. rw od aurav wrude Ty Tas N
Ooec auunıkayres avareoxc9ucı, Bert
750 VoryuaTa \yuxns eumorscı = zreas de Tas
TORS Tonss eveyderta Ins \WUXnS Roos Or a
dnasov auToy Rooomımry. Ke. Es werden in
ber Folge noch mehr Stellen verkommen, woraus
> man fieht, daß Plato wie Descartes glaubte , daß der
CGsödtrper unmittelbar auf die Seele, und diefe auf den
Eörper wirke, und daß beyde Beſiandiheile des Men
den gegenfeitige Veränderungen in einander herver⸗
braͤchten.
0) deRcp. Lib. VI, Vol. Ii. p. 26:34.
| Geſchichte des Plato und feiner Phil. 737
größere Vollkommenheit ‘der Seelen gleich bey ihre
"Schöpfung, der ungleiche Gebrauch oder Mißbrauch,
den fie von ihreg Kräften im Dämonenftande gemacht
"Haben, die urjprünglich verfchiedene Einrichtung der Cor⸗
per, womit fie verbunden, und dann die mehr oder we⸗
niger vortheilpaften Arten, worauf teib und Seele ge -
zogen und gebildet wurden, '
" So wie die Seele, fährt Plato fort, ver edelſte
Theil des Menfchen it, fo ift der Kopf wiederum
‚ der edelfte Theil des Eörpere ) Beweiſe feiner Bors
trefflichkeit und Herrſchafft über alle übrigen Gliedmaßen
* find feine Erhabenheit, feine vollkommne Seftalt, und
die Bereinigung faft aller Sinne, welche die Götter in
ihn Hineingearbeiter Haben. Unter dieſen Sinnen ift der
des Geſichts der, vorzäglichfte und gewiß eines der größe
_ ten Öefchenfe der Sorrheit *"). Ohne unfere Augen würs
den wie nie die leuchtenden Cörper des Himmels und
ihre Ordnungen und Bervegungen , nieden Gang und; bie
Folge der Stunden und Jahrszeiten, nie die übrigen
zahlloſen Schönheiten der Welt wahrgenommen, und
nie alfo auch den Gedanken eines weifen, gütigen, unb
mächtigen Gottes erhalten haben 7). Alle Empfindums _
| oo. gen,
9 in Tim. p. 483.
—
. 484. j
8 —BE des Sehens und der Sehkraft der Au⸗
gen iſt eben ſo ſeltſam, als die des Gehoͤrs p. 401.
Er glaubt naͤmlich, daß wir nur alsdaun ſaͤhen, wenn
ein eigenthuͤmliches Licht aus unſern Augen ausſtrͤme,
ch mit dem Tageslicht, das in uns hereindringe, im
neen des Auges. vermifche und gleichſam gertung,
und alsdann -einen einzigen Törper ausmache 481 p.
Penn alfo das Tageslicht verſchwinde, fo fähen wie
nichts mehr, weil alsdann * eigenthuͤmliche Licht *
€
Zwepter Band. aa
738" Achtes Buch. Drittes Capitel.
gen, die wir durch bie Augen, wie die übrigen Sime,
erhalten, kann man, wenn man fie für fih, unabhoͤn⸗
gig von ihren Urfachen, betrachtet, in vier Arten abıhei
ieh, nämlic) in angenehme und unangenehme, in gleich,
gülifge und dermilchte Empfindungen , die entiseber vom
Torper allein, oder von der Seele alldn, oder von bey
den gemeinfchafftlich wahrgenommen werden *). Cor
wohl Bergnägungen ald Schmerzen entflehen aus gewiſ⸗
fon Veränderungen oder Bewegungen unferer Matur,
aber nue aus folchen, deren wir uns bewuft werben;
denn die Fleinern unmerffichen Verwandlungen, Denen
unfere, wie alle übrige Eörper unaufhoͤrlich unterwor
fen find, bringen weder angenehme, noch unangenehme
Einpfindungen hervor »e). Die leztern erhalten wir
alsdann, wenn in und folche Vermiſchungen oder Abs
fonderungen,, folche Ueberfuͤllungen ode® Ansleerungen
folche DBermehrungen oder Berminderungen vorgehen,
wodurch die natürliche und urfprängliche :Berbindung
oder Harmonie und Verhaͤltniß von Theiten aufgehoben
und zerftört wird 7). Angenehme Empfindungen aber
nehmen wir alsdann wahr, wenn bie natürliche Sarınas
nie von Teilen vermehrt, oder die aufgehobene wieder
hergeftellc wird, und überhaupt alle Bermifchungen und
Abfonderungen, alle Erfällungen und Austserungen,
alle Bermehrungen und Berininderüngen bes Cörpers
den Abfichten und Geſezen ber Natur gemäß find }}).
J Wenn wir aber weder Vergnuͤgen noch Schmer, ein⸗
pfin⸗
erer Augen vergebens —
ae al ausfließe, ohne ſich im Auge
"®) de Rep, Vol, I, Lib, IX, 8 a
Ä KA in Phil p. 166, ‚460,276, Rhlleb, p. 162.
D.ıb.&p. 16%
|
4a
Geſchichte des Plato und feiner Phi. 739
finden, fo find wir im Zuſtande der Gleichguͤltigkeit,
‚er zwiſchen beyven in der Mitte iſt ). Diefer
Zuftand fcheint oft ein Zufland des Vergnuͤgens,
ind zwar des lebhafteſten Vergnuͤgens zu fon. Alle
ranke und übrige Perſonen, bie heftige Schmerzen
mpfunden haben, ober noch empfinden, ſtimmen dahin
tberein, daß nichts füßer, als die Veraͤnderung oder.
‚a8 Berfchminden von Schmerzen fey*"), Man taͤuſcht
ich) aber doch, wenn man eine gängliche Abweferrheit
on Bergnügen und Schmerz für einen behaglichen Zu⸗
tand Hält; denn unmöglich kann das, was weder
Bergnuͤgen noch Schmerz iſt, dennoch beydes zugleich
eyn. Der Zuſtand der Gleichguͤltigkeit ſcheint nur als⸗
yanı wuͤnſchenswerth, wenn man Ihn mit einem pein⸗
ichen Zuſtande, und hlugegen unangenehm, wenn man
on mit wirklichen Bergfrügen zuſammen häl. Wollte
man alfo den Zuftand des Nichtleidens einen angeneh⸗
men nermen; fo mäfte man den des‘ Nichtfréuens für
einen unangenehmen halten: das heiſt, man müfte von
bemfelbigen Zuftande in bemfelbigen Augenblicke ganz
entgegengefeste Dinge behaupten, |
Miches deftoweniger, fährt Plato fort +), har es
viele weife-Männer FT) gepeben, welche nur zween Zus
ftände, nämlich den Zuftand des Verznuͤgens und des
Schmerzens im Menfcyen beauptet, und dafür gehale
ten haben, daß alles Vergnuͤgen in dem Aufhoͤren des
Schmerzes, und Schmerʒ * dem Aufhoͤren des Vergnuͤ⸗
| 44 3 gens
Te
#) de Rep. II. V. p. 260, & In Phil, p. 167. Diefen Zu⸗
fand, den nachher Epikur dom xarewsnunTuc,
doluptatem flantem, nannte, Kennt Plato Yauxsy,
» Rep he. .
® e te ,
» da Rep. I. 262. Imp. in Pirlleba p. 167.
At) Untes dieſen verfland ex die Sophiſten.
.
745 ° Actes Bud, Drittes Capitel.
gens beftehe , urid daß es gar fein teines, mit Schme,
unvermifchtes Bergnügen gebe *)., Allerdings wird e
durch) die Erfahrung beſtaͤtigt, daß die meiften corpers
fihen Vergnügungen, ferner der größte Theil der Be
ierden, die durch chrperliche Bedürfniffe hervorgebradk
iverden , endlich alte teidenfehafften, die den Geſezen ve
Natur , und den Vorſchriften der Vernunft zuwidet las
fen, und die Befriedigung von benden gemifchte 25
. fände find, in welchen bisweilen bie Vergnuͤgungen ver
. Schmerzen, oder die Schmerzen von Dergnägunge
Äberwogen werden, oder fich auch ohngefaͤhr das Sleich
ewicht halten *). Die Särtigung ded Hungers un
urftes, das Reiben oder Kragen von Theilen, in we
en fich ein heftiger Kizel oder Jucken findet, ſelbſt be
Bene der. finnlichen tiebe, gewähren uns alle vermiſcht
Ä * angenehme mit Echmerzert verſezte Empfindungen,
welchen das Vergnügen um deſto lebhafter iſt, je pein⸗
licher die Beduͤrfniſſe oder Schmerzen waren, die da⸗
durch geſtillt wurden f). ‘Da hun die Vergnuͤgungen
in gleichem Verhaͤltniſſe mie den Schmerzen fleigen,. aus
beren Tilgung fie eneftehen, und folche Zuftände, in
welchen ber Abgang gewiſſer Dinge peinlidy wird, und
ſchmerzhafte Bedürfniffe erzeugt, unläugbar Krankhei⸗
ten find; „fo kann man es für ousgemachte Wahrheiten
annehmen,’ daß die gemifchten Empfindungen uncer allen
die größten Bergnügungen find, und daß die größten
Pergnuͤgungen nicht von gefunden, fondern von kran⸗
‚ ten Seelen und Eörpern genoflen werden 7). So
wie fieberhafte Perfonen mit größerem Dergnügen trin⸗
—
t
“ib | | |
m) ıB & p. 168. 168, in Phil, und deRep. I. abs. u
+) p. 167. in Phil,
td) p. 167.
j
Geſchichte des Plato und feiner Ph. 741
Een, als gefunde, weil fie einen heftigeren Durft haben;
fo genießen auch unmäßige lebhaftere finnfiche Vergnuͤ⸗
gungen, als mäßige ‚und enthaltfame, wenn fie ihre
:Begierden mehr, als diefe genaͤhrt, und bis zur Fieber
hize entzündee haben ). Dieſe lebhafteſten unter allen
menfchlichen Freuden, welche der Wolluͤſtling allen übrks
gen vorsieht, und vor welchen der Weiſe, ver in allen
Dingen Maag beobachtet ,. ſich am meiften huͤtet, find
immer gemiſchte Empfindungen, in welchen ver Schmerz
ſelbſt zum Stachel des Bergnügens wird **). So wie
Moͤhe und Entfernung den Werth von Vergnuͤgungen
unb Schmerzen verwandeln ; fo auch ihre Bermijchung
und Aneinanderreibung *%) Denn Bergnügungen
werden durch die Benmifchung ven Schmerzen. erhöht,
und Schmerzen hingegen durch die Bereinigung mit
Vergnuͤgungen vermindert }._ Selbſt folche Empfins
dungen alfö, in welchen das Bergnügen vom Schmerze
übermpgen wird, verurſachen zwar unſaͤgliche Pein,
aber auch. unfägliche Ken wodurch Dienfchen außer
ſich geſezt, und in Feuer und Waſſer getrieben wers
den Fr). Dies iſt der Fall in gewiſſen Kranfheiten,
in welchen ſich ein ſtarker innerer Reiz durch das Rei⸗
ben der äußern Theile nicht ganz vertreiben läßt. Wenn
aber in den Becher ber Freuden nur einige Tropfen von
Dein gegöffen werden ; ſo entſteht daraus ein-Kijel, eder
eine Sreudenwuth, die Dienfchen, wie Thiere zur Zeit
der Drunft ,. vor Freuden fihrenen und fpringen, fie
sole in den heftigſten Krdanfen anf taufendfältige “u
aa 3
d. F |
er) ib.&æ p. ö888. u
bp 166. & do Rep. V. 11 268.
Ku] 7 Su
m
—
. pfindyng der Mittel wodurch dieſem Abgange abgepel
72 Achter Buch. Drittes Copitel. |
ſich winden macht , und ihnen und andern dag Seſtaͤnd
niß auspreßt, daß fie vor Vergnügen ſterben mid
un”). |
Mrccht aber bloß die fehhafseften edryerlichen De
gnuͤgungen, ſondern auch die Degierden, deren Befris
bigung jeue hervorbringt, find vermifchte Empfindus
gen”) Ale Degierven, wie zum Beyſpiel die nah
Speife und Trank, entſtehen aus dem Gefüßl eine
; Mangel& aber Abgangs, das wit Unluft verbunden iſt
Dies Gefühl erzeugt In der Seele bie Erinnerung von
dem, wodurch fonft diefem Mangel abgeholfen wurd⸗
wind ein Verlangen barnach. ‚Eine jede Begierde iſt af
ein Beftreben der Seele nach dem Gegentheil yon dem, mal
man leidet, ein Beſtreben, dat par durch cörpexfichen Ab
gang, hervorgebracht wird ; aher doch allein in ber ech
wohnt, und ohne Hebächtniß Und, Erinnerung nicht flatt
finder. Cine jede Begierde fe atfo zwar aus winem ım,
angenehmen Gefuͤtl itgend eines TRongelf, "ober ah
zugleich. aus der angenehmen Vorftellung Ins Borem⸗
fen wird, und iſt alſo ein gemiſchter / theils nn
“) B. r68.- Ouxey EXX BARON. ndory wre
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Te a0 faurs ae "nes Ay, 5 FEUTEE
rœc NODVOIS TELTTOMEIDS. CIOR WE
ui) In Philebo p, 165. 166 BE
LU
Seſchichte des Plato und ſeinet Phil. :743
Felle unangenehmer Zuſtand. (Eben dies kann man
mich von ollen Hoffnungen und, Befürchtungen, von ale
en Borempfindungen fünftiger Guͤter und Uebel fügen, -
bie entweder aus dem Gefühl eines gegenwärtigen Mans
geld, und dem Vorgenuß eines Füuftigen Guts, . oder
bern &efühl eines gegenwärtigen Gluͤcks, und ber Be⸗
fuͤrchtung eines fuͤnftigen Linfalls zuſammen gefest ind V.
Endlich ik e& ‚von allen unvernünftigens Leidenſchafften,
von Furcht und Fern, von Sehnſucht und Niederge⸗
ſchlagenheit, von liebe und Eiferſucht, von Meid und
andern Kraukheiten bes Seele, und: deren Befriedigun⸗
gen. wahr, daß fie aus Honig und: Wermuth gemiſcht
ind, und nicht blos Schmerzen, fordern auch Vergmuͤ⸗
gungen gewaͤhren ). &o-ift der Meid zwar eine Trau⸗
rigkeit Über das Glaͤck anderer Menſchen, aber auch zus
gleich mie Freude üben ihr Unghck verbunden. Hab
wenn: wir alfe. in tufifpielen üben ſolche Fehler und
Schwachheiten unſerer Nebenmenſchen lachen, die ans
‚bern unſchaͤdlich ſind, (und nur ſolche find laͤcherlich,) fo
genießen wir eise Miſchung von Dergnügungen und
Schmerz, die derjenigen ähnlich iſt, wenn wis in _
Trauerſolelen einen zugleich wonnevellen und peinlichen --
Antheil an. den, Laiden anderer nehmen. Eben biefes ges
ſchieht nicht, * ben, theatraliſchen Vorſtellungen, ſon⸗
bern. auch in dem großen. ft, und: Trauerfplele des Sea
pr ſelbſt, und mit Recht alſo Tann man behaupten, -
ws bucht der, ini, als die Seele allein, und auch
Yang bende
—— zo
N
' |
! [\ Qu wos. a. RG neRoru TUT: CK .TFEBS-
’ Kos Yıyvomsve Weomi0INTes Te nat ZrgoAun
| nor RATE TAUTE exgacı, de Rep. IL Lib, IX:
re 169, Im Phi:
\
2744 Achtes Buch. Drittes Capitel.
beyde gemeinſchafftlich unzählige Empfindungen erhalten
bie — reine Vergnuͤgungen, noch ungemiſchte Schu
nd
Der großen Menge aber und auch) tebhaftigkeit de
gemifchten Empfindungen üngeadyiet., bleibt es Doch m
mer wahr, daß nicht alle angenehme Empfendungen &
biefer Art gehören, und bag man wahre Ber
unter ihnen nicht fuchen müffe *). Alle Beranäsus
gen, welche uns fchöne Farben und Formen von Eir-
pern, anzenehme Berüche und Töne, noch mehr aber
die Erweiterung unferer. Kennentffe und die Bewunde
‚ gung und Ausuͤbung edler Thaten geben, find rein un:
ungemiſcht, ‚entfliehen nicht. aus ber Befriedigung be ber
‚merfbarer peinlicher Begierden, und laffen auch, wena
fe aufhören, feinen Schmerz ober ſchmerzhafte Sehn
füche zuruͤck. Soſche reine Vergnuͤgungen find allei⸗
wahre oder aͤchte Freuden, und die mit Schmerzen ge⸗
miſchten Freuden hingegen falſch und unaͤcht, oder blos
. He Schattenbilder. von Vergnuͤgungen, bie etwas am
ders ſcheinen, als fie find, und durch Gegenftänte er⸗
regt werben, bie nicht find, Dienie waren, und wie fegn
werben, oder wenigftens das nicht find, wofär man fie
zu alten pflegt. Um die gemiichten und ungemifchten
Vergnuͤgungen richtig zu fehägen, und mit einander ju
vergleichen, muß man nicht bloß auf ihre tebhaftigfelt, *
bern auf den Innern Gehalt von Vergnuͤgen ſehen, mas
| 5 in ihnen finder , und wenn man biefes thut, put
Wh bald zeigen, daß in ben angenehmen gemifchten Em⸗
pfindungen meiftens Sreube gegen Schmer; aufgeht, da
Bingegen in den angenehmen ungemijchten alles reiner
Vewinn von Zreude iſt. Diejenigen alfo , weige 6 die
nn
®) de Rep. 1. c. & in Phül,.p. 165. 16P.
'
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i⸗
!
Geſchichte des Plato und feiner Phil. a5
lautern Sreuben der Wahrhek um Tugenb’nicht Eennen,
und nur diejenigen angenehmen Einpfindungen für Ver⸗
gnuͤgungen halten, Die mit unangenehmen ver⸗
miſcht : find, oder aus dem Aufhören ſchmerzhafter
Beduͤrfniſſe enrfichen,, find foldyen-Perfonen gleich, Die
enwor gehoben: voerden,, und bie Höhe. erreicht zu haben
„glaubten, . ungeachtet fie nur noch in der Mitte find,
ober folchen, die etwas Gelbliches für weiß halten, weil
es fo gegen etwas Schwarzes erfcheint, was fie vorher
‚betrachtet haben °). ° |
Wenn man die Empfindungen in Ruͤckſicht auf
ihre Urſachen betrachtet 5 fo kann man fie, ſagt Plato,
wiederum auf mehrere Arten, vorzuͤgſich in wirkliche
‚ "und unächte, in dunkle und helle oder klare eintheilen.
„ BRirftiche Empfindungen find nur ſolche, pls von ger
genwaͤrtigen auf unfere Sinne wirfenden Coͤrpern in
yns hervorgebracht werden. Unaͤchte hingegen erhalten
wir oledann, oder mir werben getäufcht,. mens wir Ger
genflaͤnde ais wirklich ober gegenwaͤrtig zu empfinden
glaubten, die gar nicht ſind oder wenigſtens nicht gee
genwaͤrtig find **). Unter ben Empfindungen ferner,
die von wirklichen Gegenſtaͤnden hervorgebracht werden,
find einige fo ſchmach, daß wir fie gar nicht wahrneh⸗
‘men, indem fie gleichfam Im Körper abflerben, che fie
zur Seele gelangen ; anbere hingegen dringen durch. den
Cbiper bis zur Seele durch, und bringen in beyden zur
‚gleich gewiſſe Erſchuͤtterungen Gesvor }), Weder bie
tn " . dYaas einen
x
ae. in Philebe, ’
. 'D p. 163. in Phil, ‚Ges Tor Tees To as Muay
cæcors —XV TR EV I To COMaTı
auracferunere TEN ER TU Yuxm Öiefer-
* ev,
746 Mies Buch. Drittes Capitel.
einen nochdie andern gemäßsen uns "eine vächtige &
‚denntaiß, der Dinge, wodurch fie hervorgebrachr ma
‚ven. Denn. sheils iſt die Dinterie oder Die CEbeperm:
do fließend und wandelbar, daß fie fehon einen
Bid ,. nachdem wir fie waßegenommen haben,
WM, als ſie vorher war: theilä aber find auch.
