GESCHICHTE
DKS
WUCHERS IN DEUTSCHLAND
BEGHÜNDUNG DER HEUTIGEN ZINSENGESETZE
(1654.)
AUS HANDSCHEIPTLICHEN UND GEDRUCKTEN QUELLEN
MAX NEIMANN,
DR. JUR. UTR. , PRIVATDOCENTEN FÜR DEUTSCHES RECHT UND CIVILPROCESS
AN DER UNIVERSITÄT BRESLAU.
\(i
HALLE,
VERLAG DER BUCHHANDLUNG DES WAISENHAUSES.
1865.
ß
Die Uebersetzung iu freinde Sprachen geschieht nur mit Genehmigung
des Verfassers.
DEN HERBEN PROFESSOREN
OTTO STOBBE
IN BRESLAU
H. H. FITTING
IN HALLE
IN GKÖSSTER VEREHRUNG UND DANKBARKEIT
GEWIDMET.
V 0 r r e d e.
Die naclifolgencle Schrift will streng quellenraässig den in
der Geschichte des Kechtes und der Wirthscliaft einzigen
gewaltigen Kampf vorführen , welcher ZAvischen dem ideal sitt-
lichen Glaubens-, dann Kechtssatze der christlichen Kirche
vom Wucherverbote und den Kräften des Kechtes und der
Wirthschaft in Deutschland während des ganzen Mittelalters
und noch weit in die Neuzeit hinein ausgefochten warden ist.
Die Resultate dieses Streites hier zusammenzufassen,
erscheint überflüssig, Aveil die Abhandlung selbst an vielen
Stellen, insbesondere am Schlüsse der einzelnen Abschnitte,
dann S. 25 if. und 540 ff. bestrebt ist , die in jedem einzelnen
Theile gewonnenen wesentlichen Sätze unter sich und mit den
Ergebnissen der andern Theile zu einem sich fort und fort ent-
wickelnden Gesammtbilde zu vereinen.
Vergleicht man diese Resultate mit den Schlüssen , welche
andere Forscher aus ihren dieser nahe verAvandten Untersu-
chungen für die Geschichte des Rechtes , der Wirthschaft mid
verallgemeinert für die Geschichte der menschheitlichen Ent-
wicklung zogen , so dürfte sich ergeben , dass die vorliegende
Sclirift für die einzelnen darin behandelten Institute speziellere
und vielfach neue Resultate beibringt, für die welthistori-
sche Stellung des Themas dagegen zu allgemeineren Sätzen
VI \' 0 V r 0 il 0.
golaugl, alj; Jone. Bezüglich des letzteren I'uiiktes will ich
hiev nur auf Eudemanns treffliche Abhandlung über die natio-
nal-ökonomischen Grundsätze der kanonistischen Lehre hin-
weisen. Endemann sieht die welthistorische Bedeutung der zu-
rückschreitenden kanonistischen Wirthschaftsgrundsätze darin,
dass m ihnen und durch sie der Werth der freien Arbeit her-
vortritt. Indessen dieser Werth war schon dem Alterthume kei-
neswegs verborgen geblieben. Das lehren die Geschichte des
Kechtes und der Volkswirthschaft bei Griechen und Eömern ;
hinsichts der ersteren spricht Thukydides es geradezu aus.
Endemann geht, um den Gegensatz gegen sein kanonistisches
Eesultat recht stark hervorzukehren, zu weit, wemiersagt:
„dem ganzen römischen Eechte dient die Anerkennung des
vollständigsten Egoismus als Grundlage etc. Der sittliche und
rechtliche Begriff wirthschaftlicher Arbeit maugelt darin ganz
und gar u. s. w. Dass auf den maasslosen Materialismus
dieser Geldwirthschaft eine Reaktion folgte , war nothwendig."
(S. 196. 1. c). Und so stellt sich auch sein „Werth der freien
Arbeit" als ein zu einseitiges Resultat der kanonistischen
Wirthschaftslehre heraus. In wie fern dasselbe einseitig und
deshalb unhaltbar ist, ergiebt sich aus der hmteu folgenden
Darlegung , die zwar nur einen Theil der kirchlichen National-
ökonomie , aber den auch von Endemann als solchen anerkann-
ten Haupttheil derselben vorführt. Eine Gewähr für die Rich-
tigkeit der unten erzielten Sätze über diesen Punkt, wie auch
allgemein , bietet der Umstand , dass es hier nicht bloss galt,
die kanonistische Lehre selbst , sondern auch deren Verwirk-
lichung und Bethätigung im Rechte und in der Volkswirth-
schaft Deutschlands viele Jahrhunderte hindurch bis auf die
verborgen leitenden Kräfte der Entwicklung hiimnter — so
weit dies die Quellen gestatten — zu verfolgen und blos
zu legen.
Vorrede. vir
Hieraus ergiebt sich, welches Verfahren mir als das geeig-
nete für diese Untersuchung scheinen musste , und es rechtfer-
tigt sich die vorliegende Anordnung des massenhaften und viel-
verzweigten Stoffes. Nicht Avillkürlich , sondern genau dem
natürlichen Gange der geschilderten Entwicklung entsprechend
gewinnen hier das deutsche Recht und die deutsche Volkswirth-
schaft dem kanonischen Zinsverbote Schritt um Schritt den
Boden ab ; diesen Schritt um Schritt stellen die einzelnen Ab-
schnitte des Buches dar. Aus der Entstehung aber, der Ge-
staltung und den Wirkungen des kanonischen , des deutschen
Zinsgesetzes und der grossen Zahl der mit ihnen eng zusammen-
hängenden Institute des Rechtes und der Wirthschaft, so wie
aus der wechselseitigen Verbindung derselben war alsdann das
eigentliche Wesen derjenigen Kräfte zu erforschen, welche jenen
Gesetzen und emzelneu Instituten zu Grunde lagen, welche sie
entstehen Hessen und im Zusammenhange mit der allgemeinen
Entwicklung des Menschengeschlechtes ihre Wii'kung und ihren
Untergang lenkten. So gestaltet sich — ohne jedes Zuthun oder
Abnehmen Seitens des Forschers — von innen heraus die Ge-
schichte des Wuchers in Deutschland vor unsern Blicken, wir
begreifen, warum sie so, wie es geschehen, verlief; organisch
entwickeln sich vor uns die Resultate dieser Geschichte , wie
Früchte, deren allmähliches Reifen wir verfolgen, deren Er-
scheinen wir vorhersagen können. Auch für die Geschichte
des Rechtes und der Wirthschaft gilt des Thukydides leuchtendes
Musterbild. Wie er von innen heraus die Geschichte sich vor
uns bilden lässt , strebte ich mit schwachen Kräften , doch reg-
stem Willen, es ihm gleich zu thun, und gerade das Bewusstsein
hiervon Hess mich die Schwierigkeiten überwinden , ohne welche
die folgende Untersuchung nicht angestellt Averden mochte.
Vieles freilich bei Beseitigung dieser Hmdernisse danke
ich der mannigfachen Hilfe, welche mir eine Reihe wissen-
VI 11 V 0 r r 0 d c.
sohaftlicher Autoritäten und l)ewälirter Quellenforschor in
liebenswürdigster Weise zu Theil werden Hessen. Von ihnen
neune ich die Herren geheimen Justizräthe und Professoren
Komeyer und B eseler in Berlin, die Herren Professoren
S 1 0 b b e in Breslau , F i 1 1 i n g in Halle , H i r s c h in Danzig.
Wenn ich mit dieser Schrift und nach derselben gemäss mei-
nem lebhaften Wunsche der Wissenschaft emigen Nutzen zu
bringen vermag, so blicke ich in grösster Verehrung zu diesen
Männern auf, die mich das Feld ackern lehrten, aus welchem
der Wissenschaft Früchte erwachsen sollen. Für die vorlie-
gende Schrift stellten ausser der Hilfe mündlicher Eathschläge
Einige der genannten Herren mir eine Zahl von Quellen und
eigenen Forschungen, zum Theil umfangreicher Art , in freund-
lichster Weise zur Verfügung. Ferneren lebhaften Dank schulde
ich dem Herrn Archivdirektor Dr. Lappenberg iu Hamburg
und den Herren Professoren Muther in Kostock, Consisto-
rialrath Gitzler, Eberty, Hofprediger Dr. Gillet, Herrn
Provinzialarchivar und Universitätsdozenten Dr. Grünhagen,
sämmtlich m Breslau, welche mir durch gütige Zusendung
handschriftlicher und gedruckter Quellen , so wie gesammelter
eigener Notizen die möglichst vollständige Ausführung der
emzelnen Abschnitte der Schrift wesentlich erleichterten. Nicht
minder verpflichtet bin ich Herrn Regierungs -Assessor Dr.
Meitzen in Breslau, welcher mir einen Theil der auf S. 257.
258 angeführten Eentenfüsse, aus den Quellen excerpirt, zur
Benutzung übergab, Herrn Archivsekretair Dr. Korn in Bres-
lau, welchem ich Einzelnes der etymologischen Ausführung
S. 53 ff. , ferner wesentliche Sätze für den einen Theil des Ab-
schnittes von der Personalliaft S. 132 — 136 und das Citat
(S. 393.) aus Walther von der Vogelweide danke, endlich
Herrn Candidaten der Geschichte Rö ssler in Breslau, wel-
cher mir die jedesmal in den einzelnen folgenden Abschnitten
V 0 r r e d e. ix
mit seinem Namen bezeichneten Notizen aus der Handschrift
des schlesischenProvinzial-Archives, Brieger Lehn und Erbe,
mitzutheilen die Güte hatte.
Wenn trotz so vielseitiger und zum Theil eingreifender
Hilfe in Inhalt und Form nachfolgender Schrift sich, wie ich
sehr wohl fühle , mannigfache Mängel herausstellen , halte ich
mich verpflichtet, noch Folgendes anzuführen.
Eine Geschichte von Zuständen vornehmlich, nicht von
Begebenheiten ist der Gegenstand dieses Buches. Deshalb
mussten die in ihrem wissenschaftlichen Werthe verschieden-
sten, nach Ort, Zeit und Inhalt zerstreutesten Schriften her-
zugezogen und verarbeitet werden. Um so nothwendiger
erwies sich dies , als in der Neuzeit und insbesondere seit der
kritischen Feststellung der Avichtigsten heimischen Kechtsquel-
len keine den Forderungen der streng quellenmässigen Wis-
senschaft nur irgend entsprechende Bearbeitung meines The-
mas sich findet, während das Bedürfniss nach einer solchen
sich in der Geschichte des Kechtes, wie der Volkswirthschaft
fortdauernd steigerte. So sehr ich nun auch die Nothwendig-
keit erkannte und das Verlangen mich trieb, im weitesten
Umfange den hieraus sich ergebenden Folgen zu genügen , so
sehr zwangen mich doch während der jahrelangen Vorarbeiten
äussere Umstände, mit der That hinter der Nothwendigkeit
und dem eigenen Verlangen zurückzubleiben. Krankheit,
dann ausgedehnte Thätigkeit zu Danzig und Breslau in der
preussischen Reclitspraxis unterbrachen vielfach meine For-
schungen. Und wenn selbst die königliche Bibliothek in Ber-
lin bisweilen nicht ausreichte , mir die zur allseitigen Erfor-
schung memes Gebietes nöthigen Hilfsquellen zu reichen , wie
konnte ich erwarten, in den Bibliotheken Breslaus solche
Lücken auszufüllen oder gar in denen Danzigs , welche mir oft
kaum die für dieses Thema nothweudigsten Schriften lieferten.
x V 0 r r 0 d e.
(Letzteres gilt natürlich nicht von meinem mir so lieb gewor-
denen Danziger Archive , dessen unter der musterhaften Lei-
tung des Herrn Professor Hirsch offenbarte Keichhaltigkeit
und Wichtigkeit für die deutsche Rechtsgeschichte auch bei
dieser Quellenforschung sich glänzend bewährte.)
Diese Umstände wollen die Leser bei ilirer Beurteilung
der Schrift geneigtest berücksichtigen.
Endlich gestatte mau mir den Hinweis darauf, dass das
Thema dieses Buches einerseits verbietet, die wirthschaftliche
Seite der darin behandelten Rechtsinstitute zu Gunsten ihrer
rechtlichen Natur hintanzusetzen , und dass es andrerseits for-
dert, bei der rechtsgeschichtlichen Darlegung der einzelnen
Listitute die sachlichen und zeitlichen Grenzen des Themas
innezuhalten.
Breslau, Ende des Sommers 1864.
Max Neumann.
Inhalt.
Seite
Einleitung. Der Ursprung des kanonischen Zinsverbotes l
I. Das Zinsverbot in den Decretalen Gregors IX. , dem
über VI. den Clementinen und in der sich hieran
schliessenden kanonistischen Lehre 12
1. Ausdehnung des Wucherverbotes 13
2. Ausnahmen vom Wucherverbote 17
3. Strafen bei Verletzung des Wucherverbotes 22
4. Schluss 25
II. Eindringen des kanonistischen Wucherverbotes in
Deutschland 28
1. Der allgemeine wirthschaftliche Zustand
Deutschlands beim Eintreten des Wucher-
verbotes 28
2. Das Eindringen des Wucherverb, in Deutsch-
land 37
III. Aufrechthaltung des Wucherverbotes in den deut-
schen EechtsqueUen bis zum 16. Jahrh 53
Allgemeines. — Sprachliche Herleitung 53
1. Die Rechtsquellen selbst 55
a. Die Volksrechte 55
b. Die Kapitularien 59
c. Die Kechtsbücher 63
d. Die Stadtrechte 72
e. Die Reichsgesetze nach den Kapitularien ... 78
f. Die Landrerlite u. landesherrliche Gesetzgebung 80
g. Der Rechtsverkehr der Parteien selbst .... 83
XU liihaltsvcrzeiclmiss.
Seite
2. Das Wui'liorvorbot dieser Rechtsqucllen . . 83
a. Per Begriff des Wuchers und dessen Ausdelmnng 83
]). Strafen des Wuchers 9-4
c. Insbesondere der Kauf der Früchte auf dem Hahne
oder in Garben. — Die Auf- und Vorkäufe . . 100
TV. riesetzliclie Ausnalimeu vom kauouistischen Wuclier-
ver])ote, innerlialb der Grenzen desselben, in Deutsch-
land 109
1. Das Allgemeine 109
2. Der Verzugsschaden-Ersatz insbesondere . 112
a. Häufiger Zahlungsverzug 113
b. dies interpellat pro honiine 115
c. Der Zahlungstermin 117
• d. Das Treugeloben 120
e. Der A^ersprechungseid 121
f. Entsagung der Einreden u. dergl 122
g. Die kassatorische Klausel 123
h. Das Einlager und die Personalhaft 125
i. Das Draufgeld 140
k. Der Ersatz des Schadens aus dem Verzuge . . . 142
1. Die Bürgschaft 160
3. Das Interesse bei erfülltem Vertrage . . . 163
a. Ersatz des erlittenen Schadens. Verschiedene Be-
rechnung desselben 163
b. Ersatz des entgangenen Gewinnes 169
c. Uebergang aus dem Interesse zu den Convcntional-
zinsen 172
V. Gesetzliche Ausnahmen vom kanonistischen Wucher-
verbote, über dessen Grenzen hinaus, in Deutschland 177
1. Das Allgemeine 177
2. Der Pfandvertrag 180
a. Die ältere Satzung. Benutzung des Pfandes durch
den Gläubiger und Anrechnung des Nutzens auf
die Schuldsuninie. Die Gesetze. Der Verkehr . . 180
b. Der Kauf auf Wiederkauf 190
c. Die Dauer der Pfandnutzung 192
Inhaltsverzeichniss. xiii
Seite
d. Die Höhe der Pfandnutzung 194
e. Die neuere Satzung lOG
f. Umbildung der deutschen Pfandgesetze über die
Pfandnutzung 199
g. Der Ueberschuss des Pfandwerthes über die For-
derung des Gläubigers 201
h. Das Distralvtsrecht des Rentenkäufers. Die Pfän-
dung um Schuld 208
3. Der Renten kauf 212
a. Entstehung, Natur, Verbreitung des Reutenkaufes 212
b. Umbildung des Rentenkaufes , Annäherung dessel-
ben an das zinsbare Darlehn 230
c. Die Höhe der Renten insbesondere 251
Rentenfusstabelle für die einzelnen Theile Deutsch-
lands von 1215 — 1620 266
d. Der Rentenk. fällt m. d. zinsb. Darlehn zusammen 274
e. Verhalten der Kirche zum Rentenkaufe .... 279
4. Die Juden 292
a. Ihre Stellung zu Kirche u. Reich (kurzer Ueberblick) 292
b. Die deutschen Judenrechte, besonders über den
Wucher der Juden 297
c. Die Zinsgeschäfte der Juden 315
d. Die Höhe der Judenzinsen und deren Ursache . . 319
e. Die Judenverfolgungen , besonders wegen des Wu-
chers der Juden 328
f. Die Reichsgesetze über den Judenwucher . . . 344
5. Die Wechsler 348
a. Deutscher Ursprung der Wechsler 348
b. Italienischer Ursprung der Wechsler 366
c. Die Juden - Wechsler 384
d. Die Stellung und Geschäfte der Wechsler. Beson-
ders der Handwcchsel. Das Darlehn. Wechsel -
u. Darlehnsbänke. Pfandhäuser , städtische Bänke 385
e. Das Verhalten d. Kirche hiergegen. Montes pietatis 412
f. Der Wucher im Wechselverkehre insbesondere . . 420
VI. Die ungesetzlichen Umgehungen des kanonischen
Zinsverbotes im deutschen Verkehrsleben .... 440
\ I V Inhaltsverzeiclniiss.
Seite
1. Das AlliriMiioino 440
"2. Die Umtrohuiiy durch den Gesollschafts- und
Versicherungsvertrag insbesondere .... 453
Vll. Die Wirkiino-eii des vöniisclien Rechtes, dev kirch-
lichen Retbnnation und der Wissenschaft ausser ihnen
gegen das kanonische Zinsgesetz in Deutschland . . 467
1. Das römische Rocht 467
a. Das römische Recht tritt zurück vor dem kanoni-
schen Wuchergesetze 467
b. Das röni. Recht tritt dem Wuchergesetze entgegen 474
2. Die kirchliche Reformation 479
a. Das Allgemeine 479
b. Luther und seine Anhänger wirken für das kanoni-
sche Wuchorgesotz , dann praktisch dagegen . . 480
c. Calvin tritt gegen das kanon. Wuchergesetz auf . 492
3. Die W^issenschaft ausser jenen 495
a. Im Allgemeinen 495
b. Die wissenschaftlichen Schriftsteller selbst . . . 497
Vni. Das zinsbare Darlehu im deutschen Verkehrsleben ö06
1. Das Allgemeine 506
2. Das Darlehn ohne Zinsen. — Weltliche und
geistliche Rücksicht 507
3. Das verzinsliche Darlehn 511
a. Früher Gebrauch des verzinslichen Darlehns . . 512
b. Umgestaltnng des Verkehrs 515
c. Das zinsbare Darlehn von den weltlichen Fürsten
angewandt 519
d. Zinsbare Darlehn der Geistlichen, des Pabstes . 520
e. Zinsbare Darlehn im Verkehre seit d. 15. Jahrli. 524
f. Die Anleihen der Städte und Staaten 527
4. Anbahnung der gesetzlichen Anerkennung des
zinsbaren Darlehns 535
IX. Genehmigung der Couventionalzmsen bis zu be-
stimmter Höhe durch die Gesetze und die Beschlüsse
der katholischen Kirche in Deutschland 539
Inhaltsverzeichniss. xv
Seite
1. Billigung von 5 Prozent der Renten, Juden-
zinsen und Verzugszinsen, Anerkennung des
Interesse in den deutschen Gesetzen .... 539
a. Fünf Prozent Renten 539
b. Fünf Prozent Judenzinsen 541
c. Fünf Prozent Verzugszinsen und Zinsen aus wider-
rechtlichen Handlungen 541
d. Fünf und sechs Prozent Interesse 543
2. Billigung von 5 (6) Prozent der Conventio-
nalzinsen beim Darlehn. Die Partikular-
gesetze. Das Reichskammergericht. Die
Reichsgesetze . 545
a. Die Partikularges. billigen die Conventionalzinsen 545
b. Die Conventionalzinsen im Reichskammergerichte 551
c. Die Reichsgesetze billigen die Conventionalzinsen 555
d. Auslegung des jüngsten Reichsabschiedes §. 174.
Streit über die Höhe der Zinsen 560
3. Anerkennung des zinsbaren Darlehns durch
die Kirche 568
X. Archivalische Beilagen 573
A. König Kasimir von Polen verpfändet Danziger Bürgern
für ein Darlehn von 7000 Gulden das Fischarat Schar-
pau, das Heiligthum des heiligen Kreuzes und das sil-
berne Bild der Jungfrau Maria am 10. August 1437 zu
Marienburg 573
B. 4 Sendboten des Königs sprechen die Scharpau dem Bi-
schöfe von Ermeland zu gegen Zahlung von 7000 m.
Pfandgeld an die Danziger Bürger am 12. Septbr. 1506. 577
C. Danzig ver]) landet dem Könige Carl von Schweden für
15000 m. Putzig u. a. Städte den 9. Mai 1457. ... 580
D. Bericht aus Pomraerellen über einen Wucherprocess we-
gen Rentenkaufes 1515 582
E. Auszüge aus Chr. Kuppeners Schrift ,.v. Wucher" 1508 584
E. a. Die städtischen Wechsel - u. Darlehnsbänke in Frank-
furt a. M. 1402. 1403 608
:vi liihaUsvcrzciclmiss.
Seite
F. Ein Brief Lnihors mi die Danziger Gemeinde über den
Wucher 1525 615
G. Erlaubniss der Conventionalzinsen für Danzig durch
Sigismund von Polen 1569 620
XI. Zusätze und Besserungen 623
XII. Sach- Register 629
EINLEITUNG.
Der Ursprung des kanonisclien Zinsverbotes.
Auf den unteren Stufen wirthschaftliclier Entwicklung ist die
Thätigkeit des Einzelnen wesentlich beschränkt auf das Geviert
seines Grundbesitzes. Die Gütererzeugung wird fast nur auf
das unmittelbare persönliche Bedürfniss berechnet, der Tausch-
verkehr ist unentwickelt, nirgend regt sich der belebende
Strom des flüssigen Kapitales, der Unternelmumgsgeist sclilum-
mert ungeboren. Nur der Arme leiht m solcher Zeit von den
Besitzenden ; aber weil er arm ist und die Zahl der Besitzen-
den beschränkt, auch ihr Vorrath nicht gross ist, ja oft
kleiner , als sie selbst ihn möglicherweise brauchen , weil das
Recht ferner roh, langsam, unzuverlässig gehandhabt wird:
so niuss der Unbemittelte die Ungunst dieser natürlichen
Verhältnisse dadurch entgelten , dass er hohe Zinsen für das
entliehene Kapital zahlt. Dieselben natürlichen Umstände
rechtfertigen auch des Verleihers hohe Zinsforderung, soweit
diese ihn nur gegen allen Schaden aus dem Darleihen sichert.
Aber es liegt nahe , dass niclit alle Wohlhabenden in solchen
Zeiten sich hiermit begnügen. Sie sehen , dass sie dem Armen
beliebig harte Bedingungen für das Darleihen vorschreiben
können, dass der Schuldner um so abhängiger von ihnen wird,
je schwerer er Kapital und Zinsen zu entrichten im Stande
ist. Der Gewinn zeigt sich gross, sicher und fast mühelos;
er vermehrt ihre materiellen Güter, ihren wirthschaftlichen
und politischen Einfluss über die Menge , die vor dem Besitze
sich beugt. Das Alles treibt die Wohlhabenden , über jene von
der Natur gerechtfertigten Zinsen hinaus V^ortheile aus dem
Darleihen zu fordern ; und so vollenden sie wol durch ihre
Neumann, Gescb. d. Wuchers. 1
2 Einleitung.
sclieinbave Hilfe die matevielle , wirthschaftliche und [»olitisdie
Drangsal der Unbemittelten.
Hiergegen regt sich das natürliche Mitleid der Menschen,
auch erkennt man die Gefahren, welche durch solchen Wider-
streit der Interessen für das (lemeiuAvesen erwaclisen. Andrer-
seits würdigt man noch nicht, dass das Kapital wirklich pro-
duktiv ist. So entsteht bei den meisten Völkern in niedrigem
CulturzAistande das religiös -sittliche, aus diesem das gesetz-
liche Zinsverbot oder wenigstens die starke Zinsbeschränkung.
Ein Beispiel geben die Juden. Im Exod. 22, 25, im Levit. 25,
35 ff. wird Wucher, d. h. Zinsen überhaupt und zwar von Geld
und Esswaaren, die als allgemeiner Werthmesser gelten konnten,
nur von armen Brüdern zu nehmen verboten, im Deuteron.
15. 3. 7. 8; 23, 19 ff. wird unter Berücksichtigmig des nationa-
len und politischen Elementes von Fremden. NichtJuden Zinsen
zu fordern gestattet. Nach der Gefangenschaft untersagt man
hier schon ausdrücklich, Zinsen von jedem Juden, nicht bloss
vom armen zu nehmen (Nehemia 5, 1 ff.). Weiter der Psalmist
(15, 5. 109, 11. 112, 5.) dann Salomo (28, 8.) mid die Prophe-
ten Jeremias (15, 10.), Hesekiel (18, 8.) eifern dagegen, und
zumal die Letzteren stellen, wol wegen der ihrem Volke beson-
ders angeborenen Xeigmig, das Verbot zu übertreten, den Wu-
cherer mit Gotteslästerern und Ehebrechern gleich, wie in Kom
Cato ihn — freilich nur als Forderer übermässiger Zmsen —
mit den Dieben, Cicero mit den Mördern verglich. ^) Kunde
davon, dass auch später noch dieses Gesetz Mosis aufrecht
erhalten blieb , geben Josephus ^) und der Talmud.
Das Christenthum dagegen ersteht aus einer fiist tausend-
I jährigen Culturentwicklung der Völker, denen zum grössten
Theile seit Jahrhunderten das Zinsennehmen gesetzlich erlaubt
war, und doch findet sich bereits in der frühesten Zeit der
Christenheit, in den canoncs Apostolorum, in den Schriften der
Kirchenväter und ersten Päbste , in den Beschlüssen der ersten
Synoden und Concilien das Zinsverbot im weitesten Umfange.
Wie erklärt sich Dieses?
1) Cato d. re rust. praef., Cicero d. off. 11,25. 2)Antiq. Jud.IV. 8,25.
Einleitung. 3
Die uiil)op-ren/te Nächstenliebe bildet den Mittel-
punkt in dm Leinen (Jlivi^ti und seiner Jünger. In fast unmit-
telbarer Anscliauun^- durclidrungen von dem gerade hierin
erhabenen Wandel der Stifter der neuen Religion, erfüllt von
dem inbrünstigen Drange, die hohe Reinheit solcher Sitten-
lehre durch das eigene Leben bis in die unbedeutenden alltäg-
lichen Verrichtungen hin zu bethätigen, musste man vor-
nehmlich Anstoss nehmen an dem wesentlich auf materiellen
Gewmn gerichteten Treiben der Kaufleute, welche nicht sel-
ten um äusseren Yortheiles Avillen die Grundsätze des Rechtes,
der "Walniieit verleugneten und insbesondere sich kennzeich-
neten durch charakterloses Nachgeben gegen die Ansichten
derer, von welchen sie Yortheile zu ziehen hofften. Dir
Gewerbe schien ihnen dergleichen Eigenschaften aufzuzwngen,
da es lediglich darin bestand, dieselben Waareu, die sie bil-
liger eingekauft hatten, theurer zu verkaufen (solche galten
allein als Kaufleute), ohne dass sie in der vorherigen Umarbei-
tung der Waare emen Grund und Maassstab höheren Preises
erlangten. So nennt can. 9. Apofiiol. die Kaufleute eine Art
Pest, und Chrysosiomns^) begründet seine Verachtung gegen
sie dadurch, dass ein Kaufmann ohne Lüge und Meineid nicht
exi stiren könne , und eifert in heiligem Ernste : kein Christ soll
Kaufmann sein, und will er es dennoch, so ist er auszustossen
aus der Kirche des Herrn. Neben den Kaufleuten traf härtereu
Tadel noch die Zinsforderer , da sie gleicher unchristlicher
Eigenschaften, wie jene, theilhaftdie Näclistenliebe noch schwe-
rer verletzten; denn sie gaben Geld und Waare ebenfalls
grundlos theurer, als sie dieselben empfingen, fort und for-
derten diese selbst danach noch zurück. 2)
Zu dieser Anfangs allein aus der christlichen Moral
herrührenden Verwerfung des Zinsemiehmens trat bald eine
Reihe fernerer Momente, das Zmsverbot fester zu begründen.
Das Wort der Bibel, der lauterste Ausdruck des höchsten
Willens, im Neuen und — zumal für Judenchristen — auch bn
1) super. Matth. c. 21. homil. 38. toiii. 2) Anibrosius (d. lono
mortis, cp. 12.), Augustin. (ad Maccd. ep. 54. j.
1*
4 Einleitung.
Altt'ii Tostainente t;ab uiuunstösslichen Anhalt, Was bedurfte
es da iiälii'ver Krwäguiii;-, wer konnte es Avagen, da nadi
(I runden /n fragen! Fanden sicli dodi immer zalilreiclier,
lirwi'iskräftigvr solclie Aussprüche der heiligen Selirift, je
iiiflir man dir Kraft des Bibelwortes betonte. Daneben
säumte man nicht, gleiche Aussprüche bei den lieidnischen
Denkern Tlato, Aristoteles, Tlautus, Cicero, Seneka hervor-
zuheben und lieidnische Gewaltliaber wegen gleicher Praxis
rühmend zu nennen, ^) Die Juden — später die Deutschen
in niederem Culturzustande — lieferten erfreuliche Beispiele im
Positiven, im Negativen die sittliche Yerfallenheit der die Zin-
seuerlaubniss ausnutzenden Eömer und der erschütterte Stand
ihres Reiches, obgleich docli ihr Gesetz noch in Maass und Art
die Zinsen beschränkte. Während man bei der Bibel Begrün-
dung mied, so suclite, fand und melirte man hier sie eifrig.
Das Geld ist unfruchtbar, lernte man aus Aristoteles und
dem römischen Eechte, wie viel weniger kann es da dem Dar-
lehnsgeber Frucht tragen, dem es nicht mehr gehört; wie kann
der Gebrauch des Geldes noch besonders nutzbrmgend für den
Darleiher sein, da doch mit der Hingabe des Geldes an sich als
Darlehu dieses perfekt ist. Das Geld ist seiner Natur nach zum
Kaufe da, es wird durch den Gebrauch nicht schlechter, die
Zeit ist ein allgemeines Gut, das man beim Ausstehen des
Geldes nicht noch besonders bezahlen kann. 2) Man folgerte
den Schlusssatz aus ilim selbst als Vordersatze und gelangte
schliesslich durch die Reihe dieser und ähnlicher logischer Trug-
schritte wieder zu dem christlich sittlichen Ausgangspunkte,
dass das Zinsnehmen Reichthum mehre und Nächstenliebe min-
dere, daher unchristlich und verdammungswerth sei.
So strebte die kanonistische Lehre — und zwar hier bei
dem Zinsverbote an der empfindlichsten Stelle, gegen den
eigentlichen Mittelpunkt alles Geldverkehrs — , jenen christli-
chen Grundsatz der Nächstenliebe, welcher eben als allgemei-
ner Grundsatz, gegenüber dem nicht ausbleibenden Gegen-
streite des Lebens so ausnahmslos aufgestellt werden musste,
Ij Suet. Oaes. Aug. c, 39. 2) u. a. Augustin. d. civitat. dei. XX. c.4.
Einleitung. 5
von seiner idealen Höhe milihvirkenrler Sittlichkeit auf den
bewegten Markt des täglichen Verkehres und in den Bereich
des äusserlich zwingenden Gesetzes hernieder zu zielien. ')
Ganz sollte das Zinsennehmen aufhören. Denn während
nochOrigines -). von überschwänglicher Nächstenliebe getrie-
ben, das Zinsverbot dadurch meiden zu können meint, dass er
dem Gläubiger zwar untersagt, das Kapital zurückzufordern,
dem Sdiuldner aber freiwillig das Doppelte zu zahlen ans
Herz legt, verbieten Augustinus, ^) Ambrosius, "*) Hie-
ronymus ^) als Wucher Alles, was der Gläubiger ausser
dem verliehenen Kapitale des Geldes oder der vertretbaren
Sachen vom Schuldner empfängt, sei es Geld, sei es irgend
ein anderer Gewinn, unter welchem Namen er immer es
fordert oder der Schuldner freimllig es giebt. Ja , schon der
Gläubiger, welcher auf solchen Gewinn nur hofft, heisst gemäss
dem Bibelworte: ,.niutitiini dafp, nihil indc spernntps,'^ bei
Augustin ein Wucherer.
Dieses im Darlehn. Im Kaufe aber zählte man zu den
Wucherern Jeden, welcher Waaren billig einkaufte und theurer
verkaufte. ") Von dieser weiten Definition liess Ambrosius nach
der oben zitirten Stelle aus dem Deuteronomion nur eine Aus-
nahme zu. Zinsen, sagt er, ") darf man von dem nehmen, dem
man mit Recht schadet, den man tödten kann, ohne ein Ver-
brechen zu begehen, und dem man mit Waffen nicht beikommt.
So übertrug er den Begriff der Fremden, von denen fx iure
reiorsi Ollis vielleicht ^) die Juden Zinsen nehmen durften,
1) cf. u. a. Walter. Kirchenrecht. XIII. Aufl. §. 351. 2) homil.
m. ad Ps. 37. 3) epist. 54. 4) d. offic. EU. 2. lib. d. Tobia c. 14.
5) ad Ezech. VI. ad c. 18. 6) Pabst Julius c. 9. C. 14. qu. 4.
conc. Tarraconense (516) c. 3. ib. Wenn sich auch unleugbar in den
Schriften der zitirten Kirchenväter (t>o Augustin ad Maced. ep. 54.) und
hin und wieder in den Briefen der Päbste oder den Concilienbeschlüssen
aus dieser Zeit Stellen finden , nach welchen die Kirche bei dem Zinsver-
bote anfänglich nur die Bedrängniss der Armen durch Zinsfordemngen der
Gläubiger gegen sie im Auge gehabt hätte , so zeigen doch schon diese
allgemein hingestellten und immer wieder betonten Definitionen, dass
man eine allgemeinere Grundlage des Verbotes annehmen müsse. 7) d.
Tobia cp. 15. 8) Cf. H. Grotius d. iur. bell, et pac.
6 Einleitung.
seiner Zeit gemäss auf die Feinde , indem er den Satz auf-
stellte: ubi ins helJi, ihi ins usuroe.^) Aber schon Hieronymus
(1. c.) behauptete dagegen , die Stelle des Deuteronomion sei
durch Ezechiel 18. v. 8. aufgehoben, und nach ihm legte man
jener Ausnahme des Ambrosius keine Bedeutung weiter bei. ^)
Solclien Verlirechens sich zu enthalten , musste vor Allen
Denen obliegen , die als Vorsteher der Gememde {/JSjQOi;) die
Reinheit der neuen Lehre zu bewahren hatten, dem Bischof,
Presbyter, Diakonus. Diese werden daher schon in den canones
der Apostel nachdrücklich und wiederholt ermahnt, sich welt-
licher Geschäfte ganz zu enthalten bei Strafe der Ausstossung
aus ilirem hehren Stande ; sie besonders sollen den Kauthandel
als eine Pest fliehen, wie viel mehr den Wucher meiden. ^) Wie-
der und wieder tönen diese Verbote und Strafandrohungen (Ex-
communikation) aus den Schriften der Kirchenväter , *) der er-
sten Päbste , ^) der ersten Sj'uoden und Concilien , ^) eine lange
Kette von Beweisen, wie das Uebel um sich griff, wie wenig
Drohungen halfen.
Auch positive Nachrichten fehlen nicht. Man forderte
durchschnittlich iisurae centesimae, den Satz des römischen
Rechtes (12 •^'o).'') — Um das Verbot zu umgehen, empfing
man den Zins vom Schuldner als Geschenk *"), statt Geld ent-
nahm man von ihm andere Sachen ^) umsonst oder zu niederem
Preise^"), oder man forderte die Zinsen im Namen eines Laien, ^^)
oder man kaufte zur Zeit niederer Preise Waaren auf, um sie
1) c. 12. C. 14. qu. 4. 2) Ciron. paratitla c. V. lib. decretal. Vindob.
1761. p. 487 ff. 3) cf. cn. 7. 9. 43. apostolor. cn. 1. dist. 47. u. dist. 88.
decret. Grat. 4) Augustin. quaestt. cp. 127. Chrysostom. 1. c. Hie-
ronyniu.s. d. vita clericor. 5) Julius I. (336—50) cn. 9. C. 14. qu.4.
Leo M. (443.) cn. 7. C. 14. qu. 4. Gelasius (494.) cn. 1. ib. Gregor.
M.(600.)cn.4.dist.47. 6)conc. Eliberitan. i.Span.(313.) cn. 5. dist. 47.
cf. u. conc. Arelatens. (314.) cn. 7. C. 14. q. 4. Nicaen.325.ib. cn.8. —
conc. Laodicae. (372.) cp. 5. cn. 9. dist. 46. conc. Karthaginiens.
(397.) cn. 6. ib. — conc. Tarraconens. (516.) c. 5. C. 14. qu. 4. conc.
Martini. (572.) c. 4. ib. — 7) cn. 4. C. 14. q. 4. — cn. 2. dist. 47.
8) Hieronym. adEzech. VI.c. 18. 9) cn. 1. C. 14. qu.3. — c.2. dist. 47.
10) Ambrosius. üb. d. Tobia. c. 14. 11) cn. 10. dist. 46. (Pabst
Leo. 443.).
Einleitung. 7
bei Theuerung lioch 7A1 verkaufen. ') Besonders im Gebrauche
waren wegen ihrer Einträglichkeit die sescuplae iisurae {rijtiö-
?jai), d. h. man lieh zu einer an Getreide, Oel, Wein armen
Zeit des Jahres bestimmte Mengen dieser Waaren aus und er-
hielt zur Erntezeit dieser Früchte unter dem scheinbar gleichen
Werthe das 1^., fache des Gegebenen zurück, oder man lieh zu
einer an Getreide reichen Zeit Geld aus, berechnete für dasselbe
das nach dem derzeitigen Preise entsprechende Maass Getreide
und liess sich das nämliche Maass in einer an Getreide armen
Zeit zurückgeben. -)
Gegen Laien hatten die ersten Kirchenväter das allgemeine
Zinsverbot ebenso gerichtet, wie gegen den Clerus. Allein,
wenn sie schon gegen jene nicht mit gleicher Strenge verfuhren,
als gegen die Geistlichen , sondern sich begnügten , ihren Wu-
cher zu missbilligen und höchstens die besonders argen Wuche-
rer mit Räubern zu vergleichen , hörte man nach ihnen ganz
auf, Rügen und Strafen gegen den Wucher der Laien aus-
zusprechen. Selbst Pabst Julius L (336 — 50) nennt ihn nur
ein fHr2)e Jucrum (c. 9. C. 14. qu. 4.). Als durchaus vereinzelt
m dieser Zeit mid darum von zweifelhafter Glaubwürdigkeit
steht der Beschluss des conc. Eliheritan. v.J. 313 da (cf. N. 6.
p. 6.), Avonach Laien , wenn sie in iniquitate usuras poseendi
verharrten, aus der Kirche ausgestossen werden sollten. 3) Eine
Erklärung findet sich vielleicht in der „iniquitas"
Das Yerhältniss änderte sich nicht, als Con st antin der
katholischen Kirche gleiches Recht neben allen Culten gab und
in ihren Dienst „ seine Macht und seine Gnaden stellte." Denn
eben dieser Kaiser liess nicht allein die früheren Zinsgesetze
des römischen Rechtes bestehen, sondern erlaubte sogar, die
Hemiolia , gegen welche man so viel gestritten hatte. •*) Das
christliche Bekenntniss schwächte nicht seine Einsicht in die
1) cn. 3. C. 14. qu. 4. 2) c. 9. dist. 4<). - c. 2. dist. 47. — c. 8.
C. 14. qu.4. — cf. Salmasius de modo usuraruni. Leyden 1639. p. 41.
311 flF. 3) cf. J. H. Böhmer, exercitt. ad pandect. IV. exerc. 63. Har
duin. concil. P. I. p. 252. Weiske Rochtslexikon. Bd. 15. p. 55. N. 7.
4) 1. 2. ti. ult. d. usur. 1. 1. cod. Theod. i)ropter incertum frugum pre-
tium. cf. Salmasius. d. modo usurar. 1. c.
8 Kinloitniic-.
Naturgesetze des Verkehres. Auch Avard auf dem wichtigen
Coiieil von Nicaea 325 nur der Wuclior der Geistlichen gerügt
und gestraft; die Tleniiolieu alh'in wuvdeu wegen ilirer ganz
1»osonders wucherlichen Natur allgemein untersagt. ') Noch
ein dalnlumdert später Avagt Pabst Leo 443 nur, den Wucher
der Laien ,.(l(n)ni((hll/s- /u nennen, und während er über den
Wucher der Geistlichen lulrteste Strafen verhängt, beklagt er
lediglich (condolemus) , dass der Wucher der Laien nicht ende.
Und wieder fast 400 Jahre danach , in welcher Zeit die Natur
des Yerkelirs gegen den kanonistischen Glaubenssatz siegreich
blieb und durch die inzwischen eingetretene Gesetzes-Samralung
und -Umformung unter Justinian das Verhältniss im Wesent-
lichen sich nicht geändert hatte, spricht übereinstimmend mit
Pabst Julius (340) im J. S06 die fränkische Geistlichkeit unter
Karl d. Gr. abermals nur die sittliche Küge über den Wucher
der Laien aus, als ein „tnrpchicfunt:'") Wachsenden Rück-
halt fanden die Laien an den weltlichen Gesetzen; derweltliclien
Obrigkeitunterthanzusein, liiess siedle christliche Lehre selbst.
Da es zu ihrem „(ulintoriinn'' geschah, reclitfertigte sie sogar
der Kirchenvater Augustin in lih. II. (lialog. contra lltieraH Fcfi-
liani (cu. 7. dist. X.) „si in aäiutor'mm vcstrum etinm terreni
impcrii Jrges nftsiimendas x^utatis, non rcprchcndimiis. Fecit
hoc Paulus, cum adrcrsus iniuriosos civeni Roniammi se esse
testatus est," freilich mit der Einschränkung (ad Bonifac. ep.
50.) cn. 1. §. 1. dist. IX.: „quicunque legibus hrtperatormn,
quae pro dei veritate feruntur , ohtemperare non vult, acquirit
gründe supplicium. Quictimque vcro legibus imperatorum,
quae contra veritatem dei feruntur, obfemperare non vult, ac-
quirit grande praemium." Diese Einschränkung aber miisste
sich modifiziren , seitdem die Kaiser sell)st sich zum Christen-
thume bekannten.
Die Kirche konnte offenbar mit ihren Zinsverboten allge-
mein nicht durchdringen, so lange sie nicht die Prozesse
]j rilonius. paratitl. i. 5. lib. decretal. ad 5, 19. 2) c. 9. C. 14.
qu. 4. Capitul. T. c. 125. V. c. 265. ff. ,J. H. Böhmer, corp. jur. can. ad
h. 1. (u. m. 1. b.).
Einleitunor. 9
Über die hierhin einschlagenden Geschäfte vor ihr
Forum ziehen durfte. Niui war zwar nach Aufnalime der
Kirche als Staatsreligion der Bischof bereits befugt, in leiclite-
ren Criniinalfällen über Cleriker zu urtheilen,^) und nach justi-
nianischem Kechte trat in Betreff der Strafzutheilung bei allen
Criminalfällen ein gemeinsames Verfahren zwischen dem welt-
lichen und geistlichen Richter ein, ^) Laien dagegen konnte die
Kirche in Criminalsaclien nur mit geistlichen Strafen belegen,
und in Civilprozessen gelangte die Sache erst dann vor das
geistliche Forum, wenn eine der Parteien es ausdrücklich ver-
langte. Der zinsfordernde Gläubiger that es wahrlich nicht,
der zinszahlonde Schuldner nur mit der Gefahr, für immer sei-
nen Credit einzubüssen , daher nur im äussersten Nothfalle. •■)
Gratian schliesst mit diesem Zustande sein Dekret,*) ob-
gleich ihm seine Gewilhrsmänner — er schöpfte bekanntlich nur
zum kleinsten Theile aus den Quellen - weiteren Stoff über
die Ausdehnung des kirchlichen Zinsverbotes gaben (cf. p. 10.
N. 3.). Allein was die Kirche, wenn auch lange zurückgehalten,
mit eiserner. Beharrlichkeit, diesem Ilauptfundamente
ihrer Grösse, im Auge und Munde behalten hatte, musste sich
nach ihrer Weisung gestalten, sobald die Schranken wichen. Die
1) c. 12. 23. 47. cod. Theod. 16, 2. 2) nov. 123. c. 21. §. 1.
3) Durch Kaiser Constantin war festgesetzt worden, dass wenn in
einem bereits vor dem weltliclien "Richter anliängigcn Rechtsstreite eine
der Parteien auf das bischötliche Bericht provozire. die Rache von diesem
entschieden und sein Urtheil seihst von weltlichen Behörden ausgeführt
werden müsse. (Haenel. d. constitt. quas J. Sirmondus. ed. Leipzig 1840.)
Aber schon, in C. 7. cod. Inst. d. ep. aud. I. 4. ist die bischöfliche Ent-
scheidung auf die Kraft eines arbitrii und die Anrufung desselben nur auf
den Fall des consensus der Parteien beschränkt. Erwägt man dazu, dass
die von Procop, freilich also zweideutig, an dem Bruder des .Tustinian
gelobte Freigebigkeit, mit der dieser grosse Mengen von Darlehen an die
Armen zinslos auslieh, den Wucher durch eigene Hilfe und das Beispiel
der That mässigte, ferner dass, zumal bei der Zinserlaubniss der weltli-
chen Gesetze, eine Berufung auf das geistliche Gericht begegnete, so be-
greift man, wie die Kirche trotz ihrer stetig wachsenden Macht so lange
Zeit gegen den Wucher der Laien Nichts auszurichten vermochte. 4)c.4.
C.14. qu.3. u. C.9. C.14. qu.4. capitul. L 12.^. (806). cf. p. 8. N. 2. (u. lU.
1. b.).
10 Einleitung.
Gerichtsbarkeit der Kirche erscheint thatsächlich allgemach
günstiger gestellt, als sie oben dargelegt worden. Von Con-
stantins Nachfolgern ward in kirchlichen Saclien die Entschei-
dung der Bischöfe anerkannt^), und der Umfang der kirchli-
chen Sachen wuchs natürlich mit der steigenden Macht der
Kirche (cf.u. IL 2. u. III. 2. a.). DazAi stieg das Ansehn des römi-
schen Bischofs in derselben mehr und mehr, und mit der da-
durch gesteigerten kirchlichen Grösse wuchs der politische Ein-
fluss desselben im Abendlande, ZAimal so lange wenig energische
Herrscher den fränkischen Thron vor und nach den ersten gros-
sen Karolmgern inne hielten. So geschieht es , dass fast ohne
offene Yermitthmg schon in demselben 9. Jahrhundert, in des-
sen ersten Jahren das Dekret Gratians die Kirche machtlos
hinsichtlich des Wuchers der Laien verliess , in den Concilien
zu Paris und Constanz untersagt wird, den wuchernden
Laien die Sakramente zu A^erabreichen , und jedem Christen
verboten , mit ihnen zusammen zu leben. ^) Und in der zwei-
ten Hälfte desselben Jahrhunderts wird , vielleicht herbeige-
führt durch den dazu hinneigenden Charakter des kräftigen
Stammbegründers Basilius des Macedoniers und sein Bestreben,
nach dem furchtbaren Verfalle aller gesellschaftlichen und
wirthschaftlichen Verhältnisse im oströmischen Reiche die Ge-
sellschaft neu auf Realität zu gründen, in der Synode von Con-
stantinopel 869 festgesetzt, dass jeder Wucherer mit Ex-
kommunikation , der härtesten kirchlichen Strafe, gestraft Aver-
den sollte. So stand also plötzlich am Ende des 9. Jahrhunderts
die Kirche anders, als je zuvor, erhobenen Hauptes da, die
harten Fesseln in der Hand, eisernen Willens bereit, sie überall
anzuschnüren, wo der Verkehr auflebte und der junge Keim
des Handels sich regte. ^) Keine Zinsen im ganzen Abend - und
1) c. 1. cod. Theod. d. relig. 16, 11. 2) J. H. Böhmer. lus eccl.
prot. Halle 1736. i. h. 1. 3) Gratian lagen höchst wahrscheinlich in
der Coli, des Burchard von Wonns nicht bloss Citate der Capitularien
aus den libri 11. des Abtes Regino vor, die freilich nicht über das tiirpe
lucrum gegen den Wucher der Laien hinauskommen, sondern auch, eben-
falls mittelbar aus Regino , die eben zitirten Beschlüsse der Concilien von
Paris und Constanz. Unzweifelhaft ferner kannte er aus der vielleicht
Einleitung. H
Morgenlande, so weit der Messgosang erklang! — Näher auf
die Verhältnisse iin Frankenlande wird unten eingegangen wer-
den, hier galt es lediglich, den Uebergang zu den viel weiter
greifenden Bestimmungen der Dekretalen zu vermitteln. ')
dein Ivo v. Charties zuzuscbreibendeu Sammlung von Deki-etalen und
ConcUieukauoues den zitirtenBescliluss derSjniode von Constantinopel 869.
Wenn er trotzdem den damit eiTungenen Aufschwung der kirchlichen
Macht nicht mehr in sein Dekret aufnahm, so that er es vielleicht mit
Rücksicht auf den Hauptzweck seiner Sammlung , nämlich auf die Aus-
gleichung der Bestimmungen des allgemeinen und nationalen Rechtes,
indem er jenem Beschlüsse allgemeine Bedeutung zuzutheilen zauderte,
oder er unterliess es mit Rücksicht auf die Gleichmässigkeit des auf-
genommenen Rechtes, indem diese Bestimmung weit über das bis dahin
ausgesprochene „tiirpe hierum" hinausging. Letzteres indess erscheint
unwahrscheinlich , weil Gratian selbst die weit gehenden Sätze der Kir-
chenväter am Anfange dieser Materie aufzunehmen kein Bedenken trug.
1) Nur in der lex Wisigothoruin , nach der Revision Reccared's I., des
ersten römisch - katholischen Gothenkönigs (Ende des 6. Jahrhunderts),
richtiger nach der seines Vaters Leovigild (Mitte des 6. Jahrh. Isidorus
bist. Goth. cf. ZöpH. D. R. G. 3. Aufl. p.61.) ist, weil das römische Recht
einen Hauptbestandtheil des Gesetzbuches ausmachte, und der Einfluss
der römischen Kirche zumal unter dem fanatischen Arianer Leovigild
gering war, Zinsen zu nehmen innerhalb der gesetzlichen Grenzen erlaubt,
und zwar etwas über 12 " „ von Gelddarlehn (centesimae usurae des römi-
schen Rechtes), mehr als 30% von geliehenen Früchten (sescuplaeV). So
blieb es noch im Fuero luzgo; denn die spanische Geistlichkeit wusste
sich von dem römischen Einflüsse mehr, als die fränkische, frei zu halten.
Erst als in den Partidas (1256 — 65) nach völligem Siege des kanonischen
Rechtes, die kirchliche Jurisdiktion auch auf die Zinsgeschäfte ausgedehnt
ward (Partid. L 8. lex. 6 u. 12.), drang auch hier das kanonische Wucher-
verbot durch, (cf. H. v. Brauchitsch. Spanische Rechtsgeschichte, Berlin
1852. p. 22. 37 ff.)
I.
Das Ziiisvorbot in den Dekrctalcn (jircgor's IX.,
dem libei'Yl., den Clementinen, und der sich
liic^ian schliessenden kanonistischen Lehre.
Der Verkehr, welcher sich trotz der ihm angelegten man-
nigfachen Fesseln seit dem Ende des 11. Jahrhunderts im
Ahendlande mehr mid mehr entwickelte, musste den Bischöfen
in Anwendung der Wucherverbote des Dekrets auf die zu ent-
scheidenden Fälle eine Menge stets wachsender Schwierigkeiten
bereiten. Denn jene Gesetze in ihrer einfachen Allgemeinheit
genügten nicht der immer steigenden Verwicklung der Ver-
hältnisse, welche beurteilt werden sollten, der täglich wech-
selnden Erscheinungsform derselben, der wachsenden Erfah-
rung der Parteien in den ihnen durch die Natur des Verkehrs
selbst gebotenen , durch gesetzliche Verbote nicht zu erschö-
pfenden Arten der Umgehung der Wuchernorm. So sahen
sich Bischöfe und andere geistliche Richter unablässig genö-
thigt , sich von Rom selbst endgültigen Rath zu erholen , und
durch die in Briefen oder Synodal - und Concilien - Beschlüssen
darauf von den Päbsten ertheilten Antworten und Entscheidun-
gen wurden die Wucherbestimmungen des Dekretes ausgebaut.
Ward auch daraus kein systematisch geordnetes Ganze , — so
weit überhaupt in der kanonistischen Lehre von wissenschaft-
lichen (zumal nationalökonomischen) Systemen gesprochen wer-
den kann , — gesetzlich erzeugt , so erfüllte doch alle diese
einzelnen Verordnungen und Entscheidungen derselbe Grund-
charakter, derselbe Grundsatz, welcher aus den einzebien
Sätzen des Dekretes sprach , und er machte jene zu einem ein-
I. 1. Das ZinsvtMbot in den Dekretalen etc. 13
lieitlichen Ganzen, ehe noch die späteren kanonistisclien Sclirift-
steller mit dem äusseren Scheine emes systematischen Baues
die einzelnen Theile des Wucherverbotes in sich verbanden und
weiter entwickelten. Man entschied insbesondere Hauptstreit-
Irag'en, die hinsichtlich des Wuchers beim Darlchn entstanden
waren, man dehnte den Beg-rift" des Wuchers vom Dai'lehn auf
andere Rechtsgeschäfte aus, man verschärfte die Strafen des
Wuchers und liess sie Jetzt nicht mehr bloss Geistliche und
Laien innerhalb der christlichen Kirche , sondern auch Nicht-
christen fühlen.
1. Ausdcdmung des Wiiclierverbotes.
Das Dar lehn blieb Ursprung und stetej" Quell von Zins
und Wucher; Alles was der Gläubiger ausser dem geliehenen
Kapitale an Geld oder vertretbaren Sachen vergütet erhielt, galt
als usiira.^) Denn der Evangelist sprach deutlich: „n/u-
tuiiin daie, nihil inde sperantes." Daher blieb es hier, wie
zuvor im Dekret, Avucherlich, falls der Gläubiger nur das verlie-
hene Kapital, doch dies, wie absichtlich contrahirt war, zu
einer Zeit höherer Geld- oder Frucht -Preise rückempting ; ''^)
nicht minder hiess es wuchern , Avann neues Getreide mit altem
rückgezahlt wurde, ^) Geld mit Waaren höheren Werthes. "*)
Folgerecht musste jeder andere Vortheil, der sich an die Rück-
gabe des Darlehns nach Absiclit der Parteien knüpfte, uner-
laubter Wucher sein, so, wenn der Schuldner ebie Beleidiffung
des Darleihers verzieh, wenn er dem Gläubiger darlieh, ihm
einen Dienst erwies , bei ihm kaufte , mahlte oder dieses künf-
tig zu thun verhiess. ^) Denn usura est, quidquid sorti accc-
dit. ^) Das geschah natürlich bei der Antichrese , wann der
Darleiher, dann überhaupt jeder Pfandnehmer die aus der
verpfändeten beweglichen oder unbeweglichen Sache des
1) c.l. X. 5,19u. a. -2) ef. ob. u. c. 19. X. f). 1!). Abbas. in h.l.n.2U.
L. Lessius de just, et jur. 11. c. 20. d. 17. Ra))!). d. Turri. tract. de
cambiis 1. qu. 13. n.91. 3) Zabarell. in Clement, un. h. t. 4) c. 19.
X. 5, 19. 5) Azorin. instit. nioral. 111. d. usura V. c. 7. L. Less. 1. c.
7 — 9. Scaccia. tract. d. coninierc. §. 1. qu. 7. par. 2. arnpl. 10. n. 88 ff.
6) c. 14. qu. 3.
14 I. 1. Ausdehnung des Zinsverbotes.
Schuldners gewonnenen Friiclite ausser dem Kapitale bezog.
Daher ward aneh dieser Zins/uwachs 7.uerst dem Clerus ^) im
("oiK-il ven Tours (117i>), gleich darauf 1180 noch von dem-
selben Papste Alexander 111. auch den Laien untersagt. 2) Der
(iläubiger soll . sobald er durcli die Früchte des Pfandes sein
Kapital und die gehabten Kosten (allgemein crj^ensa) ersetzt
erhalten, selbst, wenn noch eine Kleinigkeit daran fehlt, dem
Schuldner das Pfand zurückgeben. Die Früchte* aus der Be-
nutzung des Pfandes brachte man in Ansatz, die Früchte
aus der des Darlehns liess man unberücksichtigt! ^)
Schon hierbei , obgleich theilweise noch auf der Grund-
lage des Darlehns , wurde der Begriff des Wuchers über das
Darlehn hinaus auf andere Rechtsgeschäfte erweitert. Natür-
lich nahe lag das für den Verkehr Avichtigste Rechtsgeschäft,
der Kauf; der Eifer der Kirchenväter, um der un christlichen
Eigenschaften der Kaufleute willen den ganzen Kaufliandel zu
verdammen , glühte fort. Alexander III. sondert noch den
Kauf von dem Wucher. ^) Sein zweiter Nachfolger Urban III.
wirft beide zusammen und züchtigt sie mit gleicher Strafe. ■'')
Der Kaufmann soll einfach die Waare gegen den Einkaufspreis
oder gar gegen den von der Kirche aufgestellten objektiven
Maassstab des überall wahren und rechten Preises hingeben,
höchstens darf er die Transportkosten in Rechnung bringen.
Nimmt er mehr als diesen Ersatz , verkauft er theurer auf Cre-
dit m dem Kaufpreise oder der Waare (Lieferuugsvertrag),
als gegen sofortige Zahlung oder Lieferung, so wuchert er.
Völlig consequent ; denn beide Male liegt , wie beim Darlehn,
eine Vergütung des Credites vor. **) Besonders hebt man den
1) 1179. c. 8. u. 1. X. h. t. 2) cf. c. 2. 1. c. u. c. 6. X. 3, 21. (1210.)
Innocenz III. 3) c. Jo. Andr. i. li. 1. Gonzalez, in c. 16. X. h. t. u. c. 6.
X. 3, 21. Covarruv. UI. c. 1. n. 3. 4) c. 6. X. 5, 19. (1173.) 5) cp.lO.
X. 5, 19. cp. 19. ib. cp. 5. X. 5, 17. 6) Hostiens. summ. X. d. usur.
Scacc. §.1. qu. 7. p. 1. n.31. Eaph.d.Turr. disp. 1. qu. 13. n.28. Thom.
d.A. II. 2. qu.78. a.2. Abb. in c.6. X. I.e. Gonzal. d. T. i. h. 1. n. 2. 3.
cf. auch "\^^ Endemann, Die nationalökonomischen Grundsätze der ka-
nonistischen Lehre. Jena 1863. p.25ff". (Auch in Hildebraudt, Zeitschr.
f. Nat.-Oek. u. Statistik. Iff.)
I. 1. Ausdehnung des Zinsverbotes. 15
Kauf auf Wiederverkauf hervor, d. li. den Kaufkontrakt,
bei welclioni der Käufer sich veqiflicl)tete, das (lekaufte inuer-
lialb bestunniter Zeit jin den Verkäufer auf dessen Verlangen
zurttckzuverkaufen. An sich erlaubt ihn die Kirche; wo er
jedoch — was nahe lag — als Unigehungsniittel des Zinsver-
botes auftritt, verdammt man ihn als wucherlich. Das sei ins-
besondere dort der Fall , wo der Preis des Wiederverkäufers
schon beim Kaufe zu hoch oder zu niedrig im Verhältnisse des
wahren Werthes der Sache von den Parteien angesetzt wor-
den, wo der Käufer (Darlehnsgeber), nachdem er den Kauf-
preis (Darlehn) durch die Früchte der ihm verkauften (verpfän-
deten) Sache rückerhalten , die Sache an den Verkäufer (Dar-
lehnsnehmer) gegen die halbe Sunune des wirklichen Werthes
der Sache wieder verkaufte, oder wo der Käufer über die Höhe
der Kaufsumme hinaus die Früchte der Sache zog und dafür
als Kaufpreis des "NMederverkaufs die Sache an den Verkäufer
zurückverkaufte. ^)
Hiermit hatte man in heiligem Eifer die verhängnissvolle
Bahn beschritten, das lähmende veto der Zinsen emer unbe-
grenzten Menge von Rechtsgeschäften entgegenzuhalten. Das
mutuumpaUiatum bot eine treffliche Handhabe, dem Evan-
gelisten und seinem „tmduum dalc" dennoch treu zu bleiben. 2)
Man begann , gemäss dem Ursprünge des Zmsverbotes aus der
Moral, auf die innere Willensrichtung des Coutrahenten
das Augenmerk zu werfen. Während man einerseits ohne vor-
heriges Ausbedingen schon den blossen Empfang des Vortheils
als Geschenk oder unter irgend einem andern Namen Seitens
des Schuldners als wucherlich verbot,^) strafte man andrerseits
die blosse Absicht des Gewinnes ohne Ausbedung und Empfang.
So erfüllte sich auch das „nihil inde sperantes,"'^) und die
1) c. 4. X. 3, 21. (1206.) c. 5. X. 3, 17. (1208.) cf. Janus a Costa.
Sumniar. et comment. i. c. 4. X. 3,21. Gonzalez Teil, connnent. i. cp.G.
X. h. t. J. H. Böhmer, ius eccl. prot. V. 19. §. XI.. 2) cf. Thoni. d.
A.n. 2.qu. 78. a. 2. Abb. i. c. 6. X.c.7. n. 2. Molin. d. iust. IL d. contr.
dLsj). 303. Scaccia. §. 1. qu. 7. p. 1. 1. 25. 3) Leon. Lessius. IL c. 20j
dub. G. usurariuiu mentale. 4) c. 10. X. 5. 19. „pro intentione lu-
cri." Joh. Andr. in c. 10. X. 5, 19. Covarruv. III. c. 1. n. 1. „voluntas
capiendi." Azor. inst, moral. III. lib. 5. d. usur. c. 16.
16 1. 1. Ausilolnning des Zinsvevbotes.
biMtlen Tlu'iU'u. doii Wucliii'iii und Richtern, gefährliche usu-
rarld rol n itt ((:<, als das oiitsi-liei(U'iule Merkmal, war ent-
deckt. Nun niusste natürlich bei jedem l)arlelinsi>ewinne min-
destens die Zinsahsicht vermuthet werden,') und jedes
Rechtsgeschäft konnte Wucher enthalten, bei dem
ein Empfang ultra sorton möglich war. -)
Wie ernst es der Kirche aber mit diesem Verbote war,
beweist, dass sie es sogar dort aufrecht erhielt, wo gute Zwecke
durch dasselbe gefördert werden sollten , und galt es selbst die
Befreiung der Gläubigen aus den Sklaveuketten der Sarazenen,
um derentwillen der Bischof von Palermo 1180 die Frage vor
Alexander III. brachte. ^) Hatte der Schuldner gar zu grösse-
rer Sicherheit des Gläubigers bei Eingehung des Darlehns ge-
schworen, die festgesetzten Zinsen zu zahlen oder die gezahlten
nicht zurückzufordern , so galt die Kraft dieses Eides vor dem
geistlichen Richter gleichwol nur so weit, als sie den Scliuld-
ner verpflichtete, das Zugeschworene zu zahlen; der Gläubiger
aber war gehalten, das Gezahlte als Wucher sofort zur Ver-
meidung der Klage wiederzugeben. Die Klage drohte von Sei-
ten des Schuldners oder ex officio von Seiten der Kirche. *)
1) Raph. d. Turri. disp. 1. qu. 13. u. 73. 2) c. 10. 19. X. 5, 19.
Abbas in li. t. n. 6. c.ö. X. 3, 17. Ju. Andr. i. h. 1. Covarruv. 11. c 8.
n. 4. 3) c. 4. X. 5, 19. Gonzalez. Teil, coiiiiuent. ad decretal. i. h. I.
not. d. 4) c. 10. X. 5, 19. Man begründete dies so: der Schuldner niuss
den geleisteten Eid durch Erfüllung desselben ,.an Gott zurückgeben"
(c. 6. X. 2, 24.), ferner niuss er ihn erfüllen, weil der Eid nicht seinem
Seelenheile schadet, noch auf das Verderben des Nächsten gerichtet ist.
(c.lü. X. 2, 24. [1180.] c. 17. X. ib. [1206.]) Andrerseits sind Eid und ein-
faches Versprechen vor Gott gleich (c. 12. C. 22. qu. 5.); aus letzterem nun
entsteht niclit eine Verpflichtung des Schuldners zur Zinszahlung, daher
auch nicht aus dem Eide. Der Eid ferner lockt den Schuldner zur Bege-
hung einer nicht leichten Sünde, und auch aus diesen Gründen darf er
ihn nicht erfüllen. — Diesen Hader der Grundsätze löste Alexander HI.
dahin , dass er dem Schuldner befahl , die Zinsen sofort zu zahlen , dem
Gläubiger, sie sofort zurückzuzahlen. (Gonzal. Teil, comnient. ad decr.
ad c. 6. X. 2, 24.) Janus a Costa, sunmiar. et comment. i. decretal.
(Paris 167G) bemerkt dazu: Wie im römischen Rechte Vieles zum Scheine
geschieht, so wird auch im Kirchenrechte der eidlich versprochene Zins
vom Schuldner zum Scheine gezahlt, cf. u. A. J. H. Böhmer, ins eccl.
I. 2. Aiisnaliiiion vom Zinsverbote. 17
2. Ausiialiiiu'ii vom Wuclierverbotc.
Nur vereinzelte Fälle nahm die kanonistische Lehre selbst
von (lern (ieneral- V^erbote aus; so, wann ein Cleriker als
Pfan(linhal)er die Früchte des Pfandes über das dargeliehene
Kai)ital hhiaus als rückständige Zehnten forterhebt/) wann ein
Vasall seinem Lehnsherrn das Lehnsgut verpfändet,^) wann der
Schwiegervater dem Eidam statt der Mitgift ein Pfand stellt.^)
Ferner ist der Kaufmann kern Wucherer, welcher zwar beim
Creditkaufe mehr als den Einkaufspreis oder als den gegen-
wärtigen Werth der Waare erhält, doch nicht wegen des Cre-
dites, sondern entweder, weil er eigentlich noch nicht die Waare
verkaufen wollte und nur durch den Käufer bewogen wurde,
es zu thun , oder weil zur Zeit des Kaufes der Preis der Waare
iii der Zahlungszeit völlig ungewiss war. ^) Auch derjenige
^v^lchert nicht, welcher einem Schiffer oder Marktreisenden
Geld leiht und für die dabei übernommene Gefahr Etwas über
das Kapital hhiaus bezieht. •') In den zwei vorgenannten Fäl-
prot. V. 19. §.21. Den Fall spezialisirt noch 'die Summa Hostiensis
V. 19. §. 13: Quid si dehitor iuravit non repetere ustiras nee recipere\?
Et qiiidem iuramentum tenet . . debet tarnen cugi uswarius, quod iura-
mentum relaxet . . vel si hoc fieri non potest, non audietur, quousque
se liberaverit . . alioquin impetrans non audietur, et hoc potest dehitor
dennnciare eccleniae, non ohstante iii/ramento praedicto. Quid si iuravit
non dennnciare? temerariiim est iuramentum. Und dazu die Ganfrc-
dische Summa ad ti. decr. d. usur.: Quid si dehitor iurat se soluiurum
iisuras. Potest si rult solvere et solutum repetere . . polest si vult impio-
rare se ahsolvi . . Quid si iuravit non repetere, nee denunciare? dico te-
merarium esse iuramentum quia per hoc precluditw via ad p)oenitentiam.
1) c. 1. X. 5, 19. (1180.). 2) c. 8. X. 5, 19. — c. 1. X. 3, 20. d.
leud. 1176. 1212. 3) c. 16. X. h. t. Üonzal. Teil, comment. i. h. 1.
4) c. 6. 10. X. h. t. 1173. 1180. Gonzalez i. h. 1. Covarr. H. c. 3. n.6.
Böhmer, ius. cccl. prot. V. 19. §. XX. XXXVill. 5) cp. 19. X. 5, 19:
„ Nariyanti vel eunti ad nundinas certam mutuanspecuniaeqrtantitatem eo
quod suscipit in se j^ericulum recepturus aliquid ultra sortem , usurarius
est censendus. lUe quoque, qui dat X solidos, ut alio tempore totidem
sibi gruni, vini, vel olci mensurae reddantnr, quae licet tunc /)/ms valeant,
uirum 2)lus vel minus solutionis tempore fuerinl vuliturae, verisimiliter
dubitutur, non debet ex hoi usurarius reputari. Rat tone huius dubii etiaiii
excusatur, quipannos, granum , vinum , olenui , vel alias merces vendit.
N e u 111 a u 11 , Gesch. d. Wucher."). 2
18 T. -. Ausiialnnon vom Ziiisvovbote.
leu evAvies es sich als unmöglich, die wucherische Absicht von
dem festen "Willen dos Kaufmanns, dass er nur zu dieser
1«/ nwplivs qua»! tituc mleaiii , in cerio tcrmino recipiat pro eiulem : si
tarnen eo tempore cnntractnn non fiierrit renfliturns." (123G. Gregor. IX.)
Mau hat viel darüber gestritten, ob in dieser Stelle das foenns nauticuni
oder quasi nauticuni des römischen Rechtes als Wucher verboten oder als
Ansnabme erlaubt sei. Cironius entscheidet nach der allgemeinen Stelle
0. 1. c. 14. qu. 4. sich für das Verbot, (paratitl. 1. c. ]). 486.) Andere
beziehen das Verbot mir auf die über das „preiium suscepti pericuU" hin-
aus geforderten Zinsen und die im 2. Theile der Stelle behandelten Zinsen,
da letztere durch des Gläubigers Weigerung, unter anderer Bedingung
darzuleihen, vom Schuldner erpresst sind. (Hadrian. tract.4. d.usur.cap.
„occurrnnt." Antonius. 2. part. cp. 7. §. 21. ti. 7. Conradus. d. con-
tract. quaest. 39. concl. 1. Sylvest. verb. usur. §. 35.) Aber wenn gegen
letztere Ansicht das „aliquid receptnrus ultra sortem" s])richt, regt
gegen die erstere Ansicht der Wortlaut des cp. 19. X. c. an, ilim eine Son-
derstellung im Ziusverbote zu geben, (cf. auch Covarr. 1. 3. var. op. 2.
n. 5. Lupus comment. 3. d. usur. u. 1. Stracca. d. assecurat. n. 27.)
Oder man sagt, nur das Contrahiren über das foenus nauticuni vor oder bei
Abschluss des Darlehnskontraktes sei verboten. Dagegen müsse nach
Erfüllung des Darlehnskontraktes wegen der übernommenen GefahrEtwas
gezahlt werden. (Covarr. lib. 3. var. causs. c. 2. n. 5.) Allein die ver-
schiedene Zeit könnte au dem wucherlichen Charakter des Kontraktes
Nichts ändern. — Oder aber: das foenus nauticum sei nur dort verboten,
wo die Kontrahenten lediglich zur Umgehung des Ziusverbotes die Exi-
stenz einer grossen Gefahr sinmliren. (Molin aeus. d. usur. qu. 3.
n. 95.) Aber c. 19. sagt bedingungslos „fiuscipit in sc periculum." (Co-
varr. Lup. Stracc. 1. c.) — Allein der Pabst sagt in der Stelle aus-
drücklich „eo, quod . ." ; er giebt den Grund seiner Entscheidung an.
Dieser Grund weist imi „tisurarius non est censendus." Folgerte der Pabst
stattdessen: „est censendtis," so höbe er seineu Grund auf. Der Satz
„eo, quod.." bezieht sich insbesondere nicht avii receptnrus ; dann müsste
es in ihm suscipiat lauten. Femer stellt das „quoque," das diesen
ersten Fall des cp. 19. mit den folgenden, in denen Ausnahmen vom
Wucherverbote stehen, verbindet, beide auf gleiche Stufe. Daher wider-
spricht auch das quoque dem est censendus. Daher muss zweifellos im
ersten TheUe descp.l9. ebenfalls „non est censendus" gelesen werden. —
cf. Scaccia. §. 1. qu. 1. n. 497-503. Gonzal. Teil. i. h. 1. W^ährend
Letzterer sich mit Rücksicht auf den Wortlaut v. cp. 19. 1. c. für est cen-
sendus entscheidet, finden sich, je weiter der Verkehr vorschreitet, desto
mehr Ausleger für „non." So sagt J. H. Böhmer (ius eccl. prot. 5, 19.
§. XXXIX.) n. 90. ad cp. 19: „nihilominus ipse tenor decretalis himis sua-
det evincitgue negativam omnino reiinendam esse (seil, lectionem) . Etenim
I. 2. Ausnahmen vom Zinsverbote. 19
bestimmten Zeit verkaufte, sicher vxi scheiden, oder nachzu-
weisen . dass er vielmehr auf einen zuversichtlich höheren Preis
zur Zahlungszeit rechnete als einen völlig ungewissen Preis
erwartete. In dem letzten, dritten Falle wurde dadurch , dass
man das Kisiko zu ersetzen gestattete, das Zinsverbot that-
sächlich zu einem Tlieile aufgehoben. ^) Eben unter die erlaubte
Vergütung der Gefalir rechnete man das foemis nantirnni des
römischen Rechtes, man stritt also eigentlich nur um den
Namen ..Vergütung der Kapitalsnutzung." — Endlich ver-
pflichtet Pabst Lucius 111. ausdrücklich den Schuldner, des-
sen Bürge wegen Jenes' Zahlungs- Säumnis s „molestias
a crediiorlhns pprtidif ," ausser dem vom Bürgen für
den Schuldner entrichteten Kapitale demselben auch alle
Hinsichts der Säumniss entstandenen „accessiones" zu
tres casus recenset pontifex , in qiiibus ustiraria pravitas non committitur
et in'imus quidei» eoncernit foeniis riauticum: alterinn lioc modo eidem
coniungit: illeqnoqiie, qui . . non debet usurarius re2nitari. Ädeo arcte
hunc 2>riori casui adiunyit, utpalamsit, idem hoc casu iuris esse , quod
in priori aUatum fuerat._ Codices manuscripti quidem repugnant: plus
tarnen ipsiits tenoris et dispositiunis connexio ponderis habet.'' Ebenso
Stryck.ususmodernus paudectarmu Halle 1717. XII. ti.II. §. 1. Stypmau.
d. iur. marit.p.4. c.2. n.281. Gudelin. d. iur. noviss. 1.3. c.3. Jo. Ber-
nacius. d.util.leg.hist. 1.2. cp.lS. Narbona. 1.15. gl. 2. n. 20. ti.20. und
garSalmasius (d.foenore trapeziticoLeyden 1640.): „quid dehis (sc.usu-
ris nauticis) dicturi sunt canonistae? An illicitas esse et infames? Atqui
hodie2)assiminhisetiamlacis{'^icdeT\anden)pro l icitis hahentiiret maxime
frequentantur inter mcrcatores. Bodemeriam vocant Belgae siia linguu.
Cur hoc foenus recipitur , cum trapeziiicum tanta animorum contentione
repudietur? Nam et apud pontißcios canonistas pilurimos hoc fenoris
genus a crimine usurae ilUcitae rindicantiir." (1. c. p. 95.) Hier konnte
man das Gewicht der 'l'hatsache, der Praxis gegen das „est" anführen, zu-
vor hatte man sich auf die dem Bürgen in der kanonisti.schen Lehre
erlaubte Bezahlung für seine Garantie - Uebernahme berufen (gemäss dem
römischen Rechte 1. 6. §. 7. D. 17, 1. L. 23. Cod. 4, 29. Bartol. in 1.19.
§. 1. D. 39, .5. Bald, in 1. 6. §. 7. D. 17, 1. Azor. p. UI. 1. 5. d. usur.
c. 2. i. f. Scacc. §. 3. gl. 3. u. §, 1. qu. 1. n. 494.). — In der Praxis galt
übrigens das foenus nauticum von Anfang an für gestattet und man for-
derte in demselben 12",,. Gonzal. Teil, in c. 19. X. h. t. n. 6. u. A.
1) cf. u. A. Azorin. p. III. 1. 5. d. usur. c. 2. i. f., c. 6. Less. 1. c. c.
13. L. Molin. de just, et jur. IL disp. 318. 35G.
2*
20 I. "2. Ausnaliinen vom Ziiisvi'ibote.
ersetzen.'"') .lii, iiodi nu'liv: Selbst ohne seine Säumniss ist
der Haui)tsi]iuldner verbunden, den für ilm zalilenden Bür-
gen Hinsichts des Kapitales und aller „dam na, quae
proptvr hoc dchitum pcrtnlit , donrc ipsa danma resarcita fiie-
rint et dchita sine diniinutionc soluta," schadlos zu halten.-)
Ge^\^ss hatte man liierbei ledio-lich den vorliegenden Fall im Auge
o n o
und beabsichtigte keineswegs, denselben auf die Gelegenheiten
zur Zinsforderung auszudehnen. Allein die Handhabe hierzuwar
damit geboten, und Billigkeit für die Lage des Zahlenden und
des Darlehnsgebers schien unabweislich zu fordern, diese beson-
deren Vorschriften weiter auszudehnen. Der Vernuuftgrund
konnte da nicht lange felilen; ([qx S'^iv, pccimia pecuniam parere
ncqnit ^xh\\i\i die Ausnahme cum hominis operationc con-
iuncta — potest.'^) So übertrug man die Bestimmungen
ijisbesondere auf das Darlehn , *) und nun lautete der Satz da-
hin : der Darlehnsnehmer muss dem Darlehnsgeber (natürlich
mit der oben bereits berührten Ausdehnung des Prinzips vom
Darlehn auf Creditkauf und andere Rechtsgeschäfte) das ganze
„Interesse" ersetzen, welches dem letzteren durch Säumniss
des ersteren oder durch das blosse Darleihen selbst er^vuchs.
Indem man also den Begriff des „id quod interest," wo es Ge-
genstand einer Forderung, nicht Erforderniss einer Obligation
ist , ■'') in seiner wörtlichen Bedeutung als „ Unterschied zwi-
schen dem Betrage des Vermögens in bestimmtem Zeitpunkte
ohne ein und mit emem beschädigend in dasselbe eingreifenden
Ereignisse" aus dem römischen Rechte ^) herübernahm, machte
1) c. 3. X. 3, 22. (1180.) 2) c. 2. X. 3, 22. (1180. Lucius ÜI.)
3) Scaccia. d. corninerc. §. 1. qu. 7. p. 1. n. 69 u. A. 4) Danach
auch selbstverständlich auf die andern Geschäfte, in denen ein gleiches
Verhältniss für mora oder interesse eintreten konnte, so bei dem Kauf mit
rückständigem Kaufpreise , wo der Käufer für den Fruchtgenuss . von der
bereits ihm übergebenen Sache Zinsen des nicht gezahlten Preises entrich-
ten muss. 5) c. 9. X. 1, 43. (1214 Innoc. JH.) cp. un. X. 2, 11. (1243.
Gregor. IX.) c. 48. X. b, 39. 6) 1. 13. pr. D. 46, .8. — 1. 11. pr. D.
36, 1. - 1. 21. §. 2. D. 9, 2. — 1. 22. 1. 33. eod. cf. Puchta. Pand.
§. 224. 225. — Vangerow. Pand. §. 571. — Arndts. Pand. §. 206. —
Friedr. Mommsen. Beitr. z. Obligat. R. Braunschweig 1855. II.
Abthl. I. §. 1. §. 3. n. 3. 4. §. 4.
I. 2. Ausnahmen vom Zinsverbote. 21
man zwar nicht, wie es zuerst scheint, das Darlehn zu einer
faktisch zwciseitigeil Oblitjation , aber man überschritt darin
die Grenze des römischrechtlichen Interesse - ßegriftes , dass
man hier, wo kein dolus, keine culpa, kein casus die beste-
hende Oliliü^ation änderte, wo ein Schaden ausserhalb der beste-
henden Obligation vorlag und dieser Schaden eben gemäss dem
von Natur ,,gratuito contracfui mufui^'' als regelmässig aus
dem mutuum entstehend nicht vom Schuldner ersetzt werden
sollte, dennoch eine Ersatzpflicht des Schuldners feststellte.
Und diese Ersatzpfiicht gründete man nicht auf das Ueber-
einkomraen der Parteien, wie jene im römischen Rechte
über die Darlehns- Zinsen als Gebrauchsersatz, sondern auf
eine ausserordentliche Vorschrift des Gesetzes. In dieser Hess
man die Billigkeit gegen den Gläubiger walten, wie dort gegen
den Schuldner, umging die Zinsen als Ersatz des Gebrauchs-
werthes und forderte das Interesse als Ersatz des Schadens,
der Aufwendungen , Dienstleistungen (sumtus, impensae, ope-
ratio) des Gläubigers. So ward die usuraria voluntas
im eigentlichen Sinne allerdings ausgeschlossen, aber die
iisurae wucherten unter einem noch allgemeineren Namen
lind Umfange als damnum emergens ') und lucruni cessans ^)
1) Indem der Begriff dieses positiven Schadens als ., Benachtheiligung
des Vermögens des Darleihers durch das Darleihen "'feststand (Baldus.
cons. 182; in 1. un. Cod. de sent. quae jiro eo. n. 56.), musste man natür-
lich mit aller Schärfe scholastischer Sondirungskunst eine Reihe von
Bedingungen erspüren , unter welchen die usuraria voluntas mehr oder
weniger jene ausnahmsweise Erlaubniss des damnum emergens zu einem
Umgehungsmittel des Zinsverbotes gebrauchen sollte. Die erfindungs-
reiche, ewig schwankende Verkehrspraxis hetzte das Sittengesetz auf die
sem ihm fremden Gebiete von Ausnahme zu Ausnahme. (Ambrosius
de Vignate (14G0.) d. usur. n. 53 tf. L. Molin. 1. c. disp. 314 iT. Scaccia.
§. 1. qu. 7 p. 2. ampl. 8. n. 181. 182. 273. vorher Covarruv. III. c. 4.
n. 6. L. Less. IL c. 20. dub. 10 u. A. — cf. auch Gonz. Teil, in c. 6.
X. d. usur. C. Molin. tract. contrct. us. n. 28ff. 2) Das hierum, ces-
nans trotz des Zinsverbotes zu gestatten, konnte allein der römisch -recht-
liche Begriff des id, quod interest , einen willkuniiiienen und genügenden
Anhalt gewähren. Darum aber musste man hier mehr, als anderswo, auf
Wucher fahnden. ]\Ian sah denselben in jedem voraufgegangenen Ueber-
einkommen des Contrahenten über die Höhe des lucrum cessans, nünde-
32 I. 3. Wucherstrafen.
uiid in selbstständiger Fordenin^ . nicht als blosse Accession
fort. M
o. Straf(Mi bei Verletzung des Wiiclier Verbotes.
"Wie man aber in der Kirche, abgesehen von diesen
zunächst geringen Ausnahmen, eitrigst die Grenzen des Zins-
verbotes ausdehnte, ebenso eifrig folgte man mit den bei der
wachsenden Macht der Kirche sich steigernden vStrafen. Man
schritt gegen Christen und Juden ein, gegen Cleriker und
Laien, vornehmlich gegen die „manifesti usurarü,"^) man
verfolgte sie im Leben und Tode , man strafte selbst die geist-
lichen und weltlichen Behörden , welche das Wucherverbot der
Kirche gar nicht oder zu nachsichtig gegen die Wucherer
anwendeten.
stens eine Taxirung desselben in bestimmter Summe, verbot die spätere,
naildere Praxis, bis endlich auch hier der ewige Widerstreit mit dem Ver-
kehre die Schärfe des Gesetzes oder seiner Handhaber abstumpfte. Thom.
IL 2. qu. 78. a. 2. Duralit. spec. iur. IV. 4. n. 7. Covarruv. III. c. 4.
Raphael d. Turr. I. 13. n. 33. Scacc. 1. c. n. 99. 181.
1) Abb. in c. 6. X. 1. c. Schon oben im Texte ward die ratio zitirt,
welche die Ausnahme des Interesse mit den Gründen des Zinsverbotes
verknüpfte: „pecunia iuncia cum hominis operatione pecuniam imrere
polest." Man verstand hiemnter einen Theil des Schadens , den der Gläu-
biger vom Schuldner ersetzt fordern konnte, nämlich den Lohn für etwaige
Arbeit, welche der Gläubiger zur Hingabe des Darlehns hatte vollführen
müssen. Diese Arbeit machte dann das Geld fruchtbar, wie die Beacke-
ning das Koni. Das rechtfertigte die Provision der Wechsler beim
Handwechsel (Hostiens. in summ. d. usur. n. 32. L. Less. IL c. 20.
dub. 4. n. 28. u. bes. Scacc. tract. d. commerc. §. 1. qu. 7. par. 1.
n. 49.) , ihren Wechslergewinn bei den Wechseln . und begründete damit
für den Begriff des Wechsels im Hauptgebicte des kanonischen Rechtes
den Faktor: „remissa pecunia ex loco in locum." (Raph. d. Turr.
disp. 1. qu. 29. Scacc. §. 1. qu. 1. n. 422 — 28. — cf. u. V. 5. d. u. f.
2) Ein iiianifestus usurarius hiess, qui aliis negotiis praetermissis
quasi licito icswas exercet. (cp. 3. X. 5, 19.) oder, qui in hoc peccato
decesserit (cp. 5. X. 1. c). Der Begriff wechselt später (cf. du Gange
glossar. voc. usurarii. sjti. Colon an. 1300. cp. 12.): „de quihus per
sententiam vel per confessionem in iure aut evidentiam, quae aliqua
tergiversatione non potest celari, constiterit evidenter et Uli etiam,
qui super usuras diffamati inter tempits statuendum ab eo, qiii super
hoc hallet potestatem , se non pu^gaverint." (cf. u. V. 5. d.)
I. 3. Wucherstrafen. 23
Die Cleriker werden für ihren Wucher „ab omni officio
et hcnefcio" suspendirt, ^) Laien straft man fast noch härter.
Man versagt ilinen Beichte und Abendmahl , ^) bedroht sie
mit der Exkommimikation, ^) und stösst ihre Weiliegabeu zu-
rück. *) Wenn sie ilir dargelielienes Kapital einklagen , sol-
len sie Gehör erst finden , nachdem sie iliren Wuchergewiun
dem Schuldner rückerstattet hatten. ^) Alle Zinsen sollen sie
den Schuldnern , deren Erben oder , im Falle solche nicht vor-
handen, den Armen herausgeben, ausser, wenn sie wegen
ihrer Armuth die Zinsen nicht erstatten können, „quia pau-
pertate tanquam poena a deo imposita satis excusantur." Dire
mit \vucherlichem Gelde erkauften Besitzthümer werden öffent-
lich versteigert, der Erlös den Schuldnern gezahlt , '^) die kirch-
liche Censur zwingt sie, ihre Schuldbttcher der Obrigkeit jeder-
zeit vorzulegen „ne contractus usurarios occulte inire et sith-
trahere e magistratuHm conspectit possint." ^) Wuchernde
Fremde sollen innerhalb 3 Monaten des |iandes verwiesen wer-
den. ^) — Selbst die Juden verfielen dem heiligen Eifer der
Wucherrichter. Obgleich sie, ausserhalb der Christenheit ste-
hend, ihres Heiles nicht theilhaft waren, ^) ja als von Gott
selbst dazu eingesetzte und geweihte Wucherer gegen Nichtju-
den galten , *") rief Iiinoceuz III. 1200 gleichwol die w^eltliche
Obrigkeit auf, von den Juden die Rückzahlung des Wuchers
an schuldende Christen zu erzwingen. ^^) Andernfalls sollte aller
1) c. 2. X. 3, 1. an. 988. — c. 7. X. 5, 19. (1175.) — c. 11. X. 5, 31.
(1208.) — c. 1. i. VI. 5, 5. (1274.) 2) c. 3. X. 5, 19. (1179.) 3) c. 2.
i. \1° 5. 5. (1274.) — c. 7. X. 5, 19. (1175.) 4) c. 3. X. 1. c (1179.)
5) c. 14. (1201.) c. 17. (1206.) X. h. t. 6) c. 5. X. 5, 19. (1180.)
7) cp. un. Clem. 5, 5. (1311.) cf. Alteserra (comm. i. lib. Clem. Halle
1782.) ad cp. un. Clem. 5, 5: „feneratores , si conveniantur actione usu-
rarum per censuras ecclesiasticas compelluntur eclere Codices suarum
rationum ex hac constitutione, quia ita callide contractus feneraticios in-
eunt, ut rix aliter convinci j)ussint de vitio usurarum , quam editione . ."
8) c. 1. 1. VI" 5, 5. (1274.) 9) c. 18. C. 2. qu. 1. Gouzal. Teil, in
c. 12. X. 5. 19. n.2. — Covarruv. var. resol. Hb. III. c. 1. n. 7. 10) cf.
2. Buch Mosis 23, 19. Scaccia. §. 3. gl. 3. n. 48. 11) c. 12. X. (1200.)
c. 18. X. (1216.) h. t. Gonzal. Teil. (1. c. ad cp. 12. X. h. t.): „Cum
iitre naturalt et divino usurae prohibitae sint, ideo Judaei tantum
24 I- ■5- WiuliorsIvafVn.
Vorkelir /.wisclion .luden und ('liiisien untersagt seiu. Und
wie hiev die Grenze der Christenheit, überschreitet man selbst die
Kluft der Gräber und wüthet gegen die Todten. Das kirch-
liclie Hegräbniss wird ihnen versagt, so lange nicht die Züisen
wiedererstattet sind, müidestens eineCaution der Wiedererstat-
tung gestellt ist. ^) Noch die Erben haften für die Erstattung
der Zinsen, so weit ilir Vermögen reicht,-) noch sie müssen
die wucherlich erworbeneu Besitzthümer verkaufen und den
Preis den Schuldnern abzalilen, •') die Testamente der Wudie-
rer sind irrita, tanquutn iniasto lucro confaniiiiafa. ^) Mit
gleichen Strafen schreckt man die geistlichen und weltli -
liehen Behörden, dass sie nicht gegen die Gesetze der
Kirche m diesem Punkte entscheiden. Das Interesse des Ge-
meinwesens heischt die Wucherverfolgung, daher muss der
geistliche Richter von Amtswegen einschreiten, wenn kein
Zins schuldender oder rückfordernder Ankläger auftritt , sei es,
weil er durch einen Eid zuvor sich diesen Schritt abschnitt,
sei es, w^eil weltliche Machthaber den Wucher schützen. •^)
Behörden und Fürsten der emzelnen Gemeinwesen, welche
Dianifcsfi usurnrii dulden, ja ilmen öft'entlich Zins zu nehmen
ausdrücklich gestatten, auch wuchernde Ausländer nicht inner-
halb der oben bezeichneten gesetzlichen Zeit des Landes ver-
weisen , ziehen die Strafe des Interdiktes , des kirchlichen Flu-
ches auf ihr Land hernieder. Der lUchter, welcher einen
Schuldner zur -Zahlung massiger Zinsen verurtlieilt, der Gesetz-
geber, welcher einen bestimmten Züisfuss erlaubt, wird aus
legem Moys^i daiain ohservuntes usu possunt a Chryatianis usuras exigere;
et si exigerinl , cogendi sunt eas restituei'e a indice ecclesiastico per sub-
iractionem eccleniae seu a imncipihus saectdaribus i^er poenas corpurales,
ut in jyraesenti textu statuitw." — cf. Hostiens. Jo. Andr. i. h. 1. und
über die mildere Auffassung Covarruv. III. c. 1. n. 7. (cf. u. \. 4. b. c.)
1) c. 3. X. h. t. (1179.) — c. 2. i. YI. 5, 5. (1274.) — c. 1. Clem. 3, 7.
(1311.) 2) Gemäss dem kanonischen Grundsatze, dass der Erbe auf
Höhe seines ganzen Vermögens für Scliadenersatz aus deiii Delikte des
Erblassers haftet, (c. 5. X. 5, 17. d. rajrtore. 1180.) cf. u. a. Stryk
Usus modern, pandect. XII. 1. §. 46. — Just. Hen. Böhmer, ius
eccles. prot. V. 19. §. XX. 3) c. 9. X. ib. (1179.) c. 5. cod. (1180.)
4).c. 2. i. VI. 5, 5. (1274.) 5) c. 13. (1200.) c. 15. (1207.) X. 5, 19.
I. 3. Wnolioistrafen. 25
der Kirche gestossen.*) Gleiche Strafe trifift solche, welche an
öffentliche "Wucherer /Air Betreihung ihres Geschäftes Häuser
vermiethen oder sonst überlassen. -) Ein Ketzer ist, wer wie-
derliolt öffentlich das Zinsfordern für erlaubt erklärt. •'') Der
aber aus der Zahl der Cleriker es wagt, einen verurtheilten
Wucherer dennoch kirchlich 7a\ bestatten, desgleichen, der von
Wuclierern Etwas annimmt ein Mittel, das die Zinsforderer
zumal in ihren Testamenten zu gern anwandten , um die rich-
tenden Cleriker milder zu stimmen - wird vom Amte suspen-
dirt , als hätte er selbst gewuchert. ■^)
4. Schi II s s.
So hatte die Kirche den Glaubenssatz aufgestellt, wider-
rechtlich und sündlich ist es, die Nutzung fremden Kapitales
zu vergüten. Immer tiefer verzweigte sich das Prinzip aus
dem einfachen miitmim date nihil inde sperantes m die dem-
selben entlegensten, in die alltäglichsten Rechtsgeschäfte, im-
mer grössere Kreise zog die Lehre in völlig folgerichtiger Wah-
rmig ihres Grundsatzes durch das gesammte Gebiet des priva-
ten, ja des öffentlichen Rechtes, immer weiter dehnte sich
das Feld der Oberaufsicht über die usuniria vuluntas und da-
mit über den gesammten Verkehr; immer riesenhafter aber
wuchs die Last dieser Aufsicht, immer ängstlicher, gewagter
stieg der Luftbau der Gründe empor, welche die vom lebendig
flutenden Verkehre rastlos gedrängten Juristen, Theologen,
Nationalökonomen , Philosophen der Kirche um das Dogma er-
richteten, fast in eigenem Schrecken über die Folgen, welche
der erste Schritt auf dieses schlüpfrige Gebiet hinaus nach sicli
zog. War man unbefangenen Blickes , so musste dieser letzte
Missstand schon den Irrweg zeigen, den man einschlug, er
musste offenbaren, wie das an sich durchaus berechtigte
und angemessene sittliche Gebot der Nächstenliebe
nicht in das Gebiet des Privat- und öffentlichen Rechtes
1) cp. Uli. Clem. 5, 5. (1311.) 2) c. 1. i. VI. 5, 5. 3) c. un.
Clem. 5, 5. (1311.) 4) c. 3. X. 5, 19. (1179.)
26 I. 4. Schluss.
Übertragen, nicht mit äusserer Gewalt aufrecht erhalten
werden konnte , ohne beiden Theilen /ai scliaden. Wollte man
den idealen ethischen Satz des Christenthums verwirklichen:
so musste man im Gebiete der sittlichen Vorschrift von innen
heraus durch vielleicht jahrhundertlange Erziehung des Men-
schengesclilechts in dessen Ueberzeugung die Wahrheit des
Satzes einführen und so die ideale sittliclie Höhe anbahnen.
Aber die Kirche in ilirem heiligen Eifer, welcher schleimige Er-
folge forderte und verliioss, in ilirer aufsteigenden Macht, welche
zunächst aUen Widerstand überwältigte , sie zugleich Prophe-
tin, geistliche und weltliche Kichterin und Vergelterm der Sitte
und des Rechtes musste den Blick sich und andern fesseln und
befangen machen, sie musste das Sittengesetz im Kechtsgebiete
und mit dem EechtszAvange alsobald zu verwirklichen trachten,
sie musste hier so vorgehen, wie sie vorging. Ebenso musste
natürlich das nicht weniger berechtigte Naturgesetz der Ver-
kehrsentwicklung sich solchem Vorgehen der Kirche entgegen-
stellen. Und in dem grossen , jahrhundertelangen , unerbittli-
chen Kampfe, welcher sich hieraus entspann, zwang die Kirche
zunächst, indem sie selbst jene sittliche Vorschrift durch An-
wendung des Rechtszwanges nicht sittlich verwirklichen wollte,
auf einige Zeit den Verkehr , nur langsam vor - oder in andere
Bahnen überzuschreiten, sie nöthigte der Theorie nationalöko-
mischer und rechtlicher Institute Irrthümer auf, welche einige
Jahrhunderte hindurch die richtige Erkenntniss derselben
beeinträchtigten. Sie selbst aber steigerte gleichzeitig damit
den Widerstreit in Wissenschaft und Praxis , zumal im Ver-
kehre , der viel schneller und sicherer emporwuchs , als zuvor
die Kirche, zu einer solchen Stärke, dass schliesslich, was
vorauszusehen, der ganze Bau dieses Theiles der kanonisti-
schen Lehre und der kirchlichen Gewalt zusammenfiel. Und
so offenbart sich auch hier der Organismus der Entwicklung
des Menschengeschlechtes in seinem ewig gesetzmässigen Fort-
schritt : Zwei gleichberechtigte Naturkräfte streiten gegen ein-
ander; die eine durch glühenden Eifer und unerschütterliche
Beharrlichkeit der religiösen Ueberzeugung zu diesem Kampfe
besonders geeignet, siegt zunächst vermöge ihrer vorgebildeten
T. 4. Schluss. 27
Stärke , sie steigert durch den Sieg die Gewalt der andern , wie
ilire eigene Schwäche, und unterliegt nach langem Rmgen.
Aber aus der Keibung beider entstehen eine Zahl fruchtbrin-
gender Institute; die jenen Kräften inne wohnenden Ideen
klären, begrenzen, festigen sich, und am Ende des Streites
erhellt, dass das Menschengeschlecht durch den zeitweise
hemmenden Kampf, ja durch den scheinbaren Rückschritt nur
sicherer und zukunftreicher vorwärts geschritten ist.
Eindringen des kanonistischen Wucherverbotes
in Deiitscliland.
1. Der allgemeine wirtlischaftliclie Zustand Deutschlands
bei dem Eintreten des Wucherverbotes.
Als die oben geschilderten Zinsgrundsätze im Gebiete des
kanonischen Rechtes praktische Anwendung sich zu erringen
begannen, befand sich das von deutschen Stämmen besetzte
Land noch auf einer tiefen Stufe volksAvirthschaftlicher Ent-
wicklung. Abgesehen von dem grossen Theile der Bewohner,
welche - und das nicht bloss in den nördlichen und östlichen
Distrikten deutschen Bodens — kaum ansässig geworden, in
Jagd und Viehzucht lebend sich der Beurteilung entziehen,
begegnet uns das „ deutsche Volk " ackerbautreibend im engum-
grenzten Dienste weltlicher mid geistlicher Herren , vornehm-
lich des freien Ki'ieger - und Ritterstandes , unter welche das
Land vertheilt war. Indem diese Ackerbauer in beschränkte-
ster Weise die nothwendigsten Bedürfnisse fast nur des phy-
sischen Lebens erfüllen , tritt das von ihnen oder andern
Unfi'eien lediglieh zur Befriedigung eben jener nothwendigsten
Bedürfnisse begonnene Gewerbe natürlich als ein noch ganz
untergeordneter Nebenerwerbszweig auf. Allmählich erst
wachsen aus den Höfen Städte empor , theils auf den Fmida-
menten der römischen, ja vorrömischen Städte und Lager an
Rhein mid Donau, theils an den Kreuzungspunkten der neu
gebildeten Heerstrassen, theils schütz- und nahrungsbedürf-
tig sich anschmiegend an Pfalzen der Herrscher, an Sitze der
Bischöfe und Klöster, welche mit dem Eindringen des Chri-
stenthums in die jungfräulichen Fluren seit dem vierten Jahr-
hundert ihre Herrschaft des Stabes ausgedehnt begründen.
IT. 1. Deutschlands wirthschaftlicher Zustand etc. 29
Aber auch die Städte fussen noch auf Naturalwirthschaft , der
Ackerbau bietet den Eiiiwolinern vonudmilicheu Erwerb, das
Gewerbe ist noch unmer nur ein Nebenerworbszweig in der
Hand unfreier , vielseitig vom Hoflierrn aljhängiger Grundbe-
bauer, sei es, dass sie von vorn lierein unfrei, sei es, dass sie
ihr freies Ackerland einem geistlichen oder weltlichen Herrn
überlassen hatten , um es gegen Eintritt in seinen Schutz von
ilim für einen Zins (consns, ccssu^) zu Niessbrauch zurüik-
zuempfangen.^)
Weiter dann bewährt sich die Uhertas teutonica, die na-
turgerechte Entwicklung der „gemeinen Wehre." Im 12. und
13. Jahrhundert löst sich allgemach gerade das Gewerbe von
der Scholle, vom hofrechtlichen Banne; zunftmässige Gewerbe
erstehen aus den Innungen des Hofrechts, die Geldwirthschaft
beginnt die Naturalwirthschaft zu durchbreclien, die Handwer-
ker siedeln sich , immer mehr selbstständig , in den Städten an
und erstarken durch den mit ihrer Entwicklung verbundenen
Kampf rückwärts gegen die zähe festhaltende Gewalt des
Grundlierrn , -) vorwärts gegen die gleich zähe zurückstossende
Macht der Altbürger in den jungen Städten, bis nach den
Zunftstreitigkeiten die Verfassung der Städte sich mit Aus-
schluss des Landl)aues auf Gewerbe und Handel gründete. —
Neben der politischen Entwicklung des Gewerbes geht so in
wechselseitiger Ergänzung mid Förderung dessen wii'thschaft-
licher Fortscliritt einlier, der Durchbruch durch die Schran-
ken des Grundeigenthums , die Melirung und Mobilisirung des
Kapitales. Von den städtischen Grundbesitzern vor 1100, dem
1) cf. Ti.A. Caesar, bell. Gall. IV. 3. VI. 21. Tacitus. Germ. 45. IG.
26. „fenua agitare et in usuras extendere ifjnotnm : ideoque mayia serva-
tm quam si retitum esset." Strabo. (IV. 5. extr.) Plinius. bist. nat.
XIX. 2 Röscher. Ansichten der Volkswirthschaft. Leipzig 1861. p. 60.
79ff. — Carl d. Gr. capitul. de villis. u. A. — Du Fresne du Cange
glossar. V. civitas. 2) Nach einander fielen von den in den Städten
angesiedelten Hörigen die einzelnen Rechte des Hoflierrn. der Kojitzins,
die Dienst] ifli cht, Erbtbeilung, zuletzt selbst das alte Gewand recht und
die unvermeidliche Ilüliiierforderung. Damals entstand das bekannte
Sprüciiwort: ..kein Rauihliulin fliegt über die Stadtmauer;" denn die
Städte „wurden gegründet, ut jiacem haherent et l iberae essent ."
:]0 II. 1. Pculsclilaiuls wirtlisoliat'tlii'hov Znstaiul etc.
Könige. Adel, Clenis und den Gemeinfreieu, Avelche letztere,
da sie nicht nielir Altfreie, vielfach von ihrem Eigen einen
Zins zahlen mnssten, bleiben als solche seit 1100 wesentlich
nur die letzten zwei Klassen , indem die zwei ersten ihr Eigen
zu Li'lm gegeben hatten. An sie schliessen sich die ohne
(irund])psitz hi den Städten lebenden Handwerker. Zwischen
ihnen und den Altfreien (den Geschlechtern) stehen geringere
Freie, die von ihrem ländlichen Grundbesitze nicht leben können,
und ihn deshall) von der Stadt aus bewirth Schäften oder vererb-
leihen . in der Hauptsache aber durch Handel und Handwerks-
betrieb sich erhalten. Sie kaufen sich nicht selten von ihrem Er-
werbe städtische Eigen ; so bilden sie vielfach die erste Brücke
zwischen den unfreien und Eigen -losen Handwerkern und
den grundbesitzenden Altfreien. Letztere erscheinen neben
ihrem Grundbesitze auch als hauptsächliche Besitzer des Geld-
kapitales, vielfach begegnen sie als Kaufleute und Münzhal-
ter. Das gilt bis ins 14. Jahrhundert hinein. Da indess gerade
zum Betriebe des Handwerkes die geringen Freien und Un-
fi'eien nothwendig städtischen Grundes resp. eines Hauses be-
durften, leihen sie solches von den grundbesitzenden Klassen
gegen Zins auf Erbrecht. Der Leiher giebt es, zmiächst mit
Genehmigung des Eigenthümers , an einen Dritten ebenfalls
-gegen Zins in Afterleihe. So bilden sich dieTheilung desEigen-
thums und der ohne Grundbesitz bloss „ erbleiliende " Freie,
andrerseits der grundbesitzende bisherige Unfreie. Die Arbeit
löst sich vom Boden, die Detail- Kauf leute und Handwerker
erscheinen zum Stande der Altfreien befähigt. Während der
Kapitalumlauf, speziell des Geldes , zunächst sich eng an die
Schranken des dem Grundherrn, dem Beleilier vom Grunde
entrichteten Zinses anschliesst, entwickelt sich vereinzelt
vielleicht aus dieser Erbleihe und vielfältig neben ihr aus
selbstständigem Ursprünge der Rentenkauf, — durch sein
Eingreifen in Verzugszinsen mid Interesse, durch seine
eigene Umbildung zum zmsbaren Darlehn hin, durch die
Anerkennung, welche er dem Darlehn selbst in den Gesetzen
verschafft, der wesentliche Ausdruck, der vornehmliche Trä-
ger des mobilisirten Kapitales, des persönlichen Credites,
II. 1. Dontsclihimls wirthschaftlicher Ziistaiul etc. 31
bei welchem iiuui den Zins ohne dessen Verknüpfimg mit
dem G-rmid mid Boden emfaeh vom Kapitale selbst zahlt, der
Boden aber (und seine folgenden Besitzer) dem Gläubiger
lediglich als Sicherheitsobjekt für Rente und Kapital gelten.
Endlich fällt auch das Letztere fort, der persönliche Credit
macht aus den Resten des Rentenkaufes ein zinsbares Darlehn,
das indess längst bereits auch neben dem Rentenkaufe gekannt
und geübt ^mrde. Im Zinse, in den Uebertragungen des Grund -
Eigens, durch den Aufschwung des Handels, des Gewerbes
mehrt, entwickelt, verbreitet sich das Kapital und wirkt wieder
segensreich auf seine Förderer zurück. In den Städten zuerst bie-
ten sich den Gewerben in einer mit ihnen und durch sie wachsen-
den Stärke Arbeit und Kapital , hier erhebt sich ihr Unterneh-
mungsgeist , dass sie naturwüchsig sich zn politischen , kirch-
lichen, militairischeu, geselligen, vor Allem aber zu gewerblichen
Zwecken das vortrefflich sichere Fundament der Zunft errichten,
ja fast an unsere modernen Genossenschaften heranstreifen, hier
vornehmlich entfaltet die volle Kapitaluutzung ihre Kräfte und
zeitigt, so weit das Gewerbe es vermochte, den persönlichen
Credit. Dabei währt nicht eüie unfruchtbare, ja gefährliche
Feindschaft zwischen Landbau und Gewerbe, sondern das in
den Städten gehäufte Kapital wirkt, vornelimlich zuerst durch
Vermittlung der Kirche, auf die Vervollkommnung der Land-
wii'thschaft nach den verschiedensten Seiten hin zurück und
eröffnet der Landwirthschaft einen neuen, ergiebigen Markt
ihrer Produkte in den Städten. So steigert sich die Produktion
des Landbaues weit über die fi'ühere Grenze des blossen Unter-
haltes der Landbewohner und andererseits finden die städti-
schen Gewerbe Verzweigungen und Ergänzungen in den auf
dem Lande getriebenen. Daneben wird auch liier der Begriff'
des mobilisirten Kapitales der vom Boden unabhängigen Frei-
heit und Arbeit mehr, als ein blosser Begriff".
Neben dem Gewerbe schreitet die Entwicklung des Han-
dels emher. Auch er lag zuvor in engsten Grenzen befangen ;
wo er durch das Blut der Völkerkriege , den Tritt der wan-
dernden Stämme nicht erloschen war, betheiligteu sich an
ihm zunächst nur Mönche und Juden, die sich beide frühe
32 II. 1. Doutstlilaiitls wirthschaftlichor Zustaiul etc.
geuug in den alten Hauclelssitzeii an Rhein niul Donau linden.
Allein die Bedürfnisse des Inlandes erweisen sicli noch zu kind-
lit-'ii gering, zu wenig weeliselnd, sie bescliränken sich fast nur
auf die herrschenden geistlichen und weltliihen Klassen der Be-
wohner, — der Zwischenhandel zwischen verschiedenen Län-
dergebieten andererseits ist zu wenig in Uebung, zu gefahrvoll,
zu unergiebig, das Misstrauen der handelnden Parteien zu
gerechtfertigt, allgemein die thatsächliche und rechtliche
Sicherheit derselben zu schwankend, als dass der Handel über
die nächsten räumlichen Grenzen hinaus sich hätte erstrecken
und die Fesseln des unmittelbarsten Eigenhandels hätte spren-
gen können. Dazu kommt der Mangel, die Unvollkommenheit
der Zahlmittel , ^) der Verbindungswege , das Entbehren schnel-
1) Tacitus. German. 5. 16. Plinius. hist. nat. XIX. 2. In grösserer
Menge zeigte sich die Münze vielleicht erst ini 15. Jahrhundert, vornehm-
lich nach Erschliessung der Bergwerke von Meissen und Böhmen , die Sil-
bermünze erst im 16. Jahrhundert. U. A. weisen die Medi-igkeit der
Preise, der meist hohe und durchweg äusserst schwankende Curs der
Münzen, die gesetzliche Beschränkung des Prägens , die Vorschriften über
den Gebrauch fremden Geldes an fremden Orten, der oft nocli in ausge-
dehnter Weise angewendete Tausch, die grosse Noth bei Zahlung bedeu-
tender Summen selbst dort, wo der Credit des Zahlers gesichert ist, des-
halb das ewige Zurückgreifen der Geldbedürftigen auf die Juden und
Wechsler, zumal die italischen Banken und Zweigbanken im Auslande,
welche durch keine Konkurrenz beeinträchtigt wurden . die Nothwendig-
keit, sich ungeprägter Metalle zu bedienen u. v. A. darauf hin. Die Quel-
len sprechen u. A. so viel von dem bedeutenden Handel in Ungarn im 13.
Jahrhundert; und doch war zu dieser Zeit in Ofen nur ein Pächter zur
Entscheidung der Prozesse unter 40 Dukaten Werth eingesetzt und dieser
hielt nur 3 mal wöchentlich Sitzung. Zur selben Zeit dagegen fungiren in
Schaffhausen statt solches einen Richters zwölf, wenn anders diese nicht
Schöffen sind. cf. Ofener Stadtrecht, ed. Michnay u. Lichner. Pres-
burg 1845. 4. p. 63. n. 67. p. 105. n. 167 u. 170. — v. Meiern, Von der
Rechtmässigkeit des sechsten Zinsthalers. Hannover 1732. §. XI. —
Hüllmann. Geschichte des Ursprungs der Städte. Frankf. a/0. 1806. U.
p. 246. — Friedr. v. Raumer, Hohenstaufen. V. p. 395 ff. — Estor.
Deutsche Rechtsgelahrtheit. Marburg 1758. 11. §. 3620. — Sententia
de argento renäendo. (1234.) Pertz, legg. II. 302. — Orth. Anmer-
kungen zur Frankfurter Reformation 1731. I. p. 611. — Sartorius,
u. Lappenberg. Gesch. der Hansa. I. p. 361. 364. 390. 395. 648. —
n. 1. Deutschlands wirthschaftlicher Zustand etc. 33
1er, ja überhaupt fast aller Haiidelsiiaebrichten , die Unkennt-
niss der Yersidierungen u. s. w. AUiiiälilich ei-st, wie dort bei
dem Aiifblülioii der Gewerbe, beseitigt das fortschreitende
Avirthschaftliche luid politische Geschick der Bewohner , — und
zwar das politische gerade üi Deutschland oft gegen seinen An-
schein und ohne, ja wider seineu Willen — die vornehmlichen
der obigen Hindernisse, es steigert insbesondere die Bedürf-
nisse, befruchtet und sichert Kapital und Kapitalinitzmig,
reizt die Arbeitslust, den Unternehmungsgeist durch Sicherung
des Besitzes imd Eröffnung reicher Quellen des Gemnnes. Die
„Geschlechter" nehmen zunächst trotz ihrer patrizialen Stel-
lung regsten Antlieil am Gross -Handel und häufen m Land-
besitz und Renten ihre Schätze auf, welche sie im Handel er-
warben. Juden und Wechsler stellen sich wü'ksam ilmen zur
Seite. Wo die Kraft des einzelnen Handeltreibenden niclit
ausreicht, bilden sich Vereme von Kaufleuten der vornehmlich
betheiligten Städte , zumal in den begüterten und einflussrei-
chen Patrizierfamilien, ja diese Städte verbinden sich selbst
danach in verschiedenster , mannigfach in einander geflochte-
ner Art , Ausdehnung und Mitteln. lieber seine lokalen Gren-
zen kümmerlicher Kramerei hinaus erweitert der Verkehr
sich zum Gross - mid Z^vischenhandel betheiligter Nationen,
aus dem Eigenhandel zweigt sich der Commissions - mid Spe-
ditions - Handel ab, mid das Resultat dieser Entwcklung,
speziell dieser Arbeitstheilung , ist auch hier die Ausbildung
des persönlichen Credites , der , wenn er auch zuvor niclit so
völlig erloschen war, als einzelne Schriftsteller aus einsei-
tig herangezogenen Gesetzesstellen beweisen wollen, doch
jetzt in dem vorgeschrittenen Stadium des Handels sich als
uothwendiges Vorbedingniss und selbstthätig weiterzeugende
Frucht desselben ergab.
Indessen , was bisher über die wthschaftliche Entwick-
lung des Gebietes deutscher Stämme angedeutet worden,
Hirsch, Handels- u.GewcrbsgcschichteDanzigs. Leipzig 1858. p. 240 ff. —
Neuraann, Geschichte des Wechsels im Haiisagebicte. Erlangen 18G3.
p. 2 ff. — ders. Zeitschrift für Handelsrecht Ced. Goldschniidt) VII.
Beil. — cf. bes. unt. die Abschn. über J uden und Wechsler. V. 4. 5.
Neuiiiaun, Gesch. d. Wuchers. o
34 TT. 1. r>outs;olilaiids wirtliscliaftlicliov Znstand etc.
bezieht sich aiitaugiieh nur auf die südlichen und westlichen
Tlieile dieses Gebietes. Hiev, insbesondere in den durch ihre
Gescliichte , ihre fruchtreiche, angebaute, handelsgünstige Lage
ausgezeichneten Gegenden im Stromgebiete des Rheines , der
Donau , an den altlimiihmten Heer - und Handelsstrassen , in
der Nähe des entwickelteren Galliens, unter dem unmittelba-
ren Schutze luid der weitreichenden Fürsorge der geistlichen
und weltlichen Herrschersitze , der Reichsversammlungen , der
Klöster zeigten sich die frühesten Keime aufsteigender Kultur,
liier trieben sie ihre ersten und nachhaltigen Blüthen. Schon
unter den Merovingern erstehen Köln, Mainz, Strassburg,
Basel, Regensburg, unter den Karolingern dehnen sich bereits
die Haudelslinien von Strassburg nach Frieslaud, im 10. Jahr-
hundert von Mainz und Köln zur Nordsee und durch das Innere
Deutschlands längs der Donau bis Konstantinopel aus, seit dem
11. Jahrhundert beginnt der Wetteifer zwischen Köln und
Mainz, aus dem endlich Köln durch seine grossen Handels-
beziehungen nach England und den Niederlanden, so wie
durch die Theilnahme am Hansabmide siegreich hervorgeht.
Schon im 12, Jahrhundert erstreckt sich der Handel Kölns
über Europa, von England bis an den Bosporus und das
schwarze Meer. Der Handelszug , welcher , zumal seit den für
den Handel so wichtigen Kreuzfahrten , die vielbegehrteu Pro-
dukte des Orients durch das uralte Culturbecken des Mittel-
meeres über die grossen Handelsplätze Italiens gen Norden an
den reichen Weltmarkt Brügge's führt, häuft die Schätze und
zeitigt die wirthschaftliche Reife in Augsburg, Ulm, Prankfurt,
in Nürnberg, Würzburg und Bamberg; er sichert ihre Verbin-
duntr mit den nördlichen und südlichen Handelsvölkern, er
ermöglicht ihren sorgsam gepflegten Verkehr mit Spanien und
Frankreich , er trägt die so überaus fruclitbaren Keime staatli-
chen, kirchlichen, allgemein geistigen Lebens m das Abend-
land herüber. ^)
1) cf. i\. V. A. bes. Arnold, Verfassungsgesch. der deutsch. Freistädte.
HainLurg u. Gotlia 1854. — Ders. Zur Gieschichte des Eigentliunis in den
deutschen Städten. Basel hei IT. Georg. 1861.
n. 1. Deutschlands wirthschaftlicher Zustand etc. 35
Dagegen stehen der Zeit naeli der Norden und Osten
Deutschlands anfänglicli bedeutend zurück; für diese Distrikte
gilt noch ein Jalivli. später als zutreffend, was oben zur Schil-
derung der unteren Stufe des Verkehrs berührt worden. Was
nach Verdrängung der hier anfänglich ansässigen, kaum kulti-
virten Deutschen von der darauf errichteten Slaven- Herrschaft
durch Helmold, Arnold u. A. berichtet wird, entzieht sich an
dieser Stelle schon als ,, nichtdeutsch " der Beurteilung; dazu
gesteht jene Ueberlieferung trotz ilires überschwänglichen Lob-
preises zwischen den Zeilen deutlicli ein, wie ungleich entwi-
ckelt, wie schwankend der Verkelir bei der gewiss nicht mytlieu-
haften Blüthe der weltbekannten Handelsplätze am Ostseege-
stade von Holstein bis Livland bestand , gewissermaassen ein
nomadenhafter Handel. Bedürfte es eines weitereu Beweises sei-
ner geringen Grundlage in der sonstigen Culturentwicklung der
dort wolmenden Slaven, so genügt es, auf das jähe Verlöschen
aller dieser Herrlichkeit bei dem Herandrängen der Deutschen,
der Träger gefestigter Cultur, hinzuweisen, welche seit Karl dem
Grossen in zwei neuen Völkerzügen nach den Ufern der Ostsee
und die Donau entlang gen Ungarn und Böhmen den Gebie-
ten Bildungsfäliigkeit von Westen her zurückbrachten, als
die eherne Völkerwanderung von Osten alle Keime der Cultur
in ihnen zertreten zu haben schien. Aber auch die nachmals
so berühmten, als Stätten des entwickelten Verkehrs bewähr-
ten Orte , welche die Schritte jener zwei Culturzüge der Deut-
schen wie Marksteine kennzeichnen, müssen zunächst wegen
des steten Bingens mit den Gegnern im Osten, den Feinden im
Norden weit hinter den begünstigten Kivalen in Süd und West
zurückbleiben. Vom 9. bis 13. Jahrhundert erst sichern sie
allgemacli sich die Grundsteine ihrer späteren Wirksamkeit.
So erstehen Bremen, Hamburg, Magdeburg, Soest, Stendal,
Halberstadt, Salzwedel, Lüneburg, Braunschweig, Halle,
Lübeck u. A. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts erst bilden
sich die fruchtreichen Vereinigungen der Städte nach vorauf-
gegangenen Verbijidungen ihrer Kaufleute, noch später (1260.
1269) beginnen in den Städten Bölimons, Mährens, Ungarns
die Gewerbe sich im Kampfe mit ihren liier fast vielseitiger als
3*
•](•> 11. 1. Dontsflilaiids wirtliscliiifiliclior Ziislniid otc.
im AVosten aiiftTotoiKlcn Widersachern onipor/uarbeiten. 1285
erwirbt der deutsche Orden erst Preussen, 1343 öffnet sich
Dnnzig endt,n"ilti2f der deutschen Cnltur. Dann freilich seit der
Mitte des 14. Jalirhumh'rts entwicl<elt sich liier — abgesehen
von einigen früheren Ausnahmen — das Gewerbe schneller,
als in den Städten von Süd- und West -Deutschland, weil der
Fortschritt hier vermöge der Natur der Einwanderungen , die
eine bestimmte Culturstufe in sich trugen , und die in Masse
übersiedelnd sofort Feststellung ihrer Verliältnisse verlangen
mussten und durchsetzten , nicht mühsam Schritt um Schritt
sich herausarbeiten durfte, sondern trotz der grösseren Zahl
einflussreicher Gegner jedesmal als „abgeschlossenes Gebilde"
siegr*eich emporsteigt. — Desgleichen erhebt sich der Handel
seitdem, Dank der vortrefflichen, grossartigen Anlage des
Hansabundes, der zähen Verwirklichung seiner Grundsätze,
den günstigen politischen und wirth schaftlichen Gestaltungen
im nahen und fernen In - und Auslande , der unmittelbaren
und mittelbaren Einwirkung von im Handel damals ausge-
zeichneten Nationen , wie der Italiener, auf die Gestaltung des
Verkehrs ini Hansagebiete u. s. w. zu einer Höhe , wie sie die
zumal vom Meere ausgeschlossenen und von mächtigen Rivalen
in Italien beschränkten Handelsplätze in Süd- und Südwest -
Deutschland nicht erzielen und bei der äusserst regen Eifer-
sucht der Hansastädte gegen sie nicht theilen konnten. Ja letz-
tere Städte sinken gerade seit dem und durch das Emporkom-
men der nördlichen und östlichen deutschen Handelsstädte,
durch die gleichmässige Ausbreitung der Cultur in diese Th eile
des Reiches, durch das Aufliören des Handelsmönopoles so.
bedeutend, dass sie sich seitdem niemals mehr zu der alten
Grösse hinaufgearbeitet haben. ^)
1) cf. Sartorins-Lappcnherg', 1. c. — Hirsch, 1. c. — Arnold,
1. c. — Hinsichtlich der allmählich wachsenden Verbreitung des persönli-
chen Credites in diesem Ländergehiete cf. Neumann, Gesch. d. Wechsels
im Hansageh. Erlangen 1863. p. lü tf. u. die Noten. — Wenn die Gesetze
im 14. .Jahrh. hier den Credit beschränken , so können sie zum gi-össeren
Theile noch als Ausdnick des Verkehrscharakters angesehen werden. So
wenn im Prager Stadtrecht art. 1,3. (cf. Rössler, Altprager Stadtrecht.
II. 2. Eiii(h-iii<(oii des Wiicliervcrbotes in DcHtsdiland. 37
2. Das Eindringen des Wucherverbotes in
Deutschland.
Bereits ehe die kanoiiistischen Zinsvorschriften in Gra-
tians Dekrete ihre erste lialb systematische Zusammenstel-
Prag 1845.) bestimmt wird: ..Item ez sol auch deliein purger noch dchein
gast weder golt noch silber vevkoul'en noch liin borgen ouf ein tag; er sol
cz liin geben n\T vmb bereite pfenninge, daz man ez wege vnd ouch im
liin trage bi der buze di licr nacli gesezet ist." Dasselbe ist im art. 14 von
allen Darlehen vertretbarer Sachen verordnet ; deshalb soll auch die Klage
auf Rückzahlung in 4 Wochen verjähren, cf. ib. Einleitung p. LXII. Zu-
vor, i. J. 12IMJ. war jeder Bürger, der von einem fremden Kaufmanne
Waaren auf Credit bis zum nächsten Tage gekauft hatte, gesetzlich ver-
pflichtet , die Fristbewilligung der Stadtobrigkeit anzuzeigen, (cf. Eö ss-
ler, Ueber Bedeutung und Behandlung des Bechtes in Oesterreich. Prag
1847. Anhang zum Altprager Stadtrecht Ottocars II. 1269. A. 102.). —
Dagegen i. 15. Jahrh. hatte sich der Credit selbst hier so weit entmckelt,
dass wenn trotzdem in den Gesetzen sich dergleichen Beschränkungen,
wie oben in dem Prager Stadtrechte , wiederholen , dieses entweder daran
liegt , dass man vormalige Sicherheitsbedenken im Verkehre uaturgemäss
ängstlich festhielt, oder aber es ist nur auf besondere notlnvendige Bück-
sichten gegen das Ausland oder auf spezielle, lokale Ursachen zurückzufüh-
ren. So, wenn 1417 noch auf der Tagefalirt in Lübeck ausdrücklich un-
tersagt wird. Niemand solle Hering kaufen , ehe er gefangen, Korn, ehe es
gewachsen, Gewand, ehe es gemacht — ein Anklang an den Kauf der Früchte
auf dem Halme (cf. III.2. c), und gerade in dem vor reichen Hinterländern
liegenden Theile des Hansagebietes ein besonderer Gegensatz gegen das
seit lange selir gebräuchliche Geschäft der Lieferungsverträge , bei denen
stets , wie noch heute z. B. in den Vorländern von Russland . Polen , Gali-
zien , der Kaufpreis meist ein Jahr vor der Lieferung entrichtet wurde.
Desgl. wenn noch 1424, 1434 jeder Credit an Nichthanseatcn verboten
ward , oder wenn es noch 1490 heisst (cf. D a n z. Arch. Urk. 30. n. 377.) :
„Uns is ok tor Kentnisse gekomen von etlike coplude vth den Anze Stedern
to lunden in Engelaut vud dar ym Ryke mit vorsate merkliken van den
Engeischen vpborge , darentiege neue gudere hebbende, darmede se beta-
len vnde loven holden können mit sulcken gudern vth Engelant bederchli-
ken versende vnde den Engeischen sdiuldich bliuende dar durch den an-
dern vprichtigcn coplude lone gans zer wert gekrcnket " Schon 1418
war U.A. jeder Creditkauf der Hanseaten gestattet, mit Ausnahme des
Handels mit Russen. Hirsch, I.e. p. 233. — Uebrigens bietet auch die so
dürftige Behandlung aller Creditvcrhältnisse im Sachsenspiegel gegenüber
dem Schwabenspiegel und in nicht wenigen norddeutschen Stadtrechten des
13. u, 14. Jahrh. einen eingehenden Belag, (cf. IH. 1. c, 2. a.) Säramtliclie
38 II. 2. Eindrinpfoii tlos Wucliorvovbotos in Pentsclilaiid.
hing eihielten , hatten dieselben sieh den Weg in das von deut-
schen Stäinnien l)esctzte Gebiet des Abendhvndcs gebahnt. ^)
Kanni war abgesehen von den vor dieser Zeit begegnenden
einzehien Anhängern oder Gemeinden des cliristlichen Glau-
bens im deutsehen Gel)iete , welche sich bis in die römischen
Legionen in deren Standlagern an lihein und Donau verfolgen
lassen ^) — das Christentlium im Merovingerreiche durch
Chlodwig anerkannt, so bestrebten sich die dort ansässigen
Concilien ferner, welche im Gebiete der dcutsclien Stänmic bis zum
13. , ja 14. Jahrhundert von dem Zinsverbote sprechen , hatten ihren
Sitz im Süden und Westen Deutschlands. Schon im Jahre 829 klagt der
Bischof von Worms in einem Briefe über die hohen Zinsen, welche die
Kleriker aus Darlehen von Armen fordern. Regino , dessen Beziehungen
zum Zinsverbote sogleich zu erwähnen sind, war Abt in Trier. Beleg,
bieten die Concilien von Trier 1227. 1238, Wien 12G7, wo besonders
die Salzburger Diözese wegen der in ihr gebräuchlichen hohen Zinsen
getadelt wird , von C ö 1 n 1300. In den Concilien von Magdeburg
selbst aus späterer Zeit (1383 — 1405) wird dagegen von Zinsen oder
Creditbeziehungen Nichts erwähnt. Ja in den Kirchenversammlun-
gen der Provinz G n e s e n aus dem 13. Jahrhunderts wird stets allge-
mein der Klerus nur ermahnt zu einem ordentlichen Leben und zur Ent-
haltung von allen unehrenhaften Geschäften und ungebührlichem Gewinne
(turpelueruw) ; dagegen nirgends begegnet das Wucherverbot, welches
bei den anderen Synoden doch gerade in diesen Abschnitten besonders
hervorgehoben zu werden pflegt, cf. Hube, Antiquissimae constitiitiones
synodales provinciae Gnesnensis. Petro]iol. 1856. a. v. St. (cf. ob. im
Texte p. 44.)
1) Unabhängig hien'on natürlicli findet sich der Bcgriif des kanoni-
stischen Wuchers in den Exem]daren der heiligen Schrift, welche im Ur-
texte oder in Uebersetzungen nach Deutschland gelangten. So heisst es in
Ulfilas Bibelübersetzung Lucas XIX. 23: „Jah qimand mith vokra ga-
lausidedjau thata" (und kommend, mit Wucher hätte ich es gefordert) cf.
III. 1. a. (u.) 2) Wahrscheinlich bildete sich in Woiins bereits im 3.
lahrh. eine Gemeinde imter einem Bischof. Bischof Maternus erweist
die Existenz der christlichen Lehre zu Cöli\ im 4. Jahrb. Bischof Sidonius
dieselbe zu Mainz (550). Durchweg allerdings datirt die feste und gesi-
cherte Existenz und Verbreitung des Cliristcnthums in diesen Gegenden
immer erst seit der fränkischen Periode. Unter König Dagobert (630)
war Worms wieder ein Bischofssitz. Rettberg, Kirchengeschichte von
Deutschland I. p. 203. 213. 536. Schannat, bist. ep. Worm. I. 309. II.
7. 22. 38 ff. Act. Pal. 7. 61. 217. Moritz, Urspr. d. Reichsstädte p.222.
IT. 2. Eindvincfon rlos Wnchcrvovhotcs in Deutschland. 30
Kleriker, unter anderen Mitteln durch Sammlung? der vor-
nehmlichen Concilienheschlüsse dos Orientes der jungen Kirche
und sich selbst im Abendlaude das sichere Fundament der
geschichtlichen Ueberlieferung unterzubreiten , um darauf ihre
und der Kirche weitere Machtentfaltung zu begründen. ^) Iii
diesen Privatsammlungen und dem etwa hinzukommenden
mündlichen Eifern der Kleriker für die ihnen in ihrer geistigen
Geburtsstätte im Oriente oder Italien eingeimpften Grundsätze
betraten die verhängnissvollen Zinsgesetze der Kirche den ihnen
gleich verhängnissvollen deutschen Boden, allgemein eher, als
hier der Verkehr so weit herangereift war , dass diese Gesetze
im Volke irgend welche praktische Anwendung zunächst
finden konnton. Von dieser Zeit ab bot nun die Stellung der
Kleriker im Abendlande eine Kette von Gelegenheiten , unter
den anderen Glaubenssätzen der Kirche auch diesen im Volke
zu verbreiten und so gOAvissermassen den Geist der Gesetzgeber
und des Volkes für die gefährliche einseitige Theorie gefangen zu
nehmen, ehe in der Praxis sich auch nur die Möglichkeit gebo-
ten hatte, die Richtigkeit dieser oder einer ihr entgegenstehen-
den Auffassung varthschaftlicher Grundbegriffe und Gesetze,
wie Kapital, Kapitalnutzmig, Kredit u. a., zu prüfen und gegen-
einander abzuwägen. Kleriker waren die Hauptberather der
Fürsten und Gesetzgeber am Throne und im Beichtstuhle, Kle-
riker danach selbst Fürsten und Gesetzgeber, Kleriker die
Lehrer des Volkes; sie erfüllten alle Schichten der Gesell-
schaft, mit der fortschreitenden Kultur gen Nord und Ost alle
Theile des deutschen Gebietes ; „ ad leudum conciones " werden
sie berufen, sie halten die Provinzialsynoden, sie die Conci-
lien ab. Wie das Christenthum im Mittelalter mit seinen
Vorstellungen alle Gebiete der Thätigkeit des Geistes und Kör-
pers in einer uns völlig fremd gewordenen Weise durchdrang,
1) cf. Eichhorn. Deutsche Rechtsgeschichte. 3. Aufl. §. 28.
§.90—01. — Züpfl. Deutsche Rechtsgcschichte 3. Aufl. 18.58. §.28.
— Pabst Hadrian .soliickte selbst später an Karl den Grossen eine
Sammlung der Beschlüsse sämmtlicher vor ihm abgehaltener wichtiger
Concilien. (cf. Rosshirt, Geschichte des Rechtes im Mittelalter!. i).43.
§. 13. n. 3.)
40 II. 2. Einilriiicfoii dos WncluMViMliotos in Denipclilniid.
SO vorniochton aiu'li die Prediger dieser Lehre in alle jene
Gebiete 7.ur Verwirldicliung ihrer Grundsätze selhstthätig ein-
zuETi'eifcn, dass sie seihst für sich und die Kirche sogar
Gewerbe und Handel treiben, (cf. unten besonders die Bethei-
ligung der Kleriker an dem Geldtransporte aus den nor-
dischen und deutschen Ländern nach Rom und Avignon
u. s. w.) ^) Wenn dieses Heer der Kirche - seit Stiftung
und Ausbreitung der Mönchsorden im eigentlichen Sinne
des Wortes , durchdrungen von dem Corpsgeiste der kirch-
lichen Phalanx, besonders seit der 7A\ beiderseitigem Nutzen
geknüpften engeren Verbindung zwischen den beiden Schwer-
tern der Christenheit, Kaiser Karl und dem Pabste zu Rom,
den einzelnen Sätzen ihrer Lehre im Gebiete der Theorie
und Praxis Anhang und Fortschritt zu gewinnen strebten , wo
durfte nach Mitteln gesucht werden! Was Wunder, dass dann
die Zinsgesetze der Kirche bereits in die Kapitularien Karls
des Grossen übergingen, wie sogleich zu berühren; dass Karl
selbst zur weiteren Verbreitung dieser und anderer Bestim-
mungen der Kapitularien dieselben in die Abfassmig der
Volksrechte aufzunehmen befahl; dass abendländische Kleriker
auf Geheiss der Bischöfe eben diese Stellen der kaiserlichen
Gesetze in die von ihnen veranstaltete Sammlung der Canones
einverleibten und so als Vorläufer Gratians sie in dessen
Dekret überlieferten. ^) Bischöfe endlich , Aebte und Grafen
nahmen von den Reichsversammlungen die Kapitularien zur
Anwendung mit sich, um sie an den einzelnen Orten ihrer
1) So sassen u. A. auf dem Concil zu Mainz (742) die Biscliöfe von
Mainz , Cöln , Utrecht , StrassLurg , desgl. 757 in besonderer Einladung
Carlnianns. cf. Rosshirt, 1. c. I. p. 42. 2) Ein Beispiel davon ist in
den Schriften R e g i n 0 ' s , Abtes zu Trier, erhalten. Als er auf Befehl
des Bischofs von Trier Concilienbeschlüsse , Aussprüche der Kirchenväter
und Briefe der Pähste sammelte , nahm er in diese Sammlung von Cano-
nes wörtlich die Gesetze Karls des Grossen über den Wucher auf. cf.
Eegino's canones in J. F. S ch an n at, concilia Gernianiae. Cöln 1759 bis
1763. p. 483. — Unter anderen fränkisclien Schriftstellern benutzte dann
Gratian auch diesen Regino mittelbar durch Burchard von Worms bei
Abfassung seines Dekretes. (Rosshirt, I.e. I. p. 44. Richter, Kirchen-
recht p. 112 — 115.)
II. 2. Eindrinpen des Wucliorvorltoics in Dontscliland. 41
Wirksamkeit daheiin bekannt zai machen, besonders durch
Verlesen in den Gerichtsversammliingen und durch Verkün-
duno: in der Kirche. ^) Al)scliriften wurden den Grafen und
Send])oten ZAigefertigt 7Air Uel)erwacluing der Ausführung, 2)
desgleichen den Erzbischöfen und Grafen , von diesen den Bi-
schöfen und Getreuen 7Air VeröflFentlichijng und Anwendung;-^)
die Sendboten reisten mit den Gesetzen im lieiclie zur Verbrei-
tung der Abschriften und der Gesetze umher. '^) So gewann
man in der Kirche die Mögliclikeit, bei Anwendung der bishe-
rigen Zinsbestimmungen und Ausdehnung derselben in neue-
ren Gesetzen sich auf eine Art bei allen Völkern vorhandenen
Naturgesetzes, ja auf die öft'entliche Meinung dieser Völker
zu berufen, während man selbst dieses Naturgesetz erzwungen,
diese öft'entliche Meinung gemacht hatte.
Eine Aenderuiig konnte hierin natürlich niclit eintreten,
als sich das grosse, von deutschen Stämmen innegehaltene
Ländergebiet zertheilte und Deutschland im engeren Sinne, der
eigentliche Boden dieser Untersuchung, sich absonderte. Das
Festhalten an den Gesetzen dn- Päbste musste dem Streben
der früheren Kaiser (seit Otto III. bereits), sich auf dem Throne
der römischen Weltlierrscher zu fühlen , nicht geringen Vor-
schub leisten. So sagt Kaiser Friedricli T. , in richtiger Folge
der Beschlüsse des llonkalischen lieichstages , 1170 in emem
Erkenntnisse des Iteichsgerichtes : „Imperatorie malestatis
est officium, negotiis imperii iuxta legiim institiäa et cnno-
n u m dec r e t a pacem et iustitlam providerc.'' ^) Er und seine
Nachfolger ertheHen den Scholaren des kanonischen Kechtes,
■vvie bekannt, wesentliclie Vorreclite; mit kirchenrechtlich
gebildeten Beamten füllen sicli die Kanzleien der Gesetzge-
ber;*^) von Heinrich VI. lobt Albericus. chron. ad 1185:
1) cf. Capit. 803. 805. Monuin. legg. I. p. 112. 130. Edict. Tistense
(864) c. 3. 2) cap. (803) cp. 8. Pcrtz , 1. c. p. 120. 3) cap. (825)
c. 26. Pertz, 1. c. p. 216 u. p. 128. 164 ff. 53. (787). 4) cap. 853. c 1.
Pertz, p. 423. cap. 806. ib. |i. 146, 805. p. 131, 817, 825. c. 3. p. 210.
247. 5) Monuni. legg. II. p. 141. 6) Unter Mitwirkung der Für-
sten u. der Qucllciuuislegung selbst bildet sich aus den gelehrten Juristen
eine dem niederen Adel gleiche Stute der Gesellschaft. Wetzcll, System
42 II. -• Eindiingoii dos Wncliervorl)otos in Dcntscliland.
„ cnidHus Apostolicl s l u s f Itnti 8." *) Und so durfte
Kaiser Friedrich IL, 'svie sehr man ihn auch in anderen Bezie-
Inincfen als UeberAvindor der Vorurtheile seines Zeitalters,
als Freigeist und Propheten der Zukunft preist, nachdem er in
den Consta utiones regni SiciUae sich zu den Grundsätzen des
kanonischen Zinsverhotes mit allem Eifer bekannt hatte, an
sich um so weniger Bedenken tragen, bei Zustimmung der
Reichsstände unter seinen anderen Gesetzen zu Gunsten der
Kirche (speziell der Päbste) und zum Nachtheile der Städte ^)
das dccrctmn Gratians und damit die Reihe der oben erörterten
Zinsbestimmungen in Deutschland thatsächlich zu billigen, wie
man es bisher rechtlich in seinem unechten Erlasse geschehen
glaubte : „ Wir gebieten auch vestiglich , dass man in allem
römischen Reich an gaistlichen dingen nach gebot vnd
nach Ratt des Erzbischoff sich haltt, vnd der bischoff vnd
der Erzpriester nach gaistlichem recht vnd wer dawider
ist , den sol man haben für vnglavbig." ^) Ebenso fanden die
Dekretalen zur Zeit Rudolfs von Habsburg 1281 in Deutsch-
land Eingang , *) denen in gleicher Weise die ferneren Theile
des Civilprozesses (1858) p. 243 u. A. — Böhmer, Eeg. Eudolfi N. 872.
(1286.) Reg. Alb. N. 378 (1.302), für Heinrich VII. (Pertz, Monum.
legg. n. p. 511. 1.310. p. 526. (1312.) — Leibiiitz, script. rer. Bruusvic.
n. p. 664. cf. auch E i c h h o r ii , D. E. G. III. j». 280. E ö s s 1 e r , Briinner
Eecht p. 123 flf. der Einleitung.
1) ed. Leibnitius. Hannov. 1698. p. 367. 2) Huillard-Brehol-
les, Friderici n. historia diplomatica. V. 201. 215. 279. Eichhorn, 1. c.
§. 247. G a u p p , Stadtrechte I. 20 ff. S t o b b e , Geschichte des deutschen
Eechtes I. a. p. 473. 3) a. 1220. c. 1— 4. Monum. legg. II. 243 ff.
constit. V. Mainz 12.35 — 36. cf. Goldast, constitt. II. p. 17. Sencken-
berg, corp. rer. imp. I. 24. — Eicger, opuscul. p. 203. §. XL Wie sehr
das „an gaistlichen dingen" die Beziehungen der Zinsgeschäfte umfasste,
erweist sich weiterhin im Texte. — Wenn es auch bestritten ist, ob Gra-
tians Dekret von den Päbsten und so auch in Deutschland als „lex
scripta" anerkannt und promulgirt worden (cf. Eichter, Kirchenrecht
g. 79. _ Eichhorn, deutsche Eechisgeschichtc §. 272. — ), wenn ins-
besondere obiges Gebot Friedrichs II. als unecht bezeichnet werden niuss,
so unterliegt es doch keinem Zweifel , dass das Dekret thatsächlich
in Deutschland Gesetzeskraft besass. (cf. u.) 4) Senckenb erg, 1. c,
1.31. Eieger, ib. §. XVm.
II. 2. Eindringen des Wiidiervorbotes in Deutsollland. 43
des corp. iuv. canon. folgten. Wie sehr miisste das Dogma an
Festigkeit und praktischer Geltung gewinnen, als darauf die
grosse Schaar der deutschen Scholaren nach Italien und
Frankreich zAim Studium des kanonischen zugleich und des
römischen Hechtes strömte, als in Deutschland selbst seit
Karl IV. die Hochschulen erstanden, welche zuvörderst mehr
noch das Studium des kanonischen als das des römischen
Rechtes pflegten, und die hier und an den ausländischen Uni-
versitäten gebildeten Juristen als geistliche und weltliche
Beamte der einflussreichsten Stellungen im deutschen Reiche
theilhaft wurden. ^) Aber Avenn in der Sammlung des corpus
1) In Paris wurde 1220 — 1568 nur kanonisches Recht gelehrt
(Leibnitz, script. rerum Brunsvic. II. p. 657), in Folge des allgemein
bereits 1210 ergangenen Befebles von Honorius III. für die Geistlichkeit,
nur kanonisches Recht zutreiben, (c. 10. X. 3, 50. Philipps Kirchen-
recht I. 6<SS. Savigny, III. p. 362 ff.) — Ueber die Verbreitung deut-
scher Studenten auf italien.u. französ. Universitäten cf.bes. Savigny, UI.
p. 187. 193. 199. 283. 285. 403 ff. — G. L. Böhmer, observatt. iur. ca-
non. 1766. VII. p. 313 ff. Im 12. Jahrb. studirten die Söhne des Landgrafen
von Thüringen in Paris. (Tittmanu, Heinrich der Erlauchte II. p. 75.)
— Bischof Heinrich von Lübeck studirte im 12. Jahrh. mehrere Jahre in
Paris. — In Mainz begegnet 1239 Philippus, decretorum doctor...
(Böhmer, cod. di))lom. Moenofr. I. p. 66.) 1244 — 46 Graf Johann und
Gerhard von Holstein , dann Herzog Waldemar von Schleswig in Paris.
In Schlesien cf. Stenzel, schlcsische Geschichte I. p. 330 ff. Ueber
loannes Teutonicus (1225) doctor decretorum , cf. Phil i]i ]i s Kir-
chenrecht IV. 1851. p. 180 fr. — Karl IV. adelt Wycker, einen Geistlichen,
in Mainz „qiiia utriiisque iuris tarn canonici quam civilis clara scientia
decoraris." B ö h m e r , cod. diplom. Moenofr. I. p. 675. (1360.) — cf. bes.
Stobbe, Gesch. des deutsch. R. I. a. p. 622 ff. 625. N. 49. N. 54. — An
den ersten deutschen Universit<äten wird besonders das kanonische Recht
von auswärts gebildeten Juristen gelehrt, cf. Hugo , civilist. Litterärge-
schichte p. 188. N. 1. cf. auch ein Analogon für Preussen unter dem
segensreichen Regimente des Hochmeisters Winrich v. Kniprode. Voigt,
Gesch. Preussens V. p. 100 ff. Das kanonische Recht musste selbst hi die-
ser gelehrten Treibhausgestalt in Deutschland um so mehr gedeihen, weil
dasselbe in die Praxis der Gerichte, geistlicher und Aveltlicher, seit Jahr-
hunderten eingedrungen war. „Unirersitates canonistarum." cf. Tomek,
Gesch. der Prager ünivers. p. 45. Kiuk, Gesch. der Wiener Univers. I.
p. 102, S t i n t z i n g , Ulrich Zasius. (p. 88. 327. 334 ff.)
4-J II. 'J. Kinilriiij:joii dos Wuclw'ivnliotrs in Dcuisclilainl.
iuris rmio)nrl die Tluitigkeit der Päbste hinsielits dev Zins-
gesetze mit den Clomentinon abschliesst. so galt es in x>raxl,
die dort immer nur für einzA'lne Fälle gegebenen Eutscbeidun-
gen allgemein anzuwenden, auszudebnen, systematiscb zu
vervollkommnen. Darum schreitet jenen gesammelten Ent-
scheidungen der Päbste eine grosse Ueihe von ferneren Bullen
derselben, vor Allem aber von Concilien und Synoden zur Seite,
in welchen mit scholastischer Schärfe , mit zähester Ausdauer
und eiserner Consequenz dem immer mehr sich entwickelnden
und unter tausend neuen Gestalten sich auflehnenden Ver-
kehre das aus den Dekretalen und ihren schlussreichen Folge-
rungen gewundene Netz cinsclmeidcnder Fesseln über den
Leib zu l)reiten gesucht wird bis zur endlichen Entscheidung
der jalirhundertelang schwebenden Streitfrage. Besonders zu
nennen sind, wegen der Behandlung des Wuchers in ihnen,
die Concilien zu Trier 1227. 1238, Wien 1267, Cöln 1300,
Utrecht 1354, Magdeburg 1383 — 1405, Freysing
1440, Breslau 1446, Constanz 1483; unter den Synoden
diejenigen von Breslau 1266, Bamberg 1491.1506, die
von Herzogenbusch 1571, die vonBesan^on 1571, Culm
1583, Cambrai 1586, Trient 1593, Brixen 1603, Con-
stanz 1609 und Sitten 1616.^) Man ersieht auch hier, dass,
wie oben (Anm. 1. p.36.extr.) erwähnt wurde, in dem 13.u. 14.
Jahrhundert noch die Nothwendigkeit , Wucherverbote zu er-
lassen , sich auf den südlichen und westlichen Tlieil Deutsch-
lands beschränkte, (cf. auch ob. II. 1.) In den Synoden der
Gnesner Provinz aus dieser Zeit (cf. Hube, 1. c.) findet sich
trotz der oft wiederholten ausführlichen Rüge des unordentli-
chen Lebens und der unehrsamen Geschäfte der Geistlichkeit,
ja trotz der ausdrücklichen Erwähnung, dieselbe müsse sich
alles tiirpe hierum enthalten, keine Silbe vom Wucher und
Wucherverbote. Auch hinsichts des Darlehns wird nur fest-
1) cf. concil. Germaniae. XI Torai. fol. ed. J. F. Schannat, Jos.
Hertz heim (Tom. I — V.), Cöln 1759 — 63. H. Scholl (T. VI — IX.)
ib. 1765—68. Aeg. Neissen (T. X.) ib. 1775. Jos. Hesselmann
(T. XI index) 1790. — Hube antiquiss. 1. c. cf. J. H. B ö h m e r. (ius
eccl. prot. V. 19. §. XXI.)
n. 2. Eindringen des Wucherverbotes in Deutschland. 45
gestellt, cap. 37 der synod. Buden sis v. 1279: ne ecclcsia-
runi rectoroii nmtuo dcnt. Iiihihoints ahhatihus, prae/positis,
priorlhus, plehanis, victorihiis ecclesiarum et clericis univer-
sis, nc i2)si muti(o rlent vcl accipiant ahhntcs, praopositl
ultra (Inas vel tres »larcas cadcri unam marcam, sine notitia
et consensii capituli sui vcl maioris partis ac dioecesani epis-
copi assensH principalL Der Wucher der Juden allein (cf. V.
