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Full text of "Geschichte des Wuchers in Deutschland bis zur Begründung der heutigen Zinsengesetze (1654)"

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GESCHICHTE 

DKS 

WUCHERS   IN   DEUTSCHLAND 


BEGHÜNDUNG  DER  HEUTIGEN  ZINSENGESETZE 

(1654.) 

AUS    HANDSCHEIPTLICHEN   UND    GEDRUCKTEN  QUELLEN 


MAX  NEIMANN, 

DR.    JUR.    UTR. ,    PRIVATDOCENTEN    FÜR  DEUTSCHES    RECHT    UND  CIVILPROCESS 
AN    DER    UNIVERSITÄT    BRESLAU. 


\(i 


HALLE, 

VERLAG   DER   BUCHHANDLUNG   DES   WAISENHAUSES. 

1865. 


ß 


Die  Uebersetzung  iu  freinde  Sprachen  geschieht  nur  mit  Genehmigung 
des  Verfassers. 


DEN   HERBEN   PROFESSOREN 

OTTO  STOBBE 

IN  BRESLAU 


H.  H.  FITTING 

IN  HALLE 
IN  GKÖSSTER  VEREHRUNG  UND  DANKBARKEIT 

GEWIDMET. 


V  0  r  r  e  d  e. 


Die  naclifolgencle  Schrift  will  streng  quellenraässig  den  in 
der  Geschichte  des  Kechtes  und  der  Wirthscliaft  einzigen 
gewaltigen  Kampf  vorführen ,  welcher  ZAvischen  dem  ideal  sitt- 
lichen Glaubens-,  dann  Kechtssatze  der  christlichen  Kirche 
vom  Wucherverbote  und  den  Kräften  des  Kechtes  und  der 
Wirthschaft  in  Deutschland  während  des  ganzen  Mittelalters 
und  noch  weit  in  die  Neuzeit  hinein  ausgefochten  warden  ist. 

Die  Resultate  dieses  Streites  hier  zusammenzufassen, 
erscheint  überflüssig,  Aveil  die  Abhandlung  selbst  an  vielen 
Stellen,  insbesondere  am  Schlüsse  der  einzelnen  Abschnitte, 
dann  S.  25  if.  und  540  ff.  bestrebt  ist ,  die  in  jedem  einzelnen 
Theile  gewonnenen  wesentlichen  Sätze  unter  sich  und  mit  den 
Ergebnissen  der  andern  Theile  zu  einem  sich  fort  und  fort  ent- 
wickelnden Gesammtbilde  zu  vereinen. 

Vergleicht  man  diese  Resultate  mit  den  Schlüssen ,  welche 
andere  Forscher  aus  ihren  dieser  nahe  verAvandten  Untersu- 
chungen für  die  Geschichte  des  Rechtes ,  der  Wirthschaft  mid 
verallgemeinert  für  die  Geschichte  der  menschheitlichen  Ent- 
wicklung zogen ,  so  dürfte  sich  ergeben ,  dass  die  vorliegende 
Sclirift  für  die  einzelnen  darin  behandelten  Institute  speziellere 
und  vielfach  neue  Resultate  beibringt,  für  die  welthistori- 
sche Stellung  des  Themas  dagegen  zu  allgemeineren  Sätzen 


VI  \'  0  V  r  0  il  0. 

golaugl,  alj;  Jone.     Bezüglich  des  letzteren  I'uiiktes  will  ich 
hiev  nur  auf  Eudemanns  treffliche  Abhandlung  über  die  natio- 
nal-ökonomischen Grundsätze  der  kanonistischen  Lehre  hin- 
weisen. Endemann  sieht  die  welthistorische  Bedeutung  der  zu- 
rückschreitenden  kanonistischen  Wirthschaftsgrundsätze  darin, 
dass  m  ihnen  und  durch  sie  der  Werth  der  freien  Arbeit  her- 
vortritt. Indessen  dieser  Werth  war  schon  dem  Alterthume  kei- 
neswegs verborgen  geblieben.     Das  lehren  die  Geschichte  des 
Kechtes  und  der  Volkswirthschaft  bei  Griechen  und  Eömern ; 
hinsichts   der  ersteren   spricht  Thukydides   es  geradezu   aus. 
Endemann  geht,  um  den  Gegensatz  gegen  sein  kanonistisches 
Eesultat  recht  stark  hervorzukehren,  zu  weit,  wemiersagt: 
„dem  ganzen  römischen  Eechte   dient   die  Anerkennung  des 
vollständigsten  Egoismus  als  Grundlage  etc.   Der  sittliche  und 
rechtliche  Begriff  wirthschaftlicher  Arbeit  maugelt  darin  ganz 
und  gar  u.  s.  w.    Dass  auf    den    maasslosen    Materialismus 
dieser  Geldwirthschaft  eine  Reaktion  folgte ,  war  nothwendig." 
(S.  196.  1.  c).   Und  so  stellt  sich  auch  sein  „Werth  der  freien 
Arbeit"   als   ein   zu   einseitiges   Resultat   der  kanonistischen 
Wirthschaftslehre  heraus.   In  wie  fern  dasselbe  einseitig  und 
deshalb  unhaltbar  ist,  ergiebt  sich  aus  der  hmteu  folgenden 
Darlegung ,  die  zwar  nur  einen  Theil  der  kirchlichen  National- 
ökonomie ,  aber  den  auch  von  Endemann  als  solchen  anerkann- 
ten Haupttheil  derselben  vorführt.    Eine  Gewähr  für  die  Rich- 
tigkeit der  unten  erzielten  Sätze  über  diesen  Punkt,  wie  auch 
allgemein ,  bietet  der  Umstand ,  dass  es  hier  nicht  bloss  galt, 
die  kanonistische  Lehre  selbst ,  sondern  auch  deren  Verwirk- 
lichung und  Bethätigung  im  Rechte  und  in  der  Volkswirth- 
schaft Deutschlands  viele  Jahrhunderte  hindurch  bis  auf  die 
verborgen   leitenden  Kräfte  der   Entwicklung  hiimnter  —  so 
weit   dies   die   Quellen  gestatten  —  zu   verfolgen  und  blos 
zu  legen. 


Vorrede.  vir 

Hieraus  ergiebt  sich,  welches  Verfahren  mir  als  das  geeig- 
nete für  diese  Untersuchung  scheinen  musste ,  und  es  rechtfer- 
tigt sich  die  vorliegende  Anordnung  des  massenhaften  und  viel- 
verzweigten Stoffes.  Nicht  Avillkürlich ,  sondern  genau  dem 
natürlichen  Gange  der  geschilderten  Entwicklung  entsprechend 
gewinnen  hier  das  deutsche  Recht  und  die  deutsche  Volkswirth- 
schaft  dem  kanonischen  Zinsverbote  Schritt  um  Schritt  den 
Boden  ab ;  diesen  Schritt  um  Schritt  stellen  die  einzelnen  Ab- 
schnitte des  Buches  dar.  Aus  der  Entstehung  aber,  der  Ge- 
staltung und  den  Wirkungen  des  kanonischen ,  des  deutschen 
Zinsgesetzes  und  der  grossen  Zahl  der  mit  ihnen  eng  zusammen- 
hängenden Institute  des  Rechtes  und  der  Wirthschaft,  so  wie 
aus  der  wechselseitigen  Verbindung  derselben  war  alsdann  das 
eigentliche  Wesen  derjenigen  Kräfte  zu  erforschen,  welche  jenen 
Gesetzen  und  emzelneu  Instituten  zu  Grunde  lagen,  welche  sie 
entstehen  Hessen  und  im  Zusammenhange  mit  der  allgemeinen 
Entwicklung  des  Menschengeschlechtes  ihre  Wii'kung  und  ihren 
Untergang  lenkten.  So  gestaltet  sich  —  ohne  jedes  Zuthun  oder 
Abnehmen  Seitens  des  Forschers  —  von  innen  heraus  die  Ge- 
schichte des  Wuchers  in  Deutschland  vor  unsern  Blicken,  wir 
begreifen,  warum  sie  so,  wie  es  geschehen,  verlief;  organisch 
entwickeln  sich  vor  uns  die  Resultate  dieser  Geschichte ,  wie 
Früchte,  deren  allmähliches  Reifen  wir  verfolgen,  deren  Er- 
scheinen wir  vorhersagen  können.  Auch  für  die  Geschichte 
des  Rechtes  und  der  Wirthschaft  gilt  des  Thukydides  leuchtendes 
Musterbild.  Wie  er  von  innen  heraus  die  Geschichte  sich  vor 
uns  bilden  lässt ,  strebte  ich  mit  schwachen  Kräften ,  doch  reg- 
stem Willen,  es  ihm  gleich  zu  thun,  und  gerade  das  Bewusstsein 
hiervon  Hess  mich  die  Schwierigkeiten  überwinden ,  ohne  welche 
die  folgende  Untersuchung  nicht  angestellt  Averden  mochte. 

Vieles  freilich  bei  Beseitigung  dieser  Hmdernisse  danke 
ich  der  mannigfachen  Hilfe,   welche  mir  eine  Reihe  wissen- 


VI  11  V  0  r  r  0  d  c. 

sohaftlicher   Autoritäten    und    l)ewälirter   Quellenforschor    in 
liebenswürdigster  Weise  zu  Theil  werden  Hessen.     Von  ihnen 
neune  ich  die  Herren  geheimen  Justizräthe  und  Professoren 
Komeyer  und  B eseler  in  Berlin,  die  Herren  Professoren 
S 1 0  b  b  e  in  Breslau ,  F  i 1 1  i  n  g  in  Halle ,   H  i  r  s  c  h  in  Danzig. 
Wenn  ich  mit  dieser  Schrift  und  nach  derselben  gemäss  mei- 
nem lebhaften  Wunsche  der  Wissenschaft  emigen  Nutzen  zu 
bringen  vermag,  so  blicke  ich  in  grösster  Verehrung  zu  diesen 
Männern  auf,  die  mich  das  Feld  ackern  lehrten,  aus  welchem 
der  Wissenschaft  Früchte  erwachsen  sollen.     Für  die  vorlie- 
gende Schrift  stellten  ausser  der  Hilfe  mündlicher  Eathschläge 
Einige  der  genannten  Herren  mir  eine  Zahl  von  Quellen  und 
eigenen  Forschungen,  zum  Theil  umfangreicher  Art ,  in  freund- 
lichster Weise  zur  Verfügung.  Ferneren  lebhaften  Dank  schulde 
ich  dem  Herrn  Archivdirektor  Dr.  Lappenberg  iu  Hamburg 
und  den  Herren  Professoren  Muther  in  Kostock,  Consisto- 
rialrath  Gitzler,  Eberty,  Hofprediger  Dr.  Gillet,  Herrn 
Provinzialarchivar  und  Universitätsdozenten  Dr.  Grünhagen, 
sämmtlich  m  Breslau,   welche   mir  durch  gütige   Zusendung 
handschriftlicher  und  gedruckter  Quellen ,  so  wie  gesammelter 
eigener  Notizen   die  möglichst   vollständige  Ausführung  der 
emzelnen  Abschnitte  der  Schrift  wesentlich  erleichterten.  Nicht 
minder   verpflichtet   bin  ich  Herrn  Regierungs -Assessor  Dr. 
Meitzen  in  Breslau,  welcher  mir  einen  Theil  der  auf  S.  257. 
258  angeführten  Eentenfüsse,  aus  den  Quellen  excerpirt,  zur 
Benutzung  übergab,  Herrn  Archivsekretair  Dr.  Korn  in  Bres- 
lau, welchem  ich  Einzelnes   der   etymologischen  Ausführung 
S.  53  ff. ,  ferner  wesentliche  Sätze  für  den  einen  Theil  des  Ab- 
schnittes von   der  Personalliaft  S.  132  —  136  und  das  Citat 
(S.  393.)   aus  Walther   von   der  Vogelweide   danke,   endlich 
Herrn  Candidaten  der  Geschichte  Rö ssler  in  Breslau,  wel- 
cher mir  die  jedesmal  in  den  einzelnen  folgenden  Abschnitten 


V  0  r  r  e  d  e.  ix 

mit  seinem  Namen  bezeichneten  Notizen  aus  der  Handschrift 
des  schlesischenProvinzial-Archives,  Brieger  Lehn  und  Erbe, 
mitzutheilen  die  Güte  hatte. 

Wenn  trotz  so  vielseitiger  und  zum  Theil  eingreifender 
Hilfe  in  Inhalt  und  Form  nachfolgender  Schrift  sich,  wie  ich 
sehr  wohl  fühle ,  mannigfache  Mängel  herausstellen ,  halte  ich 
mich  verpflichtet,  noch  Folgendes  anzuführen. 

Eine  Geschichte  von  Zuständen  vornehmlich,  nicht  von 
Begebenheiten  ist  der  Gegenstand  dieses  Buches.  Deshalb 
mussten  die  in  ihrem  wissenschaftlichen  Werthe  verschieden- 
sten, nach  Ort,  Zeit  und  Inhalt  zerstreutesten  Schriften  her- 
zugezogen und  verarbeitet  werden.  Um  so  nothwendiger 
erwies  sich  dies ,  als  in  der  Neuzeit  und  insbesondere  seit  der 
kritischen  Feststellung  der  Avichtigsten  heimischen  Kechtsquel- 
len  keine  den  Forderungen  der  streng  quellenmässigen  Wis- 
senschaft nur  irgend  entsprechende  Bearbeitung  meines  The- 
mas sich  findet,  während  das  Bedürfniss  nach  einer  solchen 
sich  in  der  Geschichte  des  Kechtes,  wie  der  Volkswirthschaft 
fortdauernd  steigerte.  So  sehr  ich  nun  auch  die  Nothwendig- 
keit  erkannte  und  das  Verlangen  mich  trieb,  im  weitesten 
Umfange  den  hieraus  sich  ergebenden  Folgen  zu  genügen ,  so 
sehr  zwangen  mich  doch  während  der  jahrelangen  Vorarbeiten 
äussere  Umstände,  mit  der  That  hinter  der  Nothwendigkeit 
und  dem  eigenen  Verlangen  zurückzubleiben.  Krankheit, 
dann  ausgedehnte  Thätigkeit  zu  Danzig  und  Breslau  in  der 
preussischen  Reclitspraxis  unterbrachen  vielfach  meine  For- 
schungen. Und  wenn  selbst  die  königliche  Bibliothek  in  Ber- 
lin bisweilen  nicht  ausreichte ,  mir  die  zur  allseitigen  Erfor- 
schung memes  Gebietes  nöthigen  Hilfsquellen  zu  reichen ,  wie 
konnte  ich  erwarten,  in  den  Bibliotheken  Breslaus  solche 
Lücken  auszufüllen  oder  gar  in  denen  Danzigs ,  welche  mir  oft 
kaum  die  für  dieses  Thema  nothweudigsten  Schriften  lieferten. 


x  V  0  r  r  0  d  e. 

(Letzteres  gilt  natürlich  nicht  von  meinem  mir  so  lieb  gewor- 
denen Danziger  Archive ,  dessen  unter  der  musterhaften  Lei- 
tung des  Herrn  Professor  Hirsch  offenbarte  Keichhaltigkeit 
und  Wichtigkeit  für  die  deutsche  Rechtsgeschichte  auch  bei 
dieser  Quellenforschung  sich  glänzend  bewährte.) 

Diese  Umstände  wollen  die  Leser  bei  ilirer  Beurteilung 
der  Schrift  geneigtest  berücksichtigen. 

Endlich  gestatte  mau  mir  den  Hinweis  darauf,  dass  das 
Thema  dieses  Buches  einerseits  verbietet,  die  wirthschaftliche 
Seite  der  darin  behandelten  Rechtsinstitute  zu  Gunsten  ihrer 
rechtlichen  Natur  hintanzusetzen ,  und  dass  es  andrerseits  for- 
dert, bei  der  rechtsgeschichtlichen  Darlegung  der  einzelnen 
Listitute  die  sachlichen  und  zeitlichen  Grenzen  des  Themas 
innezuhalten. 

Breslau,  Ende  des  Sommers  1864. 

Max  Neumann. 


Inhalt. 


Seite 

Einleitung.   Der  Ursprung  des  kanonischen  Zinsverbotes  l 
I.  Das  Zinsverbot  in  den  Decretalen  Gregors  IX. ,  dem 
über  VI.  den  Clementinen  und   in  der  sich   hieran 

schliessenden  kanonistischen  Lehre 12 

1.  Ausdehnung  des  Wucherverbotes 13 

2.  Ausnahmen  vom  Wucherverbote 17 

3.  Strafen   bei  Verletzung  des  Wucherverbotes  22 

4.  Schluss 25 

II.  Eindringen  des    kanonistischen   Wucherverbotes  in 

Deutschland 28 

1.  Der  allgemeine  wirthschaftliche  Zustand 
Deutschlands  beim  Eintreten  des  Wucher- 
verbotes       28 

2.  Das  Eindringen  des  Wucherverb,  in  Deutsch- 
land      37 

III.  Aufrechthaltung  des  Wucherverbotes  in  den  deut- 
schen EechtsqueUen  bis  zum  16.  Jahrh 53 

Allgemeines.  —  Sprachliche  Herleitung 53 

1.   Die  Rechtsquellen  selbst 55 

a.  Die  Volksrechte 55 

b.  Die  Kapitularien 59 

c.  Die  Kechtsbücher 63 

d.  Die  Stadtrechte 72 

e.  Die  Reichsgesetze  nach  den  Kapitularien    ...  78 

f.  Die  Landrerlite  u.  landesherrliche  Gesetzgebung  80 

g.  Der  Rechtsverkehr  der  Parteien  selbst    ....  83 


XU  liihaltsvcrzeiclmiss. 

Seite 

2.   Das  Wui'liorvorbot  dieser  Rechtsqucllen    .     .  83 

a.   Per  Begriff  des  Wuchers  und  dessen  Ausdelmnng  83 

]).   Strafen  des  Wuchers 9-4 

c.   Insbesondere  der  Kauf  der  Früchte  auf  dem  Hahne 

oder  in  Garben.  —  Die  Auf-  und  Vorkäufe     .     .  100 

TV.  riesetzliclie  Ausnalimeu  vom  kauouistischen  Wuclier- 
ver])ote,  innerlialb  der  Grenzen  desselben,  in  Deutsch- 
land        109 

1.  Das  Allgemeine       109 

2.  Der  Verzugsschaden-Ersatz  insbesondere       .  112 

a.  Häufiger  Zahlungsverzug 113 

b.  dies  interpellat  pro  honiine 115 

c.  Der  Zahlungstermin 117 

•  d.   Das  Treugeloben 120 

e.  Der  A^ersprechungseid 121 

f.  Entsagung  der  Einreden  u.  dergl 122 

g.  Die  kassatorische  Klausel 123 

h.    Das  Einlager  und  die  Personalhaft 125 

i.    Das  Draufgeld 140 

k.    Der  Ersatz  des  Schadens  aus  dem  Verzuge    .     .     .  142 

1.    Die  Bürgschaft 160 

3.  Das  Interesse  bei  erfülltem  Vertrage       .     .     .  163 

a.  Ersatz  des  erlittenen  Schadens.   Verschiedene  Be- 
rechnung desselben       163 

b.  Ersatz  des  entgangenen  Gewinnes 169 

c.  Uebergang  aus  dem  Interesse  zu  den  Convcntional- 
zinsen 172 

V.  Gesetzliche  Ausnahmen  vom  kanonistischen  Wucher- 
verbote, über  dessen  Grenzen  hinaus,  in  Deutschland  177 

1.  Das  Allgemeine       177 

2.  Der  Pfandvertrag       180 

a.  Die  ältere  Satzung.   Benutzung  des  Pfandes  durch 
den  Gläubiger  und  Anrechnung  des  Nutzens  auf 

die  Schuldsuninie.    Die  Gesetze.   Der  Verkehr  .     .  180 

b.  Der  Kauf  auf  Wiederkauf       190 

c.  Die  Dauer  der  Pfandnutzung 192 


Inhaltsverzeichniss.  xiii 

Seite 

d.  Die  Höhe  der  Pfandnutzung 194 

e.  Die  neuere  Satzung lOG 

f.  Umbildung   der  deutschen  Pfandgesetze  über  die 
Pfandnutzung       199 

g.  Der  Ueberschuss  des  Pfandwerthes  über  die  For- 
derung des  Gläubigers       201 

h.   Das  Distralvtsrecht  des  Rentenkäufers.   Die  Pfän- 
dung um  Schuld        208 

3.  Der  Renten  kauf 212 

a.  Entstehung,  Natur,  Verbreitung  des  Reutenkaufes  212 

b.  Umbildung  des  Rentenkaufes ,  Annäherung  dessel- 
ben an  das  zinsbare  Darlehn 230 

c.  Die  Höhe  der  Renten  insbesondere 251 

Rentenfusstabelle  für  die  einzelnen  Theile  Deutsch- 
lands von  1215  — 1620      266 

d.  Der  Rentenk.  fällt  m.  d.  zinsb.  Darlehn  zusammen  274 

e.  Verhalten  der  Kirche  zum  Rentenkaufe    ....  279 

4.  Die  Juden 292 

a.  Ihre  Stellung  zu  Kirche  u.  Reich  (kurzer  Ueberblick)  292 

b.  Die  deutschen  Judenrechte,    besonders   über   den 
Wucher  der  Juden 297 

c.  Die  Zinsgeschäfte  der  Juden       315 

d.  Die  Höhe  der  Judenzinsen  und  deren  Ursache    .     .  319 

e.  Die  Judenverfolgungen ,  besonders  wegen  des  Wu- 
chers der  Juden 328 

f.  Die  Reichsgesetze  über  den  Judenwucher      .     .     .  344 

5.  Die  Wechsler 348 

a.  Deutscher  Ursprung  der  Wechsler 348 

b.  Italienischer  Ursprung  der  Wechsler 366 

c.  Die  Juden  -  Wechsler 384 

d.  Die  Stellung  und  Geschäfte  der  Wechsler.   Beson- 
ders  der   Handwcchsel.    Das  Darlehn.   Wechsel - 

u.  Darlehnsbänke.   Pfandhäuser ,  städtische  Bänke  385 

e.  Das  Verhalten  d.  Kirche  hiergegen.  Montes  pietatis  412 

f.  Der  Wucher  im  Wechselverkehre  insbesondere  .     .  420 
VI.  Die   ungesetzlichen   Umgehungen   des  kanonischen 

Zinsverbotes  im  deutschen  Verkehrsleben       ....  440 


\  I V  Inhaltsverzeiclniiss. 

Seite 

1.    Das  AlliriMiioino       440 

"2.   Die   Umtrohuiiy    durch   den  Gesollschafts-  und 

Versicherungsvertrag  insbesondere       ....  453 

Vll.  Die  Wirkiino-eii  des  vöniisclien  Rechtes,  dev  kirch- 
lichen Retbnnation  und  der  Wissenschaft  ausser  ihnen 

gegen  das  kanonische  Zinsgesetz  in  Deutschland    .    .  467 

1.  Das  römische  Rocht 467 

a.  Das  römische  Recht  tritt  zurück  vor  dem  kanoni- 
schen Wuchergesetze 467 

b.  Das  röni.  Recht  tritt  dem  Wuchergesetze  entgegen  474 

2.  Die  kirchliche  Reformation 479 

a.  Das  Allgemeine 479 

b.  Luther  und  seine  Anhänger  wirken  für  das  kanoni- 
sche Wuchorgesotz ,  dann  praktisch  dagegen     .     .  480 

c.  Calvin  tritt  gegen  das  kanon.  Wuchergesetz  auf    .  492 

3.  Die  W^issenschaft  ausser  jenen 495 

a.  Im  Allgemeinen 495 

b.  Die  wissenschaftlichen  Schriftsteller  selbst    .     .     .  497 

Vni.  Das  zinsbare  Darlehu  im  deutschen  Verkehrsleben  ö06 

1.  Das  Allgemeine 506 

2.  Das   Darlehn    ohne    Zinsen.  —    Weltliche   und 
geistliche  Rücksicht 507 

3.  Das  verzinsliche  Darlehn 511 

a.  Früher  Gebrauch  des  verzinslichen  Darlehns     .     .  512 

b.  Umgestaltnng  des  Verkehrs 515 

c.  Das  zinsbare  Darlehn  von  den  weltlichen  Fürsten 
angewandt 519 

d.  Zinsbare  Darlehn  der  Geistlichen,  des  Pabstes       .  520 

e.  Zinsbare   Darlehn  im  Verkehre  seit  d.  15.  Jahrli.  524 

f.  Die  Anleihen  der  Städte  und  Staaten 527 

4.  Anbahnung  der  gesetzlichen  Anerkennung  des 
zinsbaren  Darlehns 535 

IX.  Genehmigung   der   Couventionalzmsen   bis   zu  be- 
stimmter Höhe  durch  die  Gesetze  und  die  Beschlüsse 

der  katholischen  Kirche  in  Deutschland 539 


Inhaltsverzeichniss.  xv 

Seite 

1.  Billigung  von  5  Prozent  der  Renten,  Juden- 
zinsen und  Verzugszinsen,  Anerkennung  des 
Interesse  in  den  deutschen  Gesetzen    ....     539 

a.  Fünf  Prozent  Renten 539 

b.  Fünf  Prozent  Judenzinsen       541 

c.  Fünf  Prozent  Verzugszinsen  und  Zinsen  aus  wider- 
rechtlichen Handlungen 541 

d.  Fünf  und  sechs  Prozent  Interesse 543 

2.  Billigung  von  5  (6)  Prozent  der  Conventio- 
nalzinsen  beim  Darlehn.  Die  Partikular- 
gesetze. Das  Reichskammergericht.  Die 
Reichsgesetze .    545 

a.  Die  Partikularges.  billigen  die  Conventionalzinsen  545 

b.  Die  Conventionalzinsen  im  Reichskammergerichte  551 

c.  Die  Reichsgesetze  billigen  die  Conventionalzinsen  555 

d.  Auslegung  des  jüngsten  Reichsabschiedes  §.  174. 
Streit  über  die  Höhe  der  Zinsen 560 

3.  Anerkennung  des  zinsbaren  Darlehns  durch 

die  Kirche 568 

X.  Archivalische  Beilagen      573 

A.  König  Kasimir  von  Polen  verpfändet  Danziger  Bürgern 
für  ein  Darlehn  von  7000  Gulden  das  Fischarat  Schar- 
pau,  das  Heiligthum  des  heiligen  Kreuzes  und  das  sil- 
berne Bild  der  Jungfrau  Maria  am  10.  August  1437  zu 
Marienburg 573 

B.  4  Sendboten  des  Königs  sprechen  die  Scharpau  dem  Bi- 
schöfe von  Ermeland  zu  gegen  Zahlung  von  7000  m. 
Pfandgeld  an  die  Danziger  Bürger  am  12.  Septbr.  1506.     577 

C.  Danzig  ver]) landet  dem  Könige  Carl  von  Schweden  für 
15000  m.  Putzig  u.  a.  Städte  den  9.  Mai  1457.       ...     580 

D.  Bericht  aus  Pomraerellen  über  einen  Wucherprocess  we- 
gen Rentenkaufes  1515 582 

E.  Auszüge  aus  Chr.  Kuppeners  Schrift  ,.v.  Wucher"  1508    584 
E.  a.   Die  städtischen  Wechsel  -  u.  Darlehnsbänke  in  Frank- 
furt a.  M.  1402.  1403 608 


:vi  liihaUsvcrzciclmiss. 

Seite 

F.  Ein  Brief  Lnihors  mi  die  Danziger  Gemeinde  über  den 

Wucher  1525 615 

G.  Erlaubniss    der   Conventionalzinsen    für   Danzig  durch 
Sigismund  von  Polen  1569 620 

XI.  Zusätze  und  Besserungen 623 

XII.  Sach- Register 629 


EINLEITUNG. 


Der  Ursprung  des  kanonisclien  Zinsverbotes. 

Auf  den  unteren  Stufen  wirthschaftliclier  Entwicklung  ist  die 
Thätigkeit  des  Einzelnen  wesentlich  beschränkt  auf  das  Geviert 
seines  Grundbesitzes.  Die  Gütererzeugung  wird  fast  nur  auf 
das  unmittelbare  persönliche  Bedürfniss  berechnet,  der  Tausch- 
verkehr ist  unentwickelt,  nirgend  regt  sich  der  belebende 
Strom  des  flüssigen  Kapitales,  der  Unternelmumgsgeist  sclilum- 
mert  ungeboren.  Nur  der  Arme  leiht  m  solcher  Zeit  von  den 
Besitzenden ;  aber  weil  er  arm  ist  und  die  Zahl  der  Besitzen- 
den beschränkt,  auch  ihr  Vorrath  nicht  gross  ist,  ja  oft 
kleiner ,  als  sie  selbst  ihn  möglicherweise  brauchen ,  weil  das 
Recht  ferner  roh,  langsam,  unzuverlässig  gehandhabt  wird: 
so  niuss  der  Unbemittelte  die  Ungunst  dieser  natürlichen 
Verhältnisse  dadurch  entgelten ,  dass  er  hohe  Zinsen  für  das 
entliehene  Kapital  zahlt.  Dieselben  natürlichen  Umstände 
rechtfertigen  auch  des  Verleihers  hohe  Zinsforderung,  soweit 
diese  ihn  nur  gegen  allen  Schaden  aus  dem  Darleihen  sichert. 
Aber  es  liegt  nahe ,  dass  niclit  alle  Wohlhabenden  in  solchen 
Zeiten  sich  hiermit  begnügen.  Sie  sehen ,  dass  sie  dem  Armen 
beliebig  harte  Bedingungen  für  das  Darleihen  vorschreiben 
können,  dass  der  Schuldner  um  so  abhängiger  von  ihnen  wird, 
je  schwerer  er  Kapital  und  Zinsen  zu  entrichten  im  Stande 
ist.  Der  Gewinn  zeigt  sich  gross,  sicher  und  fast  mühelos; 
er  vermehrt  ihre  materiellen  Güter,  ihren  wirthschaftlichen 
und  politischen  Einfluss  über  die  Menge ,  die  vor  dem  Besitze 
sich  beugt.  Das  Alles  treibt  die  Wohlhabenden ,  über  jene  von 
der  Natur  gerechtfertigten  Zinsen  hinaus  V^ortheile  aus  dem 
Darleihen  zu  fordern ;   und   so   vollenden   sie  wol  durch  ihre 

Neumann,  Gescb.  d.  Wuchers.  1 


2  Einleitung. 

sclieinbave  Hilfe  die  matevielle ,  wirthschaftliche  und  [»olitisdie 
Drangsal  der  Unbemittelten. 

Hiergegen  regt  sich  das  natürliche  Mitleid  der  Menschen, 
auch  erkennt  man  die  Gefahren,  welche  durch  solchen  Wider- 
streit der  Interessen  für  das  (lemeiuAvesen  erwaclisen.  Andrer- 
seits würdigt  man  noch  nicht,  dass  das  Kapital  wirklich  pro- 
duktiv ist.  So  entsteht  bei  den  meisten  Völkern  in  niedrigem 
CulturzAistande  das  religiös -sittliche,  aus  diesem  das  gesetz- 
liche Zinsverbot  oder  wenigstens  die  starke  Zinsbeschränkung. 
Ein  Beispiel  geben  die  Juden.  Im  Exod.  22,  25,  im  Levit.  25, 
35  ff.  wird  Wucher,  d.  h.  Zinsen  überhaupt  und  zwar  von  Geld 
und  Esswaaren,  die  als  allgemeiner  Werthmesser  gelten  konnten, 
nur  von  armen  Brüdern  zu  nehmen  verboten,  im  Deuteron. 
15.  3.  7.  8;  23,  19  ff.  wird  unter  Berücksichtigmig  des  nationa- 
len und  politischen  Elementes  von  Fremden.  NichtJuden  Zinsen 
zu  fordern  gestattet.  Nach  der  Gefangenschaft  untersagt  man 
hier  schon  ausdrücklich,  Zinsen  von  jedem  Juden,  nicht  bloss 
vom  armen  zu  nehmen  (Nehemia  5,  1  ff.).  Weiter  der  Psalmist 
(15,  5.  109,  11.  112,  5.)  dann  Salomo  (28,  8.)  mid  die  Prophe- 
ten Jeremias  (15,  10.),  Hesekiel  (18,  8.)  eifern  dagegen,  und 
zumal  die  Letzteren  stellen,  wol  wegen  der  ihrem  Volke  beson- 
ders angeborenen  Xeigmig,  das  Verbot  zu  übertreten,  den  Wu- 
cherer mit  Gotteslästerern  und  Ehebrechern  gleich,  wie  in  Kom 
Cato  ihn  —  freilich  nur  als  Forderer  übermässiger  Zmsen  — 
mit  den  Dieben,  Cicero  mit  den  Mördern  verglich.  ^)  Kunde 
davon,  dass  auch  später  noch  dieses  Gesetz  Mosis  aufrecht 
erhalten  blieb ,  geben  Josephus  ^)  und  der  Talmud. 

Das  Christenthum  dagegen  ersteht  aus  einer  fiist  tausend- 
I jährigen  Culturentwicklung  der  Völker,  denen  zum  grössten 
Theile  seit  Jahrhunderten  das  Zinsennehmen  gesetzlich  erlaubt 
war,  und  doch  findet  sich  bereits  in  der  frühesten  Zeit  der 
Christenheit,  in  den  canoncs  Apostolorum,  in  den  Schriften  der 
Kirchenväter  und  ersten  Päbste ,  in  den  Beschlüssen  der  ersten 
Synoden  und  Concilien  das  Zinsverbot  im  weitesten  Umfange. 
Wie  erklärt  sich  Dieses? 


1)  Cato  d.  re  rust.  praef.,  Cicero  d.  off.  11,25.      2)Antiq.  Jud.IV.  8,25. 


Einleitung.  3 

Die  uiil)op-ren/te  Nächstenliebe  bildet  den  Mittel- 
punkt in  dm  Leinen  (Jlivi^ti  und  seiner  Jünger.   In  fast  unmit- 
telbarer  Anscliauun^-   durclidrungen    von   dem   gerade  hierin 
erhabenen  Wandel  der  Stifter  der  neuen  Religion,  erfüllt  von 
dem  inbrünstigen  Drange,   die  hohe  Reinheit  solcher  Sitten- 
lehre durch  das  eigene  Leben  bis  in  die  unbedeutenden  alltäg- 
lichen  Verrichtungen  hin  zu   bethätigen,   musste  man    vor- 
nehmlich Anstoss  nehmen  an  dem  wesentlich  auf  materiellen 
Gewmn  gerichteten  Treiben  der  Kaufleute,  welche  nicht  sel- 
ten um  äusseren  Yortheiles  Avillen  die  Grundsätze  des  Rechtes, 
der  "Walniieit  verleugneten  und  insbesondere  sich  kennzeich- 
neten  durch  charakterloses  Nachgeben  gegen   die  Ansichten 
derer,    von   welchen    sie   Yortheile    zu   ziehen  hofften.     Dir 
Gewerbe  schien  ihnen  dergleichen  Eigenschaften  aufzuzwngen, 
da  es  lediglich  darin  bestand,  dieselben  Waareu,  die  sie  bil- 
liger eingekauft  hatten,   theurer  zu  verkaufen  (solche  galten 
allein  als  Kaufleute),  ohne  dass  sie  in  der  vorherigen  Umarbei- 
tung der  Waare  emen  Grund  und  Maassstab  höheren  Preises 
erlangten.   So  nennt  can.  9.  Apofiiol.  die  Kaufleute  eine  Art 
Pest,  und  Chrysosiomns^)  begründet  seine  Verachtung  gegen 
sie  dadurch,  dass  ein  Kaufmann  ohne  Lüge  und  Meineid  nicht 
exi stiren  könne ,  und  eifert  in  heiligem  Ernste :  kein  Christ  soll 
Kaufmann  sein,  und  will  er  es  dennoch,  so  ist  er  auszustossen 
aus  der  Kirche  des  Herrn.  Neben  den  Kaufleuten  traf  härtereu 
Tadel  noch  die  Zinsforderer ,   da   sie   gleicher  unchristlicher 
Eigenschaften,  wie  jene,  theilhaftdie  Näclistenliebe  noch  schwe- 
rer  verletzten;   denn   sie   gaben  Geld   und   Waare   ebenfalls 
grundlos  theurer,  als  sie  dieselben  empfingen,   fort  und  for- 
derten diese  selbst  danach  noch  zurück.  2) 

Zu  dieser  Anfangs  allein  aus  der  christlichen  Moral 
herrührenden  Verwerfung  des  Zinsemiehmens  trat  bald  eine 
Reihe  fernerer  Momente,  das  Zmsverbot  fester  zu  begründen. 
Das  Wort  der  Bibel,  der  lauterste  Ausdruck  des  höchsten 
Willens,  im  Neuen  und  —  zumal  für  Judenchristen  —  auch  bn 


1)  super.  Matth.  c.  21.  homil.  38.  toiii.  2)  Anibrosius  (d.  lono 

mortis,  cp.  12.),  Augustin.  (ad  Maccd.  ep.  54. j. 

1* 


4  Einleitung. 

Altt'ii  Tostainente  t;ab  uiuunstösslichen  Anhalt,  Was  bedurfte 
es  da  iiälii'ver  Krwäguiii;-,  wer  konnte  es  Avagen,  da  nadi 
(I runden  /n  fragen!  Fanden  sicli  dodi  immer  zalilreiclier, 
lirwi'iskräftigvr  solclie  Aussprüche  der  heiligen  Selirift,  je 
iiiflir  man  dir  Kraft  des  Bibelwortes  betonte.  Daneben 
säumte  man  nicht,  gleiche  Aussprüche  bei  den  lieidnischen 
Denkern  Tlato,  Aristoteles,  Tlautus,  Cicero,  Seneka  hervor- 
zuheben und  lieidnische  Gewaltliaber  wegen  gleicher  Praxis 
rühmend  zu  nennen,  ^)  Die  Juden  —  später  die  Deutschen 
in  niederem  Culturzustande  —  lieferten  erfreuliche  Beispiele  im 
Positiven,  im  Negativen  die  sittliche  Yerfallenheit  der  die  Zin- 
seuerlaubniss  ausnutzenden  Eömer  und  der  erschütterte  Stand 
ihres  Reiches,  obgleich  docli  ihr  Gesetz  noch  in  Maass  und  Art 
die  Zinsen  beschränkte.  Während  man  bei  der  Bibel  Begrün- 
dung mied,  so  suclite,  fand  und  melirte  man  hier  sie  eifrig. 
Das  Geld  ist  unfruchtbar,  lernte  man  aus  Aristoteles  und 
dem  römischen  Eechte,  wie  viel  weniger  kann  es  da  dem  Dar- 
lehnsgeber  Frucht  tragen,  dem  es  nicht  mehr  gehört;  wie  kann 
der  Gebrauch  des  Geldes  noch  besonders  nutzbrmgend  für  den 
Darleiher  sein,  da  doch  mit  der  Hingabe  des  Geldes  an  sich  als 
Darlehu  dieses  perfekt  ist.  Das  Geld  ist  seiner  Natur  nach  zum 
Kaufe  da,  es  wird  durch  den  Gebrauch  nicht  schlechter,  die 
Zeit  ist  ein  allgemeines  Gut,  das  man  beim  Ausstehen  des 
Geldes  nicht  noch  besonders  bezahlen  kann.  2)  Man  folgerte 
den  Schlusssatz  aus  ilim  selbst  als  Vordersatze  und  gelangte 
schliesslich  durch  die  Reihe  dieser  und  ähnlicher  logischer  Trug- 
schritte wieder  zu  dem  christlich  sittlichen  Ausgangspunkte, 
dass  das  Zinsnehmen  Reichthum  mehre  und  Nächstenliebe  min- 
dere, daher  unchristlich  und  verdammungswerth  sei. 

So  strebte  die  kanonistische  Lehre  —  und  zwar  hier  bei 
dem  Zinsverbote  an  der  empfindlichsten  Stelle,  gegen  den 
eigentlichen  Mittelpunkt  alles  Geldverkehrs  — ,  jenen  christli- 
chen Grundsatz  der  Nächstenliebe,  welcher  eben  als  allgemei- 
ner Grundsatz,  gegenüber  dem  nicht  ausbleibenden  Gegen- 
streite des  Lebens  so  ausnahmslos  aufgestellt  werden  musste, 

Ij  Suet.  Oaes.  Aug.  c,  39.      2)  u.  a.  Augustin.  d.  civitat.  dei.  XX.  c.4. 


Einleitung.  5 

von  seiner  idealen  Höhe  milihvirkenrler  Sittlichkeit  auf  den 
bewegten  Markt  des  täglichen  Verkehres  und  in  den  Bereich 
des  äusserlich  zwingenden  Gesetzes  hernieder  zu  zielien.  ') 

Ganz  sollte  das  Zinsennehmen  aufhören.  Denn  während 
nochOrigines -).  von  überschwänglicher  Nächstenliebe  getrie- 
ben, das  Zinsverbot  dadurch  meiden  zu  können  meint,  dass  er 
dem  Gläubiger  zwar  untersagt,  das  Kapital  zurückzufordern, 
dem  Sdiuldner  aber  freiwillig  das  Doppelte  zu  zahlen  ans 
Herz  legt,  verbieten  Augustinus,  ^)  Ambrosius,  "*)  Hie- 
ronymus  ^)  als  Wucher  Alles,  was  der  Gläubiger  ausser 
dem  verliehenen  Kapitale  des  Geldes  oder  der  vertretbaren 
Sachen  vom  Schuldner  empfängt,  sei  es  Geld,  sei  es  irgend 
ein  anderer  Gewinn,  unter  welchem  Namen  er  immer  es 
fordert  oder  der  Schuldner  freimllig  es  giebt.  Ja ,  schon  der 
Gläubiger,  welcher  auf  solchen  Gewinn  nur  hofft,  heisst  gemäss 
dem  Bibelworte:  ,.niutitiini  dafp,  nihil  indc  spernntps,'^  bei 
Augustin  ein  Wucherer. 

Dieses  im  Darlehn.  Im  Kaufe  aber  zählte  man  zu  den 
Wucherern  Jeden,  welcher  Waaren  billig  einkaufte  und  theurer 
verkaufte. ")  Von  dieser  weiten  Definition  liess  Ambrosius  nach 
der  oben  zitirten  Stelle  aus  dem  Deuteronomion  nur  eine  Aus- 
nahme zu.  Zinsen,  sagt  er, ")  darf  man  von  dem  nehmen,  dem 
man  mit  Recht  schadet,  den  man  tödten  kann,  ohne  ein  Ver- 
brechen zu  begehen,  und  dem  man  mit  Waffen  nicht  beikommt. 
So  übertrug  er  den  Begriff  der  Fremden,  von  denen  fx  iure 
reiorsi Ollis   vielleicht  ^)    die   Juden  Zinsen    nehmen    durften, 

1)  cf.  u.  a.  Walter.  Kirchenrecht.  XIII.  Aufl.  §.  351.  2)  homil. 
m.  ad  Ps.  37.  3)  epist.  54.  4)  d.  offic.  EU.  2.  lib.  d.  Tobia  c.  14. 
5)   ad  Ezech.    VI.   ad  c.    18.  6)  Pabst  Julius  c.  9.   C.  14.   qu.  4. 

conc.  Tarraconense  (516)  c.  3.  ib.  Wenn  sich  auch  unleugbar  in  den 
Schriften  der  zitirten  Kirchenväter  (t>o  Augustin  ad  Maced.  ep.  54.)  und 
hin  und  wieder  in  den  Briefen  der  Päbste  oder  den  Concilienbeschlüssen 
aus  dieser  Zeit  Stellen  finden ,  nach  welchen  die  Kirche  bei  dem  Zinsver- 
bote anfänglich  nur  die  Bedrängniss  der  Armen  durch  Zinsfordemngen  der 
Gläubiger  gegen  sie  im  Auge  gehabt  hätte ,  so  zeigen  doch  schon  diese 
allgemein  hingestellten  und  immer  wieder  betonten  Definitionen,  dass 
man  eine  allgemeinere  Grundlage  des  Verbotes  annehmen  müsse.  7)  d. 
Tobia  cp.  15.        8)  Cf.  H.  Grotius  d.  iur.  bell,  et  pac. 


6  Einleitung. 

seiner  Zeit  gemäss  auf  die  Feinde ,  indem  er  den  Satz  auf- 
stellte: ubi  ins  helJi,  ihi  ins  usuroe.^)  Aber  schon  Hieronymus 
(1.  c.)  behauptete  dagegen ,  die  Stelle  des  Deuteronomion  sei 
durch  Ezechiel  18.  v.  8.  aufgehoben,  und  nach  ihm  legte  man 
jener  Ausnahme  des  Ambrosius  keine  Bedeutung  weiter  bei.  ^) 

Solclien  Verlirechens  sich  zu  enthalten ,  musste  vor  Allen 
Denen  obliegen ,  die  als  Vorsteher  der  Gememde  {/JSjQOi;)  die 
Reinheit  der  neuen  Lehre  zu  bewahren  hatten,  dem  Bischof, 
Presbyter,  Diakonus.  Diese  werden  daher  schon  in  den  canones 
der  Apostel  nachdrücklich  und  wiederholt  ermahnt,  sich  welt- 
licher Geschäfte  ganz  zu  enthalten  bei  Strafe  der  Ausstossung 
aus  ilirem  hehren  Stande ;  sie  besonders  sollen  den  Kauthandel 
als  eine  Pest  fliehen,  wie  viel  mehr  den  Wucher  meiden.  ^)  Wie- 
der und  wieder  tönen  diese  Verbote  und  Strafandrohungen  (Ex- 
communikation)  aus  den  Schriften  der  Kirchenväter ,  *)  der  er- 
sten Päbste ,  ^)  der  ersten  Sj'uoden  und  Concilien ,  ^)  eine  lange 
Kette  von  Beweisen,  wie  das  Uebel  um  sich  griff,  wie  wenig 
Drohungen  halfen. 

Auch  positive  Nachrichten  fehlen  nicht.  Man  forderte 
durchschnittlich  iisurae  centesimae,  den  Satz  des  römischen 
Rechtes  (12  •^'o).'')  —  Um  das  Verbot  zu  umgehen,  empfing 
man  den  Zins  vom  Schuldner  als  Geschenk  *"),  statt  Geld  ent- 
nahm man  von  ihm  andere  Sachen  ^)  umsonst  oder  zu  niederem 
Preise^"),  oder  man  forderte  die  Zinsen  im  Namen  eines  Laien, ^^) 
oder  man  kaufte  zur  Zeit  niederer  Preise  Waaren  auf,  um  sie 


1)  c.  12.  C.  14.  qu.  4.  2)  Ciron.  paratitla  c.  V.  lib.  decretal.  Vindob. 
1761.  p.  487  ff.  3)  cf.  cn.  7.  9.  43.  apostolor.  cn.  1.  dist.  47.  u.  dist.  88. 
decret. Grat.  4)  Augustin.  quaestt.  cp.  127.  Chrysostom.  1.  c.  Hie- 
ronyniu.s.  d.  vita  clericor.  5)  Julius  I.  (336—50)  cn.  9.  C.  14.  qu.4. 
Leo  M.  (443.)  cn.  7.  C.  14.  qu.  4.  Gelasius  (494.)  cn.  1.  ib.  Gregor. 
M.(600.)cn.4.dist.47.  6)conc.  Eliberitan.  i.Span.(313.)  cn.  5.  dist.  47. 
cf.  u.  conc.  Arelatens.  (314.)  cn.  7.  C.  14.  q.  4.  Nicaen.325.ib.  cn.8.  — 
conc.  Laodicae.  (372.)  cp.  5.  cn.  9.  dist.  46.  conc.  Karthaginiens. 
(397.)  cn.  6.  ib.  —  conc.  Tarraconens.  (516.)  c.  5.  C.  14.  qu.  4.  conc. 
Martini.  (572.)  c.  4.  ib.  —  7)  cn.  4.  C.  14.  q.  4.  —  cn.  2.  dist.  47. 
8)  Hieronym.  adEzech.  VI.c.  18.  9)  cn.  1.  C.  14.  qu.3.  —  c.2.  dist. 47. 
10)  Ambrosius.  üb.  d.  Tobia.  c.  14.  11)  cn.  10.  dist.  46.  (Pabst 
Leo.  443.). 


Einleitung.  7 

bei  Theuerung  lioch  7A1  verkaufen. ')  Besonders  im  Gebrauche 
waren  wegen  ihrer  Einträglichkeit  die  sescuplae  iisurae  {rijtiö- 
?jai),  d.  h.  man  lieh  zu  einer  an  Getreide,  Oel,  Wein  armen 
Zeit  des  Jahres  bestimmte  Mengen  dieser  Waaren  aus  und  er- 
hielt zur  Erntezeit  dieser  Früchte  unter  dem  scheinbar  gleichen 
Werthe  das  1^.,  fache  des  Gegebenen  zurück,  oder  man  lieh  zu 
einer  an  Getreide  reichen  Zeit  Geld  aus,  berechnete  für  dasselbe 
das  nach  dem  derzeitigen  Preise  entsprechende  Maass  Getreide 
und  liess  sich  das  nämliche  Maass  in  einer  an  Getreide  armen 
Zeit  zurückgeben.  -) 

Gegen  Laien  hatten  die  ersten  Kirchenväter  das  allgemeine 
Zinsverbot  ebenso  gerichtet,  wie  gegen  den  Clerus.  Allein, 
wenn  sie  schon  gegen  jene  nicht  mit  gleicher  Strenge  verfuhren, 
als  gegen  die  Geistlichen ,  sondern  sich  begnügten ,  ihren  Wu- 
cher zu  missbilligen  und  höchstens  die  besonders  argen  Wuche- 
rer mit  Räubern  zu  vergleichen ,  hörte  man  nach  ihnen  ganz 
auf,  Rügen  und  Strafen  gegen  den  Wucher  der  Laien  aus- 
zusprechen. Selbst  Pabst  Julius  L  (336  —  50)  nennt  ihn  nur 
ein  fHr2)e  Jucrum  (c.  9.  C.  14.  qu.  4.).  Als  durchaus  vereinzelt 
m  dieser  Zeit  mid  darum  von  zweifelhafter  Glaubwürdigkeit 
steht  der  Beschluss  des  conc.  Eliheritan.  v.J.  313  da  (cf.  N.  6. 
p.  6.),  Avonach  Laien ,  wenn  sie  in  iniquitate  usuras  poseendi 
verharrten,  aus  der  Kirche  ausgestossen  werden  sollten.  3)  Eine 
Erklärung  findet  sich  vielleicht  in  der  „iniquitas" 

Das  Yerhältniss  änderte  sich  nicht,  als  Con  st  antin  der 
katholischen  Kirche  gleiches  Recht  neben  allen  Culten  gab  und 
in  ihren  Dienst  „  seine  Macht  und  seine  Gnaden  stellte."  Denn 
eben  dieser  Kaiser  liess  nicht  allein  die  früheren  Zinsgesetze 
des  römischen  Rechtes  bestehen,  sondern  erlaubte  sogar,  die 
Hemiolia ,  gegen  welche  man  so  viel  gestritten  hatte.  •*)  Das 
christliche  Bekenntniss  schwächte  nicht  seine  Einsicht  in  die 


1)  cn.  3.  C.  14.  qu.  4.  2)  c.  9.  dist.  4<).  -  c.  2.  dist.  47.  —  c.  8. 
C.  14.  qu.4.  —  cf.  Salmasius  de  modo  usuraruni.  Leyden  1639.  p.  41. 
311  flF.  3)  cf.  J.  H.  Böhmer,  exercitt.  ad  pandect.  IV.  exerc.  63.  Har 
duin.  concil.  P.  I.  p.  252.  Weiske  Rochtslexikon.  Bd.  15.  p.  55.  N.  7. 
4)  1.  2.  ti.  ult.  d.  usur.  1.  1.  cod.  Theod.  i)ropter  incertum  frugum  pre- 
tium.    cf.  Salmasius.  d.  modo  usurar.  1.  c. 


8  Kinloitniic-. 

Naturgesetze  des  Verkehres.  Auch  Avard  auf  dem  wichtigen 
Coiieil  von  Nicaea  325  nur  der  Wuclior  der  Geistlichen  gerügt 
und  gestraft;  die  Tleniiolieu  alh'in  wuvdeu  wegen  ilirer  ganz 
1»osonders  wucherlichen  Natur  allgemein  untersagt.  ')  Noch 
ein  dalnlumdert  später  Avagt  Pabst  Leo  443  nur,  den  Wucher 
der  Laien  ,.(l(n)ni((hll/s-  /u  nennen,  und  während  er  über  den 
Wucher  der  Geistlichen  lulrteste  Strafen  verhängt,  beklagt  er 
lediglich  (condolemus) ,  dass  der  Wucher  der  Laien  nicht  ende. 
Und  wieder  fast  400  Jahre  danach  ,  in  welcher  Zeit  die  Natur 
des  Yerkelirs  gegen  den  kanonistischen  Glaubenssatz  siegreich 
blieb  und  durch  die  inzwischen  eingetretene  Gesetzes-Samralung 
und  -Umformung  unter  Justinian  das  Verhältniss  im  Wesent- 
lichen sich  nicht  geändert  hatte,  spricht  übereinstimmend  mit 
Pabst  Julius  (340)  im  J.  S06  die  fränkische  Geistlichkeit  unter 
Karl  d.  Gr.  abermals  nur  die  sittliche  Küge  über  den  Wucher 
der  Laien  aus,  als  ein  „tnrpchicfunt:'")  Wachsenden  Rück- 
halt fanden  die  Laien  an  den  weltlichen  Gesetzen;  derweltliclien 
Obrigkeitunterthanzusein,  liiess  siedle  christliche  Lehre  selbst. 
Da  es  zu  ihrem  „(ulintoriinn''  geschah,  reclitfertigte  sie  sogar 
der  Kirchenvater  Augustin  in  lih.  II.  (lialog.  contra  lltieraH  Fcfi- 
liani  (cu.  7.  dist.  X.)  „si  in  aäiutor'mm  vcstrum  etinm  terreni 
impcrii  Jrges  nftsiimendas  x^utatis,  non  rcprchcndimiis.  Fecit 
hoc  Paulus,  cum  adrcrsus  iniuriosos  civeni  Roniammi  se  esse 
testatus  est,"  freilich  mit  der  Einschränkung  (ad  Bonifac.  ep. 
50.)  cn.  1.  §.  1.  dist.  IX.:  „quicunque  legibus  hrtperatormn, 
quae  pro  dei  veritate  feruntur ,  ohtemperare  non  vult,  acquirit 
gründe  supplicium.  Quictimque  vcro  legibus  imperatorum, 
quae  contra  veritatem  dei  feruntur,  obfemperare  non  vult,  ac- 
quirit grande  praemium."  Diese  Einschränkung  aber  miisste 
sich  modifiziren  ,  seitdem  die  Kaiser  sell)st  sich  zum  Christen- 
thume  bekannten. 

Die  Kirche  konnte  offenbar  mit  ihren  Zinsverboten  allge- 
mein nicht  durchdringen,   so  lange  sie  nicht  die  Prozesse 


]j  rilonius.  paratitl.  i.  5.  lib.  decretal.  ad  5,  19.  2)  c.  9.  C.  14. 
qu.  4.  Capitul.  T.  c.  125.  V.  c.  265.  ff.  ,J.  H.  Böhmer,  corp.  jur.  can.  ad 
h.  1.  (u.  m.  1.  b.). 


Einleitunor.  9 

Über  die  hierhin  einschlagenden  Geschäfte  vor  ihr 
Forum  ziehen  durfte.  Niui  war  zwar  nach  Aufnalime  der 
Kirche  als  Staatsreligion  der  Bischof  bereits  befugt,  in  leiclite- 
ren  Criniinalfällen  über  Cleriker  zu  urtheilen,^)  und  nach  justi- 
nianischem Kechte  trat  in  Betreff  der  Strafzutheilung  bei  allen 
Criminalfällen  ein  gemeinsames  Verfahren  zwischen  dem  welt- 
lichen und  geistlichen  Richter  ein,  ^)  Laien  dagegen  konnte  die 
Kirche  in  Criminalsaclien  nur  mit  geistlichen  Strafen  belegen, 
und  in  Civilprozessen  gelangte  die  Sache  erst  dann  vor  das 
geistliche  Forum,  wenn  eine  der  Parteien  es  ausdrücklich  ver- 
langte. Der  zinsfordernde  Gläubiger  that  es  wahrlich  nicht, 
der  zinszahlonde  Schuldner  nur  mit  der  Gefahr,  für  immer  sei- 
nen Credit  einzubüssen ,  daher  nur  im  äussersten  Nothfalle.  •■) 

Gratian  schliesst  mit  diesem  Zustande  sein  Dekret,*)  ob- 
gleich ihm  seine  Gewilhrsmänner  —  er  schöpfte  bekanntlich  nur 
zum  kleinsten  Theile  aus  den  Quellen  -  weiteren  Stoff  über 
die  Ausdehnung  des  kirchlichen  Zinsverbotes  gaben  (cf.  p.  10. 
N.  3.).  Allein  was  die  Kirche,  wenn  auch  lange  zurückgehalten, 
mit  eiserner.  Beharrlichkeit,  diesem  Ilauptfundamente 
ihrer  Grösse,  im  Auge  und  Munde  behalten  hatte,  musste  sich 
nach  ihrer  Weisung  gestalten,  sobald  die  Schranken  wichen.  Die 


1)    c.   12.   23.   47.   cod.  Theod.  16,  2.  2)   nov.  123.  c.  21.  §.  1. 

3)  Durch  Kaiser  Constantin  war  festgesetzt  worden,  dass  wenn  in 
einem  bereits  vor  dem  weltliclien  "Richter  anliängigcn  Rechtsstreite  eine 
der  Parteien  auf  das  bischötliche  Bericht  provozire.  die  Rache  von  diesem 
entschieden  und  sein  Urtheil  seihst  von  weltlichen  Behörden  ausgeführt 
werden  müsse.  (Haenel.  d.  constitt.  quas  J.  Sirmondus.  ed.  Leipzig  1840.) 
Aber  schon,  in  C.  7.  cod.  Inst.  d.  ep.  aud.  I.  4.  ist  die  bischöfliche  Ent- 
scheidung auf  die  Kraft  eines  arbitrii  und  die  Anrufung  desselben  nur  auf 
den  Fall  des  consensus  der  Parteien  beschränkt.  Erwägt  man  dazu,  dass 
die  von  Procop,  freilich  also  zweideutig,  an  dem  Bruder  des  .Tustinian 
gelobte  Freigebigkeit,  mit  der  dieser  grosse  Mengen  von  Darlehen  an  die 
Armen  zinslos  auslieh,  den  Wucher  durch  eigene  Hilfe  und  das  Beispiel 
der  That  mässigte,  ferner  dass,  zumal  bei  der  Zinserlaubniss  der  weltli- 
chen Gesetze,  eine  Berufung  auf  das  geistliche  Gericht  begegnete,  so  be- 
greift man,  wie  die  Kirche  trotz  ihrer  stetig  wachsenden  Macht  so  lange 
Zeit  gegen  den  Wucher  der  Laien  Nichts  auszurichten  vermochte.  4)c.4. 
C.14.  qu.3.  u.  C.9.  C.14.  qu.4.  capitul.  L  12.^.  (806).  cf.  p.  8.  N.  2.  (u.  lU. 
1.  b.). 


10  Einleitung. 

Gerichtsbarkeit  der  Kirche  erscheint  thatsächlich  allgemach 
günstiger  gestellt,  als  sie  oben  dargelegt  worden.  Von  Con- 
stantins  Nachfolgern  ward  in  kirchlichen  Saclien  die  Entschei- 
dung der  Bischöfe  anerkannt^),  und  der  Umfang  der  kirchli- 
chen Sachen  wuchs  natürlich  mit  der  steigenden  Macht  der 
Kirche  (cf.u.  IL  2.  u.  III.  2.  a.).  DazAi  stieg  das  Ansehn  des  römi- 
schen Bischofs  in  derselben  mehr  und  mehr,  und  mit  der  da- 
durch gesteigerten  kirchlichen  Grösse  wuchs  der  politische  Ein- 
fluss  desselben  im  Abendlande,  ZAimal  so  lange  wenig  energische 
Herrscher  den  fränkischen  Thron  vor  und  nach  den  ersten  gros- 
sen Karolmgern  inne  hielten.  So  geschieht  es ,  dass  fast  ohne 
offene  Yermitthmg  schon  in  demselben  9.  Jahrhundert,  in  des- 
sen ersten  Jahren  das  Dekret  Gratians  die  Kirche  machtlos 
hinsichtlich  des  Wuchers  der  Laien  verliess ,  in  den  Concilien 
zu  Paris  und  Constanz  untersagt  wird,  den  wuchernden 
Laien  die  Sakramente  zu  A^erabreichen ,  und  jedem  Christen 
verboten ,  mit  ihnen  zusammen  zu  leben.  ^)  Und  in  der  zwei- 
ten Hälfte  desselben  Jahrhunderts  wird ,  vielleicht  herbeige- 
führt durch  den  dazu  hinneigenden  Charakter  des  kräftigen 
Stammbegründers  Basilius  des  Macedoniers  und  sein  Bestreben, 
nach  dem  furchtbaren  Verfalle  aller  gesellschaftlichen  und 
wirthschaftlichen  Verhältnisse  im  oströmischen  Reiche  die  Ge- 
sellschaft neu  auf  Realität  zu  gründen,  in  der  Synode  von  Con- 
stantinopel  869  festgesetzt,  dass  jeder  Wucherer  mit  Ex- 
kommunikation ,  der  härtesten  kirchlichen  Strafe,  gestraft  Aver- 
den  sollte.  So  stand  also  plötzlich  am  Ende  des  9.  Jahrhunderts 
die  Kirche  anders,  als  je  zuvor,  erhobenen  Hauptes  da,  die 
harten  Fesseln  in  der  Hand,  eisernen  Willens  bereit,  sie  überall 
anzuschnüren,  wo  der  Verkehr  auflebte  und  der  junge  Keim 
des  Handels  sich  regte.  ^)  Keine  Zinsen  im  ganzen  Abend  -  und 


1)  c.  1.  cod.  Theod.  d.  relig.  16,  11.  2)  J.  H.  Böhmer.  lus  eccl. 
prot.  Halle  1736.  i.  h.  1.  3)  Gratian  lagen  höchst  wahrscheinlich  in 
der  Coli,  des  Burchard  von  Wonns  nicht  bloss  Citate  der  Capitularien 
aus  den  libri  11.  des  Abtes  Regino  vor,  die  freilich  nicht  über  das  tiirpe 
lucrum  gegen  den  Wucher  der  Laien  hinauskommen,  sondern  auch,  eben- 
falls mittelbar  aus  Regino ,  die  eben  zitirten  Beschlüsse  der  Concilien  von 
Paris  und  Constanz.    Unzweifelhaft  ferner  kannte  er  aus  der  vielleicht 


Einleitung.  H 


Morgenlande,  so  weit  der  Messgosang  erklang!  —  Näher  auf 
die  Verhältnisse  iin  Frankenlande  wird  unten  eingegangen  wer- 
den, hier  galt  es  lediglich,  den  Uebergang  zu  den  viel  weiter 
greifenden  Bestimmungen  der  Dekretalen  zu  vermitteln. ') 


dein  Ivo  v.  Charties  zuzuscbreibendeu  Sammlung  von  Deki-etalen  und 
ConcUieukauoues  den  zitirtenBescliluss  derSjniode  von  Constantinopel  869. 
Wenn  er  trotzdem  den  damit  eiTungenen  Aufschwung  der  kirchlichen 
Macht  nicht  mehr  in  sein  Dekret  aufnahm,  so  that  er  es  vielleicht  mit 
Rücksicht  auf  den  Hauptzweck  seiner  Sammlung ,  nämlich  auf  die  Aus- 
gleichung der  Bestimmungen  des  allgemeinen  und  nationalen  Rechtes, 
indem  er  jenem  Beschlüsse  allgemeine  Bedeutung  zuzutheilen  zauderte, 
oder  er  unterliess  es  mit  Rücksicht  auf  die  Gleichmässigkeit  des  auf- 
genommenen Rechtes,  indem  diese  Bestimmung  weit  über  das  bis  dahin 
ausgesprochene  „tiirpe  hierum"  hinausging.  Letzteres  indess  erscheint 
unwahrscheinlich ,  weil  Gratian  selbst  die  weit  gehenden  Sätze  der  Kir- 
chenväter am  Anfange  dieser  Materie  aufzunehmen  kein  Bedenken  trug. 
1)  Nur  in  der  lex  Wisigothoruin ,  nach  der  Revision  Reccared's  I.,  des 
ersten  römisch  -  katholischen  Gothenkönigs  (Ende  des  6.  Jahrhunderts), 
richtiger  nach  der  seines  Vaters  Leovigild  (Mitte  des  6.  Jahrh.  Isidorus 
bist.  Goth.  cf.  ZöpH.  D.  R.  G.  3.  Aufl.  p.61.)  ist,  weil  das  römische  Recht 
einen  Hauptbestandtheil  des  Gesetzbuches  ausmachte,  und  der  Einfluss 
der  römischen  Kirche  zumal  unter  dem  fanatischen  Arianer  Leovigild 
gering  war,  Zinsen  zu  nehmen  innerhalb  der  gesetzlichen  Grenzen  erlaubt, 
und  zwar  etwas  über  12 "  „  von  Gelddarlehn  (centesimae  usurae  des  römi- 
schen Rechtes),  mehr  als  30%  von  geliehenen  Früchten  (sescuplaeV).  So 
blieb  es  noch  im  Fuero  luzgo;  denn  die  spanische  Geistlichkeit  wusste 
sich  von  dem  römischen  Einflüsse  mehr,  als  die  fränkische,  frei  zu  halten. 
Erst  als  in  den  Partidas  (1256  —  65)  nach  völligem  Siege  des  kanonischen 
Rechtes,  die  kirchliche  Jurisdiktion  auch  auf  die  Zinsgeschäfte  ausgedehnt 
ward  (Partid.  L  8.  lex.  6  u.  12.),  drang  auch  hier  das  kanonische  Wucher- 
verbot durch,  (cf.  H.  v.  Brauchitsch.  Spanische  Rechtsgeschichte,  Berlin 
1852.  p.  22.  37  ff.) 


I. 

Das  Ziiisvorbot  in  den  Dekrctalcn  (jircgor's  IX., 

dem  libei'Yl.,  den  Clementinen,  und  der  sich 

liic^ian  schliessenden kanonistischen  Lehre. 


Der  Verkehr,  welcher  sich  trotz  der  ihm  angelegten  man- 
nigfachen Fesseln  seit  dem  Ende  des  11.  Jahrhunderts  im 
Ahendlande  mehr  mid  mehr  entwickelte,  musste  den  Bischöfen 
in  Anwendung  der  Wucherverbote  des  Dekrets  auf  die  zu  ent- 
scheidenden Fälle  eine  Menge  stets  wachsender  Schwierigkeiten 
bereiten.  Denn  jene  Gesetze  in  ihrer  einfachen  Allgemeinheit 
genügten  nicht  der  immer  steigenden  Verwicklung  der  Ver- 
hältnisse, welche  beurteilt  werden  sollten,  der  täglich  wech- 
selnden Erscheinungsform  derselben,  der  wachsenden  Erfah- 
rung der  Parteien  in  den  ihnen  durch  die  Natur  des  Verkehrs 
selbst  gebotenen ,  durch  gesetzliche  Verbote  nicht  zu  erschö- 
pfenden Arten  der  Umgehung  der  Wuchernorm.  So  sahen 
sich  Bischöfe  und  andere  geistliche  Richter  unablässig  genö- 
thigt ,  sich  von  Rom  selbst  endgültigen  Rath  zu  erholen ,  und 
durch  die  in  Briefen  oder  Synodal  -  und  Concilien  -  Beschlüssen 
darauf  von  den  Päbsten  ertheilten  Antworten  und  Entscheidun- 
gen wurden  die  Wucherbestimmungen  des  Dekretes  ausgebaut. 
Ward  auch  daraus  kein  systematisch  geordnetes  Ganze ,  —  so 
weit  überhaupt  in  der  kanonistischen  Lehre  von  wissenschaft- 
lichen (zumal  nationalökonomischen)  Systemen  gesprochen  wer- 
den kann ,  —  gesetzlich  erzeugt ,  so  erfüllte  doch  alle  diese 
einzelnen  Verordnungen  und  Entscheidungen  derselbe  Grund- 
charakter, derselbe  Grundsatz,  welcher  aus  den  einzebien 
Sätzen  des  Dekretes  sprach ,  und  er  machte  jene  zu  einem  ein- 


I.    1.  Das  ZinsvtMbot  in  den  Dekretalen  etc.  13 

lieitlichen  Ganzen,  ehe  noch  die  späteren  kanonistisclien  Sclirift- 
steller  mit  dem  äusseren  Scheine  emes  systematischen  Baues 
die  einzelnen  Theile  des  Wucherverbotes  in  sich  verbanden  und 
weiter  entwickelten.  Man  entschied  insbesondere  Hauptstreit- 
Irag'en,  die  hinsichtlich  des  Wuchers  beim  Darlchn  entstanden 
waren,  man  dehnte  den  Beg-rift"  des  Wuchers  vom  Dai'lehn  auf 
andere  Rechtsgeschäfte  aus,  man  verschärfte  die  Strafen  des 
Wuchers  und  liess  sie  Jetzt  nicht  mehr  bloss  Geistliche  und 
Laien  innerhalb  der  christlichen  Kirche ,  sondern  auch  Nicht- 
christen  fühlen. 

1.    Ausdcdmung  des  Wiiclierverbotes. 

Das  Dar  lehn  blieb  Ursprung  und  stetej"  Quell  von  Zins 
und  Wucher;  Alles  was  der  Gläubiger  ausser  dem  geliehenen 
Kapitale  an  Geld  oder  vertretbaren  Sachen  vergütet  erhielt,  galt 
als  usiira.^)  Denn  der  Evangelist  sprach  deutlich:  „n/u- 
tuiiin  daie,  nihil  inde  sperantes."  Daher  blieb  es  hier,  wie 
zuvor  im  Dekret,  Avucherlich,  falls  der  Gläubiger  nur  das  verlie- 
hene Kapital,  doch  dies,  wie  absichtlich  contrahirt  war,  zu 
einer  Zeit  höherer  Geld-  oder  Frucht -Preise  rückempting ; ''^) 
nicht  minder  hiess  es  wuchern ,  Avann  neues  Getreide  mit  altem 
rückgezahlt  wurde,  ^)  Geld  mit  Waaren  höheren  Werthes.  "*) 
Folgerecht  musste  jeder  andere  Vortheil,  der  sich  an  die  Rück- 
gabe des  Darlehns  nach  Absiclit  der  Parteien  knüpfte,  uner- 
laubter Wucher  sein,  so,  wenn  der  Schuldner  ebie  Beleidiffung 
des  Darleihers  verzieh,  wenn  er  dem  Gläubiger  darlieh,  ihm 
einen  Dienst  erwies ,  bei  ihm  kaufte ,  mahlte  oder  dieses  künf- 
tig zu  thun  verhiess.  ^)  Denn  usura  est,  quidquid  sorti  accc- 
dit.  ^)  Das  geschah  natürlich  bei  der  Antichrese ,  wann  der 
Darleiher,  dann  überhaupt  jeder  Pfandnehmer  die  aus  der 
verpfändeten    beweglichen    oder    unbeweglichen    Sache    des 


1)  c.l.  X.  5,19u.  a.  -2)  ef.  ob.  u.  c.  19.  X.  f).  1!).  Abbas.  in  h.l.n.2U. 
L.  Lessius  de  just,  et  jur.  11.  c.  20.  d.  17.  Ra))!).  d.  Turri.  tract.  de 
cambiis  1.  qu.  13.  n.91.  3)  Zabarell.  in  Clement,  un.  h.  t.  4)  c.  19. 
X.  5,  19.  5)  Azorin.  instit.  nioral.  111.  d.  usura  V.  c.  7.  L.  Less.  1.  c. 
7  —  9.  Scaccia.  tract.  d.  coninierc.  §.  1.  qu.  7.  par.  2.  arnpl.  10.  n.  88  ff. 
6)  c.  14.  qu.  3. 


14  I.    1.  Ausdehnung  des  Zinsverbotes. 

Schuldners  gewonnenen  Friiclite  ausser  dem  Kapitale  bezog. 
Daher  ward  aneh  dieser  Zins/uwachs  7.uerst  dem  Clerus  ^)  im 
("oiK-il  ven  Tours  (117i>),  gleich  darauf  1180  noch  von  dem- 
selben Papste  Alexander  111.  auch  den  Laien  untersagt. 2)  Der 
(iläubiger  soll .  sobald  er  durcli  die  Früchte  des  Pfandes  sein 
Kapital  und  die  gehabten  Kosten  (allgemein  crj^ensa)  ersetzt 
erhalten,  selbst,  wenn  noch  eine  Kleinigkeit  daran  fehlt,  dem 
Schuldner  das  Pfand  zurückgeben.  Die  Früchte*  aus  der  Be- 
nutzung des  Pfandes  brachte  man  in  Ansatz,  die  Früchte 
aus  der  des  Darlehns  liess  man  unberücksichtigt!  ^) 

Schon  hierbei ,  obgleich  theilweise  noch  auf  der  Grund- 
lage des  Darlehns ,  wurde  der  Begriff  des  Wuchers  über  das 
Darlehn  hinaus  auf  andere  Rechtsgeschäfte  erweitert.  Natür- 
lich nahe  lag  das  für  den  Verkehr  Avichtigste  Rechtsgeschäft, 
der  Kauf;  der  Eifer  der  Kirchenväter,  um  der  un christlichen 
Eigenschaften  der  Kaufleute  willen  den  ganzen  Kaufliandel  zu 
verdammen ,  glühte  fort.  Alexander  III.  sondert  noch  den 
Kauf  von  dem  Wucher.  ^)  Sein  zweiter  Nachfolger  Urban  III. 
wirft  beide  zusammen  und  züchtigt  sie  mit  gleicher  Strafe.  ■'') 
Der  Kaufmann  soll  einfach  die  Waare  gegen  den  Einkaufspreis 
oder  gar  gegen  den  von  der  Kirche  aufgestellten  objektiven 
Maassstab  des  überall  wahren  und  rechten  Preises  hingeben, 
höchstens  darf  er  die  Transportkosten  in  Rechnung  bringen. 
Nimmt  er  mehr  als  diesen  Ersatz ,  verkauft  er  theurer  auf  Cre- 
dit m  dem  Kaufpreise  oder  der  Waare  (Lieferuugsvertrag), 
als  gegen  sofortige  Zahlung  oder  Lieferung,  so  wuchert  er. 
Völlig  consequent ;  denn  beide  Male  liegt ,  wie  beim  Darlehn, 
eine  Vergütung  des  Credites  vor.  **)    Besonders  hebt  man  den 


1)  1179.  c.  8.  u.  1.  X.  h.  t.  2)  cf.  c.  2.  1.  c.  u.  c.  6.  X.  3,  21.  (1210.) 
Innocenz  III.  3)  c.  Jo.  Andr.  i.  li.  1.  Gonzalez,  in  c.  16.  X.  h.  t.  u.  c.  6. 
X.  3,  21.  Covarruv.  UI.  c.  1.  n.  3.  4)  c.  6.  X.  5,  19.  (1173.)  5)  cp.lO. 
X.  5,  19.  cp.  19.  ib.  cp.  5.  X.  5,  17.  6)  Hostiens.  summ.  X.  d.  usur. 
Scacc.  §.1.  qu.  7.  p.  1.  n.31.  Eaph.d.Turr.  disp.  1.  qu.  13.  n.28.  Thom. 
d.A.  II.  2.  qu.78.  a.2.  Abb.  in  c.6.  X.  I.e.  Gonzal.  d.  T.  i.  h.  1.  n.  2.  3. 
cf.  auch  "\^^  Endemann,  Die  nationalökonomischen  Grundsätze  der  ka- 
nonistischen Lehre.  Jena  1863.  p.25ff".  (Auch  in  Hildebraudt,  Zeitschr. 
f.  Nat.-Oek.  u.  Statistik.  Iff.) 


I.   1.  Ausdehnung  des  Zinsverbotes.  15 

Kauf  auf  Wiederverkauf  hervor,  d.  li.  den  Kaufkontrakt, 
bei  welclioni  der  Käufer  sich  veqiflicl)tete,  das  (lekaufte  inuer- 
lialb  bestunniter  Zeit  jin  den  Verkäufer  auf  dessen  Verlangen 
zurttckzuverkaufen.  An  sich  erlaubt  ihn  die  Kirche;  wo  er 
jedoch  —  was  nahe  lag  —  als  Unigehungsniittel  des  Zinsver- 
botes auftritt,  verdammt  man  ihn  als  wucherlich.  Das  sei  ins- 
besondere dort  der  Fall ,  wo  der  Preis  des  Wiederverkäufers 
schon  beim  Kaufe  zu  hoch  oder  zu  niedrig  im  Verhältnisse  des 
wahren  Werthes  der  Sache  von  den  Parteien  angesetzt  wor- 
den, wo  der  Käufer  (Darlehnsgeber),  nachdem  er  den  Kauf- 
preis (Darlehn)  durch  die  Früchte  der  ihm  verkauften  (verpfän- 
deten) Sache  rückerhalten ,  die  Sache  an  den  Verkäufer  (Dar- 
lehnsnehmer)  gegen  die  halbe  Sunune  des  wirklichen  Werthes 
der  Sache  wieder  verkaufte,  oder  wo  der  Käufer  über  die  Höhe 
der  Kaufsumme  hinaus  die  Früchte  der  Sache  zog  und  dafür 
als  Kaufpreis  des  "NMederverkaufs  die  Sache  an  den  Verkäufer 
zurückverkaufte.  ^) 

Hiermit  hatte  man  in  heiligem  Eifer  die  verhängnissvolle 
Bahn  beschritten,  das  lähmende  veto  der  Zinsen  emer  unbe- 
grenzten Menge  von  Rechtsgeschäften  entgegenzuhalten.  Das 
mutuumpaUiatum  bot  eine  treffliche  Handhabe,  dem  Evan- 
gelisten und  seinem  „tmduum  dalc"  dennoch  treu  zu  bleiben.  2) 
Man  begann ,  gemäss  dem  Ursprünge  des  Zmsverbotes  aus  der 
Moral,  auf  die  innere  Willensrichtung  des  Coutrahenten 
das  Augenmerk  zu  werfen.  Während  man  einerseits  ohne  vor- 
heriges Ausbedingen  schon  den  blossen  Empfang  des  Vortheils 
als  Geschenk  oder  unter  irgend  einem  andern  Namen  Seitens 
des  Schuldners  als  wucherlich  verbot,^)  strafte  man  andrerseits 
die  blosse  Absicht  des  Gewinnes  ohne  Ausbedung  und  Empfang. 
So  erfüllte  sich  auch  das  „nihil  inde  sperantes,"'^)  und  die 


1)  c.  4.  X.  3,  21.  (1206.)  c.  5.  X.  3,  17.  (1208.)  cf.  Janus  a  Costa. 
Sumniar.  et  comment.  i.  c.  4.  X.  3,21.  Gonzalez  Teil,  connnent.  i.  cp.G. 
X.  h.  t.  J.  H.  Böhmer,  ius  eccl.  prot.  V.  19.  §.  XI..  2)  cf.  Thoni.  d. 
A.n.  2.qu.  78. a. 2.  Abb.  i.  c.  6.  X.c.7.  n.  2.  Molin.  d.  iust.  IL  d.  contr. 
dLsj).  303.  Scaccia.  §.  1.  qu.  7.  p.  1.  1.  25.  3)  Leon.  Lessius.  IL  c.  20j 
dub.  G.  usurariuiu  mentale.  4)  c.  10.  X.  5.  19.  „pro  intentione  lu- 

cri."  Joh.  Andr.  in  c.  10.  X.  5,  19.  Covarruv.  III.  c.  1.  n.  1.  „voluntas 
capiendi."  Azor.  inst,  moral.  III.  lib.  5.  d.  usur.  c.  16. 


16  1.    1.  Ausilolnning  des  Zinsvevbotes. 

biMtlen  Tlu'iU'u.  doii  Wucliii'iii  und  Richtern,  gefährliche  usu- 
rarld  rol n itt ((:<,  als  das  oiitsi-liei(U'iule  Merkmal,  war  ent- 
deckt. Nun  niusste  natürlich  bei  jedem  l)arlelinsi>ewinne  min- 
destens die  Zinsahsicht  vermuthet  werden,')  und  jedes 
Rechtsgeschäft  konnte  Wucher  enthalten,  bei  dem 
ein  Empfang  ultra  sorton  möglich  war.  -) 

Wie  ernst  es  der  Kirche  aber  mit  diesem  Verbote  war, 
beweist,  dass  sie  es  sogar  dort  aufrecht  erhielt,  wo  gute  Zwecke 
durch  dasselbe  gefördert  werden  sollten ,  und  galt  es  selbst  die 
Befreiung  der  Gläubigen  aus  den  Sklaveuketten  der  Sarazenen, 
um  derentwillen  der  Bischof  von  Palermo  1180  die  Frage  vor 
Alexander  III.  brachte.  ^)  Hatte  der  Schuldner  gar  zu  grösse- 
rer Sicherheit  des  Gläubigers  bei  Eingehung  des  Darlehns  ge- 
schworen, die  festgesetzten  Zinsen  zu  zahlen  oder  die  gezahlten 
nicht  zurückzufordern ,  so  galt  die  Kraft  dieses  Eides  vor  dem 
geistlichen  Richter  gleichwol  nur  so  weit,  als  sie  den  Scliuld- 
ner  verpflichtete,  das  Zugeschworene  zu  zahlen;  der  Gläubiger 
aber  war  gehalten,  das  Gezahlte  als  Wucher  sofort  zur  Ver- 
meidung der  Klage  wiederzugeben.  Die  Klage  drohte  von  Sei- 
ten des  Schuldners  oder  ex  officio  von  Seiten  der  Kirche.  *) 

1)  Raph.  d.  Turri.  disp.  1.  qu.  13.  u.  73.  2)  c.  10.  19.  X.  5,  19. 
Abbas  in  li.  t.  n.  6.  c.ö.  X.  3,  17.  Ju.  Andr.  i.  h.  1.  Covarruv.  11.  c  8. 
n.  4.  3)  c.  4.  X.  5,  19.  Gonzalez.  Teil,  coiiiiuent.  ad  decretal.  i.  h.  I. 
not.  d.  4)  c.  10.  X.  5, 19.  Man  begründete  dies  so:  der  Schuldner  niuss 
den  geleisteten  Eid  durch  Erfüllung  desselben  ,.an  Gott  zurückgeben" 
(c.  6.  X.  2,  24.),  ferner  niuss  er  ihn  erfüllen,  weil  der  Eid  nicht  seinem 
Seelenheile  schadet,  noch  auf  das  Verderben  des  Nächsten  gerichtet  ist. 
(c.lü.  X.  2,  24.  [1180.]  c.  17.  X.  ib.  [1206.])  Andrerseits  sind  Eid  und  ein- 
faches Versprechen  vor  Gott  gleich  (c.  12.  C.  22.  qu.  5.);  aus  letzterem  nun 
entsteht  niclit  eine  Verpflichtung  des  Schuldners  zur  Zinszahlung,  daher 
auch  nicht  aus  dem  Eide.  Der  Eid  ferner  lockt  den  Schuldner  zur  Bege- 
hung einer  nicht  leichten  Sünde,  und  auch  aus  diesen  Gründen  darf  er 
ihn  nicht  erfüllen.  —  Diesen  Hader  der  Grundsätze  löste  Alexander  HI. 
dahin ,  dass  er  dem  Schuldner  befahl ,  die  Zinsen  sofort  zu  zahlen ,  dem 
Gläubiger,  sie  sofort  zurückzuzahlen.  (Gonzal.  Teil,  comnient.  ad  decr. 
ad  c.  6.  X.  2,  24.)  Janus  a  Costa,  sunmiar.  et  comment.  i.  decretal. 
(Paris  167G)  bemerkt  dazu:  Wie  im  römischen  Rechte  Vieles  zum  Scheine 
geschieht,  so  wird  auch  im  Kirchenrechte  der  eidlich  versprochene  Zins 
vom  Schuldner  zum  Scheine  gezahlt,    cf.  u.  A.  J.  H.  Böhmer,  ins  eccl. 


I.   2.  Aiisnaliiiion  vom  Zinsverbote.  17 

2.     Ausiialiiiu'ii  vom  Wuclierverbotc. 

Nur  vereinzelte  Fälle  nahm  die  kanonistische  Lehre  selbst 
von  (lern  (ieneral- V^erbote  aus;  so,  wann  ein  Cleriker  als 
Pfan(linhal)er  die  Früchte  des  Pfandes  über  das  dargeliehene 
Kai)ital  hhiaus  als  rückständige  Zehnten  forterhebt/)  wann  ein 
Vasall  seinem  Lehnsherrn  das  Lehnsgut  verpfändet,^)  wann  der 
Schwiegervater  dem  Eidam  statt  der  Mitgift  ein  Pfand  stellt.^) 
Ferner  ist  der  Kaufmann  kern  Wucherer,  welcher  zwar  beim 
Creditkaufe  mehr  als  den  Einkaufspreis  oder  als  den  gegen- 
wärtigen Werth  der  Waare  erhält,  doch  nicht  wegen  des  Cre- 
dites,  sondern  entweder,  weil  er  eigentlich  noch  nicht  die  Waare 
verkaufen  wollte  und  nur  durch  den  Käufer  bewogen  wurde, 
es  zu  thun ,  oder  weil  zur  Zeit  des  Kaufes  der  Preis  der  Waare 
iii  der  Zahlungszeit  völlig  ungewiss  war.  ^)  Auch  derjenige 
^v^lchert  nicht,  welcher  einem  Schiffer  oder  Marktreisenden 
Geld  leiht  und  für  die  dabei  übernommene  Gefahr  Etwas  über 
das  Kapital  hhiaus  bezieht.  •')    In  den  zwei  vorgenannten  Fäl- 


prot.  V.  19.  §.21.  Den  Fall  spezialisirt  noch 'die  Summa  Hostiensis 
V.  19.  §.  13:  Quid  si  dehitor  iuravit  non  repetere  ustiras  nee  recipere\? 
Et  qiiidem  iuramentum  tenet  .  .  debet  tarnen  cugi  uswarius,  quod  iura- 
mentum  relaxet  .  .  vel  si  hoc  fieri  non  potest,  non  audietur,  quousque 
se  liberaverit  .  .  alioquin  impetrans  non  audietur,  et  hoc  potest  dehitor 
dennnciare  eccleniae,  non  ohstante  iii/ramento  praedicto.  Quid  si  iuravit 
non  dennnciare?  temerariiim  est  iuramentum.  Und  dazu  die  Ganfrc- 
dische  Summa  ad  ti.  decr.  d.  usur.:  Quid  si  dehitor  iurat  se  soluiurum 
iisuras.  Potest  si  rult  solvere  et  solutum  repetere  .  .  polest  si  vult  impio- 
rare  se  ahsolvi  .  .  Quid  si  iuravit  non  repetere,  nee  denunciare?  dico  te- 
merarium  esse  iuramentum  quia  per  hoc  precluditw  via  ad  p)oenitentiam. 
1)  c.  1.  X.  5,  19.  (1180.).  2)  c.  8.  X.  5,  19.  —  c.  1.  X.  3,  20.  d. 
leud.  1176.  1212.  3)  c.  16.  X.  h.  t.  Üonzal.  Teil,  comment.  i.  h.  1. 
4)  c.  6.  10.  X.  h.  t.  1173.  1180.  Gonzalez  i.  h.  1.  Covarr.  H.  c.  3.  n.6. 
Böhmer,  ius.  cccl.  prot.  V.  19.  §.  XX.  XXXVill.  5)  cp.  19.  X.  5,  19: 
„  Nariyanti  vel  eunti ad  nundinas  certam  mutuanspecuniaeqrtantitatem  eo 
quod  suscipit  in  se  j^ericulum  recepturus  aliquid  ultra  sortem ,  usurarius 
est  censendus.  lUe  quoque,  qui  dat  X  solidos,  ut  alio  tempore  totidem 
sibi  gruni,  vini,  vel  olci  mensurae  reddantnr,  quae  licet  tunc  /)/ms  valeant, 
uirum  2)lus  vel  minus  solutionis  tempore  fuerinl  vuliturae,  verisimiliter 
dubitutur,  non  debet  ex  hoi  usurarius  reputari.  Rat  tone  huius  dubii  etiaiii 
excusatur,  quipannos,  granum ,  vinum ,  olenui ,  vel  alias  merces  vendit. 

N  e  u  111  a  u  11 ,  Gesch.  d.  Wucher.").  2 


18  T.    -.  Ausiialnnon  vom  Ziiisvovbote. 

leu  evAvies  es  sich  als  unmöglich,  die  wucherische  Absicht  von 
dem   festen  "Willen    dos  Kaufmanns,   dass   er  nur   zu  dieser 


1«/  nwplivs  qua»!  tituc  mleaiii ,  in  cerio  tcrmino  recipiat  pro  eiulem :  si 
tarnen  eo  tempore  cnntractnn  non  fiierrit  renfliturns."  (123G.  Gregor.  IX.) 
Mau  hat  viel  darüber  gestritten,  ob  in  dieser  Stelle  das  foenns  nauticuni 
oder  quasi  nauticuni  des  römischen  Rechtes  als  Wucher  verboten  oder  als 
Ansnabme  erlaubt  sei.  Cironius  entscheidet  nach  der  allgemeinen  Stelle 
0.  1.  c.  14.  qu.  4.  sich  für  das  Verbot,  (paratitl.  1.  c.  ]).  486.)  Andere 
beziehen  das  Verbot  mir  auf  die  über  das  „preiium  suscepti  pericuU"  hin- 
aus geforderten  Zinsen  und  die  im  2.  Theile  der  Stelle  behandelten  Zinsen, 
da  letztere  durch  des  Gläubigers  Weigerung,  unter  anderer  Bedingung 
darzuleihen,  vom  Schuldner  erpresst  sind.  (Hadrian.  tract.4. d.usur.cap. 
„occurrnnt."  Antonius.  2.  part.  cp.  7.  §.  21.  ti.  7.  Conradus.  d.  con- 
tract.  quaest.  39.  concl.  1.  Sylvest.  verb.  usur.  §.  35.)  Aber  wenn  gegen 
letztere  Ansicht  das  „aliquid  receptnrus  ultra  sortem"  s])richt,  regt 
gegen  die  erstere  Ansicht  der  Wortlaut  des  cp.  19.  X.  c.  an,  ilim  eine  Son- 
derstellung im  Ziusverbote  zu  geben,  (cf.  auch  Covarr.  1.  3.  var.  op.  2. 
n.  5.  Lupus  comment.  3.  d.  usur.  u.  1.  Stracca.  d.  assecurat.  n.  27.) 
Oder  man  sagt,  nur  das  Contrahiren  über  das  foenus  nauticuni  vor  oder  bei 
Abschluss  des  Darlehnskontraktes  sei  verboten.  Dagegen  müsse  nach 
Erfüllung  des  Darlehnskontraktes  wegen  der  übernommenen  GefahrEtwas 
gezahlt  werden.  (Covarr.  lib.  3.  var.  causs.  c.  2.  n.  5.)  Allein  die  ver- 
schiedene Zeit  könnte  au  dem  wucherlichen  Charakter  des  Kontraktes 
Nichts  ändern.  —  Oder  aber:  das  foenus  nauticum  sei  nur  dort  verboten, 
wo  die  Kontrahenten  lediglich  zur  Umgehung  des  Ziusverbotes  die  Exi- 
stenz einer  grossen  Gefahr  sinmliren.  (Molin aeus.  d.  usur.  qu.  3. 
n.  95.)  Aber  c.  19.  sagt  bedingungslos  „fiuscipit  in  sc  periculum."  (Co- 
varr. Lup.  Stracc.  1.  c.)  —  Allein  der  Pabst  sagt  in  der  Stelle  aus- 
drücklich „eo,  quod  .  ." ;  er  giebt  den  Grund  seiner  Entscheidung  an. 
Dieser  Grund  weist  imi  „tisurarius  non  est  censendus."  Folgerte  der  Pabst 
stattdessen:  „est  censendtis,"  so  höbe  er  seineu  Grund  auf.  Der  Satz 
„eo,  quod.."  bezieht  sich  insbesondere  nicht  avii receptnrus ;  dann  müsste 
es  in  ihm  suscipiat  lauten.  Femer  stellt  das  „quoque,"  das  diesen 
ersten  Fall  des  cp.  19.  mit  den  folgenden,  in  denen  Ausnahmen  vom 
Wucherverbote  stehen,  verbindet,  beide  auf  gleiche  Stufe.  Daher  wider- 
spricht auch  das  quoque  dem  est  censendus.  Daher  muss  zweifellos  im 
ersten TheUe  descp.l9.  ebenfalls  „non  est  censendus"  gelesen  werden. — 
cf.  Scaccia.  §.  1.  qu.  1.  n.  497-503.  Gonzal.  Teil.  i.  h.  1.  W^ährend 
Letzterer  sich  mit  Rücksicht  auf  den  Wortlaut  v.  cp.  19.  1.  c.  für  est  cen- 
sendus entscheidet,  finden  sich,  je  weiter  der  Verkehr  vorschreitet,  desto 
mehr  Ausleger  für  „non."  So  sagt  J.  H.  Böhmer  (ius  eccl.  prot.  5,  19. 
§.  XXXIX.)  n.  90.  ad  cp.  19:  „nihilominus  ipse  tenor  decretalis  himis  sua- 
det  evincitgue  negativam  omnino  reiinendam  esse  (seil,  lectionem) .  Etenim 


I.   2.  Ausnahmen  vom  Zinsverbote.  19 

bestimmten  Zeit  verkaufte,  sicher  vxi  scheiden,  oder  nachzu- 
weisen .  dass  er  vielmehr  auf  einen  zuversichtlich  höheren  Preis 
zur  Zahlungszeit  rechnete  als  einen  völlig  ungewissen  Preis 
erwartete.  In  dem  letzten,  dritten  Falle  wurde  dadurch ,  dass 
man  das  Kisiko  zu  ersetzen  gestattete,  das  Zinsverbot  that- 
sächlich  zu  einem  Tlieile  aufgehoben.  ^)  Eben  unter  die  erlaubte 
Vergütung  der  Gefalir  rechnete  man  das  foemis  nantirnni  des 
römischen  Rechtes,  man  stritt  also  eigentlich  nur  um  den 
Namen  ..Vergütung  der  Kapitalsnutzung."  —  Endlich  ver- 
pflichtet Pabst  Lucius  111.  ausdrücklich  den  Schuldner,  des- 
sen Bürge  wegen  Jenes'  Zahlungs- Säumnis s  „molestias 
a  crediiorlhns  pprtidif ,"  ausser  dem  vom  Bürgen  für 
den  Schuldner  entrichteten  Kapitale  demselben  auch  alle 
Hinsichts    der    Säumniss    entstandenen    „accessiones"  zu 


tres  casus  recenset  pontifex ,  in  qiiibus  ustiraria  pravitas  non  committitur 
et  in'imus  quidei»  eoncernit  foeniis  riauticum:  alterinn  lioc  modo  eidem 
coniungit:  illeqnoqiie,  qui  .  .  non  debet  usurarius  re2nitari.  Ädeo  arcte 
hunc  2>riori  casui  adiunyit,  utpalamsit,  idem  hoc  casu  iuris  esse ,  quod 
in  priori  aUatum  fuerat._  Codices  manuscripti  quidem  repugnant:  plus 
tarnen  ipsiits  tenoris  et  dispositiunis  connexio  ponderis  habet.''  Ebenso 
Stryck.ususmodernus  paudectarmu  Halle  1717. XII. ti.II.  §.  1.  Stypmau. 
d.  iur.  marit.p.4.  c.2.  n.281.  Gudelin.  d.  iur.  noviss.  1.3.  c.3.  Jo.  Ber- 
nacius.  d.util.leg.hist.  1.2.  cp.lS.  Narbona.  1.15.  gl. 2.  n.  20.  ti.20.  und 
garSalmasius  (d.foenore  trapeziticoLeyden  1640.):  „quid dehis  (sc.usu- 
ris  nauticis)  dicturi  sunt  canonistae?  An  illicitas  esse  et  infames?  Atqui 
hodie2)assiminhisetiamlacis{'^icdeT\anden)pro  l icitis  hahentiiret maxime 
frequentantur  inter  mcrcatores.  Bodemeriam  vocant  Belgae  siia  linguu. 
Cur  hoc  foenus  recipitur ,  cum  trapeziiicum  tanta  animorum  contentione 
repudietur?  Nam  et  apud  pontißcios  canonistas  pilurimos  hoc  fenoris 
genus  a  crimine  usurae  ilUcitae  rindicantiir."  (1.  c.  p.  95.)  Hier  konnte 
man  das  Gewicht  der 'l'hatsache,  der  Praxis  gegen  das  „est"  anführen,  zu- 
vor hatte  man  sich  auf  die  dem  Bürgen  in  der  kanonisti.schen  Lehre 
erlaubte  Bezahlung  für  seine  Garantie  -  Uebernahme  berufen  (gemäss  dem 
römischen  Rechte  1.  6.  §.  7.  D.  17,  1.  L.  23.  Cod.  4,  29.  Bartol.  in  1.19. 
§.  1.  D.  39,  .5.  Bald,  in  1.  6.  §.  7.  D.  17,  1.  Azor.  p.  UI.  1.  5.  d.  usur. 
c.  2.  i.  f.  Scacc.  §.  3.  gl.  3.  u.  §,  1.  qu.  1.  n.  494.).  —  In  der  Praxis  galt 
übrigens  das  foenus  nauticum  von  Anfang  an  für  gestattet  und  man  for- 
derte in  demselben  12",,.   Gonzal.  Teil,  in  c.  19.  X.  h.  t.  n.  6.  u.  A. 

1)  cf.  u.  A.  Azorin.  p.  III.  1.  5.  d.  usur.  c.  2.  i.  f.,  c.  6.   Less.  1.  c.  c. 
13.   L.  Molin.  de  just,  et  jur.  IL  disp.  318.  35G. 

2* 


20  I.    "2.  Ausnaliinen  vom  Ziiisvi'ibote. 

ersetzen.'"')  .lii,  iiodi  nu'liv:  Selbst  ohne  seine  Säumniss  ist 
der  Haui)tsi]iuldner  verbunden,  den  für  ilm  zalilenden  Bür- 
gen Hinsichts  des  Kapitales  und  aller  „dam na,  quae 
proptvr  hoc  dchitum  pcrtnlit ,  donrc  ipsa  danma  resarcita  fiie- 
rint  et  dchita  sine  diniinutionc  soluta,"  schadlos  zu  halten.-) 
Ge^\^ss  hatte  man  liierbei  ledio-lich  den  vorliegenden  Fall  im  Auge 

o  n  o 

und  beabsichtigte  keineswegs,  denselben  auf  die  Gelegenheiten 
zur  Zinsforderung  auszudehnen.  Allein  die  Handhabe  hierzuwar 
damit  geboten,  und  Billigkeit  für  die  Lage  des  Zahlenden  und 
des  Darlehnsgebers  schien  unabweislich  zu  fordern,  diese  beson- 
deren Vorschriften  weiter  auszudehnen.  Der  Vernuuftgrund 
konnte  da  nicht  lange  felilen;  ([qx S'^iv, pccimia pecuniam parere 
ncqnit  ^xh\\i\i  die  Ausnahme  cum  hominis  operationc  con- 
iuncta  — potest.'^)  So  übertrug  man  die  Bestimmungen 
ijisbesondere  auf  das  Darlehn ,  *)  und  nun  lautete  der  Satz  da- 
hin :  der  Darlehnsnehmer  muss  dem  Darlehnsgeber  (natürlich 
mit  der  oben  bereits  berührten  Ausdehnung  des  Prinzips  vom 
Darlehn  auf  Creditkauf  und  andere  Rechtsgeschäfte)  das  ganze 
„Interesse"  ersetzen,  welches  dem  letzteren  durch  Säumniss 
des  ersteren  oder  durch  das  blosse  Darleihen  selbst  er^vuchs. 
Indem  man  also  den  Begriff  des  „id  quod  interest,"  wo  es  Ge- 
genstand einer  Forderung,  nicht  Erforderniss  einer  Obligation 
ist ,  ■'')  in  seiner  wörtlichen  Bedeutung  als  „  Unterschied  zwi- 
schen dem  Betrage  des  Vermögens  in  bestimmtem  Zeitpunkte 
ohne  ein  und  mit  emem  beschädigend  in  dasselbe  eingreifenden 
Ereignisse"  aus  dem  römischen  Rechte  ^)  herübernahm,  machte 

1)   c.  3.  X.  3,  22.  (1180.)        2)  c.  2.  X.  3,  22.  (1180.  Lucius  ÜI.) 
3)  Scaccia.  d.  corninerc.  §.  1.  qu.  7.   p.  1.   n.  69  u.  A.  4)  Danach 

auch  selbstverständlich  auf  die  andern  Geschäfte,  in  denen  ein  gleiches 
Verhältniss  für  mora  oder  interesse  eintreten  konnte,  so  bei  dem  Kauf  mit 
rückständigem  Kaufpreise ,  wo  der  Käufer  für  den  Fruchtgenuss .  von  der 
bereits  ihm  übergebenen  Sache  Zinsen  des  nicht  gezahlten  Preises  entrich- 
ten muss.  5)  c.  9.  X.  1,  43.  (1214  Innoc.  JH.)  cp.  un.  X.  2,  11.  (1243. 
Gregor.  IX.)  c.  48.  X.  b,  39.  6)  1.  13.  pr.  D.  46,  .8.  —  1.  11.  pr.  D. 
36,  1.  -  1.  21.  §.  2.  D.  9,  2.  —  1.  22.  1.  33.  eod.  cf.  Puchta.  Pand. 
§.  224.  225.  —  Vangerow.  Pand.  §.  571.  —  Arndts.  Pand.  §.  206.  — 
Friedr.  Mommsen.  Beitr.  z.  Obligat.  R.  Braunschweig  1855.  II. 
Abthl.  I.  §.  1.  §.  3.  n.  3.  4.  §.  4. 


I.   2.  Ausnahmen  vom  Zinsverbote.  21 

man  zwar  nicht,  wie  es  zuerst  scheint,  das  Darlehn  zu  einer 
faktisch  zwciseitigeil  Oblitjation  ,  aber  man  überschritt  darin 
die  Grenze  des  römischrechtlichen  Interesse  -  ßegriftes ,  dass 
man  hier,  wo  kein  dolus,  keine  culpa,  kein  casus  die  beste- 
hende Oliliü^ation  änderte,  wo  ein  Schaden  ausserhalb  der  beste- 
henden Obligation  vorlag  und  dieser  Schaden  eben  gemäss  dem 
von  Natur  ,,gratuito  contracfui  mufui^''  als  regelmässig  aus 
dem  mutuum  entstehend  nicht  vom  Schuldner  ersetzt  werden 
sollte,  dennoch  eine  Ersatzpflicht  des  Schuldners  feststellte. 
Und  diese  Ersatzpfiicht  gründete  man  nicht  auf  das  Ueber- 
einkomraen  der  Parteien,  wie  jene  im  römischen  Rechte 
über  die  Darlehns- Zinsen  als  Gebrauchsersatz,  sondern  auf 
eine  ausserordentliche  Vorschrift  des  Gesetzes.  In  dieser  Hess 
man  die  Billigkeit  gegen  den  Gläubiger  walten,  wie  dort  gegen 
den  Schuldner,  umging  die  Zinsen  als  Ersatz  des  Gebrauchs- 
werthes  und  forderte  das  Interesse  als  Ersatz  des  Schadens, 
der  Aufwendungen ,  Dienstleistungen  (sumtus,  impensae,  ope- 
ratio)  des  Gläubigers.  So  ward  die  usuraria  voluntas 
im  eigentlichen  Sinne  allerdings  ausgeschlossen,  aber  die 
iisurae  wucherten  unter  einem  noch  allgemeineren  Namen 
lind  Umfange  als  damnum  emergens  ')  und  lucruni  cessans  ^) 


1)  Indem  der  Begriff  dieses  positiven  Schadens  als  .,  Benachtheiligung 
des  Vermögens  des  Darleihers  durch  das  Darleihen  "'feststand  (Baldus. 
cons.  182;  in  1.  un.  Cod.  de  sent.  quae  jiro  eo.  n.  56.),  musste  man  natür- 
lich mit  aller  Schärfe  scholastischer  Sondirungskunst  eine  Reihe  von 
Bedingungen  erspüren  ,  unter  welchen  die  usuraria  voluntas  mehr  oder 
weniger  jene  ausnahmsweise  Erlaubniss  des  damnum  emergens  zu  einem 
Umgehungsmittel  des  Zinsverbotes  gebrauchen  sollte.  Die  erfindungs- 
reiche, ewig  schwankende  Verkehrspraxis  hetzte  das  Sittengesetz  auf  die 
sem  ihm  fremden  Gebiete  von  Ausnahme  zu  Ausnahme.  (Ambrosius 
de  Vignate  (14G0.)  d.  usur.  n.  53 tf.  L.  Molin.  1.  c.  disp.  314 iT.  Scaccia. 
§.  1.  qu.  7  p.  2.  ampl.  8.  n.  181.  182.  273.  vorher  Covarruv.  III.  c.  4. 
n.  6.  L.  Less.  IL  c.  20.  dub.  10  u.  A.  —  cf.  auch  Gonz.  Teil,  in  c.  6. 
X.  d.  usur.  C.  Molin.  tract.  contrct.  us.  n.  28ff.  2)  Das  hierum,  ces- 
nans  trotz  des  Zinsverbotes  zu  gestatten,  konnte  allein  der  römisch -recht- 
liche Begriff  des  id,  quod  interest ,  einen  willkuniiiienen  und  genügenden 
Anhalt  gewähren.  Darum  aber  musste  man  hier  mehr,  als  anderswo,  auf 
Wucher  fahnden.  ]\Ian  sah  denselben  in  jedem  voraufgegangenen  Ueber- 
einkommen  des  Contrahenten  über  die  Höhe  des  lucrum  cessans,  nünde- 


32  I.    3.  Wucherstrafen. 

uiid  in  selbstständiger  Fordenin^ .  nicht  als  blosse  Accession 
fort.  M 

o.  Straf(Mi  bei  Verletzung  des  Wiiclier Verbotes. 
"Wie  man  aber  in  der  Kirche,  abgesehen  von  diesen 
zunächst  geringen  Ausnahmen,  eitrigst  die  Grenzen  des  Zins- 
verbotes  ausdehnte,  ebenso  eifrig  folgte  man  mit  den  bei  der 
wachsenden  Macht  der  Kirche  sich  steigernden  vStrafen.  Man 
schritt  gegen  Christen  und  Juden  ein,  gegen  Cleriker  und 
Laien,  vornehmlich  gegen  die  „manifesti  usurarü,"^)  man 
verfolgte  sie  im  Leben  und  Tode ,  man  strafte  selbst  die  geist- 
lichen und  weltlichen  Behörden ,  welche  das  Wucherverbot  der 
Kirche  gar  nicht  oder  zu  nachsichtig  gegen  die  Wucherer 
anwendeten. 


stens  eine  Taxirung  desselben  in  bestimmter  Summe,  verbot  die  spätere, 
naildere  Praxis,  bis  endlich  auch  hier  der  ewige  Widerstreit  mit  dem  Ver- 
kehre die  Schärfe  des  Gesetzes  oder  seiner  Handhaber  abstumpfte.  Thom. 
IL  2.  qu.  78.  a.  2.  Duralit.  spec.  iur.  IV.  4.  n.  7.  Covarruv.  III.  c.  4. 
Raphael  d.  Turr.  I.  13.  n.  33.  Scacc.  1.  c.  n.  99. 181. 

1)  Abb.  in  c.  6.  X.  1.  c.  Schon  oben  im  Texte  ward  die  ratio  zitirt, 
welche  die  Ausnahme  des  Interesse  mit  den  Gründen  des  Zinsverbotes 
verknüpfte:  „pecunia  iuncia  cum  hominis  operatione  pecuniam  imrere 
polest."  Man  verstand  hiemnter  einen  Theil  des  Schadens ,  den  der  Gläu- 
biger vom  Schuldner  ersetzt  fordern  konnte,  nämlich  den  Lohn  für  etwaige 
Arbeit,  welche  der  Gläubiger  zur  Hingabe  des  Darlehns  hatte  vollführen 
müssen.  Diese  Arbeit  machte  dann  das  Geld  fruchtbar,  wie  die  Beacke- 
ning  das  Koni.  Das  rechtfertigte  die  Provision  der  Wechsler  beim 
Handwechsel  (Hostiens.  in  summ.  d.  usur.  n.  32.  L.  Less.  IL  c.  20. 
dub.  4.  n.  28.  u.  bes.  Scacc.  tract.  d.  commerc.  §.  1.  qu.  7.  par.  1. 
n.  49.) ,  ihren  Wechslergewinn  bei  den  Wechseln .  und  begründete  damit 
für  den  Begriff  des  Wechsels  im  Hauptgebicte  des  kanonischen  Rechtes 
den  Faktor:  „remissa  pecunia  ex  loco  in  locum."  (Raph.  d.  Turr. 
disp.  1.  qu.  29.  Scacc.  §.  1.  qu.  1.  n.  422  —  28.  —  cf.  u.  V.  5.  d.  u.  f. 
2)  Ein  iiianifestus  usurarius  hiess,  qui  aliis  negotiis  praetermissis 
quasi  licito  icswas  exercet.  (cp.  3.  X.  5,  19.)  oder,  qui  in  hoc  peccato 
decesserit  (cp.  5.  X.  1.  c).  Der  Begriff  wechselt  später  (cf.  du  Gange 
glossar.  voc.  usurarii.  sjti.  Colon  an.  1300.  cp.  12.):  „de  quihus  per 
sententiam  vel  per  confessionem  in  iure  aut  evidentiam,  quae  aliqua 
tergiversatione  non  potest  celari,  constiterit  evidenter  et  Uli  etiam, 
qui  super  usuras  diffamati  inter  tempits  statuendum  ab  eo,  qiii  super 
hoc  hallet  potestatem ,  se  non  pu^gaverint."  (cf.  u.  V.  5.  d.) 


I.   3.  Wucherstrafen.  23 

Die  Cleriker  werden  für  ihren  Wucher  „ab  omni  officio 
et  hcnefcio"  suspendirt,  ^)  Laien  straft  man  fast  noch  härter. 
Man  versagt  ilinen  Beichte  und  Abendmahl ,  ^)  bedroht  sie 
mit  der  Exkommimikation,  ^)  und  stösst  ihre  Weiliegabeu  zu- 
rück. *)  Wenn  sie  ilir  dargelielienes  Kapital  einklagen ,  sol- 
len sie  Gehör  erst  finden ,  nachdem  sie  iliren  Wuchergewiun 
dem  Schuldner  rückerstattet  hatten.  ^)  Alle  Zinsen  sollen  sie 
den  Schuldnern ,  deren  Erben  oder ,  im  Falle  solche  nicht  vor- 
handen, den  Armen  herausgeben,  ausser,  wenn  sie  wegen 
ihrer  Armuth  die  Zinsen  nicht  erstatten  können,  „quia  pau- 
pertate  tanquam  poena  a  deo  imposita  satis  excusantur."  Dire 
mit  \vucherlichem  Gelde  erkauften  Besitzthümer  werden  öffent- 
lich versteigert,  der  Erlös  den  Schuldnern  gezahlt ,  '^)  die  kirch- 
liche Censur  zwingt  sie,  ihre  Schuldbttcher  der  Obrigkeit  jeder- 
zeit vorzulegen  „ne  contractus  usurarios  occulte  inire  et  sith- 
trahere  e  magistratuHm  conspectit  possint."  ^)  Wuchernde 
Fremde  sollen  innerhalb  3  Monaten  des  |iandes  verwiesen  wer- 
den. ^)  —  Selbst  die  Juden  verfielen  dem  heiligen  Eifer  der 
Wucherrichter.  Obgleich  sie,  ausserhalb  der  Christenheit  ste- 
hend, ihres  Heiles  nicht  theilhaft  waren,  ^)  ja  als  von  Gott 
selbst  dazu  eingesetzte  und  geweihte  Wucherer  gegen  Nichtju- 
den  galten  ,  *")  rief  Iiinoceuz  III.  1200  gleichwol  die  w^eltliche 
Obrigkeit  auf,  von  den  Juden  die  Rückzahlung  des  Wuchers 
an  schuldende  Christen  zu  erzwingen.  ^^)  Andernfalls  sollte  aller 


1)  c.  2.  X.  3,  1.  an.  988.  —  c.  7.  X.  5,  19.  (1175.)  —  c.  11.  X.  5,  31. 
(1208.)  —  c.  1.  i.  VI.  5,  5.  (1274.)  2)  c.  3.  X.  5,  19.  (1179.)  3)  c.  2. 
i.  \1°  5.  5.  (1274.)  —  c.  7.  X.  5,  19.  (1175.)  4)  c.  3.  X.  1.  c  (1179.) 
5)   c.  14.  (1201.)   c.  17.   (1206.)   X.  h.  t.  6)  c.  5.  X.  5,  19.   (1180.) 

7)  cp.  un.  Clem.  5,  5.  (1311.)  cf.  Alteserra  (comm.  i.  lib.  Clem.  Halle 
1782.)  ad  cp.  un.  Clem.  5,  5:  „feneratores ,  si  conveniantur  actione  usu- 
rarum  per  censuras  ecclesiasticas  compelluntur  eclere  Codices  suarum 
rationum  ex  hac  constitutione,  quia  ita  callide  contractus  feneraticios  in- 
eunt,  ut  rix  aliter  convinci  j)ussint  de  vitio  usurarum ,  quam  editione  . ." 

8)  c.  1.  1.  VI"  5,  5.  (1274.)  9)  c.  18.  C.  2.  qu.  1.  Gouzal.  Teil,  in 
c.  12.  X.  5.  19.  n.2.  —  Covarruv.  var.  resol.  Hb.  III.  c.  1.  n.  7.  10)  cf. 
2.  Buch  Mosis  23,  19.  Scaccia.  §.  3.  gl.  3.  n.  48.  11)  c.  12.  X.  (1200.) 
c.  18.  X.  (1216.)  h.  t.  Gonzal.  Teil.  (1.  c.  ad  cp.  12.  X.  h.  t.):  „Cum 
iitre  naturalt  et  divino  usurae  prohibitae  sint,  ideo  Judaei  tantum 


24  I-   ■5-  WiuliorsIvafVn. 

Vorkelir  /.wisclion  .luden  und  ('liiisien  untersagt  seiu.  Und 
wie  hiev  die  Grenze  der  Christenheit,  überschreitet  man  selbst  die 
Kluft  der  Gräber  und  wüthet  gegen  die  Todten.  Das  kirch- 
liclie  Hegräbniss  wird  ihnen  versagt,  so  lange  nicht  die  Züisen 
wiedererstattet  sind,  müidestens  eineCaution  der  Wiedererstat- 
tung gestellt  ist.  ^)  Noch  die  Erben  haften  für  die  Erstattung 
der  Zinsen,  so  weit  ilir  Vermögen  reicht,-)  noch  sie  müssen 
die  wucherlich  erworbeneu  Besitzthümer  verkaufen  und  den 
Preis  den  Schuldnern  abzalilen,  •')  die  Testamente  der  Wudie- 
rer  sind  irrita,  tanquutn  iniasto  lucro  confaniiiiafa.  ^)  Mit 
gleichen  Strafen  schreckt  man  die  geistlichen  und  weltli - 
liehen  Behörden,  dass  sie  nicht  gegen  die  Gesetze  der 
Kirche  m  diesem  Punkte  entscheiden.  Das  Interesse  des  Ge- 
meinwesens heischt  die  Wucherverfolgung,  daher  muss  der 
geistliche  Richter  von  Amtswegen  einschreiten,  wenn  kein 
Zins  schuldender  oder  rückfordernder  Ankläger  auftritt ,  sei  es, 
weil  er  durch  einen  Eid  zuvor  sich  diesen  Schritt  abschnitt, 
sei  es,  w^eil  weltliche  Machthaber  den  Wucher  schützen.  •^) 
Behörden  und  Fürsten  der  emzelnen  Gemeinwesen,  welche 
Dianifcsfi  usurnrii  dulden,  ja  ilmen  öft'entlich  Zins  zu  nehmen 
ausdrücklich  gestatten,  auch  wuchernde  Ausländer  nicht  inner- 
halb der  oben  bezeichneten  gesetzlichen  Zeit  des  Landes  ver- 
weisen ,  ziehen  die  Strafe  des  Interdiktes ,  des  kirchlichen  Flu- 
ches auf  ihr  Land  hernieder.  Der  lUchter,  welcher  einen 
Schuldner  zur  -Zahlung  massiger  Zinsen  verurtlieilt,  der  Gesetz- 
geber, welcher  einen  bestimmten  Züisfuss  erlaubt,   wird  aus 


legem  Moys^i  daiain  ohservuntes  usu  possunt  a  Chryatianis  usuras  exigere; 
et  si  exigerinl ,  cogendi  sunt  eas  restituei'e  a  indice  ecclesiastico  per  sub- 
iractionem  eccleniae  seu  a  imncipihus  saectdaribus  i^er  poenas  corpurales, 
ut  in  jyraesenti  textu  statuitw."  —  cf.  Hostiens.  Jo.  Andr.  i.  h.  1.  und 
über  die  mildere  Auffassung  Covarruv.  III.  c.  1.  n.  7.  (cf.  u.  \.  4.  b.  c.) 
1)  c.  3.  X.  h.  t.  (1179.)  —  c.  2.  i.  YI.  5,  5.  (1274.)  —  c.  1.  Clem.  3,  7. 
(1311.)  2)  Gemäss  dem  kanonischen  Grundsatze,  dass  der  Erbe  auf 
Höhe  seines  ganzen  Vermögens  für  Scliadenersatz  aus  deiii  Delikte  des 
Erblassers  haftet,  (c.  5.  X.  5,  17.  d.  rajrtore.  1180.)  cf.  u.  a.  Stryk 
Usus  modern,  pandect.  XII.  1.  §.  46.  —  Just.  Hen.  Böhmer,  ius 
eccles.  prot.  V.  19.  §.  XX.  3)  c.  9.  X.  ib.  (1179.)  c.  5.  cod.  (1180.) 

4).c.  2.  i.  VI.  5,  5.  (1274.)         5)  c.  13.  (1200.)   c.  15.  (1207.)  X.  5,  19. 


I.   3.  Wnolioistrafen.  25 

der  Kirche  gestossen.*)  Gleiche  Strafe  trifift  solche,  welche  an 
öffentliche  "Wucherer  /Air  Betreihung  ihres  Geschäftes  Häuser 
vermiethen  oder  sonst  überlassen.  -)  Ein  Ketzer  ist,  wer  wie- 
derliolt  öffentlich  das  Zinsfordern  für  erlaubt  erklärt.  •'')  Der 
aber  aus  der  Zahl  der  Cleriker  es  wagt,  einen  verurtheilten 
Wucherer  dennoch  kirchlich  7a\  bestatten,  desgleichen,  der  von 
Wuclierern  Etwas  annimmt  ein  Mittel,  das  die  Zinsforderer 
zumal  in  ihren  Testamenten  zu  gern  anwandten ,  um  die  rich- 
tenden Cleriker  milder  zu  stimmen  -  wird  vom  Amte  suspen- 
dirt ,  als  hätte  er  selbst  gewuchert.  ■^) 

4.     Schi  II  s  s. 

So  hatte  die  Kirche  den  Glaubenssatz  aufgestellt,  wider- 
rechtlich und  sündlich  ist  es,  die  Nutzung  fremden  Kapitales 
zu  vergüten.  Immer  tiefer  verzweigte  sich  das  Prinzip  aus 
dem  einfachen  miitmim  date  nihil  inde  sperantes  m  die  dem- 
selben entlegensten,  in  die  alltäglichsten  Rechtsgeschäfte,  im- 
mer grössere  Kreise  zog  die  Lehre  in  völlig  folgerichtiger  Wah- 
rmig  ihres  Grundsatzes  durch  das  gesammte  Gebiet  des  priva- 
ten, ja  des  öffentlichen  Rechtes,  immer  weiter  dehnte  sich 
das  Feld  der  Oberaufsicht  über  die  usuniria  vuluntas  und  da- 
mit über  den  gesammten  Verkehr;  immer  riesenhafter  aber 
wuchs  die  Last  dieser  Aufsicht,  immer  ängstlicher,  gewagter 
stieg  der  Luftbau  der  Gründe  empor,  welche  die  vom  lebendig 
flutenden  Verkehre  rastlos  gedrängten  Juristen,  Theologen, 
Nationalökonomen ,  Philosophen  der  Kirche  um  das  Dogma  er- 
richteten, fast  in  eigenem  Schrecken  über  die  Folgen,  welche 
der  erste  Schritt  auf  dieses  schlüpfrige  Gebiet  hinaus  nach  sicli 
zog.  War  man  unbefangenen  Blickes ,  so  musste  dieser  letzte 
Missstand  schon  den  Irrweg  zeigen,  den  man  einschlug,  er 
musste  offenbaren,  wie  das  an  sich  durchaus  berechtigte 
und  angemessene  sittliche  Gebot  der  Nächstenliebe 
nicht  in   das   Gebiet   des   Privat-  und   öffentlichen   Rechtes 


1)  cp.  Uli.  Clem.  5,  5.  (1311.)         2)  c.  1.  i.  VI.  5,  5.         3)  c.  un. 
Clem.  5,  5.  (1311.)         4)  c.  3.  X.  5,  19.  (1179.) 


26  I.   4.  Schluss. 

Übertragen,  nicht  mit  äusserer  Gewalt  aufrecht  erhalten 
werden  konnte ,  ohne  beiden  Theilen  /ai  scliaden.  Wollte  man 
den  idealen  ethischen  Satz  des  Christenthums  verwirklichen: 
so  musste  man  im  Gebiete  der  sittlichen  Vorschrift  von  innen 
heraus  durch  vielleicht  jahrhundertlange  Erziehung  des  Men- 
schengesclilechts  in  dessen  Ueberzeugung  die  Wahrheit  des 
Satzes  einführen  und  so  die  ideale  sittliclie  Höhe  anbahnen. 
Aber  die  Kirche  in  ilirem  heiligen  Eifer,  welcher  schleimige  Er- 
folge forderte  und  verliioss,  in  ilirer  aufsteigenden  Macht,  welche 
zunächst  aUen  Widerstand  überwältigte ,  sie  zugleich  Prophe- 
tin, geistliche  und  weltliche  Kichterin  und  Vergelterm  der  Sitte 
und  des  Rechtes  musste  den  Blick  sich  und  andern  fesseln  und 
befangen  machen,  sie  musste  das  Sittengesetz  im  Kechtsgebiete 
und  mit  dem  EechtszAvange  alsobald  zu  verwirklichen  trachten, 
sie  musste  hier  so  vorgehen,  wie  sie  vorging.  Ebenso  musste 
natürlich  das  nicht  weniger  berechtigte  Naturgesetz  der  Ver- 
kehrsentwicklung sich  solchem  Vorgehen  der  Kirche  entgegen- 
stellen. Und  in  dem  grossen ,  jahrhundertelangen ,  unerbittli- 
chen Kampfe,  welcher  sich  hieraus  entspann,  zwang  die  Kirche 
zunächst,  indem  sie  selbst  jene  sittliche  Vorschrift  durch  An- 
wendung des  Rechtszwanges  nicht  sittlich  verwirklichen  wollte, 
auf  einige  Zeit  den  Verkehr ,  nur  langsam  vor  -  oder  in  andere 
Bahnen  überzuschreiten,  sie  nöthigte  der  Theorie  nationalöko- 
mischer  und  rechtlicher  Institute  Irrthümer  auf,  welche  einige 
Jahrhunderte  hindurch  die  richtige  Erkenntniss  derselben 
beeinträchtigten.  Sie  selbst  aber  steigerte  gleichzeitig  damit 
den  Widerstreit  in  Wissenschaft  und  Praxis ,  zumal  im  Ver- 
kehre ,  der  viel  schneller  und  sicherer  emporwuchs ,  als  zuvor 
die  Kirche,  zu  einer  solchen  Stärke,  dass  schliesslich,  was 
vorauszusehen,  der  ganze  Bau  dieses  Theiles  der  kanonisti- 
schen  Lehre  und  der  kirchlichen  Gewalt  zusammenfiel.  Und 
so  offenbart  sich  auch  hier  der  Organismus  der  Entwicklung 
des  Menschengeschlechtes  in  seinem  ewig  gesetzmässigen  Fort- 
schritt :  Zwei  gleichberechtigte  Naturkräfte  streiten  gegen  ein- 
ander; die  eine  durch  glühenden  Eifer  und  unerschütterliche 
Beharrlichkeit  der  religiösen  Ueberzeugung  zu  diesem  Kampfe 
besonders  geeignet,  siegt  zunächst  vermöge  ihrer  vorgebildeten 


T.   4.  Schluss.  27 

Stärke ,  sie  steigert  durch  den  Sieg  die  Gewalt  der  andern ,  wie 
ilire  eigene  Schwäche,  und  unterliegt  nach  langem  Rmgen. 
Aber  aus  der  Keibung  beider  entstehen  eine  Zahl  fruchtbrin- 
gender Institute;  die  jenen  Kräften  inne  wohnenden  Ideen 
klären,  begrenzen,  festigen  sich,  und  am  Ende  des  Streites 
erhellt,  dass  das  Menschengeschlecht  durch  den  zeitweise 
hemmenden  Kampf,  ja  durch  den  scheinbaren  Rückschritt  nur 
sicherer  und  zukunftreicher  vorwärts  geschritten  ist. 


Eindringen  des  kanonistischen  Wucherverbotes 
in  Deiitscliland. 


1.  Der  allgemeine  wirtlischaftliclie  Zustand  Deutschlands 
bei  dem  Eintreten  des  Wucherverbotes. 

Als  die  oben  geschilderten  Zinsgrundsätze  im  Gebiete  des 
kanonischen  Rechtes  praktische  Anwendung  sich  zu  erringen 
begannen,  befand  sich  das  von  deutschen  Stämmen  besetzte 
Land  noch  auf  einer  tiefen  Stufe  volksAvirthschaftlicher  Ent- 
wicklung. Abgesehen  von  dem  grossen  Theile  der  Bewohner, 
welche  -  und  das  nicht  bloss  in  den  nördlichen  und  östlichen 
Distrikten  deutschen  Bodens  —  kaum  ansässig  geworden,  in 
Jagd  und  Viehzucht  lebend  sich  der  Beurteilung  entziehen, 
begegnet  uns  das  „  deutsche  Volk  "  ackerbautreibend  im  engum- 
grenzten Dienste  weltlicher  mid  geistlicher  Herren ,  vornehm- 
lich des  freien  Ki'ieger  -  und  Ritterstandes ,  unter  welche  das 
Land  vertheilt  war.  Indem  diese  Ackerbauer  in  beschränkte- 
ster Weise  die  nothwendigsten  Bedürfnisse  fast  nur  des  phy- 
sischen Lebens  erfüllen ,  tritt  das  von  ihnen  oder  andern 
Unfi'eien  lediglieh  zur  Befriedigung  eben  jener  nothwendigsten 
Bedürfnisse  begonnene  Gewerbe  natürlich  als  ein  noch  ganz 
untergeordneter  Nebenerwerbszweig  auf.  Allmählich  erst 
wachsen  aus  den  Höfen  Städte  empor ,  theils  auf  den  Fmida- 
menten  der  römischen,  ja  vorrömischen  Städte  und  Lager  an 
Rhein  mid  Donau,  theils  an  den  Kreuzungspunkten  der  neu 
gebildeten  Heerstrassen,  theils  schütz-  und  nahrungsbedürf- 
tig sich  anschmiegend  an  Pfalzen  der  Herrscher,  an  Sitze  der 
Bischöfe  und  Klöster,  welche  mit  dem  Eindringen  des  Chri- 
stenthums  in  die  jungfräulichen  Fluren  seit  dem  vierten  Jahr- 
hundert  ihre  Herrschaft  des  Stabes  ausgedehnt  begründen. 


IT.    1.  Deutschlands  wirthschaftlicher  Zustand  etc.  29 

Aber  auch  die  Städte  fussen  noch  auf  Naturalwirthschaft ,  der 
Ackerbau  bietet  den  Eiiiwolinern  vonudmilicheu  Erwerb,  das 
Gewerbe  ist  noch  unmer  nur  ein  Nebenerworbszweig  in  der 
Hand  unfreier ,  vielseitig  vom  Hoflierrn  aljhängiger  Grundbe- 
bauer,  sei  es,  dass  sie  von  vorn  lierein  unfrei,  sei  es,  dass  sie 
ihr  freies  Ackerland  einem  geistlichen  oder  weltlichen  Herrn 
überlassen  hatten ,  um  es  gegen  Eintritt  in  seinen  Schutz  von 
ilim  für  einen  Zins  (consns,  ccssu^)  zu  Niessbrauch  zurüik- 
zuempfangen.^) 

Weiter  dann  bewährt  sich  die  Uhertas  teutonica,  die  na- 
turgerechte Entwicklung  der  „gemeinen  Wehre."  Im  12.  und 
13.  Jahrhundert  löst  sich  allgemach  gerade  das  Gewerbe  von 
der  Scholle,  vom  hofrechtlichen  Banne;  zunftmässige  Gewerbe 
erstehen  aus  den  Innungen  des  Hofrechts,  die  Geldwirthschaft 
beginnt  die  Naturalwirthschaft  zu  durchbreclien,  die  Handwer- 
ker siedeln  sich ,  immer  mehr  selbstständig ,  in  den  Städten  an 
und  erstarken  durch  den  mit  ihrer  Entwicklung  verbundenen 
Kampf  rückwärts  gegen  die  zähe  festhaltende  Gewalt  des 
Grundlierrn ,  -)  vorwärts  gegen  die  gleich  zähe  zurückstossende 
Macht  der  Altbürger  in  den  jungen  Städten,  bis  nach  den 
Zunftstreitigkeiten  die  Verfassung  der  Städte  sich  mit  Aus- 
schluss des  Landl)aues  auf  Gewerbe  und  Handel  gründete.  — 
Neben  der  politischen  Entwicklung  des  Gewerbes  geht  so  in 
wechselseitiger  Ergänzung  mid  Förderung  dessen  wii'thschaft- 
licher  Fortscliritt  einlier,  der  Durchbruch  durch  die  Schran- 
ken des  Grundeigenthums ,  die  Melirung  und  Mobilisirung  des 
Kapitales.   Von  den  städtischen  Grundbesitzern  vor  1100,  dem 


1)  cf.  Ti.A.  Caesar,  bell.  Gall.  IV.  3.  VI.  21.  Tacitus.  Germ.  45.  IG. 
26.  „fenua  agitare  et  in  usuras  extendere  ifjnotnm :  ideoque  mayia  serva- 
tm  quam  si  retitum  esset."  Strabo.  (IV.  5.  extr.)  Plinius.  bist.  nat. 
XIX.  2  Röscher.  Ansichten  der  Volkswirthschaft.  Leipzig  1861.  p.  60. 
79ff.  —  Carl  d.  Gr.  capitul.  de  villis.  u.  A.  —  Du  Fresne  du  Cange 
glossar.  V.  civitas.  2)  Nach  einander  fielen  von  den  in  den  Städten 
angesiedelten  Hörigen  die  einzelnen  Rechte  des  Hoflierrn.  der  Kojitzins, 
die  Dienst]  ifli  cht,  Erbtbeilung,  zuletzt  selbst  das  alte  Gewand  recht  und 
die  unvermeidliche  Ilüliiierforderung.  Damals  entstand  das  bekannte 
Sprüciiwort:  ..kein  Rauihliulin  fliegt  über  die  Stadtmauer;"  denn  die 
Städte  „wurden  gegründet,  ut  jiacem  haherent  et  l iberae  essent ." 


:]0  II.    1.   Pculsclilaiuls  wirtlisoliat'tlii'hov  Znstaiul  etc. 

Könige.  Adel,  Clenis  und  den  Gemeinfreieu,  Avelche  letztere, 
da  sie  nicht  nielir  Altfreie,  vielfach  von  ihrem  Eigen  einen 
Zins  zahlen  mnssten,  bleiben  als  solche  seit  1100  wesentlich 
nur  die  letzten  zwei  Klassen ,  indem  die  zwei  ersten  ihr  Eigen 
zu  Li'lm  gegeben  hatten.  An  sie  schliessen  sich  die  ohne 
(irund])psitz  hi  den  Städten  lebenden  Handwerker.  Zwischen 
ihnen  und  den  Altfreien  (den  Geschlechtern)  stehen  geringere 
Freie,  die  von  ihrem  ländlichen  Grundbesitze  nicht  leben  können, 
und  ihn  deshall)  von  der  Stadt  aus  bewirth Schäften  oder  vererb- 
leihen .  in  der  Hauptsache  aber  durch  Handel  und  Handwerks- 
betrieb sich  erhalten.  Sie  kaufen  sich  nicht  selten  von  ihrem  Er- 
werbe städtische  Eigen ;  so  bilden  sie  vielfach  die  erste  Brücke 
zwischen  den  unfreien  und  Eigen -losen  Handwerkern  und 
den  grundbesitzenden  Altfreien.  Letztere  erscheinen  neben 
ihrem  Grundbesitze  auch  als  hauptsächliche  Besitzer  des  Geld- 
kapitales, vielfach  begegnen  sie  als  Kaufleute  und  Münzhal- 
ter. Das  gilt  bis  ins  14.  Jahrhundert  hinein.  Da  indess  gerade 
zum  Betriebe  des  Handwerkes  die  geringen  Freien  und  Un- 
fi'eien  nothwendig  städtischen  Grundes  resp.  eines  Hauses  be- 
durften, leihen  sie  solches  von  den  grundbesitzenden  Klassen 
gegen  Zins  auf  Erbrecht.  Der  Leiher  giebt  es,  zmiächst  mit 
Genehmigung  des  Eigenthümers ,  an  einen  Dritten  ebenfalls 
-gegen  Zins  in  Afterleihe.  So  bilden  sich  dieTheilung  desEigen- 
thums  und  der  ohne  Grundbesitz  bloss  „  erbleiliende "  Freie, 
andrerseits  der  grundbesitzende  bisherige  Unfreie.  Die  Arbeit 
löst  sich  vom  Boden,  die  Detail- Kauf leute  und  Handwerker 
erscheinen  zum  Stande  der  Altfreien  befähigt.  Während  der 
Kapitalumlauf,  speziell  des  Geldes ,  zunächst  sich  eng  an  die 
Schranken  des  dem  Grundherrn,  dem  Beleilier  vom  Grunde 
entrichteten  Zinses  anschliesst,  entwickelt  sich  vereinzelt 
vielleicht  aus  dieser  Erbleihe  und  vielfältig  neben  ihr  aus 
selbstständigem  Ursprünge  der  Rentenkauf,  —  durch  sein 
Eingreifen  in  Verzugszinsen  mid  Interesse,  durch  seine 
eigene  Umbildung  zum  zmsbaren  Darlehn  hin,  durch  die 
Anerkennung,  welche  er  dem  Darlehn  selbst  in  den  Gesetzen 
verschafft,  der  wesentliche  Ausdruck,  der  vornehmliche  Trä- 
ger   des    mobilisirten  Kapitales,    des   persönlichen  Credites, 


II.    1.  Dontsclihimls  wirthschaftlicher  Ziistaiul  etc.  31 

bei  welchem  iiuui  den  Zins  ohne  dessen  Verknüpfimg  mit 
dem  G-rmid  mid  Boden  emfaeh  vom  Kapitale  selbst  zahlt,  der 
Boden  aber  (und  seine  folgenden  Besitzer)  dem  Gläubiger 
lediglich  als  Sicherheitsobjekt  für  Rente  und  Kapital  gelten. 
Endlich  fällt  auch  das  Letztere  fort,  der  persönliche  Credit 
macht  aus  den  Resten  des  Rentenkaufes  ein  zinsbares  Darlehn, 
das  indess  längst  bereits  auch  neben  dem  Rentenkaufe  gekannt 
und  geübt  ^mrde.  Im  Zinse,  in  den  Uebertragungen  des  Grund - 
Eigens,  durch  den  Aufschwung  des  Handels,  des  Gewerbes 
mehrt,  entwickelt,  verbreitet  sich  das  Kapital  und  wirkt  wieder 
segensreich  auf  seine  Förderer  zurück.  In  den  Städten  zuerst  bie- 
ten sich  den  Gewerben  in  einer  mit  ihnen  und  durch  sie  wachsen- 
den Stärke  Arbeit  und  Kapital ,  hier  erhebt  sich  ihr  Unterneh- 
mungsgeist ,  dass  sie  naturwüchsig  sich  zn  politischen ,  kirch- 
lichen, militairischeu,  geselligen,  vor  Allem  aber  zu  gewerblichen 
Zwecken  das  vortrefflich  sichere  Fundament  der  Zunft  errichten, 
ja  fast  an  unsere  modernen  Genossenschaften  heranstreifen,  hier 
vornehmlich  entfaltet  die  volle  Kapitaluutzung  ihre  Kräfte  und 
zeitigt,  so  weit  das  Gewerbe  es  vermochte,  den  persönlichen 
Credit.  Dabei  währt  nicht  eüie  unfruchtbare,  ja  gefährliche 
Feindschaft  zwischen  Landbau  und  Gewerbe,  sondern  das  in 
den  Städten  gehäufte  Kapital  wirkt,  vornelimlich  zuerst  durch 
Vermittlung  der  Kirche,  auf  die  Vervollkommnung  der  Land- 
wii'thschaft  nach  den  verschiedensten  Seiten  hin  zurück  und 
eröffnet  der  Landwirthschaft  einen  neuen,  ergiebigen  Markt 
ihrer  Produkte  in  den  Städten.  So  steigert  sich  die  Produktion 
des  Landbaues  weit  über  die  fi'ühere  Grenze  des  blossen  Unter- 
haltes der  Landbewohner  und  andererseits  finden  die  städti- 
schen Gewerbe  Verzweigungen  und  Ergänzungen  in  den  auf 
dem  Lande  getriebenen.  Daneben  wird  auch  liier  der  Begriff' 
des  mobilisirten  Kapitales  der  vom  Boden  unabhängigen  Frei- 
heit und  Arbeit  mehr,  als  ein  blosser  Begriff". 

Neben  dem  Gewerbe  schreitet  die  Entwicklung  des  Han- 
dels emher.  Auch  er  lag  zuvor  in  engsten  Grenzen  befangen ; 
wo  er  durch  das  Blut  der  Völkerkriege ,  den  Tritt  der  wan- 
dernden Stämme  nicht  erloschen  war,  betheiligteu  sich  an 
ihm  zunächst  nur  Mönche  und  Juden,  die  sich   beide  frühe 


32  II.    1.  Doutstlilaiitls  wirthschaftlichor  Zustaiul  etc. 

geuug  in  den  alten  Hauclelssitzeii  an  Rhein  niul  Donau  linden. 
Allein  die  Bedürfnisse  des  Inlandes  erweisen  sicli  noch  zu  kind- 
lit-'ii  gering,  zu  wenig  weeliselnd,  sie  bescliränken  sich  fast  nur 
auf  die  herrschenden  geistlichen  und  weltliihen  Klassen  der  Be- 
wohner, —  der  Zwischenhandel  zwischen  verschiedenen  Län- 
dergebieten andererseits  ist  zu  wenig  in  Uebung,  zu  gefahrvoll, 
zu  unergiebig,  das  Misstrauen  der  handelnden  Parteien  zu 
gerechtfertigt,  allgemein  die  thatsächliche  und  rechtliche 
Sicherheit  derselben  zu  schwankend,  als  dass  der  Handel  über 
die  nächsten  räumlichen  Grenzen  hinaus  sich  hätte  erstrecken 
und  die  Fesseln  des  unmittelbarsten  Eigenhandels  hätte  spren- 
gen können.  Dazu  kommt  der  Mangel,  die  Unvollkommenheit 
der  Zahlmittel ,  ^)  der  Verbindungswege ,  das  Entbehren  schnel- 


1)  Tacitus.  German.  5.  16.  Plinius.  hist.  nat.  XIX.  2.  In  grösserer 
Menge  zeigte  sich  die  Münze  vielleicht  erst  ini  15.  Jahrhundert,  vornehm- 
lich nach  Erschliessung  der  Bergwerke  von  Meissen  und  Böhmen ,  die  Sil- 
bermünze erst  im  16.  Jahrhundert.  U.  A.  weisen  die  Medi-igkeit  der 
Preise,  der  meist  hohe  und  durchweg  äusserst  schwankende  Curs  der 
Münzen,  die  gesetzliche  Beschränkung  des  Prägens  ,  die  Vorschriften  über 
den  Gebrauch  fremden  Geldes  an  fremden  Orten,  der  oft  nocli  in  ausge- 
dehnter Weise  angewendete  Tausch,  die  grosse  Noth  bei  Zahlung  bedeu- 
tender Summen  selbst  dort,  wo  der  Credit  des  Zahlers  gesichert  ist,  des- 
halb das  ewige  Zurückgreifen  der  Geldbedürftigen  auf  die  Juden  und 
Wechsler,  zumal  die  italischen  Banken  und  Zweigbanken  im  Auslande, 
welche  durch  keine  Konkurrenz  beeinträchtigt  wurden .  die  Nothwendig- 
keit,  sich  ungeprägter  Metalle  zu  bedienen  u.  v.  A.  darauf  hin.  Die  Quel- 
len sprechen  u.  A.  so  viel  von  dem  bedeutenden  Handel  in  Ungarn  im  13. 
Jahrhundert;  und  doch  war  zu  dieser  Zeit  in  Ofen  nur  ein  Pächter  zur 
Entscheidung  der  Prozesse  unter  40  Dukaten  Werth  eingesetzt  und  dieser 
hielt  nur  3 mal  wöchentlich  Sitzung.  Zur  selben  Zeit  dagegen  fungiren  in 
Schaffhausen  statt  solches  einen  Richters  zwölf,  wenn  anders  diese  nicht 
Schöffen  sind.  cf.  Ofener  Stadtrecht,  ed.  Michnay  u.  Lichner.  Pres- 
burg  1845.  4.  p.  63.  n.  67.  p.  105.  n.  167  u.  170.  —  v.  Meiern,  Von  der 
Rechtmässigkeit  des  sechsten  Zinsthalers.  Hannover  1732.  §.  XI.  — 
Hüllmann.  Geschichte  des  Ursprungs  der  Städte.  Frankf.  a/0.  1806.  U. 
p.  246.  —  Friedr.  v.  Raumer,  Hohenstaufen.  V.  p.  395  ff.  —  Estor. 
Deutsche  Rechtsgelahrtheit.  Marburg  1758.  11.  §.  3620.  —  Sententia 
de  argento  renäendo.  (1234.)  Pertz,  legg.  II.  302.  —  Orth.  Anmer- 
kungen zur  Frankfurter  Reformation  1731.  I.  p.  611.  —  Sartorius, 
u.  Lappenberg.   Gesch.   der  Hansa.  I.  p.  361.  364.  390.  395.  648.  — 


n.   1.  Deutschlands  wirthschaftlicher  Zustand  etc.  33 

1er,  ja  überhaupt  fast  aller  Haiidelsiiaebrichten ,  die  Unkennt- 
niss  der  Yersidierungen  u.  s.  w.  AUiiiälilich  ei-st,  wie  dort  bei 
dem  Aiifblülioii  der  Gewerbe,  beseitigt  das  fortschreitende 
Avirthschaftliche  luid  politische  Geschick  der  Bewohner ,  —  und 
zwar  das  politische  gerade  üi  Deutschland  oft  gegen  seinen  An- 
schein und  ohne,  ja  wider  seineu  Willen  —  die  vornehmlichen 
der  obigen  Hindernisse,  es  steigert  insbesondere  die  Bedürf- 
nisse, befruchtet  und  sichert  Kapital  und  Kapitalinitzmig, 
reizt  die  Arbeitslust,  den  Unternehmungsgeist  durch  Sicherung 
des  Besitzes  imd  Eröffnung  reicher  Quellen  des  Gemnnes.  Die 
„Geschlechter"  nehmen  zunächst  trotz  ihrer  patrizialen  Stel- 
lung regsten  Antlieil  am  Gross -Handel  und  häufen  m  Land- 
besitz und  Renten  ihre  Schätze  auf,  welche  sie  im  Handel  er- 
warben. Juden  und  Wechsler  stellen  sich  wü'ksam  ilmen  zur 
Seite.  Wo  die  Kraft  des  einzelnen  Handeltreibenden  niclit 
ausreicht,  bilden  sich  Vereme  von  Kaufleuten  der  vornehmlich 
betheiligten  Städte ,  zumal  in  den  begüterten  und  einflussrei- 
chen Patrizierfamilien,  ja  diese  Städte  verbinden  sich  selbst 
danach  in  verschiedenster ,  mannigfach  in  einander  geflochte- 
ner Art ,  Ausdehnung  und  Mitteln.  lieber  seine  lokalen  Gren- 
zen kümmerlicher  Kramerei  hinaus  erweitert  der  Verkehr 
sich  zum  Gross  -  mid  Z^vischenhandel  betheiligter  Nationen, 
aus  dem  Eigenhandel  zweigt  sich  der  Commissions  -  mid  Spe- 
ditions  -  Handel  ab,  mid  das  Resultat  dieser  Entwcklung, 
speziell  dieser  Arbeitstheilung ,  ist  auch  hier  die  Ausbildung 
des  persönlichen  Credites ,  der ,  wenn  er  auch  zuvor  niclit  so 
völlig  erloschen  war,  als  einzelne  Schriftsteller  aus  einsei- 
tig herangezogenen  Gesetzesstellen  beweisen  wollen,  doch 
jetzt  in  dem  vorgeschrittenen  Stadium  des  Handels  sich  als 
uothwendiges  Vorbedingniss  und  selbstthätig  weiterzeugende 
Frucht  desselben  ergab. 

Indessen ,  was  bisher  über  die  wthschaftliche  Entwick- 
lung   des  Gebietes    deutscher   Stämme    angedeutet    worden, 


Hirsch,  Handels-  u.GewcrbsgcschichteDanzigs. Leipzig  1858.  p. 240 ff. — 
Neuraann,  Geschichte  des  Wechsels  im  Haiisagebicte.  Erlangen  18G3. 
p.  2  ff.  —  ders.  Zeitschrift  für  Handelsrecht  Ced.  Goldschniidt)  VII. 
Beil.  —   cf.  bes.  unt.  die  Abschn.  über  J  uden  und  Wechsler.  V.  4.  5. 

Neuiiiaun,  Gesch.  d.  Wuchers.  o 


34  TT.    1.  r>outs;olilaiids  wirtliscliaftlicliov  Znstand  etc. 

bezieht  sich  aiitaugiieh  nur  auf  die  südlichen  und  westlichen 
Tlieile  dieses  Gebietes.  Hiev,  insbesondere  in  den  durch  ihre 
Gescliichte ,  ihre  fruchtreiche,  angebaute,  handelsgünstige  Lage 
ausgezeichneten  Gegenden  im  Stromgebiete  des  Rheines ,  der 
Donau ,  an  den  altlimiihmten  Heer  -  und  Handelsstrassen ,  in 
der  Nähe  des  entwickelteren  Galliens,  unter  dem  unmittelba- 
ren Schutze  luid  der  weitreichenden  Fürsorge  der  geistlichen 
und  weltlichen  Herrschersitze ,  der  Reichsversammlungen ,  der 
Klöster  zeigten  sich  die  frühesten  Keime  aufsteigender  Kultur, 
liier  trieben  sie  ihre  ersten  und  nachhaltigen  Blüthen.  Schon 
unter  den  Merovingern  erstehen  Köln,  Mainz,  Strassburg, 
Basel,  Regensburg,  unter  den  Karolingern  dehnen  sich  bereits 
die  Haudelslinien  von  Strassburg  nach  Frieslaud,  im  10.  Jahr- 
hundert von  Mainz  und  Köln  zur  Nordsee  und  durch  das  Innere 
Deutschlands  längs  der  Donau  bis  Konstantinopel  aus,  seit  dem 
11.  Jahrhundert  beginnt  der  Wetteifer  zwischen  Köln  und 
Mainz,  aus  dem  endlich  Köln  durch  seine  grossen  Handels- 
beziehungen nach  England  und  den  Niederlanden,  so  wie 
durch  die  Theilnahme  am  Hansabmide  siegreich  hervorgeht. 
Schon  im  12,  Jahrhundert  erstreckt  sich  der  Handel  Kölns 
über  Europa,  von  England  bis  an  den  Bosporus  und  das 
schwarze  Meer.  Der  Handelszug ,  welcher ,  zumal  seit  den  für 
den  Handel  so  wichtigen  Kreuzfahrten ,  die  vielbegehrteu  Pro- 
dukte des  Orients  durch  das  uralte  Culturbecken  des  Mittel- 
meeres über  die  grossen  Handelsplätze  Italiens  gen  Norden  an 
den  reichen  Weltmarkt  Brügge's  führt,  häuft  die  Schätze  und 
zeitigt  die  wirthschaftliche  Reife  in  Augsburg,  Ulm,  Prankfurt, 
in  Nürnberg,  Würzburg  und  Bamberg;  er  sichert  ihre  Verbin- 
duntr  mit  den  nördlichen  und  südlichen  Handelsvölkern,  er 
ermöglicht  ihren  sorgsam  gepflegten  Verkehr  mit  Spanien  und 
Frankreich ,  er  trägt  die  so  überaus  fruclitbaren  Keime  staatli- 
chen, kirchlichen,  allgemein  geistigen  Lebens  m  das  Abend- 
land herüber.  ^) 


1)  cf.  i\.  V.  A.  bes.  Arnold,  Verfassungsgesch.  der  deutsch.  Freistädte. 
HainLurg  u.  Gotlia  1854.  —  Ders.  Zur  Gieschichte  des  Eigentliunis  in  den 
deutschen  Städten.  Basel  hei  IT.  Georg.  1861. 


n.   1.  Deutschlands  wirthschaftlicher  Zustand  etc.  35 

Dagegen  stehen  der  Zeit  naeli  der  Norden  und  Osten 
Deutschlands  anfänglicli  bedeutend  zurück;  für  diese  Distrikte 
gilt  noch  ein  Jalivli.  später  als  zutreffend,  was  oben  zur  Schil- 
derung der  unteren  Stufe  des  Verkehrs  berührt  worden.  Was 
nach  Verdrängung  der  hier  anfänglich  ansässigen,  kaum  kulti- 
virten  Deutschen  von  der  darauf  errichteten  Slaven- Herrschaft 
durch  Helmold,  Arnold  u.  A.  berichtet  wird,  entzieht  sich  an 
dieser  Stelle  schon  als  ,, nichtdeutsch "  der  Beurteilung;  dazu 
gesteht  jene  Ueberlieferung  trotz  ilires  überschwänglichen  Lob- 
preises zwischen  den  Zeilen  deutlicli  ein,  wie  ungleich  entwi- 
ckelt, wie  schwankend  der  Verkelir  bei  der  gewiss  nicht  mytlieu- 
haften  Blüthe  der  weltbekannten  Handelsplätze  am  Ostseege- 
stade von  Holstein  bis  Livland  bestand ,  gewissermaassen  ein 
nomadenhafter  Handel.  Bedürfte  es  eines  weitereu  Beweises  sei- 
ner geringen  Grundlage  in  der  sonstigen  Culturentwicklung  der 
dort  wolmenden  Slaven,  so  genügt  es,  auf  das  jähe  Verlöschen 
aller  dieser  Herrlichkeit  bei  dem  Herandrängen  der  Deutschen, 
der  Träger  gefestigter  Cultur,  hinzuweisen,  welche  seit  Karl  dem 
Grossen  in  zwei  neuen  Völkerzügen  nach  den  Ufern  der  Ostsee 
und  die  Donau  entlang  gen  Ungarn  und  Böhmen  den  Gebie- 
ten Bildungsfäliigkeit  von  Westen  her  zurückbrachten,  als 
die  eherne  Völkerwanderung  von  Osten  alle  Keime  der  Cultur 
in  ihnen  zertreten  zu  haben  schien.  Aber  auch  die  nachmals 
so  berühmten,  als  Stätten  des  entwickelten  Verkehrs  bewähr- 
ten Orte ,  welche  die  Schritte  jener  zwei  Culturzüge  der  Deut- 
schen wie  Marksteine  kennzeichnen,  müssen  zunächst  wegen 
des  steten  Bingens  mit  den  Gegnern  im  Osten,  den  Feinden  im 
Norden  weit  hinter  den  begünstigten  Kivalen  in  Süd  und  West 
zurückbleiben.  Vom  9.  bis  13.  Jahrhundert  erst  sichern  sie 
allgemacli  sich  die  Grundsteine  ihrer  späteren  Wirksamkeit. 
So  erstehen  Bremen,  Hamburg,  Magdeburg,  Soest,  Stendal, 
Halberstadt,  Salzwedel,  Lüneburg,  Braunschweig,  Halle, 
Lübeck  u.  A.  Seit  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  erst  bilden 
sich  die  fruchtreichen  Vereinigungen  der  Städte  nach  vorauf- 
gegangenen Verbijidungen  ihrer  Kaufleute,  noch  später  (1260. 
1269)  beginnen  in  den  Städten  Bölimons,  Mährens,  Ungarns 
die  Gewerbe  sich  im  Kampfe  mit  ihren  liier  fast  vielseitiger  als 

3* 


•](•>  11.   1.  Dontsflilaiids  wirtliscliiifiliclior  Ziislniid  otc. 

im  AVosten  aiiftTotoiKlcn  Widersachern  onipor/uarbeiten.  1285 
erwirbt  der  deutsche  Orden  erst  Preussen,  1343  öffnet  sich 
Dnnzig  endt,n"ilti2f  der  deutschen  Cnltur.  Dann  freilich  seit  der 
Mitte  des  14.  Jalirhumh'rts  entwicl<elt  sich  liier  —  abgesehen 
von  einigen  früheren  Ausnahmen  —  das  Gewerbe  schneller, 
als  in  den  Städten  von  Süd-  und  West -Deutschland,  weil  der 
Fortschritt  hier  vermöge  der  Natur  der  Einwanderungen ,  die 
eine  bestimmte  Culturstufe  in  sich  trugen ,  und  die  in  Masse 
übersiedelnd  sofort  Feststellung  ihrer  Verliältnisse  verlangen 
mussten  und  durchsetzten ,  nicht  mühsam  Schritt  um  Schritt 
sich  herausarbeiten  durfte,  sondern  trotz  der  grösseren  Zahl 
einflussreicher  Gegner  jedesmal  als  „abgeschlossenes  Gebilde" 
siegr*eich  emporsteigt.  —  Desgleichen  erhebt  sich  der  Handel 
seitdem,  Dank  der  vortrefflichen,  grossartigen  Anlage  des 
Hansabundes,  der  zähen  Verwirklichung  seiner  Grundsätze, 
den  günstigen  politischen  und  wirth schaftlichen  Gestaltungen 
im  nahen  und  fernen  In  -  und  Auslande ,  der  unmittelbaren 
und  mittelbaren  Einwirkung  von  im  Handel  damals  ausge- 
zeichneten Nationen ,  wie  der  Italiener,  auf  die  Gestaltung  des 
Verkehrs  ini  Hansagebiete  u.  s.  w.  zu  einer  Höhe ,  wie  sie  die 
zumal  vom  Meere  ausgeschlossenen  und  von  mächtigen  Rivalen 
in  Italien  beschränkten  Handelsplätze  in  Süd-  und  Südwest - 
Deutschland  nicht  erzielen  und  bei  der  äusserst  regen  Eifer- 
sucht der  Hansastädte  gegen  sie  nicht  theilen  konnten.  Ja  letz- 
tere Städte  sinken  gerade  seit  dem  und  durch  das  Emporkom- 
men der  nördlichen  und  östlichen  deutschen  Handelsstädte, 
durch  die  gleichmässige  Ausbreitung  der  Cultur  in  diese  Th eile 
des  Reiches,  durch  das  Aufliören  des  Handelsmönopoles  so. 
bedeutend,  dass  sie  sich  seitdem  niemals  mehr  zu  der  alten 
Grösse  hinaufgearbeitet  haben.  ^) 


1)  cf.  Sartorins-Lappcnherg',  1.  c.  —  Hirsch,  1.  c.  —  Arnold, 
1.  c.  —  Hinsichtlich  der  allmählich  wachsenden  Verbreitung  des  persönli- 
chen Credites  in  diesem  Ländergehiete  cf.  Neumann,  Gesch.  d.  Wechsels 
im  Hansageh.  Erlangen  1863.  p.  lü  tf.  u.  die  Noten.  —  Wenn  die  Gesetze 
im  14.  .Jahrh.  hier  den  Credit  beschränken  ,  so  können  sie  zum  gi-össeren 
Theile  noch  als  Ausdnick  des  Verkehrscharakters  angesehen  werden.  So 
wenn  im  Prager  Stadtrecht  art.  1,3.  (cf.  Rössler,  Altprager  Stadtrecht. 


II.   2.  Eiii(h-iii<(oii  des  Wiicliervcrbotes  in  DcHtsdiland.  37 

2.     Das  Eindringen  des  Wucherverbotes  in 

Deutschland. 
Bereits  ehe  die  kanoiiistischen  Zinsvorschriften  in  Gra- 
tians  Dekrete  ihre  erste  lialb  systematische  Zusammenstel- 


Prag  1845.)  bestimmt  wird:  ..Item  ez  sol  auch  deliein  purger  noch  dchein 
gast  weder  golt  noch  silber  vevkoul'en  noch  liin  borgen  ouf  ein  tag;  er  sol 
cz  liin  geben  n\T  vmb  bereite  pfenninge,  daz  man  ez  wege  vnd  ouch  im 
liin  trage  bi  der  buze  di  licr  nacli  gesezet  ist."  Dasselbe  ist  im  art.  14  von 
allen  Darlehen  vertretbarer  Sachen  verordnet ;  deshalb  soll  auch  die  Klage 
auf  Rückzahlung  in  4  Wochen  verjähren,  cf.  ib.  Einleitung  p.  LXII.  Zu- 
vor, i.  J.  12IMJ.  war  jeder  Bürger,  der  von  einem  fremden  Kaufmanne 
Waaren  auf  Credit  bis  zum  nächsten  Tage  gekauft  hatte,  gesetzlich  ver- 
pflichtet ,  die  Fristbewilligung  der  Stadtobrigkeit  anzuzeigen,  (cf.  Eö ss- 
ler, Ueber  Bedeutung  und  Behandlung  des  Bechtes  in  Oesterreich.  Prag 
1847.  Anhang  zum  Altprager  Stadtrecht  Ottocars  II.  1269.  A.  102.).  — 
Dagegen  i.  15.  Jahrh.  hatte  sich  der  Credit  selbst  hier  so  weit  entmckelt, 
dass  wenn  trotzdem  in  den  Gesetzen  sich  dergleichen  Beschränkungen, 
wie  oben  in  dem  Prager  Stadtrechte ,  wiederholen ,  dieses  entweder  daran 
liegt ,  dass  man  vormalige  Sicherheitsbedenken  im  Verkehre  uaturgemäss 
ängstlich  festhielt,  oder  aber  es  ist  nur  auf  besondere  notlnvendige  Bück- 
sichten  gegen  das  Ausland  oder  auf  spezielle,  lokale  Ursachen  zurückzufüh- 
ren. So,  wenn  1417  noch  auf  der  Tagefalirt  in  Lübeck  ausdrücklich  un- 
tersagt wird.  Niemand  solle  Hering  kaufen ,  ehe  er  gefangen,  Korn,  ehe  es 
gewachsen,  Gewand,  ehe  es  gemacht  —  ein  Anklang  an  den  Kauf  der  Früchte 
auf  dem  Halme  (cf.  III.2.  c),  und  gerade  in  dem  vor  reichen  Hinterländern 
liegenden  Theile  des  Hansagebietes  ein  besonderer  Gegensatz  gegen  das 
seit  lange  selir  gebräuchliche  Geschäft  der  Lieferungsverträge ,  bei  denen 
stets  ,  wie  noch  heute  z.  B.  in  den  Vorländern  von  Russland .  Polen ,  Gali- 
zien ,  der  Kaufpreis  meist  ein  Jahr  vor  der  Lieferung  entrichtet  wurde. 
Desgl.  wenn  noch  1424,  1434  jeder  Credit  an  Nichthanseatcn  verboten 
ward ,  oder  wenn  es  noch  1490  heisst  (cf.  D  a  n  z.  Arch.  Urk.  30.  n.  377.) : 
„Uns  is  ok  tor  Kentnisse  gekomen  von  etlike  coplude  vth  den  Anze  Stedern 
to  lunden  in  Engelaut  vud  dar  ym  Ryke  mit  vorsate  merkliken  van  den 
Engeischen  vpborge  ,  darentiege  neue  gudere  hebbende,  darmede  se  beta- 
len  vnde  loven  holden  können  mit  sulcken  gudern  vth  Engelant  bederchli- 
ken  versende  vnde  den  Engeischen  sdiuldich  bliuende  dar  durch  den  an- 
dern vprichtigcn  coplude  lone  gans  zer  wert  gekrcnket "     Schon  1418 

war  U.A.  jeder  Creditkauf  der  Hanseaten  gestattet,  mit  Ausnahme  des 
Handels  mit  Russen.  Hirsch,  I.e.  p. 233. —  Uebrigens  bietet  auch  die  so 
dürftige  Behandlung  aller  Creditvcrhältnisse  im  Sachsenspiegel  gegenüber 
dem  Schwabenspiegel  und  in  nicht  wenigen  norddeutschen  Stadtrechten  des 
13.  u,  14.  Jahrh.  einen  eingehenden  Belag,  (cf.  IH.  1.  c,  2.  a.)  Säramtliclie 


38  II.    2.  Eindrinpfoii  tlos  Wucliorvovbotos  in  Pentsclilaiid. 

hing  eihielten ,  hatten  dieselben  sieh  den  Weg  in  das  von  deut- 
schen Stäinnien  l)esctzte  Gebiet  des  Abendhvndcs  gebahnt.  ^) 
Kanni  war  abgesehen  von  den  vor  dieser  Zeit  begegnenden 
einzehien  Anhängern  oder  Gemeinden  des  cliristlichen  Glau- 
bens im  deutsehen  Gel)iete ,  welche  sich  bis  in  die  römischen 
Legionen  in  deren  Standlagern  an  lihein  und  Donau  verfolgen 
lassen  ^)  —  das  Christentlium  im  Merovingerreiche  durch 
Chlodwig  anerkannt,   so  bestrebten  sich   die  dort  ansässigen 


Concilien  ferner,  welche  im  Gebiete  der  dcutsclien  Stänmic  bis  zum 
13. ,  ja  14.  Jahrhundert  von  dem  Zinsverbote  sprechen ,  hatten  ihren 
Sitz  im  Süden  und  Westen  Deutschlands.  Schon  im  Jahre  829  klagt  der 
Bischof  von  Worms  in  einem  Briefe  über  die  hohen  Zinsen,  welche  die 
Kleriker  aus  Darlehen  von  Armen  fordern.  Regino  ,  dessen  Beziehungen 
zum  Zinsverbote  sogleich  zu  erwähnen  sind,  war  Abt  in  Trier.  Beleg, 
bieten  die  Concilien  von  Trier  1227.  1238,  Wien  12G7,  wo  besonders 
die  Salzburger  Diözese  wegen  der  in  ihr  gebräuchlichen  hohen  Zinsen 
getadelt  wird ,  von  C  ö  1  n  1300.  In  den  Concilien  von  Magdeburg 
selbst  aus  späterer  Zeit  (1383  — 1405)  wird  dagegen  von  Zinsen  oder 
Creditbeziehungen  Nichts  erwähnt.  Ja  in  den  Kirchenversammlun- 
gen der  Provinz  G  n  e  s  e  n  aus  dem  13.  Jahrhunderts  wird  stets  allge- 
mein der  Klerus  nur  ermahnt  zu  einem  ordentlichen  Leben  und  zur  Ent- 
haltung von  allen  unehrenhaften  Geschäften  und  ungebührlichem  Gewinne 
(turpelueruw)  ;  dagegen  nirgends  begegnet  das  Wucherverbot,  welches 
bei  den  anderen  Synoden  doch  gerade  in  diesen  Abschnitten  besonders 
hervorgehoben  zu  werden  pflegt,  cf.  Hube,  Antiquissimae  constitiitiones 
synodales  provinciae  Gnesnensis.  Petro]iol.  1856.  a.  v.  St.  (cf.  ob.  im 
Texte  p.  44.) 

1)  Unabhängig  hien'on  natürlicli  findet  sich  der  Bcgriif  des  kanoni- 
stischen  Wuchers  in  den  Exem]daren  der  heiligen  Schrift,  welche  im  Ur- 
texte oder  in  Uebersetzungen  nach  Deutschland  gelangten.  So  heisst  es  in 
Ulfilas  Bibelübersetzung  Lucas XIX.  23:  „Jah  qimand  mith  vokra  ga- 
lausidedjau  thata"  (und  kommend,  mit  Wucher  hätte  ich  es  gefordert)  cf. 
III.  1.  a.  (u.)  2)  Wahrscheinlich  bildete  sich  in  Woiins  bereits  im  3. 
lahrh.  eine  Gemeinde  imter  einem  Bischof.  Bischof  Maternus  erweist 
die  Existenz  der  christlichen  Lehre  zu  Cöli\  im  4.  Jahrb.  Bischof  Sidonius 
dieselbe  zu  Mainz  (550).  Durchweg  allerdings  datirt  die  feste  und  gesi- 
cherte Existenz  und  Verbreitung  des  Cliristcnthums  in  diesen  Gegenden 
immer  erst  seit  der  fränkischen  Periode.  Unter  König  Dagobert  (630) 
war  Worms  wieder  ein  Bischofssitz.  Rettberg,  Kirchengeschichte  von 
Deutschland  I.  p.  203.  213.  536.  Schannat,  bist.  ep.  Worm.  I.  309.  II. 
7.  22.  38 ff.  Act.  Pal.  7.  61.  217.  Moritz,  Urspr.  d.  Reichsstädte  p.222. 


IT.   2.   Eindvincfon  rlos  Wnchcrvovhotcs  in  Deutschland.  30 

Kleriker,  unter  anderen  Mitteln  durch  Sammlung?  der  vor- 
nehmlichen Concilienheschlüsse  dos  Orientes  der  jungen  Kirche 
und  sich  selbst  im  Abendlaude  das  sichere  Fundament  der 
geschichtlichen  Ueberlieferung  unterzubreiten ,  um  darauf  ihre 
und  der  Kirche  weitere  Machtentfaltung  zu  begründen.  ^)  Iii 
diesen  Privatsammlungen  und  dem  etwa  hinzukommenden 
mündlichen  Eifern  der  Kleriker  für  die  ihnen  in  ihrer  geistigen 
Geburtsstätte  im  Oriente  oder  Italien  eingeimpften  Grundsätze 
betraten  die  verhängnissvollen  Zinsgesetze  der  Kirche  den  ihnen 
gleich  verhängnissvollen  deutschen  Boden,  allgemein  eher,  als 
hier  der  Verkehr  so  weit  herangereift  war ,  dass  diese  Gesetze 
im  Volke  irgend  welche  praktische  Anwendung  zunächst 
finden  konnton.  Von  dieser  Zeit  ab  bot  nun  die  Stellung  der 
Kleriker  im  Abendlande  eine  Kette  von  Gelegenheiten ,  unter 
den  anderen  Glaubenssätzen  der  Kirche  auch  diesen  im  Volke 
zu  verbreiten  und  so  gOAvissermassen  den  Geist  der  Gesetzgeber 
und  des  Volkes  für  die  gefährliche  einseitige  Theorie  gefangen  zu 
nehmen,  ehe  in  der  Praxis  sich  auch  nur  die  Möglichkeit  gebo- 
ten hatte,  die  Richtigkeit  dieser  oder  einer  ihr  entgegenstehen- 
den Auffassung  varthschaftlicher  Grundbegriffe  und  Gesetze, 
wie  Kapital,  Kapitalnutzmig,  Kredit  u.  a.,  zu  prüfen  und  gegen- 
einander abzuwägen.  Kleriker  waren  die  Hauptberather  der 
Fürsten  und  Gesetzgeber  am  Throne  und  im  Beichtstuhle,  Kle- 
riker danach  selbst  Fürsten  und  Gesetzgeber,  Kleriker  die 
Lehrer  des  Volkes;  sie  erfüllten  alle  Schichten  der  Gesell- 
schaft, mit  der  fortschreitenden  Kultur  gen  Nord  und  Ost  alle 
Theile  des  deutschen  Gebietes ;  „  ad  leudum  conciones  "  werden 
sie  berufen,  sie  halten  die  Provinzialsynoden,  sie  die  Conci- 
lien  ab.  Wie  das  Christenthum  im  Mittelalter  mit  seinen 
Vorstellungen  alle  Gebiete  der  Thätigkeit  des  Geistes  und  Kör- 
pers in  einer  uns  völlig  fremd  gewordenen  Weise  durchdrang, 


1)  cf.  Eichhorn.  Deutsche  Rechtsgeschichte.  3.  Aufl.  §.  28. 
§.90—01.  —  Züpfl.  Deutsche  Rechtsgcschichte  3.  Aufl.  18.58.  §.28. 
—  Pabst  Hadrian  .soliickte  selbst  später  an  Karl  den  Grossen  eine 
Sammlung  der  Beschlüsse  sämmtlicher  vor  ihm  abgehaltener  wichtiger 
Concilien.  (cf.  Rosshirt,  Geschichte  des  Rechtes  im  Mittelalter!.  i).43. 
§.  13.  n.  3.) 


40  II.    2.  Einilriiicfoii  dos  WncluMViMliotos  in  Denipclilniid. 

SO  vorniochton  aiu'li  die  Prediger  dieser  Lehre  in  alle  jene 
Gebiete  7.ur  Verwirldicliung  ihrer  Grundsätze  selhstthätig  ein- 
zuETi'eifcn,  dass  sie  seihst  für  sich  und  die  Kirche  sogar 
Gewerbe  und  Handel  treiben,  (cf.  unten  besonders  die  Bethei- 
ligung der  Kleriker  an  dem  Geldtransporte  aus  den  nor- 
dischen und  deutschen  Ländern  nach  Rom  und  Avignon 
u.  s.  w.)  ^)  Wenn  dieses  Heer  der  Kirche  -  seit  Stiftung 
und  Ausbreitung  der  Mönchsorden  im  eigentlichen  Sinne 
des  Wortes  ,  durchdrungen  von  dem  Corpsgeiste  der  kirch- 
lichen Phalanx,  besonders  seit  der  7A\  beiderseitigem  Nutzen 
geknüpften  engeren  Verbindung  zwischen  den  beiden  Schwer- 
tern der  Christenheit,  Kaiser  Karl  und  dem  Pabste  zu  Rom, 
den  einzelnen  Sätzen  ihrer  Lehre  im  Gebiete  der  Theorie 
und  Praxis  Anhang  und  Fortschritt  zu  gewinnen  strebten ,  wo 
durfte  nach  Mitteln  gesucht  werden!  Was  Wunder,  dass  dann 
die  Zinsgesetze  der  Kirche  bereits  in  die  Kapitularien  Karls 
des  Grossen  übergingen,  wie  sogleich  zu  berühren;  dass  Karl 
selbst  zur  weiteren  Verbreitung  dieser  und  anderer  Bestim- 
mungen der  Kapitularien  dieselben  in  die  Abfassmig  der 
Volksrechte  aufzunehmen  befahl;  dass  abendländische  Kleriker 
auf  Geheiss  der  Bischöfe  eben  diese  Stellen  der  kaiserlichen 
Gesetze  in  die  von  ihnen  veranstaltete  Sammlung  der  Canones 
einverleibten  und  so  als  Vorläufer  Gratians  sie  in  dessen 
Dekret  überlieferten.  ^)  Bischöfe  endlich ,  Aebte  und  Grafen 
nahmen  von  den  Reichsversammlungen  die  Kapitularien  zur 
Anwendung  mit  sich,   um  sie  an    den  einzelnen  Orten   ihrer 


1)  So  sassen  u.  A.  auf  dem  Concil  zu  Mainz  (742)  die  Biscliöfe  von 
Mainz ,  Cöln ,  Utrecht ,  StrassLurg ,  desgl.  757  in  besonderer  Einladung 
Carlnianns.  cf.  Rosshirt,  1.  c.  I.  p.  42.  2)  Ein  Beispiel  davon  ist  in 
den  Schriften  R e g i n 0 ' s ,  Abtes  zu  Trier,  erhalten.  Als  er  auf  Befehl 
des  Bischofs  von  Trier  Concilienbeschlüsse ,  Aussprüche  der  Kirchenväter 
und  Briefe  der  Pähste  sammelte ,  nahm  er  in  diese  Sammlung  von  Cano- 
nes wörtlich  die  Gesetze  Karls  des  Grossen  über  den  Wucher  auf.  cf. 
Eegino's  canones  in  J.  F.  S  ch  an  n  at,  concilia  Gernianiae.  Cöln  1759  bis 
1763.  p.  483.  —  Unter  anderen  fränkisclien  Schriftstellern  benutzte  dann 
Gratian  auch  diesen  Regino  mittelbar  durch  Burchard  von  Worms  bei 
Abfassung  seines  Dekretes.  (Rosshirt,  I.e.  I.  p. 44.  Richter,  Kirchen- 
recht p.  112  — 115.) 


II.    2.  Eindrinpen  des  Wucliorvorltoics  in  Dontscliland.  41 

Wirksamkeit  daheiin  bekannt  zai  machen,  besonders  durch 
Verlesen  in  den  Gerichtsversammliingen  und  durch  Verkün- 
duno: in  der  Kirche.  ^)  Al)scliriften  wurden  den  Grafen  und 
Send])oten  ZAigefertigt  7Air  Uel)erwacluing  der  Ausführung,  2) 
desgleichen  den  Erzbischöfen  und  Grafen ,  von  diesen  den  Bi- 
schöfen und  Getreuen  7Air  VeröflFentlichijng  und  Anwendung;-^) 
die  Sendboten  reisten  mit  den  Gesetzen  im  lieiclie  zur  Verbrei- 
tung der  Abschriften  und  der  Gesetze  umher.  '^)  So  gewann 
man  in  der  Kirche  die  Mögliclikeit,  bei  Anwendung  der  bishe- 
rigen Zinsbestimmungen  und  Ausdehnung  derselben  in  neue- 
ren Gesetzen  sich  auf  eine  Art  bei  allen  Völkern  vorhandenen 
Naturgesetzes,  ja  auf  die  öft'entliche  Meinung  dieser  Völker 
zu  berufen,  während  man  selbst  dieses  Naturgesetz  erzwungen, 
diese  öft'entliche  Meinung  gemacht  hatte. 

Eine  Aenderuiig  konnte  hierin  natürlich  niclit  eintreten, 
als  sich  das  grosse,  von  deutschen  Stämmen  innegehaltene 
Ländergebiet  zertheilte  und  Deutschland  im  engeren  Sinne,  der 
eigentliche  Boden  dieser  Untersuchung,  sich  absonderte.  Das 
Festhalten  an  den  Gesetzen  dn-  Päbste  musste  dem  Streben 
der  früheren  Kaiser  (seit  Otto  III.  bereits),  sich  auf  dem  Throne 
der  römischen  Weltlierrscher  zu  fühlen ,  nicht  geringen  Vor- 
schub leisten.  So  sagt  Kaiser  Friedricli  T. ,  in  richtiger  Folge 
der  Beschlüsse  des  llonkalischen  lieichstages ,  1170  in  emem 
Erkenntnisse  des  Iteichsgerichtes :  „Imperatorie  malestatis 
est  officium,  negotiis  imperii  iuxta  legiim  institiäa  et  cnno- 
n u m  dec r e t a  pacem  et  iustitlam providerc.'' ^)  Er  und  seine 
Nachfolger  ertheHen  den  Scholaren  des  kanonischen  Kechtes, 
■vvie  bekannt,  wesentliclie  Vorreclite;  mit  kirchenrechtlich 
gebildeten  Beamten  füllen  sicli  die  Kanzleien  der  Gesetzge- 
ber;*^) von  Heinrich  VI.   lobt  Albericus.  chron.  ad  1185: 


1)  cf.  Capit.  803.  805.   Monuin.  legg.  I.  p.  112.  130.   Edict.  Tistense 
(864)  c.  3.  2)  cap.  (803)  cp.  8.   Pcrtz ,  1.  c.  p.  120.  3)  cap.  (825) 

c.  26.  Pertz,  1.  c.  p.  216  u.  p.  128.  164  ff.  53.  (787).  4)  cap.  853.  c  1. 
Pertz,  p.  423.  cap.  806.  ib.  |i.  146,  805.  p.  131,  817,  825.  c.  3.  p.  210. 
247.  5)  Monuni.  legg.  II.  p.  141.  6)  Unter  Mitwirkung  der  Für- 
sten u.  der  Qucllciuuislegung  selbst  bildet  sich  aus  den  gelehrten  Juristen 
eine  dem  niederen  Adel  gleiche  Stute  der  Gesellschaft.  Wetzcll,  System 


42  II.    -•  Eindiingoii  dos  Wncliervorl)otos  in  Dcntscliland. 

„ cnidHus  Apostolicl s  l u s f Itnti 8."  *)  Und  so  durfte 
Kaiser  Friedrich  IL,  'svie  sehr  man  ihn  auch  in  anderen  Bezie- 
Inincfen  als  UeberAvindor  der  Vorurtheile  seines  Zeitalters, 
als  Freigeist  und  Propheten  der  Zukunft  preist,  nachdem  er  in 
den  Consta utiones  regni  SiciUae  sich  zu  den  Grundsätzen  des 
kanonischen  Zinsverhotes  mit  allem  Eifer  bekannt  hatte,  an 
sich  um  so  weniger  Bedenken  tragen,  bei  Zustimmung  der 
Reichsstände  unter  seinen  anderen  Gesetzen  zu  Gunsten  der 
Kirche  (speziell  der  Päbste)  und  zum  Nachtheile  der  Städte  ^) 
das  dccrctmn  Gratians  und  damit  die  Reihe  der  oben  erörterten 
Zinsbestimmungen  in  Deutschland  thatsächlich  zu  billigen,  wie 
man  es  bisher  rechtlich  in  seinem  unechten  Erlasse  geschehen 
glaubte :  „  Wir  gebieten  auch  vestiglich ,  dass  man  in  allem 
römischen  Reich  an  gaistlichen  dingen  nach  gebot  vnd 
nach  Ratt  des  Erzbischoff  sich  haltt,  vnd  der  bischoff  vnd 
der  Erzpriester  nach  gaistlichem  recht  vnd  wer  dawider 
ist ,  den  sol  man  haben  für  vnglavbig."  ^)  Ebenso  fanden  die 
Dekretalen  zur  Zeit  Rudolfs  von  Habsburg  1281  in  Deutsch- 
land Eingang ,  *)  denen  in  gleicher  Weise  die  ferneren  Theile 


des  Civilprozesses  (1858)  p.  243  u.  A.  —  Böhmer,  Eeg.  Eudolfi  N.  872. 
(1286.)  Reg.  Alb.  N.  378  (1.302),  für  Heinrich  VII.  (Pertz,  Monum. 
legg.  n.  p.  511.  1.310.  p.  526.  (1312.)  —  Leibiiitz,  script.  rer.  Bruusvic. 
n.  p.  664.  cf.  auch  E  i  c  h  h  o  r  ii ,  D.  E.  G.  III.  j».  280.  E  ö  s  s  1  e  r ,  Briinner 
Eecht  p.  123  flf.  der  Einleitung. 

1)  ed.  Leibnitius.  Hannov.  1698.  p.  367.  2)  Huillard-Brehol- 
les,  Friderici n. historia  diplomatica.  V.  201.  215.  279.  Eichhorn,  1.  c. 
§.  247.  G  a  u  p  p ,  Stadtrechte  I.  20  ff.  S  t  o  b  b  e ,  Geschichte  des  deutschen 
Eechtes  I.  a.  p.  473.  3)  a.  1220.  c.  1— 4.  Monum.  legg.  II.  243 ff. 
constit.  V.  Mainz  12.35  —  36.  cf. Goldast,  constitt.  II. p.  17.  Sencken- 
berg,  corp.  rer.  imp.  I.  24.  —  Eicger,  opuscul.  p.  203.  §.  XL  Wie  sehr 
das  „an  gaistlichen  dingen"  die  Beziehungen  der  Zinsgeschäfte  umfasste, 
erweist  sich  weiterhin  im  Texte.  —  Wenn  es  auch  bestritten  ist,  ob  Gra- 
tians Dekret  von  den  Päbsten  und  so  auch  in  Deutschland  als  „lex 
scripta"  anerkannt  und  promulgirt  worden  (cf.  Eichter,  Kirchenrecht 
g.  79.  _  Eichhorn,  deutsche  Eechisgeschichtc  §.  272.  — ),  wenn  ins- 
besondere obiges  Gebot  Friedrichs  II.  als  unecht  bezeichnet  werden  niuss, 
so  unterliegt  es  doch  keinem  Zweifel ,  dass  das  Dekret  thatsächlich 
in  Deutschland  Gesetzeskraft  besass.  (cf.  u.)  4)  Senckenb  erg,  1.  c, 
1.31.  Eieger,  ib.  §.  XVm. 


II.   2.  Eindringen  des  Wiidiervorbotes  in  Deutsollland.  43 

des  corp.  iuv.  canon.  folgten.  Wie  sehr  miisste  das  Dogma  an 
Festigkeit  und  praktischer  Geltung  gewinnen,  als  darauf  die 
grosse  Schaar  der  deutschen  Scholaren  nach  Italien  und 
Frankreich  zAim  Studium  des  kanonischen  zugleich  und  des 
römischen  Hechtes  strömte,  als  in  Deutschland  selbst  seit 
Karl  IV.  die  Hochschulen  erstanden,  welche  zuvörderst  mehr 
noch  das  Studium  des  kanonischen  als  das  des  römischen 
Rechtes  pflegten,  und  die  hier  und  an  den  ausländischen  Uni- 
versitäten gebildeten  Juristen  als  geistliche  und  weltliche 
Beamte  der  einflussreichsten  Stellungen  im  deutschen  Reiche 
theilhaft  wurden.  ^)     Aber  Avenn  in  der  Sammlung  des  corpus 


1)  In  Paris  wurde  1220 — 1568  nur  kanonisches  Recht  gelehrt 
(Leibnitz,  script.  rerum  Brunsvic.  II.  p.  657),  in  Folge  des  allgemein 
bereits  1210  ergangenen  Befebles  von  Honorius  III.  für  die  Geistlichkeit, 
nur  kanonisches  Recht  zutreiben,  (c.  10.  X.  3,  50.  Philipps  Kirchen- 
recht  I.  6<SS.  Savigny,  III.  p.  362 ff.)  —  Ueber  die  Verbreitung  deut- 
scher Studenten  auf  italien.u.  französ.  Universitäten  cf.bes.  Savigny, UI. 
p.  187.  193.  199.  283.  285.  403 ff.  —  G.  L.  Böhmer,  observatt.  iur.  ca- 
non. 1766.  VII.  p.  313  ff.  Im  12.  Jahrb.  studirten  die  Söhne  des  Landgrafen 
von  Thüringen  in  Paris.  (Tittmanu,  Heinrich  der  Erlauchte  II.  p.  75.) 
—  Bischof  Heinrich  von  Lübeck  studirte  im  12.  Jahrh.  mehrere  Jahre  in 
Paris.  —  In  Mainz  begegnet  1239  Philippus,  decretorum  doctor... 
(Böhmer,  cod.  di))lom.  Moenofr.  I.  p.  66.)  1244  —  46  Graf  Johann  und 
Gerhard  von  Holstein ,  dann  Herzog  Waldemar  von  Schleswig  in  Paris. 
In  Schlesien  cf.  Stenzel,  schlcsische  Geschichte  I.  p.  330 ff.  Ueber 
loannes  Teutonicus  (1225)  doctor  decretorum ,  cf.  Phil i]i  ]i  s  Kir- 
chenrecht IV.  1851.  p.  180  fr.  —  Karl  IV.  adelt  Wycker,  einen  Geistlichen, 
in  Mainz  „qiiia  utriiisque  iuris  tarn  canonici  quam  civilis  clara  scientia 
decoraris."  B  ö  h  m  e  r ,  cod.  diplom.  Moenofr.  I.  p.  675.  (1360.)  —  cf.  bes. 
Stobbe,  Gesch.  des  deutsch.  R.  I.  a.  p.  622  ff.  625.  N.  49.  N.  54.  —  An 
den  ersten  deutschen  Universit<äten  wird  besonders  das  kanonische  Recht 
von  auswärts  gebildeten  Juristen  gelehrt,  cf.  Hugo ,  civilist.  Litterärge- 
schichte  p.  188.  N.  1.  cf.  auch  ein  Analogon  für  Preussen  unter  dem 
segensreichen  Regimente  des  Hochmeisters  Winrich  v.  Kniprode.  Voigt, 
Gesch.  Preussens  V.  p.  100  ff.  Das  kanonische  Recht  musste  selbst  hi  die- 
ser gelehrten  Treibhausgestalt  in  Deutschland  um  so  mehr  gedeihen,  weil 
dasselbe  in  die  Praxis  der  Gerichte,  geistlicher  und  Aveltlicher,  seit  Jahr- 
hunderten eingedrungen  war.  „Unirersitates  canonistarum."  cf.  Tomek, 
Gesch.  der  Prager  ünivers.  p.  45.  Kiuk,  Gesch.  der  Wiener  Univers.  I. 
p.  102,   S  t  i  n  t  z  i  n  g ,  Ulrich  Zasius.  (p.  88.  327.  334  ff.) 


4-J  II.    'J.   Kinilriiij:joii  dos  Wuclw'ivnliotrs  in  Dcuisclilainl. 

iuris  rmio)nrl  die  Tluitigkeit  der  Päbste  hinsielits  dev  Zins- 
gesetze  mit  den  Clomentinon  abschliesst.  so  galt  es  in  x>raxl, 
die  dort  immer  nur  für  einzA'lne  Fälle  gegebenen  Eutscbeidun- 
gen  allgemein  anzuwenden,  auszudebnen,  systematiscb  zu 
vervollkommnen.  Darum  schreitet  jenen  gesammelten  Ent- 
scheidungen der  Päbste  eine  grosse  Ueihe  von  ferneren  Bullen 
derselben,  vor  Allem  aber  von  Concilien  und  Synoden  zur  Seite, 
in  welchen  mit  scholastischer  Schärfe ,  mit  zähester  Ausdauer 
und  eiserner  Consequenz  dem  immer  mehr  sich  entwickelnden 
und  unter  tausend  neuen  Gestalten  sich  auflehnenden  Ver- 
kehre das  aus  den  Dekretalen  und  ihren  schlussreichen  Folge- 
rungen gewundene  Netz  cinsclmeidcnder  Fesseln  über  den 
Leib  zu  l)reiten  gesucht  wird  bis  zur  endlichen  Entscheidung 
der  jalirhundertelang  schwebenden  Streitfrage.  Besonders  zu 
nennen  sind,  wegen  der  Behandlung  des  Wuchers  in  ihnen, 
die  Concilien  zu  Trier  1227.  1238,  Wien  1267,  Cöln  1300, 
Utrecht  1354,  Magdeburg  1383  —  1405,  Freysing 
1440,  Breslau  1446,  Constanz  1483;  unter  den  Synoden 
diejenigen  von  Breslau  1266,  Bamberg  1491.1506,  die 
von  Herzogenbusch  1571,  die  vonBesan^on  1571,  Culm 
1583,  Cambrai  1586,  Trient  1593,  Brixen  1603,  Con- 
stanz 1609  und  Sitten  1616.^)  Man  ersieht  auch  hier,  dass, 
wie  oben  (Anm.  1.  p.36.extr.)  erwähnt  wurde,  in  dem  13.u.  14. 
Jahrhundert  noch  die  Nothwendigkeit ,  Wucherverbote  zu  er- 
lassen ,  sich  auf  den  südlichen  und  westlichen  Tlieil  Deutsch- 
lands beschränkte,  (cf.  auch  ob.  II.  1.)  In  den  Synoden  der 
Gnesner  Provinz  aus  dieser  Zeit  (cf.  Hube,  1.  c.)  findet  sich 
trotz  der  oft  wiederholten  ausführlichen  Rüge  des  unordentli- 
chen Lebens  und  der  unehrsamen  Geschäfte  der  Geistlichkeit, 
ja  trotz  der  ausdrücklichen  Erwähnung,  dieselbe  müsse  sich 
alles  tiirpe  hierum  enthalten,  keine  Silbe  vom  Wucher  und 
Wucherverbote.     Auch  hinsichts  des  Darlehns  wird  nur  fest- 


1)  cf.  concil.  Germaniae.  XI  Torai.  fol.  ed.  J.  F.  Schannat,  Jos. 
Hertz  heim  (Tom.  I  — V.),  Cöln  1759  —  63.  H.  Scholl  (T.  VI  — IX.) 
ib.  1765—68.  Aeg.  Neissen  (T.  X.)  ib.  1775.  Jos.  Hesselmann 
(T.  XI  index)  1790.  —  Hube  antiquiss.  1.  c.  cf.  J.  H.  B  ö  h  m  e  r.  (ius 
eccl.  prot.  V.  19.  §.  XXI.) 


n.  2.  Eindringen  des  Wucherverbotes  in  Deutschland.  45 

gestellt,  cap.  37  der  synod.  Buden sis  v.  1279:  ne  ecclcsia- 
runi  rectoroii  nmtuo  dcnt.  Iiihihoints  ahhatihus,  prae/positis, 
priorlhus,  plehanis,  victorihiis  ecclesiarum  et  clericis  univer- 
sis,  nc  i2)si  muti(o  rlent  vcl  accipiant  ahhntcs,  praopositl 
ultra  (Inas  vel  tres  »larcas  cadcri  unam  marcam,  sine  notitia 
et  consensii  capituli  sui  vcl  maioris  partis  ac  dioecesani  epis- 
copi  assensH  principalL  Der  Wucher  der  Juden  allein  (cf.  V. 
4.  u.)  wird  hier  hervorgelioben  und  zwar  nicht  verboten ,  aber 
dadurch  beschränkt,  dass  den  Christen  bei  Strafe  der  Exkom- 
munikation jeder  geschäftliche  oder  aussergeschäftliche  Ver- 
kehr mit  ihnen  untersagt  und  den  Juden  besondere  Wohnsitze, 
Kleider  u.  s,  w.  zugewesen  werden. 

So  errichtete  sich  ein  genugsam  starkes  Fundament  des 
kanonischen  Hechtes  mid  seiner  Fortbildmig  in  Deutschland, 
auf  welches  gestützt  die  geistlichen  Gerichte  die  einzelnen  Sätze 
dieses  Eechtes  als  über  jede  Nationalität  hinaus  geltende 
Norm  eines  Weltrechtes,  das  sich  doch  zugleich  in  seinen 
deutsch -christlichen  Elementen  dem  wirklichen  Leben  im  Mit- 
telalter vielseitig  verwandt  erwies,  nachhaltig  zur  Anwendung 
bringen  konnten.  Ja ,  die  Kechtsverständigen  des  geistlichen 
Rechtes  finden  eben  deshalb  allgemach  Eingang  in  die  kaiser- 
liche, ^)  dann  selbst  in  die  städtische  Gerichtspraxis  -)  und 
wirken  so  für  die  immer  neue  Anwendung  seiner  Bestinmum- 
gen  als  Kechtslehrer,  Kath  der  Fürsten,  Gesetzgeber,  Richter, 
Stadtschreiber  und  fruchtbare  Schriftsteller,  welche  nicht 
allein  (cf.  u.)  in  die  deutschen  Rechtsquellen  kauonisclie 
Grundsätze  hineüiarbeiteu ,   sondern,   wie   einst  Regino   und 


1)  resp.  in  den  Gerichten ,  deren  Mitglieder  der  Kaiser  ernannte ,  so 
in  den  kaiserlichen  Land  - ,  Hof  -  und  Kaunuergerichtcu.  —  cf.  u.  a. 
Mencken',  thesaur.  I.  p.  490.  1105.  Heineccius,  antiquitt.  I.  p.  591. 
Senckenherg,  ungedr.  Urkunden.  (I.  p.  12.  22 ff.)  2)  Sehne idt, 
thes.  iur.  Francon.  II.  2.  1787.  p.  341.  Heineccius,  hist.  iuris  p.  103ü. 
Boehraer,  cod.  dipl.  Mocnofr.  I.  p.  755  (1377) :  „Herrmann  e}!!  licen- 
tiate  in  geistlichen  rechte ,  pfaffe ,  vnd  diener  der  ersanien  wisen  lüde  des 
rades  vnd  der  stad  zu  Franckinford."  Fidicin,  Beiträge  zur  Gesch.  Ber- 
lins I.  p.  251.  III.  p.  G9.  Eichhorn,  III  ji.  33Gff.  —  Grupen,  obser- 
vatt.  p.  501. 


46  II.   2.  Eindringen  dos  ■Wiuliovvovbotos  in  Deutschland. 

Burchavil,  wieder  in  Sammlung'en,  Summen  ')  u.  s.  w.  das 
geistliclio  Reelit  selbststiindip;  in  allgemein  fasslicliev  Form  zu 
verbreiten  trachten.  Gerade  für  die  Wueliergescliiclite  sind 
die  Sunmiisten  und  Kanonisten  im  15.  und  IG.  Jahrhundert 
-in  Deutschland  von  Wiclitigkeit,  weil  sie  der  in  italieni- 
schem und  hanseatischem  Einflüsse  damals  stark  auf))lühende 
Handel  und  seine  neuen  Rechtsgestaltungen  vornehmlich  an- 
lockten ,  die  kanonistischen  Wucherhestimmungen ,  überhaupt 
die  handelsrechtlichen  Sätze  der  Kirche,  welche  damals 
unter  Ausschluss  des  römischen  Kechtes  und  kaufmännischen 
Gewohnheitsrechtes  allein  in  der  Wissenschaft  mid  der  Praxis 
vieler  Landesgerichto  als  Handelsgesetze  galten,  mit  den  neuen 
Rechtsgestaltungen  des  Verkehres  zu  vergleichen  und  deren 
verwerflichen  ^vucherischen  Charakter  in  ihren  Summae  con- 
fcssorum  de  casihus  conscicntlac  oder  in  besonderen  Schriften 
eingehend  nachzuweisen.  Daraus  entstand  die  Unzahl  der  Ab- 
handlungen de  usuris,  de  contracfihiis  - ,  de  iure  mercatorum 
u.  s.  w.,  welche  heute  noch  alle  irgend  namhaften  Bibliotheken 
überfluten  und  in  mehr  oder  weniger  erschöpfender  Weise 
neben  der  Festhaltung  des  kanonistischen  Handels  - ,  besonders 
des  Wucherrechtes  die  damaligen  Rechtsinstitute  des  deut- 
schen Handels-  und  Wechselverkehres  behandeln,  Schriften, 
welche  meistens  ohne  Werth  für  die  heutige  Rechtsdogmatik 
nur  als  Ergänzung  der  originalen  archivalischen  Quellenergeb- 
nisse über  die  damaligen  Handelsgeschäfte  eine  Bedeutung  in 
der  Rechtsgeschichte  bewahren.  '^)  Dahin  gehören  am  Ende  des 


1)  Bes.  V.  Joh.  V.  Freyburg  (Bunsic),  der  als  Bischof  in  Preshurg 
1314  stirbt.  „  summa  ex  decretalibus ,  summa  confessorum  sive  confessa- 
riorum,  summa  praedicantium."  1390  —  1400  ungefähr  von  Bnider  Bert- 
hold ins  Deutsche  übersetzt,  eine  Zusammenstellung  von  Rechtssätzen 
aus  Dekret ,  Dekretalen ,  Summisten ,  Pandekten  und  deutschem  Rechte, 
wie  Raimundus.  Senckenberg,  visiones  p.  113.  Homeyer,  Reclits- 
bücher  N.  411  u.  472.  —  cf.  S  tobb  e,  Gesch.  des  deutsch.  R.  I.  a.  p.  635. 
N.  80.  und  über  die  Bibliotheken  der  Klöster  und  Geistlichen ,  in  denen 
vornehmlich  kirchenrechtliche  Schriften  sich  finden,  Stobbe,  ib.  N.  81. 
2)  Hierauf  ist  gewiss  das  Lob  einzuschränken,  das  Mut  her  ihnen  in 
d.  Abb.  über  Christoph  Kuppen  er  (Jahrb.  f.  d.  R.  VI.  p.  181  [u.]) 
spendet. 


II.    2.  Eindringen  dos  Wucherverbotes  in  Deutschland.  47 

15.  Jahrh.  unter  v.A.  Conrad  Summenhart  de  Claw, 
si'iüipdrtitnm  ojnis  de  contractihus  pro  foro  conscientiae 
(1497.  1500),  1)  Johannes  Lector  (Jean  le  Liseur)  la  regle 
des  marcha'iids  (149G).  -)  Die  Eeden  und  Scliriften  des  in 
Deutschland  seit  145<)  umherziehenden  und  für  die  Kirclie  und 
seinen  Orden  begeisternden  Franziskaners  C  a  p  i  s  t  r  a  n  o ,  der 
gerade  über  Zinsen  und  Wuclier  eine  Reihe  von  Abhandlungen 
verfasste,^)  riefen  besonders  eine  Flut  jener  kanonistisclien,  ju- 
ristisch-theologischen Schwätzereien  von  verschieden  geringem 
Werthe  hervor.  Hauptsächlich  unter  den  Summisten  zu  er- 
wähnen ist  C  h  r  i  s  1 0  p  li  K  u  p  p  e  n  e  r ,  welcher,  befähigt  durch 
seine  Rechtspraxis  in  Braunschweig,  dann  durch  stete  Berüli- 
rung  mit  dem  damaligen  Hauptverkehre  in  Nord  -  und  Mit- 
tel-Deutschland, durch  seine  eigene  Theilnahme  an  der  socic- 
fas  stmmi,  durcli  seine  Verschwägerung  mit  Leipziger  Kaufleu- 
ten, am  Anfange  des  IG.  Jahrb.  in  Leipzig  sein  Buch  über  den 
Wucher  (lateinisch  und  deutscli)  verfasste,"*)  wie  er  hinzusetzt: 
auf  Bitte  „  der  christliclien  Beichtueter  des  heiligen  ordens  der 
prediger  Bruder  vnn  des  hochgelerten  vnn  achtbaren  hern  Stef- 
fani  Gerdt  von  Konigessberg  in  freien  kunsten  vnd  geistlichen 
rechten  Doctor  vnn  CoUegiat  czu  Leiptzk ,  die  yn  solliche  rat- 
siege vmb  mancherlei  Sachen  vnd  feile ,  die  sich  m  der  beichte 


1)  cf.  Panzer,  Annal.  I.  p.  449.  n.  19.  p.  453.  n.  42.  2)  Pan- 
zer, Annal.  H.  p.  390.  3)  Mut  her,  1.  c.  Jahrbb.  VI.  p.  183. 
4)  „  Ein  schons  Buchlein  czu  deutsch ,  doraus  ein  itczlicher  mensche  was 
Standes  er  se)'  lernen  mag  was  wucher  vnd  wucherische  hendel  sein  \Tin 
was  der  berg  der  uiildigkeit  der  dy  wucherischen  hendel  vortilget  vnn  in 
deutschen  landen  bissher  vnbekant  gewest  ist ,  in  sich  helt.  Auch  was 
rechte  vnn  vnrechte  kaufmanschaft  vnn  hendel  gesein  vnd  Wechsel  aller 
wechseler  des  Wechselgeldes  durch  den  achtbarn  hochgelerten  vnn 
gestrengen  hern  Cristoforuni  Cwppener  der  fre3'en  kunsten  vnn 
beider  recht  doctoren  vnd  ritter.  got  czu  lobe  vnd  gemeinen  nutcz  cz 
rechtgemacht  vnd  geendet."  (36  Blätter.)  Am  Ende:  „Am  obent  der 
heiligen  iunckfrawen  Margareten  geendet  nach  gots  geburt  1508.  Amen. 
Gedruckt  czu  Leiptzk  durch  Melchor  Lotter."  cf.  Panzer,  Annal.  d.  alt. 
deutsch.  Litt.  p.  296.  n.  619.  Ich  citire  nach  dem  wohlerhaltenen  Exem- 
plare des  Hrn.  Prof.  Muther,  welches  derselbe  mir  aus  Rostock  zuzu- 
senden die  Güte  hatte,   (cf.  hinten  Beilage  E.) 


48  II.    '2.  Eiiulring-en  dos  Wuclioiverbotes  in  Deutscliland. 

begeben  viul  aucli  vmb  bete  willen  nambafftiger  erbar  kauff- 
leute  die  irer  seien  Seligkeit  vor  alle  czeitlicbe  werntliche  gutter 
seliglicben  betracht  baben  czu  macbon  vleissig  ersucht  vnn 
gebeten  baben."  Die  Schrift  bespriclit  von  kanonistischem 
Standpunkte  eine  Reihe  von  Fällen  aus  dem  Wecliselrechte, 
dann  allgemein  aus  dem  Handelsrechte  im  unmittel])aren  An- 
schlüsse an  das  Verkclirslcbcn  und  scliliesst  mit  sechszehn 
Regeln  für  Kaufleute,  wie  sie  sich  vor  unrechter  und  unziem- 
licher KaufmaiinsclKift  hüten  können  und  mögen,  Gott  und 
Maria  zu  Ehren,  zum  Trost  aller  frommen  christgläubigen 
Kaufleute ,  „  vnn  sunderlichen  czu  eren  den . . "  (Schwager  des 
Verf.) ,  . . .  dass  er  Nichts  thue  „  kegen  vnn  wider  die  liebe . . 
seines  nehesten."    (cf.  Beilage  E.) 

In  den  Beschlüssen,  welche  aus  den  genannten  Concilien 
und  Synoden  hervorgehen ,  desgleichen  in  den  übrigen  littera- 
risch verzeichneten  Bekundungen  der  kanonistischen  Sclirift- 
steller  fusst  mau  durchweg  auf  den  vorn  spezialisirten  Grund- 
sätzen der  kanonistischen  Zinslehre ,  indem  man  höchstens  für 
einzelne  besonders  hervorragende  Fälle  des  heimischen  Ver- 
kehres jenen  systematisclien  Bau  erweitert.  Dies  wird  bei  den 
einzelnen  unten  folgenden  Abschnitten  des  Wuchergebietes 
jedesmal  näher  zu  erörtern  sein,  hier  liandelt  es  sich  zunächst 
nur  um  die  Beliaudlung  des  allgemeinen  Wucliergrundsatzes 
in  diesen  kanonistischen  Quellen  auf  deutschem  Boden. 

Man  bleibt  m  ihnen  bei  der  oben  aufgestellten  Begriffsbe- 
stimmung des  Wuchers  durcliaus  stehen,  nur  die  Tridentiner 
Synode  (1593)  sucht  jene  schon  so  allgemeine  Begriffsbestim- 
mung ganz  consequent  aus  der  „usuraria  voluntas"  und  wie 
im  Groll  über  die  proteusartigen  Umgehungen  des  Zinsverbo- 
tes dahin  zu  normiren:  „quicunque  contr actus  sccundum  con- 
trahentium  menteni  diversus  sit  a  vera  natura  xmri  et  Teyitimi 
contr  actus,  cuiiis  nomine  celehratus  fucrit,  usurariiis  est." 
Diese  Synode  drückt  den  in  Deutscliland  Scliritt  um  Schritt 
erweiterten  Begriff  des  Wucbers  aus ,  wie  ihn  auch  die  andern 
kanonistischen  Schriftsteller  mit  besonderer  Vorliebe  anschwel- 
len Hessen  und  lassen  mussteii  und  dadurch  denselben  in  der 
schon  oben  erwähnten,  immer  verhängnissvoller  um  sich  grei- 


11.   2.  Eindringen  des  Wiicherverbotes  in  Deutschland.  49 

fenden  Ausdehnung  in  die  deutschen  Rechts  -  und  Gesetzes  - 
Sammlungen  ül)ertrugen.  (cf.  IIT.  2.  a.)  Uebereinstimmend  mit 
den  Wortt?n  der  Tridentiner  Synode  sagt  auch  Cliv.  Kuppener 
schliesslich  in  der  einen  der  secliszehn  Regeln  für  den  Kauf- 
mann .  um  den  ganzen  Begriff  des  Wuchers  zu  umfassen .  dass 
er  Niclits  tliut  ..kegen  vnn  wider  die  liebe  seines  nehesten." 
Regino  dagegen  in  seiner  vorerwähnten  Zusammenstellung  der 
ersten  Conciliensclilüsse  u.  s.w.  entnimmt,  gleichsam  halb  ein- 
gedenk des  nach  römischem  Rechte  hmerhalb  gewisser  Gren- 
zen erlaubten  Zinses,  aus  den  Kapitularien  Karls  des  Grossen 
(cf.  10  u.  59  ff.)  die  Unterscheidung  von  fenus  insfion  und  in- 
iustnm,  doch  fi'eilich  in  einer  ganz  andern  Bedeutung :  „Fe- 
nus est,  qui  aliquid i)racstat.  Instum  fenus  est,  qui  aniplius 
non  rcqu'uit,  nisi  qumitnm  praestitit."  ^)  So  bleibt  er  den- 
noch der  kanonischen  Begriffsbestimmung  getreu.  Wie  dieser, 
so  blieb  man  nicht  minder  getreu  der  Ausdehnung  des  Begrif- 
fes vom  Darlehen  auf  die  grosse  Menge  der  anderen  Geschäfte, 
in  denen  Vergütung  einer  Kapitalnutzung  oder  nur  usuraria 
voJiDitas  begegnen  konnte,  und  man  gestattete  dieselben  Aus- 
nahmen davon.  Keinem  Streite  besonders  unterlag  es,  dass 
eine  Vergütung  der  Gefahr  gemäss  jenem  viel  umstrittenen 
cp.  19.  X.  5, 19.  (fenus  )uinticH)ii)  gefordert  werden  dürfe,  dass 
Zinsen  beim  Zahlungs  Verzuge  und  als I n t e r e s s e  gestat- 
tet seien.  -)  Nur  in  dem  besonders  strengen  Concil  zu  Trier 
(1227)  verwirft  man  selbst  die  Säunmisszinsen .  während  die 
Synode  von  Besan9on  1571  ^)  letztere  wenigstens  dann 
erlaubt ,  wenn  bei  Abschluss  des  Kontraktes  die  Parteien  zu- 
vor bereits  über  dieselben  sich  einigten,  (cf.  W.  2.  k.)  Hiernach 
unterschied  man  desshalb  auch  drei  Arten  von  Zms :  das  fenus 
c 0 mp cnsatori u  m  und p u n itor  i  u  m  wird  gebilligt ,  dar- 
unter fallen  der  Verzugszins  und  das  id,  quod  interest;  das 


1)  conc.  Genn.  1.  c.  IL  483.  cf.  Capitular.  Caroli  M.  806.  (Pertz, 
legg.  I.  144.)  §..6:  „fenus  est,  qui  aliquid  prestat.  Ivsfum  fetius  est, 
qui  an)2)lius  non  reqnirit ,  nisi  quam  prestat."  2)  cf.  u.  A.  Synode  von 
Brixcn,  1608.  1.  c.  VIII.  \).  579.  von  Constanz,  1G09.  VIII.  p.  9oG. 
von  Sitten,  1626.  ib.  IX.  p.  897.        o)  VIII.  p.  104. 

Neumann,  Oescli.  d.  Wuchers.  4 


50  TT.    '2.  Eiiidrincri'ii  <lt^'^  Wnchi'ivtM-liotcs  in  Dotitscliland. 

fiiiKs  hirratinoii  dagegen  ist  überall  verboten.  ')  Und  so  hielt 
man  auch  dieselben  Strafen  der  Dekretalen  durchgängig  auf- 
recht oder  verschärfte  sie  noch.  Das  Land,  den  Ort,  in  welchem 
der  Gesetzgeber  nicht  das  Zinsfordern  untersagt,  bedroht  man 
mit  dem  Interdikte.  -)  Wo  der  sittliche  Makel  des  „  tur2)e 
h(cri())i''  und  die  Strafen  der  Concilien  zum  Lateran  nicht 
mehr  wirken  wollten,  zwang  man  den  Wucherer,  ausser  den- 
selben noch  eine  Strafsumme  in  die  Kirchenbaukasse  sei- 
nes Ortes  oder  an  die  Armen  zu  entrichten.  ^)  Besonders 
eifert  man  gegen  die  ..nxinifcsti  iisnrarii."  (cf.  L  3.)  Ex- 
kommunikation droht  demjenigen,  welcher  mit  ihnen  ver- 
kehrt, ■*)  ilire  Familie  ist  vom  Besuche  und  Segen  der  Kirche 
ausgeschlossen.  ■')  Vor  Allem  aber  musste  die  Kirche ,  wenn 
sie  einmal  ilir  Wucherverbot  durchzusetzen  trachtete,  in  das 
Gebiet  der  weltlichen  Eechte  mit  ihren  Strafen  einzudringen 
bestrebt  sein.  Dies  gelang  gemäss  der  oben  dargelegten  Stel- 
lung der  im  kanonischen  Rechte  gebildeten  Männer  früher,  als 
man  hoffen  und  fürchten  mochte.  Während  nämlich  Anfangs 
die  Kleriker  allein  verbunden  und  berechtigt  waren,  ihre 
Streitsachen  vor  dem  geistlichen  Richter  auszutragen , '')  über 
Laien  dagegen  Bischöfe  nur  dort  entscheiden  durften ,  wo  es 


1)  cf.  u.  A.  die  Synode  von  Besan9on  1571.  fconc.  German.  ed. 
Schannat.  u.  A.  VIII.  p.  104.)  Salmasius,  d.  foen.  trap.  Einl. 
p.  XLIII.  nennt:  „incidentes ,  negotiativae ,  form  cd  es ,  comj)ensatortae, 
vientales.  Miruni  tot  ac  tantus  a  canonistis  excofjiiaias  ac  2>yoditas  fuisse 
ttstt/rarum  differentias  eo  fevqwre ,  cum  iam  nollent  ullam  usurain  esse 
licitam.  Appuret  tot  discrimina  a  X)Ontificii  iuris  doctoribus  fuisse 
inventa ,  ut  saltem  aliquam  usuram  licitam  esse  sub  alieno  nomine  per- 
suaderent ,  cum  pontifices  nswam  simpliciter  ei  absolute  iure  divino  esse 
'cetitam  decrevisseid  tarn  laicis  quam  clericis."  2)  Zuerst  in  dem  Concil 
von  Lyon  in  Frankreicli  (1274).  —  cf.  Böhmer,  ins  eccl.  prot.  V.  19. 
§.  XXI.  3)  cf.  u.  A.  das  Concil  von  Freys ing  (1440)  1.  c.  vol.  V. 
p.  277.  Böhmer,  ins  eccl.  prot.  1.  c.  §.  XXII.  4)  cf.  u.  A.  Arnoldv. 
P  r  0 1  z  a  u ,  (1.320)  Formelbuch.  cod.  dipl.  Sil.  V.,  ed.  W  a  1 1 e  n  b  a  e  h,  p.  156, 
bei  welcher  Stelle  es  indess  zweifelhaft  bleibt ,  ob  sie  das  Vorkommen  der 
öffentlichen  Wucherer  (Wechsler)  im  Osten  beweist  oder  dieselben  nur 
dem  Begriffe  nach  aus  dem  kanonischen  Eechte  herübernahm.  —  Die 
Synode  von  Cambrai  1586.  1  c.  VIT.  p.  1028.  5)  cf.  u.  A.  Concil  von 
Paris  1212.         6j  cf  Eichho  rn,  D.  E.  G.   §.320.    Eicht  er,  Kirchen- 


IT.   2.  Eindringon  des  Wucherverbotes  in  Deutschland.  51 

sich  um  „cansas  ad  ecdesiam  pcrt'mcntes"  handelte,  wuchs 
natürlich  mit  dem  täglich  sich  steigernden  Anselien  der  Kirche 
auch  die  Zahl  dieser  r/iHsac.  So  zog  man  bereits  im  11.  Jahr- 
hundert viele  ihrer  Natur  nach  weltliche  Angelegenheiten, 
wenn  sie  nur  in  irgend  einer  Hinsicht  die  Grenzen  der  Kirche 
zu  ))erüliren  und  in  das  vvolilerweiterte  Bereich  der  Glaubens- 
leliren  zu  fallen  scliienen ,  unter  dem  Namen  der  „  delicta 
mixi't  fori-'  vor  das  geistliclie  Forum;  ^)  denn  geistlichen  und 
weltliclien  Riclitern  stand  es  zu,  über  diese  Streitfragen  nach 
verschiedener  Theilung  der  Gewalt  in  den  verschiedenen  Staa- 
ten zu  richten.  Zu  diesen  Streitsachen  gehörte  nun  auch  die 
u s u r a r i a p r a v itas,^)  und  so  war  dem  geistlichen  Kichter 
Gelegenheit  geboten,  auch  weltliche  Strafen  gegen  die  Ueber- 
treter  des  Wuchergesetzes  anzuwenden.  Ja ,  noch  mehr !  Bei 
der  obwaltenden  geistigen  und  weltlichen  Macht  der  Kirclie, 
bei  den  vielfachen  Wecliselbezielumgen  geistlicher  und  weltli- 
cher Herrschaft ,  bei  der  Stützung  der  Würde  letzterer  durch 
das  Ansehen  und  den  sittlichen  Einfluss  der  Kirche  auf  die 
grosse  Masse  des  Volkes  u.  s.  w.  trugen  in  ihrem  eigenen  In- 
teresse die  Machthaber  in  den  einzelnen  Gebieten  nicht  allein 
Sorge ,  dass  die  Urteilssprüche  der  geistlichen  Richter  gegen 
die  Verul'theilten  vollstreckt  wurden,  sondern  sie  zögerten 
auch  nicht ,  durch  weltliche  Strafen  jene  Urteilssprüche ,  wie 
allgemein  die  Mittel  der  Kirche  zur  Verwirklichung  ihrer  Ver- 
bote zu  bekräftigen.  ^)  Durch  so  viele  thatsächliche  und  recht- 
liche Stützen  gefestigt,  ergriff  natürlich  die  Kirche,  welche 
an  sich  schon  das  weltliche  Forum  unaufhörlich  mit  aufmerk- 
samen und  neidenden  Blicken  beobachtete,  nunmehr  mit  um 

recht  §.  191.  —    Nacli  den  Ca])i  tu  1  arien  sprach  ein  aus  geistlichen 
und  weltliclien  ßichtern  zusaninieiigesetzter  Gerichtshol'  auch  über  Kleri- 
ker Recht.    S])ätcr  (im  ll).  Jahrh.)  ward  der  Kleriker  allein  des  geistlichen' 
Gerichtshofs  theilhaft.  (ct.  P  e  rt  /. .  III.  110.  -  E  i  c  h  h  o  r  n  ,  1.  c.  §.  182.  ~ 
Richter,  1.  c.  §.  192. 

1)  Eichhorn.  1.  c.  §.  107.  320.-  Richter.  1.  c.  §.  191.  -  Ross- 
hirt. Recht  im  Mittelalter  I.  §.  33G.  2)  cf.  Richter,  1.  c.  §.  207. 
3)  u.  A.  Friedrich  II.  Pertz,  Monuni.  legg.  II.  \\.  234.  243.  255. 
(1219.  1220.  1224.) 

4* 


52  II.    '2.  Kimlriiiiron  dos  Wucliervorbotos  in  Dontsclilaiul. 

SO  grösserem  Einliusse  und  Erfolge  jeden  Anlass,  um  Streit- 
fälle in  der  usuraria  pravitas ,  wo  die  Anklage  von  dem  welt- 
lichen Richter  abgewiesen  oder  fallen  gelassen  wurde,  vor 
ihren  Richter  zu  bringen,  und  wendete  die  weltlichen  Stra- 
fen an ,  als  wäre  sie  eine  weltliche  Beliörde.  *) 


1)  Rein  kirchliclic  Strafen,  die  hier  zur  x\n\vendiing  gelangten,  gab  es 
wenige,  aber  freilich  harte ,  so  für  ganze  Länder  das  Interdikt ,  für  Laien 
Exkommunikation  und  die  Rügen  der  Pönitenz  -  Canones,  für  Kleriker  Sus- 
]iension  und  Entfernung  vom  Amte.  Man  darf  behaupten .  dass  gerade 
durch  zu  häufige  Androhung  und  Anwendung  dieser  härtesten  kirchlichen 
Strafen  deren  Wirkung  geschwächt  ward ,  so  dass  eben  deshalb  schon  die 
Kirche  sich  zur  Verstärkung  derselben  durch  weltliche  Strafen  genötliigt 
sah.  U.  A.  bestrafte  man  bei  dem  Einsammebi  der  verschiedenen  Gcldab- 
gaben  für  den  päbstlichen  Stuhl  aus  England ,  Schweden ,  Polen ,  Däne- 
mark .  dem  Hansagebiete  u.  s.  w.  jede  Nachlässigkeit  oder  Weigerung 
Geistlicher  und  Laien  oder  ganzer  Diözesen  ebenfalls  mit  jenen  härte- 
sten Rügen,  (cf.  u.  A.  Theiner,  Yetera  monum.  Polon.  et  Litthuan. 
Rom.  1860.  I.  n.  182  (1287).  324.  328.  332  (1320).  505  (1336).  519  (1337). 
Für  England  das  Schreiben  Alexanders  IV.  an  den  Archidiakonus  v.  Lon- 
don. Rymer,  Foedera.  T.  L  P.  2.  y.  378,  1008.  Keightley-Demm- 
1er,  Gesch.  v.Engl.  I.  p.  207 —  9.  Pauli,  Gesch.  v.Engl.  III.  p.  700  — 2. 
Deshalb  erscheint  es  auch  naturgemäss  und  dem  transcendental- gläubi- 
gen Charakter  des  Mittelalters  nur  äusserlich  Avidersprechend ,  wenn 
Raumer  (Hohenstaufen  V.  j).  395 ft".)  u.  Hüll  manu  (Gesch.  desUrspr. 
der  Städte  U.  p.  -240  tf. ,  III.  p.  26.  87  ff.)  nicht  wenige  Beispiele  über  die 
Gleichgültigkeit  anführen ,  mit  welcher  man  die  Verhängung  jener  Kir- 
chenstrafen ertrug.  Nachdem  die  Bürger  Frankfurts  a,  0.  28  Jahre  lang 
im  Interdikte  alle  kirchlichen  Handlungen  entbehrt  hatten,  verspotteten 
sie  dennoch  die  Geistlichen ,  welche  zuerst  wieder  die  Messe  zu  lesen 
begannen,  (cf.  auch  Eichhorn,  D.  R.  G.  §.  99.)  Deshalb  entwickelte  die 
Kirche  auch  s]>ätcr  aus  der  Exkommunikation  zwei  Arten  von  Strafen ,  die 
Exkomm.  latne  senteniiae ,  welche  ein  Verbrechen  durch  sich  selbst,  und 
die  Exkomm.  ferendae  sententiae,  welche  es  erst  nach  dem  Spruche  des 
geistlichen  Richters  zur  Folge  hatte.  Ausserdem  verschärfte  man  die  Ex- 
komm. in  Anathema,  Bannfluch.   (Eichhorn,  1.  c.  §.99.  323.) 


III. 

Aiifrechthaltung  des  Wiicliel' Verbotes 

in  den  deutschen  Rechtsquellen  bis  zum 

16.  Jahrhundert. 


Allgemeines.  —  Sprachliche  Herleitiing. 

Das  Wort  W  u  c  h  e  r  ist  urdeutsch ,  es  stammt  von  dem 
Gothischen  vigan,  althochdeutsch  wacharon  (bewegen,  erregen, 
abwägen  mid  wägen)  und  findet  sich  -wieder  im  Gothischen 
vokf's,  Althochdeutschen  uuuochar,  Altft'iesischen  woher, 
Angelsächsischen  ivocor'^)  und  Isländischen  ohr.  Nirgends 
aber  haftet  ihm  hier  die  Bedeutung  des  unerlaubten  Gewinnes, 
des  unrechten  Vortheils  an ,  vielmehr  drückt  es  allgemein  aus 
Ertrag,  Frucht  von  den  Bäumen,  Aeckern,  auch  die  Garben  und 
Halme  selbst,  dann  Frucht  von  der  Arbeit  und  zwar  von  der 
Arbeit  an  den  aussermensclilichen  Gegenständen  und  am  Men- 
schen selbst.  So  geht  es  in  den  übertragenen,  bildlichen 
Begriff  über.  In  jener  Bedeutung  liest  man  es  bereits  im 
8.  Jalirhundert  bei  Reichmann  und  in  Keros  Interlinearversion 
der  regula  Benedidi ,  dami  in  Heinrici  smnmarium.  Hierhin 
gehört  auch  die  Zusammensetzung  erännoclwr,  als  Früchte  der 
Erde,  in  der  althochdeutschen  Uebersetzung  des  Boetiiis  de 
consolat.  plill.  im  10.  —  11.  Jahrhundert,  und  in  Notkers Ueber- 
setzung des  Deuteronomion  und  Habacug;  ferner  wird  gera- 
dezu das  Getreide  diormvuochar  genannt  in  Notkers  althoch- 
deutscher Psalmenübersetzung  77,2;  147,3  (10. —  11.  Jahr- 


1)  In  A.  Schmid's  Glossar  zu  seiner  Ausgabe  der  angelsächsischen 
Gesetze  H.  Aufl.  findet  sich  das  Wort  nicht ,  dagegen  inBouterwecks 
Glossar  der  angelsächsischen  Sprache  II.  s.  h.  v. 


54  111-    Allgomoines.  —  Sprachlicho  Horloitnng. 

hundert) ,  ebeudort  lieisst  fruchtbar  (foillis)  gerade  tvuochar- 
haft .  so  WHOcharhafUm  erda  fruchtbarer  Boden,  Notker  Psal- 
men 100,  33.  Noch  überzeugender  stellt  sich  dieser  Begriff  in 
der  übertragenen  Bedeutung  lieraus.  In  Notkers  Psalmen  ^) 
heisst  es:  5/'»  uuochcr  Hiiirt  irhurcf  uhcr  lybanum.  Stuttgarter 
Glossen-)  im  11.  Jnlirhundort  nennen  alle  Einkünfte  regel- 
mässig wiederkehrender  Art  ivochir,  Notker  übersetzt  gera- 
dezu: rcsurredio  Christ l  ist  min  nuuocJdr  (fructificatio) ,  das 
ist  sein  gnotcr  nnuacher  (88,  6),  und  das  Zeitwort  wnodiaron 
wucliern  (focncrari)  wendet  er  nicht  minder  in  derselben 
Bedeutung  an  ,  so  62,  4;  20,  11 :  du  ne  lasest  sie  uuuocheren 
in  terra  viventium;  der  siuen  scas  ne  gab  ze  umioclieronne 
(14,  5),  dami  54,  12:  „übe  lo  uunochorot,  der  Inzzel 
gib  et  im  de  filo  inphahet ,  tiuirs  uuuocherot,  der  umbe 
uuort  manslalit  tuot,"  und  57,  12:  idje  der  reJito  uuuocherot 
(si  est  fructus  iusto),  91,  15  gar  die  heilige  Kirche  uuuocherot 
an  iro  chinden. 

Daneben  wird  dasselbe  Wort  natürlich  auch  für  den  un- 
rechten ,  übermässigen  Wucher  gebraucht,  vornehmlich  in  dem 
Sinne  der  Bibel ;  so  übersetzt  schon  im  4.  Jahi'hundert  ü  1  f  i  1  a 
die  Stelle  Lucas  19,  23:  Jah  qimands  mitli  vokra  ga- 
lausidedjau  thata;  dies  ist  ([ax  qucstus  h^i  lornandes ,  de 
rebus  Gothorum.  Kero  in  der  Interlinearversion  (1.  c.)  leitet 
hierzu  über  mit  dem  Nutsiuuachar ,  Niessbrauch ,  ebenso  die 
Glosse  zu  Gregors  Homilien  mit  firiouunchar ,  unsern  Zinsen 
(usura) ,  einige  der  obigen  Stellen  aus  Notkers  Psalmen  kann 
man  auch  hierher  zählen ,  eine  althochdeutsche  Glosse  zu  den 
canones  hat  bereits  das  Wort  wuocharlih  (usurarius),  desglei- 
chen eine  Glosse  zur  Bibel  aus  dem  11.  Jahrhundert  wuochi- 
rari,  Wucherer  (foenerator) ,  und  so  sagt  Notker  (Psalmen 
71,  14):  „fonc  uuuocherungho  unde  föne  unrehte  loset 
er  sie" ^)    So  ergiebt  sich ,  dass  Wucher  den  Deutschen  von 


1)  Schilt  er,  thesaur.  I.  10.  -  11.  Jahrh.  2)  ed.  Massmann, 
cod.  218.  3)  cf.  Graff,  althoclideutscher  Si)rachschatz.  Berlin  1834. 
S.  680 ff.  Grimm,  Deutsche  Grammatik.  Göttingen  1826.  II.  S.  11. 
n.  93.   angelsächsisch  väccm  (nasci,  oriri,  suscitari)   vacjan  (vigüare) 


111.    1.  llcchtsiiii>-'ll<-'ii-   «i-  Volksrcchtc.  55 

vornherein  einen  erlaubten'Gewinn  ausdrückte,  und  dass  erst 
bei  dem  Eindringen  der  kirchlichen  Schritten  dasselbe  Wort 
auch  auf  den  unerlaubten,  übermässigen  Gewinn  ausgedehnt 
■wurde.  . 

1.     Die  Rechtsquellen  selbst. 

a.    Die  Volksrcchte. 

Als  die  erste  Ruhe  nach  den  Kämpfen  der  Völkerwande- 
rung eintrat,  bemühte  man  sich,  wie  bekannt,  ungefähr  in  der 
Zeit  vom  5.  —  9.  Jahrhundert,  den  hauptsächlichen  Theil  der 
vielfach  unbestimmten ,  nun  besonders  wirren ,  bei  den  einzel- 
nen deutschen  Stämmen  mannigfach  verschiedenen  Gewohn- 
heitsrechte aufzuschreiben.  p]inen  Abschluss  hierin  machten 
die  fränkischen  Fürsten,  unter  deren  Einflüsse  im  6.  und  7. 
Jalirhundert  man  die  Volksrechte  der  Baiern  und  Alemannen, 
speziell  unter  der  Mitwirkung  Karls  des  Grossen  die  der  Frie- 
sen ,  Sachsen ,  Thüringer  und  der  charaarischen  Franken  auf- 
zeichnete. Diese  Volksrechte  können ,  eben  weil  sie  lediglich 
Gewohnheitsrechte  derzeitiger  deutscher  Stämme  enthalten, 
wegen  der  vorn  geschilderten  niederen  Stufe  wirthschaftlicher 
Entmcklung  dieser  Stämme  von  Bestimmungen  über  den  per- 
sönlichen Credit,  insbesondere  von  Wuchergesetzen  kaum 
Etwas  enthalten.  Ihr  karger  Inhalt  erstreckt  sich  vornehmlich 
auf  das  Strafrecht ,  auf  die  eben  neu  begründeten  Verhältnisse 
des  öffentlichen  Rechtes,  so  auf  Verfassung  und  Kirche;  das  Pri- 
vatrecht behandelt  nur  den  Grundbesitz,  seine  Uebertragung, 
Familienrecht,  eheliches  Güterrecht,  Erbrecht,  den  Schaden- 
ersatz, Verfolgung  des  Eigenthums  oder  anderer  dinglicher 
Rechte  an  beweglichen  Sachen.  Als  Grund  für  die  enge 
Begrenzung  dieser  letzteren  Gebiete  gilt  weder,  dass  ihre 
Sätze,  weil  täglich  geübt,  allgemein  bekannt  waren,  noch  dass 
man  nur  casuistisch  die  Aufzeichimngen  ohne  jede  allgemeine 
Abstraktion  vollzog;  denn  beide  Gründe  gelten  gleichmässig 


vacor  (vigü)  althoclid.  uahhar  (alueer)  wecchaii  (cxcitarc)  uuhhen  (vigi- 
lare)  ivafiha  (vigilia)  tvahia  (exciibiae) ;  gothisch  vökrs  (lucrum) ;  aiigel- 
sächs,  cöcor  (proles,  foenus) ,  althochd.  icuohhar. 


56  111.    1.  Roclits.juoll.Mi.    a.  Vulksrcchtc. 

.luch  tur  (lat;  so  reich  ausgeführte  Strafrecht.  Vor  Allem  gilt 
das  eben  r>erührte  von  der  Icv  Salicft ,  welche  noch  in  lieidni- 
scher  Zeit  durch  Vermittlung  der  Volksvorsteher  verzeichnet 
jedes  Einflusses  des  Königthums  und  der  Qhristlichen  Kirche 
entbehrt.  Will  man  einen  xVnhalt  für  die  Wucherbestimmun- 
gen erspähen ,  so  fände  man  ihn  bei  der  lex  Salica  und  den 
anderen  Volksrechten  höchstens  in  den  vielfach  wiederkehren- 
den Sätzen  von  Verpföndungen  und  Ersatz  des  Schadens ,  ins- 
besondere des  aus  A^erträgen  entstandenen.  Wie  weit  nun 
selbst  die  hier  begegnenden  Normen  der  Verpfändung  dem 
Wucherprinzipe  des  kanonischen  Rechtes  widerstreiten,  wii'd 
später  berührt  (V.  2.).  Beim  Schadensersatze  aber  tritt  das 
unverfälschte  deutsche  Recht  von  Anbeginn  den  kanonistischen 
Wuchergrundsätzen,  abgesehen  von  deren  späteren  Ausnäh- 
men entgegen,  wenn  u.  A.  die  lex  Frisionum,  trotzdem  sie 
höchst  wahrschemlich  unter  Karl  dem  Grossen  (802)  entstand, 
mindestens  damals  mit  den  Weisthümern  vermehrt  wurde ,  *) 
und  gerade  vom  römischen  Rechte  sich  ganz  frei  hielt ,  ^)  in 
dem  Weisthum  Wlemarus  {additio  sainentum ,  tit.  XI:  de  re 
praestita  nr.  1)  ausspricht: 

„si  homo  alii  eqimm  suum  pracstiterit  vel  quandihet  aliam 
pecuniam ,   talem,  qualis  ei  praestita  est,   reddat  domino 
eins;  et  si  forte  peioratum  reddiderit,   componat  ei  iuxta 
quantitatem  qua  rem  eins  inpeioravit." 
Der  ZinsgeAvinn  aus  dem  Verzuge  des  Schuldners  und  dem  id, 
quod  inferest,  mindestens  dessen  dnmnum  emergens,  und  allge- 
mein jede  Zinsforderung  war  damit  angebahnt.  Dass  man  aber 
Ursache  hat,  diese  ersten  grundsätzlichen  Widersprüche  gegen 
das  Wucherverbot  nicht  etwa  auf  die  Einwirkung  des  römi- 
schen Rechtes  von  den  leges  Romanae  her  oder  von  den  zins- 
fordernden Römern ,  die  unter  den  deutschen  Stämmen  lebten, 
zurückzuführen,    ergiebt  sich    bereits   aus  den   Volksrechten, 
welche  wie  die  lex  Frisionum  und  die  angelsächsischen  Volks- 


1)  cf.  Philipps  deutsche  Gesch.  11.  p.281.  Gengier,  1.  c.  p.  156ff. 
opp.  Eichhorn,  §.  145.  —  cf.  S  t  o  bb  e ,  Gesch.  des  deutsch.  Rechtes  I.  a. 
p.  182.  183.  u.  N.  13.        2)  S 1 0  b  b  e ,  1.  c.  p.  185. 


III.    1.  Rerlits(|uollcii.    ii.  Volksrcc'hte.  57 

rechte,  sich  von  den  Einflüssen  fremder  Rechte  völlig  frei  hiel- 
ten, ganz  abgesehen  davon,  dass  überhaupt  die  Annahme 
solchen  Einflusses  für  jene  Zeit  wenig  begründet  erscheint. 
Weitere,  unten  anzuführende  Anlialtspunkte  im  Gegentheile 
lassen  mit  grösstmöglicber  Sicherlieit  schliessen,  dass  das 
deutsclie  Recht,  wie  jedes  aus  dem  Rechtsleben  naturge- 
mäss  frei  sich  gestaltende  Recht,  die  Entschädigung  für  den 
Gebrauch  fremden  Kapitales  uneingeschränkt  forderte  und  für 
alle  Zeit  gefordert  hätte ,  wenn  es  nicht  zuvor  das  gegen  die 
Natur  des  Verkehrs  einseitig  aufgestellte  Wucherverbot  der 
Kirche,  welches  vor  der  gesicherten  sclbstständigen  Entwick- 
lung des  deutschen  Rechtes  bereits  geAvaltsam  umgestaltend  in 
dasselbe  hineinbrach ,  hätte  beseitigen  müssen  und  nun  zur  um 
so  grösseren  Kräftigung  und  allseitigen  Ausbildung  seines  eige- 
nen Grundsatzes  der  Entschädigung  beseitigte. 

An  den  Volksrechten  selbst  änderte  Karl  der  Grosse  in 
diesem  Punkte  Nichts;  die  von  ihm  und  den  fränkischen 
Machthabern  überhaupt  jenen  Rechten  zugefügten  Einzelsätze 
durften  das  Zinsgebiet,  obwohl  gerade  dieses  zu  Gunsten  der 
Kirche  gegen  das  deutsche  Gewohnheitsrecht  anstritt ,  ^)  nicht 
berühren,  weil  die  Kapitularien,  als  das  allgemeine  Reichs- 
gesetz ,  unzweideutige  Bestimnmngen  darüber  enthielten.  Er- 
achteten die  Gesetzgeber  es  aber  nöthig,  die  Zinsfrage  auch 
noch  in  den  einzelnen  Zusätzen  der  Volksrechte  zu  bebandeln, 
so  entschieden  sie  dieselbe  schon  deshalb  in  üebereinstimmung 
mit  dem  Reichsgesetze,  weil  sie  zur  Abfassung  solcher  Zusätze 
kaum  das  Volk,  dagegen  die  weltlichen  und  vor  Allem  die 
geistlichen  .Grossen  in  den  Reichsversammlungen  zuzogen. 

Eine  Ausnalmie  von  dem,  was  so  eben  über  die  Zins- 
bestimmungen in  den  Volksrechten  gesagt  worden,  machen 
diejenigen  Jeffcii,  in  denen  der  Gesetzgeber  nicht  rein  objektiv 
das  herrschende  Gewohnlieitsrecht  verzeichnet,    ^ondern  sich 


1)  Und  dieses  war  die  vorneliuiliche  ]\[aa.ssgal»e  bei  dergl.  Zusätzen 
zu  den  Volksrechten  ,  z.  B.  der  2  Ka]iitularien  zur  lex  Saxonum  p.  785  u. 
797.  Gaupp,  Recht  u.  Verfassung  der  alten  Sachsen.  1837.  p.  12  ff. 
Gen  gl  er,  I.e.  p.69ff.  Merk  eil,  lex  Saxonuni  \k  IG  ff'.  Pertz.  Moniun. 
legg,  I.  p.  48  —  50,  75ff.  —  Stobbe,  Gesch.  d.  D.  \\.  I.  a.  p.  193.  194. 


58  111.    1.  HoclitMiuollon.    a.  Volksrodite. 

iKU'h  tlioin'otisclioii  Gesichtspunkten  in  gesetzgeberischen  Ver- 
suchen nel)on  dem  Gewohnheitsrechte  seines  Volkes  gefallt. 
Von  (lioson  niuss  hesitnders  tlio  h:r  W I s i (/ o ( lio r ii  )ii  <fe\m\mi 
werden ,  weil  ihre  Jahrhundertc  hindurch  Ibrtgebildeten  Zins- 
bestimmungen  sicher ,  was  bei  anderen  dieser  Punkte  zweifel- 
haft, ')  im  Volke  i)raktisclie  Anwendung  gewannen.  Dieses 
Volksrecht  entwickelte  sich  wesentlich,  wie  bekannt,  unter 
dem  Streben  der  westgothischen  Könige  seit  Eurich  466 ,  das 
Gewohnheitsrecht  ihres  Stammes  nach  den  Grundsätzen  des 
römischen  Rechtes  fortzubilden,  und  so  kam  es,  dass  vornehm- 
lich seit  der  Revision  durch  Leovigild  (55())  ^)  und  seinen  Sohn 
Reccared  I.  (590) ,  obgleich  letzterer  zuerst  von  den  Königen 
der  Westgothen  nus  der  arianischen  zur  römiscli -katholischen 
Kirche  übertrat,  die  Zinsbestimmungen  in  Darlehn  und  Kauf 
aus  dem  römischen  Rechte  hinübergenommen  wurden.  ^)  Ja, 
unter  König  Cliindeswind  (642-53)  erstreckte  sich  die  Er- 
laubniss,  innerhalb  der  gesetzliclien  Höhe  Zinsen  zu  fordern, 
selbst  auf  die  römisch-katholischen  Geistlichen  in  Spanien, 
da  dieser  Gesetzgeber  allgemein  bestimmte,  dass  die  Kleriker 
nach  dem  gemeinschaftlichen  Gesetzbuche  der  Westgothen 
und  Römer  in  Spanien  leben  sollten.  Man  durfte  12  Prozent 
von  Gelddarlehen  (röm.  centesimae  usurae) ,  mehr  als  30  Proz. 
von  Darlehen  anderer  vertretbarer  Sachen  fordern.  Noch  im 
Fuero  Jusgo,  dem  Gesetzbuche,  das  vor  dem  9.  Jahrhundert 
zur  Zeit  des  17.  Concils  von  Toledo  gerade  durch  Mithilfe  der 
Concilien  und  Kleriker  entstand,  blieben  diese  Zinsbestimmun- 
gen (th.  V.).  p]rst  in  dem  späteren  Gesetzbuche  der  Partidas 
(1256  —  65)  scheint  nach  dem  vollständigen  Siege  des  kanoni- 
schen Rechtes  in  Spanien  das  Wucherverbot  der  Kirche  Platz 
gegriffen  zu  haben.  In  Part.I.  tit.  8.  lexß  ib.  wird  die  kirchliche 
Gerichtsbarkeit  auf  die  Zinsgeschäfte  ausgedehnt.  —  Um  so 
mehr  widerspricht  jener  Freiheit  der  Zinsforderung  die  ausser- 
ordentliche Härte ,  ja  Rachsucht  der  lex  Wis/f/othonim  gegen 
die  Juden ,   welche  man  sonst  im  deutschen  Rechtsgebiete  als 


1)  Wilda,  Strafrecht  p.SO.  Stobbe,  I.e.  p.  14.      2)  cf.  Isidorus, 
hi.stor.  Gothor.   Zöpfl,  D.  R.  G.  p.  61.        3)  cf.  p.  11.  N.  1. 


ITT.    1.  'Roclits(juc11eii.    li.  Kaiiituliuicn.  59 

ausserhalb  der  Kirche  stehend  gerade  in  der  Zinsfraj^c  unein- 
geschränkt Hess.  Hier  im  Gebiete  des  Westgotlienreclits,  wo 
Jeder  Zinsen  fordern  durfte,  daher  die  AushiMung  des  Perso- 
nalkredites,  der  KapitalnutzAing  nicht  behindert  war,  bedurfte 
man  der  JinhMi  freilich  als  Träger  des  Handels  nicht. 

,      h.    Die  Kapitularien. 

Oben  unter  II.  2.  sind  die  Gründe  angeführt,  aus  welchen 
die  fränkischen  Herrscher  wie  in  anderen  Fragen  so  auch  im 
Wucherverbote  der  Kirche  nachgeben  mussten.  Gerade  im 
Zinsgebiete  konnten  sie  dies  um  so  unbefangener,  als  dem  ent- 
scheidenden Satze  des  kanonischen  Hechtes  ..nuituum  date 
nihil  inde  sperantes"  aus  dem  von  ihnen  beherrschten  Reiche 
kaum  schon  eine  Stimme  des  Handelsverkehres,  des  entwickel- 
ten Kredites,  wie  oben  in  ü.  1.  berührt  worden,  entgegentö- 
nen mochte,  welche  dem  Verkehre  die  Bedingungen  seines 
Bestehens  zu  sichern  trachtete.  Im  Gegentheile  wa)'d  damals 
bei  den  deutschen  Stämmen  gemäss  ihrer  wirthschaftlichen 
Unkultur ,  abgesehen  von  den  vereinzelten  Fällen  beschränk- 
ten Handelsbetriebes  oder  des  DarleDiens  der  Juden  und  Geist- 
lichen an  die  Grossen  des  Kelches ,  die  Zinsforderung  nur  dort 
laut,  wo  der  Unbemittelte  von  augenblicklicher  Noth  getrie- 
ben Kapital  entlieh,  und  der  Darleiher  dessen  Noth  zum 
Gewinne  in  Zinsen  benutzte.')  Hier  natürlich  musste  der  hei- 
lige Zorn  der  Kirclie  gegen  die  Hal)gier  und  Fühllosigkeit  des 
Zinsforderers  den  Gesetzgebern  der  deutschen  Stämme  eben  so 
gerecht  erscheinen ,  als  das  Zinsverbot  bei  allen  unkultivirten 
Völkern,  und  so  auch  im  alten  Testamente,  wie  die  Einleitung 
erwähnt,  der  Natur  angemessen  sich  einstellt.  Fast  noch  mehr 
Grund  daher  liatten  die  fränkischen  Machthaber,  das  V^'^ucher- 
verbot  der  Ku'che  anzunehmen ,  als  dort  die  Könige  der  West- 
gothen ,  die  zunächst  kaum  und  nur  halb  unsittlich  anwendba- 


1)  Daher  schreibt  auch  hczclchnciul  der  Bischof  von  Worms  S29  an 
Kaiser  Ludwig  den  Fronniicn  ,  in  mannigfachster  Art  übttn  die  Kleriker 
Wucher  gegen  die  Armen  aus;  „ne  nUeriun  fcret ,  cum  üigenti  jrrotesta- 
tione  modis  omnibus  mhibnimus."  Welches  diese  „modi  omites"  waren, 
giebt  er  nicht  an.     Pertz,  IMonum.  legg.  I.  \>.  343. 


60  III.    1.  T^oHits(|nol]on.    1).  Kaiiitularion. 

von  ZinscTosctze  des  röinischen  Rechtes  zu  erneuen;  beide 
Theilo  aber  bescliritten  damit  das  zweifelhafte,  folgen- 
schAveve  Gebiet  des  V e r s u c h e n s  in  der  Gesetzgebung, 
und  hier  thaten  die  Westgothischen  Herrscher  den  glückliche- 
ren Griff,  um  nachher  doch  alle  Vortheile  desselben  der  Unnatur 
des  kanonischen  Wucherverbotes  anheimgeben  zu  müssen ;  die 
fränkischen  Könige  dagegen  übersahen ,  dass  das  Wucherver- 
bot der  Kirche  ja  nicht  aus  so  unkultivirten  Zuständen  im 
Oriente  erstanden  war ,  wie  sie  im  Westen  sich  boten ,  dass  es 
vielmehr  dort  sich  gegen  die  Cultur  auflehnte  und  hier  sich 
alsobald  gegen  dieselbe  auflehnen  musste ,  sobald  letztere  erst 
zu  voller  Reife  herangewachsen  war,  ja  dass  es  möglicher- 
weise nun  die  Entwicklung  der  Cultur  völlig  behinderte.  Sie 
stärkten  aber  wider  Willen  durch  den  Kampf  beider  die  Stärke 
des  Verkehrslebens,  so  dass  es  hier  siegte,  in  Spanien  trotz 
der  glücklicheren  Auspizien  seiner  Geburt  miterlag  oder  küm- 
merlich sich  forthalf. 

Von  den  Kapitularien  gehören  hierher  zwei  von  Karl  dem 
Grossen  von  806  und  813,  eines  von  Lothar  825  und  eins  von 
Ludwig  IL  850.  Das  erste  derselben  definirt  Zins  und  Wucher 
durchaus  so  allgemein  für  Klerus  und  Laien  und  alle  möglichen 
Rechtsgeschäfte  umfassend ,  wie  die  kanonische  Lehre : 

„usura  est  nhi  anipUus   requiretiir,   quam   detiir ;   verbi 

gratia,  si  dederis  solidos  X  et  amplius  requisieris;  vel  si 

dederis  modium  vini,    frumenti    et    Herum   super  aliud 

exegeris."  ^) 

Unmittelbar  darauf  folgen  in  §.  4  und  5  zwei  moralische 

Auslassungen,    die   im   Zusammenhange    mit    dem    Wucher 

stehn,  wie  in  den  oben  zitirten  Beschlüssen  der  ersten  Con- 

cilien : 

„§.  4.   avarieia  est  alienas  res  appetere  et  adeptas  nulli 
largire." 
Man  sieht  eben  die  Zinsen  als  rechtmässiges  Eigenthum  des 
Schuldners,   und   den    Zinsforderer   als    leer   von   Nächsten- 
liebe an. 


1)  Pertz,  Monum.  legg.  I.  p.  144. 


IIT.    1.  Rcchtsqiiollon.    h.  Kaiiitularion.  61 

„§.  5.  turpe  In  er  um  excrcent,  qui  per  varias  circimiven- 
tlones  JuermuVi  ennssn    irihoncste  re^s  quaslihet  congregnrc 
deeertant.'' 
Auch  hier  der  Anklang  an  den  moralischen  Ausgangspunkt  des 
Zinsgesetzes  und  der  Hinweis  auf  die  Reihe  der  Umgeliun- 
gen  des  Wucherverbotes.  So  heisst  es  im  Kapitulare  von  813  ') 

„usuram  de  aliqiia  causa  exigere,'' 
und  der  Bischof  von  Worms  besdiwert  sich  829  darüber  nicht 
minder.  ^)  §.  0  giebt  dann  die  schon  bei  Kegino  oben  erwähnte 
Unterscheidung  von  foeniis  iustum  und  iniustum,   doch  nur 
äusserlich  nach  dem  römischen  Rechte : 

„focHiis  est,  qui  aliquld  prestttt.  Iustum  foenus  est,  qui 
ampJius  non  requirit,  nisi  quam  prestat." 
§.  7  endlich  knüpft  als  Belag  daran  ein  Rechtsgeschäft,  das  in 
dem  damaligen  Acker])aubetrie])e  vielfacli  vorkommen  mochte, 
oder  nur  aus  der  Erörterung  der  c.  8.  C.  14.  qu.  4;  c.  9.  dist. 
46;  c.  2.  dist.  47  hinsichts  der  sescupJae  usurae  (tjfun/.tui) 
herübergenommen  war,  allgemein  aber  jeden  ..Aufkauf,"  Spe- 
kulationskauf, ja  jeden  Kauf  überhaupt  durch  das  Verbot  sei- 
nes Gewinnes  unmöglich  machte. 

,,Quicunque  enini  tenipus  mossis  rel  tempus  vindemlae  non 
necessitatc  sed  j^ropter  cupiditatem  contparat  annonam  an 
vinum  verhi  gratia  de  II  denariis  comparat  modium  unum 
et  servat  usque  dum  iterum  venumdare  possit  contra  denar. 
IV ant  VIlioc  turpelucrum  dicimus." 
Und  die  Worte  ,,propter  cupiditatem"  gehen  nocli  ül)er  den 
Kauf  hinaus  und  bauen  meder  die  bequeme  Brücke  zum  Ver- 
bote jedes  Rechtsgeschäftes,    in  welchem  usuraria    vohintas 
erspäht  werden  mochte.  Darin  fortschreitend  sagt  das  2.  Kapi- 
tulare  von  813  (1.  c.)  §.  10: 

„prnecipimus,  nt  nemo  usuram  de  aliqun  causa  cvigcrc 
audeat." 
Die  Strafe  ist  zunächst  nur  kirchlich ,  und  bezeichnet  um  so 
deutlicher  die  Quelle  des  Karolingischen  Wucherverbotes: 
„quicumque  hoc  freit,  hannum  pcrsolvat." 


1)  rertz,  1.  c.  p.  193.      2)  cf.  \).  59.  N.  1. 


62  in.    1.  rtoolitstiuolloii.    b.  Xa]iitiil;nioii. 

Lotliar  zeigt  in  seinem  Kapitulnre  von  825 ,  ^)  indem  er  das 
Zinsverbot  allgemein  wiederliolt,  den  Uebergang  zum  Ein- 
scbreiten  des  weltlicbeii  (ierii-lits.    §.  T) : 

.,2>roJiiheniNS.  ni  nemo  nsnyatii  faccro  pyn('<>uni(d  2>ost  cpis- 
copi  sul  contrstdtionciii.  (^nod  .s/  (juh  post  eins  intcnliduni 
facere  prucfiumscrlt ,  a  coniitihn^  distringatnr.'' 
Das  Kapitulare  Ludwigs  II.  endlich  850  ^)  baute  die  Strafe  zum 
Nutzen  der  Kirche  weiter  aus  und  bahnte  den  harten  Straf- 
bestimmungen der  Dekretalen  im  Abendlande  die  Pfade, 
„ . . .  censemus  ut  quicunque  hacc  perpetrasse  inveniuntur,  si 
supcrsunf,  a  qnihns  7isuras  cxcgernnt ,  ipsis  restituant, 
quae  super nhimdant ins  ahshdisse  prohantur.  Si  autem 
decesserunt ,  heredihus  rorum  saUem  medietatem  refundant 
mit  demoslnis  rcdimant,  quod  cupiditate  deliquerunt.  Dein- 
ceps  vero  qiii  haec  sectari  inventiis  fuerit ,  si  laicus  est ,  ex- 
communicetur ,  sacerdos  autem  vel  clericus  si  ad  episcopi 
admonitionem  ah  hoc  turpi  et  pestifero  negotio  se  non  cokl- 
hierit,  proprii  gradus  pcricidum  snsfinchit." 

Diese  Bestimnmngen  verbreiteten  sich  in  der  unter  IL  2. 
angeführten  Weise  in  die  Gebiete  deutscher  Stämme  und  legten 
hier.  Dank  dem  Experimente  der  Gesetzgeber,  dem  Verkehre  auf 
seiner  Kindheitsstiife  bereits  eiserne  Fesseln  an.  Denn  nicht 
allem  das  Ansehn  der  Kirche  erhob  sich  hinter  ihnen ;  sie  bil- 
den auch,  da  sonst  ein  gemeines  Recht  aller  deutschen  Stämme 
weder  in  deren  Volksrechten  noch  in  wissenschaftlichen  Eechts- 
büchern,  die  damals  nicht  entstehen  konnten  noch  brauchten, 
sich  gebildet  hatte,  das  gemeine  Eecht,  das  Kaiserrecht  für 
das  ganze  Reichsgebiet  mit  subsidiärer  Geltung.  Selbst  wenn 
man  die  geringen  oben  berührten  Sätze  der  Volksrechte  vom 
Schadensersatze,  was  bei  deren  casuistisch  begrenzter  Fassung 
nicht  wahrscheinlich,  als  Aeusserungen  des  Gewohnheitsrech- 
tes gegen  das  Wucherverbot  der  Kapitularien  auffiisste,  muss- 
ten  gerade  die  Richter  den  letzteren  als  dem  „geschriebenen 
Rechte"  den  Vorzug  geben.  ^)    Endlich  trugen  die  bald  veran- 


IjPertz,  1.  c.  \).  249.  2j  Pertz,  1.  c.  I.  p.  404.  3)  cf.  Capit. 
783.  c.  10;  802.  c.  26,  48;  803.  c.  4;  805.  c.  24;  813.  c.  17;  823.  c.  14. 
(Pertz,  Munuiii.  legg.  J.  ]>.  47.  03.  92.  94.  101.  116.  135.) 


TTI.    1.  Reclitsqiu'lloii.    o. 'Reflitslnicher.  63 

stalteten  Sammlungen  der  Kapitularien,  verbunden  mit  Aus- 
züöfen  aus  d(Mi  Volksrecliten ,  den  römischen  Gesetzen,  kirch- 
liehen  Schriftstellern .  den  Canones  und  Dekretalen ,  so  u.  A. 
von  Ansegisus  und  Benedict  von  Levita,  zur  Verbreitung  und 
praktischen  Anwendung  des  kanonischen  Wucherverbotes  der 
Kapitularien  bei,  indem  diese  Scliriften  selbst  wieder  von  den 
Königen  als  Gesetze  zitirt  und  trotz  iln-er  wirr  kritiklosen ,  ja 
tendenziösen  Abfassung  von  den  Richtern  in  Prozessen  ge- 
brauclit  wurden. 

0.     Die  Reclitsbüchor. 

Durch  die  Abzweigung  Deutsclilands  wurde  zunächst  an 
den  eben  gescliilderten  Verhältnissen  Nichts  geändert;  denn 
die  Kapitularien  blieben  in  den  einzelnen  Theilen  des  Reiches 
wenigstens  formell  gültig,  daneben  lebte  jeder  Stamm  nach 
seinem  geschriebenen  oder  ungeschriebenen  Reclite. 

Allmählich  dann,  als  bei  Aenderung  der  Grundlagen 
des  Staates,  der  Stände,  bei  dem  Wechsel  der  Ansichten  vom 
Strafrechte,  der  Umformung  der  Grundbesitzverhältnisse,  der 
Entwicklung  des  Verkehres,  insbesondere  des  städtischen 
Lebens  die  Kapitularien  ausser  Uebung  kamen,  hielt  man,  zu- 
mal im  nördlichen  Deutschland  und  vor  Allem  bei  den  Sachsen, 
mit  Zähigkeit  an  dem  alten  Gewolinheitsrechte  des  Stammes 
fest ,  suchte  dasselbe  weiter  zu  bilden ,  seine  Lücken  zu  füllen 
und  die  fremden  Rechte  von  Dim  mehr  oder  weniger  abzuweli- 
ren.  ^)  So  entstanden  nicht  durch  Anordnungen  der  Behörden, 
sondern  aus  dem  Rechtstriebe  der  Gemeinden,  der  Privatleute 
die  Aufzeichnungen  des  damals  wirklicli  geltenden  Rechtes,  die 
Land-,  Dienst-,  Lehn-,  Hof- und  Stadt -Rechte. 

Aus  diesen  und  den  oben  erörterten  Verliältnissen  folgt 
a  priori  bereits,  dass,  wo  niclit  ganz  vereinzelt  spezielle  Ur- 
sachen einwirkten,  die  Rechtsbüclier  des  nördlichen 
Deutschlands  und  alle  von  ili  neu  dort  h  er  gel  ei  te- 
t  e  n  anderen  R  e  c  h  t  s  q  u  e  1 1  e  n  B  e  s  t  i  m  m  u  n  gen  übe  r 
den  Wucher  zunäclist  nicht  enthalten  konnten. 


1)   Friediicli  IL,   constitutio   jiacis   Mcigniit.    a.    1235.     Pertz, 
Monuui.  legg.  II.   y.  ul3. 


64  in.    1.   rJoclitsquollon.    r.  Roclitsbüchcv. 

Ganz  besonders  gilt  dies  zuvörderst  für  den  Sachsen- 
spiegel, da  er  nur  das  geltende  Kecht  in  den  Landgerichten, 
nicht  in  den  Städten  vorführt.  Und  mag  der  Verfasser  des- 
selben auch  u.  A.  im  Prologe  des  Riclitsteiges  ausdrücklich 
erklären .  dass  er  geistliches  und  Kaiser  -  Recht  mit  dem  säch- 
sischen Stammesrechte  verarbeitete,  ihm  ist  das  letztere  doch 
so  sehr  Hauptsache,  dass  er,  wo  dieses  keinen  Anhalt  für  kano- 
nistische  Sätze  gab ,  solche  —  ohne  hier ,  oder  sonst,  den  Vor- 
wurf tendenziöser  Bearbeitung  des  heimischen  Rechtes  zu 
Ungunsten  der  Kirche  zuverdienen—  niclit  in  sein  Rechtsbuch 
aufnahm.  Auf  die  Wucherbestimmungen  bezieht  es  sich  daher 
nicht,  wenn  Eicke  im  Sachsenspiegel  das  ganze  deutsche  Recht 
darzustellen  sich  vorsetzt,  eher  gilt  für  ihn  in  dieser  Beziehung 
als  Entschuldigung ,  was  der  Verfasser  des  vermehrten  Sach- 
senspiegels ')  anführt,  um  sich  wegen  Uebergehung  der  Juden- 
rechte  in  seinem  Rechtsbuche  zu  entschuldigen :  „von  der  Juden 
gesatczten  gesuche  beschrebin  ist  nicht ,  wenne  her  ist  in  sun- 
derlichim  lande  in  einer  gewonheit  irsaczt  andirs  wenne  in  dem 
andern."  So  auch  das  Wuchergesetz  in  Nord-  und  Süddeutsch- 
land. —  Bei  der  darauf  folgenden  weiten  Verbreitung  des 
Sachsenspiegels  in  Nord-  und  Mittel  -  Deutschland ,  Holland, 
Polen  und  Livland,  —  noch  1498  heisst  es  auf  dem  Reichs- 
tage ,  der  dritte  Theil  Deutschlands  lebe  nach  ihm  —  musste 
seine  Uebergehung  der  Wuchernormen  sich  gleichmässig  gel- 
tend machen;  andererseits  beweist  diese  in  den  Rechtsquellen 
der  genannten  Gebiete  allgemeine  Uebergehung  nicht  minder, 
dass  mit  Recht  das  Schweigen  des  Sachsenspiegels  in  diesem 
Punkte  vornehmlich  auf  den  unentwickelten  Verkehr  und  die 
noch  nicht  durchgedrungene  Macht  der  Kirche  in  den  Grenzen 
seiner  Geltung  zurückgeführt  wird. 

Dies  gilt  vom  sächsischen  Weiclibildr echte  und 
Görlitzer  Rechtsbuche,  obgleich  beide  besonders  auf 
städtische  Verhältnisse  sich  beziehen,  desgl.  vom  Breslauer 
Landrechte.  2)  Das  Rechtsbuch  nach  Distinktionen^) 


1)  B  ö  h  m  e ,  diploiiiat.  Beitr.  IX.  p.  74.  Judenrechte  III.  dist.  I.  ti  a  u  p  p , 
schles.  Landr.  Leipz.  1828.  p.  12ff.  2)cf.  Gaupp,  scliles.  Landrecht  1.  c. 
p.G3  — Gij.  Eiclili.  III.  p.SGÜff.      a)ed.  Ortloff.  Jena  1836.  III.  17,1  ff. 


III.    1.  Rochtsquellen.   c.  Reditsbiulier.  G5 

spricht  nur  voiuloiii  Wucher  der  Juden  (cf.  V.4,)  nach  den  nian- 
nij^fachen  Privilegien ,  welche  denselben  in  vielen  Städten 
ertheilt  wurden ;  \)  dagegen  schweigt  es  von  dem  Wucher  der 
Christen,  obgleich  sein  Verfasser  alle  Unterschiede  zwischen 
Landrecht,  Weichbildrecht  und  Kaiserrecht  lehren  will-)  und 
den  Kechtsstofl'  aus  Büchern  des  kanonischen  Kechtes  neben 
dem  Sachsenspiegel,  Stadt-  und  Landrechtsbüchern  entlehnte.^) 
So  wurde  auch  dies  durch  seine  zalilreiche  Verbreitung  in  den 
Städten  des  östlichen  Nord-  mid  Mittel -Deutschlands  maass- 
gebend.  ■*)  Ja ,  noch  das  E  i  s  e  n  a  c h  e  r  li  e  c h  t  s  b  u  c  h  aus 
der  Mitte  des  15.  Jalirhunderts  bietet,  obgleich  es  neben  dem 
Buche  der  Distiuktiunen  doch  die  Glosse  des  Sachsenspiegels 
und  den  Schwabenspiegel  benutzte,  keine  Sätze  über  den 
Wucher.  Von  den  zwei  letzten  Rechtsbüchern  ist  dies  um  so 
aufftillender ,  als  neben  dem  Sachsenspiegel  das  Gosslarer 
Stadtrecht  ^)  vornehmlich  Quelle  des  üistinktionen  -  Buches 
ist ,  ^)  und  dieses  Stadtrecht  den  Wucher  missbilligt ,  wenn 
gleich  nicht  straft.'^)  Endlich  folgt  auch  der  Rügianische 
Landgebraucli ,  der  hn  16.  Jahrb.  die  deutsch-,  besonders 
sächsisch  -  rechtlichen  Gewohnheiten  mit  Vermeidung  alles 
fremden  Rechtes  wiederzugeben  strebt  und  eine  Zahl  der  hier- 
her gehörigen  Rechtsinstitute  berührt ,  in  dem  Schweigen  über 
den  Wucher  seinem  Vorbilde,  dem  Sachsenspiegel.  ^) 

Ph'st  als  auf  den  oben  geschilderten  Wegen  der  Einfluss 
der   Kirche   sich   in   Deutschland   immer   mehr   auszubreiten 


l)Ortloff,  1.  c.  p.  475ff.  2)Ortloff,  1.  c.  p.  XVU  u.  XXX tf. 
—  Stobbe,  1.  c.  p.  413.  3)  cf.  u.  A.  Pauli,  Abhandl.  aus  dem  lübi- 
schen  Rechte  III.  p.  27.  No.  65*.  dist.  I.  5.  1—9 :  Hostiensis  tit.  decre- 
"tal.  „quifilnsuntJegitimi."  4)Homeyer,  Rechtsbücher  p.  35.  67. 
171.  Stobbe,  415.  5)  1359.  ed.  Göschen.  Berl.  1840.  C)  Zöpfl, 
D.  R.  G.  §.  37.  p.  1G7.  7)  Göschen,  1.  c.  V.  p.  521.  So  schon  in 
derjenigen  Fonu  des  Rechtsbuches,  in  der  es  nach  der  ersten  Rezension 
erscheint.  8)  cf.  M  a  1 1  h.  v.  N  o  r  m  a  n  n ,  Wendisch  -  rügianischer  Land- 
gebrauch. 1530.  1546.  ed.  Gadebusch.  Stralsund  u.  Leipz.  1777.  — 
cf.  Honie5'er,  diss.  historiae  iuris  Gernianici  cajnta  quaedani.  Berl. 
1821.  —  Zoepfl,  D.  R.  G.  §.  58,  7.  Es  durften  hier  natürlich  nur  die- 
jenigen Quellen  sächsischen  Rechtes  erwiilint  worden,  welche  ihrem  son- 
stigen Inhalte  nach  Etwas  vom  Wucher  eiilhiilton  konnten. 

Neumann,  Gesch.  <1.  Wucliers.  Ö 


(U;  111.    1.   i;i'(lits(|iu'll(Mi.    c.    Eochlsljiiclior. 

bofjaiiii.  tindet  ihr  Wueliervevbot  aucli  diivoli  dio  zähe  Abwehr 
der  säi-hsischou  KiclitcM"  und  Roclitskoimor  hindurch  Einj^^ang 
in  die  sächsischou  und  (hiniit  in  die  norddeuts(dien  Keclitsquel- 
len.  Wie  sehr  fühlt  sich  ik'r  erste  CSlossator  des  Saclisen- 
s])ieo-els.  Johann  von  Ihich,  der  wol  in  Italien  römisches 
und  kanonisches  Hecht  kennen  gelernt,  als  Jüng'er  der  fremden 
Rechte.  ^)  Und  doch  war  er  in  der  Praxis,  l)esonders  als  mär- 
kischer Richter  thätig.  Während  er  als  seinen  Plan  aufstellt, 
allgemein  dem  sächsischen  Rechte  durch  Verbindung  mit  den 
fremden  Rechten  Geltung  zu  bewahren ,  giebt  er  in  dem 
Wucherverbote ,  frei  von  heimischen  und  römischen  Normen, 
sich  gfanz  den  Worten  der  Kirche  hin ;  zu  Buch  I.  art.  54.  des 
Sachsenspiegels  fügt  er ,  während  dort  vom  Zins  des  Renteu- 
kaufes geredet  wird:  „woker  is,  wat  en  man  mer  upburt, 
wen  he  utgift,  also  of  he  id  bededingh  ede."  ^)  Wie 
sehr  dieser  erste  Vorgang  wissenschaftlicher  Bearbeitung  der 
deutschen  Rechtsquellen  spätere  Glossatoren  und  sonstige 
Rechtsschriftsteller  leitete,  zeigte  sich  sogleich  bei  der  „Blume 
des  magdeburgischen  Rechts:"^):  „di  wurczil  abir  sint 
leges ,  daz  sint  keiserrecht  vnd  canones  "  '^)  von  dem  ebenfalls 
in  Italien  gebildeten,  danach  in  Deutschland  (an  Form  und 
Zahl  seiner  Rechtsschriften)  zumal  gegen  den  knapp  systema- 


1)  cf.  Prolog  zur  Glosse  des  sächs.  Laudrechts.  ed.  Honieyer.  Berl. 

1854.  V.  191  —  208,  dazu  p.  14  ff.  ib.  —   v.  187  —  193. 
foro  ecclesiastico  ,  si  dehes  litigare 
haberis  2^ro  fantastico ,  si  velis  allegare 
iura  huius  speculi ,  qiiae  ah  his  contemnunttir 
ut  iinius  pojnili ,  si  non  eoncordahuntur 
legibus  vel  canonihus ,  ut  hie  sunt  concordata 
et  approbationibus  legum  sunt  approbata. 
Quando  in  foro  litium  hoc  ins  reclamatur, 
lex  erit  in  suhsidium  cum  qua  concordatur ; 
et  si  iudex  ulterius  hoc  Teilet  reprobare, 
ne  contingat  deterius  poteris  audacier  appellare; 
si  sedem  apostolicam  propter  hoc  appelletis, 
haec  ut  fidem  catholicam  ver.a  invenietis. 

2)  cf.  Homeyer,  Sachsensp.   I.  54.   §.  2.  Gl.    Eichhorn,  D.  P.  R. 

§.  107.      3j  ed.  Homeyer,  Richtsteig  Landrechts.   Berl.  1857.       4)  cf. 

auch  Blume  des  Sachsenspiegels  (1397). 


ITT.    1.  Txechtsquellen.   c.   TJoclitsLüclior.  67 

tischen  Eike  so  überaus  fruchtbaren  N ico laus  Wurm,  ^)  — 
ein  Gegenstück  zu  der  hiteinischen  Uebersetzung  des  Sachsen- 
spiegels ,  welche  Thomas ,  Bischof  von  Breslau ,  fertigen  liess, 
,,Ht  in  iure  siio  evident  ins  protegcret  iustos ,  iniusios  puniret, 
suum  cnique  trihueref"  -) 

Um  so  nachhaltigeren  Eindruck  machte  nach  solchen  Yor- 
iräncfen  die  von  dohaiin  Kienkok  in  der  Mitte  und  am  p]nde  des 
14.  Jahrhmulerts  durch  die  Täbste  InnocenzVI.  und  Gregor  XI. 
bewirkte  Verdammung  des  Sachsenspiegels ,  dann  einzelner  Stel- 
len desselben  zu  Gunsten  der  wachsenden  Macht  des  Kirclien- 
rechtes,^)  deren  Beispiele  das  Baseler  Concil  1431  folgte.*) 
Bezeichnend  für  die  Gründe  dieser  That  mit  Piücksicht  auf  das 
im  Sachsenspiegel  übergangene  Wucherverbot  heisst  es  im 
Eingange  der  Bulle  Gregors  XL  (1:374)  (cf.  Gärtner,  Sach- 
senspiegel Leipz.  1732.  fl.  526.):  „relatio  perdiixit  ad  nostnmi 
auditum ,  quod  in  Saxonia  ac  nomudlis  aliis  partihus 
qiiaeddm  dctestahilia  scripta,  speculum  Saxonicum  vidyariter 
appellata  et  inferius  annotata  apud  nonmdlos  tarn  nobiles 
quam  ph'hejos  rcperiantur ,  quae  judices  et  incolae  jiartium 
earundcm,  omissis  canonibus  aliis que  scripturis 
sacris  competentihusque  naturae  et  civilihus  legibus  ac  bonis 
morihus  procul  pulsis  a  longis  retro  temporibus  observarunt, 
observant  etiam  de  piracsenii — "  Daher  erneuen  die  zwei 
Kleriker  und  Kenner  des  kanonischen  und  römischen  Rechtes 
T  a  m  m  0  und  T  h  e  o  d  o  r  i  ch  v.  B  o  x  d  o  r  f  (1 450)  das  Wucher- 
verbot der  Kirche  ni  ihrer  erweiterten  Glosse ;  sie  fügen  daran 
indess  aus  den  canones  und  den  Digesten ,  indem  sie  diese  theils 
absichtlich  analog  ausdehnten,  theils  falsch  verstanden,  eine 
Reihe  erlaubter  Ausnahmen  vom  Zinsverbote  noch  ausser  den 
bereits  im  kanonischen  Rechte  als  nichtwucherlich  gestatteten 
Fällen  (cf.  IV.  1.).  —  Eben  aus  diesen  Gründen  darf  nicht  ver- 
wundern, dass  selbst  Magdeburger  Schöffenausspr  ü- 

1)  1397.  ed.  Honieyer,  Richtst.  L.  R's.  1.  c.  p.  355.  2)  cf.  Prolog 
z.  Glosse  des  Sachsensp.  1.  c.  p.  12.  Honieyer,  Einl.  Gaupp,  Magdeb. 
Recht.  Bresl.  1826.  (p.  188-89.)  3)  cf.  Homeyer,  Abb.  der  berl. 
Akademie.  1855.  p.  377  ff.  4)  Gärtner,  Sachsensp.  1.  c.  Zö]iri.  I). 
R.  G.  §.  31.  i.  f. 

5* 


08  IIT.    1.  T^.'.'litsqiu'lU'ii.     c.    TJocIilsluiclior. 

(•li(>  (laiKuli  im  Wiulier  u.  A.  sii^li  dcni  kanonischen  Rechte 
aiil)'.'(|Uonit'ii.  Fandon  dio  Scliöit'cn  in  ihren  «^•clnTuiehlicheii 
IvechtsqneUen  kehie  Entscheidung  für  den  vorliegenden  Fall, 
so  blieb  es  ihnen  überlassen ,  aus  ihrer  eigenen  Eechtseinsicht 
oder  sonstigen  Quellen  das  Urtheil  zu  entnehmen.  ^)  So  be- 
sasseu  sie  bereits  in  der  Glosse  zum  Sachsenspiegel  und  in 
dem  SchAvabenspiegel,  der  allmälilich  vom  Süden  heraufdringt, 
selbst  einheimische  Wucherverbote  gemäss  dem  Kirchenrechte. 
Daher  stinmit  auch  der  Wucherbegriff  im  M  a  g  d  e  b  u  r  g  -  B  r  e  s- 
lauer  S  c li  ö  f  f  e  n  r  echte  (1350)  und  im  alten  C  u  1  m  in  dessen 
nicht  unmittelbar  aus  dem  Schwabenspiegel  entnommenen 
Theile  durchaus  mit  demjenigen  der  Buchschen  Glosse  über- 
ein ,  wenn  es  daselbst  lautet  -) :  „  daz  her  w  i  s  s  i  n  1 1  i  c  h  geno- 
myn  hatte  wucher.  Hir  uf  spreche  wir  (vor)  eyn  recht:  daz 
her  wissintlich  genomyn  hatte  wucher,  do  mag  man  en 
vmme  scliuldegin  vor  gcrichte  . . . " ,  und  es  bedarf  deshalb 
nicht  einmal  der  Autorschaft  des  kanonistischen  NicolausWurmb, 
mn  in  den  Magdeburger  Fragen  (1385  — 1402)  die  kano- 
nistische  Entsclieiduug  der  AVucherfrage  zu  erklären.  Letztere 
lautet^):  „man  mag  auf  das  pfand  noch  gelt  nit  aufschlags 
noch  zinss  noch  wüchers  nemen  von  rechts  wegen , "  und  weist 
durch  ihre  Unterscheidung  von  Wuclier  bei  Pfandnutzung  und 
bei  Darlehen  auf  das  kanonische  Recht,  durch  ihre  selbst  indem 
kleinen  Satze  scliwülstige  Fassung  auf  Wurm.  —  Dieses 
Eindringen  des  Wucherverbotes  m  das  systematische  Schöffen- 
recht, den  Culni  und  die  Magdeburger  Fragen,  weicheneben 


1)  Brüuner,  Stadtrecht.  Nr.  681.  „cum  iurati  initrincipio  electio- 
nis  iureni,  quod  deficiente  iure  scripta  seu  consueto  debeunt  uniciiique 
secundum  eorum  conscientiam  de  iusUtia  pruvidere."  ib.  Nr.  68.  „ex 
j/i'opyrio  ingcnio  vel  industria ,"  „ex  iure  scriptü."  Nr.  70.  desgl.  — 
Magdeburger  Fragen  1.3.2.  „ alle  gescbrifft  sind  den  leuten  gescbri- 
ben  vnd  gegeben  zu  Wissenschaft  vnd  zur  lere,  hirumb  wer  ein  Schoepff 
ist  vnd  geschworen  hat  zu  dem  rechte,  der  mag  nach  seiner  redligkeit  sei- 
nes besten  sinn  es  vnd  nach  wissenheit  der  schriff't  vnd  des  Kechten  urteil 
finden  aiiff  seinen  Eid."  —   cf.  Stobbe,  Gesch.  d.  D.  E.  I.  a.  p.  277.  — 

2)  cf.  Laband,  d.  magdeb.-bresl. systematische Schöffeurecht  (Berl.  1863) 
III.  2.  c.  12.  —  Culm,  III.  49  (ed.  Leman).  —  cf.  u.  lU.  2.  a.  dieser  Abh. 

3)  In  der  Ausgabe  des  Sachsens]).  Augsburg  1517.  Th.  II.  cp.  1.  dist.  1. 


in.    1.   Rechts. nK'llon.     .-.    R.-rht.sbikher.  fiO 

der  Glosse  des  Sachsenspiegels  u.  a.  Quellen  der  Wucherbe- 
handlung bei  der  Abfassung  der  neun  Bücher  magdebur- 
gerEechtes  1402  von  dem  Thorner  Stadtschreiber  Walter 
Eckard  ')  benutzt  wurden ,  bewirkte  endlich  die  ausführliche 
Behandlung  des  Wuchers  in  letzterer  Schrift  -)  und  damit  die 
Verbreitung  des  Wucherverbotes  in  Preussen.  Der  Begriff  des 
Wuchers  wird  hier  aufgestellt,  wie  in  Buch's  Glosse,  mit  dem 
Zusätze,  wie  dort,  „ob  er  es  hette  gedinget,"  ^)  dann  aber 
verwirft  der  Verfasser  in  engem  Anschlüsse  an  die  kanonisti- 
schen  Ausführungen  und  nationalökonomischen  Vorstellungen 
als  Wucher .  wenn  der  Verkäufer  wegen  Kauf  auf  Credit  mehr 
als  den  wahren  Werth  der  Sache  fordert  oder  in  der  Hoffnung 
auf  ein  Geschenk  des  Schuldners  darleiht:  „Die  Hoffnung 
machet  Wucher."  (cf.  u.  HI.  2.a). 

Eben  so  nothwendig,  wie  oben  der  allgemeine  Satz  über 
das  Fehlen  der  Wucherbestimmungen  in  den  Eechtsquellen 
des  nördlichen  Deutschlands,  folgt  für  diejenigen  Süd-  und 
Westdeutschlands  aus  den  oben  erörterten  Gründen ,  d  a  s  s  sie 
g  a  n  z  b  e  s  0  n  d  e  r  s  eingehend  d  i  e  W  u  c  h  e  r  g  e  s  e  t  z  e  d  e  s 
kanonischen  Rechtes  beb  and  ein  mussten. 

Hier  offenbart  der  Spiegel  deutscher  Leute,  der,  ob- 
gleich er  das  Recht  des  ganzen  Deutschlands  darstellen  will, 
gerade  aus  den  kanonischrechtlichen  Quellen,  so  wie  dem  von 
letzteren  vornehmlich  durchdrmigenen  Freiburger  Stadtrechte 
sich  vielfach  Rathes  erholt,  und  vornehmlich  mit  Rücksicht 
auf  die  städtisch  entwickelten  Verhältnisse  Augsburgs  geschrie- 
ben ward ,  ^)  noch  wesentlich  seinen  nordischen  Ursprung  aus 
dem  Sachsenspiegel.     Er  handelt  hinsichts  der  hierher  gehöri- 


1)  cf.  Epilog  einer  Königsberger  Handschrift  (Univers.  bihl.  n.  888  fl. 
Hoincjer  360™)  über  die  Quellen  des  Buches:  ,,us  der  Sachsin  spigel 
mit  der  glosen  \Tid  vs  vil  andern  bucheni  des  rechten  . . .  euch  czihe  ich  is 
an  den  werden  got  das  ich  andirs  nicht  gesatzt  habe,  wenne  also  mgbilde 
vnd  lantrechte  uswyget  vnd  nach  deme  also  ich  des  eynteyl  in  der  werden 
herren  Scheppin  von  Meydeborg  breven  vnd  vrogin  beschreben  habe 
funden."  Ortloff,  p.  XLVIII.  ff.  —  Stobbe,  1.  c.  p.  428.  u.  ib.  N.  28. 
2)  ed.  Albert  Poelmann,  Königsberger  Notar  1574.  3)  1.  c.l. IV. a.  7, 
dist.  11.      4;  Ficker,  üb.  einen  Spiegel  deutscher  Leute.  1857.  p.  168 tf. 


7(t  111.    J.   i;.Mlits.iuellni.    f.    Ixoclit.shiich.T. 

gen  h'iH'htssjfobiete  nur  von  dor  Nutzung  des  Pfandes  *)  und 
doii  IMiindorn  re.sp.  doni  "Wucher  der  Juden,  Avelchen  letzteren 
er  ausnalmisweise  beschränkt;  -)  dagegen  erwähnt  er  den 
"Wucher  allgemein  gar  nicht,  womi  nicht  etwa  die  mit  dem 
Sachsenspiegel  111.  ÖO.  §.2,1  und  mit  dem  Schwabenspiegel 
("Wackernagel  251.  Lassb.  306)  übereinkommende  Stelle  p.  132 
n.  27Ö  auf  den  Wucher  ausgedehnt  werden  soll:  „swer  so  silber 
oder  pfennnig  gelten  sol  pevtet  er  da  gewette  vur.  er  en  ist 
da  mit  niht  ledich  ir  gelube  enste  denne  also!  —  sogetan 
Pfenning  vnd  so  getan  silber  als  der  man  lobet  sol  er  gelten 
vnd  Pfenning  die  gib  vnd  gaeb  sein  in  dem  gerichte."  Der 
Schwabeuspiegel  dagegen  ergänzt  gerade  in  dem  "Wucher- 
gesetze seine  Hauptquellen,  den  Sachsen-  und  Deutschen - 
Spiegel,  bedeutend,  indem  er  der  Obgewalt  der  Kirche  höchst 
zugethan ,  die  '\^''ucherbestimmungen  aus  dem  kanonischen 
Rechte,  den  Capitularieu  und  der  Sammlung  des  Ansegisus 
schöi)ft  und  mit  den  hierher  gehörigen  Bestimmungen  des 
Freiburger  - ,  Augsburger  -  u.  a.  süddeutscher  Stadtrechte  in 
Einklang  bringt,  resp.  auf  sie  und  andere  Rechtsquellen  Süd- 
und  "West  -  Deutschlands  in  maassgebender  Stärke  weithin  aus- 
dehnt. Letzteres  musste  nachweisbar  um  so  mehr  gelingen, 
da  der  Schwabenspiegel  besonders  durch  seine  Aufnahme  rö- 
misch- und  kanonisch -reclitli eher  Grundsätze  als  Kaiserreclit 
erschien.  So  drang  sein  "Wuchergesetz  nach  "W  ü  r  t  e  m  b  e  r  g, 
nach  Baiern,  in  die  Rechtsbücher  Ruprechts  v.  Frey- 
sing,  in  das  bairische  Land-  und  Stadt-Rechtsbuch, 
in  das  Stadtrecht  von  München  und  damit  in  den  grösseren 
Tlieil der bairischen Städte,  nach  Oester reich,  der  Schweiz, 
Böhmen,  Elsass  und  selbst  über  die  Grenze  des  Sachsen- 
spiegels hinauf  nach  Norddeutschland,  wo  er  in  Hessen  (Cassel, 
Frankeuberg,  Alsfeld,  Eschwege,  "\\''itzenhausen),  inPreussen 
(wörtlich  aus  dem  Schwabenspiegel  entnommene  Zusätze  zum 
Culmer  Rechte  in  dessen  Buch  V,  darunter  gerade  vom  Wu- 
cher), in  Luxemburg  u.  (cf.  p.  68.)  in  Schlesien  (so  in  dem 


1)  p.  73.  n.  75. ,  p.  95.  n.  92.  in  fin.  p.  123.  n.  204. 205.  p.  132.  n.  271. 
2)  cf.  (V.  4.)  p.  73.  n.  75.  p.  124.  n.  207.  209.  des  deutsch.  Spgl. 


III.    1.  Re(hts(|ncllcii.    r.    Rcchtslniclier.  71 

systematischen  Schöffenrechte  und  in  den  Magdeburger  Fragen) 
sich  direkt,  oder  wenigstens,  was  in  den  Gebieten  dessächsiscben 
Rechtes  für  die  Wuclierhestimmungen  besonders  wesentlich 
gewesen  wäre,  als  subsidiäre  Kechtsquelle  Geltung  verschaft'te. 
Selbst  das  Eindringen  des  r  ö  m  i  s  c  li  e  n  Rechtes  mit  seiner 
Zinserlaubniss  innerhalb  der  gesetzlichen  Grenze  (cf.  VlI.  l.) 
konnte  anfänglich  hierin  eine  Aenderung nicht  erzielen.  Was 
zuvor  die  Quellen  allgemein  betonten ,  äussert  dann  vom  Wu- 
cher speziell  die  Glosse  zum  Sachsenspiegel  I.  54. 
„  Etliche  sagen ,  man  möge  den  Wucher  nach  Kaiserrecht  wol 
nehmen.  Süg  aber  du,  man  möge  keinen  Wucher  nehmen, 
dann  die  Canones ,  das  alte  und  neue  Testament  solches  ver- 
bieten. •  Was  aber  der  Canon  vorbeut ,  vorbeut  auch  das  Kai- 
serrecht "  0.  Zu  fest  hatte  sich  durch  die  Reihe  der  Jahr- 
hunderte die  Zinsbestimmung  des  kanonischen  Rechtes  unter 
anderen  seiner  Gesetze  den  deutscheu  Obrigkeiten  und  Rechts- 
kundigen eingeprägt.  Selbst  die  Reformation  der  Kirche  ver- 
mochte es  in  diesem  Punkte  zuerst  nicht  anzugreifen  (cf.  YII. 
2.  a.  b.)  Durch  die  grosse  Pflege  gerade  des  kanonischen  Rech- 
tes auch  auf  deutschen  Universitäten  hatte  es  vermehrten  Ein- 
fluss  in  der  Rechtswissenschaft  und  Gerichtspraxis  gewonnen, 
(cf.  ob.  II.  2.  Näheres  hierüber  cf.  VU.  1.)  Und  so  bleiben 
selbst  die  Rechtsgelehrten,  welche  sich  das  römische  Recht 
durch  die  deutsche  Sprache  und  heimische  Abfassung  in 
Deutschland  volksthümlich  zu  machen  bestrebten ,  Avie  U 1  - 
richTergler  im  Layenspiegel,  2)  hinsichts  des  Wuchers 
dem  kanonischen  Rechte  durchaus  getreu.  Nicht  anders 
musste  der  Eisenacher  Stadtschreiber  Purgoldt,  wenn  er  am 
Anfange  des  16.  Jahrhunderts  ein  praktisches  Rechtsbuch  lie- 
fern wollte ,  zu  dem  deutschrechtlichen  Stoffe  des  sächsischen 
Distinktionenbuches,  das  er  seinem  Werke  zu  Grunde  lesfte, 
römisches  und  kanonisches  Recht  in  der  Wucherfrage  be- 
sonders hinzufügen.  ^)  Er  nennt  sogar  gewissenhaft  die  kano- 
nistische  Quelle.     Nach   seiner   Zeit   wandten   sich   bis    zum 

1)  cf.  auch  Neun  Bücher  sächs.  Rechtes ,  ed.  Pool  mann,  IV.  7.  dist. 
10.        2)  1480.  Augsburg  1509.        3)  ed.  Ortloff,  Jena  1860. 


7-J  m.    I.   Krclitsiiuollrn.     .1.    StaiUro.litc. 

Kiuledev  hier  boli;iii(loUoii  Periode  die  Blicke  der  Iveehtskuiidigen 
so  überwiegend  den  eingedrungenen  tVeniden  Hechten,  ihrer 
Verarbeitung  oder  Verwerfung  zu ,  dass  ZAivördcrst  sich  weder ' 
Fälligkeit  noch  Trieb  zur  Zusammenstellung  des  heimischen 
Privatrechtes  in  Kechtshüchern ,  wie  zuvor  erhielt.  Glücklich, 
wenn  sich  dasselbe  nur  durch  eigne  Kraft  noch ,  wie  es  in  die- 
ser Kechtsfrage  geschah,  gegen  die  fremden  Eindringlinge 
erhalten  konnte.  Erst  nach  1G50  beginnt  dann  wieder  die  na- 
türliche Keaktion,  das  thatkräftige  Sichhinwenden  zur  wissen- 
schaftlichen Bearbeitung  des  hemiischen  Kechtcs,  dann  frei- 
lich ist  das  kanonistische  Zinsverbot  völlig  ausgetilgt  auf  die- 
sem Rechtsfelde,  und  der  römische  Zinsgrundsatz  leitete  zu 
einer  freieren  Zinsgesetzgebung  über.  * 

d.  Die  S  t  adt  rechte. 
Die  besondere  politische  und  wirthscliaftliche  Stellung  der 
Städte  im  deutschen  Keiche,  welche  die  Bildung  und  Entwick- 
lung ihrer  Gesetze  nach  Forin  und  Inhalt  von  den  Rechten  des 
Kaiserthums  ebenso,  wie  von  den  Gesetzen  der  Landcsfürsten- 
thümer  unterschied ,  führte  mit  sich ,  dass  die  Stadtrechte  vor- 
nehmlich eingehend  die  das  Wucherverbot  berührenden  Rechts- 
gebiete behandeln  mussten.  ^)  Die  Keime  hierzu,  welche  ge- 
mäss den  obigen  Darlegungen  allgemein,  nach  dem  eben 
berührten  Grunde  speziell  das  Gewohnheitsrecht  in  den  Städten 
in  sich  trug,  wurden  dadurch  noch  besonders  genährt,  dass 
Cleriker  selbst  die  Stadtrechte  abfassten ,  oder  die  hierin  thäti- 
gen  Privatleute  und  Rathsmitglieder  wesentlich  beehiflussten,  ^) 
dass  man  die  wiederkehrenden  Entscheidungen  der  städti- 
schen Gerichte  gesammelt  dem  Stadtrechte  als  Anhang  mit 
Gesetzeskraft  beifügte,-^)  dass  die  Rechtsbücher  selbst  nicht 

Ij  cf.  u.  A.  Merkel,  d.  republ.  Alarnan  p.  15  ff.  61.  n.  35.  2)  La- 
comblet,  Urkk.  E.  N.  452.  p.  246.  N.  42.  Cöln  1258.  —  Schöpflin, 
Alsat.  di]d.N.  597.  603.(1262.)  3)  Basel  u.  A.  1,387  (Rechtsquellen  v. 
Basel  I.X.  42.)  ,,vnd  sol  man  ouch  diz  erkanntmiisse  (des  Schultheissenge- 
richtes)  hinnanthin  bi  uns  eweklich  halten,  ib.  Nr.  48  (1390),  87  (1408) 
„darvmb  ist  si  in  der  raten  vnd  des  gerichtes  büchern  getan  setzen."  — 
Tschoppe  und  Stenzel  (Lausitz.  Urkk.  N.  62a  (1270)  Leobschiitzer 
Willkür  §.51.)—  Münchner  Stadtr.  a.  451.  —  Gengier,  Stadtr.  p.l93. 


II r.    1.  Eoclitsqn.'llrn.     (1.    SliKlin^.hte.  73 

allein  subsidiär  golt.end  die  vielen  Lücken  der  oft  höchst  ca- 
suistisch ,  völlig-  unsystematisch  /Aisanimengestellten  Stadt- 
rechte ergänzten ,  sondern  gerade/.u  dem  Codex  der  letzteren 
als  weiteres  Gesetz  angehängt  wurden.  ')  Hatte  so  die  Wu- 
cherbestimmung in  ein  Stadtrocht  Eingang  gefunden,  dann 
verbreitete  sie  sicli  als  Aussjn'ucli  des  städtischen  Gerichts- 
Oberhofes,  oder  in  dem  horülxTgcnommenen  Stadtrechte,  oder 
auf  einem  der  vielen  l)ekannten  amleren  Wege  in  eine  Reihe 
der  anderen  benachbarten  oder  ferneren  Städte.  -) 

Hierin  und  in  den  oben  allgemein  angeführten  Ursachen 
liegt  es  begründet,  dass  die  grosse  Zahl  der  vom  sächsischen, 
insbesondere  dem  Magdeburger  Reclite  abhängigen  Stadtrechte 
Nord  -  und  Ostdeutschlands  trotz  ihrer  sonstigen  lieiclihaltigkeit 
die  Wucherfi-age  kaum  berühren.  Dies  gilt  ausser  den  oben 
genannten ,  vornelimlich  den  norddeutschen  Rechtsbüchern 
unterworfenen  Städten  noch  für  H  a  m  bürg,  Lübeck,  Lüne- 
burg, Danzig,  Reval  u.  A.  Im  Gosslarer  Stadtrechte 
(cf.  p.  65.)  wird  nur  ein  sittliches  Bedenken  gegen  den  Wucher 
ausgesprochen :  1.  c.  V.  p.  1U2.  1.  c.  „von  manigerhande  rechte : 
of  en  bot  dat  he  liet  ghowukert,  darmede  ne  heft  he  sin  recht 
nicht  verlorn  noch  sine  ghelde :  sin  gherochte  is  dar  aver  mede 
gekrenket "  p.  521.  ib.  Im  L ü  b  i  s  ch  e  n ,  *'')  L  ü  n  e  b  u  r  g  e  r ,  *) 
Revaler,^)  Danziger  Stadtrechte  *')  wird  wenigstens  die 
Frage  des  vom  Gläu])iger  beim  Darlehn  und  speziell  beim  Ver- 
zuge erlittenen  Schadens  durch  Auflegung  einer  bestimmten 
Geldentschädigung  auf  den  Scliuldner  gelöst.  Doch  wenn 
schon  liierbei  der  Wortlaut  dieser  Willküren  oft  zu  allge- 
mein gefasst  erscheint,  ''')  um  mit  Bestimmtheit  auf  den  Dar- 


1)  Z.  B.  in  Augsburg.  —  cf.  Freyberg,  tcutsche  Eechtsalterthü- 
mer  I.  H.  1.  1828.  —  Walch,  Beiträge  IV.  1774.  —  Hoitieyer,  Rechts- 
bücher N.  229.  490.  «54.  2)  St  ebbe,  1.  c.  T.  a.  p.  492  ff.  3)  Hach, 
das  alte  lübische  Recht.  Lübeck  1839.  p.  185.  —  Acccssiones  ad  justi- 
tias  Lubecenses. —  Gengier,  deutsche  Stadtrechte  p.  258.  262.  267  ff. 
4)  W.  Th.  Kraut,  das  alte  Stadtrecht  v.  Lüneburg.  1846.  5)  Bunge  u. 
Madai,  Rev.  Stadtr.  LH.  Doriiat  1844.  6)  Ungedr.  Danz.  Willkür. 
1380  —  1454.  Bibl.  d.  Archivs  n.  X.  1.  7)  u.  A.  in  der citt. Danz.  Willkür 
V.  1454.  fl.  3.  art.  von  wirdigunge  soniliches  schaden.  ,,Wo  eyner  den 
andern  viume  schaden  beschuldiget  den  schaden  sal  man  nicht  richten  noch 


74  111.    l.   luHhtsiiUolku.     d.    »Stadt le'dito. 

lehnssoliadon  angewendet  werden  zu  dürfen,  so  schweigt 
gar  das  Hamburger  Stadtreolit  ^)  hiervon  ganz.  Und 
dass  dieses  theilweise  oder  völlige  Schweigen  der  Stadt- 
rechte nicht  etwa  auf  die  bi^sondwe  Natur  des  sächsischen 
Rechtes ,  vielleicht  auf  dessen  Abneigung  gegen  die  wachsende 
Macht  der  Kirche  zurückzuführen  sei,  lehren  die  weiteren 
Stadtrechte  in  Nord-  und  Mittel -Deutschland.  Auch  die  vom 
Rheine  herstammenden  dieser  Rechte  behandeln  nicht  die  Zin- 
sen ,  so  die  von  B  r  a  u  n  s  c  h  w  e  i  g ,  2)  Hannover,^)  A 1  - 
st e dt,  •*)  Winter berg,  •'')  Soest,  **)  dessen  Willkür  wegen 
der  Reichhaltigkeit  in  anderen  Rechtsfragen  mit  Grund  zu  rüh- 
men ist,  desgleichen  die  dem  Hamburger  benachbarten  Stadt- 
rechte von  V  e  r  d  e  n  und  Stade, '^)  noch  berühren  den  Wu- 
cher, obgleich  sie  dessen  Erörterung  aus  den  nahen  fränki- 
schen StadtiTchten  reichlich  ersehen  konnten,  die  Willküren' 
von  Nordhausen,  ^)  Mühlhausen,  ■')  Erfurt,  ^'^)  Saal- 
feld,'')CTreussen  '^)  u.  A. 