-,f l)
— — =
Yen, ana’ exeıvov encavre. va.de ds ade
10YTOB, ‚MO. TIVEE STFER. GELEHOV —RXE
TINO MOVEV EROcFEEn, = TW. da.ev Bu wadeı
N nV Nangih, U. TO Am KM Yıyvapaver,
. .. auy.de mus Yp, Tavenv Ion ray wıragen —2
.. agar SHOINOW, 8X 00 TEONB- zu.
Re Enn nicht umhin, hier noch folgende fe des
—* über dag. Gefůhl unferer Perſon oder. unfers Ich
beyjudringen. (in Sympof. p. 189.) Iingenditet ein
feder Menſch von. feiner- Kindheit an bis in ſein hoͤchtes
.AIlter beſtaͤndig verwandelt, und. gleichfam. ermewce
2..." wledz fo-mmichser hoch Immer "berfelbige Menfeh genautzt
er |); dieſelblge Merfon gehalten. Nicht bloß Haare
u und Li, und — und Blut, und afle rin
den * & * ober, uns er ie 5
. Bad erhalten, u eichſam wird
Pag die Selle von nen — —— En rt, Da *
—* ya a. . ein me einzelner Menſch
.als eing 08. ſort, m abgegangenen Theile
Bets-uch neue. exfegt werden.
Geſchichte des Plate und feiner PL 747
Steine fo ftuinpf und ſchwach, und wir werden von zů
vielen und zu heftigen teidenfchafften verblendet und ers
wumgetrleben, gls daß wir In bad‘ Weſen der Dinge eine
Driugen konnten ©), _ Unfere Seele itre beftänbig: fe
Tehwindel gleichfam , und wird gevaltfam herumgewir⸗
Belt, wenn fie in Geſellſchafft des Cörpers die Natur
der Dinge u etfotſchen fucht, Ale unfere Sime itt⸗
en ung unaufhörlih, und oMe "Empfindungen. und
Borftelungen | die wir Durch fie erfalter —
Stein, de role nicht trauen Ehnnen ©
‚aMfg. hoffte man, durch die Sinue von
is Protagoras , "welcher elnen'”jrben.
—A al "Dinge nannten ie 6
f — an nl
22: In Phasch-p. 28.& 31, 3 Ci; Ara que, I $.' 'Sah-
: ſus ‚unpern olıwen: nf tardos. effe A
tur. nec.gercinsse ullo modo rue gas, quan iubiefng.
fanßbus viderentur; quseeflent auf Ita parvae,
. fub tur cädere mon poffent; aut Ita mobiles +
„eonehtktas, "ut mjbil ungmam unum effent tonfanıy
ae kom quidem ,_ quig eomtinänter
. Aumeensemii |. 2... ner
+ MM) Bat, AuCle, il. eo BE
Plato mahnte. daher. Die. Ehiperweis ma dose,
} 9 : 0er: opinabilens terum paitem, —E
” yvorsov, und die unzurelchenden ſchwankenden Cenut⸗
=. Men Die wir von. Ihr. erlanaen, kbunen dokau,
jum Unterfhiede von Yyaaıs gber Yan,
EISNN.,
dern. dag Ende Du
— —8 Yon ng — * we
798. Ahle Bub Det Cape
fänpen.erhalten ¶ dennoch afle in gleidhem Grabe nd
Spen, Wer diefen Ausfpruch.annimmtt, der muß ax
geben, daß die widerſprechendſten Empfindungen un
Bortlellingen zugleich richtig, daß diefelbigen. &äpe >
Jleich wahr und falſch, und da unter Welfen und Too
zen ‚unter tehrera und fernenden , unter Künftiern un
Unmiffenden, gar fein Unterfchieb feg 2.
, Die Empfindungen, welche feih und Seele u
gleich erfchüttern, verſchwinden niche auf einmal, wen
—— die ſie erzeugten, auf die Sinne N
‚wirfen aufhören; fondern. faffen in der Seele gemifk
Porſtellungen oder Spuren zuräd, Diefe Ueberbieid
sel -ebimaliger Empfindungen machen das Gedächenif
7 pelches. man dotjer mit Recht bie Erhalterinn over
das Depäteniß finnlicher Eindruͤcke nennen ), und m&
siner Wochsmaſſe vergleichen Fann, bie in einigen Me
‚Shen. größer ober Fleiner iſt, und. aus weicherm ober
jörteken, reinerein ober "verfälfcheerem ober auch ger
wöhnlichem Wachfe beflehr +). di
töhnlichem nr re befeh f) Ru efe ——
Muttex der. Mufenz- prägt ſich allea,,. was wir ‚bören,
und fehen,--und denfen, ‚gleich Abbrückenyen Siegelrin⸗
ger; ein; und daß, was fich eingeprägt Kat, behalten
Bieje. pertwifcht obet auögelöfcht werben, fo.fagen wir alds
dann, daß wir emad-vergeffen haben, .Mie eingepräg
ten Bilder, ober die Abdruͤcke des Dinge km Gerade
niß, koͤnnen nicht anders rein und: tief und d ft
Sehnz:umb In gtoßer Dienge vorfanben, 6
”
=. 4 .
werben, al& wenn. has Wachs ber, Gerle feibft rief uns
vo dabey weder m
a... “
%
| i Win Theaet. P.76.890.88.
. —* Theaet. p, 89:90,.& ia Phil, B.:268..165.
pi ſo lange, als die Bitver ferıdauren.. Wlnn ober
ri Gefchichte des Plato und feiner Phil. 749
eich noch zu hart bereitet iſt ). Menschen‘, in’welr
*ichen dieſes Statt findet, find nicht nur gelehrig, und
Faffen nicht nur leicht, fondern behalten auch lange; und
Srufen fi) das, was fie einft empfunden haben, - fehe
P:gebhaft zuruͤck. Iſt hingegen Bas Wache zu meidyoder
zus hart, zu bürftlg oder zu verfaͤlfcht; fo finder das
Segentheil Start: Zu weiches Wachs macht den
HE SMenfchen jwar gelehrig und fehnell faſſend, allein uns
m Fäpig, die empfangenen Eindruͤcke zu behalten. Zu har⸗
it ges hingegen macht Menſchen zwar langſam im Begrel⸗
= fen, aber ausbaurend in der Erhaltung deſſen, was fie
= ich einmal eingeprägt Haben. Wenn endlic) das Wachs
5 au fließend oder zu irdiſch und fleinige iſt; fo werden die
⁊ Abdruͤcke nicht allein ſchwach und dunkel, fondern auch
leicht vertilgbar, und folche Perfonen fönnen weder leitht
# faſſen noch lange behalten. Je fließender, oder unlautes
5 ger, ober fleinigter das Wachs iſt, defto mehr Ift man
m Gefahr, In falfche Meynungen und Irrthuͤmer
e zu falln**), In folche falſche Meynungen fällt man ale»
dann, wenn man die Abdruͤcke oder Bilder von Gegen»
: fländen, die man im Gedaͤchtniſſe hat, unrichtig auf
ı Gegenftände anwendet, die man empfindet, aber wegen
: ÄÜhree Kleinheit oder Entfernung oder plözlichen Ber
ſchwindung nicht Mar und lebhaft wahrnimme 7). Ich
bege alfo zum Beyſpiel falfche Meynungen, wenn ic)
das Bild des. Theodor auf die Perfon des Söfrates, .
ober das Bild des Sofrates auf die Perſon des Theo
dor anwende, wenn fich der eine ober andere meinen
Augen darbieten. Falſche Meynungen find alfo nicht in .
Empfindungen, auch nicht in Begriffen und Orsanten
u u allein,
in Phil, p,
2 1 e. P Ei
» ib,
“. u
8
750 vichter Buch. Deictes Capitel.
allein, ſondern in einer umvichtigen Verbindung ver
beyden *). Wahre Meynungen hingegen haben wis
aledann, wenn Bilder und Empfindungen richtig zu⸗
ſammen fallen, wenn wir beyde richtig verbinden, ober
wem wir Gegenſtaͤnde, die wir einſt empfunden baben,
and auch jezo wieder empfinden, für das Halren), was
fe find *%. In dieſem Fall kann man die e mi
. a einem
din Theact. p. 89. Evenzos de \eude dokn,
or are er Tas Modnerv Erb Too: wie,
urn reis daramıs, ERW In cwerbes
veoc xgos dsesvasih
ac) ib. & in Philebo.p. 165. er ber keiten Grefle be⸗
greift er unter den Worten dafs α auch ale
die Säge, die wir aus richtigen Degnuhgen , wie ich
fe bisher nach Ihm erklaͤrt Gabe, ableiten. A andern
Stellen nennt ex dofar rider Ale wahre he
oder richtige Meynungen, die wir aber Nicht wiffens
ſchafftlich erkennen, und firenge beweifen Können, und
unterſcheidet fe von Wiſſenſchafft bloß dadurch, daß fie
nicht durch richtige Demonfication zuſammengebunden
find, in Thesst. Ageoxei iv — dofar aAnIn zo
Tor A0YE ERISRUNV eivors. Ib. p. 87. Üben fo in
Mevone p. 844. & in Timaeo p, 485. ben fo nn
beftändig ifE er in dem Gebraͤuch des Wortes Ao’yos.
Wald verfteht er darunter die Vernunft und den Vers
Rand des Menſchen, welchen er deßwegen, wenu er
die Wahrheit erkennt, oo0loc Aoyas nennt: ein Wort,
Das die Stoiker, wie einen großen Theil ihrer übrigen
Kunfiprache, aus den Plaw genommen haben. hen
fehe Phaed. p. 28. & Phileb, p. 167, Wald drückt er
buch Acryos Demonftration aus, wie an ber kurz
rher angefuͤhrten Site, und bald endlich nenne er alle
Eoss, wenn fie in Worten ausgedrückt werden, Aoyes.
u. 165. im Phil, & Sophift, p. 2. An der lexen
D
\ Geſchichte des. Plalo and feiner DIL. R;
einem Puche, und das Gedaͤchtniß und Die Empfindung:
mit einem Schreiber vergleichen, der ‘etwas in diefeß
MDuch richtig eintruͤge. Wenn wir aber Gegenflänte,
dr etwas anders halten, als fie finds fo find Gedaͤcht⸗
„NE und Empfindung einem Schreiber aͤhnlich, der u
„vas falſch in ein Buch eingeichnete *), Aus dem bier.
‚Herigen erhellt, daß fowehl wahre als falſche Meynun⸗
gen ein Mittel zwiſchen gänzlicher Unwiſſenheit und wage
ver Wiſſenſchafft fenen *), daß fie bende in gewiſſen.
dinterrebungen der Seele mit ſich felbft beftehen, und
daß fie mar bey Gegenſtaͤnden Statt finden, die wir
"vormals empfunden haben, von welchen wir Abdruͤcke
im Gedaͤchtniß befigen , und ie wir jego wieder empfin⸗
‘den, denn es if ummdglich, daß jemand Gegenſtaͤnde,
‚die er kennt, und beren Bilder er im Gedaͤchtniſſe Gab,
mit andern verwechſelt, die er gleichfalls Terme, nud der -
‚ven Diner er im Gedaͤchtniſſe hat: oder daß er üftvas,
‚was er kennt, für etwas anders hält, mas er niche
kennt, und wovon er gar Fein Bid im Bedächtniffe bes
Rt; oder daß er das, was er nicht kennt, Für erwas
‚anders hält, was er gleichfalls nicht Fennt, oder was er
auch fennt : oder dab er das, was ee empfinder, für et⸗
was anders hält, was er gleichfalls empfindet, ober
was er nicht empfindet; ober was er nicht empfinden,
für etiva6 anders, mas er nicht empoſindet, oder auch
empfindet. Noch unmögficher ‚als alles dieſes, wenn
mon fo etwas anders fagen Tann, iſt es, daß jemand
etwas, was er kennt und empfindet, und fich .
! x { f)
——
Stelle druͤckt et Acyos durch aeyotct aus, und nenne
die Empfindung eines gegenwärtigen Gegenſtandes
Dayrasıc. | ,
©) de Republ, V. Vol. 1. 398. & ſq. in Theaet, p. 86,
22 in Phil, 165. & in Theatt. 1 «,
-
752 AUcchtes Bud: Drittes Capitel.
iſt, daß er es empfindet, mit etwas anderem verwech
fr, was er gleichfalls kennt und einpfinder, und ſit
ewußt iſt, daß er esempfinder: oder Daß er das, wu
ee ſchon fennt und empfinden, für etwas haͤlt, was «
bloß jego empfindet, oder daß er dad, was er wede
kennt uoc) empfindet, mit etwas anderem verwechfe:
was er eben fo wenig fennt und-empfinder :- ober das,
wns er weder kennt noch empfindet, mit etwas, woase
nicht kennt: und mas er weder kennt noch empfinde,
mit etwas, was er nicht: empfindet. — Alle Diefe Falk
fint fo beichaffen., daß jich unmöglid) jemand barinn ir
en fann®). -
Vom Gerächtniffe, ſagt Plato, muß man ſoweh
Erinnerungskraft als Phancaſie unterfcheiden **). Di
erfiere beſteht in der Fähigkeit der Seele, die Pilde
won Gegenfkänden, die fie zugleich mit dem Cörper
Napfunden bat, bervorzurufen, oder auch Eindrüde
und Gedanfen, die ſich ſchon aus dem Gedaͤchtniſſe ver⸗
"foren haben, zu erneuern und herzuſtellen. Einbildungs⸗
kraft hingegen iſt vie Fähigfeit, Bilder von wirklichen
Gegenſtaͤnden anders zu ordnen, und zu verbinden, als
. wie fie erhalten haben, ober auch Dilder von Gegenſtaͤn⸗
den zu fchaffen, die noch nicht find, und vielleicht auch
niemals ſeyn werden 7). “ &o wie man das Gedaͤchtniß
mit einem Schreiber vergleichen kann, ber in die Seele
alles
Oyib. Mic Fleiß Babe Ich die lezten Raͤſonnements aus
dem Plato abgeſchrieben, theils um die Faͤhlgkeit und
den Wohlgefallen dieſes Mannes an feinen Speerla
tionen mir einem neuen Beyſpiele zu bekraͤftigen theils
. * Fon un & ke ‚in wie — Geſtalten
ormeln r Grundſaz des Widerſp
rucken laͤßt. ba ruhe au⸗
) in Phil, p. 163. 165. j
t) Le. Sophiſt p. 114.
.
See⸗ßichte des Plato und ſiner Phil, 1753
"led und nur des einte gr, was ihm vorgelezt witd;. ſo
, Farm man die Phantafte einen Mahler nennen, der oft
unwirkliche Dinge darſtellt, Die nicht find, die nicht was
‚von, und auch nicht ſeyn werben *. |
In ſo ferns bie Seele bloß Gedaͤchtnig und Ein,
;bildungskraft beſter, iſt fie einer Menagerie Ihnlich ‚in
welcher Voͤgel von allerley Art, bald in großen, Bali
! n. — | le
| a ' — nn
©) Plato Nentit-Bön Zuſtand, Worina Menſchen fh Mine:
) vorſteken, die nicht And, und ſolche, von denen FR
umgebeh werden wicht wahrnehmen, uätvuee in Phaude,
p. 201. 209. -Dieße Vetruͤckthelt iſt von einer dappela
ten Art: eine natuͤrliche, die durch Krankheiten her⸗
vorgebracht wird, und dann eine Übernatürike dder
görelihe Die leztere iſt wiederum vdiererley! Div hei⸗
lige Enthuckung oder Zaſerey der Weißagenden in
welche Die Sibyllen und die Prieſterinnen zu Veldl
und Dodena durch’ die Begeiſterung des Apouio ‚Selen,
ober no fallen, Zweytens bie der Bakchanten und
dee Datchantinnen. Deittens bie bichteriſche, ii
welche Poeten und Rhapſodiſten Durch Hr Maufen vor.
fer werden, wenn fie bie eigne Wirkiamkeit ber See—
enkraͤſte eine Zeitlang Aufheben, und die Serten dee
Degeiſterten als ihre Werkzeuge und Zener brauchen.
Lin Jone p. 862.) So wie Welßager und Betr
Bageriunen im Zuſtande heiliger Entzuckangen, wo
fe ſich ihrer ſelbſt nicht Berbuße Waren, vieles Were
ündigt haben, was beit Wöltern Grledentands Heu
und Geige brachte; fo Ingen auch Dichter, wenn Ne
won det Muſen aus ſich ſeldſt — werden, die
ſchonſten Geſange, ohne es Zu wiſen, und wenn je
nachher wieder zu ſich ſelbſt kommen,vd find fie nice
tande, mit der Anſtrengung aller idret Krafie,
olcht De a Lt, on Co a Bittlicher Ra
fereg iſt Ale der Biebenden, bie Plate far Die dage ung
erhabenſte unter allen ertlaͤrt. vo
weyter Band, Bis.
.
⸗
754 Wchres Kuh: Drittes Copitel;-
kieinen Haufen, Bald einzein wild herumfflegen ). Um
- 'alfe die durch einander ivronden oder geworfenen Bilder
und Gedanken zu ordnen uhd fehl mit einander zu ve:
binden, hat die Gottheit uns den Verſtand nis Diejenige
Srofi gegeben, wodurch wir. ige om. meiſten verwand
füD, und om ähnlichfte werden fönnen, . Merjtand if
‚die Faͤhigkeit der Seele, ohne, alle Huͤlfe nd. Demein
ſcafft des Corpers und bet Sinne, bie ewige Wahrheit,
das Wefen ver Wefen, das Goͤttliche, Ewige, Unman
delbate und ſtets Gleiche in ſich und
anzuſchauen **). Dieſe ewige Wahrheit, Dies. Weſen
aller Dinge beſteht in ten. Abdroͤcken der qwigen Urbil⸗
Der des Schoͤnen, des Outen, des Gerechten u. ſ. w.
die ſich unſerer Seele einſt eimprägten, als wir in Ge
fettfehaffe der Götter das Gefilde der Wohrheit erblich⸗
ten }). Ale allgemeine Degriffe von Atten und Gar:
tungen, bie fich in der. menfchlichen Seele finden, und
die Erklärungen diefer Begriffe find Daher Ueberbleibſel
von: Kenntniſſen, oder Erinnerungen aus einem befiern
{eben ; die in einigen mehr, In andern wenfger verdun⸗
edle find FI). Mir fernen alfo eigentlich nicht, fondern
a . · >
9 in Theset. p. 90..
6) in Phacd, p. 25 & 31. In Theset. p. 82. in Phaed. p.
204. in Tim.’485 & 500. de Rep. Vol, L Lib. V.
4) 1. ce. img, de Rep. N. 286.290. Plate muſte mathe
7. wendig ein Schauen in Gert annefnen. Nur ta Gere
fanren ſich, feiner — nach, die ewigen Urbilder
afler Dinge; und von dieſen Urbildern konnten al’o
die Seelen in ihrem Dämenenftande keine Abarude
ale dur das Schauen in Gott erhalten he &
B*ò Tin p.a85s. on
44) in Pine. p. 29 & 338. & 344. In Menon, Unter al»
fen allgemeinen Idren ſchreibe Platv der des Guten
. . q MMX . . die
4.
— — — — u. —
Gefchichte des Plato und ſeiner Phil. 755
etinnern uns nur, oder erneuern Erinnerungen, wenn
sdir der Wabtheit und der Matur der Dinge nachfors
ſtheu. -* Dies erheflt am meiften daher ; daß Perſonen,
gleich dem Eclaven des Meno, den Sokrates über die’
Matur und Verhaͤltniſſe von Zahlen und Figuren fragte, '
richtig auf Fragen über Dinge antworten, ‘von denen fie
nie etwas gehoͤrt haben: daß alle Begriffe und Bilder
andere ſowohl ihnen ähnliche als unaͤhnliche aufwecken,
mit denen fie vorher nicht verbunden waren: dag endlich
alle unſere Begriffe von dem, was Schön, was Gleich,
was Sur ift, viel vollfommmer find, als die Dinge,
die wie mit dieſem Namen belegen, und dag wir alfo
jene niemald von Dingen, bie weder vollkommen gleich,
noch gut und fchön find, würden erhalten baden, wenn.
fie nicht, als Maaßſtaͤbe der Dinge in unferer Eeele
vorhanden geweſen wären *). Bevor wirbiefe in ung
ſchlummetnden Begriffe und ewigen Wahrheiten etwe⸗
cken und anſchauen, find wir Geſchoͤpfen gleich, die in
einer umterirdifchen Höhle an den Beinen und Hälfen
bie wundervollſten Wirkungen zu. Die Idee des Gu—
ten, fagt er ——* VI. p. 60. * Rep, ra Si ”
fihwerfte and erha » was der menfchliche Gei
: eetennen kann. Sie gibt uns ſeibſt ae —2 —
zu erkennen, und unſern Kenntniſfen theile fe Wahr⸗
Seit, wie allen Dingen das Seyn und Fertdauern mit, .