4. u.) wird hier hervorgelioben und zwar nicht verboten , aber
dadurch beschränkt, dass den Christen bei Strafe der Exkom-
munikation jeder geschäftliche oder aussergeschäftliche Ver-
kehr mit ihnen untersagt und den Juden besondere Wohnsitze,
Kleider u. s, w. zugewesen werden.
So errichtete sich ein genugsam starkes Fundament des
kanonischen Hechtes mid seiner Fortbildmig in Deutschland,
auf welches gestützt die geistlichen Gerichte die einzelnen Sätze
dieses Eechtes als über jede Nationalität hinaus geltende
Norm eines Weltrechtes, das sich doch zugleich in seinen
deutsch -christlichen Elementen dem wirklichen Leben im Mit-
telalter vielseitig verwandt erwies, nachhaltig zur Anwendung
bringen konnten. Ja , die Kechtsverständigen des geistlichen
Rechtes finden eben deshalb allgemach Eingang in die kaiser-
liche, ^) dann selbst in die städtische Gerichtspraxis -) und
wirken so für die immer neue Anwendung seiner Bestinmum-
gen als Kechtslehrer, Kath der Fürsten, Gesetzgeber, Richter,
Stadtschreiber und fruchtbare Schriftsteller, welche nicht
allein (cf. u.) in die deutschen Rechtsquellen kauonisclie
Grundsätze hineüiarbeiteu , sondern, wie einst Regino und
1) resp. in den Gerichten , deren Mitglieder der Kaiser ernannte , so
in den kaiserlichen Land - , Hof - und Kaunuergerichtcu. — cf. u. a.
Mencken', thesaur. I. p. 490. 1105. Heineccius, antiquitt. I. p. 591.
Senckenherg, ungedr. Urkunden. (I. p. 12. 22 ff.) 2) Sehne idt,
thes. iur. Francon. II. 2. 1787. p. 341. Heineccius, hist. iuris p. 103ü.
Boehraer, cod. dipl. Mocnofr. I. p. 755 (1377) : „Herrmann e}!! licen-
tiate in geistlichen rechte , pfaffe , vnd diener der ersanien wisen lüde des
rades vnd der stad zu Franckinford." Fidicin, Beiträge zur Gesch. Ber-
lins I. p. 251. III. p. G9. Eichhorn, III ji. 33Gff. — Grupen, obser-
vatt. p. 501.
46 II. 2. Eindringen dos ■Wiuliovvovbotos in Deutschland.
Burchavil, wieder in Sammlung'en, Summen ') u. s. w. das
geistliclio Reelit selbststiindip; in allgemein fasslicliev Form zu
verbreiten trachten. Gerade für die Wueliergescliiclite sind
die Sunmiisten und Kanonisten im 15. und IG. Jahrhundert
-in Deutschland von Wiclitigkeit, weil sie der in italieni-
schem und hanseatischem Einflüsse damals stark auf))lühende
Handel und seine neuen Rechtsgestaltungen vornehmlich an-
lockten , die kanonistischen Wucherhestimmungen , überhaupt
die handelsrechtlichen Sätze der Kirche, welche damals
unter Ausschluss des römischen Kechtes und kaufmännischen
Gewohnheitsrechtes allein in der Wissenschaft mid der Praxis
vieler Landesgerichto als Handelsgesetze galten, mit den neuen
Rechtsgestaltungen des Verkehres zu vergleichen und deren
verwerflichen ^vucherischen Charakter in ihren Summae con-
fcssorum de casihus conscicntlac oder in besonderen Schriften
eingehend nachzuweisen. Daraus entstand die Unzahl der Ab-
handlungen de usuris, de contracfihiis - , de iure mercatorum
u. s. w., welche heute noch alle irgend namhaften Bibliotheken
überfluten und in mehr oder weniger erschöpfender Weise
neben der Festhaltung des kanonistischen Handels - , besonders
des Wucherrechtes die damaligen Rechtsinstitute des deut-
schen Handels- und Wechselverkehres behandeln, Schriften,
welche meistens ohne Werth für die heutige Rechtsdogmatik
nur als Ergänzung der originalen archivalischen Quellenergeb-
nisse über die damaligen Handelsgeschäfte eine Bedeutung in
der Rechtsgeschichte bewahren. '^) Dahin gehören am Ende des
1) Bes. V. Joh. V. Freyburg (Bunsic), der als Bischof in Preshurg
1314 stirbt. „ summa ex decretalibus , summa confessorum sive confessa-
riorum, summa praedicantium." 1390 — 1400 ungefähr von Bnider Bert-
hold ins Deutsche übersetzt, eine Zusammenstellung von Rechtssätzen
aus Dekret , Dekretalen , Summisten , Pandekten und deutschem Rechte,
wie Raimundus. Senckenberg, visiones p. 113. Homeyer, Reclits-
bücher N. 411 u. 472. — cf. S tobb e, Gesch. des deutsch. R. I. a. p. 635.
N. 80. und über die Bibliotheken der Klöster und Geistlichen , in denen
vornehmlich kirchenrechtliche Schriften sich finden, Stobbe, ib. N. 81.
2) Hierauf ist gewiss das Lob einzuschränken, das Mut her ihnen in
d. Abb. über Christoph Kuppen er (Jahrb. f. d. R. VI. p. 181 [u.])
spendet.
II. 2. Eindringen dos Wucherverbotes in Deutschland. 47
15. Jahrh. unter v.A. Conrad Summenhart de Claw,
si'iüipdrtitnm ojnis de contractihus pro foro conscientiae
(1497. 1500), 1) Johannes Lector (Jean le Liseur) la regle
des marcha'iids (149G). -) Die Eeden und Scliriften des in
Deutschland seit 145<) umherziehenden und für die Kirclie und
seinen Orden begeisternden Franziskaners C a p i s t r a n o , der
gerade über Zinsen und Wuclier eine Reihe von Abhandlungen
verfasste,^) riefen besonders eine Flut jener kanonistisclien, ju-
ristisch-theologischen Schwätzereien von verschieden geringem
Werthe hervor. Hauptsächlich unter den Summisten zu er-
wähnen ist C h r i s 1 0 p li K u p p e n e r , welcher, befähigt durch
seine Rechtspraxis in Braunschweig, dann durch stete Berüli-
rung mit dem damaligen Hauptverkehre in Nord - und Mit-
tel-Deutschland, durch seine eigene Theilnahme an der socic-
fas stmmi, durcli seine Verschwägerung mit Leipziger Kaufleu-
ten, am Anfange des IG. Jahrb. in Leipzig sein Buch über den
Wucher (lateinisch und deutscli) verfasste,"*) wie er hinzusetzt:
auf Bitte „ der christliclien Beichtueter des heiligen ordens der
prediger Bruder vnn des hochgelerten vnn achtbaren hern Stef-
fani Gerdt von Konigessberg in freien kunsten vnd geistlichen
rechten Doctor vnn CoUegiat czu Leiptzk , die yn solliche rat-
siege vmb mancherlei Sachen vnd feile , die sich m der beichte
1) cf. Panzer, Annal. I. p. 449. n. 19. p. 453. n. 42. 2) Pan-
zer, Annal. H. p. 390. 3) Mut her, 1. c. Jahrbb. VI. p. 183.
4) „ Ein schons Buchlein czu deutsch , doraus ein itczlicher mensche was
Standes er se)' lernen mag was wucher vnd wucherische hendel sein \Tin
was der berg der uiildigkeit der dy wucherischen hendel vortilget vnn in
deutschen landen bissher vnbekant gewest ist , in sich helt. Auch was
rechte vnn vnrechte kaufmanschaft vnn hendel gesein vnd Wechsel aller
wechseler des Wechselgeldes durch den achtbarn hochgelerten vnn
gestrengen hern Cristoforuni Cwppener der fre3'en kunsten vnn
beider recht doctoren vnd ritter. got czu lobe vnd gemeinen nutcz cz
rechtgemacht vnd geendet." (36 Blätter.) Am Ende: „Am obent der
heiligen iunckfrawen Margareten geendet nach gots geburt 1508. Amen.
Gedruckt czu Leiptzk durch Melchor Lotter." cf. Panzer, Annal. d. alt.
deutsch. Litt. p. 296. n. 619. Ich citire nach dem wohlerhaltenen Exem-
plare des Hrn. Prof. Muther, welches derselbe mir aus Rostock zuzu-
senden die Güte hatte, (cf. hinten Beilage E.)
48 II. '2. Eiiulring-en dos Wuclioiverbotes in Deutscliland.
begeben viul aucli vmb bete willen nambafftiger erbar kauff-
leute die irer seien Seligkeit vor alle czeitlicbe werntliche gutter
seliglicben betracht baben czu macbon vleissig ersucht vnn
gebeten baben." Die Schrift bespriclit von kanonistischem
Standpunkte eine Reihe von Fällen aus dem Wecliselrechte,
dann allgemein aus dem Handelsrechte im unmittel])aren An-
schlüsse an das Verkclirslcbcn und scliliesst mit sechszehn
Regeln für Kaufleute, wie sie sich vor unrechter und unziem-
licher KaufmaiinsclKift hüten können und mögen, Gott und
Maria zu Ehren, zum Trost aller frommen christgläubigen
Kaufleute , „ vnn sunderlichen czu eren den . . " (Schwager des
Verf.) , . . . dass er Nichts thue „ kegen vnn wider die liebe . .
seines nehesten." (cf. Beilage E.)
In den Beschlüssen, welche aus den genannten Concilien
und Synoden hervorgehen , desgleichen in den übrigen littera-
risch verzeichneten Bekundungen der kanonistischen Sclirift-
steller fusst mau durchweg auf den vorn spezialisirten Grund-
sätzen der kanonistischen Zinslehre , indem man höchstens für
einzelne besonders hervorragende Fälle des heimischen Ver-
kehres jenen systematisclien Bau erweitert. Dies wird bei den
einzelnen unten folgenden Abschnitten des Wuchergebietes
jedesmal näher zu erörtern sein, hier liandelt es sich zunächst
nur um die Beliaudlung des allgemeinen Wucliergrundsatzes
in diesen kanonistischen Quellen auf deutschem Boden.
Man bleibt m ihnen bei der oben aufgestellten Begriffsbe-
stimmung des Wuchers durcliaus stehen, nur die Tridentiner
Synode (1593) sucht jene schon so allgemeine Begriffsbestim-
mung ganz consequent aus der „usuraria voluntas" und wie
im Groll über die proteusartigen Umgehungen des Zinsverbo-
tes dahin zu normiren: „quicunque contr actus sccundum con-
trahentium menteni diversus sit a vera natura xmri et Teyitimi
contr actus, cuiiis nomine celehratus fucrit, usurariiis est."
Diese Synode drückt den in Deutscliland Scliritt um Schritt
erweiterten Begriff des Wucbers aus , wie ihn auch die andern
kanonistischen Schriftsteller mit besonderer Vorliebe anschwel-
len Hessen und lassen mussteii und dadurch denselben in der
schon oben erwähnten, immer verhängnissvoller um sich grei-
11. 2. Eindringen des Wiicherverbotes in Deutschland. 49
fenden Ausdehnung in die deutschen Rechts - und Gesetzes -
Sammlungen ül)ertrugen. (cf. IIT. 2. a.) Uebereinstimmend mit
den Wortt?n der Tridentiner Synode sagt auch Cliv. Kuppener
schliesslich in der einen der secliszehn Regeln für den Kauf-
mann . um den ganzen Begriff des Wuchers zu umfassen . dass
er Niclits tliut ..kegen vnn wider die liebe seines nehesten."
Regino dagegen in seiner vorerwähnten Zusammenstellung der
ersten Conciliensclilüsse u. s.w. entnimmt, gleichsam halb ein-
gedenk des nach römischem Rechte hmerhalb gewisser Gren-
zen erlaubten Zinses, aus den Kapitularien Karls des Grossen
(cf. 10 u. 59 ff.) die Unterscheidung von fenus insfion und in-
iustnm, doch fi'eilich in einer ganz andern Bedeutung : „Fe-
nus est, qui aliquid i)racstat. Instum fenus est, qui aniplius
non rcqu'uit, nisi qumitnm praestitit." ^) So bleibt er den-
noch der kanonischen Begriffsbestimmung getreu. Wie dieser,
so blieb man nicht minder getreu der Ausdehnung des Begrif-
fes vom Darlehen auf die grosse Menge der anderen Geschäfte,
in denen Vergütung einer Kapitalnutzung oder nur usuraria
voJiDitas begegnen konnte, und man gestattete dieselben Aus-
nahmen davon. Keinem Streite besonders unterlag es, dass
eine Vergütung der Gefahr gemäss jenem viel umstrittenen
cp. 19. X. 5, 19. (fenus )uinticH)ii) gefordert werden dürfe, dass
Zinsen beim Zahlungs Verzuge und als I n t e r e s s e gestat-
tet seien. -) Nur in dem besonders strengen Concil zu Trier
(1227) verwirft man selbst die Säunmisszinsen . während die
Synode von Besan9on 1571 ^) letztere wenigstens dann
erlaubt , wenn bei Abschluss des Kontraktes die Parteien zu-
vor bereits über dieselben sich einigten, (cf. W. 2. k.) Hiernach
unterschied man desshalb auch drei Arten von Zms : das fenus
c 0 mp cnsatori u m und p u n itor i u m wird gebilligt , dar-
unter fallen der Verzugszins und das id, quod interest; das
1) conc. Genn. 1. c. IL 483. cf. Capitular. Caroli M. 806. (Pertz,
legg. I. 144.) §..6: „fenus est, qui aliquid prestat. Ivsfum fetius est,
qui an)2)lius non reqnirit , nisi quam prestat." 2) cf. u. A. Synode von
Brixcn, 1608. 1. c. VIII. \). 579. von Constanz, 1G09. VIII. p. 9oG.
von Sitten, 1626. ib. IX. p. 897. o) VIII. p. 104.
Neumann, Oescli. d. Wuchers. 4
50 TT. '2. Eiiidrincri'ii <lt^'^ Wnchi'ivtM-liotcs in Dotitscliland.
fiiiKs hirratinoii dagegen ist überall verboten. ') Und so hielt
man auch dieselben Strafen der Dekretalen durchgängig auf-
recht oder verschärfte sie noch. Das Land, den Ort, in welchem
der Gesetzgeber nicht das Zinsfordern untersagt, bedroht man
mit dem Interdikte. -) Wo der sittliche Makel des „ tur2)e
h(cri())i'' und die Strafen der Concilien zum Lateran nicht
mehr wirken wollten, zwang man den Wucherer, ausser den-
selben noch eine Strafsumme in die Kirchenbaukasse sei-
nes Ortes oder an die Armen zu entrichten. ^) Besonders
eifert man gegen die ..nxinifcsti iisnrarii." (cf. L 3.) Ex-
kommunikation droht demjenigen, welcher mit ihnen ver-
kehrt, ■*) ilire Familie ist vom Besuche und Segen der Kirche
ausgeschlossen. ■') Vor Allem aber musste die Kirche , wenn
sie einmal ilir Wucherverbot durchzusetzen trachtete, in das
Gebiet der weltlichen Eechte mit ihren Strafen einzudringen
bestrebt sein. Dies gelang gemäss der oben dargelegten Stel-
lung der im kanonischen Rechte gebildeten Männer früher, als
man hoffen und fürchten mochte. Während nämlich Anfangs
die Kleriker allein verbunden und berechtigt waren, ihre
Streitsachen vor dem geistlichen Richter auszutragen , '') über
Laien dagegen Bischöfe nur dort entscheiden durften , wo es
1) cf. u. A. die Synode von Besan9on 1571. fconc. German. ed.
Schannat. u. A. VIII. p. 104.) Salmasius, d. foen. trap. Einl.
p. XLIII. nennt: „incidentes , negotiativae , form cd es , comj)ensatortae,
vientales. Miruni tot ac tantus a canonistis excofjiiaias ac 2>yoditas fuisse
ttstt/rarum differentias eo fevqwre , cum iam nollent ullam usurain esse
licitam. Appuret tot discrimina a X)Ontificii iuris doctoribus fuisse
inventa , ut saltem aliquam usuram licitam esse sub alieno nomine per-
suaderent , cum pontifices nswam simpliciter ei absolute iure divino esse
'cetitam decrevisseid tarn laicis quam clericis." 2) Zuerst in dem Concil
von Lyon in Frankreicli (1274). — cf. Böhmer, ins eccl. prot. V. 19.
§. XXI. 3) cf. u. A. das Concil von Freys ing (1440) 1. c. vol. V.
p. 277. Böhmer, ins eccl. prot. 1. c. §. XXII. 4) cf. u. A. Arnoldv.
P r 0 1 z a u , (1.320) Formelbuch. cod. dipl. Sil. V., ed. W a 1 1 e n b a e h, p. 156,
bei welcher Stelle es indess zweifelhaft bleibt , ob sie das Vorkommen der
öffentlichen Wucherer (Wechsler) im Osten beweist oder dieselben nur
dem Begriffe nach aus dem kanonischen Eechte herübernahm. — Die
Synode von Cambrai 1586. 1 c. VIT. p. 1028. 5) cf. u. A. Concil von
Paris 1212. 6j cf Eichho rn, D. E. G. §.320. Eicht er, Kirchen-
IT. 2. Eindringon des Wucherverbotes in Deutschland. 51
sich um „cansas ad ecdesiam pcrt'mcntes" handelte, wuchs
natürlich mit dem täglich sich steigernden Anselien der Kirche
auch die Zahl dieser r/iHsac. So zog man bereits im 11. Jahr-
hundert viele ihrer Natur nach weltliche Angelegenheiten,
wenn sie nur in irgend einer Hinsicht die Grenzen der Kirche
zu ))erüliren und in das vvolilerweiterte Bereich der Glaubens-
leliren zu fallen scliienen , unter dem Namen der „ delicta
mixi't fori-' vor das geistliclie Forum; ^) denn geistlichen und
weltliclien Riclitern stand es zu, über diese Streitfragen nach
verschiedener Theilung der Gewalt in den verschiedenen Staa-
ten zu richten. Zu diesen Streitsachen gehörte nun auch die
u s u r a r i a p r a v itas,^) und so war dem geistlichen Kichter
Gelegenheit geboten, auch weltliche Strafen gegen die Ueber-
treter des Wuchergesetzes anzuwenden. Ja , noch mehr ! Bei
der obwaltenden geistigen und weltlichen Macht der Kirclie,
bei den vielfachen Wecliselbezielumgen geistlicher und weltli-
cher Herrschaft , bei der Stützung der Würde letzterer durch
das Ansehen und den sittlichen Einfluss der Kirche auf die
grosse Masse des Volkes u. s. w. trugen in ihrem eigenen In-
teresse die Machthaber in den einzelnen Gebieten nicht allein
Sorge , dass die Urteilssprüche der geistlichen Richter gegen
die Verul'theilten vollstreckt wurden, sondern sie zögerten
auch nicht , durch weltliche Strafen jene Urteilssprüche , wie
allgemein die Mittel der Kirche zur Verwirklichung ihrer Ver-
bote zu bekräftigen. ^) Durch so viele thatsächliche und recht-
liche Stützen gefestigt, ergriff natürlich die Kirche, welche
an sich schon das weltliche Forum unaufhörlich mit aufmerk-
samen und neidenden Blicken beobachtete, nunmehr mit um
recht §. 191. — Nacli den Ca])i tu 1 arien sprach ein aus geistlichen
und weltliclien ßichtern zusaninieiigesetzter Gerichtshol' auch über Kleri-
ker Recht. S])ätcr (im ll). Jahrh.) ward der Kleriker allein des geistlichen'
Gerichtshofs theilhaft. (ct. P e rt /. . III. 110. - E i c h h o r n , 1. c. §. 182. ~
Richter, 1. c. §. 192.
1) Eichhorn. 1. c. §. 107. 320.- Richter. 1. c. §. 191. - Ross-
hirt. Recht im Mittelalter I. §. 33G. 2) cf. Richter, 1. c. §. 207.
3) u. A. Friedrich II. Pertz, Monuni. legg. II. \\. 234. 243. 255.
(1219. 1220. 1224.)
4*
52 II. '2. Kimlriiiiron dos Wucliervorbotos in Dontsclilaiul.
SO grösserem Einliusse und Erfolge jeden Anlass, um Streit-
fälle in der usuraria pravitas , wo die Anklage von dem welt-
lichen Richter abgewiesen oder fallen gelassen wurde, vor
ihren Richter zu bringen, und wendete die weltlichen Stra-
fen an , als wäre sie eine weltliche Beliörde. *)
1) Rein kirchliclic Strafen, die hier zur x\n\vendiing gelangten, gab es
wenige, aber freilich harte , so für ganze Länder das Interdikt , für Laien
Exkommunikation und die Rügen der Pönitenz - Canones, für Kleriker Sus-
]iension und Entfernung vom Amte. Man darf behaupten . dass gerade
durch zu häufige Androhung und Anwendung dieser härtesten kirchlichen
Strafen deren Wirkung geschwächt ward , so dass eben deshalb schon die
Kirche sich zur Verstärkung derselben durch weltliche Strafen genötliigt
sah. U. A. bestrafte man bei dem Einsammebi der verschiedenen Gcldab-
gaben für den päbstlichen Stuhl aus England , Schweden , Polen , Däne-
mark . dem Hansagebiete u. s. w. jede Nachlässigkeit oder Weigerung
Geistlicher und Laien oder ganzer Diözesen ebenfalls mit jenen härte-
sten Rügen, (cf. u. A. Theiner, Yetera monum. Polon. et Litthuan.
Rom. 1860. I. n. 182 (1287). 324. 328. 332 (1320). 505 (1336). 519 (1337).
Für England das Schreiben Alexanders IV. an den Archidiakonus v. Lon-
don. Rymer, Foedera. T. L P. 2. y. 378, 1008. Keightley-Demm-
1er, Gesch. v.Engl. I. p. 207 — 9. Pauli, Gesch. v.Engl. III. p. 700 — 2.
Deshalb erscheint es auch naturgemäss und dem transcendental- gläubi-
gen Charakter des Mittelalters nur äusserlich Avidersprechend , wenn
Raumer (Hohenstaufen V. j). 395 ft".) u. Hüll manu (Gesch. desUrspr.
der Städte U. p. -240 tf. , III. p. 26. 87 ff.) nicht wenige Beispiele über die
Gleichgültigkeit anführen , mit welcher man die Verhängung jener Kir-
chenstrafen ertrug. Nachdem die Bürger Frankfurts a, 0. 28 Jahre lang
im Interdikte alle kirchlichen Handlungen entbehrt hatten, verspotteten
sie dennoch die Geistlichen , welche zuerst wieder die Messe zu lesen
begannen, (cf. auch Eichhorn, D. R. G. §. 99.) Deshalb entwickelte die
Kirche auch s]>ätcr aus der Exkommunikation zwei Arten von Strafen , die
Exkomm. latne senteniiae , welche ein Verbrechen durch sich selbst, und
die Exkomm. ferendae sententiae, welche es erst nach dem Spruche des
geistlichen Richters zur Folge hatte. Ausserdem verschärfte man die Ex-
komm. in Anathema, Bannfluch. (Eichhorn, 1. c. §.99. 323.)
III.
Aiifrechthaltung des Wiicliel' Verbotes
in den deutschen Rechtsquellen bis zum
16. Jahrhundert.
Allgemeines. — Sprachliche Herleitiing.
Das Wort W u c h e r ist urdeutsch , es stammt von dem
Gothischen vigan, althochdeutsch wacharon (bewegen, erregen,
abwägen mid wägen) und findet sich -wieder im Gothischen
vokf's, Althochdeutschen uuuochar, Altft'iesischen woher,
Angelsächsischen ivocor'^) und Isländischen ohr. Nirgends
aber haftet ihm hier die Bedeutung des unerlaubten Gewinnes,
des unrechten Vortheils an , vielmehr drückt es allgemein aus
Ertrag, Frucht von den Bäumen, Aeckern, auch die Garben und
Halme selbst, dann Frucht von der Arbeit und zwar von der
Arbeit an den aussermensclilichen Gegenständen und am Men-
schen selbst. So geht es in den übertragenen, bildlichen
Begriff über. In jener Bedeutung liest man es bereits im
8. Jalirhundert bei Reichmann und in Keros Interlinearversion
der regula Benedidi , dami in Heinrici smnmarium. Hierhin
gehört auch die Zusammensetzung erännoclwr, als Früchte der
Erde, in der althochdeutschen Uebersetzung des Boetiiis de
consolat. plill. im 10. — 11. Jahrhundert, und in Notkers Ueber-
setzung des Deuteronomion und Habacug; ferner wird gera-
dezu das Getreide diormvuochar genannt in Notkers althoch-
deutscher Psalmenübersetzung 77,2; 147,3 (10. — 11. Jahr-
1) In A. Schmid's Glossar zu seiner Ausgabe der angelsächsischen
Gesetze H. Aufl. findet sich das Wort nicht , dagegen inBouterwecks
Glossar der angelsächsischen Sprache II. s. h. v.
54 111- Allgomoines. — Sprachlicho Horloitnng.
hundert) , ebeudort lieisst fruchtbar (foillis) gerade tvuochar-
haft . so WHOcharhafUm erda fruchtbarer Boden, Notker Psal-
men 100, 33. Noch überzeugender stellt sich dieser Begriff in
der übertragenen Bedeutung lieraus. In Notkers Psalmen ^)
heisst es: 5/'» uuochcr Hiiirt irhurcf uhcr lybanum. Stuttgarter
Glossen-) im 11. Jnlirhundort nennen alle Einkünfte regel-
mässig wiederkehrender Art ivochir, Notker übersetzt gera-
dezu: rcsurredio Christ l ist min nuuocJdr (fructificatio) , das
ist sein gnotcr nnuacher (88, 6), und das Zeitwort wnodiaron
wucliern (focncrari) wendet er nicht minder in derselben
Bedeutung an , so 62, 4; 20, 11 : du ne lasest sie uuuocheren
in terra viventium; der siuen scas ne gab ze umioclieronne
(14, 5), dami 54, 12: „übe lo uunochorot, der Inzzel
gib et im de filo inphahet , tiuirs uuuocherot, der umbe
uuort manslalit tuot," und 57, 12: idje der reJito uuuocherot
(si est fructus iusto), 91, 15 gar die heilige Kirche uuuocherot
an iro chinden.
Daneben wird dasselbe Wort natürlich auch für den un-
rechten , übermässigen Wucher gebraucht, vornehmlich in dem
Sinne der Bibel ; so übersetzt schon im 4. Jahi'hundert ü 1 f i 1 a
die Stelle Lucas 19, 23: Jah qimands mitli vokra ga-
lausidedjau thata; dies ist ([ax qucstus h^i lornandes , de
rebus Gothorum. Kero in der Interlinearversion (1. c.) leitet
hierzu über mit dem Nutsiuuachar , Niessbrauch , ebenso die
Glosse zu Gregors Homilien mit firiouunchar , unsern Zinsen
(usura) , einige der obigen Stellen aus Notkers Psalmen kann
man auch hierher zählen , eine althochdeutsche Glosse zu den
canones hat bereits das Wort wuocharlih (usurarius), desglei-
chen eine Glosse zur Bibel aus dem 11. Jahrhundert wuochi-
rari, Wucherer (foenerator) , und so sagt Notker (Psalmen
71, 14): „fonc uuuocherungho unde föne unrehte loset
er sie" ^) So ergiebt sich , dass Wucher den Deutschen von
1) Schilt er, thesaur. I. 10. - 11. Jahrh. 2) ed. Massmann,
cod. 218. 3) cf. Graff, althoclideutscher Si)rachschatz. Berlin 1834.
S. 680 ff. Grimm, Deutsche Grammatik. Göttingen 1826. II. S. 11.
n. 93. angelsächsisch väccm (nasci, oriri, suscitari) vacjan (vigüare)
111. 1. llcchtsiiii>-'ll<-'ii- «i- Volksrcchtc. 55
vornherein einen erlaubten'Gewinn ausdrückte, und dass erst
bei dem Eindringen der kirchlichen Schritten dasselbe Wort
auch auf den unerlaubten, übermässigen Gewinn ausgedehnt
■wurde. .
1. Die Rechtsquellen selbst.
a. Die Volksrcchte.
Als die erste Ruhe nach den Kämpfen der Völkerwande-
rung eintrat, bemühte man sich, wie bekannt, ungefähr in der
Zeit vom 5. — 9. Jahrhundert, den hauptsächlichen Theil der
vielfach unbestimmten , nun besonders wirren , bei den einzel-
nen deutschen Stämmen mannigfach verschiedenen Gewohn-
heitsrechte aufzuschreiben. p]inen Abschluss hierin machten
die fränkischen Fürsten, unter deren Einflüsse im 6. und 7.
Jalirhundert man die Volksrechte der Baiern und Alemannen,
speziell unter der Mitwirkung Karls des Grossen die der Frie-
sen , Sachsen , Thüringer und der charaarischen Franken auf-
zeichnete. Diese Volksrechte können , eben weil sie lediglich
Gewohnheitsrechte derzeitiger deutscher Stämme enthalten,
wegen der vorn geschilderten niederen Stufe wirthschaftlicher
Entmcklung dieser Stämme von Bestimmungen über den per-
sönlichen Credit, insbesondere von Wuchergesetzen kaum
Etwas enthalten. Ihr karger Inhalt erstreckt sich vornehmlich
auf das Strafrecht , auf die eben neu begründeten Verhältnisse
des öffentlichen Rechtes, so auf Verfassung und Kirche; das Pri-
vatrecht behandelt nur den Grundbesitz, seine Uebertragung,
Familienrecht, eheliches Güterrecht, Erbrecht, den Schaden-
ersatz, Verfolgung des Eigenthums oder anderer dinglicher
Rechte an beweglichen Sachen. Als Grund für die enge
Begrenzung dieser letzteren Gebiete gilt weder, dass ihre
Sätze, weil täglich geübt, allgemein bekannt waren, noch dass
man nur casuistisch die Aufzeichimngen ohne jede allgemeine
Abstraktion vollzog; denn beide Gründe gelten gleichmässig
vacor (vigü) althoclid. uahhar (alueer) wecchaii (cxcitarc) uuhhen (vigi-
lare) ivafiha (vigilia) tvahia (exciibiae) ; gothisch vökrs (lucrum) ; aiigel-
sächs, cöcor (proles, foenus) , althochd. icuohhar.
56 111. 1. Roclits.juoll.Mi. a. Vulksrcchtc.
.luch tur (lat; so reich ausgeführte Strafrecht. Vor Allem gilt
das eben r>erührte von der Icv Salicft , welche noch in lieidni-
scher Zeit durch Vermittlung der Volksvorsteher verzeichnet
jedes Einflusses des Königthums und der Qhristlichen Kirche
entbehrt. Will man einen xVnhalt für die Wucherbestimmun-
gen erspähen , so fände man ihn bei der lex Salica und den
anderen Volksrechten höchstens in den vielfach wiederkehren-
den Sätzen von Verpföndungen und Ersatz des Schadens , ins-
besondere des aus A^erträgen entstandenen. Wie weit nun
selbst die hier begegnenden Normen der Verpfändung dem
Wucherprinzipe des kanonischen Rechtes widerstreiten, wii'd
später berührt (V. 2.). Beim Schadensersatze aber tritt das
unverfälschte deutsche Recht von Anbeginn den kanonistischen
Wuchergrundsätzen, abgesehen von deren späteren Ausnäh-
men entgegen, wenn u. A. die lex Frisionum, trotzdem sie
höchst wahrschemlich unter Karl dem Grossen (802) entstand,
mindestens damals mit den Weisthümern vermehrt wurde , *)
und gerade vom römischen Rechte sich ganz frei hielt , ^) in
dem Weisthum Wlemarus {additio sainentum , tit. XI: de re
praestita nr. 1) ausspricht:
„si homo alii eqimm suum pracstiterit vel quandihet aliam
pecuniam , talem, qualis ei praestita est, reddat domino
eins; et si forte peioratum reddiderit, componat ei iuxta
quantitatem qua rem eins inpeioravit."
Der ZinsgeAvinn aus dem Verzuge des Schuldners und dem id,
quod inferest, mindestens dessen dnmnum emergens, und allge-
mein jede Zinsforderung war damit angebahnt. Dass man aber
Ursache hat, diese ersten grundsätzlichen Widersprüche gegen
das Wucherverbot nicht etwa auf die Einwirkung des römi-
schen Rechtes von den leges Romanae her oder von den zins-
fordernden Römern , die unter den deutschen Stämmen lebten,
zurückzuführen, ergiebt sich bereits aus den Volksrechten,
welche wie die lex Frisionum und die angelsächsischen Volks-
1) cf. Philipps deutsche Gesch. 11. p.281. Gengier, 1. c. p. 156ff.
opp. Eichhorn, §. 145. — cf. S t o bb e , Gesch. des deutsch. Rechtes I. a.
p. 182. 183. u. N. 13. 2) S 1 0 b b e , 1. c. p. 185.
III. 1. Rerlits(|uollcii. ii. Volksrcc'hte. 57
rechte, sich von den Einflüssen fremder Rechte völlig frei hiel-
ten, ganz abgesehen davon, dass überhaupt die Annahme
solchen Einflusses für jene Zeit wenig begründet erscheint.
Weitere, unten anzuführende Anlialtspunkte im Gegentheile
lassen mit grösstmöglicber Sicherlieit schliessen, dass das
deutsclie Recht, wie jedes aus dem Rechtsleben naturge-
mäss frei sich gestaltende Recht, die Entschädigung für den
Gebrauch fremden Kapitales uneingeschränkt forderte und für
alle Zeit gefordert hätte , wenn es nicht zuvor das gegen die
Natur des Verkehrs einseitig aufgestellte Wucherverbot der
Kirche, welches vor der gesicherten sclbstständigen Entwick-
lung des deutschen Rechtes bereits geAvaltsam umgestaltend in
dasselbe hineinbrach , hätte beseitigen müssen und nun zur um
so grösseren Kräftigung und allseitigen Ausbildung seines eige-
nen Grundsatzes der Entschädigung beseitigte.
An den Volksrechten selbst änderte Karl der Grosse in
diesem Punkte Nichts; die von ihm und den fränkischen
Machthabern überhaupt jenen Rechten zugefügten Einzelsätze
durften das Zinsgebiet, obwohl gerade dieses zu Gunsten der
Kirche gegen das deutsche Gewohnheitsrecht anstritt , ^) nicht
berühren, weil die Kapitularien, als das allgemeine Reichs-
gesetz , unzweideutige Bestimnmngen darüber enthielten. Er-
achteten die Gesetzgeber es aber nöthig, die Zinsfrage auch
noch in den einzelnen Zusätzen der Volksrechte zu bebandeln,
so entschieden sie dieselbe schon deshalb in üebereinstimmung
mit dem Reichsgesetze, weil sie zur Abfassung solcher Zusätze
kaum das Volk, dagegen die weltlichen und vor Allem die
geistlichen .Grossen in den Reichsversammlungen zuzogen.
Eine Ausnalmie von dem, was so eben über die Zins-
bestimmungen in den Volksrechten gesagt worden, machen
diejenigen Jeffcii, in denen der Gesetzgeber nicht rein objektiv
das herrschende Gewohnlieitsrecht verzeichnet, ^ondern sich
1) Und dieses war die vorneliuiliche ]\[aa.ssgal»e bei dergl. Zusätzen
zu den Volksrechten , z. B. der 2 Ka]iitularien zur lex Saxonum p. 785 u.
797. Gaupp, Recht u. Verfassung der alten Sachsen. 1837. p. 12 ff.
Gen gl er, I.e. p.69ff. Merk eil, lex Saxonuni \k IG ff'. Pertz. Moniun.
legg, I. p. 48 — 50, 75ff. — Stobbe, Gesch. d. D. \\. I. a. p. 193. 194.
58 111. 1. HoclitMiuollon. a. Volksrodite.
iKU'h tlioin'otisclioii Gesichtspunkten in gesetzgeberischen Ver-
suchen nel)on dem Gewohnheitsrechte seines Volkes gefallt.
Von (lioson niuss hesitnders tlio h:r W I s i (/ o ( lio r ii )ii <fe\m\mi
werden , weil ihre Jahrhundertc hindurch Ibrtgebildeten Zins-
bestimmungen sicher , was bei anderen dieser Punkte zweifel-
haft, ') im Volke i)raktisclie Anwendung gewannen. Dieses
Volksrecht entwickelte sich wesentlich, wie bekannt, unter
dem Streben der westgothischen Könige seit Eurich 466 , das
Gewohnheitsrecht ihres Stammes nach den Grundsätzen des
römischen Rechtes fortzubilden, und so kam es, dass vornehm-
lich seit der Revision durch Leovigild (55()) ^) und seinen Sohn
Reccared I. (590) , obgleich letzterer zuerst von den Königen
der Westgothen nus der arianischen zur römiscli -katholischen
Kirche übertrat, die Zinsbestimmungen in Darlehn und Kauf
aus dem römischen Rechte hinübergenommen wurden. ^) Ja,
unter König Cliindeswind (642-53) erstreckte sich die Er-
laubniss, innerhalb der gesetzliclien Höhe Zinsen zu fordern,
selbst auf die römisch-katholischen Geistlichen in Spanien,
da dieser Gesetzgeber allgemein bestimmte, dass die Kleriker
nach dem gemeinschaftlichen Gesetzbuche der Westgothen
und Römer in Spanien leben sollten. Man durfte 12 Prozent
von Gelddarlehen (röm. centesimae usurae) , mehr als 30 Proz.
von Darlehen anderer vertretbarer Sachen fordern. Noch im
Fuero Jusgo, dem Gesetzbuche, das vor dem 9. Jahrhundert
zur Zeit des 17. Concils von Toledo gerade durch Mithilfe der
Concilien und Kleriker entstand, blieben diese Zinsbestimmun-
gen (th. V.). p]rst in dem späteren Gesetzbuche der Partidas
(1256 — 65) scheint nach dem vollständigen Siege des kanoni-
schen Rechtes in Spanien das Wucherverbot der Kirche Platz
gegriffen zu haben. In Part.I. tit. 8. lexß ib. wird die kirchliche
Gerichtsbarkeit auf die Zinsgeschäfte ausgedehnt. — Um so
mehr widerspricht jener Freiheit der Zinsforderung die ausser-
ordentliche Härte , ja Rachsucht der lex Wis/f/othonim gegen
die Juden , welche man sonst im deutschen Rechtsgebiete als
1) Wilda, Strafrecht p.SO. Stobbe, I.e. p. 14. 2) cf. Isidorus,
hi.stor. Gothor. Zöpfl, D. R. G. p. 61. 3) cf. p. 11. N. 1.
ITT. 1. 'Roclits(juc11eii. li. Kaiiituliuicn. 59
ausserhalb der Kirche stehend gerade in der Zinsfraj^c unein-
geschränkt Hess. Hier im Gebiete des Westgotlienreclits, wo
Jeder Zinsen fordern durfte, daher die AushiMung des Perso-
nalkredites, der KapitalnutzAing nicht behindert war, bedurfte
man der JinhMi freilich als Träger des Handels nicht.
, h. Die Kapitularien.
Oben unter II. 2. sind die Gründe angeführt, aus welchen
die fränkischen Herrscher wie in anderen Fragen so auch im
Wucherverbote der Kirche nachgeben mussten. Gerade im
Zinsgebiete konnten sie dies um so unbefangener, als dem ent-
scheidenden Satze des kanonischen Hechtes ..nuituum date
nihil inde sperantes" aus dem von ihnen beherrschten Reiche
kaum schon eine Stimme des Handelsverkehres, des entwickel-
ten Kredites, wie oben in ü. 1. berührt worden, entgegentö-
nen mochte, welche dem Verkehre die Bedingungen seines
Bestehens zu sichern trachtete. Im Gegentheile wa)'d damals
bei den deutschen Stämmen gemäss ihrer wirthschaftlichen
Unkultur , abgesehen von den vereinzelten Fällen beschränk-
ten Handelsbetriebes oder des DarleDiens der Juden und Geist-
lichen an die Grossen des Kelches , die Zinsforderung nur dort
laut, wo der Unbemittelte von augenblicklicher Noth getrie-
ben Kapital entlieh, und der Darleiher dessen Noth zum
Gewinne in Zinsen benutzte.') Hier natürlich musste der hei-
lige Zorn der Kirclie gegen die Hal)gier und Fühllosigkeit des
Zinsforderers den Gesetzgebern der deutschen Stämme eben so
gerecht erscheinen , als das Zinsverbot bei allen unkultivirten
Völkern, und so auch im alten Testamente, wie die Einleitung
erwähnt, der Natur angemessen sich einstellt. Fast noch mehr
Grund daher liatten die fränkischen Machthaber, das V^'^ucher-
verbot der Ku'che anzunehmen , als dort die Könige der West-
gothen , die zunächst kaum und nur halb unsittlich anwendba-
1) Daher schreibt auch hczclchnciul der Bischof von Worms S29 an
Kaiser Ludwig den Fronniicn , in mannigfachster Art übttn die Kleriker
Wucher gegen die Armen aus; „ne nUeriun fcret , cum üigenti jrrotesta-
tione modis omnibus mhibnimus." Welches diese „modi omites" waren,
giebt er nicht an. Pertz, IMonum. legg. I. \>. 343.
60 III. 1. T^oHits(|nol]on. 1). Kaiiitularion.
von ZinscTosctze des röinischen Rechtes zu erneuen; beide
Theilo aber bescliritten damit das zweifelhafte, folgen-
schAveve Gebiet des V e r s u c h e n s in der Gesetzgebung,
und hier thaten die Westgothischen Herrscher den glückliche-
ren Griff, um nachher doch alle Vortheile desselben der Unnatur
des kanonischen Wucherverbotes anheimgeben zu müssen ; die
fränkischen Könige dagegen übersahen , dass das Wucherver-
bot der Kirche ja nicht aus so unkultivirten Zuständen im
Oriente erstanden war , wie sie im Westen sich boten , dass es
vielmehr dort sich gegen die Cultur auflehnte und hier sich
alsobald gegen dieselbe auflehnen musste , sobald letztere erst
zu voller Reife herangewachsen war, ja dass es möglicher-
weise nun die Entwicklung der Cultur völlig behinderte. Sie
stärkten aber wider Willen durch den Kampf beider die Stärke
des Verkehrslebens, so dass es hier siegte, in Spanien trotz
der glücklicheren Auspizien seiner Geburt miterlag oder küm-
merlich sich forthalf.
Von den Kapitularien gehören hierher zwei von Karl dem
Grossen von 806 und 813, eines von Lothar 825 und eins von
Ludwig IL 850. Das erste derselben definirt Zins und Wucher
durchaus so allgemein für Klerus und Laien und alle möglichen
Rechtsgeschäfte umfassend , wie die kanonische Lehre :
„usura est nhi anipUus requiretiir, quam detiir ; verbi
gratia, si dederis solidos X et amplius requisieris; vel si
dederis modium vini, frumenti et Herum super aliud
exegeris." ^)
Unmittelbar darauf folgen in §. 4 und 5 zwei moralische
Auslassungen, die im Zusammenhange mit dem Wucher
stehn, wie in den oben zitirten Beschlüssen der ersten Con-
cilien :
„§. 4. avarieia est alienas res appetere et adeptas nulli
largire."
Man sieht eben die Zinsen als rechtmässiges Eigenthum des
Schuldners, und den Zinsforderer als leer von Nächsten-
liebe an.
1) Pertz, Monum. legg. I. p. 144.
IIT. 1. Rcchtsqiiollon. h. Kaiiitularion. 61
„§. 5. turpe In er um excrcent, qui per varias circimiven-
tlones JuermuVi ennssn irihoncste re^s quaslihet congregnrc
deeertant.''
Auch hier der Anklang an den moralischen Ausgangspunkt des
Zinsgesetzes und der Hinweis auf die Reihe der Umgeliun-
gen des Wucherverbotes. So heisst es im Kapitulare von 813 ')
„usuram de aliqiia causa exigere,''
und der Bischof von Worms besdiwert sich 829 darüber nicht
minder. ^) §. 0 giebt dann die schon bei Kegino oben erwähnte
Unterscheidung von foeniis iustum und iniustum, doch nur
äusserlich nach dem römischen Rechte :
„focHiis est, qui aliquld prestttt. Iustum foenus est, qui
ampJius non requirit, nisi quam prestat."
§. 7 endlich knüpft als Belag daran ein Rechtsgeschäft, das in
dem damaligen Acker])aubetrie])e vielfacli vorkommen mochte,
oder nur aus der Erörterung der c. 8. C. 14. qu. 4; c. 9. dist.
46; c. 2. dist. 47 hinsichts der sescupJae usurae (tjfun/.tui)
herübergenommen war, allgemein aber jeden ..Aufkauf," Spe-
kulationskauf, ja jeden Kauf überhaupt durch das Verbot sei-
nes Gewinnes unmöglich machte.
,,Quicunque enini tenipus mossis rel tempus vindemlae non
necessitatc sed j^ropter cupiditatem contparat annonam an
vinum verhi gratia de II denariis comparat modium unum
et servat usque dum iterum venumdare possit contra denar.
IV ant VIlioc turpelucrum dicimus."
Und die Worte ,,propter cupiditatem" gehen nocli ül)er den
Kauf hinaus und bauen meder die bequeme Brücke zum Ver-
bote jedes Rechtsgeschäftes, in welchem usuraria vohintas
erspäht werden mochte. Darin fortschreitend sagt das 2. Kapi-
tulare von 813 (1. c.) §. 10:
„prnecipimus, nt nemo usuram de aliqun causa cvigcrc
audeat."
Die Strafe ist zunächst nur kirchlich , und bezeichnet um so
deutlicher die Quelle des Karolingischen Wucherverbotes:
„quicumque hoc freit, hannum pcrsolvat."
1) rertz, 1. c. p. 193. 2) cf. \). 59. N. 1.
62 in. 1. rtoolitstiuolloii. b. Xa]iitiil;nioii.
Lotliar zeigt in seinem Kapitulnre von 825 , ^) indem er das
Zinsverbot allgemein wiederliolt, den Uebergang zum Ein-
scbreiten des weltlicbeii (ierii-lits. §. T) :
.,2>roJiiheniNS. ni nemo nsnyatii faccro pyn('<>uni(d 2>ost cpis-
copi sul contrstdtionciii. (^nod .s/ (juh post eins intcnliduni
facere prucfiumscrlt , a coniitihn^ distringatnr.''
Das Kapitulare Ludwigs II. endlich 850 ^) baute die Strafe zum
Nutzen der Kirche weiter aus und bahnte den harten Straf-
bestimmungen der Dekretalen im Abendlande die Pfade,
„ . . . censemus ut quicunque hacc perpetrasse inveniuntur, si
supcrsunf, a qnihns 7isuras cxcgernnt , ipsis restituant,
quae super nhimdant ins ahshdisse prohantur. Si autem
decesserunt , heredihus rorum saUem medietatem refundant
mit demoslnis rcdimant, quod cupiditate deliquerunt. Dein-
ceps vero qiii haec sectari inventiis fuerit , si laicus est , ex-
communicetur , sacerdos autem vel clericus si ad episcopi
admonitionem ah hoc turpi et pestifero negotio se non cokl-
hierit, proprii gradus pcricidum snsfinchit."
Diese Bestimnmngen verbreiteten sich in der unter IL 2.
angeführten Weise in die Gebiete deutscher Stämme und legten
hier. Dank dem Experimente der Gesetzgeber, dem Verkehre auf
seiner Kindheitsstiife bereits eiserne Fesseln an. Denn nicht
allem das Ansehn der Kirche erhob sich hinter ihnen ; sie bil-
den auch, da sonst ein gemeines Recht aller deutschen Stämme
weder in deren Volksrechten noch in wissenschaftlichen Eechts-
büchern, die damals nicht entstehen konnten noch brauchten,
sich gebildet hatte, das gemeine Eecht, das Kaiserrecht für
das ganze Reichsgebiet mit subsidiärer Geltung. Selbst wenn
man die geringen oben berührten Sätze der Volksrechte vom
Schadensersatze, was bei deren casuistisch begrenzter Fassung
nicht wahrscheinlich, als Aeusserungen des Gewohnheitsrech-
tes gegen das Wucherverbot der Kapitularien auffiisste, muss-
ten gerade die Richter den letzteren als dem „geschriebenen
Rechte" den Vorzug geben. ^) Endlich trugen die bald veran-
IjPertz, 1. c. \). 249. 2j Pertz, 1. c. I. p. 404. 3) cf. Capit.
783. c. 10; 802. c. 26, 48; 803. c. 4; 805. c. 24; 813. c. 17; 823. c. 14.
(Pertz, Munuiii. legg. J. ]>. 47. 03. 92. 94. 101. 116. 135.)
TTI. 1. Reclitsqiu'lloii. o. 'Reflitslnicher. 63
stalteten Sammlungen der Kapitularien, verbunden mit Aus-
züöfen aus d(Mi Volksrecliten , den römischen Gesetzen, kirch-
liehen Schriftstellern . den Canones und Dekretalen , so u. A.
von Ansegisus und Benedict von Levita, zur Verbreitung und
praktischen Anwendung des kanonischen Wucherverbotes der
Kapitularien bei, indem diese Scliriften selbst wieder von den
Königen als Gesetze zitirt und trotz iln-er wirr kritiklosen , ja
tendenziösen Abfassung von den Richtern in Prozessen ge-
brauclit wurden.
0. Die Reclitsbüchor.
Durch die Abzweigung Deutsclilands wurde zunächst an
den eben gescliilderten Verhältnissen Nichts geändert; denn
die Kapitularien blieben in den einzelnen Theilen des Reiches
wenigstens formell gültig, daneben lebte jeder Stamm nach
seinem geschriebenen oder ungeschriebenen Reclite.
Allmählich dann, als bei Aenderung der Grundlagen
des Staates, der Stände, bei dem Wechsel der Ansichten vom
Strafrechte, der Umformung der Grundbesitzverhältnisse, der
Entwicklung des Verkehres, insbesondere des städtischen
Lebens die Kapitularien ausser Uebung kamen, hielt man, zu-
mal im nördlichen Deutschland und vor Allem bei den Sachsen,
mit Zähigkeit an dem alten Gewolinheitsrechte des Stammes
fest , suchte dasselbe weiter zu bilden , seine Lücken zu füllen
und die fremden Rechte von Dim mehr oder weniger abzuweli-
ren. ^) So entstanden nicht durch Anordnungen der Behörden,
sondern aus dem Rechtstriebe der Gemeinden, der Privatleute
die Aufzeichnungen des damals wirklicli geltenden Rechtes, die
Land-, Dienst-, Lehn-, Hof- und Stadt -Rechte.
Aus diesen und den oben erörterten Verliältnissen folgt
a priori bereits, dass, wo niclit ganz vereinzelt spezielle Ur-
sachen einwirkten, die Rechtsbüclier des nördlichen
Deutschlands und alle von ili neu dort h er gel ei te-
t e n anderen R e c h t s q u e 1 1 e n B e s t i m m u n gen übe r
den Wucher zunäclist nicht enthalten konnten.
1) Friediicli IL, constitutio jiacis Mcigniit. a. 1235. Pertz,
Monuui. legg. II. y. ul3.
64 in. 1. rJoclitsquollon. r. Roclitsbüchcv.
Ganz besonders gilt dies zuvörderst für den Sachsen-
spiegel, da er nur das geltende Kecht in den Landgerichten,
nicht in den Städten vorführt. Und mag der Verfasser des-
selben auch u. A. im Prologe des Riclitsteiges ausdrücklich
erklären . dass er geistliches und Kaiser - Recht mit dem säch-
sischen Stammesrechte verarbeitete, ihm ist das letztere doch
so sehr Hauptsache, dass er, wo dieses keinen Anhalt für kano-
nistische Sätze gab , solche — ohne hier , oder sonst, den Vor-
wurf tendenziöser Bearbeitung des heimischen Rechtes zu
Ungunsten der Kirche zuverdienen— niclit in sein Rechtsbuch
aufnahm. Auf die Wucherbestimmungen bezieht es sich daher
nicht, wenn Eicke im Sachsenspiegel das ganze deutsche Recht
darzustellen sich vorsetzt, eher gilt für ihn in dieser Beziehung
als Entschuldigung , was der Verfasser des vermehrten Sach-
senspiegels ') anführt, um sich wegen Uebergehung der Juden-
rechte in seinem Rechtsbuche zu entschuldigen : „von der Juden
gesatczten gesuche beschrebin ist nicht , wenne her ist in sun-
derlichim lande in einer gewonheit irsaczt andirs wenne in dem
andern." So auch das Wuchergesetz in Nord- und Süddeutsch-
land. — Bei der darauf folgenden weiten Verbreitung des
Sachsenspiegels in Nord- und Mittel - Deutschland , Holland,
Polen und Livland, — noch 1498 heisst es auf dem Reichs-
tage , der dritte Theil Deutschlands lebe nach ihm — musste
seine Uebergehung der Wuchernormen sich gleichmässig gel-
tend machen; andererseits beweist diese in den Rechtsquellen
der genannten Gebiete allgemeine Uebergehung nicht minder,
dass mit Recht das Schweigen des Sachsenspiegels in diesem
Punkte vornehmlich auf den unentwickelten Verkehr und die
noch nicht durchgedrungene Macht der Kirche in den Grenzen
seiner Geltung zurückgeführt wird.
Dies gilt vom sächsischen Weiclibildr echte und
Görlitzer Rechtsbuche, obgleich beide besonders auf
städtische Verhältnisse sich beziehen, desgl. vom Breslauer
Landrechte. 2) Das Rechtsbuch nach Distinktionen^)
1) B ö h m e , diploiiiat. Beitr. IX. p. 74. Judenrechte III. dist. I. ti a u p p ,
schles. Landr. Leipz. 1828. p. 12ff. 2)cf. Gaupp, scliles. Landrecht 1. c.
p.G3 — Gij. Eiclili. III. p.SGÜff. a)ed. Ortloff. Jena 1836. III. 17,1 ff.
III. 1. Rochtsquellen. c. Reditsbiulier. G5
spricht nur voiuloiii Wucher der Juden (cf. V.4,) nach den nian-
nij^fachen Privilegien , welche denselben in vielen Städten
ertheilt wurden ; \) dagegen schweigt es von dem Wucher der
Christen, obgleich sein Verfasser alle Unterschiede zwischen
Landrecht, Weichbildrecht und Kaiserrecht lehren will-) und
den Kechtsstofl' aus Büchern des kanonischen Kechtes neben
dem Sachsenspiegel, Stadt- und Landrechtsbüchern entlehnte.^)
So wurde auch dies durch seine zalilreiche Verbreitung in den
Städten des östlichen Nord- mid Mittel -Deutschlands maass-
gebend. ■*) Ja , noch das E i s e n a c h e r li e c h t s b u c h aus
der Mitte des 15. Jalirhunderts bietet, obgleich es neben dem
Buche der Distiuktiunen doch die Glosse des Sachsenspiegels
und den Schwabenspiegel benutzte, keine Sätze über den
Wucher. Von den zwei letzten Rechtsbüchern ist dies um so
aufftillender , als neben dem Sachsenspiegel das Gosslarer
Stadtrecht ^) vornehmlich Quelle des üistinktionen - Buches
ist , ^) und dieses Stadtrecht den Wucher missbilligt , wenn
gleich nicht straft.'^) Endlich folgt auch der Rügianische
Landgebraucli , der hn 16. Jahrb. die deutsch-, besonders
sächsisch - rechtlichen Gewohnheiten mit Vermeidung alles
fremden Rechtes wiederzugeben strebt und eine Zahl der hier-
her gehörigen Rechtsinstitute berührt , in dem Schweigen über
den Wucher seinem Vorbilde, dem Sachsenspiegel. ^)
Ph'st als auf den oben geschilderten Wegen der Einfluss
der Kirche sich in Deutschland immer mehr auszubreiten
l)Ortloff, 1. c. p. 475ff. 2)Ortloff, 1. c. p. XVU u. XXX tf.
— Stobbe, 1. c. p. 413. 3) cf. u. A. Pauli, Abhandl. aus dem lübi-
schen Rechte III. p. 27. No. 65*. dist. I. 5. 1—9 : Hostiensis tit. decre-
"tal. „quifilnsuntJegitimi." 4)Homeyer, Rechtsbücher p. 35. 67.
171. Stobbe, 415. 5) 1359. ed. Göschen. Berl. 1840. C) Zöpfl,
D. R. G. §. 37. p. 1G7. 7) Göschen, 1. c. V. p. 521. So schon in
derjenigen Fonu des Rechtsbuches, in der es nach der ersten Rezension
erscheint. 8) cf. M a 1 1 h. v. N o r m a n n , Wendisch - rügianischer Land-
gebrauch. 1530. 1546. ed. Gadebusch. Stralsund u. Leipz. 1777. —
cf. Honie5'er, diss. historiae iuris Gernianici cajnta quaedani. Berl.
1821. — Zoepfl, D. R. G. §. 58, 7. Es durften hier natürlich nur die-
jenigen Quellen sächsischen Rechtes erwiilint worden, welche ihrem son-
stigen Inhalte nach Etwas vom Wucher eiilhiilton konnten.
Neumann, Gesch. <1. Wucliers. Ö
(U; 111. 1. i;i'(lits(|iu'll(Mi. c. Eochlsljiiclior.
bofjaiiii. tindet ihr Wueliervevbot aucli diivoli dio zähe Abwehr
der säi-hsischou KiclitcM" und Roclitskoimor hindurch Einj^^ang
in die sächsischou und (hiniit in die norddeuts(dien Keclitsquel-
len. Wie sehr fühlt sich ik'r erste CSlossator des Saclisen-
s])ieo-els. Johann von Ihich, der wol in Italien römisches
und kanonisches Hecht kennen gelernt, als Jüng'er der fremden
Rechte. ^) Und doch war er in der Praxis, l)esonders als mär-
kischer Richter thätig. Während er als seinen Plan aufstellt,
allgemein dem sächsischen Rechte durch Verbindung mit den
fremden Rechten Geltung zu bewahren , giebt er in dem
Wucherverbote , frei von heimischen und römischen Normen,
sich gfanz den Worten der Kirche hin ; zu Buch I. art. 54. des
Sachsenspiegels fügt er , während dort vom Zins des Renteu-
kaufes geredet wird: „woker is, wat en man mer upburt,
wen he utgift, also of he id bededingh ede." ^) Wie
sehr dieser erste Vorgang wissenschaftlicher Bearbeitung der
deutschen Rechtsquellen spätere Glossatoren und sonstige
Rechtsschriftsteller leitete, zeigte sich sogleich bei der „Blume
des magdeburgischen Rechts:"^): „di wurczil abir sint
leges , daz sint keiserrecht vnd canones " '^) von dem ebenfalls
in Italien gebildeten, danach in Deutschland (an Form und
Zahl seiner Rechtsschriften) zumal gegen den knapp systema-
1) cf. Prolog zur Glosse des sächs. Laudrechts. ed. Honieyer. Berl.
1854. V. 191 — 208, dazu p. 14 ff. ib. — v. 187 — 193.
foro ecclesiastico , si dehes litigare
haberis 2^ro fantastico , si velis allegare
iura huius speculi , qiiae ah his contemnunttir
ut iinius pojnili , si non eoncordahuntur
legibus vel canonihus , ut hie sunt concordata
et approbationibus legum sunt approbata.
Quando in foro litium hoc ins reclamatur,
lex erit in suhsidium cum qua concordatur ;
et si iudex ulterius hoc Teilet reprobare,
ne contingat deterius poteris audacier appellare;
si sedem apostolicam propter hoc appelletis,
haec ut fidem catholicam ver.a invenietis.
2) cf. Homeyer, Sachsensp. I. 54. §. 2. Gl. Eichhorn, D. P. R.
§. 107. 3j ed. Homeyer, Richtsteig Landrechts. Berl. 1857. 4) cf.
auch Blume des Sachsenspiegels (1397).
ITT. 1. Txechtsquellen. c. TJoclitsLüclior. 67
tischen Eike so überaus fruchtbaren N ico laus Wurm, ^) —
ein Gegenstück zu der hiteinischen Uebersetzung des Sachsen-
spiegels , welche Thomas , Bischof von Breslau , fertigen liess,
,,Ht in iure siio evident ins protegcret iustos , iniusios puniret,
suum cnique trihueref" -)
Um so nachhaltigeren Eindruck machte nach solchen Yor-
iräncfen die von dohaiin Kienkok in der Mitte und am p]nde des
14. Jahrhmulerts durch die Täbste InnocenzVI. und Gregor XI.
bewirkte Verdammung des Sachsenspiegels , dann einzelner Stel-
len desselben zu Gunsten der wachsenden Macht des Kirclien-
rechtes,^) deren Beispiele das Baseler Concil 1431 folgte.*)
Bezeichnend für die Gründe dieser That mit Piücksicht auf das
im Sachsenspiegel übergangene Wucherverbot heisst es im
Eingange der Bulle Gregors XL (1:374) (cf. Gärtner, Sach-
senspiegel Leipz. 1732. fl. 526.): „relatio perdiixit ad nostnmi
auditum , quod in Saxonia ac nomudlis aliis partihus
qiiaeddm dctestahilia scripta, speculum Saxonicum vidyariter
appellata et inferius annotata apud nonmdlos tarn nobiles
quam ph'hejos rcperiantur , quae judices et incolae jiartium
earundcm, omissis canonibus aliis que scripturis
sacris competentihusque naturae et civilihus legibus ac bonis
morihus procul pulsis a longis retro temporibus observarunt,
observant etiam de piracsenii — " Daher erneuen die zwei
Kleriker und Kenner des kanonischen und römischen Rechtes
T a m m 0 und T h e o d o r i ch v. B o x d o r f (1 450) das Wucher-
verbot der Kirche ni ihrer erweiterten Glosse ; sie fügen daran
indess aus den canones und den Digesten , indem sie diese theils
absichtlich analog ausdehnten, theils falsch verstanden, eine
Reihe erlaubter Ausnahmen vom Zinsverbote noch ausser den
bereits im kanonischen Rechte als nichtwucherlich gestatteten
Fällen (cf. IV. 1.). — Eben aus diesen Gründen darf nicht ver-
wundern, dass selbst Magdeburger Schöffenausspr ü-
1) 1397. ed. Honieyer, Richtst. L. R's. 1. c. p. 355. 2) cf. Prolog
z. Glosse des Sachsensp. 1. c. p. 12. Honieyer, Einl. Gaupp, Magdeb.
Recht. Bresl. 1826. (p. 188-89.) 3) cf. Homeyer, Abb. der berl.
Akademie. 1855. p. 377 ff. 4) Gärtner, Sachsensp. 1. c. Zö]iri. I).
R. G. §. 31. i. f.
5*
08 IIT. 1. T^.'.'litsqiu'lU'ii. c. TJocIilsluiclior.
(•li(> (laiKuli im Wiulier u. A. sii^li dcni kanonischen Rechte
aiil)'.'(|Uonit'ii. Fandon dio Scliöit'cn in ihren «^•clnTuiehlicheii
IvechtsqneUen kehie Entscheidung für den vorliegenden Fall,
so blieb es ihnen überlassen , aus ihrer eigenen Eechtseinsicht
oder sonstigen Quellen das Urtheil zu entnehmen. ^) So be-
sasseu sie bereits in der Glosse zum Sachsenspiegel und in
dem SchAvabenspiegel, der allmälilich vom Süden heraufdringt,
selbst einheimische Wucherverbote gemäss dem Kirchenrechte.
Daher stinmit auch der Wucherbegriff im M a g d e b u r g - B r e s-
lauer S c li ö f f e n r echte (1350) und im alten C u 1 m in dessen
nicht unmittelbar aus dem Schwabenspiegel entnommenen
Theile durchaus mit demjenigen der Buchschen Glosse über-
ein , wenn es daselbst lautet -) : „ daz her w i s s i n 1 1 i c h geno-
myn hatte wucher. Hir uf spreche wir (vor) eyn recht: daz
her wissintlich genomyn hatte wucher, do mag man en
vmme scliuldegin vor gcrichte . . . " , und es bedarf deshalb
nicht einmal der Autorschaft des kanonistischen NicolausWurmb,
mn in den Magdeburger Fragen (1385 — 1402) die kano-
nistische Entsclieiduug der AVucherfrage zu erklären. Letztere
lautet^): „man mag auf das pfand noch gelt nit aufschlags
noch zinss noch wüchers nemen von rechts wegen , " und weist
durch ihre Unterscheidung von Wuclier bei Pfandnutzung und
bei Darlehen auf das kanonische Recht, durch ihre selbst indem
kleinen Satze scliwülstige Fassung auf Wurm. — Dieses
Eindringen des Wucherverbotes m das systematische Schöffen-
recht, den Culni und die Magdeburger Fragen, weicheneben
1) Brüuner, Stadtrecht. Nr. 681. „cum iurati initrincipio electio-
nis iureni, quod deficiente iure scripta seu consueto debeunt uniciiique
secundum eorum conscientiam de iusUtia pruvidere." ib. Nr. 68. „ex
j/i'opyrio ingcnio vel industria ," „ex iure scriptü." Nr. 70. desgl. —
Magdeburger Fragen 1.3.2. „ alle gescbrifft sind den leuten gescbri-
ben vnd gegeben zu Wissenschaft vnd zur lere, hirumb wer ein Schoepff
ist vnd geschworen hat zu dem rechte, der mag nach seiner redligkeit sei-
nes besten sinn es vnd nach wissenheit der schriff't vnd des Kechten urteil
finden aiiff seinen Eid." — cf. Stobbe, Gesch. d. D. E. I. a. p. 277. —
2) cf. Laband, d. magdeb.-bresl. systematische Schöffeurecht (Berl. 1863)
III. 2. c. 12. — Culm, III. 49 (ed. Leman). — cf. u. lU. 2. a. dieser Abh.
3) In der Ausgabe des Sachsens]). Augsburg 1517. Th. II. cp. 1. dist. 1.
in. 1. Rechts. nK'llon. .-. R.-rht.sbikher. fiO
der Glosse des Sachsenspiegels u. a. Quellen der Wucherbe-
handlung bei der Abfassung der neun Bücher magdebur-
gerEechtes 1402 von dem Thorner Stadtschreiber Walter
Eckard ') benutzt wurden , bewirkte endlich die ausführliche
Behandlung des Wuchers in letzterer Schrift -) und damit die
Verbreitung des Wucherverbotes in Preussen. Der Begriff des
Wuchers wird hier aufgestellt, wie in Buch's Glosse, mit dem
Zusätze, wie dort, „ob er es hette gedinget," ^) dann aber
verwirft der Verfasser in engem Anschlüsse an die kanonisti-
schen Ausführungen und nationalökonomischen Vorstellungen
als Wucher . wenn der Verkäufer wegen Kauf auf Credit mehr
als den wahren Werth der Sache fordert oder in der Hoffnung
auf ein Geschenk des Schuldners darleiht: „Die Hoffnung
machet Wucher." (cf. u. HI. 2.a).
Eben so nothwendig, wie oben der allgemeine Satz über
das Fehlen der Wucherbestimmungen in den Eechtsquellen
des nördlichen Deutschlands, folgt für diejenigen Süd- und
Westdeutschlands aus den oben erörterten Gründen , d a s s sie
g a n z b e s 0 n d e r s eingehend d i e W u c h e r g e s e t z e d e s
kanonischen Rechtes beb and ein mussten.
Hier offenbart der Spiegel deutscher Leute, der, ob-
gleich er das Recht des ganzen Deutschlands darstellen will,
gerade aus den kanonischrechtlichen Quellen, so wie dem von
letzteren vornehmlich durchdrmigenen Freiburger Stadtrechte
sich vielfach Rathes erholt, und vornehmlich mit Rücksicht
auf die städtisch entwickelten Verhältnisse Augsburgs geschrie-
ben ward , ^) noch wesentlich seinen nordischen Ursprung aus
dem Sachsenspiegel. Er handelt hinsichts der hierher gehöri-
1) cf. Epilog einer Königsberger Handschrift (Univers. bihl. n. 888 fl.
Hoincjer 360™) über die Quellen des Buches: ,,us der Sachsin spigel
mit der glosen \Tid vs vil andern bucheni des rechten . . . euch czihe ich is
an den werden got das ich andirs nicht gesatzt habe, wenne also mgbilde
vnd lantrechte uswyget vnd nach deme also ich des eynteyl in der werden
herren Scheppin von Meydeborg breven vnd vrogin beschreben habe
funden." Ortloff, p. XLVIII. ff. — Stobbe, 1. c. p. 428. u. ib. N. 28.
2) ed. Albert Poelmann, Königsberger Notar 1574. 3) 1. c.l. IV. a. 7,
dist. 11. 4; Ficker, üb. einen Spiegel deutscher Leute. 1857. p. 168 tf.
7(t 111. J. i;.Mlits.iuellni. f. Ixoclit.shiich.T.
gen h'iH'htssjfobiete nur von dor Nutzung des Pfandes *) und
doii IMiindorn re.sp. doni "Wucher der Juden, Avelchen letzteren
er ausnalmisweise beschränkt; -) dagegen erwähnt er den
"Wucher allgemein gar nicht, womi nicht etwa die mit dem
Sachsenspiegel 111. ÖO. §.2,1 und mit dem Schwabenspiegel
("Wackernagel 251. Lassb. 306) übereinkommende Stelle p. 132
n. 27Ö auf den Wucher ausgedehnt werden soll: „swer so silber
oder pfennnig gelten sol pevtet er da gewette vur. er en ist
da mit niht ledich ir gelube enste denne also! — sogetan
Pfenning vnd so getan silber als der man lobet sol er gelten
vnd Pfenning die gib vnd gaeb sein in dem gerichte." Der
Schwabeuspiegel dagegen ergänzt gerade in dem "Wucher-
gesetze seine Hauptquellen, den Sachsen- und Deutschen -
Spiegel, bedeutend, indem er der Obgewalt der Kirche höchst
zugethan , die '\^''ucherbestimmungen aus dem kanonischen
Rechte, den Capitularieu und der Sammlung des Ansegisus
schöi)ft und mit den hierher gehörigen Bestimmungen des
Freiburger - , Augsburger - u. a. süddeutscher Stadtrechte in
Einklang bringt, resp. auf sie und andere Rechtsquellen Süd-
und "West - Deutschlands in maassgebender Stärke weithin aus-
dehnt. Letzteres musste nachweisbar um so mehr gelingen,
da der Schwabenspiegel besonders durch seine Aufnahme rö-
misch- und kanonisch -reclitli eher Grundsätze als Kaiserreclit
erschien. So drang sein "Wuchergesetz nach "W ü r t e m b e r g,
nach Baiern, in die Rechtsbücher Ruprechts v. Frey-
sing, in das bairische Land- und Stadt-Rechtsbuch,
in das Stadtrecht von München und damit in den grösseren
Tlieil der bairischen Städte, nach Oester reich, der Schweiz,
Böhmen, Elsass und selbst über die Grenze des Sachsen-
spiegels hinauf nach Norddeutschland, wo er in Hessen (Cassel,
Frankeuberg, Alsfeld, Eschwege, "\\''itzenhausen), inPreussen
(wörtlich aus dem Schwabenspiegel entnommene Zusätze zum
Culmer Rechte in dessen Buch V, darunter gerade vom Wu-
cher), in Luxemburg u. (cf. p. 68.) in Schlesien (so in dem
1) p. 73. n. 75. , p. 95. n. 92. in fin. p. 123. n. 204. 205. p. 132. n. 271.
2) cf. (V. 4.) p. 73. n. 75. p. 124. n. 207. 209. des deutsch. Spgl.
III. 1. Re(hts(|ncllcii. r. Rcchtslniclier. 71
systematischen Schöffenrechte und in den Magdeburger Fragen)
sich direkt, oder wenigstens, was in den Gebieten dessächsiscben
Rechtes für die Wuclierhestimmungen besonders wesentlich
gewesen wäre, als subsidiäre Kechtsquelle Geltung verschaft'te.
Selbst das Eindringen des r ö m i s c li e n Rechtes mit seiner
Zinserlaubniss innerhalb der gesetzlichen Grenze (cf. VlI. l.)
konnte anfänglich hierin eine Aenderung nicht erzielen. Was
zuvor die Quellen allgemein betonten , äussert dann vom Wu-
cher speziell die Glosse zum Sachsenspiegel I. 54.
„ Etliche sagen , man möge den Wucher nach Kaiserrecht wol
nehmen. Süg aber du, man möge keinen Wucher nehmen,
dann die Canones , das alte und neue Testament solches ver-
bieten. • Was aber der Canon vorbeut , vorbeut auch das Kai-
serrecht " 0. Zu fest hatte sich durch die Reihe der Jahr-
hunderte die Zinsbestimmung des kanonischen Rechtes unter
anderen seiner Gesetze den deutscheu Obrigkeiten und Rechts-
kundigen eingeprägt. Selbst die Reformation der Kirche ver-
mochte es in diesem Punkte zuerst nicht anzugreifen (cf. YII.
2. a. b.) Durch die grosse Pflege gerade des kanonischen Rech-
tes auch auf deutschen Universitäten hatte es vermehrten Ein-
fluss in der Rechtswissenschaft und Gerichtspraxis gewonnen,
(cf. ob. II. 2. Näheres hierüber cf. VU. 1.) Und so bleiben
selbst die Rechtsgelehrten, welche sich das römische Recht
durch die deutsche Sprache und heimische Abfassung in
Deutschland volksthümlich zu machen bestrebten , Avie U 1 -
richTergler im Layenspiegel, 2) hinsichts des Wuchers
dem kanonischen Rechte durchaus getreu. Nicht anders
musste der Eisenacher Stadtschreiber Purgoldt, wenn er am
Anfange des 16. Jahrhunderts ein praktisches Rechtsbuch lie-
fern wollte , zu dem deutschrechtlichen Stoffe des sächsischen
Distinktionenbuches, das er seinem Werke zu Grunde lesfte,
römisches und kanonisches Recht in der Wucherfrage be-
sonders hinzufügen. ^) Er nennt sogar gewissenhaft die kano-
nistische Quelle. Nach seiner Zeit wandten sich bis zum
1) cf. auch Neun Bücher sächs. Rechtes , ed. Pool mann, IV. 7. dist.
10. 2) 1480. Augsburg 1509. 3) ed. Ortloff, Jena 1860.
7-J m. I. Krclitsiiuollrn. .1. StaiUro.litc.
Kiuledev hier boli;iii(loUoii Periode die Blicke der Iveehtskuiidigen
so überwiegend den eingedrungenen tVeniden Hechten, ihrer
Verarbeitung oder Verwerfung zu , dass ZAivördcrst sich weder '
Fälligkeit noch Trieb zur Zusammenstellung des heimischen
Privatrechtes in Kechtshüchern , wie zuvor erhielt. Glücklich,
wenn sich dasselbe nur durch eigne Kraft noch , wie es in die-
ser Kechtsfrage geschah, gegen die fremden Eindringlinge
erhalten konnte. Erst nach 1G50 beginnt dann wieder die na-
türliche Keaktion, das thatkräftige Sichhinwenden zur wissen-
schaftlichen Bearbeitung des hemiischen Kechtcs, dann frei-
lich ist das kanonistische Zinsverbot völlig ausgetilgt auf die-
sem Rechtsfelde, und der römische Zinsgrundsatz leitete zu
einer freieren Zinsgesetzgebung über. *
d. Die S t adt rechte.
Die besondere politische und wirthscliaftliche Stellung der
Städte im deutschen Keiche, welche die Bildung und Entwick-
lung ihrer Gesetze nach Forin und Inhalt von den Rechten des
Kaiserthums ebenso, wie von den Gesetzen der Landcsfürsten-
thümer unterschied , führte mit sich , dass die Stadtrechte vor-
nehmlich eingehend die das Wucherverbot berührenden Rechts-
gebiete behandeln mussten. ^) Die Keime hierzu, welche ge-
mäss den obigen Darlegungen allgemein, nach dem eben
berührten Grunde speziell das Gewohnheitsrecht in den Städten
in sich trug, wurden dadurch noch besonders genährt, dass
Cleriker selbst die Stadtrechte abfassten , oder die hierin thäti-
gen Privatleute und Rathsmitglieder wesentlich beehiflussten, ^)
dass man die wiederkehrenden Entscheidungen der städti-
schen Gerichte gesammelt dem Stadtrechte als Anhang mit
Gesetzeskraft beifügte,-^) dass die Rechtsbücher selbst nicht
Ij cf. u. A. Merkel, d. republ. Alarnan p. 15 ff. 61. n. 35. 2) La-
comblet, Urkk. E. N. 452. p. 246. N. 42. Cöln 1258. — Schöpflin,
Alsat. di]d.N. 597. 603.(1262.) 3) Basel u. A. 1,387 (Rechtsquellen v.
Basel I.X. 42.) ,,vnd sol man ouch diz erkanntmiisse (des Schultheissenge-
richtes) hinnanthin bi uns eweklich halten, ib. Nr. 48 (1390), 87 (1408)
„darvmb ist si in der raten vnd des gerichtes büchern getan setzen." —
Tschoppe und Stenzel (Lausitz. Urkk. N. 62a (1270) Leobschiitzer
Willkür §.51.)— Münchner Stadtr. a. 451. — Gengier, Stadtr. p.l93.
II r. 1. Eoclitsqn.'llrn. (1. SliKlin^.hte. 73
allein subsidiär golt.end die vielen Lücken der oft höchst ca-
suistisch , völlig- unsystematisch /Aisanimengestellten Stadt-
rechte ergänzten , sondern gerade/.u dem Codex der letzteren
als weiteres Gesetz angehängt wurden. ') Hatte so die Wu-
cherbestimmung in ein Stadtrocht Eingang gefunden, dann
verbreitete sie sicli als Aussjn'ucli des städtischen Gerichts-
Oberhofes, oder in dem horülxTgcnommenen Stadtrechte, oder
auf einem der vielen l)ekannten amleren Wege in eine Reihe
der anderen benachbarten oder ferneren Städte. -)
Hierin und in den oben allgemein angeführten Ursachen
liegt es begründet, dass die grosse Zahl der vom sächsischen,
insbesondere dem Magdeburger Reclite abhängigen Stadtrechte
Nord - und Ostdeutschlands trotz ihrer sonstigen lieiclihaltigkeit
die Wucherfi-age kaum berühren. Dies gilt ausser den oben
genannten , vornelimlich den norddeutschen Rechtsbüchern
unterworfenen Städten noch für H a m bürg, Lübeck, Lüne-
burg, Danzig, Reval u. A. Im Gosslarer Stadtrechte
(cf. p. 65.) wird nur ein sittliches Bedenken gegen den Wucher
ausgesprochen : 1. c. V. p. 1U2. 1. c. „von manigerhande rechte :
of en bot dat he liet ghowukert, darmede ne heft he sin recht
nicht verlorn noch sine ghelde : sin gherochte is dar aver mede
gekrenket " p. 521. ib. Im L ü b i s ch e n , *'') L ü n e b u r g e r , *)
Revaler,^) Danziger Stadtrechte *') wird wenigstens die
Frage des vom Gläu])iger beim Darlehn und speziell beim Ver-
zuge erlittenen Schadens durch Auflegung einer bestimmten
Geldentschädigung auf den Scliuldner gelöst. Doch wenn
schon liierbei der Wortlaut dieser Willküren oft zu allge-
mein gefasst erscheint, ''') um mit Bestimmtheit auf den Dar-
1) Z. B. in Augsburg. — cf. Freyberg, tcutsche Eechtsalterthü-
mer I. H. 1. 1828. — Walch, Beiträge IV. 1774. — Hoitieyer, Rechts-
bücher N. 229. 490. «54. 2) St ebbe, 1. c. T. a. p. 492 ff. 3) Hach,
das alte lübische Recht. Lübeck 1839. p. 185. — Acccssiones ad justi-
tias Lubecenses. — Gengier, deutsche Stadtrechte p. 258. 262. 267 ff.
4) W. Th. Kraut, das alte Stadtrecht v. Lüneburg. 1846. 5) Bunge u.
Madai, Rev. Stadtr. LH. Doriiat 1844. 6) Ungedr. Danz. Willkür.
1380 — 1454. Bibl. d. Archivs n. X. 1. 7) u. A. in der citt. Danz. Willkür
V. 1454. fl. 3. art. von wirdigunge soniliches schaden. ,,Wo eyner den
andern viume schaden beschuldiget den schaden sal man nicht richten noch
74 111. l. luHhtsiiUolku. d. »Stadt le'dito.
lehnssoliadon angewendet werden zu dürfen, so schweigt
gar das Hamburger Stadtreolit ^) hiervon ganz. Und
dass dieses theilweise oder völlige Schweigen der Stadt-
rechte nicht etwa auf die bi^sondwe Natur des sächsischen
Rechtes , vielleicht auf dessen Abneigung gegen die wachsende
Macht der Kirche zurückzuführen sei, lehren die weiteren
Stadtrechte in Nord- und Mittel -Deutschland. Auch die vom
Rheine herstammenden dieser Rechte behandeln nicht die Zin-
sen , so die von B r a u n s c h w e i g , 2) Hannover,^) A 1 -
st e dt, •*) Winter berg, •'') Soest, **) dessen Willkür wegen
der Reichhaltigkeit in anderen Rechtsfragen mit Grund zu rüh-
men ist, desgleichen die dem Hamburger benachbarten Stadt-
rechte von V e r d e n und Stade, '^) noch berühren den Wu-
cher, obgleich sie dessen Erörterung aus den nahen fränki-
schen StadtiTchten reichlich ersehen konnten, die Willküren'
von Nordhausen, ^) Mühlhausen, ■') Erfurt, ^'^) Saal-
feld,'')CTreussen '^) u. A.
Dagegen handeln die Stadtrechte Süd - , West - , und zum
Theile seihst Ost -Deutschlands gemäss den oben dargelegten
Gründen eingehend vom Wucher, wobei vornehmlich der Schwa-
benspiegel das Fundament bildet. In wie nahe Berührung die
Rechtsbücher Süddeutschlands neben dem Schw^abenspiegel
mit den Stadtrechten besonders der bairischen Städte Augs-
burg und München traten, ist oben bereits erwähnt; in
diesen Rechtsbüchern fand sich durchweg im Gegensatze zu
des Jilegers wüle, sunder die scheppen sullen en wirdigen noch deme sie als
irkennen das es niogelichen ist, vnde das sullen sy thun bey erem eyde,
wenne das gescheen ist so sal der kleger sunderlich seynen eydt darczu
thuen, das der schade so grosz sey, alse her von den scheppen gewirdiget
ist, her mag en wol mynnen adir her sali en nicht hogen. cf. u. IV, 2. k,
3 a. 1) Lappenberg, Hamb. Rechtsalterthüraer. 2) Pufendorff,
observatt. IV. app. n. VI. p. 78. 3) ibid. n. \^I. p. 167. 4) Walch,
Beitr. VI. Jena 1777. n. 4. 5) Walch, 1. c. n. 5. 6) ed. Häberlin.
Helnistädt 1748. — Gengier, 1. c. p. 439. — Seibertz, Urkundenbuch.
I. n. 42. Neue Schrae, ib. Il.n. 719. 7) Pufendorf, ib. obs. I. app. ^1.
8) Senckenberg, visiones Leipz. 1765. app. U.n.V. 1308. 9)13. Jahrh.
Stephan, Neue Stofflieferungen, Mühlh. 1846. 10) 1306. Walch,
Beitr. I. 11) 13. Jahrh. Walch ib. 12) W^alch ib. VH, 150.
111. 1. Rrclits(|nHlon. d. 8t:i(Uicihte. 75
Norddeutscliland das kanonische AVudierverl)ot vof. So geht
es iii das F r e y s i n g e r Stadtrecht ( 1 o5( ») , welches der Bischof
Albrecht II. selbst den kirchlichen Einflüssen öffnete ; *) aus
dem bairischen Landrechte, dem Schwabenspiegel und Ru-
prechts V. Frey sing Kechtsbuche dringt es in das Münche-
ner Stadtrecht (14. Jahrh.) -) und verbreitet sich von hier aus
über eine Menge der Städte Baierns, wie Aichach, Ingol-
stadt, Wasserburg, Neustadt, Landsberg, Schon-
gau, Weilheim, Dachau, Wolil u. A. • Und wie der
Einfluss des Schwabenspiegels auf die österreichischen Stadt-
rechte , so auf das W i e n e r , ■') H e i m b u r g e r , '^) Salz b u r -
g 6 r ,^') auf das von E n n s , Neustadt, 1 g 1 a u , auch B r ü n n ")
sich ausdehnte , trug er sein Wucherverbot auch dort hinüber.
Neben den Codices der Stadtrechte ergiebt sich dies aus den
Beschlüssen der hierher fallenden Concilieu und Synoden mid
aus weiteren auf den hier früh entwckelten Verkehr bezüg-
lichen Urkunden (cf. u.) , so dass , avo in den Stadtrechten sich
das Wucherverbot übergangen findet, ^) man dies der lücken-
haften Erhaltung derselben, oder der subsidiären Gesetzes-
kraft der gemeinsamen Quelle, des Schwabenspiegels, zu-
schreiben darf. Ein Gleiches gilt für die schw^ä bis eben
Städte, so für die Rechte von Ulm,^) von Stuttgart,'')
von N ö r d 1 i n g e n. ^ '^) Letzteres Stadtrecht giebt eine weitere
Erklärung der Uebergehung des Wucherverbotes, indem es
1) ed. G. L. V. Maurer, Shiüg. n. Tiibing. 1839.) 2) ed. Auer,
München 1840. cf. Bergmann, (iesch. v. München 1783. fol. i. Anhang
das Stadtrecht v. 1417. 3) ed. Rauch, script. rer. Austriac. lU. p.
144 — 258. 4) cf. Senckenberg, visiones app. 11. n. 11. 5) cf. Köss-
1er, Ueber Bedeutung und Behandlung der Geschichte des Rechtes in
Oesterreich 1847. Anh. n. 2. (i) Rössler, deutsche Rechtsdenkniäler
aus Böhmen und Mähren. Bd. 11. 1853. u. A. p. XXXV. CXIH. CXVI.
7j u. A. fehlt das Wucherverbot in dem .Salzburger Stadtrechte v. 1287.
Dagegen findet es sich in allgemeinster Ausdehnung in der revidirten
Abfassung desselben von 1328. (cf. Rössler, Bedeutung und Behandlung
der Geschichte des Rechtes in Oesterreich (1847) Anhang n. 2. p. V. VI.)
8) (129G) ed. Jäger, schwäbisches Städtewesen im Mittelalter!. Heil-
bronn 1831. Anh. 9) ed. Sattler, Geschichte Würtembergs unter den
Graven. V. p. 3tj — 59. 10) cd. Senckenberg, 1. c. a. II. n. VI. 1318.
76 in. 1. Kcclitsiiuolleii. .1. Staatrechto.
dieses nur unter den Conipetenzsacben des geistlichen Gerich-
tes anfülirt: 1. c. a. 39 „dar nah ist reht ez si vrav oder man
di für gaistlich gericht ladent. Die gebeut zehent pfvnt, ez si
danne wuocher oder vmb elicbiv ding. " ') Wenn andrerseits
die frei von dem unmittelbaren Einflüsse süddeutscher Rechts-
bücher entstandenen Stadtrechte, wie die der rheinischen,
fr ä n k i s c li e n . h ö h ni i s c li e n , u n g a r i s c h e n Städte gleich-
massig das Wuchcrverliot in sich tragen, so bekräftigen sie
um so mehr die obigen allgemeinen Ursachen der Verbreitung
des Wucherverbotes in diesen Gebieten. In C ö 1 n mochte be-
sonders der bischöfliche Eiutluss hierzu mitwirken, ^) im breis-
gauer Fr ei bürg und deren Tochterstädten, in Worms
und Bielefeld kam noch die Vorschrift des Cölner Eechtes
als Mutterrechtes hinzu. "') In den fränkischen Orten ist die
nämliche Behandlung der Wucherfrage um so bezeichnender,
weil ein Verpflanzen des Rechtes einer Stadt in andere Nach-
barstädtc viel beschränkter , als im übrigen Deutschland be-
gegnet. ■*) Bei den Stadtrechten Prags, Ofens u.a. Städte
im östlichen Gebiete deutschen Rechtes ^) sorgten hierfür der
kanonistische Einfluss ^) und derjenige der österreichischen
und mährischen Stadtrechte,") vielleicht auch flamländische
1) cf. hierzu das Bamberger Stadtrecht. Zöpfl, Heidelberg 1839.
Einleitung p. 100: ,,die Sachen, über die das geistliche Gericht urtheilte,
sind im Stadtrechte mit Stillschweigen übergangen." 2) Lacomblet,
Urk. Buch I. 11. , s])eziell. II. N. 452. cf. auch Arnold, Gesch. der Ver-
fassung der deutschen Freistädte. I. p. 101. -- Gengier, 1. c. p. (J7if. —
Grimm, Weistliümer. IL p. 741 if. 3) Freiburger Stadtr. ib. 1828.
ed. Schreiber. I.ll. aus dem 12 — 14. Jahrhundert, u. J'rciburger Stadtr.
ed. Ulr. Zasius. 1520. 1547. — Wormser Eeform. 1498. ed. 1507. —
für Bielefeld cf. Walch, Beitr. UI. 4) cf. Zöpfl, R. G. §. 43. —
Zöpfl, das alte bamberger Eecht. Einleitung p. 45. — Nürnberger
Reformat. (1479) ed. K ober ger 1484. 5) Rössler, Altprager Stadt-
recht. 14. Jahrh. Prag, 1845. — Bedeutung und Behandlung der Ge-
schichte des Rechts in Oesterroich. Anhang. Altj)rager Stadtrecht 12G9.
(ed. Rössler.) — Mi chnay u. L ichner , Ofner Stadtrecht (1244— 1421.)
Presburg 1845. G) Vielleicht nur mittelbar aus dem Brunner Stadt-
rechte. Rössler, deutsche Rechtsdenkmäler aus Böhmen und Mähren.
Bd. U. (1853) p. CXX ff. 7) Rössler, Altprager Stadtrecht, p. 101 ff.
Bischoff, Österreich. Stadtrechte p. 131. — Stobbe, 1, c. p. 523 ff. —
III. 1. K-vlitsquellcii. (1. SladiRMlite. 77
EinAvirlaiii<i' Seitens der zalilreiclicii (lainliindisclieii Kiiiwan-
derev. ^) Und wie bei den lieclitsbüdiern, so sieg"te auch liri
den Stadtrecliten in der WuclievtVage zunächst noch die Kirche
über das eindrmgende römische Recht (cf. VIT. 1.). Die Refor-
matoren der Stadtrechte nahmen, obgleich sie römische Reclits-
gelehrte waren, das kanonisclie Wucherverbot in die Reforma-
tionen auf, ja sie versc.liärfteii dasselbe wol gar noch. So in
dem Co In er Stadtreclite von 1437, woraus dann Ulricli
Zasius wieder, der (im Breisgau) das Frei bürg er Stadt-
recht reformircn und den Erfordernissen der Zeit anpassen
sollte, die Wuchernormen 1520 dieser Reformation hinzufügte.
Glatiuncula, der römische Rechtskundige, setzte gleichfalls
die kanonistischen Ziiisbestimmungen in die Nürnberger
Reformation von 1479 , und erst in einer fernereu Verbesse-
rung dieses Stadtrechtes von 1594 trat der römische Zins-
grundsatz in Geltung. -) Andere, wie der römische Jurist Fi-
chardt, der Reformator der Frankfurter Gesetze, wag-
ten, obwohl sie die freie Handelsentwicklung begünstigten,
nicht , die Zinsen beim Darlehn frei zu erlauben , sondern um-
gmgen unter andern Namen undContrakten(cf. VII. 1.), welche
die Kirche gestattet hatte , das Wuchergesetz.
Nach dem oben bei c. bereits angofttlirtcn Verliältnisse
des kanonischen zum römischen Rechte kann es niclit über-
raschen , dass auch in den reformirten Stadtrechten das erstere
zuerst zum Siege gelangte. Gerade als diese Reformationen sich
nöthig erwiesen, hatte ja das kanonische Recht durch seine
Blüthe auf den ausländischen , dann selbst auf den deutschen
Hochschulen, durch Entsenden seiner Jünger in den Rath der
Kaiser, Fürsten und Städte emen neubelebten Einfluss auf
Wissenschaft und Praxis des Rechtes in Deutschland gewon-
nen. Man darf aber aus diesem Wiederauftauchen des kano-
nischen Zinsgesetzes in den städtischen Reformationen nicht
auf den Sieg desselben auch im städtischen Verkehrsleben zu-
1) T 0 111 a s c h c k , deutsdics Kodit in Uc-stevroi<li j). 77. 80 tf. 2j cf.
Eichhorn, D. P. E. §. 108. c. — Zöpfl, R. ü. §. 58. n. 3. 4. — Mit-
tel-mal er, D. P. R. §. K;. n. 10. 11. - Orth, Anmcrk. zur Franld'ui-
ter Reiorniat. p. 84.
TS 111. 1. liiH-litsiiudlou. 0. Tvrii'lisgosel/o nadi (Irii ('apilulavicii.
nicksclilicssiMi. ') In diosom rniiki(> wuvdt'ii die Rechtsrefor-
niiitoroii ilirev Aufgabe, das lieiinisdie (Jewoliidieitsveclit t^"egen
die fremden Koclite festzuhalten , wenigstens das „ gemeine
deutsche Eeclit" 7a\ verzeichnen, das neue Stadtrecht dem
wirklichen Lehen anzupassen, durchaus untreu, wie die nach-
folgende Entwicklung der Zinsgrundsätze im Verkehre zeigen
wird. Auch für das Zinsgehiet gilt der Satz , dass das deutsche
Handelsrecht nicht innerhalb deutscher Grenzen , sondern ge-
mäss der Völker verbindenden Natur des Handels als ein euro-
päisches (jlewohnheitsrecht der Kaufleute sich gestaltete. Tn
diesem war dalier die Vergütung der Nutzung fremden Kapi-
tales lange vor der Zeit der Stadtrechts- Reform ationen zur
allgemehien Anerkennung gelangt, und die gewohnheitsrecht-
lichen Entscheidungen der kaufmännischen Gerichte konnten
an vielen Orten gerade des bedeutenderen Kapitalverkehres
in Deutscliland nicht durch kanonistische Satzungen in den
Stadtrechten beeinträchtigt werden. Andrerseits durfte dieses
Gewohnheitsrecht im Kapital verkehre auch nicht das römische
Eecht mit seinem „vollkommensten Obligationenrechte" als
den rettenden Heiland erwarten und begrüssen; es war durch
eigene Kraft zuvor schon genügend erstarkt und nur zur rait-
thätigen Hilfe, freilich leider zu einer einseitigen (VH. 1. b.),
gesellte sich ihm erwünscht das römische Recht bei. Daher
entnahmen die reformirenden Juristen, welche dem kanoni-
schen Zinsgesetze entgegentraten, wie Fichardt in Frank-
furt a.M., ihr Rüstzeug aus dem gewohidieitsmässigen Ver-
kehrsrechte in Deutschland, und wurden so nur mittelbar und
zum geringeren Theile durch das römische Recht unterstützt.
e. Die Reichsgesetze nach den C apitularien.
Bei den Feindseligkeiten des deutschen Reiches nach aussen
hin, bei der Reibung semer Stämme und der Herzöge, der
Einzelfürsten gegen den Kaiser im Innern, bei dem Streite
endlich zwischen Kaiser und Papst zerfiel allgemach, wie
1) Das gestehen einzelne derzeitige Reclitssclinltsteller selbst zu,
z. B. Purgoldt, für Eisenacli u. a. Städte. Eechtsbiich VIII. cp. 52. —
cf. u. III. 2. b. u. Vm. 3. b.
in. 1. Roclits(iuollon. e. neichsgesetze luu'li den raiiitulaiieii. 79
erwähnt, das Ansehen der Capitularien , da ilire Grundlage
scliwand, da7Ai ward eben hierdurch eme grosse gesetzge])eri-
sche Thätigkeit des Reielisoberliauptes verhmdert; die Tubli-
kation vereinzelter Gesetze im Justinianischen corpus juris
bot hierfür keinen Ersatz. In der Wucherfrage niussten
die Kaiser vermöge ihrer Stellung gegen die Kirche, ihrer
geringen Theilnalime durchgängig für die Entwicklung des
Verkehrs, ihres Unverständnisses in der Förderung der Ge-
werbe, endlich gemäss ihrer ablehnend kalten Haltung gegen
die deutschen Städte^) eine schwankende, deshalb unfruclit-
bare Praxis verfolgen , und so fehlen in den hierher gehörigen
Reichsgesetzen bis in die erstenJalirzehnte des IG. Jahrhunderts
hinein , wo (cf. IX. 1 .) sich der Uebergang von dem kanonisclien
Wucherverbote zu dem erlaubten Zinse herausbildet, durch-
greifende Wucherbestimmungen. Dann aber wurde durch den
Verkehr, der immer entschiedener sich den kanonischen und
den ihnen anhangenden deutschen Zinsgesetzen entgegenstellte,
die Zinsfrage so brennend und durch die Partikulargesetze in
den Einzelstaaten so verschieden, fast allgemein aber gegen
die Kirche festgestellt, dass sich auch die Reichsgesetze genö-
thigt sahen , gestützt auf das in diesem Punkte starke deutsche
Ge\vohnheitsrecht. und nur bei einzelnen Fällen auf das römi-
sche Recht zurückblickend den grossen wirthschaftlichen Streit
und Sieg auch von Rechts wegen anzuerkennen. (Das Einzelne
findet sich bei den einzelnen Theilen der Abhandlung.)
Dagegen erfreuten sich die einzelnen Rechtsbücher, so
der Schwabens})iegel besonders mit seiner eingehenden kano-
nistischen Beliaiidlung derZmsen, des Ansehens von Kaiser-
rechten um so mehr, als man die emzelnen Reichsgesetze in
1) Dies ist um so erheblicher, weil in dem liier behandelten Rechts-
gebiete die Stände als die gesetzgebenden Faktoren neben dem Kaiser
wegen ihrer feindsedigen Stellung zu ihm und wegen ihrer gesetzgeberischen
Thätigkeit in den Einzelterritorieu der Regelung der Wucherfrage um so
fenier standen , das Volk aber seine gesetzgebende Gewalt an den Kai-
ser übertragen haben sollte. (1158) Pertz, Monum. legg. II. ]>. 111.—
Stobbe, 1. c. p. 4G5. 4G<3.
so 111. 1. lu'cliljsinu'Ui'ii. I'. l.amlii-'chtc u. laiidcsli. üoset'/.gebiiui;'.
die AusgaluMi der luMdiisbüclicr zum Handgebrauche liiiii'iii/,11-
si'liroibon liel)to. ')
Die Erkenntnisse des kaisevlieben Hofgericlites end-
licb konnten. s(dbst wenn sie einmal in Wuchersachen ent-
schieden, sich von der in (h'n angegebenen Eechtsquellen so weit
dnrcli Deutschland verbreiteten kanonistischen Untersagnng der
Zinsen nicht lösen, noch konnten sie, mochten sie sich lösen oder
nicht, wegen ihrer räumlich beengten Publikation irgend wel-
che Maassgabe für oder gegen das Wucherverbot gewähren.
Dagegen trugen gerade die Entscheidungen des ßeichskam-
mergerichts seit dem Ende des 16. Jahrhunderts (cf. IX, 2)
wesentlich dazu bei , dass auch in den Reichsgesetzen endlich
die kirchlichen Wucherbestimmungen verlassen wurden.
f. Die L a nd r e c li t c und 1 a 11 d c s h e r r 1 i ch e G e s e t z g e b u n g.
Während die Gauabtheilung aufgehoben nicht mehr das
Aufzeichnen der Stammesrechte ermöglichen und begünstigen
konnte, hatten doch die pjinzelfürsten ohne Mitwirkung des
Volkes in ihren Territorien nicht die Machtvollkommenheit
der Gesetzgebung, ausser für einzelne kleine Theile ihres Ge-
bietes. ^) Dagegen erlassen sie in der Verwaltung eine Reihe
von Verfügungen für ihr gesammtes Gebiet, welche, je weiter
sich die Selbstständigkeit der Emzelfürsten dem Reichsober-
haupte gegenü])er ausbildete , sich — abgesehen von dem un-
richtigen und insbesondere dem deutschen Wesen fremden
wirthschaftliclien Grundsatze , auf dem sie zum Theile noch
fussen mochten — als eine um so erwünschtere Stütze des
fundamentschwachen Territorialfürstentimms erwiesen , aber
eben deshalb immer tiefer in die Selbstbestimmung der Unter-
1) Senckenberg, methodus p. 133. Befehl Friedrichs II., des Kai-
sers ,,vnd gepot daz , daz das Eecht furbaz stet solt beleiben: Er hiez ez
ovch schreiben an allen den puchen by den man den recht sal suchen. "
cf. dazu Stobbe , I. a. p. 463. N. 3. — Für den Schwabens])icgel beson-
ders cf. Lassberg, Verzeichniss p. 174. u. N. G3. 101. 104. 110. 151 u. A.
2) Pertz, Monuni. legg. IT. j). 283. (1231. Eric. König Heinrichs.)
in. 1. Rec]its(juclltMi. r. LaiKlroclitL' n. lamlesli. (jiesctzgebung. 81
thaiien. in die Naturgost*t/.e ihres Erwerbs eing'i'ifreii , damit
sie, selbst übertliissio- und schädlicli , doch nothweiidig und
nützlich erschienen , um das Fürstenthum selbst nothwendig,
ja nur lebensfäliiu; zu machen, oder mindestens so ersclieinen zu
lassen. Es erblühte die Autorität des kleinen Polizeistaates,
und der Wucher in seiner AUerweltsnatur bot den trefflichsten
Yorwand , immer neue Wege der polizeilichen Einmischung
auszuspüren. Wenn dazu die Macht der herrschenden Zins-
lehre nnd der Kirche ^), zumal bei der Stellung der Einzelfür-
sten zum Kaiser, und des Kaisers zum Pabste, endlich die
unmittelbare Einwirkung der Cleriker auf die Gesetzgebung
als selbstständige Gewalthaber oder Käthe der Gesetzgeber ^)
gerechnet werden, ergiebt sich, dass. wo die landesherrlichen
Gesetze oder Verordnungen in den Einzelterritorien nicht — wie
etwa die von dem sächsischen Rechte (cf. ]). GiJtf.) beeinflussten
— das Wuchergebiet ganz übergehen , sie der kanonistischen
Doktrm zustinmien musston . und dies sowol in den dem über-
konmienen Gewohnheitsrechte nicht mehr fremden Theilen des
Wuchers , als auch bei neuen oder zuvor nicht hmlänglich be-
stimmten Punkten desselben, wie bei dem Wucher der Juden. ^)
Dies gilt von den kleineren landesherrlichen Ordnungen ver-
schiedenster Titel ebenso, wie von den erschöpfender abge-
fassten , ebenso auch von den zum Theil oben bereits berühr-
1) So die Absicht Königs Weuzel II. (1283 — 1305) mit dem profes-
sor juris utriusque Goczius aus Orvieto bei Abfassung des Landrechts für
Böhmen: „onwia Jura regni sui hactenus (liffitsa et penHiisi imperfecta
nKb certis legum cnnomimque rerjulis constriiifjere." Dobner, Monum.
histor. Boem. V. 102. u. v. A. 2) So z. B. die Landesordnung v. Salz-
burg (1328) vom Erzbischof Friedrich HF., worin unter- andern privat -
und öffentlich -rechtlichen Gesetzen und Verordnungen sich auch die Be-
handlung des Wuchers findet. ,.swes auch an diesen brief vergessen ist,
das sol man nach den alten rechten richten" (a. 47) Anhang ]>. I — VT.
zu Rössler, ( cf. oben ) Bedeutung und Behandlung der Geschichte des
Rechtes in Oesterreich (1847). Desgl. das Landrecht von Würzburg
(1435). woran der Bischof Johannsen nebst seinem Caiiitel gebührend
mitwirkte. Schneidt, thesaur. jur. Franconici. IL 2. p. 329 ff. 3) cf.
V.4. , wo von letzteren speziell gehandelt wird. cf. auch Stobbe, I.e.
p. 572 ff.
N e u III a II n , ilcMi'li. li. Wuchers, 0
8'2 111. 1. TiOi'litsiinolloii. f. Laiulroolito u. lan<losli. (Je.^otzgobung.
teil ausführlichen Laiulvechten, dein ö s t e r r e i ch i s c h e n ( 1 276)
und dem h'eehte des durch geschriebene Gesetze besonders her-
vorragenden bairischen Landes (1346), desgleichen von dem-
jVnigen für Böhmen. Salzburg (i:>28), Würzburg (1435).
Als indess der Verkehr dem kanonistisclieii Zinsverbote im-
mer mehr Boden abgewann , als die Landesgewohnheit in allen
einzelnen Zweigen des Wuchers immer entschiedener der Kir-
che und den früher erlassenen heimischen (jesetzen im kano-
nischen Sinne gegenübertrat, als das römische Kecht sich hier
in unmittelbarer Nähe der Landesherren und in ihren Gerich-
ten geltend machte, musste es ihnen, wie den nocli kleineren
Territorien der Städte, um so fühlbarer werden, dass um des
Verkehrs, um der Autorität der Gesetze und der Landeshoheit
selbst willen es gerathen war, unter anderen Streitpunkten zwi-
schen diesen drei Rechten, welche das neue Landesrecht ver-
einen musste , auch den der Wucherfrage endgültig und zei-
tig zu lösen. Da konnte ihre Einsicht in die ihnen nälier vor
Augen liegenden Verkehrsverhältnisse, ihre Stellung zum Kai-
ser , zur Kirche seit der Reformation , welche die Einzelfürsten
vielfach erst hatte erstarken lassen, zum römischen Rechte,
das ihrer Souveränetät eine neue Stütze gewährte, und unter
den maassgebenden Juristen der Einzelstaaten nicht geringe
Anhänger zählte, sie nicht lange zweifelhaft lassen, dass sie
dem längst entschiedenen Gewohnheitsrechte sich zuwandten,
und durch Anerkennung der m letzterem vertretenen Zins-
grundsätze ein Jahrhundert zuvor, wieder von Norddeutschland
beginnend, der Reichsgesetzgebung den Weg zu gleichem Vor-
gehen bahnten. Es handelte sich zumal nur um Einschrän-
kung des Wucherbegrifles in bestimmte gesetzliche Grenzen,
die Polizeiaufsicht war daher zur Aufrechthaltung dieser
Grenzen gleich nothwendig, wie zuvor zur Ausspürung jedes
Wuchers.
Wie demgemäss die Landesrechte im 16. und 17. Jahr-
hundert sich zu den einzelnen Punkten des Zinsgebietes stell-
ten, und wie vielfach versteckt und zaghaft sie sich scheinbar
den Reichsgesetzen anbequemten, zeigen die einzelnen unten
folgenden Abschnitte.
III. 1. Rechtsqnellon. g. Der Koclits verkehr. 83
g. Der Rechtsverkehr der Parteien selbst.
Schon aus dem in dem allgemeinen Abschnitte II. 1.
Gesagten und demjenigen, was in den bisherigen Betrachtun-
gen der einzelnen anderen Kechtsquellen über das Verhältniss
des Kapitalverkehres in Deutschland selbst zu dem kanonistischen
Wachergesetze berichtet ist, geht hervor, dass der erstere, so-
bald er, sogar noch auf allen Seiten von der Natur seiner Entwick-
lung gehemmt, nur die Fittige zu entfalten begann, gemäss
seinem Wesen den Zinsschranken mit aller Kraft entgegentrat,
und sich ebensowohl der vom kanonischen Kechte gestat-
teten Ausnahmen als der von dem Verkehre selbst erzeug-
ten oder entwickelten deutschen Rechtsinstitute bediente, um
das von Anbeginn in deutscher Rechtsanschauung liegende
Gesetz , die Nutzung fremden Kapitales sei zu vergüten, allsei-
tig zur Geltung zu bringen. In. sich selbst hatte er Stärke
genug, auch ohne das im letzten Augenblicke ihm beistehende
römische Recht, nicht blos die Zinsschranken des fremden
geistlichen Rechtes, sondern auch der heimischen Gesetze,
welche sich von dem Boden des nationalen Gewohnheitsrechtes
ab dem fremden Rechte zuwandten , siegreich zu überwinden.
Wegen des an den Orten des Haupthandels sich häufenden
Kapitalverkehres zeigen diesen wirthschaftlichen und rechtli-
chen Kampf die Urkundenbeläge aus jenen Stätten natürlich
am klarsten, doch durften bei der Verbreitung des Streites
über ganz Deutschland auch die Emzelzeugnisse aus den vom
Verkehre weniger erfüllten Gebieten herangezogen werden.
Das Nähere ist hier ebenfalls passender an den einzelnen Punk-
ten der folgenden Entwicklung zu erwähnen.
2. Das W^icherverLut dieser Kechtsquellen.
a. Der Begrilt'des Wuchers iind dessen Ausdehnung.
Wo unter der obengenannten grossen Zahl deutscher
Rechtsquellen, welche den Wuclier vorbieten, eine BegrilVs-
bestimmung desselben gegeben wird, reiht solche in ihrer
umfassenden Allgemeinheit sich der kanonistischen Definition
G*
84 in. 2. ■\Vurliervoii). (1. Kochtsquclleii. a. Boo-iiff, Ansdolni. d. W.
würdij^nn. Soheisst es in der Glosse Buchs zum Saclisen-
spiogel (Hoineier)1.51: „wokev is, wat on man mer up burt,
wen he utgift," in den „Neun Büchern sächsischen Rech-
tes" 0 „Wucher ist, wo ein Mann melir nim]tt, denn das er aus-
leyhet," u. im Layenspiegel ^): „Wucher mag ain jedes gelt
oder gut genennet werden , das über das recht gelilien haubt-
gutt aus geding kompt." Man ersieht, der Begriff geht von
der Zinsforderung beim Dar lehn oder mindestens beim Leih-
geschäft überhaupt aus, aber gerade die Glosse dehnt ihn
mit dem „utgift" bereits über das „ausleyhet" und „gelihen
haubtgutt" hinaus. Dem gemäss behandeln etliche Quellen
auch die Folgen der Geldschuld getrennt vom Wucher z. B.
das Rechtsbuch Ruprechts v. Freysing ^). Zugleich
lehrt der Layenspiegel , dass auch jeder andere Gewinn, als
Geld, den der Darlehns - Gläubiger von dem Darlehns- Schuld-
ner machte , „ gelt oder gut, " als Zins und Wucher gilt. Hier-
bei unterscheidet Wucher und schlechten Wucher Eckardt in
seinen „Neun Büchern" nur scheinbar, wie in einem Nach-
klange aus den Capitularien (cf. IIL 1. b.): „schlechter Wu-
cher heisset gewin Ob ein Man mehr auffliebet denn er aus
hatt gelegt. . . " Er häuft zum Rechtsverbote noch den sittli-
chen Makel des tmye hierum in Capit. von 806. §. 5 , ohne
doch den besonderen Grund jenes sittlichen Vorwurfs im Capi-
tulare festzuhalten „qul per varias circiimventiones lu-
crandi causa inlioneste res quaslibet congregare decertant."
Wenn schon die citirte Stelle aus der Glosse des Sachsen-
spiegels in ihrer Allgemeinheit insbesondere auch den Kauf
auf Ziel in sich begreift, welcher in der kanonistischen Lehre
vornehmlich das Weitergreifen des Zinsverbotes kennzeichnete,
so fehlen in den Quellen, obwohl diese nach der Natur jener
deutsch -rechtlichen Quellen vielmehr die allgemeinen Rechts-
lehren als die Sätze eines einzelneu Rechtsgeschäftes behan-
deln, solche Stellen nicht, in welchen der Wucher bei dem
Creditkaufe geradezu erwähnt und verboten wird. So sagt das
1) V. Eckhardt, ed. Pöhnann , IV. 7. dist. 10. 2) tli. I. v. Wucher-
gut. 3) 1328. ed. Maurer. 1839. I. cp. lf)5 u. 11. cp. 73.
III. 2. Wiicherverb. (i. Reclits«jnr>neii. !i. Bi'STilT. Ansflolni. «1. W. 85
Münchener Stacltrecht (ed. Au er) a. 301): „sie habent ouch
gesetzefc,... dazz iv puvger ze chainem giiot daz er geehauffet
hab chainen beraiten pfenning leicli davon er schaden oder
flustraitenwell,"imd Eckardt in seinen „Neun Büchern ^):
„Wer aucli mehr auffhebet auff borgk denn um geret geld das
ist Wucher. •' '^) Aber die letztere Quelle geht noch weiter , sie
dringt auf die usuraria voluntas getreu dem kanonistischen
Rechte ein, und übereinstimmend mit dem „nihil inde sp e-
rantes" desselben sagt sie ^): „schlechter Wucher (cf. p. 84.)
heisset gewin , ob ein Mann ... hoffet, dass im darumb (für
die Erlaubniss , sein Capital zu nutzen) etwas liebniss werde,
(Jie Hoffnunge machet Wucher, also wuchert auch ein
Simoniakus, ob er jemandes was gebe und liofl"te, das man
was geistliches darumb lege. "
Hierdurch erweiterte sich natürlich der Begriff des Wu-
chers , ganz Avie in der kanonistischen Lehre , über das ganze
Gebiet der Rechtsgeschäfte; jedes derselben, welches nur eine
Hsuraria voluntas, die Hoffnung eines Gewinnes aus der
Nutzung des Capitales in sich schliessen konnte , war dem Wu-
cherverbote und damit der unermüdlichen Aufsicht weltlicher
und geistlicher Behörden unterworfen. Dazu gesellte sich,
dass, wie unten darzulegen, das Verkehrsleben bei seinem
immer neuen Anstreben gegen die Zinsgesetze neben den ge-
setzlichen Ausnahmen von letzteren eine Reihe von Umge-
hungen des Wucherverbotes herausbildete, welche, während
1) IV. a. 7. dist. 11. 2) cf. das Stuttgarter Stadtrecht (1492)
in Sattler, Geschichte Würtembergs unter den Graven V. p. 47. — Alt-
prager Stadtrecht ed. Eössler. a. 15. ,,item ez sol ouch nimant den
tag siner gulde verlengen vmb gewin , " ist wohl mehr auf den Fall des
Verzuges des Darlehns - Schuldners zu beziehen , zumal ib. in art. 14. aus-
drücklich untersagt ist , Waare auf Credit zu verkaufen. — Das Verbot
des Oeditkaufes an sich — ohne den Wucher bei demselben — ist in
Deutschland nicht sowohl auf die kanonistischen Grundsätze gegen den
unchristlichen Gewinn des Kaufhandels, als auf die oben dargelegten
erst allmählig sich entwickehiden Verkehrsverhältnisse zurück zu be-
ziehen , oder auf besondere Lokalursachen , wie z. B. im Hansagebiete
(cf. u. Absch. in.2. c.) Hirsch. Handelsgeschichte Danzigs. p. 232. 233.
3) IV. 7. dist. 11.
8<i 111. '2. Wurliovvoil). d. Roclitsqucllrii. a. Bogiiff, Ausdclin. rl.W. etc.
sie in jedem Augenblicke die Unzulänglichkeit der gesetzlichen
Mittel zur Verwirklichung des Zhisverbotes und die Unnatur
des letzteren bekundeten , doch andrerseits den aufsteigenden
Territorialfürsten erwünschte und , wie schon sub III. 1 f. er-
wähnt, fruchtreichste Gelegenheit boten, ihre Polizeigewalt
gegen das unabhängige Verkehrsleben auszudehnen, die Notli-
wendigkeit ihres Keginientes damit zu erweisen und die Grund-
Ingen desselben zu festigen.
Die Glosse Buchs zum Sachsenspiegel fügte zu der oben
citirten Definition des Wuchers die Bedingung: „woker is,
wat en man mer up burt , wen he utgift ,alsoofheidbede-
dinghede." Eckardt nimmt dieselbe wörtlich in seine „Neun
Bücher" auf : ^) „also ob er es hette gedinget." Diese
Bedingung spricht nicht gegen die ebenfalls von Eckard ver-
fehmte wucherliche Hoffnung; denn sie Avill, wie unten bei den
Ausnahmen vom Wucherverbote noch zu erwähnen ist, nicht
die vertragsmässige, vorher bedungene Mehrforde-
rung des Gläubigers vom Verbote ausnehmen , vielmehr diese
gerade verwerfen. Dahm ist das „ also of " zu verstehen. So
sagt auch das systematische Schöffenrecht ^) und das
kulmer Recht ^): „ouch habit ir vns geschrebin dy drytte
Sache alsus das her wissentlich genomen hat wucher." und
Tenglers Layenspiegel (1. c): „Wucher mag ain jedes
gelt oder gut genennet werden, das über das recht gelihen
haubt gutt aus geding komptt," und gleich darauf:
„auch hat wucher in latein fenus d. i. ein Wucher oder
gewyn vom Wucher autf bestimpte zeitt versprochene oder
entsprungene." Geschenke mithin und überhaupt ein plus
ausser dem Gegebenen durfte der Gläubiger vom Schuldner
nehmen , nur musste er nicht hierauf bei der Hingabe seines
Geldes oder Gutes gehofl't haben. "*) Sclion hierin liegt eine
1) IV. 7, 11. 2) ed. Laband, III. 2, 12. 3) ed. Leman,
Berlin 1838. UI. art. 49. 4) Dem entspricht auch das „up burt,"
gleich dem requiretur des Capitulare von 806, und das Tenglersche
„aus geding kompt" mehr, als das Eckardtsche ,,ninipt," welches
auch den Fall des Ziasgeschenkes ohne wucherlichen Vertrag und Hoff-
nung in sich schliesst.
III. 2. Wncherverb. d. Rotlits(iiielloii. a. Be^'iiff, Aiisdehn. d.W. etc. 87
Erweiterung des Wuclierbegrifles über die Grenzen jedes ein-
zelnen mögiiclierAveise wucherli(^hen Kechtsgeschäftes hinaus
begründet, indem noch von dem Diirlelm zuvörderst der Aus-
gang genommen wird , wie im Laienspiegel (I.e.). „ ünnd
der Wucher entsteet geAvonnlich aus leyhen, das die
aigennschaft oder Dominium des gelilmes guts in dem entne-
mer geeudert, zu latein geuennt mutuum." Von dieser Grund-
Inge ausgehend erscheint schliesslich als Wucher jeder Ge-
winn des Gläubigers auf Kosten des Schuldners , den ersterer
bei Eingehung des Eechtsgeschäftes im Auge hatte. Daher
wird auch die Vergütung des Gebrauches fremder Gelder, wo
sie streng nur einen Ersatz für die Verwendmig ausdrückt,
welche der Gläubiger selbst eben mit diesen Geldern vor dem
Ilinleihen beabsichtigte , keineswegs als Wucher angesehen,
weil der Gläubiger hier keinen Gewinn machte. Allein wer
vermochte diese Grenze innezuhalten bei der allgemeinen
Wucherjagd? Statt dass daher durch jene Präzisirung des
Begriffes diese Jagd, wie es zuerst angenommen werden müsste,
beschränkt Avurde und selbst bei den äusserlich offenbar
wucherlichen Eechtsgeschäften nicht überall Platz greifen sollte,
griff sie weit über diese Grenzen hinaus , da wegen der schwan-
kenden Grenze eine grosse Zahl der Verträge wucherlich
gehalten wurden, die in sich es nicht waren. ^)
1) In Pnrpoldts Rechtsbuche aus dem Anfange des 16. Jahr-
hunderts (ed. Ortloff, Jena 18(30), das sich in dieser Frage besonders an
das Rechtsbuch nach Distinktionen , mehr indess an das kanonische Recht
anschliesst, wird III, 55. zuerst der Wucher im Pfandrechte und Renten-
kaufe getreu dem kanonischen Rechte gerügt. ,,der czins adder das geilt
vonn des pfandes geniesse nicht abeslet . . . szo ist her eyn Amcherer vnd
der unbescheydelicher geniess der ist alles recht wucher. Dith ist das
beschriebin recht und stet ex. de usuris. Glcicli daneben ist die kauoni-
stische Wucherbestimmung vom Kaufe fast wörtlich in das deutsche
Recht aufgenommen, ib. c. 56. „kouffet eyner körn, wein, wollen, adder
gewant. adder welcherley ander kauffmanscluvtz es ist, die man gemessen
adder gewegen mag, uff eync benante tagczit zu bezcalne, also das es in
eyne glichin bcstheydenlielien kouffe geschit, das ist wol recht, und ist
keyn wudier, wan der kouffer der weys nicht, noch der vorkouffer, ab es
uff die zeit mer adder niynncr gildeth. Yorkouffet her es aber turer,
88 III. •_'. Wiicliorvorb.fl. T?oolits(]Uolloii. a. BcpiViff, Ausdolm. «1. W. etc.
Aber bald wird diese Erweiterung des ßegrifl'es speziali-
sirt. In dem Cölner Stadtrechte von 1437 1. e. heisst
flanne es uif die zeeit gegeldin mag. szo ist der kouiV nngottlitli unndt ist
recht MTicher, was es doruber gildet. Dith ist geistlich recht und das
beschriebiii recht und stet ex. de usuris. " Im Buche VIII. alsdann wer-
den cp. 30 f. zunächst die öifentlichen Wucherer und die Juden erwähnt;
dann unterscheidet der Verfasser den Wucher der ..pfaffen" und den der
,.le3'en" der erstere (synionia) ist „böser," als der letztere; denn er zcu-
het sich in dye kctzerey und vemnreyniget beide Contrahenten, der
wertlichen Wucher trifft dagegen nur den. der wucher nymptt. (Dieser
Grundsatz des weltlichen Wuchers ist übrigens der allgemeine im kano-
nischen , wie im deutschen Eechte. Der Gegensatz beim geistlichen Wu-
cher soll gewiss nicht in der Ausdehnung des obigen Wortlautes gelten,
sondern nur den Fall begreifen, in welchem der Geistliche einem Laien
Zinsen entrichtet.) cap. 33 u. 34 drücken aus. dass die Veräusserung
eines geistlichen Lehns die Contrahenten mit dem Makel des geistlichen
Wuchers behaftet. Dit ist geistlich recht und Dit schreiben dye meister
Johannes, meyster Peter und meyster Heinrich von Merseborgk in iren
sumen. Hiervon werden indess einzelne Ausnahmen gemacht, ib. cp. 34.
35. 36. 37. 38. Desgleichen ist nach cap. 39. ib. die Ausstattung eines
Kindes, das ins Kloster geht, mit einer phronde ebenfalls geistlicher
Wucher, wenn es nicht bei Amiuth des Klosters zum Lebensunterhalte
des Kindes nothwendig erscheint, (meyster Johannes, u. ex. e. t. qu.)
So folgen noch eine ganze Zahl von singulären Fällen , in denen der Wu-
cher daiin besteht, dass man mit einem geistlichen Vorhaben
weltliche Interessen verbindet, und so eine neue und weitere Aus-
dehnung erhält. cp.40 — 42. Dann aber geht Purgoldt über auf den welt-
lichen Wucher, der ist mancherley von den cristen, heymlichen und
offenbarlichen ; von etzlichen geschiet her in böser gyrheytt und von
etzlichen in Unwissenheit: darumb so ist wol nodt davon zcu reden uf
das man in erkennen möge. cp. 43. und nun führt er die Hemiolien an
in ihren zwei Gestalten (cf. oben p. 67.), und erklärt jeden andern
Vortheil beim Leihen als Wucher, z. B. das Fordern neuer Münze für alte
bei der Rückzahlung (wegen der häufigen Münzumprägungen in Deutsch-
land war dieser Wucher besonders leicht zu begehen (cf. u. V. 5.) Doch
liält er hier stets den sittlichen Standpunkt fest vor den) rechtlichen;
denn nicht das Piechtsgeschäft als solclies ist ilnn wucherlich, sondern
die wucherliche Absicht dabei rügt er allein. Daher billigt er mit meister
Hostiensis und Johannes, das eyn man vorkouffe das gebruchen
seynes geldes. Ihm ist — und damit tritt er also dem oben im Texte
entwickelten deutschrechtlichen Grundsatze vom Wucher durchaus bei —
Wucher jeder Gewinn des Gläubigers auf Kosten des Schuldners , welchen
III. 2. Wnclierverb. (l.Koclitsiiuollen. a. Bogriff. Ansdehn.d. W. etc. 89
es ^) : „ kein Burger , Burgersclie iiodi Ingesessen , noch je-
raandtt von ilirentwegen mit keinem andern Burgern noch
Ingesessenen, noch ausswendigen Geistlichen oder weltli-
chen Personen keinerley Finantz, vorkauffe, auf-
schlage, schaden Kauff, noch keinerley hand-
thierung zu treiben oder sich damit zu behelfen, kein
Gesellschaft haben sollen, inwendig noch auswendig
einig Gelt noch Gut ausszuleihen oder weg zu bor-
gen, essey auff glauben, mit Bürgen oder ohne Bür-
gen, auft" Pfand, Evhe, Gewissheit, Briefe, auff sich
selber oder jemand anders sprechende oder ohne briefife, wie
man desz eussern mag, also, dass niemands einig
K au ffm an n Schaft handthiere oder treibe — '*
Hier ist also , wie oben in der kanonistischen Lehre die Cleri-
riker entwckelten , mitten in der Praxis des Verkehrslebens
der ganze Credit und damit weit über die Grenze des Kaufes hin-
aus der ganze Verkehr untersagt. 2) Ebenso bestimmt das Nürn-
berger Stadtrecht (1450)2) von den verliehen kewffen:
der Gläubiger bei Abschluss des Rechtsgeschäftes beabsichtigte (wenn
auch nur erhoffte), und so billigt er die Vergütung für den Gebrauch
fremden Geldes, wenn der Fordernde hierdurch nicht einen Gewinn
machte . sondern nur seinen Nachtheü vergütet erhielt. Das wird ausge-
führt in caj». 4ö — 4H. Ja, in cap. 51. wird der Wucher sogar auf das
bekannte Rechtsgeschäft ausgedelmt: ..hat ej'n man eyn teyl schaffe und
thud dye ejme scheffer und lyhet om geld darzcu, also das her im sal
allen nutz davon lassen gefallen, unde ome dye umb des geyldes willen,
das her inne hat, futtern und hüten, ader keuft umh den scheffer, umb
gereyde gelt schaffe , also das ym eyn benanter genies darvon werde , und
was her der vorlyse. sterbe ader dye wulfe essen, das wullc her keynen
schaden nhenien, das heysseu ysern schaffe ader untodliche schaffe
und das ist schnöder wucher, und was desgleichen geschehet von anderm
vj^he, des alles nicht nodt ist zcu schriben." i]ndlich erscheint dem Ver-
fasser das verzinsliche Darlehn , zum Spiele geliehen, noch ein ärgerer,
als der offenbare AVucher, weil der Zweck des Darlehns ein schlechter
sei, cp. 57. Dann folgt eine eingehende Beh.andlung des Judenwuchers,
(cf. u. V, 4. b. c.)
1) Morgensprach von wucherlichen Contrakten und Un-
derkeuffen. a. 46. p. 60. 'J) cf. auch Bairische Laudesordnung
von 1401. Wcstenrieder Glossar. 1. c. p. XL. 3) Siebenkees, Bey-
träge zum teutschen Recht. Nürnb. 1786. Bd. III. VUI. p. 206.
rn^ IIT. '2. WuduMvcib. d. Koclilsquellon. a. Begriff, Ausdelin. d. W. etc.
„es gebieten die Burger vnd Rath , daz dehein unser Bur-
ger oder Bürgerin noch niemant von iren wegen dlieinen
scliadkant't' furbaz niemant niolit geben sol er sey burger
oder gast, also daz man niemant dliein kauffman-
schaft wie die genamt ist ze kaufen soll geben
die der selb der sie hingiebt wider kaufft vmb
par gelt daran jener Verliesen nuizz oder die
dei'selb der sie da kaulit einen andern zu kauften geb durch
par gelts willen, doran er aber Verliesen musst."...
und die Nürnberger Reformation von 1479" sagt ^) von Verbot
alles Wuchers, gesuchs und aller Urkunde Briefe vnd schrift
denselben berurende :
„ Es soll uyemant von den andern eynichen gesuch noch wu-
cher nemen, noch ervordern , sondern es sol sich ein jeder
der bezalung des so ilim geliehen ist, begnügen lassen, un-
geachtet mancherley gestalt des wuchers als hauptgut
und Wucher zusammen ze schlahen und in ein summ zu
setzen oder vorgerechneten wuchcr in künftige liauptsmn ze
ziehen. Es sol auch den die damit vmbgeen oder für komen
eyuich urkuud hantvesten einschreibmig in das gerichtsbuch
noch ander verschreibung zu glaubwürdiger vestigung oder
Bestetigung emes gesuchs uoch wuchers nit geben einge-
schriben noch erzeugt werden, und wo das darvber geschehe,
das solt weder kraft noch macht haben."
Hier wird daher bereits auf die Umgehungen des Wucherver-
botes speziell hingewiesen. Endlich das aus dem Cölner Rechte
vornehmlich reformirte Freiburger Stadtrecht von Zasius
(1520. 1547) 2) schreibt vor:
„von gelyhner barschaft. (Alles Leihen , wobei Gläu-
biger den Werth , nicht die Sache selbst zurückerhält, soll
„ohne geniess" geschehen.) By disen fällen setzen und ord-
nen wir , das der ihen , der gelt, win, körn, oder an-
ders hinlyhet, nicht dann die Haupt summ vor-
dem und nemen also das er gentzlich dhein gewin
noch ubernutz, kein schenken noch vorteil, we-
1) ed. Kobergcr. 14M. fi. tit. XXn. n. 3. 2) Tract. U. tit. 1. n. 4.
in. 2. Wuclierverb. d. Rechtsquellen, a. Begriff, Ausdehn. d. W. etc. Ol
der er noch die sineii davon empfalien sol, Aver das nit
halt, der sol straffbar sin als unib ein Avucher dann lyhen
vmb barschaft"t sol gantz vergebens beschelien."
und die bisher ungedruckte DanzigerWillkür von 1580.
(Danz. Arch. bibl. X. 4.) cp. X. fl. 129. sagt:
„blinde Keuffe sollen verpotten sein.'' Alle blinde
Kouffe auf OPzi (?) , auf widderkauif und dergleichen , darü-
ber nicht masz, gewichte, lieberung und empfangung ge-
het , sollen genzlich vorpotten sein und gleich der wucherey
gestraffet werden."
Fasst man in diesen Stellen „ das leyheu " als creditiren allge-
mein , so ist hier e]>enfalls der Gewinn aus dem Creditgeben
in weitester Bedeutung untersagt , selbst ausgedehnter , als in
der Glosse des Sachsenspiegels, da ausnahmslos auch das
„schenken" und „gentzlich dhein gewiu" verboten
wird. ^) Kurz , zuletzt wird Wucher jeder (nach der natur-
widrigen Auffassung der Gesetzgeber) übermässige Ge-
brauch des Capitales im alltäglichen Verkehre.
Bei der grossen Zahl der anderen deutschen Kechtsquel-
len dagegen findet sich , was in ihrer casuistischen Behandlung
des Rechtsstoffes seinen Grund haben mag und in dem Mangel
einfachster Abstraktion bei den juristischen Schriftstellern,
keine Begriffsbestimmung des Wuchers , sondern lediglich sein
1) cf. noch bairisclie Landesordnung 1491. Westenrieder Glossar
p. XIj. Würteniberger Landr. 1.557 fl. 117. W.ächter, Handbuch p.
495. — Zuchtordnung von Menirningen (nach 1577) (Walch, Bcitr. II.
ti. XIII.). worin unter dem tit. von wucher und anderen unclu-i.stliclien
Handthierungen gehandelt wird als gleichbedeutend von „unredlichem
und schädlichem Kaufe, Verkauf, Fürkauf, Ankauf, falsches Maass,
Geweht, Betrüger, wechseln, tauschen, versetzen, und davon beziehende
übermässige Verzinsung auch leihen u n d in Summa auf solche ver-
botene Handthierungen, dadurch der Nebenmensch vervor-
theilt, betrogen, hinter das Licht geführt wird." Statuten
von Hadeln (1.583. Pufendorf, observatt. I. apii. 1. p. 126.) — cf. über
Münzwucher besonders noch die Reichsgesetze. R. A. 1548. §.43. 1551.
§. 47. R. M. Ord. 1559. §. 160. M. Probirordnung. 1550. §. 30. R. A. 1566.
§. 156. 1570. §. 143. I). A. 1571. §. 11. R. A. 1576. §. 80. 1594. §! 104.
1603. §. 51 — 55. bei Gerstlacher.
02 ITT. -2. Wnchorvoili. «1. R.'clits.nu'lloii. n. Ftegviff. Ansrlehn. d. W. etc.
Vovb(it. unter dem Namen „ w o k e r , g e s u o c li , s ii e c h ,
V her nehmen, geniess. So heisst es im Seh waben Spie-
gel (AVackevnagel) c. 295:
„es verbiutet got vnde der pabest vnde der ke^^ser vnde
alles geistlich gerichte vnde reht daz dehein kristen men-
sche von dem andern sol gesuoch nemen. Daz verbot dan-
noch sunderlichen pabest Leo vnde der saelige künic Karel
mit einander ze llome . da si beide concilje betten. " ^)
Man eifert sich hier selbst in den ganzen Hass der kanonistischen
Anschauung des Wuchers hinein. So sagen Kup recht 1. c.
cp. 75.: ,.wann sy habenn christenlichenn vnd sind pöser
dann dy judenn," SchAvabenspiegel (Wackern.) c.l41.
in tili.: „wan si heizeut getoufte jouden," CulmerR.
V. 65. „dorumme daz dy zele icht Yerloren werde." — Und
wo die sonstigen Glaubenssätze der Kirche mit dem Wucher-
falle in Collision kommen, wie bei dem Schwur des Schuld-
ners, Zinsen zu zahlen, hilft man sich mit der ganzen Sophistik
des kanonischen Rechtes (cf. oben p. IR. N. 4) zur Vernichtung
des Wuchers hindurch. So bestimmt schon Ruprecht v.
Frey sing. 1. c. II. c. 7o.
von wüchrärn. „Und lob ich ainem mann guet zu gebnn
zue suech darumb, das er mir sein pfennig leiht. Er hab
pfannt von mir oder nicht . . sein hauptguet sol ich im gebnn
vnd den gesuech nicht, ich hab dann darumb geswornn das
sol ich laistin. plagt mich aber der wüchrär umb den be-
1) cf. Systemat. Schöffenrecht IH. 2. c. 12. u. S. XL. Culraer
Reclit EU. a. 49. V. a. 65. Rechtsbuch Ruprechts v. Freysing II. c. 73.
74. Münchener Stadtrecht, a. 369. Prager Stadtr. T. c. a. 15. Salz-
burger L. 0. (Rössler, Gesch. des Rechts in Oesterreich. Anh. p. V. a.
33.) Ofener Stadtr. 1. c. n. 192. p. 114. n. 349. p. 18G, worin Juden wie
Christen gleichniässig der Wucher untersagt ist. Desgl. in den Magde-
burger Fragen 1. c. II. c. 1. dist. 1. — Baierische Landesordn. (1474.
Krenner, baierische Landtagshandlungen VIT. p. 472. Westenrieder
Glossar I. p. XXXIV. n. X. p. XL. XLH. Purgoldts Rechtsbuch. UI.
.5.5. 56. u. VUI. 33 ff. Dithmarser Landr. 1537 (Michelsen, Samm-
lung altdithniarser Rechtsquellen. Altena 1842.) Bürgersprache zu
Bielefeld (1.573. Walch, 1. c. HI. p. 73). — Landordn. der Graf-
schaft Solms (1571. ed. 1599. p. 59 tf.) u. A.
III. 2. Wnohervevb. d. Rechtsquellcn. a. Begriff, Ausdohn. d. W. etc. y;J
suech an. der richter sol im nicht darumb richtenn vnd sol
mir gepietenn das ich des nicht geb. ist aber das ich im di
gebnn hab. der richter sol in wider vodernn vnd mir wider
gebnn. Daran tue ich nicht wider mein gelub uocli wider
den aid. wann man sol got dem herrn mer gehorsam sein
dann den menschenn." ^)
1) Noch eingehender behandelt Pnrgoldt, der, wie schon bemerkt,
in seinem Rechtsbuche, entsprechend der damaligen neuen Blüthe des
kanonischen Rechtes in Deutschland, die Dekretalen Gregors IX. und die
kanonistischen Summisten besonders genau berücksichtigt , diesen Punkt
in VIII. cp. 52 — 54. „Es ist eyn frage in dem geistlichen rechte, ab
eyner mog mit gericht geerbeyte wider eyaen Wucherer , der waicher von
5Tn genomen hat, und das wider gefordere? Darauf antwort das beschri-
ben recht ex e. c. cum tu : ist das der wuchrer nicht eyn cawerzcaner ist
eyns herren (cf. u. V. 5. a — c.) ader eyn Jude , dem es vom reich ader von
eym fursten erleubt ist , szo helt man das auch im wertlichen rechte in
etzlichen steten, das man eynen wuchrer umb den gesuch beclagen wol
möge vor gerichte , und her sulle en in dem rechten kerin. Aber das es
hye nicht gewonheit ist , und in dem landtrechte , das mag des schult
seyn , das man dye hvte damit erlös und gutlos machte , so sye das gote
midt eyner uffenbaren smelichen busse gebussen muesten , davon sy erlös
und rechtlos wurden , und darzcu beyden gerichten , geistlichen und wert-
lichen , und dem kleger mit eym gnugtun umb das gesuch , und hirvon
SSO mochte gros unfrede und schade bekomenn. (cf. u. in. 2. b., VIII. 3. b.)
cp. 53: Und lyhet eya Wucherer eyme etzwas , da her om gelobet ge-
such uf zcu geben , ist her om den schuldig ader nicht ? Da eutwort uf
das beschriben recht und spricht , das her ome den wucher umb seynes
kouflfes , lyliens ader geldes willen in den rechten für gote und vor den
luten nicht pflichtig sey, aber umb syns gelobdes willen, das her
darzcu gethan habe, so sey her ym das schuldig; wan was ein man
von willen gelobet , das sal her halden und sal das bezcalen. Aber nach
der bezcalung , so sal her yn wider forderen umb das gesuch unnd umb
das, das her zcu unrecht von im genomen hat also. cp. 54: Ab nhw ein
man geschworn hat und gelobet, das her den gesuch nummer gefordern
wolle sal her den gesuch geben und nicht fordern? Antwort das beschrie-
benn geistlich recht: das der eyt sey ein frevel, und den soUe man auch
nach wertlichem rechte dem schultheysscn uf beyde syten gebussen. Ex.
de jurejur. et de uchninistrac. Des erben aber, der geschworn hat und
das vorlobt zcu fordern dye mögen das fordern ; und thun sye des nicht,
ader dorflen des nicht thun , so sal es der rat der stat thun ader dye
schepflfen , und dit is recht auch über alle bzewunglich gelt ader habe in
sogetaner weyse zcu fordern."
i)4 111. -2. Wudiovvorl). d. T?oc1iis(iuolloii. b. Strafen d. Wuchers.
Der S c li w a b o ii s j) i e g e l (Waclvorii .) c. 141. untevsclieidet etwas
wirr vier Fälle dieser Art, Avelclie jedoch alle tliatsäclilich mit
dem Verbleiben der Zinsen in des Schuldners Vermögen ab-
schliessen. Der 4. Fall lautet : „ vnd verswere ich deme wuo-
chrer, daz ich es niemande sage: der eid ist niht relit vnd min
bischof lät mich sin wol ledic, wan er ist wider gottes gebot.
Wanne got sprichet also: mhine dinen nächsten, davon sol
ih niht verswigen mines ebenkristen missetät. ^)
Hierdurch ward demnach die unuraria volnntas auch in
dem Schuldner ausgespürt und verboten ; er durfte nicht mehr,
wie es in der Glosse des Sachsenspiegels gestattet worden,
freiwillig von vornherein dem Gläubiger ehi Geschenk
über das Capital versprechen, sondern höchstens bei Abzah-
lung des Capitales den Gläubiger mit einem Geschenke über-
raschen. Dadurch allein entfernte er den ewig regen Verdacht
wucherlicher Verabredung, Purgoldt^) bemerkt dies nur
für den geistlichen Wucher ausdrücklich : „ . . der geistlich
Wucher, der ist böser wan der werntlich, darumb ... das her
beyde partey vorunreyniget, den vorkeuffer und
keuffer. Das tudt der wertlich wucher nicht, da wirt nicht
me, dan eyner eyn Wucherer, der den Wucher nymptt; der
wirt aber kein Wucherer , der den wucher gibt. Dit ist gystlich
recht." Doch streitet er nicht gegen obige Behauptung ; denn
dort wird durch die vom Schuldner beabsichtigte Hingabe
eines Gewmnes, wenn er sie von vorn herein gegen den Gläu-
biger aussprach , das Geschäft wucherlich für den Gläubiger
und Schuldner, ersterer bleibt indess allein Wucherer; in dem
Falle Purgoldts aber wrd auch der Schuldner ein Wucherer.
b. Strafen des Wuchers.
Oben (II. 2.) bereits ist entwickelt worden, wie durch all-
mähliche A-usdehnuug des Begriffes der caussae ad ecclesiam
pertinentes, zu denen man auch den Wucher rechnete, das
geistliche Gericht zur Entscheidung der Zinsstreitigkeiten kom-
1} cf. auch V Ulm er R. 1. e. V. 65. §. 2 ff. — (cf. u. Absch. IV. ± e.)
2) Rechtsb. VUI. cp. '62.
III. 2. Wuoliorverl.. (1. T;ccliis,|iiellcii. h. Rtrafon d. Wuchers. 95
petent wurde. Nacli den deutsclien Keclitsquelleii seit dem
13. Jalirliuiidert zu urteilen, sprach zunächst der geistliche
Richter in diesem Falle über Cleriker wie Laien Recht und
nur, um seinem Urteile durch weltliche Strafen grössere Kraft
zu verleihen, oder den Wucherer, welchen er zu bestrafen
unterlassen hatte , dennoch zu ereilen , kam die Wuchorfrage
vor dem weltlichen Richterstuhle zur Verhandlung. So sagt
der Seh wabenspiegeP): ,, wan ein gerihte sol dem an-
dern gerihtes helfen : so sint si beidiu deste vester , " indem
er vorher die Competenz des geistlichen Gerichtes hervorgeho-
ben und das weltliche Gericht nur in obigen Grenzen ange-
führt hat.-) Das Rechtsbuch Ruprechts v. Freysing
bemerkt^): „so sol in geistlichs gericht pannenn vnd darnach
weltlichs gericht verachten — " '*) Den allgemeinen Grund-
satz enthält Sachsenspiegel I. 1.: „dit is de bekentnisse,
svat deme pavese widersta dat he mit geistlikem rehte nicht
bedvingen ne mach. Dat is de keiser mit wertlikem rehte
dvinge dem pavese geliorsam to wesene." ^) Den anderen
Grund behandelt Schwabenspiegel c. 141. i. fin.: „Nu ob
in einer stat ofenlichin wuochrer sint ... ist er ein pfafe , sin
meistershaft sol ez vber in rihten. vnd wil aber geistlich ge-
rihte niht vber in rihten so sol wertliches vber in rihten. *') —
Dadurch stellte sich allgemach die Competenz dahin fest, dass
der Richter das Urteil sprach , welcher in der Sache die ersten
Schritte gethan (ddida mixti fori). "') Noch in den Reichsge-
setzendes 16. Jahrhunderts erscheint dieser Stand festgehalten,
z. B. im R. A. v. 1500. ti. 32; 1530. ti. 20; 1548. ti. 17; 1577.
ti. 17. §. 8. „alle geistlichen und weltlichen Richter."
In den Spezialgesetzen aber der Städte, Einzelfürsten-
thümer u. s. w. trug man es bald nur noch mit Unwillen, dass
1) Wackern. o. 141. von den wuoclirern. 2) cf. Kühner K. V. 05.
3) 1328. III. cp. 73. 4) Nördlinger Stadtr. Senckenberg, viss.
app. II. n. VI. 1318. a. 39. cf. oben. 5) Sacbsens])iegel III. 63.
Schwabenspiegel c. 246. Züpfl, K. G. II. §. 47. .06. 6) Kul-
me r R. V. 65. i. fin. — Im öysteinat. Schöl'fenrechte fehlen diese
Stellen aus dem Scbwabenspiegel. Laband, S. XL. 7) Richter,
K. R. §. 207.
9(j 111. ;>. Wucliovvorb. d. Roclitsquolkii. b. StiaPeii tl. Wiioliers.
(He Cleviker nach und nach fast alle Civilstreitigkeiten vor ihr
Forum 7>ogen, ') und begrenzte schliesslich — was durch den
häufigen Widerspruch und die Verwahrung der kontrahirenden
Parteien gegen das geistliche Gericht in iliren Vertragsurkun-
deu angebahnt worden — die kirchliche Gerichtsbarkeit in
der Wucherfrage der Art, dass der kirchliche Richter nur
über die Zweifel, ob der einzelne Fall ein wucherlicher sei,
entscheiden durfte, ja in den Staaten lutherischen Bekennt-
nisses trennte man von ihr alle Civilstreitigkeiten. So heisst
es im Laien spie gel th.I. von wuchergut: „Wo nu ain streit
oder frag im rechten sein will umb die geschieht des Wucher
so mag es durch den weltlichen richter entschaiden werden.
So ferne es aber über das Recht als ob ein Contrakt oder lian-
del wttcherlich war , oder nit, das möcht vor gaistlichem ge-
richt geschehen. " -)
Besonders klar aber zeigt sich der Streit zwischen der
geistlichen und weltlichen Gerichtsbarkeit über den Wucher
inPurgoldts Rechtsbuche VIII. 52. Purgoldt selbst stellt
sich als Kundiger des kanonischen Rechtes in dieser Frage
durchaus auf Seite desselben und fordert die Verurteilung
des Wuchers auch im weltlichen Gerichte. Er muss mdess
mit Seufzen selbst gestehen , das« dieser Standpunkt damals,
am Anfange des 16. Jahrhunderts, nur noch m einigen Städten
gewahrt werde. Im Landrechte dagegen und in Eisenach sei
1) Sachs. Weichbild a. 28. (ed. Zobel) — Vermehrt. Sachsen-
spiegel (1354 — 78. Ortloff. III. 8. p. 148: „keyn leyge noch keyu wert-
lich iiieuschc . . . sulleii klagen an geistlichem gerichte vmmc schult vnde
vmme wertliche sache. Es en sal auch keyn lej-ge den andern beklagen
vor geystlichen gerichte.." Thüring. L. 0. (144Gj ed. Müller. Reichs-
tagstheatrum p. 89. Hamburger St. E. (1497.) XVI. Walch, Beitr.
p. 71. „so welk vnsse borger den andern beklaget vor gheystlyken rehte
vm sodane shult alse tho wertlykem rehte behoret, bringet he am yn
schaden vnnde wert dar vmme vor gherihte beklaget v. voretuget, he
shal darvmiiie beteren 3 punt vnde schal one dar to vth dem schaden
nemen. " 2) cf. dazu die Niederländischen Gesetze bei Zypäus, d.
jurisdictione eedesiastica. Antwerpen 1675. cp. 44. d. usur. u. die con-
stitutt. regni Siciliae (1231.1. ti. VI. Neapel 1773), worin schon die-
selbe Tlieilung der Gerichtsbarkeit sich findet.
«
III. 2. Wucherverb. d. EechtsqueUen. b. Strafen des Wuchers. 97
das nicht der Fall und sogar „ nicht gewonheit. " Dafür giebt
er sehr naiv den Grund unverhohlen dahin an: „das mag des
schult seyn, das man dye Iwte damit eilos und gutlos machte,
so sye das gote midt eyiier uffenbaren smelichen busse gebus-
senmusten, davon sy erlös und rechtlos wurden, und darzcu
beyden gerichten , geistlichen und wertlichen , und dem kleger
mit eym guugtun umb das gesuch, und hirvon szo mochte
gros unfrede unnd schade bekomemi." ^)
Wie aber in früherer Zeit die Competenz für Wucherfra-
gen dem weltlichen und geistlichen Richter übertragen wor-
den, so verband man auch zur Erhöhung der Wucher-
strafen das Ansehen der Kirche mit der Gewalt der Civil-
behörden. ^) Derjenige nämlich , welchen sein Geständniss
oder die Klage seines zinszahlenden Schuldners und dreier
ehrenhafter Männer ^) des Wuchers bezüchtigte , wurde drei
Stunden lang vom geistlichen Richter ermahnt, dass er die
genommeneu Zinsen dem Schuldner medergebe und künftighin
den Wucher meide ; '^) ausserdem zahlte er in einzelnen
Gebieten eine Geldstrafe an die weltliche Behörde nach der
Höhe seines Wuchers. •'') Wucherte er danach gleichwol wei-
1) Für die völlige Verneinung kirchlicher Gerichtsbarkeit üi Wucher-
sachen sprechen u. A. Vermehrter Sachsensp. 1. c. Thüring. L. 0.
1. c. Hamburger St. E. 1. c. Neue reformirte Tiroler L. 0. 1573.
p. 11. J. H. Böhmer, jus eccl. pr. V. 19. §. XXXVI. Eichhorn, K. G.
§. 467. 2) Ihren Hass gegen die Wucherer drücken die Gesetzgeber
noch besonders durch die Ehrentitel aus , welche sie jenen beilegen. So
^agt Ruprecht V. Frey sing 1328 in seinem Eechtsbuche 1. c. U. cp. 75:
,,wan sy habenn christenlichenn vnd sind pöser dann dy judenu." —
Schwabenspiegel fWackem.)c. 141. ..wan si heizcnt geteufte jouden."