Dagegen  handeln  die  Stadtrechte  Süd  - ,  West  - ,  und  zum 
Theile  seihst  Ost -Deutschlands  gemäss  den  oben  dargelegten 
Gründen  eingehend  vom  Wucher,  wobei  vornehmlich  der  Schwa- 
benspiegel das  Fundament  bildet.  In  wie  nahe  Berührung  die 
Rechtsbücher  Süddeutschlands  neben  dem  Schw^abenspiegel 
mit  den  Stadtrechten  besonders  der  bairischen  Städte  Augs- 
burg und  München  traten,  ist  oben  bereits  erwähnt;  in 
diesen  Rechtsbüchern  fand  sich  durchweg  im  Gegensatze  zu 


des  Jilegers  wüle,  sunder  die  scheppen  sullen  en  wirdigen  noch  deme  sie  als 
irkennen  das  es  niogelichen  ist,  vnde  das  sullen  sy  thun  bey  erem  eyde, 
wenne  das  gescheen  ist  so  sal  der  kleger  sunderlich  seynen  eydt  darczu 
thuen,  das  der  schade  so  grosz  sey,  alse  her  von  den  scheppen  gewirdiget 
ist,  her  mag  en  wol  mynnen  adir  her  sali  en  nicht  hogen.  cf.  u.  IV,  2.  k, 
3  a.  1)  Lappenberg,  Hamb.  Rechtsalterthüraer.  2)  Pufendorff, 
observatt.  IV.  app.  n.  VI.  p.  78.  3)  ibid.  n.  \^I.  p.  167.  4)  Walch, 
Beitr.  VI.  Jena  1777.  n.  4.  5)  Walch,  1.  c.  n.  5.  6)  ed.  Häberlin. 
Helnistädt  1748.  —  Gengier,  1.  c.  p.  439.  —  Seibertz,  Urkundenbuch. 
I.  n.  42.  Neue  Schrae,  ib.  Il.n.  719.  7)  Pufendorf,  ib.  obs.  I.  app.  ^1. 
8)  Senckenberg,  visiones  Leipz.  1765. app.  U.n.V.  1308.  9)13.  Jahrh. 
Stephan,  Neue  Stofflieferungen,  Mühlh.  1846.  10)  1306.  Walch, 

Beitr.  I.        11)  13.  Jahrh.  Walch  ib.        12)  W^alch  ib.  VH,  150. 


111.    1.  Rrclits(|nHlon.     d.    8t:i(Uicihte.  75 

Norddeutscliland  das  kanonische  AVudierverl)ot  vof.  So  geht 
es  iii  das  F  r  e  y  s  i  n  g  e  r  Stadtrecht  ( 1  o5( ») ,  welches  der  Bischof 
Albrecht  II.  selbst  den  kirchlichen  Einflüssen  öffnete ;  *)  aus 
dem  bairischen  Landrechte,  dem  Schwabenspiegel  und  Ru- 
prechts V.  Frey  sing  Kechtsbuche  dringt  es  in  das  Münche- 
ner Stadtrecht  (14.  Jahrh.)  -)  und  verbreitet  sich  von  hier  aus 
über  eine  Menge  der  Städte  Baierns,  wie  Aichach,  Ingol- 
stadt, Wasserburg,  Neustadt,  Landsberg,  Schon- 
gau,  Weilheim,  Dachau,  Wolil  u.  A.  •  Und  wie  der 
Einfluss  des  Schwabenspiegels  auf  die  österreichischen  Stadt- 
rechte ,  so  auf  das  W  i  e  n  e  r ,  ■')  H  e  i  m  b  u r  g  e  r ,  '^)  Salz  b  u  r  - 
g  6  r  ,^')  auf  das  von  E  n  n  s ,  Neustadt,  1  g  1  a  u ,  auch  B  r  ü  n  n ") 
sich  ausdehnte ,  trug  er  sein  Wucherverbot  auch  dort  hinüber. 
Neben  den  Codices  der  Stadtrechte  ergiebt  sich  dies  aus  den 
Beschlüssen  der  hierher  fallenden  Concilieu  und  Synoden  mid 
aus  weiteren  auf  den  hier  früh  entwckelten  Verkehr  bezüg- 
lichen Urkunden  (cf.  u.) ,  so  dass ,  avo  in  den  Stadtrechten  sich 
das  Wucherverbot  übergangen  findet,  ^)  man  dies  der  lücken- 
haften Erhaltung  derselben,  oder  der  subsidiären  Gesetzes- 
kraft der  gemeinsamen  Quelle,  des  Schwabenspiegels,  zu- 
schreiben darf.  Ein  Gleiches  gilt  für  die  schw^ä  bis  eben 
Städte,  so  für  die  Rechte  von  Ulm,^)  von  Stuttgart,'') 
von  N  ö  r  d  1  i  n  g  e  n.  ^  '^)  Letzteres  Stadtrecht  giebt  eine  weitere 
Erklärung  der  Uebergehung  des  Wucherverbotes,   indem   es 


1)  ed.  G.  L.  V.  Maurer,  Shiüg.  n.  Tiibing.  1839.)  2)  ed.  Auer, 
München  1840.  cf.  Bergmann,  (iesch.  v.  München  1783.  fol.  i.  Anhang 
das  Stadtrecht  v.  1417.  3)  ed.  Rauch,  script.  rer.  Austriac.  lU.  p. 
144 — 258.  4)  cf.  Senckenberg,  visiones  app.  11. n.  11.  5)  cf.  Köss- 
1er,  Ueber  Bedeutung  und  Behandlung  der  Geschichte  des  Rechtes  in 
Oesterreich  1847.  Anh.  n.  2.  (i)  Rössler,  deutsche  Rechtsdenkniäler 
aus  Böhmen  und  Mähren.  Bd.  11.  1853.  u.  A.  p.  XXXV.  CXIH.  CXVI. 
7j  u.  A.  fehlt  das  Wucherverbot  in  dem  .Salzburger  Stadtrechte  v.  1287. 
Dagegen  findet  es  sich  in  allgemeinster  Ausdehnung  in  der  revidirten 
Abfassung  desselben  von  1328.  (cf.  Rössler,  Bedeutung  und  Behandlung 
der  Geschichte  des  Rechtes  in  Oesterreich  (1847)  Anhang  n.  2.  p.  V.  VI.) 
8)  (129G)  ed.  Jäger,  schwäbisches  Städtewesen  im  Mittelalter!.  Heil- 
bronn 1831.  Anh.  9)  ed.  Sattler,  Geschichte  Würtembergs  unter  den 
Graven.  V.  p.  3tj  — 59.         10)  cd.  Senckenberg,  1.  c.  a.  II.  n.  VI.  1318. 


76  in.    1.  Kcclitsiiuolleii.     .1.    Staatrechto. 

dieses  nur  unter  den  Conipetenzsacben  des  geistlichen  Gerich- 
tes anfülirt:  1.  c.  a.  39  „dar  nah  ist  reht  ez  si  vrav  oder  man 
di  für  gaistlich  gericht  ladent.  Die  gebeut  zehent  pfvnt,  ez  si 
danne  wuocher  oder  vmb  elicbiv  ding. "  ')  Wenn  andrerseits 
die  frei  von  dem  unmittelbaren  Einflüsse  süddeutscher  Rechts- 
bücher entstandenen  Stadtrechte,  wie  die  der  rheinischen, 
fr  ä  n  k  i  s  c  li  e  n  .  h  ö  h  ni  i  s  c  li  e  n  ,  u  n  g  a  r  i  s  c  h  e  n  Städte  gleich- 
massig  das  Wuchcrverliot  in  sich  tragen,  so  bekräftigen  sie 
um  so  mehr  die  obigen  allgemeinen  Ursachen  der  Verbreitung 
des  Wucherverbotes  in  diesen  Gebieten.  In  C  ö  1  n  mochte  be- 
sonders der  bischöfliche  Eiutluss  hierzu  mitwirken,  ^)  im  breis- 
gauer  Fr  ei  bürg  und  deren  Tochterstädten,  in  Worms 
und  Bielefeld  kam  noch  die  Vorschrift  des  Cölner  Eechtes 
als  Mutterrechtes  hinzu. "')  In  den  fränkischen  Orten  ist  die 
nämliche  Behandlung  der  Wucherfrage  um  so  bezeichnender, 
weil  ein  Verpflanzen  des  Rechtes  einer  Stadt  in  andere  Nach- 
barstädtc  viel  beschränkter ,  als  im  übrigen  Deutschland  be- 
gegnet. ■*)  Bei  den  Stadtrechten  Prags,  Ofens  u.a.  Städte 
im  östlichen  Gebiete  deutschen  Rechtes  ^)  sorgten  hierfür  der 
kanonistische  Einfluss  ^)  und  derjenige  der  österreichischen 
und  mährischen  Stadtrechte,")   vielleicht  auch  flamländische 


1)  cf.  hierzu  das  Bamberger  Stadtrecht.  Zöpfl,  Heidelberg  1839. 
Einleitung  p.  100:  ,,die  Sachen,  über  die  das  geistliche  Gericht  urtheilte, 
sind  im  Stadtrechte  mit  Stillschweigen  übergangen."  2)  Lacomblet, 
Urk.  Buch  I.  11. ,  s])eziell.  II.  N.  452.  cf.  auch  Arnold,  Gesch.  der  Ver- 
fassung der  deutschen  Freistädte.  I.  p.  101.  --  Gengier,  1.  c.  p.  (J7if.  — 
Grimm,  Weistliümer.  IL  p.  741  if.  3)  Freiburger  Stadtr.  ib.  1828. 
ed.  Schreiber.  I.ll.  aus  dem  12 — 14.  Jahrhundert,  u.  J'rciburger  Stadtr. 
ed.  Ulr.  Zasius.  1520.  1547.  —  Wormser  Eeform.  1498.  ed.  1507.  — 
für  Bielefeld  cf.  Walch,  Beitr.  UI.  4)  cf.  Zöpfl,  R.  G.  §.  43.  — 

Zöpfl,  das  alte  bamberger  Eecht.  Einleitung  p.  45.  —  Nürnberger 
Reformat.  (1479)  ed.  K ober ger  1484.  5)  Rössler,  Altprager  Stadt- 
recht.  14.  Jahrh.  Prag,  1845.  —  Bedeutung  und  Behandlung  der  Ge- 
schichte des  Rechts  in  Oesterroich.  Anhang.  Altj)rager  Stadtrecht  12G9. 
(ed.  Rössler.)  —  Mi chnay  u.  L ichner ,  Ofner  Stadtrecht  (1244— 1421.) 
Presburg  1845.  G)  Vielleicht  nur  mittelbar  aus  dem  Brunner  Stadt- 
rechte. Rössler,  deutsche  Rechtsdenkmäler  aus  Böhmen  und  Mähren. 
Bd.  U.  (1853)  p.  CXX ff.  7)  Rössler,  Altprager  Stadtrecht,  p.  101  ff. 
Bischoff,  Österreich.  Stadtrechte  p.  131.  —   Stobbe,  1,  c.  p.  523 ff.  — 


III.    1.   K-vlitsquellcii.     (1.    SladiRMlite.  77 

EinAvirlaiii<i'  Seitens  der  zalilreiclicii  (lainliindisclieii  Kiiiwan- 
derev.  ^)  Und  wie  bei  den  lieclitsbüdiern,  so  sieg"te  auch  liri 
den  Stadtrecliten  in  der  WuclievtVage  zunächst  noch  die  Kirche 
über  das  eindrmgende  römische  Recht  (cf.  VIT.  1.).  Die  Refor- 
matoren der  Stadtrechte  nahmen,  obgleich  sie  römische  Reclits- 
gelehrte  waren,  das  kanonisclie  Wucherverbot  in  die  Reforma- 
tionen auf,  ja  sie  versc.liärfteii  dasselbe  wol  gar  noch.  So  in 
dem  Co  In  er  Stadtreclite  von  1437,  woraus  dann  Ulricli 
Zasius  wieder,  der  (im  Breisgau)  das  Frei  bürg  er  Stadt- 
recht reformircn  und  den  Erfordernissen  der  Zeit  anpassen 
sollte,  die  Wuchernormen  1520  dieser  Reformation  hinzufügte. 
Glatiuncula,  der  römische  Rechtskundige,  setzte  gleichfalls 
die  kanonistischen  Ziiisbestimmungen  in  die  Nürnberger 
Reformation  von  1479 ,  und  erst  in  einer  fernereu  Verbesse- 
rung dieses  Stadtrechtes  von  1594  trat  der  römische  Zins- 
grundsatz in  Geltung.  -)  Andere,  wie  der  römische  Jurist  Fi- 
chardt,  der  Reformator  der  Frankfurter  Gesetze,  wag- 
ten, obwohl  sie  die  freie  Handelsentwicklung  begünstigten, 
nicht ,  die  Zinsen  beim  Darlehn  frei  zu  erlauben ,  sondern  um- 
gmgen  unter  andern  Namen  undContrakten(cf.  VII.  1.),  welche 
die  Kirche  gestattet  hatte ,  das  Wuchergesetz. 

Nach  dem  oben  bei  c.  bereits  angofttlirtcn  Verliältnisse 
des  kanonischen  zum  römischen  Rechte  kann  es  niclit  über- 
raschen ,  dass  auch  in  den  reformirten  Stadtrechten  das  erstere 
zuerst  zum  Siege  gelangte.  Gerade  als  diese  Reformationen  sich 
nöthig  erwiesen,  hatte  ja  das  kanonische  Recht  durch  seine 
Blüthe  auf  den  ausländischen ,  dann  selbst  auf  den  deutschen 
Hochschulen,  durch  Entsenden  seiner  Jünger  in  den  Rath  der 
Kaiser,  Fürsten  und  Städte  emen  neubelebten  Einfluss  auf 
Wissenschaft  und  Praxis  des  Rechtes  in  Deutschland  gewon- 
nen. Man  darf  aber  aus  diesem  Wiederauftauchen  des  kano- 
nischen Zinsgesetzes  in  den  städtischen  Reformationen  nicht 
auf  den  Sieg  desselben  auch  im  städtischen  Verkehrsleben  zu- 


1)  T 0 111  a s c h c k  ,  deutsdics  Kodit  in  Uc-stevroi<li  j).  77.  80 tf.  2j  cf. 
Eichhorn,  D.  P.  E.  §.  108.  c.  —  Zöpfl,  R.  ü.  §.  58.  n.  3.  4.  —  Mit- 
tel-mal  er,  D.  P.  R.  §.  K;.  n.  10.  11.  -  Orth,  Anmcrk.  zur  Franld'ui- 
ter  Reiorniat.  p.  84. 


TS     111.    1.  liiH-litsiiudlou.    0.    Tvrii'lisgosel/o  nadi  (Irii  ('apilulavicii. 

nicksclilicssiMi.  ')  In  diosom  rniiki(>  wuvdt'ii  die  Rechtsrefor- 
niiitoroii  ilirev  Aufgabe,  das  lieiinisdie  (Jewoliidieitsveclit  t^"egen 
die  fremden  Koclite  festzuhalten ,  wenigstens  das  „  gemeine 
deutsche  Eeclit"  7a\  verzeichnen,  das  neue  Stadtrecht  dem 
wirklichen  Lehen  anzupassen,  durchaus  untreu,  wie  die  nach- 
folgende Entwicklung  der  Zinsgrundsätze  im  Verkehre  zeigen 
wird.  Auch  für  das  Zinsgehiet  gilt  der  Satz ,  dass  das  deutsche 
Handelsrecht  nicht  innerhalb  deutscher  Grenzen ,  sondern  ge- 
mäss der  Völker  verbindenden  Natur  des  Handels  als  ein  euro- 
päisches (jlewohnheitsrecht  der  Kaufleute  sich  gestaltete.  Tn 
diesem  war  dalier  die  Vergütung  der  Nutzung  fremden  Kapi- 
tales lange  vor  der  Zeit  der  Stadtrechts- Reform ationen  zur 
allgemehien  Anerkennung  gelangt,  und  die  gewohnheitsrecht- 
lichen  Entscheidungen  der  kaufmännischen  Gerichte  konnten 
an  vielen  Orten  gerade  des  bedeutenderen  Kapitalverkehres 
in  Deutscliland  nicht  durch  kanonistische  Satzungen  in  den 
Stadtrechten  beeinträchtigt  werden.  Andrerseits  durfte  dieses 
Gewohnheitsrecht  im  Kapital  verkehre  auch  nicht  das  römische 
Eecht  mit  seinem  „vollkommensten  Obligationenrechte"  als 
den  rettenden  Heiland  erwarten  und  begrüssen;  es  war  durch 
eigene  Kraft  zuvor  schon  genügend  erstarkt  und  nur  zur  rait- 
thätigen  Hilfe,  freilich  leider  zu  einer  einseitigen  (VH.  1.  b.), 
gesellte  sich  ihm  erwünscht  das  römische  Recht  bei.  Daher 
entnahmen  die  reformirenden  Juristen,  welche  dem  kanoni- 
schen Zinsgesetze  entgegentraten,  wie  Fichardt  in  Frank- 
furt a.M.,  ihr  Rüstzeug  aus  dem  gewohidieitsmässigen  Ver- 
kehrsrechte in  Deutschland,  und  wurden  so  nur  mittelbar  und 
zum  geringeren  Theile  durch  das  römische  Recht  unterstützt. 

e.   Die  Reichsgesetze  nach  den  C  apitularien. 

Bei  den  Feindseligkeiten  des  deutschen  Reiches  nach  aussen 

hin,  bei  der  Reibung  semer  Stämme    und   der  Herzöge,    der 

Einzelfürsten   gegen   den  Kaiser  im  Innern,  bei  dem  Streite 

endlich   zwischen   Kaiser   und   Papst   zerfiel  allgemach,   wie 


1)  Das  gestehen  einzelne  derzeitige  Reclitssclinltsteller  selbst  zu, 
z.  B.  Purgoldt,  für  Eisenacli  u.  a.  Städte.  Eechtsbiich  VIII.  cp.  52.  — 
cf.  u.  III.  2.  b.  u.  Vm.  3.  b. 


in.    1.  Roclits(iuollon.     e.  neichsgesetze  luu'li  den  raiiitulaiieii.      79 

erwähnt,  das  Ansehen  der  Capitularien ,  da  ilire  Grundlage 
scliwand,  da7Ai  ward  eben  hierdurch  eme  grosse  gesetzge])eri- 
sche  Thätigkeit  des  Reielisoberliauptes  verhmdert;  die  Tubli- 
kation  vereinzelter  Gesetze  im  Justinianischen  corpus  juris 
bot  hierfür  keinen  Ersatz.  In  der  Wucherfrage  niussten 
die  Kaiser  vermöge  ihrer  Stellung  gegen  die  Kirche,  ihrer 
geringen  Theilnalime  durchgängig  für  die  Entwicklung  des 
Verkehrs,  ihres  Unverständnisses  in  der  Förderung  der  Ge- 
werbe, endlich  gemäss  ihrer  ablehnend  kalten  Haltung  gegen 
die  deutschen  Städte^)  eine  schwankende,  deshalb  unfruclit- 
bare  Praxis  verfolgen ,  und  so  fehlen  in  den  hierher  gehörigen 
Reichsgesetzen  bis  in  die  erstenJalirzehnte  des  IG.  Jahrhunderts 
hinein  ,  wo  (cf.  IX.  1 .)  sich  der  Uebergang  von  dem  kanonisclien 
Wucherverbote  zu  dem  erlaubten  Zinse  herausbildet,  durch- 
greifende Wucherbestimmungen.  Dann  aber  wurde  durch  den 
Verkehr,  der  immer  entschiedener  sich  den  kanonischen  und 
den  ihnen  anhangenden  deutschen  Zinsgesetzen  entgegenstellte, 
die  Zinsfrage  so  brennend  und  durch  die  Partikulargesetze  in 
den  Einzelstaaten  so  verschieden,  fast  allgemein  aber  gegen 
die  Kirche  festgestellt,  dass  sich  auch  die  Reichsgesetze  genö- 
thigt  sahen ,  gestützt  auf  das  in  diesem  Punkte  starke  deutsche 
Ge\vohnheitsrecht.  und  nur  bei  einzelnen  Fällen  auf  das  römi- 
sche Recht  zurückblickend  den  grossen  wirthschaftlichen  Streit 
und  Sieg  auch  von  Rechts  wegen  anzuerkennen.  (Das  Einzelne 
findet  sich  bei  den  einzelnen  Theilen  der  Abhandlung.) 

Dagegen  erfreuten  sich  die  einzelnen  Rechtsbücher,  so 
der  Schwabens})iegel  besonders  mit  seiner  eingehenden  kano- 
nistischen  Beliaiidlung  derZmsen,  des  Ansehens  von  Kaiser- 
rechten um  so  mehr,  als  man  die  emzelnen  Reichsgesetze  in 


1)  Dies  ist  um  so  erheblicher,  weil  in  dem  liier  behandelten  Rechts- 
gebiete die  Stände  als  die  gesetzgebenden  Faktoren  neben  dem  Kaiser 
wegen  ihrer  feindsedigen  Stellung  zu  ihm  und  wegen  ihrer  gesetzgeberischen 
Thätigkeit  in  den  Einzelterritorieu  der  Regelung  der  Wucherfrage  um  so 
fenier  standen ,  das  Volk  aber  seine  gesetzgebende  Gewalt  an  den  Kai- 
ser übertragen  haben  sollte.  (1158)  Pertz,  Monum.  legg.  II.  ]>.  111.— 
Stobbe,  1.  c.  p.  4G5.  4G<3. 


so      111.    1.  lu'cliljsinu'Ui'ii.    I'.  l.amlii-'chtc  u.  laiidcsli.  üoset'/.gebiiui;'. 

die  AusgaluMi  der  luMdiisbüclicr  zum  Handgebrauche  liiiii'iii/,11- 
si'liroibon  liel)to.  ') 

Die  Erkenntnisse  des  kaisevlieben  Hofgericlites  end- 
licb  konnten.  s(dbst  wenn  sie  einmal  in  Wuchersachen  ent- 
schieden, sich  von  der  in  (h'n  angegebenen Eechtsquellen  so  weit 
dnrcli  Deutschland  verbreiteten  kanonistischen  Untersagnng  der 
Zinsen  nicht  lösen,  noch  konnten  sie,  mochten  sie  sich  lösen  oder 
nicht,  wegen  ihrer  räumlich  beengten  Publikation  irgend  wel- 
che Maassgabe  für  oder  gegen  das  Wucherverbot  gewähren. 
Dagegen  trugen  gerade  die  Entscheidungen  des  ßeichskam- 
mergerichts  seit  dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts  (cf.  IX,  2) 
wesentlich  dazu  bei ,  dass  auch  in  den  Reichsgesetzen  endlich 
die  kirchlichen  Wucherbestimmungen  verlassen  wurden. 

f.    Die  L  a  nd  r  e  c  li  t  c  und  1  a  11  d  c  s  h  e  r  r  1  i  ch  e  G  e  s  e  t  z  g  e  b  u  n  g. 

Während  die  Gauabtheilung  aufgehoben  nicht  mehr  das 
Aufzeichnen  der  Stammesrechte  ermöglichen  und  begünstigen 
konnte,  hatten  doch  die  pjinzelfürsten  ohne  Mitwirkung  des 
Volkes  in  ihren  Territorien  nicht  die  Machtvollkommenheit 
der  Gesetzgebung,  ausser  für  einzelne  kleine  Theile  ihres  Ge- 
bietes. ^)  Dagegen  erlassen  sie  in  der  Verwaltung  eine  Reihe 
von  Verfügungen  für  ihr  gesammtes  Gebiet,  welche,  je  weiter 
sich  die  Selbstständigkeit  der  Emzelfürsten  dem  Reichsober- 
haupte gegenü])er  ausbildete ,  sich  —  abgesehen  von  dem  un- 
richtigen und  insbesondere  dem  deutschen  Wesen  fremden 
wirthschaftliclien  Grundsatze ,  auf  dem  sie  zum  Theile  noch 
fussen  mochten  —  als  eine  um  so  erwünschtere  Stütze  des 
fundamentschwachen  Territorialfürstentimms  erwiesen ,  aber 
eben  deshalb  immer  tiefer  in  die  Selbstbestimmung  der  Unter- 


1)  Senckenberg,  methodus  p.  133.  Befehl  Friedrichs  II.,  des  Kai- 
sers ,,vnd  gepot  daz  ,  daz  das  Eecht  furbaz  stet  solt  beleiben:  Er  hiez  ez 
ovch  schreiben  an  allen  den  puchen  by  den  man  den  recht  sal  suchen. " 
cf.  dazu  Stobbe ,  I.  a.  p.  463.  N.  3.  —  Für  den  Schwabens])icgel  beson- 
ders cf.  Lassberg,  Verzeichniss  p.  174.  u.  N.  G3.  101.  104.  110.  151  u.  A. 
2)  Pertz,  Monuni.  legg.  IT.  j).  283.  (1231.  Eric.  König  Heinrichs.) 


in.    1.  Rec]its(juclltMi.     r.  LaiKlroclitL'  n.  lamlesli.  (jiesctzgebung.     81 

thaiien.  in  die  Naturgost*t/.e  ihres  Erwerbs  eing'i'ifreii ,  damit 
sie,  selbst  übertliissio-  und  schädlicli ,  doch  nothweiidig  und 
nützlich  erschienen ,  um  das  Fürstenthum  selbst  nothwendig, 
ja  nur  lebensfäliiu;  zu  machen,  oder  mindestens  so  ersclieinen  zu 
lassen.  Es  erblühte  die  Autorität  des  kleinen  Polizeistaates, 
und  der  Wucher  in  seiner  AUerweltsnatur  bot  den  trefflichsten 
Yorwand ,  immer  neue  Wege  der  polizeilichen  Einmischung 
auszuspüren.  Wenn  dazu  die  Macht  der  herrschenden  Zins- 
lehre nnd  der  Kirche  ^),  zumal  bei  der  Stellung  der  Einzelfür- 
sten zum  Kaiser,  und  des  Kaisers  zum  Pabste,  endlich  die 
unmittelbare  Einwirkung  der  Cleriker  auf  die  Gesetzgebung 
als  selbstständige  Gewalthaber  oder  Käthe  der  Gesetzgeber  ^) 
gerechnet  werden,  ergiebt  sich,  dass.  wo  die  landesherrlichen 
Gesetze  oder  Verordnungen  in  den  Einzelterritorien  nicht  —  wie 
etwa  die  von  dem  sächsischen  Rechte  (cf.  ]).  GiJtf.)  beeinflussten 
—  das  Wuchergebiet  ganz  übergehen ,  sie  der  kanonistischen 
Doktrm  zustinmien  musston .  und  dies  sowol  in  den  dem  über- 
konmienen  Gewohnheitsrechte  nicht  mehr  fremden  Theilen  des 
Wuchers ,  als  auch  bei  neuen  oder  zuvor  nicht  hmlänglich  be- 
stimmten Punkten  desselben,  wie  bei  dem  Wucher  der  Juden.  ^) 
Dies  gilt  von  den  kleineren  landesherrlichen  Ordnungen  ver- 
schiedenster Titel  ebenso,  wie  von  den  erschöpfender  abge- 
fassten ,  ebenso  auch  von  den  zum  Theil  oben  bereits  berühr- 


1)  So  die  Absicht  Königs  Weuzel  II.  (1283  — 1305)  mit  dem  profes- 
sor  juris  utriusque  Goczius  aus  Orvieto  bei  Abfassung  des  Landrechts  für 
Böhmen:  „onwia  Jura  regni  sui  hactenus  (liffitsa  et penHiisi  imperfecta 
nKb  certis  legum  cnnomimque  rerjulis  constriiifjere."  Dobner,  Monum. 
histor.  Boem.  V.  102.  u.  v.  A.  2)  So  z.  B.  die  Landesordnung  v.  Salz- 
burg (1328)  vom  Erzbischof  Friedrich  HF.,  worin  unter- andern  privat - 
und  öffentlich  -rechtlichen  Gesetzen  und  Verordnungen  sich  auch  die  Be- 
handlung des  Wuchers  findet.  ,.swes  auch  an  diesen  brief  vergessen  ist, 
das  sol  man  nach  den  alten  rechten  richten"  (a.  47)  Anhang  ]>.  I  —  VT. 
zu  Rössler,  ( cf.  oben )  Bedeutung  und  Behandlung  der  Geschichte  des 
Rechtes  in  Oesterreich  (1847).  Desgl.  das  Landrecht  von  Würzburg 
(1435).  woran  der  Bischof  Johannsen  nebst  seinem  Caiiitel  gebührend 
mitwirkte.  Schneidt,  thesaur.  jur.  Franconici.  IL  2.  p.  329  ff.  3)  cf. 
V.4. ,  wo  von  letzteren  speziell  gehandelt  wird.  cf.  auch  Stobbe,  I.e. 
p.  572  ff. 

N  e  u  III  a  II  n  ,    ilcMi'li.   li.    Wuchers,  0 


8'2     111.    1.  TiOi'litsiinolloii.    f.  Laiulroolito  u.  lan<losli.  (Je.^otzgobung. 

teil  ausführlichen  Laiulvechten,  dein  ö  s  t  e  r  r  e i ch i  s  c h  e  n  ( 1 276) 
und  dem  h'eehte  des  durch  geschriebene  Gesetze  besonders  her- 
vorragenden bairischen  Landes  (1346),  desgleichen  von  dem- 
jVnigen  für  Böhmen.  Salzburg  (i:>28),  Würzburg  (1435). 

Als  indess  der  Verkehr  dem  kanonistisclieii  Zinsverbote  im- 
mer mehr  Boden  abgewann ,  als  die  Landesgewohnheit  in  allen 
einzelnen  Zweigen  des  Wuchers  immer  entschiedener  der  Kir- 
che und  den  früher  erlassenen  heimischen  (jesetzen  im  kano- 
nischen Sinne  gegenübertrat,  als  das  römische  Kecht  sich  hier 
in  unmittelbarer  Nähe  der  Landesherren  und  in  ihren  Gerich- 
ten geltend  machte,  musste  es  ihnen,  wie  den  nocli  kleineren 
Territorien  der  Städte,  um  so  fühlbarer  werden,  dass  um  des 
Verkehrs,  um  der  Autorität  der  Gesetze  und  der  Landeshoheit 
selbst  willen  es  gerathen  war,  unter  anderen  Streitpunkten  zwi- 
schen diesen  drei  Rechten,  welche  das  neue  Landesrecht  ver- 
einen musste ,  auch  den  der  Wucherfrage  endgültig  und  zei- 
tig zu  lösen.  Da  konnte  ihre  Einsicht  in  die  ihnen  nälier  vor 
Augen  liegenden  Verkehrsverhältnisse,  ihre  Stellung  zum  Kai- 
ser ,  zur  Kirche  seit  der  Reformation ,  welche  die  Einzelfürsten 
vielfach  erst  hatte  erstarken  lassen,  zum  römischen  Rechte, 
das  ihrer  Souveränetät  eine  neue  Stütze  gewährte,  und  unter 
den  maassgebenden  Juristen  der  Einzelstaaten  nicht  geringe 
Anhänger  zählte,  sie  nicht  lange  zweifelhaft  lassen,  dass  sie 
dem  längst  entschiedenen  Gewohnheitsrechte  sich  zuwandten, 
und  durch  Anerkennung  der  m  letzterem  vertretenen  Zins- 
grundsätze ein  Jahrhundert  zuvor,  wieder  von  Norddeutschland 
beginnend,  der  Reichsgesetzgebung  den  Weg  zu  gleichem  Vor- 
gehen bahnten.  Es  handelte  sich  zumal  nur  um  Einschrän- 
kung des  Wucherbegrifles  in  bestimmte  gesetzliche  Grenzen, 
die  Polizeiaufsicht  war  daher  zur  Aufrechthaltung  dieser 
Grenzen  gleich  nothwendig,  wie  zuvor  zur  Ausspürung  jedes 
Wuchers. 

Wie  demgemäss  die  Landesrechte  im  16.  und  17.  Jahr- 
hundert sich  zu  den  einzelnen  Punkten  des  Zinsgebietes  stell- 
ten, und  wie  vielfach  versteckt  und  zaghaft  sie  sich  scheinbar 
den  Reichsgesetzen  anbequemten,  zeigen  die  einzelnen  unten 
folgenden  Abschnitte. 


III.   1.  Rechtsqnellon.     g.  Der  Koclits verkehr.  83 

g.    Der  Rechtsverkehr  der  Parteien  selbst. 

Schon  aus  dem  in  dem  allgemeinen  Abschnitte  II.  1. 
Gesagten  und  demjenigen,  was  in  den  bisherigen  Betrachtun- 
gen der  einzelnen  anderen  Kechtsquellen  über  das  Verhältniss 
des  Kapitalverkehres  in  Deutschland  selbst  zu  dem  kanonistischen 
Wachergesetze  berichtet  ist,  geht  hervor,  dass  der  erstere,  so- 
bald er,  sogar  noch  auf  allen  Seiten  von  der  Natur  seiner  Entwick- 
lung gehemmt,  nur  die  Fittige  zu  entfalten  begann,  gemäss 
seinem  Wesen  den  Zinsschranken  mit  aller  Kraft  entgegentrat, 
und  sich  ebensowohl  der  vom  kanonischen  Kechte  gestat- 
teten Ausnahmen  als  der  von  dem  Verkehre  selbst  erzeug- 
ten oder  entwickelten  deutschen  Rechtsinstitute  bediente,  um 
das  von  Anbeginn  in  deutscher  Rechtsanschauung  liegende 
Gesetz ,  die  Nutzung  fremden  Kapitales  sei  zu  vergüten,  allsei- 
tig zur  Geltung  zu  bringen.  In.  sich  selbst  hatte  er  Stärke 
genug,  auch  ohne  das  im  letzten  Augenblicke  ihm  beistehende 
römische  Recht,  nicht  blos  die  Zinsschranken  des  fremden 
geistlichen  Rechtes,  sondern  auch  der  heimischen  Gesetze, 
welche  sich  von  dem  Boden  des  nationalen  Gewohnheitsrechtes 
ab  dem  fremden  Rechte  zuwandten ,  siegreich  zu  überwinden. 
Wegen  des  an  den  Orten  des  Haupthandels  sich  häufenden 
Kapitalverkehres  zeigen  diesen  wirthschaftlichen  und  rechtli- 
chen Kampf  die  Urkundenbeläge  aus  jenen  Stätten  natürlich 
am  klarsten,  doch  durften  bei  der  Verbreitung  des  Streites 
über  ganz  Deutschland  auch  die  Emzelzeugnisse  aus  den  vom 
Verkehre  weniger  erfüllten  Gebieten  herangezogen  werden. 
Das  Nähere  ist  hier  ebenfalls  passender  an  den  einzelnen  Punk- 
ten der  folgenden  Entwicklung  zu  erwähnen. 

2.    Das  W^icherverLut  dieser  Kechtsquellen. 

a.    Der  Begrilt'des   Wuchers  iind  dessen  Ausdehnung. 

Wo  unter  der  obengenannten  grossen  Zahl  deutscher 
Rechtsquellen,  welche  den  Wuclier  vorbieten,  eine  BegrilVs- 
bestimmung  desselben  gegeben  wird,  reiht  solche  in  ihrer 
umfassenden  Allgemeinheit  sich  der  kanonistischen  Definition 

G* 


84      in.    2.  ■\Vurliervoii).  (1.  Kochtsquclleii.    a.  Boo-iiff,  Ansdolni.  d.  W. 

würdij^nn.  Soheisst  es  in  der  Glosse  Buchs  zum  Saclisen- 
spiogel  (Hoineier)1.51:  „wokev  is,  wat  on  man  mer  up  burt, 
wen  he  utgift,"  in  den  „Neun  Büchern  sächsischen  Rech- 
tes" 0  „Wucher  ist,  wo  ein  Mann  melir  nim]tt,  denn  das  er  aus- 
leyhet,"  u.  im  Layenspiegel  ^):  „Wucher  mag  ain  jedes  gelt 
oder  gut  genennet  werden ,  das  über  das  recht  gelilien  haubt- 
gutt  aus  geding  kompt."  Man  ersieht,  der  Begriff  geht  von 
der  Zinsforderung  beim  Dar  lehn  oder  mindestens  beim  Leih- 
geschäft überhaupt  aus,  aber  gerade  die  Glosse  dehnt  ihn 
mit  dem  „utgift"  bereits  über  das  „ausleyhet"  und  „gelihen 
haubtgutt"  hinaus.  Dem  gemäss  behandeln  etliche  Quellen 
auch  die  Folgen  der  Geldschuld  getrennt  vom  Wucher  z.  B. 
das  Rechtsbuch  Ruprechts  v.  Freysing  ^).  Zugleich 
lehrt  der  Layenspiegel ,  dass  auch  jeder  andere  Gewinn,  als 
Geld,  den  der  Darlehns -  Gläubiger  von  dem  Darlehns- Schuld- 
ner machte ,  „  gelt  oder  gut, "  als  Zins  und  Wucher  gilt.  Hier- 
bei unterscheidet  Wucher  und  schlechten  Wucher  Eckardt  in 
seinen  „Neun  Büchern"  nur  scheinbar,  wie  in  einem  Nach- 
klange aus  den  Capitularien  (cf.  IIL  1.  b.):  „schlechter  Wu- 
cher heisset  gewin  Ob  ein  Man  mehr  auffliebet  denn  er  aus 
hatt  gelegt. . . "  Er  häuft  zum  Rechtsverbote  noch  den  sittli- 
chen Makel  des  tmye  hierum  in  Capit.  von  806.  §.  5 ,  ohne 
doch  den  besonderen  Grund  jenes  sittlichen  Vorwurfs  im  Capi- 
tulare  festzuhalten  „qul  per  varias  circiimventiones  lu- 
crandi  causa  inlioneste  res  quaslibet  congregare  decertant." 

Wenn  schon  die  citirte  Stelle  aus  der  Glosse  des  Sachsen- 
spiegels in  ihrer  Allgemeinheit  insbesondere  auch  den  Kauf 
auf  Ziel  in  sich  begreift,  welcher  in  der  kanonistischen  Lehre 
vornehmlich  das  Weitergreifen  des  Zinsverbotes  kennzeichnete, 
so  fehlen  in  den  Quellen,  obwohl  diese  nach  der  Natur  jener 
deutsch -rechtlichen  Quellen  vielmehr  die  allgemeinen  Rechts- 
lehren als  die  Sätze  eines  einzelneu  Rechtsgeschäftes  behan- 
deln, solche  Stellen  nicht,  in  welchen  der  Wucher  bei  dem 
Creditkaufe  geradezu  erwähnt  und  verboten  wird.   So  sagt  das 

1)  V.  Eckhardt,  ed.  Pöhnann ,  IV.  7.  dist.  10.      2)  tli.  I.  v.  Wucher- 
gut.       3)  1328.  ed.  Maurer.  1839.  I.  cp.  lf)5  u.  11.  cp.  73. 


III.   2.  Wiicherverb.  (i.  Reclits«jnr>neii.    !i.  Bi'STilT.  Ansflolni.  «1.  W.     85 

Münchener  Stacltrecht  (ed.  Au  er)  a.  301):  „sie  habent  ouch 
gesetzefc,...  dazz  iv  puvger  ze  chainem  giiot  daz  er  geehauffet 
hab  chainen  beraiten  pfenning  leicli  davon  er  schaden  oder 
flustraitenwell,"imd  Eckardt  in  seinen  „Neun  Büchern  ^): 
„Wer  aucli  mehr  auffhebet  auff  borgk  denn  um  geret  geld  das 
ist  Wucher.  •'  '^)  Aber  die  letztere  Quelle  geht  noch  weiter ,  sie 
dringt  auf  die  usuraria  voluntas  getreu  dem  kanonistischen 
Rechte  ein,  und  übereinstimmend  mit  dem  „nihil  inde  sp e- 
rantes"  desselben  sagt  sie  ^):  „schlechter  Wucher  (cf.  p. 84.) 
heisset  gewin ,  ob  ein  Mann  ...  hoffet,  dass  im  darumb  (für 
die  Erlaubniss ,  sein  Capital  zu  nutzen)  etwas  liebniss  werde, 
(Jie  Hoffnunge  machet  Wucher,  also  wuchert  auch  ein 
Simoniakus,  ob  er  jemandes  was  gebe  und  liofl"te,  das  man 
was  geistliches  darumb  lege. " 

Hierdurch  erweiterte  sich  natürlich  der  Begriff  des  Wu- 
chers ,  ganz  Avie  in  der  kanonistischen  Lehre ,  über  das  ganze 
Gebiet  der  Rechtsgeschäfte;  jedes  derselben,  welches  nur  eine 
Hsuraria  voluntas,  die  Hoffnung  eines  Gewinnes  aus  der 
Nutzung  des  Capitales  in  sich  schliessen  konnte ,  war  dem  Wu- 
cherverbote und  damit  der  unermüdlichen  Aufsicht  weltlicher 
und  geistlicher  Behörden  unterworfen.  Dazu  gesellte  sich, 
dass,  wie  unten  darzulegen,  das  Verkehrsleben  bei  seinem 
immer  neuen  Anstreben  gegen  die  Zinsgesetze  neben  den  ge- 
setzlichen Ausnahmen  von  letzteren  eine  Reihe  von  Umge- 
hungen des  Wucherverbotes  herausbildete,   welche,  während 

1)  IV.  a.  7.  dist.  11.  2)  cf.  das  Stuttgarter  Stadtrecht  (1492) 
in  Sattler,  Geschichte  Würtembergs  unter  den  Graven  V.  p.  47.  —  Alt- 
prager  Stadtrecht  ed.  Eössler.  a.  15.  ,,item  ez  sol  ouch  nimant  den 
tag  siner  gulde  verlengen  vmb  gewin  ,  "  ist  wohl  mehr  auf  den  Fall  des 
Verzuges  des  Darlehns  -  Schuldners  zu  beziehen ,  zumal  ib.  in  art.  14.  aus- 
drücklich untersagt  ist ,  Waare  auf  Credit  zu  verkaufen.  —  Das  Verbot 
des  Oeditkaufes  an  sich  —  ohne  den  Wucher  bei  demselben  —  ist  in 
Deutschland  nicht  sowohl  auf  die  kanonistischen  Grundsätze  gegen  den 
unchristlichen  Gewinn  des  Kaufhandels,  als  auf  die  oben  dargelegten 
erst  allmählig  sich  entwickehiden  Verkehrsverhältnisse  zurück  zu  be- 
ziehen ,  oder  auf  besondere  Lokalursachen ,  wie  z.  B.  im  Hansagebiete 
(cf.  u.  Absch.  in.2.  c.)  Hirsch.  Handelsgeschichte  Danzigs.  p.  232.  233. 
3)  IV.  7.  dist.  11. 


8<i     111.  '2.  Wurliovvoil).  d.  Roclitsqucllrii.    a.  Bogiiff,  Ausdclin.  rl.W.  etc. 

sie  in  jedem  Augenblicke  die  Unzulänglichkeit  der  gesetzlichen 
Mittel  zur  Verwirklichung  des  Zhisverbotes  und  die  Unnatur 
des  letzteren  bekundeten ,  doch  andrerseits  den  aufsteigenden 
Territorialfürsten  erwünschte  und ,  wie  schon  sub  III.  1  f.  er- 
wähnt, fruchtreichste  Gelegenheit  boten,  ihre  Polizeigewalt 
gegen  das  unabhängige  Verkehrsleben  auszudehnen,  die  Notli- 
wendigkeit  ihres  Keginientes  damit  zu  erweisen  und  die  Grund- 
Ingen  desselben  zu  festigen. 

Die  Glosse  Buchs  zum  Sachsenspiegel  fügte  zu  der  oben 
citirten  Definition  des  Wuchers  die  Bedingung:  „woker  is, 
wat  en  man  mer  up  burt ,  wen  he  utgift  ,alsoofheidbede- 
dinghede."  Eckardt  nimmt  dieselbe  wörtlich  in  seine  „Neun 
Bücher"  auf :  ^)  „also  ob  er  es  hette  gedinget."  Diese 
Bedingung  spricht  nicht  gegen  die  ebenfalls  von  Eckard  ver- 
fehmte  wucherliche  Hoffnung;  denn  sie  Avill,  wie  unten  bei  den 
Ausnahmen  vom  Wucherverbote  noch  zu  erwähnen  ist,  nicht 
die  vertragsmässige,  vorher  bedungene  Mehrforde- 
rung  des  Gläubigers  vom  Verbote  ausnehmen ,  vielmehr  diese 
gerade  verwerfen.  Dahm  ist  das  „  also  of "  zu  verstehen.  So 
sagt  auch  das  systematische  Schöffenrecht  ^)  und  das 
kulmer  Recht  ^):  „ouch  habit  ir  vns  geschrebin  dy  drytte 
Sache  alsus  das  her  wissentlich  genomen  hat  wucher."  und 
Tenglers  Layenspiegel  (1.  c):  „Wucher  mag  ain  jedes 
gelt  oder  gut  genennet  werden,  das  über  das  recht  gelihen 
haubt  gutt  aus  geding  komptt,"  und  gleich  darauf: 
„auch  hat  wucher  in  latein  fenus  d.  i.  ein  Wucher  oder 
gewyn  vom  Wucher  autf  bestimpte  zeitt  versprochene  oder 
entsprungene."  Geschenke  mithin  und  überhaupt  ein  plus 
ausser  dem  Gegebenen  durfte  der  Gläubiger  vom  Schuldner 
nehmen ,  nur  musste  er  nicht  hierauf  bei  der  Hingabe  seines 
Geldes  oder  Gutes  gehofl't  haben.  "*)    Sclion  hierin  liegt  eine 


1)  IV.  7,  11.  2)  ed.   Laband,   III.  2,  12.         3)  ed.   Leman, 

Berlin  1838.  UI.  art.  49.  4)  Dem  entspricht  auch  das  „up  burt," 

gleich  dem  requiretur  des  Capitulare  von  806,  und  das  Tenglersche 
„aus  geding  kompt"  mehr,  als  das  Eckardtsche  ,,ninipt,"  welches 
auch  den  Fall  des  Ziasgeschenkes  ohne  wucherlichen  Vertrag  und  Hoff- 
nung in  sich  schliesst. 


III.  2.  Wncherverb.  d.  Rotlits(iiielloii.  a.  Be^'iiff,  Aiisdehn.  d.W.  etc.     87 

Erweiterung  des  Wuclierbegrifles  über  die  Grenzen  jedes  ein- 
zelnen mögiiclierAveise  wucherli(^hen  Kechtsgeschäftes  hinaus 
begründet,  indem  noch  von  dem  Diirlelm  zuvörderst  der  Aus- 
gang genommen  wird ,  wie  im  Laienspiegel  (I.e.).  „  ünnd 
der  Wucher  entsteet  geAvonnlich  aus  leyhen,  das  die 
aigennschaft  oder  Dominium  des  gelilmes  guts  in  dem  entne- 
mer  geeudert,  zu  latein  geuennt  mutuum."  Von  dieser  Grund- 
Inge  ausgehend  erscheint  schliesslich  als  Wucher  jeder  Ge- 
winn des  Gläubigers  auf  Kosten  des  Schuldners ,  den  ersterer 
bei  Eingehung  des  Eechtsgeschäftes  im  Auge  hatte.  Daher 
wird  auch  die  Vergütung  des  Gebrauches  fremder  Gelder,  wo 
sie  streng  nur  einen  Ersatz  für  die  Verwendmig  ausdrückt, 
welche  der  Gläubiger  selbst  eben  mit  diesen  Geldern  vor  dem 
Ilinleihen  beabsichtigte ,  keineswegs  als  Wucher  angesehen, 
weil  der  Gläubiger  hier  keinen  Gewinn  machte.  Allein  wer 
vermochte  diese  Grenze  innezuhalten  bei  der  allgemeinen 
Wucherjagd?  Statt  dass  daher  durch  jene  Präzisirung  des 
Begriffes  diese  Jagd,  wie  es  zuerst  angenommen  werden  müsste, 
beschränkt  Avurde  und  selbst  bei  den  äusserlich  offenbar 
wucherlichen  Eechtsgeschäften  nicht  überall  Platz  greifen  sollte, 
griff  sie  weit  über  diese  Grenzen  hinaus ,  da  wegen  der  schwan- 
kenden Grenze  eine  grosse  Zahl  der  Verträge  wucherlich 
gehalten  wurden,  die  in  sich  es  nicht  waren.  ^) 


1)  In  Pnrpoldts  Rechtsbuche  aus  dem  Anfange  des  16.  Jahr- 
hunderts (ed.  Ortloff,  Jena  18(30),  das  sich  in  dieser  Frage  besonders  an 
das  Rechtsbuch  nach  Distinktionen ,  mehr  indess  an  das  kanonische  Recht 
anschliesst,  wird  III,  55.  zuerst  der  Wucher  im  Pfandrechte  und  Renten- 
kaufe getreu  dem  kanonischen  Rechte  gerügt.  ,,der  czins  adder  das  geilt 
vonn  des  pfandes  geniesse  nicht  abeslet  . . .  szo  ist  her  eyn  Amcherer  vnd 
der  unbescheydelicher  geniess  der  ist  alles  recht  wucher.  Dith  ist  das 
beschriebin  recht  und  stet  ex.  de  usuris.  Glcicli  daneben  ist  die  kauoni- 
stische  Wucherbestimmung  vom  Kaufe  fast  wörtlich  in  das  deutsche 
Recht  aufgenommen,  ib.  c.  56.  „kouffet  eyner  körn,  wein,  wollen,  adder 
gewant.  adder  welcherley  ander  kauffmanscluvtz  es  ist,  die  man  gemessen 
adder  gewegen  mag,  uff  eync  benante  tagczit  zu  bezcalne,  also  das  es  in 
eyne  glichin  bcstheydenlielien  kouffe  geschit,  das  ist  wol  recht,  und  ist 
keyn  wudier,  wan  der  kouffer  der  weys  nicht,  noch  der  vorkouffer,  ab  es 
uff  die   zeit   mer  adder  niynncr  gildeth.    Yorkouffet  her  es  aber  turer, 


88     III.  •_'.  Wiicliorvorb.fl.  T?oolits(]Uolloii.  a.  BcpiViff,  Ausdolm.  «1.  W.  etc. 

Aber  bald  wird  diese  Erweiterung  des  ßegrifl'es  speziali- 
sirt.    In  dem  Cölner  Stadtrechte  von  1437  1.  e.  heisst 


flanne  es  uif  die  zeeit  gegeldin  mag.  szo  ist  der  kouiV  nngottlitli  unndt  ist 
recht  MTicher,  was  es  doruber  gildet.  Dith  ist  geistlich  recht  und  das 
beschriebiii  recht  und  stet  ex.  de  usuris. "  Im  Buche  VIII.  alsdann  wer- 
den cp.  30  f.  zunächst  die  öifentlichen  Wucherer  und  die  Juden  erwähnt; 
dann  unterscheidet  der  Verfasser  den  Wucher  der  ..pfaffen"  und  den  der 
,.le3'en"  der  erstere  (synionia)  ist  „böser,"  als  der  letztere;  denn  er  zcu- 
het  sich  in  dye  kctzerey  und  vemnreyniget  beide  Contrahenten,  der 
wertlichen  Wucher  trifft  dagegen  nur  den.  der  wucher  nymptt.  (Dieser 
Grundsatz  des  weltlichen  Wuchers  ist  übrigens  der  allgemeine  im  kano- 
nischen ,  wie  im  deutschen  Eechte.  Der  Gegensatz  beim  geistlichen  Wu- 
cher soll  gewiss  nicht  in  der  Ausdehnung  des  obigen  Wortlautes  gelten, 
sondern  nur  den  Fall  begreifen,  in  welchem  der  Geistliche  einem  Laien 
Zinsen  entrichtet.)  cap.  33  u.  34  drücken  aus.  dass  die  Veräusserung 
eines  geistlichen  Lehns  die  Contrahenten  mit  dem  Makel  des  geistlichen 
Wuchers  behaftet.  Dit  ist  geistlich  recht  und  Dit  schreiben  dye  meister 
Johannes,  meyster  Peter  und  meyster  Heinrich  von  Merseborgk  in  iren 
sumen.  Hiervon  werden  indess  einzelne  Ausnahmen  gemacht,  ib.  cp.  34. 
35.  36.  37.  38.  Desgleichen  ist  nach  cap.  39.  ib.  die  Ausstattung  eines 
Kindes,  das  ins  Kloster  geht,  mit  einer  phronde  ebenfalls  geistlicher 
Wucher,  wenn  es  nicht  bei  Amiuth  des  Klosters  zum  Lebensunterhalte 
des  Kindes  nothwendig  erscheint,  (meyster  Johannes,  u.  ex.  e.  t.  qu.) 
So  folgen  noch  eine  ganze  Zahl  von  singulären  Fällen ,  in  denen  der  Wu- 
cher daiin  besteht,  dass  man  mit  einem  geistlichen  Vorhaben 
weltliche  Interessen  verbindet,  und  so  eine  neue  und  weitere  Aus- 
dehnung erhält.  cp.40 — 42.  Dann  aber  geht  Purgoldt  über  auf  den  welt- 
lichen Wucher,  der  ist  mancherley  von  den  cristen,  heymlichen  und 
offenbarlichen ;  von  etzlichen  geschiet  her  in  böser  gyrheytt  und  von 
etzlichen  in  Unwissenheit:  darumb  so  ist  wol  nodt  davon  zcu  reden  uf 
das  man  in  erkennen  möge.  cp.  43.  und  nun  führt  er  die  Hemiolien  an 
in  ihren  zwei  Gestalten  (cf.  oben  p.  67.),  und  erklärt  jeden  andern 
Vortheil  beim  Leihen  als  Wucher,  z.  B.  das  Fordern  neuer  Münze  für  alte 
bei  der  Rückzahlung  (wegen  der  häufigen  Münzumprägungen  in  Deutsch- 
land war  dieser  Wucher  besonders  leicht  zu  begehen  (cf.  u.  V.  5.)  Doch 
liält  er  hier  stets  den  sittlichen  Standpunkt  fest  vor  den)  rechtlichen; 
denn  nicht  das  Piechtsgeschäft  als  solclies  ist  ilnn  wucherlich,  sondern 
die  wucherliche  Absicht  dabei  rügt  er  allein.  Daher  billigt  er  mit  meister 
Hostiensis  und  Johannes,  das  eyn  man  vorkouffe  das  gebruchen 
seynes  geldes.  Ihm  ist  —  und  damit  tritt  er  also  dem  oben  im  Texte 
entwickelten  deutschrechtlichen  Grundsatze  vom  Wucher  durchaus  bei  — 
Wucher  jeder  Gewinn  des  Gläubigers  auf  Kosten  des  Schuldners ,  welchen 


III.  2.  Wnclierverb.  (l.Koclitsiiuollen.  a.  Bogriff.  Ansdehn.d.  W.  etc.     89 

es  ^) :   „  kein  Burger ,  Burgersclie   iiodi  Ingesessen ,  noch  je- 
raandtt  von  ilirentwegen  mit  keinem  andern  Burgern  noch 
Ingesessenen,   noch   ausswendigen  Geistlichen  oder  weltli- 
chen Personen  keinerley  Finantz,  vorkauffe,  auf- 
schlage, schaden   Kauff,   noch   keinerley  hand- 
thierung  zu  treiben  oder  sich  damit  zu  behelfen,  kein 
Gesellschaft  haben   sollen,   inwendig  noch   auswendig 
einig  Gelt  noch  Gut  ausszuleihen  oder  weg  zu  bor- 
gen, essey  auff  glauben,  mit  Bürgen  oder  ohne  Bür- 
gen, auft"  Pfand,  Evhe,  Gewissheit,  Briefe,  auff  sich 
selber  oder  jemand  anders  sprechende  oder  ohne  briefife,  wie 
man  desz    eussern   mag,    also,    dass   niemands   einig 
K au ffm an n Schaft  handthiere  oder  treibe — '* 
Hier  ist  also ,  wie  oben  in  der  kanonistischen  Lehre  die  Cleri- 
riker  entwckelten ,   mitten  in  der  Praxis  des  Verkehrslebens 
der  ganze  Credit  und  damit  weit  über  die  Grenze  des  Kaufes  hin- 
aus der  ganze  Verkehr  untersagt.  2)  Ebenso  bestimmt  das  Nürn- 
berger Stadtrecht  (1450)2)  von  den  verliehen  kewffen: 

der  Gläubiger  bei  Abschluss  des  Rechtsgeschäftes  beabsichtigte  (wenn 
auch  nur  erhoffte),  und  so  billigt  er  die  Vergütung  für  den  Gebrauch 
fremden  Geldes,  wenn  der  Fordernde  hierdurch  nicht  einen  Gewinn 
machte .  sondern  nur  seinen  Nachtheü  vergütet  erhielt.  Das  wird  ausge- 
führt in  caj».  4ö —  4H.  Ja,  in  cap.  51.  wird  der  Wucher  sogar  auf  das 
bekannte  Rechtsgeschäft  ausgedelmt:  ..hat  ej'n  man  eyn  teyl  schaffe  und 
thud  dye  ejme  scheffer  und  lyhet  om  geld  darzcu,  also  das  her  im  sal 
allen  nutz  davon  lassen  gefallen,  unde  ome  dye  umb  des  geyldes  willen, 
das  her  inne  hat,  futtern  und  hüten,  ader  keuft  umh  den  scheffer,  umb 
gereyde  gelt  schaffe ,  also  das  ym  eyn  benanter  genies  darvon  werde ,  und 
was  her  der  vorlyse.  sterbe  ader  dye  wulfe  essen,  das  wullc  her  keynen 
schaden  nhenien,  das  heysseu  ysern  schaffe  ader  untodliche  schaffe 
und  das  ist  schnöder  wucher,  und  was  desgleichen  geschehet  von  anderm 
vj^he,  des  alles  nicht  nodt  ist  zcu  schriben."  i]ndlich  erscheint  dem  Ver- 
fasser das  verzinsliche  Darlehn ,  zum  Spiele  geliehen,  noch  ein  ärgerer, 
als  der  offenbare  AVucher,  weil  der  Zweck  des  Darlehns  ein  schlechter 
sei,  cp.  57.  Dann  folgt  eine  eingehende  Beh.andlung  des  Judenwuchers, 
(cf.  u.  V,  4.  b.  c.) 

1)  Morgensprach  von  wucherlichen    Contrakten   und  Un- 
derkeuffen.  a.  46.  p.  60.  'J)  cf.  auch  Bairische  Laudesordnung 

von  1401.  Wcstenrieder  Glossar.  1.  c.  p.  XL.  3)  Siebenkees,  Bey- 
träge  zum  teutschen  Recht.  Nürnb.  1786.  Bd.  III.  VUI.  p.  206. 


rn^     IIT.  '2.  WuduMvcib.  d.  Koclilsquellon.  a.  Begriff,  Ausdelin.  d.  W.  etc. 

„es  gebieten  die  Burger  vnd  Rath ,  daz  dehein  unser  Bur- 
ger oder  Bürgerin  noch  niemant  von  iren  wegen    dlieinen 
scliadkant't'  furbaz  niemant  niolit  geben  sol  er  sey  burger 
oder   gast,   also   daz    man    niemant   dliein   kauffman- 
schaft  wie  die  genamt   ist  ze  kaufen  soll  geben 
die  der   selb  der  sie   hingiebt  wider  kaufft  vmb 
par   gelt    daran    jener    Verliesen   nuizz    oder   die 
dei'selb  der  sie  da  kaulit  einen  andern  zu  kauften  geb  durch 
par  gelts  willen,  doran  er  aber  Verliesen  musst."... 
und  die  Nürnberger  Reformation  von  1479"  sagt  ^)  von  Verbot 
alles  Wuchers,  gesuchs  und  aller  Urkunde  Briefe  vnd  schrift 
denselben  berurende : 

„  Es  soll  uyemant  von  den  andern  eynichen  gesuch  noch  wu- 
cher  nemen,  noch  ervordern ,  sondern  es  sol  sich  ein  jeder 
der  bezalung  des  so  ilim  geliehen  ist,  begnügen  lassen,  un- 
geachtet mancherley  gestalt   des  wuchers  als  hauptgut 
und  Wucher  zusammen   ze   schlahen  und  in   ein  summ  zu 
setzen  oder  vorgerechneten  wuchcr  in  künftige  liauptsmn  ze 
ziehen.   Es  sol  auch  den  die  damit  vmbgeen  oder  für  komen 
eyuich  urkuud  hantvesten  einschreibmig  in  das  gerichtsbuch 
noch  ander  verschreibung  zu  glaubwürdiger  vestigung  oder 
Bestetigung  emes  gesuchs  uoch  wuchers   nit  geben  einge- 
schriben  noch  erzeugt  werden,  und  wo  das  darvber  geschehe, 
das  solt  weder  kraft  noch  macht  haben." 
Hier  wird  daher  bereits  auf  die  Umgehungen  des  Wucherver- 
botes speziell  hingewiesen.  Endlich  das  aus  dem  Cölner  Rechte 
vornehmlich  reformirte  Freiburger  Stadtrecht  von  Zasius 
(1520.  1547)  2)  schreibt  vor: 

„von  gelyhner  barschaft.  (Alles  Leihen ,  wobei  Gläu- 
biger den  Werth ,  nicht  die  Sache  selbst  zurückerhält,  soll 
„ohne  geniess"  geschehen.)  By  disen  fällen  setzen  und  ord- 
nen wir ,  das  der  ihen ,  der  gelt,  win,  körn,  oder  an- 
ders hinlyhet,  nicht  dann  die  Haupt  summ  vor- 
dem und  nemen  also  das  er  gentzlich  dhein  gewin 
noch  ubernutz,   kein   schenken   noch   vorteil,  we- 


1)  ed.  Kobergcr.  14M.  fi.  tit.  XXn.  n.  3.        2)  Tract.  U.  tit.  1.  n.  4. 


in.  2.  Wuclierverb.  d.  Rechtsquellen,  a.  Begriff,  Ausdehn.  d.  W.  etc.     Ol 

der  er  noch  die  sineii  davon  empfalien   sol,   Aver  das  nit 
halt,  der  sol  straffbar  sin  als  unib  ein  Avucher  dann  lyhen 
vmb  barschaft"t  sol  gantz  vergebens  beschelien." 
und  die  bisher  ungedruckte  DanzigerWillkür  von  1580. 
(Danz.  Arch.  bibl.  X.  4.)  cp.  X.  fl.  129.  sagt: 

„blinde  Keuffe  sollen  verpotten  sein.''   Alle  blinde 
Kouffe  auf  OPzi  (?) ,  auf  widderkauif  und  dergleichen ,  darü- 
ber nicht  masz,   gewichte,  lieberung  und  empfangung  ge- 
het ,  sollen  genzlich  vorpotten  sein  und  gleich  der  wucherey 
gestraffet  werden." 
Fasst  man  in  diesen  Stellen  „  das  leyheu  "  als  creditiren  allge- 
mein ,  so  ist  hier  e]>enfalls  der  Gewinn  aus  dem  Creditgeben 
in  weitester  Bedeutung  untersagt ,  selbst  ausgedehnter ,  als  in 
der  Glosse   des   Sachsenspiegels,   da   ausnahmslos   auch  das 
„schenken"   und   „gentzlich  dhein  gewiu"  verboten 
wird.  ^)    Kurz ,  zuletzt  wird  Wucher  jeder  (nach  der  natur- 
widrigen Auffassung   der   Gesetzgeber)   übermässige  Ge- 
brauch des  Capitales  im  alltäglichen  Verkehre. 

Bei  der  grossen  Zahl  der  anderen  deutschen  Kechtsquel- 
len  dagegen  findet  sich ,  was  in  ihrer  casuistischen  Behandlung 
des  Rechtsstoffes  seinen  Grund  haben  mag  und  in  dem  Mangel 
einfachster  Abstraktion  bei  den  juristischen  Schriftstellern, 
keine  Begriffsbestimmung  des  Wuchers ,  sondern  lediglich  sein 


1)  cf.  noch  bairisclie  Landesordnung  1491.  Westenrieder  Glossar 
p.  XIj.  Würteniberger  Landr.  1.557  fl.  117.  W.ächter,  Handbuch  p. 
495.  —  Zuchtordnung  von  Menirningen  (nach  1577)  (Walch,  Bcitr.  II. 
ti.  XIII.).  worin  unter  dem  tit.  von  wucher  und  anderen  unclu-i.stliclien 
Handthierungen  gehandelt  wird  als  gleichbedeutend  von  „unredlichem 
und  schädlichem  Kaufe,  Verkauf,  Fürkauf,  Ankauf,  falsches  Maass, 
Geweht,  Betrüger,  wechseln,  tauschen,  versetzen,  und  davon  beziehende 
übermässige  Verzinsung  auch  leihen  u n d  in  Summa  auf  solche  ver- 
botene Handthierungen,  dadurch  der  Nebenmensch  vervor- 
theilt,  betrogen,  hinter  das  Licht  geführt  wird."  Statuten 
von  Hadeln  (1.583.  Pufendorf,  observatt.  I.  apii.  1.  p.  126.)  —  cf.  über 
Münzwucher  besonders  noch  die  Reichsgesetze.  R.  A.  1548.  §.43.  1551. 
§.  47.  R.  M.  Ord.  1559.  §.  160.  M.  Probirordnung.  1550.  §.  30.  R.  A.  1566. 
§.  156.  1570.  §.  143.  I).  A.  1571.  §.  11.  R.  A.  1576.  §.  80.  1594.  §!  104. 
1603.  §.  51  —  55.  bei  Gerstlacher. 


02     ITT.  -2.  Wnchorvoili.  «1.  R.'clits.nu'lloii.  n.  Ftegviff.  Ansrlehn.  d.  W.  etc. 

Vovb(it.  unter  dem  Namen  „  w  o  k  e  r ,  g  e  s  u  o  c  li ,  s  ii  e  c  h , 
V  her  nehmen,  geniess.  So  heisst  es  im  Seh  waben  Spie- 
gel (AVackevnagel)  c.  295: 

„es  verbiutet  got   vnde  der  pabest  vnde   der  ke^^ser  vnde 
alles  geistlich  gerichte  vnde  reht  daz  dehein  kristen  men- 
sche von  dem  andern  sol  gesuoch  nemen.   Daz  verbot  dan- 
noch  sunderlichen  pabest  Leo  vnde  der  saelige  künic  Karel 
mit  einander  ze  llome .  da  si  beide  concilje  betten. "  ^) 
Man  eifert  sich  hier  selbst  in  den  ganzen  Hass  der  kanonistischen 
Anschauung  des  Wuchers  hinein.    So  sagen  Kup recht  1.  c. 
cp.  75.:   ,.wann  sy  habenn  christenlichenn  vnd  sind  pöser 
dann  dy  judenn,"  SchAvabenspiegel  (Wackern.)  c.l41. 
in  tili.:    „wan  si  heizeut  getoufte  jouden,"    CulmerR. 
V.  65.  „dorumme  daz  dy  zele  icht  Yerloren  werde."  —   Und 
wo  die  sonstigen  Glaubenssätze  der  Kirche  mit  dem  Wucher- 
falle in  Collision  kommen,  wie  bei  dem  Schwur  des  Schuld- 
ners, Zinsen  zu  zahlen,  hilft  man  sich  mit  der  ganzen  Sophistik 
des  kanonischen  Rechtes  (cf.  oben  p.  IR.  N.  4)  zur  Vernichtung 
des  Wuchers   hindurch.     So   bestimmt   schon  Ruprecht  v. 
Frey  sing.  1.  c.  II.  c.  7o. 

von  wüchrärn.  „Und  lob  ich  ainem  mann  guet  zu  gebnn 
zue  suech  darumb,  das  er  mir  sein  pfennig  leiht.  Er  hab 
pfannt  von  mir  oder  nicht  . .  sein  hauptguet  sol  ich  im  gebnn 
vnd  den  gesuech  nicht,  ich  hab  dann  darumb  geswornn  das 
sol  ich  laistin.  plagt  mich  aber  der  wüchrär  umb  den  be- 

1)  cf.  Systemat.  Schöffenrecht  IH.  2.  c.  12.  u.  S.  XL.  Culraer 
Reclit  EU.  a.  49.  V.  a.  65.  Rechtsbuch  Ruprechts  v.  Freysing  II.  c.  73. 
74.  Münchener  Stadtrecht,  a.  369.  Prager  Stadtr.  T.  c.  a.  15.  Salz- 
burger L.  0.  (Rössler,  Gesch.  des  Rechts  in  Oesterreich.  Anh.  p.  V.  a. 
33.)  Ofener  Stadtr.  1.  c.  n.  192.  p.  114.  n.  349.  p.  18G,  worin  Juden  wie 
Christen  gleichniässig  der  Wucher  untersagt  ist.  Desgl.  in  den  Magde- 
burger Fragen  1.  c.  II.  c.  1.  dist.  1.  —  Baierische  Landesordn.  (1474. 
Krenner,  baierische  Landtagshandlungen  VIT.  p.  472.  Westenrieder 
Glossar  I.  p.  XXXIV.  n.  X.  p.  XL.  XLH.  Purgoldts  Rechtsbuch.  UI. 
.5.5.  56.  u.  VUI.  33  ff.  Dithmarser  Landr.  1537  (Michelsen,  Samm- 
lung altdithniarser  Rechtsquellen.  Altena  1842.)  Bürgersprache  zu 
Bielefeld  (1.573.  Walch,  1.  c.  HI.  p.  73).  —  Landordn.  der  Graf- 
schaft Solms  (1571.  ed.  1599.  p.  59  tf.)  u.  A. 


III.  2.  Wnohervevb.  d.  Rechtsquellcn.  a.  Begriff,  Ausdohn.  d.  W.  etc.     y;J 

suech  an.  der  richter  sol  im  nicht  darumb  richtenn  vnd  sol 
mir  gepietenn  das  ich  des  nicht  geb.  ist  aber  das  ich  im  di 
gebnn  hab.  der  richter  sol  in  wider  vodernn  vnd  mir  wider 
gebnn.  Daran  tue  ich  nicht  wider  mein  gelub  uocli  wider 
den  aid.  wann  man  sol  got  dem  herrn  mer  gehorsam  sein 
dann  den  menschenn."  ^) 


1)  Noch  eingehender  behandelt  Pnrgoldt,  der,  wie  schon  bemerkt, 
in  seinem  Rechtsbuche,  entsprechend  der  damaligen  neuen  Blüthe  des 
kanonischen  Rechtes  in  Deutschland,  die  Dekretalen  Gregors  IX.  und  die 
kanonistischen  Summisten  besonders  genau  berücksichtigt ,  diesen  Punkt 
in  VIII.  cp.  52 — 54.  „Es  ist  eyn  frage  in  dem  geistlichen  rechte,  ab 
eyner  mog  mit  gericht  geerbeyte  wider  eyaen  Wucherer ,  der  waicher  von 
5Tn  genomen  hat,  und  das  wider  gefordere?  Darauf  antwort  das  beschri- 
ben  recht  ex  e.  c.  cum  tu :  ist  das  der  wuchrer  nicht  eyn  cawerzcaner  ist 
eyns  herren  (cf.  u.  V.  5.  a  — c.)  ader  eyn  Jude ,  dem  es  vom  reich  ader  von 
eym  fursten  erleubt  ist ,  szo  helt  man  das  auch  im  wertlichen  rechte  in 
etzlichen  steten,  das  man  eynen  wuchrer  umb  den  gesuch  beclagen  wol 
möge  vor  gerichte ,  und  her  sulle  en  in  dem  rechten  kerin.  Aber  das  es 
hye  nicht  gewonheit  ist ,  und  in  dem  landtrechte ,  das  mag  des  schult 
seyn ,  das  man  dye  hvte  damit  erlös  und  gutlos  machte ,  so  sye  das  gote 
midt  eyner  uffenbaren  smelichen  busse  gebussen  muesten ,  davon  sy  erlös 
und  rechtlos  wurden ,  und  darzcu  beyden  gerichten ,  geistlichen  und  wert- 
lichen ,  und  dem  kleger  mit  eym  gnugtun  umb  das  gesuch ,  und  hirvon 
SSO  mochte  gros  unfrede  und  schade  bekomenn.  (cf.  u.  in.  2.  b.,  VIII.  3.  b.) 
cp.  53:  Und  lyhet  eya  Wucherer  eyme  etzwas  ,  da  her  om  gelobet  ge- 
such uf  zcu  geben ,  ist  her  om  den  schuldig  ader  nicht  ?  Da  eutwort  uf 
das  beschriben  recht  und  spricht ,  das  her  ome  den  wucher  umb  seynes 
kouflfes ,  lyliens  ader  geldes  willen  in  den  rechten  für  gote  und  vor  den 
luten  nicht  pflichtig  sey,  aber  umb  syns  gelobdes  willen,  das  her 
darzcu  gethan  habe,  so  sey  her  ym  das  schuldig;  wan  was  ein  man 
von  willen  gelobet ,  das  sal  her  halden  und  sal  das  bezcalen.  Aber  nach 
der  bezcalung ,  so  sal  her  yn  wider  forderen  umb  das  gesuch  unnd  umb 
das,  das  her  zcu  unrecht  von  im  genomen  hat  also.  cp.  54:  Ab  nhw  ein 
man  geschworn  hat  und  gelobet,  das  her  den  gesuch  nummer  gefordern 
wolle  sal  her  den  gesuch  geben  und  nicht  fordern?  Antwort  das  beschrie- 
benn  geistlich  recht:  das  der  eyt  sey  ein  frevel,  und  den  soUe  man  auch 
nach  wertlichem  rechte  dem  schultheysscn  uf  beyde  syten  gebussen.  Ex. 
de  jurejur.  et  de  uchninistrac.  Des  erben  aber,  der  geschworn  hat  und 
das  vorlobt  zcu  fordern  dye  mögen  das  fordern ;  und  thun  sye  des  nicht, 
ader  dorflen  des  nicht  thun ,  so  sal  es  der  rat  der  stat  thun  ader  dye 
schepflfen ,  und  dit  is  recht  auch  über  alle  bzewunglich  gelt  ader  habe  in 
sogetaner  weyse  zcu  fordern." 


i)4       111.  -2.  Wudiovvorl).  d.  T?oc1iis(iuolloii.   b.  Strafen  d.  Wuchers. 

Der  S  c  li  w  a  b  o  ii  s  j)  i  e  g  e  l  (Waclvorii .)  c.  141.  untevsclieidet  etwas 
wirr  vier  Fälle  dieser  Art,  Avelclie  jedoch  alle  tliatsäclilich  mit 
dem  Verbleiben  der  Zinsen  in  des  Schuldners  Vermögen  ab- 
schliessen.  Der  4.  Fall  lautet :  „  vnd  verswere  ich  deme  wuo- 
chrer,  daz  ich  es  niemande  sage:  der  eid  ist  niht  relit  vnd  min 
bischof  lät  mich  sin  wol  ledic,  wan  er  ist  wider  gottes  gebot. 
Wanne  got  sprichet  also:  mhine  dinen  nächsten,  davon  sol 
ih  niht  verswigen  mines  ebenkristen  missetät.  ^) 

Hierdurch  ward  demnach  die  unuraria  volnntas  auch  in 
dem  Schuldner  ausgespürt  und  verboten ;  er  durfte  nicht  mehr, 
wie  es  in  der  Glosse  des  Sachsenspiegels  gestattet  worden, 
freiwillig  von  vornherein  dem  Gläubiger  ehi  Geschenk 
über  das  Capital  versprechen,  sondern  höchstens  bei  Abzah- 
lung des  Capitales  den  Gläubiger  mit  einem  Geschenke  über- 
raschen. Dadurch  allein  entfernte  er  den  ewig  regen  Verdacht 
wucherlicher  Verabredung,  Purgoldt^)  bemerkt  dies  nur 
für  den  geistlichen  Wucher  ausdrücklich :  „ . .  der  geistlich 
Wucher,  der  ist  böser  wan  der  werntlich,  darumb  ...  das  her 
beyde  partey  vorunreyniget,  den  vorkeuffer  und 
keuffer.  Das  tudt  der  wertlich  wucher  nicht,  da  wirt  nicht 
me,  dan  eyner  eyn  Wucherer,  der  den  Wucher  nymptt;  der 
wirt  aber  kein  Wucherer ,  der  den  wucher  gibt.  Dit  ist  gystlich 
recht."  Doch  streitet  er  nicht  gegen  obige  Behauptung ;  denn 
dort  wird  durch  die  vom  Schuldner  beabsichtigte  Hingabe 
eines  Gewmnes,  wenn  er  sie  von  vorn  herein  gegen  den  Gläu- 
biger aussprach ,  das  Geschäft  wucherlich  für  den  Gläubiger 
und  Schuldner,  ersterer  bleibt  indess  allein  Wucherer;  in  dem 
Falle  Purgoldts  aber  wrd  auch  der  Schuldner  ein  Wucherer. 

b.   Strafen  des  Wuchers. 

Oben  (II.  2.)  bereits  ist  entwickelt  worden,  wie  durch  all- 
mähliche A-usdehnuug  des  Begriffes  der  caussae  ad  ecclesiam 
pertinentes,  zu  denen  man  auch  den  Wucher  rechnete,  das 
geistliche  Gericht  zur  Entscheidung  der  Zinsstreitigkeiten  kom- 


1}  cf.  auch  V  Ulm  er  R.  1.  e.  V.  65.  §.  2  ff.  —  (cf.  u.  Absch.  IV.  ±  e.) 
2)  Rechtsb.  VUI.  cp.  '62. 


III.   2.  Wuoliorverl..  (1.  T;ccliis,|iiellcii.    h.  Rtrafon  d.  Wuchers.      95 

petent  wurde.  Nacli  den  deutsclien  Keclitsquelleii  seit  dem 
13.  Jalirliuiidert  zu  urteilen,  sprach  zunächst  der  geistliche 
Richter  in  diesem  Falle  über  Cleriker  wie  Laien  Recht  und 
nur,  um  seinem  Urteile  durch  weltliche  Strafen  grössere  Kraft 
zu  verleihen,  oder  den  Wucherer,  welchen  er  zu  bestrafen 
unterlassen  hatte ,  dennoch  zu  ereilen ,  kam  die  Wuchorfrage 
vor  dem  weltlichen  Richterstuhle  zur  Verhandlung.  So  sagt 
der  Seh wabenspiegeP):  ,, wan  ein  gerihte  sol  dem  an- 
dern gerihtes  helfen :  so  sint  si  beidiu  deste  vester , "  indem 
er  vorher  die  Competenz  des  geistlichen  Gerichtes  hervorgeho- 
ben und  das  weltliche  Gericht  nur  in  obigen  Grenzen  ange- 
führt hat.-)  Das  Rechtsbuch  Ruprechts  v.  Freysing 
bemerkt^):  „so  sol  in  geistlichs  gericht pannenn vnd  darnach 
weltlichs  gericht  verachten —  "  '*)  Den  allgemeinen  Grund- 
satz enthält  Sachsenspiegel  I.  1.:  „dit  is  de  bekentnisse, 
svat  deme  pavese  widersta  dat  he  mit  geistlikem  rehte  nicht 
bedvingen  ne  mach.  Dat  is  de  keiser  mit  wertlikem  rehte 
dvinge  dem  pavese  geliorsam  to  wesene."  ^)  Den  anderen 
Grund  behandelt  Schwabenspiegel  c.  141.  i.  fin.: „Nu  ob 
in  einer  stat  ofenlichin  wuochrer  sint  ...  ist  er  ein  pfafe ,  sin 
meistershaft  sol  ez  vber  in  rihten.  vnd  wil  aber  geistlich  ge- 
rihte niht  vber  in  rihten  so  sol  wertliches  vber  in  rihten.  *')  — 
Dadurch  stellte  sich  allgemach  die  Competenz  dahin  fest,  dass 
der  Richter  das  Urteil  sprach ,  welcher  in  der  Sache  die  ersten 
Schritte  gethan  (ddida  mixti  fori).  "')  Noch  in  den  Reichsge- 
setzendes 16.  Jahrhunderts  erscheint  dieser  Stand  festgehalten, 
z.  B.  im  R.  A.  v.  1500.  ti.  32;  1530.  ti.  20;  1548.  ti.  17;  1577. 
ti.  17.  §.  8.  „alle  geistlichen  und  weltlichen  Richter." 

In  den   Spezialgesetzen   aber  der  Städte,   Einzelfürsten- 
thümer  u.  s.  w.  trug  man  es  bald  nur  noch  mit  Unwillen,  dass 

1)  Wackern.  o.  141.  von  den  wuoclirern.        2)  cf.  Kühner  K.  V.  05. 
3)  1328.  III.  cp.  73.  4)  Nördlinger  Stadtr.  Senckenberg,  viss. 

app.  II.  n.  VI.  1318.  a.  39.  cf.  oben.  5)  Sacbsens])iegel  III.  63. 

Schwabenspiegel  c.  246.  Züpfl,  K.  G.  II.  §.  47.  .06.  6)  Kul- 
me r  R.  V.  65.  i.  fin.  —  Im  öysteinat.  Schöl'fenrechte  fehlen  diese 
Stellen  aus  dem  Scbwabenspiegel.  Laband,  S.  XL.  7)  Richter, 
K.  R.  §.  207. 


9(j       111.    ;>.  Wucliovvorb.  d.  Roclitsquolkii.    b.  StiaPeii  tl.  Wiioliers. 

(He  Cleviker  nach  und  nach  fast  alle  Civilstreitigkeiten  vor  ihr 
Forum  7>ogen,  ')  und  begrenzte  schliesslich  —  was  durch  den 
häufigen  Widerspruch  und  die  Verwahrung  der  kontrahirenden 
Parteien  gegen  das  geistliche  Gericht  in  iliren  Vertragsurkun- 
deu  angebahnt  worden  —  die  kirchliche  Gerichtsbarkeit  in 
der  Wucherfrage  der  Art,  dass  der  kirchliche  Richter  nur 
über  die  Zweifel,  ob  der  einzelne  Fall  ein  wucherlicher  sei, 
entscheiden  durfte,  ja  in  den  Staaten  lutherischen  Bekennt- 
nisses trennte  man  von  ihr  alle  Civilstreitigkeiten.  So  heisst 
es  im  Laien  spie  gel  th.I.  von  wuchergut:  „Wo  nu  ain  streit 
oder  frag  im  rechten  sein  will  umb  die  geschieht  des  Wucher 
so  mag  es  durch  den  weltlichen  richter  entschaiden  werden. 
So  ferne  es  aber  über  das  Recht  als  ob  ein  Contrakt  oder  lian- 
del  wttcherlich  war ,  oder  nit,  das  möcht  vor  gaistlichem  ge- 
richt  geschehen. "  -) 

Besonders  klar  aber  zeigt  sich  der  Streit  zwischen  der 
geistlichen  und  weltlichen  Gerichtsbarkeit  über  den  Wucher 
inPurgoldts  Rechtsbuche  VIII.  52.  Purgoldt  selbst  stellt 
sich  als  Kundiger  des  kanonischen  Rechtes  in  dieser  Frage 
durchaus  auf  Seite  desselben  und  fordert  die  Verurteilung 
des  Wuchers  auch  im  weltlichen  Gerichte.  Er  muss  mdess 
mit  Seufzen  selbst  gestehen ,  das«  dieser  Standpunkt  damals, 
am  Anfange  des  16.  Jahrhunderts,  nur  noch  m  einigen  Städten 
gewahrt  werde.     Im  Landrechte  dagegen  und  in  Eisenach  sei 


1)  Sachs.  Weichbild  a.  28.  (ed.  Zobel)  —  Vermehrt.  Sachsen- 
spiegel (1354  —  78.  Ortloff.  III.  8.  p.  148:  „keyn  leyge  noch  keyu  wert- 
lich iiieuschc  . . .  sulleii  klagen  an  geistlichem  gerichte  vmmc  schult  vnde 
vmme  wertliche  sache.  Es  en  sal  auch  keyn  lej-ge  den  andern  beklagen 
vor  geystlichen  gerichte.."  Thüring.  L.  0.  (144Gj  ed.  Müller.  Reichs- 
tagstheatrum  p.  89.  Hamburger  St.  E.  (1497.)  XVI.  Walch,  Beitr. 
p.  71.  „so  welk  vnsse  borger  den  andern  beklaget  vor  gheystlyken  rehte 
vm  sodane  shult  alse  tho  wertlykem  rehte  behoret,  bringet  he  am  yn 
schaden  vnnde  wert  dar  vmme  vor  gherihte  beklaget  v.  voretuget,  he 
shal  darvmiiie  beteren  3  punt  vnde  schal  one  dar  to  vth  dem  schaden 
nemen. "  2)  cf.  dazu  die  Niederländischen  Gesetze  bei  Zypäus,  d. 
jurisdictione  eedesiastica.  Antwerpen  1675.  cp.  44.  d.  usur.  u.  die  con- 
stitutt.  regni  Siciliae  (1231.1.  ti.  VI.  Neapel  1773),  worin  schon  die- 
selbe Tlieilung  der  Gerichtsbarkeit  sich  findet. 

« 


III.   2.  Wucherverb.  d.  EechtsqueUen.  b.  Strafen  des  Wuchers.      97 

das  nicht  der  Fall  und  sogar  „  nicht  gewonheit. "  Dafür  giebt 
er  sehr  naiv  den  Grund  unverhohlen  dahin  an:  „das  mag  des 
schult  seyn,  das  man  dye  Iwte  damit  eilos  und  gutlos  machte, 
so  sye  das  gote  midt  eyiier  uffenbaren  smelichen  busse  gebus- 
senmusten,  davon  sy  erlös  und  rechtlos  wurden,  und  darzcu 
beyden  gerichten ,  geistlichen  und  wertlichen ,  und  dem  kleger 
mit  eym  guugtun  umb  das  gesuch,  und  hirvon  szo  mochte 
gros  unfrede  unnd  schade  bekomemi."  ^) 

Wie  aber  in  früherer  Zeit  die  Competenz  für  Wucherfra- 
gen dem  weltlichen  und  geistlichen  Richter  übertragen  wor- 
den, so  verband  man  auch  zur  Erhöhung  der  Wucher- 
strafen das  Ansehen  der  Kirche  mit  der  Gewalt  der  Civil- 
behörden.  ^)  Derjenige  nämlich ,  welchen  sein  Geständniss 
oder  die  Klage  seines  zinszahlenden  Schuldners  und  dreier 
ehrenhafter  Männer  ^)  des  Wuchers  bezüchtigte ,  wurde  drei 
Stunden  lang  vom  geistlichen  Richter  ermahnt,  dass  er  die 
genommeneu  Zinsen  dem  Schuldner  medergebe  und  künftighin 
den  Wucher  meide ;  '^)  ausserdem  zahlte  er  in  einzelnen 
Gebieten  eine  Geldstrafe  an  die  weltliche  Behörde  nach  der 
Höhe  seines  Wuchers.  •'')     Wucherte  er  danach  gleichwol  wei- 


1)  Für  die  völlige  Verneinung  kirchlicher  Gerichtsbarkeit  üi  Wucher- 
sachen sprechen  u.  A.  Vermehrter  Sachsensp.  1.  c.  Thüring.  L.  0. 
1.  c.  Hamburger  St.  E.  1.  c.  Neue  reformirte  Tiroler  L.  0.  1573. 
p.  11.  J.  H.  Böhmer,  jus  eccl.  pr.  V.  19.  §.  XXXVI.  Eichhorn,  K.  G. 
§.  467.  2)   Ihren  Hass  gegen  die  Wucherer  drücken  die  Gesetzgeber 

noch  besonders  durch  die  Ehrentitel  aus ,  welche  sie  jenen  beilegen.  So 
^agt  Ruprecht  V.  Frey  sing  1328  in  seinem  Eechtsbuche  1.  c.  U.  cp.  75: 
,,wan  sy  habenn  christenlichenn  vnd  sind  pöser  dann  dy  judenu."  — 
Schwabenspiegel  fWackem.)c.  141.  ..wan  si  heizcnt  geteufte  jouden." 
Layenspiegel,  l.;c. u.  A.  cf. III.  2.  a.  3)  Im  Systematischen  Schöf- 
fenrechte (1350)  UI.  2.  cp.  12.  (Kulmer  Eecht.  m.  49)  weist  der 
Angeklagte  die  Beschvddigung ,  ,,  daz  her  wissint  lieh  genom3'n  hatte  Wu- 
cher," durch  seinen  blossen  Eid  zurück,  ,, . .  vorsaclüt  hers ,  her  mag  vn- 
schuldic  werdin  vor  gerichte  uf  den  heylegin."  4)  Auch  hier,  wie  an 
so  vielen  der  oben  berührten  Punkte ,  zeigt  sich  sogleich  der  Charakter 
der  Moralvorschrift,  welchen  mau  trotz  der  Anwendung  rechtlicher 
Zwangsmittel  nicht  vergessen  konnte.  5)  Systematisches  Schöf- 
fenrecht (1350.)  m.  2.  cp.  12.  (Eulmer  E.  1.  c.  III.  art.  49.):   (vmb 

Neuraann,  Gesch.  d.  Wuchers.  7 


98     TTT.    '2.  Wuohorvorb.  d.  "ReHitsqncllon.     b.  Strafen  «los  'Wiichers. 

ter ,  so  strafte  ihn  der  geistliche  Kiehter  mit  der  Excommuni- 
cation.  Half  diese  noch  Nichts ,  so  Hess  der  weltliche  Rich- 
ter nach  einzelnen  Gesetzen  den  Wucherer  vor  den  Thoren  der 
Kirche  scheeren  und  züchtigen  und  allgemein,  wann  Letzterer 
sechs  Wochen  und  einen  Tag  im  Banne  gelebt  hatte,  strafte 
ihn  der  weltliche  Richter  mit  der  Acht;  der  Wucherer  wurde 
aus  der  Stadt  verbannt  und  sein  Vermögen  unter  seine  zins- 
zahlenden Scliuldnor  und  die  Gemeindekasse  oder  die  Richter 
vertheilt;  nur  ein  kiemer  Theil  blieb  semer  Familie.  ^) 

Wer  einmal  Zmsen  gefordert  hatte,  ward  unfähig,  ein 
öffentliches  Amt  zu  bekleiden.  -) 

Wer  einen  Wucherer  schützte,  erlitt  dieselben  Strafen, 
wie  der  Wucherer ;  die  Behörde ,  welche ,  obgleich  zuständig, 
einen  Wucherer  nicht  verurteilte ,  zahlte  eine  Geldstrafe.  ^) 
Gemäss  härteren  Bestimmungen  wurde  Letzterer  sogar  ge- 
zwungen ,  nach  je  sechs  Monaten  zu  schwören ,  dass  er  selbst 
niemals  auf  Zinsen  darleihen  werde,  und  dass  er  die  Wucherer 
verurteilt  habe;  schwor  er  falsch,  so  zahlte  er  indess  nur 
eine  Geldstrafe.^)  Verboten  war,  für  einen  Wucherer  zu  bitten 
und  dessen  Bittschreiben  an  den  Richter  öffentlich  vorzulesen.  ^) 

Später  aber ,  als  in  den  Staaten  lutherischen  Bekenntnis- 
ses  vornehmlich,   die   Gerichtsbarkeit  in  Wuchersachen   der 


wissentlichen  wuocher)  ,,  bekennt  her  is  ,  so  sal  her  der  stadt  vorbussen 
by  der  stat  köre,  das  sj'nt  sechs  vnd  drj'ssig  schillynge  alse  dicke  alse 
her  is  getan  hat"  —  u.  A. 

1)  Hinsichts  der  die  Verbindung  des  kirchlichen  und  weltlichen  Ge- 
richts in  ihrer  moralischen  Natur  darlegenden  Strafe  der  öffentlichen 
Tonsur  vor  der  Kirchenthüre  cf.  Ofner  Stadtrecht  1.  c.  nr.  192.  p.  114, 
(Anm.  Seligenst.  Sendschreiben  a.  1390):  „item  wer  da  funten  wirt  für 
ein  Wucherer ,  der  sal  drie  sontage  vur  dem  ama  geen  mit  denie  wich- 
waszer  umb  die  kirchen ,  wollen  vnd  barfusz  und  ein  judenhut  uf  han  und 
ein  besemhe  in  siner  liand  han.  Wan  he  umb  die  kirchen  kompt,  so  sal 
er  drus  ligen  vor  die  kirchthur  vnd  sal  die  lüde  obir  sich  laszen  geen. "  — 
cf.  Schwabensp.  1.  c.  cp.  141.  —  Stadt-  und  Landrechtsbuch 
R.'s  v.  Freysing  (1328)  1.  c.II.  cp.  73.  74. 75.  —  Culmer  Eecht.  (saec. 
14)l.c.V.  art.  65.U.A.  2)  Stadtr.  v.  Cöln  (1437.)  p.  105.  3)  Dith- 
marser  Landrecht  (1447  —  67.)  Stadtrecht  v.  Cöln  art.  48.  Mi- 
ch eisen,  1.  c.  kirchl.  Landesverordnungen.  4)  ib.  N.  3.  —  Dith- 
marser  Landrecht  1.  c.        5)  Cölner  Stadtrecht  art.  47.  p.  72. 


III.   2.  Wucherverb.  d.  Rechtsquellen,   b.  Strafen  des  Wuchers.      99 

Geistlichkeit  genommen  wurde  (cf.  II.  2.) ,  scheint  mit  der  Be- 
seitigung der  Exconinumioation  als  Wucherstvafe  auch  die 
Acht  allmählich  aufgehört  zu  haben.  In  den  Reichsgesetzen 
seit  1530,  in  den  Gesetzen  der  deutschen  Einzelländer,  wel- 
che sich  an  jene  Reichsgesetze  unmittelbar  anschlössen,  be- 
gegnen ,  mit  Ausnahme  weniger  der  letzteren ,  ^)  mildere  Stra- 
fen; man  erklärte  die  Wucherverträge  wie  die  mierlaubten 
Verträge  allgemein  für  nichtig  und  löste  sie  auf;  ausserdem 
wurden  die  Wucherer  mit  dem  Verluste  des\"ierten  Theils  ilires 
dargeliehenen  Kapitales  bestraft,  oder  sie  mussten  das  ganze 
Kapital  hergeben ,  wenn  sie  den  Schuldnern  durch  ihren  Wu- 
cher erheblich  geschadet  hatten  (R.P.O.  1530.  ti.  26.  §.  8; 
R.P.O.  1548.  ti.  17.  §.  8;  1577.  ti.  17.  §.  8):  .,dass  derjenig, 
so  solche  wucherliche  Conträkt  mid  Pratiken  hinfüro  künftig- 
licli  üben  mm\e ,  den  4.  Theil  an  seiner  Hauptsumme  verloren 
und  derselbig  halb  seiner  bürgerlichen  Obrigkeit,  zum  andern 
halben  Theil  aber  'der  Obrigkeit,  darunter  der  arme  Mann 
gegen  dem  solcher  \vucherlicher  Conträkt  und  partita  gebraucht, 
gesessen,  heimgefallen  sein  solle.-)  Einzelne  Rechtsquellen 
machen  von  diesen  Strafbestimmungen  eine  Ausnahme ,  so  das 
Gosslar er  Stadtrecht,  in  welchem,  wie  schon  erwähnt,  der 
Wucher  nur  emen  sittlichen  Makel  erhielt  3):  „of  en  bot  dat 
he  het  ghewukert.  darmede  ne  heft  he  sin  recht  nicht 
verlorn  noch  sine  ghelde:  sin  gherochte  is  dar  aver 
mede  gek renket*"  p.  521.  ib.  Desgleichen  bestimmte  ein 
Züricher  Gesetz  von  1316,  dass,  wenn  der  Wucherer  seinen 
Fehltritt  bereute,  die  Sache  dem  Rathe  der  Stadt  selbst 
anzeigte  und  den  Wuchergewinn  dem  letzteren  schenkte,  er 
die  Hälfte  desselben  ohne  Vernichtung  des  Geschäftes  und 
ohne  eme  Wucherstrafe  zurückerliielt.  ') 


1)  cf.  Carpzov,  pract.  rer.  crim.  obs.  11  — IV.  p.  II.  qu.  92.  — 
2)  cf.  Würtemb.  L.  R.  1557.  fol.  117.  —  Zuchtordnung  v.  Meni- 
mingen  1.  c.  ti.  XHI.  —  Tiroler  L.  0.  (1573)  p.  94.  u.  A.  3)  1.  c. 
V.  p.  102.   von   manigerhandc   rechte.  4)   cf.   Schinz,    Han- 

delsgeschichte, bei  Michnay  und  Lieh n er,  Ofner  Stadtrecht  XI. 
Bluntschli,  Züricher  Rechtsgeschichte  I.  )).  293.  „Swa  dehein  Burger 
odervsman,  der  den  Burgern  guot  hat  gelihen  ,  für  ein  Rat  kumt ,  \Tid 

7* 


tOO     in.  2.  Wuchervorl).  d.  Rochtsquellen.   c.  Kauf  d.  Früchte  etc. 

c.    Iiisliosoiulere  der  Kauf  der  Früchte   auf  dem  Halme  oder 
in  Garben.  —    Die  Auf-  und  Vorkäufe. 

Da.  wie  oben  (II,  1)  sclioii  beiülirt  wurde,  der  Ackerbau 
während  des  Mittelalters  in  einem  grossen  Theile  Deutschlands 
die  Hauptbeschäftigung  der  Bewohner  bildete ,  musste  es  häu- 
fig begegnen,  dass  der  geldbedürftige  Landmann  seine  Frucht 
auf  Halm  und  Baum  verkaufte ,  oder  zur  Zeit  der  Ernte  die 
bereits  geerntete  Frucht  billig  veräusserte,  um  sie,  nachdem 
seine  Noth  gelindert ,  theurer  sich  selbst  zu  kaufen.  Es  han- 
delte sich  hier  daher  meistens  um  einen  Gewinn  an  Geld  oder 
Früchten,  welchen  der  reiche  Geldbesitzer  mit  oder  ohne 
schlaue  Umgehung  des  Wucherverbots  in  Benutzung  der  augen- 
blicklichen Geldnoth  des  Landmannes  zu  dessen  unmittelbarem 
Nachtheil  und  zum  mittelbaren  Schaden  des  ganzen  Gemein- 
wesens machte. 

Dieser  Umstand  bewog  die  meisten  deutschen  Rechtsquel- 
len bis  in  die  neue  Zeit ,  hinein  den  Kauf  der  Früchte  auf 
Halm  und  Garben  als  einen  besonderen  Theil  des  Wucher- 
gebietes neben  den  zuvor  in  III.  2.  a  bereits  berührten  Bestim- 
mungen über  schädliche  und  ungebührliche  Rechtsgeschäfte, 
sehr  eingehend  zu  behandeln,  indem  sie  dergleichen  Käufe 
theils  ganz  verboten ,  theils  eng  begrenzten ,  so  dass  es  ange- 
gemessen erschemt,  auch  hier  diese  Wucherart  besonders  zu 
berücksichtigen. 

Schon  zur  Zeit  Karls  des  Grossen  ward  bestimmt,  Nie- 
mand solle  gegen  baare  Zahlung  Getreide  oder  Wein  auf  dem 
Halme  zu  Lieferungen  in  der  Erntezeit  ankaufen ,  noch  in  der 
Ernte  Feldfrüchte  billig  aufkaufen,  lediglich  um  sie  später 
theurer   zu  verkaufen.  ^)    Mau  konnte  sich  für  dieses  Verbot 


durch  siner  sele  willen  dengnies,  so  im  von  den  Burgern  worden 
ist,  dem  Rat  antwürtet ,  da  sol  im  der  Rat  den  halben  teil  des 
genises  wider  geben." 

1)  1.  Langob.  II.  31.  1.  „ut  nemo  proxiter  cupiditatem  pecuniae  det 
pretium,  ut  futuram  emtionem  sihi  praeparet,  sed  ttmc  tantum,  quan- 
tum p/raesentes  sunt  fructus,  sihi  illos  eomparet."  —  Pertz  (legg.  I. 
144.)  capit.  (80Gj  §.  7.  „quicwnqiie  tempore  messis  vel  vindemiae  non 
necessitate  sed  propter  cupiditatem  comparat  annonam , hoc  turpe 


ITL  2.  Wnchorvi'vb.  d.  Rechtsquellen,    o.  Kauf  dor  Früchte  etc.     101 

auf  die  oben  zitirten  kanonistischeii  Bestimmungen  über  die 
Honiiolien  bezielieii ;  in  beiden  Füllen  ^ing  man  auch  hier  von 
der  Voraussetzung  aus,  dass  der  Verkäufer  arm,  der  Käufer 
reich  und  habsüchtig  sei. 

So  bildete  diese  Untersagung  nur  einen  Theil  des  TIT.  2.  a. 
bereits  angebahnten  und  weit  umfassenden  Wucherverbots, 
welches  sich  in  wahrhaft  unzähligen  Artikeln  der  deutschen 
Rechtsquellen  als  mehr  oder  weniger  allgemeine  Unter  sa- 
gung aller  Lieferungsverträge,  so  wie  aller  Vor-, 
An-,  und  Aufkäufe  wiederholt  und  in  diesem  Gipfelpunkte 
eines  Zweiges  seiner  Gewalt  offenbart,  wohin  die  praktische 
Anwendung  des  sittlichen  Grundsatzes,  mufunm  date  nihil 
indc  spcranfcs,  den  ganzen  Kapitalverkehr  führen  konnte. 

Von  den  kleinen  Anfängen  der  Capitularien  und  ersten 
Concilien  gingen  die  zwei  hier  zu  verhandelnden  Verbote  schnell 
in  die  Spezialgesetze  der  einzelnen  Gebiete  Deutschlands,  wie 
in  die  Reichsgesetze  über.  ^)  Die  bisher  ungedruckte  Danzi- 
ger  AVillkür  von  1380  —  1454.  Tl.  Tbl.  fl.  26.  (Danz.  Archiv. 
Bibl.  X.  1)  sagt  u.  A. : 

„Keyn  man  sali  ingerlay  gutt  vor  kouffen  vor  der  Stat,  adir 
in  der  Stat  freyheit,  es  enkomme  denne  vor  czu  markete." 
und  in  den  einzelnen  Bestimmungen  darüber  fl.  31 : 

„alle  dieghenne  die  fische  mit  vorkouffe  kouffen  zcu  wasser 
ader  czu  lande  vnde  lacszen  en  nicht  czu  markete  komen, 
der  kouffer  sal  seyn  gelt  verloren  haben." 
Ferner : 

„  Item  die  frowen ,  die  in  die  botesz  geen ,  bey  die  Brugke 
unde  aide  fische  kouffen,  vnde  lacszen  die  fische  nicht  off 


hierum  dicimus."  —  Eichhorn.  D.  P.  R.§.98.  —  Maurenbrecher,  D. 
P.R.n.§. 383.— Kraut,  Grundriss§.  150.—  Zöpfl,  R.  G.  U.  §.  124.  IH. 
1)  Von  französischen  Gesetzen  cf.  const.  regia  Ludovic.  XI.  a.  1482. 
Franz  I.  erneute  diese  Bestimmung ;  von  frisischen  das  Edict  von  1531.  — 
cf.  Stryck,  U.M.  P.XII.l.  §.36.  —  cf.  dissert.  de  venditione  illi- 
cita  fructuum  herhescentium  (Eeimers.  Halle  1738.)  §.  14.  §.  17. 
—  Aus  dem  Heere  der  Belege  zitire  ich  nur  Bair.  L.  0.  (1491)  1.  c. 
p.  XL.  „Item  wer  wuchert  oder  geferliche  kauf  tut.  als  weil  das  traid 
auf  dem  feld  steet. "  —  Dithmar ser  L.  R.  ( Michelsen  1.  c. )  p.  15 
(1447—67)  Lundener  Stadtr.  (1529)  art.  34. 


1(V2     TU.  '2.  WufliiM-vcrb.  il.  Rochtsquellen.    c.  Kant' dov  Früchte  etc. 

den  market  komme,  die  sollen  ir  gelt  verloren  haben,  vnde 
36  gutte  dortiin."  ^) 


l)  cf.  Augsburger  Stat.  (Walch,  Beitr.  IV.  nr.  1.)  (1276)  p. 
•2-J2  — 224.  PragerK.  (saec.  14.)  1.  c.  p.  72.  —  Salzburger  L.  0. 
(1328)  1.  c.  p.  5.  art.  33.  —  Ofner  Stadtrecht  ( 1244  — 1421 )  1.  c.  nr. 
139.  p.  90.  Hier  ist  allein  den  Juden  Sachen  aller  Art  aufzukaufen  ver- 
boten (cf.  J.Grimm,  Rechtsalterthümer  p.  610.) —  Revaler  Stadtr. 
(1347)  1.  c.  I.  —  In  Zürich  war  der  Verkauf  der  Früchte  auf  dem  Halme 
schon  1430  untersagt.  Im  dortigen  Stadt  -  und  Landrechte  wurde  dann  das 
Verbot  erneuert,  cf.  Blun  t  schli,  Züricher  Rechtsgoschichte  IL  ]>.  272- 
—  S  p  e  y  e  r  e  r ,  Stadtr.  (Genglcr ,  1.  c.  p.  453.)  R  e  c  h  t  s  g  e  w  o  h  n  h  e  i  t  e  n 
aus  saec. XIV.  ed.  Lehmann.  Speierer  Chronik (1412)  IV.  cp.  21.  p.  159. 
Co  In  er  Stat.  1.  c.  (saec.  14)  a.  46.  p.  69.  cf.  R.  A.  v.  1512.  §.  16  —  18; 

1526.  §.  26 ;  1529.  §.  34 ;  1530.  §.135 „  auch  etliche  sondere  Personen 

seiend ,  die  allerlei  Waar  und  Kaufmannsgüter ,  als  Specerei ,  Erz ,  Wöl- 
lentuch  in  ihre  Hand  und  Gewalt  allein  zu  bringen  unterstehn  ,  Fürkauf 
damit  zu  treiben ,  sezen  und  machen  ihnen  zu  Vortheil  solcher  Güter  den 
Werth  ihres  Gefallens.  —  §.  136—37;  1548.  18.  §.  1  —  12;  1577.  18. 
§.  1.  —  Statuten  von  Alstä  dt  (1565)  (Walch,  Beitr.  VI.  nr.  4.  art.  XLII. 
p.  217)  ,,soIl  keinem  Wucherer  oder  vorkeufFer  gestattet  sein,  ainigerlai 
getreide  oder  andere  wahre  auf  wu eher  auf zukauifeu ,  dem  Armen  das 
Brodt  dordurch  vor  dem  Munde  wegzurappen,  dordurch  dann 
auch  mutwillige  teurunge  geursachet."  —  Meklenburger  P.  0. 
(1562)  Rostock,  p.  71.  Würtemberger  L.  0.  ib.  1.  c.  fl.  129.  —  Pfäl- 
zer  L.  R.  (1580)  Lc.  XIV.  p.  70.  nx.  12.  —  Stat.  v.  Peina  (1597) 
Pufendorf ,  obs.  IV.  app.nr.  13.  p. 242.  p.  260.  cf.  Kuppener,  v.  Wucher- 
hinten ,  Beil.  E.  —  Den  Verkauf  der  zum  Lebensunterhalt  nöthigen  Waa- 
ren  insbesondere  gestattete  man  dem  Einzelnen  nur  so  weit ,  als  er  die 
Waaren  zur  Unterhaltung  seines  Hauswesens  bis  zum  nächsten  Markt- 
tage oder  eine  Woche  hindurch  bedurfte ;  wer  mehr  einkaufte ,  galt  als 
Wucherer  (cf.  Münchener  Stadt  R.  ed.  Au  er,  1.  c.  a.  412.  p.  157.)  In 
der  Hennebergischen  L.  0.  (1539)  ed.  Hassert  (1790)  tit.  l.cp.  3;  VI, 
2  war  Solches  dann  allein  den  Bürgern  erlaubt ,  wann  eine  Theuerung 
'  der  Leben.smittel  bevorstand.  Das  geschah  damals  freilich  bei  dem  höchst 
geringen  Waaren  -  und  Geldundaufe  in  den  kleinen  Binnenstädten ,  ja 
selbst  in  den  grossen  Seestädten ,  hier  indess  mehr  durch  politische  Ver- 
hältnisse veranlasst ,  durchaus  nicht  selten.  Aus  dem  eben  erörterten 
wirtJischaftlichen  und  aus  politischen  Gründen  erstreckte  sich  solch  ein 
Verbot  des  Vorkaufes  überhaupt  oder  des  Vorkaufs  vor  Ausstellung  der 
Waaren  während  bestimmter  Zeit  an  den  öffentlichen  Märkten  selbst  auf 
den  Fall ,  dass  Inländer  im  Auslande  zur  Einführung  in  das  Inland  der- 
gleichen AVaaren  auilauften.  Mehr  noch  galt  derjenige  als  Wucherer, 
welcher  im  Inlande  diese  Waaren  zur  Ausfuhr  aufkaufte.cf.  sogl.  im  Texte. 


m.  2.  Wucherverb.  (L  Rechts(|iiellen.   c.  Kauf  der  Früchte  etc.     1.03 

Nocli  im  15.  Jahrhundert  wird  auf  den  Hansetagen  wiederholt 
bestimmt :  Niemand  soll  Hering  verkaufen ,  ehe  er  gefangen, 
Korn,  ehe  es  gewachsen,  Gewand,  ehe  es  gemacht  ist  (1417. 
1421.1484.  cf.  Hirsch,  Handelsgesch.  p.233).  Diese  Gesetze 
indess ,  wie  eine  Zahl  ähnlicher  im  übrigen  Deutschland ,  wel- 
che sich  vornehmlich  auf  Lieferungs  -  und  Aufkaufsverträge 
der  Städt'^'  mit  ihren  Hinterländern  beziehen,  haben  weni- 
ger Uire  P^rklärung  in  dem  Wuclierverbote,  als  in  der  damals 
für  Handelsgeschäfte  mit  dem  Auslande  ganz  besonders  nöthi- 
gen  Vorsicht  wegen  der  häufigen  Aus  -  und  Einfuhr  -  Verbote, 
der  Gefahren  gegen  Elemente  und  Räuber  zu  Land  und  See, 
der  erzwungenen  Haftung  der  Kaufleute  im  Auslande  für  ihre 
schuldenden  Landsleute ,  wegen  der  dadurch  bewirkten  Schwan- 
kung der  Preise ,  der  ünkenntniss  von  Versicherungen  u.  s.  w. 

Die  obigen  zwei  Verbote  indess  schadeten  natürlich  dem- 
jenigen ,  zu  dessen  Schutze  sie  erlassen  waren ,  besonders  also 
dem  Landmanne  ebensoviel ,  als  sie  ihm  nützten ;  daher  Hessen 
die  Gesetzgeber  allgemach  Ausnahmen  von  ihnen  zu.  Nur 
zu  bestimmten  Terminen,  die  das  Gesetz  feststellte,  waren 
dergleichen  Verträge  erlaubt;  oder  nur  dort,  wo  der  Käufer 
einen  Preis  zahlte  oder  versprach,  welcher  nach  der  Schä- 
tzung kundiger  Männer  oder  nach  dem  zu  bestimmten  Zei- 
ten gewöhnliclum  Marktpreise  dieser  Waaren  ^)  als  der  rich- 
tige Preis  derselben  erschien.  So  kam  man  auch  hier  ganz  wie 
in  der  kanonistischen  Lehre  seitens  der  Kirche ,  durch  das 
willkürliche  Eingreifen  der  Polizeigewalt  in  die  Naturgesetze 
des  Verkehrs  zu  der  Voraussetzung  eines  jeder  Waare  inwoh- 
nenden, überall  angemessenen  und  rechten  Preises  derselben,  und 
zwar  sollte  sich  dieser  Preis  nicht  frei  im  Verkehre  selbst  her- 
ausstellen ,  sondern  die  Staatspolizei ,  dort  die  Kirche,  erkann- 
ten ihn  allein  und  verkündeten  ihn  dann.     Daraus  entstanden 


1)  Der  Hochmeister  des  deutschen  Ordens  in  Preussen  Hess  vom 
Rathhause  der  preussischen  .StJidte  verkünden ,  wer  auf  Gerste  auf  dem 
Hahne  Geld  gegeben  habe,  ,,der  sal  so  vele  gerste  daran  nemen  als  das 
gelt  reichen  mag  noch  des  niarktis  loufe."  Strafe  trifft  den  Zuwiderhan- 
delnden. Danz.  Arch.  Urk.  39,  7  (14.  Jahrh.)  u.  a. 


104     111.    -.  WucluMVorb.  d.  Reohtsqnellcu.    o.  Kauf  der  Früchte  etc. 

die  P 0 1  i z  e  i  t  a  X  e  11.    In  Michelscn  l.  c.  art.  vom  Kirchspiel 
zu  Meldorf  (1541)  p.  234  lieisst  es: 

„  de  overst  Gelt  up  Korne  uthdeit  de  scall  so  veele  up  de 
Tonne  geven,  alss  sse  tor  tudt  tlio  Markede  gelt  unde  myn 
nicht. . .  •'  ib.  art.  12:   „  Wenn  Jemand  des  Sommers  Gheldt 
up  Korne  uthdeit,  dat  schall  staen  3  Weken  nha  Michaelis, 
unde  de  Tonne  schall  men  man  emen  Schillingh  ringer ,  alse 
se  redt  Gheldt  ghelden  kann ,  wenn  se  geleverd  würd ,  an- 
genommen werden.     Wol   averst   des  Wmters  Gheldt   up 
Korn  uthdeith,  dat  schall  staen  beth  up  Midvasten,  de  Tonne 
schal   men  ock   man   einen  Schillingh    rmger  köpen,   alse 
se  redt  Gheldt  ghelden  kann  wenn  se  gelevert  würdt.     De 
averst  dat  Korn  will  averstaen  lathen  nha  gemelten  Termi- 
nen ,  schall  nicht  mher  upp  de  Tonne  nemen ,  also  wo  baven 
getheröret.     Dat  Korn  schal  averst  up  vorgemeldte  Tiden 
gebracht  werden ,  up  Vorlust  der  Vraght ,  welker  schall  de 
Nehmer  jeghn  den  ghennen,  de  sodann  Gheldt  uthgedaen,' 
verbohret  hebbe." 
In  verschiedener  Weise  beraumten  die  Gesetze   die   Zeit  an, 
zu  welcher  es  gemäss  den  natürlichen  Verhältnissen  des  Acker- 
baues nicht  wucherlich    erschien,    dergleichen   Verträge   zu 
schliesseu,  weil  die  jenen  Verboten  zu  Grunde  liegenden  Vor- 
aussetzungen  dann   theilweise   oder   ganz   fehlten.     So    sagt 
Purgoldt  in  seinem  Rechtsbuche  VIII.  cap.  50:  „tudt  eym 
armen  maime  geldes  nodt,  und  hat  für  ym  nicht,  daher 
gelt  mite  gelosen  möge  dan  von  den  fruchten  s  y  u  e  r  e  c  k  e  r, 
und  vorkeuft  dy  saedt  uf  dem  feylde,  also  wan  das  körn  ryffe 
wirf,  das  der  keuffer  dan  dye  ecker  uskysen  wolle  und  nicht 
eher:  das  ist  wucher  und  nicht  recht;  wan  her  dye  säet  nahe 
vej^le  keuffet  und  wil   dan  des  kornes  gewissheit  haben  von 
der  koer  wegen,  der  tudt  unrecht,  wan  keuft  her  sadt,  so  sal 
her  säet  kysen ,  wan  sye  uf  gegehet ,  keuft  her  aber  körn ,  so 
kyse  her,  wan  hers  schulden  sali.     Die  säet  sali  man  ky- 
sen im  m e y ,  das  eyn  man  besehen  möge ,  ab  dye  ecker  wol 
und  recht  besewt  sein,   und  sal  fordt  sein  obenteuer  stehen 
mit  dem  misse  wachssen ;  so  wirt  sein  wynung  gotlich."    Die 
Artikel  des  Kirchspieles  zu  Meldorf  weichen  hiervon  wesent- 


ni.    2t  Wufhervprb.  d.  Eeohtsqnollon.    c.  Kauf  der  FriUhte  etc.     105 

lieh  ab.  Meistens  lautet  di9  Zeit  14  Tage  nach  der  Ernte, 
oder  nach  Weihnachten,  theils  für  die  Gestattiing  des  Kaufes 
überhaupt,  theils  für  die  Abmessung  des  Preises.  So  sagen 
die  R.  P.  0.  von  1548.  19.  §.  1-2.  und  1577.  19.  §.1  —  3, 
welche  die  ganze  Frage  emgehend  behandeln: 

Nachdem  nicht  ohn  gross  verderblich  beschwerden  des  ar- 
men, gemeinen  Volks  befunden,  dass  demselben  durch 
etliche  eigennützige,  geizige  leut,  im  Schein  der  Kaufmann- 
schaft auf  ihre  Samen ,  so  noch  auf  dem  Felde  stehn ,  auch 
den  Wein  au  den  Stöcken  und  an  ihre  Frucht,  Arbeit,  Viehe, 
Geld  oder  ein  anders  hinausgeliehen  oder  gegeben ,  dadurch 
dieselben  ...  was  sie  gar  härtiglich  erarbeiten,  näher,  dann 
sich  sonst  nach  gemeinem,  gewöhnlichem  Kauf  gebührt, 
zu  geben  verursacht  und  gedrungen  waren  §.  2.  Desselben 
gleichen  wird  vermerkt,  dass  etwa  hier  zu  wohlfeilen  Jah- 
ren . . .  viel  Zinss  -  und  Gültverschreibung  aufgerichtet  wor- 
den, darinnen  ein  anner  Mann  mit  etwa  10,  15  Galden  ... 
1  Malter  Korn  verschrieben  —  und  alsdann  fürders  solche 
Gülten  zu  einfallenden   theuern  Jahren   ein  Weg  wie  den 

andern zahlen  müssen  —  §.3.  wird  erlaubt  ein  Gelddar- 

lehn  für  künftige  Feldfi'ttchte  zu  geben „  doch  nur  auf 

den  Schlag  und  gemeinen  Kauf ,  was  jene  nemlich  zur 
Zeit  des  Contrakts  oder  14  Tage  zunächst  nach 
dem  Herbst  oder  Ernten  gelten..."  i) 
Die  Kirche  säimite .  als  die  weltlichen  Gesetze  ihre  Lehre  so 
glänzend  anwandten  und  entwickelten ,  nicht  minder ,  sich 
gegen  diese  Art  der  Umgehung  des  Wucherverbots,  als  welche 
sie  die  hier  behandelten  Verträge  auifasste,  mit  Feststellung 


1)  cf.  Bremer  Constit.  (1580)  b.  Mevius.  1.  c.  p.  121.  Pfälzer 
L.  R.  (1580)  1.  c.  ti.  XIV.  fol.  70.  nr.  8.  erlaubt  nicht  Wein  vor  der  Lese, 
Getreide  vor  dem  Dreschen  zu  verkaufen.  Hadler  Stat.  (1583)  1.  c.  p. 
26.—  Tiroler  L.  0.  (1573)  p.  94.  —  L.  E.  der  Grafschaft  Eber- 
stein (1508)  b.  Geschichte  der  Grafen  von  Krieg  von  Hochfeldcn 
(Karlsruhe  1836)  p.  461.  —  Würteni  b  erg.  L.  R."  1.  c.  (1597.  1610.) 
fl.  129.  —  Wächter,  Handb.  p.  496.  —  Eichhorn,  D.  P.  R.  g.  98.  — 
Mittermaier,  D.  P.  R.  §.  167.  —  Philipps,  D.  P.  R.  (Berlin  1829) 
I.  p.  189.  §.  15. 


10<>     in.    2.  Wuchorvorb.  d.  Hoclitsquollon.    c.  Kauf  der  FriicTite  etc. 

(ieisoUien  Ausnalimen  bei  Clerikern  und  Laien  auszusprechen. 
Schon  in  dem  Concile  von  Trier  1227  heisst  es: 

„item  praecipimus ,  ne  ca  infcufione   mutnent  pecuniam 
sunm  ante  messem  vel  vindemias,  rccepturi  in  messe  vel 
vindeniiis  hladiim  vel  vinum  pro  mnlto  minori  pretio,  quam 
valcat  in  tempore  hiadum  vel  vinum  emant   illicite  paeis- 
cendo  ante  messem  vel  vindemias  ad  exponendmn  sive  ex- 
pejidendum  in  domihus  fünf  um  et  non  advendendum;  item 
inhibemus  sacerdotihus  et  clericis  beneficiatis ,  ne  tempore 
messis  vel  vindemiarum  emant  vilius  hiadum  vel  vinum  a 
paujK'ribus ,  ut  jwstea  carius  vendant ,  item  omnes  vitiosos 
confractus aliunde ,  sive  inloeatione sive  segetibus  in  campns 
ad  em&ndis  in  futurum,  ne  fiant  secundum  aestimationem 
aliquorum  peritorum/'  (conc.  Germ.  1.  c.  vol.  III.  fl.  532.) 
Wenige  Gesetzgeber  nur  stellten  sich  auf  den  richtigen  wirth- 
schaftlichen  Standpunkt ,  mdem  sie  diese  Verträge  ohne  jeden 
staatlichen  Eingriff  sich  naturgemäss  gestalten  Hessen,  ^)  oder 
gerade  Sorge  trugen,   dass  der  Schuldner  (Verkäufer)   durch 
seine  Trägheit  mid  böse  Absicht  den  von  Natur  schon  zweifel- 
haften Erfolg  dem  Gläubiger  nicht  völlig  vernichtete.     Sie  be- 
legten deshalb  den  Verkäufer  mit  nicht  milderen  Strafen,  als 
den  Käufer;^)  demjenigen  Gläubiger  dagegen,  welcher  schon 
lange  vor  der  Ernte   den   Preis   der  Früchte  auf  dem  Halm 
bezahlt  hatte,   gestatteten   sie  zur  Ausgleichung  des  hieraus 
für  den  Schuldner  erwachsenden  Vortheils,  etwas  billiger  als 
zu  dem  derzeitigen  Marktpreise  die  Früchte  anzunehmen.  ^) 


1)  cf.  Orth,  Anmerkungen  zur  Frankfurter  Eeforniation  I.  p.  59.  — 
Stryk,  ü.  M.  P.  d.  reb.  vend.  §.  9.  2)  cf.  Hadler  Stat.  1.  c.  Wenn 
der  Verkäufer  durch  seine  Schuld  die  gekauften  Friichte  verschlechtert, 
zwang  ihn  der  Schultheiss ,  gute  zu  liefern ;  hatte  er  gar  nicht  gesät ,  was 
er  im  Felde  verkauft ,  so  zahlte  er  ausser  dem  Kaufi^reise  noch  eine  die- 
sem angemessene  Geldstrafe  an  den  Käufer.  Dasselbe  gilt ,  sobald  er 
einen  Theü  des  verkauften  Getreides  zur  Weide  für  sein  Vieh  verwandte. 
Aber  wenn  er  Mehreren  dieselben  Früchte  verkauft  hatte ,  so  lieferte  er 
sie  demjenigen,  welchem  er  sie  zuerst  versprach,  den  Uebrigen  musste 
er  ausser  ihrem  Kaufpreise  den  Schaden  ersetzen ,  welchen  er  ihnen  durch 
seine  Schuld  zugefügt.  3)  cf.  K  i  rc  h  s p i  e  1  M e  1  d o  r f ' s  S t a  t.  cf.  ob. 
—  Bremer  Constit.  1.  c. 


TIT.    2.  Wiuherverb.  d.  Rechtsquollon.    c  Kauf  der  Friirhto  etc.     107 

An  Strafen  ertheilten  einige  Gesetzgeber  den  Käufern  die- 
ser Waaren  ebenso  schwere,  als  den  öffentlichen  Wucherern.  ^) 
Andere  traten  den  Keichsgesetzen  bei,  und  Hessen  Verlust  der 
gekauften  Waaren  oder  des  Kapitals  und  eine  Geldstrafe  ent- 
sprechend der  Höhe  des  Kaufpreises  eintreten.  -)  In  den  Sta- 
tuten von  H  ad  ein  bestimmte  die  Obrigkeit  die  Strafe  nach 
ihrer  Wahl.  ^)  Schwerere  Strafe  büssten  die  Aufkaufsgesell- 
schaften Avegen  ihres  gemeingefährlichen  Charakters.  Ihre 
Güter  wurden  coutiszirt ,  ihre  Mitglieder ,  welche  sie  denuucir- 
ten,  blieben  von  der  Strafe  frei,  andere  Denuncianten  aber 
erhielten  den  vierten  Theil  des  confiszirten  Vermögens.  *)  Ja 
man  bestrafte  sogar  diejenigen,  welche  trotz  ihres  Wissens 
von  solcher  Gesellschaft  nicht  denuncirten,  mit  gleicher  Strafe, 
als  die  Wucherer  und  liess  die  Gesellschaften  von  Amtswegen 
verfolgen.-'')  Die  Polizeigewalt  blühte,  alle  Spekulation  sollte 
unterbunden  werden,  (cf.  VI.  2.) 


Em  ganz  anderes  Bild  von  der  Festhaltung  des  Wucher- 
verbotes, als  diese  gesetzlichen  Bestiinmungen ,  bietet  der  all- 
tägliche Geld  -  und  Waarenverkehr.  Wenn  in  letzterem  schon 
von  der  ersten   Zeit  des  Äfittelalters  her  die   kanonistischen 


1)  cf.  Speier  er  Rechtsgewohnheiten  1.  c.  Sogar  die  Constt. 
regni  Siciliae  (Neapel  1773)  müssen  an  dieser  Stelle  zitirt  werden,  da 
sie  in  11.  p.  97  (Robert)  schreiben:  „Prohibennts,  ne  mercator  aliquis 
seu  quovis  alio  nomine  nuncujjetiir  frumentum  vel  hordeum  vel  victuaUa 
qimelibet,  aut  alias  fieri  moleste  praecipimus ,  ante  tempus  messiuni  vel 
post  illud  fenerari  vel  indebitare,  ut  vulgi  vocahulo  alludamus,  quovis 
modo  vel  colore  quaesito,  praesumant.  NonnuUi  namque ,  sicut  est  vul- 
garis fama  et  notoria,  fenerutores  seu  indebita'ores  vulgo  vocati ,  arara 
cupiditnte  seducti  victuaUa  emere  intempestive i)rocurant  et  eorum  horreis 
inde  repletis,  ut  ea  j^ostmodum  cariora  vendant  et  ex  illo  uberiora  lucra 
perquirant ,  tempus  famis  anhelanier  exspectant.  ...  Horum  profecto 
damnala  nequitia  sano  judicio  vitium  iisurartmi  non  solum  aeqHij)arat 
sed  etiam  excedit."  2)  R.  P.  0.  1548.  1577.  1.  c.  —  Würteraberg. 
L.  R.  (1537)  1.  c.  —  Meklenb.  P.  0.  1.  c*  —  Tiroler  L.  0.  (1573) 
1.  c.  p.  94.  —  Badische  L.  0.  (l(;-2i>)  ti.  III.  ]..  5H.  —  ti.  VI.  3)  Ha- 
deler  L.  0.  1.  c.  p.  126  von  wucherlichen  Contrakten.  4)  R.  P.  0.  1548. 
1577. 1.  c.        5)  cf.  S  t  a  t.  v.  P  e  i  n  a  I.  c.  (1597). 


los     in.    -2.  Wuclicrvorb.  d.  Rechtsqnollcii.    c.  KiiiiCdcr  Früclite  etc. 

ZmsvorsolirifttMi  iiiclit  (lurcligTeitencl  7Air  Geltung  gelangten, 
mnssten  sie  danach  um  so  unaut'haltsanier  /Airückweiclien ,  je 
niäolUiger  mit  jedem  Tage  der  Handel  und  (jfewerbebetvieb 
seine  Schwingen  entfaltete. 

Ehe  indess  auf  dem  Verkehrsgebiete  das  Bild  des  zinsba- 
ren Darlehns  und  der  sich  daran  unmittelbar  schliessenden 
Rechtsgeschäfte ,  welches  der  eben  vorgeführten  Darlegung  in 
vielen  Punkten  geradezu  gegenübersteht  und  die  geringe  Wir- 
kung der  deutsch -kanonistischeii  Zinsgesetze  grell  beleuchtet, 
eingehend  dargebreitet  werden  kann ,  erscheint  es  geboten, 
die  Fyntwicklung  derjenigen  Reclitsinstitute  und  thatsäclilichen 
Verhältnisse  aus  den  Gesetzen  und  dem  Verkehrsleben  vor- 
zuführen ,  welche  theils  innerhalb  der  Grenzen  der  kanonisti- 
schen  AVuchergesetze  (TV,  1  —  3) ,  theils  über  diese  hinaus  (V. 
1  —  5.  VI.  1-2)  Zinsen  zu  fordern  oder  allgemein  ultra  sor- 
tem  aJiqnid  accipere  gestatteten,  und  dadurch  erheblich  zur 
Ausbildung  des  zinsbaren  Darlehns  in  Deutschland  und  zur 
Beseitigung  des  ganzen  Wuchergesetzes  der  Kirche  in  der 
Gesetzes  -  und  Verkehrs  -  Praxis ,  wie  in  der  juristischen  und 
wirthschaftlichen  Theorie  beitrugen. 


IV. 

Gesetzliclie   Ausnahmen    vom    kanonistischen 
Wucherverbote,    innerhalb    der  Grenzen    des- 
selben, hl  Deutschland. 


1.    Das  Allgemeine. 

Die  Glosse  Buchs  zum  Sachsenspiegel  I.  54.  fügte,  wie 
erwähnt,  der  Definition  des  Wuchers  bereits  die  Bedingung 
hinzu:  „also  of  he  id  bededinghede."  Damit  ward 
der  wucherliche  Contrakt  allein ,  solcher  aber ,  nach  der  wei- 
tern Ausbildung  dieser  Lehre,  in  umfassendster  Weise  zur  Ver- 
folgung und  Bestrafung  jeder  wucherlichen  Absicht,  bei  dereme 
vorauszusetzende  Uebereinstimmung  beider  Contrahenten  vor- 
lag, durch  das  Zinsverbot  getroffen.  Dagegen  galt  als  erlaubt, 
wenn  der  vSchuldner,  ohne  dass  der  Gläubiger  auch  nur  eme 
Ahnung  von  irgend  welchem  Gewinne  idtra  sortem  hatte,  dem- 
selben nach  Ablauf  des  Vertrages  Etwas  ultra  sortem  zukom- 
men Hess.  Das  mochte  selbst  nach  strenger  Auslegung  des 
mutnum  date  nihil  inde  sperantes  kanonistisch  gestattet  er- 
scheinen. 

Andere  Ausnahmen  gesellten  sich  bald  herzu,  welche 
theils  aus  dem  Drängen  des  Verkehrs,  tlieils,  und  zwar  zur 
grösseren  Zahl,  aus  dem  emgehenderen  Anschlüsse  an  das  nicht 
selten  irrig  aufgefasste  kanonische  oder  auch  römische  Recht 
gemäss  den  Studien  und  praktischen  Absichten  der  Rechts- 
schriftsteller entstanden.  So  vertheidigt  die  sächsische  Glosse 
von  Bocksdorff  das  Zinsfordern,   wo  es  stattfand  zu  Nutzen 


110     IV.  AnsiiahimMi  v.  kanonist.  Wnoliorverbote.    1.  Allgemeines. 

einer  Kirche  ')  oder  überhaupt  eines  geistlichen  Zweckes,  zur 
rnttM-driu-kuHii-  des  Stolzes  im  Schuldner,  -)  zum  Schaden  für 
Juden  und  Heiden ,  •')  zum  Ersätze  der  Früclite  von  einer  auf 
Zeit  verkauften  Sache ,  ^)  als  Dankbezeugung  ■'') ,  desgleichen 
wo  der  Depositar  sich  eines  Gelddepositi  gleich  eines  Darlelms 
vom  Deponenten  her  bediente  u.  A.  Wendete  man  indess  diese 
Fälle  zur  Umgehung  des  Wucherverbotes  an,  so  fielen  sie 
unter  das  Verbot  selbst. '^')  Dazu  wird  auch  gestattet,  durch 
Draufgeld  oder  Conventionalstrafe  im  Falle  der  Nichterfüllung 
des  Contraktes  das  Kapital  zu  vermehren,  und  ausdrücklich 
festgesetzt,  der  Mandant  dürfe  von  seinem  Mandatar,  welcher 
von  jenem  zum  Rentenkaufe  Kapital  empfing,  im  Verzuge  so 
viel  Zinsen  ausser  dem  Kapitale  fordern ,  als  die  zu  kaufenden 
Renten  betragen  hätten.  Auf  der  andern  Seite  beschränkt  man 
das  „also  of  he  id  bededinghede , "  indem  man  selbst  den 
Schuldner,  welcher  Zinsen  oder  ein  plus  ultra  sortem  zu  zah- 
len beabsichtigte  und  auch  nur  einseitig  zusagte,  mit  den 
Wucherstrafen  bedi'ohte,  falls  er  dem  Grerichte  nicht  zu  bewei- 
sen vermochte,  dass  besonders  grosse  Noth  ihn  hierzu  bewo- 
gen hatte. 

In  wie  weit  diese  Ausnahmefälle  in  der  Rechtspraxis  Gel- 
tung erzielten,  lässt  sich  aus  den  einschlagenden  Urkunden 
des  Verkehrslebens  nicht  feststellen ,  da  in  diesem ,  Avie  schon 
bemerkt,  die  Uebertretung  der  Wucherbestimmungen  allge- 
mein war.  In  den  oben  genannten  Rechtsquellen  finden  sie  sich 
nur  vereinzelt.  Als  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  das  kano- 
nische Recht  mit  neuer  Kraft  sich  Geltung  in  den  deutschen 
Rechts  -  Quellen  zu  verschaffen  trachtete,  schlössen  die  Schrift- 


1)  Der  Glossator  folgert  dies  aus  cp.  1  u.  8.  X.  5,  19.  Diese  Stellen 
reden  indess  nur  von  der  Rückforderung  rückständiger  Kirchenzehnten ; 
dagegen  verwirft  cp.  4.  X.  5,  19.  die  obige  Folgerung  Bocksdorffs. 
2)  Dazu  zitirt  er  die  Digesten.  3)  c.  12.  C.  14.  qu.  4.  (Ambrosius)  uhi 
jus  belli,  ibijus  usim-arum.  4)  c.4.  X.  3,  21.  d.  pignor.  5)  c.  30.  X. 
5,  3.  d.  siinonia.  Dass  dies  zur  Zinsforderung  nüssbraucht  werde,  verbie- 
tet c.  10.  X.  5,  19.  Es  ist  einer  der  gemäss  obiger  Darlegung  unter  dem 
„also  of  he  id  bededinghede  "  begriffenen  Fälle.  6)  cf.  Sachsen- 
spiegel ed.  Zobel.   Leipz.  1561.  Gl.  zu  I.  54.  fl.  139.) 


IV.  Ausnahmen  v.  kanonist.  Wucherverbote.   1.  Allgemeines.      111 

steller  sich  um  so  enger  an  dessen  Wucherausnahmen  an ,  so 
Purgoklt.  Derselbe  nimmt  l)esomlers,  was  für  die  Entwicklung 
des  Kaufes,  der  Lieferungsgeschäfte  wichtig  ist,  den  in  cp.  G. 
10.  X.  5,  19  geschützten  Fall  des  Kaufes  fast  wörtlich  auf  in 
sein  Rechtsbuch  (IIl.  cp.  50): 

„kouffet  eyner  körn,  wein,  wollen  addergewant,  adder  wel- 
cherley  ander  kauffmanschatz  es  ist,  die  man  gemessen  ad- 
der gewegen  mag,   ufi"  eyne   benante   tagzcit  zu  be- 
zcalne ,  also  das  es  in  eyme  glichin  bescheydenlichen  kouffe 
geschit,   da  ist  wol  recht,  und  ist  keyn  wucher,  wan 
der  kouifer  der  weys  nicht,  noch  der  vorkouflfer,  ab  es  uff" 
die  zeit  mer  adder  mynner  gildetli.    Vorkouffet  her  es  aber 
turer,  danne  es  uff  die  zceit  gegeldin  mag,  szo  ist  der  kouft" 
ungottlich  unndt  ist  recht  wucher,  was  es  doruber  gildet. 
Ditli  ist  geistlich  recht  und  das  beschriebin  recht  und  stet 
ex.  de  usuris.  ^) 
Noch  ausführlicher  zählt  Tenglers  Layenspiegel ,  seinem  Cha- 
rakter  gemäss,   die  Ausnahmen   auf  und  fügt  weitere  dazu, 
cf.  L  a  y  e  n  s  p  i  e  g  e  1 1.  c. : 

„  Nichtzmmder  wird  menigerley  väll  im  rechten  angezaigt, 
darin  man  über  das  haubtgutt  zimblich  on  läster- 
lichen Wucher  nemen  etwan  und  geben  mag: 
Wenn  etwas  für  schaden  oder  perickel  ^)  compensiert  mrd, 
one  vorgeend  geding ,  das  mög  menigerley  väll  im  rechten 
sein  . . .  was  für  gesetzte  peen  geben  wird.  Item  so  icht  im 
Zweifel  über  das  haubtgutt  genommen  wird.  Item,  wo  ye- 
mands  frembd  geltt  umb  ainen  kauff  einlegen  sollt  und  es 
Verzug,  so  möcht  jhener  des  solch  geltt  gewesen,  so  vil 
über  das  haubtgutt  nemen ,  als  er  vermutenlich  damit  liat 
mögen  redlicli  gewynnen ,  wo  es  eingelegt  worden  war  . . . 
dessgleichen  der  Kh'chen  administratorn  und  tutorn,  item 


1)  cf.  Azorin.  HI.  1.  5.  d.  usur.  c.  2.  i.  f.  c.  6.  —  Less.  1.  c.  c.  13. 
—  L.  Molin.  disp.  .'318.  'Söii.  -  -  ('ovarruv.  II.  c.  3  n.  G.  —  Böhmer, 
J.  E.  P.  5,  19.  §.  XX.  XXXVIII.  2)  Ein  Hinweis  auf  das  foenus  nau- 
ticum  c.  19.  X.  5,  19  und  dessen  Ausdehnung  zur  Vergütung  jedes  Risiko 
in  solchem  Umfange ,  dass  man  eigentlich  nur  einen  anderen  Namen  für 
die  Verzinsung  d.  h.  Vergütung  der  Capitalsnutzung  fand. 


1\'2     T\.  Ausnahiuou  v.  kanonist.  Wuolien  erböte.    2.  Verzugszinsen. 

in  redlichen  kriegemi  von  Feinden  möcht  man  ziembliclien 

wüelier   nemen  . . .    Item   so    ain   geltt   angezaigt   oder    in 

pl'auds  weiss   eingelegt  wird.  . . .   Sollicli   und    meer   ander 

väll  mochten  an   der  form   zulässlich   aber  durch 

den  Willen  f  ü  r  W  ü  c  h  e  r  ')  und  dem  gewissen  beschwär- 

lich  gemacht  werden. . . " 

Aufzählungen,  welche  hier  zweifellos  zum  grösseren  Theile  mehr 

als   Bekundung  der  Gelehrsamkeit   ihrer  Autoren,   denn   als 

Beweise  der  geltenden  Verkehrspraxis  aufgefasst  sein  wollen. 

Genauer  indess  muss  wegen  ihrer  allgemeinen  Geltung 
im  deutschen  Rechtsgebiete  und  ihrer  durchgreifenden  Wich- 
tigkeit für  die  Entwicklung  des  zinsbaren  Darlehns  auf  dieje- 
nigen Ausnahmen  eingegangen  werden ,  welche  in  der  Ersatz- 
forderung für  Schaden  aus  dem  Verzuge  der  Vertragser- 
füllung und  für  Schaden  aus  der  Vertragserfüllung 
selbst  sich  zeigen. 

2.    Die  Verzugszinsen  insbesondere. 

Wenn  unzweifelhaft  jedes  Volk  auf  einer  bestimmten  Cul- 
turstufe  eine  Zahl  fester  Eechtsgrundsätze  gerade  bei  den 
Verträgen  naturwüchsig  erzeugen  muss,  so  bieten  besonders 
die  deutschen  Rechtsquelleu ,  indem  sie  die  emzelnen  Verträge 
nur  höchst  lückenhaft  behandeln,  über  die  allgemeinen  Rechts- 
grundsätze des  Vertragsrechtes  einen  sehr  reichhaltigen  Stoff 
dar.  Diesen  zu  formen,  bedurfte  es  keiner  grossen  Abstrak- 
tion van  einer  Zahl  in  sich  verschiedenster  Einzelverträge, 
etwa  wie  im  römischen  Rechte.  Hätte  es  solcher  Abstraktion 
bedurft ,  der  Stoff  wäre  karg  und  mangelhaft  geworden ;  denn 
in  der  Abstraktion  zeigen  sich  die  deutschen  Rechtsschrift- 
steller bis  in  die  Neuzeit  hinein  merkwürdig  schAvach.  Viel- 
mehr ergaben  sich  aus  der  Menge  der  in  sich  gleichen ,  auch 
sämmtlich  klagbaren  Einzelverträge  —  abgesehen  von  den  ab- 


1)  „Durch  den  Willen"  sclüiesst  den  Fall  des  Gebrauchs  dieser 
Ausnahmen  zur  Umgehung  des  Wucherverbotes  von  der  Erlaubtheit 
aus ,  wie  auch  in  der  Glosse  des  Bocksdorif  die  usuraria  voluntus  allein 
entscheidet. 


rV.    2.  Verzugszinsen,    a.  Zahlungsverzug.  113 

sohlt  verbotenen,  wie  der  Wuchervertrag  —  jene  allgemeinen 
Lehren  durchweg  übereinstimmend  und  harrten  nur,  aufge- 
zeichnet 7Ai  werden. 

Deshalb  finden  sich  insbesondere  die  in  das  vorliegende 
Thema  einschlagenden  Theile  jenes  allgemeinen  Vertragsrech- 
tes, so  die  Lehre  vom  Ersätze  des  Schadens  aus  Verträgen 
(wie  der  Wucher  an  sich),  in  den  Quellen  eingehend  behan- 
delt. Grade  deshalb  aber  zeigt  sich  hier  auch  in  besonderer 
Stärke  die  bei  jeder  deutsclirechtlichen  Quellenarbeit  auftau- 
chende Schwierigkeit,  aus  den  in  den  einzelnen  Gebieten 
Deutschlands  verschiedenen  allgemeinen  Sätzen  des  Vertrags- 
rechtes —  zumal  bei  der  vielfacli  lückenhaften ,  nicht  gleich- 
massig  erschöpfenden  Herausgabe  und  Sichtung  der  Rechts- 
quellen —  allgemein  gültige  Sätze  zu  entwickeln. 

a.   Häufiger  Zahlungsverzug. 

Verzug  der  Vertragserfüllung  begegnet  in  Deutschland, 
während  des  Mittelalters  und  eines  Theiles  der  Neuzeit  über- 
aus häufig.  Zeugen  sind  die  Vereinbarungen  der  Parteien 
über  die  Folgen  solchen  Verzuges  fast  in  jedem  an  Werth  noch 
so  geringen  Vertrage ,  die  eingehende  Behandlung  der  Materie 
in  den  geschriebenen  Rechtsquellen ,  die  Fülle  der  Mittel  zur 
Verhütung  des  Schadens  aus  dem  Verzuge,  die  endlosen  Ver- 
wendungen der  Städte  und  Herrscher  bei  einander  für  ihre  die 
Schuldner  verfolgenden  ünterthanen  und  Bürger,  die  ewig 
wiederkehrenden  Repressalien  an  den  Gütern  der  Ausländer 
für  die  rückständigen  Schulden  ihrer  Landesgenossen,  die  frühe 
schon  mit  der  Entwicklung  des  persönlichen  Credites,  der 
Arbeitstheilung  im  Handelsbetriebe  (Commissions  -  Speditions- 
handel) beginnenden  Reisen  der  Bevollmächtigten  einzelner 
Handelshäuser  zur  Eintreibung  ihrer  auswärtigen  Forderun- 
gen ,  und  die  Menge  der  Schuldprozesse  selbst  bei  dem  schlep- 
penden Prozessgange  erweisen  das  mit  erschrecklicher  Deut- 
lichkeit. 

Ursachen  dieses  Missstandes  sind  anfänglich  die  Gering- 
fügigkeit der  Zahlmittcl,  die  Noth  der  Schuldner,  die  Fülle 
der  Hhulernisse ,  welche  sich  ihnen  bei  Erfüllung  des  Coutrak- 

Neiimann,  Gesch.  d.  Wuchers.  O 


114  I\'.    '2.   \'orzugsziiisoii.    a.  Zahlniiirf^vovzug. 

tes  zumal  an  einem  entfernten  Orte  (wie  bei  den  Wechseln) 
ents^etjonsetztcn ,  dann  die  tliatsäch liehe  und  rechtliche  Unsi- 
cherlieit  der  (Jlruibi^er  im  Aus-  und  luhiude,  der  schloichonde 
Prozessgang,')  der  Vorthoil,  welchen  der  Schuldner  aus  dem 

1)  cf.  z.  B.  den  Wochsolprozcss  Tictlonian  Öwartes  gcycn  Dan/ig  we- 
gen Zahlungsverzug  bei  einem  Wechsel.  Schon  im  October  141G  schwebt 
der  Prozess  eine  lange  Zeit  und  der  Kläger  droht  mit  Repressalien  „  dat 
ick  my  des  myne  an  den  juwen  end  erer  haue  hopte  to  bekomen."  1454 
sehreiben  die  Parteien  auf  demselben  Standimiiktc  noch  her  und  hin. 
Danz.  Arch.  Urk.  24.  C.  (J.  (1454)  cf.  Neumann  ,  Gesch.  d.  Wechsels  im 
Hansagebictc.  Anl.  A.  1.  u.  2.  —  Desgl.  Danz.  Arch.  (Urk.  n.  13061 ,  60, 
63,  65,  64,  13117,  13097  ,  13134)  der  Wecliselprozess  Thorns  gegen  Pe- 
ter Eier  aus  Danzig ,  dann  gegen  dessen  Erben ,  wo  Eier  als  Acceptant 
eines  von  Thorn  über  160  mrk.  Bierschuld  gezogenen  Wechsels  nicht 
zahlte.  Der  Prozess  gewinnt  nach  langer  Verzögerung  dadurch  einmal 
Fortgang,  dass  zufällig  ein  Thorncr  Eathmann  von  dem  Danziger 
Bürgermeister  hört,  der  Beklagte  berufe  sicli  auf  das  Zeugniss  eines 
Thorner  Bürgers ,  und  dieser  Eathmann  nunmehr  den  Thorner  Rath  ver- 
anlasst, das  qu.  Zeugniss  in  Thorn  zu  extrahiren  und  nach  Danzig  zu 
übersenden.  —  Welche  unleidliche  Verzögerung  in  der  Verfolgung  des 
Schuldners  ward  dadurch  herbeigeführt,  dass  er  allbereite  Gelegenheit 
fand ,  gegen  Aufopferung  eines  kleinen  Vorthcils  von  dem  weltlichen  Ge- 
richte den  Prozess  an  das  geistliche  hinüberzuziehen  und  hier 
die  vohintas  des  Gläubigers  zu  verdächtigen  (wie  sehr  kam  ihm  dabei  die 
Beweisführung  im  deutschen  Prozesse  zu  Statten) ,  oder  von  nahen  und 
fernen  Machthabern  bis  zu  des  Kaisers  Majestät  hinauf  sich  Morato- 
rien zu  erkaufen.  Gar  zu  spät  erst  treten  die  Reichsgesetze  entschieden 
hiergegen  auf  (cf.  R.  P.  0.  von  1577.  23.  4.  kais.  Commis.  Dekret.  1668. 
1669.  Moser,  Traktat  von  kaiserliclien  Regierungsrechten) ,  damals  aber 
konnten  sie  gegen  die  Gesetzgebung  der  Einzelfürstcn  Nichts  mehr  aus- 
richten ,  zumal  man  selbst  aus  ihren  Zeilen  noch  die  Lust  der  kaiserlichen 
Kasse  an  dieser  ergiebigen  Finanzquelle  sprechen  hört.  Wie  entsetzlich 
langsam ,  ja  wie  oft  gar  nicht  wurden  die  Prozess  -  oder  Exekutiv  -  Re- 
quisitionen der  einzelnen  Gerichte  bei  anderen  Behörden  erledigt ,  welche 
Unzahl  von  Hindernissen  stellten  sich  bei  der  allgemeinen  Unsicherheit 
der  Zustände ,  bei  dem  Gewirre  der  Competenzen  nach  Ort ,  Zeit ,  caussa 
u.  s.  w.  selbst  bei  gutem  Willen  der  Requirirten  den  Requisitionen  ent- 
gegen. Selten  begegnet  eine  Gewissenhaftigkeit ,  wie  in  der  Urk.  22.  154 
(1497)  des  Danz.  Arch.,  wo  der  Prager  Rath  sich  entschuldigt  bei  dem 
requirirendcn  Danziger  Ratlie  ,  dass  er  zweien  Danziger  Gläubigern  noch 
nicht  Hillo  gegen  ihre  säumigen  Schuldner  habe  leisten  können ;  der  eine 
sei  nicht  daheim,  der  zweite  stelle  unter  einer  andern  Gerichtsbarkeit; 


1 


rV.   2.  Verzugszinsen,   h.  Dies  interpellat  pro  liüiiiliie.  115 

Verzuge  zog,  während  er  nicht  zu' sorgen  brauchte,  dass  sein 
Credit  unter  der  ünpünktlidikeit   der  Vertragserfülhmg   litt,- 
vereinzelt  auch  das  oft  avislose  übermässige  Ziehen   von  An- 
weisungen   auf  den   bis    zu   gewisser   Höhe   tributpliichtigen 
Sdiuldner  ^)  u.  A. 

Zwei  Ursachen  der  Entstehung  dieses  häufigen  Verzuges 
smd  noch  besonders  zu  erwähnen. 

b.     Dies    i  n  t  e  r  p  e  1 1  a  t   [i  r  o   h  o  m  i  n  e. 

Im  deutschen  Rechte  entsteht  der  Verzug  nicht  erst  nach 
der  Mahnung  des  Gläubigers,  sondern,  im  Gegensatze  zum 
römischen  Rechte,  auch  „ dies  inte rp cllat pro  Iiomine."  So 
sagt  das  Rechtsbuch  Ludwig  des  Baiern  (i;33G)  ti.  23. 
p.  130: 

„Wer  emem  gelt  leicht  oder  ze  behalten  geit,  der  sol  im 
das  m  viertzehn  tagen  Avidder  geben.  Tat  er  des  nilit,  wei- 
hen schaden  er  des  nympt  hintz  seinen  gelten ,  den  sol  er  im 
vnd  seinen  erben  abtun  gar  vnd  gentzlicheu."  —  „der  sol 
im  wider  geben  auf  die  zeit  vnd  er  ims  gehaisst  widder  ze 
gebn. . . " 

sobald  der  erstere  heimkehre ,  „  memores  Utterarum  vestrartim  ipsum  ad 
solucionem  munebimus  ymmo  ei  prccipieimis  ut  se  pcrsonaliter  in  civitutc 
veslra  restiiucit."  Es  war  nicht  nöthig,  dass  da  noch  ausserordentliche 
freiwillige  Hinderungen  des  Prozesses  herbeigeführt  wurden,  wie  Urk. 
13283  des  Danz.  Arch.  (1530) ,  wo  erwälmt  wird ,  1522  sei  zwischen  Lü- 
beck undDanzig  festgesetzt,  „dat  alle  thwistige  sake,  de  thAviscken  der 
Stadt  Lübeck  vnd  danscke  sueuende,  soldc  stille  stan  scven  Jar 
lanck."  Was  Wunder,  dass  schliesslich  die  Parteien  gar  nicht  mehr  den 
Prozessweg  betraten,  sondern  (cf.  p.  122.)  den  Schuldner  durcli  feierliche  Ent- 
sagungen in  der  Schuldurkunde  von  dergleichen  Hilfen  sich  losen  Hessen, 
und  statt  gerichtlicher  Mittel  lieber  ungesetzliche ,  aussergerichtliche  zu' 
allseitiger  Zerrüttung  friedlicher ,  entwicklungsfäliiger  Rechtszustände 
ergriffen ,  um  nur  ihre  Forderungen  zu  verwirklichen ,  oder  sogleich  von 
vom  herein  für  das  Piisiko ,  dass  die  Gläubiger  hierbei  übernahmen  ,  sich 
durch  hohe  Prozente  des  Scliuldners  sicher  stellten.  Der  Credit  sank  na- 
türlich. Daraus  erklärt  sich  dann  auch  die  Sehnsucht  und  brennende  EUe, 
mit  der  man  in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  nach  dem  sum- 
marischen Prozesse  besonders  in  Wechselsachen  verlangte,  cf.  Neu- 
mann,  Gesch.  des  Wechsels.  1.  c.  p.  176  —  181. 
1)  cf.  Neu  mann,  1.  c.  p.  105  —  112.  u.  A. 

8* 


116  ly.   2.  Verzugszinsen,   b.  Dies  intor]iellat  ]iro  honiine. 

Selbst  nach  Aufnalmie  des  römischen  Reclites  in  Deutscliland 
und  in  deutschon  Geset/büchern.  welclie  römisch  geschulte 
Juristen  reformirton,  lindet  sich  derselbe  (Jrundsatz,  z.B.  Frei- 
burger Stadtr.  (1520.  Ulr.  Zasius.)  tract.  IL  ti.  1.  n.  3. 

„Wie  der  sumig  schuldener  kosten  bezalen  sol.  Ob  aber  der 

Schuldner  uft'  geschehene  erv orderung  oder  uff  gesetzte 

zil  und  tag  nit  bezalung  thett ,  so  ist  er  die  schuld  mit- 

samptt  zimlichen  kosten  es  sig  verschrieben  oder  nit  zu  be- 

zalen  schuldig,  doch  unser  oder  des  gerichts  muttmassung 

vorbehalten,  aber  umb  Interesse  und  schadfall  so  yemandtts 

vorderte,   sol  allweg  vor  uns  oder  dem  gericht  geschehen 

und  ergan ,  was  recht  ist."  ^)  — 

Dieselbe  Rechtsregel  ergiebt  sich  aus  ihren  rechtlichen  Folgen. 

So  fällt  der  Zahlungsverzug  eines  Schuldners  nicht  einem  der 

mehreren  Schuldner,  sondern  allen  zur  Last,  die  Accessionen 

aus  Schuld  (und  Zufall)  gehören  mit  zur  ganzen  Schuld  ausser 

dem  Kapitale ;   denn  der  Verzug  entsteht  eben  durch  Eintritt 

des  Termines  der  Zahlung  bei  Nichtzahlung  und  wirkt  deshalb 

gegen  alle,  während  im  römischen  Rechte  gerade  der  Verzug 

von  der  sonstigen  Haftungspflicht   der  correi  für  culpa  eine 

Ausnahme  macht. 

cf.  Bamberg  er  Stadtr.  1.  c.  (Zöpfl)  a.  233:  „welchen  und- 
ter  in  man  den  für  vasset  mit  gericht,  der  soll  sein  anzahl 
geben  an  hauptgeld  vnd  an  schaden."  —    Prag  er  Stadtr. 
1.  c.  (Rössler)  p.  81.  n.  125.:  „so  sullen  sie  alle  halden  — 
es  sey  umb  hauptgelt  oder  vmb  leistgeld  oder  umb  scha- 
den." — 
Nur  vereinzelt  und  dann  um  so  deutlicher  als  Beleg  obiger 
Rechtsregel  begegnet  die  Mahnung  Seitens  des  Gläubigers,  ^) 
z.B.  Danz.  Arch.  Schöppenbuch  von  1579.  fl.  274.  wo  der  Gläu- 
biger ausdrücklich  in  das  Schöppenbuch  meldet,  er  habe  sei- 
nem Schuldner   „300  mrk  heupptstuell  auffge sage tt,  so  er 


1)  Diese  Bestimmung  entnahm  das  Würtemb erger  Gesetz  von 
1597  genau  so  aus  dem  FreiLurger  Stadtr.,  nur  dass  statt  „mutmassung" 
gesetzt  ist  „richters  messigung."  (Würtemb.  L.  R.  IL  fol.  183.  cf.  auch 
Pfälzisches  L.  R.  (1581 )  II.  ti.  2.  v.  mut.  p.  3.).  2)  z.  B.  Urk.  von 
1255  u.  1550  bei  Bluntschli,  Züricher  R.  G.  j).  297.  298. 


TV.   2.  Verzugszinsen,   c.  Zahlungstermin.  117 

ihm  auffeine  hanttschrifftgethann,"  -  während  in  Urk.  I. 
43,  c.  (1457)  ib.  hinzugefügt  wird,  wenn  der  Gläubiger  im 
Kampfe  fällt  und  die  Katenzahlungen  zum  Zahlungstermine  nicht 
gemahnt  würden,  „das  sal  an  der  betzalungevnschedelich  sin.^) 

c.    Der  Zahlungstermin. 

Diese  Rechtsregel  musste  um  so  mehr  den  Verzug  herbei- 
führen, als  —  dies  ist  die  zweite  Ursache  —  die  Contrahen- 
ten,  wie  es  der  wenig  entwickelte  Verkehr,  oder  die  besondere 
Natur  einzelner  Verträge  (z.  B.  Wechsel,  Lieferungskauf  u.  A.) 
mit  sich  brachten,  oft  unbestimmte  Zahlungstermine 
ansetzten.  Von  der  gesetzlichen  Bestimmung  der  Zahlungs- 
zeit, welche  besonders  aus  Vorsorge  für  das  "Wohl  beider  Con- 
trahenten  bei  dem  unentwickelten  Verkehre  entstanden  zu  sein 
scheint,-)  ging  man  bald  zur  eigenen  Feststellung  derselben 
über.  Hier  bezeichnete  man  den  Zahlungstag  bestimmt  mit 
seinem  Kirchennamen  „in  proximo  festo  nativitatis "■' 
u.  dergl.  Da  in  den  verschiedenen  Ländern  Europas  nicht  alle 
diese  Kirchennamen  die  nämlichen  Tage  betrafen,  konnte  selbst 
bei  dieser  damals  genauesten  Angabe  des  Zahlungstages  bereits 
zweifelhaft  bleiben,  wann  der  Zahlungsverzug  begann.  Oder 
aber,  man  stellte  vom  Tage  der  Ausstellung  der  Schuldur- 
kuude  eine  bestimmte  Frist  auf,  nach  deren  Ablauf  die 
Schuldsumme  entweder  auf  einmal  in  ganzer  Summe  oder  in 
einzelnen  Raten,  gezahlt  werden  sollte.  Die  Länge  dieses 
Zeitraumes  schwankt  zwischen  7  Wochen  und  8  Jahren.  ^)  Wie 
leicht  auch  diese  Bezeichnung  in  ihrer  Ungenauigkeit  zur  Ent- 
stehung des  Verzuges  Anlass  geben  musste,  lehrt  Danz.  Ar  eh. 
LTrk.  n.  13764:  „in  aussgangk  von  dato  Sechsz  Monatt  Zeit 
also  vf  negst  kunfftige  Ostern  des  Jahres  1564  ...  vor- 


1)  cf.  auch  Scheidt  v.  Adel.  p.  154  u.  Kraut,  Grundriss  §.  157. 
n.  ft.  (1349)  bei  Geldscliuld  des  Kaisers  Karl:  „ungemanet. "  2)  cf.  ob. 
die  PMsten  für  Kaufund  Darlehn  im  Alt  prager  Stadtr.  (Rössler,  1.  c), 
Rechtsbuch  Ludwigs  d.'s  Bayern  (1336)  ti.  23.  ]..  130.  u.  v.  a.  3)  of. 
Sartorius,  Lappenberg,  Gesch.  d.  Hansa  IL  Urk.  35.  (1272)  Danz. 
Arch.  Urk.  23  B.  11.  (1143)  1.  37  (1457)  1.  43.  c.  (1457)  Schöppenbuch 
des  Danz.  Arch.  v.  1576). 


118  IV.    2.  N'oizugszinscn.    c.  Zahlungstcnnin. 

richten  zu  lassen."  Dazu  gab  der  Gläubiger  oft  bereits  in  den 
Schuldschcinon  dem  Schuldner  eine  K  e  s  p  e k  t  s  f  r  i  s  t  neben  dem 
bestimmten  Zahlungstage,  so  Danz.  Arch.  Missiv.  V.  81,  k.'' 
(1449):  „zu  bezalenvffwynachten  adirXllII  tage  nach  wynach- 
ten'' ^)  und  dies  doch  immer  mit  der  Voraussetzung,  der  Tag 
mahne  zur  Zahlung,  so  dass,  wo  es  erst  der  Mahnung  des 
Gläubigers  zum  Anfange  des  Verzuges  bedürfen  sollte,  dies 
in  der  Schuldurkunde  ausdrücklich  verzeichnet  wurde.  ^)  End- 
lich knüpfen  sich  an  diese  bestmimten, Zahlungstermmc  noch 
die  häufigen  Prolongationen  auf  bestimmte  Zeit  oder  wie- 
der mit  Ratenzahlung ,  ^)  welche  Prolongation  Schuldner  selbst 
mit  des  Gläubigers  Bewilligung  auf  die  erste  Schuldurkunde 
setzt, ^)  selbstverständlich  Alles  nicht  ohne  Einwrkung  auf 
den  zahlreicheren  Verzug. 

Doch  nun  die  unbestimmten  Zahlungstermine.  Der  Wech- 
sel des  lübischen  Gesandten  (1290)  soll  fällig  sein  14  Tage 
nach  Rückkehr  der  2  Gläubiger  von  Brügge  nach  Hamburg 
oder  Lübeck;  •^)  em  anderer  (1373):  zu  zahlen  in  Frank- 
furt a./M.  in  fine  vel  ante  finem  nimdinarum,  que  iwoxhm 
erunt;  ^)  desgleichen  findet  sich  bei  einfachen  Schuldurkunden 
und  Wechseln  aller  Art  eine  bestimmte  Frist  nach  Sicht,  so  ^) 
{Vdh'iS)  post  visionem  littere  siie  per  qiiindcnani  diem  absque 
inqjedimento  persolvendas  —  (bei   der  Bestimmung :   „  berei- 


1)  ib.  Schöppenbuch  v.  1503.  fol.  507  (ob.)  ein  Darlehn  von  Xlin  c 
nirk.  „Mide  alle  termyne,  szo  nicht  betalet  werden,  vndo  XIIII  daghe  na 

dem  daghe  nicht  gegeven  worde "   ib.  v.  15G7.  68.  fol.  210.  u.  Missiv. 

II.  246.  W.5  (1396),  wo  die  Respekttage  nicht  ausdrücklich  in  der  Urkunde 
bewilligt  worden ,  setzte  man  dennoch  einige  als  gebräuchlich  voraus,  cf. 
Dz.  A.  Urk.  2.  13206.  (1587)  „  zum  allerlengsten  vnd  just  auf  den  15.  May 
die  gulde  zu  entfangen ,  auch  ane  verzug  bis  auf  den  16.  2)  cf.  Dan  z. 
A.  Urk.  1.  43.  c.  (1457):  „wenn  Gläubiger  Alexander  Prokopp  im  Kam])fe 
fällt  und  dadurch  die  fälligen  Paten  zu  dem  Verfalltage  nicht  gemahnt 
wurden,  das  sali  an  der  betzalunge  vnschedelich  sin."  3)  cf.  Dan  z. 
Arch.  Missiv.  IV.  p.  284''.  r'-*.  (1448),  ib.  Schöppenbuch.  1558.  fol.  433"  auf 
3  Monate ,  ib.  1575  fol.  147,  1577  fol.  285  auf  1  Jahr.  4)  ib.  1575.  fol. 
99'' ,  Prolongation  mit  Ratenzahlungen.  5)  Pauli,  lübeckischc  Zustände, 
L  ü  b  i  s  c  h  c  s  Urkundenb.  I.  n.  556  ff.  6)  P  a  u  1  i ,  1.  c.  n.  1 12.  7)  P  a  u  1  i, 
1.  c.  n.  109'-. 


rV.   2.  Vcrziigsziiisen.   o.  ZalilungstcMiniu.  119 

test,"  „zehand"  „unmittelbar  nach  Sicht"  wurde  natürlich 
Mahnuns^",  resp.  Vorzeiguno-  der  Urkunde  Seitons  des  (Jläubi- 
gers  voiausgesetzt);  desgl.  ')  (1 117)  „uff  wynachten  adir  XI HI 
tage  noch  wynachten."  In  einem  Falle  wird  die  Zalilungszeit 
allein  von  dem  Verkaufe  einer  AVaare  abliängig  gemacht,^)  bei 
Lieferungskäufen  insbesondere  heisst  es  oft :  „  mit  den  ersten 
open  water "  d.  h.  mit  dem  Beginne  der  Schiiffahrt.  ^)  Dann 
kehrt  gar  am  Ende  des  Mittelalters  immer  häufiger  die  Bestim- 
mung wieder  „  wenn  he  (Gläul)iger)  synes  geldes  nicht  lenck 
entpcren  wil,"  wo  die  Vertragsgrenze  fast  ül)crschritten 
erschemt,  indess  stets  selbstverständlich  eine  Mahnung  vor- 
ausgesetzt wird.  '^) 


Gegen  diesen  häufigen  Zahlungsverzug  mussten  die  Par- 
teien natürlirh  emo  Reihe  von  Mitteln  —  hier  wie  bei  den 
meisten  andern  Verträgen  anwendbar  und  üblich  ausfinden, 
den  Schuldner  zu  schrecken ,  den  Gläubiger  durch  Ersatz  zu 
sichern.  Zu  der  ersteren  Art  gehören  das  Treugeloben,  der 
Versprechungb-Eid,  die  Entsagung  von  Einreden 
u.dgl., die  cassatorische  Clausel,  die  Personalhaft,  das 
Draufgeld,  die  Verzugsgeldstrafe,  zur  zweiten  die  vcr- 

1)  Danz.  A.  Missiv.  V.  81.  k."'.  2)  Danz.  A.  Uilc.  10.  27.  e.  1438. 
3)  Danz.  A.  Schöpjionb.  142(i.  fol.  47.  N.  2.  u.  v.  A.  4)  Schon  wegen 
dieses  häufigen  und  in  den  IScluUdurkunden  meistens  vorausgesetzten  Ver- 
zuges niusste  es  nothwendig  scheinen ,  diese  ^''ertrüge  in  die  Stadt  -  oder 
ßaths-  oder  Schöjjpen- Bücher  eintragen  zu  lassen,  wo  die  sonstigen 
Gründe  der  Eintragung,  nämlich  Verhindei-ung  ungesetzlicher  Verträge 
oder  Geltung  <ler  Forderung  und  Beweis  derselben  gegen  des  Schuldners 
Erben  oder  Stärkung  der  Beweiskraft  gegen  den  vielfach  die  Zeugen  des 
Gläubigers  beseitigenden  Eid  des  Schuldners  nicht  die  Eintragung  ver- 
langten. Die  nach  einer  gi-ossen  Zahl  deutscher  Gesetze  notliweiidige  spe- 
zielle Contrahirung  der  Schadensersatzpflicht  trug  dazu  ihren  Tlieil  bei. 
Eben  darum  werden  seit  dem  Anfange  des  16.  Jahrh.  diese  geriditlichcn 
('ontrakte  über  Darlelin  u.  A.  immer  seltener  gegen  die  frühere  Zeit,  der 
(»ebrauch  des  Schadensersatzes  auch  ohne  Contraliirung  war  festgestellt, 
die  Conventionalzinsen  beim  Darlehn  begannen  allgemacli  gesetzlidi 
gestattet  zu  werden,  der  per^inilichc  Credit  hatte  sich  so  gesteigert,  dass 
die  Schuldner  selbst  es  als  durch  ilir  Interesse  dringend  gebfiien  crailit.>. 
ten ,  jeden  Zahlungsverzug  zu  meiden. 


120  TV.    2.  VoTziiErszinsen.    (\.  Tvono-olohon. 

soliiedeiien  Arten  des  Schadensersatzes,  der  Pfand-  und 
Bürgschafts -vertrag.  Hier,  wo  es  sich  lediglich  um  das 
Beziehen  eines  aliquid  ultra  sorfcm  als  Gewinn,  des  Gläubi- 
gers handelt,  können  die  genannten  einzelnen  Mittel  zur 
Beseitigung  des  Verzuges  nur  so  weit  betrachtet  werden ,  als 
sie  dem  Gläul)iger  ein  aliquid  ultra  sorfcm  darbieten.  Ausser- 
dem ist  die  Erörterung  der  Geldstrafe  besser  mit  der  Dar- 
legung des  Schadensersatzes  (IV.  2.  k.)  gemäss  ihrer  Be- 
handlung in  den  Kechtsquellen  zu  verbinden;  der  Pfand  ver- 
trag endlich  soll,  weil  es  sich  bei  ihm  wesentlich  über  die 
Grenzen  der  Verzugsfolgen  hinaus  um  Benutzung  des  Pfandes 
während  der  ganzen  Zeit  des  bestehenden  Schuldverhältnisses 
handelt,  später  gesondert  betrachtet  werden.  (V.  2.) 

d.    Das  T  reu  gel  oben. 

Unter  besonderer  Berücksichtigung  des  sittlichen  Stand- 
punktes und  im  Anschlüsse  an  die  den  Deutschen  besonders 
beliebte  S}inbolik  versichert  der  Schuldner  bereits  im  altnor- 
dischen Kechte  durch  seinen  Handschlag  und  das  damit  ver- 
knüpfte Geloben  auf  Treue,  dass  er  den  Vertrag  pünktlich 
erfüllen  werde.  ^) 

Die  Folge  des  Verzuges  hierbei  war  sittlich  und  rechtlich 
herb.  Der  Schuldner  wird  treulos  und  meineidig,  sein  Leib 
und  Gut  steht  dem  Gläubiger  zur  Verfügung.  2)  So 
gestattet  das  deutsche  Recht  in  diesem  Falle  dem  Gläubiger, 
in  grösstem  Umfange   und  weit  über  die  Höhe  des  von  ihm 


1)  cf.  Grimm,  Rechtsaltertliüiner  ]>.  i;?8.  605.  „coniractus  condii- 
ctionis  et  locationis  ...impime  rescinditur ,  donec  juxta  consuetitdinem 
apiwobatam  percussione  manus  unius  in  manum  alterius  roboretur." 
Lacomblet,  Urkundenbuch  für  d.  Gesell,  des  N.  Rh.  II.  n.  222.  (1237) 
„fide  tali,que  vulgo  „Sikirheit"  dicitur,  mcmucdi  porrectione  firrnata 
jyromisi/'  Höfer,  deutselie  Urk.  11.  n.  143(1331)  „und  geloLin  daz  in 
gudin  druin,  daz  ich  stede  und  feste  sal  lialdin  alle  dise  dinc"  (Geldzah- 
lung in  Raten).  Drey  er,  d.  differentiis  iur.  Rom.  et  Germ.  1747.  ]).  13 If. 
und  die  Bestätigung  des  Berner  Rechtes  von  Friedrich  IL  1218.  Berner 
aur.  bull.  §.  54  (Gengier).  2)  cf.  G  rim  m,  Rechtsalterthümer  p.  612 if. 
Kraut,  Grundriss  §.  163.  n.  11.  Höfer,  1.  c.  II.  n.  10  (1309).  Rössler, 
Prager  Recht  n.  28.  u.  v.  A. 


TV.    2.  Verzupfszinsen.     e.  VersiJieclmiigseid.  121 

erlittenen  Schadens  hinaus  —  also  auch  weit  hinaus  üher  die 
hieran  knüpfende  Grenze  des  kanonisclieii  Hechtes  neben 
seinem  Ka[»itale  einen  Gewinn  durch  körperliclie  Dienstlei- 
stungen des  Schuldners,  ')  und  aus  dem  Vermögen  desselben 
sich  7A\  bereiten. 

e.     Der  Versprechungs-Eid. 

In  höherem  Grade  noch ,  als  bei  dem  Treugeloben ,  trat 
die  letztere  für  den  Gläubiger  wesentliche  Folge  dort  ein,  wo 
der  Schuldner  eidlich  die  Erfüllung  des  Vertrages  gelobt  hatte. 
Hierbei  muss  berührt  werden,  Avas  oben  bereits  erörtert  wurde, 
dass  der  Eid  trotz  seiner  Kraft  im  deutschen  Rechte  verbotene 
Uebereinkommen  der  Parteien  nicht  entsündigte.  Daher  konnte 
sehr  wohl  durch  den  Eid  die  Zusage  des  Schadensersatzes  im 
Verzugsfalle  bestärkt  werden,  da  selbst  das  kanonische  Kecht 
die  Verzugszinsen  billigte,  dagegen  blieb  bei  einem  Ver- 
sprechen der  Conventionalzinsen  vom  Darlehn  der  Eid  kraft- 
los. So  sagt  Eicke  Sachsensp.  III.  41.  §.  2.  „Svat  die  mau 
(gevangene)  sveret  vnde  entruwen  lovet,  sinen  lief  mede  to 
verstene  oder  sin  ghesunt,  al  ne  mach  he 's  nicht  gele- 
sten,  it  ne  scadet  ime  to  sime  rechte  nicht." 

Der  Schwaben  Spiegel  führt  2)  in  dem  oben  citirten 
art.  141.  (160)  die  kanonistische  Lehre  dieser  heikligen  Frage  ^) 
dem  deutschen  Rechte  zu.  Schwor  Schuldner,  gezahlte  Zin- 
sen nicht  rückzufordern,  so  gilt  der  Eid,  aber  der  geistliche 
Richter  soll  auf  des  Schuldners  Veranlassung  den  Gläubiger 
zur  Rückgabe  der  Zinsen  verurtheilen.  Schwor  der  Schuld- 
ner, Zinsen  zu  zahlen,  so  muss  er  zahlen,  aber  der  Gläubiger 
muss  rückzahlen,  und  klagt  Gläubiger  auf  Zinszahlung,  so 
befiehlt  Richter  dem  Schuldner  nicht  zu  zahlen.  Schwor 
Schuldner,  über  d\ß  Zinszahlung  zu  schweigen,  so  löst  der 
Geistliche  den  Eid.  ^) 


1)  cf.  sogleich  IV.  2.  li.  2)  In  rebevt'iiistiiiiiiumg  mit  dem  Kul- 
mer Rechte  V.  (iö.  cf.  S ysteniat.  SchcUton  r.  Laband.  p.  XL. 
H)  cf.  oben  III.  2.  a.  auch  Purgoldts  Rechtsbuch  VUI.  cap.  ^H.  54. 
4)  cf.  die  kirchenrechtlichen  Cütate  oben  U.  1. 


122  IV.  2.   \'orziigsziiiscii,     f.  Pliilsaquiig  dor  Eiinodcu. 

f.  Entsagung  der  Einreden  u.  dergl. 
Vm  den  Ciläiibii^er  vor  den  oben  beim  Eide  boriibvten  und 
der  endlosen  Kette  anderer  Scbutzniittel  des  säumigen  Sebuld- 
ners  zu  bewabren,  um  ilim  einiii,'ermaassen  Anbalt  gegen  den 
ewig  gescbirmten  Verzug  oder  gar  gegen  den  völligen  Verlust 
seines  Kapitales  zu  gewäbren,  entsagte  der  Schuldner  bei  Ein- 
gehung des  Schuldvertrages  diesen  seinen  Zufluchtsstätten, 
insbesondere  der  Berufung  an  las  geistliehe  oder  ein  anderes 
Speziel  -  Gericht ,  an  weltliche  oder  geistliche  Machthaber 
wegen  ilirer  Moratorien  oder  sonstigen  Schutzmittel  (Geleites 
u.  a.) ,  ferner  der  Appellation  z.  B.  an  den  polnischen  König, 
welche  seit  dem  Frieden  von  Brzesc  (1 135)  allen  polnischen 
Kaufleuten  gestattet  worden ,  ja  er  verhiess,  sich  jeder  gericht- 
lichen Einsprache  zu  enthalten  und  die  Forderungen  des  Gläu- 
bigers ohne  Widerrede  zu  erfüllen.  *) 


1)  cf.  Petrus  de  Hallis,  n.  59.  „super  raiiwiciatione  inpeticionis 
seu  actionis  que  ...ex  lege  vel  ex  canonc  compctcrc  dinoscüur  in  hoc 
facto."  Danz.  A.  Urk.  15.  3.  (1394)  Missiv.  I.  lol.  y'.  (1430)  ib.  Scliöj)- 
penbucli  v.  1431.  fl.  357:  „ock  vorwillokoret  sick  de  sulve  bcrnt  sick  niclit 
tu  brukende  keynes  gbeleydes  noch  mit  geistlichem  noch  mit  wertlikem 
rechte  hindernusse  edder  insal  do  donde  der  vorgescrv.  betalinge. "  ib. 
1436.  Ü.  140.  3.  (wegen  der  Appellation  an  den  König  von  Polen)  „  dat 
se  sich  nicht  beropen  wellen  an  de  kröne  van  polen  noch  an  de  herschop 
in  der  massowe  (Masovien)  noch  hir  an  de  herschop  vn  der  vtsattunge  de 
tuschen  beiden  landen  vtgesat  vn  gcmaket  ist  nicht  geneten  wellen.  "  ib. 
fol.  143.  1.  cf.  ib.  Schöppenb.  v.  1438.  fl.  374.  2.  Hirsch,  Banzigs  Han- 
delsgcsch.  p.  234.  Und  ganz  allgemein:  Schöpflin,  ALsatia  diplom.  I. 
n.  616  (1262)  remmcians  una  cum  i2}sis  omni  juri  et  juris  auxilio,  omni 
foro  civili  et  ecclesiustico ,  omni  beneficio  legum  et  cunonwn,  omni  con- 
stitutioni  loci  et  patrie ,  omnibus  litteris  impetratis  et  impetrandis ,  omni 
privilegio,  beiieficio  restitutionis  in  integrum,  omni  excepcioni  tam  in 
genere  quam  in  speeie,  nee  non  omnibus  aliis ,  per  que  dicta  donatio  pos- 
sit  irritari,  revocuri  vel  impediri.  —  D.  A.  Urk.  10.  IK!  (1490).  Der 
Eigaer  Rath  will  selbst  dann  keine  Einrede  erheben ,  wenn  Danzig  Kigaer 
Kaufleutc  statt  des  Rathes  ans]ifändet.  ib.  Schöppenb.  1527.  fol.  223.  5. 
Zunder  yenigerley  argerlist  eft  rechtganck.  1529.  fol.  581.  857.  ane  alle 
wedderede  vnde  forder  rechtganck."  ib.  1557.  fol.  160.  „noch  ir  keine 
litieras  moratorias  binnen  noch  baussen  landes  czu  geniessen."  ib.  fol. 
221.  ,,vnnde  vertidieth  sik  des  beropes  an  sinen  gebarlickenn  richter  ock 
aller  begnadigung  der   rechte   moratoricn   schucz   vnndc  geleides  brefe 


1 


IV.     2.  Verzugszinsen,     g.  Cassatoriselie  Clausel.  123 

Selbstverständlich  konnte  durch  dergleichen  Entsagungen 
ein  verbotener  Vertrag  nicht  gültig  werden ,  nur  lag  hier  ja 
die  Sache  so,  dass  der  Schuldner,  wenn  er  seine  Zusage  erfüllte, 
gerade  diese  Frage  gar  nicht  zur  Entscheidung  kommen  Hess. 
Hinsichts  der  Verzugszinsen,  des  Interesses,  wie  überhaupt 
alles  Schadens  aus  der  Vertrags  -  erfüUung  und  -  nichterliillung 
aber  war  dieser  Zusatz  der  Entsagungen  von  besonderem 
Werthe.  Denn  er  schloss  die  Nothwendigkeit  für  den  Gläubi- 
ger aus,  seine  Schadensforderung  zu  beweisen  (cf.  k, 3. a. b.), 
und  bahnte  dadurch  den  allgemeinen  Gebrauch  der  Schadens- 
forderung aus  Verträgen  und  deren  allmähliche  Umwandlung 
in  Prozentsätze  an. 

g.   Die  cassatoriselie  Clausel. 

Bei  der  grossen  Verbreitung  des  Zah^ngsverzuges  lag  es 
nalie  und  kam  bald  zu  häufiger  Uebung,  dem  Sclmldner 
wiederliolt  eine  neue  Zahlungsfrist  in  Raten  zu  gestatten, 
welche  die  Zahlung  ausser  der  nicht  eingerechneten  Säumniss 
des  Schuldners  oft  6  —  8  Jahre  hinausschoben,^)  mit  dem 
Zusätze :  „  so  szall  de  letzte  termyn  mit  dem  ersten  vorvallen 
syn"  wenn  der  Schuldner  sogleich  den  ersten  Termin  nicht 
inne  liielt-),  oder  falls  er  mitten  in  der  Reihe  der  Raten  zu 
zahlen  säumte:  „vnde  so  enich  termyn  vp  zine  rechte  tidt 
nicht  betalt  werde,  als  danne  zal  de  betalinge  aller  termyn 
tho  glick  vorfallen  sm."  ^) 

Der  Gläubiger  zog  hierbei  folgenden  Vortheil,  er  empfing, 
wälirend  er  durch  die  Prolongation  in  Ratenzahlungen  einen 
neuen  Vertrag  eingegangen  war,  wonach  er  das  Kapital  erst 
bei  Ablauf  der  Raten  oder  der  ganzen  Prolongationsfrist  erhal- 


vnnde  aller  begnadnngc  lioger  vnntle  midier  ]totentatenn  gestliekes  ader 
weltlickes  gericlites  dar  kener  tho  genctlicnn  sunder  den  bofengemeltenn 
creditorenn  gereeht  tho  werdenn."  cf.  auch  D.  A.  Urk.  n.  137(i4  (löGS)  u. 
Anton,  d.  obstagio  (1774)  \<.  7.  u.  v.  A. 

1)  cf.  Danz.  A.  Schöppenb.  v.  1503.  fol.  .507.  2)  ib.  Urk.  7.  154. 
(1519) ,  Schöpi.enb.  v.  1527.  fol.  2()7.  n.  3.  3)  ib.  fol.  304.  n.  4.  „  vnde 
zo  die  erste  termyn  nicht  gelioldon  worde ,  zalen  de  andern  termyne  mit 
dem  ersten  vorvallen  zin." 


124  IV.   'J.   Vorzugszhisoii.     g.  Cassiitorisclio  C'lansel. 

ten  sollte,  nun  dasselbe  viel  früher  und  konnte  es  sofort 
zu  seinem  Nutzen  anwenden.  Dies  brachte  ihm  dort  vor- 
nehmlich Gewinn ,  wo  das  Gesetz  die  Interesseforderung  noch 
gar  nicht  oder  nur  beschränkt,  insbesondere  nicht  mit  Aus- 
dehnung auf  das  Jucnnn  ccsftnm^,  gestattete  (cf.  IV.  3.  a.).  Und 
dass  das  eomnioäuni  ieniporh,  das  iiifcritsnrium  dem  deut- 
schen Rechte  nicht  fremd  waren,  lehrt  u.  A.  im  Danziger 
Archive  das  Schöpp(Mib.  v.  1578.  fol.  "JS2.,  wo  der  Schuldner 
zur  Tilgung  zweier  früherer  Geldschulden  zwei  neue  Hand- 
schriften ausstellt,  in  deren  zweiter  er  1574  sagt: 

Ich   bekenne   mit   dieser   meiner  eigenen  handtschriflft  vor 
mich  vnnd  meyne  erbenn  das  Ich  vonn  dem  N(Glb.)  entt- 
ßfangen  han  100  fl.  Avelche  100  fl.  mier  N.  gelehnett  hatt 
vnd  ich  gelobe   Ime  von    dem  hunderth  das  Jhar  7  fl.  zu 
gebenn  zinsz  (cf.  u.)  vnnd   so   ich   das   geltt  wieder- 
geben werde,   eher   das   Jhar  vmb  were  soll  der 
zinsz    gerechnett    werden    nach    aduenant    den 
zeitt. 
Ebendort  fol.  296 \  lässt  Schuldner  sich  dafür,  dass  er  einen 
Theil  der  Schuld  vor  der  Fälligkeit  zahlte,  für  den  übrigen 
Theil  derselben  vom  Gläubiger   ein    Jahr  längere  Frist  ver- 
sprechen. — 

Wenn  in  so  weit  schon  diese  Entsagungen  zu  einem  plus 
ultra  sortem  führten,  wuchs  der  Gewinn  noch  bedeutend,  wo, 
was  zuweilen  begegnet,  ausser  dem  obigen  Nachtheile  der 
cassatorischen  Clausel  für  den  Schuldner  eine  ausdrückliche 
Conventid^ialstrafe  hinzugefügt  war.  (cf.  k.).  So  heisst  es  im 
DanZj  Archive,  Schöppenb.  v.  1575.  fol.  99 \ 

„wo  ferne  er  im  ersten  andern  oder  dritten  Termyne  wegen 
der  bezahlunge  wurde  seumigk  befunden  werden ,  das  als- 
dan  der  creditor  soll  gutte  macht  haben  die  hauptsumma 
sampttlich  der  XV  c  gülden  mitsamptt  dem  vadio  vnd  gleich- 
messigenn  verpflichtenn  Summa  zu  fordern,  als  auch  XV c 
guld.  welche  er  bekennet  all  bereit  verbrochen  zu  haben 
vnd  verfallen  zu  seiende  ndtt  einst  zu  forderen. . " 

Was  hier  undeutlich  von  den  Parteien  bezeichnet 
erscheint,  wird  in  einem  Prager  Schöifenurtheile  klar  ausge- 


IV.   2.  Verzugszinsen,     li.  Porsonalhaft.  125 

sprochen.  ^)  Eine  Mutter  verheisst  iliver  Tochter  quntuor  sexa- 
genus  grossonon  in  drei  Terminen  zu  zahlen. 

„Sic  fdiae  solnfa  fiiit  una  scxagcna,   <id  lioc   vcru  inalcr 

pronüsit ,  quod  si  in  seciindo  termino  non  daret  filie  diias 

sexagvnas,  prima  solucio  pcnihis  amiitcretiir ,   et  sie  de 

quarta  sexagcna  tercio  termino  promisit,  si  non  daret,  quod 

omnes  tres  sexagenae perderentnr.^'  (wann?) 

Der  Gläubiger  gewinnt  hier  also   ausser  dem  Kapitale   beim 

Verzuge  günstigsten  Falles  noch  eine  gleich  hohe  Summe  als 

Strafe ,  oder  er  kann  vom  Vertrage  zurücktreten.  ^) 

•  An  sich  gewährte  diese  Clausel  mit  den  berührten  Straf- 
bestimmungen dem  Gläubiger  keinen  unerlaubten  Gewinn; 
denn  der  Gewinn  tritt  stets  im  Verzuge  ein.  Also  konnte 
lediglich  in  der  Höhe  desselben  dem  kanonischen  Rechte  und 
den  deutschrechtlichen  Quellen,  welche  eine  feste  niederere 
Grenze  des  Gewinnes  beim  Verzuge  oder  eine  jedesmalige 
Herabsetzung  desselben  durch  den  Richter  vorschrieben  (cf.  k.), 
zuwider  gehandelt  werden. 

Uebrigens  begegnet  selbst  bei  Wechseln  diese  Zahlungs- 
frist mit  kassatorischer  Clausel  und  deren  Folgen.  ^) 

h.   Die  Pers  on  alliaft. 

Wegen  ihres  Zusammenhanges  sollen  hier  sogleich  beide 
Fälle  derselben  im  deutschen  Rechte,  diejenige  zur  Abschre- 
ckung des  Schuldners  vor  dem  Zahlungsverzuge ,  und  die  zur 
Sicherung  des  Gläubigers  wegen  des  Verzugs -Schadens  behan- 
delt werden. 

Vom  Gerichte  und  durch  vorherige  Uebereinkunft  der 
Parteien  wird  dem  säumigen  Schuldner  '^)  für  die  verschieden- 
sten Arten  von  Schuld,  nicht  blos  Geldschuld,  Personalhaft 


1)  cf.  Stübbe,  zur  Gesch.  d.  deutsch.  Vertragsreohtes.  Leipz.  Hir- 
zel.  \).  'M.  N.  4.  2)  Stobbe,  1.  c.  p.  32.  ob.,  Urk.  v.  1317  im  österr. 
Notizenblatt.  1853.  p.  lU.  Urk.  n.  9.  3)  cf.  Neuniann,    Gesch. 

d.  Weclis.  iiri  Hans.  Geb.  p.  G2.  G7.  G8.  4j  Sogar  der  Schuldnerin, 
verni.  Sachsensji.  III.  !t.  d.  6.  entgegengesetzt  den  sonstigen  deutsch- 
rechtlichen  Bestiniuiuiigen ,  z.  B.  Bremer  R.  (1303)  Ord.  n.  92.  (Oel- 
richs  p.  120.) ;  revid.  lüb.  Pt.  I.  31.  u.  A. 


126  TA'.   2.  Verzugszinsoii.     li.  Pevsonalliiift. 

auferlegt,  um  ilm  oder  die  Seinen  zur  Zahlung  zu  drängen, 
cf.  verni.  Sn*' Ilsen sp.  ITT.  d.  d.  7.  Wiener  Stadtr.  14;}5 
(IJauch,  p.  151.)  14  Tage  sitzt  der  Schuldner  bei  dem  Tiichter 
in  Haft,  14  Tage  nach  von  Neuem  gehaltenem  Gerichtstage 
))eim  Gläubiger. 

Dieser  ITaft  sich  im  Falle  der  Säumniss  zu  unterziehen 
und  zwar  für  die  verschiedensten  Arten  von  Schuld ,  ^)  an  einem 
im  Voraus  bestimmten  Orte,  allein  oder  mit  Andern,  besonders 
Bürgen ,  oder  durch  Andere  statt  seiner ,  unter  Nichtausübung 
der  sonstigen  Beschäftigung,  bis  zur  Tilgung  der  Scbuld  durch 
ihn  oder  Andere,  konnte  der  Schuldner  selbst  sich  auch  von 
vorn  herein  im  Contrakte  verpflichten.  Diese  Haft  heisst  oh- 
s  t  ag  l  u  m ,  E  i  n  1  a  g  e  r ,  Einreiten,  Leisten,  Geisselsch aft  u.  A.  ^) 
Sie  begegnet  in  unzähligen  deutschrechtlichen  Urkunden  und 
zwar  von  Hohen  und  Niederen  gegen  Hohe  und  Niedere  aus- 
gesprochen, sogar  von  Fürsten  gegen  Juden,  auch  von  Geist- 
lichen und  Bauern.  ■^)  Für  letzteren  Fall  war  woT  Kegel  die 
Aushilfe  bei  Sartorius-Lappenberg,  1.  c.  IT.  p.  6.  1272 
(Urk.  35),  wo  Tvönig  Erich  von  Dänemark  sich  gegen  seine 
Gläubiger ,  zwei  lübische  Bürger ,  im  Verzuge  verpflichtet ,  .30 
Tlitter  nach  Rostock,  oder,  wenn  sie  dorthin  kein  sicher  Geleit 
erhalten,  an  einen  andern  Ort  in  Dänemark  zum  Eüireiten  zu 
senden.*)    Dagegen  verheisst  in  Urk.  123.  a.  ib.  (1312)  der 


1)  Züricher  Rathserkenntniss  v.  137ü  lür  geltschult  u.  kouff.  —  U. 
V.  1255.  (Neugart  n.  948)  für  eine  in  der  Zukunft  mögliche  Schadenser- 
satzforderung. Tschudi,  Chronik.  I.  S.248.  —  Zeitschr.  f.  Archivkunde 
(Erhard)  Hamburg  1834.  I.  p.  259fF.  Bluntschli,  Züricher  R.  G.  I. 
p.  29ß.  2)  cf.  u.  a.  Neu  mann,  Gesch.  d.  Wechs.  in  Hansageb.  S.  03. 
3)  Urk.  V.  1255  u.  Gültbrief  v.  1550.  Bluntschli,  Zürich  I.  p^  297.  298. 
Laconiblet,  1.  c.  II.  G21.  (1271).  Scibertz,  1.  c.n.  502.  U.  (1303) ,  mit 
Billigung  des  kanonischen  Rechtes,  c.  9.  X.  2,  24.  4)  cf.  auch  Grün- 
hagen, Cod.  dipl.  Siles.  III.  p.  39.  N.  6.  Sutorius,  Geschichte  von 
Löwenberg  I.  p.  .57.  Das  Systematische  Schöffenrecht  I.  c.  29. 
führt  die  Personalfragc  für  den  Fall  näher  aus ,  wo  die  städtische  Com- 
mune als  solche  Einlager  leisten  will  für  nicht  gezahlte  städtische 
Renten  ,,d3'  Ratmanne  mit  gesampter  liant  mit  willen  vnd  geheisse 
ires  crbheiTcn  vnd  ouch  mit  willen,  wissen  vnd  rate  aller  irer  geswo- 
renen  vnd  eldisten  allir  hantwerckmeister  vnd  der  ganczen  gemeync 
arm  vnd  reych."   Als  der  Verzugsfall  später  eintritt,  fordert  der  Gläubi- 


IV.   2.  Vorzvigrs'/inscn.   Ii.  Porsonalliaft.  127 

König  von  Schweden,  beim  Verzuge  selbst  einzureiten,  und 
13  49  sogar  Kaiser  Karl  (Kraut  rirundriss§.  157  n.l).  Scheidt, 
vom  Adel  p.  154).  Die  Fälle  des  Einlagers  finden  sicli  vom 
12.  bis  in  das  17.  Jahrhundert  hinein,  hier  jedoch,  wie  es 
scheint,  nur  in  einzelneu  Theilen  des  deutschen  Eechtsgel)ietes. ') 
Nocli  15G4.  in  den  Schuldurkunden  des  Königs  Sigismund  von 
Polen  2)  begegnen  sie :  „  so  gereden  vud  geloben  wir  bei  unse- 
ren adliclien  ehren,  Avahren  werten  vnd  glauben  auf  der  Loitzen 
(Gläubiger,  Bürger  zu  Stolp  in  Pommern)  oder  Irer  mitbe- 
schriebenen erstes  einfordern  gegen  Stettin  in  eine  ehrliche 
Herberge,  die  sie  vns  namkuudig  machen  werden,  eigner 
Person  einzureitten  vnd  einzustellen  vnd  da  leisten  vnd  halten, 
biss  alle  die  Puncta  vnd  Artickel  so  in  dieser  vorsclircibung 
verleibet,  genczlichen  volntzogen,  beczalet  vnd  endtrichtet 
seindt. "  ^) 


ger  von  ,,03110111  burger  aus  derselben  stete,"  den  er  in  einem  autlerii 
Orte  gerade  triift.  die  obige  Erfüllung  der  städtischen  Verbindlichkeit. 
Da  entscheiden  die  Schoppen:  ,,Ist  der  burger,  den  der  man  vnib  scyne 
vorsessene  czinsc  bcgrilFen  hat  in  der  stat,  do  der  man  sej'ne  czinse  offe 
hat,  nicht  Bürgermeister  adir  Ratman  desselbin  Jaris,  als  her  in  vor 
gehegeteni  Dinge  bcclagit  hat,  so  bcdarff  her  deine  manne  vmb  seyne  vor- 
sessene vnd  vngevalleu  czinse  adir  vmb  der  stat  schulde  nicht  antworten." 
In  cod.  dii)l.  8il.  1.  c.  haben  die  Consuln  der  Stadt  selbst  Einlagcr  gelei- 
stet (131G).  Ebendicse  versprachen  es  ebenfalls  Antiquar  ins  fol.  7 
(1342)  (brcsl.  Archiv). 

1)  cf.  Grimm,  R.  A.  p.  620.  —  c.  9.  X.  II.  24.  (1180).  —  Sachsen- 
spiegel I.  9.  §.  4.  n.  11.  §.  3.  —  Bei  Haltaus  Glossar,  v.  „Inlager," 
„Geisel"  u.a.  verm.  Sachsensp.  I.e.  111.16.  Eckardt,  9  Bücher 
Sachs.  R.  (Pölmann)  IX.  14.  Bamberger  Stadtr.  a.  215 ff.  431  ff.  Ur- 
kunden darüber  siehe  noch  bei  Seibertz,  1.  c.  II.  n.  502.  (1303)  u.  v.  A. 
Brieglcb,  Gesch.  des  Exek.  Pr.I.  p.358fl.  2)  cf.  ib.  Danz.  Arch.  bibl. 
3)  cf.  auch  Hirsch,  Handclsgesch.  Danz.  p. 235.  n.  1394.  u.  Bluntschli, 
Zürich  I.  p.  298.  —  Frcibcr gor  Stadtr.  1580.  Stobbe,  1.  c.  p.  192.  — 
u,  in  Brandenburg  noch  1620.  (Gercken,  C.  D.  Brandenb.  I.  p.  75.)  trotz 
dos  Verbotes  in  der  R.  P.  0.  v.  1548.  a.  17.  §.  9.  u.  völlig  in  R.  A.  v.  1577 
a.  17.  §.  10.  u.  d.  Territorial  verboten,  z.  B.  in  Dithmarscn  1480.  (Ditlim. 
L.R.  a.210.  §.  1.),  in  Züricli  schon  1344.  1354,  doch  nur  für  die  Bürger 
(Bluntschli,  1.  c.I.p.  296.n.294.)  constitt.  Saxon.  11.22.—  Das  Ein- 
lagcr dai-f  weder  mit  der  härteren  vereinbarten  Schuldknechtschaft, 
noch  mit  der  durch  sofortige  Gcisselstellung  am  Anfange  des  Vertrages 


128  IV.   2.  Vcrzngszinsoii.    Ii.  Porsoiialliaft. 

Die  PHichteii  des  Schuldners  beim  Einlager  mussten  ihn 
driiiiilioli  /UV  Zahlung-  der  Schuld  veranlassen;  denn  er  bedurfte 
der  ihm  dadurch  entzogenen  Freiheit  und  Leute,  die  er  etwa 
statt  seiner  hatte  einreiteu  lassen.  Vor  Allem  zahlte  er  —  ausser 
wenigen  Fällen ,  in  denen  der  Gläubiger  Ersatz  gab  ^)  —  die 
wegen  der  gel)ränchlich  im  Einlager  verschwenderischen 
Lebensweise  hohen  Unterlialtskosten.  -)  Daher  bezeichnet  es 
ganz  besondere  Sicherheit  für  den  Gläubiger,  wenn  oben  König 
Erich  'M)  liitter  einreiteu  lässt.  ^) 

Aus  dem  Einlager  erwächst  dem  Gläubiger  nur  in  zwie- 
facher Hinsicht  eine  Schadens  -  resp.  Verzugs-Ersatz-Forderung. 
Einmal  dort,  wo  er  einen  von  ihm  ausgelegten  Theil  der 
trotz  der  zahlreichen  Einsclu'änkungsgebote  so  überaus  ver- 
schwenderisch gesteigerten  Unterhaltungskosten  ^)  ersetzt  for- 


realisirten  öeisselschaft  verwechselt  werdeu.  cf.  Brünuer  Schöf- 
lenbuch  cp.  130.  131.  610.  Stobbe,  z.  Gesch.  d.  deutsch.  Vertrags.  K. 
p.  184ff. ,  wo  auch  eme  Uebersicht  der  reichen  Einlager -Litteratur,  eine 
Terminologie  und  liistorische  Entwicklung  gegeben  wird. 

1)  Grimm.  R.  A.  p.  620.  opp.  Haltaus,  v.  Inlager.  Urk.  v.  1270. — 
2)  IniCod.  dipl.  Sil.IIL,  den  von  Grünhagen  herausgegebenen  Breslauer 
Stadtrechnungen,  findet  sich  p.  39  die  Post  (1316) :  item  summa  de  expen- 
sis  consulum  f actis  in  obstagio  in  consistorio  62  marc  min.  4  scot. 
Die  vom  Herausgeber  in  N.  6.  daselbst  ausgesprochene  Verwunderung 
über  die  Höhe  dieser  Ausgabe  findet  in  der  ebenerwähnten  Sitte  ihre 
Erklärung.  Eben  der  Ersatz  dieser  Kosten  für  den  Schuldner  selbst  und 
seine  Bürgen ,  so  wie  der  Verlust  der  Freiheit  trieben  ihn ,  die  Schuld 
schneller,  zuweilen  schon  vor  Anfang  des  Einlagers  zu  bezahlen.  Andrer- 
seits übte  das  Einlager  durch  seine  Gelage  auch  Anlockung ,  so  dass  der 
Schuldner  sein  Vermögen  dabei  einbüssen  konnte.  So  drängten  den  Abt 
von  Murbach  gerade  die  Kosten  der  Geisseischaft ,  die  Stadt  Luzern  dem 
Könige  Rudolf  i.  J.  1291  zu  veräussern.  Bluntschli,  Zürich  I.  p.  296. 
Deshalb  auch  das  oft  wiederkehrende ,  doch  schwankende  Verbot  des  Ein- 
lagers. 3)  cf.  auch  ("hmel,  österr.  Notizenblatt.  1854.  urk.  Beitr.  zur 
Adelsgesch.  I.  4j  Schon  der  Ort  des  Einl.  i.st  meistens  eine  Herlierge, 
bei  Grünhagen  (cf.  oben)  ausnahmsweise  das  Breslauer  Rathhaus  für 
die  Consuln ,  das  in  Breslau  aber  regelmässig  für  die  städtische  Obrigkeit 
scheint  beobachtet  zu  sein.  cf.  cod.  dipl.  Sil.  HI.  p.  39  (1316),  Antiqua- 
rius  (Bresl.  Arch.)  fol.  7.  (1342).  Die  Ausrüstung  der  Pflichtigen  ist  in  den 
meisten  Fällen,  wo  Ritter  eben  die  Pflicht  eingehen  ,  eine  ritterliche,  der 
Herr  kommt  mit  2  Pferden  und  1  Knecht ,  das  Leben  in  der  Herberge 


n''.   2.  Verz\i<?sziiisen.   li.  Pcrsonalliaft.  129 

(lern  kann;  er  liatte  hier  insbesondere,  bei  der  schweren  Con- 
trolle  seiner  Forderungen,  leicht  Gelegenheit,  ausser  dem  wirk- 
lichen Schaden  sich  ein  2)his  als  Verzugsgeld,  ein  aliquid  ultra 
sortem  zahlen  zu  lassen.  Sodann  konnte  er  es  dort,  wo  der  für 
den  Schuldner  durch  Diener  oder  in  eigener  Person  einlagernde 
Bürge  vom  Schuldner  ausser  dem  für  ilin  an  den  Gläubiger 
gezahlten  Kapitale  mit  obligatem  Schadensgelde  noch  den 
Ersatz  aller  Kosten  für  das  Einlager  forderte.  Dies  kam  häufig 
vor,  da  nicht  allein  die  Bürgen  mit  dem  Schuldner  zu  gesamm- 
ter  Hand  sich  zu  gemeinschaftlichem  Einritt  verpflichten,  son- 
dern aucli  die  Bürgen  allein  statt  des  Schuldners  einzulagern 
versprechen  und  einlagern.  ^)  Der  Schuldner  musste  den  Bür- 
gen alsdann  natürlich  alle  Kosten  und  Schäden  des  Einlagers 
ausser  dem  Schuldkapitale,  das  der  Bürge  etwa  an 
den  Gläubiger  für  den  Schuldner  zahlte,   ersetzen  und  zwar 


verschwenderisch.  Daher  begrenzen  die  Gesetze  vielfach  die  Lebensweise 
im  Einlager.  cf.  Baniberger  E.  a.  216.  432  ff.  verm.  Sachsensp.  III. 
16.  d.  1.  noch  Maximilian  II.  1574.  (Erhard,  1.  c.  U.  n.  18.)  Obgleich 
das  Prager  Stadtr.  gestattet,  dass  der  Einlagerer  beim  Wiilhe  eine 
bestimmte  Zeit  hindurch  Credit  haben  soll  (n.  26.  Rössler,  p.  17,  98),  der 
für  den  Wirth  durch  ihm  freistehende  Pfändung  an  den  Einlagernden  und 
durch  das  sich  auch  hierauf  erstreckende  Einlager  gesichert  war,  zieht 
es  dennoch  eine  Grenze  der  Lebensweise  (1.  c»  a.  23.  Rössler  p.  15).  Hier- 
nach steigerten  sich  gemäss  den  oben  im  Texte  entwickelten  Maassgaben 
die  Kosten  des  Einlagers  bedeutend.  Dazu  kommt,  dass  eine  Zahl  von 
Personen  oft  für  dieselbe  Schuld  einreitet  (so  oben  30) ,  und  dass ,  wenn 
Einer  derselben  starb ,  der  Schuldner  und  Bürge  veriiflichtet  waren ,  statt 
seiner  einen  Andera  oinreiten  zu  lassen,  cf.  Sartorius-Lappenberg. 
1.  c.  II.  U.  123.  a.  (1312).  Niesert.  Beitr.  U.  ]>.  260  (1269).  Erhard, 
1.  c.  p.  279  ff.  Letzteres  musste  zur  Sicherheit  des  Gläubigers  geschehen, 
und  die  Geisseischaft  konnte  auf  die  Erben  nicht  übergehen ,  weil  sie  die 
persönliche  Freiheit  des  ursprünglich  Einlager  Versprechenden  beschränkte. 
Bluntschli,  Züricher  Pi.  G.  I.  p.  297.  Urk.  125.5.  „vmbe  veil  guot  ezzin 
und  swcdirhalb  aber  dekein  gisel  stirbet.  so  sohl  sich  die  andern  die 
giseln  vnd  vmbe  veil  guot  ezzin  .  vnz  si  an  geverde  ein  andern  alse  gvoten 
an  des  stat  gebin." 

1)  cf.  u.  a.  Höfer.  Urk.  U.  n.  137.  (1330).  Nach  Häberlin ,  p.  160. 
und  Erhard,  Einlager,  p.  261.  N.  u.  p.  274  ff.  soll  letzteres  gerade  die 
Regel  sehi. 

Neumann,   Oescli.  d.   Wuchers.  9 


130  IV.   2.  Verzugszinsen,   h.  Porsonalliaft. 

aiuli  jodon  voin  zurälligen  Schaden .  indem  der  Bürge  oder  die 
nielircren  Bürgen  je  für  sich,  die  Bürgen  zu  gesiunniter  Hand 
aber  zusaninien  diese  Kosten  auslegen  und  vom  Schuldner 
ersetzt  fordern.   Der  V e r m.  Sa c h s e  n s p.  111.  IG.  d.  2. 3.  sagt : 

..Wan  der  leyster  leystet  mit  pherden  sy  sten  deme  zcu  faren, 
uf  den  man  leystet,  czwuschen  Krippen  und  rechter  trencke. 
Wulde  abir  eyn  man  in  wite  adder  vngewonliche  trencke 
riteu ,  geschege  do  syme  pherde  schaden ,  den  muste  he  sel- 
ber tragen.  —  d.  8.  Wulde  eyn  man  uszrite  undir  der  ley- 
stunge  in  sin  seihest  geschefte ,  waz  denne  siner  habe  wed- 
derfert,  daz  ist  om  selber  getan,  (cf.  auch  d.  7.  ib.)  d.  9.: 
An  leystunge  beczalt  yederman  wol  sine  anczal.  haben  sy 
aber  dy  leystunge  gelobet  mit  gesampter  band,  so  müssen 
sy  dy  mit  gesampder  hand  usztragen  also  gesampder  band 
recht  ist."  — 

Umgekehrt  begegnet  der  Fall  des  Einlagers  vereinzelt  in  der 
Weise,  dass  der  Gläubiger  sich  das  Kecht  ausbedingt,  bei 
Nichtzahlung  in  dem  Hause  des  Schuldners  oder  anderswo 
natürlich  auf  dessen  Kosten  bis  zur  Zahlung  zu  bleiben.  Hier 
tritt  das  aliquid  ultra  sorfem  klar  zu  Tage.  Diese  Form  des 
umgekehrten  Einlagers  scheint  gerade  in  Schlesien  häuliger 
vorgekommen  zu  sein.  ^)  So  heisst  es  im  cod.  dipl.  Sil.  IV^. 
(Meitzen)  p.  329  (1547.)  bei  dem  Kaufvertrage  über  einen 
Teich ,  nachdem  eingehend  die  Gewährspflicht  der  Verkäu- 
fer erörtert,  und  falls  letzterer  nicht  genügt  wird,  erlaubt 
worden  ist,   („unser  eygenn  verwilliget  Recht  seynu),  das  sie 


1)  Der  V.  Grünhagen,  cod.  dipl.  Sil.  III.  p.  39.  N.  6  citirte  Fall, 
worin  die  städtischen  (Konsuln  sich  auf  Kosten  des  Schuldners  auf  dem 
Rathhause  als  GLäubiger  einreiten  zu  dürfen  aushedingen  (1342) ,  ist  von 
Grünhagen  seihst  aus  dem  Antiquarius  (Bresl.  Arch.)  fol.  7.  als  unrich- 
tig citirt  nachgewiesen ;  denn  in  der  citirten  Stelle  bekennen  die  Con- 
suln,  16  Mark  jährlichen  Zinses  für  160  ni.  verkauft  zu  haben,  und  sagen 
dann  :  „  quod  si  in  aliquo  terminorum  facere  neglexerivius  extv/nc  a  pre- 
iorio  civitatis  nostre  ire  non  debebinms ,  'nisi  hoc  perduxerimus  ad 
effectum"  (1342).  Die  Consuln  sind  daher  Schuldner  und  ihr  Einlager 
ist  ein  gewöhnliches. 


IV.  2.  Verzugszinsen,  h.  Personalhaft.  131 

solcher  Niclitweruiigk  lialben  alle  unsere  Gutter  mit  Hülffe  der 
Herrschafft,  erer  Amptleuto  ador  der  Gerichte  sampt  alle  Recht 
dinglichen  dorüber  ergangen  wehren ,  eyuemen  diesselben  ohne 
RechenschaflFt  gebrauchen  bis  so  lange  wir  sie  allenthalben 
beffreit ,  und  in  eyne  gerugliche  Gewehre  eingeseczt  (u.  V.  2, 
a.  d.),  och  aller  Schaden,  so  yn  dis  Falles  czugestanden .  Avie 
sie  die  unvoreydet  aussagen,  benomen  haben*'  (IV.  2.  k.).  Dann 
heisst  es  vom  Einlag  er  des  Gläubigers:  „wo  sie  uns  och 
ader  unsere  Erben  dodurch  czu  Haidunge  nicht  brengen  moch- 
ten, sollen  und  mögen  sie  a  u  f  f  u  n  n  s  c  z  u  L  i  e  b  e  n  (ein  Dorf 
westlich  von  Zedlitz)  ader  sunst  ynn  eyneStat  der  Schle- 
sien iczlicher  mit  czweien  Pfferden  und  eynem  Knecht  in  eynen 
ehrlichen  Gasthoff  einreitten,  alda  Einlager  ge- 
leisten und  halden  nach  Iren  besten  Gefallen,  darczu  ausz- 
und  einrücken,  so  offt  es  Inen  gelegen  ist;  Mögen  uns 
auch  schriefftlichen  ader  mündlichen  zu  sich  in  solche  Ein- 
lager einmanen;  Nach  welcher  geschenner  Eiimianunge 
wir  balde  yn  dreien  Tagen  em  jder  selbst  persönlichen  mit 
zweien  Pfferden  und  einem  Knecht  an  den  Orth .  der  uns  von 
iczgeraelten  unsern  Glo bigern  ader  y brenn  Lehns- 
erbenn  angeczeget  wirt,  einreitten  und  nicht  ab- 
scheiden wollen,  wir  haben  sie  den  zuvor  aus  der 
Herberge  geloset,  und  Inen  daneben  allen  und 
Iczlichen  Schaden,  so  sie  gen  oh  nj  e  n ,  g  e  n  c  z  1  i  c  h  e  n 
entrichtt  und  befreit;  und  in  Fall  wir  uns  ann  iczerzelten 
unsern  Globigern  Vornemen  nicht  keretten,  und  sie  oder  yhre 
Lehnserben  schadeloss  nicht  hilten.  mugen  sie  entlich  unsz 
ader  unsere  Erbenn  mahnen  vnd  vornehmen ,  we  sie  zu  Rodte 
werden ,  Es  sey  mit  Aufflialdunge ,  schmelichen  Scheldewort- 
tenn ,  ader  wie  es  In  sunst  gelegenn ,  da  wider  woln  wir  kei- 
nes weges  nicht  seyn." 

Wie  sehr  hier  der  Gläubiger  einen  Gewinn  nlira  sorfnn 
beim  Einlager  bezog,  liegt  auf  der  Hand  und  wird  in  der 
Urkunde  ausdrücklich  hervorgehoben.  Die  weiteren  Aende- 
rungen  in  dem  Verhältnisse  l)eider  Parteien  zu  einander 
erklären  sich  aus  dem  umgewandelten  und  in  seinen  Grund- 
lagen gelösten   Institute,   so   die  Wahl  des  Gläubigers  über 

9* 


132  IV.   2.  VtM'zugszinseii.    li.  Porsonalliaft. 

den  Ort  des  Einlagers,  die  Vorladung  des  Schuldners  dorthin 
u.  s.  f.  0 

Ein  anderer  Fall  ist  der  von  Bluntschli  =^)  angeführte 
von  1255,  wo  m  einem  Kaufvertrage  jede  der  beiden  Parteien 
für  die  Vollziehung  ihrer  Pflichten  bei  diesem  Geschäfte  nach 
Ablauf  einer  bestimmten  Zeit  bei  dem  Gegentheil  oder  in 
einem  Wirthshause  einreitet  und  bis  zAir  Erfüllung  ihrer  Ver- 
bindlichkeiten verbleibt.  Hier  ist  für  jeden  Theil  des  Geschäf- 
tes die  eine  Partei  Schuldnerin  der  andern. 


Zur  Sicherung  des  Gläubigers  wegen  des  Ver- 
zugs-Schadens haftet  zunächst  das  Vermögen  des  Schuld- 
ners. ^)  Keicht  dieses  nicht  aus ,  so  wird  der  Schuldner  vom 
Kichter  oder  bereits  vom  Gesetze  ohne  Richterspruch  oder 
nach  vorgängiger  Uebereinkunft  der  Parteien  (ohnoxiatio)  dem 
Gläubiger  überantwortet  (althochdeutsch  wizescalh,  angelsächs. 
wite  -  theow) ,  ^)  seine  Schuld  abzudienen,  oder  so  lange 
für  den  Gläubiger  bei  letzterem  zu  arbeiten,  bis  —  ohne  An- 
rechnung seines  Arbeitsertrages  —  die  Schuld  an  den  Gläubi- 
ger entrichtet  ist ,  oder  gar  sich  ihm  für  diese  Zeit  völlig  oder 
zu  einem  gewissen  Theile  als  Sklaven  zu  übergeben.  So 
sagen : 


1)  Belegstellen  für  den  üebergang  ans  dem  Einlager  in  die  heutige 
öffentliche  Personalhaft  fohlen  nicht.  Im  Anzeiger  des  Germani- 
schen Museums  zu  Nürnberg  v.  September  18G1  ist  eine  Urkunde  vom 
4.  Juni  1377  aufgeführt ,  in  welcher  zwei  Ulmer  Bürger  sich  gegen  einen 
Juden  verpflichten ,  im  Zahlungsverzuge  aus  ihrer  Heimatsstadt  herauszu- 
reiten und  nicht  eher  dorthin  zurückzukehren  ,  bis  die  Schuld  getilgt  ist. 
Und  noch  näher  führt  das  Institut  das  Danziger  Schöppenbuch  von 
1558  (Danz.  Arch.),  in  welchem  fol.  3"22.  der  Schuldner  dem  Richter  handt- 
streckunge  thut ,  sich  vor  Tilgung  der  Schuld  nicht  aus  dem  Zalüungs- 
orte  oder  einem  andern  bestimmten  Orte  zu  entfernen.  Der  Umstand, 
dass  in  der  oben  erwähnten  Stelle  bei  Grünhagen  die  Breslaucr  Consuln 
im  Rathhause  einlagern,  spricht  ebenfalls  bereits  dafür(1316).  2)  Zü- 
richer Rechtsgeschichte  I.  p.  297.  3)  1.  Sali ca  56.  Bluntschli ,  Züri- 
cher R.  G.  I.  p.  294.  4)  Ges.  v.  König  In  a  k.  48. ,  Aethelstan,  H. 
§.  1.  VI.  §.  4. 


IV.   2.  Verzugszinsen,   li.  Personalhaft.  133 

L.  Baiwaiior.  II.  1.  §.  4.  5. 

quousque  habet  suhstantiam ,  componat  secnndum  legem;  si 
vero  non  liahd,  Ipse  se  in  servitio  üeprimat  et  --  quan- 
tum  lucrare  quiverit,  persolvat,  ciii  deliqiiit 
donec  dehltum  Universum  rcstituat." 

Ebenso  Capit.  a.  779.  c.  19.  und  803.  c.  3.  ad  leg.  Rib. :  ^) 
„in  ivadio pro  servo  scmct  ipsumcomiti  donet,  usque  dum 
ipsum  bann  um  solvat;"  „semetipsuyn  in  wadium.mit- 
iere ,  u s q u e  du m  m ulta,  qu a m  debuit,  persol v a t."  ^) 

Marculf.  formul.  IL  27. 

„talitcr  inter  nos  convcnit,  ut ,   dum   ipsos  solidos  de 

meo  proprio  reddere  potuero,  dies  tantos  in  imaqua- 

que  hebdomade  servitio  vestro,  quäle  mihi  vos  aut  agentes 

i'cstri  injunxeritis ,  facerc  deheam."  ^) 

Besonders  klar  zeigen   einzelne  Formeln,   dass  der  säumige, 

zahlungsunfähige  Schuldner  sich  selbst  wirklich  als  Sklaven 

dem  Gläubiger  anheimgab.   So  heissen  die  symbolischen  und 

feierlichen  Worte  in  Bigeon.  26.  ■^) 

„  brachiiim  in  Collum  posui  et  per  comam  capitis  mei  coram 
praesentibus  hominibus  tradere  feci,  in  ea  ratione,  ut  inte- 


1)  Pertz,  Monum.  legg.  I.  38.  117.  2)  Desgl.  capit.  811.  c.  3.  d. 
exercital.  n.  cap.  Bononiense  (811)  c.  1.  Pertz,  Monum.  legg.  I.  169.172. 
3)  ct.  auch  A]ipend.  ad  Marculf.  N.  IH.  (Roziere,  recueil  general  des 
forniules,  usitees  daus  l'empire  des  Francs  du  Vau  X**  siecle,  premiere  par- 
tie.  N.  47):  „omnihus  non  habetur  inco(jnitu))>  qualiter  mihi  gravis  neces- 
sitas  et  natas  pessimas  mihi  upprcsserunt ,  ex  miniuie  habeo  unde  vivere 
vel  vestire  debeam.  Propterea  ad  peditione  mea  mihi  non  denegasti  nisi 
ut  in  summa  necessitafe  mea  argento  vel  acto  tuo  valenie  solidos  in  manu 
mea  mihi  dedisti ,  et  ego  minime  habeo  unde  ipsos  solidos  tuos  tibi  reddere 
debeam.  Vropterea  obnoxiatione  de  capxtt  ingenuitatis  mee ,  inte 
fieri  et  adfirmarc  rogari,  ut  quicqnid  de  mancipia  tua  originalia  vestra 
facitis  tarn  vendendi,  commutandi,  desciplina  imponendi,  ita  et  de  me 
ab  hodierno  die  liberum  et  firmi ssimam  in  omnibus  j)0te- 
statem  faciendi  habeas."  —  Grimm,  R.  A.  327.  328.  613fF.  — 
Auch  Gulathings  Lag;  Kaujia  Balkr.  IV.  p.  481.  Ueber  die  Schuldhaft 
eines  Christen  hei  einem  Juden  cf.  c.  2  capit.  Carol.  'M.  d.  Judaeis  und 
Helfferich.  Zeitschr.  f.  R.  G.  IL  2.  3.  p.  417.  cf.  u.  Abschn.  V.  4.  4)  Ro- 
ziere,  1.  c.  IL  464. 


134  TV.   2.  Verzugszinsen,   li.  Personalhat't. 

)•/;//.  qi(0(J  Ipsos  soli?dos  vestros  reddere  potuero,  serviti  n  m 

vrstrum  adimplere  deheam.''  ^) 
Die  dadurcli  bewirkte  Sklaverei  war  der  Zeit  mid  der  Härte 
nach  verschieden.  Der  Zeit  nach  blieb  der  Schuldner  entwe- 
der nur,  so  lange  er  die  Schuld  nicht  entrichtete,  in  der 
Knechtschaft,  oder  von  vorn  herehi  sein  ganzes  Leben  lang. 
Letzteren  Falles  zahlte  er  mit  seiner  Knechtschaft  die  Schuld 
zurück,  so  wie  den  Schaden  des  Verzuges:  ersteren  Falles 
wurde  die  Schuld  ausserdem  erstattet,  und  nur  zum  Ersätze 
des  Verzugsschadens .  auch  zur  Strafe  der  Zahlungssäumuiss 
büsste  er  eine  Zeitlang  die  Sklaverei.  Nach  Tilgung  der  Schuld 
trat  er  dann  ohne  weitere  Folgen  wieder  in  den  Stand  der 
Freien  zurück.  Hier  heisst  der  Sklave  wadium  (Wette,  Pfand).  2) 


1)  cf.  Grimm,  Rechtsalterthümer.  S.  126.  127.  Pertz,  Merovin- 
gische  Hausnieiev,  S.  84.  u.  N.  in  S.  194.  Seine  Berechtigung,  dieses  für 
die  Lebenszeit  zu  tliun.  sichern  dem  Schuldner  1.  Bai  war.  VI.  3,  1. 
Frision.  XI.  1.  capit.  828.  c.  3.  App.  ad  Marculf  16.  .58.  Marculf  11. 
28.  Andeg.  2.  Baluz  min.  n.  7.  (Eoziere,  p.  72.  n.  47;  73  n.  48.  49; 
74,  n.  51 ;  75  n.  52)  und  ebenso  für  eine  bestimmte  kurze  Zeit:  cap.  An- 
segis,  III. c.  16.5.  cap.  Hlud,  c.8.  capp.  in  leg.  Ripuar.  mitt.c.3.  (Pertz, 
legg.  I.  117),  capp.  i.  leg.  Salic.  mitt.  c.  8  (Pertz,  1.  c.  I.  113.  Hinsichts 
der  Verurteilung  durch  den  Richter  zur  lebenslänglichen  Knechtschaft  cf. 
legg.  Liutpr,  1.  VI.  57.  121.  152.,  ib.  IV.  20.  1.  Wisigoth.  III.  3,  5., 
V.4,  11.,  Vn.  3,  2.  VI.  4,  2.  IX.  2,  9.  legg.  Rachis  VI.  Stobbe,  Rechts- 
queUen.  I.  p.  126.  N.  13.  und  ebenso  für  eine  bestimmte  Zeit:  cp.  Anseg. 
m.  65.  1.  Baiw.  IX.  23.  capitul.  Carol.  779.  c.  19;  785.  c.2.  812.  c.  1. 
(Pertz,  legg.  I.  p.  38.  48.  172.  2)  Grimm,  R.  A.  S.  615.  geht  in  die- 
sem Punkte  bekanntlich  noch  weiter.  Er  behauptet,  schon  nach  dem 
ältesten  deutschen  Rechte,  ebenso,  wie  nach  dem  römischen,  habe  Gläu- 
biger das  Recht  gehabt ,  Avenn  nach  Ablauf  einer  vorherbestimmten  Zeit 
der  Sklaverei  die  Schuld  nicht  entrichtet  worden .  den  schuldenden  Skla- 
ven zu  tödten.  So  nur  konnte  der  bestimmte  Zweck  des  Institutes  erreicht 
werden.  Indess  die  Zeit,  von  welcher  er  hierbei  s])richt,  ist  eben  jene, 
innerhalb  welcher  der  Schuldner  das  geschuldete  Geld  schaffen  musste, 
wenn  er  nicht  Sklave  werden  wollte.  In  dieser  wird  er  noch  an  3  Gerichts- 
tagen öffentlich  ausgerufen ,  um  etwa  seine  Angehörigen  zu  seiner  Aus- 
lösung zu  vermögen.  Ist  dies  vergeblich ,  so  wird  er  am  vierten  Gerichts- 
tage endlich  dem  Gläubiger  zuges] »rochen.  Von  einem  Rechte  der  unge- 
straften Tödtung  sprechen  die  Quellen  nicht.  Die  Möglichkeit  hierzu  war 
dem  Gläubiger  freilich  anfänglich  wol  ebenso,  wie  bei  seinen  andern  Sklaven 


IV.   2.  Verzugszinsen,  h.  Personalhaft.  135 

Die  Gesetze  der  Longo bavden  kennen  übrigens  sowol  die 
fortwälirende ,  als  die  zeitweise  Schuldkneclitschaft,  jene  legt 
der  Eicliter  bei  grösseren  Schiildposten  auf.  ')  Das  Gesetz  der 
Westgothen  führt  nur  die  lebenslängliche  Knechtschaft 
oder  Schläge  für  den  säumigen  Schuldner  auf.  -)  Das  Kecht 
der  Franken  billigt  beide  Arten. '^j  Die  vertragsmässige 
lebenslängliche  Schuldknechtschaft  aber  ist  der  alten  Zeit  vor- 
nehmlich eigen ,  später  wird  die  zeitliche  immer  üblicher.  Die 
richterliche  A'erurtheilung  zur  Schuldkneclitschaft  gestatten  die 
Capitularien  ebeni'alls  nur  für  eine  bestimmte  Zeit. 

Die  Sklaven  nun ,  welche  so  dem  Könige  anheimgegeben 
wurden ,  beschäftigte  man  mit  demselben  Tagewerke ,  dem  sie 
als  Freie  obgelegen  hatten ;  nicht  anders  wurde  ihre  Lage  bei 
den  grossen  Grundbesitzern ,  mochten  es  Privatleute  oder  die 
Kirche  sein.  Fast  regelmässig  übrigens  scheinen  sie  sich  durch 
schliessliche  Abzahlung  der  Schuldsumme  (oder  Composition) 
von  den  Fessebi  der  Sklaverei  befreit  zu  haben.  Zwar  machte 
ihnen  das  strenge  Sklavcnrecht  unmöglich ,  durch  den  Ertrag 
ihrer  Arbeiten ,  der  doch  ihren  Herren  zufiel ,  sich  zu  lösen. 
Aber  zunächst  gestatteten  ihnen  die  Herren  selbst  wohl  gut- 
willig eine  theilweise  Abarbeitung  der  Schuld,  später  trat  stets 
euie  gesetzliche  oder  vertragsmässige  Regelung  dieser  Ver- 
hältnisse ein,  weil  dtpin  diese  Sklaven  sich  vielmehr  in  Gesinde 
umwandelten.  Das  drückt  bereits  die  Stelle  aus  der  lex  Baju- 
wariorum  IT.  1.  §.  4.  5.  aus,  welche  oben  citirt  ist. 

In  alter  Zeit  gewann  der  Gläubiger  nicht  allein  den  Skla- 
ven selbst  und  seine  Arbeitskraft,  sondern  sogar  dessen  Weib 


gegeben,  und  das  Christenthum  erst  mit  der  Betonung  der  Menschen- 
rechte, die  mildere  Sitte,  endlich  selbst  ausdrückliche  Gesetze  hielten  ihn 
davon  ab.  Schon  die  Longob  ardischen  Volksrechte  stellten  die  Sklaven 
allgemein  milder  (Liutprand.  legg.  VI.  121:  „ipse  in  eum  faciatvin- 
(licla  in  dificij)linuui  et  in  renditionem ,  nani  non  in  occif^ionem  rel  in 
semationem.")  Der  Sklave  mehrerer  Herren  wurde  nur  verkauft,  wenn 
eine  Theilung  seines  Werthes  unter  dieselben  stattfinden  sollte  (1.  Wisi- 
goth.  1.  V.  t.  V.  UI.  ;}.  5.) 

1)  Liutprand.  legg.  VI.  152.  (handelt  selbst  nur  von  Compositio- 
nen  wegen  Vergehen).  2)  1.  Wisig.  VI.  4,  2.  (nur  von  Comitositionen). 
3)  capitt.  i.  1.  Sal.  108.  Merkel,  1.  Sal.  S.48.  Pertz,  legg.  lU.  p.  3. 


13(i  IV.   2.  Verzugszinsen,   li.  Peisonalhaft. 

und  Kinder.  Wenigstens  spricht  die  lex  Bajuwariorum  0,  1. 
sich  dahin  aus.  Später  änderte  die  Freiheitswandelung  des 
Vaters  nicht  mehr  die  Freiheit  seiner  Familie  (capit.  Chlotar.). 
So  heisst  es:  ,,Iudicatum  est  ab  omnihus,  ut  si  Frcmcus 
ho))io  in  scrvitio  sponie  siia  se  iniplicaverit ,  —  et  si  ßlios  vel 
filias.  (hon  in  sua  fuit  lihcrtate ,  generavit,  i2)si  liheri  perma- 
neant.  Lihcr,  qui  se  in  loco  ivadii  in  alterius  potestatem  com- 
miserit  . . .  si  vero  liheram  feminam  hahuerit ,  iisque  dum  in 
pifjnns  r.isfitrrit  et  fdios  hahuerit  liheri  permnneant."  Auch 
die  in  der  Knechtschaft  des  Schuldners  geborenen  Kinder  seiner 
vor  der  Knechtschaft  geheiratheten  und  deshalb  freien  Ehefrau 
bleiben  frei.  Dagegen  die  in  der  Kneclitschaft  geheirathete 
Frau  und  die  von  dieser  in  der  Knechtschaft  geborenen  Kinder 
gehören  dem  Gläubiger ,  wie  der  Vater.  ^)  Uebrigens  stand  es 
dem  Vater  frei,  —  doch  Avahrscheinlieh  nur  in  ältester  Zeit  — 
statt  seiner  auch  seine  Kinder  dem  Gläubiger  in  die  Knecht- 
schaft zu  geben.  Tacitus  schon  '  führt  das  in  dem  freilich 
unmaassgeblichen  Kriegsfalle  zwischen  Friesen  und  Römern  von 
ersteren  an.  2)  Doch  auch  ausser  seinem  Zeugnisse  sind  andere 
Belege  vorhanden.  So  heisst  es  von  Theodorich,  dem  Erzbi- 
schof von  Canterbury  (lit.  poenitential.  c.  28.) :  pater  fdium 
suum  Septem  annorum  necessitate  eompidsus  potestatem  habet 
t rädere  in  servitium,"  und  ebenso  von  Egbert  (archiep.  Ebor. 
confessionale  c.  27)  .,  pater  potest  ßlium  suum  magna  necessi- 
tate eompidsus  in  servitium  tradcre  usque  ad  septimum  an- 
num;  deinde  sine  voluntate  fdii  eum  tradere  non  potest.^'  Und 
dass  diese  Fälle  nicht  selten  vorkamen,  zeigt  unzweideutig 
das  Verbot,  welches  König  Theodorich  dagegen  erliess  (c.  95) 


1)  Pipin  der  Kleine  bestimmte  demgemäss  auch  :  „simüUer  et  mulier 
ingenua  si  servum  accipiat  pro  ingenuo,  et  postea  qualicunque  causa 
ingenitus  fuerit,  nisi  pro  inopia  fame  cogenfe  se  vendiderit  et  ipsa  hoc 
consenserit  et  de  p^'etio  viri  sui  a  fame  liberata  fuerit ,  si  voluerit ,  potest 
eum  dimittere  et  si  se  continere  non potest,  aliuin  ducere.  Similiier  et  de 
muliere  si  se  vendiderit ,  et  vir  ejus  ita  consenserit ,  taliter  potest  stare, 
si  se  separarerint."  cf.  Richter,  Kirchenrecht  §.  265.  III.  Walter, 
Kirchenrecht.  305.  2.  2j  Tacit.  Annal.  IV.  72.  ac  primo  boves  ipsus, 
vwx  ayros ,  postremo  corpora  conjugum  aut  liberorum  servitio  tradebant. 


IV.    2.  Verzugszinsen,    h.  Pcrsonalhaft.  137 

„nec  pro  pignore  (daher  auch  nicht  bei  zeitweiliger  Knecht- 
schaft, geschweige  denn  bei  lebenslänglicher)  filü  a  parenti- 
hus  alicni  dari  j^ossunf;  et  si  sciens  creditor  ingcnuos  pro 
pignore  a  parentihus  susceperit,  in  exiliam  dir  iget  iir.  Operas 
enim  tanttim  parentes  filiorioH ,  quos  in  potestate  hahuerint, 
locare  possunt. "  ^) 

In  den  Rechtsbüchern  darauf  und  den  mit  ihnen  gleichzei- 
tigen jQuellen  wird  das  Institut  weiter   ausgebaut,   der  dem 
Gläubiger  zufallende  Schuldner  dem  Gesinde  ähnlicher,  als  dem 
Sklaven  angesehen,  vemnzelte  Taxen  für  die  Arbeit  des  Schuld- 
ners aufgestellt  und  vor  Allem  von  der  Art  der  Haltung  des 
Schuldners  beim  Gläubiger  gesprochen.  ^)  Der  Spiegel  deut- 
scher Leute  (Picker.  Innspruck  1859)  271. p.  132.  u.a. sagt: 
„Sver  schulde  vor  gericht  vordert  auf  einen  man.  der  ver- 
gelten niht  enmach  noch  purgen  setzen  der  Richter  sol  im 
den  man  antwurten  vur  daz  gelt.    Den  sol  er  behalten 
geleich  semem  Ingesinde  mit  speise  vnd  mit  arbeit.   W  i  1 
er  i n  i n s p a n n e n  m i t  einer  e y  s e n h a  1 1.  d a z  m a g  e r 
tuon.  (über   die  Grenze   der  Schuldarbeit  hinaus.)   anders 
ensol  er  in  niht  handel. 

272.  Hat  er  in  oder  entrinnet  er  ime.  da  mit  ist  er 
niht  ledich  des  geltes.  Die  weile  er  im  niht  vergolten 
hat.  vnd  er  daz  niht  volpringen  mag  noch  enchan.  S  o  i  s  t 
er  immer  sein  pfant  vur  daz  gelt." 


1)  cf.  auch  Guerard.  Polypt.  Irin.  I.  p.  800.  n.  6.  oben  S.  139. 
(10.  Jahrh.j  —  Durch  Dr.  Korn  in  Bi-eslau  sind  einzelne  der  hierhin 
einschlagenden  Punkte  in  seiner  Diss.  inaug.  „de  obnoxatione  et  tvaclio 
antiquissimi  jwis  Germanici"  behandelt.  2)  Sachsensp.  lU.  39. 

§.1  —  2.  Schwabens]).  304.  Schles.  L.  R.  cp.  293.  Eckardt.  9  Bücher 
sächs.  Rechts.  (Poehnann)  V.  a.  7.  dist.  1.  u.  3.  „  und  ob  er  in  an  der 
schuld  will  laszen  arbeiten."  —  verm.  Sachsensp.  III. g.  dist.  3.  p.  149. 
m.  14.  §.  1.  (Ortlofl)  Sächs.  Weichbild  a.  27.  —  Goslarer  St.  R. 
n.3.  p.54.  Magdeb.  R.  an  Görlitz  mitgotheilt.  §.  98.  p.  448.  Hamb.  R. 
(1270)  IX.  13.  Augsburg.  St.  11.  (Walch ,  p.  404.  5.  Gaupp,  St.  R.  I. 
p.  143  ff.)  Altes  Bamberg.  R.  (ZöpH)  Einl.  p.  220  ff.  §.  434.  b.  c.  Dazu 
die  alten  Handschriften  letzteren  Rechtes .  in  denen  dieses  Institut  nicht 
behandelt  wird. 


138  IV.   i*.  Verzugszinsen,   h.  Personalhaft. 

Altprager  R.  (Rössler)  a.  68.,  worin  das  Recht  noch  ausge- 
dehnt ist  zu  Giuisten  des  Gläubigers,  (14.  Jahrh.)  bestimmt: 
., vnd  mag  in  halten  als  lang  als  er  wil  vnd  stirbt  her 
die  wil  in  der  gevangenusse  von  gotes  gevalt,  so  sol  der 
dager  nyemant  antworten  dar  vmbe."  —    cf.  auch  Altpra- 
ger Stadtr.  Ottocars  IT.  1269.  1.  c.  a.  36.  p.  XTV. 
Desgl.  das  Salzwedler  St.  R.  §.  14.  (15.  Jahrh.)  erklärt: 
„  We  synen  lovere ,  deme  lie  schuldig  is ,  .vor  syne  schult  in 
gerichte  wert  geantwordct.  den  schal  me  antworden  to  dryen 
richtedagen,    na   dem    dridden  richte   mach   de   loyver 
it   schicken   mit   dem   sc.huldner,    alse   eme   dat 
tutne  is."  ') 
Nach   dem   Züricher  Rechte  wurde    dem    Schuldner,   falls 
sein  Vermögen   nicht   zur  Befriedigung   des   Gläubigers  aus- 
reichte ,  sofort  der  längere  Aufenthalt  in  der  Stadt  untersagt. 
Dann  erst   begann  das  ursprüngliche  Recht   des  Gläubigers 
auf  die  Person   des  Schuldners  zu  wirken.    Nahm  er   ihn  in 
seine  Privathaft ,  so  musste  er  ihn  auf  seine  Kosten  ernähren. 
Weigert  er  das ,  so  verlässt  Schuldner  den  Ort.  ^)   Nach  dem 
Stadtrechte  von  Winterthur  1297.  III.  6  —  11  steht  es  in 
des  Gläubigers  Wahl,  sich  aus  dem  Eigen  des  Schuldners  durch 
Pfändung  bezahlt  zu  machen  (cf.  u.  V.  2.  h.) ,  oder  den  Schuld- 
ner persönlich  zu  Gast   d.  h.  in  Haft  zu  nehmen   und  zwar, 
indem  er  ihn  auf  seine  Kosten  ernährte.   So  weit  hatte  sich  die 
Schuldknechtschaft  gemildert  und  sich  der  öffentlichen  Schuld- 
haft genähert.  •'')  — 


1)  J.  H.  Böhmer,  jus  eecl.  prot.  V.  19.  §.  XXVIII.  Paulsen. 
Zeitschrift  für  D.  E.  IV.  p.  128.  N.  1.^.  Bluntschli,  1.  c.  I.  p.  294  ff. 
2)  Rathserk.  von  l;-J32.  ,.  Wil  im  danne  dekeiner  ander  ze  essenne  geben 
von  dem  im  die  stat  verbotten  ist,  vnd  von  dem  er  an  vnserm  buoche 
verschriben  stat ,  so  soll  er  alle  die  wile  beliben  in  dem  Tvrne  vntz  daz 
der  kleger  gerichtet  wirt;  were  aber,  daz  im  niemanze  essenne  wollte 
geben  in  dem  tvrne,  so  sol  man  in  lassen  us  swerren,  daz  er  vor  der  stat 
si ,  alle  die  wile  vntz  das  die  kleger  ir  gülte  vnd  die  stat  ir  buozzen  mit 
pfendern  mit  Pfenningen  oder  mit  bürgschaft  gerichtet  werdent  als  och 
vnt/.her  bescliochen  ist."    Kathserk.  von  1341.  1.344.  3)  Vergl.  noch 

T  z  s  c  h  0  p  p  c  und  S  t  e  n  z  e  1  (Urkundenb.  j  p.  448.   B  r  ii  n  u  e r  Schöffenb . 


IV.   2.  Verzugszinsen,   h.  Personalhaft.  139 

Hier  wächst  daher  offenbar  der  Gewinn  des  Gläubigers 
durch  des  Schuldners  Verzug.  Denn  zuerst  zwar  sollte  der 
Schuldner  lediglich  das  Kapital  und  den  Verzugsschaden  abar- 
beiten; allein  wenn  hierbei  schon  die  Taxe  und  Controlle  schwer 
zu  üben,  also  auf  die  leichteste  Weise  die  Bestimmung  des 
kanonischen  Rechtes  zu  überschreiten  war  durch  Empfang  eines 
..aJiquiil  ultra  sorfem  und  itUra  nsuras  ex  niora  Orientes," 
zumal  die  Parteien  selbst  im  Contrakte  diese  Abarbeitung  ver- 
einbaren und  mit  Leichtigkeit  eintreten  lassen  konnten,  so  kam 
den  Contrahenten  nocli  das  deutsche  Recht,  wie  gezeigt,  geradezu 
zu  Hilfe  und  verwarf  in  diesem  Falle  das  kanonische  Recht. 
Es  gestattete  nicht  allein  diese  Abarbeitung,  ohne  der  Schuld- 
arbeit eine  zeitliche  Grenze  oder  Taxe  -  mit  geringen  Aus- 
nahmen beizufügen,  sondern  es  bestimmte  sogar,  dass  der 
Gläubiger  ausser  seinem  Schuldkapitale  und  dem  Verzugs- 
schaden auch  noch  den  Nutzen  aus  des  Schuldners  Arbeit  zog, 
ja,  die  Zeit  dieser  Schuldarbeit  wurde  ganz  in  das  Belieben 
des  Gläubigers  gesetzt. 

Ersterenfalls  erscheint  diese  Abarbeitung  gleich  einer  Strafe 
des  Schuldners,  grenzt  an  das  Einlager  und  rechtfertigt  deshalb 
ihre  Behandlung  an  dieser  Stelle;  letzterenfalls  lässt  sie  den 
Schuldner  gleich  einem  Pfände  vom  Gläubiger  ausgenutzt  wer- 
den ,  \)  ohne  Anrechnung  des  Ertrages  und   ohne  Grenze  der 


610.  D  a  n  z.  Schöppenbuch  1438.  tl.  349.  4.  „Dis  hot  sich  lauge  Jacob 
vorwilkort,  dat  he  Jacob  scheleu  so  lange  d e n e n  \vil ,  bet  he  em  de 
IX.  mrk.  nijTi.  VIII.  scot  aif  verdenet  hefft  11  jare  langk  isliche  weke  vor 
'2  gcr.  in.,  wat  he  to  arbeden  hett;"  (Dagegen  Guerard,  Polj'pt.  Irni. 
I.  p.  800.  n.  6  [10.  Jahrb.] :  „(lebet  scrihere  cartam,  quantos  soh'dos  rece- 
pisset,  et  !tubscri])tione  firmare  se  reddittiros.  Sin  auf  ein  aut  ipse  mit 
uxor  ejtis  aut  infans  ejus  si  forte  ab  eis  non  redditur  pretiuin ,  iiuoieant 
in  servitio  foeneratoris."  of.  p.  135  ff.) 

1)  Melir  hierauf,  als  auf  das  Einlager  ,  ])asst  daher  der  Vergleich  mit 
dem  Pfände,  cf.  Mone.  Zeitschr.  z.  Gesch.  des  Ob.  Rh.Y.  p.  321.  (1257) 
Jacebunt  in  pignore.  —  Grimm,  Weisthümer  111.  p.  264.  n.  28  „und 
hefft  he  neyn  pand.  so  schal  he  sulven  dat  pant  syn.  —  Haltaus,  1.  c. 
V.  Geissclschaft :  .,  obses  ,  eyn  gyzzelvnge ,  off  dat  is  oyn  Mensche  staende 
vor  eyn  pant."  —   Culmer  E.  111.  135  (Systeiuat.  Schöffenrecht  111.  2, 


140  IV.   2.  Verzugszinsen,    i.  Draufgeld. 

Ausnutzung,  niolit  oinnial  durch  die  Abzahlung  von  Kapital 
und  Si'hadensgeld,  ein  Prinzip  des  deutschen  Rechtes,  welches 
unten  bei  der  Ptandnutzung  noch  greller  den  Gegensatz  zum 
kanonischen  Rechte  offenbaren  wird.  Und  gerade  das  alte,  von 
fremden  Grundsätzen  am  wenigsten,  beeinflusste  deutsche  Recht 
sichert  am  meisten  den  Gewinn  des  Gläubigers  aus  des  Schuld- 
ners Zahlungsverzuge,  indem  es  günstigsten  Falles  den  Schuld- 
ner selbst  und  sogar  dessen  Familie  dem  Gläubiger  für  deren 
Lebenszeit  als  Sklaven,  als  unbeschränktes  Eigenthum  anheim- 
giebt  (cf.  V.  2.) 

i.   Das  Di'aufgeld. 

Schon  in  ältester  Zeit  kennt  das  deutsche  Recht  das 
Draufgeld  als  Zeichen  des  Vertragsschlusses.  Sein  Name  ist 
Angeld,  Gottespfennig, ')  denarius  sancti.  spiritiis,  Leitkauf, 
Weinkauf,  festepennig  u.  A.  ^)  So  begegnet  es  in  den  Volks- 
rechten •'')  und  den  Capitularien. 

Während  das  Draufgeld  durchweg  in  den  Rechtsquellen 
als  Zeichen  des  endgültigen  Vertragsschlusses  angeöehn  wh'd, 
—  natürlich  stets  die  sonstige  gesetzliche  Billigung  des  Ver- 
trages, welche  durch  das  Draufgeld  nicht  ergänzt  werden 
konnte,  vorausgesetzt  -  (so  dass  z.  B.  Erich  in  der  Stelle  bei 
Sartorius  -  Lappenberg  vorschreibt,  der  Verkäufer  üi  Norwe- 
gen dürfe  dieWaare  an  einen  Dritten  weiter  verkaufen,  sobald 
der  erste  Käufer  (Normanne)  ihm  nicht  am  Tage  semes  geschlos- 

101.)  den  mag  her  wedir  an  gryfen  wo  her  yn  ankniiipt  . . .  und  jti  wedir 
füren  in  syn  heheltnisse  vnd  yn  haklcn  alse  eyn  pfant.  So  sagt  deshalb 
auch  der  S]>iegel  deutscher  Leute  (Ficker)  272.  p.  132,  gerade,  wo 
er  diese  Schuldarbeit  behandelt:  „so  ist  er  immer  sein  i)fant.  vur 
daz  gelt." 

1)  Dahin  dürfte  auch  die  verfallene  pena  aus  Danz.  Arch.  Schöppenb. 
V.  l.ööß.  fol.  69.  gehören:  „dennoch  by  alzo,  dath  von  disen  III''  dertich 
flor.  vor  de  entperung  der  tith  hi  fabian  affgaenn  szallen  c.  flor.  welcke 
hans  Bremer  den  hues  armen  als  ane  verfallene  pena  sali  thoegenen. "  — 
2)  cf.  u.  v.  A.  Sartorius-Lappenberg  1.  c.  I.  unter  den  Gesetzen  Kö- 
nigs Erich  für  die  Städte.  Absch.  Handel  mit  Norwegen  (1294.)  Mevius, 
ad  jus  Lubic.  III.  66.  n.  11.  —  du  Gange,  v.  denarius  Dei).  —  Lüb.  R. 
(Hach.  I.)  a.  72.  revid.  lüb.  R.  IIl.  6. 6.        3)  lex  Wisigoth.,  Baiwar. 


IV.   2.  Verzugszinsen,   i.  Dvaufgeld.  141 

senen  Kaufes  den  festepennig  gebe),  rechnen  doch  die  Volks- 
rechte es  auf  die  Leistung  des  Draufzahlers  an  oder  zahlen 
das  Draufgeld  bei  Erfüllung  des  Vertrages  zurück;  dagegen 
das  spätere  Recht  giebt  der  andern  Partei  das  Draufgeld  noch 
ausser  der  von  ihr  zu  fordernden  Leistung  hin.  ^)  In  dieser 
Bedeutung  streitet  das  deutsche  Recht  offenbar  wieder  gegen 
das  kanonische  nc  quid  ultra  soiicni;  es  befindet  sich  zugleich 
mit  seinen  eigenen  Wucherbestimmungen  in  Widerspruch, 
denn  gerade  hier  liegt  das  ,.also  of  he  id  bededinghede"  der 
Buchschen  Glosse  für  das  mer  u}dmrt  vor.  Darum  musste  die- 
ser deutsche  Gebrauch,  welchen  das  jüngere  und  nicht  natur- 
wüchsige kanonistische  Zmsverbot  nicht  austilgen  konnte ,  un- 
ter die  Ausnahmen  von  dem  Wuchergesetze  aufgenommen 
werden ,  und  so  begegnet  es  in  der  Bocksdorffscheu  Glosse  in 
der  Reihe  der  oben  zitirten  Ausnahmen  und  verbreitete  sich 
von  dort  in  weitere  Quellen,  z.  B.  den  Layenspiegel.  (IV.  1.) 

Andrerseits  verlor  der  Draufzahler  im  Falle  des  Verzu- 
ges der  Contraktserfüllung  das  Draufgeld,  wo  es  zugleich 
Conventionalstrafe  war,  und  musste  natürlich  ausserdem  Kapi- 
tal und  Schaden  ersetzen,  cf.  lex  Baiwariormn  XV.  10. 

„qui  arras  dederit  pro  quactmque  re,  pretium  cogutur  int- 

plere  quod  placuit  emtori.  ■  Et  si  non  occurrerit  ad  diem 

constitutum  vel  antea  non  rogaverit  placitum  ampliorem, 

tunc  perdat  arras  et  pretium,  quod  deheat,  impJeat.'' 

Oder  aber ,  der  Draufgeldzahler  konnte  sich  gegen  Verlust  des 

Draufgeldes  an  den  Gläubiger  von  dem  Contrakte  befreien.  -) 

cf.  Jus  Slesvic.  c.  51.  52.: 

„Item  si  emtor  in  Signum  emtionis  dederit  quicquam  in 
manu  vendentis  et  postea  nolit  emisse ,  haheat  gratis  vendi- 
tor  quod  accepit  et  insupcr  VI.  sol.  Item  si  hiherint  in 
signiitn  emtionis  nihil  dato  ad  manus  reddat  potum  com- 
mercii  violator." 


1)  Mevius,  1.  c.  Dre3'er,  d.  ditier.  jur.  Eoin.  et  Cierni.  in  arriiis  eiii- 
ptionum.  1747.  p.  G5  ff.  Mon.  Boica  IV.  481.  ,,40  phund  pfenn.  on  den 
leitchauf."  2)  cf.  Würtenib.  L.  R.  U.  9.  §.  20  bei  Kraut,  1.  c.  §.  163. 
n.  9.,  eine  Reupön.  (cf.  n.  95.)   Bresl.  Arcli.  üb.  excess.  1386.  fol.  25. 


142     \y.  4.  Vorzuofszinseii.   Iv.  Ersatz  des  Schadens  ans  d.  Verzuge. 

Alle  drei  Fälle  kommen  bei  dem  einseitigen  Davlehn  thatsäch- 
lich  auf  dasselbe  Resultat  hinaus,  da  der  Gläubigev  schliess- 
lich jedesmal  sein  Kapital  und  das  Draufgeld  besitzt.  In  den 
zwei  letzteren  Fällen  gehört  die  Zahlung  des  Draufgeldes  nur 
scheinbar  unter  die  Rubrik  der  Verzugszinsen;  es  verstösst 
deshalb  gegen  das  kanonische  Zinsgesetz,  wo  es  nicht  in  den 
kanonistisch  gebilligten  Verzugsschaden  eingerechnet  wird. 

k.  Der  Ersatz  des  Schadens  aus  dem  Verzuge. 

Das  kanonische  Recht  nahm,  wie  gezeigt,  die  Verzugs- 
zinsen und  allgemein  den  Ersatz  des  Verzugsschadens  von  dem 
Wuclierverbote  aus  (p.  19. 20.)  Ebenso  das  deutsche  Recht.  Diese 
Schadensersatzpflicht  liegt  zu  sehr  in  der  Natur  alles  Verkehrs, 
in  der  Billigkeit  begründet,  als  dass  sie  unter  den  Rechtsvor- 
schriften eines  in  der  Bildung  uaturgemäss  vorschreitenden 
Volkes  fehlen  könnte.  Nur  Purgoldt  überherodisirt  den 
Herodes  und  will  in  seinem  besonderen  Eifer  für  das  kanoni- 
sche Recht  sogar  den  Schadeusersatz  bei  der  Zahlungssäum- 
niss  unter  das  Wucherverbot  werfen.  Er  sagt  in  seinem  Rechts- 
buche  VIII.  cp.  56: 

..  vorkeuft  ader  lyhet  eyner  etzwas  uf  eyne  tagzcit  zcu  gelden 
und  bit  der  schuldiger  lengern  tag ,  unnd  wil  ym  der  glou- 
biger  den  tag  nicht  erlengen,   her  schenk  ym  dan  etzwas 
darumb,  das  ist  auch  wiicher  und  stet  geschriben  ex.  e.  c.  etc." 
eine  Stelle ,  welche  vielleicht  den  Schaden  aus  dem  Verzuge  all- 
gemein betrifft,  da  Purgoldt  trotz  seiner  ausführlichen  Behand- 
lung des  Wuchers  nicht  weiter  von  dem  Schadensersatze  beim 
Verzuge  redet.  ^)  (cf.  desgl.  Co  In  er  altes  Stadtr.  a.  4(3.  p.  69  ff.) 
Imierhalb    dieser    BilKgung   des   Schadensersatzes   aber 
gehen  die  deutschen  Rechtsquellen  vornehmlich  in  zwei  Punk- 
ten auseinander,  einmal  darin,  dass  sie  theils  von  vorn  her- 
ein  die  Ersatzpflicht  des  säumigen   Schuldners   aussprechen, 
theils  eine  ausdrückliche  Uebereinkunft  der  Parteien  zu  deren 


Ij  Doch  bleibt  die  Frage  zweifelhaft,  weil  Purgoldt  andrerseits  schon 
den  Schaden  ersetzt  wissen  wül.  der  einem  Kaufmanne  dann  erwächst,  wenn 
er  im  Begiiffe  sein  Geld  für  seine  kaufmännischen  Geschäfte  zu  verwenden 
dasselbe  darleiht.  —  cf.  noch  Cujac.  Opi).  Mutina  1782.  Vol.  VI.  p.  875. E. 


IV.  2.  Verzugi?zinsen.   k.  Ersatz  des  Schadens  ans  d.  Verzuge.     143 

Geltendmachung  erfordern ;  sodann  darin,  dass  sie  in  selir  ver- 
schiedener Weise  die  Verzugszinsen  normiren. 

Darin,  dass  eine  niclit  kleine  Zahl  von  Gesetzen  die  Wir- 
kung der  Ersatzptiicht  von  dem  Uebereinkommen  der  Parteien 
abhängig  macht,  ist  oftenbar  mit  Unrecht  von  einzelnen  deutsch- 
rechtlichen Schrittstellern  ein  allgemeines  Verbot  des  Ersatzes 
gesehen  worden.  Die  blosse  Uebereink-unft  der  Parteien  konnte 
sicher  doch  noch  weniger,  als  der  Eid  (cf.p.  IG.  u.  IV.  2.e.),  das 
verbotene  Geschäft  erlaubt  machen. 

Schon  die  Volksrechte  stellen  den  Grundsatz  der  Ersatz- 
pflicht jedes  Schadens  ohne  besondere  Uebereiukunft  auf,  z.  B. 
in  der  beliebten  casuistischen  Form  die  von  den  fremden 
Rechten  am  wenigsten  beeinflusste  lex  Frisionum  additio 
sapient.  ti.  XI.  de  re  praestita  1. 

„si  homo  alii  cquuni simm  praestiterit  veJ  quamlihet  aliam 
X)ecuniani ,  talon  qualis  ei  praestita  est,  reddat  domino 
ejus,  et  si  forte  pejorat um  reddiderit,  cofnponat  ei  juxt a 
quant it atem,  qua  rem  ejus  inj)cjoravit." 
Die  isländische  G  rag  äs  und  eine  grosse  Reihe  anderer  Ge- 
setze geben  sogleich  eine  bestimmte  Höhe  der  Ersatzsumme, 
indem   sie   diese   zu    überschreiten    theils    erlauben, 
theils  nicht  erlauben.     Dass  diese  feste  Summe  der  Ge- 
setze vornehmlich  als  fixirter  Schadensbetrag  anzusehen,  wird 
unten  näher  ausgeführt,  wo  sich  auch  die  Beläge  zitirt  finden. 

Von  den  Rechtsbüchern  halten  denselben  Grundsatz  u.  A. 
fest  Sachsenspiegel  I.  .")4.  §.  2.  bei  dem  Rutscherzinse,  der 
auch  für  Zahlungssäumniss  der  Rente  vom  Rentenverkäufer 
entrichtet  werden  musste.   cf.  V.  3.  a. 

„Svesinen  tins  to  rechten  dagen  nicht  negift,  tvigelde 
sal  he  ine  geven  des  anderen  dages ,  mide  alle  dage  also ,  de 
wile  he  ine  under  ime  hevet,  deste  ime  die  herre  mit  rechten 
ordelen  volge ,  unde  ine  to  sineme  huse  esche  ..." 
und  die  Menge  der  alten  und  jungen  Quellen ,  welche  den  Rut- 
scherzins behandeln.  ') 

1)  z.  B.  schon  V.  Jahre  773:  „eUi  de  ipi^o  censu  negligetis  apanicro 
anno  primo ,  in  secundo  anno  redam  duplum  ,  et  si  tunc  negligens  apa- 


11 1     IV.  2.  Yorziiflrszinsoi).   k.  Ersatz  (le><  Scliaileiis  aus  d.  Terziig-e. 

Das  Keclitsbiu'li  liUdwiijs  von  B ai er n  (1  ;3:iG.  Heumann) 
1.  c.  ti.  i>;5.  p.  1-27. 

..wirt  ainer  angesproilien  vmb  gelt  wie  er  des  schuldig  wor- 
den ist  oder  benent  er  ainen  genanten  schaden  dart/Ai ,  den 
er  im  gehaissen  hab:  den  sal  er  im  abtun  ZAiauderm  genante 
schaden,  den  er  im  sunderlicli  gelobt  und  gehaissen  hab."  — 
p.  1 .')().  ..AVer  einem  gelt  leicht  oder  ze  behalten  geit,  der 
sol   im  das  in  viertzehn  tagen  widder  geben.     Tat  er  des 
niht,  Avelhen  schaden  er  des  nympt  hintz  seinen  gelten,  den 
sol  er  im  vnd  seineu  erben  abtun  gar  vnd  gentzlichn." 
Desgl.  Böhme,  Schöffenurth.  VI.  p.  126.  (cf.  Magdeburg. 
Frag.  II,  2.  d.  15.  17.  u.  Culm.  K.  III.  120.  opp.  III.  60)  »): 
„vorczuet  der  lowber  den  tag  als  (er)  beczalen  sal  vnd  wirt 
das  gelt  noch  deme  tage  vorsprochiu  vndir  im ,  her  mus  den 
schaden  tragin  vnd  mus  dennoch  deme  beczalen  sin  gelt  als 
her  gloubit  bot." 
Aus  späterer  Zeit  unter  vielen  andern  Tenglers  L ayen Spie- 
gel 1.  c.  th.  I. 

,.  Nichtz  minder  wird  menigerlay  väll  im  rechten  angezaigtt, 
darin   man   über   das   haubtgutt    zimblich   on   lästerlichen 
Wucher  nemen  etwas  und  geben  mag:   wenn  etwas  für 
schaden  oder  perickel  compensiert  wird  ane  vorgeend 
geding,  das  mög  menigerlay  väll  im  rechten  sein.".,  „als 
Interesse,    für    erlitten    schaden    oder   mangel   on 
für  geding,  für  den  nutz,  der  gewisslich  möcht  entstan- 
den sein." 
und  der  R  ü  g  i  a  n  i  s  c  h  e  L  a  n  d  g  e  b  r  a  u  c  h ,  welcher  gerade  von 
den  fremden  Rechten  sich  frei  erhielt  (Normann.  Homeyer) 
1530  —  1 546 ,  für  adlige  Parteien : 

„lede  de  Glöviger  Schaden,  he  mach  Schadepande  köpen 
vnd  den  Schaden  so  hoch ,  als  de  Hovetsumma  sich  strekket, 
vnd  nicht  höher  anschlahn." 


ruero  anno  tercio  redam  iriblum ,  et  si  postea  iieglexero  ipsas  res  quas 
dedicet  posiea  j^er  precarius  excepi ,  reveriant."  Bluntschli,  Züricher 
E.  G-.  I.  ]>.  98.  Stobbe,  Vertnigsrecht  p.  82.  N.  5.  Grimm,  Rechtsalter- 
thümer  p.  387. 

1)  cf.  Laband,  systemat.  Schöffenrecht.  lU.  2,  23  und  90. 


rV.  2.  Verzugszinsen,   k.  Ersatz  des  Schadens  aus  d.  Verzuge.     145 

Auch  viele  Stadtrechte  bekemien  sich  zu  der  allgemeiueu 

Ersatzpflicht  ohne  Uebereinkunft.     So  das  AI  tp  rag  er  St.  R. 

1.  c.  a.  68. 

„  welcher  man  aber  helt  vnd  laj^st ,  als  sein  prief  lauten ,  die 
wil  er  das  beweisen  mak  mit  seinem  gut  das  des  als  wil  ist, 
das  er  houptgut  vnd  schaden  verrichten  mag,  di  weil  sol 
man  in  niht  hoher  treiben."  u.  Einl.  LXII.  ebend. 

Das  lübische  Recht  (Hach.  cod.  II.)  a.  188: 

„  dar  en  deme  andern  schuldicli  is  vnd  nicht  neghelt  to  sime 
daghe  also  langhe  alse  he  dat  ghelt  beholt  na  deme  daghe, 
also  lange  schal  he  eme  penuinge  lenen  also  vel.  ofte  he 
mot  eme  den  schaden  beteren  ofte  he  beclaget  wert 
dar  umme  oder  he  mot  sweren ,  dat  he  eme  nenen  schaden 
ne  hebbe  gedan."  Desgl.  das  r  e  v  i d.  lübische  R.  EI.  1 .  a.  2. 

Das  Wiener  St.  R.  (1435)  p.  166.  1.  c. 

„  bringt  der  fuerman  den  wein  mit  gemache  hin  do  er  in  hin 
gedinget  hat  vnd  das  in  sein  herr  nicht  fertigt  mit  dem  Ion 
an  dem  dritten  tag ,  als  aller  wagn  leute  recht  is ,  wes  er 
des  schaden  nympt  vnd  furpas  zert  mit  seinem  wissen ,  den 
sol  der  ab  thuen ,  dem  der  da  gefuert  hat  darumben ,  das  er 
in  lenger  säumet  mit  seinem  Ion  denn  recht  is." 

Die  Danziger  Willkür  v.  1400.  1454.  (Bornbach,  I.e.  IL 

fl.  314.  322.  Arch.bibl. X.  1.)  fol.  3.  von  wirdigunge  semlichs 

schaden. 

„wo  eyner  den  andern  Mume  schaden  beschuldiget  den 
schaden  sal  man  nicht  richten  noch  des  k^egers  wille  sunder 
die  scheppen  sullen  en  wii'digen  noch  deme  sie  als  irkennen 
das  es  mogelichen  ist  unde  das  sullen  sy  thun  by  erem  eyde, 
wenne  das  gescheen  ist  so  sal  der  kleger  sunderlich  seynen 
eydt  darczuthuen ,  das  der  schade  so  grosz  sey ,  alse  her  von 
den  scheppen  gewirdiget  ist,  her  mag  en  wol  m3iinen  adir 
her  sali  en  nicht  bogen."  ^)  (Allgemeiner  Würderungseid). 


1)  Ebenso  das  alte  Bamberger  R.  1.  c.  §.  228.  —  Revaler  St.  R. 
(ed.  Bunge  und  Madai)  unter  den  dänischen  Ges.  1346.  —  Frankfurt. 
St.  R.  (Senckenberg,  select.  jur.  et  bist.  1.  1  —  84.)  1352  —  78.  cp.  28. 
—  Altes  St.  R.  V.  Lüneburg,  Bursprake  vor  St.  Michael  (Kraut.)  p.  Gü. 

Keumann,  Gescb.  d.  Wuchers.  10 


14G     r\'.  '2.  Vorzugszinsen,    k.  Ersatz  des  Schadens  aus  d.  A"erzug-e. 

Die  Freiburger  Reformation  (1520)  II.  1.  n.  3. 

„Wie  der  sinnig  schuldener  kosten  bezalen  sol.  —  Ob  aber 
der  Schuldner  uti"  geschehene  ervorderuug  oder  uff  gesetzte 
zil  und  tag  nit  bezaluug  thett,  so  ist  er  die  schuld  mi t- 
sampt  zi  111  liehen  kosten,  es  sig  verschriben  oder 
nit,  zu  bezalen  schuldig,  doch  unser  oder  des  gerichts  mutt- 
massung  vorbehalten. . ."  ^) 

Dagegen  fordern  vorherige  Uebereinkunft  der  Parteien  zur 

Geltendmachung  der  Ersatzpflicht  Sachsensp.  III.  43.  §.  2., 

i.  52.  §.  3.  IL  44.  §.2.  Altprag  er  E.  I.e.  p.81.  Bremer  K. 

(.1303)  103;  1433.  22.  Stader  R.V.12.  (1. c.  Pufendorf  I.  app. 

p.  193)  u.  m.  A.  so  auch  d.  Brunn  er  E.  Culmer  E.  III.  60. 

Systemat.  Schöffenrecht  III.  2,  23: 

„beclayt  eyn  man  den  andirn  uiiime  schaden,  den  her  habe 
dor  abe,  daz  her  ym  syn  gelt  uf  syuyn  benumptin  vnd  gelob- 
tiu  tag  nycht  beczalt  habe ,  der  antworter  darf  nicht  umiiie 
deu  schaden  antwortin.  Is  en  sye  denne  daz  her  daz  ouch 
gelobit  habe,  ab  her  eu  vorczyhe  unde  her  des  geczogis 
schadiii  ueme,  daz  her  ym  do  vor  welle  vol  tun  abe  czu  richtin ; 
bekennet  der  lober,  daz,  zo  sal  her  daz  haldin."  ^)  cf.  S.  147  ff. 


Normirt  wird  der  Schadensersatz  in  verschiedener  Art, 
und  dies  bereits  seit  ältester  Zeit.  Einige  Gesetze  stellen  selbst 
oder  durch  den  Eichter  eine  bestimmte  Summe,  zuweilen  je 
nach  dem  Stande  der  Contrahenten  abgemessen ,  ^)  ein  für  alle 
Male  als  Schadensbetrag  beim  Verzuge  hin ,  indem  sie  theils 


1)  cf.  noch  Frankfurt.  Eefor.  (1.509.1578)  U.  11.  §.10  —  11.  Orth. 
Anm.  dazu.  I.  396  u.  sonst.  411.  416.  437  u.  a.  —  Würtemb.  L.  R.  von 
1597  n.  fl.  183.  —  Pfälzer  L.  R.  1581.  H.  2.  v.  mut.  p.  3.  2)  Die 
Gegner  obiger  Ansicht  führen  letztere  Vorschrift  auf  das  kanonische  Recht 
zurück ,  das  keinen  Ersatz  des  Verzugsschadens  billige ,  wegen  seines 
Zinsverbotes,  cf.  u.  a.  Stobbe,  Vertragsrecht  S.  37.  Dass  dieser  Punkt 
sich  gerade  umgekehrt  verhält  und  so  ebenfalls  gegen  die  Gegner  streitet, 
ist  oben  schon  bemerkt  (cf.  ob.  1. 2.  u.  S.  143.)  Näher  kann  in  dieser  Arbeit 
allgemeineren  und  andererseits  spezielleren  Inhalts  nicht  auf  den  einzel- 
nen Punkt  eingegangen  werden,  cf.  S.  147  tf.  3)  Im  Justiniani- 
schen Rechte:  xjersonis  fillustribus  A^jo,  gewöhnlichen  Privatpersonen 


TV.  2.  Verzugszinsen,  k.  Ersatz  des  Schadens  aus  d.  Verzuge.     147 

gar  nicht,  tlieils  7a\y  Minderung,  theils  zur  Erhöhung  dieser 
Summe  je  nacli  dem  wirklich  eingetretenen  Schaden  letztere 
zu  verändern  den  Parteien  gestatten.  ^) 

Man  hat  alle  diese  Fälle  unter  die  C  o  n  v  e  n  t  i  o  n  a  1  -  oder 
gesetzlichen  Strafen  für  den  Verzug  setzen  wollen.  (In 
einigen  der  oben  citirten  Quellen,  z.B.  im  Frankf.  St. R. (1:550) 
1.  c.  cp.  28. ,  werde  auch  das  gesetzliche  Maximum  als  Strafe, 
peen ,  multa  u.  dergl.  bezeichnet).  Ein  gesetzlich  fixirtes  Inter- 
esse sei  es  nicht,  weil  es  in  gar  keinem  Verhältnisse  zum  wirk- 
lichen Verzuofsschaden  stehen  dürfe. 


ß%.  Wechslern  8"/„  angesetzt  1.  26.  Cod.  4,  32.  —  Desgl.  Gesetze  des 
Manu.  cap.  8  für  Indien.  —  In  neueren  Gesetzen  gilt  ja  bekanntlich 
öfter  derselbe  Grundsatz,  z.  B.  in  Preussen  Pr.  L.  Pt.  H.  8.  §.  692  —  94. 
691.  I.  11.  §.  805.  808.  806.  II.  18.  §.  486.  I.  11.  §.825.  826.  I  20.  §.  231. 
Entsch.  d.  Ges.  Coinmiss.  v.  1.  Juli  1794.  Klein,  Annaleu  XIV.  p.  386. 
Reglement  v.  13.  März  1787  §.  90  —  96.  Kab.  Ord.  v.  28.  Jimi  1826  n.  7. 
(für  Conventionalzinsen  allgemein). 

1)  cf.  Grägas,  ed.  J.  F.  G.  Schlegel.  Kopenh.  1829.  2  Bde.  Kaupa- 
balkr.  I.  p.390.  ti.  U.  4'.,  mrk.  ti.  V.  i^rS95.  VI.  p.  399.  —  Gulathings- 
lagh  (Magnus  konongs  lagabaeters  Gul.  1.  Kopenhagen  1817.  12.  Jahrh. 
Kaupa-balkr.  cp.  111.  p.  478.  verschiedene  Summen  nach  dem  Adel  der 
Gläubiger.  Lüneburger  St.  R.  (Kraut)  p.  60:  bei  Verzug  von  14  Tagen 
3  Pfund.  Sachsensp.  I.  54.  §.  2.  Der  zu  zahlende  Zins  wird  beim  Ver- 
zuge verdoppelt.  Kraut,  Grundr.  §.  152.  n.  18  ff.  Grimm.  R.  A.  p.  387. 
Weisthüm.  I.  p.  540.  (Rheing.  L.  R.  §.  17.)  Lüb.  Recht  (Hach.  I.  a.  87.) 
Hamb.  R.  (1270)  II.  3.  (1292)  D.  3.  (1497)  H.  3.  —  Frankf.  St.R.  1.  c. 
cp.  28:  20  Pfennige.  Danz.  Willk.  (1454)  1.  c.  fol.  3,  die  Schoppen  taxi- 
ren  den  Schaden,  der  Gläubiger  darf  die  Taxe  nur  mindern.  —  Rügian. 
Land  gebrau  eh.  1.  c.  Maxiraum  des  Schadensbetrags  ist  die  Höhe  der 
Hauittsumme  —  bei  Adligen ;  bei  Nichtadligen :  1  Pfund ,  mit  einer  Aus- 
nahme: 1.  c.  ti,  151.:  „de  Buhren  mögen  ein  dem  andern  neuen  Schaden 
mehr  alss  ein  Pund  vp  vorborget  Gelt  anschlan,  idt  were  denn  dat 
vorstund  en  einem  Borgen  vor  einen  andern  sin  Pande  de  beter  weren  alss 
dar  de  Borge  vor  gelavet,  den  Schaden  moth  de  Schuldige  betalen ,  so 
dühr  alss  der  Borge  kan  bewiesen  adder  mit  seinem  Ede  will  de  vorka- 
mene  edder  afgespandede  Hafe  werdigen.  Will  sonst  yemand  den  andern 
umb  schaden  besprekeJi  vnd  den  höher  ein  Pund  achten ,  den  moth  he 
bewisen.''  -  -  cf.  aixch  die  Citate  bei  Stobbe,  z.  Gesch.  d.  deutsch.  V.  R. 
p.  34  — 37.  für  die  von  ihm  als  „gesetzlich  fixirto  Schaden.sersatz  - , 
Interesseleistung"  behandelten  Fälle  bei  der  Hausmiethe ,  dem  Arbeits- 
vertrage und  der  Frachtverdingung. 

10* 


148    IV.  2.  Verzugszinsen,   k.  Ersatz  des  Scliadens  ans  d.  Verzuge. 

Allein  gerade  dieser  Umstand  könnte  die  entgegengesetzte 
Annahme  rechtfertigen.  Denn  in  der  Zeit,  als  diese  gesetz- 
lichen Maximalsätzo  bouinnen .  waren  die  Gläubiger  bei  Cre- 
ditgabe  in  Kauf,  Darlehn  u.  s.  w.  wegen  der  vorhin  berührten 
grossen  Unsicherheit  und  Gefahr,  welche  sie  übernahmen, 
nur  zu  geneigt,  bei  dem  allgemein  verbreiteten  Verzuge  von 
vorn  herein  von  den  Schuldnern  bestimmte  hohe  Schadens- 
sätze zu  erpressen.  Die  Untersagmig  ihres  Gewinnes  aus  dem 
Capitalleihen  selbst  musste  sie  noch  mehr  dazu  bewegen.  Der 
Schuldner  -konnte  sich  als  der  Credit-  und  Geldbedürftige 
nicht  dagegen  schützen,  obgleich  er  bei  dem  Darlehen  jener 
Zeit  vielfach  nur  durch  Geldnoth  zur  Aufnahme  desselben 
bewogen  ward.  Hier  von  Gesetzes  wegen  einzuschreiten, 
musste  den  Gesetzgebern  um  so  näher  liegen ,  als  die  Polizei- 
taxen aus  dem  Boden  des  kanonischen  Eechtes  und  seiner  abso- 
luten Werthbestimmung  im  Territorialfürstenthume  vortreif- 
lich  gediehen.  Es  verweisen  hierauf  die  vielen  Klagen  der 
Schuldner  und  Kechtskundigen  jener  Zeiten  über  die  zu  hohen 
Verzugsgewiune  der  Gläubiger,  welche  jedesmal  schon  den 
Keim  neuen  Verzuges  in  sich  trugen ,  ^)  wie  sie  andrerseits  die 
Gläubiger  bei  Schliessung  des  Vertrages  sehr  bereitwillig 
machten ,  auf  den  Fall  des  Verzuges  einzugehen.  Hier  setzte 
man  gerade  ein  bestimmtes  Verhältniss  zwischen  dem  von  vorn- 
herein fixirten  Schadeusbetrage  und  dem  wirklich  eingetrete- 
nen Schaden  voraus. 

Dem  entspricht  auch  der  Wortlaut  der  Q  u  el  1  e  n.  Sie  schei- 
den sehr  wol  die  Strafe  vom  Schadensansatze;  z.  B.  rechnet 
offenbar  zum  Schadensansatze  das  1  ü  b.  E.  ^)  die  erste  Er- 
satzart:  „also  lange  schall  he  eme  penninge  lenen  also  vel," 


1)  Noch  1698  beklagen  sich  die  Adligen  in  Livland  und  Curland  bei 
dem  Könige,  die  Gläubiger  entnähmen  aus  den  Pfandgütern  einen  viel 
grösseren  Gewinn ,  als  das  landesübliche  Interesse  betrage ,  ja  sie  bezögen 
sogar  Interesse  vom  Interesse  und  forderten  ausser  dem  allgemein  ge- 
bräuchlichen Interesse  noch  einen  besondern  Gewinn  für  sich  unter  dem 
Namen  „.Schadensstand."  —  Revaler  St.  K.  U.  p.  366.  —  Jhering, 
Geist  d.  R.  E.  U.  1.  p.  llu.  117.        2)  1.  c.  H.  (Hach)  a.  188. 


rV.  2.  Verzugszinsen,   k.  Ersatz  des  Schadens  aus  d.  Verzuge.     149 

ebenso  die  Dan z.  Willkür  in  der  oben  citirten  Stelle,  nicht 
minder  der  Landgebrauch  von  Rügen,  der  1.  c.  sägt: 
„lede  de  Glöviger  Schaden,  he  mach  Schadepande  köpen, 
vnd   den   Schaden   so  hoch,   als   de  Hovetsumma 
sich  strecket,  und  nicht  höher  anschlalm."  und  danach: 
„neuen  Seh  ade n  mehr,  alss  ein  Puud  vp  vorborget 
Gelt  anschlan"'  —  „will  sonst  yemand  den  andern  vmb 
Schaden  bespreken  vnd  deuhöher  ein  Pund  achten, 
den  moth  he  bewisen."  (1.  an.  Cod.  7,  47.  1.26.  §.  I.D.  12,6.) 
Ebenso  ist  dies  in  den  Quellen  fixirten  Schadensbetrages  der 
Fall,  welche  Stobbe  1.  c.  (S.  147  N.  1)  p.  34. 37.  citirt.  Und  Pur- 
gold t  (Rechtsb.  VIII.  56)  verbietet  wol  gerade  die  Conven- 
tionalstrafe  hierbei  als  Wucher  m  der  S.  142  citirten  Stelle  (da 
das  Geschenk  des  Schuldners  für  die  Prolongation  dieses  aus- 
drückt), während  durch  Auslegmig  derselben  Stelle  in  Verbindung 
mit  andern  seiner  Schrift  eher  zu  folgen  scheint,  dass  er  den 
Ersatz  des  wirklichen  Schadens  im  Verzuge  nicht  missbilligt. 

Dafür  spricht  ferner  die  Eintheilung  der  gesetzlichen  Scha- 
densfixirungeu  je  nach  dem  Stande  der  Parteien ,  insbesondere 
des  Gläubigers.  Eine  Strafe  endlich  —  gesetzlich  oder  ver- 
tragsmässig,  —  welche  die  Höhe  des  -wirklichen  Verzugsscha- 
dens überstieg,  fiel  zweifellos  unter  das  kanonistische  Wucher- 
verbot ;  hiervor  wahrte  man  sich ,  wenn  mau  von  vorn  herem 
die  feste  Summe  als  den  Betrag  des  wirklichen  Schadens 
hinstellte.  Denn  diese  wurde  selbst,  wo  der  Schaden  geringer, 
nicht  wucherlich.  Die  Sicherung  war  um  so  nöthiger,  als  der 
Versuch  der  Bocksdorffschen  Glosse  zum  Sachsenspiegel ,  den 
Fall  der  Verzugs  strafe  von  dem  Wucherverbote  auszunehmen, 
nur  in  sehr  wenige  andere  Rechtsschriften ,  wie  in  den  Layen- 
spiegel ,  übergmg. 

Wie  in  den  bisher  angeführten  Rechtsquellen,  kann  man 
auch  in  den  Schuldur  künden  der  Parteien  selbst  den  Un- 
terschied der  Verzugsstrafe  und  des  Schadensersatzes  ausge- 
drückt finden. 

In  Schöpflin  als.  diplom.  I.  n.  177  (a.  999)  ist  offenbar 
der  Schaden  des  in  dem  emen  Jahre  ausgefallenen  Zinses 
berechnet  durch  das  Fixum : 


150    IV.  2.  Verzugszinsen,   k.  Ersatz  des  Schadens  aus  d.  Verzuge. 

„Qnodsi  prinio  anno  ncijledmn  fmrit ,  secundo  anno  dupli- 
cdur ;  si  autcm  secundo,  tcrtio  triplicetur ,  et  si  in  tertio, 
siniili  ratione  quadrupliceiar."     Nun  die  dann  eintretende 
allgemeine  Vevzugsfolge :  Jam  vero  in  quarto  anno  si  prae- 
dicfn    non   solrnntur,   Argentinensis  ecclesia  praedidam 
ahhatiam  ...  amittat." 
Die  Nachtheile  der  cassatorischeu  Clausel ,  ^)  des  Draufgeldes, 
wo  es  keine  Keupön,   noch  bei  Verzug  in  den  Schaden  oder 
das  Kapital  eingerechnet  wurde,  ^j  gehören  hierher.  Siebezeich- 
nen natürlich ,  da  ausser  ihnen  auch  der  Schaden  des  Verzuges 
ersetzt  wird ,  eine  blosse  Strafe.   Wo  das  Draufgeld  eine  Reu- 
pön,  kann  man  schon  wieder  zweifeln,  ob  es  nicht  vielmehr 
den  Schaden  des  andern  Tlieiles  aus  dem  Rücktritte  des  ersten 
ersetzen,  als  den  letzteren  strafen  soll.    Dieser  Zweifel  wird 
beseitigt,  wenn  wie  im  Danz.Schöppenb.  von  1556.  fl.  69.  die 
Arrha  nicht   an   den  Gläubiger,    sondern   an  die  Hausarmen 
gezahlt  wii'd.  ^)    Die  Strafe   der   cassatorischeu  Clausel  kann 
durch  eine  ausserdem  für  den  Verzugsfall  dem  Säumigen  auf- 
erlegte Geldstrafe  vermehrt  sein,  und  diese  regte  wieder  den 
Zweifel  an,   ob  sie  den  Schaden  ersetzen  sollte,  wenn  nicht 
ausserdem  letzterer  ersetzt  Averden  rausste.  ^) 

In  dem  domiziliirten  Eigenwechsel  mit  3  Personen  (Danz. 
Schöppenb.  1438.  fl.  370.  2)  heisst  es: 

„  vn  off  syn  broder  de  summa  to  rewel  (Reval)  nicht  betalt, 
so  gelovet  goss.  hawepol  hans  schaden  (Remittent)  to  ent- 
richten vn  wol  to  betalen  hir  to  Danczik  uff  Johannis  bap- 
tisten  dach nest  körnende  1  hundert  ger.  mrk.  (die Schuld- 
summe betrug  80  mrk.)  vn  off  her  eynich  schaden  van 
neme ,  gelovet  gosschalck  ut  to  richtende." 
ib.  Schöppenb.  von  1527.  fol.  272.  bestimmt  der  Richter  über 
einen  Zahlungsverzug  beim  Kaufgelde  Ratenzahlung  „  by  der 
pene  van  hundert  m."  (das  Kaufgeld  ist  TIF  mrk.)  „de  h  elfte 
enem  erbaren  Rade  vnde  de  ander  helfte  int  pocken- 
hues,"  bei  Verzug  einer  Ratenzahlung  soll  das  duplum  sortis 


1)  cf.  ob.  sub  g.       2)  cf.  ob.  sub  i.       3)  cf.  ob.  sub  i.  N.       4)  cf.  das 
Citat  bei  der  cassator.  Clausel  oben.   Danz.  Schöiipenb.  1575.   fol.  dS"". 


IV.  2.  Verzugszinsen,    k.  Ersatz  des  Schadens  aus  d.  Verzuge.     151 

gezahlt  werden  ,,poenae  nomine,  qiiae  toties  commlttet, 
quoties  contra  factum  fuerit,"  ausserdem  sollen  Schaden, 
Interesse  u.  s.  w.  ersetzt  werden.  ^) 

Man  ersieht,  wie  frei  vom  kirchenrechtlichen  Wucher- 
verbote das  deutsche  Gewohnheitsrecht  hier  ein  Institut  fest- 
hielt, das,  wie  es  selbst  bei  strenger  Beobachtung  des  emen 
kauonistischen  Generalsatzes  über  den  Wucher  offenbar  einen 
Wucher  in  sich  schloss,  noch  besonders  sich  eignete,  um  unter 
dem  Namen  der  Strafe  —  bei  der  leichten  absichtlichen  Her- 
beiführung eines  Zahlungsverzuges  —  die  Conventionalzinsen 
zu  verdecken  und  zu  schirmen ,  und  diese  Zinsen  waren  hier 
ohne  Grenzen. 

Zweifelhaft,  ob  die  feste  Conventioualsumme  Strafe  oder 
Ersatz  sein  soll,  bleibt  es  in  einer  Urk.  des  Danz.  Arch.,^)  worin 
eine  Geldschuld  von  800  vngerschen  guld.  nach  ^4  Jahren  abzu- 
zahlen gelobt  wird,  doch:  „ab  dy  beczalunge  nicht  geschege 
alse  in  den  obengeschreben  tagen  so  seywir  ym  schuldig 
sechszehun  de  rt  gülden...  (1447)" 

Dagegen  bezeichnen  offenbar  den  Schadensersatz:  Danz. 
Schöppenb.  v.  1557.  fol.  184.  beim  Verzuge  einer  Mehlliefe- 
rung, „vnd  gelobeth  im  darüber  darvor  das  er  sein  korenu  in 
seinem  hause  den  windter  vber  mitli  semem  viehe  auffgefutterth 
hath  vnde  nicht  lieberenn  können,  vor  seinen  schaden, 
vorseumnuss  ader  enthperung  dises  geldes  ein 
ganz  Jarr  czu  geben  1  Va  last  mehll  gebeutelth  guth."  Desgl. 
ib.  Urk.  15,  8.  n.  2.  (1409)  „  127  nohilia  (Nobel)  monete  An- 
gliae  ...  ac  4^  solldos  et  5  denarios  sterliugorum  in  pretium 
solutionis  majoris  summe  mihi  ac  aliis  personis  dicte  ville 
Lenn  de  jure  dehite,  vice  et  occasione  diver  sorum  dam- 
norum  et  grauaminum  per  suhditos  ..  nobis  indebite  fa- 
ctorum  .."  u.  v.  A.  ib.  Schöppenbuch  von  1556.  fol.  96.  „heft 
betugeth  mit  des  vnderrichters  boke  wo  recht  is  dat  he 
hans  kramer  thwir  na  dem  ersten  von  wegen  en  vnde  fvftich 


1)  1556  (ib.)  fl.  69..  1567.  fol.  99-  in  einer  Vollmacht;  ih.  119.  Geld- 
schuldv.  2482  fl.  4  gr.  -  Also  Verzugsinteresse  beim  Kaufi>reis  (1.  13. 
§.  20.  21.  D.  19.  1).  u.  von  (J eidstrafen  (gcgeh  1.  9.  D.  27.  ö)  cf.  oben. 
2)  Missiv.  V.  Hl.  k-'. 


lf>2     TY.  2.  Verzugszinsen,   k.  Ersatz  des  Schadens  aus  d.  Verzuge. 

mrk  gvotli  thogesagedenn  Schadens  tho  bovgerdinge 
laden  hebbe  lathenn  "  —  (trotz  der  oben  citirten  Bestimmung 
iler  Danz.  Willk.  S.  145.)^) 

Diese  Vereinbarungen  bestimmter  Zahlungen  als  wirkli- 
cher Schadensersatz  für  den  Fall  des  Verzuges  sind  nicht 
wucherliche,  sie  behandeln  den  eigentlichen  Ersatz  des  Ver- 
zugsschadens, und  noch  hatten  die  Kirchenrechtslehrer  dem- 
selben keine  andere  Grenze ,  als  die  Höhe  des  zu  ersetzenden 
Schadens  gezogen.  Daran,  dass  hier  das  Gesetz  oder  die  Par- 
teien von  vorn  herein  den  Schaden  taxirten,  fand  man  gemäss 
den  obenberührten  Grundsätzen  nichts  Anstössiges,  noch  ver- 
langte man,  wenn  sich  später  der  Schaden  geringer  erwies, 
eine  Minderung  der  verembarten  Summe. 

Die  Danziger  Willkür,  welche  (cf.  S.  145)  allein  letztern 
Fall  wenigstens  annähernd  berührt ,  ü  b  e  r  1  ä  s  s  t  es  nur  dem 
Gläubiger,  die  von  den  Schoppen  für  den  jedesmaligen  Schaden 
gesetzte  Taxe  zu  mindern ,  indem  sie  vorher  den  Eid  des  Gläu- 
bigers zur  Bekräftigung  fordert,  dass  der  von  den  Schoppen 
taxirte  Schaden  wirklich  der  rechte  sei.  Eine  Inconsequenz 
lag  hierin  immer;  denn  schon  durch  das  Gesetz  konnte  der 
wahre  Schaden  bedeutend  zu  hoch  taxirt ,  vom  Gläubiger  aber 
gar  laut  voraufgegangener  Uebereinkunft  ins  unbilligste  ersetzt 
verlangt  werden.  Und  wie  leicht  zwang  man  den  geldbedürfti- 
gen Schuldner  bei  dem  gefesselten  Credite  zu  dieser  Ueberein- 
kunft ,  so  dass  er  seine  Einrede  in  dem  Prozesse  gegen  die  con- 
traktliche  Schadensfordermig  des  Gläubigers  mit  Kücksicht  auf 
den  germgen  wirklichen  Schaden  nicht  erhob.  Begegnet  doch 
eine  ganze  Zahl  von  Urkunden ,  in  denen  Schuldner  im  Schuld- 
kontrakte bereits  allen  Einreden  gegen  die  Kapitals-  und 
Schadensforderung  des  Gläubigers  entsagt,  dagegen  verheisst, 
ohne  alle  Widerrede ,  daher  auch  ohne  Beweis  des  Schadens 
Seitens  des  Gläubigers  den  vereinbarten  Schadenssatz  zu  zali- 
len,  ja  selbst  denjenigen  Schadenssatz,  der  unvereinbart  vom 
Gläubiger  bei  eingetretenem  Verzuge  gefordert  würde.  ^) 


l)Brünner,  Schöffenb.  109.  „cum  danmis  et  usuris"  (bei  mora). 
N  e  u  m  a  n  n ,  Magdeb.  Weisth.  n.  3.  a.  (1416.)  L  a  c  o  m  b  1  e  1 1.  500  (1185). 
2)  cf.  ob.  sub f.  d.  Citate,  u.  D an z.  Arch.  Missiv.  V.  fl.  255.  u. »s  1454.  Schuld- 


IV.  2.  Verzugszinsen,   k.  Ersatz  des  Schadens  aus  d.  Verzuge.     153 

Diesem  Nothstande  des  Schuldners  zu  helfen  und  den 
wirklichen  Schaden  auf  gesetzlichem  Wege  zum  Ersätze  festzu- 
stellen, bemühten  sieh  die  Gesetze  ausser  dem  bisher  behandel- 
ten einen  Modus  mannigfach  weiter.  Nothwendig  war  dies  noch 
deshalb,  weil  schliesslich  die  Gontrahenten  die  Art  der  gesetz- 
lichen Schadensfixirung  erst  dort  in  Kraft  treten  zu  lassen  pfleg- 
ten, wo  sie  selbst  nicht  einen  Schadensausatz  vereinbart  hatten, 
sogar  in  den  Gebieten,  in  welchen  das  Gesetz  ausdrücklich  nur 
dem  Gesetze  oder  Gerichte  diese  Fixirung  anheimgab.  ^)  Man 
vereinigte  beide  bisher  streitenden  Wege,  hidem  gesetzlich  oder 
conventioual  ein  Fixum  gestellt  wurde,  und  aller  darüber  ein- 
tretende, oder,  falls  solcher  eintrat,  überhaupt  aller  Schaden, 
das  Fixum  mit  eingeschlossen ,  bewiesen  werden  musste.  ^) 

Dieser  Modus  fiel  natürlich  zu  Gunsten  des  Gläubigers 
aus.  Daher  fand  es  geeignetere  Anwendung,  ohne  jedes  Fixum 
vom  Schuldner  allen  bewiesenen  Schaden  ersetzt  zu  fordern, 
indem  man  dem  Richter  hierbei  an  einzelneu  Orten  eine  Minde- 
rung dieser  Forderung  gestattete,  cf.  Freib.  St. R. (1520)  I.e. 


brief  der  Stadt  Danzi^,  iu  der  Noth  des  13  jährigen  preussischen  Städte- 
krieges gegen  den  deutschen  Orden ,  über  429  rurk.  Vin  scot.  auf  1  Jahr, 
„vnd  wcres  Sache  das  wir  dem  gen.  leo  dy  gen.  summa  geldes  uff  dy 
vorben  czeit  alzo  nicht  wurden  vszrichten  vnd  beczalen  das  got  vorhitte 
vnd  her  menigerley  kost,  czerunghe  dorumb  thun  wurde  die  globe 
wir  irab  gleich  der  houptsumme  gutlich  ane  alle  weder- 
sproch  czuvornughen  \m\  czu  willen  czu  beczalen." 