Sie iſt das lezte In der verſtaͤndiichen Welt, mag man
erfennt: allein wenn man fie erkannt bat, fo breiter.
fie über alles Sichtbare und Unfihehare Eiche aus,.
und wird die Quelle von allem Schönen und Guten, -
. von Wahrheit und von Wiſſenſchafft. vid. & 70& 73,
& VI. p. 88. & in ne Philebi, Wegen diefer Lob⸗
rede haben viele gealaubt, daß Plate unser Dane Omen‘
bie Gottheit verftanden habe,
®) in Phaed, & Menone H, en,
!
'
u
S
756 : Wehtes Buch. Drittes Capiel.
fo feſt geſchloſſen wären, daß ſie ihren Kopf gar wicht
herumdrehen, fondern nuc das licht und bie Schatten
büder wahrnehmen fünnten, die von oben am eine ih⸗
nen gegenüberjtehente Wand fielen *).. Wenn man ans
nimmt, deß hinter folchen Gefangenen nicht weit won
der Deffnung din Feuer brennte, und daß zwiſchen den
Gefangenen und dem Feuer Menſchen bald flülkfciuwels
gend, bald redend, vordengingen, und allerley Seraͤthe
und Statuͤen von Menſchen und Tieren voruͤbertraͤ⸗
gen; fo wuͤrden folche —2 bie an bee gegenoͤber⸗
ftehenden Wand fich darftellenden Schattenbilder gewiß
für wirkliche Dinge halten, die ſich mit einander unter
redeten, und außer diefen Schattenbildern feine andere
wirkliche Weſen argwöhnen. Wenn aber von folchen
Ungluͤcklichen plözlich einer von feinen Banden befregt
und gegen, bad licht gekehrt wuͤrde; fo koͤnnte es nicht an⸗
ders ſehn, als daß er durch Ben auf einmal In feine Aus
gen fallenden Glanz geblendet, und außer Stand gef
“würde, die Dinge felbft zu Betrachter, von welchen ee
bisher nur die Schattenbilder ſah. Sagte man ihm
alsdann, daß er bisher nur Bloß täufchende oder leere
Geftalten wahrgenommen habe, und jezo den wirklichen
Dingen näher ſey, fo würbeer gewiß an ber Wahrheit
dleſer Berlicherung zweyfeln, und eher glauben, daß ee
vormals, ald daß er jego wirkliche Dinge gefehen babe,
Dichte wäre fogar nanirlicher, als daß er feine vom
tichte verwunderen Augen wegwendete, und zu den Er⸗
- fihetänngen zuruͤckfloͤhe, deren Anblick et ertragen koͤnn⸗
te., Wenn man nun einer ſolchen mit Gewalt aus feis
ner Hoͤhle an's Tageslicht heraufzoͤge, fp würde er ſich
heftig ſtraͤuben, und von bem tichrjitaßien, die auf ei |
u 24 en Seien TEE BE Jh
) de Rep. Vol, il, Lib, vu, go,
1
Pd
Gefihichte des Plato ind feiner Phil. 737
"mal feine Augen füllen, unfägliche Schmerzen ldben.
Er wire Anfangs von'ven Dingen, die Ihn umgaͤben,
- nichts veahrnehmens und gewiß lange Zeit brauchen, bes
vor er fie vecht betrachten fonnte. Es wuͤrde erſt die
SSchattenbiver von Menſchen und andern Gegenſtaͤnden
in tuhigen Gewaͤſſern, dann das Schauſpiel des naͤchtli⸗
chen Himmeld, und das ticht der Sterne und des Mon⸗
des anſchauen muͤſſen, bis er die Sonne und ihren Glan
. ertragen koͤnnte. Wenn aber endlich ein ſolcher Erlbſe⸗
‚ ser die Sonne ſeibſt in Ihrer Pracht bewundert, und
bemerkt hätte, daß fie die Urſache der Tags + und Jahrs⸗
zeiten, umd- faft aller uͤbrigen Dinge und Erfcheiriungen
auf diefer Erde fen; würde er fich nicht alsdann aläcktich
fihäzen, wenn er fich mit feinen ehemaligen Mitgefan⸗
genen uud feine gegenwärtige tage mit feiner vormaligen
wergliche ? Ja wenn er auch wuͤſte, daß in feinem vor⸗
maligen Geföngniffe denjenigen Ehre und Ruhm und
Belohnungen bevorftänden, - welche die fich ihnen zei⸗
genden Schattenbilder am frhärfften fehen, und ausder
nen, die zugleich, oder vor. einander, bver hinter eins
ander erfchienen,, am beften die Reihen kuͤnftiger Erfchee'
nungen errathen koͤnnten, wuͤrde er wohl sin Verlangen
nach diefen Borzügen und Belohnungen empfinden, und
niche vielmehr mic dem Achill fagen, daß der Dienfb bey
dem aͤrmſten Manne auf dev Erde der Herrſchafft über
Die ganze Unterwelt vorzuziehen ſey? Nimmt man noch
zulezt an, daß eine folche Perſon ploͤzlich In Ihre ehema⸗
Üge Wohnung zuruͤckgeſezt wuͤrde; fo läße es fich kaum
anders denken, als daß fe, an das helle kicht des Tas
ges gewohnt, alles mir Finſterniß bedeckt finden, und
eine-nicht geringe Zeit brauchen wuͤrde, ehe fie wieder
etwas erblicken konnte. Die uͤbrigen Bewohner ber
Hoͤhle würden ihrer fpotten, wuͤrden ihr vorwerfen,
daß fie ihre Augen verdorben hätte, und wuͤrden niche
allein gar Fein Derfangen haben, bie hößern Gegenden
‚Db6 3 _ zu
\
-
758 Achtes Buch⸗ Drittea Eapitcl.
‚ya beſuchen, ſondern vielleicht denſenigen, ber: fie ven
‚ihren Wanden befreyen wollte, umbringen, wenn fie fei
ner habhaft werben fonncen *). Auch wir find gefefkr
‚se Sclaven in unterirdiſchen Kerken, fo Jange nk
bloß in und für den Eörper leben, und. bie Marcus de
‚Dinge durch unfere Sinne zu erforfchen fischen. Auch
‚uns foftet es Ueberwindung und Muͤhe, den fteilen Zei
der Wahrheit zu erfteigen; allein wenn. wir ihn einnd
erſtiegen haben, fo verachten wie von feiner Hoͤhe alı
wergängliche Güter und Freuden, um weiche die ve
blendeten Sterblichen als um die einzigen und größte
‚ Oüterwilt unabläfligem Eifer fi) zu bewerten und zu
Kämpfen pflegen.
Michts erleichtert den Menfchen das Sinaufiim
‚men zur Wahrheit fo fehr, als das Studium der Zah
len, und Srößenlehre, undber Sternfunde, wenn man
dieſe Wiſſenſchafften nicht bloß in der Abſicht treibt, um
fie für den Ackerbau, die Schiffare, den Handel und
andere Theile und Bebärfniffe des menfchlichen tebens
gu mögen ). Dieſe Wilfenfchafften reinigen und beie
En . ben
U}
N
4): GSiehe dritte Beylaae. 0
65) Vol. I. Lib. VI. 74-80. VII. 110: TI6 & Iso. Pe
. to wiederholt die angeführte Bedingung vorzüglich an
2 an lezten Stellen, und fällt darüber in Die laͤcherlich⸗
ur fen Ungereimtheiten. Die Schaufpiele, fagt er unter
. andern S. 120. de Rep. VII. welde uns die Bewe⸗
gungen und Ordnungen der himmliſchen Corper darbie:
ren, find die ſchoͤuſten in der ſichtbaren Welt, allein fe
“7 md doch noch weit unter denen, welche uns Die
wefentliche Bewegung und Langfamfeit in der wahren.
Zahl und den wahren Figuren barbent: As To cr |
Tarxos .„ ro y 8° Besdurns vv To arndıra |
—RX Kon mac TOIs AN dERI Fxnyacı Dopas
du weos am Degeras nu Fa ra Degm.
u y J €: |
\ F
Geſchche dee Plate und feine Phil. 79
ben bie Seele, ſtaͤrken und üben dos Auge des Verſtan⸗
des, das ſonſt im Unrath oder Pfuhle der Sinnlichkelt
vergraben iſt, hereiten es vor, daß es das Fichte der.
Wahrheits ſonne ertragen kaun, und jind das fchicflichfte
Werfjeug, wodurch dee Menfch aus.der fichtbaren Welt -
‚in die unfichebare Hinaufgewunden wird *). Sie bes
ſchaͤfftigen fich nicht, wie die übrigen Künfte, mit vers
‚gänglichen , fondern mit unwandelbaren Dingen **),
‚und sehen auch nicht von Erfahrungen, oder trüglichen
‚ Erfcheinungen der Sinne, fondern von allgemeinen Er⸗
* ‚Elörungen der Zohlen und Figuren aus, die fie old uns
er — — —
wilderſprechlich vorausſezen 7). Bon dieſen Vorausſe⸗
«gungen „oder Erklärungen gehen fie zur Unterſuchung
nicht erperlicher Größen und Figuren, fondern foldyew
fort, die man nur allein mit dem Verſtande fehen kann,
und.brauchen. Unten und Flzuren, die ſie entweder ſelbſt
zeichnen, oder in der chrperfichen Matur finden, nut
als Bilder und Beyſpiele, nicht als Beweiſe oder ald Ges
genſtaͤnde ihrer Unterſuchungen. Mit Recht alfo kann
man die mathematiſchen Wiſſeuſchafften einen wichtigen
Abſchnitt der verſtaͤndlichen Welt nennen 77), allein
„fie: bleiben doch sich immer nur ein Uebergang vom
Sichtbaren zum Unjichtbaren, ein Mittel zwifchen finns
lihem Schein und Wahrheit, und mehr ein Borbof
And Annäherung zur Wiffenſchafft, als Achte Wiſſen⸗
U
ED GE ———————— — —
Er machte den Pythagoreern feiner: Zeit Vorwuͤrfe dar⸗
uͤber, daß fie die Meßkunſt verduͤrben, indem fie dies
felbe won uncoepezliden Dingen ableiteten, und auf
. cörperliche anıpendeten. Plutasch, in Marcelli Vita I}.
7600Lcchtes Buch. Dritles Earnel.
ſchofft fefaft *), Denn well fie nicht über unberoicfem
Vorausſe zungen ober willkuͤhrliche Erklärungen pincms:
‚Heigen 3 fo kann aulch das, was fie daraus ableiten, um
möglich unmiderfprechliche Wahrheit. fen »). Di
Dialektik, oder die Kunſt, allgemeine Begriffe richtig zu
erftären und einzurhellen, iſt die einzige — 28**
die zwar auch von bloßen Vorausſezungen anfänge, um)
Bas old wahr annimmt, was- mit diefen ——
uns ats falfch verwirft, was dieſen widerſpricht, ve
aber bald von diefen willfühelichen Borausfegungen Ir
zu unläugbaren Orundfäzen erhebt, und auf dieſen,
sole auf einem Selfengsunde, dos Gebäude der Teilen
ſchafft ewiger umfichtborer. Diage errichtet P. Ir
*) VI. S. 78. VII, 133 ©, | |
) I, Ovagurrunı in weg voor, drug de ade.
roy muraıs dem, das ar unmelsrens |
rœuras —2 004, u hammends Auyen di-
Övvasauros. Yae 4 MeV; & al vude, Li
Auen de na re merafu ek Ever ade wur
HET TE UNDERIR FAR TAAUTID — ⁊e·
re emıanum YrdI,
®) Plas. VI, de Ron. 74 VIE, 132; in These, a, 110. in
Philcha p. 156 im Phacdre p, 2ıQ, im Phaed. p, 40
Plate eeneigt ganz vom ben unläusbaren Girund'äun,
von denen die Dialektik ausalage geſteht aber an
—8 Stelle, Die fonft mit ben übrigen |
daß feine Ideen . nur, ‚bloße — — |
"Kar ame mean u a 1a weAudeuärre,
zu BEXong em’ sen, unefeRnes avaı Ti
. AN —XRXX dure, RU ayaer, abs uu’ych,
1 TOR BTR, dc ma Tray
Kagess Er TORTE, TETEr TR
77) — | |
P]
über welche feine andere Wiffenfchafft hervorragt *). Sie
allein durchdringt das Weſen der Dinge, und geht in
der Erklärung und Einrhellung derſelben mit einem une
seöglichen Scheice fors **) Mur fie altein gewaͤhrt
wahre Miffenfchaffe, aͤchte Weisheit oder Klugheit ...,,
und feiner verdiene den Namen eines wahren Weltwei⸗
fen, als wer fich mit ihr, oder mit dem befländigen.Ans
ſchauen unfichtbarer Dinge und ewiger Wahrheiten be⸗
fchäfftigee ****). Die Dialektik allein enthält reine Wahr⸗
beit; bie Mathematik nur einen Schimmer oder Nuͤck⸗
glanz'derfelben; alle übrige Wiffenjchafften aber nur . |
gräglichen Schein 7), oder auch Folgerungen und
Schluͤſſe, die ſich auf einzelne Fälle gründen, oder aus
ähnlichen Fällen abgezogen und analogifch gebilder
find FF). Piato glaubte alfo, daß e& eine noch größere
Gewißheit gebe, als fi in der reinen. Mathematik fin
det, und baß man zu biefee Gewißheit gelange, wenn
man von gewiffen unläugbaren Grundfägen auögebe
Hingegen verwarf er die Erfahrung oder Inductlon, und
alte analegifchen Schlüffe PPNT) entweder gaͤnzlich, oder
Bbbosg. ie
piele
——
*) de Rep. VII, 134.
ss. ih
ae) ib, & VIL 73. in Phaed, p. 31, da Theset. p, 83,
Anderswo Tante Plate, daß nur die Kunſt, Bälkee
und Menſchen zu beglüden, den Namen der Weisheit
verdiene, Vol. I. do Rep, Lib, V, 272. 874,
esse, de Rep, VI. Val. 1. p. 2-8, , .
+) Se nann.e Dia:o Erfahrungen, | Ä
tD VL 78. VI 133 p. Plato belegt biefe vier Stufen
menſchlicher Kenntniſſe mis verfhiedenen Namen, die
erfke nannte er szzisupen, die andere diccraus, die dritte
. wsisis, und die vierte eixosaue, ib,
+4) Die einzigen Mittel, deren Sokrates ſich beblent Hatte,
um ſelbſt die Wahrheit zu finden, und andere davon
zu Überzeugen,
ꝑ
Eeſchichte des Piato und feiner Phil, Jõt |
"ft die hoͤchſte Sinne oder Gipfel menfchlicher Keanenig,
xdeltweiſen bentrete , welche lehrten, daß bie articulirte
- ein Geſchenk der Götter, oder daß fie doch. nicht eine
lenlehre des Plato vorgetragen habe; fo will ich, bevor
‚th weiter gehe, feine Gedanken über die Sprache aus
gem Rrarpfus nachholen, welches für bie Seſchichte
der philofophifchen Sprachlehre wichtige Gefpräch man
"sisher gänzlich mißverftanden Hat. Man war nämlich
762 cechtes Buch. Drittes Capitdl
hlelt fie wenlgſtens für ſeht unfichere Wege, auf wel⸗
chen man ſich leicht verwirren koͤnne ).
Nachdem ich jezo die wichtigſten Puncte der Gew
In der Meynung, daß Plato der Parchen derjenigen
"Sprache nicht eine Erfindung der Menſchen, fondern
Sammlung von willführlichen, fondern von natürfichen,
das heißt, von folchen Wörtern fen, auf welche die Na
eur feröft den Menſchen hingeführe habe, und die alfe
auch dad Weſen aller Dinge, oder ihre eigenthuͤmlichen
-
gen ableiten tbnwe: zheils aber auch um ben Kratylukl,
Eigenfchofften ausdruͤckte ). Allein gerade dieſe Der
hauptungen find es, vie Piato beſtritten, und die e
meinem Urtheile nad) auf bie buͤndigſte Are wirerkegt
har. Er fchrieb feinen Kratylus in einer doppelten Abs
ſicht; thelld um die gewaltſamen Wortableitungen des
Hrodikus und anderer lächerlich zu machen, und ihnen
zu zeigen, daß er diefelbigen Wörter eben fo gut, wnd
fo wahrſcheinlich, als fie, und doch auf ganz andere
einen Herakliciſchen Phlloſophen, zu widerlegen, weich
behauptete, daß alle Wörter richtige Abdruͤcke oder
0 | mä
— — — —
a) ii, cc. & In Phaed, p. 377. EYo» de os dia To
aoray ras wrodekeis Fosuevos Aoyaıs, Zuvor-
2 da armlorı, nu av Tıs auras un BuAar-
anraı, ev nal efumaran. &c.
**) dDuoes eos To WOHATO. Craszl, P- 49% 59.
Geſchichte des. Plato und feiner Phil. 763
‚mäfbe und Nachahmungen der Dinge. ſeyen, daß die. ads
geleiteten ſelbſt durch ihre Zuſammenſezung und Ablel⸗
tung, und die einfachen oder Wurze lwoͤrter ſelbſt durch
ihre Elemente die Eigenfchafften der bezeichneten Gegen
fände ausdruͤckten, daB man.alfo die Natur der Dinge
‚In ihren Benennungen aufjuchen: fönne und müffe, und
bag man, wenn man diefes chue, in dem Örundfaze
des Seraflit von der Wandelbarkeit aller Dinge beſtaͤrkt
‚werbe, indem bie Ableitungen der wichtigften Woͤrter
alle auf den Gedanken hinführten: daß alles in einem
unaufhönlichen Fluſſe ſey. Die erfte Hälfte des Kraty⸗
fus ®) enchält lauter Ableitungen dee Wörter und Na⸗
men von Perfonen, Goͤttern, Dämonen, Helden, Ger
ſtirnen, Elementen, Seelenfräften, Tugenden und Lei⸗
denſchafften, die alle dem Scheine nach beweifen follen,
"Daß die angeführten Benennungen ber Natur ber Beh
‚neten Hegenſtaͤnde entſprechend fenen, und daß die Er
‚finder der Sprache, gleich dem Heraflit, an die Verän
derlichkeit aller Dinge geglaubt härten. Damit man
‘aber feine Abſicht nicht verfenmen möge, macht Plato
‚fo gezwungene Ableitungen, als fie vielleicht fein So⸗
phiſt oder Herakliter gemacht hatte, gefteht dieſes alles
ſelbſt ein, und trägt alle die Gegengründe vor, bie fich
feinem Verfahren nur entgegen fezen ließen, ohne fie
durch den Softates, dem er feine Geſinnungen in den
Mund, legt, zu beantworten und aufzuloͤſen. Unter
‘den gewaltſamen Ableitungen, wodurd) er aͤhnliche dee
Sophiſten oder des Kratylus lächerlich zu machen fuchte,
oder tie er ihnen gar abborgte, Hebe ich mr diejenigen
Denfriele aus, in welchen feine Abfichten unverfennbar
find. Der Name des Bakchus (Ascrueos), fügt er
Ben e. · Jc.
—ı
764 | achtes Bud) Dritte Eopitel,
heißt ſo vlel, als ber Geber des Weins ( dla vor ann
‚oder Adewusos P. 56.) Diefen Namen erhielt Bakche
kn Scherze; denn auch Die Goͤrter ſcherzen zerne. Wenn
du aber, fährt Sokrates zum Hermogenes fort, eine
ernftliche Ableitung diefes Namens wiſſen willſt, fo muf
bu anders fragen, — Der Mond Hat feinen Names
. gekıy oder aeAavesa daher erhalten, daß er Häufig fein
$icht veränder. Man nannte ihn ger svvsoateses, erı
de oenæc yEov Ta Maı svvay exsı, und. dies Wort zog
man in aeAaveıx zuſammen. — Beym Himmel, m
Hermogenes aus, ein dithyrambiſches Wort! — T
lein wie entſtanden die ſchoͤnen Woͤrter Klugheit, Ver⸗
ſtand, Tapferkeit, und andere *)? In der That, an
wortet Sofrates, machſt du da eine nicht unwichtig⸗
Claſſe von Wörtern rege. Unterdeſſen well ich einmal
die Loͤwenhaut umgerhan habe, fo muß ich niche verza⸗
gen, und ihren Sinn und ihren Uefprung zu erforfchen
ſuchen. Ein jeder diefer Namen, mein Freund, zeigt,
daß die Erfinder der Sprache alle Dinge gie beſtaͤndig
ießend angefehen, und als folche benannt haben,
lugheit gder Verſtand (Beavysıs) heiße fo viel, als die
Wahrnehmung des Fluffes oder der Bewegung (Rogass
Yop 231 Kong * und Wahrnehmung fo viel, als
Die Ergreifung oder Bemerfung deffen,, wos beftänbig
peu ift, oder entſteht ꝰ). Das Wort Wiffenfchaffe
(eriznun) bedeutet die Seele, die den fich ſtets verwan,
dein,
ee.