Layenspiegel, l.;c. u. A. cf. III. 2. a. 3) Im Systematischen Schöf-
fenrechte (1350) UI. 2. cp. 12. (Kulmer Eecht. m. 49) weist der
Angeklagte die Beschvddigung , ,, daz her wissint lieh genom3'n hatte Wu-
cher," durch seinen blossen Eid zurück, ,, . . vorsaclüt hers , her mag vn-
schuldic werdin vor gerichte uf den heylegin." 4) Auch hier, wie an
so vielen der oben berührten Punkte , zeigt sich sogleich der Charakter
der Moralvorschrift, welchen mau trotz der Anwendung rechtlicher
Zwangsmittel nicht vergessen konnte. 5) Systematisches Schöf-
fenrecht (1350.) m. 2. cp. 12. (Eulmer E. 1. c. III. art. 49.): (vmb
Neuraann, Gesch. d. Wuchers. 7
98 TTT. '2. Wuohorvorb. d. "ReHitsqncllon. b. Strafen «los 'Wiichers.
ter , so strafte ihn der geistliche Kiehter mit der Excommuni-
cation. Half diese noch Nichts , so Hess der weltliche Rich-
ter nach einzelnen Gesetzen den Wucherer vor den Thoren der
Kirche scheeren und züchtigen und allgemein, wann Letzterer
sechs Wochen und einen Tag im Banne gelebt hatte, strafte
ihn der weltliche Richter mit der Acht; der Wucherer wurde
aus der Stadt verbannt und sein Vermögen unter seine zins-
zahlenden Scliuldnor und die Gemeindekasse oder die Richter
vertheilt; nur ein kiemer Theil blieb semer Familie. ^)
Wer einmal Zmsen gefordert hatte, ward unfähig, ein
öffentliches Amt zu bekleiden. -)
Wer einen Wucherer schützte, erlitt dieselben Strafen,
wie der Wucherer ; die Behörde , welche , obgleich zuständig,
einen Wucherer nicht verurteilte , zahlte eine Geldstrafe. ^)
Gemäss härteren Bestimmungen wurde Letzterer sogar ge-
zwungen , nach je sechs Monaten zu schwören , dass er selbst
niemals auf Zinsen darleihen werde, und dass er die Wucherer
verurteilt habe; schwor er falsch, so zahlte er indess nur
eine Geldstrafe.^) Verboten war, für einen Wucherer zu bitten
und dessen Bittschreiben an den Richter öffentlich vorzulesen. ^)
Später aber , als in den Staaten lutherischen Bekenntnis-
ses vornehmlich, die Gerichtsbarkeit in Wuchersachen der
wissentlichen wuocher) ,, bekennt her is , so sal her der stadt vorbussen
by der stat köre, das sj'nt sechs vnd drj'ssig schillynge alse dicke alse
her is getan hat" — u. A.
1) Hinsichts der die Verbindung des kirchlichen und weltlichen Ge-
richts in ihrer moralischen Natur darlegenden Strafe der öffentlichen
Tonsur vor der Kirchenthüre cf. Ofner Stadtrecht 1. c. nr. 192. p. 114,
(Anm. Seligenst. Sendschreiben a. 1390): „item wer da funten wirt für
ein Wucherer , der sal drie sontage vur dem ama geen mit denie wich-
waszer umb die kirchen , wollen vnd barfusz und ein judenhut uf han und
ein besemhe in siner liand han. Wan he umb die kirchen kompt, so sal
er drus ligen vor die kirchthur vnd sal die lüde obir sich laszen geen. " —
cf. Schwabensp. 1. c. cp. 141. — Stadt- und Landrechtsbuch
R.'s v. Freysing (1328) 1. c.II. cp. 73. 74. 75. — Culmer Eecht. (saec.
14)l.c.V. art. 65.U.A. 2) Stadtr. v. Cöln (1437.) p. 105. 3) Dith-
marser Landrecht (1447 — 67.) Stadtrecht v. Cöln art. 48. Mi-
ch eisen, 1. c. kirchl. Landesverordnungen. 4) ib. N. 3. — Dith-
marser Landrecht 1. c. 5) Cölner Stadtrecht art. 47. p. 72.
III. 2. Wucherverb. d. Rechtsquellen, b. Strafen des Wuchers. 99
Geistlichkeit genommen wurde (cf. II. 2.) , scheint mit der Be-
seitigung der Exconinumioation als Wucherstvafe auch die
Acht allmählich aufgehört zu haben. In den Reichsgesetzen
seit 1530, in den Gesetzen der deutschen Einzelländer, wel-
che sich an jene Reichsgesetze unmittelbar anschlössen, be-
gegnen , mit Ausnahme weniger der letzteren , ^) mildere Stra-
fen; man erklärte die Wucherverträge wie die mierlaubten
Verträge allgemein für nichtig und löste sie auf; ausserdem
wurden die Wucherer mit dem Verluste des\"ierten Theils ilires
dargeliehenen Kapitales bestraft, oder sie mussten das ganze
Kapital hergeben , wenn sie den Schuldnern durch ihren Wu-
cher erheblich geschadet hatten (R.P.O. 1530. ti. 26. §. 8;
R.P.O. 1548. ti. 17. §. 8; 1577. ti. 17. §. 8): .,dass derjenig,
so solche wucherliche Conträkt mid Pratiken hinfüro künftig-
licli üben mm\e , den 4. Theil an seiner Hauptsumme verloren
und derselbig halb seiner bürgerlichen Obrigkeit, zum andern
halben Theil aber 'der Obrigkeit, darunter der arme Mann
gegen dem solcher \vucherlicher Conträkt und partita gebraucht,
gesessen, heimgefallen sein solle.-) Einzelne Rechtsquellen
machen von diesen Strafbestimmungen eine Ausnahme , so das
Gosslar er Stadtrecht, in welchem, wie schon erwähnt, der
Wucher nur emen sittlichen Makel erhielt 3): „of en bot dat
he het ghewukert. darmede ne heft he sin recht nicht
verlorn noch sine ghelde: sin gherochte is dar aver
mede gek renket*" p. 521. ib. Desgleichen bestimmte ein
Züricher Gesetz von 1316, dass, wenn der Wucherer seinen
Fehltritt bereute, die Sache dem Rathe der Stadt selbst
anzeigte und den Wuchergewinn dem letzteren schenkte, er
die Hälfte desselben ohne Vernichtung des Geschäftes und
ohne eme Wucherstrafe zurückerliielt. ')
1) cf. Carpzov, pract. rer. crim. obs. 11 — IV. p. II. qu. 92. —
2) cf. Würtemb. L. R. 1557. fol. 117. — Zuchtordnung v. Meni-
mingen 1. c. ti. XHI. — Tiroler L. 0. (1573) p. 94. u. A. 3) 1. c.
V. p. 102. von manigerhandc rechte. 4) cf. Schinz, Han-
delsgeschichte, bei Michnay und Lieh n er, Ofner Stadtrecht XI.
Bluntschli, Züricher Rechtsgeschichte I. )). 293. „Swa dehein Burger
odervsman, der den Burgern guot hat gelihen , für ein Rat kumt , \Tid
7*
tOO in. 2. Wuchervorl). d. Rochtsquellen. c. Kauf d. Früchte etc.
c. Iiisliosoiulere der Kauf der Früchte auf dem Halme oder
in Garben. — Die Auf- und Vorkäufe.
Da. wie oben (II, 1) sclioii beiülirt wurde, der Ackerbau
während des Mittelalters in einem grossen Theile Deutschlands
die Hauptbeschäftigung der Bewohner bildete , musste es häu-
fig begegnen, dass der geldbedürftige Landmann seine Frucht
auf Halm und Baum verkaufte , oder zur Zeit der Ernte die
bereits geerntete Frucht billig veräusserte, um sie, nachdem
seine Noth gelindert , theurer sich selbst zu kaufen. Es han-
delte sich hier daher meistens um einen Gewinn an Geld oder
Früchten, welchen der reiche Geldbesitzer mit oder ohne
schlaue Umgehung des Wucherverbots in Benutzung der augen-
blicklichen Geldnoth des Landmannes zu dessen unmittelbarem
Nachtheil und zum mittelbaren Schaden des ganzen Gemein-
wesens machte.
Dieser Umstand bewog die meisten deutschen Rechtsquel-
len bis in die neue Zeit , hinein den Kauf der Früchte auf
Halm und Garben als einen besonderen Theil des Wucher-
gebietes neben den zuvor in III. 2. a bereits berührten Bestim-
mungen über schädliche und ungebührliche Rechtsgeschäfte,
sehr eingehend zu behandeln, indem sie dergleichen Käufe
theils ganz verboten , theils eng begrenzten , so dass es ange-
gemessen erschemt, auch hier diese Wucherart besonders zu
berücksichtigen.
Schon zur Zeit Karls des Grossen ward bestimmt, Nie-
mand solle gegen baare Zahlung Getreide oder Wein auf dem
Halme zu Lieferungen in der Erntezeit ankaufen , noch in der
Ernte Feldfrüchte billig aufkaufen, lediglich um sie später
theurer zu verkaufen. ^) Mau konnte sich für dieses Verbot
durch siner sele willen dengnies, so im von den Burgern worden
ist, dem Rat antwürtet , da sol im der Rat den halben teil des
genises wider geben."
1) 1. Langob. II. 31. 1. „ut nemo proxiter cupiditatem pecuniae det
pretium, ut futuram emtionem sihi praeparet, sed ttmc tantum, quan-
tum p/raesentes sunt fructus, sihi illos eomparet." — Pertz (legg. I.
144.) capit. (80Gj §. 7. „quicwnqiie tempore messis vel vindemiae non
necessitate sed propter cupiditatem comparat annonam , hoc turpe
ITL 2. Wnchorvi'vb. d. Rechtsquellen, o. Kauf dor Früchte etc. 101
auf die oben zitirten kanonistischeii Bestimmungen über die
Honiiolien bezielieii ; in beiden Füllen ^ing man auch hier von
der Voraussetzung aus, dass der Verkäufer arm, der Käufer
reich und habsüchtig sei.
So bildete diese Untersagung nur einen Theil des TIT. 2. a.
bereits angebahnten und weit umfassenden Wucherverbots,
welches sich in wahrhaft unzähligen Artikeln der deutschen
Rechtsquellen als mehr oder weniger allgemeine Unter sa-
gung aller Lieferungsverträge, so wie aller Vor-,
An-, und Aufkäufe wiederholt und in diesem Gipfelpunkte
eines Zweiges seiner Gewalt offenbart, wohin die praktische
Anwendung des sittlichen Grundsatzes, mufunm date nihil
indc spcranfcs, den ganzen Kapitalverkehr führen konnte.
Von den kleinen Anfängen der Capitularien und ersten
Concilien gingen die zwei hier zu verhandelnden Verbote schnell
in die Spezialgesetze der einzelnen Gebiete Deutschlands, wie
in die Reichsgesetze über. ^) Die bisher ungedruckte Danzi-
ger AVillkür von 1380 — 1454. Tl. Tbl. fl. 26. (Danz. Archiv.
Bibl. X. 1) sagt u. A. :
„Keyn man sali ingerlay gutt vor kouffen vor der Stat, adir
in der Stat freyheit, es enkomme denne vor czu markete."
und in den einzelnen Bestimmungen darüber fl. 31 :
„alle dieghenne die fische mit vorkouffe kouffen zcu wasser
ader czu lande vnde lacszen en nicht czu markete komen,
der kouffer sal seyn gelt verloren haben."
Ferner :
„ Item die frowen , die in die botesz geen , bey die Brugke
unde aide fische kouffen, vnde lacszen die fische nicht off
hierum dicimus." — Eichhorn. D. P. R.§.98. — Maurenbrecher, D.
P.R.n.§. 383.— Kraut, Grundriss§. 150.— Zöpfl, R. G. U. §. 124. IH.
1) Von französischen Gesetzen cf. const. regia Ludovic. XI. a. 1482.
Franz I. erneute diese Bestimmung ; von frisischen das Edict von 1531. —
cf. Stryck, U.M. P.XII.l. §.36. — cf. dissert. de venditione illi-
cita fructuum herhescentium (Eeimers. Halle 1738.) §. 14. §. 17.
— Aus dem Heere der Belege zitire ich nur Bair. L. 0. (1491) 1. c.
p. XL. „Item wer wuchert oder geferliche kauf tut. als weil das traid
auf dem feld steet. " — Dithmar ser L. R. ( Michelsen 1. c. ) p. 15
(1447—67) Lundener Stadtr. (1529) art. 34.
1(V2 TU. '2. WufliiM-vcrb. il. Rochtsquellen. c. Kant' dov Früchte etc.
den market komme, die sollen ir gelt verloren haben, vnde
36 gutte dortiin." ^)
l) cf. Augsburger Stat. (Walch, Beitr. IV. nr. 1.) (1276) p.
•2-J2 — 224. PragerK. (saec. 14.) 1. c. p. 72. — Salzburger L. 0.
(1328) 1. c. p. 5. art. 33. — Ofner Stadtrecht ( 1244 — 1421 ) 1. c. nr.
139. p. 90. Hier ist allein den Juden Sachen aller Art aufzukaufen ver-
boten (cf. J.Grimm, Rechtsalterthümer p. 610.) — Revaler Stadtr.
(1347) 1. c. I. — In Zürich war der Verkauf der Früchte auf dem Halme
schon 1430 untersagt. Im dortigen Stadt - und Landrechte wurde dann das
Verbot erneuert, cf. Blun t schli, Züricher Rechtsgoschichte IL ]>. 272-
— S p e y e r e r , Stadtr. (Genglcr , 1. c. p. 453.) R e c h t s g e w o h n h e i t e n
aus saec. XIV. ed. Lehmann. Speierer Chronik (1412) IV. cp. 21. p. 159.
Co In er Stat. 1. c. (saec. 14) a. 46. p. 69. cf. R. A. v. 1512. §. 16 — 18;
1526. §. 26 ; 1529. §. 34 ; 1530. §.135 „ auch etliche sondere Personen
seiend , die allerlei Waar und Kaufmannsgüter , als Specerei , Erz , Wöl-
lentuch in ihre Hand und Gewalt allein zu bringen unterstehn , Fürkauf
damit zu treiben , sezen und machen ihnen zu Vortheil solcher Güter den
Werth ihres Gefallens. — §. 136—37; 1548. 18. §. 1 — 12; 1577. 18.
§. 1. — Statuten von Alstä dt (1565) (Walch, Beitr. VI. nr. 4. art. XLII.
p. 217) ,,soIl keinem Wucherer oder vorkeufFer gestattet sein, ainigerlai
getreide oder andere wahre auf wu eher auf zukauifeu , dem Armen das
Brodt dordurch vor dem Munde wegzurappen, dordurch dann
auch mutwillige teurunge geursachet." — Meklenburger P. 0.
(1562) Rostock, p. 71. Würtemberger L. 0. ib. 1. c. fl. 129. — Pfäl-
zer L. R. (1580) Lc. XIV. p. 70. nx. 12. — Stat. v. Peina (1597)
Pufendorf , obs. IV. app.nr. 13. p. 242. p. 260. cf. Kuppener, v. Wucher-
hinten , Beil. E. — Den Verkauf der zum Lebensunterhalt nöthigen Waa-
ren insbesondere gestattete man dem Einzelnen nur so weit , als er die
Waaren zur Unterhaltung seines Hauswesens bis zum nächsten Markt-
tage oder eine Woche hindurch bedurfte ; wer mehr einkaufte , galt als
Wucherer (cf. Münchener Stadt R. ed. Au er, 1. c. a. 412. p. 157.) In
der Hennebergischen L. 0. (1539) ed. Hassert (1790) tit. l.cp. 3; VI,
2 war Solches dann allein den Bürgern erlaubt , wann eine Theuerung
' der Leben.smittel bevorstand. Das geschah damals freilich bei dem höchst
geringen Waaren - und Geldundaufe in den kleinen Binnenstädten , ja
selbst in den grossen Seestädten , hier indess mehr durch politische Ver-
hältnisse veranlasst , durchaus nicht selten. Aus dem eben erörterten
wirtJischaftlichen und aus politischen Gründen erstreckte sich solch ein
Verbot des Vorkaufes überhaupt oder des Vorkaufs vor Ausstellung der
Waaren während bestimmter Zeit an den öffentlichen Märkten selbst auf
den Fall , dass Inländer im Auslande zur Einführung in das Inland der-
gleichen AVaaren auilauften. Mehr noch galt derjenige als Wucherer,
welcher im Inlande diese Waaren zur Ausfuhr aufkaufte.cf. sogl. im Texte.
m. 2. Wucherverb. (L Rechts(|iiellen. c. Kauf der Früchte etc. 1.03
Nocli im 15. Jahrhundert wird auf den Hansetagen wiederholt
bestimmt : Niemand soll Hering verkaufen , ehe er gefangen,
Korn, ehe es gewachsen, Gewand, ehe es gemacht ist (1417.
1421.1484. cf. Hirsch, Handelsgesch. p.233). Diese Gesetze
indess , wie eine Zahl ähnlicher im übrigen Deutschland , wel-
che sich vornehmlich auf Lieferungs - und Aufkaufsverträge
der Städt'^' mit ihren Hinterländern beziehen, haben weni-
ger Uire P^rklärung in dem Wuclierverbote, als in der damals
für Handelsgeschäfte mit dem Auslande ganz besonders nöthi-
gen Vorsicht wegen der häufigen Aus - und Einfuhr - Verbote,
der Gefahren gegen Elemente und Räuber zu Land und See,
der erzwungenen Haftung der Kaufleute im Auslande für ihre
schuldenden Landsleute , wegen der dadurch bewirkten Schwan-
kung der Preise , der ünkenntniss von Versicherungen u. s. w.
Die obigen zwei Verbote indess schadeten natürlich dem-
jenigen , zu dessen Schutze sie erlassen waren , besonders also
dem Landmanne ebensoviel , als sie ihm nützten ; daher Hessen
die Gesetzgeber allgemach Ausnahmen von ihnen zu. Nur
zu bestimmten Terminen, die das Gesetz feststellte, waren
dergleichen Verträge erlaubt; oder nur dort, wo der Käufer
einen Preis zahlte oder versprach, welcher nach der Schä-
tzung kundiger Männer oder nach dem zu bestimmten Zei-
ten gewöhnliclum Marktpreise dieser Waaren ^) als der rich-
tige Preis derselben erschien. So kam man auch hier ganz wie
in der kanonistischen Lehre seitens der Kirche , durch das
willkürliche Eingreifen der Polizeigewalt in die Naturgesetze
des Verkehrs zu der Voraussetzung eines jeder Waare inwoh-
nenden, überall angemessenen und rechten Preises derselben, und
zwar sollte sich dieser Preis nicht frei im Verkehre selbst her-
ausstellen , sondern die Staatspolizei , dort die Kirche, erkann-
ten ihn allein und verkündeten ihn dann. Daraus entstanden
1) Der Hochmeister des deutschen Ordens in Preussen Hess vom
Rathhause der preussischen .StJidte verkünden , wer auf Gerste auf dem
Hahne Geld gegeben habe, ,,der sal so vele gerste daran nemen als das
gelt reichen mag noch des niarktis loufe." Strafe trifft den Zuwiderhan-
delnden. Danz. Arch. Urk. 39, 7 (14. Jahrh.) u. a.
104 111. -. WucluMVorb. d. Reohtsqnellcu. o. Kauf der Früchte etc.
die P 0 1 i z e i t a X e 11. In Michelscn l. c. art. vom Kirchspiel
zu Meldorf (1541) p. 234 lieisst es:
„ de overst Gelt up Korne uthdeit de scall so veele up de
Tonne geven, alss sse tor tudt tlio Markede gelt unde myn
nicht. . . •' ib. art. 12: „ Wenn Jemand des Sommers Gheldt
up Korne uthdeit, dat schall staen 3 Weken nha Michaelis,
unde de Tonne schall men man emen Schillingh ringer , alse
se redt Gheldt ghelden kann , wenn se geleverd würd , an-
genommen werden. Wol averst des Wmters Gheldt up
Korn uthdeith, dat schall staen beth up Midvasten, de Tonne
schal men ock man einen Schillingh rmger köpen, alse
se redt Gheldt ghelden kann wenn se gelevert würdt. De
averst dat Korn will averstaen lathen nha gemelten Termi-
nen , schall nicht mher upp de Tonne nemen , also wo baven
getheröret. Dat Korn schal averst up vorgemeldte Tiden
gebracht werden , up Vorlust der Vraght , welker schall de
Nehmer jeghn den ghennen, de sodann Gheldt uthgedaen,'
verbohret hebbe."
In verschiedener Weise beraumten die Gesetze die Zeit an,
zu welcher es gemäss den natürlichen Verhältnissen des Acker-
baues nicht wucherlich erschien, dergleichen Verträge zu
schliesseu, weil die jenen Verboten zu Grunde liegenden Vor-
aussetzungen dann theilweise oder ganz fehlten. So sagt
Purgoldt in seinem Rechtsbuche VIII. cap. 50: „tudt eym
armen maime geldes nodt, und hat für ym nicht, daher
gelt mite gelosen möge dan von den fruchten s y u e r e c k e r,
und vorkeuft dy saedt uf dem feylde, also wan das körn ryffe
wirf, das der keuffer dan dye ecker uskysen wolle und nicht
eher: das ist wucher und nicht recht; wan her dye säet nahe
vej^le keuffet und wil dan des kornes gewissheit haben von
der koer wegen, der tudt unrecht, wan keuft her sadt, so sal
her säet kysen , wan sye uf gegehet , keuft her aber körn , so
kyse her, wan hers schulden sali. Die säet sali man ky-
sen im m e y , das eyn man besehen möge , ab dye ecker wol
und recht besewt sein, und sal fordt sein obenteuer stehen
mit dem misse wachssen ; so wirt sein wynung gotlich." Die
Artikel des Kirchspieles zu Meldorf weichen hiervon wesent-
ni. 2t Wufhervprb. d. Eeohtsqnollon. c. Kauf der FriUhte etc. 105
lieh ab. Meistens lautet di9 Zeit 14 Tage nach der Ernte,
oder nach Weihnachten, theils für die Gestattiing des Kaufes
überhaupt, theils für die Abmessung des Preises. So sagen
die R. P. 0. von 1548. 19. §. 1-2. und 1577. 19. §.1 — 3,
welche die ganze Frage emgehend behandeln:
Nachdem nicht ohn gross verderblich beschwerden des ar-
men, gemeinen Volks befunden, dass demselben durch
etliche eigennützige, geizige leut, im Schein der Kaufmann-
schaft auf ihre Samen , so noch auf dem Felde stehn , auch
den Wein au den Stöcken und an ihre Frucht, Arbeit, Viehe,
Geld oder ein anders hinausgeliehen oder gegeben , dadurch
dieselben ... was sie gar härtiglich erarbeiten, näher, dann
sich sonst nach gemeinem, gewöhnlichem Kauf gebührt,
zu geben verursacht und gedrungen waren §. 2. Desselben
gleichen wird vermerkt, dass etwa hier zu wohlfeilen Jah-
ren . . . viel Zinss - und Gültverschreibung aufgerichtet wor-
den, darinnen ein anner Mann mit etwa 10, 15 Galden ...
1 Malter Korn verschrieben — und alsdann fürders solche
Gülten zu einfallenden theuern Jahren ein Weg wie den
andern zahlen müssen — §.3. wird erlaubt ein Gelddar-
lehn für künftige Feldfi'ttchte zu geben „ doch nur auf
den Schlag und gemeinen Kauf , was jene nemlich zur
Zeit des Contrakts oder 14 Tage zunächst nach
dem Herbst oder Ernten gelten..." i)
Die Kirche säimite . als die weltlichen Gesetze ihre Lehre so
glänzend anwandten und entwickelten , nicht minder , sich
gegen diese Art der Umgehung des Wucherverbots, als welche
sie die hier behandelten Verträge auifasste, mit Feststellung
1) cf. Bremer Constit. (1580) b. Mevius. 1. c. p. 121. Pfälzer
L. R. (1580) 1. c. ti. XIV. fol. 70. nr. 8. erlaubt nicht Wein vor der Lese,
Getreide vor dem Dreschen zu verkaufen. Hadler Stat. (1583) 1. c. p.
26.— Tiroler L. 0. (1573) p. 94. — L. E. der Grafschaft Eber-
stein (1508) b. Geschichte der Grafen von Krieg von Hochfeldcn
(Karlsruhe 1836) p. 461. — Würteni b erg. L. R." 1. c. (1597. 1610.)
fl. 129. — Wächter, Handb. p. 496. — Eichhorn, D. P. R. g. 98. —
Mittermaier, D. P. R. §. 167. — Philipps, D. P. R. (Berlin 1829)
I. p. 189. §. 15.
10<> in. 2. Wuchorvorb. d. Hoclitsquollon. c. Kauf der FriicTite etc.
(ieisoUien Ausnalimen bei Clerikern und Laien auszusprechen.
Schon in dem Concile von Trier 1227 heisst es:
„item praecipimus , ne ca infcufione mutnent pecuniam
sunm ante messem vel vindemias, rccepturi in messe vel
vindeniiis hladiim vel vinum pro mnlto minori pretio, quam
valcat in tempore hiadum vel vinum emant illicite paeis-
cendo ante messem vel vindemias ad exponendmn sive ex-
pejidendum in domihus fünf um et non advendendum; item
inhibemus sacerdotihus et clericis beneficiatis , ne tempore
messis vel vindemiarum emant vilius hiadum vel vinum a
paujK'ribus , ut jwstea carius vendant , item omnes vitiosos
confractus aliunde , sive inloeatione sive segetibus in campns
ad em&ndis in futurum, ne fiant secundum aestimationem
aliquorum peritorum/' (conc. Germ. 1. c. vol. III. fl. 532.)
Wenige Gesetzgeber nur stellten sich auf den richtigen wirth-
schaftlichen Standpunkt , mdem sie diese Verträge ohne jeden
staatlichen Eingriff sich naturgemäss gestalten Hessen, ^) oder
gerade Sorge trugen, dass der Schuldner (Verkäufer) durch
seine Trägheit mid böse Absicht den von Natur schon zweifel-
haften Erfolg dem Gläubiger nicht völlig vernichtete. Sie be-
legten deshalb den Verkäufer mit nicht milderen Strafen, als
den Käufer;^) demjenigen Gläubiger dagegen, welcher schon
lange vor der Ernte den Preis der Früchte auf dem Halm
bezahlt hatte, gestatteten sie zur Ausgleichung des hieraus
für den Schuldner erwachsenden Vortheils, etwas billiger als
zu dem derzeitigen Marktpreise die Früchte anzunehmen. ^)
1) cf. Orth, Anmerkungen zur Frankfurter Eeforniation I. p. 59. —
Stryk, ü. M. P. d. reb. vend. §. 9. 2) cf. Hadler Stat. 1. c. Wenn
der Verkäufer durch seine Schuld die gekauften Friichte verschlechtert,
zwang ihn der Schultheiss , gute zu liefern ; hatte er gar nicht gesät , was
er im Felde verkauft , so zahlte er ausser dem Kaufi^reise noch eine die-
sem angemessene Geldstrafe an den Käufer. Dasselbe gilt , sobald er
einen Theü des verkauften Getreides zur Weide für sein Vieh verwandte.
Aber wenn er Mehreren dieselben Früchte verkauft hatte , so lieferte er
sie demjenigen, welchem er sie zuerst versprach, den Uebrigen musste
er ausser ihrem Kaufpreise den Schaden ersetzen , welchen er ihnen durch
seine Schuld zugefügt. 3) cf. K i rc h s p i e 1 M e 1 d o r f ' s S t a t. cf. ob.
— Bremer Constit. 1. c.
TIT. 2. Wiuherverb. d. Rechtsquollon. c Kauf der Friirhto etc. 107
An Strafen ertheilten einige Gesetzgeber den Käufern die-
ser Waaren ebenso schwere, als den öffentlichen Wucherern. ^)
Andere traten den Keichsgesetzen bei, und Hessen Verlust der
gekauften Waaren oder des Kapitals und eine Geldstrafe ent-
sprechend der Höhe des Kaufpreises eintreten. -) In den Sta-
tuten von H ad ein bestimmte die Obrigkeit die Strafe nach
ihrer Wahl. ^) Schwerere Strafe büssten die Aufkaufsgesell-
schaften Avegen ihres gemeingefährlichen Charakters. Ihre
Güter wurden coutiszirt , ihre Mitglieder , welche sie denuucir-
ten, blieben von der Strafe frei, andere Denuncianten aber
erhielten den vierten Theil des confiszirten Vermögens. *) Ja
man bestrafte sogar diejenigen, welche trotz ihres Wissens
von solcher Gesellschaft nicht denuncirten, mit gleicher Strafe,
als die Wucherer und liess die Gesellschaften von Amtswegen
verfolgen.-'') Die Polizeigewalt blühte, alle Spekulation sollte
unterbunden werden, (cf. VI. 2.)
Em ganz anderes Bild von der Festhaltung des Wucher-
verbotes, als diese gesetzlichen Bestiinmungen , bietet der all-
tägliche Geld - und Waarenverkehr. Wenn in letzterem schon
von der ersten Zeit des Äfittelalters her die kanonistischen
1) cf. Speier er Rechtsgewohnheiten 1. c. Sogar die Constt.
regni Siciliae (Neapel 1773) müssen an dieser Stelle zitirt werden, da
sie in 11. p. 97 (Robert) schreiben: „Prohibennts, ne mercator aliquis
seu quovis alio nomine nuncujjetiir frumentum vel hordeum vel victuaUa
qimelibet, aut alias fieri moleste praecipimus , ante tempus messiuni vel
post illud fenerari vel indebitare, ut vulgi vocahulo alludamus, quovis
modo vel colore quaesito, praesumant. NonnuUi namque , sicut est vul-
garis fama et notoria, fenerutores seu indebita'ores vulgo vocati , arara
cupiditnte seducti victuaUa emere intempestive i)rocurant et eorum horreis
inde repletis, ut ea j^ostmodum cariora vendant et ex illo uberiora lucra
perquirant , tempus famis anhelanier exspectant. ... Horum profecto
damnala nequitia sano judicio vitium iisurartmi non solum aeqHij)arat
sed etiam excedit." 2) R. P. 0. 1548. 1577. 1. c. — Würteraberg.
L. R. (1537) 1. c. — Meklenb. P. 0. 1. c* — Tiroler L. 0. (1573)
1. c. p. 94. — Badische L. 0. (l(;-2i>) ti. III. ].. 5H. — ti. VI. 3) Ha-
deler L. 0. 1. c. p. 126 von wucherlichen Contrakten. 4) R. P. 0. 1548.
1577. 1. c. 5) cf. S t a t. v. P e i n a I. c. (1597).
los in. -2. Wuclicrvorb. d. Rechtsqnollcii. c. KiiiiCdcr Früclite etc.
ZmsvorsolirifttMi iiiclit (lurcligTeitencl 7Air Geltung gelangten,
mnssten sie danach um so unaut'haltsanier /Airückweiclien , je
niäolUiger mit jedem Tage der Handel und (jfewerbebetvieb
seine Schwingen entfaltete.
Ehe indess auf dem Verkehrsgebiete das Bild des zinsba-
ren Darlehns und der sich daran unmittelbar schliessenden
Rechtsgeschäfte , welches der eben vorgeführten Darlegung in
vielen Punkten geradezu gegenübersteht und die geringe Wir-
kung der deutsch -kanonistischeii Zinsgesetze grell beleuchtet,
eingehend dargebreitet werden kann , erscheint es geboten,
die Fyntwicklung derjenigen Reclitsinstitute und thatsäclilichen
Verhältnisse aus den Gesetzen und dem Verkehrsleben vor-
zuführen , welche theils innerhalb der Grenzen der kanonisti-
schen AVuchergesetze (TV, 1 — 3) , theils über diese hinaus (V.
1 — 5. VI. 1-2) Zinsen zu fordern oder allgemein ultra sor-
tem aJiqnid accipere gestatteten, und dadurch erheblich zur
Ausbildung des zinsbaren Darlehns in Deutschland und zur
Beseitigung des ganzen Wuchergesetzes der Kirche in der
Gesetzes - und Verkehrs - Praxis , wie in der juristischen und
wirthschaftlichen Theorie beitrugen.
IV.
Gesetzliclie Ausnahmen vom kanonistischen
Wucherverbote, innerhalb der Grenzen des-
selben, hl Deutschland.
1. Das Allgemeine.
Die Glosse Buchs zum Sachsenspiegel I. 54. fügte, wie
erwähnt, der Definition des Wuchers bereits die Bedingung
hinzu: „also of he id bededinghede." Damit ward
der wucherliche Contrakt allein , solcher aber , nach der wei-
tern Ausbildung dieser Lehre, in umfassendster Weise zur Ver-
folgung und Bestrafung jeder wucherlichen Absicht, bei dereme
vorauszusetzende Uebereinstimmung beider Contrahenten vor-
lag, durch das Zinsverbot getroffen. Dagegen galt als erlaubt,
wenn der vSchuldner, ohne dass der Gläubiger auch nur eme
Ahnung von irgend welchem Gewinne idtra sortem hatte, dem-
selben nach Ablauf des Vertrages Etwas ultra sortem zukom-
men Hess. Das mochte selbst nach strenger Auslegung des
mutnum date nihil inde sperantes kanonistisch gestattet er-
scheinen.
Andere Ausnahmen gesellten sich bald herzu, welche
theils aus dem Drängen des Verkehrs, tlieils, und zwar zur
grösseren Zahl, aus dem emgehenderen Anschlüsse an das nicht
selten irrig aufgefasste kanonische oder auch römische Recht
gemäss den Studien und praktischen Absichten der Rechts-
schriftsteller entstanden. So vertheidigt die sächsische Glosse
von Bocksdorff das Zinsfordern, wo es stattfand zu Nutzen
110 IV. AnsiiahimMi v. kanonist. Wnoliorverbote. 1. Allgemeines.
einer Kirche ') oder überhaupt eines geistlichen Zweckes, zur
rnttM-driu-kuHii- des Stolzes im Schuldner, -) zum Schaden für
Juden und Heiden , •') zum Ersätze der Früclite von einer auf
Zeit verkauften Sache , ^) als Dankbezeugung ■'') , desgleichen
wo der Depositar sich eines Gelddepositi gleich eines Darlelms
vom Deponenten her bediente u. A. Wendete man indess diese
Fälle zur Umgehung des Wucherverbotes an, so fielen sie
unter das Verbot selbst. '^') Dazu wird auch gestattet, durch
Draufgeld oder Conventionalstrafe im Falle der Nichterfüllung
des Contraktes das Kapital zu vermehren, und ausdrücklich
festgesetzt, der Mandant dürfe von seinem Mandatar, welcher
von jenem zum Rentenkaufe Kapital empfing, im Verzuge so
viel Zinsen ausser dem Kapitale fordern , als die zu kaufenden
Renten betragen hätten. Auf der andern Seite beschränkt man
das „also of he id bededinghede , " indem man selbst den
Schuldner, welcher Zinsen oder ein plus ultra sortem zu zah-
len beabsichtigte und auch nur einseitig zusagte, mit den
Wucherstrafen bedi'ohte, falls er dem Grerichte nicht zu bewei-
sen vermochte, dass besonders grosse Noth ihn hierzu bewo-
gen hatte.
In wie weit diese Ausnahmefälle in der Rechtspraxis Gel-
tung erzielten, lässt sich aus den einschlagenden Urkunden
des Verkehrslebens nicht feststellen , da in diesem , Avie schon
bemerkt, die Uebertretung der Wucherbestimmungen allge-
mein war. In den oben genannten Rechtsquellen finden sie sich
nur vereinzelt. Als am Ende des 15. Jahrhunderts das kano-
nische Recht mit neuer Kraft sich Geltung in den deutschen
Rechts - Quellen zu verschaffen trachtete, schlössen die Schrift-
1) Der Glossator folgert dies aus cp. 1 u. 8. X. 5, 19. Diese Stellen
reden indess nur von der Rückforderung rückständiger Kirchenzehnten ;
dagegen verwirft cp. 4. X. 5, 19. die obige Folgerung Bocksdorffs.
2) Dazu zitirt er die Digesten. 3) c. 12. C. 14. qu. 4. (Ambrosius) uhi
jus belli, ibijus usim-arum. 4) c.4. X. 3, 21. d. pignor. 5) c. 30. X.
5, 3. d. siinonia. Dass dies zur Zinsforderung nüssbraucht werde, verbie-
tet c. 10. X. 5, 19. Es ist einer der gemäss obiger Darlegung unter dem
„also of he id bededinghede " begriffenen Fälle. 6) cf. Sachsen-
spiegel ed. Zobel. Leipz. 1561. Gl. zu I. 54. fl. 139.)
IV. Ausnahmen v. kanonist. Wucherverbote. 1. Allgemeines. 111
steller sich um so enger an dessen Wucherausnahmen an , so
Purgoklt. Derselbe nimmt l)esomlers, was für die Entwicklung
des Kaufes, der Lieferungsgeschäfte wichtig ist, den in cp. G.
10. X. 5, 19 geschützten Fall des Kaufes fast wörtlich auf in
sein Rechtsbuch (IIl. cp. 50):
„kouffet eyner körn, wein, wollen addergewant, adder wel-
cherley ander kauffmanschatz es ist, die man gemessen ad-
der gewegen mag, ufi" eyne benante tagzcit zu be-
zcalne , also das es in eyme glichin bescheydenlichen kouffe
geschit, da ist wol recht, und ist keyn wucher, wan
der kouifer der weys nicht, noch der vorkouflfer, ab es uff"
die zeit mer adder mynner gildetli. Vorkouffet her es aber
turer, danne es uff die zceit gegeldin mag, szo ist der kouft"
ungottlich unndt ist recht wucher, was es doruber gildet.
Ditli ist geistlich recht und das beschriebin recht und stet
ex. de usuris. ^)
Noch ausführlicher zählt Tenglers Layenspiegel , seinem Cha-
rakter gemäss, die Ausnahmen auf und fügt weitere dazu,
cf. L a y e n s p i e g e 1 1. c. :
„ Nichtzmmder wird menigerley väll im rechten angezaigt,
darin man über das haubtgutt zimblich on läster-
lichen Wucher nemen etwan und geben mag:
Wenn etwas für schaden oder perickel ^) compensiert mrd,
one vorgeend geding , das mög menigerley väll im rechten
sein . . . was für gesetzte peen geben wird. Item so icht im
Zweifel über das haubtgutt genommen wird. Item, wo ye-
mands frembd geltt umb ainen kauff einlegen sollt und es
Verzug, so möcht jhener des solch geltt gewesen, so vil
über das haubtgutt nemen , als er vermutenlich damit liat
mögen redlicli gewynnen , wo es eingelegt worden war . . .
dessgleichen der Kh'chen administratorn und tutorn, item
1) cf. Azorin. HI. 1. 5. d. usur. c. 2. i. f. c. 6. — Less. 1. c. c. 13.
— L. Molin. disp. .'318. 'Söii. - - ('ovarruv. II. c. 3 n. G. — Böhmer,
J. E. P. 5, 19. §. XX. XXXVIII. 2) Ein Hinweis auf das foenus nau-
ticum c. 19. X. 5, 19 und dessen Ausdehnung zur Vergütung jedes Risiko
in solchem Umfange , dass man eigentlich nur einen anderen Namen für
die Verzinsung d. h. Vergütung der Capitalsnutzung fand.
1\'2 T\. Ausnahiuou v. kanonist. Wuolien erböte. 2. Verzugszinsen.
in redlichen kriegemi von Feinden möcht man ziembliclien
wüelier nemen . . . Item so ain geltt angezaigt oder in
pl'auds weiss eingelegt wird. . . . Sollicli und meer ander
väll mochten an der form zulässlich aber durch
den Willen f ü r W ü c h e r ') und dem gewissen beschwär-
lich gemacht werden. . . "
Aufzählungen, welche hier zweifellos zum grösseren Theile mehr
als Bekundung der Gelehrsamkeit ihrer Autoren, denn als
Beweise der geltenden Verkehrspraxis aufgefasst sein wollen.
Genauer indess muss wegen ihrer allgemeinen Geltung
im deutschen Rechtsgebiete und ihrer durchgreifenden Wich-
tigkeit für die Entwicklung des zinsbaren Darlehns auf dieje-
nigen Ausnahmen eingegangen werden , welche in der Ersatz-
forderung für Schaden aus dem Verzuge der Vertragser-
füllung und für Schaden aus der Vertragserfüllung
selbst sich zeigen.
2. Die Verzugszinsen insbesondere.
Wenn unzweifelhaft jedes Volk auf einer bestimmten Cul-
turstufe eine Zahl fester Eechtsgrundsätze gerade bei den
Verträgen naturwüchsig erzeugen muss, so bieten besonders
die deutschen Rechtsquelleu , indem sie die emzelnen Verträge
nur höchst lückenhaft behandeln, über die allgemeinen Rechts-
grundsätze des Vertragsrechtes einen sehr reichhaltigen Stoff
dar. Diesen zu formen, bedurfte es keiner grossen Abstrak-
tion van einer Zahl in sich verschiedenster Einzelverträge,
etwa wie im römischen Rechte. Hätte es solcher Abstraktion
bedurft , der Stoff wäre karg und mangelhaft geworden ; denn
in der Abstraktion zeigen sich die deutschen Rechtsschrift-
steller bis in die Neuzeit hinein merkwürdig schAvach. Viel-
mehr ergaben sich aus der Menge der in sich gleichen , auch
sämmtlich klagbaren Einzelverträge — abgesehen von den ab-
1) „Durch den Willen" sclüiesst den Fall des Gebrauchs dieser
Ausnahmen zur Umgehung des Wucherverbotes von der Erlaubtheit
aus , wie auch in der Glosse des Bocksdorif die usuraria voluntus allein
entscheidet.
rV. 2. Verzugszinsen, a. Zahlungsverzug. 113
sohlt verbotenen, wie der Wuchervertrag — jene allgemeinen
Lehren durchweg übereinstimmend und harrten nur, aufge-
zeichnet 7Ai werden.
Deshalb finden sich insbesondere die in das vorliegende
Thema einschlagenden Theile jenes allgemeinen Vertragsrech-
tes, so die Lehre vom Ersätze des Schadens aus Verträgen
(wie der Wucher an sich), in den Quellen eingehend behan-
delt. Grade deshalb aber zeigt sich hier auch in besonderer
Stärke die bei jeder deutsclirechtlichen Quellenarbeit auftau-
chende Schwierigkeit, aus den in den einzelnen Gebieten
Deutschlands verschiedenen allgemeinen Sätzen des Vertrags-
rechtes — zumal bei der vielfacli lückenhaften , nicht gleich-
massig erschöpfenden Herausgabe und Sichtung der Rechts-
quellen — allgemein gültige Sätze zu entwickeln.
a. Häufiger Zahlungsverzug.
Verzug der Vertragserfüllung begegnet in Deutschland,
während des Mittelalters und eines Theiles der Neuzeit über-
aus häufig. Zeugen sind die Vereinbarungen der Parteien
über die Folgen solchen Verzuges fast in jedem an Werth noch
so geringen Vertrage , die eingehende Behandlung der Materie
in den geschriebenen Rechtsquellen , die Fülle der Mittel zur
Verhütung des Schadens aus dem Verzuge, die endlosen Ver-
wendungen der Städte und Herrscher bei einander für ihre die
Schuldner verfolgenden ünterthanen und Bürger, die ewig
wiederkehrenden Repressalien an den Gütern der Ausländer
für die rückständigen Schulden ihrer Landesgenossen, die frühe
schon mit der Entwicklung des persönlichen Credites, der
Arbeitstheilung im Handelsbetriebe (Commissions - Speditions-
handel) beginnenden Reisen der Bevollmächtigten einzelner
Handelshäuser zur Eintreibung ihrer auswärtigen Forderun-
gen , und die Menge der Schuldprozesse selbst bei dem schlep-
penden Prozessgange erweisen das mit erschrecklicher Deut-
lichkeit.
Ursachen dieses Missstandes sind anfänglich die Gering-
fügigkeit der Zahlmittcl, die Noth der Schuldner, die Fülle
der Hhulernisse , welche sich ihnen bei Erfüllung des Coutrak-
Neiimann, Gesch. d. Wuchers. O
114 I\'. '2. \'orzugsziiisoii. a. Zahlniiirf^vovzug.
tes zumal an einem entfernten Orte (wie bei den Wechseln)
ents^etjonsetztcn , dann die tliatsäch liehe und rechtliche Unsi-
cherlieit der (Jlruibi^er im Aus- und luhiude, der schloichonde
Prozessgang,') der Vorthoil, welchen der Schuldner aus dem
1) cf. z. B. den Wochsolprozcss Tictlonian Öwartes gcycn Dan/ig we-
gen Zahlungsverzug bei einem Wechsel. Schon im October 141G schwebt
der Prozess eine lange Zeit und der Kläger droht mit Repressalien „ dat
ick my des myne an den juwen end erer haue hopte to bekomen." 1454
sehreiben die Parteien auf demselben Standimiiktc noch her und hin.
Danz. Arch. Urk. 24. C. (J. (1454) cf. Neumann , Gesch. d. Wechsels im
Hansagebictc. Anl. A. 1. u. 2. — Desgl. Danz. Arch. (Urk. n. 13061 , 60,
63, 65, 64, 13117, 13097 , 13134) der Wecliselprozess Thorns gegen Pe-
ter Eier aus Danzig , dann gegen dessen Erben , wo Eier als Acceptant
eines von Thorn über 160 mrk. Bierschuld gezogenen Wechsels nicht
zahlte. Der Prozess gewinnt nach langer Verzögerung dadurch einmal
Fortgang, dass zufällig ein Thorncr Eathmann von dem Danziger
Bürgermeister hört, der Beklagte berufe sicli auf das Zeugniss eines
Thorner Bürgers , und dieser Eathmann nunmehr den Thorner Rath ver-
anlasst, das qu. Zeugniss in Thorn zu extrahiren und nach Danzig zu
übersenden. — Welche unleidliche Verzögerung in der Verfolgung des
Schuldners ward dadurch herbeigeführt, dass er allbereite Gelegenheit
fand , gegen Aufopferung eines kleinen Vorthcils von dem weltlichen Ge-
richte den Prozess an das geistliche hinüberzuziehen und hier
die vohintas des Gläubigers zu verdächtigen (wie sehr kam ihm dabei die
Beweisführung im deutschen Prozesse zu Statten) , oder von nahen und
fernen Machthabern bis zu des Kaisers Majestät hinauf sich Morato-
rien zu erkaufen. Gar zu spät erst treten die Reichsgesetze entschieden
hiergegen auf (cf. R. P. 0. von 1577. 23. 4. kais. Commis. Dekret. 1668.
1669. Moser, Traktat von kaiserliclien Regierungsrechten) , damals aber
konnten sie gegen die Gesetzgebung der Einzelfürstcn Nichts mehr aus-
richten , zumal man selbst aus ihren Zeilen noch die Lust der kaiserlichen
Kasse an dieser ergiebigen Finanzquelle sprechen hört. Wie entsetzlich
langsam , ja wie oft gar nicht wurden die Prozess - oder Exekutiv - Re-
quisitionen der einzelnen Gerichte bei anderen Behörden erledigt , welche
Unzahl von Hindernissen stellten sich bei der allgemeinen Unsicherheit
der Zustände , bei dem Gewirre der Competenzen nach Ort , Zeit , caussa
u. s. w. selbst bei gutem Willen der Requirirten den Requisitionen ent-
gegen. Selten begegnet eine Gewissenhaftigkeit , wie in der Urk. 22. 154
(1497) des Danz. Arch., wo der Prager Rath sich entschuldigt bei dem
requirirendcn Danziger Ratlie , dass er zweien Danziger Gläubigern noch
nicht Hillo gegen ihre säumigen Schuldner habe leisten können ; der eine
sei nicht daheim, der zweite stelle unter einer andern Gerichtsbarkeit;
1
rV. 2. Verzugszinsen, h. Dies interpellat pro liüiiiliie. 115
Verzuge zog, während er nicht zu' sorgen brauchte, dass sein
Credit unter der ünpünktlidikeit der Vertragserfülhmg litt,-
vereinzelt auch das oft avislose übermässige Ziehen von An-
weisungen auf den bis zu gewisser Höhe tributpliichtigen
Sdiuldner ^) u. A.
Zwei Ursachen der Entstehung dieses häufigen Verzuges
smd noch besonders zu erwähnen.
b. Dies i n t e r p e 1 1 a t [i r o h o m i n e.
Im deutschen Rechte entsteht der Verzug nicht erst nach
der Mahnung des Gläubigers, sondern, im Gegensatze zum
römischen Rechte, auch „ dies inte rp cllat pro Iiomine." So
sagt das Rechtsbuch Ludwig des Baiern (i;33G) ti. 23.
p. 130:
„Wer emem gelt leicht oder ze behalten geit, der sol im
das m viertzehn tagen Avidder geben. Tat er des nilit, wei-
hen schaden er des nympt hintz seinen gelten , den sol er im
vnd seinen erben abtun gar vnd gentzlicheu." — „der sol
im wider geben auf die zeit vnd er ims gehaisst widder ze
gebn. . . "
sobald der erstere heimkehre , „ memores Utterarum vestrartim ipsum ad
solucionem munebimus ymmo ei prccipieimis ut se pcrsonaliter in civitutc
veslra restiiucit." Es war nicht nöthig, dass da noch ausserordentliche
freiwillige Hinderungen des Prozesses herbeigeführt wurden, wie Urk.
13283 des Danz. Arch. (1530) , wo erwälmt wird , 1522 sei zwischen Lü-
beck undDanzig festgesetzt, „dat alle thwistige sake, de thAviscken der
Stadt Lübeck vnd danscke sueuende, soldc stille stan scven Jar
lanck." Was Wunder, dass schliesslich die Parteien gar nicht mehr den
Prozessweg betraten, sondern (cf. p. 122.) den Schuldner durcli feierliche Ent-
sagungen in der Schuldurkunde von dergleichen Hilfen sich losen Hessen,
und statt gerichtlicher Mittel lieber ungesetzliche , aussergerichtliche zu'
allseitiger Zerrüttung friedlicher , entwicklungsfäliiger Rechtszustände
ergriffen , um nur ihre Forderungen zu verwirklichen , oder sogleich von
vom herein für das Piisiko , dass die Gläubiger hierbei übernahmen , sich
durch hohe Prozente des Scliuldners sicher stellten. Der Credit sank na-
türlich. Daraus erklärt sich dann auch die Sehnsucht und brennende EUe,
mit der man in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach dem sum-
marischen Prozesse besonders in Wechselsachen verlangte, cf. Neu-
mann, Gesch. des Wechsels. 1. c. p. 176 — 181.
1) cf. Neu mann, 1. c. p. 105 — 112. u. A.
8*
116 ly. 2. Verzugszinsen, b. Dies intor]iellat ]iro honiine.
Selbst nach Aufnalmie des römischen Reclites in Deutscliland
und in deutschon Geset/büchern. welclie römisch geschulte
Juristen reformirton, lindet sich derselbe (Jrundsatz, z.B. Frei-
burger Stadtr. (1520. Ulr. Zasius.) tract. IL ti. 1. n. 3.
„Wie der sumig schuldener kosten bezalen sol. Ob aber der
Schuldner uft' geschehene erv orderung oder uff gesetzte
zil und tag nit bezalung thett , so ist er die schuld mit-
samptt zimlichen kosten es sig verschrieben oder nit zu be-
zalen schuldig, doch unser oder des gerichts muttmassung
vorbehalten, aber umb Interesse und schadfall so yemandtts
vorderte, sol allweg vor uns oder dem gericht geschehen
und ergan , was recht ist." ^) —
Dieselbe Rechtsregel ergiebt sich aus ihren rechtlichen Folgen.
So fällt der Zahlungsverzug eines Schuldners nicht einem der
mehreren Schuldner, sondern allen zur Last, die Accessionen
aus Schuld (und Zufall) gehören mit zur ganzen Schuld ausser
dem Kapitale ; denn der Verzug entsteht eben durch Eintritt
des Termines der Zahlung bei Nichtzahlung und wirkt deshalb
gegen alle, während im römischen Rechte gerade der Verzug
von der sonstigen Haftungspflicht der correi für culpa eine
Ausnahme macht.
cf. Bamberg er Stadtr. 1. c. (Zöpfl) a. 233: „welchen und-
ter in man den für vasset mit gericht, der soll sein anzahl
geben an hauptgeld vnd an schaden." — Prag er Stadtr.
1. c. (Rössler) p. 81. n. 125.: „so sullen sie alle halden —
es sey umb hauptgelt oder vmb leistgeld oder umb scha-
den." —
Nur vereinzelt und dann um so deutlicher als Beleg obiger
Rechtsregel begegnet die Mahnung Seitens des Gläubigers, ^)
z.B. Danz. Arch. Schöppenbuch von 1579. fl. 274. wo der Gläu-
biger ausdrücklich in das Schöppenbuch meldet, er habe sei-
nem Schuldner „300 mrk heupptstuell auffge sage tt, so er
1) Diese Bestimmung entnahm das Würtemb erger Gesetz von
1597 genau so aus dem FreiLurger Stadtr., nur dass statt „mutmassung"
gesetzt ist „richters messigung." (Würtemb. L. R. IL fol. 183. cf. auch
Pfälzisches L. R. (1581 ) II. ti. 2. v. mut. p. 3.). 2) z. B. Urk. von
1255 u. 1550 bei Bluntschli, Züricher R. G. j). 297. 298.
TV. 2. Verzugszinsen, c. Zahlungstermin. 117
ihm auffeine hanttschrifftgethann," - während in Urk. I.
43, c. (1457) ib. hinzugefügt wird, wenn der Gläubiger im
Kampfe fällt und die Katenzahlungen zum Zahlungstermine nicht
gemahnt würden, „das sal an der betzalungevnschedelich sin.^)
c. Der Zahlungstermin.
Diese Rechtsregel musste um so mehr den Verzug herbei-
führen, als — dies ist die zweite Ursache — die Contrahen-
ten, wie es der wenig entwickelte Verkehr, oder die besondere
Natur einzelner Verträge (z. B. Wechsel, Lieferungskauf u. A.)
mit sich brachten, oft unbestimmte Zahlungstermine
ansetzten. Von der gesetzlichen Bestimmung der Zahlungs-
zeit, welche besonders aus Vorsorge für das "Wohl beider Con-
trahenten bei dem unentwickelten Verkehre entstanden zu sein
scheint,-) ging man bald zur eigenen Feststellung derselben
über. Hier bezeichnete man den Zahlungstag bestimmt mit
seinem Kirchennamen „in proximo festo nativitatis "■'
u. dergl. Da in den verschiedenen Ländern Europas nicht alle
diese Kirchennamen die nämlichen Tage betrafen, konnte selbst
bei dieser damals genauesten Angabe des Zahlungstages bereits
zweifelhaft bleiben, wann der Zahlungsverzug begann. Oder
aber, man stellte vom Tage der Ausstellung der Schuldur-
kuude eine bestimmte Frist auf, nach deren Ablauf die
Schuldsumme entweder auf einmal in ganzer Summe oder in
einzelnen Raten, gezahlt werden sollte. Die Länge dieses
Zeitraumes schwankt zwischen 7 Wochen und 8 Jahren. ^) Wie
leicht auch diese Bezeichnung in ihrer Ungenauigkeit zur Ent-
stehung des Verzuges Anlass geben musste, lehrt Danz. Ar eh.
LTrk. n. 13764: „in aussgangk von dato Sechsz Monatt Zeit
also vf negst kunfftige Ostern des Jahres 1564 ... vor-
1) cf. auch Scheidt v. Adel. p. 154 u. Kraut, Grundriss §. 157.
n. ft. (1349) bei Geldscliuld des Kaisers Karl: „ungemanet. " 2) cf. ob.
die PMsten für Kaufund Darlehn im Alt prager Stadtr. (Rössler, 1. c),
Rechtsbuch Ludwigs d.'s Bayern (1336) ti. 23. ].. 130. u. v. a. 3) of.
Sartorius, Lappenberg, Gesch. d. Hansa IL Urk. 35. (1272) Danz.
Arch. Urk. 23 B. 11. (1143) 1. 37 (1457) 1. 43. c. (1457) Schöppenbuch
des Danz. Arch. v. 1576).
118 IV. 2. N'oizugszinscn. c. Zahlungstcnnin.
richten zu lassen." Dazu gab der Gläubiger oft bereits in den
Schuldschcinon dem Schuldner eine K e s p e k t s f r i s t neben dem
bestimmten Zahlungstage, so Danz. Arch. Missiv. V. 81, k.''
(1449): „zu bezalenvffwynachten adirXllII tage nach wynach-
ten'' ^) und dies doch immer mit der Voraussetzung, der Tag
mahne zur Zahlung, so dass, wo es erst der Mahnung des
Gläubigers zum Anfange des Verzuges bedürfen sollte, dies
in der Schuldurkunde ausdrücklich verzeichnet wurde. ^) End-
lich knüpfen sich an diese bestmimten, Zahlungstermmc noch
die häufigen Prolongationen auf bestimmte Zeit oder wie-
der mit Ratenzahlung , ^) welche Prolongation Schuldner selbst
mit des Gläubigers Bewilligung auf die erste Schuldurkunde
setzt, ^) selbstverständlich Alles nicht ohne Einwrkung auf
den zahlreicheren Verzug.
Doch nun die unbestimmten Zahlungstermine. Der Wech-
sel des lübischen Gesandten (1290) soll fällig sein 14 Tage
nach Rückkehr der 2 Gläubiger von Brügge nach Hamburg
oder Lübeck; •^) em anderer (1373): zu zahlen in Frank-
furt a./M. in fine vel ante finem nimdinarum, que iwoxhm
erunt; ^) desgleichen findet sich bei einfachen Schuldurkunden
und Wechseln aller Art eine bestimmte Frist nach Sicht, so ^)
{Vdh'iS) post visionem littere siie per qiiindcnani diem absque
inqjedimento persolvendas — (bei der Bestimmung : „ berei-
1) ib. Schöppenbuch v. 1503. fol. 507 (ob.) ein Darlehn von Xlin c
nirk. „Mide alle termyne, szo nicht betalet werden, vndo XIIII daghe na
dem daghe nicht gegeven worde " ib. v. 15G7. 68. fol. 210. u. Missiv.
II. 246. W.5 (1396), wo die Respekttage nicht ausdrücklich in der Urkunde
bewilligt worden , setzte man dennoch einige als gebräuchlich voraus, cf.
Dz. A. Urk. 2. 13206. (1587) „ zum allerlengsten vnd just auf den 15. May
die gulde zu entfangen , auch ane verzug bis auf den 16. 2) cf. Dan z.
A. Urk. 1. 43. c. (1457): „wenn Gläubiger Alexander Prokopp im Kam])fe
fällt und dadurch die fälligen Paten zu dem Verfalltage nicht gemahnt
wurden, das sali an der betzalunge vnschedelich sin." 3) cf. Dan z.
Arch. Missiv. IV. p. 284''. r'-*. (1448), ib. Schöppenbuch. 1558. fol. 433" auf
3 Monate , ib. 1575 fol. 147, 1577 fol. 285 auf 1 Jahr. 4) ib. 1575. fol.
99'' , Prolongation mit Ratenzahlungen. 5) Pauli, lübeckischc Zustände,
L ü b i s c h c s Urkundenb. I. n. 556 ff. 6) P a u 1 i , 1. c. n. 1 12. 7) P a u 1 i,
1. c. n. 109'-.
rV. 2. Vcrziigsziiisen. o. ZalilungstcMiniu. 119
test," „zehand" „unmittelbar nach Sicht" wurde natürlich
Mahnuns^", resp. Vorzeiguno- der Urkunde Seitons des (Jläubi-
gers voiausgesetzt); desgl. ') (1 117) „uff wynachten adir XI HI
tage noch wynachten." In einem Falle wird die Zalilungszeit
allein von dem Verkaufe einer AVaare abliängig gemacht,^) bei
Lieferungskäufen insbesondere heisst es oft : „ mit den ersten
open water " d. h. mit dem Beginne der Schiiffahrt. ^) Dann
kehrt gar am Ende des Mittelalters immer häufiger die Bestim-
mung wieder „ wenn he (Gläul)iger) synes geldes nicht lenck
entpcren wil," wo die Vertragsgrenze fast ül)crschritten
erschemt, indess stets selbstverständlich eine Mahnung vor-
ausgesetzt wird. '^)
Gegen diesen häufigen Zahlungsverzug mussten die Par-
teien natürlirh emo Reihe von Mitteln — hier wie bei den
meisten andern Verträgen anwendbar und üblich ausfinden,
den Schuldner zu schrecken , den Gläubiger durch Ersatz zu
sichern. Zu der ersteren Art gehören das Treugeloben, der
Versprechungb-Eid, die Entsagung von Einreden
u.dgl., die cassatorische Clausel, die Personalhaft, das
Draufgeld, die Verzugsgeldstrafe, zur zweiten die vcr-
1) Danz. A. Missiv. V. 81. k."'. 2) Danz. A. Uilc. 10. 27. e. 1438.
3) Danz. A. Schöpjionb. 142(i. fol. 47. N. 2. u. v. A. 4) Schon wegen
dieses häufigen und in den IScluUdurkunden meistens vorausgesetzten Ver-
zuges niusste es nothwendig scheinen , diese ^''ertrüge in die Stadt - oder
ßaths- oder Schöjjpen- Bücher eintragen zu lassen, wo die sonstigen
Gründe der Eintragung, nämlich Verhindei-ung ungesetzlicher Verträge
oder Geltung <ler Forderung und Beweis derselben gegen des Schuldners
Erben oder Stärkung der Beweiskraft gegen den vielfach die Zeugen des
Gläubigers beseitigenden Eid des Schuldners nicht die Eintragung ver-
langten. Die nach einer gi-ossen Zahl deutscher Gesetze notliweiidige spe-
zielle Contrahirung der Schadensersatzpflicht trug dazu ihren Tlieil bei.
Eben darum werden seit dem Anfange des 16. Jahrh. diese geriditlichcn
('ontrakte über Darlelin u. A. immer seltener gegen die frühere Zeit, der
(»ebrauch des Schadensersatzes auch ohne Contraliirung war festgestellt,
die Conventionalzinsen beim Darlehn begannen allgemacli gesetzlidi
gestattet zu werden, der per^inilichc Credit hatte sich so gesteigert, dass
die Schuldner selbst es als durch ilir Interesse dringend gebfiien crailit.>.
ten , jeden Zahlungsverzug zu meiden.
120 TV. 2. VoTziiErszinsen. (\. Tvono-olohon.
soliiedeiien Arten des Schadensersatzes, der Pfand- und
Bürgschafts -vertrag. Hier, wo es sich lediglich um das
Beziehen eines aliquid ultra sorfcm als Gewinn, des Gläubi-
gers handelt, können die genannten einzelnen Mittel zur
Beseitigung des Verzuges nur so weit betrachtet werden , als
sie dem Gläul)iger ein aliquid ultra sorfcm darbieten. Ausser-
dem ist die Erörterung der Geldstrafe besser mit der Dar-
legung des Schadensersatzes (IV. 2. k.) gemäss ihrer Be-
handlung in den Kechtsquellen zu verbinden; der Pfand ver-
trag endlich soll, weil es sich bei ihm wesentlich über die
Grenzen der Verzugsfolgen hinaus um Benutzung des Pfandes
während der ganzen Zeit des bestehenden Schuldverhältnisses
handelt, später gesondert betrachtet werden. (V. 2.)
d. Das T reu gel oben.
Unter besonderer Berücksichtigung des sittlichen Stand-
punktes und im Anschlüsse an die den Deutschen besonders
beliebte S}inbolik versichert der Schuldner bereits im altnor-
dischen Kechte durch seinen Handschlag und das damit ver-
knüpfte Geloben auf Treue, dass er den Vertrag pünktlich
erfüllen werde. ^)
Die Folge des Verzuges hierbei war sittlich und rechtlich
herb. Der Schuldner wird treulos und meineidig, sein Leib
und Gut steht dem Gläubiger zur Verfügung. 2) So
gestattet das deutsche Recht in diesem Falle dem Gläubiger,
in grösstem Umfange und weit über die Höhe des von ihm
1) cf. Grimm, Rechtsaltertliüiner ]>. i;?8. 605. „coniractus condii-
ctionis et locationis ...impime rescinditur , donec juxta consuetitdinem
apiwobatam percussione manus unius in manum alterius roboretur."
Lacomblet, Urkundenbuch für d. Gesell, des N. Rh. II. n. 222. (1237)
„fide tali,que vulgo „Sikirheit" dicitur, mcmucdi porrectione firrnata
jyromisi/' Höfer, deutselie Urk. 11. n. 143(1331) „und geloLin daz in
gudin druin, daz ich stede und feste sal lialdin alle dise dinc" (Geldzah-
lung in Raten). Drey er, d. differentiis iur. Rom. et Germ. 1747. ]). 13 If.
und die Bestätigung des Berner Rechtes von Friedrich IL 1218. Berner
aur. bull. §. 54 (Gengier). 2) cf. G rim m, Rechtsalterthümer p. 612 if.
Kraut, Grundriss §. 163. n. 11. Höfer, 1. c. II. n. 10 (1309). Rössler,
Prager Recht n. 28. u. v. A.
TV. 2. Verzupfszinsen. e. VersiJieclmiigseid. 121
erlittenen Schadens hinaus — also auch weit hinaus üher die
hieran knüpfende Grenze des kanonisclieii Hechtes neben
seinem Ka[»itale einen Gewinn durch körperliclie Dienstlei-
stungen des Schuldners, ') und aus dem Vermögen desselben
sich 7A\ bereiten.
e. Der Versprechungs-Eid.
In höherem Grade noch , als bei dem Treugeloben , trat
die letztere für den Gläubiger wesentliche Folge dort ein, wo
der Schuldner eidlich die Erfüllung des Vertrages gelobt hatte.
Hierbei muss berührt werden, Avas oben bereits erörtert wurde,
dass der Eid trotz seiner Kraft im deutschen Rechte verbotene
Uebereinkommen der Parteien nicht entsündigte. Daher konnte
sehr wohl durch den Eid die Zusage des Schadensersatzes im
Verzugsfalle bestärkt werden, da selbst das kanonische Kecht
die Verzugszinsen billigte, dagegen blieb bei einem Ver-
sprechen der Conventionalzinsen vom Darlehn der Eid kraft-
los. So sagt Eicke Sachsensp. III. 41. §. 2. „Svat die mau
(gevangene) sveret vnde entruwen lovet, sinen lief mede to
verstene oder sin ghesunt, al ne mach he 's nicht gele-
sten, it ne scadet ime to sime rechte nicht."
Der Schwaben Spiegel führt 2) in dem oben citirten
art. 141. (160) die kanonistische Lehre dieser heikligen Frage ^)
dem deutschen Rechte zu. Schwor Schuldner, gezahlte Zin-
sen nicht rückzufordern, so gilt der Eid, aber der geistliche
Richter soll auf des Schuldners Veranlassung den Gläubiger
zur Rückgabe der Zinsen verurtheilen. Schwor der Schuld-
ner, Zinsen zu zahlen, so muss er zahlen, aber der Gläubiger
muss rückzahlen, und klagt Gläubiger auf Zinszahlung, so
befiehlt Richter dem Schuldner nicht zu zahlen. Schwor
Schuldner, über d\ß Zinszahlung zu schweigen, so löst der
Geistliche den Eid. ^)
1) cf. sogleich IV. 2. li. 2) In rebevt'iiistiiiiiiumg mit dem Kul-
mer Rechte V. (iö. cf. S ysteniat. SchcUton r. Laband. p. XL.
H) cf. oben III. 2. a. auch Purgoldts Rechtsbuch VUI. cap. ^H. 54.
4) cf. die kirchenrechtlichen Cütate oben U. 1.
122 IV. 2. \'orziigsziiiscii, f. Pliilsaquiig dor Eiinodcu.
f. Entsagung der Einreden u. dergl.
Vm den Ciläiibii^er vor den oben beim Eide boriibvten und
der endlosen Kette anderer Scbutzniittel des säumigen Sebuld-
ners zu bewabren, um ilim einiii,'ermaassen Anbalt gegen den
ewig gescbirmten Verzug oder gar gegen den völligen Verlust
seines Kapitales zu gewäbren, entsagte der Schuldner bei Ein-
gehung des Schuldvertrages diesen seinen Zufluchtsstätten,
insbesondere der Berufung an las geistliehe oder ein anderes
Speziel - Gericht , an weltliche oder geistliche Machthaber
wegen ilirer Moratorien oder sonstigen Schutzmittel (Geleites
u. a.) , ferner der Appellation z. B. an den polnischen König,
welche seit dem Frieden von Brzesc (1 135) allen polnischen
Kaufleuten gestattet worden , ja er verhiess, sich jeder gericht-
lichen Einsprache zu enthalten und die Forderungen des Gläu-
bigers ohne Widerrede zu erfüllen. *)
1) cf. Petrus de Hallis, n. 59. „super raiiwiciatione inpeticionis
seu actionis que ...ex lege vel ex canonc compctcrc dinoscüur in hoc
facto." Danz. A. Urk. 15. 3. (1394) Missiv. I. lol. y'. (1430) ib. Scliöj)-
penbucli v. 1431. fl. 357: „ock vorwillokoret sick de sulve bcrnt sick niclit
tu brukende keynes gbeleydes noch mit geistlichem noch mit wertlikem
rechte hindernusse edder insal do donde der vorgescrv. betalinge. " ib.
1436. Ü. 140. 3. (wegen der Appellation an den König von Polen) „ dat
se sich nicht beropen wellen an de kröne van polen noch an de herschop
in der massowe (Masovien) noch hir an de herschop vn der vtsattunge de
tuschen beiden landen vtgesat vn gcmaket ist nicht geneten wellen. " ib.
fol. 143. 1. cf. ib. Schöppenb. v. 1438. fl. 374. 2. Hirsch, Banzigs Han-
delsgcsch. p. 234. Und ganz allgemein: Schöpflin, ALsatia diplom. I.
n. 616 (1262) remmcians una cum i2}sis omni juri et juris auxilio, omni
foro civili et ecclesiustico , omni beneficio legum et cunonwn, omni con-
stitutioni loci et patrie , omnibus litteris impetratis et impetrandis , omni
privilegio, beiieficio restitutionis in integrum, omni excepcioni tam in
genere quam in speeie, nee non omnibus aliis , per que dicta donatio pos-
sit irritari, revocuri vel impediri. — D. A. Urk. 10. IK! (1490). Der
Eigaer Rath will selbst dann keine Einrede erheben , wenn Danzig Kigaer
Kaufleutc statt des Rathes ans]ifändet. ib. Schöppenb. 1527. fol. 223. 5.
Zunder yenigerley argerlist eft rechtganck. 1529. fol. 581. 857. ane alle
wedderede vnde forder rechtganck." ib. 1557. fol. 160. „noch ir keine
litieras moratorias binnen noch baussen landes czu geniessen." ib. fol.
221. ,,vnnde vertidieth sik des beropes an sinen gebarlickenn richter ock
aller begnadigung der rechte moratoricn schucz vnndc geleides brefe
1
IV. 2. Verzugszinsen, g. Cassatoriselie Clausel. 123
Selbstverständlich konnte durch dergleichen Entsagungen
ein verbotener Vertrag nicht gültig werden , nur lag hier ja
die Sache so, dass der Schuldner, wenn er seine Zusage erfüllte,
gerade diese Frage gar nicht zur Entscheidung kommen Hess.
Hinsichts der Verzugszinsen, des Interesses, wie überhaupt
alles Schadens aus der Vertrags - erfüUung und - nichterliillung
aber war dieser Zusatz der Entsagungen von besonderem
Werthe. Denn er schloss die Nothwendigkeit für den Gläubi-
ger aus, seine Schadensforderung zu beweisen (cf. k, 3. a. b.),
und bahnte dadurch den allgemeinen Gebrauch der Schadens-
forderung aus Verträgen und deren allmähliche Umwandlung
in Prozentsätze an.
g. Die cassatoriselie Clausel.
Bei der grossen Verbreitung des Zah^ngsverzuges lag es
nalie und kam bald zu häufiger Uebung, dem Sclmldner
wiederliolt eine neue Zahlungsfrist in Raten zu gestatten,
welche die Zahlung ausser der nicht eingerechneten Säumniss
des Schuldners oft 6 — 8 Jahre hinausschoben,^) mit dem
Zusätze : „ so szall de letzte termyn mit dem ersten vorvallen
syn" wenn der Schuldner sogleich den ersten Termin nicht
inne liielt-), oder falls er mitten in der Reihe der Raten zu
zahlen säumte: „vnde so enich termyn vp zine rechte tidt
nicht betalt werde, als danne zal de betalinge aller termyn
tho glick vorfallen sm." ^)
Der Gläubiger zog hierbei folgenden Vortheil, er empfing,
wälirend er durch die Prolongation in Ratenzahlungen einen
neuen Vertrag eingegangen war, wonach er das Kapital erst
bei Ablauf der Raten oder der ganzen Prolongationsfrist erhal-
vnnde aller begnadnngc lioger vnntle midier ]totentatenn gestliekes ader
weltlickes gericlites dar kener tho genctlicnn sunder den bofengemeltenn
creditorenn gereeht tho werdenn." cf. auch D. A. Urk. n. 137(i4 (löGS) u.
Anton, d. obstagio (1774) \<. 7. u. v. A.
1) cf. Danz. A. Schöppenb. v. 1503. fol. .507. 2) ib. Urk. 7. 154.
(1519) , Schöpi.enb. v. 1527. fol. 2()7. n. 3. 3) ib. fol. 304. n. 4. „ vnde
zo die erste termyn nicht gelioldon worde , zalen de andern termyne mit
dem ersten vorvallen zin."
124 IV. 'J. Vorzugszhisoii. g. Cassiitorisclio C'lansel.
ten sollte, nun dasselbe viel früher und konnte es sofort
zu seinem Nutzen anwenden. Dies brachte ihm dort vor-
nehmlich Gewinn , wo das Gesetz die Interesseforderung noch
gar nicht oder nur beschränkt, insbesondere nicht mit Aus-
dehnung auf das Jucnnn ccsftnm^, gestattete (cf. IV. 3. a.). Und
dass das eomnioäuni ieniporh, das iiifcritsnrium dem deut-
schen Rechte nicht fremd waren, lehrt u. A. im Danziger
Archive das Schöpp(Mib. v. 1578. fol. "JS2., wo der Schuldner
zur Tilgung zweier früherer Geldschulden zwei neue Hand-
schriften ausstellt, in deren zweiter er 1574 sagt:
Ich bekenne mit dieser meiner eigenen handtschriflft vor
mich vnnd meyne erbenn das Ich vonn dem N(Glb.) entt-
ßfangen han 100 fl. Avelche 100 fl. mier N. gelehnett hatt
vnd ich gelobe Ime von dem hunderth das Jhar 7 fl. zu
gebenn zinsz (cf. u.) vnnd so ich das geltt wieder-
geben werde, eher das Jhar vmb were soll der
zinsz gerechnett werden nach aduenant den
zeitt.
Ebendort fol. 296 \ lässt Schuldner sich dafür, dass er einen
Theil der Schuld vor der Fälligkeit zahlte, für den übrigen
Theil derselben vom Gläubiger ein Jahr längere Frist ver-
sprechen. —
Wenn in so weit schon diese Entsagungen zu einem plus
ultra sortem führten, wuchs der Gewinn noch bedeutend, wo,
was zuweilen begegnet, ausser dem obigen Nachtheile der
cassatorischen Clausel für den Schuldner eine ausdrückliche
Conventid^ialstrafe hinzugefügt war. (cf. k.). So heisst es im
DanZj Archive, Schöppenb. v. 1575. fol. 99 \
„wo ferne er im ersten andern oder dritten Termyne wegen
der bezahlunge wurde seumigk befunden werden , das als-
dan der creditor soll gutte macht haben die hauptsumma
sampttlich der XV c gülden mitsamptt dem vadio vnd gleich-
messigenn verpflichtenn Summa zu fordern, als auch XV c
guld. welche er bekennet all bereit verbrochen zu haben
vnd verfallen zu seiende ndtt einst zu forderen. . "
Was hier undeutlich von den Parteien bezeichnet
erscheint, wird in einem Prager Schöifenurtheile klar ausge-
IV. 2. Verzugszinsen, li. Porsonalhaft. 125
sprochen. ^) Eine Mutter verheisst iliver Tochter quntuor sexa-
genus grossonon in drei Terminen zu zahlen.
„Sic fdiae solnfa fiiit una scxagcna, <id lioc vcru inalcr
pronüsit , quod si in seciindo termino non daret filie diias
sexagvnas, prima solucio pcnihis amiitcretiir , et sie de
quarta sexagcna tercio termino promisit, si non daret, quod
omnes tres sexagenae perderentnr.^' (wann?)
Der Gläubiger gewinnt hier also ausser dem Kapitale beim
Verzuge günstigsten Falles noch eine gleich hohe Summe als
Strafe , oder er kann vom Vertrage zurücktreten. ^)
• An sich gewährte diese Clausel mit den berührten Straf-
bestimmungen dem Gläubiger keinen unerlaubten Gewinn;
denn der Gewinn tritt stets im Verzuge ein. Also konnte
lediglich in der Höhe desselben dem kanonischen Rechte und
den deutschrechtlichen Quellen, welche eine feste niederere
Grenze des Gewinnes beim Verzuge oder eine jedesmalige
Herabsetzung desselben durch den Richter vorschrieben (cf. k.),
zuwider gehandelt werden.
Uebrigens begegnet selbst bei Wechseln diese Zahlungs-
frist mit kassatorischer Clausel und deren Folgen. ^)
h. Die Pers on alliaft.
Wegen ihres Zusammenhanges sollen hier sogleich beide
Fälle derselben im deutschen Rechte, diejenige zur Abschre-
ckung des Schuldners vor dem Zahlungsverzuge , und die zur
Sicherung des Gläubigers wegen des Verzugs -Schadens behan-
delt werden.
Vom Gerichte und durch vorherige Uebereinkunft der
Parteien wird dem säumigen Schuldner '^) für die verschieden-
sten Arten von Schuld, nicht blos Geldschuld, Personalhaft
1) cf. Stübbe, zur Gesch. d. deutsch. Vertragsreohtes. Leipz. Hir-
zel. \). 'M. N. 4. 2) Stobbe, 1. c. p. 32. ob., Urk. v. 1317 im österr.
Notizenblatt. 1853. p. lU. Urk. n. 9. 3) cf. Neuniann, Gesch.
d. Weclis. iiri Hans. Geb. p. G2. G7. G8. 4j Sogar der Schuldnerin,
verni. Sachsensji. III. !t. d. 6. entgegengesetzt den sonstigen deutsch-
rechtlichen Bestiniuiuiigen , z. B. Bremer R. (1303) Ord. n. 92. (Oel-
richs p. 120.) ; revid. lüb. Pt. I. 31. u. A.
126 TA'. 2. Verzugszinsoii. li. Pevsonalliiift.
auferlegt, um ilm oder die Seinen zur Zahlung zu drängen,
cf. verni. Sn*' Ilsen sp. ITT. d. d. 7. Wiener Stadtr. 14;}5
(IJauch, p. 151.) 14 Tage sitzt der Schuldner bei dem Tiichter
in Haft, 14 Tage nach von Neuem gehaltenem Gerichtstage
))eim Gläubiger.
Dieser ITaft sich im Falle der Säumniss zu unterziehen
und zwar für die verschiedensten Arten von Schuld , ^) an einem
im Voraus bestimmten Orte, allein oder mit Andern, besonders
Bürgen , oder durch Andere statt seiner , unter Nichtausübung
der sonstigen Beschäftigung, bis zur Tilgung der Scbuld durch
ihn oder Andere, konnte der Schuldner selbst sich auch von
vorn herein im Contrakte verpflichten. Diese Haft heisst oh-
s t ag l u m , E i n 1 a g e r , Einreiten, Leisten, Geisselsch aft u. A. ^)
Sie begegnet in unzähligen deutschrechtlichen Urkunden und
zwar von Hohen und Niederen gegen Hohe und Niedere aus-
gesprochen, sogar von Fürsten gegen Juden, auch von Geist-
lichen und Bauern. ■^) Für letzteren Fall war woT Kegel die
Aushilfe bei Sartorius-Lappenberg, 1. c. IT. p. 6. 1272
(Urk. 35), wo Tvönig Erich von Dänemark sich gegen seine
Gläubiger , zwei lübische Bürger , im Verzuge verpflichtet , .30
Tlitter nach Rostock, oder, wenn sie dorthin kein sicher Geleit
erhalten, an einen andern Ort in Dänemark zum Eüireiten zu
senden.*) Dagegen verheisst in Urk. 123. a. ib. (1312) der
1) Züricher Rathserkenntniss v. 137ü lür geltschult u. kouff. — U.
V. 1255. (Neugart n. 948) für eine in der Zukunft mögliche Schadenser-
satzforderung. Tschudi, Chronik. I. S.248. — Zeitschr. f. Archivkunde
(Erhard) Hamburg 1834. I. p. 259fF. Bluntschli, Züricher R. G. I.
p. 29ß. 2) cf. u. a. Neu mann, Gesch. d. Wechs. in Hansageb. S. 03.
3) Urk. V. 1255 u. Gültbrief v. 1550. Bluntschli, Zürich I. p^ 297. 298.
Laconiblet, 1. c. II. G21. (1271). Scibertz, 1. c.n. 502. U. (1303) , mit
Billigung des kanonischen Rechtes, c. 9. X. 2, 24. 4) cf. auch Grün-
hagen, Cod. dipl. Siles. III. p. 39. N. 6. Sutorius, Geschichte von
Löwenberg I. p. .57. Das Systematische Schöffenrecht I. c. 29.
führt die Personalfragc für den Fall näher aus , wo die städtische Com-
mune als solche Einlager leisten will für nicht gezahlte städtische
Renten ,,d3' Ratmanne mit gesampter liant mit willen vnd geheisse
ires crbheiTcn vnd ouch mit willen, wissen vnd rate aller irer geswo-
renen vnd eldisten allir hantwerckmeister vnd der ganczen gemeync
arm vnd reych." Als der Verzugsfall später eintritt, fordert der Gläubi-
IV. 2. Vorzvigrs'/inscn. Ii. Porsonalliaft. 127
König von Schweden, beim Verzuge selbst einzureiten, und
13 49 sogar Kaiser Karl (Kraut rirundriss§. 157 n.l). Scheidt,
vom Adel p. 154). Die Fälle des Einlagers finden sicli vom
12. bis in das 17. Jahrhundert hinein, hier jedoch, wie es
scheint, nur in einzelneu Theilen des deutschen Eechtsgel)ietes. ')
Nocli 15G4. in den Schuldurkunden des Königs Sigismund von
Polen 2) begegnen sie : „ so gereden vud geloben wir bei unse-
ren adliclien ehren, Avahren werten vnd glauben auf der Loitzen
(Gläubiger, Bürger zu Stolp in Pommern) oder Irer mitbe-
schriebenen erstes einfordern gegen Stettin in eine ehrliche
Herberge, die sie vns namkuudig machen werden, eigner
Person einzureitten vnd einzustellen vnd da leisten vnd halten,
biss alle die Puncta vnd Artickel so in dieser vorsclircibung
verleibet, genczlichen volntzogen, beczalet vnd endtrichtet
seindt. " ^)
ger von ,,03110111 burger aus derselben stete," den er in einem autlerii
Orte gerade triift. die obige Erfüllung der städtischen Verbindlichkeit.
Da entscheiden die Schoppen: ,,Ist der burger, den der man vnib scyne
vorsessene czinsc bcgrilFen hat in der stat, do der man sej'ne czinse offe
hat, nicht Bürgermeister adir Ratman desselbin Jaris, als her in vor
gehegeteni Dinge bcclagit hat, so bcdarff her deine manne vmb seyne vor-
sessene vnd vngevalleu czinse adir vmb der stat schulde nicht antworten."
In cod. dii)l. 8il. 1. c. haben die Consuln der Stadt selbst Einlagcr gelei-
stet (131G). Ebendicse versprachen es ebenfalls Antiquar ins fol. 7
(1342) (brcsl. Archiv).
1) cf. Grimm, R. A. p. 620. — c. 9. X. II. 24. (1180). — Sachsen-
spiegel I. 9. §. 4. n. 11. §. 3. — Bei Haltaus Glossar, v. „Inlager,"
„Geisel" u.a. verm. Sachsensp. I.e. 111.16. Eckardt, 9 Bücher
Sachs. R. (Pölmann) IX. 14. Bamberger Stadtr. a. 215 ff. 431 ff. Ur-
kunden darüber siehe noch bei Seibertz, 1. c. II. n. 502. (1303) u. v. A.
Brieglcb, Gesch. des Exek. Pr.I. p.358fl. 2) cf. ib. Danz. Arch. bibl.
3) cf. auch Hirsch, Handclsgesch. Danz. p. 235. n. 1394. u. Bluntschli,
Zürich I. p. 298. — Frcibcr gor Stadtr. 1580. Stobbe, 1. c. p. 192. —
u, in Brandenburg noch 1620. (Gercken, C. D. Brandenb. I. p. 75.) trotz
dos Verbotes in der R. P. 0. v. 1548. a. 17. §. 9. u. völlig in R. A. v. 1577
a. 17. §. 10. u. d. Territorial verboten, z. B. in Dithmarscn 1480. (Ditlim.
L.R. a.210. §. 1.), in Züricli schon 1344. 1354, doch nur für die Bürger
(Bluntschli, 1. c.I.p. 296.n.294.) constitt. Saxon. 11.22.— Das Ein-
lagcr dai-f weder mit der härteren vereinbarten Schuldknechtschaft,
noch mit der durch sofortige Gcisselstellung am Anfange des Vertrages
128 IV. 2. Vcrzngszinsoii. Ii. Porsoiialliaft.
Die PHichteii des Schuldners beim Einlager mussten ihn
driiiiilioli /UV Zahlung- der Schuld veranlassen; denn er bedurfte
der ihm dadurch entzogenen Freiheit und Leute, die er etwa
statt seiner hatte einreiteu lassen. Vor Allem zahlte er — ausser
wenigen Fällen , in denen der Gläubiger Ersatz gab ^) — die
wegen der gel)ränchlich im Einlager verschwenderischen
Lebensweise hohen Unterlialtskosten. -) Daher bezeichnet es
ganz besondere Sicherheit für den Gläubiger, wenn oben König
Erich 'M) liitter einreiteu lässt. ^)
Aus dem Einlager erwächst dem Gläubiger nur in zwie-
facher Hinsicht eine Schadens - resp. Verzugs-Ersatz-Forderung.
Einmal dort, wo er einen von ihm ausgelegten Theil der
trotz der zahlreichen Einsclu'änkungsgebote so überaus ver-
schwenderisch gesteigerten Unterhaltungskosten ^) ersetzt for-
realisirten öeisselschaft verwechselt werdeu. cf. Brünuer Schöf-
lenbuch cp. 130. 131. 610. Stobbe, z. Gesch. d. deutsch. Vertrags. K.
p. 184ff. , wo auch eme Uebersicht der reichen Einlager -Litteratur, eine
Terminologie und liistorische Entwicklung gegeben wird.
1) Grimm. R. A. p. 620. opp. Haltaus, v. Inlager. Urk. v. 1270. —
2) IniCod. dipl. Sil.IIL, den von Grünhagen herausgegebenen Breslauer
Stadtrechnungen, findet sich p. 39 die Post (1316) : item summa de expen-
sis consulum f actis in obstagio in consistorio 62 marc min. 4 scot.
Die vom Herausgeber in N. 6. daselbst ausgesprochene Verwunderung
über die Höhe dieser Ausgabe findet in der ebenerwähnten Sitte ihre
Erklärung. Eben der Ersatz dieser Kosten für den Schuldner selbst und
seine Bürgen , so wie der Verlust der Freiheit trieben ihn , die Schuld
schneller, zuweilen schon vor Anfang des Einlagers zu bezahlen. Andrer-
seits übte das Einlager durch seine Gelage auch Anlockung , so dass der
Schuldner sein Vermögen dabei einbüssen konnte. So drängten den Abt
von Murbach gerade die Kosten der Geisseischaft , die Stadt Luzern dem
Könige Rudolf i. J. 1291 zu veräussern. Bluntschli, Zürich I. p. 296.
Deshalb auch das oft wiederkehrende , doch schwankende Verbot des Ein-
lagers. 3) cf. auch ("hmel, österr. Notizenblatt. 1854. urk. Beitr. zur
Adelsgesch. I. 4j Schon der Ort des Einl. i.st meistens eine Herlierge,
bei Grünhagen (cf. oben) ausnahmsweise das Breslauer Rathhaus für
die Consuln , das in Breslau aber regelmässig für die städtische Obrigkeit
scheint beobachtet zu sein. cf. cod. dipl. Sil. HI. p. 39 (1316), Antiqua-
rius (Bresl. Arch.) fol. 7. (1342). Die Ausrüstung der Pflichtigen ist in den
meisten Fällen, wo Ritter eben die Pflicht eingehen , eine ritterliche, der
Herr kommt mit 2 Pferden und 1 Knecht , das Leben in der Herberge
n''. 2. Verz\i<?sziiisen. li. Pcrsonalliaft. 129
(lern kann; er liatte hier insbesondere, bei der schweren Con-
trolle seiner Forderungen, leicht Gelegenheit, ausser dem wirk-
lichen Schaden sich ein 2)his als Verzugsgeld, ein aliquid ultra
sortem zahlen zu lassen. Sodann konnte er es dort, wo der für
den Schuldner durch Diener oder in eigener Person einlagernde
Bürge vom Schuldner ausser dem für ilin an den Gläubiger
gezahlten Kapitale mit obligatem Schadensgelde noch den
Ersatz aller Kosten für das Einlager forderte. Dies kam häufig
vor, da nicht allein die Bürgen mit dem Schuldner zu gesamm-
ter Hand sich zu gemeinschaftlichem Einritt verpflichten, son-
dern aucli die Bürgen allein statt des Schuldners einzulagern
versprechen und einlagern. ^) Der Schuldner musste den Bür-
gen alsdann natürlich alle Kosten und Schäden des Einlagers
ausser dem Schuldkapitale, das der Bürge etwa an
den Gläubiger für den Schuldner zahlte, ersetzen und zwar
verschwenderisch. Daher begrenzen die Gesetze vielfach die Lebensweise
im Einlager. cf. Baniberger E. a. 216. 432 ff. verm. Sachsensp. III.
16. d. 1. noch Maximilian II. 1574. (Erhard, 1. c. U. n. 18.) Obgleich
das Prager Stadtr. gestattet, dass der Einlagerer beim Wiilhe eine
bestimmte Zeit hindurch Credit haben soll (n. 26. Rössler, p. 17, 98), der
für den Wirth durch ihm freistehende Pfändung an den Einlagernden und
durch das sich auch hierauf erstreckende Einlager gesichert war, zieht
es dennoch eine Grenze der Lebensweise (1. c» a. 23. Rössler p. 15). Hier-
nach steigerten sich gemäss den oben im Texte entwickelten Maassgaben
die Kosten des Einlagers bedeutend. Dazu kommt, dass eine Zahl von
Personen oft für dieselbe Schuld einreitet (so oben 30) , und dass , wenn
Einer derselben starb , der Schuldner und Bürge veriiflichtet waren , statt
seiner einen Andera oinreiten zu lassen, cf. Sartorius-Lappenberg.
1. c. II. U. 123. a. (1312). Niesert. Beitr. U. ]>. 260 (1269). Erhard,
1. c. p. 279 ff. Letzteres musste zur Sicherheit des Gläubigers geschehen,
und die Geisseischaft konnte auf die Erben nicht übergehen , weil sie die
persönliche Freiheit des ursprünglich Einlager Versprechenden beschränkte.
Bluntschli, Züricher Pi. G. I. p. 297. Urk. 125.5. „vmbe veil guot ezzin
und swcdirhalb aber dekein gisel stirbet. so sohl sich die andern die
giseln vnd vmbe veil guot ezzin . vnz si an geverde ein andern alse gvoten
an des stat gebin."
1) cf. u. a. Höfer. Urk. U. n. 137. (1330). Nach Häberlin , p. 160.
und Erhard, Einlager, p. 261. N. u. p. 274 ff. soll letzteres gerade die
Regel sehi.
Neumann, Oescli. d. Wuchers. 9
130 IV. 2. Verzugszinsen, h. Porsonalliaft.
aiuli jodon voin zurälligen Schaden . indem der Bürge oder die
nielircren Bürgen je für sich, die Bürgen zu gesiunniter Hand
aber zusaninien diese Kosten auslegen und vom Schuldner
ersetzt fordern. Der V e r m. Sa c h s e n s p. 111. IG. d. 2. 3. sagt :
..Wan der leyster leystet mit pherden sy sten deme zcu faren,
uf den man leystet, czwuschen Krippen und rechter trencke.
Wulde abir eyn man in wite adder vngewonliche trencke
riteu , geschege do syme pherde schaden , den muste he sel-
ber tragen. — d. 8. Wulde eyn man uszrite undir der ley-
stunge in sin seihest geschefte , waz denne siner habe wed-
derfert, daz ist om selber getan, (cf. auch d. 7. ib.) d. 9.:
An leystunge beczalt yederman wol sine anczal. haben sy
aber dy leystunge gelobet mit gesampter band, so müssen
sy dy mit gesampder hand usztragen also gesampder band
recht ist." —
Umgekehrt begegnet der Fall des Einlagers vereinzelt in der
Weise, dass der Gläubiger sich das Kecht ausbedingt, bei
Nichtzahlung in dem Hause des Schuldners oder anderswo
natürlich auf dessen Kosten bis zur Zahlung zu bleiben. Hier
tritt das aliquid ultra sorfem klar zu Tage. Diese Form des
umgekehrten Einlagers scheint gerade in Schlesien häuliger
vorgekommen zu sein. ^) So heisst es im cod. dipl. Sil. IV^.
(Meitzen) p. 329 (1547.) bei dem Kaufvertrage über einen
Teich , nachdem eingehend die Gewährspflicht der Verkäu-
fer erörtert, und falls letzterer nicht genügt wird, erlaubt
worden ist, („unser eygenn verwilliget Recht seynu), das sie
1) Der V. Grünhagen, cod. dipl. Sil. III. p. 39. N. 6 citirte Fall,
worin die städtischen (Konsuln sich auf Kosten des Schuldners auf dem
Rathhause als GLäubiger einreiten zu dürfen aushedingen (1342) , ist von
Grünhagen seihst aus dem Antiquarius (Bresl. Arch.) fol. 7. als unrich-
tig citirt nachgewiesen ; denn in der citirten Stelle bekennen die Con-
suln, 16 Mark jährlichen Zinses für 160 ni. verkauft zu haben, und sagen
dann : „ quod si in aliquo terminorum facere neglexerivius extv/nc a pre-
iorio civitatis nostre ire non debebinms , 'nisi hoc perduxerimus ad
effectum" (1342). Die Consuln sind daher Schuldner und ihr Einlager
ist ein gewöhnliches.
IV. 2. Verzugszinsen, h. Personalhaft. 131
solcher Niclitweruiigk lialben alle unsere Gutter mit Hülffe der
Herrschafft, erer Amptleuto ador der Gerichte sampt alle Recht
dinglichen dorüber ergangen wehren , eyuemen diesselben ohne
RechenschaflFt gebrauchen bis so lange wir sie allenthalben
beffreit , und in eyne gerugliche Gewehre eingeseczt (u. V. 2,
a. d.), och aller Schaden, so yn dis Falles czugestanden . Avie
sie die unvoreydet aussagen, benomen haben*' (IV. 2. k.). Dann
heisst es vom Einlag er des Gläubigers: „wo sie uns och
ader unsere Erben dodurch czu Haidunge nicht brengen moch-
ten, sollen und mögen sie a u f f u n n s c z u L i e b e n (ein Dorf
westlich von Zedlitz) ader sunst ynn eyneStat der Schle-
sien iczlicher mit czweien Pfferden und eynem Knecht in eynen
ehrlichen Gasthoff einreitten, alda Einlager ge-
leisten und halden nach Iren besten Gefallen, darczu ausz-
und einrücken, so offt es Inen gelegen ist; Mögen uns
auch schriefftlichen ader mündlichen zu sich in solche Ein-
lager einmanen; Nach welcher geschenner Eiimianunge
wir balde yn dreien Tagen em jder selbst persönlichen mit
zweien Pfferden und einem Knecht an den Orth . der uns von
iczgeraelten unsern Glo bigern ader y brenn Lehns-
erbenn angeczeget wirt, einreitten und nicht ab-
scheiden wollen, wir haben sie den zuvor aus der
Herberge geloset, und Inen daneben allen und
Iczlichen Schaden, so sie gen oh nj e n , g e n c z 1 i c h e n
entrichtt und befreit; und in Fall wir uns ann iczerzelten
unsern Globigern Vornemen nicht keretten, und sie oder yhre
Lehnserben schadeloss nicht hilten. mugen sie entlich unsz
ader unsere Erbenn mahnen vnd vornehmen , we sie zu Rodte
werden , Es sey mit Aufflialdunge , schmelichen Scheldewort-
tenn , ader wie es In sunst gelegenn , da wider woln wir kei-
nes weges nicht seyn."
Wie sehr hier der Gläubiger einen Gewinn nlira sorfnn
beim Einlager bezog, liegt auf der Hand und wird in der
Urkunde ausdrücklich hervorgehoben. Die weiteren Aende-
rungen in dem Verhältnisse l)eider Parteien zu einander
erklären sich aus dem umgewandelten und in seinen Grund-
lagen gelösten Institute, so die Wahl des Gläubigers über
9*
132 IV. 2. VtM'zugszinseii. li. Porsonalliaft.
den Ort des Einlagers, die Vorladung des Schuldners dorthin
u. s. f. 0
Ein anderer Fall ist der von Bluntschli =^) angeführte
von 1255, wo m einem Kaufvertrage jede der beiden Parteien
für die Vollziehung ihrer Pflichten bei diesem Geschäfte nach
Ablauf einer bestimmten Zeit bei dem Gegentheil oder in
einem Wirthshause einreitet und bis zAir Erfüllung ihrer Ver-
bindlichkeiten verbleibt. Hier ist für jeden Theil des Geschäf-
tes die eine Partei Schuldnerin der andern.
Zur Sicherung des Gläubigers wegen des Ver-
zugs-Schadens haftet zunächst das Vermögen des Schuld-
ners. ^) Keicht dieses nicht aus , so wird der Schuldner vom
Kichter oder bereits vom Gesetze ohne Richterspruch oder
nach vorgängiger Uebereinkunft der Parteien (ohnoxiatio) dem
Gläubiger überantwortet (althochdeutsch wizescalh, angelsächs.
wite - theow) , ^) seine Schuld abzudienen, oder so lange
für den Gläubiger bei letzterem zu arbeiten, bis — ohne An-
rechnung seines Arbeitsertrages — die Schuld an den Gläubi-
ger entrichtet ist , oder gar sich ihm für diese Zeit völlig oder
zu einem gewissen Theile als Sklaven zu übergeben. So
sagen :
1) Belegstellen für den üebergang ans dem Einlager in die heutige
öffentliche Personalhaft fohlen nicht. Im Anzeiger des Germani-
schen Museums zu Nürnberg v. September 18G1 ist eine Urkunde vom
4. Juni 1377 aufgeführt , in welcher zwei Ulmer Bürger sich gegen einen
Juden verpflichten , im Zahlungsverzuge aus ihrer Heimatsstadt herauszu-
reiten und nicht eher dorthin zurückzukehren , bis die Schuld getilgt ist.
Und noch näher führt das Institut das Danziger Schöppenbuch von
1558 (Danz. Arch.), in welchem fol. 3"22. der Schuldner dem Richter handt-
streckunge thut , sich vor Tilgung der Schuld nicht aus dem Zalüungs-
orte oder einem andern bestimmten Orte zu entfernen. Der Umstand,
dass in der oben erwähnten Stelle bei Grünhagen die Breslaucr Consuln
im Rathhause einlagern, spricht ebenfalls bereits dafür(1316). 2) Zü-
richer Rechtsgeschichte I. p. 297. 3) 1. Sali ca 56. Bluntschli , Züri-
cher R. G. I. p. 294. 4) Ges. v. König In a k. 48. , Aethelstan, H.
§. 1. VI. §. 4.
IV. 2. Verzugszinsen, li. Personalhaft. 133
L. Baiwaiior. II. 1. §. 4. 5.
quousque habet suhstantiam , componat secnndum legem; si
vero non liahd, Ipse se in servitio üeprimat et -- quan-
tum lucrare quiverit, persolvat, ciii deliqiiit
donec dehltum Universum rcstituat."
Ebenso Capit. a. 779. c. 19. und 803. c. 3. ad leg. Rib. : ^)
„in ivadio pro servo scmct ipsumcomiti donet, usque dum
ipsum bann um solvat;" „semetipsuyn in wadium.mit-
iere , u s q u e du m m ulta, qu a m debuit, persol v a t." ^)
Marculf. formul. IL 27.
„talitcr inter nos convcnit, ut , dum ipsos solidos de
meo proprio reddere potuero, dies tantos in imaqua-
que hebdomade servitio vestro, quäle mihi vos aut agentes
i'cstri injunxeritis , facerc deheam." ^)
Besonders klar zeigen einzelne Formeln, dass der säumige,
zahlungsunfähige Schuldner sich selbst wirklich als Sklaven
dem Gläubiger anheimgab. So heissen die symbolischen und
feierlichen Worte in Bigeon. 26. ■^)
„ brachiiim in Collum posui et per comam capitis mei coram
praesentibus hominibus tradere feci, in ea ratione, ut inte-
1) Pertz, Monum. legg. I. 38. 117. 2) Desgl. capit. 811. c. 3. d.
exercital. n. cap. Bononiense (811) c. 1. Pertz, Monum. legg. I. 169.172.
3) ct. auch A]ipend. ad Marculf. N. IH. (Roziere, recueil general des
forniules, usitees daus l'empire des Francs du Vau X** siecle, premiere par-
tie. N. 47): „omnihus non habetur inco(jnitu))> qualiter mihi gravis neces-
sitas et natas pessimas mihi upprcsserunt , ex miniuie habeo unde vivere
vel vestire debeam. Propterea ad peditione mea mihi non denegasti nisi
ut in summa necessitafe mea argento vel acto tuo valenie solidos in manu
mea mihi dedisti , et ego minime habeo unde ipsos solidos tuos tibi reddere
debeam. Vropterea obnoxiatione de capxtt ingenuitatis mee , inte
fieri et adfirmarc rogari, ut quicqnid de mancipia tua originalia vestra
facitis tarn vendendi, commutandi, desciplina imponendi, ita et de me
ab hodierno die liberum et firmi ssimam in omnibus j)0te-
statem faciendi habeas." — Grimm, R. A. 327. 328. 613fF. —
Auch Gulathings Lag; Kaujia Balkr. IV. p. 481. Ueber die Schuldhaft
eines Christen hei einem Juden cf. c. 2 capit. Carol. 'M. d. Judaeis und
Helfferich. Zeitschr. f. R. G. IL 2. 3. p. 417. cf. u. Abschn. V. 4. 4) Ro-
ziere, 1. c. IL 464.
134 TV. 2. Verzugszinsen, li. Personalhat't.
)•/;//. qi(0(J Ipsos soli?dos vestros reddere potuero, serviti n m
vrstrum adimplere deheam.'' ^)
Die dadurcli bewirkte Sklaverei war der Zeit mid der Härte
nach verschieden. Der Zeit nach blieb der Schuldner entwe-
der nur, so lange er die Schuld nicht entrichtete, in der
Knechtschaft, oder von vorn herehi sein ganzes Leben lang.
Letzteren Falles zahlte er mit seiner Knechtschaft die Schuld
zurück, so wie den Schaden des Verzuges: ersteren Falles
wurde die Schuld ausserdem erstattet, und nur zum Ersätze
des Verzugsschadens . auch zur Strafe der Zahlungssäumuiss
büsste er eine Zeitlang die Sklaverei. Nach Tilgung der Schuld
trat er dann ohne weitere Folgen wieder in den Stand der
Freien zurück. Hier heisst der Sklave wadium (Wette, Pfand). 2)
1) cf. Grimm, Rechtsalterthümer. S. 126. 127. Pertz, Merovin-
gische Hausnieiev, S. 84. u. N. in S. 194. Seine Berechtigung, dieses für
die Lebenszeit zu tliun. sichern dem Schuldner 1. Bai war. VI. 3, 1.
Frision. XI. 1. capit. 828. c. 3. App. ad Marculf 16. .58. Marculf 11.
28. Andeg. 2. Baluz min. n. 7. (Eoziere, p. 72. n. 47; 73 n. 48. 49;
74, n. 51 ; 75 n. 52) und ebenso für eine bestimmte kurze Zeit: cap. An-
segis, III. c. 16.5. cap. Hlud, c.8. capp. in leg. Ripuar. mitt.c.3. (Pertz,
legg. I. 117), capp. i. leg. Salic. mitt. c. 8 (Pertz, 1. c. I. 113. Hinsichts
der Verurteilung durch den Richter zur lebenslänglichen Knechtschaft cf.
legg. Liutpr, 1. VI. 57. 121. 152., ib. IV. 20. 1. Wisigoth. III. 3, 5.,
V.4, 11., Vn. 3, 2. VI. 4, 2. IX. 2, 9. legg. Rachis VI. Stobbe, Rechts-
queUen. I. p. 126. N. 13. und ebenso für eine bestimmte Zeit: cp. Anseg.
m. 65. 1. Baiw. IX. 23. capitul. Carol. 779. c. 19; 785. c.2. 812. c. 1.
(Pertz, legg. I. p. 38. 48. 172. 2) Grimm, R. A. S. 615. geht in die-
sem Punkte bekanntlich noch weiter. Er behauptet, schon nach dem
ältesten deutschen Rechte, ebenso, wie nach dem römischen, habe Gläu-
biger das Recht gehabt , Avenn nach Ablauf einer vorherbestimmten Zeit
der Sklaverei die Schuld nicht entrichtet worden . den schuldenden Skla-
ven zu tödten. So nur konnte der bestimmte Zweck des Institutes erreicht
werden. Indess die Zeit, von welcher er hierbei s])richt, ist eben jene,
innerhalb welcher der Schuldner das geschuldete Geld schaffen musste,
wenn er nicht Sklave werden wollte. In dieser wird er noch an 3 Gerichts-
tagen öffentlich ausgerufen , um etwa seine Angehörigen zu seiner Aus-
lösung zu vermögen. Ist dies vergeblich , so wird er am vierten Gerichts-
tage endlich dem Gläubiger zuges] »rochen. Von einem Rechte der unge-
straften Tödtung sprechen die Quellen nicht. Die Möglichkeit hierzu war
dem Gläubiger freilich anfänglich wol ebenso, wie bei seinen andern Sklaven
IV. 2. Verzugszinsen, h. Personalhaft. 135
Die Gesetze der Longo bavden kennen übrigens sowol die
fortwälirende , als die zeitweise Schuldkneclitschaft, jene legt
der Eicliter bei grösseren Schiildposten auf. ') Das Gesetz der
Westgothen führt nur die lebenslängliche Knechtschaft
oder Schläge für den säumigen Schuldner auf. -) Das Kecht
der Franken billigt beide Arten. '^j Die vertragsmässige
lebenslängliche Schuldknechtschaft aber ist der alten Zeit vor-
nehmlich eigen , später wird die zeitliche immer üblicher. Die
richterliche A'erurtheilung zur Schuldkneclitschaft gestatten die
Capitularien ebeni'alls nur für eine bestimmte Zeit.
Die Sklaven nun , welche so dem Könige anheimgegeben
wurden , beschäftigte man mit demselben Tagewerke , dem sie
als Freie obgelegen hatten ; nicht anders wurde ihre Lage bei
den grossen Grundbesitzern , mochten es Privatleute oder die
Kirche sein. Fast regelmässig übrigens scheinen sie sich durch
schliessliche Abzahlung der Schuldsumme (oder Composition)
von den Fessebi der Sklaverei befreit zu haben. Zwar machte
ihnen das strenge Sklavcnrecht unmöglich , durch den Ertrag
ihrer Arbeiten , der doch ihren Herren zufiel , sich zu lösen.
Aber zunächst gestatteten ihnen die Herren selbst wohl gut-
willig eine theilweise Abarbeitung der Schuld, später trat stets
euie gesetzliche oder vertragsmässige Regelung dieser Ver-
hältnisse ein, weil dtpin diese Sklaven sich vielmehr in Gesinde
umwandelten. Das drückt bereits die Stelle aus der lex Baju-
wariorum IT. 1. §. 4. 5. aus, welche oben citirt ist.
In alter Zeit gewann der Gläubiger nicht allein den Skla-
ven selbst und seine Arbeitskraft, sondern sogar dessen Weib
gegeben, und das Christenthum erst mit der Betonung der Menschen-
rechte, die mildere Sitte, endlich selbst ausdrückliche Gesetze hielten ihn
davon ab. Schon die Longob ardischen Volksrechte stellten die Sklaven
allgemein milder (Liutprand. legg. VI. 121: „ipse in eum faciatvin-
(licla in dificij)linuui et in renditionem , nani non in occif^ionem rel in
semationem.") Der Sklave mehrerer Herren wurde nur verkauft, wenn
eine Theilung seines Werthes unter dieselben stattfinden sollte (1. Wisi-
goth. 1. V. t. V. UI. ;}. 5.)
1) Liutprand. legg. VI. 152. (handelt selbst nur von Compositio-
nen wegen Vergehen). 2) 1. Wisig. VI. 4, 2. (nur von Comitositionen).
3) capitt. i. 1. Sal. 108. Merkel, 1. Sal. S.48. Pertz, legg. lU. p. 3.
13(i IV. 2. Verzugszinsen, li. Peisonalhaft.
und Kinder. Wenigstens spricht die lex Bajuwariorum 0, 1.
sich dahin aus. Später änderte die Freiheitswandelung des
Vaters nicht mehr die Freiheit seiner Familie (capit. Chlotar.).
So heisst es: ,,Iudicatum est ab omnihus, ut si Frcmcus
ho))io in scrvitio sponie siia se iniplicaverit , — et si ßlios vel
filias. (hon in sua fuit lihcrtate , generavit, i2)si liheri perma-
neant. Lihcr, qui se in loco ivadii in alterius potestatem com-
miserit . . . si vero liheram feminam hahuerit , iisque dum in
pifjnns r.isfitrrit et fdios hahuerit liheri permnneant." Auch
die in der Knechtschaft des Schuldners geborenen Kinder seiner
vor der Knechtschaft geheiratheten und deshalb freien Ehefrau
bleiben frei. Dagegen die in der Kneclitschaft geheirathete
Frau und die von dieser in der Knechtschaft geborenen Kinder
gehören dem Gläubiger , wie der Vater. ^) Uebrigens stand es
dem Vater frei, — doch Avahrscheinlieh nur in ältester Zeit —
statt seiner auch seine Kinder dem Gläubiger in die Knecht-
schaft zu geben. Tacitus schon ' führt das in dem freilich
unmaassgeblichen Kriegsfalle zwischen Friesen und Römern von
ersteren an. 2) Doch auch ausser seinem Zeugnisse sind andere
Belege vorhanden. So heisst es von Theodorich, dem Erzbi-
schof von Canterbury (lit. poenitential. c. 28.) : pater fdium
suum Septem annorum necessitate eompidsus potestatem habet
t rädere in servitium," und ebenso von Egbert (archiep. Ebor.
confessionale c. 27) ., pater potest ßlium suum magna necessi-
tate eompidsus in servitium tradcre usque ad septimum an-
num; deinde sine voluntate fdii eum tradere non potest.^' Und
dass diese Fälle nicht selten vorkamen, zeigt unzweideutig
das Verbot, welches König Theodorich dagegen erliess (c. 95)
1) Pipin der Kleine bestimmte demgemäss auch : „simüUer et mulier
ingenua si servum accipiat pro ingenuo, et postea qualicunque causa
ingenitus fuerit, nisi pro inopia fame cogenfe se vendiderit et ipsa hoc
consenserit et de p^'etio viri sui a fame liberata fuerit , si voluerit , potest
eum dimittere et si se continere non potest, aliuin ducere. Similiier et de
muliere si se vendiderit , et vir ejus ita consenserit , taliter potest stare,
si se separarerint." cf. Richter, Kirchenrecht §. 265. III. Walter,
Kirchenrecht. 305. 2. 2j Tacit. Annal. IV. 72. ac primo boves ipsus,
vwx ayros , postremo corpora conjugum aut liberorum servitio tradebant.
IV. 2. Verzugszinsen, h. Pcrsonalhaft. 137
„nec pro pignore (daher auch nicht bei zeitweiliger Knecht-
schaft, geschweige denn bei lebenslänglicher) filü a parenti-
hus alicni dari j^ossunf; et si sciens creditor ingcnuos pro
pignore a parentihus susceperit, in exiliam dir iget iir. Operas
enim tanttim parentes filiorioH , quos in potestate hahuerint,
locare possunt. " ^)
In den Rechtsbüchern darauf und den mit ihnen gleichzei-
tigen jQuellen wird das Institut weiter ausgebaut, der dem
Gläubiger zufallende Schuldner dem Gesinde ähnlicher, als dem
Sklaven angesehen, vemnzelte Taxen für die Arbeit des Schuld-
ners aufgestellt und vor Allem von der Art der Haltung des
Schuldners beim Gläubiger gesprochen. ^) Der Spiegel deut-
scher Leute (Picker. Innspruck 1859) 271. p. 132. u.a. sagt:
„Sver schulde vor gericht vordert auf einen man. der ver-
gelten niht enmach noch purgen setzen der Richter sol im
den man antwurten vur daz gelt. Den sol er behalten
geleich semem Ingesinde mit speise vnd mit arbeit. W i 1
er i n i n s p a n n e n m i t einer e y s e n h a 1 1. d a z m a g e r
tuon. (über die Grenze der Schuldarbeit hinaus.) anders
ensol er in niht handel.
272. Hat er in oder entrinnet er ime. da mit ist er
niht ledich des geltes. Die weile er im niht vergolten
hat. vnd er daz niht volpringen mag noch enchan. S o i s t
er immer sein pfant vur daz gelt."
1) cf. auch Guerard. Polypt. Irin. I. p. 800. n. 6. oben S. 139.
(10. Jahrh.j — Durch Dr. Korn in Bi-eslau sind einzelne der hierhin
einschlagenden Punkte in seiner Diss. inaug. „de obnoxatione et tvaclio
antiquissimi jwis Germanici" behandelt. 2) Sachsensp. lU. 39.
§.1 — 2. Schwabens]). 304. Schles. L. R. cp. 293. Eckardt. 9 Bücher
sächs. Rechts. (Poehnann) V. a. 7. dist. 1. u. 3. „ und ob er in an der
schuld will laszen arbeiten." — verm. Sachsensp. III. g. dist. 3. p. 149.
m. 14. §. 1. (Ortlofl) Sächs. Weichbild a. 27. — Goslarer St. R.
n.3. p.54. Magdeb. R. an Görlitz mitgotheilt. §. 98. p. 448. Hamb. R.
(1270) IX. 13. Augsburg. St. 11. (Walch , p. 404. 5. Gaupp, St. R. I.
p. 143 ff.) Altes Bamberg. R. (ZöpH) Einl. p. 220 ff. §. 434. b. c. Dazu
die alten Handschriften letzteren Rechtes . in denen dieses Institut nicht
behandelt wird.
138 IV. i*. Verzugszinsen, h. Personalhaft.
Altprager R. (Rössler) a. 68., worin das Recht noch ausge-
dehnt ist zu Giuisten des Gläubigers, (14. Jahrh.) bestimmt:
., vnd mag in halten als lang als er wil vnd stirbt her
die wil in der gevangenusse von gotes gevalt, so sol der
dager nyemant antworten dar vmbe." — cf. auch Altpra-
ger Stadtr. Ottocars IT. 1269. 1. c. a. 36. p. XTV.
Desgl. das Salzwedler St. R. §. 14. (15. Jahrh.) erklärt:
„ We synen lovere , deme lie schuldig is , .vor syne schult in
gerichte wert geantwordct. den schal me antworden to dryen
richtedagen, na dem dridden richte mach de loyver
it schicken mit dem sc.huldner, alse eme dat
tutne is." ')
Nach dem Züricher Rechte wurde dem Schuldner, falls
sein Vermögen nicht zur Befriedigung des Gläubigers aus-
reichte , sofort der längere Aufenthalt in der Stadt untersagt.
Dann erst begann das ursprüngliche Recht des Gläubigers
auf die Person des Schuldners zu wirken. Nahm er ihn in
seine Privathaft , so musste er ihn auf seine Kosten ernähren.
Weigert er das , so verlässt Schuldner den Ort. ^) Nach dem
Stadtrechte von Winterthur 1297. III. 6 — 11 steht es in
des Gläubigers Wahl, sich aus dem Eigen des Schuldners durch
Pfändung bezahlt zu machen (cf. u. V. 2. h.) , oder den Schuld-
ner persönlich zu Gast d. h. in Haft zu nehmen und zwar,
indem er ihn auf seine Kosten ernährte. So weit hatte sich die
Schuldknechtschaft gemildert und sich der öffentlichen Schuld-
haft genähert. •'') —
1) J. H. Böhmer, jus eecl. prot. V. 19. §. XXVIII. Paulsen.
Zeitschrift für D. E. IV. p. 128. N. 1.^. Bluntschli, 1. c. I. p. 294 ff.
2) Rathserk. von l;-J32. ,. Wil im danne dekeiner ander ze essenne geben
von dem im die stat verbotten ist, vnd von dem er an vnserm buoche
verschriben stat , so soll er alle die wile beliben in dem Tvrne vntz daz
der kleger gerichtet wirt; were aber, daz im niemanze essenne wollte
geben in dem tvrne, so sol man in lassen us swerren, daz er vor der stat
si , alle die wile vntz das die kleger ir gülte vnd die stat ir buozzen mit
pfendern mit Pfenningen oder mit bürgschaft gerichtet werdent als och
vnt/.her bescliochen ist." Kathserk. von 1341. 1.344. 3) Vergl. noch
T z s c h 0 p p c und S t e n z e 1 (Urkundenb. j p. 448. B r ii n u e r Schöffenb .
IV. 2. Verzugszinsen, h. Personalhaft. 139
Hier wächst daher offenbar der Gewinn des Gläubigers
durch des Schuldners Verzug. Denn zuerst zwar sollte der
Schuldner lediglich das Kapital und den Verzugsschaden abar-
beiten; allein wenn hierbei schon die Taxe und Controlle schwer
zu üben, also auf die leichteste Weise die Bestimmung des
kanonischen Rechtes zu überschreiten war durch Empfang eines
..aJiquiil ultra sorfem und itUra nsuras ex niora Orientes,"
zumal die Parteien selbst im Contrakte diese Abarbeitung ver-
einbaren und mit Leichtigkeit eintreten lassen konnten, so kam
den Contrahenten nocli das deutsche Recht, wie gezeigt, geradezu
zu Hilfe und verwarf in diesem Falle das kanonische Recht.
Es gestattete nicht allein diese Abarbeitung, ohne der Schuld-
arbeit eine zeitliche Grenze oder Taxe - mit geringen Aus-
nahmen beizufügen, sondern es bestimmte sogar, dass der
Gläubiger ausser seinem Schuldkapitale und dem Verzugs-
schaden auch noch den Nutzen aus des Schuldners Arbeit zog,
ja, die Zeit dieser Schuldarbeit wurde ganz in das Belieben
des Gläubigers gesetzt.
Ersterenfalls erscheint diese Abarbeitung gleich einer Strafe
des Schuldners, grenzt an das Einlager und rechtfertigt deshalb
ihre Behandlung an dieser Stelle; letzterenfalls lässt sie den
Schuldner gleich einem Pfände vom Gläubiger ausgenutzt wer-
den , \) ohne Anrechnung des Ertrages und ohne Grenze der
610. D a n z. Schöppenbuch 1438. tl. 349. 4. „Dis hot sich lauge Jacob
vorwilkort, dat he Jacob scheleu so lange d e n e n \vil , bet he em de
IX. mrk. nijTi. VIII. scot aif verdenet hefft 11 jare langk isliche weke vor
'2 gcr. in., wat he to arbeden hett;" (Dagegen Guerard, Polj'pt. Irni.
I. p. 800. n. 6 [10. Jahrb.] : „(lebet scrihere cartam, quantos soh'dos rece-
pisset, et !tubscri])tione firmare se reddittiros. Sin auf ein aut ipse mit
uxor ejtis aut infans ejus si forte ab eis non redditur pretiuin , iiuoieant
in servitio foeneratoris." of. p. 135 ff.)
1) Melir hierauf, als auf das Einlager , ])asst daher der Vergleich mit
dem Pfände, cf. Mone. Zeitschr. z. Gesch. des Ob. Rh.Y. p. 321. (1257)
Jacebunt in pignore. — Grimm, Weisthümer 111. p. 264. n. 28 „und
hefft he neyn pand. so schal he sulven dat pant syn. — Haltaus, 1. c.
V. Geissclschaft : ., obses , eyn gyzzelvnge , off dat is oyn Mensche staende
vor eyn pant." — Culmer E. 111. 135 (Systeiuat. Schöffenrecht 111. 2,
140 IV. 2. Verzugszinsen, i. Draufgeld.
Ausnutzung, niolit oinnial durch die Abzahlung von Kapital
und Si'hadensgeld, ein Prinzip des deutschen Rechtes, welches
unten bei der Ptandnutzung noch greller den Gegensatz zum
kanonischen Rechte offenbaren wird. Und gerade das alte, von
fremden Grundsätzen am wenigsten, beeinflusste deutsche Recht
sichert am meisten den Gewinn des Gläubigers aus des Schuld-
ners Zahlungsverzuge, indem es günstigsten Falles den Schuld-
ner selbst und sogar dessen Familie dem Gläubiger für deren
Lebenszeit als Sklaven, als unbeschränktes Eigenthum anheim-
giebt (cf. V. 2.)
i. Das Di'aufgeld.
Schon in ältester Zeit kennt das deutsche Recht das
Draufgeld als Zeichen des Vertragsschlusses. Sein Name ist
Angeld, Gottespfennig, ') denarius sancti. spiritiis, Leitkauf,
Weinkauf, festepennig u. A. ^) So begegnet es in den Volks-
rechten •'') und den Capitularien.
Während das Draufgeld durchweg in den Rechtsquellen
als Zeichen des endgültigen Vertragsschlusses angeöehn wh'd,
— natürlich stets die sonstige gesetzliche Billigung des Ver-
trages, welche durch das Draufgeld nicht ergänzt werden
konnte, vorausgesetzt - (so dass z. B. Erich in der Stelle bei
Sartorius - Lappenberg vorschreibt, der Verkäufer üi Norwe-
gen dürfe dieWaare an einen Dritten weiter verkaufen, sobald
der erste Käufer (Normanne) ihm nicht am Tage semes geschlos-
101.) den mag her wedir an gryfen wo her yn ankniiipt . . . und jti wedir
füren in syn heheltnisse vnd yn haklcn alse eyn pfant. So sagt deshalb
auch der S]>iegel deutscher Leute (Ficker) 272. p. 132, gerade, wo
er diese Schuldarbeit behandelt: „so ist er immer sein i)fant. vur
daz gelt."
1) Dahin dürfte auch die verfallene pena aus Danz. Arch. Schöppenb.
V. l.ööß. fol. 69. gehören: „dennoch by alzo, dath von disen III'' dertich
flor. vor de entperung der tith hi fabian affgaenn szallen c. flor. welcke
hans Bremer den hues armen als ane verfallene pena sali thoegenen. " —
2) cf. u. v. A. Sartorius-Lappenberg 1. c. I. unter den Gesetzen Kö-
nigs Erich für die Städte. Absch. Handel mit Norwegen (1294.) Mevius,
ad jus Lubic. III. 66. n. 11. — du Gange, v. denarius Dei). — Lüb. R.
(Hach. I.) a. 72. revid. lüb. R. IIl. 6. 6. 3) lex Wisigoth., Baiwar.
IV. 2. Verzugszinsen, i. Dvaufgeld. 141
senen Kaufes den festepennig gebe), rechnen doch die Volks-
rechte es auf die Leistung des Draufzahlers an oder zahlen
das Draufgeld bei Erfüllung des Vertrages zurück; dagegen
das spätere Recht giebt der andern Partei das Draufgeld noch
ausser der von ihr zu fordernden Leistung hin. ^) In dieser
Bedeutung streitet das deutsche Recht offenbar wieder gegen
das kanonische nc quid ultra soiicni; es befindet sich zugleich
mit seinen eigenen Wucherbestimmungen in Widerspruch,
denn gerade hier liegt das ,.also of he id bededinghede" der
Buchschen Glosse für das mer u}dmrt vor. Darum musste die-
ser deutsche Gebrauch, welchen das jüngere und nicht natur-
wüchsige kanonistische Zmsverbot nicht austilgen konnte , un-
ter die Ausnahmen von dem Wuchergesetze aufgenommen
werden , und so begegnet es in der Bocksdorffscheu Glosse in
der Reihe der oben zitirten Ausnahmen und verbreitete sich
von dort in weitere Quellen, z. B. den Layenspiegel. (IV. 1.)
Andrerseits verlor der Draufzahler im Falle des Verzu-
ges der Contraktserfüllung das Draufgeld, wo es zugleich
Conventionalstrafe war, und musste natürlich ausserdem Kapi-
tal und Schaden ersetzen, cf. lex Baiwariormn XV. 10.
„qui arras dederit pro quactmque re, pretium cogutur int-
plere quod placuit emtori. ■ Et si non occurrerit ad diem
constitutum vel antea non rogaverit placitum ampliorem,
tunc perdat arras et pretium, quod deheat, impJeat.''
Oder aber , der Draufgeldzahler konnte sich gegen Verlust des
Draufgeldes an den Gläubiger von dem Contrakte befreien. -)
cf. Jus Slesvic. c. 51. 52.:
„Item si emtor in Signum emtionis dederit quicquam in
manu vendentis et postea nolit emisse , haheat gratis vendi-
tor quod accepit et insupcr VI. sol. Item si hiherint in
signiitn emtionis nihil dato ad manus reddat potum com-
mercii violator."
1) Mevius, 1. c. Dre3'er, d. ditier. jur. Eoin. et Cierni. in arriiis eiii-
ptionum. 1747. p. G5 ff. Mon. Boica IV. 481. ,,40 phund pfenn. on den
leitchauf." 2) cf. Würtenib. L. R. U. 9. §. 20 bei Kraut, 1. c. §. 163.
n. 9., eine Reupön. (cf. n. 95.) Bresl. Arcli. üb. excess. 1386. fol. 25.
142 \y. 4. Vorzuofszinseii. Iv. Ersatz des Schadens ans d. Verzuge.
Alle drei Fälle kommen bei dem einseitigen Davlehn thatsäch-
lich auf dasselbe Resultat hinaus, da der Gläubigev schliess-
lich jedesmal sein Kapital und das Draufgeld besitzt. In den
zwei letzteren Fällen gehört die Zahlung des Draufgeldes nur
scheinbar unter die Rubrik der Verzugszinsen; es verstösst
deshalb gegen das kanonische Zinsgesetz, wo es nicht in den
kanonistisch gebilligten Verzugsschaden eingerechnet wird.
k. Der Ersatz des Schadens aus dem Verzuge.
Das kanonische Recht nahm, wie gezeigt, die Verzugs-
zinsen und allgemein den Ersatz des Verzugsschadens von dem
Wuclierverbote aus (p. 19. 20.) Ebenso das deutsche Recht. Diese
Schadensersatzpflicht liegt zu sehr in der Natur alles Verkehrs,
in der Billigkeit begründet, als dass sie unter den Rechtsvor-
schriften eines in der Bildung uaturgemäss vorschreitenden
Volkes fehlen könnte. Nur Purgoldt überherodisirt den
Herodes und will in seinem besonderen Eifer für das kanoni-
sche Recht sogar den Schadeusersatz bei der Zahlungssäum-
niss unter das Wucherverbot werfen. Er sagt in seinem Rechts-
buche VIII. cp. 56:
.. vorkeuft ader lyhet eyner etzwas uf eyne tagzcit zcu gelden
und bit der schuldiger lengern tag , unnd wil ym der glou-
biger den tag nicht erlengen, her schenk ym dan etzwas
darumb, das ist auch wiicher und stet geschriben ex. e. c. etc."
eine Stelle , welche vielleicht den Schaden aus dem Verzuge all-
gemein betrifft, da Purgoldt trotz seiner ausführlichen Behand-
lung des Wuchers nicht weiter von dem Schadensersatze beim
Verzuge redet. ^) (cf. desgl. Co In er altes Stadtr. a. 4(3. p. 69 ff.)
Imierhalb dieser BilKgung des Schadensersatzes aber
gehen die deutschen Rechtsquellen vornehmlich in zwei Punk-
ten auseinander, einmal darin, dass sie theils von vorn her-
ein die Ersatzpflicht des säumigen Schuldners aussprechen,
theils eine ausdrückliche Uebereinkunft der Parteien zu deren
Ij Doch bleibt die Frage zweifelhaft, weil Purgoldt andrerseits schon
den Schaden ersetzt wissen wül. der einem Kaufmanne dann erwächst, wenn
er im Begiiffe sein Geld für seine kaufmännischen Geschäfte zu verwenden
dasselbe darleiht. — cf. noch Cujac. Opi). Mutina 1782. Vol. VI. p. 875. E.
IV. 2. Verzugi?zinsen. k. Ersatz des Schadens ans d. Verzuge. 143
Geltendmachung erfordern ; sodann darin, dass sie in selir ver-
schiedener Weise die Verzugszinsen normiren.
Darin, dass eine niclit kleine Zahl von Gesetzen die Wir-
kung der Ersatzptiicht von dem Uebereinkommen der Parteien
abhängig macht, ist oftenbar mit Unrecht von einzelnen deutsch-
rechtlichen Schrittstellern ein allgemeines Verbot des Ersatzes
gesehen worden. Die blosse Uebereink-unft der Parteien konnte
sicher doch noch weniger, als der Eid (cf.p. IG. u. IV. 2.e.), das
verbotene Geschäft erlaubt machen.
Schon die Volksrechte stellen den Grundsatz der Ersatz-
pflicht jedes Schadens ohne besondere Uebereiukunft auf, z. B.
in der beliebten casuistischen Form die von den fremden
Rechten am wenigsten beeinflusste lex Frisionum additio
sapient. ti. XI. de re praestita 1.
„si homo alii cquuni simm praestiterit veJ quamlihet aliam
X)ecuniani , talon qualis ei praestita est, reddat domino
ejus, et si forte pejorat um reddiderit, cofnponat ei juxt a
quant it atem, qua rem ejus inj)cjoravit."
Die isländische G rag äs und eine grosse Reihe anderer Ge-
setze geben sogleich eine bestimmte Höhe der Ersatzsumme,
indem sie diese zu überschreiten theils erlauben,
theils nicht erlauben. Dass diese feste Summe der Ge-
setze vornehmlich als fixirter Schadensbetrag anzusehen, wird
unten näher ausgeführt, wo sich auch die Beläge zitirt finden.
Von den Rechtsbüchern halten denselben Grundsatz u. A.
fest Sachsenspiegel I. .")4. §. 2. bei dem Rutscherzinse, der
auch für Zahlungssäumniss der Rente vom Rentenverkäufer
entrichtet werden musste. cf. V. 3. a.
„Svesinen tins to rechten dagen nicht negift, tvigelde
sal he ine geven des anderen dages , mide alle dage also , de
wile he ine under ime hevet, deste ime die herre mit rechten
ordelen volge , unde ine to sineme huse esche ..."
und die Menge der alten und jungen Quellen , welche den Rut-
scherzins behandeln. ')
1) z. B. schon V. Jahre 773: „eUi de ipi^o censu negligetis apanicro
anno primo , in secundo anno redam duplum , et si tunc negligens apa-
11 1 IV. 2. Yorziiflrszinsoi). k. Ersatz (le>< Scliaileiis aus d. Terziig-e.
Das Keclitsbiu'li liUdwiijs von B ai er n (1 ;3:iG. Heumann)
1. c. ti. i>;5. p. 1-27.
..wirt ainer angesproilien vmb gelt wie er des schuldig wor-
den ist oder benent er ainen genanten schaden dart/Ai , den
er im gehaissen hab: den sal er im abtun ZAiauderm genante
schaden, den er im sunderlicli gelobt und gehaissen hab." —
p. 1 .')(). ..AVer einem gelt leicht oder ze behalten geit, der
sol im das in viertzehn tagen widder geben. Tat er des
niht, Avelhen schaden er des nympt hintz seinen gelten, den
sol er im vnd seineu erben abtun gar vnd gentzlichn."
Desgl. Böhme, Schöffenurth. VI. p. 126. (cf. Magdeburg.
Frag. II, 2. d. 15. 17. u. Culm. K. III. 120. opp. III. 60) »):
„vorczuet der lowber den tag als (er) beczalen sal vnd wirt
das gelt noch deme tage vorsprochiu vndir im , her mus den
schaden tragin vnd mus dennoch deme beczalen sin gelt als
her gloubit bot."
Aus späterer Zeit unter vielen andern Tenglers L ayen Spie-
gel 1. c. th. I.
,. Nichtz minder wird menigerlay väll im rechten angezaigtt,
darin man über das haubtgutt zimblich on lästerlichen
Wucher nemen etwas und geben mag: wenn etwas für
schaden oder perickel compensiert wird ane vorgeend
geding, das mög menigerlay väll im rechten sein."., „als
Interesse, für erlitten schaden oder mangel on
für geding, für den nutz, der gewisslich möcht entstan-
den sein."
und der R ü g i a n i s c h e L a n d g e b r a u c h , welcher gerade von
den fremden Rechten sich frei erhielt (Normann. Homeyer)
1530 — 1 546 , für adlige Parteien :
„lede de Glöviger Schaden, he mach Schadepande köpen
vnd den Schaden so hoch , als de Hovetsumma sich strekket,
vnd nicht höher anschlahn."
ruero anno tercio redam iriblum , et si postea iieglexero ipsas res quas
dedicet posiea j^er precarius excepi , reveriant." Bluntschli, Züricher
E. G-. I. ]>. 98. Stobbe, Vertnigsrecht p. 82. N. 5. Grimm, Rechtsalter-
thümer p. 387.
1) cf. Laband, systemat. Schöffenrecht. lU. 2, 23 und 90.
rV. 2. Verzugszinsen, k. Ersatz des Schadens aus d. Verzuge. 145
Auch viele Stadtrechte bekemien sich zu der allgemeiueu
Ersatzpflicht ohne Uebereinkunft. So das AI tp rag er St. R.
1. c. a. 68.
„ welcher man aber helt vnd laj^st , als sein prief lauten , die
wil er das beweisen mak mit seinem gut das des als wil ist,
das er houptgut vnd schaden verrichten mag, di weil sol
man in niht hoher treiben." u. Einl. LXII. ebend.
Das lübische Recht (Hach. cod. II.) a. 188:
„ dar en deme andern schuldicli is vnd nicht neghelt to sime
daghe also langhe alse he dat ghelt beholt na deme daghe,
also lange schal he eme penuinge lenen also vel. ofte he
mot eme den schaden beteren ofte he beclaget wert
dar umme oder he mot sweren , dat he eme nenen schaden
ne hebbe gedan." Desgl. das r e v i d. lübische R. EI. 1 . a. 2.
Das Wiener St. R. (1435) p. 166. 1. c.
„ bringt der fuerman den wein mit gemache hin do er in hin
gedinget hat vnd das in sein herr nicht fertigt mit dem Ion
an dem dritten tag , als aller wagn leute recht is , wes er
des schaden nympt vnd furpas zert mit seinem wissen , den
sol der ab thuen , dem der da gefuert hat darumben , das er
in lenger säumet mit seinem Ion denn recht is."
Die Danziger Willkür v. 1400. 1454. (Bornbach, I.e. IL
fl. 314. 322. Arch.bibl. X. 1.) fol. 3. von wirdigunge semlichs
schaden.
„wo eyner den andern Mume schaden beschuldiget den
schaden sal man nicht richten noch des k^egers wille sunder
die scheppen sullen en wii'digen noch deme sie als irkennen
das es mogelichen ist unde das sullen sy thun by erem eyde,
wenne das gescheen ist so sal der kleger sunderlich seynen
eydt darczuthuen , das der schade so grosz sey , alse her von
den scheppen gewirdiget ist, her mag en wol m3iinen adir
her sali en nicht bogen." ^) (Allgemeiner Würderungseid).
1) Ebenso das alte Bamberger R. 1. c. §. 228. — Revaler St. R.
(ed. Bunge und Madai) unter den dänischen Ges. 1346. — Frankfurt.
St. R. (Senckenberg, select. jur. et bist. 1. 1 — 84.) 1352 — 78. cp. 28.
— Altes St. R. V. Lüneburg, Bursprake vor St. Michael (Kraut.) p. Gü.
Keumann, Gescb. d. Wuchers. 10
14G r\'. '2. Vorzugszinsen, k. Ersatz des Schadens aus d. A"erzug-e.
Die Freiburger Reformation (1520) II. 1. n. 3.
„Wie der sinnig schuldener kosten bezalen sol. — Ob aber
der Schuldner uti" geschehene ervorderuug oder uff gesetzte
zil und tag nit bezaluug thett, so ist er die schuld mi t-
sampt zi 111 liehen kosten, es sig verschriben oder
nit, zu bezalen schuldig, doch unser oder des gerichts mutt-
massung vorbehalten. . ." ^)
Dagegen fordern vorherige Uebereinkunft der Parteien zur
Geltendmachung der Ersatzpflicht Sachsensp. III. 43. §. 2.,
i. 52. §. 3. IL 44. §.2. Altprag er E. I.e. p.81. Bremer K.
(.1303) 103; 1433. 22. Stader R.V.12. (1. c. Pufendorf I. app.
p. 193) u. m. A. so auch d. Brunn er E. Culmer E. III. 60.
Systemat. Schöffenrecht III. 2, 23:
„beclayt eyn man den andirn uiiime schaden, den her habe
dor abe, daz her ym syn gelt uf syuyn benumptin vnd gelob-
tiu tag nycht beczalt habe , der antworter darf nicht umiiie
deu schaden antwortin. Is en sye denne daz her daz ouch
gelobit habe, ab her eu vorczyhe unde her des geczogis
schadiii ueme, daz her ym do vor welle vol tun abe czu richtin ;
bekennet der lober, daz, zo sal her daz haldin." ^) cf. S. 147 ff.
Normirt wird der Schadensersatz in verschiedener Art,
und dies bereits seit ältester Zeit. Einige Gesetze stellen selbst
oder durch den Eichter eine bestimmte Summe, zuweilen je
nach dem Stande der Contrahenten abgemessen , ^) ein für alle
Male als Schadensbetrag beim Verzuge hin , indem sie theils
1) cf. noch Frankfurt. Eefor. (1.509.1578) U. 11. §.10 — 11. Orth.
Anm. dazu. I. 396 u. sonst. 411. 416. 437 u. a. — Würtemb. L. R. von
1597 n. fl. 183. — Pfälzer L. R. 1581. H. 2. v. mut. p. 3. 2) Die
Gegner obiger Ansicht führen letztere Vorschrift auf das kanonische Recht
zurück , das keinen Ersatz des Verzugsschadens billige , wegen seines
Zinsverbotes, cf. u. a. Stobbe, Vertragsrecht S. 37. Dass dieser Punkt
sich gerade umgekehrt verhält und so ebenfalls gegen die Gegner streitet,
ist oben schon bemerkt (cf. ob. 1. 2. u. S. 143.) Näher kann in dieser Arbeit
allgemeineren und andererseits spezielleren Inhalts nicht auf den einzel-
nen Punkt eingegangen werden, cf. S. 147 tf. 3) Im Justiniani-
schen Rechte: xjersonis fillustribus A^jo, gewöhnlichen Privatpersonen
TV. 2. Verzugszinsen, k. Ersatz des Schadens aus d. Verzuge. 147
gar nicht, tlieils 7a\y Minderung, theils zur Erhöhung dieser
Summe je nacli dem wirklich eingetretenen Schaden letztere
zu verändern den Parteien gestatten. ^)
Man hat alle diese Fälle unter die C o n v e n t i o n a 1 - oder
gesetzlichen Strafen für den Verzug setzen wollen. (In
einigen der oben citirten Quellen, z.B. im Frankf. St. R. (1:550)
1. c. cp. 28. , werde auch das gesetzliche Maximum als Strafe,
peen , multa u. dergl. bezeichnet). Ein gesetzlich fixirtes Inter-
esse sei es nicht, weil es in gar keinem Verhältnisse zum wirk-
lichen Verzuofsschaden stehen dürfe.
ß%. Wechslern 8"/„ angesetzt 1. 26. Cod. 4, 32. — Desgl. Gesetze des
Manu. cap. 8 für Indien. — In neueren Gesetzen gilt ja bekanntlich
öfter derselbe Grundsatz, z. B. in Preussen Pr. L. Pt. H. 8. §. 692 — 94.
691. I. 11. §. 805. 808. 806. II. 18. §. 486. I. 11. §.825. 826. I 20. §. 231.
Entsch. d. Ges. Coinmiss. v. 1. Juli 1794. Klein, Annaleu XIV. p. 386.
Reglement v. 13. März 1787 §. 90 — 96. Kab. Ord. v. 28. Jimi 1826 n. 7.
(für Conventionalzinsen allgemein).
1) cf. Grägas, ed. J. F. G. Schlegel. Kopenh. 1829. 2 Bde. Kaupa-
balkr. I. p.390. ti. U. 4'., mrk. ti. V. i^rS95. VI. p. 399. — Gulathings-
lagh (Magnus konongs lagabaeters Gul. 1. Kopenhagen 1817. 12. Jahrh.
Kaupa-balkr. cp. 111. p. 478. verschiedene Summen nach dem Adel der
Gläubiger. Lüneburger St. R. (Kraut) p. 60: bei Verzug von 14 Tagen
3 Pfund. Sachsensp. I. 54. §. 2. Der zu zahlende Zins wird beim Ver-
zuge verdoppelt. Kraut, Grundr. §. 152. n. 18 ff. Grimm. R. A. p. 387.
Weisthüm. I. p. 540. (Rheing. L. R. §. 17.) Lüb. Recht (Hach. I. a. 87.)
Hamb. R. (1270) II. 3. (1292) D. 3. (1497) H. 3. — Frankf. St.R. 1. c.
cp. 28: 20 Pfennige. Danz. Willk. (1454) 1. c. fol. 3, die Schoppen taxi-
ren den Schaden, der Gläubiger darf die Taxe nur mindern. — Rügian.
Land gebrau eh. 1. c. Maxiraum des Schadensbetrags ist die Höhe der
Hauittsumme — bei Adligen ; bei Nichtadligen : 1 Pfund , mit einer Aus-
nahme: 1. c. ti, 151.: „de Buhren mögen ein dem andern neuen Schaden
mehr alss ein Pund vp vorborget Gelt anschlan, idt were denn dat
vorstund en einem Borgen vor einen andern sin Pande de beter weren alss
dar de Borge vor gelavet, den Schaden moth de Schuldige betalen , so
dühr alss der Borge kan bewiesen adder mit seinem Ede will de vorka-
mene edder afgespandede Hafe werdigen. Will sonst yemand den andern
umb schaden besprekeJi vnd den höher ein Pund achten , den moth he
bewisen.'' - - cf. aixch die Citate bei Stobbe, z. Gesch. d. deutsch. V. R.
p. 34 — 37. für die von ihm als „gesetzlich fixirto Schaden.sersatz - ,
Interesseleistung" behandelten Fälle bei der Hausmiethe , dem Arbeits-
vertrage und der Frachtverdingung.
10*
148 IV. 2. Verzugszinsen, k. Ersatz des Scliadens ans d. Verzuge.
Allein gerade dieser Umstand könnte die entgegengesetzte
Annahme rechtfertigen. Denn in der Zeit, als diese gesetz-
lichen Maximalsätzo bouinnen . waren die Gläubiger bei Cre-
ditgabe in Kauf, Darlehn u. s. w. wegen der vorhin berührten
grossen Unsicherheit und Gefahr, welche sie übernahmen,
nur zu geneigt, bei dem allgemein verbreiteten Verzuge von
vorn herein von den Schuldnern bestimmte hohe Schadens-
sätze zu erpressen. Die Untersagmig ihres Gewinnes aus dem
Capitalleihen selbst musste sie noch mehr dazu bewegen. Der
Schuldner -konnte sich als der Credit- und Geldbedürftige
nicht dagegen schützen, obgleich er bei dem Darlehen jener
Zeit vielfach nur durch Geldnoth zur Aufnahme desselben
bewogen ward. Hier von Gesetzes wegen einzuschreiten,
musste den Gesetzgebern um so näher liegen , als die Polizei-
taxen aus dem Boden des kanonischen Eechtes und seiner abso-
luten Werthbestimmung im Territorialfürstenthume vortreif-
lich gediehen. Es verweisen hierauf die vielen Klagen der
Schuldner und Kechtskundigen jener Zeiten über die zu hohen
Verzugsgewiune der Gläubiger, welche jedesmal schon den
Keim neuen Verzuges in sich trugen , ^) wie sie andrerseits die
Gläubiger bei Schliessung des Vertrages sehr bereitwillig
machten , auf den Fall des Verzuges einzugehen. Hier setzte
man gerade ein bestimmtes Verhältniss zwischen dem von vorn-
herein fixirten Schadeusbetrage und dem wirklich eingetrete-
nen Schaden voraus.
Dem entspricht auch der Wortlaut der Q u el 1 e n. Sie schei-
den sehr wol die Strafe vom Schadensansatze; z. B. rechnet
offenbar zum Schadensansatze das 1 ü b. E. ^) die erste Er-
satzart: „also lange schall he eme penninge lenen also vel,"
1) Noch 1698 beklagen sich die Adligen in Livland und Curland bei
dem Könige, die Gläubiger entnähmen aus den Pfandgütern einen viel
grösseren Gewinn , als das landesübliche Interesse betrage , ja sie bezögen
sogar Interesse vom Interesse und forderten ausser dem allgemein ge-
bräuchlichen Interesse noch einen besondern Gewinn für sich unter dem
Namen „.Schadensstand." — Revaler St. K. U. p. 366. — Jhering,
Geist d. R. E. U. 1. p. llu. 117. 2) 1. c. H. (Hach) a. 188.
rV. 2. Verzugszinsen, k. Ersatz des Schadens aus d. Verzuge. 149
ebenso die Dan z. Willkür in der oben citirten Stelle, nicht
minder der Landgebrauch von Rügen, der 1. c. sägt:
„lede de Glöviger Schaden, he mach Schadepande köpen,
vnd den Schaden so hoch, als de Hovetsumma
sich strecket, und nicht höher anschlalm." und danach:
„neuen Seh ade n mehr, alss ein Puud vp vorborget
Gelt anschlan"' — „will sonst yemand den andern vmb
Schaden bespreken vnd deuhöher ein Pund achten,
den moth he bewisen." (1. an. Cod. 7, 47. 1.26. §. I.D. 12,6.)
Ebenso ist dies in den Quellen fixirten Schadensbetrages der
Fall, welche Stobbe 1. c. (S. 147 N. 1) p. 34. 37. citirt. Und Pur-
gold t (Rechtsb. VIII. 56) verbietet wol gerade die Conven-
tionalstrafe hierbei als Wucher m der S. 142 citirten Stelle (da
das Geschenk des Schuldners für die Prolongation dieses aus-
drückt), während durch Auslegmig derselben Stelle in Verbindung
mit andern seiner Schrift eher zu folgen scheint, dass er den
Ersatz des wirklichen Schadens im Verzuge nicht missbilligt.
Dafür spricht ferner die Eintheilung der gesetzlichen Scha-
densfixirungeu je nach dem Stande der Parteien , insbesondere
des Gläubigers. Eine Strafe endlich — gesetzlich oder ver-
tragsmässig, — welche die Höhe des -wirklichen Verzugsscha-
dens überstieg, fiel zweifellos unter das kanonistische Wucher-
verbot ; hiervor wahrte man sich , wenn mau von vorn herem
die feste Summe als den Betrag des wirklichen Schadens
hinstellte. Denn diese wurde selbst, wo der Schaden geringer,
nicht wucherlich. Die Sicherung war um so nöthiger, als der
Versuch der Bocksdorffschen Glosse zum Sachsenspiegel , den
Fall der Verzugs strafe von dem Wucherverbote auszunehmen,
nur in sehr wenige andere Rechtsschriften , wie in den Layen-
spiegel , übergmg.
Wie in den bisher angeführten Rechtsquellen, kann man
auch in den Schuldur künden der Parteien selbst den Un-
terschied der Verzugsstrafe und des Schadensersatzes ausge-
drückt finden.
In Schöpflin als. diplom. I. n. 177 (a. 999) ist offenbar
der Schaden des in dem emen Jahre ausgefallenen Zinses
berechnet durch das Fixum :
150 IV. 2. Verzugszinsen, k. Ersatz des Schadens aus d. Verzuge.
„Qnodsi prinio anno ncijledmn fmrit , secundo anno dupli-
cdur ; si autcm secundo, tcrtio triplicetur , et si in tertio,
siniili ratione quadrupliceiar." Nun die dann eintretende
allgemeine Vevzugsfolge : Jam vero in quarto anno si prae-
dicfn non solrnntur, Argentinensis ecclesia praedidam
ahhatiam ... amittat."