1)  cf.  U.A.  d. Citat  a.  d.  Danz.  WUlk.  1380.  UOO.  1454 if.  (S.  145),  wel- 
ches in  den  späteren  Ausg.  d.  Willk.  fortbesteht ,  dagegen  Schöppenb.  ib. 
von  1527.  fol.  329.  2  . ..  „heft  aver  gemeide  Reinolt  (Schuldner)  arkene 
tosprake  vmme  arkein  gelofihiss  to  dem  hans  (Gläubiger)  dar  goth  eth 
vminewe  recht  ist."  u.  A.  2)cf.  Freiburger  St.  R.  I.e.  (1520)  11.  l.n.3. 
Würtemb.  L.  R.  (1507)  U.  fol.  183.  Wächter,  Handb.  des  Würtcmb. 
Priv.  R.  p.  495.  sächs.  L.  0.  (1572)  J.  Lünig.  cod.  Augusteus.  I.  p.  95. 
a.  30.  Danz.  Schöppenb.  von  1557.  fol.  184.  (die  S.  151  cit.  Mehlliefe- 
rung): „vnde  gelobeth  im  darvber  darvor  das  er  sein  korini  in  seinem 
hause  den  ^vindter  vber  niith  seinem  Adehe  auffgefutterth  hath  vnde  nicht 
lieberenn  können  V 0 r  seinen  schaden  vorseumnuss  adcr  enthpe- 
rung   dises   geldes   ein    ganz   Jarr  czu  gebenn  l'j,  last  mehl 

gebeutelth  guth szo  simon  fricze  yrkeiue  vnkosth  Interesse 

ader  expens  wurde  weitter  darauff  wendenn,   vorwilligcth  sich 
liaus  wesemmel  auch  czu  erstatten  vnd  czu  beczaienu." 


l,')!     IN".  2.  Verzugszinsen,   k.  Ersatz  des  Scliadons  aus  d.  Verzuge. 

„Ob  aber   der   scbuklner  ulV  geschehene  ervorderung.oder 
uff  gesetzte  zil  viul  tagnit  bezalimg  thett,  so  ist  er  die  Schuld 
iiiitsaniptt    z  i  m  1)  1  i  c li  e  n   koste  n  n ,    es   sig    verschrieben 
oder  nit,  zu  beczalen  schuldig,   doch   unser   oder  des 
gerichts  muttmassung  vorbehalten.  ^) 
Danach  gelangte  man  immer  nälier  zu  den  eigentlichen  Ver- 
zugszinsen. Es  bildete  sich  allgemach  ein  fester  Satz  für  den 
Schaden  aus  dem  Zahlungsverzuge  bestimmter  Sunmien.  Daher 
schon  oben  im  F  r  e  i  b  u  r  g  e  r  St.  R.  v.  1 5 20  der  Ausdruck  „  z  i  m  b- 
liche  kosten,"  welcher  sich  in  vielen  Gesetzen  und  Verkehrs- 
urkunden vorher  und  nacldier  findet.  Dies  zog  zunächst  nach  sich, 
dass  nur  ein  Beweis  des  diese  „zimblichen"  Kosten  überschreiten- 
den Schadens,  und,  da  dieser  Schaden  schliesslich  kaum  einmal 
begegnete,  zuletzt  kein  Beweis  des  gewöhnlichen  Verzugsschadens 
mehr  nöthig  erschien.  Zuvor  bietet  sich  dieser  Umstand  bereits 
vereinzelt  bei  besonders  dringender  Geldnoth,  so  in  den  Schuld- 
urkunden (Solawechseln)  des  lübischen  Gesandten  M  o r n e  w e  ch 
an  2  Hamburger  Gläubiger  in  Brügge  (lüb.  Urk.-Buch  I.  n. 
556  —  67  (1290),  wo  er  allen  Schaden  aus  Verzug  den  Gläu- 
bigern auf  ihr  blosses  Wort ,  ohne  Beweis  ersetzen  will.  ^)  — 


1)  Würtemb.  L.  E.  1.  c.  Ger.  u.  L.  0.  v.  Solms.  (1571.)  L.  E.  p.  59. 
Danz.  Arch.  Urk.  15. 3.  (1394).  -  Schöppenb.  ib.  v.  1426.  Ibl.  27.  4.  229. 4. 
—  V.  1430  (ib.)  fol.  287.  1.  allgem.  b.  Verzug:  „so  gelovet  he  mer  to 
bctalende,"  ib.  358. 4.  ,,so  gelovet  N  (Schuldner)  vor  denselbigen  borgen  en 
schadelos  to  holdende."  v.  14.35  ib.  fol.  71,  1.,  v.  1438  fol.  368. 1.  —  ib. 
Missiv.v.  1430.  (I.)95.  e'j.  „dat  he  (Schuldner)  zu  betalunge  syner  schulde 
vnn  like  rekeuscop  vn  vorrichtunge  van  S3nen  entbarn  gudn  do,  vn  forder 
neen  vortoch  oft  hinder  dar  inn  en  make  dar  mede  de  vorgen.  scadeu  vn 
hinder  enkarae  vn  den  scaden  vn  hinder  den  he  darvan  heft ,  na  verschri- 
vunge  synes  breves  vn  segels  vp  richte  vn  wedder  lege.  —  ib.  104.  y'. 
Missiv.  11.  1432.  fol.  34.  c*.  bei  Wechseln.  —  ibid.  Schöppenb.  von  1575. 
fol.  119.  Ausser  einer  Strafe  „  insuper  promitto  per  me  et  heredes  meos 
reßcere  et  restituere  sibi  suisque  heredibus  et  harum  detentori  omnia  et 
singula  danma  expensas  ae  interesse ,  quae  et  quas  fecerit  vel  sustinuerit 
in  judicio  sive  extra  vel  alias  qtwcunque  modo  pro  ip)sa  pecuniaexigenda." 
Diplom.  Beitr.  z.  Gesch.  Pommerns,  ed.  Klempin.  (Berl.  1859.)  1491. 
p.  139.  u.  V.  A.  2)  cf.  auch  Pauli,  lüb.  Zust.,  Lüb.  1847.  —  Sarto- 
rius-Lappenberg,  1.  c.  IT.  Urk.  CXXUI«.  (1.312).  —  cf.  ob.  sub  f.  die 
Citate,  worin  der  Schuldner  allen  Einreden  gegen  Hauptgclds  -  und  Scha- 


IV.  2.  Verzugszinsen,  k.  Ersatz  des  Schadens  aus  d.  V^erzuge.     155 

Schliesslich  wendete  man  hierbei  sogar  die  Bezeichnung 
der  Prozente  an,  da  thatsächlich  bereits  der  Uebergang  zu 
den  Verzugszinsen  gemacht  war,  welche  den  verschiedenen 
Kapitalbeträgen  und  der  verschiedenen  Zeitdauer  sich  anpass- 
ten.  Vereinzelt  geschah  dies  bereits  früh,  z.  B.  1214.  bei  La- 
comblet,  1.  c.  IT.  n.  47.  bei  einer  Schuld  des  Erzbischofs 
von  Cöln : 

behn  Verzuge   „extunc   de  singulis  nundinis  in  nundinas 
pro  sinyidis  C  marcis  X  marcas  pro  recompensatione  dani- 
norum  pcrsolvcre  tcnemur"  — 
und  bei  Niesert,   1.  c.  IL  p.  288.  n.  96  (1266)  versprechen 
die  Bürgen : 

„qtiod  qjsi  dcfectnm  si  quem  evenire  conüngeret  in  terminis 
antedidis,  supplehunt  sah  accessionc  judaicarum  usurarum 
post  VIII dies  a  quolibei  termino  premissorum."  ^)  cf.V.  4.  c.  d. 
Dazu  fülirte  insbesondere  das  allgemein  übliche  Vorbild  des 
Rentenkaufes  (cf.  V.  3.  b.  u.  d) ,  indem  man  den  Verzugsscha- 
densersatz äusserlich  in  eine  Zahl  von  Renten  auflöste ,  welche 
der  Gläubiger  scli einbar  durch  das  Darlehn  der  Hauptsumme 
gekauft  hatte.  Zunächst  geschah  diese  Umwandlung  des  Dar- 
lehens in  den  Rentenkauf  noch  mit  scheinbar  voller  Anwen- 
dung der  Natur  des  letzteren.  Die  Probe  wiederholte  sich  unter 
Andern  in  der  Noth  der  preussischen  Städte  nach  dem  13  jäh- 
rigen Städtekriege  gegen  den  deutschen  Orden  1454 — \!>& ,  wo 
Danzig ,  da  es  die  Unzalil  der  aufgenommenen  Darlehen  nicht 


densforderung  des  Gläubigers  entsagt,  desgl.  ob.  cit.  Missiv.  V.  255.  n.'^ 
(1454)  —  und  D  a  n  z.  Arcli.  Urkk.  Königs  Sigismund  von  Polen.  1563. 
14.  April.  „  guam  quidem  summam  —  mia  cum  eo  quod  interest  nimirum 
ab  uno  quoqiie  centenario  Septem  taleros."  Wenn  in  dem  Termine  nicht 
gezahlt  wird,  „extunc  nos  de  alio  certo  solutionis  termino  cum  praedictis 
fratribus  (Loitczen ,  den  Gläubigern  in  Stolpj  conuenire  ijtsisque  cautio- 
nem  su/ßcientem  in  qua  Uli  tuto  ncquiescere  poterint ,  daturos  et  assig)ia- 
turos  obligamus."   cf.  S.  148.  N.  1  (1G98.) 

1)  Dahin  dürfte  auch  gezählt  werden  Sartorius,  1.  c.  I.  Handel  mit 
Norwegen,  wo  1288  Herzog  Hakon  sieben  Hansestädten  verspricht,  er 
werde  iliiien  zum  Ersätze  des  Verzugsschadens  für  das  ihm  geliehene, 
riickständige  Geld  die  jälirlichcn  Abgaben  des  Heringsfanges  erlassen  bis 
zur  Ilückzahlung  des  Geldes. 


löc;     IV.  2.  Verzugszinsen,   k.  Ersatz  des  Sduulons  aus  d.  Verzuge. 

abzahlen  konnte ,  einmal  seinen  Bürgern  zumuthet ,  ihre  For- 
dernnu'en  an  die  Stadt  7ai  löschen,  ja  selbst  die  Forderungen 
fremder,  ungeduldiger  Gläubiger  zu  diesem  Zwecke  an  sich 
zu  bringen ,  sodann  dort ,  wo  diese  Zumutliung  an  der  man- 
gelnden Vaterlandsliebe  der  Bürger  scheiterte,  seine  Gläubiger 
wenigstens  zwingt ,  die  längst  talligen  Darlehen  der  Stadt  als 
Eentenkapitalien  zu  lassen.  ^)  Auch  sonst  begegnet  es  nicht 
selten  z.  B.  Danz.  Arch.  Schöppenb.  v.  1528.  fol.  604.  (Dar- 
lehn von  50  mrk.  auf  beliebigen  Widerruf) : 

„wil  he  aver  zolcke  L  mrk.  lengher  vortinzen  so  zal  solk 
gelt  vp  zin  erve  vnde  eigen  vorschreven  werden  vnde  dat 
zol  er  ym  vortjnzen  na  lanthrechte."  -  cf.  V.  3.  d. 
Daher  lag  es  um  so  näher  —  was  unten  IX.  1.  weiter  ausge- 
führt wird  —  dass  die  Reichsgesetze  seit  1530,  wie  die  Gesetze 
der  Emzelstaaten  jener  Zeit,  den  Zinsfuss  der  Rente  mit  5% 
da  er  allgemein  üblich,  auch  auf  die  Verzugszinsen  ausdehnten, 
aber  mdem  auch  hier  der  Gesetzgeber  von  der  Annahme  aus- 
ging ,  beim  Zahlungsverzüge  sei  der  Schadensbetrag  als  Rente 
durch  das  Kapital  angekauft.  Diese  Annahme  musste  sich  leicht 
bieten,  da  der  Rentenkauf  allgemach  (cf.  V.  3.  b.  d.)  ganz  seine 
rechtliche  Natur  geändert  und  dem  zinsbaren  Darlehn  sich 
durchaus  genähert  hatte ,  unter  voller  Beseitigung  seines  Real- 
charakters. ^)  Im  Verkehre  selbst  aber  griff  nun  die  Anwen- 
dung dieser  Verzugszinsen  natürlich  immer  weiter  um  sich, 
indem  letztere  nur  dadurch  noch  an  den  früheren  Verzugs- 
schaden und  dessen  Fortbildung  erinnerten,  dass  sie  oft  weit 
über  das  neue  gesetzliche  Fixum  der  5%  hinaus  von  den  Par- 
teien vereinbart  und,  gemäss  dem  höheren  Prozentsatze  der 
Conventional/insen  des  Darlehns  (cf.  IX.  1.  2.)  auch  von  den 
Partikularrechten  gebilligt  wurden.  ^) 


1)  cf.  Hirsch-Vossberg,  Weinreiclis  Dauziger  Chronik  p.  4.  u. 
N.  1.  p.  40.  2)  cf.  auch  Walter,  System  d.  D.  P.  R.  §.  269.  3)  cf. 
Schuldurkunden  des  Königs  Sigismuud  v.  Polen  (Danz.  Arch.  bibl.)  1557 
bei  Verzug  „MMa  c Mm  Interesse  sex  pro  centum."  ib.  Schöppenb. 
V.  1578.  fol.  181''.  Zahlt  Schuldner  am  bestimmten  l'ermine  nicht,  so 
,. wolle  er  es  Ime  Jherlichs  verzinsen"  ohne  weitere  Bestim- 
mungen, ib.  Urk.  13205.  (1611.)  Ein  lübeckcr  Kaufmann  hat  an  einen 
Danziger  Comuiissioushändler  für  ein  Darlchn  „oh  levem  et  exiguam 


IV.  2.  Yorziio-szinson.    k.  Ersatz  des  ScIkkIlmis  aus  d.  Verzuge.     157 

Leilit  man  vertretbare  Sachen,  so  vereinbaren  Parteien, 
im  Verzuge  muss  Schuldner .  wenn  der  Preis  indess  gestiegen 
war.  dennoch  die  geliehene  Quantität  derselben  unvermindert, 
dagegen  bei  gesunkenem  Preise  die  zu  der  geliehenen  fehlende 
Quantität  ergänzen.  Dort  also  entscheidet  das  Maass,  hier  der 
Werth.  *)  Seltner  muss  laut  Verabredung  der  während  des 
Verzuges  höchste  Preis  der  Waare  -  wie  im  römischen  Hechte 
—  entrichtet  werden.  ^)  Hierneben  indess  behandelte  man  die 
Waarenlieferung  gleich  dem  Gelddarlehen  im  Verkehre  und 
wendete  deshalb  die  oben  aufgefülirten  Bestimmungen  über 
den  Schadensersatz  im  Verzuge  auch  auf  <lieses  Rechtsgeschäft 
an ,  wie  schon  das  oben  -wiederholt  citirte  Beispiel  der  Mehl- 
lieferung ^)  zeigt.  Hierzu  veranlasste  die  Parteien  der  Gebrauch, 
dass  bei  dergleichen  Lieferungen ,  besonders  der  Eohprodukte 
aus  den  Hinterländern  der  Hansestädte  der  Kaufpreis  ganz 
oder  zum  Theil  vorausgezahlt  werden  musste;  dieses  Geld 
sah  man  als  Darlehn  an .  welches  in  den  zu  liefernden  Waaren 
zurückgezahlt  wnirde ,  so  (statt  vieler  Citt.)  in  der  obigen  Urk. 
von  1557:  „borgeth  deme  hans  wszemmel  101  fl.  3  gr.  bis  auft" 
negst  kommende  Michaelis,  also  danne  gelobeth  hans  wszemmel 
deme  suu.  fr.  zu  beczalenn  mith  barem  gelde  de  101  fl.  3  gr. 


moram  zwölff  von  iczlichen  h  und  orten  vndt  dan  anderthalben 
gröschen  in  der  wexell  vf  den  thaler  jjj'ö  interesRe  darneben  erlegen  müs- 
sen." —  Der  Lübecker  beklagt  sich  darüber  sehr  an  den  Danziger  Rath 
„zumal  vnfreuntltlich ,  dass  S.  Erb.  w.  (Gläubiger)  mir  bey  heller  vndt 
Pfenning  hauptstuell  vncosten  vnd  auffgeschlagenes  hohes  ja  ouch  vnbilli- 
ges  Interesse  gleichsamb  abgenötiget."  Die  Klage  Hinsichts  der  Unko- 
sten, d.  h.  des  Schadensersatzes  aus  dem  Verzuge  ist  wol  unbegründet, 
da  die  Danz.  Willk.  v.  l.WO.  (Danz.  Arch.  bibl.X.4)  in  cp.X.  fol.  129.2. 
ausdrücklich  für  Conveutionalzinsen  von  Darlehen  auf  ,,  blosse  Handt- 
schrift"  (d.  h.  nach  der  Ueberschrift  des  art.:  Wechsel)  unter  KauHeuten 
bei  Frist  „  von  etliche  Monatt"  12  Prozent  gestattet. 

1)  cf.  Solmser  L.  0.  1.  c.  ]».  ö9. ,  entsprechend  der  Pfälzer  ]y.  0. 
(1581)  II.  2.  p.  3  u.  Bad i sehen  L.  0.  (1622)  p.  73.  Nach  der  verschie- 
denen Dauer  des  Verzuges,  und  danach,  ob  der  Gläubiger  oder  nur  der 
vereinbarte  'J'erniin  zur  Zahlung  gemahnt  hatte,  wird  die  Verzugsleistung 
des  Schuldners  genau  abgemessen.  2)  z.B.  Würtemb.  L.  R.  von 

1597.  II.  fl.  181.  3)  Danz.  Schöppenb.  v.  1557.  fol.  184.  n.  1.  S.  151, 

wobei  Kapital  und  Verzugszinsen  gleichartig.  1.  16  sqq.  Cod.  4,  32. 


lös     IV.  -2.  VtM'ziigs/.iiison.    k.  Ersatz  dos  Schadens  aus  d.  Verzuge. 

initli  koviio  adov  mitli  iiR-lilc,   wie  es  marcktgaiick   dassmall 
ist  ader  sein  wurthe." 

Unter  dem  zu  ersetzenden  Schaden  begriff  man  sämmt- 
1 1  «.■  li  e  Naehtheile ,  Avelclie  den  (iliiubiger  aus  des  Schuldners 
Verzuge  betroffen;  die  Ausdrücke  dafür  umfassen  alle  kost, 
schaden,  therunge  u.  s.  w.  Danz.  Schöppenb.  1528.  fol.  518. 
,.alle  vnd  iczlike  Interesse  hinder  vnde  schaden  so 
en  deel  vpt  ander  vorgedachter  orsacken  halven  adder  zust 
vorderen  ader  anstellen  mochte."  Insbesondere  scheint  man 
hiermit  Interesse  das  lue r um  cessans  gegenüber  dem 
d a m  n u  m  e m  ergens  als  „schaden"  bezeichnet  zu  haben, 
abgesehen  von  dem  sogleich  zu  erörternden  Begriffe  des  Inter- 
esse ausserhalb  des  Verzuges,  Die  Schuldner  überbieten  sich 
förmlich  in  dem  Eifer ,  durch  einen  Schwall  von  umfangreich- 
sten Worten  den  Gläubiger  ihrer  unbegrenzten  Ersatzpfliclit 
zu  vergewissern ,  und  die  Ausbildung  und  Ausdehnung  des 
Interesse  bei  der  ContraktserfüUung  ohne  Verzug  (cf.  IV.  3.) 
war  hierbei  gewiss  von  wesentlichster  Wirkung,  Wenn  nun 
der  Gläubiger  seines  Geldes  zur  Zeit  der  Säumniss  des  Schuld- 
ners so  dringend  bedurfte,  dass  er  die  schliessliche  Kückzah- 
lung  nebst  Schadensersatz  nicht  abwarten  konnte ,  lag  es  nahe, 
sich  das  Kapital  von  andern  Leuten .  insbesondere  den  (cf.  u. 
V.  4.  5.  d.)  dazu  in  den  Städten  angesessenen  Bankiers,  näm- 
lich den  öffentlichen  Wechslern  und  Juden,  gegen  Erfüllung 
der  von  diesen  gesetzten  Bedingungen  oder  Zinsen,  welche 
das  Gesetz  ihnen  zu  fordern  erlaubte,  zu  leüien.  Dass  der 
Schuldner  auch  diese  Mehrausgaben  des  Gläubigers  sämmtlich 
ersetzen  musste ,  folgte  nicht  blos  aus  obigen  so  umfassenden 
Ersatzausdrücken .  sondern  schon  aus  den  allgemeinen  Ge- 
setzen über  Schadensersatz  des  kanonischen  und  deutschen 
Rechtes.  Einzelne  der  deutschen  Eechtsquellen  behandeln 
diesen  Fall  eingehend  unter  der  Bezeichnung  „schaden 
nemen,  stih  usura  vel  damno  conquirere,"  insbe- 
sondere die  süddeutschen,  weil  sich  letztere  enger  an  das 
auch  dieses  Geschäft  berührende  kanonische  Recht  anschliessen 
(c.  2,  3  X.  3.  22  d.  fidejuss.  „  a  creditorihus  molestias  pertu- 
lisse  et  debitum  (antiquum)  augmentatum"  (cf.  u.  „1."),  und 


IV.  2.  Verzugszinsen,   k.  Ersatz  des  Scliadens  aus  d.  Verzuge.     159 

weil  in  Süddeutschland  bei  zeitig  regem  Geldverkehre  und  der 
Nähe  Italiens  und  Süd  -  Frankreichs  die  öffentlichen  Wechsler 
häufiger,  als  in  Norddeutschland  begegnen,  (cf.  Y.  5.  d.)  Man 
sehe  die  hauptsäclilichen  Stadtrechte  Süddeutschlands,  in 
denen  das  Institut  meist  eingehend  behandelt  wird,  u.  a.  Wie- 
ner St.  R.  (Rauch,  1.  c.  III.  p.  151,  221.): 

„  sol  ain  man  dem  andern  icht  gelten  auf  ain  tag  vnd  lobt 
im  das,  was  er  schaden  nem  für  denselben  tag 
vor  piderleuten  (cf. sogl. u.),  den  well  er  im  abtun  gegen 
Juden  oder  gegen  kr isten,  vnd  gibt  im  dar  vber  niclit 
wann  der  tag  kumbt ,  so  sol  er  nemen  zween  piderman  vnd 
gehin  haim  hincz  im  vnd  voder  sein  gelt.  Gibt  er  im  icht,  so 
hals  in  mit  im  gen  hincz  den  Juden  das  er  im  pfennig  da  ge^vj' nne. 
Vodert  er  das  oder  das  er  sein  haim  nit  vindet,  so  sol  er 
gen  hincz  den  Juden  vnd  sol  sprechen  czu  gegenwart 
piderleut  (der  Beweis  musste  wegen  der  Zinsen  beson- 
ders nöthig  sein) ,  die  pfennig  nym  ich  heut  auf  des  pider- 
mans  schaden  vnd  nenn  auch  den  man  vnd  pit  auch  die 
piderleut  des  czu  gedenckhen,  vnd  piet  seinn  gelter  dar 
nach  für  vnd  clag  auch  des  ersten  vmb  das  haubt  guet  vnd 
meld  auch  den  schaden  ze  stat.  Stet  er  des  haubtguets  an 
langen ,  das  nem  zu  ainem  rechtn  tag ,  laugent  er  im  des 
Schadens ,  so  piet  im  dar  nach  fm  vnd  gezeug  das ,  das  er 
im  gelubt  hat ;  als  er  dan  das  bewert,  so  mues  der  .lud  sagen 
bey  seinen  trauen  vnd  bey  seiner  er  das  er  die  selben  pfen- 
nig auff  des  mamies  schaden  hab  geliehn  desselben  tags  vnd 
nennen  ouch  den  man  vnd  den  tag  vnd  bewert  er  das  also, 
so  sol  der  gelter  dem  clager  sein  pfannt  ledigen,  get  aber 
im  an  dem  gezeug  ab,  also  das  er  nicht  bewärt  vmb  den 
schaden  vnd  als  er  sich  vermessen  hat ,  so  geh  den  schaden 
selb  vnd  das  wandel. 

p.  221.  Man  verpfändet  ein  Erbpachtsgut  (Burgrecht, 
wicbilde)  unter  dem  Versprechen  „welchen'  schadenn  des 
der  lechner  uem  datz  Juden  oder  datz  kristen ,  den  well  er 
im  ablegen,  das  gelub  hat  ain  tail  nicht  krafft,  wann  ain 
krist  kainen  schaden  pessert  den  hincz  den  Juden,  nymbt  der 
lechner  aber  sein  guet  datz  den  Juden ,  als  der  tag  kumbt, 


160  IV.   2.  Verzngszinsi'ii.   1.  Büi'gscliaft. 

das  im  »lev  entnemcv  0(1(M"  der  gelter  wern  sol  vnd  der  wil 
mit  im  hinc/  den  Juden  nicht,  so  sol  der  lechner  dem  purgk- 
herrn  mit  des   hannt  im   das   purgkrecht  verseczt  ist  vnd 
zween  ander  piderman  vnd  nem  das  guet  zu  den  Juden  auf 
das  erbe  seines  gelter  zu  schadenn  der  im  dasselb  erbe  ver- 
seczt habe  vnd  benenne  ouch  den  bey  seinen  rechten  namen 
vor  den  Juden  vnd  vor  den  kristen,  und  wenn  da  also  lang 
gesuech  dar  auff  get  das  in  des  tunck  ob  er  es  lenger  lasse 
sein  vnd  sten ,  er  verlies  sein  pfant  zu  sambt  dem ,  das  im 
da  stet,  soll  er  ihn  beklagen,  das  er  im  sein  pfimd  ledi- 
gen sulle  vnd  dem  Juden  für  so  vil  pfeunig  als  er  da  geno- 
men  hat."   Andernfalls  kommt  das  Pfand  zum  Vorkauf. 
Das  Institut  musste  nicht  wenig  dazu  beitragen ,  die  Conven- 
tionalzinsen  von  Juden  und  Wechslern  in  den  Verkehr  über- 
haupt überzuleiten ,  da  insbesondere  der  vorschiessende  Kapi- 
talist nur  gegen  den  Gläubiger ,  dieser  nur  gegen  den  Schuld- 
ner Kapital  nebst  Zinsen  einklagen  könnt»:" .  und  so  der  Gläu- 
biger in  die  Lage  kam ,  trotz  des  Wucherverbotes  gestattete 
Couventionalzuisen  als  Verzugsschaden  vom  Schuldner  gericht- 
lich zu  erstreiten ,  während  doch  Keiner   der  Beiden   zu  den 
für  Conventionalzinsen  privilegirten  Personen  gehörte.  ^) 

1.   Die   Bürgschaft. 

Eines  der  am  meisten  von  dem  Gläubiger  angewandten 
Mittel ,  sich  gegen  die  thatsächliche  und  rechtliche  Unsicher- 
heit des  deutschen  Verkehrslebens,  speziell  gegen  die  Zah- 
lungssäumniss  des  Schuldners  zu  schirmen,  war  das  Hervor- 
rufen von  Bürgschaftsverträgen  des  Schuldners  mit  einem 
oder  mehreren  Bürgen  in  einfachem  ßürgschaftsverhältnisse 
oder  zu  gesammter  Hand.  Hier  kann  dieses  Rechtsinstitut 
natürlich  ebenso,  wie  seine  Vorgänger,  nur  so  weit  es  das  Gebiet 
der  Verzugszinsen  und  des  Wuchers  allgemein  berührt,  betrach- 
tet werden.     Bereits  vorn  ist  bei  den  einzelnen  bisher  behan- 


1)  cf.  das  Allgemeine  über  „Schaden  nehmen"  bei  Stobbe,  z.  Gesch. 
d.  D.  V.  R.  p.  40  —  49,  der  auch  aus  Mitteldeutschland  einen  dergleichen 
Fall  citirt  aus  Petri  de  Hallis  Summa  n.  62.  (1277.) 


IV.   "2.  Verzugszinsen.   1.  Biiigscliaft.  161 

delten  Theilen   des  Zmswesens  eiiie  Reihe  von  Verbindungs- 
punkten derselben  mit  der  Bürgschaft  hervorgehoben. 

Dom  Gläubiger  gegenüber  liaftet  der  Bürge  natürlich, 
wenn  nicht  ausdrücklich  etwas  Anderes  vereinbart  worden, 
nur  für  rechtzeitige  Zahlung  des  Kapitales ,  er  vermeidet  eben 
den  Schaden  des  Gläubigers  aus  des  Schuldners  Säumniss. 
Bürgte  der  Bürge  dagegen  auch  für  den  Schaden ,  so  war  dies 
sein  Kapital,  seme  Hauptschuld,  cf.  auch  revid.  lüb.  ß.  (Hach) 
IL  a.  166.  m.  5.  a.  1. 

„wird  einer  zum  bürgen   geseczt  vor  schuld  auff  gewisse 
zeit,  der  bürge  mus  auf  den  fal  der  nilithaltung  die  schuld 
bezalen ,  vor  den  schaden  aber  darf  er  niht  autwerten ,  son- 
dern der  principal  mus  denselben  gelten  vnd  richtig  machen, 
es    were    dann    ein    anders    ausdrüklichen    paciscirt    vnd 
bedinget." 
und  lüerbei  macht  es  keinen  Unterschied,  ob  die  Haftung  des 
Bürgen  für  den  Schaden  aus  des  Schuldners  Verzuge  speziell 
vereinbart  war ,  oder,  wie  bei  der  Bürgschaft  zur  gesammten 
Hand,  aus  dieser  selbst  gemäss  dem  dies  interpellat  des  deut- 
schen Rechtes  folgte.  ^)     Vom  Schuldner  aber  ist  der  Bürge 
als  anderer  Gläubiger,  falls  er  für  jenen  zahlte ,  die  von  ihm 
gezahlte  Hauptsumme  und  allen  Schaden ,  den  er  ohne  eigene 
Schuld   in  Vollziehung   seiner  Bürgschaftspflicht   sich    zuzog, 
durdi   seinen   Regress   ersetzt   zu   fordern   befugt.     Das  war 
durch  die  Billigkeit ,  durch  die  Natur  des  Rechtsverhältnisses 
und   sogar   unter   den   Bestimmungen   des  kanonischen  Wu- 
cherverbotes  als  Ausnahme  von  letzterem  durch   die  Päbste 
geboten. 

Der  Regress  hat  im  deutschen  Rechte  ohne  Cession  unbe- 
dingt für  den  Bürgen  statt.  1.  Burg  und,  add.  I.  9.  Goss- 
larer  St.  R.  (Gösclien)  p.  77.  In  cp.  2.  X.  3,  22.  d.  fidejuss. 
heisst  es  nur  allgemein:  „moncatis  cot^äem  (dcbltorcs) ,  iit 
mcmorato  R.  pccuniam,  quam  pro  eis  solnit;  restifunnt  ipsion- 
qite  serucnt  indcmncm  . . .  faciatis  dchita  exsolui  et  dittutiKi 
etiam,  quae  propter  hoc  perttdit,  resarciri..."    Dagegen  in 

1)  cf.  Prager  St.  R.  n.  125.,  Bamberger  St.  R.  a.  233. 

iN  cum  .lim,  Gesch.  d.  Wuchers.  11 


1(;"2  TA".   2.  Vcrzugszinson.    1.  Eihg-sdiafl. 

q).  ;;.  ih.  bespricht  Lucius  III.  gerade  die  vorliegende  Frage 
(1180)  , —  quam,  quid  usque  modo  dchifor  non  pcrsohit,  sc 
iisscrit  pliD'lmas  a  crcdltorihüs  liononlcn.  molc- 
stias  pertulissc,  et  dchltum  augrnentatum  ...  spä- 
ter: ..dchitam  vd  acccssioncs."  Just.  Heim.  Böhmer,  corp. 
j.  cau.  ad  h.  I.  n.  14.  erklärt  diese  Worte:  „Äuymentmn  dehiti 
sine  dubio  ex  mora  dehitoris,  j}ropter  quam  id  quod 
int  er  est  pcti  poterat:  suh  quo  tarnen  tegehantur  ut  plu- 
rimum  usurac  quod  dcinceps  acccssionum  nomine  venit.  Non 
igitur  prohahile  est,  hac  appellatione  pontifieem  consuetas 
intellexisse  usuras."  Allein  diese  Erklärung  scheint  unrich- 
tig. Denn  der  Bürge  haftete  entweder  niclit  für  diese  Ver- 
zugszinsen, oder,  wenn  er  haftete,  waren  Kapital  und  Ver- 
zugszinsen zusammen  für  ihn  Hauptschuld.  Daher  könnte 
durch  diese  Zinsen  das  dohitum,  nicht  aiigmcntatum  seüi.  Viel- 
mehr liegt  hier  der  eben  erörterte  Fall  des  Schadenuehmens 
oder  em  ähnlicher  vor ;  der  Bürge  erleidet  durch  des  Schuldners 
Säumniss  Schaden,  indem  er  auf  Drängen  der  Gläubiger  sich  zu 
seinem  Nachtheile  unter  Opfern  Geld  leihen  muss.  Deshalb 
wurden  diese  Stellen  oben  dem  „  Schadenuehmen "  beigefügt 
und  konnten,  wie  in  I.  dieser  Schrift  gezeigt  ist,  das  Funda- 
ment aller  Schadensersatzforderung  aus  Contrakten  im  kano- 
nischen Rechte  bilden.  ^)  Genau  so  steht  es  bei  den  mehreren 
Bürgen  zu  gesammter  Hand,  wenn  einer  derselben,  die  nur 
pro  rata  prinzipaliter  haften ,  mehr  als  seine  Rate  leistete  und 
nun  die  Mehrzahluug  so  wie  den  dadurch  ohne  seine  Schuld 
erlittenen  Schaden  nicht  von  dem  eigentlichen  Schuldner ,  was 
ihm  frei  blieb,  sondern  von  den  andern  Gesammtbürgen  ein- 
forderte. ^) 


l)cf.  Brüniier  Scliöffeiib.  153.  Dithmarser  L.  R.  a.  210.  Willk. 
V.  14«0.,  IL  Dithm.  L.  R.  a.  195.  §.2.  Stobbe,  1.  c.  p.  130.  2)  Brunn. 
Schöffenb.  129.  131.  Augsburger  St.  R.  c.  389.  Walch,  1.  c.  p.  386. — 
„und  in  welchen  schaden  der  komt  (der  unter  den  Gesammtbürgen  in 
Anspruch  Genommene) ,  desz  sind  im  di  schuldig  abzutun ,  di  mit  im  bür- 
gen sein,  wan  si  vnverscheidenlich  bürgen  sein  mit  enauder."  Bremer 
R.  1303.  Ürd.  127  (Oelrichs  p.  140.) 


r\'.   3.  Interesse,   a.  Ersatz  des  erlittenen  Schadens  etc.  163 

3.    Das  Interesse  bei  erfülltem  Vertrage. 

a.   Ersatz    des   erlittenen   Schadens.     Verschiedene   Berech- 
nung desselben. 

Kapitalsnutziing  7a\  vergüten,  verbot  das  kanonische  Recht ; 
doch  Scliaden ,  Aufwand ,  Kosten  zu  erstatten ,  die  dem  Gläu- 
biger durch  das  Darleihen  selbst  ohne  Schuld  und  Fahrlässig- 
keit des  Schuldners,  oline  Verzug  oder  Zufall  er-vvuchsen,  geneh- 
migte es.  Die  Zmsen  erlaubte  man  daher,  das  Wucherverbot 
machte  den  Namen  derselben  nur  umfassender. 

So  hatte  das  deutsche  Recht  um  so  weniger  Ursache, 
gegen  diesen  von  der  Billigkeit  überall  gebotenen  Ersatz  des 
Schadens,  welchen  der  Gläubiger  aus  dem  Hingeben  von  Kapi- 
tal selbst  erlitt,  gewaltsam  einzuschreiten.  ^).  Seine  Bestim- 
mungen über  den  Schaden  allgemein,  welche  insbesondere 
oben  in  IV.  2.k.  vorgeführt  wurden,  beziehen  sich  nicht  min- 
der auf  diesen  Schaden  aus  dem  Hmgeben  des  Kapitales  selbst, 


1)  Die  Frage  über  den  Ersatz  des  Schadens ,  der  während  der  Dauer 
des  Vertrages  durch  Zufall  das  hingegebene  Kapital  betroffen ,  gehört 
allgemein  nicht  zum  Tliema.  Zu  erwähnen  ist  die  auf  die  unansgebildeten 
Kechtsvorstellungen  und  den  mangelnden  (ieldverkehr  zuriickzufühi-ende 
Anschauung  einzelner  Volksrechte ,  dass  das  dargeliehene  fungible  Kapi- 
tal, insbesondere  das  Geld  nicht  fungibel  sei ,  sondern  in  seiner  Indivi- 
dualität in  des  Schuldners  Vermögen  bleibe,  daher  auch  liier  dieses 
bestimmte  Kapital  Schaden  erleiden  könne.  So  sagt  die  lex  Frisionum 
addit.  sapient.  ti.  XI.  de  re  praestita.  „Si  homo  alii  equum  siitim 
])ra€Stiterit  vel  quamlibet  aliam  pecuniam,  talem,  qualis  ei 
j)ruestita  est,  reddat  domino  ejus,  et  si  forte  pejoratum  reddiderit ,  com- 
ponat  ei  juxta  quantitaiem ,  qua  rem  ejus  impejoravit."  1.  Wisigoth. 
V.  5.  §.  4.  „si  quis  pecuniam  suh  conditione  susceperil ,  daiurus  usuras, 
si  per  casum  pecunia  jjerierit ,  non  culpa  auf  nefjlifjentia  debiioris :  ille 
qui pecuniam  comm  odavit,  solam  pecuniae  summam  recipiui  ei  non 
requirat  iiswas  ...  Qnod  si  aliqua  lucra  est  ex  ea pecunia  co}iseqnutus 
et posiinodum  coniingat ,  ut  pecu/nia  p)ereat ;  si  tanta  sunt  lucra,  quanta 
pecunia  fuit,  et  pecuniam  et  usuras  restituat."  Man  sieht,  wie  der  west- 
gothische  Gesetzgeber  bei  seinem  Streben,  recht  logisch  scharf  zu  sclioi- 
den,  in  die  offene  Grube  der  vom  Leben  abgetrennten  Gesetzmacheroi 
lallt.  Das  Wesen  des  Darlehns  und  der  Zinsen  fasst  er  unriclitig ,  das  der 
letzteren  besonders  einseitig  auf.  Uebrigens  stehen  diese  Sätze  ver- 
einzelt da.  — 

11* 


IGi         IV.   ;>.  Intovosso.    a.  Ersatz  des  orlitteiicn  Sclmdons  etc. 

als  auf  denjenigen  aus  des  Schuldners  Verzuge.  Auch  für 
diesen  Sidiadon  ist  oben  die  Frage  erwogen,  ob  der  Hingabe- 
vertrag des  Kapitales  an  sich  hii  deutschen  Kochte  für  den 
Schuldner  die  Pflicht ,  allen  Schaden  zu  ersetzen ,  begründete, 
oder  ob  zu  dieser  Begründung  die  ausdrückliche  Vereinbarung 
der  Parteien  nöthig  sei.  Mit  wenigen  Ausnahmen,  m  denen  aus- 
drücklich der  Schaden  aus  dem  Zahlungsverzuge  genannt  wird, 
sprechen  die  dort  beigezogeuen  (Quellen  vom  Schaden  aus  Ver- 
trägen allgemein ,  und  es  ergiebt  sich  der  Satz :  Wer  dadurch, 
dass  er  vertragsmässig  im  Interesse  des  anderen  Coutrahenten 
handelte ,  Schaden  erfährt,  fordert  auch  ohne  besondere  Ueber- 
einkmift  diesen  Schaden  von  dem  andern  Coutrahenten  erstat- 
tet. Derselbe  Satz  wurde  l)ereits  wiederholt ,  so  z.  B.  bei  der 
Ersatzforderung  des  Bürgen  bestätigt  gefunden. 

Anfangs  folgte  schon  aus  dem  wenig  entwickelten  Ver- 
kehre ,  dass  der  Gläubiger  kaum  während  der  Dauer  des  Dar- 
lehns  einen  Gewinn  mit  dem  dargeliehenen  Kapitale  machen, 
noch  diesen  beweisen  konnte.  Der  Schuldner,  welcher  vor- 
nehmlich durch  dringende  Gelduoth  getrieben  war ,  das  Dar- 
lelin  aufzunehmen,  trug  die  Ersatzpflicht  des  zweifelhaften 
Gewimies  nur  unwillig.  Daher  heisst  in  Gesetzen,  Rechtsbü- 
chern, Verkehrsurkunden  das  Interesse  des  Gläubigers  lediglich 
„schaden,  schadenstaud,  schadfall,  leistgeldund  interesse.''  ^) 
Das  Münchener  St.  R.  (Auer)  sagt  a.  369.  „si  habent  ouch 
geseczet,  daz  chain  ir  purger  niemant  chainen  beraiten  pfe- 
ning  leich,  davon  er  schaden  oder  flu  st  raitten  well.." 
In  der  Münch.  Reformat,  von  1417  (Bergmann)  ist  dieses 
Verbot  bereits  aufgehoben ,  und  steht  auch  sonst  sehr  verein- 
zelt da.  2)  Nur  in  einzelnen  Rechtsquellen  bleibt  zweifelhaft, 
ob  man  unter  „  interesse , "  da  dieses  dem  Schaden  allgemein 
ebenso  bestimmt,  wie  dem  Verzugsschaden  insbesondere  gegen- 


1)  z.  B.  Bamberger  E.  1.  c.  §.  228.  Altprager  R.  1.  c.  Einl.  LXII. 
u.  a.  G8.  p.  81.  u.  Rechtsbuch  JiUdwigs  des  B.  1.  c.  ti.  23.  p.  127.  — 
2)  cf.  auch  Zypäus,  Responsa  de  jure  canonico  Antw.  1675.  1.  V.  resp.  1. 
„porro  interesse  lucri  cessantis  multo  odiosius  est  damno  einer gente  iwo- 
piusque  assimilatur  usurae"  und  die  Menge  der  obigen  Citate.  IV.  2.  k. 


IV.  3.  Interesse,   a.  Ersatz  des  erlittenen  Schadens  etc.  105 

übevgestellt  winl ,  nicht  etwa  den  dem  Gläubiger  duveli  Hin- 
gabe des  Daiiehns  während  der  Dauer  desselben  entgangenen 
Gewinn  verstand.  z.B.  im  Revaler  St.  li.  1.  c.  (dänische 
Gesetze)  134G:  AVer  10  mrk.  Silber  zum  Darlehn  nimmt,  muss 
dem  Gläubiger  einen  compromissor  ydoneus  setzen,  „qui  una 
secum pro  damno  sfahit  et  interesse."  Ebendort  II.  p. ofiO. 
beklagen  sicli  die  Adligen  beim  Könige ,  die  Gläubiger  bezögen 
aus  den  Pfandgrundstücken  einen  viel  grösseren  Gewinn,  als 
das  „landesübliche  Interesse"  betrage,  ja  sie  forder- 
ten sogar  „Interesse  vom  Interesse"  und  schafften 
sich  ausser  dem  gewöhnlichen  Interesse  noch  einen  besonderen 
Vortheil  unter  dem  Namen  „Schadensstand."  i)  Dagegen 
wird  der  blosse  Schaden  ersetzt  im  Lübecker  ürkundenbuch 
p.  414.  1284.  1290.  19.  Aug.  22.  Aug.  4.  Septbr.  13.  Septbr. 
p.508ff.;  in  Seuckenberg,  viss.p.  139.  1370  —  80:  „24000 
güldetn  ungrisch  haubtguots  vnd  20000  giildein  scheden, 
5000  güldein  verfallner  peen  so  in  der  benannt  graf  Johann 
von  Goertz  auf  einen  schuldbrief  mit  sambtt  den  costen  vnd 
schaden  so  sy  seyther  deshalbenn  gelittenn  und  empfangenn 
hettenn.  auszurichtenn ; "  im  Fr  ei  b  ur  g  e  r  St.  R.  (Schreiber)  I. 
p.  419.  Scliuldurkunde  des  H.  v.  Hachberg;  608  mrk.  ver- 
spricht er  zurückzuzahlen  „  und  auch  die  zinse,  das  wir  si  davon 
lidigen  vnd  lösen  sönt,  gar  und  gantzlich,  und  ihnen  aufricli- 
ten  sollen  h  o  v  t  g  u  t  und  zinse  alles  unverzogenlich  wenn  si 
wellent,  vnd  si  an  vns  forderent,  vnd  owch  allen  schaden, 
üb  sü  dis  dehein  nemen,  iren  worten  darvmb  ze  gelovbende, 
vnd  ovch  mit  söllicher  bescheidenheit  das  wir  jerlich  haran  an 
dem  hovtguot  geben  sönt  100  march  Silbers  und  die  zins  und 
den  schaden  vor  abrichten.  Wenne  aber  si  dunsti  oder  wollen, 
das  wir  me  geben  daran,  das  sönt  wir  owch  tuon(14.  Jalirh.)  ^) 

1)  cf.  ob.  S.  148.  N.  1.  u.  Orth.  Anm.  z.  Frankf.  Reform,  p.  78.  ad  ti.  11. 
§.  10.  Danz.  Schöppenb.  v.  1556.  fol.  31".  ,.  vmb  dath  gelth  ...  den 
^^ln]undigen  thokamende  szowoU  vnn wegen  des  Schadens,  Interesse 
vnd  wer  de  vnime  andern  tho  erstadonn  sali  schnldich  sj-nn."  u.  v.  A.  — 
2)  ib.  13.53.  17.  Febr.,  p.  422.  1353.  12.  März,  „die  vorgen.  7()()  m.  v.  das 
gelte  davon  vnnd  schade  üb  delieiner  dar  uf  stunde."  Desgl.  Danz.  Arch. 
U.  l.\  H.  2.  (14(I1M  Schöpj.rnb.  V.  1,')2!».  lul.  KU.  u.  A. 


lt')()         IV.    ;l  IntorosRO.   a.  Ersatz  des  erlittenen  Scluflens  etc. 

Die  Art,  \ne  man  dieses  an  sich  völlig  u  n  e  i  n  g  e  s  e  li  r  ä  n  k  t  e 
Interesse  im  Gesetze  oder  unter  den  Parteien  zai  normiren 
pflegte,  ist  eine  ebenso  mannigfache,  als  bei  dem  Verzugsscha- 
den. Eine  Zahl  der  dort  aufgeführten  Beläge  dienen,  da  sie  allge- 
mein vom  Schaden  sprechen,  auch  für  das  Interesse  zum  Beweise. 
Man  stellte  im  Gesetze  ein  für  alle  Male  eine  Summe 
alsMaass  des  Interessebetrages  hin,  oder  vereinbarte 
solche  für  jeden  einzelnen  Fall  unter  den  Parteien  oder  liess 
durch  das  Gericht  im  einzelnen  Falle  den  Betrag  aussprechen, 
indem  man  gestattete ,  eine  geringere  als  diese  feste  Summe, 
zu  fordern,  eine  höhere  dagegen  ausschloss  oder  sie  nur  billigte, 
wann  das  plus  über  den  festen  Betrag  oder  in  diesem  Falle  der 
ganze  Schaden  bewiesen  ward.  Das  zeigen  folgende  Stellen: 
Der  Rü  gi  anis  che  Land  geh  rauch.  1.  c.  ti.' 151. 

„lede  de  Glöviger  Schaden,  he  mach  Schadepande  köpen 
vnd  den  Schaden  so  hoch ,  als  de  Hovetsumma  sich  strecket 
vnd  nicht  höher  anschlahn."  Dies  für  den  Adel,  für  die 
Bürgerlichen  ist  das  Schadensmaximum  1  Pfund  mit  einer 
Ausnahme  cf.ob.  S.147.N.1.  cf.  Danz.  Urk.15.8.2.  (1409.) 
Besonders  neu  und  lehrreich  ist  der  Fall  bei  Pauli,  lübeck. 
Zustände  Urk.  N.  81.   Lübecker  Niederstadtbuch  1337: 

„  Hvdcmannus  de  Tremonia  pelUfex  tenetur  Johanni  filio . . 
inXXmrJc.  den.  pro  quibus  sibi  sitam  hereditatcm  impigno- 
ravit  salvo  Jiahenti  in  ea  suo  wicbelde.  Debet  autem  dicttis 
TJiidemannus  dicf.  Johannem  infra  duos  annos  immediate 
sequentes  ..  docere  in  suo  officio  et  providere  sibi 
de  suis  necessariis  et  expirato  ipso  biennio  sibi  resti- 
tuere  dictam  pecuniam  et  esse  a  debito  Über  et  solutus,  si 
defectus  fuerit  in  hereditate  ipse  TJiidemannus  pro  eo  respon- 
debit."  cf.  Fidicin,  Beiträge  1.  c.  L  p.  221.  (1400.) 
DieDanziger  Willk.  1380  —  1454.  foL  3.  sagt: 

„wo  eyner  den  andern  vmme  schaden  beschuldiget,  den 
schaden  sal  man  nicht  richten  noch  des  klegers  wille ,  sun- 
der die  scheppen  sullen  en  wirdigen,  noch  deme  si  als 
irkennen  das  es  mogelichen  is ,  vnde  das  sullen  sy  thun  bey 
erem  eyde ;  wenne  das  gescheen  ist  so  sal  der  kleger  sunder- 
lich  seynen  eydt  darczu  thuenn ,   das   der  schade  so  grosz 


IV.  3.  Interesse,  a.  Ersatz  des  erlittenen  Schadens  etc.         KiT 

sey,  alse  her  von  den  scheppeii  gewirdiget  ist,  lier  mag  eii 
wol  mynneii  adir  her  sali  en  nicht  hogen."  (Durch  den  gefor- 
derten Eid  des  Gläubigers  ein  ganz  besonders  geeigneter 
Modus,  den  ^virklichen  Schaden  gegen  die  beliebte  Ueber- 
taxirung  der  Partei  und  des  Gesetzes  in  seinem  festen  Maxi- 
mum zu  ermitteln.  —  S.  145). 
Danz.  Schöppenbuch  von  1556.  fol.  20;  1557.  fol.  184. 
Der  Fall  der  rückständigen  Mehllieferung  S.  151. 

Ausser  dem  Schadensersätze  für  den  Verzug  verspricht  der 
Schuldner  auch  für  die  Zeit  des  vorausgezahlten  Kaufpreises 
bis  zur  versäumten  Lieferungszeit  dem  Gläubiger  vor  sei- 
nen schaden,  vorseuranuss  ader  enthperung  dises 
gel  des  ein  gancz  Jarr  czu  gebenn  l^l.,  last  mehl  gebeu- 
telth  guth.   Ausserdem:  szo  szimon  fricze  yi'keine  vnkosth, 
Interesse,  ader  expens  wurde  weiter  darauff  wendenn, 
vormlligeth  sich   hans  wsemmel   auch   czu  erstatten  vnde 
czu  beczalenn."   Wäre  hier  zweifelhaft,  ob  nicht  das  ganze 
Schadensverspreclien  sich  auf  den  Verzug  bezöge,  bei  wel- 
chem die  Bezeichnung  „  Interesse  "  ebenfalls  öfter  begegnet, 
so  diente  das  Beispiel  an  dieser  Stelle  gleichAvol  als  Belag, 
da  die  vereinbarte  Prolongation  der  Parteien  den  alten  Ver- 
zug nicht  fortwirken  lässt  und  es  ausdrücklich  für  die  neu 
prolongirte  Zeit  heisst  „expens,  Interesse   wurde   weitter 
darauff  wendenn , "  und  „  das  gancze  Jarr "  auch  zur  zwei- 
ten Hälfte  in  diese  prolongirte  Zeit  fällt. 
Danz.  Schöppenb.  v.1575,  fol. OO"" (ebenfalls  Prolongation): 
„die  hauptsumma   (1500  fl.)  semptlich   der  1500  fl.  mit- 
samptt  dem   vadio  vnnd    gleichmessigenn    ver- 
pflichtenn  summa  alb  vmb  1500  fl.  welch  er  beken- 
net allbereit  verbrochen  zu  haben  vnd  verfallen  zu  seiende 
mitteinest  zu  forderen."  Siehe  uucli  die  so  el)eu  zitirten  Stel- 
len aus  Senckenberg  viss.  und  den  Preiburger  Urkk.   S.  165. 
"Wenn  hier  nicht  ausdrücklich  bestimmt  wird ,  der  Schuldner 
müsse  das  plus  des  Interesse  über  die  vereinbarte  Schadens- 
summe beweisen,  so  ist  dieses  doch  zweifellos  als  Bedingniss, 
Avie  bei  einer  ünzalil  an(U'rer  Urkunden   dieses  Gegenstandes, 
vorausgesetzt,  da  die  Pflicht  des  Schuldners,  ohne  Beweis  des 


ICS  IV.   .').  InttMosso.    a.  KrKatz  dos  oiiittoiion  Schadens  etc. 

Schadens   diesen   zu   zahlen,   stets   ausdrücklich  hervorgeho- 
ben wird. 

Dann  machte  sich  immer  allgemeiner  die  Vorschrift  gel- 
tend: Der  Schuldner  sei  verpflichtet,  ohne  Ansatz 
einer  festen  Höhe  des  Schadens  alles  Interesse 
zu  zahlen,  das  der  Gläubiger  bewies,  mochte  diese 
Pflicht  nun  allgemein  im  Gesetze  ausgesprochen  oder  von  der 
Vereinbarung  der  Parteien  abhängig  gemacht  sein.  cf.  Danz. 
Missiv.  ni.  51.  0^.  1429.  sors  principalis,  damna  und  Inter- 
esse. —  ib.  Schöppenb.  v.  1435.  fol.  71.  1.  v.l4;37.  fol.  143.  1  ; 
374.  2;  384.  1;  1440.  fol.  635.  3.  1447.  fol.  16.  2.  1557.  fol. 
158.  160.  ib.  fol.  225.  heisst  es  in  einer  Vollmacht  zu  Einfor- 
derung rückständiger  Geldschuld,  nebst  Darlelms-  und  Ver- 
zugs -  Schaden :  szo  avoII  ock  dem  Interesse  nemlickenn  dath 
se  vonne  a.  XXXIIII  (der  Anfangszeit  des  Darlehns)  beth  vp 
dise  stunde  er  wolgewonnenn  gelth  enthperenn  mothenn 
darneffeus  ock  de  angewendetem!  expcns  vnde  vnkostenn  szo 
de  beschedigten  perszonenn  bofengemelth  szo  manche  Jarr  her 
vele  veldich  dar  vpgewendeth  deszelfehaffth  (Haupt)  summenn 
szamptth  dem  Interesse  vnde  allen  v n  n  k o  s  t  e  n  n.  t  h  e  r  u n  - 
genn,  expenssenn  wath  darup  ergangen  ader  noch  gewen- 
deth  mach  Averdenn  to  forderenn  manen  vnd  entfangen."  ^) 


1)  ib.  V.  1557.  fl.  433^,  1567.  fl.  64. 136.  214-.  „appellation  vmb  expens 
kostenn  schaden  zerunge  vnnd  Interesse ,  praeserti m  a  te m pore 
morae  einzulegenn"  (aus  einer  Antwerpener  Vollmacht),  ib.  fol.  230.  292". 
336'^.  Eine  lehrreiche  Singularität,  welche  sich  der  oben  zitirten  lex 
Wisigothorum  V.  5.  §.  4  (S.  163.  N.  1.)  anschliesst,  bietet  hier  Danz. 
Schöppenb.  v.  1578  fol.  30"'',  noch  mehr  singulär ,  weil  aus  so  später  Zeit : 
A.  übernimmt  von  dem  Vormunde  seiner  Ehefrau  100  guld.  als  Darlehn, 
,, dieselben  nicht  zu  verzinsen,  wofern  er  damit  keinen  nutz  oder  frommen 
hette  schaffen  kennen."  Nach4  Jahren,  während  welcher  Schuldner  keine 
Zinsen  zahlte .  niuss  er  schwören ,  dass  er  wirklich  keinen  Vortheil  von 
dem  Gelde  hatte  „  vnd  ouch ,  das  er  solch  gelt  sich  zum  besten  nicht 
angelegt  hatt."  Wenn  auch  der  Ausdruck  „verzinsen"  hier  noch  die  Vor- 
stellung des  Rentenkaufes  andeutet ,  so  ist  es  hier  doch  der  völlig  dem 
Darlehn  gleich  gestellte  Rentenkauf,  insbesondere  ist  auch  hier  kein 
Immobile  genannt,  worauf  die  Rente  gelegt  sein  sollte;  dagegen  muss 
bemerkt  werden,  dass  ja  schon  2  Jahre  später,  1580,  die  Danziger  Will- 
kür selbst  (Danz.  Arch.  bibl.  X.  4.  fol.  129.  2  sq.  X.)  Conventionalzinsen 
beim  Darlehen  gestattet,  cf.  Beilage  G.  (schon  1569)  u.  V.  3.d. 


IV.  3.  Interesse.   li.  Ersatz  des  entgangenen  Gewinnes.        1G9 

Da  srdi  iiuless  allmälilicli  mit  dem  fortsclireitenden  Ver- 
kehre die  Zahl  der  Geldangebote  mehrte,  die  Menge  der  Geld- 
bedürfiiisse  zwar  nicht  verringerte,  aber  das  Bedürfniss  nicht 
sowolGeldnoth,  als  den  Untern elinnmgsgeist  zur  Ursache  hatte, 
da  hierdurch  lerner  das  regelnde  Element  der  freien  Conkurrenz 
Geltung  gewann,  schwand  allgemach  die  Ausbeutung  derGeld- 
notli  des  .Schuldners  durch  den  einen  hohen  Schadensersatz  for- 
dernden Gläubiger,  welcher  bisher  in  Ueberehistimmung  mit  dem 
gedrückten  Schuldner  gar  leicht  den  Beweis  des  ihm  wiederfah- 
renen  hohen  Schadens  durch  schien  Eid  führen  mochte.  Dane- 
ben mmderte  sich  in  Wahrheit  der  grosse  Schaden  des  Gläubi- 
gers durch  die  überall  ausgleichend  wirkende  freie  Conkurrenz. 
So  entstand  schliesslich  mitten  aus  dem  Verkehrsleben  ein 
bestimmtes  Maass  des  Interesseschadens,  den  der  Gläubiger 
durch  das  Hinleihen  seines  Kapitales  erlitt.  Daher  fiel 
zunächst  die  Noth^^'%n  digkeit  fort,  diesen  allge- 
wöhnlichen Schadens  betrag  im  einzelnen  Falle 
noch  zu  beweisen.  Was  zuvor  der  Schuldner  durch  beson- 
dere Noth  gezwungen  dem  Gläubiger  im  Vertrage  ausdrück- 
lich zugestand,  ohne  Beweis,  ohne  Einreden,  ohne  Rechts- 
gang u.  s.  Av.  mit  der  Reihe  der  oben  erwähnten  Entsagungen 
allen  Interesse  -  Schaden  zu  bezahlen,  welchen  der  Gläubiger 
nur  fordern  würde,  das  ward  jetzt  allgemeine  Regel,  Denn  der 
Gläu biger  forderte  nur  das  „landesübliche,  gebühr- 
liche, ziemliche  Interesse.''^) 

b.   Ersatz  des  entgangenen  Gewinnes. 

Wenn  nun  bereits  in  dem  eben  berührten  Vorschreiten 
begründet  liegt ,  dass  der  Gläubiger  bei  der  Fülle  der  Unter- 


1)  cf.  Frankfurt.  Refonn.  (1505.  1578)  II.  11.  §.  10.  11.  u.  Orth. 
Anm.  dazu  a.  v.  0.  z.  B.  I.  p.  396.  411.  416.  437.  Revaler  St.  R.  1.  c. 
II.  p.  366.  Die  Gpldiioth  bewegt  den  Schuldner  z.  B.  noch  zur  Entsagung 
des  Beweises  in  der  S.  165  zitirten  Freiburger  Urk.  (1.  c.  Schreiber  I. 
p.  419.)  „iren  Worten  darvnib  ze  gelovbende,"  wie  man  aus  den  Zuge- 
ständnissen des  ganzen  Schuklscheins  sieht.  So  auch  S  a  r  t  o  r  i  u  s  -  L  a p  - 
penberg  1.  c.  IL  Urk.  CXXIII"  (1312).  —  Dagegen  cf.  Lübeck.  Urk. 
Buch  I.  p.  503.  (1290)  und  insbesondere  Danz.  Schöppenb.  a.  L527.  fol. 
223.  5.,  15<)3  fol.  507.  L")29.  fol.  857.  1.575  fol.  119.  „ordere  mo  siHqdki 
rerbo  sine  sacramento  rcl  alia  probatioHC."  (S.  171.)  u.  v.  A. 


170         IV.    o.  Intorosson.   b.  Ersatz  des  ciitgangonon  Gewinnes. 

iit'liiiiuiiL'vn,  welche  sicli  ilnii  ])oteii.  wälivend  er  sein  Kapital 
hini^^eliehen ,  mehr  «leii  entgehenden  Gewinn,  als  den 
positiven  Schaden  aus  dem  Darleihen  vor  Aii<>eii  hatte  und 
erweisen  konnte,  tand  bei  dem  Eindringen  des  römischen  Hech- 
tes in  das  deutsche  Verkehrsleben  das  römisch  -  rechtliche  id, 
quod  iniercst  mit  seiner  Umfassung  des  lucrum  cessans 
neben  dem  damnnm  emergens,  welche  doch  vom  kanonischen 
Rechte  selbst  gebilligt  worden  (S.  20.21),  um  so  leichtere  Auf- 
nahme und  Geltung.  Förderlich  dazu  mussten  sich  besonders 
die  allgemeinen,  weitumfassenden  Ausdrücke  für  Ver/Aigs-  und 
andern  Contrakts  -  Schaden  erweisen,  in  welchen  Uechtsschrift- 
steller,  Gesetzgeben-  und  vor  Allem  die  Parteien  seit  langer 
Zeit  in  ihren  Schuldurkunden,  letztere  vielleicht  nicht  ohne 
Absicht  gegen  das  kanonische  Züisverbot,  sich  gefallen  hatten. 
So  sagt  Tengler  im  Layen  spie  gel  th.  L: 

„Interesse  ist   ain   achtung,   exisftmation,   peen,  Ion  oder 
gelt ,  das  für  ain  Sachen  oder  geschieht ,  die  sonst  nit  gege- 
ben oder  beschehen,  es  sey  gewin  oder  schaden,  die 
man  doch  zu  geben  schuldig  war,  taxiert  oder  gerechnet  wer- 
den mag"  ...  und  einige  Zeilen  weiter,  wo  er  die  Ausnah- 
metalle vom  Wucherverbote  aufzählt:   „als  Interesse   für 
erlitten  schaden  oder  mangel  onfürgeding,  für  den 
nutz,   der  geAvisslich  möcht  entstanden  sein."^) 
Vielfach ,  wie  schon  erwähnt ,  begegnet  in  den  Rechtsquellen 
beim  Verzugs-  und  allgemein  beim  Contrakts  -  Schaden  eine 
so  ausdrückliche  Gegenüberstellung  von  Schaden  und  Inter- 
esse, dass  man  annehmen  muss,  unter  Interesse  speziell  sei 
das  lucrum  cessans  verstanden.     Uebrigens  hindert  eben  die 
Allgemeinheit   und   Häufung   der   Schadensbezeichnungen    in 
den  Urkunden  der  Parteien  oft  den  Nachweis,  dass  unter  In- 
teresse Schaden  oder  Gewinn  verstanden  sei.  ^) 

Dieses  Hineinziehen  des  lucrum  cessans  fand  zunächst  bei 
den  Schuldurkunden  der  Kaufleute  statt,  indem  man  annahm, 


1)  cf.  Frankfurt.  Eeform.  1.  c.  u.  Orth,  1.  c.  2)  ct.  u.  A.  Reva- 
ler  St.  R.  dänische  Gesetze  1.  c.  (1346)  u.  H.  p.  366  (169H)  Danz.  Schöp- 
penbuch  v.  1525.  fol.  98.  4 ,  1528  fol.  518  „  ock  sollen  alle  vude  itzlicke 


rV.   3.  Interessen,   b.  Ersatz  des  entgangenen  Gewinnes.         171 

den  Kauflcuteii,  welche  ihr  Kapital  hinliehen,  entgehe 
immer  ein  Gewinn  ausserdem  positiven  Schaden,  daher 
dürften  sie  heides  ersetzt  verlangen.  So  sagt  selbst  Purgoldt 
trotz  seines  engen  Anschlusses  an  das  kanonische  Kecht  in  1. 
VIII.  cp.  45  seines  Rechtsbuches : 

Interesse  h  i  u  d  e  r  vndc  schaden,  so  en  deel  vpt  ander  vorgedachter 
orsacken  halben  adder  zust  vorderen  ader  anstellen  mochte,  genczlick 
doet  \Tide  u])gehaven  zien  ..."  ib.  1556.  fol.  20 : 

„  vnde  darna  lieft  he  vp  bede  vnde  beger  Andres  grewels  dem  Conrath 

frueauff  noch  derttich  daler  gelegenn    (.30  hatte  er  ihm    schon  zuvor, 

doch  ohne  Interessebestimmung  geliehen)  vndc  deme  Conrath  viff  daler 

vor  de  enthperunge  sines  gel  des  aufgelegt...  so  dath  he  vp 

Conrath  viff  vnde  szestich  daler  zu  fordern  hatte. . . "  (ohne  Verzug). 

ib.  fol.  31^.    ,szo  woll   vn  wegenn   des  Schadens.   Interesse  ...," 

dann  1557.  fol.  184.  der  Fall  der  Mehllieferung  (cf.  S.  167.  das  Citat) ,  ib. 

fol.  225.  (cf.  ob.)  ib.  1567.  fol.  204  Protestation  eines  vom  Darlehus-Gläubi- 

ger  Bevollmächtigten  vor  dem  Danziger  Rathe :  ,,  er  thue  derwegen  herlich 

vnd  feierlich  protestiren  von  allen  Expensen,  Interesse,  Unkosten, 

injurienn  vnd  schadenn,   szo   bishero  Irae  dorave   (von  der 

ganzen  Schuld)  enttstandenn  vnnd  noch  ferner  entsteheun  mochten  ..." 

ib.  fol.  214^  336^  u.  v.  A.   cf.  Neu  mann.  Gesch.  d.  Wechs.  p.  172.  173. 

—  Schö].penb.  v.  1575.  fol.  71.  und  fol.  119: 

Eine  Parlohns schuld  von  2482  fl.  4  gr.  von  2  Danziger  Bürgern  an  den 
Prokurator  von  Grodno  Schwalkonowitz  auf  eine  blosse  Handschrift 
„insnper  j)romitto  per  me  et  heredes  meos  reficere.et  restituere  sibi  suis- 
qiie  heredibus  et  harwn  (seil,  litterarum)  detentori  (Uebergaug  z.  Papier 
auf  den  Inhaber,  cf. Xeumann,  Wechselgesch. 43ff.)  omnia  et  snujula 
damna  exj)ensas  ac  int  er  esse,  qmte  et  quas  fecerit  vel  susti- 
nuerit  in  judicio  sive  extra  vel  alias  quocunque  modo 
pro  ipsa  pecunia  exigenda.  Et  dehis  credere  suo  simplici 
verho  sine  sacramento'vel  alia  probatione  adstrictus  ero. 
Desgl.  ib.  1578.  fol.  .54\ 

„  auch  das  derselbe  (Gib.)  es  für  sein  proper  eigen  von  dem  schijiper 
Woltersz  ncbenst  gebuh  r  lichem  In  teresse  für  die  lange 
enthperunghe  solches  sines  gel  des  einzufurderen  enttpfan- 
gen  magk."  (kein  Verzug). 
Ja  selbst  in  einer  Quittung  eines  Clerikers,  schon  1403.  cf.  Klenipin, 
diploni.  Beitr.  z.  Gesch.  Ponnneras  p.  95: 

Darl.  V.  8fl.,  Glbgr.  d.  Bisch,  v.  Kamin  „recepisse  me  ..,  8  florenos . . , 
in  quihus  mihi  ((Wh.)  occdsirnie  nmicahil is  muiui  in  Itomana  curia 
sibi  facti  tenchatur  obliffatus  de  quibns  i])suii)  daiiiinum  ..  et  inter- 
esse  hinc  putantis  quitu. 


172     W.  .'>.  Iiilorcsso.  c.  Uoborgaiiga.  d.  Iiitorcsscz.  (1.  Convention  alz. 

..wo Mo  aber  eviuT  ul"  eynie  marte  sein  gelt  usgeben  iiml) 
koiifm  an  schätz,  und  kern  eyner  zcu  ym,,  der  umb  gelt 
benotigt  wer,  und  borgte  im  das  abe,  also  das  her  darumb 
s  e  y  n  s  k  0  u  f  s  u  n  d  w  i  n  u  n  g  e  n  p  e  r  e  n  m  u  s  t  e ,  da  mochte 
her  wol  mit  reclite  nowe  gelt  für  das  aide  in  der  bezcalung 
nomen  ader  etzwas  folliger  dan  sein  gelt  was,  das  her  im 
leycii.    Dit   stet  geschriben  daselbs,   wan  es  sprechen  dye 
meyster  Hostiensis  und  Johannes ,  d a s  es  zeemlich  sey, 
das   eyn  man    vorkouffe    das   gebruchen    seynes 
gel  des.  Aber  dye  es  schlechtlichen  thmi  durch  iren  eygen- 
uutz,  dye  werden  von  dem  wucher  nicht  entschuldiget." 
Von  hier  drang  alsdann  die  Vorstellung  bei  dem  in  alle  gesell- 
schaftlichen Schichten    eingreifenden   gesteigerten  Geld  -  und 
Waarenverkehre  und  dem  überall  Geld  suchenden  Unterneh- 
mungsgeiste  weiter    über   den   Stand   der  Kaufleute   hinaus. 
Von  ersterer  Anschauung  geht  (wie  viele  der  neueren  Gesetze, 
z.  B.  das  preuss.  A.  L.  K.)  auch  die  Danziger  Willk.  v.  1580  aus, 
welche  zuerst  cp.X.  fol.  129.  n.  2.  Conventionalzinsen  beim  Dar- 
lehn gestattet  und  hier  8'yo  als  das  gesetzliche  Maa:ss  dersel- 
ben aufstellt,  dagegen  bestmimt:  „der  aber  auff  eine  schlechte 
und  blosse  Handtschriflft  sein  geldt  ausleihet,   der   mag  wol 
zwei flf  vom  Hundert  nemen.   Dissoll  aber  allein  vndter 
Handelsleuten,  auch  nicht  auf  jerliche  Kenthe ,  sonndern 
auff  ettliche  Monat  Wechsell  gemeint  sein  und  verstanden  werden. 

c.    Uebergang  aus  dem  Interesse  zu  den  Conveijtionalziiiscn. 

Schliesslich  bestimmte  man  die  Höhe  des  Interesse  nicht 
mehr  in  einer  Summe  für  die  ganze  Dauer  des Leihens,  sondern 
maass  sie  nach  Jaliren.  Dies  geschieht  bereits  vereinzelt  1353.  ^) 
Eine  Reihe  solcher  Fälle  bietet  die  Danz.  Archivbibl.  in  den 
grossen  Darlehnsurkunden  Königs  Sigismund  von  Polen.  Seit 
1557  sind  20,(i(»(»  Thlr.  rückzuzahlen  nach  einem  Jahren  na 


1)  cf.  die  Freiburg.  Urk.  (S.  165  ob.).  Dann  heisst  es  schon  bei  Tho- 
mas, Oberhof  zu  Frankfurt  p.  557  .(1442) :  ,,und  alle  jare  nur  16  gülden 
geltes  und  schaden."  Orth,  1.  c.  Anm.  p.  76.  —  Zypaeus,  anälytica  V. 
d.  usur.  p.21.5.—  Bes.  auch  Fidicin,  Beitr.  I.  p.221  (1400)  ..alle  Jar, 
twile  wi  em  schuldig  sin  dy  LXXXX  schock,  9  schock  thu  schadegelde." 


IV.  3.  Interesse,  c.  Uebergang  a.  d.  Interesse  z.  d.  Cdnventioiialz.     173 

cu)>i  Interesse  sex  pro  centnm  (ohne  Verzug);  1559  ib. 
wird  Kapital  und  als  jährlichev  Zins  (Interesse)  Salz  nach  dem 
jedesmaligen  Marktpreise  entrichtet;  ib.  15G3.  14.Aj)ril  leilit  er 
20,uO()Thlr.  von  den  Stolpensern,  Gebrüder  Loitzen  auf  iJahr: 
„qnam  (jiddeni  summam  ..  una  cum  eo  quod  inter- 
est,  nun  i  mm  (ih  uno  quoque  cenienario  septent  tnleros." 
desgl.  1563.  d.  4.  Aug.  50,0(K)  Thlr.  Darl.  v.  Danziger  Rein- 
hold Krakow  auf  1  Jalir : 

„eo  eti(()ii  pectdlariter  adiecfo,  qitod  KraJioiv  projytcr  (der 
Grösse  des  Darl.)  hoc  anno  ex  contrthiitione  Szierepcslsna 
vulgo  dicta  323  sexagenas  lithuanicas  ...  in  snp)- 
plcmentum  ejus  quod  interest  percipiet." 
Desgl.  1564.  d.  19.  Juli  v.  104,479  guld.  9  gr.  von  Ostern  bis 
Michaelis  (V2  Jahr)  zu  4%,  macht:  4179  gl.  4  gr.  in  Summa 
108,658  gl.  13  gr.  Diese  Summe  soll  dann  „jerlich  auff 
Michaelis  mit  8  ^o  v  0  r  z  i  n  s  e  t  und  nach  lautt  des  Con- 
tracts  mitt  waldtwahren  beczalet  werden."  —  ib.  1569.  40,000 
Thlr.  mit  lO"/,  Interesse,  100,000 Thlr.  mit  18%,  20,000 Thlr. 
mit  20 '^'„  Interesse.  Da  diese  Darlehen  zum  bestimmten  Ter- 
mine niclit  abgezahlt  wurden,  mussten  die  Commissarien  des 
Königs  „versuram  facere,  Ha  ut  ex  dictis  centum  octodecin 
et  quadraginta  quattuor  thaler.  vicenos  pro  singidis  centenis 
Interesse  nomine,  quae  Summa  triginta  et  vnum  millia  et 
sexcentos  thal."  —  1567.  21.  Octbr.  leiht  er  40,000  Thlr.  auf 
1  Jahr.  Der  Schuldner  verspricht  die  Rückzahlung  dem  Gläu- 
biger, dessen  Erben: 

„aut  honae  fidei  litter arum  nostrarum posses- 
sorihus  sire  mandatar iis  eor nndem  ad  diem  Scti 
Martini  in  ciuitate  Stolpensi  auf  uhi  ipsi  et  heredihus 
ipsi'us  et  praedi  ctis  mandatar  iis  co  mm  od  um 
fnerit  in  ditionihus  nostris  vna  cum  censibus  sive 
Interesse  ejusdem  anni,  nimirum  dcnis  thaleris 
p  r  0  s  i  ng  ulis  centenis"  mit  allen  Kosten  und  Schäden .  ^) 
Das  Interesse  schwankt  hier  so  bedeutend  in  seiner  Höhe, 
weil  der  König  sich  nicht   gleichmässigen  Credites   erfreute; 


1)  cf.  Neu  mann,  Wecliselgescli.  ji.  42  \X. 


174     IV.  ."5.  Interesse,  e.  Ueberganga.  d.  Interesse  z.d.Conventioiialz. 

daliov  ist  aucli  das  niiinrnin  bei  den  7  uud  lO^/o  nur  zur  Täu- 
scliuuij  odcM-  in  der  Bedeutuno- „nänilicli"  liinzugesctzt.  Sonst 
hält  sich  das  Interesse  allgemein  im  IG.  und  17.  Jahrhundert 
etwa  zwischen  5  und  7  Prozent.  Die  Urkunden  Sigismunds 
geben  übrigens  durch  das  „noni  ine  cßts ,  5.  i."  und  dergl. 
ein  Anzeichen  für  die  allmähliche  Anwendung  des  Interesse 
statt  der  Zinsen,  und  in  dem  „una  cum  censibus  sive  int."  uud 
sonst  den  Belag  dafür,  dass  die  allmähliche  Annäherung  des 
Interesse  an  das  Wesen  der  Conventionalzinsen  in  dem  allge- 
meiu  verbreiteten  Renteukaufe  den  besten  Aiilialt  fand,  dass 
insbesondere  auch  die  Berechnung  des  Interesse  für  das  Jahr 
hier,  wie  bei  dem  Verzugsschaden,  von  der  Rentenzahlung 
herübergenommen  ist.  Zu  letzterem  fand  man  um  so  dringendere 
Veranlassung,  als  (cf.  V.  H. c.  u.  IX.  1.)  in  den  Partikular-  und 
Reichsgesetzen  ein  gesetzliches  Prozentmaximum  zuerst  für 
die  Rente  mit  5%  aufgestellt  wurde,  und  man  bei  der  Sorg- 
niss  vor  der  Wucherstrafe  das  den  Conventionalzinsen  so  nahe 
gerückte  Interesse  am  leichtesten  unter  dem  Mautel  der  Reute, 
wie  man  es  in  gleicher  Weise  (cf.  u.  IX.  2.)  mit  den  Conven- 
tionalzinsen that,  verbergen  und  schirmen  kounte. 

Zum  Belag  dafür,  dass  nicht  etwa  in  den  besonderen 
Schuldverhältnissen  des  Königs  diese  Ausbildung  des  Interesse  zu 
Conventionalzinsen  zu  suchen,  vielmehr  sich  allgemein  vollzogen 
habe ,  folgen  wenige  Beispiele  aus  dem  alltäglichen  Verkehre. 

Im  Danz.  Schöppenb.  von  1558  fol.  337'  heisst  es:  „vnde 
herna  genothdrangeth  werth  by  andern  lueden  gelth  vp  In- 
teresse vp  to  nemen."  —  ib.  1568.  fol.  194^^:  denne  sie 
(Erblasserin)  dortte  meinen  kindern  3200  gülden  currenth  ver- 
machett  vnd  mier  alleine  200  gülden  currenth  alse  jerlichs 
Interesse."^)  Ein  Vater  soll  seinen  Kindern  das  Mutter- 
erbtheil  zahlen ,  die  Tutoren  leihen  ihm  davon  einen  Theil. 
„was  nu  die  restende  summa  betrift't  der  1500  m.,  dieselbe 
Summa  haben  obgemeltte  vormündere  deme  hansz  Berenth 


1)  ib.  fol.  204.  205^.  ib.  1575.  fol.  31.  -  Das  Interes.se  ist  n  icht  noth- 
wendig  mit  dem  Kapitale  gleichartig  (S.  173)  gegen  1.  14.  16.  17.  23. 
Cod.  4,  32. 


TV.  S.Interesse,  c.  Ueberganfj  a.  d.  Interesse  z.  il.  Conventioiialz.     17.j 

zugesageth  auff  eine  liaiidttsclirifft  zu  lassen  ein 
Jhar  langk,  nenilich  vonn  ostern  LXXIII  bis  ostern  LXXIV 
sol  er  den  z  i  n  s  z  z  a  h  1  e  n  n  vor  e  i  n  J  li  a  r  s  i  e  1)  e  n  p  r  o- 
cento  das  ist  hunderth  vnd  fuenff  margk,  so  fern  aber  ged. 
hans  berenth  das  geldtt  den  haupttstuell  der  1500  m.  wollte 
lenger  habenn  sieben  prpcento  so  soll  er  gedachte  hauptt- 
sumnia  nicht  lenger  aulf  eine  handtschrift"tli  brauchen,  son- 
dern b  e  y  Sein  erbe  so  er  In  der  lange  gassen  besitzet 
in  eines  Erb  Ratts  erbebuch  vorschreiben  las- 
sen.." (cf.V.  8.  d.)  Ib.  fol.  49.  wird  den  Vormündern  allge- 
mein verboten,  das  Mündelgeld  auff  Interesse,  rendtte, 
pfände  oder  dergleichen  auszuthun.  — 
Ein  klarer  Beweis  für  die  obige  Behauptung ,  dass  der  Renten- 
kauf wesentlich  zur  Umformung  des  Interesse  als  Zinsen  bei- 
getragen hat.  ^) 

So  wurde  offenbar  Schritt  um  Schritt  das  id  quod  infercst, 
kanonisch  gebilligt,   in   deutschen  Gesetzen  längst  heiinisch, 
neben  den  Verzugszinsen  zum  wesentlichen  Theile  durch  die 
Hilfe  des  Rentenkaufes  ein  neuer  Weg  für  den  Verkehr ,  sich 
die  Kapitalsnutzung  durch  Zinsen  vergüten  zu  lassen.   Denn  in 
Wahrheit,   welch   ein  Unterschied  bestand  thatsächlich  zwi- 
schen  den  Conventionalzinsen   und   diesem   so   ausgebildeten 
Interesse?  Daher  sagt  mit  Recht  Orth  in  den  Anmerkungen 
zur  Frankfurter  Refoniiation  I.  p.  437 : 
.,  da  es  doch  in  der  That  Selbsten  einerlei  ist  und  mau  daher 
jene  (Zinsen)   nur   dem   Namen   nach   verboten,    die 
Sache  aber  selbsten  beibehalten  hat,  weswegen  auch  in  praxi 
die  Zinsen  gemeiniglich  nur  das  Interesse  genannt 
zu  werden  pflegen. . "  u.  a.  v.  0. 
und  J.  H.  Böhmer:^)   „inde  factum,  nt  creditores  tisnras 


1)  cf.  ibid.  1575.  fol.  145.    Das  Int.  bei  trassirten  Wechseln.    157^. 
fol.  54''.  114^".  138^:  „sondern  noch  fast  viell  hauptsunnna  vnd  darauft' 
gelauffene  scheden  oder  Interesse,  wie  man  es  nennett. ",  ful.  152'', 
17«'-,  Urk.  n.  13206.  (1587) ,  n.  137G4  (15Ü3),  n.  13295  (IGU): 
„vnd  habe  ouch  ob  leveni  et  oxiguani  niorani  zwoltf  von  iczliilicni  hun- 
dert vndt  dan  anderthalben  grösclien  in  der  wexoll  vf  den 
thaler  pro  interesse  danioben  erlegen  müssen."  — 
2)  J.  E.  P.  §.  XXIV.  1.  V.  l'J.   Fichard,  consilia.  I.  n.  29.  (15GGj  u.  Ml.  1.  b. 


17()     IV.  [].  Tiitovcsse.    c.  Uebcrgaiig  a.  d.  Tiitorossez.  d.  roiivcntionalz. 

sihi  prontissas  suh  nomine  ejus  quod  interest  petierint, 
quod  faciJe  nUcgare  possent,  se  tantum  hoc  modo  ncutimare 
hierum  cessans  ei  dmnunm  emergens.  ^) 

Mit  Nachdruck,  wie  schon  aus  den  letzten  Citaten  und 
obig'on  QuelhMiheL'igen  sich  ergioht,  warf  sich  der  Verkehr, 
nachdem  ihm  das  fremde  und  heimische  Recht  durch  das  Wu- 
cherverbot den  natürlichen  Pfad  der  Entwicklung  geschlossen 
hatte,  auf  die  täglich  neu  sich  eröffnenden  Nebenwege,  vor 
Allem,  weil  sie  so  überaus  bequem  und  so  täuschend  nahe 
lagen,  auf  den  Rentenkauf  und  das  Interesse.  Er  bildete 
diese  Institute  nach  seinen  Erfordernissen  um  und  brachte 
durch  solche  alltägliche,  tausendfache,  offene  und  doch  vom 
Gesetze  geschützte  Umgehung  des  Wucherverbotes  zunächst 
jene  Institute  selbst  zu  einer  so  allverbreiteten,  festgewurzelten 
Stellung  im  Verkehre,  dass,  we  unten  auszuführen  ist,  die 
Partikulargesetze  zunächst ,  dann  Hinsichts  des  Rentenkaufes 
auch  die  Reichsgesetze  auf  diese  neue  Entwicklung  der  Insti- 
tute rücksichtigen  und  dieselbe  öffentlich  anerkennen  mussten 
(cf.  IX.  a.  Auf.)  Hierdurch  aber  gewann  der  Verkehr  alsdann 
eine  zwiefach  starke  Stütze,  die  Conventionalzinsen  immer 
mehr  in  Anwendung  zu  erhalten,  ilire  NothAvendigkeit  darzu- 
legen ,  so  dass  sich  die  Gesetze ,  ja  sogar  die  Kirche  schliess- 
lich in  deutschen  S}' noden ,  nicht  melir  der  siegreichen  Em  Wir- 
kung des  Verkehres  entziehen  konnten,  sondern  selbst  das 
Wuchergesetz  des  kanonischen  Rechtes  verwarfen. 


1)  cf.  Eeval,  St.  E.  11.  p.  366.  (1698)  Klage  des  Adels  bei  dem 
Könige ,  dass  die  Gläubiger  sich  aus  den  ihnen  gesetzten  Pfändern  höhe- 
ren Gewinn  verschafften,  als  das  gebräuchliche  Interesse.  6  Prozent 
sei  die  gebräuchliche  Höhe  des  Interesse,  welche  durch  kein  Gesetz, 
sondern  durch  die  Gewohnheit  normirt  werde.  Estor,  deutsche  Eechts- 
gelahrtheit  II.  §.  .3627.  —  Z ypaeus,  jus  Belgicum  1.  IV.  d.  usur.  „notarii 
2)lerumque  liodie  stipulantii/)- liae  fornmla  „cum  dehito  interesse," 
quales  sunt  usurae,  quae  in  regtone  frequeniantur ."  Marion,  (cf. 
Zypaeus  1.  c.)  plaidoye  onzienie :  „hodie  sub  titulo  interesse  multi  illiciti 
contractus  jyro  permissis  nimia  faciliiate  admittuntur ."  Martens, 
Urspr.  der  Gesch.  d.W.  §.13.  Ordonnances  des  rois  de  France  I. 
p.  485:  „pour  raison  d'usure  et  sous  couleure  d'interest."  (1311.) 


V. 

Gesetzliclie    Ausnahmen    vom    kanonistischen 

Wucherverbote ,   über  dessen  Grenzen  hinaus, 

in  Deutschland. 


1.    Das  Allgemeine. 

Betrachtet  man  die  Zahl  der  bisher  augeführten  deutschen 
Rechtsquelleu  in  den  eben  erörterten  Gebieten  des  Wuchers 
bis  zum  16.  Jahrhundert,  so  zeigt  sich  eine  merkwürdig  innige 
Uebereinstimmung  des  deutschen  und  kanonischen  Rechtes. 
Das  deutsche  Recht  verwirft,  gleich  der  Kirche,  jede  Vergüti- 
gung  der  Nutzung  fremden  Kapitales,  und  dies  von  ältester 
Zeit  her;  gleich  der  Kirche  nimmt  es  vor  diesem  Verbote 
hauptsächlich  den  Ersatz  des  Schadens  aus  dem  Verzuge  und 
aus  der  ContraktserfüUung  selbst,  das  Interesse,  in  gesetz- 
lichen Schutz.  Vereinzelte  Ueberschreitungen  dieser  kanonisch- 
rechtlichen "Wucherschranken  in  jenen  Gebieten  sind  richtiger 
der  Einwirkung  des  Verkehrslebens,  als  den  Gesetzgebern 
zuzuschreiben ,  ersterem  allein  gereicht  vor  Allem  die  bereits 
angedeutete  allmähliche  Umformung  der  Wucherbestiramungen 
des  deutschen  Rechtes  im  IG.  und  17.  Jahrhundert  zum  Vor- 
wurf oder  Ruhme. 

Da  verhältnissmässig  selten  hierbei  die  Einwirkung  des 
kanonischen  Rechtes  direkt  und  unmittelbar  auf  die  Abfassung 
der  deutschen  Rechtsbücher  und  Gesetze  nachzuweisen  ist, 
liegt  der  Schluss  nicht  fern,  von  eigenem  Ursprünge  her 
und  gemäss  seiner  eigenen  Natur  habe  das  deutsche 
Recht  den  Grundsatz  erzeugt,  in  sich  getragen  und  geboren, 

Neumann,  Gesch.  d.  Wuchers.  12 


178     V.  Gosotzl.  Ansii.  gegen  kanon.  AViuiieivoii).    1.  Pas  Allgemeine. 

(lass  jede  Vergütigung  der  Nutzung  freuideu  Kapitales  /ai  ver- 
hindern sei.  Das  kanonische  Keclit  bietet  ein  Beispiel,  und  viel- 
leicht nur  Hebcamiuendienste  leistete  es  bei  der  Geburt  jenes 
Grundsat/es.  Niclit  ein  Beweis  dagegen  wäre  die  offene  Verwer- 
fung, Umgehung  und  schliessliche  Umformung  des  deutschrecht- 
lichen Wucherverbotes  durcli  das  eigentliche  Verkchrsleben, 
also  durch  die  erzeugende  Kraft  aller  Gesetze  selbst.  Denn 
diese  Kichtung  der  Kraft  machte  sich  erst  lange  Zeit  nach  dem 
Erstehen  des  Wucherverbotes  im  deutschen  Rechte  geltend. 
Weiteren  Belag  sogar  für  obige  Annahme  könnten  ausser  den 
bisher  hauptsächlich  erwähnten  Quellen  noch  diejenigen  Ge- 
setzbücher bieten ,  welche  deutschrechtlichen  Ursprungs ,  und 
deutschrechtlichen  Stoffes  voll,  doch  ausserhalb  des  deutschen 
Bodens  und  Lebens  ihre  Entwicklung  erfuhren.  Die  aus  den 
westgothischen  Gesetzen  erwachsenen  spanischen  Gesetze, 
diQ  constitutiones  rrgni  Siciliae,  die  assisaeHic- 
rosolymitanae  mögen  dabei  ausser  Acht  bleiben;  schon 
die  wenigen  oben  zum  Theil  aus  diesen  Quellen  gebrachten 
Citate  erweisen  klar,  wie  stark  das  kanonische  Recht  auf  ihre 
Gestaltung  einwirkte.  Aber  die  Gesetz-  und  Rechtsbücher  des 
europäischen  Nordens,  vor  Allem  die  isländische  Grägäs,  die 
Gulathings-lag  des  Gesetzebesserers ,  Königs  Magnus ,  die 
Gesetze  Schönens,  Jütlands,  Glanvilla  in  England 
konnten  weder  gegen  das  Recht  der  Kirche  ihre  heimischen 
Vorschriften  vertheidigen ,  ^)  noch  erstanden  sie  aus  einer 
im  Verkehre  genug  entwickelten  Zeit,  als  dass  sie  über  die 
wncherlichen  Contrakte  überhaupt  Etwas,  geschweige  denn 
dieses  aus  dem  unbeeinflussten ,  rein  deutschen  Rechtsfunda- 
mente her  entsprossen  aufweisen  könnten.  An  Zinsen  anklingend 
schreibt  nur  für  die  Miethe  irgend  welcher  beweglichen  Sache 
die  Grägäs  ^)  hn  Kaupa-Balkr.  ti.  1.  vor.  Niemand  soll 
einen  höheren  Miethszins  (leiga),  als  das  Verhältniss  von 
10  Unzen  zu  1  Unze  jährlich  ergiebt,  zahlen  noch  nehmen. 
Von  dem  Interesse -Ersatz  für  Benutzung  fremden  Kapitales 


1)  Zeitsehr.  für  geschichtl.  R.  W.  III.  1.  p.  122.        2)  ed.  Schlegel. 
Kopenhagen  1829.  p.  390. 


V.  Gesetzl.  Ausn.  gegen  kanon.  Wuclierverb.   1.  Das  Allgemeine.     179 

weiss  Grrigäs  Nichts ,  für  den  Verzugsschadeii  stellt  das  Gesetz 
ein  für  alle  Male  ein  festes  Maximum  von  4^2  Mark  auf. ') 
In  Glanvilla  erscheinen  die  von  Eduard  dem  Bekenner  den 
Wucherern  auferlegten  Strafen  gemildert ,  -)  indess  ist  das  Ge- 
setzhuch,  wie  bekannt,  vom  kanonischen  Rechte  wesentlich 
beeinflusst,  und  so  heisst  es  m  der  Erklärung  zu  „jurisdictione 
soll  curiae  Chrlsfianitafis  data "  ^)  „  ex  causa  muiui  dehotur 
aliquid ,  cum  quis  credit  alii  aliquid  tale,  qiiod  consistit  in 
numero  vel  2^ondere  vcl  mensura;  cum  quis  itaque  ali- 
quid tale  crediderit,  si  plus  eo  receperit,  usu- 
ram  facit,  et  si  in  tale  crimen  ohlerit,  damnahitur  tam- 
quam  usurarius." 

Allein  schon  die  auch  durch  die  Geschichte  der  Rechte 
anderer  Völker  erwiesene  Wahrlieit  tritt  obigem  Satze  ent- 
gegen, nämlich,  dass  überall  von  Natur  das  Gesetzes-  oder 
Gewohnheitsrecht  eine  Entschädigung  für  die  Nutzung  frem- 
den Kapitales  zulässt,  ja  befiehlt.  Für  das  deutsche  Reclit 
aber  fehlen,  trotzdem  das  kanonische  Wucherverbot  so  frühe 
schon  und  insbesondere  vor  Durchbildung  des  heimischen  Ver- 
kehrs sich  wie  ein  Mehltau  auf  die  aus  gesunden  Boden  natur- 
gemäss  aufkeimende  Saat  der  Gesetze  lagerte,  selbst  positive 
Zeichen  nicht  dafür,  dass  auch  in  ihm  jener  Hauptgrundsatz 
alles  Verkehres  sich  vorfand  und  entwickelt  hätte ,  wenn  nicht 
das  fremde  Gebot  hindernd  dazwischen  getreten  wäre.  Als 
zweifelhaft  für  die  Schlussfolge  mag  dabei  ausser  Acht  bleiben, 
dass  das  Wort  Wucher  im  Gothischen,  Althochdeutschen, 
also  gerade  in  der  ältesten  Zeit,  Nichts  von  der  Nebenbedeu- 


1)  cf.  Grägäs  1.  c.  I.  390.  ti.  II,  V.  p.  395,  VI.  p.  399.  cf.  IV.  2.  k. 
2)  Eduard  erklärte  die  Wucherer  als  vogclfrei  und  befalil ,  sie  aus  dem 
Reiche  zu  vertreiben.  Nach  Glanvilla  wui-de  nur  das  Vermögen  des  Wuche- 
rers ,  welcher  als  solcher  starb ,  confiszirt.  So  lange  der  AVucherer  lebte, 
wurde  er  dagegen  weder  von  denr  königlichen  Gericlitsliofe  noch  von 
einem  weltlichen  Gcridite  bestraft;  über  den  Wucher  verliandelte  allein 
die  „curia  Christianitatis"  Glanvilla  1189.  bei  Philipps,  Engli- 
sche Rechtsgesch.  (Berl.  1827.  IL  l.VIl.  cp.  IG.  §.  3—4.  —  Recht.s- 
gesch.  ib.  11.  p.  231.  —  legg.  Eduard,  conf.  37.  —  Anderson,  origin 
of  commerce.  1045.        3)  C  1  a  n  vi  1 1  a  ,  1.  c.  lib.  X.  c.  3.  §.  3. 

12  * 


180     V.  Geset/1.  Ausnaliinoii  v.  kaiioii.  Wudiorvorb.    2.  Pfandvertrag. 

tung  des  unerlaubten,  übermässigen  Gewinnes  in  sich  trug,  und 
so  gemssermaassen  die  Billigung  des  Wuchers  im  deutschen 
Kechtsgebiete  von  vornherein  feststand  (cf.  ob.  ITI.  Allg.)  Aber 
den  sichern  Erweis  liefern  die  drei  Ausnahmen,  welche  seit 
alter  Zeit  die  deutschen  Gesetze  selbst,  obgleich  sie  von  An- 
beginn dem  kirchenrechtlichen  Wucherverbote  sich  anschlös- 
sen, über  die  von  der  Kirche  gezogenen  strengen 
Schranken  hinaus,  gegen  das  Wucherverbot  aufstellten, 
getreu  dem  Verlangen  des  Gewohnheitsrechtes,  aus  dem  sie 
entsprossen.  Die  deutschen  Gesetze  gestatteten  ein  plus  ultra 
sortem  zu  nehmen  speziell  im  Pfandkontrakte  und  im 
Kentenkaufe,  mid  zwar  allen  Leihenden;  in  allen  Fällen 
der  Nutzung  fremden  Kapitales  war  es  drittens  speziell  den 
Juden  und  Wechslern  gestattet,  Zinsen  zu  fordern. 

Von  diesen  drei  Wucherausnahmen  übte  der  Rentenkauf 
insbesondere  die  nachhaltigste  Wirkung  auf  die  Entwicklung 
des  persönlichen  Credites,  er  nähert  den  Schadensersatz  aus 
dem  Verzuge  und  dem  Leihverhältnisse  selbst  den  Conven- 
tioualzinsen  und  reift  letztere  allgemach  heran;  die  Zinsge- 
schäfte der  Juden  und  Wechsler  andrerseits  führen  die  Con- 
ventionalzinsen  direkt  von  dem  Boden  ihres  Privilegs  in  den 
alltäglichen  Verkehr  auch  der  nichtprivilegirten  Parteien.  Alle 
drei  Ausnahmen  endlich ,  welche  die  Kirche  zuvor  ausdrück- 
lich oder  durch  ihr  allgemeines  Wucherverbot  ganz  oder  zum 
Theile  wenigstens  verworfen  hatte,  zwingen  durch  die  Bedeu- 
tung, welche  sie  im  deutschen  Verkehrsleben  gewinnen,  schliess- 
lich die  Kirche  sell)st ,  zuerst  die  Ausnahmen  in  dieser  ihrer 
ganzen  Ausdehnung  anzuerkennen,  und  danach  stellenweise 
sogar  die  Conventionalzinsen  unter  Verleugnung  des  alten 
Wuchergesetzes  zu  billigen. 

2.    Der  Pfandvertrag. 

a.   Die  ältere  Satzung.  —   Benutzung   des  Pfandes  durch  den 
Gläubiger  und  Anrechnung  des  Nutzens  auf  die  Schuld- 
summe. —  Die  Gesetze.  —  Der  Verkehr. 

Im  alten  deutschen  Rechte  war  es  Regel,  dass  der  Gläu- 
biger das  bewegliche   Pfand  (wadium)   als   Faustpfand 


,   V.  2.  Pfandrecht,   a.  Aeltere  Satzung.  Benutzung  d.PfanrIosotc.     181 

vom  Schuldner  übergeben  erhielt  oder  durch  den  Frohnboten 
oder  durch  seine  eigene  Pfändung  empfing,  doch  allgemein 
nicht  dasselbe  zu  seinem  Vortheile  nutzte.  ^)  Für  das  Pfandrecht 


1)  cf.  Sachsenspiegel.  LQ.  5.  §.  4. 
,,  Svat  man  aver  denie  manne  liet  oder  sat ,  dat  sal  he  unverderft  weder 
bringen  oder  gelden  na  sime  werde." 
Goslar  er  St.  R.  (Göschen)  p.  82.   Verm.  Sachsensp.  IV.  42.  d.  19. 
Magdeb.  R.  (1304)  a.  88.  —  und  in  Süddeutschland:  Schwabens p. 
OVackern.  212.  Lassb.  258.  b.)   München  er  St.  K.  a.  42.  p.  19. 

-  swen  ain  pfant  gesetczt  wird  oder  empfohlen  ze  hingeben ,  der  sol  daz 
behalden  an  gevärd  und  chain  nutz  dar  ab  nemen ,  nutzet  er  es  darvber, 
swaz  ez  dann  erger  wird,  das  er  bereden  mag,  daz  soll  er  im  gelten.. ." 
Rechtsbuch  Ludwigs  des  Bai  er  n  ebenso,  als  Quelle  des  Münchener 
Stadtrechtes  a.  39.    Deutscher  Spiegel  p.  123.  204.  205.   Solmser 
L.  0,  (1599)  p.  83.   Dem  gegenüber  stehen  Glanvilla  1.  c.  lib.  Y.  cp.  6. 
§.  2.  3,  cp.  8.  §.  6.  Sachs.  Weichbild  1.  c.  fol.  34. 
„  vnd  es  wer  nicht  bedinget  das  dem  pfandherrn  der  nutz  auch  beleiben 
solt  (vnd  das  er  der  gütter  gemessen  solt),  \Tid  er  genüsse  ir  doch,  solte 
der  genies  an  dem  haubtgut  abgehen  oder  nicht  oder  was  da  recht  sein 
sollt  ?  A  n  t  w.  der  nutz  sol  im  an  de*ni  haubtgut  abgen.   Es  wer  denn 
anders  ausgedinget ,  das  der  pfandherr  der  guter  gemessen  solt,  sonst 
was  er  ausserhalb  dieses  gedinges  aus  dem  gut  nem,  das  wer  wucher.'' 
Fr  ei  burger  relbrm.  St.  R.  (1520)  II.  8.  n.  2.   Würtemb.  L.  0.  (1.557) 
fol.  224.  —  Badische  L.  0.  (1622)  p.  92.   Eichhorn,  D.  P.  R.  §.  121. 
—  Philipps,D.  P.  R.  §.  20.  —  Maurenbre  eher,  D.  P.  R.  §.300.  I. 
Beseler,  D.  P.R.  n.  p.  167.  -  Gerber,  D.  P.  R.  §.149.  —  Albrecht, 
Gewere  §.  15.  —  Von  lebendigen  oder  essenden  Pfändern  gilt  dasselbe,  cf. 
Rechtsb.  Ludwigs  V.  B.  ti.  X\^I.  p.  716.  Münchener  St.  R.  a.  93. 
München.  Reformat.  (1417)  1.  c.  p.  118. 128.  Schwabens p.  c. 212.: 
„  er  sol  es  auch  ninder  riten  äne  jenes  urloup  und  ritet  ers  darüber, 
swaz  im  geschieht,  er  musz  den  schaden  haben." 
Culmer  R.  1.  c.  V. 34.  ,,und  geschyt  ym  nicht  dennoch  mus  her  bessim" 
(cf.  Systemat.  SchöiFenrecht  p.  XL.)   Förster  (Zeitschr.  für  D.  R.  IX. 
p.  116.)  —   Rügian.  Land  gebrau  ch  ti.  74.  p.  93  (Homeyer): 
„lev endige  pande.'*  brücket  de  Loviger  die  pfände  mittler  Tydt, 
he  deit  Unrecht  vnd  steit  sülvest  de  Unkostinge." 
Gerade  das  Systematische  Schöffenrecht  (kulmer  Recht)  und  der  Rügiani- 
sche  Landgebrauch   setzen   bestimmte   Strafen   für  das  Gebrauchen  der 
beweglichen  Faustpfänder  durch  den  Gläubiger  an.    Die  andern  zitirten 
Quellenbeläge  thun  dies  nicht .  sondern  verbieten  einfach  den  Gebrauch, 
widrigenfalls  Gläubiger  lediglich  den  durch  den  Gebrauch  am  Pfände  her- 
vorgerufenen Schaden  ersetzen  musste.  -An  sich  daher  könnte  man  diese 


182     V.  2.  rfaiitlroclit.    a.  Aclteiv  Satznii.c:.   Ronut/Jiug  d.  n'andos  etc. 

an  unbeweglich  eil  Sachoii  alier,  das  in  dem  alten  deut- 
schen Rechte,  wie  es  scheint,  nicht  vorkam/)  liihleten  sich 
während  des  Mittelalters  ZAvei  verschiedene  Eechtsgeschäfte 
aus,  das  nutzbare  Pfand  oder  die  ältere  Satzung  (V,  2.  a)  und 
die  neuere  Satzung  (V.  2.  e).  Das  nutzbare  Pfand  ist  nicht 
ein  accessorisches ,  sondern  ein  selbstständiges  Geschäft.  ^)  Der 
Gläubiger  empfängt  von  dem  Schuldner  mittelst  gerichtlicher 
Auflassung  ^)  ein  Grundstück  zum  Pfände ,  damit  er  es  bis  zur 
Wiedereinlösung  besitze  und  ohne  Emschränkung  nutze.  Der 
Gläubiger  erhält  hier  also  eine  volle  PfandgOAvere ,  neben  wel- 
cher die  Gewere  des  Eigenthümers  fortbesteht.  *) 

Bei  dem  unbeweglichen  Pfände  war  es  daher  gerade  im 
Wesen  des  Institutes  der  älteren  Satzung ,  in  der  dem  Gläubi- 
ger damit  gegebenen  Gewere  begründet,  dass  der  Gläubiger 
unbegrenzt  den  Nutzen  aus  dem  in  seinem  Besitze  befindlichen 
Pfände  zog.  Das  wurde  schon  durch  die  Natur  dieser  meist 
fruchttragenden  Pfänder  veranlasst  und  rechtlich  durch  das 
Festhalten  der  alten  Satzung  als  eines  selbstständigen  Hechtes 
des  Gläubigers  bestärkt.  ^)  Da  sich  an  die  Auflassung ,  mit 
welcher  das  Pfand  dem  Gläubiger  übertragen  wurde ,  die  Ein- 


Gesetzc  dahin  verstehen ,  als  gestatteten  sie  indirekt  den  Gehrauch.  Bei 
dieser  Auslegung  entstünde  indess  bereits  Hinsichts  der  essenden  Pfänder 
ein  Widerspruch.  Denn  dann  verböten  eigener  Weise  gerade  diejenigen 
Gesetzbücher ,  welche  allgemein  den  Gehrauch  beweglicher  Pfänder  )nit 
der  eben  erwähnten  Folge  dem  Gläubiger  gestatteten ,  bei  essenden  Pfän- 
dern jede  Benutzung. 

1)  Zuerst  form.  Marculfi  app.  N.  50. ;  über  den  Einfluss  der 
römisch  -  rechtlichen  Antichrese  hierbei  cf.  u.  —  cf.  Be  seier  P.  R.  U. 
p.  132.  u.  N.  5.  2)  Homeyer,  Sachsenspiegel  11.  2.  §.  18.  p.  345  ff. 
3)  Lüb.  R.  (1240)  art.  18.  —  Revid.  lüb.  R.  HI.  6.  a.  2.  —  Sachs. 
Lehenr.  a.  55.  §.  8.  —  Albrecht,  1.  c.  §.  8.  —  Eichhorn,  R.  G.  II. 
§.  359.  N.  6.  —  Mittermaier,P.R.  I.§.160.  —  Philipps ,  P.  R.  I. 
§.  61.  4)  Albrecht,  1.  c.  p.  144ff.  —  B u d d e ,  Ztschr.  1.  c.  IX. p.  435 ff. 
5)  cf.  Eichhorn,  R.  G.§. 361.  a.  —  Philipp  s,  I.e.  1.20.  Bluntschli, 
D.  P.  R.  (München  1833.  I.  §.99.  p.  475.  —  Maurenbrecher,  I.e. 
§.  300.  —  Beseler,  1.  c.  II.  §.  95.  —  Gerber,  1.  c.  §.  149.  —  Runde, 
D.  P.  R.  (Göttingen  1787.  7.  Aufl.)  §.  455.  p.  534  — 457.  Albrecht, 
Gewere  §.  16.  17. 


V.  2.  Pfandreclit.  a.  Aelterc  Satzung.  Bcnutzuiig- d.  Plaiidesetc.     1H,'3 

tragiing  in  die  öfl'entlidion  liücher  iiiid  die  Ausstellung  öftent- 
liclier  Urkunden  über  die  Eintragung  anschloss  (cf.  u.  V.  3.  a.),  ^) 
forderte  man  die  Verbreitung  des  Institutes,  und  damit  seines 
gegen  das  kanonistiscbe  Zinsverbot  gericbteten  Charakters 
niclit  allein  durch  den  erleichterten  Beweis  im  Prozesse ,  son- 
dern mehr  noch  durch  die  ermöglichte  leichte  Uebertragmig 
des  einen  Pfandverhältnisses  auf  mehrere  Gläubiger.  ^) 

Als  daher  das  kanonische  Recht  in  Deutschland  immer 
mehr  an  Einfluss  gewann,  trug  ein  Tlieil  der  damaligen  Rechts- 
schriftsteller und  Gesetzgeber  kein  Bedenken ,  die  Bestimmung 
desselben,   dass  der  Gläubiger  Nichts  aus  dem   Pfandnutzen 
für  sich  verwenden ,  Alles  vielmehr  höchstens  nach  Abzug  der 
Kosten,  welche  der  Gläubiger  in  das  Pfand  verausgabt,  auf 
das  geliehene  Kapital  anrechnen  müsse,  auch  in  das  deutsche 
Recht  aufzunehmen  und  dadurch  die  in  der  älteren  Satzung 
gestattete   unbegrenzte  Nutzung   des  unbeweglichen  Pfandes 
zu  beschränken.   Man  säumte  nicht,   das,  was  man  so  eben 
allgemein  noch  gebilligt  hatte,  jetzt  zum  Theil  als  Wucher 
zu  verdammen.  ^)    Cölner  St.  R.  (14.  Jahrh.)  a.  46.  p.  69.: 
„  Item  es  soll  niemands  in  Collen  Geld  auf  erbentliche  Pfand 
lehnen,  dass  er  die  Reute  davon  komende  nutze,  die  er  dem 
Schuldner  an  der  hauptsumma  nicht  abschlagen  Avolte."  ^) 
Und   selbst   aus   späterer  Zeit:    Wormser   Reform.  1498 
(a.l507)  V.3.ti.2.  Freiburger  St.  R.  (1520)  trc.II.ti.8.n.3: 
„Wer  auch  das  einer  dem  andern  ligende  guter  zu  pfand 
insetzte  vnd  im  die  zuhanden  stalte  mit  zülass,  die  zu  nützen 


1)  Pauli,  Abb.  a.  d.  lüb.  Rechte  I.  S.  5  ff.  —  Rev.  lüb.  R.  III.  6. 
art.  2.  —  H  e  u  in  a  n  n  ,  opuscul.  p.  150.  (Bair.  L.  R.)  2)  H  i  1  d  e  s  b  e  i  - 
mer  Statt.  (Pufendorf  obss.  jur.  IV.  app.  nr.  XV.)  a.  131.  —  Heise 
und  Cropp;  Jur.  Abliandl.  I.  p.37G.  Die  Aufla>ssun<,'  wurde  freilich  auch 
bei  der  weiteren  Ucbertragung  vielfach  angewendet.  Pauli,  Abhh.  1.  c.  I. 
S.  33.  —  A  u  e  r ,  Müncbener  St.  R.  p.  CXXX.  3)  cf.  G 1  a  n  v  i  1 1  a  X. 
cp.  6.  §.  2  —  3.  cp.  8.  §.  (j.  Seh  wabens])iegel  c.  KJO.  4)  Magde- 
burger Fragen  (1385— 14(»2)  in  der  Ausg.  des  Sachsensp.  Augsburg 
1517.it.  1.  dist.  1: 

..man  mag  auf  das  yWmd  iiucli  gelt   nit  aufsclüags  noch  zinss  noch 

MTüchers  neiuen  von  rechts  wegen." 


184-     V.  2.  Pfandroclit.  a.  Aoltoro  Satzunef.  Boiuity.nii,£j- d.  Pfandes  etc. 

bis  die  gelöst  würden.     Sezzen  vnd  wollen  wir  alle  die  nutz 
vnd  fruchte,   so  der  scluütlierr  davon  nach  abgerechneten 
kosten  empfangen  hat,   die   sol   er   dem  Schuldner  an  die 
hauptsumme  rechnen  vnd  im  vil  dagegen  an  der  hauptsumma 
abzielm,  so  viel  sich  dieselben  nutz  vnd  frücht  betreffen." 
(fast  wörtlich  übereinstimmend  mit  den  Dekretalen  c.  8.  u. 
1.  X.  5,  19;  c.  2.  1.  c;  c.  6.  X.  3,  21.) 
So  erklärte  auch  der  Züricher  Rath  jene  Form   der   alten 
Satzung,  welche  er  bisher  anerkannt  hatte,  1550  für  wucherlich: 
„zuodem,  das  niemands  vnder  den  vnsren  gelt  vff  gueter 
vsslyhen,  vnd  dieselben  zuo  iren  banden  nemmen  die  bewer- 
ben vnd  nützen  bis  inen  ir  gelt  wider  erlegt  wirt.   Sondern 
söUichs   als   ein  bechwerd  vnd   treffenlicher  nachtheil   des 
gmeinen   armen   manns   abgestellt   vnd   vorbotten  heissen 
vnd  sin."  ^) 
In  vereinzelten  Urkunden  'der  Parteien  findet  sich,  was  hier 
sogleich  angeschlossen  werden   mag,   die  Vorschrift  befolgt, 
so  in  Klempin,  diplom.  Beitr.  z.  Gesch.  Pommerns.   (Berlin 
1859.  p.  100.),  wo  freilich  einCleriker,  Bischof  Benedict,  (1493) 
ein  Darlehn  von  700  fl.  rhein.  aufnimmt. 

„In  qnihiifsquidem 70öflorcnis  dictis  dorn. creditorihus prin- 
cipalatus  nostri  Stettinensis  et  omnia  alia  officia  nostra  et 
etiam  episcopales  denarios  in  Nova  Mareltia  arrendamus . . . 
at  quousque  dictis  dominis  satisfactio  de  jam  expressa 
summa  facta  non  fuerit  tarn  diu  dictis  nostris  officiis  et 
episcopalihus  denariis  in  vim  extenuationis  debiti 
pretacti  uti  dehehunt  in  solidum  saluo  tarnen  jure  loca- 
tionis  officiaUum  quod  nohis  pro  arhitrio  nostro  reserua- 
mus."'^)  — 

1)  Bluntschli,  Züricher  E.  G.  11.  p.  121. —  cf.  auch  die  Statuten 
V.  Greussen  1556.  (Walch,  Beitr.  VII.  p.  150.  II.  40.  p.  150.  —  Stat. 
von  Frankenhausen  1558  (Walch,  I.  a.  43.)  Würtemb.  L.  0.  von 
1557.1597.1610.  Wächter,  Handbuch  p.  495  ff. :  „Das  erste  Land- 
recht bestimmt,  dass  Pfandnutzungen  am  Kapitale  abgerechnet  wer- 
den; die  6.  Landesordnung  gestattet  die  Nutzung  ohne  Abrechnung, 
wenn  nur  das  Darlehn  gleich  dem  Werthe  des  Gutes  ist  und  der  Vertrag 
gerichtlich  geschlossen. "  B  a  d  i s  c  h  e  L.  0.  ( 1622)  j).  92.  2)  I)  a n  z.  Schöp- 
penb.  1500.  fol.  137.3.  —  Danz.  Arch.  Schuldurk.  des  Königs  Sigismund. 


V.  2.  Pfandrecht,  a.  Acltere  Satzung.  Bojint/.ung  d.  Pfandes  etc.     185 

Andere  der  deutschen  Gesetzgeber  überliessen,  des  einhei- 
mischen Kechtes  der  alten  »Satzung  melir  eingedenk,  zunächst 
den  Contrahenten,  frei  festzustellen,  was  ihnen  von  den  Grund- 
sätzen   des   deutschen  (römischen)   oder  kanonischen  Rechtes 
in  diesem  Punkte  geeignet  schien.   Erst  dort,  wo  die  Parteien 
Nichts  hierüber   erklärt  hatten,   galten  die  Vorschriften  des 
Gesetzes,  das  sich  dann  ebenfalls  einem  dieser  Rechte  anschloss. 
So  das  sächsische  Weichbild.  1.  c.  fol.  34.  „und  es  wer  nicht 
bedinget . . . :  der  nutz  sol  im  an  dem  haubtgut  abgen.   Es  wer 
denn  anders   ausgedinget,   das  der  pfandherr  der  guter 
geniessen  sollt,  sonst  was  er  ausserhalb  dises  gedinges  aus 
dem  gut  nem,  das  wer  wucher."  (cf.  ob.)  Eckardt,  Neun 
Bücher  sächs.  Rechts.  V.  a.  3.  dist.  1.  8.  9 : 
^  „  Wird  einem  manne  ein  erbe  versetzt  mit  gutem  willen  für 
geld  (er  darft"  den  nutz  noch  den  zins  nicht  abeschlagen), 
es  sei  denne  das  es  mit  ihm  zuvor  bescheiden  werde 
vnd  mit  sonderlichen  Worten   ausgen.  ZAvischen  in   in   der 
Sache."  (ed.  Poelmann.) 
Rechtsbuch  Ludwigs  des  B.  (1336)  p.  152: 

,,  war  aber  das  ainer  mit  dem  andern  gedingt  hat,  wie  er 
mit  seinen  pfänden  gevaru  solt,  des  sol  er  auch  geniessen 
vnd  sol  stet  bleiben,  was  er  gedingt  hett."  ^)  — 

Wieder  Andere  gestatteten  die  freie  Benutzung  der  Pfand- 
grundstücke zum  Vortheile  des  Gläubigers,  indem,  sie  allein 
den  Ersatz  des  dadurch  dem  Schuldner  angethanen  Schadens 
ersterem  auferlegten.  So  sagt  das  systematische  Schöf- 
fenrecht  III.  2.  cp.  76: 


1565.  8.  Juni  „  ita  tarnen ,  ut  de  Omnibus  eortmdem  theloneorum  et  poho- 
raruni  2)rouent{bus  loco  interesse  nihil  pro  se  accipiat  sed  de 
iis  Omnibus  in  Cameram  nostram  rationem  pro  tempore  superius  me- 
morato  reddat  eosque  omiies  theloneorum  et  poborarum  prouentus  tunc 
ad  rationem  summae  Capitalis  nimirum  ...  interim  recipiat." 
cf.  auch  Gercken.  cod.  Brand  I.  156.  (a.  1333.)  Freihurger  St.  K. 
(Schreiber)  1.  c.  1.2.  p.  248.  (1323.)  —  Lübeckische  Urk,  Buch. 
I.  a.  1277.  —  Chr.  Kupp ener.  vom  Wucher  (F.  3),  Beilage  E. 
1)  Zeitschr.  f.  d.  E.  IX.  p.  410.  (Buddc.) 


1S(>    V.  2.  rfaitilroolit.  a.  Aoltere  Satzung.  Bonnfznng  d.  rfandesctc. 

„ . .  Avirt  oiu'h  oyme   mit  willin  gesaezt  eyn  erbe  vor  gelt, 
her  endarf  (Ion  luu'z  iiocli  cziiis  nicht  abe  slon,  is  eii 
sy  denne  daz  is  ym  czuvor  bescheydin  werde"  (Ciilm  111. 106.)  ^) 
Noch  Andere  endlicli  hielten  an  dem  heimischen  Rechte 
trotz   der   kanonistisclien  Wuchersätze    fest   mid   gestatteten 
durchaus  die  unbegrenzte  Benutzung  der  unbeweglichen  Pfänder 
zum  Vortlieile   des  Gläubigers.  2)   Schon  in  Marculfs   For- 
meln heisst  es  Adp.  nr.  50. 

„oppigncro  tibi  vincam propridatis  meac  et  usquead  annos 
tantos  friictum,  quem  ihldcm  deus  ileäerit ,  ad  parte  tua 
habere  debeas  et  per  temct  ipsnm  ipsa  mea  condirgere 
facias,  et  qnomodo  ipso  f'ruetns  tantos  annos  transactos 
habueris  et  dchifo  fno  tibi  reddidero  cautionem  meam  per 
manibus  recipiam  stipulatione  subnixa."  ^) 
Und  der  Spiegel  deutscher  Leute  (Ficker  1859)  sagt 
besonders  bezeichnend  p.  95.  n.  92.  am  Ende: 

„  daz  (d.  Pfand)  sol  man  wol  behalten  acht  tage  vnverchauf- 
fet  vnd  vnversetzet.    Wil  man  ez  auz  purgen  man  sol  ez 
auz  geben  vntz  auf  daz  zelbe  zil.  etwa  ist  gewonheit  daz  man 
anders  da  mit  wirbet  daz  ist  nach  der  leut  gewonheit." 
Während  aber  die  Grundsätze  der  einzelnen  Eechtsbücher 
und  gar  der  Gesetze  so  auseinandergehen,  halten  die  Con- 
trahenten   selbst  in    überwiegendster    Mehrzahl 
die   deutschrechtliclie  Ausnutzung  des   unbeweg- 
lichen  Pfandes  zum  reinen  Gewinne  des   Gläubi- 
gers  durchaus   aufrecht,  als  wäre   nie  das  Verbot  der 
Kirche  über   die   deutschen  Grenzen  geschritten.     Unter  der 
Unzahl  von  Pfandverträgen ,  welche  unabhängig  oder  entspre- 


1)  cf.  Rechtsbuch  Ludwigs  des  B.  (133ß.)  a.  39.  p.  154.  —  Mün- 
chener St.  R.  (14.  Jahrh.)  und  dessen  Reformat.  (1417)  p.  118.  Die  von 
beiden  ausgesprochene  Regel  erstreckt  sich  auf  bewegliche  und  unbeweg- 
liche Pfänder,  cf.  S.  181.N.  l.die  andere  Auslegung  dieser  Stellen,  wonach 
auch  hier  aller  Vorth  eil  des  Gläubigersaus  der  Benutzung  untersagt  wäre. 
2)  cf. u.  A.Würteniberger  L. 0. (6.)  Wächter,  Handb. I.e.  3)  Gerade 
die  freie  Benutzung  des  Pfandes  ohne  Anrechnung  des  Vortheils  steht 
der  Annahme  des  römisch  -  rechtlichen  Einflusses  bei  dieser  Stelle 
entgegen. 


V.  2.  Pfandreclit.  a.  Aoltcro  Satzung.  'Bi'iinl/.nng  d.  Pfandes  etc.     187 

chend  dem  geringen  persönlichen  Credite  den  Schuldurkunden 
beigefügt  sicli  findiMi,  gestatten  Geistliche  und  Laien,  die 
höchsten  Würdenträger  und  niedrigsten  Privaten,  Kaiser, 
Bischöfe,  ^)  Einzelfürsten  bis  zum  einfachen  Bürger  und  Bauer 
hinab  dem  Gläubiger,  ihre  ländlichen  und  städtischen  Grund- 
stücke jeder  Art,  ganze  Theile  des  Landes  mit  Dörfern  und 
Städten,  Burgen,  Schifte,  Rechte  an  fremden  Grundstücken, 
Regalien,  besonders  Gerichtsbarkeit,  Steuern  und  die  ver- 
schiedenartigsten Gefälle  zu  seinem  Vortheile  auszubeuten. 
Nicht  einmal  die  Einzelstaaten  waren  vor  Verpfändung  durch 
Kaisers  Hand  sicher,  wenn  sie  nicht  ein  spezielles  Privileg 
schützte.  2)  Solclie  Verpfändung  mit  freier  Pfandnutzung  durch 
den  Gläubiger  zu  seinem  Gewinne  musste  den  deutschen  Ein- 
zelfürsten besonders  erwünscht  sein,  da  sie  ohne  Zustimmung 
des  Kaisers  und  der  Agnaten  ihre  Territorien  nicht  veräussern 
durften,-  und  wenn  ein  Stammgut  vom  Besitzer  in  andere 
Hände  gebracht  war,  die  nächsten  Erben  desselben  die  Ver- 
äusserung  rückgängig  machen  konnten.  Durch  die  Verpfän- 
dung wurden  beide  Rücksichten  befriedigt,  da  es  zu  derselben 
der  Zustimmung  des  Kaisers  oder  der  Agnaten  niclit  bedurfte, 
und  die  Verpfändung  andererseits  die  Rechte  der  Erben  nicht 
beeinträchtigte.  ^) 

In  allen  hierlicr  gehörigen  Urkunden  ist  dem  Gläubi- 
ger als  Folge  der  Auflassung  und  Inlialt  der  Pfandgewere  des 
selbstständigen,  dinglichen  Rechtes,  das  Gläubiger  an  dem 
Pfände  hatte,  gestattet,  das  Pfand  mit  allen  seinen  Rechten 
zu  eigenem  Vortheile  „  wie  sein  Eigentlium  "  (thatsächlich,  niclit 
rechtlich)  zu  benutzen  und  alle  bezogenen  und  zu  beziehenden 
Früchte  an  sich  zu  nehmen.   Der  Schuldner  überlässt  ihm  aus- 


1)  Deshalb  schweigen  aucli  alle  in  Deutschland  abgelialtencn  CJon- 
cilien  von  diesem  Theile  der  Uebertrctungen  des  Wuchevverbotes.  Nur 
in  2  Synoden,  zu  Utrecht  (l.'iöi)  und  Bosan<;oii  (l.")71)  wird  auch  dieser 
verworfen  (conc.  Germ.  1.  c.  IV.  p.  3G5.  VIIl.  p.  104.)  2)  Solch  ein 
Privileg  ertheilte  u.  A.  Kaiser  Karl  IV.  IMGG  an  die  Stadt  Frankfurt  a.  M. 
,,  dass  sie  vor  uns  und  des  Reichs  Niemand  pfandbahr  sein  sollen  "  (J.  H. 
Böhmer,  V.  19.  §.  XXVllI.)  3)  cf.  Zeitschr.  f.  D.  R.  VIII.  p.  284 
(Madai). 


1J^8    V.  2.  rfiUK^veclit.   a.  Acltere  Satzung.  Benutzung  d.  Pfandes  etc. 

drücklioli  allen  Nutz ,  indem  Schuldner  ausserdem  Capital, 
Kosten.  Schaden,  entgangenen  Gewinn  des  Gläubigers,  ja 
wol  gar  noch  eine  Conventionalstrafe  im  Säumnissfalle  zu  zah- 
len verspricht  (cf.  Beilage  A  —  C.) 

So  heisst  es  in  der  Schuldurkunde  Kaisers  Karl  IV.  an  den 
Grafen  von  Wertheim,  worin  ein  Pfand  für  ein  DdTrlehn  gege- 
ben wird : 

„ . . .  vnd  so  auch  die  vorgen.  8  Jare  vergangen  sint ,  so 
sollen  sie  dennoch  dieselben  zoller  ufflieben  vnd  nemen ,  als 
lange  vntz  das  wir  oder  v  n  s  e  r  nachkommen  an  dem 
Eiche  das  widruffen."  ^) 
Ferner  bei  Günther,  cod.  dipl.  Eheno-Mosell.  IIL  1.  n.  62. 
„  concedimus  ctiam  expresse  et  de  certa  scientia,  quod  omnes 
et  singidos  fructnsperceptos  et  xi  er  dpi  endo  s  ah 
eodem  archiepiscopo  et  sua  ecclesia  de  omnihus  et 
singiäis  superius  expressis  suos  facit  nee  in  sortem  ali- 
qualiter  co mp utentur  et  eosdem  pacifice  reeipiat  ipse 
et  Sil i  S'iiccessores  ahsque  alicujus  contradictione  quous- 
que  de  praedictis  summis  eidem  archiepiscopo  vel  ejus  suc- 
cessorihus  intcgraliter  exstiterit  satisfactmn."  — 
und  im  Urkundenbuche  von  Frankfurt  a.  M.  (F.  Böhmer) 
1297.  erklärt  Adolf  von  Nassaw: 
„titulo  pignorls  Judaeos  nostros  archiepiscopo  ohligamus 
tamdiu  percipiendos  retinendos  et  hahendos  sine  molestia 
qualihet  et  pressura,  quousque  praedicta  5000  m.  pcrce- 
ptis  in  sortem  m i  n i m e  co m p utandis  ...  archie- 
piscopo et  successorihus  ..  persolverimus. "  (cf.  V. 4. a.) 
ib.  1308.  den  11.  Mai.  2)  — 


1)  Zöpfl,  K.  G.  3.  Aufl.  §.  124.  a.  N.  9.  2)  Urk.-Buch  v.  Lü- 
beck (12()2j  8.  Septbr.  (1277  cf.  ob.)  Michelbeck,  histor.  Frising. 
U.  2.  }).  131.  n.  20G.  ,,  daz  0  ze  sinen  lebtagen  inne  haben  sol  mit  allem 
dem  nutze  vnd  rechten  und  eren  gesetzet  ze  einem  rechten  pfant  . . .  und 
sol  auch  daz  vorgen.  guot  niezzen  als  andern  sein  guot."  Urk.  des 
Markgrafthums  Oberlausitz  (G.  Köhler,  Görlitz  1851)  I.  n.  106. 
f  1318) :  Waldemar ,  marchio  Brandenb,  . . .  cives  Budissin  opjndi  160.  m. 
Pragisch.,  „dictum  t  hei  otie  um  seu  fructus  thelonei  tamdiu  inte- 
(/ralifer  percipient,  quosque  dictum  fuerint  summam  intcgraliter  assecuti." 
"ibid.  n.  125.  (1321)  —   Freiburgcr  St.  E.  (Schreiber)  1.  c.  II.  1.  p.  443. 


V.  2.  Pfandrecht,  a.  Aeltore  Satzung.  Benutzung  d.  Pfandes  etc.     189 

Bei  einigen  Pfandurkunden  ist  der  Gewinn  aus  der  Nutzung 
des  Pfandes  wie  eine  Strafe  der  Zahlungssäumniss  gestattet, 


(145G.  8.  Aug.)  archiepiscop.  Albrecht  ...  cives  Friburg  . . .  jurisdictio- 
neni  et  teloneum  ..  so  lang,  untz  wir  oder  unser  Erben  die  .Sunnna 
bezalt  han,  ze  niessen."  —  .v.  Meiern.  6.  Zinsthaler  1.  c.  §.XV.  (1418) 
§.  XXIV.  (1362.)  —  Classen,  kölner  Schreinspraxis  p.  72.  (1187.)  — 
Günther,  1.  c.  2,420  (127G)  3,  IGl  (1314.)  —  Kraut,  Ürundriss  §.  123. 
n.  28—30.  Albrecht  Gewcre  §.  IG.  —  Kevaler  St.  E.  (145G)  1.  c.  Pe- 
valer  Rath  ^  .Johann  v.  Mengden ,  Hochmeister  des  deutschen  Ordens, 
1800  rhein.  fi.  auf  3  Jahre  . .  (Renten  sind  verpfändet)  ,.  sie  denne  sullen 
und  moghen  angripen ,  antasten  und  besitten  nach  aller  friheith  bis  zur 
Zahlung,  sunder  kenigerley  wedderstalt  rechtes  Dwanck  geistlikes  adir 
wertlickes  gebruken  noch  allir  niate. .  "  ebend.  (1457)  zwischen  denselben 
Parteien:  ,,  besitten,  beholden ,  gebruken  mit  allerleyge  tobehoringe, 
mutte  vnd  bequeminheit  ...  so  lange  vnd  bet  tor  tidt  dat  wy  vnde 
vnse  orden  det  ghelt  . . .  voll  vnde  all  to  ganser  vornoge  . . .  uthgerichtet 
vnd  betalt  hebben. "  ib.  p.  139  (1528),  wo  die  Nutzung  zunächst  auf 
2  Jahre  beschränkt ,  im  Säumnissfalle  in  unbestimmte  Zeit  ausgedehnt 
wird.  —  Sartorius,  1.  c.  II.  n.  1G3  (1347)  Vertrag  des  Prinzen  v.  Wales 
mit  Tydeman Lymbergh,  worin  auf  3^4  Jahr  die  Zinnbergwerke  von  Corn- 
walcs  dem  Gläubiger  verpfändet  werden.  Letzterer  bezieht  alle  Einkünfte 
daraus  und  legt  jährlich  Rechnung,  ohne  dass  gegen  letztere  Etwas  ein- 
gewendet werden  darf.  Von  den  Einkünften  aber  zahlt  Gläubiger  an  den 
Prinzen  vierteljährlich :  1000  mrk.  u.  s.  w.  ib.  IL  n.  178.  a.  König  Magnus 
von  Schweden  verpfändet  gegen  Darlehn  das  Schloss  Borchholm  an  die 
deutschen  Städte  zu  aller  Benutzung  ,,mit  aller  nuthicheit,  vrucht,  vrieyt 
vnde  egendom  " ,  auch  mit  dem  Rechte  ,  Steuern  aufzulegen  ,  ,,  der  munte 
ghebrucken"  u.  A.  —  Danz.  Schöppenb.  von  1438.  fol.  397.  II  hoven 
vn  Vni  morgen  verpfändet  mit  der  Erlaubniss ,  dieselben  für  sich  ,,to 
seyen  vnd  to  meyeu."  ib.  Urk.  1.  43.  a.  (1457),  11.  50  (1457)  4.  47. b. 
(150G)  cf.  Beilage  A.  Schöppenbuch  von  1557.  fol.  IGO.  1567.  fol.  16.  ib. 
Sdmldurk.  Königs  Sigismund  von  1563. ,  wo  der  Gläubiger  ausser  dem 
Pfandnutzen  noch  Schadensersatz  empfängt.  Und  rücksichtlicli  des  aus- 
drücklich vermerkten  Schadensersatzes  daneben  sind  einzusehen : 

Lüb.  Urkundenb.  1257.  12.  Nov.  p.  224.  „si  vero ,  quud  absit  con- 
sules  aliquem  eontingit  habere  defectum,  nos  et  . .  eundem  supplere 
tenebimur."  ib.  1262.  Frei  burger  Urk.  1.  c.  145G. —  v.  Meiern, 
Sechster  Zinsthaler  §.  XXIV.  1.  c.  —  Revaler  St.R.  1456.  1457.  1528. 
Das  auf  Besserung  des  Piandes  Verwendete  verpflichtet  Schuldner  sidi 
besonders  zu  ersetzen.  —  cf.  uach  die  wiederholt  (IV.  2.  k.)  citirte  Klage 
des  liv-  und  curländischen  Adels  vor  dem  dänischen  Könige  1698.  ib.  IL 
p.366.  Günther  1.  c.  III.  149.  —  Alb  recht,  Gewere  §.  16.  —  cf. 
Beill.  A — C.  u.  die  wichtige  Note  darin  aus  d.  Breslauer  Stadt-Arch. 


190  V.   2.  rt'aiiarocbt.   b.  Kauf  auf  Wioaovkauf. 

SO  im  Lübisch.  UvkuiuliMih.  I.  (1202.  12l»7)  ibid.  Erst  nach 
eiiififetrettMiem  Verzuge  darf  der  Gläubiger  den  Pfandiiutzen 
sich  zueignen;  vielleicht  ein  Anschluss  an  die  allgemein 
ciiaubten  Verzugszinsen  (IV.  2.  Ic). 

b.  Der  Kauf  auf  Wiedorkauf. 
Was  nützte  es  daher,  wenn  gegen  ein  so  allgemeines 
Gewohnheitsreclit  einzelne  Gesetze  auf  Grund  des  kanonisti- 
schen  Verbotes  anstritten.  Billigten  diese  doch  selbst  nach 
einer  andern  Seite  hin  den  Gewinn  aus  dem  Pfandnutzen,  in- 
dem sie  den  Kauf  auf  Wiederkauf  anerkannten,  welcher 
mit  dem  Pfand  vertrage  in  älterer  Zeit  so  nahe  zusammen- 
hängt und ,  wenn  auch  durchaus  nicht  rechtlicli ,  so  doch  that- 
sächlich  zumal  in  dem  hier  behandelten  Punkte  (desgl.  Hin- 
sichts  der  Haftung  für  den  durch  Zufall  entstandenen  Scha- 
den) ^)  dieselben  Resultate  ergab.  ^)  Diese  Resultate  beider 
Rechtsgeschäfte  deckten  sich  um  so  mehr,  als  der  Pfand  ver- 
trag in  Verbindung  mit  dem  Darlehnsvertrage  vielfach  nicht 


Bei  vielen  Verpfäuduiigeu  unbeweglicher  fruchttragender  Grundstücke 
wird  von  einer  Nutzung  Nichts ,  doch  auch  nicht  deren  Verbot  ausgespro- 
chen. Nacli  den  eben  citirten  reichen  Beispielen  und  der  übergrossen  Zahl 
derselben  in  jedem  Urkundenbuche  lässt  sich  annehmen,  dass  jedesmal 
bei  diesen  Pfändern  eine  Nutzung  während  der  Pfandzeit  durch  den  Gläu- 
biger vorausgesetzt  wm-de.  So  gestattet  ja  auch  das  römische  Eecht 
Nutzung  solcher  Pfänder  bis  zur  Höhe  der  gesetzlichen  Zinsen  ohne  beson- 
dere Stipulation,  (tucita  antichresis.) 

1)  Uebereinstinimend  mit  den  allgemeinen  Grundsätzen  des  deut- 
schen Rechtes  über  das  Haften  für  die  Gefahr  in  Vertrags  -  Verhältnissen, 
deshalb  nicht  beweisend  das  widerrufliche  Eigenthum  des  Gläubigers 
am  Pfände.  Albrecht,  Gewere.  S.  134  —  37;  gegen  ilm  Madai  und 
Förster  (Zeitschr.  f.  deutsch.  Recht  VIH.  p.  284  —  325.)  Budde  ib.  IX. 
p.  411  —  39.  Dass  beide  Rechtsgeschäfte  auch  im  Mittelalter  trotz  ihrer 
vielfach  übereinstimmenden  Wirkung  öfter  sehr  wol  geschieden  wurden,  zei- 
gen die  Urkunden,  in  denen  das  eine  Geschäft  das  andere  ablöst.  Förster, 
I.e. IX.  p.  103.  n.  14.  —  cf.  Solmser  L.R.XI.§.8.  2)  cf.  Bluntschli, 
Züricher  R.  G.  11.  p.  122:  „Wie  nahe  diese  Satzung  dem  Eigenthume 
stand,  und  wie  leicht  sie  in  dieses  überging,  haben  wir  in  ihrer  Anwen- 
dung auf  landesherrliche  Rechte,  auf  Herrschaften  gesehen.  Mehrere 
Satzungen  zu  Gunsten  der  Stadt  auf  solche  Hoheitsrechto  wurden  nicht 
jnehr  gelöst  und  verwandelten  sich  so  in  Eigenthum  der  Stadt." 


V.   2.  Pfandrecht,   b.  Kauf  auf  Wiederkauf.  191 

auf  eine  bestimmte  Zeit,  sondern  übereinstimmend  mit  der 
ersten  Entwicklungsstufe  des  Kentenkanfes  (cf.  V.  .'5.  a.  b)  dahin 
geschlossen  wurde,  dass  Schuldner  nach  seinem  Belieben  das 
Kapital  zurückzahlte  und  das  Pfand  löste.  ^)  Dazu  billigte  ja 
die  Kirche  den  Kauf  auf  Wiederkauf,  wo  er  nicht  zur  Um- 
gehung des  Wucherverbotes  angewendet  wurde  (ob.  IL  1.  2.) 
Wer  wollte  nach  dem  oben  Gesagten  entscheiden  ,  ob  letztere 
Grenze  überschritten  worden?  Deutsche  Gesetze  folgten  hierin 
dem  kanonischen  Rechte,  freilich  nicht  alle,  so  u.  A.  die  W  ü  r- 
tem berger  L.O.  von  1557.  Nach  letzterer,  welche  die  kano- 
nistische  Bedingung  ebenfalls  der  Erlaubniss  beifügt,  soll 
der  Schuldner  aus  dem  Vertrage  verpflichtet  sein,  innerhalb 
einer  bestimmten  Zeit  seine  Sache  für  den  alten  Verkaufspreis 
wieder  einzukaufen.  Andere  Gesetze  dagegen,  vielleicht  von 
besonderem  Zorne  oder  Schrecken  gegenüber  dem  Wucher 
erfüllt,  oder  in  der  Ueberzeugaing ,  dass  hier  die  Umgehung 
des  Wucherverbotes  kaum  von  dem  aufrichtigen  Vertrags- 
schlusse  zu  imterscheiden  sei,  zählten  dieses  Eechtsgeschäft 
durchaus  zum  Wucher  und  verboten  es  daher  mit  demselben.  ^) 
In  den  Urkunden  der  Parteien  treten  deshalb  auch  öfter  dieser 
Kauf  und  Pfand  verbunden  mit  einander  auf.  •')    Man  darf  daher 


1)  cf.  Zeitschrift  für  D.  R.  IX.  p.  410.  Bluntschli  1.  c.  II.  p.  122. 
Z  0  j»  f  1 ,  I).  E.  G.  3.  Aufl.  p.  852.  2)  cf.  u.  a.  die  Nürnberger  Statt 
aus  dem  14.  — 15.  Jahrh.  Siebcnkces,  Beitrag  zu  d.  R.  Nürnb.  1786 
(nach  1335):  II.  Bd.  9.  ..kein  burger,  burgerin  soll  aygen,  erb,  lehen, 
leibgding  noch  dlieinerley  ander  sach  auf  dem  lande  und  in  der  Stad  uft" 
dlicinen  wiederkauff  nocli  Wiederlosung  nit  kauften."  Cölner  Stadtr. 
(14.  Jahrh.)  1.  c.  —  Concil.  von  Constanz  (1483)  conc.  Germ.  1.  c.  V. 
p.  562  „  quidam  eciam  emendo  rem  pro  certa  quantitate  venditori  dimis- 
sam  siatuto  termino  pro  ndaucto  numero  uswarum  quantitate  reven- 
dunt.  .."  Carpzoy.  1.  1.  observ.  X.  Stryck,  Us.  Mod.  Fand.  XII.  1.  §.34. 
J.  H.  Böhmer,  jus  eccl.  prot.  V.  19.  §.  4.  3)  cf.  die  bis  dahin  ungedr. 
fuldensische  Urk.  v.  1446.  bei  Zöpfl,  D.  R.  G.  3.  Aufl.  j).  853.  n.  11. 
,,der  Schuldner  setzt  und  verkauft  dem  Gläubiger  Heinrich  v.Recken- 
dorff  „  auf  Wiederkauf"  das  halbe  Schloss,  Stadt  und  Burg  zu  Lengs- 
feld. De.sgl.  Pauli,  lüb.  Zust.  1.  c.  lüb.  Niederstadtbuch.  1374 
„mngister  Wilhelmuft  de  Pokelentc  oblif/atus  C et  LXXII  fhrcnos  aureos 
nee  non  XIII  mrc.  et  XII  sol.  Lut>.  den.  peraolrere  . . .  super  festo  St. 
Micluielia  ....  jiro  qiiiliiis    tiliros  ntriusqiic  Juris  et  alius  dirersarum 


192  V.    '2.  Ptandroclit.    c.  Dauer  der  Pfandnutzung. 

allgemein  nicht  mit  Budde')  beliaupten,    dass  die  Parteien 
genau  beide  Keclitsgeschäfte  von  einander  schieden.  ^) 

c.   Die  Dauer  der  Pfandnut  zun  g. 

Gerade  im  Anschlüsse  an  den  Kauf  auf  Wiederkauf  muss, 
wie  schon  bemerkt,  die  lange  Dauer  der  Pfandmitzung  erwähnt 
werden  ,  welche  grösstentheils  bereits  in  den  Pfandverträgen 
selbst  von  vornherein  in  Aussicht  genommen  wurde.  In  den 
meisten  Fällen  stand  es  allein  in  dem  Belieben  des  Schuldners, 
wann  er  gegen  Zahlung  der  Schuldsumme  das  Pfand  lösen 
wollte,  übereinstimmend  mit  dem  beim  Rentenkaufe  lange 
geltenden  Gebrauche  (cf.  V.  3.  b.).  Die  wirthschaftliche  Lage 
des  Schuldners  begründete  dies.  Unwetter,  Krankheit,  Un- 
fruchtbarkeit des  Bodens ,  welche  fast  periodisch  wiederkehr- 
ten ,  bedrängten  den*  Landmann ;  Versicherungsanstalten  gab 
es  nicht ,  noch  landschaftliche  Credit  -  Kassen ;  der  Absatz  der 
Bodenfrüchte  war  vielfach  beschränkt,  ja  ganz  unterbrochen. 
Woher  sollte  der  Schuldner,  seine  Schuld  abzuzahlen,  die 
Mittel  nehmen,  wenn  der  Gläubiger  die  Rückzahlung  plötzlich 


faciiltatum  ..  dejmsitos  ..  ohligavit  in  pignus,  liac  aäjecta  condi- 
cimie ,  quod  si  dictua  (dehit.)  lihros  suos  pretacta  pecuniarum  summa  in 
prefixo  termino  non  redimeret,  extunc.  . ."  cf .  F ö r s t e r ,  Zeitschrift 
f.  deutsches  R.  IX.  p.  103.  n.  14.  Zur  Verdeckung  der  Pfandnutzung  oder 
des  verzinslichen  Darlehns  scheint  der  Kauf  auf  Wiederkauf  vereinbart  zu 
sein  in  cod.  dipl.  Siles.  lY.  (Meitzen)  S.  298.  n.VI.  (1353.  23.Septbr.), 
zumal  da  ein  Cleriker  unter  den  Parteien  ist.  „  TJieodorieus  Ähhas  in  Za- 
gan  (Sagan)  a  Johanne  et  Jacobo  filiis  Nicolai  sculteti  in  Schoenenhum 
de  ejusdem  genitoris  consensu  in  eadern  villa  IX  virgas  agri  cum  omnibus 
utilitatibus ,  jyrorentibus  et  servieiis pro  XII  marcis  grossorum  compa- 
ravit  sibl  et  suo Monasterio,  quas  ad  manus  Ahhatis  resignaverunt. 
Graciose  est  adjectum  quod  si  infra  VIII  annos  rcstituere  pote- 
rint  quantitutem  2wcimie  x>i'etaxutam ,  virge  agri  grenotate ,  in  ipsius  Ab- 
batis  arbitrio  et  favore  vendendi  iwedictis  froiribus  stare  debebit. 
Adjicientes  quod  si  exigenie  necessitate  memoratos  fratres  infra  VIII 
annos  omnia  eorum  bona  vendere  contigerit ,  cavere  debent,  ne  per  frau- 
dem in  prejudicium  Monasterii  dictas  virgas  agria  monasterio  avellant 
cum  aliarum  personarum  pecunia  eas  redimentes." —  Kuppener,  I.e. 
Beilage  E. 

1)  Zeitschr.  f.  D.  E.  IX.  p.410.        2)  cf.  auch  Schwabensp.  Lehn- 
recht (Lassb.)  c.  93. 


V.   2.  Pfandrecht,   c.  Dauer  der  Pfandnutzung.  193 

forderte,  selbst  unter  Innelialtung'  der  Kündigungsfrist?  Statt 
dessen  bezog  letzterer  während  der  Wartezeit  die  Früchte  des 
Pfandgrundstücks ,  das  er  in  der  Pfandgewere  hielt.  ^) 

Der  Schuldner  konnte  schnell  die  Schuld  in  den  häu- 
figsten Fällen  nicht  zahlen.  Daher  verpflichtete  er  sich  in  den 
meisten  Schuldschehien  sogleich  auch  den  Nachfolgern  und 
Erben  des  Gläubigers ,  und  überlässt  diesen  allen  die  Pfand- 
nutzung. ^). 

Seltner  wurde  ein  bestimmter  Rückzahlungstermin  von 
den  Parteien  mit  dem  Pfandgebrauche  bis  zu  dem  letzteren 
festgesetzt ,  ^)  oder  man  vereinbarte ,  dass  der  Schuldner  nicht 
vor  einem  festen  Termine  oder  nur  bis  zu  einer  bestimmten 
Zeit  das  Pfand  zurückfordern  dürfe ,  *)  oder  dass  er  es  nur  au 
bestimmten  Tagen  des  Jahres  eüilösen  solle.  Daher  schliesst 
Madai^)  an  sich  zwar  richtig,  dass,  weil  bei  Verpfändungen  der 
Gläubiger  jederzeit  sein  Darlehn  zurückfordern  konnte,  beim 
Rentenkaufe  aber  die  Rückzahlung  allein  vom  Schuldner  abhing, 
der  Pfandvertrag  erst  in  Zeiten  entmckelten  Handelsverkehrs 
in  Gebrauch  gekommen  sein  könne ;  allein  die  obigen  Beispiele 
von  Verpfändungen  zeigen,  wie  weit  sein  Vordersatz  zu  be- 
schränken sei.  Dies  erweist  die  sogleich  folgende  Behand- 
lung des  Reutenkaufes  noch  mehr,  aus  welcher  sich  ergiebt, 
dass  abgesehen  von  andern  hierbei  maassgebenden  Gesichts- 
punkten bedeutend  früher,   als   die  Gesetze   es  gestatteten, 


1)  cf.  ob.  die  Urkk.  und  Frankfurter  Urk.  B.  1308.  1.  c.  —  Lü- 
becker U.B.I.  1262.  I.e.—  Köhler,  Überlausitzer  Urkk.  1318. 1321.- 
Freibürger  Urk.  1.  c.  (1456).  —  v.  Meiern,  sechster  Zinsthaler  (1418) 
1.  c.  —  Eevaler  St.  E.  1.  c.  (1456.  1457.)  2)  cf.  ob.  insbes.  Frank  f. 
ü.  B.  1297.  p.  312.  1303.  5.  März.  —  1303.  d.  8.  Octb.  (p.  351)  —  1303. 
16.  Octb.  —  1308.  d.  11.  Mai,  wo  man  den  Bezug  der  Einkünfte  von 
den  Juden  her,  welche  Kaiser  Adolf  von  Nassau  dem  Erzbischof  von 
Mainz  verpfändete,  nach  Aufrechthaltung  dieses  Contraktes  durch  die 
Nachfolger  des  Kaisers ,  bis  zum  Jahre  1357  verfolgen  kann.  1357.  5.  Juni. 
3)  Günther,  1.  c.  U.  420.  4  Jahre.  —  Lübeck.  U.  B.  L  1277.  1  Jahr.  — 
V.  Meiern,  1.  c.  1362.  10  Jahre.  —  Revaler  St.  R.  1.  c.  4)  cf.  Mei- 
chelbeck,  bist.  Frising.  1.  c.  —  Zopf  1,  I).  E.  G.  II.  §.  124.  a.  N.  12.  So 
lange  Gläubiger  lebt  oder  seine  Erben  männlichen  Geschlechtes  existiren. 
Bescler,  D.  P.  R.  n.  p.  133.        5)  Zeitschr.  f.  I).  R.  VIU.  p.  284. 

Xcumann,   Gesch.  d.  Wuchers.  lU 


194  V.   2.  Pfandrecht,   d.  Höhe  der  Pfaiidnutzinicr. 

bereits  in  den  Vevträofen  der  Parteien  dem  Reuten -Gläubiger 
eingeräumt  wurde,  sein  Kapital  vom  Scbuldner  zurückzufordern. 

d.    Die  Höhe  der  Pfandnutzung. 

Hieraus  erhellt,  wie  wenig  Einfluss  in  diesem  Pfandwu- 
cher das  kanonische  Verbot  auf  das  deutsche  Gewohnheitsrecht 
auszuüben  vermochte.  Gerade  durch  die  erwähnten  Zeitbe- 
stimmungen steigerte  sich  der  Gewinn  der  Gläubiger  gegen- 
über der  von  ihnen  eingegangenen  Gefahr  und  der  Gebunden- 
heit ihres  Kapitales  bedeutend.  Daher  klagen  die  Hadeler 
Statuten  von  1583.  ti.  8.  ^)  und  andere  Quellen,  dass  die 
Pfandgläubiger  nicht,  wie  es  bei  dem  gewöhnlichen  Darlehn 
gebräuchlich,  6  — 12%  forderten,  sondern  jährlich  etwa 
30  —  40%  aus  der  Pfandnutzung  bezögen,  und  in  einer  Ulm  er 
ürk.  schon  von  1382  ist  dem  Pfandgläubiger  geradezu  gestattet, 
einen  Nutzen  von  12%  des  Kapitales  aus  dem  Pfände  zu  zie- 
hen. ^)  Eben  hierauf  erstrecken  sich  auch  die  Klagen  der  liv  - 
und  curländischen  Edelleute  vor  dem  dänischen  Könige  aus 
dem  17.  Jahrhundert,  welche  bereits  mehrfach  oben  angeführt 
sind.  ^)  Dieses  Uebermaass  des  Gewmnes  aber  für  den  Gläu- 
biger musste  sich  mit  der  Entwicklung  des  persönlichen  Cre- 
dites  und  des  Kapitalumlaufs  allmählich  ebenso,  wie  es  bei 
Rentenkauf  mid  Darlehn  geschah ,  auf  eine  durch  freie  Conkur- 
renz  gleichmässig  erhaltene  Höhe  herabsetzen.  Und  zwar  fand 
hier  zmiächst  der  Grundsatz  des  römischen  Rechtes,  welches 
damit  also  auch  hier  das  heimische  Recht  gegen  das  kanoni- 
sche Wucherverbot  stützte,  Anwendung,  dass  nämlich  der 
Gläubiger  —  wie  in  dem  älteren  deutschen  Gewohnheitsrechte 
—  dann,  wann  ein  autichretischer  Vertrag  geschlossen  wor- 
den, das  allgemein  gebräuchliche  Maass  der  Zinsen  in  der 
Pfandnutzung  beliebig  überschreiten  durfte,  dass  er  dagegen 
ohne  diesen  antichretischen  Vertrag,  mochten  Zinsen  verspro- 
chen sein  oder  nicht,  das  Pfand  nur  bis  zur  gesetzmässigen 
Zinsenhöhe  nutzte.  *)   Die  Höhe  dieser  Nutzung  richtete  sich 


l)Pufendorf,  obs.  I.  1.  2)  B  ö  h  m  e  r ,  J.  E.  Prot.  V.  19.  §.  XXIIX. 
3)  Pievaler  St.  R.  H.  p.  366.  4)  cf.  Solmser  L.  R.  XV.  §.  2.  — 
Hainbu  rg.  St.  R.  IL  4.  art.  9.  10. 


V.   2.  Pfandrecht,   d.  Hölio  der  Pfandiiutziing.  195 

entweder  nach  der  Höhe  der  Reuten  und  Darlehnszinsen ,  oder 
je  nach  der  Grösse  des  geschuhleten  Kapitales,  oder  nach  dem 
Umfange  des  vom  Gläubiger  erlittenen  Schadens  (Interesses) 
unter  Einschluss  der  von  ihm  auf  das  Pfand  verwendeten 
Kosten.  InderDanz.Urk.  1.33.(1457)  verpfändet  König  Kasi- 
mir von  Polen  gegen  ein  Darlehn  von  218  ungar.  gülden  an 
einen  Danziger  Bürger  das  Dorf  Newendorff  mit  allen  Mühlen, 
Zinsern  u.  s.  w.  zu  voller  Benutzung  mit  dem  Zusätze : 

„dass  der  (Schuldner)  vns  an  der  Summa  218  vngar.  guld. 
was  her  obir   funff  vnd  czwenzig  golden  hungr.  in 
deme    vorbenampten    dorflfe   Newdorff   ierlichen   entphoen 
adir  nemen  Avii't,  noch  der  rechenschafft,  die  her  vns  czu 
thun  pflichtig  wirt  seyn  sal  abeslagen  vnd  korczen.  ..." 
und  die  Danziger  Willkür  von  1580  und  1590  (Arch.  bibl. 
X.  3.  4.  fl.  85.  n.  2.  a.  23)  bestimmt:  Von  Geld  gegen  be- 
wegliche Pfänder  n.  15. 

„Von  den  j^elden,  die  auff  silber  vnd  andere  bewegliche 
Pfände  aussgethan  werden,  soll  man  nicht  höheren  zinss, 
dann  a  c  h  t  s  vnd  ^/g  vom  Hundert  nehmen,  (cf.  V.  3 .  c.) 
Daher  bitten  die  Adligen  in  Reval  den  König  1698,  er  solle 
den  Gewinn  der  Gläubiger  aus  den  Pfändern  her  enger  durch 
ein  Gesetz  begrenzen.  Denn  die  Gläubiger  bezögen  hier  viel- 
mehr, als  das  sonst  gebräuchliche  Interesse  von  6%» 
ausserdem  schafften  sie  sich  aus  dem  Pfandnutzen  noch  einen 
neuen  Gewuinszweig,  gleichsam  Zinses -Zms.  Denn  ausser 
dem  Interesse  berechneten  sie  noch  einen  „Schadenstand"  (cf. 
ob.  IV.  2.  k.)  Aus  dem  entgegengesetzten  Grunde  schreibt  der 
Dithmarser  Gesetzgeber  eine  bestimmte  Höhe  der  Pfand- 
nutzung vor.  Er  klagt  nämlich,  die  Scliuldner  setzten  so  unbe- 
deutende Pfänder,  dass  der  Gläubiger  daraus  nicht  einmal  die 
gewöhnlichen  Zinsen  auf  dem  Nutzungswege  beziehen  könne.  ') 
Daher  nicht  aus  besonderem  Wohlwollen,  wie  Böhmer-) 
meint,  begrenzten  einzelne  Schuldner  den  Nutzen  des  Gläubi- 
gers  aus  dem  Pfände  bereits  im  13.  und  14.  Jahrh.    Dieses 


1)  Dithmarser  L.  K.  15G7.  Glückst.  1717.  const.  v.  lGo9.      2)  J.  K. 
1*.  1.  c.  §.  XXIIX. 

13* 


196  V.   -2.  rraiuiroclit.   e.  Neuere  Satzung. 

Wolihvollens  bedurfte  es  nicht,  wo  nach  allo-ememer  Praxis 
der  Gläubiger  nicht  allein  bis  zu  emer  bestimmten  Höhe,  son- 
dern ganz  den  Nutzen  des  Pfandes  zog.  Vielmehr  um  den 
Gewinn  zu  massigen  und  zugleich  etwa  den  Gläubiger  gegen 
den  Zorn  der  Kirche  zu  schirmen,  beschränkte  Schuldner  die 
Nutzung.  ') 

e.   Die  neuere  Satzung. 

Diese  feste  H-öhe  der  Pfandnutzung  und  des  Gewinnes 
aus  derselben  wurde  indess  ganz  besonders  noch  dadurch  her- 
beigeführt, dass  neben  der  älteren  Satzung  bereits  etwa  zwei- 
hundert Jahre  vor  dem  Eindringen  des  römischen  Rechtes  aus 
dem  Boden  des  alten  hinreichend  umfassenden  Pfandrechts  in 
Deutschlands  sich  die  neuere  Satzung  bildete.  Es  galt,  die 
unbequeme,  starre  Form  der  alten  Satzung  zu  lösen,  der 
Schuldner  verlangte  die  thatsächliche  Herrschaft,  die  Benutzung 
seines  Grundstücks  zurück,  den  zwiefachen  Nachtheil  konnte 
er  nicht  tragen.  Ihm  musste  die  Möglichkeit  gegeben  werden, 
dasselbe  Grundstück  zur  völligen  Verwendung  seines  Werthes 
im  Gebiete  des  Credites  Mehreren  —  wenn  auch  unter  Zustim- 
mung des  ersten  Gläubigers  —  zu  verpfänden.  Dies  geschah 
durch  die  neuere  Satzung.  Der  Gläubiger  erwarb  durch  die 
Auflassung  nur  die  Satzungsgewere ,  das  dingliche  Recht  an 
dem  Pfände  und  damit  Sicherheit  seiner  Forderung,  dagegen 
überliess  er  Besitz  und  Nutzung  des  Pfandes  dem  Schuldner. 

Woi  in  den  Städten  als  den  Orten  schnelleren  Kapital- 
verkehres  zuerst  entstanden,  auf  städtische  Grundstücke,  wo 
sie  besonders  nöthig,  zuerst  angewendet,  dehnte  sich  die  neuere 
Satzmig  dann  über  die  Bezirke  der  Städte  hinweg  auf  beweg- 
liche wie  unbewegliche  Sachen  gieichmässig  aus.  Auch  bei 
beweglichen  Sachen  in  der  That,  obgleich  hier  die  Form  des 
Faustpfandes  als  nothwendig  schien  fortbestehen  zu  müssen, 
beliess  der  Gläubiger  den  Besitz  (den  Gebrauch  hatte  er  nie 
gehabt)  dem  Schuldner,  indem  er  nur  sein  Pfandrecht  in  das 


1)  cf.  I.  c.  die  Urkunde  von  1382.  und  Frank  f.  U.  B.  (F.  Böhmer) 
129t.  p.  312. 


V.    2.  Pfandrecht,    e.  Neuere  Satzung.  197 

dazu  angelegtp  öffentliche  Pfaiulbucli  eintrugf,  ein  Gegenstück 
zur  Auflassung  der  unbeweglichen  Ptander.  ^)  Das  Rechts- 
verhältniss  ward  dann  —  im  Gegensatze  zu  der  einen  Auflas- 
sung an  den  Gläubiger,  welche  ihm  die  Satzungsgewere  begrün- 
dete —  ähnlich  wie  im  römischen  Rechte  -)•  so  angesehen,  als 
vermiethete,  verpachtete  oder  lieh  der  Gläubiger,  welcher  die 
Pfandgewere  daran  besessen,  ja  nach  der  Theorie  des  vollen 
Nutzmigsrechtes  (..  als  sein  eigen  guot  gebruken  ") ,  noch  mehr 
nach  dem  nahe  verwandten  Kauf  auf  Wiederkauf  fast  als 
Unter  -  Eigenthümer  der  Pfandsache  unter  einer  Resolutivbe- 
dingung" gelten  konnte,  dem  Schuldner  das  Pfand,  mindestens 
die  Pfandgewere,  wofür  letzterer  einen  bestimmten  Zinssatz, 
angemessen  der  Höhe  des  geschuldeten  Kapitales,  statt  der 
früheren  Pfandnutzung  dem  Gläubiger  zu  zahlen  verpflichtet 
war.  Hinter  dieser  Vorstellung  zeigt  sich  die  offene  Erkennt- 
niss  von  der  Nothwendigkeit  der  Zinsen ,  welche  dem  Gläubi- 
ger für  das  Hinleihen  der  Schuldsumme  gebührten  und  welche 
er  durch  den  Pfandvertrag  doch  nunmehr  nach  wesentlicher 
Aenderung  seines  Pfandrechtes  nicht  mehr  aus  den  Früchten 
des  Pfandes  beziehen  konnte.  ^)  Thomas,  Oberhof  zu  Frankf. 
Schöffengerichts  -  Ordnimg  (15.  Jahrh.)  n.  13. 

,.  Item .  wer  farnde  habe  vur  schult  versetzen  sal  oder  wil, 
der  sal  is  vur  ein  Richter  tun  vnd  die  wider  lyhen  vmb 
wochen-zinss,  vnd  wann  er  sins  geltis  nit  lenger  entbe- 
ren  wil,  so  sal  er  die- an  gerichte  uffbieden  vnd  so  den  vir- 
satz  der  Richter  uff"  den  Eydt  besagit  inne  dann  lassen 
richten.."*) 


1)  Schon  1491  bestimmt  in  Zürich  das  Gesetz:  Verpfändungen  md 
Einsazungen  vor  offnen  Eechten  oder  an  eines  Anitmans  der  Gerichten 
Hand  beschehen ,  sollen  Krafft  haben :  wo  aber  die  nit  also  beschehen  und 
dann  solliche  pfand  von  andern  rechtlich  bezogen  werden,  dieselben  sollen 
daran  habend  seyn,  ungeachtet  söllicher  verptandung."  Bluntschli, 
Züricher  R.  G.  n.  p.  128.  2)  Gajus  U.  59.  60.  lU.  201.  3)  cf.  die 
Nordhäuser  Statt.  (1308.)  Senckenberg,  visiones  app.  II.  n.  V.  p.  328. 
Bluntschli,  Züricher  R.  G.  U.  p.  130.  4)  Danz.  Schöppenb.  von 
1502.  fol.  360.  1.  (u.v.a.,  meistens  bei  Schiffen  gleich  städtischen  Grund- 
stücken) der  Schuldner  bleibt  im  Besitze  des  veq)tandeten  Schiffes  und 
verspricht  insbesondere ,  nicht  mit  demselben  fortzufahren ,   noch  es  zu 


198  V.   2.  Pfandrodit.   o.  Notiere  Satzung. 

\m  lüboi'ldsch.  Niederstadtbuch  1374  ^)  ist  das  Rechts- 
verliältniss  trotz  der  veränderten  Darstellung  dasselbe.  Das 
Darlehn  beträgt  CG  et  XL  mrk.  lub.  den.,  dafür : 

„ipso  sthi  fructus  et provcntus  trinm parcümi  quarti  mani- 
puli  seil  „  Garbe "  de  agro  . .  realiter  impignoravit  per  IV 
aniios  coutinuos  stibsequentes  percipiendos.  Elapsis  vero 
istis  IV  annis  si  creditor  plus  siiblevaverit  quam  dicta 
summa  se  extendit,  Jioc  diclo  Hildehrando  restUuet,  si 
vero  minus,  tunc  defectum  hujus  ipse  dehitor  refundet  et 
restauret." 
Das  Land  ist  verpfändet ,  dem  Schuldner  zurückgeliehen ,  und 
dieser  entrichtet  dafür  die  festgesetzten  Abgaben.  ^) 


verkaufen  oder  weiter  zu  verpfänden  ,,ane  wissen  vnde  willen"  des  Gläu- 
bigers. —  ib.  1557.  fol.  207.  ebenfalls  Leibe  eines  verpfändeten  Weicbsel- 
kahnes  an  den  Schuldner,  „vnde  im  falle  dass  bans  lange  (credit.) 
gemeldtenn  kabn  bans  fremen  (dcbit.)  ans  gunstb  eczwas  mith  czu  erwer- 
ben vorleih  enn  adii' vorheuren  wurde  das  sali  bans  langen  vnvorfenck- 
lich  sein  nocb  czu  keinem  behelff  gebrauchenn  sunder  alle  argeliste  vnde 
geferde."  Scbuldurk.  Königs  Sigismund  (Danz.  Arcb.  bibl.)  1557. 
Der  König  setzt  dem  Gläubiger  mehrere  Dörfer  in  Preussen  für  ein  Dar- 
lehn von  20,000  Thlr.  zum  Pfand : 

„  ea  ratione ,  ut  nihiloviinus  interim  (während  des  Jahres ,  nach  dessen 

Ablauf  das  Darlehen  gezahlt  werden  sollte)  in  nostra  permaneant 

possessione."   Dafür  zahlt  Schuldner  „vna  cum  interesse  sex 

pro  cell  tum."    Bei   Zahlungssäumniss   erst  fallen  die  Pfänder  an 

den  Gläubiger. 

cf.  auch  Albrecht,  Gewere  §.  17.  u.  Zeitschr.  für  D.  R.  IX.  p.  116 if. 

(Förster).   Auch  die  oben  zitirte  Stelle  der  Danz.  Willk.  v.  1580.  1590 

dürfte  hier  anzuführen  sein.  (S.  195.) 

1)  cf.  Pauli,  lüb.Zust.  Anhang. 

2)  Bei  der  neuereu  Satzung  kommt  durch  die  Gesetze  anerkannt, 
vom  römischen  Rechte  begünstigt ,  von  den  Parteien  in  den  Verträgen 
fast  bis  zur  Phi-ase  wiederholt,  das  generelle  Pfandrecht  in  der  ver- 
schiedensten Ausdehnung  auf  alle  beweglichen,  unbeweglichen  Sachen, 
auf  das  ganze  Vermögen  des  Schuldners  in  Gegenwart  und  Zukunft  vor. 
Zu  dem  wucherlichen  Gewinne  des  Gläubigers  wirkt  dieses  nicht  anders, 
als  das  spezielle  Pfandrecht;  denn  Besitz  undGenuss  der  generellen  Pfand- 
sachen blieb  bei  dem  Schuldner  und  nach  Veräusserung  der  Sachen  bei 
Nichtzahlung  konnte  der  Gläubiger  nur  dort  einen  Ueberschuss  des  Pfand- 
werthes  über  seine  wirkliche  Forderung  gewinnen ,  wo  zu  seiner  Befrie- 


V.  2.  Pfaiiilrcoht.  f.  UmbiliUing  der  deutschon  Pfandgesetze  etc.      199 

f.    Umbildung  der  deutschen  Pfand-Gesetze  über  die 
Pfandnutzung. 

Durch  diese  gegen  das  fremde  Recht  völlig,  gegen  das 
heimische  Gesetz  zum  Theil  siegend  beibehaltene  Gewohnheit, 
dass  der  Gläubiger  das  Pfand  nutze  oder  statt  der  Nutzung 
mmdestens  Zinsen  vom  Schuldner  beziehe ,  wurden  schliesslich, 
da  selbst  das  römische  Eecht  mit  seinem  vollen  Ansehen  sich 
durch  seine  Berechnung  in  der  Antichrese  und  durch  seine 
Hypothekenzinsen  auf  die  Seite  der  heimischen  Gewohnheit 
und  der  dieser  getreuen  heimischen  Gesetze  stellte,  die  Ge- 
setzgeber in  den  deutschen  Einzelstaaten  zu  den  Grundsätzen 
des  heimischen  Rechtes  zurückgeführt.  Einige  von  ihnen 
gestatteten  dem  Gläubiger,  bei  der  fortdauernden  älteren 
Satzung  die  auf  das  Pfand  verwendeten  Kosten  und  die  Zinsen, 
welche  er  sonst  aus  der  Darlehnssumme  gewonnen  hätte ,  durch 
die  Früchte  des  Pfandes  sich  zu  ersetzen,  den  Rest  der  Nutzung 
dagegen  sollte  er  dem  Schuldner  zurückgeben,  selbst  wenn 
Parteien  zuvor  einen  antichretischen  Vertrag  geschlossen  hat- 
ten. ^)  Andere  Gesetzgeber  erlaubten  dem  Pfandgläubiger 
unbegrenzt  die  Pfandnutzung.  Aber  da  sie,  um  den  über- 
grossen GeAvinn  des  Gläubigers  zu  beschränken  (in  TJeberein- 
stimmung  bereits  mit  der  isländischen  Grägäs),  verboten,  dass 
Jemand  eine  Sache  von  höherem  Werthe  verpfändete,  als  sie 
das  Gesetz  entsprechend  der  Grösse  des  Darlehns  gestattete, 
kamen  sie  mit  den  ersteren  fast  auf  dasselbe  Resultat  hmaus. 


digung  das  generelle  Pfand  ganz  im  Distraktionsverfahren  angegriffen 
wurde  und  die  Gesetze  —  was  nur  vereinzelt  der  Fall  war  —  ihm  den 
Ueberschuss  des  Ertrages  des  Pfandes  bei  dessen  Veräusserung  einzuzie- 
hen erlaubten,  cf.  V.  2.  g.  Die  Wirkung  dieser  generellen  Pfandrechte 
trat  allgemein  nur  im  Konkurse  hervor:  cf.  Züricher  Gerichtsbuch  von 
1553.  VI.  „Dass  diejenigen  Handschriften,  wcUiche  cinsscn  Haab  und 
gut  in  genere  vnd  ohne  spocification  zum  vnderpfand  ernamssend  vnd 
begrylfend ,  in  Fallimenten  vnd  vfTahlen  den  Laurt'epden  schulden  vnd 
wexel  gelteren  vorgahn  vnd  vor  denselben  bczalt  werden."  —  Bluntschli, 
Zürich.  R.  G.  II.  p.  131. 

l)Mevius,  wucherliche  Contr.  (Bremer  Constit.  1580)  §.12. — 
elector.  Saxon.  constit.  von  T-orgau  1583.  Carpzov,  1.  c.  obs.  VII.  — 
Solmser  L.  0.  1571.  p.  83. 


200    V.  2.  Pfandrecht,  f.  riiibildung  der  deutschen  Pfandgesetze  etc. 

So  befiehlt  bereits  1346  iin  Revaler  St.  R.  der  dänische 
König,  dass  für  ein  Darlehn  von  10  mrk.  1  „uticus,"  d.h.  ein 
Grimdötück  von  gesetzlich  bestimmter  Grösse  verpfändet  werde. 
—  So  auch  das  W  ü  r  t  e  m  b  e  r  g  e  r  Landrecht.  ^)  Im  ersten 
Landrecht  hält  man  genau  die  Vorschrift  des  kanonischen 
Rechtes  fest,  das  sechste  Landrecht  räumt  fi*eie  Pfandnutzung  ein 
ohne  Anrechnung  des  Gemnnes.  Aber  die  Verpfändung  sollte 
nur  dann  Kraft  vor  Gericht  haben ,  wann  die  Höhe  des  Dar- 
lehns  und  derWerth  des  Pfandes  übereinstimmten.  Das  Dith- 
marser  L.  R.  const.  1639  1.  c.  untersagt,  kein  Schuldner  soll 
eine  Sache  geringeren  Werthes  verpfänden,  als  durch  deren 
Verkauf  oder  Besitz  im  Falle  des  Zahlungsverzuges  der  Gläu- 
biger das  Kapital  und  6  mrk.  4  pfenn.  Zinsen  gedeckt  erhalte. 
Danach,  als  der  Schuldner  mit  Beschwerniss  Besitz  und  Nutzen 
seines  Pfandes  während  der  dadurch  um  so  längeren  Verpfän- 
dungszeit entbehrte,  der  Gläubiger  gar  in  der  Zeit  entwickel- 
teren Verkehres  lieber  kleineren  Gewinn  machte,  als  eine  ewige 
Zeit  hindurch  vom  Schuldner  das  Kapital  erwartete  und  bei 
dem  eigenen  Besitze  der  Pfandsache  gleichsam  an  die  Scholle 
sich  fesseln  liess ,  ergab  es  sich  auch  für  die  Gesetze  als  noth- 
wendig,  die  Pfänder  dem  Schuldner  zu  belassen.  Wegen  des 
schwankenden.  Credites  und  anfänglich  zur  Sicherung  nur  klei- 
ner Darlehnsbeträge  wendeten  die  Gläubiger  diese  neuere 
Satzung  an  und  forderten  nun  auch  hier  unter  gesetzlicher 
Billigung  statt  der  Pfandnutzung  und  für  die  übernommene 
Gefahr  um  so  grössere  Zinsen.  Da  dieser  selbe  Versuch  auch 
beim  Rentenkaufe  begegnet,  aus  verwandten  Ursachen  ent- 
standen, scheint  er  dem  Charakter  jener  Zeit  um  so  mehr 
angemessen  gewesen  zu  sein. 

So  wurde  im  Pfandnutzen  der  älteren  Satzung  und  bei 
der  neueren  Satzung  gerade  der  Bezug  des  Gewinnes  über  das 
Kapital  gegen  das  ausdrückliche  Verbot  der  Kirche  im  geschrie- 
benen und  ungeschriebenen  Rechte  gebilligt  und  während  des 
langen  hier  betrachteten  Zeitraumes  in  Uebung  erhalten.  Und 
nicht  den  antichretischen  Vertrag   allem  wendeten  die  deut- 


1)  Wächter,  Handbuch  p.  495. 


V.  2.  Pfainlreoht.    g.  Ueborschuss  des  Pfandwerthes  etc.        201 

sehen  Cnntrahenten  in  allen  TheilenDeutsclilands  unter  gesetz- 
licher Billigung  an ,  sondern  aueli  iii  den  übrigen  Arten  der 
Verpfandung  hielt  man  für  einen  Wucherer  nur 
denjenigen,  welcher,  nach  Abzug  der  auf  das 
Pfand  verwendeten  Kosten,  über  die  allgemein 
übliche  Höhe  der  Zinsen  hinaus  Nutzen  aus  dem 
Pfände  zog,  oder  sich  darüber  hinaus  Zinsen  vom 
Schuldner  statt  des  Nutzens  zahlen  Hess.  ^) 

g.   Der  Ueberschuss   des   Pfandwerthes   über   die  Forderung 
des  Gläubigers. 

Aber  die  Ungleichheit  in  dem  Werthe  des  Pfandes  und 
der  Höhe  der  geschuldeten  Summe  gewährte  nicht  bloss  bei 
der  Benutzung  des  Pfandes  dem  Gläubiger  Gelegenheit  zum 
Gewinne,  sondern  auch  dort,  wo  schliesslich  das  Pfand  wegen 
Zahlungsverzuges  des  Schuldners  zum  Verkaufe  kam  oder 
sogleich  in  das  Eigenthmu  des  Gläubigers  überging. 

Bei  dem  Pfandrechte  der  beweglichen  Sachen,  mochten 
sie  als  Faustpfänder  dem  Gläubiger  gesetzt  oder  nach  der 
neueren  Satzung  dem  Schuldner  belassen  werden ,  desgleichen 
bei  den  unbeweglichen  Pfändern  der  neuen  Satzung  wurde  für 
die  Zahlungssämnniss  des  Schuldners  ein  bestimmtes  Veräusse- 
rungs  -  (Distraktions -)  Verfahren  emgeführt.  Wer  empfing 
hier  den  Ueberschuss  des  Pfandwerthes  über  die  Höhe  der 
Forderungen  des  Gläubigers  an  Kapital,  Verzugszinsen;  Scha- 
densersatz u.  s.  f.?  Von  Alters  her  sprechen  einige  deutsche 
Kechtsquellen  den  Mehrwerth  des  Pfandes  über  die  Forde- 
rungen dem  Gläubiger  zu ,  wie  eine  Art  gesetzlicher  Verzugs- 
strafe oder  Verzugszinsen.   So  das  F rei  bürg  er  St.  K.  1.40.2) 


1)  Diese  Beschränkung  des  Pfandnutzens  und  dieser  BegriflC  des 
Pfand  Wuchers  findet  sich  bereits  im  altindischen  Eechte  Yägnavalkya's 
Gesetzbuch  ed.  S  t  e  n  z  1  e  r.   Berl.  u.  Lond.  1849.        2)  S  c  h  o  1 1.  m.  165. 

„waz  die  pfand  bezzet  sint,  wen  si  sten ,  daz  mac  he  behalden, 

he  mac  iz  ouch  widergeben,  ab  her  wil." 
Albrecht,  Gewere  1.  c.   Nach  diesen  Gesetzesvorschriften  allein  konnte 
auch  das  mit  der  neueren  Satzung,  wol  durch  röniischrechtlichen  Einfiuss, 
entstandene  und  ermöglichte  generelle  Pfandrecht  dem  Gläubiger  einen 
wucherlichen  Ge^Ninn  eintragen.   Allein  der  Sinn  derartiger  Pfandrechte 


'20-         V.  -.  rtiindicclit.    'j;.  Uebcrschuss  dos  Pfandwerthcs  etc. 

Das  Gebot  der  Kirche  zog  indess  hier,  wo  Billigkeitsgründe 
auf  seiner  Seite  standen,  um  so  eher  die  meisten  deutschen 
Gesetzgeber  zu  sich.   So  sagt  S  a ch  s e  n  s  p.  I.  70.  §.  2 : 

wirddaricht  over,  dat  sal  man  jenem  weder  geven. 

Briet  dar  iclites  an,  man  sal  ime  aver  paiiden.  ^) 


I 


—  so  freigebig  phrasenhaft  sie  auch  von  den  Parteien  in  unzähligen  Ur- 
kunden mehr  oder  weniger  umfassend  vereinbart  wurden  —  ist  nicht, 
dass  bei  dem  Zahlungsverzuge  des  Schuldners  die  ganze  in  dessen  Ver- 
mögen befindliche  Art  der  verpfändeten  Sachen  oder  gar  dessen  ganzes 
Veiniögen  selbst  für  die  eine  Forderung  des  Gläubigers  veräussert  werden 
und  dem  Gläubiger  so  der  oft  hohe  Ueberschuss  des  Kaufertrages  über 
seine  Forderung  zufliessen  sollte.  Vielmehr  sollte  dadurch  dem  Gläubiger 
nur  im  Konkurse  des  Schuldners  ein  Vorrecht  vor  den  laufenden  (Kredito- 
ren auf  die  dann  vorhandenen  zu  jener  verpfändeten  Art  gehörigen  Ge- 
genstände zustehen,  cf.  das  Züricher  Gerichtsbuch  von  1553,  dessen 
hierher  gehörige  Stelle  oben  ad  V.  2.  e  (S.  198.  N.  2)  zitirt  worden ,  und 
B 1  u  n  t  s  c  h  1  i ,  Zürich.  R.  G.  11.  131. 

1)  Deutscher  Spiegel,  1.  c.  p.  95.  n.  92.  i.  f. 

„  Wirt  icht  vber  man  sol  ez  ienem  gelten  vnd  wider  geben ;  geprist  da 

icht.  man  zol  in  ander  weide  pfenden  ez  ensei  daz  in  eliaft  not  savme." 

Schwabenspiegel  (Lassb.  102.)   Hamburger  St.  E.  (1270)  T.  14.  — 

V erdner  Statt.  4.  —  Stadeler  Statt.  10.  (Pufendorf  I.  174  (1279.) 

—  Schi  es.  L.  R.  Anhang  der  XIII  Capitel  von  den  Sechsmännern,  cp.  13 
(1364)  p.  199. 

„vnd  was  im  obirleuffet,  das  sal  her  im  wedir  koren.  .  " 
Systemat.  Schöffenrecht  III.  2,80.  (Culmer  R.  III.  110)  von  der 
Pfändung  auf  die  neuere  Satzung  auszudehnen.    Verm.  Sachsensp. 
(Ortloff)  III.  14.  1.  p.  162.  Böhm.  II.  2. 16.  Ortl.  lU.  4. 1.  Böhme  U.  18.  pr. 
Gosslarer  St.  R.  (Göschen)  Einl.  p.  237.  —  Albrecht,  Gewere  n.  348. 

—  Eckardt,  Neun  Bücher,  1.  c.  V.  3.  dist.  1.  Augsburger  St.  R. 
(Walch  IV.  1.  (1276)  a.  380.  p.  376.  Rechtsbuch  Ludwigs  des  Baiern 
(1336)  1.  c.  17.  p.  115.  Münchener  St.  R.  a.  197.  p.  76.  Prager  St.  R. 
Einl.  Ofner  St.  R.  (1244—  1421)  n.  302.  p.762.—  Speyrer  Rechtsge- 
wohnheiten (Lehmann,  14.  Jahrh.  1.  c.  p.  118.  Nürnberger  Re- 
form. (1479)  ti.  XL  n.  12.  —  Dithmarser  L.  R.  (Michelsen  1.  c.)  a.  v. 
Kirchspiel  zu  Meldorf  (1541  p.  240.) : 

„Wunneth  he  averst  niher  darumme ,  also  he  gclaveth  heft ,  dat  öve- 
righe  GhebU  schall  he  dem  rechten  Sackwolt  wedergeven." 
BillwärderR.  (1498)  ed.  J.  M.  Lappen  borg.   Schleswig  1828.  p.  30. 

—  Hadelner  Statt.  (1583)  ti.  7.  Danz.  Willk.  von  1580.  U.  2.  a.  23. 
n.  15.  —  Zeit  sehr.  f.  D.  R.  Vül.  p.  284  (Madai). 


V.  2.  Pfaiuirecht.   g.  Ueberscimss  des  Pfandwerthes  etc.         203 

Einen  Belag  dafür,  dass  von  Anbeginn  dem  dentsclien  Rechte 
die  Billigkeitsgründe  der  kanonistisclien  Bestimmung  in  diesem 
Punkte  nicht  fremd  waren ,  bietet  ausser  den  genannten  Quel- 
len besonders  Gulathings-Lagh  (1100)  1.  c.  Kaupa-Balkr. 
cp.  XX.  p.  509. ') 

Aber,  selbst  wo  Gläubiger  nach  diesem  Distraktiousverfah- 
ren  der  neueren  Satzung  den  Ueberschuss  des  Kaufertrags  an 
Schuldner  herausgeben  musste ,  machte  er  einen  oft  bedeuten- 
den Gewinn  über  seine  Forderungen  durch  den  Nutzen,  den 
er  während  des  Distraktious Verfahrens  aus  dem  Pfände  zog 
und  den  er  gewann ,  wo  das  Gericht  ihm  bis  zur  Einlösung 
des  Pfandes  durch  den  Schuldner  das  erstere  übereignete.  So 
sagt  unter  vielen  anderen  Stellen  das  systematische  Schöf- 
fenrecht III.  2.  c.  76: 

„  Irvordirt  eyn  man  des  andirn  erbe ,  alzo  daz  ys  ym  gewel- 
degit  vnd  geeygnit  wirt  vor  gelt,  do  mag  her  ynczyhin 
adir  vormitin  vnd  wil  yenir,  deme  daz  erbe  abe  geclait 
wart,  dornoch  in  rechtir  czeit  das  erbe  lozin,  desir  der  is 
ii'clait  hat ,  endorf  den  nocz  noch  czyns  an  syme  gelde  nicht 
abe  clagin  noch  abe  sloen.  .."  (Culm  III.  106.) 

Gebrach  Etwas  im  Werthe  des  Pfandes  zur  Höhe  der 
Schuldsumme ,  so  nmsste  der  Schuldner  den  Kest  ergänzen.  -) 
In  der  Schuldurkunde  Sigismunds  vom  8.  Juni  1565 
(Danz.  Arch.  bibl.)  wird  das  „aver  panden'*  des  Sachsensp.  u. 
deutschen  Spiegels  1.  c.  sogleich  im  Vertrage  festgesetzt:  Im 
Falle  der  Kaufpreis  des  Pfandes  zu  klein  sich  herausstellt, 
soll  Gläubiger  die  verpfändeten  unbeweglichen  Pfänder  so 
lange  halten  und  nützen,  bis  er  dadurch  den  Rest 
der  Schuldsumme  und  alle  damna  und  Interesse 
bezahlt  erhielt.  Doch  dem  Schuldner  soll  es  dabei  frei- 
stehen, mit  dem  Gläubiger  festzusetzen,  was  Gläubiger  von 
den  Einkünften  aus  den  Pfändern  sich  anzurechnen  hat  und 


1)  Pauli,  lüb.  Zust.  Niederstadtbuch  1350  (bei  einem  beweglichen 
Pfände)  und  1374.  Danz.  Scliöi)i.enb.  v.  1439.  fol.  481.  1.  cf.  audi  Urkk. 
Sigismunds  (D.  A.  bibl.)  vom  8.  Juni  1505.  2)  Pauli,!,  c.  Niodi-r- 
stadtbuch  (1337).  —  Danz.  Schöjjjicnb.  von  1439.  fol.  481.  1,  und  die 
Zaiil  der  eben  (S.  202.  N.  I.)  aulgelülirten  Beläge. 


204        V.  '2.  rfandroclit.   g.  üeborsoliuss  dos  rfaiuhvertlios  etc. 

was  dem  Schuldner  zukommt.  Selbst  in  diesem  Punkte  also 
wurde  noch  gegen  den  Grundsatz  des  kanonischen  Rechtes 
verfahren,  Avenn  auch  in  der  Schuldurkunde  zuvor  für  die 
Dauer  des  Darlehns,  wie  gerade  in  der  hier  zitirten  (cf.  S.  198), 
vereinbart  ist,  den  Pfandnutzen  auf  Kapital  und  Zinsen  genau 
anzurechnen.  —  Das  Dan  zig  er  Schöppenbuch  v.  1554. 
fol.  120  zeigt  den  Verlauf  eines  Streites  über  letzteren  Punkt. 
Die  Darlehnsurkunde  schloss  damit  ab:  das  Haus  (Pfand)  zu 
,.  vorpennigen  vnd  vorkopen ,  so  er  sin  gelth  nit  lenger  entpe- 
ren  kann.''  a.  16.  Juli  1556  fordert  Gläubiger  sein  Geld  zurück, 
,.vnnde  hans  (debit.)  ock  vp  disen  sestigendenn  Julii  rechtlick 
dartho  geladenn,  apr  nicht  gestandenn  ock  niemandth  van 
sinenth  wegenn.  . . "  Das  Gericht  gestattet  daher  dem  Gläubi- 
ger ,  das  Haus  öffentlich  zu  verkaufen  (den  Strohwisch  auszu- 
stecken cf.  V.  3.  b.)  Dies  geschieht.  Da  verlangt  der  Schuld- 
ner vor  Gericht ,  Gläubiger  soll  beschwören ,  dass  er  das  Haus 
nicht  theurer ,  als  es  geschehen ,  habe  verkaufen  können.  Der 
3.  Dezember  1556  wird  dem  Gläubiger  zum  Schwur  -  Termine 
angesetzt.  Da  in  diesem  Termine  der  Schuldner  ausbleibt, 
beschliesst  das  Gericht,  dass  Gläubiger  „des  edes  sali  enth- 
slagenn  sien  beth  up  hans  affenbergers  (des  Schuldners) 
hulperede  dartho  gedelth  verthigenn  dage "  u.  v.  A.  —  War 
also  der  Gläubiger  nicht  strengen  Gewissens ,  und  wie  leicht 
ist  dies  bei  der  Formel ,  er  habe  das  Pfand  nicht  theurer  ver- 
kaufen können,  dem  Schwörenden  gemacht,  so  schaffte  er  sich 
durch  seinen  Eid  leichten  Gewinn. 

Nur  m  einigen  Rechtsquellen  wird  dem  Gläubiger  das  Recht 

verneint,  den  Ersatz  der  im  Pfandertrage  fehlenden  Summe 

vom  Schuldner  zu  fordern;  so  imlüb.  Recht  (Hach.  p.  469): 

„wat  dat  erve  mer  gelt,  wan  dat  itvorvolget  is,  dat  schal  he 

eme  wedder  geven ,  brickt  eme  ock ,  dat  is  des  schade ,  deme 

dat  erve  vorpandet  is." 

Nach  den  Grundsätzen  der  älteren  Satzung  ging  das 
unbewegliche  Pfand  dann,  wenn  der  Schuldner  die  Schuld- 
summe nicht  zurückzahlte ,  und  die  Zeit  der  Zahlung,  der  Wie- 
dereinlösung des  Pfandes  verstrichen  war ,  ohne  ein  Veräusse- 
rungs verfahren  in   das  Eigenthum   des  Gläubigers.    Das  war 


V.  2.  Pfandrecht,   g.  Ueberschuss  des  Pfand werthes  etc.         205 

eine  Folge  seiner  vollen  Pfandgewere  und  bietet  einen  neuen 
Belag  dafür,  Avie  nahe  diese  Pfandgewere  an  das  Eigenthum 
grenzte.  ^) 

Dies  findet  sich  auch  in  der  G  u  1  a  t  h  i  n  g  s  -  L  a  g  h.  Kaupa- 
Balkr.  cp.  XX.  p.  509.  und  Gragäs,  1.  c.  Landabrigpa-halkr. 
IL  de  fund.  reluend.  ti.  XIL  p.  234.  Nach  letzterer  Quelle 
hiess  ein  gesetzmässiges  Pfand  „quum  creditor  duas  uncias 
pro  unica  in  fnndo  capiat,  prout  accolae  öpraediati  ad  lihrum 
sanctum  aestinmnt  funduni."  Wo  andere  Sachen  verpfändet 
werden,  gilt  dieselbe  Regel,  ausser  wo  Jemand  eine  Sache 
geringeren  Werthes ,  als  dieser ,  sich  verpfändete ,  in  welchem 
Falle  das  Pfand  beim  Zahlungsverzuge  „creditori  eommissa 
cedit.''  Dasselbe  ist  von  dem  verpfändeten  Grundstücke  be- 
stinunt,  wenn  es  nicht  zweimal  den  Werth  der  Schuldsumme 
enthält.  Die  Verpfändung  ist  dabei  eine  durchaus  gesetzliche. 
—  Viele  der  oben  für  den  Ueberschuss  beim  Pfandverkaufe 
zitirten  Rechtsquellen  billigen  neben  eben  jenen  Stellen  gleich- 
zeitig auch  A\Q^  pactum  commissoriiim,  so  das  Systemati- 
sche Schöffenrecht,  das  in  III.  2.  cp.  80  (Culmer  R. 
III.  110)  über  das  Distraktsverfahren  verfügt,  mid  vorher  lU.  2. 
cp.  65  (Culmer  R.  III.  100)  folgenden  Artikel  bringt: 

„welche  man  eyn  gut  bot,  daz  ym  gesaczt  ist  vor  schult, 

vnd  clagit  in  gehegtim  dinge,  alzo  lange  bis  daz  ym  mit 

rechtin   orteilin   gewaldegt   vnde    geeygnit  wirt 

daz  gut  vor  syn  gelt,  der  mag  denne  do  mete  tun  vnde  lozin 

was  her  wil.'* 

Und  ausdrücklicli   für  den  Fall,  wo  das  Pfand  zehn  Mal  so 

viel  werth  ist,  als  die  Schuldsumme,  führt  cp.  66  „von  sa- 

czunge  gutis  in  gehegtim  dinge*' obige  Regel  aus: 

„  wirt  eynym  manne  eyn-  erbe  gesaczt  in  gehegtim  dmge  vor 

eyne  mark  daz  czener  adir  me  wert  ist,  unde  daz  alle 

dingtage  uf  butit  alz  recht  ist  und  daz  selbe  gut  ym  g  e  e  y  g  i  n  t 

unde  gewaldegit  wirt  mit  rechte,   zo  mag  her  daz  gut 

vorkoufin    adir    behaldin    unvorkouft.     So   mag   is 


1)  Bluntschli.  Züricher  R.  0'.  II.  S.  121.  122.  -   Baseler,  D. 
P.  R.  II.  p.  133. 


20(5         V.  -2.  Pfautlroclit.   g.  Ueberschuss  des  rfaiulwertlies  etc. 

yenir.  des  daz  erbe  was,  ledigiu  viid  losyii  vor  daz  gelt,  do 
is  vmme  vorkouft  viid  vorclait  ist  vnd  vor  kost, 
daz  siut  vrede  pfeimynge ,  schribe  pfennynge.  Abir  vorkouft 
der  cleger  daz  erbe  vnd  vorgebit  is ,  zo  mag  is  ienir ,  des  daz 
erbe  was  noch  ledigyn  vor  dy  jifennj'nge  bynnyn  jor  vnd 
tage,  vorsumt  hers  abir,  daz  her  is  bynnyn  jor  vnd  tage 
nicht  ledigit,  dornoch  mag  hers  nicht  ledigin."  ^) 

Dass  diese  Begründung  des  Eigenthums  für  den  Gläubiger 
an  der  Pfandsache  schon  durcli  die  Ausdehnung  des  Pfandver- 
trages von  vornherein  oft  in  Aussicht  genommen  wurde,  ist 
bereits  oben  V.  2.  c  dargelegt.  Da  das  Pfand  im  Besitze  und 
Genüsse  des  Gläubigers  stand,  also  Anderen  ausser  ihm  nicht 
verpfändet  werden  konnte ,  liegt  auf  der  Hand ,  welchen  Ge- 
winn der  Gläubiger  ausser  der  Nutzung  des  Pfandes  während 
der  Dauer  des  Schuldvertrages  durch  das  Eigenthura  des  Pfan- 


1)  Selbst  wenn  man  hierin  ein  Distraktionsverfahren  erkennen  wollte, 
weil  der  Gläubiger  etwa  das  Pfand  schliesslich  kauft ,  so  hing  doch  die 
Preisbestimmung  dann  wieder  von  diesem  ab ,  und  so  gestaltete  sich  that- 
sächlich  der  Fall  der  alten  Satzung  mit  Uebergang  des  Pfandeigenthums 
auf  den  Gläubiger  beim  Zahlungsverzuge  des  Schuldners.  —  Löste  Schuld- 
ner später  das  Pfand  vom  Gläubiger ,  so  durfte  letzterer  den  inzwischen 
gezogenen  Nutzen  keineswegs  an  seinen  Forderungen  abreclmen,  sondern 
gewann  ilm  durchaus.  System.  Schöffcnr.  III.  2.  c.  76  (Culm  III.  100.) 
cf.  dazu  Sartor. -Lappeuberg,  Gesch.  d.  Hansa  I.  12G9.  Vertrag  zwi- 
schen den  Gothländer  Kaufleuten,  Lübeck  mit  Nowgorod  und  Fürst  Jaros- 
law  Jaroslawitsch.  Das  Pfand  soll  in  Handelssachen ,  nach  Kündigung 
oder  Anzeige  im  ersten  Jahre ,  nach  Verlauf  des  dritten  Jahres  an  Gläu- 
biger verfallen  sein.  -  Pauli,  lüb.  Zust.  1393.  Niederstadtbuch  U.23.99. 
Danz.  ürk.  39.  244  (1490)  (beim  beweglichem  Pfände).  —  ib.  Schöp- 
penbuch  V.  1557.  fol.  207,  bei  der  Verpfändung  und  Rückleihe  (neuere 
Satzung)  des  Weichselkahns  an  Schuldner  (cf.  S.  197.  N.  4.)  wird  für  den  Zah- 
lungsverzug bestimmt:  „soverpflicht  sich  (debit.)  das  der  gedachte  kaenn 
ewiclich  hans  langen  (credit.)  proper  eigenn  sein  sali  vnd  bleibenn."  und 
in  den  Schuldurkunden  Sigismunds  1.  c.  1557  bleiben  die  verpfändeten 
Dörfer  „in  nostra  {dehit.) 2)ossessiune"  (neuere  Satzung);  aber  beim  Ver- 
zuge erhalten  die  Gläubiger:  „e  vestigio  realem  et  acUmlem  intromissio- 
nem  et  possessionem  in  p^'edictas  villas  sine  quovis  imjieclimento "  und 
sollen  die  Pfänder  behalten  :  „  cum  omni  jure ,  dominio  et  propri^itate  ac 
tmiversis  utilitatibus ,  nullis prorso  exceptis. ."  ib.  Schöppenb.  v.  1575. 
fol.  119.  noch  ausser  dem  Prozente  vom  Darlehn. 


V.   2.  Pfandrecht,   g.  Ueberschuss  des  Pfandwerthes  etc.        207 

des  machte ,  —  eine  echt  deutschrechtliche  offene  Verletzung 
des  Wucherverbotes ,  —  und  wie  nothwendig  auch  hiergegen 
die  schon  oben  erwähnten  Maassregeln  der  Gesetze  und  des 
Verkehres  selbst  über  das  Werthverhältniss  des  Pfandes  und 
der  Schuldsumme,  sowie  über  die  Grenze  der  Pfandnutzung 
sein  mussten.  Dieselben  blieben,  wie  gezeigt  worden,  noch 
immer  weit  von  dem  Standpunkte  des  kanonistischen  Wucher- 
gesetzes entfernt.  Eben  daraus  erklärt  sich  endlich  auch,  wie 
schliesslich  aus  dem  römischen  Eechte  die  lex  comniissorla, 
durch  das  freilich  davon  verschiedene  Distraktionsverfahren 
der  neueren  Satzmig  leichter  eingeführt,  gegen  die  daneben 
fortdauernde  alte  Satzung  in  einzelneu  Statuten  Boden  gewann.  ^) 
Der  Schuldner  aber  versprach  und  überliess  in  der  alten, 
wie  in  der  neuen  Satzung  —  eben  selbst  gegen  die  Natur  der 
letzteren ,  gegen  die  deutschen  Gesetze ,  ^)  welche  das  regel- 
mässige Distraktionsverfahren  festhielten  und  gegen  die  lex 
commissoria  des  römischen  Rechtes  ^)  —  in  vielen  Fällen  laut 
dem  Pfandvertrage  das  Pfand  bei  der  Zahlungssäumniss  „  ohne 
jede  Widerrede ,  ohne  Zögerung  u.  dergl."  dem  Gläubiger  zum 
Eigeuthume.  Wo  nicht  die  gesetzlich  vorgeschriebene  Aus- 
gleichmig  des  Darlehns  -  und  Pfandwerthes  strenge  inne  gehal- 
ten wurde  —  und  wie  oft  umsste  dies  beim  besten  Willen 
unmöglich  sein  —  bot  sich  hier  dem  Gläubiger  eine  besonders 
ergiebige  Quelle  des  Gewinnes  ultra  sortcm.  Nachdem  wirth- 
schaft liehen  Zustande  Deutschlands  in  der  ersten  Zeit 
des  erwachenden  Verkehres ,  wo ,  wie  erwähnt,  sich  bereits  die- 
ses pactum  commissoriipm  findet,  zu  urtheilen,  musste  es 
vielfach  in  der  Absicht  der  Contrahenten  liegen ,  durch  solches 
Ueberantworten  des  Pfandes  dem  Gläubiger  nicht  bloss  die 
nackte  Schuldsumme  abzuzahlen,  sondern  ihm  erklecklichen 
Gewinn  für  sem  Risiko  u.  s.  w.  zu  bereiten.   Man  ging  in  den 


1)  Solmser  L.  R.  XV.  §.  2.  —   Hamburg.  St.  R.  II.  4.  art.  9.  lU. 

2)  Selbst  in  einzelnen  Gesetzen  wurde  dies  unter  Festhalten  dieses  Thei- 
les  der  alten  Satzung  gebilligt,  cf.  Albrecht,  1.  c.  p.  152ff.  —  Rey- 
scher,  Gem.  u.  wiirtemb.  P.  R.  II.  §.  2U«.  Beseler,  D.  P.  R.  II.  p.  138. 

3)  cf.  Beseler,  D.  P.  R.  II.  p.  1  lU. 


208    V.  2.  Pfandrecht,   h.  Das  Distraktsrocht  d.  Eentcukäufers  etc. 

meisten  Fällen  derzeitiger  Verpfändungen  gerade  nicht  von 
der  Ueberzeugung  aus ,  die  Höhe  des  Darlehns  und  der  Werth 
des  Pfandes  seien  übereinstimmend.  Das  lehren  zur  Genüge 
die  Menge  der  oben  erwähnten  Ausgleichungsversuclie,  die 
Klagen  der  gar  zu  übervortheilten  Schuldner,  welche  von  Zeit 
zu  Zeit  hervorbrechen,  und  die  Zornausbrüche  der  Kirche 
besonders  in  deutschen  Concilien  gerade  gegen  das  pactum 
commissorium. 

Doch  mehr ,  als  in  diesem  Punkte ,  waren  solche  Zornaus- 
brüche nii'gend  vergebens.  Erst  nach  dem  Eindringen  des 
römischen  Rechtes  in  Deutschland  gelang  es  letzterem  allge- 
mach, das  pactum  commissoriuni  zum  Schirme  der  Schuldner 
zu  beschränken.  ^) 

Von  dem  Vei*pfänden  seiner  Person  zur  Schuldarbeit  Sei- 
tens des  Schuldners  an  den  Gläubiger ,  welche  in  ihrer  allge- 
meinen Verbreitung  seit  ältester  Zeit  im  deutschen  Rechte 
ebenfalls  die  Pfandnutzung  zum  Gewinne  des  Gläubigers 
bekundet,  ist  oben  näher  gehandelt  (IV.  2.h.) 

h.   Das  Distraktsrecht  des   Rentenkäufers. —   Die  Pfändung 

um  Schuld. 

Auch  das  Recht  der  Entsetzung  des  Reutenver- 
k  ä  u  f  e  r  s  durch  den  Rentenkäufer  und  der  Besitznahme  des 
Grundstücks  durch  letzteren  rechnete  man  seit  Annäherung 
des  Rentenkaufs  an  das  Darlehn  zu  den  Folgen  des  Pfandver- 
trages. An  sich  ist  das  Wesen  beider  Institute  durchaus  ver- 
schieden; beim  Pfandvertrage  hält  sich  der  Gläubiger  auf  Grund 
dieses  Vertrages  am  Grundstücke  zu  semer  Sicherung  für  die 
Hauptschuld,  beim  Rentenkaufe  folgt  aus  dem  Hauptgeschäfte 
selbst,  aus  der  darin  enthaltenen  Auflassung,  und  der  durch 
diese  begründeten  Gew^ere,  dass  der  Käufer  der  Reute  das 
Grundstück  bei  Säumniss  in  der  Rentenzahlung  als  sein  Eigen 
in  Besitz  nimmt,   sobald  die  Pfändung  gegen  den  Verkäufer 


1)  cf.  Meklenburger  P.  0.  1562.  p.  44.  u.  N.  „ Stickpfande. " 
PfälzerL.  R.  1.  c.n.  16.  Gothaer  L.O.  IL  c.  4.  ti.  20.  §.  ult.  Al- 
te nb  urger  L.  0.  \).  312. 


V.  2.  Pfandrecht,   h.  Das  Distraktsrocht  d.  Rentenkäufers  etc.     209 

nicht  seine  Forderung  auf  Rente  und  Busse  befriedigte.  Aeusser- 
lich  indess  stimmen  beide  Institute  vielfach  überein.  Aus  die- 
sen Gründen  ersclieint  es  gerechtfertigt,  sogleich  hier  das 
Distraktsrecht  des  Rentenverkäufers  7ä\  betrachten.  ^) 

Nach  einigen  Urkunden  benutzt  der  Rentenkäufer  unter 
Entsetzung  des  Verkäufers  das  Grmidstück  so  lange  als  sein 
eigenes,  bis  er  daraus  an  Rente  und  Rentbusse  befriedigt 
ward.  2)  Oder  er  lässt  sich  das  Grundstück  ha  sein  Eigenthum 
übertragen,  nachdem  die  gehäuften  Renten  und  Bussen  den 
Werth  des  Grundstücks  erreichten,  oder  nach  Verlauf  einer 
bestimmten  Zeit. 

„  Der  amptman  sol  si  denne  desselben  unsers  viertails  Wein- 
garten zehant  gewaltich  machen  und  an  die  gewer  setzen 
in  alle  dem  rechten ,  als  ob  sew  is  mit  vrage  und  mit  urtail 
vor  rechtem  gerichte  erlanget  mid  wehapt  Meten.  ^) 
Derartige  Fälle  kommen  auch  üi  Danzig  vor,  wo  zunächst  die 
Danz.  Willk.  (Io80 — 1454)  keine  Bestimmung  hierüber  ent- 
hielt. Z.B.  Danziger  Schöffenbuch  von  1527  fol.  225;  1528 
fol.  52G,  wo  nach  gesetzmässiger  Mahnung  und  deren  Beschei- 
nigung vor  Gericht  das  Grundstück  dem  Rentenkäufer  über- 
tragen wird ,  damit  er  es  „  Jahr  und  Tag "'  halte  „  vnde  began 
dar  erves  recht  mede."  ib.  fol.  590.  fehlt  wieder  dieser  Zusatz 
der  Zeit.  Die  Danziger  Willkür  v.  158U  endlich  (X.  3  und  4. 
der  Danz.  Arch.  bibl.)  giebt  liierüber  genaue  Vorschriften  (cf. 
u.  Abschn.  v.  Rentenkaufe  3.  b.)  ^)  Endlich  bei  der  allmähli- 
chen Annäherung  des  Rentenkaufes  an  das  Darlehn  vermischte 
man  die  Eigenthümlichkeit   des   Distraktsrechts   vielfach  mit 


1)  cf.  Stobbe,  Zeitschr.  f.  deutsch.  R.  XIX.  S.  202.  2)  cf.  Höf  er. 
deutsche  Urkk.  II.  121  (1327).  Die  Urk.  aus  Baieni  v.  1379.  hat  Kraut 
in  d.  4.  Aufl.  des  Grundr.  §.  130.  fortgelassen.  3)  cf.  Hesz,  d.  Burg- 
recht. Sitzungsbeiichte  der  Akad.  der  Wissensch.  in  Wien  XI.  n.  16.  48. 
(1348.  1376).  —  cf.  auch  Laban d,  System.  S  chöffenrecht.  IV.  2. 
cp.  78.  79.  (1350).  4)  Bekannte  Stellen  hierüber  bieten  das  H am  bur- 
ger R.  von  1270.  I.  16.  5.  II.  3. ,  Goslarer  Statt.  S.  21  ff.  (Die  Stelle 
§.  1^30.  n.  55  hat  Kraut  aus  seinem  Grundr.  4.  Aufl.  entfernt.)  —  welclie 
alle  nicht  der  Ausführlichkeit  der  erwähnten  Bestimmung  aus  der  Danzi- 
ger Willkür  gleichkommen. 

Neuniaiin,  Gesch.  d.  Wuchers.  14 


210       V.  2.  rrniidroc-lit.    li.  Dislraktsrodil  dos  noniciikäiircrs  etc. 

dem  Pf:iii(lreolite  (neuevo  S;it/iiiig);  der  Ivcutonkäufor  ward  aus 
dem  Kaufeiiöse  des  verlviuirteii  Gvuudstücks  befriedigt.  So 
lieisst  es  im  Danz.  Schött'eiibuch  v.  1529  fol.  844. 

für  den  Fall  der  Säumiiiss  im  Eentenzahlen   „so   zal  zick 

(Gläubiger)  am  hovetstule  we  ock  mit  dorne  tynsze  an  dem 

evve  glick  wie  e  n  e  m  p  a  n  d  e  erholen.    So  lange  erken  de 

tins  darup  bliuen  wort,  sal  he  de  nechste  dartho  sien."  ^) 

Die   oben   erwähnte   ausführliche   Bestimmung   der  Danziger 

Willkür  hält  sich  in  der  Mitte  zwischen  der  vorigen  und  dieser 

Stufe  des  Distraktsrechts. 

In  den  zwei  ersten  Stufen  desselben  empfing  der  Renten- 
käufer das  Grundstück  zu  Eigenthum,  daher  auch  dessen 
Ueberschusswerth  über  seine  Forderung.  Das  Grundstück  war 
ihm  eben  durch  den  Rentenkauf  in  dieser  Ausdehnung  unter- 
geben. Natürlich  erlosch  dann  aber  auch  mit  dem  Erwerb  des 
Grundstücks  seine  Forderung,  selbst  wo  letztere  höher  war, 
als  der  Werth  des  Grundstücks.  Auf  der  letzten  Stufe  mochte 
er  um  dort  ebenfalls  behalten ,  wo  dies  im  Pfandrecht  allge- 
mem,  wie  im  Texte  gezeigt,  gestattet  wurde.  Andernfalls 
erhielt  der  Verkäufer  diese  Hyperocha.  Wie  viel  Mühe  sich 
die  Gesetze  mit  der  genauen  Zumessung  dieser  Theile  gaben, 
und  wie  leicht  doch  dabei  der  Rentenkäufer  sich  selbst  auf  der 
letzten  Stufe  des  Distraktsrechts  emen  Gewinn  aus  dem  Werthe 
des  Grundstücks  schaffen  konnte ,  zeigt  ebenfalls  die  vielcitirte 
Stelle  der  Danziger  Willkür.  In  diesen  Fällen  empfing  der 
Käufer  der  Rente  ultra  sortem  nicht  bloss  die  Rente,  son- 
dern bei  Zahlungssäumniss  der  Rente  oder  des  Kapitals  auch 
noch  den  Ueberschuss  des  Werthes  im  Grundstücke  über  seine 
Forderung  aus  dem  Renteukaufe. 

Dieser  Vortheil  und  der  Gewinn  an  der  Zinsbusse  trügen 
also  im  Falle  -der  Zahlungssäumnis«  noch  besonders  zum  wu- 
cherlichen Charakter  des  Reutenkaufes  bei ,  wenn  sie  nicht  als 


1)  Uebereinstimmcnd  damit  L  a ba n  d ,  Systemat.  Schöffenreclit  IV.  2. 
ftp.  78.  79  (135U).  0 e  1  r i c h s  ,  Gesetzt,  v.  Breinen  1489  S.  631 . ,  Lüne- 
burger St.  E.  II.  ti.  8.  bei  Kraut,  1.  c.  ii.  .')(3.  GO.  Revid.  liib.  E. 
III.  8.  i;5. 


V.  2.  rfaii.li-e.lit.   li.  rfändung  um  Schuld.  211 

in  das  Gebiet  des  Schadensersatzes  iin  Verzugsfalle  gehörend 
vom  kanonischen  Rechte  selbst  gestattet  würden. 

Hieran  schliesst  sich  am  leichtesten  die  Betrachtung  des 
Wuchers  in  der  Pfändung  um  Schuld. 

Schon  in  den  ältesten  deutschen  Reclitsquellen  bekannt- 
lich findet  sich  die  Befugniss  des  Freien  ausgesprochen,  zur 
Sicherung  oder  Befriedigung  seines  Anspruchs  unter  Mit^vir- 
kung  des  Gerichtes  oder  aussergerichtlich  fremde  Sachen  eigen- 
mächtig wegzunelmien.  ^)  Von  den  hierhin  einschlagenden 
Fällen  des  Pfändungsrechtes  ist  an  dieser  Stelle  nur  die  Pfän- 
dung um  Schuld  zu  berücksichtigen.  Die  Gesetze  erkann- 
ten dieselbe  zuerst  vornehmlich ,  dann  ausschliesslich  dort  an, 
wo  der  Schuldner  selbst  sich  ihr  unterworfen,  oder  wo  die 
Schuld  desselben  „gichtig,  kundlich,  redlich,  unleugbar" 
war.  In  der  Regel  forderte  der  Gläubiger  zuvor  den  Schuld- 
ner meist  unter  obrigkeitliclier  Mitwirkung  und  in  wiederhol- 
ten, durch  Strafen  verstärkten  Malen  zur  Zahlung  auf.  Erhob 
Schuldner  hiergegen  keinen  Einwand ,  zahlte  aber  auch  nicht, 
so  ptlindete  ilin  nach  einer  bestimmten  Zeit  der  Gläubiger  an 
seinem  Vermögen.  Nach  einigen  Gesetzen  wird  er  in  des 
Schuldners  Eigen  eingewiesen ,  besitzt  und  nutzt  dasselbe  eine 
bestimmte  Zeit  lang  (3  Monate)  zu  seinem  Vortheile ,  und  ver- 
äussert nach  Ablauf  dieser  Zeit  das  Pfand ,  indem  er  sich  aus 
dessen  Kaufpreise  bezahlt  macht.  ^)  Zunächst   erstreckte   die 


1)  cf.  Wilda,  das  Pfändungsrecht  (m  der  Zeitschrift  für  deutsches 
Eecht  I.  p.  167—320.).  2)  cf.  leg.  Rotharis  c.  249. 250.  —  L.  Liutpr. 
15.  Landfrieden  Rudolfs  I.  1281  c.  59.  Albrechts  1301.  Wenzels 
1389.  §.  24.  1398.  §.  6.  Reformation  Friedricli  .IH.  1442.  §.  2  ff.  Me- 
vius,  dec.  11.  106.  n.  5.  —  Bcseler,  D.  P.  R.  I.  p.  286.  —  Gerber, 
D.  P.  R.  §.  69  (8.  Aufl.)  p.  161. 162.  —  Stadtr.  v.  Wintcrthur,  1297.  III. 
6  —  11.  —  Systemat.  S  chöff  enr.  m.  2.c.  80  (Culm.  III.  110): 

,,daz  sal  ienir  beseczin  der  is  in  dy  vi-one  gebrocht  hot  mit  der  vrone 
dry  tage  vnd  nacht ,  her  sal  dorynne  essjTi  vnde  slafin.  Dann  Aufbie- 
tung, Eignung  an  den  GLäubiger.   Verkauft  er  es  später,  so  tritt  die 
Ucrechnung  (wie  V.2.  g.  a.Anf.)  ein.  cf.  ib.  III.  2.  c.  93  (Culm  III.  124.) 
Zur.  Kathserk.  1332,  Richtebrief,  Rathserk.  v.  1341. 1344.   Bluntschli, 
Züricher  R.  G.  I.  p.  294.  295.   Letzterer  zitirt  auch  ib.  U.  p.  134.  n.  180 
eine  Stelle  von  der  Pfändung  des  Hirten  am  Herrn  wegen  sclbstständigen 

14* 


212     V.  3.  Reiitonkauf.  a.  Eiitstelmnpr.  Natur.  Yorbreit.d.Ivontciikaufcs. 

Pfiiiidung  sidi  auf  bewegliche  Saclien ,  die  sich  in  des  Schukl- 
ners  Geweve  befanden;  reichte  dies  nicht  aus,  so  pfändete  man 
auch  unbewegliche  Sachen  bis  zur  Höhe  der  Schuld.  ^)  Die 
Veräusserung  der  Pfiinder  vor  und  nach  der  erwälmten  Ein- 
weisung erfolgte  gemäss  den  oben  V.  2.  f.  dargelegten  Vor- 
schriften ,  sie  brachte  dem  Gläubiger  daher  nur  dort  Gewinn, 
wo  vereinzelt  die  Gesetze  ihm  den  Mehrertrag  sich  zuzueignen 
überliessen.  Der  Gewinn  aber  ausser  der  Schuldsumme  und 
seinen  Verzugs -Schadensforderungen,  welche  der  Gläubiger 
durch  die  beregte  Nutzung  des  schuldnerischen  Eigens  machen 
konnte  von  semer  Einweisung  bis  zum  Verkaufe,  enthält  auch 
hier  AVucher,  der  ebenso,  wie  der  Gewinn  aus  den  Pfändern 
bei  der  alten  und  neuen  Satzung,  aus  dem  Schoosse  des  unbe- 
einflussten  deutschen  Rechtes  herausgebildet  dem  fremden 
Rechte  gegenübertrat. 

3.    Der  Rentenkauf. 

a.  Entstehung,  Natur,  Verbreitung  des  Eentenkaufes. 
Oben,  auf  S.  29. 30  wurde  dargelegt,  wie  bei  der  Entwick- 
lung der  Städte  in  Süd-  und  West  -  Deutschland ,  dann  wol 
auch  in  Nord-  und  Ost  -  Deutschland  allgemein  seit  dem  zwölf- 
ten Jahrhmidert  der  Clerus  und  die  Gemeinfreien  (nicht  Altfi-eien), 
später  auch  die  Geringerfreien  einzige  Inhaber  des  städtischen 


Hirtenlohnes ,  welche  die  Ausdehnung  des  Plandungsrechtes  zeigt  und 
sehr  Avol  allgemein  auch  für  Pfändung  um  jeder  anderen  Geldschuld  ^xi\- 
len  raaassgehend  scheint.  Herrschaftsrecht v.  An del fingen  (noch  1534) 
art.  17 :  der  Küh  -  oder  Säuhirt  darf,  um  den  Hirtenlohn  einzutreiben, 
„  epn  inn  syn  stal  gan  vnnd  ime  Küg  ald  Süw  daruss  nemmen  Tand,  sy  an 
eyn  zun  bjTinden  vnntz  er  bezalt  ist ,  vnnd  ob  glych  Eyner  so  es  vmb 
Süwhirten  Ion  ze  thun  ist,  die  Süw  gemetzget  bette  so  mag  es  ein  hirt 
usstragen ,  er  fynnde  es  im  Saltz  als  vnnder  der  Asslin ,  so  lanng  vnntz 
er  bezalt  ist."  ib.  art.  11. 

1)  cf.  Herrschaftsrecht  von  Andel fingen  1534.  a.  7,  von  Elgg. 
1535.  a.  44.  §.4.  „\Tind  so  dem  kleger  die  varenden  pfannd  gebenn ,  vimd 
die  ligennden  genampset  werden.  So  sol  der  weibel  dieselbenn  —  nach  der 
gant  recht  verrüfenn."  Herrschaftsrecht  von  Eegensberg  1538.  a.  56 
(nur  bewegliche  Sachen),  von  Wulf  in  gen  1583.  a.  54.  Bluntschli, 
1.  c.  II.  i>.  135.  u.  n.  104. 


V.  3.  Eentcnkauf.  a.  Eiitsteliniitr.  Natur,  Voibreit.  d.  Rentenkanfes.     213 

Grlindes  (als  Eigen  oder  Leim)  waren  ').  Um  auch  den  anderen 
Städtebewohnern ,  Handwerkern  und  Klein  -  Kaufleuten  beson- 
ders, die  dessen  nöthig  bedurften,  Theilnahme  am  Grundbesitze 
zu  gewähren,  überliessen  die  Grundeigenthümer  einen  Theil  ihres 
Grundeigens  Jenen  zu  Erbrecht  gegen  Zins  vom  Grunde.  Das 
Verhältuiss  gestaltete  sich  ähnlich  dem  Lelin;  die  Ueberlas- 
sung  war  in  den  meisten  Fällen  unaufkündbar ,  nur  nach  ein- 
zelnen Urkunden  fällt  der  Grund  bei  versäumter  Zinszahlung 
an  den  Eigenthümer  zurück.  -)  In  andern  Beispielen  zahlt  der 
Säumige  lediglich  einen  Kutscherzins.  ^)  Rechtlich  war  diese 
Ueberlassung  eine  Grund-  oder  H  a  u  s  1  e  i  h  e  (M  i  e  t  h  e)  zu  Erb- 
recht, allgemach  gestaltete  sie  sich  zum  wirklichen  Eigen thums- 
übergang  in  das  Untereigenthum  des  Leihers,  während  das  Ober- 
eigenthum  des  Beleihers  sich  wesentlich  nur  in  der  Forderung 
des  Zmses,  dann  der  Weisung,  des  Ehrschatzes,  der  Geltend- 
machmig  des  Vorkaufs-  und  Näherrechtes  u. a.  wirksam er^vies. 
Für  letzteres  Verhältuiss  zeugen  u.  a.  die  so  oft  wiederkehren- 
den Ausdrücke  „vendcre  —  jure  hereditario."  Für  den  Cha- 
rakter der  Leihe  (Miethe)  treten  die  Bezeichnungen  „locatio- 
conductio,  locare,  locator  -  condndor"  ^)  ein,  die  nicht  so  oft, 
als  das  vendere  im  Gebrauch  gewesen  zu  sein  scheinen.  Dabei 
scheuen  die  Parteien  sich  nicht,  oft  gerade  neben  „loccdio" 
das  „in  perpetuum"  zu  setzen.^),  während  umgekehrt  bei 
vendere  und  locare  die  Ueberlassung  auf  Lebenszeit  oder  gar 
nur  auf  eine  bestimmte  Zahl  von  Jahren  gebraucht  wird.  ^)  — 
Ein  Wucher  nach  kanonistischen  Grundsätzen  lag  hier  nicht 
vor,  obgleich  hier  recht  eigentlich  von  der  dargeliehenen  Sache 

1)  cf.  ob.  S.  29.  30.  —  Arnold,  Freistädte  I.  67.  —  Ders.  Gesch.  des 
städt.  Gnmdeigeuth.  S.4ff.  —  Walter,  Deutsche  Rechtsgesch.  I.  §.  237. 
—  2)  Lacomblet,  Niederrh.  Urk.  B.  IV.  785 ;  „si  vero post  aliquot 
annos  vel  ipse  vel  heredes  sid  predictuni  censum  solvere  noluerint, 
predicta  area  cum  snppositis  ediflcns  ad  potestatem  canonicorum  S.  Petri 
redeat  ut  quomodo  velint ,  inde  dhponani."  (1184)  u.  A.  3)  Lacom- 
blet,  ib.  U.  242.  (1257).  4)  cf.  A  r  n  0 1  d ,  z.  Gesch.  d.  Grund  -  Eigen- 
thunis  in  den  deutschen  Städten  S.  143.  u.  s.  5)  cf.  F.  Böhmer, 

codex  Moenofrancof .  364.  „p erpet u i s  iemporihus  —  iusto  locationis 
titulo." —  Gudenus,  cod.  Mogunt.  I.  598.  „locavimus  —  (1304)  Aere- 
ditariojure  — perpetue possid."  (1247).      6)  Böhmer,  ib. 249(1290). 


214    V.  3.  Ivontoiikauf.  a.  Entstohnnp.  Natur.  Vorbreit.  d.Rcntcnkaufos. 

(lor  Zins  entviolitct  wurde,  und  zwar  als  Gebrauch SAvcrth  des 
Bodens  oder  Hauses,  weil  einmal  selbst  bei  Festhaltung  des 
Leiheverhältnisses  und  der  vielfach  aufstossenden  äusseren 
Aehnlichkeit  desselben  mit  dem  späteren  Kentenkaufe  gün- 
stigsten Falles  ein  Commodat  oder  ehie  Miethe  sich  ergiebt. 
Zweitens  aber ,  der  überlassene  Grund  (mit  den  Gebäuden  oder 
ohne  solche)  gehörte  Aveder  zu  vertretbaren  Sachen ,  noch  fiel 
er  unter  den  weiten  Begriff  des  Kapitals ,  da  er  kein  Produkt 
war ,  das  7a\  weiterer  Produktion  aufbewahrt  worden.  So  üben 
daher  auch  gerade  die  Geistlichen ,  der  Clerus  als  Hauptgrund- 
besitzende, die  auf  Ertrag  dieses  Besitzes  angewiesen  sind, 
diese  Uebertragung  aus,  und  niemals  begegnet,  wie  später 
beim  Rentenkaufe ,  das  Bedenken ,  hier  könne  Wucher  obwal- 
ten. Ob  freilich  liier  nicht  em  Mehr  über  den  wirklichen  Ge- 
brauchswerth  des  Bodens  oder  Hauses  durch  den  Zins  entrich- 
tet wurde,  ist  hier  um  so  weniger  festzustellen,  als  der  Ge- 
brauchswerth  selbst ,  der  Zins  in  Diensten ,  in  Bodenerträgen, 
in  Geld,  der  Preis  der  Dienste,  Früchte,  der  Werth  des  Gel- 
des ,  der  Curs  desselben  in  den  verschiedenen  Zeiten  bedeutend, 
ja  nicht  bloss  im  Laufe  der  allgemeinen  Culturentwicklung, 
sondern  fast  mehr  noch  in  Folge  rein  lokaler  Ursachen  schwankte, 
und  die  urkundlichen  Forschungen  besonders  nicht  statisti- 
sches Material  bis  jetzt  in  hinreichender  Zahl  herausförderten, 
um  auch  nur  für  einen  ganz  kleinen  Bezirk,  für  eine  ganz 
begrenzte  Zeit  aimähernde  Sicherlieit  der  Richtigkeit  zu  erhal- 
ten. Indess  kann  man  allgemein  vermuthen,  dass  solch  ein 
Mehr  über  den  Gebrauchswerth  durch  den  Zins  nicht  entrichtet 
Avurde,  Aveil  die  Uebertragung  des  Bodens  bereits  frühe  begann, 
als  der  Gebrauchswerth  desselben  zumal  auf  dem  Lande ,  das 
zuerst  auch  für  die  Städte  den  Maassstab  gab,  noch  gering 
war.  Während  dann  aber  jener  Gebrauchswerth  sich  äusserst 
schnell  bei  der  EutAvicklung  des  Gewerbes ,  des  Handels ,  des 
mobilisirten  Kapitales  selbst  durch  die  scheinbaren  Hemm- 
nisse, wie  Wassers-,  Feuers-,  Krankheitsnoth  vermehrte, 
blieb  der  Zins  in  der  grösseren  Zahl  der  Fälle  derselbe ,  Avie 
früher.  Dass  dieser  Blick  auf  das  wucherliche  Wesen''  der 
Grundleüie  bereits  hier  geworfen  Avird  und  nicht  dem  letzten 


V.  3.  Eontciikauf.  a.  Entstehung,  Natur,  Vorbreit.  (l.Rcnteukaures.     215 

Absclinitte  der  lictraclituiig  über  den  Kentenkauf  vorbehalten 
bleibt,  findet  darin  seine  liechtfertigung ,  dass  Grundleihe 
nicht  Rentenkauf,  jene  nicht  wucherlich,  dieser  wucherlich  ist. 

Die  Theilung  des  Grundeigenthums  schritt  von  dieser 
Stufe  dadurch  wesentlich  weiter,  dass  der  zu  Erbrecht  Belie- 
hene,  der  Untereigenthümer  ganz  oder  zum  Theil  seinen  erb- 
rechtlichen Boden  an  einen  Dritten  afterlieh,  zunächst  noch 
mit,  dann  oline  Genehmigung  des  Obereigenthümers.  Hier- 
durch nicht  minder  mehrte  sich  das  mobile  Kapital. 

Abgesehen  von  den  in  der  Natur  bedingten  Unterschie- 
den waltete  das  nämliche  Verhältniss,  wie  es  hier  aus  den 
Städten  kurz  dargelegt  worden ,  auch  auf  dem  flachen  Lande. 
Die  Kirche  erweist  hier  wieder  ihre  kulturgeschichtliche  Wich- 
tigkeit. Wie  sie  die  Städte  einst  heranzog,  so  theilt  sie  jetzt  die 
ihr,  als  der  reichen  Grundbesitzerin,  vornehmlich  aus  den  Städten 
fliessenden  mobilen  Kapitalien  dem  Lande  mit  und  befruchtet 
mit  ihnen  nicht  minder,  wie  allgemem  durch  ihre  geistige 
Einwirkung,  durch  die  Förderung  der  Cultur,  des  Ackerbaues 
das  Land  ausserhalb  der  Städte. 

Bis  hierher  hing  der  Zins  und  das  Recht  an  ihm  auf  das 
Engste  mit  dem  Grundstücke  und  dem  Rechte  am  Grundstücke 
zusammen,  von  dem  er  entrichtet  wurde.  Nahm  man  ihn 
doch  thatsächlich  zuerst  von  den  Früchten  des  übertragenen 
Landes  (Korngelt,- gült)  dann  von  den  Civilfrüchten ,  dem 
Geldertrage  des  städtischen  Grundes  (auch  hier  zuerst  nach 
Felderträgen  berechnet,  Pfennig -gelt,  -gült);  später  wird  die 
Naturairente  sogar  untersagt.  ^)  Jetzt  wurde  das  Kapital 
mobilisirt  und  vermehrt;  Angebot  und  Nachfrage  desselben 
stiegen  bei  dem  wachsenden  Handel  und  Gewerbe.  Streng 
band  man  sich  an  die  längst  geübten  Rechtsformen.  Der  Geld- 
besitzer kaufte  mit  dem  Gelde  das  Ober-  oderUntereigentlium, 


1)  Azor.  institt. moral. lU.  10.  c.  20.  In  Zürich  wird  durch  Kaths- 
erkcnntniss  v.  1529  angeordnet ,  dass  alle  Naturalzinse  in  Geldzinsc  um- 
zuwandeln sind ,  wo  ein  neuer  Erwerber  das  Rocht  auf  den  Zins  mit  Geld 
erkauft  hat.  Gerichtsb.  III.  (155:))  Stadt  -  u.  Landr.  Y.  §.  8.  B 1  u  n  t  s  c  h  I  i, 
Züricher  R.  G.  I.  424.  II.  118.  —  In  Frankreich  geschah  dies  15G5. 
Warnkönig.  Franz.  St.  u.  R.  Gesch.  IL  ji.  585  ff. 


2l(>     V.  ;5.  Koiitonkaut'.  a.  F.iitstoliuns;,  Natuv,  Vorbreit,  d.  llrntoiikuufos. 

(las  Recht  des  zu  Erbrecht  Beliehenen  oder  Afterheliehenen ; 
dafür  wurde  ihm  der  Grund  von  dem  Herrn  desselben  aufge- 
lassen; denselben  Grund  übertrug  er  sofort  wieder  dem  Em- 
pfönger  des  Kaufpreises,  und  für  diese  Uebertragung  empfing 
er  von  dem  Boden  den  alten  Zins.  So  blieb  da.s  Rechtsge- 
schäft zunächst  offenbar  noch  eine  alte  Grundübertragung, 
ein  Grundverkauf,  eine  Grundleihe  und  war  noch  kein  Ren- 
tenkauf, ^)  wenn  es  that sächlich  auch  lediglich  einen Ueber- 
gang  zu  dem  bereits  unabhängig  davon  bestehenden  Renten- 
kaufe öffnen  konnte.  ^) 

Soweit  kann  ebenfalls  noch  nicht  vom  Wucher  die  Rede 
sein.  An  die  Stelle  des  Grundes  zwar,  der  dort  in  den  Besitz  des 
Zinsverkäufers  überging ,  trat  liier  das  Geldkapital.  Allein  das 
letztere  wurde  doch  stets  als  Kaufpreis  gezahlt ,  und  von  die- 
sem Kaufgeschäfte,  dieser  Uebertragung  des  Grundes  juri- 
stisch ,  auch  äusserlich  wahrnehmbar  streng  gesondert  besteht 
der  zweite  Theil  des  Geschäftes,  die  Rückübertragung  des 
Grundes  und  die  erst  dadurch  bewirkte  Begründung  des  Zinses. 

Wol  stellt  sich  hier  bereits  in  den  Vertragsurkunden 
äusserlich  dieselbe  Bezeichnung  von  Käufer  und  Verkäufer  für 
die  nämlichen  Personen,  Avie  beim  Rentenkaufe  heraus.  Die 
Besserung  ferner  des  erlaugten  Grundstücks  durch  den  Belie- 
henen liess  bei  der  früheren  blossen  Zinsbegründung  das  über- 
tragene Grundstück  besonders  als  Eigenthum  des  Beliehenen 
erscheinen ,  zumal  da  Besserung  und  Erblichkeit  sich  gegen- 
seitig steigerten.  Hier  bei  der  Geldhingabe  war  solche  Besse- 
rung nicht  möglich.  Allein  man  erwäge,  dass  die  oben 
erwähnte  Scheidung  der  beiden  an  sich  erst  das  bezweckte 
Ganze  ergebenden  Rechtsgeschäfte  nicht  eine  nur  äusserlich 
ersonnene  und  beibehaltene  war ,  sondern  in  dem  noch  unlös- 
lichen Zusammenhange  des  Zinses  mit  dem  zinsenden  Grund- 
stücke seine  naturgeraässe  Ursache  hatte.  Hieran  lag  es ,  dass 
man  den  ganzen  Vertrag  —  dort,  wo  vielleicht  bereits  die 
Ablösung  des  Zinses  ermöglicht  Avar  —  auch  nicht  etwa  als 
Kauf  auf  Wiederverkauf  zur  Umgehung   des  kanonistischen 


1)  cf.  A 1  b  r  e  c  h  t ,  Gewere.  S.  172.  A  r  ii  o  1  d ,  1.  c.  S.  135  ff.      2)  D  u n- 
cker,  die  Lehre  von  den  Reallasten  S.  47. 


V.  3.  Rentenkaul'.  a.Eiitstolunifr,  Nutur,  Voibifit.d.Eeiitoiikaufes.     217 

Zinsverbotes  aiiselien  und  deslialb  als  wucherlicli  bezeiclinen 
konnte.  Vielmehr  erwuchs  und  bestand  jene  Scheidung  durch- 
aus als  wirkliche ,  und  so  schloss  sie  den  wucherlichen  Charak- 
ter des  Geschäftes  aus,  so  gut  wie  derselbe  weder  im  einfaclieu 
Kaufe,  noch  in  der  Grundleihe  bestand.  Der  Satz:  „nihil 
inde  sperantes  mutuum  dafe"  war  durch  die  Abwesenheit  des 
Ihirlehns  ausgeschlossen.  Wo  aber  sollte  das  „  ne  quid  ultra 
sortcni  .."  einen  Anhalt  finden?  Fasst  man  sors  selbst  in  wei- 
tester Bedeutung  auf,  und  rechnet  unter  Hinblick  auf  die  hi 
den  hierhergehörigen  Urkunden  wiederkehrenden  Ausdrücke 
locarc,  conducore  den  Kaufpreis  des  Grundes  oder  Erbrechts, 
das  Geldkapital  zu  dieser  sors,  dann  verblieb  doch  zuvörderst 
immer  diese  fremde  sors  in  defn  beständigen  Besitze  des  Zins- 
verkäufers ,  der  Zins  dagegen  stammte  nicht  von  dieser  sors 
im  fremden  Besitze,  sondern  von  dem  dafür  rückübertragenen 
Grunde. 

Der  Wuchercharakter  des  Rentenkaufes  ist  diesem  allein 
theihaft,  er  beginnt  erst  mit  dem  Rentenkaufe,  mag  dieser 
nun ,  wie  es  ursprünglich  und  in  den  meisten  Fällen  geschah, 
sich  unabhängig  von  der  Grundleihe  neben  derselben  ausbilden 
oder  in  emzelnen  Fällen  sich  an  die  ausgebildete  Grundleihe 
anschliessen.  Zunächst  musste,  um  Letzteres  zu  ermög- 
lichen ,  der  Zins  aus  seiner  alten  Naturalverbindung  mit  dem 
Boden  gelöst  und  nach  Fortfallen  der  Rückübertraguug  des 
erkauften  Grundes  an  den  Verkäufer 'die  Verbui düng  der  beiden 
bisher  geschiedenen  Rechtsgeschäfte  —  Kauf  und  Leihe  — 
bewirkt  werden. 

Dieser  Uebergaug  lag  nicht  so  fern ,  als  es  scheinen  mag. 
Bisher  kaufte  der  Besitzer  mit  dem  Grundstücke  (zu  Eigen- 
thum  oder  Erbrecht  oder  Afterleihe)  sich  den  Zins,  jetzt  kaufte 
er  thatsächlich  ihn,  und  nicht  das  Grundstück,  mit  dem  Geld- 
kapitale. Und  wenn  bisher  auch  meistens  die  Rollen  der  Ver- 
käufer und  Käufer  umgekehrt  in  den  Grundübertragungen 
angegeben  werden,  so  dass  der  Uebertrageude  Verkäufer,  der 
Beliehene  Käufer  genannt  \vird ,  beweist  dies  nicht  gegen  obi- 
gen nahen  Uebergang.  Denn  bei  der  Grundübertragung  war, 
abgesehen  von  der  ungenauen  Rechtsbezeiclmmig  in  derartigen 


218    V.  3.  rjontonkauf.  a.  Kiitstolmiiy,  Natiiv,  Vcvbrcit.  d,  Eoiitcnkaufcs. 

ITrkumlon ,  mit  solclier  Vcrtlioilung'  der  Ivollen  allgemein  nur 
ausgedrückt,  dass  der  Käufer  eigentlich  der  den  Grundbesitz 
Suchende  gewesen  sei,  der  das  ganze  Eechtsgeschäft  veran- 
lasste, jetzt  aber  war  der  Zins-  (oder  Renten-)  käufer  der 
eigentliche  Veranlasser,  da  es  vor  Allem  galt ,  das  vermehrte 
mobile  Geldkapital  fruchtbar  anzulegen.  *)  Wirthschaftlich 
also  und  rechtlich  ist  der  Unterschied  zwischen  beiden  Ver- 
liältnissen  offenbar ;  thatsächlich ,  äusserlich  aber  besteht  sol- 
cher nicht,  sondern  beidemal  ward  ein  Zins  gezahlt,  dort  für 
den  Boden ,  hier  für  das  Geld. 

Dies  ist  um  so  gCAviclitiger,  wenn  man  findet,  dass  selbst 
bei  der  früheren  Bodenübertragung  zuweilen  der  Beleiher  als 
Käufer  (des  Zinses),  der  Entleiher  als  Verkäufer  genannt  wird,  ^) 
■wie  es  scheint,  um  auch  hier  dann  auszudrücken,  dass  die 
Veranlassung  des  Rechtsgeschäftes,  das  Angebot,  von  Seiten 
des  Käufers  aussergewöhnlich  ausging.  —  Immer  indess  blieb 
noch  wesentlich  der  Rechtsunterschied;  man  konnte  sich 
den  Zins  vorläufig  nicht  vom  Grunde  getrennt  denken,  von 
dem  er  entrichtet  wurde,  mit  dem  er  verwachsen  schien, 
wie  die  Frucht  mit  dem  Baume.  Hier  erwäge  man  aber  Fol- 
gendes ,  welches  einerseits  die  fortschreitende  Mobilisirung  des 
Kapitales  aus  der  Grundleihe  und  durch  dieselbe  beleuchtet, 
andrerseits  eine  um  so  tiefere  Scheidung  zwischen  dem  Wesen 
dieser  umgebildeten  Grundleihe  und  der  Natur  des  wahren, 
noch  nicht  umgebildeten  Rentenkaufes  begründet.  Das  Privat- 
vermögen der  Einzelnen  bestand  seit  längerer  Zeit  schon  nicht 
bloss  im  Grundbesitze,  sondern  auch  in  den  verschiedensten 
Arten  mobilisirten  Kapitales,   vornehmlich   auch  im   Golde. 


1)  So  heisst  in  den  Magdeburger  Fragen  11.  1.  5  (Sachsenspiegel, 
Zobel),  der  Zinsverkäufer,  welcher  als  Veraiüasser  des  Geschäfts  auftritt, 
nicht  Verkäufer,  sondern  ,,  Zinsgeber, "  dem  gegenüber  der  Käufer 
,,Zinsnemer."  2)  cf.  Böhmer,  1.  c.  257  (1291)  Heinrich  Ulner  nebst 
Frau  verkaufen  an  einen  Conversus  in  Scckbach  von  Immobilien  1  Pf. 
Zins  für  andei  n  (xrundbesitz  ,  den  sie  von  den  Mönchen  in  Scckbach  ent- 
leihen. Die  Verkäufer  des  Zinses  hatten  hier ,  wie  erhellt ,  bereits  mehr- 
fachen städtischen  Grundbesitz ,  so  dass  das  Angebot  wol  von  den  Mön- 
chen ausging.  —   cf.  Arnold,  städt.  Eigenth.  p.  42. 


V.  3.  Rontciikauf.  a.  Entstcluui<:if,Xalur,  Vorbreit,  d.  Rontcnkaufcs.     219 

Leicht  ward  dadureli  bewirkt,  dass  man  den  Zins,  zumal  seit- 
dem er  in  Geld  und  von  Häusern  entrichtet  wurde,  nicht  mehr 
wirklich  am  Boden  haften  fühlte ,  sondern  ihn  aus  dem  Privat- 
vermögen insgesammt,  d.  h.  zuerst  von  dem  Boden  selbst, 
dann  vom  Boden  und  mobilem  Kapitale,  dann  von  dem 
blossen  Geldkapitale  zu  entrichten  glaubte.  So  schied  man 
bereits  die  Zinszahlung  von  der  Rückauflassung  des  Bodens 
an  den  Empfiinger  des  zinstragenden  Geldes,  die  doch  anfäng- 
lich nur  g(?scliah,  um  den  Zins  zu  ermöglichen.  Die  liück- 
übertragung  ferner  fiel  zunächst  ganz  fort,  wo  der  Obereigen- 
thümer  selbst  oder  der  Untereigenthümer  an  den  von  ihm 
Beliehenen  Geldkapital  auf  Zins  lieh  —  was  wegen  des  gerade 
durch  die  alten  Zmse  wachsenden  Geldreichthmns  der  Grund- 
besitzer oft  vorkam  — ■,  danach  erschien  sie  auch  in  andern 
Fällen  als  leere  Formalität.  Und  wie  häufig  verliehen  die 
Grundbesitzer  sogleich  von  vorn  herein  den  Untereigenthü- 
mern  einen  den  Zins  an  Werth  überragenden  Bodentheil,  wie 
beträchtlich  und  schnell  stieg  der  Werth  dieses  Bodens  in  den 
aufl)lühenden  Städten,  während  der  alte  Zins  selten  erhöht 
wurde.  Um  so  mehr  Veranlassung  hatten  deshalb  die  Ober- 
eigenthümer  als  Anbieter  von  Geldkapital,  dieses  auf  den  mit 
Zins  nicht  beschwerten  Theil  des  bereits  übertragenen  Bodens 
zinslich  anzulegen ,  indem  sie  sich  zur  Begründung  des  Zinses 
eben  auf  die  frühere  Auflassung  und  Uebertragung  bezogen. 
Solche  zu  erneuern,  war  hier  sonach  überflüssig  und  unmöglich. 
Zugleich  in  diesen  Fällen  tritt  die  Genehmigung  des  Ober- 
eigenthümers  und  dessen  nächster  Erben  zum  Zinsverkaufe 
nicht  mehr  hervor,  weil  der  Obereigenthümer  durch  seinen 
Zinskauf  selbst  die  Genelimigung  ausdrückte.  Die  Genehmi- 
gung des  Obereigenthümers  ward  sodann  auch  in  den  meisten 
Fällen  ertheilt,  wo  ein  Dritter  das  Geldkapital  lieh;  denn 
letzteres  Avurde  meistens  zum  mittelbaren  Vortlieil  des  Ober- 
eigenthümers für  Besserung  des  Hauses ,  Bodens  u.  dergl.  ver- 
wandt. Man  durfte  dalior  allgemach  die  Genehmigung  von  vorn- 
herein voraussetzen.  Von  jenen  Beisi»ielen  aber  nahm  man  nur  die 
äusserliche  Lehre,  dass  Rückübertragung  des  Grundes,  Genehmi- 
gung des  Obereigenthümers  (seit  1300  -  50)  nicht  mehr  beim  Zins- 


220    V.  3.  Rontonknnr.  n.  Eiüsrtelinn«?,  Natur,  V(M-l)rcit.d.Routoiil<anfes. 

kaufe  erfonU'vlicli ,  iiinn  übertrug-  diese  Lehre  auch  auf  die 
Ziuskäufe  mit  völlig  auderen  Vorausset/Amgen ,  als  jener,  und 
sah  bereits  den  Zins  für  Geldleihe  als  in  seiner  alten  Verbin- 
dung gelöst  vom  Grunde  an. 

Letzteres  lag  um  so  näher,  da  bereits  seit  dem  12.  Jahr- 
hundert die  Erkenntniss  von  dem  wirklicjien  Tauschwerthe  des 
Geldes  in  Deutschland ,  und  zwar  nicht  bloss  in  Norddeutsch- 
land oder  in  den  deutschen  Handelsplätzen  überhaupt ,  keines- 
wegs so  fremd  war  und  fern  stand ,  als  einige  Quellenschrift- 
steiler,  U.A.  selbst  noch  Arnold,  annehmen.  Dies  erweist  sich 
aus  dem  bereits  seit  den  Volksrechten  und  Capitularien ,  wie 
gezeigt,  üblichen  Eifern  geistlicher  und  weltlicher  Gesetzgeber 
gegen  den  Ersatz  dieses  Tauschwerthes ,  d.  h.  eben  gegen  den 
AVucher,  dann  aus  der  gerade  seit  dem  13.  Jahrhundert  seit 
Aufblühen  der  Gewerbe  und  des  Handels  immer  ausgedehnte- 
ren Anwendung  des  zinsbaren  Darlehns  (cf.  H.  2.  HL  1.  2. 
IV.  3.  V.  2.  4.  5.  Vm.  1.  2.  3.) 

Man  war  also  schon  gewöhnt,  von  dem  dargeliehenen 
Gelde  für  dessen  Gebrauch  einen  Zins ,  allgemein  eine  Quote 
des  Kapitales  zu  zahlen.  Dies  konnte  dort,  wo  der  Grund-, 
oder  Erb -Besitzer  ein  Darlehn  aufnahm,  nicht  anders  sich 
stellen.  Und  wenn  nun  hier  auch  kein  Darlehn  gemacht ,  son- 
dern ein  Kauf  und  die  davon  getrennte  Auflegung  eines  Zinses 
geschlossen  wurden,  so  glich  das  Verhältnis»  thatsächlich 
doch  jenem ,  es  war  oft  in  der  Absicht  des  Darleihens  unter- 
nommen :  da  konnte  die  Wirkung  des  Darlehns  nicht  ausblei- 
ben ,  dass  man  auch  hier  den  Zins  vom  Grunde  zu  trennen  und 
mit  dem  Geldkapitale  (Kaufpreis)  in  Verbindung  zu  bringen 
geneigt  ward.  Um  so  entschiedener  musste  diese  Wirkung  des 
Tauschwerthes  im  Gelde ,  des  verbreiteten  Darlehns  sich  dann 
offenbaren ,  als  die  Natur  der  Haus  -  und  Gruudleihe  sich  in 
der  oben  angegebenen  Weise  umbildete.  So  scheint  Einigen 
nur  noch  ein  Schritt  zum  Rentenkaufe  nothwendig  und  die 
Geburt  dieses  wichtigen  Rechtsinstitutes  glücklich  in  der  Grund- 
leihe entdeckt  zu  sein. 

Hierneben  begegnet  dann  wol  noch  der  von  Arnold  (u.  A. 
1.  c.  p.  91.)  vornehmlich  betonte  üebergang  zum  Rentenkaufe 


l 


3.  Rentenkauf.  a.  Entstellung,  Natur,  Verbreit.  d.  Rcntoukaufes.     221 


durch  Afterleihzins.  Der  Afterleihzins  niimlich  wird  durch  den 
Erbbesitzer  des  Hauses,  dessen  einen  Theil  er  selbst  bewohnt, 
von  dem  anderen  Tlieile  des  Hauses  verkauft,  ohne  dass  in 
Wahrheit  solch  ein  Zins  bestand.  Das  Haus  ist  nur  gross 
genug-,  einen  Afterleihzins  zu  ermöglichen.  Und  so  unter- 
scheidet derselbe  gelehrte  Verfasser  drei  verschiedene  recht- 
liche Normen ,  „  welche  das  Institut  nach  u  n  d  nach  durch- 
laufen hat:"  1)  der  Verkäufer  überträgt  durch  die  Hand  des 
Leiheherrn  dem  Kentenkäufer  seinen  Besitz  und  erhält  ihn  als 
Afterleilie  zurück;  2)  der  Grundherr  oder  Leiheherr  genehmigt 
nur  noch  den  Rentenkauf ;  3)  der  Eeuteukauf  geschieht  ganz  frei 
(1.  c.  p.  106). 

Speziell  lässt  sich  dann  wol  der  Uebergang  vom  Zins  zur 
Eente  aus  einer  Zahl  äusserlicher  Momente  in  den  desfälligen 
Verträgen  nachweisen.  Bereits  am  Ende  des  13,  Jahrhunderts 
findet  sich  die  Kaufsunmie  des  Zinses  aufgeführt,  die  Verziclit- 
leistung  des  Verkäufers  auf  sein  Zinsrecht  verschwindet;  Ab- 
tauschvermerke der  Zmsen  begegnen  und  Vorbehalte  dafür ;  man 
bestimmt  die  Reihenfolge  der  Zinsgläubiger  desselben  Grund- 
stücks ;  der  Schuldner  verpfändete  (in  der  neuen  Satzung)  seine 
eigenen  Zinsen  und  Renten  zu  mehrerer  Sicherheit  dem  Gläu- 
biger ;  die  Zustimmung  der  Erben  zur  Veräusserung  von  Züis 
und  Rente  als  Immobilien  verschwindet,  die  Renten  werden 
frei  veräusserlich.  ^) 

Aber  will  man  derart  bestimmte  Annäherungsstufen  genau 
präzisiren ,  so  wird  stets ,  wie  auch  hier ,  trotz  aller  mikrosko- 
pischen Forschung  ein  Sprung  unerklärt  und  unausgefüllt  voii 
dem  alten  zum  neuen  Rechtsinstitute  sich  ausweisen.  Diesa" 
bleibt  hier  der  letzte  Schritt  der  Entwicklung  vom  Grundzinse 
zu  dem  vom  Grunde  gelösten  Zinse,  der  für  das  dargeliehene 
Kapital  gezahlt,  mit  dem  Kapitale  erkauft ,  kurz  —  sei  es  unter 
welchem  Namen  es  sei  —  als  Preis  für  die  Benutzung  frem- 
den Geldkapitales  entrichtet  wird.  Dieser  Sprung  betrifft  das 
innere  Wesen  beider  Institute ,  während  die  Annäherungsstu- 


1)  Oulm.  E.  TV.  00.  107.   La  band,  Systcniat.  Schöffenrecht  IV.  2. 
c,  57.  G5.  Duncker,  Reallast  S.66.  et".  Stobbc,  Zeitschr, XIX.  195. 19G. 


22'2     V.  3.  RonlonkiUif.  a.  Entsiolinng.  Natur.  Vorl)roit.  d.  TJcntonkaufcs. 

fen  immer  dodi  nur  eine  äussere  Aehnlichkeit  derselben  her- 
beiführen. Nimmt  man  nun  hinzu,  dass,  —  Avas  Arnold  (u.  A. 
p.  U»G)  nicht  in  Abrede  stellt,  -  bereits  lange  Zeit  vor  dem 
Entstehen  des  Kentenkaufes  aus  der  Grundleihe  und  lange 
noch  nach  diesem  seinem  behaupteten  Anfange  beide  Institute 
und  mehrere  ihrer  verscliiedenen  Uebergangsstadien  vom  alten 
Grundzinse  bis  fast  zum  darlehnsgleichen  Rentenkaufe  neben- 
einander gleichzeitig  sich  in  Uebung  zeigen ,  so  scheinen  die 
oben  Jingeführten  allgemeinen  Gründe  dieser  wirthschaftlicheu 
und  rechtlichen  Entwicklung  der  Wirklichkeit  mehr  zu  ent- 
sprechen, als  ehie  Reihe  präcis  geschiedener,  liinter  einander 
eingetretener  Stufen  des  Ueberganges.  Warum  sollten  nicht, 
wenn  doch  schliesslich  der  Sprung  vom  Grmidzinse  zur  Kapi- 
talsrente über  die  von  der  Forschung  nicht  auszufüllende  Kluft 
gemacht  werden  musste,  schon  seit  dem  ersten  Auftauchen 
des  wirklichen  Rentenkaufes  die  Parteien  durch  die  bereits 
verbreitete  Erkenntniss  von  dem  Tauschwerthe  fremder  Kapi- 
talien und  dem  Ersätze  ihres  Gebrauches  befähigt  und  bewo- 
gen worden  sein,  diesen  Grundsatz  auch  hier  anzuwenden 
und  dadurch  ohne  jene  Uebergangsstadien  Renteukäufe  zu 
schliessen?  Der  Rentenkauf  ist  aber  ferner  in  seinem  juristi- 
schen Charakter,  in  dem  Verhältniss  zwischen  Rente  und  Kauf- 
preis derselben,  zwischen  dem  Käufer  und  dem  Grundstücke 
so  wesentlich  von  der  Grundlcihe  unterschieden,  —  wie  so- 
gleich berührt  werden  soll  —  dass  die  Grundleilie  gerade  auf 
ihrer  entAvickelten  Stufe  dem  Wesen  des  Rentenkaufs  mehr 
gegenübersteht ,  als  zu  ihm  überleitet.  Die  Beziehungen  zwi- 
schen Rente  und  Grundstück  gleichen,  wenn  man  durchaus 
vergleichen  will,  der  alten  Grundleihe  mehr,  als  der  neuen, 
entwickelten;  jene  weist  die  enge  Verbindung  zwischen  Zins 
und  Boden ,  wenn  auch  in  ganz  anderer  Weise ,  als  der  ursprüng- 
liche Rentenkauf  auf,  diese  löst  die  Verbindung ,  entfernt  die 
Auflassung  u.  s.  w.  Da  nun  aber,  Avie  bemerkt,  die  Benutzung 
fremden  Geldkapitales  mit  Zinsen  zu  vergüten,  viel  früher 
bekannt  und  gebräuchlich  ward ,  als  bis  die  Grundleilie  ihren 
Zins  zur  Rente  umbildete ,  stellt  sich  hiernach  der  Rentenkauf 
um  so  unabhängiger  neben   die  Grundleihe  als   ein   Rechts- 


V.  3.  Rontonkanf.  ;».  Kiitstohnng-,  Natnv.  Verbroit.  d.  Rontenkaufes.     223 

geschät't,  das  als  zur  Zeit  allgemeinen  Grundbesitzes  Zahl  und 
Umlauf  des  Geldkapitales  zu  steigen  begannen ,  sich  selbst- 
ständig lierausbildete  und  herausbilden  musste.  In  wechsel- 
seitiger Einwirkung  trug  dann  dieser  Rentenkauf  zur  Umbil- 
dung der  alten  Grundleihe  ebenso  gut  bei,  als  diese  wieder, 
sein  Wesen  zufti  zinsbaren  Darlehn  hin  imizuwandelu,  mithalf,^) 
So  kam  im  deutschen  Rechtsgebiete  das  Institut  des  Ren- 
tenkaufes in  Uebung,  indem  zur  Befruchtung  des  Grundbe- 
sitzes durch  Geldkapital,  so  wie  andrerseits  zur  nutzbaren 
Anlegung  desselben  der  Kapitalbesitzer  das  Kapital  dem  Grund- 
besitzer hingab ,  und  dafür  sich  auf  das  Grundstück  des  Letz- 
teren bestimmte ,  regelmässig  wiederkelirende  Abgaben  (Rente, 
Gült,  Geld.  Zins)  legen  Hess.  Der  Kapitalist  kaufte ,  wie  es 
in  den  Quellen  heisst ,  mit  seinem  Gelde  die  Rente ,  der  Grund- 
besitzer verkaufte  sie.  ^)  Also  auch  jetzt  noch  wurde  die  Rente 
auf  ein  Grundstück  gelegt.  Allein  nicht  in  dein  Sinne  der 
Grundleihe  bestand  diese  Verbindung  zwischen  Grund  und 
Rente ;  sondern  indem  die  Rente  an  sich  wie  eine  persönliche 
Schuld  des  Rentenverkäufers  aus  tlem  Darlehn  auch  ohne  Zu- 
sammenhang mit  dem  Grundstücke,  aus  welchem  sie  bisher 
mit  den  Früchten  des  Bodens  herauszuwachsen  schien,  sich 
herausstellte  und  zu  den  Mobilien  gezählt  ward ,  ^)  wahrte  man 
deshalb  allein  ihren  Bezug  auf  ein  Grundstück,  um  dem  Ren- 
tenkäufer durch  dieses  Grundstück  und  durch  dessen  folgende 
Besitzer   als   solche'^)   Sicherheit   für   Rente  und  Kapital   zu 


1)  Näheres  hierüber  auszuführen,  verbietet  das  Thema,  welches  mü- 
den Wucher  iiu  Rentenkaufe  behandelt. —  cf.  auch  Duncker,  Reallasten 
S.  43ff.  Albrecht  in  der  Kritik  des  Dunckerschon  Buches:  Richters 
und  Schneiders  kritisch.  Jahrb.  IJI.  Bd.  5.  S.  313.  N.  2)  Nacli  der 
voraufgesclückten  Entwicklung  darf  nicht  erst  bemerkt  werden  ,  dass  der 
Rentenkauf  nicht  zur  Umgehung  des  kirchlichen  Zinsverbotes  ersonnen 
sei.  Wer  dieses  hochwichtige  Institut  des  deutschen  Rechtes  und  deut- 
scher Wiiihschaft  in  so  engen  Schranken  auffasst,  übersieht  fast  ganz 
die  vielseitige .  grosse  Wirkung  des  Rentenkaufes ,  ganz  aber  seinen  Ur- 
s))rung,  so  Zöjifl,  D. Rcchtsgesch.  3. Aufl.  S.M51.  —  cf.  u.a.  Eichhorn, 
R.  G.U.§.  377.  Einl.§.  1()7.  Albrcclit.  Gcworei).  17(;ff.  3)  cf.  Wäch- 
ter, Würtemb.  P.  R.  I,  1.  S.  203.  4)  Ohne,  wie  Duncker,  Real- 
lasten S.  71  ff.  (Au  V  r ,  1.  c.  S.  CLXXXI)  will,  das  Grundstück  zu  personi- 


2'24     V.  3.  Ronloiilauir.  a.  Entstehung,  Natur,  Vorbreit,  d.  Ticntonkaufos. 

gewähren.  Dies  zu  ennögliclion,  scliloss  man  den  Eentenkauf 
oder  erlvlärte  seinen  Abscliluss  vor  Gericht  oder  Kath,  der 
Verkäufer  Hess  dem  Käufer  die  Rente  auf  ( —  und  nicht  mehr, 
wie  früher,  das  Grundstück,  nämlicli  unter  Mitwirkung,  wie 
gezeigt,  des  Obereigenthümers,  wo  der  Renten  Verkäufer  dies 
nicht  selbst  war.)  ^)     Durch   die  Auflassung ,  welche  überall 


ficiren  als  Schuldner.  Es  ist  das  eine  blos  figürli-he,  ,,  sehr  i)assendc  aber 
unjuristisdie  Bezeichnung."  G  erber ,  D.P.  R.  §.  188.  N.  5.  —  Stobbe, 
Zeitschr.  XIX.  S.  192.  193. 

1)  Duncker,  Reallastcn  S.  70.  n.  108.  —  Kraut,  1.  c.  n.  5.  21.  — 
Stobbe,  Zeitschr.  f.  deutsches  R.  XIX.  S.  186.  —  Die  Urkundenbeläge 
sind  u.  a.  aus  dem  Danz.  Archive  vielfach  zu  vermehren;  insbesondere 
aus  den  dortigen  Schöi^penbücheru  des  15.  u.  16.  Jahrhunderts  ,  entspre- 
chend der  Vorschrift  des  Culmer  Rechts  (Leman.  V.  74,  1388):  „vort 
me  sal  njTnant  czins  kouffen  noch  vorkouifen  yn  erbe  . .  ane  der  hirschaflft 
wille.  Den  sullen  sy  ys  kund  thun  ader  lautbaren  vor  scheppenvor 
gehegetem  dinge .  dy  den  kauf  vort  brengen  vor  dy  hirschafft.  Dy  mag 
das  denne  bestetigen  vnd  vorbriffen  vnd  vor  ingesegelen  ab  sy  wil "  und 
der  ältesten  Danz.  Willkür  (1380  — 1454)  fol.  XIV. :  „  nyniand  sal  vtf- 
steende  erbe  vnde  legende  gründe  in  andern  freyheiten  vnde  rechten  vor- 
pfenden  vorsetczen  noch  besweren  anders  denne  in  dem  Gerichte  dar  sy 
ynne  gelegen  seyn  —  vnd  ab  hir  kegeu  gehandelt  wurde ,  szall  van  vnwir- 
den  szeyn  vnd  noch  des  Rats  erkentnis  gestroeft  werden."  —  Oder  man 
Hess  sichs  an  einem  gerichtlichen  Schein  über  den  geschlossenen  Renten- 
kauf genügen  (Handfeste,  Brief).  Bremer  0  r  d.  1303  n.  115  (0  e  1  r  i  c  h  s 
S.  134.),  Auer,  Münchener  Stadtr.  S.  CXL.  lU  ff.  —  Ausserdem  werden 
die  aufgenonnnenen  Renten  je  nach  den  belasteten  Grundstücken  in  die 
dazu  angelegten  Register  der  städtischen  Obrigkeit  in  die  dritte  Katego- 
rie der  Stadtbüchcr  nach  Hom  eyer  eingetragen.  So  in  Lü b  eck  (Stadt- 
bücher cf.  Pauli,  Abhandll.  a.  d.  lüb.  R.  I.  S.  5  —  8),  in  München, 
Prag,  Brunn  seit  dem  14.,  in  Hamburg  seit  dem  15.  Jahrb.,  in  Brunn 
nur  die  Ewiggülten,  in  Prag  auch  die  Wiederkaufsgülten ,  bei  Verlust 
der  Beweiskraft  der  Privaturkundeu  (Rö ssler,  Altprager  Stadtr.  S.  4  ff. 
u.  n.  109.  Brünner  Schöffenbuch  119.  427.  Auer,  1.  c.  S.  CLU  ff.).  In 
Breslau  ertheilte  man  bis  ins  17.  Jahrb.  hinein  Schöffenbriefe  über  die 
Rentenkäufe,  daneben  führte  man  seit  1345  Register  iiber  diese  Schöffen- 
briefe, das  erste  ist  b(ititelt:  primum  registrum,  Über  de  registro  littera- 
rum  Scabinorum ,  auf  Befehl  der  Consuln  1345  begonnen,  das  zweite: 
registrum  secimdum  An.  MCCC  quinquagesimo  feria  sexta  post  Epiph. 
inceptus  est  secundus  Über  de  registro  litterarum  Scabinorum  in  hac  urbe, 
bis  1356.  20  solcher  Schöffenbücher  (von  1345  —  1507)  befinden  sich  im 


V.  3.  Rentenkauf.  a.  Entsiteluing.  Natur.  Verbreit.  d.  Rontenkaufes.     225 

bei  Uebertragung  eines  gegenwärtigen  Rechtes  eine  Gewere 
begründet ,  ^)  erhält  der  Rentenkäufei-  hier  auch  eine  Gewere 


Breslauer  Stadtarchive.  Ausserdem  entliält  gemäss  a.  14.  der  Breslauer 
Statuten,  welelier  Kauf- und  Miethverträge  über  Grundstücke  in  die 
Stadtbücher  verweist ,  ein  abgezweigter  Theil  der  Stadtbücher  die  Ren- 
tenkäufe ,  nämlich  die  libri  tradithmum ,  resignationum  et  donutionum, 
welche,  ausser  dem  Bruchstücke  von  1395 — 99,  sich  von  1483  —  1815 
erhalten  haben.  Endlich  findet  sich  hier  das  nämliche  Material  noch ,  so 
weit  es  die  auch  der  Stadt  rentenden  Grundstücke  betraf ,  in  den  lihris 
ingronsaforis  (25  Bde.  1457  —  1811.)  cf.  Lab  and,  Zeitschr.  d.  Vereins 
für  Gesch.  u.  Alterth.  Schlesiens.  IV.  S.  3tf.  —  In  Danzig  finden  sich 
entsprechend  der  oben  citirten  Stelle  aus  dem  kulmischen  Rechte  und  der 
Danziger  Willkür  die  meisten  Rentenkäufe  in  den  von  1426  bis  ins 
19.  Jahrh.  hinein  erhaltenen  Schöffenbüchern,  nicht  in  den  Stadtbüchern. 
Denn  die  4  im  Danziger  Archive  unter  dem  Namen  Stadtbücher  vorhan- 
denen Folianten  enthalten  die  Original  -  Rezesse  der  von  1374 — 1415 
abgehaltenen  Städtetage  der  prcussischen  Städte ,  und  der  von  Danziger 
Sendboten  besuchten  Hansetage  in  Lübeck,  daneben  eine  Zahl  der  vom 
dortigen  Rathe  vollzogenen  amtlichen  Handlungen.  Demnach  gehören 
diese  Stadtbücher  in  die  zweite  der  von  Homeyer  aufgestellten  Klassen 
derselben.  Neben  den  Schöffenbüchern  aber  bietet  das  Danziger  Archiv 
ebenfalls  ein  Register  der  vollzogenen  Rentenkäufe  in  einem  Folianten,  der 
die  Einleitung  trägt:  „Incipit  liber  ciuitatis  Dantzk  de  ordine 
hereditutum  deinde  de  registro  censtis. post  hec  de  memoria  domi- 
norum  consulum  inchoatus  et  excopiatus  libro  ex  antiquo. 
Anno  ab  incamacionis  domini  Millesimo  Triceniesimo  quinquagesimo 
septimo.  In  octmia  natiuiiatis  beute  Marie  rirginis  inciinendo  primo  a 
pJatcu  funificum  siue  rej^ers^rac/e  (Röperstrasse).  et  hec  hereditates 
tene n  tur  c  i u  i  t a ti  pe  rp  e t  u u  m  cens  ii m  »ledietate  festo  nativitatis 
Christi  et  medietate  sancti  Johannis  bapdiste."  Allein  die  censics  ciuitatis 
sind  hier  so  allgemein  autgelasst,  wie  in  den  libris  iiigrossatoris'/.n'Bveslau., 
Laband,  Zeitschr.  1.  c.  S.  lü.,  indem  bei  den  der  Stadt  zinsenden  Grund- 
stücken zugleich  die  weiteren  Zinse  und  Renten  dieser  Häuser  aufgeführt 
werden,  v.  1330  —  1400.  Daneben  ist  erhalten  ein  liber  herediturius  bono- 
rum dinisionum  seeandam  ordinem  aiinorum  domini  incamacionis  (1359 
bis  1430),  welcher  ausser  Stiftungen  und  Testamenten  unter  den  Verträgen 
über  gerichtliche  Verschreibungen  auf  Häuser  viele  Rentenkäufe  verzeich- 
net. —  Die  Grundsätze  über  die  Verlautbarung  der  Rentenkäufe  vor 
Gericht  oder  Rath  scheinen  daher  durch  das  ganze  Gebiet  des  deutschen 
Rechtes  wesentlich  dieselben  gewesen  zu  sein. 

1)  Stobbe,  art.  Gewere  in  der  Encyklopädie  von  Ersch  und  Gruber 
I.  Sekt.  LXV.  S.  450  ff. 

Neu  mann,  Gesch.  d.  Wueher.s.  lo 


22G    V.  3.  Rentonkauf.  a.  Entstehung,  Natur,  Ycrbreit.  d.  Eentenkaufes. 

und  zwar  au  der  Rente,  iiiul  niii-  an  dieser. ')  Sosteilte  sich  — 
gegenüber  der  einzelneu  Heute  —  die  fortdauernde  Renten- 
bereehtigung  wieder  in  nabeu  Zusammenhang  mit  dem  Grund- 
stücke und  theilte  ihren  Platz  ZAvischen  dem  Forderungs  -  und 
Sachenrechte.  Sie  gehörte  zu  den  Immobilien.  2)  Näher  auf 
die  wichtigen  Streitfragen  einzugehen,  Avelche  sich  an  diese 
Sätze  knüpfen ,  verbietet  das  Tliema ,  so  verlockend  auch  bei 
späteren  Quellencitaten  die  Theilnahme  an  dem  wissenschaft- 
lichen Streite  wird.  Denn  der  wucherliche  Charakter  des 
Rentenkaufes  ist  speziell  nicht  berührt  von  der  Frage ,  ob  in 
diesem  Rechtsinstitute  neben  der  Gewere  an  der  Rente  noch 
eine  Gewere  am  Grundstücke  besteht.  Letztere  Frage  hat  es 
wesentlich  mit  dem  Verhältnisse  des  Rentenkäufers  zu  dem 
belasteten  Grundstücke ,  das  Thema  aber  mit  dem  der  Rente 
zu  dem  Kaufpreise  derselben  zu  thun.  Die  Folgen  der  Zah- 
Imigssäumniss  von  Renten  Seitens  des  Schuldners,  dass  der 
Rentenkäufer  etwa  durch  Ausübmig  seines  Rechtes  auf  Pfän- 
dung ,  auf  Zinsbusse ,  auf  Entsetzung  des  Schuldners  aus  dem 
Grundstücke  einen  Gewinn  zum  Kapitale  erhalte ,  fallen  unter 
die  obige  Betrachtung  der  Verzugszinsen  (cf.  ob.  IV.  2.k.) 
oder  des  Pfandvertrages ,  ^)  gehören  indessen ,  soweit  sie  nicht 


1)  cf.  die  Stellen  bei  Albrecht,  1.  c.  n.  402,  Bruns,  Eecht  des 
Besitzes  S.329ff.  Kraut,  Grundr.  §.  130.  n.  5.  6.  46.  Stobbe,  Zeitschr. 
L  c.  S.  189.  190.  —  Laband,  systemat.  Schöffenrecht  IV.  1.  c.  25,  2. 
c.  75.  2)  cf.  Albrecht,  1.  c.  S.  163.  N.  380.  Goslar.  Statt.  S.  23. 
Pfälzer  L.  R.  H.  7.  §.  3.  Thomas,  Oberhof  in  Frankfurt.  S.  100.  Auch 
c.  1.  Clement.  V.  11.  Albrecht  sagt  in  der  Rezension  über  das  Dun- 
ekersche  Buch  (krit.  Jahrbuch  III.  Bd.  5.  310):  „die  Beziehungen,  in 
denen  sich  die  Gleichstellung  der  Rentenberechtigung  mit  den  Immo- 
bilien zeigt ,  berühren  die  innere  Natur  der  Verpflichtung  nicht  im  Min- 
desten ,  die  daher  trotzdem  immer  noch  den  Charakter  einer  Obligation 
behalten  könnte."  3)  Die  Pfändung  ist  von  dem  Pfandvertrage  streng  zu 
scheiden.  Da  in  den  Urkunden  über  die  Pfändung  beim  Rentenkaufe  fer- 
ner nirgends  ein  jMs  ultra  sortem  erwähnt  wird,  viel  eher  ein  minus  sorte 
—  weshalb  dann  eben  der  Distrakt  eintritt  --  scheidet  die  Betrachtung 
der  Pfändung  hier  dann  aus.  Der  Distrakt  aber  mit  seinen  Folgen  ist, 
wenn  er  seinem  Wesen  nach  auch  Nichts  mit  den  Folgen  des  Pfandver- 
trags gemein  hat ,  doch  wegen  seiner  äusserlichen  Aehnlichkeit  mit  letz- 


V.  3.  Renteiikaut'.  :i.  Kiitstolmiio:.  Natur.  ^'cl•lJl•eit.  d.  Rentenkaufes.    227 

diesen  Gewinn  betvetfen,  nidit  zu  unserin  Thema.  Eben 
innerhalb  dieser  Grenzen  aber  haben  sie  dieselbe  Natur,  mag 
man  mit  Albreclrt,  Au  er  u.  A.  ^)  die  Gewere  am  Grund- 
stücke neben  der  an  der  Rente,  oder,  wie  ich  mitDuncker 
und  Stobbe  nur  die  Gewere  an  der  Rente  im  Rentenkaufe 
finden.  Dagegen  bestärken,  abgesehen  von  Obigem,  die  Folgen 
der  Gewere  am  Grundstücke  —  Aveim  man  solche  unrichtig  anneh- 
men will  —  nur  noch  mehr  den  an  sich  unzweifelhaft  wucher- 
lichen Charakter  des  Rentenkaufs,  indem  sie  dem  Rentenkäufer 
ausser  der  Rente  und  der  Gewere  an  dieser  auch  noch  die  in  der 
Gewere  am  Grimdstücke  enthaltenen  Rechte  als  einen  Gewinn 
zum  Kapitale  zutheilen.  Und  wenn  die  Anhänger  dieser  Ansicht 
aucli  immer  noch  den  Rentenkäufer  ein  Obereigenthum  an 
dem  Grundstücke  erwerben  lassen,  soll  dadurch  doch  nicht 
die  alte  oben  gezeigte  Verbindung  der  Rente  mit  dem  Grund- 
stücke weder  hergestellt,  sondern  wesentlich  nur  das  Pfön- 
dungsrecht  des  Käufers  erklärt  werden. 

Der  Rentenkauf,  selbst  oder  mit  der  Rente  genannt  Zins- 
kauf, Wortzins,  ervetins,  huszins,  husgelt,  pensio,  census 
hereditarius ,  Ewiggült,  Wiederkaufsgült ,  burgrecht,  wicbelde, 
weddeschat ,  Rente ,  -)  vermittelte  daher  einen  Theil  des  Kapi- 
talumlaufes ,  besonders  von  Seiten  des  Grundbesitzes  her ,  ein- 
mal durch  seine  eigene  Natur,  dann  durch  den  Verkehr  mit 
Renten  und  Zinsen,  welchen  er  zur  Begleitung  und  Gefolge 
hatte  ;^)  und  zwar  wirkte  er  nicht  als  Verpfündungsart,  son- 


terem  und  da  er  in  s})ätereu  deutschrechtlichon  Urkunden  selbst  mit  dem 
Pfaudvertrage  verbunden  wird,  angemessener  oben  beim  Plandvertrage 
mitbehandelt  worden,  cf.  V.  2.  h. 

1)  Aucr,  1.  c.  S.  CXXXVII  ff.  Beseler  P.  R.  n.  §.  9.5.  n.  IG.  — 
Bruns,  1.  c.  S.  331  ff.  —  Gerber,  P.  R.  §.  188.  n.  5.  —  Mittermaier, 
P.  R.  (6.  Aufl.)  §.  283.  Walter,  R.  G.  §.  551.  u.  A.  2)  cf.  Stobbe, 
zur  Gesch.  u.  Theorie  des  Rentenkaufcs.  Zeitsolir.  für  deutsches  R.  XIX. 
p.  182 — 184.  3)  Sogleicli  hier  sei  bemerkt:  den  Verkehr  mit  Renten 
und  so  die  Entwicklung  des  Ivajjitalumlaufes  beeinträchtigte  gerade  das 
römische  Redit  dadurch ,  dass  es  seiner  lex  Anastasiana  auch  hier  Anwen- 
dung verschaffte.  In  der  ^liinchner  Grundbuchsurdnung  von  1572  u.  Hj28 
wird  bestimmt ,  dass  der  Besitzer  der  Sache ,  bei  Ablösung  der  Rente  nur 

15* 


228     V.  3.  Koiitonkauf.  a.  Entstehung.  Natur,  Verbroit.  d.  Koutonkaufes. 

ilerii  noben  den  Verpfändungen  und  dem  Kaufe  auf  Wiederkauf. 
Ehe  die  Verpföndungen  (alte  Sat/Aing)  sich  zur  Form  der 
neueren  Satzung  umgestalteten  (V.  2.  oben) ,  musste  vor  jenen 
der  Kentenkauf  den  Vorzug  erlangen ,  da  er  gegen  beide  Con- 
trahenten  möglichst  gleiche  Kücksichten  übte,  durch  seine 
Gewere  wichtige  Siclierungsmittel  gewann  und  vor  andern  For- 
derungen, bisweilen  ausser  dem  Pfandrechte,  vorging.  Dass 
schliesslich  bei  ihm  von  vornherein  der  Zins  als  Preis  der 
Nutzung  fremden  Kapitales  vorausgesetzt  war  und  dieser  als 
aliquoter  Theil  der  Kapitalssumme  sich  nach  letzterer  richtete, 
zog  immer  neue  Anhänger  aus  weitesten  Kreisen  zu  ihm. 
Aus  diesen  Gründen  und  weil  der  in  Geld  entrichtete  Zins 
überall  leichtere  Anwendung  fand ,  daher  keinen  Kapitalanbie- 
ter ausschloss,  —  wenn  er  anfänglich  für  den  Schuldner  auch 
zuweilen  schwerer ,  als  Naturalzins ,  zu  entrichten  war ,  —  ver- 
breitete sich  der  Rentenkauf  immer  weiter  und  wirkte  in  ver- 
schieden den  reellen  Erfordernissen  angepasster  Form  bedeu- 
tend zur  Entwicklung  des  Kapitalumlaufs  mit.  Die  Ausstel- 
lung der  Vertragsurkmide  als  Papier  auf  den  Inhaber ,  wie  sie 
in  Deutschland  sich  weit  über  die  Grenzen  kaufmännischer 
Geschäfte  hinaus  in  Uebung  fand ,  musste  zur  häufigen  Anwen- 
dung des  Rentenkaufes  wesentlich  beitragen.  ^)  Zuerst  unauf- 
kündbar,  gestattete  er  allmählich  den  Contrahenten ,  verschie- 
denartigst die  Kündigung  festzusetzen  (cf.  u.),  seitdem  die 
Lösung  des  Verhältnisses  bei  Säumniss  der  Rentenzahlung 
anerkannt  war  (analog  der  Lösung  des  Lehnsverhältnisses  bei 
Nichterfüllung  der  Lehuspflichten  u.  s.  w.).  Der  Zeit  nach  unter- 
schied man  ewige,  bestimmten  Generationen  zugemessene, 
lebenslängliche ,  zeitliche  Renten  u.  A. 

Wenn  sich  anfänglich  im  Rentenkaufe  die  Gemeinfreien, 
als  Grundherrn  und  Besitzer  der  grossen  Geldkapitalien  den 


den  friiheren  letzten  Verkaufspreis ,  den  der  Käufer  für  dieselbe  vom 
Dritten  erhalten  hatte  (Transportpreis)  bezahlen  durfte,  cf.  Au  er,  Münch- 
ner St.  R.  Anh.  IV.  a.  10,  VI.  a.  8.,  auch  p.  CLXXXVI. 

1)  Duncker,  Abhh.  über  die  Papiere  auf  den  Inhaber.   Zeitschr.  f. 
D.  R.  V.  —  Kuntze,  luhaberpapicre  p.29.  Ü7  — 71.  75--77.  107  —  111. 


V.  3.  Rcntonkatif.  a.Kntstcluinj,',  Natur.  Vcvl)rcit.  cl.  Rontcnkaiifos.     220 

Gewerhs-  und  Detailkaufleuten  gegenüber  stellten,  jene 
als  Kentenkäuler,  diese  als  -Verkäufer,  so  musste  mit  dem 
wachsenden  Kapitale  und  dessen  Umlaufe,  getrennt  vom  Grund- 
besitze, sich  bald  jenes  Verhältniss  dahin  ausgleichen,  dass 
Letztere  ebenso  wie  Erstere  in  beiden  Rollen  der  Kentenkauf- 
Contrahenten  erscheinen.  Die  Vertreter  der  verschiedenen 
Stände  daher  (jetzt  der  allgemach  neu  sich  bildenden),  dann 
allgemein  Cleriker  und  Laien ,  w^eltliche  und  geistliche  Fürsten 
legten  ihre  Kapitalien  im  Rentenkaufe  an,  oder  suchten  Kapi- 
talien durch  den  Verkauf  von  Renten  für  sich  zu  erlangen. 
Die  Extrav.  Gommun.  III.  5. cp.  1  (1420) sagen:  „pro  c/uihus 
princeps,  haro,  m'tlcs,  civis  sive  oppidanus partinm  canmdrm, 
cum  hoc  expedirc  videhatur,  melius  pro  tiinc  non  valcntcs  sibi 
considere,  personae  ecclesiasticae  mit  saecidari  collegio  mit 
vnivcrsitati,  oppido  vel  civitati  ...  vendere  consuevit."  „...  su- 
per hujusmodi  censibus  plurima  heneficia  ecclesiastica ,  colle- 
gia,  canonicatus  et  praebendae,  dignitates,  personatiis  et 
officia  vicariae  altaria  numero  plus  quam  duo  milia.  . . " 
Die  Kapitalien  der  Hospitäler,  Klöster  und  Kirchen  „ncc  non 
omncs  fere  quotldlanae  distrihutiones,  quae  in  plerisque  ex 
ecclcsiis  ipsis  divinis  interessentibus  ministrm'i  solehaut " 
(cp.  2.  Extrav.  comm.  III.  5.  1455),  waren  fast  nur  in  Renten 
fruchttragend  angelegt.  Aecker,  Wiesen,  Gärten,  Wälder, 
dann  städtische  Grundstücke,  Kaufläden,  dann  die  an  Immo- 
bilien geknüpTten  Rechte,  zuletzt  selbst  bewegliche  Sachen 
(cf.  u.)  belastete  man  mit  Renten.  Beide,  Stadt  und  Land, 
befruchtete  man  mit  den  Geldkapitalien;  auf  dem  Lande  beson- 
ders führte  man  dadurch  eine  intensipve  Be-\virthschaftung  des 
'Bodens  ein,  man  nutzte  ihn  mehr  aus  und  vermehrte  durch 
den  hierbei  hervorgebrachten  Gewinn  Aviederum  das  Geldkapital 
und  dessen  Umlauf.  Speziell  die  Klöster  in  Mittel-  und  Süd- 
deutschland vollzogen  hierin  eine  Hauptaufgabe  ilirer  Kultur- 
Mission.  Die  ausgedehnte  Betheiligung  der  Kirche  am  Renten- 
kaufe musste  vornehmlich  zur  nachhaltigsten  Empfehlung 
desselben  bei  allen  Laien  gereiclien,  da  schon  hierdurch  die 
Kirche  thatsächlich  ihre  Billigung  des  Institutes  vor  dem 
AVucherverbote  kund  that,  während  sie  von  den  sonstigen 


230  V.  3.  Reiiton1<;mf.   b.  Uiiibilduiig  des  UciitoiilüTufes. 

Wegen    fruclitbriugeiider    Kapitalsanlage    die    Kapitalisten 
abschreckte. 

b.   Umbildung  des  Ecntenkaufes;  Annäherung  desselben 
an  das  zinsbare  Darlehn. 

Diese  grosse  Verbreitimg  des  Rentenkaufes,  durch  die 
Gesetze  der  Kirche  so  wenig,  wie  durch  die  der  heimischen 
Machthaber  behindert,  musste  zumal  in  Folge  der  sonstigen 
Schranken  der  Kapitalsverwerthuug,  zu  einer  starken  Beschwe- 
rung der  Immobilien  durch  Renten  führen.  Einige  Gesetze 
suchten  Abhilfe  hiergegen  in  der  Beschränkung  der  Renten- 
aufnahme. Dieses  geschieht  im  lübi sehen  Rechte  IL  236 
und  im  vermehrten  Sachsensp,  11.4,  D.  19.  So  setzt 
auch  die  Danziger  Willk.  v.  1454.  fol.  13  (übrigens  schon  seit 
dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts)  fest: 

„  euch  sal  nymandt  meh  zcinsze  vff  seyn  erbe  nemen ,  denne 
van  eynem  manne  vnde  ab  her  von  eyme  andern  meh  zcin- 
szes  uff  seyn  erbe  nemen  weide,  so  sal  her  den  ersten  vnde 
vorighen  czinsz  abelozen." 
Doch  fol.  14  begegnet  schon  die  Beschwerde, 

„  welch  erbe  hoger  verszinset  ist  denne  es  wirdig  ist." 
Dieselbe  Bestimmmig  kehrt  wörtlich  noch  in  der  Willkür  von 
1580  (Arch.  bibl.  Danz.  X.4)  II.  7  wieder.   Ja  selbst  1590  sagt 
die  Danziger  Willk.  IL  cp.  2.  v.  Pfennig  Zinsern: 

„  Ein  jeder  Burger  mag  auf  sein  Erbe  gelt  nehmen  zu  Pfen- 
nmg  Zins  von  burgern  ...   Es  soll  aber  uff  einem  Erbe  nicht 
mehr  denn  ein  Pfenning- Zins  s  sein,  dorumb  niemant 
mehr  zinss  auf  sein  erbe  nehmen  soll,   den  von  einem 
manne." 
Wie  wenig  diese  gewaltsame  Einschränkung  natürlicher  Ver- 
hältnisse helfen  konnte,  wie  leicht  sie  umgangen  wurde ,  leuch- 
tet ein  und  lehren  die  zahlreichen  Urkunden  des  Rentenkaufes 
in  den  verschiedensten  Theilen  Deutschlands.   Die  Danz.  Willk. 
selbst  setzt  sogleich  hinzu : 

„und  so   er  mehr  geldes  auff  das   erbe   nehme,   dan  von 
einem  manne,  nemlich  auf  die  Verbesserung,  ^)  so  soll 


1)  cf.  Arnold,  z.  Gesch.  d.  Eigenth.  in  d.  deutsch.  St.  S.  150.  151. 
164  ff.  Kraut,  Grundr.  §.  130.  n.  28.  (1415.) 


V.  3.  Rentenkauf.   b.  rnibilduiig  des  Rentenkaufes.  231 

weder  die  Verbesserung  noch  ir  kein  andere  Versicherung 
dem  Pfennig  Zinss  präjudiciren  können ,  ^)  sondern  der 
Pfenning  Zinss  soll  für  allem  vorgehen,  es  sey  mit  dem 
versessenen  so  hoch  aufgelauffen,  als  er  wolle  oder  kunne." 
Vereinzelte  Gesetzesstellen,  Avelche  durch  ihren  Wortlaut,  ihre 
eigene  Widerlegung,  die  in  grosser  Zahl  mit  Uikunden  zu 
bestätigen  ist,  durch  ihre  Stellung  in  der  Willkür  mitten  in 
den  Klagen  über  säumige  Zinszahlung  und  deren  Mahnung 
u.  s.  w.  sich  wenig  eignen ,  die  Lehre  von  dem  durch  den  Ken- 
tenkauf  begründeten  Obereigenthume  des  Käufers  am  Grund- 
stücke zu  bestärken.  -)  Andere  Gesetze  gestatten  die  Belastung 
durch  mehrere  Renten  theils  ganz  frei ,  theils  in  gleicher  Vor- 
sorge innerhalb  bestimmter  Zahl.  ^)  Damit  hängt  zusammen, 
dass  man  bei  der  Häufung  der  Zmse  und  Renten  auf  emem 
Grundstücke  die  Gleichberechtigung  der  einzelnen  Forderun- 
gen ausdrückte  („keiner  der  erste  und  keiner  der  andere"), 
oder  die  Reihenfolge  derselben  genau  in  den  Vertragsurkun- 
den vermerkte  (cf.  ad  a.).  Den  Maasstab  gewährte  in  den  mei- 
sten Fällen  die  Zeit  des  Zms  -  und  Rentenkaufs.  ^)  Conkurriren 
aber  Zinse ,  die  auf  eine  ganze  Menge ,  ganze  Art  von  Vermö- 
gensstücken gelegt  sind,  mit  solchen  von  einzelnen  Sachen 
desselben  Vermögens,   so  gehen  die  Speziairenten  den  gene- 

1)  Bedeutet  dies  nicht ,  dass  auch  das  Pfandrecht  an  dem  rentenden 
Grundstücke  der  Rentenforderung  ausnahmslos  nachsteht  ?  cf .  lübisch.  R. 
II.  236  und  Pauli,  Abhh.  U.  S.  34  (1318.)  2)  cf.  Albrecht,  Gewere 
S.  160  ff.  —  St  ebbe,  Zeitschr.  XrX.211  führt  die  ähnUchen  Stellen  lüb. 
R.  n.  236.  u.  venu.  Sachsensp.  U.  4.  D.  19.  auf  den  Schutz  nur  des  zwei- 
ten Rentenkäufers  zuriick;  daher  ist  auch  er  obiger  Ansicht.  3)  cf. 
Goslarer  R.  S.  21.  ganz  frei,  nur  im  Beispiele  Averden  3  Käufer  auf- 
geführt ,  Verdener  Statt  a.  40.  gestatten  nur  3.  4)  S y s t e m.  S c h ö f- 
fenrecht  IV.  2.  c.  77  — 79.  Arnold,  Grundeigenthum  p.  121ff.  Bei- 
spiele des  14.  Jahrh.  aus  Südwestdeutschland.  —  Verd.ener  Statt  a.  40 
gestattet  nur  3  Renten  auf  demselben  Grundstücke :  „  vnd  de  gelden  alle 
gelik,  de  jüngeste,  alse  de  oldeste."  —  Das  Goslarer  Stat.  1.  c.  unter- 
scheidet sie  nach  der  Zeit  des  Kaufs  —  vielleiclit  eben ,  weil  es  keine  Be- 
schränkung in  der  Zahl  eintreten  lässt ,  während  der  Grundsatz  des  Ver- 
dener Rechts  bei  der  Gleichstellung  der  Gläubiger  die  Rechtssicherheit 
nur  durch  Beschränkung  ihrer  Zahl  aufrecht  erhalten  zu  können  glauben 
mochte,  cf,  La  band,  Systeniat.  Schöüenr.  IV.  2.  77. 


232  V.  ;l.  KiMitciiliauf.    1>.  Uiiil)il(liing  dos  'nnitcnl<;uift's. 

relleii  Renten  vor,  nnd  zwar  sowol  dort,  wo  die  einzelne 
Sache  mit  der  Art  auch  körperlich  en<?  verbunden  ist,  als 
dort,  wo  sie  es  nicht  ist.  ^)  War  das  Grundstück  mit  Zins  und 
Kente  überbürdet,  wie  u.  A.  die  eben  zitirte  Stelle  der  Danz. 
Willk.  V.  1154  (fol.  14)  berührt,  so  verlor  der  letzte  lieuten- 
gl;iu])iger  sein  Kapital,  wenn  er  nicht  das  Grundstück  über- 
nahm. Denn  wo  dieses  bei  Ablehnung  des  letzten  ein  früherer 
Gliiubi^er  thnt,  hatte  dieser  nur  für  die  Entriclitung-  der  vor 
ihm  stehenden  Konten  zu  sorgen.  -)   In  Orten ,  wo  Bestimmun- 


1)  cf.  La  band,  Systemat.  Schöifeiirecht  IV.  2.  c.  78.  79.  Es  kon- 
kurrirt  in  c.  78  ein  Zins  von  einem  bcstinmiten  Erbe  mit  der  Weisung, 
für  den  Verzugsfall  soll  dem  Käufer,  ,,  ab  ym  an  dem  erbe  iclit  abeginge," 
das  ganze  übrige  Vermögen  des  Verkäufers  haften  (,,dirliolen  an  alle 
synie  gute ") ,  und  ein  Zins  von  einer  brewpfanne  des  Verkäufers.  Die 
Schoppen  entscheiden:  „dem  manne,  dem  die  pfanne  geantwort  ist  vor 
syn  czins  von  rechti's  wegen,  der  sal  dobei  bleibin."  In  cp.  79.  1.  c.  con- 
kunirt  ein  Zins  von  „  syn  haus  vnd  uf  alle  syn  gut,  varnde  vnd  unvarnde" 
mit  einem  Zins  ,,uf  syne  brewpfanne,  dy  do  in  demselbin  huse  vnd 
erbe  ingemauyrt  vnd  ingecleibit  stunde."  Die  Schoppen  entschei- 
den :  „  Das  künde  yn  allis  nicht  gehelfin ,  sunder  dem  dy  p  f  a  n  n  e  geant- 
wort ist  vor  syne  vorsessene  czinse  von  gerichtis  wegen,  der  sal  dobey 
blcibin."  Das  spezielle  Eentenrecht  geht  daher  dem  generellen  vor. 
(Ebenso  wie  beim  Pfände  cf.  ob.  V.  2.  g.)  2)  cf.  über  diese  Anfänge  des 
Gantverfahrens ,  die  sich  in  Norddeutschland  nicht  minder ,  wie  in  dem 
übrigen  deutschen  Kechtsgebiete  aufweisen  lassen,  Goslar  er  St.  R. 
(Göschen.  233)  Böhmer,  cod.  Moenofr.  451  —  452.  Zeitschr.  f.  schweizer. 
R.  VU.  18 ff.  119ff.  (Fr.  v.Wysz,  Heusler.)  Arnold,  städt.  Grundeigenth. 
123  —  24.  Auer,  Stadtr.  von  München  p.  CCff.  Während  dieses  Verfah- 
ren den  Gläubigern  eine  Abhilfe  bei  Zahlungssäumniss  des  Schuldners 
gewährte,  schaffen  andere  Gesetze  auch  dem  bedrängten  Schuldner,  zumal 
wo  e  r  keinen  Grund  der  Noth  gab ,  eine  Erleichterung  durch  Mässigung, 
Nachlass  der  Renten.  So  bestimmt  u.  A.  die  Landesordnung  über  das 
Stift  Ernieland,  unter  Mitberücksichtigung  der  Renten,  1575  art.  26 
(Danz.  Arch.  bibl.  X.  14) : 

von  pfennig  zinsenn  vnd  crbegeldcnn. 
„Wo  auch  weiter  pfennig  zinse  in  Steten  vnd  auf  dem  Lande  auf  ver- 
brannten vnd  heuseren ,  von  welchenn  sieder  negstenn  Krige  bisherr  un- 
vormugens  halben  keine  Zinsz  gefallen  ist,  sol  das  dritte  teyl  ann  der 
hauptsumma  vonn  denn  zinss  haber  gefellet  werdenn  vnnd  die  ubryge 
Zweytel  vonn  dem  besitzer ;  weittcr  wie  vor  vom  Michaelis  vber  einn  Jar 
das  ist  Im  27  anzuhebenn  vorzinst  oder  vff  drey  termin  mit  bczallungk 


V.  3.  Rciitciikauf.    b.   ruibiMiin-;- d.-s  FfiMitiMikiinfos.  233 

gen,  wie  die  angeführte  der  Dan/.  Willk.  fbl.  13  galten,  konnte 
Dieses  natürlidi  nicht  begegnen.  Audi  aus  späterer  Zeit  findet 
sich  im  Gesetze  Nidits  von  einer  Coukurrenz  der  Gläubiger 
bei  mangelnder  Kealsidierheit  des  Grundstücks.  In  dem  aus- 
fülirlichen  Artikel  der  Danziger  Willkür  von  ]59(»,  welcher 
sogleich  folgt,  über  die  Kündigung  des  Gläubigers  und  den 
daran  sich  schliessenden  Subhastations  -  (Strohwisch  -)  Prozess, 
ist  nur  immer  von  einem  Gläubiger  die  Rede. 