©. 37.38.
! 9 'H vonnıe ve un erw erw. Tadısam ann rn mn
76, onnmvee Yıyropaya wer wu. Tara
Disa9au Top \uxan, uvuca To wenns 6 Jeuevos
Tv rrocou. 8 Ya venouiſs To REXEIOy αατο
—XX DL des Aryas dua versan.
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‘
| Geſchichte des Plato und feiner Phil. 265
Deinden Dingen falat *), und Weleheit die Ergreifung
ober Beraͤhtung des Fluſſes der Dinge (von zus » wode
bes fo viel als Ogpı bedeutet, und. pon era). Tapfer⸗
keit (ssydpice) zeige ein Streben gegen ben Strom der Ges
rechtigfeit an, und man darf nur einen einzigen Buchſtaben
‚ Herauswerfen, um.die utſpruͤngliche Geſtalt diefes Wort
— — — — —
wiederzuſinden (ævgiec). Kunſt (rexxn) hedeutet ſo viel, als
eine Fertigkeit des. Verſtandes: mag braucht nur Das 7 her⸗
aus zu nehmen, und zwifchen' s und. dem x. ein v, und
Dem v und y ein o fegen, um axevonberaussubringen. = ⸗
, Ben diefer legten Ableitung kann Hermogenes fid) nicht
entbrechen, die Anmerkung, zu. machen, haß fie ſehr
kuͤnſtlich und unnatuͤrlich ſey; und hierauf antwortet.
Sokrates, wie alle Etymologliſten, daß die meiſten
chen, allein du muſt es, ſagt Sokrates zum Hermoge⸗
Woͤrter durch Verſezungen, Wegwerfungen unb Zuſaͤ⸗
ze von Buchſtaben ſo ſehr verwandelt, und ſich ſelbſt
ungleich geworden wären, daß fie nicht anders, als
durch gewaltſame Operationen auf ihre urfprüngliche,
Form koͤnnten zuruͤck gebracht werben, Freylich feg es
bey der Freuheit, aus Woͤrtern wegzunehmen und, hin⸗
zuzuſezen, was man wolle, nicht ſchwer, ein ſedes
Wort einem jeden Gegenſtande anpaſſend zu mas,
nes, ſo genau nicht nehmen, wenn du mich nicht abs.
ſchrecken willft, eine der Fühnften und glädlichiten Ablei⸗
tungen vorzubringen ꝰ). Nachdem er dieſe und andere
ihnen ähnliche Etymologien mitgerheilt hat, geſteht er
feloft ein, daß man unmöglich Über die Bedeutenheit ber.
abgeleiteten umd zufammengefesten Wörter, oder ihre
Uebereinſtimmung mit den bezeichneten Gegenſtaͤnden
etwas
U (U * nennen
Nr Depomerm Tois. WenyYmanı Ememsuns TH
‘ ijc. un
ti *
Pa \
285: Üchtee Vuche "Drittes Cipinek)- >
"was befriedigendes fagen- Fähre r mern man nicht die
edeutung der Wurzelwörter, aus welſhen ſie zufams
vhrerigefegt ; oder von welchen ‚fie abgeleiter worden, ers
Fannc und dargerhan Habe 9). Alle Unteuchungen als
fb’ über die abgeleiteten und zufammengefejten Wörter
\
fenen eitel und früchttos‘, ſo lange man nicht bewieſen
abe, daß die urſpruͤnglichen Wörter der Sprachen
Ei bedeutend, und die Elemente, aus deren fie be
ftürfden , gleichfam von der Danunsefele und allgemein
verftändfiche Dolmerfcher der Eigenfchafften der. Dinge
fenen: "Mär müffe denn annehmen wollen, baß bie
Goͤtter feibft den Menſchen die erften Woͤrter geleh⸗
‚rec, oder dag diefe von den Barbaren abſtummten,
odet daß auch ihre wahre Beftalt und Bedeutung wegen
ihres hohen Mterthums unerförfchtich fen, welcher Aus⸗
üchte fich, Diejenigen zu bedienen pflegten, bie Gber die
MNacur und Bedeutung ber urfprünglichen Woͤrter feine
Mechenfchafft geben möchten. Es femme ihm zwar
ſelbſt Tächerfich vor, daß Buchflaben und Sylben na⸗
sürliche Ausdruͤcke und Nachahinungen wirklicher Dinge
ſeyn fölleen, und das, vois er darüber Tagen: koͤnne,
fcheine Ihm gezwungen und ſeltſam zu fenns et wolle
aber doch feine Gedanken vortragen, In ber Hoffnung,
: daß Hermogenes und Kratglus, wenn fie etwas befferes
wuͤſten, es ihm nicht verfchmweigen würden. Er’) ber
. , ,
—
merkt hierauf, daß der Buchſtabe e das natuͤrliche Werks
zeug aller Dewegung, dAs ; der Ausdruck von Feinheit,
das A von Welchheir und Schlüpfrigfeit, daß « und 9
und \b und £ von ziſchenden und raufchenden Dingen,
und eben fo alle übrige Buchflaben eben fo viele narürlis
ehe Zeichen, für eben fo viele wichtige oder efentice
— i⸗
) S 6
e®) ib, a
Geſchichte des Plato ımd feine Phil. 267-
Sisenſchafftan der. Dinge fenen ”), Nachdemer die.
Badeutenheit ber einzelnen Buchſtaben erffärt hat, fest,
‚ihn feine eigene Kunft in Erſtaunen; unterdeſſen mun⸗
trt er (ich Felbft zur Vorſicht in einer Uncerſuchung auf,«
wo · es fo Tele ſey, von ſich ſelbſt hintergangen zu were,
‚den **). Er fraͤgt hierauf den Krathlus, b er die
Spxrache fuͤr eine menſchliche Erfindung halte; und als
er dieſes mic Ja beantwortet,:ſo fraͤgt er weiter, ob
Kotylus glaube, daß: es ſich mit den Sprachkuͤnſtlera
oder ben. Erfindern von: Woͤrtern eben. jo, wie mit
, Maptern,.: Bitopauern und andern Kuͤnſtlern nerhalte,
daß fie.nämlich einige ihrer Werke gut, andere mittels :
mäßig, andete ſchlecht gemacht hätten. Kratylus mil.
biefen Anfangs nicht zugeſtehen, fondern behauptat, daß
alle Woͤrten bebeutenb, und den Gegenſtaͤnden, bie fie:
bezeichneten, eniſprechend waͤren, daß alſo Hermogenes
felbft ; eine der tedenden Perſonen, dieſen Mamen nicht:
waͤrde erhalten Haben, wenn er nicht etwas von der Er⸗
zeuzung des: Mercur an ſich Härte: Allein zulegt kann
KTratylus esnicht länger küugnen, daß es mit ben Wore
ten wie mit Porträten ſey, und Daß jene bald mehr bald
weniger gloͤckliche Abbildungen: von Gegenſtaͤnden, wie
dieſe von Perſonen fenen 7). Dies werde, fast. Se⸗
frates , ſowehl durch Die verſchiedenen Woͤrten, womic
diefelbigen Oegenſtaͤnde belegt, und durch die verſchiede⸗
nen Arten, wie dieſelbigen Woͤrter aus geſprochen ware
den, alt auch durch die.zntgegengefesgen Buchſtaben Dar,
wiefen, aus weichen man biefelbigen Woͤrter gemiſcht
und zufammengefegt fände 41). &o werde Das Ybort,
womit
oe —
2" 2
) ö 5 ' T > ° 8
+9 ©. 66. 40 eu PRO I IT) vr
763 Achtes Vuch. Drittes Capitel.
womit bie Athenlenſer Härte und Rauheit ausdruͤckten
ρανενν9α— von ben Einwohnern von Etetria anne
vne dus geſprochen, und in eben dieſem Worte ſerene
der Buchſtabe A, der etwas glattes: und gefchmeibiges
anzeige mit dein’ uͤbrigen ¶ EAementen und Der Bedeutung
des Worts.Hieraus zieht Sokrates ven Schluß, daß
Gowohnheit und Verabredung (das acs / wundne) eben
(6 wohl, als Ruͤckſicht auf die Natur der Dinge, An
thell an der Bildung von Woͤrtern gehabt Hätten, mb
deß man biefenigen nicht ſchlechtweg des Irrthums bes
ſchufdigen kbnne, die, wie Hermvgenes und viele andere,
brhaupteten, daß alle Woͤrter willkuͤhrliche oder zufoͤll⸗
ge Zuſammenfe;zungen ſeyen, bie in der Abſicht gemacht
worden, um benfenigen, welche Gegenſtaͤnde ſchon kenn⸗
tin, Dleſe Gegenſtaͤnde anzudeuten: dag alſs auch nicht⸗
daran gelegen fen, ob Woͤrter auf dieſe oder eine auder⸗
Urt gebildet feyen *). Wenn man aber auch annehmen
wolle, daß die etſten Erfinder und Fortbllder der Epos
Geben der Bezeichnung aller: Gegenftänbe auf die Die
tur und Eigenſchafften derſelben Ruͤckſicht genommen,
und die Beſtandcheile der Woͤrter, Vuchſtaben und
Sylben, darnach gewaͤhlt haͤtten, um daduech ihre (Eis
genſchafften aus zudruͤgen; fo muͤſſe man doch auch zu⸗
geben, daß die Schöpfer won Morten fehlbare Men⸗
ſchen geweſen ſeyen, welche die Gegenſtaͤnde unricheig
däaäͤtten anſehen, und alſo auch unrichtig bezeichnen,
oder - in Ihrer Bezeichnung ſich hätten wiserforechen
“1.66. Surönmät ers to övöptera, war ink
year, Webudir TE Wokiypiare.
* ERäXVCLLCLV
apıgav de ade, ey ve Tıs DAÖNTU, ααα
vvavyRärtc, EV TE NE RURITI,
Geſchichte des Plato und Riner PH: "
Ednnen *). So viel Wörter auch nie
‚enjufübren pflegten, um gu beweifen, daß Wörter der
Segenſtaͤnden entfprächen, oder daß ihre Erfinder alle.
Dinge fuͤr fließend. gehalten haͤtten; eben fo vide Bw
ı fpiele fonne man Ihnen entgegenſezen, wo Worter den
, bezeichneten Gegenſtaͤnden wiberfprächen, oder auch auf
ı Den Gedanken hinleiteten, daß ihre Erfinder an Die Uns
. wanvdelbarfeit von Dingen, ober wenigfiens an unwan⸗
delbare Dinge geglaubt hätten. * So fonne man era
: ana viel bequemer daher ableiten, das Wiſſenſchafft
unſere Seele gleichſam auf den Dingen. befeftige, als
‚ Daß fie diefelbe ihnen ſtets folgen mache, und eben ſo
ſchienen die Wörter BeBæuov, isogie, Avnman, und
‚ viele andere, auf bad Stehen ober bie Unwandelbarkeit
‚ der Dinge hinzudeuten. Die Wörter hingegen, womit
‚man im Griechiſchen Unwiſſenheit ausdräcde, müften
‚ ihrem Uefprunge nach etwas ganz anders bedeüten.
Denn naSıcs (er dem Scheine nad) fo viel, ald.ı ra
euc rw Jew ıovros mogee, und axoAmeıa fü viel,
als anıasdın ros measypoou Wenn man alle ‚diefe
Pemerfungen zufammennehme; fo fünne man niche
mehr, wie Kramlus, hoffen, daß man das Weſen der
Dinge aus der Zuſammenſezung ihrer Woͤrter zu erken⸗
nen im Stande ſey, welchen Einfall man auch noch
aus dem Grunde verwerfen möffe, weil daraus folge,
dag die Erfinder des Sprache bie Natur der Dinge gar
nicht hätten erfennen können, Indem ihnen der Spiegel
derfelben, die Sprache, gefehlt hätte. — Aus dieſem
kurzen Ausjuge des Kratylus fieht man nicht nur, daß
Plato denjenigen nicht benftimmte ; welche bie Sprache
f
oe
9. Ä .
Zweyter Band. ce
m
. . . ' " \ N | |
y7o Achtes Buch. Drittes Capitel.
Tür eine Gammlung natuͤrlicher Gedankenzeichen hlelte
heren Elemente die Eigenſchafften ber bezeichneten &
fände ausodruͤckten, ſondern daß man auch wor ızt
| En Platos Zeiten mehr über die Matur, —— —
theile der Sprache geförfeht Hatte, als ſeit
Wiederherſtellung der Wiſſenſchafften bis kirz vor w
ſerm Beitalter gefchehen iſt. Ungeachtet Bie- neuen
Schriftſteller über die Sprache den Kratylus weniz ode
gar nicht genuzt Haben; To iſt nichts deſtoweniger g
—— — alles enthält, was De bie Frage von
der eigentlichen Beſchaffenheit und Maar articalirte
Wörter fogen läßt: Ä
Ehen die Urſachen, lehrte Plato ferner, weiche
uns hindern, während unſers Aufenthalte Auf dieſer
Erde, dem Schauplaze aller Bergänglichkeit, die Waht⸗
heit zein und voflfummen zu erfennen, eben dieſe him
Bern und auch, Fine Teine und volffoimmne lückfeeiige
keit gu erlangen. Unſer irdiſches deben Teloft iſt ein Zus
ſtand der Zuͤchtigung und eines beſtaͤndigen Kampfs
unſer Leib gleichſam ein Grab vder Gefaͤngniß der um
ſterblichen Seele, in welches fie herabgeſtoßen worden,
der eine Schaale, und Felsfräd, wodurch fie von ih⸗
- ser Erfebung zurücdgehalten und zur Materie herabge⸗
gogen witd *). Unfere Sinne, und die Bergmägungen
und Schinerzen, die fie uns geben, Tind die Bande
öder Nägel, wodurch der Geift an das Irdiſche und
Vergaͤngliche gefeffeit und geheftet, und die Begierden und
feidenjchafften ſind gefährliche Krankheiten , woderch
der Get vercorpert und dem Fleiſche dienſtbar ger
ehe endendhetiliiten tb
%) in Phsed. p. 55. 26. in Phaedre p. zog, He Rep,
Vol. 11. Lib. X p. 330, Ilegmewodach ers
TE HU OT
DE ” DE 7 7— — I Ju
J [1
J
Gefehichte des Plato und feiner Phil. 771
macht wird *), Wenn wir.ung alfo einer reinen , oder
unſerer vormaligen Gluͤckſeeligkeit wieder nähern wollen;
o müffen wir es auf eben dem Wege thun, auf welchem
wir der ewigen Wahrheit entgegen gehen können. Wir
muͤſſen uns bemuͤhen, von der, Erde fo gefchwind als
möglich zu entfliehen, Ihre Freuden und Guͤter zu vers
achten, die Seele von der Gemeinfchafft des Leibes und
der Sinne, fo viel als möglich, zu rennen, und in ſich
ſelbſt gu verfammien, die ewigen Waßrfeiten unaufe
brlich zu betrachten, "und endlid; von den Beglerden
and teidenfchafften, bie Durch Bebürfniffe des Eorpets
erregt werden, bie nicht- nothwendigen gänzlich auszu⸗
rotten, und nur bie nothwendigen auf eine folche Art zz
befriedigen, daß weder ihre Michebefriedigung Schmerz,
noch ihre Ueberfühhung unbänbigen Uebermuth hervor ⸗
bringen koͤnne ꝰ). In dieſer Flucht des Irdiſchen, in
dieſer Abziehung der Seele vom Coͤrper, und ber bes - |
ändigen Anſchauung bee ewigen Wahr die
—— i — Einweihung der See min er⸗
habenſten Geheimuiſſe T), bie wagte Aehnlichwerdung
| Ece a und
Sp GE
©) p. 33. in Phaedone. "Ors iuzen don wog Avınp
mte NAov EXBO, WORSHAO aurae zes Te
„ROY TEOS TaLOVa, ou Toıes mpesroedg,
rorn To oder, cv ETOE OyLcls OMD-
reoxoc TE KOM een geDos voyvscdey, na [7
underors us da nundagas abınechu, am:
VER ME TE GauumTos afıevon. _
Phsed. p. 26. & fq. Theset, p, 82, de Rep, V.
) Vol, II, p. 196. IX, p-ash, , *
Hp aq⸗ a7. Phee,-
e
dofalsouy Teure —XR ru, ATER AKUTE .
. 000m Pn. en ya Tu öucdokey Ta gayırı ug
+‘
Ya . Weite Bud. Drittes Capitel.
und Annögerung zue Gottheit *), - endlich bie wahe
- MWeisheit, die goͤtclichſte aller Vollkommenheiten ve
‚ Menfhen, und die Mutter aller übrigen Tugenden *)
Die Weisheit, oder die Fähigkeit, das Unſichtbare u
derwande mit den Auge des reinen Verſtandes an
fbauen, iſt die einzige der Seele weſentliche Tugend
bie zwar verkehrt, aber niemals vernichtet werden fanıı |
die übrigen Tugenten, die diefen Ramen tragen, Gabe .
uHle etwas cörperartiges, und werden nur allein durch
Ulebung und Gewohnheit erlangt, Die Weisheit allein
verſchafft eine dauerhafte Herrſchafft Über alle Begierde :
Und feidenfchafften *"*), und ohne fie find alle Tugen
den nue falfcher träglicher Schein }), nur efende Ede :
vinnen oder Dienerinnen törperlither Luͤſte und teidenfchaff -
ten ). Obere die Verachtung des Cörpers und * |
| nn ai |
"ni Them. ),e,
68) 1b, & p. 31.8 08 Rep, Vol, I. Lib, VIE. p.93. 98.
" An der erſtern Gele erklart er bie Deoynaus fo:
7 "Or de ya wurd dnurp wrday, exact
DIE 5 30 nndlspey TE Kara an cv xls 2rFet-
VOTOv u DauTas EX. Ni as SUyYaNE Boch
wurd, ad MeETerevE Te Yiyveriy, Oro Dep
» > Burn RuFuriv Yarıtaa, aa weirtur TE
EAVE. Ras WEpı Enebvoi LIES NET TosuTen Dan»
Tas exe; we ForBTav WÖLETOREN. Re TETO
txvrac To Hnagnun Donots KERÄNTER,
*) Tny vapporuwm, To ze0 Tas ER IRE 1a
0 garmeIen. P. 26. in Phard, Ä
np. ——— de Deovadens - ji Ditschyaaı-
| Pia Tis y N TUaUTn acvden-
red wir fans der uyues Ed rer erga.
1) ib& p. 82. in These, H ner yag sure pe
Ä W tis,
Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. en
feiner Freuden und Leiden iſt es nicht moͤglich, wahre
Seelengroͤße, Tapferkeit ıınd Standhaftigkeit zu befizen
aınd aufzuüben *); denn fo lange man dem Coͤrper ans
Bängt, und den Tod als eins der größten Uebel fuͤrch⸗
tet, fo kann man die Furcht vor demfelben nur durch eis
me größere Furcht überwinden, und Unerfihrodenheit
felbſt it eine Wirkung von Furchtſamkeit. Auf eind
ähnliche Art encftehen in allen Menſchen, die nicht watz⸗
ge Weiſe find, Maͤßigkeit und (Enchatefamfeit aus Bert
ihnen entgegengefesten taftern, Wan verfogt fich gewiß
Vergnuͤgungen, um nicht größere dadurch zu verlies
ren, und übernimmt Fleinere Beſchwerden und Hebeh, ,
um: viel größerer überheben zu werden **%). Wan bes
ftegt atfo Begierden durch andere Begierden, Befürdw
tungen durch andere Befürchtungen, Schmerzen durch
größere Schmerzen. Man tauſcht Immer nur bie
Bern gegen die Kleinern, und die Kteinern gegen die
Sroͤßern aus, und entbehrt der einzigen wahren ächten,
Muͤnze, der Weisheic, um welche man alten Otand«
Haftigfeit, Maͤßigkeit, Eurhaltfamfeit, und alle oͤbria
gen Tugenden faufen ann }). Der wahre Woife trachtet
alfe nach unvergänglichen- Gütern, welche dee große
Haufe nicht ferne, und ſieht himaegen mit Derachtung
auf diejenigen herab, nach welchen die Übrigen Mess
' ec 3 (chen
as, Gola zus gern aAydan, N de —XRC
PPPPAS TEN nes KONRICE EVCSP'YNS., 00% de —X I —E
res Te doxuoox na Far a 23*
—XREEO 28 Tagung
\ œrœucæt.
do Rep: Vol. UI Lib. VI p. Hhoed v.