Die Nachtheile der cassatorischeu Clausel , ^) des Draufgeldes,
wo es keine Keupön, noch bei Verzug in den Schaden oder
das Kapital eingerechnet wurde, ^j gehören hierher. Siebezeich-
nen natürlich , da ausser ihnen auch der Schaden des Verzuges
ersetzt wird , eine blosse Strafe. Wo das Draufgeld eine Reu-
pön, kann man schon wieder zweifeln, ob es nicht vielmehr
den Schaden des andern Tlieiles aus dem Rücktritte des ersten
ersetzen, als den letzteren strafen soll. Dieser Zweifel wird
beseitigt, wenn wie im Danz.Schöppenb. von 1556. fl. 69. die
Arrha nicht an den Gläubiger, sondern an die Hausarmen
gezahlt wii'd. ^) Die Strafe der cassatorischeu Clausel kann
durch eine ausserdem für den Verzugsfall dem Säumigen auf-
erlegte Geldstrafe vermehrt sein, und diese regte wieder den
Zweifel an, ob sie den Schaden ersetzen sollte, wenn nicht
ausserdem letzterer ersetzt Averden rausste. ^)
In dem domiziliirten Eigenwechsel mit 3 Personen (Danz.
Schöppenb. 1438. fl. 370. 2) heisst es:
„ vn off syn broder de summa to rewel (Reval) nicht betalt,
so gelovet goss. hawepol hans schaden (Remittent) to ent-
richten vn wol to betalen hir to Danczik uff Johannis bap-
tisten dach nest körnende 1 hundert ger. mrk. (die Schuld-
summe betrug 80 mrk.) vn off her eynich schaden van
neme , gelovet gosschalck ut to richtende."
ib. Schöppenb. von 1527. fol. 272. bestimmt der Richter über
einen Zahlungsverzug beim Kaufgelde Ratenzahlung „ by der
pene van hundert m." (das Kaufgeld ist TIF mrk.) „de h elfte
enem erbaren Rade vnde de ander helfte int pocken-
hues," bei Verzug einer Ratenzahlung soll das duplum sortis
1) cf. ob. sub g. 2) cf. ob. sub i. 3) cf. ob. sub i. N. 4) cf. das
Citat bei der cassator. Clausel oben. Danz. Schöiipenb. 1575. fol. dS"".
IV. 2. Verzugszinsen, k. Ersatz des Schadens aus d. Verzuge. 151
gezahlt werden ,,poenae nomine, qiiae toties commlttet,
quoties contra factum fuerit," ausserdem sollen Schaden,
Interesse u. s. w. ersetzt werden. ^)
Man ersieht, wie frei vom kirchenrechtlichen Wucher-
verbote das deutsche Gewohnheitsrecht hier ein Institut fest-
hielt, das, wie es selbst bei strenger Beobachtung des emen
kauonistischen Generalsatzes über den Wucher offenbar einen
Wucher in sich schloss, noch besonders sich eignete, um unter
dem Namen der Strafe — bei der leichten absichtlichen Her-
beiführung eines Zahlungsverzuges — die Conventionalzinsen
zu verdecken und zu schirmen , und diese Zinsen waren hier
ohne Grenzen.
Zweifelhaft, ob die feste Conventioualsumme Strafe oder
Ersatz sein soll, bleibt es in einer Urk. des Danz. Arch.,^) worin
eine Geldschuld von 800 vngerschen guld. nach ^4 Jahren abzu-
zahlen gelobt wird, doch: „ab dy beczalunge nicht geschege
alse in den obengeschreben tagen so seywir ym schuldig
sechszehun de rt gülden... (1447)"
Dagegen bezeichnen offenbar den Schadensersatz: Danz.
Schöppenb. v. 1557. fol. 184. beim Verzuge einer Mehlliefe-
rung, „vnd gelobeth im darüber darvor das er sein korenu in
seinem hause den windter vber mitli semem viehe auffgefutterth
hath vnde nicht lieberenn können, vor seinen schaden,
vorseumnuss ader enthperung dises geldes ein
ganz Jarr czu geben 1 Va last mehll gebeutelth guth." Desgl.
ib. Urk. 15, 8. n. 2. (1409) „ 127 nohilia (Nobel) monete An-
gliae ... ac 4^ solldos et 5 denarios sterliugorum in pretium
solutionis majoris summe mihi ac aliis personis dicte ville
Lenn de jure dehite, vice et occasione diver sorum dam-
norum et grauaminum per suhditos .. nobis indebite fa-
ctorum .." u. v. A. ib. Schöppenbuch von 1556. fol. 96. „heft
betugeth mit des vnderrichters boke wo recht is dat he
hans kramer thwir na dem ersten von wegen en vnde fvftich
1) 1556 (ib.) fl. 69.. 1567. fol. 99- in einer Vollmacht; ih. 119. Geld-
schuldv. 2482 fl. 4 gr. - Also Verzugsinteresse beim Kaufi>reis (1. 13.
§. 20. 21. D. 19. 1). u. von (J eidstrafen (gcgeh 1. 9. D. 27. ö) cf. oben.
2) Missiv. V. Hl. k-'.
lf>2 TY. 2. Verzugszinsen, k. Ersatz des Schadens aus d. Verzuge.
mrk gvotli thogesagedenn Schadens tho bovgerdinge
laden hebbe lathenn " — (trotz der oben citirten Bestimmung
iler Danz. Willk. S. 145.)^)
Diese Vereinbarungen bestimmter Zahlungen als wirkli-
cher Schadensersatz für den Fall des Verzuges sind nicht
wucherliche, sie behandeln den eigentlichen Ersatz des Ver-
zugsschadens, und noch hatten die Kirchenrechtslehrer dem-
selben keine andere Grenze , als die Höhe des zu ersetzenden
Schadens gezogen. Daran, dass hier das Gesetz oder die Par-
teien von vorn herein den Schaden taxirten, fand man gemäss
den obenberührten Grundsätzen nichts Anstössiges, noch ver-
langte man, wenn sich später der Schaden geringer erwies,
eine Minderung der verembarten Summe.
Die Danziger Willkür, welche (cf. S. 145) allein letztern
Fall wenigstens annähernd berührt , ü b e r 1 ä s s t es nur dem
Gläubiger, die von den Schoppen für den jedesmaligen Schaden
gesetzte Taxe zu mindern , indem sie vorher den Eid des Gläu-
bigers zur Bekräftigung fordert, dass der von den Schoppen
taxirte Schaden wirklich der rechte sei. Eine Inconsequenz
lag hierin immer; denn schon durch das Gesetz konnte der
wahre Schaden bedeutend zu hoch taxirt , vom Gläubiger aber
gar laut voraufgegangener Uebereinkunft ins unbilligste ersetzt
verlangt werden. Und wie leicht zwang man den geldbedürfti-
gen Schuldner bei dem gefesselten Credite zu dieser Ueberein-
kunft , so dass er seine Einrede in dem Prozesse gegen die con-
traktliche Schadensfordermig des Gläubigers mit Kücksicht auf
den germgen wirklichen Schaden nicht erhob. Begegnet doch
eine ganze Zahl von Urkunden , in denen Schuldner im Schuld-
kontrakte bereits allen Einreden gegen die Kapitals- und
Schadensforderung des Gläubigers entsagt, dagegen verheisst,
ohne alle Widerrede , daher auch ohne Beweis des Schadens
Seitens des Gläubigers den vereinbarten Schadenssatz zu zali-
len, ja selbst denjenigen Schadenssatz, der unvereinbart vom
Gläubiger bei eingetretenem Verzuge gefordert würde. ^)
l)Brünner, Schöffenb. 109. „cum danmis et usuris" (bei mora).
N e u m a n n , Magdeb. Weisth. n. 3. a. (1416.) L a c o m b 1 e 1 1. 500 (1185).
2) cf. ob. sub f. d. Citate, u. D an z. Arch. Missiv. V. fl. 255. u. »s 1454. Schuld-
IV. 2. Verzugszinsen, k. Ersatz des Schadens aus d. Verzuge. 153
Diesem Nothstande des Schuldners zu helfen und den
wirklichen Schaden auf gesetzlichem Wege zum Ersätze festzu-
stellen, bemühten sieh die Gesetze ausser dem bisher behandel-
ten einen Modus mannigfach weiter. Nothwendig war dies noch
deshalb, weil schliesslich die Gontrahenten die Art der gesetz-
lichen Schadensfixirung erst dort in Kraft treten zu lassen pfleg-
ten, wo sie selbst nicht einen Schadensausatz vereinbart hatten,
sogar in den Gebieten, in welchen das Gesetz ausdrücklich nur
dem Gesetze oder Gerichte diese Fixirung anheimgab. ^) Man
vereinigte beide bisher streitenden Wege, hidem gesetzlich oder
conventioual ein Fixum gestellt wurde, und aller darüber ein-
tretende, oder, falls solcher eintrat, überhaupt aller Schaden,
das Fixum mit eingeschlossen , bewiesen werden musste. ^)
Dieser Modus fiel natürlich zu Gunsten des Gläubigers
aus. Daher fand es geeignetere Anwendung, ohne jedes Fixum
vom Schuldner allen bewiesenen Schaden ersetzt zu fordern,
indem man dem Richter hierbei an einzelneu Orten eine Minde-
rung dieser Forderung gestattete, cf. Freib. St. R. (1520) I.e.
brief der Stadt Danzi^, iu der Noth des 13 jährigen preussischen Städte-
krieges gegen den deutschen Orden , über 429 rurk. Vin scot. auf 1 Jahr,
„vnd wcres Sache das wir dem gen. leo dy gen. summa geldes uff dy
vorben czeit alzo nicht wurden vszrichten vnd beczalen das got vorhitte
vnd her menigerley kost, czerunghe dorumb thun wurde die globe
wir irab gleich der houptsumme gutlich ane alle weder-
sproch czuvornughen \m\ czu willen czu beczalen."
1) cf. U.A. d. Citat a. d. Danz. WUlk. 1380. UOO. 1454 if. (S. 145), wel-
ches in den späteren Ausg. d. Willk. fortbesteht , dagegen Schöppenb. ib.
von 1527. fol. 329. 2 . .. „heft aver gemeide Reinolt (Schuldner) arkene
tosprake vmme arkein gelofihiss to dem hans (Gläubiger) dar goth eth
vminewe recht ist." u. A. 2)cf. Freiburger St. R. I.e. (1520) 11. l.n.3.
Würtemb. L. R. (1507) U. fol. 183. Wächter, Handb. des Würtcmb.
Priv. R. p. 495. sächs. L. 0. (1572) J. Lünig. cod. Augusteus. I. p. 95.
a. 30. Danz. Schöppenb. von 1557. fol. 184. (die S. 151 cit. Mehlliefe-
rung): „vnde gelobeth im darvber darvor das er sein korini in seinem
hause den ^vindter vber niith seinem Adehe auffgefutterth hath vnde nicht
lieberenn können V 0 r seinen schaden vorseumnuss adcr enthpe-
rung dises geldes ein ganz Jarr czu gebenn l'j, last mehl
gebeutelth guth szo simon fricze yrkeiue vnkosth Interesse
ader expens wurde weitter darauff wendenn, vorwilligcth sich
liaus wesemmel auch czu erstatten vnd czu beczaienu."
l,')! IN". 2. Verzugszinsen, k. Ersatz des Scliadons aus d. Verzuge.
„Ob aber der scbuklner ulV geschehene ervorderung.oder
uff gesetzte zil viul tagnit bezalimg thett, so ist er die Schuld
iiiitsaniptt z i m 1) 1 i c li e n koste n n , es sig verschrieben
oder nit, zu beczalen schuldig, doch unser oder des
gerichts muttmassung vorbehalten. ^)
Danach gelangte man immer nälier zu den eigentlichen Ver-
zugszinsen. Es bildete sich allgemach ein fester Satz für den
Schaden aus dem Zahlungsverzuge bestimmter Sunmien. Daher
schon oben im F r e i b u r g e r St. R. v. 1 5 20 der Ausdruck „ z i m b-
liche kosten," welcher sich in vielen Gesetzen und Verkehrs-
urkunden vorher und nacldier findet. Dies zog zunächst nach sich,
dass nur ein Beweis des diese „zimblichen" Kosten überschreiten-
den Schadens, und, da dieser Schaden schliesslich kaum einmal
begegnete, zuletzt kein Beweis des gewöhnlichen Verzugsschadens
mehr nöthig erschien. Zuvor bietet sich dieser Umstand bereits
vereinzelt bei besonders dringender Geldnoth, so in den Schuld-
urkunden (Solawechseln) des lübischen Gesandten M o r n e w e ch
an 2 Hamburger Gläubiger in Brügge (lüb. Urk.-Buch I. n.
556 — 67 (1290), wo er allen Schaden aus Verzug den Gläu-
bigern auf ihr blosses Wort , ohne Beweis ersetzen will. ^) —
1) Würtemb. L. E. 1. c. Ger. u. L. 0. v. Solms. (1571.) L. E. p. 59.
Danz. Arch. Urk. 15. 3. (1394). - Schöppenb. ib. v. 1426. Ibl. 27. 4. 229. 4.
— V. 1430 (ib.) fol. 287. 1. allgem. b. Verzug: „so gelovet he mer to
bctalende," ib. 358. 4. ,,so gelovet N (Schuldner) vor denselbigen borgen en
schadelos to holdende." v. 14.35 ib. fol. 71, 1., v. 1438 fol. 368. 1. — ib.
Missiv.v. 1430. (I.)95. e'j. „dat he (Schuldner) zu betalunge syner schulde
vnn like rekeuscop vn vorrichtunge van S3nen entbarn gudn do, vn forder
neen vortoch oft hinder dar inn en make dar mede de vorgen. scadeu vn
hinder enkarae vn den scaden vn hinder den he darvan heft , na verschri-
vunge synes breves vn segels vp richte vn wedder lege. — ib. 104. y'.
Missiv. 11. 1432. fol. 34. c*. bei Wechseln. — ibid. Schöppenb. von 1575.
fol. 119. Ausser einer Strafe „ insuper promitto per me et heredes meos
reßcere et restituere sibi suisque heredibus et harum detentori omnia et
singula danma expensas ae interesse , quae et quas fecerit vel sustinuerit
in judicio sive extra vel alias qtwcunque modo pro ip)sa pecuniaexigenda."
Diplom. Beitr. z. Gesch. Pommerns, ed. Klempin. (Berl. 1859.) 1491.
p. 139. u. V. A. 2) cf. auch Pauli, lüb. Zust., Lüb. 1847. — Sarto-
rius-Lappenberg, 1. c. IT. Urk. CXXUI«. (1.312). — cf. ob. sub f. die
Citate, worin der Schuldner allen Einreden gegen Hauptgclds - und Scha-
IV. 2. Verzugszinsen, k. Ersatz des Schadens aus d. V^erzuge. 155
Schliesslich wendete man hierbei sogar die Bezeichnung
der Prozente an, da thatsächlich bereits der Uebergang zu
den Verzugszinsen gemacht war, welche den verschiedenen
Kapitalbeträgen und der verschiedenen Zeitdauer sich anpass-
ten. Vereinzelt geschah dies bereits früh, z. B. 1214. bei La-
comblet, 1. c. IT. n. 47. bei einer Schuld des Erzbischofs
von Cöln :
behn Verzuge „extunc de singulis nundinis in nundinas
pro sinyidis C marcis X marcas pro recompensatione dani-
norum pcrsolvcre tcnemur" —
und bei Niesert, 1. c. IL p. 288. n. 96 (1266) versprechen
die Bürgen :
„qtiod qjsi dcfectnm si quem evenire conüngeret in terminis
antedidis, supplehunt sah accessionc judaicarum usurarum
post VIII dies a quolibei termino premissorum." ^) cf.V. 4. c. d.
Dazu fülirte insbesondere das allgemein übliche Vorbild des
Rentenkaufes (cf. V. 3. b. u. d) , indem man den Verzugsscha-
densersatz äusserlich in eine Zahl von Renten auflöste , welche
der Gläubiger scli einbar durch das Darlehn der Hauptsumme
gekauft hatte. Zunächst geschah diese Umwandlung des Dar-
lehens in den Rentenkauf noch mit scheinbar voller Anwen-
dung der Natur des letzteren. Die Probe wiederholte sich unter
Andern in der Noth der preussischen Städte nach dem 13 jäh-
rigen Städtekriege gegen den deutschen Orden 1454 — \!>& , wo
Danzig , da es die Unzalil der aufgenommenen Darlehen nicht
densforderung des Gläubigers entsagt, desgl. ob. cit. Missiv. V. 255. n.'^
(1454) — und D a n z. Arcli. Urkk. Königs Sigismund von Polen. 1563.
14. April. „ guam quidem summam — mia cum eo quod interest nimirum
ab uno quoqiie centenario Septem taleros." Wenn in dem Termine nicht
gezahlt wird, „extunc nos de alio certo solutionis termino cum praedictis
fratribus (Loitczen , den Gläubigern in Stolpj conuenire ijtsisque cautio-
nem su/ßcientem in qua Uli tuto ncquiescere poterint , daturos et assig)ia-
turos obligamus." cf. S. 148. N. 1 (1G98.)
1) Dahin dürfte auch gezählt werden Sartorius, 1. c. I. Handel mit
Norwegen, wo 1288 Herzog Hakon sieben Hansestädten verspricht, er
werde iliiien zum Ersätze des Verzugsschadens für das ihm geliehene,
riickständige Geld die jälirlichcn Abgaben des Heringsfanges erlassen bis
zur Ilückzahlung des Geldes.
löc; IV. 2. Verzugszinsen, k. Ersatz des Sduulons aus d. Verzuge.
abzahlen konnte , einmal seinen Bürgern zumuthet , ihre For-
dernnu'en an die Stadt 7ai löschen, ja selbst die Forderungen
fremder, ungeduldiger Gläubiger zu diesem Zwecke an sich
zu bringen , sodann dort , wo diese Zumutliung an der man-
gelnden Vaterlandsliebe der Bürger scheiterte, seine Gläubiger
wenigstens zwingt , die längst talligen Darlehen der Stadt als
Eentenkapitalien zu lassen. ^) Auch sonst begegnet es nicht
selten z. B. Danz. Arch. Schöppenb. v. 1528. fol. 604. (Dar-
lehn von 50 mrk. auf beliebigen Widerruf) :
„wil he aver zolcke L mrk. lengher vortinzen so zal solk
gelt vp zin erve vnde eigen vorschreven werden vnde dat
zol er ym vortjnzen na lanthrechte." - cf. V. 3. d.
Daher lag es um so näher — was unten IX. 1. weiter ausge-
führt wird — dass die Reichsgesetze seit 1530, wie die Gesetze
der Emzelstaaten jener Zeit, den Zinsfuss der Rente mit 5%
da er allgemein üblich, auch auf die Verzugszinsen ausdehnten,
aber mdem auch hier der Gesetzgeber von der Annahme aus-
ging , beim Zahlungsverzüge sei der Schadensbetrag als Rente
durch das Kapital angekauft. Diese Annahme musste sich leicht
bieten, da der Rentenkauf allgemach (cf. V. 3. b. d.) ganz seine
rechtliche Natur geändert und dem zinsbaren Darlehn sich
durchaus genähert hatte , unter voller Beseitigung seines Real-
charakters. ^) Im Verkehre selbst aber griff nun die Anwen-
dung dieser Verzugszinsen natürlich immer weiter um sich,
indem letztere nur dadurch noch an den früheren Verzugs-
schaden und dessen Fortbildung erinnerten, dass sie oft weit
über das neue gesetzliche Fixum der 5% hinaus von den Par-
teien vereinbart und, gemäss dem höheren Prozentsatze der
Conventional/insen des Darlehns (cf. IX. 1. 2.) auch von den
Partikularrechten gebilligt wurden. ^)
1) cf. Hirsch-Vossberg, Weinreiclis Dauziger Chronik p. 4. u.
N. 1. p. 40. 2) cf. auch Walter, System d. D. P. R. §. 269. 3) cf.
Schuldurkunden des Königs Sigismuud v. Polen (Danz. Arch. bibl.) 1557
bei Verzug „MMa c Mm Interesse sex pro centum." ib. Schöppenb.
V. 1578. fol. 181''. Zahlt Schuldner am bestimmten l'ermine nicht, so
,. wolle er es Ime Jherlichs verzinsen" ohne weitere Bestim-
mungen, ib. Urk. 13205. (1611.) Ein lübeckcr Kaufmann hat an einen
Danziger Comuiissioushändler für ein Darlchn „oh levem et exiguam
IV. 2. Yorziio-szinson. k. Ersatz des ScIkkIlmis aus d. Verzuge. 157
Leilit man vertretbare Sachen, so vereinbaren Parteien,
im Verzuge muss Schuldner . wenn der Preis indess gestiegen
war. dennoch die geliehene Quantität derselben unvermindert,
dagegen bei gesunkenem Preise die zu der geliehenen fehlende
Quantität ergänzen. Dort also entscheidet das Maass, hier der
Werth. *) Seltner muss laut Verabredung der während des
Verzuges höchste Preis der Waare - wie im römischen Hechte
— entrichtet werden. ^) Hierneben indess behandelte man die
Waarenlieferung gleich dem Gelddarlehen im Verkehre und
wendete deshalb die oben aufgefülirten Bestimmungen über
den Schadensersatz im Verzuge auch auf <lieses Rechtsgeschäft
an , wie schon das oben -wiederholt citirte Beispiel der Mehl-
lieferung ^) zeigt. Hierzu veranlasste die Parteien der Gebrauch,
dass bei dergleichen Lieferungen , besonders der Eohprodukte
aus den Hinterländern der Hansestädte der Kaufpreis ganz
oder zum Theil vorausgezahlt werden musste; dieses Geld
sah man als Darlehn an . welches in den zu liefernden Waaren
zurückgezahlt wnirde , so (statt vieler Citt.) in der obigen Urk.
von 1557: „borgeth deme hans wszemmel 101 fl. 3 gr. bis auft"
negst kommende Michaelis, also danne gelobeth hans wszemmel
deme suu. fr. zu beczalenn mith barem gelde de 101 fl. 3 gr.
moram zwölff von iczlichen h und orten vndt dan anderthalben
gröschen in der wexell vf den thaler jjj'ö interesRe darneben erlegen müs-
sen." — Der Lübecker beklagt sich darüber sehr an den Danziger Rath
„zumal vnfreuntltlich , dass S. Erb. w. (Gläubiger) mir bey heller vndt
Pfenning hauptstuell vncosten vnd auffgeschlagenes hohes ja ouch vnbilli-
ges Interesse gleichsamb abgenötiget." Die Klage Hinsichts der Unko-
sten, d. h. des Schadensersatzes aus dem Verzuge ist wol unbegründet,
da die Danz. Willk. v. l.WO. (Danz. Arch. bibl.X.4) in cp.X. fol. 129.2.
ausdrücklich für Conveutionalzinsen von Darlehen auf ,, blosse Handt-
schrift" (d. h. nach der Ueberschrift des art.: Wechsel) unter KauHeuten
bei Frist „ von etliche Monatt" 12 Prozent gestattet.
1) cf. Solmser L. 0. 1. c. ]». ö9. , entsprechend der Pfälzer ]y. 0.
(1581) II. 2. p. 3 u. Bad i sehen L. 0. (1622) p. 73. Nach der verschie-
denen Dauer des Verzuges, und danach, ob der Gläubiger oder nur der
vereinbarte 'J'erniin zur Zahlung gemahnt hatte, wird die Verzugsleistung
des Schuldners genau abgemessen. 2) z.B. Würtemb. L. R. von
1597. II. fl. 181. 3) Danz. Schöppenb. v. 1557. fol. 184. n. 1. S. 151,
wobei Kapital und Verzugszinsen gleichartig. 1. 16 sqq. Cod. 4, 32.
lös IV. -2. VtM'ziigs/.iiison. k. Ersatz dos Schadens aus d. Verzuge.
initli koviio adov mitli iiR-lilc, wie es marcktgaiick dassmall
ist ader sein wurthe."
Unter dem zu ersetzenden Schaden begriff man sämmt-
1 1 «.■ li e Naehtheile , Avelclie den (iliiubiger aus des Schuldners
Verzuge betroffen; die Ausdrücke dafür umfassen alle kost,
schaden, therunge u. s. w. Danz. Schöppenb. 1528. fol. 518.
,.alle vnd iczlike Interesse hinder vnde schaden so
en deel vpt ander vorgedachter orsacken halven adder zust
vorderen ader anstellen mochte." Insbesondere scheint man
hiermit Interesse das lue r um cessans gegenüber dem
d a m n u m e m ergens als „schaden" bezeichnet zu haben,
abgesehen von dem sogleich zu erörternden Begriffe des Inter-
esse ausserhalb des Verzuges, Die Schuldner überbieten sich
förmlich in dem Eifer , durch einen Schwall von umfangreich-
sten Worten den Gläubiger ihrer unbegrenzten Ersatzpfliclit
zu vergewissern , und die Ausbildung und Ausdehnung des
Interesse bei der ContraktserfüUung ohne Verzug (cf. IV. 3.)
war hierbei gewiss von wesentlichster Wirkung, Wenn nun
der Gläubiger seines Geldes zur Zeit der Säumniss des Schuld-
ners so dringend bedurfte, dass er die schliessliche Kückzah-
lung nebst Schadensersatz nicht abwarten konnte , lag es nahe,
sich das Kapital von andern Leuten . insbesondere den (cf. u.
V. 4. 5. d.) dazu in den Städten angesessenen Bankiers, näm-
lich den öffentlichen Wechslern und Juden, gegen Erfüllung
der von diesen gesetzten Bedingungen oder Zinsen, welche
das Gesetz ihnen zu fordern erlaubte, zu leüien. Dass der
Schuldner auch diese Mehrausgaben des Gläubigers sämmtlich
ersetzen musste , folgte nicht blos aus obigen so umfassenden
Ersatzausdrücken . sondern schon aus den allgemeinen Ge-
setzen über Schadensersatz des kanonischen und deutschen
Rechtes. Einzelne der deutschen Eechtsquellen behandeln
diesen Fall eingehend unter der Bezeichnung „schaden
nemen, stih usura vel damno conquirere," insbe-
sondere die süddeutschen, weil sich letztere enger an das
auch dieses Geschäft berührende kanonische Recht anschliessen
(c. 2, 3 X. 3. 22 d. fidejuss. „ a creditorihus molestias pertu-
lisse et debitum (antiquum) augmentatum" (cf. u. „1."), und
IV. 2. Verzugszinsen, k. Ersatz des Scliadens aus d. Verzuge. 159
weil in Süddeutschland bei zeitig regem Geldverkehre und der
Nähe Italiens und Süd - Frankreichs die öffentlichen Wechsler
häufiger, als in Norddeutschland begegnen, (cf. Y. 5. d.) Man
sehe die hauptsäclilichen Stadtrechte Süddeutschlands, in
denen das Institut meist eingehend behandelt wird, u. a. Wie-
ner St. R. (Rauch, 1. c. III. p. 151, 221.):
„ sol ain man dem andern icht gelten auf ain tag vnd lobt
im das, was er schaden nem für denselben tag
vor piderleuten (cf. sogl. u.), den well er im abtun gegen
Juden oder gegen kr isten, vnd gibt im dar vber niclit
wann der tag kumbt , so sol er nemen zween piderman vnd
gehin haim hincz im vnd voder sein gelt. Gibt er im icht, so
hals in mit im gen hincz den Juden das er im pfennig da ge^vj' nne.
Vodert er das oder das er sein haim nit vindet, so sol er
gen hincz den Juden vnd sol sprechen czu gegenwart
piderleut (der Beweis musste wegen der Zinsen beson-
ders nöthig sein) , die pfennig nym ich heut auf des pider-
mans schaden vnd nenn auch den man vnd pit auch die
piderleut des czu gedenckhen, vnd piet seinn gelter dar
nach für vnd clag auch des ersten vmb das haubt guet vnd
meld auch den schaden ze stat. Stet er des haubtguets an
langen , das nem zu ainem rechtn tag , laugent er im des
Schadens , so piet im dar nach fm vnd gezeug das , das er
im gelubt hat ; als er dan das bewert, so mues der .lud sagen
bey seinen trauen vnd bey seiner er das er die selben pfen-
nig auff des mamies schaden hab geliehn desselben tags vnd
nennen ouch den man vnd den tag vnd bewert er das also,
so sol der gelter dem clager sein pfannt ledigen, get aber
im an dem gezeug ab, also das er nicht bewärt vmb den
schaden vnd als er sich vermessen hat , so geh den schaden
selb vnd das wandel.
p. 221. Man verpfändet ein Erbpachtsgut (Burgrecht,
wicbilde) unter dem Versprechen „welchen' schadenn des
der lechner uem datz Juden oder datz kristen , den well er
im ablegen, das gelub hat ain tail nicht krafft, wann ain
krist kainen schaden pessert den hincz den Juden, nymbt der
lechner aber sein guet datz den Juden , als der tag kumbt,
160 IV. 2. Verzngszinsi'ii. 1. Büi'gscliaft.
das im »lev entnemcv 0(1(M" der gelter wern sol vnd der wil
mit im hinc/ den Juden nicht, so sol der lechner dem purgk-
herrn mit des hannt im das purgkrecht verseczt ist vnd
zween ander piderman vnd nem das guet zu den Juden auf
das erbe seines gelter zu schadenn der im dasselb erbe ver-
seczt habe vnd benenne ouch den bey seinen rechten namen
vor den Juden vnd vor den kristen, und wenn da also lang
gesuech dar auff get das in des tunck ob er es lenger lasse
sein vnd sten , er verlies sein pfant zu sambt dem , das im
da stet, soll er ihn beklagen, das er im sein pfimd ledi-
gen sulle vnd dem Juden für so vil pfeunig als er da geno-
men hat." Andernfalls kommt das Pfand zum Vorkauf.
Das Institut musste nicht wenig dazu beitragen , die Conven-
tionalzinsen von Juden und Wechslern in den Verkehr über-
haupt überzuleiten , da insbesondere der vorschiessende Kapi-
talist nur gegen den Gläubiger , dieser nur gegen den Schuld-
ner Kapital nebst Zinsen einklagen könnt»:" . und so der Gläu-
biger in die Lage kam , trotz des Wucherverbotes gestattete
Couventionalzuisen als Verzugsschaden vom Schuldner gericht-
lich zu erstreiten , während doch Keiner der Beiden zu den
für Conventionalzinsen privilegirten Personen gehörte. ^)
1. Die Bürgschaft.
Eines der am meisten von dem Gläubiger angewandten
Mittel , sich gegen die thatsächliche und rechtliche Unsicher-
heit des deutschen Verkehrslebens, speziell gegen die Zah-
lungssäumniss des Schuldners zu schirmen, war das Hervor-
rufen von Bürgschaftsverträgen des Schuldners mit einem
oder mehreren Bürgen in einfachem ßürgschaftsverhältnisse
oder zu gesammter Hand. Hier kann dieses Rechtsinstitut
natürlich ebenso, wie seine Vorgänger, nur so weit es das Gebiet
der Verzugszinsen und des Wuchers allgemein berührt, betrach-
tet werden. Bereits vorn ist bei den einzelnen bisher behan-
1) cf. das Allgemeine über „Schaden nehmen" bei Stobbe, z. Gesch.
d. D. V. R. p. 40 — 49, der auch aus Mitteldeutschland einen dergleichen
Fall citirt aus Petri de Hallis Summa n. 62. (1277.)
IV. "2. Verzugszinsen. 1. Biiigscliaft. 161
delten Theilen des Zmswesens eiiie Reihe von Verbindungs-
punkten derselben mit der Bürgschaft hervorgehoben.
Dom Gläubiger gegenüber liaftet der Bürge natürlich,
wenn nicht ausdrücklich etwas Anderes vereinbart worden,
nur für rechtzeitige Zahlung des Kapitales , er vermeidet eben
den Schaden des Gläubigers aus des Schuldners Säumniss.
Bürgte der Bürge dagegen auch für den Schaden , so war dies
sein Kapital, seme Hauptschuld, cf. auch revid. lüb. ß. (Hach)
IL a. 166. m. 5. a. 1.
„wird einer zum bürgen geseczt vor schuld auff gewisse
zeit, der bürge mus auf den fal der nilithaltung die schuld
bezalen , vor den schaden aber darf er niht autwerten , son-
dern der principal mus denselben gelten vnd richtig machen,
es were dann ein anders ausdrüklichen paciscirt vnd
bedinget."
und lüerbei macht es keinen Unterschied, ob die Haftung des
Bürgen für den Schaden aus des Schuldners Verzuge speziell
vereinbart war , oder, wie bei der Bürgschaft zur gesammten
Hand, aus dieser selbst gemäss dem dies interpellat des deut-
schen Rechtes folgte. ^) Vom Schuldner aber ist der Bürge
als anderer Gläubiger, falls er für jenen zahlte , die von ihm
gezahlte Hauptsumme und allen Schaden , den er ohne eigene
Schuld in Vollziehung seiner Bürgschaftspflicht sich zuzog,
durdi seinen Regress ersetzt zu fordern befugt. Das war
durch die Billigkeit , durch die Natur des Rechtsverhältnisses
und sogar unter den Bestimmungen des kanonischen Wu-
cherverbotes als Ausnahme von letzterem durch die Päbste
geboten.
Der Regress hat im deutschen Rechte ohne Cession unbe-
dingt für den Bürgen statt. 1. Burg und, add. I. 9. Goss-
larer St. R. (Gösclien) p. 77. In cp. 2. X. 3, 22. d. fidejuss.
heisst es nur allgemein: „moncatis cot^äem (dcbltorcs) , iit
mcmorato R. pccuniam, quam pro eis solnit; restifunnt ipsion-
qite serucnt indcmncm . . . faciatis dchita exsolui et dittutiKi
etiam, quae propter hoc perttdit, resarciri..." Dagegen in
1) cf. Prager St. R. n. 125., Bamberger St. R. a. 233.
iN cum .lim, Gesch. d. Wuchers. 11
1(;"2 TA". 2. Vcrzugszinson. 1. Eihg-sdiafl.
q). ;;. ih. bespricht Lucius III. gerade die vorliegende Frage
(1180) , — quam, quid usque modo dchifor non pcrsohit, sc
iisscrit pliD'lmas a crcdltorihüs liononlcn. molc-
stias pertulissc, et dchltum augrnentatum ... spä-
ter: ..dchitam vd acccssioncs." Just. Heim. Böhmer, corp.
j. cau. ad h. I. n. 14. erklärt diese Worte: „Äuymentmn dehiti
sine dubio ex mora dehitoris, j}ropter quam id quod
int er est pcti poterat: suh quo tarnen tegehantur ut plu-
rimum usurac quod dcinceps acccssionum nomine venit. Non
igitur prohahile est, hac appellatione pontifieem consuetas
intellexisse usuras." Allein diese Erklärung scheint unrich-
tig. Denn der Bürge haftete entweder niclit für diese Ver-
zugszinsen, oder, wenn er haftete, waren Kapital und Ver-
zugszinsen zusammen für ihn Hauptschuld. Daher könnte
durch diese Zinsen das dohitum, nicht aiigmcntatum seüi. Viel-
mehr liegt hier der eben erörterte Fall des Schadenuehmens
oder em ähnlicher vor ; der Bürge erleidet durch des Schuldners
Säumniss Schaden, indem er auf Drängen der Gläubiger sich zu
seinem Nachtheile unter Opfern Geld leihen muss. Deshalb
wurden diese Stellen oben dem „ Schadenuehmen " beigefügt
und konnten, wie in I. dieser Schrift gezeigt ist, das Funda-
ment aller Schadensersatzforderung aus Contrakten im kano-
nischen Rechte bilden. ^) Genau so steht es bei den mehreren
Bürgen zu gesammter Hand, wenn einer derselben, die nur
pro rata prinzipaliter haften , mehr als seine Rate leistete und
nun die Mehrzahluug so wie den dadurch ohne seine Schuld
erlittenen Schaden nicht von dem eigentlichen Schuldner , was
ihm frei blieb, sondern von den andern Gesammtbürgen ein-
forderte. ^)
l)cf. Brüniier Scliöffeiib. 153. Dithmarser L. R. a. 210. Willk.
V. 14«0., IL Dithm. L. R. a. 195. §.2. Stobbe, 1. c. p. 130. 2) Brunn.
Schöffenb. 129. 131. Augsburger St. R. c. 389. Walch, 1. c. p. 386. —
„und in welchen schaden der komt (der unter den Gesammtbürgen in
Anspruch Genommene) , desz sind im di schuldig abzutun , di mit im bür-
gen sein, wan si vnverscheidenlich bürgen sein mit enauder." Bremer
R. 1303. Ürd. 127 (Oelrichs p. 140.)
r\'. 3. Interesse, a. Ersatz des erlittenen Schadens etc. 163
3. Das Interesse bei erfülltem Vertrage.
a. Ersatz des erlittenen Schadens. Verschiedene Berech-
nung desselben.
Kapitalsnutziing 7a\ vergüten, verbot das kanonische Recht ;
doch Scliaden , Aufwand , Kosten zu erstatten , die dem Gläu-
biger durch das Darleihen selbst ohne Schuld und Fahrlässig-
keit des Schuldners, oline Verzug oder Zufall er-vvuchsen, geneh-
migte es. Die Zmsen erlaubte man daher, das Wucherverbot
machte den Namen derselben nur umfassender.
So hatte das deutsche Recht um so weniger Ursache,
gegen diesen von der Billigkeit überall gebotenen Ersatz des
Schadens, welchen der Gläubiger aus dem Hingeben von Kapi-
tal selbst erlitt, gewaltsam einzuschreiten. ^). Seine Bestim-
mungen über den Schaden allgemein, welche insbesondere
oben in IV. 2.k. vorgeführt wurden, beziehen sich nicht min-
der auf diesen Schaden aus dem Hmgeben des Kapitales selbst,
1) Die Frage über den Ersatz des Schadens , der während der Dauer
des Vertrages durch Zufall das hingegebene Kapital betroffen , gehört
allgemein nicht zum Tliema. Zu erwähnen ist die auf die unansgebildeten
Kechtsvorstellungen und den mangelnden (ieldverkehr zuriickzufühi-ende
Anschauung einzelner Volksrechte , dass das dargeliehene fungible Kapi-
tal, insbesondere das Geld nicht fungibel sei , sondern in seiner Indivi-
dualität in des Schuldners Vermögen bleibe, daher auch liier dieses
bestimmte Kapital Schaden erleiden könne. So sagt die lex Frisionum
addit. sapient. ti. XI. de re praestita. „Si homo alii equum siitim
])ra€Stiterit vel quamlibet aliam pecuniam, talem, qualis ei
j)ruestita est, reddat domino ejus, et si forte pejoratum reddiderit , com-
ponat ei juxta quantitaiem , qua rem ejus impejoravit." 1. Wisigoth.
V. 5. §. 4. „si quis pecuniam suh conditione susceperil , daiurus usuras,
si per casum pecunia jjerierit , non culpa auf nefjlifjentia debiioris : ille
qui pecuniam comm odavit, solam pecuniae summam recipiui ei non
requirat iiswas ... Qnod si aliqua lucra est ex ea pecunia co}iseqnutus
et posiinodum coniingat , ut pecu/nia p)ereat ; si tanta sunt lucra, quanta
pecunia fuit, et pecuniam et usuras restituat." Man sieht, wie der west-
gothische Gesetzgeber bei seinem Streben, recht logisch scharf zu sclioi-
den, in die offene Grube der vom Leben abgetrennten Gesetzmacheroi
lallt. Das Wesen des Darlehns und der Zinsen fasst er unriclitig , das der
letzteren besonders einseitig auf. Uebrigens stehen diese Sätze ver-
einzelt da. —
11*
IGi IV. ;>. Intovosso. a. Ersatz des orlitteiicn Sclmdons etc.
als auf denjenigen aus des Schuldners Verzuge. Auch für
diesen Sidiadon ist oben die Frage erwogen, ob der Hingabe-
vertrag des Kapitales an sich hii deutschen Kochte für den
Schuldner die Pflicht , allen Schaden zu ersetzen , begründete,
oder ob zu dieser Begründung die ausdrückliche Vereinbarung
der Parteien nöthig sei. Mit wenigen Ausnahmen, m denen aus-
drücklich der Schaden aus dem Zahlungsverzuge genannt wird,
sprechen die dort beigezogeuen (Quellen vom Schaden aus Ver-
trägen allgemein , und es ergiebt sich der Satz : Wer dadurch,
dass er vertragsmässig im Interesse des anderen Coutrahenten
handelte , Schaden erfährt, fordert auch ohne besondere Ueber-
einkmift diesen Schaden von dem andern Coutrahenten erstat-
tet. Derselbe Satz wurde l)ereits wiederholt , so z. B. bei der
Ersatzforderung des Bürgen bestätigt gefunden.
Anfangs folgte schon aus dem wenig entwickelten Ver-
kehre , dass der Gläubiger kaum während der Dauer des Dar-
lehns einen Gewinn mit dem dargeliehenen Kapitale machen,
noch diesen beweisen konnte. Der Schuldner, welcher vor-
nehmlich durch dringende Gelduoth getrieben war , das Dar-
lelin aufzunehmen, trug die Ersatzpflicht des zweifelhaften
Gewimies nur unwillig. Daher heisst in Gesetzen, Rechtsbü-
chern, Verkehrsurkunden das Interesse des Gläubigers lediglich
„schaden, schadenstaud, schadfall, leistgeldund interesse.'' ^)
Das Münchener St. R. (Auer) sagt a. 369. „si habent ouch
geseczet, daz chain ir purger niemant chainen beraiten pfe-
ning leich, davon er schaden oder flu st raitten well.."
In der Münch. Reformat, von 1417 (Bergmann) ist dieses
Verbot bereits aufgehoben , und steht auch sonst sehr verein-
zelt da. 2) Nur in einzelnen Rechtsquellen bleibt zweifelhaft,
ob man unter „ interesse , " da dieses dem Schaden allgemein
ebenso bestimmt, wie dem Verzugsschaden insbesondere gegen-
1) z. B. Bamberger E. 1. c. §. 228. Altprager R. 1. c. Einl. LXII.
u. a. G8. p. 81. u. Rechtsbuch JiUdwigs des B. 1. c. ti. 23. p. 127. —
2) cf. auch Zypäus, Responsa de jure canonico Antw. 1675. 1. V. resp. 1.
„porro interesse lucri cessantis multo odiosius est damno einer gente iwo-
piusque assimilatur usurae" und die Menge der obigen Citate. IV. 2. k.
IV. 3. Interesse, a. Ersatz des erlittenen Schadens etc. 105
übevgestellt winl , nicht etwa den dem Gläubiger duveli Hin-
gabe des Daiiehns während der Dauer desselben entgangenen
Gewinn verstand. z.B. im Revaler St. li. 1. c. (dänische
Gesetze) 134G: AVer 10 mrk. Silber zum Darlehn nimmt, muss
dem Gläubiger einen compromissor ydoneus setzen, „qui una
secum pro damno sfahit et interesse." Ebendort II. p. ofiO.
beklagen sicli die Adligen beim Könige , die Gläubiger bezögen
aus den Pfandgrundstücken einen viel grösseren Gewinn, als
das „landesübliche Interesse" betrage, ja sie forder-
ten sogar „Interesse vom Interesse" und schafften
sich ausser dem gewöhnlichen Interesse noch einen besonderen
Vortheil unter dem Namen „Schadensstand." i) Dagegen
wird der blosse Schaden ersetzt im Lübecker ürkundenbuch
p. 414. 1284. 1290. 19. Aug. 22. Aug. 4. Septbr. 13. Septbr.
p.508ff.; in Seuckenberg, viss.p. 139. 1370 — 80: „24000
güldetn ungrisch haubtguots vnd 20000 giildein scheden,
5000 güldein verfallner peen so in der benannt graf Johann
von Goertz auf einen schuldbrief mit sambtt den costen vnd
schaden so sy seyther deshalbenn gelittenn und empfangenn
hettenn. auszurichtenn ; " im Fr ei b ur g e r St. R. (Schreiber) I.
p. 419. Scliuldurkunde des H. v. Hachberg; 608 mrk. ver-
spricht er zurückzuzahlen „ und auch die zinse, das wir si davon
lidigen vnd lösen sönt, gar und gantzlich, und ihnen aufricli-
ten sollen h o v t g u t und zinse alles unverzogenlich wenn si
wellent, vnd si an vns forderent, vnd owch allen schaden,
üb sü dis dehein nemen, iren worten darvmb ze gelovbende,
vnd ovch mit söllicher bescheidenheit das wir jerlich haran an
dem hovtguot geben sönt 100 march Silbers und die zins und
den schaden vor abrichten. Wenne aber si dunsti oder wollen,
das wir me geben daran, das sönt wir owch tuon(14. Jalirh.) ^)
1) cf. ob. S. 148. N. 1. u. Orth. Anm. z. Frankf. Reform, p. 78. ad ti. 11.
§. 10. Danz. Schöppenb. v. 1556. fol. 31". ,. vmb dath gelth ... den
^^ln]undigen thokamende szowoU vnn wegen des Schadens, Interesse
vnd wer de vnime andern tho erstadonn sali schnldich sj-nn." u. v. A. —
2) ib. 13.53. 17. Febr., p. 422. 1353. 12. März, „die vorgen. 7()() m. v. das
gelte davon vnnd schade üb delieiner dar uf stunde." Desgl. Danz. Arch.
U. l.\ H. 2. (14(I1M Schöpj.rnb. V. 1,')2!». lul. KU. u. A.
lt')() IV. ;l IntorosRO. a. Ersatz des erlittenen Scluflens etc.
Die Art, \ne man dieses an sich völlig u n e i n g e s e li r ä n k t e
Interesse im Gesetze oder unter den Parteien zai normiren
pflegte, ist eine ebenso mannigfache, als bei dem Verzugsscha-
den. Eine Zahl der dort aufgeführten Beläge dienen, da sie allge-
mein vom Schaden sprechen, auch für das Interesse zum Beweise.
Man stellte im Gesetze ein für alle Male eine Summe
alsMaass des Interessebetrages hin, oder vereinbarte
solche für jeden einzelnen Fall unter den Parteien oder liess
durch das Gericht im einzelnen Falle den Betrag aussprechen,
indem man gestattete , eine geringere als diese feste Summe,
zu fordern, eine höhere dagegen ausschloss oder sie nur billigte,
wann das plus über den festen Betrag oder in diesem Falle der
ganze Schaden bewiesen ward. Das zeigen folgende Stellen:
Der Rü gi anis che Land geh rauch. 1. c. ti.' 151.
„lede de Glöviger Schaden, he mach Schadepande köpen
vnd den Schaden so hoch , als de Hovetsumma sich strecket
vnd nicht höher anschlahn." Dies für den Adel, für die
Bürgerlichen ist das Schadensmaximum 1 Pfund mit einer
Ausnahme cf.ob. S.147.N.1. cf. Danz. Urk.15.8.2. (1409.)
Besonders neu und lehrreich ist der Fall bei Pauli, lübeck.
Zustände Urk. N. 81. Lübecker Niederstadtbuch 1337:
„ Hvdcmannus de Tremonia pelUfex tenetur Johanni filio . .
inXXmrJc. den. pro quibus sibi sitam hereditatcm impigno-
ravit salvo Jiahenti in ea suo wicbelde. Debet autem dicttis
TJiidemannus dicf. Johannem infra duos annos immediate
sequentes .. docere in suo officio et providere sibi
de suis necessariis et expirato ipso biennio sibi resti-
tuere dictam pecuniam et esse a debito Über et solutus, si
defectus fuerit in hereditate ipse TJiidemannus pro eo respon-
debit." cf. Fidicin, Beiträge 1. c. L p. 221. (1400.)
DieDanziger Willk. 1380 — 1454. foL 3. sagt:
„wo eyner den andern vmme schaden beschuldiget, den
schaden sal man nicht richten noch des klegers wille , sun-
der die scheppen sullen en wirdigen, noch deme si als
irkennen das es mogelichen is , vnde das sullen sy thun bey
erem eyde ; wenne das gescheen ist so sal der kleger sunder-
lich seynen eydt darczu thuenn , das der schade so grosz
IV. 3. Interesse, a. Ersatz des erlittenen Schadens etc. KiT
sey, alse her von den scheppeii gewirdiget ist, lier mag eii
wol mynneii adir her sali en nicht hogen." (Durch den gefor-
derten Eid des Gläubigers ein ganz besonders geeigneter
Modus, den ^virklichen Schaden gegen die beliebte Ueber-
taxirung der Partei und des Gesetzes in seinem festen Maxi-
mum zu ermitteln. — S. 145).
Danz. Schöppenbuch von 1556. fol. 20; 1557. fol. 184.
Der Fall der rückständigen Mehllieferung S. 151.
Ausser dem Schadensersätze für den Verzug verspricht der
Schuldner auch für die Zeit des vorausgezahlten Kaufpreises
bis zur versäumten Lieferungszeit dem Gläubiger vor sei-
nen schaden, vorseuranuss ader enthperung dises
gel des ein gancz Jarr czu gebenn l^l., last mehl gebeu-
telth guth. Ausserdem: szo szimon fricze yi'keine vnkosth,
Interesse, ader expens wurde weiter darauff wendenn,
vormlligeth sich hans wsemmel auch czu erstatten vnde
czu beczalenn." Wäre hier zweifelhaft, ob nicht das ganze
Schadensverspreclien sich auf den Verzug bezöge, bei wel-
chem die Bezeichnung „ Interesse " ebenfalls öfter begegnet,
so diente das Beispiel an dieser Stelle gleichAvol als Belag,
da die vereinbarte Prolongation der Parteien den alten Ver-
zug nicht fortwirken lässt und es ausdrücklich für die neu
prolongirte Zeit heisst „expens, Interesse wurde weitter
darauff wendenn , " und „ das gancze Jarr " auch zur zwei-
ten Hälfte in diese prolongirte Zeit fällt.
Danz. Schöppenb. v.1575, fol. OO"" (ebenfalls Prolongation):
„die hauptsumma (1500 fl.) semptlich der 1500 fl. mit-
samptt dem vadio vnnd gleichmessigenn ver-
pflichtenn summa alb vmb 1500 fl. welch er beken-
net allbereit verbrochen zu haben vnd verfallen zu seiende
mitteinest zu forderen." Siehe uucli die so el)eu zitirten Stel-
len aus Senckenberg viss. und den Preiburger Urkk. S. 165.
"Wenn hier nicht ausdrücklich bestimmt wird , der Schuldner
müsse das plus des Interesse über die vereinbarte Schadens-
summe beweisen, so ist dieses doch zweifellos als Bedingniss,
Avie bei einer ünzalil an(U'rer Urkunden dieses Gegenstandes,
vorausgesetzt, da die Pflicht des Schuldners, ohne Beweis des
ICS IV. .'). InttMosso. a. KrKatz dos oiiittoiion Schadens etc.
Schadens diesen zu zahlen, stets ausdrücklich hervorgeho-
ben wird.
Dann machte sich immer allgemeiner die Vorschrift gel-
tend: Der Schuldner sei verpflichtet, ohne Ansatz
einer festen Höhe des Schadens alles Interesse
zu zahlen, das der Gläubiger bewies, mochte diese
Pflicht nun allgemein im Gesetze ausgesprochen oder von der
Vereinbarung der Parteien abhängig gemacht sein. cf. Danz.
Missiv. ni. 51. 0^. 1429. sors principalis, damna und Inter-
esse. — ib. Schöppenb. v. 1435. fol. 71. 1. v.l4;37. fol. 143. 1 ;
374. 2; 384. 1; 1440. fol. 635. 3. 1447. fol. 16. 2. 1557. fol.
158. 160. ib. fol. 225. heisst es in einer Vollmacht zu Einfor-
derung rückständiger Geldschuld, nebst Darlelms- und Ver-
zugs - Schaden : szo avoII ock dem Interesse nemlickenn dath
se vonne a. XXXIIII (der Anfangszeit des Darlehns) beth vp
dise stunde er wolgewonnenn gelth enthperenn mothenn
darneffeus ock de angewendetem! expcns vnde vnkostenn szo
de beschedigten perszonenn bofengemelth szo manche Jarr her
vele veldich dar vpgewendeth deszelfehaffth (Haupt) summenn
szamptth dem Interesse vnde allen v n n k o s t e n n. t h e r u n -
genn, expenssenn wath darup ergangen ader noch gewen-
deth mach Averdenn to forderenn manen vnd entfangen." ^)
1) ib. V. 1557. fl. 433^, 1567. fl. 64. 136. 214-. „appellation vmb expens
kostenn schaden zerunge vnnd Interesse , praeserti m a te m pore
morae einzulegenn" (aus einer Antwerpener Vollmacht), ib. fol. 230. 292".
336'^. Eine lehrreiche Singularität, welche sich der oben zitirten lex
Wisigothorum V. 5. §. 4 (S. 163. N. 1.) anschliesst, bietet hier Danz.
Schöppenb. v. 1578 fol. 30"'', noch mehr singulär , weil aus so später Zeit :
A. übernimmt von dem Vormunde seiner Ehefrau 100 guld. als Darlehn,
,, dieselben nicht zu verzinsen, wofern er damit keinen nutz oder frommen
hette schaffen kennen." Nach4 Jahren, während welcher Schuldner keine
Zinsen zahlte . niuss er schwören , dass er wirklich keinen Vortheil von
dem Gelde hatte „ vnd ouch , das er solch gelt sich zum besten nicht
angelegt hatt." Wenn auch der Ausdruck „verzinsen" hier noch die Vor-
stellung des Rentenkaufes andeutet , so ist es hier doch der völlig dem
Darlehn gleich gestellte Rentenkauf, insbesondere ist auch hier kein
Immobile genannt, worauf die Rente gelegt sein sollte; dagegen muss
bemerkt werden, dass ja schon 2 Jahre später, 1580, die Danziger Will-
kür selbst (Danz. Arch. bibl. X. 4. fol. 129. 2 sq. X.) Conventionalzinsen
beim Darlehen gestattet, cf. Beilage G. (schon 1569) u. V. 3.d.
IV. 3. Interesse. li. Ersatz des entgangenen Gewinnes. 1G9
Da srdi iiuless allmälilicli mit dem fortsclireitenden Ver-
kehre die Zahl der Geldangebote mehrte, die Menge der Geld-
bedürfiiisse zwar nicht verringerte, aber das Bedürfniss nicht
sowolGeldnoth, als den Untern elinnmgsgeist zur Ursache hatte,
da hierdurch lerner das regelnde Element der freien Conkurrenz
Geltung gewann, schwand allgemach die Ausbeutung derGeld-
notli des .Schuldners durch den einen hohen Schadensersatz for-
dernden Gläubiger, welcher bisher in Ueberehistimmung mit dem
gedrückten Schuldner gar leicht den Beweis des ihm wiederfah-
renen hohen Schadens durch schien Eid führen mochte. Dane-
ben mmderte sich in Wahrheit der grosse Schaden des Gläubi-
gers durch die überall ausgleichend wirkende freie Conkurrenz.
So entstand schliesslich mitten aus dem Verkehrsleben ein
bestimmtes Maass des Interesseschadens, den der Gläubiger
durch das Hinleihen seines Kapitales erlitt. Daher fiel
zunächst die Noth^^'%n digkeit fort, diesen allge-
wöhnlichen Schadens betrag im einzelnen Falle
noch zu beweisen. Was zuvor der Schuldner durch beson-
dere Noth gezwungen dem Gläubiger im Vertrage ausdrück-
lich zugestand, ohne Beweis, ohne Einreden, ohne Rechts-
gang u. s. Av. mit der Reihe der oben erwähnten Entsagungen
allen Interesse - Schaden zu bezahlen, welchen der Gläubiger
nur fordern würde, das ward jetzt allgemeine Regel, Denn der
Gläu biger forderte nur das „landesübliche, gebühr-
liche, ziemliche Interesse.''^)
b. Ersatz des entgangenen Gewinnes.
Wenn nun bereits in dem eben berührten Vorschreiten
begründet liegt , dass der Gläubiger bei der Fülle der Unter-
1) cf. Frankfurt. Refonn. (1505. 1578) II. 11. §. 10. 11. u. Orth.
Anm. dazu a. v. 0. z. B. I. p. 396. 411. 416. 437. Revaler St. R. 1. c.
II. p. 366. Die Gpldiioth bewegt den Schuldner z. B. noch zur Entsagung
des Beweises in der S. 165 zitirten Freiburger Urk. (1. c. Schreiber I.
p. 419.) „iren Worten darvnib ze gelovbende," wie man aus den Zuge-
ständnissen des ganzen Schuklscheins sieht. So auch S a r t o r i u s - L a p -
penberg 1. c. IL Urk. CXXIII" (1312). — Dagegen cf. Lübeck. Urk.
Buch I. p. 503. (1290) und insbesondere Danz. Schöppenb. a. L527. fol.
223. 5., 15<)3 fol. 507. L")29. fol. 857. 1.575 fol. 119. „ordere mo siHqdki
rerbo sine sacramento rcl alia probatioHC." (S. 171.) u. v. A.
170 IV. o. Intorosson. b. Ersatz des ciitgangonon Gewinnes.
iit'liiiiuiiL'vn, welche sicli ilnii ])oteii. wälivend er sein Kapital
hini^^eliehen , mehr «leii entgehenden Gewinn, als den
positiven Schaden aus dem Darleihen vor Aii<>eii hatte und
erweisen konnte, tand bei dem Eindringen des römischen Hech-
tes in das deutsche Verkehrsleben das römisch - rechtliche id,
quod iniercst mit seiner Umfassung des lucrum cessans
neben dem damnnm emergens, welche doch vom kanonischen
Rechte selbst gebilligt worden (S. 20.21), um so leichtere Auf-
nahme und Geltung. Förderlich dazu mussten sich besonders
die allgemeinen, weitumfassenden Ausdrücke für Ver/Aigs- und
andern Contrakts - Schaden erweisen, in welchen Uechtsschrift-
steller, Gesetzgeben- und vor Allem die Parteien seit langer
Zeit in ihren Schuldurkunden, letztere vielleicht nicht ohne
Absicht gegen das kanonische Züisverbot, sich gefallen hatten.
So sagt Tengler im Layen spie gel th. L:
„Interesse ist ain achtung, exisftmation, peen, Ion oder
gelt , das für ain Sachen oder geschieht , die sonst nit gege-
ben oder beschehen, es sey gewin oder schaden, die
man doch zu geben schuldig war, taxiert oder gerechnet wer-
den mag" ... und einige Zeilen weiter, wo er die Ausnah-
metalle vom Wucherverbote aufzählt: „als Interesse für
erlitten schaden oder mangel onfürgeding, für den
nutz, der geAvisslich möcht entstanden sein."^)
Vielfach , wie schon erwähnt , begegnet in den Rechtsquellen
beim Verzugs- und allgemein beim Contrakts - Schaden eine
so ausdrückliche Gegenüberstellung von Schaden und Inter-
esse, dass man annehmen muss, unter Interesse speziell sei
das lucrum cessans verstanden. Uebrigens hindert eben die
Allgemeinheit und Häufung der Schadensbezeichnungen in
den Urkunden der Parteien oft den Nachweis, dass unter In-
teresse Schaden oder Gewinn verstanden sei. ^)
Dieses Hineinziehen des lucrum cessans fand zunächst bei
den Schuldurkunden der Kaufleute statt, indem man annahm,
1) cf. Frankfurt. Eeform. 1. c. u. Orth, 1. c. 2) ct. u. A. Reva-
ler St. R. dänische Gesetze 1. c. (1346) u. H. p. 366 (169H) Danz. Schöp-
penbuch v. 1525. fol. 98. 4 , 1528 fol. 518 „ ock sollen alle vude itzlicke
rV. 3. Interessen, b. Ersatz des entgangenen Gewinnes. 171
den Kauflcuteii, welche ihr Kapital hinliehen, entgehe
immer ein Gewinn ausserdem positiven Schaden, daher
dürften sie heides ersetzt verlangen. So sagt selbst Purgoldt
trotz seines engen Anschlusses an das kanonische Kecht in 1.
VIII. cp. 45 seines Rechtsbuches :
Interesse h i u d e r vndc schaden, so en deel vpt ander vorgedachter
orsacken halben adder zust vorderen ader anstellen mochte, genczlick
doet \Tide u])gehaven zien ..." ib. 1556. fol. 20 :
„ vnde darna lieft he vp bede vnde beger Andres grewels dem Conrath
frueauff noch derttich daler gelegenn (.30 hatte er ihm schon zuvor,
doch ohne Interessebestimmung geliehen) vndc deme Conrath viff daler
vor de enthperunge sines gel des aufgelegt... so dath he vp
Conrath viff vnde szestich daler zu fordern hatte. . . " (ohne Verzug).
ib. fol. 31^. ,szo woll vn wegenn des Schadens. Interesse ...,"
dann 1557. fol. 184. der Fall der Mehllieferung (cf. S. 167. das Citat) , ib.
fol. 225. (cf. ob.) ib. 1567. fol. 204 Protestation eines vom Darlehus-Gläubi-
ger Bevollmächtigten vor dem Danziger Rathe : ,, er thue derwegen herlich
vnd feierlich protestiren von allen Expensen, Interesse, Unkosten,
injurienn vnd schadenn, szo bishero Irae dorave (von der
ganzen Schuld) enttstandenn vnnd noch ferner entsteheun mochten ..."
ib. fol. 214^ 336^ u. v. A. cf. Neu mann. Gesch. d. Wechs. p. 172. 173.
— Schö].penb. v. 1575. fol. 71. und fol. 119:
Eine Parlohns schuld von 2482 fl. 4 gr. von 2 Danziger Bürgern an den
Prokurator von Grodno Schwalkonowitz auf eine blosse Handschrift
„insnper j)romitto per me et heredes meos reficere.et restituere sibi suis-
qiie heredibus et harwn (seil, litterarum) detentori (Uebergaug z. Papier
auf den Inhaber, cf. Xeumann, Wechselgesch. 43ff.) omnia et snujula
damna exj)ensas ac int er esse, qmte et quas fecerit vel susti-
nuerit in judicio sive extra vel alias quocunque modo
pro ipsa pecunia exigenda. Et dehis credere suo simplici
verho sine sacramento'vel alia probatione adstrictus ero.
Desgl. ib. 1578. fol. .54\
„ auch das derselbe (Gib.) es für sein proper eigen von dem schijiper
Woltersz ncbenst gebuh r lichem In teresse für die lange
enthperunghe solches sines gel des einzufurderen enttpfan-
gen magk." (kein Verzug).
Ja selbst in einer Quittung eines Clerikers, schon 1403. cf. Klenipin,
diploni. Beitr. z. Gesch. Ponnneras p. 95:
Darl. V. 8fl., Glbgr. d. Bisch, v. Kamin „recepisse me .., 8 florenos . . ,
in quihus mihi ((Wh.) occdsirnie nmicahil is muiui in Itomana curia
sibi facti tenchatur obliffatus de quibns i])suii) daiiiinum .. et inter-
esse hinc putantis quitu.
172 W. .'>. Iiilorcsso. c. Uoborgaiiga. d. Iiitorcsscz. (1. Convention alz.
..wo Mo aber eviuT ul" eynie marte sein gelt usgeben iiml)
koiifm an schätz, und kern eyner zcu ym,, der umb gelt
benotigt wer, und borgte im das abe, also das her darumb
s e y n s k 0 u f s u n d w i n u n g e n p e r e n m u s t e , da mochte
her wol mit reclite nowe gelt für das aide in der bezcalung
nomen ader etzwas folliger dan sein gelt was, das her im
leycii. Dit stet geschriben daselbs, wan es sprechen dye
meyster Hostiensis und Johannes , d a s es zeemlich sey,
das eyn man vorkouffe das gebruchen seynes
gel des. Aber dye es schlechtlichen thmi durch iren eygen-
uutz, dye werden von dem wucher nicht entschuldiget."
Von hier drang alsdann die Vorstellung bei dem in alle gesell-
schaftlichen Schichten eingreifenden gesteigerten Geld - und
Waarenverkehre und dem überall Geld suchenden Unterneh-
mungsgeiste weiter über den Stand der Kaufleute hinaus.
Von ersterer Anschauung geht (wie viele der neueren Gesetze,
z. B. das preuss. A. L. K.) auch die Danziger Willk. v. 1580 aus,
welche zuerst cp.X. fol. 129. n. 2. Conventionalzinsen beim Dar-
lehn gestattet und hier 8'yo als das gesetzliche Maa:ss dersel-
ben aufstellt, dagegen bestmimt: „der aber auff eine schlechte
und blosse Handtschriflft sein geldt ausleihet, der mag wol
zwei flf vom Hundert nemen. Dissoll aber allein vndter
Handelsleuten, auch nicht auf jerliche Kenthe , sonndern
auff ettliche Monat Wechsell gemeint sein und verstanden werden.
c. Uebergang aus dem Interesse zu den Conveijtionalziiiscn.
Schliesslich bestimmte man die Höhe des Interesse nicht
mehr in einer Summe für die ganze Dauer des Leihens, sondern
maass sie nach Jaliren. Dies geschieht bereits vereinzelt 1353. ^)
Eine Reihe solcher Fälle bietet die Danz. Archivbibl. in den
grossen Darlehnsurkunden Königs Sigismund von Polen. Seit
1557 sind 20,(i(»(» Thlr. rückzuzahlen nach einem Jahren na
1) cf. die Freiburg. Urk. (S. 165 ob.). Dann heisst es schon bei Tho-
mas, Oberhof zu Frankfurt p. 557 .(1442) : ,,und alle jare nur 16 gülden
geltes und schaden." Orth, 1. c. Anm. p. 76. — Zypaeus, anälytica V.
d. usur. p.21.5.— Bes. auch Fidicin, Beitr. I. p.221 (1400) ..alle Jar,
twile wi em schuldig sin dy LXXXX schock, 9 schock thu schadegelde."
IV. 3. Interesse, c. Uebergang a. d. Interesse z. d. Cdnventioiialz. 173
cu)>i Interesse sex pro centnm (ohne Verzug); 1559 ib.
wird Kapital und als jährlichev Zins (Interesse) Salz nach dem
jedesmaligen Marktpreise entrichtet; ib. 15G3. 14.Aj)ril leilit er
20,uO()Thlr. von den Stolpensern, Gebrüder Loitzen auf iJahr:
„qnam (jiddeni summam .. una cum eo quod inter-
est, nun i mm (ih uno quoque cenienario septent tnleros."
desgl. 1563. d. 4. Aug. 50,0(K) Thlr. Darl. v. Danziger Rein-
hold Krakow auf 1 Jalir :
„eo eti(()ii pectdlariter adiecfo, qitod KraJioiv projytcr (der
Grösse des Darl.) hoc anno ex contrthiitione Szierepcslsna
vulgo dicta 323 sexagenas lithuanicas ... in snp)-
plcmentum ejus quod interest percipiet."
Desgl. 1564. d. 19. Juli v. 104,479 guld. 9 gr. von Ostern bis
Michaelis (V2 Jahr) zu 4%, macht: 4179 gl. 4 gr. in Summa
108,658 gl. 13 gr. Diese Summe soll dann „jerlich auff
Michaelis mit 8 ^o v 0 r z i n s e t und nach lautt des Con-
tracts mitt waldtwahren beczalet werden." — ib. 1569. 40,000
Thlr. mit lO"/, Interesse, 100,000 Thlr. mit 18%, 20,000 Thlr.
mit 20 '^'„ Interesse. Da diese Darlehen zum bestimmten Ter-
mine niclit abgezahlt wurden, mussten die Commissarien des
Königs „versuram facere, Ha ut ex dictis centum octodecin
et quadraginta quattuor thaler. vicenos pro singidis centenis
Interesse nomine, quae Summa triginta et vnum millia et
sexcentos thal." — 1567. 21. Octbr. leiht er 40,000 Thlr. auf
1 Jahr. Der Schuldner verspricht die Rückzahlung dem Gläu-
biger, dessen Erben:
„aut honae fidei litter arum nostrarum posses-
sorihus sire mandatar iis eor nndem ad diem Scti
Martini in ciuitate Stolpensi auf uhi ipsi et heredihus
ipsi'us et praedi ctis mandatar iis co mm od um
fnerit in ditionihus nostris vna cum censibus sive
Interesse ejusdem anni, nimirum dcnis thaleris
p r 0 s i ng ulis centenis" mit allen Kosten und Schäden . ^)
Das Interesse schwankt hier so bedeutend in seiner Höhe,
weil der König sich nicht gleichmässigen Credites erfreute;
1) cf. Neu mann, Wecliselgescli. ji. 42 \X.
174 IV. ."5. Interesse, e. Ueberganga. d. Interesse z.d.Conventioiialz.
daliov ist aucli das niiinrnin bei den 7 uud lO^/o nur zur Täu-
scliuuij odcM- in der Bedeutuno- „nänilicli" liinzugesctzt. Sonst
hält sich das Interesse allgemein im IG. und 17. Jahrhundert
etwa zwischen 5 und 7 Prozent. Die Urkunden Sigismunds
geben übrigens durch das „noni ine cßts , 5. i." und dergl.
ein Anzeichen für die allmähliche Anwendung des Interesse
statt der Zinsen, und in dem „una cum censibus sive int." uud
sonst den Belag dafür, dass die allmähliche Annäherung des
Interesse an das Wesen der Conventionalzinsen in dem allge-
meiu verbreiteten Renteukaufe den besten Aiilialt fand, dass
insbesondere auch die Berechnung des Interesse für das Jahr
hier, wie bei dem Verzugsschaden, von der Rentenzahlung
herübergenommen ist. Zu letzterem fand man um so dringendere
Veranlassung, als (cf. V. H. c. u. IX. 1.) in den Partikular- und
Reichsgesetzen ein gesetzliches Prozentmaximum zuerst für
die Rente mit 5% aufgestellt wurde, und man bei der Sorg-
niss vor der Wucherstrafe das den Conventionalzinsen so nahe
gerückte Interesse am leichtesten unter dem Mautel der Reute,
wie man es in gleicher Weise (cf. u. IX. 2.) mit den Conven-
tionalzinsen that, verbergen und schirmen kounte.
Zum Belag dafür, dass nicht etwa in den besonderen
Schuldverhältnissen des Königs diese Ausbildung des Interesse zu
Conventionalzinsen zu suchen, vielmehr sich allgemein vollzogen
habe , folgen wenige Beispiele aus dem alltäglichen Verkehre.
Im Danz. Schöppenb. von 1558 fol. 337' heisst es: „vnde
herna genothdrangeth werth by andern lueden gelth vp In-
teresse vp to nemen." — ib. 1568. fol. 194^^: denne sie
(Erblasserin) dortte meinen kindern 3200 gülden currenth ver-
machett vnd mier alleine 200 gülden currenth alse jerlichs
Interesse."^) Ein Vater soll seinen Kindern das Mutter-
erbtheil zahlen , die Tutoren leihen ihm davon einen Theil.
„was nu die restende summa betrift't der 1500 m., dieselbe
Summa haben obgemeltte vormündere deme hansz Berenth
1) ib. fol. 204. 205^. ib. 1575. fol. 31. - Das Interes.se ist n icht noth-
wendig mit dem Kapitale gleichartig (S. 173) gegen 1. 14. 16. 17. 23.
Cod. 4, 32.
TV. S.Interesse, c. Ueberganfj a. d. Interesse z. il. Conventioiialz. 17.j
zugesageth auff eine liaiidttsclirifft zu lassen ein
Jhar langk, nenilich vonn ostern LXXIII bis ostern LXXIV
sol er den z i n s z z a h 1 e n n vor e i n J li a r s i e 1) e n p r o-
cento das ist hunderth vnd fuenff margk, so fern aber ged.
hans berenth das geldtt den haupttstuell der 1500 m. wollte
lenger habenn sieben prpcento so soll er gedachte hauptt-
sumnia nicht lenger aulf eine handtschrift"tli brauchen, son-
dern b e y Sein erbe so er In der lange gassen besitzet
in eines Erb Ratts erbebuch vorschreiben las-
sen.." (cf.V. 8. d.) Ib. fol. 49. wird den Vormündern allge-
mein verboten, das Mündelgeld auff Interesse, rendtte,
pfände oder dergleichen auszuthun. —
Ein klarer Beweis für die obige Behauptung , dass der Renten-
kauf wesentlich zur Umformung des Interesse als Zinsen bei-
getragen hat. ^)
So wurde offenbar Schritt um Schritt das id quod infercst,
kanonisch gebilligt, in deutschen Gesetzen längst heiinisch,
neben den Verzugszinsen zum wesentlichen Theile durch die
Hilfe des Rentenkaufes ein neuer Weg für den Verkehr , sich
die Kapitalsnutzung durch Zinsen vergüten zu lassen. Denn in
Wahrheit, welch ein Unterschied bestand thatsächlich zwi-
schen den Conventionalzinsen und diesem so ausgebildeten
Interesse? Daher sagt mit Recht Orth in den Anmerkungen
zur Frankfurter Refoniiation I. p. 437 :
., da es doch in der That Selbsten einerlei ist und mau daher
jene (Zinsen) nur dem Namen nach verboten, die
Sache aber selbsten beibehalten hat, weswegen auch in praxi
die Zinsen gemeiniglich nur das Interesse genannt
zu werden pflegen. . " u. a. v. 0.
und J. H. Böhmer:^) „inde factum, nt creditores tisnras
1) cf. ibid. 1575. fol. 145. Das Int. bei trassirten Wechseln. 157^.
fol. 54''. 114^". 138^: „sondern noch fast viell hauptsunnna vnd darauft'
gelauffene scheden oder Interesse, wie man es nennett. ", ful. 152'',
17«'-, Urk. n. 13206. (1587) , n. 137G4 (15Ü3), n. 13295 (IGU):
„vnd habe ouch ob leveni et oxiguani niorani zwoltf von iczliilicni hun-
dert vndt dan anderthalben grösclien in der wexoll vf den
thaler pro interesse danioben erlegen müssen." —
2) J. E. P. §. XXIV. 1. V. l'J. Fichard, consilia. I. n. 29. (15GGj u. Ml. 1. b.
17() IV. []. Tiitovcsse. c. Uebcrgaiig a. d. Tiitorossez. d. roiivcntionalz.
sihi prontissas suh nomine ejus quod interest petierint,
quod faciJe nUcgare possent, se tantum hoc modo ncutimare
hierum cessans ei dmnunm emergens. ^)
Mit Nachdruck, wie schon aus den letzten Citaten und
obig'on QuelhMiheL'igen sich ergioht, warf sich der Verkehr,
nachdem ihm das fremde und heimische Recht durch das Wu-
cherverbot den natürlichen Pfad der Entwicklung geschlossen
hatte, auf die täglich neu sich eröffnenden Nebenwege, vor
Allem, weil sie so überaus bequem und so täuschend nahe
lagen, auf den Rentenkauf und das Interesse. Er bildete
diese Institute nach seinen Erfordernissen um und brachte
durch solche alltägliche, tausendfache, offene und doch vom
Gesetze geschützte Umgehung des Wucherverbotes zunächst
jene Institute selbst zu einer so allverbreiteten, festgewurzelten
Stellung im Verkehre, dass, we unten auszuführen ist, die
Partikulargesetze zunächst , dann Hinsichts des Rentenkaufes
auch die Reichsgesetze auf diese neue Entwicklung der Insti-
tute rücksichtigen und dieselbe öffentlich anerkennen mussten
(cf. IX. a. Auf.) Hierdurch aber gewann der Verkehr alsdann
eine zwiefach starke Stütze, die Conventionalzinsen immer
mehr in Anwendung zu erhalten, ilire NothAvendigkeit darzu-
legen , so dass sich die Gesetze , ja sogar die Kirche schliess-
lich in deutschen S}' noden , nicht melir der siegreichen Em Wir-
kung des Verkehres entziehen konnten, sondern selbst das
Wuchergesetz des kanonischen Rechtes verwarfen.
1) cf. Eeval, St. E. 11. p. 366. (1698) Klage des Adels bei dem
Könige , dass die Gläubiger sich aus den ihnen gesetzten Pfändern höhe-
ren Gewinn verschafften, als das gebräuchliche Interesse. 6 Prozent
sei die gebräuchliche Höhe des Interesse, welche durch kein Gesetz,
sondern durch die Gewohnheit normirt werde. Estor, deutsche Eechts-
gelahrtheit II. §. .3627. — Z ypaeus, jus Belgicum 1. IV. d. usur. „notarii
2)lerumque liodie stipulantii/)- liae fornmla „cum dehito interesse,"
quales sunt usurae, quae in regtone frequeniantur ." Marion, (cf.
Zypaeus 1. c.) plaidoye onzienie : „hodie sub titulo interesse multi illiciti
contractus jyro permissis nimia faciliiate admittuntur ." Martens,
Urspr. der Gesch. d.W. §.13. Ordonnances des rois de France I.
p. 485: „pour raison d'usure et sous couleure d'interest." (1311.)
V.
Gesetzliclie Ausnahmen vom kanonistischen
Wucherverbote , über dessen Grenzen hinaus,
in Deutschland.
1. Das Allgemeine.
Betrachtet man die Zahl der bisher augeführten deutschen
Rechtsquelleu in den eben erörterten Gebieten des Wuchers
bis zum 16. Jahrhundert, so zeigt sich eine merkwürdig innige
Uebereinstimmung des deutschen und kanonischen Rechtes.
Das deutsche Recht verwirft, gleich der Kirche, jede Vergüti-
gung der Nutzung fremden Kapitales, und dies von ältester
Zeit her; gleich der Kirche nimmt es vor diesem Verbote
hauptsächlich den Ersatz des Schadens aus dem Verzuge und
aus der ContraktserfüUung selbst, das Interesse, in gesetz-
lichen Schutz. Vereinzelte Ueberschreitungen dieser kanonisch-
rechtlichen "Wucherschranken in jenen Gebieten sind richtiger
der Einwirkung des Verkehrslebens, als den Gesetzgebern
zuzuschreiben , ersterem allein gereicht vor Allem die bereits
angedeutete allmähliche Umformung der Wucherbestiramungen
des deutschen Rechtes im IG. und 17. Jahrhundert zum Vor-
wurf oder Ruhme.
Da verhältnissmässig selten hierbei die Einwirkung des
kanonischen Rechtes direkt und unmittelbar auf die Abfassung
der deutschen Rechtsbücher und Gesetze nachzuweisen ist,
liegt der Schluss nicht fern, von eigenem Ursprünge her
und gemäss seiner eigenen Natur habe das deutsche
Recht den Grundsatz erzeugt, in sich getragen und geboren,
Neumann, Gesch. d. Wuchers. 12
178 V. Gosotzl. Ansii. gegen kanon. AViuiieivoii). 1. Pas Allgemeine.
(lass jede Vergütigung der Nutzung freuideu Kapitales /ai ver-
hindern sei. Das kanonische Keclit bietet ein Beispiel, und viel-
leicht nur Hebcamiuendienste leistete es bei der Geburt jenes
Grundsat/es. Niclit ein Beweis dagegen wäre die offene Verwer-
fung, Umgehung und schliessliche Umformung des deutschrecht-
lichen Wucherverbotes durcli das eigentliche Verkchrsleben,
also durch die erzeugende Kraft aller Gesetze selbst. Denn
diese Kichtung der Kraft machte sich erst lange Zeit nach dem
Erstehen des Wucherverbotes im deutschen Rechte geltend.
Weiteren Belag sogar für obige Annahme könnten ausser den
bisher hauptsächlich erwähnten Quellen noch diejenigen Ge-
setzbücher bieten , welche deutschrechtlichen Ursprungs , und
deutschrechtlichen Stoffes voll, doch ausserhalb des deutschen
Bodens und Lebens ihre Entwicklung erfuhren. Die aus den
westgothischen Gesetzen erwachsenen spanischen Gesetze,
diQ constitutiones rrgni Siciliae, die assisaeHic-
rosolymitanae mögen dabei ausser Acht bleiben; schon
die wenigen oben zum Theil aus diesen Quellen gebrachten
Citate erweisen klar, wie stark das kanonische Recht auf ihre
Gestaltung einwirkte. Aber die Gesetz- und Rechtsbücher des
europäischen Nordens, vor Allem die isländische Grägäs, die
Gulathings-lag des Gesetzebesserers , Königs Magnus , die
Gesetze Schönens, Jütlands, Glanvilla in England
konnten weder gegen das Recht der Kirche ihre heimischen
Vorschriften vertheidigen , ^) noch erstanden sie aus einer
im Verkehre genug entwickelten Zeit, als dass sie über die
wncherlichen Contrakte überhaupt Etwas, geschweige denn
dieses aus dem unbeeinflussten , rein deutschen Rechtsfunda-
mente her entsprossen aufweisen könnten. An Zinsen anklingend
schreibt nur für die Miethe irgend welcher beweglichen Sache
die Grägäs ^) hn Kaupa-Balkr. ti. 1. vor. Niemand soll
einen höheren Miethszins (leiga), als das Verhältniss von
10 Unzen zu 1 Unze jährlich ergiebt, zahlen noch nehmen.
Von dem Interesse -Ersatz für Benutzung fremden Kapitales
1) Zeitsehr. für geschichtl. R. W. III. 1. p. 122. 2) ed. Schlegel.
Kopenhagen 1829. p. 390.
V. Gesetzl. Ausn. gegen kanon. Wuclierverb. 1. Das Allgemeine. 179
weiss Grrigäs Nichts , für den Verzugsschadeii stellt das Gesetz
ein für alle Male ein festes Maximum von 4^2 Mark auf. ')
In Glanvilla erscheinen die von Eduard dem Bekenner den
Wucherern auferlegten Strafen gemildert , -) indess ist das Ge-
setzhuch, wie bekannt, vom kanonischen Rechte wesentlich
beeinflusst, und so heisst es m der Erklärung zu „jurisdictione
soll curiae Chrlsfianitafis data " ^) „ ex causa muiui dehotur
aliquid , cum quis credit alii aliquid tale, qiiod consistit in
numero vel 2^ondere vcl mensura; cum quis itaque ali-
quid tale crediderit, si plus eo receperit, usu-
ram facit, et si in tale crimen ohlerit, damnahitur tam-
quam usurarius."
Allein schon die auch durch die Geschichte der Rechte
anderer Völker erwiesene Wahrlieit tritt obigem Satze ent-
gegen, nämlich, dass überall von Natur das Gesetzes- oder
Gewohnheitsrecht eine Entschädigung für die Nutzung frem-
den Kapitales zulässt, ja befiehlt. Für das deutsche Reclit
aber fehlen, trotzdem das kanonische Wucherverbot so frühe
schon und insbesondere vor Durchbildung des heimischen Ver-
kehrs sich wie ein Mehltau auf die aus gesunden Boden natur-
gemäss aufkeimende Saat der Gesetze lagerte, selbst positive
Zeichen nicht dafür, dass auch in ihm jener Hauptgrundsatz
alles Verkehres sich vorfand und entwickelt hätte , wenn nicht
das fremde Gebot hindernd dazwischen getreten wäre. Als
zweifelhaft für die Schlussfolge mag dabei ausser Acht bleiben,
dass das Wort Wucher im Gothischen, Althochdeutschen,
also gerade in der ältesten Zeit, Nichts von der Nebenbedeu-
1) cf. Grägäs 1. c. I. 390. ti. II, V. p. 395, VI. p. 399. cf. IV. 2. k.
2) Eduard erklärte die Wucherer als vogclfrei und befalil , sie aus dem
Reiche zu vertreiben. Nach Glanvilla wui-de nur das Vermögen des Wuche-
rers , welcher als solcher starb , confiszirt. So lange der AVucherer lebte,
wurde er dagegen weder von denr königlichen Gericlitsliofe noch von
einem weltlichen Gcridite bestraft; über den Wucher verliandelte allein
die „curia Christianitatis" Glanvilla 1189. bei Philipps, Engli-
sche Rechtsgesch. (Berl. 1827. IL l.VIl. cp. IG. §. 3—4. — Recht.s-
gesch. ib. 11. p. 231. — legg. Eduard, conf. 37. — Anderson, origin
of commerce. 1045. 3) C 1 a n vi 1 1 a , 1. c. lib. X. c. 3. §. 3.
12 *
180 V. Geset/1. Ausnaliinoii v. kaiioii. Wudiorvorb. 2. Pfandvertrag.
tung des unerlaubten, übermässigen Gewinnes in sich trug, und
so gemssermaassen die Billigung des Wuchers im deutschen
Kechtsgebiete von vornherein feststand (cf. ob. ITI. Allg.) Aber
den sichern Erweis liefern die drei Ausnahmen, welche seit
alter Zeit die deutschen Gesetze selbst, obgleich sie von An-
beginn dem kirchenrechtlichen Wucherverbote sich anschlös-
sen, über die von der Kirche gezogenen strengen
Schranken hinaus, gegen das Wucherverbot aufstellten,
getreu dem Verlangen des Gewohnheitsrechtes, aus dem sie
entsprossen. Die deutschen Gesetze gestatteten ein plus ultra
sortem zu nehmen speziell im Pfandkontrakte und im
Kentenkaufe, mid zwar allen Leihenden; in allen Fällen
der Nutzung fremden Kapitales war es drittens speziell den
Juden und Wechslern gestattet, Zinsen zu fordern.
Von diesen drei Wucherausnahmen übte der Rentenkauf
insbesondere die nachhaltigste Wirkung auf die Entwicklung
des persönlichen Credites, er nähert den Schadensersatz aus
dem Verzuge und dem Leihverhältnisse selbst den Conven-
tioualzinsen und reift letztere allgemach heran; die Zinsge-
schäfte der Juden und Wechsler andrerseits führen die Con-
ventionalzinsen direkt von dem Boden ihres Privilegs in den
alltäglichen Verkehr auch der nichtprivilegirten Parteien. Alle
drei Ausnahmen endlich , welche die Kirche zuvor ausdrück-
lich oder durch ihr allgemeines Wucherverbot ganz oder zum
Theile wenigstens verworfen hatte, zwingen durch die Bedeu-
tung, welche sie im deutschen Verkehrsleben gewinnen, schliess-
lich die Kirche sell)st , zuerst die Ausnahmen in dieser ihrer
ganzen Ausdehnung anzuerkennen, und danach stellenweise
sogar die Conventionalzinsen unter Verleugnung des alten
Wuchergesetzes zu billigen.
2. Der Pfandvertrag.
a. Die ältere Satzung. — Benutzung des Pfandes durch den
Gläubiger und Anrechnung des Nutzens auf die Schuld-
summe. — Die Gesetze. — Der Verkehr.
Im alten deutschen Rechte war es Regel, dass der Gläu-
biger das bewegliche Pfand (wadium) als Faustpfand
, V. 2. Pfandrecht, a. Aeltere Satzung. Benutzung d.PfanrIosotc. 181
vom Schuldner übergeben erhielt oder durch den Frohnboten
oder durch seine eigene Pfändung empfing, doch allgemein
nicht dasselbe zu seinem Vortheile nutzte. ^) Für das Pfandrecht
1) cf. Sachsenspiegel. LQ. 5. §. 4.
,, Svat man aver denie manne liet oder sat , dat sal he unverderft weder
bringen oder gelden na sime werde."
Goslar er St. R. (Göschen) p. 82. Verm. Sachsensp. IV. 42. d. 19.
Magdeb. R. (1304) a. 88. — und in Süddeutschland: Schwabens p.
OVackern. 212. Lassb. 258. b.) München er St. K. a. 42. p. 19.
- swen ain pfant gesetczt wird oder empfohlen ze hingeben , der sol daz
behalden an gevärd und chain nutz dar ab nemen , nutzet er es darvber,
swaz ez dann erger wird, das er bereden mag, daz soll er im gelten.. ."
Rechtsbuch Ludwigs des Bai er n ebenso, als Quelle des Münchener
Stadtrechtes a. 39. Deutscher Spiegel p. 123. 204. 205. Solmser
L. 0, (1599) p. 83. Dem gegenüber stehen Glanvilla 1. c. lib. Y. cp. 6.
§. 2. 3, cp. 8. §. 6. Sachs. Weichbild 1. c. fol. 34.
„ vnd es wer nicht bedinget das dem pfandherrn der nutz auch beleiben
solt (vnd das er der gütter gemessen solt), \Tid er genüsse ir doch, solte
der genies an dem haubtgut abgehen oder nicht oder was da recht sein
sollt ? A n t w. der nutz sol im an de*ni haubtgut abgen. Es wer denn
anders ausgedinget , das der pfandherr der guter gemessen solt, sonst
was er ausserhalb dieses gedinges aus dem gut nem, das wer wucher.''
Fr ei burger relbrm. St. R. (1520) II. 8. n. 2. Würtemb. L. 0. (1.557)
fol. 224. — Badische L. 0. (1622) p. 92. Eichhorn, D. P. R. §. 121.
— Philipps,D. P. R. §. 20. — Maurenbre eher, D. P. R. §.300. I.
Beseler, D. P.R. n. p. 167. - Gerber, D. P. R. §.149. — Albrecht,
Gewere §. 15. — Von lebendigen oder essenden Pfändern gilt dasselbe, cf.
Rechtsb. Ludwigs V. B. ti. X\^I. p. 716. Münchener St. R. a. 93.
München. Reformat. (1417) 1. c. p. 118. 128. Schwabens p. c. 212.:
„ er sol es auch ninder riten äne jenes urloup und ritet ers darüber,
swaz im geschieht, er musz den schaden haben."
Culmer R. 1. c. V. 34. ,,und geschyt ym nicht dennoch mus her bessim"
(cf. Systemat. SchöiFenrecht p. XL.) Förster (Zeitschr. für D. R. IX.
p. 116.) — Rügian. Land gebrau ch ti. 74. p. 93 (Homeyer):
„lev endige pande.'* brücket de Loviger die pfände mittler Tydt,
he deit Unrecht vnd steit sülvest de Unkostinge."
Gerade das Systematische Schöffenrecht (kulmer Recht) und der Rügiani-
sche Landgebrauch setzen bestimmte Strafen für das Gebrauchen der
beweglichen Faustpfänder durch den Gläubiger an. Die andern zitirten
Quellenbeläge thun dies nicht . sondern verbieten einfach den Gebrauch,
widrigenfalls Gläubiger lediglich den durch den Gebrauch am Pfände her-
vorgerufenen Schaden ersetzen musste. -An sich daher könnte man diese
182 V. 2. rfaiitlroclit. a. Aclteiv Satznii.c:. Ronut/Jiug d. n'andos etc.
an unbeweglich eil Sachoii alier, das in dem alten deut-
schen Rechte, wie es scheint, nicht vorkam/) liihleten sich
während des Mittelalters ZAvei verschiedene Eechtsgeschäfte
aus, das nutzbare Pfand oder die ältere Satzung (V, 2. a) und
die neuere Satzung (V. 2. e). Das nutzbare Pfand ist nicht
ein accessorisches , sondern ein selbstständiges Geschäft. ^) Der
Gläubiger empfängt von dem Schuldner mittelst gerichtlicher
Auflassung ^) ein Grundstück zum Pfände , damit er es bis zur
Wiedereinlösung besitze und ohne Emschränkung nutze. Der
Gläubiger erhält hier also eine volle PfandgOAvere , neben wel-
cher die Gewere des Eigenthümers fortbesteht. *)
Bei dem unbeweglichen Pfände war es daher gerade im
Wesen des Institutes der älteren Satzung , in der dem Gläubi-
ger damit gegebenen Gewere begründet, dass der Gläubiger
unbegrenzt den Nutzen aus dem in seinem Besitze befindlichen
Pfände zog. Das wurde schon durch die Natur dieser meist
fruchttragenden Pfänder veranlasst und rechtlich durch das
Festhalten der alten Satzung als eines selbstständigen Hechtes
des Gläubigers bestärkt. ^) Da sich an die Auflassung , mit
welcher das Pfand dem Gläubiger übertragen wurde , die Ein-
Gesetzc dahin verstehen , als gestatteten sie indirekt den Gehrauch. Bei
dieser Auslegung entstünde indess bereits Hinsichts der essenden Pfänder
ein Widerspruch. Denn dann verböten eigener Weise gerade diejenigen
Gesetzbücher , welche allgemein den Gehrauch beweglicher Pfänder )nit
der eben erwähnten Folge dem Gläubiger gestatteten , bei essenden Pfän-
dern jede Benutzung.
1) Zuerst form. Marculfi app. N. 50. ; über den Einfluss der
römisch - rechtlichen Antichrese hierbei cf. u. — cf. Be seier P. R. U.
p. 132. u. N. 5. 2) Homeyer, Sachsenspiegel 11. 2. §. 18. p. 345 ff.
3) Lüb. R. (1240) art. 18. — Revid. lüb. R. HI. 6. a. 2. — Sachs.
Lehenr. a. 55. §. 8. — Albrecht, 1. c. §. 8. — Eichhorn, R. G. II.
§. 359. N. 6. — Mittermaier,P.R. I.§.160. — Philipps , P. R. I.
§. 61. 4) Albrecht, 1. c. p. 144ff. — B u d d e , Ztschr. 1. c. IX. p. 435 ff.
5) cf. Eichhorn, R. G.§. 361. a. — Philipp s, I.e. 1.20. Bluntschli,
D. P. R. (München 1833. I. §.99. p. 475. — Maurenbrecher, I.e.
§. 300. — Beseler, 1. c. II. §. 95. — Gerber, 1. c. §. 149. — Runde,
D. P. R. (Göttingen 1787. 7. Aufl.) §. 455. p. 534 — 457. Albrecht,
Gewere §. 16. 17.
V. 2. Pfandreclit. a. Aelterc Satzung. Bcnutzuiig- d. Plaiidesetc. 1H,'3
tragiing in die öfl'entlidion liücher iiiid die Ausstellung öftent-
liclier Urkunden über die Eintragung anschloss (cf. u. V. 3. a.), ^)
forderte man die Verbreitung des Institutes, und damit seines
gegen das kanonistiscbe Zinsverbot gericbteten Charakters
niclit allein durch den erleichterten Beweis im Prozesse , son-
dern mehr noch durch die ermöglichte leichte Uebertragmig
des einen Pfandverhältnisses auf mehrere Gläubiger. ^)
Als daher das kanonische Recht in Deutschland immer
mehr an Einfluss gewann, trug ein Tlieil der damaligen Rechts-
schriftsteller und Gesetzgeber kein Bedenken , die Bestimmung
desselben, dass der Gläubiger Nichts aus dem Pfandnutzen
für sich verwenden , Alles vielmehr höchstens nach Abzug der
Kosten, welche der Gläubiger in das Pfand verausgabt, auf
das geliehene Kapital anrechnen müsse, auch in das deutsche
Recht aufzunehmen und dadurch die in der älteren Satzung
gestattete unbegrenzte Nutzung des unbeweglichen Pfandes
zu beschränken. Man säumte nicht, das, was man so eben
allgemein noch gebilligt hatte, jetzt zum Theil als Wucher
zu verdammen. ^) Cölner St. R. (14. Jahrh.) a. 46. p. 69.:
„ Item es soll niemands in Collen Geld auf erbentliche Pfand
lehnen, dass er die Reute davon komende nutze, die er dem
Schuldner an der hauptsumma nicht abschlagen Avolte." ^)
Und selbst aus späterer Zeit: Wormser Reform. 1498
(a.l507) V.3.ti.2. Freiburger St. R. (1520) trc.II.ti.8.n.3:
„Wer auch das einer dem andern ligende guter zu pfand
insetzte vnd im die zuhanden stalte mit zülass, die zu nützen
1) Pauli, Abb. a. d. lüb. Rechte I. S. 5 ff. — Rev. lüb. R. III. 6.
art. 2. — H e u in a n n , opuscul. p. 150. (Bair. L. R.) 2) H i 1 d e s b e i -
mer Statt. (Pufendorf obss. jur. IV. app. nr. XV.) a. 131. — Heise
und Cropp; Jur. Abliandl. I. p.37G. Die Aufla>ssun<,' wurde freilich auch
bei der weiteren Ucbertragung vielfach angewendet. Pauli, Abhh. 1. c. I.
S. 33. — A u e r , Müncbener St. R. p. CXXX. 3) cf. G 1 a n v i 1 1 a X.
cp. 6. §. 2 — 3. cp. 8. §. (j. Seh wabens])iegel c. KJO. 4) Magde-
burger Fragen (1385— 14(»2) in der Ausg. des Sachsensp. Augsburg
1517.it. 1. dist. 1:
..man mag auf das yWmd iiucli gelt nit aufsclüags noch zinss noch
MTüchers neiuen von rechts wegen."
184- V. 2. Pfandroclit. a. Aoltoro Satzunef. Boiuity.nii,£j- d. Pfandes etc.
bis die gelöst würden. Sezzen vnd wollen wir alle die nutz
vnd fruchte, so der scluütlierr davon nach abgerechneten
kosten empfangen hat, die sol er dem Schuldner an die
hauptsumme rechnen vnd im vil dagegen an der hauptsumma
abzielm, so viel sich dieselben nutz vnd frücht betreffen."
(fast wörtlich übereinstimmend mit den Dekretalen c. 8. u.
1. X. 5, 19; c. 2. 1. c; c. 6. X. 3, 21.)
So erklärte auch der Züricher Rath jene Form der alten
Satzung, welche er bisher anerkannt hatte, 1550 für wucherlich:
„zuodem, das niemands vnder den vnsren gelt vff gueter
vsslyhen, vnd dieselben zuo iren banden nemmen die bewer-
ben vnd nützen bis inen ir gelt wider erlegt wirt. Sondern
söUichs als ein bechwerd vnd treffenlicher nachtheil des
gmeinen armen manns abgestellt vnd vorbotten heissen
vnd sin." ^)
In vereinzelten Urkunden 'der Parteien findet sich, was hier
sogleich angeschlossen werden mag, die Vorschrift befolgt,
so in Klempin, diplom. Beitr. z. Gesch. Pommerns. (Berlin
1859. p. 100.), wo freilich einCleriker, Bischof Benedict, (1493)
ein Darlehn von 700 fl. rhein. aufnimmt.
„In qnihiifsquidem 70öflorcnis dictis dorn. creditorihus prin-
cipalatus nostri Stettinensis et omnia alia officia nostra et
etiam episcopales denarios in Nova Mareltia arrendamus . . .
at quousque dictis dominis satisfactio de jam expressa
summa facta non fuerit tarn diu dictis nostris officiis et
episcopalihus denariis in vim extenuationis debiti
pretacti uti dehehunt in solidum saluo tarnen jure loca-
tionis officiaUum quod nohis pro arhitrio nostro reserua-
mus."'^) —
1) Bluntschli, Züricher E. G. 11. p. 121. — cf. auch die Statuten
V. Greussen 1556. (Walch, Beitr. VII. p. 150. II. 40. p. 150. — Stat.
von Frankenhausen 1558 (Walch, I. a. 43.) Würtemb. L. 0. von
1557.1597.1610. Wächter, Handbuch p. 495 ff. : „Das erste Land-
recht bestimmt, dass Pfandnutzungen am Kapitale abgerechnet wer-
den; die 6. Landesordnung gestattet die Nutzung ohne Abrechnung,
wenn nur das Darlehn gleich dem Werthe des Gutes ist und der Vertrag
gerichtlich geschlossen. " B a d i s c h e L. 0. ( 1622) j). 92. 2) I) a n z. Schöp-
penb. 1500. fol. 137.3. — Danz. Arch. Schuldurk. des Königs Sigismund.
V. 2. Pfandrecht, a. Acltere Satzung. Bojint/.ung d. Pfandes etc. 185
Andere der deutschen Gesetzgeber überliessen, des einhei-
mischen Kechtes der alten »Satzung melir eingedenk, zunächst
den Contrahenten, frei festzustellen, was ihnen von den Grund-
sätzen des deutschen (römischen) oder kanonischen Rechtes
in diesem Punkte geeignet schien. Erst dort, wo die Parteien
Nichts hierüber erklärt hatten, galten die Vorschriften des
Gesetzes, das sich dann ebenfalls einem dieser Rechte anschloss.
So das sächsische Weichbild. 1. c. fol. 34. „und es wer nicht
bedinget . . . : der nutz sol im an dem haubtgut abgen. Es wer
denn anders ausgedinget, das der pfandherr der guter
geniessen sollt, sonst was er ausserhalb dises gedinges aus
dem gut nem, das wer wucher." (cf. ob.) Eckardt, Neun
Bücher sächs. Rechts. V. a. 3. dist. 1. 8. 9 :
^ „ Wird einem manne ein erbe versetzt mit gutem willen für
geld (er darft" den nutz noch den zins nicht abeschlagen),
es sei denne das es mit ihm zuvor bescheiden werde
vnd mit sonderlichen Worten ausgen. ZAvischen in in der
Sache." (ed. Poelmann.)
Rechtsbuch Ludwigs des B. (1336) p. 152:
,, war aber das ainer mit dem andern gedingt hat, wie er
mit seinen pfänden gevaru solt, des sol er auch geniessen
vnd sol stet bleiben, was er gedingt hett." ^) —
Wieder Andere gestatteten die freie Benutzung der Pfand-
grundstücke zum Vortheile des Gläubigers, indem, sie allein
den Ersatz des dadurch dem Schuldner angethanen Schadens
ersterem auferlegten. So sagt das systematische Schöf-
fenrecht III. 2. cp. 76:
1565. 8. Juni „ ita tarnen , ut de Omnibus eortmdem theloneorum et poho-
raruni 2)rouent{bus loco interesse nihil pro se accipiat sed de
iis Omnibus in Cameram nostram rationem pro tempore superius me-
morato reddat eosque omiies theloneorum et poborarum prouentus tunc
ad rationem summae Capitalis nimirum ... interim recipiat."
cf. auch Gercken. cod. Brand I. 156. (a. 1333.) Freihurger St. K.
(Schreiber) 1. c. 1.2. p. 248. (1323.) — Lübeckische Urk, Buch.
I. a. 1277. — Chr. Kupp ener. vom Wucher (F. 3), Beilage E.
1) Zeitschr. f. d. E. IX. p. 410. (Buddc.)
1S(> V. 2. rfaitilroolit. a. Aoltere Satzung. Bonnfznng d. rfandesctc.
„ . . Avirt oiu'h oyme mit willin gesaezt eyn erbe vor gelt,
her endarf (Ion luu'z iiocli cziiis nicht abe slon, is eii
sy denne daz is ym czuvor bescheydin werde" (Ciilm 111. 106.) ^)
Noch Andere endlicli hielten an dem heimischen Rechte
trotz der kanonistisclien Wuchersätze fest mid gestatteten
durchaus die unbegrenzte Benutzung der unbeweglichen Pfänder
zum Vortlieile des Gläubigers. 2) Schon in Marculfs For-
meln heisst es Adp. nr. 50.
„oppigncro tibi vincam propridatis meac et usquead annos
tantos friictum, quem ihldcm deus ileäerit , ad parte tua
habere debeas et per temct ipsnm ipsa mea condirgere
facias, et qnomodo ipso f'ruetns tantos annos transactos
habueris et dchifo fno tibi reddidero cautionem meam per
manibus recipiam stipulatione subnixa." ^)
Und der Spiegel deutscher Leute (Ficker 1859) sagt
besonders bezeichnend p. 95. n. 92. am Ende:
„ daz (d. Pfand) sol man wol behalten acht tage vnverchauf-
fet vnd vnversetzet. Wil man ez auz purgen man sol ez
auz geben vntz auf daz zelbe zil. etwa ist gewonheit daz man
anders da mit wirbet daz ist nach der leut gewonheit."
Während aber die Grundsätze der einzelnen Eechtsbücher
und gar der Gesetze so auseinandergehen, halten die Con-
trahenten selbst in überwiegendster Mehrzahl
die deutschrechtliclie Ausnutzung des unbeweg-
lichen Pfandes zum reinen Gewinne des Gläubi-
gers durchaus aufrecht, als wäre nie das Verbot der
Kirche über die deutschen Grenzen geschritten. Unter der
Unzahl von Pfandverträgen , welche unabhängig oder entspre-
1) cf. Rechtsbuch Ludwigs des B. (133ß.) a. 39. p. 154. — Mün-
chener St. R. (14. Jahrh.) und dessen Reformat. (1417) p. 118. Die von
beiden ausgesprochene Regel erstreckt sich auf bewegliche und unbeweg-
liche Pfänder, cf. S. 181.N. l.die andere Auslegung dieser Stellen, wonach
auch hier aller Vorth eil des Gläubigersaus der Benutzung untersagt wäre.
2) cf. u. A.Würteniberger L. 0. (6.) Wächter, Handb. I.e. 3) Gerade
die freie Benutzung des Pfandes ohne Anrechnung des Vortheils steht
der Annahme des römisch - rechtlichen Einflusses bei dieser Stelle
entgegen.
V. 2. Pfandreclit. a. Aoltcro Satzung. 'Bi'iinl/.nng d. Pfandes etc. 187
chend dem geringen persönlichen Credite den Schuldurkunden
beigefügt sicli findiMi, gestatten Geistliche und Laien, die
höchsten Würdenträger und niedrigsten Privaten, Kaiser,
Bischöfe, ^) Einzelfürsten bis zum einfachen Bürger und Bauer
hinab dem Gläubiger, ihre ländlichen und städtischen Grund-
stücke jeder Art, ganze Theile des Landes mit Dörfern und
Städten, Burgen, Schifte, Rechte an fremden Grundstücken,
Regalien, besonders Gerichtsbarkeit, Steuern und die ver-
schiedenartigsten Gefälle zu seinem Vortheile auszubeuten.
Nicht einmal die Einzelstaaten waren vor Verpfändung durch
Kaisers Hand sicher, wenn sie nicht ein spezielles Privileg
schützte. 2) Solclie Verpfändung mit freier Pfandnutzung durch
den Gläubiger zu seinem Gewinne musste den deutschen Ein-
zelfürsten besonders erwünscht sein, da sie ohne Zustimmung
des Kaisers und der Agnaten ihre Territorien nicht veräussern
durften,- und wenn ein Stammgut vom Besitzer in andere
Hände gebracht war, die nächsten Erben desselben die Ver-
äusserung rückgängig machen konnten. Durch die Verpfän-
dung wurden beide Rücksichten befriedigt, da es zu derselben
der Zustimmung des Kaisers oder der Agnaten niclit bedurfte,
und die Verpfändung andererseits die Rechte der Erben nicht
beeinträchtigte. ^)
In allen hierlicr gehörigen Urkunden ist dem Gläubi-
ger als Folge der Auflassung und Inlialt der Pfandgewere des
selbstständigen, dinglichen Rechtes, das Gläubiger an dem
Pfände hatte, gestattet, das Pfand mit allen seinen Rechten
zu eigenem Vortheile „ wie sein Eigentlium " (thatsächlich, niclit
rechtlich) zu benutzen und alle bezogenen und zu beziehenden
Früchte an sich zu nehmen. Der Schuldner überlässt ihm aus-
1) Deshalb schweigen aucli alle in Deutschland abgelialtencn CJon-
cilien von diesem Theile der Uebertrctungen des Wuchevverbotes. Nur
in 2 Synoden, zu Utrecht (l.'iöi) und Bosan<;oii (l.")71) wird auch dieser
verworfen (conc. Germ. 1. c. IV. p. 3G5. VIIl. p. 104.) 2) Solch ein
Privileg ertheilte u. A. Kaiser Karl IV. IMGG an die Stadt Frankfurt a. M.
,, dass sie vor uns und des Reichs Niemand pfandbahr sein sollen " (J. H.
Böhmer, V. 19. §. XXVllI.) 3) cf. Zeitschr. f. D. R. VIII. p. 284
(Madai).
1J^8 V. 2. rfiUK^veclit. a. Acltere Satzung. Benutzung d. Pfandes etc.
drücklioli allen Nutz , indem Schuldner ausserdem Capital,
Kosten. Schaden, entgangenen Gewinn des Gläubigers, ja
wol gar noch eine Conventionalstrafe im Säumnissfalle zu zah-
len verspricht (cf. Beilage A — C.)
So heisst es in der Schuldurkunde Kaisers Karl IV. an den
Grafen von Wertheim, worin ein Pfand für ein DdTrlehn gege-
ben wird :
„ . . . vnd so auch die vorgen. 8 Jare vergangen sint , so
sollen sie dennoch dieselben zoller ufflieben vnd nemen , als
lange vntz das wir oder v n s e r nachkommen an dem
Eiche das widruffen." ^)
Ferner bei Günther, cod. dipl. Eheno-Mosell. IIL 1. n. 62.
„ concedimus ctiam expresse et de certa scientia, quod omnes
et singidos fructnsperceptos et xi er dpi endo s ah
eodem archiepiscopo et sua ecclesia de omnihus et
singiäis superius expressis suos facit nee in sortem ali-
qualiter co mp utentur et eosdem pacifice reeipiat ipse
et Sil i S'iiccessores ahsque alicujus contradictione quous-
que de praedictis summis eidem archiepiscopo vel ejus suc-
cessorihus intcgraliter exstiterit satisfactmn." —
und im Urkundenbuche von Frankfurt a. M. (F. Böhmer)
1297. erklärt Adolf von Nassaw:
„titulo pignorls Judaeos nostros archiepiscopo ohligamus
tamdiu percipiendos retinendos et hahendos sine molestia
qualihet et pressura, quousque praedicta 5000 m. pcrce-
ptis in sortem m i n i m e co m p utandis ... archie-
piscopo et successorihus .. persolverimus. " (cf. V. 4. a.)
ib. 1308. den 11. Mai. 2) —
1) Zöpfl, K. G. 3. Aufl. §. 124. a. N. 9. 2) Urk.-Buch v. Lü-
beck (12()2j 8. Septbr. (1277 cf. ob.) Michelbeck, histor. Frising.
U. 2. }). 131. n. 20G. ,, daz 0 ze sinen lebtagen inne haben sol mit allem
dem nutze vnd rechten und eren gesetzet ze einem rechten pfant . . . und
sol auch daz vorgen. guot niezzen als andern sein guot." Urk. des
Markgrafthums Oberlausitz (G. Köhler, Görlitz 1851) I. n. 106.
f 1318) : Waldemar , marchio Brandenb, . . . cives Budissin opjndi 160. m.
Pragisch., „dictum t hei otie um seu fructus thelonei tamdiu inte-
(/ralifer percipient, quosque dictum fuerint summam intcgraliter assecuti."
"ibid. n. 125. (1321) — Freiburgcr St. E. (Schreiber) 1. c. II. 1. p. 443.
V. 2. Pfandrecht, a. Aeltore Satzung. Benutzung d. Pfandes etc. 189
Bei einigen Pfandurkunden ist der Gewinn aus der Nutzung
des Pfandes wie eine Strafe der Zahlungssäumniss gestattet,
(145G. 8. Aug.) archiepiscop. Albrecht ... cives Friburg . . . jurisdictio-
neni et teloneum .. so lang, untz wir oder unser Erben die .Sunnna
bezalt han, ze niessen." — .v. Meiern. 6. Zinsthaler 1. c. §.XV. (1418)
§. XXIV. (1362.) — Classen, kölner Schreinspraxis p. 72. (1187.) —
Günther, 1. c. 2,420 (127G) 3, IGl (1314.) — Kraut, Ürundriss §. 123.
n. 28—30. Albrecht Gewcre §. IG. — Kevaler St. E. (145G) 1. c. Pe-
valer Rath ^ .Johann v. Mengden , Hochmeister des deutschen Ordens,
1800 rhein. fi. auf 3 Jahre . . (Renten sind verpfändet) ,. sie denne sullen
und moghen angripen , antasten und besitten nach aller friheith bis zur
Zahlung, sunder kenigerley wedderstalt rechtes Dwanck geistlikes adir
wertlickes gebruken noch allir niate. . " ebend. (1457) zwischen denselben
Parteien: ,, besitten, beholden , gebruken mit allerleyge tobehoringe,
mutte vnd bequeminheit ... so lange vnd bet tor tidt dat wy vnde
vnse orden det ghelt . . . voll vnde all to ganser vornoge . . . uthgerichtet
vnd betalt hebben. " ib. p. 139 (1528), wo die Nutzung zunächst auf
2 Jahre beschränkt , im Säumnissfalle in unbestimmte Zeit ausgedehnt
wird. — Sartorius, 1. c. II. n. 1G3 (1347) Vertrag des Prinzen v. Wales
mit Tydeman Lymbergh, worin auf 3^4 Jahr die Zinnbergwerke von Corn-
walcs dem Gläubiger verpfändet werden. Letzterer bezieht alle Einkünfte
daraus und legt jährlich Rechnung, ohne dass gegen letztere Etwas ein-
gewendet werden darf. Von den Einkünften aber zahlt Gläubiger an den
Prinzen vierteljährlich : 1000 mrk. u. s. w. ib. IL n. 178. a. König Magnus
von Schweden verpfändet gegen Darlehn das Schloss Borchholm an die
deutschen Städte zu aller Benutzung ,,mit aller nuthicheit, vrucht, vrieyt
vnde egendom " , auch mit dem Rechte , Steuern aufzulegen , ,, der munte
ghebrucken" u. A. — Danz. Schöppenb. von 1438. fol. 397. II hoven
vn Vni morgen verpfändet mit der Erlaubniss , dieselben für sich ,,to
seyen vnd to meyeu." ib. Urk. 1. 43. a. (1457), 11. 50 (1457) 4. 47. b.
(150G) cf. Beilage A. Schöppenbuch von 1557. fol. IGO. 1567. fol. 16. ib.
Sdmldurk. Königs Sigismund von 1563. , wo der Gläubiger ausser dem
Pfandnutzen noch Schadensersatz empfängt. Und rücksichtlicli des aus-
drücklich vermerkten Schadensersatzes daneben sind einzusehen :
Lüb. Urkundenb. 1257. 12. Nov. p. 224. „si vero , quud absit con-
sules aliquem eontingit habere defectum, nos et . . eundem supplere
tenebimur." ib. 1262. Frei burger Urk. 1. c. 145G. — v. Meiern,
Sechster Zinsthaler §. XXIV. 1. c. — Revaler St.R. 1456. 1457. 1528.
Das auf Besserung des Piandes Verwendete verpflichtet Schuldner sidi
besonders zu ersetzen. — cf. uach die wiederholt (IV. 2. k.) citirte Klage
des liv- und curländischen Adels vor dem dänischen Könige 1698. ib. IL
p.366. Günther 1. c. III. 149. — Alb recht, Gewere §. 16. — cf.
Beill. A — C. u. die wichtige Note darin aus d. Breslauer Stadt-Arch.
190 V. 2. rt'aiiarocbt. b. Kauf auf Wioaovkauf.
SO im Lübisch. UvkuiuliMih. I. (1202. 12l»7) ibid. Erst nach
eiiififetrettMiem Verzuge darf der Gläubiger den Pfandiiutzen
sich zueignen; vielleicht ein Anschluss an die allgemein
ciiaubten Verzugszinsen (IV. 2. Ic).
b. Der Kauf auf Wiedorkauf.
Was nützte es daher, wenn gegen ein so allgemeines
Gewohnheitsreclit einzelne Gesetze auf Grund des kanonisti-
schen Verbotes anstritten. Billigten diese doch selbst nach
einer andern Seite hin den Gewinn aus dem Pfandnutzen, in-
dem sie den Kauf auf Wiederkauf anerkannten, welcher
mit dem Pfand vertrage in älterer Zeit so nahe zusammen-
hängt und , wenn auch durchaus nicht rechtlicli , so doch that-
sächlich zumal in dem hier behandelten Punkte (desgl. Hin-
sichts der Haftung für den durch Zufall entstandenen Scha-
den) ^) dieselben Resultate ergab. ^) Diese Resultate beider
Rechtsgeschäfte deckten sich um so mehr, als der Pfand ver-
trag in Verbindung mit dem Darlehnsvertrage vielfach nicht
Bei vielen Verpfäuduiigeu unbeweglicher fruchttragender Grundstücke
wird von einer Nutzung Nichts , doch auch nicht deren Verbot ausgespro-
chen. Nacli den eben citirten reichen Beispielen und der übergrossen Zahl
derselben in jedem Urkundenbuche lässt sich annehmen, dass jedesmal
bei diesen Pfändern eine Nutzung während der Pfandzeit durch den Gläu-
biger vorausgesetzt wm-de. So gestattet ja auch das römische Eecht
Nutzung solcher Pfänder bis zur Höhe der gesetzlichen Zinsen ohne beson-
dere Stipulation, (tucita antichresis.)
1) Uebereinstinimend mit den allgemeinen Grundsätzen des deut-
schen Rechtes über das Haften für die Gefahr in Vertrags - Verhältnissen,
deshalb nicht beweisend das widerrufliche Eigenthum des Gläubigers
am Pfände. Albrecht, Gewere. S. 134 — 37; gegen ilm Madai und
Förster (Zeitschr. f. deutsch. Recht VIH. p. 284 — 325.) Budde ib. IX.
p. 411 — 39. Dass beide Rechtsgeschäfte auch im Mittelalter trotz ihrer
vielfach übereinstimmenden Wirkung öfter sehr wol geschieden wurden, zei-
gen die Urkunden, in denen das eine Geschäft das andere ablöst. Förster,
I.e. IX. p. 103. n. 14. — cf. Solmser L.R.XI.§.8. 2) cf. Bluntschli,
Züricher R. G. 11. p. 122: „Wie nahe diese Satzung dem Eigenthume
stand, und wie leicht sie in dieses überging, haben wir in ihrer Anwen-
dung auf landesherrliche Rechte, auf Herrschaften gesehen. Mehrere
Satzungen zu Gunsten der Stadt auf solche Hoheitsrechto wurden nicht
jnehr gelöst und verwandelten sich so in Eigenthum der Stadt."
V. 2. Pfandrecht, b. Kauf auf Wiederkauf. 191
auf eine bestimmte Zeit, sondern übereinstimmend mit der
ersten Entwicklungsstufe des Kentenkanfes (cf. V. .'5. a. b) dahin
geschlossen wurde, dass Schuldner nach seinem Belieben das
Kapital zurückzahlte und das Pfand löste. ^) Dazu billigte ja
die Kirche den Kauf auf Wiederkauf, wo er nicht zur Um-
gehung des Wucherverbotes angewendet wurde (ob. IL 1. 2.)
Wer wollte nach dem oben Gesagten entscheiden , ob letztere
Grenze überschritten worden? Deutsche Gesetze folgten hierin
dem kanonischen Rechte, freilich nicht alle, so u. A. die W ü r-
tem berger L.O. von 1557. Nach letzterer, welche die kano-
nistische Bedingung ebenfalls der Erlaubniss beifügt, soll
der Schuldner aus dem Vertrage verpflichtet sein, innerhalb
einer bestimmten Zeit seine Sache für den alten Verkaufspreis
wieder einzukaufen. Andere Gesetze dagegen, vielleicht von
besonderem Zorne oder Schrecken gegenüber dem Wucher
erfüllt, oder in der Ueberzeugaing , dass hier die Umgehung
des Wucherverbotes kaum von dem aufrichtigen Vertrags-
schlusse zu imterscheiden sei, zählten dieses Eechtsgeschäft
durchaus zum Wucher und verboten es daher mit demselben. ^)
In den Urkunden der Parteien treten deshalb auch öfter dieser
Kauf und Pfand verbunden mit einander auf. •') Man darf daher
1) cf. Zeitschrift für D. R. IX. p. 410. Bluntschli 1. c. II. p. 122.
Z 0 j» f 1 , I). E. G. 3. Aufl. p. 852. 2) cf. u. a. die Nürnberger Statt
aus dem 14. — 15. Jahrh. Siebcnkces, Beitrag zu d. R. Nürnb. 1786
(nach 1335): II. Bd. 9. ..kein burger, burgerin soll aygen, erb, lehen,
leibgding noch dlieinerley ander sach auf dem lande und in der Stad uft"
dlicinen wiederkauff nocli Wiederlosung nit kauften." Cölner Stadtr.
(14. Jahrh.) 1. c. — Concil. von Constanz (1483) conc. Germ. 1. c. V.
p. 562 „ quidam eciam emendo rem pro certa quantitate venditori dimis-
sam siatuto termino pro ndaucto numero uswarum quantitate reven-
dunt. .." Carpzoy. 1. 1. observ. X. Stryck, Us. Mod. Fand. XII. 1. §.34.
J. H. Böhmer, jus eccl. prot. V. 19. §. 4. 3) cf. die bis dahin ungedr.
fuldensische Urk. v. 1446. bei Zöpfl, D. R. G. 3. Aufl. j). 853. n. 11.
,,der Schuldner setzt und verkauft dem Gläubiger Heinrich v.Recken-
dorff „ auf Wiederkauf" das halbe Schloss, Stadt und Burg zu Lengs-
feld. De.sgl. Pauli, lüb. Zust. 1. c. lüb. Niederstadtbuch. 1374
„mngister Wilhelmuft de Pokelentc oblif/atus C et LXXII fhrcnos aureos
nee non XIII mrc. et XII sol. Lut>. den. peraolrere . . . super festo St.
Micluielia .... jiro qiiiliiis tiliros ntriusqiic Juris et alius dirersarum
192 V. '2. Ptandroclit. c. Dauer der Pfandnutzung.
allgemein nicht mit Budde') beliaupten, dass die Parteien
genau beide Keclitsgeschäfte von einander schieden. ^)
c. Die Dauer der Pfandnut zun g.
Gerade im Anschlüsse an den Kauf auf Wiederkauf muss,
wie schon bemerkt, die lange Dauer der Pfandmitzung erwähnt
werden , welche grösstentheils bereits in den Pfandverträgen
selbst von vornherein in Aussicht genommen wurde. In den
meisten Fällen stand es allein in dem Belieben des Schuldners,
wann er gegen Zahlung der Schuldsumme das Pfand lösen
wollte, übereinstimmend mit dem beim Rentenkaufe lange
geltenden Gebrauche (cf. V. 3. b.). Die wirthschaftliche Lage
des Schuldners begründete dies. Unwetter, Krankheit, Un-
fruchtbarkeit des Bodens , welche fast periodisch wiederkehr-
ten , bedrängten den* Landmann ; Versicherungsanstalten gab
es nicht , noch landschaftliche Credit - Kassen ; der Absatz der
Bodenfrüchte war vielfach beschränkt, ja ganz unterbrochen.
Woher sollte der Schuldner, seine Schuld abzuzahlen, die
Mittel nehmen, wenn der Gläubiger die Rückzahlung plötzlich
faciiltatum .. dejmsitos .. ohligavit in pignus, liac aäjecta condi-
cimie , quod si dictua (dehit.) lihros suos pretacta pecuniarum summa in
prefixo termino non redimeret, extunc. . ." cf . F ö r s t e r , Zeitschrift
f. deutsches R. IX. p. 103. n. 14. Zur Verdeckung der Pfandnutzung oder
des verzinslichen Darlehns scheint der Kauf auf Wiederkauf vereinbart zu
sein in cod. dipl. Siles. lY. (Meitzen) S. 298. n.VI. (1353. 23.Septbr.),
zumal da ein Cleriker unter den Parteien ist. „ TJieodorieus Ähhas in Za-
gan (Sagan) a Johanne et Jacobo filiis Nicolai sculteti in Schoenenhum
de ejusdem genitoris consensu in eadern villa IX virgas agri cum omnibus
utilitatibus , jyrorentibus et servieiis pro XII marcis grossorum compa-
ravit sibl et suo Monasterio, quas ad manus Ahhatis resignaverunt.
Graciose est adjectum quod si infra VIII annos rcstituere pote-
rint quantitutem 2wcimie x>i'etaxutam , virge agri grenotate , in ipsius Ab-
batis arbitrio et favore vendendi iwedictis froiribus stare debebit.
Adjicientes quod si exigenie necessitate memoratos fratres infra VIII
annos omnia eorum bona vendere contigerit , cavere debent, ne per frau-
dem in prejudicium Monasterii dictas virgas agria monasterio avellant
cum aliarum personarum pecunia eas redimentes." — Kuppener, I.e.
Beilage E.
1) Zeitschr. f. D. E. IX. p.410. 2) cf. auch Schwabensp. Lehn-
recht (Lassb.) c. 93.
V. 2. Pfandrecht, c. Dauer der Pfandnutzung. 193
forderte, selbst unter Innelialtung' der Kündigungsfrist? Statt
dessen bezog letzterer während der Wartezeit die Früchte des
Pfandgrundstücks , das er in der Pfandgewere hielt. ^)
Der Schuldner konnte schnell die Schuld in den häu-
figsten Fällen nicht zahlen. Daher verpflichtete er sich in den
meisten Schuldschehien sogleich auch den Nachfolgern und
Erben des Gläubigers , und überlässt diesen allen die Pfand-
nutzung. ^).
Seltner wurde ein bestimmter Rückzahlungstermin von
den Parteien mit dem Pfandgebrauche bis zu dem letzteren
festgesetzt , ^) oder man vereinbarte , dass der Schuldner nicht
vor einem festen Termine oder nur bis zu einer bestimmten
Zeit das Pfand zurückfordern dürfe , *) oder dass er es nur au
bestimmten Tagen des Jahres eüilösen solle. Daher schliesst
Madai^) an sich zwar richtig, dass, weil bei Verpfändungen der
Gläubiger jederzeit sein Darlehn zurückfordern konnte, beim
Rentenkaufe aber die Rückzahlung allein vom Schuldner abhing,
der Pfandvertrag erst in Zeiten entmckelten Handelsverkehrs
in Gebrauch gekommen sein könne ; allein die obigen Beispiele
von Verpfändungen zeigen, wie weit sein Vordersatz zu be-
schränken sei. Dies erweist die sogleich folgende Behand-
lung des Reutenkaufes noch mehr, aus welcher sich ergiebt,
dass abgesehen von andern hierbei maassgebenden Gesichts-
punkten bedeutend früher, als die Gesetze es gestatteten,
1) cf. ob. die Urkk. und Frankfurter Urk. B. 1308. 1. c. — Lü-
becker U.B.I. 1262. I.e.— Köhler, Überlausitzer Urkk. 1318. 1321.-
Freibürger Urk. 1. c. (1456). — v. Meiern, sechster Zinsthaler (1418)
1. c. — Eevaler St. E. 1. c. (1456. 1457.) 2) cf. ob. insbes. Frank f.
ü. B. 1297. p. 312. 1303. 5. März. — 1303. d. 8. Octb. (p. 351) — 1303.
16. Octb. — 1308. d. 11. Mai, wo man den Bezug der Einkünfte von
den Juden her, welche Kaiser Adolf von Nassau dem Erzbischof von
Mainz verpfändete, nach Aufrechthaltung dieses Contraktes durch die
Nachfolger des Kaisers , bis zum Jahre 1357 verfolgen kann. 1357. 5. Juni.
3) Günther, 1. c. U. 420. 4 Jahre. — Lübeck. U. B. L 1277. 1 Jahr. —
V. Meiern, 1. c. 1362. 10 Jahre. — Revaler St. R. 1. c. 4) cf. Mei-
chelbeck, bist. Frising. 1. c. — Zopf 1, I). E. G. II. §. 124. a. N. 12. So
lange Gläubiger lebt oder seine Erben männlichen Geschlechtes existiren.
Bescler, D. P. R. n. p. 133. 5) Zeitschr. f. I). R. VIU. p. 284.
Xcumann, Gesch. d. Wuchers. lU
194 V. 2. Pfandrecht, d. Höhe der Pfaiidnutzinicr.
bereits in den Vevträofen der Parteien dem Reuten -Gläubiger
eingeräumt wurde, sein Kapital vom Scbuldner zurückzufordern.
d. Die Höhe der Pfandnutzung.
Hieraus erhellt, wie wenig Einfluss in diesem Pfandwu-
cher das kanonische Verbot auf das deutsche Gewohnheitsrecht
auszuüben vermochte. Gerade durch die erwähnten Zeitbe-
stimmungen steigerte sich der Gewinn der Gläubiger gegen-
über der von ihnen eingegangenen Gefahr und der Gebunden-
heit ihres Kapitales bedeutend. Daher klagen die Hadeler
Statuten von 1583. ti. 8. ^) und andere Quellen, dass die
Pfandgläubiger nicht, wie es bei dem gewöhnlichen Darlehn
gebräuchlich, 6 — 12% forderten, sondern jährlich etwa
30 — 40% aus der Pfandnutzung bezögen, und in einer Ulm er
ürk. schon von 1382 ist dem Pfandgläubiger geradezu gestattet,
einen Nutzen von 12% des Kapitales aus dem Pfände zu zie-
hen. ^) Eben hierauf erstrecken sich auch die Klagen der liv -
und curländischen Edelleute vor dem dänischen Könige aus
dem 17. Jahrhundert, welche bereits mehrfach oben angeführt
sind. ^) Dieses Uebermaass des Gewmnes aber für den Gläu-
biger musste sich mit der Entwicklung des persönlichen Cre-
dites und des Kapitalumlaufs allmählich ebenso, wie es bei
Rentenkauf mid Darlehn geschah , auf eine durch freie Conkur-
renz gleichmässig erhaltene Höhe herabsetzen. Und zwar fand
hier zmiächst der Grundsatz des römischen Rechtes, welches
damit also auch hier das heimische Recht gegen das kanoni-
sche Wucherverbot stützte, Anwendung, dass nämlich der
Gläubiger — wie in dem älteren deutschen Gewohnheitsrechte
— dann, wann ein autichretischer Vertrag geschlossen wor-
den, das allgemein gebräuchliche Maass der Zinsen in der
Pfandnutzung beliebig überschreiten durfte, dass er dagegen
ohne diesen antichretischen Vertrag, mochten Zinsen verspro-
chen sein oder nicht, das Pfand nur bis zur gesetzmässigen
Zinsenhöhe nutzte. *) Die Höhe dieser Nutzung richtete sich
l)Pufendorf, obs. I. 1. 2) B ö h m e r , J. E. Prot. V. 19. §. XXIIX.
3) Pievaler St. R. H. p. 366. 4) cf. Solmser L. R. XV. §. 2. —
Hainbu rg. St. R. IL 4. art. 9. 10.
V. 2. Pfandrecht, d. Hölio der Pfandiiutziing. 195
entweder nach der Höhe der Reuten und Darlehnszinsen , oder
je nach der Grösse des geschuhleten Kapitales, oder nach dem
Umfange des vom Gläubiger erlittenen Schadens (Interesses)
unter Einschluss der von ihm auf das Pfand verwendeten
Kosten. InderDanz.Urk. 1.33.(1457) verpfändet König Kasi-
mir von Polen gegen ein Darlehn von 218 ungar. gülden an
einen Danziger Bürger das Dorf Newendorff mit allen Mühlen,
Zinsern u. s. w. zu voller Benutzung mit dem Zusätze :
„dass der (Schuldner) vns an der Summa 218 vngar. guld.
was her obir funff vnd czwenzig golden hungr. in
deme vorbenampten dorflfe Newdorff ierlichen entphoen
adir nemen Avii't, noch der rechenschafft, die her vns czu
thun pflichtig wirt seyn sal abeslagen vnd korczen. ..."
und die Danziger Willkür von 1580 und 1590 (Arch. bibl.
X. 3. 4. fl. 85. n. 2. a. 23) bestimmt: Von Geld gegen be-
wegliche Pfänder n. 15.
„Von den j^elden, die auff silber vnd andere bewegliche
Pfände aussgethan werden, soll man nicht höheren zinss,
dann a c h t s vnd ^/g vom Hundert nehmen, (cf. V. 3 . c.)
Daher bitten die Adligen in Reval den König 1698, er solle
den Gewinn der Gläubiger aus den Pfändern her enger durch
ein Gesetz begrenzen. Denn die Gläubiger bezögen hier viel-
mehr, als das sonst gebräuchliche Interesse von 6%»
ausserdem schafften sie sich aus dem Pfandnutzen noch einen
neuen Gewuinszweig, gleichsam Zinses -Zms. Denn ausser
dem Interesse berechneten sie noch einen „Schadenstand" (cf.
ob. IV. 2. k.) Aus dem entgegengesetzten Grunde schreibt der
Dithmarser Gesetzgeber eine bestimmte Höhe der Pfand-
nutzung vor. Er klagt nämlich, die Scliuldner setzten so unbe-
deutende Pfänder, dass der Gläubiger daraus nicht einmal die
gewöhnlichen Zinsen auf dem Nutzungswege beziehen könne. ')
Daher nicht aus besonderem Wohlwollen, wie Böhmer-)
meint, begrenzten einzelne Schuldner den Nutzen des Gläubi-
gers aus dem Pfände bereits im 13. und 14. Jahrh. Dieses
1) Dithmarser L. K. 15G7. Glückst. 1717. const. v. lGo9. 2) J. K.
1*. 1. c. §. XXIIX.
13*
196 V. -2. rraiuiroclit. e. Neuere Satzung.
Wolihvollens bedurfte es nicht, wo nach allo-ememer Praxis
der Gläubiger nicht allein bis zu emer bestimmten Höhe, son-
dern ganz den Nutzen des Pfandes zog. Vielmehr um den
Gewinn zu massigen und zugleich etwa den Gläubiger gegen
den Zorn der Kirche zu schirmen, beschränkte Schuldner die
Nutzung. ')
e. Die neuere Satzung.
Diese feste H-öhe der Pfandnutzung und des Gewinnes
aus derselben wurde indess ganz besonders noch dadurch her-
beigeführt, dass neben der älteren Satzung bereits etwa zwei-
hundert Jahre vor dem Eindringen des römischen Rechtes aus
dem Boden des alten hinreichend umfassenden Pfandrechts in
Deutschlands sich die neuere Satzung bildete. Es galt, die
unbequeme, starre Form der alten Satzung zu lösen, der
Schuldner verlangte die thatsächliche Herrschaft, die Benutzung
seines Grundstücks zurück, den zwiefachen Nachtheil konnte
er nicht tragen. Ihm musste die Möglichkeit gegeben werden,
dasselbe Grundstück zur völligen Verwendung seines Werthes
im Gebiete des Credites Mehreren — wenn auch unter Zustim-
mung des ersten Gläubigers — zu verpfänden. Dies geschah
durch die neuere Satzung. Der Gläubiger erwarb durch die
Auflassung nur die Satzungsgewere , das dingliche Recht an
dem Pfände und damit Sicherheit seiner Forderung, dagegen
überliess er Besitz und Nutzung des Pfandes dem Schuldner.
Woi in den Städten als den Orten schnelleren Kapital-
verkehres zuerst entstanden, auf städtische Grundstücke, wo
sie besonders nöthig, zuerst angewendet, dehnte sich die neuere
Satzmig dann über die Bezirke der Städte hinweg auf beweg-
liche wie unbewegliche Sachen gieichmässig aus. Auch bei
beweglichen Sachen in der That, obgleich hier die Form des
Faustpfandes als nothwendig schien fortbestehen zu müssen,
beliess der Gläubiger den Besitz (den Gebrauch hatte er nie
gehabt) dem Schuldner, indem er nur sein Pfandrecht in das
1) cf. I. c. die Urkunde von 1382. und Frank f. U. B. (F. Böhmer)
129t. p. 312.
V. 2. Pfandrecht, e. Neuere Satzung. 197
dazu angelegtp öffentliche Pfaiulbucli eintrugf, ein Gegenstück
zur Auflassung der unbeweglichen Ptander. ^) Das Rechts-
verhältniss ward dann — im Gegensatze zu der einen Auflas-
sung an den Gläubiger, welche ihm die Satzungsgewere begrün-
dete — ähnlich wie im römischen Rechte -)• so angesehen, als
vermiethete, verpachtete oder lieh der Gläubiger, welcher die
Pfandgewere daran besessen, ja nach der Theorie des vollen
Nutzmigsrechtes (.. als sein eigen guot gebruken ") , noch mehr
nach dem nahe verwandten Kauf auf Wiederkauf fast als
Unter - Eigenthümer der Pfandsache unter einer Resolutivbe-
dingung" gelten konnte, dem Schuldner das Pfand, mindestens
die Pfandgewere, wofür letzterer einen bestimmten Zinssatz,
angemessen der Höhe des geschuldeten Kapitales, statt der
früheren Pfandnutzung dem Gläubiger zu zahlen verpflichtet
war. Hinter dieser Vorstellung zeigt sich die offene Erkennt-
niss von der Nothwendigkeit der Zinsen , welche dem Gläubi-
ger für das Hinleihen der Schuldsumme gebührten und welche
er durch den Pfandvertrag doch nunmehr nach wesentlicher
Aenderung seines Pfandrechtes nicht mehr aus den Früchten
des Pfandes beziehen konnte. ^) Thomas, Oberhof zu Frankf.
Schöffengerichts - Ordnimg (15. Jahrh.) n. 13.
,. Item . wer farnde habe vur schult versetzen sal oder wil,
der sal is vur ein Richter tun vnd die wider lyhen vmb
wochen-zinss, vnd wann er sins geltis nit lenger entbe-
ren wil, so sal er die- an gerichte uffbieden vnd so den vir-
satz der Richter uff" den Eydt besagit inne dann lassen
richten.."*)
1) Schon 1491 bestimmt in Zürich das Gesetz: Verpfändungen md
Einsazungen vor offnen Eechten oder an eines Anitmans der Gerichten
Hand beschehen , sollen Krafft haben : wo aber die nit also beschehen und
dann solliche pfand von andern rechtlich bezogen werden, dieselben sollen
daran habend seyn, ungeachtet söllicher verptandung." Bluntschli,
Züricher R. G. n. p. 128. 2) Gajus U. 59. 60. lU. 201. 3) cf. die
Nordhäuser Statt. (1308.) Senckenberg, visiones app. II. n. V. p. 328.
Bluntschli, Züricher R. G. U. p. 130. 4) Danz. Schöppenb. von
1502. fol. 360. 1. (u.v.a., meistens bei Schiffen gleich städtischen Grund-
stücken) der Schuldner bleibt im Besitze des veq)tandeten Schiffes und
verspricht insbesondere , nicht mit demselben fortzufahren , noch es zu
198 V. 2. Pfandrodit. o. Notiere Satzung.
\m lüboi'ldsch. Niederstadtbuch 1374 ^) ist das Rechts-
verliältniss trotz der veränderten Darstellung dasselbe. Das
Darlehn beträgt CG et XL mrk. lub. den., dafür :
„ipso sthi fructus et provcntus trinm parcümi quarti mani-
puli seil „ Garbe " de agro . . realiter impignoravit per IV
aniios coutinuos stibsequentes percipiendos. Elapsis vero
istis IV annis si creditor plus siiblevaverit quam dicta
summa se extendit, Jioc diclo Hildehrando restUuet, si
vero minus, tunc defectum hujus ipse dehitor refundet et
restauret."
Das Land ist verpfändet , dem Schuldner zurückgeliehen , und
dieser entrichtet dafür die festgesetzten Abgaben. ^)
verkaufen oder weiter zu verpfänden ,,ane wissen vnde willen" des Gläu-
bigers. — ib. 1557. fol. 207. ebenfalls Leibe eines verpfändeten Weicbsel-
kahnes an den Schuldner, „vnde im falle dass bans lange (credit.)
gemeldtenn kabn bans fremen (dcbit.) ans gunstb eczwas mith czu erwer-
ben vorleih enn adii' vorheuren wurde das sali bans langen vnvorfenck-
lich sein nocb czu keinem behelff gebrauchenn sunder alle argeliste vnde
geferde." Scbuldurk. Königs Sigismund (Danz. Arcb. bibl.) 1557.
Der König setzt dem Gläubiger mehrere Dörfer in Preussen für ein Dar-
lehn von 20,000 Thlr. zum Pfand :
„ ea ratione , ut nihiloviinus interim (während des Jahres , nach dessen
Ablauf das Darlehen gezahlt werden sollte) in nostra permaneant
possessione." Dafür zahlt Schuldner „vna cum interesse sex
pro cell tum." Bei Zahlungssäumniss erst fallen die Pfänder an
den Gläubiger.
cf. auch Albrecht, Gewere §. 17. u. Zeitschr. für D. R. IX. p. 116 if.
(Förster). Auch die oben zitirte Stelle der Danz. Willk. v. 1580. 1590
dürfte hier anzuführen sein. (S. 195.)
1) cf. Pauli, lüb.Zust. Anhang.
2) Bei der neuereu Satzung kommt durch die Gesetze anerkannt,
vom römischen Rechte begünstigt , von den Parteien in den Verträgen
fast bis zur Phi-ase wiederholt, das generelle Pfandrecht in der ver-
schiedensten Ausdehnung auf alle beweglichen, unbeweglichen Sachen,
auf das ganze Vermögen des Schuldners in Gegenwart und Zukunft vor.
Zu dem wucherlichen Gewinne des Gläubigers wirkt dieses nicht anders,
als das spezielle Pfandrecht; denn Besitz undGenuss der generellen Pfand-
sachen blieb bei dem Schuldner und nach Veräusserung der Sachen bei
Nichtzahlung konnte der Gläubiger nur dort einen Ueberschuss des Pfand-
werthes über seine wirkliche Forderung gewinnen , wo zu seiner Befrie-
V. 2. Pfaiiilrcoht. f. UmbiliUing der deutschon Pfandgesetze etc. 199
f. Umbildung der deutschen Pfand-Gesetze über die
Pfandnutzung.
Durch diese gegen das fremde Recht völlig, gegen das
heimische Gesetz zum Theil siegend beibehaltene Gewohnheit,
dass der Gläubiger das Pfand nutze oder statt der Nutzung
mmdestens Zinsen vom Schuldner beziehe , wurden schliesslich,
da selbst das römische Eecht mit seinem vollen Ansehen sich
durch seine Berechnung in der Antichrese und durch seine
Hypothekenzinsen auf die Seite der heimischen Gewohnheit
und der dieser getreuen heimischen Gesetze stellte, die Ge-
setzgeber in den deutschen Einzelstaaten zu den Grundsätzen
des heimischen Rechtes zurückgeführt. Einige von ihnen
gestatteten dem Gläubiger, bei der fortdauernden älteren
Satzung die auf das Pfand verwendeten Kosten und die Zinsen,
welche er sonst aus der Darlehnssumme gewonnen hätte , durch
die Früchte des Pfandes sich zu ersetzen, den Rest der Nutzung
dagegen sollte er dem Schuldner zurückgeben, selbst wenn
Parteien zuvor einen antichretischen Vertrag geschlossen hat-
ten. ^) Andere Gesetzgeber erlaubten dem Pfandgläubiger
unbegrenzt die Pfandnutzung. Aber da sie, um den über-
grossen GeAvinn des Gläubigers zu beschränken (in TJeberein-
stimmung bereits mit der isländischen Grägäs), verboten, dass
Jemand eine Sache von höherem Werthe verpfändete, als sie
das Gesetz entsprechend der Grösse des Darlehns gestattete,
kamen sie mit den ersteren fast auf dasselbe Resultat hmaus.
digung das generelle Pfand ganz im Distraktionsverfahren angegriffen
wurde und die Gesetze — was nur vereinzelt der Fall war — ihm den
Ueberschuss des Ertrages des Pfandes bei dessen Veräusserung einzuzie-
hen erlaubten, cf. V. 2. g. Die Wirkung dieser generellen Pfandrechte
trat allgemein nur im Konkurse hervor: cf. Züricher Gerichtsbuch von
1553. VI. „Dass diejenigen Handschriften, wcUiche cinsscn Haab und
gut in genere vnd ohne spocification zum vnderpfand ernamssend vnd
begrylfend , in Fallimenten vnd vfTahlen den Laurt'epden schulden vnd
wexel gelteren vorgahn vnd vor denselben bczalt werden." — Bluntschli,
Zürich. R. G. II. p. 131.
l)Mevius, wucherliche Contr. (Bremer Constit. 1580) §.12. —
elector. Saxon. constit. von T-orgau 1583. Carpzov, 1. c. obs. VII. —
Solmser L. 0. 1571. p. 83.
200 V. 2. Pfandrecht, f. riiibildung der deutschen Pfandgesetze etc.
So befiehlt bereits 1346 iin Revaler St. R. der dänische
König, dass für ein Darlehn von 10 mrk. 1 „uticus," d.h. ein
Grimdötück von gesetzlich bestimmter Grösse verpfändet werde.
— So auch das W ü r t e m b e r g e r Landrecht. ^) Im ersten
Landrecht hält man genau die Vorschrift des kanonischen
Rechtes fest, das sechste Landrecht räumt fi*eie Pfandnutzung ein
ohne Anrechnung des Gemnnes. Aber die Verpfändung sollte
nur dann Kraft vor Gericht haben , wann die Höhe des Dar-
lehns und derWerth des Pfandes übereinstimmten. Das Dith-
marser L. R. const. 1639 1. c. untersagt, kein Schuldner soll
eine Sache geringeren Werthes verpfänden, als durch deren
Verkauf oder Besitz im Falle des Zahlungsverzuges der Gläu-
biger das Kapital und 6 mrk. 4 pfenn. Zinsen gedeckt erhalte.
Danach, als der Schuldner mit Beschwerniss Besitz und Nutzen
seines Pfandes während der dadurch um so längeren Verpfän-
dungszeit entbehrte, der Gläubiger gar in der Zeit entwickel-
teren Verkehres lieber kleineren Gewinn machte, als eine ewige
Zeit hindurch vom Schuldner das Kapital erwartete und bei
dem eigenen Besitze der Pfandsache gleichsam an die Scholle
sich fesseln liess , ergab es sich auch für die Gesetze als noth-
wendig, die Pfänder dem Schuldner zu belassen. Wegen des
schwankenden. Credites und anfänglich zur Sicherung nur klei-
ner Darlehnsbeträge wendeten die Gläubiger diese neuere
Satzung an und forderten nun auch hier unter gesetzlicher
Billigung statt der Pfandnutzung und für die übernommene
Gefahr um so grössere Zinsen. Da dieser selbe Versuch auch
beim Rentenkaufe begegnet, aus verwandten Ursachen ent-
standen, scheint er dem Charakter jener Zeit um so mehr
angemessen gewesen zu sein.
So wurde im Pfandnutzen der älteren Satzung und bei
der neueren Satzung gerade der Bezug des Gewinnes über das
Kapital gegen das ausdrückliche Verbot der Kirche im geschrie-
benen und ungeschriebenen Rechte gebilligt und während des
langen hier betrachteten Zeitraumes in Uebung erhalten. Und
nicht den antichretischen Vertrag allem wendeten die deut-
1) Wächter, Handbuch p. 495.
V. 2. Pfainlreoht. g. Ueborschuss des Pfandwerthes etc. 201
sehen Cnntrahenten in allen TheilenDeutsclilands unter gesetz-
licher Billigung an , sondern aueli iii den übrigen Arten der
Verpfandung hielt man für einen Wucherer nur
denjenigen, welcher, nach Abzug der auf das
Pfand verwendeten Kosten, über die allgemein
übliche Höhe der Zinsen hinaus Nutzen aus dem
Pfände zog, oder sich darüber hinaus Zinsen vom
Schuldner statt des Nutzens zahlen Hess. ^)
g. Der Ueberschuss des Pfandwerthes über die Forderung
des Gläubigers.
Aber die Ungleichheit in dem Werthe des Pfandes und
der Höhe der geschuldeten Summe gewährte nicht bloss bei
der Benutzung des Pfandes dem Gläubiger Gelegenheit zum
Gewinne, sondern auch dort, wo schliesslich das Pfand wegen
Zahlungsverzuges des Schuldners zum Verkaufe kam oder
sogleich in das Eigenthmu des Gläubigers überging.
Bei dem Pfandrechte der beweglichen Sachen, mochten
sie als Faustpfänder dem Gläubiger gesetzt oder nach der
neueren Satzung dem Schuldner belassen werden , desgleichen
bei den unbeweglichen Pfändern der neuen Satzung wurde für
die Zahlungssämnniss des Schuldners ein bestimmtes Veräusse-
rungs - (Distraktions -) Verfahren emgeführt. Wer empfing
hier den Ueberschuss des Pfandwerthes über die Höhe der
Forderungen des Gläubigers an Kapital, Verzugszinsen; Scha-
densersatz u. s. f.? Von Alters her sprechen einige deutsche
Kechtsquellen den Mehrwerth des Pfandes über die Forde-
rungen dem Gläubiger zu , wie eine Art gesetzlicher Verzugs-
strafe oder Verzugszinsen. So das F rei bürg er St. K. 1.40.2)
1) Diese Beschränkung des Pfandnutzens und dieser BegriflC des
Pfand Wuchers findet sich bereits im altindischen Eechte Yägnavalkya's
Gesetzbuch ed. S t e n z 1 e r. Berl. u. Lond. 1849. 2) S c h o 1 1. m. 165.
„waz die pfand bezzet sint, wen si sten , daz mac he behalden,
he mac iz ouch widergeben, ab her wil."
Albrecht, Gewere 1. c. Nach diesen Gesetzesvorschriften allein konnte
auch das mit der neueren Satzung, wol durch röniischrechtlichen Einfiuss,
entstandene und ermöglichte generelle Pfandrecht dem Gläubiger einen
wucherlichen Ge^Ninn eintragen. Allein der Sinn derartiger Pfandrechte
'20- V. -. rtiindicclit. 'j;. Uebcrschuss dos Pfandwerthcs etc.
Das Gebot der Kirche zog indess hier, wo Billigkeitsgründe
auf seiner Seite standen, um so eher die meisten deutschen
Gesetzgeber zu sich. So sagt S a ch s e n s p. I. 70. §. 2 :
wirddaricht over, dat sal man jenem weder geven.
Briet dar iclites an, man sal ime aver paiiden. ^)
I
— so freigebig phrasenhaft sie auch von den Parteien in unzähligen Ur-
kunden mehr oder weniger umfassend vereinbart wurden — ist nicht,
dass bei dem Zahlungsverzuge des Schuldners die ganze in dessen Ver-
mögen befindliche Art der verpfändeten Sachen oder gar dessen ganzes
Veiniögen selbst für die eine Forderung des Gläubigers veräussert werden
und dem Gläubiger so der oft hohe Ueberschuss des Kaufertrages über
seine Forderung zufliessen sollte. Vielmehr sollte dadurch dem Gläubiger
nur im Konkurse des Schuldners ein Vorrecht vor den laufenden (Kredito-
ren auf die dann vorhandenen zu jener verpfändeten Art gehörigen Ge-
genstände zustehen, cf. das Züricher Gerichtsbuch von 1553, dessen
hierher gehörige Stelle oben ad V. 2. e (S. 198. N. 2) zitirt worden , und
B 1 u n t s c h 1 i , Zürich. R. G. 11. 131.