Ein  geeigneteres  Mittel,^)  welches  zugleich  die  zweite 
von  dem  Rentenkaufe  höchst  bedrohliche  Gefahr,  nämlich  die 
Bannung  des  Kapitales  an  die  Scholle  und  die  Behinderung 
des  immer  nöthiger  Averdenden  Kapitalunüaufes  al)zuwenden 
vermochte ,  bot  sich  darin ,  dass  man  ^)  die  Unaufkündbarkeit 
der  Rente,  ihren  Charakter  als  „Ewiggeld"  zerbrach,  und 
zuvörderst  dem  Schuldner  gestattete,  gegen  Zahlung  des 
10  bis  20  fachen  Betrages  der  Rente  (des  Kaufpreises  dersel- 
ben) sein  Grundstück  von  der  Rentenlast  zu  befreien,  die 
Rente  abzulösen.  Die  rechtliche  Natur  der  Rente  schien 
dadurch  so  wesentlich  verändert,  dass  man  nun  zuweilen  die 
ablösbaren  Renten  zu  den  M  o  b  i  1  i  e  n ,  die  unlösbaren  zu  den 
Immobilien  zählte.  Dieses  übte  wieder  einen  besonderen 
Einfluss  auf  den  Verkehr  mit  Renten  und  so  auf  die  Entwick- 
lung des  Rentenkaufes  selbst,  da  die  Rente  als  bewegliche 
Sache  der  gesetzlichen  Schranken  entbehrte,  welche  die  freie 


des  Jerlichenn  vonn  liinderstelligeiin  Sunnnen  abgeloset  werrlcnii,  wo  aber 
der  zinss  anganiigenn  Ist,  solch  ehr  auch  weyter  ganghafftig  bleiben  auch 
soll  alle  schuldt  derselben  piennig  Zinnszer  von  negstein  Kriege  bislier 
hinderstellig  erlassenn  werdenn  vnndt  todt  seyn ,  Es  hat  sich  dann 
Jemandes  vor  dieser  Zeit  mit  seinenn  schuldigernn  sonst  freundtlich  vor- 
einiget. So  aber  ein  erbe  hoher  denn  mit  3  m.  durch  ])fennig  zinss 
beschweret  ist ,  woUenn  wir  Inn  Dem  fahl  ein  gleichmessig  einsehenn  zu 
thuen  macht  haben." 

1)  Just.  Moser,  lüitriot.  Pliantt.  II.  n.  IS.  2)  Vornclimlicli.  seit- 
dem das  Obereigenthum  mit  seinen  Zinsen  durch  Kauf  übertragen  zu 
werden  anfing,  doch  vielfach  auch  ohne  diese  Brücke,  zumal  in  den  Ge- 
bieten Norddeutschlands,  wo  der  Kai>italcharakter  von  Geld  und  Zins 
sich  schneller  und  entschiedener  ausbildete,  wie  die  sogleich  folgenden 
frühesten  Beispiele  gerade  aus  jenen  Distrikten  zeigen. 


234  V.  3.  Roiitcnkauf.   b.  Unibildmig  dos  Eentonkaufcs. 

Uebertragung  der  unbeweglichen  Sache  behinderten.  Die  Ab- 
lösung der  Eente  findet  sich  bereits  im  13.  Jahrhundert,  und 
zwar  damals  schon  in  den  Gesetzen,  so  1240  in  dem 
lübeckischen  Statut. 

Dieser  frülie  Gesetzesausspruch  lautet  im  Eingange 
(art.  195):  ') 
„dar  ene  gemene  not  to  handes  na  dem  groten  brande,  wart 
dat  recht  gemaket ,  . . " 
also  durch  die  augenblickliche  Noth  wird  man  dazu  gezwungen ; 
auch  hier  bewirkt  solch  äusserer  Missstand  gerade  eine  wirth- 
sehaftliche  Förderung,  indem  die  Gruiidstückeigenthiimer  oder 
-  Besitzer  zum  neuen  Auf-  und  Ausbau  Diren  Boden  mit  vielen 
Eenten  belasten  mussten ,  die ,  wenn  nicht  ablösbar ,  drückend 
wurden. 

Die  Ablösbarkeit  wird  deshalb  auch  zunächst  nur  für  die 
neuen  Renten  ausgesprochen: 

„dhat  al  dat  wikbeldegelt ,  dat  vort  mer  to  queme,  man 
wedderkopen  mochte ,  so  vm  also  vele ,  alse  it  gekoft  wart." 
Dann  wird  dieser  Satz  auch   auf  die  worttiiise  d.  li.  hier  die 
Zinse  aus  dem  Erbzinsrechte  vor  dem  Brande  ausgedehnt : 
a.  197:  „we  so  aver  sitt  vp  Avorttinse,  dat  vor  dem  brande 
was  vnd  dat  do  dat  recht  hadde ,  dat  man  id  nicht  wedder- 
kopen muchte,  dat  schall  ock  nv  vort  mer  to  kopende  ligen." 
Der  eingeschobene   Satz  kann  andeuten,   dass  in  der  Praxis 
bereits  vor  1240  die  Parteien  im  Vertrage  festsetzen,  ob  die- 
ser Zins  ablösbar  sein  sollte,  oder  nicht. 

Die   gesetzliche  Bestimmung   des  Ablösungsfusses   wird 
dahin  gegeben  für  das  Erbzinsrecht: 

a.  196.  „Set  aver  sie  jement  to  worttinse  vp  enes  minschen 
wort,  se  ne  hebben  den  vndertüschen  andre  vorwort,  de 
ghene  mach  de  marc  nicht  negher  wedercopeu,  denn  vm 
9  marc  silvers."  ^) 


1)  cf.  auch  Hach,  das  alte  lüb.  Recht.  II.  125.  HI.  229.  Revid. 
lüb.  R.  Ul.  (i.  9.  2)  Der&elbe  Fuss  findet  sich  bereits  a.  183. 1.  c.  Man 
sieht  aus  dem  Anfange  dieses  art.  196.  deutlich ,  wie  nachdrücklich  er 
den  Zins  des  Erbzinsrechts  (als  up  worttinse  sitten  a.  197.  II.  127  to 
worttinse  up  enes  minschen  wort  196.  II.  125.  to  worttinse  nemen  183. 


V."  3.  Rentenkauf.   b.  Umbildung  des  Rentenkaufes.  235 

(Nach  dem  ältesten  lübischen  Müiizfusse  prägte  man  aus  1  mrk. 
Silber  2  mrk.  Pf.,  also  steht  jene  Ablösung  zAvIschen  5  —  67o). 
1210  erkannte  das  Hamburger  Stadtrecht  die  Ablös- 
barkeit  (Wiederkauf)  der  Rente  an,  doch  unter  der  Bedin- 
gung allein ,  dass  der  Preis  der  Rente  pro  Mark  bemi  Rück- 
kaufe den  Ankaufspreis  um  1  Mrk.  überstieg.  Hierm  liegt  nicht 
eine  auch  sonst  in  diesen  Gegenden  nicht  bemerkbare  Rück- 
sichtnahme auf  das  kanonische  Recht,  dass  man  durch  die 
Steigerung  des  Preises  etwa  den  Vertrag  als  wrklichen  Kauf 
auf  Wiederkauf,  nicht  als  verschleiertes  Uarlehn  kennzeichnen 
und  so  die  Genehmigung  der  Kirche  dafür  sichern  wollte.  Denn 
der  Rentenkäufer  (Darlehnsgeber)  erhielt  ja  hier  ausser  der 
Rente  noch  die  Preissteigerung  beim  Rückverkauf,  wenn  diese 
auch  gering  und  zweifeDiaft  war ,  da  vielmehr  wegen  des  all- 
gemach während  der  Dauer  des  Rentenkaufes  gesunkenen 
Werthes  der  Rente  der  Preis  gesteigert  werden  mochte.  Allem 
ein  wirklicher  Rückkauf  war  mit  der  Preisänderung  noch 
bezeichnet,  während  durch  die  gestattete  Ablösung 
das  Rechtsgeschäft  sich  dem  Darlehn  wesentlich 
näherte.  —  In  den  Magdeburger  Fragen  11.  1.  5  (Sach- 
senspiegel ed.  Zobel)  will  der  Rentenverkäufer  gerade  beim 
Tode  des  ersten  Käufers  die  Rente  zum  früheren  Kaufpreise 
wiederkaufen.  ^)  Die  Magdeburger  Schoppen  sprechen  für 
Recht:  „der  zinsmann  niuss  beweisen,  das  der  Zins 
sei  abzulösen,  und  der  ander,  der  den  zms  daran  hefft, 
bedarf  des  nicht  beweisen."    Hier   offenbart  sich  daher  noch 


II.  123  u.  a.)  der  Rente  aus  dem  Eentcnkaufe  (wicbilde.  w-icbildegelt, 
wicbilde  ofte  wortezins  a.  195.  II.  122.  235.  236)  gegenüberstellt.  Erst 
von  dem  Erbzinsrechte  gingen  hier  dessen  weitergreifende  obige  Bestim- 
mungen, sowie  sein  Zinsfuss,  auch  auf  den  Rentenkauf  über.  Kraut, 
Grundriss  §.  130.  n.  38.  39  stellt  noch  in  der  4.  Aufl.  beide  Stellen  als 
gleichbedeutend  neben  einander.  Auch  Pauli,  lübcck.  Zustände  1.  c. 
scheidet  nicht  diese  zwei  Arten  von  Zins. 

1)  Wol  oft  war  dies  die  äusserliche  Veranlassung  für  den  Verkäufer, 
weil  bei  solchem  Todesfall  der  Verkäufer  sich  nicht  der  neuen  Generation 
der  Erbfolger  gegenüber  mit  der  Rente  belasten  wollte ,  die  Erbfolger 
andrerseits  zur  Theilung  lieber  das  baare  Kapital  als  die  Rente  mochten. 
Hier  freilich  trifft  nur  das  Erstere  zu. 


23fi  V.  ;3.  RentiMiknuf.    1).  Tinl)i1(luiig  des  Rontonkaufos. 

das  Solnvanken  der  Gesetze  und  Richter,  nachdem  bereits  im 
tä.ülichon  Yerkelire  die  Parteien  die  AMösuiifif  durch  ausdrück- 
liche Uebereinkunft  in  dem  einzehien  Vertrage  eingeführt  liat- 
ten.  1350  dagegen  nelimen  dieselben  Magdeburger  Schöffen 
es  bereits  als  allgemein  gültig  an,  dass  der  Verkäufer  die 
Rente  ablösen  kann.  ^) 

Auch  in  der  ältesten  erhaltenen  Danziger  Willkür  von 
1454,  welche  indess  bereits  vom  Ende  des  14.  Jahrhunderts 
datirt,  heisst  es  fol.  13  (Danz.  Arch.  bibl.  X.  1):  „vnde  ab 
her  von  eyme  anderen  meh  czinses  uff  seyn  erbe  nemen  weide, 
so  sal  er  den  ersten  vnde  vorighen  czinsz  abelo- 
zen."  Nicht  anders  setzt  die  Normirung  der  Rente  durch  den 
Hochmeister  auf  dem  preussischen  Städtetage  von  1427  (cf. 
Bornbach,  Recesse  (1416  50)  fol.  82".  Danz.  Arch.  bibl.) 
die  Ablösung  derselben  Seitens  des  Verkäufers  voraus :  „1  mrk. 
vmb  X  gekoufft  vnd  czu  losende"  und  zwar  in  den  Städten 
ebenso,  wie  „vff  dem  lande."  ^)  Rudolf  von  Habsburg  spricht  es 
1283  für  Gosslar  selbst  aus,  dass  es  um  Entlastung  der  Häu- 
ser willen  geschehe,  und  mittelbar,  um  die  Unterthanen  zurErfül- 
lung  ihrer  Staatspflichten  (Steuer  und  Militairdienst)  leichter 
zu  befähigen,  wenn  er  die  Ablösbarkeit  der  Rente  mit  dem 
zehnfachen  Betrage  derselben  gestattet.  ^)  Nachdem  Wenzel 
1390  dies  Privileg  erneuert  hatte,  wurde  es  danach  in  das 
Stadtrecht  aufgenommen.  "*)   p]benso  ^)  sind  die  Renten  wieder- 


1)  cf.  System.  Schöffenreclit  IV.  1.  c.  26.  IV.  2.  c.  77.  2)  cf. 
ib.  fol.  599.  14.38.  2.  Juni  in  conv.  Marienburg  prinio:  ,. jeder  freic'man 
iru  lande  zum  Colinen,  der  sich  in  das  Privilegium  geziehen  niagk,  magk 
die  zinse ,  die  er  also  lange  auf  seine  gutte  geliott  hott,  ablosen  die  mark 
vor  12  m.  geldes ,  den  scheffel  getreyde  vor  12  scheifel  abzulösen  nach 
vermögen  der  gleich  Emde  vnd  allerley  zinse  ieglich  abzulösen  mit  dem 
czwelfften."  Hier  also  wird  vom  Gesetzgeber  selbst  erklärt,  die  Norm 
der  8*  3  ",„  vom  Jahre  1427  beziehe  sich  auch  auf  dieAblösung  der  Renten. 
Die  Norm  bestand  schon  aus  dem  14.  Jahrb.  Bornbach,  Rezesse  (cf.  u.) 
3)  Böhmer,  Reg.  Rud.  n.  7.58.  4)  Göschen,  Gossl.  St.  R.  S.  2.5.122. 
5)  cf.  Seibertz,  westphäl.  Urk.  Buch  1.  c.  §.  15.  u.  v.A.  cf.  u.  1350  nach 
dem  Systemat.  Schöffenrechte  JY.  1.  cp.  26.  32.  40.  41.  IV.  2.  cp. 
3.  57.  77.  79.  90;  91. 


V.  3.  Rentonlcauf.   b.  Umbildung  des  Rentenkauf  es.  237 

käuflich  nach  dem  Stadtrecht  von  Brilon  1290;  1388  nach 
den  Statuten  in  Uhn.  ^)  So  frühe  schon  offenharen  diese  Ge- 
setze das  der  neuesten  Zeit  nicht  fremde  Bestreben,  den  Grund 
und  Boden  von  den  Lasten  zu  befreien,  welche  eine  frühere 
oder  spätere  Zeit  ilim  mit  oder  ohne  den  Willen  des  Besitzers 
auferlegt  hatte  und  welche  um  so  drückender  erschienen,  je 
höher  sich  die  Landwirthschaft  entwickelte.  ^)  Im  14.  Jahr- 
hundert wendet  man  die  Ablösung  bereits  sehr  zahlreich  an, 
und  der  Prozentfuss  derselben  stimmt  fast  durch  ganz  Deutscli- 
land  mit  dem  Zinsfusse  der  Konten  selbst.  ^)  Er  beträgt  durch- 
schnittlich vom  14.  —  17.  Jahrhundert  zwischen  7  —  5%.  So 
ist  es  in  Frankfurt  a.  M.  ^)  in  den  Jahren  1313  bis  1333.  '^)  Zu 
Neustadt  a.  d.  Hardt  schwankt  der  Zinsfuss  der  Ablösung  *')  in 
derselben  Zeit  zwischen  8^3  —  476%^  durchschnittlich  beträgt 
er  also  auch  5^2  7oi  t)6i  höherem  Zinsfusse  walten  besondere 
Verhältnisse  ob,  bei  sehr  bedeutender  Abweichung  liegt  ein 
Schreibfehler  zu  Grimde  (50^0  u.  A.)  In  Speier  stellt  sich  im 
14.  und  15..  Jahrhundert  der  Ablösungszinsfuss ,  übereinstmi- 
mend  mit  dem  Zinsfusse  der  Rente,  auf  5%  durchschnitt- 
lich , ")  ebenso  in  Durlach ,  Basel,  Heitersheim  im  Breisgau  von 
1376  bis  1.532,  so  aucli  in  München  1391.'^)   Auch  das  Ablö- 


1)  Bluntschli.  Zur.  R.  G.  II.  IIS.  Jcäger,  UlniS.327.  2)  cf.  u.A. 
noch  Gesch.  d.  Klosters  zum  heil.  Kreuze  in  Donauwörth  (Koenigs  der fcr) 
p.  132.  Ucberschreitet  innerhalb  10  Jahren  nach  der  Norniirung  des  Renten- 
fusses  der  contrahirtc  Fuss  den  ersteren,  so  kann  der  Verkäufer  in  2  Mona- 
ten nach  Abschlu.s«  des  Vertrages  diese  Rente  ablösen  gegen  Erlegung  des 
empfangenen  Kaufpreises.  3)  cf.  Altprager  St.  R.  (Rössler)  Einl. 

p.  LXII.  Auer,  Stadtr.  v.  München  p.  CLXI.  Grundbuch  Ord.  v.  1572. 
1573.  Eine  Ausnahme  enthält,  wie  gezeigt,  das  Hamburger  Stadtrecht 
von  1270.  U.  1.  cf.  die  grosse  Zahl  der  Beispiele  aus  den  Städten  des 
Oberrheins  bei  Mo ne,  Zeitschrift  zur  Gesch.  des  Oberrheins  I.  p.  26  ff. 
4)  cf.  Böhmer,  cod.  diploni.  Francof.  p.  403.  40G.  414.  415.  431.  442. 
523.  530  u.  a.  5)  cf.  auch  Frankfurt.  Reforniat.  II.  7.  §.  3,  welche 
die  Renten  ebenfalls  für  ablösbar  erklärt.  (Jj  Im  Nekrolog  des  Stiftes 
zu  Neustadt  a.  d.  Hardt  fol.  ll'J.  118.  lli».  121. 137  ff.  141.  7)  cf.  Mon  e, 
1.  c.  8)  cf.  die  betreff.  Zinsbücher  im  Karlsrulier  Archive ;  das  necro- 
logium  Basileense  B.  Mbne,  1.  c.  Auer,  Münchener  Gerichtsbuch  1391. 
fol.  44.  Dies  stimmt  auch  mit  der  Tabelle  überein,  welche  Arnold,  1.  c. 
S.  222.  223  von  2H  wirklichen  Zinakäufen  aus    Basel   von    1310  —  150'J 


•2;^S  V.  3.  Reutenlcanf.   l).  UmbilJung  des  Rentenkaufes. 

sungsgesetz  der  Erschatz  -  Zinse  in  Basel  von  1527  bestimmt 
nocli :  „Avo  man  erschatz  giebt,  den  soll  man  ablösen  mögen, 
ahvcgen  ein  Schilling  erschatz  mit  dem  vierten  theil  hanptguts 
dass  thut  fünf  Schilling."  *)  Desgleichen  erklärte  der  Baseler 
Kath  1441  (ebenfalls,  um  die  Ueberlastung  der  Häuser  zu 
vermeiden)  alle  neuen  Renten  durch  iliren  20ftichen  Betrag, 
also  zu  5" 01  fiii'  ablösbar;  und  die  unten  folgende  Zusammen- 
stellung des  Reutenfusses  beweist,  dass  zu  jener  Zeit  in  Basel 
5%  der  allgemein  übliche  Prozentsatz  für  Renten  war.  ^)  Die 
Geistlichen  geniessen  hierbei  keine  Ausnahme  vor  den  Laien. 
4%  bei  Ablösmigen  sogar  sind  im  15.  Jahrh.  in  den  kleineren 
Städten  dieser  Gebiete  nicht  selten.  ^)  Daher  steht  vereinzelt 
der  Ausdruck  im  M unebener  Gerichtsbuch  v.  1391  fol. 44*): 
„ —  die  besunder  friuntschaft  getan,  daz  der  —  gaer- 
lichen  vnd  ewiglichen  gewalt  habent  ze  losen  die  —  ewiges 
gelts  swauu  si  mügen,  ein  tail  oder  gar  ye  1  guidein  vmb 
XX  guidein."  In  den  norddeutschen  Gegenden  stellt  sich  zu 
dieser  Zeit  der  Ablösungsfuss  höher  zwischen  8^2  und  12%.^) 
Erst  im  IG.  Jahrhundert  scheinen  hier  der  Ablösungs-  und  der 
Zinsfuss  der  Rente  auf  circa  6%  gesmiken  zu  sein.  Lübeck 
fi-eilich  macht,  wie  gezeigt,  eine  Ausnahme,  Dank  seinem 
früher  entwckelten  Waaren  -  und  Geldverkehre.  Um  die  Ab- 
lösung zu  erleichtern,  gestattete  man  die  Rückzahlung  des 
Kapitales  in  Raten.  ^)  So  heisst  es  in  dem  Schwarzacher  Ma- 
nual. (15.  Jahrb.):  „Item  40  Pfund  sind  abzulösen  mit  1000 
Pfund ,  und  sind  drig  ablosung ,  iecklich  300  Pfund  33  Pfund 
6^2  sz.  2 Pf.,"  und  aus  derselben  Zeit  bei  Pauli  (lüb.  Zustände 
1.  c.)   Zuweilen  vereinbarten  die  Parteien  2  —  3  malige  Ablö- 


giebt,   obgleich  die  Berechnung  hier  wegen  der  uiangchiden   Taxe  der 
Naturalliefeioingen  ungenau  wird. 

1)  cf.  Baseler  RechtsqueHen.  T.  371.  2)  cf.  Baseler  Rechtsquel- 
len. I.  140.  3)  cf.  Manual  von  Schwarzach  bei  Rastatt.  F.  fol.  2.  Karls- 
ruher Arch.  Mone,  1.  c.  4)  Auer,  S.  CXXXVI.  n.  4.  5)  cf.  Syste- 
matisches Schöffenrecht  (1350)  IV.  2.  cp.  79:  10"/„;  cod.  dipl.  Sil. 
in.  p.74  (1346):  12«/«  IV.  p.204  (1389):  lO"/,,  u.  a.  Danz.  Schöppenb. 
von  1447.  fol.  265.  u.  v.  A.  6)  cf.  Auer,  Münchener  Gerichtsb.  (1391) 
fol.  44:  „ein  tail  oder  gar."   cf.  Mone,  1.  c. 


V.  3.  Eentenkauf.  b.  Umbildung  des  Rentenkaufes.  239 

sung,  oft  markweise,  j?i  zu  Raten  von  8  Schilling.  Dadurch 
ward  das  Institut  gleich  euier  Sparkasse  für  die  Armen,  um 
durch  fremdes  Geld  sich  allmählich  einen  eigenen  Heerd  zu 
erwerben.  Und  die  Gläubiger  gmgen  gern  auf  diese  kleinen 
Abzahlungen  ein,  weil  sie  die  kleinen  Renten  bald  wieder  ver- 
kaufen konnten.  Ihre  Sicherheit  war  nicht  gefährdet,  wie  oben 
gezeigt  wurde ,  da  u.  A.  ohne  ihre  Zustimmung  nach  etlichen 
Gesetzen  eine  neue  Rente  dem  Grundstücke  nicht  aufgelastet 
werden  durfte,  und  da  sie  ferner  ein  Xäherrecht  beim  Verkaufe 
des  Grundstücks  besassen.  Im  Gegensatze  hierzu  verlangt  das 
Stadtrecht  zu  Brilon  ^)  ausdrücklicli  die  Abzahlung  in  einer 
Summe.  Ebenso  setzen  die  Parteien  dies  zuweilen  fest."  ^)  Da- 
gegen mit  Obigem  stimmt  wesentlich  die  Erklärung  des  Pab- 
stes  Martin  V.  1420  überein ,  die  er  auf  Grund  der  ihm  aus 
Deutschland  eingesandten  Berichte  über  die  Zeit  von  100  und 
mehr  Jahren  vor  1420  (a  centuiu  annls  citra  et  supra 
et  a  tanto  tempore  et  per  tantum  tempus,  cujus  contrarii 
memoria  hom intim  non  existit)  in  Extrav.  Comm. 
III.  5.  cp.  1  dahin  abgiebt:  „...et  sempcr  in  ipsis  contracti- 
bus  exprcsse  ipsis  cenditorihus  data  fuit  facultas  (also  weni- 
ger durch  em  Gesetz)  atqiie  gratia,  quod  ipsum  annuum 
censum  in  toto  vel  in  parte  pro  eadem  summa  de- 
nariorum,  quam  ah  ipsis  emtorihus  receperunt 
quandocunque  vellent  UhCre  absque  alicujus  requisitione ,  con- 
tra dictione  vel  adsensu  possent  extingiiere  et  7'edimere  ac  sc 
ah  ipsius  census  solucione  extunc  penitus  liherare."  Desgl. 
Calixtus  in.  1455:  „..  quod  ipsi pro  rata,  qua  hujusmodi 
per  eos  receptam  dictis  ementihus  restituerent  pecuniam  in 
toto  vel  in  parte,  a  solutione  ..  liheri  forent.."  (cp.  2.  ib.) 

Aus  allen  diesen  Gründen  scliritten  einzelne  Partikular- 
gesetze im  15.  und  IG.  Jahrhundert  so  weit,  mnerhalb  einer 
bestimmten  Zeit  nacli  Eingehung  des  Rentenkaufes  die  Ablö- 
sung der  Rente  zu  befehlen,^)  oder  allgemein  die  Aufnahme 


1)  Seibertz,  1.  c.  §.  15.  2)  Pauli,  Abhh.  II.  S.  24.  (1305)  „re- 
emfiidum  in  una  summa  qiiumlibet  marcam pru  XVI  m.  den."  3)  cl". 
Stuttgarter  .Statt.  141*2  (Sattler  Gesch.  der  Gravou  v.  WürteuibergV. 
l*.  3G)  p.  G5:  innerhalb  4  —  5  Jahren. 


240  V.  ;?.  Roiitonkauf.   h.  riiibikluiig  ilos  Rontenkaufes. 

von  unkündbaren  Ewiggälten  zu  verbieten.  ')  Da  indess  nicht 
selten  damals  aueli  Fälle  begegneten ,  in  denen  Kapitalbesitzer 
nur  gegen  Verptliehtung  der  Grundbesitzer,  eine  lange  Keihe 
von  Jahren  die  Renten  ohne  Kündigung  des  Kapitales  zahlen 
zu  wollen,  ihre  Kapitalien  letzteren  ausliehen,  —  zumal  da 
der  Mangel  sonstiger  gewinnreicher  und  zugleich  doch  sichrer 
Kapitalanlagen  sich  erst  später  hob  — :  erachteten  eine  Keihe 
anderer  Partikulargesetze  es  angemessener,  unter  Verbot 
unkündbarer  Renten  den  Parteien  lediglich  die  Modalitäten 
der  Kündigung  und  Ablösung  anheimzugeben.  Dies  ist,  wie 
wahrschemlich  der  meisten  Ablösungsgesetze ,  so  auch  der 
Smn  der  Baseler  Bestimnmng  von  1441 ,  indem  hier  neben 
dem  Verbote  unkündbarer  Renten  der  Rath  nur  erklärt,  dass 
der  Rentenverkäufer  für  den  zwanzigfachen  Betrag  die  Rente 
selbst  gegen  den  Willen  des  Käufers  ablösen  kann.  Der  Rath 
sanktionirte  den  allgemein  üblichen  Rentenfuss  von  b^j^  für 
die  Ablösung,  nicht  für  den  Rentenkauf ,  weshalb  auch  nach 
1441  hier  noch  höhere  Renten,  als  5%  vorkommen.  ^)  Beson- 
ders klar  lässt  sich  diese  Entwicklung  der  ablösbaren  Rente 
in  München  verfolgen.  Zuerst  galt  die  Rente  hier  allgemem 
für  unablöslich,  nur  die  Ueberemstimmung  beider  Theile  machte 
sie  ablöslich.  Ausnahmsweise  gestand  der  Käufer  dem  Ver- 
käufer bereits  im  Kaufvertrage  die  Ablösung  zu.  ^)  Darauf 
gestatteten  landesherrliche  Privilegien  von  1391,  1418  und 
1453  die  Ablösung  allgemein ,  aber  nur  für  einen  bestimmten 


1)  cf.  Solmser  L.  0.  1571.  ]).  83.  2)  Freilich  ist  dies  kein  durch- 
schlagender Beweis ,  da  auch  gegen  solche  Gesetze ,  welche  völlig  zwei- 
fellos den  Eentenfuss  beim  Ankaufe  der  Renten  selbst  betrafen  (cf.  unten 
sub  c.)  viel  höhere  Prozentsätze  wiederholt  in  üebung  büeben ,  ebenso 
wie  tiefere  Prozentsätze ,  wenn  der  steigende  Kapitalverkehr  sie  bedingte, 
durch  solche  Gesetze  nirgend  aufgehalten  werden  konnten,  noch  können. 
Die  seit  dem  Anfange  des  16.  Jahrh.  in  Deutschland  allgemein  üblichen 
5"  0  behan-ten  bis  heute  eben  in  Folge  des  nahezu  constanten  Verhält- 
nisses von  Angebot  und  Nachfrage  heut  und  damals.  Gerade  der  Wechsel 
der  Gesetze  und  der  Praxis  in  diesem  Punkte ,  welcher  trotz  jener  Ueber- 
einstimmung  hier  und  dort  nicht  ausblieb ,  bestätigt  diese  Behauptung. 
3)  cf.  ob.  das  Citat  aus  Mon.  Boic.  XTIU.  207.  XIX.  6.  Münchener  Ge- 
richtsb.  1391.  Ibl.  44  (1393).  Auer,  Münchener  Stadtr.  p,  CXXXVI.  n.  4. 


V.  3.  Eenteiikauf.   h.  Umbildung  des  Rentenlcaufes.  241 

Zeitraum,')  nümlieli  im  Privileg  von  lo91  vom  Freitage  vor 
dem  Palmtag  1391  bis  Georgi  1392,  im  Privileg  von  1418 
vom  Donnerstag  vor  St.  Ursula  1418  bis  Michaelis  1419,  im 
Privileg  von  1453  vom  Montag  nach  dem  Sonntage  Misericor- 
dia  1453  bis  Georgi  1454.  Diese  „gemeine,  offene,  gebotene, 
gemeine  berufte  Losung"  konnten  die  Parteien  ausschliessen.  ^) 
Der  allgemein  gewordenen  einseitigen  Ablöslichkeit  der  Renten 
entsprachen  schliesslich  die  Grundbuchordnungen  von  1572 
und  1573  durch  das  Verbot  unablöslicher  Renten:  „Item  es 
sollen  Stadtschreiber  und  underrichter  nun  füran  kheinen  brief, 
darinnen  der  verkhaufft  ewiggelt  steuerfrey  verschriben  sey, 
nit  mer  siglen,  dessgleichen  auch  khainen  ewiggeltbrief  auf 
unablöslich,  wie  vor  alters  gebreuchig  gewest,  weder  schrei- 
ben noch  siglen  es  gescheche  danne  mit  rhats  vorwissen  und 
erlaubnus."  ^)  Dem  gegenüber  sagt  das  Br (inner  Schöffen- 
buch n.  119:  „rex  Joluinnes  in  favorem  communitatis 
civitnti  prlinJcglum  äeä'd ,  quod  nnllns  in  civitatc  censum 
p er 2)0 tun m  hahcnt;  si  didus  civis  censicm  sponte  voluerit 
solvere  pcrpctnnni ,  potest;  in  registrum  autem  civitatis  in 
praejndicium  dicti  rcgalis  privileyii  didus  census  scrihi  non 
debet,  imo  si  ipse  dvis  vel  quicunque  ejus  successor  cum  VI 
marcis  (bei  1  mrk.  Rente)  ah  ipso  se  voluerit  redimere  —  clau- 
strum  non  obstantihus  Uteri s,  qtias  praetendant ,  ad  talem 
recijyiendam  rcdemptionem  compeUi  dehent  justitia  mediante/^ 
und  setzt  in  n.  124  fest,  der  Zinskäufer  dürfe  den  Verkäufer  7Air 
Ablösung  der  Rente  nicht  zAvingen.  Ein  Aehnliches  erhellt  aus 
demWortlautederReichsgesetze(R.P.O.  1577.17.  §.1—2. 
—  1577.  17.  §.9):  „und  die  Loszkündigung  der  Gültverschrei- 
bung auff  Wiederkauf,  wie  Wiederkaufsrecht  bei  dem  Verkäu- 
fer und  nicht  bei  dem  Käufer  stehen,  unangesehen  wie  diesel- 
big  Gültverschreibung  gestellt  ist."   Derselbe  Grundsatz  Avurde 


1)  Offenbar  im  Anschlüsse  an  die  Gewohnheit  der  (Kontrahenten, 
wie  sogleich  im  Texte  zu  zeigen  ist.  und  als  Anbalinung  bestimmter  Kün- 
digungsfristen, entsprechend  den  natiirliclien  Verhältnissen  des  Geld- 
und  Grundbesitzes.  2)  Mon.  Bo.  XX.  325.  329.  351.  373.  429.  433.  451. 
475;  XVIIl.  3G2.  3)  Au  er,  Münchener  Stadtrecht  p.  CXLVI.  u.  Anh. 
iV.  a.  8  (p.  24()j  u.  Anh.  V.  a.  7.  (p.  257.) 

Neumann,  Gesch.  d.  Wuchers.  10 


'24-2  V.  3.  Rentoiikauf.   l).  Umbildung  des  Rciitenkaufcs. 

schliesslich  auch  von  den  Reichsgesetzen  gebilligt,  ')  nachdem 
der  R.  A.  von  1580.  26.  §.  8  allgemein  befohlen  hatte,  nur  mit 
der  Vereinbarung  des  Wiederkaufs-  (Ablösuugs)- rechtes  sollte 
der  Rentenkauf  geschlossen  werden. 

In  den  Vertragsurkunden  der  Parteien  selbst  aber  legte 
man  dem  Rentenverkäufer  die  Pflicht  auf,  eine  bestimmte  Zeit 
vor  Ablösung  der  Rente  diese  Absicht  dem  Oläubiger  anzuzei- 
gen, oder  nur  innerhalb  bestimmter  Zeit  ablösen  zu  dürfen, 
oder  an  festgesetzten  Zeiten  des  Jahres  die  Ablösung  nicht  zu 
vollführen.  ^)  Ja ,  das  1  ü  b  i  s  c  h  e  Recht  geht  auch  in  diesem 
Punkte  den  andern  voran ,  indem  dort  das  Gesetz  selbst  eine 
Aufkündigung  der  Rente  14  Tage  vor  der  letzten  Rentenzah- 
lung vorschreibt.  (Lübisches  R.II.  218.)  •^)  Das  Systemat. 
Schöffenrecht  dagegen  stellt  die  Kündigung  in  das  Belie- 
ben des  Verkäufers.  ^)  —  In  andern  Urkunden  wird  nur  gesagt, 
wann  es  dem  Schuldner  möglich  sein  wird ,  wolle  er  ablösen.  ^) 


1)  R.  P.  0.  von  1548.  17.  §.  8.  1577.  17.  §.  9.        2)  Pauli,  Abhli. 
aus  d.  lüb.  R.  I.  31  (1305) :  „  cum  aiiteni  iclem  wichelde  reemere  voluerit, 
predicet  diclo  Gerardo  uno  anno." —   Cod.  dipl.  Siles.  IV. 
p.  207  (1370)   „bin  czwcyn  jarn  mögen  wedcrko^vffen."    Geschieht 
das  nicht ,  so  soU  Käufer  die  Rente  ,,  czu  eyme  rechten  erbe  habin  und 
erblich  besitzin."  —  ib.  p.  204  (1389)  „byn  6  jaren",  geschieht  es  nicht, 
„so  sal  derselbe  czins  ewig  sjti  vnd  ewiglich  weren  ane  wedirrede."  — 
cf.  V.Meiern,   sechster  Zinsthaler  p.  77(1362):  nur  zu  Ostern,   oder 
3  Monate  Kündigvmgsfrist.   Frankfurter  Statt.  Sammlung  (1352— 78) 
(Senckenberg,  select.  jur.  et  bist.  I.  p.  1.  84.)  cp.  97: 
,,Wir  die  SchöiTen  und  der  rath  zu  Frankfurt  erkennen  uns  öffentlich 
mit  diesem  briefe ,  dass  wir  von  unserer  Stadt  wegen  verkauft  han  . . 
',2  mrk.  jährlichen  zu  eigener  Guide  um  8  mrk.  Pfennige  guter  Weh- 
rung,"  (so  lange  der  Rentenkäufer  Bürger  ist,  soll  er  den  Zins  em- 
pfangen.) ,,wann  wir  auch  die  ^2  Mark  wieder  wollten  kaufen  um  ihn, 
oder  seine  Erben ,  das  sollen  wii'  in  vier  Wochen  vorhersagen." 
3)  Nach  der  eben  erwähnten  Urkunde  von  1305  bei  Pauli  war  dies  das 
gesetzliche   Minimum  der  Kündigungszeit.        4)  Lab  and,  1.  c.  IV.  1. 
c.  26:  „vorkouft  eyn  man  czins  czu  eyme  wederkoufe  uf  eynyn  neme- 
lichintag  also  daz  her  den  wedir  koufin  mag ,  wenne  herwil,  do  in 
sjTiyn  brifen  nicht  stet  unschedelichin  vorsessenyn  czinse  noch  wochin 
czal,  der  mag  sj'nyn  czins  wedir  abekoufin  vor  deme  czinstage  wenne 
her  wil   vnd  darf  keynyn  vorsessenyn  czins  nicht  gebin   noch  wochin 
czal."        5)  V.  M  e  i  e  r  n ,  1.  c.  p.  74  (1318). 


V.  3.  Rentenkauf.   b.  Umbildung  des  Rentenlfaufes.  243 

Dagegen  heisst  es  an  anderm  Orte:  0  ,mS/  quando  persolvcri- 
mus."  ^)  Dadurch  entstand  mit  Recht  für  die  Renten  (oder  Ren- 
tenkäufe) die  allgemeine  Bezeichnung  Wiederkaufsgülten.  Hier- 
her gehört  auch  der  L  e i  b  r  e  n  t  e  n  v  e  r  t  r  a  g ,  bei  welchem  der 
Rentenverkäufer  an  eine  oder  mehrere  bestimmte  Personen  (unter 
verschiedenen  Modalitäten,  selbst  derjenigen  der  bisher  viel  spä- 
ter datirten  Tontinen  cf.  V.  5.  e.)  für  ein  ihm  auf  ewige  Zeit 
übergebenes  Kapital  oder  gar  für  em  ganzes  Vermögen  mit  Ein- 
schluss  von  unbeweglichen,  beweglichen  Sachen  und  Forde- 
rungen eine  bestimmte  Reute  während  der  Lebenszeit  dieser 
Personen  au  sie  entrichtete.  Der  Vertrag  steht  in  der  Mitte 
zwischen  dem  Ewig-  und  Wiederkaufsgültenvertrag ;  denn 
das  Rentenkapital  bleibt  hier  ewig  beim  Verkäufer ,  die  Rente 
aber  endet  mit  dem  Leben  der  Käufer.  ^) 

Inzwischen  bildete  sich,  wenn  auch  nicht  in  der  Verbrei- 
tung, wie  man  bisher  annahm,  der  Gebrauch  aus  —  vielleicht 
äusserlich  durch  die  Verpfändung  des  ganzen  Vermögens  in 
den  Pfandkontrakten  hervorzurufen,  —  dass  der  Renteuver- 
käufer nicht  bloss  einzelne  seiner  Grundstücke ,  und  zwar  der 
bestimmten  G  rundstücke ,  sondern  sein  g  a  n  z  e  s  V  e  r  m  ö  g  e  n, 
also  auch  mit  Einschluss  der  beweglichen  Theile  desselben, 
durch  Renten  belastete.  ^)    Den  sichern  Uebergang  zu  dieser 

1)  Im  Frankfurt.  Utk.  B.  (F.  Böhmer)  \^.  121.  (12.57.)  2)  cf.  auch 
Danz.  Urk.  von  14.54.  22.  1.  u.  v.  A.  3)  Als  Altentheilsvertrag' ,  mit 
welchem  obiger  Vertrag  eng  zusammenhängt,  dehnt  sich  derselbe  be- 
kanntlich von  der  alten  Zeit  des  deutschen  Rechtes  her  bis  auf  die  Gegen- 
wart aus.  cf.  lex  Saxonum  §.  62.  Roziere  n.  llöff.  Formelbuch  Salo- 
mos  von  Constanz  n.  16.  Dümmler ,  S.  97ff.  Rive,  Vormundschaft  I. 
p.  166 ff.  (im  nordischen  Rechte.)  Pauli,'  Abhh.  1. c. I. p.  107  (1286)  (1304) 
U.  p.  203  (13.57)  m.  p.  182a.  (1.349.)  Fidicin,  Beiträge  I.  71  (1398), 
215.  216.  219  a.  (1397),  220  (1400) ,  222  (1401) ,  223  (1402)  u.  v.  a.  4)  cf. 
u.  a.  cp.  1  —  2.  Extrav.  comm.  III.  5  d.  emt.  et  vcnd.  „quaedam  coti- 
siietudo  rationahilis  obfiervata,  praeficripta  ac  moribus  utentium  appro- 
hata  . ..  introducta  ftiisset.  Pro  quibus  princeps ,  haro  . . .  j^ersonae  eccle- 
siasiicae  mit  saeculari  colleffio  . . .  sit})er  bonin  suis ,  dominiis ,  oppidis^ 
Urris ,  rufris ,  praediis ,  doMibus  et  hercditatibus  rendere  consuevit  et  ven- 
didit  nnnuos  census.  . ."  „bonis  in  ipso  contractu  tunc  expressis  jiro 
vJAsn/s  census  amiui  exsolutione  in perpetuuw  obligatis."  „.. .  etiam 

IG* 


244  V.  3.  Rontoiilcauf.   b.  Umbildung  des  Eentenkaufes. 

wichtigen  Umformung  des  Institutes  zeigen  die  Urkunden,  in 
denen  die  Rente  selbst  noch  mit  dem  einzelnen  Grundstücke 
verbunden  wird ,  dagegen  für  den  Fall  der  Zahlungssäumniss 
der  Käufer  sich  —  und  zwar  sogleich  nach  der  Urkunde  des 
Renteukaufes  selbst  —  sofort,  oder  falls  das  einzelne  belastete 
Grmidstück  nicht  ausreicht,  an  die  übrigen  Güter  des  Ver- 
käufers soll  halten  können.')  Im  Magdeburg.  Bresl. 
systemat.  Seh  offen  recht  bestehen  neben  einander  die 
Rente  von  einer  unlieweglichen  Sache  mit  der  Gestattung,  bei 
Xichtbefriediguug  aus  dieser  sich  an  das  sämmtliche  andere 
Vermögen  des  Verkäufers  zu  halten ,  ^)  dann  diejenige  von 
einer  unbeweglichen  Sache  und  dem  ganzen  Vermögen  von 
vorn  herein ,  indem  zugleich  eine  Rente  von  einer  der  unbe- 
weglichen Sache  eingemauerten  beweglichen  Sache  (eine  brew- 
pfanne)  entrichtet  wird,  ^)  endlich  von  einem  Grundstück  nebst 
„alle  syn  gut,"  mid  daneben  von  einer  rein  beweglichen  Sache 


ipsis possessionibus  etbonis  ohligaiis  xjenitus  interemtis  seu  destru- 
ciis."  u.  a.  mehreren  andern  Stellen.  (Die  früher  bei  Kraut,  Grundriss 
§.  130.  n.  53  aus  Urstisius  zitirte  Stelle  „suh  omnium  bonorum 
suorum  Jiypotheca  bezieht  sich  wol  auf  römisches  Recht.  Ki-aut  hat 
sie  deshalb  in  der  4.  Aufl.  fortgelassen.)  Nach  den  Worten  des  Eingangs 
von  cap.  1. 1.  c.  gilt  dies  bis  jenseits  1320  zurück.  Lud  ewig,  reliq.  Mss. 
V.  160.  1351.  —  Seibertz,  Westphäl.  Urk.  B.  II.  [n.  721:  „tmam  m. 
solvendam  singulis  annis  ex  tmiversis  bonis  nostris."  Vielleicht 
bildet  die  Urk.  bei  Pau  li  Abhh.  III.  S.  397:  annuatim  LX  m.  redditus 
in  domo  ..  et  in  omnibus  bodis  ad  eam  pertinentibus.."  den  Ueber- 
gang  zu  jener  Abart  des  Eentenkaufes. 

1)  So  heisst  es  1334  schon  in  Monum.  Boic.  18,  134.  (Kraut,  1.  c. 
§.  130.  n.l5  ,, —  aus  dem  egenanteu  hauz."  Dann  bei  der  Zahlungssäum- 
niss :  „  —  hat  vollen  gewalt  unz  ze  nöten  an  alz  recht  mitzusperren  mit 
pfantmig  auzzer  hauzz  vnd  darinnen  —  "  ib.  n.  16.  (1439):  „ —  auff  aller 
vnser  hab  vnd  gutem  ligentem  vndvarentem, — "  bei  Hess.  (Sitzungs- 
bericht der  k.  k.  Akad.  der  Wissensch.  1853.  XI.  763  if.  n.  1:  „ —  auf 
■VTis  vnd  auf  allem  vusern  gut  daz  wir  haben  in  dem  lande  zeOesterreich." 
1380  bestimmt  sogar  das  Pr ag er  Stadtrecht  art.  133:  „pro  residiw  ad 
omnia  alia  ipsius  bona  est  facienda  justieia ,  si  habet;  si  vero  non  habet, 
tunc  in  corpore  detineatwr."  Hier  besonders  scheint  das  Pfandrecht  auf 
die  derartige  Umwandlung  des  Rentenkaufes  eingewirkt  zu  haben.  2)  IN'. 
2.  c.  77.  c.  78.        3)  ib.  c.  78, 


V.  3.  Kentenkauf.  b.  Umbildung  des  Eentenkaufes.  245 

(eine  brewpfanne) ,  die  mit  den  unbeweglichen  nicht  verbunden 
ist.  ^)  Die  Schöffen  erkennen  in  den  2  letzten  Fällen  die  Rente 
auf  der  beweglichen  Sache  durchaus  an,  und  lassen  sie  neben 
der  Rente  aus  dem  ganzen  Vermögen  oder  der  die  bewegliche 
Sache  enthaltenden  unbeweglichen  durchaus  zur  Geltung  und 
Befriedigung  gelangen ,  wobei,  me  im  Pfandrechte,  die  spe- 
zielle Rente  der  generellen  vorgeht.  Dieselbe  Form  begegnet 
auch  im  Leibrentenvertrage.  ^) 

Hierdurch  änderte  sich  entsprechend  den  bisherigen  Ent- 
wicklungsstufen nun  mit  Entschiedenheit  die  rechtliche  Natur 
des  Rentenkaufes  von  Grund  aus,  er  war  nicht  mehr  eine 
Reallast,  die  Rente  durchaus  nicht  mehr  mit  dem  Grunde 
und  Boden  verknüpft ,  sondern  eine  rein  persönliche  Verpflich- 
tung. Hier  fand  natürlich  keine  Auflassung  eines  bestimmten 
Grundstücks,  hier  auch  nach  der  Zustimmung  derer,  welche 
die  Gewere  an  dem  bestimmten  Grundstücke  neben  der  Gewere 
an  der  Rente  dem  Rentenkaufe  zutheilen,  keine  Gewere  am 
Grundstücke  statt.  Damit  war  denn  auch  die  Pfändung  des 
bestimmten  Grundstücks  und  das  Distraktsrecht  ebenfalls  ver- 
ändert, wie  die  oben  zitirten  Urkunden  klar  betonen.  Man 
hatte  bereits  ein  völlig  anderes ,  seiner  Beziehung  zum  Boden 
ganz  entkleidetes  Rechtsinstitut  vor  sich ,  welches  nur  noch  im 
uneigentlichen  Sinne  den  Namen  Rentenkauf  führte  und  eben 
deshalb  und  weil  der  eigentliche  Rentenkauf  daneben  mi  aus- 
gedehntesten Gebrauche  sich  erhielt,  nicht  als  eine  der  grossen 
allgemein  eintretenden  Umwandlungsstufen  des  Institutes  zum 


1)  ib.  c.  79.  2)  z.  B.  E  r  c  s  1  a  u  e  r  S  t a  d  t  b  ü  c  h  e  r  (Brcsl.  städt. 
Arch.  lib.  excessuum.  (1409)  p.  16.  Eine  Mutter  überlässt  ihren  Söhnen 
die  Gerade  für  30  nirk.  „dovor  solden  sie  ir  geben  III  mrk.  czinses  zu  ire 
libetagen  und  noch  irem  tode  solden  dieselben  III  nirk.  czins  konien  an 
ire  drej'  töchter  . . .  die  solden  sie  also  lange  heben  ,  bis  in  ire  bruder  die 
weder  abegelosen  unib  XXX  mrk.  gr.  —  Analoga  sind  im  Danziger 
Archive  nicht  selten.  —  Nicht  anders  verhält  sichs ,  wenn  bei  Eenteii- 
verträgen  der  Städte,  der  Landesherren  lediglich  zur  Autrechthaltung 
der  äusseren  Form  des  Rentenkaufes  die  Rente  auf  das  Rathhaus ,  auf  die 
untergebenen  Städte .  Dörfer ,  Fluren  u.  s.  w.  gelegt  wird.  cf.  u.  V.  3.  d. 
—  Lacomblet,  U.  B.  III.  n.  4(j4  (13«4.) 


246  V.  3.  Rcnteakauf.  b.  Umbildung  dee  Rentenkaufes. 

Darlehn  angesehii  werden  darf.  Vielmehr  deutet  diese  frühe 
Neljonart  des  Eentenkaufs  nur  eine  hin  und  wieder  begegnende 
Abart  dessell)en  an,  welche  indess  um  so  wichtiger  erscheint, 
als  sie  bereits  grell  den  sofortigen  Schritt  zum  zinsbaren  Dar- 
lehn beleuchtet,  und  -  Avie  sie  selbst  vielleicht  von  der  umge- 
bildeten Grundleilie  (cf.  oben  V.  o.  a.) ,  mehr  aber  von  dem 
immer  häufiger  begegnenden  zinsbaren  Darlehn  gezeitigt ,  von 
der  steigenden  Macht  und  Verbreitung  des  mobilen  Kapitales 
gezeugt  und  geboren  ward  — ,  so  trug  sie  wesentlich  zur 
schliesslichen  Umformung  des  Rentenkaufs  in  das  zinsbare 
Darlehn  bei.  Lediglich  als  Zinsen,  d.  h.  als  Ver- 
gütung der  Nutzung  fremden  Kapitales  zahlte 
m  a  n  n  u  n  m  ehr  Renten,  schon  unter  völliger  Uebergehung 
der  unbeweglichen  oder  boAveglichen ,  fruchttragenden  oder 
unfruchtbaren  Sache ,  welche  mit  der  Rente  belastet  worden. 
Die  Haftung  des  ganzen  Vermögens  bedurfte  keines  Vermer- 
kes in  dem  Vertrage.  Damit  näherte  sich  offenkundig  und  in 
Riesenschritten  der  Rentenkauf  dem  zinsbaren  Darlehn;  dem 
Wortlaute  der  Urkunden  nach  ist  er  von  jetzt  ab  nicht  mehr 
von  dem  letzteren  zu  unterscheiden.^)  Wächter  im  Handbuch 
des  würtemb.  Rechts,  führt  dies  als  Grund  an,  weshalb  dieRäthe 
die  Conventionalzinsen  beim  Darlehn   billigten.  ^)     Lediglich 


1)  cf.  von  Meiern,  1.  c.  \>.  77.  (1318.)  n.  29  (1410)  u.  A.  —  Statt. 
Sammlung  aus  Franldurt.  Senckenberg  1.  c.  Luther,  grosser  Sermon 
von  Wucher  (p.  114.  cf.  VII.  2.  u.)  2)  Böhmer,  cod.  diplom.  Francof. 
erwähnt  einen  solchen  Fall  bereits  von  1313  (p.  403.) 

„vendidimus  et  vendimus  —  discreiis  viris  j»o  pi'ecio  102  mrc.  Colon. 

denar.  irüms.  hallen,  pro  quolihet  denario  computatis  quavüibet  nurr- 

cam  subscrijdorum  pro  17  mrlc.  denar.  col.  computundis ,  qnas  102  mrc. 

in   pecunia    numerata  plene    assignatas    et    traditas  reeognoseimus 

recepisse." 
cf.  ib.  p.  121.  u.  V.  A.  Danz.  Schöppenb.  v.  1556.  fol.  58^  „eine  hant- 
schriffth  ludende  vp  drehunderth  mrc.  so  Mertenn  schrifer  bekenueth  van 
eise  rastauem  entfaugen  tho  hebben  yerliken  thu  vorthinsenn," 
(weiter  Nichts!)  ib.  GS''  ,,. .  vnde  hefft  vorlautbartli  dath  he  vormals  An- 
dres Brun  hunderth  mrk.  gedaenn,  welcke  hc  Jerlic  mith  szesmrk. 
verthinsenn  szolde"  —  ib.  15.57.  fol.  168:  ,,den  rosth  afer  also  twe- 
hunderth  guldenn  szall  he  der  gedochten  siner  fruenn  moder  alle  yare 
yerlikenn  verthinsenn  von  hunderthenn  sefen  gülden."  ib.  1558. 


V.  3.  Rentenkauf.   h.  Umbildung  des  Rentenkaufes.  247 

der  Ausdruck  czins  und  die  vorläufig  noch  allein  dem  Schuld- 
ner zustehende  Kündigung-  der  Rente  lassen  einen  Unterschied 
zwischen  dem  lientenkaufe  und  dem  zinsbaren  Darlehn  erken- 
nen. Statt  des  rcemere  als  Hinweis  auf  den  Rentenkauf  tritt 
dann  das  neutrale  „rchahere  velle"  auf;  ^)  statt  des  Kaufprei- 
ses der  Hauptstuhl.  Der  „czms"  aber  hat  gerade  wegen  sei- 
ner schliesslich  völligen  Gleichheit  mit  den  heutigen  Kapital- 
Zinsen  den  letzteren  seinen  Namen  verliehen  (cf.  V.  3.  d.). 

Die  K  ü  n  d  i  g  u  n  g  s  b  e  f  u  g  n  i  s  s  des  Gläubigers  und  Ren- 
tenkäufers, zuerst  vielleicht  überall  nur  im  Falle  der  Zah- 
lungssäumniss  des  Verkäufers  zulässig,  ^)  konnte  schliesslich 
ebenfalls  nicht  mehr  abgewehrt  werden.  Schritt  um  Schritt 
verlor  das  Institut  von  seiner  alten  Natur.  Früher  galten  alle 
einzelnen  Renten  als  Mobilien,  nur  die  fortdauernde  Renten- 
berechtigung als  solche  gehörte  zu  den  Immobilien.  ^)  Dann 
liess  man  die  vom  Verkäufer  nicht  lösbaren  Renten  als.Immo- 
bilien,  die  von  ilim  lösbaren  als  Mobilien  gelten.^)  Jetzt 
musste  man  sich  noch  eine  Stufe  weiter  bequemen ;  man  sah 
selbst  die  vom  Verkäufer  lösbaren  Renten  als  Immobilien  und 
nur  die  von  beiden  Theilen  lösbaren  Renten  als  Mobilien  an.  ^) 
Die  Ewiggülten  verwandelten  sich  in  Renten  für  die  Dauer 
bestimmter  Geschlechter,  des  Einzellebens  oder  einer  abge- 
messenen Zeit,  je  nachdem  dies  im  Vertrage  selbst  festgestellt 
war  oder  durch  die  Kündigung  des  Käufers  bewirkt  wurde. 

Einzelne  Partikulargesetze  erkannten  die  Kündigungs- 
befugniss  des  Rentenkäufers  direkt  oder  indirekt  an ,  z.  B.  der 


fol.  476^,  482,  von  1567.  fol.  4.  ib.  fol.  149:  „Ich  ..  bekenne,  daz  ich 
dem  . .  schuldigk  bin  rechttferttiger  schuldtt  zweihundert  nirk.  ...  wel- 
che He.  ni.  ich  bei  mir  behalte  zu  vorczinsen  alle  Jhar  mitt 
sechs  m.  vonn  diesen  dato  ahn  vber  ein  Jhar  vnnd  so  vordtanu  bisz  ich 
vormagk  den  haujittstuel  abzulegenn  vnnd  so  ich  Ilir  den  liaui»tstuel  wil 
ablegenn  vnd  nicht  lenger  vorzinnsen  wil,  so  soll  ich  In  das  ein  halb 
Jhar  zuvor  ansagenn"  u.  v.  A. 

1)  v.  Meiern,  1.  c.  n.  19.  p.  78.  1362.  2)  So  in  Frankreich. 
Wamkönig  1.  c.  II.  585 if.  3)  Wächter,  Würtenib.  P.  R.  I.  1.  S.  203. 
4)cf.  Culra.  R.  IV.  99.  107.  System.  Schöffenr.  IV.  2.  c.  57.  65. 
5)  Bluntschli,  Züricher  Rechtsgcsch.  I.  S.  416  (abgedr.  bei  Kraut, 
Gi-uudr.  §.  130.  n.  43.). 


248  V.  3.  Roiitoiil<;uil".    I>.  Umbikluiii;-  divs  Kentcnkaufcs. 

Züriili  er  Kath  1419:')  „wo  aber  jeman  —  im  seihon  vor- 
beliept  vinb  sin  houptguot  vnd  den  widerkouf  ze  manen  vnd 
man  im  daz  gebunden  weri  ze  geben  ob  er  wölt;"  später  die 
sogleich  zu  erwähnenden  Statuten  in  Bremen  und  Dan  zig. 
Aus  Sorgniss  freilicli  vor  der  dann  scheinbar  sehr  prekären 
Lage  des  Grundbesitzers,  welcher  das  Kapital  kaum  je  Utissig 
hatte,  noch  sofort  geliehen  erhielt,  um  es  dem  Gläubiger  abzu- 
zahlen, ferner  aus  Furcht,  dass  sie  sich  und  die  Contrahehten 
alsdann  dem  Wucherverbote  der  Kirche  aussetzten ,  ^)  moch- 
ten andere  Partikulargesetzgeber  eme  Weile  zögern,  dem 
Gläubiger  solche  Befugnisse  einzuräumen,-'')  die  er  thatsäch- 
lich  bereits  im  Verkehre  längst  nicht  mehr  entbehren  konnte. 
Und  wenn  man  in  Orten  entwickelteren  Verkehres,  wie  oben 
gezeigt  ward ,  mit  dieser  gesetzlichen  Erlaubniss  eifriger  vor- 
anging, so  z.  B.  in  Bremen  1580,^)  in  Danzig  (Willk.  von 
1580  n.  cp.  7.  fol.  85,  ausgeführt  in  derselben  Willkür  von 
1590.  IL  2),  ^)  so  umgrenzte  man  doch  auch  hier  die  Erlaub- 
niss mit  etlichen  Schutzmitteln  für  den  Kentenverkäufer  und 
gegen  den  Wuchergewinn.  Dort  freilich,  wo  man  dem  Gläu- 
biger lediglich  eine  Kündigungsfrist  vorschrieb ,  erkannte  man 
ihm  damit  natürlich  stillschweigend  bereits  die  Kündigungs- 
befugniss  allgemein  zu.  Die  bezeichnete  Stelle  der  D  a  n  z  i  g  e  r 
Willkür  lautet: 

„Wer  sein  Hauptgeld  von  eines  andern  Erbe  abfordern 

will,  der  soll  dem  Schuldner  solches  durch  zween  ehrliclie 

■zeugbare  bürger  binnen  vierwochen  nach  dem  rechten  zinsz- 

tage  aufsagen  und  folgig  bei  gerichte  einzeugen  lassen ,  ^) 

1)  Bluntschli,  Züricher  Rcchtsgcsch.  I.  416  cf.  auch  Kraut,  1.  c. 
n.  43.  2)  So  erklärt  Chr.  Kupp  euer  als  Eepräseutaut  der  Kanoui- 
sten  gerade  diese  Art  des  Renteiikaut'es  als  avu  eher  lieh,  während  er 
das  Institut  sonst  durchaus  billigt,  cf.  Beilage  E.  n.  4.  3)  cf.  Pur- 
goldt,  Rechtsb.  III.  c.  92.  4)  cf.  Mevius,  wucherliche  Contrakte  I.e. 
5)  X.  3.  u.  4  der  Danz.  Arch.  bibl.  6)  Uebereinstinirnend  hiermit  scheint 
das  Verfahren  bei  der  Mahnung  der  so  oft  rückständigen  Eenten  und  den 
Folgen  dieser  Mahnung  Hinsichts  des  verpflichteten  Grundstücks  gewesen 
zu  sein.  Die  alte  Danziger  Willkür  bestimmte  hieriiber  Nichts ,  wie  die 
Bornbachschen  Rezesse  u.  X.  1.  fol.  in  d.  Danz.  Arch.  bibl.  lehren. 
Nur  Hinsichts  der  Mahnung  verlangt  die  Willkür  i'ol.  Xll": 


V.  3.  Rentenkauf.   b.  Uinl)iltlung'  des  Rentenkaufes.  249 

und  also  dann  soll  der  Debitor  ein  halb  Jar ,  von  dem  Zins- 
tage an  7Ai  reclinon  frist  liabcn  zai  ablogung  des  geldes. 
Wofern  er  dann  nach  Verlauf  des  lialben  Jars  niclit  erlegte, 
so  soll  der  Strowisch  aussgestrecket  und  dem  Debitoren  der 
auss-  und  eingang  zu  dem  ende  verpoten  werden,  damitt 
er  sich  darnach  zu  lichten  habe,  dass  er  nach  aussgang 
dieses  folgenden  halben  Jahres  das  erb  ohne  alle  mittel 
räumen  solle.  Und  also  soll  der  Strowisch  das  folgende 
halbe  Jar  aufstecken  bleiben ,  ob  sich  ein  kauffmann  darzu 
finden  wolle.  Wenn  er  nun  einen  kauffinann  liatt,  so  nimpt 
er  aus  der  bezalung  sein  gelt ,  so  vil  yhm  gepüre.-  Ist  was 
übriges,  das  soll  dem  Debitoren  zugekoren  werden,  vnd 
yhm  gleichwol  der  einsprucli  ])innen  Jar  vnd  tag  frey  sein. 
Würde  sich  aber  niemant  finden,  der  das  erbe  zu  kauflfen 
lust  hette,  so  soll  alsdann  nach  verlauff  des  halben  Jares 


„  der  mag  denselben  czj'nsz  ...mit  czween  gesessennen  borgern 
manen.  \yide  wcmie  das  vor  Gerichte  beczuget  vnde  vorrich- 
tet (X.  2.  ib.  Willkür  von  1470:  woer  gemachet)  wirt,  so  sal  em  der 
Richter  Rechtes  helffen  pfandes  adir  pfenninge." 
Die  Vorschrift  -wird  streng  befolgt,  wie  viele  Stellen  in  den  Danziger 
Schöppenbüchern  lehren,  u.  A.  v.  1502: 
„  A  (Gläubiger)  lieft  gestanden  vor  gchegetem  dinge  vude  heft  befuget 
mit  twen  beseten  bürgeren  szo  als  eyn  recht  ist  dat  he  synen  tynsz  als 
XLII  mrk.  geringe  vp  Jörgen  Roden  erve  gelegen  yn  der  breden  gassen 
gemanet  heft  vp  synen  rechten  dach  als  vp  . . .  vnde  ehm  isz  gedelet 
de  richter  zall  ehm  helpen  wat  recht  isz." 
Die  Ausübung  dos  Distraktrechts  aber  ^eigt  sich  an  verscliiedenen  Ge- 
stalten.  Im  Schöffenbuch  von  1527.  fol.  225.  soll  es  öffentlich  verkauft 
werden;  1528.  fol.  526.  heisst  es: 

„ . . .  erve  gelegen  vpm  dämme  is  averanthwerth  by  nagel  vnde  ringhe 
vor  zinen  vorsetten  tins  vnde  hovctstul  als  drehundert  niarc  hovetstul 
vnd  XXV  mrk.  Jacob  schmit  in  macht  (Bcvollmiichtigter)  her  Ebert 
ferbers  cme  ys  vpgedragcn  tzve  na  dem  ersten,  em  is  ge- 
delt  he  zal  es  holden  jar  vnde  dach  vnde  bcgan  dar  erves 
recht  m  ede." 
ib.  fol.  590  fehlt  der  letzte  Zusatz  mit  der  Zeitbestimnmng. 

Diese  Verschicdenlieiten  scheinen  sich  dann  in  dem  obigen  Artikel 
aufzulösen.  Dieser  Artikel  setzt,  wie  sein  Wortlaut  zeigt,  ebenfalls  die 
Zalilungssäuumiss  der  Rente ,  dann  des  Kapitales  voraus. 


250  V.  3.  Roiitonliauf.   b.  Umbildung  des  Rentenkaufcs. 

dem  Cveditoreu  frey  sein  das  Erb  an  sich  zu  nehmen ;   ent- 
weder wie   er   sich  mit  dem  Schuldner  dorumb   vertragen 
kami,  oder  auch  ohn  des  Schukliiers  consens,  so  hoch,  als 
sein  hauptgeldt  und  versessene  Zinsen  aulauffen,  vnd  solches 
soll   liey    gericht   verschrieben   werden,   wie   hoch   er   das 
erbe  annimmt,   vnd   die   erlanguug   darauff  erfolgen,   mit 
dem  bescheit,   das   von   der   zeit  an  dem  Debitoren  vnd 
seinen  nechsteu  Erben   vnd  verwandten ,  i)   Avie   auch  den 
Creditoren  so  in  die  Verpesserung  zu  treten  bedache,   Jar 
und  tag  zum  ein  Pfund  (sam  —  d.h.  wie  —  ein  Pfand?)  frey 
und  fürbehalten  seyn  soll.  Aber  von  der  Aufsage  an  soll  der 
Hauptstuell  dasselbe  Jar,  weil  der  Prozess  wehret,  gleichwoll 
verzinset  werden."  ibid.  IL  2.  a.  23. 
Die  Keichsgesetze  zwar,  wie  sie  immer  eine  Strecke  hinter 
der  Verkehrsentwicklung  zurückstehen,  untersagten  ausdrücklich 
die  Kündigung  durch  den  Käufer  der  Rente  noch  in  der  K. P.O. 
von  1577.  ti.  17.  §.  9  und  Hessen  dieselbe  erst  in  R.  D.-A.  von 
1600,  doch  auch  hier  nur  dann  zu,  wann  die  Parteien  hierüber 
bereits  für  den  Fall  der  Säumniss  in  der  Rentenzahlung  über- 
eingekommen waren  (D.  A.  1600.  §.  35.). 

Die  Parteien  aber  beweisen  durch  die  grosse  Zahl  der  Renten- 
käufe seit  dem  14.  Jahrhundert,  in  welchen  dem  Gläubiger  die 
Kündigung  anheimgegeben  wird ,  wie  viel  früher  berei^ts  ihnen 
die  Einräumung  dieser  Kündigung  erforderlich  erschien.  Das 
Yerhältniss  hatte  sich  allgemacli  so  umgestaltet,  dass,  wo  dem 
Schuldner  einmal  allein  die  Kündigung  gestattet  ward,  dies  „  ex 
speciali  gratia"  geschah;  ^)  ganz  so,  wie  früher,  ^)  und  in  Süd- 
westdeutschland noch  im  Anfange  des  15.  Jahrhunderts,  öfter 
als  besondere  Gunst  des  Käufers  dem  Verkäufer  die  Ablösung 


1)  Analog  dem  lübischen  Rechte.  Pauli,  Abhli.  I.  S.  122  (1318) 
„et  fuerunt  (domus)  per  ipsum  T.  (Käufer)  exhibite  coram  consulibus 
amicis  uxoris  dicti  N.  (Verkäufer) ,  nee  erat  aliquis  nomine  ipsius  nee 
nomine  N.  sui  mariti,  qui  de  ips/'s  domilms  se  vellet  intromiitere ,  propter 
quod  cotisilniiii  mandavit  eas  ipsi  T.  ascribi."  2)  cf.  v.  Meiern,  1.  c. 
p.  78  n.  19.  1362.  1396.  1404,  p.  81  ff.  1396.  1458.  1536.  1543  u.  a.  — 
3)  z.  B.  Auer,  Münchener  Gerichtsbuch  von  1391.  f'ol.  44:  „di  bisunder 
friuntschaft  getan." 


V.  3.  Renteiikauf.  c.  Höhe  der  Renten  insbesondere.  251 

(Wiederkauf)  gestattet  wurde,  hier  gegenüber  der  Unablös- 
barkeit ,  dort  u^eiTt^iiüber  der  beiderseitigen  Kündigung.  ^)  In 
einigen  Schuldurkunden  der  Stadt  Mölbi ,  woher  mehrere  der 
eben  zitirten  Urkunden  entnommen  smd,  heisst  es  beim  Ren- 
tenkaufe nur  „  gelenet,  verreiiten , ''  die  Bedingungen  des  Rück- 
kaufes, der  Kündigmig  werden  darm  bereits  als  allgemein 
vorausgesetzt  und  bekannt,  ganz  übergangen,  so  dass  der 
Gläubiger  darauf  olme  vorhergegangene  Vereinbarung  sein 
Kündigungsrecht  übt.  Dabei  handelt  es  sich  in  ilmen  um 
3000  m.  (1543)  und  1000  m.  (1581)  Darlehen,  welche  Möllner 
Bürger  den  Hamburger  Consuln  geben.  Aehnliche  Beispiele, 
in  denen  man  zugleich  die  spätere  Geltendmachung  des  Kün- 
digungsrechtes durch  den  Gläubiger  ohne  Vereinbarung,  ohne 
Zahlungssäumniss  verfolgen  kann,  bietet  das  Danziger  Archiv 
aus  dem  16.  Jahrhundert  m  genügender  Zahl. 

Nicht  minder  nähert  sich  hierbei  der  Rentenkauf  dem 
zinsbaren  Darlehn  dann ,  wann  er  nur  auf  eine  bestimmte  Zeit 
geschlossen  ward,  wie  das  im  16.  Jahrhundert  wiederholt  vor- 
kam. Hier  kündigte  dann  nach  Ablauf  der  vereinbarten  Zeit 
der  Gläubiger,  oder  schon  der  Tag  mahnte  für  ihn  (cf.  oben 
IV.  2  b.)  2) 

c.   Die  Höhe  der  Renten  insbesondere. 

Die  Höhe  der  Renten,  zunächst  selten  durch  Gesetze 
bestimmt,  fand  in  den  verschiedenen  Umständen,  welche  bei 


1)  Extrav.  Conim.  III.  5.  C]).  1  (1420):  „semjyer  ..  data  fuit  facul- 
tas atque  gratia ,  quod  .."  (cf.  ob.)  Papst  Martin  V.  freilich  weiss,  viel- 
leiclit  von  den  Geistlichen  in  dieser  Hinsicht  absichtlich ,  zur  Verber- 
gung  des  Wuchercharakters  Lin  Rentenkaufe ,  unvollkommen  unterrichtet, 
hierüber  Nichts;  denn  er  sagt  und  zwar  für  die  Zeit  von  1300 — 1420 
(Extrav.  Co  mm.  1.  c.  cp.  1):  „...sed  ad  hoc  hnjusmodi  census  vcndi- 
tores  inviti  nequaquam  per  emtores  arctari  iiel  adstringi 
valebant,  etium  ipsis  bonis  obligatis et posHcssionihus penitus  interemtis 
seu  destruetis."  Desgl.  cp.  2.  ib. :  „sed  iidem  erneutes  . . .  j)ectmiam  ipsam 
etiam  apendo  repetere  non  valerent."  2)  cf.  Meiern.  I.e.  n.  30(1410)  „ex 
siieciali gratia  et  favore."  n.  39  (14(j2)  ebenso  Danz.  Schöppenb.  1575. 
fol.  l'o''  u.  V.  A.  Pauli,  lüb.  Znstand  1428  (1.  c.)  „J.  Cruntze  rccngnorit 
. . .  se  et  suos  hevedes  tcncri  llairico  . . .  in  XXX  mrc.  den.  Lub.  (Ren- 


252  V.  3.  E€ntonl<auf.  c.  Hölio  (l(>r  KiMiton  insbesondere. 

vorgesclirittener  Eutwicklung  ül)erall  dieselbe  mehr  oder  weni- 
ger bestäiKlig  sich  gestalten  lassen,  auch  hier  die  luiturge- 
niässe  und  billige  Norm.  Demgemäss  musste  sie  sich  antang- 
licli  (im  13.  Jahrhundert)  möglichst  hoch  herausstellen.  Hierzu 
wirkte  in  jener  Zeit  nicht  sowol  das  Verlangen  der  Kenten- 
käufer,  in  der  liente  einen  wirklichen  Ersatz  des  unautlünd- 
baren  Kapitales  zu  erhalten  (dieser  Grund  waltete  früher  ob, 
hier  endete  ja  sehr  bald,  wie  gezeigt,  die  Zeit  der  Unaufldind- 
barkeit) ,  noch  die  leichte  gewinnreichere  Anlage  der  Kapita- 
lien üi  GeAverbe  und  Handel  (dieses  Moment  tritt  erst  später 
allgemein  ein ,  nur  vereinzelt  früher  in  den  grossen  Handels- 
plätzen), als  vielmehr  der  erschwerte  Verkehr  mit  Kenten,  die 
unausgebildete  Einrichtung  und  Handhabung  der  Grundbücher, 
der  schleppende  Gang  -  des  Prozesses ,  dann  auch  der  geringe 
Vorrath  barer  Geldkapitalien,  der  fast  gar  nicht  ausgebildete 
Umlauf  dieser  wenigen  Beträge  selbst  nur  zwischen  den  nächsten 
Orten ,  zumal  bei  dem  Mangel  und  der  Unsicherheit  der  Com- 
munikationswege ,  der  rechtlichen  Unsicherheit,  dem  allmäh- 
lich erst  heranreifenden  Gebrauche  der  Wechsel  und  Wechsel- 
banken dem  Ueberflusse  an  Münzstätten  und  -gebieten,  der 
Unkenntniss  der  Versicherungen,  der  Zeitungen,  Curszettel 
u.  s.  w.  u.  s.  w.  ^)  Zu  diesen  Momenten ,  welche  den  ßenten- 
fuss  allgemem  erhöhten,  kommen  dann  alle  die  im  einzelnen 
Falle  (selbst  in  Zeiten  ausgebildeten  Kapitalverkehres)  wirken- 
den Gründe,  welche  dasselbe  Kesultat  hervorriefen,  mindestens 
eine  Fülle  von  überraschenden  Schwankungen  in  der  steigen- 
den oder  fallenden  Reihe  des  Eentenfusses  bis  weit  in  die  neue 
Zeit  hinein  erzeugten ,  so  augenblickliche  Noth  oder  Ueber- 
fluss,  persönliche  Beziehungen  zwischen  den  Parteien,  der 
Zustand  des  mit  der  Rente  belegten  Grundstücks ,  elementare 
Avirthschaftliche  Störungen  in  demselben  oder  in  dem  ganzen 
Orte  und  tausend  andere. 


tenveri)flichtung)    quum  pars  x>arti  per   medium  annum   ante 
preclixerit,  expedite persolvendas ..." 

1)  cf.  Neu  mann,  Gescliiclite  des  Wechsels  im  Hansagebiete  jx  2  ff'. 
84  ff.  122  ff. 


Y.  3.  Eenteiikaiif.    r.  Hölie  der  Konten  insbesondere.  253 

Elie  nicht  die  Verhältnisse  jedes  einzelnen  der  hierlier 
einschlagenden  Fälle  genau  festgestellt  worden ,  lässt  sich  kein 
sicherer  Schlnss  über  sein  Verhältniss  zu  dem  gleichmässigen 
Verlaufe  des  Ilentenfusses  zielten.  Wer  aber  sollte  sich  geniüs- 
sigt  fühlen ,  diese  weit  über  Chronistensorgfalt  hinausgehen- 
den Spezialforschungen  anzustellen,  selbst  wenn  sie  überhaupt 
durchgeführt  werden  konnten. 

Um  alle  die  einzelnen  Abweichungen  von  der  sonst  gleich- 
mässigen Entwicklungsreilie  des  Rentenfusses  zu  erklären, 
um  so  zu  erhärten ,  in  wie  weit  ihnen  die  bekannten ,  allge- 
meinen wh'thschaftlichen  Gesetze  zu  Grunde  liegen,  oder  in 
wie  weit  sich  aus  der  Zahl  der  übereinstimmenden  speziellen 
Erscheiimngen  ein  neues  allgemeines  Gesetz  aufstellen  Hesse, 
wäre  diese  Spezialforschung  erheblich.  Allem  sollte  nicht  die 
uns  klar  vorliegende  Gegenwart  in  tausend  Fällen,  die  hier- 
her gehören,  so  bestimmt  jene  Fragen  beantworten,  jene  Ge- 
setze finden  lassen ,  dass  sie  auch  als  auf  die  Volkswirthschaft 
des  Mittelalters  passend  angenommen  werden  könnten?  Dies 
um  so  eher ,  weil  im  Ganzen  und  Grossen  uns  das  periodische, 
doch  allgemein  unbedeutende  Auf-,  und  dabei  beständige 
Niedersteigen  des  Kentenfusses  bereits  durch  die  bisherigen 
Urkundenforschungen  in  den  verschiedensten  Gebieten  Deutsch- 
lands unumstösslich  vor  Augen  liegt,  und  zwar  darin  recht 
unumstösslich,  dass  die  Angaben  selbst  aus  verschieden  grossen, 
verschieden  kultivirten  Orten  und  Ländern  für  dieselbe  Zeit 
fast  durchweg  die  nämlichen  Resultate  ergeben.  Nach  den 
von  M  0  n  e  ^)  für  die  Gegenden  des  0  b  e  r  r  h  e  i  n  s  sehr  reich 
zusammengestellten  Beispielen  zeigt  sich  dort  gemäss  dem  ent- 
wickelteren Geldumlaufe  und  reicheren  Kapitals  -  Angebote  die 
Rente  seit  dem  13.  Jahrhundert  auf  7  —  57o  durchschnittlich, 
unter  stetem  Sinken  zu  ö"/,,  hin,  ^)  von  1304  bis  1334  für 
Frankfurt  a.  M.  zwischen  6  2/3  und  ö^jg^'/,,,  für  die  Gebiete 


1)  In  der  cit.  Zeitsclir.  I.  p.  2G  ff.  2j  In  den  ("itaten  bei  Böhmer, 
Codex  Moenol'rancof.  p.  4U3  —  530.  Zuweilen  stellt  sich  der  Zinsi'uss 
auch  in  diesen  Gegenden  liöhcr,  z.  B.  Mone,  1.  c.  V.  310.  im  J.  1320: 
«','3%,  und  ib.  II.  448.:  9\i,  ",„  in  Bermersheini.  12'J4. 


254  V.  3.  Rontenlv-anf.  e.  Höhe  der  Roiiton  insbosondore. 

der  lieutii,^oii  Tfalz  ii.  s.  w.  iu  derselben  Zeit  zwischen  4Vg 
und  8V3  %,  (lurclischnittlicli  ^V->  %,  in  Speier  im  15,  Jalirh. 
auf57o.O  Fiii"  Dur  lach  stellt  sich  die  Rente  bis  in  das 
16.  Jahrhundert  hinein  auf  5%  durchschnittlich,  desgl.  für 
Heitersheini  im  Breisgau.  Doch  kommen  sogar  geringere 
Ziusfüsse  iu  kleineren  Städten  bereits  im  15.  Jahrh.  vor,  so 
inSchwarzach  bei Eastatt 4 7o •  ^)  InOesterreich  stehtder 
Rentenfuss  bis  1350  auf  12  V2  7oi^)  m  Augsburg  1382  auf 
1272,")  in  München  1390  auf  5  7^ ,  seit  1450  ebenfalls  etwa 
auf  5  7o  1  ^)  dagegen  in  Luz  ern  ")  schon  am  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts auf  5  7o-  Für  Basel,  Stadt  und  Land,  gilt  wesent- 
lich dasselbe  Resultat.  Arnold '')  giebt  eine  üebersicht  von 
Rentenkäufen  zunächst  für  die  Stadt  von  1284  bis  1580,  darin 
3  Fälle  vom  Ende  des  13.  Jahrhunderts,  51  Fälle  von  1302 
bis  1398,  127  Fälle  von  1400  bis  1498  und  23  Fälle  von  1503 
bis  1580.  Die  3  Fälle  des  13.  Jahrhunderts  zeigen  den  Ren- 
tenfuss: 5%  ,  9Vii ,  6  72-  Unter  den  51  Fällen  des  14.  Jahr- 
hunderts zeigt  einzig  1378:  117?  als  höchsten  Rentenfuss, 
10  7o  haben  1324,  1329,  1330,  1340,  1378,  1383,  1393; 
doch  nur  die  3  letzten  Fälle  derselben  bilden  den  Höhepunkt 
einer  allmählichen  Steigerung,  die  etwa  seit  1365  mit  8731  7o 
beginnt  und  sich  bis  1395  in  der  Höhe  zwischen  8^3  und 
117?  7o  erhält;  dagegen  treten  die  andern  Fälle  der  10  7o  ver- 
einzelt auf  unter  durchschnittlich  5 — 7  7o  (1357  sogar47ii  7o)' 
aus  denen  nur  wenige  Fälle  mit  8  —  9  7o  sich  auszeichnen ;  ^) 

1)  Nekrolog  des  Stiftes  zu  Neustadt  a.  d.  Hardt  fl.  116ff., 
des  Domes  zu  Speier;  lib.  contract.  Eeinli.  ep.  fi.  12  — 14.  bei 
Mon  e.  So  leiht  der  Bischof  Eeinhard  von  Speier  selbst  1438  ein  Kapital 
von  200  guld.  von  einem  Speierer  Bürger  für  10  guld.  Zins,  von  seiner 
Schwester  Anna  1200  guld.  gegen  GO  guld.  Zins,  von  der  Präsenz  zu 
Speier  2600  guld.  für  130  guld.  Zins.  Zu  Schön  au  im  Odenwalde  brin- 
gen (1289)  18  mrk. :  1  inrk.  ca.  G%  Chr.  Schoen,p.  205.  2)  cf.  die 
Citate  bei  der  Ablösung  der  Eente.  V.  3.  b.  3)  cf.  H  e  s  s ,  1.  c.  n.  3.  12. 
4)  Gassery,  ad  h.  a.  5)  Auer,  1.  c.  S.  CXXXVI.  u.  CXLV,  6)  Luzer- 
ner Stadtr.  art.  13G.  7)  Zur  Gesch.  des  Eigenthums  in  d.  deutsch.  St. 
p.  285  if. ,  245.  8)  Diese  Reihe  von  Fällen  zeigt  bereits  einen  überra- 
schend gleichmässigen  Rentenfuss ,  wenn  man  die  durch  besondere  Ver- 
hältnisse erhöhten  Renten  fortlässt.  Der  Text  bietet  hierüber  sogleich 
nähere  Aufschlüsse. 


V.  3.  Eentenkauf.   c.  IIölio  clor  Renten  insbosondcro.  255 

die  letzten  Angaben  aus  dem  14.  Jahrhundert  leiten  sclion  zu 
den  5  —6  7o  der  folgenden  Zeit  über.  Unter  den  127  Fällen 
des  15.  Jahrliunderts  fallen  nur  1402  und  1417  mit  8'/.j  und 
1450  mit  8-/3  7o  völlig  vereinzelt  auf,  dagegen  tindet  sicli 
etwa  bis  1435  wesentlich  der  Prozentsatz  von  G^s,  0^4 ,  6  und 
5  vertreten,  seitdem  dagegen  in  überwiegendster  Zahl  nur  noch 
57o,  übereinstimmend  mit  dem  Ablösungsfusse  von  5%,  den 
1441  der  dortige  Rath  festsetzte.  ^)  Derselbe  Eentenfuss  von 
5  7o  bleibt  dann  auch  im  IG.  Jahrlmndert  ununterbrochen,  seit 
1580  kennt  der  Verfasser  noch  eine  Masse  von  Kentenkäufen 
in  Basel  stets  mit  5  %.  —  Allgemeine  Ursachen  der  höheren 
Renten  sind  hier  die  Abgelegenheit  der  belasteten  Grundstücke, 
das  Zusammenfassen  mehrerer  derselben  zur  Sicherung  einer 
Rente ,  und  die  nningelnde  Sicherheit  in  solchen  Grundstücken 
überhaupt.  Die  aussergewöhuliche  Steigerung  des  Rentenfusses 
von  1365  —  93  erklärt  sich  durch  die  zahlreichen  Fehden  am 
Oberrhein ,  welche  die  Städte  nöthigten ,  ausser  der  Schmäle- 
rung des  Gewinnes  aus  Gewerbe  und  Handel  noch  hohe  Geld- 
beträge an  die  Fehule  zu  entrichten ;  damals  stiegen  die  Schul- 
den der  Stadt  um  das  Zehnfache ,  und  die  Münzen  verschlech- 
terten sich  um  das  Dreifache,  beides  innerlialb  20  —  25  Jahren. 
Dagegen  machte  das  Erdbeben  von  1356,  wie  es  scheint,  keine 
Störung  in  dem  Rentenfusse,  weil  damals  zur  Zeit  des  grössten 
Aufschwungs  in  Basel  das  Angebot  von  Geldkapitalien  der 
gesteigerten  Nachfrage  entsprach. 

Aus  der  Umgegend  Basels  giebt  Arnold  18  Fälle  von  1312 
bis  1398,  28  Fälle  von  1401  —  99,  16  Fälle  von  1503  —  1573 
mid  1  Fall  von  1618.  Unter  den  18  Fällen  des  14,  Jahrhun- 
derts überwiegt  fast  bleibend  bis  1353  der  Rentenfuss  von  10 
bis  9  7o  1  seitdem  der  von  9  —  7  7o-  l^^  15.  Jahrhundert  zeigt 
sich  bis  1428  der  Fuss  von  10  —  Q'%^%,  seitdem  stellt  er 
sich,  mit  geringer  Abweichung  um  1437,  durchaus  auf  5  % 
und  bleibt  derselbe  im  16.  und  17.  Jahrhundort.  Während  also 
anfänglich  auf  dem  Lande  der  Fuss  höher  stellt,  als  in  der 
Stadt  —  nur  städtische  Geschlechter  übertragen  ihren  städti- 


1)  Baseler  Rechtsquellen  1.  14u. 


250  V.  3.  Rontenkauf.  c.  Hölio  der  Konten  insbesondere. 

seilen  Credit  auch  auf  ihre  Läudereieii  und  kaufen  niedere 
Kenten  gUneht  er  sieli  bahl  jnit  dem  letzteren  völlig  aus. 
Die  llentenkai)italesind  in  Stadt  und  Land  nur  kleine;  hier  wie 
dort  begegnen  als  Rentenkäufer  besonders  die  Patrizier  und 
Klöster,  dann  reiche  Gewerb-  und  Kaufleute.  Die  Klöster  und 
Stifte  vor  Allem  führten  das  Geldkapital  auch  den  Ländereien 
zu,  so  in  Basel  überwiegend  das  Kloster  Klingenthal,  und  blie- 
ben hierin  noch  ihrer  ursprünglichen  Aufgabe ,  Cultur  auszu- 
breiten, getreu. 

Im  Norden  zeigt  sich  der  Zinsfuss  durchschnittlich  zu- 
nächst höher  Avegen  der  Verwendung  der  Capitalien,  wo  es 
'deren  überhaupt  in  genügender  Anzahl  gab ,  zu  gewhinreiche- 
ren,  besonders  Handels  -  Unternehmungen.  Er  schwankt  im 
13.  Jahrhundert  zwischen  12  ^2  und  5  %  7o  ^  jedoch  unter  ste- 
tem Sinken.^)  (Das  letztere  Maass  war,  wie  schon  erwähnt, 
in  L  ü  b  e  k  das  gesetzliche  für  Ablösung  des  Wortzinses  und 
der  Rente.  Stat.  v.  1240  a.  195  ff.  Pauli,  lüb.  Zust.  1.  c.  und 
so  mittelbar  auch  für  die  Rente  selbst.)  lu  %  fallen  hier 
durchschnittlich  nicht  auf.  Li  Rostock  wird,  wenn  nicht 
ein  L'rthum  untergelaufen,  nach  den  dortigen  Stadtbüchern 
1279  1  mrk.  Rente  gar  für  4  und  6  mrk.  verkauft  (25  und 
16  2/3  7o)-  ^)  Vom  14.  Jahrhundert  ab  stellt  sich  die  Rente 
etwa  auf  9  —  6  Y4  7o  ™  Durchschnitte,  16  mrk.  bilden  den 
Kaufpreis  für  1  mrk. Rente.  ^)  Durch  denReichthum  Lübecks, 
vielleicht  auch  durch  den  hier  erleichterten  Verkehr  mit  Ren- 
ten, durch  die  geeignete  Einrichtung  und  Handhabung  der 
Grundbücher,  durch  den  präzise  eingreifenden  Prozess  wird 
der  Zmsfuss  schon  seit  1370  etwa  bis  zur  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts auf  5%  herabgedrückt ,  ^)  ganz  wie  in  Süddeutsch- 

1)  InCölnl214: 10"/,,,  1215:  9i'n"o,  cf.  Enncn  undEckertz  Kölner 
Gesch.  Quellen  U.  n.  45.  49.  Desgl.  Wesphäl.  Arch.  I.  4.  22.  Glasen, 
Schremspraxis  S. 43.  führt  vom  Nieder  rhein  1280  einen  Fall  mit  10  "/o 
an ,  ebenso  ist  der  Zinsl'uss  in  Magdeburg  (Magdeburg.  Fragen. 
n.  1.  5.),  in  Gosslar  1283  (Böhmer,  Keg.  Eud.  n.  758.).  2)  Pauli, 
lüb.  Zust.  1.  c.  3)  Für  Lübeck  cf.  Pauli,  Abhh.  I.  95.  108.  IT.  24. 
(1299.  1305.  1.350.),  ebenso  in  Münster  1.302.  Niesert,  Münster. 
Urkk.  m.  8.  109.  4)  cf.  Pauli ,  1.  c.  U.  32.  125.  III.  402.  456.,  ähn- 
lich am  PJiein .  cf.  Kindlinger.  Münster.  Beitr.  III.  153. 


V.  3.  TJoiitenkaul'.   c.  Höhe  der  Rente  insbesondere.  257 

laiul.  Dagegen  bleibt  er  in  den  übrigen  Städten  Norddeutsch- 
lands  noch  in  späterer  Zeit  viel  bölier.  In  Mölln  bei  Lübeck 
ist  er  1250:  10%  diirchscliiiittlich,  bis  1450:  62/3%,  bei 
ländlichen  Grundstücken  5  7o-  In  Hamburg  gelten  1292: 
10  "/o  ,  1298  nur  7  V2  7o  ,  1300 :  6  V4  %  ,  1347 :  8  V^  %,  1497 : 
7  —  6  7o  noch ,  so  dass  man ,  bezeichnend  für  die  geringe 
Wanderung  des  Kapitales  bei  so  benachbarten  Städten,  in  jener 
Zeit  eine  Rente  zu  5  %  in  Hamburg  eine  lübische  Rente  nannte.  ^) 
In  Bardeshelm  bringen  (1460)  600  mrk.:  36  mrk.  (6  %), 
(1470)  300:  21  mrk.  (7  %),  1000  mrk.:  60  mrk.  (6  %),  (1490) 
500:  25  mrk.  (5  %).  2)  In  Bremen  zahlt  man  1345 :  8  Va  %,  ^) 
1445  in  Bremer  Handvesten :  674%-^)  Aehulich  verhielt  es 
sich  in  Hannover,  Lüneburg,  Halle.")  Darum  greift 
Martin  V.  1420  allgemein  nicht  zu  hoch,  wenn  er  in  Extrav. 
Comm.III.  5.  cp.  1.  von  der  Breslauer  Diöcese  sagt:  „...  veii- 
didit  (imiuos  census  uniiis  vel. X)luriiim  marcarum  aut 
grossontni  Pragensiwii  nummi  Polonad  et  pagamenti  con- 
sucti:  adrationcm  et x)ro  qnalihet  marca  aunui  census 
X.  XL  XIII.  XIV  marcae  flut  Xilus  vel  minus  secim- 
dum  temporis  qualitatem,  iirout  ixm  contraJientes  timc  intcr 
se  convenerant ,  ix^si  vendltori  tiinc  integraliter  in  x^ecuiiia 
numemta  solid  consHeuerant."  Mit  den  letzten  Worten  bekun- 
det der  Pabst  auf  Grund  der  Berichte  aus  Mitteldeutschland 
zugleich,  dass  Gesetze  über  den  Rentenfuss  nicht  wesent- 
lich hl  die  Regelung  desselben  durch  den  täglichen  Verkehr 
emgriffen.  Man  zahlte  1334  —  1487  in  der  Mark  noch 
6V4%.*0  In  Quedlinburg  bringen  (1218  — 20)  5  mrk.: 
5  sol.  c.  6  V4  7o  ;  (1222)  6  mrk. :  10  sol.  c.  9  %  % ;  (^  226)  9  mrk. : 


Ij  Hiimburger  Rechtsalterth.  Stadtr.  von  1292.  D.  art.  1.  11. 
a.  von  1497.  H.  a.  1.  und  Langenb.  Glosse.  Desgleichen  Hanib.  Urk. 
Buch  (Lappenberg)  nr.  79;}.  905. 92G.  Diplom.Neom.  AVestph.IJ.251. 
2)  Dipl.  Nconi.Westph. IL 437,439,451  (cit.v. Grünhagen).  3)  Oelricbs 
Samml.  bremisch.  Gesetzbücher  p.  88.  »  4)  Grupen,  de  uxore  theotisca 
p.  135.  .5)  Grn])en,  uri(/ineft  et  antiquüates  Hannoverenses.  Urk.  von 
139G.  1472  für  Halle  (5",„),  cf.  Kraut  1.  c.  n.  G.  Lüneburger  R.  aus 
dem  1.5.  Jalirhundert  (v.  Selclio  w,  Jurist.  Bibl.  111.  p.  3.52.),  Dreyer, 
Nebenstunden  p.  39G.        G)  G  e  r  ck  e n ,  cod.  dii»!.  Brandenbn.  47. 

Ncuiiiaun,   tiesch.  d.    Wuchers.  17 


258  V.  3.  Roiitonkauf.    c.  Höhe  dor  Tioiito  insbesoiulore. 

4  sol.  (?);  (1250)  12  mrk.:  9  sol.  (?);  (1256)  8  mrk.  wieder: 
8  sol.;  (1270)  5  mrk.:  5 sol.;  (1292)  20 mrk.:  3 mrk.  (15%); 
(1299)  8  mrk.:  5  sol.;  1300—1350  schwankt  der  Fuss  zwi- 
schen 19,  14  2/7  und  9  %  %,  stellt  sich  durchschnittlich  aber 
auf  10  7o ;  1350  —  1460  schwankt  er  zwischen  10  %  und  6  %, 
durchschnittlich  8  %  %  —  6  %  <>/„ ,  seit  1450  stellt  er  sich  sehr 
schnell  bis  1500  auf  5,  ja  4  %.  0  In  Wetzlar  (1347)  tragen 
3000  rfd.  Heller:  320  Gulden,  2)  in  Prenzlau  (1357)  1330 
mrk.:  100 mrk. (ca. 7  V4  %),') (1-573)  50 mrk.:  5  mrk.  (10  %\^) 
in  Halb  er  Stadt  (1411)  15  mrk.:  1  mrk.  (O^o/o)-'')  In 
Schlesien  schwankt ,  unter  allmählichem  Sinken ,  der  Ren- 
tenfuss ,  während  er  in  den  grossen  Städten  etwas  tiefer  sich 
stellte,  wie  folgt: 

1349:  12  V2  %,  1355:  13  V3,  1357:  11,  1360:  10,  1361: 
10,  1368:  12  V2,  1369:  11  und  10,  1370:  10,  1376:  10, 
1377:  10,  1380:  10,  1383:12  74,  1384:  10,  1386:  12  V4, 
1389:  10,  1391:  10,  1405:  12  V^ ,  1408:  5,  1411:  10,  1417: 
12  V4  und  10,  1425:  10,  1429:  10,  1431:  10,  1436:  8,  1437: 
10,  1438:  10  (2  Beisp.),  1446:  10,  1450:  10,  1511:  9,  1521: 
7  V2,  1552:  5,  1620:  6.  f') 

In  Breslau  verharrt  er  seit  den  ersten  Jahrzehnten  des 
14.Jahrhundertsbisindas  16.  Jahrhundert  fast  gleichmässig  auf 
10  7o ,  nur  wenn  beide  Contrahenten  Cleriker  waren  oder  sonst 
ganz  besondere  Verhältnisse  obwalteten ,  ermässigte  man  den 
Reutenfuss  auf  7  72^0  (z-  B-  1319).  ')  (Dagegen  zeigt  sich  in 
Frankreich  die  Rente  bedeutend  höher,  1509  gilt  sie  durch- 
schnittlich noch  10%,  unter  Karl  IX.  wird  sie  auf  9  — 8^/0 


1)  Erath.  cod.  dipl.  Quedlinbiirg.  p.  101».  136.  14G.  183.  20G.  250. 
315.  320.  332.  337.  407.  410.  431.  455.  456.  463.  523.  527.  530.  578.  601. 
610.  617.  644,  647.  657.  681.  751.  793.  795.  837.  859.  916.  2)  Ulmen  - 
heim,  Gesch.  von  Wetzlar  I.  633.  3)  S  e  c  k  t ,  Geschichte  von  Prenzlau 
188.  4)  S  e  c  k  t ,  1.  c.  127.  5)  F  ö  r  s  t  e  m  a  n  n ^  neue  Mittlieilungcn  IV. 
1,53.  6)  cf.  cod.  dipl.  Siles.  (Meitzen)  IV.  p.  14.  20.  23.  25. 
27.  31.  33.  34.  42.  47.  48.  .54.  55.  56.  57.  86.  152.  204.  207.  209.  210,  211. 
212.  213.  215.  218.  223.  309.  312.  322.  7)  cf.  allgem.  Grünhagen,  cod. 
dipl.  Sil.  III.  p.  61.  63.  65.  74.  82.  84.  87.  132.  In  wie  weit  die  von  Grün- 
hagen hierzu  gefügten  Noten  juristischeu  Inhalts,  n.  5.  (p.  63.)  und  n.  3. 
(p.  64.),  unrJfhtig  sind,  ergiebt  sich  aus  dieser  Darlegung  des  Rentenkaufes. 


V.  3.  Eentenkauf.   c.  ITölio  der  Ronte  insbesondere.  259 

herabgesetzt,  unter  Heinrich  IV.  auf  7  —  6  %  ,  unter  Lud- 
w  i  g'  XIII.  erst  auf  (5  —  5  % ,  unter  Ludwig  XIV.  endlich  auf 
5  % ,  in  Uebereinstimmung  mit  dem  Preise  derselben  im  Ver- 
kehre. Noch  im  18.  Jahrhundert  lieli  man  in  Frankreich  über- 
wiegend in  Form  des  Kentenkaufes  dar.)  ^) 

Bei  den  Leibrenten  schwankt  der  Rentenfuss  je  nach  dem 
Lebensalter  der  Käufer;  durclischnittlich  ist  er  wegen  der  kürze- 
ren Dauer  der  Zahlungszeit  hölier,  als  bei  gewöhnlichen  Renten. 
So  wird  in  den  Statuten  von  Nordhausen  1350  verfügt:  der 
liath  als  Verkäufer  giebt  Imrk.um  lOmrk.  bei  Leuten  zwischen 
40 — 50  Jahren,  1  mrk.  um  8  mrk.  bei  denen  zwischen  50 — 60 
Jahren,  bei  noch  älteren  steht  es  an  der  rete  Jcore.  ^)  Das  B  r  e- 
m  e  r  Stadtrecht  sagt :  „  Wolde  ok  we  lyftucht  kopen  von  der  staed 
renthe,  de  mach  de  rad  vorkopen  yewelike  mark  vor  teyn 
mark  vnd  nicht  myn  tlio  enen  Ij'^ve."  ^)  Und  Purgoldts 
Rechtsbuch  enthält  die  Stelle:  „Wer  zcinse  kouffet  zu  seime 
leibe,  der  sal  en  dornocli  kouffen  das  her  jung,  starc  vnd 
gesund  ist;  es  stehit  an  den  vorkouffern,  wie  sie  en  geben 
wullen.  Diesser  kouff  ist  woll  bestendig  umme  deswillen,  das 
er  obenturlich  ist,  unud  nicht  en  weys  wie  lange  her  den  zcins 
ulfnemmet"^)(V.  3.  e.,  5.e.)  Deshalb  mussman  annehmen,  dass 
in  etlichen  Orten,  z.  B.  in  Nürnberg,  wo  man  1  mrk.  Leib- 
rente fast  durchschnittlich  um"  9  mrk.  kauft,  stets  nur  in  einem 
bestimmten  gleichen  Alter  die  Renten  gekauft  wurden ;  die 
Erfolge  glichen  dann  Gewinn  und  Verlust  aus.  ^)  In  Nord- 
deutschland  stellt  sich  der  Rentenfuss  der  Leibrenten  im  15. 
Jahrhundert  durchschnittlich  auf  10  7ü  ;  bier  fehlen  auch  nicht 
Beispiele  dafür,  dass,  wenn  es  sich  um  eine  Leibrente  für  mehrere 
Personen  handelt,  der  Rentenfuss  nicht  den  der  gewöhnliclioii 


1)  L  a  w ,  trade  and  money  p.  127.  2)  F  ö  r  s  t  e  ni  a  n  ii ,  Neue  Mit- 
theihin^^en  des  thüring.  sächs.  Vereins  III  {III.  c.  29.).  3)  Oelrichs, 
1.  c.  p.  159.  4)  0 r 1 1 0 f  f ,  1.  c.  III.  9.5.  5)  C hro n ik e n  d c u t s c li e r 
Städte  I.  1SG2.  p.  2(JG.  Nur  einmal  werden  150  CJuldon  Rente  für  1400 
Gulden  gekauft.  [Bei  Ewiggiilten  walteten  damals  dort  bereits  5 ",,,  ob 
(ib.  p.  2G7.).]  1434  zablt  die  Stadtkasse  dort  bei  Leibrenten  10"/,,,  bei 
Ewiggeld  4"/,,  (ib.  p.  285.).  —  Mittbeilungen  von  H.  Prot.  Stobbe,  wie 
p.  243.  u.  V.  5.  e. 

17*, 


2G0  V.  3.  Kentonkauf.   c.  Höhe  der  Rente  insbesondere. 

h'ente  übersteigt,  ein  weiterer  Belag  dafür ,  dass  die  kürzere 
Dauer  der  Kentenzahluiig  den  liöheren  Leibrentenfuss  bewirkte.  ^) 
Für  das  ganze  Gebiet  der  pr eussiscben  Städte 
wurde  Aviederholt  am  Ende  des  14.  Jahrhimderts ,  so  1386, 
dann  1427  auf  dem  Städtetage  zu  Marienburg  die  Höbe  der 
Rente  auf  8  Y^  7o  festgesetzt :  -) 

„item  begert  vnser  berre  bomeister  czu  bestellen  in  egli- 
cben  steten,   das  wer  czinse  vff  erben  in  iren  statbuebern 
gescbrebeu  hat,  1  mark  vmb  X  gekoufft  vnd  czu  losende,  das 
mau  do  nicht  me  sal  vorczinsen ,  denn  XX  schock  ader 
vorfullen  den  czins.   alse  vul,  das  sich  geboren 
mag,  von  XII  m  r  k.  e  y  n  e  czu  c  z  i  n  s  e  n.  desselben  glei- 
ches wil  her  ouch  befellen,  das  es  so  gehalden  wurde  vflf 
dem  laude."  ^)  (S.  264.) 
Allein  die  Bestimmung  setzte,  wie  alle  dergleichen,  weder  im 
Steigen  noch  im  Fallen  des  Rentenfusses  gegen  die  Wirkung  der 
wirthschaftlichen  Faktoren  Etwas  durch.  Schon  seit '1384  kauft 
man  in  Danzig  Renten  zu  9  —  8%,'')  1473  zu  10  %.  s)    Im 
16.  Jahrhundert  ermässigte  der  steigende  Kapitalverkelir  im 
Herzogthum  Preussen  die  Rente  auf  durchschnittlich  7  —  6  7oi 
doch  kommen  gerade  hier  grosse  Schwankungen  vor,  so  im 
Danziger  Schöppenbuche  von  1527  (fol.  248.  2.) :  8  7o  —  von 
1528:  5  V2  7o  (fol.  454.  2.)—  1529  (fol.  696.):  7  %  —  von  1556 
(fol.  42^):  10  7o  und  (fol.  53.):  6  7o  —  1567  (fol.  108^):  7% 
und   (fol.  141'):   7  7o    —    1579   (fol.  264):    7  7o-  —    Trotz- 


1)  cf.  Grünhagen ,  Cod.  dipl.  Sil.  III.  1387.  p.  132:  „jyrivio  ven- 
dimus  Ulrico  de  Prusnicz  et  Sulce  eius  uxori  ires  marcas  annui  census 
pro  30  in.  gross,  ad  eorum  iempora  vite  sub  tali  condicione ,  interim  quod 
amho  vixerint,  quud  eundem  censum  trium  murcariim  toialiter  ^^sis  dare 
debemus ,  sed  cum  vna  persona  de  predictis  de  hoc  seculo  emicjrahit ,  tunc 
media  pars  eiiisdem  census  ad  nostram  civitatem  divolvi  debeat  et  reliqua 
ad  personam  super stitem.  Sed  amhabus  lyersonis  vero  emigrantibus  de 
hoc  media,  tunc  reliqua  media  pars  Herum  ad  nostram  civitatem  divolve- 
tur." —  10%  war  hier  damals  der  regelmässige  Rentenfuss.     2)  cf.  Born- 

bach.Recesse  der  Städtetage  (Banz.  Arch.  bihl.  fol (1416—5(5.), 

fol.  82,  2.,  auch  Lindenbl.  Jahrb.  p.  Gl.).  3)  und  Danz.  Arch.  bibl. 
X. 5.  (Willk.  von  1597.)  Note  zu  cp.  V.  art.  5.  4)  Danz.  Arch.  Komthu- 
reibuch.  h.  a.  u.  Urk.22.  1.  b)  ib.  34.  B.  8.  Weitere  Verzeichnisse  aus 
diesen  und  den  übrigen  Gebieten  siehe  in  der  Tabelle  p.  266  ff. 


Y.  3.  R(.Mitoiikaiif.    c.  Höhe  der  Rente  insbesondere.  2(!1 

dem  so  der  Kentenfuss  stetig,  wenn  auch  langsam,  zu  6  —  5  7o 
niedersinkt,  bestimmtdie  Danziger  Willkürvon  1580 dennoch 
in  der  bereits  zitirtoii  Stelle,  wo  sie  zuerst  die  Conventional- 
ziusen  beim  Darlehn  einführt  (auch  p.  IL  cp.  2.  a.  5.  fol.  1 29.  2.), 
wahrscheinlich  lediglich  unter  äusserem  Anhalt  an  die  Verord- 
nung des  Hochmeisters  von  1427: 

„Wer  ihm  sein  geldt  versichern  lest  mit  erben,  bürgern 
oder  Pfänden,  der  soll  nicht  hoher  Zinss  nehmen,  den 
acht  mark  acht  Schott  von  Hundert  bei  Peen  des  zehenden 
theils  des  Hauptstucls  und  widderkerung  des  wuchers,  so 
offt,  als  versprochen  wirdt  .."  und  ib.  cp.  VH.  fol.  85: 

,,  Es  soll  aber  kein  Pfennig  Zinss  höher  als  acht  und  ein 
Drittenteil  vom  Hundert  in  die  Erbbücher  gesetzet  und  ver- 
schrieben werden,  kann  es  aber  3^emandt  besser  kauf  bekom- 
men ,  das  ist  yhm  hiermitt  nicht  abgeschnitten." 
Allgemein  wird  man  nicht  fehl  schlagen,  wenn  man  auch  ohne 
besonders  ungünstige  Veranlassung  im  13. —  14.  Jahrhundert 
in  Deutschland  die  Kente  auf  10  —  7%  schätzt.  Da  dieser 
Kentenfuss  sich  indess  durch  die  damalige  Beschaffenheit  des 
Ueldmarktes  herausbildete  und,  wo  die  Kapitalverhältnisse  sich 
mehr  entwickelten,  fast  überall  unbehindert  naturgemäss  fiel, 
darf  man  ihn  als  drückend  allgemein  nicht  betrachten.  Hierbei 
mag  man  sich  erinnern ,  dass  die  Renten ,  Avelche  von  wellli- 
chen  Machthabern ,  Städten  und  anderen  Gemeinwesen  in  jener 
Zeit  an  Privatleute  für  Dienste  oder  allgemem  für  die  an  sich 
noch  zu  entschädigenden,  aber  nie  entschädigten  Leistungen 
gezalilt  zu  werden  pflegten,  fast  durchweg  und  beständig 
selbst  gegenüber  dem  mittlerweile  gesunkenen  Rentenfusse  im 
täglichen  Kapital- Verkehre  sich  in  der  Höhe  von  10%  des 
veranschlagten  Kapitalwerthes  jener  Leistung  erhielten  und 
so  gemssermassen  ehien  von  der  Obrigkeit  anerkannten  Ken- 
tenfuss darstellten.  Wie  drückend  dagegen  die  zu  nicht  hohem 
Zinsftisse  verkauften  Kenten  zeitweise  werden  konnten,  lehrt 
u.  A.  die  R.  P.  0.  von  1577.  19.  §.  2.,  deren  Beispiel  auch  auf 
lange  Zeit  vor  1577  gilt.  „  Dessgleichen  wird  vermerkt,  dass 
etwa  hier  zu  wohlfeilen  Jahren,  da  Wein  undGetraid  in  gutem 
Kauf  und  wohlfeil  gewesen,  viel  Zinss-  und  Gultverschreibung 


'2(i-J  N'.  .').  Rcntonkauf.    c.  Höhe  der  Rnito  insbosondore. 

aufgerichtet  worden,  (lariniieii  ein  armer  ]\lanii  mit  otwann 
gegen  10,  15  oder  zum  Meisten  20  Gulden  1  Malter  Korn  oder 
gegen  10(»  Gulden  1  Fuder  Weins  järliclier  Gülten  verschreiben 
und  alsdann  fürters  solche  Gülten  zu  einfallenden  theuern  Jah- 
ren ein  weg  wie  den  andern  an  Wein  und  Traid  und  also  ofter- 
mals  von  100 :  20  bis  in  die  30  Gulden  zahlen  müssen."  -  - 

Mit  der  Entwickelung  des  Verkehrs  musste  dann  bald  die 
Zahl  der  Kapital  -  Angebote  steigen ,  und  dies  ganz  besonders 
durch  das  kanonische  Wucherverbot,  da  das  letztere  gerade 
die  Nutzbarmachung  des  Kapitales  nach  vielen  andern  Seiten 
hin  verhinderte.  So  gelangte  man  verhältnissmässig  schnell, 
spätestens  bereits  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts,  in  ganz 
Deutschland  zu  dem  Zinsfusse  von  5  % ,  während  in  Frank- 
reich die  Rente,  wie  erwähnt,  erst  etwa  125  Jahre  später  zu 
dieser  Stufe  niederstieg ;  dies  vielleicht  gerade,  Aveil  dort  durch 
die  Zahl  der  eingewanderten  Italiener,  durch  die  frühe  Eröff- 
nung von  Commanditen  der  grossen  italischen  Bankhäuser  der 
Geldverkehr  trotz  des  Wucherverbotes  eine  Menge  anderer, 
fruchtbringenderer,  beweglicherer  mid  bequemerer  Mittel  erfand, 
das  Kapital  anzulegen  (cf.  V.  5.  b.).  Daneben  fehlen  aber  auch 
die  Fälle  nicht ,  in  welchen  auf  Grund  besonderer  Verhältnisse 
die  Eente  noch  in  später  Zeit  den  allgemeinen  niederen  Zins- 
fuss  bedeutend  überstieg.  So  klagt  Luther  darüber  im  gros- 
sen Sermon  vom  Wucher  p.  118  ff.,  dass  gerade  der  katholische 
Clerus  durchschnittlich  10  ^'(,  als  den  Zinsfuss  der  unzähligen 
von  ihm  bezogenen  Eenten  aufrecht  erhielt  (VIT.  2.  b.). 

Xicht  selten  begegnet,  zur  besonderen  Darlegung  dieses 
allmählichen  Rückganges,  dass  bei  derselben  Rente  der  Käufer 
sich  fügen  muss ,  den  Zinsfuss  bedeutend  herabzusetzen.  ^)  Als 
schliesslich  sich  im  16.  Jahrhundert  der  Zinsfuss  der  Rente 
durch  ganz  Deutschland,  mit  Ausnahme  der  wenigen  oben  berühr- 
ten Gebiete ,  auf  5  %  festsetzte ,  lag  es  nahe ,  dass  die  Gesetze, 
um  endgültig  die  Belastmig  des  Schuldners  durch  einen  höhe- 


1)  cf.  Danz.  Urk.  45.  E.  1.  (1420.)  von  8  mrk.  auf  4  mrk.  1444  in 
Basel  von  6\\  auf  5%.  Arnold!,  c.  p.  239.  CölnerSt.  R.  (1513)  I.e. 
a.  31.  p.  34,  wo  gesetzlich  der  Zins  von  5  auf  3",o  herabgesetzt  wird 
u.  V.  A. 


V.  3.  Reiitenkauf.   c  Höhe  der  Rente  iii.sl)esoiidere.  '263 

ren  Zinsfuss  7a\  vorliindern,  so  wie  um  dem  Triebe  des  Polizei- 
staates nach  obrigkeitlicher  Regelung  der  an  sich  bereits  fest 
geregelten  und  sich  regelnden  Verhältnisse  zu  genügen ,  diesen 
Zinsfuss  der  5  7o  «t-Is  den  gesetzlichen  erklärten,  und  hier  zu- 
erst dem  Wucher  eine  andere ,  mindestens  engere  Bedeutung, 
als  die  kanonistische  unterlegten.  Denn  nun  hieas  Wucher 
nur,  was  au  Renten  (dann  an  Conventionalzinsen)  das 
gesetzliche  M  a  a  s  s  überschritt.  \)  Vorläufer  des  wich- 
tigen Schrittes  waren  die  bereits  zitirte  lü  bis  che  Bestim- 
mung von  1240,  dann  die  Hamburger  von  1270,  die  Gosslarer 
von  1283,  die  zu  Brilon  von  1290,  die  preussische  vom  Ende 
des  14.  Jahrlmnderts,  die  Basler  von  1441.  Die  erstcren  zwei 
und  die  letzte  wirkten  nur  mittelbar  auf  den  Prozeutfuss  beim 
Rentenkaufe,  indem  sie  selbst  lediglich  Bestimmungen  über 
die  Ablösung  der  Rente  durch  deren  Verkäufer  enthalten. 
Durch  ihre  Fixirung  des  Wiederkaufpreises  lassen  sie  schlies- 
sen ,  dass  zu  ihrer  Zeit  der  Reutenfuss  allgemein  ihrem  Wie- 
derkaufspreise  entsprach  (cf.  oben  bei  b.).  Dagegen  die  preus- 
sische Rentenfussl)estimmung  richtet  sich  direkt  auf  die  gesetz- 
liche Feststellung  der  Rente  iwid  gehört  deshalb  unmittelbar 


1)  Auch  in  diesem  Punkte  liepft  die  Annäherung  der  Rente  an  die 
Zinsen,  und  zwar  in  den  Gesetzen,  zu  Tage,  indem  gesetzlich  Renten, 
wie  später  Zinsen ,  an  sich  nicht  wucherlich  erschienen ,  und  beide  dieses 
erst  wurden,  wenn  sie  zu  einem  hölieren,  als  dem  gesetzlichen  Fusse 
gezahlt  Avurden.  Oifenbar  eine  andere  Bedeutung  des  Wuchers  zeigt  das 
C  ulmer  Recht,  1.  c.IV.  75.  lib.  3.  cp.  139:  „hat  ein  man  ein  kauf-  oder 
kram  kammer  oder  ein  fleischbanck  oder  ein  erb  gekauft  vnd  hat  gelt 
ierlichen  zu  vorczinnssen  daruff  behaldeun  ,  obgleich  der  zynsz  oder  iher- 
liche  Rentte  vber  den  wcrdt  des  erbes  uffgewuchcrt,  ehr  darf  sich 
gleichwohl  desselben  erbes  eigenthumes  wider  seineu  willen  nicht  vor- 
zeyhenn."  So  erhielt  eine  hieran  anzuknüpfende  Bedeutung  der  Rent- 
wucher in  Danzig,  wo  vielleicht  wegen  der  Noth  nachdem  13  jährigen 
preussischen  Städtekriege  1454  —  66  der  Danziger  Rath  bestimmte ,  dass 
nur  die  rückständigen  Renten  eines  Jalires  gefordert,  alle  früheren,  also 
die  übergrosse  Reihe  der  oft  viele  Jahrzehnte  lang  rückständigen  Zinsbe- 
träge verfallen  sein  sollten,  und  damit  zugleich  die  zuvor  gestatteten 
Renten  von  diesen  Rentrückständen.  (Eines  erbaren  Ratts  Remissoriale.) 
Hier  war  Wucher  das  Einfordera  eines  mehr  als  einjährigen  Zinsrück- 
standes. 


264  V.  ;i.  lleutenkauf.    c.  Höhe  dor  IJonto  insbosondcro. 

hievlier.  Schon  im  11.  .Iiilirliuiidert  hatten  der  Hochmeister  des 
deutschen  Ordens  und  die  Vertreter  der  preussischen  Städte 
wiederholt  gesetzlieh  den  Rentenfuss  festgestellt.  ^)  Stenzel 
Bornbach  führt  in  seinen  sorgtaltigen Handschriften  aus  den 
Rezessen  der  preussischen  Städtetage  mehrmals  dergleichen 
Uebereinlvommen  an,  u.  a.  dann  auch  aus  dem  Anfange  des 
15.  Jahrhunderts  von  dem  Elbinger  Städtetage  a.  20.  April 
1423  den  Beschluss: 

,.  zum  funflFteu  von  zinsen  zu  machen  auf  die  erben  etc.  diz 
sol  man  halden  nach  alder  gewonheit  in  solcher  red- 
likeit  als  das  gantze  lant  das  zuuor  ausgesatzt  hat."  -) 
Einige  Jahre  später  1427  wird  dann  auf  dem  Städtetage  zu 
Marienburg  der  Rentenfuss  von  8  V3  %  gegenttl)er  dem  bisher 
geltenden  von  10  %  für  Stadt  und  Land  festgestellt  durch  den 
Beschluss,  der  oben  S.  260  seinem  Wortlaute  nach  mitge- 
theilt  ist,  indem  man  den  von  Arnold  für  Basel  so  genau 
festgehaltenen  Unterschied  des  städtischen  und  des  ländlichen 
Rentenfusses  gesetzlich  verwarf.  Dann  erklärte  die  Reich s- 
Polizei-Ordn.  v.  1530.  ti.  26.  §.  8.: 

„  und  nachdem  die  Wiederkaufsgülten  allenthalben  im  Lande 
gemein  semd,  so  soll  hinfürter  von  dem  Hundert  nicht  mehr, 
dann  fünf,  wie  gebräuchlich,  gegeben  und  genommen 
werden.  Und  hinfürter  die  Verschreibung  auf  Wiederkauf, 
wie  Wiederkaufsrecht  beschehen,   was  darüber  gegeben, 
genommen   oder  gehandelt,    wollen   wir,   dass   selbig  für 
Wucher  lieh  geachtet  und  gehalten  und   wie  obgemeldt 
gestraft  werde."  — 
Und  von  hier  ging  die  Bestimmung  vielfältig  in  die  Menge  der 
Partikulargesetze   über,   unter   denen  einige  noch  den  höhe- 
ren Zinsfuss  von  6  ^o  1  ja  8  und  8  ^3  7o  ^)  aufrecht  hielten  und 
zur  weiteren  polizeilichen  Ueberwachung  dieser  Norm  vorschrie- 
ben, die  Unzahl  der  Rentenkontrakte  sollten  bei  Strafe  der  Un- 
gültigkeit vor  dem  Richter  geschlossen  werde©.  Die  Meklen- 


1)  cf.  u.  a.  1380.  Voigt,  Geschichte  Marienburgs  IV.  ]>.  521.  Beitr. 
zur  Kunde  Preussens  11.  p.  333.  cod.  diplom.  Prussic.  III.  ]>.  XXIII. 
2)  cf.  Bibl.  des  Danziger  Ar  eh.  Bornbach,  Rezesse  vol.  III.  (1420 
bis  39)   fol.  103.        3)  Danz.  Willk.  1.  c.  von  1580. 


Y.  3.  Eentenkaur.   <■.  Höhe  der  Roiito  insbesondere.  265 

bürg  er  P.  0.  von  1562(8.  40.)  bcstinnut  den  Rentenfuss  auf 
5 **/(),  indem  sie  lüe  Rente  durchaus  mit  den  Conventional- Zinsen 
beim  Darlehn  gleich  stellt  und  erklärt,  wer  eine  liöhere  Rente 
beziehe,  handle  gegen  die  geistliclien  und  weltlichen  Gesetze. 
In  Münclien  schehit  der  Kath  der  Stadt  bereits  etwa  seit 
1450  ehien  liöheren  Rentenfuss,  als  5%,  für  unredlich  und 
unerlaubt  angesehen  zu  liaben.  ^)  Die  Ewiggeldordnungen  von 
1572  und  1628  verboten  dann  ausdrücklich  höhere,  als  fünf- 
prozentige  Renten.  -)  Wer  höhere  Renten  vereinbarte ,  verliert 
nach  der  Grundbuchsordnung  von  1628  das  Kapital,  die  Con- 
trahenten  müssen  genau  anzeigen,  wie  hoch  die  Gült  verkauft 
wird ,  ob  der  Käufer  den  gesetzlichen  Kapitalsanschlag  ohne 
Abzug  bezahlt  und  ob  nicht  der  Verkäufer  einen  Jahreszins 
oder  mehr  im  Voraus  entrichten  muss.  Die  gesetzliche  Strafe 
ist  dieselbe,  mit  der  die  Polizeiordimng  von  1616  (II.  1.)  den 
Wucher  belegt.  Das  Pfälzer  L.  R.  1580.  ti.  XIV.  fol.  70. 
n.  10.  meint,  besser  als  5  %  sei  der  an  anderen  Orten  gebräuch- 
liche Rentenfuss  von  4  %.  Ja  wunderbarer  Weise,  wie  in  einem 
Anfluge  kanonischer  Sentimentalität,  heisst  es  hier  weiter,  der 
Ren1!^nkäufer  möchte  von  seinen  Freunden  doch  lieber  gar  kei- 
nen Zins  für  das  ausgeliehene  Kapital  nehmen,  und  diese 
Freunde  sollten,  des  Geldes  bedürftig,  eher  durch  Verkauf  der 
ihnen  weniger  nöthigen  Vermögensstücke  sich  das  Geld  selbst 
besorgen.  Die  Bremer  Constitution  von  1 580  (IVI  e  v  i  u  s  S.  1 2  ff.) 
billigt  6  %  als  gesetzlichen  Fuss,  da  derselbe  in  allen  Nach- 
barstaaten gebräuchlich,  und  bei  Festhaltung  der  reichsgesetz- 
lichen 5  %  bald  alle  Laudieute  dort  dei-  Geld  -  Kapitalien  ent- 
behren müssten.  Die  Badische  L.  0.  1622  (S. 73.)  will  „dass 
5  fl. ,  nicht  aber  mehr  von  100  genommen  werden." 

Zur  vollen  Uebersicht  und  Vergleichung  des  Rentenfusses 
in  Deutschland  während  des  Zeitraumes  vom  13.  bis  17.  Jahr- 
hundert folgt  hiernach  sogleich  eine  Tabelle  der  Renten,  nach 
den  Quellen  entworfen. 


1)  Mon.  Boic.  XX.  518.  Au  er,  Stadtr.  von  München  ]».  CXLV. 
2)  cf.  Auer  1.  c.  Anh. IV.  a.  10,  VI.  a.  6.  Landr.  von  1616.  tit.  8.  a.  17. 
Poliz,  Ord.  von  1616.  U.  1.  a.  3.  cod.  civ.  Max.  U.  3.  §.  21. 


266 


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11 

Tabelle. 


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209 


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1485 

5 

— 

— 

5 

— 

— 

5 

— 

— 

— 

— 

9 

1486 

— 

— 

5 

— 

— 

— 

5 

— 

4V2 

5 

— 

87, 

1487 

— 

— 

5 

— 

— 

5 

— 

— 

5 

5 

8—7 

1489 

— 

''   ,2 

5 

— 

— 

5 

— 

4\'c 

5 

5 

— 

— 

1490 

5 

5 

— 

— 

4% 

— 

4% 

— 

5 

9—7 

9'/2 

1491 

— 

5 

5 

5 

5 

4V4 

— 

5 

— 

— 

— 

9 

1495 

— 

6 

5 

5 

— 

4 

— 

— 

5 

— 

— 

972 

1503 

5 

— 

5 

5 

5 

5 

5 

— 

— 

5 

— 

974 

1505 

5 

5-74 

5 

5  . 

— 

— 

— 

5 

— 

— 

— 

— 

1512 

— 

5 

5 

5 

5 

— 

— 

5 

5 

5 

— 

9 

1522 

— 

— 

5 

5 

— 

— 

5 

4'yn 

4-V4 

5 

7—6 

7V2 

1528 

— 

5 

5 

— 

— 

—  ' 

5 

5 

4=^/4 

— 

7—6 

— 

1530 

5 

5 

5 

5 

— 

5 

— 

— 

5 

5 

— 

— 

1535 

— 

— 

5 

— 

5 

— 

— ' 

5 

— 

5 

— 

— 

1539 

— 

— 

5 

— 

— 

5 

— 

— 

— 

5 

— 

— 

1540 

5 

— 

5 

— 

— 

4'/2 

5 

4'-'/n 

— 

5 

6% 

5 

1545  i 

— 

— 

5 

— 

— 

5 

5 

— 

— 

— 

— 

5% 

1549  ' 

— 

5 

5 

— 

— 

5 

•5 

— 

— 

5 

— 

J  ,2 

1552  '  5 

5 

5 

— 

5 

— 

— 

5 

5 

— 

— 

5 

1561  i 

5 

— 

5 

— 

5 

— 

— 

— 

5 

5 

— 

— 

1564  1 

— 

— 

5 

5 

— 

5 

— 

— 

5 

5 

~ 

— 

1571  '  — 

5 

5 

5 

— 

4% 

— 

5 

— 

5 

— 

— 

1580  :I  5 

— 

5 

— 

— 

4V4 

5 

5  —  4 

— 

5 

— 

— 

1597  ;  - 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

5 

— 

— 

— 

1618  ;  — 

— 

— 

5 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1620 

- 

— 

— 

— 

5 

5  ! 

— 

— 

— 

5 

— 

6 

Tabelle. 


273 


1 

«     ■ 

d 
0 

1 

CS 
OS 

et 

c 

0 

c 

ei 

1 
t 

Kiedcrrhein. 

j 

Bremen. 

1 

.0 

i 

0 

r 

Preussiache 
Städte. 

'3 

9% 

— 

— 

R2/ 

5V2 

— 

6 

6% 

— 

— 

— 

— 

10 

— 

6 

6 

5V2 

— 

6 

6 1/2 

— 

— 

10 

10 

10 

— 

5 

5 

5 

— 

62,3* 

— 

— 

— 

10 

— 

— 

— 

5 

— 

— 

7-6 

— 

5 

— 

— 

10  —  9 

— 

— 

— 

-^ 

6-5 

— 

6',8 

— 

52/3 

5 

— 

— 

— 

9-3 

— 

5^,4 

5V'4 

6V8 

— 

— 

5 

— 

— 

— 

— 

^ 

— 

— 

5>;4 

— 

— 

5^3 

— 

573 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

6^3 

6 

5 

573 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

62'3 

7 

6 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

5 

6^-3 

5 

— 

5 

6 

— 

8V3 

10 

— 

— 

6 

— 

— 

6^3 

— 

5 

— 

— 

8V3 

9^3 

— 

— 

5^3 

— 

6V2 

6% 

— 

5 

6 

— 

9 

— 

5 

— 

5^3 

5 

— 

6 

— 

— 

6  —  5 

Q2 

^  ;3 

— 

— 

— 

6V4 

— 

5 

— 

5 

573 

— 

— 

9  —  8 

«78 

9^/3 

— 

— 

5^/3 

5 

— 

6 

573 

5 

— 

9  —  8 

— 

9V2 

— 

6V4-5 

— 

5 

6 

6 

573 

— 

6 

9  —  8 

9V2 

5 

6"4 

6-5 

— 

6 

5 

6 

5 

— 

9-8 

— 

— 

— 

6 

6  —  5 

— 

6 

6% 

6 

5 

573 

— 

— 

— 

7 

— 

— 

— 

6 

5 

— 

5 

573 

— 

8V3 

10 

— 

— 

5«,4 

_ 

— 

— 

— 

5 

6 

— 

8V3 

— 

6^/3 

(10) 

573 

5-3 

6 

— 

— 

5 

52/3 

— 

8 

— 

5 

(10) 

— 

5  —  3 

— 

— 

6V4 

— 

5 

10 

8 

— 

5 

— 

— 

5 

— 

— 

5V2 

— 

— 

10 

8-51/2 

— 

— 

— 

6  —  5 

— 

6 

— 

5-2 

5 

5 

9  —  8 

7 

6-5 

5 

— 

— 

5 

— 

6 

— 

5 

— 

— 

7-6 

6  —  5 

5 

— 

5 

5 

— 

6 

5 

— 

5 

— 

7-6 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

5 

— 

5 

— 

8V4 

6V2 

— 

— 

5 

— 

5 

— 

5 

5 

— 

8V3 

'   6 

5 

— 

5 

6 

— 

52,3 

— 

5 

— 

— 

9-8 

6 

5V2 

— 

5 

— 

5 

6 

— 

— 

— 

5 

9-8 

10 

5'/2 

5 

— 

6 

— 

— 

5 

— 

— 

5 

— 

6 

5 

5 

5 

— 

— 

5^5 

5 

— 

5 

5 

8-7 

8  —  7 

— 

— 

— 

6 

5 

— 

6 

— 

5 

— 

— 

7-6 

5 

5 

— 

6-5 

5 

6 

— 

— 

5 

— 



8V3-7 

5 

5 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

8'/3 

8V3 

5 



— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Neu  mann,  Gesch.  d.  Wuchers. 


18 


•J7  I     V.  ;>.  RiMitonkiiul'.   il.  ItorKciittnikanf  wivd  ziuii  ziiisl).  Darlelni. 

d.   Der  Eontoiikaur  riillt  mit  dem  zinsbaren  Darlehn 
zusammen. 

Gerade  der  Rentenkauf,  als  der  wiclitigste  Ausweg,  wel- 
chen die  Kirche  selbst  dem  steigenden  Verkehre  aus  den  Fes- 
seln des  Wucherverbotes  öflncte,  bietet  einen  Belag  für  jene 
am  Schlüsse  des  zweiten  Hauptabschnittes  ausgesprochene  An- 
sicht ,  dass  neben  der  natürlichen  Entwicklung  des  Kapitalum- 
laufes das  kanonische  Wucherverbot  durch  die  Erweekung  des 
Widerstreites  im  Kapitalverkehre  gegen  sich  die  Geldwirth- 
schaft,  den  persönlichen  Credit  ganz  besonders  aus 
der  Naturalwirthschaft,  dem  Kealkredite  heraus- 
bildete und  förderte,  ein  Gewhm  für  den  allgemeinen  Ver- 
kehr, welcher  allein  schon  den  Nachtheil,  der  aus  dem  Wucher- 
verbote entsprosste,  aufwiegt  und  dazu  beiträgt,  das  Wu- 
cherverbot weltgeschichtlich  gegen  einseitige 
Angriffe  zu  rechtfertigen. 

Jetzt  hatte  der  Rentenkauf  in  der  vorgeführten  Entwick- 
Imig,  welche  er  so  schnell  durchmessen,  weil  das  kirchliche 
Wucherverbot  ringsumher  den  Kapitalverkehr  um  so  stärker 
antrieb  und  gerade  zum  Rentenkaufe  ihn  hinführte,  seine  recht- 
liche Natur  von  Grund  aus  verändert ,  er  hatte  sich  fast  ganz 
vom  Grundstücke  gelöst;  das  Verhältniss  des  Rentenkäufers 
zum  Grundstücke,  der  Rente  zum  Kaufpreise  zeigte  sich  als 
ein  völlig  anderes;  das  Rechtsgeschäft  führte  nur  zur  geschicht- 
lichen Erinnerung  seines  Ursprungs  noch  den  alten  Namen. 
Welch  ein  Unterschied  insbesondere  blieb  nach  obiger  Ent- 
wicklung zwischen  Rente  und  Zinsen!  Es  ward  gezeigt,  wie 
Schritt  um  Schritt  der  Rentenkauf  die  Theile  ausschied,  welche 
ihn  noch  vom  einfachen  Darlehn  trennten.  Nicht  einmal  der 
Vorstellung  bedurfte  es,  um  Rente  und  Zinsen  zu  nähern, 
dass  letztere  eine  auf  die  Arbeit  des  Schuldners  in  seinem 
Gewerbe  gelegte  Rente  darstellten.  Die  Vorstellung  begegnet 
in  deutschrechtlichen  Quellen  nu'gends  und  ist  vielmehr  als 
spitzfindige  Unterstellung  der  Scholastiker  anzusehen,  welche 
ihrer  bedurften ,  um  die  Rentenerlaubuiss  vor  dem  kanonisti- 


V.   3.  Bentenkauf.   d.  Der  Rentenkaiif  wird  zum  zinsb.  Darlehn.  275 

sehen  Wucherverbote  /m  rechtfertigen.*)  Dass  der  Uenteukauf 
auf  die  Verzugszinsen  und  das  Interesse  die  äussere  Form  der 
Renten  und  die  gesetzliche  Norniirung  derselben  übertrug 
und  diesen  hierdurch  in  sehr  erheblicher  Weise  sich  förderlich 
erwies,  dass  er  hier  recht  eigentlicli  in  das  Gebiet  der  ein fa- 
clien  Zinsen  hineinarbeitete,  ist  oben  IV.  2.  k.,  V.  3.  c.  und 
unten  IX.  l.c.d.  eingehend  dargelegt.  p]ineZahl  anderer  Berüh- 
rungspunkte bot  sich  nicht  selten.  So  wurden  im  lübischen 
Oberstadtbuche  die  Verpfändungen  der  Grundstücke  für  zins- 
bare Darlelien  nur  mit  Hinweis  auf  das  Niederstadtbuch  notirt 
{iwtac  oppignoraUonis).  Allmälilich  rückten  diese  notae  als 
wirkliche  Pfandposten  in  die  Stelle  der  zweiten  und  dritten 
Kenteposten ,  die  ersten  blieben  zum  Theil  unabgelüst  stehen, 
neue  wurden  nicht  gekauft.  So  machte  man  die  Pfandposten 
der  rechtlichen  Natur  der  Rente  theilliaft.  Auch  die  Danziger 
Willkür  von  158(J  vollzielit  in  ihrem  oben  erwähnten  Artikel 
diese  Gleichstellung  durch  das  Zusammenfassen:  „wer  ihm 
sein  geld  A^ersichern  lesst  mit  erben,  burgern  oder  Pfänden  ..." 
Eine  gleiche  Annäherung  zeigte  sich  in  Ausübung  der  Distraktion 
(S.  2U8  ff.).  Ferner  bei  Prolongationen  der  Verträge  oder  für  den 
Fall  der  Zahlungssäumuiss  verwandelte  man  oft,  zumal  in  spä- 
terer Zeit,  lediglich  äusserlich  das  einfache  Darlehn  in  einen 
Rentenkauf,  nur  um  das  erstere  der  grösseren  Sicherheit  theil- 
haft  zumachen.  Schon  oben  (S.  155 ff.)  wurden  Beispiele  hierzu 
angeführt.  Im  Danziger  Schöppenbuch  v.  1528.  fol.  604.  beim 
Darlehn  auf  beliebigen  Widerruf  liest  man: 

„  wil  he  aver  zalcke  L  mrk.  lengher  vortinzen  so  zal  solck 
gelt  vp  zin  erve  vnde  eigen  vorschreven  Averden  vnde  dath 
zol  er  ym  vortynzen  na  lanthrechte.'' 
ebendort  vom  Jahre  1575  heisst  es  fol.  31.: 

„was  nu  die  resteude  Summa  betrifft  der  1500  mrk.,  die- 
selbe Summa  hal)en  obgeraeltte  vormvndere  deme  hansz 
Berentt  zugesagett  a  u  f  f  e  i  n  e  h  a  n  d  1 1  s  c  h  r  i  f  f  t  zu  lassen 
ein  Jhar  langk,  nemlich  vonn  Ostern  LXXIII  bis  Ostern 
LXXIV  sol  er  den  zinsz  zahlen  vor  ein  ,1h ar  sie- 

l)  cf.  Azür.  1.  c.  c.  5.,  Covarruv.  var.  res  IM.  7.  ii.  5. 

18* 


270   Y.  3.  Tontciikauf.   d.  Der  Kontoukanf  winl  zum  ziiisb.  Parlelm. 

b  e  11  p  r  ö  c  e  n  1 0  das  ist  hundertt  vnd  fünff  margk ,  so  ferne 
aber  ged.  haiis  berenttdas  goldtt  den  liauptstuell  der  1500  m. 
wollte  lenger  babenn  Sieben  pro  eento  so  soll  er  gedachte 
bauptsumma  nicht  lenger  auff  eine  handttschrifth  brauchen, 
sondern  bey  Sem  erbe  so  er  in  der  lange  gassen  besitzet, 
in  eines  Erb:Ratts  erbe  buche  verschreibenn 
lassen."  ^) 
Desgleichen  im  Verzu^sfalle :  ebenda  v.  Jahre  1501  (fol.  283. 3.) 
ein  Darlehn  von  200  mrk.  ger. : 

..  vnde  wert  sake  dath  de  de  vorscrev.  termyn  szo  nicht  hol- 
den worde ,  szo  wil  he  dat  gelt  vortynsen  deme  na  lantlopi- 
gem  rechte  vnd  zall  gescrev.  Averden  vp  syn  erve."  u.  v.  A. 
Besondere  Veranlassung  zu  dieser  Operation  gaben  Finanzver- 
legenheiten der  Schuldner  allgemein,  und  nicht  selten  ward 
vom  Schuldner  selbst  deshalb  die  Uebertragung  der  persön- 
lichen Schuld  auf  eines  seiner  Grundstücke  erzwungen ,  so  von 
den  preussischen  Städten  nach  dem  dreizehnjährigen  Kriege 
gegen  den  Ritterorden  1454  —  66.  Damit  hier  die  vielfach 
auswärts  wohnenden  Gläubiger  üire  Forderungen  gegen  die 
Städte  aus  den  Schuldschemen  nicht  einklagten  oder  zum  Ein- 
klagen an  fremde  üebernehmer  verkauften,  übertrugen  die 
Städte  diese  Forderungen  einfach  auf  ilire  Aecker ,  das  Rath- 
haus  als  den  Mittelpunkt  des  städtischen  Grundeigenthums  ^) 
u.  s.  w.  auf  eine  lange  Zeit  und  entrichteten  davon  Renten, 
oder  sie  zwangen  ihre  Bürger,  dergleichen  Forderungen  von  den 
auswärtigen  Gläubigern  anzukaufen,  um  sie  entweder  ihrer 
Stadt  zu  schenken  oder  wenigstens  auf  Renten  fernerhin  stehen 
zu  lassen.  ^) 


1)  ib.  Schöppenbnch  von  1578  fol.  152.  181  "■'.  2)  Dasselbe  findet 
sich  bei  Leibreuten ,  besonders  als  die  städtische  oder  territoriale  Obrig- 
keit die  Gründung  von  Leibrentenbanken  als  Finanzquelle  benutzte  (cf. 
u.  V.  5.  d.  e.).  Der  Landesherr  übernimmt  dem  entsprechend  seine  Leib- 
renten „  up  uns  ind  unse  erven  ind  stede  . .  ind  unse  dorpe  . .  ind  unse 
gemej-ne  laut  ind  lüde."  cf.  Lacomblet,  TJrk.  B.  III.  n.  464.  (1348.)  — 
cf.  ob.  V.  3.  b.  3j  Neu  mann,  Geschichte  des  Wechsels  im  Hansa- 
gebiete  S.  80.  81.  —  Hegel,  Städtechroniken  U.  p.323  (1449)  bei  Nürn- 
berg. —  cf.  u.  a.  Caspar  Weiureich,  Danziger  Chronik,  ed.  Hirsch  und 
Vossberg,  Berlin.  Stargardt  p.  4.  und  N.  1. 


V,  3.  Eentenkauf.   d.  Der  Rentenkauf  wird  zmn  zinsb.  Darlehn.  277 

So  nimmt  schliesslich  der  Reutenkaiif  zum  Ausdrucke 
seines  völlig  umgestalteten  Wesens  folgende  Form  an  (Danz. 
Arch.  Missiv.  V.  274,  f.  ^^  vom  9.  August  1454): 

„Wir  burgermeister  vnd  rathmanne  der  stat  danczike  beken- 
nen allen  vnd  Ttzlichen  die  diesen  briff  zehn  adir  hören 
lesen,  das  wir  von  dem  erbarn  Jürgen  Bück  burger  czu 
poczenow  dissem  bewiser  eutfangen  haben  czu  voller 
genüge  czwelffhundert  vngersche  gülden ,  vnd  dy  h  a  u  b  t  - 
summe  in  vnser  stat  mercklichen  nvtcz  vnd  fromen  in 
diessen  vnszen  krigen  gekart  vnd  gewandt  haben.  Dit  so 
gcloube  wir  mit  vnszen  nochkomelingen  dem  ergen.  lurgen 
synen  rechten  erben  . . .  diessen  bewisern  hundert  vnger- 
sche gülden  uff  seutte  Jacobi  major  tag  ierlich  czu 
willen  vnd  guttir  genüge  czu  czinsze  vszrichten  vnd  czu 
dancke  beczalen  drey  jar  lang  noch  eynandir,  itz- 
lich  jar  hundirt  vngersche  gülden  vnd  so  dy  drey  jar  vmb 
komen  (oder  nach  Aufsagung  durch  den  Gläubiger,  welche 
die  Danziger  Willkür  unbeschränkt  erlaubte,  cf.  ob.  zu  Abschn. 
b.  a.  E.) ,  so  suUen  vdi'  mit  vnszn  nachkomelingen  verpflich- 
tiget seyn  \Tid  gelouben  demselbigeu  Jürgen  vnd  synen 
rechten  erbnamen  dy  vorgescrev.  XII  hundert  vnger.  gülden 
ab  her  d y  b e g e r n  w u r  d e  czv  haben  Aviddir  m i t s a m p t 
dem  czinsse  gutlichen  vszrichten  vnd  beczalen.  Bey  sul- 
chir  vndirscheit,  das  sy  vns  eyn  halb  jar  czuvorne 
czu  sagen  sullen.  vnd  weres  sache  do  goth  vor  sey  das 
wir  dem  gen.  Jürgen  syne  rechte  erben  den  vorsessenen 
c z i n s  vff  eren  rechten  czinsstag  nicht  beczalen  vnd  vss- 
richten  wurden ,  so  sali  her  syne  erben  . . .  sich  an  vnszen 
k  0  u  f  f  m  a  n  n ,  b  u  r  g  e  r  s  ...  wor  her  adir  sy  den  ankomen 
mag,  vnd  kein  mit  ihren  guttern  halden  vnde  hemmen 
mag  bis  so  lange,  das  her  adir  sy  syner  schulde  vnd  czinss 
gantz  vnd  gar  vornuget  vnd  beczalet  worden."  — 

Auf  diesen  Wegen  innerer  und  äusserer  Entwicklung  wurde 
der  Rentenkauf  zuletzt  eme  Geschäftsobligation,  welche  die 
Contrahenten  dadurch  schlössen,  dass  der  sogenannte  Käufer 
dem  sogenannten  Verkäufer  eme  bestimmte  Menge  vertretba- 
rer Sachen  (meist  Geld)  zu  Eigenthum  gegen  die  Verbindlich- 


27S    V.   ;?.  l\ontoiikauf.  d.  Per  Rentenkaul"  wird  /.um  y.iiisb.  Daildin. 

keit  übergab,  eine  gloiche  Menge  derselben  zurückzugeben 
und  bis  dahin  bestimmte  Renten  entsprechend  der  Höhe  des 
Hauptstocks  für  dessen  Gebrauch  zu  zahlen.  Perfekt  wurde  die 
Obligation  durch  Hingabe  der  vertretbaren  Sachen ;  die  Eente 
aber  erwies  sich  offen  als  Ersatz  für  die  Benutzung  dieser 
Sachen.  Die  Kentenpfliclit  setzte  zu  ihrem  Bestehen  eine  Haupt- 
schuld ,  den  „  Hauptstock  "  voraus  und  ging  mit  ilir  unter ,  war 
daher  materiell  stets  accessorisch ,  wenn  sie  auch  formell  von 
der  Hauptschuld  getrennt  einer  besonderen  Klage  unterworfen 
sein  konnte.  So  hatte  sich  der  lientenkauf  allmälilich  in  ein 
zinsbares  Darlehn  verwandelt.  Diejenigen  Gesetze  nun ,  welche 
alle  die  obigen  Entwcklungsstufen  des  Kentenkaufes  mit  ihrer 
Anerkennung  begleiteten ,  und  zulezt  die  höheren ,  als  fünfpro- 
zentigen  Renten  für  wucherlich  erklärten,  sprachen  damit 
thatsächlich  bereits  das  neue  Wuchergesetz  für  die  mehr  als 
fünfjn-ozeutigen  Conventionalzinsen  aus,  nur  im  Namen  noch 
schieden  sie  Renten  und  Zinsen. 

Aus  allen  obigen  Gründen  erklärt  sichs,  wie  zuletzt  nicht 
allein  die  Parteien  selbst  in  der  übergrossen  Zahl  der  Schuld- 
urkunden,  von  denen  einige  hier,  einige  bei  IV.  3.  zitirt  wur- 
den ,  Rentenkauf  und  Darlehn  als  durchaus  gleiche  Rechtsge- 
schäfte ansahen,  und  so  mit  Leichtigkeit  aus  dem  Zins  die 
Zinsen  formten ,  sondern  wie  auch  die  Gesetze  der  weltlichen 
Machthaber  (cf.  IX.  1. 2.  a.),  ja  selbst  die  Cleriker  (IX.  3.)  sich  des 
Rentenkaufs  und  seiner  reichsgesetzlichen  Billigung  und  Nor- 
mirung  bedienten,  um  unter  seinem  Deckmantel  das  verpönte 
zinsbare  Darlehn  zu  gestatten.  In  den  Reichsgesetzen  freilich 
(D.  A.  von  1 000)  '  unterschied  sich  der  lientenkauf  beson- 
ders noch  durch  das  beschränkte  Kttndigungsrecht  des  Käu- 
fers von  dem  zinsbaren  Darlehn.  Daher  mussten  die  Gesetz- 
geber, welche  die  reichsgesetzliche  Billigung  der  fünf 
Prozent  Renten  auf  die  Conventionalzinsen  auszudehnen  trach- 
teten, wirklich  im  Missverständnisse  über  die  Reichsgesetze 
absichtlich  oder  unabsichtlich  handeln.  Aber  gerade  hier 
offenbarte  sich  der  Sieg  des  Verkehrs.  Ohne  dass  diese 
Gesetzgeber  es  wussten  oder  wollten ,  standen  sie  bei  die- 
sem Schritte  schon  auf  dem  Boden  des  Rechten  und  Wahren, 


V.  3,  Rentenkauf.    e.  A'^crhalten  der  Eärche  zum  Rentenkaufe.    279 

die  Renten  waren  ausserhalb  der  Reichsgesetze  wirklich  über- 
all Conventionalzinsen ,  und  dieser  Gleichheit  gaben  dann  die 
Partikulargesetze,  zuletzt  auch  die  Reichsgesetze,  ja  selbst 
kh'chliche  Vorschriften  den  gesetzlichen  Ausdruck. 

e.  Verhalten  der  Kirche  zum  Rentenkaufe. 

Bereits  oben  im  Abschnitte  a  ist  zweimal ,  bei  der  reinen 
Grundleihe  und  bei  der  mit  dem  Grundkaufe  verbundenen 
Rückh'ihe,  nälier  der  wucherliche  Charakter  dieser  Rechts- 
geschäfte als  Vorläufer  des  Rentenkaufes  untersucht  worden, 
und  beidemal  musste  die  Wucherfrage  verneint  werden.  Der 
wirkliche  Rentenkauf  dagegen,  dessen  Entwicklung  eben  zur 
erschöpfenden  Ejitscheidung  dieser  selben  Frage  bisher  ein- 
gehend vorgeführt  -wurde,  fallt  nach  den  im  zweiten  Theile 
dieser  Abhandlung  gegebenen  Darlegungen  des  kauouistischen 
Wucherprincipes  unzweifelhaft  unter  das  Zinsverbot.  Dennoch 
theilten  sich  die  Ansichten  der  kanonistischen  Rechts-  und 
Gottes  -  Lehre  gerade  hierüber  bedeutend.  ^) 

Die  Anhänger  und  Vertheidiger  des  Rentenkaufes  führten 
aus',  der  Rentenkäufer  erhalte  nicht,  wie  beim  Darlehn ,  sein 
Kapital  zurück.  Dieser  Einwand  wurde  bereits  oben  im  Ab- 
schnitte a  gewürdigt.  Nur  dort ,  wo  der  Zins  von  solchem  im 
bleibenden  Besitze  des  Zinsverkäufers  befindlichen ,  wenn  auch 
fremden  Kapitale  wirklich  aus  rückverliehenem  Grundstücke 
und  nicht  offen  oder  verdeckt  vom  Geldkapitale  selbst  ent- 
richtet wurde,  musste  der  Wuchercharakter  des  Rechtsge- 
schäftes fern  liegen.  Sobald  der  Zins  von  dem  Kapitale  ent- 
richtet wurde ,  das  damit  ja  eben  Kaufpreis  des'  Grundstücks 
zu  sein  aufgehört  hatte,  begann  der  eigentliche  Rentenkauf 
und  damit  der  Wucher.  Denn  der  Zins ,  die  Rente  bildete  hier 
Gewinn  zum  Kapitale ,  mehr  oder  weniger  gewinnreich  je  nach 
dem  Preise  der  Früchte  oder  des  Geldes ;  der  Kaufjireis  des  Zinses 
war  das  wenn  auch  beiderseits  unkündbare  Kapital.  Gerade 
wenn  man  das  zwiefach  unkündbar  hinzusetzte  (jn-orsus  irrc- 
dimihilis,  ewige  gült),  oder  wenn  die  Rente,  sobald  die 


1)  cf.  u.  V.  A.  Azor.   inst,  moral.  III.  10.  d.  cens.  c.  4.   Navarr. 
in  c.  3.  C.  14.  qu.  3.  u.  G9.  und  Scaccia,  tract.de  comm.§.l.qu.  1.  n.  175. 


280    V.  3.  Reiitenkauf.  e.  Verhalten  der  Kirche  zum  Eentenkaufe. 

Frist  des  Rückkaufs  verflossen,  eine  ewige  wurde  (V,  8.  b.), 
sagte  mau  bereits,  der  Kaufpreis  sei  das  dem  Käufer  dauernd 
gehörige,  wenn  auch  von  ihm  dauernd  nicht  besessene  Kapital. 
Neben  der  Rente  gewann  der  Käufer  noch  den  Rechtsinhalt 
der  Gewere,  welche  er  an  der  Rente  selbst  erhielt  (und  dort, 
wo  man  unrichtigerweise  dieser  Ansicht  huldigt,  sogar  noch 
den  Inhalt  der  Gewere  am  Grundstücke).  Allen  diesen  Vor- 
theil  umfasst ,  wie  die  Einleitung  zeigte ,  das  allgemeine  „  quid 
ultra  soiieni."  In  solchem  Umfange  gehört  der  Rentenkauf  unter 
das  kirchliche  "Wucherverbot.  Schon  oben  bei  a  wurde  Dieses 
betont  und  erwähnt,  dass  die  Anhänger  der  Gewere  am  Grund- 
stückeeben durch  die  Annahme  der  Gewere  und  des  Obereigen- 
thums  des  Rentenkäufers  am  Grundstücke  keineswegs  die 
Rente  wieder  rechtlich  gleich  dem,  Zinse  bei  der  Gruudleihe 
auffassen,  sondern  indem  sie  die  Rente  als  vom  Kaufpreise  ent- 
richtet ansehen ,  das  Obereigenthum  nur  zur  Begründung  ein- 
zelner Rechte  des  Käufers  am  Grundstücke  annehmen  zu  müs- 
sen glauben.  Nach  beiden  Ansichten  daher  ist  der  Charakter 
des  Reutenkaufs  zweifellos  Avucherlich;  durch  die  Annahme  der 
Gewere  am  Grundstücke  wird  er  es  noch  in  erhöhterem  Grade.  ^) 
Der  Umstand  aber,  dass  gerade  mit  Eintritt  des  wirklichen  - 
Rentenkaufes  die  Bedingungen  des  Wuchers  erfüllt  sind,  wäh- 
rend sie  es  auf  den  Vorstufen  des  Rechtsgeschäftes  nicht  waren, 
und  dass  so  auch  erst  bei  dem  wirklichen  Rentenkaufe  der 
Streit  der  kanonistischen  Schriftsteller  über  die  Wuchernatur 
desselben  anhebt,  scheidet  ihn  um  so  entschiedener  von 
dem  früheren  oder  ihm  gleichzeitigen  gutsherrlichen  Verhält- 
niss  als  zwei  in  ihrem  Wesen  verschiedene  Rechtsinstitute. 
Eben  deshalb  erscheint  die  oben  ausgesprochene  Ansicht  um 
so  mehr  begründet,  dass  wo  nur  die  allgemeinen  wirthschaft- 
lichen  Vorbedingungen  des  Rentenkaufes  gegeben  waren ,  der 
Rentenkauf  auch  ganz  unabliäugig  von  der  Grundleihe  entste- 
hen konnte  und  entstand.  Auch  schützt  deu  Rentenkauf  nicht 


1)  Uebrigens  bezeichnet  man  schon  ganz  früli  die  periodisch  wieder- 
kehrenden Einkünfte  (reditus)  mit  wochir.  cf.  Stuttgarter  Glossen 
i.  cod.  218,  ed. Massmann  (11.  Jahrb.).  cf.  Graff ,  Sprachschatz  1. 680. 


V.  3.  Kentenkaul",  e.  Verhalten  der  Kirche  zum  Rentenkaufe.    281 

seine  Form  als  Kauf  gegen  das  Wuchergesetz.  Diese  trat 
durchaus  äusserlich  ein  für  die  Hingabe  und  den  Gebrauch 
fremden  Kapitales  gegen  Zins.  Nicht  absichtlich  verhüllte  sie 
diese  wucherliche  Natur  des  Kechtsgeschäftes,  aber  unabsicht- 
lich, sie  selbst  hervorgerufen  durch  den  bei  der  Entstehung 
des  Eentenkaufes  noch  weniger  entwickelten  Verkehr.  Sobald 
letzterer  erst  weiter  sich  herausgebildet  hatte ,  stellte  sich  da- 
her auch  noch  unter  strenger  Beibehaltung  der  Form  des  Kau- 
fes ,  die  einseitige  Ablösbarkeit  bei  ihm  ein ,  welche  doch  dem 
Kaufe  an  sich  widersprach.  Wie  früh  trat  sodann  die  Kündi- 
gung von  beiden  Seiten  ein  nebst  Rückzahlung  des  Rentenkauf- 
preises. Nun  fiel  obiger  Einwand  sogleich  fort.  Allein  erhielt 
nicht  bei  den  Ewiggülten  selbst,  wenn  man  den  Rentenkauf 
als  Kauf  ansieht,  der  Gläubiger  das  Kapital  und  grossen 
Gewinn  darüber  durch  die  ewigen  Gülten ! ')  Das  widerstritt 
durchaus  der  oben  wiederholt  berührten  Lehre  der  Kirche  von 
der  nothwendigen  Ausgleichung  des  der  Waare  inliegenden, 
eigentlichen  Werthes  und  ihres  Kaufpreises.  Diese  Lehre  war 
so  alt,  wie  die  ersten  kanonistischen  Wuchergrundsätze,  sie 
lag  schon  in  den  canones  apostolorimi  mit  dem  von  den  Kir- 
chenvätern eifrig  ausgebauten  Satze  ausgesprochen ,  der  Käu- 
fer dürfe  dem  Verkäufer  keinen  Vortheil  irgend  einer  Art  ver- 
güten, ausser  dem  vom  Verkäufer  selbst  erlittenen  Schaden, 
seinen  Kosten  (cf.  ob.  Einl.  u.  I.  1  —  2.) ;  die  Lehre  war  daher 
zur  Zeit  der  Entstehung  des  Rentenkaufes  längst  anerkannt. 
Sie  verurteilte  gleichmässig,  wie  den  Rentenkauf,  auch  das 
Beispiel,  das  einige  Kanonisten  selbst  später,  naiv  genug,  zum 
Schutze  des  Rentenkaufes  anführten.  Auch  der  Kauf  eines 
Grundstücks  war  wucherlich ,  bei  welchem  Käufer  ausser  dem 
Betrage  des  Kapitals  noch  ausserordentlichen,  ja  unbegrenzten 
Gewinn  durch  dessenjährliche  Früchte  bezog.  Denn  das  Grund- 
stück wurde  doch  als  fruchtbares  gekauft,  deslialb  durfte  scW>n 
von  vornherein  der  eigentliche  Werth  des  Grundstücks  und 
seines  Fruchtertrages   den  Kaufpreis   nicht   übersteigen.   Die 

1)  cf.  Azor.  1.  c.  sec.  quaer.  —  L.  Less.  1.  c.  11.  c.  22.  u.  39.  — 
Laurent.  Rudolph,  repet.  I.e.  p.  130.  n.  43.  C.  Molin,  trct.  contr. 
(|U.  1.  u.  13. 


282    V.  3.  Kcntenkauf.  e.  Verhalten  der  Kirche  zum  Kentenkaufe. 

stete  Verzinslichkeit  des  Kaufpreises  selbst  war  dem  gegenüber 
nicht  in  Ansatz  zu  bringen ,  da  diese  Zinsen  im  kanonischen 
Rechte  eben  unnatürlich ,  bei  der  Unfruchtbarkeit  des  Geldes 
ungerechtfertigt  erschienen.  ^) 


1)  Nur  der  Leibrentenvertra^ ,  auf  der  Grenze  zwischen  Ewiggülten 
und  Wiederkaufsgiiltcn ,  fand  in  der  unbestimmten  Lebensdauer  des  Käu- 
fers gegenüber  dem  festen  Kaufpreise  seine  Eechtfertigung  gegen  das 
Wuchergesetz.  So  sagt  die  SummaJohannis  (1495)  11.32".  (Stobbe, 
Eechtsquellen  I.  p.  635) :  „  kaufFet  ein  mensch  gült  oder  zynsz  oder  ein 
ander  Dinge  zu  seinem  leib  Darumb  soll  er  auch  geben  ein  bequemlich 
gelte  nach  seinem  alter  und  nach  seiner  stercke ,  also  daz  der  verkauffer 
nit  gritsslich  beschediget  Averde  von  des  Kauffers  lang  leben."  Und  das 
ist  auch  der  Sinn  der  Worte  Purgoldts,  der  so  peinlich  die  einzelnen 
Verträge  in  ihrem  wucherlichen  Charakter  prüft  III.  95.  (Ortloff) :  „  wer 
zcinse  kouffet  zu  seime  leibe,  der  sal  en  dornoch  kouffen  das  her  jung, 
starg  und  gesund  ist ,  es  stehit  an  den  vorkouffern ,  wie  sie  en  gebin  wul- 
len.  Diesser  kouff  ist  wüll  bestendig  umme  deswillen,  das  er 
ebenturlich  ist  unnd  nicht  enwej's,  wie  lange  her  den  zcins  uffnemmet." 
Dagegen  den  Rentenkauf  nennt  Purgoldt  nur  in  folgenden  Grenzen 
entscliieden  wucherlich.  cf.  III.  c.  55:  „kouffet  eyner  zcins  adder 
lihit  sein  geilt  eyme  uf  genisliche  pfant,  und  der  zcins,  adder  das 
geilt  vonu  des  pfandes  geniesse  nicht  abeslet,  der  thut  nicht  recht, 
und  ist  jme  reclitin  ieme  des  das  pfant  ist,  irstatunge  schuldig  darumme, 
unndt  thut  her  des  nicht,  szo  ist  her  eyn  Wucherer  und  der  unbeschey- 
delicher  geniess  der  ist  alles  recht  wucher.  Dith  ist  das  beschriebin 
recht  und  stet  ex  de  usuris."  —  Der  Text  bleibt  unklar ;  der  Fall  ist,  dass 
der  Käufer  für  die  pünktliche  Eentenzahlung  vom  Verkäufer  ein  nutz- 
bares Pfand  gesetzt  erhielt.  Der  Rentenkauf  mit  alleiniger  Kündigung 
des  Verkäufers  ist  nur  wucherlich,  wenn  sich  der  Käufer  noch  nach  der 
Kündigung  für  einen  bestimmten  Zeitabschnitt  die  Rente  zahlen  lässt 
(cf.  ib.  III.  c.  93.) ,  beiderseitige  Kündigung  dagegen  macht  den  Renten- 
kauf stets  wucherlich  (UI.  c.  92.) ,  unnd  ist  böser  wan  judin  gesuch ,  weil 
der  Verkäufer  nicht  jederzeit  das  Geld  bereit  hat,  daher  zu  seinem  Scha- 
den der  plötzlichen  Kündigung  genügen  muss.  Chr.  Kuppen  er  aber 
(vom  Wucher  B.  6  ^.)  entscheidet  die  Frage  über  den  Wucher  in  Leibren- 
ten und  im  Rentenkaufe  dahin:  ,, . .  sprechen  dy  hochgelerten  hern  . .  das 
solche  contract  wol  czindichen  vn  durcli  recht  gescheen  mögen . .  Es  sey 
das  man  solche  iarliche  czins  gekaulft  hab  aus  den  einkommen  eins  vnbe- 
weglichen  gutes  ligender  gründe  vnn  eins  erden  bodens  ader  eins  hauses 
ader  aus  Verdienste  vnn  einbrengen  ierlicher  nutzunge  der  eigen  ader 
freyen  menschen  vnn  ist  nicht  wucher.  Nach  dem  solch  hauptgelt  gekauf- 
tes geldes  vnn  ierlicher  czins  nicht  aus  gelihen  gelt  ist  besunder  ein  gelt. 


V.  3.  Rentenkauf.  e.  Verhalten  der  Kirche  zum  Rentenkaufe.    2H3 

Und  weiter,  konnte  der  Kentenkauf ,  wenn  man  ihn  als 
Kauf  oder  als  irgend  sonst  ein  Rechtsgeschäft  ausser  dem 
Darlehn  ansah ,  nicht  dennoch  unter  das  allgemeine  Wuclier- 
verbot  fallen?  (cf.  Einl.  I.  1.  2.  IL  2.  IIL  2. äff".) 

Man  betonte  hiergegen,  das  Recht  der  Rentenforderung 
(jus  ccnsiis),  nicht  der  Betrag  der  Renten  sei  die  Waare.  ') 
So  lange  der  Kauf  währte ,  übte  der  Käufer  dieses  Recht  aus, 
bei  Lösung  des  Kaufes  stattete  er  gegen  Empfang  des  Prei- 
ses die  Waare  an  den  Verkäufer  zurück ,  ganz .  wie  bei  dem 
Wiederkaufe  eines  verkauften  und  vom  Käufer  abgeernteten 
Grundstücks.  ^)  Damit  sollte  sich  besonders  der  Einwand  aus 
dem  Wucherverbote  beseitigen,  dass  Preis  und  Waare  gleichen 

Douor  durcli  einen  redlichen  contract  emptionis  vun  venditionis,  das  ist 
kaufens  vn  vcrkauftcns,  etwas  gekauft  Avorden  ist ,  Avie  wol  mit  der  c/.oit 
der  ihenige  der  solche  czins  gekaufft  hat ,  meer  entpfenget  ader  entpfan- 
gen  niagk,  dann  seine  hatiptsum  geAvest  ist.  Geben  obgenante  lerer  dise 
vrsachen  dann  gleicher  weisze  als  einer  vmb  sein  gelt  magk  kauffen  ein 
gantz  landt,  stete,  schlos,  vorwerck,  heuser  ader  ligende  gründe,  vnn 
raagk  vnn  kan  dermitt  der  czeit  er  ader  seine  erben  meer  geniszen ,  dan 
die  haupsum ,  dy  dorumb  gegeben  worden  ist  wert  ist  vnd  machet  ader 
magk  vmb  ein  gelt  ein  gutt  kauffen  in  emphiteosira,  das  ist  czu  einer  bes- 
serung  des  gutes  ader  yndert  von  einem  kauffen  czins ,  die  von  alter  auff 
einem  gut  czins  gewesen  sein ,  sjjrechen  obgenante  lerer.  So  magk  euch 
wol  einer  also  vmb  sein  gelt  kaufen  vnn  im  machen  einen  czins  in  iure 
percipiendi  der  czuuorn  nicht  gcwest  ist  an  einem  vnbeweglichen  gut. 
Dan  wiwol  ein  solch  zins  nawe  heist  vnn  czuuor  in  der  gestalt  eins  czinses 
an  solchem  gute  dor  an  er  gekaufft  worden  ist  nicht  gewest  ist ,  so  ist  er 
doch  in  der  gute  vn  wirde  sie  in  iure  i)ercij»iendi  solchs  guts.  dorauff  er 
gekauft  Avorden  ist  von  anbegin  des  guts  gcAvest ,  sunst  künden  man  sol- 
chen iarlichen  czins  dorauff  niciit  kauffen  noch  gekaufft  haben ,  dorumb 
sein  obgemclte  eontract  im  rechTeu  avoI  czugelassen  .."  ib.  C.  5^.  „einer 
kauft  etzliche  Averntliche  czins  bei  eyner  s  t  a  t  ader  bei  einer  k  i  r  c  h  e  n 
auff  seine  lebetage  alle  iar  ierlichen  im  solche  czu  reichen  vnd  czu  geben." 
Eijiige  nennen  den  Vertrag  wucherisch,  denn  die  Käufer  hoffen,  „leugerczu 
leben  vnn  vber  ausgctanc  hauptsum  iarlichen  meer  czu  entpfacn,  Aven  sie 
ausgethan  haben."  Die  Hoffnung  alter  erzeuge  eben  den  Wucher.  Kuppe- 
n  e  r  dagegen  hält  den  Vertrag  für  zulässig ;  denn  ihm  liege  ein  Kauf  und 
nicht  ein  Darlchn  zu  Grunde.  Den  Rentenkauf  mit  freier  Kündigung  durch 
den  Käufer  aber  erklärt  er  in  Uebereinstimnmng  mit  den  Summisten  und 
andern  kanonischen  Rechtslehrern  als  Avucherlich  (cf.  Beilage  E.  n.  4.). 
1)  Scacc.  c.  1.  n.  174.        2j  Azor.  1.  c.  c.  17. 


284    V.  3.  Rentenkauf.  e.  Verhalten  der  Kirche  zum  Rentenkaufe. 

Werth  haben  müssten ,  während  die  Ewiggülten  den  Preis 
weit  üliersteigen  konnten,  also  dem  Käufer  einen  Gewinn  zum 
Kapitale  (^jrr^/«>»^  einbrachten.  ^)  Hier  konnten  offenbar  nur  die 
Ewiggülten  in  Betracht  kommen ;  denn  bei  zeitlichen  Renten 
erliielt  Käufer  ja  nach  Empfang  und  Gebrauch  der  Waare  (jus 
ccnsiis)  auch  noch  den  Preis  zurück.  Dass  aber  diese  Annahme 
des  jus  ccnsus  auch  bei  Ewiggülten  Nichts  änderte ,  ist  klar ; 
denn  das  jus  census  überwog ,  ebenso  wie  der  fruchttragende 
Acker,  den  einmaligen  Kaufpreis. 

Je  grösser  indess  die  Widersprüche ,  desto  kühner  wurden 
die  Fiktionen.  Da  das  Geld  im  Geldzinse,  welches  bei  dem 
Kaufe  des  Rentenrechtes  immer  bestehen  blieb ,  doch  weder 
aus  dem  Kaufpreise  (Kapitale)  noch  aus  dem  fruchttragenden 
Grundstücke  hervorwachsen  konnte ,  nahm  man  au ,  die  census 
fruduarii  kaufe  der  Rentenverkäufer  sofort  wieder  für  den  Geld- 
zins vom  Rentenkäufer.  Welche  Fülle  neuer  Wucherbeschwer- 
den öfftiete  sich  durch  diesen  neuen  Kauf,  ^)  und  wie  wollte 
man  bei  dem  weiter  entwickelten  Rentenkaufe  die  Belastung 
des  einzelnen  Grundstücks  mit  Fruchtrenten  aufrecht  erhalten ! 

Neben  dem  ganzen,  bisher  dargestellten  Verlaufe  der  deut- 
schen Zinsverhältnisse  beweisen  gerade  diese  hauptsächlichen 
Vertheidigungsgründe  des  Rentenkaufes  durch  die  canonistischen 
Schriftsteller,  wie  nicht  richtig  einige  Rechtsautoritäten,  so 
Walter,  •^)  das  kanonistische  Wucherverbot  im  Mittelalter  da- 
mit rechtfertigen  zu  können  meinen ,  dass  sie  nur  zum  Schutze 
der  Armen  gegen  die  Geldtyrannei  der  Reichen  die  Kirche  das 
Wucherverbot  aufrecht  erhalten ,  ^)  daher  den  Rentenkauf,  bei 
dem  dieser  Grund  nicht  vorwalte,  von  ihr  billigen  und  ver- 
theidigen  lassen.   Dass  dieses  Moment  die  Hauptursache  zur 


1)  cf.  ob.  Abschn.  II.  u.  Azor,  1.  c.  17.  pr.  qu.  Less.  d.  just,  et  jur. 
U.  c.  22.  n.  39.  2)  Azor.  1.  c.  c.  17.  Scaccia.  §.  1.  qu.  1.  n.  175.  Co- 
varruv.  HI.  c.  10.  3)  Syst.  d.  D.  P.  E.  §.  267. 268.  Deutsche  Rechtsge- 
schichte, §.  551.  561.  4)  cf.  dagegen  auch  Benedict.  XIV.  de  sj-nodo 
flioecesana.  VII.  c.  47  ff.  und  dessen  Encyclia:  vix  pervenit  vom  1.  Nov. 
1745  (Bullar.  Benedict.  XIV.  T.  1.  p.  353.),  Moy  de  Sons,  Archiv 
für  kathol.  Kirchenrecht  I.  p.  323.  325.  Endemann,  Nationalökonom. 
Grundss.  der  kanon.  Lehre  p.  60ff.  (auch  bei  Hildebrandt,  Zeitschr.  für 
Nat.  Oek.  I.  1  ff.j. 


V.  3.  Ecntonkanf.  e.  Verhalten  der  Kirche  zum  Renteiikaufe.    285 

Entstehung  des  christlichen  Wucherverbotes  war ,  zeigen  oben 
Abschn.  L  und  IT.  Dieselbon  lehren  al)er  ferner ,  wie  früh  die 
Kirche  in  Ausbauung  des  Wuchersystemes  sich  von  dieser 
kleinen  Grundlage  ausdehnte,  wie  umfassend  über  alle  Ver- 
gütimg  des  Nutzens  fremder  Kapitalien  sie  ihre  Verbote 
errichtete ,  daher  sie  beim  Rentenkaufe  auch ,  wo  nicht  minder 
Fälle  der  Geldbedrückung  Armer  durch  Reiche  in  grosser  Zahl 
sich  bieten,  allgemein  die  Anerkennung  des  Rechtsinstitutes 
ohne  Berücksichtigung  dieser  Einzelfälle  ausspricht  und  nir- 
gend jenen  Grund  als  den  ihrer  Billigung  aufführt.  Ja  noch 
mehr!  Nicht  allein  in  der  kanonistischen  Litteratur  ist  die 
Zahl  der  Stimmen  gross ,  welche  den  Rentenkauf  als  wucher- 
lich verurtheilen,  weil  sie  in  ihm  dasselbe  Prinzip,  wie  im 
Darlehn  obwalten  sehen ,  sondern  sogar  in  der  Praxis ,  und  in 
der  deutschen,  offenbaren  Kirchenbeschlüsse  ganz  klar,  dass 
man  sich  Seitens  des  Clerus  durchaus  nicht  über  die  Natur 
des  Rentenkaufes  täuschte.  Wer  sollte  auch  nicht  mit  offenen 
Augen  blind  genannt  werden  müssen ,  wenn  er  mitten  in  der 
oben  dargelegten  Entwicklung  des  Rentenkaufes  zum  zinsba- 
ren Darlehn  lebte  und  gegen  die  tausendfältige  zinsbare  Kapi- 
talsanlage im  Renteukaufe  das.  kanonische  Wucherverbot  unver- 
letzt hielt !  So  unterscheidet  man  in  der  Synode  von  Besanyon 
1571,  also  ein  Jahrhundert  nach  der  öffentlichen  Billigung 
des  Rentenkaufes  durch  die  Kirche,  zwischen  rentas  fon- 
cieras,  welche  von  Grundstücken  gezahlt  werden,  imdj^er- 
sonales.  welche  man  in  einem  einfachen  Schuldscheine  ohue 
Belastung  eines  Grundstücks  vereüibarte  (auch  viageriae,  va- 
gae,  volanfes  genannt),')  desgleichen  in  der  Synode  von 
Brixen  1603  2)  verurtheilt  man  denjenigen  als  Wucherer, 
welcher  emen  Rentenkauf  schloss,  ohne  in  der  Urkunde  das 
Grundstück  zu  benennen ,  auf  welches  er  die  Rente  legte.  In 
ersterer   Synode   fällt   geradezu   die  Aeusserung:    „si   cum 


1)  cf.  conc.  Germ.  ed.  Schaiiiiat  u.  A..V0I.  \^^.  p.  104.  Ent- 
sprechend den  „rentes  foncieres"  und  „Constitution  de  ren- 
tes"  in  Frankreich,  wo  man  frühe  schon  den  Rentenkauf  zur  Ver- 
schleierung des  allgebräuchlichen  zinsbaren  Darlehns  anwendete  (cf. 
Rizy.  Zinstaxen,  p.  120.).        2)  Conc.  Genn.  VIII.  p.  579. 


'28(1      V.  ;>.  Reut 011  kauf.    c.  Vorlmlton  dor  Tvirclio  zmii  Tioiitonlcaufe. 

pacto  redimendi   sortem  ohligarer,   non    vcndltio 
cvrfc  rsscf,  sed  mufuntio  cum  foenore." 

Die  Frage  über  die  Billigung  oder  Verwerfung  des  Ren- 
tenkaufes wurde  immer  brennender.  Die  Hauptkapitalien  der 
Hospitäler,  Stiftungen,  Klöster,  Kirchen  waren  in  Renten 
angelegt,  die  Schuldner  weigerten  sich,  den  Zins  als  einen 
wucherlicheu  zu  zahlen,  die  Kirche  selbst  hatte  ihren  Gegnern 
die  Handhabe  geboten.  Böswillige  Geistliche  denunzirten 
bereits  seit  dem  13.  Jahrhundert  an  die  päbstliche  Curie  das 
reisseiide  Ueberhandnehmen  der  Rentenkäufe,  z.  B.  aus  Lü- 
beck. ^)  Damals  liess  Clemens  V.  sich  von  seinem  Kaplan  Ber- 
nardus  Bojardi  1309  em  Gutachten  über  den  misslichen  Gegen- 
stand anfertigen,  das  glücklicherweise  günstig  für  Lübeck  aus- 
fiel; denn  derselbe  Pabst  verbot  die  Zinsen  später  von  Neuem.  ^) 
In  diesem  Gutachten  handelt  es  sich  um  folgende  zwei  Fälle : 

L  Wenn  der  reiche  Nachbar  für  den  armen  de  mandato 
superiorum  eine  Mauer  auf  des  reichen  Kosten  auffuhrt, 
so  zahlt  ihm  der  arme  „2^ro  singidis  XVI  soUdls  sinyulis 
unnis  1  soUdum  de  domo  ejus,  cujus  murum  edificU ; pauper 
vero  vel  ejus  lieres  qiiandocunque  voluerit ,  poterit  reemere 
predictos  reddltus  pro  eadem  summa  fnictlhus  interim  per- 
cepüs  in  fnictum  mlnime  comxmtaiis  . .  et  habehunt  domum 
liheram  et  quietam. . ."  Der  Reiche  hat  beim  späteren  Verkaufe 
des  Hauses  des  Armen  das  Vorzugsrecht. 

n.  Nimmt  Jemand  von  HIc  mrk.  eine  Rente  von  XVI  m. 
auf  ein  ländliches  oder  städtisches  Grundstück,  so  kann  der 
Besitzer  oder  sein  Erbe  das  Recht  des  Rentenbezuges  wieder- 
kaufen, „ quandocunque  voluerit,  ulvito  etiam  emtore,  fructi- 
bus interim  in  sortem  minime  computatis,  sed  emtor  vendito- 
rem  ad  reddimendum  compellere  non  potest. ." 

Man  ersieht ,  es  sind  die  oben  bereits  erwähnten  kanoni- 
stischen  Zweifel;  „queritur  hec  statuta  possint  stare  de  jure 
vel  non  ?  " 

„Nos  Bernardus  Boiardi   archidiaconus  Xanctonensis  ... 
dicimus  quod  xyrimtmi  statutum  potest  habere  dtibium ,  quia 


1)  Siebe nkees,  Beitr.  Tli.  1\^  p.  223.        2)  Clem.  d.  usur.  b.  1. 


V.  3.  Rcntenkauf.    <■.  ^'orlialton  der  Kirche  zum  Eentonkaiife.     287 

viclcfur  contradus  usurarius  vel  saltim  turpis  et  usure 
testamcnti  in  ntriusquc  pacjina  sunt  proliihitc  unde  dispen- 
satio  vel  prct'nim  seu  conventlo  in  talihns  nich'd pn-odest  et 
per  se  consequens  nee  statutum  per  quod  inducerentur  Jiomi- 
nes  ad  peeeandum  qnia  statutum,  contra  legem  cid  renun- 
tiari  non  potest  non  vcdet,  isla  probantur  X.  d.  usur.  c. 
consul.  et  c.  in  eivit.  et  c.  tuas  et  c.  I.  et  IL  i.  f.  d.  pac.  do. 
I.  eonveniri  et  quod  no.e.de.decre.  decuri  lib.X.in  ruhrica." 
(Der  Wucher  wird  darin  erkannt ,  dass  Gläubiger  sein  Kapi- 
tal aus  der  Rente  wieder  bekommt  und  doch  die  Rente  ohne 
Anrechnung  auf  das  Kapital,  wie  bei  der  Pfandnutzung  vor- 
geschrieben war,  gezogen  hat.  Desgleichen,  dass  Gläubiger 
beim  Kaufe  des  Hauses  vorgezogen  wird,  sei  nicht  unbedingt 
zu  erlauben)  „contra  l.  qua  vult  quod  quilihet  possit  rem 
sua7H  vendere  eui  velit  reprobata  consuetudine  que  profere- 
bat  consanguineos  et  consortes  c.  d.  contrali.  empt.  l.  dudum 
nee  valet  pretium  (pactum),  ut  quis  rem  suam  vendere  et 
alienare  non  possit.  ff.  d.  pact.  vel  velit.  Sed  premissis  non 
obstantibus  dico  v alere  statutum  nam  civitates  et 
municipia  statuta  facere  possunt,  que  ipso- 
rum  p)'>'oprium  jus  civile  vocatur  et  vincunt." 
Das  zweite  Statut  ficht  er  nicht  deshalb  an ,  weil  die  Rente 
den  Zinsen  gleich  sei.  sondern  weil  „  aufertnr  potestas  libera 
hominibus  in  re  sua  quia  non  possunt  vendere  proiit  volunt 
sed  pro  certo  pretio  et  non  pro  miyiori."  Doch  lasse  sich  dies 
im  vorliegenden  Falle  wiedei*  entschuldigen,  „quod  pJerumque 
qiii  pecunia  indigent ,  faciles  sunt  ad  venditionem  rerum  et 
proinli  pretio  vendunt  pretiosa. . .  Caveatur  tarnen  eonseien- 
tia  ne  in  fraudem  usurarum  fiat  aliquid  in  predictis.  In 
cujus  rei  testimonium  Nos  Bernardus  Bojardi  . .  presentes 
littcras  fecimns.  Arinion.  XX  Juni  1309." 
Der  Karthäuser -Prior  Roland  von  Köln  warf  danach  im  Coneil 
zu  Costnitz  wiederum  die  Frage  auf  über  die  Erhiubtlieit  die- 
ser Verträge.  Da  es  sich  hier  um  die  Einkünfte  des  Karthäu- 
serordens handelte,  entschied  sich  die  grosse  Majorität  kano- 
nistischer  Autoritäten  für  die  Billigung  des  Rentenkaufes. 
Roland  hatte   in  der  Darlegung  der  heimischen  Verliältnisse 


288     V.  3.  Rcntoiikauf.   o.  Yorlialtcn  dev  Kirche  zum  Rentcukaufo. 

aiu'li  einen  möglichst  niederen  Rentenfuss  ausgewählt ,  „'per- 
solvcudo  nliquancJo  XXIV  florcnos  j;ro  pcnsionc  nniiis  florenl, 
in  aJiis  hciii  vigiuti  frcs  vcl  ad  minimum  XX  florcnos,  .." 
der  die  p]ntscheidung  um  so  eher  günstig  ausfallen  lassen 
musste.  ^)  Aber  die  Frage  ruhte  nocli  niclit.  Insbesondere 
häuften  sich  die  Weigerungen  der  Schuldner,  rückständige 
und  laufende  Renten  als  wucherliche  zu  zahlen ,  vornehmlich 
zu  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  hi  Mitteldeutschland.  ^)  Daher 
die  selbst  in  der  kirchlichen  Latinität  starken  Ausdrücke ,  mit 
denen  Martin  V.  1420  semen  Brief  an  die  Brüder  in  Trier, 
Lübeck  u.  s.  w.  einleitet :  „ . . .  %d  dttMa  quae  inter  cos  oriun- 
tur  pro  tempore,  ne  litis  ein fracfum ,  seil  scnnclcdorum  partu- 
riont  fonicntiim,  nostro  moderamine  declarentur."' ^)  Selbst 
im  16.  Jahrhundert  begegnen  dergleichen  Fälle  noch,  zumal, 
als  die  Reformation  die  Geister  bewegte ,  sich  wieder  auf  den 
ideell  sittenreinen  Standpunkt  des  ürchristenthums  zu  stellen, 
wie  Beilage  D.  und  E.  von  Dan  zig  her  beweisen.  Die  Vorste- 
her der  einzelnen,  dadurch  gefährdeten  Kirchen,  Klöster, 
Stiftungen  u.  s.  vf.  fragten  weder  und  wieder  beim  römischen 
Stuhle  um  endgültige  Entscheidung  der  Sache  an.  So  antwor- 
tete denn  gemäss  dem  vorher  eingeholten  Gutachten  ,,dilccti 
filii  nostri  Gulielmi,  titidi  sancti  Marci  preshytcri  cardi- 
nalis"  Martin  V.  auf  das  Schreiben  der  Diözese  Breslau  1420,  ■*) 
dann  Mcolaus  V.  1452  auf  die  Anfrage  der  Bischöfe  von 
Magdeburg,  Naumburg  (Nürnberg),  Halberstadt,  und  Kalixtlll. 
1455,  ^)  später  in  besonderer  Verordnung  Pius  V.  noch  1568.*^) 
Aus  den  Entscheidungen  dieser  Päbste ,  durch  welche  schliess- 
lich  die  Frage   gelöst  wurde,   erhellt  —  und  mit   grösstem 


1)  Zech,  rigor,  moder.  doctr.  pontif.  c.  usur.  III.  195.  Endemaim, 
1.  c.  p.  62ff.  2)  Extrav.  comm.  UI.  5.  c.  1.  Tarnen  nonnulU  ...  in 
arcum  pravum  conversi  cupientes  cum  alterius  pecimia  loeupletari,  hujüs- 
modi  censtis  ...  emtoribus  ..  soluere  contradicunt  et  recusant ,  confin- 
gentes ,  huiusmodi  contractus  fore  et  esse  usurarios  et  ilUeitos ,  ipsos 
emtores  . . .  spoliant  X)erceptione  et  detinent  spoUatos  (seil,  census)  in 
animarum  suarum  pericuhim  eorumque  emtorum  praejudicium ,  dam- 
num  et  gravamen."  'S)   Extrav.  Comm.  111.5.  cp.  1.        4)  c.  1. 

Extrav.  comm.  III,  5.       5j  c.  2.  1.  c.        6)  Scaccia.  1.  c.  §.  9.  u.  44.  45. 


V.  3.  Rentenkauf.   e.  Verhalten  der  Kirche  zum  Renteukaufe.    289 

Nachdrucke  wird  es  hervorgehoben  —  wie  weit  und  tief  sich 
der  Kentenkiiuf  im  Verkehre  nicht  bloss  der  Laien,  sondern 
ganz  voriu^hmlich  auch  der  Cleriker  ausgebreitet  hatte,  wie 
Kirclien ,  Klöster  und  geistliche  Stiftungen  ihre  Einkünfte  ganz 
speziell  aus  dieser  sicheren  Quelle  zu  7  —  10%  bezogen.  Zum 
ersten  Male  mit  ganzer  Stärke  trat  das  Angesicht  der  That- 
sache  im  Kapitalverkehre  dem  theoretischen  Satze  der  Kirche 
entgegen ,  —  und  die  Kirche  wich  zurück.  Hätten  die  Päbste 
hier  mit  Nein  entschieden ;  man  Hess  entweder  die  Entscheidung 
unbeachtet  und  uubefolgt,  oder  m  gewaltiger  Explosion  stürzten 
alle  geordneten  Besitzverhältnisse  über  einander  und  begruben 
auch  hier  die  Kirche  in  ilirem  Falle.  Beidemal  war  Ansehn 
mid  Vermögen  der  Kirche  aufs  Spiel  gesetzt.  Darum  musste 
hier  der  Wuchergrundsatz  ruhen,  darum  verwarfen  die  Päbste 
die  Fülle  der  kanonistischen  Gegeugründe  und  erlaubten  den 
lientenkauf.  Wie  sehr  bereits  der  Umlauf  des  leichtflüssigen 
Kapitales  dabei  der  Kirche  wesentlich  erschien,  zeigen  die 
jener  Entscheidung  zugefügten  Gründe,  in  denen  des  Schadens 
der  Landwirthe ,  welchen  man  durch  ein  Verbot  des  Kenten- 
kaufes  das  Geldkapital  entzog,  kaum  gedacht  wird.  Salma- 
sius,  d.  foen.  trapez.  p. 4,  bemerkt  richtig  hierzu:  „siih  alieno 
qiüppc  d  arcessito  nomine  foemis  permiserimt,  quocl  sub  pro- 
prai  (ippdlatione  vetiierunt. p.  68  ...  decretis  tarnen  Ulis  nihil 
aliud  eff'ectum  est,  quam  ut  foenus  sub  alio  nomine  in  ecclesiis 
occidentalihns  frcquentaretur ,  dum  pro  usuris  induit  appella- 
tionem  „  redituum  annorum." 

Dagegen  bemühten  die  Päbste  sich ,  die  nicht  zu  verwei- 
gernde Erlaubniss  möglichst  fest  zu  begrenzen ,  um  so  wenig- 
stens den  Wuchergrundsätzen  gerecht  zu  werden.  Die  Kente, 
bloss  von  einer  Person  empfangen,  blieb  wucherlich;  ausser 
den  Grundstücken ,  überhaupt  den  Immobilien  waren  höchstens 
noch  die  Quasi  -  Immobilien ,  Abgaben  u.  dergl.  zur  Belastung 
mit  Kenten  geeignet.  ^)   Dagegen  beziehen  Etliche  '^)  die  Ge- 


1)  Navarr,  i.  c.  3.  C.  14.  qu.  3.  n.  87.  Scaccia.  §.  1.  qu.  1.  n.  204. 
2)  Less,  II.  c.  22.  dub.  12.  n.  77.  Äzor,  1.  c.  c.  7.  Benedict  XIV. 
in  der  berüluuten  Schrift  „de  Sjiiodo  dioecesana"  VII.  c.  48.  n.  4  ver- 

Ntiuiuaun,  Gesch.  d.  Wuchers,  IJ 


2W     V.  y.  Rontoiikauf.   e.  Yorlialton  dtn'  Kirilie  znni  Rontoulcaufo. 

stattuiig  allein  auf  Gviiiidstücke,  während  Andere  sich  sogar 
den  Pevsonalrenteii  niclit  abgoncigt  zeigen.  ')  Ans  dem  Gvnnd- 
stiieke  selbst  sollte  die  Heute  als  Frncht  erwaclisen,  daher  man 
bestimmte  Grundstücke  verpflichtet  forderte  nud  die  Belastung 
des  ganzen  Vermögens,  welche  den  üebergang  von  der  Real- 
last-Kente  zur  einlachen  rersoualrente  (cf.  Absch.  b.)  wesentlich 
eingeleitet  hatte,  durchaus  verwarf,  so  in  der  Constitution 
„cum  onus"  von  Pabst  Pius  V.  Die  Hrdie  der  Kente  sollte 
demgemäss  in  der  Höhe  der  wirklichen  Erträgnisse  des  Bodens 
das  Maximum  bilden.  Daher  sank  auch  Iderdurch  der  Renten- 
fuss.  —  Andrerseits  entfernte  man  sich  wieder  von  dem  Cha- 
rakter der  strengen  Bodenrente,  indem  man  für  jeden  Renten- 
kauf zur  Gültigkeit  Kündbarkeit  Seitens  des  Schuldners  for- 
derte. Diese  Bestimmung  wirkte  als  eine  zweischneidige  nicht 
sowohl  für  den  Schuldner  günstig ,  als  sie  vielmehr  jedes  an 
sich  immer  doch  makelbehaftete  Rentenverhältniss  schneller 
endigen  konnte  und  endigen  sollte.  Die  Kfmdbarkeit  durch 
den  Käufer  blieb  gegen  die  einstimmige  Praxis  höclist  bestrit- 
ten. ^)  Zur  Abwehr  der  so  häufigen  Verwandlung  anderer  For- 
derungen (cf.  Absch.  d.)  in  Rentenkapitalien  ward  nur  baare  Zah- 
lung beim  Rentenkaufe  gestattet.  Die  Controlle  zu  üben,  blieb 
natürlich  unmöglich.  ^)  Insbesondere  verbot  man  alle  sonsti- 
gen Uebereinkommen  der  Parteien,  um  dem  Gläubiger  neben  der 
Rente  noch  einen  Gewinn,  z.B.  im  Zahlungsverzuge  des  Schuld- 
ners zu  sichern.  Kurz,  die  Begrenzung  der  gegebenen  Erlaub- 
niss  des  Rentenkaufes  gegen  die  ewig  drohende  Wuchernähe 
steigerte  sich  in  der  Verordnung  von  Pius  bereits  auf  sieb- 
zehn Punkte.  ^)  Da  aber  die  genannte  Constitution  Pius'  V. 
weder  in  Deutschland,  noch  Frankreich,  nocli  Belgien  recipirt, 
dagegen  in  Spanien  durch  Privilegien,  anderswo  durch  Gesetze 
entsprechend  der  zu  Grunde  liegenden  Gewohnheit,  wirkungs- 
los gemacht  wurde,  drang  die  Entscheidung  der  Constitution 


walirt  sicli  entschieden  gegen  die  Ausdehnung  der  Billigung  auf  Personal- 
renten ,  selbst  Avenn  eine  Eealliypothek  zur  Sicherheit  unterbreitet  ist. 

1)  cf.  S  c  a  c  c  i  a.  1.  c.  n.  203  ff.      2)  A  z  o  r.  1.  c.  c.  17.  S  c  a  c  c  i  a.  1.  c. 
n.  2.%ff.  3)  Azor.  1.  c.  u.  c.  8ff.   Scaccia.  n.  209.  4)  Azor, 

Ic.  5  — 21. 


V.  3.  Rentenkauf.   c.  Verlialton  der  Kiiclic  /iiin  Renteukaufe.     291 

schon  aus  diesen  Gründen  niclii  diivtli,  und  die  allgemeine 
Ansicht  grill' Platz,  aucli  die  persönliche  Rentenverpflichtung 
sei  niclit  wuclierlich,  sobald  sie  nur  nicht  etwas  gegen  das 
Naturreclit  oder  göttliche  Gesetz  Streitendes  enthalte.  ^)  Die- 
ses sollte  aber  der  Fall  sem,  sobald  dem  Gläubiger  aus  dem 
Darlehnskapitale  selbst  die  Zinsen  erwüchsen ,  2)  oder  sobald 
der  Gläubiger  das  Kapital  kündigen  könne.  ^) 

Das  Maximum  der  Kente  bestimmte  man  auf  10%  ,  ihre 
gewöhnliche  Höhe  auf  7  —  S"/,,-  '*)  In  deutschen  Synoden  wurde 
dieser  Zinsfuss  mannigfach  variirt,  so  stellt  die  Culmer  Sy- 
node 1583  entsprechend  der  Norm  in  der  Danziger  Willkür 
von  1580(cf.  Absch.  c.)  8V3  7o  als  Maximum  auf.  ^)  Die  Synode 
von  Brixen  dagegen  1603^)  lässt  die  Höhe  der  Rente  von 
den  wirklichen  Erträgen  der  belasteten  Sache  abhängen. 

Die  päbstliche  Billigung  des  Rentenkaufes  fand  inDeutscli- 
hmd  ausser  durch  jene  Antwortschreiben  der  Päbste  gerade 
an  deutsche  Cleriker  noch  besonders  in  einer  Reihe  von  Syno- 
den Eingang.  In  einigen  derselben  berührte  die  Debatte  offen 
den  wuclierlichen  Charakter  des  allverbreiteten  Rechtsinstitu- 
tes, so  in  der  oben  zitirten  von  Besan^on  1571.  Hier  sprach 
man  denn  —  trotz  Walter  —  unverblümt  auch  den  Grund 
aus,  der  die  Päbste  hauptsächlich  zur  Anerkennung  solcher 
Ausnahme  vom  Wucherverbote  getrieben  hatte:  „cum.  iyi- 
tur  comperttim  fuerit  expedire  reipuhlicae,  ut 
quid  datur  miituantihus  ad  comp en s at ion em  usus 
alienae  pecuniae  ccnsus  haec  obligatio  usurae 
honestior  ratio  inventa  est,"  und  verordnete  nur, 
dass  der  Missbrauch  des  Rentenkaufes  zur  ausdrücklichen  Um- 
gehung des  Wuclierverbotes  nicht  zu  gestatten  sei.  Letzteren 
Punkt  hielt  auch  die  Synode  von  Oonstanz  1609  aufrecht. '') 
Dagegen  ging  die  Brixen  er  Synode  von  1603  in  dem  Eifer 
für  den  Rentenkauf  nodi  ül)er  die  Erklärungen  des  päbstlichen 

1)  Devoti,  Instit.  can.  lib.  VI.  ti.  16.  §.  22.  n.  2.  2)  cf.  noch 

Benedict  XIV.  d.  syn.  dioec.  1.  c.  n.  4.  a.  Ende,  n.  5.  6.     3)  B  e  n  e  d  i  c  t 
XIV.  I.e.  Moy  de  Sons,   I.e.  ]..  325.326.  4)  Azor.   I.e.  c.  21. 

Scaccia.  n.  244.        5)  Conc.  Germ.  1.  c.  vol.  VII.  ]>.  985.         (J)  Conc. 
(j  er  111.  vül.  Vin.  p.  579.        7)  Conc.  Germ.  vul.  VIII.  p.  9UG. 

19* 


202  V.   4.  r>io  .Tmloii.   a.  Stollniig  zu  Kirolio  inid  Roioli. 

Stuhles  hinaus.  Denn  sie  bestimmte  sogar,  der  Kentenkauf 
sei  nicht  wuelievlich ,  selbst  wenn  beide  Contrahenten  Küudi- 
gungsbetugniss  liätten,  „non  esse  contra  jus  naturale  nee 
(livi)ium."  Das  konnte  dem  Kapitalverkehre  nur  gedeihen 
und  liess  um  so  schneller  das  zinsbare  Darlehn  in  ausgedehn- 
ter Weise  heranreifen.  Denn  hier  oflfeirbarte  sich  praktisch, 
was  S  a  1  m  a  s  i  u  s ,  der  klare  Denker  und  unbeirrte  Bekenner 
Avissenschaftlicher  Wahrheit,  1638  auszusprechen  nicht  zö- 
gerte:^) „non  inteUigere  possum,  cur  mutuari  suh  usuris 
vetit'um ,  reditumu  annuorum  vendltio  liae  nova  forma  appro- 
hata  sit." 

4.    Die  Juden. 

a.   Ihre  Stellung  zu  Kirche  und  Reich. 
(Kurzer  Ueberblick.) 

Als  Träger  des  Handels,  als  Förderer  des  persönlichen 
Credites  erwiesen  die  Juden  sich  überall  dort,  wo  der  Geld- 
verkehr durch  äussere  Störungen  unterbrochen  ward,  unschätz- 
bar gleich  einem  unentbehrlichen  Bindegliede.  Die  Juden  allein 
hielten  in  Deutschland  während  der  Zeit  des  eigentlichen  Mit- 
telalters den  Gebrauch  der  Conventionalzmsen  ohne  Ver- 
deckmig  aufrecht,  sie  allein  standen  hier  dem  kanonischen 
Wucherverbote  direkt  gegenüber,  sie  machten  die  Handeltrei- 
benden, die  Kapitalbesitzer  und  -Sucher  vertraut  mit  dem 
zinsbaren  Darlehn ,  sie  verhinderten  ihre  Entfremdung  von  die- 
ser natürlichsten  Entschädigungsart  der  Kapitalsnutzung ,  l)ei 
ihnen  allein  erkannte  man  den  Wucher  als  erlaubt  an ,  ganz 
Avie  später  allgemein  die  Conventionalzinsen ,  und  zog  ihm  nur 
aus  Gründen  der  Billigkeit,  der  allgemeinen  Wohlfahrt  eine 
bestimmte  Grenze.  So  wurden  die  Zinsgeschäfte  der  Juden 
Beispiele ,  Vorläufer ,  Anbahner  des  zinsbaren  Darlehns. 

Ausserhalb  der  Christenheit  und  darum  auch  ausserhalb 
des  Wucherverbotes  standen  die  Juden  nach  dem  kanonischen 


1)  d.  usuris  c]).  21.  ]).  632  ff. ,  d.  modo  usurar.  (1G30)  cp.  2.  p.  52  ff. 
d.  iiiut.  p.  G2  ff. 


V.  4.  Die  Juden,   a.  Stelliiuf,'-  zu  Kirche  und  Reich.  203 

Rechte;  ja  das  alte  Tostamciit  als  ilir  Hauptgesetz  gestattete 
ihnen,  Zinsen  von  NichtJuden  für  Ka]titalsnutzung  7ai  fordern 
(cf.  S.  2.).  Nur  vereinzelt  liess  Pabst  Innocenz  111.  sich  durch 
heiligen  Eifer  hinreissen,  die  christlichen  Obrigkeiten  aufzu- 
rufen, dass  sie  die  Juden  zur  Kückzahlung  des  Wuchers  an 
die  christlichen  Schuldner  zwängen  (cf.  I.  3.) ,  und  verbot  im 
AVeigerungsfalle  jeden  Verkehr  zwischen  beiden  bei  Strafe  der 
Exkommunikation.  Im  Clerus  Deutschlands  fand  letztere  Rich- 
tung der  Kirche  geringen  Anhalt  in  vereinzelten  Ausnahmen, 
die  indess  -auch  nur  mittelbar  den  Wucher  der  Juden  be- 
schränkten. ^) 


1)  So  wird   in   dem  Tricrschen  Pro  v  i  nzia  Ikon  zil  v.  1.  Mai 
888.  cp.  4.  berülirt : 

„  Crxmtlierus  Metensis  (Metz)  ecclesic  primicerius  ohtiilit  Itbelliim  pro- 
damationift  super  Judeos,   qui  hnbiiant  metis   (in  Metz)  quapropfer 
intenlictum  est  juxla  capifiila  55  patrum,  ut  nemo  christinnorum  cum 
eis  manducet  et  hihat  vel  quicquid  comedi  mit  potari  poiest  a  judeis 
accipiat  ...  cesarius  arelatensis  uit,  nimis  indignum  est  atque  sacrile- 
(fum  eorum  cibos  a  christianis  sumi."  bei  Strafe  der  Exkommunilvation. 
cf.  Urkundenb.  z.  Gesch.  des  Mittelrheins  ed.  H.  Beyer.  I. 
(Coblenz  18ßü.) 
Fast  wörtlicli  hiermit  iibcrcinstinmiend  verbietet  die  Breslau  er  Synode 
von  1266  (c]).  10  — 14)   den  Christen  bei   Strafe  der  Exkommunikation 
jeden  geschäftlichen  oder  aussergeschäftlichen  Umgang  aus  Furcht  davor, 
dass  die  Juden  die  Christen  vergiften ,  oder  sie  durch  hohe  Zinsen  zu  sehr 
aussaugen  oder  sie  zu  gleichen  Wuchergeschäften  verleiten.   Um  das  Ver- 
bot sichrer  zu  verwirklichen ,  wird  den  Juden  bestimmter  Wolmsitz  und 
bestimmte  Kleidimg  vorgeschrieben ,  die  weltliche  Obrigkeit  soll  die  Aus- 
fülirung  dieser  Befehle  selbst  überwachen ,  die  Befehle  sollen  zu  gehöri- 
ger Erneuerung  und  Verbreitung  jedesmal  in  den  bischöflichen  Synoden, 
in   den   Proviuzialconzilien  neu  verlesen,    auch  durch   die   Provinzial- 
kirchen  ihrer  Diözesen  den   Laien  verkündigt  werden.    Wie   wenig   das 
Alles  gegen  den  Verkehr  vermochte,  zeigt  sich  liier  aus  dem  Wortlaute 
der  Beschlüsse  selbst,  so  "vvie  aus  den  direkten  archivalischen  Nachricliten 
über  den  Verkehr.  Syn.  Budcnsis,  1279.  cp.  125.  —   Hube,  antiquiss. 
constitt.  .synod.  prov.  Gneznens.  Petroj).  1856.  Auch  noch  1315.  Rechts- 
niitth.  Breslaus  an  Glogau.   T  z  s  c  h o p  p  e  und  S  te n  z e  1 ,  Urk.  B.  p.  497. 
§.  5.  8.  p.  251.  —  cod.  dipl.  Sil.  V.  Wattenbach  ,  das  Formelbuch  Ar- 
nolds von  Protzau.  p.  59.  —   Chr.  Ku))pcner  (v.  Wucher  A.  5,  6,  Q»", 
B.  2,  2^^) ,  welcher  sich ,  wie  die  Summisten  allgemein ,  in  dieser  Frage 


294  V.    4.  Pio  Juden,    n.  Stollmiü:  zu  Kirohe  und  T\eicli. 

Bekanntlich  schon  in  der  ersten  Zeit  des  erwachenden 
Verkehrs  finden  sicli  hier  Bekenner  des  mosaischen  Ghiubens. 
Vereinzelt,  z.  B.  in  Worms,  hat  man  ihr  Alter  selbst  auf  das 
2.  Jahrhundert  nach  Christus  zurückführen  wollen.  ^)  Sie  ver- 
mitteln den  ersten  Handel  und  sind  neben  den  Clerikern  (mit 
deren  zahlreichen  l'rekarien)  die  allbereiten  Geldquellen  an 
den  Sitzen  der  weltlichen  und  geistliclien  Gewalthaber.  Bei 
dem  Entstehen  der  Städte  repräsentiren  die  Juden  einen  unent- 
behrlichen Eckstein  ihrer  Gründung.  Die  Judengemeinde  ist 
in  jeder  Stadt  ein  Avesentlicher  Theil  der  Einwohnerschaft.  ^) 
Als  NichtChristen  und  fortdauernd  als  Bürger  eines  fremden 
Staates  betrachtet  wohnen  sie  in  besonderen  Stadttheilen  und 
Gemeinden,  sind  ausgeschlossen  vom  liechte  der  christlichen 
Einwohner  und  zahlen  an  den  Kaiser  für  ihre  Duldung  und 
ihren  Schutz  als  seine  Leibeigenen,  „Kammerknechte,"  eine 
Geldabgabe,  wogegen  sie  sich  zur  Ermöglichung  ihres  Unter- 
haltes besonderer  Privilegien  erfreuen. 

Die  Geldabgabe  der  Juden  bot  ein  überaus  einträgliches 
Regal  der  Kaiser ;  ^)  damit  es  um  so  reichhaltiger  sich  erweise, 
erliesseu  die  Kaiser  ihnen  sonstige  Zölle  und  Abgaben,  wie  sie 
emphatisch  sagen,  im  ganzen  Umfange  des  Reiches,  thatsäch- 


strenge  auf  die  Seite  des  kanonischen  Rechtes  stellt,  verwirft  den  Wucher 
der  Juden  durchaus  (cf.  Beilage  E.). 

1)  Der  bekannte  Grabstein  der  Wormser  Gemeinde  cf.  Arnold, 
Verf.  Gesch.  der  deutsch.  Freist.  I.  p.  72.  2)  Bischof  Eüdiger  bei 
Aufnahme  der  Juden  in  Speier  1084:  „cum  ex  Spirensi  villa  urbem  face- 
rem , ptitavi  millies  ampUficare  Jionorcm  loci,  si  et  Judaeos  colUgerem." 
Arnold,  1.  c.  I.  p.  73.  Wegen  der  Vermittlung  des  Handelsverkehrs 
durch  die  Juden  mochte  Eüdiger  dies  sagen.  Ein  anderer  Grund  hätte 
ihn  kaum  dazu  veranlasst ,  da  selbst  die  Juden  in  Worms  sich  in  ihrer 
Stellung  von  den  sonstigen  Judengemeinden  unterschieden ,  während  man 
doch  von  den  Wormser  Juden  annahm,  sie  seien  bereits  vor  Christi  Geburt 
dorthin  eingewandert  und  trügen  deshalb  keine  Schuld  an  Christi  Ster- 
ben. Arnold,  I.e.  I.  p.  72.  3)  Eichhorn,  D.  R.  G.  §.350.  lässt 
sie  den  10.  Pfennig  alles  Wuchergewinnes  an  den  Kaiser  zahlen,  cf.  He- 
ring, tract.  d.  fidejussorib.  Frankof.  1614.  cp.  30.  n.  33.,  wo  die  Streit- 
frage der  Rechtslehrer  über  die  Berechtigung  dieses  Judenregals  erör- 
tert wird. 


V.   4,  Die  Jiulon.   a.  Stellung  /u  Kiiclie  und  Reich.  205 

Hell  wenigstens  für  kleine  Territorien.  ^)  Neben  der  Steuer  an 
den  Kaiser  zalilten  die  Juden ,  freilich  unter  mannigfaclien  Mo- 
ditikationen  in  den  einzelnen  Gebieten ,  eine  fernere  Abgabe  — 
ganz  unal)hängig  von  jener  —  an  die  ihnen  zunächst  residiren- 
den  Maclithaber,  z.  B.  an  das  Stift  in  Speier  für  die  Duldung 
ihres  Aufenthaltes  in  der  Stadt  3^2  Pfund  jährlich  (im  11.  Jahr- 
hundert) -).  Seit  dem  13.  Jahrhundert  sodann  übertrugen  die 
Kaiser  vielfach  die  Ausübung  ihres  Judenrechtes  an  letztere 
Machthaber  als  kaiserliclie  Stellvertreter ;  dafür  bezogen  die- 
selben auch  die  kaiserliche  Judensteuer.  Solche  Uebertragung 
erfolgte  z.  B.  1 212  durch  Otto  IV.  an  den  Erzbischof  von  Mainz,  ^) 
1226  an  den  Grafen  von  Jülich  und  seme  Erben. '^)  Danach 
kam  das  Kegal,  ehe  jene  Machthaber  es  überall  bleibend  an 
sich  reissen  konnten ,  thatsächlich  an  die  Städte ,  später  erwar- 
ben diese  es  auch  rechtlich.  So  überliess  der  Kaiser  Wenzel 
das  Judenregal  dem  Rathe  von  Nürnberg  für  eine  jährliche 
Abgabe  an  die  kaiserliche  Kammer,  doch  mussten  die  Juden 
danach  ebenfalls  einen  Theil  ihres  Judengeldes ,  wie  zuvor, 
an  den  Kaiser  zahlen.  •^)  Der  Rath  zog  in  solchen  Fällen  nach 
Gründung  seines  selbstständigen  Regimentes  die  Juden  zu  den 
Gemeindelasteu  heran,  indem  er  sie  dafür  schützte.*^)  In 
Breslau  zahlten  sie,  wie  die  andern  Bürger,  von  ihren  Grund- 
stücken imd  Häusern  das  Geschoss,  ausserdem  eine  jährlich 
wechselnde  Summe  für  die  Freiheit  vom  Wach-  u.a.  Dienste.^) 


1)  cf.  Eemling,  Urk.  Buch  zur  Gesch.  der  Bischöfe  zu  Speier  p.  65. 
Zorn,  Wormser  Chronik  p.  240.  (13.  Jahrh.)  Bescler,  Zeitschr.  für  R. 
G.  II.  2 — 3.  p.  410:  „et  nullus  ab  eis  exigat  theloneum  vel  exactionem 
puhlicani  vel piivatam  repctat."  Bese'ler  legt  den  Worten  des  Kaisers 
wirklich  die  praktische  Geltung  für  das  ganze  Reich  bei.  2)  Arnold, 
1.  c.  I.  p.  73.  cf.  desgl.  Laconiblet,  Archiv.  I.  320.  jur.  Archiepiscopi 
Trevireus.  X.  3.  „episcopuH  Judaeorum  ienetur  credere  sinyulis  annis 
nrchiepiscopo  Trevir.  X  marca!<  sine  iisura."  und  für  das  14.  Jahrh.  Leh- 
mann, SpejTer  Rechtsgewohnheiten.  Chronik  j).  118.  3)Gudenus, 
cod.  diplom.  Mogunt.  I.  419.  4)  Lacomblet,  niederrhein.  Urk.  B.  IJ. 
p.  75.  n.  140.  5)  Wächter,  Handbuch  des  Würtemb.  R.  I.  1.  §.  34: 
,,  durch  die  Möglichkeit  des  Gewinnes  von  den  Juden  zogen  die  Gral'en 
dann  auch  fremde  Juden  ins  Land."  6)  cf.  Arnold  1.  c.  IL  ]>.  21.5. 
7)  cl.  T  z  s  c  h  0  p  p  e  und  S  t  e  n  z  e  1 ,  Urk.  B.  p.  497.  §.  5.  8.  p.  251. 


296  V.  4.  Pio  Juden,  a.  Stellung  zu  Kirche  und  Ecich. 

Bei  aussevordentlichen  Gelegenlieiten,  in  denen  die  Stadt  bedeu- 
tende Ausgaben  hatte,  wurden  sie  nicht  minder  herangezogen, 
z.  B.  entrichteten  sie  beim  Mauerbau  1304:  85  mrk. ,  wälirend 
sie  sonst  an  regelmässigen  Abgaben  zahlten  1299:  16  mrk„ 
1315:  30  mrk.  ^)  Fast  jährlich  zahlten  die  Wormser  Juden 
während  1254  —  78  der  Stadt  ansehnliche  Abgaben,  1254  und 
1255  je  200  und  150  Pfimd  Heller  zu  den  Kosten  des  Land- 
friedens ,  dann  1 258  an  Bischof  und  Stadt  200  mrk. ;  in  der 
Raabschen  Fehde  300  Pfund,  und  zum  Zuge  gegen  Alzey 
400  Pf.;  12G1  zur  Herstellung  der  Mauern  230  Pf.,  1263: 
220  Pf.,  1265:  300  Pf,,  1266:  250  Pf.,  1268:  300  Pf.,  1271 : 
250  Pf.,  1278:  400  Pf.,  diese  zugleich  als  Strafe.  ^)  Es  scheint 
indess,  als  wenn  hier  noch  nicht  das  ganze  Einkommen  der 
Stadt  von  den  Juden  her  aufgeführt  ist.  Nürnberg  z.  B.  lie- 
fert ein  Jahrliundert  später  ganz  andere  Eesultate  in  seinen 
Stadtrechnungen,  so  dass  man  wol  begreifen  kann,  wie  die 
jährlichen  Abgaben  der  Juden  und  üire  goldenen  Opferpfen- 
nige der  Stadt  lieber  waren,  als  der  Ertrag  einer  Judenhetze. 
1385  —  86  heisst  es  im  Nürnberger  Stadthaushalt:  „recepta 
von  der  Juden  wegen":  16,216  Pf.,  1387:  17,806  Pf.  ^) 

Die  Privilegien  nun ,  welche  hohe  und  niedere  Gewaltha- 
ber gemäss  der  Ausnahmestellung  der  Juden  und  für  deren 
Abgaben  denselben  gewährten ,  beziehen  sich  auf  ihre  Gemein- 
deverfassung ,  ilir  Gericht ,  ihren  Frieden ,  ilir  Beweisrecbt ,  und 
speziell  auch  auf  ilire  Geldgeschäfte.  Unter  diesen  sind  zwei 
die  vornehmlichsten :  die  Juden  dürfen  straflos  Zinsen  von 
Darlehen  fordern  und  öifentliche  Pfandhäuser,  Banken,  kurz 
Institute  halten,  welche  die  regelmässige  Ausleihung  von  Ka- 


1)  cf.  Grünliageu,  Heuricus  pauiier.  codex  dipl.  Siles.  III.  p.  2. 
n.  5.  ]•.  6.  n.  3.  p.  14.  n.  2.  p.  17.  Auch  in  Pfändern  leisteten  sie  diese 
Abgaben ,  z.  B.  ]).  37.  41 ,  im  Gegen.satz  gegen  die  deshalb  ausdrücklich 
als  haare  Einzahlungen  bezeichneten  Abgaben.  Die  Suiinncn  scheinen  zu 
klein  für  die  damalige  Zahl  der  Juden  in  Breslau  und  dürfton  nur  einen 
Theil  ihrer  Abgaben  darstellen.  Das  Rechnungsbuch  ist  bekanntlich  ^^el- 
fach  unordentlich  und  lückenhaft  geführt.  2)  cf.  Bö  hm  er,  fontt.  rer. 
Germ.  1.  c.  2,  189.  191.  198.  199.  202.  203.  205—7.  3)  cf.  Hegel, 

Chroniken  d,  deutsch.  Städte  v.  14—16.  Jahrh.  Nürnb.  I.  Beil.  XI.  A.  p.  238. 


V.  4.  Die  Juden,   b.  Pcutschc  Judenrcchtc.  207 

pitalien  gegen  Zinsen  und  Sicherheit  /Aim  Zwecke  hatten.  Das 
letztere  dieser  zwei  Privilegien  ist  geeigneter  unten  (V,  5.  cd.) 
im  Zusammenliange  mit  den  Wechslern  zu  behandeln,  das 
erstere  findet  liier  seine  Besprechung. 

b.   Die  deutschen  Judenrechte,  insbesondere  über  den 
Wucher  der  Juden. 

Die  Gesetze  und  anderen  Rechtsquellen ,  welche  während 
des  Mittelalters  im  deutschen  Reiche ,  in  den  Einzelterritorien 
und  Städten  die  Rechte  der  Juden  bestimmen,  kommen  allgemein 
und  speziell  in  der  Zinsfrage,  so  zahlreich  sie  sind,  fast  durch- 
weg unter  einander  überem.  Das  folgt  aus  der  oben  berührten 
gleichmässigeu  Stellung  der  Juden  im  Reiche ,  so  wie  aus  den 
kanonistischen  Grundsätzen  über  sie,  welche  letztere  theils 
die  Päbste  selbst  ^)  durch  Bullen  in  Deutschland  bekräftigten, 
theils  die  in  Deutschland  sich  auflialtenden  Cleriker  durch 
Einzelorlasse  oder  Beschlüsse  von  Synoden  und  Concilien  aus- 
sprachen. So  that  es  Bischof  Rüdiger  von  Speier  1084  ^)  für 
die  dortige  Judengemeinde ,  ^)  dessen  Privilegien  Kaiser 
Hern  rieh  IV.  1090  bestätigte  und  erweiterte,-*)  ferner  Inno- 
cenz  III.  in  seiner  Bulle  von  1199,  während  er  seit  1200  so 
energische  Beschränkungen  den  [Zinsen  der  Juden  auflegte. 
Jnnoc"enz  IV.  erneute  diese  Bulle ,  welche  die  Grundlage  des 
sehr  nachkomraenreichen  Rechtes  der  alten  Prager  Judenge- 
meinde bildet,  im  Jahre  1247.  Innocenz  VIII.  schützte  noch 
1491  durch  eine  Bulle  die  Juden  in  Frankfurt  a.  M.,  hiess  den 
Rath,  ihnen  in  der  Stadt  Häuser  zu  geben,  und  gestattete, 
dass  sie  auf  Zuiseu  liehen.  •') 

Für  Oestreich  müssen  nun  genannt  werden  das  Privileg 
des  Kaisers  Friedrich  11.  für  Wien  1238")  und  des  Herzogs 


1)  Und  zwar  stimmten  sie,  abgesehen  von  dem  orwäliuten  Eiferer 
Innocenz  III.,  mit  der  alten  Zinserlaubniss  des  kanonisclien  Ueclites  für 
sie  überein.  2)  Jost,  Gesch.  d.  Israeliten  seit  den  Makkabäern  A'II. 

(1827)  hält  noch  den  Schwabens]»icgel  für  das  älteste  deutsche  Juden- 
recht, p.  200.  3)  Eeniling-,  Urk.  Buch  für  d.  S])eierer  Bisch.  Gesch. 
p.  .57.  4)  Reniling,  1.  c.  p.  65.  Desgl.  der  Erzbischof  von  Mainz,  cf. 
convent.  Moguntin.  12.5.5.  (Pertz.  I\Ionum.  legg.  II.  372.)  5)  Ortli, 
Anm.  z.  Frankf.  Reform.  1.  c.        6)  Böhmer,  regest.  Friedr.  II.  nr.  949. 


208  V.   4.  Die  Juden,   b.  Deutsebe  Judcnrecbte. 

F r i 0(1  r i c h  1 1.  f li r  0 e s t e r r e i c h  1 241 ,  ^)  bestätigt  von 
Iv  u  d  0 1  p  li  V.  H  a  1)  s  1)  u  r  g  1277.  -)  ferner  das  W  i  e  n  e  r  S  t  a  d  t- 
recbt  1296.=^) 

Für  Prag  insbesondere  sind  Avichtig  das  Altprager 
Stadtrecbt,'^)  und  das  Statut  der  Prag  er  Juden  von  Ot- 
tokar II.  1269.  ^)  Hierzu  gehören  ferner  die  oben  zitirten  Bul- 
len von  Innocenz  III.  und  IV.  1199  u.  1247. 

Das  Prager  Judenrecht  fand  vornehmlich  Verbreitung : 

in  Schweidnitz,  wo  Herzog  Bolko  I.  1295  es  annahm 
und  Bolko  II.  1328  es  bestätigte  imd  mehrte.^) 

in  Gl og au,  wo  Herzog.Heinrich  III.  diese  von  semen 
Vorfahren  bereits  überkommenen  Gesetze  beibehielt  1299.  '^) 

in  Mähren,  wo  1268  die  Bestimmungen  aus  Ottokars  IL 
von  Böhmen  Prager  Judenrechte  in  das  Brunn  er  Stadt- 
recht  kamen.  ^)  Wörtlich  stimmt  mit  jenem  Eechte  die  Zins- 
erlaubuiss  und  der  Zms  auf  Zins -Passus;  ausführlicher  als 
das  Prager,  handelt  das  Brünner  Kecht  von  dem  Verluste  des 
Pfandes  beim  Juden  durch  Brand  oder  Raub. ") 

inPolen,woBoleslaus  Pudikus  durch  seine  Verord- 
nung von  1264  als  Gesetz  sanktionirte ,  was  vom  Judenzinse 
und  Zmseszinse  das  Prager  Eecht  enthält.  ^  ^)  König  Kasimir  III. 


1)  Rauch,  Script,  rer.  Austriac.  I.  p.  201  —  5.  2)  Böhmer,  Reg. 
Rud.  n.  338.  3)  Senckenberg,  viss.  app.  11.  nr.  III.  4)Rössler, 
1.  c.  Einl.  p.  LXXXIX.  a.  78.,  Anh.  Judenstatut  (1254)  p.  177.  n.  IV.  a.  6. 
p.  181.  5)  a.  123.  Rö ssler  ib.  6)  cf.  Ortloff,  Rechtsb.  nach  Bist, 
p.  47ß.  Gengier,  Rechtsgesch.  p.  539.  7)  Ortloff,  Gengier  I.e. 
Um  so  bemerkenswerther  erscheint ,  dass  das  s  c h  1  e s i  s  c h  e  L an  d  r  e  c h t 
(1356),  welches  neben  dem  Sachsenspiegel  vornehmlich  die  in  Schlesien 
geltenden  Rechte  früherer  Zeit  zur  Quelle  hat ,  von  diesen  Judenprivile- 
gien Nichts  enthält.  Was  Böhme,  diplomat.  Beitr.  (IV.  p.  74)  daraus 
für  diese  Materie  anführt ,  ist  aus  dem  R  echtsbuch  nachDistink- 
tionen  entnommen.  In  letzterer  Reclitsquelle  wird  die  Verpfändung 
einer  gestohlenen  Sache  beim  Juden,  und  die  Frage  der  jüdischen  Zin- 
seszinsen (cf.  u.)  übereinstimmend  mit  dem  Prager  Judenrechte,  nur  aus- 
führlicher behandelt.  Eckardts  Neun  Bücher  sächsischen 
Rechtes  wiederholen  wörtlich  diese  Behandlung  aus  dem  Rechtsb.  nach 
Distinktt.  8)  cf.  R  ö  s  s  1  e  r ,  Brünner  Recht  p.  367  —  71.  9)  cf.  so- 
gleich unten  in  diesem  Abschnitte.  10)  Hormayr ,  Archiv.  1826.  n.  31. 
Rö  ssler,  Präger  R.  1.  c.  p.  XCI.  cf.  auch  stat.  Bolesla.  1343.  a.  23. 
ib.  n.  32.  a.  32. 


V.   4.  Die  Juden,   b.  Deutsche  JiKlcnreclite.  200 

bestätigte  dieses  Gesetz  1343,  Kasimir  IV.  1447  und  1467, 
König  Alexander  liess  es  unter  die  La  sei  sehen  Gesetze 
aufnehmen. 

Für  Thüringen  sind  zu  nennen  die  Constitntlo  de 
Judaeis  von  Heinrich  YlII.  (1245),^)  1265  das  Juden- 
recht von  Heinrich  dem  Erhuichten ,  2)  und  Privilegien  auf 
zwei  Jahre  von  den  Landgrafen  Friedrich,  Balthasar 
und  Wilhelm.  ^) 

Von  den  Rechtsbüchern  müssen  besonders  hei'vorgehoben 
werden  der  Vermehrte  Sachsenspiegel  111.  14. 4. p.  163. 
in.  16.  1.  p.  168  ff.  m.  17.  1  ff.,  17,  9.  17,  11.  16.  25.  26., 
Eckardt,  Neun  Bücher  sächsischen  Rechtes  IX.  15,  1.  9.  25. 
26.,  das  Rechtsbuch  Ludwigs  von  Baiern  p.  130.  161. 
a.  71.72.,  der  Layen  spie  gel  „von  Juden  u.a.  ungläubigen," 
und  P u  r  g  0 1  d  t  s  R  e  c  h  t  s  b u  c  h  VHI.  c.  30. 3 1 .  52. 59  ff.  u.  v.  a. 

Von  den  Stadtrechten ,  ausser  den  bereits  genannten ,  be- 
handeln den  einschlagenden  Stoff  das  Augsburger  Stadt- 
recht (1276)  a.  47.  51.,  das  München  er  Stadtrecht  a.  93. 
288.  455. ,  aus  den  alten  Münchener  Statt,  a.  23.  24.  ^)  Die 
gemeinschaftliche  Quelle  der  ganzen  Augsburger  und  Münch- 
ner Judenbestimmungen  ist  nicht  mit  Gewissheit  zu  nennen. 
Die  Münchener  Vorschriften  stammen,  wie  in  andern  Rechts- 
materien, so  auch  in  dieser  vom  Rechtsbuch  Lud-wigs  des 
Baiern.  Wörtlich  übereinstimmend  behandeln  beide  das  Juden- 
zinsrecht.  Das  Augsburger  Stadtrecht  erwähnt  und  entscheidet 
allein  unter  allen  bairischen  und  schwäbischen  Stadtrechten 
die  Frage  von  dem  Pfände  des  Juden ,  das  dem  Eigenthümer 
wider  seinen  Willen  entzogen  ist,  gleich  den  zwei  obigen 
Rechtsquellen.  Da  dasselbe  bereits  1276  abgefasst  und  des- 
halb älter  als  jene  ist,  könnte  es  als  Ursprung  der  Ueberein- 
stimmung  jener  angesehen  werden,  wenn  es  nicht  mit  ganz 
verschiedenen  Worten  die  Frage  erörterte.  —  Zu  erwälinon 
sind  noch  das  Roten  bürg  er  Stadtrecht  (13.  — 14.  Jalirli.) 
§.61.,^)   worin   für   die   Geld-  und  Wucherforderungen  der 


1)  G  0 1  d  a  s  t ,  coli,  const.  imp.  III.  300.  0  (wol  unecht).  2)  G  e  n  g- 
1  c  r ,  1.  c.  p.  542  ff.  3)  L  u  d  e  w  i  g ,  reliq.  M.ss.  X.  p.  220—32.  4)  A  u  c  r, 
Münchener  Reform.  1417.  p.  143.        5)  Gcngler,  p.  385. 


300  ^^   4.  Die  Tudon.  b.  Deutsche  Judenrechte. 

Juden  die  Verjährungsfrist  von  2  Jahren  gosetzlich  festgestellt 
wird,  ferner  das  Franlvfurtor,  Nu  rn  her  gor  Stadtrecht 
mit  der  grossen  Zalil  der  reformirtcn  Stadtrechte,  das  Stras- 
burger Stadtrecht/)  und  das  Stuttgarter  Stadtrecht  1492.2) 
—  Nur  das  Stadtrecht  von  Ofen  (1.  c.)  nr.  192.  p.  114 
gestattet  auch  den  Juden  nicht,  Wucher  zu  nehmen,  die 
Strafe  aber  ist  nur  eine  sittliche : 

„von  der  Juden  gesuch  wil  ich  nitcz  sagen, 
wen  sye  sullen  nach  gepöt,  sam  (wie)  dy  Christen 
arbeiten  vnd  keyn  gesuch  nemen  von  ymand. 
Wer  darvber  jn  verhengt  oder  andern  zu  nemen,  der  ver- 
anthurt  das  selbig  am  jüngsten  tage." 
Dagegen  führte  König  Heia  IV.  1251  die  Judenrechte  aus 
Prag  und  Brunn  in  Ungarn  ein.  ^) 

Audi  die  Nürnberger  Reformation  von  1479  ver- 
bietet XXII.  c.  3.  allen  Wucher  und  bestimmt  ib.  c.  5 :  Wenn 
ein  Jude  wegen  Geldschuld  Exekution  nachsucht,  soll  er 
schwören,  dass  die  Summe  keinen  Wucher  enthalte,  sondern 
nur  erstgeliehencs  Hauptgut  sei,  und  dass  er  von  derselben 
auch  früher  kein  Gesuch  empfing.  Aber  dies  ist  eine  in  jener 
Zeit  lediglich  wegen  des  überhandnehmenden  hohen  Juden- 
wuchers an  vielen  Orten  wiederkehrende  Verordnung,  welclie 
keineswegs  so  verstanden  werden  darf,  als  sei  bis  dahin  über- 
haupt kein  Wucher  der  Juden  in  Nürnberg  oder  sonst  gestattet 
worden.  Wie  sehr  letzterer  gesetzlich  geübt  wurde,  ergiebt  sich 
gerade  für  diesen  Ort  aus  den  unten  folgenden  Beispielen.  '*) 


1)  Böhmer  J.  E.  P.  1.  c.  §.  XXVH.  1375.  1382.  Gaupp,  h.  I.  c. 
2)  Sattler,  Gesch.  der  Graven  p.  62.  3)  Endlicher,  rer.  Hnngar. 
Doc.  Gallen.  1849.  p.  491.  4)  Vielleicht  bcwog  eben  dieser  Grund  die 
Sunnnisten ,  besonders  Chr.  Kuppen  er,  den  Wucher  der  Juden  trotz  ■ 
der  entgegenstehenden  weltlichen  und  geistlichen  Gesetze  zu  verwerfen. 
In  seiner  Schrift  vom  Wucher  eifert  Letzterer  A.  5 ,  das  alte  Testament 
bestimme:  „das  nymants  etwas  ausgeben  oder  austhun  sal  auff  wucher." 
„  Unn  ist  solch  gotlich  recht  auch  gesatzt  vnd  geschriben  in  das  geist- 
liche recht  \iin  canonisirt  ...  citt  ...  dorauff  merckt  ir  vor  stockten  - 
luden  die  wider  got  den  almechtigen  vnd  das  heiige  alte  testamcnt,  Das 
sie  vnter  sich  vormeinen  gestrenge  czu  halten ,  wucher  neinen  vnd  sich 
mit  wuchertischen  handeln  in  lande  vnn  stete  enieren  czu  merer  vordam- 


V.   4.  Die  Juden,   b.  Deutsche  Judeincchte.  301 

Hierher  gehören   in   demselben  letzteren  Sinne  von  den 
Landrechten  unter  den  bereits  genannten  die  Wü  rtember- 

nis  irer  armen  seien."  Wegen  Wuchers  soll  der  geistliche  Richter  sie 
strafen,  ib.  A.  6.  Die  Vertheidiger  des  Judenwuchers  sagen:  „Sunder 
Wucher  sich  bey  den  iuden  czu  entholen  vnd  wucher  czu  nonien ,  das  hilflft 
vnn  enthelt  einen  gemeinen  nutz .  in  dem ,  das  sich  die  armen  leut  durch 
nenien  des  Wuchers  von  den  iuden  enthalten  vnn  erwern ,  von  der  grau- 
samkeit  vnn  tiranncy  der  reichen  menschen,  die  von  jti  grossem  wucher 
nemen  (als  ich  mich  leider  beforgt  in  vil  landen  vn  steten  czugehet ,  got 
sei  es  ewiglichen  geclagt  das  nymants  dorauff  ein  aufsehen  hat).  So  sie 
von  den  reichen  gelt  vberkommen  muesten,  dan  durch  die  iuden(cf.V.5.  d.) 
Kuppener  wendet  lüergegen  ein,  nicht  Alles,  was  einen  gemeinen  nutz  ent- 
helt, sei  gut  und  ziemlich,  nur  zum  Scheine  nütze  der  Juden  Wucher,  dan  der 
enthelt  vnn  hilft  nicht  einen  gemeinen  nutz ,  sunder  zu  störet  vnn  tieuhet 
einen  gemeinen  nutz ,  vnd  sucht  seinen  sunderlichen  suntlichen  nutz  vnn 
erwecket  den  czorn  gots  ,  wider  einen  loblichen  gemeinen  nutz."  Die  Ver- 
theidiger sagen  ferner :  ,,ein  itzliche  gewonhcit,  der  anfang  nicht  ist  in 
menschen  gedencken ,  das  also  gehalten  worden  ist ,  die  ist  czimlich ,  vnd 
wirt  gehalten  vnn  gebraucht  ane  sunde ,  nachdem  ein  gewonheit  ein  ander 
nature  ist  eins  dinges."  Das  gelte  auch  für  den  Wucher  der  Juden  ,  „  vnd 
leyder  befurchte  ich  auch  vnter  den  cristen  ist  ein  alte  gewonheit." 
Kuppener  indess  hält  dafür ,  sobald  eine  Gewohnheit  gegen  das  göttliche 
und'natürliche  Recht  gehe,  habe  sie  keinen  Bestand.  Christus  sage  in 
dem  evangelio  Johannis :  „Ich  bin  die  warb  ei  t  vnn  spricht  nicht, 
ich  bin  die  gewonheit.  Dabei  findet  K.  den  Grund,  warum  der  Ge- 
winn beim  Wechsel  nicht  wucherlich  sei ,  selbst  in  der  Gewohnheit,  cf. 
Beilage  E.  2.  Die  Vertheidiger :  der  Pabst  selbst  gestatte  doch  der  Juden 
Wucher  m  seinem  Lande.  Kuppener  darauf :  „das  ist  nicht  war,  sun- 
der falsch,  das  ein  itzlich  thun,  das  vnser  allerheilgster 
vater  der  babst  vnn  die  heiige  cristliche  kirche  duldet,  czu- 
lest  vnd  leidet  das  solchs  czimliche  ist  vnn  geschcen  magk 
ane  sunde:  dan  er  leidet  vnd  die  heüge  cristliche  kirche  offenbarlidie 
huerheuser  in  landen  vnn  steten  ,  auch  grausame  tiranney ,  vnd  vnder dru- 
ckung des  armen  cristglaubigen  volckes.  in  landen  vnn  steten.  Auch 
sjTiagogen  der  iuden  vnn  ire  indische  gewonheitten.  Dorumb  eruolget 
sich  nicht  das  hurerey  dorumb  nicht  sunde  ist  ader  tiranney  des  boszen 
tirannen  ader  das  die  indische  Synagogen  vnn  gewonheitten  nicht  sunde 
sein.  Und  wie  wol  das  obgedachte  stucke  nicht  gescheen  an  sunde ,  vnn 
an  yn  selbst  nicht  czimlich  sein.  Idoch  duldet  solche  vnser  allerheilgster 
vater  der  babst  vnn  die  heiige  cristliche  kirche  czinilichen  durch  eine 
czulassung  grosser  vnn  grausamer  sunde.  zuuormeiden  nicht  dorumb. 
solche  sunde  czu  nieren  ader  czu  stercken.  Also  ist  es  auch  mit  dem  Wu- 
cher.   Das  solcher   von  vnserm  allerheilgsteu  vater  dem  babst  vnn  der 


302  V.    1.  Die  .Tud.'ii.    b.  Dontsolio  .Tiuleiiierlito. 

gor  La  iulesordiuiiio-,1)  und  Pfiilzer  Landesordnunf?  ^) 
Die  Wirkung  dorartigor  Verbote  der  Judenziusen  konnte  des- 
halb nicht  mehr  durohgreiien,  weil  bis  daliin  in  eben  denselben 
Gebieten  diese  Zinsen  erlaubt  waren ,  ferner  weil  gleichzeitig 
mit  den  Verboten  in  allen  Nach])arländern  die  Judenzinsen  als 
durchaus  erlaubt  galten  und  in  zahlreichster  Anwendung 
waren,  endlich,  weil  die  Reichsgesetze  ebenfalls  ihre  allge- 
meine Billigung  in  Deutschland  voraussetzten  und  im  16.  Jahr- 
hundert selbst  deren  Höhe  feststellten  (cf.  Absch.  e.). 

Dagegen  behandeln  eine  grosse  Zahl  der  Land-  und  Stadt- 
rechte, wie  auch  anderer  deutscher  Rechtsquellen  das  Zins- 
nehmen der  Juden  gar  nicht,  während  sie  genau  die  sonstigen 
Theile   des  Judenrechtes  darlegen.    Dahin  gehören  z.  B.  von 


heiigen  kirchen  czugelassen  wirt  czuuor  meiden  ander  grosser  sunde  der 
armen  menschen  vnn  irer  tocliter  vnn  kmder ,  „  die  sie  zu  vnkeiischeit  vnn 
bufferei  meer  vnn  meer  halten  wurden,  gelt  czu  vberkommen ,  dau  so  sie 
keines  geldes  wüsten  bei  den  iuden  czu  vberkommen. . "  cf.  ib.  B.  2,  2''. 
C.  G.  ib.  heisst  es :  ,,  gefeit  ein  ander  frag  des  rechten.  Die  weil  wie  oben 
gesagt  Avuclier  als  grosze  sunde  ist,  wie  thun  den  fursten  vnn  stete, 
dy  do  von  iuden  vnn  andern  leuten  gelt  vnn  tribut  nemen.  vnn 
lassen  sy  in  iren  landen  wucher  treiben  vnn  in  iren  steten 
vnn  dorffern.  Sprechen  dorauff  dy  heiigen  geistlichen  recht,  das  sol- 
che vnrecht  thun ,  vnn  sein  in  dem  ewigen  banne ,  so  sie  es  nicht  abstellen 
vnn  die  sunde  beichten  vnn  bussen ,  do  von  hastu  in  cle.  vuica  de  vsu. 
vnn  doselbst  sagt  furder  d.  cardi,  de  sabarel.  Nach  dem ,  wy  oben  gesatzt 
ist ,  nicht  allein  den  cristen  besuuder  auch  den  iuden  nach  gotlichen  ge- 
setzen  wucher  czu  nemen  verboten  ist  vnn  czuforderst  nach  geistlichem 
gescltriben  rechte,  nendichen  so  die  solchen  wucher  von  cristen  nemen  p. 
c.  cpto.  de  vsu.  et  c.  post  miserabilem  e.  ti.  in  gleicher  pene  sein  fursten 
vnn  stete ,  dy  do  vorhindern ,  das  man  gegeben  wucher  von  cristen  ader 
iuden  nicht  widerumb  von  yn  erlangen  magk ,  also  spricht  das  geistliclie 
recht  in  die.  cle.  vnica  de  vsu.  ibi.  repetitionem  impediunt.  so  schon  auch 
der,  der  den  wucher  gegeben  het,  vorsworen  hette,  solche  wider  czu  for- 
dern p.  c.  tuas  de  vsu.  auch  dy  fursten  vnn  stete  sein  in  derselbigen  glei- 
chen pene  ,  die  den  Wucherer  gunst  vnn  furderung  thun  in  irem  wucheri- 
schen hendeln ,  als  do  stet  in  der  selbigen  cle.  vnica  de  vsu.  ibi  vsurariani 
approbantes  prauitatem."  cf.  dagegen  Marquard,  d.  jur.  mcrcator. 
I.  c.  11.  n.  76  ff. 

Ij  Wächter,  Handb.  I.  1.  §.;i4.      2j  (1581)  XVIII.  5.  p.  85.  cf.  auch 
Albreclit,  Gewere  §.  15.  n.  289.  Schöffenurtheil  bei  Böhme  VI.  113. 


V.   4.  Die  Juden,   b.  Deutsche  Judonrechte.  303 

den  Stadtrechten :  die  von  L  ü  b  e  c  k ,  H  a  m  h  u  r  <•• ,  M  (i  ]i  1  li  a  u- 
sen,  Erfurt,  Saalfold,  Frankeiili  aiisen,  Verden, 
Stade,  Cöln,  Ulm  (1290),  Heimbur.j,^  (i;3.— U.  Jahrh.), 
Nördlingen  (1318),  Eisenacli,  Nordhausen  (1308), 
Gosslar  (1354),  Worms  (14.— 15.  Jahrli.),  Keval,  Dan- 
zig(1454), 

von  den  Landrecliten :  das  schlesische  Landrecht, 
der  rügianische  Landgebrau  ch,  Thüringer  (1446), 
das  Dithmarser  (1447),  Billwärder  (1498),  Sächsi- 
sche (1482.1572),  Jülicher  (1537),  H enneberger (1539), 
Ostfriesische  (1551),  Meklenburger  (1562),  Tiroler 
(1573),  Hadelner  (1583),  Solmser  (1597),  Oelsner 
(1617)  u.  a. 

von  den  Rechtsbüchern  insbesondere:  das  Rechtsbuch 
Rnjirechts  von  Freysing,  das  sächsische  Weich - 
b  i  1  d ,  die  M  a  g  d  e  b  u  r  g  e  r  Fragen,  das  C  u  1  m  e  r  Recht, 
überhaupt  das  systematische  Schöffen  recht,  obschon 
sie  der  Frage  hi  III.  2.  c.  38  (Culm.  III.  75)  so  nahe  treten, 
und  vor  Allem  der  Sachsenspiegel.')  Dass  jene  zuvor 
genannten  Quellen  von  dem  Zinsnehraen  der  Juden  schweigen, 
kann  verschieden  begründet  werden.  Nicht  unverdorben  sind 
die  Quellen  auf  uns  gekommen ,  oder  dieser  Theil  des  Juden- 
rechtes befand  sich  von  vorn  herein  in  einem  andern  Codex, 
einem  besonderen ,  der  Ausnahmestellung  der  Juden  angemes- 
senen Gesetzbuclie,  oder  wegen  der  weitgreifenden  Ausnahme 
vom  Wucherverbote  der  Kirche  scheute  man  sich ,  gesetzlich 
niederzuschreiben,  was  man  ungeschrieben  als  Gewohnheits- 
reclit  gern  duldete  u.  s.  w.  Einen  besonderen  Grund ,  der 
jedoch  nur  für  die  süd-  und  mitteldeutschen  Rechtsquellen 
passend  erscheinen  dürfte ,  giebt  der  vermehrte  Sachsen- 
spiegel selbst:  ^) 

„von  der  Juden  gesatczten  gesuche  beschrebin  ist  nicht, 
wenne  her  ist  in  suiiderlicliim  lande  in  einer  gewonlieit 
irsaczt  andirs,  wenne  in  dem  andern."  •'') 


1)  cf.  Eichhoru,  R.  G.  §.  350.  Aniii.       2)  Bölnnc.  «liidnui.  Beitr. 
IV.  74.  III.  1.        3)  cf.  Purgoldt,  VIII.  cp.  85. 


304  V.    4.  Dio  Juden,    b.  Deutsche  Judenrechte. 

Dass  die  Abweichung  der  Judenrechte  von  einander  nicht  so 
erheblich,  zeigen  schon  obige  /Aisammenstellung  und  der  Zu- 
saninieuhang  der  Quellen.  Dabei  behandelt  ferner  der  ver- 
mehrte Sachsenspiegel  die  Zinsgeschäfte  der  Juden  eingehend. 
Vielleicht  versteht  er  deshalb  unter  „gesatczten  gesuche"  nur 
den  gesetzlichen  Zinsfuss  der  Judenzinse. 

Für  die  norddeutschen  Eechtsquellen  dagegen  bietet  eine 
besondere  Ursache  ihres  Schweigens  über  diese  Materie  der 
Umstand ,  dass  die  Juden ,  Avie  sogleich  näher  ausgeführt  wer- 
den soll,  sich  erst  am  Ende  des  Mittelalters  zahlreicher  in  die 
Handelsplätze  Norddeutschlands  begaben  und  hier  ansiedelten, 
zuvor  daher  entweder  nur  auf  den  Geschäftswanderungen, 
oder  von  ihren  besonders'  ihnen  angewiesenen  Wohnorten 
ausserhalb  der  Städte  her  ^)  zwar  Handels  -  und  Geldgeschäfte 
trieben ,  doch  nicht  ihren  Wucher  so  ausdehnen  konnten ,  dass 
davon  die  Eeclitsbücher  hätten  Notiz  nehmen  müssen.  In  Gör- 
litz wurden  1433  erst  Juden  in  der  Stadt  zugelassen,^)  wes- 
halb auch  das  Görlitzer  Landrecht  (1308)  ^)  Niclits  von  ihren 
Zuisen  sagt.  In  den  Meissner  Statuten  von  1265  bestimmt 
Markgraf  Heinrich  gerade  über  den  Wucher  der  Juden  Nichts, 
während  er  das  Judenrecht  sonst  genau  behandelt.  '*)  Aber  in 
derselben  Markgrafschaft  Meissen  entstand  ein  Jahrhundert 
später  der  vermehrte  Sachsenspiegel,  welcher,  wie  eben  erwähnt 
wurde,  gerade  von  den  Zinsen  der  Juden  so  viel  erwähnt.  Ein 
fernerer  Grund  mag  sein ,  dass  bei  der  Stellung  der  norddeut- 
schen Eechtsquellen  allgemein  in  der  Zinsfrage  (p.  63  ff.)  es 
nicht   nöthig   erschien,   den   überall   gebilligten  Wucher  der 


1)  z.  B.  in  D  a  n  z  i  g ,  wo  sie  zuerst  mancherlei  Handelsbeschränkun- 
gen unterworfen  waren.  Noch  im  17.  Jahrh.  durften  sie  nur  in  der  Dan- 
ziger  Vorstadt  ,,  Schottland  "  wohnen  und  handeln ,  von  wo  sie  dann  Alles 
„  auskundschafteten."  1688  endlich  wird  ihnen  nach  langem  Streite  der 
Commission  der  Kaufleute  und  des  Käthes  unter  gewissen  Beschränkungen 
der  Geld-  und  Waarenmarkt  in  der  Stadt  selbst  eröffnet,  cf.  Danz. 
Archiv  bibl.  F.  1.  2.  (Joh.  Kestner).  Hirsch,  Handelsgesch.  D.'s 
p.  KJ5.  n.  483.  Neu  mann,  hans.  Wechselgesch.  p.  52.  53.  N.  20.  a.  E. 
2)  cf.  Tzschoppe  und  Stenzel,  Urk.  Buch  Einl.  p.  251.  3)  Ho- 
meyer,  Sachsensp.  IL  2.  p.  172.  4)  cf.  Fabricius,  annales  Misnens. 
ad  ann. 1265. 


V.   4.  Die  Jiulon.    b.  Doulsclic  Jiidcnrechte.  305 

Juden  noch  besonders  hervorzuheben.  ^)  Aus  diesen  Gründen 
schweigen  hiervon  auch  das  sächsische  Weichbild ,  obgleich  es 
sächsisches  Stadtrecht,  und  der  Sachsenspiegel,  der  ja  nur 
das  säclisische  Landrecht  behandelt. 

Dagegen  alle  oben  angeführten  Rechtsquellen,  welche 
den  Judenwuclier  überhaupt  behandeln,  bis  auf  das  einzige 
Ofener  Stadtrecht  und  die  hiefür  nicht  maassgebenden  Ausnah- 
men vom  Ende  des  Mittelalters,  gestatten  den  Juden,  Zinsen 
vom  Dar  lehn  unverhüllt  zu  fordern.  Die  weltlichen 
und  geistlichen  Maclitliaber  hielten  dieses  Privileg  der  Juden 
für  nothwendig ,  damit  dieselben ,  bei  ihren  sonstigen  so  zahl- 
reichen Beschränkungen  gegen  die  christlichen  Miteinwohner 
der  Städte ,  eine  p]rwerbsquelle  hätten ,  und  damit  sie  in  Folge 
dessen  um  so  leichter  und  ergiebiger  den  Judenzins  an  den 
Kaiser,  seine  Stellvertreter  im  Regale,  oder  den  städtischen 
Rath  erlegten.  So  heisst  es  geradezu  im  vermehrten  Sach- 
senspiegel: 2) 

„von  gotis  rechte  sal  kein  jodde  wucher  nemen.  Duch  so 
ist  or  (ihr)  ordenunge  anders  geschicket,  wen  sy  hy  zu 
lande  nicht  eygens  mögen  gehaben;  vnde  syn  von 
den  keysern  vnd  fursten  begnadet  durch  ores  gutes 
wilen,  das  sy  ersaczt  syn  mit  sunderlicheme  rechte."  ^) 


1 )  Etwa  in  besonderen  Codices  die  Wueherrechte  'der  Juden  abzuhau- 
dehj ,  lag  liier  um  so  weniger  Veranlassung  vor ,  da  die  hierher  gehörigen 
Rechtsquellen  ja  andere  Theile  des  Judenrechtes  so  eingehend  behandeln. 
2)  Ortloff,  m.  17.1.  p.  168.  3)  Ebenso  in  Eckardt,  Neun  Bü- 
cher, 1.  c.  IX.  a.  15.  d.  St.  1.  Ausführlich  sagt  Purgoldt,  Rechtsb. 
Vm.  c.  31.:  „es  stet  geschrebcn  in  dem  dritten  buche  Moysi,  in  dem 
XXV  capitel ,  das  got  sprach  also :  din  gelt  saltu  nicht  usgeben  zcu  Wu- 
cher wider  dynen  ebenmenschen ,  nach  dyne  fruchte.  Von  gotes  rechte 
sal  kein  Jude  Avucher  nemen  von  Juden  nach  von  cristen ,  sundeni 
got  hat  es  yn  erleubt  von  den  heyden ,  da  ehr  sprach :  ir  solt  nicht  Avucher 
nhemenn  von  kesnien  menschenn  ,  sunder  von  den  fromden ,  wan  dye  hey- 
den sint  fromde  von  gote  und  beten  fronide  gote  an ,  das  sint  dye  abgote 
das  tliun  dye  cristen  nicht,  dye  beten  an  den  untotlichenn  ewigen  got 
also  dy  Juden.  Nlnv  ist  ir  Ordnung  aber  anders  gesclücket,  das  sye  zcu 
lande  nicht  mögen  eygens  gehabe  (wörtlich  mit  dem  verra.  Sach- 
senspiegel in.  17.  1.  übereinstinnnend).  nach  erbliche  guter  besitzen,  wau 

Noutnann,  Gösch,  d.  Wuchers.  2U 


30lj  V.   3.  Die  Jiulon.    b.  Doutsclie  Jucleiircchte. 

Der  Erzbischof  von  Mainz  dagegen  ')  giebt  den  Grund  unver- 
holen dahin  an: 

„quia    Christianis   usuras  pcrcipere   interdi- 

ctum  esset." 
Er  bekennt  also,  dass  eine  Vergütung  der  Kapitalsnutzung 
von  Natur  notlnvendig  sei  und  deshalb  durch  das  kanonische 
Wuclierverbot  gezwungen  sich  einen  Weg  ausserhalb  der  Chri- 
stenheit suchen  müsse.  In  scholastischer  Spitzfindigkeit  wird 
auch  entwickelt :  dem  Christen  sei  Wucher  verboten ,  Wucher 
getrieben  müsse  werden,  also  müssen  die  Nichtchristen  wu- 
chern ,  denen  Wucher  kerne  oder  kaum  eine  Sünde  sei.  ^)  So 
gestatten  kanonische  und  deutsche  Rechtsquellen  deii  Wucher 
der  Juden,  „ut  majiis  malmn  evltaretur ,  nimiero  longe  siipe- 
rantium  i.  e.  Christianorum  usuraria  pravitas  impediretur." 
Der  Layen  Spiegel  „  von  Juden  u.  a.  ungläubigen"  sagt : 


man  yn  des  nicht  statet ,  und  hetten  sye  dye ,  so  gesche  yn  von  den  luten 
schade  darzcu;  erheiten  sj'e  dye  hantwerge,  des  ledin  dye  zcunfte  und 
hantwercksmeyster  nicht ,  und  musten  irer  geselschaft  enperen ,  und  dye 
lute  lissen  sy  nicht  arbeyten ;  triben  sy  dan  koufmanschaft,  so  koufte 
njnnant  gerne  weder  sye.  Und  darumb  so  musen  sye  wuchern ,  und  dit 
ist  ir  behelff  en;  aber  dye  cristeun  Wucherer  haben  kein  behelffen  wan 
es  ist  ir  girheit  und  ir  vorzcwifelte  boosheit."  cf.  ib.  c.  59  ff. 
61.  Hieronymus  sage,  kein  Volk  sei  unkeuscher,  als  die  Juden,  „das 
macht ,  das  sye  stetlichen  mussigk  gehen ,  darumb  so  wechst  dy  gyrheit 
in  den  mannen  und  dye  unkuscheit  in  den  wyben."  Chr.  Kup pener 
dagegen  verdammt  den  Wucher  der  Juden ,  wie  schon  erwähnt ,  durchaus, 
(cf.  ob.  N.  u.  BeU.  E.)  Frankfurt.  Eeforni.  11.  12.  §.  4.  „weil  sie  der 
andern Nahrnng  beraubt  sind."  cf.  Orth.  Anm.  1.  c. —  Privileg  Karls  V. 
1544.  S.April,  Kaisers  Ferdinand  I.  1562.  19.  Jan.  Rudolphs  n.  1577. 
15.  Jan.  ,,da  sie  mit  höheren  Lasten  belegt  sind  und  doch  weder  Lände- 
reien besitzen,  noch  Handwerk,  Gewerbe  treiben  dürfen." 

1)  Conv.  civit.  Mogunt.  a.  1255.  Pertz,  legg.n.372.  2)  Das  ist 
wesentlich  derselbe  Grundsatz,  den  auch  jene  Breslauer  Synode  1266 
(Hube,  constitt.  synodal,  prov.  Gnez.  p.  68)  cp.  10  in  Uebereinstimraung 
mit  den  Forderungen  des  kanonischen  Rechtes  festhält ,  indem  sie  den 
Juden  den  Wucher  gestattet,  aber  den  Christen  alle  Gemeinschaft  mit 
ihnen  untersagt:  „adjicientes :  ut  de  cetera  quocungue  pretextu  Judei  a 
Christianis  graves  seu  immoderatas  uswas  extorserini,  Christianorum 
eis  participium  subtrahatur ,  donec  de  immoderato  gravaniine  satisfecc- 
rint  comiietenter ." 


V.   4.  Die  Jiuleii.   l).  Deutsche  Judenrechte.  307 

„die  Kirche  \v i  11  s y  in  dieser  Sunde  belassen... 
so  haben  sy  vmb  den  Wucher  kain  conscienz."  ^) 
Selbst  in  den  constit iitioncs  regui  Siclliac  erklärt 
Kaiser  Friedrich  IT.  (L  l.ti.  G)  und  bekundet  durch  seine  Worte, 
wie  er  die  Wuchergrundsätze  nur  den  Päbsteu  zur  Beruhigung 
und  Genugthuun*  aufrecht  erhielt :  ^) 

„Jiidaeos  taut  um  excix^wius ,  in  qiiihus  non  est  argiii  fenus 
illicituni  divina  lege  irroliihitum:  quos  constat  non 
esse  siih  lege  aheatisslmls  patrihus  constituta. 
Quos  etiam  auctoritate  nostrae  licentiae  i m - 
prob u m  fe n u s  volu m us  exerce r e.  Sed  metam  iis — " 
Bei  dieser  allgemeinen  Gestattung  des  Zinseunehmens  machen 
die  Quellen  kernen  Unterschied,  ob  die  Zinsen  vorher  von  den 
Parteien  verabredet  sind,  oder  nicht,  ob  Schuldner  ein  Pfand 
zur  Sicherheit  gab ,  oder  nicht.  Aus  den  Einzelurkunden  der 
Parteien  lässt  sich  die  Frage  huisichtlich  des  ersteren  Punktes 
kaum  mit  Sicherheit  entscheiden.  Denn  in  den  überwiegend 
meisten  Fällen  klagt  der  Jude  Kapital  mid  Zinsen  zusammen 
ein.  Könnte  man  hier  auch  zuweilen  unzweideutig  die  Ver- 
zugszinsen von  den  Darlehnszinsen  scheiden,  so  blieben  immer 
noch  zwei  weitgreifeude  Möglichkeiten ,  welche  eine  feste  Ent- 
scheidung vereitebi.  Einmal  kann  der  Jude  ja  die  Zinsen  als 
..Interesse"  des  Darleihens  im  kanonistischen  Siime,  also  ohne 
Verabredung  als  usurae  legales,  ex  officio  judicis praestandae 
mit  dem  Kapitale  formell  und  materiell  accessorisch  eingeklagt 
haben ;  sodann  klagte  er  doch  zweifellos  in  den  meisten  Fällen 
Kapital  und  Zinsen ,  mochten  sie  auch  vorher  verabredet ,  also 
materiell  selbstständig  sein ,  der  Bequemlichkeit  und  des  Vor- 
theils  wegen  an  Zeit,  Mühe  und  Geld  als  formell  accessori- 
sche  Forderung  ein. 

Andrerseits  beweist  das  Einklagen  der  Zinsen  allein  auch 
nicht  dafür ,  dass  die  Parteien  solche  vereinbart  haben  muss- 
ten,  da  bei  der  Zwitterstelluiig  des  kanonistischen  Interesse 
zwischen  gesetzlichem  und  vereinbartem  Scliadensersatze  (IV. 

1)  cf.  Marquard.  d.  jur.  inorcat.  I.e.  11.  ii.  7(j  IV.  Wäcliter,  Hand- 
buch d.  würt.  R.  I.  1.  §.  :54.  2)  Hiiillard-Bi  eholles  V.  201.  215. 
279.    Fridcrici  II.  historia  diidoiiiatica. 

2( )  * 


308  V.   4.  Die  Judon.    b.  Doutsdie  Jndonreclite. 

3.  c.)  der  Jude  in  solclicm  Falle  das  Interesse ,  und  nicht  Zin- 
sen eingeklagt  haben  konnte. 

Doch  besitzen  wir  anders  woher  Beweise  dafür ,  dass  die 
Quellen  eine  Vereinbarung  Hinsichts  der  Zinsen  des  jüdischen 
Gläubigers  voraussetzten. 

Es  musste  thatsächlich  schon  deshalb  in  der  Regel  eine 
solche  Yereinbarung  stattfinden ,  weil  immer  nur  in  der  klei- 
neren Zahl  der  Orte  eine  gesetzliche  Zinshöhe  den  Juden  vor- 
geschrieben war  und  dieses  gesetzliche  Maximum  selbst  mei- 
stens den  Parteien  einen  grossen  Spielraum  liess.  Eben  diese 
Annahme  entspricht  auch  dem  Ausdruck  der  Gesetze  vom  Juden- 
WTicher,  welche  ilm  als  Erwerbsquelle  der  Juden  erlauben, 
daher  eine  eigene  Thätigkeit  der  Juden ,  oder  der  beiden  Par- 
teien dabei  voraussetzen ;  sie  entspricht  ferner  dem  Charakter 
der  in  die  Wucherfrage  eingreifenden  Reichsgesetze,  da  der  R.  A. 
V.  1530  über  den  Rentenfuss  der  5%,  die  R.  P.  0.  v.  1577 
über  den  nämlichen  Fuss  für  die  Zinsgeschäfte  der  Juden ,  der 
D.  A.  V.  1600  für  die  Verzugszinsen  und  endlich  der  J.  R.  A. 
V.  1654  für  die  Conventionalzinsen  nicht  mit  voller  gesetzlicher 
und  polizeilicher  Autorität  in  die  Verkehrsverhältnisse  derart 
eingreifen  wollen,  dass  sie  statt  der  Resultate  des  Verkehrs 
neue  setzen ,  vielmehr  nur  Das  polizeilich  als  bleibend  fixiren 
wollen,  was  sich  naturgemäss  in  den  einzelnen  Fällen  des 
Verkehrs  ergab ,  d.  h.  was  hier  die  Contrahenten  mit  einander 
vereinbart  hatten.  Hieraus  ist  also  der  allgemeine  Satz ,  wie 
bei  den  späteren  Conventionalzinsen,  dahin  zu  folgern,  dass 
die  Zinsv  erbindlichkeit  des  Schuldners  gegen  den 
jüdischen  Gläubiger  auf  einem  Rechtsgeschäfte 
beruhen  musste  (usurae  ex  ohlujatione) ,  und  damit  stim- 
men auch  die  vereinzelten  Stellen  der  deutschen  Rechtsquellen, 
welche  ausdrücklich  die  Frage  berühren ,  ohne  dass  ihnen  all- 
gemein Stellen  entgegengesetzten  Inhalts  gegenüberstehen. 
So  lässt  der  vermehrte  Sachsenspiegel  allein  von  der 
ausdrücklichen  Uebereinkunft  der  Parteien  die  Zinserlaubniss 
abhängen : 
p.  163. 1.  c.  14. 4.  „  es  enmag  nyraant  pfant  in  dy  jodden  setzen, 
uf  wucherschaden,  is  en  sy  denne  gewillekoret." 


V.  4.  Die  Juden,  b.  Deutsche  Judenrechte.  309 

Bestritt  hier  der  Schuldner  zur  Zahlungszeit ,  dass  er  Zinsen 
zu  zahlen  versprach,  oder  bestritt  er  gar,  dass  er  über- 
haupt ein  Darlelin  von  Juden  erhalten,  so  behielt  der  Jude 
durch  seinen  blossen  Eid  auf  „  Moses  Buche "  geschworen. 
Recht,  er  „ist  näher  zum  Beweise."  ^)  Wesentlich  unterschei- 
det sich  dagegen  in  anderen  Punkten  des  Judenrechtes  die 
süddeutsch  -  bairische  Gruppe  der  Judenrechtsquellen  von  denen 
in  Norddeutschland ,  insbesondere  von  denen ,  welche  mit  dem 
Prager  Judenrechte  zusammenhingen. 

So  in  der  Frage  von  der  Haftung  des  Pf  and  gl  äu- 
bigers  für  Zufall   oder   Schuld  bei  Verschlechte- 
rung und   Untergang   des  Pfandes.     Der  allgemeine 
Grundsatz  lautet  im  Sachsenspiegel  (Homeyer)  IIL5.§.4. 
„svat  man  aver  deme  manne  liet  oder  sat,  dat  sal  he  vuver- 
derft  weder   bringen   oder  gelden   na   sime  werde. . ."  ^)    Der 
Pfandgläubiger  haftet  für  Schuld  und  Zufall.   Diesem  tritt  das 
München  er  Stadtrecht  a.  42.  bei  und  bestimmt  dann: 
a.  173^)  „verlür  aiii  jud  ainpfant,  daz  im  vmb  gesuoch 
gesetczt  war,   swaz  dann  der  Christen  bereden  mach,  daz 
daz  pfant  wert  sey   gewesen,  daz   sol   im  der  jud  ge- 
ben vnd  daran  sol  dem  Juden  abgen ,  swaz  er  hauptguots 
dem  Christen  hab  gelüm  auff  dass  selb  pfant  und  chaineu 
gesuoch  nemen. 

Ebenso  heisst  es  im  R  e  c  h  t  s  b  u  c  h  e  Ludwigs  des  B  a  i  e  r  n  *) 
und  in  der  Münchener  Reformation.  '')  Ausser  der  Haf- 
tung für  den  Zufall  verliert  der  Jude  daher  auch  noch  seine 
Zinsen ,  selbst  für  den  Fall ,  dass  das  Pfand  mehr  werth  war, 
als  das  Schuldkapital  betrug. 


1)  cf.  femer  Eckardt,  Neun  Bücher  1.  EX.  15.  25  u.  A. —  Verm. 
Sachsensp.ni.  17.  9.  —  München.  Stadtr.  art.  173,  Rechtsb.  Lud- 
wigs des  Baiern  art.  71.72.  —  Purgoldt,  VIII.  c.  79.  mit  der 
Einsdiränkung  c.  63.  ib.  ,,  es  sey  dan,  das  der  cristennian  ^-n  des  offenbcr- 
lichen  erzeugen  möge  mit  cristen  und  mit  iuden."  ib.  c. 64.  2)  Schwa- 
benspiegel, Lassb.  258.  a.  Gosslarer  R.  p.  82.  Z.  30  ff.  Magde- 
burger R.  (1304)  a.  88.  Verm.  Sachsensp.  Tl.  8.  D.  2.  IV.  42.  D.  19. 
3)  p.  67.  1.  c.  bei  Au  er.  4)  1.  c.  p.  161.  a.  71.  72.  5)  Berg- 

mann, Geschichte  Münchens  1.  c.  p.  143. 


310  V.   4.  l>io  Juden,   li.  Doutsclio  .ludoiiicclito. 

Das  Prag  er  Judenrecht  von  1254  dagegen,  das  also 
jünger,  als  das  Münchner,  in  §.7^)  und  das  ßrünner 
Judenrecht  von  12GS  im  a.  21.  l)estimnien 

..ifcni  si  auf  per  casum  inccndii  aut  per  furtum  aut  per 

r/)u  (im  Brünner  J.  E.  fehlt  auf  per  rini)  res  suas  cum  ohli- 

gatlssibi  pignorihus  amiserit,  ctlwcconstiicrit  et  cliristianns, 

qui  Iwc  obligavcrit,  nihilominus  impetit  eum,  Judaeus 

jurnmcnto  proprio  sc  ahsolvct."  (Br.  K.  absolvcit.) 

Der  Jude  verliert  also  beim  Zufall  sein  Geld  und  der  Christ 

sein  Pfand,  der  erstere  haftet  nicht  weiter.   Daneben  sagt  der 

vermehrte  Sachsen  sp.  HI.  17.  d.  17. 

„vorlust  der  jodde  eyme  sin  phant,  do  he  keyns  mete  ver- 
lorn had ,  daz  mus  der  jodde  gelden ,  sin  geld  sted  ome  abir 
her  dorane  abe ,  daz  he  jeme  gelegen  hatte.  ^) 
Der  Jude  haftet  daher  für  Schuld,   wie  in  den  süddeutschen 
Gesetzen.    Hinsiclits   des  Zufalls   aber  bestinnnt  der  Verm. 
Sachsensp.  m.  17,  12:3) 

„Ist  das  dem  Juden  von  fures  wegen,  von  du])erey  ader  von 
ander  not  wegen   das   syne    mit  andern  pfänden  vorbornt, 
vorstoln  ader  sust  vorlorn  wirth  ader  vorterbet,  das  auch 
wol  offenbar  ist:  spricht  yn  dan  eyn  cristeu  man  darumb 
an ,  der  es  ym  gesatzt  hat ,  tud  dan  der  jude  seynen  eydt 
darzcu  uff  Moyses  buch,  das  her  es  in  der  nodt  ader  zeit 
verlorn  habe,  sso  ist  her  loss,  und  der  iude  vorlust  sein 
gelt  daran ,  und  der  cristen  sein  pfant.   Stadtrecht." 
Hier  dringt  also  der  Prager  Grundsatz  gegen  den  süddeutschen 
durch.   Ob  der  Jude  die  Zinsen  ausserdem  noch  fordern  konnte, 
ist  nicht  genau  ersichtlich ,  lässt  sich  indess  aus  der  nachfol- 
genden Bestimmung  vielleicht  annehmen. 

In  der  constitutio  de  Judaeis  v.  Heinrich  VIII. 
von  Thüringen  1245,  ^)  wird  aber  sogar  festgesetzt: 

„...  et  hoc  contestatus  fiierit  cum  juramento  in  lihro  vel 
veracihus  Jiotninihus ,  ingnus  perclitum  solvere  tcnctur.." 
also  übereinstimmend  mit  dem  allgemeinen  Satze  des  Sach- 


l)Rössler,  1.  c.        2)  cf.  ebenso  Puigold,  VIII.  c.  78.  „statrecht 
und  lantrecht."      3j  Purgoldt ,  VIII.  83.       4)  Goldast,  lU.  399.  1.  c. 


V.   4.  Die  Juden,   b.  Deutsche  Judenreclite.  311 

senspiegels.   Aber  er  fahrt  fort:  „si  Christiamts,  qui  pi()nus 
posuerat   veniens  ad  Judaeum  argcntnm  suum  tulerit  et 
pondcrafum  exhihuerit,  rcpdens  pignus ,  quod  posuerat ,  a 
Jiidaeo  super  hoc  festes  vidclicet  2  Judaeos  et  1  Christia- 
nu}n  veraces  addens ,   et  Judaeus  non  reddiderit ,  ah  ea 
die  usure  non  accrcscit.     Et  si p)ostea  Judaens  idem 
pignus perdiderit  igne  vel  furto  vel  quocunque  modo,  tene- 
tur  Christiano  solvere,  ad  justifiam  suh  juramento ,  resti- 
tuturns  iUiid,  in  quo  pignus  erat  melius,  quam  summa 
accommodata  et  usura." 
Hier  haftet  daher  der  Jude  als  Pfandgläubiger  nicht  für  den 
Zufall,  sondern  gar,  wenn  er  durch  Zufall  das  Pfand  selbst 
nach  seiner  Befriedigung  verlor  (Zeugniss  dessen  ist  „igne  vel 
furto"  und  „postea"),  so  trägt  den  Schaden  —  bis  auf 
den  etwaigen  Ueberschuss  des  Pfandwerthes  über  den  Betrag 
der  Schuldsumme   und   der  Zinsen  —  der  Eigenthümer, 
der   ausserdem   noch  Kapital   und   Zinsen    zahlen 
m  u  s  s.     Dagegen  hören  die  Zinsen  mit  der  Rückzahlung  der 
Schuldsumme  zu  laufen  auf.     Und  während  in  der  letzteren, 
wol  unechten  Judenkonstitution  gerade   die  Juden  in  diesem 
Punkte  vor  den  anderen  Pfandgläubigern  bevorzugt  scheinen, 
da  des  Sachsenspiegels  allgemeines  Haftungspriucip   für  den 
Zufall  vorangesetzt  ist,  —  so  stellen   das  Münchener  Stadt- 
recht und  seine  Quelle ,  das  Rechtsbuch  Ludwigs  des  Baiern, 
gerade  die  Juden  so  ungünstig,  während  es  im  a.  105  und  das 
Rechtsbuch   Ludwigs   231    allgemein   aussprechen,   dass  der 
Pfandgläubiger  nur  für  seine  Schuld  haftet. 

„  swenn  ainem  pfant  geant^mrt  werdent  in  sein  gewalt  für 
sein  gelt ,  swelher  schad  im  daran  widerfur  v  n  g  e  v  ä  r  1  i  c  li, 
e  er  seines  guots  gewert  werd ,  vnd  daz  selb  pfant  verchaufft 
wurd,  des  soll  er  chain  entgeltnüss  haben  an 
der  schuld,  die  man  im  gelten  sol  vnd  nichts 
ablegen." 
Das  Augsburger  Stadtrecht  47.  ^)  spricht  diesen  Grundsatz,  im 
Gegensatze  zum  Münchener  R.  ^)  gerade  für  die  Juden  aus : 


1)  Walch ,  1.  c.  p.  83.        2)  1.  c.  oljcn  a.  173. 


312  Y.   4.  Die  Juden,   h.  Deutselie  .Tudenrochte. 

„...  i^esohiht   dem   Eos/,  icht  von  desz  Juden  wegen 
den  Schaden  soll  der  Jud  haben,  geschiht  aber   dem 
Eosz  icht  ane  des  Juden   schulde,   den   schaden 
soll  der  Selb  schol  haben  vud  sin  bürgen." 
Uel)ereinstimmend  mit  dem  Prager  Rechte  in  diesem  Punkte 
erweist    sich    auch    das   zweite  Würtemberger    Land- 
recht 1)  und  schon  m  den  Frankfurter  S  c  h  ö  f  f  e  n  u  r  t  h  e  i  - 
len  von  1443  '^)  vnrö.  entschieden: 

der  Jude  und  seine  Frau  sollen  schwören :  „  daz  sie  solichen 
panden  getan  haben ,    als   andern   i  r  e  n   p  a  n  d  e  n    (als 
Beweis  des  Schadens  durch  Zufall) ,  auch  sie  oder  die  iren 
den  schaden  nit  getan  haben,  vnd  im  für  keinen  schaden 
gesprochen,  daz  sie  im  dan  entgangen  sin." 
Ferner  wird   im  Präger  Judenrechte   1254   und   im  Brunn  er 
Judenrechte  von  1268  festgesetzt,  falls  ein  Christ  (Eigenthü- 
mer)  beweist,  dass  beim  Juden  gesetzte  Pfand  sei  dem  Chri- 
sten durch  Diebstahl  oder  Raub  (d.  h.  allgemein  wider  seinen 
Willen)  zuvor  entrissen,  der  Jude  aber  mit  seinem  Eide  dar- 
thut,  er  habe  bei  Annahme  des  Pfandes  Nichts  hiervon  ge- 
wusst ,  vielmehr  m  gutem  Glauben  das  Pfand  empfangen ,  s  o 
muss   der   Christ  Kapital  und  Zinsen,    wofür  das 
Pfand   an   den   Juden    gelangte,   zahlen,   wenn  er 
sein   Pfand   vindiciren  wollte.     Ein  gegen  das  allge- 
meine Prinzip  des  deutschen  Rechtes  ^)  den  Juden  gestattetes 
Privileg ,  ^)  welches  schon  aus  dem  Talmud  herstammt ,   von 
ihm  in  die  Judenrechte  der  einzelnen  Länder  u.  a.  auch  Frank- 
reichs  überging  und   schliesslich   für   den   Rechtsverkehr  so 
angemessen  erschien,  dass  etliche  Partikularrechte  es  als  all- 


1)  R  e  y  s  c  h  e  r  n.  p.  316.  2)  Bei  T  h  o  in  a  s ,  1.  c.  p.  335.  n.  80.  3)  cf . 
Lü  bisch.  R.  Cod.  H.a.  157  (u.  Hacli  ]).  326)  revid.  lübisch.  Recht 
III.  4.  a.  9.  —  Bremer  Stadtr.  (1303)  Ord.  n.  51.  Planck,  Beweis- 
führung (Zeitschrift  für  deutsches  R.  X.  p.  259  — 61).  Stobhe,  Ver- 
tragsrecht p.  89.  4)  Albrecht,  Gewere  p.  96.  Budde,  dissert.de 
vindicatione  rerum  mobilium  Gennanica.  1837.  p.  70ff.  Stobbe,  Ver- 
tragsrecht p.  89.  90.  —  cf.  aucli  Münchner  St.  R.  a.  110.  Von  der  Kirche 
dagegen  wird  wie  allgemein  nicht  in  den  ersten  deutschen  Concilien,  so 
auch  gerade  in  den  hier  benachbarten  Gebieten  das  Privileg  nicht  gebil- 


V.   4.  Die  Juden,    b.  Deutsche  Judenrechte.  313 

gemeiuen  Rechtssatz  aufstellten.  ^)  Es  findet  sich  bereits  im 
S  p  e  i  e  r  e  r  J  u  d  e  n  r  e  c  h  t  e  von  1 084 ,  wo  es  bestätigt  ist  von 
Heinrich  IV.  1090 -),  M.  XXXI.  p.  369  —  71.  —  (Beseler 
Zeitschr.  f.  R.  G.  II.  2.  3.  p.  374  und  410): 

ligt,  u.  a.  in  einer  Synode  in  der  Gnesner  Provinz  128.5  cp.  32:  die  Juden, 
welche  gestohlene  Sachen  bona  fide  überkamen,  „ahsque  solutione 
pretiicof/antHrad  restitutionew  ipsaruvi  rerum."  Hube, 
constitt.  sjnod.  ]trov.  Gnez.  p.  177. 

1)  Mitth.  d.  H.  Prof.  Stobbe.  —  z.  B.  das  allgemeine  preussische 
Landreclit  §.  25.  26.  I.  15.  gegen  das  römische  Eecht  1.  28.  Cod.  d.  rei 
vind.  III.  32, 1.  2.  Cod.  d.  fürt.  (VI.  2).  Der  Grundsatz  fand,  als  er  mit 
dem  Entwürfe  vorgelegt  ■wurde,  vielen  Widerspruch,  der  Staatsrath 
aber  genehmigte  ihn  Schliesslich.  Aus  der  Debatte  ergiebt  sich  der  Grund 
der  Billigung  des  Satzes.  Suarez  entwickelt  in  den  Schlussvorträgeu 
den  Unterschied  des  römischen  und  deutschen  Rechtes  (im  jure  Lu- 
becensi  et  CulmeHsi)  über  die  Ausdehnung  der  Vindikation  auf  dritte 
Besitzer  „Hand  muss  Hand  wahren.  ...  Die  römische  Theorie  begün- 
stigt au.snehmeud  die  Sicherheit  des  Eigenthums ,  als  einen  Hauptzweck 
jeder  bürgerlichen  Vereinigung.  Sie  bescliränkt  aber  zu  sehr  die  Si- 
cherheit und  Zuverlässigkeit  des '  Verkehrs,  der  in  einem 
Staate,  wo  nicht  blos  Ackerbau  und  die  gewöhnlichen  mechanischen 
Gewerbe,  sondern  auch  Handlung,  Fabriken  und  andere  Zweige  der  Indu- 
strie im 'Gange  sind,  ebenfalls  alle  Aufmerksamkeit  der  Gesetzgebung 
verflient.  . . .  Die  Theorie  des  deutschen  Rechtes  begünstigt  die  Frei- 
heit und  Lebhaftigkeit  des  Verkehrs  ausnehmend,  aus  welchem 
Grunde  sie  wohl  auch  vornämlicli  in  den  Statuten  der  grossen  deutschen 
Handelsstädte  aufgenommen  worden. ..  "  Schliesslich  sagt  er  speziell  über 
den  obigen  Satz  des  Judeurechtes:  ,,die  neue  Theorie  scheint ...  durch 
die  Nothwendigkeit  der  Aufrechterhaltung  der  Zuverlässigkeit  und 
Lebhaftigkeit  des  bürgerlichen  Verkehrs  ebenso  sehr,  als  durch 
die  natürliche  Billigkeit  gerechtfertigt  zu  werden.  In  der  Regel  verdient 
der  Eigenthümer,  dessen  Gewahrsam  eine  Sache  vielleicht  durch  eigene 
Nachlässigkeit  oder  Unvorsichtigkeit ,  durch  das  zu  weit  getriebene  Ver- 
trauen in  die  Person  dessen ,  dem  er  sie  selbst  zur  Verwahrung,  zum 
Gebrauche  u.  s.  w.  gegeben  hat,  entkommen  ist,  weniger  Rücksicht,  als 
der  redliche  Besitzer,  der  eine  solche  Sache  im  öffentlichen  gemeinen 
Verkehr  von  einem  unverdächtigen  Inhaber  bona  fide  gekauft  hat.  Für 
den  Eigenthümer  ist  dadurch  genugsam  gesorgt,  dass  derselbe  seine 
Sache  gegen  Erstattung  dessen ,  was  der  Besitzer  dafür  gegeben  hat, 
zurücknehmen  kann  uncj  also  das  profitirt,  was  etwa  die  Sache  mehr 
werth  ist.  Hierin  liegt  auch  zugleich  die  Hebung  des  etwanigen  Ein- 
wandcs,  dass  es  so  schwer  sei,  einen  Besitzer  der  Unredlichkeit  zu 
überführen.  . ."  Jahrb.  XLI.  p.  84.        2)  Rcmling,  Urk.  B.  p.  57.  65. 


31 1  V.   4.  Die  Juden,   b.  Deutsche  Judoureclitc. 

„si  mdciii  »'.<  furtiva  apud  cos  invcnta  fuerit,  si  dixerit 
Jitdacus  sr  cmissc ,  juramento  prohat  scctindum  legem  suam 
quanti  cmcr'd  et  tantnndem  accipiat  et  sie  rem,  ei,  cujus 
erat,  restituat." 
danu  im  verm.  Sachsensp.  (1.  c.)  und  in  Eckardts  Neun 
Büchern  (1.  c.)    Der  verm.  Sachsensp.  behandelt  die  Frage 
ausfiilirlicher :  ^) 
„wen  der  jodde  das  getud,  so  hat  he  sin  geld  mit  deme  wu- 
chere, so  daz  he  vnder  demeselben  eyde  bewyse  stunde  vnde 
stete  vnde  rechte  tageczit,  do  is  om  gesaczt  ward,  adir  thu 
ejTien  smiderlichin  ej^d  darczu,  ab  iz  on  der  foysten  nicht 
erlaczen  wel ,  doch  mag  der  jodde  wole  iiv,eugen  mid  zween 
krysten  vnde  mit  einem  joddin  ob  her  dy  darby  gehad  had; 
dy  muszen  ouch  daz  sweren."  '^) 
Dagegen  im  Augsburger  Stadtrechte  von  1270,  im  Mün- 
chener alten  und  reformirten  Stadti-eclite ,  imEechtsbuche 
Ludwigs  des  Baiern  muss  der  Jude  bereits  gegen  Em- 
pfang  seines  Kapitales   ohne  die  Zinsen  das  Pfand 
an  den  Bestohlenen  herausgeben.     Der  deutsche  Spiegel 
(1.  c.  209.  p.  124.)  schliesst  sich  ilmen  an: 

„  swaz  der  Jude  chauffet  anders  dinges  oder  auf  leihet  vnver- 

holen  vnd  vnverstoln  bei  des  tages  lichte  vnd  niht  in  besloz- 

zem  hofe.  mag  er  daz  erzeugen  selbe  dritte  er  behaltet 

sein   Pfenning   daran   die   er   dar   vmbe   gab  vnd 

niht  den  gesuoch,  oder  daz  auf  taete  mit  seinem  aide 

ob  ez  wol  verstoln  ist  gebristet  im  an  dem  gezeuge  er  ver- 

leuset  sein  pfenning."  — 

Der  Sachsenspiegel  (ITI,  7.  §.  4),   die  Quelle  des  obigen, 

erwähnt  eben  von    den  Zinsen  der  Juden,   wie  oben  berührt 

ward,  Nichts,  daher  bleibt  es  zweifelhaft,  zu  welcher  dieser 

beiden  Klassen  der  Quellen  er  sich  hält : 

„svat  die  jode  koft  anderes  dinges  unverholen  unde  vnver- 
stolen  bi  dages  lichte  unde  nicht  in  besloteme  hus ,  mach  he 
dat  getügen  selve  dridde,   he   behalt  sine   penninge 


1)   Ortloff  m.  17.  11.  und  Hl.  17,  25.         2)   So  auch  Purgoldt, 
VIII.  65.  „  statrecht  und  lantrecht."  c.  82. 


Y.   4.  Dio  Judon.    c.  Zinsgeschärtr  dor  Jndon.  315 

dar  an,  die  he  dar  mnme  gaf  oder  dar  up  dede  mit  sinem 
eide ,  of  it  wol  verstolen  is.  Gebrict  im  aver  an  me  getüge, 
he  verlüset  sine  penninge." 
Endlich  erwähnen  die  zuletzt  genannten  süddeutschen  Kechts- 
quellen  Nichts  von  der  Billigung  des  Prager  und  Brunn  er 
Judenrechtes,  dass  der  Schuldner,  der  bei  Auslösung  seines 
Pfandes  mit  der  Zahlung  der  Zinsen  einen  Monat  im  Rück- 
stände blieb ,  danach  auch  von  diesen  Zinsen  neue  Zinsen  ent- 
richten musste ,  indem  man  diese  Zinsen  zum  Kapitale  schlug 
und  den  Zinseszins  sogar  billigte:  „Ulis  us^iris  ac- 
crescunt  nsurae."  Dem  Prager  Rechte  stimmen  zu  der 
verm.  Sachsensp.  (IE.  17.  2G)  und  Eckardts  Neun 
Bücher.  ^) 

Untersagt  wird  dagegen  bereits  in  den  Kapitularien  Karls 
d.  Gr. ,  dass  ein  Jude  einen  Christen  in  Schuldhaft  als  persön- 
liches Pfand  liielt,  mochte  ein  Jude  oder  Christ  als  Schuldner 
ihm  denselben  gestellt  haben.  Der  Jude  lud  dadurch  als  Nicht- 
christ,  Nichtdeutscher,  Nichtfreier  einen  Makel  auf  das  Pfand, 
daher  seine  Bestrafung  durch  Verlust  der  Schuldsumme, 
selbst  wenn  Schuldner  zahlungsfähig  war : 

c.  2.  Capit.  d.  Judaeis :  „  ut  nullus  Judeus  neminem  cliristia- 
num  in  wnäinm  ah  nllo  Judneo  aut  ah  alio  christiano  mit- 
tcre  praesumat ,  ne  deteriorfiat;  qnod  si  facere  praesumat, 
secundum  suam  legem  restitiiat,  et  dcbitum  et  wadium 
simnl  pcrdnt."  2) 
Die  bekannten  zahlreichen  sonstigen  Bestimmungen  über  die 
Pfänder  der  Juden  gehören  nicht  unter  das  hiesige  Thema. 

c.   Die  Zinsgeschäfte  der  Juden. 

Auf  Grund  dieser  Vorrechte  übten  die  Juden  seit  alter 
Zeit  in  Deutschland  ihre  Zinsgescliäfte  in  weitester  Ausdeh- 
nung und  in  Ermangelung  der  Conkurrenz ,  zugleich ,  wie  spä- 
ter berülirt  werden  soll ,  zum  Ersätze  ihrer  gewaltsamen  imd 

1)  So  auch  Purgoldt,  YIIl.  c.  74.  „lantreclit  und  wichbildsrocht." 
cf.  Cuj actus,  opera.  Mutinac  1782.  W.  p.  638.  B.  „iisiorae  usurarum, 
qitae  imlgo  dicuntur  nsurne  Judaicne."  2)  cf.  Helfferich,  Zeit- 

schrift f.  R.  ü.  II.  2  —  3.  p.  417.  u.  ob.  Absch.  IV.  2.  h.  p.  133. 


316  V.   4.  Die  Juden,   c.  Zinsgeseliät'te  der  Juden. 

uuablässig ,    erbarmungslos    wiederkehrenden    Bedrückungen 
unter  nicht  khnncn  rrozontsätzen  aus. 

Weltliche  und  geistliche  Maclithaber  bis  zum  Kaiser  und 
Pabste  hinauf,  Gemeinden  und  Privatleute  jedes  Standes  ent- 
nahmen liei  iliiien  Befriedigung  ilires  ewig  neuen  Geldmangels, 
die  Juden  erwiesen  sich  entsprechend  ihrem  fast  eingeborenen 
Handelstriebe  und  ilirer  staatlichen  und  gesellschaftlichen 
Stellung  in  Deutschland  als  eigentliche  Inhaber  flüssiger  Geld- 
kapitalien, als  eigentliche  Träger  des  persönlichen  Credites, 
natürlich  nie  mit  Hintenansetzung  des  eigenen  Vortheiles. 
Zeugen  dessen  sind  die  übergrosse  Zahl  der  Privaturkunden, 
in  welchen  sie  in  Mittel-  und  Süddeutschland  begegnen,  die 
Menge  der  oben  erwähnten  Judengesetze  verschiedenster  Art, 
die  grosse  Fülle  der  Bestünmungen ,  welche  im  Pfandrechte 
gerade  auf  sie  rücksichtigen,  (üeber  letzteren  Punkt  cf.  noch 
unten  die  Wechsler  V.  5.)  ^)  Der  Herzog  von  ßrieg  Ludwig 
leiht  unter  Anderm  vom  Juden  Moscho  1358,  1365  grös- 
sere Summen  zu  54  %.  —  1362  dagegen  leiht  er  17  mrk.  von 
demselben  ohne  Zinsen.  ^)  Die  Herzogin  von  Schweidnitz  ^) 
verpflichtete  sich  1384  gegen  einen  Juden,  ihm  die  schuldigen 
380  mrk.  Darlehn  in  bestimmten  Raten  zu  bezahlen  u.  v.  A. 
„Durch  diesen  gesetzlich  anerkannten  Wucher  stiegen  häufig  die 
Schulden  der  geldarmen  Fürsten  so  schnell,  und  nach  mehre- 
ren Beispielen  aus  dem  14.  Jahrhundert  waren  54  Prozent  der 
gewöhnliche  Zinsfuss  in  den  beliebten  Wochenterminen."  Und 
doch  hatte  der  Clerus  eben  in  diesen  Bezirken  schon  seit  dem 
13.  Jahrhundert,  besonders  in  den  Synoden  der  Provinz  Gne- 
sen,  das  Gebot  erlassen  und  vielfach«  verbreitet,  dass  kein  Christ 
mit  den  Juden  verkehren,  geschweige  denn  als  Fürst  solche 
Wuchergeschäfte  mit  ihnen  schliessen  sollte.  Die  härtesten 
Strafen  setzte  man  darauf,  und  die  weltlichen  Herrscher  soll- 


1)  Pertz,  Mon.  Germ.  ss.  XI.  502.  —  Enuen  und  Eckertz,  Gesch. 
der  Stadt  Cöln  I.  p.  465  ff.  2)  Brieger  Lehn  und  Erbe.  Bresl.  Prov. 
Arch.  fol.  9  u. 26.  Mitth.  v.  H.  Cand.  Eössler.  Ucbrigens  stellt  sich  der 
Werth  des  schlesischen  Geldes  für  jene  Zeit  anders,  als  Stenzel  ihn 
angiebt.  cf.  Zeitschr.  für  Gesch.  u.  Alterth.  Schlesiens  I.  (Tagmann). 
3)  cf.  u.  a.  Tzschoppeund  Stenzel,  Urkk.  1.  c. 


V.   4.  Die  Juden,   c.  Zinsgesohäfte  der  Juden.  317 

teil  davül)or  wadien.  Aber  gerade  sie  wucherten  hier  mit  den 
Juden.  ^)  In  der  Budenser  Synode  (1279)  war  spezialisirt, 
den  Juden  sollen  keine  trihuta,  rcctir/alia ,  tclonca  seu  pcda- 
gia  vd  quaevis  alia puhlica  offieia  anvertraut  werden,  ebenso 
wenig  wie  den  Ismaeliten,  Sarazenen,  Ketzern.  Und  hier 
verpfiindete  man  sie  ihnen  für  das  Kapital  und  die  Wucher- 
zinsen. 2)  Ja  in  Erfurt  verpfändete  den  Juden  selbst  der 
Erzbischof  gar  die  Gerichtsgefälle  1291.^)  Im  Norden  und 
Nordosten  Deutschlands  begegnen  diese  Geschäfte  der  Juden 
das  Mittelalter  und  den  Anfang  der  Neuzeit  hindurch  seltner 
als  in  Siiddeutschland,  allein  auch  hier  ist  ihr  Zhisbetrieb  nach- 
zuweisen. Unter  den  von  Reinekinus  Mornewech,  dem  lübi- 
schen  Gesandton  1290  für  Lübeck  in  Brügge  zu  entrich- 
tenden Zahlungen  wird  auch  aufgeführt:  „Judeis  dehimus  C 
et  LXXX  m.  seil.  Vische  et  ...  soeii  ejus.^)  In  Danzig^) 
kommen  sie,  aus  Galizien  stammend  (wessel  Schirowitz, 
Reusze,  vnd  Kanuchke  Jude  beyde  luAvoner  czu  dem  Reusschen 
Bryszke),  als  Schuldner  vor,  1445  begegnen  hier  vier  Juden 
ausLutzk,  1448  solche  aus  Brzesc  als  Lieferanten  der  Roh- 
produkte ,  wie  damals  sehr  häufig ,  aus  den  hanseatischen 


1)  cf.  Hube,  constt.  sjii.  prov.  Gnez.  p.  GS.  p.  177  u.  A.  12GG.  1279. 
1285.  2j  cf.  cod.  dijd.  Sil.  111.  Grünhagen,  Honric.  pau])or.  Zinsbare 
Darlehn  der  Juden  an  Privatleute  und  die  Stadt  in  Breslau  p.  5G.  Gl.  G4. 
65.  79.  87.  88.  113.  (1377),  oft  grosse  Summen,  so  dass  die  Zinsen  des 
Jahres  aUein  500  m.  betragen.  H  ü  1 1  lu  a  n  n ,  Stände  II.  78.  u.  A.  3)  G  u- 
den,  hist.  Erfurt,  p.  70.  71.  Tschudi,  chronic.  I.  p.  417  (1331).  — 
Glafey,  Anecdot.  p.  107.  —  Hoef  er,  deutsche  Urkk.  n.  n.  178. a.  (1335) 
Borchard  von  Scrapbowe  u.  Busso  unse  Son  bekennen  verschiedenen  Ju- 
den Geld  schuldig  zu  sein.  Zahlen  sie  nicht  zum  Termine,  so  „ghen  is 
to  der  Weken  op  vif  Marc  ein  Scot.  Wat  wy  aller  dez  Gheldes  beredden 
vor  der  Tid,  dat  scal  man  uns  afslan ,  als  siet  gheboret."  —  Köhler, 
Urkk.  der  Oberlausitz,  n.  194.  p.  272  (1345)  „  her  hanncs  Jude  weyne  vnd 
Legnicz  hat  gelegen  Janen  ^^ld  Otten  v.  Gerlürstorff  achzick  shock  gros- 
sir  i)hennige  ydes  schock  vmme  eynen  grossin  dy  woche  czu  wuchir.  . . " 
Lehmann,  Speyrer  Rechtsgewohnheiten  p.  49G.  —  Eauiner,  Holien- 
staufen  V.  I.e.  Lang,  Jahrbücher  337  (1259).  Salmasius,  d.  usur. 
cp.  XX.  p.  607  ff.  Moser,  rcichsstädt.  Handb.  II.  p.  276.  L  i  c  h  n  o  w  sk  y, 
V.  601  (1404).  --  G i 0  j  a ,  Nuovo  prospetto.  IQ.  p.  190.  4)  L ü  b.  U  r  k. 
Bueli  II.  a.  n.  78.         5)  Arch.  Dan/..  Missiv.  I.  104y'  (1430). 