* ei * e· 1 *
ra MWhled Much. Duiteb Eapitel:
ſchen fireben, Er befümmmert ſich von ſeiner erfin
Kindheit an nicht im die Wege, die zu Gerichrähäie,
ober. Rachhäufern, ober andern dffentlichen Berfams -
Iungeplägen führen. (Ex hbrt und fiegt nichts von |
ſchriebenen und ungefchriebenen ‚Gefezen ober Vom
ſcqchloͤſſen, und alles Wetteifern um öffentliche Aemm
und Ehrenftellen wirb ihm, wie große Gaftmäßler va
fröfiche Zufommenfünfte, nicht einmal im Trassıme te
Tonne. Er weiß nichts weber von ber neueren noch ve
der aͤltern Geſchichte feines Vaterlandes, und merkt cd
nicht einmal, daß er nichts davon weiß. Er ziehe 54
von allen diſen nicht aus Eitelkeit, nicht. in Der Abſichk,
felbft mit feiner Ummwiflenbeirg# prahlen, zurüd, fonden
weil er fie für nichtewuͤrdige Kleinigkeiten hält, die ſeine
Aufmerkſamkeit nicht einen Augenblic verdienen. Der
Weiſe verweilt nur allein feinem Leibe nach unter den
Sterblichen; fein Geift fchweht allenthalben umher
ad ſenkt fich entweber unter die Erde hinab, berg:
ſich auch uͤber alle Himmel empor, um die Marur eines |
jeden Weſens auszuſpaͤhen. Wenn er fich aber vor
Gericht verantwwerten, ober vor bem Volke reden fol;
fo ift er in der größten Berlegenheit, und wird, wie
Tales, da er in eine Grube fiel, fogar barbarkfchen
Sclavinnen und dem elendejten Poͤbel zum Gelächter,
weil ee von allem, was zum gemeinen leben gehört,
oder gewöhnlichen Menfchen vor den Füßen liegt, wichth
"weiß. Er verachtet Hoheit des Standes, unermeßliche
turch mehrere Sander fortlaufende Beſizungen, Adel
und Alterthum bes Geſchlechts, ungeheure von entfern⸗
na Boreltern aufgehäufte Schäge, ale Spiehmerke von
Kindern, worauf fein großer himmliſch gefinnter Seiſt
ſtolz ſeyn koͤnne. Er ſpottet aller übrigen Kuͤnſte und
- MWiffenfihafften, als unnuͤzer Weibermaͤhrchen, diejeni⸗
ge ausgenommen, die ihn lehrt, wie er fo geſchwind,
- 06 woͤglich, in eine befiere Weit entfliehen Fü,
ı ° Oefähichte des Plato und feinen Vhil. 775 u
zoo feine Berwanblung, eine Entſtehung und Unter⸗
son 3* tr). /
Dos ganze irdiſche Sehen des weiſen Mannes ik
deher faͤhrt Plato fort, eine Vorbereitung zum Todes
oder ein Veftzeben zu. fherben, dad heißt, hie Sede
om Leibe abzufondern **), ‘Der Tod Hi nicht ein Uns
„tergang bes. ganzen Menſchen, fondern nur eine Tren⸗
z mung des Seele vom Seibe, und weit entferne alſo, daß
Der Tod dem wahren Weifen furchtbar feyn koͤnnte, i
‚er Ihm vlelmehr erwuoͤnſcht, Indem er ihn auf einm
von allen Liebein befrene,, vor welchen er ſich mäßrent
’ fen tebend nicht ganz los, machen fonnte, und ihm
Das verfchafft, wornady ee biöher noch immer vergebene
geeb noͤmlich eine vollkommne Erkenntniß der Wahra
heit, und einen ungeſtoͤrten Genuß der reinſten Glück
ſeeligkeit. Der Weiſe würde felbit mie eigner Hand bie
‚ Banden zerteißen, bie feinen umfterblichen Geiſt an den,
fherblichen Shrpes feſſein, wenn er- nicht überzeugt wäre,
baß der Here der. Gotter und Seiſter ihn gu feiner Defa
ſexung auf diefen Poſten geftellt hätte, und baß er als
ein Eigentum und Diener der Oottheit dieſen Poſten
por esgangenes Aufforderung eben fo wenig ohne Verbre⸗
chen verlaſſen, als ein Sclave ohne den, Willen feines,
Herrn entfliehen, oder ein Krieger won. bem Ihm ange«
soiefenen Doften one den Befehl feines Feldherrn ſich
entfernen koͤune. |
rn ab aan sum ul
©) in Theset;p. 91.82, |
Phaed. p. 36, To uerssnun zur ræro e5s⸗ Tan |
PiXosoDan , Augıs ni Yugıquos Vuynsarore .
ewnoros. Biche auch p. 32. Tota-enim philofo
horum vita, ut ait idem, oommentstio mot
ale. Ts, * * en
/
776 vchtes Vuch. Driktes Capitel.
.. . . Schon vor dem Plato Hatten viele on bie U
fichfelt geglaubt; aber er war der erſte, der für di
ſende kehrte; daß ber Tod nur eine Trennung ber
urb des teibes fene, foldhe Oruͤnde vorbrachte, die
nachdenfende Männer befriedigt haben, und beft
fonnten *°). Es iſt ein allgemeines Nlaturgefeg,
Plato in feinem Phaͤdon an *"), Baßalles, was
und untergeht, aus dem ihm entgegengeſezten
bracht wird, und auch In das ihm entgegengefegce
Kiminder. So entſteht Bewegung aus Ruhe,
Ruhe aus Bewegung. Das Groͤßere entſteht aus
Kleinern, und das Kleinere wiederum aus dem
been: Schlafen aus Wachen, und Wachen
Schlaf, und eben fo wird das Leben bes Sei
wiederum aus dem Tode des Corpers entfichen,
einftens das leben des Görpers gleichſam aus der
Tode des Geiſtes, oder ſeiner Vergrabung in de
irdiſchen Leib entſtund. Wenn nicht auf den Ta,
neues teben folgte, fo würde die Natur nicht nur ſich
felbft widerſprechen, und eins ihrer heiligſten Seſen
brechen, ſondern auch unfaͤhlg ſeyn, den Abgang ver
ſtorbener Geſchoͤpfe zu erſezen; denn ſo wenig es auf die
aoͤnge wachende Menſchen geben koͤnnte, wenn keiner von
denen, bie einfchliefen, wieberum erweckt wuͤrde; eben
ſo wenig koͤnnte etwas lebendes übrig bleiben, wenn al⸗
‚ Ieö, was ſtuͤrbe, in einem ewigen Tobeafchlummmer bes
graben. bliebe. . Ä
oo — Eien
DD}
#) Cicor. Tufe. Qusefl, I, 17. Plstonem ferant, ut Py.
“ thagnrens eognofeeret, in Ktallam veniſſe, & didi.
eiffe Pythagores omuis: priv mque de animorum
eeternitete non folum fenfilf= sdem, quod Pythago-
rae, fed ratlonem otlam attulifle,
““) ©, 27. 28. —
Mi Gecchichte des Plato und feiner Phil. 777
ak Eben die Gründe, faͤhrt Diaro fort, womieman -
iigemweifen kann, daß die Seele ſchon fange vpr dem Cor⸗
Rat per exiſtitt hat, machen es im hochſten Grade wahr⸗
ſcheinlich, daß fie auch nach feiner Zerſtoͤrung fortdau⸗
mie gen werde. Denn da bie Seele vor der Bereinigung.
und mit bem Cörper,, und ohne Huͤlfe deſſelben gedacht , ges
‚ 9: wolle und gehandelt har, fo muß man hieraus fchliegen,
Hat daß fie auch nach der Trennung von ihm gleifalls werbe
ma denken, wollen und wirfen können ). |
|
7
X
har
ul
Die Sede ift in ipren Wirkungen von den Coͤr⸗
pern und allen Yeußerungen cörperlicher Kräfte *°) ie.
Zaͤnzlich verfchieden, daß man fie unmöglich als gleiche:
artige und beufelbigen Geſezen des Linsergangs unters
morfene Wefen anfehen kann. Alle wirkliche Dinge :
zerfallen In zwo Hauptgattungen: in fichtbare und vers
aͤnderliche, und in folshe , Die den äußern Sinnen uns
wahrnehmlich, fich ſtets gleich und unmenbelbar find.-
Zur erften Sattung gehören unfere fterblichen teiber ,-
und alles, was in der Natur aus mehrern Beſtandthei⸗
fen. zuſammengeſezt it. In die andere muß man bie
Gottheit, und die im göttlichen Berftande von Ewigkelt
bes vorhandene Urbilder aller Arten und Gattungen:
von Dingen fegen. Mit den legtern find unfere Seelen
entweder gleichartig, oder ihnen doch näher verwandt,
als dem vergänglichen Coͤrper. Alle ihre eigenthuͤmli⸗
chen Vorzüge und Kräfte zeugen von einem. hoͤhern Ur⸗
fröunge, "ober von einer göttlichen , wenigſtens von einer
der. goͤttlichen mehr, ald der cörperlichen fich naͤhernden
Natur. - Das Gedaͤchtniß, welches. eine Unendlichkeit
von Borfiellungen umfaßt, Verſtand und Vernunft,
Eee 5.. . woburd
$)- Phaed, p. 30.
ac ©, 31. in Phaed.
778 ¶echtes Buch. Deittes Copitel.
wodurch ber Menfch Wiſſenſchafften erfunden, Kürsfte
. entdeckt, die Erde gemeflen, bie Ziefen der Erbe umb
ee ergruͤndet hat, wodurch er endlich fich gegäßent,
aͤdte erbaut, Reiche errichtet, und fich vor allen
übrigen Thieren zum Beherrſcher ber Erbe erhobess Ger,
find lauter Vollkommenheiten, bie man niemals in Eöes
pern bemerfe hat, und die alfo auf eine Derfchi
Des Weſens, worinn fie wohnen, vom GCörper,. und
eine Aehnlichkeit des erften mit der ewigen unnsanbeibss
zen Gottheit zuruͤckſchließen laſſen. Gelbftjunfer Cor⸗
per dauert nach dem Tode eine Zeitlang fort, bevor er
in feine Beſtandtheile aufgeloͤſt wird; wie viel mehr
muß man alſo vermuthen, daß die Seele, dies ohne
Vergleichung über ihn erhabene Weſen, nach ihm und
auch laͤnger, als er , fortdauren werde.
2 ch gebe es zu, daß man gegen ben legten Schluß,
tele gegen bie ganze Sehre von der Unfterblichkeit der Geste,
mehrere ſcheinbare Einwuͤrfe vorbringen kͤnne. Mau
kann erſtlich ben Leib des Menſchen mit einer Leier, und
feine Seele mit ber Harmonie einer feier vergleichen, unb
algsdamn annehmen, daß die Seele, bie in einer Harmo⸗
nie oder vollfommnen Liebereinftinmung aller Beſtand⸗
theile des Cörpers beſtehe, mit dem Coͤrprr ensflanben
feye, und alfo auch mit dem Eörper untergehen müffe,
fo rote die Sarmonie einer Leier, 6 entzäcend, göreiich
gm unfihebar fi. aud) Immer fr, Dennoch verfnsine,
wenn bie teler gerbrochen werbe. Gin anderer Einwurf
ift dieſer, daß bie Seele iwar eine viel vortrefflichere,
und auch dauerhaftere Natur, als der Coͤrper fen, daß
man fie abet deßwegen nicht gleich für ein unvergänglis
chet Weſen erklären koͤnne * Vielleicht verhalte *
| e in Phaed, ©. 34: 88.
Geſchichte des Plato und feiner Phil, "779
fich mit der Seele und dem Selbe, wie wit einem Weber. , '
und den Kleinungsftüäden, die er für ſich verfertigt.
Der Weber fen unftreitig beſſer und dauerhafter, als
ein jedes der Kleider, das er mache; allein nichts deſto
weniger werde er, nachdem er viele Kleider verbraucht habe,
won dem lezten gleichfam überlebt. Auch die Seele fonne-
olfo vollkommner und ausdaurender, als ber Coͤrper
Bon, aber doch von irgend einem festen Coͤrper aufgeries
ben werben, nachdem fie vorher viele andere aufgerie»
ben hörte. — Den eriten Einwurf widerlegt Plato mit.
drey Gründen”), Man kann zwar, fogt er, den.
Edrper mit einer feier, aber die Seele nicht mit der
rmonie einer Leier vergleichen; denn die Seele ift viel
Iter , als der Cörper, da bie Harmonie einer feier erſt
mit der feier felbft entſteht. Wäre die Seele des Men⸗
fihen weiter nichtö, als eine gewifle Harmonie des Coͤr⸗
vers; fo würde eine jede Seele, fo lange fie fortdauert,
keiner Dieharmonie oder Derfihlimmerung fählg, und
alle Seelen würden gleich gut fenn. Auch würde als
dann ihre Geſundheit und Harinonie nicht darinn beftes
ben, daß fie fich den Bewegungen bes Coͤrpers entge⸗
genfezte, fondern daß fie mit ihnen übereinftimmte,
weiche Llebereinfiimmung aber mit ben Regungen des
Corpers ihre gefährlichfte Krankheit ausmarhr,
Den zweyten Einwurf hebt Plato durch feinen be⸗
ruͤhmten Bewels, daß die Seele ein ſelbſtſtaͤndiges Prin⸗
eipium aller Bewegung und des Lebens fen; ein Gedanke,
den die meiſten alten Weltweiſen ſchon gehabt, aber
nicht fo angewandt und gebraucht hatten ꝰ). NMur das⸗
jenige, ſchließt Plato, kann aufhören Ju leben und be⸗
| = Ä wegt
— G— d rrco
S. 36. 37. | \
us) in Phacd.p. 42. In Phacdeo p. 203, Cieer. Tufe, guaeft.-
99. de Senect. c. 31. Somnium Selig, e. 8. u.
\
785 MÄtes Buch. Dritted Capitel.
wegt zu werben, was von efmas.anderm bewegt und Ges
feelt wird, oder den Grund feines Sebens und feiner Bas
wegung außer ſich felbft Hat. Die Seele des Dienfchen
kann alfo nie aufhören zu leben und thärig zu fegn,
‚ weil fie die Quelle des lebens und der Thaͤtigkeit, ein
fetbitftändiges von allen Dingen außer ihr unabhängiges
Prineipium der Bewegung in fich ſelbſt hat. Alle Cor⸗
per, in denen keine Seelen wohnen, ſind ohne Leben und
Thaͤtigkeit, und beyde finden ſich hingegen in denen zu»
ammen, welche durch Seelen bewegt werben. Us
ſolche feibffftändige Principla von Leben und Thaͤtigkeit
muͤſſen Seelen nochwendig ewig und. unvergänglich feyn,
weil fie fich felbft nicht verlaffen, aus ſich ſelbſt niche
herausgeben, und Cörper Ihnen das nicht nehmen koͤn⸗
ten, as fie ihnen nicht gegeben, fondern von Ihnen
mirgerheile erhalten haben, und noch immer ers
Halten, | u
Die festen, und wie ich glaube, dem Plate ganz
eigenthämlichen Gründe für die Lnfterblichkeit ver Seele
find diejenigen, welche er im zehnten Buche feiner Mes
puibli£ vorgetragen hat *). Micht einmal unfer Cörper,
fagt er, leidet Durch die Verderbniß von kuft, oder
Mahrungsmitteln, oder andern äußern Gegenſtaͤnden,
wenn dieſe ihm nicht ihre Verderbniß mittheilen. Auch
die Seele alſo kann weder durch die Krankheiten, nach
durch den Tod bed von ihr verſchiedenen Coͤrpers leiden,
wenn dieſer ihr niche fein Verderben mittheilt, das heißt,
wenn er fie nicht Eranf und lafterhaft macht. Mun bat
aber noch kein Meuſch geglaubt, daß Krankheiten oder
der Tod des Eörpers die Seele verfchlimmern oder Is
ſterhaft machen; allein wenn man dieſes auch iugeben
wollte,
®) Lib, X; 324 323.
Geſchichte des Plato und feiner Phil. gt.
wollte, ſo wuͤrde doch daraus nicht folgen, - baß die
Seele duͤrch die in ihr Kervorgebrachre Safterhaftigkelt
gleich dem Coͤrper vernichten werde Denn mit der
Seele ift e& nicht, mie mic allen cörperlichen. Dingen,
die durch inmerliche Uebel und Verderbniß allmälicd) aufs
gerieben und zulezt vernichtet werden. laſterhaftigkeit
.. oder Innere Berverbniß der Seele vernichtet fie allein
nicht, fondern gibt ie meiftens eine gewiſſe Thaͤtigkeit
und Munterfeit, die man felbft in den gefundeften und
fugendhafteften Seelen nicht bemerkt. Da alfo die
Seele weder durch Innere noch äußere Uebel und Ver⸗
derbniß gerflört wird; fo folgt hieraus, daß fleganz uns
gerftörbar und unvergänglich fen. |
Nirgends lieg Plato feiner Einbildungskraft einen
freyern tauf, als in den Schilderungen ber Schickſale
abgeſchiedener Menfchenfeelen, vie er unter mancherley
Bildern und Allegorien vorſtellt, welche zwar in Klel⸗
nigfeiten :von einander abweichen, aber doch in dem
wichtigften Puncten zufammenftimmen!: Sch habeaber
ſchon zu viel Platoniſche Fietionen, und felbft von des
nen, in welchen er die Belohnungen und Strafen bey
abgeichiedenen Seelen barftelle, einige weltläuftig anges
führt, und ich will Daher die noch nicht berüßrten von
ihren fchönen oder myſtiſchen Gewande entfleiden, und
- nur bie Hauptgedanken, die ben ihnen zum Grunde lies
gen, mittheilen ). Plato bringe ale abgefchiedene
Seelen in Ruͤckſicht auf ihren Werth oder Unwerth,
und auf die Belohnungen und Strafen, die fie. zu ge
| warter
H Men ſehe phaed. p. 42. 33. 43. 45. Phaedr. p. 203
s332. 33. Tim..p. 482. vor allen andern abee
de Rep. Lib, X, Vol. Il. 33. & q Ohne die leztere
Allegorie würde violes in den übrigen unverſtaͤndlich
ſeyn.
⸗
[1
N
or aAchtes Buch. Drittes Capitel.
warten haben, unter fünf Claſſen, und ſieht es als eb
nen unumſtoßlichen Grundſaz an, daß alle Seelen in .
‚eben dem Verhaͤltniſſe fteigen ober fallen, gluͤcklich oder
ungluͤcklich ſind, in weichem fie das eine oder bad andere .
verdienen, und baß eine jede ftetd den Plaz einnimmt,
der ihren Thaten entfprechend ift. Die erfte Claſſe ent
hälc die ganz reinen. Seelen aͤchter Weltweiſen, ober
Wahrheitsferfcher, deren ganzes teben ein unausgeſeztes
Beltreben wor , die Seelen vom teibe abzuziehen , und
in ſich ſelbſt zu verſammlen. Diefe fleigen gleich nach -
dem Tode des Ehrpers zu ihren ehemaligen Sizen, und
den ihnen verwanbten göttlichen Noturen empor , in de
ren Geſellſchafft ſie frey von allen Banden und Lebefn
des Coͤrpers einer reinen und vollfommmen Geeligfeit
‚genießen *). Za biefem Gluͤck können aber nur diefenis
gen gelangen, die vollkommen geläutert find, und. benen
gar Leine” Weberbieibfel von Unfauberfeit der Materie
mehr anfleben ). Selbſt aljo die Seelen großer Ge⸗
ſezgeber, Heerfuͤhrer, Staatsmaͤnner und aneres
Wohlthaͤter von Voͤlkern werden nicht in die Geſellſchafft
der Goͤtter aufgenommen, weil vollkommen reine Na⸗
turen, wie die Goͤtter, nur mit vollkomnnen reinen
Maturen Gemeinſchafft Haben koͤnnen. Solche tugend⸗
hafte Seelen werden nach ihrer Trennung vom Cuoͤrper
entweder auf die wahre Erde, oder auch in andere ſee⸗
lige Wohnungen verſezt, wo ihnen das Gute, was ſie
gethan haben, zehufach vergolten wird. Nach einer
Zeit aber von tauſend Jahren, dem zehnfachen Zeit⸗
raum des laͤngſten menſchlichen Lebens, kommen fie zur
Wahl eines neuen irdiſchen Lebeus, wo fie alsdann mei⸗
t fieus
—xx
©) in Phaed. p. 52. 39. 43. mp. 45.
a) p, 92. . -
,
©.