1) Deutscher Spiegel, 1. c. p. 95. n. 92. i. f.
„ Wirt icht vber man sol ez ienem gelten vnd wider geben ; geprist da
icht. man zol in ander weide pfenden ez ensei daz in eliaft not savme."
Schwabenspiegel (Lassb. 102.) Hamburger St. E. (1270) T. 14. —
V erdner Statt. 4. — Stadeler Statt. 10. (Pufendorf I. 174 (1279.)
— Schi es. L. R. Anhang der XIII Capitel von den Sechsmännern, cp. 13
(1364) p. 199.
„vnd was im obirleuffet, das sal her im wedir koren. . "
Systemat. Schöffenrecht III. 2,80. (Culmer R. III. 110) von der
Pfändung auf die neuere Satzung auszudehnen. Verm. Sachsensp.
(Ortloff) III. 14. 1. p. 162. Böhm. II. 2. 16. Ortl. lU. 4. 1. Böhme U. 18. pr.
Gosslarer St. R. (Göschen) Einl. p. 237. — Albrecht, Gewere n. 348.
— Eckardt, Neun Bücher, 1. c. V. 3. dist. 1. Augsburger St. R.
(Walch IV. 1. (1276) a. 380. p. 376. Rechtsbuch Ludwigs des Baiern
(1336) 1. c. 17. p. 115. Münchener St. R. a. 197. p. 76. Prager St. R.
Einl. Ofner St. R. (1244— 1421) n. 302. p.762.— Speyrer Rechtsge-
wohnheiten (Lehmann, 14. Jahrh. 1. c. p. 118. Nürnberger Re-
form. (1479) ti. XL n. 12. — Dithmarser L. R. (Michelsen 1. c.) a. v.
Kirchspiel zu Meldorf (1541 p. 240.) :
„Wunneth he averst niher darumme , also he gclaveth heft , dat öve-
righe GhebU schall he dem rechten Sackwolt wedergeven."
BillwärderR. (1498) ed. J. M. Lappen borg. Schleswig 1828. p. 30.
— Hadelner Statt. (1583) ti. 7. Danz. Willk. von 1580. U. 2. a. 23.
n. 15. — Zeit sehr. f. D. R. Vül. p. 284 (Madai).
V. 2. Pfaiuirecht. g. Ueberscimss des Pfandwerthes etc. 203
Einen Belag dafür, dass von Anbeginn dem dentsclien Rechte
die Billigkeitsgründe der kanonistisclien Bestimmung in diesem
Punkte nicht fremd waren , bietet ausser den genannten Quel-
len besonders Gulathings-Lagh (1100) 1. c. Kaupa-Balkr.
cp. XX. p. 509. ')
Aber, selbst wo Gläubiger nach diesem Distraktiousverfah-
ren der neueren Satzung den Ueberschuss des Kaufertrags an
Schuldner herausgeben musste , machte er einen oft bedeuten-
den Gewinn über seine Forderungen durch den Nutzen, den
er während des Distraktious Verfahrens aus dem Pfände zog
und den er gewann , wo das Gericht ihm bis zur Einlösung
des Pfandes durch den Schuldner das erstere übereignete. So
sagt unter vielen anderen Stellen das systematische Schöf-
fenrecht III. 2. c. 76:
„ Irvordirt eyn man des andirn erbe , alzo daz ys ym gewel-
degit vnd geeygnit wirt vor gelt, do mag her ynczyhin
adir vormitin vnd wil yenir, deme daz erbe abe geclait
wart, dornoch in rechtir czeit das erbe lozin, desir der is
ii'clait hat , endorf den nocz noch czyns an syme gelde nicht
abe clagin noch abe sloen. .." (Culm III. 106.)
Gebrach Etwas im Werthe des Pfandes zur Höhe der
Schuldsumme , so nmsste der Schuldner den Kest ergänzen. -)
In der Schuldurkunde Sigismunds vom 8. Juni 1565
(Danz. Arch. bibl.) wird das „aver panden'* des Sachsensp. u.
deutschen Spiegels 1. c. sogleich im Vertrage festgesetzt: Im
Falle der Kaufpreis des Pfandes zu klein sich herausstellt,
soll Gläubiger die verpfändeten unbeweglichen Pfänder so
lange halten und nützen, bis er dadurch den Rest
der Schuldsumme und alle damna und Interesse
bezahlt erhielt. Doch dem Schuldner soll es dabei frei-
stehen, mit dem Gläubiger festzusetzen, was Gläubiger von
den Einkünften aus den Pfändern sich anzurechnen hat und
1) Pauli, lüb. Zust. Niederstadtbuch 1350 (bei einem beweglichen
Pfände) und 1374. Danz. Scliöi)i.enb. v. 1439. fol. 481. 1. cf. audi Urkk.
Sigismunds (D. A. bibl.) vom 8. Juni 1505. 2) Pauli,!, c. Niodi-r-
stadtbuch (1337). — Danz. Schöjjjicnb. von 1439. fol. 481. 1, und die
Zaiil der eben (S. 202. N. I.) aulgelülirten Beläge.
204 V. '2. rfandroclit. g. üeborsoliuss dos rfaiuhvertlios etc.
was dem Schuldner zukommt. Selbst in diesem Punkte also
wurde noch gegen den Grundsatz des kanonischen Rechtes
verfahren, Avenn auch in der Schuldurkunde zuvor für die
Dauer des Darlehns, wie gerade in der hier zitirten (cf. S. 198),
vereinbart ist, den Pfandnutzen auf Kapital und Zinsen genau
anzurechnen. — Das Dan zig er Schöppenbuch v. 1554.
fol. 120 zeigt den Verlauf eines Streites über letzteren Punkt.
Die Darlehnsurkunde schloss damit ab: das Haus (Pfand) zu
,. vorpennigen vnd vorkopen , so er sin gelth nit lenger entpe-
ren kann.'' a. 16. Juli 1556 fordert Gläubiger sein Geld zurück,
,.vnnde hans (debit.) ock vp disen sestigendenn Julii rechtlick
dartho geladenn, apr nicht gestandenn ock niemandth van
sinenth wegenn. . . " Das Gericht gestattet daher dem Gläubi-
ger , das Haus öffentlich zu verkaufen (den Strohwisch auszu-
stecken cf. V. 3. b.) Dies geschieht. Da verlangt der Schuld-
ner vor Gericht , Gläubiger soll beschwören , dass er das Haus
nicht theurer , als es geschehen , habe verkaufen können. Der
3. Dezember 1556 wird dem Gläubiger zum Schwur - Termine
angesetzt. Da in diesem Termine der Schuldner ausbleibt,
beschliesst das Gericht, dass Gläubiger „des edes sali enth-
slagenn sien beth up hans affenbergers (des Schuldners)
hulperede dartho gedelth verthigenn dage " u. v. A. — War
also der Gläubiger nicht strengen Gewissens , und wie leicht
ist dies bei der Formel , er habe das Pfand nicht theurer ver-
kaufen können, dem Schwörenden gemacht, so schaffte er sich
durch seinen Eid leichten Gewinn.
Nur m einigen Rechtsquellen wird dem Gläubiger das Recht
verneint, den Ersatz der im Pfandertrage fehlenden Summe
vom Schuldner zu fordern; so imlüb. Recht (Hach. p. 469):
„wat dat erve mer gelt, wan dat itvorvolget is, dat schal he
eme wedder geven , brickt eme ock , dat is des schade , deme
dat erve vorpandet is."
Nach den Grundsätzen der älteren Satzung ging das
unbewegliche Pfand dann, wenn der Schuldner die Schuld-
summe nicht zurückzahlte , und die Zeit der Zahlung, der Wie-
dereinlösung des Pfandes verstrichen war , ohne ein Veräusse-
rungs verfahren in das Eigenthum des Gläubigers. Das war
V. 2. Pfandrecht, g. Ueberschuss des Pfand werthes etc. 205
eine Folge seiner vollen Pfandgewere und bietet einen neuen
Belag dafür, Avie nahe diese Pfandgewere an das Eigenthum
grenzte. ^)
Dies findet sich auch in der G u 1 a t h i n g s - L a g h. Kaupa-
Balkr. cp. XX. p. 509. und Gragäs, 1. c. Landabrigpa-halkr.
IL de fund. reluend. ti. XIL p. 234. Nach letzterer Quelle
hiess ein gesetzmässiges Pfand „quum creditor duas uncias
pro unica in fnndo capiat, prout accolae öpraediati ad lihrum
sanctum aestinmnt funduni." Wo andere Sachen verpfändet
werden, gilt dieselbe Regel, ausser wo Jemand eine Sache
geringeren Werthes , als dieser , sich verpfändete , in welchem
Falle das Pfand beim Zahlungsverzuge „creditori eommissa
cedit.'' Dasselbe ist von dem verpfändeten Grundstücke be-
stinunt, wenn es nicht zweimal den Werth der Schuldsumme
enthält. Die Verpfändung ist dabei eine durchaus gesetzliche.
— Viele der oben für den Ueberschuss beim Pfandverkaufe
zitirten Rechtsquellen billigen neben eben jenen Stellen gleich-
zeitig auch A\Q^ pactum commissoriiim, so das Systemati-
sche Schöffenrecht, das in III. 2. cp. 80 (Culmer R.
III. 110) über das Distraktsverfahren verfügt, mid vorher lU. 2.
cp. 65 (Culmer R. III. 100) folgenden Artikel bringt:
„welche man eyn gut bot, daz ym gesaczt ist vor schult,
vnd clagit in gehegtim dinge, alzo lange bis daz ym mit
rechtin orteilin gewaldegt vnde geeygnit wirt
daz gut vor syn gelt, der mag denne do mete tun vnde lozin
was her wil.'*
Und ausdrücklicli für den Fall, wo das Pfand zehn Mal so
viel werth ist, als die Schuldsumme, führt cp. 66 „von sa-
czunge gutis in gehegtim dinge*' obige Regel aus:
„ wirt eynym manne eyn- erbe gesaczt in gehegtim dmge vor
eyne mark daz czener adir me wert ist, unde daz alle
dingtage uf butit alz recht ist und daz selbe gut ym g e e y g i n t
unde gewaldegit wirt mit rechte, zo mag her daz gut
vorkoufin adir behaldin unvorkouft. So mag is
1) Bluntschli. Züricher R. 0'. II. S. 121. 122. - Baseler, D.
P. R. II. p. 133.
20(5 V. -2. Pfautlroclit. g. Ueberschuss des rfaiulwertlies etc.
yenir. des daz erbe was, ledigiu viid losyii vor daz gelt, do
is vmme vorkouft viid vorclait ist vnd vor kost,
daz siut vrede pfeimynge , schribe pfennynge. Abir vorkouft
der cleger daz erbe vnd vorgebit is , zo mag is ienir , des daz
erbe was noch ledigyn vor dy jifennj'nge bynnyn jor vnd
tage, vorsumt hers abir, daz her is bynnyn jor vnd tage
nicht ledigit, dornoch mag hers nicht ledigin." ^)
Dass diese Begründung des Eigenthums für den Gläubiger
an der Pfandsache schon durcli die Ausdehnung des Pfandver-
trages von vornherein oft in Aussicht genommen wurde, ist
bereits oben V. 2. c dargelegt. Da das Pfand im Besitze und
Genüsse des Gläubigers stand, also Anderen ausser ihm nicht
verpfändet werden konnte , liegt auf der Hand , welchen Ge-
winn der Gläubiger ausser der Nutzung des Pfandes während
der Dauer des Schuldvertrages durch das Eigenthura des Pfan-
1) Selbst wenn man hierin ein Distraktionsverfahren erkennen wollte,
weil der Gläubiger etwa das Pfand schliesslich kauft , so hing doch die
Preisbestimmung dann wieder von diesem ab , und so gestaltete sich that-
sächlich der Fall der alten Satzung mit Uebergang des Pfandeigenthums
auf den Gläubiger beim Zahlungsverzuge des Schuldners. — Löste Schuld-
ner später das Pfand vom Gläubiger , so durfte letzterer den inzwischen
gezogenen Nutzen keineswegs an seinen Forderungen abreclmen, sondern
gewann ilm durchaus. System. Schöffcnr. III. 2. c. 76 (Culm III. 100.)
cf. dazu Sartor. -Lappeuberg, Gesch. d. Hansa I. 12G9. Vertrag zwi-
schen den Gothländer Kaufleuten, Lübeck mit Nowgorod und Fürst Jaros-
law Jaroslawitsch. Das Pfand soll in Handelssachen , nach Kündigung
oder Anzeige im ersten Jahre , nach Verlauf des dritten Jahres an Gläu-
biger verfallen sein. - Pauli, lüb. Zust. 1393. Niederstadtbuch U.23.99.
Danz. ürk. 39. 244 (1490) (beim beweglichem Pfände). — ib. Schöp-
penbuch V. 1557. fol. 207, bei der Verpfändung und Rückleihe (neuere
Satzung) des Weichselkahns an Schuldner (cf. S. 197. N. 4.) wird für den Zah-
lungsverzug bestimmt: „soverpflicht sich (debit.) das der gedachte kaenn
ewiclich hans langen (credit.) proper eigenn sein sali vnd bleibenn." und
in den Schuldurkunden Sigismunds 1. c. 1557 bleiben die verpfändeten
Dörfer „in nostra {dehit.) 2)ossessiune" (neuere Satzung); aber beim Ver-
zuge erhalten die Gläubiger: „e vestigio realem et acUmlem intromissio-
nem et possessionem in p^'edictas villas sine quovis imjieclimento " und
sollen die Pfänder behalten : „ cum omni jure , dominio et propri^itate ac
tmiversis utilitatibus , nullis prorso exceptis. ." ib. Schöppenb. v. 1575.
fol. 119. noch ausser dem Prozente vom Darlehn.
V. 2. Pfandrecht, g. Ueberschuss des Pfandwerthes etc. 207
des machte , — eine echt deutschrechtliche offene Verletzung
des Wucherverbotes , — und wie nothwendig auch hiergegen
die schon oben erwähnten Maassregeln der Gesetze und des
Verkehres selbst über das Werthverhältniss des Pfandes und
der Schuldsumme, sowie über die Grenze der Pfandnutzung
sein mussten. Dieselben blieben, wie gezeigt worden, noch
immer weit von dem Standpunkte des kanonistischen Wucher-
gesetzes entfernt. Eben daraus erklärt sich endlich auch, wie
schliesslich aus dem römischen Eechte die lex comniissorla,
durch das freilich davon verschiedene Distraktionsverfahren
der neueren Satzmig leichter eingeführt, gegen die daneben
fortdauernde alte Satzung in einzelneu Statuten Boden gewann. ^)
Der Schuldner aber versprach und überliess in der alten,
wie in der neuen Satzung — eben selbst gegen die Natur der
letzteren , gegen die deutschen Gesetze , ^) welche das regel-
mässige Distraktionsverfahren festhielten und gegen die lex
commissoria des römischen Rechtes ^) — in vielen Fällen laut
dem Pfandvertrage das Pfand bei der Zahlungssäumniss „ ohne
jede Widerrede , ohne Zögerung u. dergl." dem Gläubiger zum
Eigeuthume. Wo nicht die gesetzlich vorgeschriebene Aus-
gleichmig des Darlehns - und Pfandwerthes strenge inne gehal-
ten wurde — und wie oft umsste dies beim besten Willen
unmöglich sein — bot sich hier dem Gläubiger eine besonders
ergiebige Quelle des Gewinnes ultra sortcm. Nachdem wirth-
schaft liehen Zustande Deutschlands in der ersten Zeit
des erwachenden Verkehres , wo , wie erwähnt, sich bereits die-
ses pactum commissoriipm findet, zu urtheilen, musste es
vielfach in der Absicht der Contrahenten liegen , durch solches
Ueberantworten des Pfandes dem Gläubiger nicht bloss die
nackte Schuldsumme abzuzahlen, sondern ihm erklecklichen
Gewinn für sem Risiko u. s. w. zu bereiten. Man ging in den
1) Solmser L. R. XV. §. 2. — Hamburg. St. R. II. 4. art. 9. lU.
2) Selbst in einzelnen Gesetzen wurde dies unter Festhalten dieses Thei-
les der alten Satzung gebilligt, cf. Albrecht, 1. c. p. 152ff. — Rey-
scher, Gem. u. wiirtemb. P. R. II. §. 2U«. Beseler, D. P. R. II. p. 138.
3) cf. Beseler, D. P. R. II. p. 1 lU.
208 V. 2. Pfandrecht, h. Das Distraktsrocht d. Eentcukäufers etc.
meisten Fällen derzeitiger Verpfändungen gerade nicht von
der Ueberzeugung aus , die Höhe des Darlehns und der Werth
des Pfandes seien übereinstimmend. Das lehren zur Genüge
die Menge der oben erwähnten Ausgleichungsversuclie, die
Klagen der gar zu übervortheilten Schuldner, welche von Zeit
zu Zeit hervorbrechen, und die Zornausbrüche der Kirche
besonders in deutschen Concilien gerade gegen das pactum
commissorium.
Doch mehr , als in diesem Punkte , waren solche Zornaus-
brüche nii'gend vergebens. Erst nach dem Eindringen des
römischen Rechtes in Deutschland gelang es letzterem allge-
mach, das pactum commissoriuni zum Schirme der Schuldner
zu beschränken. ^)
Von dem Vei*pfänden seiner Person zur Schuldarbeit Sei-
tens des Schuldners an den Gläubiger , welche in ihrer allge-
meinen Verbreitung seit ältester Zeit im deutschen Rechte
ebenfalls die Pfandnutzung zum Gewinne des Gläubigers
bekundet, ist oben näher gehandelt (IV. 2.h.)
h. Das Distraktsrecht des Rentenkäufers. — Die Pfändung
um Schuld.
Auch das Recht der Entsetzung des Reutenver-
k ä u f e r s durch den Rentenkäufer und der Besitznahme des
Grundstücks durch letzteren rechnete man seit Annäherung
des Rentenkaufs an das Darlehn zu den Folgen des Pfandver-
trages. An sich ist das Wesen beider Institute durchaus ver-
schieden; beim Pfandvertrage hält sich der Gläubiger auf Grund
dieses Vertrages am Grundstücke zu semer Sicherung für die
Hauptschuld, beim Rentenkaufe folgt aus dem Hauptgeschäfte
selbst, aus der darin enthaltenen Auflassung, und der durch
diese begründeten Gew^ere, dass der Käufer der Reute das
Grundstück bei Säumniss in der Rentenzahlung als sein Eigen
in Besitz nimmt, sobald die Pfändung gegen den Verkäufer
1) cf. Meklenburger P. 0. 1562. p. 44. u. N. „ Stickpfande. "
PfälzerL. R. 1. c.n. 16. Gothaer L.O. IL c. 4. ti. 20. §. ult. Al-
te nb urger L. 0. \). 312.
V. 2. Pfandrecht, h. Das Distraktsrocht d. Rentenkäufers etc. 209
nicht seine Forderung auf Rente und Busse befriedigte. Aeusser-
lich indess stimmen beide Institute vielfach überein. Aus die-
sen Gründen ersclieint es gerechtfertigt, sogleich hier das
Distraktsrecht des Rentenverkäufers 7ä\ betrachten. ^)
Nach einigen Urkunden benutzt der Rentenkäufer unter
Entsetzung des Verkäufers das Grmidstück so lange als sein
eigenes, bis er daraus an Rente und Rentbusse befriedigt
ward. 2) Oder er lässt sich das Grundstück ha sein Eigenthum
übertragen, nachdem die gehäuften Renten und Bussen den
Werth des Grundstücks erreichten, oder nach Verlauf einer
bestimmten Zeit.
„ Der amptman sol si denne desselben unsers viertails Wein-
garten zehant gewaltich machen und an die gewer setzen
in alle dem rechten , als ob sew is mit vrage und mit urtail
vor rechtem gerichte erlanget mid wehapt Meten. ^)
Derartige Fälle kommen auch üi Danzig vor, wo zunächst die
Danz. Willk. (Io80 — 1454) keine Bestimmung hierüber ent-
hielt. Z.B. Danziger Schöffenbuch von 1527 fol. 225; 1528
fol. 52G, wo nach gesetzmässiger Mahnung und deren Beschei-
nigung vor Gericht das Grundstück dem Rentenkäufer über-
tragen wird , damit er es „ Jahr und Tag "' halte „ vnde began
dar erves recht mede." ib. fol. 590. fehlt wieder dieser Zusatz
der Zeit. Die Danziger Willkür v. 158U endlich (X. 3 und 4.
der Danz. Arch. bibl.) giebt liierüber genaue Vorschriften (cf.
u. Abschn. v. Rentenkaufe 3. b.) ^) Endlich bei der allmähli-
chen Annäherung des Rentenkaufes an das Darlehn vermischte
man die Eigenthümlichkeit des Distraktsrechts vielfach mit
1) cf. Stobbe, Zeitschr. f. deutsch. R. XIX. S. 202. 2) cf. Höf er.
deutsche Urkk. II. 121 (1327). Die Urk. aus Baieni v. 1379. hat Kraut
in d. 4. Aufl. des Grundr. §. 130. fortgelassen. 3) cf. Hesz, d. Burg-
recht. Sitzungsbeiichte der Akad. der Wissensch. in Wien XI. n. 16. 48.
(1348. 1376). — cf. auch Laban d, System. S chöffenrecht. IV. 2.
cp. 78. 79. (1350). 4) Bekannte Stellen hierüber bieten das H am bur-
ger R. von 1270. I. 16. 5. II. 3. , Goslarer Statt. S. 21 ff. (Die Stelle
§. 1^30. n. 55 hat Kraut aus seinem Grundr. 4. Aufl. entfernt.) — welclie
alle nicht der Ausführlichkeit der erwähnten Bestimmung aus der Danzi-
ger Willkür gleichkommen.
Neuniaiin, Gesch. d. Wuchers. 14
210 V. 2. rrniidroc-lit. li. Dislraktsrodil dos noniciikäiircrs etc.
dem Pf:iii(lreolite (neuevo S;it/iiiig); der Ivcutonkäufor ward aus
dem Kaufeiiöse des verlviuirteii Gvuudstücks befriedigt. So
lieisst es im Danz. Schött'eiibuch v. 1529 fol. 844.
für den Fall der Säumiiiss im Eentenzahlen „so zal zick
(Gläubiger) am hovetstule we ock mit dorne tynsze an dem
evve glick wie e n e m p a n d e erholen. So lange erken de
tins darup bliuen wort, sal he de nechste dartho sien." ^)
Die oben erwähnte ausführliche Bestimmung der Danziger
Willkür hält sich in der Mitte zwischen der vorigen und dieser
Stufe des Distraktsrechts.
In den zwei ersten Stufen desselben empfing der Renten-
käufer das Grundstück zu Eigenthum, daher auch dessen
Ueberschusswerth über seine Forderung. Das Grundstück war
ihm eben durch den Rentenkauf in dieser Ausdehnung unter-
geben. Natürlich erlosch dann aber auch mit dem Erwerb des
Grundstücks seine Forderung, selbst wo letztere höher war,
als der Werth des Grundstücks. Auf der letzten Stufe mochte
er um dort ebenfalls behalten , wo dies im Pfandrecht allge-
mem, wie im Texte gezeigt, gestattet wurde. Andernfalls
erhielt der Verkäufer diese Hyperocha. Wie viel Mühe sich
die Gesetze mit der genauen Zumessung dieser Theile gaben,
und wie leicht doch dabei der Rentenkäufer sich selbst auf der
letzten Stufe des Distraktsrechts emen Gewinn aus dem Werthe
des Grundstücks schaffen konnte , zeigt ebenfalls die vielcitirte
Stelle der Danziger Willkür. In diesen Fällen empfing der
Käufer der Rente ultra sortem nicht bloss die Rente, son-
dern bei Zahlungssäumniss der Rente oder des Kapitals auch
noch den Ueberschuss des Werthes im Grundstücke über seine
Forderung aus dem Renteukaufe.
Dieser Vortheil und der Gewinn an der Zinsbusse trügen
also im Falle -der Zahlungssäumnis« noch besonders zum wu-
cherlichen Charakter des Reutenkaufes bei , wenn sie nicht als
1) Uebereinstimmcnd damit L a ba n d , Systemat. Schöffenreclit IV. 2.
ftp. 78. 79 (135U). 0 e 1 r i c h s , Gesetzt, v. Breinen 1489 S. 631 . , Lüne-
burger St. E. II. ti. 8. bei Kraut, 1. c. ii. .')(3. GO. Revid. liib. E.
III. 8. i;5.
V. 2. rfaii.li-e.lit. li. rfändung um Schuld. 211
in das Gebiet des Schadensersatzes iin Verzugsfalle gehörend
vom kanonischen Rechte selbst gestattet würden.
Hieran schliesst sich am leichtesten die Betrachtung des
Wuchers in der Pfändung um Schuld.
Schon in den ältesten deutschen Reclitsquellen bekannt-
lich findet sich die Befugniss des Freien ausgesprochen, zur
Sicherung oder Befriedigung seines Anspruchs unter Mit^vir-
kung des Gerichtes oder aussergerichtlich fremde Sachen eigen-
mächtig wegzunelmien. ^) Von den hierhin einschlagenden
Fällen des Pfändungsrechtes ist an dieser Stelle nur die Pfän-
dung um Schuld zu berücksichtigen. Die Gesetze erkann-
ten dieselbe zuerst vornehmlich , dann ausschliesslich dort an,
wo der Schuldner selbst sich ihr unterworfen, oder wo die
Schuld desselben „gichtig, kundlich, redlich, unleugbar"
war. In der Regel forderte der Gläubiger zuvor den Schuld-
ner meist unter obrigkeitliclier Mitwirkung und in wiederhol-
ten, durch Strafen verstärkten Malen zur Zahlung auf. Erhob
Schuldner hiergegen keinen Einwand , zahlte aber auch nicht,
so ptlindete ilin nach einer bestimmten Zeit der Gläubiger an
seinem Vermögen. Nach einigen Gesetzen wird er in des
Schuldners Eigen eingewiesen , besitzt und nutzt dasselbe eine
bestimmte Zeit lang (3 Monate) zu seinem Vortheile , und ver-
äussert nach Ablauf dieser Zeit das Pfand , indem er sich aus
dessen Kaufpreise bezahlt macht. ^) Zunächst erstreckte die
1) cf. Wilda, das Pfändungsrecht (m der Zeitschrift für deutsches
Eecht I. p. 167—320.). 2) cf. leg. Rotharis c. 249. 250. — L. Liutpr.
15. Landfrieden Rudolfs I. 1281 c. 59. Albrechts 1301. Wenzels
1389. §. 24. 1398. §. 6. Reformation Friedricli .IH. 1442. §. 2 ff. Me-
vius, dec. 11. 106. n. 5. — Bcseler, D. P. R. I. p. 286. — Gerber,
D. P. R. §. 69 (8. Aufl.) p. 161. 162. — Stadtr. v. Wintcrthur, 1297. III.
6 — 11. — Systemat. S chöff enr. m. 2.c. 80 (Culm. III. 110):
,,daz sal ienir beseczin der is in dy vi-one gebrocht hot mit der vrone
dry tage vnd nacht , her sal dorynne essjTi vnde slafin. Dann Aufbie-
tung, Eignung an den GLäubiger. Verkauft er es später, so tritt die
Ucrechnung (wie V.2. g. a.Anf.) ein. cf. ib. III. 2. c. 93 (Culm III. 124.)
Zur. Kathserk. 1332, Richtebrief, Rathserk. v. 1341. 1344. Bluntschli,
Züricher R. G. I. p. 294. 295. Letzterer zitirt auch ib. U. p. 134. n. 180
eine Stelle von der Pfändung des Hirten am Herrn wegen sclbstständigen
14*
212 V. 3. Reiitonkauf. a. Eiitstelmnpr. Natur. Yorbreit.d.Ivontciikaufcs.
Pfiiiidung sidi auf bewegliche Saclien , die sich in des Schukl-
ners Geweve befanden; reichte dies nicht aus, so pfändete man
auch unbewegliche Sachen bis zur Höhe der Schuld. ^) Die
Veräusserung der Pfiinder vor und nach der erwälmten Ein-
weisung erfolgte gemäss den oben V. 2. f. dargelegten Vor-
schriften , sie brachte dem Gläubiger daher nur dort Gewinn,
wo vereinzelt die Gesetze ihm den Mehrertrag sich zuzueignen
überliessen. Der Gewinn aber ausser der Schuldsumme und
seinen Verzugs -Schadensforderungen, welche der Gläubiger
durch die beregte Nutzung des schuldnerischen Eigens machen
konnte von semer Einweisung bis zum Verkaufe, enthält auch
hier AVucher, der ebenso, wie der Gewinn aus den Pfändern
bei der alten und neuen Satzung, aus dem Schoosse des unbe-
einflussten deutschen Rechtes herausgebildet dem fremden
Rechte gegenübertrat.
3. Der Rentenkauf.
a. Entstehung, Natur, Verbreitung des Eentenkaufes.
Oben, auf S. 29. 30 wurde dargelegt, wie bei der Entwick-
lung der Städte in Süd- und West - Deutschland , dann wol
auch in Nord- und Ost - Deutschland allgemein seit dem zwölf-
ten Jahrhmidert der Clerus und die Gemeinfreien (nicht Altfi-eien),
später auch die Geringerfreien einzige Inhaber des städtischen
Hirtenlohnes , welche die Ausdehnung des Plandungsrechtes zeigt und
sehr Avol allgemein auch für Pfändung um jeder anderen Geldschuld ^xi\-
len raaassgehend scheint. Herrschaftsrecht v. An del fingen (noch 1534)
art. 17 : der Küh - oder Säuhirt darf, um den Hirtenlohn einzutreiben,
„ epn inn syn stal gan vnnd ime Küg ald Süw daruss nemmen Tand, sy an
eyn zun bjTinden vnntz er bezalt ist , vnnd ob glych Eyner so es vmb
Süwhirten Ion ze thun ist, die Süw gemetzget bette so mag es ein hirt
usstragen , er fynnde es im Saltz als vnnder der Asslin , so lanng vnntz
er bezalt ist." ib. art. 11.
1) cf. Herrschaftsrecht von Andel fingen 1534. a. 7, von Elgg.
1535. a. 44. §.4. „\Tind so dem kleger die varenden pfannd gebenn , vimd
die ligennden genampset werden. So sol der weibel dieselbenn — nach der
gant recht verrüfenn." Herrschaftsrecht von Eegensberg 1538. a. 56
(nur bewegliche Sachen), von Wulf in gen 1583. a. 54. Bluntschli,
1. c. II. i>. 135. u. n. 104.
V. 3. Eentcnkauf. a. Eiitsteliniitr. Natur, Voibreit. d. Rentenkanfes. 213
Grlindes (als Eigen oder Leim) waren '). Um auch den anderen
Städtebewohnern , Handwerkern und Klein - Kaufleuten beson-
ders, die dessen nöthig bedurften, Theilnahme am Grundbesitze
zu gewähren, überliessen die Grundeigenthümer einen Theil ihres
Grundeigens Jenen zu Erbrecht gegen Zins vom Grunde. Das
Verhältuiss gestaltete sich ähnlich dem Lelin; die Ueberlas-
sung war in den meisten Fällen unaufkündbar , nur nach ein-
zelnen Urkunden fällt der Grund bei versäumter Zinszahlung
an den Eigenthümer zurück. -) In andern Beispielen zahlt der
Säumige lediglich einen Kutscherzins. ^) Rechtlich war diese
Ueberlassung eine Grund- oder H a u s 1 e i h e (M i e t h e) zu Erb-
recht, allgemach gestaltete sie sich zum wirklichen Eigen thums-
übergang in das Untereigenthum des Leihers, während das Ober-
eigenthum des Beleihers sich wesentlich nur in der Forderung
des Zmses, dann der Weisung, des Ehrschatzes, der Geltend-
machmig des Vorkaufs- und Näherrechtes u. a. wirksam er^vies.
Für letzteres Verhältuiss zeugen u. a. die so oft wiederkehren-
den Ausdrücke „vendcre — jure hereditario." Für den Cha-
rakter der Leihe (Miethe) treten die Bezeichnungen „locatio-
conductio, locare, locator - condndor" ^) ein, die nicht so oft,
als das vendere im Gebrauch gewesen zu sein scheinen. Dabei
scheuen die Parteien sich nicht, oft gerade neben „loccdio"
das „in perpetuum" zu setzen.^), während umgekehrt bei
vendere und locare die Ueberlassung auf Lebenszeit oder gar
nur auf eine bestimmte Zahl von Jahren gebraucht wird. ^) —
Ein Wucher nach kanonistischen Grundsätzen lag hier nicht
vor, obgleich hier recht eigentlich von der dargeliehenen Sache
1) cf. ob. S. 29. 30. — Arnold, Freistädte I. 67. — Ders. Gesch. des
städt. Gnmdeigeuth. S.4ff. — Walter, Deutsche Rechtsgesch. I. §. 237.
— 2) Lacomblet, Niederrh. Urk. B. IV. 785 ; „si vero post aliquot
annos vel ipse vel heredes sid predictuni censum solvere noluerint,
predicta area cum snppositis ediflcns ad potestatem canonicorum S. Petri
redeat ut quomodo velint , inde dhponani." (1184) u. A. 3) Lacom-
blet, ib. U. 242. (1257). 4) cf. A r n 0 1 d , z. Gesch. d. Grund - Eigen-
thunis in den deutschen Städten S. 143. u. s. 5) cf. F. Böhmer,
codex Moenofrancof . 364. „p erpet u i s iemporihus — iusto locationis
titulo." — Gudenus, cod. Mogunt. I. 598. „locavimus — (1304) Aere-
ditariojure — perpetue possid." (1247). 6) Böhmer, ib. 249(1290).
214 V. 3. Ivontoiikauf. a. Entstohnnp. Natur. Vorbreit. d.Rcntcnkaufos.
(lor Zins entviolitct wurde, und zwar als Gebrauch SAvcrth des
Bodens oder Hauses, weil einmal selbst bei Festhaltung des
Leiheverhältnisses und der vielfach aufstossenden äusseren
Aehnlichkeit desselben mit dem späteren Kentenkaufe gün-
stigsten Falles ein Commodat oder ehie Miethe sich ergiebt.
Zweitens aber , der überlassene Grund (mit den Gebäuden oder
ohne solche) gehörte Aveder zu vertretbaren Sachen , noch fiel
er unter den weiten Begriff des Kapitals , da er kein Produkt
war , das 7a\ weiterer Produktion aufbewahrt worden. So üben
daher auch gerade die Geistlichen , der Clerus als Hauptgrund-
besitzende, die auf Ertrag dieses Besitzes angewiesen sind,
diese Uebertragung aus, und niemals begegnet, wie später
beim Rentenkaufe , das Bedenken , hier könne Wucher obwal-
ten. Ob freilich liier nicht em Mehr über den wirklichen Ge-
brauchswerth des Bodens oder Hauses durch den Zins entrich-
tet wurde, ist hier um so weniger festzustellen, als der Ge-
brauchswerth selbst , der Zins in Diensten , in Bodenerträgen,
in Geld, der Preis der Dienste, Früchte, der Werth des Gel-
des , der Curs desselben in den verschiedenen Zeiten bedeutend,
ja nicht bloss im Laufe der allgemeinen Culturentwicklung,
sondern fast mehr noch in Folge rein lokaler Ursachen schwankte,
und die urkundlichen Forschungen besonders nicht statisti-
sches Material bis jetzt in hinreichender Zahl herausförderten,
um auch nur für einen ganz kleinen Bezirk, für eine ganz
begrenzte Zeit aimähernde Sicherlieit der Richtigkeit zu erhal-
ten. Indess kann man allgemein vermuthen, dass solch ein
Mehr über den Gebrauchswerth durch den Zins nicht entrichtet
Avurde, Aveil die Uebertragung des Bodens bereits frühe begann,
als der Gebrauchswerth desselben zumal auf dem Lande , das
zuerst auch für die Städte den Maassstab gab, noch gering
war. Während dann aber jener Gebrauchswerth sich äusserst
schnell bei der EutAvicklung des Gewerbes , des Handels , des
mobilisirten Kapitales selbst durch die scheinbaren Hemm-
nisse, wie Wassers-, Feuers-, Krankheitsnoth vermehrte,
blieb der Zins in der grösseren Zahl der Fälle derselbe , Avie
früher. Dass dieser Blick auf das wucherliche Wesen'' der
Grundleüie bereits hier geworfen Avird und nicht dem letzten
V. 3. Eontciikauf. a. Entstehung, Natur, Vorbreit. (l.Rcnteukaures. 215
Absclinitte der lictraclituiig über den Kentenkauf vorbehalten
bleibt, findet darin seine liechtfertigung , dass Grundleihe
nicht Rentenkauf, jene nicht wucherlich, dieser wucherlich ist.
Die Theilung des Grundeigenthums schritt von dieser
Stufe dadurch wesentlich weiter, dass der zu Erbrecht Belie-
hene, der Untereigenthümer ganz oder zum Theil seinen erb-
rechtlichen Boden an einen Dritten afterlieh, zunächst noch
mit, dann oline Genehmigung des Obereigenthümers. Hier-
durch nicht minder mehrte sich das mobile Kapital.
Abgesehen von den in der Natur bedingten Unterschie-
den waltete das nämliche Verhältniss, wie es hier aus den
Städten kurz dargelegt worden , auch auf dem flachen Lande.
Die Kirche erweist hier wieder ihre kulturgeschichtliche Wich-
tigkeit. Wie sie die Städte einst heranzog, so theilt sie jetzt die
ihr, als der reichen Grundbesitzerin, vornehmlich aus den Städten
fliessenden mobilen Kapitalien dem Lande mit und befruchtet
mit ihnen nicht minder, wie allgemem durch ihre geistige
Einwirkung, durch die Förderung der Cultur, des Ackerbaues
das Land ausserhalb der Städte.
Bis hierher hing der Zins und das Recht an ihm auf das
Engste mit dem Grundstücke und dem Rechte am Grundstücke
zusammen, von dem er entrichtet wurde. Nahm man ihn
doch thatsächlich zuerst von den Früchten des übertragenen
Landes (Korngelt,- gült) dann von den Civilfrüchten , dem
Geldertrage des städtischen Grundes (auch hier zuerst nach
Felderträgen berechnet, Pfennig -gelt, -gült); später wird die
Naturairente sogar untersagt. ^) Jetzt wurde das Kapital
mobilisirt und vermehrt; Angebot und Nachfrage desselben
stiegen bei dem wachsenden Handel und Gewerbe. Streng
band man sich an die längst geübten Rechtsformen. Der Geld-
besitzer kaufte mit dem Gelde das Ober- oderUntereigentlium,
1) Azor. institt. moral. lU. 10. c. 20. In Zürich wird durch Kaths-
erkcnntniss v. 1529 angeordnet , dass alle Naturalzinse in Geldzinsc um-
zuwandeln sind , wo ein neuer Erwerber das Rocht auf den Zins mit Geld
erkauft hat. Gerichtsb. III. (155:)) Stadt - u. Landr. Y. §. 8. B 1 u n t s c h I i,
Züricher R. G. I. 424. II. 118. — In Frankreich geschah dies 15G5.
Warnkönig. Franz. St. u. R. Gesch. IL ji. 585 ff.
2l(> V. ;5. Koiitonkaut'. a. F.iitstoliuns;, Natuv, Vorbreit, d. llrntoiikuufos.
(las Recht des zu Erbrecht Beliehenen oder Afterheliehenen ;
dafür wurde ihm der Grund von dem Herrn desselben aufge-
lassen; denselben Grund übertrug er sofort wieder dem Em-
pfönger des Kaufpreises, und für diese Uebertragung empfing
er von dem Boden den alten Zins. So blieb da.s Rechtsge-
schäft zunächst offenbar noch eine alte Grundübertragung,
ein Grundverkauf, eine Grundleihe und war noch kein Ren-
tenkauf, ^) wenn es that sächlich auch lediglich einen Ueber-
gang zu dem bereits unabhängig davon bestehenden Renten-
kaufe öffnen konnte. ^)
Soweit kann ebenfalls noch nicht vom Wucher die Rede
sein. An die Stelle des Grundes zwar, der dort in den Besitz des
Zinsverkäufers überging , trat liier das Geldkapital. Allein das
letztere wurde doch stets als Kaufpreis gezahlt , und von die-
sem Kaufgeschäfte, dieser Uebertragung des Grundes juri-
stisch , auch äusserlich wahrnehmbar streng gesondert besteht
der zweite Theil des Geschäftes, die Rückübertragung des
Grundes und die erst dadurch bewirkte Begründung des Zinses.
Wol stellt sich hier bereits in den Vertragsurkunden
äusserlich dieselbe Bezeichnung von Käufer und Verkäufer für
die nämlichen Personen, Avie beim Rentenkaufe heraus. Die
Besserung ferner des erlaugten Grundstücks durch den Belie-
henen liess bei der früheren blossen Zinsbegründung das über-
tragene Grundstück besonders als Eigenthum des Beliehenen
erscheinen , zumal da Besserung und Erblichkeit sich gegen-
seitig steigerten. Hier bei der Geldhingabe war solche Besse-
rung nicht möglich. Allein man erwäge, dass die oben
erwähnte Scheidung der beiden an sich erst das bezweckte
Ganze ergebenden Rechtsgeschäfte nicht eine nur äusserlich
ersonnene und beibehaltene war , sondern in dem noch unlös-
lichen Zusammenhange des Zinses mit dem zinsenden Grund-
stücke seine naturgeraässe Ursache hatte. Hieran lag es , dass
man den ganzen Vertrag — dort, wo vielleicht bereits die
Ablösung des Zinses ermöglicht Avar — auch nicht etwa als
Kauf auf Wiederverkauf zur Umgehung des kanonistischen
1) cf. A 1 b r e c h t , Gewere. S. 172. A r ii o 1 d , 1. c. S. 135 ff. 2) D u n-
cker, die Lehre von den Reallasten S. 47.
V. 3. Rentenkaul'. a.Eiitstolunifr, Nutur, Voibifit.d.Eeiitoiikaufes. 217
Zinsverbotes aiiselien und deslialb als wucherlicli bezeiclinen
konnte. Vielmehr erwuchs und bestand jene Scheidung durch-
aus als wirkliche , und so schloss sie den wucherlichen Charak-
ter des Geschäftes aus, so gut wie derselbe weder im einfaclieu
Kaufe, noch in der Grundleihe bestand. Der Satz: „nihil
inde sperantes mutuum dafe" war durch die Abwesenheit des
Ihirlehns ausgeschlossen. Wo aber sollte das „ ne quid ultra
sortcni .." einen Anhalt finden? Fasst man sors selbst in wei-
tester Bedeutung auf, und rechnet unter Hinblick auf die hi
den hierhergehörigen Urkunden wiederkehrenden Ausdrücke
locarc, conducore den Kaufpreis des Grundes oder Erbrechts,
das Geldkapital zu dieser sors, dann verblieb doch zuvörderst
immer diese fremde sors in defn beständigen Besitze des Zins-
verkäufers , der Zins dagegen stammte nicht von dieser sors
im fremden Besitze, sondern von dem dafür rückübertragenen
Grunde.
Der Wuchercharakter des Rentenkaufes ist diesem allein
theihaft, er beginnt erst mit dem Rentenkaufe, mag dieser
nun , wie es ursprünglich und in den meisten Fällen geschah,
sich unabhängig von der Grundleihe neben derselben ausbilden
oder in emzelnen Fällen sich an die ausgebildete Grundleihe
anschliessen. Zunächst musste, um Letzteres zu ermög-
lichen , der Zins aus seiner alten Naturalverbindung mit dem
Boden gelöst und nach Fortfallen der Rückübertraguug des
erkauften Grundes an den Verkäufer 'die Verbui düng der beiden
bisher geschiedenen Rechtsgeschäfte — Kauf und Leihe —
bewirkt werden.
Dieser Uebergaug lag nicht so fern , als es scheinen mag.
Bisher kaufte der Besitzer mit dem Grundstücke (zu Eigen-
thum oder Erbrecht oder Afterleihe) sich den Zins, jetzt kaufte
er thatsächlich ihn, und nicht das Grundstück, mit dem Geld-
kapitale. Und wenn bisher auch meistens die Rollen der Ver-
käufer und Käufer umgekehrt in den Grundübertragungen
angegeben werden, so dass der Uebertrageude Verkäufer, der
Beliehene Käufer genannt \vird , beweist dies nicht gegen obi-
gen nahen Uebergang. Denn bei der Grundübertragung war,
abgesehen von der ungenauen Rechtsbezeiclmmig in derartigen
218 V. 3. rjontonkauf. a. Kiitstolmiiy, Natiiv, Vcvbrcit. d, Eoiitcnkaufcs.
ITrkumlon , mit solclier Vcrtlioilung' der Ivollen allgemein nur
ausgedrückt, dass der Käufer eigentlich der den Grundbesitz
Suchende gewesen sei, der das ganze Eechtsgeschäft veran-
lasste, jetzt aber war der Zins- (oder Renten-) käufer der
eigentliche Veranlasser, da es vor Allem galt , das vermehrte
mobile Geldkapital fruchtbar anzulegen. *) Wirthschaftlich
also und rechtlich ist der Unterschied zwischen beiden Ver-
liältnissen offenbar ; thatsächlich , äusserlich aber besteht sol-
cher nicht, sondern beidemal ward ein Zins gezahlt, dort für
den Boden , hier für das Geld.
Dies ist um so gCAviclitiger, wenn man findet, dass selbst
bei der früheren Bodenübertragung zuweilen der Beleiher als
Käufer (des Zinses), der Entleiher als Verkäufer genannt wird, ^)
■wie es scheint, um auch hier dann auszudrücken, dass die
Veranlassung des Rechtsgeschäftes, das Angebot, von Seiten
des Käufers aussergewöhnlich ausging. — Immer indess blieb
noch wesentlich der Rechtsunterschied; man konnte sich
den Zins vorläufig nicht vom Grunde getrennt denken, von
dem er entrichtet wurde, mit dem er verwachsen schien,
wie die Frucht mit dem Baume. Hier erwäge man aber Fol-
gendes , welches einerseits die fortschreitende Mobilisirung des
Kapitales aus der Grundleihe und durch dieselbe beleuchtet,
andrerseits eine um so tiefere Scheidung zwischen dem Wesen
dieser umgebildeten Grundleihe und der Natur des wahren,
noch nicht umgebildeten Rentenkaufes begründet. Das Privat-
vermögen der Einzelnen bestand seit längerer Zeit schon nicht
bloss im Grundbesitze, sondern auch in den verschiedensten
Arten mobilisirten Kapitales, vornehmlich auch im Golde.
1) So heisst in den Magdeburger Fragen 11. 1. 5 (Sachsenspiegel,
Zobel), der Zinsverkäufer, welcher als Veraiüasser des Geschäfts auftritt,
nicht Verkäufer, sondern ,, Zinsgeber, " dem gegenüber der Käufer
,,Zinsnemer." 2) cf. Böhmer, 1. c. 257 (1291) Heinrich Ulner nebst
Frau verkaufen an einen Conversus in Scckbach von Immobilien 1 Pf.
Zins für andei n (xrundbesitz , den sie von den Mönchen in Scckbach ent-
leihen. Die Verkäufer des Zinses hatten hier , wie erhellt , bereits mehr-
fachen städtischen Grundbesitz , so dass das Angebot wol von den Mön-
chen ausging. — cf. Arnold, städt. Eigenth. p. 42.
V. 3. Rontciikauf. a. Entstcluui<:if,Xalur, Vorbreit, d. Rontcnkaufcs. 219
Leicht ward dadureli bewirkt, dass man den Zins, zumal seit-
dem er in Geld und von Häusern entrichtet wurde, nicht mehr
wirklich am Boden haften fühlte , sondern ihn aus dem Privat-
vermögen insgesammt, d. h. zuerst von dem Boden selbst,
dann vom Boden und mobilem Kapitale, dann von dem
blossen Geldkapitale zu entrichten glaubte. So schied man
bereits die Zinszahlung von der Rückauflassung des Bodens
an den Empfiinger des zinstragenden Geldes, die doch anfäng-
lich nur g(?scliah, um den Zins zu ermöglichen. Die liück-
übertragung ferner fiel zunächst ganz fort, wo der Obereigen-
thümer selbst oder der Untereigenthümer an den von ihm
Beliehenen Geldkapital auf Zins lieh — was wegen des gerade
durch die alten Zmse wachsenden Geldreichthmns der Grund-
besitzer oft vorkam — ■, danach erschien sie auch in andern
Fällen als leere Formalität. Und wie häufig verliehen die
Grundbesitzer sogleich von vorn herein den Untereigenthü-
mern einen den Zins an Werth überragenden Bodentheil, wie
beträchtlich und schnell stieg der Werth dieses Bodens in den
aufl)lühenden Städten, während der alte Zins selten erhöht
wurde. Um so mehr Veranlassung hatten deshalb die Ober-
eigenthümer als Anbieter von Geldkapital, dieses auf den mit
Zins nicht beschwerten Theil des bereits übertragenen Bodens
zinslich anzulegen , indem sie sich zur Begründung des Zinses
eben auf die frühere Auflassung und Uebertragung bezogen.
Solche zu erneuern, war hier sonach überflüssig und unmöglich.
Zugleich in diesen Fällen tritt die Genehmigung des Ober-
eigenthümers und dessen nächster Erben zum Zinsverkaufe
nicht mehr hervor, weil der Obereigenthümer durch seinen
Zinskauf selbst die Genelimigung ausdrückte. Die Genehmi-
gung des Obereigenthümers ward sodann auch in den meisten
Fällen ertheilt, wo ein Dritter das Geldkapital lieh; denn
letzteres Avurde meistens zum mittelbaren Vortlieil des Ober-
eigenthümers für Besserung des Hauses , Bodens u. dergl. ver-
wandt. Man durfte dalior allgemach die Genehmigung von vorn-
herein voraussetzen. Von jenen Beisi»ielen aber nahm man nur die
äusserliche Lehre, dass Rückübertragung des Grundes, Genehmi-
gung des Obereigenthümers (seit 1300 - 50) nicht mehr beim Zins-
220 V. 3. Rontonknnr. n. Eiüsrtelinn«?, Natur, V(M-l)rcit.d.Routoiil<anfes.
kaufe erfonU'vlicli , iiinn übertrug- diese Lehre auch auf die
Ziuskäufe mit völlig auderen Vorausset/Amgen , als jener, und
sah bereits den Zins für Geldleihe als in seiner alten Verbin-
dung gelöst vom Grunde an.
Letzteres lag um so näher, da bereits seit dem 12. Jahr-
hundert die Erkenntniss von dem wirklicjien Tauschwerthe des
Geldes in Deutschland , und zwar nicht bloss in Norddeutsch-
land oder in den deutschen Handelsplätzen überhaupt , keines-
wegs so fremd war und fern stand , als einige Quellenschrift-
steiler, U.A. selbst noch Arnold, annehmen. Dies erweist sich
aus dem bereits seit den Volksrechten und Capitularien , wie
gezeigt, üblichen Eifern geistlicher und weltlicher Gesetzgeber
gegen den Ersatz dieses Tauschwerthes , d. h. eben gegen den
AVucher, dann aus der gerade seit dem 13. Jahrhundert seit
Aufblühen der Gewerbe und des Handels immer ausgedehnte-
ren Anwendung des zinsbaren Darlehns (cf. H. 2. HL 1. 2.
IV. 3. V. 2. 4. 5. Vm. 1. 2. 3.)
Man war also schon gewöhnt, von dem dargeliehenen
Gelde für dessen Gebrauch einen Zins , allgemein eine Quote
des Kapitales zu zahlen. Dies konnte dort, wo der Grund-,
oder Erb -Besitzer ein Darlehn aufnahm, nicht anders sich
stellen. Und wenn nun hier auch kein Darlehn gemacht , son-
dern ein Kauf und die davon getrennte Auflegung eines Zinses
geschlossen wurden, so glich das Verhältnis» thatsächlich
doch jenem , es war oft in der Absicht des Darleihens unter-
nommen : da konnte die Wirkung des Darlehns nicht ausblei-
ben , dass man auch hier den Zins vom Grunde zu trennen und
mit dem Geldkapitale (Kaufpreis) in Verbindung zu bringen
geneigt ward. Um so entschiedener musste diese Wirkung des
Tauschwerthes im Gelde , des verbreiteten Darlehns sich dann
offenbaren , als die Natur der Haus - und Gruudleihe sich in
der oben angegebenen Weise umbildete. So scheint Einigen
nur noch ein Schritt zum Rentenkaufe nothwendig und die
Geburt dieses wichtigen Rechtsinstitutes glücklich in der Grund-
leihe entdeckt zu sein.
Hierneben begegnet dann wol noch der von Arnold (u. A.
1. c. p. 91.) vornehmlich betonte üebergang zum Rentenkaufe
l
3. Rentenkauf. a. Entstellung, Natur, Verbreit. d. Rcntoukaufes. 221
durch Afterleihzins. Der Afterleihzins niimlich wird durch den
Erbbesitzer des Hauses, dessen einen Theil er selbst bewohnt,
von dem anderen Tlieile des Hauses verkauft, ohne dass in
Wahrheit solch ein Zins bestand. Das Haus ist nur gross
genug-, einen Afterleihzins zu ermöglichen. Und so unter-
scheidet derselbe gelehrte Verfasser drei verschiedene recht-
liche Normen , „ welche das Institut nach u n d nach durch-
laufen hat:" 1) der Verkäufer überträgt durch die Hand des
Leiheherrn dem Kentenkäufer seinen Besitz und erhält ihn als
Afterleilie zurück; 2) der Grundherr oder Leiheherr genehmigt
nur noch den Rentenkauf ; 3) der Eeuteukauf geschieht ganz frei
(1. c. p. 106).
Speziell lässt sich dann wol der Uebergang vom Zins zur
Eente aus einer Zahl äusserlicher Momente in den desfälligen
Verträgen nachweisen. Bereits am Ende des 13, Jahrhunderts
findet sich die Kaufsunmie des Zinses aufgeführt, die Verziclit-
leistung des Verkäufers auf sein Zinsrecht verschwindet; Ab-
tauschvermerke der Zmsen begegnen und Vorbehalte dafür ; man
bestimmt die Reihenfolge der Zinsgläubiger desselben Grund-
stücks ; der Schuldner verpfändete (in der neuen Satzung) seine
eigenen Zinsen und Renten zu mehrerer Sicherheit dem Gläu-
biger ; die Zustimmung der Erben zur Veräusserung von Züis
und Rente als Immobilien verschwindet, die Renten werden
frei veräusserlich. ^)
Aber will man derart bestimmte Annäherungsstufen genau
präzisiren , so wird stets , wie auch hier , trotz aller mikrosko-
pischen Forschung ein Sprung unerklärt und unausgefüllt voii
dem alten zum neuen Rechtsinstitute sich ausweisen. Diesa"
bleibt hier der letzte Schritt der Entwicklung vom Grundzinse
zu dem vom Grunde gelösten Zinse, der für das dargeliehene
Kapital gezahlt, mit dem Kapitale erkauft , kurz — sei es unter
welchem Namen es sei — als Preis für die Benutzung frem-
den Geldkapitales entrichtet wird. Dieser Sprung betrifft das
innere Wesen beider Institute , während die Annäherungsstu-
1) Oulm. E. TV. 00. 107. La band, Systcniat. Schöffenrecht IV. 2.
c, 57. G5. Duncker, Reallast S.66. et". Stobbc, Zeitschr, XIX. 195. 19G.
22'2 V. 3. RonlonkiUif. a. Entsiolinng. Natur. Vorl)roit. d. TJcntonkaufcs.
fen immer dodi nur eine äussere Aehnlichkeit derselben her-
beiführen. Nimmt man nun hinzu, dass, — Avas Arnold (u. A.
p. U»G) nicht in Abrede stellt, - bereits lange Zeit vor dem
Entstehen des Kentenkaufes aus der Grundleihe und lange
noch nach diesem seinem behaupteten Anfange beide Institute
und mehrere ihrer verscliiedenen Uebergangsstadien vom alten
Grundzinse bis fast zum darlehnsgleichen Rentenkaufe neben-
einander gleichzeitig sich in Uebung zeigen , so scheinen die
oben Jingeführten allgemeinen Gründe dieser wirthschaftlicheu
und rechtlichen Entwicklung der Wirklichkeit mehr zu ent-
sprechen, als ehie Reihe präcis geschiedener, liinter einander
eingetretener Stufen des Ueberganges. Warum sollten nicht,
wenn doch schliesslich der Sprung vom Grmidzinse zur Kapi-
talsrente über die von der Forschung nicht auszufüllende Kluft
gemacht werden musste, schon seit dem ersten Auftauchen
des wirklichen Rentenkaufes die Parteien durch die bereits
verbreitete Erkenntniss von dem Tauschwerthe fremder Kapi-
talien und dem Ersätze ihres Gebrauches befähigt und bewo-
gen worden sein, diesen Grundsatz auch hier anzuwenden
und dadurch ohne jene Uebergangsstadien Renteukäufe zu
schliessen? Der Rentenkauf ist aber ferner in seinem juristi-
schen Charakter, in dem Verhältniss zwischen Rente und Kauf-
preis derselben, zwischen dem Käufer und dem Grundstücke
so wesentlich von der Grundlcihe unterschieden, — wie so-
gleich berührt werden soll — dass die Grundleilie gerade auf
ihrer entAvickelten Stufe dem Wesen des Rentenkaufs mehr
gegenübersteht , als zu ihm überleitet. Die Beziehungen zwi-
schen Rente und Grundstück gleichen, wenn man durchaus
vergleichen will, der alten Grundleihe mehr, als der neuen,
entwickelten; jene weist die enge Verbindung zwischen Zins
und Boden , wenn auch in ganz anderer Weise , als der ursprüng-
liche Rentenkauf auf, diese löst die Verbindung , entfernt die
Auflassung u. s. w. Da nun aber, Avie bemerkt, die Benutzung
fremden Geldkapitales mit Zinsen zu vergüten, viel früher
bekannt und gebräuchlich ward , als bis die Grundleilie ihren
Zins zur Rente umbildete , stellt sich hiernach der Rentenkauf
um so unabhängiger neben die Grundleihe als ein Rechts-
V. 3. Rontonkanf. ;». Kiitstohnng-, Natnv. Verbroit. d. Rontenkaufes. 223
geschät't, das als zur Zeit allgemeinen Grundbesitzes Zahl und
Umlauf des Geldkapitales zu steigen begannen , sich selbst-
ständig lierausbildete und herausbilden musste. In wechsel-
seitiger Einwirkung trug dann dieser Rentenkauf zur Umbil-
dung der alten Grundleihe ebenso gut bei, als diese wieder,
sein Wesen zufti zinsbaren Darlehn hin imizuwandelu, mithalf,^)
So kam im deutschen Rechtsgebiete das Institut des Ren-
tenkaufes in Uebung, indem zur Befruchtung des Grundbe-
sitzes durch Geldkapital, so wie andrerseits zur nutzbaren
Anlegung desselben der Kapitalbesitzer das Kapital dem Grund-
besitzer hingab , und dafür sich auf das Grundstück des Letz-
teren bestimmte , regelmässig wiederkelirende Abgaben (Rente,
Gült, Geld. Zins) legen Hess. Der Kapitalist kaufte , wie es
in den Quellen heisst , mit seinem Gelde die Rente , der Grund-
besitzer verkaufte sie. ^) Also auch jetzt noch wurde die Rente
auf ein Grundstück gelegt. Allein nicht in dein Sinne der
Grundleihe bestand diese Verbindung zwischen Grund und
Rente ; sondern indem die Rente an sich wie eine persönliche
Schuld des Rentenverkäufers aus tlem Darlehn auch ohne Zu-
sammenhang mit dem Grundstücke, aus welchem sie bisher
mit den Früchten des Bodens herauszuwachsen schien, sich
herausstellte und zu den Mobilien gezählt ward , ^) wahrte man
deshalb allein ihren Bezug auf ein Grundstück, um dem Ren-
tenkäufer durch dieses Grundstück und durch dessen folgende
Besitzer als solche'^) Sicherheit für Rente und Kapital zu
1) Näheres hierüber auszuführen, verbietet das Thema, welches mü-
den Wucher iiu Rentenkaufe behandelt. — cf. auch Duncker, Reallasten
S. 43ff. Albrecht in der Kritik des Dunckerschon Buches: Richters
und Schneiders kritisch. Jahrb. IJI. Bd. 5. S. 313. N. 2) Nacli der
voraufgesclückten Entwicklung darf nicht erst bemerkt werden , dass der
Rentenkauf nicht zur Umgehung des kirchlichen Zinsverbotes ersonnen
sei. Wer dieses hochwichtige Institut des deutschen Rechtes und deut-
scher Wiiihschaft in so engen Schranken auffasst, übersieht fast ganz
die vielseitige . grosse Wirkung des Rentenkaufes , ganz aber seinen Ur-
s))rung, so Zöjifl, D. Rcchtsgesch. 3. Aufl. S.M51. — cf. u.a. Eichhorn,
R. G.U.§. 377. Einl.§. 1()7. Albrcclit. Gcworei). 17(;ff. 3) cf. Wäch-
ter, Würtemb. P. R. I, 1. S. 203. 4) Ohne, wie Duncker, Real-
lasten S. 71 ff. (Au V r , 1. c. S. CLXXXI) will, das Grundstück zu personi-
2'24 V. 3. Ronloiilauir. a. Entstehung, Natur, Vorbreit, d. Ticntonkaufos.
gewähren. Dies zu ennögliclion, scliloss man den Eentenkauf
oder erlvlärte seinen Abscliluss vor Gericht oder Kath, der
Verkäufer Hess dem Käufer die Rente auf ( — und nicht mehr,
wie früher, das Grundstück, nämlicli unter Mitwirkung, wie
gezeigt, des Obereigenthümers, wo der Renten Verkäufer dies
nicht selbst war.) ^) Durch die Auflassung , welche überall
ficiren als Schuldner. Es ist das eine blos figürli-he, ,, sehr i)assendc aber
unjuristisdie Bezeichnung." G erber , D.P. R. §. 188. N. 5. — Stobbe,
Zeitschr. XIX. S. 192. 193.
1) Duncker, Reallastcn S. 70. n. 108. — Kraut, 1. c. n. 5. 21. —
Stobbe, Zeitschr. f. deutsches R. XIX. S. 186. — Die Urkundenbeläge
sind u. a. aus dem Danz. Archive vielfach zu vermehren; insbesondere
aus den dortigen Schöi^penbücheru des 15. u. 16. Jahrhunderts , entspre-
chend der Vorschrift des Culmer Rechts (Leman. V. 74, 1388): „vort
me sal njTnant czins kouffen noch vorkouifen yn erbe . . ane der hirschaflft
wille. Den sullen sy ys kund thun ader lautbaren vor scheppenvor
gehegetem dinge . dy den kauf vort brengen vor dy hirschafft. Dy mag
das denne bestetigen vnd vorbriffen vnd vor ingesegelen ab sy wil " und
der ältesten Danz. Willkür (1380 — 1454) fol. XIV. : „ nyniand sal vtf-
steende erbe vnde legende gründe in andern freyheiten vnde rechten vor-
pfenden vorsetczen noch besweren anders denne in dem Gerichte dar sy
ynne gelegen seyn — vnd ab hir kegeu gehandelt wurde , szall van vnwir-
den szeyn vnd noch des Rats erkentnis gestroeft werden." — Oder man
Hess sichs an einem gerichtlichen Schein über den geschlossenen Renten-
kauf genügen (Handfeste, Brief). Bremer 0 r d. 1303 n. 115 (0 e 1 r i c h s
S. 134.), Auer, Münchener Stadtr. S. CXL. lU ff. — Ausserdem werden
die aufgenonnnenen Renten je nach den belasteten Grundstücken in die
dazu angelegten Register der städtischen Obrigkeit in die dritte Katego-
rie der Stadtbüchcr nach Hom eyer eingetragen. So in Lü b eck (Stadt-
bücher cf. Pauli, Abhandll. a. d. lüb. R. I. S. 5 — 8), in München,
Prag, Brunn seit dem 14., in Hamburg seit dem 15. Jahrb., in Brunn
nur die Ewiggülten, in Prag auch die Wiederkaufsgülten , bei Verlust
der Beweiskraft der Privaturkundeu (Rö ssler, Altprager Stadtr. S. 4 ff.
u. n. 109. Brünner Schöffenbuch 119. 427. Auer, 1. c. S. CLU ff.). In
Breslau ertheilte man bis ins 17. Jahrb. hinein Schöffenbriefe über die
Rentenkäufe, daneben führte man seit 1345 Register iiber diese Schöffen-
briefe, das erste ist b(ititelt: primum registrum, Über de registro littera-
rum Scabinorum , auf Befehl der Consuln 1345 begonnen, das zweite:
registrum secimdum An. MCCC quinquagesimo feria sexta post Epiph.
inceptus est secundus Über de registro litterarum Scabinorum in hac urbe,
bis 1356. 20 solcher Schöffenbücher (von 1345 — 1507) befinden sich im
V. 3. Rentenkauf. a. Entsiteluing. Natur. Verbreit. d. Rontenkaufes. 225
bei Uebertragung eines gegenwärtigen Rechtes eine Gewere
begründet , ^) erhält der Rentenkäufei- hier auch eine Gewere
Breslauer Stadtarchive. Ausserdem entliält gemäss a. 14. der Breslauer
Statuten, welelier Kauf- und Miethverträge über Grundstücke in die
Stadtbücher verweist , ein abgezweigter Theil der Stadtbücher die Ren-
tenkäufe , nämlich die libri tradithmum , resignationum et donutionum,
welche, ausser dem Bruchstücke von 1395 — 99, sich von 1483 — 1815
erhalten haben. Endlich findet sich hier das nämliche Material noch , so
weit es die auch der Stadt rentenden Grundstücke betraf , in den lihris
ingronsaforis (25 Bde. 1457 — 1811.) cf. Lab and, Zeitschr. d. Vereins
für Gesch. u. Alterth. Schlesiens. IV. S. 3tf. — In Danzig finden sich
entsprechend der oben citirten Stelle aus dem kulmischen Rechte und der
Danziger Willkür die meisten Rentenkäufe in den von 1426 bis ins
19. Jahrh. hinein erhaltenen Schöffenbüchern, nicht in den Stadtbüchern.
Denn die 4 im Danziger Archive unter dem Namen Stadtbücher vorhan-
denen Folianten enthalten die Original - Rezesse der von 1374 — 1415
abgehaltenen Städtetage der prcussischen Städte , und der von Danziger
Sendboten besuchten Hansetage in Lübeck, daneben eine Zahl der vom
dortigen Rathe vollzogenen amtlichen Handlungen. Demnach gehören
diese Stadtbücher in die zweite der von Homeyer aufgestellten Klassen
derselben. Neben den Schöffenbüchern aber bietet das Danziger Archiv
ebenfalls ein Register der vollzogenen Rentenkäufe in einem Folianten, der
die Einleitung trägt: „Incipit liber ciuitatis Dantzk de ordine
hereditutum deinde de registro censtis. post hec de memoria domi-
norum consulum inchoatus et excopiatus libro ex antiquo.
Anno ab incamacionis domini Millesimo Triceniesimo quinquagesimo
septimo. In octmia natiuiiatis beute Marie rirginis inciinendo primo a
pJatcu funificum siue rej^ers^rac/e (Röperstrasse). et hec hereditates
tene n tur c i u i t a ti pe rp e t u u m cens ii m »ledietate festo nativitatis
Christi et medietate sancti Johannis bapdiste." Allein die censics ciuitatis
sind hier so allgemein autgelasst, wie in den libris iiigrossatoris'/.n'Bveslau.,
Laband, Zeitschr. 1. c. S. lü., indem bei den der Stadt zinsenden Grund-
stücken zugleich die weiteren Zinse und Renten dieser Häuser aufgeführt
werden, v. 1330 — 1400. Daneben ist erhalten ein liber herediturius bono-
rum dinisionum seeandam ordinem aiinorum domini incamacionis (1359
bis 1430), welcher ausser Stiftungen und Testamenten unter den Verträgen
über gerichtliche Verschreibungen auf Häuser viele Rentenkäufe verzeich-
net. — Die Grundsätze über die Verlautbarung der Rentenkäufe vor
Gericht oder Rath scheinen daher durch das ganze Gebiet des deutschen
Rechtes wesentlich dieselben gewesen zu sein.
1) Stobbe, art. Gewere in der Encyklopädie von Ersch und Gruber
I. Sekt. LXV. S. 450 ff.
Neu mann, Gesch. d. Wueher.s. lo
22G V. 3. Rentonkauf. a. Entstehung, Natur, Ycrbreit. d. Eentenkaufes.
und zwar au der Rente, iiiul niii- an dieser. ') Sosteilte sich —
gegenüber der einzelneu Heute — die fortdauernde Renten-
bereehtigung wieder in nabeu Zusammenhang mit dem Grund-
stücke und theilte ihren Platz ZAvischen dem Forderungs - und
Sachenrechte. Sie gehörte zu den Immobilien. 2) Näher auf
die wichtigen Streitfragen einzugehen, Avelche sich an diese
Sätze knüpfen , verbietet das Tliema , so verlockend auch bei
späteren Quellencitaten die Theilnahme an dem wissenschaft-
lichen Streite wird. Denn der wucherliche Charakter des
Rentenkaufes ist speziell nicht berührt von der Frage , ob in
diesem Rechtsinstitute neben der Gewere an der Rente noch
eine Gewere am Grundstücke besteht. Letztere Frage hat es
wesentlich mit dem Verhältnisse des Rentenkäufers zu dem
belasteten Grundstücke , das Thema aber mit dem der Rente
zu dem Kaufpreise derselben zu thun. Die Folgen der Zah-
Imigssäumniss von Renten Seitens des Schuldners, dass der
Rentenkäufer etwa durch Ausübmig seines Rechtes auf Pfän-
dung , auf Zinsbusse , auf Entsetzung des Schuldners aus dem
Grundstücke einen Gewinn zum Kapitale erhalte , fallen unter
die obige Betrachtung der Verzugszinsen (cf. ob. IV. 2.k.)
oder des Pfandvertrages , ^) gehören indessen , soweit sie nicht
1) cf. die Stellen bei Albrecht, 1. c. n. 402, Bruns, Eecht des
Besitzes S.329ff. Kraut, Grundr. §. 130. n. 5. 6. 46. Stobbe, Zeitschr.
L c. S. 189. 190. — Laband, systemat. Schöffenrecht IV. 1. c. 25, 2.
c. 75. 2) cf. Albrecht, 1. c. S. 163. N. 380. Goslar. Statt. S. 23.
Pfälzer L. R. H. 7. §. 3. Thomas, Oberhof in Frankfurt. S. 100. Auch
c. 1. Clement. V. 11. Albrecht sagt in der Rezension über das Dun-
ekersche Buch (krit. Jahrbuch III. Bd. 5. 310): „die Beziehungen, in
denen sich die Gleichstellung der Rentenberechtigung mit den Immo-
bilien zeigt , berühren die innere Natur der Verpflichtung nicht im Min-
desten , die daher trotzdem immer noch den Charakter einer Obligation
behalten könnte." 3) Die Pfändung ist von dem Pfandvertrage streng zu
scheiden. Da in den Urkunden über die Pfändung beim Rentenkaufe fer-
ner nirgends ein jMs ultra sortem erwähnt wird, viel eher ein minus sorte
— weshalb dann eben der Distrakt eintritt -- scheidet die Betrachtung
der Pfändung hier dann aus. Der Distrakt aber mit seinen Folgen ist,
wenn er seinem Wesen nach auch Nichts mit den Folgen des Pfandver-
trags gemein hat , doch wegen seiner äusserlichen Aehnlichkeit mit letz-
V. 3. Renteiikaut'. :i. Kiitstolmiio:. Natur. ^'cl•lJl•eit. d. Rentenkaufes. 227
diesen Gewinn betvetfen, nidit zu unserin Thema. Eben
innerhalb dieser Grenzen aber haben sie dieselbe Natur, mag
man mit Albreclrt, Au er u. A. ^) die Gewere am Grund-
stücke neben der an der Rente, oder, wie ich mitDuncker
und Stobbe nur die Gewere an der Rente im Rentenkaufe
finden. Dagegen bestärken, abgesehen von Obigem, die Folgen
der Gewere am Grundstücke — Aveim man solche unrichtig anneh-
men will — nur noch mehr den an sich unzweifelhaft wucher-
lichen Charakter des Rentenkaufs, indem sie dem Rentenkäufer
ausser der Rente und der Gewere an dieser auch noch die in der
Gewere am Grimdstücke enthaltenen Rechte als einen Gewinn
zum Kapitale zutheilen. Und wenn die Anhänger dieser Ansicht
aucli immer noch den Rentenkäufer ein Obereigenthum an
dem Grundstücke erwerben lassen, soll dadurch doch nicht
die alte oben gezeigte Verbindung der Rente mit dem Grund-
stücke weder hergestellt, sondern wesentlich nur das Pfön-
dungsrecht des Käufers erklärt werden.
Der Rentenkauf, selbst oder mit der Rente genannt Zins-
kauf, Wortzins, ervetins, huszins, husgelt, pensio, census
hereditarius , Ewiggült, Wiederkaufsgült , burgrecht, wicbelde,
weddeschat , Rente , -) vermittelte daher einen Theil des Kapi-
talumlaufes , besonders von Seiten des Grundbesitzes her , ein-
mal durch seine eigene Natur, dann durch den Verkehr mit
Renten und Zinsen, welchen er zur Begleitung und Gefolge
hatte ;^) und zwar wirkte er nicht als Verpfündungsart, son-
terem und da er in s})ätereu deutschrechtlichon Urkunden selbst mit dem
Pfaudvertrage verbunden wird, angemessener oben beim Plandvertrage
mitbehandelt worden, cf. V. 2. h.
1) Aucr, 1. c. S. CXXXVII ff. Beseler P. R. n. §. 9.5. n. IG. —
Bruns, 1. c. S. 331 ff. — Gerber, P. R. §. 188. n. 5. — Mittermaier,
P. R. (6. Aufl.) §. 283. Walter, R. G. §. 551. u. A. 2) cf. Stobbe,
zur Gesch. u. Theorie des Rentenkaufcs. Zeitsolir. für deutsches R. XIX.
p. 182 — 184. 3) Sogleicli hier sei bemerkt: den Verkehr mit Renten
und so die Entwicklung des Ivajjitalumlaufes beeinträchtigte gerade das
römische Redit dadurch , dass es seiner lex Anastasiana auch hier Anwen-
dung verschaffte. In der ^liinchner Grundbuchsurdnung von 1572 u. Hj28
wird bestimmt , dass der Besitzer der Sache , bei Ablösung der Rente nur
15*
228 V. 3. Koiitonkauf. a. Entstehung. Natur, Verbroit. d. Koutonkaufes.
ilerii noben den Verpfändungen und dem Kaufe auf Wiederkauf.
Ehe die Verpföndungen (alte Sat/Aing) sich zur Form der
neueren Satzung umgestalteten (V. 2. oben) , musste vor jenen
der Kentenkauf den Vorzug erlangen , da er gegen beide Con-
trahenten möglichst gleiche Kücksichten übte, durch seine
Gewere wichtige Siclierungsmittel gewann und vor andern For-
derungen, bisweilen ausser dem Pfandrechte, vorging. Dass
schliesslich bei ihm von vornherein der Zins als Preis der
Nutzung fremden Kapitales vorausgesetzt war und dieser als
aliquoter Theil der Kapitalssumme sich nach letzterer richtete,
zog immer neue Anhänger aus weitesten Kreisen zu ihm.
Aus diesen Gründen und weil der in Geld entrichtete Zins
überall leichtere Anwendung fand , daher keinen Kapitalanbie-
ter ausschloss, — wenn er anfänglich für den Schuldner auch
zuweilen schwerer , als Naturalzins , zu entrichten war , — ver-
breitete sich der Rentenkauf immer weiter und wirkte in ver-
schieden den reellen Erfordernissen angepasster Form bedeu-
tend zur Entwicklung des Kapitalumlaufs mit. Die Ausstel-
lung der Vertragsurkmide als Papier auf den Inhaber , wie sie
in Deutschland sich weit über die Grenzen kaufmännischer
Geschäfte hinaus in Uebung fand , musste zur häufigen Anwen-
dung des Rentenkaufes wesentlich beitragen. ^) Zuerst unauf-
kündbar, gestattete er allmählich den Contrahenten , verschie-
denartigst die Kündigung festzusetzen (cf. u.), seitdem die
Lösung des Verhältnisses bei Säumniss der Rentenzahlung
anerkannt war (analog der Lösung des Lehnsverhältnisses bei
Nichterfüllung der Lehuspflichten u. s. w.). Der Zeit nach unter-
schied man ewige, bestimmten Generationen zugemessene,
lebenslängliche , zeitliche Renten u. A.
Wenn sich anfänglich im Rentenkaufe die Gemeinfreien,
als Grundherrn und Besitzer der grossen Geldkapitalien den
den friiheren letzten Verkaufspreis , den der Käufer für dieselbe vom
Dritten erhalten hatte (Transportpreis) bezahlen durfte, cf. Au er, Münch-
ner St. R. Anh. IV. a. 10, VI. a. 8., auch p. CLXXXVI.
1) Duncker, Abhh. über die Papiere auf den Inhaber. Zeitschr. f.
D. R. V. — Kuntze, luhaberpapicre p.29. Ü7 — 71. 75--77. 107 — 111.
V. 3. Rcntonkatif. a.Kntstcluinj,', Natur. Vcvl)rcit. cl. Rontcnkaiifos. 220
Gewerhs- und Detailkaufleuten gegenüber stellten, jene
als Kentenkäuler, diese als -Verkäufer, so musste mit dem
wachsenden Kapitale und dessen Umlaufe, getrennt vom Grund-
besitze, sich bald jenes Verhältniss dahin ausgleichen, dass
Letztere ebenso wie Erstere in beiden Rollen der Kentenkauf-
Contrahenten erscheinen. Die Vertreter der verschiedenen
Stände daher (jetzt der allgemach neu sich bildenden), dann
allgemein Cleriker und Laien , w^eltliche und geistliche Fürsten
legten ihre Kapitalien im Rentenkaufe an, oder suchten Kapi-
talien durch den Verkauf von Renten für sich zu erlangen.
Die Extrav. Gommun. III. 5. cp. 1 (1420) sagen: „pro c/uihus
princeps, haro, m'tlcs, civis sive oppidanus partinm canmdrm,
cum hoc expedirc videhatur, melius pro tiinc non valcntcs sibi
considere, personae ecclesiasticae mit saecidari collegio mit
vnivcrsitati, oppido vel civitati ... vendere consuevit." „... su-
per hujusmodi censibus plurima heneficia ecclesiastica , colle-
gia, canonicatus et praebendae, dignitates, personatiis et
officia vicariae altaria numero plus quam duo milia. . . "
Die Kapitalien der Hospitäler, Klöster und Kirchen „ncc non
omncs fere quotldlanae distrihutiones, quae in plerisque ex
ecclcsiis ipsis divinis interessentibus ministrm'i solehaut "
(cp. 2. Extrav. comm. III. 5. 1455), waren fast nur in Renten
fruchttragend angelegt. Aecker, Wiesen, Gärten, Wälder,
dann städtische Grundstücke, Kaufläden, dann die an Immo-
bilien geknüpTten Rechte, zuletzt selbst bewegliche Sachen
(cf. u.) belastete man mit Renten. Beide, Stadt und Land,
befruchtete man mit den Geldkapitalien; auf dem Lande beson-
ders führte man dadurch eine intensipve Be-\virthschaftung des
'Bodens ein, man nutzte ihn mehr aus und vermehrte durch
den hierbei hervorgebrachten Gewinn Aviederum das Geldkapital
und dessen Umlauf. Speziell die Klöster in Mittel- und Süd-
deutschland vollzogen hierin eine Hauptaufgabe ilirer Kultur-
Mission. Die ausgedehnte Betheiligung der Kirche am Renten-
kaufe musste vornehmlich zur nachhaltigsten Empfehlung
desselben bei allen Laien gereiclien, da schon hierdurch die
Kirche thatsächlich ihre Billigung des Institutes vor dem
AVucherverbote kund that, während sie von den sonstigen
230 V. 3. Reiiton1<;mf. b. Uiiibilduiig des UciitoiilüTufes.
Wegen fruclitbriugeiider Kapitalsanlage die Kapitalisten
abschreckte.
b. Umbildung des Ecntenkaufes; Annäherung desselben
an das zinsbare Darlehn.
Diese grosse Verbreitimg des Rentenkaufes, durch die
Gesetze der Kirche so wenig, wie durch die der heimischen
Machthaber behindert, musste zumal in Folge der sonstigen
Schranken der Kapitalsverwerthuug, zu einer starken Beschwe-
rung der Immobilien durch Renten führen. Einige Gesetze
suchten Abhilfe hiergegen in der Beschränkung der Renten-
aufnahme. Dieses geschieht im lübi sehen Rechte IL 236
und im vermehrten Sachsensp, 11.4, D. 19. So setzt
auch die Danziger Willk. v. 1454. fol. 13 (übrigens schon seit
dem Ende des 14. Jahrhunderts) fest:
„ euch sal nymandt meh zcinsze vff seyn erbe nemen , denne
van eynem manne vnde ab her von eyme andern meh zcin-
szes uff seyn erbe nemen weide, so sal her den ersten vnde
vorighen czinsz abelozen."
Doch fol. 14 begegnet schon die Beschwerde,
„ welch erbe hoger verszinset ist denne es wirdig ist."
Dieselbe Bestimmmig kehrt wörtlich noch in der Willkür von
1580 (Arch. bibl. Danz. X.4) II. 7 wieder. Ja selbst 1590 sagt
die Danziger Willk. IL cp. 2. v. Pfennig Zinsern:
„ Ein jeder Burger mag auf sein Erbe gelt nehmen zu Pfen-
nmg Zins von burgern ... Es soll aber uff einem Erbe nicht
mehr denn ein Pfenning- Zins s sein, dorumb niemant
mehr zinss auf sein erbe nehmen soll, den von einem
manne."
Wie wenig diese gewaltsame Einschränkung natürlicher Ver-
hältnisse helfen konnte, wie leicht sie umgangen wurde , leuch-
tet ein und lehren die zahlreichen Urkunden des Rentenkaufes
in den verschiedensten Theilen Deutschlands. Die Danz. Willk.
selbst setzt sogleich hinzu :
„und so er mehr geldes auff das erbe nehme, dan von
einem manne, nemlich auf die Verbesserung, ^) so soll
1) cf. Arnold, z. Gesch. d. Eigenth. in d. deutsch. St. S. 150. 151.
164 ff. Kraut, Grundr. §. 130. n. 28. (1415.)
V. 3. Rentenkauf. b. rnibilduiig des Rentenkaufes. 231
weder die Verbesserung noch ir kein andere Versicherung
dem Pfennig Zinss präjudiciren können , ^) sondern der
Pfenning Zinss soll für allem vorgehen, es sey mit dem
versessenen so hoch aufgelauffen, als er wolle oder kunne."
Vereinzelte Gesetzesstellen, Avelche durch ihren Wortlaut, ihre
eigene Widerlegung, die in grosser Zahl mit Uikunden zu
bestätigen ist, durch ihre Stellung in der Willkür mitten in
den Klagen über säumige Zinszahlung und deren Mahnung
u. s. w. sich wenig eignen , die Lehre von dem durch den Ken-
tenkauf begründeten Obereigenthume des Käufers am Grund-
stücke zu bestärken. -) Andere Gesetze gestatten die Belastung
durch mehrere Renten theils ganz frei , theils in gleicher Vor-
sorge innerhalb bestimmter Zahl. ^) Damit hängt zusammen,
dass man bei der Häufung der Zmse und Renten auf emem
Grundstücke die Gleichberechtigung der einzelnen Forderun-
gen ausdrückte („keiner der erste und keiner der andere"),
oder die Reihenfolge derselben genau in den Vertragsurkun-
den vermerkte (cf. ad a.). Den Maasstab gewährte in den mei-
sten Fällen die Zeit des Zms - und Rentenkaufs. ^) Conkurriren
aber Zinse , die auf eine ganze Menge , ganze Art von Vermö-
gensstücken gelegt sind, mit solchen von einzelnen Sachen
desselben Vermögens, so gehen die Speziairenten den gene-
1) Bedeutet dies nicht , dass auch das Pfandrecht an dem rentenden
Grundstücke der Rentenforderung ausnahmslos nachsteht ? cf . lübisch. R.
II. 236 und Pauli, Abhh. U. S. 34 (1318.) 2) cf. Albrecht, Gewere
S. 160 ff. — St ebbe, Zeitschr. XrX.211 führt die ähnUchen Stellen lüb.
R. n. 236. u. venu. Sachsensp. U. 4. D. 19. auf den Schutz nur des zwei-
ten Rentenkäufers zuriick; daher ist auch er obiger Ansicht. 3) cf.
Goslarer R. S. 21. ganz frei, nur im Beispiele Averden 3 Käufer auf-
geführt , Verdener Statt a. 40. gestatten nur 3. 4) S y s t e m. S c h ö f-
fenrecht IV. 2. c. 77 — 79. Arnold, Grundeigenthum p. 121ff. Bei-
spiele des 14. Jahrh. aus Südwestdeutschland. — Verd.ener Statt a. 40
gestattet nur 3 Renten auf demselben Grundstücke : „ vnd de gelden alle
gelik, de jüngeste, alse de oldeste." — Das Goslarer Stat. 1. c. unter-
scheidet sie nach der Zeit des Kaufs — vielleiclit eben , weil es keine Be-
schränkung in der Zahl eintreten lässt , während der Grundsatz des Ver-
dener Rechts bei der Gleichstellung der Gläubiger die Rechtssicherheit
nur durch Beschränkung ihrer Zahl aufrecht erhalten zu können glauben
mochte, cf, La band, Systeniat. Schöüenr. IV. 2. 77.
232 V. ;l. KiMitciiliauf. 1>. Uiiil)il(liing dos 'nnitcnl<;uift's.
relleii Renten vor, nnd zwar sowol dort, wo die einzelne
Sache mit der Art auch körperlich en<? verbunden ist, als
dort, wo sie es nicht ist. ^) War das Grundstück mit Zins und
Kente überbürdet, wie u. A. die eben zitirte Stelle der Danz.
Willk. V. 1154 (fol. 14) berührt, so verlor der letzte lieuten-
gl;iu])iger sein Kapital, wenn er nicht das Grundstück über-
nahm. Denn wo dieses bei Ablehnung des letzten ein früherer
Gliiubi^er thnt, hatte dieser nur für die Entriclitung- der vor
ihm stehenden Konten zu sorgen. -) In Orten , wo Bestimmun-
1) cf. La band, Systemat. Schöifeiirecht IV. 2. c. 78. 79. Es kon-
kurrirt in c. 78 ein Zins von einem bcstinmiten Erbe mit der Weisung,
für den Verzugsfall soll dem Käufer, ,, ab ym an dem erbe iclit abeginge,"
das ganze übrige Vermögen des Verkäufers haften (,,dirliolen an alle
synie gute ") , und ein Zins von einer brewpfanne des Verkäufers. Die
Schoppen entscheiden: „dem manne, dem die pfanne geantwort ist vor
syn czins von rechti's wegen, der sal dobei bleibin." In cp. 79. 1. c. con-
kunirt ein Zins von „ syn haus vnd uf alle syn gut, varnde vnd unvarnde"
mit einem Zins ,,uf syne brewpfanne, dy do in demselbin huse vnd
erbe ingemauyrt vnd ingecleibit stunde." Die Schoppen entschei-
den : „ Das künde yn allis nicht gehelfin , sunder dem dy p f a n n e geant-
wort ist vor syne vorsessene czinse von gerichtis wegen, der sal dobey
blcibin." Das spezielle Eentenrecht geht daher dem generellen vor.
(Ebenso wie beim Pfände cf. ob. V. 2. g.) 2) cf. über diese Anfänge des
Gantverfahrens , die sich in Norddeutschland nicht minder , wie in dem
übrigen deutschen Kechtsgebiete aufweisen lassen, Goslar er St. R.
(Göschen. 233) Böhmer, cod. Moenofr. 451 — 452. Zeitschr. f. schweizer.
R. VU. 18 ff. 119ff. (Fr. v.Wysz, Heusler.) Arnold, städt. Grundeigenth.
123 — 24. Auer, Stadtr. von München p. CCff. Während dieses Verfah-
ren den Gläubigern eine Abhilfe bei Zahlungssäumniss des Schuldners
gewährte, schaffen andere Gesetze auch dem bedrängten Schuldner, zumal
wo e r keinen Grund der Noth gab , eine Erleichterung durch Mässigung,
Nachlass der Renten. So bestimmt u. A. die Landesordnung über das
Stift Ernieland, unter Mitberücksichtigung der Renten, 1575 art. 26
(Danz. Arch. bibl. X. 14) :
von pfennig zinsenn vnd crbegeldcnn.
„Wo auch weiter pfennig zinse in Steten vnd auf dem Lande auf ver-
brannten vnd heuseren , von welchenn sieder negstenn Krige bisherr un-
vormugens halben keine Zinsz gefallen ist, sol das dritte teyl ann der
hauptsumma vonn denn zinss haber gefellet werdenn vnnd die ubryge
Zweytel vonn dem besitzer ; weittcr wie vor vom Michaelis vber einn Jar
das ist Im 27 anzuhebenn vorzinst oder vff drey termin mit bczallungk
V. 3. Rciitciikauf. b. ruibiMiin-;- d.-s FfiMitiMikiinfos. 233
gen, wie die angeführte der Dan/. Willk. fbl. 13 galten, konnte
Dieses natürlidi nicht begegnen. Audi aus späterer Zeit findet
sich im Gesetze Nidits von einer Coukurrenz der Gläubiger
bei mangelnder Kealsidierheit des Grundstücks. In dem aus-
fülirlichen Artikel der Danziger Willkür von ]59(», welcher
sogleich folgt, über die Kündigung des Gläubigers und den
daran sich schliessenden Subhastations - (Strohwisch -) Prozess,
ist nur immer von einem Gläubiger die Rede.
Ein geeigneteres Mittel,^) welches zugleich die zweite
von dem Rentenkaufe höchst bedrohliche Gefahr, nämlich die
Bannung des Kapitales an die Scholle und die Behinderung
des immer nöthiger Averdenden Kapitalunüaufes al)zuwenden
vermochte , bot sich darin , dass man ^) die Unaufkündbarkeit
der Rente, ihren Charakter als „Ewiggeld" zerbrach, und
zuvörderst dem Schuldner gestattete, gegen Zahlung des
10 bis 20 fachen Betrages der Rente (des Kaufpreises dersel-
ben) sein Grundstück von der Rentenlast zu befreien, die
Rente abzulösen. Die rechtliche Natur der Rente schien
dadurch so wesentlich verändert, dass man nun zuweilen die
ablösbaren Renten zu den M o b i 1 i e n , die unlösbaren zu den
Immobilien zählte. Dieses übte wieder einen besonderen
Einfluss auf den Verkehr mit Renten und so auf die Entwick-
lung des Rentenkaufes selbst, da die Rente als bewegliche
Sache der gesetzlichen Schranken entbehrte, welche die freie
des Jerlichenn vonn liinderstelligeiin Sunnnen abgeloset werrlcnii, wo aber
der zinss anganiigenn Ist, solch ehr auch weyter ganghafftig bleiben auch
soll alle schuldt derselben piennig Zinnszer von negstein Kriege bislier
hinderstellig erlassenn werdenn vnndt todt seyn , Es hat sich dann
Jemandes vor dieser Zeit mit seinenn schuldigernn sonst freundtlich vor-
einiget. So aber ein erbe hoher denn mit 3 m. durch ])fennig zinss
beschweret ist , woUenn wir Inn Dem fahl ein gleichmessig einsehenn zu
thuen macht haben."
1) Just. Moser, lüitriot. Pliantt. II. n. IS. 2) Vornclimlicli. seit-
dem das Obereigenthum mit seinen Zinsen durch Kauf übertragen zu
werden anfing, doch vielfach auch ohne diese Brücke, zumal in den Ge-
bieten Norddeutschlands, wo der Kai>italcharakter von Geld und Zins
sich schneller und entschiedener ausbildete, wie die sogleich folgenden
frühesten Beispiele gerade aus jenen Distrikten zeigen.
234 V. 3. Roiitcnkauf. b. Unibildmig dos Eentonkaufcs.
Uebertragung der unbeweglichen Sache behinderten. Die Ab-
lösung der Eente findet sich bereits im 13. Jahrhundert, und
zwar damals schon in den Gesetzen, so 1240 in dem
lübeckischen Statut.
Dieser frülie Gesetzesausspruch lautet im Eingange
(art. 195): ')
„dar ene gemene not to handes na dem groten brande, wart
dat recht gemaket , . . "
also durch die augenblickliche Noth wird man dazu gezwungen ;
auch hier bewirkt solch äusserer Missstand gerade eine wirth-
sehaftliche Förderung, indem die Gruiidstückeigenthiimer oder
- Besitzer zum neuen Auf- und Ausbau Diren Boden mit vielen
Eenten belasten mussten , die , wenn nicht ablösbar , drückend
wurden.
Die Ablösbarkeit wird deshalb auch zunächst nur für die
neuen Renten ausgesprochen:
„dhat al dat wikbeldegelt , dat vort mer to queme, man
wedderkopen mochte , so vm also vele , alse it gekoft wart."
Dann wird dieser Satz auch auf die worttiiise d. li. hier die
Zinse aus dem Erbzinsrechte vor dem Brande ausgedehnt :
a. 197: „we so aver sitt vp Avorttinse, dat vor dem brande
was vnd dat do dat recht hadde , dat man id nicht wedder-
kopen muchte, dat schall ock nv vort mer to kopende ligen."
Der eingeschobene Satz kann andeuten, dass in der Praxis
bereits vor 1240 die Parteien im Vertrage festsetzen, ob die-
ser Zins ablösbar sein sollte, oder nicht.
Die gesetzliche Bestimmung des Ablösungsfusses wird
dahin gegeben für das Erbzinsrecht:
a. 196. „Set aver sie jement to worttinse vp enes minschen
wort, se ne hebben den vndertüschen andre vorwort, de
ghene mach de marc nicht negher wedercopeu, denn vm
9 marc silvers." ^)
1) cf. auch Hach, das alte lüb. Recht. II. 125. HI. 229. Revid.
lüb. R. Ul. (i. 9. 2) Der&elbe Fuss findet sich bereits a. 183. 1. c. Man
sieht aus dem Anfange dieses art. 196. deutlich , wie nachdrücklich er
den Zins des Erbzinsrechts (als up worttinse sitten a. 197. II. 127 to
worttinse up enes minschen wort 196. II. 125. to worttinse nemen 183.
V." 3. Rentenkauf. b. Umbildung des Rentenkaufes. 235
(Nach dem ältesten lübischen Müiizfusse prägte man aus 1 mrk.
Silber 2 mrk. Pf., also steht jene Ablösung zAvIschen 5 — 67o).
1210 erkannte das Hamburger Stadtrecht die Ablös-
barkeit (Wiederkauf) der Rente an, doch unter der Bedin-
gung allein , dass der Preis der Rente pro Mark bemi Rück-
kaufe den Ankaufspreis um 1 Mrk. überstieg. Hierm liegt nicht
eine auch sonst in diesen Gegenden nicht bemerkbare Rück-
sichtnahme auf das kanonische Recht, dass man durch die
Steigerung des Preises etwa den Vertrag als wrklichen Kauf
auf Wiederkauf, nicht als verschleiertes Uarlehn kennzeichnen
und so die Genehmigung der Kirche dafür sichern wollte. Denn
der Rentenkäufer (Darlehnsgeber) erhielt ja hier ausser der
Rente noch die Preissteigerung beim Rückverkauf, wenn diese
auch gering und zweifeDiaft war , da vielmehr wegen des all-
gemach während der Dauer des Rentenkaufes gesunkenen
Werthes der Rente der Preis gesteigert werden mochte. Allem
ein wirklicher Rückkauf war mit der Preisänderung noch
bezeichnet, während durch die gestattete Ablösung
das Rechtsgeschäft sich dem Darlehn wesentlich
näherte. — In den Magdeburger Fragen 11. 1. 5 (Sach-
senspiegel ed. Zobel) will der Rentenverkäufer gerade beim
Tode des ersten Käufers die Rente zum früheren Kaufpreise
wiederkaufen. ^) Die Magdeburger Schoppen sprechen für
Recht: „der zinsmann niuss beweisen, das der Zins
sei abzulösen, und der ander, der den zms daran hefft,
bedarf des nicht beweisen." Hier offenbart sich daher noch
II. 123 u. a.) der Rente aus dem Eentcnkaufe (wicbilde. w-icbildegelt,
wicbilde ofte wortezins a. 195. II. 122. 235. 236) gegenüberstellt. Erst
von dem Erbzinsrechte gingen hier dessen weitergreifende obige Bestim-
mungen, sowie sein Zinsfuss, auch auf den Rentenkauf über. Kraut,
Grundriss §. 130. n. 38. 39 stellt noch in der 4. Aufl. beide Stellen als
gleichbedeutend neben einander. Auch Pauli, lübcck. Zustände 1. c.
scheidet nicht diese zwei Arten von Zins.
1) Wol oft war dies die äusserliche Veranlassung für den Verkäufer,
weil bei solchem Todesfall der Verkäufer sich nicht der neuen Generation
der Erbfolger gegenüber mit der Rente belasten wollte , die Erbfolger
andrerseits zur Theilung lieber das baare Kapital als die Rente mochten.
Hier freilich trifft nur das Erstere zu.
23fi V. ;3. RentiMiknuf. 1). Tinl)i1(luiig des Rontonkaufos.
das Solnvanken der Gesetze und Richter, nachdem bereits im
tä.ülichon Yerkelire die Parteien die AMösuiifif durch ausdrück-
liche Uebereinkunft in dem einzehien Vertrage eingeführt liat-
ten. 1350 dagegen nelimen dieselben Magdeburger Schöffen
es bereits als allgemein gültig an, dass der Verkäufer die
Rente ablösen kann. ^)
Auch in der ältesten erhaltenen Danziger Willkür von
1454, welche indess bereits vom Ende des 14. Jahrhunderts
datirt, heisst es fol. 13 (Danz. Arch. bibl. X. 1): „vnde ab
her von eyme anderen meh czinses uff seyn erbe nemen weide,
so sal er den ersten vnde vorighen czinsz abelo-
zen." Nicht anders setzt die Normirung der Rente durch den
Hochmeister auf dem preussischen Städtetage von 1427 (cf.
Bornbach, Recesse (1416 50) fol. 82". Danz. Arch. bibl.)
die Ablösung derselben Seitens des Verkäufers voraus : „1 mrk.
vmb X gekoufft vnd czu losende" und zwar in den Städten
ebenso, wie „vff dem lande." ^) Rudolf von Habsburg spricht es
1283 für Gosslar selbst aus, dass es um Entlastung der Häu-
ser willen geschehe, und mittelbar, um die Unterthanen zurErfül-
lung ihrer Staatspflichten (Steuer und Militairdienst) leichter
zu befähigen, wenn er die Ablösbarkeit der Rente mit dem
zehnfachen Betrage derselben gestattet. ^) Nachdem Wenzel
1390 dies Privileg erneuert hatte, wurde es danach in das
Stadtrecht aufgenommen. "*) p]benso ^) sind die Renten wieder-
1) cf. System. Schöffenreclit IV. 1. c. 26. IV. 2. c. 77. 2) cf.
ib. fol. 599. 14.38. 2. Juni in conv. Marienburg prinio: ,. jeder freic'man
iru lande zum Colinen, der sich in das Privilegium geziehen niagk, magk
die zinse , die er also lange auf seine gutte geliott hott, ablosen die mark
vor 12 m. geldes , den scheffel getreyde vor 12 scheifel abzulösen nach
vermögen der gleich Emde vnd allerley zinse ieglich abzulösen mit dem
czwelfften." Hier also wird vom Gesetzgeber selbst erklärt, die Norm
der 8* 3 ",„ vom Jahre 1427 beziehe sich auch auf dieAblösung der Renten.
Die Norm bestand schon aus dem 14. Jahrb. Bornbach, Rezesse (cf. u.)
3) Böhmer, Reg. Rud. n. 7.58. 4) Göschen, Gossl. St. R. S. 2.5.122.
5) cf. Seibertz, westphäl. Urk. Buch 1. c. §. 15. u. v.A. cf. u. 1350 nach
dem Systemat. Schöffenrechte JY. 1. cp. 26. 32. 40. 41. IV. 2. cp.
3. 57. 77. 79. 90; 91.
V. 3. Rentonlcauf. b. Umbildung des Rentenkauf es. 237
käuflich nach dem Stadtrecht von Brilon 1290; 1388 nach
den Statuten in Uhn. ^) So frühe schon offenharen diese Ge-
setze das der neuesten Zeit nicht fremde Bestreben, den Grund
und Boden von den Lasten zu befreien, welche eine frühere
oder spätere Zeit ilim mit oder ohne den Willen des Besitzers
auferlegt hatte und welche um so drückender erschienen, je
höher sich die Landwirthschaft entwickelte. ^) Im 14. Jahr-
hundert wendet man die Ablösung bereits sehr zahlreich an,
und der Prozentfuss derselben stimmt fast durch ganz Deutscli-
land mit dem Zinsfusse der Konten selbst. ^) Er beträgt durch-
schnittlich vom 14. — 17. Jahrhundert zwischen 7 — 5%. So
ist es in Frankfurt a. M. ^) in den Jahren 1313 bis 1333. '^) Zu
Neustadt a. d. Hardt schwankt der Zinsfuss der Ablösung *') in
derselben Zeit zwischen 8^3 — 476%^ durchschnittlich beträgt
er also auch 5^2 7oi t)6i höherem Zinsfusse walten besondere
Verhältnisse ob, bei sehr bedeutender Abweichung liegt ein
Schreibfehler zu Grimde (50^0 u. A.) In Speier stellt sich im
14. und 15.. Jahrhundert der Ablösungszinsfuss , übereinstmi-
mend mit dem Zinsfusse der Rente, auf 5% durchschnitt-
lich , ") ebenso in Durlach , Basel, Heitersheim im Breisgau von
1376 bis 1.532, so aucli in München 1391.'^) Auch das Ablö-
1) Bluntschli. Zur. R. G. II. IIS. Jcäger, UlniS.327. 2) cf. u.A.
noch Gesch. d. Klosters zum heil. Kreuze in Donauwörth (Koenigs der fcr)
p. 132. Ucberschreitet innerhalb 10 Jahren nach der Norniirung des Renten-
fusses der contrahirtc Fuss den ersteren, so kann der Verkäufer in 2 Mona-
ten nach Abschlu.s« des Vertrages diese Rente ablösen gegen Erlegung des
empfangenen Kaufpreises. 3) cf. Altprager St. R. (Rössler) Einl.
p. LXII. Auer, Stadtr. v. München p. CLXI. Grundbuch Ord. v. 1572.
1573. Eine Ausnahme enthält, wie gezeigt, das Hamburger Stadtrecht
von 1270. U. 1. cf. die grosse Zahl der Beispiele aus den Städten des
Oberrheins bei Mo ne, Zeitschrift zur Gesch. des Oberrheins I. p. 26 ff.
4) cf. Böhmer, cod. diploni. Francof. p. 403. 40G. 414. 415. 431. 442.
523. 530 u. a. 5) cf. auch Frankfurt. Reforniat. II. 7. §. 3, welche
die Renten ebenfalls für ablösbar erklärt. (Jj Im Nekrolog des Stiftes
zu Neustadt a. d. Hardt fol. ll'J. 118. lli». 121. 137 ff. 141. 7) cf. Mon e,
1. c. 8) cf. die betreff. Zinsbücher im Karlsrulier Archive ; das necro-
logium Basileense B. Mbne, 1. c. Auer, Münchener Gerichtsbuch 1391.
fol. 44. Dies stimmt auch mit der Tabelle überein, welche Arnold, 1. c.
S. 222. 223 von 2H wirklichen Zinakäufen aus Basel von 1310 — 150'J
•2;^S V. 3. Reutenlcanf. l). UmbilJung des Rentenkaufes.
sungsgesetz der Erschatz - Zinse in Basel von 1527 bestimmt
nocli : „Avo man erschatz giebt, den soll man ablösen mögen,
ahvcgen ein Schilling erschatz mit dem vierten theil hanptguts
dass thut fünf Schilling." *) Desgleichen erklärte der Baseler
Kath 1441 (ebenfalls, um die Ueberlastung der Häuser zu
vermeiden) alle neuen Renten durch iliren 20ftichen Betrag,
also zu 5" 01 fiii' ablösbar; und die unten folgende Zusammen-
stellung des Reutenfusses beweist, dass zu jener Zeit in Basel
5% der allgemein übliche Prozentsatz für Renten war. ^) Die
Geistlichen geniessen hierbei keine Ausnahme vor den Laien.
4% bei Ablösmigen sogar sind im 15. Jahrh. in den kleineren
Städten dieser Gebiete nicht selten. ^) Daher steht vereinzelt
der Ausdruck im M unebener Gerichtsbuch v. 1391 fol. 44*):
„ — die besunder friuntschaft getan, daz der — gaer-
lichen vnd ewiglichen gewalt habent ze losen die — ewiges
gelts swauu si mügen, ein tail oder gar ye 1 guidein vmb
XX guidein." In den norddeutschen Gegenden stellt sich zu
dieser Zeit der Ablösungsfuss höher zwischen 8^2 und 12%.^)
Erst im IG. Jahrhundert scheinen hier der Ablösungs- und der
Zinsfuss der Rente auf circa 6% gesmiken zu sein. Lübeck
fi-eilich macht, wie gezeigt, eine Ausnahme, Dank seinem
früher entwckelten Waaren - und Geldverkehre. Um die Ab-
lösung zu erleichtern, gestattete man die Rückzahlung des
Kapitales in Raten. ^) So heisst es in dem Schwarzacher Ma-
nual. (15. Jahrb.): „Item 40 Pfund sind abzulösen mit 1000
Pfund , und sind drig ablosung , iecklich 300 Pfund 33 Pfund
6^2 sz. 2 Pf.," und aus derselben Zeit bei Pauli (lüb. Zustände
1. c.) Zuweilen vereinbarten die Parteien 2 — 3 malige Ablö-
giebt, obgleich die Berechnung hier wegen der uiangchiden Taxe der
Naturalliefeioingen ungenau wird.
1) cf. Baseler RechtsqueHen. T. 371. 2) cf. Baseler Rechtsquel-
len. I. 140. 3) cf. Manual von Schwarzach bei Rastatt. F. fol. 2. Karls-
ruher Arch. Mone, 1. c. 4) Auer, S. CXXXVI. n. 4. 5) cf. Syste-
matisches Schöffenrecht (1350) IV. 2. cp. 79: 10"/„; cod. dipl. Sil.
in. p.74 (1346): 12«/« IV. p.204 (1389): lO"/,, u. a. Danz. Schöppenb.
von 1447. fol. 265. u. v. A. 6) cf. Auer, Münchener Gerichtsb. (1391)
fol. 44: „ein tail oder gar." cf. Mone, 1. c.
V. 3. Eentenkauf. b. Umbildung des Rentenkaufes. 239
sung, oft markweise, j?i zu Raten von 8 Schilling. Dadurch
ward das Institut gleich euier Sparkasse für die Armen, um
durch fremdes Geld sich allmählich einen eigenen Heerd zu
erwerben. Und die Gläubiger gmgen gern auf diese kleinen
Abzahlungen ein, weil sie die kleinen Renten bald wieder ver-
kaufen konnten. Ihre Sicherheit war nicht gefährdet, wie oben
gezeigt wurde , da u. A. ohne ihre Zustimmung nach etlichen
Gesetzen eine neue Rente dem Grundstücke nicht aufgelastet
werden durfte, und da sie ferner ein Xäherrecht beim Verkaufe
des Grundstücks besassen. Im Gegensatze hierzu verlangt das
Stadtrecht zu Brilon ^) ausdrücklicli die Abzahlung in einer
Summe. Ebenso setzen die Parteien dies zuweilen fest." ^) Da-
gegen mit Obigem stimmt wesentlich die Erklärung des Pab-
stes Martin V. 1420 überein , die er auf Grund der ihm aus
Deutschland eingesandten Berichte über die Zeit von 100 und
mehr Jahren vor 1420 (a centuiu annls citra et supra
et a tanto tempore et per tantum tempus, cujus contrarii
memoria hom intim non existit) in Extrav. Comm.
III. 5. cp. 1 dahin abgiebt: „...et sempcr in ipsis contracti-
bus exprcsse ipsis cenditorihus data fuit facultas (also weni-
ger durch em Gesetz) atqiie gratia, quod ipsum annuum
censum in toto vel in parte pro eadem summa de-
nariorum, quam ah ipsis emtorihus receperunt
quandocunque vellent UhCre absque alicujus requisitione , con-
tra dictione vel adsensu possent extingiiere et 7'edimere ac sc
ah ipsius census solucione extunc penitus liherare." Desgl.
Calixtus in. 1455: „.. quod ipsi pro rata, qua hujusmodi
per eos receptam dictis ementihus restituerent pecuniam in
toto vel in parte, a solutione .. liheri forent.." (cp. 2. ib.)
Aus allen diesen Gründen scliritten einzelne Partikular-
gesetze im 15. und IG. Jahrhundert so weit, mnerhalb einer
bestimmten Zeit nacli Eingehung des Rentenkaufes die Ablö-
sung der Rente zu befehlen,^) oder allgemein die Aufnahme
1) Seibertz, 1. c. §. 15. 2) Pauli, Abhh. II. S. 24. (1305) „re-
emfiidum in una summa qiiumlibet marcam pru XVI m. den." 3) cl".
Stuttgarter .Statt. 141*2 (Sattler Gesch. der Gravou v. WürteuibergV.
l*. 3G) p. G5: innerhalb 4 — 5 Jahren.
240 V. ;?. Roiitonkauf. h. riiibikluiig ilos Rontenkaufes.
von unkündbaren Ewiggälten zu verbieten. ') Da indess nicht
selten damals aueli Fälle begegneten , in denen Kapitalbesitzer
nur gegen Verptliehtung der Grundbesitzer, eine lange Keihe
von Jahren die Renten ohne Kündigung des Kapitales zahlen
zu wollen, ihre Kapitalien letzteren ausliehen, — zumal da
der Mangel sonstiger gewinnreicher und zugleich doch sichrer
Kapitalanlagen sich erst später hob — : erachteten eine Keihe
anderer Partikulargesetze es angemessener, unter Verbot
unkündbarer Renten den Parteien lediglich die Modalitäten
der Kündigung und Ablösung anheimzugeben. Dies ist, wie
wahrschemlich der meisten Ablösungsgesetze , so auch der
Smn der Baseler Bestimnmng von 1441 , indem hier neben
dem Verbote unkündbarer Renten der Rath nur erklärt, dass
der Rentenverkäufer für den zwanzigfachen Betrag die Rente
selbst gegen den Willen des Käufers ablösen kann. Der Rath
sanktionirte den allgemein üblichen Rentenfuss von b^j^ für
die Ablösung, nicht für den Rentenkauf , weshalb auch nach
1441 hier noch höhere Renten, als 5% vorkommen. ^) Beson-
ders klar lässt sich diese Entwicklung der ablösbaren Rente
in München verfolgen. Zuerst galt die Rente hier allgemem
für unablöslich, nur die Ueberemstimmung beider Theile machte
sie ablöslich. Ausnahmsweise gestand der Käufer dem Ver-
käufer bereits im Kaufvertrage die Ablösung zu. ^) Darauf
gestatteten landesherrliche Privilegien von 1391, 1418 und
1453 die Ablösung allgemein , aber nur für einen bestimmten
1) cf. Solmser L. 0. 1571. ]). 83. 2) Freilich ist dies kein durch-
schlagender Beweis , da auch gegen solche Gesetze , welche völlig zwei-
fellos den Eentenfuss beim Ankaufe der Renten selbst betrafen (cf. unten
sub c.) viel höhere Prozentsätze wiederholt in üebung büeben , ebenso
wie tiefere Prozentsätze , wenn der steigende Kapitalverkehr sie bedingte,
durch solche Gesetze nirgend aufgehalten werden konnten, noch können.
Die seit dem Anfange des 16. Jahrh. in Deutschland allgemein üblichen
5" 0 behan-ten bis heute eben in Folge des nahezu constanten Verhält-
nisses von Angebot und Nachfrage heut und damals. Gerade der Wechsel
der Gesetze und der Praxis in diesem Punkte , welcher trotz jener Ueber-
einstimmung hier und dort nicht ausblieb , bestätigt diese Behauptung.
3) cf. ob. das Citat aus Mon. Boic. XTIU. 207. XIX. 6. Münchener Ge-
richtsb. 1391. Ibl. 44 (1393). Auer, Münchener Stadtr. p, CXXXVI. n. 4.
V. 3. Eenteiikauf. h. Umbildung des Rentenlcaufes. 241
Zeitraum,') nümlieli im Privileg von lo91 vom Freitage vor
dem Palmtag 1391 bis Georgi 1392, im Privileg von 1418
vom Donnerstag vor St. Ursula 1418 bis Michaelis 1419, im
Privileg von 1453 vom Montag nach dem Sonntage Misericor-
dia 1453 bis Georgi 1454. Diese „gemeine, offene, gebotene,
gemeine berufte Losung" konnten die Parteien ausschliessen. ^)
Der allgemein gewordenen einseitigen Ablöslichkeit der Renten
entsprachen schliesslich die Grundbuchordnungen von 1572
und 1573 durch das Verbot unablöslicher Renten: „Item es
sollen Stadtschreiber und underrichter nun füran kheinen brief,
darinnen der verkhaufft ewiggelt steuerfrey verschriben sey,
nit mer siglen, dessgleichen auch khainen ewiggeltbrief auf
unablöslich, wie vor alters gebreuchig gewest, weder schrei-
ben noch siglen es gescheche danne mit rhats vorwissen und
erlaubnus." ^) Dem gegenüber sagt das Br (inner Schöffen-
buch n. 119: „rex Joluinnes in favorem communitatis
civitnti prlinJcglum äeä'd , quod nnllns in civitatc censum
p er 2)0 tun m hahcnt; si didus civis censicm sponte voluerit
solvere pcrpctnnni , potest; in registrum autem civitatis in
praejndicium dicti rcgalis privileyii didus census scrihi non
debet, imo si ipse dvis vel quicunque ejus successor cum VI
marcis (bei 1 mrk. Rente) ah ipso se voluerit redimere — clau-
strum non obstantihus Uteri s, qtias praetendant , ad talem
recijyiendam rcdemptionem compeUi dehent justitia mediante/^
und setzt in n. 124 fest, der Zinskäufer dürfe den Verkäufer 7Air
Ablösung der Rente nicht zAvingen. Ein Aehnliches erhellt aus
demWortlautederReichsgesetze(R.P.O. 1577.17. §.1—2.
— 1577. 17. §.9): „und die Loszkündigung der Gültverschrei-
bung auff Wiederkauf, wie Wiederkaufsrecht bei dem Verkäu-
fer und nicht bei dem Käufer stehen, unangesehen wie diesel-
big Gültverschreibung gestellt ist." Derselbe Grundsatz Avurde
1) Offenbar im Anschlüsse an die Gewohnheit der (Kontrahenten,
wie sogleich im Texte zu zeigen ist. und als Anbalinung bestimmter Kün-
digungsfristen, entsprechend den natiirliclien Verhältnissen des Geld-
und Grundbesitzes. 2) Mon. Bo. XX. 325. 329. 351. 373. 429. 433. 451.
475; XVIIl. 3G2. 3) Au er, Münchener Stadtrecht p. CXLVI. u. Anh.
iV. a. 8 (p. 24()j u. Anh. V. a. 7. (p. 257.)
Neumann, Gesch. d. Wuchers. 10
'24-2 V. 3. Rentoiikauf. l). Umbildung des Rciitenkaufcs.
schliesslich auch von den Reichsgesetzen gebilligt, ') nachdem
der R. A. von 1580. 26. §. 8 allgemein befohlen hatte, nur mit
der Vereinbarung des Wiederkaufs- (Ablösuugs)- rechtes sollte
der Rentenkauf geschlossen werden.
In den Vertragsurkunden der Parteien selbst aber legte
man dem Rentenverkäufer die Pflicht auf, eine bestimmte Zeit
vor Ablösung der Rente diese Absicht dem Oläubiger anzuzei-
gen, oder nur innerhalb bestimmter Zeit ablösen zu dürfen,
oder an festgesetzten Zeiten des Jahres die Ablösung nicht zu
vollführen. ^) Ja , das 1 ü b i s c h e Recht geht auch in diesem
Punkte den andern voran , indem dort das Gesetz selbst eine
Aufkündigung der Rente 14 Tage vor der letzten Rentenzah-
lung vorschreibt. (Lübisches R.II. 218.) •^) Das Systemat.
Schöffenrecht dagegen stellt die Kündigung in das Belie-
ben des Verkäufers. ^) — In andern Urkunden wird nur gesagt,
wann es dem Schuldner möglich sein wird , wolle er ablösen. ^)
1) R. P. 0. von 1548. 17. §. 8. 1577. 17. §. 9. 2) Pauli, Abhli.
aus d. lüb. R. I. 31 (1305) : „ cum aiiteni iclem wichelde reemere voluerit,
predicet diclo Gerardo uno anno." — Cod. dipl. Siles. IV.
p. 207 (1370) „bin czwcyn jarn mögen wedcrko^vffen." Geschieht
das nicht , so soU Käufer die Rente ,, czu eyme rechten erbe habin und
erblich besitzin." — ib. p. 204 (1389) „byn 6 jaren", geschieht es nicht,
„so sal derselbe czins ewig sjti vnd ewiglich weren ane wedirrede." —
cf. V.Meiern, sechster Zinsthaler p. 77(1362): nur zu Ostern, oder
3 Monate Kündigvmgsfrist. Frankfurter Statt. Sammlung (1352— 78)
(Senckenberg, select. jur. et bist. I. p. 1. 84.) cp. 97:
,,Wir die SchöiTen und der rath zu Frankfurt erkennen uns öffentlich
mit diesem briefe , dass wir von unserer Stadt wegen verkauft han . .
',2 mrk. jährlichen zu eigener Guide um 8 mrk. Pfennige guter Weh-
rung," (so lange der Rentenkäufer Bürger ist, soll er den Zins em-
pfangen.) ,,wann wir auch die ^2 Mark wieder wollten kaufen um ihn,
oder seine Erben , das sollen wii' in vier Wochen vorhersagen."
3) Nach der eben erwähnten Urkunde von 1305 bei Pauli war dies das
gesetzliche Minimum der Kündigungszeit. 4) Lab and, 1. c. IV. 1.
c. 26: „vorkouft eyn man czins czu eyme wederkoufe uf eynyn neme-
lichintag also daz her den wedir koufin mag , wenne herwil, do in
sjTiyn brifen nicht stet unschedelichin vorsessenyn czinse noch wochin
czal, der mag sj'nyn czins wedir abekoufin vor deme czinstage wenne
her wil vnd darf keynyn vorsessenyn czins nicht gebin noch wochin
czal." 5) V. M e i e r n , 1. c. p. 74 (1318).
V. 3. Rentenkauf. b. Umbildung des Rentenlfaufes. 243
Dagegen heisst es an anderm Orte: 0 ,mS/ quando persolvcri-
mus." ^) Dadurch entstand mit Recht für die Renten (oder Ren-
tenkäufe) die allgemeine Bezeichnung Wiederkaufsgülten. Hier-
her gehört auch der L e i b r e n t e n v e r t r a g , bei welchem der
Rentenverkäufer an eine oder mehrere bestimmte Personen (unter
verschiedenen Modalitäten, selbst derjenigen der bisher viel spä-
ter datirten Tontinen cf. V. 5. e.) für ein ihm auf ewige Zeit
übergebenes Kapital oder gar für em ganzes Vermögen mit Ein-
schluss von unbeweglichen, beweglichen Sachen und Forde-
rungen eine bestimmte Reute während der Lebenszeit dieser
Personen au sie entrichtete. Der Vertrag steht in der Mitte
zwischen dem Ewig- und Wiederkaufsgültenvertrag ; denn
das Rentenkapital bleibt hier ewig beim Verkäufer , die Rente
aber endet mit dem Leben der Käufer. ^)
Inzwischen bildete sich, wenn auch nicht in der Verbrei-
tung, wie man bisher annahm, der Gebrauch aus — vielleicht
äusserlich durch die Verpfändung des ganzen Vermögens in
den Pfandkontrakten hervorzurufen, — dass der Renteuver-
käufer nicht bloss einzelne seiner Grundstücke , und zwar der
bestimmten G rundstücke , sondern sein g a n z e s V e r m ö g e n,
also auch mit Einschluss der beweglichen Theile desselben,
durch Renten belastete. ^) Den sichern Uebergang zu dieser
1) Im Frankfurt. Utk. B. (F. Böhmer) \^. 121. (12.57.) 2) cf. auch
Danz. Urk. von 14.54. 22. 1. u. v. A. 3) Als Altentheilsvertrag' , mit
welchem obiger Vertrag eng zusammenhängt, dehnt sich derselbe be-
kanntlich von der alten Zeit des deutschen Rechtes her bis auf die Gegen-
wart aus. cf. lex Saxonum §. 62. Roziere n. llöff. Formelbuch Salo-
mos von Constanz n. 16. Dümmler , S. 97ff. Rive, Vormundschaft I.
p. 166 ff. (im nordischen Rechte.) Pauli,' Abhh. 1. c. I. p. 107 (1286) (1304)
U. p. 203 (13.57) m. p. 182a. (1.349.) Fidicin, Beiträge I. 71 (1398),
215. 216. 219 a. (1397), 220 (1400) , 222 (1401) , 223 (1402) u. v. a. 4) cf.
u. a. cp. 1 — 2. Extrav. comm. III. 5 d. emt. et vcnd. „quaedam coti-
siietudo rationahilis obfiervata, praeficripta ac moribus utentium appro-
hata . .. introducta ftiisset. Pro quibus princeps , haro . . . j^ersonae eccle-
siasiicae mit saeculari colleffio . . . sit})er bonin suis , dominiis , oppidis^
Urris , rufris , praediis , doMibus et hercditatibus rendere consuevit et ven-
didit nnnuos census. . ." „bonis in ipso contractu tunc expressis jiro
vJAsn/s census amiui exsolutione in perpetuuw obligatis." „.. . etiam
IG*
244 V. 3. Rontoiilcauf. b. Umbildung des Eentenkaufes.
wichtigen Umformung des Institutes zeigen die Urkunden, in
denen die Rente selbst noch mit dem einzelnen Grundstücke
verbunden wird , dagegen für den Fall der Zahlungssäumniss
der Käufer sich — und zwar sogleich nach der Urkunde des
Renteukaufes selbst — sofort, oder falls das einzelne belastete
Grmidstück nicht ausreicht, an die übrigen Güter des Ver-
käufers soll halten können.') Im Magdeburg. Bresl.
systemat. Seh offen recht bestehen neben einander die
Rente von einer unlieweglichen Sache mit der Gestattung, bei
Xichtbefriediguug aus dieser sich an das sämmtliche andere
Vermögen des Verkäufers zu halten , ^) dann diejenige von
einer unbeweglichen Sache und dem ganzen Vermögen von
vorn herein , indem zugleich eine Rente von einer der unbe-
weglichen Sache eingemauerten beweglichen Sache (eine brew-
pfanne) entrichtet wird, ^) endlich von einem Grundstück nebst
„alle syn gut," mid daneben von einer rein beweglichen Sache
ipsis possessionibus etbonis ohligaiis xjenitus interemtis seu destru-
ciis." u. a. mehreren andern Stellen. (Die früher bei Kraut, Grundriss
§. 130. n. 53 aus Urstisius zitirte Stelle „suh omnium bonorum
suorum Jiypotheca bezieht sich wol auf römisches Recht. Ki-aut hat
sie deshalb in der 4. Aufl. fortgelassen.) Nach den Worten des Eingangs
von cap. 1. 1. c. gilt dies bis jenseits 1320 zurück. Lud ewig, reliq. Mss.
V. 160. 1351. — Seibertz, Westphäl. Urk. B. II. [n. 721: „tmam m.
solvendam singulis annis ex tmiversis bonis nostris." Vielleicht
bildet die Urk. bei Pau li Abhh. III. S. 397: annuatim LX m. redditus
in domo .. et in omnibus bodis ad eam pertinentibus.." den Ueber-
gang zu jener Abart des Eentenkaufes.
1) So heisst es 1334 schon in Monum. Boic. 18, 134. (Kraut, 1. c.
§. 130. n.l5 ,, — aus dem egenanteu hauz." Dann bei der Zahlungssäum-
niss : „ — hat vollen gewalt unz ze nöten an alz recht mitzusperren mit
pfantmig auzzer hauzz vnd darinnen — " ib. n. 16. (1439): „ — auff aller
vnser hab vnd gutem ligentem vndvarentem, — " bei Hess. (Sitzungs-
bericht der k. k. Akad. der Wissensch. 1853. XI. 763 if. n. 1: „ — auf
■VTis vnd auf allem vusern gut daz wir haben in dem lande zeOesterreich."
1380 bestimmt sogar das Pr ag er Stadtrecht art. 133: „pro residiw ad
omnia alia ipsius bona est facienda justieia , si habet; si vero non habet,
tunc in corpore detineatwr." Hier besonders scheint das Pfandrecht auf
die derartige Umwandlung des Rentenkaufes eingewirkt zu haben. 2) IN'.
2. c. 77. c. 78. 3) ib. c. 78,
V. 3. Kentenkauf. b. Umbildung des Eentenkaufes. 245
(eine brewpfanne) , die mit den unbeweglichen nicht verbunden
ist. ^) Die Schöffen erkennen in den 2 letzten Fällen die Rente
auf der beweglichen Sache durchaus an, und lassen sie neben
der Rente aus dem ganzen Vermögen oder der die bewegliche
Sache enthaltenden unbeweglichen durchaus zur Geltung und
Befriedigung gelangen , wobei, me im Pfandrechte, die spe-
zielle Rente der generellen vorgeht. Dieselbe Form begegnet
auch im Leibrentenvertrage. ^)
Hierdurch änderte sich entsprechend den bisherigen Ent-
wicklungsstufen nun mit Entschiedenheit die rechtliche Natur
des Rentenkaufes von Grund aus, er war nicht mehr eine
Reallast, die Rente durchaus nicht mehr mit dem Grunde
und Boden verknüpft , sondern eine rein persönliche Verpflich-
tung. Hier fand natürlich keine Auflassung eines bestimmten
Grundstücks, hier auch nach der Zustimmung derer, welche
die Gewere an dem bestimmten Grundstücke neben der Gewere
an der Rente dem Rentenkaufe zutheilen, keine Gewere am
Grundstücke statt. Damit war denn auch die Pfändung des
bestimmten Grundstücks und das Distraktsrecht ebenfalls ver-
ändert, wie die oben zitirten Urkunden klar betonen. Man
hatte bereits ein völlig anderes , seiner Beziehung zum Boden
ganz entkleidetes Rechtsinstitut vor sich , welches nur noch im
uneigentlichen Sinne den Namen Rentenkauf führte und eben
deshalb und weil der eigentliche Rentenkauf daneben mi aus-
gedehntesten Gebrauche sich erhielt, nicht als eine der grossen
allgemein eintretenden Umwandlungsstufen des Institutes zum
1) ib. c. 79. 2) z. B. E r c s 1 a u e r S t a d t b ü c h e r (Brcsl. städt.
Arch. lib. excessuum. (1409) p. 16. Eine Mutter überlässt ihren Söhnen
die Gerade für 30 nirk. „dovor solden sie ir geben III mrk. czinses zu ire
libetagen und noch irem tode solden dieselben III nirk. czins konien an
ire drej' töchter . . . die solden sie also lange heben , bis in ire bruder die
weder abegelosen unib XXX mrk. gr. — Analoga sind im Danziger
Archive nicht selten. — Nicht anders verhält sichs , wenn bei Eenteii-
verträgen der Städte, der Landesherren lediglich zur Autrechthaltung
der äusseren Form des Rentenkaufes die Rente auf das Rathhaus , auf die
untergebenen Städte . Dörfer , Fluren u. s. w. gelegt wird. cf. u. V. 3. d.
— Lacomblet, U. B. III. n. 4(j4 (13«4.)
246 V. 3. Rcnteakauf. b. Umbildung dee Rentenkaufes.
Darlehn angesehii werden darf. Vielmehr deutet diese frühe
Neljonart des Eentenkaufs nur eine hin und wieder begegnende
Abart dessell)en an, welche indess um so wichtiger erscheint,
als sie bereits grell den sofortigen Schritt zum zinsbaren Dar-
lehn beleuchtet, und - Avie sie selbst vielleicht von der umge-
bildeten Grundleilie (cf. oben V. o. a.) , mehr aber von dem
immer häufiger begegnenden zinsbaren Darlehn gezeitigt , von
der steigenden Macht und Verbreitung des mobilen Kapitales
gezeugt und geboren ward — , so trug sie wesentlich zur
schliesslichen Umformung des Rentenkaufs in das zinsbare
Darlehn bei. Lediglich als Zinsen, d. h. als Ver-
gütung der Nutzung fremden Kapitales zahlte
m a n n u n m ehr Renten, schon unter völliger Uebergehung
der unbeweglichen oder boAveglichen , fruchttragenden oder
unfruchtbaren Sache , welche mit der Rente belastet worden.
Die Haftung des ganzen Vermögens bedurfte keines Vermer-
kes in dem Vertrage. Damit näherte sich offenkundig und in
Riesenschritten der Rentenkauf dem zinsbaren Darlehn; dem
Wortlaute der Urkunden nach ist er von jetzt ab nicht mehr
von dem letzteren zu unterscheiden.^) Wächter im Handbuch
des würtemb. Rechts, führt dies als Grund an, weshalb dieRäthe
die Conventionalzinsen beim Darlehn billigten. ^) Lediglich
1) cf. von Meiern, 1. c. \>. 77. (1318.) n. 29 (1410) u. A. — Statt.
Sammlung aus Franldurt. Senckenberg 1. c. Luther, grosser Sermon
von Wucher (p. 114. cf. VII. 2. u.) 2) Böhmer, cod. diplom. Francof.
erwähnt einen solchen Fall bereits von 1313 (p. 403.)
„vendidimus et vendimus — discreiis viris j»o pi'ecio 102 mrc. Colon.
denar. irüms. hallen, pro quolihet denario computatis quavüibet nurr-
cam subscrijdorum pro 17 mrlc. denar. col. computundis , qnas 102 mrc.
in pecunia numerata plene assignatas et traditas reeognoseimus
recepisse."
cf. ib. p. 121. u. V. A. Danz. Schöppenb. v. 1556. fol. 58^ „eine hant-
schriffth ludende vp drehunderth mrc. so Mertenn schrifer bekenueth van
eise rastauem entfaugen tho hebben yerliken thu vorthinsenn,"
(weiter Nichts!) ib. GS'' ,,. . vnde hefft vorlautbartli dath he vormals An-
dres Brun hunderth mrk. gedaenn, welcke hc Jerlic mith szesmrk.
verthinsenn szolde" — ib. 15.57. fol. 168: ,,den rosth afer also twe-
hunderth guldenn szall he der gedochten siner fruenn moder alle yare
yerlikenn verthinsenn von hunderthenn sefen gülden." ib. 1558.
V. 3. Rentenkauf. h. Umbildung des Rentenkaufes. 247
der Ausdruck czins und die vorläufig noch allein dem Schuld-
ner zustehende Kündigung- der Rente lassen einen Unterschied
zwischen dem lientenkaufe und dem zinsbaren Darlehn erken-
nen. Statt des rcemere als Hinweis auf den Rentenkauf tritt
dann das neutrale „rchahere velle" auf; ^) statt des Kaufprei-
ses der Hauptstuhl. Der „czms" aber hat gerade wegen sei-
ner schliesslich völligen Gleichheit mit den heutigen Kapital-
Zinsen den letzteren seinen Namen verliehen (cf. V. 3. d.).
Die K ü n d i g u n g s b e f u g n i s s des Gläubigers und Ren-
tenkäufers, zuerst vielleicht überall nur im Falle der Zah-
lungssäumniss des Verkäufers zulässig, ^) konnte schliesslich
ebenfalls nicht mehr abgewehrt werden. Schritt um Schritt
verlor das Institut von seiner alten Natur. Früher galten alle
einzelnen Renten als Mobilien, nur die fortdauernde Renten-
berechtigung als solche gehörte zu den Immobilien. ^) Dann
liess man die vom Verkäufer nicht lösbaren Renten als.Immo-
bilien, die von ilim lösbaren als Mobilien gelten.^) Jetzt
musste man sich noch eine Stufe weiter bequemen ; man sah
selbst die vom Verkäufer lösbaren Renten als Immobilien und
nur die von beiden Theilen lösbaren Renten als Mobilien an. ^)
Die Ewiggülten verwandelten sich in Renten für die Dauer
bestimmter Geschlechter, des Einzellebens oder einer abge-
messenen Zeit, je nachdem dies im Vertrage selbst festgestellt
war oder durch die Kündigung des Käufers bewirkt wurde.
Einzelne Partikulargesetze erkannten die Kündigungs-
befugniss des Rentenkäufers direkt oder indirekt an , z. B. der
fol. 476^, 482, von 1567. fol. 4. ib. fol. 149: „Ich .. bekenne, daz ich
dem . . schuldigk bin rechttferttiger schuldtt zweihundert nirk. ... wel-
che He. ni. ich bei mir behalte zu vorczinsen alle Jhar mitt
sechs m. vonn diesen dato ahn vber ein Jhar vnnd so vordtanu bisz ich
vormagk den haujittstuel abzulegenn vnnd so ich Ilir den liaui»tstuel wil
ablegenn vnd nicht lenger vorzinnsen wil, so soll ich In das ein halb
Jhar zuvor ansagenn" u. v. A.
1) v. Meiern, 1. c. n. 19. p. 78. 1362. 2) So in Frankreich.
Wamkönig 1. c. II. 585 if. 3) Wächter, Würtenib. P. R. I. 1. S. 203.
4)cf. Culra. R. IV. 99. 107. System. Schöffenr. IV. 2. c. 57. 65.
5) Bluntschli, Züricher Rechtsgcsch. I. S. 416 (abgedr. bei Kraut,
Gi-uudr. §. 130. n. 43.).
248 V. 3. Roiitoiil<;uil". I>. Umbikluiii;- divs Kentcnkaufcs.
Züriili er Kath 1419:') „wo aber jeman — im seihon vor-
beliept vinb sin houptguot vnd den widerkouf ze manen vnd
man im daz gebunden weri ze geben ob er wölt;" später die
sogleich zu erwähnenden Statuten in Bremen und Dan zig.
Aus Sorgniss freilicli vor der dann scheinbar sehr prekären
Lage des Grundbesitzers, welcher das Kapital kaum je Utissig
hatte, noch sofort geliehen erhielt, um es dem Gläubiger abzu-
zahlen, ferner aus Furcht, dass sie sich und die Contrahehten
alsdann dem Wucherverbote der Kirche aussetzten , ^) moch-
ten andere Partikulargesetzgeber eme Weile zögern, dem
Gläubiger solche Befugnisse einzuräumen,-'') die er thatsäch-
lich bereits im Verkehre längst nicht mehr entbehren konnte.
Und wenn man in Orten entwickelteren Verkehres, wie oben
gezeigt ward , mit dieser gesetzlichen Erlaubniss eifriger vor-
anging, so z. B. in Bremen 1580,^) in Danzig (Willk. von
1580 n. cp. 7. fol. 85, ausgeführt in derselben Willkür von
1590. IL 2), ^) so umgrenzte man doch auch hier die Erlaub-
niss mit etlichen Schutzmitteln für den Kentenverkäufer und
gegen den Wuchergewinn. Dort freilich, wo man dem Gläu-
biger lediglich eine Kündigungsfrist vorschrieb , erkannte man
ihm damit natürlich stillschweigend bereits die Kündigungs-
befugniss allgemein zu. Die bezeichnete Stelle der D a n z i g e r
Willkür lautet:
„Wer sein Hauptgeld von eines andern Erbe abfordern
will, der soll dem Schuldner solches durch zween ehrliclie
■zeugbare bürger binnen vierwochen nach dem rechten zinsz-
tage aufsagen und folgig bei gerichte einzeugen lassen , ^)
1) Bluntschli, Züricher Rcchtsgcsch. I. 416 cf. auch Kraut, 1. c.
n. 43. 2) So erklärt Chr. Kupp euer als Eepräseutaut der Kanoui-
sten gerade diese Art des Renteiikaut'es als avu eher lieh, während er
das Institut sonst durchaus billigt, cf. Beilage E. n. 4. 3) cf. Pur-
goldt, Rechtsb. III. c. 92. 4) cf. Mevius, wucherliche Contrakte I.e.
5) X. 3. u. 4 der Danz. Arch. bibl. 6) Uebereinstinirnend hiermit scheint
das Verfahren bei der Mahnung der so oft rückständigen Eenten und den
Folgen dieser Mahnung Hinsichts des verpflichteten Grundstücks gewesen
zu sein. Die alte Danziger Willkür bestimmte hieriiber Nichts , wie die
Bornbachschen Rezesse u. X. 1. fol. in d. Danz. Arch. bibl. lehren.
Nur Hinsichts der Mahnung verlangt die Willkür i'ol. Xll":
V. 3. Rentenkauf. b. Uinl)iltlung' des Rentenkaufes. 249
und also dann soll der Debitor ein halb Jar , von dem Zins-
tage an 7Ai reclinon frist liabcn zai ablogung des geldes.
Wofern er dann nach Verlauf des lialben Jars niclit erlegte,
so soll der Strowisch aussgestrecket und dem Debitoren der
auss- und eingang zu dem ende verpoten werden, damitt
er sich darnach zu lichten habe, dass er nach aussgang
dieses folgenden halben Jahres das erb ohne alle mittel
räumen solle. Und also soll der Strowisch das folgende
halbe Jar aufstecken bleiben , ob sich ein kauffmann darzu
finden wolle. Wenn er nun einen kauffinann liatt, so nimpt
er aus der bezalung sein gelt , so vil yhm gepüre.- Ist was
übriges, das soll dem Debitoren zugekoren werden, vnd
yhm gleichwol der einsprucli ])innen Jar vnd tag frey sein.
Würde sich aber niemant finden, der das erbe zu kauflfen
lust hette, so soll alsdann nach verlauff des halben Jares
„ der mag denselben czj'nsz ...mit czween gesessennen borgern
manen. \yide wcmie das vor Gerichte beczuget vnde vorrich-
tet (X. 2. ib. Willkür von 1470: woer gemachet) wirt, so sal em der
Richter Rechtes helffen pfandes adir pfenninge."
Die Vorschrift -wird streng befolgt, wie viele Stellen in den Danziger
Schöppenbüchern lehren, u. A. v. 1502:
„ A (Gläubiger) lieft gestanden vor gchegetem dinge vude heft befuget
mit twen beseten bürgeren szo als eyn recht ist dat he synen tynsz als
XLII mrk. geringe vp Jörgen Roden erve gelegen yn der breden gassen
gemanet heft vp synen rechten dach als vp . . . vnde ehm isz gedelet
de richter zall ehm helpen wat recht isz."
Die Ausübung dos Distraktrechts aber ^eigt sich an verscliiedenen Ge-
stalten. Im Schöffenbuch von 1527. fol. 225. soll es öffentlich verkauft
werden; 1528. fol. 526. heisst es:
„ . . . erve gelegen vpm dämme is averanthwerth by nagel vnde ringhe
vor zinen vorsetten tins vnde hovctstul als drehundert niarc hovetstul
vnd XXV mrk. Jacob schmit in macht (Bcvollmiichtigter) her Ebert
ferbers cme ys vpgedragcn tzve na dem ersten, em is ge-
delt he zal es holden jar vnde dach vnde bcgan dar erves
recht m ede."
ib. fol. 590 fehlt der letzte Zusatz mit der Zeitbestimnmng.
Diese Verschicdenlieiten scheinen sich dann in dem obigen Artikel
aufzulösen. Dieser Artikel setzt, wie sein Wortlaut zeigt, ebenfalls die
Zalilungssäuumiss der Rente , dann des Kapitales voraus.
250 V. 3. Roiitonliauf. b. Umbildung des Rentenkaufcs.
dem Cveditoreu frey sein das Erb an sich zu nehmen ; ent-
weder wie er sich mit dem Schuldner dorumb vertragen
kami, oder auch ohn des Schukliiers consens, so hoch, als
sein hauptgeldt und versessene Zinsen aulauffen, vnd solches
soll liey gericht verschrieben werden, wie hoch er das
erbe annimmt, vnd die erlanguug darauff erfolgen, mit
dem bescheit, das von der zeit an dem Debitoren vnd
seinen nechsteu Erben vnd verwandten , i) Avie auch den
Creditoren so in die Verpesserung zu treten bedache, Jar
und tag zum ein Pfund (sam — d.h. wie — ein Pfand?) frey
und fürbehalten seyn soll. Aber von der Aufsage an soll der
Hauptstuell dasselbe Jar, weil der Prozess wehret, gleichwoll
verzinset werden." ibid. IL 2. a. 23.
Die Keichsgesetze zwar, wie sie immer eine Strecke hinter
der Verkehrsentwicklung zurückstehen, untersagten ausdrücklich
die Kündigung durch den Käufer der Rente noch in der K. P.O.
von 1577. ti. 17. §. 9 und Hessen dieselbe erst in R. D.-A. von
1600, doch auch hier nur dann zu, wann die Parteien hierüber
bereits für den Fall der Säumniss in der Rentenzahlung über-
eingekommen waren (D. A. 1600. §. 35.).
Die Parteien aber beweisen durch die grosse Zahl der Renten-
käufe seit dem 14. Jahrhundert, in welchen dem Gläubiger die
Kündigung anheimgegeben wird , wie viel früher berei^ts ihnen
die Einräumung dieser Kündigung erforderlich erschien. Das
Yerhältniss hatte sich allgemacli so umgestaltet, dass, wo dem
Schuldner einmal allein die Kündigung gestattet ward, dies „ ex
speciali gratia" geschah; ^) ganz so, wie früher, ^) und in Süd-
westdeutschland noch im Anfange des 15. Jahrhunderts, öfter
als besondere Gunst des Käufers dem Verkäufer die Ablösung
1) Analog dem lübischen Rechte. Pauli, Abhli. I. S. 122 (1318)
„et fuerunt (domus) per ipsum T. (Käufer) exhibite coram consulibus
amicis uxoris dicti N. (Verkäufer) , nee erat aliquis nomine ipsius nee
nomine N. sui mariti, qui de ips/'s domilms se vellet intromiitere , propter
quod cotisilniiii mandavit eas ipsi T. ascribi." 2) cf. v. Meiern, 1. c.
p. 78 n. 19. 1362. 1396. 1404, p. 81 ff. 1396. 1458. 1536. 1543 u. a. —
3) z. B. Auer, Münchener Gerichtsbuch von 1391. f'ol. 44: „di bisunder
friuntschaft getan."
V. 3. Renteiikauf. c. Höhe der Renten insbesondere. 251
(Wiederkauf) gestattet wurde, hier gegenüber der Unablös-
barkeit , dort u^eiTt^iiüber der beiderseitigen Kündigung. ^) In
einigen Schuldurkunden der Stadt Mölbi , woher mehrere der
eben zitirten Urkunden entnommen smd, heisst es beim Ren-
tenkaufe nur „ gelenet, verreiiten , '' die Bedingungen des Rück-
kaufes, der Kündigmig werden darm bereits als allgemein
vorausgesetzt und bekannt, ganz übergangen, so dass der
Gläubiger darauf olme vorhergegangene Vereinbarung sein
Kündigungsrecht übt. Dabei handelt es sich in ilmen um
3000 m. (1543) und 1000 m. (1581) Darlehen, welche Möllner
Bürger den Hamburger Consuln geben. Aehnliche Beispiele,
in denen man zugleich die spätere Geltendmachung des Kün-
digungsrechtes durch den Gläubiger ohne Vereinbarung, ohne
Zahlungssäumniss verfolgen kann, bietet das Danziger Archiv
aus dem 16. Jahrhundert m genügender Zahl.
Nicht minder nähert sich hierbei der Rentenkauf dem
zinsbaren Darlehn dann , wann er nur auf eine bestimmte Zeit
geschlossen ward, wie das im 16. Jahrhundert wiederholt vor-
kam. Hier kündigte dann nach Ablauf der vereinbarten Zeit
der Gläubiger, oder schon der Tag mahnte für ihn (cf. oben
IV. 2 b.) 2)
c. Die Höhe der Renten insbesondere.
Die Höhe der Renten, zunächst selten durch Gesetze
bestimmt, fand in den verschiedenen Umständen, welche bei
1) Extrav. Conim. III. 5. C]). 1 (1420): „semjyer .. data fuit facul-
tas atque gratia , quod .." (cf. ob.) Papst Martin V. freilich weiss, viel-
leiclit von den Geistlichen in dieser Hinsicht absichtlich , zur Verber-
gung des Wuchercharakters Lin Rentenkaufe , unvollkommen unterrichtet,
hierüber Nichts; denn er sagt und zwar für die Zeit von 1300 — 1420
(Extrav. Co mm. 1. c. cp. 1): „...sed ad hoc hnjusmodi census vcndi-
tores inviti nequaquam per emtores arctari iiel adstringi
valebant, etium ipsis bonis obligatis et posHcssionihus penitus interemtis
seu destruetis." Desgl. cp. 2. ib. : „sed iidem erneutes . . . j)ectmiam ipsam
etiam apendo repetere non valerent." 2) cf. Meiern. I.e. n. 30(1410) „ex
siieciali gratia et favore." n. 39 (14(j2) ebenso Danz. Schöppenb. 1575.
fol. l'o'' u. V. A. Pauli, lüb. Znstand 1428 (1. c.) „J. Cruntze rccngnorit
. . . se et suos hevedes tcncri llairico . . . in XXX mrc. den. Lub. (Ren-
252 V. 3. E€ntonl<auf. c. Hölio (l(>r KiMiton insbesondere.
vorgesclirittener Eutwicklung ül)erall dieselbe mehr oder weni-
ger bestäiKlig sich gestalten lassen, auch hier die luiturge-
niässe und billige Norm. Demgemäss musste sie sich antang-
licli (im 13. Jahrhundert) möglichst hoch herausstellen. Hierzu
wirkte in jener Zeit nicht sowol das Verlangen der Kenten-
käufer, in der liente einen wirklichen Ersatz des unautlünd-
baren Kapitales zu erhalten (dieser Grund waltete früher ob,
hier endete ja sehr bald, wie gezeigt, die Zeit der Unaufldind-
barkeit) , noch die leichte gewinnreichere Anlage der Kapita-
lien üi GeAverbe und Handel (dieses Moment tritt erst später
allgemein ein , nur vereinzelt früher in den grossen Handels-
plätzen), als vielmehr der erschwerte Verkehr mit Kenten, die
unausgebildete Einrichtung und Handhabung der Grundbücher,
der schleppende Gang - des Prozesses , dann auch der geringe
Vorrath barer Geldkapitalien, der fast gar nicht ausgebildete
Umlauf dieser wenigen Beträge selbst nur zwischen den nächsten
Orten , zumal bei dem Mangel und der Unsicherheit der Com-
munikationswege , der rechtlichen Unsicherheit, dem allmäh-
lich erst heranreifenden Gebrauche der Wechsel und Wechsel-
banken dem Ueberflusse an Münzstätten und -gebieten, der
Unkenntniss der Versicherungen, der Zeitungen, Curszettel
u. s. w. u. s. w. ^) Zu diesen Momenten , welche den ßenten-
fuss allgemem erhöhten, kommen dann alle die im einzelnen
Falle (selbst in Zeiten ausgebildeten Kapitalverkehres) wirken-
den Gründe, welche dasselbe Kesultat hervorriefen, mindestens
eine Fülle von überraschenden Schwankungen in der steigen-
den oder fallenden Reihe des Eentenfusses bis weit in die neue
Zeit hinein erzeugten , so augenblickliche Noth oder Ueber-
fluss, persönliche Beziehungen zwischen den Parteien, der
Zustand des mit der Rente belegten Grundstücks , elementare
Avirthschaftliche Störungen in demselben oder in dem ganzen
Orte und tausend andere.
tenveri)flichtung) quum pars x>arti per medium annum ante
preclixerit, expedite persolvendas ..."
1) cf. Neu mann, Gescliiclite des Wechsels im Hansagebiete jx 2 ff'.
84 ff. 122 ff.
Y. 3. Eenteiikaiif. r. Hölie der Konten insbesondere. 253
Elie nicht die Verhältnisse jedes einzelnen der hierlier
einschlagenden Fälle genau festgestellt worden , lässt sich kein
sicherer Schlnss über sein Verhältniss zu dem gleichmässigen
Verlaufe des Ilentenfusses zielten. Wer aber sollte sich geniüs-
sigt fühlen , diese weit über Chronistensorgfalt hinausgehen-
den Spezialforschungen anzustellen, selbst wenn sie überhaupt
durchgeführt werden konnten.