318  V.   4.  Die  Juden,   c.  Zinsgeschäfte  der  Juilen. 

H  i  11 1 0  r  l  ä  11 J  e  r  ii  \)  obgleich  der  preiissische  Städtetag  vom 
23.  Octbi".  1435  ihneu  „nach  alter  Gewohnlieit"  den  Eintritt 
in  Preusson  verbot.  -)  In  Litt  hauen  benutzte  der  Grossfürst 
1440  besonders  die  Juden,  um  seme  Finaiiznotli  zu  stillen, 
und  verpfändete  ihnen  für  ihre  Darlehen  die  Zölle,  welche  sie 
dann  ohne  Rücksicht  auf  Gesetze  und  Versprechen  des  Fürsten 
von  den  hanseatischen  Kaufleuteu  erhoben.  So  der  Jude  Abra- 
ham Jesofowicz  1510,  der  Jude  Aron  aus  Traken  1526.^)  Im 
Jahre  1488  klagen  die  hanseatischen  Kaufleute  über  die  Juden 
in  dem  Kontor  zu  Kauen  (Kowno) :  „  euch  haben  dy  joden 
vnd  czellener  hy  widder  vusz  gedocht  zy  gedencken  vff  alle 
dy  genne  dy  czu  Kauwen  borger  seyn  vnde  dy  yn  prewszen  czu 
borge  namen  vnd  j-n  prewsszen  mit  borgeren  selleschaft 
haben  gehat  (III.  2.  c.  VI.  2.)  vor  eyme  jore  adir  vor  czwen 
vnd  dy  ouch  noch  do  gesellest  haben  vf  dy  eren  czol  suchen 
wellen  vnd  gedencken  dy  so  blosz  czu  machen  eresz  gutten 
halben  zam  enen  vinger."  —  1490  zahlen  in  Pyritz  (bei 
Stettin)  die  Juden  „i)ro  confirmatione  xirivilegn  ad  trien- 
niuni  II fJorenos  ...  quod  non  alias,  nisi  in  Stettin  et piritze 
dchcnt  causari,"  und  bei  der  Steuer  des  gemeinen  Pfennigs  in 
Pommern  heisst  es  1490:  „Joden  sint  hir  nicht,  islik  scholde 
einen  fl.  geuen."  Dass  sie  aber  doch  dort  waren  und  ihre  Natur 
nicht  verleugneten,  offenbart  Herzog  Bogislaf  X.  von  Pommern 
in  semeni  Notizbuche  (liher  secretorum)  Nachtr. :  „item  tho 
gedenckende  van  den  yoden  wo  se  deme  ho  Illcfl.  item  he 
stote  enen  borger  uth ,  de  moste  eme  genen  XXV  gülden  . . . 
item  de  yoden  drywen  so  g roten  woker,  dat  de  vnszen  van 
gartczen  dat  nyt  se  lenger  lyden  konen."  *)  In  Kr a kau  tre- 
ten sie  in  gleicherweise  auf:-'')  „auflfs  eilflfte  sagetter,  das 
fast  viel  Clenodie  durch  Inen  diesen  zeugenn  sem  zu  Crackau 
versetzettbey  Juden  vnd  andern ausz  befehl  seines  herrn, 
worauff  er  tausentt  gülden  genommen ,  so  habe  der  herre  seh- 


1)  ib.  Missiv.  m.  89.  IV.  158.  2)  Bornbach,  Eezesse  m.  fol. 
521.  Danz.  Arch.  ,,\-nd  daz  kein  Jude  in  das  landt  zuPreussen  kome  kauff- 
manschatz  daselbst  zu  treiben  nach  alder  gewonheit."  3)  Danz.  Arch. 
Schbl.  39,  .5938.  .5941.  5947.  .5948.  5956  a.  b.  4)  Diplomat.  Beitr. 
zur  Geschichte  Pommerns  ed.  Klempin.  Berl.  1859.  p.  23.  539.  551. 
5)  cf.  Danz.  Schöppenb.  v.  1578.  fol.  Ol'  (bei  Prozessfragestücken). 


V.   4.  Die  Juden,   d.  Höhe  der  Judenzinsen.  319 

liger  auch  seinem  vater  eine  güldene  kette  der  wirden  von 
fünffliiinderth  gülden  vngersch  vereliret ,  saget  das  der  frawen 
Clenodie  mitt  nebenst  des  herren  seintt  versetzott  worden."  — 
In  Neustadt  in  Westpreussen  sind  für  ein  Darlelm  von  dem 
Woiwoden  einem  Juden  die  Wegegelder  verpfändet.  ^)  Der- 
selbe erhobt  die  Abgabe  in  Krosnowitsch  von  den  Fuhrleuten 
zur  Verwunderung  des  Zolles,  trotz  ihrer  richtigen  Zahlung 
nimmt  er  ihnen  dann  noch  Waaren  fort,  indem  er  vorgiebt, 
„an  der  Marke"  dieselben  als  Danziger  Kaufmannsgut  zu 
erkennen.  —  In  Polen  haben  die  Juden  mi  17.  Jahrhundert 
allen  Handel  mit  den  Hansastädten  inue ,  wie  Privatleute  und 
die  Kommission  der  Kaufmanns  -  Aeltesten  in  Danzig ,  einge- 
setzt „  zur  Verbesserung  der  Kommerzien , "  vielfach  klagen.  ^) 
Damit  nmi  die  Juden  nicht,  "wie  bereits  wiederholt  geschehen, 
die  Kohwaaren  aus  Polen  nach  Schlesien  führen ,  schlägt  die 
Commission  vor,  man  solle  ilmen  „durch  angesehene  Kauf- 
leute "  gestatten,  zu  gewissen  Zeiten  in  der  Stadt  Danzig  selbst 
zu  handeln;  sie  durften  bisher  nur  in  der  Danziger  Vorstadt 
„Altschottland''  Handel  treiben,  von  wo  sie  durch  ihre  Mäk- 
ler „  Alles  auskundschafteten."  Die  IL  und  IH.  Ordnung  des 
Stadtregiments  wollen  in  diese  Erlaubniss  willigen ,  doch  erspä- 
hen sie  sich  dabei  eine  neue  Erwerbsquelle ,  ähnlich  den  alten 
Judensteuern.  Die  Juden  sollen  nämlich  sich  von  der  Stadt 
in  der  sie  Handel  treiben  wollen ,  zuvor  einen  Erlaubnissschein 
gegen  Zahlung  einer  Abgabe  an  die  Communalkasse  lösen 
(1678.)  So  erweist  in  allen  Gebieten  Deutschlands  die  archi- 
valische  Forschung  der  Juden  gleiche  Stellung,  ihr  gleiches 
wucherliches  Treiben  (cf.  Absch.  d.  e.)  ^) 

d.   Höhe  der  Judenzinsen,  und  Ursachen  dieser  Höhe. 
Ueber   die   Höhe   der   Judenzinsen  feste   Resultate 
aufzustellen,  ist  um  so  eher  möglich,  als  hier  nicht  blos  die 

1)  Danz.  Schöppenb.  157;».  fol.  267.  2)  Dan/..  Arcli.  bibl.  F.  1.  2. 
(Joh.  Kestner.)  3)  Cramer,  Wezlarer  ßeitr.  II.  Abh.  2.  §.  3.  4.  Wezlar. 
Nebenstunden  XXIX.  Abh.  5.  §.  6.  7. :  „es  ist  nicht  zu  präsuniiren,  dass 
('hurfürsten  und  Stände  sich  hierdurch  die  Hände  selbst  binden  wollen, 
mit  Juden  allerhand  Contrakto  zu  schliessen.  Ihr  höchster  und  hoher  (cre- 
dit würde  dadurch  zu  sehr  periklitircn." 


3"J0  V.   4.  JMc  Juden,    d.  Ilölie  der  Judoir/.inscn. 

rrkuiulen  der  Parteien  selbst,  sondern  die  Gesetze  in  nicht 
kleiner  Zalil  dem  "Wucher  eine  Grenze  ziehen  und  die  Zinsen 
erst  über  jene  Grenze  hinaus  verbieten.  Hinsichts  der  Juden- 
ziusen  nahmen  also  die  Gesetze  bereits  seit  alter  Zeit  eine 
Stellung  ein ,  welche  sie  bei  den  Conventionalzinsen  der  nicht- 
jüdischen Contrahenten  erst  nach  der  völligen  Umwandlung 
ihres  AVuchergrundsatzes  seit  dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts 
gewonnen  und  seitdem  bis  zu  den  neuesten  Zeiten  und  Wand-  • 
lungeu  des  Wuchergesetzes  inne  hielten.  Dies  kam  daher, 
dass  die  Juden  eben  seit  alter  Zeit  in  ihrem  Privileg,  Zinsen 
zu  fordern,  so  dastanden,  wie  später  alle  Parteien,  ferner 
daher,  dass  sie  durch  jenes  Privileg  sich  gewissermassen  als 
öffentliche  Darleiher  in  Staaten  und  Städten  hinstellten,  um 
so  mehr ,  als  die  Obrigkeit  sie  (cf.  V.  5  d.)  in  etlichen  Distrikten 
zwang ,  unter  bestimmten  Bedingungen  auf  Pfänder  zu  leihen. 
Hier  konnte  es  natürlich  nicht  ausbleiben ,  dass  die  Polizeiho- 
heit der  Obrigkeit  die  den  Unterthanen  vom  konkurrenzlosen 
Judenwucher  drohende  Gefahr  zu  begrenzen  suchte  und  des- 
halb eme  feste  Höhe  der  Judenzinsen  vorschrieb,  ^) 

Da  die  Juden  gerade  bei  dem  Leihen  auf  kurze  Zeit  die 
häufigsten  Geschäfte  machten  und  darin  den  fühlbarsten  Zinsen- 
druck auf  die  Menge  der  armen  Schuldner  ausübten,  die  Zinshöhe 
dagegen  bei  den  Darlehen  an  Fürsten  u.  dergl.  weniger  gefühlt, 
auch  seltener  contrahirt  wurde,  jedenfalls  meistens  als  über 
dem  Gesetze  stehend  nicht  von  letzterem  regulirt  werden 
konnte ,  so  messen  die  Zinsgesetze  der  Juden  den  Zinsfuss  für 
Wochen  durchschnittlich  und  Monate.  Dieser  Zinsfuss  erweist 
sich  am  Anfange  des  13.  Jahrhunderts  nach  der  grösseren  oder 
geringeren  EntAvicklung  des  Handels,  des  persönlichen  Credites 
u.  s.  w.  in  den  verschiedenen  Gebieten  Deutschlands  höchst 
mannigfach,  in  den  meisten  aber  überschreitet  er  den  damals 


1)  cf.  Purgoldt,  Eechtsb.  VIII.  cp.  85.  „in  dutzscben  landen,  da 
gehen  sy  mussigk  und  wucliern.  Das  bcschreben  recht  wiset  aber  us  ,  das 
ir  Wucher  suUe  nie  SS  ig  seyn  ;  wan  ersteygen  sy  den  ober  das,  also  her 
yn  gesatzt  wirt  von  den  fursten  ader  stetin ,  da  sy  wonen :  so  sali  das 
wertlich  gerichte,  ader  der  rat  eyner  stat  ireu  frevil  straifen  ader 
zewinsren." 


V.   4.  Die  Juden,   d.  Höhe  der  .Tudenzinsen.  321 

und  heute  bei  gleichen  Betlingungen  allgebräuchlicheu  Pro- 
zentsatz bedeutend,  60  und  70  %  jährlich  ergeben  durch- 
schnittlich die  monatlichen  Zinsfüsse.  Einerseits  zeigt  dieser 
gesetzliche  Zinsfuss  sich  thatsäclilich  nicht  so  drückend  und 
übermässig  hoch ,  weil  die  Schuldverhältnisse  in  den  meisten 
Fällen  viel  kürzere  Zeit,  als  ein  Jahr,  währten;  andrerseits 
beweist  derselbe  wieder,  dass  die  Partikulargesetze  sich  nicht  so 
weit  im  polizeilichen  Drange  hinreissen  Hessen,  ohne  Eücksicht  auf 
die  wirklich  obwaltenden  Verhältnisse  eingreifende  Normen  auf- 
zustellen, vielmehr  nur  die  bereits  ausgebildeten  Zustände  gesetz- 
lich feststellen  zu  müssen  glaubten.  So  steht  vereinzelt  in  Wahr- 
heit das  Beispiel  von  Florenz  da,  wo  1420  derKath  zur  Herab- 
drückungdes  übermässigen  Zinsfusses  der  Wechselhäuser  Juden 
in  die  Stadt  eüizuziehen  aufforderte,  unter  der  Bedingung,  dass 
sie  nicht  über  20  %  fü^'  ein  Jahr  bei  einem  Darlehn  bezögen.  ^) 
Dergleichen  gesetzliche  Zmsschranken  sind  in  Mainz:  cf. 
convent.  civit.  Mogunt.  (IT. 372.)  1255:  2 den. auf  1  Pfund 
für  1  Woche,  4  unciae  auf  1  Jahr;  in  Augsburg  (Stadt- 
recht 127G):  für  1  Woche  4  Pfennig  auf  1  Pfund,  auf  60  Pfennig 

1  Pfennig;  in  München  (Stadtrecht  1340)  für  1  Woche  nur 

2  Pfennig  auf  1  Pfund ;  der  darleihende  Gast  aber  soll  3  Pfennig 
bei  gleicher  Frist  und  Kapitalssmnme  entrichten.  In  Nürn- 
berg schreibt  ihnen  1310  der  Kaiser  den  Zinsfuss  von  2  Hel- 
lern bei  einem  Bürger ,  von  3  Hellern  bei  einem  Fremden  und 
Gaste  für  das  Darleihen  eines  Pfundes  Heller  eine  Woche 
hm  durch  vor.  2)  In  Prag  (Judenrecht  von  Ottokar  H. 
1269) :  5  Pfennige  auf  1  mrk.,  6  Pfennige  auf  1  Pfund,  1  Pfennig 
auf  30  Pfennig;  die  Zeit  ist  nicht  angegeben,  sie  soll  wol 
1  Woche  heissen.  •■')  In  Cöln  dürfen  sie  wöchentlich  3  denar. 
von^einer  Mark  nehmen  1250ff. ;'^)  im  Breisgauer  Frei- 
burg  galt  ungefähr  derselbe  Prozentsatz,  wie  in  München; 
man  schreibt^)  14.  Septbr.  1394  vor: 


1)  Härtens,  Urspr.  d.Wechselr.  §.13.  2)  Würfel,  histor.  Nach- 
richten V.  d.  Judengenieindc  in  Nürnb.  S.S.  12G.  Mitg.  v.  H.  Pr.  Stobbe. 
3)  Rössler,  Gesch. d.R. in Oesterr.  Anh. a. 123.  4)ci'.  Quellen  z.  Gesch. 
d.  St.  Cöln.  n.  n.  388  (a.  1258).  —  Laconiblet,  U.  B.  1.  c.  II.  n.  628 
(1272)  u.  a.        5)  cf.  Freib.  Urkk.  Schreiber  1.  c.  U.  4.  p.  95. 

Neu  mann,  Gesch.  d.  Wuchers.  21 


3'2'2  V.   4.  Dio  Juiloii.    d.  Höhe  dov  Judcnzinson. 

„  UV  sullent  si  (die  Juden)  auch  ingesessen  burgern  daselbs 
zu  Friburg  zu  der  wochen  lihen  ein  pfunt  pfenning  vmb 
zween  pfenning,  fünfzehn  Schilling  vmb  3  halbling,  10 Schil- 
ling vmb  1  pfenning  . . .  vnd  nicht  tüver." 
In  Frankfurt  i)  setzt  1338  d.20.  September  der  Kaiser  Lud- 
wig der  Baier  fest: 

„  daz  di  Juden  iglichem  burger  zer  wochen  leihen  sullen  ain 
pfund  haller  vmb  anderhalben  haller  vnd  swer  ausserhalb 
der  Stadt  gesezzeu  ist ,  dem  sullen  si  daz  pfunt  leihen  vmb 
zween  haller  vnd  darunder  sol  si  nieman  drengen."  (zugleich 
also  das  Verbot  der  Herabsetzung  dieser  Maximalhöhe.)  '^) 
In  den  2  Bullen  von  Innocenz  HI.  und  IV.  1194  und  1297, 
welche  die  Grundlage  des  Prager  Judenrechtes  bilden,  ist 
noch  kein  fester  Zinsfuss  vorgeschrieben.  Dagegen  m  der  Bulle 
von  Innocenz  VIII.  1491  an  den  Kath  von  Frankfurt  a.  M. 
genehmigt  der  Pabst ,  dass  die  Juden  1  Heller  auf  1  fl.  für 
1  Woche  fordern,  d.  i.  ca.  2l7o-  In  Zürich  sollen  die  Juden 
1354  den  Städtern  1  Pfund  Heller  um  2  Pfennige  leihen, 
Fremden  dagegen  bestimmen  sie  allem  den  Zinsfuss  (Zürich 
zeichnete  sich ,  wie  schon  oben  IH.  2.  b.  gezeigt  wurde ,  durch 
milde  Wuchergesetze  allgemein  aus.)  ^)  In  Strasburg  gilt 
derselbe  Zinsfuss,  wie  in  Freiburg,  1375.^)  In  Würtemberg 
ist  bis  1434  der  Prozentsatz  von  1  Heller  für  1  fl. ,  1  Heller 
für  1  Pfund  das  Maximum  des  Judenzinses  gewesen.^)  In  Bran- 
denburg gestattete  man  ihnen  bis  zum  18.  Jahrh.  24  7o-^)  In 
Breslau  zahlte  man,  was  als  gesetzliches  Maass  gelten  kann, 
in  der  Mitte  des  14.  Jahrh.  Seitens  der  Stadt  selbst  für  grosse 
Kapitalien  25  ^o-  0   Wie   viel   niedriger   waren   die  Prozent- 


l)Urk.  Buch  (Böhmer)  1.  c.  2)  Orth,  Anm.  z.  Frankf.  Eeforra. 
n.  12.  §.  4.  3)  cf.  auch  ib.  Eichtcbrief  V.  104.  Bluntschli,  Züri- 
cher R.  G.  I.  p.  293.  u.  Zeit  sehr.  f.  schweizer.  R.  IV.  6Gif.  4)  Böh- 
mer, Jus  eccl.  prot.  V.  19.  §.  XXVH.  5)  Civil.  Magazin  II.  n.  VI. 
p.  140.  (Hugo.)  6)  Hugo,  I.e.  7)  cf.  Grünhagen,  cod.  dipl.  Sil. 
III.  p.  88.  (1857) :  „16  m.  usv/re  de  60  m.  capitalis  pecunie  predicte." 
Der  Brieger  Herzog  Ludwig  zahlte  dagegen  dem  Juden  Mo  seh  o  in 
Brieg  für  grös.sere  Darlehn  1358  und  1365  1  Mark  auf  1  Quart  wöchent- 
lich, d.  h.  54", u  (cf.  Bresl.  Prov.  Arch.  Brieger  Lehn  und  Erbe  fol.  9. 


•  V.   4.  Die  Juden,   cl.  Höhe  der  Judenzinseii.  323 

Sätze  der  Judeuzinsen  bereits  im  13.  Jahrh.  iii  Spanien  und 
Italien.  Tn  Arragonien  billigte  Jakob  T.  ihnen  1228: 
20*^/u  jälirlieh,  1240:  4  denar.  für  1  Pfund  monatlich  zu.') 
In  Sizilien  war  zur  selbigen  Zeit  der  gesetzliche  Judenzins- 
fuss  10 'Yy.-)  Dagegen  in  Frankreich,  wo  den  Juden  eben- 
falls ein  Zinsmaximum  gesetzlich  vorgeschrieben  war,  ^)  dehnte 
König  Johann  1360  dasselbe  auf  86^3  7o  jährlich  aus,  wöchent- 
lich auf  4  deniers  pro  Livre.  *)  In  Oest reich  aber,  wo  we- 
gen der  Verschuldung  der  Fürsten  der  Wucher  der  Juden 
ganz  besonders  blühte  und  zeitweise  hauptsächliche  Finanz- 
qucllen  des  Staates  ihnen  verpfändet  Avurden,  gestattete  der 
letzte  der  Babanberger,  Friedrich  IL,  1246  ihnen  gar  8  Heller 
auf  1  Pfund  die  Woche  (d.  i.  174  %  jährlich)  Zinsen  zu  neh- 
men, ja  unter  seinem  Vater  Leopold ,  dem  Ruhmreichen,  durf- 
ten sie  304  %  jährlich  beziehen ,  —  wenn  anders  die  Zahlen 
nicht  falsch  überliefert,  oder  die  Berechnung  unrichtig  aufge- 
stellt, insbesondere  der  Curs  der  Münzen  nicht  ausser  Acht 
gelassen  ist.  ■')  Ottokar  IL  dann ,  König  von  Böhmen ,  welcher 
von  Kaiser  Richard  Steyermark  und  Oesterreich  zum  Leim 
empfing,  verwarf  in  Oesterreich  jede  Maximalgrenze  des  Judeu- 
zinses  (1254),  Kaiser  Rudolf  I.  stellte  den  Prozentsatz  Frie- 
drichs IL  174  %,  wieder  her.  ^) 

Später  wurde ,  durch  die  Judenverfolgungen  weniger ,  als 
durch  den  grösseren  Geldumlauf,  durch  die  allmähliche  Besei- 
tigung des  kanonischen  Wucherverbotes  und  die  dann  stei- 
gende Conkurreuz  der  Kapitalsangebote  endlich  der  Zinsfuss 
bei  Judendarlehn  ermässigt  und   in  den  einzelnen  deutschen 

und  fol.  26.)  Derselbe  Jude  leiht  indess  13G2  demselben  Herzoge  wieder 
17  mark  „serZ  haec  non  usurm^erunt."  ib.  fol.  2(5.  Mitg.  v.  H.  Cand. 
Rössler. 

l)Du  Fresne  du  Gange,  gloss.  voc.  usurarii  in  tin.  2)  constitt. 
regn.  Sicil.  I.  A'I.  3)  Ordonnances  de  France.  I.  p.  53 ff.  II.  p.  575. 
—  Recucil  des  anciennes  lois  I.  p.  149.  152.  4)  J.  B.  Say,  traite  II. 
eh.  8.  5)  cf.  Rizy.  Zinstaxen  und  Wucherges.  Wien  1859.  p.  72  ff.  — 
Horniayr,  histor.  Taschenbuch  (1812)  ji.  74.  —  Rauch,  script.  rer. 
austriac.  I.  201.  —  Stadtrecht  für  Wiener  Neustadt  p.91.—  F.  Kurz, 
Oe.sterrcich  unter  Ottokar  und  Albrecht  I.  (Anz.  1846)  II.  6)  cf.  die 
vorige  Note. 

21  * 


324  V.  4.  Die  Jiulou.   d.  TIölio  der  Judenzinscn. 

Territorien  ausgeglichen.  So  beschränkte  in  0 es ter reich 
1338  Albrecht  II.  den  Prozentsatz  derselben  auf  3  Heller  für 
1  Pfund ,  1  Heller  für  60  Heller  die  Woche.  Dieser  Zinsfuss 
musste  sich  natürlicli  beim  Leüien  auf  längere  Zeit  niedriger 
stellen.  Allmählich  dann  fielen  die  Prozente  so,  dass  Kaiser 
Karl  IV.  trotz  seiner  Absicht  den  Zinsfuss  von  OttOkar  IL 
nicht  wieder  einführen  konnte.  ^)  In  Frankfurt  a.  M.  durf- 
ten die  Consuln  schon  1538  vermerken,  dass  der  von  Inno- 
cenz  Vin.  in  jener  Bulle  von  1491  gebilligte  Zinsfuss  zur 
Hälfte  herabgesunken  sei,  nämlich  auf  10^2  7o-  1^14  waren 
nur  noch  8  7o  daselbst  üblich ,  ausser ,  wo  kein  Pfand  das  Ge- 
schäft sicherte.  Letzteren  Falls  forderte  manl07o-^)  (cf.V.4.f. 
undLX.  l.b.) 

Doch  darf  man  sich  verwundern ,  dass  die  Juden  so  hohe 
Zinsen  forderten?  Nicht  bloss  die  Gewinnsucht  trieb  sie, 
dort,  wo  sie  ohne  Conkurrenz  Geld  liehen,  die  Noth  ihrer 
Feinde,  der  Christen,  auszukaufen.  Diese  Auffassung  erweist  sich 
bei  näherer  Beachtung  der  Quellen  einseitig ,  ja  ungerecht ! 

Man  mag  noch  absehen  von  der  Menge  der  Kosten, 
welche  sie  durch  Aufbewahren  der  Pfänder,  durch  stetes 
Bereithalten  ihrer  Kapitalien  sich  verursachten  (cf.  V.  5.  c.  d.). 
Aber  wie  bedrückten  und  nutzten  sie  rücksichtslos  und 
zuweilen  in  wirklich  empörender  Weise  der  Kaiser  und  die 
niederen  Machthaber.  Zunächst  bezogen  diese  den  Juden- 
schoss;  steigern  konnten  sie  ihn  nach  Belieben.  Welche 
Summen  er  abwarf  und  wie  \iele  Berechtigte  dafür  sich  fanden, 
ist  oben  berührt.  Doch  sie  betrachteten  sich  auch,  da  sie 
Inhaber  der  organisirten  Gewalt  waren ,  ja  selbst  auf  die  unor- 
ganisirte  ihres  Volkes  in  diesem  Punkte  sicher  rechnen  konn- 
ten, durchaus  als  Eigenthümer  des  haaren  Vermö- 
gens der  Juden  und  ihrer  ausstehenden  Forde- 
rungen, als  wären  die  Juden  vermögensrecht- 
lich völlig  ihre  Sklaven  und  ohne  den  Beitritt 
Jener   vertragsunfähig.    Sie  Hessen  sich  von  den  Dar- 


1)  ßössler,  deutsche  Rechtsdenkmäler  I.  Anhang  VL   Eizy.  1.  c 
2)0rth,l.  c. 


V.  4.  Die  Juden,    d.  Höhe  der  Judenzinsen.  325 

lehen  der  Juden  entsprechend  der  Grösse  derselben  bestimmte 
Abgaben  entrichten.  ^)    1315  bestätigte  Ludwig  der  Baier  dem 
Ritter  AVipfelin  von  Eosegarten  eine  Anweisung  Heinrichs  VII. 
von  lOmrk.  jährlich  auf  die  Wormser  Juden  —  während  der  Ju- 
denschoss  an  den  Kaiser  selbstverständlich  ungeschmälert  blieb,  ^) 
ebenso  gab  er  dem  Ritter  Kuno  v.  Luramershemi  a.  13.  März  1316 
eine  jährliche  Rente  von  15  Pf.  Heller  auf  die  Abgabe  derselben. 
„Ludovicus  dei  gratia  Romanorum  rex  semper  augustus 
imiversis  Judeis  Wormaciensihus   camerae  suae  ser- 
vis  gratiam  suam.  Attcndentes  grata  et  voluntaria  servitia 
quae  nobis  prudens  vir  Chiino  de  Lumerslieim  fidelis  noster 
dilectus  exhihuit  et  in  antea  poterit  exhibere,  sibi  de  libera- 
litatis  nostrae  mimificentia  quindecim  Hb  ras  H  al- 
len si  um  de  steura  vestra  solvendas  eidem  singu- 
lis  annis  in  festo  beati  Martini  duximus  largiendas."  ^) 
Dass  der  Kaiser  bei  seiner  Befugniss,  die  Judenabgabe  jeden 
Augenblick  ohne  Beitritt  der  Reichsstände  zu  erhöhen  "*)  durch 
die  Abzweigung  einer   Rente  keinen  Nachtheil  wird  gelitten 
haben,  liegt  auf  der  Hand.    So   sagt  Kaiser  Wenzel,   als  er 
von  der  Stadt  Nordhausen  ein  Darlehn  empfangen ,  bei  Ver- 
pfändung seines  Judenschosses  dafür: 

„  was  sie  aber  fürbass  m  e  r  hynach  . . .  der  Juden  geniessen 
werden  ...  das   sye   vns  halbe  in  unser  Camer  antwurten 
noch  iren  trewen ,  die  sie  Uns  pflichtig  sind." 
Die  andere  Hälfte  des  Mehrnutzens  gestattet  er  zima  Besten 
der  Commune  zu  verwenden.  ^) 

Oder  der  Pabst  für  die  Kreuzfahrer ,  der  Kaiser  für  seine 
bedrückten  Unterthanen  erlassen  —  letzterer  wo  möglich,  um 
dafür  von  den  Schuldnern  ebenfalls  einen  Tribut  zu  erzielen  — 
den  rückständigen  Schuldnern  die  Zahlung  der  Zinsen  oder 
gar  des  ganzen  oder  theilweisen  Kapitales  auf  bestimmte  Zeit 
oder  für  immer,  ohne  irgend  einen  der  Reichsstände  zu  hören 
oder  ohne  auf  die   Juden   dabei  ii'gendwie  zu   rücksichtigen, 


1)  cf.  u.  V.  A.  cod.  diid.  Sil.  III.  Grünhagen,  Henricus  paupcr. 
p.  48  —  50.  '2)  Arnold,  Verlass.  Geschichte  d.  D.  Freist.  II.  p.  214. 
3)  Arnold  1.  c.  U.  215.  4)  cf.  Beseler,  Zeitschi-,  f.  R.  G.  U.  2.  3. 
p.  374.  375.        5)  Moser,  reichsstädt.  Handbuch  II.  p.  276. 


r{2(>  \.   4.  nio  .Indt^n.    d.  Höhe  iler  .Tnden/insen. 

geschweige  (lenn  ihren  jährlichen  Schoss  an  die  kaiserliche 
Kasse  zu  massigen.  ')  So  sagt  in  einem  Schreiben  Kaiser 
Sigismund  1302: 

..)ios  Sigisniioifl  ...  (inia  fideles  cives  ..  de  Posonia  (Press- 
hurg)  vineas  ipsoriim  in  praesenti  anno  cum  maxitna  pecM- 
iiianwi    qiiautitatc   sictiti   iideni   nostri    asserunt 
Diajestati  (emziger  Beweis!)  a  Judaeis  dictae  civitatis 
nostrae  mutui  receptarum  et  habitarum,  super  quam  non 
niodica  usura   evenisse  jam  xtcrlühdur,   coli  fecerunt  et 
coluerunt  in  vinisque  eortim  indi/ferefiter  propter  frigidi 
feniporis  invasionem  ...  ideo  nos  exindc  omnes  et  sin- 
gulas  usuras,  quae  dmntaxat,  ut praemittitur ,  in  anno 
p  raesenti  super  jam  dictam  pecimiarmn  quantitatem  cre- 
rissent  et  multiplicatae    haherentur,   iisdem  civl- 
hus  . .  ac  cunctis  populis  nostris  de  dicto  Posonio  duximus 
gratiosc  relaxandas  ita  videlicet  quod  cives . . .  capitalem  pe- 
cuniam  Judaeorum  ex  integro  iisdem persolvere  tcneantur."^) 
1146  erliess  der  Pabst  einem  Christen,  der  den  Kreuzzug  mit- 
machte ,  Kapital  und  Zinsen ,  welche  er  den  Juden  schuldete. 
Ludwig  der  Bai  er  befreite  die  Grafen  Eberhard  und  Ul- 
rich  von   Würtemberg  1346  von    allen  Judenschulden   ihres 
Vaters  in  Schlettstädt.   Karl  IV.  befreite  dieselben  Grafen  und 
alle   ihre   ünterthanen    1349  von    allen    Judenschulden,   die 
bis  zum  1.  April  1349  aufgelaufen  waren;   dasselbe  that  er 
1361.  Allgemein  erliessen  Karl  IV.  und  Wenzel  den  Juden- 
schuldnern,  welche  10  — 15  7o    ^^'^^  Schuldbetrages  in   die 
kaiserliche  Kasse  zahlten,   die  Abtragung  ilirer  Schulden  in 
Kapital  und  Interesse,  so  z.B.  in  Nürnberg   1350. 3)    Noch 
fr'eigebiger  zeigte  sich  Wenzel.   In  zwei  Urkunden  von  1 390  *) 
erliess  er   Jeder  männig  lieh   im  Lande  Franken  und   im 
Lande  Schwaben  alle  Judenschulden,   und   in   einer  dritten 
Urkunde  befi'eite   er  noch  besonders   die  Städte   Rotenburg, 

1)  cf.  Ofener  Stadtr.  1.  c.  Glossar  p.  284  (Fejer,  cod.  diplom.  X. 
8.  342  ff.  2)  cf.  die  vorige  Note  und  Lehmann,  Speirer  Chronik  1.  c. 
p.  496.  3)  Chroniken  der  deutschen  Städte.  Hegel,  I. Nürnb.  Chronik 
p.  20.  n.  1.  4)  Spie  SS,  archival.  Nebenarbeiten  p.  121.  n.  3.  Satt- 
ler, Grafen  v,  Würtemb,  III.  Urk.  2. 


V.   4.  Die  Juden,   d.  Hoho  der  .Judenzinsen.  327 

Windsheim,   Schweinfurt,  Weissenburg  für  bestimmte  Geld- 
geschenke  an  Um  \)   am  6.  Januar   1401.    Die  Juden  müssen 
wiederholt  ausserordentliche  Schulden  des  Kaisers  bezahlen; 
so  bei  Erstattung  der  Pfandsumme  für  das  Schultheissenamt 
zu  Nürnberg  1385  schreibt  der  Burggraf  Friedrich  von  Nürn- 
berg bei  Empfang  von  5613  gld.: 
„  daz  uns  die  erbern  weisen  manne  die  burger  des  rats  der 
stat  zu  Nürnberg  bericht  und  bezalt  haben  und  gen  i  r  e  u 
Juden   aufs  getzogen   haben  ...  an   den  achttau- 
sent    guidein,    die    sie   vns   schuldig    sein    von 
des    gerichts    und    des    zols   wegen   daz   wir  in 
darumb  versetzt  haben."  ^) 
Konnten  die  von   allen  Seiten  gepressten  Juden  sich  anders 
gegen  den  Raub  decken ,  als  dadurch ,  dass  sie ,  wo  ihnen  ein- 
mal ein  Geschäft  glückte ,  besonders  grossen  Darlehnsnehmern 
gegenüber,  sehr  hohe  Zinsen  forderten  um  die  Tausende  der 
Erpressung  mühsam  wieder  einzubringen?    Zumal,  des  jüdi- 
schen Volkes  Natur  neigte  ja  an  sich  dahin ;  deshalb  ertrugen 
sie  auch  nur  diese  Gewaltthaten.   Wer  wirft  dafür  den  ersten 
Stein  auf  sie  ? 

Die  Schulden  der  Machthaber  und  des  Volkes  an  die 
Juden  wuchsen  trotz  aller  obigen  Gewaltmaassregeln  reissend ; 
immer  häufiger  sah  man  sich  genöthigt ,  Gerichtsgefälle ,  Ein- 
künfte von  Regalien  u.  A.  im  Volke  aber  selbst  das  nothwen- 
digste  Geräth  den  wuchernden,  „unersättlichen"  Gläubigern  zu 
verpfänden.  Die  Juden  selbst  forderten  sie  hierzu  auf  ^)  So 
boten  sich  den  Juden  immer  neue  Mittel,  ihre  zerrütteten 
Schätze  wieder  aufzuhäufen,  immer  neue  aber  auch,  die  Schuld- 
ner und  so  das  ganze  Volk  der  Christenheit  zu  reizen.  Unauf- 
haltsam ,  unrettbar  durcli  die  Umstände  gezwungen ,  und  fast 
mit  offenen  Augen  trieben  beide  Theile  sich  zu  dem  jähen  Aus- 
bruche des  lang  verhaltenen  Grolles. 


1)  Chmel,  Regest.  Kaiser  Ruprechts  n.  65.  2)  H  e  g  el ,  1.  c.  p.  28. 
n.  2.  3)  H  üllnian  n  .  Stände  III.  p.  78.  ~  Tzsclioppe  und  Stenzel, 
1.  c.  IShi,  die  Herzogin  von  iSclnveidnit^  Der  Bischof  von  Erlurt  selbst 
verpfändete  ihnen  seine  Gerichtsgefälle,  uuden.  bist.  Erfurt.  \t.  70.  71. 
cf.  V.  4.  c. 


328  V.   4.  Die  Juden,   c.  Judenverfolgungen. 

0.   Die  Judenverfolgungen,  insbesondere  wegen  des 
Wuchers  der  Juden. 

So  häufen  sich  bereits  seit  dem  Ausgange  des  13.  Jahr- 
hunderts in  den  Gesetzbüchern,  Annaleu,  in  den  Chroniken 
der  Städte,  in  den  Privatschriften,  besonders  den  Schuldkon- 
trakten der  Christen  die  Wehklagen  über  den  ungeheuer n 
Wucher  der  Juden,  über  ihren  grenzenlosen  Eeich- 
thum  gegen  die  Geldnoth  ihrer  Schuldner,  über  die  nicht 
emzudämmende  Vermehrung  ihrer  Stammgenossen.  Mit 
der  Pest,  die  verheerend  herembrach,  mit  dem  religiösen  Hasse 
mischt  sich  der  Zorn  über  die  ewige  Geldnoth ,  die  Bedräng- 
niss  der  Armen.  Letzterer  Beweggrund  ist  hier  allein  ms 
Auge  zu  fassen.  Die  Kirche  hatte  bisher  aus  gutem  Grunde 
wieder  und  weder  über  den  Wucher  der  Juden  geschwiegen.  ^) 
Endlich  steht  sie  auf  in  Deutschland  und  weiht  die  Klagen  des 
Volkes ,  sie  verdammt  selbst  die  Nichtchristen  und  schleudert 
das  alte  kanonische  Wucherverbot  auch  ihnen  entgegen.  Am 
Ende  des  13.,  dann  im  14.  Jahrhundert  will  sie  selbst  schon 
im  Norden  und  Osten  Deutschlands  allen  Verkehr  zmschen 
Juden  und  Christen  zerreissen ;  gemieden  von  allen ,  ein  Aus- 
wurf des  Menschengeschlechts,  auch  äusserlich  gebrandmarkt, 
sollen  die  Juden,  sich  selbst  überlassen,  in  eigener  Sünde 
vergehen.  ^)  ;Dann  im  Concil  von  Fr  ey  sing  1440  ^)  bestimmt 
der  Clerus: 

„Jiidaei   exh  au  rinnt    Christianae    religionis  facuUates 
usuris.     Hinc  stattiimus  clistricte  praecipiendo,  quod  Jti- 


1)  Die  älteste  Judenverfolgung  findet  sich  bekanntlich  bereits  in  den 
Statuta  domini  Hludowici  U.  pro  lege  posita  (855)  c.4.  „providimus  de 
Judeis ,  ut  nullus  infra  regnum  Italicum  ultra  Kalendas  Octobris  maneat, 
et  modo  eis  denuntietur ,  ut  omnes  usque  ad  placitum  illud  exeant  uhi 
voluerint  sine  ullius  contradictione.  Quod  si  post  Kalendas  Octobris  ali- 
quis  inventus  fuerit  a  quibuscimque  comprehendi  potest ,  cum  omni  sub- 
stdntia  sua  ad  nostram  dedticatur  praesentiam"  (Pcrtz,  legg.  I.  p.437.) 
2)  cf.  ob.  V.  4.  a.  So  in  der  Breslauer  Synode  von  1266 ,  der  Buden- 
s  e  r  von  1279 ,  dann  weiter  in  G 1  o  g  a  u  und  Breslau  1315.  Hube,  anti- 
quissim.  constitt.  synod.  prov.  Gnezncns  1.  c.  Tzschoppe  und  Stenzel 
Urk.  Buch  1.  c.  p.  497.  §.  5.  8^^.  251.  —  Cod.  dipl.  Sil.  V.  (Watten - 
bach)  p.  59.  u.  v.  A.        3)  Schannat,  1.  c.  V.  p.  277. 


V.   4.  Die  Juden,   c.  Judenverfolgungen.  329 

daei  in  nostra  diocesi  non  permittantur  fenerari.     Nidlus 
quoqiie  Christianus  domos  ad  hahitandum  iisdem  et  ad 
exerccndinn  fcnns  locet!" 
In  der  Synode  von  Bamberg  1491.  ^) 

„excommunicatos  demmcient  rectores  ecclesiarum omnes, 
Christianos,  qui  apud  Judaeos  pecuniam  suam 
locant,  ut  a  Judaeis  iisiiram  recipiant  vel  ut  Jiidaei  ean- 
dem  mutucnt  ad  iisuram."  ^) 
Fürsten  und  Privatleute,  wie  Gemeinden,  die  Jahre,  Jahr- 
zehnte lang  mit  Abzahlung  von  Kapital  und  Zinsen  rückstän- 
dig sind ,  hetzen  das  Volk  gegen  die  Judengläubiger ,  und  mit 
jedem  Tage  greifen  sie  doch  zu  den  Darlehn  der  Juden  zurück ; 
immer  neuen  Hass  säen  sie  aus.  Es  gilt,  die  Wuth  gegen  die 
Schutzlosen  zu  schüren ,  auf  ein  Mal  die  Qual  der  Schulden  zu 
löschen,  und  ein  für  alle  Male;  das  Volk  steht  auf  gegen  die  Ju- 
den. Zunächst  am  Ende  des  13.  Jahrb.,  dann  in  der  Mitte 
des  14.,  dann  in  immer  neuen  Wallungen  dieses  und  das  fol- 
gende Jahrhundert  hindurch  fällt  die  Volksniasse  rasend  über 
die  Judenviertel  der  Städte  her ,  vor  Allem  in  Süd  -  und  West-, 
dann  auch  in  Mittel  -  Deutschland ,  zuerst  die  Schaar  der 
gequälten  Schuldner,  dann  die  von  Pest  und  Glaubenshass 
zugleich  getriebene  Masse  des  ganzen  fieberhaft  gereizten  Vol- 
kes. Mit  Wollust  wüthen  sie  gegen  ihre  schirmberaubten, 
halb  schuldlosen  Opfer ;  die  Verfolger  selbst  machten  die  Gläu- 
biger sich  zur  erdrückenden  Last,  nun  sollen  diese  dafür  büssen. 
Welch  ein  Hohn  christlicher  Gerechtigkeit,  christlicher  Liebe! 
Sie  fühlen  kein  Erbarmen ,  sie  plündern ,  rauben ,  den  Wucher 
auszugleiclien ,  sie  stossen  ilire  Feinde  in  die  Verbannung  hin- 
aus ,  sie  martern ,  sie  morden  die  üebelthäter  und  ihr  ganzes 
Geschlecht.  Sie  zerreissen  ihre  Scliuldurkunden ,  sie  löschen 
die  Summen  mit  des  Gläubigers  Blute ,  mit  seinem  Leben  zah- 
len sie  die  Zinsen.  „Die  grossen,  die  grenzenlosen 
Summen,   welche  der  A  d  e  1  u  n  d  d  a  s  H  e  e  r ,    B  ü  r  g  e  r 


1)   ib.  V.  p.  623.         2)   Si)äter  die  Banibergcr  Synode  von  1506 
(ib.  Yl.  p.  65),  die  von  Trient  1593  (ib.  Vlil.  p.  439.  cp.  LXV.) 


.^30  Y.   4.  Die  Juden,   e.  Judenverfolgungen. 

und  BaiuM-n  iliiicn  schuldeten,  das  war  der  Juden 
V  ('  r  (1  erben!  "  ruft  der  Chronist.  ^) 

Die  Machthaber  gedenken  der  Hilfe ,  welche  sie  von  den 
Juden  bedürfen,  mit  liarteu  Strafen  züchtigen  sie  den  Auf- 
stand. Vergebens!  Je  mehr  die  Juden  verlieren ,  desto  mehr 
müssen  sie  durch  Zinsen  wieder  ge^vinnen.  Von  Neuem  bricht 
das  Volk  los  und  stürzt  sich  auf  die  Verhassten.  Die  Obrig- 
keiten setzen  die  Zinsen ,  die  Kapitalien ,  den  Ziusfuss  herab, 
sie  verkürzen  die  Schuldposten.  Für  alle  Zeit  wollen  wir 
der  Bedrängniss  ledig  sein ,  rufen  die  Schuldner.  Die  Gesetz- 
geber verbieten  den  Juden  jeden  Wucher,  verbieten  Eecht 
zu  sprechen  über  die  Zinsen,  untersagen,  die  gesprochenen 
Urtheile  auszuführen.  Jeder  Richter,  jeder  Bürger  hat  die 
Pflicht  und  das  Recht,  den  Wucher  der  Juden  vor  Gericht  zu 
ziehen ;  sie  verbieten  jeden  Verkehr  zwischen  Juden  und  Chri- 
sten ,  der  nicht  vor  dem  Richter  stattfand  oder  für  die  noth- 
wendigsten  Lebensbedürfnisse  oder  auf  offenen  Märkten.  Ja 
aus  üiren  Gebieten  vertreiben  sie  die  Unseligen. 

Aber  wieder  und  wieder  kehren  diese  zurück  und  wuchern 
von  Neuem.  Die  Christen,  die  Verfolger  selbst,  durch  ihre 
Lage  genöthigt,  durch  die  Gesetze  nicht  genügend  zurück- 
gehalten ,  durch  die  Bedi'ängniss ,  den  darniederliegenden  Ver- 
kehr getrieben,  beginnen  mit  ihnen  jenseits  der  Landesgrenzen 
die  alten  Geschäfte.  Wo  sollten  sie  sonst  darleihen  ?  Die  schmäh- 
lich Vertriebenen  rufen  sie  zurück,  und  —  ihre  Wucherklagen 
beginnen  noch  eiimial.  Wo  die  Partikulargerichte  den  armen 
Gläubigern  das  Urteil  verweigern,  verklagen  sie  ihre  säumigen 
Schuldner  bei  dem  nächsten  kaiserlichen  Gerichtshofe.  Die 
Schuldner  werden  verurtheilt ;  da  sie  ihr  heimisches  Gebiet 
überschritten,  straft  man  sie  mit  der  Acht.  Und  wieder  refor- 
mirt  man  die  Gesetze;   im  nächsten  Augenblicke  schon  sind 


1)  Chronicon  St.  Petri  Erfurtense.  Mencken,  III.  341  (1349).. 
„credo,  fuisse  cxordmm  Judaeorum  magnam  et  infinitam  pecunimn,  quam 
barones  cum  militibus,  cives  cum  rusticis  iis  solvere  tenebantur."  —  cf. 
auch  Würfel,  historische  Nachrichten  von  der  Judengemeinde  in  Nürn- 
berg.  S.  83.  84.   Mitth.  v.  H.  Prof.  Stobbe. 


V.   4.  Die  Juden,   e.  Jiidcnverfol^ngen.  331 

sie  den  reissend  flutenden  Ereignissen  nicht  mehr  gewachsen. 
Mit  härtesten  Strafen  bedroht  man  Juden  und  ungehorsame 
Christen.  Es  fruchtet  Nichts!  Der  Verkehr  in  semer  einzig 
möglichen  Bahn  lässt  sicli  nicht  fesseln ,  nicht  hemmen ,  nicht 
zertreten.  Die  Gesetzgeber  wissen  nicht  mehr,  wie  zu  helfen. 
Das  Mittel  freilich ,  welclies  zweifellos  und  von  Grund  aus  hel- 
fen musste  in  dem  unerträgliche!^ Zustande,  wagte  man  kaum 
anzuwenden,  weil  es  unmöglich  schien.  Die  Verträge  zwi- 
schen Christen  und  Juden  musste  man  für  ungültig  erklären, 
zimi  Ackerl)au  oder  andern  ehrenliaften  Beschäftigungen  durch 
üeberredung  und  Hilfe  die  Wucherer  gewöhnen  oder  das  Wu- 
cherverbot beseitigen ,  oder  —  man  musste  die  Folgen  ertragen 
aus  den  Missständen,  die  man  selbst  hervorgerufen  hatte,  man 
musste  also  die  Verfolger  mit  ganzem  Nachdrucke  niederwer- 
fen und  den  armen  Juden  endlich  die  Hilfe  vergelten,  welche 
man  so  oft  von  ihnen  empfangen  hatte.  Gewiss  trugen  die 
Juden  durch  ihre  Wucherei  vielfach  Schuld  an  diesen  Metze- 
leien, aber  wer  verschuldete  den  Wucher?  In  erster  Keihe 
die  Christen ,  vorn  steht  der  Beweis.  Und  die  Christen  wären 
nie  so  rettungslos  in  das  Elend  der  Verschuldung  hineingetrie- 
ben, welches  einst  bereits  den  römischen  Staat  an  den  Band 
des  Verderbens  gebracht  hatte ,  wenn  das  Wucherverbot  der 
Kirche  nicht  mit  der  eisernen  Hand  des  religiösen  Glaubens- 
satzes jede  andere  gesimde  Entwicklung  des  Kapitalnutzens 
darniederhielt.  Der  Zorn  der  Verfolger  und  das  Blut  der  Ver- 
folgten schrieen  auf  gegen  das  Gesetz  der  Kirche.  Nun  die 
Beläge. 

In  Oesterreich  blühte ,  wie  oben  berührt  ist ,  der  Wucher 
der  Juden  besonders  stark ,  dazu  drückten  sie  hier  durch  Ver- 
waltung der  ihnen  verpfändeten  Aemter  noch  ausserdem  das 
Volk.  Darum  heisst  es  schon  1296  im  Wiener  Stadtrecht  ^) 
p.  285 : 

„So  vertreiben  wir  die  Juden  von  der  pflegnusse  der  Amt 
zu  Wienne  darumbe ,  daz  si  weder  den  eren  der  herrschafte 
oder  des  offenen  amptes  die  Christen  nit  beswären." 


1)  Senckenberg,  viss.  aiip.  11.  n.  IJl.  p.  285. 


382  V.  4.  Die  Juden,   e.  Judenverfolgungen. 

Als  kurz  darauf  die  wiederaufgenommenen  Juden  vom  Volke 
bedrängt  wurden,  drolito  Alhrecht  I.  1306  den  Bürgern  der 
Stadt  Flöten  u.  A.  mit  harten  Strafen.  1338  hob  sich  trotz- 
dem die  Verfolgimg  von  Neuem.  Die  Obrigkeit  minderte  die 
geschuldeten  Zinsen  und  setzte  den  Zinsfiiss  herab.  ^) 

In  Freiburg  im  Breisgau  erklärt  1338  die  städtische 
Obrigkeit,  sie  würde  der  Juden  „schulde,  gülte,  gelübde" 
schützen.  2)  1349  —  51  erheben  sich  die  Christen  wegen  der 
hohen  Zinsforderungen  der  Juden  mehrmals  und  führen  laute 
Klagen.  Die  Obrigkeit  streicht  einen  Theil  der  Schuldsunmien. 
Nicht  genug!  Am  14.  September  1394  zieht  sie  emen  festen 
Zinsfuss  dem  Wucher  zum  Damme.  •^)  Trotzdem  wächst  der 
Wucher  der  Juden  bedeutend ,  das  lehren  die  Schuldurkunden 
der  Parteien  in  Menge,  welche  darüber  von  Klagen  erfüllt 
sind.  Daher  werden  am  22.  Februar  1424  die  Juden  aus  Stadt 
und  Gebiet  vertrieben  „wegen  bekunmiernusse ,  dadurch  die 
armen  lute  daselbst  swerliche  beswert  werden."  ^) 

Der  Erzbischof  von  Mainz  verordnet  in  gleicher  Sache 
1457  viel  milder: 

„  daz  si  (die  Frankfurter  Juden)  den  Wucher ,  den  sie  vom 
Wucher  genommen  habent,  widdergeben  und  hinfür  Wu- 
cher vom  Wucher  nit  nemeu."  ^) 

Dagegen  schreibt  Kaiser  Friedrich  III.  für  Heilbronn 
1487  vor: 

„das  kein  Jud  oder  Jüdm  kein  Gesuch  noch  Wucher  mer 
nemen  noch  dergleichen  handeln  noch  treiben  sollen  in  kei- 
nerlei Weis."  *') 
In  dem  Stuttgarter  Stadtrechte  von  1492.  p.  62  heisst  es: 
„  desgeleichen  sol  man  kainem  Juden  umb  den  gesuch  oder 


1)  Eizy,  Zinstaxen.  1.  c.  p.  74.  Hü  11  mann,  Stände  III.  p.  78  ff. 
2)  Freiburger  Urkk.  Schreiber  1.  c.  I.  p.  337.  3)  Schreiber  II.  95. 
4)  ib.  n.  p.  358—59.  5)  Gudenus,  cod.  dii)lom.  IV.  n.  152.  Das  Erzbis- 
thum  Mainz  zeichnete  sich ,  wie  schon  V.  4  b.  erwähnt  ist ,  durch  seine 
richtige  Einsicht  in  die  Zinsverhältnisse  vornehmlich  aus.  6)  Moser, 
reichsstädt.  Handb.  II.  p.  10.  cp.  23.  n.  15.  Nürnberger  Keformat.  1479. 
ti.  XXn.  5.  —   Frankfurter  Keform.  11.  ti.  12.  §.  4. 


V.   4.  Die  Juden,    e.  Judenverfolgungen.  333 

Wucher  richten  oder  reöht  ergeu  lassen  , . .  bey  Vernieydung 
Straff  an  leyb  und  gutt."  0 

Von  Amts  wegen  den  Wucher  der  Juden  vor  Gericht  zu 
ziehen,  schreiben  die  Würtemberger  L.  0.  1557.  tit.  von 
den  Juden  und  die  badische  Landesorduung  von  1622  tit.  6. 
p.  77.  vor. 

Allen  Verkehr  zwischen  Christen  und  Juden  untersagen 
Kauffbeuern  1530,2)  Ravensprung  1559, 3)  Reut- 
lingen 1561,  ^)  das  Würtemberger  L.  R.  von  1557  (I.e.), 
die  Pfälzer  L.O.  von  1581,  ■')  die  badische  L.O.  von  1622 
(1.  c.)  Diese  Bestimmung  beschränkte  man  andrerseits  in  einem 
Schreiben  Ferdmands  I.  an  Heilbronn  1543:  ^) 

„  dass  hinfüro  kain  Jud  oder  Judin  gedachte  von  Hailbrunn 
. . .  weder  auf  Pfand,  Clainoder,  Kleider  noch  auf  einig  ander 
varnde   oder  ligende   Güter  noch   sonst  in  kainer  andern 
Weiss  noch  Wege  wie  das  Namen  haben  mag ,  auf  Wucher, 
wucherliche  Handlung,  Contrakt  oder  Verschreibung,  one 
der   gedachten   von   Heilprunn  Vor  wissen,    Er- 
laubnuss,  und  Bewilligung  nicht  leyhe  noch  gefähr- 
licher Weiss  mit  inen  handle  auch  kain  Jud  oder  Judin  der 
gedachten  von  Hailprunn  Unterthanen  . . .  umb  einiche  Schul- 
den,  so   nach  Verkundung  dieser  unser  Freiheit  gemacht 
worden,  am  Kaiserlichen  Hofgericht  zu  Rothweil  . . .  fordern.'' 
Dasselbe  bestimmte  Kaiser  Ferdinand  I.  für  die  Städte  Leut- 
k  i  r  ch  1 559,  ')  L  i  n  d  a  u  1559,  **)  und  schon  Karl  V.  für  N  ö  r  d  - 
lingen  1541.  ^)  Nur  für  nothwendige  Lebensbedürfiiisse,  oder 
auf  offenen  IVIärkten  gestattete  den  Verkehr  Kaiser  Maximilian  H. 
1566  in  einem  Schreiben  an  Ueberlingen.  ^*') 

Um  Vertreibung  der  Juden  aus  den  Städten  und  deren 
Bezirken  handelt  es  sich  besonders  in  einem  Schreiben  Maximi- 


1)  Sattler,  Gesch.  d.  Ciraven.V.  p.  36  —  59.  2)  Moser,  reichsst. 
H.  B.  1.  c.  p.  34.  3)  Ein  Brief  Kaiser  Ferdinands  I.  Moser,  1.  c.  p. 494. 
4)  ib.  p.  596.  5)  tit.  XMII.  5.  p.  85  u.  6)  Mose  r.  1.  c.  U.  23.  n.  17. 
7)  M OS  e r ,  1.  c.  p.  103.  8)  ib.  p.  136.  9)  ib.  p.  263.  —  cf.  auch  b  a  d  i  - 
sehe  L.  0.  von  1622.  1.  c.  10)  Moser.  1.  c.  p.  798.  cf.  badische 
L.  0.  1622.  1.  c. 


334  V.   4.  Die  Juden,   o.  Judenverfolgungen. 

liaiis  T.  1510  an  die  Grafen  von  Oettingeu,  i)  Ferdinands  I. 
an  T^^M-nis  1558.  -) 

Das  Kadikalmittcl ,  die  Verträge  zwischen  Juden  und 
Christen  für  ungültig  und  von  vorn  herein  kraftlos  zu  erklären, 
enthält  das  Schreihen  Kaisers  Karl  V.  an  Meiinii  ingen 
1541.  ■^) 

Die  Juden  aher  von  den  Zinsgeschäften  ah  -  und  an  son- 
stigen ehrenhaften  Erwerh  zu  gewöhnen,  hatte  bereits  das 
Ofeuer  Stadtrecht(14.  Jahrh.)  ^)  im  Auge : 

„  von  der  Juden  gesüch  wil  ich  nitcz  sagen ,  wen  sye  sullen 
nachgepöt,  sam  dy  Christen  ar halten  vnd  keyn  gesüch 
neraen  von  ymand.   Wer  dar  vber  yn  verhengt  oder  andern 
czu  nemen ,  der  veranthurt  das  seihig  am  jüngsten  tage." 
Die  revid.  Pfalz  er  L.O.voul599(unt.n.  2.)  erwähnt  aus- 
drücklich ,  dass  die  Juden  trotz  Vertreibung  und  Untersagung 
dos  Verkehrs  mit  den  Christen,   dennoch  ebenso,  wie  zuvor, 
zum  Schaden  der  Einwohner  Wucher  übten. 

Ein  Bild  von  dem  ganzen  Auf-  und  Niederfluten  der  Juden- 
verfolgung giebt  deren  Verlauf  u,  A.  insbesondere  in  Nürn- 
berg, und  ällgemem  in  Schwaben. 

In  Nürnberg  begannen  die  Verfolgungen  mit  ganzer 
Stärke  1348  und  1349.  Hier  steigerte  sich  der  Hass  der  Christen 
wegen  des  Wuchers  der  Juden  noch  durch  den  schwarzen  Tod, 
welche  Pest  man  in  der  allgemein  gross  gezogenen  Wuth  den 
unchristlichen  Gläubigern  schuld  gab.  Mit  Bewilligung  Kai- 
sers Karl  IV.  verbrannte  das  Volk  die  Judenhäuser,  nachdem 
es  dieselben  gründlich  geplündert  hatte.  •^)  Gleich  darauf  1352 
befahl  Karl  rV^.  den  Nürnbergern ,  Juden  wieder  aufzunehmen 
und  zu  schützen ,  um  den  Judenzins  nicht  zu  verlieren.  Hier- 
bei versprach  der  Kaiser ,  den  Judeuzins  künftighin  nicht  mehr 
zu  veräussern,   sondern  ihn  bei  der  Reichskammer  selbst  zu 


1)  Moser,  1.  c.  p.  254  —  55.  2)  ib.  p.  1043.  cf.  Pfälzcr  L.  0.  1580. 
1.  c.  revid.  Pfälzer  L.  0.  1599.  nr.  XXIV.  p.  59.  ti.  1.  Badische  L.  0. 
1622.  1.  c.  3)  Moser,  1.  c.  p.  231.  4)  ed.  Michnay  und  Lichner, 
cf.  n.  192.  p.  114.  5)  cf.  Chronik  von  Ulman  Stromer,  cp.  1.  n.  1 

(ed.  Hegel ,  Chronik  der  deutsch.  St.  1.  c.  I.  p.  25 ff.  Würfel,  Gesch.  der 
Judengemeinde  in  Nürnberg  l.  c.  p.  133.  n.  14.   Monuui.  Zoll.  III.  n.  227. 


V.   4.  Pie  Juden,   e.  Judenverfolgungen.  335 

behalten.  ^)  Nürnberg  gewann  aus  dem  neuen  Besitze  der 
Juden  80,000  Gulden.  Uebereinstminiend  mit  dieser  Juden- 
verfolgung fanden  gleiche  Gräuelthaten  1348  und  1349  in 
Franken,  Schwaben  und  am  Rhein,  wie  bekannt,  statt.  — 
Doch  schon  zuvor  hatte  Karl  IV.  1347  den  Burggrafen  von 
Nürnberg  ihre  Judenschulden  erlassen ,  ^)  wobei  er  erklärte : 
„Wanne  ir  uns  und  dem  Reich  mit  leib  und  mit  gut  ange- 
höret und  mögen  damit  schaffen,  tun  und  handelen, 
swaz  wir  wollen  und  uns  gut  dunket." 
Ebenso  Hess  er  den  Nürnberger  Bürgern  gleich  nach  der  Ver- 
folgung 1350  ihre  Judenschuldeu  nach.  ^)  Vor  der  Verfolgung 
von  1348  hielten  in  Nürnberg  sich  220  Juden  auf,^)  nach  der- 
selben stellen  sie  nur  allmählich  und  dürftig  sich  meder  ein. 
Bei  ihrer  schon  erwähnten  Wiederaufnahme  1352  schliessen 
sie  einzebi  besondere  Verträge  mit  dem  Nürnberger  Rathe  — 
cliarakteristisch  für  die  Stellung  der  Juden  gegen  den  Kaiser 
und  die  niederen  Obrigkeiten.  •')  3  Juden  sind  von  ihren  Glau- 
bensgenossen bevollmächtigt;  sie  erlassen  selbst  den  Bürgern 
alle  Schulden  gegen  sie,  „ob  sy  iudert  selbschol  oder  bürg 
gegen  in  worden  weren,  ez  wor  verbriflft  oder  uuverbrift,  daz  sy 
dorumb  ledig  und.  los  solten  sein  vor  in  genczlichen  und  gar 
on  alles  geverde  und  suUent  auch  ledig  und  lose  sein  umb  all 
die  schuld ,  die  die  selben  zu  den  von  erbteil  an  gevallen  ward, 
wie  die  genant  ist."  Sie  verpflichten  sich ,  ihre  Häuser  in  Jah- 
resfrist wieder  an  Christen  zu  verkaufen ;  bestimmte  Wolmuu- 
gen  werden  ihnen  in  der  Stadt  angewiesen.  Trotzdem  wohnen 
nach  dem  Judenzinsbuche  1381  erst  wieder  18  Juden  in  Nürn- 
berg, 1382:  60.  Jene  18  Juden  zahlten  städtische  Judenab- 
gaben 1381:  9G1  Goldgulden!  1391  war  das  Maximum  der 
Abgabe  für  die  einzelnen  Juden  noch  26  und  32  Gulden. 

Nicht  lange  indess  liess  man  trotz  aller  dieser  von  ihnen 
bezogenen  Vortheile  den  Juden  Ruhe  und  friedliche  Ausglei- 
chung  ihrer   Verluste.     Karl  IV.   wurde   von   der   Geldnoth 


1)  Würfel,  1.  0.  p.  1:34.  n.  15.  2)  Monuni.  Zoller  lU.  n.  181.  182. 
3)  H  ege  1 ,  1.  Nürnberg.  Cliruuik  p.  2G.  n.  1.  4)  W  ü  r  f  e  1.  1.  e.  \k  4U  ff. 
5)  cf.  Hegel,  1.  c.  p.  112. 


33G  Y.  4.  Die  Jmlon.   e.  Judenverfolgungen. 

gedrängt,  er  übertrug  trotz  der  obenberührten  entgegengesetz- 
ten Versicherungen  dem  Rathe  von  Nürnberg  für  eine  jähr- 
liche Abgabe  an  die  kaiserliche  Kammer  den  Judenzins  und 
Judenschutz ,  ausserdem  waren  die  Juden  von  Nürnberg  ver- 
pflichtet, fernerhin  eine  Abgabe  an  die  kaiserliche  Kammer 
aufzubringen.  Dazu  mussten  sie  Aviederholt  ausserordentliche 
Schulden  des  Kaisers  Karl  und  seines  Nachfolgers  bezahlen, 
so  bei  Erstattung  der  Pfandsumme  für  das  Schultheissenamt 
zu  Nürnberg  1385.  Der  Burggraf  Friedrich  von  Nürnberg 
schreibt  bei  Empfang  von  5613  gülden: 

„  daz  uns  die  erbern  weisen  manne  die  burger  des  rats  der 
stat  zu  Nürnberg  bericht  und  bezalt  haben  und  gen  iren 
Juden  aufs  getzogen  haben  ...  an  den  achttausent  guidein 
die  sie  uns  schuldig  sein  von  des  gerichts  und  des  zols  wegen 
daz  wii-  in  dorumb  versetzt  haben."  ^) 
Kaiser  Wenzel  erlässt  noch  freigebiger,  als  sein  Vorgänger, 
1385  —  90  in  mehreren  Urkunden  Jedermänniglich  im  Lande 
Franken,  mid  im  Lande  Schwaben  alle  Judenschuldeu ; 
in  emem   besonderen  Erlasse  werden   dann  speziell  noch  die 
Städte  Rotenburg,  Windsheim,  Schweinfurt,  Weis- 
sen bürg  natürlich  gegen  erkleckliche  Zahlungen  hi  die  kai- 
serliche Kasse   ihrer  Judenschulden   ledig   gesprochen.    Von 
den  schwäbischen  Städten   allein   empfing  der  Kaiser   dafür 
40,000  Gulden  (d.  h.  ca.  230,000  heutige  Gulden  ä  ITVa  Sgr.) 
1385  —  90.2) 

Die  schwäbischen  Städte  erlangten  durch  diese  theuer 
erkaufte  kaiserliche  Hinopferung  „  seiner  Juden  "  viel  grösseren 
Gewüiu,  als  der  Kaufpreis  betrug.  1385  vereinbarten  sie 
untereinander ,  ^)  kerne  von  ihnen  sollte  binnen  Jahresfrist 
Juden  zu  Bürgern  aufnehmen.  Thut  sie  es  doch,  so  soll  sie 
die  Juden  und  deren  Besitzthum  ergreifen  und  derjenigen  Stadt 
wiedererstatten ,  in  welcher  die  Juden  früher  gesessen  hatten. 
An  den  Judenschulden  kürzen  sie  die  Zinsen  und  das  Schadens- 


1)  Hegel,  1.  c.  p.  28.  n.  2.  2)  Spiess,  archival.  Nebenarbeiten 
p.  121.  n.  3.  Sattler,  Grafen  von  Würtenib.  lU.  Urk.  n.  2.  Chmel. 
Kegesten  Kaiser  Kuprechts  n.  65  (6.  Januar  1401.)      3)  Hegel.  1.  c.  p.  114. 


V.  4.  Die  Juden,   o.  Judenverfolgungen.  337 

geld ,  dann  sclilagen  sie  V4  vom  Kapitale  nieder.  In  der  Ver- 
tragsurkunde aber  zwischen  den  Städten  und  den  Beauftragten 
des  Kaisers  Wenzel  1385  ^)  begegnen  als  Judensclmldiier  geist- 
liche und  weltliche  Fürsten,  Grafen,  Herren,  Ritter,  Knechte, 
Stadtgemeinden,  Bürger,  Bauern,  Edle,  Unedle,  Männer, 
Frauen  u.  s.  w.  Von  den  alten  Schulden  nebst  Zinsen  sollen 
sie  gemäss  diesem  Vertrage  nur  ^/^ ,  von  den  neuen  Schulden 
nur  das  Kapital  zurückzahlen.  Den  hiernach  bleibenden  Rest 
der  alten  Schulden  sollen  die  Schuldner  bei  der  Stadt,  worin 
die  jüdischen  Gläubiger  wohnen,  mit  Pfändern  versichern. 
Zur  Zahlung  des  letzteren  wird  eine  neue  Frist  von  2  Jahren 
gesetzt,  innerhalb  derselben  das  Gesuch  auf  10%  normirt. 
Den  Städten  aber  bleibt  überlassen,  ihren  eigenen  Bürgern 
eme  kürzere  Frist  anzuberaumen.  So  maassvoll  letztere 
Bestimmungen  sich  zeigen,  so  wenig  kamen  sie  den  Juden 
zu  Nutze. 

Gemäss  der  erwähnten  Vereinbarung  in  den  schwäbischen 
Städten  nahm  man  die  Juden  in  den  Reichsstädten  fest  und 
erpresste  von  ihnen  in  Nürnberg  allein  80,000  gülden  (450,000 
Gulden  heute).  So  tilgten  die  Städte  durch  das  kaiserliche 
Privileg  nicht  bloss  ihre  eigenen  Judenschulden,  sondern  sie 
bemächtigten  sich  auch  aller  übrigen  Schuldforderungen  ihrer 
Judenbürger  und  zogen  die  Zahlungen  zu  dem  ermässigten 
Betrage  von  den  auswärtigen  und  einheimischen  Schuldnern 
für  ilire  Rechnung  und  ihren  Säckel  ein.  ^)  Ja,  schon  sechs 
Tage  nach  dem  letzten  üebereinkommen  mit  den  kaiserlichen 
Beauftragten  beginnt  der  Angriff  gegen  die  Juden  in  allen 
schwäbischen  Städten.  Der  Bevollmächtigte  des  Nürnberger 
Rathes  lässt  sich  von  ihnen  80,986  Gulden  zahlen  in  Schuld- 
forderungen ,  welche  die  Stadt  erst  realisiren  musste.  Darun- 
ter befinden  sich  7000  Gulden  Stadtschulden,  deren  Schuld- 
briefe man  vernichtete ,  8000  Gulden  Schulden  des  Burggrafen, 
der  dafür  an  die  Stadt  Gerichts  -  und  Zolleinkünfte  versetzte. 
Die  Forderungen  oriuuen  sämmtlich  ein.  Die  Stadt  behielt 
dadurch  nach  Abzug  der  Kosten  imd  Geschenke  (etwa  25  %), 

1)  Hegel,  1.  c.  p.  115  —  20.        2)  Hegel.  I.  c.  \k  121.  122. 


Neuraann,  Gesch.  d.  Wuchers. 


0-) 


S3S  V.  4.  Die  Juden,   e."  Judenverfolgungen. 

noch  60,000  Guldeu  Reinertrag  (lieut  ;340,000  Gulden)  d.  h. 
viel  mehr,  als  eine  sonstige  ganze  Jahreseinnahme  ihrer  Kasse. 
Dadurch  erhielten  die  Städte  die  Mittel  zur  KriegfiUirung. 
Das  entsetzliche  Experiment  war  zu  verlockend;  1384  brachen 
in  vielen  Städten  neue  Verfolgungen  aus.  In  Nördlingen 
ersticlit  man  alle  Juden ,  in  Augsburg  nehmen  sie  200  gefan- 
gen, welche  sich  durch  22,000  gülden  ihre  kümmerliche  Frei- 
heit erkaufen.  ^)  In  Nürnberg  zahlen  1384  und  1385  die 
Juden,  um  die  Gewalttliat  abzuwehren,  ausser  ihrer  regel- 
mässigen Abgabe  noch  freiwillig  4000  Gulden,  davon  eme 
Familie  allein  1000  Gulden.  Umsonst!  „Die  Plündermig  und 
Verfolgung  der  schutzlos  preisgegebenen  Juden  Avar  Bundes- 
sache der  Städte." 

1390  hob  Wenzel  von  Neuem,  wie  schon  bemerkt,  die 
Judenschulden  in  Nürnberg  vmd  allgemein  in  Franken  und 
Schwaben  auf.  Der  Vortheil  hiervon  kam  wesentlich  den  Für- 
sten zu  Gute ,  da  die  Städte  von  Bundeswegen  kaum  erst  ihre 
Zahlungsposten  in  gleich  pünktlicher  Weise  getilgt  hatten. 
Und  docli  hatten  sich  die  Juden  bereits  wieder  Kapital  genug 
zum  Darleihen  verschafft  und ,  trotz  aller  bodenlosen  Gewalt- 
streiche gegen  sie,  eme  Menge  von  Geldgeschäften  mit  den 
auf  Recht  und  Macht  trotzenden  Verfolgern  abgeschlossen. 
So  fest  haftete  in  ilmen  der  Naturtrieb ,  den  Umlauf  des  Kapi- 
tales zu  erhalten ,  den  persönlichen  Credit  zu  fördern !  ^)  In 
dem  Schreiben  Wenzels  von  1390  heisst  es,  „durch  das 
unmessige  gesuch  (!)  der  Juden  „unserer  camerknechte "  ist 
der  allgemeine  Schaden  entstanden  für  Ritter "  u.  s.  w.  Des- 
halb wird  alle  Schuld  an  Juden  erlassen  in  Kapital ,  Prozent 
und  Schaden.  Die  Schuldscheine  sollen  ohne  Kraft  sein, 
die  Pfänder  wiedergegeben  werden.  Stromer,  der  Chronist, 
bemerkt :  ^) 

„Anno  domini  1390  jar  do  musten  di  Juden  ir  schulden  las- 
sen.  Do  wacz  si  herzog  fridreich  von  Payrn,  di  pischoft'  vom 


1)  Mone,  Anzeiger  f.  K.  d.  d.  Vorzeit.  1837.  p.  124.  Hegel ,  1.  c. 
p.  124.  2)  Ulman  Stromer,  Chronik  p.  2G.  Hegel,  1.  c.  p.  125. 
Monum.  Zoller.  V.  n.  357.  bei  Hegel,  1.  c.        3)  1.  c.  cp.  I.  n.  1. 


V.   4.  Die  Jiulon.   o.  .liuleii Verfolgungen.  339 

Babenbero-  und  von  Wirczburk  und  von  Augspurk,   inuk- 
graf  von  Nurenperg,  grafen  von  Otting,  grafen  von  Wert- 
hayni ,  unsers  liervn  des  romysen  kungs  rett  von  Peheym 
u.  s.  w.  vil   herren   und   kamen  dez   alle  ubereüi  von  dem 
gewalt,  den  si  betten  von  dem  romiscben  kunig  daz  unter 
den  lierren  und  steten  nymandt  kaym  Juden  weder  liawbt- 
gut  noch  gesuch  geben  solt  und  musten  alle  pfant  und  briff 
wider  geben  und  darumb  gab  herzog  Fritreich  von  Payru 
von  seym  land  15(H)0  guld.  und  der  pischoff  von  Wirczburg 
15000  g.  und  der  von  Ottiftg  von  seym  land  15000  g.  und 
di  von  Kotenburg  1000  g.  und  di  von  Sweinfurt  200  g.  di 
von  Weinshaym  100  g.  di  von  Nurenberg  4000  g.  und  wer 
den  Juden  si  schuldig  was  der  must  den  purgern  si  geben  von 
idern  100  g.  30  g.  daz  di  schult  also  bezalt  ward." 
Die  Commune  übernahm   die  Ausführung  dieses  kaiserlichen 
Privilegs  für  die  einzelnen  Schuldner  und  liess  sich  dafür  .30  7o 
von  letzteren  zahlen.     So  entwand  man  den  Juden  wieder  in 
Nürnberg  22,533  Gulden  und  2700  Pfund  Heller,  und  trotz- 
dem behielten  Dieselben   Kapitalien   in   Händen  und   waren 
wieder  und  wieder  zum  Darleilien  bereit.   Dass  die  Schuldner 
miter  solchen  Umständen  nicht  zu  geringem  Zinsfusse  Gelder 
geliehen  erhielten,  liegt  auf  der  Hand.    1391  gestattete  Nürn- 
berg den  Juden  10  —  22  %  zu  bedingen,  während  sonst  5  % 
der  allgemein  gebräuchliche  Zinsfuss  war. 

„Anno  91  sein  die  Burger  mit  den  Juden  über  ayn  worden 
zu  den  ersten,  daz  alle  di  Juden  und  jüdinne,  die  yetzunt 
bürger  hie  sein  oder  noch   in  künftigen  Zeiten  burger  hie 
werden,  all  leihen  sullen  umb  den  hernachgeschrieben 
gesuche." 
Beim  Darlehn  bis  zu  loo  gülden,- nicht  höher,  soll  1  Heller 
pro  Woche  gefordert  werden ;  wenn  das  Darlehn  über  K  i( »  gül- 
den  ist,    so  werden    10  gülden  pro  Jahr  von  je  li)u  gülden 
gestattet.   Bei  Darlehen  in  Pfennigen  soll  das  Pfund  Pfennige 
pro  Woche  um  1  Pfenning  und  Va  Pfund  dersell)en  Pfenninge 
umb  1  weissen  pfenning  geliehen  werden.     Beträgt  das  Kapi- 
tal weniger,  als   ^j.j  Pfund  Pfennige,  so  ist  der  Zinsfuss  wie 
oben.    Die  Ueberschreitung  dieser  Maximalsätze  soll  mit  Ver- 

22* 


340  V.   4.  Pie  Juden,    e.  Judenverfolgungen. 

lust  aller  Zinsen  und  sonstiger  Strafe  geahndet  werden.  Man 
mästete  die  Armen,  wie  Thiere,  um  ihr  Fett  naohlier  zu 
verspeisen. 

Breslau  gewährt  ebenfalls  eine  Keihe  von  Episoden  der 
Verfolgung.  Von  hier  werden  die  Juden ,  die  vielfach  der  Stadt 
und  den  emzelnen  Bürgern  zu  nicht  kleinen  Zinssätzen  darge- 
liehen hatten,  ^)  1319  vertrieben. —  Bald  danach  brannte  mehr, 
als  die  halbe  Stadt  ab ;  man  schob  die  Schuld  auf  die  Juden  ^) 
und  hasste  sie  um  so  mehr,  da  nun  die  Bürger  zur  Besserung 
des  Brandschadens  besonders  steuern  mussten.  ^)  Schon  im 
folgenden  Jahre  indess  werden  in  den  Stadtrechnungen  Avieder 
die  Beträge  ihrer  Abgaben,  doch  in  kleinerer  Höhe  (7  m.),  als 
bisher  aufgeführt,  *)  1323  sinkt  die  Abgabe  auf  6  m.^)  Das  lag 
nicht  an  der  Armuth  der  einzelnen  Juden ;  denn  gleich  in  der 
nächsten  Zeile  des  Kechnungsbuches  ist  verzeichnet:  „item 
2:)erceperunt  de  Jiideo ,  qui  mutuavit  civitati ,  150  m."  Das 
Nämliche  wiederholt  sich  in  den  folgenden  Jahren.  ^)  Im  Jahre 
1348  stand  Breslau  den  andern  deutschen  Städten  m  der  Juden- 
verfolgung nicht  nach,  die  grosse  Pest  erregte  auch  hier  ausser 
dem  Gelddrucke  den  Christenhass.  Daraus  erklärt  sichs,  dass 
in  den  Stadteinnahmen  von  1348,  nachdem  die  Abgaben  der 
Juden  in  den  Vorjahren  sich  wesentlich  gesteigert  hatten ,  von 
den  Juden  allein  ca.  315  mrk.  eingenommen  wurden,  wenn 
nicht  einzelne  andere  Einnahmeposten  mit  hinein  gezählt  sind.^) 
Schon  im  folgenden  Jahre  sind  sie ,  und ,  wie  es  scheint ,  nicht 
in  viel  kleinerer  Zahl  als  früher ,  Avieder  zurückgekehrt.  ^) 
Immer  wieder  erpresste  man  von  ihnen  Geld;  1350  schenkte 
Kaiser  Karl  IV.  der  Stadt  wegen  ihrer  erwähnten  Feuersbrunst 
die  Häuser  und  liegenden  Gründe  der  Juden  nebst  zwei  Syna- 
gogen, zusammen  400  mrk.  werth.  Würden  die  Häuser  mehr 
beim  Verkaufe  ergeben ,  so  sollte  der  Ueberschuss  der  könig- 
lichen Kammer  zufliessen,  ebenso,  wie  alles  verborgene  und 


1)  cf.  V.  4.  c.  u.  YUI.  3. f.  2)  Pol,  Jalu-bb.  z.  J.  1319.  bei  Grün- 
hagen (N.  3.)  3)  cod.  dipl.  Sil.  III.  Grünhagen,  Henr.  paup.  p.  45 
(1320).  4)  ib.  m.  p.  46.  5)  ib.  p.  48.  6)  ib.  p.  48  —  50  ff.  (1323  —  25  ff.) 
7)  ib.  p.  75.  u.  n.  13.        8)  ib.  p.  77  (1349.) 


V.  4.  Die  Juden,  e.  Judenverfolgungen.  341 

vergrabene  Geld ,  Kleinode  und  Pfänder  derselben.  ^)  Gleich 
danach  entrichten  sie  bereits  wieder  hohe  Beträge  von  500 
bis  600  ra.  „  sub  danipnis  "  an  die  Stadtkasse  '^)  und  geben  der 
Stadt  Anleilien,  wovon  sie  u.  A.  1353  allein  381  m.  Zinsen 
ziehen.  ^)  Die  regelmässigen  Abgaben  natürlich ,  ihren  Juden- 
zins u.  s.  f.  zahlen  sie  ausserdem.  ^)  Die  an  sie  entrichteten 
Zinsen  betragen  1356  wieder  25  7o-  ^) 

In  Würtemberg  gaben  1434  die  Grafen  den  Juden  das 
Bürgerrecht,  nachdem  sie  zuvor  sie  bereits  wiederholt  aus  den 
Nachbargebieten  zur  üebersiedlung  nach  TVürtemberg  aufge- 
fordert hatten.  Dadurch  konnten  die  gräflichen  Kassen  auf 
eine  ergiebige  Finanzquelle  hoffen.  Den  neuen  Unterthanen 
gestattete  man,  unbegrenzte  Zinsgeschäfte  zu  machen,  und 
ausser  den  Immobilien  alle  Güter  der  Christen  mit  Schulden 
zu  belasten.  ^)  Bald  danach  aber  verordnete  Graf  Eberhar  dl. 
1485  bei  Geld-  und  andern  Strafen,  kein  Richter  sollte  auf 
die  Zinsen  der  Juden  erkennen,  kein  Bürger  ihnen  Grund- 
stücke verpfänden.  ^)  Dass  hierdurch  die  gährenden  Missstände 
nicht  gebessert  wurden,  scheint  Eberhard  eingesehen  zuhaben; 
denn  in  seinem  Testamente  1492  verbot  er,  Juden  in  Wür- 
temberg  zu  halten.  Ausserdem  wurden  1498  in  der  2.  Regi- 
ments-Ord.  alle  Verpfändungen  an  Juden  aufgehoben ,  aller 
Wucher  derselben  untersagt. 

Allein  schon  1521  erwähnt  Karl  V.,  der  Kaiser,  in  einem 
Mandate,  dass  sich  Juden  wieder  in  Würtemberg  befinden. 
Weishaar  (Handb.  I.  105)  behauptet,  sie  seien  mit  dem 
Bundesheere,  das  gegen  Ulrich  von  Würtemberg  dorthin 
rückte,  in  das  Land  zurückgekehrt.  Daher  wurde  1521  noch 
bei  Strafe  der  Nichtigkeit  untersägt,  den  Juden  Grundstücke 
für  Darlehn ,  mochten  sie  verzinslich  oder  unverzinslich  sein, 
zu  verpfänden.   In  der  3.  L  a  n  d  e  s  o  r  d  n  u  n  g  vom  20.  August 


1)  Urk.  V.  7.  October  1349.  Klose,  H.  184.  bei  Grünhagen,  1.  c. 
p.  78.  u.  n.  2.  p.  100.  u.  n.  2.  2)  ib.  p.  79.  81  ff.  3)  ib.  p.  82. 84.  4)  ib. 
p.  83.  1354 flF.  .5)  ib.  p.  88.  „Judeis  ...16  mnrc.  nsure  de  60  >h.  capi- 
talis  pecunie  predicte."  6)  Sattler,  Graven  III.  Beil.  53  (1471)  Bei- 
lage 19  (1462.)  7)  cf.  Stuttgarter  Stadtr.  v.  1492  p.62.  I.e.  Satt  - 
1er,  1.  e.V.  p.  36  — 59. 


342  V.   4.  l>Le  Jiulen.  c.  Judenverfolgungen. 

i:>2l  wonltMi  (laiui  wiederum  alle  llechtsgeschäfte  mit  den 
Juden  (liMi  Chviston  verboten  bei  Geld  -  und  Gefängnissstrafe. 
Vergebens !  Wieder  und  wieder  klagen  die  Behörden  über  den 
grossen  Wucher  der  Juden.  Die  Verbote  erneut  man  1529; 
doch  bei  Strafe  der  Verbannung  wird  den  Christen  befohlen, 
die  gerechten  Schuldverbindlichkeiten  gegen  die  Juden  zu 
erfüllen.  -iöO  Bürger ,  Avelche  wol  den  früheren  Maassregelun- 
gen der  Juden  vertrauten  und  ihre  vollgültigen  Schulden  nicht 
abzahlten,  jagte  man  wirklich  über  die  Grenze,  ^)  1530  jedoch 
rief  man  sie  mit  Uebergehung  der  Strafe  zurück.  Die  Juden 
aber  klagten  gegen  ihre  Würtembergischen  Schuldner  in  dem 
benachbarten  kaiserlichen  Gerichte  Roth  weil,  wo  die  Be- 
klagten verurtheilt,  und  sobald  sie  über  die  Würtembergische 
Grenze  hinaus  gingen ,  mit  der  Acht  gestraft  wurden.  Dies  zu 
vermeiden ,  erwirkte  der  Herrscher  Würtembergs  vom  Kaiser 
ein  Privilegium  de  nou  evocando  an  ein  kaiserliches  Gericht 
für  seine  ünterthanen ;  ^)  man  erneute  das  Verbot ,  Grund- 
stücke au  die  Juden  zu  verpfänden,  ja  man  trieb  sie  von  Neuem 
über  die  Grenze.  Wovon  indess  die  Juden  bewiesen,  dass  sie 
es  den  Christen  dargeliehen  hatten ,  das  mussten  diese  ihnen, 
abgesehen  von  den  Zinsen,  erstatten. 

Trotz  alledem  blühten  die  Geldgeschäfte  der  Juden  mit 
den  gehorsamen  W^ürtembergern.  Von  Jenseits  der  Grenze 
liehen  sie  ins  Land  hinein,  oder  sie  durchzogen  wandernd  das 
Gebiet.  Die  alten  Klagen ,  neue  Verbote.  U 1  r  i  c  h  untersagte, 
nachdem  er  sein  Land  wieder  erhalten  hatte,  1536  in  der 
Landesordnung  alle  Darlehen,  allen  Verkehr  mit  den 
Juden,  nicht  einmal  verbürgen  sollte  man  sich  für  die  Schuld 
eines  Andern  an  einen  Juden ,  jede  Verpfändung  von  Mobilien 
oder  Immobilien  an  einen  Juden  v\iirde  mit  körperlicher  Züch- 
tigung, Freiheits-,  Geldstrafe,  ja  mit  der  Verbannung  bestraft. 
Die  Grundstücke ,  welche  man  .Juden  zum  Pfand  gesetzt  hatte, 
sollten  öffentlich  versteigert  werden.  Das  Darlehnskapital 
also  emzuklagen ,  stand  den  Juden  noch  immer   frei.   Da  das 


1)  Sattler,  Herzöge  11.  p.  191.        2)  cf.  u.  a.  ob.  den  Brief  Ferdi- 
nands I.  an  Heilbronn  1543  (Moser,  reichsst.  Handb.  U.  23.  n.  17.) 


V.  4.  Die  Juden,  e.  Judenverfolgungen.  343 

üebel  unvertilgbar  emporwucherte ,  suchte  Ulrichs  Nachfolger, 
Herzog  Christoph,  bei  den  lieichsstilii(lon  durclizusctzeu, 
dass  man  die  Juden  aus  dem  ganzen  lieiligen  römisch -deut- 
schen Kaiserreiche  vertrieb.  ^)  Allein  des  Herzogs  Einfluss  im 
Reiche  war  viel  geringer,  als  die  Geldmacht  des  jüdisclien 
Kapitales.  Er  setzte  sein  Vorhaben  nicht  durch,  ihn  selbst 
reizte  der  erfreuliche  Judenschoss.  Zornig  verbot  er  den  Juden, 
in  seinem  „Staate"  zu  wohnen  oder  ihn  zu  durchwandern, 
wenn  sie  nicht  je  einen  von  ihnen  unterhaltenen  Würtember- 
ger  Bürger  als  Begleiter  hatten.  Ein  seltsames  Mittel ,  seine 
Unterthanen  vor  dem  heillosen  Einflüsse  des  Wuchergeistes 
zu  behüten.  Gescliäfte  imd  irgend  welcher  Handel  beim  Durch- 
wandern des  Landes  waren  nur  auf  öffentlichen  Märkten  und 
Zug  um  Zug  erlaubt.  In  der  5.  mid  6.  Land  es  Ordnung 
stellte  man  Ulrichs  Bestimmungen  wieder  her  (1537.  1567). 
Es  heisst  darin,  zu  grosser  Beschwerniss  der  Bürger  treiben 
die  Juden  Wucher ,  sie  umgehen  das  Zinsgesetz ,  indem  sie  die 
Zinsen  sogleich  zum  Kapitale  zählen  und  so  scheinbar  nur  die 
Schuldsumme  in  den  Schuldschein  schreiben,  danach  fordern 
sie  Zinsen  wol  gar  von  dieser  selben  Summe,  also  auch  von 
den  Zinsen.  Deshalb  sei  man  mit  Kaiser  und  Eeichsständen 
zu  Stuttgart  1551  übereingekommen,  dass  die  beim  Reichs- 
kammergeriehte  schwebenden  Prozesse  der  Juden  gegen  Wür- 
tembergische  Bürger  hier  nicht  abgeurteilt,  sondern  von  Wür- 
temberger  Behörden  die  Sachen  entschieden  werden  sollten. 
Alle  Rechtsverbindungen  aber  zwischen  Juden  mid  Würtem- 
bergern ,  welche  zum  Rechtsstreite  noch  nicht  reif,  sollten  in 
4  Monaten  zu  Stuttgart  abgeurteilt  sein ,  bei  Strafe  der  Lösung 
dieser  Rechtsverhältnisse.  Schliesslich  verbot  man  von  Neuem 
allen  Wucher,  jeden  Verkehr  zwischen  Juden  und  Christen 
bei  Strafe  der  öffentlichen  Versteigerung  der  Pfänder  oder 
Waaren.  Allgemein  ward  das  hier  vorgeschrieben,  was  in 
dem  Reichsabschiede  von  1551  über  die  Juden  festgesetzt  war. 
Hätten  die  Herzöge  und  Behörden  vor  Allem  diese  Vorschriften 
genau  befolgt,  so  konnte  das  Uebel  gehoben  werden. 


1)  Sattler,  Herzöge  IV.  p.  132. 


344     V.   4.  Die  JiuiiMi.   f.  Reichsgesetze  über  den  Wucher  der  Juden. 

f.   Die  Reichsgesotze  über  den  Wucher  der  Juden. 

Gerade  im  Gegensätze  7X\  der  liellauflodernden  Wutli  des 
verblendeten  Volkes  und  —  bezeichnend  genug  —  mehr  in 
Uebereinstinmiung  mit  den  Gesetzen  der  deutschen  Einzellän- 
der treten  die  K ei chsge setze  in  der  Judenfrage  besonders 
milde  auf.  Die  Keichsabschiede  von  1500,  1530,  1532  erklär- 
ten die  Zinskontrakte  der  Juden  für  nichtig,  kein  Rich- 
ter sollte  über  sie  erkennen,  noch  das  Erkenntniss  vollstrecken, 
die  deutschen  Einzelfftrsten  aber ,  welche  Juden  in  ihren  Ge- 
bieten hielten,  wurden  veranlasst,  dieselben  zum  ehrenhaf- 
ten Erwerbe  überzuleiten. 

Karl  V.  bestimmte  1544  in  einem  Privileg  den  Juden: 
„  dass  sie  ihre  Baarschaften  und  Zinnss  sonst  zu  ihrem  Nuz- 
zen  und   Nothdurft  um  so  viel,    desto    höher    und 
etwas  weiter  und  mehreres,   dann  den  Christen 
zugelassen  ist,  anlegen  und  verwenden."^) 
Dasselbe  Privileg  erneuten  Ferdinand  I.  1562,  Matthias 
1612,   Leopold  I.    1663.     Merkwürdig,    dass   gerade  diese 
Kaiser  durch  eine  Reihe  von  Briefen  und  Mandaten  an  einzelne 
Städte,  wie  gezeigt,  den  Wucher  der  Juden  zu  beschränken, 
ja  ganz  zu  unterdrücken  trachteten. 

In  den  Reichsabschieden  von  1548  und  1577  ward  jenes 
Privileg  dahin  geändert,  dass  man  den  seit  1530  für  den  Renten- 
kauf festgesetzten  Zinsfuss  der  5  %  auch  auf  die  Juden  und 
ihre  Zinsen  ausdehnte.  Man  griff  daher  auch  hier  nicht  rück- 
sichtslos polizeilich  in  den  Verkehr,  sondern  richtete  das  gesetz- 
liche Zinsmaximum  gerade  danach ,  wie  hoch  allgemein  bei  der 
Nutzung  fremden  Kapitales  sich  die  Vergütung  (Rente)  heraus- 
gestellt hatte. .  So  begrenzte  man  die  Zinsen  der  Juden ,  wel- 
che man  an  sich  anerkannte,  wie  später  alle  Conventionalzin- 
sen ,  nur  das  Ueberschreiten  der  gesetzlichen  Zinsgrenze  war 
jetzt  Wucher.    Ausserdem  wurde   in  den  Reichsgesetzen  nur 


1)  Emminghaus,  corp.  jur.  Germ.  p.  217.  Kraut,  (irundriss 
§.  72.  n.  15.  Stryck,  U.  M.  P.  XII.  1.  §.14  (1544.)  —  Rizy,  Zinstaxen 
p.  77  (1544.  3.  April.)  A.  Hering,  tract.  d.  tidejussorib.  Francof.  1614- 
c]..  30.  n.  33.  (1544.) 


V.  4.  Die  Juden,   f.  Reichsgesetze  über  den  Wucher  der  Juden.     345 

denen,  welche  das  Regal  des  Judenschosses  sich  erworben  (cf. 
S. 294:flF.),  oder  neuerdings  ein  Privileg,  Juden  zu  halten,  vom 
Kaiser  empfangen  hatten,  gestattet,  den  Juden  in  ihren  Landen 
Wohnsitze  anzuweisen.  Da  aber  in  Folge  der  eben  erwähnten 
gesetzlichen  Zinsschranke  die  Juden,  wozu  sie  durch  die  Normen 
der  deutschen  Partikulargesetze  genöthigt  wurden,  heimlich 
Zinsen  bezogen  und  das  Reichsgesetz  und  seinen  Zinsfuss  zu 
umgehen  trachteten,  da  sie  insbesondere  über  das  Darlehns- 
kapital  und  die  Zinsen  davon  gesonderte  Schuldscheine  aus- 
stellen Hessen,  oder  Schuldscheine  mit  sehr  hohen  Zinsen  zimi 
schweren  Nachtheile  der  Schuldner  an  Christen  verkauften, 
die  Schuldscheine  aber  sogleich  von  vorn  herein  auf  den  Namen 
des  Käufers  ausschrieben,  verbot  der  Reichsabschied  von  1551, 
kein  Christ  darf  sich  Sclmldforderungen  von  Juden  gegen 
Christen,  mochten  sie  schon  eingeklagt  sein  oder  nicht, 
durch  Kauf  oder  sonst  cedireu  lassen;  dann  heisst  es  ib.  i. 
§.78.79: 

„dass  die  Juden  hinfüro  kein  Verschreibung  oder  Obliga- 
tion vor  Jemand  anders,  dann  der  ordentlichen  Obrigkeit, 
darunter  der  contrahirende  Christ  gesessen ,  aufrichten :  doch 
sollen  den  Juden  die  aufrichtige  Handthierungen  und  Com- 
merzien  in  den  offenen  freien  Messen  und  Jahrmärkten  hier- 
mit unbenommen  sein." 
Und  damit  durch  den  Reichsabschied  nicht  etwa  der  gesetz- 
liche Zinsfuss   der  Judenzinsen  von  5  %    verworfen   schiene, 
erneute  man  die  Bestimmung  dieses  Zinsfusses  im  Reichsab- 
schiede von  1577.    Allein    den  Reichsständen  sollte  daneben 
freistehen ,  in  ihren  Einzelländern  diese  Grundsätze  beliebig  zu 
ändern.  Wie  vielfach  und  mit  Strenge  gegen  den  Judenwucher 
sie  dies  thaten,  ist  oben  des  Weiteren  dargelegt  (cf.IX.  l.b.) 

Die  bisherige  Entwicklung  des  Judenwuchers  in  Deutsch- 
land innerhalb  der  Grenzen  dieser  Schrift  zeigt,  dass  die  an 
den  Anfang  dieses  Abschnittes  gestellten  Behauptungen  auf 
Thatsachen  fussen. 

Während  in  den  zuvor  behandelten  Abschnitten  der  deut- 
schen Wuchergeschichte  das  Volk  stets  Partei  nahm  für  die 


34G    V.  4.  Die  Jiulon.   f.  Keichsgesetze  über  den  Wudier  der  Juden, 

Zinsen  und  Zinsforderer ,  stellt  sich  hier  die  Sache  umgekehrt, 
die  Judenvovtolgungen  seheinen  für  das  Wucherverbot  der 
Kirche  zu  wirken.  Im  Grunde  aber  ottenbart  sich  hier,  wie 
in  jenen  Abschnitten,  dasselbe  Prinzip,  dass  das  deutsche 
liecht  von  vornlierein  für  die  Vergütung  der  Nutzung  fremden 
Kapitales  eintritt. 

Die  Juden  ^stellen  dem  kanonistischen  Wucherverbote 
direkt  gegenüber,  ohne  jede  Verheimlichung,  ohne  den  Schirm 
eines  andern  Rechtsgeschäftes  fordern  sie  gesetzmässig  Zmsen. 
An  sich  sind  die  Gesetzgeber  wie  das  Volk  in  Deutscliland  von 
vornherein  damit  emverstanden.  Aber  eben  wegen  dieser  Ein- 
zelstellung im  ganzen  Verkehrsleben,  also  recht  eigentlich 
durch  die  natürlichen  Folgen  des  Wucherverbotes  getrieben 
steigern  sich  die  Kapitalschätze ,  die  Geldgeschäfte  der  Juden, 
mit  dieser  ihre  Gefahr ,  ihr  Risiko ,  durch  letzteres  ihre  Zinsen. 
Wechselseitig  schraubt  eines  dieser  Kettenglieder  das  andere 
in  die  Höhe.  Eine  Aenderung  war  hier  durchaus  nicht  mög- 
lich, so  lange  man  nicht  das  Wucherverbot  allgemein  aufliob. 
Mit  dieser  Aufliebung  erst  wären  die  Juden  nicht  das  einzige, 
durch  die  Zinsen  natürlich  gestaltete  Durchgangsventil  der 
zusammengedrängten  Kapitalverwerthung  imd  des  Kapitalbe- 
darfes geblieben ;  andere  Wege  hiefür,  gleich  natürliche,  offene, 
schnellfördernde  hätten  sich  geboten.  Zu  spät  trat  aber  die 
Aufhebmig  des  Zinsverbotes  ein,  die  zusammengepressten 
Dämpfe  explodh-ten ;  und  Blut  und  Wunden ,  Raub  und  Mord 
kennzeichneten  üire  Gewalt.  Die  Schrecknisse  der  Ju- 
denverfolgungen sind  eines  der  lautesten  Zeug- 
nisse für  die  Unnatur  des  Wucher  Verbotes  im 
Kapitalver  kehre. 

In  den  Judenverfolgungen  indess  sprach  sich  das  Volk 
durchaus  nicht  für  das  kanonistische  Zmsverbot  aus ,  sondern 
nur  gegen  die  übermässigen  Zinsen  der  Juden.  Die 
Zinsen  zu  fordern  erschien  ihm  so  naturgemäss, 
dass  sie  —  wenn  man  absieht  von  dem  Aussaugen  der  Juden, 
für  den  Säckel  der  Kaiser ,  Fürsten ,  Städte  —  immer  Avieder 
gleich  nach  der  heftigsten  Verfolgung  Zinsdarlehne  von  den 
Juden  aufaahmen.     Ja  eben  als  ein  Zeichen  der  Billigung  von 


V.  4.  Die  Jiiilcii.   f.  Kcichsgesctze  über  den  Wik-Ikt  der  Juden.    347 

ZiiisforderunjifC'n  au  sicli  sdiouen  sich  die  Gesetzgeber  geradezu, 
dergleielicii  Uescliüfte  zwischen  Juden  und  Christen  für  kraftlos 
in  alle  Zukunft  zu  erklären.  Noch  mehr,  die  Reichsgesetze 
halten  an  der  gesetzmässigen  Zinserlaubniss  der  Juden  fest 
und  behandeln  ihre  Zinsen  ganz ,  wie  den  durchaus  gebilligten 
Rentenkauf;  wie  diesem,  legen  sie  jenem  nur  das  Durch schnitts- 
maass  des  Kapitalverkehres  an,  das  Uebermaass  allein  ver- 
werfen sie  als  Wucher. 

Wie  sehr  aber  die  Juden  zinsen  dazu  beitrugen, 
das  kanonische  Wucherverbot  zu  beseitigen,  liegt 
auf  der  Hand  (cf.  noch  V. 5. cd.)  Allgemein  war  die  Bethei- 
ligung bei  den  zinsbaren  Geldgeschäften  der  Juden  Seitens 
der  Christen ,  ohne  Wahl  mussten  diese  immer  wieder  der- 
gleichen Verträge  abschliessen ,  das  Beispiel  der  Grossen  im 
Reiche  leuchtete  vorauf,  verlockend  offenbarte  sich  die  Ein- 
träglichkeit der  Geschäfte.  Die  Kluft  zwischen  der  politischen, 
sozialen ,  rechtlichen  Stellung  der  Juden  gegenüber  den  Chri- 
sten verlor  allgemach  ilire  Ausdehnung,  nun  stellte  das 
Reiclisgesetz  gar  1548  und  1577  die  Zinsen  der  Juden  mit 
dem  Rentenkaufe,  also  mit  erlaubten  Zinsen  der  Cliristen, 
auf  eme  Stufe ,  wer  wollte  da  noch  einen  nahen  Zusammen- 
hang zwischen  den  Zinsen  der  Juden  und  allgememer  Ver- 
gütung des  Kapitalnutzens  leugnen ,  wer  wollte  zögern ,  die 
Zinserlaubniss  über  die  Thore  der  Judenviertel  hinaus  aus- 
zudehnen ? 

Hätte  das  Wucherverbot  nicht  seinen  nachlialtigen  Ein- 
fluss  geübt,  der  persönliche  Credit,  welcher  allen  jenen  Ge- 
schäften der  Juden  zu  Grunde  lag ,  und  nach  den  Judenverfol- 
gungen, die  er  siegreich  bestand,  um  so  kräftiger  sich  erhob, 
hätte  nicht  eine  so  feste  Haltung  gewinnen  noch  so  tief  in  der 
Zahl  des  niederen  Volkes  sich  einnisten  können,  als  es  jetzt 
geschah,  das  war  einer  der  Preise  für  die  Gewalttliaten  gegen 
die  Juden ,  das  ehier  der  heilsamen  Erfolge ,  welche  das  Wu- 
cherverbot der  Kirche  unfreiwillig  mit  sich  führte. 


348      V.   5.  Die  Wechsler,  a.  Deutscher  Ursprung  der  Wechsler. 
5.    Die  Wechsler. 

a.  Deutscher  Ursprung  der  Wechsler. 
Die  M  ü  11  z  /,  u  s  t  ä  ii  d  o  in  Doutsclilaiid  bedingten  seit  frü- 
her Zeit  die  Existenz  der  Wechsler.  Die  Ausübung  des  Münz- 
regals übertrugen  die  Kaiser  seit  jeher  in  mannigfachster  Weise 
als  Kaufwaare ,  als  Geschenk  u.  s.  w.  an  geistliche  ^)  und  welt- 
liche, grössere  und  kleinere  Machthaber.  Dadurch  erzeugte 
sich  in  der  Verschiedenartigkeit  des  Müuzfusses ,  in  der  absicht- 
lichen oder  unabsichtlichen  Veränderung  des  Münzgehaltes 
eine  unglaubliche  Verwirrung  der  Münzverhältnisse  im  Reiche. 
Insbesondere  Avirkte  zu  letzterem  Missstande  die  Neigung  der 
Einzelmächte  in  Deutschland,  das  von  ihnen  erworbene  Regal 
nach  allen  Seiten  hin,  wenn  auch  zum  Ruin  des  Verkehrs- 
lebens, als  Finanzquelle  auszubeuten.  Schon  unter  Kaiser 
Friedrich  II.  weigerten  die  Städte  sich ,  das  Geld  nach  dem 
Nennwerthe  anzunehmen ,  das  Silbergewicht  (argenti  pondus) 
sollte  allein  den  Maassstab  geben.  Im  Fürstenthume  Oppeln, 
in  Breslau ,  ja  allgemein  in  Schlesien ,  zahlten  4ie  Orte  dem 
Fürsten  eine  Abstandssumme,  damit  er  die  beliebig  wieder- 
holte, stets  verschlechterte  Neuprägung  unterliess.  Seit  1226 
nämlich  legten  hier  die  Bischöfe  mid  Herzöge  statt  der  häufigen 
Umprägung  an  den  Jahrmärkten  eine  allgemeine  Steuer, 
Münzgeld,  contrihutio  monete,  Abeganc,  auf  alle  liegenden 
Gründe.  ^)  Die  Steuer  wird  fast  regelmässig  jährlich  entrichtet, 
der  Breslauer  Rath  zahlt  von  seinen  Einnahmen  jährlich  160  m. 
in  2  Raten  von  je  80m.  an  die  Fürsten.  Dies  währt,  bis  König 
Johann  den  Breslauern  wegen  des  grossen  Brandes  1342  das 
Münzgeld  für  ewige  Zeiten  erliess.  ^) 


1)  Auch  im  nördlichen  Deutschland  u.  A.  So  gewährt  1035  Kaiser 
Conrad  II.  dem  Erzhischof  Bezelin  von  Bremen  das  Recht  des  mercafus 
in  eodem  loco  cum  theloneo ,  nomismatihus ,  nee  non  omnibus  utili- 
tatibus  ad  mercatum  pertinentibus.  (Bremer  Urk.  B.  1862.  1.  Lief.  n.  19.) 
2)  Urkundenbuch  von  Tzschoppe  und  S t e n z e  1.  p.  6.  7.  u.  nr.  6.  148. 
152.  3)  Urk.  vom  3.  Juli  1342.  Klose  U.  136.  Unter  Karl  IV.  wü-d 
dasselbe  doch  wieder  unter  den  Gefällen  mit  160  m.  entrichtet,  cf.  cod. 
diplom.  8il.  UI.  p.  7.  n.  2.  3.  4.  —  Gleiche  Münznoth  in  Polen.  1207. 
T z  K  c h  0  p  p  e  u.  S  te  n  z  e  1 ,  1.  c.  p.  6.  N.  3. 


V.  5.  Die  Wechsler,   a.  Deutscher  Ursprung  der  Wechsler.      349 

Wo  die  heimischen  Gewalthaber  keine  Schuld  dieses  Münz- 
übels trugen,  machten  fremde  Münzherren  es  dadurch  unheilbar, 
dass  sie  die  bessere  Münze  aufkauften  und  einschmolzen.  Von 
Karl  dem  Grossen  bis  zum  12,  Jahrh.  war  das  Münzpfund  um 
12  Loth  leichter  geworden,  der  Werth  des  Pfennings  war  auf 
die  Hälfte  herabgesunken,  ^)  und  dies  am  Rhein,  wie  in  Sachsen. 
Bis  zum  15.  Jahrh.  fiel  der  Münzwerth  bereits  auf  Vi  seiner 
früheren  Höhe.  2)  Dagegen  erhält  sich  derselbe  in  Regensburg 
besser,  am  Niederrliein  andererseits  fiel  er  bedeutend.  ^)  Seit 
dem  Interregnum  verlor  das  in  Verkehr  gebrachte  Silber  ^4 
seines  Werthes.  Bei  den  immer  grösseren  Schwankungen  des 
Werthes  der  Mark  —  statt  der  früheren  Pfunde  —  begann 
man  im  14.  Jahrhundert  am  Rhein  wieder  nach  Pfunden  zu 
rechnen ,  während  man  nur  bei  grösseren  Summen  die  Gulden- 
rechnung —  italienischen  UVsprungs  —  einführte.  Gulden 
prägten  bis  1356  nur  die  Kaiser,  seitdem  noch  die  Kurfürsten. 
Auch  der  Werth  des  Guldens  schwankte  im  15.  Jahrhundert, 
wenngleich  nicht  so  bedeutend ,  als  jene  Münzen.  Etwa  1440 
galt  er  in  Speier  1^'^  Pf.  Heller,  in  Konstanz  1  V^  Pf.  Heller  = 
Vs  Mark,  in  Basel  =  Vi  Mark  (in  25  Jahren,  1362^1387, 
steigerte  sich  sein  Werth  hier  auf  das  Dreifache).  Ueberhaupt 
war  die  Goldmünze  in  Deutschland  geringern  Schwankungen 
unterworfen,  als  die  Silbermünze.  Jede  neue  Silbermünze 
dagegen,  die  sich  Ansehen  und  Curs  verschaifte,  wurde  in 
raschem  Schritte  durch  geringere  Ausprägungen  verschlechtert. 

Wenn  auch  die  Kaiser  sich  bemühten,  bereits  vor  dem 
Reichsmünzgesetze  den  Curs  einzelner  Hauptmünzen  festzu- 
stellen, U.A.  bei  dem  Nürnberger  kleinen  Gulden  1372. 1384,^) 
so  konnten  sie  damit  wenig  erreichen ,  weil  oft  schon  der  Curs 
solcher  maassgebenden  Münzen  durchaus  schwankte,  daher 
auch  der  vergleichende  Curs  des  Gesetzes  keine  feste  Grund- 
lage gab.  ^)   Thatsächlich  blieb  deshalb  immer ,  abgesehen  von 

1)  Mone,  Zeitschrift  für  d.  Gesch.  des  Ob.-Rh.  U.  394 ff.  Arnold, 
Verfass.  Gesch.  11.  p. 249.  2)  Mone,  I.e. p. 401  ff.  Remling,  Speierer 
Urk.  B.  p.  217.  3)  Arnold,  1.  c.  p.  251.  —  Laco  ni  biet ,  Urkk.  d. 
Nieder  Rh.  I.  276.  318.  334.  4)  Monuiii.  Zoll  er.  I\.  193.  V.  142. 
bei  Hegel,  1.  c.        5)  Conte  Carli  delle  nioncto  d'Italia  I.  315. 


350      V.   ö.  Die  Woolisler.    a.  Peiitsclior  Ursi>nini;-  den-  Woclisler. 

den  damals  nielir  als  heute  grossen  natürlichen  Schwankungen 
lU's  ]\Iünz\verthcs,  die  Bestimmung  des  Curses  den  einzelnen 
Münzherren  freigestellt.  ^)  Daher  rührten  dann  die  öfteren 
Münzvereinigungen  benachbarter  deutscher  Gebiete.  So  ver- 
einigen sieh  1382  die  Städte  Niedersachsens  Goslar,  Braun- 
schweig, Hildesheim,  Eimbeck,  Hannover,  Wernigerode, 
Osterode,  Halberstadt,  Quodlhiburg,  Ascherslebeu,  Göttingen, 
Hameln ,  die  Mark  zu  giessen  „  zu  dre  verdinge  vm  HI  quen- 
tin  finen  silvers'*  also  zum  Feingehalte  von  12%  Loth  d.i. 
9  bis  10  Thlr.,  16  bis  18  Gulden,  2  bis  SVa  Loth  unter  der 
Cölnischen  Mark.  ^)  Die  vier  rheinischen  Kurfürsten  verbin- 
den sich  i;)8G  zu  einem  gemeinschaftlichen  Guldenfusse,  wel- 
che Verbindung  wieder  durch  die  Schuld  der  Paziszenten 
selbst  nicht  selten  kraftlos  gemacht  wurde.  ^) 

Münzen  mit  geringem  Korne  nahm  man  im  Verkehre  zu 
gleichem  Werthe  an.  Die  Münzherren,  welche  die  bessere 
Münze  prägten,  sahen  sich  dadurch  benachtheiligt  und  setzten 
erst  einzeln,  dann  in  Gemeinschaften,  wie  die  eben  erwähnte, 
die  Münze  wieder  herab,  so  1399  eben  die  vier  rheinischen 
Kurfürsten.  *)  „Die  eigennützige  Praxis  der  Münzstätten  wich 
trotz  aller  vorgeschriebenen  Controllmaassregeln  immer  wieder 
von  dem  gesetzlichen  Müuzfusse  ab,  und  die  Münzgesetzge- 
bmig  folgte  ihr  zögernden  Schrittes,  und  suchte  vergebens  sie 
auf  ihrer  abschüssigen  Bahn  aufzuhalten."  ^)  In  dem  ersten 
Reichsmünzgesetze  1402  nahm  Euprecht  wesentlich  die  Ver- 
einbarung der  vier  rheinischen  Kurfürsten  von  1399  auf.  Jeder 
Münzmeister  soll  seines  Herren  Zeichen  und  Wappen  auf  die 
Münze  prägen ,  damit  jeder  für  die  Verringerung  der  Münze 
verantwortlich  gemacht  werden  könne. ")    Allein  schon  1409 

1)  Hegel,  Nürnberg.  Chronik  p.  231.   Würdtweiu,  diplom.  Mo- 
gunt.  n.  152  ff.  183  ff.  20Ü.  Günther,  cod.  diplom.  Eheno  -  Mosell.  III.  755. 

2)  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit,  Organ  des  germ.  Mus.  in 
Nürnberg  18G0  (Bode).  Das  ältere  Münzwesen  der  Staaten  und  Städte  Nie- 
derfiachsens  1847.   Dergleichen  Münzstücke  sind  noch  gefunden  worden. 

3)  Guden. ,  cod.  diplom.  III.  p.  5G7.  Hirsch,  d.  teutsch.  Reiches  Münz- 
archiv I.  51.  4)  H  i  r  s  c  h ,  1.  c.  p.  57  ff.  S  c  o  1 1  i ,  Sannnl.  d.  Ges.  in  Trier 
p.lOGff.  bei  Hegel,  I.e.  5)  Hegel,  I.e.  p.  233.  (i)  Würdtwein,  l.c.H. 
245 ff.   Hirsch,  1.  c.  I.  59.  VII.  23 ff.  Samml.  d.  Reichsabschiede  1. 103 ff. 


V.   5.  Die  WccIisIlm-.   a.  Deutscher  Ur.si)nin<f  der  Wechsler.      351 

setzten  3  rlieiiiische  Kurfürsten  durch  eine  Münzvereinigung 
den  Münzwertli  lierab.  ^)  Danacli  sank  der  Münzwerth,  beson- 
ders derjenige  der  Goldmünzen,  merklich  mehr  während  der 
Jahre  1417.  1425.  1437.  1444.2) 

Dass  gleiche  Missstände  sich  ü])er  das  ganze  Gebiet  deut- 
scher Bewohner  erstreckten,  beweisen  die  mit  den  obigen  über- 
einstimmenden Verhältnisse  im  Hansagebiete. 

In  Pommern  gab  Herzog  Bogislaf  X.  1489  eine  Münz- 
ordnung, weil  durch  die  zunehmende  Verschlechterung  der 
Münzen  theils  in  Pommern  selbst,  tlieils  in  den  Naclil)arlän- 
dern,  so  wie  durch  die  mit  dem  Handel  eingeführten  fremden 
Münzen  der  Verkehr  des  Landes  herbem  Verluste  ausgesetzt 
bUeb. 

Im  Gegensatze  zu  Süd-  und  Westdeutschland  verursacli- 
ten  hier  gerade  die  Städte  als  Ausüber  des  Münzregals  die 
Verschlechterung  der  Münzen.  Durch  Strafe ,  die  der  Herzog 
ihnen  auflegte,  mussten  sie  zu  besserer  Prägung  nach  dem 
vorgeschriebenen  Gelialte  gezwungen  werden.  Stettin  hatte  ^ 
seit  1397  das  Privileg,  für  ewige  Zeiten  „witte  penninge"  zu 
prägen ,  so  gut ,  als  sie  es  nach  dem  Preise  des  Silbers  ver- 
möchten, mit  der  Erlaubniss,  gleich  vorweg  3  Loth  von  der 
löthigen  Mark  als  Prägungskosten  abzuziehen.  Wie  viel  andere 
Münzkosten  ihnen  zu  nehmen  erlaubt  war,  ist  unbestimmt. 
Aber  die  Klage  über  schlechte  Münze  wuchs,  Stettin  bezog 
von  den  „witten  penningen"  23^0  Vortheil.  Bogislaf  X. 
gestattete  dann  bei  der  Münz  -  Ordnung  nur  6  %  Prägungs- 
gewinn. Die  Städte  sträubten  sich  dagegen  und  schützten 
ihre  Privilegien  vor.  Allein  man  zwang  sie  durch  Geldstrafen.^) 

TnDanzig  allein  begegnen  zu  Ende  des  14.  und  im  15.  Jahr- 
hundert 14  verscliiedene  Arten  fremder  und  heimischer  Gold- 
münzen, und  17  Arten  von  Kechnungs-,  Silber-  und  Kupfer- 
münzen, die  alle  gleichzeitig  neben  einander  gelten  und  in 
solcher  Zahl  vorkommen,   dass  man   ihren   Curs  durcli    eine 

1)  Hirsch.  1.  c.  I.  (33. 6G.  2)  Hirsch,  1.  c.  VU.  25.  30.  Würdtweiii, 
1.  c.  U.  2^(7.  H  0  n  t  h  e  i  111 ,  hist.  Trevir.  401.  bei  Hegel,  1.  c.  3)  cf.  K 1  o  iii- 
II in,  Jipl.  Beitr.  /..  Cicsch.  ruiiiiii.  Anli.  p.  581.    Die  Münze  Bogislafs  X. 


3ö2      Y.   5.  Die  Wochslor.   a.  Deutscher  Ursprung  der  Weclisler. 

Reihe  von  Jahren  aus  Rechnungen ,  Handlungsbüchern  und 
andern  Handelspapieren  jener  Zeit  aus  Danzig  und  benachbar- 
ten Distrikten  verfolgen  kann.  Die  fremden  Münzen  rühren 
aus  dem  ganzen  kontinentalen  Hansagebiete  und  den  Ländern 
der  auswärtigen  Hansekontore ,  so  wie  aus  den  hanseatischen 
Hinterländern.  Der  Curs  der  preussischen  Mark  unter  diesen 
schwankt  von  lo8()  bis  1450  zwischen  5  Thlr.  5  Sgr,  (heut) 
und  1  Thlr.  2G  Sgr.  m  stetem  Fallen,  wobei  er  1416  schon 
einmal  auf  1  Thlr.  12  Sgr.  sinkt;  der  Curs  des  englischen  Nobel 
zu  20  sz.  von  1403  bis  1436  zwischen  1  mrk.  1  scot  6  Pf.  und 
3  mrk.  16  scot.  in  stetem  Steigen;  der  Curs  des  rheinischen 
Guldens  von  1399  bis  1435  zwischen  10  scot  und  31  scot 
(=  1  mrk.  7  scot.) ,  letzterer  steigerte  sich  hier  also  in  36  Jah- 
ren ebenso,  wie  zu  Basel  in  25  Jahren,  1362  —  87,  um  das 
dreifache,  dann  jedoch  fällt  er  1445  auf  12  scot.;  der  Curs  des 
ungarischen  Guldens  stellt  sich  von  1399  bis  1436  zwischen 
11 V2  scot.  und  40  scot,  in  stetem  Steigen;  der  Curs  des  engli- 
schen Pfundes  schwankt  von  1409  bis  1436  zwischen  3  mrk. 
•18  sc.  und  9  mrk. ;  der  Curs  des  vlämischen  Pfundes  oder 
Pfundes  Grote  zeigt  sich  von  1380  bis  1440  zwischen  3  mrk. 
und  8  mrk.,  einmal  1416  beträgt  er  sogar  11  mrk.  in  stetem 
Wechsel  des  Steigens  und  Fallens  u.  s.  w.  ^) 

Schon ,  um  diese  Missstände  einigermaassen  zu  beseitigen, 
durch  Kenntniss  der  einzelnen  Münzarten  und  ihrer  Curse  dem 
Geldverkehre  zu  helfen,  musste  sich  in  Deutschland  das  Institut 
der  Wechsler  ausbilden.  Also  auch  bei  nur  geringem  Einblick 
in  die  deutschen  Münzzustände  zur  Zeit  des  Mittelalters  konn- 
ten die  Rechtsliistoriker  sich  selbst  beweisen,  dass  in  Deutsch- 
land die  Wechsler  ihre  Buden  aufschlagen  und  ilir  Geschäft,  wie 
anderswo ,  treiben  mussten ,  und  durften  die  wissenschaftlichen 
Autoritäten  bis  auf  Biener  herunter  (Wechselr.  Abhh.  1859. 
p.  279)  selbst  ohne  Kenntniss  irgend  welcher  urkundlichen 
Beläge  nicht  behaupten ,  in  Deutschland  sei  das  Gewerbe  der 
Wechsler  erst  eme  Geburt  der  Neuzeit. 


1)  cf.  Vos  sberg,  Gesch.  d.  preuss.  Münzen  etc.  p.  108 if.,  Hirsch. 
Handelsgesch.  Danzigs  p.  241  ff. 


V.   5.  Die  Wechsler,   a.  Deutscher  Ursprung  der  Wechsler.      353 

Eben  zur  Meidung  jener  Missstände  strebte  der  Rath  der 
Städte  danach,  bei  der  Münzprägung  mitzuwirken,  bei  der 
Verschlechterung  der  Münzen  ei]i  Stimmrecht  zu  erwerben, 
den  Münzwueher  der  Regalinhaber  möglichst  zu  beschränken. 
So  geschah  es  in  Speier  nach  dem  Privileg  Heinrichs  V.  Uli, 
in  Strasburg,  in  Basel,  Regensburg  1230;  in  Köln  übte  eine 
Genossenschaft  von  Geschlechtern  das  Münzrecht  selbst  statt 
des  damit  beliehenen  Erzbischofs  aus.  ^)  Dagegen  erwarb  der 
Rath  der  Städte  nicht  das  Münzrecht  und  seine  Ausübmig, 
vielmehr  besassen  dieses  als  Lehen  in  den  meisten  Fällen ,  wie 
oben  in  Köln,  dienstmäunische  oder  patrizisclie  Ge- 
schlechter, welche  eine  eigene  Zunft  „die  Hausgenos- 
sen" unter  dem  Münzmeister  bildeten ,  eine  Reihe  von  Vor- 
rechten genossen  ^)  und  Abgaben  an  den  Bischof  und  den  Kaiser 
zahlten.  Wo  letzterer  der  Belehner  war  oder  an  einzelne  Bür- 
ger oder  Geschlecliter  das  Münzmeisteramt  verpfändet  hatte, 
wurden  ihm  hohe  Pfandsummen  gezahlt ,  wie  in  Nürnberg.  ^) 
Gleiche  Verhältnisse  walteten  bereits  seit  dem  9.  Jahrhundert 
in  Hamburg  ob,  me  sich  aus  Lappenbergs  Archivalbericht 
der  dortigen  Realgewerberechte  ergiebt.  Sogleich  (S.  358  ff.) 
wird  die  Geschichte  der  Hamburger  Wechselbanken  im 
Zusammenhange  erörtert  werden.  *) 

Eines  der  hauptsächlichsten  Vorrechte  nun  der  Münzge- 
schlechter und  ihres  Münzmeisters  war,  dass  sie  ausschliess- 
lich in  den  Städten  Geld  wechseln  durften.  Diese 
Thätigkeit  erwies   sich  als  so  bedeutend,  dass  nach  ihr  alle 

1)  Lacomblet,  Niedenh.  Urk.  B.  II.  203.  Wackcruagel,  Bi- 
schofsr.  von  Basel,  p.  18.  a.  7.  Kemling,  1.  c.  p.  89.  Arnold,  1.  c.  I. 
p.  269 ff.  2)  cf.  u.  a.  Lacomblet,  Urk.  B.  I.  c.  U.  206.  1252  die 

Kölner:  „communitas  campsonim,  qui  husgenosze  dicuntur."  Chniel, 
regest.  Rup.-p.  187.  3)  Hegel,  I.  Chronik  von  Nüniherg  1.  c.  p.  235. 
4)  So  die  Innungen  der  Wechsler  aus  Eingebornen ,  meist  Adligen ,  in 
Italien.  Martens,  Ursiirung,  18.  25.  55.  Savigny,  (jlcsch.  d.  R.  R.  U\. 
]>.  145  —  49.  Biener,  Wechselr.  Abhli.  p.  12.  13.  Sie  liatten  innerhalb 
bestimmter  Grenzen  eigene  Jurisdiktion  durch  ihre  consules.  Martens, 
Ursprung  p.  51.  Anhang  das.  p.  17.  24.  26.  31.  Biener,  1.  c.  p.  11.  16. 1. 
Wisigothorum  XI.  tit.  3.  neyotiatores  trunsmarini  müssen  für  Prozesse 
unter  sich  nur  bei  ihrer  eigenen  Behörde  Recht  suclicn. 

Ncumaun,  Gesch.  cl.  Wuchers.  2.'3 


354       V.   5.  Die  Wochsl(M-.   a.  "noutscliov  TTrs]!!-!]!!^  der  'Woclislor. 

Münzer  ca  ni2)sores,  camhiatorcs,  Wechsler  genannt  wurden. 
Anf  das  Engste  hing  dieses  Privileg  mit  der  erwähnten  Thätig- 
keü  der  Münzer  zusammen ,  hesonders ,  da  sie  als  Schauer  der 
Münzen  die  Pflicht  und  das  Recht  hatten,  die  prohehaltige 
Münze  zu  versiegeln ,  die  nicht  prohehaltige  zu  zersclineiden, 
überall  nach  der  Echtheit  der  Münzen  zu  sehen ,  alle  beträclit- 
lichen  Zahlungen  zu  kontrolliren.  ^)  Der  Verkauf  und  Einkauf 
von  Silber  war  in  den  verschiedenen  Städten  verschieden  gesetz- 
lich festgestellt.  Das  Strasburger  Stadtrecht  gestattete  Dieses 
ganz  frei,  ausser  im  Falle  des  Verbotes  wegen  einer  neuen  Münze, 
nur  die  Münzer  durften  von  den  Wechslern  (S.  357)  das  Silber 
kaufen.  Nach  dem  Augsburger  Stadtrechte  war  die  Erlaub- 
niss  der  Münzer  zum  Silberwechsel  nöthig ,  ausser  für  die  nach 
Köln  gehenden  Kaufleute;  letztere  durften  nur  bis  zu  10  Mark 
wechseln.  In  Mainz  „  soll  Niemand  wechseln ,  wann  die  Haus- 
genossen; doch  mag  ein  Jeder  Silber  und  Gold  kaufen,  das  er 
verführen  will  nach  seiner  Kaufmannschaft,  und  ein  jeder 
Goldschmied  mag  Silber  oder  Gold  kaufen,  das  er  und  sein 
Gesinde  verwirken  mag  mit  seinem  Hammer ,  und  nicht  mehr." 

Nach  der  oben  erwähnten  Münzordnung  Herzogs  Bogis- 
laf  X.  von  Pommern  1498  erhielten  die  Münzmeister  in  den 
Pommerschen  Städten  allein  das  Recht  durch  einen  Contrakt, 
jährlich  suluer,  payment  (d.  i.  gangbare  Münze)  gronalien  tho 
Notrofft  unser  munte  zu  kopen  vnd  by  sick  zu  bringen ,  d.  i. 
das  Privileg  deswyssel  oder  wesselvnd  Inkop.  Die  Münz- 
meister wechselten  unter  einander. 

Dieses  Vorrecht  des  Geldwechsels  musste  bei  der  allge- 
meinen Verbreitung  obiger  Missstände  des  Münzwesens  eine 
Fülle  von  Thätigkeit,  eine  stete  Berührung  zwischen  den 
Wechslern  und  dem  Volke,  besonders  den  Kaufleuten,  mit  sich 
führen,  aber  auch  bedeutenden  Gewinn  abwerfen..  Man  wech- 
selte fremde  gegen  heimische,  alte  gegen  neue  Münzen,  tauschte 
falsche  gegen  echte,  erfragte  den  schwankenden  Curs.  Dies 
steigerte  sich  zumal  dort,  wo  man  die  kaiserliche  Bestimmung 
streng  befolgte,  dass  in  Orten  und  Gebieten  eigenen  Präge- 


1)  Hegel,!,  c.  Lp.  238. 


V.   5.  Die  Wcclisler.   a.  Deutsclier  Ursprung  der  Wechsler.      oöf) 

rechtes  nur  die  dort  geprägte  Münze  im  Verkehre  gehraucht 
werden  sollte ,  ^)  oder  wo  man  zur  Erhöliung  des  Vortheils 
aus  der  Prägung  (für  den  Münzmeister) ,  des  Schlagschatzes 
(für  den  Kegalinhaher)  alljährlich  die  alten  Münzen  anzuwenden 
verbot,  neue,  oft  sehleclitere  prägte  und  diese  gegen  die  alten 
einwechselte.  „Em  neuer  Bischof  mag  wol  geben  eine  neue 
Münze  und  dann  jährlich  ehie"  ^),  „und  mag  der  Erzbischof  die 
Pfennige  alle  Jahr  verändern ,  ob  er  will."  ^)  Daneben  erliiel- 
ten  zugleich  die  Münzinhaber  das  Silber  zu  neuer  Prägung. 

Schon  ward  erwähnt ,  dass  als  solche  Münzer ,  Mflnzmha- 
ber,  Wechsler  in  einer  Eeihe  deutscher  Städte  patrizische  Ge- 
schlechter thätig  waren,  ehe  letztere  sich  am  Ende  desl5.  Jahr- 
Imnderts  von  der  bürgerlichen  Beschäftigung  lossagten.  Da- 
gegen m  Litthauen  und  Polen ,  besonders  in  Krakau ,  ferner  in 
Breslau  besorgten  den  Geldwechsel  der  grossen  Beträge  einhei- 
mischer Geldarten,  welche  aus  diesen  Gebieten  seit  dem 
12.  .Jahrhundert  in  Baarsendungen  als  Abgaben  an  den  päbst- 
liclien  Hof  trausportirt  wurden ,  neben  iliren  sonstigen  kauf- 
männischen Geschäften  lediglich  angesehene  •  Kaufleute, 
welche  durch  Kenntniss  der  Münzsorten  (meist  preussischer 
Marken  und  Skote)  und  ilires  Curses  thatsächlich  die  Stelle 
der  Wechsler  vertraten,  ohne  rechtlich  Etwas  mit  ihnen  gemein 
zu  haben.  *)  Das  konnten  diese  um  so  eher  trotz  des  wenig 
entwickelten  Verkehres,  weil  sie  meistens  die  Baarbeträge  in 


1)  Friedr.  11.  sent.  d.  caiiib.  1231.  Fertz,  legg.  II.  281.  Henric. 
seilt,  d,  arg.  vend.  1234.  ib.  3ü2.  2)  Wacker  na  gel,  Basel.  Biscliol'sr. 
\).  18.  a.  7.  3)  Mainzer  Hausgenossen  K.  a.  2.  Arnold,  1.  c.  I.  p.  278. 
4)  Die  Gründe,  aus  denen  hier  insbesondere  italienische  Wechsler  nicht 
so  frühe  sich  ansiedelten  ,  werden  sogleich  unter  Abschn.  b.  erwähnt.  In 
den  andern  Staaten ,  aus  denen  die  I'äbste  diese  kirchlichen  Gelder  bezo- 
gen, hatten  sie  ihre  eigenen  Wechsler  (nostri  cumpsores ,  caiiibiutores) 
oder  bevollni.ächtigten  allgemein  die  italienischen  Baukkuinnianditeii  im 
.auslände.  Mur  atori,  Anti(iuit.  Ital.  I.  \k  HSy.  1233  Quittung  Gregors  IX. 
an  Augelerius  Solalicus,  „quomlum  cumpsorem  iwstrum  et  ejus  socius, 
mei'cutores  Senenses  de  onmibus  rationibus,  quas  in  Anglia,  Francia, 
et  curia  Romana  vel  etiain  alibi  nostro  vel  ecclesiae  liomanae  nomine 
receperunt."  —  Arenz,  p.  25.—  Rynicr,  I.  p.  330.  378  (I25G.  12:)8. 
1271.)  --    Biener,  1.  c.  p.  G3.  (57.  G8. 

2:3  * 


3ÖG       V.    5.  Die  Woolislor.   a.  Deutsclicr  Ursjjrung  der  Wechsler. 

ungefragtes  Gold  „ad  2)onilus  Avinionense,  Turonense,"  „in 
2)i(Jirrc"  und  unter  Zuzieliung  eines  kaufmännischen  Gutach- 
acliters  umwechselten. ')  Ihren  Wechslerzins  berechneten  sie, 
wie  es  auch  bei  den  italischen  campsores  üblich  war,  von 
dem  oder  mit  dem  Cursgewiune ,  ein  besonderes  Wechselgeld 
ausserdem ,  wie  jene ,  nahmen  sie  nicht.  ^')  Der  Curs  konnte 
ihnen  wegen  ihrer  durch  eben  diese  Baarsendungen  alljährlich 
mehrmals  bewirkten  Verbindung  mit  den  Wechslerhäusern  in 
Italien,  dann  in  den  Niederlanden  selbst  in  gewisser  Gleich- 
förmigkeit bekannt  sein.  Dass  aber  ihr  Curs  auch  nicht  stets 
als  richtig  angenommen  ward,  scheint  darin  angedeutet,  dass 
■wiederholt  in  den  Urkunden  hinzugefügt  wird:  „..  illas  (pecu- 
n ins)  vcl  dehita m  existiinat i o n e ni  ipsarimi  assignare/' 
während  es  bei  dem  Transporte  von  Gold  und  ungewechselten 
preussischen  und  polnischen  Münzen  nacb  Flandern  in  Silber 
nur  Hiusichts  des  letzteren  heisst :  „  ibidem  (in  Brügge)  quan- 

1)  Tli einer,  vetera  vwnumenta  Poloniae  et  Litlmaniae.  Rom.  1860. 
I.  p.  284  (1328)  u.  V.  a.  Cod.  diploiii.  Siles.  HI.  (Griinhagen)  Henricus 
pauper.  In  dem  Cod.  dipl.  Sil.  ITI.  }>.  89  findet  sich  aus  dem  Jahre 
1329  ein  Voranschlag  über  den  verhältnissmässigen  Ertrag  des  Peters- 
pfennigs in  den  einzelnen  Städten  Schlesiens,  cf.  dazu  N.  1  u.  9  daselbst 
von  Grünhageu.  —  Neumann,  Wechselgesch.  p.  14ff.  Hierbei  sind 
einige  Ergänzungen  und  Berichtigungen  der  Angaben  auf  p.  15.  16  das. 
zuzufügen.  Ob  der  Peterspfennig  wirklich  eine  Häusersteuer,  wie  auch 
Richter  Kirchenrecht  (5.  Aufl.)  §.235  annimmt,  oder  eigentlich  eine 
Kopfsteuer  und  mittelbar  nur  eine  Häusersteuer  war,  muss  vorläufig 
unentschieden  bleiben.  —  Der  sechsjährige  Zehnte  wurde  seit  dem  Vien- 
nenser  Concil  1327  zuerst  eingefordert ,  und  zwar  nur  einmal ,  die  seitdem 
als  sechsjährige  Zehnten  geforderten  Beträge  sind  Rückstände  jenes  ein- 
mal zu  leistenden  Zehnten.  Die  auf  S.  16  daselbst  angegebenen  Summen 
sind  Annaten  aus  einem  der  vier  Archidiakonate  Breslaus.  Die  Summen 
selbst  sind  in  ihrem  Werthe  etwas  zu  niedrig  angegeben.  Sie  sind  berech- 
net nach  dem  Curse  der  ungarischen  Gulden  imd  preussischen  Mark ,  wie 
Hirsch  ihn  in  seiner  Handelsgesch.  Danzigs  p.  241.  242  für  Danzig 
angiebt,  und  zwar  sind  die  von  Theiner  in  Mark  ausgedrückten  Angaben 
der  Jahre  bis  1322  in  Gulden  übertragen,  einmal  nach  seinen  eigenen 
Angaben  des  gewechselten  Geldes ,  um  den  Werth  einiger  dem  Curse  nach 
nicht  genug  bekannter  Werthstücke  zu  ermitteln ,  sodann ,  um  den  Ver- 
gleich mit  den  von  ihm  nur  in  flor.  angegebenen  Beträgen  der  späteren 
Zeit  zu  ermöglichen,  cf.  auch  Zeitschr.  f.  Gesch.  u.  Alterth.  Schlesiens 
V.  2.  (Grüuhagen.)        2)  Theiuer,  1.  c.  n.  635  u.  a. 


V.   5.  Der  Wechsler,   a.  Deutscher  ITrsjirung  der  Wcclisler.      357 

tum  in  eisdem  nnndinis  idem  vnlehat  argentum ,  ad  predictum 
iwndiis  Cracoviense."  ^)  Während  hier  im  14.  Jahrhundert  die 
zum  Theil  grossen  Geldbeträsfe  erst  von  Flandern  durcli  Wech- 
sel nach  Avignon  oder  Rom  gelangten,-)  geschah  es  später, 
seit  dem  Anfange  des  15.  Jahrhunderts,  bereits  von  Krakau 
oder  Breslau  selbst,  da  seit  dieser  Zeit  sich  deutsche  und  itali- 
sche Wechsler  hier  ansiedelten  und  die  Stelle  jener  Kaufieute 
im  Handwechsel  und  Geldti'ansporte  übernahmen.  Dies  wird 
sogleich  unten  berührt  (S.  361  ff.  u.  V.  5.b.) 

Neben  jenen  Kaufleuten  aber  und  den  Mitgliedern  der 
„Hausgenossen,"  bisweilen  vielleicht  aus  diesen  hervorge- 
gangen, findet  sich  bereits  seit  dem  13.  Jahrhunijert  eine  Zahl 
von  Neben  Wechslern,  welche  unter  der  Aufsicht  der  Haus- 
genossen stehen,  oder  unabhängig  neben  ihnen  gegen  Kau- 
tion und  Abgaben  vom  Rathe  der  Städte  Erlaubniss  zum 
Wechseln  erhalten,  nicht  allein  in  den  erwähnten  Gesetzen 
und  Rechtsbüchern  erwähnt,  sondern  auch  die  grosse  Zahl 
der  Urkunden  der  Parteien  beweisen  ihre  Existenz.  Sie  betrei- 
ben fast  lediglich  den  Handwechsel,  Geldtransport  und  das 
Hinleihen  von  Darlehen  gegen  Pfänder,  nehmen  auch  Deposi- 
ten an  und  besorgen  —  wie  es  sich  durch  die  neuesten  For- 
schungen im  Breslauer  und  Danziger  Archive  inmier  zweifel- 
loserherausstellt— ,  ganz  ebenso,  wie  die  italienischen  Wechsler 
in  und  ausserhalb  Deutschlands,  Wechsel  auf  Bestellung,  indess 
nicht  nach  entfernten  Zahlungsorten.  ^)  Dagegen  haben  sie  an 
der  Münzprägung  gar  keinen  Theil. 

1290  wohnen  in  Lübeck  2  solcher  Wechsler,  Gherardus 
und  Hinricus ,  welche  u.  A.  dem  lübischen  Gesandten  in  Flan- 
dern, Reinekinus  Mornewech,  Gelder  für  die  Stadt  ausleihen.  "*) 
ausserdem  werden  dort  als  Wechsler  genannt  Wernerus  Huno, 
Henneko  de  Scheuinge,  Henneko  Albus ,  Hinceko,  welche  1290 
je  5  mrk.  Miethszins   an  die  Stadt  für  ihre  Buden  auf  dem 

1)  cf.  Neu  man  11,  Geschichte  des  Wechsels  im  Hansagebiet  p.  19  ff. 

2)  ib.  ]).  3G.  Pegolotti,  Della  Decima  1339.   Biener,  Abhh.  p.  45.  «8. 

3)  cf.  Näheres  über  ihre  Geschäfte  V.  5.  d.  f.  4)  Liib.  Urk.  Buch  II.  b. 
n.  1013  (1290)  Ghcrardo  campsor.  VIII.  in.  Hinrico  campsor.  XXVIII  m. 
Rückzahlung. 


3r>S      V.   ö.  l>io  Wcclislov.    n.  noutschor  Ursiiruiif;'  dor  Woclislor. 

Markte  zahlen.  ^)  Zwölf  Wechsler  befinden  !>ich  in  Lübeck 
bereits  1316,  diese  entrichten,  obgleich  ihre  Buden  am  Markte 
ihr  Eigenthum  sind,  der  Stadt  jährlich  12  Mark  Abgabe, 
zusammen  aber  zahlen  sie  mhulestens  GO  m.,  wenn  ihrer  auch 
weniger  als  5  waren,  -)  ausserdem  hinterlegen  sie  eine  Kaution 
von  je  200  Mark  Silber,  ein  deutliches  Zeiclien  ilirer  Stellung 
zur  städtischen  Obrigkeit.  ^) 

Aus  H  a  m  b  u  r  g  bietet  der  A  r  c  h  i  v  a  1  b  e  r  i  c  h  t  ül)er  Ham- 
burger R  e  a  1  g  e  w  e  r  b  e  r  e  c  h  t  e  Lappenbergs  '^)  Hiiisichts  der 
deutschen  Wechsler  genaue  und  lehrreiche  Nachweise  (p.  82  ff.). 
Das  Amt  der  Wechselbänke  nahm  liier  den  Vorrang  vor  allen  übri- 
gen Aemtern  ein,  Avar  sogar  mit  erblichen  Gerechtigkeiten  ver- 
sehen und  ging  doch  zuerst  wieder  unter.  Schon  888  bestätigt 
König  A  rn  ulf ,  dass  die  Hamburger  Erzbischöfe  von  den  Kaisern 
mit  dem  Münzrechte  begabt  wurden. '')  Die  Erzbischöfe  belehn- 
ten, wie  in  andern  Städten,  „die  Hausgenossen  schaff 
der  ]\Iünzer  mit  diesem  Rechte.  Das  Gewerbe  war  hier  nicht  in 
den  Händen  erzbischöflicher  Dienstmannen  geblieben ,  sondern 
bereits  im  12.  Jahrhundert  der  Verleihung  und  Aufsicht  des 
Raths  übertragen.  Kaiser  Friedrich  L  bestätigte  1189  dem 
Rathe  das  Recht,  das  Geld  der  Münzer  zu  prüfen.  •^)  (ob.  S.  353.) 


1)  cf.  liib.  Urli.  B.  II.  b.  n.  1091  (1290),  und  liib.  0  b  er- Stadt - 
buch  1290 :  „  hode  (Bude)  site  in  fine,  uhi  eampsores  sedent,"  ib.  1308 : 
„  in  foro ,  uhi  campmres  manent."  Pauli,  liib.  Zust.  Urk.  B.  n.  60.  p.  904. 
2)  L  ü  b.  K  ä  rn  m  e  r  e  i  b  u  c  h  von  131 6 :  „  Notum  sif,  quod  campsores,  cum 
nmi  sunt ,  nisi  quinque ,  dahunt  quolibet  anno  LX  m.  den. ,  dimidias  in 
pascha  et  dimidias  Michaelis.  Sipauciores  fuerint,  dahunt  nihilavtinus 
LX  mrk.  den.  Si  vero  plures  fuerint,  quam  quinque,  tunc  quilibet  dabit 
XII  mrc."  3)  Pauli,  1.  c.  p.  206.  n.  63.  1316,  übereinstimmend  mit 
den  Vorscltriften  der  Wechsler  -  Innungen  in  Italien,  Spanien,  Frankreich, 
den  Niederlanden,  cf.  Martens,  Urs])r.  d.  W.  p.  22  u.  Anh.  p.  18,  112. 
Fremery,  etudcs  p.  89.  4)  Derselbe  ist  nicht  in  den  Buchhandel  gekom- 
men. Herr  Dr.  Lap])enberg  hatte  die  Güte,  ihn  mir  als  Geschenk  zi\^u- 
senden.  .5)  cf.  Hamburg.  Urk.  Buch.  I.  22.  6)  So  erscheint  auch 
in  Regensburg  die  erbliche  Hausgenossenschaft  der  Münzer  1272.  1295 
als  officium,  consortium,  Bürger  und  Wechsler.  (Quellen  zur  Baierschen 
und  deutschen  Geschichte  V.  p.  261.  VI.  p.  78.)  Hamb.  U.  B.  I.  n.  286. 
1189.  „conss.  potestatem  haheant  examinandi  denarios  monetariorum 
in  pondere  et  pii/ritate," 


V.  5.  Die  Wechsler,  a.  Deutscher  Ursprung  der  Wechsler.       359 

Die  Münzer  (monetarii)  leisten  dem  Ratlie  eine  Gesammt- 
bürgschaft  für  den  Gehalt  des  Geldes,  weshalb  Fnedrich  II. 
wohl  auch  1219  die  Innung  der  Münzer  allein  in  Goslar  nicht 
aufliob.  —  Im  13.  Jahrhundert  aber  treten  gegenüber  diesen 
Münzern  die  obigen  Nebenwechsler  auf.  Sie  heissen  vor- 
wiegend campsores,  "Wechsler.  Viele  derselben  besassen  erb- 
liche Wechselbänke,  die  sie  nach  Belieben  vor  dem  Rathe, 
wie  andere  Realrechte ,  übertrugen.  Diese  Bänke  stehen  hier 
wie  in  Lübeck,  nahe  dem  Ratlihause  und  der  späteren  Börse 
1251, ')  Die  Wechsler  in  Hamburg  sind  nicht  zu  einer  Brüder- 


1)  Die  folgenden  archivalischen  Nachrichten  sind  besonders  wichtig 
wegen  der  Verbindung  der  Wechsler  und  Münzer  und  ihrer  dennoch 
stets  beobachteten  Trennung ,  welche  sich  aus  ihnen  ergiebt.  1251  ver- 
liess  Frau  Bertha  von  Osterwicgk  Wittwe  Bertranis  des  Münzers  dem 
Sohne  oder  Gesellen  (puero)  ihres  Sohnes  Wedekin  die  Wechslergerech- 
tigkeit (concamhium) ,  die  sie  in  Hamburg  besessen  (liher  actorum  coram 
coss.  fol.  22,  8.)  1260  kauften  der  campsor  Wedekin  und  sein  Bruder  ein 
Haus  in  der  goldenen  Strasse.  Demselben  Wedekin  übertrug  ein  gewis- 
ser Knape,  gen.  accipiter,  Habicht,  seine  Wechselbank.  1265  verkauft 
solche  Wedekin  dem  Beteman  von  Helwardeshusen ;  an  Wedekin  selbst 
verliehen  die  Eathmannen  1266  ein  Haus  auf  den  Wechslerbänken  zwi- 
schen den  Häusern  des  Johann  (Wurm)  und  Timnio  des  Münzers  mit  Erb- 
recht gegen  3  mrk.  Süber  jährlichen  Zinses.  Ein  begüterter  Müuzer 
Albrecht  von  Hetfeld  begegnet  1260  und  1263  (cf.  ib.  fol.  42, 1.  45,  1. 
79,  16.  87.  66,  10.  Hanib.  U.  B.  I.  n.  653).  Dem  Münzer  Tymmo  ver- 
liess  der  Eath  1262  einen  freien  Platz  jnxta  vionetnrios  mit  Erbrecht  für 
6  mrk.  jährliche  Rente.  Sein  Haus  wird  1273  erwähnt.  Man  verliess 
demselben  1264  Wechselbänke  von  Conrad  Vorrat  und  v.  Jordan.  Letz- 
terer Jordan,  der  Münzer,  verliess  1271  seine  Wechselbank  an  Albrecht 
BoUant.  Joh.  Bollant  verliess  sie  1273  an  Joh.  v.  Ostcrwick,  wol  den 
Sohn  obiger  Bei-tha  (cf.  ib.  fol.  52,  3.  180,  16.  69,  4  u.  6.  163,  20.  180,  9.) 
Von  Johann  v.  Osterwick  Avar  dem  genannten  Beteman  1263  das  Haus 
des  Gotsclialk,  Sohnes  des  Helprad,  zugeschi-ieben  und  1269  v.  Joliann  Wurm 
und  seinen  Brüdern  eine  fernere  Wcchsclbank,  falls  er  Betemann  Kruse 
(Crispus)  benannt  wurde.  1271  verkaufte  Beteman  v.  Elmarshusen  seine 
Wechselbank  an  den  Münzer  Bnmo ,  der  1266  als  Bruno  der  Wechsler  be- 
zeichnet ist.  Helprad  Kovot  verkaufte  1266  für  16  mrk.  Silber  eine  Wech- 
selbank an  Volzikc  den  Wechsler  und  eine  andere  an  Jordan.  1251  bemerkt 
man  Heinrich  Wurm  und  Ulrich  den  Älünzcr  (v.  Stade)  als  Verkäufer  einer 
Wechselbank.  1270  verliess  die  seinige  Heinrich  Grinnneke  dem  llilde- 
brand,  der  1271  eine  zweite  vom  Münzer  Jordan  erhielt  (ib.  fol.  66, 10. 143. 
163.  97, 19. 97, 29. 100. 14, 2. 161, 2. 163.)  (aus  Lappenberg,  l c. p.82fr.) 


.■>(i(t       V.    .').   l>io  Wochslor.    a.  Doutschor  Ur.s]>ning  der  Woclisler. 

Schaft  vereint,  wie  unzählige  Personen  desselben  Gewerbes 
und  Handels  im  Mittelalter,  sie  werden  nur  als  ein  Amt,  Hand- 
werk, officinni  mcclianicum  mit  Anitsmeistern  bezeichnet.  In 
den  Vollmachten  des  Rathes  und  der  Bürgerschaft  1347  und 
l.')51  hatten  sie  die  erste  Stelle  nach  den  Rathmannen  und  vor 
den  Goldschmieden.  Nirgend  aber  finden  sich  Settinghe  oder 
Rollen  dieses  Amtes ;  in  den  Verzeichnissen  der  nach  den  Ge- 
werben geordneten  Bürger  von  1376  fehlen  die  Wechsler. 
Auch  kerne  regelmässige  Leistung  derselben  vom  Gewerbe  oder 
den  Wechselbänken  an  die  Kammer  ist  bekannt ,  keine  Bräche 
derselben  aus  den  Morgensprachen.  Dies  schliesst  nicht  aus, 
dass  die  Wechsler  den  Münzherren  unmittelbar  untergeordnet 
waren,  und  dass  diese  also  dergleichen  Einkünfte  erhoben  haben 
könnten.  „  Es  ist  uns  beachtenswerth ,  wie  ein  so  hervorragen- 
des Amt  in  Hamburg  so  früh  hat  ganz  verschwinden  können, 
obgleich  durch  erbliche  Realgewerbsrechte  geschützt.  Es  ver- 
dankte seine  Blüthe  der  Vervielfältigung  fremder  kleiner  Sil- 
bermünzen und  verlor  sie,  seitdem  Goldguldeu  und  später 
Thaler  geprägt  wurden.  Dazu  kam  die  Ernennung  eines  städti- 
schen Münzmeisters  und  eines  Wardein ,  welchem  die  Wech- 
selei abseifen  des  Rathes  verliehen  war  und  der  mit  dieser 
Begünstigung  die  übrigen  Amtsgenossen  verdrängte ,  was  aber 
auch  zur  Aurhebung  der  Bürgschaft  derselben  führte.  Die 
letzte  urkundliche  Erwähnung  von  Wechselbänken  fällt  in  das 
Jahr  1560,  zu  welcher  Zeit  der  Geldwechsel  längst  ein  freies 
Gewerbe  war." 

Dergleichen  Wechsler  begegnen  dann,  was  vorläufig  leider 
nur  durch  vereinzelte  Vermerke  erwiesen  wird,  nicht  minder  in 
den  preussischen  und  polnischen  Städten,  Das  Culmer 
Recht  V.  65  (ed.  Leman)  giebt,  fast  gleichlautend  mit  dem 
Schwabenspiegel  dafür  einen  Anhalt:  „no  ob  in  einer  stat 
ofentlichen  wuochrer  {usurarii  imhlici  cf.  V.ö.b.d.)  sint 
vnd  das  cristene  lute  synt ,  wer  is  da  schuldig  an  ?  der  herre  is 
daran  schuldic ,  des  die  stat  is ,  vn  der  richter ,  ob  er  sie  nicht 
rüeget ,  als  er  sol."  Es  scheint  sicli  diese  Stelle  gerade  auf  die 
obrigkeitliche  Billigung  und  den  Geldgewinn  der  Stadt  aus 
den  Wechselbuden  zu  beziehen. 


V.   r>.  Die  Wechsler,   a.  Deutscher  Ursprung  der  Wechsler.       361 

1370  wird  der  Thoiiier  Bürger Hesin  in  Flandern,  inae- 
sens  ad  camhiendum  seu  camhia  faciendum  et  pecunias  levan- 
dum  aufgefülirt.  ^)  In  Breslau  findet  sich  1408  bereits  als 
AVeclisler  dcrTliorner  Gotsclialk  Hitfelt,  welcher  in  Thorn 
selbst  ansässig  sein  mochte  und  nun  durch  eigene  Eeisen,  ganz 
wie  der  Tliorner  Hesin  1370,  und  durch  die  Fahrten  seiner 
Diener  seinen  weitverzweigten  Gescliäftsverkelir  besorgte.  ^) 
Das  für  ihr  Geschäft  nothwendige  regelmässige  Eintreffen  die- 
ser Wechsler  in  den  einzelnen  Städten  ^mrde  besonders  durch 
die  Waarenmärkte  in  denselben  erleichtert,  welche  sich 
im  Osten  und  Norden  Deutschlands  ebenso ,  me  in  Frankreich, 
auch  zur  Abwicklmig  der  Wechselgeschäfte  besonders  geeignet 
erwiesen.  ^)     Aehnliche   Wechslergeschäfte ,    wie   Hesin    und 

1)  Theiner,  Monum.  1.  c.  I.  n.  887.  cf.  Neumann,  Wechselgesch. 
Absch.  IIJ.  fin.     2)  Aus  dem  Bresl.  Stadt-Archive  lib.  excess.  et  sign. 

1408.  fol.  63 Ist  vor  uns  komen  Gotschalk  hitfelt  von  Thorun,  und 

hat  uns  gewist  einen  brieff  versigilt  under  seyme  pitschir  eins  solchen 
gemcrkes  ...  in  solchem  lute  Ich  Gotschalk  hitfelt  Burger  zu  Thorun  be- 
kenne offinlicli  mit  diesem  briffe ,  das  ich  hy  mir  gehabt  habe  als  man 
geschreben  hat  noch  gotis  geburt  %arczenhundert  Jar  dornoch  in  dem 
Sechsten  jare  von  ARexio  Sachsen  wegen  Burger  zu  Breslow  czweihun- 
dert  mark  gi\ ,  die  mir  hincze  Bischofswalde  von  seinen  wegen  zu  Tho- 
run yn gelegt  hatte  uff  dieselben  zweihundert  mark  schreib  mir  An- 
dreas Czudmar ,  das  ich  die  Thomas  Weczier  solde  beczalen  von  seinen 
wegen ,  die  ich  im  auch  beczalt  habe  noch  seiner  briflichen  bevelunge. 
auch  so  hat  mir  Johannes  meyn  diener  von  Crocow  brocht  andirhalb- 
hundert  mark  und  czwey  scot  silbii's ,  die  im  d  o  Wenczlaw  Sachenkirche 
von  AUexio  Sachsen  wegen  geantwort  hatte ,  dieselben  andirhalblumdert 
mark  und  czwey  scot  guetes  Crocawischen  Silbers  sante  ich  Laurencio 
Androe  Czudmars  dyner  von  desselben  Andree  Czudmars  wegen  kegen 
flau  dir  n.  Auch  so  hat  AUexius  Sachse  Johanni  meinem  diener  von 
Andree  Czudmars  wegen  beczalct  zu  Breslow  hundert  mark  gr. ,  fUe  mir 
Andreas  Czudmar  gelegen  hatte ,  die  ich  auch  Andree  Czudmar  weder 
gegeben  und  beczalt  habe.  Auch  so  hat  mir  Czeicz  von  der  Ne  i  s  e  becza- 
let  von  Allexio  Sachsen  wegen  hundert  mark  pru&sichs  geldes ,  die  habe 
ich  von  geheise  Andr.  Czudmars  auch  us  gegeben  und  habe  Andr.  Czudmar 
die  hundert  mark  pruissichs  und  alle  das  obgeschreben  gelt  und  silbirgancz 
und  gar  bercchint,  das  iin  wol  genugit  hat,  des  czu  geczugnissc  habe  ich 
mein  pitczir  uff  diesen  brilfgedruckt . .  '•  (v.  H.  Prof.  S  t  o  b  b  e.)  3)  So  heisst 
es  im  Bresl.  Arch.  (lib. excess.  et  sign.)  1404.  fol.  65.  „an  sante  Peter  und 
Pawils  owande  Seint  vor  uns  komcn  Procopj)  Berwg ,  Burger  der  grossen 


ö()-       V.   ;").  IMc  Worluslor,   a.  Deutsolior  Urs})ruiii'-  der  Wechsler.     '^ 

Hitlelt,  betriel)eii  am  Anfange  des  15.  Jahrhunderts  in  diesen 
Gegeudeu  auch  A 1 1  e  x  i  u  s  S  a  c  li  s  e  n  aus  Brcshiu  und  Andreas 


Stat  zu  Präge  und  liat  uns  vorgelegt  wie  das  Piro  Bykerau  von  Vene- 
di e  n  bcy  Im  niit  dem  rechten  vorsperret  habe  czweihundert  Schock  gross., 
die  er  Ulrich  Camcrer  schuldig  ist  gcwest,  und  habe  in  dorumme  vor 
recht  brecht,  auch  beweiste  derselbe  Procopp  einen  bricff,  den  im  Ulrich 
Camerer  under  seinem  eigen  Sigil  gesant  hat  von  derselben  11  c  schock 
wegen  der  von  worte  zu  worte  also  lut.  Dem  ersanien  Procopp  Parwig 
zu  Prag  oder  wo  er  sey  denn  mein  willigen  diust  et  omne  bonum 
lieber  Procop  und  guter  f rund,  als  ich  euch  verschriben  hab  von  der  11  c 
schock  gross,  wegen  die  Ir  von  des  gewandes  wegen  schuldig  seit ,  das  Ir 
die  her  Piro  bykerau  von  Venedien  beczalt,  do  tut  Ir  mir  sunderliche 
frundschaft  und  libe  an.  ..  Ulr.  Kamerer  geben  zu  Cracau  an  ...  1404. 
Und  uff  den  vorgeschreben  brieff ,  und  auch  die  vorgcdochte  vorsprunge 
hat  Procopp  der  vorgen.  denselben  Piro  der  vorgcscr.  II  c  schock  gancz 
und  gar  mit  gereitem  guido  vor  beczalt ,  das  im  wol  genüge  Und  dovon 
so  saget  derselbe  Piro  Ulr.  Camerer  und  Procopen  Berwig  der  vorgen.  II  c. 
schock  vor  sich  und  alle  die  seinen  genczlich  qweit  ledig  und  los  (mitg.  v. 
H.  Prof.  Stobbe.)  —  Im  Danz.  Schöppenbuche  von  1556  fol.  227 '^ 
schwört  Teves  meier,  ,,dath  anno  L VI  in  sanctli  Michels  marckth 
Antonius  antwschowicz  borger  in  posenn  dememerten  niemann,  welcker 
befeil  von  em  gehath  heffth  den  Antonium  tho  manen  aferwiseth  heffth 
vp  thwo  borgerr  thor  Euschenn  launborch  vp  II  c  XII  vnde  IIIC  gülden. ." 
ib.  1567.  fol.  210  ff.  „ . . .  lauft  hirmith  auch  seiner  schuldtt  bricffleiu 
ehr  vormeinet  er  wolle  vonn  Michaeli  Marckth  avs  Posen  zuvor- 
schaffen (die  Schuldsumme)  das  seindtt  wier  zu  friedenn  — "  Neumann, 
Wechselgesch.  p.  2U4  (Beil.  C.)  —  ib.  fol.  136.  ,,Laus  deo  semper.  Ao.  1566 
adi  2.  Aprilis  In  Bresslaw  Ich  Paul  Wichmann  Burger  in  Dantzigk  bekenne 
raitt  dieser  meiner  eigenen  handttschriffth  vor  mich  meine  erbenn  vund 
erbnehmer  das  ich  par  enttpfang  habe  vonn  dem  Erbarnn  Jorge  Reutter 
Vc  thaler,  solche  Tal.  Vc  gelobe  ich  Ime  zu  bezahlenn  auff  negst 
konfftigk  Georgi  nach  gehaltenem  marktt  inn  Danczigk  zu 
zahlenn  mitt  ganghafftigem  gclde  ohn  allem  verzugk  vnkostenn  vnnd 
schadonn  zu  vhrkundtt  der  warheitt  vnd  mehrer  sicherheitt  habe  ich  mein 
gewonlich  pettschicr  hicruntt  alm  wissenthlich  gedrucket.  Act.  ut  supr." 
Derartige  Beispiele  finden  sich  in  grosser  Zahl ;  man  ersieht  aus  ihnen, 
dass  auch  in  diesen  Gegenden  die  hauptsächlichen  Waarenmärkte  von  den 
grossen  Kauficuten  und  den  Wechslern  zur  Abwicklung  ihrer  Wechsel - 
und  Geldgeschäfte  benutzt  wurden,  cf.  Hamburger  Wechsel-Ordn. 
von  1603.  1605.  a.  12.,  Leipziger  W.  0.  1682.  Marktreskript  1621. 
1660.  1669.  Siegel,  corp.  jur.  camb.  1.  fol.  I.  60.  62.  64.  Neumann, 
Wechselgesch.  1.  c.  p.  139.  186.    Christoph  Kuppener,  vom  Wucher 


V.   5.  Die  VVoclisler.   a.  Deutscher  Uisinung  der  Wechsler.       363 

Czudmar.   Alle  diese  beschränkten  sicli  nicht  mehr  auf  das 
Darlelm  und  den  einfachen  Handwechsel,  sondern  übernahmen 


(Leijt/ig:  1508)  (bes.  Beilage  E.  n.  2.)  erwähnt  die  liäufigen  Marktwcchsel 
in  Deutschland  zwischen  Leipzig,  Nürnberg,  Frankfurt  a.  M. ,  Venedig, 
im  Ostermarkt  zu  Leipzig  ausgestellt,  zahlbar  zum  Michaelisniarkt  in 
den  andern  Städten,  et".  A.  2,  2^  8:  „Nu  geschiet  es  doch  teglichen 
yn  vilen  landen,  vn  ist  gern  ein  vnter  den  kaulüeuten  vnd  gescheen  solche 
contract  von  einem  margkte  zu  dem  andern  teglichen  von  vil 
kaurtcuten."  Auch  schon  lange  ist  es  gebräuchlich  gewesen,  ib.  A.  3^: 
„es  ist  langst  ein  gemeine  gewonheit  gewest.  ."  Luther  aber  sagt  hier- 
auf bezüglich  in  seiner  Vermahnung  an  die  Pfarrherrn,  wider  den  Wucher 
zu  predigen  154:0  (cf.  u.  VU.  2.  b.) :  „der  Wucher  sitzt  zu  Leipzig, 
Augsburg,  Frankfurt  u.  dergl.  Städten  und' handelt  mit  Geldsummen 
.  .  auf  jedem  1  ei pzigi sehen  Älarkt  nimmt  man  30  aufs  hundert,  in 
Naumburg  sogar  40.  Das  sind  nicht  Jahr-,  nicht  Mond-,  sondern 
Wochenzinse.  Wer  also  von  100  Floren  40  nimmt ,  das  heist  einen  Bauer 
oder  Bürger  in  einem  Jahre  gefressen.  Hat  einer  10,000  und  nimmt  4000 
d.  h.  einen  reichen  Grafen  in  einem  Jahre  gefressen.  Hat  ein  grosser 
Händler  zehenhunderttausend  und  ninmit  400,000,  d.  h.  einen  grossen 
König  in  einem  Jahre  gefressen ;  und  leidet  darüber  keine  Fahr  weder  an 
Leib ,  noch  an  Waarc ,  arbeitet  nichts ,  sitzt  hinter  dem  Ofen  und  brät 
Aepfel.  Pfui  dich !  wo  zum  Teufel  will  denn  auch  zuletzt  das  hinaus  ?  " 
cf.  auch  die  Eeichsabschiedc  von  1530.  1548  und  die  E.  P.  0.  von  1577 
(und  VI.  2.  a.  E.)  Vergleicht  man  diese  Märkte  mit  den  Champagner 
Wechselmessen  ,  so  erscheinen  dieselben  freilich  nicht  in  dem  weitgreifen- 
den Smne ,  wie  letztere,  als  Mitteli)unkte  des  Waaren-  und  Geldverkehrs, 
doch  erleichtern  und  verbreiten  auch  sie  den  Wechselverkehr  und  fördern 
das  Wechselrecht.  Schon  die  beschränktere  Verbreitung  der  W^echsel, 
die  geringere  Zahl  und  wenig  einflussreiche  Stellung  der  deutschen  und 
fremden  Wechsler  bewirkte  dies.  Thatsächlich  wurde  auch  hier  die  Hand- 
habung des  Geschäftes  vereinfacht,  indem  u.  A.  die  Wechsler  die  Deckung 
für  die  auf  die  Messe  gezogenen  Wechsel  mitbrachten  und  gegenseitige 
Forderungen  dort  gegenrechneten,  vielleicht  sogar  die  Cursc  durch  gemein- 
samen Beschluss  oder  thatsädilichc  Uebereinstimmung  festsetzten.  In 
der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts ,  als  in  den  Wechselordnungen  so  beson- 
dere Rücksicht  auf  die  Messwechsel  genommen  wird,  beeinträchtigt  das 
damals  gerade  erstarkende  Indossament  deren  Bedeutung.  Ihren  Ursprung 
nelimen  diese  Messen  in  den  gcw(')hnlic]icn  Waaren-  und  Jahrmärkten 
der  einzelnen  Städte ,  besondere  Wiehtigkeit  bewahren  unter  ihnen  Dan- 
zig,  Thorii,  Posen,  Breslau,  Naumburg,  Leipzig,  Fnmkfurt,  Augsburg, 
Nürnberg  mit  ihren  Oster  -  und  Michaelismärkten ,  ganz  wie  die  (!ham- 
liagnermessen  zu  Troyes,  Provins,   Laigny,  Bar  sich  aus  den  gewöhn- 


3(>4       V.   5.  Pio  Wechsler,   a.  Deutseliev  Urs]>nin£i-  der  Wechsler. 

auch  Geldsendungen  im  Hansagebiete ,  in  Süddeutschland ,  und 
soirav  liinauf  l>is  nach  Flandern.    Hiev/Ai  mochten   sie   <lurch 


liehen  Jahrinärkten  eiitwiekoln .  in  doiicn  auch  später  noch  stets  Leder 
und  TucIl  die  Hauptaitikel  waren  (Martens,  Ursprung  d.  W.  S.  16. 
Memo'.ves  pour  Thistoire  de  Troj'es.  —  Fremery,  etudes  p.  14.)  Die 
Zahlungen  und  Wechselgeschäfte  scheinen  schon  in  älterer  Zeit  am  Ende 
der  Marktdauer  ahgeniacht  zu  sein ,  wieder  wie  in  dianipagne  seit  1250. 
(S.  3(51.  N.  2.)  Später  hatte  man  sogar  eine  genauere  Eintheilung  der 
Messzeit,  eine  bestimmte  Acceptsfrist ,  die  Zahlung  am  Schluss,  den  Hin- 
weis auf  Scontro.  cf.  a.  12.  der  Hamburg.  Wechs.  Ordn.  v.  1605.  Neu- 
mann, Wechselgesch.  p.  186.  cf.  Leipziger  W.  0.  1682.  Hier  wie  dort 
domizilirt  man  zahlreiche  Wechsel ,  gezogene  und  eigene ,  auf  die  Märkte, 
desgleichen  Averden  beiderseits  daselbst  Zahlungen  aus  andern ,  als  Han- 
delsgeschäften ,  zugesagt.  Wechsel  derart  datiren  bis  zum  Anfange  des 
15.  Jahrhunderts  zurück ,  die  Marktwechsel  werden  sich  deshalb  Avohl  bis 
weit  in  das  14.  Jahrhundert  hinein  verfolgen  lassen,  wo  Wechsel  (Tratten) 
und  Märkte  hier  grössere  Verbreitung  erhielten.  Auch  die  Cl>ampagner 
Messen  beginnen  mit  dem  ersten  Aufblühen  der  Tratten  (Martens,  1.  c. 
p.  14.)  Von  PriA-ilegien  der  Wechselmärkte  aus  früherer  Zeit  ist  bis  jetzt 
Nichts  bekannt.  Vornehmlich  eine  besondere  Behörde ,  wie  dort  die 
maitres  des  foires ,  custodes  nundinarum  (Biener,  1.  c.  p.  38.  n.  3.4.)  mit 
Jurisdiktion  für  die  Marktgeschäfte  bestand  nicht,  sondern  diese  Geschäfte 
wurden  vor  dem  ordentlichen  Eathe  und  Gerichte  des  Messortes  abgehan- 
delt ,  das  lag  schon  in  der  Zahl  und  Stellung  der  hiesigen  heimischen  und 
fremden  Wechsler  und  Kaufleute  begründet.  Ihre  Banken  richten  diese 
Wechsler  thatsächlich  auf  den  deutschen  Märkten  auf,  ebenso  wie  später 
auch  die  aus  Italien  und  Flandern  eingewanderten.  Dass  besondere  Con- 
cessionen  ihnen  hierzu  ein  Recht  gaben ,  ist  anzunehmen  (cf.  V.  5.  a.  d.  f.) 
cf.  für  die  Champagne  Martens,  p.  38.  51.  Fremery,  p.  16  (1278. 
1294.  1328)  Später  erst  gehören  zu  dergleichen  Privilegien ,  welche  sich 
u.  a.  in  den  ersten  Wechselordnungen  finden  ,  gekürzte  Fristen  des  Pro- 
testes resp.  Prozesses,  die  schnelle  Exekution  und  höherer  Wechselgewinn 
(cf.  bes.  Beil.  E.  n.  2.  und  schon  a.  12  der  Hamb.  Wechs.  Ordn.  Neu- 
mann, 1.  c.  p.  174 ff.  Luther,  1.  c.)  den  man  mit  der  grösseren  Gefahr 
und  Arbeit  obenhin  rechtfertigen  wollte.  Ebenso  in  Champagne  (Olim. 
T.  m.  pref.  p.  LXXn.  1311.  cf.  auch  Biener  1.  c.  §.  4.  a.  E.,  §.  6.  n.  5.) 
Exekution  gegen  die  Landleute  des  säumigen  Schuldners  war  in  deutschen 
Handelsgebieten  ganz  gewöhnlich ,  in  Champagne  ein  Privileg  der  rechts- 
kräftigen Messforderungen  (Ordonnance  von  1304.  Martens,  1.  c.  p.  15.) 
(In  Flandern  erlaubte  Kaiser  Friedrich  Barbarossa  Dies  1173  für  den  Fall, 
dass  die  flandrischen  Kaufleute  beim  Gerichte  nicht  Recht  fanden.  Warn- 
könig,  Flandrische  R,  G.  I.  Anh.  p.  39.      Die   Scholaren  haften   aber 


V.   5.  Die  Wechsler,   a.  Deutscher  Ursprung  der  Wechsler.      365 

die  einzelnen  italischen  und  niederländischen  Wechsler  bewo- 
gen sein,  welche  seit  dem  15.  Jahrhundert  m  diesen  Gegenden 
besonders  den  Geldtransport  nach  den  Niederlanden  und  vor- 
nelimlich  nacli  Italien  leiteten  (cf.  V.  5.  b.  d.) 

Eine  gleiche  Stelle ,  als  jene  obigen  deutschen  Wechsler, 
ninnnt  in  Co  In  1300  Constantinus  de  Lysolskirgen  ein,  *) 
in  Brieg  im  14.  Jahrhundert  der  Christ  Pezco  Cyndal, 
insbesondere  in  den  Geldangelegenheiten  Herzogs  Ludwig  von 
Brieg.  ^)  Reisen  der  Art,  wie  obige  Wechsler  sie  im  14.  und 
15.  Jahrlnmdert  zwischen  den  einzelnen  Städten  ihres  Ge- 
schäftsbetriebes in  ausgedehnter  Weise  machten,  wurden  spä- 
ter immer  weniger  nöthig ,  da ,  abgesehen  von  der  wachsenden 
Wichtigkeit  der  Märkte  auch  die  einzelnen  Weclisler  m  den 
Handelsorteu  sich  in  regelmässige  Geschäftsverbindung  setzten 
und  so  bis  zu  den  nächsten  Märkten  auf  einander  ziehen  konn- 
ten, wie  in  Italien,  Frankreich,  Flandern  die  italienischen  und 
französischen  Contore.  ^) 

1488  ferner  schreibt  der  König  von  Polen  an  Danzig, 
ein  Krakauer  Kaufmann  „  coram  nohis  qiiestiis  est ,  qiiod  dum 
eidem  Johanni  peyczmer  22o  m.  jy^'utlien.  tamquam   liosp'di 


bekanntlich  nicht  derart,  nach  der  J.M<7jew<{ca  Habita  C.nefil.x>TO  patre. 
Savigny,  Gesch.  d.  R.  R.  III.  170.)  Vornehmlich  des  höheren  Wech- 
sel -  (Zins)  geA\innes  wegen  gab  man  auch  hier  gewöhnlichen  Wechseln 
und  Schuldscheinen  die  Form  von  Messwechseln  (cf.  V.  5.  f.  Kuppen  er, 
1.  c.  A.  5.  (1508) ,  eine  Umgehung  des  Wucherverbotes ,  gegen  die  mau 
hier,  wie  in  der  Champagne,  eiferte  (Olim,  T.  II.  p.  303.  n.  14.  (1290) 
p.  470.  n.  5.  (1304)  Ordonn.  von  1311.  Martens,  1.  c.  p.  20).  Um  trotz 
dieser  Verbote  den  Vortheil  zu  erhalten,  unterwarfen  in  Südfrankreich 
die  Parteien  sich  vor  dem  Notar  dem  rü/ori  nundinarum  Briae  et  Cam- 
IHiniue  (15(X).  Bricgleb,  Exek.  Pr.  II.  p.  405.)  Aehnliches  thaten  die 
Florentiner  Wechsler,  cf.  Martens,  p. 56. Anh.  p. 4,  und  die  Genucser  im 
16.  Jahrhundert,  Rotae  Gen.  Decis.  XXIII.  So  lautet  in  unsern  Gegenden 
(Sachsen)  die  früher  übliche  Verpflichtung  nach  Leipziger  Wechselrecht 
bei  einfachen  Schuldscheinen.  Man  sieht,  wie  wenig  von  dem  bis  jetzt 
hierüber  Bekannten  uns  von  der  heimischen ,  natürlichen  Entwicklung 
auf  italische  Einflüsse  verweist. 

1)  Lacomblet,  Urk.  B.  11.  n.  1047.  1058.  2)  cf.  schles.  Prov. 

Arch.  handscbriftl.  Brieger  Lehn  und  Erbe.  H.  Cand.  Rössler  3)  cf, 
Beilage  E.  n.  2.  Corresponsalcn,  bancharii. 


366     V.   5.  Die  Wechsler,   b.  Italiciiischov  ürs]iriing  der  Wechsler. 

suo  crcdidisset  et  ad  c  am  htm  dum  in  florenos  dedis- 
sct."^)  Der  Gesandte  Daiizig's  nimmt  von  E_vlau,  avo  ihm  ein 
Sclmldner  3500  m.  zalilte ,  diese  Snmme  yai  einem  Gläubiger 
Danzigs  nach  Barten  (Ostpreussen) ;  empfängt  er  es  von  dem 
Schuhlner  nicht  in  ., alten  Talern,"  so  soll  er  zuvor  bei  Sig- 
mund Scharfen  in  Königsberg  das  Geld  verwechseln. 
1583  wird  in  Krakau,  wo,  wie  in  Breslau,  schon  seit 
dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts  mehrere  derartige  Wechsler 
besonders  zur  Versendung  der  gesammelten  Kirchengelder 
sich  genannt  finden ,  '^)  u.  a.  ein  Darlehn  des  Stanislas  Turszo, 
Grafen  von  Zyps,  an  Danzig  von  20,000  Thalern  in  ungarische 
Gulden  umgewechselt.  ^)  Weitere ,  auch  archivalische  Beläge, 
welche  sich  jetzt  bereits  bei  jeder  neuen  archivalischen  For- 
schmig  in  Menge  finden,  können  nur  obige  Thatsachen 
bestätigen. 

b.  Italienischer  Ursprung  der  Wechsler. 
Schon  seit  dem  8.  Jahrhundert  errichteten  die  italieni- 
schen Haupthandelsplätze,  Amalfi,  Aukona,  Venedig,  wie 
bekannt,  dann  auch  französische  Handelsorte  Niederlassungen 
im  Oriente  zm'  Ausbreitung  des  Handels.  Die  Blüthe  dieser 
Niederlassungen  überdauerte  die  ihnen  besonders  nützlichen 
Kreuzzüge.  *)  Auf  solchem  Fundamente  erhob  und  verbreitete 
sich  der  weitverzweigte  Geld  -  und  Waarenliandel  der  italischen 
Kaufleute  und  Wechsler  (Bankhäuser)  über  Frankreich ,  ^)  die 


1)  Banz.  Arch.  Urk.  3,  324.  ib.  Urk.  41.  D.  42.  (1480)  —  cf.  auch  Urk. 
n.  13208 ib.  1580.  2)  Breslauer  städt.  Arch.  lib.  excessuum et signaturar. 
ad  h.  t. ,  dann  1415.  1419.  (v.  H.Prof.  Stobbe.)  3)  Danz.  Arch.  Urk.  n. 
13211.  4)  Martens,  Urspr.  d.  W.  p.  12.  —  Memoires  de  Tacad.  des 
inscriptions.  T.  XXX\^n.  p.  476  (de  Guigncs).  5)  Seit  dem  12.  Jahrh. 
bereits  begannen  die  Kaufleute  von  Asti  ihren  transalpinischen  Geldlian- 
del,  zuvörderst  mit  Frankreich,  und  hielten  sich  hier,  obgleich  Lud- 
wig IX.  schon  1256  150  derselben  verhaften  und  ihre  ausgeliehenen  Be- 
träge von  800,000  Livres  mit  Beschlag  belegen ,  sie  selbst  aber  an  den 
Grafen  von  Savoyen  ausliefern  Hess  (M  u  r  a  t  o  r  i ,  scr.  rer.  Ital.  XI.  p.  142  ff.) 
Derselbe  König  verbannte  1268  alle  Wechsler  aus  der  Lombardei  und 
Cahors  (Sismondi,  histoire  des  Fr.  .^aiL  p.  112.)  1277  \viederholte 
sich  das  Verfahren ,  wobei  die  französische  Regierung  120,000  Goldgulden 
gewann  (Giov.  Villani  VII.  52).  Danach  traten  die  Wechsler  aus  Lucca 


V.  5.  Die  Wechsler,   b.  Italienischer  Ursprung  der  Wechsler.     367 

Niederlande  und  England.  Die  Commauditen  der  grossen  ita- 
schen  Bankliäuser  folgten  den  Kaufleuten  in  die  Fremde ,  um 
ihnen  bei  Regulirung  des  von  ilinen  im  Eigenhandel  eingenom- 
menen Geldes,  zur  Ermöglichung  ihrer  Geldgeschäfte,  Geld- 
sendungen nach  und  von  der  Heimat  u.  s.  w.  erwünschte 
Dienste  zu  leisten. 

Es  konnte  nicht  ausbleihen ,  dass  sie  in  dersel1)en  Weise 
sich  auch  in  den  Handel  Deutschlands  Eingang  verschaft'ten, 
und  hier  sowol  als  Kaufleute,  wie  als  "Wechsler  anzutreffen  sind. 

Besonders  in  Suddeutschland  musste  dies  bei  den 
steten,  unmittelbaren,  alten  Handelsverbindungen  zwischen 
Italien  und  den  Märkten  Süddeutschlands  zutreffen.  Zahl- 
reiche Nachrichten  über  italische  Handlungshäuser  und  Wechs- 
ler, über  deren  nicht  blos  vorübergehenden  Aufenthalt  an  die- 
sen Orten  finjlen  sich  schon  trotz  der  vielfach  noch  so 
mangelhaften  Kenntniss  der  Archive  z.  B.  für  Worms  1234, 
1273,  für  Siegburg  bei  Bonn  1308,  für  Bingen  1353,  Solo- 
thurn  1382,  ^)  für  Nürnberg  seit  dem  15.  Jahrhundert.^)  Han- 
delsverbindungen zwischen  Constanz  und  Italien,  Spanien, 
andererseits  mit  Südfrankreich  und  Flandern  vom  Anfang  des 
15.  Jahrhunderts  sind  nachzuweisen.  ^)  Aus  einem  Wechsel 
über  1000  Pf.  kleine  Turnos ,  ausgestellt  in  Metz,  zahlbar  in 
Strasburg  von  1328  lässt  sich  die  Theilnahme  Süddeutschlands 
an  den  Wechselmessen  Frankreichs  schliessen.  ^)  Die  vielfach 
u.  a.  auch  von  B  i  e  n  e  r  ^)  aus  M  e  n  c  k  e  n  *^)  entnommene  Nach- 
richt von  der  Uebersendung  von  25,000  mrk.  Silbers   durch 


und  Florenz  an  die  Stelle  der  Lombarden.  Die  Erpressungen  wurden 
an  ihnen  und  durch  sie  fortgesetzt  (Sismondi,  Gesch.  d.  italien.  Repu- 
büken  IV.  p.  602.  V.  257 if.  VU.  p.  74.  —  bist,  des  Fr.  VUI.  p.  429  If.) 
Dante,  Inferno  XXI.  38.  Man  ersieht,  wie  ihre  Schicksale  wesentlich 
mit  denen  der  Juden  in  Deutschland  (V.  4.  e.)  übereinstimmen. 

1)  Mone,  Zeitschr.  z.  Gesch.  d.  ObeiTh.  IV.  p.  11. 16.  YIll.  270.280. 
Zeitschr.  f.  Handclsr.  cd.  G  o  1  d  s  c  h  m  i  d  t ,  \1.  i».  545.  2)  B  r  e  s  1  a  u  e  r 
städt.  Arch.  lib.  excess.  et  signatur.  —  Roth,  Gesch.  d.  Nüriib.  Handels 
I  — rv.,  Falke,  Gesch.  d.  deutsch.  Handels  I.  p.  28.5.  3)  cf.  Mone, 
1.  c.  rv.  p.  3  ff.,  29 ,  43.  46  ff.,  ib.  XIV.  ]).  78.  4)  M  o  n  e ,  Zeitschr.  1.  c. 
XIV.  p.  78.  5)  p.  67.  Wechselr.  Abhh.  6)  Scr.  rer.  Germ.  II.  p.  1735. 
Jobann  Rotbcns  Thüring.  riironik.) 


3()8     V.   5.  Dio  Wechsler,   b.  Italieiiisclier  Ursiirung  der  Weclisler. 

Pabst  Iiinocenz  IV.  niittelst  Wechsels  aus  Venedig  nach 
Fianlvfurt  a.  M.  124G  verwu-ft  Kriegk^)  als  unecht  wegen 
der  Wecliselzahlung  (?)  und  der  Hölie  der  Summe.  Er  giebt 
dagegen  Zeugnisse  für  Geld  -  und  Handelsverbindungen  zwi- 
schen Mainz  und  Heidelberg  mit  Italien.  ^)  Im  Stadtrecheu- 
buch  von  Frankfurt  (p.  53o)  wird  unter  Michaelis  14U3  eine 
Sendung  nach  Mainz  erwähnt  „als  man  mit  den  L  um  harten 
tediugte  von  des  wessils  wegen  als  gein  Rome  von  Weiders 
(Heinrich  Weider,  Frankfurts  Gesandter  in  Rom)  wegin  gemacht 
waz."  Im  Juli  hatte  man  sclion  den  Stadtschreiber  nacli  Mainz 
geschickt  „zu  erfarnvon  geltes  wegen  an  dem  we sseler, 
daz  man  gein  Rome  verwessit  hatte."    Im  Rechenbuche  von 

1405  begegnen  Verhandlungen  des  Richters  Dielmann  Gast  in 
Rom;  unter  den  Ausgaben  dafür  heisst  es:  „Dilmann  mit 
zwein  pherden  zu  Heidelberg  lagin  und  eins  wesselbrieffs  beydte." 
Ebeudort  werden  2  Wechsel  nach  Rom  und  vier  nach  Cöln 

1406  erwähnt.  ^)  Zweifelhaft  über  die  Ansässigkeit  italischer 
Wechsler  in  Frankfurt  lässt  Kriegks  Citat,  dass  über  einen 
nach  Rom  gesandten  Wechsel  gesagt  werde,  ein  gewisser 
Warmuter  habe  1396  dafür  4572  A-  erhalten,  dass  er  dem 
Frankfurter  Gesandten  m  Rom  40  fl.  mit  einem  Wechsel  z  u 
Rom  bestellen  sollte.  (13^/4  Proc.  Aufgeld).  Aber  in 
Oppenheim  siedeln  sich  nachweisbar  bereits  1360  unter  Kaiser 
Karl  IV.  italische  Wechsler  an;  der  Kaiser  selbst  erklärt  hier: 
„ . . .  daz  vns  furbracht  hat  Heincze  zum  jungen  Schultheisz  ze 
Oppenheim,  daz  es  vns  vu  dem  rieh  nuczlich  sey,  daz  wir 
Kawerczin  nemen  vn  seczen  in  vnser  vn  des  richs  stat  ze  Oppen- 
heim. ^)  Im  15.  Jahrhundert  sind  italienische  Wechsler  in 
Nürnberg  thätig,  in  Tübingen  zeigen  sich  deren  deutsche 
Nacheiferer.  •'')  Daher  heissen  wie  in  Norddeutschland,  so  auch 
hier  viele,  ja  allgemein  die  Wechsler  Lombarden,  L  a  m  p  a  r- 
ter,  Luramerte,  Walen  (d.  h.  Wallonen,  nicht  Welsche), 
cawer- (gower)  tschen,  caorcini,  *^)  und  hier  gerade  in 


1)  Frankf.  Zust.  im  Mittelalter  p.  332.  333.  2)  Frankf.  Zust. 

Anrn.  201.  3)  ib.  Anm.  202.  p.  533.  4)  Glafey,  Anecdota  408. 

5)  cf,  Roth,  Gesch.  d.  Nürnb.  Handels  IV.  p.  286.        6)  Die  Herleituug 
dieses  Namens  ist  noch  immer  zweifelhaft.    Möglich,  dass  man  damit 


V.  5.  Die  Wechsler,  b.  Italienischer  Ursprung  der  Wechsler.    309 

Süddeutsehlaiul  findet  sich  unter  den  Gesclilechteniamen  nach 
dem  Orte  der  Abstammung  auch  derjenige  „unter  den 
Wale  n"  (inter  Latinos).  ^)  Dasselbe  Resultat  erweisen,  gegen- 
über den  Urkunden  der  Parteien,  schon  der  Schwaben  Spie- 
gel-) in  der  bekannten  Stelle:  „no,  ob  in  einer  stat  ofent- 
lichen  wuochrer  (usurarii  publici)  sint  wer  is  da  schuldig  an  ? 
der  herre  is  daran  schuldic ,  des  die  stat  is  vn  der  richter ,  ob 
er  sie  nicht  riieget,  als  er  sol;"  dann  das  Fr  ei  bürg  er  Stadt- 
recht (1.  c.  IL  1.  p.  131  (1399)),  das  Münchener  Stadtrecht 
(1.  c.  im  14.  Jahrhundert  a.  288.  p.  IIL),  der  Layenspiegel 
(1.5.)  und  für  Mitteldeutschland  besonders  Purgoldt  (Rechts- 
buch VIII.  c.  30.) 

In  Norddeutschland  bieten  den  Anhalt  für  die  Ein- 
wirkmig  italischer  Wechsler  auf  die  Ausbreitung  der  Wechsler 
daselbst  die  weite  Verbreitung  italischer  Kaufleute  über  das 
ganze  Gebiet  des  hanseatischen  Handels  seit  verhältnissmässig 
früher  Zeit.  Schon  vor  Gründung  der  grossen  italischen  Bank- 
kommauditen  in  Flandern  verbietet  die  zweite  Skraa  von 
Nowgorod  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  jede  Handelsgemem- 
schaft  mit  Russen,  Walen  (Wallonen),  Flämmgern  und  Eng- 
ländern zur  Hebung  des  Handels  der  Hanseaten  selbst.  ^)  In 
Schlesien  finden  sich,  wie  S.  376  ff.  zu  zeigen  ist,  schon  am 
Anfange  des  14.  Jahrfiunderts  Andeutungen,   seit   der  Mitte 

zuerst  nur  die  Wechsler  aus  Cahors  bezeichnete ,  welche  Ludwig  IX.  von 
Franb-eich  12G8  verbannte  (Sismondi,  histoire  des  Fr.  VIII.  p.  112),  sein 
Nachfolger  1277  ebenso  (Giov.  Villani,  VII.  52),  und  dass  man  später 
den  Namen  als  Gattungsnamen  auf  alle  Wechsler  aus  Italien,  Frankreicli, 
Flandern  ausdehnte.  Röscher,  I.e.  §.187.  Nur  ist  hiergegen  zu  bemerken, 
dass  Cahors  lateinisch  Cadurcum  oder  Divona  gewöhnlich  genannt  wird, 
und  ein  Mann  aus  Cahors  nicht  Caorcinus ,  sondern  Cadurcensis  heisst. 

1)  cf.  Arnold,  Verfass.  Gesch.  1.  c.  II.  p.  203.  cf.  du  Gange  (ed. 
Helschner)  glossar.  voc.  lonibardi.  caorcini.  —  Das  Priv.  Friedrichs  I.  115G 
(Pertz,  legg.  11.  101)  ist  unecht.  Haltaus,  glossar.  voc.  gowertschen. 
Tschudi,  chron.  I.  417.  Wegclinus,  Trakt,  v.  d.  kaiserlichen  Land- 
vogtei  in  Schwaben  I.  IIG.  Märten  s,  Urspr.  1.  c.  p.  21  ff.  Hüll  mann, 
1. c.  n. 26ff.  38ff.  Verbindung  Süddeutschlands  mit  den  Champagner 
Messen  1298  cf.  Mone,  IV.  p.  48— .50.  2)  Wackernagel,  14.cf.ob. 
3)  Sartorius-Lappenberg,  Hansa  p.  131ff.  —  cf.  lüb.  Urk.  B.  I. 
n.  430  (1282)  Ital.  Kaufmann  in  Lübeck  (?) 

Ncutnann,  Gesch.  d.  Wucbers.  24 


370     V.  T).  "Die  Woclislor.    b.  Ilalioinsohor  I'rspniiig  der  Wcclislcr. 

des   14.  Jalirliuiuierts   sogar   bestimmte  Nachweise  über  die 
Existenz  italisclier  Kaudeute.   l.'UG  ist  den  Hanseaten  verbo- 
ten, Fremde,  namentlich  Lombarden,  nach  Kussland  zu  führen. 
In  England  wohnte   im  13.  Jahrhundert  bereits   eine  grosse 
Zahl  italischer  Kaufleute,  welche  zugleich  bewirkten,  dass  die 
englischen  Könige  für  ihre  Vertreter  in  Italien  Geld  durch  ita- 
lische Wechsel  übersandten.  ^)    In   den  Niederlanden  blülite, 
wie  bekannt  ist,  das  Geschäft  der  italischen  Kaufleute  bereits 
vor  dem  14.  Jahrhundert,  also  vor  dem  Auftreten  der  grossen 
italischen  Bankkontore.    Sie  betrieben   hier  vornehmlicli  den 
Zwischenhandel  zwischen  Süd  -  Europa  und  dem  Hansagebiete 
mit  südländischen  Produkten,^)  so  1473  Kaufmann  Portner 
(Portinari)   van  florente  van   der  banck  van  medicis  bynneu 
brügge  residerende  ^)  —  1474  Johann  Doryes  von  Genua  und 
seine  Gesellschaft  in  Flandern.   Man  unterzeichnet  1474  kauf- 
männische Urkunden  mit:  „consul  et  ceteri  mercatores  Ge- 
nuenscs  Briigys  commorantes."  *)   Diese  Lombarden  stehen  im 
nordischen  Handelsgebiete  in  besonderem  Ansehn  und  werden 
vornehmlich  gefürchtet  wegen  ihrer  Geldmacht  und  Haudels- 
kenntniss.    1478  '"')  wirken  sie  in  einem  Streite  mit  Hanseaten 
Breves  der  Päbste  gegen  jene  aus.   Die  Alderleute  des  deut- 
schen Kaufmanns  in  Brügge  ratheu  1480,'')  den  Streit  nicht 
vor  den  Herzog  von  Burgund  zu  bringen;  denn  die  Lombarden 
setzten  bei  Dim  ihren  Willen  durch ,  weil  „  enighe  lumbarden 
den  heren  grose  summen  van  penuingen  vp  financien  ghedaen 
hebben."    1496  rathen  dieselben,^)   die   Hanseaten   möchten 
ihre  Sache   dem  Erzherzog  Philipp  von  Oesterreich   anheim- 
geben, der  jetzt  in  Deutschland  weile,  „dann  vff  te  hyr  wer, 
want  dant  de  walen  vnd  borgonnorus  (Burgunder)  vile  zchores 


1)  cf.  Lappenberg,  Gesch. Engl.,  l'ortges.  v.  Pauli,  III. p. 324. 327. 
331.  482.  zur  Zeit  Johanns  ohne  Land  1199.  1206.  1207. ,  Heinriclis  III. 
125.5  (Rymer,  Foedera  p.  316.  365.)  Eine  Zusammenstellung  der  Nach- 
richten über  italische  Kaufleute  und  Wechsler  in  England,  desgleichen 
über  die  Geldbezügc  der  Päbste  von  dort  durch  „  nostri  cavq^sores"  bei 
B  i  e  n  c  r ,  wechselr.  Abhh.  (1859)  p.  63  —  68.  2)  cf.  auch  Dan  z.  Arch. 
Urk.  18,  42.  (1441) ;  21 ,  88  (1473).  3)  ib.  19 ,  112 ;  20 ,  219  (1474)  21, 
99.  1.  2.  4)  cf.  ib.  21,  99.  2.  5)  Danz.  U.  21 ,  107.  6)  ib.  21,  110. 
7}Danz.  Urk.  21,  162  a. 


V.  5.  Pic  Wechsler,  b.  Ttalieiiisclicr  TTrs]M-iing  der  Wechsler.    371 

by  em  hebben."  ^)  In  Lübeck  selbst  wird  1  tSo  u.  A.  der  Wale 
Antonius  genannt,  der  für  den  Grossfürsten  von  Moskau  Kriegs- 
geriltli  einkauft  und  Mannschaften  wirbt ,  ^)  in  Haml)urg  be- 
gegnet Gerardo  de  Boere,  ein  Italiener,  in  derselben  Zeit,  ^) 
1473  in  Danzig  ein  italienischer  Schiffsbaumeister:'*)  „Item 
auf  der  pasca  obent  starb  ein  lummert  c/ai  Danczk,  der  hatte 
do  ein  grosz  schiff  gebaut  von  51  eleu  kiles,  vnd  auf  den  pas- 
.  cantag  fürten  sie  in  czuden  carteusern,  do  war  er  begraben."  ^) 
Hinsiclits  der  italischen  Wechsler  selbst  ist  Folgendes 
zusammenzustellen.  Bei  der  Einsammlung  der  päbstlichen 
Einkünfte  aus  Polen  und  Litthauen  seit  dem  12.  Jahrliundert 
ward  bereits  der  Weclisel  der  einheimischen  Münzen  in  Gold 
durch  Krakauer  Kaufleute  erwähnt.  Die  Päbste  konnten  hier 
ebensowenig ,  wie  in  England ,  Frankreich  ,  Flandern  eigene 
Wechsler  allein  für  die  Anweisung  der  päbstlichen  Gelder 
unterlialten ,  zumal  hier  nicht,  wie  in  England,  gesetzlich  ver- 
boten war ,  baares  Geld  ausser  Landes  zu  führen.  ^)  Allein 
auch  einheimische  Wechsler  konnten  hier  nicht,  wie  in  jenen 
Gebieten,  zu  „nmiri  campsorcs"  der  Curie  ernannt  werden; 
denn  die  Handelsentwicklung  war  hier  nicht  so  weit  vorge- 
schritten, um  die  eingeborenen  Plandelsleute  zu  Wechslern 
befähigt  zu  machen,  noch,  um  die  italisclien  Bankhäuser,  etwa 
von  Flandern  her,  zur  Errichtmig  von  Commanditen  zu  ermu- 
thigen.  Fehlte  doch  neben  dem  Geldverkehre  hier  auch  fast 
ganz  der  Markt  für  den  in  Flandern  so  einträglichen  Zwischen- 
handel jener  Lombarden  mit  südländischen  Produkten.  Dazu 
kam ,  dass  die  immer  nur  vereinzelte  Ansiedlung  solches  Lonj- 
barden,  we  sie  im  15.  Jahrhundert  erst  in  Lübeck ,  Breslau, 
stattfand,  demselben  nicht  den  sichern  Rechtsschutz  eigener 
Gerichte   der  Consuln   gewährte,  gegenüber  der  allgemeinen 

1)  cf.  noch  Sartör. -Lappenberg,  Hansa.  I.  Handel  mit  Niederl. 
2)  9.  A.  2G.  Danz.  Arch.  (1454).  3)  28 ,  133  a.  ib.  4)  cf.  Kaspar  Woin- 
reichs  Danziger  Chronik  cd.  Hirsch  ujid  Vossberg  p.  12.  5)  U.  84. 
n.  1279  (1492)  ib.  G)  cf.  Neumann,  p.  19.  —  Uebrigens  schon  1283 
sendet  der  Rath  Lübecks  die  bei  ihm  deponirten  (Jelder  der  Curie  durch 
einen  domizil.  Eigenwechsel  mit  2  (3)  Personen  {m\i  camhium  j)ecuniut) 
einem  Brügger  Kaufmann  und  durch  ihn  dem  Brügger  Lombarden  Bonifaz 
de  Orio.  Lüb.  Urk.  B.  I.n. 450. 40^  (1283. 1284)  Mitth.v.  H.  Fr.  Stubbe. 

24* 


312    V.   5.  Die  Wcclislor.   b.  Italionischov  Ursprung  der  Wechsler. 

Eechtsunsiclierlieit.    Als  indess  vor  und  bei  der  Uebersiede- 
lung  derPäbste  nach  Avignon  am  Anfange  des  14,  Jalirli.  sicli 
die  grosse  Zalil  der  Bankkoninianditen  der  Frescobaldi ,  Scali, 
Acciajoli,  vor  Allem  der  Peruzzini,  und,  nach,  deren  Fall  1329, 
der  Bardi  in  Flandern  errichteten  ^),  öffnete  sich  eine  bleibende 
EinAvirkung   dieses   Wechsler  -  Institutes    auf   den  deutschen 
Handel.   Die  Ueberbringer  jener  päbstlichen  Gelder  aus  den 
östlichen  Distrikten   des   deutschen  Eechtsgebietes  brachten 
jetzt  die  Gelder  gewechselt,  oft  auch  ungewechselt ,  nicht  mehr 
direkt  an  den  päbstlichen  Hof,  sondern  traten  in  stete  Verbin- 
dung mit  jenen   Connnanditen  der  Niederlande,   welche   aus 
dem  ganzen  Norden  bereits  die  Gelder  der  Christenheit  dem 
päbstlichen  Hofe  zufülirten.  ^)  Da  die  Transporteure  der  Gel- 
der noch  bei  der  Weiterbeförderung  ilirer  Summen  nach  Avi- 
gnon durch  Wechsel  in  Brügge  zugegen  waren ,  kamen  sie  hier 
allgemein  zuerst  in  unmittelbare  Berührung  mit  diesem  Insti- 
tute.  Wie  bald  sie  trachteten ,  das  Erlernte  anzuwenden ,  zei- 
gen jener  Thorner  Bürger  Hesin ,  „praesens  ad  camhiendum 
seu  camhia  faciendum  et  pecunias  levandum /^  ^)  und   seine 
oben  erwähnten,  etwas  später  auftauchenden  Collegen  in  Breslau 
(Abschn.  a.).  Ja,  gerade  auf  diesem  Wege  des  bisherigen  Baar- 
tronsportes    fanden    zuerst    die  italischen    und   flandrischen 
Wechsler  selbst,  wie  unten  zu  zeigen  ist,  ihren  Eingang  in 
das  binnenländische  Hansagebiet. 

Zuvörderst  aber  beschränkte  sich,  und  fast  ein  Jahrhun- 
dert hindurch,  die  Einwirkung  der  italischen  Wechsler  auf  den 
nj^rddeutschen  Handels-  und  Wechselverkehr  lediglich  auf 
deren  Betheiligung  an  den  auch  für  Nord- West -Deutschland 
so  wichtigen  Champagner  Wechselmessen  seit  dem  Anfange 
des  13.  Jahrhunderts.  Wie  in  Süddeutschland  sich  einiger 
Anhalt  für  die  Verbindung  mit  den  französischen  Wechsel- 
messen bot ,  so  geschieht  dies  hier  noch  in  festerer  Form ,  ins- 
besondere zwischen  Cöln,  Lübeck  und  den  Champagner  Messen. 


1)  Schon  1284  Bonif.  de  Orio.L üb.  U.  B.  I.  n.461.  —  Della  De- 
cimall.  127.  137 if.  2)  cf.  Neumann.  p.SSif.  Theiner,  Vet.  Moüum. 
1.  c.  I.  n.  183  u.  a.  3)  1370.  Theiner,  1.  c.  I.  n.  887.  ~  Eine  Ausnahme 
schon  1283.  cf,  p.  371.  N.  G.  p.  375  ff. 


V.   5.  Die  Wcdi.slcr.   It,  Italionisclier  Ursprung  der  Wechsler.    373 

Vor  Allem  sind  liier  zu  iieimeii  die  Quellen  z.  Geschichte 
der  Stadt  Cöln  IL  n. 40  (1213),  wo  der  Erzbischof  von  Cöln 
durch  einen  hi  llom  ausgestellten  eigenen  Wechsel  verpflichtet 
wird,  die  Schuldsumme  auf  der  nächsten  Wechselmesse  den 
Vertretern  der  römischen  Gläubiger  zu  entrichten,  eine  auch 
für  die  Geschichte  der  Wechselmessen  höchst  wichtige  Urkunde.  ^) 
4  Cöln  er  Canonici  in  Romana  curia  constituticonstitdimus 
nosfidejussorcs  et  principales  dchitorcs  nnusquisque  in  soli- 
dum  erga  P.  (4  Namen   römischer  Kaufleute)  ^jro  domino 
TJi.  Colo n i e n s i  acpo  videlicet  de  625 marcliis . . .  quas  mar- 
clias  dicti  mcrcatores  cidem  aepo  in  romana  curia  mutuo 
concesserunt  ...  quas  etiam  marcJias  idem  arcliiepiscopus 
et  ecclesia  sua  tenentur  reddcre  eisdem  mercatorihus 
vel  cor  um  certo  nuncio,   qui  litteras  istas  etlittcras 
ipsius  aepfi  secum   attiderit  in  proximis  nundinis 
sancti  agilulß  apud  Pruvinum  quatuor diehus antequam 
clamctur  h a r e ,  liare,  tali  tenore  adjuncto,  quod  si xwe- 
dicta  pecunia  soluta  non  fuerit  predicto  loco  et  termino  . . . 
ae2)us  et  ecclesia  sua  tenentur  eisdare  nomine  2^  e^^e  de  sin- 
gulis  nundinis  in  nundinas  pro  singuUs  X.  marchis  unam 
marcani  et  expensas  duorum  mcrcatorum  cum  dudhus  equis 
et  duobus  servientihus  usque  ad  solutionem  totius  pecunie . . . 
actum  Laterani  (1213.) 
Ebenda  ürk.n.  57  (1218)  berichtet  dann  über  einen  Prozessder 
vier  Kautleute  gegen  den  kölner  Erzbischof  wegen  1325  mrk. 
und  damna,  pene,  smntus,  expense.  Der  Prozess  wird  in  Rom 
geführt ,  als  dem  Ausstellungsorte  der  eigenen  Wechsel  des  Erz- 
bischofs.    Letzteren  verurteilt  dann  ein  Cardinal  als  Richter 
zu  1200  mrk. 


1)  Für  Lübeck  cf.  d.  Mess- Privileg  v.  1298,  u.  d.  frühere  Verbin- 
dung 1293.  Sartor.-Lappcnb.  1.  c.  I.  271  ff.  372.  —  Lüb.  U.  B.  II.  a. 
n.  150.  151.  (1302) ,  worin  zwei  Lübecker  Kaufleute,  in  Troj'cs  wolniliaft, 
damals  noch  dem  TIauptortc  für  zwei  Messen  der  Cliami)agne  (Fremery, 
ctudes  p.  14.  Märten s,  1.  c.  p.  16),  allen  Forderungen  gegen  Lübeck  aus 
einem  für  die  Stadt  geführten  Prozesse  wegen  Wegegeldes  entsagen.  Die 
Urkunde  wird ,  als  von  ihnen  vollzogen  ,  bestätigt  durch  Ritter  Peter 
Fremcnille  und  Hugo  von  Chaumont,  custodcs  nundinarum  Campanie 
et  Brie.  Biencr,  1.  c.  p.  38.  Martens,  1.  c.  j).  14. 


374     V.   r>.  Die  Wechsler,   b.  Italienischer  Ursprung  der  Wechsler. 

Davon  sind  /u  zahlen  400  mrk.  in  primis  nunäinis  St.Agilidfi 
apnd  Pruvuium  quntnor  dichus  ante  quam  damctur  hare, 
hare,  cisdem  mcrcatorihus  vel  uni  corum  vel  ipsoruni  certo 
nuncio  et  procuratori;  400  m.  in  nundinis  Barensi- 
husproximo  tiinc  sequcntihus  apud  Barr  um  quatuor  die- 
hns  ..  (wie  oben),  400  mrlc.  in  nundinis  Trecensibus pro- 
oämo  tiinc  sequcntihus  apud  Treces  quarto  die.  .  (me  oben). 
Die  Vertreter  des  Erzbischofs  sollen  ferner  liinsichts  dieser 
1200m.  ohligacionis  faciant  caucioncm  secundum  consuetu- 
dines  mercatorum.^)  (Mitth.  v.  H.  Prof.  Stobbe.) 


1)  So  bestätigt  sicli  die  von  mir  in  der  hans.  Wcchselgescli.  p.  137 
II.  n.  153  ausgesprocliene  Yerinuthung.  Die  Urk.  ist  aus  Engelbert  d. 
Heil.  V.  Ficker,  Beil.  p.  320-entnoninien.  —  Aus  den  Quell,  z.  Gesch.  Cölns 
cf.  noch  II.  n.  58.  63.  69.  70.  73  weitere  Schuldveihältnisse  der  Cölner 
Erzbischöfe  bei  italienischen  Kaufleuten,  n.  70  (1221)  begegnet  wieder 
eine  Zahlung  des  ersteren  mmdinis  Barri  apud  Barr  um,  quatuor 
diebus  (wie  ob.)  n.  107  ib.  bescheinigen  Kaufleute  von  Siena  1228iniA]nil 
den  Empfang  von  312  m.  v.  Cöln  apud  harr  um  . ..  (wie  ob.),  ebenso  n. 
108.  Octob.  1228.  300  m.  von  Cöln  auf  der  Messe  von  Provins,  bezahlt 
durch  Johannes  notarms  civium  Coloniensium.  —  Allgemein  für  die 
noch  vielfach  dunkle  Geschichte  der  Champagner  Wechselmessen  sind 
diese  Urkunden  überaus  wichtig.  Man  ersieht ,  Provins ,  Bar ,  Troyes ,  in 
dieser  Keihenfolge,  sind  bereits  1213  Centralp unkte  des  Wechsel-  und 
Geldverkehrs  zwischen  Italien ,  Frankreich ,  Westdeutschland.  Die  Weclis- 
1er  selbst ,  oder  einzelne  derselben  für  die  andern ,  oder  Prokuratoren  oder 
blosse  Faktoren  wickeln  hier  ihre  Geldgeschäfte  ab,  zahlen  und  empfan- 
gen Zahlungen  meist  von  ausdrücklichen  Vertretern  der  Schuldner  in 
baarem  (deutschem)  Gelde.  Das  hare  (oder  haraj  scheint  hiemach  die 
Messe  nur  in  2  Theile  getheilt  zu  haben ,  und  in  dem  ersten  Theile  wird 
Zahlung  angenommen ,  doch  in  bestimmten  Fristen  nur ,  so  hier  genau 
4  Tage  zuvor.  Diese  Einthcilung  -«dderspricht  den  archivalischen  Nach- 
richten bei  Martens,  Urspning  d.  Wechselrechts  p.  16  (memoires  pour 
rhistoire  de  Troyes)  Fremery,  etudes  p.  14.,  Biener,  wechselr.  Abhh. 
p.  36  ff.,  besonders  den  Worten :  „un  mois  apres  hare  des  draps  abat- 
tent  les  changeurs  et  quatre  jours  apres  changes  abattus  prend  on  lettres 
de  foire."  Da  von  jeher  die  Wechsler  den  Beschluss  der  Messe  machten, 
wird  das  hare  von  1213  wol  die  Messe  beendet  haben ,  und  4  Tage  zuvor 
kamen  die  Baarzahlungen  gegen  die  auf  die  Messe  ausgestellten  Wechsel 
an  die  Reihe.  Diese  Naclirichten  übertreffen  im  Alter  die  bisherigen  über 
die  Messwechsel  um  ca.  40  Jahre,  so  den  auf  die  Messe  von  Pro\dns  donii- 
zilürten  Wechsel  aus  Kolandinus  (1250),  den  Biener,  Abhh.  I.  p.  91  und 


V.   5.  Die  Wechsler,   b.  Italioiiisdior  (Trsiirmiir  der  Woclislcr.     875 

Seit  dem  Ende  des  13.  Jiiliiliuiuk'rts  betliiitigtcn  sicli  duiin 
bei  dem  Wcchslerinstitute  in  Flandern  die  hanseatischen  Kauf- 
leute aus  den  westlichen,  früher  entwickelten  Theilen  des  Han- 
sagehietes.  Sie  und  die  Gesandten  der  deutschen  Hansestädte 
nahmen  hier  Darlehn  bei  den  AVechslern  auf,  verkauften  ihnen 
die  Anweisungen  auf  ilire  Stadt,  um  sich  dadurch  Geld  zu 
schaffen,  und  bedienten  sich  derselben,  um  Gelder  nach  ent- 
fernten Orten  zu  senden ,  vornehmlich  nach  Italien.  ^)  Beson- 
*ders  wendeten  die  Hansestädte  diese  Wechsler  an ,  um  ihren 
Prokuratoren  nm  päl)stlichen  Hofe  in  Avignon  und  Rom  Sub- 
sistenzmittel  zukommen  zu  lassen,  ganz  wie  es  oben  aus 
K  r  i  e  g  k  für  Frankfurt  a.  M.  zitirt  wurde.  Kriegk  nennt  den 
Frankfurter  Handel  am  Anfange  des  14.  Jahrhunderts  noch 
zu  wenig  ausgedehnt,  als  dass  hier  eigene  Wechsler  mit  itali- 
schen Bankhäusern  direkt  hätten  in  Verbindung  stehen  kön- 
nen. Im  Hansagebiete  darf  man  ein  Gleiches  nicht  behaupten; 


wechselr.  Abhh.  p.  37.  für  den  ältesten  hält,  und  so  lautet  bei  dem 
Wechsel  von  125U ,  obwol  es  sich  doch  auch  bei  ihm  von  einer  Zahlung 
nur  eines  trassirten  Domizilwechsels  handelt,  die  Zahlungszeit  gerade 
entgegengesetzt  dem  von  1213:  „octavo  die,  postquam  in  ipsis  nun- 
dhiis  cridatum  fuerit  harn  hara."  Andere  Messzahlungen'  als  aus  Han- 
delsverbindlichkeiten, in  Troyes  undProvins  kennt  Martens,  1.  c.  p.  15. 16. 
auch  bereits  v.  J.  1213,  1219.  Da  die  Champagner  Messen  bereits  1213, 
wie  obige  Urkunden  erweisen ,  als  Wechselmessen  völlig  anerkannt  und 
ausgebildet  waren,  ist  ihr  Anfang  gemss  ins  12.  Jahrli.  hinein  zu  verlegen; 
gleichfalls  ersichtlich  ist  die  schon  damals  so  wesentliche  Mitwirkung  ita- 
lischerWechsler.  Bisher  führte  man  ihre  Betheiligung  nur  bis  1278  zurück 
(du  Gange,  s.h.  v.,  Martens,  1.  c.p.51.  Fremerjs  p.  16.)  Noch  sichrer, 
als  bisher ,  stellt  sich  heraus ,  dass  diese  Messen  grosse  Wichtigkeit  für 
die  regelmässige  Abwicklung  der  Geldgeschäfte  gewannen ,  ehe  sie  ihre 
Privilegien  von  1311,  1326,  1344,  1349  von  den  französischen  Königen 
erhielten  (Martens,  1.  c.  p.  14.)  —  Die  Messjurisdiktion  existirte wol  1213 
noch  nicht,  da  der  Erzbischof,  als  er  seine  Zahlungen  nicht  leistet,  erst 
in  Eoni ,  als  dem  Ausstellungsorte  des  Wechsels  eingeklagt  wird  u.  s.  f. 

1)  Lüb.  U.  B.  I.  n.  450.  461  (1283,  1284)  ob.  ]..  371.  N.  6.  —  Dann 
Urkk.  d.  Lüb.  Ges.  Mornewech,  Lüb.  ürk.  R.  L  n.  556  —  67  (1290)  II.  b. 
p.  962  (1310-12),  H.a.  299.391.(1323).  Wechselver.kbidung  zwischen 
liübeck ,  Rom  und  Avignon  durch  italische  Wechsler.  Danz.  Arch.  Mi.ssiv. 
I.  63 gs  (1428)  97.  h'.  (1424)  ib.  (1431)  IL  19  zwischen  Danzig,  Pdga  u.  A. 
u.  Piom  durch  flandrische  Commanditeu.  Neuinann.  1.  c.  p.  101.  141lf. 


37()    V.  5.  Die  Wechsler,  b.  Italienischer  Ursprung  der  Wechsler. 

nluM-  hier  hatten  sicli  die  italischen  Commanditeii  mit  ihren 
gevogolten  Verl)indungon  nach  Italien  und  ihren  immer  neu 
geordneten  Bczieliungen  unter  einander  durch  die  französischen 
Wechselmessen  so  frühe  des  Geldtransportes  nach  entfernten 
Orten  und  der  sonstigen  Wechselgeschäfte  bemächtigt,  dass 
danach  kein  lianseatischer  Wechsler  unter  gleich  günstigen 
Bedingungen  diese  Geschäfte  beginnen  konnte.  1307  in  dem 
Schutzbriefe  des  Grafen  von  Flandern  für  die  deutschen  Kauf- 
leute daselbst  wird  der  Geldwechsel  und  jedes  zinsbare  Ge- 
schäft (convenüo  usuraria)  ausdrücklich  untersagt,  während 
Brügge  darauf,  um  die  hanseatischen  Städte  zur  Zurücklegung 
ihres  Stapels  nach  Brügge  zu  bewegen ,  unter  anderen  Freihei- 
ten festsetzt :  legen  Kaufleute  Geld  in  den  Wechsel  von  Brügge, 
oder  sollen  sie  Geld  von  einem  Wechsler  empfangen  (vp  ene- 
ghen  wisselare),  und  geschieht  ihnen  dabei  zu  nahe,  so  haftet 
die  Stadt.  Diese  Freüieiten  bestätigte  ihnen  dann  auch  Kobert, 
Graf  von  Flandern,  indem  er  sich  zugleich  sein  landesherr- 
liches Kecht  bei  dem  Wechseln  vorbehielt.  ^) 

Aber  diese  italischen  Wechsler  fanden  schliesslich  auch 
Eingang  m  den  nördlichen  und  gar  nordöstlichen  Theil  Deutsch- 
lands. Besonders  deutlich  ist  ihr  Uebergang  in  das  Hansa- 
gebiet für  S  c  h  1  e  s  i  e  n  zu  verfolgen.  Wie  hier  seit  dem  13.  Jahr- 
hundert die  Geldbeträge  der  Kirche  gewechselt  und  baar  an 
die  Curie  oder  nach  Flandern  gebracht  wurden ,  ist  oben  erör- 
tert. So  Aveit  begegnen  fremdländische  Wechsler  oder  -Kauf- 
leute hier  nicht.  Aber  schon  im  Verzeichnisse  der  Abgaben 
der  einzelnen  Gewerke  an  den  Breslauer  Kath  1303  trifft  man 
auch  „gallici",  z.  B.  „summa  inter  gaUicos  5  m.  3  scot."  ^) 
Man  darf  nicht  Bedenken  tragen ,  das  Wort  auf  französisch  - 
flandrischen  Ursprung  zurückzuführen,  da  in  alten  üeber- 
setzungen  dieser  u.  a.  Stellen  Gallicus  durch  Wähle  (Wallone) 
wiedergegeben  wird,  z.  B.  hiess  auch  die  jetzige  Klosterstrasse 
in  Breslau  früher  Wallonen-,    dann   Wall  -  (Wal)  Strasse, 


1)  Martens,  1.  c.  Sartorius-Lappenberg,  1.  c.  2)  cf. 
cod.  dipl.  Sil. III.  Grünhagon,  p.  9. 10.  Fläminger  sind  in  Schlesien 
wol  seit  dem  12.  Jahrh.  cf.  Tzschoppe  und  Stenzel,  1.  c.  p.  141. 


V.  5.  Die  Wechsler,  b.  Italienischer  Urspning  der  Wechsler.    .377 

„platea  Gallica  x)rope  St.  Maiiricium."  Landbuch  Nr.  45.  ^) 
Jedenfalls  waren,  wie  die  im  Breslaiiev  Pvovinzialarcliive  be- 
findliche Handschrift  „B rieger  Lehn  und  Erbe"  beweist, 
in  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  lombardische  Kaufleute  in 
Schlesien  thätig ,  so  hatte  der  Lombarde  Anastasius  von  Flo- 
renz 1348  die  Goldbergwerke  von  Goldberg  und  Mckolstedt 
gepachtet,  aus  denen  er  bedeutenden  GeAviim  zog.  2)  13.36, 
1338  sodann  klagt  der  päbstliche  Sammler  Galhard  über  die 
Kaufleute  in  Krakaii  und  deren  Spedition  der  päbstlichen  Gel- 
der sehr.  3)  Sie  seien  unzuverlässig ,  leisteten  nicht  viel  und 
seien  überhäuft  mit  Aufträgen  und  Credit.  Die  Geistlichen 
weigerten  sich,  den  Geldtransport  zu  übernehmen.  So  ver- 
suchte denn  bereits  der  Sammler  Andreas  de  Verulis,  mit  Pau- 
linus  Caballi  de  Senna,  der  sich  in  Krakau  aufhielt,  die  itali- 
schen Bankhäuser  in  Brügge  zu  bewegen,  dass  sie  ein  Contor 
nach  Breslau  oder  Krakau  verlegten,  und  gegen  Zahlung  der 
nöthigen  Caution  sich  die  päbstliche  Vollmacht  für  den  direk- 
ten Geldverkehr  zwischen  Polen  und  Südfrankreich  oder  Italien 
erwürben.  Bald  trat  hinzu,  dass  die  Ueberbringer  der  Geld- 
summen in  Brügge  Niemanden  antrafen,  dem  sie  gegen  Vorzei- 
gung seiner  Vollmacht  das  Geld  aushändigen  konnten;  die 
Wechselgesellschaft  derBardi,  seit  1330  vom  Pabste  bevoll- 
mächtigt,'^) begann  unsicher  zu  werden;  1339  folgte  sie  dem 
Beispiele  der  1329  bankrutt  gewordenen  Peruzzi.  ^)  Da  die 
Boten  deshalb  mit  den  Geldsummen  wieder  die  gefahrvolle 
Keise  nach  Schlesien  und  Polen  zurück  machten,  klagt  Galhard 
1336  diese  Missstände  dem  Pabste  Benedict  Xu.  und   schlägt 


1)  cf.  T  z  s  c h  0  p p  e  und  S t  e n  z  e  1 ,  p.  141  flf.  Flamländer  (Gallici)  in 
Schlesien;  auch  Simon  Gallicus  im  13.  Jahrh.  heisst  der  Wähle,  Wallone. 
H ü  1 1  m a n n  ,  Städtewesen  I.  p.  236.  Cod.  d i ])  1.  S i  1.  I V.  (M e i t z e n) 
p.  97.  —  Dasselbe  in  Oestreich ,  Älähren ,  Böhmen ,  Preussen  u.  s.  w. 
2)  (v.  H.  Eös  sler).  —  In  gleicher  Weise  finden  sich  zu  dieser  Zeit  eine 
Zahl  italischer  Kaufleute  bereits  in  Mitteldeutschland,  welche  theils 
kaufmännische  Geschäfte  vom  Süden  her  treiben ,  theils  die  Gefälle  der 
Fürsten  pachten  u.  dergl.  z.  B.  in  Hessen.  3)   Theiner,  Vet.  mon. 

I.  n.  545.        4)  Theiner,  1.  c.  I.  n.  183.        5)  Della  Decima  I.e.  Neu- 
mann,  1.  c.  p.  24.  29 flf. 


378    V.   5.  Die  Wechsler,   b.  Italienischer  Ursprung  der  Wechsler. 

ilini ,  als  PI-  den  direkten  Geldtransport  nach  Avignon  verlangt, 
vor,  der  Pabst  solle  mit  den  italischen  Häusern  in  Flandern 
übereinkommen,  dass  diese  in  Schlesien  oder  Polen,  Breslau 
oder  Krakau  einen  Faktor  anstellten ,  welcher  die  Uebersen- 
dung  der  Gelder  direkt  an  die  Curie  leitete.  Das  wäre  das 
Sicherste,  zuverlässig  und  gefahrlos,  die  Uebersendung  würde 
*dann  nur  10  Monate  oder  ein  Jahr  währen  und  die  Curie  regel- 
mässig ihre  Gelder  empfangen  (1338.)  ^)  Damals  zwar  ging 
der  Pabst  hierauf  nicht  ein ,  soiulern  ertheilte  nur  die  übliche 
Vollmacht  an  die  Agayali  in  Flandern,  Clemens  VI.  dann 
1344  an  Jacob  de  Malabayla,  einen  Kaufmann  aus  Asti,  der 
seinen  Hauptsitz  in  der  päbstlichen  Residenz  hatte.  Aber 
die  Vorschläge  des  einsichtsvollen  Sammlers  Galhard  blieben 
nicht  ft-uchtlos.  Als  unter  Innocenz  VI.  seit  1352  die  Gesell- 
schaft der  Alberti  de  Florencia  ganz  besonders  sich  in  Vene- 
dig ,  Brüssel  und  Brügge ,  hier  vornehmlich  unter  dem  Faktor 
Lamberti  Lambertuschi  aufschwang,  und  der  Prokurator  Tho- 
mas Morus  sich  erbot,  die  Gelder  der  Curie  jedesmal  2  Monate 
nach  Empfang  in  Avignon  zu  zahlen,  bevollmächtigte  der 
Pabst  diese  Gesellschaft  besonders  zur  Empfangnahme  der 
kirchlichen  Gelder  aus  Skandinavien,  Preussen  und  Polen. 
Und  diese  Alberti  de  Florencia  fanden  nun ,  wie  die  Urkunden 
des  Breslauer  städtischen  Archives  ergeben ,  jenen  Vorschlag 
Galhards  so  annehmbar,  dass  seit  dem  Ende  des  14.  Jahrhun- 
derts ein  Wechsler  de  Florencia  sich  in  Breslau  niederliess. 
Zuvor  scheinen  hier  nur  deutsche  (V.  5.  a.)  Neben  -  Wechsler  oder 
der  Rath  oder  einfache  Kaufleute  den  Wechselverkehr  mit  Flan- 
dern und  besonders  mit  Italien  aufrecht  erhalten  zu  haben.  ^)  In 


1)  Theiner,  I.  n.  545.  2)  Zweifelhaft  bleibt  die  Sache  auch  nach 
der  vom  Herrn  Professor  Stobbe  aufgefundenen  Urkunde  des  Bresl. 
Archivs  lib.  excessuum  et  signaturar.  (1386.  fol.  25  a.) :  „  an  des  heilgin 
Crucz  abunde  Invencionis  sint  vor  uns  kernen  hannes  donunc  und  Jiazar 
der  Jude  und  haben  becant ,  das  sj  alle  sachen  zwisschen  Czeuke  donunge 
und  Joseph  Juden  von  der  Swidnicz  und  nenilich  von  der  sebüihundert 
und  dry  und  czwenczig  Tucatyn  dy  Czenco  Joseph  schuldig  ist,  und 
itzunt  czu  venedigin  legin  gutlich  und  vruntlich  vorricht  haben, 
das  In  an  beyden  teylen  wol  genugit,  also  das  Czenco  donung  schicken 


V.  5.  Die  Wechsler,  b.  Italienischer  Ursprung  der  Wechsler.    870 

Cöln  dagegen  ist  in  dieser  Zeit  der  Geldverkehr  der  Lombarden 
so  verbreitet  dassnian  die  Zinsen  allgemein  oder  eine  bestimmte 
Zinshöhe  bei  Darlclm  „nsnrac  Lomharäonim"  nennt.  ^) 

Die  Existenz  der  italischen  Wechsler  in  Lübeck  datirt 
Arenz  bereits  von  1282.^)   Nach  archivalischen  Belägen  eta- 


und  bestellen  sal  (.las  J(>sciili  d}' VIIc  und  XXIIl  Tucatyn  uff  saute 
Jocobs  tag  nestkoniende  czu  Venedegin  ane  hindcrniss  wer- 
den b e c z a  1  e t ,  ab  her  des  nicht  tete ,  so  sal  her  Josephe  drjsig  Schock 
gr.  geben  czu  wandelgelde.  Gebreche  abir  dy  betzalunge  an  Josephe  also 
das  her  dy  VII  c  und  XXIII  Tucaten  von  Czenken  uff  den  tag  nicht  uff- 
neme :  so  sal  im  Czenko  in  den  XXX  schocken  Wandilgcldis  nicht  seyn 
vorfallin.  Beczalt  im  abir  Czenco  dy  A^II  c  imd  XXIII  Tue.  alz  abensc. 
stet ,  so  sal  im  Joseph  syne  quytbrivo  geben .  also  das  Czenco  und  sj'ne 
norhkonien  von  Joseph  und  synen  nochkomen  von  weyne  der  VII  c  und 
XXIII  Tue.  vorbasme  ewiglich  ane  anspräche  seyn  sulle  und  Joseff  sal 
euch  Czenken  sjT.en  briff  wedir  geben  den  her  hat  obir  dy  vorges.  Tuca- 
tüi."  1408  fl.  29  heisst  es  ib. :  ,,  am  Sonnabinde  vor  visitacionis  Marie 
ist  vor  ims  komen  Sigmund  Glezic  und  hat  becant ,  das  im  lorencz  Czir- 
kewicz  geantwort  habe  II  c  und  XLIX  ducaten ,  das  er  im  alle  seine 
schulde  die  der  egen.  Sigmund  von  seinen  und  auch  lorencz  Czirkewicz 
wegen  zu  Venedien  gemacht  hat,  usrichten  und  beczalen  sal, 
als  auch  der  egenante  Sigmund  vor  uns  offinlich  gelobt  hat  zu  vollenden 
als  verre  im  die  gülden  got  bys  henyn  mit  guoden  beheldet,  und  wil  auch 
das  beste  dorbey  tuen ,  als  mit  sejTiie  eigen  gute."  Hier  scheint  der, 
freilich  nicht  allgemein  auszudehnende  Fall  vorzuliegen,  dass  Sigmund 
selbst  als  Faktor  oder  blosser  Bote  (wie  von  Preussen  und  Polen  nach 
Flandern  im  13.  und  14.  Jahrh.)  die  Gelder  von  Breslau  nach  Venedig 
hinüberführt ;  darauf  deutet  auch  der  Schlusssatz.  Dass  solch  ein  eigener 
Geldtransport  vorkam,  beweist  nicht  gegen  italienische  oder  deutsche 
Wechsler  in  Breslau,  weil  eben  der  Fall  bei  den  einzelnen  Handelshäusern 
durch  ihre  speziellen  Lieger  sich  in  dieser  W^eise  gestalten  musste.  Die 
Existenz  eines  deutschen  Wechslers  in  Breslau  mit  ausgedehnten  Ge- 
schäftsverbindungen 1488  u.  A.  nach  Flandern  ward  oben  zweifellos  erwie- 
sen ,  wenn  der  Wechsler  auch  nur  auf  den  Geschäftsreisen  regelmässig 
Breslau  besuchte. 

1)  cf.  Lacomblet,  U.  B.  UI.  n.  293  (1335).  Der  Schuldner  bekennt, 
von  seiner  Schwester  Aleyde  4  libr.  gross,  dargeliehen  zu  haben,  „quan 
nohis  ad  usuras  lumbardorum  ((cqidsirit  et  {ircdantcr  mntuavit. ." 
(v.  H.  Pr.  S  tobbe.)  Die  Worte  können  nicht,  wie  Lacondjlet  im  Rege- 
stum  bezeichnet ,  ausdrücken ,  die  Darleiherin  habe  das  Kapital  selbst  von 
den  Lombarden  entnommen.  2)  Urspr.  d.  Wechs.  p.  14.  —  Aber  1282  bis 
1284  finden  sich  gerade  keine  dort.  cf.  lüb.  U.  B.  L  p.  390.  410.  419. 


380    V,  5.  Dio  Wodit^ler.  b.  Italienisclicr  Ursprung  der  Wechsler. 

blirte  seiiie  Bank  daselbst  längere  Zeit  hindurch,  docli  erst 
seit  dem  Anfange  des  15.  Jahvhumlevts  „Gherardo  der  Wale" 
dessen  oft  in  den  Urkunden  wiederholte  Bezeichnung  als  Wal- 
lone fest  schliessen  lässt,  dass  vor  ihm  in  jener  Stadt  kein 
fremdländischer  Wechsler  sich  aufliielt.  Noch  mehr  hcAveist 
dies,  und  dass  Lombardische  Bankiers  aus  Italien  oder  Flan- 
dern in  weiter  östlich  gelegenen  Hansastädten  seltener  sich 
ansiedelten,  der  Umstand,  dass  bald  nach  Begründung  der 
Gherardoschen  Wechselbank  letztere  Hansastädte  sich  dersel- 
ben zur  Ueberniittlung  ihrer  Gelder  nach  entfernten,  besonders 
italischen  Orten  bedienten.  Von  Danzig  ist  dies  speziell  nach- 
zuweisen. Bisher  sandten  Lübeck,  Danzig,  Riga  u.  a.  Bundes- 
plätze Geldsummen  z.B.  für  ihre  Vertreter  am  päbstlicheu  Hofe 
über  Flandern,  indem  sie  durch  Bevollmächtigte  von  dem  dor- 
tigen italischen  Wechsler  gegen  Baarzahlung  oder  gegen  die 
Gestattung,  einen  Wechsel  auf  sie  zu  ziehen,  den  zu  übersen- 
denden Betrag  an  das  Bankhaus  des  Wechslers  beim  päbst- 
lichen  Hofe  mittelst  Wechsel  überschicken  Hessen.  ^)  1432 
trat  durch  Schuld  des  Bankhauses  in  Rom  eine  Verzögerung 
in  der  Auszahlung  von  200  Dukaten  an  den  Danziger  Proku- 
rator um  nicht  weniger  als  etwa  zehn  Monate  nach  Ausstellung 
des  Wechsels  ein.  ^)  Seitdem  vermittelte  der  genannte  Lom- 
barde Gherardo  in  Lübeck  diese  Geldsendungen.  ^)  Der  Wech- 
selbetrieb durch  ihn  wurde  besonders  lebhaft,  als  der  Danziger 
Prokurator  zum  Concil  von  Basel  übersiedelte  und  nunmehr 
seme  Geldbeträge  von  der  wegen  des  Concils  in  Basel  errich- 
teten Wechslergesellschaft  Gherardos  neben  einer  banco  Bon- 
sinior,  der  Commandite  eines  Brüggeschen  Wechslerhauses, 
bezog.  Die  Urkunden  hierüber,  bisher  nicht  gedruckt,  lauten: 
Andreas  PfafFendorf ,  Vertreter  Danzigs  m  Basel  wegen  des 
Prozesses  gegen  den  Bischof  von  Leslau ,  schreibt  an  Dan- 
zig 1434:  „...  Ir  wizzet  wol,  das  mcister  Johannes  van 
Reue  vnd  ich  vor  hern  Johans  kreil  in  jwr  sache  vnd  name 


1)  Schon  1283.  cf.oh.p.371.N.  6.  —  cf.  die  Beläge  aus  lübischeii  und 
Eigacr  Urkunden  in  Neumann  ,  I.e.  p.  142 ff.  u.  n.  162.  Näheres  über  die 
derartigen  Geldsendungen  von  Danzig  über  Flandern  nach  Rom  seit  1425 
cf.  ib.  p.  143  ff.       2)  p.  145.  u.  1(39.  ib.      3)  ib.  p.  146.  147.  u.  170  —  73. 


V.   5.  Die  Wechsler,   b.  Italieuisclier  Ursprung  der  Wechsler.     381 

vor  PXn  reinische  gülden  czu  Brücke  yn  fflandern  vif  eyu 
nemliche  czeit  C7ai  bczalon  siont  borgen  worden,  alleyne 
wir  wol  jwr  Ersanikeit  briue  entpfangen  haben  in  den  ir 
schreibet,  daz  sie  vnvorczogen  vff  die  eegedachte  zeit  vnd 
yn  der  egenante  stad  dnrch  ewir  schikgung  vnd  bestaltnisse 
sulden  beczalt  werden  vnvorczogen  Ich  gloube  gentezlich 
ane  zweiuel  das  durch  euch  alle  mögliche  fleis  saldo  sein 
gescheen. ..  Idoch  is  der  wec heier  (Wechsler)  i)  van  sey- 
ner  geselschafft  van  Brück  noch  mit  briuen  noch  yn 
ander  weize  der  beczalunge  gesichert  vnd  gewisset..."  ^) 
Der  Danziger  Rath  schreibt  am  13,  Mai  1435  an  den  Proku- 
rator in  Basel : 

„Wir  haben  uffs  newe  Gerhardo  dem  Walen  100  gülden 
beczalet  (nach  Lübeck) ,  'die  Ir  moget  uff  nemen ,  wenn  i  r 
wellet  von  em  furbas,  habet  ir  sie  iczund  nicht  enfangen, 
geschreben ,  das  her  euch  by  seyner  ges.elleschaft 
sal  bestellen  gl  Guben  czu  haben  off  100  adir  200  gül- 
den adir  me  wie  feie  er  denne  von  vnsern  wegen  werdet 
bedorffen."  ^) 
und  am  15.  Juni  1435  derselbe  an  denselben: 

„wir  haben  ouch  korczlich  Gerhardo  czu  Lübeck  die  werde 
van  100  gülden  mit  dem  Wechsel  (durch  Wechsel  von  Dan- 
zig)  obirgesandt  vnd  beczalet ,  haben  im  doby  gescrev. ,  das 
her  euch  bey  seyner  geselleschaft  czu  basel  uff" 

200  adir  300  gülden  glouben  machen  sal, wente  wirs 

im  czu  ganczen  willen ,  was  ouch  seyne  geselleschaft 
do  wirt  usrichten,  wellen  beczalen. . ."  ^) 
Es  liegt  die  Annahme  nicht  zu  fern ,  dass  die  italischen  oder 
gar  heimischen  Wechsler  in  Süddeutschland ,  vielleicht  gerade 
wegen  dessen  steter  Verbindung  mitdenBankliäusern  in  Frank- 
reich (p.  368. 369),  besonders  in  Avignon,  nicht  besonders  blühen- 
den Geschäften  vorstanden,  oder  in  zu  geringer  Zahl  daselbst 


1)  In  banco  Boiisinior.  Banz.  Missiv.  II.  8ü.  n."  1433.      2)  Daiiz. 
Arch.  39.  40.  3)  Danz.  Missiv.  91.  g.'         4)  Danz.  Missiv.  97.  s.' 

cf.  allgemein  Hirsch,  Danz.  Handelsgesch.  p.  23H.,   Neumann,  Wecli- 
selgeschichte  p.  147.  148. 


382    Y.   5.  Dio  Woolislor.   b.  Italienischer  Ursprung'  der  Wechsler. 

etablirt  waren.  'Andernfalls  wiire  nielit  zu  erklären ,  wie  von 
Flandern  und  Lübeck  her  Wechsler  während  des  Concils  ihre 
Conimanditen  in  Basel  hätten  eröffnen  sollen.  —  Diese  An- 
nahme gewinnt  dadurch  um  so  mehr  Glauben,  dass  gemäss 
den  Wechselnachrichten  Kuppeners  in  seinem  Consilium  von 
1494  und  seiner  Schrift  vom  Wucher  1508  (cf  hinten  Beil.  E. 
n.  2.)  gerade  ein  Lübecker  Wechsler  seine  Zweigkontore 
in  Mitteldeutschland  und  Süddeutschland,  besonders  in  Leip- 
zig, Nürnberg,  Frankfurt  a.  M.  hielt,  welche  die  Wech- 
selverbindung dieser  Gebiete  mit  Italien ,  speziell  mit  Vene- 
dig, Padua  und  Rom  besorgten.  Eben  zur  Befriedigung 
ihrer  sonstigen  Auftraggeber  im  Hansagebiete  musste  es  andrer- 
seits ilmen  nöthig  werden,  selbst  eine  Commandite  während 
des  Concils  in  Basel  zu  errichten,  um  den  gesicherten  Geschäfts- 
gang in  Händen  zu  behalten  und  nicht  durch  fremde  süd- 
deutsche Wechsler  sich  und  den  Kunden  Störung  und  Schaden 
zu  bereiten.  Dass  schliesslich  italische  Wechsler  sich  selbst 
in  kiemer en  und  weiter  vom  Stammlande  abgelegenen  Hanse- 
städten niederliessen ,  z.  B.  in  Heilsberg ,  lässt  sich  vielleicht 
aus  nachfolgender  Danziger  ungedruckteu  Urkunde  von  1449 
entnehmen,  wenn  man  erwägt,  dass  der  darin  erwähnte  bischöf- 
liche Offizial  sich  in  oder  nahe  bei  Heilsberg  aufhalten  m  u  s  s  t  e.  ^) 
(Danz.  Archiv  Missiv.  V.  89.  v.^)  Danzig  schreibt  an  eine 
Stadt  (?)  1449 : 

ein  Danziger  Bürger  hat  einem  hans  gryff  LX  vngar.  gülden 
getan  czu  getruwer  hant  zcu  brengende  nicolae  wentheym 
eynem  student  zcu  bononie  der  vff  disse  czeyt  des  herrn 
Bisschoffs  czu  heilsberg  officialis  ist  die  her  (gryff)  nach 
bey  em  hat  vnd  nicht  van  sich  geantwurt  hat  so  her  vns 
vndrichtet  hat  douon  dersell)ige  nicolae  wentheym  zcu  gro- 
sen  schaden  gekomen  ist  so  das  her  vff  die  czeyt  ander  gelt 
van  den  1  u  m  b  a  r  d  e  n  nemen  muste. ." 

Und  „die  Christen  sahen,  welchen  Vortheil 
die  Juden  und  Lombarden  aus  ihrem  Geldhandel 
zogen,  und  verfielen  auf  das  Wechselgeschäft."  2) 


1)  Richter,  Kirchenrecht  (5.  Aufl.)  p.  279.        2)  Roth,  Geschichte 
d.  Niinib.  Handels.  IV.  p.  28G.   Biener,  p.  294. 


V.   ').  Die  Weolislor.   b.  Italionisrhev  Urspninir  der  Wechsler.     383 

Umgekehrt  fehlt  nicht  der  Belag  dafür,  dass  auch  von  Italien 
her  Wechsel  in  Deutschland  Eingang  fanden,  und  zwar  nicht 
bloss  durcli  Vermittlung  der  olTentliclien  Wechsler,  sondern 
auch  unmittelbar  und  direkt.  Meistens  mochten  die  Priester 
deutscher  Herkunft  zu  Rom  solchen  Verkehr  veranlassen. ') 

Man  ersieht  übrigens ,  wie  mit  Recht  bei  den  Wechslern 
ein  deutscher  und  italischer  Ursprung  unterschieden  ward.  In 
diesem  Gebiete,  wie  in  einer  grossen  Zahl  anderer  aus  der 
Handelsgeschichte  und  dem  Handelsrechte  des  deutschen  Mit- 
telalters oft'enbart  sicli  die  lange  Zeit  fast  feindliche  Haltung 
der  nord-  und  süddeutschen  Handelsplätze  gegen  einander, 
so  dass  man.  wie  auch  sonst  bekannt,  im  Norden  den  Süd- 
deutschen ,  im  Süden  den  Hanseaten  als  Fremden  ansah  und 
möglichst  im  Handel  beschränkte  oder  um  davon  ganz  aus- 
schloss.  Höchstens  den  Rhein  entlang  lässt  sich  eine  innigere 
Berührung  der  zwei  stammverwandten  Handelsgebiete  aus 
jener  Zeit  verfolgen,  später  dann  im  16.  Jahrhundert  begegnen 
sich  öfter  beide  Rivalen  auf  den  mitteldeutschen  Märkten, 
z.  B.  in  Breslau,  wohin  besonders  Nürnberger  Kaufleute,  auch 
direkt  italische,  z.B.  Venetianer,  südländische  Produkte  an  die 
Hanseaten  absetzen.  ^)  Im  Uebrigen  erstreckt  sich  der  Verkehr 
beider  Gebiete  mit  einander  auf  die  Beförderunc^  der  nordischen 


1)  cf.  die  oben  lünsidits  des  Wechselverkehres  zwischen  den  Cham- 
pagner  Messen ,  Italien  und  Deutschland  zitii-te,  höchst  wichtige  Urkunde : 
Quellen  z.  Gesch.  d.  Stadt  Cöln  II.  n.  40.  (1213)  n.  57  (1218)  n.  58. 
63.  69.  n.  70  (1221),  n.  73  n.  107  (1228.)  Desgl.  Danz.  Arch.  Missiv.  IV. 
289^' b 22  1448.  Danzig  schreibt  an  Hamburg:  „zwei  Danzigcr  Bürger, 
hans  paszkc  vnd  caspar  nyeman ,  liaben  vor  dem  Danziger  ßathe  bewie- 
sen: wo  dateu  ir  s woger  her  Johan  Store  eyn  prister  im  houc  to  Rom  c 
wescnde  helft  in  sj-nen  brcue  vorkundigeth  vnd  gescreven,  dat  ne  cn 
etlick  gelt  alse  itczliken  LXXX  m.  lubesch  to  sjTier  haluen  sustern  behoff 
also  hillcn  vnd  katherinen  desuluen  hans  ^^ld  casper  tor  ee  genommen 
liebben ,  gegcvcn  heft  welk  gelt  lier  Johann  kust  op^  prister  mit  juw  won- 
haftlioh  by  em  liebben  sal  utrichten  vnd  overantwerden  na  der  vber.  her. 
Joliann  Sturen  also  se  vns  vorbraht  hebben  vorschrlbunge."  2)  cf.  Neu- 
mann, 1.  c.  p.  150.  u.  n.  179.  auch  das.  Beilage  C.  Viele  Beispiele  dazu 
liefert  schon  aus  dem  Anfange  des  15.  Jahrhunderts  das  Brcslancr  Stadt- 
archiv. —  Einiges  i.st  oben  erwähnt. 


384  V.  5.  Die  Wechsler,   c.  Die  Juden -Wechsler. 

Briefe  in  den  Hauptstrassen  über  Nürnberg  oder  am  Rheine 
nach  Italien.  ^)  Eben  hiervon  rülirt  es  auch ,  dass  der  italische 
Wechsel  und  die  italischen  Wechsler  in  Süddeutschland  viel 
früher  und  dauernder  Einliuss  auf  die  gleiche  Gestaltung  die- 
ser Institute  gewinnen  als  in  Norddeutschland ,  wo  sich  beson- 
ders der  Wechsel  zunächst  fast  ganz  unabhängig  von  Italien 
gestaltete  und  entwickelte.  Erst  im  IG.  Jahrhundert,  als  der 
Verkehr  mit  Süddeutschlaud  immer  reger  wird,  und  als  die 
Hanseaten  in  Umgestaltung  ihres  ganzen  Bundes  -  und  Han- 
delswesens direkte  Handelsverbindung  mit  Italien  und  den 
andern  Ländern  am  Mittehneere  knüpfen  und  unterhalten, 
wächst  dann  auch  hier  die  Einwirkung  der  alten  italischen 
Institute  des  Handelsrechtes  und  bildet  so  eine  möglichst 
gleichmässige  Gestaltung  jener  Gebiete  des  Handelsrechtes 
heran.  ^) 

c.   Die  Juden-Wechsler. 

Ausser  diesem  zwiefachen  Ursprünge  der  Wechsler  in 
Deutschland  müssen  endlich  noch  diejenigen  nicht  seltenen 
Fälle  erwähnt  werden,  in  welchen  sich  die  Geschäfte  der 
Wechsler  auf  Jude  n  übertragen  finden.  Die  verschiedenen 
Machthaber  ertheilten  ihnen  das  Recht  des  Wechseins  als  Pri- 
vileg. ^)  Sie  entrichteten  dafür,  gleich  obigen  Wechslern ,  einen 
Zins  an  die  Stadt  oder  den  Inhaber ,  den  Verwalter  des  Münz- 
regals. Das  hatte  seinen  Grund  in  der  vorn  geschilderten 
besonderen  Stellung  der  Juden ;  als  hauptsächliche  Kleinhan- 
delsleute bot  sich  ihnen  in  jedem  Augenblicke  Gelegenheit, 
besonders  mit  dem  Stande  der  Gewerb  -  und  Handeltreibenden, 
so  wie  mit  den  unteren  Schichten  des  Volkes  zu  verkehren; 
durch  den  steten  Handel,  theilweise  Hausirhandel  in  den  Ge- 
bieten mehrerer  Gewalthaber  blieben  sie  in  fortdauernder  Ver- 
bindung mit  den  verschiedenen  Geldsorten  und  deren  Cursen. 
So  erklärt  sichs  auch  und  fallt  hiermit  zusammen,  dass  die 
Juden  als  stete  Geldinhaber ,  wie  sogleich  näher  zu  berühren 

l)NeuiTiann,l.  c.  ]).  84ff.  2)  ib.  p.  148 ff.  177 ff".  3)  Bisweilen 
innerhalb  eines  bestimmten  Districtes  ,  so  zu  Speier  innerhalb  der  Juden- 
stadt u.  ausserhalb  bis  zum  Hafen.  Arnold,  Verfass.  Gesch.,  1. c.I.  p. 74. 


V.   5.  Die  Wechsler,  d.  Geschäfte  der  Wechsler.  385 

(V.  5.  d.),  auf  Pfander  grosse  und  kleine  Darlehen  in  reicher 
Zahl  ausgeben ,  dass  sie  gerade  (cf.  Y.  4.  b.)  bei  der  Behand- 
lung des  Pfandrechts  in  den  deutsclien  Rechtsquellen  so  beson- 
ders berücksichtigt  werden  ,  spezielle  Privilegien  erhalten ,  dass 
sie  beim  ,.  Schadennehmen  "  fast  durchweg  wie  selbstverständ- 
lich als  diejenigen  Leute  dargestellt  werden ,  welche  zu  gewis- 
sen Bedingungen  stets  offene  Kasse  haben  und  darleihen.  ^) 

d.   Die  Stellung  und   Geschäfte   der  Wechsler. —    Insbeson- 
dere  der  Handwecbsel:    Das   Darlehn.  —    Wechsel-   und 
Darlehnsbänke.  —  Pfandhäuser.  —  Städtische  Bänke. 

Von  den  Geschäften  der  italischen  Wechselhäuser  und 
ihrer  Commanditen  in  West -Europa  vollziehen,  entsprechend 
den  hiesigen  Verhältnissen ,  die  Wechsler  in  Deutschland  vor- 
nehmlich nur  drei,  den  Handwechsel,  das  Darlehn,  und  den 
Wechselbetrieb.  Hiervon  betreiben  indess  die  deutschen  und 
Judenwechsler  allgemein  nur  Handwechsel  und  Darlehn ,  den 
Wechselbetrieb  dagegen  entweder  gar  nicht,  oder  doch  nur 
innerhalb  klemerer  Entfernungen ,  insbesondere  selten  über  die 
Grenzen  Deutschlands  hinaus  nach  Flandern  oder  Italien.  So 
fällt  der  Wecliselbetrieb  innerhalb  Deutschlands  wesentlich 
den  deutschen  Kaufleuten  selbst  anheim,  über  Deutschland 
hinaus  aber ,  insbesondere  nach  Frankreich  und  Italien ,  pflegen 
ihn  die  italischen  Wechsler  in  Deutschland.  Scharf  lässt  sich 
der  Geschäftskreis  zwischen  den  einzelnen  Arten  der  Wechsler 
natürlich  nicht  abgrenzen.  Mannigfach  je  nach  den  Zeit-  und 
Ortsverhältuissen  greifen  die  einen  in  die  Thätigkeit  der  andern 
hinüber  und  regen  gerade  durch  ihren  ausgedehnten  Geschäfts- 
betrieb nach  einer  Seite  auch  die  Vertreter  der  anderen  Ge- 
schäfte an,  hierin  sich  zu  versuchen.  Der  Wechselbetrieb  wird 
sogleich  unten  mi  Abschnitt  e.  zur  Sprache  kommen.  Hier 
bleiben  besonders  Handwechsel  und  Darlehn  zu  mitersuchen. 

1)  Der  Art  ist  die  Stellung  des  Juden  Jacob  in  Breslau  (lo29)  cod. 
dipl.  Siles.  III.  p.  55.  ,,an1iqni  domim  (coss.  antiq.  XrsAhl.)  j^resenta- 
verunt  nobis  400  m.  receptas  ajruü  Jacohnm  jndeum."  ib.  n.  2.  1341 
verpflichten  die  Löwenberger  Consuln  sich  ,  ilini  jährlich  25  mrk.  Zins  zu 
zahlen.  Sutorius,  Gesch.  v.  Löwenb.  p.  57.  Vielleicht  ist  es  der  inicod. 
dipl.  Moraviae  Vn.  433.  bezeichnete  Fleischer,    cf.  Kriegk,  1. c. p.437flF. 

Neuuiaun,  Gesch.  d.  Wuchers.  25 


38G  V.   5.  Die  Wcelislor.   d.  Goscliiifto  der  Woclusler. 

Die  Wechsler  in  Deutsclihiiul ,  speziell  die  deutschen  und 
Judenwechslor  oio'neten  sich  vermöge  ihrer  Koniituiss  der  Münz- 
sorten und  deren  Curse ,  vermöge  ilirer  nahen  Verbindung  mit 
den  Prägeanstalten,  ihrer  wiederholten  Rundreisen  in  den 
liauptsächliehen  Marktplätzen  der  Nachbargehiete  besonders 
für  den  Betrieb  des  H  a  n  d  w  e  c  h  s  e  1  s.  Wie  einträglich  dieser 
war,  ist  oben  berührt.  Das  Wechselgeld,  der  Gewmn  aus  dem 
Handwechsel,  fiel  als  Ersatz  der  Arbeit  der  Wechsler  und  der 
zu  VoUfülirung  des  Handwechscls  nöthigen  Vor -Auslagen 
nicht  unter  den  Begriff  des  Wuchers  (cf.  V.  a.)  ^) 

Eure  grosse  Zahl  der  Wechsler  liess  sich  ohne  Zweifel 
neben  ihren  kaufmännischen  Privatgeschäften  an  dem  Gewinne 
dieses  Handweclisels  genügen,  so  die  Krakauer,  welclie  das 
Geld  der  Curie  für  den  Baartransport  umwechselten  (V.  5  a.) 
Andere  knüpften  daran,  was  nahe  genug  lag,  die  stete  Bereithal- 
tung von  Darlehen  meist  in  kleiner  Summe  nur  und  auf  kurze 
Zeit ,  angemessen  den  Geldsuchenden.  Ein  grosser  Theil  der 
obigen  Citate  für  die  Darlehen  der  Juden  gehört  hierher,  selbst 
geistliche  und  weltliche  Fürsten  stillen  ihren  ewig  regen  Geld- 


1)  Hierher  gehih't  der  ausführliche  und  bezeichnende  Passus  aus  dem 
N  ü  r  n  b.  Recht  nach  1335  (cf.  S  i  e  b  e  n  k  e  e  s,  Bejtr.  z.  teutsch.  Rechte,  h.  1.) 

Daz  nieniant  dheinen  Wechsel  hie  treiben  sol. 
,, . . .  weder  heimlichen  noch  offenlichen ,  weder  an  guidein  noch  an  pfen- 
nig  an  heilern  noch  an  dheinerley  muntz,  wie  die  genannt  ist  durch 
gewins  willen,  doran  man  meint  zu  gewinnen.  Ez  war  dann,  ob  einer 
guidein  bedorfft  zu  seiner  notdurfft  oder  pfennig  oder  haller  umb  guidein 
die  raocht  er  wol  kauffen ,  also  daz  er  mit  dem  selben  gelt  dheinen  wider 
Wechsel  nicht  treiben  sol  ongeverde.  Wer  daz  uberfur  ,  der  solt  verloren 
han  den  10.  pfennig,  als  viel  er  des  wechseis  getriben  hat  ausgenom- 
men der  Wechsler,  die  die  burger  dar  gesetzt  haben."  (V.5.a.) 

Der  Wechsler  eyd. 
Es  suUen  der  Wechsler  ir  wirtin  oder  wer  von  iren  wegen  bey  in  in  dem 
Wechsel  sitzt  sweren  zu  den  heiligen  daz  sie  dez  wechseis  getrewlichen 
pflegen  und  in  nicht  anders  halten  noch  handeln ,  als  in  die  Burger  vom 
Rath  empfohlen  haben,  on  allez  geverde.  Auch  sullen  sie  dhein  ersaigtes 
geld  kaufen  noch  dhein  silber ,  daz  sie  wissen  oder  daz  sie  sich  versehen 
daz  aus  ersaigten  geld  gcprant  sei  und  sullen  auch  die  bot  darzu  halten 
die  uff"  die  muntz  gesetzt  ist  und  auch  mit  dheinen  versuchet  dhein 
gemaine  nicht  haben. . ."  cf.  auch  K  r i  e g  k ,  I.  c.  p.  333  ff.  338.  (Wiegegeld.) 


V.   5.  Die  Wechsler,   d.  Geschäfte  der  Wedisler.  387 

bedarf  aus  dieser  Quelle.  ^)  Hierlier  weisen  besonders  die  oben 
angeführten  Beläge  für  die  Darlehen  der  Juden  in  den  nörd- 
lichen und  östlichen  Distrikten  des  deutschen  Keelitsgebietes, 

Mit  der  ausdrücklichen  Billigung  der  Judenniederlassun- 
gen und  des  JudeuANiichers  in  den  einzelnen  Städten  durch  die 
kleineren  ^Maelithaber ,  die  Kaiser  und  selbst  durcli  die  Päbste 
(so  in  Prag  cf.  V.  4.  a.  b.)  war   zuerst,   und   zwar  mittelbar 
auch  das  Institut  der  Wechsler  und   ihrer  zinsbaren  Darlehen 
anerkannt  von  dem  Eeiche  und  der  Kirche.     Das  drücken  die 
bereits  oben  angeführten  Stellen  des   Schwabenspiegels 
und  des  kulmischen  Rechtes  von  den  openbaren  Avuoche- 
rern  aus ,  indem  hier  noch  die  weltliche  Billigung  der  Wechs- 
ler als  gegen   das  kkchliche  Zinsverbot   streitend  angesehen 
wird.   Geradezu  aber  erwähnt  es  Purgoldt  VIII.  c.  30: 
„Es  sint  auch  etzliclie  cristenlute  offenbar  Wucherer, 
dye  heyssen  kawerzaner,  und  haben  schütz  und  sth  wr 
von  den  fursten,  underden  si  gesessen  sint,  umb  ir  gelt. 
Disse  kawerzaner  nemen  te glichen  gesuch  uff  pfände, 
b  0  r  g  e  n  ader  b  r  i  f  f  e ,  als  d  y  e  j  u  d  e  n ,  und  d arun ib  sint 
sye  uffenbar  sunder  und  sint  beroubt  der  heilgfen  sacrament ; 
sy  haben  dan  raw  (Reue)  darumb  und  yr  busse  mus  offenbar 
sey;  und  darumb  so  shit  s.ye  auch  rechtlos  und  erlös  vor 
geistlichem  und  werntlichem  gerichte.     Sy  seint  der  fursten 
kamerknechte  gleich  also  dy  Juden,  d)'weil  sy  das 
Wucher  antriben ,  an  das  sy  mit  den  lybenn  nicht  eygen  sint. 
Ir  gut  ist  böse  gut ,  wan  es  mri  suntlich  gewonnen  und  sint 
es  for  gote  schuldig  wider  zcu  geben."  ^) 

1)  cf.  Tzschoppe  u.  Stenzel,  Urk.  Buch  1.  c.  Hüllniauii,  1.  c.  II. 
p.  78.  Guden,  hist.  Erfurt,  p.  70.  71.  Tschudi.  chron.  I.  p.  417  (1331.) 
Glafey,  anecd.  p.  107.  Köhler,  Urk.  d.  Oberlausitz  n.  194.  p.  272  (1345.) 
Lehmann,  Speir.  Rechtsgewohnhh.  p.  496.  Raumer,  Hohenstaufen  V. 
1.0.  Lang,  Jahrbb.  337(1259).  Salmasius,  d.  usur.  XX.  p.G07.  Kriegk, 
p.  335.  437.  A.  2(>1.  u.  A.  2)  ib.  VIll.  c.  52.  „ist  das  der  wucluer  nicht 
eyn  cawerczaner  ist  eyns  herren,  ader  eyn  Jude,  dem  es  vom 
reich  ader  von  eym  fursten  erleubt  ist."  —  cf.  auch  Züricher  Rath.s- 
erkenntni.ss  von  1324.  Bluntschli,  Zur.  R.  G.  I.  p.  293.  ~  cf.  p. 393 ff. 
bei  Schadennehnien.  So  sagt  auch  ('hr.  Kuppener  (übereinstimmend 
mit  Capistrano  und  den  Summisten),  v.  Wucher  (150H)  B.  5:  ,. gefeit  ein 

95* 


388  V.  5.  Die  Wechsler,  d.  Geschäfte  der  Wechsler. 

Eiiie  lunimg  bildeten  diese  Wechsler  nicht ,  wie  schon  oben  im 
Abschnitt  a.  von  Hamburg  erwähnt  wurde ,  wenigstens  zeigen 
bis  jetzt  die  Quellen  Nichts  davon.  Statt  der  Innungen,  welche 
die  einzelnen  Wechsler  aufgenommen  hätten ,  gaben  die  Kaiser 
oder  kleineren  Machthaber  und  Behörden  ihre  Concessionen.  ^) 
Die  italischen  Wechsler  insbesondere  konnten  in  Deutschland 
schon  deshalb  nicht,  wie  in  Italien,  eme  Innung  unter  der  Juris- 
diktion ihrer  Consuln ,  noch  eine  Landsmannschaft  (natio)  mit 
italischen  Kaufleuten ,  wie  jene  Wechsler  in  der  Fremde  2), 
bilden,  weil  beide  nur  vereinzelt  in  den  deutschen  Städten 
auftraten;  eben  deshalb  kam  m  Deutschland  die  Obrigkeit 
nicht  in  die  Lage ,  Privilegien  hierzu  zu  ertheilen.   Die  recht- 


frag czu  rechte,  welcher  im  rechte  erkant  wirt  für  einen  offenbaren 
Wucherer.  Sage  als  der  hochgelerte  her  d.  hosti  (Hostiensis:  Nicolaus 
Tudeschis)  sagt  in  seiner  summe  ti.  de  vsu.  §.  que  pena  ver.  Sed  quod 
intelliges.  Do  spricht  er  das  man  erkennen  magk  einen  olfenharlichen 
Wucherer  doraus,  nach  dem  er  öffentlichen  helt  einen  wucherischen 
tisch,  banck  aderlade,  do  erstets  ide  rmen  nigk  gelt  ausz- 
leihet  auff  wucher,  als  dy  Juden  thun  in  welschen  landen 
auch  invil  landen  leider  die  c r i s t e n.  Aber  sage  ,  das  der  ein  offen- 
barlicher  Wucherer  ist ,  so  vü  menschen  wider  yn  rechtlichen  beczeugen, 
das  sie  ym  vber  die  entlihen  hauptsum  wucher  vnn  obergelt  haben  geben 
müssen. . ."  —  Wenn  übrigens  für  diese  Verhältnisse  vornehmlich  Quellen 
aus  dem  16.  und  17.  Jalirhuudei't  hier  angeführt  werden ,  so  geschieht  es 
nur,  weU  dieselben  sich  mit  den  Wechslern  ausführlich  beschäftigen  und 
das  zusammenfassen,  was  in  den  Quellen  früherer  Zeit  sich  vereinzelt 
findet.  Diese  Quellen  früherer  Jahrhunderte  finden  hier  deshalb  neben 
den  späteren  unverkürzt  ihre  Stelle. 

1)  So  wurde  selbst  in  Toulouse  1342  und  in  Spanien  1436  das 
Wechselgeschäft  als  frei  erklärt,  Märten  s ,  1.  c.  p.46.,  Anhang  ib.  p.  110. 
die  Concessionen  finden  sich  auch  hier.  Kriegk  (1370. 1403)  p.  334. 337  ff. 
A.  205  —  7.  Beilage  E.  a.  2)  So  die  Genueser,  Amalfitaner,  Ye- 
netianer,  Pisaner,  Marseiller  in  der  Levante  und  Südeui'opa.  Ca- 
nale  Storia  civile  e  commerciale  dei  Genovesi.  I.  334.  342.  441.  455.  IE. 
492 ff.,  513,  519 ff.,  552,  574,  624.  Pardessus,  Collection  des  lois  ma- 
ritimes I.  144.  Muratori,  antiquitates  II.  p.  906  —  918.  Martens, 
p.  53 ff.,  60.  Depping,  histoire  du  commerce  du  Levant.  II.  p.  25.  Die 
Florentiner  hatten  seit  142G  in  Brügge  einen  eigenen  Consul.  Mar- 
tens, Urspr.  p. 62  u.v.  A.  bei  Biener,  wechselrechtl.  Alihandll.  p.  16. 17, 
—  cf.  auch  lex  Visigothorum  XI.  ti.  3.  transmarini  negotiatores.  — 
Dass  die  italischen  Wechsler  übrigens  selbst  dort ,  wo  sie  in  grosser  Zahl 


V.  5.  Die  Wechsler,   cl.  Geschäfte  der  Wechsler.  389 

liehe ,  kirchliche  und  gesellschaftliche  Stellung  der  Wechsler 
war  hier  allgemein  ganz  diejenige  der  Juden  (Y.  4  a.  b.) ,  der 
Beweggrund  für  die  öftentliclie  Anerkennung  der  letzteren  galt 
in  gleichem  Maasse  für  die  Wechsler:  „umb  ir  gelt."  Erst 
thatsächlich  erwiesen  sie  sich  noth wendig  für  die  grossen  und 
kleinen  Geldbedürftigen,  daher  erkannte  man  sie  und  ihren 
Wuclier  thatsächlich  zunächst,  dann  in  besonderen  Privilegien, 
schliesslich  sogar ,  was  sogleich  zu  erwähnen ,  in  den  allgemei- 
nen Gesetzen  an.  Ilire  Zinsen  insbesondere  schienen  sich  jeder- 
zeit zu  rechtfertigen  als  Ersatz  des  durch  das  Darleihen  erfah- 
renen Schadens  und  entgangenen  Gewinnes,  welche  sie,  ganz 
Avie  die  Kaufleute  beim  Interesse  (IV.  3.b),  in  jedem  Augen- 
blicke erleiden  mussten.  ^) " 

Dieser  Billigung  schien  um  so  weniger  entgegenzustehen, 
als  die  Kunde  von  den  grossen  Geschäften  und  Zinsgewinnen 
der  italischen  Wechsler  und  ihrer  Commanditen  sich  in  Süd- 
deutschland immer  wieder  von  Süd  und  West,  in  Norddeutsch- 
land besonders  von  den  Niederlanden  und  England  her  ver- 
breitete. Vor  den  Augen  der  Päbste  übten  Wechsler  diesen 
ausgedehntesten  Gebrauch  der  zinsbaren  Geschäfte.  Das  Bank- 
haus der  Salimbeni  in  Florenz  lieh  dem  Käthe  von  Siena  1260 
allein  20,000  fl.  auf  Zinsen ;  dem  Könige  von  England  liehen 
andere  Florentiner  Wechsler  1307  grosse  Simimen,  wofür  er 
als  Zinsen  ihnen  den  Marktpreis  der  Wolle  in  hohen  Beträgen 
zahlte ;  dadurch ,  dass  die  Zinsen  der  Darlehen ,  dann  die  Kapi- 
talabzahlungen Seitens  der  Herrscher  von  England  und  von 
Sizilien  ausblieben,  fallirten  1329  die  Brusini,  später  sogar 
die  Bardi  in  Florenz  mit  einem  Ausfall  von  16  Millionen  Fran- 
ken. 2)   Wie  sehr  Bogislaf  X.  von  Pommern  u.  a.  von  den  jüdi- 


ihre  Geschäfte  betrieben,  und  ringsumher  ihre  Landsmannschaften  bestan- 
den ,  nicht  immer  Landsmannschaft ,  Consul  und  Jurisdiktion  hatten ,  zei- 
gen sie  in  Paris,  wo  sie  bereits  seit  1254  in  Menge  zu  treffen  sind. 
Olim  h.  t.  Sie  zahlten  hier  die  tallia  (Einkommensteuer),  wie  jeder 
Bürger,  und  werden  bei  ausserordentlichen  Abgaben  verschont.  Biener, 
1.  c.  p.  18.   Hier  stehen  sie  also  sehr  ähnlich ,  wie  in  Deutschland. 

1)  u.  a.  Cujac.  Opp.  X.  435.  B.  cf.  p.  393.  N.  3.        2)  deUa  Decima 
\.  c.   G.  Villani,XI.  71. 


390  V.   5.  Die  Wechsler,   d.  öesehäfte  der  Wecli«ler. 

sehen  Wechslern  bedrängt  war ,  wie  vielfach  die  französischen, 
burgiuidischen ,  cleutschen  Herrscher  sich  in  Geldabhängigkeit, 
besonders  gegenüber  den  italisc^lien  Wechslerkomnianditen  in 
Flandern  befanden,  ist  allbekannt  nnd  zeigte  sich  oben  (V.  4  cd. 
5.a)  ')  Der  oflone  Zinsgewinn  ans  diesen  Darlehen  war  so 
bedentend,  so  verlockend,  dass  geistliche  nnd  weltliche  Geld- 
kapitalbesitzer trotz  alles  Hasses  und  aller  Strafen  gegen  den 
Wucher  nicht  abgehalten  werden  konnten,  ihr  Geld  den  Wechs- 
lern zur  Darlehnsverwendnng  einzulegen  ,  und  den  Zinsenvor- 
theil  mit  jenen  zu  theilen.  Dies  begegnet  bereits  in  den  zwan- 
ziger Jahren  des  13.  Jahrhunderts  und  m  dem  Leben  der  hei- 
ligen Ivetta  zu  Huy  m  Belgien,  welche  1228  starb. 2)  Ja  in 
England  errichtete  der  reiche  Bruder  Heinrichs  HT.,  Kichard 
von  Cornwales  selbst,  mit  Hintansetzung  seiner  Stellung  eine  Ge- 
neralwechselbank, indem  er  durch  ein  königliches  Privileg  sich 
allein  dazu  die  Conzession  ertheilen ,  jeden  andern  Darlehus- 
geber  hart  strafen  Hess.  ^)  So  heisst  es  daher  auch  in  der 
Bamberg  er  Synode  von  1491:^)  „excommunicatos  denun- 
cient  rectores  ecdesiarum  omnes  Christianos ,  qui  apud  Ju- 
daeos  pecuniam  suam  locant,  ut  a  Judaeis  usiirmn  recipiant 
vel  ut  Judaei  eandem  mutuent  ad  usuram."  Es  war  dies  ein 
Verfahren,  übereinstimmend  mit  der  Accommenda  in  Italien.  ^) 


1)  cf.  noch  Martens,  1.  c.  §.  5.  p.  23.  du  Gange,  voce:  caorcini. 
Raumer,  Hohenstaufen.  1.  c.  Eoscher,  Nation.  Oek.  I.  p.  351.  §.  187. 
Kriegk,  p.  338.  414ff.  437 if.  2)  cf.  Acta  Sanctorum,  vita  S.  Ivet- 
tae.  stirbt  1228.  Xm.  Jan.  p.  868.  c.  19.  (Die  Vita  soll  von  einem  Zeitge- 
nossen sein.)  Für  ihre  Kinder  sorgend  beschliesst  eine  Wittwe,  ut  pecunia 
quae  sihi  proveniebat  ex  substantiola  suis  puhlicis  negotiationihus  ac- 
commodaretur ,  ut  superereseentis  lucri  negotiantium particeps  esset, 
sicut  tnulti  et  honesti  secimäum  seculi  viri  idem  facere  consueverant ,  licet 
non  absque  peccati  sicut  nee  sine  quaestus  emolumento.  Quod 
tarnen  pecccäum  quamvis  modo  quam  grave  et  grande  sit ,  evidenter  uppa- 
reat ,  turne  tarnen  temjMris  aut  oninino  reniale  aestimabatur  aut  nulluni. 
c.  19.  fin.  p.  874.  „  dedit  pecuniam  suam  ad  usuram  aliquot  diebus." 
Mitth.  V.  H.  Pr.  Stobbe.  —  cf.  bes.  Kriegk,  p.  337.  343  A.  205  (1403) 
und  VUI.  3.  d.  3)  Salmasius,  d.  usur.  I.e.  p.404ff.  4)conc.Germ, 
1.  c.  V.  p.  623.  5)  Mar  tens,  1.  c.  §.  7. ,  cf.  die  Statuten  der  carapsores 
V.  Piacenza  1391.   Bergamo  1457 ,  Genua  1589.  ib. 


V.   5.  Die  Wechsler,   cl.  Geschäfte  der  Wechsler.  391 

Im  16.  Jahrhandort  depouirten so,  wie  Ma rp erger  ^)  anführt, 
die  Obrigkeiten  der  Städte,  z.  B.  zu  Hamburg,  Amsterdam 
überschüssige  Gehler  in  die  Banken ,  damit  durch  den  von 
den  Wechslern  daraus  gezogenen  Gewinn  ein  Fonds  zur  Un- 
terstützung schuldlos  fallirter  Kaufleute  gebildet  werde. 
Weitere  Depositen  bei  Wechslern  1403  erwähnt  Kriegk 
I.e.  p. 338 ff. 2) 

Mehr  indess,  als  mit  diesen  grossen,  den  Verhältnissen 
italischer  Bankhäuser  angepassten  Geldgeschäften,  befassten 
sich  die  Wechsler  Deutschlands  mit  kleinen  Darlehen ,  welche 
sie  gegen  Erlegung  von  Faustpfändern  und  Zahlung  nicht 
kleiner  Zinsbeträge  au  die  unbemittelten  Handwerks-  und 
Handeltreibenden  in  sehr  grosser  Menge  ausliehen.  Sie  bilde- 
ten so  die  eigentlichen  Vermittler  des  Geldumlaufs  auch  nach 
den  unteren  Schichten  der  Gesellschaft  hin  zu  deren  grossem 
Nutzen ,  sie  schössen  den  unbemittelteren  Handwerksmeistern 
Beträge  auf  kurze  Zeit,  von  Woche  zu  Woche  vor,  mit  denen 
jene  die  Geschäfts-  und  Familienunkosten  bestritten,  und 
welche  sie  bei  eingehender  Zahlung  von  Seiten  ihrer  Kunden 
nebst  den  Zinsen  gegen  Auslösung  ihrer  Pfänder  z.  B.  eines 
wenig  nöthigen  Hausgeräthes  u.  dergl.  zurückzahlten.  ^)  So 
sagt  Salmasius  1.  c.  p.  485  richtig: 


1)  Monies  pieiniis.  Leipz.  1715.  2)  Hier  durften  nur  zur  Begrün- 
dung der  Anerkennung  der  Wechsler  kurze  Andeutungen  dieser  Verhält- 
nisse vorgeführt  werden ,  welche  in  den  unten  folgenden  Stellen  V.  5  f. 
u.  VIII.  3.  d.  genau  zu  erörtern  sind.  3)  cf.  Purgoldt,  in  der  oben  im 
Text  zitirten  Stelle  VIII.  c.  30.  —  Dann  besonders  Salmasius,  de  usu- 
ris  (Leyden  1638),  führt  cap.  21.  p.  670  solchen  sehr  charakteristischen 
Fall  an.  „  Nee  sine  caussa  porro  in  singulis  Hollandiae  urhilms  consti- 
tuti  publici  foeneratores ,  Longoharäi  vulffo  dicti ,  apnd  Romanoa  trape- 
zitae ,  argentarii ,  qui  inopibus  pecuniam  dani  mutuam  sub  piqnoribus. 
Absque  quo  esset  plerique  bonis  tili  pretio  venditis  everterentur  aut  ver- 
fere  solum  foroque  cedere  cogerentnr ,  qui  respirandi  inde  laxanientum 
nacti  res  suas  Herum  in  solido  locant  et  pignora  recipiunt  a  foeneratore, 
persoJuto  cum  nsuris  pactis  debito.  In  Gallia  nostra  si  idem  mos  ohtine- 
ret,  melius  ageretur  cum  rusticis  et  artißcibus  inopibus ,  quia  trümtorum 
exactoribus  appellati ,  ubi  solvendo  non  sunt ,  suppeUectili  Omni  statim 
divendita  idque  vilissimo  pretio ,  lectis  etiam,  in  quihiis  cubant,  excutiun- 
tur.   Qu(i€  postea  magno  utpote  ad  vitain  necessaria  emere  iterum  coacti 


302  V.  5.  Die  Wechsler,   d.  Geschäfte  der  Wechsler. 

„plures pauperes  videmus  quotidie per  totum  annum  d  s'm- 
gulis  scptlmanis  mensa  idoifes  Longobardorum ,  qui  tarnen 
ah  ea  non  fmnt paiqKTiores,  scd  maximum  inde  solatiuni 
percipiunt  et    egestatem  ■ultimam  mendacitatemque 
eo  re m edio  vitant.^) 
Die  Stellung  der  deutschen  Wechsler  gleicht  daher  in  dieser 
Beziehung  ungefähr  derjenigen  der  römischen  toculliones ;  sie 
sitzen  den  Tag  über  in  iliren  Marktbuden  und  leihen  den  Hand- 
werkern und  kleineren  Gewerbtreibenden  Gelder  gegen  Pfand, 
um  Kapital  und  Zinsen  oft  schon  an  demselben  Tage ,  in  der- 
selben Woche  wieder  zu  empfangen.  ^) 


paulo  post  Herum  mininw  addici  pro  tributi  solucione  vident ,  donee  tan- 
dem  ad  ultimas  egestaiis  rnetas  nunquarn  in  posterum  emersuri  compel- 
lantur.  Audio  de  quodam  vestifice  Middelhurgensi ,  qui  praedicare  seiet 
absque  ope  Longobardi  et  apere  unius  poculi  argentei  acta  vel  decem  cir- 
citer  florenis  aestimandi  renuntiaturum  se  suae  saepius  arti  fuisse ,  sibi- 
que  nihil  inde  futurum  aliud  super ,  quam  gnnviter  esuritioni  operam 
dare.  Sartoriis  operis ,  quas  habet  conductas ,  in  fine  singularum  hebdo- 
madum  solvenda  est  pensio.  Defertur  ad  foeneratorem.  poculum.  Ubi 
pecuniam  ipse  accepit  ab  his,  qui  debent  pro  factura  vestium,  quia  non 
semper  ad  diem  solvunt ,  ad  redimendum  poculum  properat.  Mox  iterum 
oppignerat  iibi  opus  Jiabet  iterumque  liberat.  Sic  totus  ipsi  annus  it  obli- 
ganti  et  redimenti  vasculum  suum  cum  usura  quidem  satis  grandi,  utpote 
quae  ternas  centesimas  in  annum  conficiat,  sed  quae  maximam  siln  afferat 
utilitatem  et  grande  compendium ,  dum  a  maximo  eum  dispendio  prohihet 
immo  a  certo  omniuin  fortunarum  exitio."  —  cf.  Kriegk  jj.  340.  (1403.) 
1)  Daneben  führt  derselbe  d.  foen.  trapezitico.  Einl.  p.  XLIII. 
noch  ein  weiteres  Geschäft  der  Wechsler  in  Holland  au.  „In  lustris  aleo- 
num  frequenter  apud  nos  usurpatur  . .  ubi  coeunt  lusores  qui  forum  alea- 
torium  excalfaciunt ,  praesto  sunt,  qui  pecunia  exhaustis  sed  perdendo 
nondum  lassatis ,  nummos  dent  mutuos  ea  cotiditione ,  ut  inde  non  exeant 
nisi  Sorte  et  usuris  solutis  idque  in  dies  singulos..."  2)  Gillet, 
Crato  von  Craftheini.  II. p. 475.  Brief  des  Z.  Ur  sinus  anCrato:  „. . .  hu- 
jus  me  res  admonet :  quid  vobis  Uli  placent,  qui  de  floreno  in  hebdo- 
madem  accipiunt  tres  nummos?  At  tales  hie  habemus."  Witten- 
berg 1557.  —  Salmasius,d.  foenore  trapezitico.  prooem.  p.  XLIII,  In 
neuerer  Zeit  Aehnliches  zu  Paris  bei  Turgot,  memoire  sur  le  pret  d'ar- 
gent.  §.  14.  31.  Cantillon,  nature  du  commerce  p.  276.  Röscher,  1.  c. 
§.  193.  Für  3  livres  empfingen  die  Darleiher  hier  pro  Woche  2  sous,  d.  h. 
173  "lu  jährlich.  Und  doch,  wann  die  Richter  diese  Wuchrer  zur  Wucher- 
strafe des  französischen  Gesetzes  verurtheilten,  baten  die  Schuldner  selbst 


V.  5.  Die  Wechsler,  d.  Geschäfte  der  Wechsler.  393 

Aus  dieser  Stellung  beider  Theile,  der  Darleiher  und  Dar- 
lehnsnehmer,  beiden  gleich  noth wendig  und  nützlich, 
und  nach  Vorgang  obiger  mittelbarer  Billigung  der  Gesetze 
festigte  sich  schliesslich  das  Verhältniss  erst  thatsächlich, 
dann  sogar  allgemein  und  unmittelbar  gesetzlich  anerkannt, 
der  Art,  dass  die  Inhaber  der  Wechselbanken  und  Darlehns- 
tische  jederzeit  unter  bestimmten  Bedingungen,  besonders 
zu  bestimmtem  Zinse  Darlehen  verabreichten.  Seitdem  aber 
blieb  es  für  die  Geldsuchenden  nicht  mehr  schwer,  ja  nicht 
mehr  zweifelliaft ,  d^jiss  sie,  falls  sie  nur  jene  Bedingungen 
erfüllten,  das  verlangte  Geld  sofort  vorfinden  und  erhalten 
m  u  s  s  t  e  n.  Schon  Walter  von  der  Vogelweide  singt ;  ^) 
24.  fro  weit,  du  solt  dem  wirte  sagen 

daz  ich  im  gar  vergolten  habe : 

min  gröste  gülte  ist  abe  geslagen ; 

daz  er  mich  von  dem  brieve  scabe. 

swer  ime  iht  sol ,  der  mac  wol  sorgen. 

e  ich  im  lange  schuldic  waere, 
ich  wolt  e  zeinem  Juden  borgen 

er  swiget  vnz  an  einen  tac: 

so  wil  er  danne  ein  wette  hän, 

so  jener  niht  vergelten  mac."  ^) 
So  erstand  die  D  a  r  1  e  h  n  s  b  a  n  k  neben  der  Wechselbank  für 
Schuldner  und  Gläubiger.  Das  zeigt  sich  z.  B.  bei  dem  oben 
(IV.  2.k.)  besprochenen  Institute  des  Schadennehmens.  •'')  Die- 
ses wird  in  C  ö  1  u  schon  1272  durchaus  öffentlich  von  Juden 
und  Christen  geübt. ^)   Für  Zürich  sagt  darüber  ein  Raths- 


häufig  um  Schonung  ihrer  Gläubiger !  cf.  über  die  5  Schilling  -  Banquiers 
in  London  (lO"«)  Col((uhoun,  police  of  the  inetropolis  p.  167.  —  Ver- 
leihen der  Produktivkapitalieu ,  des  eisernen  Viehes  in  Tessin  (36  %). 
F  r  a  n  s  c  i  n  i ,  der  Canton  Tessin  p.  152. ,  am  Rhein  200  "/o  •  M  o  r  s  t  a  d  t, 
der  National  -  Oekonom.  IX.  p.  727.  bei  Röscher  §.  193.  194. 

1)  ed.  Lachmann.  Berl.  III.  p.  100.  (Mitth.  v.  H.  Dr.  Korn.)  2)  ..zei- 
nem Juden  borgen"  wie  beim  Schadennehmen  IV.  2.  k.  dort  aber  vom  Gläu- 
biger, hiervon!  Schuldner.  3)  cf.  Cuj  acii  opera.  Mutinae  1782.  X.  435  B. 
„cum  quibus  (argeniariis)  semiter  infellüfitur  foenus  tacitum  contrahi, 
et  quidem  ex  tacito  pacto  dehentur  Ulis  besses  usiirne."  Ganz  wie  oben  das 
lucrum  cessans  der  Kaufleute  bei  dem  Interesse  (cf.  ob.  IV.  3.  b.)  4)  cf. 
Lacorablet,  ü.  B.  L  c.  IL  n.  628  (1272).  Die  Stadt  selbst  verpflichtet 


394  V.   5.  Die  Wechsler,   d.  Cieschäfte  <lor  Wechsler. 

erkenntniss  von  i;{24:  „Wo  ein  burger  uf  einen  andern  burger 
von  den  Juden  ald  von  den  CauAverschin  (V.  5.b)  in  vnser  Stat 
guot  entlehent  mit  des  schuldeners  wissende  als  willen,  ist 
das  die  Juden  ald  die  cauAverschin  den  beldagent  vmb  ir  guot, 
da  ist  der  Kat  gebunden  vf  den  eid ,  beide  houptguot  vnde 
gesuocli  in  ze  gemnnene.  Were  aber  das  ein  burger  vf  einen 
andern  burger  gelt  heisset  an  den  Juden  ald  an  den  Cauwer- 
scbin  schriben  da  ist  der  Eat  nicht  gebunden  das  gelt  in  ze 
gewinnene  noch  der  Schultheis  davon  ze  richtenne."  ^) 

Aus  Nord-  und  Mitteldeutschland  ist  das  Beispiel  des 
Vertrages  zwischen  Markgraf  Otto  von  Brandenburg  und  Her- 
zog Heinrich  IV.  von  Breslau,  ebenfalls  bereits  vom  Jahre 
1277,  bekannt.^)  Weitere  Beispiele  finden  sich  aus  späterer 
Zeit,  z.  B.  1401  aus  Breslau:^)  „..und  ob  si  das  nicht  bezal- 
ten  uff  denselbin  tag ,  so  sullen  und  mogin  si  di  IX "  golden 


sich  zur  Zahlnng'  von  jährlich  150  m.  an  den  Grafen  Adolf  von  Berg. 
Sollte  nach  vorangegangener  Mahnung  Zahlungsverzug  entstehen,  „dictas 
centum  et  quinquaginta  marcas  conquirant  et  recipiant  ad  Ju- 
deos sub  ustira  marcam  quamlibet  pro  tribus  denarüs  Coloniensibus 
qiialibet  septimana,  volentes  (die  Cölner)  ad  dictorum  dampnorum  restau- 
rationem  cum  principalis  dehiti  solutione  et  Interesse  fore  indissolubüiter 
obligati."  —  ib.  11.  n.  745.  (1280)  „quod  (Geldzahlung)  si  non  feeerint, 
omne  dampnuni  per  usuras  Judeurum  quod  ex  mora  solucionis 
dicte  pecunie  sustinuerimus ,  hoc  nubis  cum  sorte  principali  refundere 
tenebuntu/r  — "  ib.  II.  n.  1047  (1300)  4  Personen:  „protestamur ,  quod 
...  Constantinus  de  Lysolslcirgen,  civis  Coloniensis  (wahr- 
scheinlich öifentlicher  Wechsler  in  Cöln ,  cf.  das  Personenverzeichniss  bei 
Lacomblet)  ex  pa/rte  . . .  arehiepiscopi  Coloniensis  nobis  satisfecit  de  mille 
mareis ,  quas  . .  aepus  in  medio  quadragesime  nunc  elapso  solvisse  de- 
buisset ;  promittentes  eidem  Constantino ,  si  . .  aepus  sibi  non  satisfecerit 
de  dictis  mille  m.  infra  fest  . ..,  quod  C.  (einer  der  4  Gläubiger)  cum  ex- 
pensis  ipsius  Constantini  faciet  nomine  nostro  moneri  fidejussores ,  quos 
idem  . .  aepus  nobis  constituit  pro  denarüs  ante  dictis  ut  intrent  Coloniam 
ad  jacendum."  —  cf.  auch  Quellen  z.  Gesch.  der  Stadt  Köln  II.  n.  388 
(12.58)  cf.  die  folgende  Note.  —  Mitth.  v.  H.  Prof.  Stobbe. 

1)  Bluntschli,  Züricher  R.  G.  I.  p.  293.  2)  Petri  de  Hallis, 

Summa  n.  62.  (Stobbe,  Vertragsrecht  p.  42):  „eandem  pecuniam  reci- 
pere  ad  usuras. . ."  allgemein  bei  Juden  und  christlichen  Wechslern  also. 
3)  Breslauer  städt.  Arch.  lib.  excess.  et  sign.  fol.  29.  (v.  H,  Pr.  Stobbe.) 


V.   5.  Die  Wechsler,   d.  Geschäfte  der  Wechsler.  396 

nemen  in  Cristen  adir  Juden  uff  gewoulichen 
schaden,  denselben  schaden  liaben  si  in  niitsanipt  dem  haupt- 
gute gutlicli  und  ane  ■wederrede  globet  zu  ricliten  und  zu 
beczalen," 

Für  Mitteldeutschland  knüpft  Purgoldt  die  Erlaubniss 
des  Schadennehniens  an  bestimmte  zum  Theil  in  dem  Institute 
liegende  Bedingungen.  ') 

In  Süddeutschland  endlich  war  das  Institut,  wie  schon 
oben  (IV.  2.k.)  erwähnt  wurde ,  besonders  häufig  in  den  Ge- 
setzen anerkannt,  und  zwar  gerade  in  denen  auch,  welche 
vornehmlich  kanonistischem  Einflüsse  offen  standen.  ^)  Durch 
ganz  Deutschland,  wie  man  sieht,  trägt  dasselbe  die  oben 
berührten  gleichen  Rechtsgruiidsätze,  welche  so  wesentlich 
mitwirkten  für  die  grössere  Verbreitung  und  gesetzliche  Billi- 
gung der  Conventionalzmsen  allgemein,  üeberall  andrerseits 
zeigt  sich  in  ihm  bereits  die  ausdrückliche  gesetzliche  Billi- 
gung für  alle  öffentlichen  Darleiher,  mochten  sie  Juden  oder 
Christen  sein. 

Im  weiteren  Verlaufe  des  Verkehrs  stellte  sich  die  Dar- 
lehnsbank  trotz  des  kanonischen  Zinsverbotes  oder  gar  durch 
dasselbe  so  notliAvendig  und  offenbar  heilsam  für  das  Geld- 
bedürfniss  der  niederen  Stände  zunächst  heraus,  dass  die 
Gesetze  nicht  bloss  die  zinsbaren  öffentliclien  Darlehen  der 
Wechsler  und  Juden  etwa  wie  ein  nothwendiges  Uebel  aner- 
kannten ,  sondern  sogar  die  bisher  nur  freiwilligen  Daiiehns- 
geber  geradezu  nöthigten ,  unter  bestimmten  gesetzlichen  Be- 


1)  Vorherige  Uebereinkunft  der  Parteien  (cf.  IV.  2.  k.) ,  vorherige 
Verfolgung  vor  Gericht,  cf.  Gerichtsleufft  zu  Eisenach  (Rechtsb. 
Ortloff  p.  368)  c.  59.  Im  Rechtsbuch  P.'s  VIÜ.  c.  69.  begegnet  das  Scha- 
dennehmen auch  Seitens  des  Handwerkers ,  der  seine  auf  Bestellung 
gefertigte  Sache  nicht  an  den  Besteller  absetzen  kann.  Er  versetzt  die- 
selbe ,,zcu  Juden  ader  zcw  cristen  vor  sein  Ion,  das  beschejdenlich  ist. 
und  vorsetzt  her  sy  turer ,  den  gesuch  nuiste  lier  selber  tragen ,  und  yhe- 
ner  loste  sein  kleyder,  nachdem  also  der  rath  und  die  schejjffen  erkenten. 
Dit  ist  der  stadt  recht."  2)  So  handelt  von  ihm  das  Prager  St.  R. 
n.  17.  25.  27.  Prager  Schöffenurth.  65.  Brünner,  Schöffenbuch  416. 
Wiener  St.R.  (1435)  Rauch.  IJF.p.  151.221.  —  Stobbe,  1.  c.  p.  43—45. 