4
Geſchichte des Plato und feiner’ Phil. 783
ſtens in die Leiber fleißiger und ſanfter ober arbeltſamer
Thiere einfahren, deren Matur mit ihrer Gemuͤthsart
am meiſten uͤbereinſimmt. In dieſen oder aͤhn⸗
lichen Coͤrpern verweilen ſie ſo lange, bis ſie von aller
Anhaͤnglichkeit an der Materle ganz befreyt ſind. We⸗
niger gluͤcklich find die Serlen ſolcher Menſchen, die
während ihres irdiſchen lebens ohngefaͤht gleich viel Gu⸗
tes und Voͤſes ausgeuͤbt haben. Dieſe Seelen wohnen
am Acheruſiſchen See, und empfangen fuͤr ihre boͤſen
Thaten die Strafen, und fuͤr ihre guten die Belohnun⸗
gen, die fie verdient haben. Unter den laſterhaften
Seelen hingegen werden diejenigen, die Heilbare ober
verföhnliche Verbrechen begangen haben, in den Tarta⸗
rus geworfen, und fo fange gequält, bis fie von denje⸗
nigen, die ſie einſtens ungluͤcklich machten oder beleibigs
cen, Bergebung erhalten haben *). Alsdann kommen
auch fie, wie die. tugenbhaften und zweydeutigen Seelen,
zus Wahl eines neuen Lebens, und kehren meiſtens in
die leiber von geilen oder veißenden Thieren ein. Bis
weilen aber nehmen fie durch die Martern, Die fie aus⸗
geftanben haben, gewarnt, ein befleres Loos, als fie in
ihrem vorigen teben hatten, fo wie Lugendhafte Seelen
niche felcen aus eilung ein fchiimmeres ergreifen.
Die Seelen folcher Böfewichter aber, die viele unfchuls .
dige Menſchen getbdter, oder Städte zerſtoͤrt, oder
Tempel beraubt haben, werben auf ewig *”), undohne.
Haffnung dee Erlöfung, Inden Tartarus geflürze. Auch
Zn W dieſe
\
XX
©) in Phaedone p. 45. In ber Republik ſagt Plato, duß
fie zehnfache Strafen für ihre Vergehungen leiden
. müßten, und daß fie aljo erſt nach taufend Jahren
_ wieder vom Tastarus ausgewerfen wuͤrden. JB. c.
p. 849.
m,
-
784: Achtes Buch. Drittes Capitel.
biefe fommen zwar nach einem jedesmaligen Umlauf von
taufend Fahren glei) denen, die erlöft werden, antı
Deffnung des Tartarus; allein wenn fie ſich nähern, f
fängt dee Schlund an zu brüflen, und fie werden von
wilden feurigen Männern ergriffen, niedergetreten, ge
‚ peinigt, und wenn man bie Urfachen, weßwegen did
gefchieht, befannt gemacht hat, abermals in den %
"grund ber Dual geworfen *). | M
Unter allen Erdichtungen des Paco ff Feine fo
wahrſcheinlich, oder hat Feine ſelbſt als Fiction betroch
tet, fo wenig anziehendes für die Einbildungskraft, ob
das Ideal eines vollfommnen Staats, bas er in fein
Republik **) entworfen Bat, und von welchem is |
| | | ge
,
' ®) deRep. 342 ©. 1. «. |
sF) Seine zwölf Bäder yon den Geſezen enthalten gleib
falls das Ideal eines: wohleingerichteten Staats, da
aber, wie er ſelbſt ſagt, viel weniger vollkommen c
‚als dasjenige, was er in feiner Republik entworfen
babe. (de Leg. V, 552.) Dies weniger
iſt meiſtens nach Kretiſchen und Spartaniſchen Drake
gebildet, und bauptſaͤchlich in der Abſicht gufaanmens®
fegt worden, um die Deängel der Arhenienfikgen Ce
feje zu zeigen. In dem Staate, ben Plate in fen
Geſezen beſchreibt, duldet er fefte und abgefondert:
- Eben, Eigenthum, und fogar Ungleichheit der St,
‚a ungeachtet er alle Ländereyen in 5460 gleiche und UM
veraͤußerliche Abſchnitte zerlegt, und am eben 6 W
Bürger oder Familien auscheile. Nach der ver
nen Ungleichheit der Güter nimmt er vier Elan mi
VDürgern an; gebietet aber zugleich, daß Dr jr |
höchfteng viermal fo viel als der geringfte befen eanr
(554 p.) Er unterfage zwar Künfte, —
and Handel nicht gänzlich; allein er ſchraͤnet Met
durch mancherley Geſeze, und am meiften I
daß er goldene und ſilberne Muͤnzen nur * 9
wicht aber Privarpeefonen zu deſten erlaubt. (SEN
[ u I
geſtehe, daß es fich vielleicht nur im Himmel, aber niB
mals auf der Erde wirklich finden werde *. Kein an
Derer Weltweiſer ſah die Mängel und Mißbräudye der
Kerühmteften Staatsverfaſſungen feiner Zeit, befonders
Der Kretifchen, Gpartanifchen und Arhenienfifchen volls
Fommmer und ridjtiger ein, als Plato: feiner ſchilderte
fie treffender, und lebhafter, ald eben er; aber Feines
zwar. auch ungluͤcklicher In Entwürfen einer untabdelichen,
oder doch beſſern Negierumgsform, als bie verdorbenen
Voͤlker Sriechenlandes in feinem Zeitalter hatten. Se
me Republik wurde Daher in den folgenden Jahrhunder⸗
zen ein philofophifches Mährchen, und eine fprichwörts
liche Redensart für unmoͤgliche Entwuͤrfe und Unterneh⸗
mungen. Plato theilte die Bewohner feiner Republik in
drey Claſſen ab; in den reglerenden, in den kriegeriſchen
und den arbeitenden Theil. Bon den Häuptern verlange
te er, baß fie wahre Weltweife, das heißt, betännige
⸗
Ueber die Erziehung der Weiber redet er eben ſo, wie
in feiner Republik; (575:579.) gegen bie Dichter iſt
er aber nachgiebiger. Weniaſtens nimmt er Luſt⸗ und
Traueripiele auf, wiewohl er fie einer ſeht firengen
. Prüfung unterwirfe. I. 523. Die Reaierungsform,
bie er in feinen Geſezen als die befte billige, iſt eine
ſtrengere Ariftofeatie, ‚als die Soloniſche, aber N:
nicht fo nahe an Dligarchie gränzend, als die Sparta⸗
niſche zur Zeit der hoͤcbſten Gewalt der Ephoren war.
(VI. 557. & faq.) Zu den ſchoͤnſten Adfchnitten feiner
Geſeze gehoͤrt der Anfang des dritten Buchs, in wels
hem er von den Nevolurionen des menſchlichen Ges
ſchlechts, befonders von der Wiederentftehung buͤrgerli,
cher Geſellſchafften nach großen Revolutionen ber Dias
‚tur vortrefflich handelt.
®) Lib, IX, in Sne p. 482. Vol, II,
Zweyter Band. Dbb
Geſchichte des Plato und feiner phil. 788
786°. "Mchteh Buch. Drittes Capitel.
Beſchauer der hienmliſchen und Berächter. der irbiſchen
Dinge ſeyn ſollten, und daß fie ich zu ihren himmll⸗
ſchen Bectrachtungen durch das Stublum Der Zahlen
und Groͤßenlehre, und anderer Mathematiſchen Wiſſen⸗
ſchafften vorbereiten muͤſten *). So ſchoͤn alſo auch der
Ausfpruch kliugt: daß Bölfer nur alsdann glücklich wer
den würden , wenn ihre Regierer encweder wahre Belt
weiſen, ober Weitweiſe die Regierer von Mationen mir
ben; fo enchält er nichts Deiloweniger eine ber größten
Ungeteimtheiten bes Plato, wenn man das Wort Weli⸗
weifer in der Bedeutung nimmt, in welchet es von ihm
" genommen wurde. Plato begnügte fich nicht Damit,
aus feinem Staate alle fünftlichen Handwerker und Mas
nufacturen, allen Handel und Wandel, alle edlen Me⸗
talle und Seltenheiten der Kunſt zu verbannen, um
Habſucht, Streitigkeiten, Ueppigkeit und Schwelgerm
in der Geburt zu erſticken; fondern er führte auch eim
vollkommne Semeinfchafft der Hüter, Weiber und Kin
ber ein, damit alle Mitglieder des Staats fich unter |
einander, als Däter und Kinder, ats Brüder und
Schweſtern, als Männer und Weiber, oder als. Blut,
verwandte lieben.mbchten ꝰ). (Er verwies alle bloß nach⸗
ahmenden Dichter, das heißt, biejenigen, die wie Luſt⸗
und Trauerfplelfchreiber allerley Menfchen in ihren Wer⸗
fen erfcheinen und reden ließen: nicht weniger diejen⸗
gen, vie gleich den Epifchen Dichtern, Nachahmung
und Erzählung mit einander vermifchten, oder bah in
igrem eigenen, bald in anderer Namen vebeten; und er
bebielt nur ganz allein die bloß erzählenden bey, welche
entweder toblieder auf die Gottheit, oder die muſterhaf⸗
ten
En — —
) Vol. 1. 388. 11. 94. 98.
‚ ar) in Tim, p. 473. de Rep. Il, Vol, aa.
⸗
X
Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. 787.
: tem: Taten, großer. Männer ’ ober auch bie Lehren der
Tugend fängen *). Plato glaubte die erſtern deßwegen
micht dulden zu fünnen, weil fie Götter und Helden auf .
eine ihrer unmwürbige Art veden und handeln liegen, und
die Seelen der Menfcyen mit verderblichem Aberglauben
and Irrthuͤmern erfüllten, oder weil fie dadurch, Daß
fie ſich in den Charakter böfer Menſchen verſezten, ihren
eigenen Charafter verbürben, oder weil fie endlich durch
Die Daritellung der heftigften Ausbrüche von keidenfchaffe
ten in außerordentlichen Menſchen eben vie fchädlichen
Semuͤths bewegungen in ihren Zuhörern oder tefern nährs
ten und flärften. Plato unterjagte auch allen übrigen
Künftlern das Dergnügen, fich den Gränzen feines
Staats zu nähern, und nahm ſelbſt die Muſik nur als
eine nüzliche, Seelenbildende Kunft auf ). Aaervers
Bannte fogar die Aerzte, welche Kranfheisen darch Arz⸗
neyen beilten, und fezte es als eine Regel feſt, daß es
für diejenigen, deren Geſundheit nicht durch Diär und
Uebungen erhalten und wiederhergeftellt werden fönnte,
beffer fen, zu fterben, als zu leben, indem fie fich ſelbſt
zur Saft umd unbrauchbare Mitglieder des Staats
fegen }). Aus eben den Gefinnungen floß das Geſez
her, daß man nur die fehönen und geiunden Kinder ers
halten, und die ungeſtalten oder Fränflichen ausſejen
follte ff). Endlich befahl Plato, den Mädchen einerley
Did 2 Er⸗
—öX—XXR)Ú)
®) de Leg. II. p. 523. de Rep. Vol. I. 140. 164. 170-
193. Val. Il.820. 296. 300. 306. 313. 316. Pia
to brauchte alfo in feiner Republik das Wort wsunsss
in einer fehe engen Bedeutung; in den Geſezen bin.
gegen nimmt er es im gewoͤhnlichen Sinn. IL 5326. 37.
##) Vol. I. 194. _
+) 1. Vol. p. 216,
+}) 314. ib. ER
—
788 Achtes Buch. Drittes Capitel.
Erziehung mit den Knaben zu geben, weil fie einerle
Gliedmaßen und Kräfte hätten. Er fand den Gedam
ken 'ſehr leicht und natuͤrlich, das weibliche Gejchlecht
. durch gymnaſtiſche Uebungen ſo abzuhaͤrten und zu
ftärfen,. daß es eben fo gut, als das männliche das
Vaterland verteidigen fünne *). Daß nun ein Mann,
wole Plato, der das Sonderbare liebte, alle diefe Eim
fälle in einer Schrift, in welcher er feine Berepfamfeit
und den Neichthum feiner ‘Phantafie mehr, als feine
Mahrheitsliebe zeigen wollte, vorgetragen, oder fie auch
wohl felbft für wahr und ausführbar gehalten, wäre im,
mer. weniger zu verwundern, als daß er den Dionys um
einen Plaz gebeten habe, wo er eine Nepublif nach feis
ner Arc errichten Eönnte, oder daß er es den Arfadiern
abgefchlagen, ihr ©efeggeber zu werben, wenn fie ihm
nicht vorläufig verfprächen, Gemeinſchafft ver Guͤter und
Weiber unter fich einzuführen *%). Ben allen feis
nen mwunderlichen Träumen zog Plato doch viele berüßmte
Staatemänner , Gefeggeber , Heerführer und Der
frener ihrer Vaterſtaͤdte F), wiewohl man ihm auch
vorwarf, daß nicht weniger Berrächer und Unterdruͤcker
ihrer
— —
⏑
ib. 340. & ſq. Seine nuͤzlichen Geſeze waren die über
den Gortesdlenſt. Er unterſagte alle üppige Feſte,
J prächtige Opfer und Gefchenfe, fogar den häuslichen
\ Gottesdienſt, und gebot, daß man bie Gottheit m
meiften durch Reinigkeit des Herzens und durch kleine
Opfer ehren folle. de Leg. X. 419. XII. 539.
®*) Diog. 1}. 21. & ibl Menag. Ich halte di !
erdichtet. Denn Plato fetbft fah I daß le |
der Guͤter und Weiber ſich unter ſolchen Menſchen, ds
fine zeitgenoffen waren, nicht einführen ließe, deleg
. 552,
» Plutarch, adv. Colot, X, p, 639. u
— —
"wären ®).
1
v
In dem Zeitraume nun, den ich in dieſem zwey⸗
ten Bande beſchrieben habe, machte der menſchliche Geiſt
ſo große und ſchnelle Fortgaͤnge, als er nur jemals wie⸗
der gemacht hat, und machen wird. Die Theorien aller
ſchoͤnen Kuͤnſte, die Beredſamkeit, Staatskunſt und
Sprachkunde wurden nicht nur zwiſchen der achtjzigſten,
Geſchichte des Plato und feiner Ph. 789
three Mitbürger aus feinee Akabemie hervorgegangen
und hundert zehnten Olympiaden erfunden, ſondern er⸗
reichten auch bennahe den hoͤchſten Grad ihrer Vollkom⸗
menheit. Die Mediein empfing durch den Hippofrates
eine wiffenfchafftliche Geftatt *"). Faſt alle Theile dee
Dbb 3 Ma⸗
DU 0)
-
®) Athen. XI. c. ult. p. 508. 509. Wahrſcheinlich iſt bas,
was Athenäus an dieſer Stelle den Plato vorwirft,
eben fo wenig ganz wahr, als was er ihm an anbem
zue Laſt legt. Aus Mangel von zuverläfligen Nach⸗
- richten fann man aber doc) die Falſchheit einer jeden
Beſchuldigung nicht darthun.
“*) Unter den Schriften, die den Namen bes Hippokra⸗
tes tragen, find mehrere, die philoſophiſche Mey⸗
nungen enthalten. Hieher geboren befonders folgende:
Ileeı uexav n uexwv, wagı Ducews aydeae,
und rees dsrns. Die beyben erſtern Halte ich für
aͤcht, indem bie Schreibart ſowohl, als die darinn vor
tommenden Gedanken fo befchaffen find, tie man fie
von einem großen Manne aus dem Zeitalter des Hip⸗
pokrates erwarten kann. Der Berfafler diefer Buͤcher
zedet vom Jepuov oder Feuer, nnd von einer gemeins
fhafftlichen oder allgemeinen, und von einer bes
fondern VBernunft ganz im Heraklitiſchen Sinn.
Jlegı aexav cp. ı. & eu Qucens avdeame
e. ı. Außer dem Feuer nimmt er noch Elemente an,
bie er asgoss nennt, und aus weichen er glaubt, daß
alles entſtanden fen, als zu einer gewiſſen Zeit durch
eine
—
790 Achtes Yırch, Drittes Capitel.
Mathematif erhielten betraͤchtlichen Zuwachs: berief:
die Erd und Sternkunde, die Mechanik, und Ehron
Togle, welche Wiffenfchafften Meton von Athen, Ardı
tas von Tarent, Budorus von Knidus, Timäus wı
Lokri, und ‚andere Pythagoreer mit den neichtigiie
Entdeckungen bereicherten *). Am meilten aber wur
En ae
“eine Kraft oder Natur, die er alt nennt,
der wik
Urftoff in Bewegung oefegt wurde, orq eræecy
In Tarıre. Das dritie Werk zes dere
ſcheint mir aus mehrern Gründen untergeſchoben, ix:
dem Spracbe ſowohl, als Gedanken von denen in des
übeizen SHippokra.iien Schriften ganz
verfchieden
find. - Der Verfaſſer, der vielleicht gleich nach ven
Hippokra es lebe, nimmt nur zwey Elemen:e, da
Seuer und Waffr an. Lib I.c.4. Das erfere m
hebt er eben fo ſehr, als Hippokrates Lib. Le ı1&
23. und hält es für einen gawp befandigeit, fü wi
der Seelen, über meld
er felrame und widerſprechende Meynungen äußern.
(LIB. I. €. 8. 18. 22. 33.) Ungead.er er Re-ang Mel
fer und Feuer gemiſcht alanbr, und die Berfchiedengeit
ihrer Miſchungen für die Urſache der Verſchiedenbeit
ihrer Faͤhiakeiten und Anlagen hält; ungeachtet er fe
gar behanp’et, da die Seelen wie die Coͤrper wuͤchſen
aller übrigen Dinge, alſo au
und genaͤhrt würden; fo faat er doch augleich,, dag alle
Seelen in Menfhen und Tuhieren glei, und von äu
Bern Segenftänden unabhängig feyen.
#) Die Verdienfte dieſer Miänner ‚, die alle Zeitgenof
fen des Sokrates oder Plato waren, muß man in den
Grfhich-fhreibern der Sternkunde und der Marheme
tik Überhaupe auf uchen. Die drey leitern waren Da
thagoreer, wie Philolaus, und zugleich berühmte
Weltweiſen, die mehrere ejgenchinlice Meynungen
hatten, von melden aber.nur wenige erhalten worden |
find. Die Ausſpruͤche des Archytas, eines großem
Heerfuͤhrers und Staatsmanues, der aber zugleich feine
Jungen
En
Ockbichte des Plato und ſeiner Phil. 79
Die Wiſſenſchafft des Menſchen erweitert. Sowohl bie .
Sophiften, als Sofrates und Mars erforſchten die
ratur der Empfindungen, die Unterfehlede und das
Maag menichlicher Kräfte, die Entftehung und Des
ſchaffenheit ver Beglerden und Leidenſchafften, den Werth
and Unwerthe der verſchiedenen Vergnuͤgungen und
Schmerzen, endlich die Nüzlichfeit un” Schoaͤdlichkeit
aller Tugenden und tafter fo richtig und tief, daß über
mehrere diefer Punete den- nachfolgenden Geſchlechtern
nicht viel neues zu beobachten und zu fagen übrig ges
blieben ift. Am wenigften gewann in dieſem Zeitraume
die Kenntniß der Natur und des menfchlichen Cörpers,
Denn ungeachtet man in beyden Ordnung, Schönheit
‚und Zwednäßigfeit genug wahrnahm, um daraus eine
unerfchütrerliche Weberzeugung von dem Daſeyn einer
. weifen, gürigen und mächtigen Gottheit zu ſchoͤpfen,
fo blieben dennoch dem Plato und feinen Zeitgenoffen bie
wahren Größen, Entfernungen und Bewegungen dee
Geftiene, die Urſachen der merfwürdigften Naturerſchei⸗
| Did 4 nungen |
jungen Mitbürger duch Nach und Lehren aufklärte
und befferte, (Ariſt. ap. Athen. XII. 12.) über die
VDewegung des Ganzen und das Leere fliehen beym Arts
> fisteles M. Probl. 15. 3. p. 537. & Simpl. in Ari.