Um alle die einzelnen Abweichungen von der sonst gleich-
mässigen Entwicklungsreilie des Rentenfusses zu erklären,
um so zu erhärten , in wie weit ihnen die bekannten , allge-
meinen wh'thschaftlichen Gesetze zu Grunde liegen, oder in
wie weit sich aus der Zahl der übereinstimmenden speziellen
Erscheiimngen ein neues allgemeines Gesetz aufstellen Hesse,
wäre diese Spezialforschung erheblich. Allem sollte nicht die
uns klar vorliegende Gegenwart in tausend Fällen, die hier-
her gehören, so bestimmt jene Fragen beantworten, jene Ge-
setze finden lassen , dass sie auch als auf die Volkswirthschaft
des Mittelalters passend angenommen werden könnten? Dies
um so eher , weil im Ganzen und Grossen uns das periodische,
doch allgemein unbedeutende Auf-, und dabei beständige
Niedersteigen des Kentenfusses bereits durch die bisherigen
Urkundenforschungen in den verschiedensten Gebieten Deutsch-
lands unumstösslich vor Augen liegt, und zwar darin recht
unumstösslich, dass die Angaben selbst aus verschieden grossen,
verschieden kultivirten Orten und Ländern für dieselbe Zeit
fast durchweg die nämlichen Resultate ergeben. Nach den
von M 0 n e ^) für die Gegenden des 0 b e r r h e i n s sehr reich
zusammengestellten Beispielen zeigt sich dort gemäss dem ent-
wickelteren Geldumlaufe und reicheren Kapitals - Angebote die
Rente seit dem 13. Jahrhundert auf 7 — 57o durchschnittlich,
unter stetem Sinken zu ö"/,, hin, ^) von 1304 bis 1334 für
Frankfurt a. M. zwischen 6 2/3 und ö^jg^'/,,, für die Gebiete
1) In der cit. Zeitsclir. I. p. 2G ff. 2j In den ("itaten bei Böhmer,
Codex Moenol'rancof. p. 4U3 — 530. Zuweilen stellt sich der Zinsi'uss
auch in diesen Gegenden liöhcr, z. B. Mone, 1. c. V. 310. im J. 1320:
«','3%, und ib. II. 448.: 9\i, ",„ in Bermersheini. 12'J4.
254 V. 3. Rontenlv-anf. e. Höhe der Roiiton insbosondore.
der lieutii,^oii Tfalz ii. s. w. iu derselben Zeit zwischen 4Vg
und 8V3 %, (lurclischnittlicli ^V-> %, in Speier im 15, Jalirh.
auf57o.O Fiii" Dur lach stellt sich die Rente bis in das
16. Jahrhundert hinein auf 5% durchschnittlich, desgl. für
Heitersheini im Breisgau. Doch kommen sogar geringere
Ziusfüsse iu kleineren Städten bereits im 15. Jahrh. vor, so
inSchwarzach bei Eastatt 4 7o • ^) InOesterreich stehtder
Rentenfuss bis 1350 auf 12 V2 7oi^) m Augsburg 1382 auf
1272,") in München 1390 auf 5 7^ , seit 1450 ebenfalls etwa
auf 5 7o 1 ^) dagegen in Luz ern ") schon am Ende des 14. Jahr-
hunderts auf 5 7o- Für Basel, Stadt und Land, gilt wesent-
lich dasselbe Resultat. Arnold '') giebt eine üebersicht von
Rentenkäufen zunächst für die Stadt von 1284 bis 1580, darin
3 Fälle vom Ende des 13. Jahrhunderts, 51 Fälle von 1302
bis 1398, 127 Fälle von 1400 bis 1498 und 23 Fälle von 1503
bis 1580. Die 3 Fälle des 13. Jahrhunderts zeigen den Ren-
tenfuss: 5% , 9Vii , 6 72- Unter den 51 Fällen des 14. Jahr-
hunderts zeigt einzig 1378: 117? als höchsten Rentenfuss,
10 7o haben 1324, 1329, 1330, 1340, 1378, 1383, 1393;
doch nur die 3 letzten Fälle derselben bilden den Höhepunkt
einer allmählichen Steigerung, die etwa seit 1365 mit 8731 7o
beginnt und sich bis 1395 in der Höhe zwischen 8^3 und
117? 7o erhält; dagegen treten die andern Fälle der 10 7o ver-
einzelt auf unter durchschnittlich 5 — 7 7o (1357 sogar47ii 7o)'
aus denen nur wenige Fälle mit 8 — 9 7o sich auszeichnen ; ^)
1) Nekrolog des Stiftes zu Neustadt a. d. Hardt fl. 116ff.,
des Domes zu Speier; lib. contract. Eeinli. ep. fi. 12 — 14. bei
Mon e. So leiht der Bischof Eeinhard von Speier selbst 1438 ein Kapital
von 200 guld. von einem Speierer Bürger für 10 guld. Zins, von seiner
Schwester Anna 1200 guld. gegen GO guld. Zins, von der Präsenz zu
Speier 2600 guld. für 130 guld. Zins. Zu Schön au im Odenwalde brin-
gen (1289) 18 mrk. : 1 inrk. ca. G% Chr. Schoen,p. 205. 2) cf. die
Citate bei der Ablösung der Eente. V. 3. b. 3) cf. H e s s , 1. c. n. 3. 12.
4) Gassery, ad h. a. 5) Auer, 1. c. S. CXXXVI. u. CXLV, 6) Luzer-
ner Stadtr. art. 13G. 7) Zur Gesch. des Eigenthums in d. deutsch. St.
p. 285 if. , 245. 8) Diese Reihe von Fällen zeigt bereits einen überra-
schend gleichmässigen Rentenfuss , wenn man die durch besondere Ver-
hältnisse erhöhten Renten fortlässt. Der Text bietet hierüber sogleich
nähere Aufschlüsse.
V. 3. Eentenkauf. c. IIölio clor Renten insbosondcro. 255
die letzten Angaben aus dem 14. Jahrhundert leiten sclion zu
den 5 —6 7o der folgenden Zeit über. Unter den 127 Fällen
des 15. Jahrliunderts fallen nur 1402 und 1417 mit 8'/.j und
1450 mit 8-/3 7o völlig vereinzelt auf, dagegen tindet sicli
etwa bis 1435 wesentlich der Prozentsatz von G^s, 0^4 , 6 und
5 vertreten, seitdem dagegen in überwiegendster Zahl nur noch
57o, übereinstimmend mit dem Ablösungsfusse von 5%, den
1441 der dortige Rath festsetzte. ^) Derselbe Eentenfuss von
5 7o bleibt dann auch im IG. Jahrlmndert ununterbrochen, seit
1580 kennt der Verfasser noch eine Masse von Kentenkäufen
in Basel stets mit 5 %. — Allgemeine Ursachen der höheren
Renten sind hier die Abgelegenheit der belasteten Grundstücke,
das Zusammenfassen mehrerer derselben zur Sicherung einer
Rente , und die nningelnde Sicherheit in solchen Grundstücken
überhaupt. Die aussergewöhuliche Steigerung des Rentenfusses
von 1365 — 93 erklärt sich durch die zahlreichen Fehden am
Oberrhein , welche die Städte nöthigten , ausser der Schmäle-
rung des Gewinnes aus Gewerbe und Handel noch hohe Geld-
beträge an die Fehule zu entrichten ; damals stiegen die Schul-
den der Stadt um das Zehnfache , und die Münzen verschlech-
terten sich um das Dreifache, beides innerlialb 20 — 25 Jahren.
Dagegen machte das Erdbeben von 1356, wie es scheint, keine
Störung in dem Rentenfusse, weil damals zur Zeit des grössten
Aufschwungs in Basel das Angebot von Geldkapitalien der
gesteigerten Nachfrage entsprach.
Aus der Umgegend Basels giebt Arnold 18 Fälle von 1312
bis 1398, 28 Fälle von 1401 — 99, 16 Fälle von 1503 — 1573
mid 1 Fall von 1618. Unter den 18 Fällen des 14, Jahrhun-
derts überwiegt fast bleibend bis 1353 der Rentenfuss von 10
bis 9 7o 1 seitdem der von 9 — 7 7o- l^^ 15. Jahrhundert zeigt
sich bis 1428 der Fuss von 10 — Q'%^%, seitdem stellt er
sich, mit geringer Abweichung um 1437, durchaus auf 5 %
und bleibt derselbe im 16. und 17. Jahrhundort. Während also
anfänglich auf dem Lande der Fuss höher stellt, als in der
Stadt — nur städtische Geschlechter übertragen ihren städti-
1) Baseler Rechtsquellen 1. 14u.
250 V. 3. Rontenkauf. c. Hölio der Konten insbesondere.
seilen Credit auch auf ihre Läudereieii und kaufen niedere
Kenten gUneht er sieli bahl jnit dem letzteren völlig aus.
Die llentenkai)italesind in Stadt und Land nur kleine; hier wie
dort begegnen als Rentenkäufer besonders die Patrizier und
Klöster, dann reiche Gewerb- und Kaufleute. Die Klöster und
Stifte vor Allem führten das Geldkapital auch den Ländereien
zu, so in Basel überwiegend das Kloster Klingenthal, und blie-
ben hierin noch ihrer ursprünglichen Aufgabe , Cultur auszu-
breiten, getreu.
Im Norden zeigt sich der Zinsfuss durchschnittlich zu-
nächst höher Avegen der Verwendung der Capitalien, wo es
'deren überhaupt in genügender Anzahl gab , zu gewhinreiche-
ren, besonders Handels - Unternehmungen. Er schwankt im
13. Jahrhundert zwischen 12 ^2 und 5 % 7o ^ jedoch unter ste-
tem Sinken.^) (Das letztere Maass war, wie schon erwähnt,
in L ü b e k das gesetzliche für Ablösung des Wortzinses und
der Rente. Stat. v. 1240 a. 195 ff. Pauli, lüb. Zust. 1. c. und
so mittelbar auch für die Rente selbst.) lu % fallen hier
durchschnittlich nicht auf. Li Rostock wird, wenn nicht
ein L'rthum untergelaufen, nach den dortigen Stadtbüchern
1279 1 mrk. Rente gar für 4 und 6 mrk. verkauft (25 und
16 2/3 7o)- ^) Vom 14. Jahrhundert ab stellt sich die Rente
etwa auf 9 — 6 Y4 7o ™ Durchschnitte, 16 mrk. bilden den
Kaufpreis für 1 mrk. Rente. ^) Durch denReichthum Lübecks,
vielleicht auch durch den hier erleichterten Verkehr mit Ren-
ten, durch die geeignete Einrichtung und Handhabung der
Grundbücher, durch den präzise eingreifenden Prozess wird
der Zmsfuss schon seit 1370 etwa bis zur Mitte des 15. Jahr-
hunderts auf 5% herabgedrückt , ^) ganz wie in Süddeutsch-
1) InCölnl214: 10"/,,, 1215: 9i'n"o, cf. Enncn undEckertz Kölner
Gesch. Quellen U. n. 45. 49. Desgl. Wesphäl. Arch. I. 4. 22. Glasen,
Schremspraxis S. 43. führt vom Nieder rhein 1280 einen Fall mit 10 "/o
an , ebenso ist der Zinsl'uss in Magdeburg (Magdeburg. Fragen.
n. 1. 5.), in Gosslar 1283 (Böhmer, Keg. Eud. n. 758.). 2) Pauli,
lüb. Zust. 1. c. 3) Für Lübeck cf. Pauli, Abhh. I. 95. 108. IT. 24.
(1299. 1305. 1.350.), ebenso in Münster 1.302. Niesert, Münster.
Urkk. m. 8. 109. 4) cf. Pauli , 1. c. U. 32. 125. III. 402. 456., ähn-
lich am PJiein . cf. Kindlinger. Münster. Beitr. III. 153.
V. 3. TJoiitenkaul'. c. Höhe der Rente insbesondere. 257
laiul. Dagegen bleibt er in den übrigen Städten Norddeutsch-
lands noch in späterer Zeit viel bölier. In Mölln bei Lübeck
ist er 1250: 10% diirchscliiiittlich, bis 1450: 62/3%, bei
ländlichen Grundstücken 5 7o- In Hamburg gelten 1292:
10 "/o , 1298 nur 7 V2 7o , 1300 : 6 V4 % , 1347 : 8 V^ %, 1497 :
7 — 6 7o noch , so dass man , bezeichnend für die geringe
Wanderung des Kapitales bei so benachbarten Städten, in jener
Zeit eine Rente zu 5 % in Hamburg eine lübische Rente nannte. ^)
In Bardeshelm bringen (1460) 600 mrk.: 36 mrk. (6 %),
(1470) 300: 21 mrk. (7 %), 1000 mrk.: 60 mrk. (6 %), (1490)
500: 25 mrk. (5 %). 2) In Bremen zahlt man 1345 : 8 Va %, ^)
1445 in Bremer Handvesten : 674%-^) Aehulich verhielt es
sich in Hannover, Lüneburg, Halle.") Darum greift
Martin V. 1420 allgemein nicht zu hoch, wenn er in Extrav.
Comm.III. 5. cp. 1. von der Breslauer Diöcese sagt: „... veii-
didit (imiuos census uniiis vel. X)luriiim marcarum aut
grossontni Pragensiwii nummi Polonad et pagamenti con-
sucti: adrationcm et x)ro qnalihet marca aunui census
X. XL XIII. XIV marcae flut Xilus vel minus secim-
dum temporis qualitatem, iirout ixm contraJientes timc intcr
se convenerant , ix^si vendltori tiinc integraliter in x^ecuiiia
numemta solid consHeuerant." Mit den letzten Worten bekun-
det der Pabst auf Grund der Berichte aus Mitteldeutschland
zugleich, dass Gesetze über den Rentenfuss nicht wesent-
lich hl die Regelung desselben durch den täglichen Verkehr
emgriffen. Man zahlte 1334 — 1487 in der Mark noch
6V4%.*0 In Quedlinburg bringen (1218 — 20) 5 mrk.:
5 sol. c. 6 V4 7o ; (1222) 6 mrk. : 10 sol. c. 9 % % ; (^ 226) 9 mrk. :
Ij Hiimburger Rechtsalterth. Stadtr. von 1292. D. art. 1. 11.
a. von 1497. H. a. 1. und Langenb. Glosse. Desgleichen Hanib. Urk.
Buch (Lappenberg) nr. 79;}. 905. 92G. Diplom.Neom. AVestph.IJ.251.
2) Dipl. Nconi.Westph. IL 437,439,451 (cit.v. Grünhagen). 3) Oelricbs
Samml. bremisch. Gesetzbücher p. 88. » 4) Grupen, de uxore theotisca
p. 135. .5) Grn])en, uri(/ineft et antiquüates Hannoverenses. Urk. von
139G. 1472 für Halle (5",„), cf. Kraut 1. c. n. G. Lüneburger R. aus
dem 1.5. Jalirhundert (v. Selclio w, Jurist. Bibl. 111. p. 3.52.), Dreyer,
Nebenstunden p. 39G. G) G e r ck e n , cod. dii»!. Brandenbn. 47.
Ncuiiiaun, tiesch. d. Wuchers. 17
258 V. 3. Roiitonkauf. c. Höhe dor Tioiito insbesoiulore.
4 sol. (?); (1250) 12 mrk.: 9 sol. (?); (1256) 8 mrk. wieder:
8 sol.; (1270) 5 mrk.: 5 sol.; (1292) 20 mrk.: 3 mrk. (15%);
(1299) 8 mrk.: 5 sol.; 1300—1350 schwankt der Fuss zwi-
schen 19, 14 2/7 und 9 % %, stellt sich durchschnittlich aber
auf 10 7o ; 1350 — 1460 schwankt er zwischen 10 % und 6 %,
durchschnittlich 8 % % — 6 % <>/„ , seit 1450 stellt er sich sehr
schnell bis 1500 auf 5, ja 4 %. 0 In Wetzlar (1347) tragen
3000 rfd. Heller: 320 Gulden, 2) in Prenzlau (1357) 1330
mrk.: 100 mrk. (ca. 7 V4 %),') (1-573) 50 mrk.: 5 mrk. (10 %\^)
in Halb er Stadt (1411) 15 mrk.: 1 mrk. (O^o/o)-'') In
Schlesien schwankt , unter allmählichem Sinken , der Ren-
tenfuss , während er in den grossen Städten etwas tiefer sich
stellte, wie folgt:
1349: 12 V2 %, 1355: 13 V3, 1357: 11, 1360: 10, 1361:
10, 1368: 12 V2, 1369: 11 und 10, 1370: 10, 1376: 10,
1377: 10, 1380: 10, 1383:12 74, 1384: 10, 1386: 12 V4,
1389: 10, 1391: 10, 1405: 12 V^ , 1408: 5, 1411: 10, 1417:
12 V4 und 10, 1425: 10, 1429: 10, 1431: 10, 1436: 8, 1437:
10, 1438: 10 (2 Beisp.), 1446: 10, 1450: 10, 1511: 9, 1521:
7 V2, 1552: 5, 1620: 6. f')
In Breslau verharrt er seit den ersten Jahrzehnten des
14.Jahrhundertsbisindas 16. Jahrhundert fast gleichmässig auf
10 7o , nur wenn beide Contrahenten Cleriker waren oder sonst
ganz besondere Verhältnisse obwalteten , ermässigte man den
Reutenfuss auf 7 72^0 (z- B- 1319). ') (Dagegen zeigt sich in
Frankreich die Rente bedeutend höher, 1509 gilt sie durch-
schnittlich noch 10%, unter Karl IX. wird sie auf 9 — 8^/0
1) Erath. cod. dipl. Quedlinbiirg. p. 101». 136. 14G. 183. 20G. 250.
315. 320. 332. 337. 407. 410. 431. 455. 456. 463. 523. 527. 530. 578. 601.
610. 617. 644, 647. 657. 681. 751. 793. 795. 837. 859. 916. 2) Ulmen -
heim, Gesch. von Wetzlar I. 633. 3) S e c k t , Geschichte von Prenzlau
188. 4) S e c k t , 1. c. 127. 5) F ö r s t e m a n n ^ neue Mittlieilungcn IV.
1,53. 6) cf. cod. dipl. Siles. (Meitzen) IV. p. 14. 20. 23. 25.
27. 31. 33. 34. 42. 47. 48. .54. 55. 56. 57. 86. 152. 204. 207. 209. 210, 211.
212. 213. 215. 218. 223. 309. 312. 322. 7) cf. allgem. Grünhagen, cod.
dipl. Sil. III. p. 61. 63. 65. 74. 82. 84. 87. 132. In wie weit die von Grün-
hagen hierzu gefügten Noten juristischeu Inhalts, n. 5. (p. 63.) und n. 3.
(p. 64.), unrJfhtig sind, ergiebt sich aus dieser Darlegung des Rentenkaufes.
V. 3. Eentenkauf. c. ITölio der Ronte insbesondere. 259
herabgesetzt, unter Heinrich IV. auf 7 — 6 % , unter Lud-
w i g' XIII. erst auf (5 — 5 % , unter Ludwig XIV. endlich auf
5 % , in Uebereinstimmung mit dem Preise derselben im Ver-
kehre. Noch im 18. Jahrhundert lieli man in Frankreich über-
wiegend in Form des Kentenkaufes dar.) ^)
Bei den Leibrenten schwankt der Rentenfuss je nach dem
Lebensalter der Käufer; durclischnittlich ist er wegen der kürze-
ren Dauer der Zahlungszeit hölier, als bei gewöhnlichen Renten.
So wird in den Statuten von Nordhausen 1350 verfügt: der
liath als Verkäufer giebt Imrk.um lOmrk. bei Leuten zwischen
40 — 50 Jahren, 1 mrk. um 8 mrk. bei denen zwischen 50 — 60
Jahren, bei noch älteren steht es an der rete Jcore. ^) Das B r e-
m e r Stadtrecht sagt : „ Wolde ok we lyftucht kopen von der staed
renthe, de mach de rad vorkopen yewelike mark vor teyn
mark vnd nicht myn tlio enen Ij'^ve." ^) Und Purgoldts
Rechtsbuch enthält die Stelle: „Wer zcinse kouffet zu seime
leibe, der sal en dornocli kouffen das her jung, starc vnd
gesund ist; es stehit an den vorkouffern, wie sie en geben
wullen. Diesser kouff ist woll bestendig umme deswillen, das
er obenturlich ist, unud nicht en weys wie lange her den zcins
ulfnemmet"^)(V. 3. e., 5.e.) Deshalb mussman annehmen, dass
in etlichen Orten, z. B. in Nürnberg, wo man 1 mrk. Leib-
rente fast durchschnittlich um" 9 mrk. kauft, stets nur in einem
bestimmten gleichen Alter die Renten gekauft wurden ; die
Erfolge glichen dann Gewinn und Verlust aus. ^) In Nord-
deutschland stellt sich der Rentenfuss der Leibrenten im 15.
Jahrhundert durchschnittlich auf 10 7ü ; bier fehlen auch nicht
Beispiele dafür, dass, wenn es sich um eine Leibrente für mehrere
Personen handelt, der Rentenfuss nicht den der gewöhnliclioii
1) L a w , trade and money p. 127. 2) F ö r s t e ni a n ii , Neue Mit-
theihin^^en des thüring. sächs. Vereins III {III. c. 29.). 3) Oelrichs,
1. c. p. 159. 4) 0 r 1 1 0 f f , 1. c. III. 9.5. 5) C hro n ik e n d c u t s c li e r
Städte I. 1SG2. p. 2(JG. Nur einmal werden 150 CJuldon Rente für 1400
Gulden gekauft. [Bei Ewiggiilten walteten damals dort bereits 5 ",,, ob
(ib. p. 2G7.).] 1434 zablt die Stadtkasse dort bei Leibrenten 10"/,,, bei
Ewiggeld 4"/,, (ib. p. 285.). — Mittbeilungen von H. Prot. Stobbe, wie
p. 243. u. V. 5. e.
17*,
2G0 V. 3. Kentonkauf. c. Höhe der Rente insbesondere.
h'ente übersteigt, ein weiterer Belag dafür , dass die kürzere
Dauer der Kentenzahluiig den liöheren Leibrentenfuss bewirkte. ^)
Für das ganze Gebiet der pr eussiscben Städte
wurde Aviederholt am Ende des 14. Jahrhimderts , so 1386,
dann 1427 auf dem Städtetage zu Marienburg die Höbe der
Rente auf 8 Y^ 7o festgesetzt : -)
„item begert vnser berre bomeister czu bestellen in egli-
cben steten, das wer czinse vff erben in iren statbuebern
gescbrebeu hat, 1 mark vmb X gekoufft vnd czu losende, das
mau do nicht me sal vorczinsen , denn XX schock ader
vorfullen den czins. alse vul, das sich geboren
mag, von XII m r k. e y n e czu c z i n s e n. desselben glei-
ches wil her ouch befellen, das es so gehalden wurde vflf
dem laude." ^) (S. 264.)
Allein die Bestimmung setzte, wie alle dergleichen, weder im
Steigen noch im Fallen des Rentenfusses gegen die Wirkung der
wirthschaftlichen Faktoren Etwas durch. Schon seit '1384 kauft
man in Danzig Renten zu 9 — 8%,'') 1473 zu 10 %. s) Im
16. Jahrhundert ermässigte der steigende Kapitalverkelir im
Herzogthum Preussen die Rente auf durchschnittlich 7 — 6 7oi
doch kommen gerade hier grosse Schwankungen vor, so im
Danziger Schöppenbuche von 1527 (fol. 248. 2.) : 8 7o — von
1528: 5 V2 7o (fol. 454. 2.)— 1529 (fol. 696.): 7 % — von 1556
(fol. 42^): 10 7o und (fol. 53.): 6 7o — 1567 (fol. 108^): 7%
und (fol. 141'): 7 7o — 1579 (fol. 264): 7 7o- — Trotz-
1) cf. Grünhagen , Cod. dipl. Sil. III. 1387. p. 132: „jyrivio ven-
dimus Ulrico de Prusnicz et Sulce eius uxori ires marcas annui census
pro 30 in. gross, ad eorum iempora vite sub tali condicione , interim quod
amho vixerint, quud eundem censum trium murcariim toialiter ^^sis dare
debemus , sed cum vna persona de predictis de hoc seculo emicjrahit , tunc
media pars eiiisdem census ad nostram civitatem divolvi debeat et reliqua
ad personam super stitem. Sed amhabus lyersonis vero emigrantibus de
hoc media, tunc reliqua media pars Herum ad nostram civitatem divolve-
tur." — 10% war hier damals der regelmässige Rentenfuss. 2) cf. Born-
bach.Recesse der Städtetage (Banz. Arch. bihl. fol (1416—5(5.),
fol. 82, 2., auch Lindenbl. Jahrb. p. Gl.). 3) und Danz. Arch. bibl.
X. 5. (Willk. von 1597.) Note zu cp. V. art. 5. 4) Danz. Arch. Komthu-
reibuch. h. a. u. Urk.22. 1. b) ib. 34. B. 8. Weitere Verzeichnisse aus
diesen und den übrigen Gebieten siehe in der Tabelle p. 266 ff.
Y. 3. R(.Mitoiikaiif. c. Höhe der Rente insbesondere. 2(!1
dem so der Kentenfuss stetig, wenn auch langsam, zu 6 — 5 7o
niedersinkt, bestimmtdie Danziger Willkürvon 1580 dennoch
in der bereits zitirtoii Stelle, wo sie zuerst die Conventional-
ziusen beim Darlehn einführt (auch p. IL cp. 2. a. 5. fol. 1 29. 2.),
wahrscheinlich lediglich unter äusserem Anhalt an die Verord-
nung des Hochmeisters von 1427:
„Wer ihm sein geldt versichern lest mit erben, bürgern
oder Pfänden, der soll nicht hoher Zinss nehmen, den
acht mark acht Schott von Hundert bei Peen des zehenden
theils des Hauptstucls und widderkerung des wuchers, so
offt, als versprochen wirdt .." und ib. cp. VH. fol. 85:
,, Es soll aber kein Pfennig Zinss höher als acht und ein
Drittenteil vom Hundert in die Erbbücher gesetzet und ver-
schrieben werden, kann es aber 3^emandt besser kauf bekom-
men , das ist yhm hiermitt nicht abgeschnitten."
Allgemein wird man nicht fehl schlagen, wenn man auch ohne
besonders ungünstige Veranlassung im 13. — 14. Jahrhundert
in Deutschland die Kente auf 10 — 7% schätzt. Da dieser
Kentenfuss sich indess durch die damalige Beschaffenheit des
Ueldmarktes herausbildete und, wo die Kapitalverhältnisse sich
mehr entwickelten, fast überall unbehindert naturgemäss fiel,
darf man ihn als drückend allgemein nicht betrachten. Hierbei
mag man sich erinnern , dass die Renten , Avelche von wellli-
chen Machthabern , Städten und anderen Gemeinwesen in jener
Zeit an Privatleute für Dienste oder allgemem für die an sich
noch zu entschädigenden, aber nie entschädigten Leistungen
gezalilt zu werden pflegten, fast durchweg und beständig
selbst gegenüber dem mittlerweile gesunkenen Rentenfusse im
täglichen Kapital- Verkehre sich in der Höhe von 10% des
veranschlagten Kapitalwerthes jener Leistung erhielten und
so gemssermassen ehien von der Obrigkeit anerkannten Ken-
tenfuss darstellten. Wie drückend dagegen die zu nicht hohem
Zinsftisse verkauften Kenten zeitweise werden konnten, lehrt
u. A. die R. P. 0. von 1577. 19. §. 2., deren Beispiel auch auf
lange Zeit vor 1577 gilt. „ Dessgleichen wird vermerkt, dass
etwa hier zu wohlfeilen Jahren, da Wein undGetraid in gutem
Kauf und wohlfeil gewesen, viel Zinss- und Gultverschreibung
'2(i-J N'. .'). Rcntonkauf. c. Höhe der Rnito insbosondore.
aufgerichtet worden, (lariniieii ein armer ]\lanii mit otwann
gegen 10, 15 oder zum Meisten 20 Gulden 1 Malter Korn oder
gegen 10(» Gulden 1 Fuder Weins järliclier Gülten verschreiben
und alsdann fürters solche Gülten zu einfallenden theuern Jah-
ren ein weg wie den andern an Wein und Traid und also ofter-
mals von 100 : 20 bis in die 30 Gulden zahlen müssen." - -
Mit der Entwickelung des Verkehrs musste dann bald die
Zahl der Kapital - Angebote steigen , und dies ganz besonders
durch das kanonische Wucherverbot, da das letztere gerade
die Nutzbarmachung des Kapitales nach vielen andern Seiten
hin verhinderte. So gelangte man verhältnissmässig schnell,
spätestens bereits am Ende des 16. Jahrhunderts, in ganz
Deutschland zu dem Zinsfusse von 5 % , während in Frank-
reich die Rente, wie erwähnt, erst etwa 125 Jahre später zu
dieser Stufe niederstieg ; dies vielleicht gerade, Aveil dort durch
die Zahl der eingewanderten Italiener, durch die frühe Eröff-
nung von Commanditen der grossen italischen Bankhäuser der
Geldverkehr trotz des Wucherverbotes eine Menge anderer,
fruchtbringenderer, beweglicherer mid bequemerer Mittel erfand,
das Kapital anzulegen (cf. V. 5. b.). Daneben fehlen aber auch
die Fälle nicht , in welchen auf Grund besonderer Verhältnisse
die Eente noch in später Zeit den allgemeinen niederen Zins-
fuss bedeutend überstieg. So klagt Luther darüber im gros-
sen Sermon vom Wucher p. 118 ff., dass gerade der katholische
Clerus durchschnittlich 10 ^'(, als den Zinsfuss der unzähligen
von ihm bezogenen Eenten aufrecht erhielt (VIT. 2. b.).
Xicht selten begegnet, zur besonderen Darlegung dieses
allmählichen Rückganges, dass bei derselben Rente der Käufer
sich fügen muss , den Zinsfuss bedeutend herabzusetzen. ^) Als
schliesslich sich im 16. Jahrhundert der Zinsfuss der Rente
durch ganz Deutschland, mit Ausnahme der wenigen oben berühr-
ten Gebiete , auf 5 % festsetzte , lag es nahe , dass die Gesetze,
um endgültig die Belastmig des Schuldners durch einen höhe-
1) cf. Danz. Urk. 45. E. 1. (1420.) von 8 mrk. auf 4 mrk. 1444 in
Basel von 6\\ auf 5%. Arnold!, c. p. 239. CölnerSt. R. (1513) I.e.
a. 31. p. 34, wo gesetzlich der Zins von 5 auf 3",o herabgesetzt wird
u. V. A.
V. 3. Reiitenkauf. c Höhe der Rente iii.sl)esoiidere. '263
ren Zinsfuss 7a\ vorliindern, so wie um dem Triebe des Polizei-
staates nach obrigkeitlicher Regelung der an sich bereits fest
geregelten und sich regelnden Verhältnisse zu genügen , diesen
Zinsfuss der 5 7o «t-Is den gesetzlichen erklärten, und hier zu-
erst dem Wucher eine andere , mindestens engere Bedeutung,
als die kanonistische unterlegten. Denn nun hieas Wucher
nur, was au Renten (dann an Conventionalzinsen) das
gesetzliche M a a s s überschritt. \) Vorläufer des wich-
tigen Schrittes waren die bereits zitirte lü bis che Bestim-
mung von 1240, dann die Hamburger von 1270, die Gosslarer
von 1283, die zu Brilon von 1290, die preussische vom Ende
des 14. Jahrlmnderts, die Basler von 1441. Die erstcren zwei
und die letzte wirkten nur mittelbar auf den Prozeutfuss beim
Rentenkaufe, indem sie selbst lediglich Bestimmungen über
die Ablösung der Rente durch deren Verkäufer enthalten.
Durch ihre Fixirung des Wiederkaufpreises lassen sie schlies-
sen , dass zu ihrer Zeit der Reutenfuss allgemein ihrem Wie-
derkaufspreise entsprach (cf. oben bei b.). Dagegen die preus-
sische Rentenfussl)estimmung richtet sich direkt auf die gesetz-
liche Feststellung der Rente iwid gehört deshalb unmittelbar
1) Auch in diesem Punkte liepft die Annäherung der Rente an die
Zinsen, und zwar in den Gesetzen, zu Tage, indem gesetzlich Renten,
wie später Zinsen , an sich nicht wucherlich erschienen , und beide dieses
erst wurden, wenn sie zu einem hölieren, als dem gesetzlichen Fusse
gezahlt Avurden. Oifenbar eine andere Bedeutung des Wuchers zeigt das
C ulmer Recht, 1. c.IV. 75. lib. 3. cp. 139: „hat ein man ein kauf- oder
kram kammer oder ein fleischbanck oder ein erb gekauft vnd hat gelt
ierlichen zu vorczinnssen daruff behaldeun , obgleich der zynsz oder iher-
liche Rentte vber den wcrdt des erbes uffgewuchcrt, ehr darf sich
gleichwohl desselben erbes eigenthumes wider seineu willen nicht vor-
zeyhenn." So erhielt eine hieran anzuknüpfende Bedeutung der Rent-
wucher in Danzig, wo vielleicht wegen der Noth nachdem 13 jährigen
preussischen Städtekriege 1454 — 66 der Danziger Rath bestimmte , dass
nur die rückständigen Renten eines Jalires gefordert, alle früheren, also
die übergrosse Reihe der oft viele Jahrzehnte lang rückständigen Zinsbe-
träge verfallen sein sollten, und damit zugleich die zuvor gestatteten
Renten von diesen Rentrückständen. (Eines erbaren Ratts Remissoriale.)
Hier war Wucher das Einfordera eines mehr als einjährigen Zinsrück-
standes.
264 V. ;i. lleutenkauf. c. Höhe dor IJonto insbosondcro.
hievlier. Schon im 11. .Iiilirliuiidert hatten der Hochmeister des
deutschen Ordens und die Vertreter der preussischen Städte
wiederholt gesetzlieh den Rentenfuss festgestellt. ^) Stenzel
Bornbach führt in seinen sorgtaltigen Handschriften aus den
Rezessen der preussischen Städtetage mehrmals dergleichen
Uebereinlvommen an, u. a. dann auch aus dem Anfange des
15. Jahrhunderts von dem Elbinger Städtetage a. 20. April
1423 den Beschluss:
,. zum funflFteu von zinsen zu machen auf die erben etc. diz
sol man halden nach alder gewonheit in solcher red-
likeit als das gantze lant das zuuor ausgesatzt hat." -)
Einige Jahre später 1427 wird dann auf dem Städtetage zu
Marienburg der Rentenfuss von 8 V3 % gegenttl)er dem bisher
geltenden von 10 % für Stadt und Land festgestellt durch den
Beschluss, der oben S. 260 seinem Wortlaute nach mitge-
theilt ist, indem man den von Arnold für Basel so genau
festgehaltenen Unterschied des städtischen und des ländlichen
Rentenfusses gesetzlich verwarf. Dann erklärte die Reich s-
Polizei-Ordn. v. 1530. ti. 26. §. 8.:
„ und nachdem die Wiederkaufsgülten allenthalben im Lande
gemein semd, so soll hinfürter von dem Hundert nicht mehr,
dann fünf, wie gebräuchlich, gegeben und genommen
werden. Und hinfürter die Verschreibung auf Wiederkauf,
wie Wiederkaufsrecht beschehen, was darüber gegeben,
genommen oder gehandelt, wollen wir, dass selbig für
Wucher lieh geachtet und gehalten und wie obgemeldt
gestraft werde." —
Und von hier ging die Bestimmung vielfältig in die Menge der
Partikulargesetze über, unter denen einige noch den höhe-
ren Zinsfuss von 6 ^o 1 ja 8 und 8 ^3 7o ^) aufrecht hielten und
zur weiteren polizeilichen Ueberwachung dieser Norm vorschrie-
ben, die Unzahl der Rentenkontrakte sollten bei Strafe der Un-
gültigkeit vor dem Richter geschlossen werde©. Die Meklen-
1) cf. u. a. 1380. Voigt, Geschichte Marienburgs IV. ]>. 521. Beitr.
zur Kunde Preussens 11. p. 333. cod. diplom. Prussic. III. ]>. XXIII.
2) cf. Bibl. des Danziger Ar eh. Bornbach, Rezesse vol. III. (1420
bis 39) fol. 103. 3) Danz. Willk. 1. c. von 1580.
Y. 3. Eentenkaur. <■. Höhe der Roiito insbesondere. 265
bürg er P. 0. von 1562(8. 40.) bcstinnut den Rentenfuss auf
5 **/(), indem sie lüe Rente durchaus mit den Conventional- Zinsen
beim Darlehn gleich stellt und erklärt, wer eine liöhere Rente
beziehe, handle gegen die geistliclien und weltlichen Gesetze.
In Münclien schehit der Kath der Stadt bereits etwa seit
1450 ehien liöheren Rentenfuss, als 5%, für unredlich und
unerlaubt angesehen zu liaben. ^) Die Ewiggeldordnungen von
1572 und 1628 verboten dann ausdrücklich höhere, als fünf-
prozentige Renten. -) Wer höhere Renten vereinbarte , verliert
nach der Grundbuchsordnung von 1628 das Kapital, die Con-
trahenten müssen genau anzeigen, wie hoch die Gült verkauft
wird , ob der Käufer den gesetzlichen Kapitalsanschlag ohne
Abzug bezahlt und ob nicht der Verkäufer einen Jahreszins
oder mehr im Voraus entrichten muss. Die gesetzliche Strafe
ist dieselbe, mit der die Polizeiordimng von 1616 (II. 1.) den
Wucher belegt. Das Pfälzer L. R. 1580. ti. XIV. fol. 70.
n. 10. meint, besser als 5 % sei der an anderen Orten gebräuch-
liche Rentenfuss von 4 %. Ja wunderbarer Weise, wie in einem
Anfluge kanonischer Sentimentalität, heisst es hier weiter, der
Ren1!^nkäufer möchte von seinen Freunden doch lieber gar kei-
nen Zins für das ausgeliehene Kapital nehmen, und diese
Freunde sollten, des Geldes bedürftig, eher durch Verkauf der
ihnen weniger nöthigen Vermögensstücke sich das Geld selbst
besorgen. Die Bremer Constitution von 1 580 (IVI e v i u s S. 1 2 ff.)
billigt 6 % als gesetzlichen Fuss, da derselbe in allen Nach-
barstaaten gebräuchlich, und bei Festhaltung der reichsgesetz-
lichen 5 % bald alle Laudieute dort dei- Geld - Kapitalien ent-
behren müssten. Die Badische L. 0. 1622 (S. 73.) will „dass
5 fl. , nicht aber mehr von 100 genommen werden."
Zur vollen Uebersicht und Vergleichung des Rentenfusses
in Deutschland während des Zeitraumes vom 13. bis 17. Jahr-
hundert folgt hiernach sogleich eine Tabelle der Renten, nach
den Quellen entworfen.
1) Mon. Boic. XX. 518. Au er, Stadtr. von München ]». CXLV.
2) cf. Auer 1. c. Anh. IV. a. 10, VI. a. 6. Landr. von 1616. tit. 8. a. 17.
Poliz, Ord. von 1616. U. 1. a. 3. cod. civ. Max. U. 3. §. 21.
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18
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d. Der Eontoiikaur riillt mit dem zinsbaren Darlehn
zusammen.
Gerade der Rentenkauf, als der wiclitigste Ausweg, wel-
chen die Kirche selbst dem steigenden Verkehre aus den Fes-
seln des Wucherverbotes öflncte, bietet einen Belag für jene
am Schlüsse des zweiten Hauptabschnittes ausgesprochene An-
sicht , dass neben der natürlichen Entwicklung des Kapitalum-
laufes das kanonische Wucherverbot durch die Erweekung des
Widerstreites im Kapitalverkehre gegen sich die Geldwirth-
schaft, den persönlichen Credit ganz besonders aus
der Naturalwirthschaft, dem Kealkredite heraus-
bildete und förderte, ein Gewhm für den allgemeinen Ver-
kehr, welcher allein schon den Nachtheil, der aus dem Wucher-
verbote entsprosste, aufwiegt und dazu beiträgt, das Wu-
cherverbot weltgeschichtlich gegen einseitige
Angriffe zu rechtfertigen.
Jetzt hatte der Rentenkauf in der vorgeführten Entwick-
Imig, welche er so schnell durchmessen, weil das kirchliche
Wucherverbot ringsumher den Kapitalverkehr um so stärker
antrieb und gerade zum Rentenkaufe ihn hinführte, seine recht-
liche Natur von Grund aus verändert , er hatte sich fast ganz
vom Grundstücke gelöst; das Verhältniss des Rentenkäufers
zum Grundstücke, der Rente zum Kaufpreise zeigte sich als
ein völlig anderes; das Rechtsgeschäft führte nur zur geschicht-
lichen Erinnerung seines Ursprungs noch den alten Namen.
Welch ein Unterschied insbesondere blieb nach obiger Ent-
wicklung zwischen Rente und Zinsen! Es ward gezeigt, wie
Schritt um Schritt der Rentenkauf die Theile ausschied, welche
ihn noch vom einfachen Darlehn trennten. Nicht einmal der
Vorstellung bedurfte es, um Rente und Zinsen zu nähern,
dass letztere eine auf die Arbeit des Schuldners in seinem
Gewerbe gelegte Rente darstellten. Die Vorstellung begegnet
in deutschrechtlichen Quellen nu'gends und ist vielmehr als
spitzfindige Unterstellung der Scholastiker anzusehen, welche
ihrer bedurften , um die Rentenerlaubuiss vor dem kanonisti-
V. 3. Bentenkauf. d. Der Rentenkaiif wird zum zinsb. Darlehn. 275
sehen Wucherverbote /m rechtfertigen.*) Dass der Uenteukauf
auf die Verzugszinsen und das Interesse die äussere Form der
Renten und die gesetzliche Norniirung derselben übertrug
und diesen hierdurch in sehr erheblicher Weise sich förderlich
erwies, dass er hier recht eigentlicli in das Gebiet der ein fa-
clien Zinsen hineinarbeitete, ist oben IV. 2. k., V. 3. c. und
unten IX. l.c.d. eingehend dargelegt. p]ineZahl anderer Berüh-
rungspunkte bot sich nicht selten. So wurden im lübischen
Oberstadtbuche die Verpfändungen der Grundstücke für zins-
bare Darlelien nur mit Hinweis auf das Niederstadtbuch notirt
{iwtac oppignoraUonis). Allmälilich rückten diese notae als
wirkliche Pfandposten in die Stelle der zweiten und dritten
Kenteposten , die ersten blieben zum Theil unabgelüst stehen,
neue wurden nicht gekauft. So machte man die Pfandposten
der rechtlichen Natur der Rente theilliaft. Auch die Danziger
Willkür von 158(J vollzielit in ihrem oben erwähnten Artikel
diese Gleichstellung durch das Zusammenfassen: „wer ihm
sein geld A^ersichern lesst mit erben, burgern oder Pfänden ..."
Eine gleiche Annäherung zeigte sich in Ausübung der Distraktion
(S. 2U8 ff.). Ferner bei Prolongationen der Verträge oder für den
Fall der Zahlungssäumuiss verwandelte man oft, zumal in spä-
terer Zeit, lediglich äusserlich das einfache Darlehn in einen
Rentenkauf, nur um das erstere der grösseren Sicherheit theil-
haft zumachen. Schon oben (S. 155 ff.) wurden Beispiele hierzu
angeführt. Im Danziger Schöppenbuch v. 1528. fol. 604. beim
Darlehn auf beliebigen Widerruf liest man:
„ wil he aver zalcke L mrk. lengher vortinzen so zal solck
gelt vp zin erve vnde eigen vorschreven Averden vnde dath
zol er ym vortynzen na lanthrechte.''
ebendort vom Jahre 1575 heisst es fol. 31.:
„was nu die resteude Summa betrifft der 1500 mrk., die-
selbe Summa hal)en obgeraeltte vormvndere deme hansz
Berentt zugesagett a u f f e i n e h a n d 1 1 s c h r i f f t zu lassen
ein Jhar langk, nemlich vonn Ostern LXXIII bis Ostern
LXXIV sol er den zinsz zahlen vor ein ,1h ar sie-
l) cf. Azür. 1. c. c. 5., Covarruv. var. res IM. 7. ii. 5.
18*
270 Y. 3. Tontciikauf. d. Der Kontoukanf winl zum ziiisb. Parlelm.
b e 11 p r ö c e n 1 0 das ist hundertt vnd fünff margk , so ferne
aber ged. haiis berenttdas goldtt den liauptstuell der 1500 m.
wollte lenger babenn Sieben pro eento so soll er gedachte
bauptsumma nicht lenger auff eine handttschrifth brauchen,
sondern bey Sem erbe so er in der lange gassen besitzet,
in eines Erb:Ratts erbe buche verschreibenn
lassen." ^)
Desgleichen im Verzu^sfalle : ebenda v. Jahre 1501 (fol. 283. 3.)
ein Darlehn von 200 mrk. ger. :
.. vnde wert sake dath de de vorscrev. termyn szo nicht hol-
den worde , szo wil he dat gelt vortynsen deme na lantlopi-
gem rechte vnd zall gescrev. Averden vp syn erve." u. v. A.
Besondere Veranlassung zu dieser Operation gaben Finanzver-
legenheiten der Schuldner allgemein, und nicht selten ward
vom Schuldner selbst deshalb die Uebertragung der persön-
lichen Schuld auf eines seiner Grundstücke erzwungen , so von
den preussischen Städten nach dem dreizehnjährigen Kriege
gegen den Ritterorden 1454 — 66. Damit hier die vielfach
auswärts wohnenden Gläubiger üire Forderungen gegen die
Städte aus den Schuldschemen nicht einklagten oder zum Ein-
klagen an fremde üebernehmer verkauften, übertrugen die
Städte diese Forderungen einfach auf ilire Aecker , das Rath-
haus als den Mittelpunkt des städtischen Grundeigenthums ^)
u. s. w. auf eine lange Zeit und entrichteten davon Renten,
oder sie zwangen ihre Bürger, dergleichen Forderungen von den
auswärtigen Gläubigern anzukaufen, um sie entweder ihrer
Stadt zu schenken oder wenigstens auf Renten fernerhin stehen
zu lassen. ^)
1) ib. Schöppenbnch von 1578 fol. 152. 181 "■'. 2) Dasselbe findet
sich bei Leibreuten , besonders als die städtische oder territoriale Obrig-
keit die Gründung von Leibrentenbanken als Finanzquelle benutzte (cf.
u. V. 5. d. e.). Der Landesherr übernimmt dem entsprechend seine Leib-
renten „ up uns ind unse erven ind stede . . ind unse dorpe . . ind unse
gemej-ne laut ind lüde." cf. Lacomblet, TJrk. B. III. n. 464. (1348.) —
cf. ob. V. 3. b. 3j Neu mann, Geschichte des Wechsels im Hansa-
gebiete S. 80. 81. — Hegel, Städtechroniken U. p.323 (1449) bei Nürn-
berg. — cf. u. a. Caspar Weiureich, Danziger Chronik, ed. Hirsch und
Vossberg, Berlin. Stargardt p. 4. und N. 1.
V, 3. Eentenkauf. d. Der Rentenkauf wird zmn zinsb. Darlehn. 277
So nimmt schliesslich der Reutenkaiif zum Ausdrucke
seines völlig umgestalteten Wesens folgende Form an (Danz.
Arch. Missiv. V. 274, f. ^^ vom 9. August 1454):
„Wir burgermeister vnd rathmanne der stat danczike beken-
nen allen vnd Ttzlichen die diesen briff zehn adir hören
lesen, das wir von dem erbarn Jürgen Bück burger czu
poczenow dissem bewiser eutfangen haben czu voller
genüge czwelffhundert vngersche gülden , vnd dy h a u b t -
summe in vnser stat mercklichen nvtcz vnd fromen in
diessen vnszen krigen gekart vnd gewandt haben. Dit so
gcloube wir mit vnszen nochkomelingen dem ergen. lurgen
synen rechten erben . . . diessen bewisern hundert vnger-
sche gülden uff seutte Jacobi major tag ierlich czu
willen vnd guttir genüge czu czinsze vszrichten vnd czu
dancke beczalen drey jar lang noch eynandir, itz-
lich jar hundirt vngersche gülden vnd so dy drey jar vmb
komen (oder nach Aufsagung durch den Gläubiger, welche
die Danziger Willkür unbeschränkt erlaubte, cf. ob. zu Abschn.
b. a. E.) , so suUen vdi' mit vnszn nachkomelingen verpflich-
tiget seyn \Tid gelouben demselbigeu Jürgen vnd synen
rechten erbnamen dy vorgescrev. XII hundert vnger. gülden
ab her d y b e g e r n w u r d e czv haben Aviddir m i t s a m p t
dem czinsse gutlichen vszrichten vnd beczalen. Bey sul-
chir vndirscheit, das sy vns eyn halb jar czuvorne
czu sagen sullen. vnd weres sache do goth vor sey das
wir dem gen. Jürgen syne rechte erben den vorsessenen
c z i n s vff eren rechten czinsstag nicht beczalen vnd vss-
richten wurden , so sali her syne erben . . . sich an vnszen
k 0 u f f m a n n , b u r g e r s ... wor her adir sy den ankomen
mag, vnd kein mit ihren guttern halden vnde hemmen
mag bis so lange, das her adir sy syner schulde vnd czinss
gantz vnd gar vornuget vnd beczalet worden." —
Auf diesen Wegen innerer und äusserer Entwicklung wurde
der Rentenkauf zuletzt eme Geschäftsobligation, welche die
Contrahenten dadurch schlössen, dass der sogenannte Käufer
dem sogenannten Verkäufer eme bestimmte Menge vertretba-
rer Sachen (meist Geld) zu Eigenthum gegen die Verbindlich-
27S V. ;?. l\ontoiikauf. d. Per Rentenkaul" wird /.um y.iiisb. Daildin.
keit übergab, eine gloiche Menge derselben zurückzugeben
und bis dahin bestimmte Renten entsprechend der Höhe des
Hauptstocks für dessen Gebrauch zu zahlen. Perfekt wurde die
Obligation durch Hingabe der vertretbaren Sachen ; die Eente
aber erwies sich offen als Ersatz für die Benutzung dieser
Sachen. Die Kentenpfliclit setzte zu ihrem Bestehen eine Haupt-
schuld , den „ Hauptstock " voraus und ging mit ilir unter , war
daher materiell stets accessorisch , wenn sie auch formell von
der Hauptschuld getrennt einer besonderen Klage unterworfen
sein konnte. So hatte sich der lientenkauf allmälilich in ein
zinsbares Darlehn verwandelt. Diejenigen Gesetze nun , welche
alle die obigen Entwcklungsstufen des Kentenkaufes mit ihrer
Anerkennung begleiteten , und zulezt die höheren , als fünfpro-
zentigen Renten für wucherlich erklärten, sprachen damit
thatsächlich bereits das neue Wuchergesetz für die mehr als
fünfjn-ozeutigen Conventionalzinsen aus, nur im Namen noch
schieden sie Renten und Zinsen.
Aus allen obigen Gründen erklärt sichs, wie zuletzt nicht
allein die Parteien selbst in der übergrossen Zahl der Schuld-
urkunden, von denen einige hier, einige bei IV. 3. zitirt wur-
den , Rentenkauf und Darlehn als durchaus gleiche Rechtsge-
schäfte ansahen, und so mit Leichtigkeit aus dem Zins die
Zinsen formten , sondern wie auch die Gesetze der weltlichen
Machthaber (cf. IX. 1. 2. a.), ja selbst die Cleriker (IX. 3.) sich des
Rentenkaufs und seiner reichsgesetzlichen Billigung und Nor-
mirung bedienten, um unter seinem Deckmantel das verpönte
zinsbare Darlehn zu gestatten. In den Reichsgesetzen freilich
(D. A. von 1 000) ' unterschied sich der lientenkauf beson-
ders noch durch das beschränkte Kttndigungsrecht des Käu-
fers von dem zinsbaren Darlehn. Daher mussten die Gesetz-
geber, welche die reichsgesetzliche Billigung der fünf
Prozent Renten auf die Conventionalzinsen auszudehnen trach-
teten, wirklich im Missverständnisse über die Reichsgesetze
absichtlich oder unabsichtlich handeln. Aber gerade hier
offenbarte sich der Sieg des Verkehrs. Ohne dass diese
Gesetzgeber es wussten oder wollten , standen sie bei die-
sem Schritte schon auf dem Boden des Rechten und Wahren,
V. 3, Rentenkauf. e. A'^crhalten der Eärche zum Rentenkaufe. 279
die Renten waren ausserhalb der Reichsgesetze wirklich über-
all Conventionalzinsen , und dieser Gleichheit gaben dann die
Partikulargesetze, zuletzt auch die Reichsgesetze, ja selbst
kh'chliche Vorschriften den gesetzlichen Ausdruck.
e. Verhalten der Kirche zum Rentenkaufe.
Bereits oben im Abschnitte a ist zweimal , bei der reinen
Grundleihe und bei der mit dem Grundkaufe verbundenen
Rückh'ihe, nälier der wucherliche Charakter dieser Rechts-
geschäfte als Vorläufer des Rentenkaufes untersucht worden,
und beidemal musste die Wucherfrage verneint werden. Der
wirkliche Rentenkauf dagegen, dessen Entwicklung eben zur
erschöpfenden Ejitscheidung dieser selben Frage bisher ein-
gehend vorgeführt -wurde, fallt nach den im zweiten Theile
dieser Abhandlung gegebenen Darlegungen des kauouistischen
Wucherprincipes unzweifelhaft unter das Zinsverbot. Dennoch
theilten sich die Ansichten der kanonistischen Rechts- und
Gottes - Lehre gerade hierüber bedeutend. ^)
Die Anhänger und Vertheidiger des Rentenkaufes führten
aus', der Rentenkäufer erhalte nicht, wie beim Darlehn , sein
Kapital zurück. Dieser Einwand wurde bereits oben im Ab-
schnitte a gewürdigt. Nur dort , wo der Zins von solchem im
bleibenden Besitze des Zinsverkäufers befindlichen , wenn auch
fremden Kapitale wirklich aus rückverliehenem Grundstücke
und nicht offen oder verdeckt vom Geldkapitale selbst ent-
richtet wurde, musste der Wuchercharakter des Rechtsge-
schäftes fern liegen. Sobald der Zins von dem Kapitale ent-
richtet wurde , das damit ja eben Kaufpreis des' Grundstücks
zu sein aufgehört hatte, begann der eigentliche Rentenkauf
und damit der Wucher. Denn der Zins , die Rente bildete hier
Gewinn zum Kapitale , mehr oder weniger gewinnreich je nach
dem Preise der Früchte oder des Geldes ; der Kaufjireis des Zinses
war das wenn auch beiderseits unkündbare Kapital. Gerade
wenn man das zwiefach unkündbar hinzusetzte (jn-orsus irrc-
dimihilis, ewige gült), oder wenn die Rente, sobald die
1) cf. u. V. A. Azor. inst, moral. III. 10. d. cens. c. 4. Navarr.
in c. 3. C. 14. qu. 3. u. G9. und Scaccia, tract.de comm.§.l.qu. 1. n. 175.
280 V. 3. Reiitenkauf. e. Verhalten der Kirche zum Eentenkaufe.
Frist des Rückkaufs verflossen, eine ewige wurde (V, 8. b.),
sagte mau bereits, der Kaufpreis sei das dem Käufer dauernd
gehörige, wenn auch von ihm dauernd nicht besessene Kapital.
Neben der Rente gewann der Käufer noch den Rechtsinhalt
der Gewere, welche er an der Rente selbst erhielt (und dort,
wo man unrichtigerweise dieser Ansicht huldigt, sogar noch
den Inhalt der Gewere am Grundstücke). Allen diesen Vor-
theil umfasst , wie die Einleitung zeigte , das allgemeine „ quid
ultra soiieni." In solchem Umfange gehört der Rentenkauf unter
das kirchliche "Wucherverbot. Schon oben bei a wurde Dieses
betont und erwähnt, dass die Anhänger der Gewere am Grund-
stückeeben durch die Annahme der Gewere und des Obereigen-
thums des Rentenkäufers am Grundstücke keineswegs die
Rente wieder rechtlich gleich dem, Zinse bei der Gruudleihe
auffassen, sondern indem sie die Rente als vom Kaufpreise ent-
richtet ansehen , das Obereigenthum nur zur Begründung ein-
zelner Rechte des Käufers am Grundstücke annehmen zu müs-
sen glauben. Nach beiden Ansichten daher ist der Charakter
des Reutenkaufs zweifellos Avucherlich; durch die Annahme der
Gewere am Grundstücke wird er es noch in erhöhterem Grade. ^)
Der Umstand aber, dass gerade mit Eintritt des wirklichen -
Rentenkaufes die Bedingungen des Wuchers erfüllt sind, wäh-
rend sie es auf den Vorstufen des Rechtsgeschäftes nicht waren,
und dass so auch erst bei dem wirklichen Rentenkaufe der
Streit der kanonistischen Schriftsteller über die Wuchernatur
desselben anhebt, scheidet ihn um so entschiedener von
dem früheren oder ihm gleichzeitigen gutsherrlichen Verhält-
niss als zwei in ihrem Wesen verschiedene Rechtsinstitute.
Eben deshalb erscheint die oben ausgesprochene Ansicht um
so mehr begründet, dass wo nur die allgemeinen wirthschaft-
lichen Vorbedingungen des Rentenkaufes gegeben waren , der
Rentenkauf auch ganz unabliäugig von der Grundleihe entste-
hen konnte und entstand. Auch schützt deu Rentenkauf nicht
1) Uebrigens bezeichnet man schon ganz früli die periodisch wieder-
kehrenden Einkünfte (reditus) mit wochir. cf. Stuttgarter Glossen
i. cod. 218, ed. Massmann (11. Jahrb.). cf. Graff , Sprachschatz 1. 680.
V. 3. Kentenkaul", e. Verhalten der Kirche zum Rentenkaufe. 281
seine Form als Kauf gegen das Wuchergesetz. Diese trat
durchaus äusserlich ein für die Hingabe und den Gebrauch
fremden Kapitales gegen Zins. Nicht absichtlich verhüllte sie
diese wucherliche Natur des Kechtsgeschäftes, aber unabsicht-
lich, sie selbst hervorgerufen durch den bei der Entstehung
des Eentenkaufes noch weniger entwickelten Verkehr. Sobald
letzterer erst weiter sich herausgebildet hatte , stellte sich da-
her auch noch unter strenger Beibehaltung der Form des Kau-
fes , die einseitige Ablösbarkeit bei ihm ein , welche doch dem
Kaufe an sich widersprach. Wie früh trat sodann die Kündi-
gung von beiden Seiten ein nebst Rückzahlung des Rentenkauf-
preises. Nun fiel obiger Einwand sogleich fort. Allein erhielt
nicht bei den Ewiggülten selbst, wenn man den Rentenkauf
als Kauf ansieht, der Gläubiger das Kapital und grossen
Gewinn darüber durch die ewigen Gülten ! ') Das widerstritt
durchaus der oben wiederholt berührten Lehre der Kirche von
der nothwendigen Ausgleichung des der Waare inliegenden,
eigentlichen Werthes und ihres Kaufpreises. Diese Lehre war
so alt, wie die ersten kanonistischen Wuchergrundsätze, sie
lag schon in den canones apostolorimi mit dem von den Kir-
chenvätern eifrig ausgebauten Satze ausgesprochen , der Käu-
fer dürfe dem Verkäufer keinen Vortheil irgend einer Art ver-
güten, ausser dem vom Verkäufer selbst erlittenen Schaden,
seinen Kosten (cf. ob. Einl. u. I. 1 — 2.) ; die Lehre war daher
zur Zeit der Entstehung des Rentenkaufes längst anerkannt.
Sie verurteilte gleichmässig, wie den Rentenkauf, auch das
Beispiel, das einige Kanonisten selbst später, naiv genug, zum
Schutze des Rentenkaufes anführten. Auch der Kauf eines
Grundstücks war wucherlich , bei welchem Käufer ausser dem
Betrage des Kapitals noch ausserordentlichen, ja unbegrenzten
Gewinn durch dessenjährliche Früchte bezog. Denn das Grund-
stück wurde doch als fruchtbares gekauft, deslialb durfte scW>n
von vornherein der eigentliche Werth des Grundstücks und
seines Fruchtertrages den Kaufpreis nicht übersteigen. Die
1) cf. Azor. 1. c. sec. quaer. — L. Less. 1. c. 11. c. 22. u. 39. —
Laurent. Rudolph, repet. I.e. p. 130. n. 43. C. Molin, trct. contr.
(|U. 1. u. 13.
282 V. 3. Kcntenkauf. e. Verhalten der Kirche zum Kentenkaufe.
stete Verzinslichkeit des Kaufpreises selbst war dem gegenüber
nicht in Ansatz zu bringen , da diese Zinsen im kanonischen
Rechte eben unnatürlich , bei der Unfruchtbarkeit des Geldes
ungerechtfertigt erschienen. ^)
1) Nur der Leibrentenvertra^ , auf der Grenze zwischen Ewiggülten
und Wiederkaufsgiiltcn , fand in der unbestimmten Lebensdauer des Käu-
fers gegenüber dem festen Kaufpreise seine Eechtfertigung gegen das
Wuchergesetz. So sagt die SummaJohannis (1495) 11.32". (Stobbe,
Eechtsquellen I. p. 635) : „ kaufFet ein mensch gült oder zynsz oder ein
ander Dinge zu seinem leib Darumb soll er auch geben ein bequemlich
gelte nach seinem alter und nach seiner stercke , also daz der verkauffer
nit gritsslich beschediget Averde von des Kauffers lang leben." Und das
ist auch der Sinn der Worte Purgoldts, der so peinlich die einzelnen
Verträge in ihrem wucherlichen Charakter prüft III. 95. (Ortloff) : „ wer
zcinse kouffet zu seime leibe, der sal en dornoch kouffen das her jung,
starg und gesund ist , es stehit an den vorkouffern , wie sie en gebin wul-
len. Diesser kouff ist wüll bestendig umme deswillen, das er
ebenturlich ist unnd nicht enwej's, wie lange her den zcins uffnemmet."
Dagegen den Rentenkauf nennt Purgoldt nur in folgenden Grenzen
entscliieden wucherlich. cf. III. c. 55: „kouffet eyner zcins adder
lihit sein geilt eyme uf genisliche pfant, und der zcins, adder das
geilt vonu des pfandes geniesse nicht abeslet, der thut nicht recht,
und ist jme reclitin ieme des das pfant ist, irstatunge schuldig darumme,
unndt thut her des nicht, szo ist her eyn Wucherer und der unbeschey-
delicher geniess der ist alles recht wucher. Dith ist das beschriebin
recht und stet ex de usuris." — Der Text bleibt unklar ; der Fall ist, dass
der Käufer für die pünktliche Eentenzahlung vom Verkäufer ein nutz-
bares Pfand gesetzt erhielt. Der Rentenkauf mit alleiniger Kündigung
des Verkäufers ist nur wucherlich, wenn sich der Käufer noch nach der
Kündigung für einen bestimmten Zeitabschnitt die Rente zahlen lässt
(cf. ib. III. c. 93.) , beiderseitige Kündigung dagegen macht den Renten-
kauf stets wucherlich (UI. c. 92.) , unnd ist böser wan judin gesuch , weil
der Verkäufer nicht jederzeit das Geld bereit hat, daher zu seinem Scha-
den der plötzlichen Kündigung genügen muss. Chr. Kuppen er aber
(vom Wucher B. 6 ^.) entscheidet die Frage über den Wucher in Leibren-
ten und im Rentenkaufe dahin: ,, . . sprechen dy hochgelerten hern . . das
solche contract wol czindichen vn durcli recht gescheen mögen . . Es sey
das man solche iarliche czins gekaulft hab aus den einkommen eins vnbe-
weglichen gutes ligender gründe vnn eins erden bodens ader eins hauses
ader aus Verdienste vnn einbrengen ierlicher nutzunge der eigen ader
freyen menschen vnn ist nicht wucher. Nach dem solch hauptgelt gekauf-
tes geldes vnn ierlicher czins nicht aus gelihen gelt ist besunder ein gelt.
V. 3. Rentenkauf. e. Verhalten der Kirche zum Rentenkaufe. 2H3
Und weiter, konnte der Kentenkauf , wenn man ihn als
Kauf oder als irgend sonst ein Rechtsgeschäft ausser dem
Darlehn ansah , nicht dennoch unter das allgemeine Wuclier-
verbot fallen? (cf. Einl. I. 1. 2. IL 2. IIL 2. äff".)
Man betonte hiergegen, das Recht der Rentenforderung
(jus ccnsiis), nicht der Betrag der Renten sei die Waare. ')
So lange der Kauf währte , übte der Käufer dieses Recht aus,
bei Lösung des Kaufes stattete er gegen Empfang des Prei-
ses die Waare an den Verkäufer zurück , ganz . wie bei dem
Wiederkaufe eines verkauften und vom Käufer abgeernteten
Grundstücks. ^) Damit sollte sich besonders der Einwand aus
dem Wucherverbote beseitigen, dass Preis und Waare gleichen
Douor durcli einen redlichen contract emptionis vun venditionis, das ist
kaufens vn vcrkauftcns, etwas gekauft Avorden ist , Avie wol mit der c/.oit
der ihenige der solche czins gekaufft hat , meer entpfenget ader entpfan-
gen niagk, dann seine hatiptsum geAvest ist. Geben obgenante lerer dise
vrsachen dann gleicher weisze als einer vmb sein gelt magk kauffen ein
gantz landt, stete, schlos, vorwerck, heuser ader ligende gründe, vnn
raagk vnn kan dermitt der czeit er ader seine erben meer geniszen , dan
die haupsum , dy dorumb gegeben worden ist wert ist vnd machet ader
magk vmb ein gelt ein gutt kauffen in emphiteosira, das ist czu einer bes-
serung des gutes ader yndert von einem kauffen czins , die von alter auff
einem gut czins gewesen sein , sjjrechen obgenante lerer. So magk euch
wol einer also vmb sein gelt kaufen vnn im machen einen czins in iure
percipiendi der czuuorn nicht gcwest ist an einem vnbeweglichen gut.
Dan wiwol ein solch zins nawe heist vnn czuuor in der gestalt eins czinses
an solchem gute dor an er gekaufft worden ist nicht gewest ist , so ist er
doch in der gute vn wirde sie in iure i)ercij»iendi solchs guts. dorauff er
gekauft Avorden ist von anbegin des guts gcAvest , sunst künden man sol-
chen iarlichen czins dorauff niciit kauffen noch gekaufft haben , dorumb
sein obgemclte eontract im rechTeu avoI czugelassen .." ib. C. 5^. „einer
kauft etzliche Averntliche czins bei eyner s t a t ader bei einer k i r c h e n
auff seine lebetage alle iar ierlichen im solche czu reichen vnd czu geben."
Eijiige nennen den Vertrag wucherisch, denn die Käufer hoffen, „leugerczu
leben vnn vber ausgctanc hauptsum iarlichen meer czu entpfacn, Aven sie
ausgethan haben." Die Hoffnung alter erzeuge eben den Wucher. Kuppe-
n e r dagegen hält den Vertrag für zulässig ; denn ihm liege ein Kauf und
nicht ein Darlchn zu Grunde. Den Rentenkauf mit freier Kündigung durch
den Käufer aber erklärt er in Uebereinstimnmng mit den Summisten und
andern kanonischen Rechtslehrern als Avucherlich (cf. Beilage E. n. 4.).
1) Scacc. c. 1. n. 174. 2j Azor. 1. c. c. 17.
284 V. 3. Rentenkauf. e. Verhalten der Kirche zum Rentenkaufe.
Werth haben müssten , während die Ewiggülten den Preis
weit üliersteigen konnten, also dem Käufer einen Gewinn zum
Kapitale (^jrr^/«>»^ einbrachten. ^) Hier konnten offenbar nur die
Ewiggülten in Betracht kommen ; denn bei zeitlichen Renten
erliielt Käufer ja nach Empfang und Gebrauch der Waare (jus
ccnsiis) auch noch den Preis zurück. Dass aber diese Annahme
des jus ccnsus auch bei Ewiggülten Nichts änderte , ist klar ;
denn das jus census überwog , ebenso wie der fruchttragende
Acker, den einmaligen Kaufpreis.
Je grösser indess die Widersprüche , desto kühner wurden
die Fiktionen. Da das Geld im Geldzinse, welches bei dem
Kaufe des Rentenrechtes immer bestehen blieb , doch weder
aus dem Kaufpreise (Kapitale) noch aus dem fruchttragenden
Grundstücke hervorwachsen konnte , nahm man au , die census
fruduarii kaufe der Rentenverkäufer sofort wieder für den Geld-
zins vom Rentenkäufer. Welche Fülle neuer Wucherbeschwer-
den öfftiete sich durch diesen neuen Kauf, ^) und wie wollte
man bei dem weiter entwickelten Rentenkaufe die Belastung
des einzelnen Grundstücks mit Fruchtrenten aufrecht erhalten !
Neben dem ganzen, bisher dargestellten Verlaufe der deut-
schen Zinsverhältnisse beweisen gerade diese hauptsächlichen
Vertheidigungsgründe des Rentenkaufes durch die canonistischen
Schriftsteller, wie nicht richtig einige Rechtsautoritäten, so
Walter, •^) das kanonistische Wucherverbot im Mittelalter da-
mit rechtfertigen zu können meinen , dass sie nur zum Schutze
der Armen gegen die Geldtyrannei der Reichen die Kirche das
Wucherverbot aufrecht erhalten , ^) daher den Rentenkauf, bei
dem dieser Grund nicht vorwalte, von ihr billigen und ver-
theidigen lassen. Dass dieses Moment die Hauptursache zur
1) cf. ob. Abschn. II. u. Azor, 1. c. 17. pr. qu. Less. d. just, et jur.
U. c. 22. n. 39. 2) Azor. 1. c. c. 17. Scaccia. §. 1. qu. 1. n. 175. Co-
varruv. HI. c. 10. 3) Syst. d. D. P. E. §. 267. 268. Deutsche Rechtsge-
schichte, §. 551. 561. 4) cf. dagegen auch Benedict. XIV. de sj-nodo
flioecesana. VII. c. 47 ff. und dessen Encyclia: vix pervenit vom 1. Nov.
1745 (Bullar. Benedict. XIV. T. 1. p. 353.), Moy de Sons, Archiv
für kathol. Kirchenrecht I. p. 323. 325. Endemann, Nationalökonom.
Grundss. der kanon. Lehre p. 60ff. (auch bei Hildebrandt, Zeitschr. für
Nat. Oek. I. 1 ff.j.
V. 3. Ecntonkanf. e. Verhalten der Kirche zum Renteiikaufe. 285
Entstehung des christlichen Wucherverbotes war , zeigen oben
Abschn. L und IT. Dieselbon lehren al)er ferner , wie früh die
Kirche in Ausbauung des Wuchersystemes sich von dieser
kleinen Grundlage ausdehnte, wie umfassend über alle Ver-
gütimg des Nutzens fremder Kapitalien sie ihre Verbote
errichtete , daher sie beim Rentenkaufe auch , wo nicht minder
Fälle der Geldbedrückung Armer durch Reiche in grosser Zahl
sich bieten, allgemein die Anerkennung des Rechtsinstitutes
ohne Berücksichtigung dieser Einzelfälle ausspricht und nir-
gend jenen Grund als den ihrer Billigung aufführt. Ja noch
mehr! Nicht allein in der kanonistischen Litteratur ist die
Zahl der Stimmen gross , welche den Rentenkauf als wucher-
lich verurtheilen, weil sie in ihm dasselbe Prinzip, wie im
Darlehn obwalten sehen , sondern sogar in der Praxis , und in
der deutschen, offenbaren Kirchenbeschlüsse ganz klar, dass
man sich Seitens des Clerus durchaus nicht über die Natur
des Rentenkaufes täuschte. Wer sollte auch nicht mit offenen
Augen blind genannt werden müssen , wenn er mitten in der
oben dargelegten Entwicklung des Rentenkaufes zum zinsba-
ren Darlehn lebte und gegen die tausendfältige zinsbare Kapi-
talsanlage im Renteukaufe das. kanonische Wucherverbot unver-
letzt hielt ! So unterscheidet man in der Synode von Besanyon
1571, also ein Jahrhundert nach der öffentlichen Billigung
des Rentenkaufes durch die Kirche, zwischen rentas fon-
cieras, welche von Grundstücken gezahlt werden, imdj^er-
sonales. welche man in einem einfachen Schuldscheine ohue
Belastung eines Grundstücks vereüibarte (auch viageriae, va-
gae, volanfes genannt),') desgleichen in der Synode von
Brixen 1603 2) verurtheilt man denjenigen als Wucherer,
welcher emen Rentenkauf schloss, ohne in der Urkunde das
Grundstück zu benennen , auf welches er die Rente legte. In
ersterer Synode fällt geradezu die Aeusserung: „si cum
1) cf. conc. Germ. ed. Schaiiiiat u. A..V0I. \^^. p. 104. Ent-
sprechend den „rentes foncieres" und „Constitution de ren-
tes" in Frankreich, wo man frühe schon den Rentenkauf zur Ver-
schleierung des allgebräuchlichen zinsbaren Darlehns anwendete (cf.
Rizy. Zinstaxen, p. 120.). 2) Conc. Genn. VIII. p. 579.
'28(1 V. ;>. Reut 011 kauf. c. Vorlmlton dor Tvirclio zmii Tioiitonlcaufe.
pacto redimendi sortem ohligarer, non vcndltio
cvrfc rsscf, sed mufuntio cum foenore."
Die Frage über die Billigung oder Verwerfung des Ren-
tenkaufes wurde immer brennender. Die Hauptkapitalien der
Hospitäler, Stiftungen, Klöster, Kirchen waren in Renten
angelegt, die Schuldner weigerten sich, den Zins als einen
wucherlicheu zu zahlen, die Kirche selbst hatte ihren Gegnern
die Handhabe geboten. Böswillige Geistliche denunzirten
bereits seit dem 13. Jahrhundert an die päbstliche Curie das
reisseiide Ueberhandnehmen der Rentenkäufe, z. B. aus Lü-
beck. ^) Damals liess Clemens V. sich von seinem Kaplan Ber-
nardus Bojardi 1309 em Gutachten über den misslichen Gegen-
stand anfertigen, das glücklicherweise günstig für Lübeck aus-
fiel; denn derselbe Pabst verbot die Zinsen später von Neuem. ^)
In diesem Gutachten handelt es sich um folgende zwei Fälle :
L Wenn der reiche Nachbar für den armen de mandato
superiorum eine Mauer auf des reichen Kosten auffuhrt,
so zahlt ihm der arme „2^ro singidis XVI soUdls sinyulis
unnis 1 soUdum de domo ejus, cujus murum edificU ; pauper
vero vel ejus lieres qiiandocunque voluerit , poterit reemere
predictos reddltus pro eadem summa fnictlhus interim per-
cepüs in fnictum mlnime comxmtaiis . . et habehunt domum
liheram et quietam. . ." Der Reiche hat beim späteren Verkaufe
des Hauses des Armen das Vorzugsrecht.
n. Nimmt Jemand von HIc mrk. eine Rente von XVI m.
auf ein ländliches oder städtisches Grundstück, so kann der
Besitzer oder sein Erbe das Recht des Rentenbezuges wieder-
kaufen, „ quandocunque voluerit, ulvito etiam emtore, fructi-
bus interim in sortem minime computatis, sed emtor vendito-
rem ad reddimendum compellere non potest. ."
Man ersieht , es sind die oben bereits erwähnten kanoni-
stischen Zweifel; „queritur hec statuta possint stare de jure
vel non ? "
„Nos Bernardus Boiardi archidiaconus Xanctonensis ...
dicimus quod xyrimtmi statutum potest habere dtibium , quia
1) Siebe nkees, Beitr. Tli. 1\^ p. 223. 2) Clem. d. usur. b. 1.
V. 3. Rcntenkauf. <■. ^'orlialton der Kirche zum Eentonkaiife. 287
viclcfur contradus usurarius vel saltim turpis et usure
testamcnti in ntriusquc pacjina sunt proliihitc unde dispen-
satio vel prct'nim seu conventlo in talihns nich'd pn-odest et
per se consequens nee statutum per quod inducerentur Jiomi-
nes ad peeeandum qnia statutum, contra legem cid renun-
tiari non potest non vcdet, isla probantur X. d. usur. c.
consul. et c. in eivit. et c. tuas et c. I. et IL i. f. d. pac. do.
I. eonveniri et quod no.e.de.decre. decuri lib.X.in ruhrica."
(Der Wucher wird darin erkannt , dass Gläubiger sein Kapi-
tal aus der Rente wieder bekommt und doch die Rente ohne
Anrechnung auf das Kapital, wie bei der Pfandnutzung vor-
geschrieben war, gezogen hat. Desgleichen, dass Gläubiger
beim Kaufe des Hauses vorgezogen wird, sei nicht unbedingt
zu erlauben) „contra l. qua vult quod quilihet possit rem
sua7H vendere eui velit reprobata consuetudine que profere-
bat consanguineos et consortes c. d. contrali. empt. l. dudum
nee valet pretium (pactum), ut quis rem suam vendere et
alienare non possit. ff. d. pact. vel velit. Sed premissis non
obstantibus dico v alere statutum nam civitates et
municipia statuta facere possunt, que ipso-
rum p)'>'oprium jus civile vocatur et vincunt."
Das zweite Statut ficht er nicht deshalb an , weil die Rente
den Zinsen gleich sei. sondern weil „ aufertnr potestas libera
hominibus in re sua quia non possunt vendere proiit volunt
sed pro certo pretio et non pro miyiori." Doch lasse sich dies
im vorliegenden Falle wiedei* entschuldigen, „quod pJerumque
qiii pecunia indigent , faciles sunt ad venditionem rerum et
proinli pretio vendunt pretiosa. . . Caveatur tarnen eonseien-
tia ne in fraudem usurarum fiat aliquid in predictis. In
cujus rei testimonium Nos Bernardus Bojardi . . presentes
littcras fecimns. Arinion. XX Juni 1309."
Der Karthäuser -Prior Roland von Köln warf danach im Coneil
zu Costnitz wiederum die Frage auf über die Erhiubtlieit die-
ser Verträge. Da es sich hier um die Einkünfte des Karthäu-
serordens handelte, entschied sich die grosse Majorität kano-
nistischer Autoritäten für die Billigung des Rentenkaufes.
Roland hatte in der Darlegung der heimischen Verliältnisse
288 V. 3. Rcntoiikauf. o. Yorlialtcn dev Kirche zum Rentcukaufo.
aiu'li einen möglichst niederen Rentenfuss ausgewählt , „'per-
solvcudo nliquancJo XXIV florcnos j;ro pcnsionc nniiis florenl,
in aJiis hciii vigiuti frcs vcl ad minimum XX florcnos, .."
der die p]ntscheidung um so eher günstig ausfallen lassen
musste. ^) Aber die Frage ruhte nocli niclit. Insbesondere
häuften sich die Weigerungen der Schuldner, rückständige
und laufende Renten als wucherliche zu zahlen , vornehmlich
zu Anfang des 15. Jahrhunderts hi Mitteldeutschland. ^) Daher
die selbst in der kirchlichen Latinität starken Ausdrücke , mit
denen Martin V. 1420 semen Brief an die Brüder in Trier,
Lübeck u. s. w. einleitet : „ . . . %d dttMa quae inter cos oriun-
tur pro tempore, ne litis ein fracfum , seil scnnclcdorum partu-
riont fonicntiim, nostro moderamine declarentur."' ^) Selbst
im 16. Jahrhundert begegnen dergleichen Fälle noch, zumal,
als die Reformation die Geister bewegte , sich wieder auf den
ideell sittenreinen Standpunkt des ürchristenthums zu stellen,
wie Beilage D. und E. von Dan zig her beweisen. Die Vorste-
her der einzelnen, dadurch gefährdeten Kirchen, Klöster,
Stiftungen u. s. vf. fragten weder und wieder beim römischen
Stuhle um endgültige Entscheidung der Sache an. So antwor-
tete denn gemäss dem vorher eingeholten Gutachten ,,dilccti
filii nostri Gulielmi, titidi sancti Marci preshytcri cardi-
nalis" Martin V. auf das Schreiben der Diözese Breslau 1420, ■*)
dann Mcolaus V. 1452 auf die Anfrage der Bischöfe von
Magdeburg, Naumburg (Nürnberg), Halberstadt, und Kalixtlll.
1455, ^) später in besonderer Verordnung Pius V. noch 1568.*^)
Aus den Entscheidungen dieser Päbste , durch welche schliess-
lich die Frage gelöst wurde, erhellt — und mit grösstem
1) Zech, rigor, moder. doctr. pontif. c. usur. III. 195. Endemaim,
1. c. p. 62ff. 2) Extrav. comm. UI. 5. c. 1. Tarnen nonnulU ... in
arcum pravum conversi cupientes cum alterius pecimia loeupletari, hujüs-
modi censtis ... emtoribus .. soluere contradicunt et recusant , confin-
gentes , huiusmodi contractus fore et esse usurarios et ilUeitos , ipsos
emtores . . . spoliant X)erceptione et detinent spoUatos (seil, census) in
animarum suarum pericuhim eorumque emtorum praejudicium , dam-
num et gravamen." 'S) Extrav. Comm. 111.5. cp. 1. 4) c. 1.
Extrav. comm. III, 5. 5j c. 2. 1. c. 6) Scaccia. 1. c. §. 9. u. 44. 45.
V. 3. Rentenkauf. e. Verhalten der Kirche zum Renteukaufe. 289
Nachdrucke wird es hervorgehoben — wie weit und tief sich
der Kentenkiiuf im Verkehre nicht bloss der Laien, sondern
ganz voriu^hmlich auch der Cleriker ausgebreitet hatte, wie
Kirclien , Klöster und geistliche Stiftungen ihre Einkünfte ganz
speziell aus dieser sicheren Quelle zu 7 — 10% bezogen. Zum
ersten Male mit ganzer Stärke trat das Angesicht der That-
sache im Kapitalverkehre dem theoretischen Satze der Kirche
entgegen , — und die Kirche wich zurück. Hätten die Päbste
hier mit Nein entschieden ; man Hess entweder die Entscheidung
unbeachtet und uubefolgt, oder m gewaltiger Explosion stürzten
alle geordneten Besitzverhältnisse über einander und begruben
auch hier die Kirche in ilirem Falle. Beidemal war Ansehn
mid Vermögen der Kirche aufs Spiel gesetzt. Darum musste
hier der Wuchergrundsatz ruhen, darum verwarfen die Päbste
die Fülle der kanonistischen Gegeugründe und erlaubten den
lientenkauf. Wie sehr bereits der Umlauf des leichtflüssigen
Kapitales dabei der Kirche wesentlich erschien, zeigen die
jener Entscheidung zugefügten Gründe, in denen des Schadens
der Landwirthe , welchen man durch ein Verbot des Kenten-
kaufes das Geldkapital entzog, kaum gedacht wird. Salma-
sius, d. foen. trapez. p. 4, bemerkt richtig hierzu: „siih alieno
qiüppc d arcessito nomine foemis permiserimt, quocl sub pro-
prai (ippdlatione vetiierunt. p. 68 ... decretis tarnen Ulis nihil
aliud eff'ectum est, quam ut foenus sub alio nomine in ecclesiis
occidentalihns frcquentaretur , dum pro usuris induit appella-
tionem „ redituum annorum."
Dagegen bemühten die Päbste sich , die nicht zu verwei-
gernde Erlaubniss möglichst fest zu begrenzen , um so wenig-
stens den Wuchergrundsätzen gerecht zu werden. Die Kente,
bloss von einer Person empfangen, blieb wucherlich; ausser
den Grundstücken , überhaupt den Immobilien waren höchstens
noch die Quasi - Immobilien , Abgaben u. dergl. zur Belastung
mit Kenten geeignet. ^) Dagegen beziehen Etliche '^) die Ge-
1) Navarr, i. c. 3. C. 14. qu. 3. n. 87. Scaccia. §. 1. qu. 1. n. 204.
2) Less, II. c. 22. dub. 12. n. 77. Äzor, 1. c. c. 7. Benedict XIV.
in der berüluuten Schrift „de Sjiiodo dioecesana" VII. c. 48. n. 4 ver-
Ntiuiuaun, Gesch. d. Wuchers, IJ
2W V. y. Rontoiikauf. e. Yorlialton dtn' Kirilie znni Rontoulcaufo.
stattuiig allein auf Gviiiidstücke, während Andere sich sogar
den Pevsonalrenteii niclit abgoncigt zeigen. ') Ans dem Gvnnd-
stiieke selbst sollte die Heute als Frncht erwaclisen, daher man
bestimmte Grundstücke verpflichtet forderte nud die Belastung
des ganzen Vermögens, welche den üebergang von der Real-
last-Kente zur einlachen rersoualrente (cf. Absch. b.) wesentlich
eingeleitet hatte, durchaus verwarf, so in der Constitution
„cum onus" von Pabst Pius V. Die Hrdie der Kente sollte
demgemäss in der Höhe der wirklichen Erträgnisse des Bodens
das Maximum bilden. Daher sank auch Iderdurch der Renten-
fuss. — Andrerseits entfernte man sich wieder von dem Cha-
rakter der strengen Bodenrente, indem man für jeden Renten-
kauf zur Gültigkeit Kündbarkeit Seitens des Schuldners for-
derte. Diese Bestimmung wirkte als eine zweischneidige nicht
sowohl für den Schuldner günstig , als sie vielmehr jedes an
sich immer doch makelbehaftete Rentenverhältniss schneller
endigen konnte und endigen sollte. Die Kfmdbarkeit durch
den Käufer blieb gegen die einstimmige Praxis höclist bestrit-
ten. ^) Zur Abwehr der so häufigen Verwandlung anderer For-
derungen (cf. Absch. d.) in Rentenkapitalien ward nur baare Zah-
lung beim Rentenkaufe gestattet. Die Controlle zu üben, blieb
natürlich unmöglich. ^) Insbesondere verbot man alle sonsti-
gen Uebereinkommen der Parteien, um dem Gläubiger neben der
Rente noch einen Gewinn, z.B. im Zahlungsverzuge des Schuld-
ners zu sichern. Kurz, die Begrenzung der gegebenen Erlaub-
niss des Rentenkaufes gegen die ewig drohende Wuchernähe
steigerte sich in der Verordnung von Pius bereits auf sieb-
zehn Punkte. ^) Da aber die genannte Constitution Pius' V.
weder in Deutschland, noch Frankreich, nocli Belgien recipirt,
dagegen in Spanien durch Privilegien, anderswo durch Gesetze
entsprechend der zu Grunde liegenden Gewohnheit, wirkungs-
los gemacht wurde, drang die Entscheidung der Constitution
walirt sicli entschieden gegen die Ausdehnung der Billigung auf Personal-
renten , selbst Avenn eine Eealliypothek zur Sicherheit unterbreitet ist.
1) cf. S c a c c i a. 1. c. n. 203 ff. 2) A z o r. 1. c. c. 17. S c a c c i a. 1. c.
n. 2.%ff. 3) Azor. 1. c. u. c. 8ff. Scaccia. n. 209. 4) Azor,
Ic. 5 — 21.
V. 3. Rentenkauf. c. Verlialton der Kiiclic /iiin Renteukaufe. 291
schon aus diesen Gründen niclii diivtli, und die allgemeine
Ansicht grill' Platz, aucli die persönliche Rentenverpflichtung
sei niclit wuclierlich, sobald sie nur nicht etwas gegen das
Naturreclit oder göttliche Gesetz Streitendes enthalte. ^) Die-
ses sollte aber der Fall sem, sobald dem Gläubiger aus dem
Darlehnskapitale selbst die Zinsen erwüchsen , 2) oder sobald
der Gläubiger das Kapital kündigen könne. ^)
Das Maximum der Kente bestimmte man auf 10% , ihre
gewöhnliche Höhe auf 7 — S"/,,- '*) In deutschen Synoden wurde
dieser Zinsfuss mannigfach variirt, so stellt die Culmer Sy-
node 1583 entsprechend der Norm in der Danziger Willkür
von 1580(cf. Absch. c.) 8V3 7o als Maximum auf. ^) Die Synode
von Brixen dagegen 1603^) lässt die Höhe der Rente von
den wirklichen Erträgen der belasteten Sache abhängen.
Die päbstliche Billigung des Rentenkaufes fand inDeutscli-
hmd ausser durch jene Antwortschreiben der Päbste gerade
an deutsche Cleriker noch besonders in einer Reihe von Syno-
den Eingang. In einigen derselben berührte die Debatte offen
den wuclierlichen Charakter des allverbreiteten Rechtsinstitu-
tes, so in der oben zitirten von Besan^on 1571. Hier sprach
man denn — trotz Walter — unverblümt auch den Grund
aus, der die Päbste hauptsächlich zur Anerkennung solcher
Ausnahme vom Wucherverbote getrieben hatte: „cum. iyi-
tur comperttim fuerit expedire reipuhlicae, ut
quid datur miituantihus ad comp en s at ion em usus
alienae pecuniae ccnsus haec obligatio usurae
honestior ratio inventa est," und verordnete nur,
dass der Missbrauch des Rentenkaufes zur ausdrücklichen Um-
gehung des Wuclierverbotes nicht zu gestatten sei. Letzteren
Punkt hielt auch die Synode von Oonstanz 1609 aufrecht. '')
Dagegen ging die Brixen er Synode von 1603 in dem Eifer
für den Rentenkauf nodi ül)er die Erklärungen des päbstlichen
1) Devoti, Instit. can. lib. VI. ti. 16. §. 22. n. 2. 2) cf. noch
Benedict XIV. d. syn. dioec. 1. c. n. 4. a. Ende, n. 5. 6. 3) B e n e d i c t
XIV. I.e. Moy de Sons, I.e. ].. 325.326. 4) Azor. I.e. c. 21.
Scaccia. n. 244. 5) Conc. Germ. 1. c. vol. VII. ]>. 985. (J) Conc.
(j er 111. vül. Vin. p. 579. 7) Conc. Germ. vul. VIII. p. 9UG.
19*
202 V. 4. r>io .Tmloii. a. Stollniig zu Kirolio inid Roioli.
Stuhles hinaus. Denn sie bestimmte sogar, der Kentenkauf
sei nicht wuelievlich , selbst wenn beide Contrahenten Küudi-
gungsbetugniss liätten, „non esse contra jus naturale nee
(livi)ium." Das konnte dem Kapitalverkehre nur gedeihen
und liess um so schneller das zinsbare Darlehn in ausgedehn-
ter Weise heranreifen. Denn hier oflfeirbarte sich praktisch,
was S a 1 m a s i u s , der klare Denker und unbeirrte Bekenner
Avissenschaftlicher Wahrheit, 1638 auszusprechen nicht zö-
gerte:^) „non inteUigere possum, cur mutuari suh usuris
vetit'um , reditumu annuorum vendltio liae nova forma appro-
hata sit."
4. Die Juden.
a. Ihre Stellung zu Kirche und Reich.
(Kurzer Ueberblick.)
Als Träger des Handels, als Förderer des persönlichen
Credites erwiesen die Juden sich überall dort, wo der Geld-
verkehr durch äussere Störungen unterbrochen ward, unschätz-
bar gleich einem unentbehrlichen Bindegliede. Die Juden allein
hielten in Deutschland während der Zeit des eigentlichen Mit-
telalters den Gebrauch der Conventionalzmsen ohne Ver-
deckmig aufrecht, sie allein standen hier dem kanonischen
Wucherverbote direkt gegenüber, sie machten die Handeltrei-
benden, die Kapitalbesitzer und -Sucher vertraut mit dem
zinsbaren Darlehn , sie verhinderten ihre Entfremdung von die-
ser natürlichsten Entschädigungsart der Kapitalsnutzung , l)ei
ihnen allein erkannte man den Wucher als erlaubt an , ganz
Avie später allgemein die Conventionalzinsen , und zog ihm nur
aus Gründen der Billigkeit, der allgemeinen Wohlfahrt eine
bestimmte Grenze. So wurden die Zinsgeschäfte der Juden
Beispiele , Vorläufer , Anbahner des zinsbaren Darlehns.
Ausserhalb der Christenheit und darum auch ausserhalb
des Wucherverbotes standen die Juden nach dem kanonischen
1) d. usuris c]). 21. ]). 632 ff. , d. modo usurar. (1G30) cp. 2. p. 52 ff.
d. iiiut. p. G2 ff.
V. 4. Die Juden, a. Stelliiuf,'- zu Kirche und Reich. 203
Rechte; ja das alte Tostamciit als ilir Hauptgesetz gestattete
ihnen, Zinsen von NichtJuden für Ka]titalsnutzung 7ai fordern
(cf. S. 2.). Nur vereinzelt liess Pabst Innocenz 111. sich durch
heiligen Eifer hinreissen, die christlichen Obrigkeiten aufzu-
rufen, dass sie die Juden zur Kückzahlung des Wuchers an
die christlichen Schuldner zwängen (cf. I. 3.) , und verbot im
AVeigerungsfalle jeden Verkehr zwischen beiden bei Strafe der
Exkommunikation. Im Clerus Deutschlands fand letztere Rich-
tung der Kirche geringen Anhalt in vereinzelten Ausnahmen,
die indess -auch nur mittelbar den Wucher der Juden be-
schränkten. ^)
1) So wird in dem Tricrschen Pro v i nzia Ikon zil v. 1. Mai
888. cp. 4. berülirt :
„ Crxmtlierus Metensis (Metz) ecclesic primicerius ohtiilit Itbelliim pro-
damationift super Judeos, qui hnbiiant metis (in Metz) quapropfer
intenlictum est juxla capifiila 55 patrum, ut nemo christinnorum cum
eis manducet et hihat vel quicquid comedi mit potari poiest a judeis
accipiat ... cesarius arelatensis uit, nimis indignum est atque sacrile-
(fum eorum cibos a christianis sumi." bei Strafe der Exkommunilvation.
cf. Urkundenb. z. Gesch. des Mittelrheins ed. H. Beyer. I.
(Coblenz 18ßü.)
Fast wörtlicli hiermit iibcrcinstinmiend verbietet die Breslau er Synode
von 1266 (c]). 10 — 14) den Christen bei Strafe der Exkommunikation
jeden geschäftlichen oder aussergeschäftlichen Umgang aus Furcht davor,
dass die Juden die Christen vergiften , oder sie durch hohe Zinsen zu sehr
aussaugen oder sie zu gleichen Wuchergeschäften verleiten. Um das Ver-
bot sichrer zu verwirklichen , wird den Juden bestimmter Wolmsitz und
bestimmte Kleidimg vorgeschrieben , die weltliche Obrigkeit soll die Aus-
fülirung dieser Befehle selbst überwachen , die Befehle sollen zu gehöri-
ger Erneuerung und Verbreitung jedesmal in den bischöflichen Synoden,
in den Proviuzialconzilien neu verlesen, auch durch die Provinzial-
kirchen ihrer Diözesen den Laien verkündigt werden. Wie wenig das
Alles gegen den Verkehr vermochte, zeigt sich liier aus dem Wortlaute
der Beschlüsse selbst, so "vvie aus den direkten archivalischen Nachricliten
über den Verkehr. Syn. Budcnsis, 1279. cp. 125. — Hube, antiquiss.
constitt. .synod. prov. Gneznens. Petroj). 1856. Auch noch 1315. Rechts-
niitth. Breslaus an Glogau. T z s c h o p p e und S te n z e 1 , Urk. B. p. 497.
§. 5. 8. p. 251. — cod. dipl. Sil. V. Wattenbach , das Formelbuch Ar-
nolds von Protzau. p. 59. — Chr. Ku))pcner (v. Wucher A. 5, 6, Q»",
B. 2, 2^^) , welcher sich , wie die Summisten allgemein , in dieser Frage
294 V. 4. Pio Juden, n. Stollmiü: zu Kirohe und T\eicli.
Bekanntlich schon in der ersten Zeit des erwachenden
Verkehrs finden sicli hier Bekenner des mosaischen Ghiubens.
Vereinzelt, z. B. in Worms, hat man ihr Alter selbst auf das
2. Jahrhundert nach Christus zurückführen wollen. ^) Sie ver-
mitteln den ersten Handel und sind neben den Clerikern (mit
deren zahlreichen l'rekarien) die allbereiten Geldquellen an
den Sitzen der weltlichen und geistliclien Gewalthaber. Bei
dem Entstehen der Städte repräsentiren die Juden einen unent-
behrlichen Eckstein ihrer Gründung. Die Judengemeinde ist
in jeder Stadt ein Avesentlicher Theil der Einwohnerschaft. ^)
Als NichtChristen und fortdauernd als Bürger eines fremden
Staates betrachtet wohnen sie in besonderen Stadttheilen und
Gemeinden, sind ausgeschlossen vom liechte der christlichen
Einwohner und zahlen an den Kaiser für ihre Duldung und
ihren Schutz als seine Leibeigenen, „Kammerknechte," eine
Geldabgabe, wogegen sie sich zur Ermöglichung ihres Unter-
haltes besonderer Privilegien erfreuen.
Die Geldabgabe der Juden bot ein überaus einträgliches
Regal der Kaiser ; ^) damit es um so reichhaltiger sich erweise,
erliesseu die Kaiser ihnen sonstige Zölle und Abgaben, wie sie
emphatisch sagen, im ganzen Umfange des Reiches, thatsäch-
strenge auf die Seite des kanonischen Rechtes stellt, verwirft den Wucher
der Juden durchaus (cf. Beilage E.).
1) Der bekannte Grabstein der Wormser Gemeinde cf. Arnold,
Verf. Gesch. der deutsch. Freist. I. p. 72. 2) Bischof Eüdiger bei
Aufnahme der Juden in Speier 1084: „cum ex Spirensi villa urbem face-
rem , ptitavi millies ampUficare Jionorcm loci, si et Judaeos colUgerem."
Arnold, 1. c. I. p. 73. Wegen der Vermittlung des Handelsverkehrs
durch die Juden mochte Eüdiger dies sagen. Ein anderer Grund hätte
ihn kaum dazu veranlasst , da selbst die Juden in Worms sich in ihrer
Stellung von den sonstigen Judengemeinden unterschieden , während man
doch von den Wormser Juden annahm, sie seien bereits vor Christi Geburt
dorthin eingewandert und trügen deshalb keine Schuld an Christi Ster-
ben. Arnold, I.e. I. p. 72. 3) Eichhorn, D. R. G. §.350. lässt
sie den 10. Pfennig alles Wuchergewinnes an den Kaiser zahlen, cf. He-
ring, tract. d. fidejussorib. Frankof. 1614. cp. 30. n. 33., wo die Streit-
frage der Rechtslehrer über die Berechtigung dieses Judenregals erör-
tert wird.
V. 4, Die Jiulon. a. Stellung /u Kiiclie und Reich. 205
Hell wenigstens für kleine Territorien. ^) Neben der Steuer an
den Kaiser zalilten die Juden , freilich unter mannigfaclien Mo-
ditikationen in den einzelnen Gebieten , eine fernere Abgabe —
ganz unal)hängig von jener — an die ihnen zunächst residiren-
den Maclithaber, z. B. an das Stift in Speier für die Duldung
ihres Aufenthaltes in der Stadt 3^2 Pfund jährlich (im 11. Jahr-
hundert) -). Seit dem 13. Jahrhundert sodann übertrugen die
Kaiser vielfach die Ausübung ihres Judenrechtes an letztere
Machthaber als kaiserliclie Stellvertreter ; dafür bezogen die-
selben auch die kaiserliche Judensteuer. Solche Uebertragung
erfolgte z. B. 1 212 durch Otto IV. an den Erzbischof von Mainz, ^)
1226 an den Grafen von Jülich und seme Erben. '^) Danach
kam das Kegal, ehe jene Machthaber es überall bleibend an
sich reissen konnten , thatsächlich an die Städte , später erwar-
ben diese es auch rechtlich. So überliess der Kaiser Wenzel
das Judenregal dem Rathe von Nürnberg für eine jährliche
Abgabe an die kaiserliche Kammer, doch mussten die Juden
danach ebenfalls einen Theil ihres Judengeldes , wie zuvor,
an den Kaiser zahlen. •^) Der Rath zog in solchen Fällen nach
Gründung seines selbstständigen Regimentes die Juden zu den
Gemeindelasteu heran, indem er sie dafür schützte.*^) In
Breslau zahlten sie, wie die andern Bürger, von ihren Grund-
stücken imd Häusern das Geschoss, ausserdem eine jährlich
wechselnde Summe für die Freiheit vom Wach- u.a. Dienste.^)
1) cf. Eemling, Urk. Buch zur Gesch. der Bischöfe zu Speier p. 65.
Zorn, Wormser Chronik p. 240. (13. Jahrh.) Bescler, Zeitschr. für R.
G. II. 2 — 3. p. 410: „et nullus ab eis exigat theloneum vel exactionem
puhlicani vel piivatam repctat." Bese'ler legt den Worten des Kaisers
wirklich die praktische Geltung für das ganze Reich bei. 2) Arnold,
1. c. I. p. 73. cf. desgl. Laconiblet, Archiv. I. 320. jur. Archiepiscopi
Trevireus. X. 3. „episcopuH Judaeorum ienetur credere sinyulis annis
nrchiepiscopo Trevir. X marca!< sine iisura." und für das 14. Jahrh. Leh-
mann, SpejTer Rechtsgewohnheiten. Chronik j). 118. 3)Gudenus,
cod. diplom. Mogunt. I. 419. 4) Lacomblet, niederrhein. Urk. B. IJ.
p. 75. n. 140. 5) Wächter, Handbuch des Würtemb. R. I. 1. §. 34:
,, durch die Möglichkeit des Gewinnes von den Juden zogen die Gral'en
dann auch fremde Juden ins Land." 6) cf. Arnold 1. c. IL ]>. 21.5.
7) cl. T z s c h 0 p p e und S t e n z e 1 , Urk. B. p. 497. §. 5. 8. p. 251.
296 V. 4. Pio Juden, a. Stellung zu Kirche und Ecich.
Bei aussevordentlichen Gelegenlieiten, in denen die Stadt bedeu-
tende Ausgaben hatte, wurden sie nicht minder herangezogen,
z. B. entrichteten sie beim Mauerbau 1304: 85 mrk. , wälirend
sie sonst an regelmässigen Abgaben zahlten 1299: 16 mrk„
1315: 30 mrk. ^) Fast jährlich zahlten die Wormser Juden
während 1254 — 78 der Stadt ansehnliche Abgaben, 1254 und
1255 je 200 und 150 Pfimd Heller zu den Kosten des Land-
friedens , dann 1 258 an Bischof und Stadt 200 mrk. ; in der
Raabschen Fehde 300 Pfund, und zum Zuge gegen Alzey
400 Pf.; 12G1 zur Herstellung der Mauern 230 Pf., 1263:
220 Pf., 1265: 300 Pf,, 1266: 250 Pf., 1268: 300 Pf., 1271 :
250 Pf., 1278: 400 Pf., diese zugleich als Strafe. ^) Es scheint
indess, als wenn hier noch nicht das ganze Einkommen der
Stadt von den Juden her aufgeführt ist. Nürnberg z. B. lie-
fert ein Jahrliundert später ganz andere Eesultate in seinen
Stadtrechnungen, so dass man wol begreifen kann, wie die
jährlichen Abgaben der Juden und üire goldenen Opferpfen-
nige der Stadt lieber waren, als der Ertrag einer Judenhetze.
1385 — 86 heisst es im Nürnberger Stadthaushalt: „recepta
von der Juden wegen": 16,216 Pf., 1387: 17,806 Pf. ^)
Die Privilegien nun , welche hohe und niedere Gewaltha-
ber gemäss der Ausnahmestellung der Juden und für deren
Abgaben denselben gewährten , beziehen sich auf ihre Gemein-
deverfassung , ilir Gericht , ihren Frieden , ilir Beweisrecbt , und
speziell auch auf ilire Geldgeschäfte. Unter diesen sind zwei
die vornehmlichsten : die Juden dürfen straflos Zinsen von
Darlehen fordern und öifentliche Pfandhäuser, Banken, kurz
Institute halten, welche die regelmässige Ausleihung von Ka-
1) cf. Grünliageu, Heuricus pauiier. codex dipl. Siles. III. p. 2.
n. 5. ]•. 6. n. 3. p. 14. n. 2. p. 17. Auch in Pfändern leisteten sie diese
Abgaben , z. B. ]). 37. 41 , im Gegen.satz gegen die deshalb ausdrücklich
als haare Einzahlungen bezeichneten Abgaben. Die Suiinncn scheinen zu
klein für die damalige Zahl der Juden in Breslau und dürfton nur einen
Theil ihrer Abgaben darstellen. Das Rechnungsbuch ist bekanntlich ^^el-
fach unordentlich und lückenhaft geführt. 2) cf. Bö hm er, fontt. rer.
Germ. 1. c. 2, 189. 191. 198. 199. 202. 203. 205—7. 3) cf. Hegel,
Chroniken d, deutsch. Städte v. 14—16. Jahrh. Nürnb. I. Beil. XI. A. p. 238.
V. 4. Die Juden, b. Pcutschc Judenrcchtc. 207
pitalien gegen Zinsen und Sicherheit /Aim Zwecke hatten. Das
letztere dieser zwei Privilegien ist geeigneter unten (V, 5. cd.)
im Zusammenliange mit den Wechslern zu behandeln, das
erstere findet liier seine Besprechung.
b. Die deutschen Judenrechte, insbesondere über den
Wucher der Juden.
Die Gesetze und anderen Rechtsquellen , welche während
des Mittelalters im deutschen Reiche , in den Einzelterritorien
und Städten die Rechte der Juden bestimmen, kommen allgemein
und speziell in der Zinsfrage, so zahlreich sie sind, fast durch-
weg unter einander überem. Das folgt aus der oben berührten
gleichmässigeu Stellung der Juden im Reiche , so wie aus den
kanonistischen Grundsätzen über sie, welche letztere theils
die Päbste selbst ^) durch Bullen in Deutschland bekräftigten,
theils die in Deutschland sich auflialtenden Cleriker durch
Einzelorlasse oder Beschlüsse von Synoden und Concilien aus-
sprachen. So that es Bischof Rüdiger von Speier 1084 ^) für
die dortige Judengemeinde , ^) dessen Privilegien Kaiser
Hern rieh IV. 1090 bestätigte und erweiterte,-*) ferner Inno-
cenz III. in seiner Bulle von 1199, während er seit 1200 so
energische Beschränkungen den [Zinsen der Juden auflegte.
Jnnoc"enz IV. erneute diese Bulle , welche die Grundlage des
sehr nachkomraenreichen Rechtes der alten Prager Judenge-
meinde bildet, im Jahre 1247. Innocenz VIII. schützte noch
1491 durch eine Bulle die Juden in Frankfurt a. M., hiess den
Rath, ihnen in der Stadt Häuser zu geben, und gestattete,
dass sie auf Zuiseu liehen. •')
Für Oestreich müssen nun genannt werden das Privileg
des Kaisers Friedrich 11. für Wien 1238") und des Herzogs
1) Und zwar stimmten sie, abgesehen von dem orwäliuten Eiferer
Innocenz III., mit der alten Zinserlaubniss des kanonisclien Ueclites für
sie überein. 2) Jost, Gesch. d. Israeliten seit den Makkabäern A'II.
(1827) hält noch den Schwabens]»icgel für das älteste deutsche Juden-
recht, p. 200. 3) Eeniling-, Urk. Buch für d. S])eierer Bisch. Gesch.
p. .57. 4) Reniling, 1. c. p. 65. Desgl. der Erzbischof von Mainz, cf.
convent. Moguntin. 12.5.5. (Pertz. I\Ionum. legg. II. 372.) 5) Ortli,
Anm. z. Frankf. Reform. 1. c. 6) Böhmer, regest. Friedr. II. nr. 949.
208 V. 4. Die Juden, b. Deutsebe Judcnrecbte.
F r i 0(1 r i c h 1 1. f li r 0 e s t e r r e i c h 1 241 , ^) bestätigt von
Iv u d 0 1 p li V. H a 1) s 1) u r g 1277. -) ferner das W i e n e r S t a d t-
recbt 1296.=^)
Für Prag insbesondere sind Avichtig das Altprager
Stadtrecbt,'^) und das Statut der Prag er Juden von Ot-
tokar II. 1269. ^) Hierzu gehören ferner die oben zitirten Bul-
len von Innocenz III. und IV. 1199 u. 1247.
Das Prager Judenrecht fand vornehmlich Verbreitung :
in Schweidnitz, wo Herzog Bolko I. 1295 es annahm
und Bolko II. 1328 es bestätigte imd mehrte.^)
in Gl og au, wo Herzog.Heinrich III. diese von semen
Vorfahren bereits überkommenen Gesetze beibehielt 1299. '^)
in Mähren, wo 1268 die Bestimmungen aus Ottokars IL
von Böhmen Prager Judenrechte in das Brunn er Stadt-
recht kamen. ^) Wörtlich stimmt mit jenem Eechte die Zins-
erlaubuiss und der Zms auf Zins -Passus; ausführlicher als
das Prager, handelt das Brünner Kecht von dem Verluste des
Pfandes beim Juden durch Brand oder Raub. ")
inPolen,woBoleslaus Pudikus durch seine Verord-
nung von 1264 als Gesetz sanktionirte , was vom Judenzinse
und Zmseszinse das Prager Eecht enthält. ^ ^) König Kasimir III.
1) Rauch, Script, rer. Austriac. I. p. 201 — 5. 2) Böhmer, Reg.
Rud. n. 338. 3) Senckenberg, viss. app. 11. nr. III. 4)Rössler,
1. c. Einl. p. LXXXIX. a. 78., Anh. Judenstatut (1254) p. 177. n. IV. a. 6.
p. 181. 5) a. 123. Rö ssler ib. 6) cf. Ortloff, Rechtsb. nach Bist,
p. 47ß. Gengier, Rechtsgesch. p. 539. 7) Ortloff, Gengier I.e.
Um so bemerkenswerther erscheint , dass das s c h 1 e s i s c h e L an d r e c h t
(1356), welches neben dem Sachsenspiegel vornehmlich die in Schlesien
geltenden Rechte früherer Zeit zur Quelle hat , von diesen Judenprivile-
gien Nichts enthält. Was Böhme, diplomat. Beitr. (IV. p. 74) daraus
für diese Materie anführt , ist aus dem R echtsbuch nachDistink-
tionen entnommen. In letzterer Reclitsquelle wird die Verpfändung
einer gestohlenen Sache beim Juden, und die Frage der jüdischen Zin-
seszinsen (cf. u.) übereinstimmend mit dem Prager Judenrechte, nur aus-
führlicher behandelt. Eckardts Neun Bücher sächsischen
Rechtes wiederholen wörtlich diese Behandlung aus dem Rechtsb. nach
Distinktt. 8) cf. R ö s s 1 e r , Brünner Recht p. 367 — 71. 9) cf. so-
gleich unten in diesem Abschnitte. 10) Hormayr , Archiv. 1826. n. 31.
Rö ssler, Präger R. 1. c. p. XCI. cf. auch stat. Bolesla. 1343. a. 23.
ib. n. 32. a. 32.
V. 4. Die Juden, b. Deutsche JiKlcnreclite. 200
bestätigte dieses Gesetz 1343, Kasimir IV. 1447 und 1467,
König Alexander liess es unter die La sei sehen Gesetze
aufnehmen.
Für Thüringen sind zu nennen die Constitntlo de
Judaeis von Heinrich YlII. (1245),^) 1265 das Juden-
recht von Heinrich dem Erhuichten , 2) und Privilegien auf
zwei Jahre von den Landgrafen Friedrich, Balthasar
und Wilhelm. ^)
Von den Rechtsbüchern müssen besonders hei'vorgehoben
werden der Vermehrte Sachsenspiegel 111. 14. 4. p. 163.
in. 16. 1. p. 168 ff. m. 17. 1 ff., 17, 9. 17, 11. 16. 25. 26.,
Eckardt, Neun Bücher sächsischen Rechtes IX. 15, 1. 9. 25.
26., das Rechtsbuch Ludwigs von Baiern p. 130. 161.
a. 71.72., der Layen spie gel „von Juden u.a. ungläubigen,"
und P u r g 0 1 d t s R e c h t s b u c h VHI. c. 30. 3 1 . 52. 59 ff. u. v. a.
Von den Stadtrechten , ausser den bereits genannten , be-
handeln den einschlagenden Stoff das Augsburger Stadt-
recht (1276) a. 47. 51., das München er Stadtrecht a. 93.
288. 455. , aus den alten Münchener Statt, a. 23. 24. ^) Die
gemeinschaftliche Quelle der ganzen Augsburger und Münch-
ner Judenbestimmungen ist nicht mit Gewissheit zu nennen.
Die Münchener Vorschriften stammen, wie in andern Rechts-
materien, so auch in dieser vom Rechtsbuch Lud-wigs des
Baiern. Wörtlich übereinstimmend behandeln beide das Juden-
zinsrecht. Das Augsburger Stadtrecht erwähnt und entscheidet
allein unter allen bairischen und schwäbischen Stadtrechten
die Frage von dem Pfände des Juden , das dem Eigenthümer
wider seinen Willen entzogen ist, gleich den zwei obigen
Rechtsquellen. Da dasselbe bereits 1276 abgefasst und des-
halb älter als jene ist, könnte es als Ursprung der Ueberein-
stimmung jener angesehen werden, wenn es nicht mit ganz
verschiedenen Worten die Frage erörterte. — Zu erwälinon
sind noch das Roten bürg er Stadtrecht (13. — 14. Jalirli.)
§.61.,^) worin für die Geld- und Wucherforderungen der
1) G 0 1 d a s t , coli, const. imp. III. 300. 0 (wol unecht). 2) G e n g-
1 c r , 1. c. p. 542 ff. 3) L u d e w i g , reliq. M.ss. X. p. 220—32. 4) A u c r,
Münchener Reform. 1417. p. 143. 5) Gcngler, p. 385.
300 ^^ 4. Die Tudon. b. Deutsche Judenrechte.
Juden die Verjährungsfrist von 2 Jahren gosetzlich festgestellt
wird, ferner das Franlvfurtor, Nu rn her gor Stadtrecht
mit der grossen Zalil der reformirtcn Stadtrechte, das Stras-
burger Stadtrecht/) und das Stuttgarter Stadtrecht 1492.2)
— Nur das Stadtrecht von Ofen (1. c.) nr. 192. p. 114
gestattet auch den Juden nicht, Wucher zu nehmen, die
Strafe aber ist nur eine sittliche :
„von der Juden gesuch wil ich nitcz sagen,
wen sye sullen nach gepöt, sam (wie) dy Christen
arbeiten vnd keyn gesuch nemen von ymand.
Wer darvber jn verhengt oder andern zu nemen, der ver-
anthurt das selbig am jüngsten tage."
Dagegen führte König Heia IV. 1251 die Judenrechte aus
Prag und Brunn in Ungarn ein. ^)
Audi die Nürnberger Reformation von 1479 ver-
bietet XXII. c. 3. allen Wucher und bestimmt ib. c. 5 : Wenn
ein Jude wegen Geldschuld Exekution nachsucht, soll er
schwören, dass die Summe keinen Wucher enthalte, sondern
nur erstgeliehencs Hauptgut sei, und dass er von derselben
auch früher kein Gesuch empfing. Aber dies ist eine in jener
Zeit lediglich wegen des überhandnehmenden hohen Juden-
wuchers an vielen Orten wiederkehrende Verordnung, welclie
keineswegs so verstanden werden darf, als sei bis dahin über-
haupt kein Wucher der Juden in Nürnberg oder sonst gestattet
worden. Wie sehr letzterer gesetzlich geübt wurde, ergiebt sich
gerade für diesen Ort aus den unten folgenden Beispielen. '*)
1) Böhmer J. E. P. 1. c. §. XXVH. 1375. 1382. Gaupp, h. I. c.
2) Sattler, Gesch. der Graven p. 62. 3) Endlicher, rer. Hnngar.
Doc. Gallen. 1849. p. 491. 4) Vielleicht bcwog eben dieser Grund die
Sunnnisten , besonders Chr. Kuppen er, den Wucher der Juden trotz ■
der entgegenstehenden weltlichen und geistlichen Gesetze zu verwerfen.
In seiner Schrift vom Wucher eifert Letzterer A. 5 , das alte Testament
bestimme: „das nymants etwas ausgeben oder austhun sal auff wucher."
„ Unn ist solch gotlich recht auch gesatzt vnd geschriben in das geist-
liche recht \iin canonisirt ... citt ... dorauff merckt ir vor stockten -
luden die wider got den almechtigen vnd das heiige alte testamcnt, Das
sie vnter sich vormeinen gestrenge czu halten , wucher neinen vnd sich
mit wuchertischen handeln in lande vnn stete enieren czu merer vordam-
V. 4. Die Juden, b. Deutsche Judeincchte. 301
Hierher gehören in demselben letzteren Sinne von den
Landrechten unter den bereits genannten die Wü rtember-
nis irer armen seien." Wegen Wuchers soll der geistliche Richter sie
strafen, ib. A. 6. Die Vertheidiger des Judenwuchers sagen: „Sunder
Wucher sich bey den iuden czu entholen vnd wucher czu nonien , das hilflft
vnn enthelt einen gemeinen nutz . in dem , das sich die armen leut durch
nenien des Wuchers von den iuden enthalten vnn erwern , von der grau-
samkeit vnn tiranncy der reichen menschen, die von jti grossem wucher
nemen (als ich mich leider beforgt in vil landen vn steten czugehet , got
sei es ewiglichen geclagt das nymants dorauff ein aufsehen hat). So sie
von den reichen gelt vberkommen muesten, dan durch die iuden(cf.V.5. d.)
Kuppener wendet lüergegen ein, nicht Alles, was einen gemeinen nutz ent-
helt, sei gut und ziemlich, nur zum Scheine nütze der Juden Wucher, dan der
enthelt vnn hilft nicht einen gemeinen nutz , sunder zu störet vnn tieuhet
einen gemeinen nutz , vnd sucht seinen sunderlichen suntlichen nutz vnn
erwecket den czorn gots , wider einen loblichen gemeinen nutz." Die Ver-
theidiger sagen ferner : ,,ein itzliche gewonhcit, der anfang nicht ist in
menschen gedencken , das also gehalten worden ist , die ist czimlich , vnd
wirt gehalten vnn gebraucht ane sunde , nachdem ein gewonheit ein ander
nature ist eins dinges." Das gelte auch für den Wucher der Juden , „ vnd
leyder befurchte ich auch vnter den cristen ist ein alte gewonheit."
Kuppener indess hält dafür , sobald eine Gewohnheit gegen das göttliche
und'natürliche Recht gehe, habe sie keinen Bestand. Christus sage in
dem evangelio Johannis : „Ich bin die warb ei t vnn spricht nicht,
ich bin die gewonheit. Dabei findet K. den Grund, warum der Ge-
winn beim Wechsel nicht wucherlich sei , selbst in der Gewohnheit, cf.
Beilage E. 2. Die Vertheidiger : der Pabst selbst gestatte doch der Juden
Wucher m seinem Lande. Kuppener darauf : „das ist nicht war, sun-
der falsch, das ein itzlich thun, das vnser allerheilgster
vater der babst vnn die heiige cristliche kirche duldet, czu-
lest vnd leidet das solchs czimliche ist vnn geschcen magk
ane sunde: dan er leidet vnd die heüge cristliche kirche offenbarlidie
huerheuser in landen vnn steten , auch grausame tiranney , vnd vnder dru-
ckung des armen cristglaubigen volckes. in landen vnn steten. Auch
sjTiagogen der iuden vnn ire indische gewonheitten. Dorumb eruolget
sich nicht das hurerey dorumb nicht sunde ist ader tiranney des boszen
tirannen ader das die indische Synagogen vnn gewonheitten nicht sunde
sein. Und wie wol das obgedachte stucke nicht gescheen an sunde , vnn
an yn selbst nicht czimlich sein. Idoch duldet solche vnser allerheilgster
vater der babst vnn die heiige cristliche kirche czinilichen durch eine
czulassung grosser vnn grausamer sunde. zuuormeiden nicht dorumb.
solche sunde czu nieren ader czu stercken. Also ist es auch mit dem Wu-
cher. Das solcher von vnserm allerheilgsteu vater dem babst vnn der
302 V. 1. Die .Tud.'ii. b. Dontsolio .Tiuleiiierlito.
gor La iulesordiuiiio-,1) und Pfiilzer Landesordnunf? ^)
Die Wirkung dorartigor Verbote der Judenziusen konnte des-
halb nicht mehr durohgreiien, weil bis daliin in eben denselben
Gebieten diese Zinsen erlaubt waren , ferner weil gleichzeitig
mit den Verboten in allen Nach])arländern die Judenzinsen als
durchaus erlaubt galten und in zahlreichster Anwendung
waren, endlich, weil die Reichsgesetze ebenfalls ihre allge-
meine Billigung in Deutschland voraussetzten und im 16. Jahr-
hundert selbst deren Höhe feststellten (cf. Absch. e.).
Dagegen behandeln eine grosse Zahl der Land- und Stadt-
rechte, wie auch anderer deutscher Rechtsquellen das Zins-
nehmen der Juden gar nicht, während sie genau die sonstigen
Theile des Judenrechtes darlegen. Dahin gehören z. B. von
heiigen kirchen czugelassen wirt czuuor meiden ander grosser sunde der
armen menschen vnn irer tocliter vnn kmder , „ die sie zu vnkeiischeit vnn
bufferei meer vnn meer halten wurden, gelt czu vberkommen , dau so sie
keines geldes wüsten bei den iuden czu vberkommen. . " cf. ib. B. 2, 2''.
C. G. ib. heisst es : ,, gefeit ein ander frag des rechten. Die weil wie oben
gesagt Avuclier als grosze sunde ist, wie thun den fursten vnn stete,
dy do von iuden vnn andern leuten gelt vnn tribut nemen. vnn
lassen sy in iren landen wucher treiben vnn in iren steten
vnn dorffern. Sprechen dorauff dy heiigen geistlichen recht, das sol-
che vnrecht thun , vnn sein in dem ewigen banne , so sie es nicht abstellen
vnn die sunde beichten vnn bussen , do von hastu in cle. vuica de vsu.
vnn doselbst sagt furder d. cardi, de sabarel. Nach dem , wy oben gesatzt
ist , nicht allein den cristen besuuder auch den iuden nach gotlichen ge-
setzen wucher czu nemen verboten ist vnn czuforderst nach geistlichem
gescltriben rechte, nendichen so die solchen wucher von cristen nemen p.
c. cpto. de vsu. et c. post miserabilem e. ti. in gleicher pene sein fursten
vnn stete , dy do vorhindern , das man gegeben wucher von cristen ader
iuden nicht widerumb von yn erlangen magk , also spricht das geistliclie
recht in die. cle. vnica de vsu. ibi. repetitionem impediunt. so schon auch
der, der den wucher gegeben het, vorsworen hette, solche wider czu for-
dern p. c. tuas de vsu. auch dy fursten vnn stete sein in derselbigen glei-
chen pene , die den Wucherer gunst vnn furderung thun in irem wucheri-
schen hendeln , als do stet in der selbigen cle. vnica de vsu. ibi vsurariani
approbantes prauitatem." cf. dagegen Marquard, d. jur. mcrcator.
I. c. 11. n. 76 ff.
Ij Wächter, Handb. I. 1. §.;i4. 2j (1581) XVIII. 5. p. 85. cf. auch
Albreclit, Gewere §. 15. n. 289. Schöffenurtheil bei Böhme VI. 113.
V. 4. Die Juden, b. Deutsche Judonrechte. 303
den Stadtrechten : die von L ü b e c k , H a m h u r <•• , M (i ]i 1 li a u-
sen, Erfurt, Saalfold, Frankeiili aiisen, Verden,
Stade, Cöln, Ulm (1290), Heimbur.j,^ (i;3.— U. Jahrh.),
Nördlingen (1318), Eisenacli, Nordhausen (1308),
Gosslar (1354), Worms (14.— 15. Jahrli.), Keval, Dan-
zig(1454),
von den Landrecliten : das schlesische Landrecht,
der rügianische Landgebrau ch, Thüringer (1446),
das Dithmarser (1447), Billwärder (1498), Sächsi-
sche (1482.1572), Jülicher (1537), H enneberger (1539),
Ostfriesische (1551), Meklenburger (1562), Tiroler
(1573), Hadelner (1583), Solmser (1597), Oelsner
(1617) u. a.
von den Rechtsbüchern insbesondere: das Rechtsbuch
Rnjirechts von Freysing, das sächsische Weich -
b i 1 d , die M a g d e b u r g e r Fragen, das C u 1 m e r Recht,
überhaupt das systematische Schöffen recht, obschon
sie der Frage hi III. 2. c. 38 (Culm. III. 75) so nahe treten,
und vor Allem der Sachsenspiegel.') Dass jene zuvor
genannten Quellen von dem Zinsnehraen der Juden schweigen,
kann verschieden begründet werden. Nicht unverdorben sind
die Quellen auf uns gekommen , oder dieser Theil des Juden-
rechtes befand sich von vorn herein in einem andern Codex,
einem besonderen , der Ausnahmestellung der Juden angemes-
senen Gesetzbuclie, oder wegen der weitgreifenden Ausnahme
vom Wucherverbote der Kirche scheute man sich , gesetzlich
niederzuschreiben, was man ungeschrieben als Gewohnheits-
reclit gern duldete u. s. w. Einen besonderen Grund , der
jedoch nur für die süd- und mitteldeutschen Rechtsquellen
passend erscheinen dürfte , giebt der vermehrte Sachsen-
spiegel selbst: ^)
„von der Juden gesatczten gesuche beschrebin ist nicht,
wenne her ist in suiiderlicliim lande in einer gewonlieit
irsaczt andirs, wenne in dem andern." •'')
1) cf. Eichhoru, R. G. §. 350. Aniii. 2) Bölnnc. «liidnui. Beitr.
IV. 74. III. 1. 3) cf. Purgoldt, VIII. cp. 85.
304 V. 4. Dio Juden, b. Deutsche Judenrechte.
Dass die Abweichung der Judenrechte von einander nicht so
erheblich, zeigen schon obige /Aisammenstellung und der Zu-
saninieuhang der Quellen. Dabei behandelt ferner der ver-
mehrte Sachsenspiegel die Zinsgeschäfte der Juden eingehend.
Vielleicht versteht er deshalb unter „gesatczten gesuche" nur
den gesetzlichen Zinsfuss der Judenzinse.
Für die norddeutschen Eechtsquellen dagegen bietet eine
besondere Ursache ihres Schweigens über diese Materie der
Umstand , dass die Juden , Avie sogleich näher ausgeführt wer-
den soll, sich erst am Ende des Mittelalters zahlreicher in die
Handelsplätze Norddeutschlands begaben und hier ansiedelten,
zuvor daher entweder nur auf den Geschäftswanderungen,
oder von ihren besonders' ihnen angewiesenen Wohnorten
ausserhalb der Städte her ^) zwar Handels - und Geldgeschäfte
trieben , doch nicht ihren Wucher so ausdehnen konnten , dass
davon die Eeclitsbücher hätten Notiz nehmen müssen. In Gör-
litz wurden 1433 erst Juden in der Stadt zugelassen,^) wes-
halb auch das Görlitzer Landrecht (1308) ^) Niclits von ihren
Zuisen sagt. In den Meissner Statuten von 1265 bestimmt
Markgraf Heinrich gerade über den Wucher der Juden Nichts,
während er das Judenrecht sonst genau behandelt. '*) Aber in
derselben Markgrafschaft Meissen entstand ein Jahrhundert
später der vermehrte Sachsenspiegel, welcher, wie eben erwähnt
wurde, gerade von den Zinsen der Juden so viel erwähnt. Ein
fernerer Grund mag sein , dass bei der Stellung der norddeut-
schen Eechtsquellen allgemein in der Zinsfrage (p. 63 ff.) es
nicht nöthig erschien, den überall gebilligten Wucher der
1) z. B. in D a n z i g , wo sie zuerst mancherlei Handelsbeschränkun-
gen unterworfen waren. Noch im 17. Jahrh. durften sie nur in der Dan-
ziger Vorstadt ,, Schottland " wohnen und handeln , von wo sie dann Alles
„ auskundschafteten." 1688 endlich wird ihnen nach langem Streite der
Commission der Kaufleute und des Käthes unter gewissen Beschränkungen
der Geld- und Waarenmarkt in der Stadt selbst eröffnet, cf. Danz.
Archiv bibl. F. 1. 2. (Joh. Kestner). Hirsch, Handelsgesch. D.'s
p. KJ5. n. 483. Neu mann, hans. Wechselgesch. p. 52. 53. N. 20. a. E.
2) cf. Tzschoppe und Stenzel, Urk. Buch Einl. p. 251. 3) Ho-
meyer, Sachsensp. IL 2. p. 172. 4) cf. Fabricius, annales Misnens.
ad ann. 1265.
V. 4. Die Jiulon. b. Doulsclic Jiidcnrechte. 305
Juden noch besonders hervorzuheben. ^) Aus diesen Gründen
schweigen hiervon auch das sächsische Weichbild , obgleich es
sächsisches Stadtrecht, und der Sachsenspiegel, der ja nur
das säclisische Landrecht behandelt.
Dagegen alle oben angeführten Rechtsquellen, welche
den Judenwuclier überhaupt behandeln, bis auf das einzige
Ofener Stadtrecht und die hiefür nicht maassgebenden Ausnah-
men vom Ende des Mittelalters, gestatten den Juden, Zinsen
vom Dar lehn unverhüllt zu fordern. Die weltlichen
und geistlichen Maclitliaber hielten dieses Privileg der Juden
für nothwendig , damit dieselben , bei ihren sonstigen so zahl-
reichen Beschränkungen gegen die christlichen Miteinwohner
der Städte , eine p]rwerbsquelle hätten , und damit sie in Folge
dessen um so leichter und ergiebiger den Judenzins an den
Kaiser, seine Stellvertreter im Regale, oder den städtischen
Rath erlegten. So heisst es geradezu im vermehrten Sach-
senspiegel: 2)
„von gotis rechte sal kein jodde wucher nemen. Duch so
ist or (ihr) ordenunge anders geschicket, wen sy hy zu
lande nicht eygens mögen gehaben; vnde syn von
den keysern vnd fursten begnadet durch ores gutes
wilen, das sy ersaczt syn mit sunderlicheme rechte." ^)
1 ) Etwa in besonderen Codices die Wueherrechte 'der Juden abzuhau-
dehj , lag liier um so weniger Veranlassung vor , da die hierher gehörigen
Rechtsquellen ja andere Theile des Judenrechtes so eingehend behandeln.
2) Ortloff, m. 17.1. p. 168. 3) Ebenso in Eckardt, Neun Bü-
cher, 1. c. IX. a. 15. d. St. 1. Ausführlich sagt Purgoldt, Rechtsb.
Vm. c. 31.: „es stet geschrebcn in dem dritten buche Moysi, in dem
XXV capitel , das got sprach also : din gelt saltu nicht usgeben zcu Wu-
cher wider dynen ebenmenschen , nach dyne fruchte. Von gotes rechte
sal kein Jude Avucher nemen von Juden nach von cristen , sundeni
got hat es yn erleubt von den heyden , da ehr sprach : ir solt nicht Avucher
nhemenn von kesnien menschenn , sunder von den fromden , wan dye hey-
den sint fromde von gote und beten fronide gote an , das sint dye abgote
das tliun dye cristen nicht, dye beten an den untotlichenn ewigen got
also dy Juden. Nlnv ist ir Ordnung aber anders gesclücket, das sye zcu
lande nicht mögen eygens gehabe (wörtlich mit dem verra. Sach-
senspiegel in. 17. 1. übereinstinnnend). nach erbliche guter besitzen, wau
Noutnann, Gösch, d. Wuchers. 2U
30lj V. 3. Die Jiulon. b. Doutsclie Jucleiircchte.
Der Erzbischof von Mainz dagegen ') giebt den Grund unver-
holen dahin an:
„quia Christianis usuras pcrcipere interdi-
ctum esset."
Er bekennt also, dass eine Vergütung der Kapitalsnutzung
von Natur notlnvendig sei und deshalb durch das kanonische
Wuclierverbot gezwungen sich einen Weg ausserhalb der Chri-
stenheit suchen müsse. In scholastischer Spitzfindigkeit wird
auch entwickelt : dem Christen sei Wucher verboten , Wucher
getrieben müsse werden, also müssen die Nichtchristen wu-
chern , denen Wucher kerne oder kaum eine Sünde sei. ^) So
gestatten kanonische und deutsche Rechtsquellen deii Wucher
der Juden, „ut majiis malmn evltaretur , nimiero longe siipe-
rantium i. e. Christianorum usuraria pravitas impediretur."
Der Layen Spiegel „ von Juden u. a. ungläubigen" sagt :
man yn des nicht statet , und hetten sye dye , so gesche yn von den luten
schade darzcu; erheiten sj'e dye hantwerge, des ledin dye zcunfte und
hantwercksmeyster nicht , und musten irer geselschaft enperen , und dye
lute lissen sy nicht arbeyten ; triben sy dan koufmanschaft, so koufte
njnnant gerne weder sye. Und darumb so musen sye wuchern , und dit
ist ir behelff en; aber dye cristeun Wucherer haben kein behelffen wan
es ist ir girheit und ir vorzcwifelte boosheit." cf. ib. c. 59 ff.
61. Hieronymus sage, kein Volk sei unkeuscher, als die Juden, „das
macht , das sye stetlichen mussigk gehen , darumb so wechst dy gyrheit
in den mannen und dye unkuscheit in den wyben." Chr. Kup pener
dagegen verdammt den Wucher der Juden , wie schon erwähnt , durchaus,
(cf. ob. N. u. BeU. E.) Frankfurt. Eeforni. 11. 12. §. 4. „weil sie der
andern Nahrnng beraubt sind." cf. Orth. Anm. 1. c. — Privileg Karls V.
1544. S.April, Kaisers Ferdinand I. 1562. 19. Jan. Rudolphs n. 1577.
15. Jan. ,,da sie mit höheren Lasten belegt sind und doch weder Lände-
reien besitzen, noch Handwerk, Gewerbe treiben dürfen."
1) Conv. civit. Mogunt. a. 1255. Pertz, legg.n.372. 2) Das ist
wesentlich derselbe Grundsatz, den auch jene Breslauer Synode 1266
(Hube, constitt. synodal, prov. Gnez. p. 68) cp. 10 in Uebereinstimraung
mit den Forderungen des kanonischen Rechtes festhält , indem sie den
Juden den Wucher gestattet, aber den Christen alle Gemeinschaft mit
ihnen untersagt: „adjicientes : ut de cetera quocungue pretextu Judei a
Christianis graves seu immoderatas uswas extorserini, Christianorum
eis participium subtrahatur , donec de immoderato gravaniine satisfecc-
rint comiietenter ."
V. 4. Die Jiuleii. l). Deutsche Judenrechte. 307
„die Kirche \v i 11 s y in dieser Sunde belassen...
so haben sy vmb den Wucher kain conscienz." ^)
Selbst in den constit iitioncs regui Siclliac erklärt
Kaiser Friedrich IT. (L l.ti. G) und bekundet durch seine Worte,
wie er die Wuchergrundsätze nur den Päbsteu zur Beruhigung
und Genugthuun* aufrecht erhielt : ^)
„Jiidaeos taut um excix^wius , in qiiihus non est argiii fenus
illicituni divina lege irroliihitum: quos constat non
esse siih lege aheatisslmls patrihus constituta.
Quos etiam auctoritate nostrae licentiae i m -
prob u m fe n u s volu m us exerce r e. Sed metam iis — "
Bei dieser allgemeinen Gestattung des Zinseunehmens machen
die Quellen kernen Unterschied, ob die Zinsen vorher von den
Parteien verabredet sind, oder nicht, ob Schuldner ein Pfand
zur Sicherheit gab , oder nicht. Aus den Einzelurkunden der
Parteien lässt sich die Frage huisichtlich des ersteren Punktes
kaum mit Sicherheit entscheiden. Denn in den überwiegend
meisten Fällen klagt der Jude Kapital mid Zinsen zusammen
ein. Könnte man hier auch zuweilen unzweideutig die Ver-
zugszinsen von den Darlehnszinsen scheiden, so blieben immer
noch zwei weitgreifeude Möglichkeiten , welche eine feste Ent-
scheidung vereitebi. Einmal kann der Jude ja die Zinsen als
..Interesse" des Darleihens im kanonistischen Siime, also ohne
Verabredung als usurae legales, ex officio judicis praestandae
mit dem Kapitale formell und materiell accessorisch eingeklagt
haben ; sodann klagte er doch zweifellos in den meisten Fällen
Kapital und Zinsen , mochten sie auch vorher verabredet , also
materiell selbstständig sein , der Bequemlichkeit und des Vor-
theils wegen an Zeit, Mühe und Geld als formell accessori-
sche Forderung ein.
Andrerseits beweist das Einklagen der Zinsen allein auch
nicht dafür , dass die Parteien solche vereinbart haben muss-
ten, da bei der Zwitterstelluiig des kanonistischen Interesse
zwischen gesetzlichem und vereinbartem Scliadensersatze (IV.
1) cf. Marquard. d. jur. inorcat. I.e. 11. ii. 7(j IV. Wäcliter, Hand-
buch d. würt. R. I. 1. §. :54. 2) Hiiillard-Bi eholles V. 201. 215.
279. Fridcrici II. historia diidoiiiatica.
2( ) *
308 V. 4. Die Judon. b. Doutsdie Jndonreclite.
3. c.) der Jude in solclicm Falle das Interesse , und nicht Zin-
sen eingeklagt haben konnte.
Doch besitzen wir anders woher Beweise dafür , dass die
Quellen eine Vereinbarung Hinsichts der Zinsen des jüdischen
Gläubigers voraussetzten.
Es musste thatsächlich schon deshalb in der Regel eine
solche Yereinbarung stattfinden , weil immer nur in der klei-
neren Zahl der Orte eine gesetzliche Zinshöhe den Juden vor-
geschrieben war und dieses gesetzliche Maximum selbst mei-
stens den Parteien einen grossen Spielraum liess. Eben diese
Annahme entspricht auch dem Ausdruck der Gesetze vom Juden-
WTicher, welche ilm als Erwerbsquelle der Juden erlauben,
daher eine eigene Thätigkeit der Juden , oder der beiden Par-
teien dabei voraussetzen ; sie entspricht ferner dem Charakter
der in die Wucherfrage eingreifenden Reichsgesetze, da der R. A.
V. 1530 über den Rentenfuss der 5%, die R. P. 0. v. 1577
über den nämlichen Fuss für die Zinsgeschäfte der Juden , der
D. A. V. 1600 für die Verzugszinsen und endlich der J. R. A.
V. 1654 für die Conventionalzinsen nicht mit voller gesetzlicher
und polizeilicher Autorität in die Verkehrsverhältnisse derart
eingreifen wollen, dass sie statt der Resultate des Verkehrs
neue setzen , vielmehr nur Das polizeilich als bleibend fixiren
wollen, was sich naturgemäss in den einzelnen Fällen des
Verkehrs ergab , d. h. was hier die Contrahenten mit einander
vereinbart hatten. Hieraus ist also der allgemeine Satz , wie
bei den späteren Conventionalzinsen, dahin zu folgern, dass
die Zinsv erbindlichkeit des Schuldners gegen den
jüdischen Gläubiger auf einem Rechtsgeschäfte
beruhen musste (usurae ex ohlujatione) , und damit stim-
men auch die vereinzelten Stellen der deutschen Rechtsquellen,
welche ausdrücklich die Frage berühren , ohne dass ihnen all-
gemein Stellen entgegengesetzten Inhalts gegenüberstehen.
So lässt der vermehrte Sachsenspiegel allein von der
ausdrücklichen Uebereinkunft der Parteien die Zinserlaubniss
abhängen :
p. 163. 1. c. 14. 4. „ es enmag nyraant pfant in dy jodden setzen,
uf wucherschaden, is en sy denne gewillekoret."
V. 4. Die Juden, b. Deutsche Judenrechte. 309
Bestritt hier der Schuldner zur Zahlungszeit , dass er Zinsen
zu zahlen versprach, oder bestritt er gar, dass er über-
haupt ein Darlelin von Juden erhalten, so behielt der Jude
durch seinen blossen Eid auf „ Moses Buche " geschworen.
Recht, er „ist näher zum Beweise." ^) Wesentlich unterschei-
det sich dagegen in anderen Punkten des Judenrechtes die
süddeutsch - bairische Gruppe der Judenrechtsquellen von denen
in Norddeutschland , insbesondere von denen , welche mit dem
Prager Judenrechte zusammenhingen.
So in der Frage von der Haftung des Pf and gl äu-
bigers für Zufall oder Schuld bei Verschlechte-
rung und Untergang des Pfandes. Der allgemeine
Grundsatz lautet im Sachsenspiegel (Homeyer) IIL5.§.4.
„svat man aver deme manne liet oder sat, dat sal he vuver-
derft weder bringen oder gelden na sime werde. . ." ^) Der
Pfandgläubiger haftet für Schuld und Zufall. Diesem tritt das
München er Stadtrecht a. 42. bei und bestimmt dann:
a. 173^) „verlür aiii jud ainpfant, daz im vmb gesuoch
gesetczt war, swaz dann der Christen bereden mach, daz
daz pfant wert sey gewesen, daz sol im der jud ge-
ben vnd daran sol dem Juden abgen , swaz er hauptguots
dem Christen hab gelüm auff dass selb pfant und chaineu
gesuoch nemen.
Ebenso heisst es im R e c h t s b u c h e Ludwigs des B a i e r n *)
und in der Münchener Reformation. '') Ausser der Haf-
tung für den Zufall verliert der Jude daher auch noch seine
Zinsen , selbst für den Fall , dass das Pfand mehr werth war,
als das Schuldkapital betrug.
1) cf. femer Eckardt, Neun Bücher 1. EX. 15. 25 u. A. — Verm.
Sachsensp.ni. 17. 9. — München. Stadtr. art. 173, Rechtsb. Lud-
wigs des Baiern art. 71.72. — Purgoldt, VIII. c. 79. mit der
Einsdiränkung c. 63. ib. ,, es sey dan, das der cristennian ^-n des offenbcr-
lichen erzeugen möge mit cristen und mit iuden." ib. c. 64. 2) Schwa-
benspiegel, Lassb. 258. a. Gosslarer R. p. 82. Z. 30 ff. Magde-
burger R. (1304) a. 88. Verm. Sachsensp. Tl. 8. D. 2. IV. 42. D. 19.
3) p. 67. 1. c. bei Au er. 4) 1. c. p. 161. a. 71. 72. 5) Berg-
mann, Geschichte Münchens 1. c. p. 143.
310 V. 4. l>io Juden, li. Doutsclio .ludoiiicclito.
Das Prag er Judenrecht von 1254 dagegen, das also
jünger, als das Münchner, in §.7^) und das ßrünner
Judenrecht von 12GS im a. 21. l)estimnien
..ifcni si auf per casum inccndii aut per furtum aut per
r/)u (im Brünner J. E. fehlt auf per rini) res suas cum ohli-
gatlssibi pignorihus amiserit, ctlwcconstiicrit et cliristianns,
qui Iwc obligavcrit, nihilominus impetit eum, Judaeus
jurnmcnto proprio sc ahsolvct." (Br. K. absolvcit.)
Der Jude verliert also beim Zufall sein Geld und der Christ
sein Pfand, der erstere haftet nicht weiter. Daneben sagt der
vermehrte Sachsen sp. HI. 17. d. 17.
„vorlust der jodde eyme sin phant, do he keyns mete ver-
lorn had , daz mus der jodde gelden , sin geld sted ome abir
her dorane abe , daz he jeme gelegen hatte. ^)
Der Jude haftet daher für Schuld, wie in den süddeutschen
Gesetzen. Hinsiclits des Zufalls aber bestinnnt der Verm.
Sachsensp. m. 17, 12:3)
„Ist das dem Juden von fures wegen, von du])erey ader von
ander not wegen das syne mit andern pfänden vorbornt,
vorstoln ader sust vorlorn wirth ader vorterbet, das auch
wol offenbar ist: spricht yn dan eyn cristeu man darumb
an , der es ym gesatzt hat , tud dan der jude seynen eydt
darzcu uff Moyses buch, das her es in der nodt ader zeit
verlorn habe, sso ist her loss, und der iude vorlust sein
gelt daran , und der cristen sein pfant. Stadtrecht."
Hier dringt also der Prager Grundsatz gegen den süddeutschen
durch. Ob der Jude die Zinsen ausserdem noch fordern konnte,
ist nicht genau ersichtlich , lässt sich indess aus der nachfol-
genden Bestimmung vielleicht annehmen.
In der constitutio de Judaeis v. Heinrich VIII.
von Thüringen 1245, ^) wird aber sogar festgesetzt:
„... et hoc contestatus fiierit cum juramento in lihro vel
veracihus Jiotninihus , ingnus perclitum solvere tcnctur.."
also übereinstimmend mit dem allgemeinen Satze des Sach-
l)Rössler, 1. c. 2) cf. ebenso Puigold, VIII. c. 78. „statrecht
und lantrecht." 3j Purgoldt , VIII. 83. 4) Goldast, lU. 399. 1. c.
V. 4. Die Juden, b. Deutsche Judenreclite. 311
senspiegels. Aber er fahrt fort: „si Christiamts, qui pi()nus
posuerat veniens ad Judaeum argcntnm suum tulerit et
pondcrafum exhihuerit, rcpdens pignus , quod posuerat , a
Jiidaeo super hoc festes vidclicet 2 Judaeos et 1 Christia-
nu}n veraces addens , et Judaeus non reddiderit , ah ea
die usure non accrcscit. Et si p)ostea Judaens idem
pignus perdiderit igne vel furto vel quocunque modo, tene-
tur Christiano solvere, ad justifiam suh juramento , resti-
tuturns iUiid, in quo pignus erat melius, quam summa
accommodata et usura."
Hier haftet daher der Jude als Pfandgläubiger nicht für den
Zufall, sondern gar, wenn er durch Zufall das Pfand selbst
nach seiner Befriedigung verlor (Zeugniss dessen ist „igne vel
furto" und „postea"), so trägt den Schaden — bis auf
den etwaigen Ueberschuss des Pfandwerthes über den Betrag
der Schuldsumme und der Zinsen — der Eigenthümer,
der ausserdem noch Kapital und Zinsen zahlen
m u s s. Dagegen hören die Zinsen mit der Rückzahlung der
Schuldsumme zu laufen auf. Und während in der letzteren,
wol unechten Judenkonstitution gerade die Juden in diesem
Punkte vor den anderen Pfandgläubigern bevorzugt scheinen,
da des Sachsenspiegels allgemeines Haftungspriucip für den
Zufall vorangesetzt ist, — so stellen das Münchener Stadt-
recht und seine Quelle , das Rechtsbuch Ludwigs des Baiern,
gerade die Juden so ungünstig, während es im a. 105 und das
Rechtsbuch Ludwigs 231 allgemein aussprechen, dass der
Pfandgläubiger nur für seine Schuld haftet.
„ swenn ainem pfant geant^mrt werdent in sein gewalt für
sein gelt , swelher schad im daran widerfur v n g e v ä r 1 i c li,
e er seines guots gewert werd , vnd daz selb pfant verchaufft
wurd, des soll er chain entgeltnüss haben an
der schuld, die man im gelten sol vnd nichts
ablegen."
Das Augsburger Stadtrecht 47. ^) spricht diesen Grundsatz, im
Gegensatze zum Münchener R. ^) gerade für die Juden aus :
1) Walch , 1. c. p. 83. 2) 1. c. oljcn a. 173.
312 Y. 4. Die Juden, h. Deutselie .Tudenrochte.
„... i^esohiht dem Eos/, icht von desz Juden wegen
den Schaden soll der Jud haben, geschiht aber dem
Eosz icht ane des Juden schulde, den schaden
soll der Selb schol haben vud sin bürgen."
Uel)ereinstimmend mit dem Prager Rechte in diesem Punkte
erweist sich auch das zweite Würtemberger Land-
recht 1) und schon m den Frankfurter S c h ö f f e n u r t h e i -
len von 1443 '^) vnrö. entschieden:
der Jude und seine Frau sollen schwören : „ daz sie solichen
panden getan haben , als andern i r e n p a n d e n (als
Beweis des Schadens durch Zufall) , auch sie oder die iren
den schaden nit getan haben, vnd im für keinen schaden
gesprochen, daz sie im dan entgangen sin."
Ferner wird im Präger Judenrechte 1254 und im Brunn er
Judenrechte von 1268 festgesetzt, falls ein Christ (Eigenthü-
mer) beweist, dass beim Juden gesetzte Pfand sei dem Chri-
sten durch Diebstahl oder Raub (d. h. allgemein wider seinen
Willen) zuvor entrissen, der Jude aber mit seinem Eide dar-
thut, er habe bei Annahme des Pfandes Nichts hiervon ge-
wusst , vielmehr m gutem Glauben das Pfand empfangen , s o
muss der Christ Kapital und Zinsen, wofür das
Pfand an den Juden gelangte, zahlen, wenn er
sein Pfand vindiciren wollte. Ein gegen das allge-
meine Prinzip des deutschen Rechtes ^) den Juden gestattetes
Privileg , ^) welches schon aus dem Talmud herstammt , von
ihm in die Judenrechte der einzelnen Länder u. a. auch Frank-
reichs überging und schliesslich für den Rechtsverkehr so
angemessen erschien, dass etliche Partikularrechte es als all-
1) R e y s c h e r n. p. 316. 2) Bei T h o in a s , 1. c. p. 335. n. 80. 3) cf .