SOG  V.   5.  Die  Wechsler,   d.  Geschäfte  der  Wechsler. 

dingiingen  offene  Darlehnsbänke,  diese  Anfänge  unserer  Bänke 
und  Pfandhäuser,  herzustellen  und  zu  erhalten.  Im  Augs- 
burger Stndtrocht,  schon  von  1276  (1.  c.  p.  216)  heisst  es: 
„ein  ieglich  Jud  sollWhen  auff  die  pfand;  die  dess  dritten 
theils  türer  sind  vnd  soll  dess  nit  v erwidern." 
Die  grössere  Zahl  der  vorn  für  die  gesetzliche  Höhe  der  Juden- 
zinsen (V.  4.  d.)  angefülirteu  Gesetze  gehört  hierher ,  u.  a.  das 
Z  ü  r  i  c  h  e r  von  1 354.  ^)  Im  S  t r  a s  b  u r  g  e r  Stadtrecht  (1 382) 2) 
wird  im  Anschlüsse  an  die  Verpflichtung  des  säumigen  Schuld- 
ners gegen  alle  begründeten  Forderungen  dessen,  „von  dem 
der  Schaden  genommen  ist,"  festgesetzt: 

„sie  (die  Juden,  und  allgemein  die  Wechsler)  sullent  auch 
N  i  e  m  a  n  n  e  versagen,  der  unter  unsern  Stabe  gesessen 
ist ,  Pfennmge  auf  Pfände  zu  leiende  vmb  so  viel  Wuochers 
ane  geverde ,  als  dafür  ist — " 
Damit  hängt  zusammen  ,  dass  nach  dem  Freiburg'er  Stadt- 
recht ^)  der  Priester  von  der  Kanzel  herab  anzeigen  musste, 
wann  ein  Jude  aus  der  Stadt  zog ,  damit  Jeder  sich  von  ihm 
seine  Pfänder  einlöste. 

Für  den  Eegierungssäckel  war  damit  nicht  blos  durch 
Hebung  des  Verkehrs  (auch  Depositen,  Einkassirungen ,  Wech- 
selbriefe) und  Verhütung  der  Armuth  in  den  unteren  Ständen  eine 
günstige  Quelle  geöfiuet,  sondern  auch  die  Wechsler  selbst  hat- 
ten nun  um  so  mehr  Veranlassung ,  sich  anzusiedeln  und  ihre 
Kapitalien  den  Erpressungen,  Abgaben-  undDarlehnsforderun- 
gen  der  Fürsten  darzubreiten,  gleichviel  ob  sie  „Kawerczaner" 
(christliche  Wechsler)  oder  Juden  waren.  Mau  hielt  aucli  hier 
insbesondere  an  den  Verhältnissen  der  Juden  (V.  4.  a.)  und 
der  Münzer  (V.  5.  a.)  fest  und  verlangte  nun  auch  für  die  Ge- 
stattung solcher  Darlehnsbanken  eine  spezielle  Abgabe.  ^)  Dafür 
billigte  man  dann  natürlich  wieder  die  oft  hohen  Zinsen  dieser 
Wechsler ,  und  so  wurde  andrerseits  hierdurch ,  wie  durch  das 
Zinsprivileg  der  Juden,  den  Wechslern  der  Weg  gezeigt,  auf 


1)  Zeitschr.  f.  schweizer.  E.  IV.  66.  2)  .1.  H.  Böhmer,  jus  eccles. 
prot.  V.  19.  §. XXVn.  3)  ed.  Schreiber,  I.e.  n.l.p. 95.  4)  Kriegk, 
p.  340 ff.  (1403)  Beilage  E.  a.  besonders  günstige  Bedingungen. 


V.  5.  Die  Wechsler,  d.  Geschäfte  der  Wechsler.  397 

welchem  sie,  von  der  Conkurreuz  und  deren  milderndem  Einflüsse 
befreit,  um  so  schonungsloser  ihr  Vorrecht  auf  Kosten  der 
zwiefacli  eingeengten  Schuldner  ausbeuten  konnten. 

Dieses  bewog  die  Kaiser  oder  geringeren  Fürsten,  aus  ihrem 
Münzregale  her  an  den  Rath  der  Städte  die  Erlaubniss  zur 
Begründung  städtischer  Wechselbänke,  städtischer 
Leihhäuser  (auch  mehrerer  in  derselben  Stadt)  gegenüber  den 
privaten  LeDian stalten  zu  ertheilen,  wofür  der  Rath  dann  nicht 
minder  hohe  Abgaben  in  die  kaiserliche  oder  fürstliche  Kasse 
entrichtete.  Den  ersten  Anhalt  fanden  solche  städtischen 
Bänke  in  den  Leibrentenbänken,  welche  die  Landesherren 
und  die  städtischen  Obrigkeiten  zum  Wohle  ihrer  Eingesesse- 
nen ,  wie  zum  Segen  ihrer  eigenen  Kassen  seit  längerer  Zeit, 
wie  bekannt,  unterhielten.  Die  oft  missliche  Lage,  welche  bei 
Leibreutenverträgen ,  besonders  bei  Alteutheilen  die  alternden 
ßentenkäufer  den  Privatpersonen  als  Verkäufern  gegenüber 
einnahmen,  da  sie  letzteren  oft  ihr  ganzes  Vermögen,  oft  min- 
destens emen  grossen  Theil  desselben  übergeben  hatten,  und 
sie  auf  ihren  Tod  spekuliren  Messen  —  Missstände,  welche 
sich  zumal  im  Bauernstande  auch  heute  noch  bei  Altentheils- 
v ertragen  oft  und  schreiend  offenbaren  —  mochten  es  von 
frühe  her  nahe  legen,  dass  die  Obrigkeit  die  Durchführung 
solcher  Verträge  übernahm.  Bald  zeigte  sich ,  dass  das  Ge- 
schäft für  letztere  dazu  ein  sehr  gewinnreiches  wurde,  also 
den  bald  ungünstigen  Oeldverhältnissen  der  Landesherren  und 
Städte  um  so  erwünschter  erschien,  ohne  dass,  wie  oben  V.  3.e. 
gezeigt ,  wegen  des  zweifelhaften  Ausganges  dieser  Geschäfte 
das  Wucherverbot  solchem  Gewinne  entgegenstand.  ^)   In  ein- 

1)  cf.  Gemeiner,  Reichsstadt.  Regensburgische  Chronik  I. 
p.  533.  n.  p.  183  für  1320.  —  Lacomblet,  U.  B.  IQ.  n.  422  (1345)  Erz- 
bischof Walrain  von  Cöln  erklärt ,  als  er  aus  seiner  grossen  Schuldenlast 
herauszukommen  suchte :  „  so  hain  wir  geproyft  ind  is  war  vundcn ,  dat 
wir  in  goin  gelt ,  dat  unsme  gestiebte  zo  staden  möge  stain .  zytlicher  ind 
mit  minren  schaden  irkrigen  iukunnon ,  dan  mit  lyfzoclite  zo  verkoilfen 
up  gulde  uns  caiiitels  vursprochen ,  ind  herumb  so  sin  wir  mit  unsenie 
capittele  voerdragen ,  dat  sy  boven  dy  lyfzochte ,  die  sie  ej-tzu  havent  ver- 
kouft ,  wa  niede  wir  zwenzich  dusent  gülden  van  yn  genomen  haven ,  .  . 
so  sal  dat  selve  unse  capittel  noch  usser  irre  gülden  verkoufen  veir  dusent 


398  V.   5.  Die  Wodislor.   d.  Geschäfte  der  Wcclisler. 

zeliion  Orten  untersagte  die  Obrigkeit  deshalb  jede  Conkurreuz 
von  Privatitersouen  in  diesen  Verträgen,  ganz  wie  später  bei 
den  Darlelinsbanken.  So  sagt  das  Bramiscliweiger  Stadtrecht 
(1350)  §.  56:  „we  Lifgeding  kopen  wil,  de  scal  it  kopen  van 
deme  rade  unde  anders  nergen,  he  en  do  it  mit 
des  rades  vulborde."  Auch  diese  Vollmacht  stimmt  mit 
denen  der  andern  Banken  überein.  ^)  In  den  Nord  h  ä  u  s  e  r  Sta- 
tuten (1350)  2)  heisst  es  III.  cp.  29:  „kein  burger  soll  gülden 
zu  liben  kaufen  als  czu  uusen  burgern  uf  dem  hus."  Und  der 
Soest  er  Kath  erklärt  1365:  ^)  „Niemand  soll  lyfftucht  kopen 
oder  vorkopen ,  se  ene  kopen  de  weder  den  Kad  van  Soest  un 
weder  deghene  de  vann  des  Rades  weghen  un  van  der  meyn- 
heit  wegen  dar  to  gesät  sint."  Dergleichen  Leibrentenverträge 
schloss  man  mit  den  mannigfachsten  Bestimmungen-  für  die 
Käufer  *) ,  indem  man  besonders  an  mehrere  Personen  in  ver- 
schiedenartigster Verbindung  die  Eenten  verkaufte  und  nach 
dem  Ableben  einzelner  dieser  Personen  die  Rente  sieh  man- 
nigfach für  die  Ueberlebenden  verändern  Hess  (cf.  besonders 
V.  3.  b.  u.  c.)   Das  geschah  nicht  blos  bei  Ehegatten ,  sondern 


gülden  lifzuehte  "  u.  s.  f.  Und  das  Kapitel  erklärt  in  einem  von  ihm  in 
Folge  dieser  Vereinharimg  abgeschlossenen  Leibrentenvertrage  1345 
(Lacomblet,  ib.  III.  n.  427):  „unde  super  hiis  hahitis  cliligentius  cum 
domino  nosiro  arcliiepiscopo  . .  pluribus  et  diversis  tractatibus  per  expe- 
rientiam  jam  contractorum  debitorum  comperwms ,  cum  nullo  minori 
dampno  nos  posse  ad  precavendum  hiis  periculis  . .  peeuniam  conquirere 
quam  per  venditionem  rediiuum  sive  pensionum  aUquarum  ad  tisufru- 
ctum  diversis  personis  prout  . .  nos  emptores  ipsorum  reddituum  i/nvenire 
2)0ssemus."  ib.  III.  4G4.  (1348)  Leibrentenbrief  des  Markgrafen  Wilhelm 
von  Jülich.  In  Nijrnberg  müssen  1449  die  Bürger  zu  dem  Kriege  gegen 
Albrecht  Achilles  von  Brandenburg  eine  V^ermögenssteuer  von  4  Prozent 
zahlen.  Den  Einzelnen  sollen  diese  Einzahlungen  verzinst  werden  „  umb 
daz  selbig,  daz  einer  also  ze  steur  gab,  gab  man  im  ein  gülden  leibge- 
dings  auf  einen  leib  um  8  gülden,  auf  zwien  leib  um  10  gülden,  und  einen 
ewigen  gülden  umb  18  gülden ,  also  daz  es  zu  eines  guten  willen  stund, 
daz  er  kauft  ewigs  gelt  oder  leibgeding  auf  einen  oder  zweien  leib. ." 
Hegel,  1.  c.  II.  1).  323.  —  cf.  eiri  Gleiches  für  Dan  zig  1454.  ob.  V.  3.  d. 
1  j  Urkundenbuch  der  Stadt  Braunschweig.  2)  F  ö  r  s  t  e  m  a  n  n, 

Neue  Mitth.  d.  Thür.  Sachs.  Vereins  III.        3)   Seibertz,  Urk.  B.  1.  c. 
n.  n.  773.        4)  K  r  i  e  g  k ,  (1390)  p.  91  ff.  ControUe  der  Lebenszeit. 


V.   5.  Die  Wechsler,   d.  Geschäfte  der  Wechsler.  399 

auch  bei  fromdeu  Personen ,  ^)  und  bei  ihnen  zu  bestimmten 
Theilen ,  die  Jeder  an  dem  ganzen  Rentenbetrage  liatte ,  oder 
so,  dass  ihnen  die  Rente  zu  gesammter  Hand  gebührt,  daher 
nach  dem  Ableben  Ehizelner  von  den  Uebrigen  ganz  gefordert 
wird.  Solche  „Tontinengesellschaft"  kommt  bereits  in 
dem  Q  u  e  d  1  i  n  b  u  r  g  e  r  Stadtbuche  vor :  ^)  „  vrowen  agneten 
van  marwitz  und  vrowen  margreten  van  warin  uude  liern 
Johanne  van  yssleve  to  ghernrode  scal  mengheven  dre  mark... 
mit  samender  haut  to  erer  aller  live "  und  im  Berliner 
Stadtbuche  3)  verkauft  der  Rath  1401  für  30  Schock  3  Schock 
gross.  Rente  an  3  Personen  „thu  orer  dryer  live.  Welk  den 
leugist  levet  nach  dem  anderen,  dem  sullen  wi  unde  wollen 
geven  und  betalen  dy  . .  drye  schere  reuten."  Auch  die  Kirche 
ahmte  bei  ihren  montes  pietatis  dem  Beispiele  der  Städte  in 
den  Leibrentenbanken  nach  (cf.  u.  V.  5.  e.)  —  Chr.  Kuppe - 
ner,  vom  Wucher  fol.  C.  5'' sagt :  „einer  kaufft  etzliche  w  ernt- 
liche czius  bei  eyner  stat  ader  bei  einer  kirchen  auff 
seine  lebetage  alle  iar  jerlichen  im  solche  czu  reichen  vnd 
czu  geben."  Einige  halten  den  Vertrag  für  wucherlich,  weil 
Käufer  bei  langem  Leben  mehr  als  seine  Hauptsumme  zu  erhal- 
ten hoffe.  Kuppener  erachtet  ihn  erlaubt,  weil  ein  Kauf  zu 
Grunde  liege. ^)  (v.  S.  397  —  99.  Mitth.  v.  H.  Pr.  Stobbe.) 

Die  städtischen  Wechsel-  und  Leihhäuser,  welchen  jene 
Leibrentenbänke  voraufgmgen ,  stehen  eben  als  öffentliche  An- 
stalten der  städtischen  Obrigkeit  selbst  den  Privatanstalten  der 
Juden  mid  öffentliclieu  Weclisler  meistens  ^)  gegenüber.  Sie  wer- 
den von  Christen  gehandhabt,  die  nicht  an  sich  wie  die  letzteren, 
sondern  nur  im  Namen  der  städtischen,  fürstlichen,  kaiser- 
lichenMaeht  ein  Privileg  der  Zinsen  haben ,  und  so  trotz  des 


1)  Chroniken  deutscher  Städte  (Hegel),  1.  c.  p.  266  (1388).  Pidi- 
cin,  Beitr.  z.  Gesch.  d.  8tadt  Berlin.  I.  p.  216.  220.  223.  Homeyer, 
Stadtbücher  des  Mittelalters.  Abhaiulll.  d.  Berl.  Akad.  1860.  p.  73.  74. 
Zeitschr.  d.  Vereins  l'iir  Gesch.  u.  Alterth.  Schlesiens  V.  p.  123.  —  cod. 
dipl.  Siles.  III.  p.  132  (1387).  Hainburg.  St.  R.  E.  20.  Magdeburg. 
Fragen  U.  1.  3.  2)  Honieyer,  Stadtbücher  d.  Mittelalters.  Abhh.  d. 
Akad.  in  Berlin  1860.  p.  74.  3)  Fidicin,  Beitr.  I.  p.  222.  4)  et'. 
oben  V.  3.  e.        5)  A  n  d  e  r  s  die  4  Bänke  in  Frankf.  (1403)  B  e  i  1.  E.  a. 


400  V.   5.  Die  Wechsler,   d.  Geschäfte  der  Wechsler. 

kauoiüstischen  Zinsgesetzes  Darlehen  für  Zinsen  gegen  Pfän- 
der ausleihen.  Aber  eben  hierin  stehen  sie  wieder  den  montes 
pieiatis  der  Kirche  gegenüber  (V.  5.  e.) ,  da  die  Kirche  allein 
diese  Anstalten  und  zwar  gerade  gegen  jeden  Wucher  und  als 
Stütze  ihres  Wuchergesetzes  begründete,  weshalb  sie  auch  in 
deren  erster  Zeit  und  in  ihrer  eigentlichen  Gestalt  gar  keine 
Zinsen  für  ihre  Darlehn  forderte.  Ein  Privileg  für  solche 
städtische  Wechselbank  gab  Kaiser  Maximilian  I.  1498  u.  A. 
an  Nürnberg  ^)   Um  wie  viel  mehr  aber  musste  gar  durch  die 


1)  cf.  Würfel,  histor.  Nachrichten  von  der  Judengemeinde  in  Nürn- 
berg. Nürnberg  1755.  (Mittheil,  von  H.  Pr.  Stobbe.)  Da  die  Urkunde 
von  grosser  Wichtigkeit  ist ,  ihr  Abdruck  bei  Würfel  auch  selten  sich 
findet,  so  folgt  sie  hier  ganz:  Wir  Maximilian  etc.  (1498)  entbieten  denEr- 
samen  vnsemvnd  des  Eeichs  lieben,  getreuen  Bürgermeister  undRath  der 
Stadt  Nürnberg  vnser  gnad  vnd  alles  gute.  Ersamen  lieben  getreuen,  wie  wol 
ihr  vnd  gemeine  Stadt  Nürnberg  von  wej'land  vnsern  vorfarn  am  Reich, 
Römischen  Kaj-sern  vnd  Koenigen  aus  merklichen  treffentlichen  Vrsachen, 
löblichen  begnadiget,  gefreyet  vnd  fürsehen  sein,  dasz  ir  nicht  mehr, 
dann  ein  Anzahl  Juden  hey  euch  zu  Nürnberg  zu  halten  vnd  bleiben  zu 
lassen,  vnnd  vmb  gesuch  noch  wucherlich  handel  zu  erkennen, 
noch  vrtheil  zu  sprechen  schuldig  sein  sollen. 

So  hat  doch  stattlich  und  glaubwürdig  an  uns  gelanget ,  dasz  darüber 
bey  euch  von  den  Juden  dieselb  anzahl  merklich  gemehrt  vnd  vbergangen, 
auch  vber  höchsten  Ernst  mä  fleisz,  so  sie  deczhalbeu  fürkehren,  mit  dar- 
leihen vnd  in  andere  weise ,  mannigfeltig  böser  gefährlicher  vnd  behen- 
ter  Wucher  lieh  er  händel,  gegen  ewi'en  mitburgern  vnd  andern  geübt, 
vnd  darum  gefärlich ,  betrüglich  verschreibung  ausbracht ,  dadurch  etwa 
viel  aus  denselben  ,  die  sonst  bey  Iliren  Ehren  haab  vnd  güttern ,  in  glau- 
ben vnd  wesen  bleiben,  dermassen  übernommen  vnd  in  schulden  einge- 
führt, dasz  Sie  deszhalben  von  ihren  Nahrungen  vnd  häuszlichen  Ehren 
vnd  Wohnungen  gedrungen  werden ,  vnd  ihren  gläubigem  zu  der  Stadt 
Nürnberg  vnd  ausserhalb  gesessen  nicht  halten ,  noch  bezahlung  thun 
mögen,  das  alls  zu  besorgen  vnid  ie  mehr  vnd  mehr  täglich  vor  Augen  sey, 
wo  darein  nicht  gesehn  vnd  des  Wendung  gethan  würde ,  andern  ewren 
Mitbürgern,  die  meistentheils  werbend  vnd  handwerksleut  sind, 
bey  denen  damit  Sie  zu  Nürnberg  und  anderswo  handelten ,  scheu  und 
rniszglauben  geberen  und  den  gewerben  vnd  hanthii-ungen ,  bey  Euch  die 
derselben  Stadt  Nürnberg  vnnd  hochteutschen  zu  merklichen  Nutz  vnd 
guten  konnnen,  schmelerung  und  abbruch  bringen  würde,  dazu  beschehen, 
durch  die  berührten  Juden,  etlichen  verirrten  verlassen  Personen  ihrer 
boszheit  vnd  argen  willens  vnd  f ürsatz  in  geheim  vor  geding ,  besterkung 


V.   5.  Die  Wechsler.   J.  Geschäfte  der  Wechsler.  401 

städtisehon  Leihhäuser  das  kirchliche  Wuchergesetz  an  Stütze 
verlieren,  da  man  hier  die  Zinsen  nicht  mehr  durch  das  Juden- 

vnd  aufentlialt.    daraus   diebstahl  viid    andre  vnchristlich  viibillig  bösz 
händel  folgen ,  das  zu  gedulten  scliwere  vnd  vnleidentlich  sey. 

Wann  nun  Juden  auszulassen ,  vnd  vmb  christlicher  vrsach  willen  in 
der  heiligen  Christenheit  vnd  röniischen  Eeich  gedultet  werden ,  vnd  vns 
vnd  einen  jeden  römischen  Kaysor  vnd  Koenig  ohne  mittel,  in  vnser  Kay- 
ser  und  königliche  Cammer  gehörend  vnd  dem  vns  vnd  dem  heiligen 
Römischen  Eeich  an  Nürnberg,  als  einer  tref liehen  vnd  berümten  Stadt, 
die  uns  und  dem  Reich  biszher  in  unsern  merklichen  handeln  und  Sachen, 
erschieszlichen  und  nützlichen  erschienen  vnd  hinfüro  in  künftig  zeit  wol 
kommen  mag ,  nicht  klein  gelegen  deszhalben  vns  die  in  wesen  vnd  bey 
den  ihren  zubehalten  gebüret  vnd  genzlichen  gemeinet  ist ,  darum  haben 
wir  in  solches  gnädiglich  gesehen  vnd  nach  wolbedachteu  zeitigen  vor- 
rathe  vnnser  vnd  des  heiligen  Reichs  churfürsten ,  fürsten,  Graven,  Edlen 
und  getreuen  zu  ewiger  Gedächtnüs  aus  rechter  wissen ,  eigener  bewegnüs 
vnd  vollkonnnenheit  vnnsers  königlichen  gewalts 

So  befehlen  wir  euch  obgemelden  Burgermeister  Räthe  vnd  Gemeinde 
der  Stadt  zu  Nürnberg  ernstlich  vnd  vnwiederruflich  von  Römischer 
königlicher  Macht  volkommenheit ,  krafft  disz  briefs ,  auch  bey  den  Pflich- 
ten .  die  ihr  uns  vnd  dem  heiligen  Reich  verwand  seid ,  ernstlich  vnd 
vestiglich  gebietende  ,  dasz  ilir  alle  vnd  jegliche  Juden  vnd  Jüdin  daselbst 
zu  Nürnberg,  aus  derselben  Stadt  Nürnberg  gebietet  vnd  treibet,  die 
auch  euren  gebotten  gehorsam  erscheinen ,  vnd  sich  darauf  mit  iren  fah- 
renden vnd  beweglichen  hab  vnd  güttern  in  einer  Zeit ,  die  Ihr  ihnen  an- 
zeigen und  benennen  werden  vnd  soUent.  ausser  derselben  Stadt  Nürnberg 
thun .  \nid  die  häuser ,  Synagog  vnd  ander  liegend  gründ  vnd  gütter 
darinnen  sie  gewohnet ,  gesessen  vnd  wesen  gehabt ,  mit  samt  dem  leich 
hof  vnsern  vnd  des  reichs  Schultheiszen  bey  Euch  zu  Nürnberg  vnd  lieben 
getrewen  Wolfgangen  von  Parszberg,  dem  wir  deszhalben,  das  alles  ein- 
zunehmen befelch  vnd  gewalt  geben  haben ,  abtretten  vnd  unverhintert 
ohn  all  einrede  folgen  lassen  sollen ,  immassen  wir  ihnen  auch  solches 
ernstlich  gebotten  haben ,  ir  und  euer  nachkommen  soUent  auch  alsdann 
ferner  nicht  schuldig  sein  ,  noch  durch  vns  oder  vnser  nachkonmien  am 
Reich  angedrungen  werden ,  noch  mögen  dieselben  noch  einig  ander  Ju- 
den ,  noch  Jüdin  zu  ewigen  Zeiten  bey  euch  zu  Nümbei-g ,  noch  in  ander 
ewer  gebiete  einkonimen  oder  heuszlich  wohnen  zu  lassen ,  vnd  nachdem 
ewer  Mitbürger ,  wie  obberührt .  werbendt  vnd  handwerkslewt  sind,  der 
alls  wol  zu  bedenken  ist.  etwan  vil  ihr  handtwerck  handtierung  vnd 
gewerb  ohn  entlehen  vnd  gebrauch  ander  lewt  gelt  vnd  gut  nicht  getrei- 
ben  mögen,  damit  dann  wucherlich  gefärlich  händel  vermitten 
bleiben  vnd  nicht  erwachsen  noch  aufstehen,  auch  der  arme  durch 
den  reichen  nicht  vbersezt,  sondern  sich  ieder  neben  dem  andern 

Neumanu,   Gesch.  d.  Wuchers,  2ß 


402  V.   ö.  Pio  Wechsler,   d.  Geschäfte  der  Wechsler. 

tbum ,  nk'lit  melir  Jurcli  dio  Unsittlichkeit  otfener  Wucherer 
deckte,  eutscliuldigte ,   nocli  nur  zu  entschuldigen  für  nöthig 


desto  basz  bchelfen  und  eriiehren,  vud  haiidthierung  vnd  gewerbe  bey 
ihnen  selbs  und  gemeinen  hochteutschen  landen  zu  nuz  vnd  guten  in 
Übung,  gebrauch  vnd  wesen  erhalten  werde,  So  geben  wir  auch  die 
feniere  gnad  vnd  freiheit,  gönnen  vnd  erlauben  euch  auch  von  ebbe - 
rührtor  Königlicher  Macht  Vollkommenheit  wissentlich  in 
KratVt  disz  briffs ,  dasz  ihr  Wexelbänke  bey  euch  in  der  Stadt  Nürnberg 
an  gelegen  Enden  aufrichten  vnd  ihr  vnd  ewer  nachkommen,  die  nur 
hinfüro  in  ewig  Zeiten  haben,  halten  vnd  mit  Schreibern,  ampt- 
leuten,  vnd  andern  Personen  die  solchen  vor  sein  vnd  nothdürf- 
tiglichen  aus  warten,  nach  ewren  nothdürften  willen  vnd  gefallen,  wie 
ie  zu  zeit  und  gelegenheit  der  Sachen  erfordert ,  besezen ,  fürsehen  vnd 
ordnen  mögen ,  dermassen ,  dasz  ihr  ewren  mitbürgern  vnd  innwohnern, 
die  ihr  handwerk,  handthierung  vnd  gewerb  ausserhalb 
entlehens  vnd  versetzens  statlich  nicht  wol  getreiben 
vnd  gearbeiten  könnten,  wann  vnd  so  oft  ihr  wollen  auf 
ir  ansuchen  vnd  begehren ,  nach  gelegenheit  irer  handlung  vnd  wessens 
zu  Ihrer  notdurft  geld  leihen  vnd  darum  P f  a  n t ,  b ü  r  g s c h  a f t  und 
Versicherung  nemen ,  vnd  von  denselben  Z i n  n s z e n  ,  die  obberürten 
Ampt-leute  vnd  ausrichter  solcher  Wechselbank  ihrs  Solds  vnd  arbeit 
entrichten,  vnd  ob  alsdann  derselben  Zinnszen  übermasz  were, 
dieselben  Zinnszen  zu  gemeinen  Nuzen  vnd  gut  der  Stadt 
Nürnberg  obgemeld  wenden  vnd  kehren  mögen ,  als  andere  derselben 
Stadt  gemeine  guter,  vnd  ob  die  Judischheit  vonnalen  von  weyland  vnsern 
vorfahren  Eomischen  Kaysern  vnd  Königen  löblicher  gedächtuüs,  icht 
Begnadigung ,  Freyheiten ,  Privüegia  oder  ichzit  anders  erlanget  oder 
erworben  betten,  dasz  Sie  in  gemelder  Stadt  Nürnberg  oder  in  andern 
euren  gebieten  mit  ihren  Leiben ,  hab  und  gutem  sich  wesentlich  enthal-  • 
ten  solten  vnd  möchten,  wie  vnd  was  gestalt  die  erlanget,  ausgangen 
vnd  gegeben  weren ,  oder  in  künftig  Zeit  von  vns  oder  vnsern  nachkom- 
men am  Reich  ausgebracht ,  erlangt  oder  gegeben  würden ,  mit  was  Clau- 
sein oder  Derogation  des  alles  beschehen  were ,  oder  die  alle  vnd  jede, 
so  wider  diesen  vnsern  befelch  vnd  gebot  weren ,  oder  seyn  möchten ,  die 
sollen  keine  Kraft  noch  Macht  haben ,  sondeni  ganz  vnd  gar  aufgebt ,  ab- 
gethan  vnd  vernichtet  seyn  vnd  bleiben ,  gleicher  weisz  vnd  in  aller  form 
vnd  maasz  als  ob  wir  es  von  wort  zu  wort  hierinnen  begrifen ,  sonderlich 
gemeld  vnd  aus  rechter  wissen  aufgebebt  vnd  abgethan  betten ,  dann  wir 
auch  dasselbig  alles  vnd  iedes  aus  römischer  koeniglicher  macht,  Voll- 
kommenheit rechter  wissen  vnd  eigener  bewegnüs  abgethan,  aufgebebt  vnd 
veniicht  liaben  wollen  jetzt  alsdann  vnd  dann  als  jetzt  in  kraft  diesz  briefs, 
also  dasz  sich  die  Jüdischheit  noch  jemand  von  ihrentwegen  derselben 


V.   5.  Die  Wechsler,   d.  Geschäfte  der  Wechsler.  403 

hielt,  sondevn  den  Wucher  in  den  uffeuen  Schutz  städtischer, 
ja  kaiserlicher  Machtvollkommenheit  stellte,  den  Vortheil  der 


begnadigung.  freyheiten,  Privilegien  noch  Statuten  hinfüro  wieder  diesen 
unseni  befelcli,  vnd  gebot  gegen  euch ,  ewern  nachkommen,  noch  gemeiner 
Stadt  Nürnberg  nicht  behelfen  noch  gebrauchen .  auch  die  Judischheit 
mit  nichten  schüzen,  schirmen  noch  türtragen  sollen. 

In  dem  allen  vnd  jeden  sollend  ihr  auch  wider  uns  vnd  das  heilig 
Reich  noch  iemand  andeni  nicht  vbervaren  gefrevelt  noch  verschult  haben, 
noch  derhalbeu  weder  ihr ,  euer  nachkoitmen  noch  gemeine  Stadt  Nürn- 
berg durch  vns ,  vnser  nachkommen  am  Reich  noch  vnsem  oder  ihre  Kay- 
serlichen  oder  königlichen  Cammer  Procurator  oder  fiscal ,  oder  sonst  in 
einig  ander  Weisz  nicht  angefochten,  bekümmert,  oder  beschweret  wer- 
den ,  oder  zu  antworten  schuldig  seyn  in  kein  weisz ,  were  auch ,  ob  ilir 
zu  solchen ,  vrie  vorstehet ,  einigs  ferner  oder  weitem  befelchs  oder  für- 
sehung  von  uns  zu  haben  nothdürftig  weren  oder  würden ,  sollen  und  wol- 
len wir  euch  dieselben  nach  aller  notdurft .  aus  unsern  Römischen  König- 
lichen Canzeley  verschafen  vnd  geben  lassen ,  damit  euch  hierinnen  nicht 
abgang  oder  mangel  erscheine.  Doch .  dasz  ihr  Euch  in  solchen  allen  vnd 
jeden  erbarlich,  aufrecht,  ziemlich  Taä  geraeinen  nuz  zu  gut  haltend  rad 
beweisend. 

Und  gebieten  darauf  allen  vnd  ieglichen  Churfürsten,  Fürsten, 
geistlichen  und  weltlichen  Prälaten ,  Grafen .  Freyen ,  Herren ,  Rittern, 
Knechten .  Hauptleuten .  Vizthiunen ,  Vögten ,  Pflegern  ,  Verwesern, 
Amptlewten  ,  Schultheiszen  ,  Bürgermeistern,  Räten,  Richtern.  Bürgern, 
Gemeinden  und  sonst  allen  vnsern  -vnd  desz  Reichs  vnterthanen ,  und 
getrewen ,  in  was  würden ,  Standes  oder  wesens  sie  seyn ,  ernstlich  mit 
diesen  brief,  vnd  wollen,  dasz  sie  die  genannten  Bürgei-meister ,  Rath 
und  gemeine  Stadt  Nürnberg ,  an  solchen  unsern  Königlichen  befelch  vnd 
gebot  nicht  hindern  noch  irren ,* sondern  Sie,  Avie  vorstehet ,  dabey  blei- 
ben ,  vnd  den  ausüben  nid  vnverhindert  laut  desselben  handeln  lassen, 
auch  von  vnsem  wegen  dabey  handhaben ,  schüzen  und  schirmen  vnd 
hiewieder  nicht  thun  noch  jemand  andern  zu  thun  gestatten  in  kein 
weisz,  als  lieb  einem  jeglichen  sey  vuser  vnd  desz  reichs  Ungnad  vnd 
straf.  Und  dazu  ein  Poen ,  nemlich  viertzig  mark  löthigs  Goldes  zu  ver- 
meyden ,  die  ein  jeder,  so  oft  Er  freventlicli  hierwider  thäte ,  vns  halb 
in  vnnser  vnd  des  reichs  Cammer ,  vnd  den  andern  halben  theil ,  euch 
obgenannten  von  Nürnberg  vnd  euren  Nachkommen  vnablöszlich  zu 
bezahlen  verfallen  sein  soll  (Frei bürg  im  Breisgau.   21.  Juli  1498)." 

Dies  ist  die  Ursache ,  weshalb  sich  die  S  ummisten  am  Ende  des 
15.  und  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  die  Frage  aufwarfen,  ob  derwucher- 
lichc  Vertrag  Etwas  von  seiner  Wuchernatur  einbüsse,  ..  wan  ein  C'ommun 
ader  ein  gemein  einer  samlung  ader  die  obersten  einer  samlung  wucher 

26* 


4l)4  V.    ü.  Die  Woolislor.    d.  Cioscliixftc  clor  Wechsler. 

Anstalten  in  die  öffentlichen  Kassen  fliessen  Hess  und  so  recht 
geordnet  und  gegen  jeden  rechtlichen  und  sittlichen  Angriff 
geschützt  d;is  zinsbare  Darlehn  in  die  weiten  und  durch  ilire 
Menge  mäclitigen  Kreise  der  grossen  und  kleinen  Geschäftsleute 
und  in  die  alltäglichen  Verrichtungen  der  Stadt-  und  Land- 
leute als  etwas  durchaus  zu  Billigendes  einführte.  So  weit 
drängte  die  eigene  Geldnoth  bei  Hoch  und  Niedrig  und  die  unab- 
weisbare Macht  des  Verkehrs,  (cf.  Beil.  E.  a.  Frankf.  1403.) 

In  den  Niederlanden  lässt  sich  im  16.  Jahrhundert 
die  Entstehung  und  Gestaltung  solcher  städtischen  Wechsel - 
und  Pfandhäuser  und  ihi-  Verhältniss  zu  den  Banken  der  Pri- 
vatleute durch  die  ausführlichen  Berichte  von  Salmasius  beson- 
ders klar  erkennen.  Den  niederländischen  Städten  ward  vom 
Kaiser  das  Privileg  verliehen,  nt  liahere  mensam possint  (sog. 
tafel  van  leeninge,  table  de  prest,).  Das  bekundet 
das  Decret  der  Generalstaaten,  „factum  in  coniiüis  Gorcomii, 
hahitis  XVII Novenih.  1577,"  ^)  Zypaeus^)  führt  hierbei  aus 
Navarr.  an,  dass  der  Pabst  selbst  sich  zustimmend  bei  der 
Frage  der  Wechsel-  und  Darlehnsbanken  verhalte,  weil  „liaec 
facultas  quasi  ad  licgaliorum  jus  et  supremam  potestatem 
spectat."  Dieselbe  Anschauung  findet  er  schon  1297  in  den 
concordatis  ducis  Brahantiae  et  dominorum  de  Grimhergen 
vertreten.  Von  dem  Könige  hatte  dann,  wie  Salmasius^) 
meint,  der  Generalstatthalter  in  den  Niederlanden  das  Recht, 


neirien  ader  wucherische  handel  fnrten."  Kup pener  aber  in  seinem 
kanonistischen  Eifer  erklärt ,  der  Wucher  werde  dadurch  nicht  gemindert. 
V.  Wucher  (1508)  A.  5^.  Der  Pab.st  indess  im  einzelnen  Falle  könne  unter 
Berücksichtigung  der  besonderen  Verhältnisse  den  Gemeinden  Zins  zu 
nehmen  gestatten,   ib.  C.  6^.  (cf.  u.  IX.  3.) 

1)  „  Ad  relationem  ab  ordinibus  receptam  super  exercitio  mensarum 
foenehrium  in  Ilollcmdia  ac  Zelcmdiu  ab  iisdem  ordinibus  deelaratum 
est  ac  constitutum ,  ut  in  omnibus  dictarum  2^rovinciarum  ejusmodi  Chri- 
stianus poUticus  ac  reformatus  ordo  ac  modus  in  caussa  ejusdem  foene- 
rationis  in posterum  quaeri  statui  atque  ohservari  p9ssit ,  prout  adma- 
ximam  commodilatem  et  minimam  laesionem  civium  cum 
decore  et  emolumento  earundem  civitatum  pertinebit.  Ad  quam  rem  urbium 
magistratibus  per  haec  potestas  tribuitur."  2)  Analytica  V. 
tit.  d.  usur.        3)  d.  foenore  trapezit.  1.  c.  p.  576. 


V,   5.  Die  Wechsler,   d.  Geschäfte  der  Wechsler."  405 

dergleichen  Wechselbanken,  welche  bisher  Lombarden  gemie- 
thet  hatten,  zu  billigen  oder  hervorzAirufen  überlconimen.  ^) 
Dieses  Rechtes  bedienten  sich  dann  der  Generalstattlialter  und 
diejenigen,  denen  er  dessen  Ausübung  übertragen,  bei  der 
allgemeinen  Erspriesslichkeit,  ja  NothAvendigkeit  der  Wcchsler- 
tische.  Mit  oder  ohne  Ausschluss  und  Untersagung  der  anderen 
Privatbanken  legten  sie  in  den  einzelnen  Orten  eine  städtische 
Bank ,  ein  städtisches  Pfandhaus  an ,  welches  nach  bestimmten 
Statuten  seine  Geschäfte  abwickelte.  ^)  Oeifentlich  boten  die 
städtischen  Behörden  den  Verkauf  der  Concession  für  Darlehns- 
banken  aus,  wo  sie  diese  nicht  selbst  verwalteten.  Salmasius  ^) 
führt  eine  Keihe  solcher  Auktionsanzeigen  der  niederländischen 
Städte  aus  dem  16.  und  17.  Jahrhundert  auf.  '*)  Er  bezeichnet 
diese  Darlehnsbanken  ^)  als  Erleichterung  der  Armen  und  fährt 
fort,  die  städtische  Obrigkeit  habe  in  den  einzelnen  Städten 
Wechsler  mit  öft'entlichen  Bänken  eingesetzt ,  die  Obrigkeit  sei 
der  Vermiether  der  Bänke ,  in  bestimmten  Orten  sei  sie  sogar 
der  Bankier  selbst ,  indem  sie  zur  Ausübung  ihrer  dahin  ein- 
schlagenden Geschäfte   Jemanden   angestellt  habe  (insütor). 

1)  „Hiic  respexü  et  magistratus  eimtatis  Rotferodamensis  ut  constat 
ex  diplomate  eidem  ckitati  ah  iUusiribus  ordinibus  Hollandiae  et  Wesi- 
frisiae  concesso  28.  April  1635."  Der  Eingang  dieses  Diploms  lautet: 
,. . . .  notum  facimus  expositiim  nobis  esse  a  magistratu  et  rectorihus  civi- 
tatis Rotterodamensis ,  qnod  a  longo  tempore  Privilegium  ipsi  hahue- 
rvmt ,  ibidem  exercendae  per  alias  mensae  foenebris ,  quae 
secundum  usitatum  in  ea  ordinem  tenentibus  vulgo  La  mbardis  locata 
et  per  eosdem  administrata  fnit  hactenus."  cf.  ib.  p.  593.  2)  Eben 

wegen  des  späteren  allgemeinen  Verbotes  der  Darlehnsbanken  privater 
Lombarden  ents])anTi  sich  in  Holland  noch  lß40  bekanntlich  der  grosse 
volkswirthscliat'tlich  wichtige  Streit  über  die  Vorzüge  und  Nachtheile  der 
einen  öffentlichen  Bank  vor  mehreren  Privatbanken  der  Lombarden .  in 
welchem  Salmasius  in  richtiger  Erkenntniss  der  national  -  ökonomischen 
Grundgesetze ,  besonders  der  freien  f 'onkurrenz ,  sich  für  die  mehreren 
Banken  der  Lombarden  entscliied  (cf.  VII.  3.  u.)  3)  d.  foenore  trapezit. 
(1640)  prooeni.  ]».  XLIII.  4)  Er  sagt  zuvörderst  ausdrücklich  1.  c.  p.  EIL  : 
„ex  decreto  ordinum  generalium  et  magistratuum  Insti- 
tut ione  trnpezitas  in  urbibus  singulis  reformatarum  ac  foederatarum 
provinciarum  esse  constituios  niensasqtte  eorum  publica  auctoritate  ere- 
etas,  non  ex  privatalibidine certorum  hominum,  hicro  sno  tantum  i)ihian- 
iinm  quibus  conniveret  aut  faceret  magistratus  civilis."      5)  p.  XXIII.  ib. 


406  V.   5.  Die  Wechsler,   d.  Geschäfte  der  Wechsler. 

In  den  Contrakten  zwischen  der  Obrigheit  und  dem  Wechsler 
verptlichte  letzterer  sich  zur  steten  Darleihung  gegen  einen 
bestimmten  Zhissatz  und  Pfänder  oder  Bürgschaft  in  verein- 
barter Qualität,  ferner  zur  Erlegung  seiner  Caution  und  zu 
regelmässigen  Abgaben.  Für  diese  Leistungen  verpfände 
er  der  Behörde  sein  Vermögen ,  diese  für  ihre  Verpflichtungen 
gegen  den  Wechsler  ebenso  alle  Emkünfte  der  Stadt.  Sie 
sichere  den  Wechslern  eine  Zahl  wesentlicher  Vorrechte  vor 
den  übrigen  Bürgern  zu.  ^)  (cf.  die  Frankf.Bankconcession  1403. 
Beil.  E.  a.) 

1)  „Quidquid  (ib.  p.  XXTV.)  de  trapezitis  dixi,  de  istis  intellexi,  quos 
in  singulis  rtrbüms  magistratns  constituit,  quorum  mensn  publica  est: 
cujus  mensae  trapezitae  tantum  mancipes  sunt,  m  agistratus  ipse 
locator  est,  vel  etiam  in  quibusdctm  civitatibus  exereitor  per  in- 
stitorem  mensae  exer  cendae  a  magist ratu  praepositum." 
ib.  p.  XLin. :  „Judaeos  hodieque  in  Italia  et  Ger  mania  Jioe  foenus 
ephemeron  exercere  pauci  sunt ,  qui  ignorent."  ib.  lib.  III.  p.  501  ff.  erwähnt 
er  die  schriftlichen  Contrakte  zwischen  den  städtischen  Behörden  und 
den  Wechslern.  „Pro  Ulis  (seil,  conditionibus)  exequendis  a  sua parte 
omnia  sua  bona  obligat  magistratui  Lombardus,  et  Lombardo  vicissim 
magistratus  a  sua  omnes  m-bis  reditus.  Nam  civium  nomine  contrahit 
cum  illo  magistratus.  Blultis  etiam  privilegiis  munitur ,  quae  nee 
caeteris  civibus  indulgentur.  TJt  domus  ipsiiis  sub  piMica  pyrotectione  ac 
tutela  sit:  ut  a  metatis  (Quartier)  militum  liber  sit  ac  magnatum  eorum- 
que  famulitii:  ut  ab  excubiis  immunis  sit  et  ab  aliis  oneribus  excusetur 
quae  caeteris  civibus  imponi  solent."  Der  Amsterdamer ,  Leydener  Rath 
verwalte  selbst  die  Darlehnsbank  und  fordere  deshalb  kleinere  Zinsen, 
weil  er  keine  Abgabe  an  die  Stadtkasse ,  wie  die  Privatwechsler ,  zu  zah- 
len hätte,  p.  509:  „magistratus  porro  traj)ezitas  per  litteras  et  prograrn- 
mata  publicis  locis  affixa  ad  mensae  conductionem  provocat  et  invitat. 
Atque  ita  factum  accepiHagae  comitis ,  Delphis,  Leovardiae  et 
alibi.  Delphense  p)rogramma  typis  impressum  sie  habet"  (aus  dem  Hollän- 
dischen von  Salm,  übersetzt) : 

„Praetor  consules  scabini  et  rectores  civitatis  Delphensis  Omnibus 
notum  et  singulis  faciunt,  quod  Privilegium  nummariae  mensae  dicti 
loci  expiraturum  ad  prhmim  Aprilis  i^roximi  denuo  in  sedecim  annos 
elocare  constituenmt ,  quibus  animus  fuerit  dictam  mensam  majori 
oblatione  ac  emolumento  nominatae  civitatis  redimendi,  sua  nomina 
indicabunt  ante  diemveneris  proximimensis  Febmarii MDCXXXVII . 
Ad  quem  diem  mature  ante  meridiem  dicta  dominatio  de  licitatione 
ejus  est  actura.  Conditiones  sub  quibus  supra  dictum  pinvilegium  con- 


V.   5.  Der  Wechsler,   d.  Geschäfte  der  Wechsler.  407 

Die  privaten  Inhaber  dieser  Bänke  mussten  neben  der 
wiederholt  erwähnten  Abgabe  auch  eine  zum  Theil  bedeutende 
Caution  vor  Antritt  ihrer  Weclislerthätigkeit,  wie  die  Münzer 
(cf.  V,  5.a.),  an  die  städtischen  Behörden  einzahlen,  eine  beson- 
ders gesteigerte  in  Amsterdam,  wo  man  ihnen  dieselbe  von 
Seiten  der  Stadt  mit  4  7o  verzinste ,  während  die  Stadt  selbst, 
welche  jene  Caution  gar  noch  in  den  städtischen  Wechselban- 
ken verwerthete ,  mindestens  8  %  davon  gewann.  Dagegen 
erhielten  dann  die  Bankiers,  wie  schon  berührt,  das  Kecht, 
doch  auch  die  Ptlicht,  gegen  Pfänder  bestimmten  Werthes  zu 
gesetzlich  vielfach  normirten  Zinsen  männiglich  Darlehen  aus- 
zugeben und  hierzu  ihre  Geldbeträge  jederzeit  bereit  zuhalten.*) 

Natürlich  konnten  hier  die  Prozentsätze,  welche  die 
Wechsler  für  ilire  Darlehn  forderten,  bereits  aus  den  früher, 
so  bei  den  Juden  ent"\vickelten  Gründen  nicht  niedere  sein. 
Insbesondere  wuchs  gerade  durch  die  Steigerung  des  Verkehrs 
und  den  ungebeugten  Zwang  der  Wuchergesetze  die  Menge 
der  Nachfragenden,  während  die  Zahl  der  concessionirten  und 
privilegirten  Wechsler  fast  durchweg  die  nämliche  verblieb, 
ja  bei  Errichtung  städtischer  Banken  noch  beschränkt  wurde. 
Dazu  kam  die  Fülle  der  leicht  noch  aufgeschraubten  Abgaben, 
die  Caution,  welche  man  dem  Betriebskapitale  vorAveg  entzog. 


cedetur  hisfrnri  interca  et  perlegi  poterunt  in  archiris  ante  nominntae 

civitatis  Delphensis." 

Diese  Plakate  wurden,   typis  graviorihus  vulgata ,  lange  Zeit  hindurch 

an  öffentlichen  Orten  aufgehängt.   Das  edictum  ordinum  Generalium  zur 

Vemiiethung  der  Darlehns- und  Wechselbank  in  Herzogenbusch  lautet: 

„ex  auctoritate  prorinciarum  unitarum  locabitur  mensa  foenehria  Syl- 

vae  Ducis  ad  diem  Jovis  III.  Novemhris  3IDCXXXIX.     Quisquis 

nnirimm  habuerit  conducendi ,  se  sistat  tunc  Sylrae  Ducifi  ac  commodo 

suo  prospieiat.    Et  qni  eonditiones  interim  inspicere  desiderut,  eas 

reperiet  apud  Secreturium  consilü  Status  et  apud  scribam  urbis  Sylvae 

Ducensis  . . .  divulgettir." 

1)  Salmas.  1.  c.  p.  576 ff.  Zypacus,  anal^'tica  postrenii  juris  cccl. 
V.  d.  usur.  p.  215  ff.  —  Solche  Caution  zahlten  die  Wechsler  bekanntlich 
auch  in  Italien,  Frankreich,  8|)anien;  in  Flandern  schon  seit  1489.  In 
Piacenza  stellten  sie  1391  Bürgen  auf  1000  Lire.  Martens,  Ursprung 
1.  c.  p.  22.  Anh.  p.  18,  112.  Freincry,  etudcs  p.  89.  cf.  BeU.  E.  a.  für 
Frankfurt.  1408. 


408  ^■.   5.  i>io  WVili^^lor.   d.  Gesoluiftc  der  Wcdisler. 

dieKeihe  der  unausbleiblichen  Gescliäftsverluste,  der  Geschäfts- 
unkosten für  das  stets  bereite  namhafte  Darlehnskapital ,  für 
die  grossen  rfandlokalitäteu,  für  die  Sicherheit  derselben,  für 
die  Schaar  der  Diener ,  für  das  Unterbringen  der  vielen  klemen 
Posten. ')  In  einigen  Städten ,  welche  auch  oben  bereits  auf- 
gezählt wurden,  bestimmte  deshalb  die  Obrigkeit,  ganz  we 
für  die  Juden ,  den  Prozentsatz  der  Wechsler ,  und  zwar ,  wie 
noch  heute ,  wol  mit  besonderer  Kücksicht  auf  die  spezielle 
Lage  dieser  Zinsforderer.  So  u.  a.  im  Freiburger  Stadtr. 
1399.  1.  c.  IL  1.  p.  131.,  durchschnittlich  sonst  erst  seit  dem 
16.  und  17.  Jahrhundert,  als  überhaupt  bereits  die  Zinserlaub- 
niss  sich  Bahn  brach  und  mau  nun  noch  nicht  wagte,  der 
Natur  freier  Conkurrenz  ganz  die  Wege  zu  öffnen,  sondern 
durch  die  gesetzliche  Noriidrung  eines  Zinsmaximums  einen 
neuen  Begriff  des  AYuchers  erzeugte  und  den  Streit  der  Ver- 
kehrsnatur gegen  jede  polizeilich  willkürliche  Fessel  bis  auf 
unsere  Tage  hinzog.  In  Belgien  gestattete  man  dann  1606 
nicht  mehr  als  50  %  die  Woche.  -)  In  Deutschland  schwankte 
der  Wechslerziusfuss  durchschnittlich  etwa  zwischen  20  und 
40  %  jährlich.  Dagegen  in  den  Wechselbanken  natürlich,  wel- 
che von  den  städtischen  Behörden  selbst  unterhalten  und  ver- 
waltet wurden ,  hörte  mit  dem  Triebe ,  die  Armuth  der  Mitbür- 
ger als  Finanzquelle  auszubeuten,  mit  dem  Wegfall  der  Steuern 
und  Cautionen  auch  die  enorme  und  für  die  Kunden  dieser 
Banken  gerade  drückende  Höhe  der  Zinsen  auf.  cf.  u.  v.  a.  Sal- 
masius,  d.  foen.  trap.  p.  741.  Die  städtische  Bank  nahm  8, 
die  private  16  7o-  Allein  schon  Salmasius  ■^)  weist  scharf- 
sinnig darauf  hin ,  dass  man  den  Wochenzinsfuss  nicht  wegen 


1)  U.  V.  a.  Salnias.  d.  foen.  trap.  1.  c.  de  modo  usurar.  p.  73: 
„praeter  annuas ,  menstruas  et  diarias  usuras  veteribus  notas  et  fre- 
quentatas  sunt  hodieque  et  hehdomadariae  in  his  locis  Longobar- 
dis  h.  e.  puhlicis  foeneratoribus  usurpatae.  De  quibus  apud  veteres  nihil 
legi.  Ad  hoc  eiiam  pertinent ,  ut  tibi  quis  ptecuniam  ab  ipsis  acceperit  sub 
usuris,  si  vel  unum  non  amplius  dievi  aut  biduum  pecuniam  eam  retineat, 
pro  tota  septimana  usuram  persolvere  teneatur."  Zypaeus,  analjt. 
p.  218.  Koscher,  Nat.  Oek.  I.  §.  193.  2)  Zypaeus,  jus  Belgicum 
1.  TV.  analyt.  1.  c.  p.  218.        3)  d.  foen.  trap.  Einl.  p.  XLIII. 


V,  5.  Die  Wechsler,   d.  Geschäfte  der  Wechsler.  409 

seiner  Jahreshöhe  als  übermässig  ansehen  dürfe :  „  vulgo  unus 
mireas  in  20  pro  usnra  cxpetltur  ad  diem  ditmtaxat  iinum. 
Ad  aunum  revocata  haec  iisura  denis  et  octonis  vlcibus  sor- 
tem  exaeqiiat.  Non  est  tarnen  contendenda  cum  annuo  foenore. 
Älioquin  et  locatlo  talis  etiam  reperietur  legitlma  et  permissa 
quae  non  sit  minus  immanis,  si  ad  nmun  diem  conducta  res 
Ulis  conductionihus  aequiparetur ,  quae  ad  annum  fiunt." 

Eben  aber  wegen  der  Nothwendigkeit  der  Banken  zur 
Linderung  der  Geldnoth  der  niederen  Klassen ,  zur  Milderung 
des  Nothstandes,  den  das  kirchliche  Zinsverbot  schuf,  zur 
kommunalen  Beisteuer  mid  Geldunterstätzung  der  Fürsten 
liessen  die  Machthaber  es  sich  noch  besonders  angelegen  sein, 
die  "Wechsler  und  deren  Banken  in  ihren  Gebieten  festzuhalten. 
So  sagt  ^)  Kaiser  Karl  IV.  1360:  „daz  vnz  furbracht  hat 
Heincze  zum  jungen  Schultheizz  ze  Oppenheim,  daz  ez  vns  vnd 
dem  rieh  nuzlich  sey,  daz  wir  kawerczin  nemen  vnd  seezen 
in  vnser  vnd  des  richs  stat  ze  Oppenheim."  Die  Juden 
Avurden  ebendort  zu  Bürgern  gemacht.  Deren  sonstige  man- 
nigfach bevorzugte  Stellung ,  wie  sie  oben  V.  4.  a.  c.  d.  erwähnt 
wurde,  gehört  ebenfalls  hierher.  Eine  Reihe  der  Privilegien 
ferner,  welche  die  Wechsler  in  den  Niederlanden  genossen, 
wurde  soeben  aus  Salmasius  ^)  aufgeführt.  Derselbe  bemerkt 
auch:  3)  „FhiJippus  pulcher  (von  Burgund)  diplomate  suo 
quibusdam  mercatorihus  fenebrium  mensarum  exercitium  non 
tantum pierm ittit,  sed  etiam praemiis  ac  privilegiis  eos 
invitavit."  ^)  Schon  1264,  1278,  1296  gab  man  bekanntlich 
in  Frankreich  ihnen  viele  Vorrechte ,  um  sie  im  Ghibellinen  - 
Kriege  auf  der  Flucht  dorthin  zu  ziehen.  Sie  liessen  sich  dann 
in  Namur  nieder.^)  Ihre  Erbschaften  sollen  ihnen  ohne  Be- 
schränkung durch  die  todte  Hand  bleiben ,  von  Einquartierung, 
Militairdienst  sind  sie  frei ,  dafür  zahlen  sie  bestimmte  Abga- 
ben ;  so  war  es  z.  B.  in  Montpellier.  Ihren  eigenen  Vorsteher 
und  Consuln  dürfen  sie  halten,  den  Zins  des  Königs  von  Scliifi- 


1)  Glafey,  Anecdot.  408.  Halt  aus,  gloss.  v.  gowertschen.  cf.  Beil. 
E.a.  2)d.  f.trap.p.öOlff.  (ob.  P.406.N.1.)  3)ib.p.587.  4)Zypaeus, 
analyt.  1.  c.  Martens,  Urspr.  §.  7.  5)  Ürdonnances  des  rois  de 
France  I.  326. 


410  V.   5.  Die  Wechsler,   d.  Geschäfte  der  Wechsler. 

brfichigen  entrichten  sie  nicht ,  u.  s.  w.  ^)  Man  verhehlte  sich 
hierbei  keineswegs  den  wucherlichen  Charakter  des  ganzen 
Wechsler-  und  Bankgeschäftes,  allein  bei  diesem  Institute 
beharrte  man  mit  Festigkeit  gegen  das  kirchliche  Wucherver- 
bot :  denn  die  Noth  drängte ,  da  mochten  Wenige  lieber  unge- 
straft freveln ,  als  dass  das  ganze  Volk  dem  Wucher  anheim- 
fiel. „ iVe cessitate  et popuU  i n äige n t i a  comniotos  se  esse 
confessi  sunt,  nam  ne  totus populus,  ajiint,  ad  usuras 
dilahatur,  paucis  id  impune  permitti  opus  est,  ac  qui 
sentit  CO  mm  od  um  sentiat  onus."^)  Freilich,  nun  ge- 
rieth  dennoch  das  ganze  Volk  in  das  zinsbare  Darlehn;  der 
Vortheil ,  welchen  die  Wechsler  gaben  und  nahmen ,  war  all- 
seitig zu  belehrend! 

Gerade  aus  diesem  Grunde  verdammt  auch  den  Machtha- 
ber, der  solch  Wucherwesen  duldete,  der  Schwabenspie- 
gel (1.  c.  a.  141.)  und  sein  Nachbeter  hierin,  das  kulmische 
Eecht  (V.  65.)  „un  ob  in  einer  stat  ofenlichen  wuochrär  (iisu- 
rarii  publicl  d.  h.  campsores)  sint  (vnd  das  cristene  lute  sint)  ■ 
wer  ist  da  schuldic  an?  der  herre  is  daran  schuldic, 
des  diu  stat  is,  vnd  der  rihter,  ob  er  sie  niht 
rüeget,  als  er  sol."  Ebenso  Chr.  Ku ppen er  (v.  Wucher 
A.  3)  ruft  aus:  „das  nempt  czu  hertzen  ir  prelaten  vnn 
regenten,  vngeczweifelt  ir  wert  auif  vil  sunden  m  landen 
vmi  steten  ein  auff  sehen  tragen,  vnn  dieselbigen  straffen  solchs 
abczustellen,  als  ir  solchs  czuthun  schuldig  seit,  vnd  dorczu 
solchs  czuthun  auff  diser  werlt  von  got  gesatzt  vnnd  vorordent, 
als  der  heiige  prophet  spricht ,  Ich  hab  dich  gesatzt  czu  einem 
auffseher  vber  das  volcke  israhel.  Das  ist  vber  alle  cristglau- 
bige  menschen.  Unn  so  wurdest  sehen  ire  vbertreten  vnd  ire 
sunde  vnd  wurdest  sie  nicht  straffen.  So  wil  ich  ir  gebluete 
das  ist  ir  sunde  an  deiner  haut  rechen.  Ezechielis  III.  c. 7. p.c. 
irrefragabili  de  offic.  or.  r.  c.  vlti.  de  regn."  ib.  B.  4.:  „Und 
dorumb  alle  fursten  vnn  regenten  geistliche  vnn 
werntliche,  in  landen  vnn  steten  dy  do   czulassen  dy 


1)  du  Gange,  gloss.  v.  lombardi.         2)  Zypaeus,   analyt.  V.  p. 
215.  216. 


V.  5.  Die  Wechsler,  d.  Geschäfte  der  Wechsler.  411 

teuflische  schilt zung  des  wuchersvnn  der  wucherischen 
hendel,  dy  sein  streflich  vnn  sein  in  dem  banne.  Unn  so  sie 
offenbarliche  Wucherer  sein,  so  sal  man  sie  czu  gots 
leichnam  nicht  czugehen  lassen. . ."  Und  Gesetze  und  Spezial- 
urkimden.  welche  von  der  Niederlassung  der  Wechsler  in 
Deutsdiland  sprechen,  nennen,  selbst  wo  sie  nicht  den  Stand- 
punkt des  kanonischen  Wucherverbotes  theilen ,  sie  unverhoh- 
len u  s  u  r  a  r  i  i  piiblici,  ö  f  f  e  n  1 1  i  c  h  e  W  u  c  h  e  r  e  r.  ^) 

Aber  weit  entfernt  sind  die  Machthaber  trotzdem,  gegen 
die  Wechsler  aufzutreten.  Ja,  während  in  England,  Frank- 
reich ,  Italien  aus  zum  Theil  ähnlichen  Veranlassungen ,  wie 
bei  der  Judenverfolgung ,  sich  das  Volk  gegen  die  Wechsel- 
banken und  iliren  Wucher  erhebt,  so  dass  die  Fürsten^ —  wol 
auch  durch  ihre  eigenen  allzudrohenden  Schuldverbindlichkei- 
ten gedrängt  —  die  Wechsler  schliesslich  aus  dem  Lande  trei- 
ben müssen,  begegnet  in  Deutschland  Nichts  derart,  so  weit 
nicht  die  Judenhetzen  zugleich  durch  die  Wechsel  -  und  Dar- 
lehnsbanken  der  Juden  hervorgebracht  worden.  Hier  bliebe 
indess  die  Sache  noch  zweifelhaft.  Unzweifelhaft  wird  sie 
durch  folgenden  Belag:  In  den  Niederlanden  nahm  Kaiser 
Karl  V.  in  der  Wechslerfrage  einen  schwankenden  Standpunkt 
ein.  Durch  seine  bekannten  Edikte  von  1510,  1520  und  1545 
untersagte  er  den  Wechslern  jedes  Zinsfordern,  so  wie  den 
unteren  Behörden .  Privilegien  jenen  zu  ertheilen ;  dann  nahm 
er  dieses  einschneideüde  Verbot  wieder,  eingedenk  der  Noth 
des^ Volkes,  zurück,  er  gestattete,  Darlehns-  und  Wechsel- 
banken ,  wie  bisher ,  zu  halten  und  neu  zu  errichten ,  aber  mit 
sittlichem  Makel  bewarf  er  die  aus  der  Verkehrsnothwendig- 
köit  hervorgegangenen  Wechsler;   sie  sollten  keinen  Eintritt 


1)  So  bereitsdas  Miiiichener  St.  R.  1.  c.  a.  288.  p.lll. :  „ist  aber,  daz 
die  Pfenning  anderthalb  genommen  sinjj ,  dann  datz  den  Juden  oder  datz 
den  wuochräern,  dann  in  der  stadt,  davon  sol  er  in  lösen."  Layen- 
spiegel,  1.  c.  v.  Wuchergut:  „aber  die  mögen  für  Wucherer  geacht, 
die  . .  im  angerichten  wucherpank  halten,  all.so  sein  dreierlcy  Wucherer, 
die  ersten,  so  s tätige  wucherpank  halten  haissen  kundtlich  oder 
notarii,  das  sy  allwegen  autf  Wuclicr  leihen..."  Purgoldt.  Rechts- 
buoh,  1.  c. VIII. c. 30— 52.  —  Chr.  Kuppe ner,  vom  Wucher  (1508)  B.5. 


412    V.  5.  Die  Wechsler.  e.Veili;ilteiuI.  Kirche  gegen  Wechslergeschäfte. 

in  die  Kirche,  iiocli  Zutritt  zu  dem  Abendraahle  haben.  ^)  In 
Deutschland  dagegen  schritt  er  nirgend  auch  nur  mit  solcher 
sittliclien  Rüge  ein,  vielmclir  strafte  er  in  dem  unter  ihm  7a\ 
Stande  gekommenen  Keiclisabschiede  von  1548  m  dem  Ab- 
schnitte über  „  Münzwucher  "  ^)  lediglich  diejenigen  Wechsler, 
welche,  nachdem  sie  die  Concession  zum  reinen  Handwechsel 
der  Münzsorten  erhalteji  hatten ,  die  Ausübung  dieser  Conces- 
sion au  Andere  zu  ihrem  grösseren  Grewinne  verkauften. 

e.  Das  Verhalten   der  Kirche   hiergegen.   Moutes  pietatis. 

So  deutlich  zeigte  sich  bei  und  nach  Errichtung  der  Wech- 
sel- und  Darlehnsbanken  ihre  Nothwendigkeit  und  die  Unnatur 
des  Zinsverbotes  gerade  für  die  unbemittelten  Klassen  der 
Bevölkerung ,  denen  eben  die  Kirche  vor  Allem  Hilfe  bringen 
wollte ,  dass  die  Päbste  in  diesem  Punkte  sich  genöthigt  sahen, 
selbst  von  dem  Zinsgesetze  abzuweichen  und  wenigstens 
durch  von  ihnen  hervorgerufene  Institute  das  hervorragend 
wucherliche  Wesen  jener  Darlehnsbanken  der  Wechsler  zu 
beschränken.  Die  Kirche  richtete  eigene  Darlehnsbanken  für 
die  geldsuchenden  Bedürftigen  ein  und  nannte  sie  bezeichnend 
,,montes  pietatis ,  berge  der  mildigkeit",  zum  Un- 
terschiede von  jenen  montes  pravitatis  usnrariae.  Obschon 
nun  in  dem  Concil  von  Basel  und  Constanz  die  Zinsforderungen 
der  Wechsler  dort ,  wo  letztere  auf  einem  obrigkeitlichen  Pri- 
vileg fussten ,  anerkannt  wurden  und  nur  diejenigen  Wechsler 
mit  der  ganzen  Härte  der  oben  erwähnten  Strafen  gegen  die 
usurarii  piihlici  verfolgt  werden  sollten,  welche  ohne  solch  ein 
Privileg,  solche  Concession  Pfandhäuser  verwalteten,  verblieb 
die  Kirche  selbst  doch  bei  ihrer  Wucheransicht  und  beabsich- 
tigte bei  der  Errichtung  der  montes  pietatis  getreu  dem  kano- 
nischen Glaubenssatze  gar  keine  Zinsen  von  den  Darlehnsneh- 
mern  zu  fordern,  so  dass  die  Schuldner,  wann  sie  zu  rechter 
Zahlungszeit  das  Darlehn  zurückzahlten ,  ihre  Pfänder  unver- 


1)  Salmas.  1.  c.  p.  398.  Zypaeus,  responsa  d.  jur.  canon.  V.  resp.  1. 
id.  jus  Belgic.  ^^^  Chr.  Kuppener,  v.  Wucher,  A.  3.  die  oben  im  Texte 
citirte  Stelle.        2)  Gerstlacher,  Reichsgesetze.   Bd.  XI.  §.  43. 


V.  5.  Die  Weclislor.  e.  \'oihalten  il.  Kirche  gegen  Wechslergeschäfte.    413 

sehrt  zurückempfiiigen. ')  Um  das  nothwendig  grosse  Grund- 
kapital für  diesen  Opferaltar  steter  Nächstenliebe  zu  erhalten 
und  bei  den  unvermeidlichen  Verlusten  wieder  zu  ersetzen, 
strengte  die  Kirche  alle  ihre  geistlichen  Mittel  an.  Es  galt 
die  Probe ,  das  Ideal  der  Nächstenliebe  mitten  in  der  Flut  der 
Selbstsucht  zu  verwirklichen.  Erblasser  neigte  man  freigebi- 
gen Vermächtnissen  zu,  reiche  Kapitalbesitzer  mussten'den 
monfes  einen  Theil  ihrer  sicheren  Rentenbezüge  überlassen, 
ihnen  Stiftungskapitalien  zuweisen;  den  Schenkern  sicherte 
man  himmlischen  und  kirchlichen  Segen;  wirkte  dies  nicht 
genug,  so  schmeichelte  man  der  reichen  Ehrgier;  für  ange- 
messene Einlagen  in  die  montes  beförderte  man  die  Zahler  in 
akademische  und  andere  Würden,  man  wirkte  ihnen  den  Adel 
aus ;  unehelich  Geborene  machte  man  der  geistlichen  und  welt- 


1)  cf.  Leotard,  d.  usur.  qu.  22.  n.  29ff.  Böhmer,  jus  eccl.  prot. 
1.  c.  §.  LXX.  Stryk,  Us.  mod.  XH.  1.  §.  45.  Salmas.  d.  foeii.  trap. 
p.  586.  Zypaeus,  analyt.  p.  219.  Marperger,  montes  ^pietatis  1.  c. 
Say,  Nation.  Oek.  II.  3.  cp.  6.  Gioja,  nuovo  prospetto  delle  scienze 
economiehe  III.  190.  Röscher,  Nat.  Oek.  I.  §.  191.  n.  7.  —  Als  Sei- 
tenstück dieser  merkwürdigen  Schöpfungen  des  kanonischen  Zinsverbotes 
darf  man  nicht  unterlassen,  auf  die  Banken  in  dem  römischen 
Staate  hinzuweisen,  welche  zinslose  Darlehen  aus  Staatsfonds  gegen 
doppelte  Sicherheit  mit  Grundstücken  (praediis  praedibusque)  vorschös- 
sen. Rudorff,  Römische  Eechtsgeschichte  I.  p.  49.  Anmerk.  2.  Da- 
hin gehören:  1)  der  Vorgang  des  M.  Manlius  (LiviusG,20.  (?14): 
„quirites,  donec  quicquion  in  re  viea  supererit,  judicntum  addictumve 
duei patiar .")  2)  die  Einsetzung  ^qx  Quinqueviri  mensarii  (402) 
cf.  Livius,  7,  21  „propior  dolor  pilehi  fenoris  ingravescentis 
erat."  Daher  bezahlte  man  aus  der  Staatskasse  seine  Schulden :  „  . . .  no- 
mina  aerarium  mensis  cum  aere  in  foro  positis,  dissolvit."  Sicherheit 
bestellten  die  Schuldner  durch  Pfand  und  Bürgen.  \'ün  Zahlung  der  Zin- 
sen wird  Nichts  erwähnt ,  die  Darlehen  wurden  wahrscheinlich  zinslos 
nach  dem  Erm(\'<sen  der  Pünfiuänner  aus  den  Staatsfonds  an  die  Bürger 
vertheilt.  „rem  difficillimam  tractata  ei  plenonqne  purti  ntrique 
semper  cerie  cdteri  graveni." —  3)  Die  Einsetzung  der  trinmviri  men- 
Harii  nach  der  lex  Minucia  {b'59))  „et  Romae  quoque  propter  pemi- 
riam  argenti  III.  Viri  mevsarii  facti."  Liv.23,  21.  -  4)  Die  Ban- 
ken zur  Zeit  des  Tiber  ins  78(j:  „donec  tulit  opem  Caesar ,  disposito  per 
menftas  milliex  sestertio ,  f'actaqne  mutnandi  copia  aine  usiiris  2)er  trien- 
nium ,  si  dehiior  popido  in  dupliim  in'aediis  cavisset."  Tacit.  Annal.  G,  17, 


•1 U     \.  r>.  Dio  Wechsler,  c.  Verhalten  d.  Kirche  gegen  Wechslergeschäfte. 

liehen  Rechte  ehelich  Geborener  theilhaft.  So  deckte  man  die 
Geschäftsunkosten,  die  Verluste.  Denen  aber,  welche  ohne 
Verofütung  ihre  Gehülfendienste  der  Verwaltung  der  montes 
widmeten ,  verspracli  mau  himmlischen  Lohn  aus  dem  uner- 
schöpflichen Schatze  der  Kirche. 

Die  Probe  schlug  fehl.  Die  frommen  Spenden  versiegten 
trotzalledem  nach  und  nach,  die  immer  neuen  Nachforderungen 
der  geistlichen  Banken  schienen  unstillbar;  weltlicher  Lohn, 
den  die  Kapitalbesitzer  ausserhalb  dieser  montes  mit  ihren 
Geldbeträgen  reichlicli  erlangten ,  dünkte  unbedingt  dem  ewi- 
gen vorzuziehen;  und  hing  denn  der  ewige  wirklich  von  den 
montes pietatis  ab?  Schmeichelten  sie  nicht  gerade  durch  jene 
Würdenbewilligung  u.  a.  der  unsittlichen  Eitelkeit?  Seltner 
boten  sich  umsonst  die  Gehülfendienste ,  dagegen  mehrte  sich 
das  Heer  der  Darlehnsnehmer  und  damit  der  Verluste. 

So  sah  die  Kirche  sieh  gezAviingen.  mindestens  zur  Deckung 
der  Geschäftsunkosten  und  der  Verluste  von  den  Schuldnern 
einen  geringen  Betrag  ausser  dem  Kapitale  des  Darlehns  zu 
fordern,  etwa  10 — 15%  jährlich.')  Daneben  konnte  nur  ein 
schwankender  Betrag  des  GcAvinnes  den  Einzahlern  der  Fonds 
als  Zins  gegeben  werden.  Daher  musste  man  bald  nach  neuen 
Hilfsquellen ,  die  Kassen  der  montes  zu  füllen ,  trachten.  Man 
versprach  den  Begüterten,  falls  sie  ihre  Gelder  eine  bestimmte 
längere  Zeit  zinslos  den  montes  überliessen ,  ihnen  die  Summen 
nach  Ablauf  der  Zeit  vervielfacht  zurückzuzahlen.  So  kam  es 
erst  in  Italien ,  dann  auch  in  Deutschland  in  Gebrauch,  dass 
ein  Vater  nach  Geburt  einer  Tochter  die  Mitgift  der  letzteren 
sogleich  in  die  Kasse  der  montes  zahlte ,  um  nach  deren  acht- 
zehntem Lebensjahre  den  zelmfachen  Betrag  dem  Verlobten 
des  Mädchens  einzuhändigen.  Früher  aber,  als  mit  dem  acht- 
zehnten Jahre,  durfte  das  Mädchen  nicht  heirathen,  bei  Gefahr, 
dass  das  Stammkapital  nebst  aufgelaufenen  Zinsen  auf  dessen 
jüngere  Schwester  überging ,  und  wo  solche  nicht  existirte ,  der 
Kasse  des  mons  verfiel.  Weitere  Modifizirungen  in  den  montes 
pietatis  folgen  miten. 

1)  Chr.  Kuppener,  1.  c.  fol.  D.  1".     Scaccia.  §.  2.  gl.  3.  n.  25. 
Carpzov,  pract.  rer.  crim.  p.  II.  qn.  92.   Marperger,  1.  c.  cp.  IX. 


V.  5.  Die  Wechsler,  e.  Verhaltend.  Kirche  gegen  Wechslergeschäfte.    415 

In  dieser  Weise  ents^hen  zuvörderst  die  montes  pietatis 
in  Italien,  unter  den  Augen  und  niit  der  Weihe  der  Päbste 
selbst,  voran  derjenige  zu  Ürvieto  durch  ein  Breve  Pius"  IL 
1463,  ^)  in  Deutschland  erscheinen  sie  wegen  der  verbreiteten 
Darlehus-,  Pfand-  und  Wechselbänke  der  Privatleute  und 
Gemeinden  (cf.  V.  5.d.)  selten,  daher  klagt  Chr.  Kuppen  er 
noch  1508  in  Leipzig  (1.  c.  D.  l""):  „wolte  got  der  almechtige, 
das  die  loblichen  f u  r  s  t  e  n ,  stete  vnn  c  o  m  m  u  n  i  t  e  t  e  n ,  die 
solchs  vermochten  in  deutschen  landen,  gemeinen  armen 
leuten  deutscher  nacion  auch  czu  gute  vnn  czu  trost  irer  narung, 
auch  czu  uortilgen  den  teuflischen  wucher ,  der  leider  in  den  t- 
scher  vnn  p oll eni scher  nacion  vnter  cristen  vnd  luden 
gemein  ist  vnn  die  seien  dem  teufel  vber  antwurt  ein  solchen 
bergk  der  mildigkeit  auflrichten  vnn  anheben  wurden." 
Dann  -)  spricht  er  die  Hoflhung  aus,  dass  endlich  auch  Kaiser 
Maximilian,  sem  hochgeborner  Fürst  von  Sachsen ,  und  speziell 
die  Stadt  Leipzig  solchen  Berg  der  Mildigkeit  aufrichten  wer- 
den. Wie  oben  in  Abschnitt  d.  gezeigt  ist,  hoffte  er  vergebens. 
Maximilian  war  ein  Feind  des  Wuchers ,  aber  auch  ein  Gegner 
der  niontvs  und  gerade  er  errichtete  in  Nürnberg  eme  städti- 
sche Wechselbank,  welche,  je  nach  den  Verhältnissen,  auch 
hohe  Zinsen  nehmen  durfte  und  das  „ubermaass  der  zinsen" 
nicht  blos  auf  die  Unterhaltung  der  Bankverwaltung,  sondern 
auch  als  reinen  Gewinn  zmu  Besten  der  Stadt  verwenden  sollte. 

Aber  war  es  noch  zweifelhaft,  dass  schon  in  jener  zwei- 
ten Gestalt  der  montes  von  der  Kirche  das  Zmsv  erbot  den 
Gläubigern,  wie  Schuldnern  gegenüber  offen  verletzt  wurde? 
noch  zweifelhaft,  dass  hier  die  Kirche  ausdrücklich  vor  dem 
Gebote  des  Verkehrs  zurückwich?  Die  weltlichen  Fürsten 
durften ,  weim  die  montes  gleichmässig  sich  weiter  entwickel- 
ten, nicht  zögern,  dieses  Institut  neben  den  Darlehnsbanken 
der  Wechsler  und  .Juden  willkommen  zu  heissen.  Aber  ein 
eifriger  Streit  entbrannte  über  die  nur  zu  klare  Sachlage  bei 
Theologen  und  Juristen,  und  endigte  mit  Lobpreisung  oder 
Verdammung,   je   nachdem   man   unter  Hilfe   scholastischer 


1)  cf.  Zech,  rigor,  inoder.  IL  §.  284.        2)  D.  3.  und  3^ 


41(]     V.  ö.  Die  Wechsler,  e.  Verhaltend.  Kirche  gegen  Wechselgescliäfte. 

Schlüsse  sich  mohv  den  Forderungen  der  Praxis  /Aineigte ,  oder 
mehr  den  erhabenen  Sätzen  der  Theorie  sich  zuwandte,  wie 
besonders  Thomas  de  Vio  (Cajetan).  ^)  Der  Streit  konnte  durch 
Zustimmung  der  Päbste  Paul  IL,  Sixtus  IV.,  Innocenz  VIII., 
Alexander  VI.,  Julius  11.  für  die  montes  nicht  beigelegt  wer- 
den ,  erst  Leo  X.  im  fünften  1  a  t  e  r  a  n  e  n  s  i  s  c  h  e  n  C  o  n  c  i  1 
von  1517  bestimmte  endgültig,  es  sei  zwar  viel  wünschens- 
werther  und  sittlich  besser ,  wenn  die  montes  gar  keine  Ver- 
gütung für  ihre  Darlehen  von  den  Schuldnern  forderten:  allein 
daraus ,  dass  sie  auf  Höhe  der  Geschäftsunkosten  solche  Ver- 
gütung bezögen ,  folge  nicht  ihr  wucherlicher  Charakter.  ^) 

Wie  zuvor,  suchte  auch  hier  die  Billigung  der  montes 
ihre  scholastische  Rechtfertigung.  Einen  andern  Namen  gab 
man  diesen  Zinsen,  als  Vergütung  der  Geschäftsunkosten 
gestattete  man  sie.  Begriff  man  sie  unter  dem  Schaden  des  „  Inter- 
esse", so  mochte  das  angehen.  (FV.  3.)  Aber  weigerte  man  sich 
dessen  nicht  in  andern  Fällen?  Und  wer  schied  hiervon  die 
Zinsen  für  den  Gebrauchs werth  im  einzelnen  Falle?  Waren 
denn  die  Zinsen ,  welche  der  mons  für  die  in  ihn  geworfenen 
Kapitalien  offen  entrichtete ,  wirklich  noch  Geschäftsunkosten 
oder  nicht  einfacher  Wucher ,  den  die  Kirche  zahlte ,  um  ihn 
auf  der  andern  Stelle  zu  verhindern  ?  Aus  Mildthätigkeit  wu- 
cherte man,  nicht  aus  Gewinnsucht ;  aber  der  gute  Zweck  sollte 
ja  nicht  den  Wucher  ändern  (cf.  1. 1.)  Und  wer  zog  die- Grenze 
zwischen  Gewinn  und  Freigebigkeit?  Die  grosse  Aufsichts- 
behörde, die  Kirche.  Sie  aber  nannte  die  Anlegung  der  Gelder 
zu  zinslichen  Darlehen  m  den  montes  „gleichsam  em  Ge- 
schenk an  die  Gesammtheit  der  Bedürftigen*'  und  den 
Prozentsatz,  welchen  die  Anleger  davon  zogen,  gleichsam  „  den 
Gewinn  aus  einer  Societät."  (cf.  VI.  2.)  3)  Man  bedachte 
aber  gar  nicht ,  dass  diese  Sozietät  kein  anderes  Hauptgeschäft, 
als  Darleihen  gegen  Zinsen  hatte,  und  dass  der  Gewinn  aus  der 


1)  cf.  Azor.  1.  c.  ni.  5.  d.  usur.  c.  8.  u.  10.  d.  cens.  c.  22.  2)  conc. 
Lateranens.  1517.  V.  sess.  X.  MoydeSons,  Archiv  f.  kathoi.  Kir- 
chenrecht.  I.  p.  323.  329.  330.  331.  3)  Chr.  Kuppen  er,  1.  c.  D.  2  bis 
D.  5".   Scaccia.  1.  c.  n.  249.  451  u.  s. 


V.  5.  Die  Wechsler,  e.  A'erhalten  d.  Kirche  gegen  Wechslergeschäfte.    417 

Sozietät  hier  die  wucherischen  Zinsen  waren ,  welche  über  die 
Geschäftsunkosten  hinaus  offen  als  Zinsen  an  die  Gläubiger  des 
mons  entrichtet  wurden.  Hätten  die  kleinen  Darleiher  ihre  Gelder 
statt  aus  dem  nions,  sogleich  von  den  Gläubigern  des  letzteren 
entliehen  und  ihnen  dieselben  Zinsen  gezahlt,  welche  jenen 
jetzt  der  nions  abwarf,  so  lag  völlig  zw^eifellos  Wucher  vor. 
Wie  konnte  aber  der  Wuchercharakter  dadurch  geändert  wer- 
den, dass  nun  der  «io«s  die  Zinsen  entrichtete?  Wie  leicht 
war  es  dem  Geldbesitzer ,  den  hierbei  vorgeschriebenen  inne- 
ren Forderungen  Julius'  m.  (1555)  zu  genügen!  Wie  wollte, 
was  indess  an  sich  den  Wuchercharakter  gar  nicht  berührte, 
selbst  die  Kirche  prüfen ,  ob  die  Anleger  von  Geld  wirklich  die 
Absicht  hatten ,  der  Armutli  zu  helfen ,  und  wie  konnte  sie 
zweifebi ,  dass  jene  auch  sonst  mit  ihrem  Gelde  Ge^vinn ,  weit 
über  10  ^'(^ ,  gemacht  hätten? 

Aber  die  Sache  ^var  hiermit  erledigt,  die  Natur  des  Ver- 
kehrs und  der  kanonische  Glaubenssatz,  beide  behielten  Recht, 
jene  dem  Wesen ,  dieser  kaum  dem  Worte  nach.  Den  Wort- 
unterschied freilich  und  die  Billigung  der  wontes  wiederholten 
nun  natürlich  alle  Bischöfe.  Coucilien  mid  Synoden  der  Einzel- 
länder, so  auch  Deutschlands.  Man  war  erfreut,  dass  sich  ein 
so  wichtiges,  fruchtreiches  Institut  vor  dem  Wucherverbote 
gerettet  hatte.  ^) 

Nach  dieser  Billigung  war  indessen  nicht  zu  begreifen, 
warum  man  eine  Wechsler-  und  Darlehnsbank  von  Privatleu- 
ten oder  weltlichen  Behörden .  wie  sie  oben  geschildert  w'or- 
den ,  abgesehen  von  ihrer  obrigkeitlichen  Anerkennung ,  nicht 
auch  Seitens  der  Kirche  sollte  gutheissen  müssen.  Beide  stan- 
den sich  nach  voller  Ausbildung  des  mons  rechtlich  und  wirth- 
schaftlich  gleich.  Schon  Lessius  ^)  leitet  von  der  Genehmi- 
gung des  nwns  pietatis  zu  der  weltlichen  Bank  über  und  hält 
auch  letztere  für  durchaus  zulässig,  wo  sie  etwa  10%  statt 
der  vielgebräuchlichen  4o  %  fordere.    Denn  hier  „  in  ntiliia- 

1)  cf.  conc.  Trident.  sess.  22.  d.  rcfoniiat.  ep.  8.  Gonzalez.  Teil. 
1.  c.  —  Die  Synode  von  Besan9on  Ihll;  die  von  Mocheln  1617.  conc. 
Germ.  VIIJ.  p.l04.  Zypaeus.  analyt.  i).219.  Benedict  XIV.  de  synodo 
dioecesana  VIT.  c.  48.  n.  1  — :}.        2)  1.  c.  II.  c.  20.  dub.  23.  n.  194. 

N  eum  .1 II 11 ,  Gesell,  d.  Wuchers.  27 


418    V.  5.  "Die  Wechsler,  e.  Verlialteii  d.  Kiiclioefcgen  Wechslergeschäfte, 

icw  n)uiu(ttariorum  f/crif."  Wie  das  Baseler  und  Coiistanzer 
Coneil  nicht  Bedenken  trugen ,  Solches  aucli  für  Deutschland 
mit  Kücksicht  auf  die  obrigkeitliche  Billigung  geradehui  aus- 
zusprechen, ward  schon  bemerkt.  Hier  stellte  man  bereits  den 
weitgreifenden  und  bis  in  die  neueste  Zeit  in  der  katholischen 
Kirche  wirksam  gebliebenen  Satz  auf,  dass  die  Genehmigung 
von  Rechtsinstituten  durch  weltliche  Behörden  ihnen  den  wu- 
cherlichen Charakter  raube  (cf.  besonders  IX.  3.)  Andere- 
kanonistische  Autoritäten  zögerten  sodann  ebenfalls  lucht. ') 
Hier  indess  half  man  sich  wieder  mit  Worten.  Nicht  Darlehns- 
zinsen  empfing  derjenige,  welcher  sein  Kapital  in  der  Bank 
anlegte,  sondern  Renten,  die  er  sich  mit  dem  Kapitale  erkauft 
hatte,  freilich  unter  Kündbarkeit  des  Kapitales  und  von  einer 
Sache ,  die  keine  natürlichen  Früchte  tru-g.  Oder  man  betrach- 
tete das  ganze,  auch  das  weltliche  Bankinstitut  mit  den  verschie- 
denen Gläubigern  als  eine  Gesellschaft.  ^)  Stellte  sich  die 
Einlage  offen  als  „Deposito,"  so  half  die  Rücksicht,  es  geschehe 
zum  allgemeinen  Besten.  ^)  Ja,  das  allgemeine  Wohl  umfasste 
auch  die  vielen  Geldeinlagen  der  Geistlichen,  zumal  in  den 
italischen  Bankhäusern ,  für  diese  wäre  das  Verbot  der  Banken 
ein  schrecklicher  Schlag  geworden  (cf.  V.  5.  f.  u.  VI.  2.) 

Dazu  kam ,  dass  sehr  bald  sich  in  den  montes  jnefatis  als 
von  Kirchen  -  (und  Staats)  -  wegen  gegründeten  Anstalten  eine 
Zahl  von  unausweichlichen  Missständen  herausförderten ,  wel- 
che die  üarlehnsnehmer  veranlassten,  trotz  der  vielfach  höhe- 
ren Zinsen  doch  lieber  zu  den  Banken  der  Privatleute  zurück- 
zukehren ,  welche ,  da  sie  um  eigenen  Vortheils  willen  die  Ban- 
ken unterhielten ,  wachsam  auf  die  Anforderungen  ihres  Publi- 
kums blieben.  Hier  nahm  man  es  nicht  so  genau  mit  der  Prü- 
fung der  dargebotenen  Pfänder,  man  liess  sich  statt  des  Geldes 
leicht  in  Waaren  befriedigen,  man  taxirte  die  Pfänder  nicht 
so  niedrig,  als  dort,  weil  man  mehr  Gewinn  aus  dem  Darlehn 
hatte,  in  der  Oeftnung  der  Banken  gemäss  der  wechselnden 
Tages  -  und  Jahreszeit  entsprach  man  gefälliger  den  Wünschen 

1)  cf.  Azor.  1.  c.  c.  22.  L.  L  ess,  1.  c.  dub.  23.  in  fin.  2)  Scac- 
cia.  1.  c.  n.  460.  Moy  de  Sons,  Arch.  f.  kathol.  Kirchen  E.  I.  p.  326. 
3)  „  in  eommunem  utilüatevi."   Azor.  1.  c.  c.  22. 


V.  5.  Die  Wechsler,  e.  Verhalten  tl.  Elirche  gegen  Wechslergeschäfte.    410 

der  Kunden ,  /Aimal  der  verschämten  Armen.  Wie  lel)haft  man 
diesen  Unterschied  zu  Gunsten  der  Privatbanken  erkannte, 
zeigen  die  Quellen.  ^)  Noch  mehr  musste  sich  dieses  Missver- 
hältniss  steigern,  als  bei  der  wegen  geringen  Gewmnes  abneh- 
menden Zahl  der  Darlehnseinleger  und  bei  dem  durch  die 
Reformation  plötzlich  so  bedeutend  verminderten  Einnahmen 
der  Kirche  aus  Deutschland  letztere  nur  unter  steigenden 
Opfern  Darlehnseinlagen  für  ihre  montes  erhielt.  Um  diese 
Opfer  aufzubringen,  blieb  natürlich  Nichts  übrig,  als  den 
Schuldnern  steigende  Zinsen  abzunehmen,  und,  was  um  so  mehr 
die  Bedürftigen  verwundern  und  das  Wucherverbot  verletzen 
musste ,  höhere  Zinsen ,  als  diejenigen  waren ,  welche  die  Kir- 
che den  Einlegern  zahlte.  Ja,  noch  mehr!  Man  behielt  in 
den  montes  die  Pfänder ,  mochten  sie  auch  weit  die  Höhe  der 
Schuldsumme  übersteigen,  bei  der  geringsten  Zahlungssäum- 
uiss  der  Schuldner  als  verfallenes  Eigenthum  zurück.  Daneben 
eröffnete  man  eine  Leibrentenbank  der  Art,  dass  der  Besitzende 
ein  Kapital ,  gleichviel  wie  er  es  erworben ,  in  die  Kasse  des 
hioiis  legen  konnte  und  davon  möglichst  hohe  Zinsen  sein 
Leben  hindurcli  empfing.  Nach  seinem  Tode  verfiel  das  Kapi- 
tal dem  maus.  So  sagt  Chr.  Kupp  euer,  v.  Wucher  C.  5'': 
„  einer  kauflft  etzliche  w  e  r  n  1 1  i  c  h  e  c  z  i  n  s  bei  eyner  stat  ader 
bei  einer  kirchen  auff  seine  lebetage  alle  iar  ierlichen 
im  solche  czu  reichen  vnd  czu  geben."  Der  Vertrag  erschien 
nicht  wucherlich ,  „  da  er  auf  Kauf  beruht."  (Vergl.  hiergegen 
V.  3.  e.  und  V.  5.  d.)  =^) 

Dergleichen  Erwerbsquellen  des  Grundstockes  für  den 
mons  trugen  nicht  mehr  das  Gepräge  der  Nächstenliebe.  Sie 
neigten  bedeutend  zu  dem  Grundsätze  der  Privatbanken ,  um 
Gewinn  darzuleihen,  hinüber.    Was  Wunder,  dass  da  beiden 


1)  Salmasius  m  seinem  zit.  Buche  de  foenore  trnpczüico  und  Mar- 
yerger  von  d.  montt.  piet.  lassen  sich  des  Weiteren  über  solche  Vorzüge 
der  Privatbanken  aus.  cf.  auch  Say,  1.  c.  übers,  v.  Morstadt.  3.  Aufl. 
(1830)  n.  3.  cp.  6.  Gioja,  nuovo  prospetto  1.  c.  III.  190.  2)  cf.  Carp- 
zov,  pract.  rer.  crim.  p.  II.  qu.  2.  Marperger,  1.  c.  Besold.  d.  aerar. 
publ.  cj».  3.  p.  38.  ti.  3.  niont.  jtiet.  Rom.  cp.  1.  J.  H.  Böhmer.  1.  c.  V. 
19.  §.  LXXIII.   Leotard,  d.  usur.  qu.  22.  n.  29.  n.  41  tf. 

27* 


42C)  V.   f).  r>ie  Woclisl(M-.    f.  Woclisolvorkolir. 

sonstigen  Vorzügen  der  Privatbanken  vor  den  mo)ites  die 
Scliuldner  sich  überwiegend  jenen  zuw^andtcn ,  nun  aber  höchst 
unbefangen  oder  vielmehr  liöchst  richtig  urteilend  keinen  Un- 
terschied im  Gruiulcharakter  beider  Institute  entdeckten.  Daher 
wäre  es  dem  Volke  völlig  undenklich  und  widersinnig  erschie- 
nen ,  wenn  die  Kirche  bei  den  Privatbanken  die  Zinsforderunsf 
hätte  verbieten  wollen.  So  bahnten  die  Zinsen  sich  nach  und 
nach  den  Weg  zu  allgemeinster  Anerkennung  ihres  Rechtes. 

So  weit  vorgeschritten,  konnte  man  nicht  mehr  inne  hal- 
ten in  immer  weiter  ausgedehnter  Billigung  der  Vergütung 
für  den  Gebrauch  fremden  Kapitales.  Sollte  eine  Anleihe 
von  emer  Stadt,  emem  Fürsten  aufgenommen  werden  (u.  VIIT. 
3. c. u. f.),  so  bildete  man  eine  nur  gedachte  Bank,  welcher 
etliche  öffentliche  Einkünfte  so  weit  überwiesen  wurden ,  dass 
man  damit  die  Zinsen  des  Grundstockes  deckte.  ^)  Die  Antheile 
nun  an  der  Bank  verkaufte  man  zur  erzwungenen,  später  auch 
freiwilligen  Entgegennahme.  2)  Die  Billigung  der  Wechsler - 
und  Bankzinsen  schlug  in  dieser  Fiktion  selbst  so  glänzend  an, 
dass  sogar  die  Päbste  in  solcher  Form  sich  nicht  scheuten, 
zinsbare  Anlehen  zu  machen.  Ohne  Zinsen  erhielten  sie  solche 
nicht ,  sie  gaben  also  Zinsen  unter  fremden  Namen ,  selbst  auf 
kurze  Darlehnszeit.  Derart  lautete  die  Anleihe  Pauls  IV.  von 
100,000  scudi  auf  9  Jahre,  zur  Abzahlung  der  Schulden  aus 
den  Exequien  Julius  III.  und  Marcells  11.  und  aus  der  neuen 
Pabstwahl  „pro  quibus  solvendum  erat  intolerabilis  interesse" 
(d.h.  das  damnum  emergens  ejus,  qiiod  interestlY.  3.)  Aus 
den  Zinsen  der  Anleihe  waren  „Geschäftsunkosten  einer 
Bank  "  im  Augenblick  geworden ! 

f.   Der  Wucher  im  Wechselverkehr  insbesondere. 

Die  grössere  Zahl  der  deutschen  Wechsler  konnte  schon 
deshalb  kaum  über  die  Sphäre  der  im  Abschnitte  d.  erwähn- 
ten Geschäfte  hinausgehen ,  weil  es  ihnen  an  bedeutenden  Ka- 
pitalien fehlte,  welche  sich  mit  den  Geldmitteln  der  italischen 

1)  Azor.  1.  c.  III.  1.  5.  '.-.  11.,  1.  10.  c.  23.      2)  Scaccia,  I.e.  n.4ö5; 
Endeniann,  1.  c.  p.  71. 


V.   5.  Die  Wechsler,   f.  Wechselverkehr.  421 

Bankhäuser  hätten  vergleichen  lassen  können.  Sie  standen 
ferner  nicht  mit  den  Wechslern  ihrer  eigenen  Stadt,  geschweige 
denn  mit  denen  anderer  Städte  in  Verbindung.  Hier  findet 
sich  Nichts  von  jenem  grossartigen  Ineinandergreifen  des  Ge- 
schäftsbetriebes der  italienischen  Bankhäuser  mit  iliren  Com- 
manditen  und  denen  anderer  Häuser,  wenig  von  der  ausge- 
delmten  und  docli  präzisen  Abwicklung  der  übernommenen 
Geschäfte  in  den  Wechsel  -  Messen ,  Nichts  von  der  Gerichts- 
barkeit eines  besonderen  Oonsuls  über  die  Mitglieder  der 
Innung ,  der  Landsmannschaft.  ^)  Die  weiteren  Funktionen  ita- 
lischer Wechsler  übernehmen,  ausser  wo  letztere  selbst  in 
Deutschland  thätig  sind  und  ausser  vereinzelten  Beispielen 
deutscher  Weclisler,  ^)  die  Genossenschaften  der  KauHeute  und 
die  städtischen  Behörden.  Die  Gründung  der  Städtebündnisse 
hatte  für  die  Hebung  des  Handels  die  Folge,  dass  sich  ein 
Netz  von  Handelsgenossenschaften  der  in-  und  aus- 
ländischen Kautieute  über  das  ganze  Handelsgebiet  breitete.  ^) 
Dieselben  sind  durch  Genossen ,  Lieger ,  Contore  in  allen  be- 
deutenden Handelsplätzen  vertreten.  Sie  kommen  periodisch 
wiederkehrend  auf  den  grossen  Märkten  (V.  5.  a.)  oder  zu  den 
Versammlungen  der  Genossenschafts  -  Mitglieder ,  z.  B.  zu  den 
Hansatagen  zusammen,  sie  heben  sich  so  ungefähr  mit  den- 
selben, nur  beschränkteren  Mitteln  zu  den  Verrichtungen  der 
italischen  Bankhäuser,  besonders  durch  ihre  Unterstützung 
des  Wechselverkehres  empor. 

p]twa  in  gleicher  Verbindung  unter  einander  stehen  die 
städtischen  Behörden,  und  dadurch  nehmen  sie  eine 
ähnliche  Beziehung,  als  jene,  zu  dem  Geldverkehre  ein.  Ihre 
Stellung  aber  und  Verbindung  mit  einander  ist  sichrer  als  jene, 
die  Gerichtsgewalt  steht  ilmen  sogleich  zur  Seite,  ihr  Anseilen 
reicht  weit,  und  so  ist  ihr  Credit  gross.  Daher  deponirt  man 
bei  ihnen  allerart  Geldbeträge,  strittige  und  unbestrittene; 
sie  gebrauclien  diese  Beträge  offen  und  erlaubt  l)is  zur  Zah- 


l)  cf.  V.  5.  b.  (1.  u.  Ne  u  m  a  n  n  ,  Wechselgesch.  \t.  l;59.  2)  et",  n.  a. 
lüb.  ürk.  B.  II.  b.  873.  ii.  ib.  Kämmereibucb  Vm.  3)  cf.  Neu  mann, 
ib.  p.  4  ff. 


42-J  Y.  5.   Die  Wechsler,   f.  Weohselverkehr. 

lungszeit  gegen  Vergütung.  ')  Man  leilit  ihnen  gern  Summen ; 
sie  ziehen  und  auf  sie  zieht  man  von  fern  und  nah  Wechsel 
hl  ununterbrochener  Zahl.  Eme  Fülle  von  Beweisen  aus  jedem 
Urkuiidenbuch  lässt  sich  dafür  anführen.  Auch  hat  dieses  Be- 
treiben von  Privatgeschäften  Seitens  der  städtischen  Behörden 
in  jenen  Zeiten  nichts  befremdliches,  wie  heute.  Sie  kaufen 
ebenso  7Aiweilen  Frucht  auf,  um  sie  mit  Gewinn  wieder  zu 
verkaufen  und  hierdurch ,  wie  durch  Erhebung  von  Natural- 
abg'aben ,  die  städtische  Kasse  zu  unterstützen.  Gleicher  Art 
treiben  sie  selbst  durch  ilire  vereideten  Knechte  lange  Zeit  das 
Wein  -  und  Mahlungelt  ein ,  dann  verpachten  sie  es  in  öffent- 
liclier  Versteigerung  den  Meistl)ietenden.  Den  Salzhandel  trei- 
ben sie  als  städtisches  Monopol  zum  Gewinne  der  Commu- 
nalkasse.  Später  erst  beginnen  daneben  die  direkten  Geld- 
abgaben. ^) 

Auf  den  Schultern  dieser  zwei  Körperschaften  vornehm- 
lich neben  den  italischen  Wechslern  ruhen  hier  sonach  das 
grosse  Darlehns-  und  Depositengeschäft,  die  Ak- 
k  0  m  m  e  n  d  a ,  ^)  der  Wechsel  um  lau  f.    Durch  sie  wird  die 


1)  cf.  u.  V.  A.  liber  excess.  et  sign.  1415  d.  Bresl.  städt.  Archivs, 
wo  das  für  die  Curie  in  Polen  gesammelte  Geld  bei  dem  Breslauer  Eathe 
deponirt  wii'd.  Lüb.  U.  B.  I.  p.  235.  419.  490. 494  (1261. 1283. 1289. 1290.) 
2)  cf.  Arnold,  Verfass. Gesch.  1.  c.  U.  260.  262.  264.  —  (1350)  u.d.Note 
z.  Akkommenda.  —  Neumann,  Wechselgesch.  im  H.  G.  S.  139  — 142. 
.3)  Schon  in  Neumann,  Wechselgesch.  p.  141.  N.  161  sind  zitirt  hierfür: 
Bornbach,  Eezesse  III.  fol.  621  (Danz.  Arch.  Bibl.) ,  Hirsch,  Handels- 
gesch.  Danzigsp.  93  (1438),  wo  ausser  vielen  Privatleuten  auch  das  Brigit- 
tenkloster, die  Marienkirche,  das  h.  Geist -Hospital  und  die  Alderleute  des 
Johannis  -  Altars  Kapitalien ,  die  sonst  doch  pupillarische  Sicherheit  ver- 
langten ,  zu  den  Baienfahrten  der  Hanseaten  hingeben,  um  sich  einen  An- 
theil  an  deren  Gewinne  zu  erwerben.  —  cf.  auch  Privüeg.  Kaisers  Frie- 
drich III.  1454  f.  Nürnberg.  Nürnb.  Eeform.  1564.  Frank  f.  Eeforni. 
1611.  Gengier,  D.  P.  E.  p.  497.  —  Im  codex  dipl.  Siles.  III.  (Grün- 
h  agen) ,  Henr.  paup.  heisst  es  p.  20  (1307) :  „Item  soluerunt  (coss.)  pro 
pnnnis ,  quos  praeieriti  consules  ac c o  m  m  o  d a  v  er  an  t  (cf.  ob.  d.  Citat 
aus  den  Acta  Sanetorum.  Vita  Ivetae  „accommodaretur")  septin- 
gentas  marcas  denariorum  et  92  marc.  1  fert."  Diese  Stadthaushaltsnotiz 
wiederholt  sich  dann  sehr  oft.  cf.  ib.  21.  n.  2.,  24,  26,  27,  28,  31,  32,  35 
u.  a.  Das  Geschäft ,  das  hier  zu  Grunde  liegt ,  ist  keineswegs  Kauf  auf 


V.  5.  Die  Wechsler,   f.  Wechselverkehr.  423 

Handhabung   des  Geldverkehrs   vereinfacht,   die  Versendung 
von  Geldern,  Besorgung  von  Commissionswechseln  für  fremde 


Wiederkauf  zur  A'erdeckung  einer  Anleihe  ,  wie  Grünhagen  p.  20.  n.  5  und 
sonst  meint.  Hierdurch  wäre  das  Verbrechen  des  Wuchers  nicht  abge- 
wendet worden,  weil  hier  ja  das  Scheingeschäft  offen  zu  durchschauen 
war  (8. 15  ob.).  Andi'erseits  scheut  die  Stadt  sich  nirgend,  von  ihren  zins- 
baren Anleihen  in  den  Reclinungen  zu  sprechen  (cf.  u.  VIIl.  3 f. —  Grün- 
hagen, ib.  p.  Gl.  Go.  Gö.  G7.  72.  74.  81.  82.  IIG  u.  v.  a.)  Vielmehr  liegt 
hier  offen  eine  Akkommenda  (accommodmnt)  des  Breslauer  Rathes  an 
den  Tuchgeschäften  der  Breslauer  Kaufleute  vor.  In  obiger  Stelle  han- 
delt es  sich  um  die  Einzahlung,  desgl.  p.  21.  n.  2.  Diren  Antheil  am  Ge- 
schäfte cf.  p.  24:  (1309)  „acceperunt  ..  14  pmmos ,  qui  consiant  100  m. 
et  27."  Das  Geschäft  brachte  diesesmal  Schaden:  ib.  „de  hoc  reccperunt 
damjnium  in  27  m."  Eine  Rechnung  über  den  Geschäftsertrag  ib.  p.  28. 
20(1310):  „Item  summa  pereeptorum  de  quadraginta  pcmnis  Yperem^i- 
hus  acceptis  apud  Brunonem  de  Olsnicz  et  Nicolaum  de  Cyndato  et  aptid 
Albertiim  Lezhornum  300  marc.  47  m.  et  4  scot."  5  solche  Posten  fol- 
gen, dann  Abschluss :  „saiiniui,  umnium  xjerceptorum  tarn  in  magnis, 
quam  in parvis  est  quattuur  viillia  marcarum  et  100  m.  53  m.  et  10 scot." 
So  auch  p.  31  (1311)  Diese  Abrechnung  schliesst  mit  einem  Verluste  von 
70  marc.  (p.  32.)  Auch  die  Angaben  p.  33  (1312)  8  Posten ,  welche  die 
coss.  „postmodum  percepenmt"  von  bestimmten  Kaufleuten  und  von 
nicht  genannten,  p.  3.5  (1313)  heisst  es:  „summa  illo  anno  perdita  est  in 
pannis  100  et  40  minus  duobus  et  in  usuru  facta  et  in  combustione  malo- 
riim  detutrionim  et  mali  argenti  200  marce  et  48  marce."  Hier  ward  also 
genau  zwischen  dem  Tuchgeschäfte  (der  Akkommenda)  und  den  zinsbaren 
Anleihen  geschieden.  Dass  dies  aber  nicht  geschieht,  um  eben  in  den 
ersteren  die  zweiten  gegen  das  kirchliche  Wucherverbot  zu  verstecken, 
ergiebt  sich  aus  der  Nebeneinanderstellung  und  dem  Obengesagten  u.  s.  f. 
cf.  ib.  p.  3G.  n.  4,  40,  47,  5G,  GO,  G2,  G3,  G4,  GG.  Ganz  genau  lassen  sich 
leider  die  Abrechnungen  nicht  verfolgen ,  weil  die  Rechnungen  lücken  - 
und  felüerliaft  notirt  sind.  —  Aehnliche  Geschälte  zwischen  dem  Herzoge 
Ludwig  von  lirieg  und  dem  Christen  Pezco  CjTidal  daselbst ,  so  wie  der 
Brieger  Handelskammer  (camera  mercatoria)  scheinen  1350  in  Brieg  in 
ausgedehnter  Weise  gemacht  zu  sein  laut  dem  Brieger  Lehn  und  Erbe 
(Breslauer  Provinz.  Archiv ,  mir  von  Herrn  cand.  bist.  Rössler  mitge- 
theilt,  der  die  Geschichte  die.ses  Herzogs  schreibt.)  Die  Notizen  in  den 
Quellen  hierüber  sind  iiidess  ebenfalls  sehr  kurz .  wie  in  den  Breslauer 
Stadtrechnungen ,  so  dass  sidi  der  ganze  Verlauf  der  Geschäfte  nicht 
verfolgen  lässt.  (Wahrscheinlicher  liegen  lediglich  Tucligcschäfte  des  Her- 
zogs selbst  vor.  — )  Diese  Geschäfte  sind  Gesellschaftsverträge, 
in  welchen  die  Einen  Geld,  die  Andern  Arbeit  herzubringen,  und  recht- 


424  V.   5.  Pie  Wechsler,   f.  Wcclinelverkehr. 

Plätze,  die  Anknüpfung  eines  einigermaassen  regelmässigen 
Wechselverkehrs  erleichtert  und  verwirklicht.  Daneben  aber  ist 
der  Wechsel,  theils  naturwüchsig,  theils  von  Italien  her  gebil- 
det, keineswegs  den  Handeltreibenden  fremd ,  vielmehr  findet 
man  ihn  bereits  vereinzelt  im  13.  Jahrliundert  am  Mederrhein 
imd  in  einzelnen  Städten  des  nördlichen  Hausagebietes ,  dann 
zahlreicli  seit  dem  14.  Jahrhundert  in  Nord-  und  Süddeutsch- 
land in  seinen  verschiedenen  Erschemungsformen  verbreitet, 
als  einfacher  Schuldschein,  als  domiziliirter  Eigenwechsel  mit 
zwei ,  drei  und  mehreren  Personen ,  endlich  als  Tratte. 

Hier,  wo  es  sich  lediglich  um  den  Wucher  im  Wechsel 
handelt,  muss  bemerkt  werden,  dass  eine  Umwechslung  des 
Geldes  (camhium  pecuniae) ,  wie  sie  bei  den  italischen  Wech- 


fertigen  sich  als  solche  gegen  das  Zinsverbot  (cf.  u.  \1.  2.)  Sie  erscheinen 
auch  in  Deutschland  im  See-  und  Land -Handelsrechte  in  der  zwiefachen 
Form  der  accomenda  (comeuäa,  aceomandita)  und  der  impUcita  (irnpietta, 
prestitu)  des  italischen  Handelsrechtes ,  je  nachdem  Geld  zu  bestimmten 
einzelnen  Geschäften  oder  allgemein  zu  Geschäften  deponirt  oder  einge- 
legt war,  und  je  nachdem  ein  fester  Prozentsatz  oder  eine  Quote  des 
Gewinnes  als  Provision  gezahlt  wurde,  cf.  Casaregis,  Discursus  legales 
de  commercio.  Florent.  17J9.  disc.  29  (I.  p.  165).  Fremery,  Etudes  de 
droit  commercial.  p.  17.  3()flF.  Lab  and,  Comment.  zu  art.  1.  der  la  tabula 
de  Amalfa  Not.  8.  voc.  columnae,  wo  zugleich  die  Litteratur  reichlich 
angegeben  und  die  Einwirkung  der  „Colonna"  auf  jene  2  Verträge,  fer- 
ner auf  den  contratto  di  germinamento  und  auf  Timpegno  dei  marineri 
aUa  parte  ausführlich  erwähnt  wird  (Goldschmidt,  Zeitschr.  f.  d.  ges. 
Handelsrecht.  VH.  2.  Heft.)  Biener,  wechselr.  Abhh.  p.  21  ff. ,  31.  Die 
Angaben  von  Holtius,  Abhandll.  civilist.  u.  handelsrechtl.  Inhalts,  übers, 
von  Sutro ,  Utrecht  18.52.  p.  230 .  233  ff.  über  die  tabull.  Amalfitt.  hin- 
sichts  dieser  Akkommenda  sind  nicht  durchweg  richtig,  cf.  La  band,  1.  c. 
art.  1.  u.  6.  u.  N.  23.  Die  italischen  Bankhäuser  bestritten  wesentlich 
durch  diese  Akkommenden  oder  Depositen  ihre  oben  vielfach  erwähnten 
grossen  Darlehen.  Villani,  Storia  1.  XI.  c.  87.  Arenz,  1.  c.  p.  26.  30. 
Scaccia.  §.  1.  qu.  6.  n.  10.  p.  129,  §.  2.  GL  5.  qu.  2.  p.  337  und  beson- 
ders §.  1.  qu.  7.  p.  2.  ampl.  3,  p.  159.,  der  nur  die  Bezeichnung  depositum 
kennt.  Martens,  Urspr.  1.  c.  p.  29.  Der  von  England  im  17.  Jahrb.  aus- 
gehende Gebrauch  der  Kaufleute ,  ihre  Gelder ,  um  nicht  Kasse  zu  haben, 
bei  Bankiers  oder  Privaten  (Goldschmieden)  niederzulegen  und  darauf 
checks  auszustellen,  ist  offenbar  ein  anderes  Rechtsgeschäft.  Jacobsen, 
ümriss  d.  engl.  W.  R.  p.  131.  B  i  e  n  e  r ,  1.  c.  p.  24.  cf.  bes.  1403.  B  eil.  E.  a. 


V.   5.  Die  Wechsler,   f.  Wechselverkehr.  425 

sein  fast  immer  begegnet,  in  den  heimischen  Wechseln  vev- 
hältnissmässig  selten  eintritt,  wenn  man  nicht  etwa  «las  jedes- 
malige genaue  Anführen  der  ursprünglichen  Geldsorte  mit 
ihrem  Curse  darauf  deuten  will ,  dass  in  derselben  stillschwei- 
gend ein  camhium.  dieser  Sorte  in  die  am  Zahlungsorte  gang- 
bare Geldart  verstanden  ist,  oder  dass  die  eine  genannte  Geld- 
sorte bereits  die  am  Zahlungsorte  zu  entrichtende  andere  ist.  ^) 
Eine  Abzahlung  in  Waaren  findet  häufig  statt.  ^)  Die  Wech- 
selurkunde jeder  Form  enthält  neben  der  Schuldsumme  den 
Ausdruck  der  Verpflichtung  des  Schuldners  zur  Erstattung 
allen  Schadens,  Interesses,  aller  Kosten,  welcher 
sich  der  Remittent  im  Falle  des  Nichtacceptes ,  der  Nicht - 
oder  Theilzahlung,  oder  falls  der  Wechsel  bei  Rücksendung 
an  den  Aussteller  verloren  gehen  sollte,  theilhaft  machen 
konnte.  •^)  Hierzu  tritt  der  Cur s gewinn,  welchen  der  Gläu- 
biger sich  im  Falle  einer  Umwechslung  des  Geldes  (camhium 
pecuniae)  sogleich  in  der  Wechselurkunde  vom  Schuldner 
ausbedung.  Dieser  musste  bei  den  so  ausserordentlichen,  oben 
unter  n.  5.  a.  geschilderten  Cursschwankungen  der  einheimi- 
schen und  fi-emden  Münzen ,  welche  durch  Messen  oder  son- 
stige Uebereinkunft  der  Kaufleute  und  Wechsler  nicht  geregelt, 
dagegen  bei  der  ewig  ungleichen  Nachfrage  von  den  nicht 
einmal  gewerbsmässigen  Wechslern  beliebig  ausgebeutet  wur- 
den ,  sich  besonders  fruchtreich  erweisen.  *)  Selbst  bei  Wech- 
seln über  eine  Menge  vertretbarer  Sachen  begegnet  solch  ein 
Cursgewinn.  Ausser  dem  Gewinne  am  Curse  fordern  die  itali- 
schen Wechsler  in  Flandern ,  dann  in  Nord  - ,  früher  schon  in 
Süddeutschland  noch  ausdrücklich  oder  in  den  Cursgewinn  ein- 
begi-iflfen  ein  Wechselgeld,  d.  h.  einen  bestimmten  Prozent- 
satz der  Wechselsumme  für  das  Ausstellen  oder  Befordern 
des  Wechsels  selbst.  ^)  Bei  der  vereinzelten  Ansässigkeit  von 
Lombarden  in   Norddeutschland    und   der   verhältnissmässig 

1)  cf.  Neumaiin,  1.  c.  p.  47  ff.  lo^Jff.  cf.  Lüb.  U.  B.  I.  p.  410  (1282.) 
2)  cf.  ib.  p.  48.  49.  3)  ib.  p.  50  ff".  Gö  ff".  15G  ff.  4)  ib.  p.  57.  58.  157  ff. 
cf.  Chr.  Kuppener,  1.  c.  Beil.  E.  n.  2  (1508.)  5)  ib.  p.  142flF.,  157.  158. 
n.  n.  196.  Besonders  die  iirkundlirhen  archivalischen  Beläge  aus  dem 
Hansagebiet. 


42(5  V.   5.  Die  Wechsler,   f.  Wechselverkehr. 

immer  seltenen  Nothwendigkeit  für  die  Hanseaten,  Gelder  in 
die  südländisclien  Handelsplätze  zu  schicken,  bot  sich  dort 
selten  Veranlassung  zu  dieser  Nutzung  des  Wechsels.  Weit 
häufiger  muss  sie  dagegen  in  Süddeutschland  vorgekommen 
sein  und  sich  ehigebürgert  haben ,  weil  hier ,  so  weit  man  aus 
den  zerstreuten  bis  jetzt  gedruckten  urkundlichen  Belägen  zu 
urtheilen  vermag ,  die  Lombarden  sich  theils  zahlreicher  ansie- 
delten, theils  von  den  Niederlanden  und  Südostfrankreich  aus 
eine  regere  Verbindung  durch  Wechsel  mit  Italien ,  insbeson- 
dere mit  Venedig  unterhielten.  ^)  So  heisst  es  in  einem  domi- 
ziliirten  Eigenwechsel  mit  4  Personen  vom  4.  Mai  1328,  aus- 
gestellt in  Metz,  zahlbar  in  Strasburg :  „Nos  . ..  notum  facimus 
tiniversis,  quod  nos  recepimtis  pro  stremiis  viris  ...  M.  Uhr. 
t  u  r  0  n.  p  a  r  v.  per  manus  familiarkim  ipsoriim  dominorum 
. . .  propter  qaod  vohimus  ac  mandamus  per  presentes  discreto 
viro  ...,  quatinus  ipse  pro  nohis  ac  nomine  nostro  tradet  et 
deliheret  dominis  . . .  in  Ärgentinensihus  denariis  ad 

valorem  seu  quantitatem  M  Uhr.  predict "  Tür 

Süddeutschland ,  besonders  Frankfurt  a.  M.  führt  Kriegk  eine 
Reihe  yon  Notizen  über  Wechsel  auf.  ^)  Wechsel  werden  durch 
Lombarden  aus  Mainz  und  Heidelberg  nach  Italien  1403, 1405 
gesandt:  „als  man  mit  den  Lumbarden  te dingte  von  des 
wessils  wegen ,  als  gein  Eome  von  Weiders  wegin  (des  Frank- 
furter Gesandten  am  päbstlichen  Hofe)  gemacht  waz."  1406 
begegnen  drei  ebensolche  Wechsel  nach  Eom.  •'')  3  Bemerkun- 
gen im  Frankfurter  Rechenbuche  von  1406  weisen  hierauf  hin: 
Erstens  2  gülden  6  Seh.  7  Hell,  nach  dem  wesselbrieff 
gein  Colne ;  zweitens  3  gülden  ein  gesellin  von  Grunenberg, 
der  mis  einen  wesselbrieff  Dilmann  gern  Rome  trug ;  drittens 
180  gülden  Walter  zur  Glocken  von  eins  wessils  wegin  umb 
150  Dukaten  gein  Rome  zu  senden."  Eben  dort  wird  in 
Betreffeines  1406  nach  Rom  geschickten  Wechselbriefs  gesagt, 
ein  gewisser  Warmuter  habe  1396:  45^2  A-  dafür  erhalten, 
dass  er  dem  Frankfurter  Gesandten  in  Rom  40  fl.  mit  einem 


1)  cf.  Mone,  Zeitschr.  zur  Gesch.  d.  Oberrh.  IV.  p.  48 ff.  XIV.  p.  78. 
2)  cf.  G.  L.  Kriegk ,  Frankf.  Zustände  p.  332  ff.  n.  201.    3)  ib.  Anm.  202. 


V.  5.  Die  Wechsler,  f.  Wechselverkehr.  427 

Wechsel  zu  Kom  bestellen  sollte ;  also  betrug  Curs  und  Wech- 
selgeld 1:5^/4  %.  So  wird  der  Coiistanzer  Job.  Muntbraten 
1404  den  13.  Juli  mit  der  Einkassirung  von  Wechseln  in  Ve- 
nedig beauftragt ,  welche  zu  Brügge  für  Constanzer  Kaufleute 
ausgestellt  worden  ^):  „Noverifis,  Joh.  Slatter  ..proDOOflor., 
nee  non  Lidfr.  Bettminyer  ..  pro  400  flor.  in  Briigg ,  distri- 
ctus  Flandrensis ,  camhium  soUcmpniter  more  mercatorum 
inivisse  in  civitate  vestra  (des  Dogen  von  Venedig)  persolven- 
doriim,  quihus  iamni  ...  non patet  acccssus,  Utterasque  cam- 
hii  JoJianni  Miiiifhrafoi  latori  ...  fideiconimiserimt  suppli- 
cantes  ...  ui  quantitatem  in  litteris  ..  descriptam 
nnllo  prctcxtu  eidem  latori  percipiatis.  .."^)  Vom  l.S.December 
1404  begegnet  der  Vollraachtsbrief  für  den  Erben  eines  Kemit- 
tenten  aus  dem  Wechsel  eines  Wechslers  von  Avignon.  ^)  Selbst 
der  Lübecker  Wechsler  bezog  durch  seine  Vertreter  in  Mittel  - 
und  Süddeutschland  das  Wechselgeld  neben  dem  Cursgewinne, 
Avie  Kuppener  1 508  ausdrücklich  erwähnt.  '^) 

Unter  den  lieber  tragungen  der  Wechsel  ^)  muss  hin- 
sichts  der  Wucherft'age  das  Disko ntogeschäft  besonders 
erwähnt  werden.  Banken  und  Wechsler,  besonders  italische, 
mögen  sich  desselben  in  Deutschland  bemächtigt  haben.  Man 
ersieht  dies  aus  den  Urkunden  nicht ,  darf  es  jedoch  aus  dem 
sonstigen  Geschäftsbetriebe  jener  Beiden  schliessen,  da  man 
u.  A.  eine  Menge  von  bereits  oder  bald  fälligen  Wechselforde- 
rungen zur  Realisirung  einem  und  demselben ,  meist  rechts  - 
oder  geschäftskundigen  Vollmachtsnehmer  in  den  grössern 
Städten  zu  übertragen  gewohnt  war.  Beläge  hiefür,  z.  B.  aus 
den  Danziger  Schöppenbüchern  sind  höchst  zahlreich  anzufüh- 
ren. Aber,  was  hier  noch  wesentlicher ,  selbst  bei  Privatper- 
sonenbegegnet dieser  sogenannte  „Schadenkauf"  (davon 
dem  Wechselbetrage  selbstverständlich  ein  Theil  dem  Inhaber 
der  Urkunde  verlorenging.)  1432  verkauft  Wilhelm  Winter- 
feld eine  in  Stralsund  ausstehende  unsichere  Wechselforderung 


1)  M  o  n  e ,  Zeitschr.  1.  c.  IV.  p.  29.  2)  ib  p.  46. 47.  3)  ib.  p.  47. 
(1406.)  p.  30.  31  (1407)  p.  43.  44  (1410.)  4)  cf.  hinten  Beilage  E.  n.  2. 
u.  Beil.  E.  a.  1403.        5)  Neu  mann,  1.  c.  p.  162  ff. 


428  V.   5.  Die  Weclislor.   f.  Wccliselverkehr. 

von  600  W.  liiein.  an  den  Stralsunder  Hildebrand  mit  Verlust. ') 
1472  übernehmen  zwei  Danziger  Bürger,  Bisch  off  und  Feld- 
stett,  von  dem  Vogte  des  grossen  Werders  eine  noch  nicht 
lallige  Anweisung  über  1000  Gulden,  unter  Verlust  für  ihn, 
gegen  Zahlung  des  Preises.  Der  Trassat,  der  Danziger  Kath, 
willigt  darein.  '^)  Der  hiefür  bereits  bestimmte  Ausdruck 
„  Schadenkauf"  beAveist  die  häufige  Wiederkehr  des  Geschäftes.  ^^) 

Prolongationen  endlich  und  Veränderungen,  Erhö- 
hungen der  Pflichten  des  Schuldners  aus  dem  Wechsel  wegen 
dieser  Prolongationen  finden  vielfach  statt.  *) 

In  dieser  Weise  gestaltet  sich  daher  in  Deutschland  der 
Wechselverkehr  weit  ausgedehnt,  mit  Hilfe  der  deutschen 
und  italischen  Wechsler,  besonders  aber  der  kaufmännischen 
Genossenschaften  und  der  städtischen  Behörden.  Freilich  ist 
er  nicht  so  vollkommen,  wie  in  Italien  und  seinen  Zweiganstal- 
ten. Die  Messen  zumal  fehlen  zuerst  fast  ganz ,  speziell  Wech- 
selzahlungen lässt  man  auf  ihnen  gerade  gar  nicht  zu.  So  liess 
1391  der  Rath  zu  Frankfurt  a.  M.  einen  Mann  pfänden,  weil 
er  in  der  Fastenmesse  einen  Anderen  „mit  einem  Wessil 
f  u  r  e  s  t  e  "  (bezahlte.)  ^)  Später  sind  die  Märkte  in  Deutsch- 
land wenigstens  niemals  reine  Wechselmärkte.  ^)  Daher  beson- 
ders fehlt  die  Regelmässigkeit  des  Wechselumlaufes,  die  räum- 
liche und  zeitliche  Stetigkeit  der  Curse,  die  schnelle  und  sichre 
Abwicklung  der  Wechselverpflichtungen.  Abgesehen  hiervon  in- 
dess  dehnte  sich  der  Gebrauch  der  Wechsel,  zumal  im  Hansage- 
biet, wie  es  bis  jetzt  scheint,  mehr,  als  in  Süddeutschland  aus  und 
griff  besonders  in  das  alltägliche  Verkehrsleben  vielfältigst  ein. 

Verletzte  man  nicht  tausendfältig  in  dieser  Wechselpraxis 
das  kanonistische  Prinzip  der  Geldnutzung?  Der  Preis  des 
Wechsels  hatte  eine  zinsartige  Vergütung ,  er  war  höher  oder 
niederer,  je  nachdem  die  Einlösungszeit  ferner  oder  näher  lag. 


l)Danz.  Arch.  Missiv.  IL  40T     2)  ib.  Urk.  30.  5125.      3)  cf.  Neu- 
mann,  1.  c.  p.  166.  4)  cf.  Neumann,  1.  c.  p.  59 ff.  67.  145.  170. 

5)  Kriegk,  Frankf.  Zust.  p.  332.  6)  oben  S.361.  N.3.  sind  die  Stellen 
über  die  Wechselzahlungen  auf  Märkten  für  Deutschland  in  der  Note 
zusammengestellt,  cf.  noch  für  Frankfurt;  Kriegk  1.  c.  p.  318ff.  332. 
339.  (1391.J 


V.   5.  Die  Wechsler,   f.  Wechselverkehr.  429 

Dazu  kam  das  Schadensgeld,  der  Curs -  uiid  Wechselgewinn. 
Ganz  besonders  zweifellos  tritt  der  Wuchercharakter  des  Wech- 
sels dort  hervor ,  avo  bei  einem  domiziliirten  (meist  Markt  -) 
Eigenwechsel  mit  zwei  Personen  der  Aussteller,  Darlehns- 
scliuldner,  dem  Komittenten,  Darlehnsgläubiger ,  einen  Curs- 
gewinn  entrichtete,  mochte  hier  das  Zinsverbot  zu  umgehen 
beabsichtigt  sein  oder  nicht.  Und  so  hebt  auch  Christoph 
Kuppener  in  seiner  Schrift  vom  Wucher  (1508)  gerade  diesen 
Fall  heraus  (A.  2.) :  „  das  der ,  der  ein  halb  iar  czuuor  seine 
hundert  gülden  aus  gegeben  hat  an  muntze ,  vorhofft  an  den 
hundert  guld.  die  ^yra  czu  franckfurt  an  guttem  golde  wid- 
derumb  gegeben  vnn  betzalt  werden,  eine  besserunge  derwirde 
des  goldes  entzweder  einer  inwenniger  ader  auswenniger  bes- 
serunge... dorauf  sprechen  die  heiigen  recht,  daz  ein  solcher 
contract  vnn  solche  handlung  gantz  vnrechte  suntliche  vnn 
wucherische  handel  seüi  vnn  werden  im  rechte  vor  bestendig 
nicht  czugelassen."  Hier  seien  beide  Theile  Wucherer,  weil 
beide  den  Wucher  durch  die  Wechselform  zu  verdecken  streb- 
ten. Doch  selbst  wo  sie  Dieses  nicht  beabsichtigten,  sei  der 
Vertrag  wucherisch ;  denn  die  Kontrahenten  hätten  schon  die 
Pflicht,  sich  vor  solchen  leicht  wucherlichen  Verträgen  von 
vornherein  zu  hüten  (ib.  A.  2^).  Dagegen  rechtfertigt  er  jeden 
sonstigen  Gewinn  der  Wechsler  bei  den  erlaubten  Wecliseln 
mit  den  Gründen  der  andern  kanonischen  Rechtslehrer  (cf. 
Beilage  E.  u.  2.)  Trotzdem  wuchs  hier .  wie  bei  dem  Institute 
der  Wechsler ,  des  Rentenkaufes  u.  A.  immer  fester  die  üeber- 
zeugmig,  der  Wechsel  sei  nicht  wucherlich.  Mit  seiner  that- 
sächlichen  Unentbehrlichkeit  stieg  die  kanonistische  Rechtfer- 
tigung. Früh  mischten  päbstliche  Entscheidungen  sich  ein, 
den  Streit  über  die  Wuchernatur  des  Wechsels  zu  schlichten. 
Schon  Pius  IV.  eiferte  gegen  die  blossen  Eigenwechsel  (cambia 
sicca,  trockne  Wechsel  eben  wegen  ihrer  Unergiebigkeit)  1560. 
Er  hat  dabei  besonders  die  Missbräuche  der  römisclien  Wechs- 
ler gegen  Geistliche  im  Auge.  Die  Ausländer  nämlich ,  welche 
m  Rom  bepfründet  Avurden ,  nahmen  behufs  ihrer  Zahlung  an 
die  Curie  Geld  auf,  das  sie  daheim  zurückzalilen  wollten.  Im 
Säumnissfalle  berechnete  der  Wechsler  dann  dem  Geistlichen 


430  V.    5.  "Die  Wechsler,    f.  Wechselverkelir. 

den  Vortheil,  den  der  Wechsler  durch  Beziehen  des  geschul- 
deten Geldbetrages  von  der  Heiniath  des  Geistlichen  nach  Rom 
geliabt  hätte,  in  Form  eines  recarabii.  Der  Pabst  erklärte,  der- 
artige trockne  Wechsel  älterer  Art  wären  keine  wahren  Wech- 
sel, sondern  wucherliche  Geldgeschäfte  in  Wechselform,  sie 
wären  der  Eigenschaften  untheilhaft,  welche  die  wirklichen 
Wechsel  vor  dem  Zinsverbote  schützten.  Nur  wirkliche  Wech- 
sel (camhia  realia)  sollten  geduldet  werden ,  das  Wechseldis- 
kontogeschäffc  möglichst  fallen.  ^)  Als  derselbe  Pabst  später 
die  Bologneser  Wechselstatuten  1569  bestätigte,  ^)  strebte  er 
danach,  in  dem  bekannten  motu  proprio  das  Wechselgeld  zu 
ermässigen.  Eingehend  endlicli  rechtfertigte  den  wirklichen 
Wechsel  die  Constitution  Pius'  V,  von  1570,  indem  sie  in  nocli 
weiterem  Umfange  die  camhia  sicca  verwarf. 

„  danmanms  ea  omnia  camhia ,  qiiae  sicca  nominantur ,  et 
ita  confmgimtur  ut  contrahentes  ad  certas  nundinas  seu  ad 
alia  loca  camhia  celehrare  simulent  ad  quae  loca  ii,  qui 
pecuniam  recipiunt,  litteras  quidem  camhii  suas  tradunt, 
sed  non  mittuntur  vel  ita  mittimtur ,  ut  transacto  tempore, 
unde  processerant ,  inanes   referantur,   aut   etiani   nullis 
hujusmodi  litteris  traditis  pecunia  ihi  denique  cum,  Inter- 
esse reposcitur  uhi  contracfns  fuerat  celehratus.^' 
Wirkliche  Wechsel  sollen  nicht  auf  längeren  Lauf,  als  bis  zur 
nächsten  Wechselmesse,  oder  auf  angemessenen  Uso  gestellt 
werden.^)  Eben  der  legitimus  usus camhioruni-,  quem  neces- 
sitas  puhlica  induxit,    sollte   dadurch   getrennt   werden 
von  allen  nicht  zu  billigenden  wucherlichen  Auswüchsen.  *) 


1)  Scaccia.  §.  9.  p.  502,  Eaph.  d.  Turri,  disp.  lH.  qu.  1.  u.  22. 
2)  Scaccia.  §.9.  p.  504.  Eaphael  de  Turri  I.e.  n.  24.  3)  Scac- 
cia. §.  9.  p.  503.  Eaphael  de  Turri,  disp.  III.  qu.  1.  n.  23. 
4)  In  Italien  (Süd  -  und  West  -  Europa)  suchte  und  fand  bekanntlich  der 
Verkehr,  nachdem  ihm  aus  einseitigen  Wucherrücksichten  das  nothwen- 
dige  Hilfsmittel  der  trocknen  Wechsel  durch  die  Kirche  genommen  war, 
einen  Ersatz  in  den  sogenannten  Eikorsawechseln  (Martens,  Ur- 
sprung p.  43 ff.  Scaccia.  §.  1.  qu.  5.  n.  85.  §.  6.  gl.  1.  n.  85.  Fremery 
etudes  p.  94.  Pardessus,  Contrat  de  change  I.  p.  28.  n.  31.  Eaph.  d. 
Turri  in  der  ganzen  disp.  III.).  Die  verschiedenen  Fälle  und  Formen  die- 
ser Wechsel    in    ihrem    Zusammenhange    mit    dem   durch   die   Kirche 


V.   5.  Die  Wechsler,   f.  Wechselverkelir.  431 

Diese  begrenzte  päbstliche  Billigung  der  Wechsel  ward 
dahin  begründet.  Der  Käufer  eines  Weclisels  kaufte  das  im 
Wechsel  entlialtene  besondere  Geld  (scutiis  marcharum.)  Und 
der  Gewinn  des  Wechselgebers ,  Wechslers ,  Bankiers  u.  s.  w. 
rechtfertigte  sich  durch  die  Arbeit  und  Gefahr,  welche  er  bei 
Ausstellung,  Besorgung,  Realisirung  des  Wechsels,  dann  beim 
Geldtransport  anwenden  und  tragen  musste.  ^)  Insbesondere 
kam  hier  in  Erwägung  der  Transport  des  Geldes  — ,  das  grosse 
Bediugniss  aller  Wechsel  der  handelnden  Völker ,  die  remissa 
pecunia  ex  loco  in  locum.^) 


beschränkten  Verkehre  zeigt  Scaccia.  §.  1.  qu.  5.  n.  88  —  97.  Als  Ver- 
treter des  Genuenser  Wechselrechts  zieht  er  solche  Wechsel  stets  auf  die 
Messe  von  Piacenza.  Scaccia  unterscheidet  wesentlich  zwei  Arten  dieser 
Wechsel,  der  Schuldner  stellt  den  Wechsel  aus  und  zieht  entweder  auf 
den  Gläubiger  oder  auf  den  Schuldner ,  beidemal  soll  der  Trassat  an  sich 
selbst  zahlen.  Diese  Wechsel  bildeten  sich  nach  dem  erwähnten  päbst- 
lichen  Verbote  der  trocknen  Wechsel  1560  wesentlich  auf  Grund  der 
päbstlichen  Bestätigung  der  Wechselordnung  von  Bologna  1569.  Diese 
billigte  den  Eückwechsel  öffentlich ,  das  Zahlen  an  sich  selbst  war  längst 
bekannt.  (Biener,  wechselrechtl.  Abhh.  p.  52 ff.  p.  59.)  Da  es  indess 
zweifelhaft  schien ,  ob  die  oben  zitirte  Stelle  der  Bulle  von  1570  nicht 
aucli  diese  Rikorsawcchsel  verwerfe ,  entschied  eine  Congregation  dreier 
Cardinäle  auf  eine  desfällige  Anfrage  des  Erzbischofs  von  Palermo 
1574  im  Auftrage  Gregors  XIII.  sich  für  die  Billigung  dieser  Wechsel. 
(Scaccia.  §.  9.  p.  431.  Raph.  d.  Turri,  disp.  IH.  qu.  1.  n.  27.)  Aber 
diese  Entscheidung  schützte  vielleicht  nicht  völlig  gegen  kirchliche  Be- 
helligungen. Denn  1625  erbat  sich  Genua  vom  Pabst  Urban  VIII.  neue 
Entscheidung  über  3  Wechsel ,  von  denen  der  günstigste  ein  Rikorsa- 
wecbsel.  Und  der  Pabst  verwarf  1627  diese  Wechsel ,  bis  durch  längere 
Unterhandlungen  unter  Beihilfe  Raphaels  de  Turri  selbst  bewogen  die 
Kirche  1631  auf  Zulassung  jener  Wechsel  resolvirte.  (Raph.  d.  Turri, 
disp.  ni.  qu.  1.  n.  28.)  —  Die  trocknen  Wechsel  einfacher  Art  vermrft 
noch  Benedict  XIV.  1747  de  synod.  dioeces.  1.  c.  Biener,  Abhandll.  I. 
p.  75.  98. 

1)  Der  Ersatz  der  Arbeit  gehörte  zu  einer  der  wichtigsten  und  folgen- 
schwersten Ausnahmen  vom  Zinsverbote.  Bereits  von  Anbeginn  mit  dem 
Zinsverbote  selbst  war  sie  entstanden  (I.  2.),  in  den  ersten  deutschen  Wu- 
cherbehandlungen anerkannt  (TU.  2.  a.) ,  und  auch  später  hielt  man  fest 
an  ihr.  so  unter  den  Summisten  (cf.  Kuppen  er.  Wucher.  C.  1').  Ebenso 
verhält  sichs  mit  dem  Ersätze  der  übernommenen  Gefahr  (I.  2.  VI.  2.) 
2)  Raphael  de  Turri  pro  n.  3.  1.  6.  13.  Neumann,  Wechselgcsch. 
p.  192. 


432  V.   5.  Die  Wechsler,   f.  Wethsclverkolir. 

Daraus  folgte  noth wendig  die  Trennung  der  wirklichen 
Weclisel  (eamhia  rcalia)  mit  Entfernung  zwischen  dem 
Ausstellungs  -  und  Zalilungsorte  von  den  trocknen  (camhiis 
siccis)  ohne  diese  Entfernung.  Die  Arheit  des  Wechsel- 
besorgers  wurde  zu  gering  zur  Eechtfertigung  seines  Ge- 
winnes .  sobald  die  Entfernung  den  Transport  nicht  bedingte. 
Welche  Täuschung!  Wo  behielt  man  hier  die  Grenze?  Bald 
räumte  man  ein,  die  Distanz  dürfe  auch  nur  eine  Strasse 
sein  und  gestattete  deshalb  die  Platzwechsel  (de  platea  in 
platenm.)  ^)  Ja,  in  der  päbstlichen  Constitution  selbst  meinte 
man  von  vornherein  gar  nicht,  dass  ein  wklicher  Trans- 
port des  Geldes,  und  so  eine  wirkliche  Gefahr,  eine  wirk- 
liche Arbeit  übernommen  werden  müssten ,  sondern  das  cam- 
hium  reale  musste  nur  einen  Zweck  erfüllen,  der  ohne  den 
Wechsel  den  Transport  verlangt  hätte.  ^)  Vor  Allem  aber  bei 
dem  domiziliirteu  Eigenwechsel  mit  zwei  Personen,  dem  ein 
einfaches  Darlehn  zu  Grunde  lag ,  galten  alle  obigen  Gründe 
nicht  zur  Reclitfertigung  des  Zinsgewinnes  des  Gläubigers. 
Hier  hatte  derselbe  keine  Mühe  der  Ausstellung  und  Besor- 
gung des  Wechsels,  keinen  Transport  des  Geldes,  keine  Ge- 
fahr des  Transportes  zu  besorgen.  Das  Alles  lastete  auf  dem 
Schuldner ;  eben  deshalb  lag  hier  auch  der  Wucher  des  Gläu- 
bigers offen  zu  Tage ,  und  nicht  vermochte  die  äusserlich  vor- 
geschützte Form  des  Wechsels  denselben  zu  decken,  da  der 
Wechsel  hier  wesentlich  anders ,  als  in  den  Ausstellungen  der 
Wechsler  entstand.  ^) 

l)Raph.  deTurri,!.  28.  29.  2)  Raph.  cleTurri,!.  c.  I.  13. 
Neumann,  1.  c.  p.  78  —  81.  3)  Daher  macht  Christoph  Kuppener 
in  seiner  Schrift  vom  Wucher  A.  3".  auch  den  wucherlichen  Charakter 
dieses  Wechsels  gegenüber  den  anderen  geltend  (C.  2.  3) ,  und  lässt  nicht 
den  Einwand  der  Betheiligten  gelten ,  der  Gläubiger  beziehe  den  Curs  - 
und  anderen  Gewinn  ultra  sortem  hier ,  wie  bei  jedem  Wechsel ,  da  er  die 
Gefahr  trage.  Denn  er  müsse  sich  vorsehen  ,  dass  er  nur  sicheren  Män- 
nern leihe,  und  „nachdem  in  geliheni  gelde  das  geld  das  gelihen  wirt, 
das  wirdt  von  stunt  des  eigenthum  dem  es  gelihen  wirt.  Dorumme  aus 
der  natur  des  contracts  mutui  . .  so  geboret  vnn  ist  von  stunt  an  die  fare 
nutz  vnd  eigenthum  solchs  gelihen  geldes  bei  dem,  dem  solch  gelt  gelihen 
worden  ist.   Und  kan  nimmer  g-esein  bei  dem  ,  der  solch  gelt  ausgeliheu 


V.   5.  Die  Wechsler,   f.  Wechselverkchr.  433 

Was  sträubte  man  sich  da  noch ,  auch  das  camhium  sic- 
cuni  anzuerkennen!  Freilich  öffnete  dieses,  ausgestellt  über 
Hauptsunime  und  Zinsen  in  einem  Betrage ,  mit  seinen  stren- 
gen Wechselfolgen  dem  zinsbaren  Darlehn  breite  Pfade ;  aber 
wehrte  solchem  Missstande  etwa  jene  unhaltbare  Scheidung? 
Im  Gegentheil,  sie  förderte  ihn  zwiefach.  Und  alle  ferneren 
Eingrenzungen  der  Wechselerlaubniss ,  welche  die  Constitution 
Pins'  V.  enthielt ,  so  das  Verbot ,  das  Interesse  für  den  Fall 
der  Nichtzahlung  vorher  festzusetzen,  die  Untersagung  der 
längeren  Lauffrist,  der  Prolongation  u.  A.  i)  bekundeten  nur 
deutlicher,  wie  das  Fundament  dem  kirchlichen  Verbote 
schwankte.  ^)  Vor  Allem  musste  das  Verhältniss  des  Preises 
zu  der  Arbeit  des  Ausstellers  festgesetzt  werden ,  hier  lag  das 
Merkmal  für  den  Wucherinhalt. 

Die  Länge  des  Transportes ,  welchen  die  Wechselsumme 
ohne  Wechsel  hätte  durchmachen  müssen ,  sollte  den  Maasstab 
geben.  Wie  illusorisch  dieser  war,  ganz  abgesehen  davon, 
dass  hier  ja  gar  keine  Arbeit,  kein  wirklicher  Transport  vor- 
hat, p.  die.  gl.  i.  die.  c.  naviganti.  — "  Es  ist  dies  übrigens  derselbe  Fall 
der  Zinsumgehung  durch  Wechsel,  welchen  —  wol  im  speziellen  An- 
schlüsse an  die  Messzinsen  der  französischen  Messwechsel  besonders  aus- 
gebildet —  die  Eeichsgesetze  von  1530,  1548,  und  1577  §.  7.  ti.  17. 
erwähnen:  ,,Item  etliche  leihen  ihr  Geld  mit  diesen  verbotenen  Gedin- 
gen oder  Pakten  hinweg,  dass  der  Entlehn  er  zu  vier  Märkten,  so 
die  ihm  ernennen ,  ein  mannigfaltiges  dazu  verzinsen,  oder  Aufgeld 
geben  muss,  thut  wohl  etwa  mehr,  dann  von  hundert  zwanzig."  (cf.  unten 
VI.  2.  a.  E.  u.  Orth,  Eeichsmessen.  p.  449.  Not.  (1669.)  cf.  d.  Zusätze.) 

1)  Constit.  Pii  V.  (1570) :  „ ne  quisquam  audeat ,  sive  aprin- 

cipio,  sire  alias  determinatum  interesse  pacisci.  Ne  audeat 
cambia  realia  aliier ,  quam  pro  prim  is  nundinis ,  tibi  illae  cehbran- 
tiir  pro  priniis  terminis  juxia  reeeptum  locorum  ustim  exercere, 
abusu  illo  prorsus  rejecto ,  cambia  pro  secundis  et  deinceps  mindinis 
sive  terminis  exerccndi.  Curandum  autem  erit  in  terminis ,  ut  ratio  ha- 
beatur  longin quitatis  et  incinitatis  locorum ,  in  quibus  solutio  desiinatur,' 
ne  dum  longiores  j)raef\ywitur ,  quam  loca  destinutae  solutioms  deside- 
rant ,  foenerandi  detiir  occafiio."  Benedict.  XIV.  d.  synod.  dioeces.  VII. 
c.  14.'n.  8 — 10.  Endemann,  die  national  -  ökonomischen  Grundsätze 
der  kanonistischen  Lehre.  S.  42ff.  2)  Rapliael  deTurri,  disp.  3. 
qu.  12  —  14. 

Neuraann,  Gesch.  d.  Wuchers.  28 


4;34  V.   o.  Die  Wechsler,   f.  Wecliselvevkehr. 

lag,  zeigt  sich  klar.  Die  Zeit  der  Realisirmig . des  Wechsels, 
sein  Geldbetrag  mussten  ausser  Ansatz  bleiben.  ^)  Kurz ,  es 
öffnete  sich  kern  Auskunftsniittel.  als,  dass  man,  wo  nicht  die 
Obrigkeit  die  Festsetzung  des  Preises  recht  übereinstimmend 
mit  den  vorn  entwickelten  romanischen  Grundsätzen  des  Zins- 
gesetzes dem  Verkeliro  aufzAvingen  sollte,  dem  Verkehre  selbst 
wider  Wissen  und  Willen  freie  Hand  einräumen  musste.  Dem 
Vorstande  der  Kaufleute,  den  Consuln  der  Wechsler  in  den 
einzelnen  Städten  ward  es  aufgetragen,  den  Preis  der  Wechsel, 
also  Ankaufssumme,  Wechselgeld,  Cursgewinn  u.  s.w.  zu 
bestimmen.  Natürlich  regelten  diese  den  wichtigen  Punkt  vor- 
her wie  nachher  in  alter  Gewohnheit  und  Ueberzeugung  des 
Rechten  lediglich  nach  dem  aus  Angebot  und  Nachfrage  von 
selbst  resultirenden  und  mehr  oder  weniger  beständigen  Preise 
der  Wechsel,  sie  stellten  jedesmal  einfach  das  als  Gesetz  der 
Kirche  und  weltlichen  Behörde  fest,  was  der  gesunde  Verkehr 
als  seine  untrügliche  Meinung  bereits  verlautbart  hatte.  ^) 
So  musste  auch  hier  das  kanonische  Zinsverbot  weichen ,  und 
ohne  dass  die  Kirche  es  ahnte .  verliess  sie  selbst  den  gefähr- 
lichen Glaubenssatz  und  gab  sich  der  Natur  des  Kapitalver- 
kehres anheim.  Richtig  scheint  es  deshalb,  in  dieser  neuen 
Schleuse,  welche  die  Kirche,  der  grosse  Schleusenmeister  des 
Kapitalumlaufes ,  der  Flut  des  letzteren  öffnete ,  einen  der  vie- 
len Gründe  dafür  zu  finden,  dass  der  Gebrauch  der  Wechsel 
so  schnell  wuchs  und  sich  über  die  ganze  handelnde  Welt  brei- 
tete. Diese  Annahme  indess  nicht  minder,  wie  jene,  dass  das 
Wechselinstitut  hauptsächlich  durch  das  kanonische  Zinsver- 
bot hervorgerufen  sei ,  ^)  darf  nur  in  engen  Grenzen  als  richtig 
gebilligt  werden.  Das  lehrt  gerade  die  Geschichte  des  deut- 
schen Wechsels. 

Der  Wechsel  in  Deutschland  erstand  und  entwickelte  sich, 
vornehmlich  was  Nord-  und  Mittel  -  Deutschland  anbetrifft, 
naturwüchsig  im  13.  und  14.  Jahrhundert.  Speziell  italische 
Einflüsse  aus  der  frühen  Zeit  des  Geldtransportes  für  die  Curie 


1)  Scaccia.  §.  2.  qu.  3.  n.  69  —  70.  E.  de  Turri  I.  24.  2)  u.  a. 
Orth,  Reichsmessen  p.  440,  485,  496.  cf.  d.  Zusätze.  3)  Eiidemann, 
nationalök.  Grundsätze  1.  c.  S.  39  ff. 


V.   5.  Die  Wechsler,   f.  Wechselverkehr.  435 

von  Nord-  und  Nordost  -  Deutschland  über  Flandern  nach  Rom 
oder  Avignon,  oder  aus  dem  Verkehre  mit  Lombarden  in  Flan- 
dern,  Frankreich ,  Italien ,  dann  in  Deutschland  selbst  hatten 
kein  solches  Gewicht  auf  die  Gestaltung  des  Wechsels  in  diesen 
Gegenden,  dass  man  dieselben  aus  den  Wechseln  genügend 
nachweisen  könnte.  Erst  bei  der  späteren  vielseitigen  Verbin- 
dung Deutsehlands  mit  Italien  im  17.  Jahrhundert  mehren  sich 
auch  in  Deutschland  jene  italischen  Einflüsse. 

Hieraus  und  aus  der  geringeren  Beachtung,  welche  das 
kanonische  Zinsverbot,  wie  gezeigt,  besonders  in  den  nord- 
deutschen Eechtsquellen  fand,  rührt  es,  dass  man  hier  bei 
dem  Wechselverkehre  dessen  am  wenigsten  gewahr  werden 
mochte,  wie  man  durch  ihn  jenes  Verbot  verletzte.  Denn 
man  wendete  ihn  fast  nur  dort  an ,  wo  es  sich  rnn  wirkliche 
Uebertragung  von  Geldbeträgen  an  entferntere  Orte  handelte. 
Die  ausgedehnten  Handelsbeziehungen .  die  viel  und  weit  ver- 
zweigten kaufmännischen  Genossenschaften,  die  zahlreichen 
Gesandtschaften  einzelner  Städte  zu  Zwecken  der  Städtebünde 
u.  s.  w.  bedingten  Dies.  Dieselben  veränderten  zugleich  inso- 
fern die  Freisfrage  beim  Wechsel,  als  hier  in  den  meisten 
Fällen  nicht  der  Wechsel  gegen  Geld ,  sondern  Geld  gegen 
Wechsel  gesucht  ward,  so  bei  den  Anweisungen  der  polni- 
schen Könige  ^) ,  beim  Pfundzoll  ^) ,  bei  den  Geldbedürfuissen 
der  Gesandten ,  der  Marktreisenden  ^)  u.  a.  In  diesen  Fällen 
ebenso  wie  in  den  umgekehrten,  wo  man  Wechsel  gegen  Geld 
suchte,  fand  hier  selten  eme  Preisbestimmung  Seitens  vorgesetz- 
ter Personen  für  den  Wechselkauf  nach  kanonistischen  oder  an- 
dern Grundsätzen  Statt,  weil  die  Behörden  der  Städte  diese  Funk- 
tionen sich  nicht  anmassen  konnten  oder  wollten,  Vorgesetzte  der 
Kaufmannschaft  aber.  Mäkler,  Consuln  der  Wechsler  entweder 
nicht  existii'ten,  oder  nicht  solche  Vorschriften  erlassen  durften.  ■*) 
Wechsel  zur  blossen  Umgehung  des  kaum  gefühlten  Zinsverbotes 
lassen  sich  ebendeshalb  hier  schwer  nachweisen,  insbesondere 
nicht  jene  allgemein  für  den  Verkehr  in  Süd  -  und  West- Europa 

1)  cf.  Neumann.  p.  99  if.  2)  ib.  p.  122  ff.  3j  ib.  p.  127  ff.  — 
Kriegk,  1.  c.  p.318. 339. —  oben  p.  432 Note.  —  Beilage  E.a.  4)  Aus- 
nahmen et",  in  den  Zusätzen. 

28* 


43G  \.    5.  Die  Wechsler,   f.  Wechselverkehr. 

nötliig  gewordenen  speziell  so  genannten  trocknen  Wechsel, 
welche  auf  einen  entfernten  Ort  ausgestellt  gar  niclit  oder  nur 
zum  Sclu'ino  vom  Ilemittenten  dorthin  gesandt  wurden,  unbe- 
zahlt zum  Ausstellungsorte  zurückkehrten  und  hier  vom  Aus- 
steller zugleich  mit  dem  Wechselgelde  für  die  Wanderung 
des  Geldes  euigelöst  wurden.  ^)  Das  stimmt  üherein  mit  den 
Zuständen  in  den  Niederlanden.  ^)  Ebensowenig  und  insbeson- 
dere noch  wegen  der  wenig  durchgreifenden  Gewalt  des  kano- 
nistischen  Zinsverbotes  im  deutschen  Verkehre  selbst  begegnet 
hier ,  dass  man  die  gerade  in  Deutschland  so  zahlreich  seit  frü- 
her Zeit  in  allen  Arten  von  Schuldscheinen  über  die  Grenzen 
des  Handelsrechtes  hinaus  angewandten  Papiere  auf  den 
Inhaber  ^)  wegen  ilires  Wuchercharakters  verfolgt  hätte,  da 
die  Gläubiger  wegen  der  Zinsen  ihre  Namen  auf  diese  Art  ver- 
bergen konnten  (Letzteres  geschah  im  Anfange  des  17.  Jahr- 
hunderts in  Frankreich).  '*)  Da  nun  die  Papiere  auf  den  Inha- 
ber an  sich  überhaupt  keinen  wucherlichen  Charakter  tragen, 
durften  sie  hier  nicht  besonders  berücksichtigt  werden. 

Und  so  nannte  man  hier  zunächst  wol  deshalb  die  zahl- 
reichen domiziliirten  Eigenwechsel  mit  zwei  Personen  nicht 
Wechsel,  wie  die  Tratten,  ^)  weil  eine  Umwechslung  des  Gel- 
des (camhi  um  pecuniaej  hei  ihnen  selten,  weil  Wechselfolgen 
(wie  Wechselprozess ,  Wechselexekution)  theils  erst  seit  dem 


1)  Eaphael  de  Turri,  disp.  1.  qu.  5.  n.  2.  6.  II.  24.  HI.  1.  n.  22. 
23-.  Ueber  die  scheinbar  widersprechende  Beilage  G.  (1569)  cf.  VI.  1.  cf. 
Orth,  Eeichsmessenp.449N.  (16G9.)      2)  Phoonsen,  Wechselstyl.  c.39. 

3)  Zeitschr. f.  deutsch.  Recht  V.  (Duncker)  —  Kuntze,  Inhaberpapiere 
p.  29.  67 ff.  75 ff.  107 ff.  —   Neumann,  Wechselgeschichte  p.  42  — 47. 

4)  Savary,  Parfait  negociant  I.  1.  III.  eh.  5.  7.  Martens,  1.  c.  p.  71 
(Edikt  V.  1716  sogar.)  Die  billets  en  blanc  (mit  offenem  Räume  für  den 
Namen  des  Gläubigers) 'Verbot  man  hier  1604,  1611 ,  1624  auf  Antrag  der 
Kaufmannschaft  in  Paris,  weil  sich  dahinter  zugleich  allgemeinschäd- 
liche Verfahren  zur  Benachtheiligung  der  Gläubiger  im  Gonkurse  ver- 
steckten. Biener,  Wechselr.  Abhh.  p.  126 ff.  Die  billets  au  porteur, 
ohne  Nennung  des  ersten  Gläubigers ,  untersagte  man  ebenso  1650.  Die 
darauf  in  Gebrauch  gekommenen  Wechselbriefe  und  billets  de  change 
mit  Blanko  -  Signaturen ,  bei  denen  der  Inhaber  durch  Ausfüllung  des 
Blanketts  für  den  ersten  Gläubiger  quittiren  konnte ,  verfielen  den  Ver- 
boten V.  1660,  1664,  1673.        5)  Neumann,  ib.  p.  77.  160. 


V.    5.  Die  Wechsler,    f.  W,>clisHv.'rli.lir.  .437 

17.  Jahrhundert  sicli  an  <loii  Wechsel  knüpften,  theils  von 
dem  Namen  Wechsel  nicht  ahhmgen ,  endlich  weil  das  haupt- 
sächliche Unterscheidungsmerkmal  jener  domiziliirten  Eigen- 
wechsel von  den  einfachen  Schuldscheinen  (promissor}'  notes, 
billets ,  heutigen  Sola  -  Wechseln) ,  der  Transport  des  Geldes 
von  einem  Orte  zum  andern  (rem issn  pccunia  ex  loco  in  locuni), 
bei  vielen  der  domiziliirten  Eigenwechsel  nur  zum  Scheine 
zutraf,^)  vielmehr  l)ei  ihnen  ebenso,  wie  gemäss  der  oben 
zitirten  Constitution  Pius'  Y.  in  Italien  diese  Wechsel  nur  den 
Pall  behandelten ,  wo  ohne  : Wechsel  eine  „transjwrtatio  pe- 
cuniae"  hätte  stattfinden  müssen.  Erst,  als  man  seit  der  zwei- 
ten Hälfte  des  1 6.  Jahrhunderts  den  Namen  Wechsel  von  den 
Tratten,  wo  er  seit  dem  14.  Jahrhundert  gebräuchlich  war, 
auch  auf  die  domiziliirten  Eigenwechsel  mit  3  Personen  an- 
Avandte,  schien  der  blosse  Unterschied  einer  Person  nicht 
durchgreifend  genug,  um  denselben  Wechseln  mit  zwei  Perso- 
nen nicht  auch  den  Charakter  und  Namen  des  Wechsels  zuzu- 
theilen.  Und  von  den  letzteren  Eigenwechseln  that  man  den- 
selben Schritt  endlich  noch  weiter  zu  den  einfachen  Schuld- 
scheinen ,  indem  man  uneingedenk  der  hier  fehlenden  remissa 
pemmia  und  ihrer  Nothwendigkeit  für  den  Fall  des  fehlenden 
Wechsels  auch  die  blossen  Schuldscheine,  also  die  trocknen 
Wechsel  allgemein  zu  den  Wechseln  rechnete.  ^)  So  natur- 
gemäss,  ohne  bewusste  Demonstration  oder  Opposition  gegen 
das  kanonische  Zinsverbot  zählte  man  in  Deutschland  von  jeher 
die  trocknen  Wechsel  zuerst  dem  Wesen,  dann  auch  dem 
Namen  nach  zu  den  Avirklichen  Wechseln.  Daher  änderte  auch 
die  Bulle  Pius'  V.  über  die  Wechsel  mit  ihrem  direkten  Ver- 
bote der  trocknen  Wechsel  hier  Nichts  an  dem  obigen  Ge- 
brauche. Man  merkte  ihren  Erlass  nicht.  Noch  weniger 
begründete  sie  ein  Auskunftsmittel,  gleich  den  italischen 
Rikorsawechsoln  in  deren  zwei  Gestalten  als  Tratte  auf  den 
Gläubiger  oder  Schuldner  zur  Zalilung  nn  sich  selbst  mit  obli- 
gatem Rückwechsel.  ^) 

1)  Neumann,  p.  78.  80.  2)  NeuniaTi  n  .  1.  c.  p.  81.  82.  3)Ra- 
phael  de  Turri ,  disp.  III.  Scaccia.  §.  1.  qu..5.  n.  85.  §.  1.  gl.  1.  n.8.5. 
Fremerj-,  etudes  p.  94.  Pardessus,  contract.  de  change  I.  p.27.n. 31. 


438  A'.   5.  Die  Wechsler,   f.  Wechselverkehr. 

Wenn  aber  der  unbewusst  vorschreitende  Handelsverkehr 
sich  über  die  Verletzung  des  kirchlichen  Wuchergesetzes  durch 
seinen  Wechselgebrauch  nicht  klar  ward ,  so  fehlte  es  gleich- 
zeitig an  wissenscluiftlichen  Autoritäten ,  welche  vor  dem 
17.  Jahrhundert  in  gebührender  Anzahl  und  mit  ausreichen- 
dem Naclidrucke  jene  Verletzung  den  Kaufleuten  dargelegt 
hätten.  Hier  bedurfte  es  um  so  grösseren  Naclidrucks  von  Sei- 
ten der  Wissenschaft,  weil  das  kirchliche  Ansehn  nicht  so 
durchgreifend  sich  geltend  machte,  als  anderswo,  zumal  seit 
den  reformatorischen  Bestrebungen  vom  15.  Jahrhundert  her, 
sodann  weil  dasselbe  an  den  weltlichen  Gesetzgebern  und  Be- 
hörden nicht  hinreichende  Stützen  zur  Verwirklichung  eines 
so  einschneidenden  Verbotes  fand.  Da  genügen  nicht  die  weni- 
gen Namen,  welche  man  als  Gegenbelag  anführen  kann. 
Zwar  handelte  schon  der  Professor  Summenhart  de  C law 
vom  deutschen  Wechsel  (sepüpertitum  opus  de  contractihus 
pro  foro  consclentie  atque  theologico  n.  VII.  (1497  — 1500);  ') 
und  Christoph  Kuppener  sprach  eingehend  1508  in  sei- 
nem Buche  vom  Wucher  über  die  Wechselverbindungen  zwi- 
schen den  deutschen  Handelsstädten  unter  sich  und  mit  den 
italischen ,  und  über  deren  Wuchernatur.  ^)  Auch  ein  Consilium 
des  Henning  Göde  und  Johann  v.  Breit enb ach  (1484 
bis  1508  Ordinarius  zu  Leipzig)  de  canihsorihus  und  mensarüs 
ist  aufzuführen.  ^)  Aber  gerade  unsere  bisherige  Unbekannt- 
schaft mit  diesen  Schriftstellern  und  ihrer  Thätigkeit  beweist, 
wie  Avenig  Eiufluss  dieselben  auf  die  Wechselpraxis  ausübten. 

So  zeigt  gerade  der  Wechselverkehr  in  Deutschland, 
mochte  er  in  den  Händen  der  Privatleute  oder  der  Wechsler 

1)  cf.  Beilage  E.  hinten  n.  2.  u.  Zeitschr.  für  d.  ges.  Handelsrecht 
(Goldschmidtj  \T:.  p.  545.  2)  Beilage  E.  hinten  n.  2.  —  Jahrb. 
des  gem.  deutsch.  R.  (Muther)  VI.  p.  155.  156.  181  if.  3)  Die  zahl- 
reicheren Behandlungen  des  Wechsels  und  seines  wucherlichen  Wesens 
in  Deutschland  datiren  erst  seit  der  2.  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts,  so  u.  a. 
Joh.  Mart.  Vogt,  tract.  analji;.  d.  canib.  Giessen  1658,  Joh.  Jac.  Hey- 
dinger,  Anleitung  z.  griindl.  Verstände  des  Wechselrechtes.  Frank- 
furt a.  M.  1676.  —  Ueber  Klock,  tract.  d.  aerario  (1651)  cf.  Röscher, 
Verhh.  d.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  zu  Leipzig.  1863.  UI.  p.  186  ff.  — 
Orth,  Reichsmessen  p.  448  ff. 


V.   5.  Die  Wechsler,    f.  \\'echselveikehr.  439 

und  Juden,  der  kaufmännischen  Genossenschaften  und  der. 
städtischen  Behörden  sieh  befinden ,  dass  man  weit  über  die 
Grenzen  der  Ausnahmen  hinaus ,  welche  die  Kirche  selbst  von 
ihrem  Wucherverbote  gestattete,  dieses  Zinsgesetz  verletzte, 
verdrängte ,  vernichtete.  Wenn  Italien  und  die  andern  Län- 
der romanischen  Gepräges  gerade  in  dem  stets  regen  Anstrei- 
fen gegen  das  dort  bei  der  waltenden  Obermacht  der  Kirche 
und  im  lebendigen  Wechselverkehre  zwiefach  drückende  und 
emptindliche  Wucherverbot  das  Institut  des  Wechsels  beson- 
ders auszubilden  berufen  waren,  so  gebührt  Deutschland  der 
Preis  in  der  aus  dem  Grunde  seines  Rechtslebens  naturnoth- 
wendig  erwachsenen  Beseitigung  des  kanonischen  Zmsgesetzes 
und  semer  Folgen.  Auch  hier  ein  Sieg  der  berechtigten,  deut- 
schen Individualität  über  die  centralisirende  Autoritätsgewalt 
des  einen  Oberhauptes  in  Kirche  und  Staat  der  Romanen.  Lei- 
der ist  es  bis  heute  noch  nur  ein  halber  Sieg,  aber  ein  Sieg, 
welcher  sich  selbst  vollendet. 


VI. 

Die   ungesetzlichen  Umgehungen    des   kanoni- 
schen Zins  Verbotes  im  Yerk  ehrsieben. 


1.    Das  Allgemeine. 

Dem  immer  dnngenderen  Bedürfnisse  des  Kapitalumlau- 
fes abzuhelfen ,  genügte  aber  nicht  mehr  die  Reihe  der  bisher 
aufgeführten  in  deutschen  Gesetzen  gebilligten  Verträge  und 
sonstigen  ümgehungs-  oder  offenen  Uebertretungswege  des 
Wucherverbotes.  Neben  diesen  erstanden ,  Zeugen  des  wach- 
senden Verkehrs,  fast  täglich  neue,  mehr  oder  weniger  fein 
ersonnene  Mittel ,  im  Falle  des  einzelnen  Eechtsgeschäftes  das 
Zinsgesetz  unwirksam  zu  machen.  Jene  Verträge  erwuchsen 
allgemein  aus  der  Entwicklung  des  Verkehrs ,  und  absichtslos 
boten  sie  eine  Gelegenheit ,  in  ihnen  Vergütung  für  Kapitals- 
nutzung geltend  zu  machen.  Diese  Umgehungsarten  dagegen 
waren  nur  dazu  ersonnen,  das  kirchliche  Wuchergesetz  zu 
umgehen .  und  ^vie  sie  vielfach  zur  Verdeckung  gerade  des 
■wirklichen  Wuchers  —  nach  heutigen  Begriffen  —  angewandt 
wurden,  kann  man  mit  Rücksicht  auf  sie  für  jene  Zeit  den  heu- 
tigen Ausspruch  geltend  machen:  das  Wuchergesetz  erst 
erzeugte  den  Wucher.  Darum  fanden  jene  auch  Billigung  und 
Anerkennung  in  den  heimischen  Gesetzen,  ja  selbst  bei  der 
Kirche ,  diese  aber  wurden  auf  beiden  Seiten  als  gesetzwidrig 
verfolgt.  Ein  Theil  der  im  Zins  Betroffenen  ward  durch  die 
Noth,  ein  zweiter  durch  die  Hoffnung  auf  grossen  Gewinn 
getrieben.  Trug  zu  üben  gegen  das  Zinsgesetz ;  List  und  Schlau- 
heit wendeten  sie  gegen  die  Härte  der  kirchlichen  Vorschrif- 
ten ,  und  wie  jene  Contrakte  offen ,  so  untergruben  diese  Um- 


VI.  Ungesetzl.  Umgehungen  d.  kan.  Zinsverbotes.  1.  Allgemeines.      441 

gehungsarten  geheim,  doch  nicht  minder  nachhaltig,  die  Macht 
und  das  Aiisehn  der  Zinsverboto. 

Als  M  i  e  t  h  z  i  n  s  des  ..Geldes  zahlte  man  Darlehnszinsen, 
indem  man  das  Darlehn  mit  einer  Geldmiethe  gleichstellte  ( VII.3.) 
Der  Gläubiger  nannte  sich  zum  Zinsnehmen  verpflichtet,  weil 
das  dargeliehene  Geld  nicht  ihm  gehöre,  sondern  nur  auf 
seinen  Namen  geliehen  und  in  dem  Schuldscheine  verzeich- 
net sei.  ^) 

'  Unter  dem  Namen  eines  Geschenkes,  das  freiwillig 
der  Schuldner  zahlte  und  das  Gesetz  erlaubte  ((Jonatio  remune- 
ratoria) verdeckte  man  den  Wucher ,  unter  dem  Scheine  einer 
besonderen  ehrenvollen  Vergütung,  eines  Liebesdienstes  dafür, 
dass  der  Gläubiger  so  lange  den  Gebrauch  seines  Geldes  ent- 
behren, ja  sich  wol  gar  verpflichten  musste,  nicht  vor  des 
Schuldners  Tode  das  Kapital  zurückzufordern.  ^)  Der  Schuld- 
ner erliielt  von  vornherein  vom  Gläubiger  das  Kapital  nach 
Abzug  der  vorausgenommenen  Zinsen,  während  er 
die  ganze  Summe  des  Kapitales  empfangen  zu  haben  im  Schuld- 
scheme  versicherte ,  eine  Operation ,  wie  sie  verdeckt  heute 
vielfach  bei  wucherlichen  Geschäften,  und  offen  bei  den  Staats- 
anleihen begegnet.  Man  schrieb  Kapital  und  Zinsen  zusam- 
men als  eine  Darlehnssumme ,  oder  stellte  für  die  Zinsen  einen 
besonderen  Schuldschein,  wie  über  eine  zweite  Darlehnssumme 
aus.  ^)   Unter  diesem  Deckmantel  verbarg  man  besonders  die 


1)  Leyser,  meditt.  ad  Pandect.  3.  Aufl.  1742.  Tl.  spec.247.  n.  1.  u.  A. 
2)  Luther,  grosser  Sermon  vom  Wucher  1.  c.  p.  106.  Salmasius,  d. 
usuris.  cp.  20.  §.  607.  —  Nürnberger  Reform.  1479.  ti.  XXII.  n.  4 — 5. 
Freiburger  Reformat.  (1520)  11.  ti.  1.  n.  4.  —  Bürger  spräche 
V.Bielefeld  (Walch,  Beitr.  lU.)  p.  73.  —  Reichs -Polizei -Ordnung 
von  1577.  §.  1.  —  Bremer  Constit.  I.e.  (1580.)  Stryk,  Us.  Mod. 
1.  c.  §.  20.  Leyser,  1.  c.  Schon  im  Trierer  Concil  von  1227  (conc. 
Germ.  1.  c.  III.  fl.  532)  wird  diese  Umgehung  erwähnt,  cf.  auch  die  Con- 
stanzer  Synode  von  1609  (ib.  vol.  YIII.  fol.  906.)  ti.  18.  n.  V.  3)  R.  P. 
0.  V.  1.577.  §.  1.  --  Co  hl  er  Stadtr.  Morgensja-.  14.  Jahrh.  a.  49.  p.  69  ft. 
—  Nürnberger  Ref.  1479  1.  c.  —  Purgoldt ,  Rechtsb.  YIII.  c.  4517. 
Würtemberger  L.  R.  1557.  fol.  117.  Tiroler  Polizei  0.  1573  p.  19. 
Bremer  Statt.  1580.  1.  c.  Solmser  L.  R.  IL  2.  §.  13.  Pfälz-erL.  0. 
1581.  XIV.  fl.  70.  n.  n.  Lüneburger  Statt.  1582.  ti.  XL  p.  672.  Jü- 
lich-Berger  L.  R.  1595.  1596.  c  104.    Oelsner  L.  0.  1617  a.  lu. 


142     VI.  Uiigcsetzl.  Uiiigeliuiigon  d.  kau.  Zinsverbotes.   1.  Allgeineines. 

sehr  hohen  Zinsen  mul  die  Zinses -Zinsen,  welche  der  Natur 
der  Zinsen  widerstreiten  sollten,  aber  bei  der  im  Mittelalter 
gebräuchlichen  Dauer  der  Darlehen  den  Gläubiger  wieder  und 
wieder  zur  Contrahirung  anlockten.  Derselbe  wurde  durch 
den  doppelten  und  dreifachen  Gewinn ,  den  er  aus  diesem  ver- 
hüllten Darlehn  ziehen  konnte,  um  so  mehr  geneigt,  den 
Zahlungstermin  aufzuschieben.  An  vielen  Orten  hielt  man 
diese  Umgehungsart  für  durchaus  zulässig ;  ^)  dieselbe  war 
bereits  im  13.  und  14.  Jahrhundert  so  häufig  im  Gebrauche, 
dass  sie  speziell  dem  Geschäfte  die  Bezeichnung  des  verschleier- 
ten Darlehns  (mutuuni  palUatum)  zuzog ,  und  dass  man  auf 
sie  das  Privileg  der  schnellen  Exekution  aus  den  Wechselkla- 
gen in  den  grossen  Messen  Italiens  und  Frankreichs  übertrug, 
ja  sie  im  ordentlichen  Gerichte  (judicio  ordinario)  abhandeln 
liess,  wo  der  Schuldner  möglicherweise  dem  Gläubiger  die 
Einrede  des  Wuchers  (exceptio  usurariae  pravitatis)  ent- 
gegensetzen konnte.  ^)  Jenes  musste  um  so  natürlicher 
erscheinen,  als  gerade  bei  den  Wechseln  diese  Verdeckung 
der  Zinsen  häufig  vorkam,  um  nicht  die  Zinsen  neben  der 
Wechselsumme  im  Contexte  aufzuführen.  In  Deutschland  frei- 
lich hatte  eine  derartige  Vermehrung  der  Wechselsumme  bis 
zum  17.  Jahrhundert  weniger  Befremdendes  gegen  den  Cha- 
rakter der  Wechselurkunde,  als  in  jenen  Ländern  des  ausge- 
bildeten Wechselverkehrs  und  früh  ausgebildeten  Wechsel- 
rechtes. ^)  Doch  auch  hier  scheint  jener  Gebrauch  nicht  fremd 
gewesen  zu  sein.  So  heisst  es  im  Missiv.  I.  97.  h^  (1424) 
(D  a  n  z.  Arch.) ,  Danzig  schreibt  an  Magnus  Rudolf  in  Flan- 
dern :  „  Lieber  magnus ,  wir  bitten  euch ,  das  ir  eyn  wechszell 


p.  403.  Decreta  Ferdinand!  11.1628  et  1633  (Rizy,  Zinstaxen  p. 
77 ff.)  Synode  von  Besan9on  1571  (conc.  Germ.  vol.  VIII.  fol.  104.)  — 
Salmasius  d.  usur.  p.  614.  Carpzov,  I.e.  observ.  VIII.  Turgot, 
memoire  sur  les  prets  d'argent.  §.29.  —  Vasco,  usura  libera  §.  57 ff. 

1)  Orth,  Anm.  zur  Frankf.  Ref.  1.  c.  Würtemb.  L.  0.  1557.  1.  c. 
Hugo,  civil.  Magazin  II.  n.  6.  p.  140.  2)  cf.  Härtens,  historische 
Entwickl.  d.  Wechselrechtes.  §.  13.  Ordonnances  des  rois  de  France.  I. 
p.  489  (1311)  p.800  (1327)  Griffo,  stat.  Venet.  p.  157  (Härtens,  Anh. 
p.  20.        3)  cf.  Neumann,  W^echselgesch.  p.  50  ff.  191. 


VI.  Ungesetzl.  Umgehungen  iL  k:ni.  Ziusvcrbotes.  1.  Allgemeines.     448 

bestellen  wellet,  das  dem  liern  procurator  F  ducate  von  vnser 
wegen  czu  Rome  beczalet  vnd  entrichtet  werden.  Was  do- 
riiff  czu  Wechzell  wert  komen  mit  dem  houpt- 
gute,  das  nemet  von  welchem  Schippher  adir  von  sweme  ir 
sust  wellet ,  widder  vff."  —  (u.  A.) 

Wegen  kurzer  Z  a  h  1  u  n  g  s  s  ä  u  m  n  i  s  s  musste  der 
Schuldner  statt  der  Zinsen  einen  hohen  Preis,  eine  erkleck- 
liche Strafe  entrichten.  ^)  Bei  der  Ausnahme ,  welche  das 
kanonische  Recht  selbst  für  die  Verzugszinsen  und  das  Inter- 
esse vom  Wucherverbote  machte  (cf.  ob.  IV.  2.  3) ,  fand  die 
ümgehungssucht  leicht  eine  Handhabe,  Conventionalzinsen 
einzuschmuggeln.  Wer  wollte  es  kontrolliren,  wann  der  Schuld- 
ner nach  Verabredmig  jedesmal  einen  grösseren  oder  geringe- 
ren Zahlungsverzug  herbeiführte ,  um  Grund  zur  Zinszahlung 
zu  bieten,  oder  wenn  man  gar  diesen  Verzug  fingirte?  So 
bemerkt  H  u  g  o :  ^)  „  Bei  einer  Schuld ,  worüber  ein  Nota- 
riatsinstrument vorhanden  war ,  hatte  ein  alle  drei  Jalire  wie- 
derholtes Commendement  statt,  und  bei  diesen  Schulden,  wie 
bei  allen  anderen,  hatte  überall  eine  scheinbare  Condemnation 
auf  30  Jahre  die  Wirkung,  Zinsen  laufen  zu  machen.  Der 
Schuldner  nämlich  erhielt  Befehl,  zu  bezahlen,  obgleich  der 
Gläubiger  noch  kerne  Zahlung  wünschte,  nur  damit  die- 
ser ihm  Verzugsschuld  gebe  und  Verzugsprozent 
anrechnen  konnte."  Ein  ähnlicher  Fall  dürfte  sein  D a n - 
ziger  Miss.  V.  81  k^  (1449)  ein  Schuldschein  über  SOOvngar. 
gülden  . . .  „  die  gelowben  wir  im  czu  beczalen  vff  wynachten 
adir  XIIII  tage  noch  wynachten  ab  got  vor  sey  ab  dy  becza- 
lunge  nicht  geschege  alse  in  den  obengeschreben  tagen  ...  so 
sey  wir  ym  schuldig  sechszenhundert  gülden  vnd  ab  got  vor 
sey ,  ab  wir  . .  dem  vorgen  . . .  nicht  auszrichten  die  oben- 
gen.  summa  . . ."  so  verpfänden  sie  ihr  Vermögen.  —  Einzelne 
Kanonisten  hielten  Avegen  der  allgemein  gestatteten  Verzugs- 


1)  R.  P.  0.  1577.  §.  1.  Tiroler  P.  0.  1573.  Brera.  Const.  1580. 
PfälzerL.  0.  1581.1.  c.  Jülich- Berger  L.  R.  1595.  1596.  c.  104.  — 
Stryk,  Usus  Modem.  1.  c.  §.  23.  Röscher,  N.  0.  I.  §.  191.  192. 
2)  Civilist.  Magazin  11.  n.  6.  p.  140. 


•Hl     VI.  UngesetzLUnigeluingend.  kaii.Ziusverbotos.   1.  Allgemeines. 

Zinsen  sotches  Rechtsgeschäft  geradezAi  für  gestattet.  ^)  Ganz 
besonders  leicht  war  dieser  Fall  in  Deutschland  herheizufüli- 
ren,  wo  man  den  Zahlungstermin  oft  gar  nicht  bestimmt  in 
der  Schuldurkunde  aufführte,  so  (cf.  ob.  IV.  2.  a— c.  und  k.): 
„zurückzuzahlen,  wann  Gläubiger  seines  Geldes  nicht  länger 
entbehren  kann."  Vielleicht  eben  hieraus  erklärt  sich  zum 
Theile  die  übergrosse  Zahl  der  Verzugsfälle,  welche  in  deutsch- 
rechtlichen Urkunden  begegnen.  Hier  scheiterte  vielfältig  selbst 
die  Spürkraft  der  Kirche,  und  so  erkannten  Kaiser  und  Reichs- 
stände im  Deput.  Abschiede  von  1600§.  139  diese  Art  der  Dar- 
lehnszinsen ,  dem  Kapitale  angemessen ,  an  und  näherten  diese 
Verzugszinsen  dem  verpönten  Wucher  dadurch ,  dass  sie  den 
Beweis  des  durch  den  Zahlungsverzug  eingetretenen  wirklichen 
Schadens  innerhalb  der  Höhe  von  5  7o  für  unnöthig  erklärten  ; 
solchen  Beweis  forderten  sie  nur  dort,  wo  der  Gläubiger  be- 
hauptete, mehr,  als  5  7o  Schaden  durch  den  Verzug  erlitten 
zu  haben.  In  Würtemberg ,  ^)  wie  in  einigen  andern  deutschen 
Einzelländern  war  bereits  vor  1600  das  gesetzliche  Zinsmaxi- 
mum im  Zahlungsverzuge  auf  5  %  normirt  (cf.  ob.  IV.  2.  k.  a.  E. 
und  IX.  1.  c.) 

Ausser  dem  Kapitale  musste  der  Schuldner  Tribut, 
Abgaben,  Sportein,  Census  u.  dergl. ,  welche  der  Gläu- 
biger etwa  von  dem  dargeliehenen  Gelde  der  Behörde  oder 
dem  Fürsten  entrichten  sollte,  an  Stelle  der  Zinsen  statt  des 
Gläubigers  zahlen ,  ^)  nicht  selten  auch  eine  Summe  Geldes, 
„  qua  quasi  officia  creditoris  rcdimerentur."  Den  Preis  konnte 
man  erst  nach  Rückzahlung  des  Kapitales  verweigern.  ^)   Dar- 


1)  So  Alphous  Liguori  (Conipendiura  des  heiligen  Liguori  von 
Neyraguet.  tract.  de  Contract.  a.  .5.  N.  1.)  —  Moy  de  Sons,  Archiv  für 
kathol.  Kirchen  E.  I.  p.  324.  —  Thom.  Aquin.  Summ.  2,  2.  quaest.  78. 
art.  2.  ad  1.  qu.  62.  a.  3.  —  D  e  v  o  t  i ,  Inst.  lib.  IV.  ti.  XIV.  §.  10.  2)  cf. 
auch  Wächter,  Handb.  a.  h.  1.  3)  Chr.  Kuppen  er,  v.  Wucher  (1508) 
fol.  C.  4"^.  —  Auch  in  Rudolstadt  1564.  cf.  An  emulier,  Rudolstädter 
Wucherstreit.  Programm  v.  1861  p.  8.  9.  —  Mevius,  wucherliche  Con- 
trakte  I.  cp.  5.  p.  83:  ,,Schazzungssteuer,  Contribution ,  Laudemien." 
Stryk,  Us.  mod.  1.  c.  §.  35.   Carpzov,  1.  c.  obs.  VU.  4)  cf.  Bei- 

lage G.  von  Polen  und  Preussen  1569.  —  R.  P.  0.  1577.  §.  3.   Pfälzer 
L.  0. 1581.  n.  IV.  1.  c.   Oelsner  L.  0,  1617. 1.  c. 


VI.  Ungesetzl.  Umgehungciul.  kan.  Zinsverbotcs.  1.  Allgemeines.     445 

lelieu  der  Art  gaben  bisweilen  Doktoren  den  Studenten ,  daniit 
sie  bei  ihnen  Vorlesungen  hörten  und  so  den  Ruf  Jener 
erweiterten.  ^)  In  den  Gesetzen  ward  solch  ein  Vertrag  durch- 
aus untersagt  und  für  ungültig  erklärt,  wo  er  ohne  Veran- 
lassung, für  wucherlich,  wo  er  zur  Umgehung  des  Zinsge- 
setzes eingegangen  ward.  ^)  Auch  durch  Wohlwollen  und  in 
besonderer  Gunst  dem  Kapitale  einen  derartigen  Zuwaclis  bei- 
zufügen, ward  dem  Schuldner  nicht  gestattet ,  damit  es  nicht 
zu  schwer  falle ,  die  Umgehung  des  Zinsgesetzes  bei  derartigen 
Geschäften  auszuspüren.  Ja  selbst  das  Bier,  welches  der  Gläu- 
biger vor  der  Schenke  des  Schuldners  ausser  dem  Kapitale 
zum  Trünke  empfing ,  wurde  ■  als  wucherlich  verpönt.  ^)  So 
trachtete  man  den  Wucher  und  die  wucherliche  Absicht  aus 
den  innersten  Falten  und  Winkeln  aufzudecken  und  zu  ver- 
nichten. 

Umsonst!  Mit  jedem  Geschäfte  erstand  eme  neue  Art 
der  Umgehung.  Der  C ursgewinn,  das  Wechselgeld 
beim  Wechselverkehre  wurden  oben  schon  erwähnt  (V.  5.  f.)  Sie 
erstreckten  sich  auch,  was  an  dieser  Stelle  wesentlich,  auf  den 
domiziliirten  Eigenwechsel  mit  zwei  Personen  und  auf  den 
blossen  Schuldschein.  Das  wird  insbesondere  durch  die  vorn 
(V.  5.  f.)  zitirte  Stelle  Chr.  Kuppeners  bestätigt  für  den  Fall, 
wo  dem  domiziliirten  Eigenwechsel  ein  einfaches  Darlehn  zu 
Grunde  lag.  Dieselbe  Summe  ferner,  welche  er  in  kupfernen 
oder  silbernen  Münzen  vom  Gläubiger  als  Darlehn  empfing, 
verpfliclitete  der  Schuldner  sich  in  goldnen  zurückzuzahlen, 
und  dadurcli  den  Gewinn  des  Darleihers  zu  steigern.  •^)  Für 
dargeliehenen  Hafer  oder  Gerste  erstattete  er  die  nämliche 
Quantität  Waizen ,  für  schlechte  Waaren  eine  gleiche  Menge 
guter  u.  s.  f.  ^) 


Ij  Chr.  Kupp  euer,  v.  Wucher  (1508)  C.  4'''.  5.  !<trjk,  Usus  moJ. 
1.  c.  §.  25.  2)   Mevius,  1.  c.  3j  Stryk,  Usus  mod.  1.  c.  §.  25. 

4)  R.  P.  0.  1577.  §.  4.  Tiroler  P.  0.  1573.  1.  c.  Pfälzer  L.  0.  1581. 
1.  c.  11.  III.  Oelsner  L.  0.  1617.  1.  c.  Stryk,  1.  c.  §.  26.  5)  Lu- 
ther, grosser  Sermon  v.  Wucher  ji.  106.  Synode  von  (Konstanz  1609. 
conc.  Germ.  vol.  VIll.  toi.  906. 


44(i     VT.  Ungosot/l.  üingohung-en  (1.  kau.  Zinsverhotes.   1.  All<jeineinos. 

Hier  dürfen  nicht  minder  die  vielen  Lieferungskäufe 
erwähnt  werden,  in  denen  insbesondere  die  Kaufleute  der  Han- 
sestiidte  Rohprodukte.  Asche,  Holz,  Getreide  u.a.  aus  den  Hin- 
terländern bezogen  (ob.  p.  14.  100  ff.),  hier  die  Contrakte  bei 
dem  Korn-  undWein-Transithandel,  den  die  „Geschlech- 
ter" bis  zum  Ende  des  15.  Jahrliunderts  in  Regensburg  und 
sonst  trieben.  Es  ist  allgemein  das  nicht  selten  auch  sonst  ge- 
bräuchliche Rückzahlen  gegebener  Gelder  durch  Sa- 
chen, welches  an  dieser  Stelle  betrachtet  werden  muss,  so  weit  es 
den  oben  bezeichneten  Charakter  dieser  Uragehungsarten  theilt. 
Wer  konnte  hier  bei  dem  Fehlen  polizeilicher  Taxen  und 
selbst  l)ei  der  unzureichenden  Genauigkeit  der  letzteren  fest- 
stellen ,  ob  nicht  in  den  Waaren  ein  Gewinn  über  das  Kapital 
(plufi  nJfra  soricm)  ersetzt  wurde?  Zumal  wenn  man  erwägt, 
dass  der  Lieferungskäufer  den  Kaufpreis  lange  Zeit  vor  Erfül- 
lung des  Kaufes  dem  Käufer  zu  zahlen  pflegte ,  dass  der  Ver- 
käufer oft  noch  weit  längere  Zeit ,  als  vereinbart  war ,  durch 
die  Mangelhaftigkeit  der  Transportmittel  genöthigt,  die  Lie- 
ferung verzögerte,  dass  in  den  Hinterländern  keine  Polizei - 
Preistaxen  existirten  und  in  den  Vorländern  (den  Lieferungs- 
orten) selbst  dann,  wann  dergleichen  Taxen  existirten,  die 
Preise  oft  gerade  durch  die  eben  geschehene  umfangreiche 
Lieferung  so  billig  wurden ,  dass  die  Taxen  dem  Käufer  selbst 
zum  Gewinne  verhalfen  u.  s.  w.  So  wechselt  z.  B.  der  Preis 
des  Wagenschoss  (Holz)  in  Danzig :  1426  das  Hundert :  2  mrk. 
6  sc.  1427:  4  mrk.  6  sc. ,  4  mrk.  2  sc. ,  in  Lübeck  1427: 
8  mrk.  8  sc.  1432:  10  mrk.,  1434  in  Polen:  3  mrk.  12  sc, 
1436:  3  m.  4  sc. ,  1437:  2  mrk.  18  sc.  (Masovien),  in  Yar- 
mouth  1438:  24  mrk.  Nun  vergleiche  man  Danz.  Schöppen- 
buch  (Archiv)  von  1426.fol.  32.n.  2.  Bei  einem  Lieferungskaufe 
von  Wagenschoss  und  Asche  heisst  es  hier :  „  vnn  weret  sake, 
dat  die  assche  nicht  betalt  werde  vp  de  vorscrev.  tyt  so  gelovet 
he  em  to  betalende  vor  eslike  last  asschen  ülc  wagenscot." 
Der  Preis  der  Asche  schwankt  aber  nicht  weniger ,  als  der  des 
Holzes.  Eine  Last  derselben  gilt  1426  in  Bornholm:  17  mrk., 
1427:  12  mrk.,  1429:  14  mrk.,  in  Flandern  1431:  19  Va  mrk., 
1434:  14^2  mrk.,   in  England  1438:    28  mrk.,  auf  einem 


VI.  Ungesetzl.  Umgehungen  (1.  kan.  Zinsverbotes.  1.  Allgemeines.     447 

spanischem  Schiffe  1445:  5G  mrk.,  in  Riga  1458:  4  mrk. 
16  sc.^)  Ferner  ist  in  obigem  Contrakie  gar  nicht  die  Sorte  der 
Asche  bezeichnet ;  aber  die  Asche  ,,  Baerenklau  "  miterscheidet 
sich  von  der  „weissen  Waidtasche"  inDanzigoder  der  „Horn- 
asche"  in  Riga  nm  4  mrk.  —  Im  Daiiziger  Missiv.  (1430) 
p.  104.  y^.  leihen  zwei  Fremde  von  einem  Danziger  Waaren 
und  Geld:  „..  wir  beczeugen,  ...  das  w  schuldig  seyn  dem 
. . .  sebenczig  mark  . . . ,  dovor  wir  bynnen  der  stad  Danczik  czo 
vnserm  volkomen  genüge  gewandt  v  n  d  t  b  e  r  e  y  t  gelt 
haben  entfangen."  Schuldner  geloben,  die 70 mrk.  ambestimm- 
ten Tage  zurückzuzahlen.  ^)  Besonders  aber  enthält  folgen- 
des Rechtsgeschäft  das  Danziger  Schoppen  buch  1438. 
fol.  383.  n.  2. 

hans  lamsitzer  hat  bekant  dat  he  schuldich  ist  hans  jeken- 
borch  vor  alle  man  in  alle  syne   redesten  bewegeliken  vn 
vnbewegeliken  gudere  V2  s  e  s  t  i  c  h  wagenschot  eyn  half  eilen 
breit  to  der  wrake  to  betalende  vnd  to  gewerende  tuschen 
osteren  vnn  pingsten  nest  hir  vff  de  weze  (Wiese)  geringet 
vnn  gewraket  vnn  oft  he  dat  holtt  vft'  de  tyt  nicht  betalt ,  so 
gelovet  bribur  von  gvnetha  haus  jekenborchto  entrichten  vnn 
wol  to  betalende  XX  hundert  clappholt  vppe  de  vorscrev. 
tyt  vnn  off  he  dat  clappholt  nicht  geweret,  so  gelovet  he 
em  wol  to  betalen  LXXX  schock  halver  grosscheu 
polnisch  geldes  vff  den  vorscrev.  termyn.  dar  settet  he 
em  . . .  (Pfandstellung.) 
Nun  ist  1  Sestich  Wagenschoss  =  7200  Bretter,  d.  i.  2%  mal 
so  viel  als  das  gewöhnliche  Maass  des  Wagenschoss,  nämlich 
das  Grosshundert  =  2880  Bretter.     Der  Preis  eines  Grossh. 
Wag.  ist  1438:  5  mrk.  durchschnittlich,  also  der  Preis  eines 
Sestich  12^.;  mrk.,  eines  halben  Sestich  G^j^  mrk.    Dagegen 
der  Preis  des  Clappholzes  ist  1438  (1  Grosshundert):  9  —  12 
mrk.,  also  für  XX  hundert:  240  mrk.!,  ebenso  hat  1  schock 
halber  poln.  gross,  etwa  3  mrk.  1438,  also:  LXXX  schock:  eben- 
falls 240  mrk.!     Wenn   deshalb   nicht   in  •  dem    \l.^    sestich 
wagenschot  ein  Schreibfehler  steckt,  soll  liier  der  Gläubiger 

1)   Hirscli.    Dan-/.  Handelsgesch.  p.  253.  25.5.        2)   cf.  ib.  Danz. 
Alissiv.  (1432)  51.  z''. 


448     VI.  üngesetzl.  ümixoliun^oii  (l.kaii.  Ziiisvovbotos.  1.  Allgoiiieiiios. 

am  Wechsel  der  Waare,  oder  des  Geldes  und  an  Verzugszinsen 
etwa  234  mrk.  auf  (">  nirk.  gewinnen!  ^) 

Die  Person  a  1  d  i  e  n  s  t  o  zur  Abtragung  der  Schuld  (cf. 
ob.  IV.  2.  h.)  u.  dergl.  können  ebenfalls  liier  erwähnt  werden, 
da  sie  je  nach  der  unterliegenden  Absicht  der  Parteien  leicht 
unter  diese  Umgehungen  zu  bringen  Avaren  und  vielfach  hier- 
lier  gehören  mochten. 

Statt  des  Geldes  ferner  gab  der  Gläubiger  dem  Schuldner  ein 
Darlehn  in  anderen  W  aar  en,  welche  er  über  deren  wirk- 
lichen damals  marktgängigen  Preis  anrechnete;  der  Schuldner 
musste  zur  Zahlungszeit  letzteren  Preis  wirklich  ersetzen  oder 
eine  Quantität  Waare  nach  dem  ersteren  Preise  zurückzahlen, 
falls  der  Preis  niedriger,  eine  höhere,  jedenfalls  immer  eine  dem 
höher  angenommenen  Preise  marktgängig  entsprechende  Quan- 
tität. 2)  Scheute  der  Gläubiger  sich ,  den  Makel  solcher  un- 
niässigen  Habsucht  offen  auf  sich  zu  laden ,  so  schob  er  einen 
Freund  oder  Untergebenen  vor ,  welcher  auf  seine  Kosten  zum 
niedrigsten  Preise  die  Waare  vom  Schuldner  kaufte  und  an 
den  Gläubiger  gab.  Dieses  setzte  er  um  so  leichter  durch ,  als 
der  Schuldner  im  Drange  der  Noth  und  ohne  Gelegenheit  oder 
Frist  die  darzuleihende  Sache  einem  Taxverständigen  vorzu- 
legen gezwungen  war,  hinsichts  des  Preises  der  Sache  dem 
Verkäufer,  dann  dem  Käufer  Glauben  zu  schenken,  insbeson- 

1)  cf.  auch  ib.  1557.  fol.  184.  die  oben  schon  vielfach  besprochene 
Mchllieferung.  —  1575.  fol.  50. ,  wo  eine  Darlelinsschulcl  mit  dem  Schuld- 
scheine einer  Forderung  bezahlt  werden  soll  —  ib.  1579.  fol.  240^.  Des- 
gleichen in  den  oben  viel  zitirten  Schuldurkunden  Königs  Sigismund ,  wo 
in  vielen  Fällen  mit  Salz  oder  waldtwahren  die  grossen  Darlehen  ganz 
oder  theilweise  abgezahlt  werden  sollen.  IV.  2.  k.  IV.  3.  c.  2)  du  Gange, 
gloss.  V.  mohatra:  „vox  porientosa ,  qna  significatur  confractus  quo, 
inquit  Escobarhis ,  quis  egens  pecunia  emit  pecünia  credita  a  mercatore 
merces  stiwmo  prefio  et  f^tatim  ei  pecunia  numeraia  pretio  infinio  reren- 
dit."  Schon  in  dem  alten  Cölner  Stadtr.  (14.  Jahrb.)  R.P.O.  1577.  §.  5. 
Henneberger  L.  0.  1539.  VI.  2.  Würtemb.  L.  0.  15.57.  1.  c.  Tiro- 
ler P.  0.  1573.  1.  c.  Pfälzer  L.  0.  1581.  n.  VI.  Mevius  1.  c.  Oels- 
ner  L.  0. 1.  c.  Badische  L.  0.  1622.  p.  57.  Luther,  I.e.  behauptet 
dies  vornehmlich  von  Sachsen,  Holstein,  Lüneburg.  —  Strjk,  Us.  mod. 
L  c.  §.21.   Ziegler  c.  mohatrae  §.  31  if. 


VI.  Ungesetzl.  Umgehungen  il.  lian.  Zinsvcibotes.  1.  Allgemeines.     449 

dere  wusste  er  iiiclit,  dass  Verkäufer  und  Käufer  irgendwie 
unter  sich  verbunden  waren,  ja  sich  gar  in  die  Hände  arbeite- 
ten. ^)  Ebenso  verliehen  die  Gläubiger  Forderungen,  weklie 
weniger  sicher  oder  nur  mit  grosser  Schwierigkeit  und  hohen 
Kosten  einzutreiben  waren,  zu  der  vollen  Höhe  der  Schuld- 
summe des  Scheines.  ^)  An  sich  zwar  war  es  nicht  zu  verbie- 
ten, noch  zu  hindern,  dass  Jemand  über  deren  wirklichen 
Werth  Sachen  als  Darlehn  nahm  oder  kaufte.  Aber  da  in 
den  meisten  dieser  Fälle  das  Zinsverbot  damit  umgangen 
wurde,  verbot  man  derartige  Geschäfte  gänzlich,  zuerst  den 
Kaufleuten,  dann  allen  Uebrigen,  weil  man  richtig  einsah, 
dass  dasselbe  Geschäft  nicht  nach  Unterschied  der  Personen 
bald  ehrenhaft  bald  unelirenhaft  und  wucherlich  sein  könne.  ^) 
In  einzelnen  Statuten  untersagte  man  allgemein,  um  schon  der 
wucherlichen  Neigung  vorzubeugen,  Waaren  oder  andere 
Sachen  statt  Geldes  darzuleilien  oder  beim  Rentenkaufe  anzu- 
wenden. '^) 

In  andern  Fällen  war  der  Schuldner  verpflichtet,  statt 
des  Kapitales  Sachen  viel  h  ö h  e  r  e  n  W  e  r  th  e  s  dem  Gläu- 
biger gleichsam  als  Hingabe  an  Zahlungsstatt  (dnfio  in  solii- 
tmn)  zurückzugeben.  '•')  Indess ,  damit  man  darin  nicht  die 
Conventionalzinsen  erkenne,  kaufte  der  Gläubiger  vom  Scliuld- 
ner  diese  kostspielige  Waare  für  die  Höhe  des  Kapitales,  das 
noch  nicht  zurückerstattet  war,  oder  er  schickte,  um  desto 
besser  den  Wucher  zu  verhüllen ,  einen  Dritten,  welcher,  nach- 
dem er  vom  Schuldner  die  Sache  auf  Credit  gekauft  hatte, 
denselben  zum  Empfange  des  Preises  an  den  Gläubiger 
wies. ")  Hierher  gehört  auch  innerhalb  der  Grenzen  dieser 
Umgehung  der  oben  (III.  2.  c.)  speziell  behandelte  Kauf  der 


1)  Lutli  er ,  vom  Kaufhandel  und  Wuclier  1524.  1.  c.  p.  22U.      2)  cf. 
die  Synode   von  Constanz  1609  1.  c.  3)  Stryk,    Ziegler.  I.e. 

4)  cf.  D  i  t  h  m  a  r  s  e  r  L.  R.  1447  --  07  (Artikel  von  Meildorf)  \).  240.  a.  4. ; 
„  wo  idt  sick  averst  begeve ,  dat  jemandt  hyrnhamals  Gheldt  up  Renthe 
uth  deith  unde  da  Wahr  inne  deith :  De  scholl  sestich  Marck  gegen  dat 
Kerspeel  vorbrocken  hebben."  5)  R.  P.  0.  1577.  §.6.  Tirol  er  P.  0. 
1573.  I.e.  PfälzerL.  0.  1581.  n.  V.  Mevius.  1.  c.  Stryk,  üs.  mod. 
1.  c.  §.  28.      6)  Lu  tli  e  r .  Kaufliandel  u.  Wucher  (1524)  p.  220. 

Neu  mann.  Gesch.  d.  Wuchers.  29 


450    VI.  Ungcsetzl.  ümgelmngoii  (1.  kan.  Ziusvcrljotes.  1.  Allgeiiiciiios. 

F  r  ü  c Ute  auf  d  e  m  H  a  1  m  e  o  d  e  r  i n  G  a  r  b  e  n.  Niclit  anders 
kaufte  (miethete)niaiiso  die  Werke  und  Dienstleistungen 
dorTirnion  Handwerker  und  Künstler  vor  dem  Anfange 
dersollton  für  den  sicheren  Vortlieil  des  vorausgezalilten  haaren 
Geldes  um  so  billiger.^)  Der  Gläubiger  ferner  kaufte 
S  c  h  a  a  f  e  oder  Rinder  vom  Land  manne  u  n  d  v  e  r  m  i  e  - 
thete  sie  ihm  sofort  7ai liohem Miethszinse oder  verkaufte 
sie  ihm  wieder  zu  sehr  hohem  Preise.  G  e  r  s  1 1  a  c  h  e  r  sagt 
darüber:  „wenn  einer  dem  andern,  so  etwan  ein  Kuh  oder  Zug- 
stier hätte ,  dorauf  3  oder  4  fl.  leiliet ,  oder  solches  um  halb 
Gelt  abkauft,  und  darnach  solchem  armen  Manne  dergestallt 
stellet  oder  leihet ,  dass  er  etliche  Gulden  Zins  oder  jährlich 
ein  Kalb  geben  soll ,  item ,  wann  er  ihm  andingt ,  dass  er  sol- 
ches Rind  in  seiner  Futtermig  halten  soll ,  bis  es  ihm  einen 
Rinderzins  ertragen  oder  sonst  er  seinen  unziemlichen  Wucher 
damit  suchen  kann  oder,  wann  er  also  mit  ihm  übereinkommt, 
dass,  wo  das  Kalb  stirbt,  der  arme  Mann  doch  dasselbige  zu 
bezahlen  oder  mit  einem  andern  guten  Rind  zu  erstatten  ver- 
bunden sein  solle..."  ^)  Purgoldt  (Rechtsbuch  Vlll.  cj).  49) 
führt  noch  Bezeichnenderes  an : 

„auch  so  pflegen  etzliche  wucher,  das  sje  pferde  ader 
kwe,  malen  an  eyne  want,  und  keuffen  dye  und 
vorkeuffen  sy  widder,  ader  vormitensye,  uf  eyne 
tagzcit  zcu  gelden;  ader  vorkeuffen  eynem  benotigten  manne 
eyn  pfert  ader  eyn  kwe  hues  ader  huesgerete ,  uf  eyne  be- 
strackte  tagzcit  zcu  gelden ,  und  geben  das  thur  gnugk ,  und 
wan  her  das  bestellet,  das  sye  es  widerkeuffen  wollen  zcu 
stunt  umb  gereyte  gelt,  und  des  gereyten  geildes  ist  dan 
vaste  weniger  dan  des  geldes ,  so  her  es  um  vorkouft  hat ; 
ader  vorkeuffen  e}Tne  etzwas  abe  zcu  nahe  ve3de ,  und  myn- 
ner  wan  eswol  gegelden  mochte  midt  sulchem  underscheyde, 
das  her  es  wider  ture  nemt  und  zcinse  davon  gibt  uf  eynen 
Aviderkouf  und  desglichen,  ist  alles  unrecht  und  wucher." 

1)  Gerstlacher,  Eeichsges.  X.  Anm.  zum  E.  A.  v.  1548.  §.  2.  „von 
Leihen  auf  Wein."  L.  0.  von  Badendurlach  V.  1.  §.  8.  2)  Con- 
stanzer  Concil  1483  (conc.  Germ.  vol.  V.  p.  562.)  Synode  v.  Brixeii 
1603  (1.  c.  Vni.  p.  579.)   Würtemb.  L.  R.  1557.  fl.  117. 


VI.  Ungesetzl.  Umgehnngoii  (1.  kau.  Zinsverbotes.  1.  Allgemeines.    451 

W  ä  c  li  t  e  r  erwälnit  Gleiches  ^)  7a\v  VI.  Landesordn.  von  Wür- 
temberg  (1567): 

„um  aus  dem  gelielienen  Gelde  vom  Schuldner  Zinsen  7a\ 
bekommen,  kleidete  man  das  Geschäft  in  ein  Kuhvermie- 
then  so  ein,  dass  man  dem  Schuldner  Geld  lieh  und  dann 
eine  Kuh  in  seinen  Stall  malte  oder  einen  Sto- 
tzen  anstatt  einer  Kuh  einschlug  und  aus  dieser 
Kuh  einen  Kuhzins  versprechen  liess."  ^) 
Hinsichts  der  unmittelbaren  Umgehungen  des  Zinsverbotes, 
welche  im  Wechsel  verkehre  sich  finden,  ist  oben  bereits 
das  Nöthige  erläutert  (V.  5.  f.).  Dort  wurde  zugleich  gezeigt, 
dass  die  speziell  gegen  die  Constitution  Pius'  V.  von  1570 
gerichteten  Eikorsawechsel  -  Umgehungen  (Tratte  auf  den  Gläu- 
biger oder  Schuldner,  zur  Zahlung  an  sich  selbst,  mit  dem 
Rückwechsel ,  der  wegen  der  nur  scheinbaren  Tratte  jedesmal 
nöthig  wurde  und  so  den  Wechselgewinn  des  Darlehnsgebers 
rechtfertigte) ,  welche ,  soweit  sie  der  Verkehr  nicht  statt  der 
trockenen  Wechsel  als  nothwendiges  Verkehrsmittel  ausbildete, 
auch  unter  diese  Umgehungen  des  Zinsverbotes  gehörten,  aus 
den  Hauptlän<lern  ihres  Gebrauches,  Spanien  und  Italien,  nicht 
nach  Deutscliland  nachweisbar  sich  ausdehnten.  Ebenso  wenig 
finden  hier  sich  jene  an  die  Rikorsawechsel  streifenden  trassir- 
ten  Scheinwechsel,  welche  in  Holland  üblich  waren,  um  Sola- 
wechsel, die  dort  nicht  als  Wechsel  galten,  doch  des  Wech- 
seirechtes  theilhaft  zu  machen.  3)  Die  Beilage  G.  (1569) 
scheint  diese  Behauptung  zu  widerlegen.  Denn  dort  führt 
König  Sigismund  von  Polen  bei  der  gesetzlichen  Bewilligung 
von  8  %  Darlehnszinsen  ausdrücklich  unter  den  Umgehungen 
des  alten  kanonistischen  mid  nunmehr  seines  neuen  Zinsge- 
setzes auch  an :  „i^rohibemus  cciam  Camhia  retrograda 
vulgo  Return- Wcchsell  dicta,  quae  re  vera  niJiil  alivd 


1)  Handb.  ad  h.  1.  p.  111.  495.  2)  L.  R.  f.  Eberste  in  (Krieg  v. 
Hocbfelden ,  d.  Grafen  von  Eberstein)  p.  461.  Badische  L.  0.  v.  1622. 
p.  57.  I,eotard,  d.  usur.  qu.  37.  n.  2G.  Stryk,  Us.  niod.  1.  c.  §.  31. 
3)  Phoonsen,  Wechselstyl  p.  39.  §.  6  (1677),  Koenigke,  Leipziger 
W.O.p.526.  cf.  aber  ähnliche  Scheinwechsel  in Süddeutsclil.  i.  17.  Jahr- 
hundert (bei  Orth,  Reichsniessen  p.  449.  N.  a.)  in  d.  Zusätzen. 

29* 


4.V2     VI.  rngosotzl.  riiigelnmuon  (1.  kau.  Ziiisvcrluitos.   1.  Allyeineincs. 

stoit,  qucun  HsnyanDn  contractu^  canihi/ uonÜHc  culorati ,  ad 
hyifinias  sn2)crii(s  expressas  nsuras  ca  rcformantes ,  vsitata 
autoii  Diodcrata  vt  acqnnh'dia  ncgotiatorum  camhia  ne- 
cessitatc  ita  cxigcrüc  j)ro  tcntporc  ferenda  esse  censcnms.''  Diese 
Returii  -  Wechsel  sind  wahrscheinlich  jene  italischen  Rikorsa  - 
Wechsel  zur  Umgehung  des  kirchlichen  Wucherverbotes.  Allein 
im  deutsdien  Wechselverkehre  finden  sich  dergleichen,  soweit  die 
jetzigen  Quellenforschungen  reichen ,  nur  spät  und  vereinzelt, 
ebenso  in  den  Niederlanden ;  ^)  die  laxe  Ausübung  der  kano- 
nistischen  Zinsgesetze  gerade  in  dem  nördlichen  und  nord- 
östlichen Theile  des  deutschen  Rechtsgebietes  musste  sie  auch 
völlig  überflüssig  machen ,  und  so  erwähnt  sie  Kuppener  trotz 
seiner  eingehenden  Beliandlung  des  Wuchers  im  Wechselver- 
trage (v.  Wucher  A.  2.  2'".  3.  C.  2.  C.  3".)  gar  nicht,  während 
er  andere  Umgehungen  des  Zinsverbotes  durch  Wechsel  genau 
vorführt.  Jene  Stelle  in  der  Verordnung  Sigismunds  lässt  sich 
dadurch  erklären ,  dass  ein  im  kanonischen  Rechte  und  seiner 
Anwendung  in  Italien  bewanderter  Jurist  im  Anschlüsse  an 
die  dort  so  vielfach  wiederkehrenden  Bestimmungen  gegen  den 
Wucher  der  Rikorsawechsel  den  Satz  auch  in  das  nordische 
Gebot  glaubte  herübernehmen  zu  müssen.  —  Dagegen  findet 
sich  hier ,  wie  schon  erwähnt ,  darin  das  Wuchergesetz  durch 
Wechsel  geradezu  umgangen,  dass  man  über  ein  Darlehn  einen 
domiziliirten  Eigen  -  (Markt  -)  Wechsel  ausstellen  liess,  bei  dem 
der  Gläubiger  statt  der  Zinsen  den  Cursgewinn  sich  ausbedung. 
Dies  dürfte  der  einzige  und  erste  Schritt  zum  Gebrauche  der 
italischen  Rikorsawechsel  hin  sein.  Natürlich  lag  aber  bei  die- 
ser Umgehung  der  Wucher  klar  vor,  da  keiner  der  bei  dem 
gewöhnlichen  Wechsel  geltenden  Gründe  hier  den  Gewinn  des 
Gläubigers  rechtfertigte.  Insbesondere  besorgte  er  nicht  die 
Ausstellung,  noch  trug  er  die  Gefahr.  Hierdurch  also  entfernte 
sich  dieser  Umgehungswechsel  wieder  von  den  italischen  Ri- 
korsawechseln,  da  bei  letzteren  wenigstens  das  Verhältniss  der 
Contrahenten  zum  Wechsel  so  aufrecht  erhalten  wurde,  dass 
der  Gläubiger,  wenn  der  Verlauf  des  Wechsels  nicht  bloss  zum 


1)  Phoonsen,  Wechselst}!  cy.  39.  und  Oith,  Reichsmessen  p.  449. 
hinten  in  d.  Zusätzen. 


VI.   2.  Gesollschafts  -  und  Vers iclieruiigs vertrag.  453 

Scheine  vor  sich  ging,  mit  Kecht  den  Gewinn  der  Wechsler 
beanspruchen  konnte  (vgl.  oben  V.  5.  f.  und  Kuppen  er,  vom 
Wucher.   A.  2,  2",  3.) 

Man  stellte  auch  den  Darlehns vertrag  mit  Zinsen  wie 
einen  Gesell  Schafts  vor  trag  hin,  bei  welchem  in  den  Zin- 
sen der  Gh'iubiger  seinen  Gewinn  aus  dem  Gesellschafts-  oder 
dem  von  ilim  eingeschossenen  Kapitale  zog.  ^) 

Andere  erdichteten,  sie  wollten  das  Darlehnskapital  in 
entfernte  Provinzen  senden ,  weshalb  sie  durch  die  Zinsen  sich 
ihre  Gefahr  vergüten  Hessen  (I.  2.  V.  5.  f.) 

Noch  Andere  endlich  verbanden  mit  der  Annahme  des 
Gesellschafts  Vertrages  die  einer  Versicherung  oder  eines 
padi  liicri  certi  pro  incerto.  Der  Schuldner  garantirte  die 
Sicherheit  des  Gläubigers ,  dass  er  aus  dieser  Gesellschaft  mit 
dem  Schuldner  Ge^vinn  ziehen  werde. 

2.    Die  Umgehung  durch  den  Gesellschafts-  und 
Yersiclierungsvertrag  instesondere. 

Der  Lieferungskauf  gehörte  deshalb  an  sich  nicht  in  die 
Keihe  der  obigen  (VI.  1.)  Umgehungen  des  Zinsverbotes,  weil 
er  nicht,  wie  diese,  bloss  zum  Zwecke  solcher  Umgehung 
erfunden  oder  gebraucht  ward.  Allgemein  würde  er  sonach 
in  die  Klasse  der  unter  V.  behandelten  gesetzlichen  Ausnah- 
men vom  kanonischen  Zinsverbote  über  dessen  Ausnahme- 
Grenze  hinaus  zu  rechnen  sein.  Allein  nicht  bloss,  weil  er 
sich  unmittelbar  an  einige  so  eben  in  Abschnitt  VI.  1.  erörterte 
wirkliche  Umgehungsfälle  anschliesst,  schien  es  geboten ,  ihn 
hi  er  kurz  zu  betrachten,  sondern  er  unterliegt  der  Betrach- 
tung in  dieser  Schrift  überhaupt  nur,  so  weit  in  ihm  wrklich 
bei  der  Ablieferung  ein  Gevnnn  über  das  Kapital  durch  die 
Waaren  gezahlt  wird.  So  weit  aber  musste  er  zu  Abschnitt  VI. 
gezählt  werden  und  unterscheidet  sich  in  dieser  seiner  hier  zu 


1)  Zypaeus,  d.  jurisdictione  ecdesiast.  cp.  44.  d.  usuris  (jus  Bel- 
gicum  1.  IV.)  Gonzal.  Tellez.  coiiiment.  ad  decretal.  cp.  19.  X.  5.  19. 
—  J.H.Böhmer,  jus  eccles.  prot.  I.e.  §.  XXFV.  Tridentiner  Sy- 
node von  1593  (conc.  Germ.  vol.  AlTT.  fl.  4.39.  rp.  LXIV.  —  Brixener 
Syn.  1603  (ib.  p.  579)  n.  XIX. 


454  VI.   2.  Goscllschafts  -  und  Versicherungsvertrag. 

betrachtenden  Einzelheit  von  den  unter  n.  VI.  behandelten 
übrigen  Arten  der  Unigehmigen  nur  darin,  dass  er  offen  in 
seiner  gewöhnlichen  Vertragsforin  die  Zinsen  dem  Gläubiger 
darbringt,  während  jene  Arten  eben  durcli  besondere  Kunst- 
griffe die  in  ihnen  versteckten  Zinsen  dem  Auge  der  Wucher- 
Avächter  entziehen  wollen. 

Ein  Gleiches  Aväre  für  den  Gesellschafts- und  Vor- 
siehe rungsver  trag  anzuführen.  Bei  ihnen  kommt  indess 
noch  hinzu,  dass  aus  den  bisher  aufgedeckten  archivalischen 
Urkunden  des  deutschen  Rechtes  für  die  hier  betrachtete 
Zeit  nicht  hinreichend ,  ja  gar  zu  dürftig  eine  Geschichte  der 
beiden  Verträge  auf  deutsclirechtlicher  Grundlage  vor  Ein\\är- 
kung  der  römischen  Eechtsgrundsätze  sich  feststellen  lässt, 
dass  insbesondere  die  Entwicklung  derselben  aus  den  Verkehrs- 
urkunden, und  die  Stellung  derselben  in  den  deutschen  Ge- 
setzen aus  den  diese  enthaltenden  archivalischen  Belägen  weit- 
hin nicht  genügt ,  um  zu  entscheiden ,  ob  sie  nicht  geeigneter 
in  Abschnitt  V.  hätten  ihre  Behandlung  finden  müssen.  Die 
Aussprüche  des  kanonischen  Rechtes  aber  über  beide  Verträge 
durften  in  n.  IL  dieses  Buches  deshalb  übergangen  werden, 
weil  feststeht ,  dass  jene  nach  ihrem  eigentlichen  Wesen  nicht 
die  Wucherfrage  berühren,  dass  aber,  so  weit  sie  dieses  thun, 
die  Meinungen  der  Kanonisten ,  und  zwar  überhaupt  erst  der 
späteren  über  den  wucherlichen  ("harakter  dieser  Berührungs- 
stellen äusserst  getheilt  sind. 

Die  Gesellschaft  an  sich  ist  nicht  wucherlich ,  und  zwar 
weder  bei  Vereinigung  von  blossen  Arbeits-,  oder  blossen 
Geldkräften  ,  noch  bei  der  Verbindung  dieser  zwei  mit  einan- 
der. ^)  Hinsichts  letzterer  Art  der  Gesellschaft  indess ,  welche 
übrigens  z.  B.  schon  dort  angenommen  ward ,  wo  der  Faktor 
eines  Geschäftes  mit  an  dem  Gewmne  desselben ,  zu  dem  er 


1)  Lud.  Molinaeus  disp.  411ff.  Azorinus,  inst,  moral.  III.  1.  9. 
d.  so.  crist.  c.  1.  Chr.  Kuppener,  cf.  Beil.  E.  n.  3.  Purgoldt,  Rechts- 
buch ni.  cp.  46  —  51,  besonders  c.  46.  —  Auch  Melanchthon  und  nach 
ihm  Ursinus.  cf.  Gillet,  Crato  von  Craftheim  1860.  II.  p.  473  (cf.  u. 
VII.  2.  b.)  —  Benedict.  XIV.  d.  Synod.  Dioeces.  1.  Vn.  c.  48.  n.  8  —  10. 
—  Moy  de  Sons,  Arch.  f.  kath.  K.  R.  I.  p.  326. 


VI.   2.  Gesellschafts  -  und  Versicherungsvertrag.  455 

nur  Dienste,  nicht  Geld  geleistet,  für  seine  Dienste  Theil  nahm, 
stritt  man  bereits,  ob  beim  Sclilusse  in  der  Gesellschaft  der 
Herr  des  Geschäftes  das  in  letzterem  vorhandene  Kapital  mit 
dem  Faktor  theilen  müsse ,  oder  es  allein  für  sich  herausziehen 
dürfe.  ^)  Man  begründete  letztere  Ansiclit  vornehmlich  damit, 
dass  dem  Herren  stets  das  Eigentlumi  an  dem  eingebrachten 
Gelde  verbleibe.  Sixtus  V.  entschied  sich  in  seiner  Constitu- 
tion von  1514  für  letztere  Ansicht.  2)  Die  Meinungen  blieben 
trotzdem  so  getheilt,  dass  man  .auch  nach  der  Constitution 
jedenfalls  dort,  wo  zwischen  dem  Herrn  mid  Faktor  der  Ver- 
trag geschlossen  war,  dass  am  Schlüsse  der  Gesellschaft  das 
Kapital  unter  Beide  getheilt  Averden  solle,  den  Herrn  ohne 
Ueberschreitung  des  Zinsgesetzes  für  verpflichtet  hielt,  den 
Vertrag  einzuhalten.  ^)  Der  Herr  trug  ferner  nach  der  Ansicht 
einer  Partei  als  Eigentliümer  des  Geldes  auch  die  Gefahr,  nach 
einer  zweiten  Memung  übernahm  jeder  der  zwei  Genossen  die 
Hälfte  der  Gefahr,  da  man  wieder  unterstellte,  Geld  und  Arbeit 
zusammen  vertheilten  sich  je  zur  Hälfte  als  eine  gemeinsame 
Grundlage  der  Gesellschaft  auf  die  Genossen.  *)  Und  auch  hier 
gingen  diese  Zweifel  weit  über  die  Constitution  Sixtus'  V.  von 
1514  hinaus. 

Man  suchte  nun,  wie  so  eben  erwähnt  ward,  das  Zins- 
gesetz dadurch  zu  umgehen ,  dass  der  Gläubiger ,  welcher  im 
Darlehn  eine  Gesellschaft  mit  dem  Schuldner  schloss,  sich  von 
letzterem  die  Rückgabe  des  Kapitales  gegen  alle  Gefahr  garan- 
tiren  Hess  und  nun  die  Zinsen  als  bei  jeder  derartigen  Gesell- 
schaft nothwendig  resultirende  Dividende  empfing.  Nach 
den  allgemeinen  kanonistischen  Grundsätzen  über  Gesellschaft 
und  Versicherung  konnte  man  hiergegen  Nichts  sagen,  ^)  und 
doch  war  offenbar  bei  einer  aufrichtigen  Gesellschaft  dieser 


1)  Gl.  in  1.  1.  Cod.  i»r.  socio.  Azoriu.  1.  c.  c.  3.  Covarruv.  var. 
resol.  in.  c.  2.  n.  2  gegenüber  Thomas  von  Aquino  11.  2.  qu.  78.  a.  2. 
n.  5.  cf.  Scaccia.  §.  3.  gl.  3.  n.  33.  Navarr.  nianual.  c.  17.  n.  53. 
2)  Scaccia,  §.  9.  n.  46.  3)  Azorin.  inst,  moral.  III.  1.  9.  de  so.  crist. 
c.  3.  4)  Bartolus  u.  Baldus  in  1.  1.  Cod.  pr.  soc.  Scaccia.  §.  1.  (|u.  7. 
P.  2.  amjd.  9.  n.  4.  gegen  Leon.  Less.  1.  c.  n.  12.  Cynus  i.  h.  1. 1.  1. 
5)  Azorin.  1.  c.c.  5.  —  cf.  Endo  mann,  kan.nat.  oek.Grunds.  p.45ff.51ff. 


456  VI.   H.  Oosollscliafts- uiul  Ycrsii'herungsvovivag. 

Art.  wie  hei  letzterer  erdichteten,  die  Dividende  ein  reiner 
Zinsgewinn,  der  bei  der  Siclierstellnng  des  Kapitales  jedesmal 
sich  ergeben  musste.  Deshalb  erhob  sich  schliesslich  eine 
Reihe  kanonistischer  Autoritäten  dagegen  ^)  und  der  Pabst 
schritt  hier  verdammend  ein ,  wie  dort  billigend ,  in  der  Con- 
stitution von  1586: 

„sfafninins,  hujusmodi  contradus  . . .  usnrarios  et  illicifos 
posthac  censefi  debere  atque  in  postenim  non  licere  eis ,  qui 
pccimias,  qui  pecunia  vel  ani media  vel  ediäs  res  in  socicfa- 
fem  tradenf ,  de  cerfo  lucro ,  ut  prnefertur ,  pereipiendo  inter 
se  pacisci  et  eoneordare;  neque  etinm  sive  ad  certtim,  sive 
axl  ineertum  lucrurn  eonv  euer  int ,  socios ,  qui  ea  receperint, 
ad  sorfem  seu  capitcde  scdvum  et  integrum,  uhi  illud  casu 
fortuito  perierit  vel  amissum  erit  reddendum  quovis  pacto 
mit  promissione  sihi  obligare." 
Doch  umsonst !   Denn ,  wie  die  scholastische  Logik  durch  sol- 
che Billigung  eines  Rechtsinstitutes  hier  und  Verwerfung  eines 
andern  dort  immer  mehr  in  ihrer  Blosse  sich  zeigte ,  scheuten 
selbst  Kanonisten  sich  nicht,    die    eben  als  wucherlich   ver- 
dammten Verträge  wieder  zu  rechtfertigen.   Die  vorschreitende 
Verkehrspraxis  kehrte  sich  noch  weniger  daran;   von  Italien 
aus,  unter  den  Augen  der  Kirche,  breitete  sich  die  Anwen- 
dung dieser  für  die  Entwicklung  des  Handels  so  überaus  wich- 
tigen Verträge  über  die  ganze  Handel  treibende  Welt.  2) 

Neben  der  eben  berührten  Uragehungsart  des  Zinsverbotes 
mag  hier  noch  eine  zweite  erwähnt  werden ,  welche  sich  gleich 
jener   an   die  freilich  gesuchte  Auffassung   der   Gresellschaft 


1)  cf.  Laurent,  de  Eudolf ,  1.  c.  p.  131  u.  61 ,  Azorin ,  Lessius, 
I.e.  Devoti,Inst.  1.  IV.  ti.  16.  §.  31ff.  —  Benedict.  XIV.  1.  c.  cp.  50. 
—  Moy  de  Sons,  Archiv  1.  c.  I.  p.  326.  u.  A.  2)  cf.  Scaccia  §.  3. 

gl.  3.  n.  37ff.  Lessius  1.  c.  Melanchthon  und  nach  ihm  Zacharias 
Ursin  US  hilligen  gerade  den  Zins,  wo  er  durch  den  Charakter  der  Sozie- 
tät im  Darlehn  gedeckt  wird.  Sie  meinen  hiermit  indess  nicht  die  Ver- 
schleierung des  Zinses  durch  den  Gesellschaftsgewinn ,  sondern  dasjenige 
wirkliche  Darlehn  ,  hei  welchem  der  Gläubiger  auch  den  Verlust  des  Dar- 
lehnsschuldners  trägt. '  cf.  Gillet,  Crato  von  Crafthaim  II.  p.  473.  cf.  u. 

(vn.  2.  b.) 


VI.   2.  Gesellschafts  -  und  Versicherungsvertrag.  457 

schliesst,  nämlich  die  socictas  sacri  officiL  Erlaubt 
war,  (lass  zAim  Ankaufe  eines  der  vielen  von  der  Curie  zu  ver- 
gebenden gewinnreiclien  Aemter  (frnctnosa  officio)  für  Einen 
sich  mehrere  Personen  mit  ihren  Kapitalien  verbanden  und 
dann  von  dem  Käufer  des  Amtes  je  nach  ihrer  Kapitaleinlage 
Antheile  an  dem  Erträt^nisse  des  Amtes  empfingen.  Diese 
grössere  Conkurrenz  der  Bewerber  besserte  zu  Gunsten  der 
päbstlichen  Kasse  den  Preis.  ^)  Hierher  warf  sich  das  vom 
Zinsverboto  bedrängte  Kapital.  Man  erstreckte  die  kirchliche 
Billigung  solcher  Gesellschaft  auch  auf  alle  weltlichen  Aemter- 
käufe,  bis  durch  päbstliche  Erlasse  von  Leo  X.  1514,  Paul  IV. 
1555,PiusIV.  15G0  die  Grenze  der  kirchlichen  Aemter 
für  die  Gestattung  gezogen  wurde.  Aber  die  Sache  hatte  schon 
eine  viel  weitere  Verzweigung  getrieben,  als  die  Curie  ahnte. 
Der  Amtskäufer,  selbst  nur  eines  kirchlichen  Amtes,  liess  sich 
auch  nach  Bezahlung  des  Kaufpreises  immer  von  Neuem  Ka- 
pitalien von  Besitzern  vorstrecken  und  zahlte  ihnen  die  Zinsen 
als  Gewinnantheil  von  dem  Amte.  Dann  nahm  man  Kapitalien 
für  den  wirklich  beabsichtigten  zukünftigen  Ankauf  auf.  Dann 
machte  man  das  Geschäft,  wenn  nur  ein  Amtskäufer  überhaupt 
unter  den  Gesellschaftsgenossen  war  oder  wenigstens  sich  als 
vorgeschobene  Person  ohne  jeden  Zusammenhang  mit  der  Ge- 
sellschaft brauchen  liess.  Ja  zuletzt  erging  es ,  Avie  oben  mit 
der  Kuhmiethe  (VI.  1.).  man  erdichtete  vor  den  Augen  der 
Kirche  einen  Amtskauf,  lieh  Kapitalien  mid  nahm  die  Zinsen 
als  Dividende  dieser  luftigen  Gesellschaft.  Was  half  gegen 
die,  zumal  in  Italien,  Frankreich  und  den  Niederlanden  weit- 
verbreitete Uebung  dieser  Zinsumgehung  das  oben  zitirte  päbst- 
liche Einschreiten.  Man  verlangte  jedesmal  besondere  päbst- 
liche Concession  für  dergleichen!  Gesellschaften.  An  der  Unzahl 
solcher  Gesellschaften  musste  dieses  Verlangen  von  vorn  herein 
scheitern.  Die  Avirklichen  Bedingnisse  solches  Amtskaufes 
wurden  gegen  die  überhand  nehmenden  Erdichtungen  voran- 
geschoben, der  angemessene  Preis  des  Amtes  sollte  mit  ent- 
scheiden. Als  aber  Pabst  Paul  IV.  gar  nur  die  Kapitalanlagen 


1)  Azorin.  III.  1.  9.  c.  8.   Scaccia.  §.  1.  411.  1.  11.  2(i(»lV. 


4ö8  VI.    2.  <Jiosoll^^l'llafts- niul  Vorsidioriingsvertrag. 

bis  zum  halben  Preise  anerkennen  wollte,  erhob  sich  der  Sturm 
der  hierin  tausendfach  mit  ihrem  Vermögen  Gefährdeten.  Der 
Andrang  der  Kapitalisten  zu  den  Aemterkäufen  fiel  plötzlich, 
die  päbstliche  Kasse  merkte  das  an  der  Niedrigkeit  der  Preise 
so  fühl])ar ,  dass ,  wie  bei  dem  nahe  verwandten.  Kentenkaufe 
—  die  Dividende  gleich  den  Renten  des  Einlagekapitales  — 
ein  Jahrhundert  später  Pius  V.  letztere  Schranke  wieder  auf- 
zuheben in  eigenem  und  allgemeinem  Handelsinteresse  gebo- 
ten hielt. 

Schliesslich  muss  Hinsichts  der  Versicherung  auf  die 
S.  17.  N.  5.  unter  nr.  II.  berührte  verschiedene  Auffassung  des 
cap.  19.x.  5, 19.  Seitens  der  Kanonisten  verwiesen  werden.  Schon 
dort  ward  darauf  hingedeutet,  dass  die  Kirche  eine  Vergütung  der 
übernommenen  Gefahr  über  das  Kapital  ebensowenig,  als  die 
Vergütung  wirklich  geleisteter  Arbeit  im  Grmide  für  wucher- 
lich hielt.  Sie  gestattete  dieselbe  nach  der  Meinung  der  gröss- 
ten  kanonistischen  Autoritäten ,  und  neben  ilir  das  nahe  ver- 
wandte Seedarlehn  (foenus  nauticmn),  welches  denn  eine  nutz- 
bare Kapitalanlage  bis  zu  zwölf  Prozent  zuliess.  ^) 

üeber  die  eben  erwähnten  Umgehungen  des  kirchlichen 
Zinsgesetzes  in  der  deutschen  Eechts-  und  Wirthschaftsge- 
scMchte  Näheres  zu  sagen ,  verbietet ,  wie  schon  bemerkt ,  die 


1)  cf.  Gonzalez  Tellez  in  h.  1.  n..5. ,  u.  Covarruv.  var.  resol.  UI. 
c.  2.  n.  5.  Hierfür  wurde  das  Nähere  schon  in  S.  17  ff.  erwähnt.  Insbe- 
sondere giebt  daselbst  die  Note  5  (S.  17)  eine  Zusammenstellung  der  An- 
sichten über  das  räthselhafte  „est  censettdus  usurarius"  in  cp.  19.  X. 
5,  19  (1236.)  Eine  letzte  Auslegung  derselben  Stelle  muss  hier  noch  nach- 
getragen werden.  Censenclus  soll  nur  die  gesetzliche  Vermuthung  aus- 
drücken, dass  Wucher  vorliegt.  Diese  Vermuthung  falle  sogleich  fort, 
wenn  bewiesen  wird,  dass  wirklich  eine  Gefahr  eingetreten  sei.  cf.  De- 
vo  ti ,  Instit.  1.  VI.  ti.  XVI.  §.  11.  N.  2.  Moy  de  S  ons  ,  Archiv  für  katliol. 
Kirchenrecht.  I.  p.  324.  n.  2.  Der  Grundsatz  an  sich ,  dass  der  Ersatz  der 
Gefahr  nicht  wucherlich  sei ,  wird  daher  hier  geradezu  anerkannt ;  und 
sonach  würde  auch  Devoti  im  Sinne  der  früher  genannten  Ausleger  (S.  17. 
'N.  b)  non  est  censenclus  lesen.  Dass  aber  der  Sinn  des  ccnsen  hier  als 
„gesetzliche  Vermuthung "  nicht  haltbar  ist,  zeigt  einmal  die  sonst 
regelmässige  Bedeutung  von  censeri,  dann  das  quoque  im  2.  Falle  des 
c.  19.  X.  5,  19  u.  s.  f. 


1 


VI,   2,  Gesellschafts  -  und  Versicherungsvertrag.  450 

nicht  hierzu  ausreichende  Veröffentlichung  der  archivalischen 
Quellen  über  die  einschlagenden  Gebiete,  In  diesen  Quellen 
ist  ein  liinlängiichcr  Stoff  für  den  Beweis  vorhanden,  dass  auch 
diese  Umgehungen  in  Deutschland  üblich ;  das  lässt  sich  aus 
der  Entwicklung  des  deutschen  Kapitalverkehres  und  insbe- 
sondere aus  dem  hanseatischen  Handel  schliessen.  Die  in  Vor- 
bereitung stehende  Herausgabe  der  Beschlüsse  atif  den  han- 
seatischen Tagefahrten  breitet  wahrscheinlich  grösseres  Licht 
über  diesen  Theil  der  deutschen  Rechtsgeschichte, 

Die  Betrachtung  der  Versicherung  scheidet  hier  um  so 
mehr  aus,  als  sie  kanonistisch  -  wissenschaftlich  nicht  für 
wucherlich  gelten  kann,  noch  gar  praktiscli  in  den  Ländern 
entwickelten  Verkehres  gegolten  hat, 

Ueber  die  Gesellschaften ,  so  weit  sie  das  hier  behandelte 
Feld  berühren ,  sei  Folgendes  bemerkt. 

Li  Folge  der  norddeutschen  Städtebündnisse  erforderte 
das  gegenseitige  Interesse  der  Zwschenhändler  und  ihrer  wech- 
selseitigen Käufer  und  Verkäufer  zur  Erleichterung  und  Ergie- 
bigkeit des  Handels,  dass  die  einzelnen  Kaufleute  sich  mit 
ihren  Kollegen  in  den  andern  Handelsplätzen  des  Binnenlandes 
oder  der  Seeküste  mit  In  -  oder  Ausländern  in  eine  grosse  Zahl 
verschiedenartiger,  vielfach  sich  durchkreuzender,  lange  dauern- 
der Handelsgenossenschaften  vereinigten.^)  Mit  der 
Erweiterung  des  Handels,  mit  den  wachsenden  und  immer 
engeren  Handelsbeziehungen  der  einzelnen  Hansestädte  unter 
einander  mid  mit  dem  Auslande  seit  dem  13.  Jahrhundert 
ergänzten,  duchflochten  sich  diese  Genossenschaften  immer 
mehr.  Bei  den  verschiedensten  derselben  betheiligte  das  ein- 
zelne Haus  sich  gleichzeitig  in  bestimmten  Antheilen ,  in  bei- 
der-oder  einseitigen  Geld- oder  Arbeitsmitteln,  für  einzelne 
Unternehmungen  oder  dauernden  Geschäftsbetrieb,  zu  Erfül- 
lung bereits  geschlossener  Contrakte  oder  im  Gebiete  der  Spe- 
kulation, Dadurcli,  dass  einzelne  Zweige  einer  grossen  Familie 
unter  Aufrechthaltung  der  verwandtschaftlichen  Beziehungen 

1)  cf,  das  Nähere:  Neuniann,  Wechselgcscliichte  p.  41T.   Sarto- 
rius-Lappenherg,  Gesch,  d.  Hansa  IL  n.  18.3.  a.  E.  u.  a. 


460  VI.   2.  GesollHcliarts  -  niid  Vor.siclieviDig.sveitrag. 

iKieli  andern  Stiulten  übersiedelten,  durch  liäufige  Pilgerfahr- 
ten, durch  regelmässigen  Besuch  der  Contore  im  Auslande 
erhielten  diese  Genossenschaften  sich  rege. ')  So  die  Genos- 
senschaft zwischen  dem  aus  Cöln  stammenden  Danziger  Herr- 
mann  v.  d.  Bol<e  mit  Tidemanri  Swarte  in  Cöln  1416, 2)  zwi- 
schen dem  Danziger  Bertold  Burammer  aus  Lüneburg  mit 
andern  lüneburgischen  Kaufleuten  1435.  ^)  Dergleichen  Han- 
delsgesellschaften bestanden  zwischen  Lübeck,  Danzig,  Riga, 
Eeval .  Brügge,  dann  in  den  rheinischen  und  westphälischen 
Städten ,  den  Orten  an  der  Weser ,  Elbe ,  Trave ,  den  Handels- 
plätzen in  Pommern,  Schlesien,  Preussen,  selbst  zwischen 
den  Märkten  Nord  -  und  Süddeutschlands ,  *)  zwischen  Han- 
seaten und  Nichthanseaten ,  z.  B.  Holländern ,  •'')  mit  Englän- 
dern ^)  u.  a.  Den  zur  Gesellschaft  gehörigen  Kaufleuten  ferner, 
oder  den  sonst  an  den  fremden  Handelsorten  ansässigen  Lands- 
leuten, Freunden  schickte  man  dann  durch  Bevollmächtigte 
oder  blosse  Boten  des  Verkäufers  je  nach  ihren  eingegangenen 
Handelsberichten  und  Aufträgen  die  verlangten  Waaren  zu 
Markte.  So  zweigt  sich  zur  gewaltigen  Hebung  des  persönli- 
chen Credites  aus  dem  Eigenhandel  allgemach  der  Commis- 
sions-  und  Speditionshandel  ab,  und  neben  den  Prinzipalen 
der  Geschäfte  erstehen  in  den  entfernteren  Handelsplätzen  die 
dispositionsfähigen  Lieg  er  und  Faktoren,  welche  durch 
eine  Vollmacht  jener  beglaubigt  für  sie  Geschäfte  führen, 
Schulden  einziehen,  Prozesse  leiten  u.  a.  Sie  sind  entweder 
unselbstständig  und  haben  so  zuweilen  einen  Antheil  am  Ge- 
schäfte des  Herren,  ^)  dann  nähern  sie  sich  dem  oben  berühr- 
ten Begriffe  der  Gesellschaft ,  in  welche  sie  vielfach  nur  ihre 
Dienste  einwerfen.  So  heisst  es  auch  im  Danziger  Archiv 
(1.  c.) :   der  Danziger  Gottschalck  steht  mit  seinem  Lieger  in 


1)  cf.  u.  A.  Hirsch,  Gesch.  d.  St.  Marienkirche  in  Danzig  I.  p.  202ff. 
2)  Danz.  Arch.  Urk.  38.  n.  1159.  3)  Urk.  30.  n.  .5076  u.  a.  Hins,  der 

Pilgerfahrten  cf.  Hirsch,  Danz.  Handelsgesch.  p.  191.  4)  cf.  Hirsch. 
1.  c.  p.  166  ff.  189.  200.  228  ff.  Pauli,  Itib.  Zust.  Vortr.  I.  lüb.  Urk. 
Buch  I.  569.  736.  Neumann,  Wechselgesch.  Beil.  D.  5)  Danz.  Arch. 
Missiv.  IV.  1.52  (1445).  6)  ib.  V.  1.39  u.  173  (14.50).  7)  Danz.  Arch. 
U.  42. 4664. 


VI.   2.  Gesellschafts  -  und  Yeisiclicrinig.svertrag.  4(31 

„Widerlegung,  dat  se  s  e  1  s  c  li  o  p  tosamende  haddeii ,  dat 
de  erben,  hans  her  godschalkes  gud  mit  den  synen  ter  sewart 
voerde  vp  erer  bejnler  euenture."  Oder  aber,  selbstständige 
Kaufieute  in  entfernteren  Handelsplätzen  übernahmen  als 
„Lieger"  die  Ausführung  der  Aufträge  anderer  Kaufleute, 
besorgten  deren  Geschäfte  und  rechneten  sich  einen  Theil  des 
Gewinnes  Jener  ab.  Im  Dan  zig  er  Missiv.  (II.  18.)  einigen 
sidi  die  Prinzipale  des  Liegers  Hans  Klusener  in  Flandern 
1431  mit  ihm  dahin,  dat  se  ere  guder  an  em  wolden  senden 
de  touorstaende  vnd  to  wareude  vnd  er  beste  darby  to  doende, 
daruor  woldn  se  eme  sulk  recht  vnd  vrundscap  doen  van  itcz- 
likem  pf,  grot,  alse  dat  to  Brugg  wonlik  vnd  recht  ist." 

Näheres  indess  hierüber  lässt  sich  bis  jetzt  nicht  feststel- 
len, auch  nicht  aus  der  Verrechnung  beim  Schlüsse  eigent- 
licher Handelsgenossenschaften,  wann  sie  oft  nach  jahrelangem 
gemeinsamem  Geschäfte  —  ein  Zeugniss  des  grossen  Credites  — 
wedderleghmge  thun.  So  bleibt  für  jetzt  und  insbesondere  für 
Danziger  Verhältnisse  diese  Ungewissheit.  „Ob  bei  diesem 
Geschäfte  die  Genossen  Gewinn  und  Verlust  mit  einander  theil- 
ten ,  oder  ob  jeder  für  seine  Mühe  sich  eine  Provision  berech- 
nete ,  oder  ob  endlich  die  Mühe  des  Kommissions  -  oder  Spe- 
ditionsgeschäftes als  eine  in  der  Gegenseitigkeit  sich  bezahlt 
machende  angesehen  wurde,  ist  aus  den  aufljehaltenen  Rechen- 
schaftsberichten nicht  zu  ersehen."  ^) 

Im  Laufe  des  15.  Jahrhunderts  können  auch  in  Mittel- 
deutschland Gesellschaften  zu  kaufmännisclien  Unternehmun- 
gen ,  und  zwar  im  Gegensatze  zu  jenen  hanseatischen  Gesell- 
schaften sogar  gesondert  von  dem  allgemeinen  Handelsverkehre 
der  Kaufleute  nachgewiesen  werden,  Vorläufer  der  grossen 
Gesellschaften,  von  welclien  die  Keichsgesetze  im  IG.  Jahrhun- 
dert reden.  Chr.  Kupp  euer  berichtet  u.  a. ,  als  nicht  beson- 
ders auffallend,  von  einer  durch  ihre  grossen  Kapitalien  und 
das  Ansehen  ilirer  Mitglieder  ausgezeiclmeten  Handelsgesell- 
schaft „de  gesellschafft  des  zcyunhandels"  (socictas 


1)  Hirsch,  Handelsgesch.  Daiizigs  p.  229  ob.   Näheres  in  Beilage 
E.  a.  (1403)  von  Frankfurt  a.  M. 


462  VT.    2.  Gesollsohafts  -  und  Yersifhcrniigsvortrag'. 

sfanni)  in  Meissen ,  bestätigt  von  Herzog  Georg  von  Sachsen, 
bei  welcher  n.  A.  sich  auch  der  Professor  der  Leipziger  Univer- 
sität Kupponorl497  mit  einer  Einhige  von  2000  Gulden  bethei- 
ligte. 1499  bezog  er  bereits  eine  GeAvinnrate.  Die  Geschüfts- 
leiter  waren  zwei  institores  seu  factores.  Sie  schlössen  Na- 
mens der  Gesellschaft  Käufe  und  Verkäufe  oder  sonstige 
Verträge,  nalimen  auch  Zalilungen  (baar  oder  in  Anweisungen) 
zur  Gesellscliaftskasse  an  und  die  Zahlenden  in  die  Gesellschaft 
und  deren  matricula  auf.  lieber  die  Einzahlung  empfing  der 
Zahler  von  ihnen  unterschrieben  und  untersiegelt  eine  specialis 
rccofjnitio.  Die  doniini  sociefatis  revidirten  all  vierteljährlich 
die  Kechnungen,  Bücher  und  Kassen.  ^)  Hier  erscheint  Gefahr, 
Gewinn  und  Verlust  gleichmässig  von  allen  Theilnehmern 
getragen  zu  sein. 

Aus  Frankfurt  a.  M.  behandelt  eine  Gesellschaft  schon  v. 
Jahr  140.3  hinten  die  Beilage  E.  a.  Einen  weiteren  und  einge- 
henderen Belag  über  die  ausgedehnten  Gesellschaften  in  den  eben 
genannten  Gebieten  zeigt  Kuppeners  Behandlung  der  hierhin 
einschlagenden  Rechtsfragen  (cf.  Beilage  E.  n.  3  (1508.)  Noch 
eingehender  spricht  Purgoldt,  lib.  HI.  c.  46 ff.  von  den  Ge- 
sellschaften. Beide  natürlicli  sind  erfüllt  von  den  kanouisti- 
schen  Grundsätzen,  und  eben  deshalb  scheint  es  nicht  unbedingt 
richtig,  ihrer  ausführlichen  Behandlung  die  thatsächlich  zahl- 
reichen Gesellschaften  in  Mittel-  und  Süddeutschland  jener 
Zeit  als  Grund  unterzuschieben.  Beide  aber  kennen  eine  Um- 
gehung der  kanonistischen  Zinsgesetze  durch  die  bloss  schein- 
bare Anwendung  des  Gesellschaftsvertrages  nicht. 

So  erhellt  nicht,  dass  irgendwo  in  diesen  Gebieten  die 
Gesellschaft  zu  einer  Umgehung  des  Zinsverbotes  benutzt 
ward.  In  den  bisher  behandelten  Fällen  bezahlte  man  mit  der 
Dividende  der  Lieger  u.  s.  w.  doch  stets  nur  deren  wirkliche 
Dienstleistung,  die  Gewinnraten  der  Mitglieder  entsprachen 
iliren  Einlagen  in  die  Gesellschaftskasse,  und  das  galt  nach 
kanonischem  Rechte  offenbar  nicht  als  Wucher. 


1)  cf.  die  Eechtsgutachten  von  Kuppener,  Tileniann,  Brandesz 
1499.   Jahrbücher  f.  D.  R.  VI.  p.  1G6  ff.  n.  39.  40  (Muther.) 


VI.   2.  Gesellschafts  -  uiul  Versicherungsvertrag.  463 

Ausser  den  eben  berührten  Fällen  findet  sich  in  Deutsch- 
land noch  ein  Gesellschaftsvertrag,  der  an  Seedarlehn  streift, 
u.  A.  zwischen  den  Verwaltern  geistliclier  Kapitalien  in  Danzig 
(des  St.  Brigittenklosters,  der  St.  Marienkirche ,  des  lieil.  Geist- 
hospitals und  des  St.  Johannis  -  Altars) ,  welche  1438  neben 
vielen  Privatleuten  Gelder  an  die  Unternehmer  einer  gefahr- 
vollen ,  aber  möglicherweise  höchst  gewiniu'eichen  Baienfahrt 
(ins  westliche  Franki'eich)  leihen ,  um  am  Gewinne  theilzuneh- 
men.  ^)  Aehnliche  fernere  Beispiele  hierzu  sind  oben  bei  der 
Akkonmienda  aufgeführt  (V.  5  f.) 

Auch  dieser  Vertrag  ist  nicht  zur  Umgehung  des  kanoni- 
stischen  Zinsgesetzes  geschlossen ,  sondern  an  sich  ein  richti- 
ger Gesellschaftsvertrag,  bei  Avelchem  ein  Theil  die  Arbeit, 
ein  anderer  das  Geld  beibringt.  Da  hier  die  Gefahr  gemein- 
schaftlich getragen  wird,  Ge^^vinn  und  Verlust  von  vornherein 
zweifelhaft  sind,  bei  ihrem  Eintreffen  aber  gleichfalls  alle 
Theilnehmer  berüiiren,  ist  der  Vertrag  schon  aus  diesem 
Grunde  nicht  wucherlich.  Chr.  Kuppener  rechtfertigt  den  glei- 
chen Fall ,  wo  Wittwen  und  arme  Frauen  und  Jungfrauen  eine 
Summe  in  eine  kaufmännische  Bank  zu  Gesellschaftsunterneh- 
mungen einlegen  (V.  5.  d.  u.  e.)  ausserdem  noch  damit,  dass 
die  Noth  der  Einleger  den  wuclierlichen  Charakter  des  Ge- 
schäftes beseitige  (cf.  Beilage  E.  n.  3.)  1508.  Elr  begeht  hier 
wiederum  die  Inkonsequenz,  im  einzelnen  Falle  den  Grund 
gelten  zu  lassen ,  den  er  allgemein  doch  als  unrichtig  verwirft, 
dass  der  gute  Zweck  den  Wucher  beseitige.  Obige  Gründe 
aber  rechtfertigen ,  wie  sogleich  erhellt,  auch  die  Theilnahme 
von  Fürsten,  Kirchen,  Gemeinden  u.a.  an  kaufmännischen 
gesellschaftlichen  Geschäften,  welche  oben  unter  V.  5.  f.  erwähnt 
sind.  Wie  liäufig  übrigens  diese  Betheiligung  au  kaufmänni- 
schen Unternehmungen  auch  Seitens  der  Privatpersonen  war, 
geht  nicht  minder  aus  Purgoldt  (Rechtsb.  VIII.  c. 55)liervor: 
„  Alles  das  ein  man  nembt  zcu  libnis  von  geilde ,  körn  ader 
ander  habe,  das  her  vorlyhet,  und  dingt  das  yme  zcu  geben : 

Ij  cf.  Bornbach,  Rezesse  III.  fl.  G21.  Hirsch,  1.  c.  p.  93.   Näheres 
über  diesen  Vertrag  ist  nicht  ersichtlich,   cf.  Neuniann,  1.  c.  p.  141. 


464  VT.    2.  Oosellsi'liafts  -  und  Vorsitherungsvortrag. 

das  ist  wiulior;  liov  koufle  daii  7A'iiise  recht  und  redlich  mit 
eyiiie  und  lasse  ynie  dye  bestellen  uf  eygen  ader  uf  erbe ,  uf 
erbe,  uf  borgen  aderuf  pfänden,  ader  lyhe  das  in  den 
kouf mansch  atz  uf  wynung,  und  uymbt  her  dan 
auch  icht  über  dye  wynung  dye  ym  von  rechte 
gebort  von  sym  gesellen,  das  ist  unrecht  und 
ist  Wucher.     Dit  stet  geschriben  ex.  e.  c."  etc. 

Nur  ein  Theil ,  der  ui  Deutschland  gangbaren  Umgehun- 
gen des  kanoiiisclien  Zinsverbotes  ist  bisher  erörtert.  Alle  auf- 
zufüliren,  erschehit  deshalb  übrig,  weil  es  hier  nur  gilt,  ein 
Bild  von  den  Mitteln  zu  zeichnen ,  welche  der  Verkehr  ausser 
den  zuvor  unter  n.  IV,  und  V.  näher  behandelten  Mitteln 
ergriff,  um  die  kanonistischen  Kapitalsfesseln  zu  überwinden. 

Sobald  die  Gesetze,  und  das  geschieht  wegen  des  tausend- 
fachen Eingreifens  des  Kapitalverkehres  in  alle  Lebensverhält- 
nisse sehr  häufig ,  auf  diese  Umgehungen  zu  sprechen  kommen, 
überwallt  sie  fühlbar  die  Unzahl  der  Fälle  und  Möglichkeiten, 
in  denen  ihre  Macht  aufgehoben ,  ihr  Ansehen  vernichtet  wird. 
Insbesondere  schlagen  hier  ein  die  Verbote  gegen  allen  Vor- 
und  Aufkauf  (III.  2.  c),  gegen  die  Monopolien,  und  we- 
gen dieser  Kücksichten  auch  gegen  alle  grossen  Gesell- 
schaften, welche  durch  solche  Aufkäufe  Theueruug  zum 
Schaden  des  Gemeinwesens  hervorbringen.  Schon  Chr.  Kup- 
pen er  (1508)  spricht  sich  zürnend  gegen  ihr  wucherisches 
Gebahren  aus  (cf.  Beilage  E.  n.  3.  u.  n.  5.)  und  hat  dabei  beson- 
ders die  kaufmännischen  Handelsgesellschaften  im  Hansage- 
biete (in  reussen  vnn  preussen)  im  Auge.  So  heisst  es  insbe- 
sondere im  Augsburger  Keichsabschiede  von  1530 
§.  135.:  (cf.  auch  R.  A.  v.  1512.  §.  IG  ff.,  R.  P.  0.  1548,  1577 
tit.  18.): 

Es  ist  „viele  grosse  Gesellschaft  m  Kauffraannschaft  in  kur- 
zen Jahi'en  im  Reiche  aufgestanden ,  auch  etliche  Personen 
seind,  die  allerlei  Waar -  und  Kaufmannsgüter,  als  Spece- 
rei, Erz,  Wöllentuch  in  ihre  Hand  und  Gewalt  allein  zu 
bringen  unterstehn,  Fürkauf  damit  zu  treiben,  sezen  und 
machen  ihnen  zu  Vortheil  solcher  Güter  den  Werth  ihres 
Gefallens." 


VI.   2.  Gesellschafts- und  Versii-liornng'svertra'^.  4G5 

Man  verbietet  dies  bei  Strafe  der  Confiskation  von  Habe  und 
Gütern. 

In  demselben  Reicbsgesetze  (p.  l'M).)  werden  Gesellscliaf- 
ten  erlaubt,  welcbe  nur  AVaare  „aufkaufen  und  verliandtliie- 
ren."  Nur  sollen  sie  nicht  den  Wertb  nach  ihrem  Gefallen 
setzen  oder  dem  Käufer  oder  Verkäufer  „andingen,  solche 
Waare  Niemand  dann  ilim  zum  Kauf  zu  geben  oder  zu  behal- 
ten ,  oder  dass  er  sie  näher  geben  wolle ,  dann  wie  er  mit  ihm 
überkommen  hat."  Dieselben  Klagen  und  Verbote  erneut  die 
E.  P.  0.  von  1577.  §.  1.  ti.  17. 

Desgleichen  erAvähnt  die  R.  P.  0.  von  1577  mitten  unter 
diesen  Umgehungen  1.  c.  §.7.: 

„  Item ,  etliche  leihen  ihr  Geld  mit  diesen  verbotenen  Ge- 
dingen oder  Pakten   hinweg,    dass   der  Entlehner  zu  vier 
Märkten ,  so  die  ihm  ernennen ,  ein  mannigfaltiges  dazu  ver- 
zinsen, oder  Aufgeld  geben  ni'uss,   thut  wohl   etwa  mehr, 
dann  von  hundert  zwanzig." 
Ebenso  lautet  die  Stelle  schon  in  den  Reichsgesetzen  von  153U 
und  1548.   Das  Verbot  bezeichnet  eine  Umgehung  des  Zins- 
gesetzes,  welche    sich    an  die  Wechselzinsen  bei   den  Mess- 
Tratten  der  niederländischen  und  französischen  Wechsler  auf 
den  französischen  Wechselmessen  anschloss  und  nur  äusserlich 
den  Mantel  des  domiziliirten  Eigenwechsels  mit  zwei  Personen 
für  das  darunter  liegende  einfache  Darlehn  anwandte  (cf.  oben 
V.  5.  a.  f.  VI.  1.  und  die  Zusätze.) 

Uebereinstiramend  hiermit  ist  schliesslich  auf  die  obigen 
Citate  aus  den  Nürnberger,  Cölner,  Freiburger  Stadt- 
rechten und  deren  Reformationen  gerade  seit  dem  Anfange 
des  16.  Jahrhunderts  zu  verweisen,  so  wie  auf  den  oben  ange- 
führten Belag  aus  der  Danziger  Willkür  (Danz.  Arch.  X.  4 
(1580)  (cf.  ob.  III.  2.  a.  u.  c),  in  Avelchen  sich  allgemein  die 
ganze  Ausdehmiug  dieser  Umgehungen  durch  die  weitgreifon- 
den  Verbote  derselben  gekennzeichnet  findet.  Daher  weist 
Benedict  XIV.  es  den  Bischöfen  als  Pflicht  zu,  dass  sie,  so 
oft  ihnen  in  ihren  Diözesen  ein  sonst  ungebräuchlicher  Vertrag 
vorkommt,   der  sich  durch   seine  verwickelten,  complicirten 

Neumann,    Gesell,   d.    Wiicliors.  30 


4G(>  VT.    2.  Gesollsrliat'is-  uiul  VcrsiclR'runo-.svevt'rag'. 

Bestimmungen  als  des  Wuchers  verdächtig  darstellt,  den- 
selben unter  Beiziehung  von  Theologen  genau  prüfen,  und 
wenn  sie  ihn  mit  dem  Makel  des  Wuchers  belastet  finden, 
ihn  sogleich  untersagen.  ^) 


1)  Benedict.  XIV.  d.  synod.  dioeces.  VII.  c.  50.   Devoti,  Inst.  IV. 
ti.  XVI.  §.  31  ff.  —  Moy  de  Sons,  I.  p.  326. 


' 


VII. 

Die   Wirkungen    des   römischen   Rechtes,    der 

kirchhchen  Reformation  und  der  Wissenschaft 

ausser  ihnen  gegen  das  kanonische 

Zinsgesetz. 


1.     Das  römisclie  Eeclit. 

Wesentlichen  Einfluss  auf  die  Umgestaltung  des  kirchli- 
chen Wucherverbotes  habe,  so  muss  man  von  vornherein  an- 
nelimen ,  das  mit  geistiger  und  materieller  Gewalt  siegend  in 
Deutschland  eindringende  römische  Kecht  ausgeübt,  indem  es 
sein  Zinsgesetz  mit  der  bestimmten  Grenze  erlaubter  Pro- 
zente statt  desselben  einführte.  Die  nähere  Erkundung  der 
Thatsachen  ermässigt  diese  Annahme. 

a)   Das   römische   Recht  tritt   zurück   vor  dem  kanoni- 
schen Wuchergesetze. 

Wie  in  andern  Kechtssätzen ,  so  besonders  auch  in  der 
Zinsfrage  hatte  das  kanonische  Recht  sich  viele  Jahrhunderte 
hindurch,  während  die  Macht  des  römischen  Rechtes  besonders 
für  Deutschland  schlummerte,  einen  sicheren  Boden,  wie  gezeigt, - 
in  deutscher  Theorie  und  Praxis  errungen.  Durch  immer  neue 
Anwendung  des  grossen  Glaubenssatzes  war  dieser  Boden  im- 
mer fester  gestaltet.  Bei  dem  Erstehen  des  römischen  Rech- 
tes trat  die  Kirche  ilim  vielfach  entgegen.  Schon  1219  ver- 
bot, wie  bekannt,  Pabst  Honorius  III.  das  Studium  des  römi- 
schen Rechtes  für  die  Geistliclikoit.  ^)  1220  wurde  von  der 
Pariser  Hochschule,   welche  gerade  von  Deutschen  zahlreich 

1)  c.  10.  X.  3.  50. 

30* 


4G8       VII.  1.  Rom.  Uoclit.     a.  Zurücktritt  vor  d.  kau.  Wuelierges. 

besucht  war,  die  Vorlesung  über  römisches  Recht  unter- 
sagt, ^)  ja  in  den  Worten  des  Verbotes  „vel  in  civitatihus  seit 
aliis  locis  vicinis"  dasselbe  weithin  ausgedelmt.  Man  konnte 
mit  Grmid  darauf  verweisen ,  dass  das  römische  Recht ,  so  viel 
es  der  Kirche  erspriesslich,  bereits  in  dem  cotyus  juris  cano- 
nici verarbeitet  sei.  Wer  darüber  hinaus  forschen  wollte, 
lehnte  sich  gegen  die  Autorität  der  Kirche  auf.  Aus  diesen 
Gründen  und  mit  Rücksicht  auf  die  kanonistische  Rechtspraxis 
trieb  man  auch  in  Deutschland  an  den  Hochschulen  zuerst  nur 
kanonisches  Recht.  Die  vereinzelte  gegentheilige  Erlaubniss 
der  Päbste  für  einzelne  Geistliche  oder  Orden ,  das  römische 
Recht  zu  studiren ,  bestätigt  nur  obiges  Verbot.  ^)  Schon  der 
Wortlaut  dieser  Genehmigung  häuft  Beschränkmig  auf 
Beschränkung.  Die  Fakultäten  der  deutschen  Universitäten 
bestanden  wesentlich  aus  Kanonisten ,  und  so  nannte  man  sie 
öfter  auch  geradezu  „universitates  canoni starum"^) 
und  die  Juristenfakultäten:  „facultates  juris  cano- 
nici.'"^) „Das  Studium  des  römischen  Rechtes  wurde  nicht 
weiter  getrieben,  als  es  zur  Erklärung  des  kanonischen  Rechtes 
erforderlich  schien. " 

Erst  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  erstarkte  im  Zusam- 
menhange mit  dem  allgemein  wachsenden  Siege  des  römischen 
Rechtes  auch  an  diesen  Stellen  sein  Einfluss ,  und  man  nahm 
das  zu  Prag  1380  begonnene  Streben  wieder  auf.  ^)  In  den 
Schriften ,  welche  das  römische  Recht  in  das  deutsche  Rechts- 
leben einzuführen  trachteten,  tritt  dasselbe  fast  durchweg  nur 
in  enger  Verbindung  mit  dem  kanonischen  Rechte  auf,  z.  B. 
bei  Christoph  K  u  p  p  e  n  e  r  (Beilage  E) ,  bei  J  o  h  a  n  n  von 
F  r  e  i  b  u  r  g.  •^)  In  der  Wucherfrage  überwog  das  letztere  fast 
ausnahmslos.  Hier  galt  immer  der  direkte  Ausspruch  der 
Glosse  zum  Sachsenspiegel  (I.  54.): 


1)  c.  28.  X.  D,  33.  V.  Savigny,  Gesch.  d.  R.  R.  im  Mittelalter  HI. 
p.  362  if.  2)  cf.  S  t  r  u  b  e  11 ,  Nebenstunden,  V.  p.  19.  (1321).  S  t  o  b  b  e . 
Quellengesch.  I.  a.  p.  628.  629.  N.  60.  3)  Tomek,  Gesch.  d.  Prag. 
Univers.  p.  45.  4)  Kink,  Gesch.  der  Wiener  Univers.  I.  p.  101. 
Stobbe,  1.  c.  I.  p.  630.  n.  67.  5)  Pütt  er,  Litt.  d.  deutsch.  St.  R.  T. 
p.  75.     Eichhorn,  R.  G.  §.  441.        6)  Stobbe,  1.  c.  p.  635. 


VII.  1.  Eom.  Recht,     a.  Zurücktritt  vor  d.  kau.  Wiulicrges.       4ß0 

„Etliche  sagen  man  möge  den  Wucher  nach  Kaiserrecht 
wol  nehmen.  Sag  aber  du ,  man  möge  keinen  Wucher  neh- 
men, dann  die  canones,  das  alte  und  neue  testament  solches 
vorbieten.  Was  aber  der  Canon  vor  beut,  vor  beut 
auch  d  a  s  K  a  i  s  e  r  r  e  c  h  t."  ^) 

Daher  bleibt  denn  auch  Ulrich  T  engl  er,  der  doch  gerade 
dahin  strebte,  durch  seine  Summa  Icgum  „Layon Spiegel" 
das  fremde  Kaiserrecht  bei  den  Laien  einzubürgern,   in  der 
Wucherfrage  strenge  dem  kirchlichen  Dogma  getreu ,  wie  sich 
oben  an  den  verschiedensten  Stellen  zeigte.     Ja  er  wiederholt 
geradezu  jenen  Ausspruch  der  Glosse,  während  er  jeden  Au- 
genblick trachtet,  sich  an  das  römische  Recht  anzuschliessen : 
„  Unnd  der  Wucher  entsteet  gewonnlich  aus  leyhen ,  das  die 
aigennschaft  oder  dominium  des  gelilmes  guts  in  den  enntne- 
mer  geendert  zu  latein  gen.  mutuum.     In  geistlichen  Rech- 
ten wird  Wucher  verboten ,  ausgenommen  in  einigen  Fällen. 
Es  wird  auch  einer  als  Kläger  geachtet,  der  rechten  Wucher 
nicht  für  Sund  hielt.     In  kaiserlichen  Rechten  wird  Wucher 
auch  verboten  und  mandiert  das  gesetz  der  vier  Concil  zu 
halten,   nämlich    Niceni,    dadurch  Wucher   verboten  sind. 
Aus  dem   allen    und  jeden   der  Wucher    nit   unl)illich  zu 
scheuchen  und  zu  greifen;  wann  wo  er  gestat,  möchten  die 
Wucherer  das  gelt  als  einen  gott  eren. . .   Gelt  ist  unfrucht- 
bar. . .   Wie  wol  und  aus  etlichen  vällen  und  den  w  e  1 1 1  i  - 
eben  rechten  vermüt  Avird,  das  man  etwa  über  das  haubt- 
gut  icht  nemen ,  so  mag  doch  wider  göttliche  recht 
kain  ander  Satzung  statt  haben,  wann  wölliche  die 
seele  berühren." 

Das  weltliche  Recht  sei  dem  geistlichen  untergeben.  Dann 
folgt  die  Reihe  der  Ausnahmen  vom  kanonischen  Wucherver- 
bote, welche  oben  bereits  berührt  ward.  Chr.  Kupp  euer 
aber  mit  einer  Zahl  der  Summisten  begründet  diesen  Vorzug 
des  kanonischen  Rechtes  in  der  Wucherfrage  sogar  geschicht- 
lich. Er  lässt  die  Wucherfreunde  einwenden  (v.  Wucher  B.  3.) : 


1)  cf.  Eckardt,  Neun  Bücher.,  ed.  Pölmann  IV.  7.  tust.  10. 


17()       VII.  1.  nöiii.  Ivoilit.     a.  Ziui'uK tritt  vor  (1.  kau.  Wuclierges. 

..li;il)en  doili  die  werntliclie  viin  k  eis  zerr  echt  den 
Wucher  vnter  den  menschen  czAigelassen ,  vnn  die  menschen 
haben  sich  solch  keiszer  recht  vil  iar  gohraucht  vnn  gehal- 
ten. Doriiinb  musz  ye  wucher  nicht  sunde  sein  als  do  von 
sein  gantze  titel  in  werntlichen  vnn  keiszer  rechten  Dig. 
vnn.  Cod.  per  totum  ti.  de  vsu. "  Hierauf  entgegnet  indess 
Kuppener:  „Sage  das  etwan  die werntliche  vnd  keiszer  recht 
betracht  haben,  das  vor  czeitten  die  menschen  swerlichen 
ire  notdurft  bekommen  künden ,  dan  alleine  gelt  vnn  geldes 
wert,  auff  wucher  czu  nemen.  Dorumb  satzteu  die  selbigen 
recht  ein  summe  aus  wie  hoch  man  auff  gelt  geben  solte 
den  hundertsten  teil ,  do  durch  die  menschen  mit  solchem 
auffgelde  nicht  grausam  adir  vberswenglichen  beswert  wur- 
den, p.  1.  eos  Cod.  de  usu.  In  dem  das  man  die  czeit  gantz 
den  wucher  nicht  ausztilgen  künde.  Idoch  sein  dornach 
dieselbigen  werntliche"  vnn  keiszer  rechte  vorandert  vnn  ver- 
verboten worden  vnn  corrigirt.  Das  auch  im  die  werntliche 
vnn  keiszerliche  recht  selbst  den  wucher  vorbitten  dovon 
hastu  in  auc.  ad  hec  Cod.  de  vsu.  et  in  auc.  de  ecclesi  ti. 
col.  IX.  r.  p.  glo.  in  1.  cum  allegas  Cod.  de  vsu.  r.  p.  bal. 
sup.  rubrica  Cod.  de  vsu.  wie  dan  oben  auch  gesatzt  worden 
ist,  vnn  als  czuuorn  auch  geschriben  stet,  das  die  werntliche 
keiszer  recht  bestetigen  die  heiige  christliche  vorsamelung 
die  man  czu  latein  Mcenam  sinodum  ernennet.  Do  selbst 
der  wucher  verboten  worden  ist.  Unn  der  keiszer  gebeut 
solchs  alles  czu  halten  was  in  dem  selbigen  consilio  ent- 
schlossen worden  ist.  Dorumb  vmb  der  bestetigung  willen 
vorbiten  auch  also  den  wucher  dy  werntlichen  keiszerlichen 
recht  als  do  geschriben  stet.  XIIII.  q.  III.  c.  quid  dicam 
in  glo.  I. " 
Nicht  weniger  hielten  die  römischrechtlichen  Juristen ,  welche 
einzelne  der  deutschen  Stadtrechte  den  Forderungen  der  Neu- 
zeit anzupassen  übernommen  hatten ,  in  der  Zinsfrage  an  den 
kanonistischen  Bestimmungen  fest,  ja  sie  schärften  wol  gar 
noch  die  Strafen  der  Wucherer.  So  handelt  das  reformirte 
Kölner  Stadtrecht  (14:37)  streng  kirchlich  über  diese 
Materie:  Ulrich   Zasius,    der   Kechtskundige   des  Justi- 


Vn.  1.  Rom.  Recht,     a.  Zurücktritt  vor  d.  k;ui.  Wuchergcs.       471 

nianeischeu  Kechtes ,  nahm  gerade  diese  kölnischen  Wucherbe- 
stimmungen neu  in  das  von  ilim  umgearbeitete  Frei  1)  u  r  g  e  r 
Stadt  recht  liinüber  (1520);  und  der  römischrechtlich 
geschulte  G 1  a  n  t  i  u  n  k  u  1  a  reformirte  das  Nürnberger  Stadt- 
recht Hinsichts  des  Wuchers  ganz  im  kirchlichen  Sinne  (1479), 
bis  erst  1564  die  Grundsätze  des  römischen  oder  richtiger  des 
deutschen  Gewohnheits- Rechtes  über  die  Zmsen  sich  hier  ein- 
bürgerten. ' )  Andere  Kundige  des  römischen  Rechtes ,  wie 
F  i.c  h  a  r  d  t  in  Frankfurt  am  Main ,  neigten  zwar  in  Erkennt- 
niss  des  unnatürlichen  Zwanges,  welchen  das  kanonistische 
Ziusverbot  dem  Verkehre  anthat,  zur  Beseitigung  der  kanoni- 
stischen  Fesseln ;  sie  wagten  indess  nicht,  dieses  öffentlich  zu 
bekennen,  noch  das  Zeichen  der  herembrechenden  Erlösung 
ihrem  Gesetzbuche  auf  die  Stirn  zu  drücken ,  sondern  mühten 
sich ,  auf  den  Pfaden  der  von  der  Kirche  begnadeten  und  von 
dem  Verkehre  besonders  angewandten  und  ausgebildeten  Ver- 
träge das  Zinsverbot  zu  umgehen.  Das  Frankfurter  refor- 
mirte Stadtrecht  giebt  Hinsichts  der  allgemeinen  Anwen- 
dung des  Interesse  als  Zinsen  den  bündigsten  Belag,  und 
Orth  in  seinen  Noten  zu  dieser  Reformation  gesteht  dies,  wie 
auf  S.  175  zitirt  wurde,  unverhohlen  ein.  Ebenso  entscheidet 
Fichardt  auch  in  praktischen  Einzelfällen,  u.  a.  1566,  als 
ein  Darlehnsschnldner  sich  geweigert  hatte,  die  Zinsen,  als 
Wucher,  zu  entrichten.  Fichard  entwickelt  hier,  gegen  die 
Zinsen  spreche,  dass  das  mutuum  seiner  Natur  nach  gratui- 
tum  sei,  ferner,  quod  usiirae  usu  veniimt  in  contradihus  stricti 
juris,  nisi  a  tempore  litis  contestatae.  Aber  es  würden  keine 
Zinsen  gefordert  nomine  interesse  pro  damno,  quod  sattem  oh 
lucriim  cessans  perpessus  est.  —  Damna  et  Interesse 
etiam  de  jure  canonico  peti  possunt ,  dagegen  usurae  lucra- 
toriae  seien  in  jedem  Rechte  verboten  im  Gegensatze  zu  den 
usurae  compensatoriae.  ^) 


1)  Die  Beläge  hierfür  sind  vielfach  in  den  einzelnen  voraufgehenden 
Abschnitten  aus  diesen  Gesetzbüchern  angeführt,  s.  Ei  chliorn,  D.  P. 
R.  §.  108c.  Zöpfl,  R.  G.  §.  5S.  n.  3.  4.  Mitterni  aier,  D.  P.  H.  §.  ItJ. 
n.  10.  11.  Orth,  Anmerkungen  zur  Frankfurter  Reforniat.  1.  c.  p.  84. 
2)  Fichard,  consüia  I.  n.  29.  —    cf.  ob.  p.  175.  n.  2.  u.  p.  49.  50. 


f7"2     \U.  1.  Köm.  l\oclit.  a.  Zuviu-ktritt  vor  d.  kaii.  Wuelicigesetzc. 

Nicht  begründet  ist  es,  dass  man  das  Verfahren  Ulrich 
TiMiglors,  wenn  er  die  lleihe  seiner  römisch -rechtlichen  und 
kanonistischen  Ausnahmen  vom  Wudierverbote,  unter  ihnen 
das  „Interesse"  (IV.  :J.)  in  römisch -rechtlicher  Definition, 
seiner  streng  kirchlichen  Verdammung  des  Wuchers  gegen- 
überstellt, als  ein  Scheinmanöver,  gleich  demjenigen  Fichardts 
aufzufassen.  Tengler ,  Zasius ,  Glantiunkula  u.  a.  Kundige  des 
römischen  Kechtes  schieben  nicht,  wie  es  später  (IX.  1.)  in 
der  Wucherfrage  bei  den  deutschen  Partikulargesetzen  gebräuch- 
lich wurde,  ihre  Uebereinstimmung  mit  der  Kirche  vor,  um 
limter  derselben  unter  allen  erdenklichen  Windungen  von 
Clausein  und  Ausnahmen  das  Gegentheil  thatsächlich  resul- 
tiren  zu  lassen.  Sie  meinen  es  durchaus  ernst  mit  der  Ver- 
werfung des  Wuchers ,  das  lehren  die  eingehende  Behandlung 
des  Wucherverbotes  nach  den  kanonistischen  Ausführungen 
und  die  strenge  Begrenzung  der  Ausnahmen ,  welche  sie, 
Avenn  überhaupt  welche ,  gemäss  der  damaligen  Kechtspraxis 
machen  zu  müssen  glaubten. 

Die  Hauptgründe  vornehmlich,  welche  in  anderen  Eechts- 
gebieten  die  deutschen  Rechtspraktiker  bewogen,  zum  römi- 
schen Rechte  zu  greifen ,  waren  bei  der  Wucherfrage  grössten- 
theils  von  selbst  ausgeschlossen.  In  der  Zmsmaterie  hatte  sich 
bei  den  Kaufleuten,  wie  allgemein  im  Kapitalverkehre,  das 
einheimische  Gewohnheitsrecht  wohl  entwickelt ,  vornehmlich, 
da  es  nicht  innerhalb  der  Grenzen  Deutschlands  festgebannt 
war,  sondern  gemäss  der  Natur  des  Kapitalverkehres  über- 
haupt den  europäischen  Charakter  des  Handelsrechtes  theilte. 
Die  Entscheidungen  der  richtenden  Kaufleute  waren,  wie  sie 
wenig  durch  die  alten  und  im  15.  Jahrhunderfc  kräftig  neu 
erstehenden  kanonistischen  Zinsvorschriften  behelligt  wurden, 
ebenso  wenig  benöthigt,  von  dem  römischen  Rechte  ihr  beson- 
deres Heil  zu  erwarten.  Der  Hauptgrundsatz  des  Kapitalver- 
kehres ,  dass  die  Nutzung  fremden  Kapitales  vergütet  werden 
muss ,  hatte  sich  hier  in  den  verschiedensten  Rechtsinstituten, 
welche  die  Kirche  mit  dem  Verdachte  oder  dem  Vorwurfe  des 
wucherischen  Makels  behaftete,  entschieden  siegreiche  Bahn 
.gebrochen.   Man  empfand  in  diesem  Punkte  weniger,  als  im 


YII.  1.  Roll).  Eodit.  a.  Zurücktritt  vor  d.  kau.  Wuchergesetze.    473 

sonstigen  Kechtsgebiete ,  die  Schranken  des  Feudalwesens ,  die 
Vermögensbeschränkungen ,  die  Zerrissenlieit  der  territorialen 
Gesetzgebung,  man  fühlte  bei  der  praktischen,  thatsäclilichen 
Anerkennung  jenes  Satzes  nicht  den  Mangel  der  sich  daran 
schliessenden  Rechtswissenschaft,  da  er  sich  selbst  aus  dem 
grossen  über  die  deutschen  Grenzen  hinausragenden  Boden  des 
Yerkelirsrechtes  mit  einer  die  Weiterentwicklung  seiner  Insti- 
tute gehörig  fördernden  eingebornen  Kraft  erhob.  Endlich 
fehlte  es  liier  auch  besonders  nicht  an  einer  systematisclien 
Entscheidung  der  verschiedenen,  dem  Zinsgrundsatze  entsprin- 
genden Zweifel.  Auf  der  einen  Seite  gewährte  diese  Entschei- 
dung, und  wie  gezeigt,  vielfach  nur  zu  systematisch,  das 
kanonische,  scholastisch  durchgebildete  und  sich  jeden  x4ugen- 
blick  weiter  bildende  Recht.  Auf  der  andern  Seite  schuf  oder 
entwickelte  eben  das  deutsche  Gewohnheitsrecht  erst  die  neuen 
gegen  das  kirchliche  Zinsgesetz  gerichteten  Rechtsinstitute, 
welche  solche  Zweifel  anregen  konnten  und  anregten.  Mit  dem 
Institute  selbst  aber  war  gleichzeitig  auch  die  Entscheidung 
des  heimischen  Rechtes  darüber  gegeben.  Diese  Entscheidung 
^viederholte  sich  hundertfältig ,  durcli  ganz  Deutschland  über- 
einstimmend, mit  dem  Bewusstsein  des  Rechtes ,  gerade  m  den 
Städten  als  den  Sitzen  des  Kajiitalverkehres ,  und  die  prakti- 
schen Richter  mochten  sich  nun  entweder  dieser  Entscheidung 
oder  dem  Verdammungsspruche  des  kanonischen  Rechtes  an- 
schliessen,  in  jedem  Falle  lag  es  ihnen  ferner,  ein  ürtheil  im 
römischen  Rechte  zu  suchen.  Natürlich  trugen  da  viele  der 
Umstände,  welche  dem  römischen  Rechte  allgemein  in  Deutsch- 
land anfänglich  entgegentraten,  nicht  gering  dazu  bei,  dass 
dasselbe  in  der  Zinsfrage  zunäclist  um  so  weniger  Anwendung 
fand,  so  die  mangelnde  Kenntniss,  die  bartolinische,  schola- 
stische Behandlungsweise ,  welche  zu  wenig  auf  das  Avirkliche 
Leben  rücksiclitigte,  der  schlappende,  schriftliche  Prozess- 
gang, welcher  hier  doppelt  em}»funden  werden  musste,  die 
scheinbare  Prinziplosigkeit  zusammenhangloser  Einzellieiten 
in  der  Justinianeischen  Sammlung,  die  zu  deren  Verständnisse 
nothwendige  grosse  Masse  der  Gelehrsamkeit.  Daher  rührt  es 
auch ,  dass ,  als  die  Partikulargesetze  das  kanonistische  Zins- 


17 1    VII.  1.  Rom.  Recht,  b.  Das  röni.  Reclit  tritt  d.  AVucherges.  entgegen 

verbot  beseitigen,  sie  sich  vielniclir  auf  die  überall  durch- 
schlagende Gewohnheit  der  deutschen  llechtspraxis ,  des  deut- 
schen Verkehrslebens  berufen,  als  auf  die  Aussprüche  des 
römischen  Kechtes  beziehen ,  welche  in  geschriebenem  Gesetze 
eben  da  hinauskamen,  wohin  die  deutsche  Rechtsübung  ge- 
langt war.  (IX.  2.  a.) 

b.   Das   römische  Recht   tritt  dem  Wuchergesetze 
entgegen. 

Nicht  aber  darf  andrerseits  geleugnet  werden,  dass  das 
römische  Recht  überhaupt  dazu  beitrug,  den  gegen  die  kano- 
nistische  Wuchernorm  gerichteten  urdeutschen  Rechtsgrundsatz 
der  Vergütung  für  die  Nutzung  fremden  Kapitales  siegen  zu 
machen  und  wol  schneller  siegen  zu  machen,  als  es  sonst 
geschehen  wäre.  Auf  den  vielfältigen  Wegen ,  auf  denen  das 
Kaiserrecht  sich  den  Emgang  in  das  Innere  des  deutschen 
Verkehrslebens  gewann ,  wirkte  es  sogleich  mit  seinem  immer 
fester  sich  gründenden  Ansehen  für  die  Beseitigung  des  Zins- 
gesetzes der  Kirche,  für  die  Anerkennung  seiner  Zinsbestim- 
mimgen  und  damit  für  die  Forderung  des  deutschen  Handels. 
Das  so  vortrefflich  ausgebildete  römische  Obligationenrecht, 
die  wissenschaftliche  Behandlung  und  Weiterführung  dessel- 
ben ,  das  Ansehn  und  der  äussere  Einfluss  seiner  Jünger  und 
Kenner  bei  dem  Kaiser,  den  Landesherren,  den  städtischen 
Obrigkeiten,  an  den  Hochschulen  gab  den  Zinsgrundsätzen 
desselben  ein  um  so  entscheidenderes  Gewicht  gegen  das  kano- 
nische Recht. 

Cujacius,  der  Heros  der  Auslegung  des  römischen  Rech- 
tes, bleibt  deshalb  fest  auf  den  Zinsgrundsätzen  dieses  Rech- 
tes stehen.  Selbst,  wo  er  einen  Seitenblick  auf  die  recht- 
lichen und  wirthschaftlichen  Zustände  seiner  Zeit  (freilich 
bereits  in  der  zw^eiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts)  wirft, 
spricht  er,  als  wäre  das  selbstverständlich,  nur  von  römischen 
Zinsvorschriften.  Nur  historisch  gedenkt  er  hin  und  wieder 
der  merkwürdigen  Bestimmungen  der  Kirche,  und  wann  es 
die  Entscheidung  zwischen  Beiden  gilt,  kennt  er,  selbst  bei 


VII.  1 .  Rom,  Recht,  b.  Pas  riuii.  Rcclit  tritt  d.  Wucherges.  entgegen.     475 

der  Auslegung  der  Dekretalen,  als  allein  richtig  nur  die  Grund- 
sätze des  römischen  Rechtes.  0 

Dasselbe  gilt  für  den  eminenten  Dogmatiker  Hugo  Do- 
n eil  US.  Wesentlich  nur  historisch  erwähnt  er  die  Zinsbestim- 
mungen des  kanonischen  Rechtes ;  und  erörtert  er  sie  im  un- 
mittelbaren Anschlüsse  an  die  Dekretalen  in  ihren  einzelnen 
Bestimmungen ,  als  wären  sie  geltendes  Recht ,  so  zeigt  sich 
doch  im  Vergleiche  mit  der  ausführlichen  Behandlung  der 
Zinsgrmidsätze  des  römischen  Rechtes  und  der  vielen  Streit- 
fragen, welche  sich  an  jene  knüpfen ,  dass  dieses  Recht  dem 
Verfasser  das  mibedingt  maassgebende  ist ,  welchem  allein  er 
erschöpfende  Berücksichtigung  schenken  zu  müssen  glaubt.  ^) 


1)  cf.  Cujacii,  opera.  Miitina  1782.  I.  p.  346ff.,  678.  A,  1122.B. 
(hodie  Rom.  R.),  1301.  Äff.  IV.  41.  A. ,  114  A  ff. :  woCujac  die  Gründe  des 
Aristoteles  gegen  die  Zinsen  erwälmt ,  und  die  Zinsen  im  Anschlüsse  an 
die  richtig  ausgelegten  Worte  Papinians  für  erlaubt,  ja  für  nothwendig 
erklärt.  —  821.  D ;  —  849.  B. :  Nach  Aristoteles  stritten  die  Zinsen  con- 
tra natwram,  doch  Cujae  erklärt:  jworewjY  Mst«?-a  famew  „jure  ohli- 
gationis  et  quasi  fructus  reditusve  pecmiiae  est."  1134.  A.  VI.  638.  B. 
„usurae  usurarum  ,  quae  inilgo  dicuntur  usurae  Jiidaicae"  —  875  E. 
Das  kanonische  Recht  verbiete  die  Antichrese  und  Pfandnutzung  ohne 
Anrechnung,  „quia  conventioni  tisurarum  proxime  accedit.  . .  Additur  in 
antiqua  Decretali  in  lianc  rem ,  usurarum  crimen  esse  detestabile  et  hor- 
rendum  valde  et  utriusque  Testamenti  pagina  damnatum,  usurarum  seil, 
quae  propter  lucrum  infliguntur.  Nam  quae  propter  moram  debitoris 
petuntur ,  hoc  jure  non  prolilhentv/r ,  ut  glossa  rede  notat  i.  c.  conquestus 
inf.  d.  usur.  et  1.  5.  Cod.  d.  act.  em])t."'  (Comment.  z.  d.  Dekretalen.)  . . . 
Auch  hier ,  wo  er  die  Zinsbestinimung  der  Dekretalen  auslegt ,  betont  er, 
dass  das  jus  civiJe  die  Zinsen  trotzdem  billige.  IX.  p.  193.  C.  —  263  D. 
—  310.  A.  E.  —  1008  D.  X.  p.  112.  B.  C.  „et  in  extremo  hujus  capitis 
tentas  non  esse  verum ,  quod  dixit ,  nihil  jwe  civili  odio  usurarum  esse 
proditum  ,  sed  frustra :  nullum  enim  ex  jure  civili  argumentum  profers, 
quo  jyrohes  odio  usti/rarum  esse  quidquam  constitutum ,  modus,  qui  usuris 
datus  est ,  non  est  odii  idoneum  argumentum,  nam  et  idem  datus  est 
aestimationi  ejus ,  quod  interest  et  negotiis  omnibus. . ."  —  435.  B. 
594.  A  —  646  E  ,  —  679.  A  ,  —  1040.  E  ,  —   1 189.  E ,  —  1190.  B.  u.  v.  a. 

2)  Hugo  Donelli  opera.  Florentiae  1847.  In  Vol.  X.  p.  1418.  9 
wird  die  Ansicht  der  Alten  (Philosophen)  über  den  Wucher  berührt.  Die 
Grundsätze  des  kanonischen  Rechtes  über  Zinsen  sind  allgemein  erör- 
tert in  1. 1437  ff.  II.  35.  N.  8  (die  Wucherer  sind  testirunfähig)  V.  112. 113. 


47G    VII.  l.  Rom.  Rcdit.  b.  Das  röin.  Iveclit  tritt  (L  "Wudierg-cs.  entgegen. 

Selbst  unmittelbar  den  Einfluss  des  römischen  Rechtes 
gegen  das  kanonische  Wuchergesetz  in  dieser  Beziehung  zu 
verfolgen ,  ist  möglich.  Jene  durch  das  römische  Recht  immer 
wachsende  Zahl  der  Zinsgesetz -Ausnahmen  in  der  Bocksdorff'- 
schen  Glosse ,  in  Tenglers  Layenspiegel  sind  deutliche  Beläge 
(S.  67.  r»<S.  109-112);  im  Pfandeontrakte  trat  der  römisch - 
rechtliclie  Anstoss  zu  Tage  bei  der  Berechnung  der  Antichrese 
(V.  2.  a.  d.  f.),  nicht  minder  freilich  bei  Einführung  der  lex 
commissoria,'^)   in  der  Ausdehnung   des   Interesse  -  BegriflFes 

N.  11  handelt  speziell  von  den  vianifesti  usur  ar  ii,  die  ipso  jure, 
ohne  Eikenntniss  des  Richters  und  trotz  der  Rückerstattung  der  Zinsen 
infames  seien  (aber  eben  nach  kanonischem  Rechte)  cf.  ib.  VIII.  417  ff. 
425.  N.  7.  476,  14 ff.  (allgemein);  X.  469,  2.  471,  3 ff.  473,  7.  545,  1  (be- 
sonders auch  den  Obrigkeiten  sei  Wucher  verboten).  Erlaubt  seien 
Zinsen  als  Ersatz  der  übernommenen  Gefahr.  Ylll.  375  ff.  469,  4.  5  ff.  X. 
13b6.  1422,  21  ff.  Die  compensutoriae  usurae  (oben  S.  49.  50) 
seien  gestattet.  VIII.  419.  N.  X.  1419,  11.  Zu  diesen  gehören  besonders 
die  Verzugszinsen,  sie  seien  auch  ohne  voraufgehende  Abmachung 
gestattet.  VIH.  374,  6  ff.  403  ff.  405  ff.  504,  1.  507,  6.  X.  1421,  17.  18  ff. 
1426 ,  40.  —  Ausführlich  dagegen  und  in  der  Berücksichtigung  der  ein- 
zelnen Streitfragen  erschöpfend  behandelt  er  bei  derselben  Lehre  das 
römische  Recht  als  dasjenige,  welches  allein  hierin  maassgebend  erscheine. 
So  Vn.  477  ff.  590  ,  Iff.  650  ff.  670,  49.  50.  Dann  besonders  VIII.  361  ff. 
365  ff.  373.  375.  377  ff.  381  ff.  395,  1.  2.  404  ,  6.  406,  414.  418.  419  ,  12  ff. 
429,  2 ff.  431,  57.  453,  3 ff.  467,  469,  5 ff.  471,  6 ff.  473  ,  791  ff.  u.  a.  m. 
X.  1381 ,  3  ff.  1418,  5.6.  —  1433.  1463.  Hier  erwähnt  Donell  auch  beson- 
ders die  verschiedene  Höhe  der  Zinsen,  speziell  die  Prozente  der 2)er- 
sonae  illustres  (oben  S.  146.  N.  3)  VIH.  471 ,  9.  X.  1429,  54. ,  die  besses 
usurae  der  Kaufleute  (oben  S.  172)  VIH.  471,  10.  X.  1429.  1430,  54. ,  und 
denselben  Zinsfuss  der  argentarii  \III.  All  ff.  (oben  V.  5.  d.)  Es  liegt 
auf  der  Hand  ,  dass  die  einzelnen  an  die  Lehre  von  den  Zinsen  und  dem 
Interesse  des  römischen  Rechtes  sich  knüpfenden  Streitfragen  in  dieser 
Schrift  nicht  zu  erörtern  sind ,  da  dieselben  allgemein  mit  dem  Wucher 
(selbst  nach  römischem  Rechte)  Nichts  zu  thun  haben  und  insbesondere 
die  Geschichte  des  kanonistischen  Wuchers  in  Deutschland  bis  zu  dessen 
Umbildung  im  17.  Jahrhundert  nicht  berühren. 

1)  Auch  hier  zwar  war  das  Geschenk  des  römischen  Rechtes  zweideu- 
tig ,  indem  gleichzeitig  die  Zinsschranke  mit  der  römischrechtlichen  Be- 
rechnung der  Antichrese  eingeführt  wurde ,  immer  aber  war  mit  letzterer 
auch  die  gesetzliche  Billigung  der  Pfandnutzung  und  einer  bestimmten 
Zinshöhe  ausgesprochen. 