Phyf. p, 108. Eudoxus hielt das Vergnügen für das
hoͤchſte Gut, und den Schmerz für das hoͤchſte Uebel,
und zwar aus eben den Gründen, welche Ariftipp und
die Epikurder für diefe Meynung vorbrachten. X. 2.
Ari. Ethie, Keinem andern Achten Pythagoreer ſcheint
Ploto fo fehr gefolgt zu feyn, als dem Philolaus, ber
‚die Präeriftenz des Seelen behauptete, und das irdiſche
Leben für einen Zuftand der Strafe hielt, den man
‚ aber dach nicht ohne den Willen der Gottheit verlaffen
dürfe. Clem. Alem. Lib, IH. 518. & Plat. in Pbaed,-
J
t. .. 67 Lu
t *
gcchtes Buch. Drittes Eobi.
nungen und die Beſfimmungen oder Sefchäffte Ber
zigften Theile des menſchlichen und. der übrigen thien
ſchen Edrper unbefannt. Wenn man nun ders Gere‘
Der Griechen an Auffläcung mit ihrem Verluſte ante
genden und Sluͤckſeeligkeit nuſommeoban ſo kann ma
keinen Augenblick zweyfeln, daß bie Griechen um te
achtzigſte Olympiade ohne alle Vergleichung gluͤckliche
und mächtiger waren, als um die hundert und gehen,
und Daß alle Bölfer Sriechenlanbes weit mehr geſchwaͤch
und ihre Sitten weit mehr verborben, als Küufte um '
MWaiſſenſchafften vervolllonnnnes wurden. - -
Erſte Beylage:
N. Seele, fagt Piato, (in Phaed. p. 202. & ſeq.)
äft einem Wagen gleich, bee mit geflügelten Pferden be
Pannt iſt, und von einem Fuhrmann geleitet wird. Die
Pferde der Goͤtter find eben fowohl, als die Fuhrleute
untadelich, Allein in unſern Seelen find fie von ge
miſchter Natur. Die Führer des Wagens find zwar
ohne Fehl; und das eine Pferd iſt auch von guter und
ebler Art, allein das andere ift wild und unbezaͤhmt, und
eben deßwegen wird und das Faͤhren fo befchwerlich,
So lange unfere Seelen noch unverborben und beflü
‚geit waren, durchführen und regierten auch fie unter
allerley Geſtalten den ganzen Himmel mit. Als fie
aber ihre Slügel verloren, fanfen fie fo lange, ‚bis fe
an die Materie ober Coͤrperwelt gelangen. Hier nah⸗
men fie einen irdifchen feib an, cheiften ihm teben und
Bewegung mit, und murben mic bemfelben gu einem
fterblichen Geſchoͤpfe zufammengehefte. Ihre Flügel
aber verloren die Seelen auf fülgende Art, — De
Kraft der Flügel, wodutch bie Serien ſich bis Gare
Geſchichte des Plato und feiner Phil. 793
Wohnungen ber Götter emporheben , vwirb durch das, -
was göttlich und fchön, was weile und gur iſt, geſtaͤrkt
aund genaͤhrt, und hingegen durch das Häßliche, Boͤſe
u. f. w. vermindert und geſchwaͤcht. Der große Fuͤh⸗
rer bes Himmels nun, Qupisee, fährt mit feinem geflde
gelten Wagen um die Welt, die er regiert, und ihm
folgt das ganze Heer von Goͤttern und Dämonen in elf
Abteilungen nah. Mur die Veſta allein bleibe in der
Behauſung der Götter zuräd; die Übrigen Götter und
Soͤttinnen aber, die zu den zwölf regierenden gehören,
fuͤhhren ein jeder Diejenigen Seelen an, denen fie vorger
—ſezt find. (Plato will hiemit weiter nichts fagen, als
daß die Seelen (id) mit den Seftirnen, über welche fie
percheilt waren, durch bie Räume der Himmel beweg⸗
sen.) Auf diefer Weltreiſe hieten fich den unfterblichen
Odttern taufend uͤberſchwenglich ſchoͤne Gegenftände und _.
Aufteitte des Himmels dar, . an welchen fie eine jede
Seele, bie ihnen nachſtrebt, ohne alle Mißgunſt Theil
nehmen laſſen. Wenn fie aber zu einem wahren Gafts
male geben wollen, fo fteigen fie zu dem oberften Gewoͤl⸗
ke, des Himmels empor, wohin fie aud) wegen der
u Seichtigfeit und des Gleichgewichts ihrer Wägen, und
der fenffamfeit ihrer Pferde ohne Mühe gelangen, Die
übrigen Seelen hingegen fireben nur mit der äußerften
Beſchwerde nach, weil das böfe Pferd, menn es vom
Yubemann nicht gut gehalten worden iſt, den Wagen’
nach) der Erde hinab zieht; und fie muͤſſen alfo alle Ihre
Kraͤfte anwenden, um ben Gbttern nachzukommen.
Wenn die unfterblichen Götter die Höhe des Himmels
erreicht haben; fo fielen fie fich auf den Ruͤcken des
bimmlifchen Gewoͤlbes, und laffen fich von feiner Bes -
soegung herumführen. In diefen uͤberhimmliſchen Ges
genden erblicken fie Schönhelten, die kein Dichter ber
fungen hat, und wuͤrdig befingen wird, und von denen
man alfo auch nur ſchuͤchtern und ımbefriedigend fallen.
| Dbbs5 kann.
794 Achtes Buch. Dritteß Capitel.
- ann. Hier wohnt nämlich das Weſen der Weſen,
was weber Farbe, noch Figuren, noch Feftigfeit har,
das nur-allein vom Berftande, dem Regierer der Seele,
angeſchaut werden, und auch bet einzige Botwerf aͤch⸗
“ter Wiffenfchafft ſeyn kann. Die vollkommnen Seelen
' ger Götter und eine jede andere Seele, die von dem,
was fie fehen foll, nicht zurück geflogen wird, weidet
ſich fo lange an der ewigen Wahrheit, bis dee Himmel
fich einmal herumgedreht hat. Hier ſchauen fie Die ewi⸗
‚ge Serechtigkeit, Welsheit., Klugheit und Wiffenfchafft,
nicht diejenige; welcher Dergänglichfeit auklebt, oder
die in andern-anders ft, fondern die eigentliche ummans
delbare Wiſſenſchafft an. Wenn nun die GSoͤtter das
Weſen der Weſen geſchaut haben, laſſen fie ſich dieſſeit
des Himmels nieder,. binden ihre ‘Pferde an Krippen
feft, und naͤhren fie mit Defcar und Ambeofia. Un⸗
ter den uͤbtigen Seelen :fönnen jelbft die beſten, Die den
Göoͤͤttern am ähnlichiten find, wegen ihrer unrubigen
Mrerde nur kaum ihre Häupter über den Himmel em
por heben, und das Weſen der Dinge betrachten. Eh
nige heben fich bisweilen empor, fallen aber gleich wie
der zuruͤck, und fehen baher nur einiges, indem ihnen
eben jo vieles unbefannt bleibt. Der größte Theil er⸗
muͤdet unter den Beſtrebungen in die Höhe zu kommen,
geräch darüber in Unerdnung, und in dieſem Getuͤm⸗
mel werden viele verwundet, und ihrer Flügel beraubt.
Sie müffen daher bes Anſchauens des Weſens der We⸗
fen ensbehren, und fi mit einer fchlechten. Nahrung,
nämtich mir bloßen Meynungen, oder ungewiſſen Kennt.
niffen, befriedigen. Um dieſes Ungluͤck zu vermeiden, be:
eifern fich alle Seelen fo ernftlich, das Gefilde der Wahr⸗
heit zu fehen. Dann nur auf diefen finden fie Nahrung
Für ihren beffeen Theil, wodurch die Kraft ihrer Fluͤgel
geſtaͤrkt wir» Nach einem unvermeidlichen Geſeze der
Mothwendigkeit verharren alle Seelen, bie das Feld der
— | 7 Wahr
Dt — — — — nn
G
Geſchichte des Plato und feiner Phil, 795
Wahrheit recht betradjtet haben, bis zur nächften
—— ungeſtoͤrt in dem Genuſſe ihrer Freuden und
orzuͤge, und koͤnnen auch, wenn ſie ſich nicht ernie⸗
drigen, in dem Genuſſe derſelben beſtaͤndig fortdauren.
Wenn aber Seelen aus Ohnmacht das Gefolge der Goͤt⸗
ter verlaſſen, wenn ſie die ewige Wahrheit nicht lange
genug anſchauen, und mit dem Verluſte ihrer Flügel,
und mit Unviflenheit und unreinen Begierden erfuͤllt zut
Erde Herabfinfen; denn find fie ben ver erften Ders
wandlung zwar dafür gefichert,, nicht in den Leib eines
unvernünfrigen Thiers zu reandern; fie müffen aber doch
irgend einen menfchlichen Eorper .auf ver Erde beleben.
Diejenigen, weldye am meiften gefehen.haben,, wandeln
in den teib irgend eines Siebhabers der Weisheit, ober
des Schönen und der Tonkunft; eine andere Claſſe in
die Seiber großer Könige, oder Staatsmaͤnner, oder
Helden; eine dritte in die von Demagogen, oder fparfa,
“men Hanshältern, oder fleißigen Erwerbern ; eine vier,
te in die von Kämpfern oder ersten; eine fünfte in die
von Weißagern, ober Borftehern von Geheimniffen ;
eine fechfte in die von Dichtern; eine fiebente in die von
Meß oder andern Künftlern; eine achte In die von So⸗
phiften; und die fezte endlich in die von Tyrannen.
Welche von diefen Seelen bey ihrer erften Geburt, oder
Eincörperung die Geſeze der Gerechtigkeit treulich beob⸗
achtet, wird nach dem Tode ein befferes Schickſal ers
halten; diejenigen Hingegen, die fich in tafter und Ver⸗
brechen flürzen, werden noch tiefer fallen. In eben
die Gegenden aber, woher die Seelen abftarımten, kehrt
feine vor zehn tauſend Fahren zutuͤck; denn fo lange Zeit‘
braucht es, His den Seelen die Flügel wieber wachfen.
Doc find' von diefem Geſeze die Seelen ächter Welt
weifen und tiebhaber ausgenommen, die ſchon nach eis
nem Umlauf von drey taufend Jahren wieder beflügelt
- werden, und in Ihre ehemaligen Wohnungen zurüd
'. oo kom⸗
796 Achtes Buch. Drittes Capitel.
kommen. Die übrigen Seelen werben nad) ber Vollen
bung ihres erften Lebens gerichtet, und einige in unter
icdifche Derter der Strafe hinabgeſchickt; andere in ei
ner befondern Gegend des Himmels verſammlet, wo jie
den Lohn der Thaten, die fie in ihrem menfchlichen Se
ben verrichtet haben, empfangen. Nach taufend Fahr
ren kommen beyde zur Wahl eines neuen Sebens; und
eine jede wählt alsdann, welches leben fie will. Einige
Menfchenfeelen fahren in teiber von Thieren; und au
dere, welche Thierlelber bewohnten, Lehren in menſch⸗
liche Corper zuruͤck, welche nur folche beleben koͤnnen,
weiche vormals die Wahrheit gefehen haben. (Plato
nahm aljo aud) Seelen von Thieren an, bie vormals
‚ weber Dämonen, noch Menfchenfeelen geweſen waren.)
—
Unter Menſch muß man hier den wefentiichen Menſchen
verftehen, ber aus vielen Sinnen durch Bernunft zu eis
nem Ganzen vereinigt rolrd. Dieſer Begriff ift eine
von den Erinnerungen berjenigen Dinge, welche unfere
Seele ſah, als fie, mic den Goͤttern die ganze Weit
durchfuhr, als fie fich zum Weſen der Weſen hinauf⸗
-- ſchwang, und alle die Gegenfiände verachtete, weiche
wir jego wirflich nennen. Mic Recht alfo wirb nur
die Seele des wahren Weltweiſen befluͤgelt. Denn fie
erneuert ſtets diejenigen Kenneniffe, durch deren Ans
ſchauung felbft bie Gottheit Gottheit iſt. Wennjeman
dieſe Erinnerungen braucht und bearbeitet, wie er ſoll;
fo wird er fiets in die erhabenften Geheimniffe einge
weißt, und durch biefe Einweihung wahrhaftig vollen
der. Indem er fich aber von den Gefchäfften und Des
ſtrebungen anderer Menfchen entferne, uabd .fich mit
der Gottheit und den, was göttlich iſt, vereinigt, wirb
er von andern als ein Verruͤckter angefehen, unb fein
' —* — Entzuͤcken mit wirklicher Raſerey verwechſelt.
n einen ähnlichen Zuſtand gerathen diejenigen, weiche
ſich bey ber Erblickung coͤrperlicher Schoͤnheit der uncoͤr⸗
| ber⸗
’
j
j
4
»
Geſchichte des Plato und feiner Phil. 797
perlichen erinnern ‚. die fie einftens wahrgenommen ha⸗
ben. Auch ſolche Seelen werden befluͤgelt, ſehen wie
Voͤgel immer aufwaͤrts, vernachlaͤſſigen das Irdiſche,
und kommen daher gleichfalls in den Verdacht des
Wahnſinns. Dieſe verllebte Entzuͤckung oder Schwaͤr⸗
merey iſt unter allen bie beſte und heilfamfte, ſowohl
demjenigen, ber felbit Hineinfälle, als welcher die Ders
anlaffung davon ift, und Theil daran nimmt. . Nicht
allen Seelen wird e& gleich leicht, ſich dasjenige zurück
zu rufen, was fie in ihrem ehemaltgen Zuſtande gefehen
haben. Einige betrachteten das Weſen der Weſen zu
kurze Zeit, und in andern wurden die Erinnerungen _
durch allerien Unfälle, am meiften durch Vergehungen,
in welche fie durch verführerifche Beyſpiele verleicer wur⸗
den, verbunfelt. Es bleiben alfo nur wenige übrig,
in weichen die Nefte ihrer vormaligen Kenntniffe recht
lebhaft ſind. Wenn biefe etwas demjenigen, was fie
fonft gefehen haben, ähnliches erblicken; fo werden fie
von einem Schauer überfallen; fie bleiben nicht bey fich
ſelbſt, und wiffen doch nicht recht, wie ihnen gefchieht.
Bon Gerechtigkeit, Maͤßigkeit, und allen Vollkommen⸗
heiten der Seele finden fi) kaum einige Spuren, oder
ſchwache Schattenbilder in der ganzen Corperwelt wies
der. Auch die Schönheit fohen wir nur da in ihrem
vollen Glanze, als wir unter den gluͤcklichen Choͤren der
Gdodter in die feeligften unter allen Geheimniffen einge,
weiht wurden, und fren von allem Ungemach fpäterer
Zeiten, und von dem trägen Eörper, den wir jezo wie
eine Schneckenſchaale mit uns herumtragen, im reins
ſten Lichte die fchönften und erhabeniten Schauſpiels ger
noffen; allein die Schönheit firale uns doch aus allen’
Theilen der irdiſchen Schöpfung entgegen. Ahr himm⸗
Jifcher Abglanz wird von dem edelften unferer Sinne,
dem Gefichte, aufgefangen, das für die Stralen ſittlicher
Tugenden feine Empfindlichkeit hat. Wie unausſprech⸗
798 Achtes Buch Drittes Eapitel. . |
fich ‚groß würde fonft unfere Jubrunſt gegen bie Weib
beit ſeyn, wenn wie fie gleid) der Schönheit vercoͤrpert
“wahrnehmen fönnten! Selbſt die Abbrüde - jener ur
iprünglichen Schoͤnheit bringen nicht in allen Seelen die :
ſelbigen Empfindungen‘ hervor. ‘Die verdorbenen ems
pfangen fie, un aus ihnen die niedrigften thierifchen Bas
‚gierden zu gehäften. Die reinern Seelen hingegen bewun⸗
dern in einem ſchoͤnen Antlize die glückliche Nachahmung
der uncörperlichen Schönheit, nach weldyer es gebildet
wurde. Ein unnennbarer Schauer, ber mit feierlichen
Empfindungen der Andacht begleitet iſt, ergreift (re ©
beym erſten Eindruck, und fie würden fich nicht ſcheuen,
ibm, wie dem Bildniſſe eines Gortes, zu opfern, wenn
fie fi nicht vor dem Rufe eines zu ſchwaͤrmeriſchen
Entzuͤckens fürchteten. Uogewohnlicher Schweiß uns
Hize wechfeln mit diefen Empfindungen ab; tie Keime
dee Flügel werben durch die zufträmenden Zufläffe von
Schönpeit belebt, und alle Berhärtungen erweict, |
bie ihren Wachsthum bisher zurüchielten. Die Epi
zen der Flügel fangen an, durch die, Nahrung, die ſie
erhalten, aufjujchwellen, und mächtig zu treiben, und
fuchen an allen Seiten der Seele durchzubrechen. Die
ganze Seele ift in einem Heftigen Aufruhr, und das
Durchbrechen der Flügel verurſacht ihr ein folches
ſchmerzhaftes Kizeln und ein fo peinigendes Vergnügen,
dergleichen das Wachsthum der Zähne zu verurſachen
pflegt. Die fürchterlichen Geburtsfchmerzen, mit denen
fie einge, ſchmelzen mit der Wolluft, welche der Ans
blid der Schönheit gewährt, in eine einzige unaus⸗
fprechliche vermiichte Empfindung jufammen , die jie
bis zur Naferen empört, und vor Sehnſucht, den es
genftand ihrer Liebe zu ſehen weder Tag noch Nacht rus
ben läßt. In diefem Zuftande zerreißt fie alle Bonde,
womit fie fonft an Eltern, Bruͤder, Kinder, Ber
wandte und Freunde gefeflelt war. Mit Berachtung
ſieht
)
“
+
Orfebichte des Piato und feiner Phil: 299
fieht fie auf bie ehemaligen Gegenſtaͤnde ihrer heftigſten
Wuͤnſche herab. Weltliche Größen und Reichthuͤmer
ı verlieren fich in eben dem Grade aus ihrem Geſichts⸗
kreiſe, in welchem. Eitelkeit und Geiz abflerben, und
von der herrfchenden Empfindung verfchlungen werden,
Sie ſucht ſich ihrem Geliebten, den fie ſtets aus dem
Gefolge oder den Mitbegleitern ihrer Gottheit waͤhlt,
fo viel als möglich, zu nähern, und fanft an feiner
Seite zu ruhen. — Diefer Zuftand, mit allen feinen
befchriebenen Yeußerungen, iſt es, den Die Sterblichen .
klebe nennen. |
Ich theilte oben, Fähre Piato fort, die Seele
gleichfam in drey Theile, nämlid) in den Fuhrmann und
swey Pferde ab. Ich fagte ferner, daß das eine Pferd
gut, und das andere böfe fen; allein ich beftimmte nicht,
worinn der Adel bes erfteen, und die Boͤsartigkeit bes
— — —
zweyten beſtehe. Das gute alſo iſt gerade und ſchoͤn
gebaut, hat einen erhabenen gewoͤlbten Hals, eine gebo⸗
gene Maſe, ſchwarze Augen, iſt weiß von Farbe, und
eben fo verſchaͤmt und enthaltſam, als ehrgeizig, laͤßt
ſich nicht leicht uͤberraſchen, und gehorcht allein der Ver⸗
nunft und vernuͤnftigen Vorſtellungen. Das andere iſt
ſchwerfaͤllig und verdreht von Gliedern, hartnaͤckig und
kurzhalſig, harrhörig und unbändig, ſchwar, von Farbe,
rothaͤugig, und nur kaum Durch Gebiß und Peirjche ber .
göhmbar. Wenn alfo der Fuhrmann einen fhönen Ge⸗
genftand erblickt, und die ganze Seele von einem fühen
Kizel gerührt, und vom Stachel des Berlangens gereizt
soird; denn wird das edelmärhige Pferd von Schaam
zuruͤckgehalten, nicht gleich auf den Geliebten loszuſprin⸗
gen: Das andere hingegen laͤßt fich weder durch Zuͤ⸗
gel, noch durch Schläge baͤndigen, fondern reift viel
mehr feinen Genoſſen und Fuhrmann mit Gewalt zum
Vorwurfe feiner teidenfchaffe hin. Dieſe widerſtreben
- 7 war
mn
‚800 . Mhted Buch. Drittes Capitel.
zwar Anfangs aus allen Kräften, und find unwillig
daß fie wider ihren Willen geswungen werben; allein
wenn des Ziehens und Reißens fein Enve if, fo gebe
fie endlidy nach, und folgen dem unrubigen Pferve
dem Tie nicht widerſtehen koͤnnen. Wenn fie ſich «
dem Geliebten nähern, und der Fuhrmann das vor
Schoͤnheit glänzende Antliz erblickt; dann wacht in ihm
das Bild der ewigen, und mit Weisheit und Enthalts
ſamkeit vereinigten Schönheit auf. Bey diefem Bilde
fängt er vor Ehrfurcht an zu zittern, und zieht die Zuͤ⸗
gel auf einmat mit einer foldyen Gewalt an, daß Gende
- Pferde auf ihre Hinterbeine zuruͤck flärgen: Das eine
ohne Widerfireben, das andere mit der größten Wider
es allmaͤlich fchächtern, und der leitung und dem Winke
foenftigfei. Das gute wird vor Schaam und Angft
mit Schweiß überdedt; das boje hingegen, nachdem
es ſich nur ein wenig verfchnaubt, und den Schmerz des
gewaltſamen Zurüdziehens verwunden hat, jchimpft auf
. den Fuhrmann; sie auf feinen Begleiter, zieht fie beyde
twieder vorwärts, und läßt fid) nur mit genauer Moth
auf eine furze Zeit zur Ruhe bringen. Nenn diefe Zeit
verfloffen iſt, fo hebt und kruͤmmt es wieder feinen
Schweif, beißt mit Wuth In den Zügel, und rennt mit
faft unaufhaltfamer Wildheit zue Befriedigung feine
tuft Hin. Alsdann widerſezt fich Ihm aber der Fuhrmann
mit noch größern Nachdruck, als vorher, und madıt
ihm durch das Anhalten der Zügel Maul und Zunge blu⸗
tig. Wenn er diefes mehrmafen gerhan hat, fo wird
5 feines Führers gehorfam.