Lü bisch. R. Cod. H.a. 157 (u. Hacli ]). 326) revid. lübisch. Recht
III. 4. a. 9. — Bremer Stadtr. (1303) Ord. n. 51. Planck, Beweis-
führung (Zeitschrift für deutsches R. X. p. 259 — 61). Stobhe, Ver-
tragsrecht p. 89. 4) Albrecht, Gewere p. 96. Budde, dissert.de
vindicatione rerum mobilium Gennanica. 1837. p. 70ff. Stobbe, Ver-
tragsrecht p. 89. 90. — cf. aucli Münchner St. R. a. 110. Von der Kirche
dagegen wird wie allgemein nicht in den ersten deutschen Concilien, so
auch gerade in den hier benachbarten Gebieten das Privileg nicht gebil-
V. 4. Die Juden, b. Deutsche Judenrechte. 313
gemeiuen Rechtssatz aufstellten. ^) Es findet sich bereits im
S p e i e r e r J u d e n r e c h t e von 1 084 , wo es bestätigt ist von
Heinrich IV. 1090 -), M. XXXI. p. 369 — 71. — (Beseler
Zeitschr. f. R. G. II. 2. 3. p. 374 und 410):
ligt, u. a. in einer Synode in der Gnesner Provinz 128.5 cp. 32: die Juden,
welche gestohlene Sachen bona fide überkamen, „ahsque solutione
pretiicof/antHrad restitutionew ipsaruvi rerum." Hube,
constitt. sjnod. ]trov. Gnez. p. 177.
1) Mitth. d. H. Prof. Stobbe. — z. B. das allgemeine preussische
Landreclit §. 25. 26. I. 15. gegen das römische Eecht 1. 28. Cod. d. rei
vind. III. 32, 1. 2. Cod. d. fürt. (VI. 2). Der Grundsatz fand, als er mit
dem Entwürfe vorgelegt ■wurde, vielen Widerspruch, der Staatsrath
aber genehmigte ihn Schliesslich. Aus der Debatte ergiebt sich der Grund
der Billigung des Satzes. Suarez entwickelt in den Schlussvorträgeu
den Unterschied des römischen und deutschen Rechtes (im jure Lu-
becensi et CulmeHsi) über die Ausdehnung der Vindikation auf dritte
Besitzer „Hand muss Hand wahren. ... Die römische Theorie begün-
stigt au.snehmeud die Sicherheit des Eigenthums , als einen Hauptzweck
jeder bürgerlichen Vereinigung. Sie bescliränkt aber zu sehr die Si-
cherheit und Zuverlässigkeit des ' Verkehrs, der in einem
Staate, wo nicht blos Ackerbau und die gewöhnlichen mechanischen
Gewerbe, sondern auch Handlung, Fabriken und andere Zweige der Indu-
strie im 'Gange sind, ebenfalls alle Aufmerksamkeit der Gesetzgebung
verflient. . . . Die Theorie des deutschen Rechtes begünstigt die Frei-
heit und Lebhaftigkeit des Verkehrs ausnehmend, aus welchem
Grunde sie wohl auch vornämlicli in den Statuten der grossen deutschen
Handelsstädte aufgenommen worden. .. " Schliesslich sagt er speziell über
den obigen Satz des Judeurechtes: ,,die neue Theorie scheint ... durch
die Nothwendigkeit der Aufrechterhaltung der Zuverlässigkeit und
Lebhaftigkeit des bürgerlichen Verkehrs ebenso sehr, als durch
die natürliche Billigkeit gerechtfertigt zu werden. In der Regel verdient
der Eigenthümer, dessen Gewahrsam eine Sache vielleicht durch eigene
Nachlässigkeit oder Unvorsichtigkeit , durch das zu weit getriebene Ver-
trauen in die Person dessen , dem er sie selbst zur Verwahrung, zum
Gebrauche u. s. w. gegeben hat, entkommen ist, weniger Rücksicht, als
der redliche Besitzer, der eine solche Sache im öffentlichen gemeinen
Verkehr von einem unverdächtigen Inhaber bona fide gekauft hat. Für
den Eigenthümer ist dadurch genugsam gesorgt, dass derselbe seine
Sache gegen Erstattung dessen , was der Besitzer dafür gegeben hat,
zurücknehmen kann uncj also das profitirt, was etwa die Sache mehr
werth ist. Hierin liegt auch zugleich die Hebung des etwanigen Ein-
wandcs, dass es so schwer sei, einen Besitzer der Unredlichkeit zu
überführen. . ." Jahrb. XLI. p. 84. 2) Rcmling, Urk. B. p. 57. 65.
31 1 V. 4. Die Juden, b. Deutsche Judoureclitc.
„si mdciii »'.< furtiva apud cos invcnta fuerit, si dixerit
Jitdacus sr cmissc , juramento prohat scctindum legem suam
quanti cmcr'd et tantnndem accipiat et sie rem, ei, cujus
erat, restituat."
danu im verm. Sachsensp. (1. c.) und in Eckardts Neun
Büchern (1. c.) Der verm. Sachsensp. behandelt die Frage
ausfiilirlicher : ^)
„wen der jodde das getud, so hat he sin geld mit deme wu-
chere, so daz he vnder demeselben eyde bewyse stunde vnde
stete vnde rechte tageczit, do is om gesaczt ward, adir thu
ejTien smiderlichin ej^d darczu, ab iz on der foysten nicht
erlaczen wel , doch mag der jodde wole iiv,eugen mid zween
krysten vnde mit einem joddin ob her dy darby gehad had;
dy muszen ouch daz sweren." '^)
Dagegen im Augsburger Stadtrechte von 1270, im Mün-
chener alten und reformirten Stadti-eclite , imEechtsbuche
Ludwigs des Baiern muss der Jude bereits gegen Em-
pfang seines Kapitales ohne die Zinsen das Pfand
an den Bestohlenen herausgeben. Der deutsche Spiegel
(1. c. 209. p. 124.) schliesst sich ilmen an:
„ swaz der Jude chauffet anders dinges oder auf leihet vnver-
holen vnd vnverstoln bei des tages lichte vnd niht in besloz-
zem hofe. mag er daz erzeugen selbe dritte er behaltet
sein Pfenning daran die er dar vmbe gab vnd
niht den gesuoch, oder daz auf taete mit seinem aide
ob ez wol verstoln ist gebristet im an dem gezeuge er ver-
leuset sein pfenning." —
Der Sachsenspiegel (ITI, 7. §. 4), die Quelle des obigen,
erwähnt eben von den Zinsen der Juden, wie oben berührt
ward, Nichts, daher bleibt es zweifelhaft, zu welcher dieser
beiden Klassen der Quellen er sich hält :
„svat die jode koft anderes dinges unverholen unde vnver-
stolen bi dages lichte unde nicht in besloteme hus , mach he
dat getügen selve dridde, he behalt sine penninge
1) Ortloff m. 17. 11. und Hl. 17, 25. 2) So auch Purgoldt,
VIII. 65. „ statrecht und lantrecht." c. 82.
Y. 4. Dio Judon. c. Zinsgeschärtr dor Jndon. 315
dar an, die he dar mnme gaf oder dar up dede mit sinem
eide , of it wol verstolen is. Gebrict im aver an me getüge,
he verlüset sine penninge."
Endlich erwähnen die zuletzt genannten süddeutschen Kechts-
quellen Nichts von der Billigung des Prager und Brunn er
Judenrechtes, dass der Schuldner, der bei Auslösung seines
Pfandes mit der Zahlung der Zinsen einen Monat im Rück-
stände blieb , danach auch von diesen Zinsen neue Zinsen ent-
richten musste , indem man diese Zinsen zum Kapitale schlug
und den Zinseszins sogar billigte: „Ulis us^iris ac-
crescunt nsurae." Dem Prager Rechte stimmen zu der
verm. Sachsensp. (IE. 17. 2G) und Eckardts Neun
Bücher. ^)
Untersagt wird dagegen bereits in den Kapitularien Karls
d. Gr. , dass ein Jude einen Christen in Schuldhaft als persön-
liches Pfand liielt, mochte ein Jude oder Christ als Schuldner
ihm denselben gestellt haben. Der Jude lud dadurch als Nicht-
christ, Nichtdeutscher, Nichtfreier einen Makel auf das Pfand,
daher seine Bestrafung durch Verlust der Schuldsumme,
selbst wenn Schuldner zahlungsfähig war :
c. 2. Capit. d. Judaeis : „ ut nullus Judeus neminem cliristia-
num in wnäinm ah nllo Judneo aut ah alio christiano mit-
tcre praesumat , ne deteriorfiat; qnod si facere praesumat,
secundum suam legem restitiiat, et dcbitum et wadium
simnl pcrdnt." 2)
Die bekannten zahlreichen sonstigen Bestimmungen über die
Pfänder der Juden gehören nicht unter das hiesige Thema.
c. Die Zinsgeschäfte der Juden.
Auf Grund dieser Vorrechte übten die Juden seit alter
Zeit in Deutschland ihre Zinsgescliäfte in weitester Ausdeh-
nung und in Ermangelung der Conkurrenz , zugleich , wie spä-
ter berülirt werden soll , zum Ersätze ihrer gewaltsamen imd
1) So auch Purgoldt, YIIl. c. 74. „lantreclit und wichbildsrocht."
cf. Cuj actus, opera. Mutinac 1782. W. p. 638. B. „iisiorae usurarum,
qitae imlgo dicuntur nsurne Judaicne." 2) cf. Helfferich, Zeit-
schrift f. R. ü. II. 2 — 3. p. 417. u. ob. Absch. IV. 2. h. p. 133.
316 V. 4. Die Juden, c. Zinsgeseliät'te der Juden.
uuablässig , erbarmungslos wiederkehrenden Bedrückungen
unter nicht khnncn rrozontsätzen aus.
Weltliche und geistliche Maclithaber bis zum Kaiser und
Pabste hinauf, Gemeinden und Privatleute jedes Standes ent-
nahmen liei iliiien Befriedigung ilires ewig neuen Geldmangels,
die Juden erwiesen sich entsprechend ihrem fast eingeborenen
Handelstriebe und ilirer staatlichen und gesellschaftlichen
Stellung in Deutschland als eigentliche Inhaber flüssiger Geld-
kapitalien, als eigentliche Träger des persönlichen Credites,
natürlich nie mit Hintenansetzung des eigenen Vortheiles.
Zeugen dessen sind die übergrosse Zahl der Privaturkunden,
in welchen sie in Mittel- und Süddeutschland begegnen, die
Menge der oben erwähnten Judengesetze verschiedenster Art,
die grosse Fülle der Bestünmungen , welche im Pfandrechte
gerade auf sie rücksichtigen, (üeber letzteren Punkt cf. noch
unten die Wechsler V. 5.) ^) Der Herzog von ßrieg Ludwig
leiht unter Anderm vom Juden Moscho 1358, 1365 grös-
sere Summen zu 54 %. — 1362 dagegen leiht er 17 mrk. von
demselben ohne Zinsen. ^) Die Herzogin von Schweidnitz ^)
verpflichtete sich 1384 gegen einen Juden, ihm die schuldigen
380 mrk. Darlehn in bestimmten Raten zu bezahlen u. v. A.
„Durch diesen gesetzlich anerkannten Wucher stiegen häufig die
Schulden der geldarmen Fürsten so schnell, und nach mehre-
ren Beispielen aus dem 14. Jahrhundert waren 54 Prozent der
gewöhnliche Zinsfuss in den beliebten Wochenterminen." Und
doch hatte der Clerus eben in diesen Bezirken schon seit dem
13. Jahrhundert, besonders in den Synoden der Provinz Gne-
sen, das Gebot erlassen und vielfach« verbreitet, dass kein Christ
mit den Juden verkehren, geschweige denn als Fürst solche
Wuchergeschäfte mit ihnen schliessen sollte. Die härtesten
Strafen setzte man darauf, und die weltlichen Herrscher soll-
1) Pertz, Mon. Germ. ss. XI. 502. — Enuen und Eckertz, Gesch.
der Stadt Cöln I. p. 465 ff. 2) Brieger Lehn und Erbe. Bresl. Prov.
Arch. fol. 9 u. 26. Mitth. v. H. Cand. Eössler. Ucbrigens stellt sich der
Werth des schlesischen Geldes für jene Zeit anders, als Stenzel ihn
angiebt. cf. Zeitschr. für Gesch. u. Alterth. Schlesiens I. (Tagmann).
3) cf. u. a. Tzschoppeund Stenzel, Urkk. 1. c.
V. 4. Die Juden, c. Zinsgesohäfte der Juden. 317
teil davül)or wadien. Aber gerade sie wucherten hier mit den
Juden. ^) In der Budenser Synode (1279) war spezialisirt,
den Juden sollen keine trihuta, rcctir/alia , tclonca seu pcda-
gia vd quaevis alia puhlica offieia anvertraut werden, ebenso
wenig wie den Ismaeliten, Sarazenen, Ketzern. Und hier
verpfiindete man sie ihnen für das Kapital und die Wucher-
zinsen. 2) Ja in Erfurt verpfändete den Juden selbst der
Erzbischof gar die Gerichtsgefälle 1291.^) Im Norden und
Nordosten Deutschlands begegnen diese Geschäfte der Juden
das Mittelalter und den Anfang der Neuzeit hindurch seltner
als in Siiddeutschland, allein auch hier ist ihr Zhisbetrieb nach-
zuweisen. Unter den von Reinekinus Mornewech, dem lübi-
schen Gesandton 1290 für Lübeck in Brügge zu entrich-
tenden Zahlungen wird auch aufgeführt: „Judeis dehimus C
et LXXX m. seil. Vische et ... soeii ejus.^) In Danzig^)
kommen sie, aus Galizien stammend (wessel Schirowitz,
Reusze, vnd Kanuchke Jude beyde luAvoner czu dem Reusschen
Bryszke), als Schuldner vor, 1445 begegnen hier vier Juden
ausLutzk, 1448 solche aus Brzesc als Lieferanten der Roh-
produkte , wie damals sehr häufig , aus den hanseatischen
1) cf. Hube, constt. sjii. prov. Gnez. p. GS. p. 177 u. A. 12GG. 1279.
1285. 2j cf. cod. dijd. Sil. 111. Grünhagen, Honric. pau])or. Zinsbare
Darlehn der Juden an Privatleute und die Stadt in Breslau p. 5G. Gl. G4.
65. 79. 87. 88. 113. (1377), oft grosse Summen, so dass die Zinsen des
Jahres aUein 500 m. betragen. H ü 1 1 lu a n n , Stände II. 78. u. A. 3) G u-
den, hist. Erfurt, p. 70. 71. Tschudi, chronic. I. p. 417 (1331). —
Glafey, Anecdot. p. 107. — Hoef er, deutsche Urkk. n. n. 178. a. (1335)
Borchard von Scrapbowe u. Busso unse Son bekennen verschiedenen Ju-
den Geld schuldig zu sein. Zahlen sie nicht zum Termine, so „ghen is
to der Weken op vif Marc ein Scot. Wat wy aller dez Gheldes beredden
vor der Tid, dat scal man uns afslan , als siet gheboret." — Köhler,
Urkk. der Oberlausitz, n. 194. p. 272 (1345) „ her hanncs Jude weyne vnd
Legnicz hat gelegen Janen ^^ld Otten v. Gerlürstorff achzick shock gros-
sir i)hennige ydes schock vmme eynen grossin dy woche czu wuchir. . . "
Lehmann, Speyrer Rechtsgewohnheiten p. 49G. — Eauiner, Holien-
staufen V. I.e. Lang, Jahrbücher 337 (1259). Salmasius, d. usur.
cp. XX. p. 607 ff. Moser, rcichsstädt. Handb. II. p. 276. L i c h n o w sk y,
V. 601 (1404). -- G i 0 j a , Nuovo prospetto. IQ. p. 190. 4) L ü b. U r k.
Bueli II. a. n. 78. 5) Arch. Dan/.. Missiv. I. 104y' (1430).
318 V. 4. Die Juden, c. Zinsgeschäfte der Juilen.
H i 11 1 0 r l ä 11 J e r ii \) obgleich der preiissische Städtetag vom
23. Octbi". 1435 ihneu „nach alter Gewohnlieit" den Eintritt
in Preusson verbot. -) In Litt hauen benutzte der Grossfürst
1440 besonders die Juden, um seme Finaiiznotli zu stillen,
und verpfändete ihnen für ihre Darlehen die Zölle, welche sie
dann ohne Rücksicht auf Gesetze und Versprechen des Fürsten
von den hanseatischen Kaufleuteu erhoben. So der Jude Abra-
ham Jesofowicz 1510, der Jude Aron aus Traken 1526.^) Im
Jahre 1488 klagen die hanseatischen Kaufleute über die Juden
in dem Kontor zu Kauen (Kowno) : „ euch haben dy joden
vnd czellener hy widder vusz gedocht zy gedencken vff alle
dy genne dy czu Kauwen borger seyn vnde dy yn prewszen czu
borge namen vnd j-n prewsszen mit borgeren selleschaft
haben gehat (III. 2. c. VI. 2.) vor eyme jore adir vor czwen
vnd dy ouch noch do gesellest haben vf dy eren czol suchen
wellen vnd gedencken dy so blosz czu machen eresz gutten
halben zam enen vinger." — 1490 zahlen in Pyritz (bei
Stettin) die Juden „i)ro confirmatione xirivilegn ad trien-
niuni II fJorenos ... quod non alias, nisi in Stettin et piritze
dchcnt causari," und bei der Steuer des gemeinen Pfennigs in
Pommern heisst es 1490: „Joden sint hir nicht, islik scholde
einen fl. geuen." Dass sie aber doch dort waren und ihre Natur
nicht verleugneten, offenbart Herzog Bogislaf X. von Pommern
in semeni Notizbuche (liher secretorum) Nachtr. : „item tho
gedenckende van den yoden wo se deme ho Illcfl. item he
stote enen borger uth , de moste eme genen XXV gülden . . .
item de yoden drywen so g roten woker, dat de vnszen van
gartczen dat nyt se lenger lyden konen." *) In Kr a kau tre-
ten sie in gleicherweise auf:-'') „auflfs eilflfte sagetter, das
fast viel Clenodie durch Inen diesen zeugenn sem zu Crackau
versetzettbey Juden vnd andern ausz befehl seines herrn,
worauff er tausentt gülden genommen , so habe der herre seh-
1) ib. Missiv. m. 89. IV. 158. 2) Bornbach, Eezesse m. fol.
521. Danz. Arch. ,,\-nd daz kein Jude in das landt zuPreussen kome kauff-
manschatz daselbst zu treiben nach alder gewonheit." 3) Danz. Arch.
Schbl. 39, .5938. .5941. 5947. .5948. 5956 a. b. 4) Diplomat. Beitr.
zur Geschichte Pommerns ed. Klempin. Berl. 1859. p. 23. 539. 551.
5) cf. Danz. Schöppenb. v. 1578. fol. Ol' (bei Prozessfragestücken).
V. 4. Die Juden, d. Höhe der Judenzinsen. 319
liger auch seinem vater eine güldene kette der wirden von
fünffliiinderth gülden vngersch vereliret , saget das der frawen
Clenodie mitt nebenst des herren seintt versetzott worden." —
In Neustadt in Westpreussen sind für ein Darlelm von dem
Woiwoden einem Juden die Wegegelder verpfändet. ^) Der-
selbe erhobt die Abgabe in Krosnowitsch von den Fuhrleuten
zur Verwunderung des Zolles, trotz ihrer richtigen Zahlung
nimmt er ihnen dann noch Waaren fort, indem er vorgiebt,
„an der Marke" dieselben als Danziger Kaufmannsgut zu
erkennen. — In Polen haben die Juden mi 17. Jahrhundert
allen Handel mit den Hansastädten inue , wie Privatleute und
die Kommission der Kaufmanns - Aeltesten in Danzig , einge-
setzt „ zur Verbesserung der Kommerzien , " vielfach klagen. ^)
Damit nmi die Juden nicht, "wie bereits wiederholt geschehen,
die Kohwaaren aus Polen nach Schlesien führen , schlägt die
Commission vor, man solle ilmen „durch angesehene Kauf-
leute " gestatten, zu gewissen Zeiten in der Stadt Danzig selbst
zu handeln; sie durften bisher nur in der Danziger Vorstadt
„Altschottland'' Handel treiben, von wo sie durch ihre Mäk-
ler „ Alles auskundschafteten." Die IL und IH. Ordnung des
Stadtregiments wollen in diese Erlaubniss willigen , doch erspä-
hen sie sich dabei eine neue Erwerbsquelle , ähnlich den alten
Judensteuern. Die Juden sollen nämlich sich von der Stadt
in der sie Handel treiben wollen , zuvor einen Erlaubnissschein
gegen Zahlung einer Abgabe an die Communalkasse lösen
(1678.) So erweist in allen Gebieten Deutschlands die archi-
valische Forschung der Juden gleiche Stellung, ihr gleiches
wucherliches Treiben (cf. Absch. d. e.) ^)
d. Höhe der Judenzinsen, und Ursachen dieser Höhe.
Ueber die Höhe der Judenzinsen feste Resultate
aufzustellen, ist um so eher möglich, als hier nicht blos die
1) Danz. Schöppenb. 157;». fol. 267. 2) Dan/.. Arcli. bibl. F. 1. 2.
(Joh. Kestner.) 3) Cramer, Wezlarer ßeitr. II. Abh. 2. §. 3. 4. Wezlar.
Nebenstunden XXIX. Abh. 5. §. 6. 7. : „es ist nicht zu präsuniiren, dass
('hurfürsten und Stände sich hierdurch die Hände selbst binden wollen,
mit Juden allerhand Contrakto zu schliessen. Ihr höchster und hoher (cre-
dit würde dadurch zu sehr periklitircn."
3"J0 V. 4. JMc Juden, d. Ilölie der Judoir/.inscn.
rrkuiulen der Parteien selbst, sondern die Gesetze in nicht
kleiner Zalil dem "Wucher eine Grenze ziehen und die Zinsen
erst über jene Grenze hinaus verbieten. Hinsichts der Juden-
ziusen nahmen also die Gesetze bereits seit alter Zeit eine
Stellung ein , welche sie bei den Conventionalzinsen der nicht-
jüdischen Contrahenten erst nach der völligen Umwandlung
ihres AVuchergrundsatzes seit dem Ende des 16. Jahrhunderts
gewonnen und seitdem bis zu den neuesten Zeiten und Wand- •
lungeu des Wuchergesetzes inne hielten. Dies kam daher,
dass die Juden eben seit alter Zeit in ihrem Privileg, Zinsen
zu fordern, so dastanden, wie später alle Parteien, ferner
daher, dass sie durch jenes Privileg sich gewissermassen als
öffentliche Darleiher in Staaten und Städten hinstellten, um
so mehr , als die Obrigkeit sie (cf. V. 5 d.) in etlichen Distrikten
zwang , unter bestimmten Bedingungen auf Pfänder zu leihen.
Hier konnte es natürlich nicht ausbleiben , dass die Polizeiho-
heit der Obrigkeit die den Unterthanen vom konkurrenzlosen
Judenwucher drohende Gefahr zu begrenzen suchte und des-
halb eme feste Höhe der Judenzinsen vorschrieb, ^)
Da die Juden gerade bei dem Leihen auf kurze Zeit die
häufigsten Geschäfte machten und darin den fühlbarsten Zinsen-
druck auf die Menge der armen Schuldner ausübten, die Zinshöhe
dagegen bei den Darlehen an Fürsten u. dergl. weniger gefühlt,
auch seltener contrahirt wurde, jedenfalls meistens als über
dem Gesetze stehend nicht von letzterem regulirt werden
konnte , so messen die Zinsgesetze der Juden den Zinsfuss für
Wochen durchschnittlich und Monate. Dieser Zinsfuss erweist
sich am Anfange des 13. Jahrhunderts nach der grösseren oder
geringeren EntAvicklung des Handels, des persönlichen Credites
u. s. w. in den verschiedenen Gebieten Deutschlands höchst
mannigfach, in den meisten aber überschreitet er den damals
1) cf. Purgoldt, Eechtsb. VIII. cp. 85. „in dutzscben landen, da
gehen sy mussigk und wucliern. Das bcschreben recht wiset aber us , das
ir Wucher suUe nie SS ig seyn ; wan ersteygen sy den ober das, also her
yn gesatzt wirt von den fursten ader stetin , da sy wonen : so sali das
wertlich gerichte, ader der rat eyner stat ireu frevil straifen ader
zewinsren."
V. 4. Die Juden, d. Höhe der .Tudenzinsen. 321
und heute bei gleichen Betlingungen allgebräuchlicheu Pro-
zentsatz bedeutend, 60 und 70 % jährlich ergeben durch-
schnittlich die monatlichen Zinsfüsse. Einerseits zeigt dieser
gesetzliche Zinsfuss sich thatsäclilich nicht so drückend und
übermässig hoch , weil die Schuldverhältnisse in den meisten
Fällen viel kürzere Zeit, als ein Jahr, währten; andrerseits
beweist derselbe wieder, dass die Partikulargesetze sich nicht so
weit im polizeilichen Drange hinreissen Hessen, ohne Eücksicht auf
die wirklich obwaltenden Verhältnisse eingreifende Normen auf-
zustellen, vielmehr nur die bereits ausgebildeten Zustände gesetz-
lich feststellen zu müssen glaubten. So steht vereinzelt in Wahr-
heit das Beispiel von Florenz da, wo 1420 derKath zur Herab-
drückungdes übermässigen Zinsfusses der Wechselhäuser Juden
in die Stadt eüizuziehen aufforderte, unter der Bedingung, dass
sie nicht über 20 % fü^' ein Jahr bei einem Darlehn bezögen. ^)
Dergleichen gesetzliche Zmsschranken sind in Mainz: cf.
convent. civit. Mogunt. (IT. 372.) 1255: 2 den. auf 1 Pfund
für 1 Woche, 4 unciae auf 1 Jahr; in Augsburg (Stadt-
recht 127G): für 1 Woche 4 Pfennig auf 1 Pfund, auf 60 Pfennig
1 Pfennig; in München (Stadtrecht 1340) für 1 Woche nur
2 Pfennig auf 1 Pfund ; der darleihende Gast aber soll 3 Pfennig
bei gleicher Frist und Kapitalssmnme entrichten. In Nürn-
berg schreibt ihnen 1310 der Kaiser den Zinsfuss von 2 Hel-
lern bei einem Bürger , von 3 Hellern bei einem Fremden und
Gaste für das Darleihen eines Pfundes Heller eine Woche
hm durch vor. 2) In Prag (Judenrecht von Ottokar H.
1269) : 5 Pfennige auf 1 mrk., 6 Pfennige auf 1 Pfund, 1 Pfennig
auf 30 Pfennig; die Zeit ist nicht angegeben, sie soll wol
1 Woche heissen. •■') In Cöln dürfen sie wöchentlich 3 denar.
von^einer Mark nehmen 1250ff. ;'^) im Breisgauer Frei-
burg galt ungefähr derselbe Prozentsatz, wie in München;
man schreibt^) 14. Septbr. 1394 vor:
1) Härtens, Urspr. d.Wechselr. §.13. 2) Würfel, histor. Nach-
richten V. d. Judengenieindc in Nürnb. S.S. 12G. Mitg. v. H. Pr. Stobbe.
3) Rössler, Gesch. d.R. in Oesterr. Anh. a. 123. 4)ci'. Quellen z. Gesch.
d. St. Cöln. n. n. 388 (a. 1258). — Laconiblet, U. B. 1. c. II. n. 628
(1272) u. a. 5) cf. Freib. Urkk. Schreiber 1. c. U. 4. p. 95.
Neu mann, Gesch. d. Wuchers. 21
3'2'2 V. 4. Dio Juiloii. d. Höhe dov Judcnzinson.
„ UV sullent si (die Juden) auch ingesessen burgern daselbs
zu Friburg zu der wochen lihen ein pfunt pfenning vmb
zween pfenning, fünfzehn Schilling vmb 3 halbling, 10 Schil-
ling vmb 1 pfenning . . . vnd nicht tüver."
In Frankfurt i) setzt 1338 d.20. September der Kaiser Lud-
wig der Baier fest:
„ daz di Juden iglichem burger zer wochen leihen sullen ain
pfund haller vmb anderhalben haller vnd swer ausserhalb
der Stadt gesezzeu ist , dem sullen si daz pfunt leihen vmb
zween haller vnd darunder sol si nieman drengen." (zugleich
also das Verbot der Herabsetzung dieser Maximalhöhe.) '^)
In den 2 Bullen von Innocenz HI. und IV. 1194 und 1297,
welche die Grundlage des Prager Judenrechtes bilden, ist
noch kein fester Zinsfuss vorgeschrieben. Dagegen m der Bulle
von Innocenz VIII. 1491 an den Kath von Frankfurt a. M.
genehmigt der Pabst , dass die Juden 1 Heller auf 1 fl. für
1 Woche fordern, d. i. ca. 2l7o- In Zürich sollen die Juden
1354 den Städtern 1 Pfund Heller um 2 Pfennige leihen,
Fremden dagegen bestimmen sie allem den Zinsfuss (Zürich
zeichnete sich , wie schon oben IH. 2. b. gezeigt wurde , durch
milde Wuchergesetze allgemein aus.) ^) In Strasburg gilt
derselbe Zinsfuss, wie in Freiburg, 1375.^) In Würtemberg
ist bis 1434 der Prozentsatz von 1 Heller für 1 fl. , 1 Heller
für 1 Pfund das Maximum des Judenzinses gewesen.^) In Bran-
denburg gestattete man ihnen bis zum 18. Jahrh. 24 7o-^) In
Breslau zahlte man, was als gesetzliches Maass gelten kann,
in der Mitte des 14. Jahrh. Seitens der Stadt selbst für grosse
Kapitalien 25 ^o- 0 Wie viel niedriger waren die Prozent-
l)Urk. Buch (Böhmer) 1. c. 2) Orth, Anm. z. Frankf. Eeforra.
n. 12. §. 4. 3) cf. auch ib. Eichtcbrief V. 104. Bluntschli, Züri-
cher R. G. I. p. 293. u. Zeit sehr. f. schweizer. R. IV. 6Gif. 4) Böh-
mer, Jus eccl. prot. V. 19. §. XXVH. 5) Civil. Magazin II. n. VI.
p. 140. (Hugo.) 6) Hugo, I.e. 7) cf. Grünhagen, cod. dipl. Sil.
III. p. 88. (1857) : „16 m. usv/re de 60 m. capitalis pecunie predicte."
Der Brieger Herzog Ludwig zahlte dagegen dem Juden Mo seh o in
Brieg für grös.sere Darlehn 1358 und 1365 1 Mark auf 1 Quart wöchent-
lich, d. h. 54", u (cf. Bresl. Prov. Arch. Brieger Lehn und Erbe fol. 9.
• V. 4. Die Juden, cl. Höhe der Judenzinseii. 323
Sätze der Judeuzinsen bereits im 13. Jahrh. iii Spanien und
Italien. Tn Arragonien billigte Jakob T. ihnen 1228:
20*^/u jälirlieh, 1240: 4 denar. für 1 Pfund monatlich zu.')
In Sizilien war zur selbigen Zeit der gesetzliche Judenzins-
fuss 10 'Yy.-) Dagegen in Frankreich, wo den Juden eben-
falls ein Zinsmaximum gesetzlich vorgeschrieben war, ^) dehnte
König Johann 1360 dasselbe auf 86^3 7o jährlich aus, wöchent-
lich auf 4 deniers pro Livre. *) In Oest reich aber, wo we-
gen der Verschuldung der Fürsten der Wucher der Juden
ganz besonders blühte und zeitweise hauptsächliche Finanz-
qucllen des Staates ihnen verpfändet Avurden, gestattete der
letzte der Babanberger, Friedrich IL, 1246 ihnen gar 8 Heller
auf 1 Pfund die Woche (d. i. 174 % jährlich) Zinsen zu neh-
men, ja unter seinem Vater Leopold , dem Ruhmreichen, durf-
ten sie 304 % jährlich beziehen , — wenn anders die Zahlen
nicht falsch überliefert, oder die Berechnung unrichtig aufge-
stellt, insbesondere der Curs der Münzen nicht ausser Acht
gelassen ist. ■') Ottokar IL dann , König von Böhmen , welcher
von Kaiser Richard Steyermark und Oesterreich zum Leim
empfing, verwarf in Oesterreich jede Maximalgrenze des Judeu-
zinses (1254), Kaiser Rudolf I. stellte den Prozentsatz Frie-
drichs IL 174 %, wieder her. ^)
Später wurde , durch die Judenverfolgungen weniger , als
durch den grösseren Geldumlauf, durch die allmähliche Besei-
tigung des kanonischen Wucherverbotes und die dann stei-
gende Conkurreuz der Kapitalsangebote endlich der Zinsfuss
bei Judendarlehn ermässigt und in den einzelnen deutschen
und fol. 26.) Derselbe Jude leiht indess 13G2 demselben Herzoge wieder
17 mark „serZ haec non usurm^erunt." ib. fol. 2(5. Mitg. v. H. Cand.
Rössler.
l)Du Fresne du Gange, gloss. voc. usurarii in tin. 2) constitt.
regn. Sicil. I. A'I. 3) Ordonnances de France. I. p. 53 ff. II. p. 575.
— Recucil des anciennes lois I. p. 149. 152. 4) J. B. Say, traite II.
eh. 8. 5) cf. Rizy. Zinstaxen und Wucherges. Wien 1859. p. 72 ff. —
Horniayr, histor. Taschenbuch (1812) ji. 74. — Rauch, script. rer.
austriac. I. 201. — Stadtrecht für Wiener Neustadt p.91.— F. Kurz,
Oe.sterrcich unter Ottokar und Albrecht I. (Anz. 1846) II. 6) cf. die
vorige Note.
21 *
324 V. 4. Die Jiulou. d. TIölio der Judenzinscn.
Territorien ausgeglichen. So beschränkte in 0 es ter reich
1338 Albrecht II. den Prozentsatz derselben auf 3 Heller für
1 Pfund , 1 Heller für 60 Heller die Woche. Dieser Zinsfuss
musste sich natürlicli beim Leüien auf längere Zeit niedriger
stellen. Allmählich dann fielen die Prozente so, dass Kaiser
Karl IV. trotz seiner Absicht den Zinsfuss von OttOkar IL
nicht wieder einführen konnte. ^) In Frankfurt a. M. durf-
ten die Consuln schon 1538 vermerken, dass der von Inno-
cenz Vin. in jener Bulle von 1491 gebilligte Zinsfuss zur
Hälfte herabgesunken sei, nämlich auf 10^2 7o- 1^14 waren
nur noch 8 7o daselbst üblich , ausser , wo kein Pfand das Ge-
schäft sicherte. Letzteren Falls forderte manl07o-^) (cf.V.4.f.
undLX. l.b.)
Doch darf man sich verwundern , dass die Juden so hohe
Zinsen forderten? Nicht bloss die Gewinnsucht trieb sie,
dort, wo sie ohne Conkurrenz Geld liehen, die Noth ihrer
Feinde, der Christen, auszukaufen. Diese Auffassung erweist sich
bei näherer Beachtung der Quellen einseitig , ja ungerecht !
Man mag noch absehen von der Menge der Kosten,
welche sie durch Aufbewahren der Pfänder, durch stetes
Bereithalten ihrer Kapitalien sich verursachten (cf. V. 5. c. d.).
Aber wie bedrückten und nutzten sie rücksichtslos und
zuweilen in wirklich empörender Weise der Kaiser und die
niederen Machthaber. Zunächst bezogen diese den Juden-
schoss; steigern konnten sie ihn nach Belieben. Welche
Summen er abwarf und wie \iele Berechtigte dafür sich fanden,
ist oben berührt. Doch sie betrachteten sich auch, da sie
Inhaber der organisirten Gewalt waren , ja selbst auf die unor-
ganisirte ihres Volkes in diesem Punkte sicher rechnen konn-
ten, durchaus als Eigenthümer des haaren Vermö-
gens der Juden und ihrer ausstehenden Forde-
rungen, als wären die Juden vermögensrecht-
lich völlig ihre Sklaven und ohne den Beitritt
Jener vertragsunfähig. Sie Hessen sich von den Dar-
1) ßössler, deutsche Rechtsdenkmäler I. Anhang VL Eizy. 1. c
2)0rth,l. c.
V. 4. Die Juden, d. Höhe der Judenzinsen. 325
lehen der Juden entsprechend der Grösse derselben bestimmte
Abgaben entrichten. ^) 1315 bestätigte Ludwig der Baier dem
Ritter AVipfelin von Eosegarten eine Anweisung Heinrichs VII.
von lOmrk. jährlich auf die Wormser Juden — während der Ju-
denschoss an den Kaiser selbstverständlich ungeschmälert blieb, ^)
ebenso gab er dem Ritter Kuno v. Luramershemi a. 13. März 1316
eine jährliche Rente von 15 Pf. Heller auf die Abgabe derselben.
„Ludovicus dei gratia Romanorum rex semper augustus
imiversis Judeis Wormaciensihus camerae suae ser-
vis gratiam suam. Attcndentes grata et voluntaria servitia
quae nobis prudens vir Chiino de Lumerslieim fidelis noster
dilectus exhihuit et in antea poterit exhibere, sibi de libera-
litatis nostrae mimificentia quindecim Hb ras H al-
len si um de steura vestra solvendas eidem singu-
lis annis in festo beati Martini duximus largiendas." ^)
Dass der Kaiser bei seiner Befugniss, die Judenabgabe jeden
Augenblick ohne Beitritt der Reichsstände zu erhöhen "*) durch
die Abzweigung einer Rente keinen Nachtheil wird gelitten
haben, liegt auf der Hand. So sagt Kaiser Wenzel, als er
von der Stadt Nordhausen ein Darlehn empfangen , bei Ver-
pfändung seines Judenschosses dafür:
„ was sie aber fürbass m e r hynach . . . der Juden geniessen
werden ... das sye vns halbe in unser Camer antwurten
noch iren trewen , die sie Uns pflichtig sind."
Die andere Hälfte des Mehrnutzens gestattet er zima Besten
der Commune zu verwenden. ^)
Oder der Pabst für die Kreuzfahrer , der Kaiser für seine
bedrückten Unterthanen erlassen — letzterer wo möglich, um
dafür von den Schuldnern ebenfalls einen Tribut zu erzielen —
den rückständigen Schuldnern die Zahlung der Zinsen oder
gar des ganzen oder theilweisen Kapitales auf bestimmte Zeit
oder für immer, ohne irgend einen der Reichsstände zu hören
oder ohne auf die Juden dabei ii'gendwie zu rücksichtigen,
1) cf. u. V. A. cod. diid. Sil. III. Grünhagen, Henricus paupcr.
p. 48 — 50. '2) Arnold, Verlass. Geschichte d. D. Freist. II. p. 214.
3) Arnold 1. c. U. 215. 4) cf. Beseler, Zeitschi-, f. R. G. U. 2. 3.
p. 374. 375. 5) Moser, reichsstädt. Handbuch II. p. 276.
r{2(> \. 4. nio .Indt^n. d. Höhe iler .Tnden/insen.
geschweige (lenn ihren jährlichen Schoss an die kaiserliche
Kasse zu massigen. ') So sagt in einem Schreiben Kaiser
Sigismund 1302:
..)ios Sigisniioifl ... (inia fideles cives .. de Posonia (Press-
hurg) vineas ipsoriim in praesenti anno cum maxitna pecM-
iiianwi qiiautitatc sictiti iideni nostri asserunt
Diajestati (emziger Beweis!) a Judaeis dictae civitatis
nostrae mutui receptarum et habitarum, super quam non
niodica usura evenisse jam xtcrlühdur, coli fecerunt et
coluerunt in vinisque eortim indi/ferefiter propter frigidi
feniporis invasionem ... ideo nos exindc omnes et sin-
gulas usuras, quae dmntaxat, ut praemittitur , in anno
p raesenti super jam dictam pecimiarmn quantitatem cre-
rissent et multiplicatae haherentur, iisdem civl-
hus . . ac cunctis populis nostris de dicto Posonio duximus
gratiosc relaxandas ita videlicet quod cives . . . capitalem pe-
cuniam Judaeorum ex integro iisdem persolvere tcneantur."^)
1146 erliess der Pabst einem Christen, der den Kreuzzug mit-
machte , Kapital und Zinsen , welche er den Juden schuldete.
Ludwig der Bai er befreite die Grafen Eberhard und Ul-
rich von Würtemberg 1346 von allen Judenschulden ihres
Vaters in Schlettstädt. Karl IV. befreite dieselben Grafen und
alle ihre ünterthanen 1349 von allen Judenschulden, die
bis zum 1. April 1349 aufgelaufen waren; dasselbe that er
1361. Allgemein erliessen Karl IV. und Wenzel den Juden-
schuldnern, welche 10 — 15 7o ^^'^^ Schuldbetrages in die
kaiserliche Kasse zahlten, die Abtragung ilirer Schulden in
Kapital und Interesse, so z.B. in Nürnberg 1350. 3) Noch
fr'eigebiger zeigte sich Wenzel. In zwei Urkunden von 1 390 *)
erliess er Jeder männig lieh im Lande Franken und im
Lande Schwaben alle Judenschulden, und in einer dritten
Urkunde befi'eite er noch besonders die Städte Rotenburg,
1) cf. Ofener Stadtr. 1. c. Glossar p. 284 (Fejer, cod. diplom. X.
8. 342 ff. 2) cf. die vorige Note und Lehmann, Speirer Chronik 1. c.
p. 496. 3) Chroniken der deutschen Städte. Hegel, I. Nürnb. Chronik
p. 20. n. 1. 4) Spie SS, archival. Nebenarbeiten p. 121. n. 3. Satt-
ler, Grafen v, Würtemb, III. Urk. 2.
V. 4. Die Juden, d. Hoho der .Judenzinsen. 327
Windsheim, Schweinfurt, Weissenburg für bestimmte Geld-
geschenke an Um \) am 6. Januar 1401. Die Juden müssen
wiederholt ausserordentliche Schulden des Kaisers bezahlen;
so bei Erstattung der Pfandsumme für das Schultheissenamt
zu Nürnberg 1385 schreibt der Burggraf Friedrich von Nürn-
berg bei Empfang von 5613 gld.:
„ daz uns die erbern weisen manne die burger des rats der
stat zu Nürnberg bericht und bezalt haben und gen i r e u
Juden aufs getzogen haben ... an den achttau-
sent guidein, die sie vns schuldig sein von
des gerichts und des zols wegen daz wir in
darumb versetzt haben." ^)
Konnten die von allen Seiten gepressten Juden sich anders
gegen den Raub decken , als dadurch , dass sie , wo ihnen ein-
mal ein Geschäft glückte , besonders grossen Darlehnsnehmern
gegenüber, sehr hohe Zinsen forderten um die Tausende der
Erpressung mühsam wieder einzubringen? Zumal, des jüdi-
schen Volkes Natur neigte ja an sich dahin ; deshalb ertrugen
sie auch nur diese Gewaltthaten. Wer wirft dafür den ersten
Stein auf sie ?
Die Schulden der Machthaber und des Volkes an die
Juden wuchsen trotz aller obigen Gewaltmaassregeln reissend ;
immer häufiger sah man sich genöthigt , Gerichtsgefälle , Ein-
künfte von Regalien u. A. im Volke aber selbst das nothwen-
digste Geräth den wuchernden, „unersättlichen" Gläubigern zu
verpfänden. Die Juden selbst forderten sie hierzu auf ^) So
boten sich den Juden immer neue Mittel, ihre zerrütteten
Schätze wieder aufzuhäufen, immer neue aber auch, die Schuld-
ner und so das ganze Volk der Christenheit zu reizen. Unauf-
haltsam , unrettbar durcli die Umstände gezwungen , und fast
mit offenen Augen trieben beide Theile sich zu dem jähen Aus-
bruche des lang verhaltenen Grolles.
1) Chmel, Regest. Kaiser Ruprechts n. 65. 2) H e g el , 1. c. p. 28.
n. 2. 3) H üllnian n . Stände III. p. 78. ~ Tzsclioppe und Stenzel,
1. c. IShi, die Herzogin von iSclnveidnit^ Der Bischof von Erlurt selbst
verpfändete ihnen seine Gerichtsgefälle, uuden. bist. Erfurt. \t. 70. 71.
cf. V. 4. c.
328 V. 4. Die Juden, c. Judenverfolgungen.
0. Die Judenverfolgungen, insbesondere wegen des
Wuchers der Juden.
So häufen sich bereits seit dem Ausgange des 13. Jahr-
hunderts in den Gesetzbüchern, Annaleu, in den Chroniken
der Städte, in den Privatschriften, besonders den Schuldkon-
trakten der Christen die Wehklagen über den ungeheuer n
Wucher der Juden, über ihren grenzenlosen Eeich-
thum gegen die Geldnoth ihrer Schuldner, über die nicht
emzudämmende Vermehrung ihrer Stammgenossen. Mit
der Pest, die verheerend herembrach, mit dem religiösen Hasse
mischt sich der Zorn über die ewige Geldnoth , die Bedräng-
niss der Armen. Letzterer Beweggrund ist hier allein ms
Auge zu fassen. Die Kirche hatte bisher aus gutem Grunde
wieder und weder über den Wucher der Juden geschwiegen. ^)
Endlich steht sie auf in Deutschland und weiht die Klagen des
Volkes , sie verdammt selbst die Nichtchristen und schleudert
das alte kanonische Wucherverbot auch ihnen entgegen. Am
Ende des 13., dann im 14. Jahrhundert will sie selbst schon
im Norden und Osten Deutschlands allen Verkehr zmschen
Juden und Christen zerreissen ; gemieden von allen , ein Aus-
wurf des Menschengeschlechts, auch äusserlich gebrandmarkt,
sollen die Juden, sich selbst überlassen, in eigener Sünde
vergehen. ^) ;Dann im Concil von Fr ey sing 1440 ^) bestimmt
der Clerus:
„Jiidaei exh au rinnt Christianae religionis facuUates
usuris. Hinc stattiimus clistricte praecipiendo, quod Jti-
1) Die älteste Judenverfolgung findet sich bekanntlich bereits in den
Statuta domini Hludowici U. pro lege posita (855) c.4. „providimus de
Judeis , ut nullus infra regnum Italicum ultra Kalendas Octobris maneat,
et modo eis denuntietur , ut omnes usque ad placitum illud exeant uhi
voluerint sine ullius contradictione. Quod si post Kalendas Octobris ali-
quis inventus fuerit a quibuscimque comprehendi potest , cum omni sub-
stdntia sua ad nostram dedticatur praesentiam" (Pcrtz, legg. I. p.437.)
2) cf. ob. V. 4. a. So in der Breslauer Synode von 1266 , der Buden-
s e r von 1279 , dann weiter in G 1 o g a u und Breslau 1315. Hube, anti-
quissim. constitt. synod. prov. Gnezncns 1. c. Tzschoppe und Stenzel
Urk. Buch 1. c. p. 497. §. 5. 8^^. 251. — Cod. dipl. Sil. V. (Watten -
bach) p. 59. u. v. A. 3) Schannat, 1. c. V. p. 277.
V. 4. Die Juden, c. Judenverfolgungen. 329
daei in nostra diocesi non permittantur fenerari. Nidlus
quoqiie Christianus domos ad hahitandum iisdem et ad
exerccndinn fcnns locet!"
In der Synode von Bamberg 1491. ^)
„excommunicatos demmcient rectores ecclesiarum omnes,
Christianos, qui apud Judaeos pecuniam suam
locant, ut a Judaeis iisiiram recipiant vel ut Jiidaei ean-
dem mutucnt ad iisuram." ^)
Fürsten und Privatleute, wie Gemeinden, die Jahre, Jahr-
zehnte lang mit Abzahlung von Kapital und Zinsen rückstän-
dig sind , hetzen das Volk gegen die Judengläubiger , und mit
jedem Tage greifen sie doch zu den Darlehn der Juden zurück ;
immer neuen Hass säen sie aus. Es gilt, die Wuth gegen die
Schutzlosen zu schüren , auf ein Mal die Qual der Schulden zu
löschen, und ein für alle Male; das Volk steht auf gegen die Ju-
den. Zunächst am Ende des 13. Jahrb., dann in der Mitte
des 14., dann in immer neuen Wallungen dieses und das fol-
gende Jahrhundert hindurch fällt die Volksniasse rasend über
die Judenviertel der Städte her , vor Allem in Süd - und West-,
dann auch in Mittel - Deutschland , zuerst die Schaar der
gequälten Schuldner, dann die von Pest und Glaubenshass
zugleich getriebene Masse des ganzen fieberhaft gereizten Vol-
kes. Mit Wollust wüthen sie gegen ihre schirmberaubten,
halb schuldlosen Opfer ; die Verfolger selbst machten die Gläu-
biger sich zur erdrückenden Last, nun sollen diese dafür büssen.
Welch ein Hohn christlicher Gerechtigkeit, christlicher Liebe!
Sie fühlen kein Erbarmen , sie plündern , rauben , den Wucher
auszugleiclien , sie stossen ilire Feinde in die Verbannung hin-
aus , sie martern , sie morden die üebelthäter und ihr ganzes
Geschlecht. Sie zerreissen ihre Scliuldurkunden , sie löschen
die Summen mit des Gläubigers Blute , mit seinem Leben zah-
len sie die Zinsen. „Die grossen, die grenzenlosen
Summen, welche der A d e 1 u n d d a s H e e r , B ü r g e r
1) ib. V. p. 623. 2) Si)äter die Banibergcr Synode von 1506
(ib. Yl. p. 65), die von Trient 1593 (ib. Vlil. p. 439. cp. LXV.)
.^30 Y. 4. Die Juden, e. Judenverfolgungen.
und BaiuM-n iliiicn schuldeten, das war der Juden
V (' r (1 erben! " ruft der Chronist. ^)
Die Machthaber gedenken der Hilfe , welche sie von den
Juden bedürfen, mit liarteu Strafen züchtigen sie den Auf-
stand. Vergebens! Je mehr die Juden verlieren , desto mehr
müssen sie durch Zinsen wieder ge^vinnen. Von Neuem bricht
das Volk los und stürzt sich auf die Verhassten. Die Obrig-
keiten setzen die Zinsen , die Kapitalien , den Ziusfuss herab,
sie verkürzen die Schuldposten. Für alle Zeit wollen wir
der Bedrängniss ledig sein , rufen die Schuldner. Die Gesetz-
geber verbieten den Juden jeden Wucher, verbieten Eecht
zu sprechen über die Zinsen, untersagen, die gesprochenen
Urtheile auszuführen. Jeder Richter, jeder Bürger hat die
Pflicht und das Recht, den Wucher der Juden vor Gericht zu
ziehen ; sie verbieten jeden Verkehr zwischen Juden und Chri-
sten , der nicht vor dem Richter stattfand oder für die noth-
wendigsten Lebensbedürfnisse oder auf offenen Märkten. Ja
aus üiren Gebieten vertreiben sie die Unseligen.
Aber wieder und wieder kehren diese zurück und wuchern
von Neuem. Die Christen, die Verfolger selbst, durch ihre
Lage genöthigt, durch die Gesetze nicht genügend zurück-
gehalten , durch die Bedi'ängniss , den darniederliegenden Ver-
kehr getrieben, beginnen mit ihnen jenseits der Landesgrenzen
die alten Geschäfte. Wo sollten sie sonst darleihen ? Die schmäh-
lich Vertriebenen rufen sie zurück, und — ihre Wucherklagen
beginnen noch eiimial. Wo die Partikulargerichte den armen
Gläubigern das Urteil verweigern, verklagen sie ihre säumigen
Schuldner bei dem nächsten kaiserlichen Gerichtshofe. Die
Schuldner werden verurtheilt ; da sie ihr heimisches Gebiet
überschritten, straft man sie mit der Acht. Und wieder refor-
mirt man die Gesetze; im nächsten Augenblicke schon sind
1) Chronicon St. Petri Erfurtense. Mencken, III. 341 (1349)..
„credo, fuisse cxordmm Judaeorum magnam et infinitam pecunimn, quam
barones cum militibus, cives cum rusticis iis solvere tenebantur." — cf.
auch Würfel, historische Nachrichten von der Judengemeinde in Nürn-
berg. S. 83. 84. Mitth. v. H. Prof. Stobbe.
V. 4. Die Juden, e. Jiidcnverfol^ngen. 331
sie den reissend flutenden Ereignissen nicht mehr gewachsen.
Mit härtesten Strafen bedroht man Juden und ungehorsame
Christen. Es fruchtet Nichts! Der Verkehr in semer einzig
möglichen Bahn lässt sicli nicht fesseln , nicht hemmen , nicht
zertreten. Die Gesetzgeber wissen nicht mehr, wie zu helfen.
Das Mittel freilich , welclies zweifellos und von Grund aus hel-
fen musste in dem unerträgliche!^ Zustande, wagte man kaum
anzuwenden, weil es unmöglich schien. Die Verträge zwi-
schen Christen und Juden musste man für ungültig erklären,
zimi Ackerl)au oder andern ehrenliaften Beschäftigungen durch
üeberredung und Hilfe die Wucherer gewöhnen oder das Wu-
cherverbot beseitigen , oder — man musste die Folgen ertragen
aus den Missständen, die man selbst hervorgerufen hatte, man
musste also die Verfolger mit ganzem Nachdrucke niederwer-
fen und den armen Juden endlich die Hilfe vergelten, welche
man so oft von ihnen empfangen hatte. Gewiss trugen die
Juden durch ihre Wucherei vielfach Schuld an diesen Metze-
leien, aber wer verschuldete den Wucher? In erster Keihe
die Christen , vorn steht der Beweis. Und die Christen wären
nie so rettungslos in das Elend der Verschuldung hineingetrie-
ben, welches einst bereits den römischen Staat an den Band
des Verderbens gebracht hatte , wenn das Wucherverbot der
Kirche nicht mit der eisernen Hand des religiösen Glaubens-
satzes jede andere gesimde Entwicklung des Kapitalnutzens
darniederhielt. Der Zorn der Verfolger und das Blut der Ver-
folgten schrieen auf gegen das Gesetz der Kirche. Nun die
Beläge.
In Oesterreich blühte , wie oben berührt ist , der Wucher
der Juden besonders stark , dazu drückten sie hier durch Ver-
waltung der ihnen verpfändeten Aemter noch ausserdem das
Volk. Darum heisst es schon 1296 im Wiener Stadtrecht ^)
p. 285 :
„So vertreiben wir die Juden von der pflegnusse der Amt
zu Wienne darumbe , daz si weder den eren der herrschafte
oder des offenen amptes die Christen nit beswären."
1) Senckenberg, viss. aiip. 11. n. IJl. p. 285.
382 V. 4. Die Juden, e. Judenverfolgungen.
Als kurz darauf die wiederaufgenommenen Juden vom Volke
bedrängt wurden, drolito Alhrecht I. 1306 den Bürgern der
Stadt Flöten u. A. mit harten Strafen. 1338 hob sich trotz-
dem die Verfolgimg von Neuem. Die Obrigkeit minderte die
geschuldeten Zinsen und setzte den Zinsfiiss herab. ^)
In Freiburg im Breisgau erklärt 1338 die städtische
Obrigkeit, sie würde der Juden „schulde, gülte, gelübde"
schützen. 2) 1349 — 51 erheben sich die Christen wegen der
hohen Zinsforderungen der Juden mehrmals und führen laute
Klagen. Die Obrigkeit streicht einen Theil der Schuldsunmien.
Nicht genug! Am 14. September 1394 zieht sie emen festen
Zinsfuss dem Wucher zum Damme. •^) Trotzdem wächst der
Wucher der Juden bedeutend , das lehren die Schuldurkunden
der Parteien in Menge, welche darüber von Klagen erfüllt
sind. Daher werden am 22. Februar 1424 die Juden aus Stadt
und Gebiet vertrieben „wegen bekunmiernusse , dadurch die
armen lute daselbst swerliche beswert werden." ^)
Der Erzbischof von Mainz verordnet in gleicher Sache
1457 viel milder:
„ daz si (die Frankfurter Juden) den Wucher , den sie vom
Wucher genommen habent, widdergeben und hinfür Wu-
cher vom Wucher nit nemeu." ^)
Dagegen schreibt Kaiser Friedrich III. für Heilbronn
1487 vor:
„das kein Jud oder Jüdm kein Gesuch noch Wucher mer
nemen noch dergleichen handeln noch treiben sollen in kei-
nerlei Weis." *')
In dem Stuttgarter Stadtrechte von 1492. p. 62 heisst es:
„ desgeleichen sol man kainem Juden umb den gesuch oder
1) Eizy, Zinstaxen. 1. c. p. 74. Hü 11 mann, Stände III. p. 78 ff.
2) Freiburger Urkk. Schreiber 1. c. I. p. 337. 3) Schreiber II. 95.
4) ib. n. p. 358—59. 5) Gudenus, cod. dii)lom. IV. n. 152. Das Erzbis-
thum Mainz zeichnete sich , wie schon V. 4 b. erwähnt ist , durch seine
richtige Einsicht in die Zinsverhältnisse vornehmlich aus. 6) Moser,
reichsstädt. Handb. II. p. 10. cp. 23. n. 15. Nürnberger Keformat. 1479.
ti. XXn. 5. — Frankfurter Keform. 11. ti. 12. §. 4.
V. 4. Die Juden, e. Judenverfolgungen. 333
Wucher richten oder reöht ergeu lassen , . . bey Vernieydung
Straff an leyb und gutt." 0
Von Amts wegen den Wucher der Juden vor Gericht zu
ziehen, schreiben die Würtemberger L. 0. 1557. tit. von
den Juden und die badische Landesorduung von 1622 tit. 6.
p. 77. vor.
Allen Verkehr zwischen Christen und Juden untersagen
Kauffbeuern 1530,2) Ravensprung 1559, 3) Reut-
lingen 1561, ^) das Würtemberger L. R. von 1557 (I.e.),
die Pfälzer L.O. von 1581, ■') die badische L.O. von 1622
(1. c.) Diese Bestimmung beschränkte man andrerseits in einem
Schreiben Ferdmands I. an Heilbronn 1543: ^)
„ dass hinfüro kain Jud oder Judin gedachte von Hailbrunn
. . . weder auf Pfand, Clainoder, Kleider noch auf einig ander
varnde oder ligende Güter noch sonst in kainer andern
Weiss noch Wege wie das Namen haben mag , auf Wucher,
wucherliche Handlung, Contrakt oder Verschreibung, one
der gedachten von Heilprunn Vor wissen, Er-
laubnuss, und Bewilligung nicht leyhe noch gefähr-
licher Weiss mit inen handle auch kain Jud oder Judin der
gedachten von Hailprunn Unterthanen . . . umb einiche Schul-
den, so nach Verkundung dieser unser Freiheit gemacht
worden, am Kaiserlichen Hofgericht zu Rothweil . . . fordern.''
Dasselbe bestimmte Kaiser Ferdinand I. für die Städte Leut-
k i r ch 1 559, ') L i n d a u 1559, **) und schon Karl V. für N ö r d -
lingen 1541. ^) Nur für nothwendige Lebensbedürfiiisse, oder
auf offenen IVIärkten gestattete den Verkehr Kaiser Maximilian H.
1566 in einem Schreiben an Ueberlingen. ^*')
Um Vertreibung der Juden aus den Städten und deren
Bezirken handelt es sich besonders in einem Schreiben Maximi-
1) Sattler, Gesch. d. Ciraven.V. p. 36 — 59. 2) Moser, reichsst.
H. B. 1. c. p. 34. 3) Ein Brief Kaiser Ferdinands I. Moser, 1. c. p. 494.
4) ib. p. 596. 5) tit. XMII. 5. p. 85 u. 6) Mose r. 1. c. U. 23. n. 17.
7) M OS e r , 1. c. p. 103. 8) ib. p. 136. 9) ib. p. 263. — cf. auch b a d i -
sehe L. 0. von 1622. 1. c. 10) Moser. 1. c. p. 798. cf. badische
L. 0. 1622. 1. c.
334 V. 4. Die Juden, o. Judenverfolgungen.
liaiis T. 1510 an die Grafen von Oettingeu, i) Ferdinands I.
an T^^M-nis 1558. -)
Das Kadikalmittcl , die Verträge zwischen Juden und
Christen für ungültig und von vorn herein kraftlos zu erklären,
enthält das Schreihen Kaisers Karl V. an Meiinii ingen
1541. ■^)
Die Juden aher von den Zinsgeschäften ah - und an son-
stigen ehrenhaften Erwerh zu gewöhnen, hatte bereits das
Ofeuer Stadtrecht(14. Jahrh.) ^) im Auge :
„ von der Juden gesüch wil ich nitcz sagen , wen sye sullen
nachgepöt, sam dy Christen ar halten vnd keyn gesüch
neraen von ymand. Wer dar vber yn verhengt oder andern
czu nemen , der veranthurt das seihig am jüngsten tage."
Die revid. Pfalz er L.O.voul599(unt.n. 2.) erwähnt aus-
drücklich , dass die Juden trotz Vertreibung und Untersagung
dos Verkehrs mit den Christen, dennoch ebenso, wie zuvor,
zum Schaden der Einwohner Wucher übten.
Ein Bild von dem ganzen Auf- und Niederfluten der Juden-
verfolgung giebt deren Verlauf u, A. insbesondere in Nürn-
berg, und ällgemem in Schwaben.
In Nürnberg begannen die Verfolgungen mit ganzer
Stärke 1348 und 1349. Hier steigerte sich der Hass der Christen
wegen des Wuchers der Juden noch durch den schwarzen Tod,
welche Pest man in der allgemein gross gezogenen Wuth den
unchristlichen Gläubigern schuld gab. Mit Bewilligung Kai-
sers Karl IV. verbrannte das Volk die Judenhäuser, nachdem
es dieselben gründlich geplündert hatte. •^) Gleich darauf 1352
befahl Karl rV^. den Nürnbergern , Juden wieder aufzunehmen
und zu schützen , um den Judenzins nicht zu verlieren. Hier-
bei versprach der Kaiser , den Judeuzins künftighin nicht mehr
zu veräussern, sondern ihn bei der Reichskammer selbst zu
1) Moser, 1. c. p. 254 — 55. 2) ib. p. 1043. cf. Pfälzcr L. 0. 1580.
1. c. revid. Pfälzer L. 0. 1599. nr. XXIV. p. 59. ti. 1. Badische L. 0.
1622. 1. c. 3) Moser, 1. c. p. 231. 4) ed. Michnay und Lichner,
cf. n. 192. p. 114. 5) cf. Chronik von Ulman Stromer, cp. 1. n. 1
(ed. Hegel , Chronik der deutsch. St. 1. c. I. p. 25 ff. Würfel, Gesch. der
Judengemeinde in Nürnberg l. c. p. 133. n. 14. Monuui. Zoll. III. n. 227.
V. 4. Pie Juden, e. Judenverfolgungen. 335
behalten. ^) Nürnberg gewann aus dem neuen Besitze der
Juden 80,000 Gulden. Uebereinstminiend mit dieser Juden-
verfolgung fanden gleiche Gräuelthaten 1348 und 1349 in
Franken, Schwaben und am Rhein, wie bekannt, statt. —
Doch schon zuvor hatte Karl IV. 1347 den Burggrafen von
Nürnberg ihre Judenschulden erlassen , ^) wobei er erklärte :
„Wanne ir uns und dem Reich mit leib und mit gut ange-
höret und mögen damit schaffen, tun und handelen,
swaz wir wollen und uns gut dunket."
Ebenso Hess er den Nürnberger Bürgern gleich nach der Ver-
folgung 1350 ihre Judenschuldeu nach. ^) Vor der Verfolgung
von 1348 hielten in Nürnberg sich 220 Juden auf,^) nach der-
selben stellen sie nur allmählich und dürftig sich meder ein.
Bei ihrer schon erwähnten Wiederaufnahme 1352 schliessen
sie einzebi besondere Verträge mit dem Nürnberger Rathe —
cliarakteristisch für die Stellung der Juden gegen den Kaiser
und die niederen Obrigkeiten. •') 3 Juden sind von ihren Glau-
bensgenossen bevollmächtigt; sie erlassen selbst den Bürgern
alle Schulden gegen sie, „ob sy iudert selbschol oder bürg
gegen in worden weren, ez wor verbriflft oder uuverbrift, daz sy
dorumb ledig und. los solten sein vor in genczlichen und gar
on alles geverde und suUent auch ledig und lose sein umb all
die schuld , die die selben zu den von erbteil an gevallen ward,
wie die genant ist." Sie verpflichten sich , ihre Häuser in Jah-
resfrist wieder an Christen zu verkaufen ; bestimmte Wolmuu-
gen werden ihnen in der Stadt angewiesen. Trotzdem wohnen
nach dem Judenzinsbuche 1381 erst wieder 18 Juden in Nürn-
berg, 1382: 60. Jene 18 Juden zahlten städtische Judenab-
gaben 1381: 9G1 Goldgulden! 1391 war das Maximum der
Abgabe für die einzelnen Juden noch 26 und 32 Gulden.
Nicht lange indess liess man trotz aller dieser von ihnen
bezogenen Vortheile den Juden Ruhe und friedliche Ausglei-
chung ihrer Verluste. Karl IV. wurde von der Geldnoth
1) Würfel, 1. 0. p. 1:34. n. 15. 2) Monuni. Zoller lU. n. 181. 182.
3) H ege 1 , 1. Nürnberg. Cliruuik p. 2G. n. 1. 4) W ü r f e 1. 1. e. \k 4U ff.
5) cf. Hegel, 1. c. p. 112.
33G Y. 4. Die Jmlon. e. Judenverfolgungen.
gedrängt, er übertrug trotz der obenberührten entgegengesetz-
ten Versicherungen dem Rathe von Nürnberg für eine jähr-
liche Abgabe an die kaiserliche Kammer den Judenzins und
Judenschutz , ausserdem waren die Juden von Nürnberg ver-
pflichtet, fernerhin eine Abgabe an die kaiserliche Kammer
aufzubringen. Dazu mussten sie Aviederholt ausserordentliche
Schulden des Kaisers Karl und seines Nachfolgers bezahlen,
so bei Erstattung der Pfandsumme für das Schultheissenamt
zu Nürnberg 1385. Der Burggraf Friedrich von Nürnberg
schreibt bei Empfang von 5613 gülden:
„ daz uns die erbern weisen manne die burger des rats der
stat zu Nürnberg bericht und bezalt haben und gen iren
Juden aufs getzogen haben ... an den achttausent guidein
die sie uns schuldig sein von des gerichts und des zols wegen
daz wii- in dorumb versetzt haben." ^)
Kaiser Wenzel erlässt noch freigebiger, als sein Vorgänger,
1385 — 90 in mehreren Urkunden Jedermänniglich im Lande
Franken, mid im Lande Schwaben alle Judenschuldeu ;
in emem besonderen Erlasse werden dann speziell noch die
Städte Rotenburg, Windsheim, Schweinfurt, Weis-
sen bürg natürlich gegen erkleckliche Zahlungen hi die kai-
serliche Kasse ihrer Judenschulden ledig gesprochen. Von
den schwäbischen Städten allein empfing der Kaiser dafür
40,000 Gulden (d. h. ca. 230,000 heutige Gulden ä ITVa Sgr.)
1385 — 90.2)
Die schwäbischen Städte erlangten durch diese theuer
erkaufte kaiserliche Hinopferung „ seiner Juden " viel grösseren
Gewüiu, als der Kaufpreis betrug. 1385 vereinbarten sie
untereinander , ^) kerne von ihnen sollte binnen Jahresfrist
Juden zu Bürgern aufnehmen. Thut sie es doch, so soll sie
die Juden und deren Besitzthum ergreifen und derjenigen Stadt
wiedererstatten , in welcher die Juden früher gesessen hatten.
An den Judenschulden kürzen sie die Zinsen und das Schadens-
1) Hegel, 1. c. p. 28. n. 2. 2) Spiess, archival. Nebenarbeiten
p. 121. n. 3. Sattler, Grafen von Würtenib. lU. Urk. n. 2. Chmel.
Kegesten Kaiser Kuprechts n. 65 (6. Januar 1401.) 3) Hegel. 1. c. p. 114.
V. 4. Die Juden, o. Judenverfolgungen. 337
geld , dann sclilagen sie V4 vom Kapitale nieder. In der Ver-
tragsurkunde aber zwischen den Städten und den Beauftragten
des Kaisers Wenzel 1385 ^) begegnen als Judensclmldiier geist-
liche und weltliche Fürsten, Grafen, Herren, Ritter, Knechte,
Stadtgemeinden, Bürger, Bauern, Edle, Unedle, Männer,
Frauen u. s. w. Von den alten Schulden nebst Zinsen sollen
sie gemäss diesem Vertrage nur ^/^ , von den neuen Schulden
nur das Kapital zurückzahlen. Den hiernach bleibenden Rest
der alten Schulden sollen die Schuldner bei der Stadt, worin
die jüdischen Gläubiger wohnen, mit Pfändern versichern.
Zur Zahlung des letzteren wird eine neue Frist von 2 Jahren
gesetzt, innerhalb derselben das Gesuch auf 10% normirt.
Den Städten aber bleibt überlassen, ihren eigenen Bürgern
eme kürzere Frist anzuberaumen. So maassvoll letztere
Bestimmungen sich zeigen, so wenig kamen sie den Juden
zu Nutze.
Gemäss der erwähnten Vereinbarung in den schwäbischen
Städten nahm man die Juden in den Reichsstädten fest und
erpresste von ihnen in Nürnberg allein 80,000 gülden (450,000
Gulden heute). So tilgten die Städte durch das kaiserliche
Privileg nicht bloss ihre eigenen Judenschulden, sondern sie
bemächtigten sich auch aller übrigen Schuldforderungen ihrer
Judenbürger und zogen die Zahlungen zu dem ermässigten
Betrage von den auswärtigen und einheimischen Schuldnern
für ilire Rechnung und ihren Säckel ein. ^) Ja, schon sechs
Tage nach dem letzten üebereinkommen mit den kaiserlichen
Beauftragten beginnt der Angriff gegen die Juden in allen
schwäbischen Städten. Der Bevollmächtigte des Nürnberger
Rathes lässt sich von ihnen 80,986 Gulden zahlen in Schuld-
forderungen , welche die Stadt erst realisiren musste. Darun-
ter befinden sich 7000 Gulden Stadtschulden, deren Schuld-
briefe man vernichtete , 8000 Gulden Schulden des Burggrafen,
der dafür an die Stadt Gerichts - und Zolleinkünfte versetzte.
Die Forderungen oriuuen sämmtlich ein. Die Stadt behielt
dadurch nach Abzug der Kosten imd Geschenke (etwa 25 %),
1) Hegel, 1. c. p. 115 — 20. 2) Hegel. I. c. \k 121. 122.
Neuraann, Gesch. d. Wuchers.
0-)
S3S V. 4. Die Juden, e." Judenverfolgungen.
noch 60,000 Guldeu Reinertrag (lieut ;340,000 Gulden) d. h.
viel mehr, als eine sonstige ganze Jahreseinnahme ihrer Kasse.
Dadurch erhielten die Städte die Mittel zur KriegfiUirung.
Das entsetzliche Experiment war zu verlockend; 1384 brachen
in vielen Städten neue Verfolgungen aus. In Nördlingen
ersticlit man alle Juden , in Augsburg nehmen sie 200 gefan-
gen, welche sich durch 22,000 gülden ihre kümmerliche Frei-
heit erkaufen. ^) In Nürnberg zahlen 1384 und 1385 die
Juden, um die Gewalttliat abzuwehren, ausser ihrer regel-
mässigen Abgabe noch freiwillig 4000 Gulden, davon eme
Familie allein 1000 Gulden. Umsonst! „Die Plündermig und
Verfolgung der schutzlos preisgegebenen Juden Avar Bundes-
sache der Städte."
1390 hob Wenzel von Neuem, wie schon bemerkt, die
Judenschulden in Nürnberg vmd allgemein in Franken und
Schwaben auf. Der Vortheil hiervon kam wesentlich den Für-
sten zu Gute , da die Städte von Bundeswegen kaum erst ihre
Zahlungsposten in gleich pünktlicher Weise getilgt hatten.
Und docli hatten sich die Juden bereits wieder Kapital genug
zum Darleihen verschafft und , trotz aller bodenlosen Gewalt-
streiche gegen sie, eme Menge von Geldgeschäften mit den
auf Recht und Macht trotzenden Verfolgern abgeschlossen.
So fest haftete in ilmen der Naturtrieb , den Umlauf des Kapi-
tales zu erhalten , den persönlichen Credit zu fördern ! ^) In
dem Schreiben Wenzels von 1390 heisst es, „durch das
unmessige gesuch (!) der Juden „unserer camerknechte " ist
der allgemeine Schaden entstanden für Ritter " u. s. w. Des-
halb wird alle Schuld an Juden erlassen in Kapital , Prozent
und Schaden. Die Schuldscheine sollen ohne Kraft sein,
die Pfänder wiedergegeben werden. Stromer, der Chronist,
bemerkt : ^)
„Anno domini 1390 jar do musten di Juden ir schulden las-
sen. Do wacz si herzog fridreich von Payrn, di pischoft' vom
1) Mone, Anzeiger f. K. d. d. Vorzeit. 1837. p. 124. Hegel , 1. c.
p. 124. 2) Ulman Stromer, Chronik p. 2G. Hegel, 1. c. p. 125.
Monum. Zoller. V. n. 357. bei Hegel, 1. c. 3) 1. c. cp. I. n. 1.
V. 4. Die Jiulon. o. .liuleii Verfolgungen. 339
Babenbero- und von Wirczburk und von Augspurk, inuk-
graf von Nurenperg, grafen von Otting, grafen von Wert-
hayni , unsers liervn des romysen kungs rett von Peheym
u. s. w. vil herren und kamen dez alle ubereüi von dem
gewalt, den si betten von dem romiscben kunig daz unter
den lierren und steten nymandt kaym Juden weder liawbt-
gut noch gesuch geben solt und musten alle pfant und briff
wider geben und darumb gab herzog Fritreich von Payru
von seym land 15(H)0 guld. und der pischoff von Wirczburg
15000 g. und der von Ottiftg von seym land 15000 g. und
di von Kotenburg 1000 g. und di von Sweinfurt 200 g. di
von Weinshaym 100 g. di von Nurenberg 4000 g. und wer
den Juden si schuldig was der must den purgern si geben von
idern 100 g. 30 g. daz di schult also bezalt ward."
Die Commune übernahm die Ausführung dieses kaiserlichen
Privilegs für die einzelnen Schuldner und liess sich dafür .30 7o
von letzteren zahlen. So entwand man den Juden wieder in
Nürnberg 22,533 Gulden und 2700 Pfund Heller, und trotz-
dem behielten Dieselben Kapitalien in Händen und waren
wieder und wieder zum Darleilien bereit. Dass die Schuldner
miter solchen Umständen nicht zu geringem Zinsfusse Gelder
geliehen erhielten, liegt auf der Hand. 1391 gestattete Nürn-
berg den Juden 10 — 22 % zu bedingen, während sonst 5 %
der allgemein gebräuchliche Zinsfuss war.
„Anno 91 sein die Burger mit den Juden über ayn worden
zu den ersten, daz alle di Juden und jüdinne, die yetzunt
bürger hie sein oder noch in künftigen Zeiten burger hie
werden, all leihen sullen umb den hernachgeschrieben
gesuche."
Beim Darlehn bis zu loo gülden,- nicht höher, soll 1 Heller
pro Woche gefordert werden ; wenn das Darlehn über K i( » gül-
den ist, so werden 10 gülden pro Jahr von je li)u gülden
gestattet. Bei Darlehen in Pfennigen soll das Pfund Pfennige
pro Woche um 1 Pfenning und Va Pfund dersell)en Pfenninge
umb 1 weissen pfenning geliehen werden. Beträgt das Kapi-
tal weniger, als ^j.j Pfund Pfennige, so ist der Zinsfuss wie
oben. Die Ueberschreitung dieser Maximalsätze soll mit Ver-
22*
340 V. 4. Pie Juden, e. Judenverfolgungen.
lust aller Zinsen und sonstiger Strafe geahndet werden. Man
mästete die Armen, wie Thiere, um ihr Fett naohlier zu
verspeisen.
Breslau gewährt ebenfalls eine Keihe von Episoden der
Verfolgung. Von hier werden die Juden , die vielfach der Stadt
und den emzelnen Bürgern zu nicht kleinen Zinssätzen darge-
liehen hatten, ^) 1319 vertrieben. — Bald danach brannte mehr,
als die halbe Stadt ab ; man schob die Schuld auf die Juden ^)
und hasste sie um so mehr, da nun die Bürger zur Besserung
des Brandschadens besonders steuern mussten. ^) Schon im
folgenden Jahre indess werden in den Stadtrechnungen Avieder
die Beträge ihrer Abgaben, doch in kleinerer Höhe (7 m.), als
bisher aufgeführt, *) 1323 sinkt die Abgabe auf 6 m.^) Das lag
nicht an der Armuth der einzelnen Juden ; denn gleich in der
nächsten Zeile des Kechnungsbuches ist verzeichnet: „item
2:)erceperunt de Jiideo , qui mutuavit civitati , 150 m." Das
Nämliche wiederholt sich in den folgenden Jahren. ^) Im Jahre
1348 stand Breslau den andern deutschen Städten m der Juden-
verfolgung nicht nach, die grosse Pest erregte auch hier ausser
dem Gelddrucke den Christenhass. Daraus erklärt sichs, dass
in den Stadteinnahmen von 1348, nachdem die Abgaben der
Juden in den Vorjahren sich wesentlich gesteigert hatten , von
den Juden allein ca. 315 mrk. eingenommen wurden, wenn
nicht einzelne andere Einnahmeposten mit hinein gezählt sind.^)
Schon im folgenden Jahre sind sie , und , wie es scheint , nicht
in viel kleinerer Zahl als früher , Avieder zurückgekehrt. ^)
Immer wieder erpresste man von ihnen Geld; 1350 schenkte
Kaiser Karl IV. der Stadt wegen ihrer erwähnten Feuersbrunst
die Häuser und liegenden Gründe der Juden nebst zwei Syna-
gogen, zusammen 400 mrk. werth. Würden die Häuser mehr
beim Verkaufe ergeben , so sollte der Ueberschuss der könig-
lichen Kammer zufliessen, ebenso, wie alles verborgene und
1) cf. V. 4. c. u. YUI. 3. f. 2) Pol, Jalu-bb. z. J. 1319. bei Grün-
hagen (N. 3.) 3) cod. dipl. Sil. III. Grünhagen, Henr. paup. p. 45
(1320). 4) ib. m. p. 46. 5) ib. p. 48. 6) ib. p. 48 — 50 ff. (1323 — 25 ff.)
7) ib. p. 75. u. n. 13. 8) ib. p. 77 (1349.)
V. 4. Die Juden, e. Judenverfolgungen. 341
vergrabene Geld , Kleinode und Pfänder derselben. ^) Gleich
danach entrichten sie bereits wieder hohe Beträge von 500
bis 600 ra. „ sub danipnis " an die Stadtkasse '^) und geben der
Stadt Anleilien, wovon sie u. A. 1353 allein 381 m. Zinsen
ziehen. ^) Die regelmässigen Abgaben natürlich , ihren Juden-
zins u. s. f. zahlen sie ausserdem. ^) Die an sie entrichteten
Zinsen betragen 1356 wieder 25 7o- ^)
In Würtemberg gaben 1434 die Grafen den Juden das
Bürgerrecht, nachdem sie zuvor sie bereits wiederholt aus den
Nachbargebieten zur üebersiedlung nach TVürtemberg aufge-
fordert hatten. Dadurch konnten die gräflichen Kassen auf
eine ergiebige Finanzquelle hoffen. Den neuen Unterthanen
gestattete man, unbegrenzte Zinsgeschäfte zu machen, und
ausser den Immobilien alle Güter der Christen mit Schulden
zu belasten. ^) Bald danach aber verordnete Graf Eberhar dl.
1485 bei Geld- und andern Strafen, kein Richter sollte auf
die Zinsen der Juden erkennen, kein Bürger ihnen Grund-
stücke verpfänden. ^) Dass hierdurch die gährenden Missstände
nicht gebessert wurden, scheint Eberhard eingesehen zuhaben;
denn in seinem Testamente 1492 verbot er, Juden in Wür-
temberg zu halten. Ausserdem wurden 1498 in der 2. Regi-
ments-Ord. alle Verpfändungen an Juden aufgehoben , aller
Wucher derselben untersagt.
Allein schon 1521 erwähnt Karl V., der Kaiser, in einem
Mandate, dass sich Juden wieder in Würtemberg befinden.
Weishaar (Handb. I. 105) behauptet, sie seien mit dem
Bundesheere, das gegen Ulrich von Würtemberg dorthin
rückte, in das Land zurückgekehrt. Daher wurde 1521 noch
bei Strafe der Nichtigkeit untersägt, den Juden Grundstücke
für Darlehn , mochten sie verzinslich oder unverzinslich sein,
zu verpfänden. In der 3. L a n d e s o r d n u n g vom 20. August
1) Urk. V. 7. October 1349. Klose, H. 184. bei Grünhagen, 1. c.
p. 78. u. n. 2. p. 100. u. n. 2. 2) ib. p. 79. 81 ff. 3) ib. p. 82. 84. 4) ib.
p. 83. 1354 flF. .5) ib. p. 88. „Judeis ...16 mnrc. nsure de 60 >h. capi-
talis pecunie predicte." 6) Sattler, Graven III. Beil. 53 (1471) Bei-
lage 19 (1462.) 7) cf. Stuttgarter Stadtr. v. 1492 p.62. I.e. Satt -
1er, 1. e.V. p. 36 — 59.
342 V. 4. l>Le Jiulen. c. Judenverfolgungen.
i:>2l wonltMi (laiui wiederum alle llechtsgeschäfte mit den
Juden (liMi Chviston verboten bei Geld - und Gefängnissstrafe.
Vergebens ! Wieder und wieder klagen die Behörden über den
grossen Wucher der Juden. Die Verbote erneut man 1529;
doch bei Strafe der Verbannung wird den Christen befohlen,
die gerechten Schuldverbindlichkeiten gegen die Juden zu
erfüllen. -iöO Bürger , Avelche wol den früheren Maassregelun-
gen der Juden vertrauten und ihre vollgültigen Schulden nicht
abzahlten, jagte man wirklich über die Grenze, ^) 1530 jedoch
rief man sie mit Uebergehung der Strafe zurück. Die Juden
aber klagten gegen ihre Würtembergischen Schuldner in dem
benachbarten kaiserlichen Gerichte Roth weil, wo die Be-
klagten verurtheilt, und sobald sie über die Würtembergische
Grenze hinaus gingen , mit der Acht gestraft wurden. Dies zu
vermeiden , erwirkte der Herrscher Würtembergs vom Kaiser
ein Privilegium de nou evocando an ein kaiserliches Gericht
für seine ünterthanen ; ^) man erneute das Verbot , Grund-
stücke au die Juden zu verpfänden, ja man trieb sie von Neuem
über die Grenze. Wovon indess die Juden bewiesen, dass sie
es den Christen dargeliehen hatten , das mussten diese ihnen,
abgesehen von den Zinsen, erstatten.
Trotz alledem blühten die Geldgeschäfte der Juden mit
den gehorsamen W^ürtembergern. Von Jenseits der Grenze
liehen sie ins Land hinein, oder sie durchzogen wandernd das
Gebiet. Die alten Klagen , neue Verbote. U 1 r i c h untersagte,
nachdem er sein Land wieder erhalten hatte, 1536 in der
Landesordnung alle Darlehen, allen Verkehr mit den
Juden, nicht einmal verbürgen sollte man sich für die Schuld
eines Andern an einen Juden , jede Verpfändung von Mobilien
oder Immobilien an einen Juden v\iirde mit körperlicher Züch-
tigung, Freiheits-, Geldstrafe, ja mit der Verbannung bestraft.
Die Grundstücke , welche man .Juden zum Pfand gesetzt hatte,
sollten öffentlich versteigert werden. Das Darlehnskapital
also emzuklagen , stand den Juden noch immer frei. Da das
1) Sattler, Herzöge 11. p. 191. 2) cf. u. a. ob. den Brief Ferdi-
nands I. an Heilbronn 1543 (Moser, reichsst. Handb. U. 23. n. 17.)
V. 4. Die Juden, e. Judenverfolgungen. 343
üebel unvertilgbar emporwucherte , suchte Ulrichs Nachfolger,
Herzog Christoph, bei den lieichsstilii(lon durclizusctzeu,
dass man die Juden aus dem ganzen lieiligen römisch -deut-
schen Kaiserreiche vertrieb. ^) Allein des Herzogs Einfluss im
Reiche war viel geringer, als die Geldmacht des jüdisclien
Kapitales. Er setzte sein Vorhaben nicht durch, ihn selbst
reizte der erfreuliche Judenschoss. Zornig verbot er den Juden,
in seinem „Staate" zu wohnen oder ihn zu durchwandern,
wenn sie nicht je einen von ihnen unterhaltenen Würtember-
ger Bürger als Begleiter hatten. Ein seltsames Mittel , seine
Unterthanen vor dem heillosen Einflüsse des Wuchergeistes
zu behüten. Gescliäfte imd irgend welcher Handel beim Durch-
wandern des Landes waren nur auf öffentlichen Märkten und
Zug um Zug erlaubt. In der 5. mid 6. Land es Ordnung
stellte man Ulrichs Bestimmungen wieder her (1537. 1567).
Es heisst darin, zu grosser Beschwerniss der Bürger treiben
die Juden Wucher , sie umgehen das Zinsgesetz , indem sie die
Zinsen sogleich zum Kapitale zählen und so scheinbar nur die
Schuldsumme in den Schuldschein schreiben, danach fordern
sie Zinsen wol gar von dieser selben Summe, also auch von
den Zinsen. Deshalb sei man mit Kaiser und Eeichsständen
zu Stuttgart 1551 übereingekommen, dass die beim Reichs-
kammergeriehte schwebenden Prozesse der Juden gegen Wür-
tembergische Bürger hier nicht abgeurteilt, sondern von Wür-
temberger Behörden die Sachen entschieden werden sollten.
Alle Rechtsverbindungen aber zwischen Juden mid Würtem-
bergern , welche zum Rechtsstreite noch nicht reif, sollten in
4 Monaten zu Stuttgart abgeurteilt sein , bei Strafe der Lösung
dieser Rechtsverhältnisse. Schliesslich verbot man von Neuem
allen Wucher, jeden Verkehr zwischen Juden und Christen
bei Strafe der öffentlichen Versteigerung der Pfänder oder
Waaren. Allgemein ward das hier vorgeschrieben, was in
dem Reichsabschiede von 1551 über die Juden festgesetzt war.
Hätten die Herzöge und Behörden vor Allem diese Vorschriften
genau befolgt, so konnte das Uebel gehoben werden.
1) Sattler, Herzöge IV. p. 132.
344 V. 4. Die JiuiiMi. f. Reichsgesetze über den Wucher der Juden.
f. Die Reichsgesotze über den Wucher der Juden.
Gerade im Gegensätze 7X\ der liellauflodernden Wutli des
verblendeten Volkes und — bezeichnend genug — mehr in
Uebereinstinmiung mit den Gesetzen der deutschen Einzellän-
der treten die K ei chsge setze in der Judenfrage besonders
milde auf. Die Keichsabschiede von 1500, 1530, 1532 erklär-
ten die Zinskontrakte der Juden für nichtig, kein Rich-
ter sollte über sie erkennen, noch das Erkenntniss vollstrecken,
die deutschen Einzelfftrsten aber , welche Juden in ihren Ge-
bieten hielten, wurden veranlasst, dieselben zum ehrenhaf-
ten Erwerbe überzuleiten.
Karl V. bestimmte 1544 in einem Privileg den Juden:
„ dass sie ihre Baarschaften und Zinnss sonst zu ihrem Nuz-
zen und Nothdurft um so viel, desto höher und
etwas weiter und mehreres, dann den Christen
zugelassen ist, anlegen und verwenden."^)
Dasselbe Privileg erneuten Ferdinand I. 1562, Matthias
1612, Leopold I. 1663. Merkwürdig, dass gerade diese
Kaiser durch eine Reihe von Briefen und Mandaten an einzelne
Städte, wie gezeigt, den Wucher der Juden zu beschränken,
ja ganz zu unterdrücken trachteten.
In den Reichsabschieden von 1548 und 1577 ward jenes
Privileg dahin geändert, dass man den seit 1530 für den Renten-
kauf festgesetzten Zinsfuss der 5 % auch auf die Juden und
ihre Zinsen ausdehnte. Man griff daher auch hier nicht rück-
sichtslos polizeilich in den Verkehr, sondern richtete das gesetz-
liche Zinsmaximum gerade danach , wie hoch allgemein bei der
Nutzung fremden Kapitales sich die Vergütung (Rente) heraus-
gestellt hatte. . So begrenzte man die Zinsen der Juden , wel-
che man an sich anerkannte, wie später alle Conventionalzin-
sen , nur das Ueberschreiten der gesetzlichen Zinsgrenze war
jetzt Wucher. Ausserdem wurde in den Reichsgesetzen nur
1) Emminghaus, corp. jur. Germ. p. 217. Kraut, (irundriss
§. 72. n. 15. Stryck, U. M. P. XII. 1. §.14 (1544.) — Rizy, Zinstaxen
p. 77 (1544. 3. April.) A. Hering, tract. d. tidejussorib. Francof. 1614-
c].. 30. n. 33. (1544.)
V. 4. Die Juden, f. Reichsgesetze über den Wucher der Juden. 345
denen, welche das Regal des Judenschosses sich erworben (cf.
S. 294:flF.), oder neuerdings ein Privileg, Juden zu halten, vom
Kaiser empfangen hatten, gestattet, den Juden in ihren Landen
Wohnsitze anzuweisen. Da aber in Folge der eben erwähnten
gesetzlichen Zinsschranke die Juden, wozu sie durch die Normen
der deutschen Partikulargesetze genöthigt wurden, heimlich
Zinsen bezogen und das Reichsgesetz und seinen Zinsfuss zu
umgehen trachteten, da sie insbesondere über das Darlehns-
kapital und die Zinsen davon gesonderte Schuldscheine aus-
stellen Hessen, oder Schuldscheine mit sehr hohen Zinsen zimi
schweren Nachtheile der Schuldner an Christen verkauften,
die Schuldscheine aber sogleich von vorn herein auf den Namen
des Käufers ausschrieben, verbot der Reichsabschied von 1551,
kein Christ darf sich Sclmldforderungen von Juden gegen
Christen, mochten sie schon eingeklagt sein oder nicht,
durch Kauf oder sonst cedireu lassen; dann heisst es ib. i.
§.78.79:
„dass die Juden hinfüro kein Verschreibung oder Obliga-
tion vor Jemand anders, dann der ordentlichen Obrigkeit,
darunter der contrahirende Christ gesessen , aufrichten : doch
sollen den Juden die aufrichtige Handthierungen und Com-
merzien in den offenen freien Messen und Jahrmärkten hier-
mit unbenommen sein."
Und damit durch den Reichsabschied nicht etwa der gesetz-
liche Zinsfuss der Judenzinsen von 5 % verworfen schiene,
erneute man die Bestimmung dieses Zinsfusses im Reichsab-
schiede von 1577. Allein den Reichsständen sollte daneben
freistehen , in ihren Einzelländern diese Grundsätze beliebig zu
ändern. Wie vielfach und mit Strenge gegen den Judenwucher
sie dies thaten, ist oben des Weiteren dargelegt (cf.IX. l.b.)
Die bisherige Entwicklung des Judenwuchers in Deutsch-
land innerhalb der Grenzen dieser Schrift zeigt, dass die an
den Anfang dieses Abschnittes gestellten Behauptungen auf
Thatsachen fussen.
Während in den zuvor behandelten Abschnitten der deut-
schen Wuchergeschichte das Volk stets Partei nahm für die
34G V. 4. Die Jiulon. f. Keichsgesetze über den Wudier der Juden,
Zinsen und Zinsforderer , stellt sich hier die Sache umgekehrt,
die Judenvovtolgungen seheinen für das Wucherverbot der
Kirche zu wirken. Im Grunde aber ottenbart sich hier, wie
in jenen Abschnitten, dasselbe Prinzip, dass das deutsche
liecht von vornlierein für die Vergütung der Nutzung fremden
Kapitales eintritt.
Die Juden ^stellen dem kanonistischen Wucherverbote
direkt gegenüber, ohne jede Verheimlichung, ohne den Schirm
eines andern Rechtsgeschäftes fordern sie gesetzmässig Zmsen.
An sich sind die Gesetzgeber wie das Volk in Deutscliland von
vornherein damit emverstanden. Aber eben wegen dieser Ein-
zelstellung im ganzen Verkehrsleben, also recht eigentlich
durch die natürlichen Folgen des Wucherverbotes getrieben
steigern sich die Kapitalschätze , die Geldgeschäfte der Juden,
mit dieser ihre Gefahr , ihr Risiko , durch letzteres ihre Zinsen.
Wechselseitig schraubt eines dieser Kettenglieder das andere
in die Höhe. Eine Aenderung war hier durchaus nicht mög-
lich, so lange man nicht das Wucherverbot allgemein aufliob.
Mit dieser Aufliebung erst wären die Juden nicht das einzige,
durch die Zinsen natürlich gestaltete Durchgangsventil der
zusammengedrängten Kapitalverwerthung imd des Kapitalbe-
darfes geblieben ; andere Wege hiefür, gleich natürliche, offene,
schnellfördernde hätten sich geboten. Zu spät trat aber die
Aufhebmig des Zinsverbotes ein, die zusammengepressten
Dämpfe explodh-ten ; und Blut und Wunden , Raub und Mord
kennzeichneten üire Gewalt. Die Schrecknisse der Ju-
denverfolgungen sind eines der lautesten Zeug-
nisse für die Unnatur des Wucher Verbotes im
Kapitalver kehre.
In den Judenverfolgungen indess sprach sich das Volk
durchaus nicht für das kanonistische Zmsverbot aus , sondern
nur gegen die übermässigen Zinsen der Juden. Die
Zinsen zu fordern erschien ihm so naturgemäss,
dass sie — wenn man absieht von dem Aussaugen der Juden,
für den Säckel der Kaiser , Fürsten , Städte — immer Avieder
gleich nach der heftigsten Verfolgung Zinsdarlehne von den
Juden aufaahmen. Ja eben als ein Zeichen der Billigung von
V. 4. Die Jiiilcii. f. Kcichsgesctze über den Wik-Ikt der Juden. 347
ZiiisforderunjifC'n au sicli sdiouen sich die Gesetzgeber geradezu,
dergleielicii Uescliüfte zwischen Juden und Christen für kraftlos
in alle Zukunft zu erklären. Noch mehr, die Reichsgesetze
halten an der gesetzmässigen Zinserlaubniss der Juden fest
und behandeln ihre Zinsen ganz , wie den durchaus gebilligten
Rentenkauf; wie diesem, legen sie jenem nur das Durch schnitts-
maass des Kapitalverkehres an, das Uebermaass allein ver-
werfen sie als Wucher.
Wie sehr aber die Juden zinsen dazu beitrugen,
das kanonische Wucherverbot zu beseitigen, liegt
auf der Hand (cf. noch V. 5. cd.) Allgemein war die Bethei-
ligung bei den zinsbaren Geldgeschäften der Juden Seitens
der Christen , ohne Wahl mussten diese immer wieder der-
gleichen Verträge abschliessen , das Beispiel der Grossen im
Reiche leuchtete vorauf, verlockend offenbarte sich die Ein-
träglichkeit der Geschäfte. Die Kluft zwischen der politischen,
sozialen , rechtlichen Stellung der Juden gegenüber den Chri-
sten verlor allgemach ilire Ausdehnung, nun stellte das
Reiclisgesetz gar 1548 und 1577 die Zinsen der Juden mit
dem Rentenkaufe, also mit erlaubten Zinsen der Cliristen,
auf eme Stufe , wer wollte da noch einen nahen Zusammen-
hang zwischen den Zinsen der Juden und allgememer Ver-
gütung des Kapitalnutzens leugnen , wer wollte zögern , die
Zinserlaubniss über die Thore der Judenviertel hinaus aus-
zudehnen ?
Hätte das Wucherverbot nicht seinen nachlialtigen Ein-
fluss geübt, der persönliche Credit, welcher allen jenen Ge-
schäften der Juden zu Grunde lag , und nach den Judenverfol-
gungen, die er siegreich bestand, um so kräftiger sich erhob,
hätte nicht eine so feste Haltung gewinnen noch so tief in der
Zahl des niederen Volkes sich einnisten können, als es jetzt
geschah, das war einer der Preise für die Gewalttliaten gegen
die Juden , das ehier der heilsamen Erfolge , welche das Wu-
cherverbot der Kirche unfreiwillig mit sich führte.
348 V. 5. Die Wechsler, a. Deutscher Ursprung der Wechsler.
5. Die Wechsler.
a. Deutscher Ursprung der Wechsler.
Die M ü 11 z /, u s t ä ii d o in Doutsclilaiid bedingten seit frü-
her Zeit die Existenz der Wechsler. Die Ausübung des Münz-
regals übertrugen die Kaiser seit jeher in mannigfachster Weise
als Kaufwaare , als Geschenk u. s. w. an geistliche ^) und welt-
liche, grössere und kleinere Machthaber. Dadurch erzeugte
sich in der Verschiedenartigkeit des Müuzfusses , in der absicht-
lichen oder unabsichtlichen Veränderung des Münzgehaltes
eine unglaubliche Verwirrung der Münzverhältnisse im Reiche.
Insbesondere Avirkte zu letzterem Missstande die Neigung der
Einzelmächte in Deutschland, das von ihnen erworbene Regal
nach allen Seiten hin, wenn auch zum Ruin des Verkehrs-
lebens, als Finanzquelle auszubeuten. Schon unter Kaiser
Friedrich II. weigerten die Städte sich , das Geld nach dem
Nennwerthe anzunehmen , das Silbergewicht (argenti pondus)
sollte allein den Maassstab geben. Im Fürstenthume Oppeln,
in Breslau , ja allgemein in Schlesien , zahlten 4ie Orte dem
Fürsten eine Abstandssumme, damit er die beliebig wieder-
holte, stets verschlechterte Neuprägung unterliess. Seit 1226
nämlich legten hier die Bischöfe mid Herzöge statt der häufigen
Umprägung an den Jahrmärkten eine allgemeine Steuer,
Münzgeld, contrihutio monete, Abeganc, auf alle liegenden
Gründe. ^) Die Steuer wird fast regelmässig jährlich entrichtet,
der Breslauer Rath zahlt von seinen Einnahmen jährlich 160 m.
in 2 Raten von je 80m. an die Fürsten. Dies währt, bis König
Johann den Breslauern wegen des grossen Brandes 1342 das
Münzgeld für ewige Zeiten erliess. ^)
1) Auch im nördlichen Deutschland u. A. So gewährt 1035 Kaiser
Conrad II. dem Erzhischof Bezelin von Bremen das Recht des mercafus
in eodem loco cum theloneo , nomismatihus , nee non omnibus utili-
tatibus ad mercatum pertinentibus. (Bremer Urk. B. 1862. 1. Lief. n. 19.)
2) Urkundenbuch von Tzschoppe und S t e n z e 1. p. 6. 7. u. nr. 6. 148.
152. 3) Urk. vom 3. Juli 1342. Klose U. 136. Unter Karl IV. wü-d
dasselbe doch wieder unter den Gefällen mit 160 m. entrichtet, cf. cod.
diplom. 8il. UI. p. 7. n. 2. 3. 4. — Gleiche Münznoth in Polen. 1207.
T z K c h 0 p p e u. S te n z e 1 , 1. c. p. 6. N. 3.
V. 5. Die Wechsler, a. Deutscher Ursprung der Wechsler. 349
Wo die heimischen Gewalthaber keine Schuld dieses Münz-
übels trugen, machten fremde Münzherren es dadurch unheilbar,
dass sie die bessere Münze aufkauften und einschmolzen. Von
Karl dem Grossen bis zum 12, Jahrh. war das Münzpfund um
12 Loth leichter geworden, der Werth des Pfennings war auf
die Hälfte herabgesunken, ^) und dies am Rhein, wie in Sachsen.
Bis zum 15. Jahrh. fiel der Münzwerth bereits auf Vi seiner
früheren Höhe. 2) Dagegen erhält sich derselbe in Regensburg
besser, am Niederrliein andererseits fiel er bedeutend. ^) Seit
dem Interregnum verlor das in Verkehr gebrachte Silber ^4
seines Werthes. Bei den immer grösseren Schwankungen des
Werthes der Mark — statt der früheren Pfunde — begann
man im 14. Jahrhundert am Rhein wieder nach Pfunden zu
rechnen , während man nur bei grösseren Summen die Gulden-
rechnung — italienischen UVsprungs — einführte. Gulden
prägten bis 1356 nur die Kaiser, seitdem noch die Kurfürsten.
Auch der Werth des Guldens schwankte im 15. Jahrhundert,
wenngleich nicht so bedeutend , als jene Münzen. Etwa 1440
galt er in Speier 1^'^ Pf. Heller, in Konstanz 1 V^ Pf. Heller =
Vs Mark, in Basel = Vi Mark (in 25 Jahren, 1362^1387,
steigerte sich sein Werth hier auf das Dreifache). Ueberhaupt
war die Goldmünze in Deutschland geringern Schwankungen
unterworfen, als die Silbermünze. Jede neue Silbermünze
dagegen, die sich Ansehen und Curs verschaifte, wurde in
raschem Schritte durch geringere Ausprägungen verschlechtert.
Wenn auch die Kaiser sich bemühten, bereits vor dem
Reichsmünzgesetze den Curs einzelner Hauptmünzen festzu-
stellen, U.A. bei dem Nürnberger kleinen Gulden 1372. 1384,^)
so konnten sie damit wenig erreichen , weil oft schon der Curs
solcher maassgebenden Münzen durchaus schwankte, daher
auch der vergleichende Curs des Gesetzes keine feste Grund-
lage gab. ^) Thatsächlich blieb deshalb immer , abgesehen von
1) Mone, Zeitschrift für d. Gesch. des Ob.-Rh. U. 394 ff. Arnold,
Verfass. Gesch. 11. p. 249. 2) Mone, I.e. p. 401 ff. Remling, Speierer
Urk. B. p. 217. 3) Arnold, 1. c. p. 251. — Laco ni biet , Urkk. d.
Nieder Rh. I. 276. 318. 334. 4) Monuiii. Zoll er. I\. 193. V. 142.
bei Hegel, 1. c. 5) Conte Carli delle nioncto d'Italia I. 315.
350 V. ö. Die Woolisler. a. Peiitsclior Ursi>nini;- den- Woclisler.
den damals nielir als heute grossen natürlichen Schwankungen
lU's ]\Iünz\verthcs, die Bestimmung des Curses den einzelnen
Münzherren freigestellt. ^) Daher rührten dann die öfteren
Münzvereinigungen benachbarter deutscher Gebiete. So ver-
einigen sieh 1382 die Städte Niedersachsens Goslar, Braun-
schweig, Hildesheim, Eimbeck, Hannover, Wernigerode,
Osterode, Halberstadt, Quodlhiburg, Ascherslebeu, Göttingen,
Hameln , die Mark zu giessen „ zu dre verdinge vm HI quen-
tin finen silvers'* also zum Feingehalte von 12% Loth d.i.
9 bis 10 Thlr., 16 bis 18 Gulden, 2 bis SVa Loth unter der
Cölnischen Mark. ^) Die vier rheinischen Kurfürsten verbin-
den sich i;)8G zu einem gemeinschaftlichen Guldenfusse, wel-
che Verbindung wieder durch die Schuld der Paziszenten
selbst nicht selten kraftlos gemacht wurde. ^)
Münzen mit geringem Korne nahm man im Verkehre zu
gleichem Werthe an. Die Münzherren, welche die bessere
Münze prägten, sahen sich dadurch benachtheiligt und setzten
erst einzeln, dann in Gemeinschaften, wie die eben erwähnte,
die Münze wieder herab, so 1399 eben die vier rheinischen
Kurfürsten. *) „Die eigennützige Praxis der Münzstätten wich
trotz aller vorgeschriebenen Controllmaassregeln immer wieder
von dem gesetzlichen Müuzfusse ab, und die Münzgesetzge-
bmig folgte ihr zögernden Schrittes, und suchte vergebens sie
auf ihrer abschüssigen Bahn aufzuhalten." ^) In dem ersten
Reichsmünzgesetze 1402 nahm Euprecht wesentlich die Ver-
einbarung der vier rheinischen Kurfürsten von 1399 auf. Jeder
Münzmeister soll seines Herren Zeichen und Wappen auf die
Münze prägen , damit jeder für die Verringerung der Münze
verantwortlich gemacht werden könne. ") Allein schon 1409
1) Hegel, Nürnberg. Chronik p. 231. Würdtweiu, diplom. Mo-
gunt. n. 152 ff. 183 ff. 20Ü. Günther, cod. diplom. Eheno - Mosell. III. 755.
2) Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, Organ des germ. Mus. in
Nürnberg 18G0 (Bode). Das ältere Münzwesen der Staaten und Städte Nie-
derfiachsens 1847. Dergleichen Münzstücke sind noch gefunden worden.
3) Guden. , cod. diplom. III. p. 5G7. Hirsch, d. teutsch. Reiches Münz-
archiv I. 51. 4) H i r s c h , 1. c. p. 57 ff. S c o 1 1 i , Sannnl. d. Ges. in Trier
p.lOGff. bei Hegel, I.e. 5) Hegel, I.e. p. 233. (i) Würdtwein, l.c.H.
245 ff. Hirsch, 1. c. I. 59. VII. 23 ff. Samml. d. Reichsabschiede 1. 103 ff.
V. 5. Die WccIisIlm-. a. Deutscher Ur.si)nin<f der Wechsler. 351
setzten 3 rlieiiiische Kurfürsten durch eine Münzvereinigung
den Münzwertli lierab. ^) Danacli sank der Münzwerth, beson-
ders derjenige der Goldmünzen, merklich mehr während der
Jahre 1417. 1425. 1437. 1444.2)
Dass gleiche Missstände sich ü])er das ganze Gebiet deut-
scher Bewohner erstreckten, beweisen die mit den obigen über-
einstimmenden Verhältnisse im Hansagebiete.
In Pommern gab Herzog Bogislaf X. 1489 eine Münz-
ordnung, weil durch die zunehmende Verschlechterung der
Münzen theils in Pommern selbst, tlieils in den Naclil)arlän-
dern, so wie durch die mit dem Handel eingeführten fremden
Münzen der Verkehr des Landes herbem Verluste ausgesetzt
bUeb.
Im Gegensatze zu Süd- und Westdeutschland verursacli-
ten hier gerade die Städte als Ausüber des Münzregals die
Verschlechterung der Münzen. Durch Strafe , die der Herzog
ihnen auflegte, mussten sie zu besserer Prägung nach dem
vorgeschriebenen Gelialte gezwungen werden. Stettin hatte ^
seit 1397 das Privileg, für ewige Zeiten „witte penninge" zu
prägen , so gut , als sie es nach dem Preise des Silbers ver-
möchten, mit der Erlaubniss, gleich vorweg 3 Loth von der
löthigen Mark als Prägungskosten abzuziehen. Wie viel andere
Münzkosten ihnen zu nehmen erlaubt war, ist unbestimmt.
Aber die Klage über schlechte Münze wuchs, Stettin bezog
von den „witten penningen" 23^0 Vortheil. Bogislaf X.
gestattete dann bei der Münz - Ordnung nur 6 % Prägungs-
gewinn. Die Städte sträubten sich dagegen und schützten
ihre Privilegien vor. Allein man zwang sie durch Geldstrafen.^)
TnDanzig allein begegnen zu Ende des 14. und im 15. Jahr-
hundert 14 verscliiedene Arten fremder und heimischer Gold-
münzen, und 17 Arten von Kechnungs-, Silber- und Kupfer-
münzen, die alle gleichzeitig neben einander gelten und in
solcher Zahl vorkommen, dass man ihren Curs durcli eine
1) Hirsch. 1. c. I. (33. 6G. 2) Hirsch, 1. c. VU. 25. 30. Würdtweiii,
1. c. U. 2^(7. H 0 n t h e i 111 , hist. Trevir. 401. bei Hegel, 1. c. 3) cf. K 1 o iii-
II in, Jipl. Beitr. /.. Cicsch. ruiiiiii. Anli. p. 581. Die Münze Bogislafs X.
3ö2 Y. 5. Die Wochslor. a. Deutscher Ursprung der Weclisler.
Reihe von Jahren aus Rechnungen , Handlungsbüchern und
andern Handelspapieren jener Zeit aus Danzig und benachbar-
ten Distrikten verfolgen kann. Die fremden Münzen rühren
aus dem ganzen kontinentalen Hansagebiete und den Ländern
der auswärtigen Hansekontore , so wie aus den hanseatischen
Hinterländern. Der Curs der preussischen Mark unter diesen
schwankt von lo8() bis 1450 zwischen 5 Thlr. 5 Sgr, (heut)
und 1 Thlr. 2G Sgr. m stetem Fallen, wobei er 1416 schon
einmal auf 1 Thlr. 12 Sgr. sinkt; der Curs des englischen Nobel
zu 20 sz. von 1403 bis 1436 zwischen 1 mrk. 1 scot 6 Pf. und
3 mrk. 16 scot. in stetem Steigen; der Curs des rheinischen
Guldens von 1399 bis 1435 zwischen 10 scot und 31 scot
(= 1 mrk. 7 scot.) , letzterer steigerte sich hier also in 36 Jah-
ren ebenso, wie zu Basel in 25 Jahren, 1362 — 87, um das
dreifache, dann jedoch fällt er 1445 auf 12 scot.; der Curs des
ungarischen Guldens stellt sich von 1399 bis 1436 zwischen
11 V2 scot. und 40 scot, in stetem Steigen; der Curs des engli-
schen Pfundes schwankt von 1409 bis 1436 zwischen 3 mrk.
•18 sc. und 9 mrk. ; der Curs des vlämischen Pfundes oder
Pfundes Grote zeigt sich von 1380 bis 1440 zwischen 3 mrk.
und 8 mrk., einmal 1416 beträgt er sogar 11 mrk. in stetem
Wechsel des Steigens und Fallens u. s. w. ^)
Schon , um diese Missstände einigermaassen zu beseitigen,
durch Kenntniss der einzelnen Münzarten und ihrer Curse dem
Geldverkehre zu helfen, musste sich in Deutschland das Institut
der Wechsler ausbilden. Also auch bei nur geringem Einblick
in die deutschen Münzzustände zur Zeit des Mittelalters konn-
ten die Rechtsliistoriker sich selbst beweisen, dass in Deutsch-
land die Wechsler ihre Buden aufschlagen und ilir Geschäft, wie
anderswo , treiben mussten , und durften die wissenschaftlichen
Autoritäten bis auf Biener herunter (Wechselr. Abhh. 1859.
p. 279) selbst ohne Kenntniss irgend welcher urkundlichen
Beläge nicht behaupten , in Deutschland sei das Gewerbe der
Wechsler erst eme Geburt der Neuzeit.
1) cf. Vos sberg, Gesch. d. preuss. Münzen etc. p. 108 if., Hirsch.
Handelsgesch. Danzigs p. 241 ff.
V. 5. Die Wechsler, a. Deutscher Ursprung der Wechsler. 353
Eben zur Meidung jener Missstände strebte der Rath der
Städte danach, bei der Münzprägung mitzuwirken, bei der
Verschlechterung der Münzen ei]i Stimmrecht zu erwerben,
den Münzwueher der Regalinhaber möglichst zu beschränken.
So geschah es in Speier nach dem Privileg Heinrichs V. Uli,
in Strasburg, in Basel, Regensburg 1230; in Köln übte eine
Genossenschaft von Geschlechtern das Münzrecht selbst statt
des damit beliehenen Erzbischofs aus. ^) Dagegen erwarb der
Rath der Städte nicht das Münzrecht und seine Ausübmig,
vielmehr besassen dieses als Lehen in den meisten Fällen , wie
oben in Köln, dienstmäunische oder patrizisclie Ge-
schlechter, welche eine eigene Zunft „die Hausgenos-
sen" unter dem Münzmeister bildeten , eine Reihe von Vor-
rechten genossen ^) und Abgaben an den Bischof und den Kaiser
zahlten. Wo letzterer der Belehner war oder an einzelne Bür-
ger oder Geschlecliter das Münzmeisteramt verpfändet hatte,
wurden ihm hohe Pfandsummen gezahlt , wie in Nürnberg. ^)
Gleiche Verhältnisse walteten bereits seit dem 9. Jahrhundert
in Hamburg ob, me sich aus Lappenbergs Archivalbericht
der dortigen Realgewerberechte ergiebt. Sogleich (S. 358 ff.)
wird die Geschichte der Hamburger Wechselbanken im
Zusammenhange erörtert werden. *)
Eines der hauptsächlichsten Vorrechte nun der Münzge-
schlechter und ihres Münzmeisters war, dass sie ausschliess-
lich in den Städten Geld wechseln durften. Diese
Thätigkeit erwies sich als so bedeutend, dass nach ihr alle
1) Lacomblet, Niedenh. Urk. B. II. 203. Wackcruagel, Bi-
schofsr. von Basel, p. 18. a. 7. Kemling, 1. c. p. 89. Arnold, 1. c. I.
p. 269 ff. 2) cf. u. a. Lacomblet, Urk. B. I. c. U. 206. 1252 die
Kölner: „communitas campsonim, qui husgenosze dicuntur." Chniel,
regest. Rup.-p. 187. 3) Hegel, I. Chronik von Nüniherg 1. c. p. 235.
4) So die Innungen der Wechsler aus Eingebornen , meist Adligen , in
Italien. Martens, Ursiirung, 18. 25. 55. Savigny, (jlcsch. d. R. R. U\.
]>. 145 — 49. Biener, Wechselr. Abhli. p. 12. 13. Sie liatten innerhalb
bestimmter Grenzen eigene Jurisdiktion durch ihre consules. Martens,
Ursprung p. 51. Anhang das. p. 17. 24. 26. 31. Biener, 1. c. p. 11. 16. 1.
Wisigothorum XI. tit. 3. neyotiatores trunsmarini müssen für Prozesse
unter sich nur bei ihrer eigenen Behörde Recht suclicn.
Ncumaun, Gesch. cl. Wuchers. 2.'3
354 V. 5. Die Wochsl(M-. a. "noutscliov TTrs]!!-!]!!^ der 'Woclislor.
Münzer ca ni2)sores, camhiatorcs, Wechsler genannt wurden.
Anf das Engste hing dieses Privileg mit der erwähnten Thätig-
keü der Münzer zusammen , hesonders , da sie als Schauer der
Münzen die Pflicht und das Recht hatten, die prohehaltige
Münze zu versiegeln , die nicht prohehaltige zu zersclineiden,
überall nach der Echtheit der Münzen zu sehen , alle beträclit-
lichen Zahlungen zu kontrolliren. ^) Der Verkauf und Einkauf
von Silber war in den verschiedenen Städten verschieden gesetz-
lich festgestellt. Das Strasburger Stadtrecht gestattete Dieses
ganz frei, ausser im Falle des Verbotes wegen einer neuen Münze,
nur die Münzer durften von den Wechslern (S. 357) das Silber
kaufen. Nach dem Augsburger Stadtrechte war die Erlaub-
niss der Münzer zum Silberwechsel nöthig , ausser für die nach
Köln gehenden Kaufleute; letztere durften nur bis zu 10 Mark
wechseln. In Mainz „ soll Niemand wechseln , wann die Haus-
genossen; doch mag ein Jeder Silber und Gold kaufen, das er
verführen will nach seiner Kaufmannschaft, und ein jeder
Goldschmied mag Silber oder Gold kaufen, das er und sein
Gesinde verwirken mag mit seinem Hammer , und nicht mehr."
Nach der oben erwähnten Münzordnung Herzogs Bogis-
laf X. von Pommern 1498 erhielten die Münzmeister in den
Pommerschen Städten allein das Recht durch einen Contrakt,
jährlich suluer, payment (d. i. gangbare Münze) gronalien tho
Notrofft unser munte zu kopen vnd by sick zu bringen , d. i.
das Privileg deswyssel oder wesselvnd Inkop. Die Münz-
meister wechselten unter einander.
Dieses Vorrecht des Geldwechsels musste bei der allge-
meinen Verbreitung obiger Missstände des Münzwesens eine
Fülle von Thätigkeit, eine stete Berührung zwischen den
Wechslern und dem Volke, besonders den Kaufleuten, mit sich
führen, aber auch bedeutenden Gewinn abwerfen.. Man wech-
selte fremde gegen heimische, alte gegen neue Münzen, tauschte
falsche gegen echte, erfragte den schwankenden Curs. Dies
steigerte sich zumal dort, wo man die kaiserliche Bestimmung
streng befolgte, dass in Orten und Gebieten eigenen Präge-
1) Hegel,!, c. Lp. 238.
V. 5. Die Wcclisler. a. Deutsclier Ursprung der Wechsler. oöf)
rechtes nur die dort geprägte Münze im Verkehre gehraucht
werden sollte , ^) oder wo man zur Erhöliung des Vortheils
aus der Prägung (für den Münzmeister) , des Schlagschatzes
(für den Kegalinhaher) alljährlich die alten Münzen anzuwenden
verbot, neue, oft sehleclitere prägte und diese gegen die alten
einwechselte. „Em neuer Bischof mag wol geben eine neue
Münze und dann jährlich ehie" ^), „und mag der Erzbischof die
Pfennige alle Jahr verändern , ob er will." ^) Daneben erliiel-
ten zugleich die Münzinhaber das Silber zu neuer Prägung.
Schon ward erwähnt , dass als solche Münzer , Mflnzmha-
ber, Wechsler in einer Eeihe deutscher Städte patrizische Ge-
schlechter thätig waren, ehe letztere sich am Ende desl5. Jahr-
Imnderts von der bürgerlichen Beschäftigung lossagten. Da-
gegen m Litthauen und Polen , besonders in Krakau , ferner in
Breslau besorgten den Geldwechsel der grossen Beträge einhei-
mischer Geldarten, welche aus diesen Gebieten seit dem
12. .Jahrhundert in Baarsendungen als Abgaben an den päbst-
liclien Hof trausportirt wurden , neben iliren sonstigen kauf-
männischen Geschäften lediglich angesehene • Kaufleute,
welche durch Kenntniss der Münzsorten (meist preussischer
Marken und Skote) und ilires Curses thatsächlich die Stelle
der Wechsler vertraten, ohne rechtlich Etwas mit ihnen gemein
zu haben. *) Das konnten diese um so eher trotz des wenig
entwickelten Verkehres, weil sie meistens die Baarbeträge in
1) Friedr. 11. sent. d. caiiib. 1231. Fertz, legg. II. 281. Henric.
seilt, d, arg. vend. 1234. ib. 3ü2. 2) Wacker na gel, Basel. Biscliol'sr.
\). 18. a. 7. 3) Mainzer Hausgenossen K. a. 2. Arnold, 1. c. I. p. 278.
4) Die Gründe, aus denen hier insbesondere italienische Wechsler nicht
so frühe sich ansiedelten , werden sogleich unter Abschn. b. erwähnt. In
den andern Staaten , aus denen die I'äbste diese kirchlichen Gelder bezo-
gen, hatten sie ihre eigenen Wechsler (nostri cumpsores , caiiibiutores)
oder bevollni.ächtigten allgemein die italienischen Baukkuinnianditeii im
.auslände. Mur atori, Anti(iuit. Ital. I. \k HSy. 1233 Quittung Gregors IX.
an Augelerius Solalicus, „quomlum cumpsorem iwstrum et ejus socius,
mei'cutores Senenses de onmibus rationibus, quas in Anglia, Francia,
et curia Romana vel etiain alibi nostro vel ecclesiae liomanae nomine
receperunt." — Arenz, p. 25.— Rynicr, I. p. 330. 378 (I25G. 12:)8.
1271.) -- Biener, 1. c. p. G3. (57. G8.
2:3 *
3ÖG V. 5. Die Woolislor. a. Deutsclicr Ursjjrung der Wechsler.
ungefragtes Gold „ad 2)onilus Avinionense, Turonense," „in
2)i(Jirrc" und unter Zuzieliung eines kaufmännischen Gutach-
acliters umwechselten. ') Ihren Wechslerzins berechneten sie,
wie es auch bei den italischen campsores üblich war, von
dem oder mit dem Cursgewiune , ein besonderes Wechselgeld
ausserdem , wie jene , nahmen sie nicht. ^') Der Curs konnte
ihnen wegen ihrer durch eben diese Baarsendungen alljährlich
mehrmals bewirkten Verbindung mit den Wechslerhäusern in
Italien, dann in den Niederlanden selbst in gewisser Gleich-
förmigkeit bekannt sein. Dass aber ihr Curs auch nicht stets
als richtig angenommen ward, scheint darin angedeutet, dass
■wiederholt in den Urkunden hinzugefügt wird: „.. illas (pecu-
n ins) vcl dehita m existiinat i o n e ni ipsarimi assignare/'
während es bei dem Transporte von Gold und ungewechselten
preussischen und polnischen Münzen nacb Flandern in Silber
nur Hiusichts des letzteren heisst : „ ibidem (in Brügge) quan-
1) Tli einer, vetera vwnumenta Poloniae et Litlmaniae. Rom. 1860.
I. p. 284 (1328) u. V. a. Cod. diploiii. Siles. HI. (Griinhagen) Henricus
pauper. In dem Cod. dipl. Sil. ITI. }>. 89 findet sich aus dem Jahre
1329 ein Voranschlag über den verhältnissmässigen Ertrag des Peters-
pfennigs in den einzelnen Städten Schlesiens, cf. dazu N. 1 u. 9 daselbst
von Grünhageu. — Neumann, Wechselgesch. p. 14ff. Hierbei sind
einige Ergänzungen und Berichtigungen der Angaben auf p. 15. 16 das.
zuzufügen. Ob der Peterspfennig wirklich eine Häusersteuer, wie auch
Richter Kirchenrecht (5. Aufl.) §.235 annimmt, oder eigentlich eine
Kopfsteuer und mittelbar nur eine Häusersteuer war, muss vorläufig
unentschieden bleiben. — Der sechsjährige Zehnte wurde seit dem Vien-
nenser Concil 1327 zuerst eingefordert , und zwar nur einmal , die seitdem
als sechsjährige Zehnten geforderten Beträge sind Rückstände jenes ein-
mal zu leistenden Zehnten. Die auf S. 16 daselbst angegebenen Summen
sind Annaten aus einem der vier Archidiakonate Breslaus. Die Summen
selbst sind in ihrem Werthe etwas zu niedrig angegeben. Sie sind berech-
net nach dem Curse der ungarischen Gulden imd preussischen Mark , wie
Hirsch ihn in seiner Handelsgesch. Danzigs p. 241. 242 für Danzig
angiebt, und zwar sind die von Theiner in Mark ausgedrückten Angaben
der Jahre bis 1322 in Gulden übertragen, einmal nach seinen eigenen
Angaben des gewechselten Geldes , um den Werth einiger dem Curse nach
nicht genug bekannter Werthstücke zu ermitteln , sodann , um den Ver-
gleich mit den von ihm nur in flor. angegebenen Beträgen der späteren
Zeit zu ermöglichen, cf. auch Zeitschr. f. Gesch. u. Alterth. Schlesiens
V. 2. (Grüuhagen.) 2) Theiuer, 1. c. n. 635 u. a.
V. 5. Der Wechsler, a. Deutscher ITrsjirung der Wcclisler. 357
tum in eisdem nnndinis idem vnlehat argentum , ad predictum
iwndiis Cracoviense." ^) Während hier im 14. Jahrhundert die
zum Theil grossen Geldbeträsfe erst von Flandern durcli Wech-
sel nach Avignon oder Rom gelangten,-) geschah es später,
seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts, bereits von Krakau
oder Breslau selbst, da seit dieser Zeit sich deutsche und itali-
sche Wechsler hier ansiedelten und die Stelle jener Kaufieute
im Handwechsel und Geldti'ansporte übernahmen. Dies wird
sogleich unten berührt (S. 361 ff. u. V. 5.b.)
Neben jenen Kaufleuten aber und den Mitgliedern der
„Hausgenossen," bisweilen vielleicht aus diesen hervorge-
gangen, findet sich bereits seit dem 13. Jahrhunijert eine Zahl
von Neben Wechslern, welche unter der Aufsicht der Haus-
genossen stehen, oder unabhängig neben ihnen gegen Kau-
tion und Abgaben vom Rathe der Städte Erlaubniss zum
Wechseln erhalten, nicht allein in den erwähnten Gesetzen
und Rechtsbüchern erwähnt, sondern auch die grosse Zahl
der Urkunden der Parteien beweisen ihre Existenz. Sie betrei-
ben fast lediglich den Handwechsel, Geldtransport und das
Hinleihen von Darlehen gegen Pfänder, nehmen auch Deposi-
ten an und besorgen — wie es sich durch die neuesten For-
schungen im Breslauer und Danziger Archive inmier zweifel-
loserherausstellt— , ganz ebenso, wie die italienischen Wechsler
in und ausserhalb Deutschlands, Wechsel auf Bestellung, indess
nicht nach entfernten Zahlungsorten. ^) Dagegen haben sie an
der Münzprägung gar keinen Theil.
1290 wohnen in Lübeck 2 solcher Wechsler, Gherardus
und Hinricus , welche u. A. dem lübischen Gesandten in Flan-
dern, Reinekinus Mornewech, Gelder für die Stadt ausleihen. "*)
ausserdem werden dort als Wechsler genannt Wernerus Huno,
Henneko de Scheuinge, Henneko Albus , Hinceko, welche 1290
je 5 mrk. Miethszins an die Stadt für ihre Buden auf dem
1) cf. Neu man 11, Geschichte des Wechsels im Hansagebiet p. 19 ff.
2) ib. ]). 3G. Pegolotti, Della Decima 1339. Biener, Abhh. p. 45. «8.
3) cf. Näheres über ihre Geschäfte V. 5. d. f. 4) Liib. Urk. Buch II. b.
n. 1013 (1290) Ghcrardo campsor. VIII. in. Hinrico campsor. XXVIII m.
Rückzahlung.
3r>S V. ö. l>io Wcclislov. n. noutschor Ursiiruiif;' dor Woclislor.
Markte zahlen. ^) Zwölf Wechsler befinden !>ich in Lübeck
bereits 1316, diese entrichten, obgleich ihre Buden am Markte
ihr Eigenthum sind, der Stadt jährlich 12 Mark Abgabe,
zusammen aber zahlen sie mhulestens GO m., wenn ihrer auch
weniger als 5 waren, -) ausserdem hinterlegen sie eine Kaution
von je 200 Mark Silber, ein deutliches Zeiclien ilirer Stellung
zur städtischen Obrigkeit. ^)
Aus H a m b u r g bietet der A r c h i v a 1 b e r i c h t ül)er Ham-
burger R e a 1 g e w e r b e r e c h t e Lappenbergs '^) Hiiisichts der
deutschen Wechsler genaue und lehrreiche Nachweise (p. 82 ff.).
Das Amt der Wechselbänke nahm liier den Vorrang vor allen übri-
gen Aemtern ein, Avar sogar mit erblichen Gerechtigkeiten ver-
sehen und ging doch zuerst wieder unter. Schon 888 bestätigt
König A rn ulf , dass die Hamburger Erzbischöfe von den Kaisern
mit dem Münzrechte begabt wurden. '') Die Erzbischöfe belehn-
ten, wie in andern Städten, „die Hausgenossen schaff
der ]\Iünzer mit diesem Rechte. Das Gewerbe war hier nicht in
den Händen erzbischöflicher Dienstmannen geblieben , sondern
bereits im 12. Jahrhundert der Verleihung und Aufsicht des
Raths übertragen. Kaiser Friedrich L bestätigte 1189 dem
Rathe das Recht, das Geld der Münzer zu prüfen. •^) (ob. S. 353.)
1) cf. liib. Urli. B. II. b. n. 1091 (1290), und liib. 0 b er- Stadt -
buch 1290 : „ hode (Bude) site in fine, uhi eampsores sedent," ib. 1308 :
„ in foro , uhi campmres manent." Pauli, liib. Zust. Urk. B. n. 60. p. 904.
2) L ü b. K ä rn m e r e i b u c h von 131 6 : „ Notum sif, quod campsores, cum
nmi sunt , nisi quinque , dahunt quolibet anno LX m. den. , dimidias in
pascha et dimidias Michaelis. Sipauciores fuerint, dahunt nihilavtinus
LX mrk. den. Si vero plures fuerint, quam quinque, tunc quilibet dabit
XII mrc." 3) Pauli, 1. c. p. 206. n. 63. 1316, übereinstimmend mit
den Vorscltriften der Wechsler - Innungen in Italien, Spanien, Frankreich,
den Niederlanden, cf. Martens, Urs])r. d. W. p. 22 u. Anh. p. 18, 112.
Fremery, etudcs p. 89. 4) Derselbe ist nicht in den Buchhandel gekom-
men. Herr Dr. Lap])enberg hatte die Güte, ihn mir als Geschenk zi\^u-
senden. .5) cf. Hamburg. Urk. Buch. I. 22. 6) So erscheint auch
in Regensburg die erbliche Hausgenossenschaft der Münzer 1272. 1295
als officium, consortium, Bürger und Wechsler. (Quellen zur Baierschen
und deutschen Geschichte V. p. 261. VI. p. 78.) Hamb. U. B. I. n. 286.
1189. „conss. potestatem haheant examinandi denarios monetariorum
in pondere et pii/ritate,"
V. 5. Die Wechsler, a. Deutscher Ursprung der Wechsler. 359
Die Münzer (monetarii) leisten dem Ratlie eine Gesammt-
bürgschaft für den Gehalt des Geldes, weshalb Fnedrich II.
wohl auch 1219 die Innung der Münzer allein in Goslar nicht
aufliob. — Im 13. Jahrhundert aber treten gegenüber diesen
Münzern die obigen Nebenwechsler auf. Sie heissen vor-
wiegend campsores, "Wechsler. Viele derselben besassen erb-
liche Wechselbänke, die sie nach Belieben vor dem Rathe,
wie andere Realrechte , übertrugen. Diese Bänke stehen hier
wie in Lübeck, nahe dem Ratlihause und der späteren Börse
1251, ') Die Wechsler in Hamburg sind nicht zu einer Brüder-
1) Die folgenden archivalischen Nachrichten sind besonders wichtig
wegen der Verbindung der Wechsler und Münzer und ihrer dennoch
stets beobachteten Trennung , welche sich aus ihnen ergiebt. 1251 ver-
liess Frau Bertha von Osterwicgk Wittwe Bertranis des Münzers dem
Sohne oder Gesellen (puero) ihres Sohnes Wedekin die Wechslergerech-
tigkeit (concamhium) , die sie in Hamburg besessen (liher actorum coram
coss. fol. 22, 8.) 1260 kauften der campsor Wedekin und sein Bruder ein
Haus in der goldenen Strasse. Demselben Wedekin übertrug ein gewis-
ser Knape, gen. accipiter, Habicht, seine Wechselbank. 1265 verkauft
solche Wedekin dem Beteman von Helwardeshusen ; an Wedekin selbst
verliehen die Eathmannen 1266 ein Haus auf den Wechslerbänken zwi-
schen den Häusern des Johann (Wurm) und Timnio des Münzers mit Erb-
recht gegen 3 mrk. Süber jährlichen Zinses. Ein begüterter Müuzer
Albrecht von Hetfeld begegnet 1260 und 1263 (cf. ib. fol. 42, 1. 45, 1.
79, 16. 87. 66, 10. Hanib. U. B. I. n. 653). Dem Münzer Tymmo ver-
liess der Eath 1262 einen freien Platz jnxta vionetnrios mit Erbrecht für
6 mrk. jährliche Rente. Sein Haus wird 1273 erwähnt. Man verliess
demselben 1264 Wechselbänke von Conrad Vorrat und v. Jordan. Letz-
terer Jordan, der Münzer, verliess 1271 seine Wechselbank an Albrecht
BoUant. Joh. Bollant verliess sie 1273 an Joh. v. Ostcrwick, wol den
Sohn obiger Bei-tha (cf. ib. fol. 52, 3. 180, 16. 69, 4 u. 6. 163, 20. 180, 9.)
Von Johann v. Osterwick Avar dem genannten Beteman 1263 das Haus
des Gotsclialk, Sohnes des Helprad, zugeschi-ieben und 1269 v. Joliann Wurm
und seinen Brüdern eine fernere Wcchsclbank, falls er Betemann Kruse
(Crispus) benannt wurde. 1271 verkaufte Beteman v. Elmarshusen seine
Wechselbank an den Münzer Bnmo , der 1266 als Bruno der Wechsler be-
zeichnet ist. Helprad Kovot verkaufte 1266 für 16 mrk. Silber eine Wech-
selbank an Volzikc den Wechsler und eine andere an Jordan. 1251 bemerkt
man Heinrich Wurm und Ulrich den Älünzcr (v. Stade) als Verkäufer einer
Wechselbank. 1270 verliess die seinige Heinrich Grinnneke dem llilde-
brand, der 1271 eine zweite vom Münzer Jordan erhielt (ib. fol. 66, 10. 143.
163. 97, 19. 97, 29. 100. 14, 2. 161, 2. 163.) (aus Lappenberg, l c. p.82fr.)
.■>(i(t V. .'). l>io Wochslor. a. Doutschor Ur.s]>ning der Woclisler.
Schaft vereint, wie unzählige Personen desselben Gewerbes
und Handels im Mittelalter, sie werden nur als ein Amt, Hand-
werk, officinni mcclianicum mit Anitsmeistern bezeichnet. In
den Vollmachten des Rathes und der Bürgerschaft 1347 und
l.')51 hatten sie die erste Stelle nach den Rathmannen und vor
den Goldschmieden. Nirgend aber finden sich Settinghe oder
Rollen dieses Amtes ; in den Verzeichnissen der nach den Ge-
werben geordneten Bürger von 1376 fehlen die Wechsler.
Auch kerne regelmässige Leistung derselben vom Gewerbe oder
den Wechselbänken an die Kammer ist bekannt , keine Bräche
derselben aus den Morgensprachen. Dies schliesst nicht aus,
dass die Wechsler den Münzherren unmittelbar untergeordnet
waren, und dass diese also dergleichen Einkünfte erhoben haben
könnten. „ Es ist uns beachtenswerth , wie ein so hervorragen-
des Amt in Hamburg so früh hat ganz verschwinden können,
obgleich durch erbliche Realgewerbsrechte geschützt. Es ver-
dankte seine Blüthe der Vervielfältigung fremder kleiner Sil-
bermünzen und verlor sie, seitdem Goldguldeu und später
Thaler geprägt wurden. Dazu kam die Ernennung eines städti-
schen Münzmeisters und eines Wardein , welchem die Wech-
selei abseifen des Rathes verliehen war und der mit dieser
Begünstigung die übrigen Amtsgenossen verdrängte , was aber
auch zur Aurhebung der Bürgschaft derselben führte. Die
letzte urkundliche Erwähnung von Wechselbänken fällt in das
Jahr 1560, zu welcher Zeit der Geldwechsel längst ein freies
Gewerbe war."
Dergleichen Wechsler begegnen dann, was vorläufig leider
nur durch vereinzelte Vermerke erwiesen wird, nicht minder in
den preussischen und polnischen Städten, Das Culmer
Recht V. 65 (ed. Leman) giebt, fast gleichlautend mit dem
Schwabenspiegel dafür einen Anhalt: „no ob in einer stat
ofentlichen wuochrer {usurarii imhlici cf. V.ö.b.d.) sint
vnd das cristene lute synt , wer is da schuldig an ? der herre is
daran schuldic , des die stat is , vn der richter , ob er sie nicht
rüeget , als er sol." Es scheint sicli diese Stelle gerade auf die
obrigkeitliche Billigung und den Geldgewinn der Stadt aus
den Wechselbuden zu beziehen.
V. r>. Die Wechsler, a. Deutscher Ursprung der Wechsler. 361
1370 wird der Thoiiier Bürger Hesin in Flandern, inae-
sens ad camhiendum seu camhia faciendum et pecunias levan-
dum aufgefülirt. ^) In Breslau findet sich 1408 bereits als
AVeclisler dcrTliorner Gotsclialk Hitfelt, welcher in Thorn
selbst ansässig sein mochte und nun durch eigene Eeisen, ganz
wie der Tliorner Hesin 1370, und durch die Fahrten seiner
Diener seinen weitverzweigten Gescliäftsverkelir besorgte. ^)
Das für ihr Geschäft nothwendige regelmässige Eintreffen die-
ser Wechsler in den einzelnen Städten ^mrde besonders durch
die Waarenmärkte in denselben erleichtert, welche sich
im Osten und Norden Deutschlands ebenso , me in Frankreich,
auch zur Abwicklmig der Wechselgeschäfte besonders geeignet
erwiesen. ^) Aehnliche Wechslergeschäfte , wie Hesin und
1) Theiner, Monum. 1. c. I. n. 887. cf. Neumann, Wechselgesch.
Absch. IIJ. fin. 2) Aus dem Bresl. Stadt-Archive lib. excess. et sign.
1408. fol. 63 Ist vor uns komen Gotschalk hitfelt von Thorun, und
hat uns gewist einen brieff versigilt under seyme pitschir eins solchen
gemcrkes ... in solchem lute Ich Gotschalk hitfelt Burger zu Thorun be-
kenne offinlicli mit diesem briffe , das ich hy mir gehabt habe als man
geschreben hat noch gotis geburt %arczenhundert Jar dornoch in dem
Sechsten jare von ARexio Sachsen wegen Burger zu Breslow czweihun-
dert mark gi\ , die mir hincze Bischofswalde von seinen wegen zu Tho-
run yn gelegt hatte uff dieselben zweihundert mark schreib mir An-
dreas Czudmar , das ich die Thomas Weczier solde beczalen von seinen
wegen , die ich im auch beczalt habe noch seiner briflichen bevelunge.
auch so hat mir Johannes meyn diener von Crocow brocht andirhalb-
hundert mark und czwey scot silbii's , die im d o Wenczlaw Sachenkirche
von AUexio Sachsen wegen geantwort hatte , dieselben andirhalblumdert
mark und czwey scot guetes Crocawischen Silbers sante ich Laurencio
Androe Czudmars dyner von desselben Andree Czudmars wegen kegen
flau dir n. Auch so hat AUexius Sachse Johanni meinem diener von
Andree Czudmars wegen beczalct zu Breslow hundert mark gr. , fUe mir
Andreas Czudmar gelegen hatte , die ich auch Andree Czudmar weder
gegeben und beczalt habe. Auch so hat mir Czeicz von der Ne i s e becza-
let von Allexio Sachsen wegen hundert mark pru&sichs geldes , die habe
ich von geheise Andr. Czudmars auch us gegeben und habe Andr. Czudmar
die hundert mark pruissichs und alle das obgeschreben gelt und silbirgancz
und gar bercchint, das iin wol genugit hat, des czu geczugnissc habe ich
mein pitczir uff diesen brilfgedruckt . . '• (v. H. Prof. S t o b b e.) 3) So heisst
es im Bresl. Arch. (lib. excess. et sign.) 1404. fol. 65. „an sante Peter und
Pawils owande Seint vor uns komcn Procopj) Berwg , Burger der grossen
ö()- V. ;"). IMc Worluslor, a. Deutsolior Urs})ruiii'- der Wechsler. '^
Hitlelt, betriel)eii am Anfange des 15. Jahrhunderts in diesen
Gegeudeu auch A 1 1 e x i u s S a c li s e n aus Brcshiu und Andreas
Stat zu Präge und liat uns vorgelegt wie das Piro Bykerau von Vene-
di e n bcy Im niit dem rechten vorsperret habe czweihundert Schock gross.,
die er Ulrich Camcrer schuldig ist gcwest, und habe in dorumme vor
recht brecht, auch beweiste derselbe Procopp einen bricff, den im Ulrich
Camerer under seinem eigen Sigil gesant hat von derselben 11 c schock
wegen der von worte zu worte also lut. Dem ersanien Procopp Parwig
zu Prag oder wo er sey denn mein willigen diust et omne bonum
lieber Procop und guter f rund, als ich euch verschriben hab von der 11 c
schock gross, wegen die Ir von des gewandes wegen schuldig seit , das Ir
die her Piro bykerau von Venedien beczalt, do tut Ir mir sunderliche
frundschaft und libe an. .. Ulr. Kamerer geben zu Cracau an ... 1404.
Und uff den vorgeschreben brieff , und auch die vorgcdochte vorsprunge
hat Procopp der vorgen. denselben Piro der vorgcscr. II c schock gancz
und gar mit gereitem guido vor beczalt , das im wol genüge Und dovon
so saget derselbe Piro Ulr. Camerer und Procopen Berwig der vorgen. II c.
schock vor sich und alle die seinen genczlich qweit ledig und los (mitg. v.
H. Prof. Stobbe.) — Im Danz. Schöppenbuche von 1556 fol. 227 '^
schwört Teves meier, ,,dath anno L VI in sanctli Michels marckth
Antonius antwschowicz borger in posenn dememerten niemann, welcker
befeil von em gehath heffth den Antonium tho manen aferwiseth heffth
vp thwo borgerr thor Euschenn launborch vp II c XII vnde IIIC gülden. ."
ib. 1567. fol. 210 ff. „ . . . lauft hirmith auch seiner schuldtt bricffleiu
ehr vormeinet er wolle vonn Michaeli Marckth avs Posen zuvor-
schaffen (die Schuldsumme) das seindtt wier zu friedenn — " Neumann,
Wechselgesch. p. 2U4 (Beil. C.) — ib. fol. 136. ,,Laus deo semper. Ao. 1566
adi 2. Aprilis In Bresslaw Ich Paul Wichmann Burger in Dantzigk bekenne
raitt dieser meiner eigenen handttschriffth vor mich meine erbenn vund
erbnehmer das ich par enttpfang habe vonn dem Erbarnn Jorge Reutter
Vc thaler, solche Tal. Vc gelobe ich Ime zu bezahlenn auff negst
konfftigk Georgi nach gehaltenem marktt inn Danczigk zu
zahlenn mitt ganghafftigem gclde ohn allem verzugk vnkostenn vnnd
schadonn zu vhrkundtt der warheitt vnd mehrer sicherheitt habe ich mein
gewonlich pettschicr hicruntt alm wissenthlich gedrucket. Act. ut supr."
Derartige Beispiele finden sich in grosser Zahl ; man ersieht aus ihnen,
dass auch in diesen Gegenden die hauptsächlichen Waarenmärkte von den
grossen Kauficuten und den Wechslern zur Abwicklung ihrer Wechsel -
und Geldgeschäfte benutzt wurden, cf. Hamburger Wechsel-Ordn.
von 1603. 1605. a. 12., Leipziger W. 0. 1682. Marktreskript 1621.
1660. 1669. Siegel, corp. jur. camb. 1. fol. I. 60. 62. 64. Neumann,
Wechselgesch. 1. c. p. 139. 186. Christoph Kuppener, vom Wucher
V. 5. Die VVoclisler. a. Deutscher Uisinung der Wechsler. 363
Czudmar. Alle diese beschränkten sicli nicht mehr auf das
Darlelm und den einfachen Handwechsel, sondern übernahmen
(Leijt/ig: 1508) (bes. Beilage E. n. 2.) erwähnt die liäufigen Marktwcchsel
in Deutschland zwischen Leipzig, Nürnberg, Frankfurt a. M. , Venedig,
im Ostermarkt zu Leipzig ausgestellt, zahlbar zum Michaelisniarkt in
den andern Städten, et". A. 2, 2^ 8: „Nu geschiet es doch teglichen
yn vilen landen, vn ist gern ein vnter den kaulüeuten vnd gescheen solche
contract von einem margkte zu dem andern teglichen von vil
kaurtcuten." Auch schon lange ist es gebräuchlich gewesen, ib. A. 3^:
„es ist langst ein gemeine gewonheit gewest. ." Luther aber sagt hier-
auf bezüglich in seiner Vermahnung an die Pfarrherrn, wider den Wucher
zu predigen 154:0 (cf. u. VU. 2. b.) : „der Wucher sitzt zu Leipzig,
Augsburg, Frankfurt u. dergl. Städten und' handelt mit Geldsummen
. . auf jedem 1 ei pzigi sehen Älarkt nimmt man 30 aufs hundert, in
Naumburg sogar 40. Das sind nicht Jahr-, nicht Mond-, sondern
Wochenzinse. Wer also von 100 Floren 40 nimmt , das heist einen Bauer
oder Bürger in einem Jahre gefressen. Hat einer 10,000 und nimmt 4000
d. h. einen reichen Grafen in einem Jahre gefressen. Hat ein grosser
Händler zehenhunderttausend und ninmit 400,000, d. h. einen grossen
König in einem Jahre gefressen ; und leidet darüber keine Fahr weder an
Leib , noch an Waarc , arbeitet nichts , sitzt hinter dem Ofen und brät
Aepfel. Pfui dich ! wo zum Teufel will denn auch zuletzt das hinaus ? "
cf. auch die Eeichsabschiedc von 1530. 1548 und die E. P. 0. von 1577
(und VI. 2. a. E.) Vergleicht man diese Märkte mit den Champagner
Wechselmessen , so erscheinen dieselben freilich nicht in dem weitgreifen-
den Smne , wie letztere, als Mitteli)unkte des Waaren- und Geldverkehrs,
doch erleichtern und verbreiten auch sie den Wechselverkehr und fördern
das Wechselrecht. Schon die beschränktere Verbreitung der W^echsel,
die geringere Zahl und wenig einflussreiche Stellung der deutschen und
fremden Wechsler bewirkte dies. Thatsächlich wurde auch hier die Hand-
habung des Geschäftes vereinfacht, indem u. A. die Wechsler die Deckung
für die auf die Messe gezogenen Wechsel mitbrachten und gegenseitige
Forderungen dort gegenrechneten, vielleicht sogar die Cursc durch gemein-
samen Beschluss oder thatsädilichc Uebereinstimmung festsetzten. In
der Mitte des 17. Jahrhunderts , als in den Wechselordnungen so beson-
dere Rücksicht auf die Messwechsel genommen wird, beeinträchtigt das
damals gerade erstarkende Indossament deren Bedeutung. Ihren Ursprung
nelimen diese Messen in den gcw(')hnlic]icn Waaren- und Jahrmärkten
der einzelnen Städte , besondere Wiehtigkeit bewahren unter ihnen Dan-
zig, Thorii, Posen, Breslau, Naumburg, Leipzig, Fnmkfurt, Augsburg,
Nürnberg mit ihren Oster - und Michaelismärkten , ganz wie die (!ham-
liagnermessen zu Troyes, Provins, Laigny, Bar sich aus den gewöhn-
3(>4 V. 5. Pio Wechsler, a. Deutseliev Urs]>nin£i- der Wechsler.
auch Geldsendungen im Hansagebiete , in Süddeutschland , und
soirav liinauf l>is nach Flandern. Hiev/Ai mochten sie <lurch
liehen Jahrinärkten eiitwiekoln . in doiicn auch später noch stets Leder
und TucIl die Hauptaitikel waren (Martens, Ursprung d. W. S. 16.
Memo'.ves pour Thistoire de Troj'es. — Fremery, etudes p. 14.) Die
Zahlungen und Wechselgeschäfte scheinen schon in älterer Zeit am Ende
der Marktdauer ahgeniacht zu sein , wieder wie in dianipagne seit 1250.
(S. 3(51. N. 2.) Später hatte man sogar eine genauere Eintheilung der
Messzeit, eine bestimmte Acceptsfrist , die Zahlung am Schluss, den Hin-
weis auf Scontro. cf. a. 12. der Hamburg. Wechs. Ordn. v. 1605. Neu-
mann, Wechselgesch. p. 186. cf. Leipziger W. 0. 1682. Hier wie dort
domizilirt man zahlreiche Wechsel , gezogene und eigene , auf die Märkte,
desgleichen Averden beiderseits daselbst Zahlungen aus andern , als Han-
delsgeschäften , zugesagt. Wechsel derart datiren bis zum Anfange des
15. Jahrhunderts zurück , die Marktwechsel werden sich deshalb Avohl bis
weit in das 14. Jahrhundert hinein verfolgen lassen, wo Wechsel (Tratten)
und Märkte hier grössere Verbreitung erhielten. Auch die Cl>ampagner
Messen beginnen mit dem ersten Aufblühen der Tratten (Martens, 1. c.
p. 14.) Von PriA-ilegien der Wechselmärkte aus früherer Zeit ist bis jetzt
Nichts bekannt. Vornehmlich eine besondere Behörde , wie dort die
maitres des foires , custodes nundinarum (Biener, 1. c. p. 38. n. 3.4.) mit
Jurisdiktion für die Marktgeschäfte bestand nicht, sondern diese Geschäfte
wurden vor dem ordentlichen Eathe und Gerichte des Messortes abgehan-
delt , das lag schon in der Zahl und Stellung der hiesigen heimischen und
fremden Wechsler und Kaufleute begründet. Ihre Banken richten diese
Wechsler thatsächlich auf den deutschen Märkten auf, ebenso wie später
auch die aus Italien und Flandern eingewanderten. Dass besondere Con-
cessionen ihnen hierzu ein Recht gaben , ist anzunehmen (cf. V. 5. a. d. f.)
cf. für die Champagne Martens, p. 38. 51. Fremery, p. 16 (1278.
1294. 1328) Später erst gehören zu dergleichen Privilegien , welche sich
u. a. in den ersten Wechselordnungen finden , gekürzte Fristen des Pro-
testes resp. Prozesses, die schnelle Exekution und höherer Wechselgewinn
(cf. bes. Beil. E. n. 2. und schon a. 12 der Hamb. Wechs. Ordn. Neu-
mann, 1. c. p. 174 ff. Luther, 1. c.) den man mit der grösseren Gefahr
und Arbeit obenhin rechtfertigen wollte. Ebenso in Champagne (Olim.
T. m. pref. p. LXXn. 1311. cf. auch Biener 1. c. §. 4. a. E., §. 6. n. 5.)
Exekution gegen die Landleute des säumigen Schuldners war in deutschen
Handelsgebieten ganz gewöhnlich , in Champagne ein Privileg der rechts-
kräftigen Messforderungen (Ordonnance von 1304. Martens, 1. c. p. 15.)