VII.  1.  Körn.  Recht,  b.  Das  roiu.  Ecclit  tritt  J.  Wuchergcs.  entgegen.     477 

vom  Schaden  (dammim  emergens)  auf  den  Gewinn  (Iticnt)ii 
cessnns)  förderte  das  Kaiserrecht  die  Wucherangelegenheit 
bedeutend  zu  Gunsten  des  Verkehrs  (S.  169  —  17G).  Und  so 
bot  es  der  deutschen  Praxis  keine  geringe  Stütze,  wenn  man  all- 
gemein seit  dem  16.  Jahrhundert  ^)  speziell  m  den  Gerichten  -), 
zumal  im  Reichskammergerichte  und  in  den  höchsten  Gerichts- 
höfen der  Einzelstaaten  auf  das  römische  Recht  liinwies  als 
Beweis  für  die  Fruchtbarkeit  des  Geldes,  für  die  Ungefähr- 
lichkeit,  die  Nothwendigkeit  der  Vergütung  für  Kapitals- 
nutzung ,  für  die  Billigung  der  Conventionalzinsen  beim  Dar- 
lehn ümerhalb  der  gesetzlichen  Höhe  (VIII.  1  —  4.  IX.  2.) 
Auch  in  dieser  Frage  leistete  daher  das  fremde  Recht  vor 
Allem  dadurch  der  heimischen  Rechts gewohnheit  Hilfe, 
dass  es  seine  Entscheidung  als  übereinstimmend 
mit  letzterer  offenbarte,  und  so  der  für  sich  und  durch 
eigene  Kraft  ausgebildeten  eine  neue  und  nicht  germge  Stütze 
bot.  Was  zögerte  man  noch,  auch  hier  das  römische  Recht 
zur  Geltung  kommen  zu  lassen ,  da  es  doch  in  so  vielen  andern 
Rechtspunkten  zum  Siege  gelangt  war  und  fort  und  fort 
gelangte  ? 

Mit  dem  römischen  Rechte  indessen,  mit  seiner  Unter- 
stützung des  heimischen  Gewohnheitsrechtes  zog,  man  darf 
sich's  nicht  verhehlen ,  eine  neue  Schranke  der  Zinsverhältnisse 
in  Deutschland  ein,  welche  bis  auf  die  Gegenwart  ähnlich 
jenem  kanonistischen  Wuchergesetze ,  den  Verkehr  des  Kapi- 
tales mit  unfruchtbaren  Schlingen  einengt.  Das  war  die  echt 
romanische  Schranke  des  polizeilich -gesetzlichen  Zinsmaxi- 
mums. Getreu  dem  deutsclien  Geiste  voller,  freier  Entfaltung 
des  Individuellen  liätte  bei  seinem  Anringen  gegen  die  kircli- 
lichen  Wuclierfesseln  derselbe  mit  Beseitigung  des  letzteren 
voraussichtlich  nicht  sich  freiwillig  eine  neue  Fessel  um 
die  Glieder  gesclilungen,  wenn  nicht  der  unmittell)are  und 
mittelbare   Eintiuss   des   römisch  -  rechtlichen   Zinsmaximums 


1)  Leider  mit  zu  geringer  Kenntnis«  oder  vornclmier  Absiicisung  der 
Volkswirthscliaftslehre    gerade    bei   den    röiiiisili  -  reclitliclien   Juristen. 

2)  Seit  dem  14.  Jalirhundert.  Heineccius,  hibtor.  jur.  p.  lUoG. 


478     Vn.  1.  T\öm.  Recht,  h.  Das  röin.  Eechttritt  d.  Wucherges.  entgegen. 

der  Gesetze  iliin  /.um  Siege  verhalf.  Vielmehr  würde  nach 
Sprengmig  jener  Norm ,  soweit  man  gegen  Geschehenes  aus 
den  Voraussetzungen  desselben  urtheilen  darf,  das  deutsche 
Verkehrsleben  den  wirtlischaftlichen  Standpunkt  voller  Zins- 
freiheit errungen  haben,  welcher  jetzt  erst  allgemach  erstie- 
gen worden  ist  und  noch  wird.  Der  vorn  entwickelte  einge- 
borne  Grundsatz  der  Kapitalvergütung  im  deutschen  Eechte 
und  das  siegreiche  Vordringen  desselben  gegen  das  kanonische 
Zinsgesetz  lassen  darauf  schliessen;  positive  Andeutungen 
selbst,  so  in  den  Schriften  einzelner  Kechtskmidiger  jener  Zeit 
(cf.  vn.  2.  c.  3.  b.),  fehlen  nicht. 

So  gut,  kräftig,  schnell  man  das  kirchliche  Zinsgesetz 
abwarf,  musste  man  auch  die  weitere  Forderung  klarsehender 
Köpfe,  eines  Calvin,  Salmasius,  und  diejenigen  des  Verkehrs- 
lebens selbst  erfüllen.  Gerade  bei  dem  Ringen  mit  jenem 
Gesetze  entwickelte  man  sich  fast  zu  gleichem  Ueberdrusse, 
wie  heute  in  der  Wucherfrage ,  das  Unhaltbare  eines  Zwanges, 
welcher  willkürlich  von  oben  her  dem  Leben  aufgedrückt  wird, 
das  Unnatürliche ,  durch  Gesetze  zu  fixiren ,  was  sich  in  stets 
flüssigem,  wogendem  Leben  selbst  regelt.  Wie  eiferte  man 
in  Spott  und  Ernst,  mit  That  und  Wort  gegen  dergleichen 
polizeiliche  Eingriffe ,  Verkaufsverbote ,  Taxen  u.  a.  in  andern 
Gebieten.  Galt  alles  Dies  nicht  auch  für  das  neue  Zinsmaxi- 
mum ,  sobald  es  nicht ,  wie  bisher ,  der  Gewohnheit ,  dem  An- 
gebote und  der  Nachfrage  frei  überlassen  blieb?  Partikular- 
gesetze und  Reichsgesetze  im  16.  und  17.  Jahrh.  schliessen 
sich  zwar  dem  Verkehre  an ,  und  stellen  als  gesetzliches  Zins- 
maxiraum  in  den  meisten  Fällen  ausdrücklich  die  Zinshöhe 
fest,  welche  und  weil  sie  der  Verkehr  überall  herausgebildet 
hatte.  Zunächst  also  und  an  sich  hielten  sie  sich  frei  von  dem 
den  Verkehr  zwingenden  romanischen  Zinsgrundsatze  (IX.  2.), 
thatsächlich  aber  fixirten  sie  bleibend  diese  einmalige  Zins- 
höhe, und  so  wurden  sie  doch  allgemach,  halb  unbewusst  viel- 
leicht, in  die  Fallgrube  des  römischrechtlicheu  Zinsgesetzes 
hineingezogen.  So  ergriffen  die  Einzelfürsten  dann  vom  römi- 
schen Rechte  unterstützt  die  treffliche  Gelegeulieit,  einen 
neuen  Zweig  der  polizeilichen  Regierungsthätigkeit  zu  eröffnen, 


VIT.   2.   Kirchliche  Reformation,   a.  Allgemeines.  479 

und  das  deutsche  Kapital  trat  in  ein  langes  Uebergaugssta- 
dium  zur  vollen  Freiheit  der  Zmsen. 

2.    Die  kirchliche  Reformation. 

a.     Das  Allgemeine. 

Die  Reformation  wirkte  bedeutender  als  das  römische 
Recht  auf  die  Umgestaltung  des  kanonistischen  Wucherverbotes 
in  Deutschland  ein ,  weil  sie ,  die  Schichten  des  Volkes  durch- 
dringend, direkt  gegen  die  Geltung  des  corpus  juris  canonici 
und  der  sonstigen  römisch  katholischen  Erlasse  als  Gesetzbücher 
zu  Felde  zog,  bis  durch  die  wissenschaftlichen  Bestrebungen 
am  Ende  des  17.  Jahrb.,  besonders  dann  durch  die  funda- 
mentalen Arbeiten  Justus  Henning  Böhmers  vielfach  im  eng- 
sten Anschlüsse  an  die  Lehren  des  corpus  juris  canonici  sich 
das  protestantische  Kircheurecht  bildete.  So  brach  die  Refor- 
mation von  vornlierein  thatsächlich  und  rechtlich  das  Ansehn 
der  katholischen  Kirche  in  der  Wucherfrage ,  also  dem  Glau- 
benssatze von  den  Zinsen  ging  durch  sie  die  Spitze  verloren. 
Das  Individuum  befreite  sich  auch  hier  von  den  Autoritäts- 
fesseln ,  man  liess  auch  hier  die  Natur  des  Verkehrs  an  sich 
gewähren  und  lernte  sie  an  sich  ohne  einseitige  Perspektive, 
ohne  vorgefasste  Memung  kennen  und  beurtheilen. 

Falsch  aber  wäre  es,  anzunehmen,  dass  emmüthig  die 
Reformation  gegen  das  kanonische  Zinsverbot  in  die  Schranken 
trat.  Man  vergesse  nicht,  dass  die  Reformatoren  streitende 
Theologen  waren,  und  dass,  so  sehr  sich  danach  auch  das 
Kirchenrecht  auf  rein  kirchliche  Angelegenheiten  einschränkte, 
im  16.  Jahrhundert  docli  bei  weitem  noch  nicht  die  Zeit  gekom- 
men war.  in  welclier  nicht  Gottesstreiter,  die  Bibel  m  der 
Hand,  für  die  wichtigsten  civilen  Rechtsfragen  im  corpus 
juris  canonici  Partei  ergriffen.  Welche  Flut  von  theologi- 
schen Streitschriften  ruft  nicht  der  Zwist  über  die  Banken 
noch  1640  —  60  selbst  in  Holland  hervor.  ^) 


1)  Laspeyres,  Geschichte  der  volksw-irthschaftlichen  Anschauungen 
der  Niederländer  zur  Zeit  der  Republik.   Leipzig  1853.  p.  258  ff. 


480     MI.  -.  KiiH'lil.  TvtMVmiiat.  b.  Liithoni.  seine  Aiiliängor  wirken  etc. 

Hier  nun  gestaltet  sich  die  Wuclierangelegenheit  über- 
einstimmend fast,  wie  im  Gebiete  des  römischen  Rechtsein- 
Hiisses,  —  doch  aus  anderen  Gründen.  Eine  grosse  Zalil  nam- 
hafter Reformatoren  kann  sicli ,  wie  dort  die  grossen  Juristen, 
von  den  kanonistischen  Zinsl)estinnnungen  nicht  losreissen, 
dort  zum  Theil  gedrängt  durch  das  Auselm  der  Kirche  und 
den  festen  Boden,  welchen  sie  Jahrhunderte  hindurch  sich 
bereitet  hatte,  hier'  durchdrungen  von  den  Gründen,  welche 
ursprünglich  das  Ziusgesetz  der  Kirche  erstehen  Hessen. 

Von  Neuem  machte  hier  ja  die  Kirche  einen  Gährungs  - , 
einen  Gebärungsprozess  durch ,  wie  dort',  wo  das  Christenthum 
sich  aus  den  Flammen  des  versinkenden  Heidenthums  erhob. 
Der  wahrhaft  göttliche  Zug,  von  Grund  aus  die  Menschen- 
natur zu  reinigen,  zu  bessern,  neu  zu  gestalten,  und  die 
Nächstenliebe  vor  Allem,  getreu  ihrem  Stifter,  in  die 
Herzen  des  Volkes  neu  zu  pflanzen ,  in  den  Gemüthern  sie  neu 
zu  erwecken,  durchwehte  die  deutsche  Christenheit  mit  heiligem 
Odem  und  fachte  ihren  glühenden  Thateneifer  an.  So  feierte 
das  Zinsverbot  unerwartet  seine  Verjüngung  und  Auferstehung. 

b.    Luther   und   seine    Anhänger   wirken   für   das  kanonische 
Wuchergesetz,  dann  praktisch  dagegen. 

Darum  tritt  Luther,  wie  einst  die  Kirchenväter  und 
Bischöfe  auf  den  Concilien  der  jungen ,  aber  gesunden  Gemeinde, 
mit  flammendem  Zorne  auf  gegen  den  habsüchtigen,  geld- 
gierigen, gewinndürstenden  Kaufmannsstand  und  verdammt 
Alle ,  welche  sich  lohnen  lassen  für  das  Hinleihen  ihrer  Kapi- 
talien. Der  sechsunddreissigjährige  Apostel  des  neuen  Jahr- 
tausends eifert  feurig,  wie  ein  Jüngling;  alle  Gründe,  welche 
die  katholische  Kirche,  Theologen  und  Rechtslehrer  viele 
Jahrhunderte  hindurch  für  das  Dogma  des  Wucliers  gesam- 
melt und  der  unerbittlichen ,  unüberzeugbaren  Natur  des  Ver- 
kehrs entgegengeschleudert  hatten ,  sie  leben  mit  ganzer  Stärke 
weder  in  seinen  Worten  auf  und  tönen  hinaus  auf  den  Markt 
und  die  Strassen. 

„  Wer  also  leihet ,  dass  er  aufsetzt ,  der  leihet  nicht ,  so 
verkauft  er  aucli  nicht,  drirnm  muss  es  ein  Wucher  sein,  die- 


Vn.  2.  Kirclü.Eeforinat.  b.  Luther  u.  seine  Anhänger  wirken  etc.     481 

weil  leihen  von  Art  und  Natur  nichts  Anderes  ist,  denn  etwas 
für  einen  Andern  darstrecken  umsonst  mit  Bedingen ,  dasselbe 
oder  des  gleichmässigeu ,  und  nicht  mehr,  über  eine  Weile 
wieder  zu  nehmen."  ^)  So  tadelt  er  den  Wein-,  Korn-,  Geld- 
wucher, „übers  Jahr  oder  benannte  Zeit  mehr  oder  anders 
wiedergeben ,  das  besser  ist.  denn  sie  geborgt  haben  , "  ^)  .,  wie- 
wol  der  tückische  Geiz  unterweilen  ihm  selbst  eine  Farbe  an- 
streicht ,  als  nähme  er  das  Uebrige  für  ein  Geschenk ,  . . .  Kog- 
gen auf  Korn ,  böse  Münze  auf  gute ,  böse  Waare  auf  gute." 
(VI.  1.)  Sogar  den  Eentenkauf  (Y.  3.  c.  u.  e.)  verdammt  er:  ^) 
„Wiewohl  dieser  Züiskauf  nun  ist  bestätigt  als  ein  ziemlicher 
Kauf  und  zugelassener  Handel,  so  ist  er  doch  hässig."  Die 
Zeit  sei  deshalb  gefährlich.  „  Nun  ist  in  diesem  Kaufe  allezeit 
des  Käufers  oder  Zinsherru  Vortheil  grösser,  besser  und  jeder- 
mann gefälliger  angesehen,  denn  des  Verkäufers  oder  Zms- 
mannes.  Dess  Anzeigen  ist,  dass  man  noch  nie  darumb 
gehandelt  hat  des  Verkäufers,  sondern  des  Käufers  halben. 
Denn  eines  Jeden  Gewissen  befürchtet,  es  möchte  nicht  billig 
sein,  Zins  zukaufen,  so  doch  Niemand  daran  zweifelt,  dass 
ehi  Jeder  das  Seine  vergebe  oder  verkaufe,  wie  gefährlich  er 
wolle.  ..  Darum  ists  nicht  genug,  dass  dieser  Kauf  durch 
geistlich  Reclit  errettet  sei  vom  Wucher,  ...  und  aus  dem  geist- 
liclien  Recht  findet  man,  dass  er  nicht  zur  Liebe,  sondern  zum 
eigenen  Nutz  gezogen  wird. .."■*)  „Und  achte  es  auch  nicht, 
dass  er  denselben  (den  Reichen)  sei  zugelassen,  wie  etliche 
geizige  Blasen  tlmn,  die  auf  benannte  Tage  Zinsen  aufliebeu 
und  frisch  wiederum  dasselbe  auch  auf  Zinse  treiben,  dass 
immer  ein  Zins  den  andern  treibt ,  wie  das  Wasser  die  Mühl- 
räder  "5)   „Darum  sollte  nicht  gestattet  werden ,  dass  man 

Zinse  kaufte  mit  blossem  Gelde,  unangezeigt  und  unbestimmt 
den  Grund  der  Zinsen  (cf  oben  V.  3.  b.  d.),  insonderheit,  wie 
jetzt  der  Brauch  ist  unter  den  grossen  Kaufleuten;  und  faliren 
dahin  und  legen  das  Geld  auf  emen  Grund,  insgemein  und 
unernanut.    Denn  dadurch   geben   sie  der  Natur  des  Geldes, 

1)  Luthers  Werke.   Erlangen  1833.   XX.   Grosser   Sermon  vom 
Wucher  p.  104  ff.        2)  p.  lU5.      3)  \>.  109.      4)  p.  111.  ib.      5)  p.  114. 

Neunianu,  Oe.sch.  d.  Wuchers.  31 


48"2     VTl.  "J.  Kirdil.Tiofoniial.   h.  Liilhcr  u.  seine  Anliäiigor  wirken  etc. 

das  docli  nur  sein  Glück  und  Zufall  ist.  Es  ist  nicht  die  Natur 
des  Geldes ,  dass  es  einen  Grund  kaufe ,  sondern  os  mag  zufäl- 
lig ein  Grund  feil  werden  auf  Zinse,  da  etlicli  Geld  zu  nütze 
sei.  Das  geschieht  aber  nicht  allem  Grund,  auch  nicht  allem 
Geld.  Darum  soll  man  den  Grund  nennen  und  eigentlich 
bestimmen.  Weiter^)  sage  ich,  ists  nicht  genug,  dass  der 
Grund  baar  da  sei  und  ernennet  werde ,  sondern  soll  klärlich 
Stück  bei  Stück  angezeigt  werden  und  das  Geld  und  Zinse 
darauf  gpweiset werden  ...  und  das  alles  noch  frei,  unverkauft, 
unbeschwert  und  nicht  ganz  auf  Haufe  das  Gut  beschweren. 
Denn  wo  das  nicht  geschieht ,  da  muss  eine  Stadt  oder  armer 
Mann  im  Sack  verkauft  werden  und  durch  den  blinden  Kauf 
in  Grund  verderben  . . .  also  muss  das  arme ,  wenige  nachblei- 
bende Gut  tragen  des  ganzen  vorigen  vollbertigens  Haufens 
Bürde  und  Kosten.  Welches  nicht  geschähe ,  wo  ausgedrückt 
ist  Stück  für  Stück ,  sondern  der  Zins  bliebe ,  führe ,  schwebte 
gleich  seinen  Gründen ,  wie  er."  ^)  Die  Gefalir  stehe  sonst 
stets  beim  Käufer,  hier  beim  Verkäufer,  dieser  müsse  nicht 
den  Grund ,  sondern  seine  Arbeit  verkaufen.  ^)  Das  aber  sei 
kein  Wucher,  wann  der  Käufer  der  Rente,  der  Verkäufer  des 
Kapitales  bedürfe  und  nun  ein  Rentenkauf  geschlossen  werde. 
Nur  müsse  diese  Rente  dem  Ertrage  des  Gutes  angemessen 
sein  und  sich  nicht  auf  eine  zu  kleine  Summe  erstrecken ,  „  die 
man  leichtlich  mit  Geben  und  Leihen  ausrichte."  Sieben  bis 
10  Prozent  fordere  man  aufs  Hundert.  Die  Kirche  thue  das 
ebenfalls  (V.  3.  c.)  „  Wenn  alle  Welt  zehn  aufs  Hundert  nähme, 
so  sollten  doch  die  geistlichen  Stifte  das  gestrengste  Recht 
halten  und  mit  Fürchten  vier  oder  fünf  nehmen."  „ . .  Diesen 
Teufeln  zu  steuern ,  die  Armen  zu  retten  und  ihnen  zu  helfen, 
ist  Sache  der  Pfarherrn  und  Prediger,  wie  der  Juristen,  damit 
die  Wucherer  ein  Gewissen  kriegen  und  ihr  verdammt  Wesen 
erkennen  wollten.  Deshalb  sollten  sie  —  als  rechter  Bischof — ^) 
den  Wucher  auf  der  Kanzel  getrost  schelten  und  verdammen, 
den  Wuchrern  weder  Sakrament  noch  Absolution  rei- 


1)  p.  115.  ib.        2)  p.  ll'j.  ib.        3)  p.  IIÜ.  ib.       4)  So  geht  Luther 
ganz  ins  kanonische  Recht  über. 


VIJ.  2.  Ivirehl.  Uefurniat.  b.  Luther  u.  seine  Aiiliiinger  wirken  etc.     483 

cheii,  sü  lange  sie  nicht  büssen,  damit  sie  sich  nicht  deren 
Sünden  tlieilhaftig  machen ,  sie  in  S  t  e  r  b  e  n  liegenlassen, 
wie  einen  Heiden ,  nicht  mit  unter  die  Christen  begraben ,  noch 
mit  zu  Grabe  gehen,  so  er  niclit  gebüsset  hat.  ^) 

Aber  gegen  den  neuen  Sturm  der  kanonischen  Zinsgesetze 
standen  die  Gegner  nicht  mehr,  wie  früher,  Avehrlos.  Die 
grosse  Klasse  der  Besitzenden ,  die  Jahrhunderte  natürlicher 
Kapitalsentwicklung  stellten  sich  mit  JSlachdruck  dem  gegen- 
über. Selbst  einzelne  weltliche  Fürsten  und  Gesetzgeber  fan- 
den durch  Einsicht  in  die  wirthschaftlichen  Verhältnisse,  wol 
auch  aus  Furcht  vor  neu  hereinbrechenden  Zwisten  und  aus 
Rücksicht  auf  ihre  eigene  Schuldlage  sich  bewogen ,  ihre  Ge- 
setze und  Macht  gegen  jene  Sittenprediger  zu  kehren.  Heftige 
Streitigkeiten  entbrannten  in  Verfolg  dessen  mit  der  eifernden 
Geistlichkeit.  In  dem  Zweifel  und  Gewirre  der  für  die  Praxis 
so  wichtigen  Lehren  hielt  man  zähe  fest  an  den  Grundsätzen 
der  Schrift  und  den  daraus  gezogenen  kanonistischen  Folge- 
rungen, man  schwor  und  handelte  auf  Luthers  Worte  und 
Geheiss ,  von  weit  und  breit  berief  man  Gutachten  geistlicher 
Collegen  und  der  Theologen  berühmter  Hochschulen.  Als 
Alles  das,  wie  voraus  zu  sehen,  keine  Einigung  ermöglichte, 
opferten  charakterfeste  lutherische  Prediger  lieber  ihre  Stellen, 
als  dass  sie  gegen  ihre  Ueberzeugung  den  Lehren  Luthers  und 
(Jhristi  zuwiderhandelten  und  das  Zinsnehmen  scliweigend 
duldeten.  ^) 

1)  cf.  ebenso :  k  1  e  i  n  e  r  S  e  r  ni  o  n  v.  W  u  c  h  e  r.  1519.  p.  1'25  tF.  von 
Kaufshaudlung  und  Wucher.  1524.  p. 204:ff.  Vermahnung  an 
die  Pfarrherrn ,  wider  den  Wucher  zu  predigen.  1540.  (Werke 
ed.  Loniler,  I.  p.  89  ff.  IIT.  80  if.  118.)  2)  Ein  weit  um  sich  greifender 
Wucherstreit  dieser  Art  brach  15(J4  in  Thüringen  aus  (cf.  Bernhard 
Aneniüller.  Schulprogramni.  Rudolst.  1.%1.  M.  Bartholomäus  Gcrn- 
hard  und  der  iiudolstädter  Wucherstreit.),  besonders  in  den  ^^tädten  Arn- 
stadt, Weimar,  Jena,  Wasungen ,  Ohrthaiff,  ychleusingen ,  Schmalkalden, 
Wittenberg,  Eisleben,  Rudolstadt.  Pastor  Gernhard  in  letzterem  Orte 
eiferte  gemäss  den  oben  zitirten  Lutherischen  Vorschriften  von  der  Kan- 
zel und  in  der  Beichte  gegen  jeden  Zins ,  den  Zinsforderern  versagte  er 
Sakrament  und  kirchliches  Begräbniss ,  in  Uebereinstinimung  mit  den 
dortigen  Predigern  Bretter,  Köhler,  Kost.    Die  Gegner,  vornehm- 

31* 


484     YII.  2.  Kirclil.  Rofoniiat.  h.  Luther  u.  seine  Auliäiigor  wirken  etc. 

Noch   eiuen   gefährlicheren   Missstand  indessen  rief  die 
neue  Wucheiiehre  hervor.   Das  damals  durch  die  Fülle  geisti- 


lich  zwei  Edelleute ,  berufen  sich  auf  die  wirthschaftlicho  Nothwendigkeit 
des  Zinses  für  den  Besitzer  blosser  Geldkapitalien,  sie  verweisen  auf 
die  längst  geltende  Rechtsgewohnheit  und  sogar  auf  die  kaiserliche 
churfürstliche  und  gräfliche  ausgegangene  Ordnung  und  Satzung.  (Von 
den  Eeichsgesetzen  zwar  war  erst  der  Ziusfuss  des  Rentenkaufes  geregelt, 
dagegen  hatte  das  Churfürstenthuni  Sachsen  bereits  1550 ,  ja  die  Graf- 
schaft Henneberg  schon  1539 :  5  resp.  6  "/„  Darlehnszinsen  gebilligt  (cf. 
u.  EX.  2.)  Man  holt  die  Gutachten  der  Theologen  in  Wittenberg, 
Leipzig  und  Jena  ein  (Anemülller.  S.  13.).  Wittenberg  verweist 
bereits  richtig  darauf,  dass  eine  regula  universalis  hierin  nicht  aufzu- 
stellen sei,  weil  Land,  Gewerbe,  Zeit,  Wohlf eilung,  Theurung,  Krieg, 
Vermehrung  der  Menschen ,  Beschwerung  und  Verhinderung  im  Handel 
und  Handwerker  ungleich  seien.  Was  ist  das  für  ein  Eiver?  Wenn  sie 
die  „Krämer,  Brauer,  Bäcker,  Fleischer  und  Handwerker  und  Hantirer 
ohne  Geld"  nicht  ad  communionem  lassen  wollten,  die  das  Hundert 
durch  jährliche  Nutzung  viel  höher  brächten,  denn  5  Procent,  was  wollte 
man  für  Conmiunikanten  behalten?  Man  müsse  unterscheiden  zwischen 
vnituationihus  officiosis ,  die  graiuita  sein  müssten,  und  den  andern  ,  die 
simpliciter  auf  den  quaestum  und  das  Verderben  der  Armen  gerichtet 
sind  (Verfasser  ist  Paul  Eber.).  Die  Leipziger  stimmen  wesentlich  Me- 
lanchthon  bei  (cf.  u.)  und  fügen  offen  hinzu:  Sollten  stattliche  Personen, 
die  mehrere  Tunicas  hätten  oder  die  vornehmsten  Händler  excomnmnicirt 
werden?  Die  Jenenser  urteilen  mehr  nach  der  wirthschaftlichen  Seite 
der  Frage  gegen  das  Ziusverbot  (denn  Job.  Stoesscl ,  der  Verfasser  ihres 
Gutachtens,  war  Calvinist.  cf.  VH.  2.  c).  Dr.  Merlin  in  Coburg  bil- 
ligte 5 "/o  )  ein  Prediger  inHilpurgk  verwirft  alle  Zinsen ,  ebenso  Pred. 
Ambsdorff  in  E  i  s  e  n  a  eh.  Das  geistliche  Ministerium  in  Er  f  u  r  t  schliesst 
sich  enge  an  die  alte  Lehre  von  Luther ,  Pomeranus ,  Creutziger  und  ver- 
dammt jeden  Zins,  ebenso  die  Geistlichen  in  Mansfeld  und  Eisleben. 
Die  fürstlichen  Herrschaften  Gernhards  mühen  sich  vergebens ,  ihn  in  der 
Zinsfrage  nachgiebig  zu  stimmen.  Sie  holen  noch  ein  Gutachten  der 
Tübinger  Hochschule  ein.  Dieselbe  sprach  sich  gegen  alle  Zinsen  aus 
(Andreae,  Schnepf,  Oslander ,  Brentz ,  Bitenbach.) ,  während  zwei  Wür- 
temberger  Juristen,  Kauzler  Feszler  und  Vicekanzler  Gerhard,  die  Reichs- 
gesetze über  die  5  %  <les  Rentenkaufs  auch  auf  das  Darlehn  ausdehnten 
(Anemüller  p.  18.).  Hmen  traten  später  die  Juristen  der  Universität 
Marburg  (Heistermann)  bei.  Das  allgemeine  Schwanken  der  Theologen 
jener  Zeit  in  der  Zinsfrage  offenbart  sich  liier  daher  schlagend.  Da  keine 
Einigung  zwischen  Gernhard,  seinen  fürstlichen  Machtliabern  und  den 
zinsfordernden  Gliedern  seiner  Gemeinde  erzielt  wird,    bittet  Gernhard 


VII.  2,  Kirchl.  Refonnat.  1).  Luther  n.  seine  Aiiliänger  wirken  etc.     485 

ger  Gährung  gerade  in  materiellen  Fragen  erregte  Volk  trach- 
tete die  von  der  neuen  kirchlichen  Autorität  mit  neuer  Lebens- 
kraft 1)eseelten  Zinsgrundsätze  sogleich  bei  seinen  eigenen 
drückenden  Schuldverliältnissen  als  Erlösung  anzuwenden.  Es 
drehte  jetzt  den  Spiess  selbst  gegen  seine  Gläubiger.  Der  Ka- 
pitalverkehr mit  Zinsen  war  indess  bereits  so  erstarkt,  dass 
die  aufgeregte  Menge  gleich  den  Eeformatoren  ein  Heer  von 
einflussreichen  Gegnern  fand,  welche  sich  zumal  durch  die 
blos  mit  Gewalt  entscheidende  Masse  nicht  mehr  von  der  Rich- 
tigkeit des  Wucherverbots  überzeugen  liessen,  wie  ehedem 
durch  die  geistige  Macht  der  Kirche. 

So  entstanden  in  der  Menge  drohende  Zinsaufstände  z.  B. 
in  Danzig,  in  Kopenhagen.  Keine  Zmsen!  wurde  eine  der 
Parolen  der  zu  Neuerungen  stürmenden  Masse ;  und  in  dieser 
Forderung  konnte  man  den  Bürger  -  und  Baueraufständen  nicht 
vorwerfen ,  sie  hätten  die  Reformatoren  der  Kirche  falsch  ver- 
standen. 


selbst  um  seine  Entlassung.  Inzwischen  Avaren  aber  wegen  der  Zinsfrage 
bereits  Pfarrer  Bios  in  Arnstadt  und  Superintendent  Weber  in  Ohrdruff 
ihres  Amtes  entsetzt  und  „in  Hunger  und  Elend  gejagt,"  aber  sie  wichen 
„keinen  Finger  breit"  von  Luthers  Wucherlehre.  Gernhard  schreitet, 
je  weniger  er  ausrichtet,  immer  weiter  im  Eifern,  er  beweist  selbst  den 
Untergang  der  Welt  für  das  Jahr  1588  (1.  c.  p.  22.)  Das  Verweisen  auf 
die  Gestattung  der  5  %  Zinsen  in  den  Landesgesetzen ,  auf  die  überall 
geforderten  Prozente  ist  umsonst,  ,,alle  Wolt  drunge  Uff  das  5 
Von  100,"  auch  die  Päicksicht  darauf,  dass  Luther  selbst  seine  Zinsansicht 
wideiTuf en ,  hilft  Nichts .  Auch  Musaeus  in  G  e  r  a  und  die  N  o  r  d  h  ä  u  s  e  r 
Theologen  Fabricius ,  Otho ,  Neuschild  und  Eckstein  erklären  jetzt  über- 
einstimmend mit  Gernhard,  man  müsse  gegen  alle  Zinsen  eifern,  wie  Luther 
(1.  c.  p.  27.) ,  dagegen  äussern  sich  die  Wa  1  d e  c  k  s  c  h  e  n  Theologen  ,  5  7(i 
Zinsen  verwürfen  sie  nicht  und  unterscheiden  hier  wiederum  sehr  klar  und 
bezeichnend:  lex  (usuraria)  seiin  gener  e  necessaria,  qnatenus  incolu- 
mitati  reipiMicae  servit  et  commoda  est  civibus ,  in  specie  autem  non 
necessaria  . .  magistratus  permittit  usuram  (5  %)  ut  hac  raiione  juventur 
cires  et  consulaiur  sahiti  reipiiblieae  etc.  (p.  34.  1.  c).  Endlich  kann  erst 
durch  Entfernung  Geriihards  von  seiner  Stelle  Ruhe  in  der  Eudolstädter 
Gemeinde  geschafft  wer<lcn  (ib.  p.  34.  35.).  —  An  and(>rn  Orten  drang 
gerade  diese  ^Charakterfestigkeit  der  lutherischen  Geistlichkeit  derart 
durch ,  dass  die  kanonisti sehen  Zinsverbote  mit  Hülfe  der  Gegnerin  Re- 
formation in  den  Gesetzen  der  Einzelterritorien  neues  Leben  gewannen. 


•1S()     VII. '2.  Kinlil.  Rcfonuat.  1).  Lutlioru.  seine  Anhäncfcr  wirken  etc. 

Da  evkannteu  die  Keformatoren ,  von  dev  geängsteten  und 
verwirrten  weltlichen  Obrigkeit  zur  Entscheidung  in  der  heik- 
ligen  Frage  vielf^ich  aufgefordert,  nur  7A1  klar,  wohin  die  prak- 
tische Ausführung  ihrer  kanonistischen  Zinslehren  gelangte.  ^) 
Da  überzeugten  sie  sich  von  dem  Fehler,  den  die  Kirche  vor 
ihnen,  und  sie  jetzt  mit  der  Kirche  gemacht,  und  theils  in 
offenem  Bekenntnisse  des  Irrweges,  theils  im  bequemeren  An- 
schlüsse an  die  bereits  m  der  kanonistischen  Kechtslehre  auf- 
gefundene Ecihe  der  Zinsausnahmen  begrenzten,  ermässigten, 
verwarfen  sie  ilir  Wucherverbot. 

An  dieser  Klippe  brachen  sich  auch  die  Ansichten  Luthers, 
so  eifrig  sie  zuvor  ausgesprochen  waren.  Nicht  aus  tiefer  ein- 
dringender Erkenntniss  der  wirthschaftlichen  Gründe  des  Zins- 
forderns ,  insbesondere  der  wirklichen  Produktivität  des  Kapi- 
tales, vielmehr  aus  Einsicht  in  die  bedenklichen  praktischen 
Folgen  seiner  obigen  wirthschaftlichen  Grundsätze  mässigte 
und  berichtigte  er  frühe  schon  die  letzteren.  Das  lehrt  sein 
bisher  ungedruckter  Brief  an  den  Danziger  Eath  vom 
Frühjahre  1525  (Beilage  F.  hinten.)  Gerade  hier,  dem  Auf- 
stande des  Volkes  gegenüber,  erschrickt  er,  was  seine  ideellen 
Ansichten  ausrichteten ,  sobald  man  sie  unmittelbar  verwirk- 
lichen wollte.  In  diesem  Briefe  erklärt  er  ausdrücklich,  man 
dürfe  nicht  mit  i  d  e  a  1  e  n  F  o  r  d  e  r  u  n  g  e  u  a  n  d  i  e  W  e  1 1 
der  Thatsachen  tretenundsienachjenemMaass- 
stabe  sofort  modeln.  Dies  in  Wahrheit  hatte  er  gethan, 
wie  einst  die  erstehende  christliche  Kirche  den  nämlichen 
Fehler  beging.  Wer  wollte  vom  sittlichen  Standpunkte  aus 
nicht  die  vollkommene  Nächstenliebe  billigen  und  danach 
trachten ,  sie  so  viel  als  möglich  zu  bethätigen.  Aber  die  ideale 
Sittenlehre:  liebe  deinen  Nächsten,  wie  dich  selbst!  in  ein 
weltliches  Gesetz  zu  fassen  und  nun  alle  die  Tausende  zu  stra- 
fen   an  Vermögen   und  Körper,    welche  den  Nächsten    noch 


1)  cf.  J.  S.  Mill.  Princiiiles  V.  cp.  10,  2.  „..  ihtis  rewarding  men, 
for  ohtaining  the  property  of  others  hy  false  promises ,  and  then  not  only 
refusing  payment ,  but  mvokwy  legal  penalties  cm  those,  tvho  have  helped 
ihem  in  tlieir  neeä." 


Yll.  2.  Kirdil.  llcroniiat.  b.  Luther  u.  .seine  Anhäng-er  wirken  etc.     4<S7 

nicht,  wie  sich  selbst,  lieben  können  oder  wollen,  heisst  zu 
sittlichem  ZAvecke  Unsittliches  vollführen.  Statt  Gerechtigkeit 
mindestens  und  Liebe  säete  man  Ungerechtigkeit  und  ern- 
tete Hass. 

Daher  erwähnt  er  in  jenem  Briefe  mit  Sätzen,  welche 
verdienen ,  der  theologischen  und  allgemein  der  wissenschaft- 
lichen (^rtliodoxie  aller  Zeiten  vorgehalten  zu  werden,  geistige 
Dinge  Niemanden  aufzunöthigen,  zum  zinslosen  Leihen  Nie- 
manden zu  zAvingen.  Daher  will  er  allmählich  es  angebahnt 
wissen,  da  einmal  die  Zinsforderung  bisher  in  der  Kegel  gewe- 
sen sei  und  man  diese  Kegel  anerkennen  müsse.  Und  seine 
früher  gegebenen  Kathschläge  verwirft  er,  „Das  Evange- 
lium lehret  woll  frey  alle  gutter  fahren  zu  las- 
sen, aber  wer  mich  dazu  dringet  oder  zwinget, 
der  nimbt  mir  das  meine."  Statt  jener  giebt  er  bezeich- 
nend zwei  neue  Kegeln  über  den  Wucher.  Einmal  solle  man 
sich  in  den  nach  weltlichen  Gesetzen  gebilligten  Kentenkauf 
von  5  7o  schicken ;  sodann  solle  man  nach  Ansehn  der  Perso- 
nen, der  Zeitumstände  u.  s.  w.  auf  gütlichem  Wege  allgemach 
eine  Herabsetzung  der  Zinsen  zu  erzielen  suchen.  Ueberein- 
stimmend  damit  sagt  er  in  der  „Vermahnung  an  die  Pfarr- 
herrn, vom  Wucher  zu  predigen"  (1540)  über  den  Kenten- 
kauf: „  den  käutiichen  Zins  habe  ich  hier  mit  nichten  gemeint ; 
denn  was  ein  redlicher  Kauf  ist,  das  ist  kein  Wucher."  So 
Luther  selbst. 

Gleich  Luther  stellten  sich  auf  Seite  des  kanonistischen 
Wuchergesetzes  Mel an chthon,  welcher,  trotz  seiner  über- 
schwänglichen  Lobpreisungen  des  römischen  Kechtes  sich  hier 
eng  an  das  kanonische  Kecht  anschloss  und  das  Zinsfordern 
für  eine  Verletzung  der  göttlicheji  und  sittlichen  Gesetze 
ansah,')    ferner  gerade   durch   Melanchthons   rein    scliolasti- 


1)  cf.  Gutachten  über  den  Zinswucher  auf  JBefragen  des  Königs  Chri- 
stian  IV.  von  Dänemark  1053  bei  Ludwig,  reliqq.  Mss.  IV.  p.  358.  cf. 
auch  die  nächste  Note:  Briefe  des  Zach.  Ursinus  an  Crato  von 
Kraftheim  von  1557  und  1561.  J.  H.  Böhmer,  jus  eccles.  prot.  L  c. 
§.  XXXIII.  Gleich  ihm  liandelten  B  r  c  n  t  i  u  s ,  H  i  e  r  o  n  y  m  u  s ,  W  e  1 1  e  r. 
Fleischer,  Einleitung  ins  geistliehe  IJeeht.   Halle  1750.   IL  33.  p.  (503. 


488    VII.  2.  Tvivclil.I^ororinnt.  b.  Liithcni.  seine  Aiiliäiigcrwirlccn  etc. 

sclie  Beweisführung  bewogen ,  geständlich  oline  eigenes  Urteil 
in  der  verzwickten  Sache,   Ursin us,   Crato   von  Craft- 
heim,  Martyr,  BiiUinger,   Muskulns,^)   ebenso,   wie 
die  grössere  Zahl  der  andern  Theologen  auf  Luthers  Wucher- 
lelire  schwor.  '^)   So  stritt  man  trotz  den  besten  Scholastikern 
eifrig  in  diesen  lieihen ,  ob  der  Kaiser  und  weltliche  Mächte 
überhaupt  befähigt  und  berechtigt  seien,  jene  göttlichen  Ge- 
setze durch  ihre  weltlichen  Edicte  über  die  Zinsen  zu  ändern 
oder  zu  beschränken.   Was  half  da ,  dass  Luther  auf  der  Horn- 
berger Synode  den  Beschluss  durchgesetzt  hatte,  die  Prote- 
stanten sollten  das  jus  catJioUcum,  mit  Unrecht  jus  canoni- 
cum genannt,  nicht  nachlesen.   Das  jus  catJiolicum  über  den 
Wucher  Avar  lebendig  geworden  in  den  feindlichen  Schaaren ! 
Ja ,  noch  mehr ,  man  wüthete  mit  Fluch  und  Schmähschriften 
wider  die  eigenen  kirchlichen  Parteigenossen ,  welche  in  dieser 
brennendsten   Frage   sich   nicht  jener  Meinung   anschlössen, 
so  gegen  Calvin  und  dessen  Anhänger  Oekolampadius, 
Viretus,  Kivetus.   Und,  wie  bei  den  eintiussreichen  Juri- 
sten des  römischen  Kechtes ,  blieb ,  was  oben  schon  von  Luther 
bemerkt  wurde,    das   Gutachten   dieser   Reformatoren   nicht 
bloss  von  litterarischer  Bedeutung,  vielmehr  fand  es  in  den 
Gesetzen  und  der  Gerichtspraxis  sofortige  Anwendung.   Denn 
gerade  in  Folge  entstandener  Volkserhebungen   oder  gesetz- 
geberischer Bedenken  hatten  sich  grössere  und  kleinere  Obrig- 
keiten um  endgültige  Entscheidung  an  die  Reformatoren ,  als 
die   m   allen  Fällen  maassgebenden  Autoritäten   des   Geistes 
gewendet,  so  Danzig  u.  v.  a.  an  Luther,  Dänemark,  Braun- 
schweig an  Melanchthon ,  Breslau  an  Ursinus.  ^)  Allein  trotz- 
dem auch  die  Reformatoren  ausser  Luther  so  gewaltig  für  den 


1)  cf.  die  unten  gedruckten  Briefe  des  Ursinus  u.  a.  2)  cf.  ob.  die 
Anführungen  aus  dem  Eudolsttädter  Wucher  streite.  —  An  emulier,  Pro- 
gramm 1.  c.  p.  4.  7.  „  ohne  alle  Eücksicht  stellten  sich  diese  nur  auf  sein 
Wort."  3)  Auch  Privatleute  thaten  dies,  so  aus  Mansfeld  Philipp 
Gluespies  1543  an  Luther.  —  Anemiiller.  1.  c.p.  17.  In  Eisenach  andrer- 
seits griff  Melanchthon  auf  Luthers  oder  Spalatins  Veranlassung  gegen 
den  Pastor  Jacob  Strauss  selbst  ein  1524.  Bretschneider,  corp.  Kefor- 
inatoruni.  1.  p.  655. 


VII.  2.  Kirchl.  r!oformat,  1),  Lutlicr  n.  seine  Anliäiifjjcr  wirken  etc.     489 

Glaubenssatz  des  Zinsverbotes  eiferten,  sie  tragen  doch  andrer- 
seits ebenso,  wie  Luther,  der  dringenden,  der  immer  lauter 
ertönenden  Forderung  des  ausgedehnten  Kapitalverkehres 
Keclinung.  Nur  sind  sie  nicht  genug  klare  Denker  in  diesem 
Punkte,  um  den  von  ihnen  begangenen  Fehler  einzusehen, 
oder  nicht  Männer  genug,  ihn  offen  anzuerkennen.  Sie  schlies- 
sen  sich  lieber  an  die  gewundenen  Auswege  des  kanonischen 
Eechtes ,  der  Scholastiker  und  des  praktischen  Lebens  selbst. 
So  vertheidigen  sie  den  Zins,  wo  er  für  die  Gefahr  des  Gläu- 
bigers, für  seinen  Schaden,  seinen  entgangenen  Gewinn  ent- 
richtet wird ,  sie  schützen  das  zinsbare  Darlehn  mit  dem  Man- 
tel des  Gesellschaftsvertrages.  Dann  gestehen  sie  aber  wieder 
unverhohlen,  sie  verständen  eigentlich  gar  nichts  Eechtes  von 
der  Sache,  sie  nennen  sich  miscri  scliolasticl  und  geben  sich 
ganz  dem  Einflüsse  der  Autorität,  besonders  Melanchthons 
hin.  Ein  vornehmlich  klares  Bild  hiervon  gewähren  zwei  Briefe 
des   Zacharias   Ursinus   an   Crato   von  Craftheim.  ^)    Ursinus 


1)  cf.  Gillet-,  Crato  von  Crafftlieim.  Frkf.  a.  M.  1860.  H.  p.  47,3. 
Ursinus  schreibt  in  einem  Briefe  an  Crato  1557.  d.  27.  Februar  aus  Wit- 
tenberg (ex  autogr.  Ms.  R.  IX.  316)  „  .. .  petivi  etiam  a  D.  Philippo  (Me- 
lanchtbon) ,  ut  sententiam  suam  diceret  mihi  de  lege  Wratislarietm ,  qua 
iubetur ,  semissis  uswarum  (6  "/„)  sumi  de  pecunia  pupillornm.  A  quo 
tarnen  interrogatus  essem ,  non  dixi.  JRespondebat ,  legem  eam  justam 
esse,  si  animi  sint  iJarati  ad  ferenda  etiam  damna,  si 
qua  debitor  faceret.  Sic  enim  fieri  legiiimum  coniracUim  societa- 
tis.  Si  vero ,  qui  collocant  pecuniavi ,  non  sint  pnndi  ad  ferendam  par- 
tcm  dnmnorum ,  hoc  injuHtum  esse.  Quod  autem  inde  raiiocinantur  idem 
licere  in  re  p>ropria,  id  se  totum  concedere  in  simili  ca%isa ,  si  servetw 
ratio  quae  dicta  est.  Praeter ea  jubebat  ea  me  scribere,  quae  paulo  ante 
dietavit  in  lectione  officiorum  Ciceronis  de  mutuationibus  et  usuris.  Ea 
tametsi  cum  aliis,  quae  de  contractibus  ibi  dietavit,  edita  iri  credo, 
tarnen,  qui  Excell.  vcstram  desideraturam  putavi ,  a  Jungs cholzio 
petii,  tit  describeret.  Hoc  etiam  adjiciebut,  I).  Lutherum,  cum  dam- 
naret  tisuras ,  tamen  concessisse  ,,  Ein  Wucher  lein."  Se  etiam  scire, 
quae  contra  disputarenttir ,  sed  non  posse  de  omnibus  responderi.  Item: 
ante  aliquot  atmos ,  cum  in  Dania  essent  magni  tumultus  de  usuris, 
se  in  hanc  sententiam  sc7'ipsisse  ad  Hegern  et  eam  probntam  fuisse  Can- 
cellaris  magis ,  quam  aliorum.  Nupcr  etiam  de  simili  quaestione  eadem 
se  scripsisse  Brunswi ga in.  Haec  fere  sunt  mihi  a  D.  PJiiJippn 
responsa ,  quem  ideo  infcrrogabam  ,  quia  de  hoc  casu  in  re  PupiJlorum 


400     Vll.  "_*.  Kiiclil.  Kofoniiiit.  li.  Lullioni.  .soiuo  Auliäugi'v  wirken  etc. 

strebt  darin,  wie  deutlich  erliellt,  in  den  Kern  der  Frage  ein- 
7Aidringeu ,  fängt  sicli  aber  in  den  Sclilingen  des  kanonischen 

de  ijjsius  sententia  nondum  mihi  constabat.  Plura  forlassis  colliget 
Excell.  restra  ex  üs ,  quae  mitto  descripta ,  quamquam  eadem  fere  tradi- 
dit  in  Ethicis.  D.  Majorem  ab  ipso  non  credo  dissentire.  Proposita 
autem  sententia  D.  Philippi  ego  nee  possum  nee  debeo  diversum  sentire. 
Agnoseo  enim ,  menni  jndieium  nullvm  esse.  Quare  non  debet  quisqtiam 
de  eo  quaerere.  Discedenduni  e  PepubJica  propter  legem  de  semisse pupil- 
lorum  non  censeo.  Sed  Privilegium  pupillorum,  si  quis  ita  vuU  esse,  nee 
traJiendum  ad  x>raetextum  avaritiae  nee  servandum  cum  alterius  detri- 
mento.  Leges  positivae  enim  non  debent  pugnare  cum  Decalogo,  qui  vetat 
quenqunm  ditari  cum  alterius  damno.  Si  res  pupilli  non  debent  minui 
et  tarnen  oportet  esse,  iindc  pupillus  educetur,  nescio  an  non  possit  referri 
ad  mutuaiionem  damnosam  talis  collocatio  pecuniae  pupilli  ut  is ,  qui 
utatur  ea,  nullam  faciat  compensationem  unde  pujnllus  interea  vivat. 
Sed  tarnen  interea  non  negligi  regulam  oportet,  ne  compensatio  damnosa 
sit  Uli,  qui  usurpat  pecuniam.  Tutoris  igitur  judicio  et  conscientiae 
relinquitur,  ut  et  cum  pupillo  et  cum.  eo ,  ctii  committit  pecuniam ,  bona 
fide  agat.  Sic  rede  servari  posse  legem  de  bonis  pupillorum  arbiträr. 
Expeditior  est  responsio  de  societate:  sed  hac  fortassis  ratione  magis 
esset  extra  periculum  sors  pupillorum,  si  dicamus  esse  mutuationem 
damnosam  sine  compensatiofie.  Nam  in  mutuaiione  debet  salva  manere 
sors ,  quae  aliquando  jict'iclitatur  in  societate.  Videtur  enim  mihi ,  auto- 
res  legis  voluisse  viam  monstrare ,  qua  pupillis  parentur  alim,enta  sine 
diminutione  suarum  rerwm  et  tutores  non  pericliientur  de  sorte:  atque 
ita  ratio  tutelarum  esset  expeditior  et  tutior.  Sequor  tarnen  responsioiiem 
D.  Philippi  de  societate :  sed  hanc  meam  cogitationem.  adjeci  tanquam. 
petitu/rus ,  ne  vestra  Excell.  suum  de  ea  Judicium  breviter  mihi  significare 
gravetur.  Ad  argumentum ,  quo  volunt  similem  mutuationem  in  re  pro- 
pria  obtinere ,  videtur  facilis  responsio .  Coneedendum  est  enim,  si  non 
ex  diclo  secundum  quid  colligunt  dictum  simpliciter,  id  est,  si  non  ex- 
tendant  ultra  casum  societatis  aut  mutuationis  damnosae  distinctionem 
illam  mutuationis  officiosae  et  damnosae,  D.  Philipjms  ipse  inter  legen- 
dum,  dicebat,  esse  nervum  totius  causae.  Et  sie  facilis  est  explicatio  dicti  : 
Mutuum  date  nihil  inde  sperantes :  si  intelligutur  de  mutuatione  offi- 
ciosa ,  quae  debet  esse  gratuita ,  qui  non  debet  aliquid  postulari  pro 
nihilo.  Sed  cum  dictum  Christi  pertineat  ad  declarationem  praecepti, 
non  furtum  faeies ,  necesse  est  id  non  pugnare  cum  praeeepto.  Non  igi- 
tw  extenditur  ad  damnosam  mutuationem,  quia  in  ea  sumens  mutuo 
locupletaretur  cum  damno  dantis  mutuum,:  quod  adver satur praeeepto. 
Quaiido  autem  sit  mutuatio  damnosa,  id  relinquitur  cujusque  conscien- 
tiae. Magna  est  varietas  cireumstantiarum.  Itaque  haudscio,  anulla 
lex  positiva  constitui  possit ,  quae  sit  regula  rectissima  omnium  casuum. 


VII.  2.  Kirclil.  T^i'tonnat.  1).  LutluT  u.  .■^ciiu' Anliiingor  wirken  etc.     401 

und  scliolastisclien  Rechtes,  verleitet  durcli  Melanchtlions  An- 
sehn. Dabei  glaubt  er  noch ,  auf  dem  Wege  Calvins  zu  wan- 


Sed  in  singulorum  clijudicatione  eonscientiis  eonsuli  posse  puto ,  si  sint 
in  conspcctH  hae  velnt  fjoicniles  nornuie:  Officium  nemini  dehet  esse  vel 
quaesiui  sei  fraudi ;  nemo  dehet  locupletari  cum  damno  (äterius  ;  discri- 
men  societafis  et  muttintionis ;  definitio  usurae ;  distinctio  mutuationum. 
Processit  autem  epistola  longius ,  qucon  vohieram.  Erat  in  poste- 
rioribus  vestris  litteris ,  Excellen.  vestram  mittere  mihi  genesin  Antenori- 
dis;  sed  non  accepi.  Libros ,  qtios  potero  mittam  cum  marsiipiurio ,  quem 
non  multo  post  tabeUarium  spero  isthuc  r-cnturum.  Exemplar  Eplieme- 
ridum  invenieham  quidem  hie  in  hibliopülio  Bartholomei  Vogel  praeter 
spem  et  missurtis  eram ;  sed  isti  homines ,  qui  melius  de  usuris  possent 
dispiitare ,  quam  nos  miseri  scholastici  non  poterant  adduci ,  ut 
mihi  minoris  venderent  quam  28  gr.,  cum  ego  emerim  gr.  16  et  qui  caris- 
sime  emernnt,  18  grossis.  Alterum  e  Lipsia  nondum  accepi.  Hujus  me 
res  admonet:  quid  vobis  Uli  placent,  qui  de  floreno  in  hehdomadcm 
accipiunt  tres  nummos  ?  Ist  das  eiuwuclier,  oder  ein  Wikherlein  ?  At 
tales  hie  habemus. .."  Ausserdem  hatte  Herr  Hofprediger  Dr.  Gilletzu 
Breslau  selbst  die  Güte ,  mir  nachfolgende ,  bisher  ungedruckte  Stelle  aus 
den  Briefen  des  Z.  Ursinus  an  Crato  zu  cxccrpiren :  Tiguri  13.  Jan.  15ßl 
„  . . .  de  usura  Martyris ,  Calinni,  Bullingeri  eadem  est  sententia ,  quam 
aliquando  ad  vos  Witeberga  scribcbam  de  judicio  Philippi:  in  qua  ego 
ctiam 'num  persevero ,  ut  quam  non  dubitem  ex  fmidamentis  pietatis  esse 
petitam :  videlicet  x^osse  aliquid  muiuo  däntem  pectmiam  accipere  sine 
alter ius ,  cui  mutiio  dat ,  detrimento  ac  pernicie;  quod  fit,  ubi  debitor 
partem  lucri  seu  utilitatis  retinet,  partem  creditori  concedit ;  non  autem, 
ubi  creditor  hierum  exigit,  debitore  vel  damnum  faciente  vel  nihil  lucrante 
rel  lucrante  quidem  aliquid ,  sed  quod  omne  aut  fere  totum  auferat  cre- 
ditor, ita,  iit  creditor  sudorc  debitoris  ditescut ,  debitor  autem  lahoris 
praemium  non  retineat.  Haec  sententia  congruit  cum  regiüa:  quae  vuUis, 
ut  faciant  vobis  homines  etc.  Et  facile  ex  hac  judicari  potest  de  dictis 
scripturae ,  quae  a  vehementioribus  citantur.  Haec  legere  potestis  in 
institut.  Calvini  et  decaditus  Bullingeri  (Predigten,  auch  „  Haus- 
buch über  den  Catcchisniuni "  betitelt,  woraus  sein  Handbuch ,  suiiniia, 
christlicher  Keligion  1550  hervorging)  in  expUcatione  praecepti :  non  fur- 
tum facies.  Martyr  cum  his  consentit.  BIusculus  (von  1531  in  Augs- 
burg, daher  consuetudo  Aug.  civit.  1548  durch  das  Interim  vertrieben, 
seit  1549  in  Bern)  est  aliquanto  severior  in  appetidice  Psalterii  de  usura 
(d.  i.  sein  commenturius  in  Psalmos  Basil.  1550)  ,  forte  propier  civitatis 
Augustanae  consueiudinem.  Sed  si  potero ,  mittam  ad  ros  Buceri  trn- 
ciatiim.  accuratiorem  in  candem  sententia m ,  non  quidem  edituin  sed  ex 
quo  isti  nostti  videntur  sua  habere. . ," 


40*2    A'TT.  2.  l\irclil.  Ecfovinat.  c.  C'alv.  triH  geg.  d.  l<aii,  Wnclicrces.  auf. 

dein ,  der  doch  hierbei  das  einzig  richtige  Mittel  der  Entschei- 
dung .  völlig  verschieden  von  den  AuseinandersetzAingen  Luthers 
und  Molanchthons  nnwendete  (cf.  u.  c.)  Da  Ursinus  folgerich- 
tig und  strenge  die  Frage  zu  entscheiden  trachtet ,  nimmt  er 
Anstoss  daran ,  dass  Luther  „ein  w ü c h e r  1  e i n "  erlaubt ,  den 
Wucher  dagegen  verdammt.  Er  ahnt  nicht,  dass  gerade  in 
dieser  Unterscheidung,  wenn  man  sie  richtig  auifasste,  die 
praktische  Lösung  der  ganzen  Frage  lag.  Denn  mau  konnte 
die  Frage  eben  nicht  streng ,  einheitlich ,  durchgreifend  in  der 
Praxis  entscheiden,  man  musste  in  der  Praxis  bis  zu  einem 
maassvollen  Grade  zugeben,  was  man  vom  idealsittlichen  Stand- 
punkte aus  ganz  verwarf.  Und  so  ist  gerade  jene  Unterschei- 
dung Luthers,  welche  anfänglich  nur,  wie  ein  nicht  folgerech- 
tes Nachgeben ,  wie  ein  schwächlicher  Ausweg  erscheint ,  durch 
die  Gesetze  bald  darauf  durchgeführt  und  verwirklicht  worden, 
indem  man  bis  zu  einem  gewissen  Grade  Zinsen  zu  fordern 
gestattete.  ^) 

c.   Calvin  tritt  gegen   das  kanonistische  Wuchergesetz   auf. 
Calvin  allerdings  gab  der  Gegenpartei  der  Eeformato- 
ren  Grund  genug  zum  Zorne.     Denn  in  einem  Briefe  ^)  ent- 
wickelte er  in  so  klarer  Weise,  als  man  es  für  jene  Zeit  und 


1)  Für  Mündel  übrigens ,  was  hinsichtlich  des  eben  zitirten  langen 
Briefes  des  Ursinus  und  zu  dessen  Veranlassung  bemerkt  werden  muss, 
ebenso  wie  für  Kirchen ,  erlaubten  die  Summisten  schliesslich ,  Zinsen  von 
deren  Kapitalien  zu  nehmen,  cf.  K  up  p  e  n  e  r  (Wucher  C.  17) :  „  der  Vor- 
mund magk  wol  czu  enthaltunge  solcher  armen  weiszen  (Waisen)  \Tid  der 
cristglaubigen  kirchen  ierlichen  ader  sunst  auff  eine  czeit  ein  auffgelt 
nemen  vber  die  hauptsum  ane  beswerunge  der  gewissen ,  sunst  so  der  Vor- 
steher ader  Vormunde  solche  summe  ,  so  er  künde  ,  nicht  auif  gewin  aus- 
trete den  armen  kinden  vnd  kirchen  czu  gutte,  so  must  er  selber  von 
dem  seinen  solchen  gewin  jn  reichen  vnn  ergentzen. . ."  Dazu  zitirt  er 
stellen  aus  dem  römischen  Eechte  und  der  Summa  Hostiensis  (cf.  oben 
TTT.  2.  a.)  Dabei  scheut  Kuppener  sich  nicht ,  zuvor  ausdrücklich  zu 
behaupten  (B.  4)  „man  sal  auch  nicht  wucher  thun  nach  gescheen  lassen, 
durch  welchen  wucher  auch  ein  ander  gut  werck  volbracht  wurde  vnn  sol- 
cher Wucher  zu  einem  andern  guten  ^Tin  milden  werck  qweme ,  wy  milde 
das  kegen  got  gesein  möge."  Da  hielten  die  Dekretalen  folgerichtiger  die 
gi-ossen  Grundsätze  des  Wuchers  fest.  cf.  ob.  1. 1.  2)  Epist.  et  responsa. 
Hannover  1597  ep.  383. 


Vn.  2.  Kirchl.  Reformat.  c.  Calv.  tritt  geg.  d.  kan.  Wucherges.  auf.     493 

für  den  Apostel  einer  neuen,  tief  in  die  regste  Praxis  jahrhun- 
dertlanger  üebung  eingreifenden  Lehre  nur  verlangen  kann, 
die  Natur  des  Zinses  und  die  Gesetze,  welche  denselben 
bedingen.  Er  leugnet,  dass  die  Bibel  ausdrücklich  das  Zins- 
fordern untersage ;  die  Lage  der  Juden  sei  derart  gewesen, 
„ut  fac'de  Ulis  esset  ncgotiari  inter  se  sine  usuris.  Nostra 
conjunctio  liodie  x}er  oninia  non  respondet.  Non  videmus  igi- 
tnr  ita  nobis  interdictas  simpliciter  usuras ,  nisi  quateniis 
repugnant  tum  aequitati  tum  caritati.  Ratio  Amhrosii  ... 
pecuniam  non  parere  pecuniam ,  non  est  magni 
momenti."  Dies  begründet  er  und  folgert  weiter,  Keinem 
sei  es  zu  verdenken ,  dass  er ,  wenn  der  Handel  grösseren  Ge- 
winn abwerfe ,  als  das  Hinleihen  auf  Grundstücke ,  der  Geld- 
besitzer das  Kapital  von  hier  fort  und  dorthin  übernehme. 
„  Quis  duhitat,  pecuniam  vacuam  inutile  omnino  esse?  neque 
qui  a  tue  mutuam  rogat,  vacuam  ajnid  se  habere  a  me  cogitat. 
Non  ergo  ex  pecunia  illa  hierum  accedit,  sed 
ex  2}  r  Oven  tu."  Nicht  mehr  als  blosser  Gewinn  aus  der  Noth 
der  Armen  erscheint  ihm  der  Zins.  „Sit  aliquis  dives  et  ampJis 
fnndis  nc  reditihns  pracditns  et  minus  numatus  tamen.  Sit 
alius  mediocriter  dives ,  et  non  quidem  ad  alterius  illius  opes 
accedcns  sed  cui  tarnen  amplior  sit  praesens  pecunia.  Hie 
igitur  quum  sua  ])ecunia  libenter  fundum  ipse  emturus  sit 
sibi  rogetur  ab  iUoditiore,  ut  mutuam  det  Uli  pecuniam.  Pos- 
set quidem  qui  mutuum  dat ,  ita  stipulari  sibi  reditum  pecu- 
niae  suae  ut  fundus  ex  illa  emtus  ipsi  in  hypothecam  subjice- 
retur,  donec  sua  ipsa  p)cmmia  redderetur  (atque  ita  sibi 
melius  consuleret) ,  sed  fr  u ctu  pec u n iae  s i v e  u s u r a 
content  US  er  it.  Cur  igitur  primus  ille  contractus  sine 
liypoiheca  ad  pccuniae  fruetum  tantum  damnahitur,  alte);  sub 
hypotheca  fundi  emti  et  cum  reditn  annuo  longe  asperior  ^n'o- 
babitur?"  Von  diesen  allgememen  Grundsätzen  nimmt  er 
dann  einzelne  Fälle  aus.  „Si  quis  usururiam  quasi  artem 
aliam  quaestuariam  factitet , "  besonders :  „  ne  exigetur  usura 
ab  egentibus  hominibus ;  ut ,  qui  mutuum  dat,  non  ita  addi- 
ctus  sit  lucro  et  commodo  suo  ut  interea  omittat,  quod  ex  mera 
necessitate  tenetur  procurare ; —  we  quidmutuo  illo  inseratur, 


404     VII.  '2.  Kirclil.T^ororniat.  o.  Calv.  tritt  gog.  d.  kau.  Wiicherges.  auf. 

quod  non  convcniat  cum  acquitatc  naturali;  —  ut,  qui  mutiio 
accipit ,  lucrotHr  tantnndcm  aut  plus  etiam  ex  pecunia  quam, 
qui  Uli  mutuo  dat,  sive  in  industriam  sive  operam  confernt.''' 
Vor  Allem  aber  hält  auch  er  die  feste  Grenze  des  Ziiismaxi- 
nnmis au frecht :  „ ne  excedatur  ccrtus  modus  constitutus 
in  quaris  rcgionc  vel  repuhlica,  et  si  ncque  co  usque  exiyere 
etiam  scmper  oportuerit.  Saepe  cnim  permittitur ,  quod  non 
polest  corrigi  vel  coerceri  edicto  civili." 

So  ragt  unter  den  Reformatoren  Calvin  durch  seine  Ein- 
sicht in  die  Natur  der  Volkswirtlischaft  hervor ,  wie  ein  Jahr- 
hundert später  Salraasius  durch  das  tiefe  Eindringen  und  die 
weitgreifende  Umsicht  in  dem  gleichen  Gebiete  sich  heraus- 
hebt aus  der  Schaar  der  gleichzeitigen  Schriftsteller  Hollands, 
Calvin  vor  Allen  liat  unter  den  Führern  der  Kirchenneuerung 
auch  in  diesem  Felde  gründlich  reformirt  und  durch  seine 
Lehren  zur  Umformung  des  kanonistischen  Zinsverbotes  bei- 
getragen. 

Die  unmittelbare  Wirkung  der  Reformation  auf  die  Wu- 
cherfrage ist  daher  nicht  so  einschneidend ,  als  man  von  vorn- 
herein erwarten  sollte.  Das  lag  eben  besonders  an  der  Stellung 
der  genannten  Hauptreformatoren  Deutschlands  zu  dieser 
Frage.  Nach  dem  Siege  der  Reformation  nicht  minder,  wie 
nach  Begründung  des  Fundamentes  für  das  römische  Recht 
in  Deutschland  bleiben,  ja  erneuern  sich  die  alten  Wucher- 
normen und  Wucherstrafen  in  den  deutschen  Gesetzbüchern 
selbst  derjenigen  Länder ,  welche  diesen  zwei  neuen  Elementen 
alle  Thore  geöffnet  hatten.  Gar  zu  voreilig  und  unhistorisch 
meint  deshalb  Hü  11  mann,  ^)  schon  im  12.  Jahrhundert  habe 
das  kanonische  Zinsgesetz  in  Deutschland  zu  altern  begonnen. 
Ein  richtigeres  Bild  der  Wahrheit  gewährt  es ,  wenn  man  die 
Nachricht  des  Mevius  sich  weiter  über  ihre  lokalen  Grenzen 
hinaus  dehnt,  dass  es  noch  zu  Ende  des  17.  Jahrhunderts  nicht 
wenige  Leute  gab,  welche,  trotzdem  nunmehr  alle  weltlichen 
Gesetze  das  kirchliche  Zinsprinzip  abgeworfen  hatten ,  dennoch 


1)  Gesch.  d.  Urspr.  d.  St.  II.  i>.  24u. 


VII.   3.  Wissenschaft  ausser  jenen,   a.  Allgeraeines.  495 

die  neue  Ziiiserlaiibniss  für  unsittlich ,  naturwidrig,  gefälirlicli 
hielten  und  den  kanonistischeu  Ziuszustand  zunicksehuten.  ^) 

3.    Die  Wissenschaft  ausser  jenen. 

a.    Im  All  gern  einen. 

Aber  mittelbar  wirkte  der  grosse  Umschwung  der 
Dinge  im  Volke ,  wie  im  lleiche  der  gelehrten  Welt  zur  Erlö- 
sung des  Kapitalverkehres. 

Wer  der  kundigen ,  ja  wer ,  der  nur  unbefangenen  Blickes 
den  gegenwärtigen  Geldumlauf  und  dessen  letzte  Geschichte 
verfolgte,  konnte  sich  die  Missstände  verhehlen,  welche  das 
kanonistische  Wucherverbot  hervorgerufen.  Und  das  Alles 
um  eine  Idee,  welche  nie  zu  verwirklichen  war,  durch  ein 
Gesetz,  welches  jeder  Tag  neu  in  Uebertretungen  und  Um- 
gehungen untergrub  und  verhöhnte ,  mit  Gründen ,  welche 
die  Misskenntniss  der  einfachsten  Gesetze  der  Volkswirth- 
schaft,  zumal  m  jener  Zeit  entwickelteren  Verkehres,  an  der 
Stirn  trugen. 

Wie  wollte  die  altüberlieferte  Lehre  von  der  natürli- 
chen Unfruchtbarkeit  des  Geldes  sich  halten?  Grundstücke 
in  den  Städten  und  viele  andere  Dinge  empfingen  auch  Lohn 
für  ihren  Gebrauch ,  ohne  menschliche  Arbeit  waren  auch  sie 
unft-uchtbar.  Die  Arbeit  des  Leihens  zahlt  der  Zins,  wo  das 
Darleihen  ein  Geschäft,  er  entschädigt  die  Ungewissheit  und 
ersetzt  den  Ge\^^nn,  welchen  der  Darleiher  gemaclit  hätte  oder 
machen  konnte ,  falls  er  nicht  lieh  (das  hierum  cessans  im 
Interesse)  und  welchen  andererseits  der  Darlehnsnehmer  mit 
dem  Kapitale  wirklich  machte.  So  erkannte  schon  Calvin  die 
Produktivität  des  Kapitales. 

Und  weiter,  ist  das  Geld  durchaus  unfruchtbar,  so  verliert 
es  allen  Werth.  daher  hat  man  nicht  nöthig,  es  überhaupt 
noch  zurückzufordern.  Aber  selbst  die  Gegner  billigen  von 
jeher  die  Verzugszinsen.  Geldleihen  und  Leihen  von  Waaren 
hat  in  sich  keinen  Unterschied,  in  Wahrheit,  das  letztere  ver- 

l)  \'un  wucherlichen  Contrakten.   Stade  1(J73.  I.  cp.  5.  p.  83. 


49G  VII.  3.  Wissenschaft  ausser  jenen,   a.  Allgemeines. 

hält  sich  zu  dem  dafür  gezahlten  Lohne  ebenso ,  wie  das  Geld- 
darlohn zu  diMi  Zinsen.  Auch  dort,  wie  hier,  wird  die  Be- 
nutzung, nicht  bloss  die  Abnutzung,  wie  die  Gegner 
immer  betonten,  vergütet.  Mit  dem  streng  durchgeführten 
Zinsverbote  endigt  aller  Kapitalsumlauf,  aller  Handel,  jedes 
Gewerbe ,  und  die  Menschheit  verfällt  wieder  in  den  uranfäng- 
lichen ,  rohesten  Zustand  der  Volkswirthschaft.  ^)  Die  Kirche 
gestand  ja  in  der  vielzitirten  Synode  von  Besannen  1571,^) 
selbst  zu  —  als  sie  das  iä,  quod  intcrcsf  in  Schutz  nahm,  — 
Niemandem  sei  zuzumuthen,  dass  er  umsonst  sein  Geld 
hinleihen  werde.  Gerade  bei  dem  entwickelten  Stande 
der  Volkswirthschaft  zeigte  fast  jedes  Zinsgeschäft,  dass  nicht 
allein  beide  Theile  Vortheil  vom  Kapitalumlaufe  hatten,  son- 
dern dass  der  Darlehnsnehmer  sogar  trotz  des  Zinses  mehr 
gewann,  als  der  Darleiher.  Die  Pfandhäuser  und  Wechsler- 
bauken boten  Hinsichts  der  kleinen  Gewerbetreibenden  dafür 
einen  trefflichen  Belag  (V.  5.  d.),  obgleich  den  Gegnern,  ins- 
besondere den  Theologen,  eingeräumt  werden  musste,  dass 
durchschnittlich  die  Zinsen  der  Wechsler  sehr  hohe  waren 
und  den  kleinen  Mann  stellenweise  mehr  drückten,  als  es 
wirthschaftlich  verantwortet  werden  mochte,  —  Dank  den 
obrigkeitlichen  Leihbanken  und  den  montes  pieiatis. 

Daher,  so  ging  man  gegen  das  eigentliche  Lager  (]er 
Gegner  los,  verbietet  auch  die  Bibel  allgemein  gar  nicht,  Zin- 
sen für  die  Nutzung  fremden  Kapitales  zu  fordern,  sondern 
nur  den  unmässigen  Wucher  (fcnns  mordnis)'^)  verdammt 
sie,  da  durch  ihn  dem  Schuldner  auch  die  uothwendigsten 
Theile  seines  Vermögens  entzogen  werden.  Naturgemäss  folgte 
aus  der  Lage  der  Ackerbau  treibenden  Juden,  dass  sie  von 
einander  Zinsen  gar  nicht  oder  nur  selten  forderten ,  dann  aber 
dies  zum  Nachtheile  msbesondere  der  armen  Israeliten  thaten. 
Ln  neuen  Testamente  verlangt  Christus  ausdrücklich,  dass 
Jeder  die  ihm  von  Gott  gegebenen  Güter  zu  semem  und 
Anderer  Wohle  mehre.   Zinsen  sind  darin  gar  nicht  verboten, 


1)  cf.  u.  V.  a.  Stryk,  Usus  mod.  Fand.  1.  c.  §.  33.  —  Lcotard,  d. 
usur.  qu.  43.  n.  9  ff.  2)  Concil.  Germ.  ed.  Seh  au  na  t  u.  A.  vol.  VIU. 
p.  104.        3)  Bek ,  de  jurihus  Judaeorum  cp.  12.  §.  5. 


MI.  3.  Wissenschaft,  b.  Wissenschaftliche  Schriftsteller.        497 

wie  aus  l'uulus  Brieten  an  die  Römer  IV.  15.  VII.  4  —  6 ,  au 
die  Galater  III.  23  —  25.  IV.  3  —  4.  V.  Iff.,  also  gerade  aus 
den  echtesten  Theilen  des  neuen  Testamentes,  dann  aber  auch 
aus  Paulus  Briefen  an  die  Epheser  IL  14  — 15 ,  und  an  die 
Kolosser  11.  14.  20  hervorgehe.  Auch  die  Stellen  Lukas  VI.  35, 
Matthäus  XXV.  14—30  verbieten  unter  Christi  Namen  tlie 
Zinsen  nicht  als  sündlich.  Wer  daher  Zmseu  ganz  untersagt, 
legt  dem  Erwerbe  strengere  Fesseln  an,  als  Gott  selbst  es 
wollte.  1) 

Ebenso  verwerflich  sei  das  Aussaugen  der  Bedrängten 
durch  den  Wucherer,  als  es,  abgesehen  von  diesem  Falle,  zumal 
wo  der  Darlehnsnehmer  grossen  Gewinn  mit  dem  fremden  Gelde 
machte ,  der  natürlichen  Billigkeit  und  allgemein  menschlichen, 
ja  christlichen  Liebe  widerstreitet,  wenn  der  Darleiher  keine 
Zinsen  sollte  fordern  dürfen. 

b.    Die  wissenschaftlichen  Schriftsteller  selbst. 

So  hatten  die  Geister  gelernt,  die  ihnen  entgegentreten- 
den Thatsachen  selbstständig,  unbefangen  von  innen  heraus 
zu  erforschen ;  so  gaben  das  allmählich  wachsende  Bewusst- 
sein  von  den  wirthschaftlichen  Gesetzen ,  dann  deren  Erkennt- 
niss  unbesiegbare  Waffen  gegen  die  kanonistischen  Zins- 
grundsätze. Bis  zur  Reformation  und  eine  Weile  nach  ihr  ath- 
men  die  einschlagenden  Schriften  der  Juristen  und  Theologen, 
der  römisch  -  katholischen ,  wie  der  protestantischen,  nur  kano- 
nistischen Geist.  Dafür  stehen  vorn  die  Beläge  von  Kapistrano, 
Kuppener ,  Purgoldt ,  Tengler ,  Zasius ,  Luther ,  Melanchthon 
und  sehr  vielen  andern  Autoritäten  der  Wissenschaft  und 
Praxis.  Der  Blick  war  hier  durch  die  Lehren  der  Jahrhunderte 
und  deren  geistige  Gewalt  gefangen  gegenüber  den  Siegen  des 
Verliehrslebens.  ErstOalvin  durchbricht  die  Schranken  mit 
jenen  klaren,  vorhin  entwickelten  Ansichten  in  dem  Briefe  an 
seinen  Freund  Oekolampadius ;  er  betont  vornehmlich  die  wirk- 
liche Produktivität  des  Kapitales.  Ihm  folgen  Bakou,  der 
fruchtbare  I^ehrer  praktischer  Erfahrungsphilosophie ,  in  seinen 

1)  Pufendorff,  jus  nat.  et  gent.  (hu2)  V.  7.  9.  lU.  11. 

Neumatn,  Gesch.  cl.  Wuchers.  32 


408        Tll.  n.  Wissonscliaft.  h.  Wiss(Miscliaraiclic  Schriftsteller. 

scrnioncs  fldelc.<i  (1597),  ^)  dann  Molinäus,  der  scharf- 
sinnige Jnrist .  dann  nicht  mindov  D  o  n  e  1 1  n  s  H  o  i  g i n  s.  Vor 
Allem  aher  öffnen  und  ebnen  in  glänzender  Reihe  die  Bahn 
der  wirthschaftlichen  Zinsfreiheit  die  wissenschaftlichen  Grössen 
der  Niederlande.  Das  wirthschaftlich  so  früh  entwickelte  Land 
miTsste  gerade  bei  der  rein  praktischen  Denkrichtung  seiner 
Bewohner  die  Behandlung  der  Zinsfrage  ihnen  vor  deren  end- 
gültiger Entscheidung  dringend  entgegenführen. 

Aber  selbst ,  als  das  Zinsnehmen  bereits  in  voller  gesetz- 
licher Blüthe  stand ,  den  Reichen  in  der  Fülle  der  Wege  des 
ausgebreiteten  Handels  und  des  inneren  gewerblichen  Lebens 
tausendfache  Gelegenheit  zur  nutzbaren  Anlegung  ihrer  Kapi- 
talien gegeben  war,  die  Armen  bei  den  Kommanditen  der 
italischen  Bankhäuser,  oder  bei  den  einzelnen  Lombarden - 
Wechslern,  dann  in  den  von  den  städtischen  Behörden  ein- 
gerichteten Darlehnsbanken  ihre  Geldnoth  gegen  Zmsen  stillen 
konnten ,  entbrannte ,  auffällig  für  den  eben  praktischen  Geist 
der  holländischen  Grössen  der  Wissenschaft  der  alte  Zinsstreit 
noch  einmal, 

1644  gelangte  die  Bankangelegeuheit  vor  die  Synode  der 
Provinz  Utrecht  und  andere  geistliche  Körperschaften.  J,Kriex, 
ein  Utrechter  Doktor  der  Rechte  ,  welcher  die  Banksache  von 
seinem  Vater,  einem  Lombarden,  her  kannte,  reichte  der 
theologischen  Fakultät  seiner  Universität  sämmtliche  Ordon- 
nantien  ende  Reglementen  op't  stuck  van  de  interest ,  beneflens 
eenige  resolutien  die  materie  rakende  ein.  Letztere  gab  hier- 
gegen unter  dem  Titel  Res  judicata  eine  Sammlung  verschie- 
dener Aussprüche  gegen  den  Wucher  heraus,  und  nun  erglühte 
der  Broschürenstreit,  wie  heute,  zwischen  den  beiden  Parteien 
so  heftig ,  als  gälte  es ,  ein  der  Civilisation  drohendes  Unge- 
heuer abzuwenden,  und  nicht  eine  in  der  Praxis  endgültig 
überwundene  wirthschaftliche  Irrlehre  wissenschaftlich  zu 
erörtern,  ^) 


1)  cf.  Fleischer,  Einleitung  ins  geistl.  Recht.  Halle  17.50.  III.  33. 
Koscher,  N.  0. 1.  §.  190.  n.  8.  2j  cf.  Laspeyres.  Gesch.  d.  volks- 
wirthschaftlichen  Ansch.  der  Niederl.  1.  c.  \>.  258  ff. 


VII.  3.  Wissenschaft,  h.  Wisscnschaftliclic  Schriftsteller.        499 

Als  sechsmal  die  Batterien  der  Streitschrifteu  gegenein- 
ander gedonnert  hatten,  und  augenblickliche  Stille  eintrat, 
entzündete  1G57  das  Gesuch  eines  Plandhausbesitzers  Koningh 
um  Zulassung  zum  Abendmahle  (cf.  oben  V.  5.  e.)  sie  zu  neuem 
Kampfe  der  Broschüren  und  theologischen  Pamphlete.  Keine 
Partei  ging  im  Federkriege  besiegt  aus  dem  Kampfe;  denn 
auch  hier  stellte  sich  die  Theologie  auf  den  oben  bezeichneten 
idealen  Boden ,  die  Volkswirthschaft  dagegen  führte  praktische 
Gründe  aus  dem  Reiche  der  Kealität  ins  Feld. 

Aber  letztere  Seite  hatte  zweifellos  in  der  Praxis  den 
Sieg  davon  getragen ;  ihre  Sätze  wirkten  fruchtbar  bereits  seit 
Jahren  zur  Blütlie  und  Gesundlieit  des  Landes,  die  Forderun- 
gen der  Theologen  dagegen  Waren,  von  vornherein  unfruchtbar, 
gar  nicht  gestellt,  um  verwirklicht  zu  werden,  sondern  nur  um 
nicht  die  lange  vertheidigte ,  heilige  Glaubenssache  jetzt  selbst 
zu  verleugnen.  Daher  beschlossen  die  Staaten  von  Holland 
und  AVestiriesland  auch  1658,  die  Kirche  habe  sich  um  die 
Bankfrage  nicht  zu  kümmern ,  das  Zinsnehmen  sei  eine  m  i  d  - 
d  e  1  m  a  t  i  g  e  h  a  n  d  e  1  i  n  g ,  kein  onrecht  vaardige  woecker. 

Denn  die  Gründe  der  Theologen  für  das  Zinsverbot  waren 
die  vorn  weitläufig  erörterten,  die  ewig  alten.  Sie  konnten 
sich  nicht  ändern ,  nicht  mit  der  so  riesenhaft  vorgeschrittenen 
Volkswirthschaft  sich  entwickeln,  sie  waren  em  untrügliches 
Dogma ,  und  jeder  Schritt  über  ihre  angeborene  Grenze  hinaus 
setzte  sie  dem  heftigsten  Streite  und  sicheren  Untergänge  aus. 
Die  Gründe  der  Gegner  aber  verherrlichen  die  Namen  der 
grossen  Geistesmänner,  welche  ein  Jahrhundert  vor  Adam 
Smith  bereits  die  Fundamentalsätze  seiner  jungen  Wissen- 
schaft aus  dem  Gewirre  der  einzelnen  Thatsachen  des  Verkeh- 
res mit  klaren  Blicken,  scharfem  Geiste,  sicherer  Hand  und 
muthigem  Herzen  herausmeisselten  und  frei  gegen  die  mäch- 
tigen weltlichen  und  geistlichen  Gegner  verkündeten.  Hugo 
Grotius  ^)  offenbart  auch  in  diesem  Felde  seinen  Bahn  bre- 
chenden Geist ,  del"  im  öffentlichen  Hechte  vielen  Jalirhunder- 


1)  De  jure  belli  ac  pacis  II.  XII.  20.  23.  XXVI.  5.    Inleiding  tot  de 
hollantlsche  regdsgeleerdheyt  II.  10. 

32* 


500        VU.  3.  Wissenschaft,   b.  Wissenschaftliche  Schriftsteller. 

teil  die  Wege  wies.  Dann  K 1  o  p  p  e  n  b  u  v  g ,  ^)  B  o  x  h  o  r  n ,  ^) 
Graswinkel,  ^)  vor  Allen  aber  weit  ausgezeichnet  Salma- 
s  i  u  s ,  der  Liebling  der  Könige ,  in  seinen  berühmten  Schriften 
de  usurls  {1G3S),  de  modo  usurariim  (1639),  de  mii- 
tuo  (1640),  de  fenore  trapeziiico  (1640). 

Neben  seiner  immensen  Belesenheit  in  den  Schriften  des 
Rechts,  der  Philosophie,  der  Theologie,  der  Philologie,  der 
Geschichte ,  der  Dichter  bei  den  orientalischen  und  occidentali- 
schen  Völkern  von  ältesten  Daten  bis  auf  seine  Zeit,  welche  ihn 
leider,  entsprechend  dem  Charakter  seines  Jahrhunderts,  veran- 
lasst, in  die  merkwürdigsten,  fernliegendsten  Gebiete  alles  Wis- 
sens jeden  Augenblick  abzuschweifen,  vereinter  in  sich  einen 
überraschend  klaren  Geist  für  die  Fundamentalsätze  derVolks- 
wh-thschaft,  welche  er  sich  selbst  erst  aus  dem  Chaos  der  einzel- 
nen, wirr  sich  durchkreuzenden  Thatsachen  entwickeln  musste. 
So  ergründet  und  bespricht  er  die  wirthschaftliche  Entwicklung 
des  Menschengeschlechts ,  das  Wiesen  des  Preises ,  die  Natur 
des  Geldes,  das  Kapital  (mit  Einschluss  des  Geldes),  den  Cre- 
dit u.  s.  w.  und  behandelt  alle  diese  Themata  mit  überraschen- 
der Klarheit ,  Herr  des  Stoffes,  hinreissend ,  wie  seine  Collegen, 
in  der  Leichtigkeit  und  Grazie  des  lateinischen  Ausdrucks. 
Man  glaubt,  er  behandle  eine  der  groben  Zweifel  enthobene, 
Jahrhunderte  lang  geläuterte  Wissenschaft.  Alle  die  durch- 
schlagenden obigen  Gründe  gegen  die  kanonistischen  Zinsbe- 
bestimmungen finden  sich  bei  ihm  vereinigt ,  sie  rühren  zum 
Theil  von  ihm  erst  her ,  schon  die  Fülle  der  oben  eingeflochte- 
nen (Jitate  aus  semen  Schriften  rechtfertigen  das  eben  gespen- 
dete Lob.  So  erfreut  er  sich  auch  bei  seinen  Zeitgenossen 
weitreichender  Achtung,  die  Genossen  lehnen  sich  an  den 
gewaltigen  Geist  in  wohlfeüer,  stets  ausreichender  Sicherheit, 
gegen  ihn  wagen  selbst  die  Gegner  nicht  den  Angriff.  ^) 

Li  der  Zinsfrage  weist  Salmasius  mit  Nachdruck  auf  die 
wirkliche  Produktivität   des   Geldes.     So  vorschauend 


1)  De  foenere  et  usuris  (1640)  p.  20  ff.  30  ff.  66  ff.  80,  95ff.  — 114. 
2)  De  trapezitis  vulgo  Longobardis  (1640)  p.  27  ff.  40.  130  u.  a.  3)  Noten 
zur  dissertatio  epist.  de  trapez.  von  Maresius  (1640)  p.  Uff.  20.  25 ff., 
33  ff.        4)  cf.  u.  a.  d.  usuris  p.  193  —200.  223  —  37  u.  v.  A. 


YII,  3.  Wissenschaft,   h.  Wissenschaftliche  Schriftsteller.        501 

ist  hier  sein  Geist,  dass  seine  letzten,  damals  kühnsten  Schluss- 
sätze erst  von  der  Volkswirthschaft  zwei  Jahrhunderte  nach 
dem  grossen  Lehrer  verwirklicht  zu  werden  beginnen.  Die 
freie  Conkurrenz  gilt  ihm  als  der  allein  berechtigte 
Ordner  der  Preise.  Demgemäss  entscheidet  er  sich  bei  der 
niederländischen  Bankfrage  in  scharfsinniger  Weise  dahin, 
dass  es  volkswirthschaftlich  besser ,  mehrere  Wechsler  (Lom- 
barden) in  einer  Stadt,  als  eine  obrigkeitlich  concessionirte 
Darlehnsbank  zu  halten.  ^) 

Und,  —  das  ist  das  Bedeutendste,  —  für  die  Zinsange- 
legenheit folgert  Salmasius  bereits  aus  dem  Wesen  der  freien 
Conkurrenz,  dass  das  Gesetz  nicht,  sondern  sie  allein 
das  Zinsmaximum  feststellen  muss  und  darf,  weil 
sie  allein  es  naturgemäss  vermag.  In  dem  Buche  „de  modo 
nsurariim ,''  cap.  1.  führt  er  aus,  Avie  durch  die  Umstände  2) 
die  Zinshöhe  sich  regulire.  Die  Gesetze  hätten  nur  das  durch 
Gewohnheit  festgestellte  Maximum  anzunehmen.  ^)  In  cap.  14 
ebendort  gesteht  er  noch:  „Ita  certiim  est,  iibi  foenus  non 
est  vulgo  lege  x>ermissum  et  plures  esse  et  perniciosiores  foene- 
ratores;  quam,  cum  sit  licitum.  Lex  enim,  quae  permittit 
simid  etiam  condiciones  ei  imponit  Umitesque  circumdat,  qui- 


1)  d.  usur.  p.  214:  „  fooiei-atores ,  uhi  multi  sunt  ipsi  sibi  invicem 
incommodant  non  agricolis  aut  aliis  artificibas.  . . .  multitudo  foenerato- 
riim  tnJiorem  reddit  hanc  negotiaiionem  et  capturae  sterüiorem.  Kam 
inter  multos  aliquis  semper  invenire  est,  qiii  leviorihus  usuris  paratus 
sit,  peeuniam  locare ,  iit  plures  ad  se  accursant  mutuaturi.. .  Copia  opi- 
ficum  ejusdem  artis  singulorum  artein  minus  quaestuosam  magisque 
inopem  reddit.  De  foeneratoribus  exemplum  obviatn  est.  ...  Unus  quippe 
Omnibus  SU fficit ,  qui  pecuniam,  qua  opus  habent  sub  jyignoribus  et  cum 
usuris  ingentibus  coguntu/r  sumere.  Si  plures  forent,  inter  omnes  hie 
quaestiis  divideretnr ,  qui  minus  est.  Immo  et  ex  pluribus  aliqui  existe- 
rent  leviores  usuras  exigere  contenti,  quo  magis  multis  foenerarenfur. 
Ita  numerus  eorum  non  magis  noceret  rei  publicae, 
quam  unus  et  privatis  magis  pr  odesset."  2)  loci,  tem- 
poris,  qualitate  rerum,  conditione  per  sonarum ,  tam  quae  acci- 
piunt,  quam  quae  dant."  3)  p.  9.  ib.:  „ lurisconsulti  nostri  in  bonae 
fxdei  judiciis ,  cum  de  usuris  disceptatur ,  quales  debeantur ,  arbitrio  judi- 
cis  iisurarum  modum  ex  more  regionis  ubi  contractum  est, 
constit  uendiim  esse,  saepe pronuntiarunt." 


502        Vn.  3.  Wisscn.sdiaft.  b.  Wissenschartlidie  Schriftsteller. 

Ins  rcfracnatnm  in  cxitialem  pauperlbus  licenUam  exire  non 
queat."  Aber  in  der  Schrift  de  Ibenore  trapezitico  p.  106 
spricht  er  direkt  aus : 

„tisura  lege  pcrmissa  (modis  positis)  furtum  non  est,  lege 
vetita  pro  fiirto  haben  dehet.    Ceterum  uhi  nullus  mo- 
dus iisuris   determinatus  est,    nisi   ex  contra- 
lientium  voliintate,    illae  simpliciter   et  ahso- 
l.ute  permissac  dehent   intclligi  eodeni  pror sus 
modo   quo   mercatorl   licet  pjretium,   quodvelit 
suae  merci  ponere.    Si  quis  tarnen  nimis  illud  impense 
magnum  flagitet,  cJiaritatem  offendit,  ut  et  ille  foenerator, 
qui   dbutitur  necessitate  proximi   in   ampliorihus  usuris 
exigendis,  uln  quantas  lihet  exigere  licet." 
Zwei  Jahrhunderte  später  ringen  wir  noch  um  die  Verwirk- 
lichung einer  Wahrheit ,  welche  dieser  Mann  mit  so  einfacher 
Klarheit  bereits  erkannte  und  aussprach ! 

Die  niederländischen  Juristen  jener  Zeit  dagegen  offen- 
baren ,  wie  diejenigen  anderer  Länder ,  dass  sie  von  der  rein 
juristischen  Betrachtungsweise  der  Kechtsverhältnisse  zu  sehr 
eingenommen  waren,  als  dass  sie  auch  die  wirthschaftliche 
Entstehung,  Natur,  Wirkung  jener  Eechtsverhältnisse  hätten 
erkennen  und  würdigen  können.  Dieses  muss  in  den  Nieder- 
landen besonders  auffallen ,  da  hier  die  Zmsfrage ,  wie  berührt, 
so  heftig  die  Geister  bewegte  und  gerade  die  wirthschaftliche 
Blüthe  des  Volkes  so  Avie  der  praktische  Sinn  desselben  zur 
Ergründung  dieses  Problems  anlocken  musste.  Huber  ^) 
schwankt,  wie  die  oben  genannten  deutsch  -  römischen  Kechts- 
lehrer ,  trotz  seiner  Kenntniss  des  römischen  Kechtes ,  freilich 
nicht  so  bedenklich  wie  jene,  vielmehr  neigt  er  schliesslich 
zu  der  freieren  Zinsansicht.  N  o  o  d  t  -)  wandelt  verdienstlich 
in  den  Pfaden  seines  grösseren  Vorgängers  Salmasius.  V  i  n  n  i  u  s 
dagegen  und  Bynkershoek,  fast  auch  Voetius^)  überge- 
hen die  Frage  trotz  ihrer  schriftstellerischen  Tüchtigkeit  gerade 
in  der  Periode  des  heftigen  Zinsstreites. 


1)  Praelectiones  juris  Eomani  III.  22,  1.  2.        2)  Libri  III.  de  foe- 
nore  et  usuris.        3)  Commentar  UI.  Buch  XXII.  Cap.  2. 


VII,  3.  Wissenschaft,  b.  Wissenschaftliche  Schriftsteller.        503 

In  Deutschland  währte  es  lange,  ehe  die  Macht  des 
Verkehrslebens,  dann  der  oben  berührten  grossen  weltge- 
scliichtlichen  Vorgänge  die  Geister  soweit  gereift  hatte,  dass 
sie  auf  dem  Anfange  Calvins  weiter  bauten.  Was  aus  dem 
fruchtbaren  Boden  der  Reformation  allmählig  auch  auf  diesem 
wirthscliaftlichen  Felde  zai  gedeihen  begann ,  knickten  die  lei- 
digen frühen  Religion s kämpfe  des  16.  Jahrhunderts  und 
zertraten  vollends  die  wüsten  Schaaren  des  drei ssigjähr i- 
gen  Krieges.  Tiefe  Rohheit  der  Nationalökonomik  kenn- 
zeichnet die  deutsch  geschriebenen  populären,  wie  gelehrten 
Schriften  der  meist  theologischen  Schriftsteller,  so  in  der 
Münzlitteratur  der  Kipper-  und  Wipperzeit.  Bornitz  und 
Besold  überragen  relativ  hoch  ilire  Zeit,  und  wie  tief  stehen 
sie  heute  m  der  wirthschaftlichen  Litteratur.  ^) 

Faust  in  seinen  consilia  pro  aerario  civili  u.  s.  w.,  in  Frank- 
furt a.  M.  gedruckt,  der  arge  Plagiator,  wie  schon  Thomasius 
ihn  nennt ,  ^)  darf  hier  wegen  seines  Mangels  an  selbstständi- 
gen Anschauungen  kaum  erwähnt  werden ,  und  doch  erfreute 
sich  sein  Foliant  voll  anonymer  Excerpte  noch  ein  Jahrhun- 
dert hindurch  hohen  Ansehens.  ^) 


1)  Koscher  behamlelte  die  gelehrte  Nationalökonomik  dieser  und 
der  folgenden  Zeit  Deutschlands  in  einer  Reihe  sich  ergänzender  Aufsätze, 
so  die  deutsche  N.  0.  au  der  Grenzscheide  des  16.  und  17.  Jahrh. ,  dann 
während  des  dreissigj ährigen  Krieges  in  den  Verhandlungen  der  königl. 
sächs.  Gesellscliaft  der  Wissenscliaften  zu  Leipzig,  philol.  histor.  Klasse 
(12.  Dezember  1861),  die  gelehrte  N.  0.  in  Deutschland  unter  dem  grossen 
Kurfürsten  ,  und  zwar  die  „  rein  wissenschaftliche  "  (Conring ,  PufendorfF) 
ebendort  1863  III.  p.  177  ff. ,  die  derzeitige  ,,  praktisch  conservative " 
(Seckendorff)  im  Archiv  für  sächsische  Geschiclite  I.,  die  derzeitige  „prak- 
tisch progressive"  (österreichische  Theoretiker  Becher,  Hörnigk,  Schroe- 
der)  in  Hildebrandts  Jahrbüchern  für  Nationalökonomie  und  Statistik  I.  u. 

II.  1864. ,  die  deutsche  N.  0.  endlich  unter  den  beiden  ersten  Königen 
von  Preussen  (Leibuitz ,  Tliomasius ,  Christian  Wolff)  in  Hajius  preussi- 
schen  Jahrbüchern  XUI.  Juni  1864,  XIV.  Juli  1864.  2)  Cautelae 
circa  praecognita  jurisprudentiae.  p.  278.  E  o  s  c  h  e  r ,  preuss.  Jahrbücher 
XIV.  p.  33  (Juli  1864).  3)  cf.  Boeder,  Institutiones  politicae  II.  10 
(1674.);  Röscher,  Verhli.  d.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  zu  Leipzig  1863. 

III.  p.  nyff.  202. 


504        VII.  '■).  Wissenschaft,  h.  ^Yissenschaftliche  Schriftsteller. 

K 1 0  c  k  sieht  die  Verhältnisse ,  wie  Faust ,  wesentlich  von 
der  juristischen  Seite,  weniger  von  der  wirthschaftlichen  an, 
doch  überragt  er  Jenen  bedeutend.  In  festgewurzelter  Denk- 
weise nennt  er  zwar  Wucher  noch  jeden  Gewinn  ausser  dem 
Kapitale ,  das  Geld  erscheint  ihm  unkörperlich ,  er  verwechselt 
es  mit  dem  Kapitale  allgemein;  aber  die  Zinsen  billigt  er 
gleichwohl,  so  lange  sie  nicht  das  altcrum  tautnm,  die  Höhe 
des  Kapitales,  übersteigen,  ^)  und  die  Zwangsanleihen  der 
Begierung  (u.  VIII.  3.  f.)  vertheidigt  er  nachdrücklich.  -)  So 
erscheint  er  wie  ein  treues  Abbild  der  kanonistischen  Zins- 
gesetze jeuer  Zeit .  welche  auch  nur  dem  Worte  nach  noch  den 
Glaubenssatz  der  Kirche  aufrecht  erhielten,  im  Wesen  dage- 
gen fast  durchweg  dem  Verkehre,  dem  römischen  Kechte 
u.  s.  w.  nachgaben. 

Erst  seit  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  aber  tritt  dann 
von  innen  heraus  der  völlige  Umschwung  der  wissenschaft- 
lichen Ansichten  in  der  Zinsfrage  ein.  Von  dieser  Zeit  ab ,  als 
die  Fesseln  des  dreissigjährigen  Krieges  sich  von  den  Geistern 
lösten,  sonderte  man  die  Betrachtung  der  Volkswirthschaft 
allmählich  von  der  Eechtswissenschaft  und  Theologie,  dagegen 
verband  man  sie  eher  mit  den  Naturwissenschaften ,  der  Ge- 
schichte ,  man  verknüpfte  sie  vornehmlich  mit  der  praktischen 
Cameral -Wissenschaft,  der  Statistik  und  lernte  an  den  prak- 
tischen Mustern  der  Volkswirthschaft  in  Holland  und  Frank- 
reich. ^)  Seit  dieser  Zeit  bildeten  sich  wesentlich  drei  Gruppen 
der  deutschen  Lehrer  der  Volkswirthschaft,  die  praktisch  con- 
servativen ,  besonders  in  Mitteldeutschland ,  voran  v.  S  e  c  k  e  n  - 
dorff,  die  praktisch  progressiven,  so  die  österreichischen 
Theoretiker  Becher,  v.  H  ö  r  n  i  g  k ,  v.  Schröder,  und  die 
rein  wissenschaftlichen,  doch  nicht  für  die  Praxis  unbrauch- 
baren, in  Norddeutschland,  so  H.  Conring  und  Samuel 
Pufendorff.  ■^) 


1)  Tractatus  de  aerario  (1651.  U.  19,  50;  21,  5;  84,  92.  Röscher, 
ib.  p.  183.  186.  2)  Contr.  VH.  48.  Röscher,  ib.  p.  187. 190.  3)  Rö- 
scher, 1.  c.  p.  190ff.  4)  cf.  die  Note  1.  S.  503.,  wo  die  einschlagen- 
den Aufsätze  Roschers  aufgeführt  sind. 


Vn,  3.  Wissenschaft,  b.  Wissenschaftliche  Schriftsteller.        505 

Erwägt  man,  dass  bereits  seit  der  Mitte  des  16.  Jalirliuu- 
derts  in  den  Partikulargesetzen  Deutschlands  das  kanonistische 
Zinsgesetz  verworfen  wird ,  so  muss  man  erstaunen ,  Avie  selbst 
in  so  viel  späterer  Zeit  obige  Männer  trotz  ihrer  geistigen 
Eminenz  und  ihres  sonst  Bahn  brechenden,  selbstständigen 
Vorgehens  zum  Theile  weit  hinter  den  wirklichen  Thatsachen 
mit  ihren  wissenschaftlichen  Erörterungen  zurückblieben.  Erst 
PufendorfF  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  fasst  wesentlich  die 
oben  (VI.  1.)  angeführten  Gründe  gegen  das  Wucherverbot 
zusammen ,  ,.  er  steht  hier  zwischen  Calvins  erster  Einsicht  in 
die  Produktivität  des  Kapitales  und  David  Humes  (essaysl742) 
scharfsinniger  Scheidung  zwischen  Kapital  und  Geld,  aber 
wie  Vieles  von  dem  Wesen  der  Zinsen  ist  ihm  noch  fremd."  ^) 
Leibnitz  endlich  ist  bereits  so  weit  von  dem  Wucherverbote 
des  Mittelalters  entfernt,  dass  er  es  zwar  allgemein  verurteilt, 
aber  doch  geschichtlicli  würdigt.  -)  Die  hervorragenden  Gei- 
ster der  Nation  hatten  sich  eben  zu  lange  in  einseitiger  Thä- 
tigkeit  gefangen,  zwiefach  einseitig,  weil  sie  vorwiegend  nur 
die  exklusive  Kechtswissenschaft  oder  Theologie  trieben,  und 
weil,  wo  sie  auf  andere  Gebiete  der  geistigen  Forschung  hin- 
übergrifFen ,  doch  der  Bann  dieser  Eechtswissenschaft  und 
dieser  Gottesgelehrtheit  auch  hier  erst  gehoben  sein  wollte. 
So  erblickten  sie  den  lebendigen  Verkehr  zuerst  gar  nicht,  dann 
von  einem  höchst  einseitigen  Standpunkte ,  dann  zwar  nahe  und 
geradezu,  aber  umschleierten  Blicks.  Und  als  die  letzten  Nebel 
von  ihren  Augen  wichen,  zeigte  sich,  dass  der  Verkehr  fast 
allein  hier  ohne  Beihülfe  der  Theorie  seine  Fundamentalge- 
setze mit  Bewusstsein  lange  bereits  zur  Geltung  gebracht  hatte. 


1)  Jus  nat.  et  gent.  V.  7,  9.  10. 11  (1H72.)  Röscher,  ib.  p.  210.  211. 
So  hat  Pufendortr  von  dem  Entleihen  der  Gelder  durch  Banquiers  behufs 
der  Wiederverleihung  keine  rechte  Vorstellung.  2)  Röscher,  preuss. 
Jahrbücher  XIII.  p.  625  (Juni  1864.) 


VIIL 

Das  zinsbare  Darlehn  im  deutschen  Yer 
kehrsieben. 


1.    Das  Allgenieine. 

Nach  Vorführung  aller  derjenigen  Hebel,  welcher  inner- 
halb und  ausserhalb  der  von  der  Kirche  selbst  gestatteten 
Ausnahmen  vom  Wucherverbote  das  deutsche  Verkehrsleben 
sich  zur  Beseitigung  dieses  Verbotes  bediente ,  theils  gestützt, 
theils  behindert  von  den  heimischen  Gesetzen,  erscheint  es 
nunmehr  am  Orte ,  die  Uebmig  des  zinsbaren  Darlehns  selbst 
im  deutschen  Kapitalimilaufe  darzulegen ,  den  alltäglichen  Ge- 
brauch des  Rechtsgeschäftes ,  um  welches  als  seinen  Angel- 
pmikt  der  ganze  Wucherzorn  der  lürche  und  ihrer  Disciplinen 
sich  drehte,  und  welches  die  deutschen  Gesetze  selbst,  wie 
oben  ad  III.  2.  gezeigt  ward,  fast  ausnahmslos  wie  den  wirth- 
schaftlichen  Verderbsquell  einschränkten,  anfeindeten  und 
verdammten.  Welch  ein  anderes  Bild  entrollt  sich  da  dem 
Blicke,  als  man  nach  der  Stellung  der  Gesetze  zu  diesem  Dar- 
lehn erwarten  sollte ,  wie  gesund  und  thatkräftig  bewährt  sich 
der  Geist  des  deutschen  Handels  im  Mittelalter  und  am  An- 
fange der  Neuzeit! 

Seit  der  persönliche  Credit  überhaupt  in  Deutschland  zu 
leben  begann ,  bethätigt  er  sich  bereits  im  zinsbaren  Darlehn. 
Aus  den  Gesetzen  selbst ,  den  weltlichen  und  geistlichen ,  aus 
den  Beschlüssen  der  Conzilien ,  durch  welche  unermüdlich 
von  Neuem  allgemein  der  Wucher  und  speziell  dieses  wucher- 
lichste Rechtsgeschäft  verdammt  wurde  wie  ein  anderes  „ccte- 


Vin.   Zinsbares  Darlelin.   2.  Dailohn  ohne  Zinsen.  507 

rum  censeo , "  ergiebt  sich  schon  die  unablässige  Uebung  des 
Darlehns  mit  Zinsen.  ^) 

2.    Das  Darlelin  ohne  Zinsen.  —    Weltliche  und 
geistliche  Rücksicht. 

Zwar  eme  grosse  Zahl  von  Darlehnsurkunden  enthält 
keine  Spur  der  Zinsen.  Verschiedene  Ursachen  hierfür  lassen 
sich  nennen.  Em  Theil  dieser  Scheine  umfasst  Darlehn  der 
städtisclien  Bürger  oder  Behörden  an  benachbarte  Fürsten, 
Erzbischöfe,  an  die  Kaiser  oder  sonstige  Gewalthaber.  Sie 
waren  gegeben,  um  die  Gunst  der  Schuldner  oder  von  ihrer 
Macht  positive  Vortheile  zu  erlangen.  Oder  die  Kettung  wich- 
tiger, besonderer  Interessen  forderte  das  Verzichten  auf  die 
Prozente. 

Oder  aber  die  Macht  der  Kirclie ,  verstärkt  durch  die  hei- 
mischen Gesetze  und  Zwangsmittel ,  reichte  so  weit,  dass  die 
Contrahenten  sich  dem  Zinsgesetze  fügen  mussten.  Dies 
geschah  wahrscheinlich  dort,  wo  wir  ohne  weiter  ersichtliche 
Veranlassung  bei  Schuldurkunden  einfacher  Bürger  die  Zinsen 
nicht  vorfinden,  jedenfalls  wenn  es  sich  um  Darlelin  unter 
Geistlichen  oder  an  geistliche  und  kirchliche  Stiftungen  u.  s.  w. 
handelt.  Hier  war  zur  Wahrheit  geworden,  was  die  Kirche 
und  ihre  Jünger  so  oft  behauptet  hatten,  zinslos  sei  seiner 
Natur  nach  das  Darlehn. 

Zur  ersteren  Art  gehören  etwa  die  Beispiele:  Fr  ei  bur- 
ger Urkk.  (Schreiber)  I.e.  I.  n. 21.1272.  Die  Bürger  leiben  an 
den  Grafen  von  Freiburg  300  m.  ohne  Zinsen. —  ib.  n.  65.  p.  615. 
Dieselben  Bürger  übernehmen  eine  Schuld  desselben  Grafen 
an  den  Kitter  von  Toggenburg.  23.  Juni  1302.  —  Lü bische 
Urk.  B.I.p.  198. 1255.  lüb.  Bürger  zahlen  für  den  Soester  Erz- 
bischof. —  ib.  1262.  8.  Septbr.   Die  lübischen  Consuln  leihen 

1)  Lelimann,  Siteyrer  Rethtsgewolmliciten.  j).  40(3. :  „es  ist  klar, 
dass  die  Christen  den  Juden  solche  Kunst  zu  viel  abstudiert  und  mit  ihnen 
an  einer  Stange  tragen."  Roth,  (iesch.  des  Nürnberger  Handels.  IV. 
]).  286:  ..da  die  Christen  sahen,  welchen  Vortheil  die  Juden  und  Lom- 
barden aus  ihrem  Geldhandel  zogen ,  so  verfielen  sie  auf  das  Wechsel- 
geschäft." Dasselbe  erweisen  positiv  die  Verkehrsurkunden  selbst  u.  v.  A. 


508  VITT.   Zinsbares  'Darlelni.   2.  Darlelin  ohne  Zinsen, 

an  Albert  den  Grossen  von  Braunscliweig.  ib.  1272.  3.  Mai 
dieselben  an  den  König  der  Dänen,  ib.  1277.  Die  lüb.  Bürger 
an  Kaiser  Kudolf  I.  p.  414  (1284)  503  (1309).  —  Kieler 
Stadtbuch  (ed.  Lucht.  Progr.)  1264  —  89  eine  grosse  Zahl. 
Hamburger  Urk.  Buch  (Lappenberg  1842.)p. 553. 1263 
Darlehn  an  den  Grafen  von  Holstein  u.  v.  A.  Frankfurter 
Urk.  B.  (Böhmer)  1340.  1343.  1356.  p.  744.  1376.  30.  Juni, 
der  städtische  Eath  leiht  an  Kaiser  Karl  IV.  400011.—  ib.  745. 
1376.  an  Karl  IV.  -—  ib.  1430.  1442  u.  v.  A.  Bei  dem  Erste- 
hen des  hanseatischen  Handels  und  Bundes  begegnet  eine  für 
jene  frühe ,  und  sonst  nicht  creditreiche  Zeit  wahrhaft  erstau- 
nenswerthe  Menge  von  zinslosen  Darlehen  an  alle  benachbar- 
ten Gewalthaber  des  weitausgebreiteten  Handelsgebietes,  um 
von  ihnen  dafür  Handelsschutz  und  -  Privilegien  zu  erlangen. 
Einige  der  eben  zitirten  Fälle  gehören  hierher,  eine  Zahl  ande- 
rer findet  sich  in  dem  Urkuudenbuch  zur  Geschichte  des  Ur- 
sprungs der  Hansa  von  Sartorius-Lappenberg  Bd.  IL, 
so  Daiiehn  von  Lübeck  an  Erich  und  Woldemar  von  Schweden 
1312.  1313  mit  kurzer  Frist  bei  Strafe  des  Einlagers;  an  Erich 
von  Dänemark  1272  bei  gleicher  Strafe  für  30  Kitter;  1288 
von  deutschen  Kaufleuten  an  Hakon  von  Norwegen;  von 
2  deutschen  Kaufleuten  1344  an  König  Eduard  III.  von  Eng- 
land gegen  Verpfändung  seiner  Krone;  1347  von  Tidemann 
Lymbergh  an  den  Prinzen  von  Wales  (1.  c.  IL  n.  163);  1362 
von  mehreren  deutschen  Städten  an  König  Magnus  von  Schwe- 
den und  seinen  Sohn  Haguin.  Und  so  erstrecken  diese  Dar- 
lehn sich  von  der  Grenze  Frankreichs ,  von  den  Niederlanden 
und  England  bis  in  die  Gebiete  von  Kussland  und  Litthauen. 

Die  Darlehn  dagegen ,  durch  welche  später  die  Lombar- 
den in  den  Niederlanden  bei  den  Gewalthabern  so  grossen 
Einfluss  erlangten ,  dass  die  Hanseaten  vor  ihnen  sich  fürchten 
(cf.  V. 5. 2.  Neumann,  Wechselgesch.  p.  136.  n.  152),  waren 
sicher  verzinsliche,  wie  diejenigen  der  Hauptbankhäuser  in 
Italien  an  die  Fürsten.  Darauf  deutet  auch  der  Ausdruck: 
Danz.  Arch.  U.  21,  110  (1480)  „weil  enighe  lumbarden  dede 
den  heren  grose  summen  van  penningen  vp  financien  ghedaen 
hebben."     Nahmen  doch  Juden  und  Wechsler  in  Deutschland 


VIII.   Zinsbares  Darlehii.    "2.  Darlehn  ohne  Zinsen.  509 

danach  ebenfalls  ruhig  Zinsen  von  den  darleihenden  Fürsten. 
—  Wenn  sich  seit  dem  15.  Jahrhundert  wegen  des  oben  ange- 
führten, hiervon  abhängigen  Vortheils  eine  grosse  Zahl  von 
Darlehen  in  die  städtischen  Schöppenbücher ,  z.  B.  die  Danziger, 
eingetragen  finden ,  welche  alle  der  Prozentzusätze  entbehren, 
so  erklärt  sich  dieses  w^ohl  daraus ,  dass  diese  Eintragungen  eben 
den  Behörden  selbst  jeden  Moment  vor  Augen  lagen,  dann, 
dass  man  —  das  lässt  die  immer  steigende  Kürze  der  Eintra- 
gungen schliessen  —  letztere  nur  ganz  allgemein  auszuführen 
brauchte ,  mit  Weglassung  aller  Nebenbestimmungen  des  Ge- 
schäftes, und  sich  dennoch  des  Vortheils  der  Eintragung 
versichert  hatte,  —  Die  Darlehen  andererseits ,  welche  in  der 
Mitte  des  15.  Jahrhunderts  so  zahlreich  von  Privatpersonen 
den  preussischen  Städten,  besonders  Danzig,  entrichtet  wer- 
den, entbehren  der  Zinsklauseln  so  oft  wegen  der  Noth  der 
Städte  in  dem  dreizehnjährigen  Kriege  gegen  den  Orden ,  zu 
dessen  glücklicher  Beendigung  sie  der  Gelder  dringend  bedurf- 
ten, und  durch  welchen  sie  vielfach  behindert  wurden,  die 
Darlehnskapitale  selbst,  geschweige  denn  die  Zinsen  zu  ent- 
richten. ^)  Ebenso  sah  man  die  vielen  Darlehen,  welche  seit 
dem  dreizehnjährigen  Kriege  der  König  von  Polen  für  seine 
den  Städten  geleistete  Kriegeshülfe  von  letzteren  zinslos  auf- 
nahm ,  mehr  als  Tribut  an ,  welchen  man  dem  Herrscher  ent- 
richtete, und  wird  deshalb  oft  genug  auf  den  Kückempfang 
des  Kapitales  selbst  haben  verzichten  müssen.  ^)  Aus  beson- 
derer Veranlassung  fallen  die  Zinsen  fort  u.  a.  im  Danziger 
Schöppenb.  fol.  176  (1568)  (Erbstreit): 

„  was  belangen  sei  das  heinrich  kamerer  thutt  furderen  vonn 
dem  herrn  Spinosa  (einem  Miterben)  zins  von  dem  bah- 
ren g  e  1  d  e ,  so  Ime  zu  kommende  sey ,  als  die  XV  c  XXI  fl. 
XXI  gr.  VI  sc.  von  wegenn  seiner  sehligen  hausfrawen ,  das 
es  Peter  Spinosa  oder  seine  liebe  hausfrawe  gebrauchett  von 
dem  tage  ahnn,  da  dem  heinrich  kamerer  seine  sehligehaus- 


1)  cf.  u.  V.  A.  Dan/.  Urk.  47.56  (1457)  Danzig  schreibt  an  die  preuss. 

Städte  iiher  ein  Darlehn  v.  yPSöO  ungar.  ti.  zur  Auslösung  d.  Marienburg. 

2)  cf.  Dauz.Arch.U.  1.  14,  43  c.  (1454. 1457),  1.  44.49.236  (ib.)  u.  v.  A. 


510  VIIT.    ZinsLavos  Darloliii.    2.  Darlclin  oliiie  Zinsen. 

fraue  verlobett  ist  gewordenii ,  bis  zur  zeitt  das  er  das  geltt 
eiiti>ffan_2;enii,  welclie  vngefehr  bei  einem  viertheill  Jhar  ist, 
solchs  haben  die  gutten  menncr  nicht  erkennen  können,  das 
Spinosa  Ime  darfuhr  wass  sdnüdigk  sey  darfuhr  zu  gebeun, 
dieweil  es  nichtt  gebreuchlich  ist. — " 
Ebenso  bietet  sich  ein  besonderer  Fall  im  Danz,  Schop- 
pen buch  von  1578  fl.  30",  wo  Jemand  von  dem  Vormunde 
seiner  Frau  lOOguld.  übernimmt,  „dieselben  nicht  zu  vorzm- 
sen ,  wofern  er  damit  keinen  nutcz  oder  frommen  hette  schaffen 
kennen,"  ein  rechter  Ausnahmefall  aus  so  später  Zeit,  aber  ein 
klarer  Beleg  für  die  auch  in  den  unteren  Gesellschaftsschichten 
damals  verbreitete  Erkenntniss  von  der  Produktivität  des  Gel- 
des. Der  Schuldner  muss  hier  schliesslich  schwören,  dass  er 
wirklich  keinen  Vortheil  von  diesem  Gelde  gewann,  „vnnd 
auch,  das  er  solch  geldtt  sich  zum  besten  nichtt  angelegtt 
hatt."  cf.  noch  ib.  von  1556.  fl.  55.  Ein  Darlehn  von  100  mrk. 
„szelke  hmiderth  mark  von  nun  an  afer  drey  Jare.,.  ane 
erkeine  vorthinsung  tho  holdenn  vnd  bethalenn."  Aus 
den  zwei  letzten  Urkunden  lässt  sich  eine  neue  Erklärung  für 
das  oben  erwähnte  Schweigen  der  in  die  Schöppenbücher  ein- 
getrageneu Darlehnsvermerke  über  die  Zinsen  entnehmen. 
Man  setzte  überall  die  Verzinslichkeit  der  ein- 
getragenen Darlehen  auch  ohne  Vermerk  der 
Zinsen  voraus;  daher  musste  diese  Voraussetzung 
überall,  wo  sie  ausgeschlossen  sein  sollte,  aus- 
drücklich verneint  werden. 

Zu  der  letzteren  jener  Arten  sind  zu  rechnen  etwa:  Lü- 
becker U  r  k.  B.  I.  p.  1 98. 1 255  ein  Darlehn  lübischer  Bürger  an 
den  Erzbischof  von  Soest;  ib.p.  224. 1257. 12. Nov.  ein  Darlehn 
des  lübischen  Kaths  an  den  Bischof  von  Lübeck.  —  ib.  1297. 
10.  April,  ein  Darlehn  an  den  Erzbischof  von  Bremen,  von 
1000  mrk.  u.  v.  A.  —  Ferner  die  Darlehen,  welche  laut  den 
veter.  monum.Polon.  et  Lithuan.  von  Theiner  I.  die  Geistlichen 
daselbst  wiederholt  von  Laien  empfingen.  Dass  diese  Darlehen 
übrigens  nicht  immer  streng  kirchlich  ohne  den  Gewinn  über 
das  Kapital  aufgenommen  wurden ,  scheint  man  aus  der  Er- 
laubniss   des   Bischofs    von   Pomesanien  u.  A.  väi    einem  von 


VIII.   Zinsbares  Darlehn.   2.  Darlehn  ohne  Zinsen.  511 

untergebenen  Geistlichen  aufzunehmenden  Darlehn  von  2000  fl. 
Namens  seiner  Kirche  1347    schliessen   zu  müssen.^)   Darin 
heisst  es,  sie  möchten  alle  ihre  jetzigen  und  zukünftigen  Güter 
zu  Pfand  setzen  für  die  Sicherheit  rechtzeitiger  Abzahlung  des 
Kapitales ,  „usiiris  omnino  cessantibu s."  Alle  damna, 
expensas,  interesse  reficere  teneammi  bei  Zahlungssäumniss. 
„  Ceterum  ne  in  hoc  vorayo  locum  sihi  vendicct  usurarum, 
nostre  intentionis  existit ,  et  vohimus ,  quod  tu  et  iidem  suc- 
cessores  ac  in  tua  ecclesia  tua  seu  siia  vel  ipsiiis  bona  jyer 
lias  nostras  litteras p e r  cujuspiam  fraudis  seucal- 
liditatis  astutiam  suh  quovis pallio  seu  colore 
verhör  um  ad  usuras  allquas  ohligari  nidJatemis  valeatis, 
easdem  litteras,  concessiones ,  caucioncs  et  rccogniciones  seit 
pcrmissiones  per   eas  seu  auctoritate  vel  occasione  factas 
quo  ad  ohligaciones  usurarum  hujusmodi  decernentes  irri- 
tas  et  inanes  et  nullius  penitus  existere  firmitatis,  iis  nihi- 
lominus  quoad premissa  omnia,  que  usurarum  pravitatem 
non  sapiant  in  suo  robore  duraturis  nee  usurarum  pretextu 
maliciose    aJiquatcnus    impugnandis.     Volumus    insuper, 
quod  dicta  ecclesia  ac  bona  ipsius  pretextu  nostre  conces- 
sionis  hujusmodi  idtra  biennium  ab  obligationis  hujusmodi 
temjwre  numerandum  mdlatcnus  remaneant  obligata.  — " 
Dahm  gehören  nicht  minder  die  Darlehen,  welche  der  Ordens- 
prokurator von  Preussen  zu  Rom  unter  den  Augen  der  Kurie 
aufnimmt,    die    Darlehen   Danziger  u.  a.  Bürger  von  und  an 
Domkapitel  u.  v.  A.  ^) 

3.    Das  verzinsliclie  Darlelm. 

Aber  aucli  auf  diesen  direkten  Pfaden  gegen  das  kirch- 
liche Zinsverbot  zeigte  sich  nicht  minder,  wie  auf  den  bisher 
betrachteten  Wegen,  dass  der  Grundzug  des  deutsdieu  Hcdi- 
tes  dahin  ging,  die  Nutzung  fremden  Kapitales  überall  zu 
vergüten  (cf.  ob.  TV.  3.  a.  V.  1.) 


1)  Th  ein  er,  1.  c.  I.  n.  G58.  2)  Danz.  Arch.  Urk.  42,  51  (1467), 

45.  A.  8  (149U) .  45.  E.  31  (1505)  u.  v.  A. 


512     VIII.  3.  Vorzinsl.  Davlolm.  a.  Prühcr  Gebr.  d.  verzinsl.  Darleluis. 

a.    Früher  Gebrauch  des  verzinslichen  Darlehn s. 

Trotz  aller  obigen  Gegenmittel  der  Kirche  suchte  der 
steigende  Kapitalverkehr  nicht  bloss  in  der  Menge  der  bisher 
betrachteten  Verträge  und  Gelegenheiten  eine  Befriedigung 
seines  dringenden  Verlangens ,  sondern  nach  vereinzelten  Vor- 
läufern in  bestimmten ,  besonders  in  den  höheren  Klassen  der 
Gesellschaft  bildete  er  allgemein  im  Verkehre  schon  seit  dem 
13.  Jahrhundert  auch  das  zinsbare  Darlehn  un- 
verhüllt aus.  So  heisst  es  im  Kieler  Stadtbuch  (ed.  Lucht) 
p.  5  (1270): 

„Ego  Johannes  per  äomini  TJieodonis  mutuo   concessi 

consulibiis  in  Kyl  XXX  mrk  ad  spacium  IV  annorum  tali 

condiclone:   annuat i m  IV  mrk.  den.  pro  pensione 

dahnnt  mihi,  si  restituere  mihi  proposuerint  ante  ter- 

m-inum  illum,  proxima   secunda  feria  x^ost  paschee  inte- 

gralitcr    mihi   restituenf;   post    ferminum    IV  annorum 

sit  in  meo  arhitrio   si  praedictam  summam  obtineant  vel 

recipiam." 

und  ebendort  p.  9  (1274).   Höfer,  deutsche  Urkunden  11.  n. 

143  (1331)   finden  sich   gleiche  Beispiele  dieser  Art.    Einen 

weiteren  Belag  giebt  Lacomblet  III.  n.  293  (1335.) 

„Nos  Beynaldus  de  Cleve  ..  nofum  facimus,  quod  nos  tene- 
mur,  et  ohligati  siimns  domine  Aleydi ..  sorori  nostre  dilecte 
seil  conservatori  presentium  ^)  in  quatitor  libris  grossorum 
veterum,  quas  nobis  ad  usuras  lumbardorum  ipsa  A. 
acquisivit  et  gratanter  mutuavit ,  promittenies  eidem  Aleydi, 
seu  conservatori  presenciiim ,  ad  simplex  ipsius  Aleydis 
dictum  seu  conservatoris  presentium,  in  festo  nativitatis 
domini  nunc  proxime  futuro  a  data  presentium  dicte  pecu- 
nie  summam  et  usuras  que  interim  accreverint,  super 
eadem  fide  nostra  prestita  corporali  et  militari  persolvere 
ac  de  omni  dampno,  quod  ipsam  Aleydim  ratione  dicti 
acquisitionis  seu  conservatorem  presentium  indempnem 
penitus  conservare,  omni  fraude  et  dolo  penitus  cessantibus." 

1)  Papier  auf  den  Inhaber,  cf.  Neu  mann,  Wechselgesch.  p.  45  ff. 


YIII.  .'3.  Verzinsl.  Pavlehn.  a.  Früher  Gebr.  d.  verzinsl.  Darlehiis.     513 

Ebenso  zeigt  sich  das  zinsbare  Daiielm  im  alltäglichen  Ver- 
kehre i:};36  bei  Pauli,  lübeck.  Zustände.  Urk.  Arch.  Nieder- 
stadtbuch n.  100: 

„  Johannes  Longus  tenetur  Johamii  Stengern  in  XL  mrk. 

den., pro  quihus  annuatim  II mrk.  den.  sihi  ero- 

gahit.    Ad  hoc  2^onet  sihi   suani  hereditateni  in  pignus, 

salvo  habenti  in  ea  suutn  ivicbelde.   Eciam  dicta  hereditas, 

si  dehet  vemimdari ,  dictns  Johannes  proximior  debet  esse 

aliis  quihnscunque."  ^) 

Freiburger  Urk.  Buch  I.  p.  419  (1353.  17.  Febr.)  u.  p.  422 

(1353.    12.  März.)  ^)     Schinz    in    seiner   Handelsgeschichte 

bemerkt:^)    ,,In   Zürich  war  1316    ein   Gesetz,    dass,   wenn 

Jemand  den  Wuchergewinn,   den   er   an   seinen   Mitbürgern 

gemacht  hatte ,  dem  Rathe  übergab ,  die  Hälfte  ihm  gelassen 

wurde."  Es  ist  Avahrscheinlich  das  von  Bluntschli,  Züricher 

Rechtsgeschichte  I.  p.  293  zitirte  Gesetz: 

„Swa  dehem  Burger  oder  vsman,  der  den  Burgern  guot  hat 
gelihen,  für  ein  Rat  kumt,  vnd  durch  siner  sele  willen 
dengnies,  so  im  von  den  Burgern  worden  ist,  dem  Rat 
antwürtet,  da  sol  im  der  Rat  den  halben  teil  des  genises 
wider  geben."  (oben  S.  99.  N.  4.) 
Von  Meiern^)  erzählt  einen  Fall ,  wonach  1 302  ein  Grund- 
stück zur  grossen  Noth  des  Verkäufers  verkauft  wurde,  „m 
exonerationeni  dehitoriun ,  quihus  da uina  gravi a  in  usii- 
ris  et   ohstagiis  obsidum  accreverunt."-    Und  schon 
am  Anfange  des  14.  Jahrhunderts  ergeht  an  die  Magdebur- 
ger Schöffen  die  Anfrage,  ob  Zinsen  zu  nehmen  gestattet  sei.'') 
Ja,  wenn  man  auch  die  Wucherkapitularien  mehr  als  einen 
Ausdruck  der  Gesetzmacherei ,  denn  als  Ausfluss  der  deutschen 
Wucliergewohnheit  auffassen  -will,  so  musste  sich  doch  schon 
zur  Zeit  der  ersten  deutschen  Concilien  (cf.  S.  44)  die  Wucher- 
praxis in  Deutschland  sehr  weit  erstrecken ,  da  fast  keines  der- 


1)  ib.  n.  81  (1337)  u.  v.  A.  2)  cf.  J.  H.  B  ö  h  m  e  r ,  J.  E.  P.  1.  c.  §.  XXVTI. 
(1382.)  3)  cf.  Ofener  Stadtr.  1.  c.  N.  adn.  192.  4)  Sechster  Zms- 
thaler  p.  23.  Würtemb.  Urkk.  p.  391.  5)  cf.  Magdeb.  Fragen  in  der 
Ausg.  des  Sachsensp.  von  1517.   Augsburg.   II.  1.  dist.  1. 

Neumann,  Gesch.  d.  Wuchers.  33 


f)14     YTII.  .').  Vorzinsl.  Pavlolin.  a.  FiiiliciCiobr.  d.  vcrzinsl.  Darlelms. 

selben  ohne  neue  Ermahnungen  und  Verdammungen  gegen  die 
AUenveltssünde  vorübergeht.  Gerade  gegen  die  Geistlichen 
süid  nicht  wenige  dieser  Beschlüsse  gerichtet;  sie  als  Keprä- 
sentanten  der  dem  Volke  voraufgeschrittenen  Bildung  konn- 
ten sich  demgemäss  auch  eines  der  Hauptgenossen  dieser  Bil- 
dung, des  Kapitalverkehres,  Credites  und  der  Zinsen,  nicht 
enthalten.  *) 


1)  Arnold,  z.  Gesch.  d.  Grundcigenth.  in  den  deutschen  Städten 
S.  92  will  eine  andere ,  als  die  bisherige  Auifassung  der  kanonischen  Zins- 
verbote, in  Deutschland  betonen.  Nach  ihm  si)rechen  dieselben  die  zu 
jener  Zeit  wirthschaftlichen  Zustände  aus,  das,  was  sich  von  selbst  ver- 
stand, dass  das  Geld  noch  nicht  die  Eigenschaft  von  Kai)ital  habe  und 
darum  keinen  Zins  bringen  könne ;  wer  deshalb  im  Widerspruch  mit  den 
Verhältnissen  das  Geld  doch  zinsbar  machte,  beging  einen  sträflichen 
AVucher.  Die  wirthschaftlichen  Zustände  fasst  der  A^erfasser  hierin  offen- 
bar so  auf,  wie  sie  auch  allgemein  erscheinen  und  erscheinen  müssen, 
nämlich  als  Zustände,  welche  nicht  durch  die  bewusste,  planvolle  und 
auf  diesen  Zweck  hinausgehende  Handlungsweise  der  betheiligten  Men- 
schen, sondern  durch  die  Beschaffenheit  der  aussermenschlichen  Faktoren 
der  Volkswirthschaft  gemäss  den  in  diesen  waltenden  Naturgesetzen  sich 
bilden.  Diese  Zustände  müssen  sich  aber  genau  so  bilden,  wie  alle 
Erscheinungen  in  der  Natur,  welche  dem  Willen  des  Menschen  nicht 
unterworfen  sind.  Das  Wuchergesetz  nach  Arnolds  Auffassung  hätte  hier 
daher  ganz  die  Stellung  eines  einfachen  Naturgesetzes,  d.  h.  es  wäre 
lediglich  der  Ausdruck  einer  Abstraktion ,  welche  der  Meuschengeist  dar- 
über vollzog ,  dass  durchweg  aus  den  bestimmten  gleichen  Bedingungen 
sich  dies  bestimmte  gleiche  Eesultat  der  damaligen  deutschen  Volkswirth- 
schaft ergab.  Ist  dies  aber  je  das  Wesen  der  Gesetze ,  welche  aus  geschrie- 
benem und  Gewohnheitsrechte  hervorgehen  ?  Handeln  diese  nicht  viel- 
mehr stets  von  Zuständen ,  deren  Herbeifülirung ,  Erhaltung ,  Beseitigung 
dem  Willen  der  Menschen  ganz  oder  theilweise  unterworfen  sind?  Wo 
bliebe  andernfalls  der  Zweck  dieser  Gesetze?  Kann  Jemand  ihnen  ent- 
gegenhandeln ? 

Einen  nicht  geringen  Grad  von  Abstraktionsfähigkeit  und  Bethäti- 
gung  derselben  schreibt  Arnold  ferner  mit  dieser  Annahme  den  Gesetz- 
gebern oder  gar  dem  deutschen  Volke  jener  Zeit  zu ,  während  er  doch  1.  c. 
S.  131  selbst  erklärt:  „Aus  diesem  Grunde  war  es  für  jene  Zeit  gerade 
ein  Vorzug  unsers  Eechtes  ,  dass  es  sich  nicht  in  abstrakten  Vorschriften 
erging,  sondern  die  Anwendung  auf  bestimmte  Fälle  selbst  machte  und 
dabei  immer  das  wirkliche  Leben  im  Auge  belüelt." 

Allein  die  Geschichte  des  Wuchers  in  Deutschland ,  wie  sie  bis  hier- 
her quellenmässig  vorgeführt  wurde ,  spricht  auch  durchaus  gegen  diese 


VIII.    3.  Vorzinsl.  Darlolin.   b.  Umgestaltung  cl.  Yorkehrs.       515 

b.   Umgestaltung  dos  Verkehrs. 

Dom    entsprechend   musste  der  (Jehniucli  des   zinsbaren 
Darlelius  au  jedem  Tage  der  Handelsentwicklung  in  Deutsch- 


Auffassung  der  kanonischen  Wuchergesetze  Dieselben  kamen  von  Aussen 
nach  Deutscliland  und  zwar  schou  in  die  Volksrechte ,  in  die  Capitularien, 
in  die  ersten  kirchlichen  Beschlüsse ,  als  sie  hier  zunächst  nur  in  den 
beschränktesten  Kreisen  Anwendung  finden  konnten.  Sie  stützten  sich 
wesentlich  auf  die  Gründe  ,  welche  in  den  kirchenrechtlichen  Quellen  für 
sie  zuvor  schon  aufgestellt  waren  und  erwarteten  so  die  Entwicklung  des 
Kapitales ,  seines  Umlaufes ,  des  persönlichen  Credits.  Diese  Entwick- 
lung trat  bald,  und  durchweg  in  Deutschland  früher  ein,  alsA.  mit  beson- 
derer Rücksicht  auf  seine  Quellen  aus  Südwestdeutschland  annimmt ,  und 
zwar  trat  das  Kapital ,  wo  es  seit  ältester  Zeit  sich  fand ,  bis  zur  völlig 
erblühten  Cultur  den  fremden  Zinsgesetzen  so  nachdrücklich  gegenüber, 
das  deutsche  Recht  selbst  zeigt  eine  Reihe  ihm  eingeborener  Institute, 
welche  gerade  den  jenem  Zinsverbote  entgegenstehenden  wirthschaft- 
liclicn  Grundsatz  in  sich  so  entschieden  offenbaren ,  dass  sich  hieraus  nur 
zu  deutlich  der  immer  glühender  auftretende  Eifer  erklärt ,  mit  welchem 
bereits  die  ältesten  Zinsbestimmungen  auf  deutschem  Boden ,  z.  B.  die 
ersten  Concilienbeschlüsse ,  sich  auf  Seite  des  fremden  Rechtes  stellen. 
Das  steigende  Eifern  hierin ,  ^\ie  es  oben  vorgeführt  wurde  ,  die  unabläs- 
sigen Wiederholungen ,  die  harten  Strafen  sehen  doch  wahrhaftig  etwas 
anders  aus ,  als  wären  sie  blos  der  Ausdruck  eines  wirthschaftlichen  Ge- 
setzes, ,,  das  sich  von  selbst  verstand,"  und  sich  aus  den  wirthschaft- 
lichen Zuständen,  gleich  einer  reifen  Frucht,  von  selbst  ergab. 

Mit  diesem  irrigen  Vordersatze  fallen  auch  Arnolds  daraus  gezogene 
Folgerungen. 

So  waren  die  Zinsverbote ,  wenigstens  in  der  ersten  Hälfte  des  Mit- 
telalters und  in  den  rein  germanischen  Ländern  durchaus  nicht  drückend, 
da  sie  mit  dem  übrigen  Culturzustaude  übereinstimmten."  (S.  93.  ib.)  Sie 
drückten  vielfach ,  imd  zwar  lange  vor  1250;  drückten  sie  nicht ,  so  lag 
das  vielmehr  daran ,  dass  sich  der  deutsche  Kapitalverkehr  sehr  frühe 
schon  mittelbar  und  unmittelbar  des  fremden  Wucherverbotes  thatsäch- 
lich  entäusserte,  und  es  unberücksichtigt  liess.  —  ,,  Wenn  in  der  That  ein 
inneres  Bedürfniss  das  Darlehn  nöthig  gemacht  hätte ,  würden  die  Gesetze 
nimmer  im  Stande  gewesen  sein,  es  zu  unterdrücken."  (94.)  Gerade 
umgekolirt  stellt  sich  die  rechte  Schlussfolge:  Von  Anbeginn  ringt  das 
Davlehu ,  erst  in  engeren  ,  dann  in  weiteren  Kreisen  mit  dem  Zinsgesetz, 
bis  dieses  unterliegen  muss.  Daher  stand  das  Zinsgesetz  als  solches  von 
Anbeginn  wider  die  Natur  des  Kajiitals,  —  „Im  16.  Jahrhundert,  als 
die  Geldwirthschaft  in  den  Städten  vollendet  war,  fiel  das  Verbot  von 
selbst  hinweg."  Den  Gegenbeweis  gegen  solches  ,,  von  selbst  Fortfallen  " 

33* 


51»'.       VTII.   n.  Vor/.iiisl.  Darlohn.   1>.  Umgestaltung- tl.  A^Mkehrs. 

laiid  steigen.  Mit  der  beginnenden  Arbeitstheilung  im  Ver- 
kehre, der  Abzweigung  des  Spedition«-  und  Commissionshan- 
dels  von  dem  Eigenliandel,  mit  der  viel  berührten  Ausdehnung 
der  Handelsbeziehungen  Nord-  und  Süddeutschlands  nach  ent- 
gegengesetzten Seiten  hin  und  der  weiten  Verbreitung  und 
mannigfachst  fruchtbaren  Gestaltung  der  kaufmännischen  Ge- 
liefert die  ganze  bisherige  Darstellung ,  ein  Jahrhunderte  langer  Kampf 
statt  des  ,.  von  selbst " ,  ein  Niederringen  und  Vernichten  statt  des 
,.  Fortfallens. "  — 

Der  Verfasser  begiebt  sich  bei  diesen  Sätzen  über  seinen  sonst  so  fest- 
gefügten und  fruchtreichen  historischen  Quellengrund  hinaus  ,  wovor  er 
doch  seine  Gegner  mit  besondcrm  Eifer  warnt  (cf.  1.  c.  S.  79. 86.  87.  92.)  — 
cf.  Neu  manu,  de  foenore  redituum  annuorum  emtionis.  Halis  Saxomun 
1864.  p.  6.  7.  —  Bluntschli,  Züricher  Eechtsgesch.  II.  p.  257 ff.  lässt 
sich  des  Näheren  über  die  Natur  des  Wuchers  und  der  Wucherverbote  aus. 
Gegen  die  Gestattung  des  Wuchers  führt  er  an :  ,,  Wenn  ein  festes  und 
entschiedenes  Eechtsgefühl  sich  Jahrhunderte  lang  in  den  Völkern  äusserte, 
das  die  juristische  Theorie  nicht  zu  begreifen  vermag  und  für  falsch 
erklärt ,  . . .  so  wird  sich  die  Theorie  gewöhnlich  doch  am  Ende  falsch 
erweisen.  .  "  Nach  obiger  Entwicklung  der  Wuchergeschichte  in  Deutsch- 
land sprechen  diese  Worte  gerade  gegen  Bluntschli:  Die  juristische 
Theorie  stellte  sich  auf  die  Seite  des  Wucherverbotes ,  das  Rechtsgefühl 
im  Verkehre  des  Volkes  verlangte  immer  dringender ,  bereits  seit  Beginn 
des  Kapitalverkehres ,  die  Aufliebung  dieses  Verbotes.  Bluntschli  will 
nicht  die  Rechtfertigung  der  Wuchererlaubniss  aus  der  individuellen  Frei- 
heit des  Schuldners  zugeben,  diese  Freiheit  sei  vielmehr  Unfreiheit  gegen- 
über der  Herrschaft  des  reichen  Gläubigers.  Aber  gebieten  Recht  und 
Sittlichkeit  nicht  auch  die  Rücksicht  für  den  Gläubiger  ?  Das  Eingreifen 
der  Gesetzgebung  hierin  verschiebt  leicht  die  allseitige  Gerechtigkeit  dei' 
natürlichen  Verhältnisse  durch  einseitige  Ungerechtigkeit,  die  freie  Con- 
kun-enz  allein  regelt  in  jedem  Einzelfalle  gleichmässig  gerecht  die  Rück- 
sichten beider  Contrahenten.  Die  stetige  Unfreiheit  der  Schuldner  gegen 
die  Herrschaft  der  Gläubiger  ist  nach  Bluntschli  keine  organische ,  da  sie 
nicht  aus  Famüien  -  oder  andern  naturgemässen  persönlichen  Bezie- 
hungen hervorgehe.  Doch  Bluntschli  erlässt  uns,  gegen  diese  über- 
raschende Scheidung  auf  den  ebenso  natürlichen  Organismus  des  Kapital- 
verkehres hinzuweisen,  in  welchen  gerade  das  kanonistische  Wucherverbot 
eine  unnatürliche  Unfreiheit  hineintrug;  denn  er  zeigt  sogleich  danach 
p.  260 ff.,  dass  er  nicht  gegen  den  Wucher  im  weiten  kanonistischen  Sinne 
eifert,  sondern  ihn  nur  verwirft,  wo  er  übermässig,  versteckt  durch 
Verführung  des  Schuldners  schnöde  herbeigeführt,  auftritt.  So  auch 
K.  F.  Göschel,  Zerstreute  Blätter.   Erfurt  1832.  I.  p.  418. 


Vm.   3.  Verzinsl.  Dailehii.   b.  Umgestaltung  d.  Verkehrs.       517 

nossenschaften  musste  der  persönliche  Credit  und  so  dessen 
vornehmlicher  Ausdruck  im  Kechtssysteme ,  das  zinsbare  Dar- 
lehn ,  wachsen.  Nun  entwickelte  sich  neben  und  auf  den  Schul- 
tern des  Handels  das  städtische  und  ländliche  Gewerbe,  das 
Kapital  mehrte  sich,  es  wuchs  das  Verlangen  danach  nicht 
bloss  bei  den  Darbenden  in  der  augenblicklichen  Noth,  son- 
dern mehr  nocli  bei  den  unternehmenden,  begüterten  Geistern, 
welche  der  neue  Agitator ,  die  Spekulation ,  zu  Kapitalanlagen 
trieb,  voll  unberechenbaren  Gewinnes  für  die  unmittelbar 
Betheiligten,  wie  für  das  gesammte  Volk. 

Immer  deutlicher  zeigten  sich  die  Wirkungen  der  wirth- 
schaftlichen  Kräfte,  welche  in  den  vorn  behandelten  Rechts- 
formeu,  dann  mit  Hülfe  der  grossen  Förderer  des  Kapital- 
umlaufes, der  Juden  und  Wechsler,  ihren  gesetzmässigen 
Ausdruck  fanden.  Nun  lösten  sich  die  alten  Handelsverbin- 
dungen ,  an  welche  man  Jahrhunderte  lang  gefesselt  gewesen. 
In  das  deutsche  Handelsgebiet  strömten  neue  Handelskräfte, 
die  Juden  aus  Portugal,  die  Katholiken  aus  England,  die 
Protestanten  aus  den  Niederlanden,  alle  erprobte  Handelsleute, 
um  hier  frei  von  dem  heimischen  furchtbaren  Drucke  ihre 
Kräfte  zur  wirthschaftlichen  Förderung  dem  Lande  zu  leihen, 
welches  ohne  Hinderniss  sie  empfing  und  barg,  ein  Ersatz  der 
weltgeschichtlichen  Gerechtigkeit  für  die  Verfolgungen,  wel- 
che Deutsche  einst  fast  grundlos  über  die  Träger  ihrer  Han- 
delsstärke ergehen  Hessen. 

Aus  der  politischen  Umformung  der  Nachbarreiche,  aus 
der  Zwietracht  in  den  heimischen  Handelsbünden ,  endlich  aus 
der  Oeffnung  ausgedehnterer  Handelswege  über  den  Ocean 
durch  Spanier  und  Portugiesen  erstand  in  ungeahnter  Stärke 
ein  neuer,  grösserer  Waarenverkehr ;  fast  schon  ein  Welthan- 
del deutscher  Kaufleute.  Hanseatische  Städte  knüpfen  Ver- 
bindungen direkt  mit  den  südeuropäisclien  Ländern  an,  han- 
seatische Kiele  erstreben  die  westindischen  Häfen,  die  zukunft- 
reichen Gestade  der  neuen  Welt.  Solche  plötzliche  Umwäl- 
zungen im  Gebiete  des  sonst  mit  stetiger  Ruhe  vorschreitenden 
Verkehres  rissen  im  Augenblicke  die  Schranken  nieder,  welche 
so  enge  den  kaum  suchenden  131ick  gehemmt  hatten. 


filS      VIIT.   ;].  Vcmnsl.  Parlolm.   li.  üingestaltuni;- d.  Voikolirs. 

Nun  ontftütete  der  freigewordene  Geist  der  Erkenntnis» 
seine  Schwingen.  Was  Wunder,  dass  da  vor  dem  Beispiele 
des  ICaiserreclites ,  vor  den  Forderungen  des  1^'otestaiitismus 
und  der  von  ihm  nicht  gering  gezeitigten  Wissenschaft  zumal 
in  wirth schaftlichen  Dingen  die  praktisch  grundlosen  Hemm- 
nisse des  Kapitalverkehres,  welche  der  römisch-katholische 
Glauhenssatz  ihm  auferlegt,  nicht  hestehen  konnten.  Was 
bedurfte  es  noch  anderer  Wege  zur  nutzbaren  Anlegung  des 
Kapitales ,  was  der  betrügerischen  Umgehungen  ? 

Zunächst ,  entsprechend  der  Art  und  dem  Bedürfnisse  der 
Kapitalsuchenden ,  fordert  man  Zinsen  auf  kürzere  Zeit,  als  ein 
Jahr.  So  sagt  Sa  Irinas  ius:  ^)  „quin  etiam  olini  semper  pa- 
cisci  majores  mos  fuit  usuras,  cum  adhreve  tempus  petc- 
retur  menstruum,  ut  piito,  vel  trimestre,  quam  cum  ad  atimim 
integrum  desideraretur.  Quod  etiam  nunc  multis  in  locis 
ohtinet."  2)  Hier  gerade  wies  sich  der  Weg ,  wie  der  Gebrauch 
des  zinsbaren  Darlehus  sich  in  die  unteren  zahlreichsten  Schichten 
der  Gesellschaft  einnistete.  Deshalb  eben  erschien  oben  der 
Einfluss  der  Darlehen  Seitens  der  Wechsler  (V.  5.  d.)  so  über- 
aus gross  für  die  Umformung  der  deutschen  Zinsverhältuisse. 
Darum  häufen  sich  über  den  allverbreiteten  und  täglich  wach- 
senden Wucher  die  Klagen  der  Gesetzgeber  weltlichen  und 
geistlichen  Standes,  und  bezeichnend  ruft  em  Geistlicher  in 
der  Synode  von  Constanz  1609:  Schon  nicht  mehr  als 
Sünde  erscheint  ihnen  der  Wucher!^) 


1)  d.mutuo.  1640. 1.  c.  2)  Lüneburger  Stadtr.  1582  (Pufen- 
dorf,  obs.  IV.  app.  n.  21.)  ti.XI.  p.672.  —  Wächter,  Handbuch,  I.  I.e. 

3)  cf.  conc.  Germ.  ed.  Schannat.  u.  A.  1.  c.  vol.  VUI.  p.  906.  ti. 
XVni.  u.  Xni. :  „  Qund  jam  prope  omnem  vitü  naturam  apud  plerosqiie 
exuit."  —  Als  ganz  naturgemäss  und  nie  verboten  wendet  man  in  derzei- 
tigen Schuklurkunden  das  zinsbare  Darlehn  an.  Das  bezeugt  eine  endlose 
Reihe  von  Verträgen  der  Parteien  im  16.  Jahrbundert ,  wie  sie  jedes 
Archiv  aufweist,  cf.  auch  Urk.  v.  1,566  in  dem  Göt tinger  Cod.  des  Freib. 
St.  R. ,  wo  in  dem  Formular  einer  Schuldverschreibung  bereits  5  %  Zin- 
sen neben  den  andern  nothwendigen  Bcstandtheilen  solches  Vertrages 
nach  römischem  und  deutschem  Rechte  aufgeführt  werden.  Ferner  soll 
danach  der  Gläubiger  die  Macht  haben,  beim  Zahlungsverzuge  ,,ane  allen 
vorhergehenden   gerichtlichen   Proces"    nicht   allein   die  Hauptsumme, 


VIII.  ;>.  Verzinsl.Dark'lin.   c.  Ziiisli.  Diulolm  .1.  woltl.  Fürsten.     519 

Der  alte  Begriff  des  Wuchers  will  sich  neigen,  mit  allem 
Zorne  und  aller  Strafe  vermag  die  Kirche  ihn  nicht  aufrecht 
zu  erhalten.  Man  sieht,  überall  forderten  und  zahlten  sie  Zin- 
sen, ohne  die  Gegner  anzuhören,  als  wäre  es  anders  nie  gewe- 
sen ,  als  verlangte  die  Natur  des  Verkehres  das  unweigerlich. 
Schon  l)ildot  sich  —  höchst  gefahrdrohend  -  im  Bewusstsein 
des  Volkes,  wie  im  Geiste  der  Gebildeten  ein  neuer  Begriff  des 
Wuchers ;  Wucher  ist  nur  d  a  s  U  e  b  e  r  m  a  a  s  s  d  e  r  Z  i  n  - 
sen  über  die  im  Verkehre  durchweg  anerkannte 
gewohnheitsrechtliche  Zinshöhe.  ^) 

c.   Das  zinsbare  Darlehn,  von  den  weltlichen  Fürsten 
angewandt. 

Wie  ohnmächtig  die  Gesetze,  welche  nicht  das  Volk,  ja 
nidit  die  Gesetzgeber  selbst  vom  Zmsfordern  und  -Zahlen 
zurückhalten  können !  Je  blühender  der  Verkehr,  desto  grösser 
wird  die  Zahl  der  Umgeliungen  des  Zinsverbotes,  je  eifriger 
die  Wuclierspürcr  daran  gelien ,  desto  schlauer ,  desto  undurch- 
dringlicher hüllen  diese  Künste  sich  ein. 

Nicht  bloss  von  den  Juden  und  Wechslern  nehmen  die 
Gesetzgeber  selbst  verzinsliche  Darlehen  auf,  sondern  gar  von 
iliren  privaten  Bürgern.  Wegen  der  Gefähr  der  Rückzahlung, 
welche  der  Gläubiger  bei  ihnen  litt,  zahlen  sie  desto  höhere 
Zinsen.  2)    Ja,  noch  mehr,  durch  den  Gewinn  der  Darleiher 


sondern  auch  allen  Schaden ,  Zinsc  und  Interesse  zu  erheben.  Die  Schuld- 
ner verzichten  auf  alle  Rechtswohlthaten  und  Einreden,  der  Mann  auf 
die  exceptio  non  numerat.  pecun. ,  seine  consentirende  Frau  unter  Zustim- 
mung ihres  Beistandes  auf  das  S.  C.  Vellejanum.  (Mitth.v.  H.  Pr.  Stobb e.) 
1)  cf.  Luther,  die  Sermone  vom  Wucher,  I.e.  VII.  2.b.  und  im  libro 
de  usuris  ad  parochos  tom.  7  (Jena)  fol.  405 :  „  tisura  quincmix  non  pofisit 
adeo  wolesta  esse  debitoi'i ,  maxime  si  pupilli  viduae ,  et  miserabiles  sint 
pier^onae ,  quae  aliunde  victum  nulhun  habeant.."  Carpzov,  1.  c.  II. 
qu.  1)2 :  „. .  .mud ie n m  a c  i n  j u r e  per  m  i s s u m  fo e n u s."  2)  cf . 
Jacobi,  cod.  epist.  Johannis.  Reg.  Boh.  n.  16  (14.  Jahrb.)  „  Exccllenciatn 
vestram  perquirimus ,  —  ut  nohis  de  XX.  sexagenis  capitalis  jyecunie 
super  qiias  usure  totidem  excreverunt ,  juxta  promissa  vestre  fidei  satis- 
facere  studeatis."  —  Tzschopi)e  u.  Stenzel,  1.  c.  Einl.  u.  v.  A.  Hüll- 
mann, Städtewesen,  1.  c.  III.  ]>.  n4ff.  Hugo,  civilist.  Magazin  U.  n.  VI. 
p.  172.  Raum  er  in  der  Geschichte  der  Iluhenstaufen  führt  eine  grosse 


520    VIIT.  r>.  Vovziusl.Parlolin.  d.  Zinsb.  Darlchpncl.  Geistl..  d.  Pabstes. 

bewogen  rissen  die  Fürsten  selbst  das  Vorroclit  an  sich ,  gleich 
Juden  und  Wechslern  Gelder  auf  Zinsen  zu  leihen.  So  erstreckt 
sich  selbst  auf  sie  der  Ausspruch  lloths.  ^)  dass  die  Christen, 
durch  den  Gewinn  der  Juden  bewogen,  selbst  zu  wuchern 
begannen  (cf.  ob.  V.  5.  b.  u.  d.,  und  besonders  VIILf.) 

d.    Zinsbare  Pariehen  der  Geistlichen,  des  Pabstes. 

Und  sind  sie  nicht  zu  entschuldigen,  wenn  sogar  die 
Ol  eriker  so  das  Gesetz  ihrer  Kirche,  die  Anforderungen  ihrer 
Stellung  vergassen  und  verletzten ,  dass  sie  zinsbare  Darlehen 
als  Schuldner,  ja  ebenfalls  durch  Geldgier  getrieben  als  Gläu- 
biger abschlössen?-)  Der  Graf  von  Solms  bekennt  u.  a.  dem 
Erzbischof  von  Trier  (1331)  100  mrk.  Pf.  schuldig  zu  sein, 
zahlbar  nach  vier  Jahren,  wofür  er  ihm  Einkünfte  verpfändet; 
..furbaz  me  irkenne  ich,  daz  ich  sol  gebin  und  geldin  alle  Jar 
zein  Marc  Goldis  für  das  furgenante  Guet  mim  Herrn  fon 
Triere  oder  sime  Stifte  und  gelobm  daz  in  gudin  druin ,  daz 


Zahl  von  Beispielen  für  Friedrich  11.,  Manfred ,  Conrad  IV.  an.  Der  Graf 
von  Flandern  lieh ,  um  sich  aus  der  französischen  Gefangenschaft  loszu- 
kaufen ,  26186  Pfund  als  Darlehn,  wofür  er  den  Gläubigern  31090  Pfund 
zurückzuzalüen  in  dem  Schuldscheine  versprach.  Falls  er  die  Zahlung 
nicht  leistete ,  fielen  alle  Güter  seiner  Kaufleute  in  Flandern  und  Holland 
den  Gläubigem  zu.  Als  der  englische  König  Heinrich  III.  Sizilien  »einem 
Sohne  von  dem  römischen  Hofe  erwarb ,  schuldete  er  dem  Pabste  500040 
Pfund  Sterling.  Bankiers  aus  Florenz  und  Siena  streckten  diese  Sum- 
men vor,  sie  erhielten  als  Pfand  dafür  die  kirchlichen  Zehnten  in  Eng- 
land ,  XX.  A.  üeber  Zinsen  verlautet  Nichts.  Als  aber  der  König  den 
ersten  Zahlungstermin  nicht  innehielt ,  verpflichtete  er  sich ,  bis  zur  Ab- 
zahlung einen  Kaufmann  nebst  Pferd  tind  Diener  auszurüsten  und  auf 
allen  Reisen  desselben  zwischen  den  einzelnen  Handelsplätzen  zu  unter- 
halten ,  ausserdem  entrichtete  er  für  alle  Schäden ,  Kosten  und  sonstige 
Abgaben ,  welche  sein  Zahlungsverzug  hervorgerufen  hatte ,  10  Prozent. 
Hierher  gehören  nicht  minder  die  bei-eits  wiederholt  zitirten  grossen  Dar- 
lehen ,  welche  König  Sigismund  von  Polen  von  den  Stolper  Gebrüder 
Loitzen  und  andern  seiner  Bürger  zu  meist  8  "'o  >  zahlbar  in  Geld  oder 
Waldwaaren  aufnahm. 

1)  In  d.  Gesch.  d.  Nürnberger  Handels,  IV.  p.  286.        2)  Hoefer, 
Deutsche  Urkunden  H.  n.  143  (1331.) 


Vin.  3.  Verzinsl.  T">iirlolm.  .1.  Ziiisb.  'DaiU-hen  d.  Oeistl..  .1.  Pabstes.     521 

ich  stede  feste  sal  haldin  alle  dise  Dinc."  ^)  Klempiu  ^)  zitirt 
eine  Quittung  des  Gläubigers  über   ein   vom   Bischof  von 
Kamin  genommenes  zinsbares  Darlehn  von  8  fl.  (1493): 
,,recci)isse  me  ...  VIII  fJorenos,  in  qiiibus  mihi  (creditor) 
occasione  amicdbüis  mutui  in  Romana  curia  sihi  facti  tene- 
hatnr  oNigafus.  de  quiJms  ipsnm  dominum  ...  et  Inter- 
esse liinc  putantes  quito."" 
Nicht  ohne  Grund  hatten  die  alten  Gesetze  und  die  Conzilien 
gegen  iliren  Wuchertrieb  geeifert  und  Warnung  auf  Warnung 
ertheilt!^)    Zu  nahe  kamen  sie  durch  ihre  vielfach  damals  in 
die  alltäglichen  Verkehrsverhältnisse    eingreifende  Thätigkeit 
mit  dem  Fortschritte  derselben  in  Berührung ,  um  nicht  ihre 
AVirkung   zu  verspüren.    Emzelne  Geistliche  und   Stiftungen, 
Klöster  -gaben  ihre  reichen  disponibeln  Geldmittel  nicht  ganz 
auf  Grundstücke  zur  sicheren  Anlage;  an  Juden  und  Wechsler 
liehen  sie  sie  zur  Theilnahme  am  Zinsgewinne,  zu  gefahrvollen 
Unternehmungen  reichten  sie  dieselben,  da  der  Vortheil  bei 
glücklicher  Zuendeführung   auch  bedeutend  sich  wies.  ^)    Die 


1)  Hoefer.  1.  c.  —  Watteubach,  cod.  dipl.  Sil.  I.  n.  107  (1425.) 
Ein  Bauer  schuldet  einem  Kloster  10  mrk. ,  dafür  verschreibt  er  ihm  sein 
Grundstück  und  verspricht,  jährlich  in  den  nächsten  4  Jahren  '  2  nirk. 
zu  Zinsen.  Bei  Zahlungssäumniss  steht  den  Clerikern  das  Pfändungsrecht 
zu,  ausserdem  erhalten  sie  während  der  Verzugszeit  jährlich  1  mrk.  Ver- 
zugszinsen. In  4  Jahren  soll  der  Schuldner  die  10  mrk.  zurückzahlen. 
—  Und  umgekehrt  verkauft  1234  das  Kloster  Hirsau  bei  Basel  etliche 
seiner  Güter,  „ut  eos  et  ecclesiam  ipsorum  a  gravissimis  usuris 
Romanorum  liherarent ."  (Arnold,  Gesch.  des  städt.  Eigenth.  p.311.) 

2)  Diplomat.  Beitr.  z.  Gesch.  Pommerns.  1493.  (p.  95.)  3)  Ausser 
den  vielen  obigen  Citaten  hierfür  (Einl.  I.  1.  3.  U.  2.  III.  1.  b.  2.  a.  b. 
V.  5.  d.  f.  u.  a.)  mag  noch  erwähnt  werden  Stalin,  Würtemberg. Gesch. 
I.  p.  401.  n.  11.  Erzbischof  Hatto  von  Basel  und  Keichenau  (stirbt  836) 
ermahnt:  „  Ut  ipn  sacerdotes  rerho  et  exem^ilo  omnibiis pracdicent, 
ut  nullas  usuroft  accipiant ,  nee  sescupla ,  nee  speciem  pro  specie.  Quia 
valde  infidelis  et  rebellis  Dei  jussionihus  est,  qui  hoc  agit :  qnod  omnibus 
Christianis  aeque  dictum  dinoscitur."  d'Achery,  Spir.  I.  1723.  p.  585.- 
(v.  H.  Pr.  Stobbe.)  4)  cf.  den  Danz.  Fall  der  Sozietät.  (VI.  2.)  14.38. 
Bornbach,  Rezesse  III.  fl.  621.  (Danz.  Arch.)  dann  V.  5.  d.  u.  e.  Sal- 
masius,  de  usuris  a.v.  A.  Bamberger  Synode  v.'1491  (conc.  Germ.  I.e. 
vol.  V.  fl.  523):  „excommimieaios  denuncient  rectores  eccle siarum 


'y22     Vin.  ;>.  Vor/iiisl.  Dnrlolni.  d,  Ziiisb.  Darlelm  d.  Gci.stl.,  d.  Tabstes. 

Voru/zi  uiul  Bardi,  Bankhäuser  in  Italien,  hatten  bei  ihrem 
Bankrutt  nicht  weniger,  als  550,000  fl.  derartiger  Einlage- 
kapitalien der  Geistlichkeit  —  und  das  in  Italien !  in  ihren 
Büchern  verzeichnet.  ^)  Und  unterschieden  die  montcs  pidatis 
in  ilirem  nothgezwungenen  letzten  Ausbildungsstadium  sich 
"wesentlich  hiervon  (cf.  besonders  V.  5.  e.)? 

Oder  die  Geistlichen  nöthigten  durch  Missbrauch  der  in 
ihre  Hand  gelegten  Gewalt  Juden  und  Wechsler ,  ihnen  Etwas 
des  Wucliergewinnes  abzugeben  als  Strafe  oder  Tribut,  oder 
sie  begannen  selbst  gar  wucherliche  Geschäfte  zu  treiben.  Pri- 
vatleuten, Städten,  Staaten  gaben  sie  Darlehen,  und  zwar 
wegen  der  Gefahr  der  Geistlichkeit  hierbei  zu  hohen  Zmsen, 
So  sagt  schon  der  S  c h  w  a  b  e  n  s  p  i  e  g  e  1  (Wackernagel  c.  1 4 1 ) : 
„und  ist  er  ain  Pfafe  (unter  den  öffentlichen  Wucherern), 
sin  meisterschaft  sol  ez  vber  in  richten..."-)  Die  Tri  den- 
tiner Synode  von  1593^)  aber  ruft  aus:  „praeter ea  in- 
numerahilihns  locis  clericorum  foenus  comme- 
moratiir."  ^) 

Nichts  galten  ihnen  die  canones,  ausser,  dass  sie  den 
Schuldner  überredeten ,  auf  deren  Vortheile  für  ihn  zu  verzich- 
ten. Und  so  verglich  man  die  Geistlichen  unter  andern  Eigen- 
schaften ihrer  Stellung  vornehmlich  auch  wegen  ihres  Wuchers 
mit  dem  Adel,  den  Wechslern  und  Juden.  ^)  Das  Stadt  recht 
von  Mühlhausen  ^)  sagt  hierüber: 


omnes  Cliristianos ,  qui  aj) u d  J u cl a e o s p ecun i a m  suam  locant, 
ut  a  Judaeis  usuram  reci2iiant  vel  ut  Judaei  enndem 
mutuent  ad  usuram." 

1)  cf.  die  Statuten  in  Piacenza  1391,  Bergamo  1457,  Genua  1589. 
Martens,  Gesch.  d.  U.  d.  Wechs.  §.  7.  u.  A.  2)  Culmer  Recht  V.  a. 
65.  §.  6.  Darauf  zielt  auch  die  Breslauer  Synode  von  1266  cp.  10  u.  die 
syn.  Budensis  1279.  cp.  37.  Hube,  constitt.  synod.  p.  68ff.  Rechts- 
buch Ruprechts  v.  Freysing.  11.  cp.  74.  Altes  Cölner  Stadtr. 
(14.  Jahrh.)  1.  c.  a.  46.  p.  69.  Hüllmann,  1.  c.  IT.  p.  240 ff.  III.  p,  99ff. 
Luther,  kleiner  Sermon  vom  Wucher.  1519.  p.  125 ff.  3)  conc.  Germ. 
Mll.  fl.  439.  4)  Salmasius  a.  v.  0.   von  Meiern,  sechster  Zins- 

thaler  1.  c.  §.  IX.  5)  cf.  Bamberger  Stadtr.  §.  31.  33.  34.  Zöpfl: 
„  in  diesem  wie  in  andern  Stadtrechten  werden  Geistliche  und  Juden 
rechtlich  auf  dieselbe  Stufe  gestellt."  6)  Stephan,  neue  Stoffliefe- 
rungen.  1846.   p.  57  (1302), 


Vnr.  3.  Yorzinsl.  Parlolin.  d.  Zinsl..  Dinlrlin  d.  CJoistl.,  d.  Pabstes.     523 

„Wanne  die  buvge  wis  sint  worden  vnn  gomaclit  daz  sy 
vnn  die  stat  gemeynliche  groszen  schaden  int- 
phangen  von  gute  phaphen.  rittere  vnn  Juden." 
Den  Wucher  der  Geistliclien  liätten  Bischöfe  und  Erzhischöfe 
durch  strenge  Handhabung  der  von  Päbsten  und  Con/.ilien 
zudiktirtcn  Strafen  unterdrücken  können.  Sie  selbst  al)er 
ermangelten  oft  des  Geldes,  und  ohne  Zinsen  erhielten  sie  kei- 
nes geborgt. 

Nicht  anders  war  die  Lage  derPäbste.  Sie  gestatteten 
nicht  allein  Andern  ausnahmsweise  Zinsen  vom  Darlehn  zu 
zahlen .  sondern  empfingen  selbst  von  Privatleuten  oder  Bank- 
häusern in  Italien,  durch  Noth  gedrängt,  zu  hohen  Zinsen 
Darlelm ,  da  ihre  eigenen  Verfügungen  die  Unsicherheit ,  die 
Gefahr  ihrer  Darlehnsgläubiger  mehrten.  Die  Zinsen  wurden 
hier  meistens  sogleich  von  der  Darlehnssumme  abgezogen .  so 
dass  die  Päbste  einen  viel  geringeren  Betrag  wirklich  erhiel- 
ten, als  sie  auf  den  Schuldurkunden  empfangen  zu  haben  und 
zu  verschulden  erklärten.  So  litten  sie  selbst  unter  dem  natur- 
widrigen Drucke  ihrer  Zinsgesetze.  ^)  Pabst  HonoriusTTT. 
bestätigte  einen  Vertrag ,  in  welchem  ein  Bischof  Sienensischen 
Bankiers  versprochen  hatte,  dass  im  Falle  des  Zahlungsver- 
zuges bei  Erstattung  von  Kapital  und  Zinsen  er  die  Strafe  der 
Exkommunikation  erdulden  wolle.  Innocenz  III.  billigte,  die 
öffentlichen  Abgaben  in  Sizilien  zu  verpfänden  und  von  Kauf- 
leuten zinsbare  Darlehen  aufzunehmen.  Pabst  Clemens  IV. 
nahm ,  als  er  der  Stadt  Siena  die  Exkommunikation  auferlegte, 
diejenigen  Kaufleute  und  Wechsler ,  welche  kurz  zuvor  ihm 
und  Karl  von  Anjou  zinsbare  Darlehen  gegeben  hatten ,  von 
jener  Strafe  aus.  Er  selbst  beklagte  sich  bitter  darüber,  dass 
die  Darlehnsgläubiger  von  unersättlicher  Geldgier  getrieben, 
so  hohe  Zinsen  von  den  Kapitalssummen  vornweg  abzögen. 
Einst  bekannte  er  in  dem  Schuldscheine  100,000  Pf.  empfan- 
gen zu  haben,  hi  Wahrheit  w^aren  bereits  50  Prozent  davon 


1)  cf.  J.  F.  Kobc,  de  pccun.  nnituat.  Göttiiig.l7r)l.  §.  ,S0 :  „quo  fre- 
quentiora  in  superiorihua  s((ecuJis  priiesertiin  inde  a  XIII  nsque  <ul  tem- 
X>us  pacis  profanae  in  diplomatihnx  excmpln  occurrunt  aeris  (ilicni  ab 
cpiscopiss  eornndernque  ccdesiis  contrucii "  Iianinor .  1.  c. 


524    TTTT.   H.  Yovzinsl.  "Darlohn.    e.  Zinsbare  ■Darlolien  im  Verkehre. 

abgeiiomnieii.  Welche  scholastischen  Entschuldigungen  und 
Yerdeckungen  man  bei  den  päbstlichen  Anleihen  anzAiwenden 
liebte ,  ist  oben  V.  5.  e.  (am  Ende)  bereits  in  .Verbindung  mit 
den  montes  pietatis ,  und  VI.  2.  im  Zusammenhange  mit  dem 
Gesellschaftsvertrage  berührt. 

Bei  der  zum  1 6.  Jahrhundert  hin  immer  enger  geknüpften 
Handelsverbindung  zwischen  Deutschland  und  Italien,  zuvor 
auch  durch  die  Bankhäuser  der  Niederlande ,  konnten  derglei- 
chen Vorgänge  in  Deutschland  nicht  unbekannt  bleiben.  Wie 
mussten  sie  dem  Kapitalbedürftigen  die  Augen  öffnen  über  die 
Sündhaftigkeit  und  verbrecherische  Natur  der  Zmsen !  Immer 
mehr  ward  in  diesem  Punkte  das  Ansehn  der  kanonistischen 
Zinsgesetze  untergraben,  wurde  der  Schrecken  vor  den  Wucher- 
strafen abgeschwächt.  ^)  Man  misstraute  den  kirchlichen  Be- 
stimmungen ,  man  liess  mildere  Kücksichten  in  der  Zinsfrage 
walten.  ^)   (Vergl.  besonders  V.  5.  d.  u.  f.) 

e.   Zinsbare  Darlehen  im  Verkehre  seit  dem  1.5.  Jahrhundert. 

Deshalb  häufen  sich  allgemach  die  Fälle  der  zinsbaren 
Darlehen  so  gewaltig,  dass  man  ersieht,  allgemein  ward  das 
Bedürfniss  dieses  Rechtsgeschäftes  gefühlt  und  kein  Mensch 
fragte  mehr  nach  dem  kanonistischen  Verbote.  Wie  selbstver- 
ständlich werdeji  die  Zins  vermerke  dem  Contrakte  hinzugefügt.^) 
Besonders  bezeichnend  ist  hiefür  das  bereits  oben  VIII.  3.  b. 
angeführte  Formular  einer  Schuldverschreibung  von  1556, 
in  welcher  die  Verzinsung  der  Schuldsumme  zu  5  %  ^Is  jedes- 


1)  cf.  Salmasius  a.  v.  0.  Carpzov,  1.  c.  obs.  III.  2)  cf.  Came- 
ralschreiben  v.  Marquard,  Bischof  zu  Speyer,  einem  Kammerrichter. 
Cothmann,  consil.  11.  52.  n.  88.  v.  Meiern,  sechster  Zinsthaler ,  I.e. 
§.  32.  „und  ob  nun  wol  solcher  Eeichsabschied  in  dem  Verstände  den 
geistlichen  Eechten  etwas  zu  wider  sein  möchte. . "  (1580) .  so  geschehe 
in  Deutschland  diese  Nichtachtung  jener  Gesetze  nicht  eben  selten.  Eau- 
mer,  Hohen  stauten ,  1.  c. :  ,,  Sofern  man  aber  diesen  Bann  oft  nur  im  All- 
gemeinen ohne  namentliche  Anklage  oder  Beweis  aussprach ,  bekümmer- 
ten sich  die  Meisten  fast  gar  nicht  darum."  3)  Danz.  Schöppenb. 
von  1.556.  fl.  .58-.  68^.,  ib.  v.  1557  fl.  158,  337^  476-.  482;  ib.  1567  fl.  4, 
5,  42 ;  ib.  1568  fl.  23T-. 


YIII.   3.  Yerzinsl.  Darlohn.  e.  Zinsbare  Darlehen  im  Verkehre.     525 

mal  erforderlich  und  selbstverständlich  vorausgesetzt  wird. 
So  heisst  esaiich  im  Danziger  Schöppeiibuche vonl575fl.31. 
„was'nu  die  resteude  Summa  betrifft  der  XVcmrk.,  die- 
selben Summa  haben  obgemelte  vormündere  deme  hannz 
Berenth  zugesagett  auff  eine  handtschriffth  zu  lassen  ein 
Jhar  langk  nemlich  vomie  Ostern  (1573)  bis  Ostern  (1574) 
sol  er  denzinsz  zahlen  vor  ein  Jhar  sieben  pro- 
c  e  n  1 0  das  ist  hunderth  vnd  fünft  margk ,  so  ferne  aber  ged. 
hannscz  Berenth  das  geldt  den  hauptstuell  der  XV  c  mrk. 
wollte  lenger  habenn  Sieben  pro  cento ,  so  soll  er  gedachte 
haupttsumma  nicht  lenger  auff  eine  handttschrifth  brauchen, 
sohdern  bey  Sein  erbe ,  so  er  in  der  langen  gassen  besitzet, 
in  eines  Erb  -  Ratts  erbe  buche  verschreibenn  lassen. . . " 
und  im  Schöppenbuche  von  1578.  fol.  152. 

„welche  IcXX  mrk.  der  Stieffvater  angelobett  auff  konfftigk 
Martini  ..  bar  zu  erlegen,  behelt  ers  noch  lenger,  soll  vnd 
will  er  dasselbe  alsdan  vonn  gedachter  zeitt  an  dem  vn- 
mündigen  verzinsen  nach  lauft  der  Stadt  will- 
küer. ." 
In  einer  der  oben  zitirten  Darlehnsurkunden  König  Sigismunds 
von  Polen  über  die  sehr  grossen  Darlehen  der  Gebrüder  Loitzen 
an    ihn  wird   ausdrücklich  betont,  dass  natürlich  (nimirum) 
8%  von  der  Summe  zuzahlen  seien.  ^)   Im  Dan  z.  Schop- 
pen buch  von  1578.  fl.  281  lautet  es  daher  sogar  für  den  Fall 
des  Interusuril : 

,,vnnd  so  ich  das  geltt  (100  r.  Darlehn)  wiedergeben  werde, 
eher  das  Jhar  vmb  were,  soll  der  zinsz  gerechnett 
werden  nach  aduenant  der  zeitt." 
Die  Höhe  des  Zinsfusses ,  welche  man  zum  Theile  aus  den  obi- 
gen Tabellen  des  Rentenfusses  (V.  3.  b.  c.) ,  insbesondere  seit 
der  Annäherung  des  Rentenkaufes  an  das  Darlehn  entnehmen 
kann  (ib.  V.  3.  d.),  und  welche  mit  Rücksicht  auf  alle  auch 
heute  dieselbe  bestimmenden  Momente  bedeutender  als  heute 
schwankt,  stellt  sich  durchschnittlich  seit  dem  Ende  des 
15.  Jahrhunderts   in   Nord-  und  Ost-Deutschland 

\)  d.  darüber  oben  S.  174. 


ö'JG     Ylll.   .").  Vevzinsl.  Dailolm.   o.  Zinsbare  Darlelion  im  Vorkehre. 

auf  8— 6  Prozent,  in  den  übrigen  T heilen  auf 
G  —  4  Prozent.  Das  lehren  ausser  den  obigen  Urkunden  aus- 
drücklich die  mit  jenen  übereinstimmenden  Partikulargesetze 
aus  den  eijizelnen  Theilen  Deutschlands,  dann  die  lieichs- 
gesetze  (ix!  2.) ') 

Erwägt  man ,  dass  zu  dieser  Menge  der  eigentlichen  Dar- 
lehnsscheine  mit  Zinsvermerken  noch  die  Zahl  der  Schuldur- 
kunden ,  aus  den  oben  erörterten  allmählich  ganz  dem  zins- 
baren Darlehen  angenäherten  Kechtsgeschäften  kommen,  beson- 
ders aus  dem  Interesse  und  dem  Keutenkaufe ,  dann  die  gewaltige 
Menge  der  von  Juden  und  Wechslern ,  von  den  privaten  und 
öifentlichen ,  weltlichen  und  kirchlichen  Darlehnsbanken  u.s.w. 
abgeschlossenen  zinsbaren  Darlehen ,  so  erhält  man  ein  Bild 


1)  cf.  auch  Luther,  Hüllmann,  1.  c.  Salmasius,  d.  modo 
usurar.  1639.  cp.  2.  p.  53.  Eichhorn,  D.  R.  G.  §.  377  u.  572.  Gerber, 
D.  P.  E.  §.  187.  In  England  verbot  Eduard  d.  Bekenner  zuerst  die 
Zinsen  (cf.  ob.  V.  1.),  dann  ebenso  Eduard  III.  Im  J.  1391  bekannte  das 
Unterhaus  sich  zu  ihnen  gegen  den  „schändlichen  Wucher,"  noch  1488 
belegte  man  den  Wucher  mit  einer  Geldstrafe  von  20  fl.,  Pranger  und  halb- 
jährigem Gefängnisse  (Anderson  orij^in  of  commerce,  a.  1045.  1341. 
1391.  1488.)  Der  Zinsfuss  war  hier  allgemein  unter  Heinrich  VIII:  10  7o 
(37  Henry  VIII.  c.  9.) ,  Eduard  VI.  verbot  wieder  alle  Zinsen  (5.  G.  Ed.  VI. 
c.  20),  dadurch  stieg  der  Zinsfuss  bis  auf  14"/o.  1571  nahm  man  das  Ver- 
bot zurück. —  In  Frankreich  herrschte  unter  Philipp  dem  Schön#i 
1311  der  Zinsfuss  von  20  7o,  für  die  Champagner  Messen  15%  (Ordon- 
nances  de  France  I.  p.  484.  494.  508.  Beaumanoir,  coütumes  c.  67  des 
usures  n.  2)  1406  herrscht  in  Marseille  der  Zinsfuss  von  10  %  (Anderson, 
origin.  1.  c.a.  1406),  bis  zum  17.  Jahrhundert  fäUt  derselbe  dann  anch  hier 
zu  5  7o ,  nur  etwas  langsamer ,  als  in  Deutschland  (cf.  ob.  V.  3.  c.) ,  1634 
spricht  das  Parlament  sich  gegen  eine  Zinsemiedrigung  aus  (F  o  r  b  o  n  - 
nais,  recherches  et  considerations  I.  p.  226.)  Ludwig  XIV.  erklärte 
schliesslich  nach  dem  Vorgange  des  Verkehres  5%  Zinsen  1665  als 
gesetzlich.  —  In  Dänemark  bestiimnte  man  trotz  Melanchthons  Gut- 
achten (cf.  oben  Vn.  2.  b.)  1554  als  gesetzlichen  Zinsfuss  5  7.. ;  denn  es 
sei  nicht  abzuschaffen ,  obgleich  gegen  Gottes  Gesetz  (Homey er ,  Däni- 
sche R.  G.  von  Kolderup-Eosenvingc.  §.  142.).  -  In  Holland  war  1640 
der  gesetzliche  Zinsfuss  5  ",'„ ,  1655  4  "/„ ,  doch  behinderte  das  den  Verkehr 
nicht  (J.  Child,  discourse  of  trade  p.  151.  Locke,  considerations  on  the 
lowering  of  interest  (H.  p.  34.)  —  Röscher,  N.  0.  I.  p.  334.  336.  340. 
349  ff.  353.  356. 


YIII.    3.  Verzinsl.  Dailohn.    f.  Anleihen  der  Städte  u.  Staaten.     527 

von  der  unzähligen  Fülle  der  im  Verkehre  vereinharten  Zinsen 
beim  Darlehen,  von  der  thatsächlichen  Vereitelung,  der  voll- 
ständigen Beseitigung  aller  kanonistiscben  Zinshemmnisse. 

f.   Die  Anleihen  der  Städte  und  Staaten. 

Wie  steigerten  sich  erst  diese  Verhältnisse ,  als  die  k  1  e  i  - 
nereu  und  grossen  Geraeinwesen  nicht  mehr  mit  ihren 
bisherigen  Einnahmen  die  erweiterten  Bedürfnisse  decken 
konnten  und  zu  Anleihen  grift'en!  So  die  Städte.  Beiden 
einen  die  städtischen  Bauten ,  bei  andern  die  Fehden  und  Kriege 
mit  Kriegskosten  und  Tributgeldern ,  bei  andern  die  Steuern 
an  andere  Fürsten  oder  an  den  Kaiser,  so  die  Bussgelder  der 
Städte ,  die  sich  gegen  Heinrich  IV.  aufgelehnt  hatten ,  ver- 
langten grössere  Einnahmequellen  der  städtischen  Kasse ,  als 
die  bisherigen.  Wo  nutzbare  Regale  dem  städtischen  Säckel 
solche  Zuschüsse  beträchtlich  gewährten ,  waren  dieselben  meist 
bereits  für  bestimmte  Zwecke  ausersehen.  Es  ward  erforder- 
lich, durch  städtische  Consum  -  Steuern  („Ungelt")  alle 
Bürger  zur  Bestreitung  der  neuen  Ausgaben  heranzuziehen, 
zunächst  nur  bei  speziell  auftauchenden  Gelegenheiten,  bald 
seit  dem  13.  Jahrhundert  regelmässig. 

Schliesslich  wuchsen  die  Ausgaben  aber  auch  diesen  VAn- 
nahmen  über  den  Kopf,  besonders  kostspielige ,  dringende  Ver- 
anlassungen verlangten  schnell  die  Aufbringung  grosser  dispo- 
nibler Geldmittel,  die  Städte  mussten  Schulden  machen, 
wie  der  Privatmann.  So  nahmen  sie  Darlehen  gegen 
Zinsen  auf.  Man  drückte  das  lediglich  formell  aus,  eine 
Rente  auf  die  Stadt,  auf  die  städtischen  öffentlichen  Gebäude 
legen  (V.  3.  b.  d.)  und  von  ihnen  zahlen.  Nicht  um  die  in  den 
Stadtrechnungen  doch  ganz  offen  aufgeführten  hohen  Zinssätze 
mit  dem  weiten  und  gebräuchlichen  Mantel  des  Rentenkaufes 
(IX.  2.)  zu  verhüllen,  gebrauchte  man  jene  Bezeichnung,  son- 
dern in  diesen  Fällen  war  die  Bezeichnung  lediglich  ein  ande- 
rer, gewöhnlicher  Ausdruck  für  die  Zinsen  selbst.  Freilich 
liegt  darin  innner  ein  Hinweis  auf  die  gefühlte  Verwandtschaft 
zwischen  dem  entwickelten  Rentenkaufe  und  dem  zinsbaren 
Darlehn.   Aus  den  Zinsen  erwuchs  ein  neuer  Ausgabestrang, 


528     VIII.   3.  Verzinsl.  Darlolm.   f.  Aiileilien  der  Städte  u.  Staaten. 

der  schliesslicli  neue  Anleihen  verlangte.  Das  ist  die  Geburt 
der  heutigen  öftentlichen  Finanzwirthschaft. 

Arnold  *)  führt  enie  Reihe  solcher  Fälle  auf,  in  Avelcheu 
die  Rheinischen  Städte  speziell  durch  uuA^orhergesehene  oder 
besonders  grosse  Ausgaben  zu  Anleihen  gezwungen  wurden. 
Um  1250  beginnt  das  Aufnehmen  dieser  zinsbaren  Anleihen, 
im  Interregnum  hört  man  bereits  Klagen  über  deren  schnelles 
Waehsthuni.  Anfangs  liehen  reiche  Bürger;  dann  musste  mau 
sich  durch  Verpfändung  städtischer  Einkünfte  auch  von  Aus- 
wärtigen Kapitalien  verschaffen,  zuletzt  veräusserte  man 
städtische  Grundstücke. 

Oben  beim  Reuteukaufe  (V.  3.  d.)  wurde  ausgeführt,  wie 
Danzig  wegen  der  die  städtischen  Einkünfte  erschöpfenden 
Kosten  des  dreizehnjährigen  Krieges  1454  —  66  von  den  eige- 
nen Bürgern  und  Fremden  eine  grosse  Menge  Darlehn  aufnahm. 
Schliesslich  konnten  dieselben  nicht  abgezahlt,  ja  nicht  ein- 
mal die  Zinsen  den  ungeduldigen  Gläubigern  entrichtet  werden. 
Steuern  legte  hier  der  Rath  den  Bürgern  deshalb  nicht  auf. 
aber  er  that  einen  Gewältstreich ,  indem  er  die  auf  Handschrif- 
ten mid  zu  schneller  Rückzahlung  geliehenen  Kapitalien  in 
Rentengelder  (auch  Leibrenten,  wegen  der  fiiiheren  Endigung 
der  Rentenschuld  um  so  erwünschter ,  V,  3.  d..  V.  5.  d)  ver- 
wandelte, städtische  Grundstücke  mit  Renten  belastete,  die 
Abzahlung  der  Kapitalien  dagegen  hmausschob  und  in  seiner 
Hand  behielt.  Als  diese  für  den  folgenden  Credit  so  gefähr- 
liche Operation,  ein  Vorbild  neuerer  Finanzhilfsmittel,  nicht 
zur  Erlösung  der  Stadt  aus  der  gefährlichen  Calamität  genügte, 
vielmehr  die  weiteren  Gläubiger  wegen  ihrer  Forderungen  in 
Unruhe  versetzte  und  sie  bewog,  auf  schleunige  Realisü'ung 
der  letzteren  nunmehr  um  so  eifriger  zu  dringen ,  forderte  Dan- 
zig seine  Bürger  auf,  die  ihnen  gehörenden  Forderungen  der 
Stadt  als  Geschenk  zu  übermacheu ,  vornehmlich  aber  die  For- 
derungen jener  auswärtigen  Gläubiger  anzukaufen  und  diese 
in  Renten  umwandebi  zu  lassen  oder  sie  der  Stadt  ebenfalls 
zu  schenken. 


1)  Gesch.  der  Verfass.  der   deutschen  Freistaaten  U.  p.  257  —  59, 
272  —  74. 


Vm.   3.  Vorzinsl.  Davleliii.   f.  Anleihen  der  Städte  u.  Staaten.     529 

In  W  0  r  m  s  stellte  man  statt  dieser  Operationen  schliess- 
lich Anweisungen  auf  die  Steuern  der  Bürger  selbst  als  Zah- 
lung für  die  Gläul)iger  aus  und  dies  in  solcher  Zahl,  dass  schon 
1298  der  achte  Theil  des  Ungelts  verpfändet  war,  zum  Theil 
an  reiche  Bürger  derselben  Stadt.  Der  Zinsfuss  der  Anleilien 
in  den  Städten  war  deshalb  höher ,  als  derjenige  sonstiger  Dar- 
lehen, so  in  Worms  6  —  10  7o  noch  im  14.  Jahrhundert,  weil 
die  Sicherlieit  der  Rückzahlung  des  Kapitales  nach  Verpfän- 
dung und  Verkauf  der  städtischen  Renten  nur  noch  in  dem  An- 
sehen der  Stadt  selbst  wurzelte.  Bei  der  Ueberschuldung  der 
Stadtkasse  aber,  der  begrenzten  Ausdehnung  des  üngelts,  bei 
dem  Missbrauche  städtischer  Gewalt  zu  den  eben  berührten 
finanziellen  Gewaltstreichen  war  jenes  Ansehn  des  Gemein- 
wesens ein  geringer  Halt. 

Basel  lieh  13G6:  2885  Pfimd  zu  9  —  10%;  1384:  1000 
Gulden  um  100  Gulden  jährlichen  Zins;  1500  Gulden  um  100 
Gulden;  100  Gulden  um  8  Gulden;  1387:  3900  Gulden  um 
315  Gulden.  Die  stehende  Schuld  der  Stadt  wuchs  bis  ins 
15.  Jahrhundert  hinein,  die  Zinsen  überstiegen  bald  die  vor- 
dem bedeutendsten  städtischen  Ausgaben.  Sie  betrugen  in 
Basel  1363:  42  Pfund,  1365:  77  Pf.,  1366:  178  Pf ,  1368: 
405  Pf ,  1374:  1048  Pf,  1377:  2013  Pf,  1381:  3099  Pf , 
1392:  über  6000  Pf,  1400:  über  8000  Pf,  1426:  12300  Pf, 
1427:  12800  Pf,  1428:  13000  Pf ,  1429:  13400  Pf ,  1430: 
14200  Pf  Hier  musste  der  Rath  zu  ihrer  Aufbringung  neue 
Anleihen  machen.  Seitdem  verringerten  sie  sich  etwas.  1449 
betrugen  sie:  9909  Pf ,  1451:  11714  Pf,  1458:  9370  Pf , 
1464:  9677  Pf,  1487:  9850,  1490:  10114  Pf  ') 

In  Nürnberg  konnte  man  sich  seit  1360  und  1370  bei 
der  wachsenden  Schulden-  und  Zinsenlast  nur  dadurch  helfen, 
dass  man  ausser  der  Consumsteuer  (üngelt)  noch  eme  Ein- 
kommensteuer (L  0  s  u  n  g)  von  Kapitalzinsen  und  sonstigem 
p]inkommen  den  Bürgern  auflegte,  ^)  und  dies  zu  IG^/j,  %  (^'^n 


1)  Ochs,  Gesch.  v.  Basel.  U.  433  — 37,  UI.  204 ff.  V.  108 ff.  2)  Je 
mehr  man  die  städtischen  Eechnungsbücher  jener  Zeit  aufdecken  wird, 
desto  übereinstimmender  wird   sicli   dieses  Resultat  herausstellen.    Für 

Neumann,    Gesch.  d.   Wuchers.  34 


530    VTTT.   3.  Vovziiisl.  "Davlolni.   f.  Anleihen  der  Städte  n.  Staaten. 

GGuld.  1  G.)  in  3  Jaliven,  dagegen  bei  Leibgedinge  nur  8V3  %• 
Der  gewöhnliche  Zinsfuss  der  städtischen  Anleihen  betrug  hier 


Breslau  walten  dieselben  Verhältnisse  ob.  cf.  Cod.  dipl.  Sil.  III.  Grün- 
hagen: p.  1.  u.  2;  4  n.  3;  46.  n.  4;  114.  n.  1;  116.  n.  10.  Exactiones, 
direkte  Steuern  werden  hier  1299 ,  sehr  bald  regelmässig  wiederkehrend, 
je  nach  dem  jedesmaligen  Bedürfnisse  verschieden  hoch  gefordert.  Durch- 
schnittlich betragen  diese  pro  Jahr  400  mrk. ,  so  noch  unter  Kaiser 
Karl  lA''.  1321  heisst  es :  ,.Perccpenmt  (coss.)  de  una  coUecta  dupUcata 
X)Osiia  ante  festum  pasce  et  de  duabus  eoUeetis  simplicibus  cum  juramento 
quingentas  marcas  et  80  marc.  et  7  niarc.  et  7  scot."  Hier  liegt  eine  neue 
direkte  Steuererhebung  vor ,  wo  Jeder  unter  eidlicher  Versicherung  sein 
Vermögen  zu  schätzen  verpflichtet  war.  Doch  schon  1323  musste  der 
Herzog  verordnen ,  dass  falsche  eidliche  Angaben  dieser  Art  mit  dem 
Banue  zu  bestrafen  seien  (cf.  die  Beläge  aus  dem  Copirbuche  fl.  83 ,  Klose 
1.620,  Sommersberg  I.  336.  Bei  Grünhagen  I.e.)  Instruktionen  bei 
Deklarationen  zum  Behufe  des  Eidgeschosses  cf.  bei  Klose  1.  c.  (Stenzel, 
Ss.  in.  193.)  1520  wurde  das  Eidgeschoss  durch  Kathsbeschluss  abge- 
schafft (ib.  p.  269.)  —  Dann  ib.  in  der  racio  dominorum  coss.  de  a.  1386 : 
^,j)Timo  de  exaccione  duplici  infra  mediam  marcam  inferius  recepta  post 
Letare  et  festum  Pasce."  Hier  liegen  2  Steuererhebungen  vor ,  die  erste 
begreift  alle  die  in  sich ,  welche  weniger  als  V2  i^i'k-  zu  steuern  haben, 
die  zweite  diejenigen ,  welche  V2  nirk.  oder  mehr  zahlen.  Die  erstere  wird 
als  die  schwerer  beizutreibeude  in  den  einzelnen  Vierteln  besonders  ein- 
gezogen, die  zweite  dagegen  direkt  denConsuln  übergeben.  Beide  Steuer- 
klassen müssen  eine  gleich  hohe  Summe  durchschnittlich  einbringen. 
Grünhagen,  1.  c.  p.  114.  n.  1.  —  Ausser  diesen  direkten  frühe  schon 
regelmässig  wiederkehrenden,  nur  möglicherweise  verschieden  hohen 
Steuern  sind  dann  noch  die  unregelmässig  auferlegten  zu  zahlen  gewesen, 
deren  Charakter  schon  ihr  Name  bede  oder  precaria ,  petitio  kennzeichnet. 
Dieselben  betragen  in  Breslau  1386  allein  600  m.  (cf.  Grünhagen,  1.  c. 
p.  116.  u.  N.  10.)  —  Da  hier  diese  Steuern  ebenfalls  die  städtischen  Aus- 
gaben nicht  deckten ,  musste  man  zu  Anleihen  schreiten  (cf.  ib.  p.  56.  61. 
64.  65.  79.  81.  87.  88.  113.)  Man  nahm  dieselben  von  Juden  und  Christen 
theüs  ohne  spezielle  Sicherstellung,  theils  unter  scheinbarer  Rentenauf- 
legung auf  die  Stadt  (cf.  ob.  V.  3.  d.) ,  theils  als  Leibgedinge  der  Gläu- 
biger, meist  zu  hohen  Summen,  da  die  Zinsen  eines  Kapitales  allein  u.  A. 
500  mrc.  pro  Jahr  betrugen.  Der  Zinsfuss  wechselt  hierbei  sehr ,  1340 
begegnen  noch  25"  0  und  16«/o  (wenn  hier  nicht  mehrere  Posten  zusammeu- 
gefasst  sind) ,  und  zwar  bei  solchen  städtischen  Eentenverkäufen ,  1353. 
1386:  ca.  9''„  bei  Leibrenten  (cf.  ib.  p.  81  (1353)  116.  n.  0.:  von  116  m. 
cujus  summa  facit  216' 2  sc.)  Doch  seheint  sich  meistens  der  Renten - 
und  Zinsfuss  hierbei  auf  11  — 9"/u  seit  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts 
festgestellt  zu  haben,   cf.  ib.  82.  83  (1354.  1355.) 


Vm.   3.  Vorzinsl.  Darlelm.    f.  Anleihen  der  Städte  u.  Staaten.     531 

nur  5  %  ,  ja  4  7o  ^  bei  Zinszahlungen  auf  die  Lebensdauer  des 
Gläubigers  (Leibgedinge)  zahlte  man  llVo7o-0  Seit  1425 
mehrt  sich  auch  hier  die  Schuldenlast  der  Stadtkasse;  um  sie 
zu  tilgen  und  immer  doch  Kassenüberschüsse  aufzuweisen, 
rausste  man  von  Neuem  anleihen.  Solche  Ueberschüsse  führt 
man  -—  völlig  illusorisch  —  1430:  40  —  50000  Pf.  auf.  AVozu 
dieses  Experiment?  Die  Stadtgemeinde  kontrollirte  nicht  die 
städtische  Finanzwirthschaft.  Vielleicht  um  immer  weiteren 
Credit  zu  finden.  Aber  wozu  brauchte  man  Anleihen,  wenn  so 
hohe  Ueberschüsse  sich  ergaben !  Indess ,  man  mochte  den  so 
urteilenden  Gläubigern  wol  leicht  besondere  Gründe  der  plötz- 
lich und  in  grösserer  Zahl  nöthigen  Anleihen  anführen.  So 
behielt  man  immer  noch  Credit,  und  meist  zu  4^0,  nur  bei 
Leibgedingen  zu  10%  empfing  man  Darlehen.  1433  —  34 
betrugen  hier  die  Zinsen  für  Ewiggeld:  8292  Pfund,  für  Leib- 
renten 10316  Pf.  Heller,  das  machte  bei  einer  Gesammtaus- 
gabe  von  59955  Pf.  Heller  bald  ein  Drittel  derselben  und  fast 
das  Dreifache  von  dem  aus,  was  die  Stadt  1390  für  den  näm- 
lichen Zweck  verausgabt  hatte.  1442  —  43  hatte  sich  die  Jah- 
resausgabe für  die  Schuld  schon  wieder  um  die  Hälfte  ver- 
mehrt, die  Zinsen  für  Ewiggeld  betrugen  7469  Pf.,  die  Leib- 
renten 19641  Pf.  An  dem,  Avas  allein  die  Stadtschuld  ver- 
schlang, fehlten  nur  3000  Pf.  bis  zur  Hälfte  der  städtischen 
Gesammtausgabe  von  60660  Pf. 

Den  Städten  gaben  die  grösseren  und  klemeren  Terri- 
torien des  Reiches  Nichts  nach  in  der  FinanzAvirthschaft. 
Ein  Theil  der  vorn  bei  Juden  und  Wechslern  aufgeführten 
hohen  Schuldbeträge  der  Fürsten ,  so  wie  ihrer  in  Abschnitt 
YIII.  3.  c.  genannten  Schuldposten  gehört  zu  den  verzinslichen 
Anleihen  ihrer  Staaten.  Welche  Umhüllungen  man  anwandte, 
um  diese  gewaltigsten  Uebertretungen  des  kanonischen  Wu- 
cherverbotes zu  verdecken ,  da  man  sie  nicht  mehr  vermeiden 
noch  ableugnen  konnte,  zeigen  u.  A.  oben  die  Abschnitte 
V.  5.  e.  und  VL  2. 


1)  cf.  Mone,  Zeitschr.  für  Gesch.  d.  üb.  Rh.  I.  20  —  36.   Hegel, 
Chron.  d.  deutsch.  Städte.  I.  p.  284. 

34* 


532    VIII.   '.].  Verzinsl.  Davlohn.   f.  Aiileihoii  der  Städte  u.  Staaten. 

Als  vornehmlich  lehrreiches  Beispiel  der  grossen  Schulden 
und  Anleihoboträge  sei  hier  die  Mark  Brandenburg  erwähnt. 
Bei  dem  Tode  des  Markgrafen  Casimir  überstiegen  die  Sclml- 
den  um  400,000  Gulden  den  „  Vertrag  der  Landschaft " ,  sie 
stellten  6000  Gulden  Deficit  dar.  Die  überlasteten  Gutsherrn 
daselbst  leimten  jede  weitere  Bürgschaft  ab.  Bei  der  Volljäh- 
rigkeit Albrechts,  des  Sohnes  von  Casimir,  1540,  war  die 
unkündbare  Schuld  auf  220,000  G.,  die  kündbare  auf  404,000  G. 
gewachsen.  Albrecht  selbst  steigerte  sie  in  den  nächsten  vier 
Jahren  um  138,000  G.  Seine  Jahreseinnahme  betrug  40,000 
Gulden,  i) 

Die  finanziellen  Missstände  der  Mark  datirten  besonders 
seit  der  Verschwendung  Joachims  11. ,  unter  welchem  das 
landschaftliche  Verzeichniss  kurfürstlicher  Obligationen  für 
aufgenommene  verzinsliche  Anleilien  nur  für  die  Jahre  1534 
bis  1564  fol.  15  — 109  füllt,  dagegen  unter  Joachim  I.  über- 
haujit  nur  fol.  1  —  14.  Dabei  betrug  Joachims  ü.  Einkommen 
80,000  G.  Auf  dem  Landtage  im  März  1540  kündigte  er  eine 
Schuld  von  600,000  Thalern  an,  damit  die  Stände  sie  über- 
nähmen. 2)  Die  Stände ,  insbesondere  die  Städte  machten  ihrem 


1)  Aus  Lang,  Gesch.  von  Baireuth.  Voigt,  Albrecht  Alcibiades 
bei  Droysen,  Gesch.  d.  preuss.  Politik.  II.  2.  p.  280 ff.  —  Die  Calamität 
war  im  Eeiche  allgemein.  Markgraf  Georg  besass  vom  König  Ferdi- 
nand in  Pfand  Jägerndorf,  Eatibor,  Oppeln ,  Beuthen,  Oderberg  für 
183,000  G.  —  Das  Mainzer  Bisthum,  das  früher  80,000  G.  einbrachte, 
war  durch  die  Schuldenkapitalien  und  Zinsen  seiner  Herrscher  auf  60,000 
Gulden  Einnahme  gesunken.  Den  Ständen  Magdeburgs  und  Halber- 
stadts  wurde  1541  von  dem  Erzbischof  von  Magdeburg  gar  das  Evange- 
lium gestattet,  wenn  sie  einen  Theil  der  Schulden  desselben  übernahmen. 
Ein  venetianischer  Bericht  des  16.  Jahrhunderts  sagt:  „  Es  giebt  keinen 
Fürsten  im  Eeiche,  der  nicht  arm  wäre."  Der  Herzog  von  Baiern,  wel- 
chen er  den  reichsten  nennt,  hatte  bei  200,000  Gulden  Einnahme  eine 
Million  Schulden.  Droysen,  1.  c.  p.  280  —  82.  2)  Das  ergiebt  eine 
Notiz  des  Berliner  Eathsschreibers  MiHmann  für  den  Thurmknopf  der  St. 
Nicolaikirche  zu  Berlin  1551.  Nach  dem  „endlichen  Abschied"  vom 
30.  Novbr.  1.541  haben  die  Städte  erst  326,000  fl.,  dann  60,000  fi.  zu  über- 
nehmen ,  und  der  Kurfürst  gestattet  ihnen ,  die  „  Kirchenkleinodien  in 
den  Städten  "  zu  belegen,  um  in  Eile  Geld  zu  schaffen;  doch  sollen  dann 
die  Kleinodien  „an  ihre  Orte  zurückgestellt  werden  "  (Berl.  Arch.)  Droy- 
sen, 1.  c.  p.  285.  N.  2. 


Vm.   3.  Vcrzinsl.  Darlelm.    I'.  Aiileilien  der  Städte  u.  Staaten.     533 

Zorn  darüber  in  bittern  Worten  und  mit  Hinweis  auf  frühere, 
bessere  Finanzverwaltung  Luft.  Indess  bei  ihrem  damals  in  der 
Mark  noch  geringen  Selbstvertrauen  gaben  sie  schliesslich 
nach.  Aber  Joachim  machte  ihnen  dafür  wesentlich  das  aus- 
drückiiclie  Zugeständniss,  bei  allen  wichtigen  Angelegenheiten 
der  Mark  nicht  ohne  ihren  Rath  zu  handeln.  Eine  Zahl  der 
Dörfer  in  der  Altmark  und  der  minder  begüterte  Adel  eiferten 
stürmisch  gegen  den  neu  gesteigerten  Schoss.   „  Wie  ist  es  bei 

dem  täglichen  Borgen  imd  Weggeben möglich,  dass 

unser  frommer  Landesherr  und  wir  alle  dazu  bei  Haus  und 
Hof  bleiben  mögen?"  ^) 

So  kam  die  Schuldentilgung  ins  Stocken.  Die  Stände 
erschienen  zuerst  nicht,  dann  lückenhaft  auf  den  Ruf  Joachims 
1542.  Durch  den  Zug  Joachims  gegen  die  Türken  1542  steigerte 
sich  erst  recht  die  Schuld  des  Landes,  bei  Markgraf  Georg 
allein  oder  unter  dessen  Bürgschaft  auf  50,000  G.:  13,650  G. 
bei  Bonaventura  Furtenbaeh  in  Nürnberg,  15,480  G.  bei  Hans 
Lanpauer  seliger  Wittwe  und  Erben  in  Augsburg ,  23,066  G. 
bei  Sigismuud  Baidinger  in  Nürnberg,  alles  auf  ganz  kurze 
Fristen  und  zu  hohen  Zinsen,  ^j  Von  der  Landschaft  woll- 
ten sich  keine  Bürgen  finden. 

Die  zum  Nürnberger  Reichstage  geschickten  Räthe  berich- 
ten 1543,  sie  böten  vergebens  10  und  11  Prozent,  „es  ist 
ein  solch  Geschrei ,  das  schand  und  zu  erparmen  ist."  Mark- 
graf Georg  wurde  als  Bürge  arg  bedrängt.  Er  besorgt,  es 
werde  ihm  gehen ,  wie  dem  Pfalzgrafen  Heinrich ,  „  der  diess 
Jahr  von  dreien  guten  Aemtern  darunter  zwei  Städte ,  als  Hei- 
deck und  Hippolsstadt ,  von  den  Nürnbergern  gedrungen  ist."  ^) 
Wegen  des  Sträubens  der  Landschaft  Avollen  die  Gläubiger 
sich  nur  am  Kurfürsten  (S.  Kurf.  G.  Brief  mid  Siegel)  halten. 
Der  gesammte  Hufenschoss  („  so  aller  Orten  fällt ")  sollte  nun 
in  eine  Kasse  zu  Berlin  zusammenfliessen ,  daraus  sollten  von 


1)  Bericht  der  von  Lüderitz  und  Hans  Huckelbusch.  Stendal .  20.  No- 
vember 1541  (Berl.  Arch.)  Droysen,  1.  c.  p.  287.  N.  1.  2)  Wei- 
marer Archiv.  Droysen,  I.e.  p.  289.  N.  1.  3)  Aus  d.  Berliner 
Arcliive.   Droysen,  1.  c.  p. 290. 


boi    VIII.   3.  Verzinsl.  Darlehn.   f.  Anleihen  der  Städte  u.  Staaten. 

einem  Prälaten  und  einem  Kittev  unter  Revision  des  landstän- 
dischen Ausscliusses  die  Zahlungen  geleistet  werden.  Die  Klo- 
stergüter wurden  eingezogen,  den  Juden  der  Aufenthalt  im 
Lande  erleichtert.  ^)  Dadurch  stieg  der  Credit  des  Kurfürsten, 
die  Juden  streckten  ilim  gegen  Wucherzinsen  ohne  Sicherheit 
Kapitalien  vor. 

Aber  nach  dem  Schmalkaldener  Kriege  erhob  sich  die 
Geldnoth  von  Neuem  und  machte  weitere  Anträge  bei  den 
Ständen  erforderlich.  Die  bisher  vom  Lande  getragenen  direk- 
ten Steuern,  der  städtische  Pfundschoss  und  der  ländliche 
Hufenschoss  waren  Matrikularbeiträge  der  Gutsherrschaften 
und  Stadtgemeinden  zur  Tilgung  der  landesherrlichen  Schuld. 
Es  galt  jetzt,  eme  dauernde  Einnahme -Vermehrung  (nicht 
Schulden  -  Verminderung)  des  Kurfürsten  zu  eröffnen,  damit 
nicht  immer  wieder  wesentliche  Einnahmequellen  zum  zwie- 
fachen Schaden  des  Landes  verpfändet  werden  durften.  Gün- 
stig dazu  schien  eine  Erhöhung  der  einzigen  indirekten  Steuer, 
des  Biergeldes ,  das  bisher  mit  2  ^2  Gulden  von  50  Tonnen  Ge- 
bräu im  Werthe  von  95  Gulden  entrichtet  worden.  Die  beste- 
hende Steuereinrichtung  und  der  starke  Verbrauch  von  Bier 
begünstigten  den  1549  eingebrachten  Antrag  auf  Erhöhung 
der  Steuer  auf  8  Jahre  um  das  Doppelte  „  aus  lauterer  Liebe, 
Treue  und  Willigkeit "  zur  Abtragung  der  Schulden. 

Bei  der  heftigen  Erörterung  hierüber  auf  dem  Landtage 
Michaelis  1549  offenbarte  sich,  dass  die  neue  Schuld  des  Lan- 
des nicht,  wie  angegeben,  600,000  G.,  sondern  laut  den  Regi- 
stern 800,000  G.  Kapital  und  100,000  G.  versessene  Zin- 
sen, ja  noch  mehr  seien.  Der  Missstand  musste  von  Grund 
aus  geheilt  werden ,  damit  er  nicht  immer  weiter  um  sich  griff. 
Von  jener  Schuldsumme  übernahmen  die  Städte  500,000  G. 
und  100,000  G.  versessene  Zinsen,  die  Geistlichkeit  und  Rit- 
terschaft unterzogen  sich  der  weiteren  400,000  G.  Kapital 
und  Zinsschuld ,  beide  als  Selbstschuldner  in  Solidarität ;  durch 


1)  Eben  gegen  diese  Juden  mahnte  Luther  heftig  am  9.  März  und 
2.  Mai  1545.  de  Wette.  V.  p.  724.  Corp.  Reform.  V.  p.  157.  —  Droy  -' 
sen,  1.  c.  p.  290. 


VIII.  4.  Anbahnung  d.  gesctzl.  Anerkennung  d.  zin-sb.  Darlehens.    535 

ihre  „Verordneten"  unterhandelten  sie  unmittelbar  mit  den 
Gläubigern.  Geistlichkeit  und  Kittorscluift  legten  zur  Tilgung  der 
Schuld  eine  ßeihe  von  Jahren  hindurch  sich  eine  neue  Steuer, 
für  jedes  zu  stellende  Lehnpferd  20  G.  jährlich  auf.  Zur  Ein- 
lösung der  versetzten  Gefälle  u.  s.  w.  verwalteten  die  Stände 
selbst  die  „Neu -Biergeldskasse."  Diese  3  ständischen  Kassen 
sicherten  den  Ständen  unter  sich  und  gegenüber  dem  Landes- 
herrn eine  feste  politische  Grundlage;  sie  repräsentirten  den 
Kapitalwerth  der  Mark.  Li  dem  „  Creditwerke  "  fand  der  Lan- 
desherr seine  finanzielle  Grenze.  Daneben  waren  durch  die 
Geldhilfe  den  Städten  die  Selbstregierung  gesteigert ,  den  Land- 
bewohnern die  gutsherrlichen  Kechte  gegen  Bauern  und  Insas- 
sen vermehrt.  Gerade  durch  diese  finanziellen  Missstände  und 
deren  ständische  Abhilfe  wurde  Brandenburg  ein  ständischer 
Territorialstaat.  ^) 

4.   Anbahnung  der  gesetzlichen  Anerkennung  des 
zinsbaren  Darlehens. 

Wo  bleiben  gegen  diese  Zahlen  die  Wucherverbote  der 
Kirche  und  Kaiser !  Fast  umgekehrt  hatte  sich  die  Sachlage ; 
wo  man  zinsbare  Darlehen  nicht  aufnehmen  wollte ,  musste  man 
es  thun ,  und  wo  man  es  that ,  blühte  der  Verkehr  auf.  Bedurfte 
es  fremder  Kechte,  der  Kirchenspaltung,  der  Wissenschaft, 
die  Unnatur  der  Zinsgesetze  nachzuweisen  ?  Allen  war  sie  nur 
zu  klar  auch  ohne  dies.  Schon  scheuten  die  Eichter  sich ,  jene 
Gesetze  anzuwenden,  und  sie  sollten  jeden  Zinsfall  von  Amts- 
wegen verfolgen! 

Wie  hatte  sich  die  Voraussetzung  aller  Zinsnormen  umge- 
staltet, dass  nur  Arme  in  der  Noth  Darlehen  verlangten  und 
die  Armen  geschützt  werden  müssten  gegen  die  Habgier  der 
Besitzenden.  Ein  grosses  Reich  gewinnbringender  Kapitalan- 
lagen war  vor  den  Augen  der  Welt  emporgestiegen ,  und  mit 
Eifer  drangen  die  Kapitalisten  hinein ,  der  Unternehmungsgeist 
wuchs ,  die  Spekulation  blühte  heran.  Und  wenn  der  begüterte 
Unternehmer,  welcher  das  baare  Geld  nur  vom  Kapitalisten 

1)  Droysen,  1.  c.  p.  292.  293. 


536     Vin.  4.  Anbahnung  d.  gosetzl.  Ancrlvcnniing  d.  ziusb.  Darleliens. 

entlieh ,  mit  diesem  Darlehn  Schätze  sich  anhäufte  mid  recht 
augenscheinlich  die  Lehre  von  der  Unfruchtbarkeit  des  Geldes 
Lügen  strafte,  wenn  der  Darleiher  dagegen  in  dieser  Zeit  selbst 
mit  dem  hmgeliehenen  Kapitale  gewinnen  konnte  und  wegen 
der  Hingabe  desselben  den  Gewinn  bei  Seite  setzen  musste, 
dann  sollte  er  trotz  alledem  und  alledem  keine  Zinsen  fordern? 
Das  nannte  man  christliche  Gerechtigkeit,  christliche  Liebe?  ^) 
Was  war  die  Folge?  der  Arme  bekam  umsonst  gar  kein 
Darlehn ,  sondern  nur  gegen  Zinsen ,  welche  das  Wucherverbot 
noch  erhöhte.-)  So  erklären  die  Bauern  in  Greifensee 
(Zürich)  1525  selbst: 

„ . .  glauben  wir  dass  auch  das  ungötlich  und  unrecht  gethan 
sey,  dass  man  in  der  Stadt  und  auf  dem  Land  einander  so 
schwerlich  belade  mit  Wuch erzin sen  an  Kernen,  Wein, 
Haber   und   Kheinisch  Geld,  und  hoffen,  dass  solches 
zu  Nutz  der  Armen  abgestellt  und  ein  ziemliches  zins  von 
einem  Pfund   ein   Schilling  (5  7o)   bestimmt  werde. 
Dann  obwohl  auch  dieser  nicht   göttlich   ist,  kann  er 
doch    zum    vortheil     der    Armuth     nachgesehen 
werden."  ^) 
Wenn  ein  wirklich  habgieriger  Darleiher  die  Noth  des  Schuld- 
ners sich  zur  Bereicherung  ausnutzte ,  war  es  angemessen ,  um 
des  einzelnen  Falles  willen  die  grosse  Welt  des  Kapitales  in 
Fesseln  zu  legen  ?  Die  Reichen  aber  Hessen  ihr  Geld  im  Kasten, 
wo  es  wenigstens  ungefährdet  blieb ;  oder  sie  liehen  es  gegen 
Zmsen  den  Unternehmern,  oder  sie  selbst  eröffneten  frucht- 
reiche Unternehmungen,   sie  vereinigten   sich  zu  Erwerbsge- 
sellschaften ,  sie  kauften  die  Feldfrüchte  in  Halm  und  Garben, 
kauften    Waaren   auf   zu   theurerem  Verkaufe  u.  s.  f.   Daher 
ertönten  gerade  das  16.  Jahrb.  hindurch  die  gehäuften  Klagen 
darüber.   Selbst  dort ,  wo  das  zinsbare  Darlehn  bereits  gesetz- 
lich gestattet  wurde,  wandte  man  das  Geld  zu  gewinnreicheren 


1)  cf.  Salmasius,  d.  usuris  cp.  20.  p.  609.  u.  a.  v.  0.  Orth,  1.  c. 
Hugo,  civil.  Magaz.  I.e.  J.  Bentbam,  Wucher  (deutsch  v.  Eberhard) 
p.  34  ff.  u.  V.  A.  2)  Krug,  Staatsökonomie  p.  70.  —  Montesquieu, 
l'esprit  des  lois.  XXU.  18  ff.  3)  Bluntschli,  Zur.  E.  G.  IL  p.  262.  — 
cf.  ebenso  für  den  Norden  Beilage  G.  1569. 


Vm.  4.  Anbalimuig  d.  gcsetzl.  Anerkennung  d.  zinsb.  Darlehens.     537 

Zwecken  an.  Desliall)  malmt  ancli  der  Gesetzgeber  in  der 
Mekleuburger  P.  0.  von  1562  mid  an  vielen  andern  Orten,  die 
Bürger  sollten  ihr  Geld  nicht  ausser  Landes  leihen.  ^) 

Man  focht  gegen  Windmühlenflügel  und  zitterte  vor  Ge- 
spenstern. So  deutlich  ortenbarte  sich  im  Geldverkehre  das 
Naturgesetz,  dass  der  Gläubiger  —  mit  Ausnahme  weniger 
Fälle  —  die  Höhe  der  allgemein  geforderten  Zinsen  nicht  über- 
schreiten konnte,  und  dass  diese  Höhe  sich  nach  den  Umstän- 
den des  Ortes,  der  Zeit,  der  geliehenen  Waaren ,  der  Gläubi- 
ger ,  der  Schuldner  u.  s.  w. ,  kurz  nach  tausend  Fäden  regelte, 
welche  kein  Einzelner  willkürlich  zu  ändern  vermochte ,  der 
Gesetzgeber  ebensowenig ,  wie  der  Gläubiger  oder  der  Schuld- 
ner. 12—  10  7o  kostete  das  Darlehn  nicht  selten  im  Mittel- 
alter, auf  8  —  7  Prozent  war  sein  Preis  zur  Neuzeit  hin  gesun- 
ken, jetzt  stand  er  in  Mittel-  und  Süddeutschland  durchweg 
auf  6  —  4  7o  1  im  Norden  und  Osten  8  —  6  %  >  ohne  dass  irgend 
Jemand  zwangsweise  Etwas  dazu  gethan  hatte.  Beim  Ren- 
tenkaufe hatte  sich  wiederholt  im  Einzelnen  die  Möglichkeit 
offenbart,  die  Renten  herabzusetzen  und  kein  Rentenkäufer 
opponirte  erfolgreich  dagegen.  Scheinen  diese  Beispiele  zu 
zerstreut  in  Deutschland  -  sie  finden  sich  überaus  zahlreich 
durch  das  ganze  Reich  hin  und  mussten  in  unmittelbarer  Nähe 
wahrhaft  belehrend  und  überzeugend  wirken  (cf.  ob.  V.  3)  — 
auch  grosse  Vorgänge  der  Art  fehlen  nicht.  Niederland, 
durch  steten,  engen  Handel  mit  Deutschland  den  hiesigen 
Geldmäunern  stets  vor  Augen,  ward  zu  Ende  des  16.  Jahrhun- 
derts immer  unauflialtsamer  in  die  oben  erörterte  Bahn  der 
kleinen  deutschen  Geraeinwesen  gedrängt,  es  musste,  da  die 
Steuern  für  die  gehäuften  Ausgaben  nicht  mehr  hinreiditen, 
Schulden  aufnehmen,  Anleihen  abschliessen.  ^)  Nicht  lange, 
so  rechtfertigt  es  bereits  seinen  Namen,  das  „klassische 
Land  der  Staatsschulden."     1630  stehen  Zwangsanlei- 


1)  cf.  auch  Bremer  (!onstit.  von  1580.  Mevius,  wucherliche  Con- 
trakte  I.e.  p.  10.  2)  cf.  Oldenbarneveld,  Renionstrantie  1G18  in 
Kronyk  van  het  bist.  Gcnootschap  te  Utrecht.    1850.  p.  2(31. 


508     VIll.  -1.  Anbalimuig  d.  gosctzl.  Anorkoiinuiiy  d.  ziusb.  Darlehens. 

lien  vor  der  Thüve,  1640  klagt  man  über  die  Scluüdenlast.  ^) 
Man  musste  die  grossen  Staatsschulden  eingehen.  Aber 
schon  unter  Statthalter  Mauritz  setzt  man  die  Zinsen  von 
6V4  %  auf  5  %  herab,  ja  1655  unter  Johann  de  Witt  gar 
bis  auf  4%.  2) 

Um  so  mehr  musste  die  Furcht  vor  Steigerung  der  Dar- 
lehnszinsen  nach  Belieben  der  Darleiher  bei  Aufliebung  des 
Zinsverbotes  schwinden ,  wenn  die  Gesetze  selbst  den  von  der 
Verkehrsgewohnheit  durchgängig  festgelialtenen  Zinsfuss  als 
gesetzlichen  sanktioiiirten.  Hier  assistirte  das  römische  Recht 
wirksamst.  Die  polizeilichen  Triebe  der  deutschen  Partikular- 
staaten fühlten  sich  angeregt  durch  die  lockende  Gelegenheit, 
mitten  hinein  in  die  Flut  des  Kapitalverkehres  iliren  Stab  zu 
setzen,  und  allem  Volke  5  Prozent  als  die  allein  seligmachende 
Zinsgrenze ,  vom  Verkehre  selbst  erprobt ,  bleibend  aufzulegen. 
Und  auch  hier  fehlten  nicht  Beispiele  der  Neuzeit ,  der  unmit- 
telbaren Gegenwart.  In  England  —  durch  den  Handel 
Deutschland  nahe ,  wie  Holland  —  war  die  kirchliche  Refor- 
mation in  der  Zinsfrage  durchgreifender  aufgetreten,  als  bei 
uns.  Seit  Heinrich  VIII.  hatte  das  englische  Gesetz,  unter 
Beseitigung  des  kanonistischen  Zinsgesetzes ,  einen  bestimmten 
Zinsfuss  bei  Kapitalnutzung  geltend  zu  machen  gestattet  — 
und  der  englische  Handel  blühte  kräftiger ,  als  zuvor ,  von 
Ungeheuern  Wucherqualen  zeigte  sich  keine  Spur.  Die 
deutschen  Kaufleute  zogen  hiervon  selbst  bei  ihrem  Handel 
nach  England  den  überzeugendsten  Vortheil. 

Was  zögerten  die  heimischen  Gesetzgeber  länger? 


1)  Staatskundige  Bedenken  (1673)  p.  16.   Waerschonwin- 
gheoverden  Treves  (1630)  S.  F.^  Noodige  Bedenkingen  1643.  S.B^. 

2)  Koenen,  Voorlezinge  over  de  Geschiednis  der  Finantien  in  Am- 
sterdam 1855.  p.  19. 24 ff.   Laspeyres,  1.  c.  p.  246.  247. 


IX. 

Genehmigung  der  Conventionalzinsen    bis   zu 

bestinnnter  Höhe  durch  die  Gesetze  und  die 

Beschlüsse  der  katholischen  Kirche  in 

Deutschland. 

Dem  Jahrhunderte  lang  fortgesetzten  und  stets  wachsen- 
den Einwirken  aller  bisher  vorgeführten  Kräfte  gegen  das 
Wucherverbot  konnten  zuletzt  selbstverständlich  die  Gesetz- 
geber nicht  widerstelm ,  wenn  sie  nicht  grundlos  sich  in  offenen 
Widerspruch  mit  allen  maassgebenden  Elementen  der  Theorie 
und  Praxis  des  Verkehrslebens  stellen  und  sich  und  ihren  Ge- 
boten nach  Unterhöhlung  und  Ueberflutung  ihres  Standpunk- 
tes durch  die  nicht  mehr  gehemmten  Wogen  der  Naturgesetze 
im  Verkehre  alles  Ansehen ,  weil  alle  Kraft  rauben  Avollten. 

1.   Billigung  von  5  Prozent   der  Renten,  der   Juden - 

Zinsen  und  Verzugszinsen,  Anerkennung  des  Interesse 

in  den  deutschen  Gesetzen. 

a.   Fünf  Prozent  Renten. 

Zuerst  im  Rentenkaufe  erkennen ,  nach  Vorgang  einer 
grossen  Menge  von  Partikulargesetzen  seit  dem  13.  Jahrhun- 
dert (ob.  V.  3.  c.)  ^)  Kaiser  und  Reichsstände  die  durch  den 
Verkehr  lange  gebotene  Regelung  des  Rentenfusses  ausdrück- 
lich als  in  der  vom  Verkehre  aufgestellten  Höhe  an.  Im  R.  A. 
von  1500  tit.  32.  wird  dem  Reichsregunent  überlassen: 

„der  Widerkäuff  halben   ziemliche   Form,    Maass  und 

Ordnung  fürzunehmen  und  zu  machen." 


1)  Neumann,  de  foenore  redituum  emtionis  p.  37.  38. 


ö4(.)       IX.    1.  Billigung  von  5  rroy.ent.   a.  Fiuii'  Prozent  IJenton. 

Danach  bestimmte  die  K.  P.  0.  von  1530.  tit.  26.  §.  8.: 

„und naelidem die Wiederkaufsgülten alleutlialben  im  Lande 
gemein   seind,    so   soll  liinfürter  von   dem  Hundert 
nicht  mehr  dann  fünff,  wie  gebräuchlich,  gege- 
ben und  genommen  werden.   Und  hinfürter  die  Verschrei- 
bung  auf  Wiederkauf,  wie  Wiederkaufsrecht  beschehen,  was 
d  a  r  ü  1)  e  r   gegeben,    g  e  n  o  m  m  e  n    oder  gehandelt, 
wollen  wir ,   dass   selbig  für    w  ü  c  h  e  r  1  i  c  h   gehalten  und 
geachtet  und  wie  obgemeldt  gestraft  werde." 
Die  späteren  Reichspolizeiordnungen  (R.  P.  0.  von  1548  tit.  17. 
§.  8.;  1577  tit.  17.  §.  9,  20.  §.  6)  führen  dies  dahin  aus: 
„  dass  mit  hundert  Gulden  Hauptgelds   nicht  mehr ,   dann 
fünff  Grulden  jä.lir lieber  Gülten  —  gekauflft  werden, 
und  die  Losskündigung  der  Gültverschreibung  auflf  Wieder- 
kauff,  wie  Wie derkauflfsr echt  bei  dem  Verkauffer  und  nicht 
bei  dem  Kauffer  stehen,  unangesehen,  wie  dieselbige  Gült- 
verschreibung gestellt  ist,  und  was  darüber  gegeben,  genom- 
men oder  gehandelt,  dass  dasselbig  und  alle  andere  unziem- 
liche Pacta  und  Geding  für  wucherlich  und  unkräflftig  geacht, 
gehalten  und  von  dem  Richter  nicht  darüber  erkennt  oder 
geurtheilt,  sondern,  wie  obgemeldt,  gestrafft  werden  soll."  ^) 
Wie  mannigfach  die  einzelnen  Partikulargesetze  demnach  diese 
Norm  der  Renten  aus  den  Reichsgesetzen  annahmen  oder  ent- 
sprechend dem  Verkehre  in  6 ,  ja  8  Vs  7o  veränderten ,  ist  oben 
V.  3.  c.  (am  Ende)   ausführlich  gezeigt.  ^)    In   den  Reichsge- 
setzen galt  jene  Höhe  der  Renten  allein  für  den  Rentenkauf. 
Das  ergiebt  sich  nicht  sowohl  aus  dem  Wortlaute  derselben,  als 
daraus,  dass  noch  im  D.A.  von  1600  §.35.,  wie  oben  erwähnt, 
die  Reichsgesetze  den  Rentenkauf  vom  zinsbaren  Darlehn  durch 
innere,  festgehaltene  Merkmale  genau  scheiden.   Die  Partiku- 
largesetze dagegen ,  welche ,  wie  oben  V.  3.  b.  und  d.  darge- 
legt ist,  dem  Rentenkaufe  in  seinen  Entwicklungsstufen   bis 

1)  Letzteres  wurde  dann  eben  im  D.  A.  von  1600  §.  35  dahin  geän- 
dert ,  dass  für  den  Fall  der  Zahlungssäumniss  die  Parteien  auch  von  vorn- 
herein dem  Käufer  ein  Kündigungsrecht  vereinbaren  konnten.  Ob.  V.  3.  b. 
und  N  e  u  m  a  n  n ,  de  foenore  red.  emt.  1.  c.  p.  29.  2)  Neu  m  a  n  n ,  de 
foenore  red.  emt.  1.  c.  p.  38.  39. 


IX.    1.  Billigung  von  5  rrozciif.   L.  Fiinf  Prozt'nt  Judon/.insen.     541 

7Aiin  zinsbaren  Darlehn  hin  folgten ,  sagten  durcli  die  Anerken- 
nung der  5  %  (oder  6  —  8V3  %)  im  Kenteiikaufe  bereits,  dass 
sie  bis  zu  dieser  Höhe  auch  die  Conventionalzinsen  beim  Dar- 
lehn für  nicht  wucherlich  lüelten,  und  dass  sie  nunmehr,  ent- 
gegengesetzt dem  kanonischen  Zinsverbote ,  den  Wucher  über- 
haupt erst  als  solchen  verwarfen ,  wenn  er  die  gesetzliche 
Zinshölie  überschritt. 

b.    Fünf  Prozent   Judenzi  nsen.' 

Vom  Kentenkaufe  wandten  die  Eeichsgesetze  den  Maxi- 
malsatz der  5  7o  zuvörderst  auf  die  Zmsgeschäfte  der  Juden 
an ,  indem  ihnen, 

„damit  sie  ihre  Leibesnahrung  haben  mögen,  nicht  mehr, 
denn  5  vom  100  zum  Wucher  zu  nehmen  erlaubt  ist.." 
in  den  Eeichspolizeiordnungen  von  1548  tit.  19.  §.6.  und  1577 
tit.  20.  §.  7.  Die  Stände  und  Churfürsten  konnten  natürlich 
diesen  Satz  beliebig  ändern.  Hier  musste  sich  daher  selbst 
das  Zinsgeschäft  der  Juden ,  welches  den  kanonistischen  Zins- 
gesetzeu  nicht  unterworfen  war,  dem  reichsgesetzlichen  Zins- 
satze der  5  %  unterwerfen ,  und  Wucher  wurde  selbst  bei  den 
Juden  jetzt  der  Zins  über  5  %.  So  wurden  auch  in  diesem 
Punkte  die  Judenzinsen  unmittelbare  Vorgänger  der  Conven- 
tionalzinsen allgemein ,  und  5  %  erschien  durchweg  die  neue 
vom  Verkehr  ermittelte  Grenze,  welche  Wucher  und  Nicht- 
wucher  schied  (cf.  V.  4.  d.  und  besonders  f.)  Der  Menge  der 
reichsgesetzlichen  Bestimmungen  aber  gegen  den  Juden- 
wucher ^)  brachte  die  obige  R.  P.  0.  v.  1548  den  ersten  Abschluss, 

c.   Fünf  Prozent  Verzugszinsen  und  Zinsen  aus  wider- 
rechtlichen Handlungen. 

Sodann  übertrugen  die  Partikular-  und  Reichsgesetze  seit 
der  reichsgesetzlichen  Billigung  der  5  7o  Renten  im  Jahre  1530 


1)  E.  P.  0.  1530.  tit.  27.  §.  un. ,  1548  tit.  20.  §.  un.  tit.  22.  §.  2.  R. 
A.  von  1551.  §.  78.  79.  80.  R.  P.  0.  1577  ti.  20.  §.  1.  3.  4.  6.  7.  tit.  23. 
§.4.  Cr  am  er,  observ.  jur.  (1751)  II.  2.  obs.  77G.  p.  519.  Gramer, 
wetzlarer  Beiträge  II.  2.  §.3.4..  derselbe,  wetzlarer  Nebenstunden  III. 
abh.  4.  §.  6.,  XIÜ.  abb.  (>.  XXIX.  abh.  .5.  §.  (5.  7.  Struve,  rechtliche 
Bedenlcen ,  III.  65.  p.  242. 


54"2     IX.  1.  r>illi,<;nng-  von  ;")  rrozent.  c.  Fünf  Prozent  Vcrznefszinson. 

diesen  Maximalsatz  auf  die  Verzugszinsen,  im  unmittel- 
baren und  ausdrückliolieii  Anscliluss  an  die  5  7o  Konten ,  wel- 
che den  "Wertli  der  Nutzung  fremden  Kapitales  im  Verkehre 
ausdrückten ,  und  zeigten  auch  hier ,  dass  sie  sich  mit  diesen 
Zinsnormen  zunächst  eng  an  die  Kegelung  des  Verkehrs  an- 
schlössen. Die  Zinshöhe  im  Verkehre  ist  der  Grund ,  weshalb 
im  Keiclisgesetze  5  %  als  das  Maass  der  Verzugszinsen  aufge- 
stellt werden ,  welche  der  Gläubiger  jederzeit  im  Verzuge  vom 
Schuldner  fordern  könne. 

Das  ergiebt  sich  aus  der  Entwicklung  dieser  Bestimmung 
(oben  IV.  2.  k.  am  Ende)  und  aus  den  Worten  des  Deputat. 
Absch.,  welche  sogleich  folgen.  Derselbe  setzt  nicht  bloss 
diese  Zinshöhe  und  ihren  ebenerwähnten  Grund  als  Grund  hm, 
sondern  er  stellt  sogar  sehr  bezeichnend  dieser  ein  für  alle 
Male  normirten  gesetzlichen  Zinshöhe  der  Verzugszinsen  den 
Fall  gegenüber ,  in  welchem  der  Gläubiger  mehr  als  5  %  for- 
dern wolle.  Er  gestattet  dies  durchaus,  verlangt  dann  aber, 
und  nur  dann  einen  Beweis  des  ganzen  liquidirten  Verzugs  - 
Interesse.  Ferner  folgt  dies  aus  der  im  D.  A.  selbst  ausge- 
drückten Absicht  der  gesetzlichen  Fixirung :  „  damit  die  Par- 
theien in  puncto  liquidationis  an  unserm  kaiserlichen  Kam- 
mergericht des  langweiligen  Prozesses  enthoben  seyn  möchten, 
auch  jetzt  gemeldt  Kammergericht  damit  nicht  überladen ,  ein 
gewisses  loco  interesse  a  tempore  morae  zu  statuiren  und  zu 
setzen. ."  Die  Gerichtspraxis  hat  denn  auch  jene  5  ^o  stets 
als  gesetzliche  Fixirung  der  Verzugszinsen  im  gemeinen  Kechte 
aufgefasst,  und  so  ist  aus  obigen  Gründen  Puchta  ^)  im  Un- 
rechte, wenn  er  hiergegen  streitet. 

Der  enge  Anschluss  der  Gesetze  an  die  Kegelung  im  Ver- 
kehre ändert  hier  fi'eilich,  wie  bei  dem  Maxhnalsatze  der  Ren- 
ten, Nichts  darin,  dass  die  Gesetze  mit  jener  Normirung 
immer  in  das  jeden  Augenblick  neu  sich  regelnde  Verkehrs- 
leben einschreiten  und  dort  allgemeine  und  bleibende 
gesetzliche  Fesseln  anlegten ,  wo  nur  die  Umstände  jedes  ein- 
zelnen Falles  die  richtige  Abmessung  treffen  konnten. 


1)  Pandekten  §.  228.  N.  G.  b. 


IX.  1.  Billigung  v.  5  Prozent,  cl.  Fünf  u.  sechs  Prozent  Interesse.     543 

So  heisst   es   denn  im  Deputationsabschiede   von 
IGOO  §.  i:]9. 
„der    V  e  r  m  ii  t  h  u  n  g    li  a  1  b  e  n ,    d  a  s  s    der   C  r  e  d  i  t  o  r 
sein  Geld  von  solcher  Zeit  an  (der  Anfangszeit  des 
Zahlungsverzuges)  anlegen  und  zugelassener  Weise 
wenigstens  von  Hundert  5  %  wohl  haben  möge. 
Oder  aber,  da  dem  creditori  solche  5  fl.  nicht  annehmlich, 
sondern  er  vermeinen  wollte,  tani  ex  lucro  cessante  quam 
damno  emergcnte  ein   Mehr  eres  zu  fordern,   dass  ihm 
dann  sein  ganz  Interesse  zu  deduziren ,  gebührlich  zu 
liquidiren  und  zu  be scheinen  und  der  richterlichen  Er- 
kenntniss  darüber   zu   erwarten  unbenommen  sein  soll."  ^) 
Der  Wortfassung  nach  erstreckt  dieser  §.  139  sich  daher  nur 
auf  die  Verzugszinsen,  aber  gemäss  der  ihm  voraufgehen- 
den Geschichte  dieser  Zinsen  fallen  darunter  alle  aus  wi- 
derrechtlichen Handlungen  zu  zahlenden  Zinsen 
(cf.  I.  2.  IV.  2.  u.  3.). 

d.   Fünf  und  sechs  Prozent  Interesse. 

Ebenso  führten  die  Partikulargesetze  das  „Interesse," 
auf  die  gesetzliche  Höhe  der  Eenten  zurück ,  um  auch  dies  dem 
Verlangen  des  Verkehrs  entsprechend  an  Zinsen  statt  darzu- 
bieten (IV.  3.  c.)  2)  Ja  selbst  die  Reichsgesetze  genehmi- 
gen streng  zugesehen  gerade  das  Interesse  (neben  den  Ren- 
ten) statt  der  Conventionalzinsen  im  J.  R.  A.  von  1G54  §.  174 
bis  zu  fünf  Prozent  (cf.  IX.  2.). 

Da  indess  das  Interesse  in  einigen  Staaten  durch  Gewohn- 
heitsrecht im  Verkehre ,  wie  durch  das  Beispiel  des  römischen 
Rechtes  sich  auf  6  %  festgestellt  hatte  (cf.  auch  V.  3.  c.  am 
Ende  und  IX.  2.) ,  einigte  man  daselbst  diese  zwei  Standpunkte 
dahin ,  dass  man  zwar  5  %  als  den  eigentlichen  gesetzlichen 
Interessefuss  vorschrieb ,  dagegen ,  wann  der  Schuldner  mehr 
als  5  %  Interesse  gezahlt  hatte ,  dieses  Mehr  auf  das  Kapital 


1)  Gaill,  pract.  ohservatt.  II.  obs.  5.  n.  14.  15.  2)  cf.  Frank- 
furter Reforraat.  1509.  1578.  U.  11.  §.  10—11.  Lüneburger 
Statt.  1582,  Pufendorf,  obser\'.  VI.  app.  21.  p.  624.  ti.  XI.  p.  672.  — 
Bülow  und  Hage  mann,  prakt.  Erörterungen  (1804)  IV.  u.  41.  p.  225. 


544     IX.  1.  rülliijuiiir  V.  ö  Prozent,  cl.  Fünf  u.  sechs  Prozent  Interesse. 

anziirecliiien  oder  zurückzufordern  dem  Sclmldner  verbot ,  so- 
bald der  Gläubiger  bewies,  dass  dieser  höhere  Tnteressebetrag 
wirklich  im  einzelnen  Falle  vorlag.  Es  war  dies  wesentlich 
der  Standpunkt,  welchen  der  D.  A.  von  1600.  §.  139.  für  die 
Interesse -Höhe  der  Verzugsz-insen  vorschrieb  (cf.  oben).') 
Der  Schuldner  hatte  dann  eben  mehr  Gewinn  als  5  7o  niit  dem 
geliehenen  Kapitale  gemacht,  der  Gläubiger  mehr  Schaden, 
als  5  7o  i""!  Darleihen  erlitten. 

Aber  da  man  klar  einsah,  dass  auf  solche  Weise  öfient- 
lich  eine  Gelegenheit,  Zinsen  in  grosser  Höhe  zu  fordern,  gege- 
ben ^vurde ,  und  dass  es  den  Schuldnern  zu  bedeutendem  Nach- 
theile gereichen  konnte ,  welche ,  um  die  Zahlungszeit  wieder 
und  wieder  hinauszuschieben ,  dem  Gläubiger  über  die  gesetz- 
lichen 5  %  noch  hohe  Schadensgelder  als  Interesse  zu  zahlen 
versprachen ,  stritt  man  lange  Zeit  insbesondere  darüber ,  bis 
zu  welcher  Höhe  man  gesetzlich,  Interesse  zu  zahlen,  gestat- 
ten sollte.  Einige  wollten  5  oder  6  "/o  den  Parteien  anheim- 
geben, Andere  billigten  „ein  Geringes  über  5  7o /'  doch 
nicht  mehr  als  6  "/o^  ausser  falls  ein  höheres  Interesse,  als  6  7o 
im  einzelnen  Verhältnisse  bewiesen  würde.  Der  Wucher  aber 
finge  trotz  der  gesetzlichen  5  7o  erst  hinter  dem  sechsten  Pro- 
zente an.  Das  römische  Recht,  wie  man  sieht,  erregte  hier 
schon  wesentliche  Bedenken  und  Verwirrung.  Die  Reihe  der 
Streitfragen ,  welche  sich  hieran  knüpften ,  wiederholt  sich 
ganz  besonders  bei  der  gesetzlichen  Höhe  der  Conventionalzin- 
sen  beim  Darlehn.  (IX.  2.)  2) 

Die  Gesetzgeber  blieben  dessen  nicht  uneingedenk ,  dass 
das  Interesse  wesentlich  ein  Deckmantel  der  Zinsen ,  zumal  bei 


1)  cf.  Eichhorn,  D.  P.  R.  p.  302.  n.  v.  Meyer n,  sechster  Zins- 
thaler  p.  69  ff.  Bülow  und  Hagemann,  I.e.  Beseler,  D.  P.  R.  11. 
p.  350.  2)  Dass  sie  in  dieser  Schrift  eingehend  verfolgt  würden ,  ver- 
bietet offenbar  das  Thema,  da  der  Streit  über  5  oder  6"/o  der  Zinsen 
bereits  den  Abschluss  des  kanonistischen  Wucherstreites  in  Deutschland, 
nämlich  die  gesetzliche  Erlaubniss  der  Zinsen,  voraussetzt.  —  Hambur- 
ger Stadtrecht.  U.  tit.  1.  art.  4.  —  Landr.  v.  Hohenlohe  HI.  12.  §.  6. 
Orth,  Anm.  zur  Frankf.  Reformat.  I.  p.  437  ff.  cp.  6.  §.  8.  —  Mevius, 
wucherliche  Contrakte  I.  —  v.  Meiern.  1.  c.  —  Beseler,  D.  P.  R. 
p.  350.- 3.51. 


LS.   2.  5  (6)  Prozent  Conveiüidiialzinson.   a.  Partikulargesetze.     545 

Entwicklung  des  Interesse  und  des  Verkehrs,  Sie  erklärten 
ausdrücklich ,  dass  der  gesetzliche ,  dem  Verkehre  entnommene 
Interessefuss  nur  7Air  Beschränkung  der  unmässigen,  wucheri- 
schen Forderungen  der  Gläubiger  angesetzt  sei.  Den  Kauf- 
leuteu  dagegen  gestattete  man  partikularrechtlich ,  in  Ueber- 
einstimmung  mit  dem  römischen  Rechte ,  wegen  ihres  gegen- 
über don  Nichtkaulieuten  stets  grösseren  Nachtheils  bei 
Hingabe  ihrer  Kapitalien  sogar  8  %  Interesse  zu  fordern.  In 
Oesterreich  standen  ihnen  nach  der  Praxis  des  Reichshofrathes 
nur  6  '^  y  Interesse  zu  (cf.  IX.  2.)  ^)  So  viel  hätten  sie  bei  Ein- 
behalt ilirer  Gelder  durch  den  Kaufhandel  verdienen  können. 
Allen  Gläubigern  schliesslich  war  erlaubt,  ein  Mehr  über  5 
oder  6  %  an  Interesse  zu  fordern ,  sobald  sie  dasselbe  im  ein- 
zelnen Falle  als  damnum  emergens  oder  lucriim  cessans 
bewiesen. 

Das  Resultat  stellte  sicli  allgemein  daher,  wenn  man  die 
Reichs  -  und  Partikulargesetze  über  den  Maximalsatz  des  Inter- 
esse vereinen  wollte  ( IX.  2 )  dahin :  gesetzlich  waren  5  7u  ^ 
unerlaubt,  aber  nicht  Wucher  G  %  ,  unerlaubt  und  Wucher 
mehr  als  G"o ,  ausser,  wenn  das  höhere  Interesse  bewiesen  wurde. 

2.    Billigung  von  5  (G)  Prozent  der  Coiiventionalzinsen 

beim  Darlelin.    Die;  Partikulargesetze.    Das  Reiclis- 

kammergcriclit.    Die  Reiclisgesetzc. 

a.    Die   Partikulargesetze   billigen   die    Conventionalzinsen. 

Durch  diese  ununterbrochene  Annäherung  an  die  Conven- 
tionalzinsen selbst  war  den  Gesetzen  der  letzte,  entscheidende 
Seil  ritt  unvermeidlich  geworden ,  und  gleich  einer  allmählich 
gereilten  Frucht  löste  sich  die  offene  Erlaubniss  der  Conven- 
tionalzinsen beim  Darlehn  von  den  Keiinen  und  Zweigen,  den 
bislierigen  Aushilfsmitteln,  welclie  die  Frudit  zur  Reife  trugen. 

Purgoldt  schon  in  seinem  Rechtsbuche  VIII.  cp.  52 
kündigt  das  wichtige  Ereigniss  an: 


1)  Zyiiaeus,  Analytica  V.  p.  215.   In  Belgien  forderten  sie  gemäss 
dem  Edikte  Karls  V.  12"/,,. 

Neu  mann,  Gesch.  d.  Wuchers.  ÜÖ 


546        IX.   2.  Billigung  von  5  {C>)  Pro/out.    a.  rartilvulnvgosctzc. 

„szohelt  mau  das  auch  iu  wertlichem  rechte  in  etzlichen 
steten,  das  mau  eyueu  wuchver  vmb  den  gesucli  beclagen 
wol  möge  vor  gerichte ,  mid  her  sulle  en  m  den  rechten  kerin. 
Aber   daseshye    (m  Thüringen,  speziell  in  Eisenach) 
nicht  gewonheit  ist  und    iu   dem    landtrechte, 
das  mag  des  schult  seyu,  das  man  dye  Iwte  da- 
mit  erlös  und   gutlos  machte,   so   sye   das  gote 
midt  eyuer   uffenbaren  smelichen  busse  gebus- 
sen  musten,   davon   sy   erlös  und  rechtlos  wur- 
den und  darczu  beyden  gerichten,   geistlichen 
und  wertlichen,  und  dem  kleger  mit  eym  gnug- 
tuu  umb   das    gesuch,    vnd   hirvon    szo   mochte 
gros  vnfrede  vnnd  schade  bekomenn." 
Hiernächst  begannen  von  1530  —  1600   etwa  zuvörderst  die 
Gesetze  iu  den  Einzelterritorien  des  nördlichen  Deutschlands, 
Conventionalzinsen  heim  Darlehu  bis  zu  5 ,   6  oder  8  Prozent 
ohne  Beweis  des.,  darin  enthaltenen  Schadens  (damnum  emer- 
gens) oder  Gewinnes   (hierum  cessans)  zu  gestatten,   indem 
sie  jenen  Zinsfuss  aus  dem  deutschen  Verkehre  insbesondere 
der  Verzugszinsen,  des  Eentenkaufes  und  des  Darlelms,  sowie 
aus  der  reichsgesetzlichen  Normirung  der  Kenten ,  weniger  aus 
dem  römischen  Eechte  entnahmen ,  und  ihn  zunächst  auch  nur 
als  den  im  Gesetze  gebilligten  Zinsfuss  eben  des  Verkehrs  an- 
sahen, welchen  sie  freilich  gerade  durch  die  gesetzliche  Billi- 
gung  leider   aus   dem   Verkehre  heraushoben    und   bleibend 
feststellten. 

Der  Zeit  nach  folgen  etwa  die  einzelnen  Territorien  Deutsch- 
lands mit  ihrer Zinserlaubniss  so:  Zürich  1520  —  25,^)  Trier 
1525,2)  Henneberg  1539, 3)  Dithmarsen  1540,*)  Chur- 
sachsen  1550, 0)  Meklenburg  1562, 6)  Nürnberg  1564, 7) 
Preussen   und   Polen  1569,**)    Brandenburg    1572,'') 


1)  cf.  die  später  folgende  Note  über  die  Zur.  Zinsgesetze.  2)  Land- 
recht. XIV.  §.1.  Maurenbrecher.  II.  p.  14G.  N.  138.  3)  Landes- 
ordnung VI.  2.  §.  3.  4)  Landrecht  IV.  Michelsen  p.  185.  5)  Land- 
recht, art.  vom  Wucher.  Carpzov,  1.  c.  6)  Polizeiordnung.  Eostock 
1562.  p.  4.  7)  Eeformat.  tit.  13.  c.  3.  8)  Bestinmunig  Königs  S  i  - 
gisniund.  1569.   Danz.  Arch.  Bibl.  Beilage  G.  hinten.  9)  Stryk, 

Usus  modern,  pandect.  1.  c.  §.  11. 


IX.   2.  Billii,ning  von  5  (ß)  Proz.ont.   a.  Partikulargesctze.        547 

Danzig  1580, i)  Hessen-Marburg  1573,2)  Tirol  1573,^) 
Hadeln  1583/)  Pfalz  1581,^)  Lüneburg  1582,«)  Basel 
1590,')  Jülich-Berg  1595, «)  Wildenburg  (Schweiz) 
1607,»)  Frankfurt  a.  M.  1611,  i«')  Würtemberg  1610, 
1620,11)  Nassau-Katzenelnbogen  1616,12)  0  eis  1618,i=*) 
Braunschweig  1618,  Hildesheira  1618,  Wolfenbttt- 
tel  1618,14)  Baden  1622.15) 

Nach  diesen  Gesetzen  galten  die  Conventionalzin- 
s  e  n  beini  Darlelin ,  welche  bisher  an  sich  wuclierlich  erschie- 
nen waren,  als  erlaubt,  wie  Beuten,  Verzugszinsen,  In- 
teresse, Juden-  und  Wechslerzinsen.  Nur  m  dem  Uebermaasse 
wurden  sie  als  wucherlich  angesehen,  welches  die  Gesetze, 
entsprechend  dem  Stande  des  Verkehres,  als  Uebermaass  kenn- 
zeichneten. Diese  Begrenzung  des  kanonistischen 
W  u  c  ]i  e  r  b  e  g  r  i  f f  e  s ,  diese  theilweise  gesetzliche  Anerken- 
nung, dass  die  Nutzung  fremden  Kapitales  zu  vergüten  sei, 
welche  hierin  lagen ,  bildeten  das  grosse  erste  Resultat,  den 
erheblichen  ersten  Fortschritt,-  welche  der  lange  Kampf  der 
wirthschaftlichen  und  Rechtskräfte  hervorgebracht  liatte.  i*^) 


1)  Dauziger  Willkür  cp.  X.  fol.  129.  2.   „von  Wechsel  rad  Wu- 
cherei." (Danz.  Arch.  Bibl.  X.  4.).    Das  Gesetz  billigt  SV^'^o  Ij^i  ge- 
wöhnlichen Darlehn,    in  einzelnen  Fällen  sogar  12",,,.   cf.  die  ausführ- 
liche Note  16.  2)  B  0  p  p ,  Beitr.  II.  18.  3)  Polizeiordnung  fol.  20. 
4)  Pufendorff,  obs.  I.  1.  p.  26.        fi)  Landesordnung  XIV.  70.  n.  1. 
6)  Statut.  Pufendorf.  1.  c.  XI.  (372.          1)  Rechtsquellen  1.  c.  n.  296. 
8)  .Landrecht  c.  104.         9)  Landrecht  II.  c.  8.  §.  9.         lOj  Keformat.  U. 
11.  §.  3.  lO.  11.   Souchay,  xYnnierkk.  I.  p.  2G3  — 07.         11)  Landrecht 
n.  1.   Wächter,  Handbuch  L  p.  496  — 500.        12)  Landesordnung  I. 
cp.  9.  §.  7.        13)  Suarez,  schlesische  Prov.  Rechte  I.  art.  10.  p.  403. 
14)  Stryk,  Us.  Mod.  Pand.  1.  c.  §.11.   Leyser,  meditt.  II.  130.  n.  4. 
med.  2.       15)  Landesordnung  p.  73.  —  cf.  decret.  Ferdinand.  IL  1633.  — 
Rizy,  Zinstaxen  p.  77.        1(3)  Auffallend  schnell  trat  bei  einigen  dieser 
Gesetze  die  Wandelung   zu    Gunsten    des    zinsbaren  Darlehns  ein.    Die 
Nürnberger  Reformation  von  1522  hatte  noch,   getrieben  durch  das 
neu    erstarkte    kanonische  Wuchergesetz,    durch  dessen   Aufblühen   in 
den  Bestinmiungen  der  römischen  Juristen ,  der  Reformatoren  ,  durch  die 
vielleicht  augenblicklich  unmässigen  Ziusfordenmgen ,  vielleicht  auch  nur 
in  der  (jiewohnheit  der  bisherigen  Zinsgesetze  beharrend ,   alle  Conven- 
tionalzinseu  beim  Darlehn  untersagt  (1522.  XXII.  c.  3.) .  ebenso  wie  sie  es 

35* 


548        IX.    '2.  Billigling  von  5  ((i)  rvozent.   a.  Partilculargosctze. 

In  einigen  obiger  Gesetze  wurde ,  wie  oben  bereits  erwähnt, 
der  lUMitenkauf  in  seiner  umgewandelten  Gestalt  geradezu  an 


hinsichts  der  Ziusfordorungcn  der  Juden  tliat.  (ib.  XXII.  c.  4.  5.  cf.  V.  4.1).) 
Das  Solmser  L.  K.  II.  2.  §.  10  bestimmte  noch:  „Beim  Darlehn  soll 
kein  Gcniess,  noch  Gewinn  von  demselben  geliehenen,  es  sei  um  Geld, 
Frucht .  Wein  oder  anders  erfordert  nocJi  gegeben  werden.  Denn  solches 
ein  lauter  Wuclier  wäre ,  so  in  den  Rechten  verbotten."  Und  dicKur- 
kölnisch  e  Polizei  -  Ordnung  von  1538 ,  die  Quelle  des  J  ü  1  i  c  h  -  B  e  r  - 
g  e  r  Landrechts  (von  1595.  159fi)  verbot  alle  Zinsen  bei  Verlust  des  vier- 
ten Theiles  des  Kapitales.  (M  a  u  r  e  n  b  r  e  c  h  e  r ,  I.e.  ik  379  ff.)  Die  Gesetze 
selbst  lauten  (in  maassgcbenden  Beispielen):  Meklenburger  Polizei- 
Ordn.  (Rostock,  Steph.  Myliander  1562)  p.  40.  „So  haben  wir  gesetzt 
und  geordnet,  das  gCAVon  liehe  Rente  und  zinse  vermüge  kaiser- 
liche Majestät  Constitution  auf  dem  Reichstage  zu  Augsburg  1530  und 
1548  gehalten ,  aufgerichtet ,  v  o  n  100  gülden  h  a  u  p  t  s  u  m  m  e  n  nicht 
über  5  und  also  auf  und  abe  zu  rechn  en  verschrieben,  geben 
und  genommen  werden  sollen  . . .  das  wir  dieselben  Uebertreter  vermüge 
und  inhalt  derselben  kaiserlichen  Constitution,  wie  oben  gemelt, 
darumb  strafen  werden.  Es  soll  auch  in  unscrm  Landt  und  andern  Unter- 
gerichten nach  solcher  kaiserlichen  und  des  heiligen  Rei- 
ches Satzung  und  Ordnung  gesprochen  werden."  —  Pfälzisches 
Land  recht  von  1581  (Heidelberg  bei  Spies  1582)  ti.  XUII.fl.  70.  Vor- 
rede: das  Zinsennehmen  sei  gegen  Gottes  Gebot  und  kaiserlich  Ge- 
setz. Darum  sei  es  auch  hier  untersagt.  Dann:  „ und  seindt  diese  nach- 
folgende für  wucherliche  Contrakt  zu  halten :  I.  Erstlich ,  so  einer  von 
100  Gulden  Werth  Hauptgelds  ein  Jahr  lang  mehr  dann  5"/„  zu  Zinss 
nimbt  und  diesem  Anschlag  nach  solle  der  zinss ,  so  der  hauptsummen 
mehr  oder  weniger  dann  100  Gulden  were ,  auch  jederweilen  der  zeit  nach, 
ob  der  debitor  das  Geld  lenger  oder  kürzer ,  dann  ein  Jahr  lang  in  Hän- 
den haben  würde ,  pro  rata  gerechnet  werden."  DanzigerWillk.  von 
1580  (ungedr.  Arch.  Bibl.  in  Danz.  X.  4.  cp.X.  fol.  129.  2.)  „von  wechsell 
vnd  Wucherei.  Wer  ihm  sein  geldt  versichern  lest  mit  erben ,  burgern 
oder  pfänden ,  der  soll  nichthoher  zinsz  nehmen ,  dann  achtmarck 
acht  sc  hott  (24  seh.  =  1  mrk.)  vom  hundert,  bei  peen  des  zehen- 
den theils  des  Hauptstuels  vnd  widderkerung  des  Wuchers ,  so  offt  als 
versprochen  wirdt,  der  aber  auffeine  schlechte  vnd  blosse 
Handtschrifft  sein  geldt  ausleihet,  der  magwoll  zwelff 
vom  hundert  nehmen.  Dies  soll  aber  allein  vnter  Han- 
del siewten  auch  nicht  auf  jerliche  Renthe  sonn  dem 
auf  ettliche  Monat  Wechsell  gemeint  sein  vnd  verstan- 
den werden."  Die  Motive  hierzu  finden  sich  in  Beilage  G.  (15G9).  In 
Danzig  scheint  übrigens  dieser  Prozentsatz  schon  1578  erlaubt,  cf.  Schöp- 


EX.   2.  Billigung  von  5  ((>)  rro/.ent.   a.  rartikulargesetze.        549 

Stelle  des  Darlehiis  beibehalten.    Diejenigen  aber  der  Territo- 
rialfürsten ,  welche  in  iliren  Gesetzen  offen  das  zinsbare  Dar- 


penbucli  ib.  v.  1578  fol.  152  (cf.  ob.  YIII.  3.  e.)  In  Zürich  ging  zunächst, 
wie  in  andern  Orten  auch .  der  Rontenfuss  allniählicli  im  Verkehre  in  den 
Zinsfuss  bei  Darlehn  über.  Der  erstere  betrug  bereits  am  Anfange  des 
15.  Jahrhunderts  5  7«  (cf.  ob.  V.  3.  c.  —  Bluntschli,  Zürich  R.  G.  I. 
p.  423.  II.  ]).  2(j2ff.)  Man  hielt  diesen  im  16.  Jahrhundert  auch  bei  Dar- 
lehen nicht  inne.  Die  Bauern  der  Herrschaft  Greifensee  beschweren 
sich  1525  darüber.  ,. . .  glauben  wir,  dass  auch  das  ungöttlich  und  unrecht 
gethan  sey ,  dass  man  in  der  Stadt  und  auf  dem  Land  einander  so  schwer- 
lich belade  mit  W u c h e r z i n s e n  au  Kernen ,  Wein ,  Haber  und  Rhei- 
nisch Geld  und  hoffen,  dass  solches  zu  Nutz  der  Armen  abgestellt  und 
ein  ziraliches  zius  von  einem  Pfund  ein  Schilling  (5 "/»)  bestimmt  werde. 
Dann  obwohl  auch  die  s  er  nicht  göttlich  ist,  kann  er  doch 
z  u  m  V  0  r  t  h  e  i  1  d  e  r  A  r  m  u  t  h  nachgesehen  werden."  Hier  schei- 
det man  daher  sehr  genau  zwischen  der  Unsittlichkeit  des  Wuchers  nach 
dem  höchsten  idealen  Sittengesetz  und  den  Forderungen  des  Rechtes  in 
der  Praxis  ,  das  doch  selbst  den  Armen  hilft  (cf.  VIII.  3.  a.)  1529  erliess 
der  Züricher  Rath  ein  Mandat  mit  der  Stelle  darin :  „  wie  wol  wir  nie- 
mantz  hei-ssent  noch  erloubend  sin  gelt  vff  zins  vsszeliehen :  dann  wir  vil 
Über  wöltind,  das  yederman  dem  andern  vss  trüw  viid  Christenlicher  liebe 
lihc  hulffe  vnd  fürsatzte.  Diewyl  aber  leider  die  liebe  in  allen  men- 
schen erkaltet ,  vnd  der  gyt ,  ouch  die  vntrüw  etlicher  liederlicher 
lüten  überhand  genommen  hat  —  Lassend  wir  geschehen  dass  man  pfen- 
n  i  g  zins  möge  kouffen ,  wie  v  o  r  m  a  1  e  n  gebrucht  worden ,  da  einem 
von  hundert  pfunden  fünffe  —  zu  järlichen  zius  verlange,  mit 
dem  heyteren  unterscheyd,  dass  kein  ander  gfaar  mit  vnderpfanden, 
losungen  oder  sunst  —  gebrucht  werde."  Während  dieser  Zinsfuss  sich 
bis  in  das  neueste  Recht  erhielt ,  gestattete  das  Mandat  von  1653  noch 
den  Kaufleuten  6  7.,.  1675  aber  missbrauchte  der  Rath  seine  Stellung 
als  Gläubiger  dazu ,  sogar  das  Heruntergehen  der  Gläubiger  unter  5  °  o 
ebenfalls  als  Wucher  zu  verbieten,  zunächst  nur  für  Gülten  und  Schuld- 
briefe, dann  für  alle  Darlehn.  Der  Rath  erklärte  die  Anlegung  der  Kaj)i- 
talienzu4"„  für  schädlich,  weil  dadurch  die  Schuldner,  die  bisher  zu 
5  "/o  Geld  aufgenommen  ,  veranlasst  würden  ,  ihre  Schulden  zu  kündigen, 
und  beschloss ,  es  sollen  künftig  keine  Briefe  mehr  zu  4  "■/<)  besiegelt .  son- 
dern dem  Darleiher  überlassen  werden ,  auf  seine  Gefahr  und  ohne  Sicher- 
stellung der  Pfandrechte  sein  Geld  auszuleihen.  Beiden  Arten  des  Wu- 
chers legte  nuxn  dieselben  Slrafen  auf,  welche  den  Schuldner  und  Gläubi- 
ger gleichmässig  trafen.  Gewohnheitsrecht  und  (ierichtsgebrauch  schafften 
die  Bestimmung  bald  ab.  (cf.  Bluntschli,  1.  c.  II.  p.  264.  Meyer  von 
Knonau,  Handbuch  d.  Schweizer  Gesch.  11.  p.  249.) 


55()        IX.   '2.  Billigung  von  5  (G)  Prozent,   a.  rariikulargcsctzc. 

lehn  gestatteten ,  schwankten  zweifelhaft  zwischen  dem ,  was 
der  Verkehr  ihrer  Bürger  verlangte  und  dem ,  was  sie  selbst 
auf  den  Reichstagen  als  Gesetz  anerkannt  hatten.  Um  daher 
jedem  Theile  genug  zu  thun,  entwickelten  sie  in  merkwürdiger 
Naivetät  im  Eingange  des  Gesetzes  vom  zinsbaren  Darlehn, 
anknüpfend  an  das  römische  und  kanonische  Recht,  dass  das 
Darlohn  von  Natur  zinsfrei  sei;  was  daher  als  Darlehnszinsen 
gefordert  werde ,  sei  gegen  die  Reichsgesetze ,  und  als  Wucher 
zu  strafen.  Davon  auszunehmen  aber  und  zu  billigen  sei  — 
fügen  sie  hinzu  — ,  dass  der  Gläubiger  ausser  dem  Darlehnska- 
pitale  fünf  oder  sechs  Prozent  erhalte ;  denn  derselbe  Zinsfuss 
sei  ja  auch  in  den  Reichsgesetzen  gebilligt.  l?o  stellten  sie 
sich,  als  glaubten  sie,  dass  der  Zinsfuss  der  Reichsgesetze ,  der 
ausdrücklich  für  den  Rentenkauf  lautete,  allgemein  für  das  Dar- 
lehn gegeben  sei,  oder  sie  missverstanden  wirklich  jene  Bestim- 
mung der  Reichsgesetze,  jedesmal  aber  wussten  oder  wollten 
sie  nicht  wissen ,  dass  Conventionalzinsen  und  Renten  bereits 
einander  wirklich  gleich  seien ,  und  mussten  doch  dem  siegrei- 
chen Verkehre,  der  jene  Gleichheit  bewirkt  hatte,  ihren  gesetz- 
lichen Ausdruck  und  ihre  gesetzliche  Kraft  verleihen.  ^)  Da- 
neben trugen  sie  kein  Bedenken,  gleich  nach  jener  Ausdehnung 
der  Rentenbestimmung  auf  das  zinsbare  Darlehn  wieder  die 
erstere  bei  der  Behandlung  des  Rentenkaufes  zu  zitiren.  In 
diesen  Fällen  erscheint  es  besonders  zweifelhaft ,  ob  die  Gesetz- 
geber nicht  wirklich  die  Ueberzeugung  gewonnen  hatten ,  dass 
der  Rentenkauf  in  seiner  völlig  umgewandelten  Form  und  das 
zinsbare  Darlehn  dasselbe  Rechtsinstitut  geworden  waren 
(V.  3.  d.).  Verweisen  sie  doch  zuweilen  sogar  darauf,  dass  das 
Darlehn  seiner  Rechtsnatur  nach  zum  Rentenkaufe  gehöre, 
um   die  Erlaubniss  der  Conventionalzinsen   zu   rechtfertigen. 


1)  Pfälzer  L.  0.  1581.  1.  c.  —  Hadeler  L.  R.  1583.  cf.  p.  546. 
.547.  N.  16.  —  cf.  auch  Orth,  Anm.  1.  c.  —  Stryk,  U.  M.  P.  1.  c.  §.  10 ff. 
—  Mevius,  wucherliche  Contrakte  I.  cp.  6.  §.  9.  cp.  7.  §.  7.  —  Ley- 
ser,  meditationes.  U.  spec.  130.  nr.  4.  —  cf.  Wächter,  Handbuch  I. 
p.  496 ff.  Refutation  derer  v.  Meiernschen  Gedanken  (Frankfurt 
und  Leipzig  1734.  p.  6.)  cf.  auch  oben  VII.  b.  Note  vom  Rudolstädter 
Wucherstreit.   Anemüller,  1.  c.  p.  10.  18.  21.  24. 


IX.   2.  Billigung  von  5  (0)  Prozent,   b.  Conventionalzinsen.       551 

und  in  noch  viel  späterer  Zeit  behaupteten  ja  Rechtsgelehrte, 
aus  dem  Kentenkaufe  sei  in  Deutschland  das  zinsbare  Dar- 
lehn entstanden. 

b.   Die  Conventi  on.ilzin.sen  im  Reicli.skaminergerichte. 

Ausserdem  wurde  die  gesetzliche  Billigung  der  Conven- 
tionalzinsen durch  das  Beispiel  des  Reichskammergerich- 
tes,  dessen  Entscheidungen  in  den  höheren  Gerich tsliöfen  der 
deutschen  Einzelstaaten  besonderes  Ansehen  genossen ,  noch 
vornehmlich  bestärkt.  Obwohl  nämlich  in  der  Praxis  der  deut- 
schen Untergorichte  das  verzinsliche  Darlehn  bereits  anerkannt 
und  in  Uebung  war ,  entschied  doch  zunächst  noch  das  Reichs- 
kammergericht ,  während  es  allgemein  sich  den  Bestimmungen 
des  römischen  und  kanonischen  Rechtes  als  „dem  gemeinen 
Rechte"  unterAvarf,  in  allen  Gewissenssachen  allein  nach  dem 
kanonischen  Rechte  und  brachte  deshalb  in  der  Frage  der  Con- 
ventionalzinsen die  Normen  der  bisherigen  Reichsgesetze  zur 
Anwendung.  ^)  Allein  als  emen  Theil  des  Verzugsinteresse 
billigte  das  Reichskammergericht  die  Verzugszinsen  bis  zu 
5  Prozent  seit  1530,  wo  im  Reichsabschiede  dieser  Zinsfuss 
für  die  Rentenkäufe  vorgeschrieben  war ,  als  ob  Ihn  die  Reichs- 
stände für  die  Verzugszinsen  ausgesprochen  hätten.  So  dehnte 
man  also  auch  im  Reichskammergerichte  jenes  Reichsgesetz 
weit  über  die  Grenze  der  Renten  beliebig  aus. 

Die  Conventionalzinsen  dagegen  vom  Darlelm  verwarf 
man  freilich  noch  gänzlich.  Aber  die  oben  berührte  ausge- 
dehnte AnAveudung  des  Verzuges  bietet  einen  Anhalt  für  die 
Annahme,  dass  die  Reichsstände,  welche  schon  aus  der  Be- 
handlung der  Rentenkäufe  in  den  Reichsgesetzen  das  Darlehn 
sehr  fein  herausgeschält  hatten,  jetzt  die  Billigung  der  5  Pro- 
zent Verzugszinsen  durch  den  höchsten  Gerichtshof  auf  die 
Conventionalzinsen  gar  leicht  anwenden  mussten ! 

Und  auch  die  Beisitzer  des  Reichskammergerichts  konn- 
ten das  kanonistische  Wucherverbot  gegen  die  Gesetze  in  den 


1)  cf.  V.  Meiern,  sechster  Zinsthaler  §.  30ff.  —  Eichhorn,  E.  G. 
§.  441.  —  Gerstlacher,  1.  c.  Anni.  zum  SpejTcr  R.  A.  1570.  §.  83.  X 
„Zinsen  ex  mutuo ,  wie  auch  vom  Interesse." 


5Ö2      IX.    2.  rsilligmiii-  von  T)  ((>)  Prozent,   b.  Convontioiial/inscn. 

Eiiizelstaateii  und  gogon  den  allgemeinen  Gebrauch  dev  Con- 
ventionalzinsen  im  tägiiclien  Verkehre  nicht  lange  aufrecht 
erhalten.  Zwar  zeigen  noch  einzelne  Erkenntnisse  des  Gerichts- 
hofes von  1561  und  1566,  dass  das  Reichskammergericht  den 
Schuldner  von  allen  Conventionalzinsen  freisprach.  Allein 
schon  in  den  Jahren  1560  bis  1580  zog  man,  durch  obige 
Gründe  getrieben,  daselbst  in  Erwägung,  welche  allgemeinen 
und  welche  besonderen  Grundsätze  eigentlich  in  den  Reichs- 
abscliieden  von  dem  Rentenkaufe  und  anderen  Zinsgeschäften 
1530  und  1548  (dann  auch  in  der  Reichs  -  Polizei  -  Ordnung 
von  1577)  ausgesprochen  seien.  Man  erklärte  da  die  Frage 
für  ein  d  u  h  i  u  m  c  a  m  erale: 

„ob  dieselben   (die  Reichsgesetze)  auf  alle  contr actus 
mutui,  darinnen  einiger  gewin,  Zinss  oderusura, 
dessen  sei  wenig  oder  viel  mit  unterlauffen,  zu  verstehen, 
oder  allein  in  denen  Fällen ,  da  ein  unziemlicher,  über- 
mässiger, unchristlicher  W u c h e r  und  gewin  gesu- 
chet und  getrieben,  also  da  über  das  Land-  und  Reich  s- 
läufftig  Fünf  von  Hundert  genommen  werden,  statt- 
haben sollten." 
Mit  Ue'oergehung  der  Rente  suchten  die  Richter  also  bereits 
den  Wortlaut   der  Reichsgesetze  auf  die    Conventionalzinsen 
gerade   auszudehnen.     Das  lag  bei  dem  zweideutigen  Wort- 
laute einzelner  Reichsgesetze  nicht  fern.    So  heisst  es  in  der 
R.  P.  0,  von  1577  tit.  17.  §.  1.  geradezu:  „Nachdem  uns  für- 
kommen ,  wie  bis  anhero  . . .  etliche  im  Kaufbriefe  mehr ,  dann 
1000  Gulden   (statt  800  empfangener  Gulden)  setzen  lassen, 
dadurch  ihnen  mehr,  dann  5  von  100  verzinset..." 
Auch  konnte  die  reichsgesetzliche  Billigung  der  5  %  Juden- 
zinsen jene   Annahme   nur  bestärken.    Die  Richter  mussten 
ferner  anerkennen ,  dass  überall  5  Prozent  dieser  Conventional- 
zinsen gebräuchlich  seien.  Das  über  jenes  dnbium  gefertigte  Ca- 
meralschreiben   neigte   sich   wesentlich  zu  der  Entscheidung, 
dass  die  Reichsabschiede  sich  auf  5  Prozent  Conventionalzinsen 
bezögen ,  und  bemerkt  zur  Bekräftigung  dieser  Entscheidung : 
„da  fast  der  mehrer  theil  Stände  im  Reich  und  also 
auch    die   sfatuentes   selbst   5    Prozent    reichen     und 


IX.    2.  Billigung  von  5  (G)  Prozent,   b.  Conventional/.inson.      553 

geben  ,  auch  darüber  in  ihren  Landen  und  Gebieten  spre- 
chen und  verhelfen,  etliche  auch  solches  andern  durch 
öffentlich    in    Druck   ausgegangener    Ordnung 
zulassen  und  erlauben." 
Das  Cameralschreiben  führt  dann  eine  Menge  von  Belägen  aus 
dem  römischen  Kechte  für  die  logische  Auslegung  der  erwähn- 
ten Reichsgesetzc  an,  ausserdem  weist   es  auf  Hotomann, 
de  usur.  1.  2.  c.  3.   Donell  (ad  ti.  D.  de  usuris  in  pr.  cf.  oben 
"\1I.  1.  c.)  und  Car.  Molinaeus  (tract.  d.  usur.  N.  X.  inpr.), 
sowie  auf  c.  7.  X.  de  donat.  üiter  Y.  et  U.  (4 ,  20)  für  die  Er- 
laubtheit der  Zinsen  hin,  ^) 

Auf  dieses  Cameralschreiben  antwortete  der  Reichsab- 
schied von  1570  ausweichend: 

,,  aus  was  billigen  Ursachen  die  wucherlichen  Contrakte ,  so 
jederzeit  im  Reich  grossen  Unratli  und  Verderben  angerich- 
tet, in  gemeinen  Rechten  und  etlichen  unsern  Reiclisabschie- 
den  verbotteu ,  ist  unnöthig  zu  erholen ;  derohalben  Avir  dem 
•  Cammerrichter  und  den  Beisitzern  befohlen  haben  wollen, 
in  solchen  Sachen,   was   einmal   statuirt   und   ver- 
abschiedet   in    kein    ferneres    Nachdenken    zu 
ziehen."  ^) 
Hiergegen  erliess  deshalb  der  Ivammerrichter  und  Bischof  von 
Speier  Marquard   von  Hatt stein   in  der  Zeit  von  1570 
bis  1577  ein  »Schreiben ,  3)  worin  er  jenen  Bescheid  von  1570 
als  nicht  erschöpfend  nachwies  und  geradezu  im  Interesse  des 
Kapital  -  und  Gerichtsverkehrs  eine  reichsgesetzliche  Billigung 
massiger  Conventionalzinsen  wünschte.   So  trieb  ein  Theil  den 
andern  auf  der  einmal  eingeschlagenen  und  von  der  Praxis  wie 
Theorie  geebneten  Bahn  vorwärts. 

Daher  kam  es,  dass,  obsclion  in  vereinzelten  Fällen  noch 
das  Reichskammergericht  den  Beklagten  von  allen  Conven- 
tionalzinsen aus  dem  Darlohn  freispi-acli ,  oder  den  Kläger  mit 
seiner  desfälligeii  Klage  unter  Kostenlast  abwies,  dieser  Ge- 
richtshof seit  1580  doch  meistentheils  5  Prozent  Conventional- 
zinsen durchaus  anerkannte   und    dem  Kläger  zusprach,    das 

1)  V.  Meiern,  sechster  Zinstlialcr.   Beil.  I.  p.  1  —  12.        2)  Gerst- 
lacher, Reichsgesetze  X. p.2127.  §.83.      3)  v.  Meiern,  I.e.  p.  12ü— 3ü. 


öäl      IX.   •_>.  Tlilligvmg  von  5  ((5)  Prozent,   b.  Conventionalzinsen. 

sechste  Prozent  aber ,  wo  dieses  vereinbart  worden,  auf  fünf  Pro- 
zent herabsetzte.  Die  Richter  sclih^ssen  sich  Hinsiehts  der  Zins- 
erlaubniss  und  deren  Höhe  eben  an  die  Reiclisgesetze  über  Ren- 
tenkauf und  Judenzinsen  an ,  und  schenkten  den  6  7o  des  römi- 
schen Rechtes  und  einzchier  Partikuhirgesetze  keine  Beachtung. 
Selten  zwar  war  das  Reichskamniergericht  in  der  Lage ,  liier- 
über  zu  erkennen ,  weil  in  den  bei  weitem  meisten  deutschen 
Einzelstaaten  die  Conventionalzinsen  innerhalb  einer  bestimm- 
ten Grenze  durch  Gesetze  oder  Gewohnheit  eingeführt  und  in 
Uebung  waren.  ^) 

Man  erwartete  allgemein ,  die  Reichsstände  würden ,  was 
sie  in  ihren  eigenen  Staaten  gesetzlich  gebilligt  hatten ,  nun- 
mehr auch  durch  ein  Reichsgesetz  für  das  ganze  Reich  aus- 
sprechen. In  der  That  fassten  sie  im  Deputationsabschied  zu 
Worms  1586  bereits  über  die  Verzugszinsen  und  das  Interesse^) 
feste  Beschlüsse.   Carpzov  erwähnt  davon : 

„  deinceps  in  mutuo  usurae  nomine  5  annuatim  a  tempore 
morae  non  praevia  prohatione  ejus ,  quod  interest ,  adjudi- 
cari  debere." 
Indess  in  ihren  Stimmen  gingen  die  Stände  noch  wesentlich 
auseinander.  Einige  wollten  5,  andere  6  Prozent,  noch  andere 
gar  keine  Zinsen  zugestanden  wissen.  Behufs  endlicher  Ent- 
scheidung in  Ueberemstimmung  mit  der  Praxis  verfügten  sie 
auf  dem  Reichstage  zu  Regensburg  1594,  jenen  Beschluss  an 
das  Reichskammergericht  gelangen  zu  lassen.  Allein  die  Sache 
unterblieb  eben  wegen  der  getheilten  Ansichten  der  Stände. 

Endlich  schien  im  D  e  p  u  t  a  t  i  o  n  s  a  b  s  ch  i  e  d  e  zu  S  p  e  i  e  r 
1 BOO  der  Streit  beigelegt  werden  zu  sollen.  Man  genehmigte 
daselbst  auch  die  Zmsen  bis  zu  5  Prozent ,  doch  nur  für  den 
Zahlungsverzug  (cf.  IX.  1.).  Das  hatte  man  schon  80  Jahre 
früher  im  Reichskammergerichte  praktisch  ausgeführt,  noch 
viel  früher  in  den  unteren  Gerichten  der  Einzelländer  und  in 
den  Verträgen  der  Parteien  selbst.  Man  musste  sich  damit 
getrösten,  dass  hier  wenigstens  die  Reichsstände  zum  ersten 


1)  Orth,  Anmerkungen  1.  c.   v.  Meiern,  sechster  Zinsthaler  p.  112. 

2)  Nach  den  Behauptungen  von  v.  Meiern  und  Gerstlacher. 


IX.   2.  Billigung  von  5  (0)  Prozent,   c.  Eeichsgesctze.  55.5 

Male  Zinsen  allgemein  anerkannten ,  wenn  auch  nur  aus  dem 
Verz-uge ,  und  dass  man  nun  noch  leicliter ,  als  aus  dem  Keichs- 
gesetze  von  1530,  die  Billigung  der  Conventionalzinsen  l)eira 
Darlehn  herauslesen  konnte.  Zwar  hielt  der  Deputationsbe- 
schluss  fest  an  dem  Verzugsfalle ,  allein  er  flocht  doch  dabei 
allgemehie ,  und  in  dem  Verkelire  längst-  gewohnte  Begriffe, 
wie  Schaden  (dauinnm  emergens)  und  Gewinn  (lucrum  cessans) 
ein,  und  vornehmlich  seine  Worte:  „dass  der  Creditor 
sein  Geld  von  solcher  Zeit  an  anlegen  und  zuge- 
lassener Weise  wenigstens  von  100  fünf  Prozent 
wohl  haben  möge"  hielten  sich  so  allgemein,  dass  man 
sie  mit  vollem  Rechte  auf  die  Darlehnszinsen  nicht  minder, 
wie  auf  den  Rentenkauf  beziehen  zu  dürfen  glaubte. 

Seit  diesem  Deputationsabschiede  trug  denn  auch  das 
Reichskammergericht  kaum  Bedenken  mehr,  dem  Gläubiger 
die  Darlehnszinsen  bis  zu  5  Prozent  zuzusprechen.  Nur  1621, 
als  ein  Prozess  zwischen  Juden  und  Christen,  als  Partheien, 
über  Conventionalzinsen  beim  Darlehn  vor  das  Reichskammer- 
gericht gelangte ,  erkannten  die  Richter  jenen  die  Zinsen  zu, 
diesen  ab.  Demgemäss  führten  nun  auch  eine  Reihe  bis- 
her noch  bedenklicher  Partikularfürsten  die  gesetzliche  An- 
erkennung der  Conventionalzmsen  beim  Darlehen  in  ihre 
Länder  ein.  ^) 

c.   Die  Reichsgesetze  billigen  die  Conventionalzinsen. 

Hieraus  kann  man  schliessen,  dass  bald  nach  1600  die 
Reichsstände  sich  auch  über  die  Coventionalzinsen  vom  Dar- 
lehn würden  geeinigt  mid  damit  durch  ein  Reichsgesetz  über 
diesen  Kernpunkt  der  ganzen  Wucherfrage  den  endlosen  Streit 
würden  geschlossen  haben,  wenn  nicht  der  dreissigjährige 
Krieg  von  Neuem  jede  Entscheidung  der  einfachen  Verkehrs- 
angelegenheiten weit  hinausgeschoben  hätte.   Nach  dem  ent- 


1)  p.  546 fF.  cf.  cl.  Oelsner  L.R.  Suarez,  schles.  Prov.  Rechte  I.  a. 
10. p. 403.—  Braunschweig  161H.  Hildesheim  ebendann.,  Wolfen  - 
büttel.  Stryk,  Usus  Mod.  Pand.  1.  c.  §.  11.  Leyser,  meditatt.  11. 130. 
n.  4.  med.  2.  Würteniberg.  (L.  0.  von  1620.  Wächter  1.  c.)  Baden. 
L.  0.  V.  1622.  p.  73.  cf.  decret.  Fcrdin.  11.1633.  Rizy,  Zinstaxen  p.  77. 


556 


rX.   2.  TJilliguiiir  von  f)  ((i)  Prozent,   c.  Reichsgesetze. 


setzlichen  Kample  aber,  als  wegen  des  aus  ihm  hervorgegan- 
genen Unglücks  die  Schuldner  im  Zinsdrucke  seufzten  („for~ 
iunis  lapsi ,   nimio  usurarum   cursu   aggravati   esscnt/')^) 


1)  Als  oüizclner  Belag  hierfür  diene  Folgendes.  Nach  dem  ersten 
schwedischen  Feldzuge,  in  Schlesien  werden  in  dem  schlesischen  Dorfe 
Domslau  auf  dem  Gerichtstage  (Erbtage)  1638  den  21.  Juni  die  bei  den 
ünterthanen  daselbst  gemahnten  Privatschulden  ermittelt ,  und  im  ein- 
zelnen für  jedes  Gut  auf  einem  besonderen  Blatte  zusainmcngestellt.  Die 
Rückstände  an  die  Gutsherrschaft  sind  nirgends ,  ausser  beim  Scholzen- 
gute vermerkt.  Das  Ergebniss  ist  dieses :  cod.  dipl.  Sil.  IV.  p.  98  (M  e  i  t  z  e  n) 

Gr. 


George  Rettigs  gewesenen  Scholzes  Gut ,  7  Hub. 

u.  1  qu.  (Erb  -  u.  Getreidezinsen  3  Jahr),  1  Kalb 
Stenzel  Wieles  Scholzes  Gut,  3  Hüben      .     .     . 

Adam  Schmidtes  Gut ,  2  Hüben 

Michel  Rabel  Gut ,  3  Hüben    96  Schffl.  Getr.  u. 

Adam  Rebel  Kretschmer 

Matz  Rebel 10  Viert,  u.     .     . 

Gregor  Dudek 2  Malt.  u.      .     . 

Thoraas  Lache  wüste     .     .       6  Schffl.  u.     .     . 

Hans  Clemet 

Georg  Marunge    .     .     .     .     53 V4  Schffl.  u.      . 

Caspar  Zerschki  Kretschmer 

Thomas  Vierdmig      .     .     .     •  IV2  Malt.  u. 

Jakob  Sperling 2  Schffl.  u.    .     . 

Adam  Woytung  oder  Lor.  Sperling  wüste      .     . 
Hans  Schimmels  Erben  sollen  sich  berechnen     . 

Michel  Lache 

Hans  Geigke  oder  Georg  Lampert 

u.  an  Georg  Gauke  d.  Stiefsohn  v.  d.  Willkühr 

Merten  Klisch  3  Söhne  aufn  Gut 

Valten  Schimmels  wüstes  Gut 

Hans  Gruntke  Gärtner       

Mat^Gruntkes  Garten  fällt   an  die  Verkäufer 

zurück Schuld  2  Achtel  Bier 

Merten  Briese 1  Schffl.  Korn  u. 

Paul  Kochner  Mündling  ausw.  1  Schffl.  Korn  u. 
Georg  Kolbe  Erben   ....  2  Schffl.  Korn  u. 

Hans  Clement 

Albrecht  Strach  oder  Jakob  Gangel      .... 

Hans  Galantke 

Michel  König 


Mrk. 

Gl- 

Thlr. 

37 

1811 

180 

24 

33 

72 

— 

350 

33 

— 

546 

638 

95 

12 

89 

474 

36 

41 

219 

12 

1046 

— 

104 

468 

43 

86 

510 

— 

2052 

53 

10 

104 

267 

24 

362 

404 

40 

84 

119 

3 

16 

— 

50 

— 

189 

8 

270 

47 

36 

104 

— 

40 

49 

1 

59 

39 

47 

30 

— 

62 

17 

97 

12 

33 

— 

11 

18 

15 

3 
13V2 

6 
22 
27 
18 
25 


11 
3 


18 


IX.   2.  Billigung  von  5  (6)  Prozent,   c.  Reichsgesetze.  557 

wurden  die  Reichsstände  um  so  dringender  veranlasst ,  derglei- 
chen Beschwerden  zu  heben  und  weiteren  vorzubeugen.   Die 

Also  auf  ca.  2000  Morgen  Summa  1253,4  Scheifel  Getr.,  2  Achtel  Bier, 
4951  schwere  Mark  28  Gr.  (ä  48  Gr.)  und  6428  Thaler  18  Gr.  (ä  36  Gr.), 
einschliesslich  des  Getreides  also  etwas  über  10,000  Reichsthalcr.  Die 
vorgeschossenen  Steuern  und  rückständigen  Gefalle  an  die  Stil'tsgüter - 
Verwaltung  betrugen  nach  dem  Kriege  ca.  10,000  Thaler  schles.  oder 
8000  Reichsthaler  (1.  c.  Urk,  n.  191.). 

cf.  ib.  Urk.  n.  187  (24.  Decbr.  1644)  „ ...  Es  verkauifen  obgedachte 
Herren  Verwalter  ihm  George  Sommern  seinen  gewesenen  Gartten  zum 
Dombsel  (Domslau) ,  wie  er  ihn  vor  diesem  besessen  und  genossen  (weil 
er  sich  gäntzlich  an  Stewern  und  der  Herrschaft  privi- 
legirten  S  chulden  vorstanden,  undt  die  a  ndern  Credito- 
res  durch  ordentlichen  Abscheidt  ihrer  Forderung  halber  abgewiessen) 
für  30  Thaler,  jeden  deroselben  zu  36  Groschen  weiss  gerechnet.  Die 
Zahlung  belangende  soll  Kaeuffer  alsobald  zum  Angelde  erlegen  6  Thaler, 
liatt  zuvor  allbereit  drauf  bezahlt  12  Thaler,  die  übrigen  12  Thaler  in 
3  Jahren  als  künflFtig  ÄCarttini  des  baldt  angehenden  1645.  Jahres  anzu- 
fangen mit  4  Thalern,  undt  so  die  nachfolgende  2  Jahr  jedesiiiahl  auff 
Marttini  4  Thaler  bies  zu  völliger  Bezahlung.  Alle  Beschwerden ,  so  die- 
ser Gartte  vor  diesem  ertragen ,  nemblichen  ins  Hospitahl  st.  Bernhardin 
iest  er  schuldig  zu  geben  alle  Jahr  1  Thaler ,  3  Hüner ,  1  Mandel  Eyer, 
nimmbt  Kaeuffer  übersieh,  und  noch  dazu  jährlichen  den  Herren  Ver- 
waltern auff  Ostern  1  Mandel  Ayer  und  Michaelis  3  Hüner;  desgleichen 
sohl  auch  Kaeuffer  selbander  wegen  der  Hoffarbeit  schuldig  sein,  als  der 
Mann  von  Michaelis  an  bies  Ostern  des  Tages  unib  l'a  Groschen,  dass 
Weib  umb  1  Groschen ,  von  Osteni  bis  Michaelis  der  Mann  des  Tages 
umb  2  Groschen  ,  das  Weib  umb  1  '2  Groschen ,  alles  bei  ihrer  Kost ,  aus- 
genommen in  der  Erndtezeit  bei  der  herrschaftlichen  Kost  zu  arbeitten. 
Solcher  Gartten  liegt  in  Steuren  der  reducirten  Ausage  nach  auf  20  Tha- 
ler  "  (ib.  Urk.  188.  desselb.  dati  verkaufen  wieder  die  Herren  Ver- 
walter dem  Gregor  Klischen  ,.  sein  gewessenes  Pauergutt  zum  Dombsell 
von  zwejen  Hüben  ...weil  es  sich  gäntzlich  anStewrenvndt 
der  Herrschafft  privilegirten  Schulden  vorstanden,  und 
die  andern  Creditores  durch  ordentlichen  A  b  s  c  h  e  i  d  t  ihrer  For- 
derung wegen  abgewiesen  ,  für  12oThalcr.  ..  Bisherige  ,.  Beschwerden 
ins  Hospitahl  st.  Bernhardin  . . :  alle  Jahr  5  Thaler  12  Groschen  .  2  Schul- 
dem, 2  Par  Hüncr ,  40  A\er ,  auff  den  Tluniib  jährlichen  2  Tlialer  24  Gro- 
schen ,  für  Hoffarbeit  von  der  Hube  10  Groschen ,  . . .  dazu  jährlichen  auff 
Osteni  den  Herrn  Verwaltern  40  Ayer  und  Älichaelis  2  Paar  Hüner." 
Dazu  „gegen  Erlassung  der  alten  Zinss  Hoffarbeit  dem  Landtsbrauch 
nach  ...  von  jeder  Hube  8  Beete  durch  ein  Gewende,  . . .  und  ein  jedes 
Beete  von  8  Forchen  auff  dreyerlci  Art  zu  uckern ,  als  im  Brachen  über 


558  TX.    2.  "RilHyunj^-  von  ö  {(])  Prozent,    c.  Reichsgesetze. 

nun  zwiefach  bedrängte  Lage  der  Schuldner  nöthigte  die  Für- 
sten endlich .  die  Zinsen  aus  den  Darlehen  anzAierkennen  und 
massig  zu  begrenzen. 