Zweyte
— — — — TIERE
Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. g08 .
| Zweyte Beylage. |
p. 219. Man bat dem Plato in alter und neuer
ic fo viele falfche und ungereimte Meynungen über -
ne Ideen aufgebürber, daß ich nicht umhin kann, biefe
teyrnungen noch fur; in einer Anmerfung zu prüfen,
ren Inhalt man vielleicht ein Jahrhundert fruͤher in
ı halb Duzend langweiliger Difpurationen oder Pros
ammen ausgeſtreckt hätte. Seneca unterfcheider dres
n eidoc. Jene iſt, fageer, nach dem Plato das
tufter, mach welchem etwas gemacht; dieſes hinge⸗
n die Ferm, dienad) dem Ideal einem Werke einges .
uckt wird. Ep, Il. 58. Alterum exemplar eft, al-
rum forma ab exemplari fumpta & operi impo-
a, alterum artifex imitatur, alterum facit. Ha-
t aliquam faciem ftarua: haec eft Idos. Habet
iquam faciem exemplar ipfum, quod intuens
ifex, ftatuam figuravit? haec Idea eft.
iamnum aliam defideras diftindtionem ? Idos ir
ere eft; Idea extra opus, nectanrum extra opus
t, fed ante opus. Don diefem Unrerfchiededer Ber
tungen der Worter sdex und esıdos weiß Plato nichts,
: nennt die ewigen Urbilder bald esxovxs, bald erdy,
Id sdeas, bald magndesyuure, bald a rnara raura,
“ scaurws exovra, bald endlich voudas, Ic.
ıp. 472. Tim. & 155. in Plut. und gibt den: Arten
d Gattungen der Dinge, die nad) Ihnen hervorger
acht worden, gleichfalls den Namen esdn. Plato
bite zwar die Ideen unter den Urfachen der Dinge auf,
ein er nahm der leztern nicht fo vielean, ald mehrere,
schriftfteller ihm gegeben, und hielt fie nech vielweni⸗
r für wirkliche Subſtanzen, wie viele Gelehrte gealaunt
ben, Seneca (Ep. 65.) und Simplicius (in Phyſ.
rift, fol. ‘3. a.) eignen ihm fünf Arten von Urſachen
Zweyter Band. Eee m
)
soa Achtes Buch. Dritted Eapitel,
zu, die ich mit den Worten des Seneca anführen will
Quinque ergo caufae funt, ut Plato dieit, id e
quo,’ıd a quo, id quo, id ad quod, ıd propte
quod noviflime id, quod ex his eſt. Taanquan
in ftatua (quia de. hoc loqui coepimus) id ex qua
‚ aeseft: id aquo, artifex eft: id quo, forma eſi
quae aptatur illi: id ad quod, exemplareft, quot
imitatur is, qui facit: id‘, propter quod, facient:
propofitum eſt: id quod ex iftis eft, ipfa ftatua
Seneca zähle Hier niche fünf, ſondern ſechs caufarun
genera ouf, unter welchen aber die, welche er id qu«
und propter quod nennt, erdichtet fin. Plato er
fannte nur vier, die Materie, die Ideen, die Gotchei
und die Cdrperwelt, die aus diefen und durch diefe ent
ftanven ift, in Philebo p. 160, ewrov par Fomu
'aresecv (hierunter verftehr er bie Materie) Acyo, dew
Tegov de megas (die Ideen) ezeir ex TErwv Terre
—R pa Yeyevnuevnv 8CHAV, TmM de Tns —22
aıtıay mas Yewegsws Terzernv Aryav. Bisweilen
fie er die Gortheit weg, wie im Timaͤus p. 488 5
Ö av Two RapTı Xen Yen diavoyIyas TErFT&. To un
Yiryvopevov, TOO € & Yıyverau, Tod oder &ogaoıs-
pevov, Quveras To Yıyvonevov. [ns ON Ku TFEOS eancaaaı
een, To MEv ÖBXonEvov MNTEI, Tod aIev marTeı,
nv de nerafu TaTay QDucw enyorw vonaas Te &C.
Es war immer ſeltſam, daß er die Ideen, nach welchen
alle Dinge feiner Meynung nad) gebildet worden, noch
- mehr aber, daß er die hervorgebrachten Dinge felbft,
‚bie doch ganz Wirfung waren, für eine eigene Art von
Urfachen hielt, Mebrete Platoniker nahmen. daher nur
die Gottheit, die Materie und die Ideen als Grundur⸗
ſachen an, (Apul. p. 281.) und hätten eigentlich nur
die beyden erften dafür gelten laffen ſollen. Diefe Auf
zählung der Ideen unter den Grundurſachen, ferner bie
Mißdeutung der oben angeführten Nebensarten, deren
Ur
SS
Gecſchichte des Plato und ſeiner Phil. 803
Uefprung und Anſpielung man nicht fuͤhlte, endlich bie
unzaͤhligen Stellen, in welchen Plato die Ideen We⸗
ſen, 'sewes, und unwandelbare ewige Dinge nennt, wa⸗
: sen allem Bermuthen nach die Hauptgründe, welche eis
: tige Ausleger des Plato und. mehrere berühmte Gelehrte
: der neueren Zeit auf die Meynung führten, daß Plato
wenigſtens bisweilen unter Ideen nicht Begriffe im Bot⸗
tesverftande, fondern für fich beſtehende Weſen verftan
ben habe. (Man fehe außer Bruckern Monbaddo of
the origin of language I. Cha. 9, Gedike Hiftor.
Phil, ex Cie. collecta p. 182. 183.) Allein ewige
außer dem Verſtande eriftirende Urbilder der wirftichen
: Arten und Gattungen der Dinge haben etwas fo wider,
fprechendes und undenfbares, daß man fie meinem Ur⸗
theile nach feinem verftändigen Mann ohne die unzwey⸗
beutigften Zengniffe in feinen Schriften beylegen kann.
Solche Zeugniffe Hat man bisher nicht beygebracht, und
wird fie auch gewiß niemals auftreiben fünnen. Hinge
gen volderfprechen diefer Mennung alle die Stellen des
Plato, wo er die ewigen Mufter mit den Idealen oder
Muftern vergleicht, nach welchen Kuͤnſtler arbeiten,
(Man fehe de Rep. vol. II, p. 4. &. 286-290.) Auch
har unter den größten alten Schriftſtellern nicht allein
Feiner dem Plato die Behauptung von für ſich beſtehen⸗
den Urbildern zugefchrieben, fondern fie haben auch alle
feine Ideen für ewige Begriffe in Gottes Verſtande ger
halten. (Man fee Arift, I. c. Cic, Ac. quaeſt. ]. 8.
Senec. Ep, 58.65. Apul, p. 251. Attic. ap. Euf,
Praep. Euang, XV. 13. Endlich Plutarch und die
neuen Piatoniker an unzähligen Stellen.) Herr Gedicke
glaubt in folgenden Worten des Ariftoreles eine Beſtaͤti⸗
gung der Meynung derjenigen zu finden, welche bie
Ordeen des Paco für wirkliche Subſtanzen halten; x’
0! mev Zungarns Tu naI ENE, 8 Xwgısa erroies, ade
Tas OQICHBS, oα ⸗ EXREITAV, N TE TOIAUTE Toy
ee 2 ovTar
\
804 Acchtes Buch Drittes Eapitel.
arrow des wesonyogruoav. Met. u.d.p.2or. U:
fein die Wörter ra 'xaI cAg und res opssjeigen, daj
er unter den Ideen des Plato feine Subſtanzen, fonder:
abfiracte Begriffe und Erflärungen derfelben verftanten
habe. Die Ausdruͤcke 6 nerjZungurns 8 weiss
erscies, bedeuten weiter nichts, als daß Sokrates bir
allgemeinen Begriffe nicht al6 etwas von ben Arten um
Gatturgen wirflicher Dinge, und den Ideen, die fie in
uns bervorbringen,, verfchledenes betrachtet habe. —
So wie man gu einer gewiffen Zeit alles, was mar im
Plato fand, von ben Pythagoreern ableitete, fo gJanbte ein
gewiffer Alfimue auch, die tchre des erftern von den Ideen,
ober von den verftänplichen und finnlichen Dingen im Epi»
charmus zu entdecken II. 10. &. fq. Diog. Zum Gtäd hat
Diogenes die Fragmente ausgezeichnet, auf welche Al,
kimus fid) bericf, und man kann fidy daher ſelbſt über:
zeugen, daß in diefen Fragmenten zwar etwas von der
MWandelbarfeit aller Dinge, aber durchaus nichts von
Platoniſchen Ideen vorfümmt. Außer dem Alfimus il
es feinem andern, wenigftens feinem berühmten Schrift‘
ſteller eingefallen, die fehre von den Ideen einem äftern
Weltweiſen zuzufchreiben, Ariſtoteles, der dieſe Erdich⸗
tungen feines lehrers lächerlich machte, würde es gewiß
nicht verfchwiegen haben, wenn Plaro fie dem Epichar⸗
mus, oder ein.m andern Pythagoreer geraubt härte,
Ariftoteles zeigt aber ausführlich die Unterſchiede ver
Ideen des Plato und der Zahlen der Prkanorerr, (Met,
&.5.p. 15.) und gibt aud) die Art und Beranlaffungen
an, auf und durch welche der erfte auf feine Meynung
gefommen fey. | Ä
-
.
r
Eeccſchichte des Plato und feiner Phi. 8oS
| Dritte Beylage.
Dieſer ans der Republik mitgetheilten Kiction iſt eine
andere im Phaͤdon ſehr ähnlich, von welcher ich glaube,
daß man fie aus mehrern Urfächen nicht ungern leſen
wird. — Die Erde, fagt Sofrates, har viele und be»
mundernswürbige Plaͤze und Abtheilungen, und iſt, wie
ich von jemanden gehört habe, weder von der Größe,
noch von der Befchaffenhelt, wie diejenigen, welche davon
reden und fchreiben , fich einzubilden pflegen, Mein te
Gen reicht zwar nicht mehr hin, euch alles dad wieder
zu fogen, was mir jemand erzählt hat; ich will euch
aber doch kuͤrzlich mit der Geſtalt der Erbe und Ihren
Abtheilungen befannt machen. Sie ift alſo, (fo bin ich
wenigftens belehrt worden) kugelfoͤrmig geftalrer, und
gerade in der Mitte des Himmels, wegen welcher Ge⸗
ſtalt und tage fie weder fuft noch eine antere Stüge
braucht. Denn ein jeder fich ſelbſt im Gleichgewicht
haltender Gegenftand, der genau in die Mitre eines anı
dern fich völlig gleichen Dinges geftelle wird, hat nicht
mehr Urſache, fich nach der einen als der andern Seite
Hin zu neigen, und bleibe alfo unbeweglich. Die Erde
ift ferner viel größer, als die meiften Menfchen alauben.
Der Fleck vom Phafs bis am die herfuliichen Saͤulen,
den wir fennen und bewohnen, ift, mit der ganzen Er;
de verglichen, nur ein Ameiſhaufen, "oder eine Fleine
Froſchpfuͤze. So wie die erftenoch viele andere Bewoh⸗
ner trägt; fo har fie auch noch viele andere Vertiefun⸗
gen und Pläze von verfchiedenen Größen und Geſtalte
in welche Waffer, und Vtebef, und tufr, zuſammen ger
floffen find. ie Erde felbft ift rein, und liegt in eben
dem ungerräbten Himmel, in welchem die Sterne fid)
bewegen, und welche diejenigen , die von ſolchen Din⸗
gen zu reben pflegen, den Aether nennen, Die Vertie⸗
fungen ver Erde find gleichfam der Boden viefes Ye:
| Eee 3 - there, .
806 Achtes Buch. Drittes Eapitel,
thers, oder ber Sumpf der luft, und eben baher kommt ed
euch, daß fich afle tinreinigkeicen in demſelben verſamm⸗
len. Auch wir wohnen, ohne eö zu merken, nicht auf
der Dberflädhe der Erde, fondern in irgend einer ihrer
Höhlen. Es geht uns eben fo, wie ed Grfchöpfen erge⸗
pen würde, die im Grunde des Meers wohnten, und
durch Das Meer die Sonne, den Mond und die übrigen
Geeſtirne erblickten. Solche Geſchoͤpfe würden das
Meer ſelbſt fuͤr den Himmel halten, indem fie ſich nie⸗
mals aus dem Waſſer empor gehoben, und geſehen haͤt⸗
ten, wie viel reiner und heiterer es oben, als bey ihnen
ſey. ; Eben fo glauben auch wir, die wir in der Tiefe
- wohnen, auf ber Höhe zu wandeln, nennen unfere fuft,
jenſeits welcher wir nicht hinausblicken koͤnnen, ven
Simmel, und glauben, daß bie Sterne ſich in unferer
Luft bewegen. Wenn wir aber die Graͤnzen unferer
luft überfliegen, oder wie bie Fiſche aus dem Waſſer,
fo aus der Erdluft heraus fchauen koͤnnten, fo würden
mir alsdann erft entdecken , welcher ber wahre Himmel,
das wahre licht, und die wahre Erde ſey. Denn bie
Erde, die wir bewohnen, die Steine und übrigen Chr
per, die wir ſehen, find alle verfault, oder verdorken,
wie die Gegenftände, die auf dem Grunde des Meers
fiegen, wo man nichts, ald Sand und Schlamm fin
det, und nichts Schönes und Müzliches hervorgebracht
wird. Die wahre Erde aber übertrifft diejenige, die
- wir fo nennen, noch weit mehr, al& die lestere ben Dos
den des Meer übertrifft. Denn wenn jemand bie
wahre Erde von oben herab fähe, fo würde fie in den
fchönften und mannigfaltigften Farben glänzen; und
mon würde bald goldene, bald purpurrothe, bald weiße
oder gemifchte Streifen von unbefchreiblidyer Schönheit
wahrnehmen. Diefer Farben Pracht würden Blumen,
langen, Bäume, Berge und Steine entfprechen , ges
gen welche leztere man unfere Jaſpiſſe, &maragte
u. ſ. w.
' ı
| Geſchichte des Plato und feiner Phil. 807
u. ſ. w. für nichts rechnen wuͤrde. Die Urſache ber
groͤßern Schoͤnheit der erſtern iſt dieſe, daß ſie unver⸗
dorben, und nicht von der Faͤulniß und dem Unrathe
Angegriffen find, die in unferer Erdhoͤhle Menfchen und
Tiere, und auch lebloſe Gegenftände krank und haͤßlich
machen. Die wahre Erde ift daher ein entzuͤckendes
Schauſpiel für ihre glücklichen Bewohner, deren fie vie,
fe Arten, und unter diefen auch Menfchen hat. Ein
Theil derfelben wohnt mitten im tande, “andere an der
Luft, wie wir am Meere; noch andere auf Infeln, die |
von der Luft umfloffen werden. Ueberhaupt ift ihnen die
Luft eben das, was und dad Meer, und der Nerher
eben das, mas ung die Luft iſt. Die Stunden find fo
gemifchte, daß die Bewohner der wahren Erde niemals
von Kranfheiten angefochten werden, und viel länger
‚leben, ald wir. Sie übertreffen uns an Feinheit ber
Sinne und des Berftandes eben fo fehe, als bie fuft °
das Waſſer, und der Aether die Luft an Reinigkeit über
trifft. In ihren heiligen Hainen wohnen und wandeln
Gorter, deren Stimmen fie hören, veren Geſtalten ſie
anfchauen, und mit weichen fie als ihres Gleichen um⸗
gehen. Endlich fehen fie die Sonne, den Mond und
die Geſtirne ohne Schleter , eben fo erhaben und glän:
zend, als fie wirflih find, — So iſt num die wahre
Erve befchaffen. Es gibt ‘aber außer der Höhle, in
weicher wir wohnen, unzählige andere kleinere und grös
fiere, engere und weitere Vertiefungen, In welche viele
Stroͤme ein. und wieder ausfließen, und nicht bloß
Etröme von Wafler, fondern auch von fließennem
Schlamm und von Teuer. Der größte unter diefen
Schlünden ift der Tartarus, der durch die ganze Erde
geht, in welchem fich alle Gewaͤſſer verfammien, und
aus welchen fie auch afle wiederum ausfließen. Die
Urſache dieſes Ein und Ausflufles aller Gewaͤſſer liege
darinn, daß der Tartarus feinen Grund oder Boden
bat..
808 Acchtes Bud. Drittes Capitel.
bat, auf welchem das Wafler ftehen bleiben koͤnnte.
Linter den Strömen, weldye vom Tartarus verfchlun.
den, werden, find vier vor allen andern merfwürdig:
nämlich der Ofean, der Acheran, der Ppriphlegeton,
und endlidy der Kofytus, unter welchen der Dfean der
rößte, und der Acheron, oder vielmehr der Acheruſiſche
Sr, der aus diefem Strome entftebt, der Sammel
plaz der abgeſchiedenen Seelen des größten Theils ber
Menfchen ift. —
Ende des zweyten Bandes.
4
Im Verlage der Meyerſcen Vachhandiun
zu Lemgo find dieſe Michael- Meffe 1782 fol⸗
gende neue Bücher heraus gekommen:
FD) m Chr. With. Materialien für bie Satiſtick
und neuere Staatengeſchichte, ate Lieferung,
gros 8.
Ewalde, Johann Ludwig, Gedaͤchinlspredigt gros 8.
+
Faſcieulus fententlarum , hiftorlaeum et fabulsrum
In ufum tironum editus et notis adjedtis il-
luftratus, 8,
Ser, SS. H. Unerfihungen über den menſchlichen
Bilen ‚ bdeflen Naturtriebe, Beränderlichkeit;
u Berbältnis zur Tugend und Gtäcfeligkeit , und
die Grundregeln, die menfhlichen Gemuͤther zu
erfennen und zu regieren, ater Theil, gros 8:
Haſe, J. Fr. B. die in den Apotheken aufgenom⸗
menen Chemiſchen Zubereltungen für Anfaͤnger
erklaͤrt, mit einer Vorrede von €, Crell, 8
Hiß⸗
nt, Che Gefchicte des
22
‚MM ir bie Dbllo d |
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angelegt, Ster Ehe 8.
Tit. romiſche Geſchichte, aus dem Lateiniſchen
vn, Überfegt, ger Dund, gc06 8.
"and Verfall der — ——
und Rem, ater Band/ gros 5
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