Zunächst  Avurden  vom  Reichskammergerichte  und  Reichs- 
hofrathe  Gutachten  darüber  eingeholt ,  wie  die  Lage  der  durch 
den  Krieg  verarmten,  insbesondere  von  Zinsen  bedrückten 
Schuldner  zu  bessern  sei  im  Wege  der  Reichsgesetzgebung. 
In  den  von  diesen  höchsten  Gerichten  darauf  eingereichten 
Gutachten  wird  wesentlich  die  unmittelbare  Herabsetzung  der 


Sommer  imd  über  Wiudter  zu  rühren,  desgleichen  auch  zu  jeder  Zeit 
achte  treulich  und  flcissig  zu  arbeitten .  item  von  der  Hube  3  Puder  Miest 
auff  der  Herrschaift  Acker ,  wo  sie  angewiesen  werden  ,  zu  führen ,  doch 
das  es  von  der  Herrschaft  Gesinde  aufgeladen  und  abgeschlagen  werde, 
mehr  von  jeder  Hube  2  Fuder  Hew  undt  2  Fuder  Holtz  einzuführen ,  und 
solches  von  ihnen  und  ihrem  Gesindten  aufzuladen  und  abzuereichen ,  wie 
auch  von  jeder  Hube  3  Malter  Getreide  in  die  Stadt  zu  führen,  Baufuhren 
so  viel  ihm  möglichen.  Solches  Gutt  liegt  in  Stewern  der  reducirten  An- 
sage nach  auff  100  Thaler..."  (ib.  Urk.  189.)  2.  Octbr.  1(351  „nach  dem 
aus  göttlichen  gerechten  Gericht  und  Verhängniss  durch  das  hochschäd- 
liche Krieg  sunwesen,  Brandt,  Plünderung,  Pest  und  andere  un- 
glückhafte Zuefälle  wie  andere  also  auch  dieses  Dorff  und  Gutt  Dombsel 
in  äuserste  Verterb  und  Euin  gesetzet,  dergestalt,  dasz  nicht  allein  die 
meisten  Wohnhäuser  und  Hofestädte  daselbst  abgeräuhmet  und  in  die 
Asche  geleget ,  sondern  auch  die  Aecker  und  Gärtten  darumb  ganz  öde 
und  wüste  liegen  blieben ,  weil  die  Einwohner  theils  verlauffen ,  theils 
verstorben  und  dahero  erfolget,  dass  auff  denselben  Gründen  und  Güttern 
die  allgemeinen  Steuern  und  Contrib  utiones  wie  nicht 
minder  diejenigen  Schuldigkeiten,  welche  den  Hospi- 
talien  gehörig  und  zue  Verpflegung  des  lieben  Armut- 
tes  gewiedmet,  sich  dermassen  gehäuffet,  dass  derer  sehr 
viel  nicht  allein  gantz  verstanden  und  zue  Bezahlung 
erst  geregter  Anlagen  oder  Resten  nicht  erklecklich, 
sondern  die  auch  annoch  übrigen  und  am  Leben  verbliebene  Einwehner 
auss  Armuth  nicht  so  viel  anbauen  können ,  dass  sie  die  g  e  m  e  i  n  e  n  A  n  - 
lagen  davon  abzurichten  vermocht:...  ist  auf  dem  Fürsten- 
tage vom  29.  Januar  1639  beschlossen,  alle  Creditores,  Erben ,  Possesso- 
res,  Interessenten  bei  Strafe  der  Präklusion  zur  Besitznahme  aufzufor- 
dern. Geschieht  dies  nicht ,  so  fallen  die  Ländereien  an  die  betreffenden 
Obrigkeiten."  Diese  Bestimmung  wird  u.  a.  more  solito  auch  von  d«r 
Cantzel  abgelesen. 


IX.   2.  Billigung  von  5  (6)  Prozent,   c.  Reichsgesetze.  559 

Zinsensclmlden  befürwortet,  hierbei  aber  stets  die  Zinsschuld 
an  sich  als  rechtsbeständig  angesehen.') 

Die  Reichsstände  aber  spre<:'hen ,  was  sie  in  der  Friedens- 
urkunde von  Münster  schon  berührt  und  durchzuführen  ver- 
heissen  hatten ,  dann  in  dem  R  e  i  c  h  s  b  e  d  e n k  e  n  von  1 654  -) 
dahm  aus: 

„Anweisend  die  künftigen  Zinsen  (d.h.  Renten)  und 
Interesse,  da  ist  man  an  Seiten  Churfürsten  und  Stän- 
den der  Meinung ,  dass  von  nun  an  dieselben ,  sie  seien 
eoc  CO n f racf u  e ni tionis  a nn u o r u m  r e dl t u u m  o d e r 
muttii  herrührig  und  versprochen,  doch  weiter 
Nichts,  als  5  Prozent  alle  und  jede  Jahr.incow- 
vento  tcrmino  ohnfehlbar  bezahlt,  und  in  casu  niorae  auf 
blosse  Vorzeigung   der  obligatio  per  paratam  exccutionem 
Avider  den  Schuldner  verfahren  werden  solle." 
Allgemein  daher  ward  hier  zugebilligt,  Interesse  (Zinsen)  aus 
Darlehen  zu  fordern  innerhalb  der  Grenze,  welche  die  Gewohn- 
heit des  Verkehres  und  die  Zahl  der  Partikulargesetze  im  Lande 
bereits  aufgestellt  hatten.    Alsdann  bestimmte  der  jüngste 
Reichs  abschied   von  1654,    die   geschuldeten   Kapitalien 
der  im  Kriege  Verarmten  sollten  nicht  vor  3  Jahren  und  theil- 
weise  zurückgezahlt  werden.    Die  bisher  angelaufe- 
nen Zinsen  (Renten)  und  Interessen  sollten  bei  jenen  Schuld- 
nern „zu  drey  Viertheil  kassirt  und  aufgehoben  sein,"  das 
letzte  Viertel  soll  auf  eine  näher  bestimmte  Weise  albnählich 
abbezahlt  werden  (J.  R.  A.  §.  172. 173.).    Hinsichts  der  künf- 
tig fälligen  Zinsen   (d.  h.  Renten)   und   Interessen  jener 
Schuldner  heisst  es  dann  im  §.  174,  wo  ausdrücklich  statt  der 
Conventionalzinsen  das  kanonistisch  gebilligte  Interesse  genannt 
wird  (cf.  IV.  3.  c.  IX.  1.): 

„  Anreichend  die  künftigen  Zins  und  Interesse  sol- 
len von  nun  an  dieselben,  sie  seien  aus  wiederkäuflichen 
Zinsen  oder  vorgestreckten  Anlelien  her  rührig 
u  n  d  versprochen,   doch  nach  Ausweisung  der  Reichs- 


1)  V.  Meiern,  1.  o.  Beilagen  I\ .  ii.  \ .  \k  J7  —  57.        2)  v.  Meiern, 
sechster  Zinsthaler  1.  c.  §.  oü. 


51)0    IX.  2.  Billig.  V. ;')(())  Proz.  d.  Auslcg.  d.  jüngst.  Reichsabschiedes. 

Constitutionen  und  Weiteres  nicht,  als  5  Prozent  alle  und 
jede  Jaliren  in  ver,L,'lichenen  Terminen  unfehlbar  bezahlt 
werden  und  im  Falle  des  Saumsais  auf  blosse  Vorzeigung 
der  ohligatio  2)er  paratam  executionem  wider  den  Schuldi- 
ger verfahren  werden." 

d.   Auslegung  des  jüngsten  Reichsabschiedes  §.  174.  Streit 
über  die  Höhe  der  Zinsen. 

Eme  neue ,  a])er  hinlänglich  grosse  Veranlassung  zu  Be- 
denken und  Zweifeln  bot  dieses  Eeichsgesetz.  Klar  nämlich 
erhellte,  dass  die  Zinserlaubniss  sich  lediglich  auf  die  durch 
den  Krieg  bedrückten  Schuldner  erstrecken  sollte. 
So  heisst  es  schon  im  art.  GG.  der  Friedensurkunde  von 
Münster:^) 

„de  hidaganda  aliqua  rafione  et  modo  aequitate  conve- 
niente,  quae  persecutiones  actionum  contra  dehitores 
ob  hellicas  calamitates  fortunis  lapsos  et  ni- 
mio  US  ti  rar  um  ciirsii  agyravatos  moderate  termi- 
nari  indeque  nascituris  majoribus  incommodis  etiam  tran- 
(jidllifati  imblicae  noxiis  obviam  iri possit..." 
Dann  im  §.  171  des  jüngsten  Reichsabschiedes: 

„  Wir  wollen ,  dass  unter  diese  Satzung  allein  d  i  e  d  u  r  c  h 
den   Krieg   von   Mitteln  gekommenen  oder   durch   hohe 
Aufwachsung   der   Pensionen  und  Zinsen  beschwerte 
Schuldner  gezogen  werden. ." 
Dazu  gab  es  eine  Zahl  von  Zinsfeinden  oder  peinlichen  Aus- 
legern, welche  sowol  im  Reichsbedenken,  wie  im  Reichsab- 
schiede die  Worte  „  künflftige  Zinse  "  auf  den  Renteukauf,  und 
„Interesse"  nur  auf  die  Verzugszinsen  gemäss  dem  Deputa- 
tionsabschied von  IGOO  §.  139  bezogen.   In  diesem  Sinne  aber 
sei  im  Reichsbedenken  hinzugesetzt:  „herrührig  und  verspro- 
chen aus  wiederkäuflichen  Zinsen  oder  vorgestreckten  Anlehen  " 
und  im  Reichsabschiede:  „nach  Ausweisung   der  Reichskoii- 
stitutionen,"   Avelche   Worte    im   Reichsbedenken   sich   nicht 
finden.  ^)   Sollten  „  Zins  und  Interesse  "  die  Conventionalzinsen 

1)  Instr.   pacis   Osnabr.  art.  8.  §.  5.         2)  v.  Meiern,  Sechster 
Zinsthaler  p.  170.  171.   Das.  Beilage  VI.  (p.  58  ff.).   Die  kaiserliche  Rati- 


IX.  2.  Billig.  V.  5  (())Proz.  .(1.  .\uslog.  d.  jüngst.  Reichsabschiedes.     5G1 

beim  Darlelm  bezeichnen,  so  fanden  sie  keinen  Rückhalt  an 
den  früheren  Reichsgesetzen.  Dieser  Erklärung  stand  auch 
nicht  entgegen ,  dass  zur  Erleichterung  der  Schuldner  aus  dem 
Kriege  her  das  Gesetz  gegeben  worden.  Zu  niedereren  Renten 
nämlich  und  gesetzmässigen  Verzugszinsen  hatten  die  Schuld- 
ner den  Gläubigern  ihre  Schuld ,  oder  ihre  Zahlungssäumniss 
auszugleichen  versprochen.  Dieses  wurde  nun  im  Reichsab- 
schiede auf  das  zugestandene  Maass  herabgesetzt. 

Nach  dieser  Auslegung,  welche  unmittelbar  nach  dem 
Erscheinen  des  J.  R.  A.  auch  das  Reichskammergericht  auf 
kurze  Zeit  billigte ,  ^)  wäre  also ,  da  weder  vorher  noch  später 
die  Reichsgesetze  Conventionalzinsen  aus  dem  Darlehn  zu 
nelimen  erlaubten ,  reichsgesetzlich  in  Deutschland  das  kano- 
nistische  Zinsgesetz  niemals  aufgehoben,  reichsgesetzlich  nie- 
mals dem  dringenden  Verlangen  der  Theorie  und  Praxis  des 
Verkehrslebens  abgeholfen. 

Ebenso  stellt  sich  die  Sache,  wenn  man,  was  sich  aus 
obigem  Zusammenhange  und  Wortlaute  des  J.  R.  A.  offenbar 
nicht  genügend  rechtfertigt,  in  dem  J.  R.  A.  nur  die  Partiku- 
largesetze und  Gewohnheiten,  welche  das  zinsbare  Darlehn 
anerkannten ,  bestätigt  sieht.  ^) 

Allein  der  weitaus  grösste  Theil  der  Rechtskundigen  im 
Reiche  zweifelte  keinen  Augenblick  mehr ,  das  letzte  Reichs- 
gesetz auf  alle  Conventionalzinsen  aus  Darlehen  und  andern 
Zinsgeschäften  mnerhalb  5  Prozent  und  auf  alle  Schuldner 
anzuwenden.  Das  sei  die  Absicht  der  Reichsstände  bei  Abfas- 
sung dieses  Gesetzes  gewesen;  denn,  wenn  sie  die  Conven- 
tionalzinsen aus  Darlehen  an  sich  nicht  anerkennen  wollten, 
hätten  sie  wahrhaftig  zur  Erleichterung  ihrer  bedrängten 
Schuldner  nicht  bloss  die  Zinsen  bis  auf  5  Prozent  herabge- 
setzt ,  sondern  ganz  aufgehoben  und  damit  auf  das  Unverkenn- 
barste ihrer  Ansicht  gegen  die  Conventionalzinsen  Ausdruck 


fikation  befindet  sich  Beil.  VII.  p.  64,  der  Conimissionsbericht  (majora 
dejmtaiorum  imperii)  Beil.  VIII.  p.  65  flf. .  die  Abstimmung  im  Fürsteii- 
rathe  Beilage  IX.  ]>.  69ff. .  dessen  Beschluss  Beilage  X.  p.  86  ff. 

1)  V.Meiern,  I.e.  ]>.  l;53ff.      2)  Eichliorn,  Einl.  in  d.  deutsche 
P.  R.  §.  106.  107. 

Neuiuann,  Gesch.  d.  Wuchers.  36 


5G2    IX.  2.  Billig.  V.  5  (6) Proz.  d.  Auslog.  cl._  jüngst.  Keichsabschiedes. 

gegeben,  wie  sie  es  jetzt  für  dieselben  thaten.  Bezogen  sie 
sieh  (leslialb  hierüber  auf  frühere  Reichsgesetze,  so  meinten 
sie  diejenigen  seit  1530  bis  auf  den  Deputationsabschied  von 
1600,  indem  sie  diese  so  auflfassten,  wie  sie  es  zuvor  in  ihren 
rartikulargesetzen  gethan ,  und  wobei  die  Beisitzer  des  Reichs- 
kaniniergericlites ,  wie  die  Mitglieder  ihrer  eigenen  oberen  und 
unteren  Landesgerichte  ihnen  durchaus  zur  Seite  standen.  Das 
R  e  i  c  h  s  k  a  m  m  e  r  g  e  r  i  c  h  t  insbesondere  sah  bald  seine  fi'üher 
bereits  in  der  Praxis  verwirklichte  Ansicht  von  der  Erlaubtheit 
der  Conventionalzinsen  bis  5  Prozent  im  J.R.A.  bestätigt  und 
erkannte  seitdem  dieselben  dem  Gläubiger  regelmässig,  doch 
nur  aus  den  Zinsgeschäften  nach  Publikation  des  Reichsge- 
setzes zu.  ^) 

Fragt  man  nach  der  wirklichen  Entscheidung  zwischen 
diesen  zwei  geschichtlich  auftretenden  Ansichten ,  so  ist  Fol- 
gendes zu  erwägen. 

Streng  dem  Wortlaute  nach  sind  Conventionalzinsen  beim 
Darlehu  und  sonstigen  Zinsgeschäften  allgemein  in  den  Reichs- 
gesetzen nicht  gestattet.  Die  Reichsgesetze  bis  1600  handeln, 
wie  gezeigt,  lediglich  von  Renten  und  von  den  Zinsen  der 
Juden.  Die  Renten  aber  waren  auf  dem  Standpunkte  der 
Reichsgesetze ,  wie  bewiesen  ist ,  nicht  den  Conventionalzinsen 
gleich.  Dann  der  Deput.  Absch.  von  1600  gestattete  nur  die 
Verzugszinsen.  Der  J.  R.  A.  endlich  begrenzte  seinen  Worten 
nach  die  Erlaubniss  und  gesetzliche  Fixirung  der  5  %  ™^  In- 
teresse (Conventionalzinsen)  nur  auf  die  verarmten  Schuldner 
aus  dem  dreissigj ährigen  Kriege.  ^) 

Praktisch  wichtig  wird  die  Sache  insbesondere  dort,  wo 
es  sich  um  die  Frage  nach  den  höchsten  gesetzlichen 
Conventionalzinsen  des  gemeinen  Rechtes  handelt. 
Hier  behauptet  nun  der  eine  Theil,  das  römische  Recht 
mit  seinen  Maximalsätzen  sei  maassgebend,  der  andere  Theil 
will  von  vorn  herein  nur  fünf  Prozent  zulassen.  ^) 

1)  V.  Meiern,  1.  c.  p.  137 ff.  2)  Puchta,  Paud.  §.229.  Note  b.b.u. 
Arndts  Pand.  §.  210.  Amn.5.  sehen  mit  Unrecht  im  J.R.A.  an  sich  eine 
allgemeine  Vorschrift  über  die  Conventionalzinsen.  3)  So  u.  A.  Seuf- 
fert.  Erörtemngen  p.  138  ff.   v.  Wening-Ingenheim,  Lehrbuch  des 


EX.  2.  Billig.  V.  5  (G)  Proz.  d.  Ausleg.  d.  jüngst.  Reiclisabschiedes.     563 

Die  Vertreter  des  römischen  Rechtes  hierbei  schliessen  so : 
Reichsgesetze  über  5  oder  6  %  Conventionalzinsen  existiren 
allgemein  nicht.  Wo  auch  Partikulargesetze  darüber  Nichts 
sagen ,  tritt  nicht  das  kanonische  Recht ,  das  die  Zinsen  gar 
nicht  billigt ,  sondern  das  römische  Recht  subsidiär  ein. 

Hiergegen  führen  Seuftert  u.  A.  den  J.  R.  A.  und  insbe- 
sondere dessen  Worte  „nach  Ausweis  der  Reichskonstitu- 
tionen "  an.  Andere  beziehen  sich  nicht  auf  den  eng  begrenz- 
ten J.  R.  A.,  aber  sie  weisen  das  Zinsmaximum  des  römischen 
Rechtes  damit  ab ,  dass  „  absolut  kassirte  Gesetze  nicht  ganz 
wieder  aufleben ,  wenn  ein  Theil  von  ihnen  erneuert  wird."  ^) 
Die  reichsgesetzlichen  Bestimmungen  über  den  Rentenkauf 
und  die  Judenzinsen  seien  analog  oder  „argumcnto  ab  dbsiirdo" 
auf  die  Conventionalzmsen  auszudehnen,  letztere  seien  durch 
allgemeine  Gewohnheit  bis  zu  5  %  als  gesetzlich  anerkannt.  ^) 


gemeinen  Civilrechts.  III.  1.  b.  u.  Note  k.  (Dazu  Fritz,  Erläutcr.  lU. 
p.  45flf.)  Thibaut,  Fand.  Syst.  (Aufl.  8.)  §.195.  Glück,  Commentar 
XXI.  p.  95ff.  Göschen,  Vorlesungen  11.  §.406.  Puchta,  Fand.  §.  229. 
Arndts,  Fand.  §.  210.  Eichhorn,  Einl.  1.  c.§.  106. 107.  Die  Fraxis  des 
Reichskammergerichts  stimme  mit  den  „5'Vo"  überein.  v.  Meiern, 
1.  c.p.  139 ff.  Der  Reichshofrath  dagegen  sprach  in  den  bekannten  zwei 
Prozessen  von  Ostein  c./a.  Brand euburg-Culmbach  (Rentenkauf), 
und  von  Knigge  ca.  Sachsen-Eise  nach  1733  das  vereinbarte  sech- 
ste Prozent  dem  Kläger  zu.  v.  Meiern,  1.  c.  p.  151  ff.  Die  Schritt  von 
Meiern  mit  ihren  reichen  urkundlichen  Beilagen  erschien  eben  für 
V.  Knigge  (Schwabach  u.  Frankfurt  a.  M.  1733.)  Gegen  sie:  Refutation 
derer  Meierischen  Gedanken  u.  s.  w.  Frankfurt  u.  Lei})zig  173 1.  —  Gegen 
diese :  Antwort  auf  die  sog.  Refutation  u.  s.  w.  Hannover  1734.  —  End- 
lich Anhang  zur  Antwort  u.  s.  w.  1735. 

1)  Thibaut,  Fand.  Syst.  1.  c.  §.  195.  2)  Thibaut,  1.  c.  §.  195. 
Glück,  XXI.  p.  95 ff.  1.  c.  und  dessen  Citate.  Eichhorn,  Einl.  §.  106. 
107.  1.  c.  Letzterer  beruft  sich  zum  Schutze  der  5",,  auf  die  duich  das 
Verkehrsbedürfniss  und  den  J.  R.  A.  mittelbar  hervorgerufene  Gewolni- 
heit ,  namentlich  auf  die  Schriftstoller  des  16.  u.  17.  Jahrh.  (E.  (Joth- 
mann,  responsa.  II.  resp.  52.  nr.  77 ff.  Mcvius,  wucherliche  Contrakte 
I.  cp.  7.  §.  7.),  welche  Renten  und  Zinsen  als  identisch  betrachteten,  und 
auf  die  constante  Fraxis  der  Reichsgerichte.  Wie  weit  diese  Annahmen 
unrichtig  sind ,  ist  oben  erörtert ,  hinsichtlich  der  Identität  zwischen  Ren- 
ten und  Darlehn  gerade  für  die  Reicbsgesetze  in  V.  3.  b.  d.  u.  IX.  1. ,  hin- 
sichtlich der  Reichsgerichte  IX.  1.  u.  2. 

3G* 


564    IX.  2.  Billig,  v.  5  (6)  Proz.  d.  Ausleg.  d.  jüngst.  Eeichsabschiedes. 

Nach  genauer  Erwägung  der  maassgebenden  Gründe, 
welche  besonders  in  obiger  geschichtlicher  Darlegung  wurzeln, 
zeigt  sich,  dass  fünf  Prozent  das  gemeinrechtlich 
gesetzliche  Maximum  der  Conventionalzinsen  sind. 

Mittelbar  nämlich  setzte  der  J.  R.  A.  diese  Norm  für  das 
Interesse  fest ,  wenn  er  sie  unmittelbar  auch  lediglich  den  im 
dreissigjährigen  Kriege  verarmten  Schuldnern  gab.  So  ver- 
stand und  übte  die  Gerichts  -  und  Verkehrspraxis  in  Deutsch- 
land ,  mit  Ausnahme  des  Reichskammergerichts  in  der  unmit- 
telbar dem  J.  R.  A.  folgenden  Zeit,  den  §.  174  des  J.  R.  A., 
dessen  Wortlaut ,  getrennt  von  den  voraufgehenden  Paragra- 
phen ,  sogar  zu  solcher  Auslegung  nöthigt.  Der  ganze  Verkehr 
daher,  der  widerholte  Antrag  des  Reichskammergerichts  wie- 
sen auf  diese  Auslegung.  Wenn  die  Stände  hier  5  7o  Conven- 
tionalzinsen sogar  den  Gläubigern  der  bedrängten  Schuldner 
gestatteten,  musste  geschlossen  werden,  dass  sie  in  günstigeren 
Schuldfällen  um  so  zweifelloser  diese  Zinsen  billigten.  Die 
Worte  „  doch  nach  Ausweisung  der  Reichskonstitutionen  "  be- 
fanden sich,  wie  oben  bemerkt,  nicht  in  dem  Reichsbedenken 
von  1654,  der  unmittelbaren  Grundlage  des  J.  R.  A.  Jetzt 
stehen  sie  allerdings  in  §.  174  des  J.  R.  A.  Aber  mitten  in 
dem  Zusammenhange,  wie  sie  jetzt  gelesen  werden,  können 
sie  gar  nicht  frühere  allgemeine  Wucherverbote  wiederholen, 
wenn  sie  nicht  den  §.  174  auflieben  oder  mindestens  viel  zu 
ungenau  gefasst  scheinen  sollen;  vielmehr  beziehen  sie  sich 
einfach  auf  die  Maximalsätze  der  Renten,  Juden-  und  Ver- 
zugszinsen in  den  früheren  Reichsgesetzen  bis  1600.  Siebegren- 
zen eben  die  allgemeine  Zinserlaubniss  vom  Anfange  des  §.174 
auf  fünf  Prozent.  Daher  leiten  sie  mit  „  doch  "  ein  und  gehen 
über  zu  „und  Weiteres  nicht."  Eben  in  dieser  Auffassung  nur 
hat  das  „  und  "  und  besonders  das  .,  Weiteres  "  einen  mit  dem 
Anfange  und  Schlüsse  des  §.  174  überemstimmenden  Sinn, 
nicht  aber  in  der  eingegrenzten  Erklärung  von  Fritz  ^)  noch 
weniger  in  derjenigen  von  Seuffert.  ^) 


1)  Erläuterungen  u.  s.  w.  zu  v.  Weuing  -  Ligenheiins  Lehrbuch  des 
gem.  Civil.  E.  1.  c.  lü.  p.  54.        2)  Erörterungen  p.  138  ff. 


I 


IK.  2.  Billig.  V.  5  (6)  Proz.  cl.  Ausleg.  d.  jüngst.  Eeichsabschiedes.    565 

In  dieser  Auslegung  nun  billigt  der  J.  K.  A.  oifenbar  als 
gesetzliches  Maximum  der  Conventionalzinsen  im  gemeinen 
Rechte  5  %,  Fritz  will  nur  ,, massige  zugesagte"  Zinsen  darin 
implicite  anerkannt  sehen.  Aber  welch  ein  Grund  liegt  vor, 
wenn  man  die  mittelbare  allgemeine  Auslegung  des  §.  174 
zulässt,  dann  dieselbe  willkürlich  und  gegen  den  Wortlaut 
und  Sinn  des  §.  174  zu  beschränken?  Der  §.  174  setzt  aus- 
drücklich als  Maximum  der  Conventionalzinsen  fünf  Prozent 
fest  mit  den  Worten:  „..die  künftigen  Zins  und  Interesse  sol- 
len von  nun  an  (aus  Reutenkauf  oder  Darlehn)  herrührig 
und  versprochen,...  und  Weiteres  nicht,  als  fünf 
Prozent  ...  bezahlt  werden."  Das  heisst,  fünf  Prozent  ist 
unmittelbar  für  die  armen  Schuldner  jener  Zeit ,  mittelbar  für 
alle  Parteien  in  ganz  Deutschland  der  Maximalsatz  der  Con- 
ventionalzinsen. 

Nach  seiner  Auslegung  will  Fritz  den  Maximalsatz  des 
auch  hierin  stillschweigend  rezipirten  römischen  Rechtes  als 
gemeinrechtlich  annehmen,  „wenn  nicht  Thatsachen  diese  Aus- 
legung zweifelliaft  machten."  Solche  Thatsachen  sind  für  ihn 
die  reichsgesetzlichen  fünf  Prozent  für  Renten  und  Judenzin- 
sen, zwischen  denen  mid  den  Conventionalzinsen  sich  „eine 
recht  plausible  ratio  differenUae"  nicht  wohl  denken  lasse; 
ferner  der  vom  J.  R.  A.  implicite  gebilligte  Antrag  des  Reichs- 
kammergerichts auf  5  Prozent  Conventionalzinsen ;  endlich  die 
Anerkennung  dieses  Maximalsatzes  von  den  Juristen  jener  Zeit 
des  J.  R.  A.  Deshalb  sei  zweifelhaft,  ob  der  J.  R.  A.  allge- 
mein 5  7o  oder  auch  6  7o  gestattete. 

Diese  von  Fritz  genannten  Momente  werden  verstärkt 
durch  die  obige  geschichtliche  Darlegung  des  Kapitalverkehrs  in 
Deutschland.  Die  einzelnen  Abschnitte  derselben  lassen  es 
sogar  nicht  mehr  zweifelhaft ,  dass  die  Annahme  des  in  dieser 
Lehre  schweigend  recipii'ten  römischen  Rechtes  keinen  histori- 
schen Boden  hat.  Hierzu  kommt  Folgendes.  §.  174  des  J.R.  A. 
bezeichnet,  wie  schon  wiederholt  bemerkt  wurde ,  die  Renten 
mit  Zins  oder  Zinsen,  die  Conventionalzmsen  mit  „Interesse" 
(cf.  IV.  3.  c.  V.  3.  d.  IX.  1.  2.).  Dem  entsprechend  theilt  er 
auch  die  Entstehungsgründe   dieses  Kapitalertrages  in  Ren- 


56(5    IX.  2.  Billig,  v.  5((i)  Proz.  d.  Ausleg.  d.  jüngst.  Reichsabschiedes. 

tonlcauf  uiul  Darleliii.  Das  Interesse  aber  war  vom  kanoni- 
sclien  Zinsgesetze  seit  jeher  anerkannt  (cf.  T.  2.  IV.  3.).  Daher 
stellt  iler  Geltung  des  römischen  Zinsmaximums  in  Deutsch- 
land nicht  blos  das  deutsche,  sondern  auch  das  kanonische  zu 
5  %  präzisirte  Zinsgesetz  entgegen. 

Somit  kann  es  nicht  zweifelhaft  sein,  dassnachdem  J.  1{.  A. 
57o  der  gemeinrechtliche  Maximalsatz  für  die  Conventionalzin- 
sen  ist.  Wäre  es  aber' noch  zweifelhaft,  so  folgte  dasselbe  Re- 
sultat aus  der  eben  dann  Platz  greifenden  Usualinterpretation 
und  der  strikten  Auslegung. 

Eine  Ausnahme  hiervon  machen  nun  das  Seedarlehn  und 
allgemein  die  Rechtsverhältnisse,  in  denen  der  darleihende 
Gläubiger  eine  Gefahr  übernimmt.  Durch  Partikulargesetze  aber 
ist  jeder  dieser  gememrechtlichen  Sätze  beliebig  zu  ändern  und 
seit  dem  17.  Jahrhundert  geändert  worden.  ^)  Eben  durch  die 
Fälle  der  partikulären  Abweichungen  Hess  sich  besonders  zu- 
letzt die  von  Meiern  so  nachdrücklich  betonte  gemeinrechtliche 
Behauptung  begründen ,  5  7o  sei  der  Maximalsatz  der  Conven- 
tionalzinsen ;  das  sechste  Prozent  überschreite  bereits  das 
gesetzliche  Maximum,  doch  sei  es  nicht  wucherlich;  mehr 
Prozente ,  als  sechs ,  fielen  unter  das  Wucherverbot.  Dieselbe 
Scheidung  wurde  bereits  oben  IX.  1.  d.  bei  dem  Interesse 
erwähnt. 

Als  gesetzliche  („  1  a  n  d  ü  b  1  i  c  h  e  ")  Zinsen  bestimmte 
der  D.  A.  von  1600  §.  139,  wie  IX.  1.  c.  erörtert  wurde,  mini- 
mal 5  7o  ^  <^och  nur  für  den  Fall  des  Zahlungsverzuges. 
Geht  man  aber  der  Entstehung  dieses  Reichsgesetzes  in  obigen 
Abschnitten  I.  2. ,  IV.  2. ,  besonders  IV.  2.  k.  (auch  IV.  3.)  und 
IX.  1.  nach,  so  zeigt  sich,  dass  die  Norm  sich  auf  alle  wegen 
widerrechtlicher  Handlungen,   auch  nach  römischem 


1)  Stryk,  Us.  mod.  Pandect.  1.  22.  ti.  1.  §.  13.  Glück,  1.  c.  p.  103. 
Eichhorn,  Einl.  1.  c.  §.  107.  Ausser  einigen  der  oben  IX.  1.  genannten 
Partikiüargesetze  billigen  6  Prozent  Conventionalzinsen  auch  das  Ham- 
burger Stadtr.  II.  1.  a.  4.  und  das  Hohenloher  Landr.  III.  12.  §.  fi.  cf. 
noch  Mevius  wucherl.  Contrr.  I.  cp.  6.  §.  8.  v.  Kaniptz,  Civilrecht 
§.  114.   Beseler,  D.  P.  E.  U.  p.  351. 


IX.  2.  Billig.  V.  5  (6)  Proz.  d.  Ausleg.  d.  jüngst.  Reichsabschiedes.    5G7 

Rechte,  zu  fordernden  Zinsen  erstreckt.  In  den  ßeichsgesetzen 
selbst  findet  sicli  liierüber  keine  nähere  Vorschrift.  Daher  kom- 
men über  die  in  jenem  weitern  Siime  unter  dem  D.  A.  von  IGOO 
noch  uiclit  begriffenen  gesetzlichen  Zmsen  zugleich  mit  dem 
J.  R.  A.  und  m  Folge  desselben  die  Bestimmungen  des  römi- 
schen Rechtes  zur  Anwendung.   Daraus  folgen  diese  Sätze : 

1.  Die  vom  Richter  zu  bestimmenden  gesetzlichen  Zinsen 
bestimmt  er  auch  im  gemeinen  Rechte,  aber  nicht  über  die 
5%  des  J.  R.  A.  hinaus.  Ausgenommen  hiervon  sind  die  unter 
den  D.  A.  von  1600  gehörenden  Zinsen. 

2.  Die  im  römischen  Rechte  unter  5  %  normirten  gesetz- 
lichen Zinsen  behalten  die  dortige  gesetzliche  Norm  auch  im 
gemeinen  Rechte. 

3.  Alle  übrigen  gesetzlichen  Zinsen  des  römischen  Rech- 
tes zu  6  7o  und  1 2  %  fallen  nach  obiger  Erörterung  unter  den 
D.  A.  von  1600  und  seinen  Minimalsatz  der  5  7o-  Der  Art 
sind  die  „maximae  usurae"  mit  6%  (ausser  denen,  welche 
weder  aus  Verzug ,  noch  unrecht  herrühren ,  daher  nicht  den 
D.  A.  betreffen ,  sondern  vom  J.  R.  A.  auf  5  7o  herabgesetzt 
sind)  mid  die  zwei  Fälle  der  12  %.  Hmsichts  der  letzteren  war 
eben  das  kanonische  Recht  in  Deutschland,  unter  Beseiti- 
gung des  römischen  Rechtes,  bei  Bildung  der  deutschen  Rechts- 
regel maassgebend ,  und  die  spätere  Rezeption  des  römischen 
Rechtes  in  diesem  Rechtsgebiete  erstreckte  sich  nicht  auf  die 
Punkte ,  Avelche  von  den  Reichsgesetzen  in  deren  geschichtlich 
umfassender  Bedeutung  bereits  geregelt  worden.  ^)  — 

Im  Kapitalverkehre  selbst  unterlag  es  von  1654  ab  kei- 
nem Zweifel,  dass  durch  den  jüngsten  Reichsabschied  in  Deutsch- 
land das  kanouistische  Wucherverbot  beseitigt  und  die  Con- 
ventionalzinsen  aus  Darlehen  innerhalb  fünf  Prozent  für  alle 
Parteien  und  Zeiten  gestattet  seien.  Die  Wucherfrage  hatte  damit 


1)  Näher  durfte  auf  die  hier  einschlagenden  Fragen  nicht  eingegan- 
gen werden,  ohne  das  Thema  römisch  -  rechtlicli  zu  überschreiten,  cf.  bes. 
Glück,  1.  c.  p.  lOOff.  Wening-Ingenheim,  1.  c.  und  Fritz,  ib.  ITI. 
p.  55ff.  Thibaut,  civilist.  Ablili.  VU.  p.  122.  Ders.  Fand.  1.  c.  §.  195. 
—  Beseler,  D.  P.  R.  11.  p.  351. 


fiGS     IX.  o.  Aiu'ikoiuinng  d.  zinsbaren  Parleluis  diircli  die  Kirche. 

in  ilirer  weltgescliielitlicbeii  Entwicklung  einen  Schritt  vor- 
wärts gcthan ,  der  Sieg  der  Verkelirsnatur,  des  ungehemmten 
Kapitalumhiufes  über  die  kirchliclien  Zinsschranken  Avar  in 
höchster  Instanz  entschieden.  Von  jetzt  ab  hiessen  Wucher  all- 
gemein nur  die  Zinsen  über  5  (6)  Prozent.  Seit  1654  begann 
ein  neuer  Kampf  gegen  diese  Schranke  der  fünf  Prozent ,  ein 
Nachspiel  jenes  ersten ,  riesenmässigen ,  sowol  den  streitenden 
Kräften  als  dem  Ziele  und  den  Früchten  nach ,  welche  allge- 
mein aus  diesem  Streite  resultiren.  Wir  schauen  heute  noch 
seine  letzten ,  fast  verjährten  Zuckungen. 

3.    Anerkcniiuns:  des  zinsbaren  Daiiehns  durch  die 


'O 


Kirche. 


Ganz  so ,  wie  die  Gesetzgeber  in  den  deutschen  Einzel- 
staaten, nahmen  die  Cleriker  zunächst  aus  der  kirchlichen 
Billigung  des  Interesse,  derEenten  im  Rentenkaufe  den  Grund, 
den  äussern  Anhalt,  die  Zinsen  von  ,. fruchtbringenden  Dar- 
lehen" überhaupt  für  Geistliche  und  Laien  als  sittlich  und 
rechtlich  erlaubt  anzusehen,  und  zwar  in  derjenigen  Höhe, 
welche  an  den  emzelnen  Orten  „der  Stand  des  Verkehrs 
erlaubte."  So  gestattete  Pabst  Nicolaus  V.  in  semer  Con- 
stitution „solJirAtuclo  pastorcdis"  vom  30.  Septbr.  1542  den 
Neapolitanern  sogar  1 0  %  Zinsen  zu  fordern ,  Gregor  XIII. 
bestätigte  jene  Bestimmung  durch  die  Constitution  „quae  a 
Bomanis"  vom  7.  Januar  1574,  und  diese  Constitution  begrün- 
det noch  heute  in  Neapel  die  Convention alzinsen.  ^)  Nur  darin 
freilich  standen  die  Cleriker  wesentlich  anders,  als  die  welt- 


1)  Ebenso  rechtfertigt  das  zweite  der  Gutachten,  welche  über  die 
beabsichtigte  Aufhebung  des  österreichischen  Wucherpatentes  vom  2.  De- 
cember  180y  von  Kanonisten  aus  Eoni  an  das  Archiv  für  katholisches 
Kirchenrecht  (ed.  Moy  de  Sons)  1857  eingesandt  wurden ,  5  %  Zinsen  von 
fruchtbringenden  Darlehen  geradezu  mit  der  Stelle  aus  der  i)äbstlichen 
Billigung  des  deutschen  Rentenkaufes  in  den  Extravag. ,  der  Constitution 
,,Aegimini"  Papst  Martins  V.  vom  2.  Juli  1424  und  Calixtus'  ETI.  vom 
6.  Mai  1455:  10,  11 ,  13  und  14  pr.  Cent  „aut  plus  vel  mitius  secimdtim 
iemporis  qualitatem  proiit  ipsi  contralientes  inter  se  convenerant."  cf.  Ar- 
chiv d.  kathol.  Kirch.  R.  I.  p.  329  (1857.) 


IX.  3.  Anerkennung  d,  zinsbaren  Darlchns  durch  die  Kirche.     569 

liehen  Gesetzgeber,  dass  sie  in  der  Kirche,  mit  einzelnen  weni- 
ger maassgebenden  Ausnahmen  (V.  3.  e.) ,  eine  bestimmte  Zahl 
von  Grenzen  fanden,  welche  den  reinen  Kentenkauf  von  dem 
umgewandelten ,  wucherlichen  und  damit  auch  von  dem  Wu- 
cher der  Conventionalziusen  schieden.  Hier  konnte  keinesfalls 
von  einer  Verwechselung  der  Renten  und  Zinsen  die  Rede  sein ; 
bezog  man  hier  die  Gesetze  vom  Rentenfusse  auf  die  Zinsen, 
so  sagte  man  damit  geradezu ,  wir  billigen  die  Conventional- 
zmsen  an  sich  —  abgesehen  von  ihrer  Verwandtschaft  mit  dem 
Renteukaufe,  mid  darin  stellte  man  sich  entschieden  der  Kir- 
che gegenüber. 

Ganz  ebenso  zeigte  sich  die  Sache  bei  dem  Interesse. 
Auch  hier  konnte  die  Kirche  zunächst  weder  durch  die  Um- 
wandlung des  Verkehrs ,  noch  durch  die  alltägliche  Gewohn- 
heit, noch  durch  das  Nachgeben  der  weltlichen  Gesetze  dahm 
gebracht  werden ,  dass  sie ,  was  über  das  Interesse  zuvor  von 
ihr  festgesetzt  war,  erweiterte,  änderte  oder  verwarf.  Ja  in 
den  deutschen  Synoden  vom  17.  Jahrhundert  noch  verboten  die 
Cleriker  jeden  Missbrauch  der  kanonistischen  Vorschriften 
vom  Interesse.  ^)  Dabei  sahen  dieselben  nur  zu  klar  ein ,  wie 
gerade  durch  das  Interesse  und  seine  kirchliche  Genehmigung 
die  Zmsen  vielfach  Eingang  und  Schutz  fanden.  Das  zeigte 
sich  m  der  B  rix  euer  Synode  von  1603  2)  und  in  der  Con- 
stanzer  Synode  von  1609:  ^) 

„liodie  tarnen  Jus  contractihus  variae  et  perniciosae  tisurae 
n  plerisque  palliari  solent,  quas  in  clericis  nos  severissime 
castigabimus. . ." 
Ebenso  in  der  S}Tiode  von  Sitten.  ^) 

Aber  der  Widerstreit  zwischen  dem  theoretischen  und 
praktischen  Verkehre  (Gewohnheitsrechte)  und  der  Kirche, 
zwischen  den  weltlichen  und  geistlichen  Gesetzen  wurde  da- 
durch inmier  unerträglicher;  der  Verkeil r  hatte  für  sidi  die 
Kraft  der  bevorzugten ,  maassgebenden  Geister  und  die  Macht 


1)  cf.  die  Brixener  Synode,  die  zu  Constanz  u.  s.  w.  cf.  N. 
2—4.  Zypaeus,  analyi;.  führt  dasselbe  an  von  den  Concilien  in  Belgien. 
2)  conc.  Germ.  1.  c.  n.  XXI. ff.  3)  ti.  XVm.  n.  \l.  conc.  Germ. 

1.  c.  Vm.  p.  579.  906.        4)  ib.  IX.  p.  397. 


570      IX.   3.  Anerkennung  d.  zinsbaren  Darlehn-s  dureli  die  Kirche. 

der  alltägliclien  Thatsacheu ,  er  stützte  durch  seine  üeberein- 
stininumg-  die  weltliclien  Gesetze,  nur  die  kirchliche  Vorschrift 
gegen  die  Conventionalzinsen  war  in  Gewalt  und  Ansehen 
bedroht.  Hier  musste  Hilfe  gegen  den  Verkehr  geschafft  wer- 
den ,  dem  man  nachzugeben  entschieden  gezwungen  war.  So 
weit  konnte  die  Scholastik  nicht  helfen,  dass  man  aus  der 
Natur  der  Sache ,  von  innen  heraus  die  Wuchergrundsätze  in 
ihr  Gegentheil  umwandelte,  ohne  die  kirchliche  Folgerichtigkeit 
und  Festigkeit  auf  das  Aeusserste  immer  von  Neuem  durch 
den  vielgestaltigen  Verkehr  angegriffen  zu  sehen  oder  ganz  zu 
gefährden.  Hieraus  folgte  nothwendig,  ein  äusserer  Grund 
der  Zmserlaubniss  musste  gefunden  werden ,  und  ihn  gab  end- 
lich das  Landesgesetz.  ^)  Die  Kirche  erklärte:  Wo  das  Lan- 
desgesetz Conventionalzinsen  gestattet,  gilt  das 
Landesgesetz  für  die  Kirche  als  Rechtstitel  der 
Zinsforderung.  So  stellte  sich  das  Landesgesetz  neben  die 
oben  erörterten  Ausnahmen  vom  kanonistischen  Wucherver- 
bote. Die  Ku'che  wahrte  dem  Namen  nach  ihr  Gesetz ,  doch 
thatsächlich  hatte  sie  den  Sieg  des  Verkehrs  und  die  Macht 
seiner  Gesetze  anerkannt.  ^)  Dies  indessen  gilt  erst  für  spätere 
Zeit  und  überschreitet  bereits  die  zeitliche  Grenze  des  Themas. 


1)  Das  Prinzip  war  vereinzelt  schon  beim  Eentenkaufe  und  bei  den 
montes  pietatis  in  "Wirksamkeit  getreten,  cf.  V.  3.  e.  5.  e.  2)  Diesen 
Grundsatz  billigten  die  Päbste  wiederholt  ausdrücklich ,  nachdem  von 
der  römischen  Pönitentiarie  und  der  Congregatio  St.  Officii  dahin  ent- 
schieden war.  Selbst  denjenigen  schützt  er,  welcher  mala  fide,  im 
Bewusstsein  des  entgegenstehenden  Kirchenverbotes,  Zinsen  nahm.  Er 
darf  deswegen  nicht  im  Beichtstuhle  beunruhigt  werden.  Als  ein  fran- 
zösischer Professor  der  Theologie  trotzdem  die  strengere  Ansicht  durch- 
zuführen suchte,  verwies  ihn  die  Pönitentiarie  auf  das  mildere  Ver- 
fahren (nihil  obstare  eorum  absolutioni.  Eudigier,  im  Kirchenlexikon 
von  Wetzer  und  Weite  vom  Darlehn,  civilta  catholica  a''  VII.  n.  CXLI 
bis  CXLn.  Terza  Serie  I.  p.  383.  M.  Sehen  kl,  jus  eccl.  U.  2.  p.  640. 
U.  Benedict,  XIV.  erklärt  freilich  in  der  Encyclica:  Vix  pervenit  v.  1. 
Novbr.  1745  (Bullar.  Benedict.  XIV.  T.  1.  p.  353.)  „falso  sibi  quem- 
quam  et  nonnisi  temere  persuasuriim ,  reperiri  semper  ac  praesto  uhi- 
que  esse,  vel  una  cum  mutuo  titulos  alios  legiUmos,  vel  secluso  etiam 
mutuo  contractus  alios  justos ,  quorum  vel  titulorum  vel  contractuum 
praesidio,  quotiescwnque  pecimia ,  frumentum  aliudve  id  generis  alteri 


IX.   3.  Anerkennung  d.  zinsbaren  Darlchns  durch  die  Kiichc.     571 

Aber  selbst  innerhalb  dieser  Grenze  Avar  der  Siegesschlag 
der  Rechts-  und  wirth schaftlichen  Kräfte  so  gross,  dass  er  bis 
in  das  Lager  der  Gegner  zurückwirkte  und  einen  heimischen 
Theil  desselben  für  sich  gewann.  In  einzelnen  der  deutschen  Sy- 
noden aus  dem  Anfange  des  17.  Jahrh.  —  also  schon  eine  gute 
Weile  vor  der  Beseitigung  des  kirchlichen  Wucherverbotes 
durch  das  Reichsgesetz  —  sagten  Geistliche  selbst  sich  los  von 
den  Zinsnormen  ihrer  Kirche  und  billigten  freiwillig,  überzeugt 
von  dem  klar  offenbarten  Wesen  des  Kapitales,  die  Conven- 
tionalziiisen  innerhalb  der  gesetzlichen  odergewoJmheitsmässi- 
gen  Grenzen.   So  heisst  es  in  der  Synode  zu  Br ixen  1603 :  ^) 


cuicumque  creditiir ,  toties  semper  liceat  auciarium  moäeratum ,  ultra 
sortem  i^tegram  salvamque  recipere."  Aber  schon  Rndigier,  1.  c. bemerkt 
hiergegen ,  ein  solches  Landesgesetz  besteht  nicht  überall ,  wo  es  aber 
existiii,  gestattet  es  nicht  Zinsen  von  allen  Darlehn;  endlich  verlangt  er, 
dass  man  zwischen  dem  strengen  Recht  und  der  christlichen  Liebe  unter- 
scheide. —  Hinsichts  der  Cleriker  übrigens  gegenüber  dem  Landesgesetze, 
das  Zinsen  erlaubt,  sagt  die  Pönitentiarie  vom  25.  Mai  1830:  „Preshy- 
teros ,  de  quibus  apitur,  non  esse  inquietcmdos ,  quousque  sancta  Sedes 
decisivam  definitionem  emiserit,  cuiparati  sint  se  suhjicere."  Sie  drückt 
sich  daher  zweifelhaft  dahin  aus ,  dass  Cleriker ,  welche  Zinsen  fordern, 
zwar  nicht  gegen  das  Recht ,  aber  doch  nicht  gerade  sehr  sittlich  handeln. 
Besser  würden  sie  ilire  Kapitalien  in  Renten  und  Grundstücken  anlegen. 
Die  Pönitentiarie  behält  sich  offenbar  die  Entscheidung  hierin  vor ,  deutet 
dadurch  aber  eben  an ,  die  Cleriker  müssten  jeden  Schein  der  Habsucht 
und  des  unziemlichen  Vortheils  von  sich  fern  halten.  Wie  sehr  äusserlich 
die  Kirche  verfuhr ,  wenn  sie  das  Landesgesetz  als  Rechtstitel  der  Zins- 
forderüng  anerkannte ,  zeigt  sich  daraus ,  dass  sie  dort ,  wo  es  sich  um 
Aufhebung  selbst  dieser  Zinsschranken  des  Landesgesetzes  und  volle  Zins- 
freiheit handelt .  wieder  die  Oberaufsicht  über  die  Gewissen  der  Handel- 
treibenden übernehmen  und  so  das  alte  kanonistischc  Zinsverbot  wieder 
aufrichten  will.  Sie  hat  also  verlier  nur  der  äusseren  Autorität  des  Lan- 
desgesetzes nachgegeben ,  keineswegs  dem  den  Landesgesetzen  zu  Grunde 
liegenden  Gesetze  des  Verkehres,  welchem  das  Landesgesetz  doch  nur 
Ausdruck  verliehen  hatte.  —  cf.  Ballerini,  de  jure  divino  et  naturali 
circa  usuram.  1.  VI.  1.  c.  ib.  Vindiciae  juris  Divini  ac  naturalis  circa  usu- 
ram.  Bononiae  1847.  qu.  —  Das  II.  römische  Gutachten  über  die 
Aufliebung  des  österr.  Zinsgesetzes  bei  Moy  de  Sons,  Arch.  für  kathol. 
Kirchenrecht  I.  p.  330.  —  ib.  p.  324.  325.  328.  332. 
1)  conc.  Germ.  YHl.  p.  579. 


bl'2     IX.   ;>.  Aiiorkonnuiig-  d.  zinsbaren  Darlolins  durch  die  Kirche. 

u.  I.  nnlliis  coutractus,  in  quo  VI  vel  VII  vcl  amplius 
pro  C  QKofaiüiis  cxiguntur,  in  posterum  ineundus  toleretur. 
n.  XXllI.  ncqiie  damnandi  sunt,  qui  hoc  modo 
inter  sc  contrahunt:  Do  tibi  C,  ut  quotannis 
des  mihi  qninqtte,  meliori  modo,  quod  id  fieri  juste 
poicrit. 

11.  XXIV.   quantum  autem  istis  vel  aliis  similibus  modis 
lucrari  quotannis  liceat,  id  certo  non  constat. 
„Nos  omnihus  considcratis ,  quae  hie  attendi  necessario  de- 
hent,  salvo  semper  capitali  et  lucro  amplius  V  ex  C  tuto 
qnaeri  non posse,  per  dioecesin  nostram  definimus.  Inimo 
nee  semper  V,  nisi  rerum  et  personarum  cir- 
cumstantiae  aliud  pcrmittant." 
Den  Geistlichen  aber  wird  ebendort  n.  XXVI.  jedes  Zinsneh- 
men aus  Darlehn  verboten,     üebereinstimmend  damit  heisst 
es  in  der  Synode  von  Sitten  in  Wallis  1626:  ^) 

„Viderint,  quid  agant,  qui  plura,  quam  V. p)ro  cen- 
tum  petunt." 

Doch  das  sind  vereinzelte  Abtrünnige  und  späte  Wand- 
lungen. Die  Kirche  bewahrte  auch  nach  dem  Umschwünge 
der  deutschen  Zinsgesetze  jeden  Titel  ihres  Wucherverbotes 
trotz  aller  Gegeiikämpfe  des  Lebens  mit  jener  unbeugsamen 
Festigkeit  und  Stärke,  welche  von  jeher  sie  auszeichneten  und 
ihr  Bewunderung  erweckten.  Einst  stand  sie  hoch  aufrecht  mit 
den  Zinsgeboten ,  einer  Säule  vergleichbar ,  ehern  oder  aus  dem 
Mark  des  Felsens  gehauen,  welche  auf  dem  Markte  errichtet 
mit  harten  Gesetzen  das  ringsum  wogende  Leben  bedrohte. 
Dann  stürzte  sie  herab  von  ihrem  hohen  Sockel,  und  Staub 
bedeckte  sie ,  und  der  Menschen  Fuss  trat  sie  zur  Erde.  Aber 
jeden  Buchstaben  ihrer  Inschrift  hält  sie  fest,  so  lange  sie 
selbst  besteht ,  und  harrt  einer  besseren  Zukunft.  Da  enthüllt 
sie  die  Schriftzüge  ihrer  grossen  Geburtsstunde  klar  und  unver- 
sehrt dem  Auge  später  Geschlechter. 

1)  conc.  Germ.  vol.  IX.  (ed.  Scholl ,  Neissen)  fl.  397. 


X. 


Archivalisclie  Beilagen. 


B  e  i  1  a  g  e   A. 

König  Kasimir  von  Polen  verpfändet  Danziger  Bürgern 
für  ein  Darlehn  von  7000  guld.  das  Pischamt  Scharpau, 
das  Heilig th um  des  heiligen  Kreuzes  und  das  silberne 
Bild  der  Jungfrau  Maria  am  10.  Aug.  1457  zu  Marienburg. 
Danz.  Arch.  Urk.  I.  43.  a. 

In  nomine  domini  Amen.  Noverint  vniuersi  hoc 
prescns  puhlimm  transsumptum  inspecturi,  quod  Nos.  Gre- 
gorius  miseratlon.  diuina  Ahhas  Oliuen.  Cistcrcien.  ordinis 
Wladislmden.  diocesis  habuimus  vidimus  et  diligenter  inspe- 
xiniiis,  Ccrtas  Seremssimi  xrrinclpns  et  Domini  Domini  liazi- 
miri  Dei  gratia  Begis  Polonie,  Magniducis  Litlmanie,  Rus- 
sie,  Prussieque;  Domini  et  Jieredis  etc.  domini  nostri  gratio- 
sissimi  littcras  vulgares  sive  alamanicas  Sigillo  ejus  rotundo, 
ah  extra  de  flaiia,  Intra  vero  de  riihea  cera  facto,  cordida 
pergcimenea  appenden.  sigillatas.  In  cujus  quidem  rubee  ccre 
medio,  magniis  clupeus  crectus  quadripartitus  lateralifer  a 
diiohus  viris  siluestrihus  ah  extra  tentus  In  ejusdem  magni 
clupei  parte  sujteriori  dextrorsum  Aquila  coronata  expansis 
alis  Sinistra  vero  superiori  vir  armatus  equo  insidens  vihrato 
gladio  super  caput  extenso  In  inferiori  vero  dextra  caput 
Boiünum  coronatum.  In  narihus  circulum  dependen.  hahens. 
Sinistra  vero  tnedius  leo  erectis  pedihus  et  media  aquila  ex- 
Xmnsa  ala,  dorsalifcr  iuncti,  paritcr  vna  corona  coronati 
Insuper  supra  totum  illum  magnum  clipeum  extra  quidam 
clipeiis  duahtis  crucihus  insignitus  apparehant  Titidus  vero 


574  X.    Archivalischo  Heilncfcii.  Beilage  A. 

circumfcrcnciaUs  cjusävm  SigiUi  erat  talis  Kazimirus  Bei 
tfratia  Her  Pohmic  Magnus  (lux  Lithuanie  et  heres  Riissie 
et  cetera  quarum  quideni  litterarum  vcrhalis  tenor  in  conti- 
ncncia  sequitur  et  est  talis. 

Kazimirus  von  gots  gnaden  koningh  zcu  polan  Groczfur- 
ste  in  Littaiiwen  Erbelingh  vnd  herre  in  ReAvsen  vnd  zu  Prew- 
sen  etc.  Bekennen  vnnd  tliuen  kundt  ofinbar  Allen  vnnd  Itcz- 
liclien  kegenwertigen  vnnd  zcukunfttigen  Das  wir  von  den 
Namhafftigen  vnnd  wolwej'sen  Jacob  Valken  Burgermeister, 
Johann  von  dem  walde  liathman  der  Stat  Danczcke ,  Johann 
von  Herforden ,  Arndt  Scheuwege ,  Henrich  von  Ozen ,  Albrecht 
Brombeke ,  vnnd  Arndt  von  pffingesten  Borgern  der  egenanten 
Stat  vnnd  Couflewten:  vnsern  Bsundern  Lieben  getrauwen 
Sieben  Thawsent  vngerissche  gülden,  an  boreitem  geczaltenn 
gelde  vnns  geleghenn  zcw  voller  gutter  genüge  entpffangen 
haben  do  vor  wir  en,  vnnd  Irn  nochkomlingen  das  gantcze 
fischammecht  (Amt)  der  Scharffow ,  mit  allen  Houen ,  Dorffern, 
wassern ,  flissen ,  Teichen ,  Szehen ,  Molen ,  fischereyen ,  wesen, 
weiden ,  hegen ,  heyden ,  pusschen ,  ackern ,  anfallen ,  zcinszern 
vnnd  nutczen  vnns  zcubehorende  in  sollicherley  weyse  vnnd 
mosze,  als  das  ehegenante  iischampt  Scharffow  von  allders 
gehalten  ist ,  Dorczw  Sechczigh  kewthellschiffe  (Schiffe  hinten 
mit  einem  Netze ,  Kewtel ,  zum  Fischfange) ,  vffim  habe  (Haff) 
frhey  ane  eynes  itczlichen  ej^nfelle  zcu  haben,  zcu  fischen 
vnnd  der  zcw  geniessen  Dorzcw  das  achtpare  vnnd  wirdige 
Heyliegthum  des  heiligen  Creutzes ,  vnnd  vnser  lieben  frauwen 
Bilde  von  silber  gemacht.  Bey  den  Namhafftigen  Burgermei- 
ster vnnd  Rathmannen,  vnnser  Stat  Danczike  In  getreuwer 
vorwarungh  die  zceit  obir  der  vorpfendungh  zcu  bleyben  vor- 
satcz  haben,  vorpfflichtet ,  vorpffendet,  vnnd  vorschreben, 
vnnd  in  crafft  dieses  briues  mit  eyntrechtigem  Ratthe ,  wissen, 
vnnd  Avillen  vnser  beyder  Lande.  Beyde  Polan  vnnd  Prewszen 
Retthe  vorsetczen,  vorpflichten,  vnnd  vorpfenden,  das  genante 
fiscliampt  der  Scharffow  mit  allen  zcubehorungen  anhangeden 
vnnd  beywesenden  oben  berurt ,  mitsarapt  den  Sechczigh  kew- 
thellschiffen ,  zeugebrauchen,  zcuhaben,  zcuhalden  vnnd  zcu- 
geniessen,  vnnd  ane  allerley  mitte  eynfellevnnd  eynsz  itzlichen 


X.   Aiiliivalische  Beilagen.  Beilage  A.  575 

vorhiiulerungh  zcubesitzen /)  Biszsolange  wir  den  genanten 
Jacob  Valken  Johan  vom  walde,  ,Johan  von  herforden,  Arndt 
Scheuvvege,  henrich  von  Ozen,  Albreclit  Brorabeke  vnnd 
Arendt  von  pfinxten ,  adir  Iren  nochkomlingen  sull(;Iie  Sieben 
Thawsent  liungerische  gülden  vff  eynem  häuften  vorgnuglicben 
gelldenn  vnnd  beczalen  Vnnd  so  vnns  Gotli  helft't  vnnd  fuget, 
wir  das  genante  fiscliampt  widder  eynloszen  mögen  So  wellen 
vnnd  sullen  wir  den  nachgenampten  personen  adir  Iren  noch- 
komlingen eyn  gantcz  Jar  vor  sollicher  abeloszungh  zcusagen 
vnnd  vorkuudigen  Vnnd  wanne  die  vorgescrebene  Sieben  Tliaw- 
sent  gülden  so  als  Itczunder  beruet  ist,  beczalt  sein,  vnnd  dies 
ofi'gedachte  fischampt  mit  seyneu  zcubehorungen  ejiigeloszet 
ist,  Denne  sal  doch  das  vorgenampte  achtbare  vnnd  wirdige 
heiligthum  des  heiligen  Creuczes  vnnd  vnser  lieben  frauwen 
Bey  den  gedochteu  Burgermeistern  vnnd  Rathmannen  vnser 
Stat  Danczike ,  In  gleicher  vorpfendungh  des  wirdigen  Bildes 
vnnd  heligthums  Saucte  Barbare  stehn  vnnd  bleyben.   Vorth- 


1)  lieber  die  Pfandnutzung  ist  noch  zu  vergleichen  Bresl.  Areli. 
lib.excess.  et  Signatur.  1404.  fol.  31.  Nach  dem  Anerkenutniss  der  Schuld 
heisst  es:  „dovor  hatt  er  im  geeigen t  all  sein  gut  varnde  und  unvarnde 
solange  bis  das  er  In  gancz  und  gar  beczalt."  (Ebenso  1403  fol.  SO.).  Inder 
Urk.  1403  fol.  37.  wird  die  Art  der  Benutzung  näher  angegeben  während 
der  Zahlungsfrist :  „  . .  das  hus  mit  aller  zugehorunge  und  genisse  keins 
usgcnonien  ,  das  do  von  alders  dorczu  gehört  hat ,  in  solcher  masse ,  Were 
Sache  ,  das  er  das  hus  vor  dem  newen  nehstekomen  rewmen  solde ,  so  sol- 
len Im  alle  gekorne  und  gctrcide  die  er  do  fyndet  ader  selber  do  sehet, 
gancz  und  gar  volgen  ungeliindert.  Behilde  er  aber  das  hus  dornach  bis 
uff  sante  Michils  tag,  ader  furbas  dornach,  wie  lange  das  were,  und 
wurde  er  dornach  abe  czien  und  rewmen  solde  ,  so  sal  er  den  acker  weder 
besehet  lassen  als  er  den  funden  hat  und  das  fueter  sal  er  auch  zu  vor  us 
do  lassen  bleiben  ane  wederrede.  auch  so  sal  und  mag  heyneman  des  hul- 
czes  gebruchen  zu  fewerwerk  und  zu  bawen  als  vil  als  er  des  dorczu  be- 
darff ,  und  nicht  mer  in  keinerweis."  Diesen  gegenüber  scheidet  genau 
den  Fall  nach  Ablauf  der  Zahlungsfrist  (cf.  V.  2.  g.)  ib.  1408.  H.  31. 
Wird  der  Gläubiger  bis  zu  einer  nahen  Frist  nicht  bezahlt,  so  darf  er  die 
ihm  zuvor  bereits  für  die  .Sdiuldsumme  geeigneten  Grundstücke  „  vor  sein 
egenant  gelt  vorkeuflFcn  vorsetczen  und  sein  bestes  domiete  schaifen  unge- 
hindert." Hier  ist  die  Folge  der  neueren  Satzung  verbunden  mit  dem 
voraufgehenden  Kaufe  auf  Wiederkauf.—  Mitth.  v.  H.  Prof.  Stobbe. 


57G  X.   Arcliivalisohc  Beilagen.  Beilage  A. 

nu'lir  vtV  (lasdieehergeiianten  personen  vnser  lieben  getrauwen 
adir  Ire  iiachkonilinge  der  vfftgedochten  Secliczigh  kewthell- 
schitte ,  vnnd  Ires  nutczes  sicher  sein  So  wellen  wir ,  das  der 
Radt  in  ynser  Stat  Danczike,  vnnd  nymands  anders  vff  alle 
kewtliollscliiffe  die  die  zceit  obir  dieser  vorpfenduiigh  die  vff 
vnserm  waszer  dem  gantczen  Habe  (Haft)  vorgenampt  fischen 
werden,  brive  vszgeben  vnnd  den  czinsz  zcw  vnserm  besten 
empfange ,  vnnd  vnns  adir  vnserm  Gubernatori ,  adir  wem  esz 
wir  Beuelen  werden,  Rechenschaft  do  von  thue  von  welchen 
kewthellbriuen ,  die  genanten  personen ,  vnser  Lieben  getrau- 
wen Ire  Sechczigh  zcuuorausz ,  ane  alle  Jenissze  vnnd  vorhin- 
deringh  haben  sullen  Oucli  op  das  geschege ,  das  vnser  Stat 
Danczike  vorbenampt  so  mogende  wurde ,  das  Sie  sulche  Sieben 
Thawsent  gollden  beczalen  mochte ,  so  sal  das  genante  fisch- 
ampt ,  mit  sampt  den  Sechczik  kewtelschiffen ,  in  aller  massen 
obenberurt ,  in  ii-er  vorpfeudungh  bleyben  Bis  wir  das  zcu  vnns 
Widder  loszeu  vnnd  freyen  Des  so  glauben  wir  ehegenanter 
kazimirus  koningh ,  vor  vnns  vnnd  vnser  nachkomlinge  koninge 
zcu  Polan  Die  oftgemelten  Jacob  Valkeu,  Johan  vom  walde 
Johan  von  herforden  Arndt  Scheuwege  Henrich  von  ozen  Al- 
brecht Brombeke ,  vnnd  Arndt  von  pfinxten ,  vor  eynsz  itczli- 
cheu  eynfelle ,  Bey  vnsern  woren  koninglichen  werten ,  In  sul- 
chem  fischampt  vnnd  Sechczigh  kewtellschiffen ,  die  czeit  obir 
sulcher  vorpffendungh  obingeschreben  zcubeschirmen  vnnd  zcu 
befechten  Des  zcu  worera  geczeugnissze  vnnd  forderm  bekent- 
nissze  haben  wir  vnnszer  koningliche  Ingesigel  an  Diesen  Brieff 
lassen  anhengen ,  Der  begeben  ist  vff  vnnserm  Slossze  Marien- 
burgh  Ander  Mithwochen  Sunte  Laurentius  tagh  Noch  Christi 
geborth  Thawsent  vierhundert  vnnd  in  dem  Sieben  vnnd  fanff- 
czigsten  Jaer  Rto.  Reveren.  in  Christo  patris  Domini  Joan- 
nis  dei  gratia  Episcopl  Wladen.  et  Regni  Polonie  Cancellarii 
Duas  qiiidem  litteras  per  nos  diUgenter  inspectas  easque  Sa- 
nas, integras,  illesas,  et  omni  prorsus  vicio  et  suspicione 
carentes  Inventas,  ad  requisitionem  famosorum  et  circum- 
spectorum  Domini  Gregorii  Brandt  eoriim  College  et  Mein- 
hardi  Stheuwegh  Ciuis  Gedanen.  vice  aliorum  quorum  inter- 
est,  per  notarium  publicum  infrascriptum  exemplari  manda. 


X.  Archivalische  Beilagen.  Beilage  B.  577 

et  transsumi  ac  in  j)uhlicam  futnuüu  rcdigi  Decernentes  et 
volen.  vi  hhic  praesenti  transsnnq)to  piiUko  plena  fides  dein- 
ceps  adhiheatnr  vhilihet  in  locis  oninihus  et  singidis  quibus 
fuerit  oportunum  ipsiimque  transsumptmn  fidem  faciat  et  Uli 
stetur  ac  si  originales  littere  ipsae  apparerent  quibus  omnibtis 
et  singidis  autorifatem  nostram  interposiiimus  et  dccretnm  et 
ad  ampliorem  cuidenciam  premissorum  Sigillum  nostrum 
duximiis  apponendiim.  Acta  sunt  hcc  anno  a  Natiuitate  Do- 
mini  Millesimo  quingcntesimo  quinto  Induction.  octaua  Die 
vero  veneris  Mensis  Jnnii  vigcsima  septima  Pontificatus  San- 
ctissimi  in  Christo  patris  et  Domini  nostri  Domini  Jidii 
diiiina  prouidencia  j^^pe  Seciindi,  Anno  secundo  In  curia 
Monastcrii  nostri,  in  Veter i  Ciuitate  Gedanen.  sita  Presen- 
tibus  Ibidem  Circumspectis  ac  fidedignis  viris  Laurencio  Dor- 
rebeke  necnon  Joanne  Dalivin  Wladislauien.  diocesis  Testibus 
ad  pravmissa  vocatis  specialiter  requisitis  et  rogatis. 


Beilage    B. 

Die  vier  Sendboten  des  Königs  von  Polen  an  denpreussi- 
schen  Landesrath  sprechen  die  streitige  Scharpau  dem 
Bischöfe  von  Ernieland  zu,  verpflichten  diesen  jedoch, 
den  Danziger  Bürgern,  denen  sie  bisher  verpfändet  ge- 
wesen, die  Pfandsumme,  7000  rnrk.,  auszuzahlen  und  ver- 
weisen die  Stadt  Danzig  mit  ihren  Ansprüchen  auf  die 
Scharpau  an  die  Entscheidung  des  Königs.  12.  Septbr.  1506. 
Danz.  Arch.  Urk.  IV.  476. 

Andreas  dei  gratia  sanete Ecclesie 3Ietropolita)\e  Gnez- 
nen.  Archiepiscoxms  et  Primas.  Vincencius  cadcm  gracia 
Episcopus  Wladislavien.  et  Ambrosius  de  Pampovo  Palati- 
nus  et  capitaneus  Mariemhurgen.  Conciliarii  et  comissarii 
ad  terras  Prussie  per  olim  sercnissimum  principem  et  dom. 
dorn.  Alexandrum  dei  gracia  regem  Polonie.  Magnumducem 
Littvunic.  Pussic.  Prussiecque  dom.  et  heredem  etc.  ac  vniuer- 
sos  Rcgni  consiliarios  cum  pleno  mandato  dati  et  specialiter 
deputati.    Significamus    tenore   presencium    quibus    cxpedit 

Neu  mann,  Gesch.  d.  Wuchers.  37 


578  X.    Aroliivalische  Boilacfon.   Boila,o-o  B. 

nili<c>:<!ls  (ji(())iio(lo  oria  nupor  questione  inter  Rciieren.  pa- 
frcni  doni.  Lnenm  dcl(/r.  Episc-opnm  Varrntcum  cim^que  eccle- 
siani  ah  vna  et  eines  Gedanen.  de  societate  officii  piscakire 
Schayffaiv  parte  ex  altera  eomparentes  coram  nohis  praefatus 
dominns  Episcopus  in  termino  partihus  prefixo  suo  et  Eccle- 
sie  sne  nomine  jiroduxit  litteras  diui  olim  Alexandri  Polonie 
Regis  etc.  siqrr.  donacione  prefate  piscature  sibi  et  Ecclesie 
sue  facta,  sanas  saluas  et  omni  prorsus  suspicione  carentes 
petiuitque  a  nohis  vt  decerneremus  et  declararemus  jus  et  pro- 
prietatem  praefate  xnscature  Schorffaiv.  ex  praedicta  Dona- 
cione ad  se  et  Ecclesiam  siiam  a  tempore  Donacionis  facte 
pertine.  seeunduni  vini  et  tenorem  praefatarmn  Utterarum 
Regie  maiestatis.  Ex  aduerso  vero  tunc  comparens.  coram 
nohis  famati  viri  E scher  ardusf erver  consul  et  Georgiilis  szthurm. 
■  eines  Gedanen.  suo  similiter  et  aliorum  praedictae  piscature 
Sociorum  suorum  nominihus  produxerint  similiter  litteras 
diwi  olim  Cazimiri  Polonie  Regis.  quihus  docuerunt  Ipoteca- 
tam  esse  praefatam  ^yiscaturam  sihi  cum  sociis  suis  suprano- 
minatis  in  Septem  Millihus  florenorum  Vngaricalium  in  pa- 
rata  et  numerata  pecunia  et  perierunt  ut  non  procederemus 
ad  decretum  et  declaracionem  praefatam  nisi  numeratis  et 
persolutis  eis  in  vna  summa  et  vno  cmmdo  praefatis  Septem 
Millihus  florenor.  ad  facturum  se  dominus  Episcopus  et  eccle- 
siam suam  ohtulit.  Orta  tandem  erat  illico  nova  inter  ipsas 
partes  controuersia  super  valorem  florenor.  numerandor.  Ci- 
ues  enim  praefati  contendehant  debe.  numerari  sihi  florenos 
secundum  valorem  modicum  cursus  qui  maior  est.  quam  ante 
erat  Domino  Episcopo  allegante  et  diccnte.  quod  non  teneretur 
ad  alium  valorem  quam  illum  qui  erat  tempore  Ipotecacionis 
facte  Nos  itaque  communicato  consilio  cum  Magnificis  domi- 
nis  palatinis  et  castellanis  terrarum  prussie  tunc  nohiscum 
praesentihus  et  omnia  videntihus  et  aiidientihus  compositis 
hincinde  inter  partes  altercacionihus  auctoritate  plenitudinis 
potestatis  nostrae  Decreuimus  et  decernimus  donaciones  et 
priuilegia  domini  Episco])i  et  eius  Ecclesie  per  divum  olim 
Älexandrum  Polonie  Regem  ei  data,  in  suo  rohore  et  vigore 
permanere  esseque  et  habere  cum  Ecclesiamque  suam  proprie- 


X.   Archivalische  Beilagen.  Beilage  B.  579 

tate))i  in  dicfo  officio  piscature  Schirffaw  a  i empöre  donacio- 
nis  facto.  Cines  tarnen  Uli  Gedancn.  de  soeietate  predicfe 
piscature  Deere iiinius  et  Decernimus  liabere  usumfructum  ex 
ipso  officio  Piscature.  vt  habuerint  a  tempore  obligacionis  seu 
Ipotecacionis  praedicte.  donec  persolvantur  eis  per  praefatum 
Dominum  Episcopum  et  eins  Ecclesiam.  septem  Milia  florenor. 
in  vna  summa  et  in  vno  cumulo  totaliter  plenarie  et  integre 
florenn.  computando.  per  quadraginta  grossos  talis  monete 
qualis  tempore  inscripcionis  currehat.  Arestum  vero  proven- 
tum  et  eensuum  de  predicta  piscatura  proueniencium  x>er  Do- 
minum Episcopum  factum  nullius  esse  vigoris  et  momenti 
decernimus  lUud  vero  qnod  consulatus  Gedancn.  praetende- 
bat  prout  et  praetendit  se  habere  interesse  ad  praefatum  offi- 
cium piscature  Scharffaw  ex  inscripcione  eis  facta  per  Divum 
etc.  Cazimirum  Polonie  Regem  quod  scilizet  si  perueniret 
Consulatus  ipse  ad  pinginorem  fortunam.  posset  redimere  pre- 
dictum  officium  piscature  Scharffaiv  de  manibus  illorum 
ciuium  et  sociorum  praefate  piscature  qui  eam  sie  obligatam 
seu  Ipotecatam  obtinent  et  tenent  suam.  p)'*'Ouentihusque  et 
censibus  ex  ea  prouenientibus  vti.  Donec  Regia  Maiestas  vel 
successores  eius  officium  ipsmn  piscature  ab  ipso  consulatu 
redimeref.  Suspendimus  ad  futurum  Polonie  Regem  serenis- 
simum  et  reliquimus  hoc  dccrefo  3Iaiestatis  fut.  In  ciiiiis  rei 
fidem  et  testimonium  sigilla  nostra  sunt  praesentibus  subap- 
pensa.  Actum  et  Datum  in  Conuencione  Mariemburgen.  die 
Sahato  intra  ortas  Natiuitatis  Marie  Anno  domini  Millesimo 
quingentesimo  sexto. 


87 


580  X.    Arcliivalische  Beilagen.  Beilaffe  C. 


J^  ei  1  a  g  e    C. 

Ratli  und  Gemeinde  von  Danzig  verpfänden  dem  Könige 
Carl  von  Schweden  für  eine  Schuld  von  15000  nirk.,  die 
bei  dem  Könige  zur  Einlösung  von  Marienburg  aufge- 
nommen sind,  das  Fi  schämt  Putzig  mit  den  Städten 
Putzig  und  Leba,  Heia  und  das  Strandgericht  daselbst 
ausgenommen.  Dan  zig  den  9.  Mai  1457. 
Danz.  Arch.  Urk.  XI.  50. 
Wy  Borgermeister  Kadmanne  vnde  Alle  Gemeyne  der 
Stat  Danczik  doen  witlik  vnde  Bekennen  opembar  Allen  kegen- 
werdigen  vnde  tokömenden  dat  wie  van  dem  Erliichtigsten 
forsten  vnde  Grotmeditigen  lierreu  heren  Karolo  von  Godes 
gnaden  Tho  Sweden  Norwegen  vnde  der  Goten  Konnigk  to 
uoller  notte  empfangen  liebben  veffthen  Dwsunt  mark  prusch 
alse  hir  nw  genge  vnde  geve  is  So  gude  munthe  alse  dat  men 
mach  hebben  van  Siuen  pruschen  marcken  eyne  marck  lediges 
Silvers  welke  smiinia  geldes  de  vorbeuomede  Irluclitigste  forste 
karll  vns  nw  gedaen  vnde  gelenet  liefft  In  vnnses  gnedigsten 
herren  des  Irluclitigsten  forsten  vnde  herren  heren  kazimir 
konnings  to  polen  etc.  vnde  syner  lande  vnde  Stede  Im  lande 
to  prussen  gwte  notdorfft  Marienborch  mede  Intoloszende  Dar- 
uor  wy  dem  vakegedacbten  heren  konnig  karll  dat  gantcze 
putczker  Gebede  vnde  ffischampth  vorsettet  vnde  gedaen  heb- 
ben  vnde  vorsetten  vnde  doen  mit  den  Steden  Putczke  vnde 
liebe  vnde  allen  dorperen  hoffen  huwszern  eckern  wesen  fruch- 
ten renthen  anfallen  wateren  vleeten  fischeryen  molen  garden 
heyden  weyden  Pusschen  weiden  dach  also  dat  de  nicht  furder 
vorhouwen  sullen  werden  denne  to  syner  gnaden  notdorfftigen 
fueringen  vnde  buwingen  mit  allen  hegen  Vorwerken  vnde 
nutbarheden  vnde  mit  aller  tobehoringe  anhengende  vnde  by- 
wesende  mit  allen  renthen  Gerichten  vngerichten  vnde  eigen- 
schafften, alse  dat  vorbenomede  Gebede  de  Crucziger  In  vor- 
tyden  gehat  genuttet  vnde  gebrukt  hebben  so  breyth  lang  vnde 
wyth  alse  dat  vorbenomede  Putczker  Gebede  vnde  fischampt 
in  allen  synen  enden  vnde  gegenoden  vthgetekent  vnde  be- 
grentczet  is.   In  allir  wyse  alse  dat  van  older  gewesen  is  vndir 


X.  Archivalische  Beilagen.  Beilage  C.  ,581 

den  Cruczigern  mit  alle  (lerne  dat  van  olders  dartho  behoren 
mochte  alse  vns  dat  vorhenomedo  Putczker  Gebede  vnde  fisch- 
ampt  van  dem  vorbenomeden  Irluclitigsten  forsten  vnde  grot- 
mechtigesten  herren  hern  kazimir  konige  to  polan  etc.  vnsem 
gnedigsten  heren  mit  weten  willen  rade  vnde  ejnidrechtiger 
vorlenynge  s}iier  gnaden  Rede  beide  Paler  vnde  Prusserlanden 
vorschreuen  vorbreuet  vnde  vorsegelt  is  Insulker  wyse  vnde 
allir  mate  ane  Jenigerleye  vorkoringe  adir  vorhinderinge  also 
doen  voi'breuen  vnde  Vorsegeln  wy  vorbenomeden  Borgermei- 
ster Kaeth  vnde  Gemeynheit  der  stat  Danczik  dem  vorbeno- 
meden heren  koninge  karolo  vnde  synen  Erffen  dat  vorberorde 
Putczker  gebede  vnde  fischampt  alse  vorgeschreuen  steit.  to 
geneten  to  beholden  beth  tor  tyt  dat  wy  dem  vorbenomeden 
heren  koninge  karolo  eddir  s}men  Erffen  de  vorgeschreuen 
vefftien  Dwsent  mark  prusch  alse  vorgeschreuen  steit  an  prus- 
schem  gelde  eddir  vor  Seuen  mark  prusch  eyne  lodige  mark 
suluers  to  uoller  genoge  vnde  in  ere  wisse  beholt  betales  vnde 
geflogen  hebben.  Dath  de  Stat  hele  mit  allir  tobehoringe  vnde 
alle  Schippbrokeye  guder  vnde  Schepen.  dar  efte  anderswor 
anstrande  kamende  mitsampt  des  Strandes  Gerichte  vpp  dee- 
suluigen  Schippbrokigen  guder  vthgenamen  welke  wy  vns  ane 
allirleye  infeile  to  gebruken  beholden  Yortmer  effte  Imandts 
synen  gnaden  syner  gnaden  erffen  effte  denern ,  eynige  infeile 
vnrecht  efte  gewolt  in  dem  gnanden  Putczker  gebede  doen 
wolde  darynne  wille  wy  syne  gnade  syner  gnaden  erffen  vnde 
denere  helpen  beschermen  na  vnnsem  besten  vermögen  Des 
so  hebben  wy  Borgermeister  Radmanne  vnde  gemeynheyt  vor- 
benomet  to  rechter  orkundth  der  warheit  vnde  merer  sekerheit 
vnnsir  Stat  Danczik  Segill  mit  vnnsem  guden  willen  vnde  we- 
ten an  dessen  vnnsen  breff  gehangen.  De  Gegeven  vnde 
geschreuen  is  to  Danczik  Im  Jare  vnnses  heren  Dwsunthveer- 
hunderth  vnde  Seuen  vnde  vefftich  am  negesten  mondage  als 
men  in  der  hiluen  kerken  sinsret  Jubilate. 


582  X.   Arcliivalische  Beilagen.  Beilage  P. 


Beilage   D.   ■. 

Per  |ionimereMische  Offizial  Seh  wichtenberg  berichtet 
an  P  an  zig  über  den  Hergang  eines  Prozesses,  in  wel- 
chem er  nebst  den  Kirchenvätern  von  St.  Johaunis 
wegen  dos  von  ihnen  kontrahirten  Rentenkaufes  des 
AYuchers  beschuldigt  ward. 

Panz.  Arch.  Urk.  XLIV.  182.  b.  (1515). 
T3^cleman  von  dem  Orthe  . . .  wasz  ein  maenn ,  der  wol 
gehalten  wasz ,  vnn  seyne  Erbe  woren  alczwmole  Besweret 
mitli  dem  czinsze ,  das  er  nicht  meer  czynsz  sülde  nemen  vff 
die  Erbe  noch  der  stadt  wilkoer ,  vnn  er  nocht  dorfftich  wasz, 
szo  nam  er  tzwehündert  marck ,  von  ener  frawen  czwehundert 
marck  geringe  vnd  gab  der  selbigen  frawen  seyn  egen  hanth- 
schrüft  vorsigelt  myt  seynen  singnet  vorphlichten  sich  vnd 
sene  Erbname ,  czu  gebende  ior  iorlighen  von  hundert  marcken 
sexch  marck  vff  termyn,  dy  den  bestünmet  seyn  in  seyner 
hanthscryfft ,  alsczo  langhe ,  basz  das  her  dy  czwehundert  margk 
vorbenümeth  ablosthe ,  dy  selbthe  frawe ,  do  sy  vornam  vnn 
ynne  warth  in  dy  ere  der  Bothschafft  vnszer  liben  frawen  sulde 
warden  augehaben  szw  zingende  loblich  in  der  kyrche  Scte 
Johannis  alle  freytaghe  eyn  Messe  szo  gab  sy  myr  vnn  den 
kirchenweters  dy  czwehundert  margk,  antwartthende  vnsz, 
dy  hanthscryfft  Tydemans  vorbenümeth ,  an  weichere  hant- 
sscrifft  noch  meyne  weters  noch  ich  nicht  genüghesam  woren 
der  vberwägunge  der  czwehundert  marcken ,  alleyn  myt  seyner 
hantscrifft,  myt  seynem  sigel  vorsigelt,  vorgescriben ,  wyr 
wolden  her  sulde  de  czwehundert  margk  vorscreiben  vor  ge- 
richte  in  des  Officialis  Buch  noch  inhaldunge  seiner  hantscrifft, 
dor  zcw  vff  alle  seme  Erbe  dem  szo  geschack ,  das  den  meme 
kirchestiffweters  vnn  ich  woren  zcwfryde  vnn  der  selbsthe  Ty- 
deman  Ethliche  zceith  vn  Jor,  den  kirchensti|[weters  czwelff- 
margk  geringe  von  den  czwenhundert  marcken  czyns  gab  noch 
seynem  tode ,  kummet  seyn  szonn ,  myt  seyner  mtitther ,  spre- 
chende sutten  czyns  nicht  wollen  geben ,  vn  wollen  abekorczen, 
von  den  czwen  hundert  margk  vorgescriben,  den  czyns,  den 
seyn  vater  vnn  seyn  mütther  man  sust  langhe  hatte  geben  des 


X.  Aicliiviilische  Beilagen.  Beilage  D.  583 

meyne  kircheweters  nicht  zcufride  woren  vn  lissen  laden  dy 
mütther  vn  den  szon  vor  mich,  vn  beclageten  sich  des,  do 
quam  der  frawen  szon,  in  macht  seyner  mütther,  vnde  vor- 
sachthe  mich  vn  das  gerichte ,  vn  appelyrthe  von  mich  zcw  den 
gemeyner  official  zcu  Lesslow ,  vn  lisz  mich  vn  meine  weters 
laden  do  hyn,  vun  gab  in  scrifften  vft'  clageude,  wy  wy  i*  sut- 
ten  czyns  hatten  genomen  alze  wücher  vn  weren 
Wucherer,  des  ich  mich  mtisthe  entseczen  vnn  entleghen 
myt  meinen  weters ,  als  ich  den  don  hah  myt  kost  vnn  czerün- 
ghe  von  meinen  gelde  do  myr  dy  Mrchenstiffweters  nicht  seynt 
behülfflichen  seyn  gewest  myt  eynen  phennmghe ,  vflf  zcu  sen- 
dende keu  Lesslow  meynen  procuratoren  vn  habe  mich  geweret 
myt  rechte,  noch  inlialdunghe  der  hilligen  Bobisten  Martini 
des  Fünthen  vn  Calixti  dy  das  haben  zcwgelossen  vn  erkant, 
das  sütten  czyns  vorbenümet  nicht  wücher  sey  vnde  dy  Jenne, 
dy  sutteu  czyns  nicht  volden  geben ,  möge  man  sy  dar  zcw  hal- 
ten vn  dringen  durch  den  bann ,  das  angesehen  durch  den  her- 
ren  Official  zcw  Lesslow,  habe  ich  erhalten  ej^n  ortel  widder 
dy  mütther  vnn  szon,  das  sy  myt  frebil  vn  vnrechte  haben 
vorenthalten  suttenen  czyns  vorgeschriben ,  von  weicheren  ortel 
haben  sy  appelliret  in  den  stul  zcw  Korne ,  des  so  hat  dersel- 
bige  official ,  inn  gesatczet  hoth  sexch  monde  zcw  vorfolgende 
dy  Sache ,  dem  den  nicht  also  gesehen  is ,  vn  habe  noch  ens 
vorderer  zceith  begeret  von  dem  official,  der  in  den  noch  hoth 
gegeben  aber  ens  sexch  monde ,  also  das  sy  haben  eyn  ganczis 
Jor  gehoth,  dy  appellatio  zcw  vorvolgende ,  vn  noch  fyer  monde 
dar  zcw ,  inn  dem  so  ist  ii'e  appellatio  machtlosz  vn  das  ortel 
„  des  herre  Official  bey  macht  vn  crafft  is  erkanth ,  vfi"  das  hot 
erlanget  meyn  procurator  zcu  Lesslow  dy  Tydemansche  von 
orthe  eyn  citatio  das  sy  sal  anhören,  dy  bryfife,  dy  do  behoren 
vfP  das  Ortel  genück  zcw  thün  vn  zcw  volbrengen ,  achtbaren 
weiszen  herren  so  hoth  sich  dy  sache  vorlofen  vn  vorlenget, 
das  in  syben  joren  vf  Scte  Brigitten  als  myr  dunket,  der  zcyns 

nicht  gefallen  ist .  das  sich  loffet  vff  fyer  vn  achtzick  margk 

Gotthe  den  almechtigen  is  bekanth  das  myr  vn  meynen  kir- 
chenweters  grosse  frewel  schith,  vn  hon  is  gesehen,  das  symyt 
irem  szone  hott  czwgeleth  das  wyr  Wucherer  weren ,  weichers 


584  X.  Archivalisclie  Beilagen.   Beilage  E. 

ich  vnn  meyne  weters  vnii  irem  iiamen  in  meyue  gemütthe 
habe  geczogeii  vnn  protestket,  das  ich  sulchis  nicht  habe  geli- 
den  vff  fiiuffhuudert  gülden,  vor  volgende  in  rechtis  weisze 
kegen  sy " 


Beilage   E. 

Auszüge  aus  Christoph  Kup peners   Schrift  vom  Wucher 

(Leipzig  1508) ,  (nach  dem  im  Besitze  des  Herrn  Professor  Dr.  Muther  zu 

Rostock  befindlichen  Exemplare.) 

cf.  Jahrb.  d.  gem.  deutsch.  Eechts.  VI.  p.  149  S. 

cf.  obige  Abhandl.  H.  2.  IV.  2.  3.  V.  5.  VI.  2. 

1.  Wie  Chr.  Kuppener  die  Umgehung  des  Zinsver- 
botes durch  den  aus  dem  Darlehn  hervorgehenden  d  o  m  i  z  i  - 
liirten  Eigenwechsel  mit  zwei  Personen  behandelt,  ist 
bereits  oben  V.  5  f.  und  VI.  1.  erörtert. 

2,  lieber  den  das  Ziusverbot  nicht  verletzen- 
den Wechselverkehr  in  Deutschland  zu  Ende  des 
15.  Jahrh.  sagt  er  Folgendes: 

(1.  c.  C.  2) :  Item  ist  abermals  ein  fal ,  do  einer  auffgelt 
nemen  magk  vber  das  hauptgelt  vmb  seiner  muhe,  arbeit 
vnd  fare  willen,  die  er  thut  bey  einem  dinge,  das  im  czu 
pfände  für  ein  auszgeliheu  gelt  eingesatzt  worden  ist.  Exeni- 
plum  So  einer  czu  mh*  qweme  vnd  bete  mich  im  gelt  czu  ley- 
hen ,  vnd  ich  spreche ,  ich  wil  dk  gerne  mein  gelt  leihen ,  ich 
habe  es  aber  nicht  alhyr  czu  Leiptzk,  besunder  czu  torgaw 
vnnd  ich  muste  vmb  solch  gelt  einen  eygen  boten  schicken  gen 
Torgaw  auff  schwere  vnkost  vnd  fare,  Domit  ich  solch  gelt 
alhyr  gen  Leiptzk  brechte.  Sagen  dy  heiigen  rechte,  das  einer 
in  dem  falle  wol  magk  nemen  für  seyne  gethane  muhe ,  vleys 
vnn  arbeit  ein  aufgelt  auch  von  einem  pfände  den  nutzt  ader 
dy  fruchte  des  pfandes  an  beswerung  der  gewiszen.  1.  si  neces- 
sarias  D.  de  pig  ac  p.  ibi.  no.  also  sagen  dy  helgen  recht. 

(1.  c.  C.  3") :  Nun  sal  man  furder  vormercken.  Ab  auch 
der  offenbar  handel  vnn  dy  contract  der  wechseler,  die  in 
landen  vnn  steten  mit  gelde  den  Wechsel  offent- 


X.  Arcliivalische  Bsilagen.  Beilage  E.  585 

liehen  halten,  also  das  sie  hir  czu  1  e i p t z k  nemen  hun- 
dert gülden  an  muntze  ader  an  golde  vnn  funff  fl.  R.  aufgelt 
vnn  geen  bader  lassen  geben  einem  widerurab  himdert  gülden 
gute  ganghafftige  gülden  an  golde  czu  Venedig  ader  czu 
rem  6.  Ab  solche  wechsele  vnd  handele  auch  gotlichen  sein 
vnd  mit  got  vnn  durch  recht  gescheen  vnn  czugelassen  werden. 
Dorauff  sagen  vnn  sprechen  die  heiigen  recht,  das  solche  wech- 
sele im  rechten  werden  czugelassen  vorbestendig  vnn  mögen 
gescheen  an  beswerunge  der  gewissen  vnn  ane  sunde,  wann 
solche  Wechsel  nicht  vbertreten  dy  gemeine  wirde  vnn  die 
gemeine  gewonheit,  aufgelt  czu  geben  vnn  czu  nemen auff 
solchen  Wechsel.  ]).  tex.  v.  notahilem  glo.  ibidem  in  l.  III.  Cod. 
de  exerci.  et  ihi  p.  hol.  et  Sedice.  et  p.  hal.  ^)  notahillt.  in  nihri. 
Cod.  de  consti.  pecu.  in  principio.  Do  selbst  froget  der  hoch- 
gelerte  bal.  dise  frage  des  rechten.  Ab  es  czimlichen  ist,  das 
ein  kauffman  von  mir  nimpt  alhye  czu  leiptzk  hundert  fl. 
E.  vnn  lest  mir  do  für  funff  vnn  neuntzig  fl.  R.  geben 
czu  Venedig  ader  neapolis  an  gutem  golde.  Spricht  bal. 
do  selbst  ia,  dann  solch  aufgelt  ist  nicht  wucher,  besunder 
gelt  der  fare  vnd  benimpt  dem  menschen  die  fare,  das  im 
ein  solch  gelt  vnter  wegen  nicht  genommen  magk  werden  vnn 
czufurderst ,  so  solch  gelt ,  das  man  czu  Wechsel  geben  musz 
aufgeldes  nicht  vbertrit  den  gemeinen  lau  ff  vnn  die  ge- 
meine wirde  des  geldes ,  das  man  auf  Wechsel  gelt  pfleget  czu 
geben,  p.  l.  pericidi  p.  euni  alle.  D.  de  nauti  fe.  et  vi.  ibidem 
bal.  Et  in  siia  disputatione  incipiente  statuto  cauet.  et  d. 
lau.  de  rodid.  ^)  in  c.  considuit  de  vsu. 

Furder  ist  czu  mercken ,  das  etzliche  Wechsel  im  rechte 
czimlich  sein ,  als  der  von  dem  oben  geschriben  stet ,  vnn  solch 
mögen  für  czimliche  vnn  gotliche  Wechsel  ane  beswerung  der 
sunde  vnn  der  gewissen  in  werntlichen  vnn  geistlichen  hen- 
deln  gebraucht  werden  aus  den  vrsachen  erstmals  der  fare 
des  geldes,  so  ers  vber  laut  bei  im  füren  muste.  Czum  an- 
dern, dan  so  ich  einem  czu  leiptzk  gebe  hundert  gülden 
vnd  funff  gülden  auffgeldes  an  muntze  ader  an  golde,  das 


1)  d.  h.  Baldus  u.  Salicetus.        2)  d.  h.  Laurentius  de  Rudolpho. 


586  X.  Archivalischc  Beilagen.  Beilage  E. 

do  liy  gaiigkhattig"  ist,  das  er  mir  widerumb  czu  Venedig 
aderczurome  geben  sal  hundert  gute  gülden  ires  gangk- 
hafftigen  goldes,  So  magk  es  kommen  vnn  gescheen,  das  czu 
Venedig  ader  czu  rome  nach  gelegenheit  meins  handeis  die 
venedische  ader  romische  hundert  gülden ,  dy  ich  aldo  in  gutem 
gangkhaftigem  golde  entpfaiigen,  als  gut  der  Avirde  sein  ader 
besser  dan  dy  hundert  vnn  funff  gülden,  die  ich  do  für  czu 
leiptzk  gegeben  hab,  nach  dem  ich  doch  also  vil  doran  czu 
Venedig  ader  czu  rome  sunst  hette  müssen  vorlieszen.  Czum 
dritten  male  sein  solche  Wechsel  czimlich  vnd  durch  recht 
czugelassen  durch  die  vrsach,  dan  so  ich  alhir  czu  leiptzk 
gebe  hundert  gülden  czu  Wechsel  vnn  funff  gülden  rei- 
nisch  auffgelds,  dorumb  das  ich  czu  franckfurt  ader 
Venedig  widerumb  beczalt  krige  hundert  gülden  an  franck- 
furdischer  muntze  ader  venedischer,  nun  magk  es  gescheen, 
das  auch  solche  venedische  ader  frauckfurdische  muntz  die 
czeit,  wan  dir  dein  Wechsel  ausgericht  czu  Venedig  ader  czu 
franckfurt  werden  sal ,  besser  ist  an  irer  wh*de  dan  das  golt,» 
das  du  czu  leiptzk  als  nemlich  hundert  gülden  vnn  funff  gül- 
den auffgeldes  dofur  auff  Wechsel  ausgetan  vnn  gegeben  hast, 
ader  solche  muntze  magk  weniger  wert  sein,  nachdem  die 
muntze  in  landen  vnn  steten  steiget  vnn  feilet.  Dorumb  ist 
solch  auffgelt ,  das  man  derhalben  auff  Wechsel  gibt  ader  nimpt 
nicht  Wucher.  Auch  szo  müssen  die  w  e  c  h  s  e  1  e  r  haben  ader 
mieten  eigene  h  e  u  s  e  r  vnn  knechte  halten ,  dorauff  dy  sol- 
chen handel  treiben  vnn  handehi ,  dofur  man  auch  auffgelt  wol 
nemen  magk ,  solche  heuser  vnn  diner  czu  enthalten.  Wu  aber 
ein  Wechsel  in  der  weisze  vnn  forme ,  wy  oben  gesatzt ,  nicht 
gehalten  vn  gehandelt  wurde,  besunder  man  neme  von  den 
menschen  grausame  vnczimliche  auff  satze  nicht  nach  gemei- 
nen lauften  vnn  wirderunge  des  Wechsel  geldes,  so  were  Wech- 
sel ein  sundlicher  handel  vnn  em  grausame  exaccion  beswe- 
rung  vnn  abschatzung  der  armen  leute.  Auch  durch  einen 
Wechsel  wirt  der  wechseler  nicht  czu  einem  Wu- 
cherer; nach  dem  wie  wol  er  meer  nimpt,  dan  die  hauptsum 
ist,  dy  er  wider  geben  sal  in  der  czal,  so  magk  doch  die  wir- 
derung  der  summe,  dy  er  wider  gibt,  an  ir  selbst  besser,  hoer 


i 


X.  Archivalische  Beilagen.    Beilage  E.  587 

ader  geringer  lautfen  nach  der  czeit  der  beczalung  vnn  steigen 
vnn  fallen  der  muntze,  die  erwiderumb  auszgeben  muesz,  ader 
vorschaffen,  das  sie  ausgegeben  werde.  Auch  ab  ein  wechse- 
ler wol  nimpt  auf  gelt  meer  dan  er  wider  gibt ,  so  nimpt  er 
doch  nicht  solch  meer  vnn  aufgobe  in  einer  gestalt  weisze  vnn 
forme  eins  wucherischen  handeis,  eins  ausgelihen  geldes  7ä\ 
gewinnen.  Dan  es  ist  oben  gesatzt,  als  wan  ich  einem  einen 
scheffel  körn  leihe ,  der  itzundt  VII  groschen  gult ,  das  er  mir 
auff  Ostern  wider  einen  scheffel  körn  becza  le ,  vnn  ich  weis 
n  icht ,  wan  die  ostern  kommen ,  was  es  gelden  werde ,  vnn  gilt 
dan  X  groschen,  so  neme  ich  dan  auch  meer,  aber  nicht  m 
einer  gestalt,  forme  vnn  eins  wucherischen  gewinnes  vnn  auf- 
geldes.  Als  dy  heiige  recht  sagen  in  c.  si  quis  cleric.  iunc. 
glo.  XIIII.  q.  IUI.  et  ihi  archi.  Es  were  dan ,  das  ich  für 
wäre  wüste  in  meinen  gewissen ,  das  es  auff  ostern  meer  gelden 
solte ,  vnn  leyhe  einem  vmb  solchs  gemnnes  willen  vnn  in  einer 
betriglichen  meümnge  solch  getreide  aus,  so  were  ich  ein 
rechter  Wucherer.  Gleicher  weisze  ist  czu  sagen,  so  ich 
alt  vorweszen  getreide  auszlihe ,  dorumb  das  ich  widerumb  auf 
ostern  ader  michaelis  von  im  nawes  vnn  bessers  gehaben  möge, 
ist  Wucher.  Also  sprechen  die  hochgelerten  hern  vnn  dodo- 
res.  dns.  ah  panormitan.  et  alii  in  die.  c.  nauiganti  de  vsu. 
Es  ist  auch  ein  gew  onheit  in  welschen  landen  auch  in 
andern  landen,  do  wechseler  sein  in  den  steten,  die  do 
geben  für  einen  ducaten  ader  sunst  fiir  einen  gülden  an  golde 
als  vil  muntze  als  solcher  ducate  ader  gulde  an  golde  gangk- 
haftiger  muntze  wert  ist,  allein  das  sie  inne  behalten 
einen  ader  czwene  pfenninge  czu  Wechsel,  das 
sie  dir  solch  goltwecheselen.  ^)  Dieselbigen  mögen 
solchs  auch  wol  thun  czimlich  vnn  seine  kein  Wucherer ,  nach- 
dem sie  solche  pfenning  nemen  vmb  ir  arbeit  willen  vnn  vmb 
die  miete  irer  buden  vnd  irer  diner,  die  sie  dorczu  mieten 
muszten  vnn  ander  expensz.    Also  spricht  der  hochgelert  herre 


1)  Das  ist  das  Wechselgeld,  welches  ausser  dem  Cursgewinne  die 
Wechsler,  hesonders  die  italienischen  und  flamländischen .  zu  fordern 
pflegten  (cf.  oh.  V.  5.  f.). 


588  X.   Arcliiviilisclie  Beilagen.  Beilage  E. 

d.  hvt.  de  rodid.  in  c.  considuit  de  vsu,  vnn  dise  lere  sollen 
mereken  alle  wecliseler ,  auif  das  sie  nimants  besweren  czu  irer 
seien  vnseligkeit.  ^) 

(F.  1.):  Man  sal  auch  dy  kaufleiite  vnn  menschen  in  lan- 
den vnn  steten  vngestrafft  nicht  lassen,  die  do  gute  muntze 
vnn  Pfennige  auslesen  vnn  solche  czusmeltzen  vnn 
machen  andere  metal  doraus  ader  vorkauffen  das  silher  do  von 
dan  in  solchem  wirt  auch  der  gemeine  nutz  vnn  die  muntze 
sere  geschwechet,  vnn  rausz  alsdan  in  solchen  feilen  vorande- 
runge  gescheen  der  muntze,  Avelche  stete  voranderunge  dem 
gemeinen   nutze   vnd   armen  leuten   in  landen ,    steten   vnn 


1)  Diese  Darstellung  stimmt  fast  Avörtlich  mit  dem  consiliura  Kup- 
peners ,  als  Sjudikus  von  Braunschweig ,  über  das  Wechselgeschäft  1494. 
In  letzterem  findet  sich  dann  noch  folgende  Stelle :  „ . . .  quidam  . . .  j)ro 
suis  negotiis  opus  habet  disponere  Nurenberg ie  franckoford ie 
vel  alihi  centuin  fl.  Ehen,  plures  aut pauciores ,  quam  summam  propter 
discrimen  ac  periculum  viarum  et  predonum  formidat  transmittere  sive 
secum  perducere ,  Et  ne  causa  Infortunii  aut  praedonum  aut  fwum  hu- 
jusmodi x)ecunias  amittat ,  Accedü  quendam  mercatorem  lubech  ha- 
hitantem ,  qui  Borne  padue  Venetiis  Nurenherge.  ffranck- 
fordie  aut  alihi  suum  habet  corresp)onsalem  tradens  ei  mercatori 
in  ciuitate  l üb  eck  ducentas  et  duodecim  mrc.  lubitzen.  cum  dimidia ,  que 
faciunt  centum  dticat.  et  sex  cum  quartali  vnius  ducati ,  Vel  alius  tradit 
eidem  mercatori  centum  fl.  B.  et  quatuor  tali  pacto  et  intentione ,  ut  ipse 
mercator  suo  periculo  et  damno  transs  cribere  et  disponere 
debeat.  apud  suum  responsalem  Borne  padue  venetiis  uel  alibi 
centum  dticat.,  que  valent  lubeck  ducent.  mrc.  lubec.  Vel  Nurenber- 
gie  fr anckenf 0 r die  pro  prefatis  centum  et  quatuor  fl.  B.  centum 
dumtaxat  fl.  Ben.  eo  pacto  ut  ibidem  absque  omni  periculo  xwotractione 
sine  quocunque  alio  imjiedimento  visis  literis  hujusmodi  pecuniam. 
recipere  et  impromtu  habere  poterit  (nämlich  der  Remittent)  Et  si  in 
solutione  ei  hujusmodi  pecunie  traditione  in  loco  deputato  mora  aut 
pr 0  tr actio  presentatis  literis  fiet ,  quodcunque  damnum  ex  hoc  credi- 
tor 2)ecuniarum  incurret  aut patitur ,  ipse  a  mercatore  qui  pecuniam  Lu- 
heckrecepit  ac  transemit  recuperare  ac  repetere  prout  pactum  est  inten- 
det.  Quaeritur ,  quid  Juris  utrmn  iste mercator  vel  bane h a r i u s  lubeck 
hujusmodi  negotio  vel  bancko  vtens  et  intendens  in  recipiendo ,  trans- 
emendo  ac  transscribendo  hujusmodi  pecunias  suo  periculo  labore  damno 
et  expensis  prefatas  duodecim  marc.  lub.  cum  dimidia  aut  quatuor  fl.  B. 
bona  conscientia  absque  contractu  vsurario  et  suncte  apostolice  sedis 
dispensatione ,  licite  recipere  et  obtinere  possit. 


w 

i 


X.   Aichivalische  Beilagen.  Beilage  E.  589 

dorffern  grossen  schaden  brengt  vnn  meer  Schadens  vnterwei- 
len,  dan  ein  gemeine  lande sste wer,  die  do  vber  ein  hint 
cziigehen  vnn  cziigehen  bewilliget  vnn  ansgesatzt  wirt.  Dan 
dy  selbigen  die  also  ein  gnte  niuntze  aus  irem  eigen  furnemen 
vnn  yn  czu  gute  vnn  czu  nutze  czu  schmeltzen ,  dy  sein  feischer 
vnn  müssen  leiden  die  pene  eins  felschers  der  muntze  also  spre- 
che die  heiigen  recht  vnd  die  hochgelerten  d.  hal.  in  l.  lege 
Cornelia  D.  de  fal.  et  io.  an  in  c.  cpto.  de  iure  in. 

(F.  6.):  Der  XVL  regel  betrifft  dy  Wechsler  des  gel- 
des  aus  einem  laut  in  dz.  andere,  vnn  ist  der:  Das 
gleiche  maesz ,  in  welchen  sachen  vnn  feilen  des  rechten  das 
recht  einem  kaufman  czu  lest ,  das  er  in  seinen  hendeln  redli- 
chen czimlichen  gewin  nemen  magk  an  beswerung  seiner  ge- 
wissen ,  üi  denselbigen  sachen  vnn  feilen  magk  auch  ein  Wechs- 
ler durch  seine  Wechsel  gewin  nemen  au  beswerung  seiner 
gewissen ,  dan  gleich  also  sich  die  kauftmanschaft  in  den  gutern 
vnn  wäre  vorandert ,  bessert  vnd  geringert  nach  der  czeit  vnn 
der  gelegenheit  der  stat ,  do  man  solche  hin  brenget ,  also  (wie- 
wol  nicht  als  oft)  so  vorendert  sich  auch  em  muntze,  feilet 
vnn  steiget  dornach  alsdan  der  Wechsler  rechen  musz  auff  das 
gelt  seinen  gewin  czu  machen,  vnn  gleicherweisze ,  als  man 
auff  kauffmanschaff t  czu  treiben ,  muhe ,  arbeit ,  bescheidigkeit 
vben  muesz,  knechte  vnn  diner  dorauff  halten,  also  muesz 
solchs  auch  der  Avechsler  thun  auff  swere  kost,  dorumb  magk 
er  auch  wol  als  ein  ander  kauffman  gewiu  nemen  ane  beswe- 
rung seiner  gewissen,  jedoch  das  er  seinen  Wechsel  also  han- 
delt, wie  oben  geschriben  stet,  vnn  ein  solchen  gewin  neme 
nach  gemeinem  lauffe  vnn  gemeiner  wirderunge  gute  ader 
vngute  der  munczen  vnd  nimpt  auch  solchen  gewin  x).  siio  in- 
teresse  nachdem  er  sunst  mit  einer  solchen  summe  wol  als  vil 
gewines  hette  mögen  gewinnen. 

3.  lieber  das  Verhältniss  der  kaufmännischen 
Gesellschaften  zum  kanoni  stischen  Ziusverbote 
äussert  Chr.  Kuppener  sich  wie  folgt:  (1.  c.  C.  l'^):  Unter  den 
Wucherausnahmen  heisst  es:  der  dreyczehende  fal  ist  der.  Nach 
besage  des  hochgelerten  herren  doniini  ahhatis  in  die.  c.  con- 
(luestiis  de  vsu.  vnd  ist,  das  eine  witwe,  die  etzliche  summe 


590  X.    Arcliivalisciie  Boilag-eii.   Beilage  E. 

geldes  hat,  die  magk  solche  yre summe  czu  emem  redlichen 
kau f f m an  legen  in  eine  b a n c k  vnd  in  eine  kauffman- 
schaft  vnd  magk  vbev  ir  hauptgelt  vmh  das ,  das  sie  yr  gelt 
die  czeit  entbiret.  iarlichen  ein  au  ff  gelt  dorauff  nemen 
aus  solchem  erlichem  gewinne  ane  das,  das  sie  nicht  fare 
stehen  bedarff  gewinne«  vnn  vorliessens,  dan  sunst  wer  es 
nicht  ein  sunderlicher  fal,  besunder  ein  gemeine  contrahirte 
geselschaft,  dy  im  rechten  vnter  den  menschen  wie  oben  ge- 
satzt,  zu  machen  czugelassen  wirt.  Unn  also  spricht  obgenan- 
ter  d.  ab.  des  gleichen  also ,  wie  mit  einer  witwen  sal  gehalten 
werden  mit  einer  fr a wen  ader  iunckfrawen,  die  nicht 
meer  hat,  dan  ire  mitgob,  dieselbige  mitgob  magk  sy  auch 
legen  in  ein  banck  ader  kaufmanschaft ,  vnn  do  mit  gewin 
nemen  wy  die  witwe ,  dorvmb  daz  sy  miserabiles  vnn  durfiPtige 
personen  sein.  j).  c.  penul.  de  dona  inter  vi.  et  vx.  vnn  ich 
Sprech,  daz  in  einem  krancken  menschen,  der  do  gelt 
het  ausczuthuu ,  auch  solte  also  gehalten  werden  nachdem  er 
der  allerdurftigste  mensche  ist;  vndwu  eine  gleiche  vrsach 
ist,  do  sal  sein  ein  gleich  recht,  als  die  heilgen  recht  sagen. 
l.  vlti.  Cod.  ad  1.  falci.  et  l.  illud  D.  e.  ti.  et  c.  inter  corpora- 
lia  extra  de  iransla. 

(1.  c.  C.4.):  Gefeilet  ein  frag  des  rechten.  So  yr  czwene 
ader  drey  in  einer  kauffmanschatz  ein  geselschaft  machen, 
also  das  czwene  das  gelt  solche  kauffmanschatz  czu  treiben 
legen,  der  dritte  legt  vnn  thut  die  erbeit  mit  handeln  vnn 
wandeln  vnn  wirt  der  gemn  czu  gleich  auff  die  persone  ausge- 
teilt ,  ab  solcher  contract  im  rechte  bestendig  ergrunt  vnn  czu- 
gelassen ist.  Darauff  antwurte  ia ,  nach  besage  des  hochge- 
lerten  Gotfi'edi  in  seiner  summa  vornim,  als  ferne  sie  czu 
gleich  gewin  vnn  vorlust  tragen,  vnn  also  der 
beide  czu  gleicher  fare  stehen.  Do  von  hastu  ein 
liplich  glose  in  dem  worte  negociatorih.  XIIII.  qii.  III.  in  c. 
pleriq.,  die  do  saget ,  das  obgedachter  contract  im  rechte  nicht 
czulessigk  nach  czimlich  were,  so  einer  allein  des  gewinues 
vnn  nicht  czu  gleich  der  fare  vnn  verlust  gewertig  sein  wolte, 
vnd  hat  solcher  contract  in  sich  dy  nature  einer  geselschafft 
vnn  einer  bruderschaft ,  dieselbige  in  einer  gemeine  vnn  nicht 


X.   Archivjilische  Beilagen.  Beilage  E.  591 

einer  allein  czugleich  den  schaden  vnn  frommen  auf  sich  nemen 
sal ,  von  dem  hastu  in  keiszer  rechten  in  l.  verum  D.  p.  socio, 
in  geistlichen  rechten  d.  ab.  in  c.  nrmiyanti  de  vsu. 

(1.  c.  E.  6'') :  fiirder  sal  man  vormercken ,  das  die  ihenigen 
n^enschen,  dy  ir  gelt  legen  auff  gewin  vnn  vorlast 
in  einen  handel  ader  kauffmanschafft,  dieselbigen  mö- 
gen ir  gelt  nicht  wider  herausfordern,  auch  nicht  von  den 
herren  des  handeis  rechenschafft  fordern,  dann 
allein  nach  vor  lau  ff  eins  iares,  also  spricht  der  hochge- 
lerte  her.  d.  har.  in  l.  neminem  Cod.  de  suscep.  et  arcJda  Ji.X. 
Es  were  dau  das  hern  des  handeis  vnn  dy  kaufleute  vermercket 
wurden  als  betriger  ader  fluchtige  leute  solchs  handeis ,  dan 
musten  sie  auch  inwennigk  einem  iare  rechenschafft  thun.  Vor- 
mercke  auch  in  dem  oben  geallegirten  1.  den  hochgelerten 
d.  io.  de  pla.  der  do  spricht,  das  heute  diszer  czeit 
czimlichen  ist,  gelt  czu  legen  bey  einem  kauff- 
man  in  eine  geselschafft  ader  kauffmanschatz, 
auff  das ,  das  einer  gewin  do  von  neme ,  der  do  czimlichen  ist, 
vnn  den  man  do  von  gehaben  magk  vornim  so  er  solch  geldt 
auff  gewin  vnd  vorlust  bey  einem  kauffman  gelegt  hat, 
sunst  were  es  w  u  c  h  e  r. 

(1.  c.  F.  1.):  furter  saltu  vormerken,  das  ettliche  kauf- 
leute in  landen  vnn  steten  sein,  dy  do  durch  regenten  eins 
gemeinen  nutzes  nicht  sollen  in  solchen  landen  vnn  steten 
geliden.  werden ,  nachdem  sie  mergklichen  schaden  brengen 
dem  gemeinen  nutze.  Exemplum  als  do  sein  die  reichen 
kaufleute  ader  reiche  geselschafft  er  eines  handeis, 
die  do  haben  gros  gelt  vnn  gut,  vnn  haben  die  diner  czu 
V  e  n  e  d  i  g , '  in  r  e  u  s  z  e  n  vnn  in  p  r  e  u  s  z  e  n ;  ^)  vnn  wen  sie 
erfarn ,  das  ein  wäre  aufsteiget  ader  tewerbar  wirt ,  es  sey  au 
saffran,  pfeffer,  getreide ,  ader  an  anderer  wäre,  so  kauffen 
sie  vber  haupt  solche  wSre  czu  yn  auf,  das  sie  furder  solche 
wäre  den  andern  verkauften  mögen  nach  alle  irem  gefalle ;  dan 


1)  d.  h.  eben  die  kaufmännischen  Gesellschaften  im  Hansagebiete 
cf.  VI.  2.  oben. 


592  X.    Ai-cliivalischc  Beilagen.   Beilage  E. 

solch  iv  t Ulli 0111011  sal  iimii  in  landen  vnn  steten  nicht  leiden, 
vmi  ist  vnrecht,  vnn  beswert  sere  einen  gemeinen 
nutz,  vnn  hat  auff  sich  die  nature  monopolii,  vnn  auch 
ire  pene  wy  oben  gesatzt  ist,  das  man  yn  ire  guter  nemen 
niagk  mit  rechte  vnn  sie  in  das  elende  treiben.  Vnn  dorumb 
sollen  die  forsten  vnn  regcnten  der  lande  ein  gros  aufsehen 
haben  auf  solche  handlunge  vnn  solche  nicht  czulassen ,  besun- 
der  sie  sollen  solche  kaufliche  guter  auf  ire  rechte  wirderung 
irs  geldes  setzen  nach  gelegenheit  der  czeit,  der  statvnn  stelle, 
do  man  solche  wäre  vortreiben  sal,  vnn  sollen  alleczeit  den 
gemeinen  nutz  der  menschen  vleissiglicher  betrachten  vnn 
sunderlichem  eigen  nutze  für  setzen  p.  die.  l.  L  §.  fi.  et  ibi.  hat. 
C.  de  cadii.  aal.  et  p.  doc.  et  Cy.  i.  auc.  res.  q.  C.  conia.  de  lega. 
p.  canonistas  i.  c.  ron.  dephe. 

(F.  1'^):  befeit  ein  mergkliche  frag  des  rechten,  also:  Es 
ist  ein  mergkliche  ge  sei  schafft  dreier  ader  vierer  gesel- 
schaffter,  die  solche  geselschaft  halten,  vnn  im  rechte  gesel- 
schaffter  geheissen  werden;  vnn  einer  von  denselbigen  czeuget 
gegen  Venedig  vnn  kauft  einem  venediger  ader  einem  von 
breszlaw  etwas  abe  vnn  bleibt  im  schuldig  hundert  gülden 
iohannis  ader  michaelis  czu  Venedig  ader  breszlaw  czubeczalen. 
nun  iohannis  vnd  michaelis  ist  kommen ,  der  schuldiger  kom- 
met nicht  vnd  beczalt  auch  nicht ,  besunder  sein  ander  mit- 
geselle seiner  geselschaft,  der  komet  gen  Venedig  ader  gen 
breszlaw ,  denselbigen  feilet  der  glaubiger  an  vnn  fordert  von 
im  gantze  volle  beczalunge  des  geldes ,  des  der  erste  sein  mit- 
geselschafter  von  im  geburget  hat.  Ab  er  es  auch  durch  recht 
thun  mag,  vnn  ab  der  ander  mitgeselle  des  ersten  gemachter 
schult  für  vol  schuldig  vnn  pflichtig  sey  czu  beczalen  ader 
nach  seiner  anczal  also  vnn  allein  für  seine  person.  Sagen  die 
lieilgen  recht  i  a ,  er  sey  im  volle  beczalunge  czu  thuende  schul- 
dig vnd  sein  mitgeselschafter  hat  nicht  heneficium  diui- 
s  i  0  n  i  s ,  das  ist  er  darf  nicht  sagen ,  er  wil  sein  teil  vnn  allein 
für  einen  man ,  als  vil  yn  der  vierde  ader  dritte  teil  betreffende 
ist  an  den  hundert  gülden  beczalen  vnn  nicht  die  volle  summe. 
Geben  die  recht  dise  vrsache.  nach  dem  ein  mitgeselschafter 
einer  czuhauffe  samlunge  vnn    czu   hauffe  setzunge   selschaft 


X.   Arcliivalisclio  Beilagen.  Beilage  E.  593 

einer  vor  den  andern  in  der  geselschaft  bürge  geworden  ist, 
vnd  tidoiubivt  liat  aus  cratft  irer  gosampten  geselschaft,  was 
einer  bürget,  das  ein  itzlicher  solchs  schuldig  sein  wil  czu 
beczalen.  Also  sprechen  die  heiigen  recht  vnn  dy  hochgeler- 
ten  hal.  in  ruhrica  C.  de  instUuto  in  vlti.  colum.  har.  in  1. 1.  et 
in  l.  reos.  §.  cum  in  tabulis  D.  de  duo.  re.  consti.  hal.  in  l.  cum 
fe  in  galJiam  C.  si  cer.  peta.  Et  vide  omnino  alex.  de  Mi. 
inconsi.  sho  CXLVII  in  secunda  parte  vhi  habet  ista  mate- 
ria  plcne  et  dicta  iura  procedunt  em.  d.  alex.  cum  vnus  sit 
pposit.  ab  altcfo  tacite  vcl  expresse.  Et  qd.  ille  socius  qui 
contrahit  fecerit  etiam  non  istoruin  sociorum,  quos  isti  cre- 
ditores  seu  confraJienfcs  convenire  volunt  de  hoc  dns.  alex. 
consi.  CXXXIX.  in  V.  vol.  suorum  consi.  Vnn  wiewol  auch 
ein  geselschaift  eins  handeis  czugehet  kegen  allen  andern 
geselschaftern ,  so  einer  geselschafter  aus  solcher  geselschafFt 
stirbet ,  dau  der  gememe  wille  der  geselschafter  ist  durch  den 
todt  also  czubrochen  als  dy  heiige  recht  sagen  l.  IV.  B.  loca 
et  declaret  bar.  in  l.  centesim.  §.  si.  ver.  vltimo  formo  hie  vnam 
qaestionem  D.  de  ver.  obli.  Et  qd.  niorte  vnius  finiat.  societas. 
vi.  l.  actione  §§.  niorte  D.  x).  so  et  insti  e.  ti.  §.  finit.  nisi  con- 
trarium  actum  sit  in  contractu  societat.  cp.  vno  mortuo,  quo 
ad...  Das  ist  also  vil  czu  deutsch  gesagt,  es  sey  dan  sache, 
das  in  dem  contract  der  anhebunge  der  geselschafft  anders 
beredt  worden  ist,  also  so  einer  verstürbe,  das  dennoch  die 
geselschaft  nicht  czugehen  sal  besunder  gehalten  werden  durch 
des  vorstorbens  erbe  ader  gefreuntten  ader  das  nach  tode  des 
vorstorbens  solche  geselschafl't  Avidervmb  vornawet  wurde  offen- 
barlichen  durch  einen  uawen  offenbarlichen  contract  ader  heim- 
lichen vnn  also.  So  die  erben  der  vorstorbens  ader  seine  nehe- 
sten  zu  geben  dulden  vnn  leiden,  das  durch  die  alten  diner 
vnn  factor  solche  geselschafft  nach  also  vor  dem  tode  des  vor- 
storbens gehandelt  wurde  mit  ausgäbe  vnn  einname  an  irgent 
keine  ymants  einsage.  Also  spricht  der  hochgelerte  dns.  alex. 
in  consi.  CXXXVI.  in  V.  vol.  suor.  consi. 

4.  Vom  kaufmännischen  Verkehre  allgemehi  und 
d e  s s e n  V  e  r  b  i  n  d  u  n  g  m  i  t  d  e m  k  a n  o  ni s t  i  s  c h  e  n  Z  i  n  s  - 
g  e  s  6 1  z  e  erörtert  er  Dieses : 

Neuiiianu,    Gesch.  d.   Wiiohci'ä.  38 


504  X.    Ardiivalisolie  Boila.Efon.    "Reilagc  E. 

B.  5'.  ü.  C.  2.  4'',  5.  behandelt  er  iin  gewöhnlichen  und 
oben  ad  1.  1.  u.  IV.  2.  ;}.  näher  erwähnten  kanonischen  Geiste 
den  unmittelbaren,  zulässigen  und  unzulässigen  Gewinn  der 
Kautieute  aus  dem  einfachen  H  a  n  d  v  e  r  k  a  u  f ,  aus  den  Ver- 
zugszinsen und  dem  Interesse.  Vereinzelt  Wesentliches 
daraus  wurde  bereits  oben  zitirt. 

D.  G.  Die  Kauftmanschafft  wird  überall  geübt.  „Sage,., 
das  kaufmanschafft  vnn  handlung  der  werntlichen  gutter  wol 
gehandelt  vnn  gescheen  raagk  ane  beswerung  der  menschen 
gewissen  vnn  ane  sundo  so  solche  geschiet  in  der  weisze,  wie 
hernach  volgeu  wirt.  Vnn  die  heiigen  geistliche  vnn  wernt- 
liche  recht  lassen  solche  kauftmanschafft  vnn  handlunge  in  der 
weisze  vnn  forme  wie  volgende  für  czimliche  vnn  gotliche  czu 
au  alle  beswerung  der  gewissen. . . 

(D.  6.)  .So  eine  kauftmanschatz ,  dy  do  geschiet  vmb  eins 
gewinnes  willen  durch  den  kauffman  furgenommen  vnn  geor- 
dent  wirt  czu  einer  erlichen  entlichen  vnn  wirgklichen  that,  als 
nemlichen  czu  enthaltunge  seins  hauszes  vnd  sei- 
ner kinder  vnn  hauszgesindes  nach  seinem  stände, 
domit  er  sich  erlichen  vnn  gotlichen  nicht  mit  vnrecht  falsche- 
rei vnn  meineide  logen  durch  kauffmanschatz  mit  yn  magk 
enthalten,  vnn  auch  dorumb,  das  er  armen  leuten  mit  semem 
reichtum  das  er  also  do  mit  gewinnet  czu  hilffe  kommen  wil, 
vnn  gemeinen  nutz  der  lande ,  stete  vn  dorffer  czu  lande  vnn 
czu  wasser ,  vnn  nicht  allein  betracht  suchet  vnn  setzet  seinen 
eigen  nutz  für  den  gemeinen  nutz. 

(Citate.)  Dorumb  magk  ein  kaufmanwol  mit  gutem  gewis- 
sen ein  dingk  ader  guter  kauffen  vnn  dy  selbigen  teurer  ver- 
kaufen auff  eine  czeit  im  czubeczaleu,  so  er  nicht  weisz, 
ab  in  der  czeit  der  beczalung  solch  guter  m e e r  ader  weni- 
ger gelten  mögen,  ader  so  er  solche  guter  von  einer 
stat  in  die  andern  czu  füren  ader  czu  tragen  musz  vnn 
solche  kauffmanschatz  also  bas  wirdiger  gemacht  hat,  ader 
vmb  der  fare,  die  er  der  guter  halben  tregt  etc.  Nach  dem 
dy  wirde  eins  gutes  vorandert  wirt  nach  vnterscheit  vnn  gele- 
genheit  der  stadt,  der  czeit  vnn  auch  der  fare,  wie  dan  oben 
geschriben  stet.    So  aber  ein  kauffman  in  seiner  kaufmanschatz 


X.   Archivalische  Beilagen.   Beilage  E.  595 

sein  entlich  furnemen  alleine  stellet,  suchet  vnn  setzet  auf 
gewin.  also  das  er  allein  entlichen  dommb  guter  kauft  ane 
alle  redliche  obgesatzte  vrsachen  vnn  andere  vmbsteude,  das 
er  doran  gewm  treibe ,  vnn  ist  solchs  sein  entlich  betrachten 
vnn  furnemen  in  solchem  seinem  begirlich  gewin  vngesetiget, 
So  sagt  das  recht,  das  solcher  eins  kauffmaiis  vngesetigter 
geitziger  wille,  seine  gehaltene  vnn  gehabte  kauffmanschaft 
macht  vnrecht  vnn  vnczimlich  vnn  ist  ein  vnrechter  kauflfman 
vnn  alles,  was  er  also  gewinnet  ist  schnöder  vnn  boszer  gewin... 
(E.  1.)  Furder  sal  man  vormercken,  ...  das  kauffman- 
schatz...  wirt  aus  nachuolgenden  vrsachen  vnczimlich 
vnn  vngotlich.  ('zum  ersten  durch  den  grausamen,  vngese- 
tigten,  vnmessigen  geitz  eins  menschen...  Item  die  andere 
vrsache  vmb  der  czeit  willen.  Dan  so  ein  kauffman  in  heii- 
gen geczeiten  ader  ausgesatzten  feiertagen  von  der  helgen 
cristlichen  kirchen  geboten  kauffmanschafft  treibt,  so  wirt  do- 
durch  seine  kauffmanschatz  vnczimlich ,  das  er  mit  solcher  sei- 
ner kauffmanschafft  den  sontagk  vnd  andere  gebotene  feierczeit 
gebrochen  hat.  ..  Die  dritte  vrsache  vmb  der  stat  wille,  do- 
rinne  die  kauffmanschafft  geschiet.  als  wan  die  kaufleute  ire 
kauffmanschafft  treiben ,  handeln  vnd  wandeln  in  ge weiten 
kirchen  ader  steten.  .,  Die  vierde  vrsache  vmb  der  per- 
sona willen ,  die  do  kauffmanschatz  handelt  vnnd  wandelt. 
Als  wann  geweyttepersonen  ader  monche  ader  prister 
kauffmanschatz  treiben  . . .  auszgenommen  in  feilen  des  rech- 
ten ,  dorinne  sie  czu  handeln  durch  recht  werden  czugelassenn, 
als  vmb  gemeynes  nutzes  willen  des  closters  vnd  das  sunst  ein 
closter  alszo  geringe  oder  arm  were ,  das  von  notdurfft  wegenn 
sichs  nicht  erhalten  mochte ,  so  wirt  yn  messige  vnn  czimliche 
handlunge  czugelassen,  ader  das  sich  ein  geweitter  durch  arbeit 
seiner  hende  muste  erneren. . .  Die  funffte  vrsache,  dodurch 
eine  czunliche  kauffmanschatz  wirf  vnczimlich,  kommet  aus 
dem  vnczimlichen  vorkauftlichen  gu tte,  das  man  vorkauffen 
vnn  kautlen  wil ,  vnn  sein  solche  gutter,  die  dem  menschen 
nach  vor  sich  an  yn  selbst  nach  durch  ire  vormischunge  mit 
andern  guttern  czu  menschlichem  gebraucli  vnn  nutze  nutzlich 
sein,  als  do  ist  kauffmanschatz  mit  wurf fein,  karten  vnd 

38* 


5%  X.   Archivalische  Beilagen.   Beilage  E. 

h  i  ni  0 1  r  e  i  c  li  e  II  d  e  v  k  o  c  k  e  l  ni  e  n  n  e  r  m  i  t  h  i  p  e  1  trage  n. . . 
Gift  gehöre  nicht  7ai  diesen  Waarcn,  weil  es,  wenn  auch  „in 
seinem  Avesentlichen  weszen  ein  tod  der  menschen , "  doch  zur 
nützlichen  Arznei  und  gegen  die  Thiere  nöthig  sei  (E.  2.).  Auch 
der  Kaufund  Verkauf  von  Schminke  werde  zugelassen,  „so 
solch  smincken  von  weibern  geschiet  czu  einer  beheglichkeit 
ires  elichen  mannes  ader  durch  den  mau  in  beheglichkeit  seins 
weibes. .."  doch  thun  sie  es  „dorumb,  das  sie  anderen  men- 
schen ire  äugen  begirlich  vnn  mit  fleischlicher  wollust  erwecken 
vnn  czu  sicli  czihen  wollen ,  dieselbigen  als  offt  sie  es  thun ,  so 
sundigen  sie  todlichen. . .  Es  sein  auch  andere  kaufmanschatze, 
dy  do  vnczimlichen  sein,  vnn  durch  recht  verboten  vnn  czu- 
furderst  den  clericken  vnn  geistlichen  leuten. . .  Aus  welchen 
ein  snoder  vuerlicher  suutlicher  gewin  erwechst,  als  ist  der 
gewin  vnn  kauftmanschatz  der  kokeler,  die  do  kokelen  auff 
den  seilen  vnn  springen,  vnd  die  suntliche  handlunge  der 
freien  weiber,  die  iren  leib  gebrauchen  vnn,  mit  czuchten  czu 
reden,  in  vnkeuscheit  vorkauffen  gar  in  sweren  grausamen 
sunden. 

Der  Gewinn  aus  unziemlicher  Kaufmannschaft  soll  den 
Käufern  zurückgegeben  oder  zum  Nutzen  der  Armen  veijsven- 
det  werden. 

(E.  3.)  Mögt  einer  ...  sagen,  die  heiigen  keiszerrechte 
vorbitten,  das  kein  ritt  er  ader  rittermesigk  man  ader 
edel  man  kaufmanschatz  handeln  ader  wandeln  sal,  als  die 
recht  sagen  . . .  dorumb  muesz  ye  kauffmanschatz  sunde  sein 
ader  vuerlich ,  die  weile  solche  erlichen  leuten  verboten  wirt. 
Diszes  soluire  auff  vnn  sage,  das  kauffmanschatzt  nicht  vuerlich 
ist,  besunder  erlich  vnn  ganz  nutzlich  ist  landen  vnn  steten, 
wie  oben  gesatzt  worden  ist;  das  aber  kauffschlagen  verboten 
ist  den  rittern  vnn  kauffmanschatz  nicht  czutreiben  vnn  wider- 
vmb  kautieute  nicht  ritterliche  handlunge  an  sich  czu  nemen, 
das  ist  dervmb  gescheen ,  das  dy  kaufleute  irs  thuns  sollen 
warten  sein,  vnn  die  ritter  alleine  vleis  thun  vnn  sich  vben 
sollen  in  ritterlichen  streiten  czu  enthaltunge  des  gemeinen 
nutzes.  Das  aber  den  edel  leuten  kauffmanschatz  verboten 
wirt,  das  saltu  vornemen  von  den  grossen  mechtigen  vnd  rei- 


X.   Archivalische  Beilagen.  Beilage  E.  597 

chen  edel  leuten  allein .  dy  do  suiist  wol  vorsorget  sein  do  mit 
sie  iren  standt  niclit  geringern  vnd  auch  dorumb.  das  sie  an- 
dere leiite  in  iren  kauffmanscliafften  niclit  verliinttern ,  nicht 
von  den  armen  edelleuten ,  dan  auch  em  erbar  reicher  burger 
ader  kauffman,  der  wol  vnn  czeitliclien  seine  narunge  hat,  im 
rechte  sich  vorgleicht  einem  schlechten  edelmauue  des  vntter- 
sten  Standes  des  adels. . . 

(E.  4.)  Sprechen  die  heiigen  rechte,  das  der  proprio 
nicht  heist  ein  kauffman,  der  eins  ader  czwier  ein  kauif- 
manschaift  der  verkäuflichen  gutter  treibt  ader  geubet  hat, 
besunder  der  ein  solchs  aus  te glicher  gewonheit 
czuuorkauffen  vnn  kauffen  gewont  ist  czu  vben 
vnn  sich  des  czu  gebrauchen.  Also  spricht  die  glo. 
vnn  der  hochgelerte  har.  in  L  legatis  D.  de  lega.  HL  bar.  vnn 
alex.  hl  pria.  consti.  D.  hal.  in  rnhrica  C.  de  consti.  pecii.  Do 
selbst  spricht  alex.  es  were  dan,  das  dy  kaufleute  ein  eygen 
gemein  buch  hetten  in  einer  stat,  matricula  genant, 
do  man  ire  namen  pflegte  einczuschreiben ,  so  spricht  der  hoch- 
gelert.  alex.  das  in  dem  falle  der  ein  kaufman  geschätzt  wurde, 
der  in  eira  solchen  gemein  buch  eingeschriben  erfunden  wurde. 
Furder  sagen  die  recht,  das  solchs  gut  czu  wissen  ist,  wer  do 
ein  warhaiftiger  kauffman  genant  vnn  geschätzt  wirt ,  nachdem 
die  recht  darliehen  vororden,  das  man  der  kaufleute 
irrige  sachen,  die  do  aus  kauffraanschafft  erflis- 
sen,  nicht  mit  der  scherffe  der  recht  (so  solche  czu 
recht  kommen,  besunder  durch  gleichmesige  billig- 
keit,  das  do  gleich  ist  vnn  dem  gleichen  einlich  ist,  vnn  der 
warheit  gemesz  nach  gelegenheit  der  sachen  rechtlichen 
entscheiden  sal.  Also  spricht  der  hochgelerte  har.  in  l. 
si  ßdeiussor  §.  quedam  JD.  man.  vnn  dorumb  volget  sich  dor- 
aus,  das  grosser  glaube  vnn  czuhaltunge  czwischen 
den  warhafftigen  kaufleuten  sein  sal ,  vnn  grosserer ,  dan  czwi- 
schen andern  gemeinen  leuten,  vnn  was  sie  vnter  einander 
einer  dem  andern  mit  schlechten  worten  ane  irgent  keine  her- 
ligkeiten  vnn  becleidung  ader  forme  der  rechte  et  sie  nudo 
pacta,  das  ist  zu  deutsch  mit  bloszen  schlechten  worten  vnn 
pacten  czu  sagen .  das  sal  er  im  glaubwirdig  vnn  vnuorbrochen 


598  X.   Archivalisclie  Beilagen.  Beilage  E. 

halten.  Also  spricht  der  hochgelerte  har.  in  l.  quint  D.  man. 
villi  hal.  in  L  si  pro  ca  in  vlti  cohtm.  Cod.  e.  ti.  Dan  es  ist  ein 
grosse  schände  vnn  viierlichen  czu  forderst  vnter  kaufleiiten, 
den  gesagten  czu  glauben  czu  fallireu  vnn  nicht  czu  halten, 
auch  so  er  solchn  glauben  mit  schlechten  worten  habe  czugesagt. 
Also  spricht  der  hochgelerte  har.  in  die.  l.  qu intus  D.  man. 

Ir  solt  auch  wissen  ein  mergkliche  vnterrichtunge  der 
rechte,  die  do  sagen.  So  ein  kauffman  in  einem  lande  ader 
in  steten,  mergkten  ader  doröern  machte  ein  teurunge  in 
einer  kauffmanschafft,  habe  ader  guttern,  es  sey  an  getreidt, 
wein,  tuch,  specerey,  saffran  ingeber  ader  pfeffer,  dorumb 
das  er  solche  wäre  czu  sich  kaufte  vnn  gebe  meer  do  für,  dan 
das  sie  nach  gemeinem  laufte  eins  rechten  geldes  wert  were 
vnn  keret  solch  sein  thun  in  seinen  eigen  nutz ,  vnn  nicht  m 
einen  gemeinen ,  denselbigen  sal  man  nicht  leiden ,  dan  er  ist 
vntuchtig,  infamis,  vnn  nimants  wh'dig,  vnn  sal  einen  solchen 
dorczu  in  ein  mergkliche  straffe  nemen  nach  erkentnis  der 
regenten,  als  offt  er  solches  vbet  (quia  fenetur  de  crimine 
stellionatus),  also  sagt  der  hochgelerte  har.  in  l.  III.  B. 
de  cri.  stellio.  Es  ist  auch  czu  wissen ,  vnn  czu  vormercken, 
ab  wol  den  kaufleuten  durch  recht  czugelassen  worden  ist,  das 
sie  vnter  yn  selbst  statuta  machen  mögen,  die  auch  keine 
bestetigung  dorffen  eins  obersten  auchnicht  be- 
stetigunge  eins  weichbilden  rechts,  dan  yn  solche 
gemachte  statuta  das  gemeine  recht  bestetiget,  also  sprechen 
die  hochgelerten  har.  vnd  hal.  in  l.  pe.  Cod.  de  consti.  pecu.  et 
ibi.  plene  hal.  de  statutis  mercatorum  in  quihus  valent  et  in 
quih.  non.  Idoch  mögen  sie  vnter  jti  nicht  machen  statuta, 
die  do  gemeinem  nutze  schaden  brechten  in  landen  vnd  steten, 
bei  vorlust  irer  guter ,  vnn  man  sal  solche  aus  einem  laden  in 
ein  elende  treiben  etc.  Exemplum ,  als  wan  kaufleute  vnter  ein- 
ander eine  Statut  vnn  beschlies  gemacht  betten  ane  redliche 
vrsachen  vnn  allein  vmb  irs  eigen  nutzes  T\dllen ,  das  man  den 
saffran  ader  pfeffer  getreide  ader  wein  nicht  wolfeler  geben 
solte ,  dan  alleine  vmb  ein  solch  namhafftigk  gelt  vber  gemei- 
nen lauff  vnn  wirderung,  sal  solchs  gestrafft  werden,  desglei- 
chen so  die  hantwerger  solche  Statute  ader  aufschatze  machten, 


X.    Aicliivalif^rhe  Beilagen.  Beilage  E.  599 

dan  solche  aufsatze  gescheen  wder  den  genieinen  nutz  (et 
sapiant  monopoVnim)  Dovumb  sal  man  solche  nicht  leiden, 
besunder  man  sal  solche  strafen  ^>./.i'^«/c«y^/  C.  de  mono.  Merckt 
eben  dorauff  ire  fursten  vnn  regenten  der  lande,  dorifern, 
mergkte  vnn  stete  vnn  gebt  solchs  nicht  zu,  last  auch  solchs 
nicht  vngestraft ,  thuts  auch  nicht  vnder  euch  selbst. 

(E.  4''):  Ein  Kaufmann  kann  gezwungen  werden, 
gegen  seinen  Willen  die  Waaren  zu  verkaufen.  Dies  ge- 
schieht nicht,  wo  die  Waare  nicht  zu  menschlicher  Nothdurft 
in  irgend  einer  Weise  gehört,  ausser  wann  der  „gemeine 
nutz"  es  verlangt,  oder  wann  durch  den  Verkauf,  selbst  wo 
die  Waare  Mehreren  gehörte,  grösserer  Schaden  vermieden 
wird.  Gehören  die  Waaren  aber  zur  menschlichen  Noth- 
durft und  werden  öffentlich  zu  Markte  gebracht  und  ausge- 
legt, so  müssen  die  Verkäufer  sie  für  das  von  der  Obrigkeit 
„  gesatzte  recht  gelt  nach  gemeinem  laufte  der  waren  "  verkau- 
fen, und  dürfens  nicht  wieder  forttragen,  wenn  sies  unter 
diesen  Bedmgungen  verkaufen  konnten;  ausgenommen,  wenn 
der  Verkäufer  der  Obrigkeit  genügende  Gründe  dafür  anführt, 
dass  es  ihm  leid  sei,  die  Waare  zu  Markte  gebracht  zu  haben. 
Werden  solche  Waaren  dagegen  zu  Markte  gebracht  und  nicht 
ausgelegt,  viele  Verkäufer  dieser  Waaren  sind  aber  da,  so  soll 
die  Obrigkeit  Einzelne  von  ihnen  nicht  zum  Verkaufe  zwingen, 
sondern  alle. 

(E.  5):  Etwas  zu  kaufen  soll  Niemand  gezwungen 
werden ,  ausser ,  wann  Theuerung  oder  Krieg  bevorsteht.  In 
diesem  Falle  soll  die  Obrigkeit  die  Untergebenen  zum  Einkaufe 
der  nothwendigen  Sachen  zwingen ,  nur  die  Cleriker  nicht.  — 
Der  Preis  dieser  gezwungenen  Käufe  und  Verkäufe  soll  sein 
„ein  recht  gewirdiget  vnn  lant  laufftig  gelt,  vn 
dor?zu  mögen  yn  die  fursten  vnn  regenten  der  lande  vnd  stete 
durch  recht  czwingen."  Nur,  wenn  Jemand  eine  Waare  czu 
besehen  czu  sich  genommen  hette  und  sie  behalten  will,  der 
Kaufmann  aber  will  sie  ihm  nicht  lassen ,  so  mochte  ichs  (Ver- 
käufer) im  in  dem  falle  tewer  verkauffen  vber  rechte  ge- 
sät z  t  e  w  i  r  d  e  r  u  n  g  e  j;.  l.  non  eni.  D.  re.  mno.  Dagegen 
dort  nicht ,  wo  der  Verkäufer  sich  zur  Entschädigung  seiner 


600  X.    AlTlliv;^li^^(•lle  Beilagen.  Beilage  E. 

Transportkosten  einen  höheren  Preis  zahlen  lassen  will.  (E.  5'). 
Dieses  ,.  recht  ge  wird  ig  et  gelt"  sollen  hei  Sachen,  die 
zu  der  menschlichen  Xothdurft  gehören,  „m  steten  vnn  lan- 
den die  fürs  ten  vnn  regenten  nach  gelegenheit  der  czeit 
schätzen  vnn  w  i  r  d  e  r  n  ...  alleczeit ,  als  offt  solchs  notdurff- 
tig  ist."  Bei  den  andern  Sachen  soll  die  Schätzung  nicht  nach 
„  sunderlichem  gunst  vnn  eigenem  nutz ,  hesunder  dem  gemei- 
nen nutze  czu  gutte  nach  gelegenheit  der  gutter  vnn  geschick- 
ligkeit  der  lande  vnn  der  czeit,  vnn  das  sollen  vorschaffen  vnn 
solchs  bestellen  vnn  Vorsorgen  vnter  den  luden  ire  obersten 
rahii  p.  l.  nemo  exierus  C.  de  inde,  vnter  den  cristen  aber  in 
steten  die  regenten  der  stete  p.  1. 1.  D.  d.  offic.  pfec.  vr.  §. 
enra  carnis ,   in  landen  die  f  u r  s  t  e  n  vnd  b i  s  c  h  o  f  f  e." 

(E.  5"^):  Verbieten  kann  man  Niemand,  verkäufliche 
Güter  zu  kaufen :  denn  der  Kaufkontrakt  „ist  von  der  natur 
der  dinger ,  die  nicht  vorboten  sein."  Viele  Fälle  sind  davon 
ausgenommen.  Ausserdem  kann  man  es  verbieten ,  wo  Jemand 
durch  nicht  nothwendige  Käufe  Andern  Theurung  macht ,  . . . 
„l.  negociatores  ihi.  nc  commodum  mercandi  excedant  C.  de 
epis.  an.  et  ihi  p.  doc.  doselbst  stet  auch  geschriben,  das  die 
regenten  mögen  Statuten  machen,  das  nimants  aulf  einem 
margktage  meer  kauff'e ,  dan  drei  ader  vier  scheffel  körns  etc. 
also  auch  in  andere  wäre  vi.  ih."  Sachen  zu  verkaufen,  ist 
vielfach  verboten,  so:  falsche  Güter,  geistliche  Güter 
..ane  geburliche  solennitetin , "  kriegerische  (worüber  ein 
rechter  Krieg  schwebt)  u.  a. 

(E.  6):  Nun  vormerckt  auch,  das  etzliche  betrigliche 
kaufleute  sein  in  kurczen  iaren  in  einbosze  furnemen  gekomen, 
vnn  also,  wen  sie  iren  gläubigem  eine  mergkliche  summe 
geldes  schuldig  worden  sein,  so  werden  sie  eyszeren  ader 
faren  gen  straszburgk  vnn  entlauff'en  (vnn  das  Ifeist 
man  nun  czur  czeit  auffgestanden)  vnn  erwerben  dan  pri- 
uilegia  ader  re scripta  von  fursten  vnn  steten,  das  man 
solche  czu  etzlichen  iaren  nicht  manen.  nach  rechtlichen  aufur- 
dern  kan  noch  magk.  ...  Etzliche  kaufschlaen  vnn  handeln 
vnn  wandeln ,  also  das  sie  czufellig  vnd  durch  vnglucke  vnn 
bosze  vnkauffe  in  ein  armut  fallen,   das  sie   iren  gläubigem 


X.  Archivalische  Beilagen.  Beilage  E.  601 

nicht  C7A1  lialten  mögen ;  dieselbigen ,  so  solche  nacli  ordenunge 
der  reclit  iren  armut  warliaflFtig  sweren  vnn  vormittelst  irem 
eyde  geloben ,  so  yn  got  wider  zu  einem  bessern  glucke  vnn 
czu  einer  besserunge  irer  narunge  hilftet,  das  sie  alsdan  ire 
glaubiger  gerne  beczalen  wollen  ader  cediren  bonis  ader  abtre- 
ten vnn  vorlassen  alles,  was  sie  haben,  vnn  vormogen,  die 
mögen  solchs  thun  . .  ane  sunde.  per  c.  ocloardiis.  et  ihi  per 
scri.  che.  extra  de  soh(.  Et  p.  totum  ti.  C.  qui  honis  cedere 
2WS.  rt  vide  ibidem  Ixd.  sup.  ruhrica.  Thun  sie  aber  solchs 
betriglich.  auff  das,  das  sie  mit  iren  gläubigem  lenger  t(3rmyn 
der  beczalunge  machen  mögen  vnd  notigen  ire  glaubiger  do 
hin .  das  sie  kaum  die  helffte  von  yn  beczalt  nemen ,  auff  das 
sie  etwas  von  yn  krigen.  Solche  kaufleute ,  dy  man  billicher 
lauffleute  heissen  sal ,  sein  (mit  czuchten  czu  reden)  der  leute 
betriger  vnnd  aller  schände  wirdig  vnd  sein  anruchtige  leute... 
Ynd  die  selbige  betrigiiche  kaufleute ,  die  also  solche  eyszeren 
betrigliche  menschen  werden,  lernet  man  erkennen  aus  iren 
wercken ,  wie  from  das  sie  sein.  Dan  wen  sie  nawe  termin  auff 
halb  ader  das  dritte  teil  der  schulde  czu  beczalen  mit  iren 
gläubigem  gemacht  haben  so  sein  sie  -wider  reicher  kaufleute 
geworden ,  dan  sie  gewest  sein  vnn  füren  also  als  grosse  hen- 
del ,  also  gros  sy  solche  czuuorn  ye  gefurt  haben. . .  —  Ein 
Fürst  und  eine  Stadt ,  ,.  die  für  sich  selbst  ire  oberkeit  hat  vnn 
freyheit,"  kann  dergleichen  Kaufleuten  Privilegien  ertheilen, 
wonach  die  Gläubiger  sie  eine  bestimmte  Zeit  hindurch  nicht 
mahnen  dürfen,  dagegen  für  alle  Zeit  dürfen  sie  es  nicht  thun. 
(E.  6") :  Furder  sal  man  vormercken ,  das  vnter  kaufleu- 
ten  vnn  den  menschen,  dy  do  nicht  ire  beweiszunge  nach 
der  scherffe  der  rechte  thun  dorffen,  sal  man  in  iren  recht- 
lichen irrigen  Sachen  gelinder  vnn  leichter  rechtli- 
che beweisung  in  iren  Sachen  czu  lassen,  vnn  dornach 
rechtlichen  vrteilen ,  den  man  sunst  in  allen  andern  rechtlichen 
Sachen  pfleget  czu  thuende.  als  nemlich  man  sal  beselion  der 
kaufleute  register  vnn  czu  hilff'e  irer  beweisunge  nemen,  als 
was  czu  der  sache  gcdinen  magk.  p.  I.  id  quod  panpcrihuf;  p. 
hol.  ihi  vndecimo  qiiero.  C.  de  epis.  et  cJe.  dan  dy  heiigen  recht 
in  Sachen ,  do  man  nicht  kan  ader  swerlichen  magk  clarliche 


602  X.  Archivalische  Beilagen.  Beilage  E. 

beweisunge  f'uvoii,  werden  viin  sein  gesetiget  in  beweisunge 
p.  conjcdiiras  vnn  durch  die  vmbstende  einer  sache  p.  hal.  si 
quis  in  hoc  gcniis  C.  de  cpis.  et  cle.  hur.  in  l.  de pupillo  §.  si 
quis  D.  de  no.  ope.  nunc.  VIIL  Die  heiigen  geistlichen  recht 
in  c.  licet  ex  qiiadam  de  tcsti.  Vnn  mercke  auch ,  das  der  kauf- 
leute  diner  ad  er  ire  facto  r  sein  schuldig  iren  hern  durch 
recht  rechen  seh  äfft  czu  thuende,  wan  sie  es  von  yn  begern, 
auch  wan  sie  yn  schon  einsmals  rechenschafft  gethan  haben. 
p.  l.  vnicam  C.de  erro.  cal.  Es  sey  dan  sache,  das  sie  sich  der- 
halbeu  vnter  einander  vortragen  haben  ader  durch  ein  entliche 
vrteil  durch  recht  von  einander  geurtelt  vnn  entscheiden  wor- 
den sein ,  vnn  also  das  die  diner  nach  getaner  rechnunge  fur- 
der  iren  herren  nicht  meer  schuldig  sein  sollen  czu  rechten, 
vt  ibidem  p.  l.  vnicam  vnn  der  vberwunden  wirt ,  das  er  fal- 
sche rechenschafft  seinem  hern  gethan,  meer  ader  weniger 
angeschriben  vnd  in  die  rechenung  gebracht  hat,  derselbige 
ist  anruchtigk ,  infamis  vnd  vntuchtig ,  l.  furti.  §.  fi  et  ihi  p. 
doc.  et  ange.  D.  de  Jdis ,  qui  no.  infa. 

Kein  Kaufmann  soll  verbotene  Waaren  den  offenbaren 
Feinden  des  „romischen  volckes"  zuführen,  als  buchsen, 
puluer,  armbroste,  helmbarten,  wein,  getreide 
etc.  auch  vorbiten  die  recht  iren  legaten  vnn  sendeboten,  so 
sie  in  ire  stete  komen ,  solche  wäre  nicht  czuuorkauffen ,  auch 
Silber  nach  golt  yn  czu  füren  vnn  vorkauflfen  bei  vorlisunge 
des  lebens ,  vnn  abschlagunge  des  haupts ,  vnn  vorlisung  aller 
guter,  nach  werntlichen  rechten.  Nach  geistlichem  rechte 
bei  vorlisunge  der  guter ,  vnn  bei  dem  banne ,  vnn  die  selbige 
die  es  thun .  die  werden  eigene  leute  der  ihenigen ,  die  sie  dor- 
vber  begreiffen  vnn  gefangen  nemen.  Allen  Gewinn  aus  sol- 
chem Kaufgeschäft  sollen  sie  zur  Eroberung  des  heiligen  Gra- 
bes geben. . . 

(F.  1'):  Es  ist  auch  czu  uormercken,  das  die  kaufleute, 
so  sie  rechtlichen  mit  ymants  iren  widerparten  czu  thun  haben 
vnn  czihen  vnn  referiren  sich  der  sache  halben  auff 
ire  bucher,  so  sein  sie  durch  recht  schuldig,  solche  ire  bu- 
cher in  gerichte  vorczu  legen  vnn  czuforderst  des  artikels, 
des  sie  irrig  henge ,  domit  ein  richter  aus  solchen  buchern  sich 


X.  Archivalische  Beilagen.  Beilage  E.  603 

der  warheit  erkunden  möge.  Also  sprechen  die  heiigen  recht 
p.  noia  InJ.ptor.  alt.  D.de.cdc».  vnn  ein  kanffman ,  der  von 
einem  menschen  gelt  gelihen  hat,  so  ist  die  vormutunge  im 
rechten ,  das  er  solch  gelihen  gelt  czu  seiner  kauffmanschafft 
gelihen  hat.  p.  har.  in.  l.  macedoniani  ad  fi.  C.  ad  mace.  et  l.  fi. 
e.  ti.  vhi  tex.  est  notabilis. 

(F.  2):  Befeit  ein  mergkliche  frage  czu  rechte,  ab  auch 
die  b  u  c  h  e  r  vnn  r  e  g  i  s  t  e  r  der  kaufleute  im  rechte  ein  besten- 
d  i  g  e  b  e  w  e  i  s  u  n  g  thun  also  das  im  rechte  solcher  irer  bu- 
cher beweisunge  für  gnugsam  ader  für  ein  halbe  beweisung 
ader  far  keine  sollen  angesehen  werden.  Sprechen  die  heiigen 
recht  vnn  loszen  dise  frag  auf  vnn  sagen  das  nach  gemeinem 
rechte  der  kaufleute  bucher  nicht  probiren  noch  beweiszen ,  dan 
allein  wider  vnn  kegen  sich  selbst,  dy  solche  geschriben  ader 
schreiben  haben  lassen,  wiewol  das  sie  im  rechte  ein  mergk- 
lichen  czuuorsicht  vnn  presumption  der  warheit  anczeigen  vnn 
angeben  vnn  zufurderst ,  so  ein  kaufman  from  vnn  eins  guten 
loblichen  geruchtes  ist.  Also  sagen  dy  heiigen  recht  vnn  dy 
hochgelerten  hal.  in  l.  in  fi.  C.  de  eden.  et  p.  alex.  de  hii  consi. 
LIII  i.  vo.  hal.  ange  et  alex  in  l.  quedam  §.  nummularios  D. 
d.  eden.  Es  were  dan  sache,  das  ein  vorwerte  redliche  gewon- 
heit  ader  durch  ein  Statut  in  ein  lande  ader  in  einer  stat  gehal- 
ten vnn  ausgesatzt  were ,  daz  man  der  kaufleute  bucher  durch 
recht  gantzen  ader  halben  glauben  geben  solle,  also  spricht 
der  hochgelerte  d.  alex.  in  l.  quedam  §.  nummularios  in  prin. 
D.  de  eilen,  et  p.  non  in  c.  cum  dilcctus  de  ß.  instru.  Ader  das 
solche  bucher  der  kaufleute  weren  durch  der  kaufleute  gesworne 
eide  czu  gote  vnn  den  heiigen  einem  rat  Vnn  den  regirern  einer 
stat  bestetiget,  das  sie  czu  gote  vnd  den  heiigen  gesworen 
haben ,  nicbts  vnrechts  dorinne  czu  schreiben ,  vnn  werden 
also  solche  ire  bucher  durch  dy  regenten  einer  stat  bestetiget, 
so  probirten  solche  bucher  in  dem  falle  für  ein  lialbe  bewei- 
sunge im  rechte.  Also  spricht  der  hochgelerte  her  d.  bar.  in 
die.  l.  quedam  §.  nummularios  D.  de  eden  in  ft.  et  ihi  etiam  p. 
d.  alex.  Dreierlei  Privaturkunden,  „die  ..  sunderliche 
vnn  entzler  mensche  vrkunde  im  rechten  gehessen  Averden, 
giebt  es.  Die  erste  ist  ein  schrifft  vnn  vrkunde ,  dy  ein  mensche 


604  X.   Archivalische  Beilagen.  Beilage  E. 

(lein  andern  gibt  vovmittelst  seiner  hantschrift  ader  vnter  sei- 
nem sigel  ader  pitzschir  (apoca,  nppodissa.)"  Unterschrift. 
Anerkennung,  Ableugnung  von  Unterschrift  und  Siegel ,  Un- 
terschrift von  Schreibzeugen. 

(F.  2'):  Die  andere  vrkunde  einer  schrifft  ist  ein  buch 
der  rechen  schafft,  dorinne  dy  kaufleute,  handler  vnn 
Wandler  ire  thun  schreiben,  vnn  machen  solche  bucher  aus 
irem  freien  willen  vnn  nach  irem  gefallen,  vnn  dise  schrift 
vnterscheide  auch  als  hernach  volget.  Entz weder  in  demsel- 
ben buche  stet  etwas  geschriben ,  das  kegen  vnn  wider  den  ist, 
der  es  geschriben  habe ,  ader  durch  seinen  diener  (der  czu  sol- 
chem von  im  czu  thungesatzt  vnn  vorordent  worden  ist)  schrei- 
ben lassen,  vnn  da  thut  solche  schrifft  ein  volkommene  bewey- 
sunge.  Exemplum.  So  ein  kauflfman  ader  handler  geschriben 
bette  in  sein  buch,  das  im  N.  hundert  gülden  beczalt  bette, 
geb  ein  volkommene  beweisung  p.  die.  l.  qiiedam  §.  nummula- 
rios  D.  d.  eden.  Entzweder,  obgemeldes  buch  helt  etwas  geschri- 
bens  in  sich,  das  dem  einschreiber  czu  gute  kommet,  ader 
kommen  magk ,  das  vnterscheidt  also.  Entzweder  solch  ein- 
geschriben  thun  henget  vnn  helt  sich  allein  in  des  einschrei- 
bers  eigenem  willen  vnn  thun  bei  im  selbst  vnn  betrift  yn 
allein  vnn  nicht  andere  menschen.  Exemplum ,  so  im  ein  erbe 
angestorben  were ,  vnn  er  bette  solche  wort  vnn  solchen  seinen 
willen  in  sem  buch  geschriben ,  das  er  solches  erbe  nicht  wolte 
anneraen,  besunder  repudiren  ader  der  gleiche  feile,  so  gibt 
solche  seine  schrift  eine  bestendige  beweisung  p.  l.  nenseni.  B. 
d.  nego.  gest.  Entzweder  obgemeltes  buch  helt  etwas  geschri- 
bens  in  sich,  das  do  nicht  allein  den  einschreiber,  auch  nicht 
allein  des  einschreibers  willen  vu  thun  betrift ,  besunder  auch 
einen  andere  menschen,  vnn  in  dem  falle  so  tliut  solch  buch 
keine  bestendige  rechtliche  beweisunge  für  den  emschreiber 
p.  I.  exemplo  C.  de  pha.  l.  instrumenta,  et  l.  ronnes  e.  ti.  Idoch 
spricht  der  hochgelerte  her  d.  bar.  das  solche  schrifft  nach  sei- 
nem wan  ein  grosse  vermutunge  vnn  rechtliche  presumtion  in 
sich  helt  der  warheit,  als  ferne  der  selbige  kaufman  vnn  hand- 
ler eins  guten  geruchtes  ein  man  gewest  ist  ar.  l.  qui  cum 
maior.  §.  si  D.  de  ho.  liher.  et  Jioc  voluit  ctiam  dicere  tex.  in 


X.    Arcliivalische  Beilagen.   Beilage  E.  605 

die.  l.  ronncs.  C.  de.  pha.  Entzweder  in  soldiem  buche  stet 
geschribeii  ein  tliun.  das  keine  beweisunge  bvenget  vnn  czu 
gute  kommet  nach  für  den  einschveiber ,  der  solchs  eingeschri- 
ben  hat,  noch  wider  \^n.  Exemplum  als  wan  einer  einschribe 
in  eins  handlers  buch  ader  liesze  einschreiben,  das  er  seinem 
wirt  für  seine  kost  X  gülden  beczalt  vnn  gegeben  hette ,  vnn 
hette  der  wirt  solche  von  im  entpfangen ,  dan  in  dem  falle  so 
solcher  handler  eins  solchen  thuns  ein  teglicher  handler  were, 
das  man  in  seine  bucher  pflegte  einczuschreiben,  wem  vnn 
wasser  beczalunge  man  teglichen  thete,  so  gibt  solch  ein- 
schreiben ein  halbe  volkommene  beweisunge.  ar.  cor.  q.  notant 
in  die.  l.  quedam  §.  nummidarios  D.  de  eden.  vi  etiam  sjyecie 
in  ti.  d.  insfr.  edi  §.  nunc  vidcnduni  post  medium  in  ver.  licet 
aut.  Do  selbst  spricht  der  speculator,  das  man  ein  rechen 
buch  eins  kauffmans  mit  einem  lebendigen  geczeuge  volle 
rechtliche  beweisunge  thun  vnn  doraufl:"  sagen  die  hochgeler- 
ten  pe.  de.  hei.  parti.  vnn  Cy.  das  solche  seiner  spruch  swer 
ist  czu  glauben,  dan  so  solchs  war  were  vnn  die  warheit 
auff  sich  trüge,  so  kundt  ein  handler  balde  etwas  in  sein 
rechenbuch  schreiben,  auff  das  er  ein  halbe  vollstendige 
rechtliche  beweisunge  hette,  seins  furnemens,  das  do  vnbil- 
lich  were,  als  do  spricht  der  hochgelerte  io.  an.  in  e.  f\. 
de  fi.  instru. 

Die  dritte  vrkunde  einer  schrifl't,  die  heist  ein  sende- 
briff,  der  do  von  einem  dem  andern  czugesant  vnn  czugesagt 
wirt,  vnn  do  von  sagen  die  heiigen  recht,  wie  oben  gesagt  ist 
von  einer  vrkunde  eins  menschen  hantschrift ,  ader  der  einem 
einen  briff  unter  seinem  sigel  vnn  pitzschir  gegeben  vnn  czu- 
geschickt  hette ,  allein  daz  ausgenommen ,  das  man  einen  sol- 
chen sentl)riff  vmb  der  vorgleichunge  vnn  comparacionen  willen 
der  selbigen  schrift  eins  andern  seins  gegeben  ader  geschriben 
brifs  vollen  bestendigen  glauben  gibt,  also  spricht  der  hoch- 
gelerte her  d.  bar.  in  l.  nuda  D.  de  dona.  cidt  illunt  ib.  Idoch 
wan  einer  dem  andern  einen  briö'  schribe  vnn  befule  im  seinen 
sun  ader  seinen  freunt,  bittende,  daz  er  auf  3'n  em  aufsehen 
haben  wolte  vnn  entliche  nu  auf  solch  sein  schreiben  gelt,  daz 
dorfte   der   vater   actione  mandati    vnn   aus   crafft  gethanes 


60G  X.    Aiiliivalisclio  Boiliigon.   Beilage  E. 

beuellis  iiiclit  beczalcn.  als  die  lieilgen  recht  sagen  inJ.  si  vero 
non  roiiuncramVi  §.  cum  qnidam  D.  man. 

(F.  3.):  Der  Contrakt,  wonach  das  Pfand  beim  Zahhings- 
ver/uge  an  Gläubiger  als  Eigenthum  fällt,  ist  wucherlich 
(auch  bei  Kaufleuten).  Das  Pfand  muss  vielmehr,  nach 
Scliätzuug  frommer  Biedermänner  verkauft  und  der  Ueber- 
schuss  an  Schuldner  gegeben  werden. 

Der  KaufaufWiderkaufist  zulässig,  wenn  der  Wie- 
derkauf bei  dem  freien  Willen  des  Verkäufers  steht ;  desglei- 
chen der  Kauf  mit  der  Resolutivbedingung ,  wenn  in  bestimm- 
ter Zeit  ein  Käufer  mit  besseren  Anerbieten  kommt  (der  erste 
Käufer  bezieht  bis  zum  Eintritt  der  Bedingung  die  Früchte). 
Hängt  der  Wiederverkauf  dagegen  vom  Willen  des  Käufers 
ab  (so  auch  bei  dem  Rentenkaufe  in  seiner  späteren  Entwick- 
lung), „solch  pact  vnn  bedinge  tregt  auff  sich  ein  wucheri- 
schen betrigk  vnn  schalkheit  vnn  ist  an  im  selbst  wucher." 

(F.  S""):  Schliesslich  folgen  die  Regeln  frommer  Kauf- 
mannschaft, gewidmet  von  Chr.  Kuppener  „den  erbarn 
vnn  vorsichtigem  hern  Hanszen  Hummelszhayn  dem  eitern 
meinem  sweher  vnn  Andreszen  Matstet  meinem  swager,  beide 
Rats  hern  czu  Leiptzk. 

1)  Der  Verkäufer  soll  nur  „czimlich  recht  geld" 
fordern  2)  keine  irgend  wie  gefälschte  Waare  verkaufen, 
3)  der  Kauf  soll  dem  Gemeinwesen  nützen  (F.  4).  4)  der 
Gewinn  des  Kaufgeschäftes  soll  nicht  aus  Habgier,  sondern 
als  Ersatz  der  aufgewandten  Arbeit  genommen  werden  (F.  4'), 
5)  so  wie  als  Ersatz  der  Besserung  der  Waare ,  der  Aus- 
lagen, der  Gefahr,  6)  so  wie  als  Ersatz  des  besonderen 
Schadens,  welcher  dem  Verkäufer  durch  den  gezwungeneu 
Verkauf  erwächst ,  7)  Aufkäufe  vor  Theurung  sind  für  die 
Nothdurft  des  eigenen  Hauses  oder  des  Gemeinwesens,  dem 
die  aufgekaufte  Waare  später  billig  verkauft  wird,  gestattet. 

8)  Der  Verkäufer  darf  nicht  zu  dem  von  den  öffentlichen  Ab- 
schätzern  gesetzten  Preise  seine  Waare  verkaufen,  wenn  er 
weiss,  dass  die  Abschätzer  sich   zu  seinem  Vortheile   irrten. 

9)  Der  Preis  bei  Kauf  auf  Credit  darf  nicht  höher,  als 
bei  Kauf  gegen  haar  sein  „  sunst  verkaufft  er  die  czeit  gots, 


X.  Archivalische  Beilagen.  Beilage  E.  607 

die  iiiclit  sein  ist."  Dagegen  kann  für  Kauf  gegen  baar  der 
Preis  veiinindort  werden  ,  ,.domit  er  furder  mit  solchem  beczal- 
ten  gelde  sein  bestes  tlmn  mochte.''  (F.  5.)  10)  Der  Verkäu- 
fer soll  iiiclit  theurer  verkaufen  an  einen  einfältigen  Men- 
schen oder  einen  solchen,  welchen  die  Noth  oder  das  Zure- 
den des  Verkäufers  zum  Kaufe  trieben.  11)  Kein  Händler 
oder  Handwerker  soll  für  seine  Arbeit  wegen  seiner  Mühe 
daran  melir  nehmen,  als  sie  werth  ist,  soll  auch  nicht 
schlechte  Arbeit  als  gute  verkaufen,  ausser  w;enn  der  Käu- 
fer aus  eigener  Wahrnehnmng  oder  durch  das  „geruchte" 
wusste,  die  Arbeit  sei  schlecht.  (F.  5").  12)  Aufkäufe  sol- 
len nicht  gemacht  werden,  um  Theuerung  zu  bewirken 
oder  aus  Theuerung  zu  gewinnen  (sie  sind  wucherlich). 
13)  Schlechte  Waare  oder  Arbeit  soll  nicht  als  gute  ver- 
kauft werden,  ausser  wenn  der  Preis  auch  der  schlechten 
Waare  entspricht.  14)  Der  Kaufmann  soll,  wo  es  ohne  sei- 
nen Schaden  geschieht ,  seinem  Nebenmenschen  im  Kaufhan- 
del helfen.  15)  Ohne  eigene  Gefahr  oder  Unkosten  soll 
man  keine  Waare  sogleich  nach  oder  gar  vor  dem  Einkaufe 
derselben  theurer,  als  zum  Kaufpreise  verkaufen,  sonst  begeht 
man  Wucher.  1 6)  Der  Gewinn  der  Wechsler  ist  bedingt ,  wie 
derjenige  der  Kaufleute  (F.  6)  (cf.  ob.  Beil.  E.  n.  2.) 

Domit  sollen  ein  ende  haben  czu  deutsch  dise  consilia 
vnn  ratschlege,  got  dem  almechtigen  vnn  seiner  gebenedeiten 
hocliwirdigsten  muter  vnn  iunckfrawen  Marien  vnn  allen  liben 
heiigen,  czu  lobe  vnn  czu  eren  vnn  gemeinem  stände  aller 
handler  vnn  wandler  czu  nutze ,  tröste  vnn  Seligkeit  gemacht 
vnn  in  der  fürstlichen  stat  czu  Leiptzk  gedruckt.  —  Bittet 
got  den  almechtigen  für  den  ,  der  solche  obgenante  ratschlege 
durch  dy  gnade  gots  gemacht  hat  mit  einem  innigen  vater 
vnser  ^)  vnn  aue  maria.  Am  obent  der  heiigen  iunckfrawen 
Margareten  geendet  nach  gots  geburt  tauseut  funff  hundert 


1)  Ein  Beis]iiol,  dass  bereits  vor  Luther  die  Form  „Vater  unser" 
vorkam,  ja  sogar  allgemein  gebrcäuchlirh  war.  cf.  J.  W.  Blaufusz, 
vermischte  Beiträge  zur  Kenntniss  seltner  Bücher.  Jena  1753.  I.  p.  74  if., 
der  eben  dieser  Form  wegen  auf  Kuppencrs  sonst  unbekannt  gewordenes 
Buch  verwies,   cf.  Mut  her  (Jahrb.  1.  c.  VI.  p.  192.). 


G08  X.    Arcliivalisclie  Beilagen.   Beilage  E.  a. 

viin  in  dorn  achten  iare.  Mit  furbehaltunge  vnn  bedingunge 
besser  ratslesie  in  diser  materia  eins  itzliclien  liocligerlertens, 
der  solchs  durch  recht  bessert  vnnd  deutlicher  deutschen  vor- 
stehen vnn  vornemen  niagk  auch  vnterwerffunge  aller  straffe 
vnn  correction  der  heiigen  cristlichen  kirchen ,  vnn  bittet  sol- 
che ratsclilege  nicht  eins  mael  besunder  vilmael  czu  vberleszen 
vnd  vleissigk  czu  betrachten ,  so  wirt  man  solche  ye  meer  vnd 
meer  im  gründe  schepffen  vnd  vorstehen  vnd  dester  behagli- 
cher sein  solche  czu  lesen  vnn  sich  dornach  czu  richten.  Amen. 
Gedruckt  czu  Leiptzk  durch  Melchor  Lotter. 


Beilage    E.  a. 

Die  städtischen  und  ])rivaten  Banken  in  Frankfurt  a.  M. 
am  Anfange  des  Ih.  Jahrhunderts. 

"  Dem  Frankfurter  Eathe  verlieh  Kaiser  Ludwig  der  Baier 
1346  das  Regal  des  Handwechsels  (Wessil).  Kaiser  Karl  IV. 
bestätigte  dies  mit  ausdrücklichem  Hinweis  auf  die  dafür 
nöthige  Städtwage  für  Gold  und  Silber  1355  und  1366.  ^)  Das 
Münzprägerrecht  gestattete  der  erstere  Kaiser  dem  Eathe 
1346  für  „dein  gelt",  indem  er  ilim  einen  kaiserlichen  Münz- 
meister (Henirich  vnser  goltschmidt)  und  als  dessen  Stellver- 


1)  Böhmer,  Urk.  Buch  p.  606.  (1346).  —  Orth,  Abhandlung  von 
den  2  Eeichsmessen  in  Frankfurt  a.  M.  1765.  p.  676.  (1346)  p.  664  (1355): 
„wir  ..  haben  besunnen  den  bresten  u.  unrad,  der  da  bisher  ist  gewesen 
in  unser  und  des  heiligen  reichs  stat  zu  Frankenfurd  an  der  wagen,  da 
man  gült  und  silberne  myde  wyget,...  darunib  so  wüllen  wir, 
. .  daz  sy  fürbaz  me  die  wagen  innemen  und  behaben  sullen ,  . .  besezen 
und  bestellen ,  daz  eyme  ieglichen ,  er  sy  burger  oder  gast ,  geschee  daz 
recht . .  sy ,  als  ferne  sy  daz  schaffen  besezen  und  bestellen  kunnent  oder 
mögent  . .  und  wie  die  Scheffen  und  der  Rait  die  wagen  besezen  und 
bestellen  oder  mit  weme ,  wuUen  wir  daz  daz  von  unsern  und  des  heiigen 
reichs  wegen  craft  und  macht  habe. .  "  Das  Privileg  Karls  IV.  von  1366 
erhöht  die  Abgabe  für  lOü  gülden,  die  auf  der  Stadtwage  gewogen  wor- 
den ,  von  8  auf  12  Heller  und  für  1  nirk.  Silber  auf  2  Heller.  Orth,  ib. 
p.  663. 


X.   Archivalischc  BeUaj,''en.   Beilage  E.  a.  609 

treter  den  dortigen  Schiiltheissen  zum  Beiratlie  gab  „  als  lang, 
bisz  dasz  wir  einen  Versucher  darzu  geben  vnd  setzen."') 
Kaiser  Sigismund  führt  1418  bei  Einsetzung  neuer  Münzen 
2  Münzmeister  das.  auf,  ausserdem  erwähnt  er  „unsern  war- 
deiner ,  den  der  Rath  zu  Fr.  gesetzt  hat , "  der  die  neuausge- 
henden Münzen ,  so  wie  das  zu  Münzen  umgeprägte  Metall 
in  qudJi  et  qitanto  prüft.  Die  Münzmeister  dagegen  überneh- 
men die  Prägung  selbst  und  zahlen  von  dem  Quantum  des 
vermünzten  IMetalles  eine  bestimmte  Abgabe  an  den  Kaiser. 
Gold  und  Silber  sollen  ni  Fr.  nur  die  M  ü  ii  z  m  e  i  s  t  e  r  kaufen 
und  wechseln,  und  „der  s  t  a  d  t  g  e  s  c  h  w  o  r  n  e  w  e  g  s  - 
1er,"  doch  auch  diese  müssen  ihr  gekauftes  und  gewechseltes 
Metall  nur  .,in  unser  müntze  brengen." -)  Dem  Fr.  Käthe 
gestattet  Sigismund  1428,  kleine  silberne  Münzen  zu  prägen, 
1429  aber  giebt  er  ihm  das  Münzprägerecht  auch  für  Gold- 
münzen und  die  Befugniss,  Münzmeister,  Münzer,  Wardeiner, 
Eisengräber  (d.  h.  Münzeisenschneider,  Stempelschneider)  u.  a. 
ein  -  und  abzusetzen.  Der  Rath  soll  dafür  eine  bestimmte  Ab- 
gabe von  dem  Quantum  des  gemünzten  Goldes  (Schlagschatz) 
an  die  kaiserliche  Kammer  zahlen ,  oder  damit  eüien  Wardei- 
ner besolden  und  dem  Bevollmächtigten  des  Kaisers  jederzeit 
Rechnung  thun.  ^) 

Das  Regal  des  Geldwechsels  behielt  der  Frankfurter  Rath 
während  des  Mittelalters ,  Hausgenossen  als  eigentliche  Inha- 
ber dieses  Regals  gab  es  hier  nicht.  So  stellen  sich  die  Frank- 
furter Wechselverhältnisse  den  deutschen  theilweise  entgegen 
(cf.  oben  im  Texte  p.  353  if.) ')  Die  Ausübung  des  Regales 
aber  übertrug  der  Rath  den  Nebenwechslern  (oben  p.  357) , 
„W esse  1er"  genannt,  1368  sechszehn,  später  drei  bis  vier, 
darunter  einige  aus  den  angesehensten  und  reichsten  Handels- 
familien der  Stadt.     Auch  Frauen  werden  als  Wechslerinnen 


Ij  Orth,  ib.  i).B77.  cf.  dem  gegenüber  ob.  im  Texte  S.353.  2)  Urk. 
bei  Orth,  Reichsiiiessen  p.  671.  672.  3)  Urk.  bei  Orth.  ib.  p.  674. 
4)  cf.  Orth,  Aiimerk.  zur  Reform.  4.  Forts,  p.  1241.  —  Ders. ,  Rcich.s- 
messen  p.  332.  N.  b.  Hirsch,  Miinzarch.  I.  Vorr.  §.  28. 

Neumann,  Gesch.  d.  Wuchers.  b\) 


GIO  X.    Arohivalisclie  Beilagen.   Beilage  E.  a. 

genannt,  so  1368:  sechs.  ^)  Indess  lieissen  diese  Frauen 
AVechslerinnen  vielleicht,  wie  in  Hamburg  (cf.  ob.p.  359.N.  1.), 
nur  als  Eigenthümer  von  Wechselhäusern  oder  Wechselbän- 
ken ,  während  sie  selbst  den  Wechsel  nicht  ausübten.  Wenig- 
stens tritt  der  Wechselbetrieb  in  Frankfurt  als  Realgewerbe 
auf,  da  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  die  Wechsler  meist 
nur  mit  dem  Namen  der  Wechselbänke  bezeichnet  wurden.  ^) 
Die  Wechsler  schworen,  dass  sie  vondemGelde,  das  ihnen  der 
Eath  leiht,  keinen  Heller  aus  der  Stadt  führen  oder  führen  lassen, 
noch  damit  handeln  (d.  h.  nur  Waarenhaudel  cf.  u.),  sondern  allein 
damit  den  Wechsel  halten  wollten,  auch  Niemandem  mehr 
als  1  fl. ,  noch  weniger  als  24  Schillinge  auf  einmal  geben  wür- 
den. ^)  Von  jedem  Handwechsel  zahlten  sie  der  Stadt  eine 
Abgabe  für  das  Wiegen  des  Geldes  auf  der  städtischen  Geld  - 
(Gulden  - ,  silbern  -  Wage).  ^)  Eine  weitere  Abgabe  ausser 
diesem  Wiegegelde  zahlten  die  Wechsler  nicht.  Daher  musste 
das  Geschäft  derselben  um  so  einträglicher  werden,  weil  in, 
wie  ausser  den  Messen  in  Frankfurt  nur  mit  den  hier  gesetz- 
lich anerkannten  Zahlungsmitteln  gezahlt  werden  durfte,  und 
weil  insbesondere  der  Eath ,  doch  auch  Privatleute  ihre  Baar- 
beträge  bis  zu  deren  anderweiter  Benutzung  bei  den  Wechs- 
lern deponirten  mid  anlegten  (cf.  ob.  p.  348  ff.  354.  396.).^) 

1402  „bestellte  der  Rath  den  Wessil."  Er  errichtete  eüie 
Handelsbank,  deren  kaufmännische  Geschäfte  er  mit  sei- 
nem eingeschossenen  Kapitale   durch   seine  gemietheten  (14) 


1)  cf.  Kriegk,  Frankf.  Zustände  und  Bürgerzwiste  p.  335.  —  Auch 
ist  1349  —  54  Frau  Irniengard  Aufseherin  und  Geldeinnehmerin  an  der 
Stadtwage,  und  1395  pachtet  Frau  Else  zum  Schwalbecher  den  Lein- 
wandzoll  daselbst.  2)  »So :  „  der  Giseler ,  der  Quydenbaum  ,  der  alte 
Burggraf."   Kriegk.  ibid.  p.  335.  3)  Orth,   Reichsmessen  p.  335. 

4)  Seit  1402  bestanden  hier  eine  Gold  -  ,  drei  Silber  - ,  und  mehrere  Pre- 
tiosenwagen, cf.  Kriegk,  1.  c.  p.  334.  5)  Orth,  Eeichsmessen  p.  333. 
334.  Kriegk,  1.  c.  p.  334.  u.  Anm.  204  (1397),  ein  Testament  eines  Ka- 
nonikers, darin:  „idem  dictus  testator  asseruit ,  se  habere  300  fl.  ajmd 
Johannem  Appenheimer ,  oppidanum  Franckefordenum  (es  war  ein 
Wechsler) ,  quoriim  200  legavit  et  donavit  nomine  dotis  Katharine  filie 
suifratris.  Item  reliqiios  100  fl.  apud  Joh.  Appenheimer ,  ut  perfertur, 
existentes. ."  cf.  ob.  p.  520  ff. 


X.  Archivalische  Beilagen.  Beilage  E.a.  Gll 

Geschäftsleute  besorgen  Hess.  900  fl.  gab  er  der  Bank  als 
Stammkapital  und  Hess  ausserdem  nieliv  als  1500  fl.,  welclie 
die  Stadtkasse  damals  zu  beziehen  hatte ,  durch  die  Bank  ein- 
kassiren.  Privatleute  durften  von  Anfang  an  ihre  Gelder  bei 
derselben  deponiren  und  anlegen.  So  bestanden  die  Geschäfte 
dieser  Bank  wesentlich  in  Handwechsel,  Depositen  fremder, 
wie  eigener  Gelder  und  in  Geldgeschäften  (besonders  zinsbaren 
Darlehen.)  ^)  Die  von  den  Privaten  bei  der  Bank  angelegten 
Gelder  schützte  derRath  zu  seinem  eigenen  Vortheile  durch  das 
Gesetz  vom  October  1402  gegen  alle  Angriffe  dahin  „das  alles 
gelt ,  es  sy  was  es  sy ,  das  für  der  stede  Wechsel  gelacht  wirt, 
sulle  gut  geleit  haben,  also  das  es  nj^mant  sulle  oder  möge 
bekommern  oder  off  halden." 

Schon  1403  indess  errichtete  der  Rath  statt  jener  Bank 
vier  von  einander  unabhängige  neue  Banken ,  deren  eine  er 
selbst,  wie  früher,  verwaltete,  die  übrigen  drei  dagegen  durch 
Concessionen  an  drei  Privatleute  vermiethete ,  Jekil  Humbrecht 
zu  Schonenstein.  Sift'id  Guldenschaff  und  Johann  Palmstorffer 
zum  Quydenbaum  (auch  gen.  Job.  Appinheimer.)  Die  zwei 
hiervon  erhaltenen  Concessionen  ^)  lauten  im  Wesentlichen  so: 

I.  Wir  der  Rat  zu  Fr.  erkennen  vnd  tun  kunt  öffentlich 
mit  diesem  briefe,  daz  Wir  mit  den  bescheiden  luden  Job. 
Palmstorf  vnd  Druden  siner eliche  h u s f r u  w e n  vbirkomen 
vnd  einmudig  worden  sin  vnd  sie  mit  vns ,  daz  wir  in  gegonet 
vnd  erleubit  hau  ..  den  wessil  in  irme  huse  zum  Quy- 
denbaum zu  triben,  zu  haben  vnd  zu  hantderen,  als  daz 
ufgesezt  vnd  gemacht  ist  oder  noch  gemacht  würde ,  mit  den 
vnderscheiden ,  vnd  m  aller  dermasze ,  als  hernach  geschriben 
stet  mit  namen,  so  ist  beredt,  daz  wir  der  Rat  vorgenant  für 
sie    an    den    wessil    bestellen    vnd    leyen    sollen 


1)  cf.  Kriegk,  1.  c.  p.  335'.  33G.  u.  Anm.  203,  wo  aus  dem  Eechen- 
buche  von  1402  eine  Uebersiclit  der  Bankgeschäfte  und  -Zahlungen 
gegeben  ist.  cf.  auch  Anni.  204.  ib.  Sabb.  post  Andrcae  1402 :  ,.  1400  guld. 
Job.  V.  Holtzhusz  vnd  Henne  v.  Breidenbacb ,  die  >vir  in  an  den  weszil 
gelacht  han  ,  in  da  niide  70  gülden  geldes  widderkauf  abezulosen ,  als  in 
daz  der  Rad  in  sinen  offin  brieifcn  virkundet  hat."  2)  cf.  Orth,  Ecichs- 
niessen  p.  709  ff. 

39* 


Ol '2  X.   Archivalischc  Beilagen.   Beilage  E.  a. 

'2000  11.,  (Iai7,u  die  vorg.  Hans  viid  Drude  auch  2000  fl. 
leyen  vnd  bestellen  sollen .  vnd  waz  mit  denselben  4000  fl.  vnd 
auch  mit  waz  gelde  oder  geldswevt  von  andvn  luden  für 
sie  an  den  wessil  gelacht  wirt,  sie  gewynnen,  vnde  darzu 
auch  waz  von  wessilgelde,  wiggeldc,  es  sye  von  gülden, 
gokle,  Silber,  perlen  oder  waz  daz  anders  ist,  daz  uft"  den  wes- 
sil gehört,  gefellit,  daz  sol  halb  vns  vnd  der  stat  Fr. 
in  vns  reehnunge  werden  vnd  gefallen  vnd  daz  ander  halb- 
teil  Hans  vnd  Druden  vorgenant,  vnd  sie  sollen  auch 
alles  mgegelt ,  als  vorgeschriben  stet,  von  dem  andern  gelde 
sundern  vnd  halden ,  vnd  sollen  sie  des  wessils  getruwlich  war- 
ten ,  vnd  burgern ,  kaufluden ,  gesten  vnd  allermenlich  vs  vnd 
in  recht  wiegen ,  es  sin  gülden,  golt,  silber,  perlen  oder  waz 
daz  sust  ist ,  daz  zu  dem  wessil  oder  darvf  gehöret  nach  irn 
besten  synne  vnd  zu  wigegelde ,  wessilgelde  vnd  sust  als  sich 
daz  gebieret  zu  nemeu  von  dem  riehen  als  vom  armen  ane  alle 
geverde.  Auch  ensoUen  sie  oder  nymand  von  irenwegen  kei- 
nerlei gude  gulde  münze ,  gude  turnosz ,  englische  heller  noch 
keinerley  andre  gude  münze  nit  erseigen  oder  uszleszen  sie  zu 
vertilgen  vnd  zu  verbrennen ,  nach  dem  als  uns  lieber  gnediger 
Herre  der  Komische  König  vnd  wir  der  Rat  zu  Fr.  das  vor- 
mals vorboden  hau ;  Auch  sollen  sie  daz  hus  zum  Quydenbaum 
darzu  lihen  vnd  vf  ermeide  bestelln  vnd  auch  ire  wagen  vnd 
andre  gereitschaft ,  als  man  zu  dem  wessil  bedorffende  ist, 
Auch  sollen  sie  von  der  vorgenanten  sache  vnd  wessils  wegen 
in  ydem  jare  zu  zwey malen,  mit  namen  nach  igiicher 
frankf.  messe  vns  in  vnser  reehnunge  antworten  vn- 
ser  teil,  mit  name  daz  wigegeld  besunder  halb  vnd  die 
ander  mnnunge  vnd  nuze,  als  vorgeschriben  stet  auch  halb. 
Wers  auch  sache,  daz  sich  eyncherley  sache  oder  zwejoinge 
uf  irem  dische  vnd  in  irem  huse  von  des  wessils  wegen  mechte, 
es  were  von  wessils  wegen  vs  oder -in  zugeben,  oder  wie  sich 
daz  anders  mechte ,  daz  sulden  sie  uf  ire  kost  vnd  schaden  ver- 
legen vnd  abetun,  Wer  aber  daz  der  wessil  vnderstanden 
wurde  m  gemeinschaft  abezutmi ,  Avie  daz  qweme ,  daz  sulden 
wir  allein  verlegen  vnd  verantworten ,  auch  wer  es  sache ,  daz 
sy  in  den  messen  eins  gesellen  oder  zweier  notweren  den  luden 


X.   Archivalisohe  Beilagen.   Beilage  E.a.  (jl3 

destebas  zu  andelogen  (liaiidroiclieii)  den  Ion  vnd  kost  sollen 
vnr  hall)  vnd  die  vorg.  Hans  vnd  Drude  auch  halb  verlegen 
vnd  bezahl.  Wers  auch  sache,  daz  wir  oder  vns  rechemei- 
stere  sie  vmb  geld  bede  zu  lihen  daz  mochte  sie  vns 
lihen  obe  sie  wulden.  Desselbengiicheu  gebürte  es  sich  also, 
daz  sie  sich  vbirkeuften  von  kaufmanschaft  wegen  die  zu 
wessil  gehöret  vnd  sie  vns  oder  vnsere  rechemeister  bede 
vmb  gel  de  zu  lihen,  daz  mochten  wir  in  lihen  obe  wir 
wulden  do  daz  vns  keyne  partey  der  ander  des  nit  verbunden 
sin  sal.  Auch  sollen  wir  yn  keine  vs  unsern  Rate  oder  kein 
ander  vberheubt  by  sie  an  den  wessil  sezen.  Diese  vor- 
gemelde  sache  sal  weren  diese  nesten  zukomenden  driwe 
jare,  vnd  darnach  als  lange  es  vns  von  beiden 
Seiten  gelüstet  vnd  ebenkompt."  (Soll  der  Vertrag 
nach  Ablauf  der  3  Jahre  nicht  fortgesetzt  werden ,  so  hat  jede 
Partei  V^  Jahr  zuvor  Kündigungsfrist.  Innerhalb  der  3  Jahre 
liaben  Hans  und  Drude  wegen  Noth  in  Lebensunterhalt  oder 
Krankheit,  und  wegen  Tod  V4  Jahr  Kündigungsfrist  und 
-recht)  dat.  anno  1403. 

n.  Ich  Jeckel  Hum brecht  vnd  ich  Grete  sin  eliche 
husfrauwe  erkennen  ofl'entlich  mit  disem  briefe,  daz  wir  mit 
den  . .  Burgmeister  Schelfen  vnd  Rade  zu  Fr.  von  ir  stede  we- 
gen vbirkomen  sin  ..  daz  sie  vns  gönnen  vnd  erleuben  den 
wessil  in  den  hütten  by  sant  Niclas  zutreiben  . .  daz  -wir 
kaufmanschaft  oder  wesziln  gewinnen  vnd  was  auch 
gefeilet  von  wigegelde,  es  syn  von  gülden,  golde,  silber, 
perlin  oder  waz  daz  anders  ist,  daz  uf  den  weszil  gebort,  daz 
sal  zw  ei  teil  den  vorgen.  Burgermeister  Scheflfen  vnd  Rade 
zu  Fr.  m  ire  rechnunge  gefallen  vnd  werden ,  vnd  daz  dritteteil 
mir  Jeckeln  vnd  Groden  vorgen.,  vnd  wir  sollen  auch  alles 
wigegelt,  als  vorgescliriben  steet,  von  dem  andern  gelde  sun- 
dern vnd  halden.  Auch  sollen  wir  . .  des  wessils  getruwelich 
warten  . .  bis :  virboden  hau  (wie  in  n.  I.).  Auch  sollen  vnd 
wollen  wir  von  des  wessils  vnd  sache  wegen ,  als  vorgescliri- 
ben stet,  in  ydem  jare  zu  zw  ein  malen  mit  name  nach 
iglich  Fr.  messe  den  vorgemelten  B.  S.  Rade  vnd  stat  in  ire 
r  e  c  h  n  u  n  g  e  antworten  i  r  d  e  i  1 ,  nach  dem  als  vorgeschri- 


61  i  X.   Airliivalitiolio  Beilagen.   Beilage  E.  a. 

bou  stet  viid  viuiersclieidcii  ist.  Wers  auch  sache,  daz  sich 
eyucherley  sache  oder  zweyunge  . . .  bis :  verlegen  vnd  bezaln  " 
(wie  in  nr.  l. ,  nur  dass  hier  der  Kath  %  i  <lie  Wechsler  Y3  für 
die  niehrangestellten  Gesellen  u.  s.  w.  zahlen.)  Der  Contrakt 
soll  auf  2  Jahre  gelten,  Jeckel  vnd  Grete  schwören,  den- 
selben zu  beobachten,  dat.  a.  Domini  1403  feria  die  Martini 
Episcopi. 

Diese  Banken  besorgten  daher  Handwechsel,  Depositen  des 
Raths  wie  der  Privatleute ,  und  kaufmännische  Geldgeschäfte 
(„Kaufmannschaft.")  Ueber  den  ersteren  als  über  fortlaufend 
blosse  Einnahmen  (mit  unbedeutenden  Auslagen)  ohne  fremde 
Kapitalien  führten  sie  besondere  Rechnungen.  ^)  Die  Geldge- 
schäfte der  Banken  werden  als  unbegrenzt  erwähnt,  eben  für 
dieselben  legten  der  Rath  und  Private  ihre  Suramen  bei  den 
Banken  an.  2)  Hierzu  gehörten  die  steten  Darlehen  gegen  Pfän- 
der, weshalb  auch  die  Pretiosen  in  obigen  Concessionen  erwähnt 
sind.  Die  Bauken  besorgten  ferner  Anweisungen  und  Wech- 
selbriefe ,  und  zahlten  gegen  diese ,  wenn  ihre  Deponenten  oder 
auswärtige  Kaufleute  auf  sie,  zumal  für  die  2  Frankfurter 
Messen,  gezogen  hatten.  '^)  (cf.  ob.  p.  361  ff.  N.  3.). 

Der  Rath  gab  für  diese  zwei  Banken  die  Hälfte  des  Stamm- 
kapitales ,  für  die  dritte  kein ,  für  die  vierte  das  ganze  Stamm- 
kapital. Dafür  bezog  er  auch  gegen  Bestreitung  ihrer  Aus- 
lagen, worunter  besonders  das  Gehalt  des  Verwalters  Cleszchin 
Wolkenburg,  den  ganzen  Gewinn  der  vierten  Bank.  ■*)  Bei  den 
drei  andern  Banken  dagegen  empfing  er  von  Palrastorflfer 
(1.  Bank)  V2  ^les  Wiegegeldes  und  andern  Gewinnes ,  von  Jekil 


1)  So  auch  in  den  städtischen  Rechmmgsbiichern.  Kriegk,  1.  c. 
p.  338.  2)  cf.  auch  Kriegk,  ib.  p.  338 flF.  u.  Anm.  205.  (1403)  „weszil 
und  kaufmanschaift  "  doch  nur,  ,,die  zum  weszil  gehöret"  d.  h.  Geldge- 
schäfte, ib.  Anm.  206.  207.  3)  cf.  Kriegk,  1.  c.  p.  339  u.  N.  1.  Eine 
Schuldverschreibung  schon  von  1391 ,  welche  ein  Strassburger  Ritter 
einem  Cölner  Handelshause  in  Prag  ausstellte ,  und  in  der  er  versprach, 
das  geliehene  Geld  in  der  nächsten  Frankfurter  Messe  an  jenes  Haus 
zurückzuzahlen.  4)  cf.  Kriegk,  ib.  p.  337.  340.  und  Anm.  205.  206. 
„Jahrlohn,"  und  ,,dem  Eathe  zu  wessiln  und  Kaufmannschafft  zu 
treiben." 


X.   Archivaliscbe  Beilagen.   Beilage  F.  615 

Humbrecht  (2.  Bank)  -/g  beider,  von  Guldenschaff  (3.  Bank) 
V2  des  Wiegegeldes,  Va  des  übrigen  GeAvinnes.  Später  zalilte 
jede  Bank  ^3  des  ganzen  Gewinnes  und  Wiegegeldes.  Zu  den- 
selben Bruch theilen  zahlte  der  ßath  auch  das  Gehalt  der 
Bankgehülten  in  den  Messen.  Alle  anderen  Ausgaben  trugen 
die  Bankhalter  allein ,  sie  allein  führten  ihre  Prozesse.  Nur, 
wenn  mit  beiderseitiger  Zustimmung  das  Geschäft  aufgelöst 
würde ,  sollte  der  Rath  für  die  daraus  entstehenden  Ansprüche 
Dritter  eintreten.  Auch  für  die  Banklokale  sorgten  die  Mie- 
ther alleiji.  p]ine  Bankcaution  indess  zahlten  sie  nicht.  *)  (ob. 
V.  5.  d.  besonders  p.  399  ff.). 

In  den  ersten  9  Jahren  ilires  Bestehens  schwankte  der 
Gewinn  des  Käthes  aus  den  Banken  zwischen  991  und  100  Gul- 
den jährlich.  991  Gulden  aber  waren  1409:  Vss  dergesamm- 
ten  Staatseinnahmen.  Sie  wirkten  so  günstig  auf  die  Finanz- 
wirthschaft  der  Stadt,  dass  seit  ihrer  Errichtung  der  Bath  viel 
weniger  Leibgedinge  und  Rentenkäufe ,  als  früher ,  abschloss, 
1409  —  11  sogar  keine.  Der  Rentenfuss  beider  fiel  seitdem, 
ja  der  Rath  kaufte  einen  grossen  Theil  seiner  Renten  wie- 
der zurück.  -) 


Beilage   F. 

Ein  Brief  Luthers   an   die   Danziger   Gemeinde   über  den 

Wucher.    1525.  —    Bibl.  d.  Danz.  Archivs  L.  1.  23.  (bibl.  Fabric.  31): 

Stenzel  Bornbachs  handschriftliche  Historia  vom  Aufruhr  1525. 

Bei  einem  Aufstande  der  Danziger  Bürgerschaft  gegen 
den  Rath  in  Religionssachen  fordern  die  Aufständischen  Ab- 
stellung einer  grossen  Zahl  ausserreligiöser  Missstände  in 
einem  Artikelbriefe  vom  25.  Januar  1525.  (Dieser  Brief 
wurde  schon  im  October  1525  an  den  König  von  Polen  nach 
Krakau  gesandt ,  ohne  dass  eine  Kopie  desselben  oder  genauere 
Nachrichten  über  seinen  Inhalt  in  Danzig  blieben.  Von  Polen 
kam  der  Brief  mit  allen  auf  Danzig  bezüglichen  Aktenstücken 


1)  Kriegk,  ib.  p.  310.  341.        2)  Kriegk,  ib.  p.  342.  343. 


GIG  X.   Aivliivalisiho  Boilagon.  Beilage  F. 

walirscheinlicli  1807  nach  Berlin  und  befindet  sich  dort  origi- 
naliter  im  Archive  des  General -Directorii.  Em  Abdruck  steht 
bei  Hirsch,  Geschichte  der  St.  Marienkirche  in  Danzig. 
Danzig  1843.  Beil.  X.  cf.  ib.  p.  284  ff.) 

In  diesem  Briefe  heisst  es  u.  A. : 

,,  Ynnd  die  vorkofer  vnnd  vorsiege  szollen  abgetliann  wer- 
den, alle  dye  bausen  dem  bohme  vnd  ausser  der  Mauren  ge- 
scheen ,  es  sey  ouch  wer  es  woll  zcu  Toren ,  in  der  Masaww ,  in 
dem  hinderlande  vnd  in  dem  Werder  vnd  an  allenn  flecken, 
bey  Verlust  der  statt  wonunge.  Kein  frembder  szall  vffset- 
czunge  der  gutter  mehr  haben  zcu  thuenn ,  Ouch  nicht  durch 
denWyrtt,  hie  in  dieser  statt,  es  seyhoppe,  Gerste,  kornn, 
pick,  theer,  assche,  flax,  wax  vnd  dergleichen,  Vnd  allerley 
kouffmenschafftt.  Dyeser  artikell  dweyle  er  eins  ferneren 
bedunkenn  fordertt  ist  er  gestallt  an  weyter  erclerunge  Rates 
vnd  der  zcwelff  menner. . . 

Men  szall  nichtt  die  rechte  vorlengeren ,  vnd  noch  anse- 
hen die  perszone,  noch  frunt  noch  frembde,  bszunder  men 
szall  ynn  helflfen  noch  rechte  vff  seynen  rechten  tagk ,  ane  allen 
vorczugk.  Die  grossen  gesellschaflfter  wollen  wyr  hie  nicht 
leyden  in  dieser  stadtt.  Wente  sie  haben  vns  eyne  treifliche 
vffsatczunge  gemachtt  Vnd  die  vorsprachen  sullen  abgetann 
werdenn  Vnd  aller  wucher  szall  abgetan  werden, 
nemblich  der  pfenninck  zcynns  vnd  was  doruff  gegebenn.  Das 
szall  in  kurtzunge  der  summe  zcu  der  beczalunge  sein  Was 
aber  zcu  file  entphangen ,  szall  todt  sein.  Vnd  was  noch  ach- 
terstellick  bleybett  von  derSume,  derselbige  zcynsz  sali  alle 
yar  ierlich  fallen ,  bis  das  der  hauptstuell  beczalett  ist  Were 
es  aber  sache  das  yniant  befunden ,  der  ane  schaden  das  lioupt- 
gutt  künde  auzrichten,  oder  der  lusschen  woltt,  oder  szo 
ymant  seyn  geltt  nicht  lengk  entberen  künde ,  das  szall  steen 
zcu  kristlichem  erkentnisse  eines  Eats  vnd  der  zcwelff  Meimer, 
Alle  beswerunge  der  burger  szall  abgethan  werden ,  nemblich 
dye  Zceyse  vnd  der  vbrige  pfuntczoll  szall  abgesatczt  sein. . . 

Alle  dye  uberbieter  des  kauffes ,  szollen  dasselbige  gudtt 
vorfallen  seynn.  Der  fierde  von  fysschen ,  vnnd  fögelen ,  ouch 
Wyltterete  szall  frey  seynn  in  vnser  gebietenn. . ." 


X.  Aiclüvaliscbe  Beilagen.  Beilage  F.  017 

Im  Sinne  dieses  Avtikelbriefes  wirkten  die  Danziger 
Geistlichen  danach  zur  Abstellung  der  alten  Missbräuche 
luid  gingen  in  ihrem  Eifer  so  weit,  das  alttestamentliche 
Prozentverbot  gegen  die  thatsächliche  Verbreitung  des 
Kentenkaufes  und  dessen  Billigung  im  kanonischen  Rechte 
geltend  zu  machen.  Die  Kentengläubiger  sollten  gleich 
den  Forderern  hoher  Zinsen  mit  Verlust  ilires  Kapitales 
bestraft  werden. 

Der  gemässigte  Theil  des  Rathes  wandte  darauf  sich  an 
Martin  Luther  nach  Wittenberg,  um  für  die  Danziger 
Marienkirche  einen  maassvoll  gesinnten  Geistlichen  zur  Hilfe 
gegen  jene  aufständischen  und  stürmisch  reformirenden  Predi- 
ger zu  senden.  Luther  sandte  statt  des  von  Danzig  zunächst 
in  Aussicht  genommenen  Bugenhagen  den  Magister  Michael 
Hänlein  am  5. Mai  1525  mit  einem  Briefe  desselben  Datums. 
(Hirsch,  Gesch.  der  Marienkirche  p.  296).  In  diesem  Briefe 
Luthers  vom  5.  Mai  1525  heisst  es: 

„  —  Auch  bitte  ich  Meine  Liebe  Herren  vnd  Freunde  wol- 
let ja  alles  thun  vnd  leiden  was  sich  immer  thun  vnd  leiden 
will  damit  ihr  frieden  unter  einander  habt ,  vnd  zu  sehen ,  das 
nicht  irgend  Schwarmgeister  unter  euch  kommen,  da  leyder 
bey  uns  in  Ober -Deutschland  solche  leute  viel  Jammers  an- 
richten "wie  E.  W.  vielleiclit  woll  gehöhrt  habt.  Ist  etwas  zu 
eudern  oder  zu  brechen  es  sey  Bild  oder  was  es  sey ,  daz  sol- 
clies  niclit  durch  den  gemeinen  Man  sondern  durch  Ordentli- 
che gewalt  des  Rahts  geschah  ,  damit  nicht  bey  euch  wie  anders 
wo  einreisse  die  Obrigkeit  zu  verachten ,  welche  doch  gott  will 
geehrt  vnd  gefürchtet  haben.  In  Sonderheit  aber  dass 
E.  Erb.  darauf  sehen,  dass  man  euch  nicht  lehre 
nacli  dem  gesetze  Mosis  regieren  viel  weniger 
nach  dem  Evangelio,  wie  ich  im  beigelegten 
Zettel  verzeichnet,  vnd  diesenn  Ewern  Prediger  Herrn 
Michaeli  befohlen  habe,  der  euch  woll  unterrichten  wird,  dem 
gehorchet.  Hiermit  gott  befohlen  der  euch  stärke  vnd  mehre 
zu  seinem  Lobe  vnd  ehre  amen.  Datum  Wittenberg  sonntags 
für  Jubilate  i.  e.  5.  Mav  Ao.  1525." 


G18  X.  Aichivalisclic  Beilagen.  Beilage  F. 

Der  beigelegte  Zettel,  bisher  ungedruckt,  lautet: 

„Das  gesetze  Mosis  ist  todt  vnd  gantz  ab  ja  auch  allein 
den  Juden  gegeben,  wir  Heiden  sollen  gehorchen  dem  land- 
rechte da  wir  wohnen  wie  S.  Petry  am  8.  spricht  Alle  man  etc. 
Aber  das  Evangelium  ist  ein  geistlich  gesetz  darnach  man 
nicht  recht  regiren  kan  sondern  dasselbe  ieglicher  für  sich  selbst 
stelle  ob  er  es  thun  oder  lassen  werde.  Vnd  man  kann  vnd 
soll  auch  niemand  dazu  zwingen  gleich  als  Zum  glauben ,  den 
hie  nicht  das  schwert,  sondern  der  geist  gottes  lehren  vnd 
regieren  muss.  Dorumb  soll  man  das  geistliche  Regiment  des 
Evangelii  ferne  sche3rden  von  eusserlich  weltlich  Regiment 
vnd  ja  nicht  durch  eine  anders  mischen.  Das  Evangelische 
Regiment  soll  der  Prediger  allein  mit  dem  Munde  treiben  vnd 
einem  ieglichen  seinen  willen  allhie  lassen,  der  es  annimbt 
der  nehm  es  an  der  nicht  will  der  lass  es,  als  das  ich  ein 
Exempel  geb. 

Der  Zinsskauff  oder  der  Zinspfennig  ist  gantz  Unevange- 
lisch da  Christus  lehret  l3iiet  ohne  wiedernehmen.  Wie  soll 
man  nicht  zu  fahen  und  alle  Zwiespaltung  gantz  abthun  nach 
dem  Evangelio ,  es  hatt  es  auch  niemand  nicht  macht  sie  ist 
aus  Menschlicher  Ordnung  herkommen  welche  S.  Petrus  nicht 
will  zerrissen  haben,  sondern  man  sol  es  predigen  vnd  denen 
heimgeben  denen  die  Zinse  gebühre.  Ob  sie  von  ihm  (sich) 
selbst  solch  Evangelium  wollen  annehmen  vnd  den  Zins  lassen 
fahren  oder  nicht.  Nicht  weiter  kan  man  sie  zwingen  oder 
dringen  denn  das  Evangelium  erfordert  willige  hertzen  die  der 
geist  gottes  treibt.  Aber  das  soll  man  mit  den  Zinsern  thun, 
dass  man  Menschen  Ordnunge  gesetze  vnd  gebrauch  in  solchen 
Zinsen  so  sie  zu  weit  greiffen  zurecht  bringe  vnd  nach  der  Bil- 
ligkeit die  man  heist  Imtl-Mav  richte.  Denn  alle  gesetz  vnd 
gewohnheiten  sollen  der  nathürlichen  Billigkeit  als  ihrer  Regel 
vnd  Meister  ei  unterworflen  seyu.  Wenn  man  nun  die  Zinse 
will  abthun ,  so  muss  man  nicht  zu  fahren  vnd  plötzlich  alles 
abthun,  denn  es  möchte  seyn  das  einer  1000  11.  vor  3  Jahr 
hätte  ausgethan  vnd  nun  kaum  150  11.  Zins  gehaben,  diesem 
gescheh  zu  kurtz  vnd  währ  ein  billicher  raub  vnd  dem  zins- 


X.   Arcliivalische  Beilagen.  Beilage  F.  GID 

man  kähm  so  viel  zu  olin  alles  recht.  Item  man  soll  auch 
nicht  die  Zinse  an  dem  Hauptstuhl  abbrechen  etc.  was  solte 
ich  1000  il.  von  mir  geben  vnd  alle  jähr  50  fl.  davor  mir  geben 
lassen  als  währ  icli  ein  kind.  Ebenso  mehr  behielt  ich  sie  bei 
mir  vnd  nehme  selbst  jährlich  50  fl.  davon. 

Solches  seyn  alles  unbillige  stücken  vnd  ist  ein  aufge- 
drungen Evangelium  denen ,  die  es  nicht  mögen  vnd  wollen 
thun,  welches  ist  unrecht,  vnd  das  Evangelium  lehret  woll 
frey  alle  gutter  fahren  zu  lassen ,  aber  wer  mich  dazu  dringet 
oder  zwmget,  der  nimbt  mir  das  meine.  Will  man  denn  ja 
nun  die  Zinser  rechtfertigen  so  sind  alle  zwey  weysen  die  1 : 
dass  man  sich  nach  menschlichen  gesetz  zurecht  bring  nehm- 
lich  dass  man  5  fl.  von  100  ein  jhar  lang  zu  gebrauchen  nehme 
vnd  dieselbe  5  fl.  in  die  fahr  setze  das  ist  auf  ein  bestirntes 
Unterpfand  das  in  fahr  stehe  als  Acker  wiesen  Teihe  Häuser  etc. 
Also  wo  es  nicht  ein  Jahr  trüge  oder  trüge  weniger  das  auch 
der  Zms  hernach  germgert  wurde.  Wie  solches  die  nathür- 
lichen  rechte  lehren  vnd  solches  muste  durch  E.  E.  Rath  oder 
vernünftige  Leut  erkand  werden.  Die  2.  dass  man  unterscheid 
der  personen  vnd  die  Zeit  anseh  vnd  mit  üirem  willen  handel 
also  ist  die  person  guttes  Vermöhgens  vnd  hat  sie  lange  ein- 
genommen dass  man  mit  ihnen  theidinge  dass  sich  doch  eines 
theils  des  empfangenen  Zinses  lassen  am  hauptgutt  abgehn. 
Ist  die  person  aber  alt  vnd  unvermöglich  dass  man  nicht  also 
ihr  das  maul  von  der  krippe  stoss  vnd  zum  Betler  mache  son- 
dern lasse  ihnen  die  Zinsen  so  lange  sie  leben  vnd  bederben 
wie  es  die  Liebe  vnd  nathürliche  Billigkeit  lehren.  Kurtzumb 
hivor  und  auf  diese  weyse  zu  handeln  kau  man  kein  gesetz 
furschreiben ,  sondern  es  steht  alles  in  ansehn  der  personen 
welche  man  nach  der  Liebe  vnd  Billigkeit  durch  erkandniss 
gutter  leute  muss  tragen  vnd  vnverdorben  lassen  sonsten 
würde  eine  unrecht  alda  seyn  wo  man  der  gestrengigkeit  nach 
mit  ihnen  verfahren  solte.  Weiteres  werden  Ewre  Prediger 
woll  unterrichten.     Dat.  Wittenberg." 


620  X.   Auliivalisrlio  Boilao-on.  Boilaj^o  G. 


Beilage    G. 

Zin  sbcstinnnini«'  des  Königs  Sigismund  August  v.  Polen 
für  Danzig.  Avonach  gegen  das  kanonistischc  Zinsge- 
setz das  gesetzlich  erlaubte  Maass  der  Convcntional- 
zinsen  in  der  Danziger  Willkür  aufgestellt  wurde.  (1569.) 
cf.  Danz.  Arch.  Bibl.  N.  3.  p.  105.  ii.  53. 

Siglsmitndus  Auyustus  Dci  Gratia  JRex  Poloniae,  Ma- 
gnus Dnx  Littvaniae,  Russiae,  Prussiae,  Masoviae,  Sa- 
mogitiae,  Livoniaeqiie  etc.  Dominus  et  Haeres. 

Spcddb'dihus  et  famcäis Burggrabio.  ProcotisuUhus.  Con- 
sulihus,  scahinis  Civitatis  nostrac  Gedanensis  fidelihus  dile- 
ctis  gratiam  nostram  Regiam.  Spectahiles  et  famati  fideles 
nohis  dilecti.  Postcacjuam  in  terris  nostris  Prussiae  con- 
tractus  vsurarij  in  immensum  excreverint  et  adliuc  quotidie 
crescant,  vnde  praeter  iram  omnipotentis  Bei  qui  ah  ejus- 
modi  impijs  vsurarijs  terris  nostris  Prussiae  acceleratur, 
hoc  ctiam  mdlum  et  incommodum  enascitur ,  quod  niaxima 
suhditorum  nostrorum  pars  uera  et  summa  necessitate  id 
exigente  vel  alia  aliqua  occasione  urgente ,  paruulas  summas 
promodcratis  usuris  quamvis  sufficienter  offerant  caidiones, 
niuiuo  ohtinere  non  possint ,  sed  compressi  cogantur  vsura- 
rijs gravissimas  et  immensas  usuras  pro  Ijeneplacito  ipsorum 
polliceri,  superq.  ijsdeni  sufficienter  cavere.  In  de  posteaeve- 
nit,  ut  qvicquid  ex  lahorc ,  sudore  et  demento  dcbitores  com- 
parare  possint,  id  omne  nonnunquam  etiam  omnem  reli- 
qvam  eorum  sidjstantiam  usurarij  Uli  auferant,  atque  sie 
suhditi  nostri  quam  plurimi  non  rare  etiam  nohiliores  nata- 
lihus  ad  extremam  redigantur  paupertatem,  omni  interim 
totius  regionis  pecunia  apud  paucos  usurarios  existente,  reli- 
qvis  per  foeneratores  eiusmodi  plane  exuctis  et  ex  anguibus 
redditis.  Cum  vero  muneris  Regij  sit,  eiusmodi  notorijs 
enorniihus  impijs  et  malis  pecuniarum  et  donorum  Bei  ab- 
nsibus,  qui  omni  jure  tarn  Biuino  quam  humano  et  bonis 
morihus  contrarij  sunt ,  aliorum  vicinorum,  Bucum  et  prin- 
cipum  exemplis  nature  mederi,   super  usurartim  qvantitate 


X.   Aroliivalische  Beilagen.  Beilage  G.  621 

gcucrdlc  (■(Jidum  nostrum  faccrc  necessarium  esse  diixlmiis, 
duram  nninam  et  gravlssiniani  caruni  molem,  quae  nunc  vulyo 
exercetur ,  ad  mediocritatem  deducendo. 

Quare  deconsilio  Consiliariorumnostrorum,  viyore x)rae- 
sentium  edicimus,  ut  nemo  vel  suhditornm  nostronun  vel 
eiiam  exterorum  hominum  cujuscunque  sUdiis  et  conditlonis 
extiterit,  audeat,  imposterum  a  dato  hujus  edictl  nostri  in 
civitate  nostra  Gedanensi  et  a  subditis  nostris,  ultra  ocio 
de  Cent  um  usurarum  nomine  in  qvocunque  contractu 
vili  vel  maximo  stipulari,  ut  etia)n  nemo  suhdltorum  nostro- 
rum  coacervatas  undiquaque  pecunias  extra  JRegnum  terras 
et  difiones  nostras  exteris  Trincipihus  et  hominihus  elocare, 
vel  muiuo  dare  pracsumat.  Et  si  quae  Summae  jam  cloca- 
tae  sunt,  iidjcmus  ut  eas  intra  qvadrimestre  a  publicatione 
praescntium  exigat  repetatque.  Interdicimus  etiam  creditori- 
hus,  ne  ex  pecunijs  foenori  dandis  aliqvid  detrahere  vel  reti- 
nere  sportularum  muneris  vel  alterius  cuiuscunque  causae 
gratia  ipsis  liceat  omnesque  alias  maclnnationes ,  qvas  forte 
creditorcs  in  fraudem  Imius  edicti  nostri  excogitare  possint, 
quocunque  nomine  eae  appellari  possint ,  qvas  omnes  hie  pro 
exprcssis  hahcri  volumus,  vigore  praescntium  resecamus. 
Prohihemus  etiam  Camhia  retrograda,  vulgo  He- 
turn  Wechselt  dicta,  quae  revera  nihil  alivd  sunt ,  quam 
usurarum  contractus  Camhij  nomine  colorati ,  ad  legitimus 
supcrius  cxprcssas  usuras  ea  reformantes ,  vsitata  autcm  mo- 
derata  et  aeqvabilia,  negotiator um  Camhia,  necessitate 
ita  exigente  pro  tempore  ferenda  esse  censemus.  Quod  si  quis 
contra  hoc  edictum  nostrum  in  aliqvo  fecerit  causa  atque  mo- 
dum  usurarum  hie  expressum  arte  excesserit,  quamcunque 
nie  nullam  penitus  de  superfluo  actionem  hahebit,  sed  etsi 
acceperit ,  id  omne  quicquid  tandem  erit ,  et  quocunque  colore 
extortum  sit ,  in  sortem  imputare  compelletur :  Et  eo  ampUus 
propter  edicti  nostri  contemptum  et  transgressum ,  mcdicfas 
sortis  et  usurarum  fisco  nostro  committetur.  Quam  poenam 
et  instantiam  instigatoris  ftsci  nostri  euiusque  loci  judex  Ordi- 
narius ciusmodi  usurario  et  edicti  nostri  temeratori  nidlo 
hahito  pcrsonae  respectu,  mediantc  dccreto  suo  infliget,  exigct, 


622  X.   Avchivalische  Beilagen.  Beilage  G. 

ilicfoque  fisci  nostri  instigafori ,  nunc  et  pro  temporo  existente 
uppJieahit  et  tradet.  T7  igitnr  Itoe  edicfiun  nostrnm  sanete 
et  i)n'iohd)/Iifer  cd)  oninihns  et  singidls  ohservetur,  dicto  Insti- 
gatori  nostro  vigore  praesentium  in  sptccie  mandamus  ut 
qnamprhnum  ipsi  innotnerit,  aliquem  hoc  edictum  nostrum 
violasse,  statim  in  poenam  hoc  edlcto  expressum  agat.  Fide- 
litatihus  etiam  vestris  mandamus,  ut  sid)  reUgione  iuris  iu- 
randi  et  fide,  qiiibus  Deo  et  nohis  ohstrictae  sunt  ahsque  ullo 
personarum  rcspectu  ad  Fiscalis  nostri  propositam  actionem, 
et  rei  conventi  responsum  iuxtaque  utrius  partis  allegata  et 
probata  definiant  et  decidant,  id  qvod  de  jure,  vigore  hujus 
edicti  nostri  decidendum  vener it,  appellatione  ad  nos  non  nisi 
a  sententia  definitiva  concessa  ut  aidem  nemo  ignorantiam 
aliqvam  praetenderc  ptossit ,  Fidelitatihus  vestris  mandamus, 
ut  edictum  hoc  nostrum  ad  omnium  et  singulorum  nostrorum 
suhditorum  p)raedictae  civitatis  nostrae  Gedanensis  noticiam 
perducant,  puhlicato  eo  et  in  puhlicis  locis  affixo.  In  qvo- 
rum  omnium  et  singulorum  fidem  praesentihiis  sigiUum  no- 
strum opprimi  jussimus. 

Datum  Luhlini  in  conventione  regni  Generali  die  X. 
mensis  Äugusti.  Anno  domini  3IDLXIX.  Regni  nostri  qua- 
dragesimo. 

Sigismundus  Äugustus  Hex  spt. 


XI. 

Zusätze  und  Besserungen. 


S.    3.  Z.  11.  V.  II.  lies  hjirterer  statt  härteren.    . 

S.    3.  N.  2.  1.  ep.  12.  statt  cp.  12. 

S.    5.  N.  8.  1.  Grotius  d.  jiir.  bell,  et  pac.  III.  cp.  2. 

S.  10.  N.  2.  1.  Böhmer,  jus  eccles.  prot.  V.  19. 

S.  29flF.  Zu  zitiren  sind  hier  noch  die  auf  S.  34.  N.  1.  genannten  zwei 
Schriften  Arnolds,  ferner  Goldschmidts  Aufsatz  über  die 
Hansa  in  Hayms  preussischen  Jahrbüchern  1862. 

S.  32.  N.  1.  Z.  6.  V.  u.  1.  Stände  statt  Städte. 

S.  33.  in  der  N.  1.  dieselbe  in  statt  derselbe. 

S.  39.  Zu  diesen  Sammlungen  gehört  der  sogenannte  codex  canonum  eccle- 
siae  Romanae  (ed.  Pasquier  Quesnel)  vom  Ende  des  5.  Jahrhun- 
derts ,  welcher  unter  Benutzung  der  spanischen  (isidorischen) 
Sammlung  Canones ,  päbstliche  Dekrete  und  kaiserliche  Re- 
skripte umfasst.  (Walter,  Kirchenrecht  p.  174.  Eichhorn, 
Kii-chenr.  p.  113.  Richter,  K.  R.  §.  66.)  —  Die  eben  hier  N.  1. 
erwähnte  Sammlung,  die  sog.  Dion j'^sisch-Hadrianische, 
774.  von  Hadrian  an  Karl  d.  Gr.  geschenkt ,  umfasst  bekanntlich  die 
2  von  dem  Scythischen  Mönche  Dionysius  Exiguus  veranstalteten 
Sammlungen  apostolischer  Canones ,  der  Beschlüsse  von  Synoden 
und  Concilien  und  päbstlicher  Dekretalen.  Sie  scheint  im  Anfange 
des  9.  Jahrh.  im  fränkischen  Reiche  geradezu  als  codex  cano- 
n  u  m  der  Kirche  r  e  z  i  p  i  r  t  zu  sein.   (Richter,  ib.  §.  67.  u.  71.) 

S.  40.  N.  2.  1.  Regino  v.  Prüm  (cf.  p.  38.  N.).  Hierher  gehören  auch  die 
Sammlung  Benedicts  von  Mainz  840  —  47  (cf.  im  Texte  p.  63.). 
und  aus  späterer  Zeit  die  Burchards  von  Worms  1012 — 1023, 
das  decrotum  und  die  Pannoriuia  Ivo's  von  Chartres  1120,  die 
Sammlung  de  nüsericordia  et  justitia  von  Algerus  von  Lütticli 
1120,  und  die  bei  Richter  1.  c.  n.  5.9  aufgeführten  namenlosen  Zu- 
sammenstellungen (W  a  s  s  e  r  s  ch  1  e  b  e n  ,  Beitr.  z.  Gesch.  der  fal- 
schen Decr.  p.  34  ff.   R  i  c  h  t  e  r ,  K.  R.  §.  72.) 


G24  XI.   Zusätze  und  Eossenmgcn. 

S.  44.  N.  1.  1.  Hartz  he  im  st.  ITertzlieini. 

S.  45.  Z.  3.  V.  ol).  1.  r  ec  1 0  r  i b  u  s  statt  vict. 

S.  53.  Einzelne  der  siiraclilidioii  Nachweise  danke  ich  Herrn  Pr.  jur. 
Korn  in  Breslau. 

S.  Gl.  a.  E.  Diese  Strafe  war  für  den  Wucherfall  bereits  aui'  den  oben  S. 
37  —  59  angegebenen  Wegen  in  das  Abendland  hinübergedrungen. 
cf.  ob.  S.  6.  7  tf.  22  flf.  50  ff. .  und  hatte  sich  in  die  weltlichen  Ge- 
setze Eingang  verscliafft.  cf.  Childeb.  decretio.  c.  2.  (596)  Pipin. 
cap.  Vern.  c.  9  (755),  später  const.  Loth.  c.  1(825),  const.  Friedr. 
U.  c.  7  (1220) ,  Pertz,  mon.  Ul.  p.  9.  25.  248.  IV.  236.  Eichte  r, 
K.  R.  §.  199.  Daher  ist  auch  diese  Wucherstrafe  in  dem  Haupt- 
kapitulare  vom  königlichen  Banne  (772)  n.  1  —  8.  ausdrücklich 
nicht  aufgeführt,  cf.  auch  capit.  Saxon.  (797.)  pr.  c.  1.  2.  cap.  Ticin. 
801.  c.  2.  cap.  Baioar.  add.  pr.  cp.  1  —  3  (803). 

S.  64.  Z.  3.  V.  ob.  desselben  bezieht  sich  natürlich  auf  E  i  c  h  t  s  t  e  i  g  (Z.  4.) 

S.  71.  Z.  9.  V.  u.  1.  Ten  gl  er  statt  Tergler. 

S.  71.  N.  2.  fällt  1480  fort. 

S.  77.  Z.  12.  V.  oben  u.  a.  a.  0.  1.  Clatiun  cula  oder  Cantinncula  statt 
Glatiuncula  (cf.  d.  Zus.  für  S.  471.) 

S.  77.  Z.  15.  V.  ob.  1.  1564  statt  1594. 

S.  77.  Z.  17.  V.  ob.  u.  a.  a.  0.  1.  F  i  c  h  a  r  d  statt  Fichardt. 

S.  99.  N.  4.  1.  Ofner  Stadtrecht  p.  XI. 

S.  133.  Z.  3.  V.  u.  1.  B  i  g  n  0  n  statt  Bigeon. 

S.  182.  Z.  9  —  11.  V.  oben  cf.  noch  Walter.  D.  R.  G.  §.  569.  570.  (auch 
§.  568.  N.  8.)  und  Gerber,  D.  P.  R.  (8.  Aufl.)  §.  149. 

S.  188.  N.  2.  1.  Meichelbeck. 

S.  200.  Z.  6.  V.  ob.  1.  Die  6.  L  a  n  d  e  s  o  r  d  n  u  n  g  statt  Landrecht. 

S.  217.  Z.  4.  V.  u.  1.  Uebertragende. 

S.  227.  Z.  4.  V.  ob.  1.  mit  D  u  n  c  k  e  r  und  S  t  o  b  b  e  ,  wie  ich. 

S.  292.  cf.  noch  Mone ,  Zeitschr.  für  Gesch.  d.  Ob.  Rh.  IX.  p.  263 ff. ,  wo 
auch  die  15  Jahre  geltende  Bestimmung  Kölns  erwähnt  ist ,  dass 
jede  Forderung  eines  Christen  gegen  einen  Juden  nur  vor  jüdi- 
schen Riclitern  nach  jüdischem  Rechte  ohne  Appellation  zu  ver- 
wirklichen war.  —  cf.  auch  Kriegk,  Frankf.  Zust.  u.  B.  Zwiste 
p.  414  ff.  419,  426  ff.  428  ff.  432  ff.  439  ff. 

S.  294.  Z.  8.  u.  10.  V.  ob.  1.  vieler  Städte  statt  der  und  jeder. 

S.  295.  N.  5.  6.  cf.  noch  Kriegk,  1.  c.  p.  419. 

S.  296.  Z.  10.  V.  u.  cf.  dazu  S.  335.  336.  338. 

S.  298.  N.  5.  a.  123  ff.  Rö ssler,  Bedeutung  und  Behandlung  d.  Gesch. 
des  Rechts  in  Oesterreich.  1847.  p.  IX.  ff. 

S.  300.  N.  2.  1.  Se  ttler.   Gesch.  d.  Graven.  V.  p.  62. 

S.  310.  N.  4.  cf.  S.  299.  N.  1. 

S.  314.  Z.  15.  v.  ob.  1.  1276  statt  1270. 

S.  315.  319.  cf.  noch  Kriegk,  1.  c.  p.  429.  437 ff. 


XI.   Zusätze  und  Besserungen.  625 

S.  31iitf.  ct.  ncxli  liir  Frankfurt  a.  M.  Kriegk ,  Frank!'.  Zust.  u.  Bürger- 
zwiste  im  Mittelalter  p.  342.  343.  Anni.  2u8.  städti&clio  Anleihen 
bei  Mainzer  Juden  im  14.  Jalirli.  bis  zu  52  "/„ ,  darunter  befinden 
sich  indess  Verzugszinsen  oder  Verzugsstrafen.  12  Bürgen;  Ein- 
lageri)tiicht  derselben  in  Mainz  für  Kapital  und  Zinsen.  Schuldner 
und  Bürgen  verzichten  im  Voraus  auf  alle  Mittel,  welche  sie  gegen 
diesen  Vertrag  von  Kaiser  und  Pabst  durch  Gerichte,  durch  Bann 
oder  auf  andere  Weise  erlangen  könnten.  Nach  Verlauf  eines 
Zahlungsverzuges  von  1  Jahr  mögen  die  Gläubiger  Leib  und  Gut 
des  Käthes  mit  oder  ohne  Gericht  angreifen.  Dasselbe  gilt  für 
die  etwaigen  Cessionare  der  Gläubiger,  cf.  Senckenberg,  Sei. 
jur.  I.  p.  645.  (1368).  —  Ueber  die  Geldgeschäfte  der  Frankfurter 
Juden  seit  1281  cf.  Kriegk,  ib.  p.  413  tf.  0  r  t  h ,  Anm.  z.  Frankf. 
Eeform.  IV.  p.  210. 

S.  324.  cf.  auch  Mone,  Zeitschr.  f.  G.  d.  Ob.  Eh.  IX.  p.  259.  u.  Kriegk, 
1.  c.  p.  409.  N.  1,  der  auch  Gotth elf ,  Darst.  der  Stellung  der 
Juden  in  Baiern  p.  27  ff.  zitirt. 

S.  329.  cf.  über  die  erste  Frankf.  Judenverfolgung  1245.  Kriegk,  1.  c. 
p.  412  ff. 

S.  326.  Z.  2.  V.  ob.  1.  der  spätere  Kaiser. 

S.  326.  Z.  15.  V.  u.  1.  jedem  Christen. 

S.  326.  N.  4.  cf.  noch  Hegel,  Städtechroniken  I.  p.  113  —  124. 

S.  357.  N.  4.  cf.  noch  lüb.  Urk.  Buch  I.  p.  249.  250  schon  für  d.  J.  1262. 

S.  361.  N.  2.  auch  S.  374.  427.  cf.  Orth,  Abhandl.  von  d.  zween  Eeichs- 
niessen  (Frankf.  a.  M.  1763)  p.  446.  Die  meisten  in  Frankfurt 
fälligen ,  in  -  und  ausserhalb  Frankfurt  gezogenen  Wechsel  wur- 
den auf  die  Frankfurter  Messe  ausgestellt.  Darüber  lautet  ein 
Eathsedikt  von  1635  und  die  Frankf.  Wechs.  Ordn.  von  1666.  — 
ib.  Note  a.  zitirt  Orth  aus  einer  alten  Nachricht  ca.  vom  Ende 
des  .14.  Jahrh. :  ,,  Es  werden  in  diesen  beiden  m  e  s  s  e  n  die  w  e  c  h  - 
sei  von  den  kaufleuten  untereinander  abgerechnet  und 
bezaletund  ist  die  m  esza  lung  bereits  ser  alt."  (stimmt 
mit  Kriegk  1.  c.  p.  318.  332.  N.  2.  (1391.)  Ob  indess  aus  letzte- 
rer Stelle  das  Verbot  der  Wechsel  für  die  Frankf.  Messe  folgt, 
wie  Kr.  will ,  bleibt  zweifelhaft.)  —  0  r  t  h ,  ib.  p.  485.  Nach  dem 
Beschlüsse  des  Nürnberger  Eeichstages  1524  (§.  1)  sollten  die 
Kosten  des  Ecichskainmergerichtes  in  den  2  Frankfurter  Messen 
für  Frankfurt ,  Augsburg ,  Nürnberg  oder  Eslingen  dirigirt  wer- 
den. —  cf.  dazu  Kriegk,  1.  c.  p.  339.  m  Beilage  E.  a.  Orth, 
Eeichmessen  p.  460  —  463.  480.  Seit  alter  Zeit  (ca.  15.  Jahrh.) 
sollen  die  Mcsswechsel  vom  Anfange  der  Messe  ois  Dienstag  9  Uhr 
früh  in  der  zweiten  Messwoche  acceptirt,  von  hier  bis  zu  Frei- 
tag in  derselben  Woche  bezahlt  werden,  die  übrige  Messzeit 
..  bis  zur  verrückung  der  geleitcr  "  sollte  auf  ,,  ü  b  e  r  s  e  h  u  n  g  der 

Neuiiiaiin,  Ocsih.  d.  AVucbers.  4ü 


6"2(j  XI.   Zusätze  und  Besserungen. 

recLmmgen  uml  liandhnigoH"  vonvandt  worden.  Diese  Einthei- 
lung  der  Älesszeit  lieisst  bereits  in  dem  Ratliscdikt  von  1592: 
..altem  gewönlich  en  brauche  nach."  Pr  ote  st  irt  musste 
werden  bis  zum  Ende  der  2.  Messwoche,  dagegen  das  Skontri- 
ren  konnte  sich  von  der  2.  Mess-  (Zahl -  Skontro  -)  woche  auch  in 
die  3.  hineinziehen.  —  Ders.  Anm.  zur  Frankf.  Ref.  1.  Forts,  p. 
541  tf.  Obige  Bestimmung  ist  seit  1592  oft  erneut ,  so  1604 ,  1605, 
1609 ,  1617  .  1620 .  1629  ,  1639 ,  1666  (in  der  Wechs.  Ord.) ,  weil 
sie  vielfach  umgangen  wurde,  besonders  durch  Veranlassung 
derer ,  ,,  so  ihren  flnanz  im  gelde  und  überschikkung  des  fürneml. 
in  die  Niederlanden  suchen."  —  vgl.  auch  ob.  S.  374.  N.  1.  d.  Abh. 

S.  378.  Z.  10.  v.  ob.  1.  Azayali. 

S.  425.  u.  435.  cf.  Orth ,  Eeichsmessen  p.  447.  In  der  zweiten  Hälfte  des 
16.  Jahrb.  vereinbarten  die  „meisten  und  vornemsten  kaufleute" 
zu  Frankfurt  a.  M.  einen  bestimmten  C  u  r  s  für  die  Hauptmünz- 
arten in  "Wechselbriefen  wie  sonstigen  Messzahlungen  und  wurden 
vom  Rathe  unterstützt.  Derselbe  Curs  wurde  1621  im  Leipziger 
Marktrescripte  für  die  Märkte  in  Leipzig  und  Naumburg  ange- 
nommen (Anm.  z.  Ref.  1.  Forts,  p.  567.)  Die  „kanibisten"  hatten 
davon  keinen  Vortheil ,  nur  der  Verkehr.  —  ib.  p.  496.  Die  Mäk- 
ler vereinbarten  in  Frankfurt  (im  18.  Jahrb.)  vielfach  mit  den 
Parteien  den  Wechselkurs  d.h.  hier  den  Wechselpreis, 
oder  es  galt  der  an  allen  grösseren  Märkten  übliche  obrigkeitliche 
„  Wechsel-tax."  Letztere  Taxe  machte  im  17.  Jahrb.  zu  Frank- 
furt der  Rath  durch  2  Deputirte  meist  am  Anfange  der  2.  Mess- 
(Zahl)  -  Woche  in  Gegenwart  der  ,,  Wechselhändler  und  Mäckler." 
Heidiger,  Anl.  zum  Wechselrecht  cp.  4.  p.  54.  In  dem  Frank- 
furter Rathsedikt  von  1625  wird  zur  Abhilfe  des  von  den  Kaufleu- 
ten zum  Theile  absichtlich  schwankend  erhaltenen  Wechselkurses 
vorgeschrieben ,  am  Anfange  der  Zahl  -  (2.  Mess)  -  woche  beschwö- 
ren die  Mäkler  vor  dem  Bürgermeister ,  wo  die  meisten  Wechsel 
,,hin  und  wieder  geschlossen."'  Danach  versammeln  sich  die  Kauf- 
leute der  verschiedenen  Orte  und  Nationen  und  machen  mit  den 
vornehmsten  Mäklern  „  den  k  o  n  t  o."  Das  sei  seit  ,,  vielen  jaren  " 
herkömmlich.  In  der  Leipziger  Wechs.  Ord.  war  es  den  Kaufleuten 
erlaubt,  von  solchem  „kurszettel"  abzuweichen.  Dasselbe  bezeugt 
Orth  für  seine  Zeit  (ca.  1750.)  —  Wie  aber  in  jener  früheren  Zeit 
das  „Wechselkonto  abgemessen"  wurde,  zeigt  Mar])  erger,  Han- 
delsdiener cp.  10.  p.  145:  die  vornehmsten  Kaufleute  der  Frank- 
furter Messe  versammeln  sich  in  der  Zahlwoche  und  hören  von  den 
Mäklern ,  „  was  auf  alle  vorneme  ausländische  handelsplätze  ins- 
gemein gewechselt  worden,"  danach  vereinbaren  sie  den  ,, rech- 
ten preis"  und  lassen  ihn  notiren.  „Dis  geschieht  nun  also  auf 
alle  örter ,  dahin  gewechselt  wird ,  der  mackler  aber  zeichnet  es 


XI.    Zusätze  iiiul  BesKoruiigL'ii.  627 

fleisig  auf  und  gibt  es  den  handelsleuten ,  welche  es  ferner  ihren 
korresjjoiidenten  koniuniciren  und  dis  heist  man  den  kunto 
nia  ch  e  n.'" 

S.  427.  cf.  noch  Cölner  St.  R.  (1437)  ob.  S.  89:  Verboten  wird  jeder  „  vor- 
kauff,  aufschlag,  schaden  kauf  f."  Nürnb.  Ref.  1479.  XXII. 
n.  3.  (ib.). 

S.  435.  N.  4.  Zubrod,  der  Herausgeber  des  „Unterrichts  der  wechsel- 
handlung"  1GG9  (aus  dem  Holland,  übers. ,  am  E.  ist  16GG  statt 
1616  zu  lesen.  —  Orth,  Reichsmessen  p.  446.  449.  N.  a.): 
„Scheinwechsel,  oder  change  sec,  wie  es  die  Franzosen  nen- 
nen .  sind  wie  man  j ährlich  von  Amsterdam  nach  Frankfurt 
in  die  messen  wechselt,  z.  e.  an  stat ,  dass  jemand  geld  auf  inter- 
esse  oder  zeit  gibt:  so  gibt  man  ihm  so  viel  1000  fl.  2,  3  oder 
mer  monat  vor  der  Fr.  messe  ä  82  oder  83  Pf.  nach  dem  Wechsel- 
kurs ,  um  daselbe  in  ged.  messe  wiederzubezalen ,  gegen  der  ver- 
falzeit  aber  prolongirt  mans  ihm  auf  die  retour ,  welches  ungefär 
auch  2  oder  3  monat  macht  zu  86  oder  87  Pf.  in  Amsterdam  wieder- 
zubezalen ,  welches  dann  ein  groses  interesse  macht  und  weit  bes- 
ser ist,  als  auf  zeit  oder  ä  Deposito  geben.  Dieses  schlags  Wech- 
sel pflegten  vordem  von  A  m  s  t  e  r  d  a  m  aus  auf  A  n  t  o  r  f  (Ant- 
werpen) zu  gehen  a  la  pari  oder  geld  um  geld  auf  22.  26.  30  Wo- 
chen zeit ,  welches  hernach  mit  6  und  7  procent  benefice  wieder- 
kam ,  täglich  wechselt  man  noch  also  von  Amsterdam  nach 
Hamburg  auf  etliche  wocheu  oder  auf  die  Elverzeit ,  wie  mans 
alda  nent .  wenn  man  aber  besagtermasen  auf  diese  beide  orten 
wechselt ,  so  werden  Wechselbriefe  gegeben  ,  welches  in  den  wech- 
seln von  Amsterdam  nach  Frankfurt,  so  man  auf  die  retour 
handelt,  nicht  geschieht,  sondern  disfals  blos  auf  des  nemers 
kredit  und  parole ,  und  dann  des  macklers  bevestigen  geschehen 
wird.  Von  Frankfurt  aus  den  messen  pflegt  man  auf  Ham- 
burg,  A  m  s  t  e  r  d  a  m ,  N  ü  r  n  b  e  r  g  und  A  u  g  s p  u  r  g  auf  junii 
oder  december  und  auf  Strasburg  in  die  Joh.  oder  weinachts- 
mes  zu  wechseln ,  und  wird  das  Wechselgeld  nach  advenant  der 
zeit  und  dem  kurs  des  wechseis  gestelt." 

S.  471.  Z.  5.  v.  ob.  1.  Cantiuncula.  Derselbe  kommt  übrigens  nur  mit 
der  Nürnberger  Reformation  von  1564  in  Verbindung,  welche 
bereits  5  "/„  Conventionalzinsen  gestattete,  (ti.  13.  c.  4.  cf.  IX.  2.  a ; 
sie  gab  für  gezahlte  höhere  Zinsen  ,  als  5 "  „ ,  keine  Rückforde- 
rungsklage).  Der  Nürnberger  Rath  schickte  nämlich  1544  die  im 
Wucherjiunkte  kanonistische  Reform,  von  1522  zur  Begutachtung 
an  Cantiuncula.  Stobbe,  Gesch.  der  deutschen  Rechtsquelleu. 
2.  Abth.  p.  303.  304.  Cantiuncula  sandte  sein  Bedenken  1546  an 
den  Rath ,  dasselbe  war  nicht  umfangreich  und  enthielt  nur  ,,  eine 
Reihe  gelehrter  oder  äusserliclier  (materieller  und  formellerj  Be- 

40* 


628  XI.   Zusätze  \\m\  Bosserimgen. 

merk  Uli, cfon  zu  einzelnen  Stellen ,  sie  gehen  meist  auf  das  eorpus 
juris  und  seine  Litteratur  zurück."  cf.  Stobbe,  \h.  p.304.  N.  2.5. 
An  den  S.  77.  u.471  obiger  Abb.  autgestellten  Behauptungen  aber 
ändert  Dies  Nichts.  Denn  die  Nürnb.  Reform,  von  1479 
und  1522  untersagten  noch  jeden  Wucher ,  ganz  im  Sinne  des 
kanonischen  Rechtes ,  und  doch  waren  diese  Gesetze  unter  wesent- 
lichster Mitwirkung  römisch  -  rechtlicher  Gelehrten  zu  Stande 
gekommen.  Stobbe,  1.  c.  p.  59 ff.  (N.  32.),  so  v.  Pja-kheimer, 
Scheurl ,  Apell.   cf .  dann  S  t  o  b  b  e ,  ib.  p.  299.  303. 


S  a  c  h  -  R  e  A'  i  s  t  e  r. 


Die  Zahlen  bedeuten  die  Seiton. 


Abcganc  (Müiizabgabo)  348. 

Abgaben  statt  Zinsen  444  ff.  cf.  bei 
Umgehung ,  Ausnahmen  (unge- 
setzlich.) 

Ablösung  von  Renten  233  ff.  237  ff. 
(Ablösungsfuss.) 

Absicht,  wucherliche  15 ff.  21.  25  ff. 
48.  (51.  85.  94.  108  ff.  445  ff. 

Abzug  der  Zinsen  vom  geliehenen 
Kapital  441  ff.  cf.  beid.  ungcsetzl. 
Ausnahmen.  Umgehungen  523. 

accessiones  10  ff.  IKi.  1(32. 

Accommenda  39U.  422  ff.  463.  521. 
589.  610  ff. 

Aecord  601. 

Acht  98.  99.  342. 

Afterleihe ,  -  niiethe  des  städt.  Bo- 
dens 215  ff.  cf.  bei  Rentenkaufs- 
Entstehuug. 

Agnaten  187  (beim  Pfände.) 

Alten  ,  der  ,  Zinsverbot  4.  475. 

Altentheüsvertrag  243.  cf.  bei  Leib- 
rente. 

Amtskauf  457  ff. 

Amtssuspension  23.  25.  52.  62. 

Anastasiana  lex  227. 

Angeld  cf.  bei  Draufgeld. 

Anleihen  d.  Staaten,  Fürsten,  Städte, 
cf.  .ludenwucher,  Rentenkauf.  341. 
420.  423. 481  ff.  497  ff.  519  ff.  522. 
527  ff.  624. 

Antichrese  13. 190. 194  ff.  199. 475  ff. 

antichresis  tacita  190. 

Arbeitsvergütnng  ist  kein  Wucher, 
cf.  bei  Ausnahmen  v.  Zinsverbote. 
431.  452.  45H.  594.  <i00.  606. 
Arrha  cf.  bei  Draufgeld. 
AutTiauf  61.   91.  lOOff.  464ff.  536. 

591.  598.  606  ff. 
Auflassung  182.  187.  196. 197  (beim 
Pfände)  208  ff.  (beim  Rentenkauf) 
216.  224.  245. 
Aufschlag  89. 


Aufstand  des  Volkes  wegen  Wucher 

483  ff.    (in    Thüringen,    Dauzig, 

Kopenhagen.)  615  ff. 
Ausdehnung  des  Wucherbegriffs  87  ff. 
Ausdehnung  d.  Zinsverbotes  13  ff.  49. 
Ausfuhrverbot  100  ff.  103. 
Ausnahmen    vom    Zins  verböte  17  ff. 

49.  66.  69.  88.  109  ff.  287.  417  if. 

570  ff.  (Staatsgesetz)  431  ff.  476  if. 

(röm.  Recht)  486 ff.  (Reformation.) 

594  ff.  (Kauf.)  5.  _ 
Ausnahmen,  gesetzliche  ,  gleich  den 

kanonischen ,  in  Deutschl.  109  ff". 
Ausnahmen ,  gesetzliche ,  weiter,  als 

die  kanonischen,  in  Deutschland 

177  ff. 
Ausnahmen,  ungesetzliche  440 ff. 
aver  panden  203  ff.   cf.  bei  Pfand- 

werth ,  Distrakt. 


B. 


bancharii  365.  588. 

Bank  cf.  Wechsel  -  Darlehns  -  Bank 

u.  a.  Composita. 
Bankhaus  - ,  Commanditc  etc.  cf.  bei 

Wechsler ,  italischer  Ursprung. 
Bann  52. 61  (u.  Zus.)  98. 133.524.  623. 
bede  530. 
bededinghede ,   also   cf  he  id.  109. 

110  ff.  141. 
Begriff  des  Wuchers  5  ff.  13  ff.  48  ff. 

60.  66.  69.  83  ff.  101  ff. 
Begriff  des  Wuchers ,  neuer  201. 263 

(beim  Rentenkauf)  320.  34-1  386 

(bei  Juden)  519  (bei  Darlehn.)  547. 
Behörden  als  Wechsler  421  ft". 
Behörden  ,  die  Wucher  nicht  strafen 

24.  98.  333  (bei  Juden)  476.  535. 
beneficium  divisionis  592. 
berg  der  gerechtigkeit ,    mildigkeit 

cf.  bei  montes  läetatis. 
Besserung   des  (Grundstücks  194  ff. 

(beim   l'faude)  216  ff.  (beim  Ren - 

teukauf  j  230  ff. 


m) 


Sai'liro^istor. 


Beweis  d.  ScliuHfoidernng  119. 123. 

152.  Iö8ff.  441  (bei  Verzug)  159. 

1(57  IV.  1(19.  I.S3  (beim  ri'ando)  204. 

224.  29(5  ff.  ;5(.9ff.  (b.  .Tudon)  542. 

544 ff.  Wlff.  (Handelsbücher.) 
Pibel-Zinsverbot  2.  ;3.29a.  481  ff.  49G. 

(UTff. 
blinde  keuffe  91. 
Bürge  19. 20.  89. 129. 154. 155. 160  ff. 

;U2  (bei  Juden)  359  (bei  A\^ech.s- 

lern)  381.  402.  40(j.  593.  (324. 
burgrecht  227.  cf.  beim  Reutenkauf. 


c. 


cambium  pecuniae  424  ff.  cf.  bei 
Handweclisel ,  Weclisel.  —  retro- 
gradum(321.  —  negotiatoruni  621. 

campsor.  cambiator,  cambium u. s.w. 
cf.  bei  Münzer,  AVechsler,  Wechsel. 

Canonisten  für  das  Zinsverbot  in 
Deutschland  46  ff. 

caorcinus  cf.  bei  Lombarde. 

Capitularien  vom  Wucher  59  ff. 

Cassatorische  Clausel  123  ff.  150. 

catholicum  jus  488. 

causae  ad  ecclesiam  pertinentes  cf. 
Gerichtsbarkeit. 

Caution  d.  Wechsler  cf.  b.  Wechsler. 

census,  census  hereditarius  cf.  bei 
Grundleihe ,  Eentenkauf  und  in 
den  Compositis ,  statt  Zinsen  cf. 
Umgehung  444  ff. 

census  jus  283  ff. 

centesimae  usurae  6.  11.  .58. 

Champagner  Wechselmessen  367  ff. 
372  ff.  cf.  bei  Wechselmessen. 

change  sec  626. 

Clementinen  über  Wucher  12  ff. 

Colonna  424  cf.  bei  Accommenda. 

comenda  424  cf.  Accommenda. 

commissum  cedit  creditori  pignus 
205  ff.  476  ff.  cf .  bei  lex  commisso- 
ria ,  pactum  comm. 

coramodum  temporis  124  cf.  bei  In- 
teresse. 

compensatorium  foeuus  49. 471  (usu- 
rae c.)  476. 

Competenz  bei  Wucher  cf.  Gerichts- 
barkeit, Prozess. 

concambiiun  359  cf.  bei  Wechselge- 
rechtigkeit. 

Concession  für  Wechsler  cf.  Wech- 
selgerechtigkeit. 


Concilien  in  Deutschland  für  da.s 
Zinsverbot  44 ft'.  187  (bei  Pfand) 
208.  514  ff. 

Concurs  199.  202.  232.  248  ff.  600  ff. 

Confiskation  des  Vermögens  cf.  un- 
ter Strafen  des  Wuchers. 

Constitution  de  rentes  285. 

Conto  des  Wechsels  625. 

contractus  mohatrae  448  ff. 

contratto  di  germiuamento  424. 

contributio  monete  348. 

Conventionalstrafc  110.  124.  140. 
141.  147.  148  ff.  188.  373. 

Conventionalzinsen  erlaubt  119. 151. 
156.  160.  168.  172  (aus  d.  Inter- 
esse) 194  (beim  Pfände)  197.  246. 
262  ff.  274  ff.  (beim  Rentenkauf) 
292 ff.  (bei  Juden)  385 ff.  412 ff. 
(bei  Wechslern)  443  ff.  (Umgehung) 
474  ff.  (röm.  Recht)  481  ff.  (Refor- 
mat.)  492  (Calvin)  497  ff.  (Wissen- 
schaft, Salmasius)  504  ff.  .506  ff. 
(Darlehn)  512  ff.  518.  524  ff.  (Höhe) 
537  ff.  545  ff.  551  ff.  560  ff.  568  ff. 

Correalschuldner  116.  129.  161. 162. 

corresponsales  365.  588. 

covercinus  cf.  bei  Lombarde. 

Creditkauf  36  ff.  69.  84  ff.  111.  148. 
606. 

Creditiv  381  (glouben  haben).  605. 

Creditwerk  532  ff.  535. 

curia  Christianitatis  179. 

Curs  der  Münzen  349  ff.  (cf.  Münz- 
zustäude)  356  ff.  363. 425  ff.  434  ff. 

Curs  der  Wechsel  363.  425  ff.  434  ff. 
625  ff. 

Cursgewinn  356  ff.  425  ff.  432.  434  ff. 
445  ff.  585  ff. 

custodes  nundinarum  364.  373. 

D. 

damnum  emergens  20  ff.  56.  142  ff. 
158  (bei  Verzug)  163  ff.  (bei  erfüll- 
tem Vertrage.  —  Berechnung  des- 
selben) 187.  389  (bei  Wechslern) 
476  ff.  (röm.  Recht)  489  ff.  (Ref.) 
543.  545  ff.  555. 

Darlehn  5.  13  ff.  20  ff.  49.  58.  68.84. 
87.  89  ff.  148.  156  ff.  163.  165 ff. 
192.  200.  209.  220.  230  ff.  246  ff. 
274  ff.  (beim  Rentenkauf)  292  ff. 
(bei  Juden)  357  ff.  (bei  Wechslern) 
385  ff.  412  ff.  (bei  montes)  422  ff. 
(beim  Wechseln)   455  ff.   (Gesell- 


Sachregister. 


631 


Schaft)  476  flf.  (röm.  Recht)  481  ff. 
(Refonnat.)  497  if.  (Wissenschaft, 
Saliiiasius)  506  tf.  (iin  Verkehre) 
524  ff.  5-27  ff.  (.\iiloih.)  535  ff.  (511  ff 

Darlohnstisch ,  -bank  393  ff.  404  ff. 
(Niederlande)  412  ff.  (kircliUche) 
422  ff.  426.  498  ff.  (Streit  in  Hol- 
land) 610  ff. 

datio  in  solutum  449  ff. 

decretum  Gratians  über  Wucher  5  ff. 

Decretalen  Gregors  EX.  über  Wu- 
cher 12  ff. 

delicta  mixti  fori  cf.  Gerichtsbarkeit. 

denarius  sancti  spiritus  cf.  unter 
Draufgeld. 

Depositum  110.  357  ff.  (bei  Wechs- 
lern) 391.  418  ff.  421  (bei  Behör- 
den) 422  ff.  610  ff.  626. 

dies  iuterpellat  pro  homine  115  ff. 
161. 

Diskontogeschäft  427  ff. 

Distrakt  b.  Pfände  199. 201  ff.  203  ff. 
206.  208  ff.  227  ff.  245.  249  (bei 
Rentenkauf)  211  ff.  (bei  Pfändung.) 

Dividende  455  ff.  cf.  Gesellschaft  462. 

donatio  remuneratoria  441  ff. 

Draufgeld  110.  140  ff.  150. 

Dreissigjähr.  Krieg  503.  509.  555  ff. 

dubium  camerale  552. 

E. 

Ehrschatz  213. 

Eid,  beim  Wucher  16.  24.  92 ff.  94. 
119.  121.  169.  204. 

Eigenwechsel  cf.  bei  Wechsel. 

Eindringen  des  Zinsverb,  in  Deutsch- 
land 28  ft'. 

Einfuhrverbot  100  ff.  103. 

Einlager  126  ff.  139.  624. 

Einlager  umgekehrt  130.  131. 

Einreden  122.  152.  154. 

Eintragung  der  Schuldkontrakte  in 
Schöppenbücher  119.  509  ff. 

Einzelfürsten  in  Deutschland  gegen- 
über dem  Wucher  80  ff.  86.  96.  99. 
148.  187.  199  (bei  Pfand)  229  ff. 
(bei  Rentenkauf)  240  ff.  314  ff  337. 
(bei  Juden)  3.S(;  ff.  (bei  Wechslern) 
473.  519  ff.  (beiDark-hn)  531  ff 
539  ff  545  ff. 

Eisernvieh  89.  393. 

Entsagung  der  Einreden  u.  s.  w.  122. 
152.  154.  169.  207.  519.  624. 

Entsetzung  des  Rentenverkäufers  cf. 
bei  Distrakt. 


Erbzinsrecht  cf.  bei  Grundleihe,  Ren- 
tenkauf. 

Ersatz  des  Schadens  aus  dem  erfüll- 
ten Vertrage  cf.  unter  Interesse. 

Ersatz  des  Schadens  aus  dem  Ver- 
zuge cf.  unter  N'erzugsschadens- 
Ersatz ,  Verzugszinsen. 

Etymologie  53  ff.  179  ff.  280. 

fewiggülten  224.  227.  228.  233.  240. 
243.  247.  259.  279  ff.  284  ff. 

exceptio  usurariae  pravitatis  442. 

Exkommunikation  6.  10.  23.  45.  50. 
52.  62.  98.  99.  293.  523. 

expens  cf.  bei  Interesse  damnum 
emergens ,  Verzugsschaden  373. 

eyszeren  Kaufleute  600  ff. 


facultates  juris  canonici  468. 

Faktor  374  (in  der  Messe)  378 ff. 
405  (institor ,  bei  der  Bank)  421  ff. 
(b.  Wechsel)  454  ff.  (b.  Gesell- 
schaft) 462  ff.  593  ff.  602  ff. 

Faustpfand  iHOff.  196  ff.  2ol.  391  ft". 
(bei  Wechslern.)  573  ff. 

festepenning  cf.  unter  Draufgeld. 

Finanzzustand  d.  Städte  527  ff.  613  ff. 
624. 

Flamländer,  Fläminger  369.  376  ff. 

flandrische  Wechsler  cf.  h.  Wechs- 
ler ,  ital.  Ursprung. 

foeuus  compensatorium  49.  471  (usu- 
rae  c.)  476. 

foenus  injustum  49.  61. 

foenus  justum  49.  61. 

foenus  lucrativum50. 471  (usurae  1.) 

foenus  mordens  496. 

foenus  nauticum  17  ff.  111. 458  ff.  463. 
566. 

foenus  punitorium  49. 

foenus  tacitum  393. 

foncieres  rentes  285. 

G. 

Galliens  cf.  b.  Wale ,  Lombarde. 
Gantverfahren  232.  cf.  Conkurs. 
geln-iiuchliches  Interesse  cf.  bei  ge- 

bülirl.  intcresse  176.  195. 
gcbülirliches  Interesse  169.  171. 
aus  geding  vvucher  86  ff. 
(Jefahrvergütung   ist   kein    Wucher 

17.  49.  111.  190.  2(.K).  207.  431  ff. 

452  ff.  45«  ff.  4S9.  566.  585.  594  ff. 

606  ff. 
Geisselschaft  126  ff.  139. 


632 


Sachregister. 


geistlicher  Wucher  88  ff.  04. 
Geldtransportcf.b.  Wechsler,  Wechs- 

lergoschält ,  Wechsel. 
Gelübde  bei  Wucher  cf.  unter  Eid. 
Geiüess  cf.  die   einzelnen  Wucher- 
arten. 
Gerichtsbarkeit  8  ff.  45.  50.  62.75. 

76. 78. 93.  94  ff.  S»7  ft'.  99. 114. 179. 

333.  341.  343ff.364.375{b.  Wech- 

selmesscn)  388  ff.  477  ff. 
germinaniento  .  coiitratto  di  g.  424. 
gesatczter  gesuch  303. 304  (b.  Juden.) 
Geschenk  statt  Zinsen  441  ff.  cf .  bei 

Umgehung,  Ausnahmen. 
Gesellschaft    89.   IcX)  ff.   107.   380. 

fVN'echsler)   416  ff.   (montes)  418. 

421  ff.  (b.  Wechselbetrieb)  453  ff. 

489  ff.  (Reformat.)  516.  521.524. 

589.  593  ff.  616. 
Gesuch  cf.  die  einzelneu  Arten  von 

Wucher. 
Gewere  des  Eigenthümers  182.  225. 
Gewere  des  Pfandgläubigers  182  ff. 

187.  193.  196. 
Gewere    des  Rentenkäufers   208  ff. 

225ff.  228.  245ff.  280. 
Gewohnheitsrecht  d.  Kaufleute  597  ff. 
gherochte  gekrcnket  73.  99. 
gichtige  schuld  211. 
glouben  haben  (Creditiv)  381.  605. 
Gottespfennig  cf.  unter  Draufgeld, 
gowertschin  cf.  bei  Lombarde. 
Grundeigenthum    in    den    Städten 

2Öff.  212  ff. 
Grundleihe,  -miethe  213 ff.  279 ff. 
Gült  cf.  bei  Rentenkauf. 

H. 

Handelsfrau  609  ff. 

Handelsgesellschaft  cf.  b.  Gesell- 
schaft. 

Handwechsel  353  ff.  (der  Hausgenos- 
sen) 357.  385  ff.  608  ff. 

hara ,  hara  374  (Champagne.) 

Hausgenossen  cf.  b.  husgenoszen  u. 
Münzgenossen. 

Hausleihe,  -miethe  213 ff.  279 ff. 

hemioliai  7.  8.  61.  88.  101. 

hinder  cf.  bei  Interesse  und  lucrum 
cessans  171. 

Hoffnung ,  wucherliche  5.  69. 

hufenschoss  534. 

husgelt  cf.  b.  Rentenkauf. 

husgenoszen  353  ff. 


huszins  cf.  b.  Rentenkauf. 
Hyperocha  cf.  b.Pfandwertli,  Pfaud- 
überschuss. 


I. 


limpegno  dei  marineri  alla  parte 
424. 

implicita ,  impietta  424.  cf .  bei  Ac- 
commenda. 

Inhaber.  Papier  auf  den  J.  228  (bei 
Reutenkauf)  436  (bei  Wcchscbi.) 

injustum  foenus  49.  61. 

inkop  vnd  wessel  356  ff. 

institor  405  ff.  (bei  der  Bank)  462. 

Interdikt  24.  50. 

Interesse  20  ff'.  49.  56.  73.  124.  151. 
156  «■.  158  ff.  (bei  Verzug)  163  ff. 
(bei  erfülltem  Vertrage)  cf.  bei  lu- 
crum cessans  (169  ff.)  und  damnuni 
emergens  177. 185. 195. 275. 307  ff. 
(bei  Juden)  389  (bei  Wechsleni) 
393.  416  ff.  425  ff.  (b.  Wechseln) 
433.  471  ff.  476  ff.  (röm.  Recht) 
489  ff.  (Reformation)  5U.  543  ff 
551.  554.  559  ff  562  ff.  594.  606. 

Interesse  vom  Interesse  148. 165.  cf. 
Zinses -Zins. 

interusurium  124.  525. 

Italiener  cf.  bei  Wechsler ,  italieni- 
scher Ursprung. 

Juden  .  Aufkauf  durch  102  ff. 

Judenpfand  298  S.  307  ff.  309  ff.  (Haf- 
tung für  ZufaU,  Schuld)  312  ff. 
(Rückforderung  des  wider  Willen 
des  Eigenthümers  gesetzten  Pfan- 
des) 315  ff.  (Schuldhaft  eines  Chri- 
sten) 320  (Zwang  dazu)  341  ff. 
(Verbot)  385  (Wechsler.) 

Judenrechte  297  ff.  324  ff.  (Leib- 
eigene.) 

Judenregal  294 ff.  cf.  Juden,  Stel- 
lung zum  Reiche  344  ff. 

Juden ,  Stellung  zu  Kirche  u.  Reich 
292  ff.  324  ff.  (Leibeigene)  335  ff'. 
341.  344.  384  (Wechsler  cf.  bei 
Wechslergeschäft.)  534.  541. 

Judenstrafe  22  ff.  45. 293. 315. 332  ff. 

Judenverfolgung  324  ff.  328  ff.  334  ft\ 
(in  Xüniberg)  340  (in  Breslau) 
341  ff.  (in  Würtemberg)  367.  624. 

Juden wncher  45.  64.  65.  70. 81. 88  ff". 
92.  126  ff.  132.  133.158  (Schaden- 
nehmen) 298.  315  ff.  332  (Zinses  - 
Zins)  299  ff.  305  ff.  (Begründung) 


Sacliroffister. 


am 


307  ff.  (Verabredung)  309  ff.  (Be- 
weis) 31fl ff. 382.344  (Höhe)  344 ff. 
(v.  Reicbsgesetze  gebilligt)  400  ff. 

Juden  Zinsen -Verbot  2.  '293.  297. 
300  ft'.  332  ff.  341.  343.  493  (Cal- 
vm)49Üff.  552ff.  5G3. 

Judenzins,  -abgäbe  294 ff.  cf.  Ju- 
den ,  -  Stellung  zum  Reiche  324  ff. 
334tt\340ff.  024. 

jüngster  I\eichsabschicd555ff.  560 ff. 

jus  catliolicuni  488. 

justum  Ibeuus  49.  61. 


K. 


Kaiser  in  Deutschland  gegenüber  d. 
Zinsverbüt  37  ff.  78  ff.  187  (beim 
Pfände)  223  ff.  (bei  Renten)  293  ft". 
315  ff.  344  ff.  (bei  Juden)  386  ff. 
(b.  "Wechslern),  cf  b.  Reichsgesetz. 

Kaiserrecht  cf.  beim  röm.  Rechte. 

Kammerknechte  293  ff.  (cf.  bei  Ju- 
den -  Stellung  zu  Kirche  u.  Reich) 
324 ff.  387  ff.  (bei  AVechslern.) 

Kauf  3.  5.  14.  17.  58.  61.  85.  87  ff. 
89  ff.  94.  100  ff.  105. 111.  171.  281. 
449  ff.  593  ff  599.  606. 

Kauf  auf  Wiederkauf  15. 90. 91. 190  ff. 
197.  216.  228.  235. 422. 449 ff.  606. 

Kauf  der  Früchte  auf  dem  Halme 
37.61.  100  ff.  449  ff.  536. 

Kaufleute  als  Wechsler  355  ff.  385  ff. 

Keuffe,  blinde  91. 

Kirche  279  ff.  (bei  Rentenkauf)  387  ff. 
(bei  Wechslern)  412  ff",  (bei  montes) 
429  ff.  (beim  Wechseln)  453  ff.  (bei 
Versicherungen ,  Gesellschaften) 
468  ff.  (beim  röm.  Rechte)  479  ft'. 
(Reformat.)  499  ff.  (Bankstreit  in 
Holland)  507  ff.  (Darlehn  im  Ver- 
kehre.) 568  ff.  (Conv.zinsen.) 

Kirchenbaukasse  50. 

Kirchenväter,  der,  Zinsverbot  3 ff. 

Klerus  in  Deutschland  verbreitet  das 
Zinsverbot  37  ff.  78  ff.  80  ff.  507. 

Klerus  gegenüber  dem  Wucher  6  ff. 
14.  22  ff.  38  ff.  58.  88  ff.  126.  187 
(beim  Pfände)  214  (beim  Renten- 
kauf) 215  ff.  228  ff.  25(5.  286.  293. 
297.  315 ft'.  322.  328 ft'.  (bei  Juden) 
390  ff.  (bei  Wechslern)  418  ff.  481  tf. 
(Reformation)  498  ff.  (Bankstreit 
in  Holland)  507  if.  (Darlehn)  514  ft'. 
520  ft".  (Pabst  selbst)  .571.  595. 

Korngült  215.  cf.  Rentenkauf. 


Kostenersatz  ist  kein  Wucher  11.  cf. 
bei  Verzugsschaden  -  Ersatz  ,  In- 
teresse ,  damnum  emergens.  — 
183  ff",  (beim  Pfände)  188. 195. 19f>. 
412  ff.  (bei  Wechslern)  420.  425  ft". 
511. 

Kündigung  (cf.  bei  Verzug  der  Zah- 
lung) 193  (beim  Pfände)  230  ff. 
242  ff.  247  ft".  274  ft'.  279  ft".  286. 
(beim  Rentenkauf.) 

Kuhmiethe450ff.  457. 

kundliche  schuld  24. 


Laien  wuchernd  6.  7ft.  9.  14.  22  ff. 
88  ff.  187  (beim  Pfände.) 

Lamparter  cf.  bei  Lombarden. 

landesübliches  Interesse  165. 

landesübliche  Zinsen  566. 

Landrechte.  Landesgesetze  vom  Wu- 
cher 80  ff. 

Landschaft ,  Vertrag  der  532  ff. 

Landsmannschaft  d.  Wechsler  388  ff. 
cf.  bei  Wechselmessen,  Wechslern. 

Latini  cf.  bei  Lombarden ,  Walen. 

legitinms  usus  cambiorum  430  ff.  cf. 
bei  Wechsel ,  Kirche. 

Lehnsherr,  -gut  17.  213.  228.  473. 

Leibrente  (Leibgedinge.  Leibzucht). 
191.  228.  243.  245.  259  (Renten- 
fuss)  276. 282. 397  ff.  419  ft".  (Bank) 
527ff.  530ff.  615. 

leiga .  ]\riethszins  178. 

Leihe  (Commodat)  213  ff. 

Leihehaus  cf.  bei  Pfandhaus.  Dar- 
lehns  - ,  Wechselbank. 

Leistgeld  164.  cf.  bei  Literesse,  dam- 
num emergens. 

Leitkauf  140. 

lex  Anastasiana  227. 

lex  commissoria  205  ff.  207.  476  ff. 

liber  sextus  über  AVucher  Piff. 

Lieferungsvertrag  14.  37.  61.  101  ft\ 
111. 119. 157  (Verzug)  446  ft".  453  ff 

Lieger  cf.  bei  Faktor. 

Lombarden  366  ft".  3(58  ff.  (ital.  Kauf- 
leute) 371  ff.  (ital.  Wechsler)  37G  ff. 
425  ff. 

losung  241  cf.  Ablösung  der  Renten. 
521 1  ff.  (Steuer.) 

lucrativum  foenus  49.  471. 

lucratoriae  usurae  471.  cf.  b.  lucrati- 
vum foenus. 


634 


Sachregister. 


luoruui  cessans  21. 124. 108  (bei  Ver- 
zufr)  lH4ff.  (b.  erfülltem  Vertrage) 
lG9ff.  188.  380  (bei  Wechslern) 
47(!  ff.  (röni.  Rcclit)  489  ff.  (Refor- 
mation) 495  ff.  543.  545  ff.  555. 

Innibart .  lummert  cf.  Lombarde. 

M. 

Mahnung  zur  Vertragserfüllung  11(5. 

118.  119. 
maitres  des  foires  364. 
Mandat  110. 
nianifesti  usurarii  22. 24. 50. 88. 360. 

369.  387.  409  ff.  476. 
niarcharum  scutus  431  ff.  cf.  b.  Wech- 
sel ,  Kirche. 
Märkte  cf.  bei  Wechsel  - ,  Waaren- 

märkten. 
matricula  der  Kaufleute  597. 
niaximae  usurae  567. 
Mehrforderuug ,  vorbedungen  86. 
mensarii  413. 

Messen  cf.  bei  Wechselniessen. 
Messwechsel    cf.   bei  Wechsel  und 

Wechselmessen, 
middelmatige  handeling  499. 
Miethe  178.  199.  213  ff .  357  IT.  441 

(des  Geldes)  450  (der  Dienste)  451 

(Kulimiethe)  457. 
Mitgiftsbank  414. 
mohatrae  contractus  448  ff. 
rnonetarii  cf.  bei  Münzgenossen. 
Monopolien  100  ff.  464.  592. 
montes  pietatis  400. 412  ff.  496.522. 

524. 
mora  19  ff.  cf.  Verzug ,   Zahlungs- 
verzug. 
Moratorien  114.  122.  600  ff. 
rnordens  foenus  496. 
Mündeln  ist  Wucher  erlaubt  489  ff. 

492. 
Münzer  cf.  bei  Münzgenossen. 
Münzgeld  348. 
Münzgenossen  (husgenoszen ,   Zunft 

der)  .353  ff.  358  ff.  609  ff. 
Münzmeister  353  ff.  360.  609  tT. 
Münzprägung  348  ff.  357  ff.  608  ff. 
Münzregal  348. 
Münzwucher  412. 
Münzzustand    29  ff.    348  ff .   (Curs, 

Münzvereinigung)  .357  ff.  425  ff. 
mutuum  palliatum  15.  442.  cf.  bei 

Umgehungen,  Ausnahmen. 


N. 

Näherrecht  213  ff.  239. 

natio  (Landsmannschaft)  der  Wechs- 
ler cf.  Wechselmessen ,  Wechsler. 

nauticum  foenus  17  ff.  111.  458  ff. 
463.  566. 

Nebenwechsler  357.  358  ff.  609  ff. 

negotiatores  transmarini  353.  388. 

nostri  campsores  der  Päbste  355  ff. 
370.  371  ff. 

notae  oppignorationis  275. 

0. 

Obereigenthum  cf.  bei  Grundleihe, 
Rentenkaufs-Entstehung  227.231. 
233.  279. 

obnoxiatio  132  ff. 

obstagium  126  ff. 

üeff entliche  Bank  393  ff.  404  ff.  (Nie- 
derlande) cf.  bei  den  Compositis 
von  Bank. 

Oeffentliche  Wuchrer  22.  24.  50.  88. 
cf.  bei  manifesti  usurarii  360  ff. 

oppignorationis  notae  275. 


pactum  commissorium  205  ff.  207  ff. 
476  ff.  606. 

päbstliche  Einkünfte  cf.  Peterspfen- 
nig, Zehnten. 

palliatum  mutuum  15.  442  cf.  bei 
Umgehungen ,  Ausnahmen. 

Papier  auf  den  Inhaber  228  (bei  Ren- 
tenkauf) 436  (bei  W'echseln). 

pensio  cf.  bei  Rentenk^uf. 

personae  illustres  146.  476. 

personales  rentae  285. 

Personalhaft  125  ff.  132  ff.  137  ff. 
315  (Christ  bei  Juden)  448. 

Personalhaft,  öffentUche  132.  137 ff. 

Peterspfennig  356  ff.  371  ff.  422. 

petitio  530  (Steuer.) 

Pfand  160.  180  ff.  196.  197  (beweg- 
liches )  182  ff.  ( unbewegliches ) 
193  ff.  198.  245  (generelles)  201  ff. 
bis  205  ff.  579  ff.  (wird  Eigen- 
thum  des  Gläubigers)  207.  210. 
226.  228.  245.  275  cf.  bei  .Juden- 
pfand 357  ff.  (b.  Wechslern)  387  ff. 
402.476.  (röm.  Recht.)  574  ff.  606. 
614. 

Pfandgewere  182  ff.  187.  193.  196  ff. 
205. 


Sachregister. 


635 


Pfandliaus  .S9(;  ff.  4o4  ff.  (Nieder- 
lande) 412  ff.  (kirchliche)  418  ff. 
496.  4i»8ff.  (Streit  in  Hullaud.) 

Ffandinanko  20,'?  ff. 

Pfandmitzen  17.  68.  70.  140.  148. 
180  ff.  l!»2ff.  (Dauer)  l'J4ff.  (Höhe) 
196  ff.  199.  205.  206.  475  ff.  (rö- 
misches ßecht.)  573. 

Pfandnutzeii  von  der  Person  des 
Schuldners  137.  139  ff. 

Pfandüberschuss  201. 

Pfändung  um  Schuld  211  ff.  226. 

Pfandwei-th  195. 199  ff.  201  ff.  207  ff. 

Pfandwucher  13  ff.  56.  68.  70.  87. 
89.  476. 

Pfandzeit .  -Dauer  191.  192 ff. 

Pfenniggült  215  ff. 

I'fennigzins  230.  cf.  bei  Rentenkauf 
261.  549.  616. 

Pfundschoss  534. 

Platzwechsel  432  ff.  cf.  bei  Wechsel, 
Kirche ,  Wechslerwucher. 

pravitas  usuraria  cf.  Composita  von 
Wucher. 

Prekarien  294.  530  (Steuer.) 

prestita  424. 

Privatbank  376  ff.  cf.  bei  Wechsel  - , 
Darlehns  -  Bank. 

Prokurator  374  (in  der  Messe)  378. 
405. 

Prolongation  113  ff.  118.  123.  167. 
275.  428  ff.  (b.  Wechsel)  442.  62(5. 

promissor}'  notes  cf.  bei  Wechseln 
429  ff.  437. 

Prozess  über  Wucher  etc.  8.  9.  10. 
16.  50.62.  76. 94  ff.  98  ff.  114. 179. 
333.  341.  343  ff.  364  (bei  Wechsel- 
messen) 442  (exceptio  usur.  prav.) 
473  ff.  477. 

punitiirium  foenus  49. 

Q- 

quinqueviri  mensarii  413. 

R. 

Ratenzahlung  118.  123  ff.  239  (bei 

Renten.) 
Realgewerbe  358 ff.  (bei  Wechslern.) 

610. 
realia  cambia   430  ff.   cf.    Wechsel. 

Kirche. 
Reallast  245. 
Hechtsbücher   in  Deuts(.'liland    iibcr 

Wucher  63  ff. 


Rechtsverkehr  der  Parteien  vom  Wu- 
cher 28  ff.  37  ff.  72.  77.  79.82.  83. 
107  ff.  177  ff.  183  ff.  186  (beim 
Pfände)  196  ff.  207.  227  ff.  242  ff. 
262  ff.  (beim  Rentenkauf)  319  ff. 
(bei  Juden)  386 ff.  (bei  Wechslern) 
440  ff.  472  ff.  506  ff.  (bei  Darlehn) 
515  ff.  567  ff. 

Reformation  gegenüber  dem  Zins- 
verbote 71.  82.  96.  98  ff.  419 ff. 
456  ff.  479ff .  503  ff.  511. 535. 615  ff. 
617. 

Reichsgesetze  v.  Wucher  78  ff.  555  ff. 
560. 

Reichshofrath  80.  545.  558. 

Reichskammergericht  80. 343. 477  ff. 
551ff.  558ff.  561ff. 

Rentenfuss  156.  195.  237  ff.  (Ablö- 
sung) 251  ff.  (der  laufenden  R.) 
266  ff.  (Rentcnfusstabelle)  290  ff. 
529ff.  537ff.  548.  560  ff. 

Rentenhöhe  251  ff. 

Rentenkauf  66.  87.  110.  143.  155. 
156.  168. 174. 176. 191. 192  ff.  200. 
208  ff.  212  ff.  231  ff.  243  ff.  (spe- 
ziell ,  generell)  232.  263  (Ermässi- 
gung der  R.)  279  ff.  (im  kanon. 
Rechte)  347.  412  ff.  418  ff.  (bei 
montes)  449.  481  ff.  (Reformation) 
527  ff.  539  ff.  546.  550  ff.  560  ff. 
569  fT.  582.  615.  617  ff. 

Rentenkauf.  Entstehung  212 ff. 

Rentenkauf,  Natur  223 ff.  277 ff. 
(nach  der  Umbildimg.) 

Rentenkauf,  Verbreitung  228 ff. 

Rentenkauf,  Umwandlung  in  d.  zins- 
bare Darlehn  230  ff.  (Zahl  der  R.) 
233  ff.  (Ablösung)  243  ff.  (gene- 
relle R.)  247  ff.  (Kündigung)  274  ff. 
(Aufgehen  in  das  zinsb.  Darlehn.) 

rentae  foncierae  285. 

rentae  personales  285.  290. 

rentae  viageriae,  vagae,  volantes  285. 

Respektsfrist  118. 

responsales  588. 

retorsionis  jus  5.  110. 

retrograda  cambia  451  ff.  cf.  Rikor- 
sawechsel  621.  626. 

Retuniwechsel  451  ff.  cf.  bei  Rikor- 
sawe<hsel  621  ff. 

Rcupöii  141.  1.50. 

Rikorsawechsel  430  ff.  435  ff.  l.M  ff. 
621.  r>-M. 

Risiko  17  ff.  19  cf.  Gefahr. 


63G 


iSachrcffistor. 


römisches  Recht  gegenüber  d.  Zins- 
verbote 71.  77/7H.  82.  lüSft'.  170. 
IJt-l  (^beini  Pfände)  1<I7  IT.ISH).  201. 
•207.  20S.  227  (beim  Reutenkauf) 
l(i7  ff.  511. 538. 544  ff.  551  ff.  562  ff. 
5(iti  ff.  (J2(j. 

Rutscherzins  143.  213  ff. 

S. 

sacri  officii  societas  cf.  bei  soeietas. 

Satzung,  ältere  180 ff.  201.205.207. 
229. 

Satzung,  neuere  196  ff.  201. 207. 210. 
221.  229. 

Satzungsgewere  196  cf.  Pfandgewere. 

Säumniss  der  Zalilung  19  ff.  49  cf. 
bei  Zahlungsverzug. 

Schaden  cf.  bei  den  mit  ihm  zusam- 
mengesetzten Worten  und  bei  In- 
teresse .  Damnum  emergens. 

Schaden  nehmen  158  ff.  162.  385. 
393ff.  (auchimigekehrt.) 

Schadenersatz  aus  dem  erfüllten 
Vertrage  cf.  bei  Interesse. 

Schadenersatz  aus  dem  Verzuge  cf. 
bei  Verzugszinsen ,  Verzugsscha- 
densersatz. 

Schadenersatz  aus  Zufall  163. 

Schadenkauf  89.  90.  427  cf.  bei  Dis- 
kontogeschäft. 

Schadenstand  148.  164.  165.  195. 

Schadfall  cf.  bei  Interesse  164. 

Scheinwechsel  626. 

Schlechter  Wucher  84. 

Schuldarbeit  137  ff. 

Schuldbücher  23. 

Schuldhaft  132  ff.  cf.  unter  Perso- 
nalhaft. 

Schuldknechtschaft  127.  132  ff. 

Schuldschein  cf.  bei  Darlehn ,  Pfand, 
•Wechsel. 

Scontro.  cf.  bei  Wechselmarkt. 

scutus  marcharum  431  ff.  cf.  bei 
Wechsel,  Kirche. 

Seedarlehn  cf.  bei  foenus  nauticum. 

Sendebriff  605. 

sescuplae  usurae  7.  11.  61. 

siccum  cambium  cf.  bei  Wechsel  und 
Kirche  429  ff. 

Sikirheit  120. 

Simonia  88.  110. 

Simoniacus  85. 

societas  stanni  462  ff. 

societas  sacri  officii  457. 


Solawechsel  cf.  bei  Wechsel. 

Sozietät  cf.  bei  Gesellschaft. 

Spiel,  zum,  Darleihen  89. 

Sportein  statt  Zinsen  4^44  ff. 

Sprachliche  Herleitung  von  Wucher 
38.  53  ff. 

Städtische  Banken  397  ff. 

Städtisches  Grundeigenthum  29  ff. 
212  ff. 

Stadtrechte  vom  Wucher  72  ff. 

Stammgut  187  ibeini  Pfände.) 

Strafen  des  Wuchers  6.  10.  22  ff.  50. 
52.  62.  94  ff.  97  ff.  106.  107.  179 
(in  England)  475  ff.  482  ff.  (Refor- 
mation) 511.  596. 

Strafsumme  50.  97.  99.  107.  179. 

Stickpfand  (Pfand  mit  pactum  com- 
missorium)  208. 

Strohwisch  ausstecken  204.  233. 248. 
(cf.  bei  Distrakt.) 

Summisten  für  das  Zinsverbot  in 
Deutschland  46  ff. 


Tabelle  des  Rentenfusses  266  —  73. 
table  de  prest  cf.  bei  den  Composi- 

tis  von  Bänke, 
tafel  van  leeninge  cf.  bei  den  Com- 

])Ositis  von  Bänke, 
tallia  (Einkommensteuer)  389. 
Taxen  durch  Kirche ,  weltl.  Obrig- 
keit 5  ff.  13.  14.  103  ff.  148.  430  ff. 

598  ff.  625.  (bei  Wechseln.) 
thenmge  cf.  bei  Literesse ,  damuum 

emergens ,  Verzugsschaden. 
toculliones392ff. 
Tontinen  243.  399. 
transmarini  negotiatores  353.  388. 
Transportkosten  14.  600.  606. 
Transportpreis  228  (bei  Rentenkauf.) 
Tratte  cf.  bei  Wechsel. 
Treugeloben  120. 
Tribut  statt  Zinsen  444  ff. 
triumAari  mensarii  413. 
trockne  Wechsel    cf.  bei  Wechsel, 

Kirche  etc 
turpe  hierum  5.  7  ff.  48  ff.  51.  61.  73. 

84.  97.  300  (bei  Juden.) 

u. 

Uebertragung  der  Wechsel   cf.  bei 

Diskontogeschäft. 
Uebertragung  der  Forderungen  449 

(Umgehung.) 


Sachresrister. 


G.']7 


Umgehung  dos  Zinsvorbots  Gff.  15. 
61.  85  ff.  90.  91.  105.  19"2.  279  ff. 
365  ( bei  Messwechseln )  412  ff. 
(montes)  429 ff  (bei  Wechseln) 
436  ff.  440  ff.  (ungesetzl.)  451.  026 
(Scheinwechsel) 455 ff  (bei Gesell- 
schaft, Versicherung)  4<S1.  518  ff. 
522  ff.  621. 

Ungelt  527.  529  ff. 

universitates  canonistarum  468  ff. 

unleugbare  schult  211. 

Untereigenthuni  197.  213  ff.  cf.  bei 
Grundleihe ,  Eentenkaufs  -  Ent- 
stehung. 

Ursprung  des  Zinsverbots  1  ff 

sub  usura  conquirere  cf.  bei  Scha- 
dennehnien. 

usurae  centesimae  6.  58. 

usurae  compensatoriae  471  cf.  bei 
foenus  conipensatorium. 

usurae  Judaicae  315  cf.  Judenwucher 
und  Zinseszinsen  475. 

usurae  Lonibardoruni  379. 

usurae  jus  6.  110. 

usurae  lucratoriae  471  cf.  bei  foenus 
lucrati^Tini. 

usiirae  sescuplae  7.  61. 

usurae  usurarum  cf.  bei  Zinseszinseu. 

usurarii  nianifesti  22.  24.  50. 88. 360. 
369.  387.  410  ff.  476. 

usuraria  pravitas  cf.  Composita  von 
Wucher. 

usuraria  voluntas  15  ff.  25.  48.  61. 
85.  94.  108  ff  112,  445  ff 

usus  legitimus  canibiorum  430  ff.  cf. 
Wechsel,  Kirche. 


vagae  rentes  285. 

Vasall  17. 

Veräusserung  des   Pfandes,    Eent- 
grundstücks  cf.  bei  Distrakt. 

Verbreitung  des  Zinsverbotes  37  ff. 

Verjährung  300  (bei  Judenzinsen.)     j 

Verkauf  erzwungen   599.   Verboten  i 
606.  i 

Verkehr  cf  bei  Rechtsverkehr.  I 

verliehe  kewffe  89.  I 

verschleiertes   Darlehn   cf.  bei  nm- ; 
tuum  jialliatum,  Umgehung,  Aus- 
nahmen. 

versessene  Zinsen  534  ff. 

Versichemngsvertrag  45.'5 

Versprechungseid  121   cf  unter  Eid 


Verzug  der  Zahlung  19  ff.  49.  56.  73. 
85.  110.  112  ff.  141.  192  ff  201  ff. 
205  (beim  Pfände)  2o8  ff.  (beim 
Rentenkauf)  cf.  Distrakt  443  ff. 
(erheuchelt.) 

Verzugsschaden-Ersatz  112  ff.  142  ff. 
(ohne  ihn  zu  vereinbaren)  143  ff. 
146  ff.  (nach  Uebereinkunft)  151  ff. 
153  ff.  157  (bei  vertretbaren  .Sa- 
chen) 158  ff.  (Umfang)  177.  188  ff 
(beim  Pfände)  205.  208  ff.  227  (b. 
Rentenkauf)  307  ff.  (bei  Juden) 
425  ff.  (bei  Wechseln)  443  ff.  (Um- 
gehung) 471  ff.  (röm.  Recht.)  540. 
606. 

Verzugsstrafe  147.  148  ff  189.  201. 
209. 

Verzugszinsen  112  ff.  142  ff.  201  ff. 
275. 476.  541  ff.  551  ff.  559  ff.  562  ff. 
594.  624. 

Verzugszinsen  normii-t  von  den  Par- 
teien 142  ff.  148  ff.  l'lff  153  ff. 
cf.  bei  Verzugsschadenersatz  444. 

Verzugszinsen  fixirt  vom  Gesetze 
142  ff.  146  ff.  151  (von  den  Schop- 
pen) 153  ff.  275.  444. 

viageriae  rentae  285. 

Vieh  gemalt  450  ff.  cf.  Umgehungen. 

volantes  rentae  285. 

Volksrechte  vom  Wucher  55  ff. 

voluntas  usuraria  15  ff  21.  25.  48. 61. 
85.  94.  108  ff.  112.  445  ff. 

vorbedungene  Mehrforderung  86  ff. 

Vorkauf  89.  91.  100  ff.  464. 

Vorkaufsrecht  213  ff.  286  ff. 

w. 

Wale  cf.  bei  Lombarde ,  desgleichen 
WaUone. 

Waarenmärkte  (Wechseln!.)  361  fl'. 

Wadium  132  ff.  180. 

Wardein  360.  Beilage  E.  a.  609. 

Wechsel  357.  364  (Messwechsel)  368. 
373  IT.  385  ff.  420 ff.  cf  bei  Curs- 
gCA\inn ,  Wechselgeld .  Diskonto 
u.  s.  w.  429  ff  (Kirche)  434  IT.  441  ff. 
451  ff  (Scheinwechsel)  548.  584. 
614.  (525  ff.  fcurs)  626. 

Wechselbank  358  IT.  3(J0.  364.  376  IT. 
393 ff  397 ff  (.städtische)  40(»  ff 
404  ff  (Niederlande)  412  ff  (kirch- 
liche) 496.  498ff  (Streit  in  Hol- 
land) 585  ff.  590.  610. 

WeclLselgeM  368.  :J86.  425  ff.  445tT 
585  fl'.  (i26. 


638 


Sachregister. 


Wcchselmärkte  361  ff.  (Wcchselmcs- 
seii)  363  ff.  624  ff.  (Messzeit-, 
Eintlioiluiig- .  -Privilegien'!  372fr. 
(Champaeneriiiessen  verbuiidon 
mit  Deutschland)  428  ff  433  ff 
442.  452. 

AVecliselgorechtigkeit  353  ff  357. 359. 
384.  388  ff.  611  ff.  (Concession.) 

Wechselgewinn  364  ff  o^G. 

Wech.«ler  158  ( Schadcnnehmen) 
348 tf  357 ff  (Kaution,  Abgaben) 

•  358. 366. 411  ff  (Verfolgung)  387  ff 
(rechtliche  Stellung)  404  ff.  584  ff. 
607  ff. 

Wechsler,  deutscher  Urs])rung  348  ff 
354 ff.  (Geschlechter,  Hausgenos- 
sen) 355  ff  (Kaufleute)  357  ff.  (Ne- 
benwechsler) 358  ff.  (besonders  in 
Hamburg)  360  ff  (in  Norddeutsch- 
land.) 

Wechsler,  italischer  Ursprung  366  ff . 
(Süddeutschland-  369 ff  (Nord- 
deutschland) 371  ff  (ital.  Wechs- 
ler, päbstl.  Geld)  373  ff.  (Cham- 
pagner Messen)  375  ff  (italische' 
Wechsler  in  Flandern)  376  ff.  (de- 
ren Eindringen  in  Deutschland) 
421  ff 

Weclisler .  Jn,denwechsler  384  ff 
386  ff  393  ff 

Wechslergeschäfte  22.  354  ff.  355 
(Wechslerzins)  357  ff  385  (Hand- 
wechsel) 386  ff.  (Darlehn)  391  ff 
404  ff  407  ff  (Zinsen)  496.  518. 

Wechslerwucher  (gegenüber  der  Kir- 
che) 410  ff  412  ff  429  ff.  ^Wechsel.) 

Wechslerzins  cf.  Wechsler. 

weddeschat  227  cf.  bei  Kentenkauf. 

Weinkauf  cf  unter  Draufgeld. 

Weisung  213. 

weltlicher  Wucher  88  ff  94. 

wessel  vnd  inkop  354  ff 

Westgothen  11.  58.  60. 

wicbelde  cf  bei  Rentenkauf 

Widerlegung,  wedderleghunge  ilau- 
fendes  Conto,  Rechnungslegung) 
460  ff. 

widerrechtliche  Handlungen  112  ff 
541  ff.  566  ff  (Zinsen  daraus.) 


Wioderkauf  cf  bei  Kauf  auf  W. 

Wiederkaufsgülten  224.  227.  228. 
233  ff.  243  ff.  274  ff. 

Wiegegeld  608  ff 

wirthschaftlicher  Zustand  Deutsch- 
lands 28  ff. 

Wissenschaft  gegenüber  dem  Zins- 
verbot 495  ff 

wissentliclicr  wucher  86  ff 

Wortzins  ci'.  bei  Rentenkauf 

Wucher  cf.  b.  d.  spezielleren  Worten. 

Wucher  von  Wucher  cf.  bei  Zin- 
ses-Zins. 

Wucher,  öff'entlicher  cf  bei  mani- 
festi  usurarii. 

wucherliche  Absicht  15  ff  21.25.  48. 
61.85.  94.  108  ff  112.  445  ff. 

wucherliche  Hoffnung  5. 15  ff  21. 69. 
85.  109.  112. 

Wucherstreit  (in  Thüringen  u.  a.  a.  0.) 
483  ff. 

Würderungseid  145.  167. 


z. 


Zahlungstermin  117  ff.  193  (beim 
Pfände)  444 

Zahlungsverzug  19.  49.  56.  73.  85. 
110  112  ff  141.  157  (bei  vertret- 
baren Sachen)  192  ff.  200  ff.  (beim 
Pfände)  208  ff  227  (beim  Rcuten- 
kauf)  cf  Distrakt.  425  ff  (bei 
Wechseln)  442  ff.  (Umgehungen.) 

Zehnten  17.  110.  356.  371  ff.  422. 

Zeit  der  Zahlung  117  ff 

zimbliche  interesse  169. 

zimbliche  kosten  154  ff 

Zins  213 ff.  cf.  Grundleihe,  Renten- 
kauf 

Zinsen  cf.  bei  d.  spezielleren  Worten. 

Zinsfuss  537. 

Zinskauf  cf  bei  Rentenkauf 

Zinses  -  Zinsen  195.  298.  315  ff  332 
(bei  Juden)  442. 

Zufall ,  Ersatz  des  Schadens  aus  Z. 
163.  190 

Zunft  der  Münzer  cf.  Münzgenossen. 

Zwan&sanleihe  537. 


Halle,  Druck  der  W'ai.senhaus- Buchdruckerei.