(In Flandern erlaubte Kaiser Friedrich Barbarossa Dies 1173 für den Fall,
dass die flandrischen Kaufleute beim Gerichte nicht Recht fanden. Warn-
könig, Flandrische R, G. I. Anh. p. 39. Die Scholaren haften aber
V. 5. Die Wechsler, a. Deutscher Ursprung der Wechsler. 365
die einzelnen italischen und niederländischen Wechsler bewo-
gen sein, welche seit dem 15. Jahrhundert m diesen Gegenden
besonders den Geldtransport nach den Niederlanden und vor-
nelimlich nacli Italien leiteten (cf. V. 5. b. d.)
Eine gleiche Stelle , als jene obigen deutschen Wechsler,
ninnnt in Co In 1300 Constantinus de Lysolskirgen ein, *)
in Brieg im 14. Jahrhundert der Christ Pezco Cyndal,
insbesondere in den Geldangelegenheiten Herzogs Ludwig von
Brieg. ^) Reisen der Art, wie obige Wechsler sie im 14. und
15. Jahrlnmdert zwischen den einzelnen Städten ihres Ge-
schäftsbetriebes in ausgedehnter Weise machten, wurden spä-
ter immer weniger nöthig , da , abgesehen von der wachsenden
Wichtigkeit der Märkte auch die einzelnen Weclisler m den
Handelsorteu sich in regelmässige Geschäftsverbindung setzten
und so bis zu den nächsten Märkten auf einander ziehen konn-
ten, wie in Italien, Frankreich, Flandern die italienischen und
französischen Contore. ^)
1488 ferner schreibt der König von Polen an Danzig,
ein Krakauer Kaufmann „ coram nohis qiiestiis est , qiiod dum
eidem Johanni peyczmer 22o m. jy^'utlien. tamquam liosp'di
bekanntlich nicht derart, nach der J.M<7jew<{ca Habita C.nefil.x>TO patre.
Savigny, Gesch. d. R. R. III. 170.) Vornehmlich des höheren Wech-
sel - (Zins) geA\innes wegen gab man auch hier gewöhnlichen Wechseln
und Schuldscheinen die Form von Messwechseln (cf. V. 5. f. Kuppen er,
1. c. A. 5. (1508) , eine Umgehung des Wucherverbotes , gegen die mau
hier, wie in der Champagne, eiferte (Olim, T. II. p. 303. n. 14. (1290)
p. 470. n. 5. (1304) Ordonn. von 1311. Martens, 1. c. p. 20). Um trotz
dieser Verbote den Vortheil zu erhalten, unterwarfen in Südfrankreich
die Parteien sich vor dem Notar dem rü/ori nundinarum Briae et Cam-
IHiniue (15(X). Bricgleb, Exek. Pr. II. p. 405.) Aehnliches thaten die
Florentiner Wechsler, cf. Martens, p. 56. Anh. p. 4, und die Genucser im
16. Jahrhundert, Rotae Gen. Decis. XXIII. So lautet in unsern Gegenden
(Sachsen) die früher übliche Verpflichtung nach Leipziger Wechselrecht
bei einfachen Schuldscheinen. Man sieht, wie wenig von dem bis jetzt
hierüber Bekannten uns von der heimischen , natürlichen Entwicklung
auf italische Einflüsse verweist.
1) Lacomblet, Urk. B. 11. n. 1047. 1058. 2) cf. schles. Prov.
Arch. handscbriftl. Brieger Lehn und Erbe. H. Cand. Rössler 3) cf,
Beilage E. n. 2. Corresponsalcn, bancharii.
366 V. 5. Die Wechsler, b. Italiciiischov ürs]iriing der Wechsler.
suo crcdidisset et ad c am htm dum in florenos dedis-
sct."^) Der Gesandte Daiizig's nimmt von E_vlau, avo ihm ein
Sclmldner 3500 m. zalilte , diese Snmme yai einem Gläubiger
Danzigs nach Barten (Ostpreussen) ; empfängt er es von dem
Schuhlner nicht in ., alten Talern," so soll er zuvor bei Sig-
mund Scharfen in Königsberg das Geld verwechseln.
1583 wird in Krakau, wo, wie in Breslau, schon seit
dem Ende des 14. Jahrhunderts mehrere derartige Wechsler
besonders zur Versendung der gesammelten Kirchengelder
sich genannt finden , '^) u. a. ein Darlehn des Stanislas Turszo,
Grafen von Zyps, an Danzig von 20,000 Thalern in ungarische
Gulden umgewechselt. ^) Weitere , auch archivalische Beläge,
welche sich jetzt bereits bei jeder neuen archivalischen For-
schmig in Menge finden, können nur obige Thatsachen
bestätigen.
b. Italienischer Ursprung der Wechsler.
Schon seit dem 8. Jahrhundert errichteten die italieni-
schen Haupthandelsplätze, Amalfi, Aukona, Venedig, wie
bekannt, dann auch französische Handelsorte Niederlassungen
im Oriente zm' Ausbreitung des Handels. Die Blüthe dieser
Niederlassungen überdauerte die ihnen besonders nützlichen
Kreuzzüge. *) Auf solchem Fundamente erhob und verbreitete
sich der weitverzweigte Geld - und Waarenliandel der italischen
Kaufleute und Wechsler (Bankhäuser) über Frankreich , ^) die
1) Banz. Arch. Urk. 3, 324. ib. Urk. 41. D. 42. (1480) — cf. auch Urk.
n. 13208 ib. 1580. 2) Breslauer städt. Arch. lib. excessuum et signaturar.
ad h. t. , dann 1415. 1419. (v. H.Prof. Stobbe.) 3) Danz. Arch. Urk. n.
13211. 4) Martens, Urspr. d. W. p. 12. — Memoires de Tacad. des
inscriptions. T. XXX\^n. p. 476 (de Guigncs). 5) Seit dem 12. Jahrh.
bereits begannen die Kaufleute von Asti ihren transalpinischen Geldlian-
del, zuvörderst mit Frankreich, und hielten sich hier, obgleich Lud-
wig IX. schon 1256 150 derselben verhaften und ihre ausgeliehenen Be-
träge von 800,000 Livres mit Beschlag belegen , sie selbst aber an den
Grafen von Savoyen ausliefern Hess (M u r a t o r i , scr. rer. Ital. XI. p. 142 ff.)
Derselbe König verbannte 1268 alle Wechsler aus der Lombardei und
Cahors (Sismondi, histoire des Fr. .^aiL p. 112.) 1277 \viederholte
sich das Verfahren , wobei die französische Regierung 120,000 Goldgulden
gewann (Giov. Villani VII. 52). Danach traten die Wechsler aus Lucca
V. 5. Die Wechsler, b. Italienischer Ursprung der Wechsler. 367
Niederlande und England. Die Commauditen der grossen ita-
schen Bankliäuser folgten den Kaufleuten in die Fremde , um
ihnen bei Regulirung des von ilinen im Eigenhandel eingenom-
menen Geldes, zur Ermöglichung ihrer Geldgeschäfte, Geld-
sendungen nach und von der Heimat u. s. w. erwünschte
Dienste zu leisten.
Es konnte nicht ausbleihen , dass sie in dersel1)en Weise
sich auch in den Handel Deutschlands Eingang verschaft'ten,
und hier sowol als Kaufleute, wie als "Wechsler anzutreffen sind.
Besonders in Suddeutschland musste dies bei den
steten, unmittelbaren, alten Handelsverbindungen zwischen
Italien und den Märkten Süddeutschlands zutreffen. Zahl-
reiche Nachrichten über italische Handlungshäuser und Wechs-
ler, über deren nicht blos vorübergehenden Aufenthalt an die-
sen Orten finjlen sich schon trotz der vielfach noch so
mangelhaften Kenntniss der Archive z. B. für Worms 1234,
1273, für Siegburg bei Bonn 1308, für Bingen 1353, Solo-
thurn 1382, ^) für Nürnberg seit dem 15. Jahrhundert.^) Han-
delsverbindungen zwischen Constanz und Italien, Spanien,
andererseits mit Südfrankreich und Flandern vom Anfang des
15. Jahrhunderts sind nachzuweisen. ^) Aus einem Wechsel
über 1000 Pf. kleine Turnos , ausgestellt in Metz, zahlbar in
Strasburg von 1328 lässt sich die Theilnahme Süddeutschlands
an den Wechselmessen Frankreichs schliessen. ^) Die vielfach
u. a. auch von B i e n e r ^) aus M e n c k e n *^) entnommene Nach-
richt von der Uebersendung von 25,000 mrk. Silbers durch
und Florenz an die Stelle der Lombarden. Die Erpressungen wurden
an ihnen und durch sie fortgesetzt (Sismondi, Gesch. d. italien. Repu-
büken IV. p. 602. V. 257 if. VU. p. 74. — bist, des Fr. VUI. p. 429 If.)
Dante, Inferno XXI. 38. Man ersieht, wie ihre Schicksale wesentlich
mit denen der Juden in Deutschland (V. 4. e.) übereinstimmen.
1) Mone, Zeitschr. z. Gesch. d. ObeiTh. IV. p. 11. 16. YIll. 270.280.
Zeitschr. f. Handclsr. cd. G o 1 d s c h m i d t , \1. i». 545. 2) B r e s 1 a u e r
städt. Arch. lib. excess. et signatur. — Roth, Gesch. d. Nüriib. Handels
I — rv., Falke, Gesch. d. deutsch. Handels I. p. 28.5. 3) cf. Mone,
1. c. rv. p. 3 ff., 29 , 43. 46 ff., ib. XIV. ]). 78. 4) M o n e , Zeitschr. 1. c.
XIV. p. 78. 5) p. 67. Wechselr. Abhh. 6) Scr. rer. Germ. II. p. 1735.
Jobann Rotbcns Thüring. riironik.)
3()8 V. 5. Dio Wechsler, b. Italieiiisclier Ursiirung der Weclisler.
Pabst Iiinocenz IV. niittelst Wechsels aus Venedig nach
Fianlvfurt a. M. 124G verwu-ft Kriegk^) als unecht wegen
der Wecliselzahlung (?) und der Hölie der Summe. Er giebt
dagegen Zeugnisse für Geld - und Handelsverbindungen zwi-
schen Mainz und Heidelberg mit Italien. ^) Im Stadtrecheu-
buch von Frankfurt (p. 53o) wird unter Michaelis 14U3 eine
Sendung nach Mainz erwähnt „als man mit den L um harten
tediugte von des wessils wegen als gein Rome von Weiders
(Heinrich Weider, Frankfurts Gesandter in Rom) wegin gemacht
waz." Im Juli hatte man sclion den Stadtschreiber nacli Mainz
geschickt „zu erfarnvon geltes wegen an dem we sseler,
daz man gein Rome verwessit hatte." Im Rechenbuche von
1405 begegnen Verhandlungen des Richters Dielmann Gast in
Rom; unter den Ausgaben dafür heisst es: „Dilmann mit
zwein pherden zu Heidelberg lagin und eins wesselbrieffs beydte."
Ebeudort werden 2 Wechsel nach Rom und vier nach Cöln
1406 erwähnt. ^) Zweifelhaft über die Ansässigkeit italischer
Wechsler in Frankfurt lässt Kriegks Citat, dass über einen
nach Rom gesandten Wechsel gesagt werde, ein gewisser
Warmuter habe 1396 dafür 4572 A- erhalten, dass er dem
Frankfurter Gesandten m Rom 40 fl. mit einem Wechsel z u
Rom bestellen sollte. (13^/4 Proc. Aufgeld). Aber in
Oppenheim siedeln sich nachweisbar bereits 1360 unter Kaiser
Karl IV. italische Wechsler an; der Kaiser selbst erklärt hier:
„ . . . daz vns furbracht hat Heincze zum jungen Schultheisz ze
Oppenheim, daz es vns vu dem rieh nuczlich sey, daz wir
Kawerczin nemen vn seczen in vnser vn des richs stat ze Oppen-
heim. ^) Im 15. Jahrhundert sind italienische Wechsler in
Nürnberg thätig, in Tübingen zeigen sich deren deutsche
Nacheiferer. •'') Daher heissen wie in Norddeutschland, so auch
hier viele, ja allgemein die Wechsler Lombarden, L a m p a r-
ter, Luramerte, Walen (d. h. Wallonen, nicht Welsche),
cawer- (gower) tschen, caorcini, *^) und hier gerade in
1) Frankf. Zust. im Mittelalter p. 332. 333. 2) Frankf. Zust.
Anrn. 201. 3) ib. Anm. 202. p. 533. 4) Glafey, Anecdota 408.
5) cf, Roth, Gesch. d. Nürnb. Handels IV. p. 286. 6) Die Herleituug
dieses Namens ist noch immer zweifelhaft. Möglich, dass man damit
V. 5. Die Wechsler, b. Italienischer Ursprung der Wechsler. 309
Süddeutsehlaiul findet sich unter den Gesclilechteniamen nach
dem Orte der Abstammung auch derjenige „unter den
Wale n" (inter Latinos). ^) Dasselbe Resultat erweisen, gegen-
über den Urkunden der Parteien, schon der Schwaben Spie-
gel-) in der bekannten Stelle: „no, ob in einer stat ofent-
lichen wuochrer (usurarii publici) sint wer is da schuldig an ?
der herre is daran schuldic , des die stat is vn der richter , ob
er sie nicht riieget, als er sol;" dann das Fr ei bürg er Stadt-
recht (1. c. IL 1. p. 131 (1399)), das Münchener Stadtrecht
(1. c. im 14. Jahrhundert a. 288. p. IIL), der Layenspiegel
(1.5.) und für Mitteldeutschland besonders Purgoldt (Rechts-
buch VIII. c. 30.)
In Norddeutschland bieten den Anhalt für die Ein-
wirkmig italischer Wechsler auf die Ausbreitung der Wechsler
daselbst die weite Verbreitung italischer Kaufleute über das
ganze Gebiet des hanseatischen Handels seit verhältnissmässig
früher Zeit. Schon vor Gründung der grossen italischen Bank-
kommauditen in Flandern verbietet die zweite Skraa von
Nowgorod am Ende des 13. Jahrhunderts jede Handelsgemem-
schaft mit Russen, Walen (Wallonen), Flämmgern und Eng-
ländern zur Hebung des Handels der Hanseaten selbst. ^) In
Schlesien finden sich, wie S. 376 ff. zu zeigen ist, schon am
Anfange des 14. Jahrfiunderts Andeutungen, seit der Mitte
zuerst nur die Wechsler aus Cahors bezeichnete , welche Ludwig IX. von
Franb-eich 12G8 verbannte (Sismondi, histoire des Fr. VIII. p. 112), sein
Nachfolger 1277 ebenso (Giov. Villani, VII. 52), und dass man später
den Namen als Gattungsnamen auf alle Wechsler aus Italien, Frankreicli,
Flandern ausdehnte. Röscher, I.e. §.187. Nur ist hiergegen zu bemerken,
dass Cahors lateinisch Cadurcum oder Divona gewöhnlich genannt wird,
und ein Mann aus Cahors nicht Caorcinus , sondern Cadurcensis heisst.
1) cf. Arnold, Verfass. Gesch. 1. c. II. p. 203. cf. du Gange (ed.
Helschner) glossar. voc. lonibardi. caorcini. — Das Priv. Friedrichs I. 115G
(Pertz, legg. 11. 101) ist unecht. Haltaus, glossar. voc. gowertschen.
Tschudi, chron. I. 417. Wegclinus, Trakt, v. d. kaiserlichen Land-
vogtei in Schwaben I. IIG. Märten s, Urspr. 1. c. p. 21 ff. Hüll mann,
1. c. n. 26ff. 38ff. Verbindung Süddeutschlands mit den Champagner
Messen 1298 cf. Mone, IV. p. 48— .50. 2) Wackernagel, 14.cf.ob.
3) Sartorius-Lappenberg, Hansa p. 131ff. — cf. lüb. Urk. B. I.
n. 430 (1282) Ital. Kaufmann in Lübeck (?)
Ncutnann, Gesch. d. Wucbers. 24
370 V. T). "Die Woclislor. b. Ilalioinsohor I'rspniiig der Wcclislcr.
des 14. Jalirliuiuierts sogar bestimmte Nachweise über die
Existenz italisclier Kaudeute. l.'UG ist den Hanseaten verbo-
ten, Fremde, namentlich Lombarden, nach Kussland zu führen.
In England wohnte im 13. Jahrhundert bereits eine grosse
Zahl italischer Kaufleute, welche zugleich bewirkten, dass die
englischen Könige für ihre Vertreter in Italien Geld durch ita-
lische Wechsel übersandten. ^) In den Niederlanden blülite,
wie bekannt ist, das Geschäft der italischen Kaufleute bereits
vor dem 14. Jahrhundert, also vor dem Auftreten der grossen
italischen Bankkontore. Sie betrieben hier vornehmlicli den
Zwischenhandel zwischen Süd - Europa und dem Hansagebiete
mit südländischen Produkten,^) so 1473 Kaufmann Portner
(Portinari) van florente van der banck van medicis bynneu
brügge residerende ^) — 1474 Johann Doryes von Genua und
seine Gesellschaft in Flandern. Man unterzeichnet 1474 kauf-
männische Urkunden mit: „consul et ceteri mercatores Ge-
nuenscs Briigys commorantes." *) Diese Lombarden stehen im
nordischen Handelsgebiete in besonderem Ansehn und werden
vornehmlich gefürchtet wegen ihrer Geldmacht und Haudels-
kenntniss. 1478 '"') wirken sie in einem Streite mit Hanseaten
Breves der Päbste gegen jene aus. Die Alderleute des deut-
schen Kaufmanns in Brügge ratheu 1480,'') den Streit nicht
vor den Herzog von Burgund zu bringen; denn die Lombarden
setzten bei Dim ihren Willen durch , weil „ enighe lumbarden
den heren grose summen van penuingen vp financien ghedaen
hebben." 1496 rathen dieselben,^) die Hanseaten möchten
ihre Sache dem Erzherzog Philipp von Oesterreich anheim-
geben, der jetzt in Deutschland weile, „dann vff te hyr wer,
want dant de walen vnd borgonnorus (Burgunder) vile zchores
1) cf. Lappenberg, Gesch. Engl., l'ortges. v. Pauli, III. p. 324. 327.
331. 482. zur Zeit Johanns ohne Land 1199. 1206. 1207. , Heinriclis III.
125.5 (Rymer, Foedera p. 316. 365.) Eine Zusammenstellung der Nach-
richten über italische Kaufleute und Wechsler in England, desgleichen
über die Geldbezügc der Päbste von dort durch „ nostri cavq^sores" bei
B i e n c r , wechselr. Abhh. (1859) p. 63 — 68. 2) cf. auch Dan z. Arch.
Urk. 18, 42. (1441) ; 21 , 88 (1473). 3) ib. 19 , 112 ; 20 , 219 (1474) 21,
99. 1. 2. 4) cf. ib. 21, 99. 2. 5) Danz. U. 21 , 107. 6) ib. 21, 110.
7}Danz. Urk. 21, 162 a.
V. 5. Pic Wechsler, b. Ttalieiiisclicr TTrs]M-iing der Wechsler. 371
by em hebben." ^) In Lübeck selbst wird 1 tSo u. A. der Wale
Antonius genannt, der für den Grossfürsten von Moskau Kriegs-
geriltli einkauft und Mannschaften wirbt , ^) in Haml)urg be-
gegnet Gerardo de Boere, ein Italiener, in derselben Zeit, ^)
1473 in Danzig ein italienischer Schiffsbaumeister:'*) „Item
auf der pasca obent starb ein lummert c/ai Danczk, der hatte
do ein grosz schiff gebaut von 51 eleu kiles, vnd auf den pas-
. cantag fürten sie in czuden carteusern, do war er begraben." ^)
Hinsiclits der italischen Wechsler selbst ist Folgendes
zusammenzustellen. Bei der Einsammlung der päbstlichen
Einkünfte aus Polen und Litthauen seit dem 12. Jahrliundert
ward bereits der Weclisel der einheimischen Münzen in Gold
durch Krakauer Kaufleute erwähnt. Die Päbste konnten hier
ebensowenig , wie in England , Frankreich , Flandern eigene
Wechsler allein für die Anweisung der päbstlichen Gelder
unterlialten , zumal hier nicht, wie in England, gesetzlich ver-
boten war , baares Geld ausser Landes zu führen. ^) Allein
auch einheimische Wechsler konnten hier nicht, wie in jenen
Gebieten, zu „nmiri campsorcs" der Curie ernannt werden;
denn die Handelsentwicklung war hier nicht so weit vorge-
schritten, um die eingeborenen Plandelsleute zu Wechslern
befähigt zu machen, noch, um die italisclien Bankhäuser, etwa
von Flandern her, zur Errichtmig von Commanditen zu ermu-
thigen. Fehlte doch neben dem Geldverkehre hier auch fast
ganz der Markt für den in Flandern so einträglichen Zwischen-
handel jener Lombarden mit südländischen Produkten. Dazu
kam , dass die immer nur vereinzelte Ansiedlung solches Lonj-
barden, we sie im 15. Jahrhundert erst in Lübeck , Breslau,
stattfand, demselben nicht den sichern Rechtsschutz eigener
Gerichte der Consuln gewährte, gegenüber der allgemeinen
1) cf. noch Sartör. -Lappenberg, Hansa. I. Handel mit Niederl.
2) 9. A. 2G. Danz. Arch. (1454). 3) 28 , 133 a. ib. 4) cf. Kaspar Woin-
reichs Danziger Chronik cd. Hirsch ujid Vossberg p. 12. 5) U. 84.
n. 1279 (1492) ib. G) cf. Neumann, p. 19. — Uebrigens schon 1283
sendet der Rath Lübecks die bei ihm deponirten (Jelder der Curie durch
einen domizil. Eigenwechsel mit 2 (3) Personen {m\i camhium j)ecuniut)
einem Brügger Kaufmann und durch ihn dem Brügger Lombarden Bonifaz
de Orio. Lüb. Urk. B. I.n. 450. 40^ (1283. 1284) Mitth.v. H. Fr. Stubbe.
24*
312 V. 5. Die Wcclislor. b. Italionischov Ursprung der Wechsler.
Eechtsunsiclierlieit. Als indess vor und bei der Uebersiede-
lung derPäbste nach Avignon am Anfange des 14, Jalirli. sicli
die grosse Zalil der Bankkoninianditen der Frescobaldi , Scali,
Acciajoli, vor Allem der Peruzzini, und, nach, deren Fall 1329,
der Bardi in Flandern errichteten ^), öffnete sich eine bleibende
EinAvirkung dieses Wechsler - Institutes auf den deutschen
Handel. Die Ueberbringer jener päbstlichen Gelder aus den
östlichen Distrikten des deutschen Eechtsgebietes brachten
jetzt die Gelder gewechselt, oft auch ungewechselt , nicht mehr
direkt an den päbstlichen Hof, sondern traten in stete Verbin-
dung mit jenen Connnanditen der Niederlande, welche aus
dem ganzen Norden bereits die Gelder der Christenheit dem
päbstlichen Hofe zufülirten. ^) Da die Transporteure der Gel-
der noch bei der Weiterbeförderung ilirer Summen nach Avi-
gnon durch Wechsel in Brügge zugegen waren , kamen sie hier
allgemein zuerst in unmittelbare Berührung mit diesem Insti-
tute. Wie bald sie trachteten , das Erlernte anzuwenden , zei-
gen jener Thorner Bürger Hesin , „praesens ad camhiendum
seu camhia faciendum et pecunias levandum /^ ^) und seine
oben erwähnten, etwas später auftauchenden Collegen in Breslau
(Abschn. a.). Ja, gerade auf diesem Wege des bisherigen Baar-
tronsportes fanden zuerst die italischen und flandrischen
Wechsler selbst, wie unten zu zeigen ist, ihren Eingang in
das binnenländische Hansagebiet.
Zuvörderst aber beschränkte sich, und fast ein Jahrhun-
dert hindurch, die Einwirkung der italischen Wechsler auf den
nj^rddeutschen Handels- und Wechselverkehr lediglich auf
deren Betheiligung an den auch für Nord- West -Deutschland
so wichtigen Champagner Wechselmessen seit dem Anfange
des 13. Jahrhunderts. Wie in Süddeutschland sich einiger
Anhalt für die Verbindung mit den französischen Wechsel-
messen bot , so geschieht dies hier noch in festerer Form , ins-
besondere zwischen Cöln, Lübeck und den Champagner Messen.
1) Schon 1284 Bonif. de Orio.L üb. U. B. I. n.461. — Della De-
cimall. 127. 137 if. 2) cf. Neumann. p.SSif. Theiner, Vet. Moüum.
1. c. I. n. 183 u. a. 3) 1370. Theiner, 1. c. I. n. 887. ~ Eine Ausnahme
schon 1283. cf, p. 371. N. G. p. 375 ff.
V. 5. Die Wcdi.slcr. It, Italionisclier Ursprung der Wechsler. 373
Vor Allem sind liier zu iieimeii die Quellen z. Geschichte
der Stadt Cöln IL n. 40 (1213), wo der Erzbischof von Cöln
durch einen hi llom ausgestellten eigenen Wechsel verpflichtet
wird, die Schuldsumme auf der nächsten Wechselmesse den
Vertretern der römischen Gläubiger zu entrichten, eine auch
für die Geschichte der Wechselmessen höchst wichtige Urkunde. ^)
4 Cöln er Canonici in Romana curia constituticonstitdimus
nosfidejussorcs et principales dchitorcs nnusquisque in soli-
dum erga P. (4 Namen römischer Kaufleute) ^jro domino
TJi. Colo n i e n s i acpo videlicet de 625 marcliis . . . quas mar-
clias dicti mcrcatores cidem aepo in romana curia mutuo
concesserunt ... quas etiam marcJias idem arcliiepiscopus
et ecclesia sua tenentur reddcre eisdem mercatorihus
vel cor um certo nuncio, qui litteras istas etlittcras
ipsius aepfi secum attiderit in proximis nundinis
sancti agilulß apud Pruvinum quatuor diehus antequam
clamctur h a r e , liare, tali tenore adjuncto, quod si xwe-
dicta pecunia soluta non fuerit predicto loco et termino . . .
ae2)us et ecclesia sua tenentur eisdare nomine 2^ e^^e de sin-
gulis nundinis in nundinas pro singuUs X. marchis unam
marcani et expensas duorum mcrcatorum cum dudhus equis
et duobus servientihus usque ad solutionem totius pecunie . . .
actum Laterani (1213.)
Ebenda ürk.n. 57 (1218) berichtet dann über einen Prozessder
vier Kautleute gegen den kölner Erzbischof wegen 1325 mrk.
und damna, pene, smntus, expense. Der Prozess wird in Rom
geführt , als dem Ausstellungsorte der eigenen Wechsel des Erz-
bischofs. Letzteren verurteilt dann ein Cardinal als Richter
zu 1200 mrk.
1) Für Lübeck cf. d. Mess- Privileg v. 1298, u. d. frühere Verbin-
dung 1293. Sartor.-Lappcnb. 1. c. I. 271 ff. 372. — Lüb. U. B. II. a.
n. 150. 151. (1302) , worin zwei Lübecker Kaufleute, in Troj'cs wolniliaft,
damals noch dem TIauptortc für zwei Messen der Cliami)agne (Fremery,
ctudes p. 14. Märten s, 1. c. p. 16), allen Forderungen gegen Lübeck aus
einem für die Stadt geführten Prozesse wegen Wegegeldes entsagen. Die
Urkunde wird , als von ihnen vollzogen , bestätigt durch Ritter Peter
Fremcnille und Hugo von Chaumont, custodcs nundinarum Campanie
et Brie. Biencr, 1. c. p. 38. Martens, 1. c. j). 14.
374 V. r>. Die Wechsler, b. Italienischer Ursprung der Wechsler.
Davon sind /u zahlen 400 mrk. in primis nunäinis St.Agilidfi
apnd Pruvuium quntnor dichus ante quam damctur hare,
hare, cisdem mcrcatorihus vel uni corum vel ipsoruni certo
nuncio et procuratori; 400 m. in nundinis Barensi-
husproximo tiinc sequcntihus apud Barr um quatuor die-
hns .. (wie oben), 400 mrlc. in nundinis Trecensibus pro-
oämo tiinc sequcntihus apud Treces quarto die. . (me oben).
Die Vertreter des Erzbischofs sollen ferner liinsichts dieser
1200m. ohligacionis faciant caucioncm secundum consuetu-
dines mercatorum.^) (Mitth. v. H. Prof. Stobbe.)
1) So bestätigt sicli die von mir in der hans. Wcchselgescli. p. 137
II. n. 153 ausgesprocliene Yerinuthung. Die Urk. ist aus Engelbert d.
Heil. V. Ficker, Beil. p. 320-entnoninien. — Aus den Quell, z. Gesch. Cölns
cf. noch II. n. 58. 63. 69. 70. 73 weitere Schuldveihältnisse der Cölner
Erzbischöfe bei italienischen Kaufleuten, n. 70 (1221) begegnet wieder
eine Zahlung des ersteren mmdinis Barri apud Barr um, quatuor
diebus (wie ob.) n. 107 ib. bescheinigen Kaufleute von Siena 1228iniA]nil
den Empfang von 312 m. v. Cöln apud harr um . .. (wie ob.), ebenso n.
108. Octob. 1228. 300 m. von Cöln auf der Messe von Provins, bezahlt
durch Johannes notarms civium Coloniensium. — Allgemein für die
noch vielfach dunkle Geschichte der Champagner Wechselmessen sind
diese Urkunden überaus wichtig. Man ersieht , Provins , Bar , Troyes , in
dieser Keihenfolge, sind bereits 1213 Centralp unkte des Wechsel- und
Geldverkehrs zwischen Italien , Frankreich , Westdeutschland. Die Weclis-
1er selbst , oder einzelne derselben für die andern , oder Prokuratoren oder
blosse Faktoren wickeln hier ihre Geldgeschäfte ab, zahlen und empfan-
gen Zahlungen meist von ausdrücklichen Vertretern der Schuldner in
baarem (deutschem) Gelde. Das hare (oder haraj scheint hiemach die
Messe nur in 2 Theile getheilt zu haben , und in dem ersten Theile wird
Zahlung angenommen , doch in bestimmten Fristen nur , so hier genau
4 Tage zuvor. Diese Einthcilung -«dderspricht den archivalischen Nach-
richten bei Martens, Urspning d. Wechselrechts p. 16 (memoires pour
rhistoire de Troyes) Fremery, etudes p. 14., Biener, wechselr. Abhh.
p. 36 ff., besonders den Worten : „un mois apres hare des draps abat-
tent les changeurs et quatre jours apres changes abattus prend on lettres
de foire." Da von jeher die Wechsler den Beschluss der Messe machten,
wird das hare von 1213 wol die Messe beendet haben , und 4 Tage zuvor
kamen die Baarzahlungen gegen die auf die Messe ausgestellten Wechsel
an die Reihe. Diese Naclirichten übertreffen im Alter die bisherigen über
die Messwechsel um ca. 40 Jahre, so den auf die Messe von Pro\dns donii-
zilürten Wechsel aus Kolandinus (1250), den Biener, Abhh. I. p. 91 und
V. 5. Die Wechsler, b. Italioiiisdior (Trsiirmiir der Woclislcr. 875
Seit dem Ende des 13. Jiiliiliuiuk'rts betliiitigtcn sicli duiin
bei dem Wcchslerinstitute in Flandern die hanseatischen Kauf-
leute aus den westlichen, früher entwickelten Theilen des Han-
sagehietes. Sie und die Gesandten der deutschen Hansestädte
nahmen hier Darlehn bei den AVechslern auf, verkauften ihnen
die Anweisungen auf ilire Stadt, um sich dadurch Geld zu
schaffen, und bedienten sich derselben, um Gelder nach ent-
fernten Orten zu senden , vornehmlich nach Italien. ^) Beson-
*ders wendeten die Hansestädte diese Wechsler an , um ihren
Prokuratoren nm päl)stlichen Hofe in Avignon und Rom Sub-
sistenzmittel zukommen zu lassen, ganz wie es oben aus
K r i e g k für Frankfurt a. M. zitirt wurde. Kriegk nennt den
Frankfurter Handel am Anfange des 14. Jahrhunderts noch
zu wenig ausgedehnt, als dass hier eigene Wechsler mit itali-
schen Bankhäusern direkt hätten in Verbindung stehen kön-
nen. Im Hansagebiete darf man ein Gleiches nicht behaupten;
wechselr. Abhh. p. 37. für den ältesten hält, und so lautet bei dem
Wechsel von 125U , obwol es sich doch auch bei ihm von einer Zahlung
nur eines trassirten Domizilwechsels handelt, die Zahlungszeit gerade
entgegengesetzt dem von 1213: „octavo die, postquam in ipsis nun-
dhiis cridatum fuerit harn hara." Andere Messzahlungen' als aus Han-
delsverbindlichkeiten, in Troyes undProvins kennt Martens, 1. c. p. 15. 16.
auch bereits v. J. 1213, 1219. Da die Champagner Messen bereits 1213,
wie obige Urkunden erweisen , als Wechselmessen völlig anerkannt und
ausgebildet waren, ist ihr Anfang gemss ins 12. Jahrli. hinein zu verlegen;
gleichfalls ersichtlich ist die schon damals so wesentliche Mitwirkung ita-
lischerWechsler. Bisher führte man ihre Betheiligung nur bis 1278 zurück
(du Gange, s.h. v., Martens, 1. c.p.51. Fremerjs p. 16.) Noch sichrer,
als bisher , stellt sich heraus , dass diese Messen grosse Wichtigkeit für
die regelmässige Abwicklung der Geldgeschäfte gewannen , ehe sie ihre
Privilegien von 1311, 1326, 1344, 1349 von den französischen Königen
erhielten (Martens, 1. c. p. 14.) — Die Messjurisdiktion existirte wol 1213
noch nicht, da der Erzbischof, als er seine Zahlungen nicht leistet, erst
in Eoni , als dem Ausstellungsorte des Wechsels eingeklagt wird u. s. f.
1) Lüb. U. B. I. n. 450. 461 (1283, 1284) ob. ].. 371. N. 6. — Dann
Urkk. d. Lüb. Ges. Mornewech, Lüb. ürk. R. L n. 556 — 67 (1290) II. b.
p. 962 (1310-12), H.a. 299.391.(1323). Wechselver.kbidung zwischen
liübeck , Rom und Avignon durch italische Wechsler. Danz. Arch. Mi.ssiv.
I. 63 gs (1428) 97. h'. (1424) ib. (1431) IL 19 zwischen Danzig, Pdga u. A.
u. Piom durch flandrische Commanditeu. Neuinann. 1. c. p. 101. 141lf.
37() V. 5. Die Wechsler, b. Italienischer Ursprung der Wechsler.
nluM- hier hatten sicli die italischen Commanditeii mit ihren
gevogolten Verl)indungon nach Italien und ihren immer neu
geordneten Bczieliungen unter einander durch die französischen
Wechselmessen so frühe des Geldtransportes nach entfernten
Orten und der sonstigen Wechselgeschäfte bemächtigt, dass
danach kein lianseatischer Wechsler unter gleich günstigen
Bedingungen diese Geschäfte beginnen konnte. 1307 in dem
Schutzbriefe des Grafen von Flandern für die deutschen Kauf-
leute daselbst wird der Geldwechsel und jedes zinsbare Ge-
schäft (convenüo usuraria) ausdrücklich untersagt, während
Brügge darauf, um die hanseatischen Städte zur Zurücklegung
ihres Stapels nach Brügge zu bewegen , unter anderen Freihei-
ten festsetzt : legen Kaufleute Geld in den Wechsel von Brügge,
oder sollen sie Geld von einem Wechsler empfangen (vp ene-
ghen wisselare), und geschieht ihnen dabei zu nahe, so haftet
die Stadt. Diese Freüieiten bestätigte ihnen dann auch Kobert,
Graf von Flandern, indem er sich zugleich sein landesherr-
liches Kecht bei dem Wechseln vorbehielt. ^)
Aber diese italischen Wechsler fanden schliesslich auch
Eingang m den nördlichen und gar nordöstlichen Theil Deutsch-
lands. Besonders deutlich ist ihr Uebergang in das Hansa-
gebiet für S c h 1 e s i e n zu verfolgen. Wie hier seit dem 13. Jahr-
hundert die Geldbeträge der Kirche gewechselt und baar an
die Curie oder nach Flandern gebracht wurden , ist oben erör-
tert. So Aveit begegnen fremdländische Wechsler oder -Kauf-
leute hier nicht. Aber schon im Verzeichnisse der Abgaben
der einzelnen Gewerke an den Breslauer Kath 1303 trifft man
auch „gallici", z. B. „summa inter gaUicos 5 m. 3 scot." ^)
Man darf nicht Bedenken tragen , das Wort auf französisch -
flandrischen Ursprung zurückzuführen, da in alten üeber-
setzungen dieser u. a. Stellen Gallicus durch Wähle (Wallone)
wiedergegeben wird, z. B. hiess auch die jetzige Klosterstrasse
in Breslau früher Wallonen-, dann Wall - (Wal) Strasse,
1) Martens, 1. c. Sartorius-Lappenberg, 1. c. 2) cf.
cod. dipl. Sil. III. Grünhagon, p. 9. 10. Fläminger sind in Schlesien
wol seit dem 12. Jahrh. cf. Tzschoppe und Stenzel, 1. c. p. 141.
V. 5. Die Wechsler, b. Italienischer Urspning der Wechsler. .377
„platea Gallica x)rope St. Maiiricium." Landbuch Nr. 45. ^)
Jedenfalls waren, wie die im Breslaiiev Pvovinzialarcliive be-
findliche Handschrift „B rieger Lehn und Erbe" beweist,
in der Mitte des 14. Jahrhunderts lombardische Kaufleute in
Schlesien thätig , so hatte der Lombarde Anastasius von Flo-
renz 1348 die Goldbergwerke von Goldberg und Mckolstedt
gepachtet, aus denen er bedeutenden GeAviim zog. 2) 13.36,
1338 sodann klagt der päbstliche Sammler Galhard über die
Kaufleute in Krakaii und deren Spedition der päbstlichen Gel-
der sehr. 3) Sie seien unzuverlässig , leisteten nicht viel und
seien überhäuft mit Aufträgen und Credit. Die Geistlichen
weigerten sich, den Geldtransport zu übernehmen. So ver-
suchte denn bereits der Sammler Andreas de Verulis, mit Pau-
linus Caballi de Senna, der sich in Krakau aufhielt, die itali-
schen Bankhäuser in Brügge zu bewegen, dass sie ein Contor
nach Breslau oder Krakau verlegten, und gegen Zahlung der
nöthigen Caution sich die päbstliche Vollmacht für den direk-
ten Geldverkehr zwischen Polen und Südfrankreich oder Italien
erwürben. Bald trat hinzu, dass die Ueberbringer der Geld-
summen in Brügge Niemanden antrafen, dem sie gegen Vorzei-
gung seiner Vollmacht das Geld aushändigen konnten; die
Wechselgesellschaft derBardi, seit 1330 vom Pabste bevoll-
mächtigt,'^) begann unsicher zu werden; 1339 folgte sie dem
Beispiele der 1329 bankrutt gewordenen Peruzzi. ^) Da die
Boten deshalb mit den Geldsummen wieder die gefahrvolle
Keise nach Schlesien und Polen zurück machten, klagt Galhard
1336 diese Missstände dem Pabste Benedict Xu. und schlägt
1) cf. T z s c h 0 p p e und S t e n z e 1 , p. 141 flf. Flamländer (Gallici) in
Schlesien; auch Simon Gallicus im 13. Jahrh. heisst der Wähle, Wallone.
H ü 1 1 m a n n , Städtewesen I. p. 236. Cod. d i ]) 1. S i 1. I V. (M e i t z e n)
p. 97. — Dasselbe in Oestreich , Älähren , Böhmen , Preussen u. s. w.
2) (v. H. Eös sler). — In gleicher Weise finden sich zu dieser Zeit eine
Zahl italischer Kaufleute bereits in Mitteldeutschland, welche theils
kaufmännische Geschäfte vom Süden her treiben , theils die Gefälle der
Fürsten pachten u. dergl. z. B. in Hessen. 3) Theiner, Vet. mon.
I. n. 545. 4) Theiner, 1. c. I. n. 183. 5) Della Decima I.e. Neu-
mann, 1. c. p. 24. 29 flf.
378 V. 5. Die Wechsler, b. Italienischer Ursprung der Wechsler.
ilini , als PI- den direkten Geldtransport nach Avignon verlangt,
vor, der Pabst solle mit den italischen Häusern in Flandern
übereinkommen, dass diese in Schlesien oder Polen, Breslau
oder Krakau einen Faktor anstellten , welcher die Uebersen-
dung der Gelder direkt an die Curie leitete. Das wäre das
Sicherste, zuverlässig und gefahrlos, die Uebersendung würde
*dann nur 10 Monate oder ein Jahr währen und die Curie regel-
mässig ihre Gelder empfangen (1338.) ^) Damals zwar ging
der Pabst hierauf nicht ein , soiulern ertheilte nur die übliche
Vollmacht an die Agayali in Flandern, Clemens VI. dann
1344 an Jacob de Malabayla, einen Kaufmann aus Asti, der
seinen Hauptsitz in der päbstlichen Residenz hatte. Aber
die Vorschläge des einsichtsvollen Sammlers Galhard blieben
nicht ft-uchtlos. Als unter Innocenz VI. seit 1352 die Gesell-
schaft der Alberti de Florencia ganz besonders sich in Vene-
dig , Brüssel und Brügge , hier vornehmlich unter dem Faktor
Lamberti Lambertuschi aufschwang, und der Prokurator Tho-
mas Morus sich erbot, die Gelder der Curie jedesmal 2 Monate
nach Empfang in Avignon zu zahlen, bevollmächtigte der
Pabst diese Gesellschaft besonders zur Empfangnahme der
kirchlichen Gelder aus Skandinavien, Preussen und Polen.
Und diese Alberti de Florencia fanden nun , wie die Urkunden
des Breslauer städtischen Archives ergeben , jenen Vorschlag
Galhards so annehmbar, dass seit dem Ende des 14. Jahrhun-
derts ein Wechsler de Florencia sich in Breslau niederliess.
Zuvor scheinen hier nur deutsche (V. 5. a.) Neben - Wechsler oder
der Rath oder einfache Kaufleute den Wechselverkehr mit Flan-
dern und besonders mit Italien aufrecht erhalten zu haben. ^) In
1) Theiner, I. n. 545. 2) Zweifelhaft bleibt die Sache auch nach
der vom Herrn Professor Stobbe aufgefundenen Urkunde des Bresl.
Archivs lib. excessuum et signaturar. (1386. fol. 25 a.) : „ an des heilgin
Crucz abunde Invencionis sint vor uns kernen hannes donunc und Jiazar
der Jude und haben becant , das sj alle sachen zwisschen Czeuke donunge
und Joseph Juden von der Swidnicz und nenilich von der sebüihundert
und dry und czwenczig Tucatyn dy Czenco Joseph schuldig ist, und
itzunt czu venedigin legin gutlich und vruntlich vorricht haben,
das In an beyden teylen wol genugit, also das Czenco donung schicken
V. 5. Die Wechsler, b. Italienischer Ursprung der Wechsler. 870
Cöln dagegen ist in dieser Zeit der Geldverkehr der Lombarden
so verbreitet dassnian die Zinsen allgemein oder eine bestimmte
Zinshöhe bei Darlclm „nsnrac Lomharäonim" nennt. ^)
Die Existenz der italischen Wechsler in Lübeck datirt
Arenz bereits von 1282.^) Nach archivalischen Belägen eta-
und bestellen sal (.las J(>sciili d}' VIIc und XXIIl Tucatyn uff saute
Jocobs tag nestkoniende czu Venedegin ane hindcrniss wer-
den b e c z a 1 e t , ab her des nicht tete , so sal her Josephe drjsig Schock
gr. geben czu wandelgelde. Gebreche abir dy betzalunge an Josephe also
das her dy VII c und XXIII Tucaten von Czenken uff den tag nicht uff-
neme : so sal im Czenko in den XXX schocken Wandilgcldis nicht seyn
vorfallin. Beczalt im abir Czenco dy A^II c imd XXIII Tue. alz abensc.
stet , so sal im Joseph syne quytbrivo geben . also das Czenco und sj'ne
norhkonien von Joseph und synen nochkomen von weyne der VII c und
XXIII Tue. vorbasme ewiglich ane anspräche seyn sulle und Joseff sal
euch Czenken sjT.en briff wedir geben den her hat obir dy vorges. Tuca-
tüi." 1408 fl. 29 heisst es ib. : ,, am Sonnabinde vor visitacionis Marie
ist vor ims komen Sigmund Glezic und hat becant , das im lorencz Czir-
kewicz geantwort habe II c und XLIX ducaten , das er im alle seine
schulde die der egen. Sigmund von seinen und auch lorencz Czirkewicz
wegen zu Venedien gemacht hat, usrichten und beczalen sal,
als auch der egenante Sigmund vor uns offinlich gelobt hat zu vollenden
als verre im die gülden got bys henyn mit guoden beheldet, und wil auch
das beste dorbey tuen , als mit sejTiie eigen gute." Hier scheint der,
freilich nicht allgemein auszudehnende Fall vorzuliegen, dass Sigmund
selbst als Faktor oder blosser Bote (wie von Preussen und Polen nach
Flandern im 13. und 14. Jahrh.) die Gelder von Breslau nach Venedig
hinüberführt ; darauf deutet auch der Schlusssatz. Dass solch ein eigener
Geldtransport vorkam, beweist nicht gegen italienische oder deutsche
Wechsler in Breslau, weil eben der Fall bei den einzelnen Handelshäusern
durch ihre speziellen Lieger sich in dieser W^eise gestalten musste. Die
Existenz eines deutschen Wechslers in Breslau mit ausgedehnten Ge-
schäftsverbindungen 1488 u. A. nach Flandern ward oben zweifellos erwie-
sen , wenn der Wechsler auch nur auf den Geschäftsreisen regelmässig
Breslau besuchte.
1) cf. Lacomblet, U. B. UI. n. 293 (1335). Der Schuldner bekennt,
von seiner Schwester Aleyde 4 libr. gross, dargeliehen zu haben, „quan
nohis ad usuras lumbardorum ((cqidsirit et {ircdantcr mntuavit. ."
(v. H. Pr. S tobbe.) Die Worte können nicht, wie Lacondjlet im Rege-
stum bezeichnet , ausdrücken , die Darleiherin habe das Kapital selbst von
den Lombarden entnommen. 2) Urspr. d. Wechs. p. 14. — Aber 1282 bis
1284 finden sich gerade keine dort. cf. lüb. U. B. L p. 390. 410. 419.
380 V, 5. Dio Wodit^ler. b. Italienisclicr Ursprung der Wechsler.
blirte seiiie Bank daselbst längere Zeit hindurch, docli erst
seit dem Anfange des 15. Jahvhumlevts „Gherardo der Wale"
dessen oft in den Urkunden wiederholte Bezeichnung als Wal-
lone fest schliessen lässt, dass vor ihm in jener Stadt kein
fremdländischer Wechsler sich aufliielt. Noch mehr hcAveist
dies, und dass Lombardische Bankiers aus Italien oder Flan-
dern in weiter östlich gelegenen Hansastädten seltener sich
ansiedelten, der Umstand, dass bald nach Begründung der
Gherardoschen Wechselbank letztere Hansastädte sich dersel-
ben zur Ueberniittlung ihrer Gelder nach entfernten, besonders
italischen Orten bedienten. Von Danzig ist dies speziell nach-
zuweisen. Bisher sandten Lübeck, Danzig, Riga u. a. Bundes-
plätze Geldsummen z.B. für ihre Vertreter am päbstlicheu Hofe
über Flandern, indem sie durch Bevollmächtigte von dem dor-
tigen italischen Wechsler gegen Baarzahlung oder gegen die
Gestattung, einen Wechsel auf sie zu ziehen, den zu übersen-
denden Betrag an das Bankhaus des Wechslers beim päbst-
lichen Hofe mittelst Wechsel überschicken Hessen. ^) 1432
trat durch Schuld des Bankhauses in Rom eine Verzögerung
in der Auszahlung von 200 Dukaten an den Danziger Proku-
rator um nicht weniger als etwa zehn Monate nach Ausstellung
des Wechsels ein. ^) Seitdem vermittelte der genannte Lom-
barde Gherardo in Lübeck diese Geldsendungen. ^) Der Wech-
selbetrieb durch ihn wurde besonders lebhaft, als der Danziger
Prokurator zum Concil von Basel übersiedelte und nunmehr
seme Geldbeträge von der wegen des Concils in Basel errich-
teten Wechslergesellschaft Gherardos neben einer banco Bon-
sinior, der Commandite eines Brüggeschen Wechslerhauses,
bezog. Die Urkunden hierüber, bisher nicht gedruckt, lauten:
Andreas PfafFendorf , Vertreter Danzigs m Basel wegen des
Prozesses gegen den Bischof von Leslau , schreibt an Dan-
zig 1434: „... Ir wizzet wol, das mcister Johannes van
Reue vnd ich vor hern Johans kreil in jwr sache vnd name
1) Schon 1283. cf.oh.p.371.N. 6. — cf. die Beläge aus lübischeii und
Eigacr Urkunden in Neumann , I.e. p. 142 ff. u. n. 162. Näheres über die
derartigen Geldsendungen von Danzig über Flandern nach Rom seit 1425
cf. ib. p. 143 ff. 2) p. 145. u. 1(39. ib. 3) ib. p. 146. 147. u. 170 — 73.
V. 5. Die Wechsler, b. Italieuisclier Ursprung der Wechsler. 381
vor PXn reinische gülden czu Brücke yn fflandern vif eyu
nemliche czeit C7ai bczalon siont borgen worden, alleyne
wir wol jwr Ersanikeit briue entpfangen haben in den ir
schreibet, daz sie vnvorczogen vff die eegedachte zeit vnd
yn der egenante stad dnrch ewir schikgung vnd bestaltnisse
sulden beczalt werden vnvorczogen Ich gloube gentezlich
ane zweiuel das durch euch alle mögliche fleis saldo sein
gescheen. .. Idoch is der wec heier (Wechsler) i) van sey-
ner geselschafft van Brück noch mit briuen noch yn
ander weize der beczalunge gesichert vnd gewisset..." ^)
Der Danziger Rath schreibt am 13, Mai 1435 an den Proku-
rator in Basel :
„Wir haben uffs newe Gerhardo dem Walen 100 gülden
beczalet (nach Lübeck) , 'die Ir moget uff nemen , wenn i r
wellet von em furbas, habet ir sie iczund nicht enfangen,
geschreben , das her euch by seyner ges.elleschaft
sal bestellen gl Guben czu haben off 100 adir 200 gül-
den adir me wie feie er denne von vnsern wegen werdet
bedorffen." ^)
und am 15. Juni 1435 derselbe an denselben:
„wir haben ouch korczlich Gerhardo czu Lübeck die werde
van 100 gülden mit dem Wechsel (durch Wechsel von Dan-
zig) obirgesandt vnd beczalet , haben im doby gescrev. , das
her euch bey seyner geselleschaft czu basel uff"
200 adir 300 gülden glouben machen sal, wente wirs
im czu ganczen willen , was ouch seyne geselleschaft
do wirt usrichten, wellen beczalen. . ." ^)
Es liegt die Annahme nicht zu fern , dass die italischen oder
gar heimischen Wechsler in Süddeutschland , vielleicht gerade
wegen dessen steter Verbindung mitdenBankliäusern in Frank-
reich (p. 368. 369), besonders in Avignon, nicht besonders blühen-
den Geschäften vorstanden, oder in zu geringer Zahl daselbst
1) In banco Boiisinior. Banz. Missiv. II. 8ü. n." 1433. 2) Daiiz.
Arch. 39. 40. 3) Danz. Missiv. 91. g.' 4) Danz. Missiv. 97. s.'
cf. allgemein Hirsch, Danz. Handelsgesch. p. 23H., Neumann, Wecli-
selgeschichte p. 147. 148.
382 Y. 5. Dio Woolislor. b. Italienischer Ursprung' der Wechsler.
etablirt waren. 'Andernfalls wiire nielit zu erklären , wie von
Flandern und Lübeck her Wechsler während des Concils ihre
Conimanditen in Basel hätten eröffnen sollen. — Diese An-
nahme gewinnt dadurch um so mehr Glauben, dass gemäss
den Wechselnachrichten Kuppeners in seinem Consilium von
1494 und seiner Schrift vom Wucher 1508 (cf hinten Beil. E.
n. 2.) gerade ein Lübecker Wechsler seine Zweigkontore
in Mitteldeutschland und Süddeutschland, besonders in Leip-
zig, Nürnberg, Frankfurt a. M. hielt, welche die Wech-
selverbindung dieser Gebiete mit Italien , speziell mit Vene-
dig, Padua und Rom besorgten. Eben zur Befriedigung
ihrer sonstigen Auftraggeber im Hansagebiete musste es andrer-
seits ilmen nöthig werden, selbst eine Commandite während
des Concils in Basel zu errichten, um den gesicherten Geschäfts-
gang in Händen zu behalten und nicht durch fremde süd-
deutsche Wechsler sich und den Kunden Störung und Schaden
zu bereiten. Dass schliesslich italische Wechsler sich selbst
in kiemer en und weiter vom Stammlande abgelegenen Hanse-
städten niederliessen , z. B. in Heilsberg , lässt sich vielleicht
aus nachfolgender Danziger ungedruckteu Urkunde von 1449
entnehmen, wenn man erwägt, dass der darin erwähnte bischöf-
liche Offizial sich in oder nahe bei Heilsberg aufhalten m u s s t e. ^)
(Danz. Archiv Missiv. V. 89. v.^) Danzig schreibt an eine
Stadt (?) 1449 :
ein Danziger Bürger hat einem hans gryff LX vngar. gülden
getan czu getruwer hant zcu brengende nicolae wentheym
eynem student zcu bononie der vff disse czeyt des herrn
Bisschoffs czu heilsberg officialis ist die her (gryff) nach
bey em hat vnd nicht van sich geantwurt hat so her vns
vndrichtet hat douon dersell)ige nicolae wentheym zcu gro-
sen schaden gekomen ist so das her vff die czeyt ander gelt
van den 1 u m b a r d e n nemen muste. ."
Und „die Christen sahen, welchen Vortheil
die Juden und Lombarden aus ihrem Geldhandel
zogen, und verfielen auf das Wechselgeschäft." 2)
1) Richter, Kirchenrecht (5. Aufl.) p. 279. 2) Roth, Geschichte
d. Niinib. Handels. IV. p. 28G. Biener, p. 294.
V. '). Die Weolislor. b. Italionisrhev Urspninir der Wechsler. 383
Umgekehrt fehlt nicht der Belag dafür, dass auch von Italien
her Wechsel in Deutschland Eingang fanden, und zwar nicht
bloss durcli Vermittlung der olTentliclien Wechsler, sondern
auch unmittelbar und direkt. Meistens mochten die Priester
deutscher Herkunft zu Rom solchen Verkehr veranlassen. ')
Man ersieht übrigens , wie mit Recht bei den Wechslern
ein deutscher und italischer Ursprung unterschieden ward. In
diesem Gebiete, wie in einer grossen Zahl anderer aus der
Handelsgeschichte und dem Handelsrechte des deutschen Mit-
telalters oft'enbart sicli die lange Zeit fast feindliche Haltung
der nord- und süddeutschen Handelsplätze gegen einander,
so dass man. wie auch sonst bekannt, im Norden den Süd-
deutschen , im Süden den Hanseaten als Fremden ansah und
möglichst im Handel beschränkte oder um davon ganz aus-
schloss. Höchstens den Rhein entlang lässt sich eine innigere
Berührung der zwei stammverwandten Handelsgebiete aus
jener Zeit verfolgen, später dann im 16. Jahrhundert begegnen
sich öfter beide Rivalen auf den mitteldeutschen Märkten,
z. B. in Breslau, wohin besonders Nürnberger Kaufleute, auch
direkt italische, z.B. Venetianer, südländische Produkte an die
Hanseaten absetzen. ^) Im Uebrigen erstreckt sich der Verkehr
beider Gebiete mit einander auf die Beförderunc^ der nordischen
1) cf. die oben lünsidits des Wechselverkehres zwischen den Cham-
pagner Messen , Italien und Deutschland zitii-te, höchst wichtige Urkunde :
Quellen z. Gesch. d. Stadt Cöln II. n. 40. (1213) n. 57 (1218) n. 58.
63. 69. n. 70 (1221), n. 73 n. 107 (1228.) Desgl. Danz. Arch. Missiv. IV.
289^' b 22 1448. Danzig schreibt an Hamburg: „zwei Danzigcr Bürger,
hans paszkc vnd caspar nyeman , liaben vor dem Danziger ßathe bewie-
sen: wo dateu ir s woger her Johan Store eyn prister im houc to Rom c
wescnde helft in sj-nen brcue vorkundigeth vnd gescreven, dat ne cn
etlick gelt alse itczliken LXXX m. lubesch to sjTier haluen sustern behoff
also hillcn vnd katherinen desuluen hans ^^ld casper tor ee genommen
liebben , gegcvcn heft welk gelt lier Johann kust op^ prister mit juw won-
haftlioh by em liebben sal utrichten vnd overantwerden na der vber. her.
Joliann Sturen also se vns vorbraht hebben vorschrlbunge." 2) cf. Neu-
mann, 1. c. p. 150. u. n. 179. auch das. Beilage C. Viele Beispiele dazu
liefert schon aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts das Brcslancr Stadt-
archiv. — Einiges i.st oben erwähnt.
384 V. 5. Die Wechsler, c. Die Juden -Wechsler.
Briefe in den Hauptstrassen über Nürnberg oder am Rheine
nach Italien. ^) Eben hiervon rülirt es auch , dass der italische
Wechsel und die italischen Wechsler in Süddeutschland viel
früher und dauernder Einliuss auf die gleiche Gestaltung die-
ser Institute gewinnen als in Norddeutschland , wo sich beson-
ders der Wechsel zunächst fast ganz unabhängig von Italien
gestaltete und entwickelte. Erst im IG. Jahrhundert, als der
Verkehr mit Süddeutschlaud immer reger wird, und als die
Hanseaten in Umgestaltung ihres ganzen Bundes - und Han-
delswesens direkte Handelsverbindung mit Italien und den
andern Ländern am Mittehneere knüpfen und unterhalten,
wächst dann auch hier die Einwirkung der alten italischen
Institute des Handelsrechtes und bildet so eine möglichst
gleichmässige Gestaltung jener Gebiete des Handelsrechtes
heran. ^)
c. Die Juden-Wechsler.
Ausser diesem zwiefachen Ursprünge der Wechsler in
Deutschland müssen endlich noch diejenigen nicht seltenen
Fälle erwähnt werden, in welchen sich die Geschäfte der
Wechsler auf Jude n übertragen finden. Die verschiedenen
Machthaber ertheilten ihnen das Recht des Wechseins als Pri-
vileg. ^) Sie entrichteten dafür, gleich obigen Wechslern , einen
Zins an die Stadt oder den Inhaber , den Verwalter des Münz-
regals. Das hatte seinen Grund in der vorn geschilderten
besonderen Stellung der Juden ; als hauptsächliche Kleinhan-
delsleute bot sich ihnen in jedem Augenblicke Gelegenheit,
besonders mit dem Stande der Gewerb - und Handeltreibenden,
so wie mit den unteren Schichten des Volkes zu verkehren;
durch den steten Handel, theilweise Hausirhandel in den Ge-
bieten mehrerer Gewalthaber blieben sie in fortdauernder Ver-
bindung mit den verschiedenen Geldsorten und deren Cursen.
So erklärt sichs auch und fallt hiermit zusammen, dass die
Juden als stete Geldinhaber , wie sogleich näher zu berühren
l)NeuiTiann,l. c. ]). 84ff. 2) ib. p. 148 ff. 177 ff". 3) Bisweilen
innerhalb eines bestimmten Districtes , so zu Speier innerhalb der Juden-
stadt u. ausserhalb bis zum Hafen. Arnold, Verfass. Gesch., 1. c.I. p. 74.
V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler. 385
(V. 5. d.), auf Pfander grosse und kleine Darlehen in reicher
Zahl ausgeben , dass sie gerade (cf. Y. 4. b.) bei der Behand-
lung des Pfandrechts in den deutsclien Rechtsquellen so beson-
ders berücksichtigt werden , spezielle Privilegien erhalten , dass
sie beim ,. Schadennehmen " fast durchweg wie selbstverständ-
lich als diejenigen Leute dargestellt werden , welche zu gewis-
sen Bedingungen stets offene Kasse haben und darleihen. ^)
d. Die Stellung und Geschäfte der Wechsler. — Insbeson-
dere der Handwecbsel: Das Darlehn. — Wechsel- und
Darlehnsbänke. — Pfandhäuser. — Städtische Bänke.
Von den Geschäften der italischen Wechselhäuser und
ihrer Commanditen in West -Europa vollziehen, entsprechend
den hiesigen Verhältnissen , die Wechsler in Deutschland vor-
nehmlich nur drei, den Handwechsel, das Darlehn, und den
Wechselbetrieb. Hiervon betreiben indess die deutschen und
Judenwechsler allgemein nur Handwechsel und Darlehn , den
Wechselbetrieb dagegen entweder gar nicht, oder doch nur
innerhalb klemerer Entfernungen , insbesondere selten über die
Grenzen Deutschlands hinaus nach Flandern oder Italien. So
fällt der Wecliselbetrieb innerhalb Deutschlands wesentlich
den deutschen Kaufleuten selbst anheim, über Deutschland
hinaus aber , insbesondere nach Frankreich und Italien , pflegen
ihn die italischen Wechsler in Deutschland. Scharf lässt sich
der Geschäftskreis zwischen den einzelnen Arten der Wechsler
natürlich nicht abgrenzen. Mannigfach je nach den Zeit- und
Ortsverhältuissen greifen die einen in die Thätigkeit der andern
hinüber und regen gerade durch ihren ausgedehnten Geschäfts-
betrieb nach einer Seite auch die Vertreter der anderen Ge-
schäfte an, hierin sich zu versuchen. Der Wechselbetrieb wird
sogleich unten mi Abschnitt e. zur Sprache kommen. Hier
bleiben besonders Handwechsel und Darlehn zu mitersuchen.
1) Der Art ist die Stellung des Juden Jacob in Breslau (lo29) cod.
dipl. Siles. III. p. 55. ,,an1iqni domim (coss. antiq. XrsAhl.) j^resenta-
verunt nobis 400 m. receptas ajruü Jacohnm jndeum." ib. n. 2. 1341
verpflichten die Löwenberger Consuln sich , ilini jährlich 25 mrk. Zins zu
zahlen. Sutorius, Gesch. v. Löwenb. p. 57. Vielleicht ist es der inicod.
dipl. Moraviae Vn. 433. bezeichnete Fleischer, cf. Kriegk, 1. c. p.437flF.
Neuuiaun, Gesch. d. Wuchers. 25
38G V. 5. Die Wcelislor. d. Goscliiifto der Woclusler.
Die Wechsler in Deutsclihiiul , speziell die deutschen und
Judenwechslor oio'neten sich vermöge ihrer Koniituiss der Münz-
sorten und deren Curse , vermöge ilirer nahen Verbindung mit
den Prägeanstalten, ihrer wiederholten Rundreisen in den
liauptsächliehen Marktplätzen der Nachbargehiete besonders
für den Betrieb des H a n d w e c h s e 1 s. Wie einträglich dieser
war, ist oben berührt. Das Wechselgeld, der Gewmn aus dem
Handwechsel, fiel als Ersatz der Arbeit der Wechsler und der
zu VoUfülirung des Handwechscls nöthigen Vor -Auslagen
nicht unter den Begriff des Wuchers (cf. V. a.) ^)
Eure grosse Zahl der Wechsler liess sich ohne Zweifel
neben ihren kaufmännischen Privatgeschäften an dem Gewinne
dieses Handweclisels genügen, so die Krakauer, welclie das
Geld der Curie für den Baartransport umwechselten (V. 5 a.)
Andere knüpften daran, was nahe genug lag, die stete Bereithal-
tung von Darlehen meist in kleiner Summe nur und auf kurze
Zeit , angemessen den Geldsuchenden. Ein grosser Theil der
obigen Citate für die Darlehen der Juden gehört hierher, selbst
geistliche und weltliche Fürsten stillen ihren ewig regen Geld-
1) Hierher gehih't der ausführliche und bezeichnende Passus aus dem
N ü r n b. Recht nach 1335 (cf. S i e b e n k e e s, Bejtr. z. teutsch. Rechte, h. 1.)
Daz nieniant dheinen Wechsel hie treiben sol.
,, . . . weder heimlichen noch offenlichen , weder an guidein noch an pfen-
nig an heilern noch an dheinerley muntz, wie die genannt ist durch
gewins willen, doran man meint zu gewinnen. Ez war dann, ob einer
guidein bedorfft zu seiner notdurfft oder pfennig oder haller umb guidein
die raocht er wol kauffen , also daz er mit dem selben gelt dheinen wider
Wechsel nicht treiben sol ongeverde. Wer daz uberfur , der solt verloren
han den 10. pfennig, als viel er des wechseis getriben hat ausgenom-
men der Wechsler, die die burger dar gesetzt haben." (V.5.a.)
Der Wechsler eyd.
Es suUen der Wechsler ir wirtin oder wer von iren wegen bey in in dem
Wechsel sitzt sweren zu den heiligen daz sie dez wechseis getrewlichen
pflegen und in nicht anders halten noch handeln , als in die Burger vom
Rath empfohlen haben, on allez geverde. Auch sullen sie dhein ersaigtes
geld kaufen noch dhein silber , daz sie wissen oder daz sie sich versehen
daz aus ersaigten geld gcprant sei und sullen auch die bot darzu halten
die uff" die muntz gesetzt ist und auch mit dheinen versuchet dhein
gemaine nicht haben. . ." cf. auch K r i e g k , I. c. p. 333 ff. 338. (Wiegegeld.)
V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wedisler. 387
bedarf aus dieser Quelle. ^) Hierlier weisen besonders die oben
angeführten Beläge für die Darlehen der Juden in den nörd-
lichen und östlichen Distrikten des deutschen Keelitsgebietes,
Mit der ausdrücklichen Billigung der Judenniederlassun-
gen und des JudeuANiichers in den einzelnen Städten durch die
kleineren ^Maelithaber , die Kaiser und selbst durcli die Päbste
(so in Prag cf. V. 4. a. b.) war zuerst, und zwar mittelbar
auch das Institut der Wechsler und ihrer zinsbaren Darlehen
anerkannt von dem Eeiche und der Kirche. Das drücken die
bereits oben angeführten Stellen des Schwabenspiegels
und des kulmischen Rechtes von den openbaren Avuoche-
rern aus , indem hier noch die weltliche Billigung der Wechs-
ler als gegen das kkchliche Zinsverbot streitend angesehen
wird. Geradezu aber erwähnt es Purgoldt VIII. c. 30:
„Es sint auch etzliclie cristenlute offenbar Wucherer,
dye heyssen kawerzaner, und haben schütz und sth wr
von den fursten, underden si gesessen sint, umb ir gelt.
Disse kawerzaner nemen te glichen gesuch uff pfände,
b 0 r g e n ader b r i f f e , als d y e j u d e n , und d arun ib sint
sye uffenbar sunder und sint beroubt der heilgfen sacrament ;
sy haben dan raw (Reue) darumb und yr busse mus offenbar
sey; und darumb so shit s.ye auch rechtlos und erlös vor
geistlichem und werntlichem gerichte. Sy seint der fursten
kamerknechte gleich also dy Juden, d)'weil sy das
Wucher antriben , an das sy mit den lybenn nicht eygen sint.
Ir gut ist böse gut , wan es mri suntlich gewonnen und sint
es for gote schuldig wider zcu geben." ^)
1) cf. Tzschoppe u. Stenzel, Urk. Buch 1. c. Hüllniauii, 1. c. II.
p. 78. Guden, hist. Erfurt, p. 70. 71. Tschudi. chron. I. p. 417 (1331.)
Glafey, anecd. p. 107. Köhler, Urk. d. Oberlausitz n. 194. p. 272 (1345.)
Lehmann, Speir. Rechtsgewohnhh. p. 496. Raumer, Hohenstaufen V.
1.0. Lang, Jahrbb. 337(1259). Salmasius, d. usur. XX. p.G07. Kriegk,
p. 335. 437. A. 2(>1. u. A. 2) ib. VIll. c. 52. „ist das der wucluer nicht
eyn cawerczaner ist eyns herren, ader eyn Jude, dem es vom
reich ader von eym fursten erleubt ist." — cf. auch Züricher Rath.s-
erkenntni.ss von 1324. Bluntschli, Zur. R. G. I. p. 293. ~ cf. p. 393 ff.
bei Schadennehnien. So sagt auch ('hr. Kuppener (übereinstimmend
mit Capistrano und den Summisten), v. Wucher (150H) B. 5: ,. gefeit ein
95*
388 V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler.
Eiiie lunimg bildeten diese Wechsler nicht , wie schon oben im
Abschnitt a. von Hamburg erwähnt wurde , wenigstens zeigen
bis jetzt die Quellen Nichts davon. Statt der Innungen, welche
die einzelnen Wechsler aufgenommen hätten , gaben die Kaiser
oder kleineren Machthaber und Behörden ihre Concessionen. ^)
Die italischen Wechsler insbesondere konnten in Deutschland
schon deshalb nicht, wie in Italien, eme Innung unter der Juris-
diktion ihrer Consuln , noch eine Landsmannschaft (natio) mit
italischen Kaufleuten , wie jene Wechsler in der Fremde 2),
bilden, weil beide nur vereinzelt in den deutschen Städten
auftraten; eben deshalb kam m Deutschland die Obrigkeit
nicht in die Lage , Privilegien hierzu zu ertheilen. Die recht-
frag czu rechte, welcher im rechte erkant wirt für einen offenbaren
Wucherer. Sage als der hochgelerte her d. hosti (Hostiensis: Nicolaus
Tudeschis) sagt in seiner summe ti. de vsu. §. que pena ver. Sed quod
intelliges. Do spricht er das man erkennen magk einen olfenharlichen
Wucherer doraus, nach dem er öffentlichen helt einen wucherischen
tisch, banck aderlade, do erstets ide rmen nigk gelt ausz-
leihet auff wucher, als dy Juden thun in welschen landen
auch invil landen leider die c r i s t e n. Aber sage , das der ein offen-
barlicher Wucherer ist , so vü menschen wider yn rechtlichen beczeugen,
das sie ym vber die entlihen hauptsum wucher vnn obergelt haben geben
müssen. . ." — Wenn übrigens für diese Verhältnisse vornehmlich Quellen
aus dem 16. und 17. Jalirhuudei't hier angeführt werden , so geschieht es
nur, weU dieselben sich mit den Wechslern ausführlich beschäftigen und
das zusammenfassen, was in den Quellen früherer Zeit sich vereinzelt
findet. Diese Quellen früherer Jahrhunderte finden hier deshalb neben
den späteren unverkürzt ihre Stelle.
1) So wurde selbst in Toulouse 1342 und in Spanien 1436 das
Wechselgeschäft als frei erklärt, Märten s , 1. c. p.46., Anhang ib. p. 110.
die Concessionen finden sich auch hier. Kriegk (1370. 1403) p. 334. 337 ff.
A. 205 — 7. Beilage E. a. 2) So die Genueser, Amalfitaner, Ye-
netianer, Pisaner, Marseiller in der Levante und Südeui'opa. Ca-
nale Storia civile e commerciale dei Genovesi. I. 334. 342. 441. 455. IE.
492 ff., 513, 519 ff., 552, 574, 624. Pardessus, Collection des lois ma-
ritimes I. 144. Muratori, antiquitates II. p. 906 — 918. Martens,
p. 53 ff., 60. Depping, histoire du commerce du Levant. II. p. 25. Die
Florentiner hatten seit 142G in Brügge einen eigenen Consul. Mar-
tens, Urspr. p. 62 u.v. A. bei Biener, wechselrechtl. Alihandll. p. 16. 17,
— cf. auch lex Visigothorum XI. ti. 3. transmarini negotiatores. —
Dass die italischen Wechsler übrigens selbst dort , wo sie in grosser Zahl
V. 5. Die Wechsler, cl. Geschäfte der Wechsler. 389
liehe , kirchliche und gesellschaftliche Stellung der Wechsler
war hier allgemein ganz diejenige der Juden (Y. 4 a. b.) , der
Beweggrund für die öftentliclie Anerkennung der letzteren galt
in gleichem Maasse für die Wechsler: „umb ir gelt." Erst
thatsächlich erwiesen sie sich noth wendig für die grossen und
kleinen Geldbedürftigen, daher erkannte man sie und ihren
Wuclier thatsächlich zunächst, dann in besonderen Privilegien,
schliesslich sogar , was sogleich zu erwähnen , in den allgemei-
nen Gesetzen an. Ilire Zinsen insbesondere schienen sich jeder-
zeit zu rechtfertigen als Ersatz des durch das Darleihen erfah-
renen Schadens und entgangenen Gewinnes, welche sie, ganz
Avie die Kaufleute beim Interesse (IV. 3.b), in jedem Augen-
blicke erleiden mussten. ^) "
Dieser Billigung schien um so weniger entgegenzustehen,
als die Kunde von den grossen Geschäften und Zinsgewinnen
der italischen Wechsler und ihrer Commanditen sich in Süd-
deutschland immer wieder von Süd und West, in Norddeutsch-
land besonders von den Niederlanden und England her ver-
breitete. Vor den Augen der Päbste übten Wechsler diesen
ausgedehntesten Gebrauch der zinsbaren Geschäfte. Das Bank-
haus der Salimbeni in Florenz lieh dem Käthe von Siena 1260
allein 20,000 fl. auf Zinsen ; dem Könige von England liehen
andere Florentiner Wechsler 1307 grosse Simimen, wofür er
als Zinsen ihnen den Marktpreis der Wolle in hohen Beträgen
zahlte ; dadurch , dass die Zinsen der Darlehen , dann die Kapi-
talabzahlungen Seitens der Herrscher von England und von
Sizilien ausblieben, fallirten 1329 die Brusini, später sogar
die Bardi in Florenz mit einem Ausfall von 16 Millionen Fran-
ken. 2) Wie sehr Bogislaf X. von Pommern u. a. von den jüdi-
ihre Geschäfte betrieben, und ringsumher ihre Landsmannschaften bestan-
den , nicht immer Landsmannschaft , Consul und Jurisdiktion hatten , zei-
gen sie in Paris, wo sie bereits seit 1254 in Menge zu treffen sind.
Olim h. t. Sie zahlten hier die tallia (Einkommensteuer), wie jeder
Bürger, und werden bei ausserordentlichen Abgaben verschont. Biener,
1. c. p. 18. Hier stehen sie also sehr ähnlich , wie in Deutschland.
1) u. a. Cujac. Opp. X. 435. B. cf. p. 393. N. 3. 2) deUa Decima
\. c. G. Villani,XI. 71.
390 V. 5. Die Wechsler, d. öesehäfte der Wecli«ler.
sehen Wechslern bedrängt war , wie vielfach die französischen,
burgiuidischen , cleutschen Herrscher sich in Geldabhängigkeit,
besonders gegenüber den italisc^lien Wechslerkomnianditen in
Flandern befanden, ist allbekannt nnd zeigte sich oben (V. 4 cd.
5.a) ') Der oflone Zinsgewinn ans diesen Darlehen war so
bedentend, so verlockend, dass geistliche nnd weltliche Geld-
kapitalbesitzer trotz alles Hasses und aller Strafen gegen den
Wucher nicht abgehalten werden konnten, ihr Geld den Wechs-
lern zur Darlehnsverwendnng einzulegen , und den Zinsenvor-
theil mit jenen zu theilen. Dies begegnet bereits in den zwan-
ziger Jahren des 13. Jahrhunderts und m dem Leben der hei-
ligen Ivetta zu Huy m Belgien, welche 1228 starb. 2) Ja in
England errichtete der reiche Bruder Heinrichs HT., Kichard
von Cornwales selbst, mit Hintansetzung seiner Stellung eine Ge-
neralwechselbank, indem er durch ein königliches Privileg sich
allein dazu die Conzession ertheilen , jeden andern Darlehus-
geber hart strafen Hess. ^) So heisst es daher auch in der
Bamberg er Synode von 1491:^) „excommunicatos denun-
cient rectores ecdesiarum omnes Christianos , qui apud Ju-
daeos pecuniam suam locant, ut a Judaeis usiirmn recipiant
vel ut Judaei eandem mutuent ad usuram." Es war dies ein
Verfahren, übereinstimmend mit der Accommenda in Italien. ^)
1) cf. noch Martens, 1. c. §. 5. p. 23. du Gange, voce: caorcini.
Raumer, Hohenstaufen. 1. c. Eoscher, Nation. Oek. I. p. 351. §. 187.
Kriegk, p. 338. 414ff. 437 if. 2) cf. Acta Sanctorum, vita S. Ivet-
tae. stirbt 1228. Xm. Jan. p. 868. c. 19. (Die Vita soll von einem Zeitge-
nossen sein.) Für ihre Kinder sorgend beschliesst eine Wittwe, ut pecunia
quae sihi proveniebat ex substantiola suis puhlicis negotiationihus ac-
commodaretur , ut superereseentis lucri negotiantium particeps esset,
sicut tnulti et honesti secimäum seculi viri idem facere consueverant , licet
non absque peccati sicut nee sine quaestus emolumento. Quod
tarnen pecccäum quamvis modo quam grave et grande sit , evidenter uppa-
reat , turne tarnen temjMris aut oninino reniale aestimabatur aut nulluni.
c. 19. fin. p. 874. „ dedit pecuniam suam ad usuram aliquot diebus."
Mitth. V. H. Pr. Stobbe. — cf. bes. Kriegk, p. 337. 343 A. 205 (1403)
und VUI. 3. d. 3) Salmasius, d. usur. I.e. p.404ff. 4)conc.Germ,
1. c. V. p. 623. 5) Mar tens, 1. c. §. 7. , cf. die Statuten der carapsores
V. Piacenza 1391. Bergamo 1457 , Genua 1589. ib.
V. 5. Die Wechsler, cl. Geschäfte der Wechsler. 391
Im 16. Jahrhandort depouirten so, wie Ma rp erger ^) anführt,
die Obrigkeiten der Städte, z. B. zu Hamburg, Amsterdam
überschüssige Gehler in die Banken , damit durch den von
den Wechslern daraus gezogenen Gewinn ein Fonds zur Un-
terstützung schuldlos fallirter Kaufleute gebildet werde.
Weitere Depositen bei Wechslern 1403 erwähnt Kriegk
I.e. p. 338 ff. 2)
Mehr indess, als mit diesen grossen, den Verhältnissen
italischer Bankhäuser angepassten Geldgeschäften, befassten
sich die Wechsler Deutschlands mit kleinen Darlehen , welche
sie gegen Erlegung von Faustpfändern und Zahlung nicht
kleiner Zinsbeträge au die unbemittelten Handwerks- und
Handeltreibenden in sehr grosser Menge ausliehen. Sie bilde-
ten so die eigentlichen Vermittler des Geldumlaufs auch nach
den unteren Schichten der Gesellschaft hin zu deren grossem
Nutzen , sie schössen den unbemittelteren Handwerksmeistern
Beträge auf kurze Zeit, von Woche zu Woche vor, mit denen
jene die Geschäfts- und Familienunkosten bestritten, und
welche sie bei eingehender Zahlung von Seiten ihrer Kunden
nebst den Zinsen gegen Auslösung ihrer Pfänder z. B. eines
wenig nöthigen Hausgeräthes u. dergl. zurückzahlten. ^) So
sagt Salmasius 1. c. p. 485 richtig:
1) Monies pieiniis. Leipz. 1715. 2) Hier durften nur zur Begrün-
dung der Anerkennung der Wechsler kurze Andeutungen dieser Verhält-
nisse vorgeführt werden , welche in den unten folgenden Stellen V. 5 f.
u. VIII. 3. d. genau zu erörtern sind. 3) cf. Purgoldt, in der oben im
Text zitirten Stelle VIII. c. 30. — Dann besonders Salmasius, de usu-
ris (Leyden 1638), führt cap. 21. p. 670 solchen sehr charakteristischen
Fall an. „ Nee sine caussa porro in singulis Hollandiae urhilms consti-
tuti publici foeneratores , Longoharäi vulffo dicti , apnd Romanoa trape-
zitae , argentarii , qui inopibus pecuniam dani mutuam sub piqnoribus.
Absque quo esset plerique bonis tili pretio venditis everterentur aut ver-
fere solum foroque cedere cogerentnr , qui respirandi inde laxanientum
nacti res suas Herum in solido locant et pignora recipiunt a foeneratore,
persoJuto cum nsuris pactis debito. In Gallia nostra si idem mos ohtine-
ret, melius ageretur cum rusticis et artißcibus inopibus , quia trümtorum
exactoribus appellati , ubi solvendo non sunt , suppeUectili Omni statim
divendita idque vilissimo pretio , lectis etiam, in quihiis cubant, excutiun-
tur. Qu(i€ postea magno utpote ad vitain necessaria emere iterum coacti
302 V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler.
„plures pauperes videmus quotidie per totum annum d s'm-
gulis scptlmanis mensa idoifes Longobardorum , qui tarnen
ah ea non fmnt paiqKTiores, scd maximum inde solatiuni
percipiunt et egestatem ■ultimam mendacitatemque
eo re m edio vitant.^)
Die Stellung der deutschen Wechsler gleicht daher in dieser
Beziehung ungefähr derjenigen der römischen toculliones ; sie
sitzen den Tag über in iliren Marktbuden und leihen den Hand-
werkern und kleineren Gewerbtreibenden Gelder gegen Pfand,
um Kapital und Zinsen oft schon an demselben Tage , in der-
selben Woche wieder zu empfangen. ^)
paulo post Herum mininw addici pro tributi solucione vident , donee tan-
dem ad ultimas egestaiis rnetas nunquarn in posterum emersuri compel-
lantur. Audio de quodam vestifice Middelhurgensi , qui praedicare seiet
absque ope Longobardi et apere unius poculi argentei acta vel decem cir-
citer florenis aestimandi renuntiaturum se suae saepius arti fuisse , sibi-
que nihil inde futurum aliud super , quam gnnviter esuritioni operam
dare. Sartoriis operis , quas habet conductas , in fine singularum hebdo-
madum solvenda est pensio. Defertur ad foeneratorem. poculum. Ubi
pecuniam ipse accepit ab his, qui debent pro factura vestium, quia non
semper ad diem solvunt , ad redimendum poculum properat. Mox iterum
oppignerat iibi opus Jiabet iterumque liberat. Sic totus ipsi annus it obli-
ganti et redimenti vasculum suum cum usura quidem satis grandi, utpote
quae ternas centesimas in annum conficiat, sed quae maximam siln afferat
utilitatem et grande compendium , dum a maximo eum dispendio prohihet
immo a certo omniuin fortunarum exitio." — cf. Kriegk jj. 340. (1403.)
1) Daneben führt derselbe d. foen. trapezitico. Einl. p. XLIII.
noch ein weiteres Geschäft der Wechsler in Holland au. „In lustris aleo-
num frequenter apud nos usurpatur . . ubi coeunt lusores qui forum alea-
torium excalfaciunt , praesto sunt, qui pecunia exhaustis sed perdendo
nondum lassatis , nummos dent mutuos ea cotiditione , ut inde non exeant
nisi Sorte et usuris solutis idque in dies singulos..." 2) Gillet,
Crato von Craftheini. II. p. 475. Brief des Z. Ur sinus anCrato: „. . . hu-
jus me res admonet : quid vobis Uli placent, qui de floreno in hebdo-
madem accipiunt tres nummos? At tales hie habemus." Witten-
berg 1557. — Salmasius,d. foenore trapezitico. prooem. p. XLIII, In
neuerer Zeit Aehnliches zu Paris bei Turgot, memoire sur le pret d'ar-
gent. §. 14. 31. Cantillon, nature du commerce p. 276. Röscher, 1. c.
§. 193. Für 3 livres empfingen die Darleiher hier pro Woche 2 sous, d. h.
173 "lu jährlich. Und doch, wann die Richter diese Wuchrer zur Wucher-
strafe des französischen Gesetzes verurtheilten, baten die Schuldner selbst
V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler. 393
Aus dieser Stellung beider Theile, der Darleiher und Dar-
lehnsnehmer, beiden gleich noth wendig und nützlich,
und nach Vorgang obiger mittelbarer Billigung der Gesetze
festigte sich schliesslich das Verhältniss erst thatsächlich,
dann sogar allgemein und unmittelbar gesetzlich anerkannt,
der Art, dass die Inhaber der Wechselbanken und Darlehns-
tische jederzeit unter bestimmten Bedingungen, besonders
zu bestimmtem Zinse Darlehen verabreichten. Seitdem aber
blieb es für die Geldsuchenden nicht mehr schwer, ja nicht
mehr zweifelliaft , d^jiss sie, falls sie nur jene Bedingungen
erfüllten, das verlangte Geld sofort vorfinden und erhalten
m u s s t e n. Schon Walter von der Vogelweide singt ; ^)
24. fro weit, du solt dem wirte sagen
daz ich im gar vergolten habe :
min gröste gülte ist abe geslagen ;
daz er mich von dem brieve scabe.
swer ime iht sol , der mac wol sorgen.
e ich im lange schuldic waere,
ich wolt e zeinem Juden borgen
er swiget vnz an einen tac:
so wil er danne ein wette hän,
so jener niht vergelten mac." ^)
So erstand die D a r 1 e h n s b a n k neben der Wechselbank für
Schuldner und Gläubiger. Das zeigt sich z. B. bei dem oben
(IV. 2.k.) besprochenen Institute des Schadennehmens. •'') Die-
ses wird in C ö 1 u schon 1272 durchaus öffentlich von Juden
und Christen geübt. ^) Für Zürich sagt darüber ein Raths-
häufig um Schonung ihrer Gläubiger ! cf. über die 5 Schilling - Banquiers
in London (lO"«) Col((uhoun, police of the inetropolis p. 167. — Ver-
leihen der Produktivkapitalieu , des eisernen Viehes in Tessin (36 %).
F r a n s c i n i , der Canton Tessin p. 152. , am Rhein 200 "/o • M o r s t a d t,
der National - Oekonom. IX. p. 727. bei Röscher §. 193. 194.
1) ed. Lachmann. Berl. III. p. 100. (Mitth. v. H. Dr. Korn.) 2) ..zei-
nem Juden borgen" wie beim Schadennehmen IV. 2. k. dort aber vom Gläu-
biger, hiervon! Schuldner. 3) cf. Cuj acii opera. Mutinae 1782. X. 435 B.
„cum quibus (argeniariis) semiter infellüfitur foenus tacitum contrahi,
et quidem ex tacito pacto dehentur Ulis besses usiirne." Ganz wie oben das
lucrum cessans der Kaufleute bei dem Interesse (cf. ob. IV. 3. b.) 4) cf.
Lacorablet, ü. B. L c. IL n. 628 (1272). Die Stadt selbst verpflichtet
394 V. 5. Die Wechsler, d. Cieschäfte <lor Wechsler.
erkenntniss von i;{24: „Wo ein burger uf einen andern burger
von den Juden ald von den CauAverschin (V. 5.b) in vnser Stat
guot entlehent mit des schuldeners wissende als willen, ist
das die Juden ald die cauAverschin den beldagent vmb ir guot,
da ist der Kat gebunden vf den eid , beide houptguot vnde
gesuocli in ze gemnnene. Were aber das ein burger vf einen
andern burger gelt heisset an den Juden ald an den Cauwer-
scbin schriben da ist der Eat nicht gebunden das gelt in ze
gewinnene noch der Schultheis davon ze richtenne." ^)
Aus Nord- und Mitteldeutschland ist das Beispiel des
Vertrages zwischen Markgraf Otto von Brandenburg und Her-
zog Heinrich IV. von Breslau, ebenfalls bereits vom Jahre
1277, bekannt.^) Weitere Beispiele finden sich aus späterer
Zeit, z. B. 1401 aus Breslau:^) „..und ob si das nicht bezal-
ten uff denselbin tag , so sullen und mogin si di IX " golden
sich zur Zahlnng' von jährlich 150 m. an den Grafen Adolf von Berg.
Sollte nach vorangegangener Mahnung Zahlungsverzug entstehen, „dictas
centum et quinquaginta marcas conquirant et recipiant ad Ju-
deos sub ustira marcam quamlibet pro tribus denarüs Coloniensibus
qiialibet septimana, volentes (die Cölner) ad dictorum dampnorum restau-
rationem cum principalis dehiti solutione et Interesse fore indissolubüiter
obligati." — ib. 11. n. 745. (1280) „quod (Geldzahlung) si non feeerint,
omne dampnuni per usuras Judeurum quod ex mora solucionis
dicte pecunie sustinuerimus , hoc nubis cum sorte principali refundere
tenebuntu/r — " ib. II. n. 1047 (1300) 4 Personen: „protestamur , quod
... Constantinus de Lysolslcirgen, civis Coloniensis (wahr-
scheinlich öifentlicher Wechsler in Cöln , cf. das Personenverzeichniss bei
Lacomblet) ex pa/rte . . . arehiepiscopi Coloniensis nobis satisfecit de mille
mareis , quas . . aepus in medio quadragesime nunc elapso solvisse de-
buisset ; promittentes eidem Constantino , si . . aepus sibi non satisfecerit
de dictis mille m. infra fest . .., quod C. (einer der 4 Gläubiger) cum ex-
pensis ipsius Constantini faciet nomine nostro moneri fidejussores , quos
idem . . aepus nobis constituit pro denarüs ante dictis ut intrent Coloniam
ad jacendum." — cf. auch Quellen z. Gesch. der Stadt Köln II. n. 388
(12.58) cf. die folgende Note. — Mitth. v. H. Prof. Stobbe.
1) Bluntschli, Züricher R. G. I. p. 293. 2) Petri de Hallis,
Summa n. 62. (Stobbe, Vertragsrecht p. 42): „eandem pecuniam reci-
pere ad usuras. . ." allgemein bei Juden und christlichen Wechslern also.
3) Breslauer städt. Arch. lib. excess. et sign. fol. 29. (v. H, Pr. Stobbe.)
V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler. 396
nemen in Cristen adir Juden uff gewoulichen
schaden, denselben schaden liaben si in niitsanipt dem haupt-
gute gutlicli und ane ■wederrede globet zu ricliten und zu
beczalen,"
Für Mitteldeutschland knüpft Purgoldt die Erlaubniss
des Schadennehniens an bestimmte zum Theil in dem Institute
liegende Bedingungen. ')
In Süddeutschland endlich war das Institut, wie schon
oben (IV. 2.k.) erwähnt wurde , besonders häufig in den Ge-
setzen anerkannt, und zwar gerade in denen auch, welche
vornehmlich kanonistischem Einflüsse offen standen. ^) Durch
ganz Deutschland, wie man sieht, trägt dasselbe die oben
berührten gleichen Rechtsgruiidsätze, welche so wesentlich
mitwirkten für die grössere Verbreitung und gesetzliche Billi-
gung der Conventionalzmsen allgemein, üeberall andrerseits
zeigt sich in ihm bereits die ausdrückliche gesetzliche Billi-
gung für alle öffentlichen Darleiher, mochten sie Juden oder
Christen sein.
Im weiteren Verlaufe des Verkehrs stellte sich die Dar-
lehnsbank trotz des kanonischen Zinsverbotes oder gar durch
dasselbe so notliAvendig und offenbar heilsam für das Geld-
bedürfniss der niederen Stände zunächst heraus, dass die
Gesetze nicht bloss die zinsbaren öffentliclien Darlehen der
Wechsler und Juden etwa wie ein nothwendiges Uebel aner-
kannten , sondern sogar die bisher nur freiwilligen Daiiehns-
geber geradezu nöthigten , unter bestimmten gesetzlichen Be-
1) Vorherige Uebereinkunft der Parteien (cf. IV. 2. k.) , vorherige
Verfolgung vor Gericht, cf. Gerichtsleufft zu Eisenach (Rechtsb.
Ortloff p. 368) c. 59. Im Rechtsbuch P.'s VIÜ. c. 69. begegnet das Scha-
dennehmen auch Seitens des Handwerkers , der seine auf Bestellung
gefertigte Sache nicht an den Besteller absetzen kann. Er versetzt die-
selbe ,,zcu Juden ader zcw cristen vor sein Ion, das beschejdenlich ist.
und vorsetzt her sy turer , den gesuch nuiste lier selber tragen , und yhe-
ner loste sein kleyder, nachdem also der rath und die schejjffen erkenten.
Dit ist der stadt recht." 2) So handelt von ihm das Prager St. R.
n. 17. 25. 27. Prager Schöffenurth. 65. Brünner, Schöffenbuch 416.
Wiener St.R. (1435) Rauch. IJF.p. 151.221. — Stobbe, 1. c. p. 43—45.
SOG V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler.
dingiingen offene Darlehnsbänke, diese Anfänge unserer Bänke
und Pfandhäuser, herzustellen und zu erhalten. Im Augs-
burger Stndtrocht, schon von 1276 (1. c. p. 216) heisst es:
„ein ieglich Jud sollWhen auff die pfand; die dess dritten
theils türer sind vnd soll dess nit v erwidern."
Die grössere Zahl der vorn für die gesetzliche Höhe der Juden-
zinsen (V. 4. d.) angefülirteu Gesetze gehört hierher , u. a. das
Z ü r i c h e r von 1 354. ^) Im S t r a s b u r g e r Stadtrecht (1 382) 2)
wird im Anschlüsse an die Verpflichtung des säumigen Schuld-
ners gegen alle begründeten Forderungen dessen, „von dem
der Schaden genommen ist," festgesetzt:
„sie (die Juden, und allgemein die Wechsler) sullent auch
N i e m a n n e versagen, der unter unsern Stabe gesessen
ist , Pfennmge auf Pfände zu leiende vmb so viel Wuochers
ane geverde , als dafür ist — "
Damit hängt zusammen , dass nach dem Freiburg'er Stadt-
recht ^) der Priester von der Kanzel herab anzeigen musste,
wann ein Jude aus der Stadt zog , damit Jeder sich von ihm
seine Pfänder einlöste.
Für den Eegierungssäckel war damit nicht blos durch
Hebung des Verkehrs (auch Depositen, Einkassirungen , Wech-
selbriefe) und Verhütung der Armuth in den unteren Ständen eine
günstige Quelle geöfiuet, sondern auch die Wechsler selbst hat-
ten nun um so mehr Veranlassung , sich anzusiedeln und ihre
Kapitalien den Erpressungen, Abgaben- undDarlehnsforderun-
gen der Fürsten darzubreiten, gleichviel ob sie „Kawerczaner"
(christliche Wechsler) oder Juden waren. Mau hielt aucli hier
insbesondere an den Verhältnissen der Juden (V. 4. a.) und
der Münzer (V. 5. a.) fest und verlangte nun auch für die Ge-
stattung solcher Darlehnsbanken eine spezielle Abgabe. ^) Dafür
billigte man dann natürlich wieder die oft hohen Zinsen dieser
Wechsler , und so wurde andrerseits hierdurch , wie durch das
Zinsprivileg der Juden, den Wechslern der Weg gezeigt, auf
1) Zeitschr. f. schweizer. E. IV. 66. 2) .1. H. Böhmer, jus eccles.
prot. V. 19. §. XXVn. 3) ed. Schreiber, I.e. n.l.p. 95. 4) Kriegk,
p. 340 ff. (1403) Beilage E. a. besonders günstige Bedingungen.
V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler. 397
welchem sie, von der Conkurreuz und deren milderndem Einflüsse
befreit, um so schonungsloser ihr Vorrecht auf Kosten der
zwiefacli eingeengten Schuldner ausbeuten konnten.
Dieses bewog die Kaiser oder geringeren Fürsten, aus ihrem
Münzregale her an den Rath der Städte die Erlaubniss zur
Begründung städtischer Wechselbänke, städtischer
Leihhäuser (auch mehrerer in derselben Stadt) gegenüber den
privaten LeDian stalten zu ertheilen, wofür der Rath dann nicht
minder hohe Abgaben in die kaiserliche oder fürstliche Kasse
entrichtete. Den ersten Anhalt fanden solche städtischen
Bänke in den Leibrentenbänken, welche die Landesherren
und die städtischen Obrigkeiten zum Wohle ihrer Eingesesse-
nen , wie zum Segen ihrer eigenen Kassen seit längerer Zeit,
wie bekannt, unterhielten. Die oft missliche Lage, welche bei
Leibreutenverträgen , besonders bei Alteutheilen die alternden
ßentenkäufer den Privatpersonen als Verkäufern gegenüber
einnahmen, da sie letzteren oft ihr ganzes Vermögen, oft min-
destens emen grossen Theil desselben übergeben hatten, und
sie auf ihren Tod spekuliren Messen — Missstände, welche
sich zumal im Bauernstande auch heute noch bei Altentheils-
v ertragen oft und schreiend offenbaren — mochten es von
frühe her nahe legen, dass die Obrigkeit die Durchführung
solcher Verträge übernahm. Bald zeigte sich , dass das Ge-
schäft für letztere dazu ein sehr gewinnreiches wurde, also
den bald ungünstigen Oeldverhältnissen der Landesherren und
Städte um so erwünschter erschien, ohne dass, wie oben V. 3.e.
gezeigt , wegen des zweifelhaften Ausganges dieser Geschäfte
das Wucherverbot solchem Gewinne entgegenstand. ^) In ein-
1) cf. Gemeiner, Reichsstadt. Regensburgische Chronik I.
p. 533. n. p. 183 für 1320. — Lacomblet, U. B. IQ. n. 422 (1345) Erz-
bischof Walrain von Cöln erklärt , als er aus seiner grossen Schuldenlast
herauszukommen suchte : „ so hain wir geproyft ind is war vundcn , dat
wir in goin gelt , dat unsme gestiebte zo staden möge stain . zytlicher ind
mit minren schaden irkrigen iukunnon , dan mit lyfzoclite zo verkoilfen
up gulde uns caiiitels vursprochen , ind herumb so sin wir mit unsenie
capittele voerdragen , dat sy boven dy lyfzochte , die sie ej-tzu havent ver-
kouft , wa niede wir zwenzich dusent gülden van yn genomen haven , . .
so sal dat selve unse capittel noch usser irre gülden verkoufen veir dusent
398 V. 5. Die Wodislor. d. Geschäfte der Wcclisler.
zeliion Orten untersagte die Obrigkeit deshalb jede Conkurreuz
von Privatitersouen in diesen Verträgen, ganz wie später bei
den Darlelinsbanken. So sagt das Bramiscliweiger Stadtrecht
(1350) §. 56: „we Lifgeding kopen wil, de scal it kopen van
deme rade unde anders nergen, he en do it mit
des rades vulborde." Auch diese Vollmacht stimmt mit
denen der andern Banken überein. ^) In den Nord h ä u s e r Sta-
tuten (1350) 2) heisst es III. cp. 29: „kein burger soll gülden
zu liben kaufen als czu uusen burgern uf dem hus." Und der
Soest er Kath erklärt 1365: ^) „Niemand soll lyfftucht kopen
oder vorkopen , se ene kopen de weder den Kad van Soest un
weder deghene de vann des Rades weghen un van der meyn-
heit wegen dar to gesät sint." Dergleichen Leibrentenverträge
schloss man mit den mannigfachsten Bestimmungen- für die
Käufer *) , indem man besonders an mehrere Personen in ver-
schiedenartigster Verbindung die Eenten verkaufte und nach
dem Ableben einzelner dieser Personen die Rente sieh man-
nigfach für die Ueberlebenden verändern Hess (cf. besonders
V. 3. b. u. c.) Das geschah nicht blos bei Ehegatten , sondern
gülden lifzuehte " u. s. f. Und das Kapitel erklärt in einem von ihm in
Folge dieser Vereinharimg abgeschlossenen Leibrentenvertrage 1345
(Lacomblet, ib. III. n. 427): „unde super hiis hahitis cliligentius cum
domino nosiro arcliiepiscopo . . pluribus et diversis tractatibus per expe-
rientiam jam contractorum debitorum comperwms , cum nullo minori
dampno nos posse ad precavendum hiis periculis . . peeuniam conquirere
quam per venditionem rediiuum sive pensionum aUquarum ad tisufru-
ctum diversis personis prout . . nos emptores ipsorum reddituum i/nvenire
2)0ssemus." ib. III. 4G4. (1348) Leibrentenbrief des Markgrafen Wilhelm
von Jülich. In Nijrnberg müssen 1449 die Bürger zu dem Kriege gegen
Albrecht Achilles von Brandenburg eine V^ermögenssteuer von 4 Prozent
zahlen. Den Einzelnen sollen diese Einzahlungen verzinst werden „ umb
daz selbig, daz einer also ze steur gab, gab man im ein gülden leibge-
dings auf einen leib um 8 gülden, auf zwien leib um 10 gülden, und einen
ewigen gülden umb 18 gülden , also daz es zu eines guten willen stund,
daz er kauft ewigs gelt oder leibgeding auf einen oder zweien leib. ."
Hegel, 1. c. II. 1). 323. — cf. eiri Gleiches für Dan zig 1454. ob. V. 3. d.
1 j Urkundenbuch der Stadt Braunschweig. 2) F ö r s t e m a n n,
Neue Mitth. d. Thür. Sachs. Vereins III. 3) Seibertz, Urk. B. 1. c.
n. n. 773. 4) K r i e g k , (1390) p. 91 ff. ControUe der Lebenszeit.
V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler. 399
auch bei fromdeu Personen , ^) und bei ihnen zu bestimmten
Theilen , die Jeder an dem ganzen Rentenbetrage liatte , oder
so, dass ihnen die Rente zu gesammter Hand gebührt, daher
nach dem Ableben Ehizelner von den Uebrigen ganz gefordert
wird. Solche „Tontinengesellschaft" kommt bereits in
dem Q u e d 1 i n b u r g e r Stadtbuche vor : ^) „ vrowen agneten
van marwitz und vrowen margreten van warin uude liern
Johanne van yssleve to ghernrode scal mengheven dre mark...
mit samender haut to erer aller live " und im Berliner
Stadtbuche 3) verkauft der Rath 1401 für 30 Schock 3 Schock
gross. Rente an 3 Personen „thu orer dryer live. Welk den
leugist levet nach dem anderen, dem sullen wi unde wollen
geven und betalen dy . . drye schere reuten." Auch die Kirche
ahmte bei ihren montes pietatis dem Beispiele der Städte in
den Leibrentenbanken nach (cf. u. V. 5. e.) — Chr. Kuppe -
ner, vom Wucher fol. C. 5'' sagt : „einer kaufft etzliche w ernt-
liche czius bei eyner stat ader bei einer kirchen auff
seine lebetage alle iar jerlichen im solche czu reichen vnd
czu geben." Einige halten den Vertrag für wucherlich, weil
Käufer bei langem Leben mehr als seine Hauptsumme zu erhal-
ten hoffe. Kuppener erachtet ihn erlaubt, weil ein Kauf zu
Grunde liege. ^) (v. S. 397 — 99. Mitth. v. H. Pr. Stobbe.)
Die städtischen Wechsel- und Leihhäuser, welchen jene
Leibrentenbänke voraufgmgen , stehen eben als öffentliche An-
stalten der städtischen Obrigkeit selbst den Privatanstalten der
Juden mid öffentliclieu Weclisler meistens ^) gegenüber. Sie wer-
den von Christen gehandhabt, die nicht an sich wie die letzteren,
sondern nur im Namen der städtischen, fürstlichen, kaiser-
lichenMaeht ein Privileg der Zinsen haben , und so trotz des
1) Chroniken deutscher Städte (Hegel), 1. c. p. 266 (1388). Pidi-
cin, Beitr. z. Gesch. d. 8tadt Berlin. I. p. 216. 220. 223. Homeyer,
Stadtbücher des Mittelalters. Abhaiulll. d. Berl. Akad. 1860. p. 73. 74.
Zeitschr. d. Vereins l'iir Gesch. u. Alterth. Schlesiens V. p. 123. — cod.
dipl. Siles. III. p. 132 (1387). Hainburg. St. R. E. 20. Magdeburg.
Fragen U. 1. 3. 2) Honieyer, Stadtbücher d. Mittelalters. Abhh. d.
Akad. in Berlin 1860. p. 74. 3) Fidicin, Beitr. I. p. 222. 4) et'.
oben V. 3. e. 5) A n d e r s die 4 Bänke in Frankf. (1403) B e i 1. E. a.
400 V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler.
kauoiüstischen Zinsgesetzes Darlehen für Zinsen gegen Pfän-
der ausleihen. Aber eben hierin stehen sie wieder den montes
pieiatis der Kirche gegenüber (V. 5. e.) , da die Kirche allein
diese Anstalten und zwar gerade gegen jeden Wucher und als
Stütze ihres Wuchergesetzes begründete, weshalb sie auch in
deren erster Zeit und in ihrer eigentlichen Gestalt gar keine
Zinsen für ihre Darlehn forderte. Ein Privileg für solche
städtische Wechselbank gab Kaiser Maximilian I. 1498 u. A.
an Nürnberg ^) Um wie viel mehr aber musste gar durch die
1) cf. Würfel, histor. Nachrichten von der Judengemeinde in Nürn-
berg. Nürnberg 1755. (Mittheil, von H. Pr. Stobbe.) Da die Urkunde
von grosser Wichtigkeit ist , ihr Abdruck bei Würfel auch selten sich
findet, so folgt sie hier ganz: Wir Maximilian etc. (1498) entbieten denEr-
samen vnsemvnd des Eeichs lieben, getreuen Bürgermeister undRath der
Stadt Nürnberg vnser gnad vnd alles gute. Ersamen lieben getreuen, wie wol
ihr vnd gemeine Stadt Nürnberg von wej'land vnsern vorfarn am Reich,
Römischen Kaj-sern vnd Koenigen aus merklichen treffentlichen Vrsachen,
löblichen begnadiget, gefreyet vnd fürsehen sein, dasz ir nicht mehr,
dann ein Anzahl Juden hey euch zu Nürnberg zu halten vnd bleiben zu
lassen, vnnd vmb gesuch noch wucherlich handel zu erkennen,
noch vrtheil zu sprechen schuldig sein sollen.
So hat doch stattlich und glaubwürdig an uns gelanget , dasz darüber
bey euch von den Juden dieselb anzahl merklich gemehrt vnd vbergangen,
auch vber höchsten Ernst mä fleisz, so sie deczhalbeu fürkehren, mit dar-
leihen vnd in andere weise , mannigfeltig böser gefährlicher vnd behen-
ter Wucher lieh er händel, gegen ewi'en mitburgern vnd andern geübt,
vnd darum gefärlich , betrüglich verschreibung ausbracht , dadurch etwa
viel aus denselben , die sonst bey Iliren Ehren haab vnd güttern , in glau-
ben vnd wesen bleiben, dermassen übernommen vnd in schulden einge-
führt, dasz Sie deszhalben von ihren Nahrungen vnd häuszlichen Ehren
vnd Wohnungen gedrungen werden , vnd ihren gläubigem zu der Stadt
Nürnberg vnd ausserhalb gesessen nicht halten , noch bezahlung thun
mögen, das alls zu besorgen vnid ie mehr vnd mehr täglich vor Augen sey,
wo darein nicht gesehn vnd des Wendung gethan würde , andern ewren
Mitbürgern, die meistentheils werbend vnd handwerksleut sind,
bey denen damit Sie zu Nürnberg und anderswo handelten , scheu und
rniszglauben geberen und den gewerben vnd hanthii-ungen , bey Euch die
derselben Stadt Nürnberg vnnd hochteutschen zu merklichen Nutz vnd
guten konnnen, schmelerung und abbruch bringen würde, dazu beschehen,
durch die berührten Juden, etlichen verirrten verlassen Personen ihrer
boszheit vnd argen willens vnd f ürsatz in geheim vor geding , besterkung
V. 5. Die Wechsler. J. Geschäfte der Wechsler. 401
städtisehon Leihhäuser das kirchliche Wuchergesetz an Stütze
verlieren, da man hier die Zinsen nicht mehr durch das Juden-
vnd aufentlialt. daraus diebstahl viid andre vnchristlich viibillig bösz
händel folgen , das zu gedulten scliwere vnd vnleidentlich sey.
Wann nun Juden auszulassen , vnd vmb christlicher vrsach willen in
der heiligen Christenheit vnd röniischen Eeich gedultet werden , vnd vns
vnd einen jeden römischen Kaysor vnd Koenig ohne mittel, in vnser Kay-
ser und königliche Cammer gehörend vnd dem vns vnd dem heiligen
Römischen Eeich an Nürnberg, als einer tref liehen vnd berümten Stadt,
die uns und dem Reich biszher in unsern merklichen handeln und Sachen,
erschieszlichen und nützlichen erschienen vnd hinfüro in künftig zeit wol
kommen mag , nicht klein gelegen deszhalben vns die in wesen vnd bey
den ihren zubehalten gebüret vnd genzlichen gemeinet ist , darum haben
wir in solches gnädiglich gesehen vnd nach wolbedachteu zeitigen vor-
rathe vnnser vnd des heiligen Reichs churfürsten , fürsten, Graven, Edlen
und getreuen zu ewiger Gedächtnüs aus rechter wissen , eigener bewegnüs
vnd vollkonnnenheit vnnsers königlichen gewalts
So befehlen wir euch obgemelden Burgermeister Räthe vnd Gemeinde
der Stadt zu Nürnberg ernstlich vnd vnwiederruflich von Römischer
königlicher Macht volkommenheit , krafft disz briefs , auch bey den Pflich-
ten . die ihr uns vnd dem heiligen Reich verwand seid , ernstlich vnd
vestiglich gebietende , dasz ilir alle vnd jegliche Juden vnd Jüdin daselbst
zu Nürnberg, aus derselben Stadt Nürnberg gebietet vnd treibet, die
auch euren gebotten gehorsam erscheinen , vnd sich darauf mit iren fah-
renden vnd beweglichen hab vnd güttern in einer Zeit , die Ihr ihnen an-
zeigen und benennen werden vnd soUent. ausser derselben Stadt Nürnberg
thun . \nid die häuser , Synagog vnd ander liegend gründ vnd gütter
darinnen sie gewohnet , gesessen vnd wesen gehabt , mit samt dem leich
hof vnsern vnd des reichs Schultheiszen bey Euch zu Nürnberg vnd lieben
getrewen Wolfgangen von Parszberg, dem wir deszhalben, das alles ein-
zunehmen befelch vnd gewalt geben haben , abtretten vnd unverhintert
ohn all einrede folgen lassen sollen , immassen wir ihnen auch solches
ernstlich gebotten haben , ir und euer nachkommen soUent auch alsdann
ferner nicht schuldig sein , noch durch vns oder vnser nachkonmien am
Reich angedrungen werden , noch mögen dieselben noch einig ander Ju-
den , noch Jüdin zu ewigen Zeiten bey euch zu Nümbei-g , noch in ander
ewer gebiete einkonimen oder heuszlich wohnen zu lassen , vnd nachdem
ewer Mitbürger , wie obberührt . werbendt vnd handwerkslewt sind, der
alls wol zu bedenken ist. etwan vil ihr handtwerck handtierung vnd
gewerb ohn entlehen vnd gebrauch ander lewt gelt vnd gut nicht getrei-
ben mögen, damit dann wucherlich gefärlich händel vermitten
bleiben vnd nicht erwachsen noch aufstehen, auch der arme durch
den reichen nicht vbersezt, sondern sich ieder neben dem andern
Neumanu, Gesch. d. Wuchers, 2ß
402 V. ö. Pio Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler.
tbum , nk'lit melir Jurcli dio Unsittlichkeit otfener Wucherer
deckte, eutscliuldigte , nocli nur zu entschuldigen für nöthig
desto basz bchelfen und eriiehren, vud haiidthierung vnd gewerbe bey
ihnen selbs und gemeinen hochteutschen landen zu nuz vnd guten in
Übung, gebrauch vnd wesen erhalten werde, So geben wir auch die
feniere gnad vnd freiheit, gönnen vnd erlauben euch auch von ebbe -
rührtor Königlicher Macht Vollkommenheit wissentlich in
KratVt disz briffs , dasz ihr Wexelbänke bey euch in der Stadt Nürnberg
an gelegen Enden aufrichten vnd ihr vnd ewer nachkommen, die nur
hinfüro in ewig Zeiten haben, halten vnd mit Schreibern, ampt-
leuten, vnd andern Personen die solchen vor sein vnd nothdürf-
tiglichen aus warten, nach ewren nothdürften willen vnd gefallen, wie
ie zu zeit und gelegenheit der Sachen erfordert , besezen , fürsehen vnd
ordnen mögen , dermassen , dasz ihr ewren mitbürgern vnd innwohnern,
die ihr handwerk, handthierung vnd gewerb ausserhalb
entlehens vnd versetzens statlich nicht wol getreiben
vnd gearbeiten könnten, wann vnd so oft ihr wollen auf
ir ansuchen vnd begehren , nach gelegenheit irer handlung vnd wessens
zu Ihrer notdurft geld leihen vnd darum P f a n t , b ü r g s c h a f t und
Versicherung nemen , vnd von denselben Z i n n s z e n , die obberürten
Ampt-leute vnd ausrichter solcher Wechselbank ihrs Solds vnd arbeit
entrichten, vnd ob alsdann derselben Zinnszen übermasz were,
dieselben Zinnszen zu gemeinen Nuzen vnd gut der Stadt
Nürnberg obgemeld wenden vnd kehren mögen , als andere derselben
Stadt gemeine guter, vnd ob die Judischheit vonnalen von weyland vnsern
vorfahren Eomischen Kaysern vnd Königen löblicher gedächtuüs, icht
Begnadigung , Freyheiten , Privüegia oder ichzit anders erlanget oder
erworben betten, dasz Sie in gemelder Stadt Nürnberg oder in andern
euren gebieten mit ihren Leiben , hab und gutem sich wesentlich enthal- •
ten solten vnd möchten, wie vnd was gestalt die erlanget, ausgangen
vnd gegeben weren , oder in künftig Zeit von vns oder vnsern nachkom-
men am Reich ausgebracht , erlangt oder gegeben würden , mit was Clau-
sein oder Derogation des alles beschehen were , oder die alle vnd jede,
so wider diesen vnsern befelch vnd gebot weren , oder seyn möchten , die
sollen keine Kraft noch Macht haben , sondeni ganz vnd gar aufgebt , ab-
gethan vnd vernichtet seyn vnd bleiben , gleicher weisz vnd in aller form
vnd maasz als ob wir es von wort zu wort hierinnen begrifen , sonderlich
gemeld vnd aus rechter wissen aufgebebt vnd abgethan betten , dann wir
auch dasselbig alles vnd iedes aus römischer koeniglicher macht, Voll-
kommenheit rechter wissen vnd eigener bewegnüs abgethan, aufgebebt vnd
veniicht liaben wollen jetzt alsdann vnd dann als jetzt in kraft diesz briefs,
also dasz sich die Jüdischheit noch jemand von ihrentwegen derselben
V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler. 403
hielt, sondevn den Wucher in den uffeuen Schutz städtischer,
ja kaiserlicher Machtvollkommenheit stellte, den Vortheil der
begnadigung. freyheiten, Privilegien noch Statuten hinfüro wieder diesen
unseni befelcli, vnd gebot gegen euch , ewern nachkommen, noch gemeiner
Stadt Nürnberg nicht behelfen noch gebrauchen . auch die Judischheit
mit nichten schüzen, schirmen noch türtragen sollen.
In dem allen vnd jeden sollend ihr auch wider uns vnd das heilig
Reich noch iemand andeni nicht vbervaren gefrevelt noch verschult haben,
noch derhalbeu weder ihr , euer nachkoitmen noch gemeine Stadt Nürn-
berg durch vns , vnser nachkommen am Reich noch vnsem oder ihre Kay-
serlichen oder königlichen Cammer Procurator oder fiscal , oder sonst in
einig ander Weisz nicht angefochten, bekümmert, oder beschweret wer-
den , oder zu antworten schuldig seyn in kein weisz , were auch , ob ilir
zu solchen , vrie vorstehet , einigs ferner oder weitem befelchs oder für-
sehung von uns zu haben nothdürftig weren oder würden , sollen und wol-
len wir euch dieselben nach aller notdurft . aus unsern Römischen König-
lichen Canzeley verschafen vnd geben lassen , damit euch hierinnen nicht
abgang oder mangel erscheine. Doch . dasz ihr Euch in solchen allen vnd
jeden erbarlich, aufrecht, ziemlich Taä geraeinen nuz zu gut haltend rad
beweisend.
Und gebieten darauf allen vnd ieglichen Churfürsten, Fürsten,
geistlichen und weltlichen Prälaten , Grafen . Freyen , Herren , Rittern,
Knechten . Hauptleuten . Vizthiunen , Vögten , Pflegern , Verwesern,
Amptlewten , Schultheiszen , Bürgermeistern, Räten, Richtern. Bürgern,
Gemeinden und sonst allen vnsern -vnd desz Reichs vnterthanen , und
getrewen , in was würden , Standes oder wesens sie seyn , ernstlich mit
diesen brief, vnd wollen, dasz sie die genannten Bürgei-meister , Rath
und gemeine Stadt Nürnberg , an solchen unsern Königlichen befelch vnd
gebot nicht hindern noch irren ,* sondern Sie, Avie vorstehet , dabey blei-
ben , vnd den ausüben nid vnverhindert laut desselben handeln lassen,
auch von vnsem wegen dabey handhaben , schüzen und schirmen vnd
hiewieder nicht thun noch jemand andern zu thun gestatten in kein
weisz, als lieb einem jeglichen sey vuser vnd desz reichs Ungnad vnd
straf. Und dazu ein Poen , nemlich viertzig mark löthigs Goldes zu ver-
meyden , die ein jeder, so oft Er freventlicli hierwider thäte , vns halb
in vnnser vnd des reichs Cammer , vnd den andern halben theil , euch
obgenannten von Nürnberg vnd euren Nachkommen vnablöszlich zu
bezahlen verfallen sein soll (Frei bürg im Breisgau. 21. Juli 1498)."
Dies ist die Ursache , weshalb sich die S ummisten am Ende des
15. und Anfang des 16. Jahrhunderts die Frage aufwarfen, ob derwucher-
lichc Vertrag Etwas von seiner Wuchernatur einbüsse, .. wan ein C'ommun
ader ein gemein einer samlung ader die obersten einer samlung wucher
26*
4l)4 V. ü. Die Woolislor. d. Cioscliixftc clor Wechsler.
Anstalten in die öffentlichen Kassen fliessen Hess und so recht
geordnet und gegen jeden rechtlichen und sittlichen Angriff
geschützt d;is zinsbare Darlehn in die weiten und durch ilire
Menge mäclitigen Kreise der grossen und kleinen Geschäftsleute
und in die alltäglichen Verrichtungen der Stadt- und Land-
leute als etwas durchaus zu Billigendes einführte. So weit
drängte die eigene Geldnoth bei Hoch und Niedrig und die unab-
weisbare Macht des Verkehrs, (cf. Beil. E. a. Frankf. 1403.)
In den Niederlanden lässt sich im 16. Jahrhundert
die Entstehung und Gestaltung solcher städtischen Wechsel -
und Pfandhäuser und ihi- Verhältniss zu den Banken der Pri-
vatleute durch die ausführlichen Berichte von Salmasius beson-
ders klar erkennen. Den niederländischen Städten ward vom
Kaiser das Privileg verliehen, nt liahere mensam possint (sog.
tafel van leeninge, table de prest,). Das bekundet
das Decret der Generalstaaten, „factum in coniiüis Gorcomii,
hahitis XVII Novenih. 1577," ^) Zypaeus^) führt hierbei aus
Navarr. an, dass der Pabst selbst sich zustimmend bei der
Frage der Wechsel- und Darlehnsbanken verhalte, weil „liaec
facultas quasi ad licgaliorum jus et supremam potestatem
spectat." Dieselbe Anschauung findet er schon 1297 in den
concordatis ducis Brahantiae et dominorum de Grimhergen
vertreten. Von dem Könige hatte dann, wie Salmasius^)
meint, der Generalstatthalter in den Niederlanden das Recht,
neirien ader wucherische handel fnrten." Kup pener aber in seinem
kanonistischen Eifer erklärt , der Wucher werde dadurch nicht gemindert.
V. Wucher (1508) A. 5^. Der Pab.st indess im einzelnen Falle könne unter
Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse den Gemeinden Zins zu
nehmen gestatten, ib. C. 6^. (cf. u. IX. 3.)
1) „ Ad relationem ab ordinibus receptam super exercitio mensarum
foenehrium in Ilollcmdia ac Zelcmdiu ab iisdem ordinibus deelaratum
est ac constitutum , ut in omnibus dictarum 2^rovinciarum ejusmodi Chri-
stianus poUticus ac reformatus ordo ac modus in caussa ejusdem foene-
rationis in posterum quaeri statui atque ohservari p9ssit , prout adma-
ximam commodilatem et minimam laesionem civium cum
decore et emolumento earundem civitatum pertinebit. Ad quam rem urbium
magistratibus per haec potestas tribuitur." 2) Analytica V.
tit. d. usur. 3) d. foenore trapezit. 1. c. p. 576.
V, 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler." 405
dergleichen Wechselbanken, welche bisher Lombarden gemie-
thet hatten, zu billigen oder hervorzAirufen überlconimen. ^)
Dieses Rechtes bedienten sich dann der Generalstattlialter und
diejenigen, denen er dessen Ausübung übertragen, bei der
allgemeinen Erspriesslichkeit, ja NothAvendigkeit der Wcchsler-
tische. Mit oder ohne Ausschluss und Untersagung der anderen
Privatbanken legten sie in den einzelnen Orten eine städtische
Bank , ein städtisches Pfandhaus an , welches nach bestimmten
Statuten seine Geschäfte abwickelte. ^) Oeifentlich boten die
städtischen Behörden den Verkauf der Concession für Darlehns-
banken aus, wo sie diese nicht selbst verwalteten. Salmasius ^)
führt eine Keihe solcher Auktionsanzeigen der niederländischen
Städte aus dem 16. und 17. Jahrhundert auf. '*) Er bezeichnet
diese Darlehnsbanken ^) als Erleichterung der Armen und fährt
fort, die städtische Obrigkeit habe in den einzelnen Städten
Wechsler mit öft'entlichen Bänken eingesetzt , die Obrigkeit sei
der Vermiether der Bänke , in bestimmten Orten sei sie sogar
der Bankier selbst , indem sie zur Ausübung ihrer dahin ein-
schlagenden Geschäfte Jemanden angestellt habe (insütor).
1) „Hiic respexü et magistratus eimtatis Rotferodamensis ut constat
ex diplomate eidem ckitati ah iUusiribus ordinibus Hollandiae et Wesi-
frisiae concesso 28. April 1635." Der Eingang dieses Diploms lautet:
,. . . . notum facimus expositiim nobis esse a magistratu et rectorihus civi-
tatis Rotterodamensis , qnod a longo tempore Privilegium ipsi hahue-
rvmt , ibidem exercendae per alias mensae foenebris , quae
secundum usitatum in ea ordinem tenentibus vulgo La mbardis locata
et per eosdem administrata fnit hactenus." cf. ib. p. 593. 2) Eben
wegen des späteren allgemeinen Verbotes der Darlehnsbanken privater
Lombarden ents])anTi sich in Holland noch lß40 bekanntlich der grosse
volkswirthscliat'tlich wichtige Streit über die Vorzüge und Nachtheile der
einen öffentlichen Bank vor mehreren Privatbanken der Lombarden . in
welchem Salmasius in richtiger Erkenntniss der national - ökonomischen
Grundgesetze , besonders der freien f 'onkurrenz , sich für die mehreren
Banken der Lombarden entscliied (cf. VII. 3. u.) 3) d. foenore trapezit.
(1640) prooeni. ]». XLIII. 4) Er sagt zuvörderst ausdrücklich 1. c. p. EIL :
„ex decreto ordinum generalium et magistratuum Insti-
tut ione trnpezitas in urbibus singulis reformatarum ac foederatarum
provinciarum esse constituios niensasqtte eorum publica auctoritate ere-
etas, non ex privatalibidine certorum hominum, hicro sno tantum i)ihian-
iinm quibus conniveret aut faceret magistratus civilis." 5) p. XXIII. ib.
406 V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler.
In den Contrakten zwischen der Obrigheit und dem Wechsler
verptlichte letzterer sich zur steten Darleihung gegen einen
bestimmten Zhissatz und Pfänder oder Bürgschaft in verein-
barter Qualität, ferner zur Erlegung seiner Caution und zu
regelmässigen Abgaben. Für diese Leistungen verpfände
er der Behörde sein Vermögen , diese für ihre Verpflichtungen
gegen den Wechsler ebenso alle Emkünfte der Stadt. Sie
sichere den Wechslern eine Zahl wesentlicher Vorrechte vor
den übrigen Bürgern zu. ^) (cf. die Frankf.Bankconcession 1403.
Beil. E. a.)
1) „Quidquid (ib. p. XXTV.) de trapezitis dixi, de istis intellexi, quos
in singulis rtrbüms magistratns constituit, quorum mensn publica est:
cujus mensae trapezitae tantum mancipes sunt, m agistratus ipse
locator est, vel etiam in quibusdctm civitatibus exereitor per in-
stitorem mensae exer cendae a magist ratu praepositum."
ib. p. XLin. : „Judaeos hodieque in Italia et Ger mania Jioe foenus
ephemeron exercere pauci sunt , qui ignorent." ib. lib. III. p. 501 ff. erwähnt
er die schriftlichen Contrakte zwischen den städtischen Behörden und
den Wechslern. „Pro Ulis (seil, conditionibus) exequendis a sua parte
omnia sua bona obligat magistratui Lombardus, et Lombardo vicissim
magistratus a sua omnes m-bis reditus. Nam civium nomine contrahit
cum illo magistratus. Blultis etiam privilegiis munitur , quae nee
caeteris civibus indulgentur. TJt domus ipsiiis sub piMica pyrotectione ac
tutela sit: ut a metatis (Quartier) militum liber sit ac magnatum eorum-
que famulitii: ut ab excubiis immunis sit et ab aliis oneribus excusetur
quae caeteris civibus imponi solent." Der Amsterdamer , Leydener Rath
verwalte selbst die Darlehnsbank und fordere deshalb kleinere Zinsen,
weil er keine Abgabe an die Stadtkasse , wie die Privatwechsler , zu zah-
len hätte, p. 509: „magistratus porro traj)ezitas per litteras et prograrn-
mata publicis locis affixa ad mensae conductionem provocat et invitat.
Atque ita factum accepiHagae comitis , Delphis, Leovardiae et
alibi. Delphense p)rogramma typis impressum sie habet" (aus dem Hollän-
dischen von Salm, übersetzt) :
„Praetor consules scabini et rectores civitatis Delphensis Omnibus
notum et singulis faciunt, quod Privilegium nummariae mensae dicti
loci expiraturum ad prhmim Aprilis i^roximi denuo in sedecim annos
elocare constituenmt , quibus animus fuerit dictam mensam majori
oblatione ac emolumento nominatae civitatis redimendi, sua nomina
indicabunt ante diemveneris proximimensis Febmarii MDCXXXVII .
Ad quem diem mature ante meridiem dicta dominatio de licitatione
ejus est actura. Conditiones sub quibus supra dictum pinvilegium con-
V. 5. Der Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler. 407
Die privaten Inhaber dieser Bänke mussten neben der
wiederholt erwähnten Abgabe auch eine zum Theil bedeutende
Caution vor Antritt ihrer Weclislerthätigkeit, wie die Münzer
(cf. V, 5.a.), an die städtischen Behörden einzahlen, eine beson-
ders gesteigerte in Amsterdam, wo man ihnen dieselbe von
Seiten der Stadt mit 4 7o verzinste , während die Stadt selbst,
welche jene Caution gar noch in den städtischen Wechselban-
ken verwerthete , mindestens 8 % davon gewann. Dagegen
erhielten dann die Bankiers, wie schon berührt, das Kecht,
doch auch die Ptlicht, gegen Pfänder bestimmten Werthes zu
gesetzlich vielfach normirten Zinsen männiglich Darlehen aus-
zugeben und hierzu ihre Geldbeträge jederzeit bereit zuhalten.*)
Natürlich konnten hier die Prozentsätze, welche die
Wechsler für ilire Darlehn forderten, bereits aus den früher,
so bei den Juden ent"\vickelten Gründen nicht niedere sein.
Insbesondere wuchs gerade durch die Steigerung des Verkehrs
und den ungebeugten Zwang der Wuchergesetze die Menge
der Nachfragenden, während die Zahl der concessionirten und
privilegirten Wechsler fast durchweg die nämliche verblieb,
ja bei Errichtung städtischer Banken noch beschränkt wurde.
Dazu kam die Fülle der leicht noch aufgeschraubten Abgaben,
die Caution, welche man dem Betriebskapitale vorAveg entzog.
cedetur hisfrnri interca et perlegi poterunt in archiris ante nominntae
civitatis Delphensis."
Diese Plakate wurden, typis graviorihus vulgata , lange Zeit hindurch
an öffentlichen Orten aufgehängt. Das edictum ordinum Generalium zur
Vemiiethung der Darlehns- und Wechselbank in Herzogenbusch lautet:
„ex auctoritate prorinciarum unitarum locabitur mensa foenehria Syl-
vae Ducis ad diem Jovis III. Novemhris 3IDCXXXIX. Quisquis
nnirimm habuerit conducendi , se sistat tunc Sylrae Ducifi ac commodo
suo prospieiat. Et qni eonditiones interim inspicere desiderut, eas
reperiet apud Secreturium consilü Status et apud scribam urbis Sylvae
Ducensis . . . divulgettir."
1) Salmas. 1. c. p. 576 ff. Zypacus, anal^'tica postrenii juris cccl.
V. d. usur. p. 215 ff. — Solche Caution zahlten die Wechsler bekanntlich
auch in Italien, Frankreich, 8|)anien; in Flandern schon seit 1489. In
Piacenza stellten sie 1391 Bürgen auf 1000 Lire. Martens, Ursprung
1. c. p. 22. Anh. p. 18, 112. Freincry, etudcs p. 89. cf. BeU. E. a. für
Frankfurt. 1408.
408 ^■. 5. i>io WVili^^lor. d. Gesoluiftc der Wcdisler.
dieKeihe der unausbleiblichen Gescliäftsverluste, der Geschäfts-
unkosten für das stets bereite namhafte Darlehnskapital , für
die grossen rfandlokalitäteu, für die Sicherheit derselben, für
die Schaar der Diener , für das Unterbringen der vielen klemen
Posten. ') In einigen Städten , welche auch oben bereits auf-
gezählt wurden, bestimmte deshalb die Obrigkeit, ganz we
für die Juden , den Prozentsatz der Wechsler , und zwar , wie
noch heute , wol mit besonderer Kücksicht auf die spezielle
Lage dieser Zinsforderer. So u. a. im Freiburger Stadtr.
1399. 1. c. IL 1. p. 131., durchschnittlich sonst erst seit dem
16. und 17. Jahrhundert, als überhaupt bereits die Zinserlaub-
niss sich Bahn brach und mau nun noch nicht wagte, der
Natur freier Conkurrenz ganz die Wege zu öffnen, sondern
durch die gesetzliche Noriidrung eines Zinsmaximums einen
neuen Begriff des AYuchers erzeugte und den Streit der Ver-
kehrsnatur gegen jede polizeilich willkürliche Fessel bis auf
unsere Tage hinzog. In Belgien gestattete man dann 1606
nicht mehr als 50 % die Woche. -) In Deutschland schwankte
der Wechslerziusfuss durchschnittlich etwa zwischen 20 und
40 % jährlich. Dagegen in den Wechselbanken natürlich, wel-
che von den städtischen Behörden selbst unterhalten und ver-
waltet wurden , hörte mit dem Triebe , die Armuth der Mitbür-
ger als Finanzquelle auszubeuten, mit dem Wegfall der Steuern
und Cautionen auch die enorme und für die Kunden dieser
Banken gerade drückende Höhe der Zinsen auf. cf. u. v. a. Sal-
masius, d. foen. trap. p. 741. Die städtische Bank nahm 8,
die private 16 7o- Allein schon Salmasius ■^) weist scharf-
sinnig darauf hin , dass man den Wochenzinsfuss nicht wegen
1) U. V. a. Salnias. d. foen. trap. 1. c. de modo usurar. p. 73:
„praeter annuas , menstruas et diarias usuras veteribus notas et fre-
quentatas sunt hodieque et hehdomadariae in his locis Longobar-
dis h. e. puhlicis foeneratoribus usurpatae. De quibus apud veteres nihil
legi. Ad hoc eiiam pertinent , ut tibi quis ptecuniam ab ipsis acceperit sub
usuris, si vel unum non amplius dievi aut biduum pecuniam eam retineat,
pro tota septimana usuram persolvere teneatur." Zypaeus, analjt.
p. 218. Koscher, Nat. Oek. I. §. 193. 2) Zypaeus, jus Belgicum
1. TV. analyt. 1. c. p. 218. 3) d. foen. trap. Einl. p. XLIII.
V, 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler. 409
seiner Jahreshöhe als übermässig ansehen dürfe : „ vulgo unus
mireas in 20 pro usnra cxpetltur ad diem ditmtaxat iinum.
Ad aunum revocata haec iisura denis et octonis vlcibus sor-
tem exaeqiiat. Non est tarnen contendenda cum annuo foenore.
Älioquin et locatlo talis etiam reperietur legitlma et permissa
quae non sit minus immanis, si ad nmun diem conducta res
Ulis conductionihus aequiparetur , quae ad annum fiunt."
Eben aber wegen der Nothwendigkeit der Banken zur
Linderung der Geldnoth der niederen Klassen , zur Milderung
des Nothstandes, den das kirchliche Zinsverbot schuf, zur
kommunalen Beisteuer mid Geldunterstätzung der Fürsten
liessen die Machthaber es sich noch besonders angelegen sein,
die "Wechsler und deren Banken in ihren Gebieten festzuhalten.
So sagt ^) Kaiser Karl IV. 1360: „daz vnz furbracht hat
Heincze zum jungen Schultheizz ze Oppenheim, daz ez vns vnd
dem rieh nuzlich sey, daz wir kawerczin nemen vnd seezen
in vnser vnd des richs stat ze Oppenheim." Die Juden
Avurden ebendort zu Bürgern gemacht. Deren sonstige man-
nigfach bevorzugte Stellung , wie sie oben V. 4. a. c. d. erwähnt
wurde, gehört ebenfalls hierher. Eine Reihe der Privilegien
ferner, welche die Wechsler in den Niederlanden genossen,
wurde soeben aus Salmasius ^) aufgeführt. Derselbe bemerkt
auch: 3) „FhiJippus pulcher (von Burgund) diplomate suo
quibusdam mercatorihus fenebrium mensarum exercitium non
tantum pierm ittit, sed etiam praemiis ac privilegiis eos
invitavit." ^) Schon 1264, 1278, 1296 gab man bekanntlich
in Frankreich ihnen viele Vorrechte , um sie im Ghibellinen -
Kriege auf der Flucht dorthin zu ziehen. Sie liessen sich dann
in Namur nieder.^) Ihre Erbschaften sollen ihnen ohne Be-
schränkung durch die todte Hand bleiben , von Einquartierung,
Militairdienst sind sie frei , dafür zahlen sie bestimmte Abga-
ben ; so war es z. B. in Montpellier. Ihren eigenen Vorsteher
und Consuln dürfen sie halten, den Zins des Königs von Scliifi-
1) Glafey, Anecdot. 408. Halt aus, gloss. v. gowertschen. cf. Beil.
E.a. 2)d. f.trap.p.öOlff. (ob. P.406.N.1.) 3)ib.p.587. 4)Zypaeus,
analyt. 1. c. Martens, Urspr. §. 7. 5) Ürdonnances des rois de
France I. 326.
410 V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler.
brfichigen entrichten sie nicht , u. s. w. ^) Man verhehlte sich
hierbei keineswegs den wucherlichen Charakter des ganzen
Wechsler- und Bankgeschäftes, allein bei diesem Institute
beharrte man mit Festigkeit gegen das kirchliche Wucherver-
bot : denn die Noth drängte , da mochten Wenige lieber unge-
straft freveln , als dass das ganze Volk dem Wucher anheim-
fiel. „ iVe cessitate et popuU i n äige n t i a comniotos se esse
confessi sunt, nam ne totus populus, ajiint, ad usuras
dilahatur, paucis id impune permitti opus est, ac qui
sentit CO mm od um sentiat onus."^) Freilich, nun ge-
rieth dennoch das ganze Volk in das zinsbare Darlehn; der
Vortheil , welchen die Wechsler gaben und nahmen , war all-
seitig zu belehrend!
Gerade aus diesem Grunde verdammt auch den Machtha-
ber, der solch Wucherwesen duldete, der Schwabenspie-
gel (1. c. a. 141.) und sein Nachbeter hierin, das kulmische
Eecht (V. 65.) „un ob in einer stat ofenlichen wuochrär (iisu-
rarii publicl d. h. campsores) sint (vnd das cristene lute sint) ■
wer ist da schuldic an? der herre is daran schuldic,
des diu stat is, vnd der rihter, ob er sie niht
rüeget, als er sol." Ebenso Chr. Ku ppen er (v. Wucher
A. 3) ruft aus: „das nempt czu hertzen ir prelaten vnn
regenten, vngeczweifelt ir wert auif vil sunden m landen
vmi steten ein auff sehen tragen, vnn dieselbigen straffen solchs
abczustellen, als ir solchs czuthun schuldig seit, vnd dorczu
solchs czuthun auff diser werlt von got gesatzt vnnd vorordent,
als der heiige prophet spricht , Ich hab dich gesatzt czu einem
auffseher vber das volcke israhel. Das ist vber alle cristglau-
bige menschen. Unn so wurdest sehen ire vbertreten vnd ire
sunde vnd wurdest sie nicht straffen. So wil ich ir gebluete
das ist ir sunde an deiner haut rechen. Ezechielis III. c. 7. p.c.
irrefragabili de offic. or. r. c. vlti. de regn." ib. B. 4.: „Und
dorumb alle fursten vnn regenten geistliche vnn
werntliche, in landen vnn steten dy do czulassen dy
1) du Gange, gloss. v. lombardi. 2) Zypaeus, analyt. V. p.
215. 216.
V. 5. Die Wechsler, d. Geschäfte der Wechsler. 411
teuflische schilt zung des wuchersvnn der wucherischen
hendel, dy sein streflich vnn sein in dem banne. Unn so sie
offenbarliche Wucherer sein, so sal man sie czu gots
leichnam nicht czugehen lassen. . ." Und Gesetze und Spezial-
urkimden. welche von der Niederlassung der Wechsler in
Deutsdiland sprechen, nennen, selbst wo sie nicht den Stand-
punkt des kanonischen Wucherverbotes theilen , sie unverhoh-
len u s u r a r i i piiblici, ö f f e n 1 1 i c h e W u c h e r e r. ^)
Aber weit entfernt sind die Machthaber trotzdem, gegen
die Wechsler aufzutreten. Ja, während in England, Frank-
reich , Italien aus zum Theil ähnlichen Veranlassungen , wie
bei der Judenverfolgung , sich das Volk gegen die Wechsel-
banken und iliren Wucher erhebt, so dass die Fürsten^ — wol
auch durch ihre eigenen allzudrohenden Schuldverbindlichkei-
ten gedrängt — die Wechsler schliesslich aus dem Lande trei-
ben müssen, begegnet in Deutschland Nichts derart, so weit
nicht die Judenhetzen zugleich durch die Wechsel - und Dar-
lehnsbanken der Juden hervorgebracht worden. Hier bliebe
indess die Sache noch zweifelhaft. Unzweifelhaft wird sie
durch folgenden Belag: In den Niederlanden nahm Kaiser
Karl V. in der Wechslerfrage einen schwankenden Standpunkt
ein. Durch seine bekannten Edikte von 1510, 1520 und 1545
untersagte er den Wechslern jedes Zinsfordern, so wie den
unteren Behörden . Privilegien jenen zu ertheilen ; dann nahm
er dieses einschneideüde Verbot wieder, eingedenk der Noth
des^ Volkes, zurück, er gestattete, Darlehns- und Wechsel-
banken , wie bisher , zu halten und neu zu errichten , aber mit
sittlichem Makel bewarf er die aus der Verkehrsnothwendig-
köit hervorgegangenen Wechsler; sie sollten keinen Eintritt
1) So bereitsdas Miiiichener St. R. 1. c. a. 288. p.lll. : „ist aber, daz
die Pfenning anderthalb genommen sinjj , dann datz den Juden oder datz
den wuochräern, dann in der stadt, davon sol er in lösen." Layen-
spiegel, 1. c. v. Wuchergut: „aber die mögen für Wucherer geacht,
die . . im angerichten wucherpank halten, all.so sein dreierlcy Wucherer,
die ersten, so s tätige wucherpank halten haissen kundtlich oder
notarii, das sy allwegen autf Wuclicr leihen..." Purgoldt. Rechts-
buoh, 1. c. VIII. c. 30— 52. — Chr. Kuppe ner, vom Wucher (1508) B.5.
412 V. 5. Die Wechsler. e.Veili;ilteiuI. Kirche gegen Wechslergeschäfte.
in die Kirche, iiocli Zutritt zu dem Abendraahle haben. ^) In
Deutschland dagegen schritt er nirgend auch nur mit solcher
sittliclien Rüge ein, vielmclir strafte er in dem unter ihm 7a\
Stande gekommenen Keiclisabschiede von 1548 m dem Ab-
schnitte über „ Münzwucher " ^) lediglich diejenigen Wechsler,
welche, nachdem sie die Concession zum reinen Handwechsel
der Münzsorten erhalteji hatten , die Ausübung dieser Conces-
sion au Andere zu ihrem grösseren Grewinne verkauften.
e. Das Verhalten der Kirche hiergegen. Moutes pietatis.
So deutlich zeigte sich bei und nach Errichtung der Wech-
sel- und Darlehnsbanken ihre Nothwendigkeit und die Unnatur
des Zinsverbotes gerade für die unbemittelten Klassen der
Bevölkerung , denen eben die Kirche vor Allem Hilfe bringen
wollte , dass die Päbste in diesem Punkte sich genöthigt sahen,
selbst von dem Zinsgesetze abzuweichen und wenigstens
durch von ihnen hervorgerufene Institute das hervorragend
wucherliche Wesen jener Darlehnsbanken der Wechsler zu
beschränken. Die Kirche richtete eigene Darlehnsbanken für
die geldsuchenden Bedürftigen ein und nannte sie bezeichnend
,,montes pietatis , berge der mildigkeit", zum Un-
terschiede von jenen montes pravitatis usnrariae. Obschon
nun in dem Concil von Basel und Constanz die Zinsforderungen
der Wechsler dort , wo letztere auf einem obrigkeitlichen Pri-
vileg fussten , anerkannt wurden und nur diejenigen Wechsler
mit der ganzen Härte der oben erwähnten Strafen gegen die
usurarii piihlici verfolgt werden sollten, welche ohne solch ein
Privileg, solche Concession Pfandhäuser verwalteten, verblieb
die Kirche selbst doch bei ihrer Wucheransicht und beabsich-
tigte bei der Errichtung der montes pietatis getreu dem kano-
nischen Glaubenssatze gar keine Zinsen von den Darlehnsneh-
mern zu fordern, so dass die Schuldner, wann sie zu rechter
Zahlungszeit das Darlehn zurückzahlten , ihre Pfänder unver-
1) Salmas. 1. c. p. 398. Zypaeus, responsa d. jur. canon. V. resp. 1.
id. jus Belgic. ^^^ Chr. Kuppener, v. Wucher, A. 3. die oben im Texte
citirte Stelle. 2) Gerstlacher, Reichsgesetze. Bd. XI. §. 43.
V. 5. Die Weclislor. e. \'oihalten il. Kirche gegen Wechslergeschäfte. 413
sehrt zurückempfiiigen. ') Um das nothwendig grosse Grund-
kapital für diesen Opferaltar steter Nächstenliebe zu erhalten
und bei den unvermeidlichen Verlusten wieder zu ersetzen,
strengte die Kirche alle ihre geistlichen Mittel an. Es galt
die Probe , das Ideal der Nächstenliebe mitten in der Flut der
Selbstsucht zu verwirklichen. Erblasser neigte man freigebi-
gen Vermächtnissen zu, reiche Kapitalbesitzer mussten'den
monfes einen Theil ihrer sicheren Rentenbezüge überlassen,
ihnen Stiftungskapitalien zuweisen; den Schenkern sicherte
man himmlischen und kirchlichen Segen; wirkte dies nicht
genug, so schmeichelte man der reichen Ehrgier; für ange-
messene Einlagen in die montes beförderte man die Zahler in
akademische und andere Würden, man wirkte ihnen den Adel
aus ; unehelich Geborene machte man der geistlichen und welt-
1) cf. Leotard, d. usur. qu. 22. n. 29ff. Böhmer, jus eccl. prot.
1. c. §. LXX. Stryk, Us. mod. XH. 1. §. 45. Salmas. d. foeii. trap.
p. 586. Zypaeus, analyt. p. 219. Marperger, montes ^pietatis 1. c.
Say, Nation. Oek. II. 3. cp. 6. Gioja, nuovo prospetto delle scienze
economiehe III. 190. Röscher, Nat. Oek. I. §. 191. n. 7. — Als Sei-
tenstück dieser merkwürdigen Schöpfungen des kanonischen Zinsverbotes
darf man nicht unterlassen, auf die Banken in dem römischen
Staate hinzuweisen, welche zinslose Darlehen aus Staatsfonds gegen
doppelte Sicherheit mit Grundstücken (praediis praedibusque) vorschös-
sen. Rudorff, Römische Eechtsgeschichte I. p. 49. Anmerk. 2. Da-
hin gehören: 1) der Vorgang des M. Manlius (LiviusG,20. (?14):
„quirites, donec quicquion in re viea supererit, judicntum addictumve
duei patiar .") 2) die Einsetzung ^qx Quinqueviri mensarii (402)
cf. Livius, 7, 21 „propior dolor pilehi fenoris ingravescentis
erat." Daher bezahlte man aus der Staatskasse seine Schulden : „ . . . no-
mina aerarium mensis cum aere in foro positis, dissolvit." Sicherheit
bestellten die Schuldner durch Pfand und Bürgen. \'ün Zahlung der Zin-
sen wird Nichts erwähnt , die Darlehen wurden wahrscheinlich zinslos
nach dem Erm(\'<sen der Pünfiuänner aus den Staatsfonds an die Bürger
vertheilt. „rem difficillimam tractata ei plenonqne purti ntrique
semper cerie cdteri graveni." — 3) Die Einsetzung der trinmviri men-
Harii nach der lex Minucia {b'59)) „et Romae quoque propter pemi-
riam argenti III. Viri mevsarii facti." Liv.23, 21. - 4) Die Ban-
ken zur Zeit des Tiber ins 78(j: „donec tulit opem Caesar , disposito per
menftas milliex sestertio , f'actaqne mutnandi copia aine usiiris 2)er trien-
nium , si dehiior popido in dupliim in'aediis cavisset." Tacit. Annal. G, 17,
•1 U \. r>. Dio Wechsler, c. Verhalten d. Kirche gegen Wechslergeschäfte.
liehen Rechte ehelich Geborener theilhaft. So deckte man die
Geschäftsunkosten, die Verluste. Denen aber, welche ohne
Verofütung ihre Gehülfendienste der Verwaltung der montes
widmeten , verspracli mau himmlischen Lohn aus dem uner-
schöpflichen Schatze der Kirche.
Die Probe schlug fehl. Die frommen Spenden versiegten
trotzalledem nach und nach, die immer neuen Nachforderungen
der geistlichen Banken schienen unstillbar; weltlicher Lohn,
den die Kapitalbesitzer ausserhalb dieser montes mit ihren
Geldbeträgen reichlicli erlangten , dünkte unbedingt dem ewi-
gen vorzuziehen; und hing denn der ewige wirklich von den
montes pietatis ab? Schmeichelten sie nicht gerade durch jene
Würdenbewilligung u. a. der unsittlichen Eitelkeit? Seltner
boten sich umsonst die Gehülfendienste , dagegen mehrte sich
das Heer der Darlehnsnehmer und damit der Verluste.
So sah die Kirche sieh gezAviingen. mindestens zur Deckung
der Geschäftsunkosten und der Verluste von den Schuldnern
einen geringen Betrag ausser dem Kapitale des Darlehns zu
fordern, etwa 10 — 15% jährlich.') Daneben konnte nur ein
schwankender Betrag des GcAvinnes den Einzahlern der Fonds
als Zins gegeben werden. Daher musste man bald nach neuen
Hilfsquellen , die Kassen der montes zu füllen , trachten. Man
versprach den Begüterten, falls sie ihre Gelder eine bestimmte
längere Zeit zinslos den montes überliessen , ihnen die Summen
nach Ablauf der Zeit vervielfacht zurückzuzahlen. So kam es
erst in Italien , dann auch in Deutschland in Gebrauch, dass
ein Vater nach Geburt einer Tochter die Mitgift der letzteren
sogleich in die Kasse der montes zahlte , um nach deren acht-
zehntem Lebensjahre den zelmfachen Betrag dem Verlobten
des Mädchens einzuhändigen. Früher aber, als mit dem acht-
zehnten Jahre, durfte das Mädchen nicht heirathen, bei Gefahr,
dass das Stammkapital nebst aufgelaufenen Zinsen auf dessen
jüngere Schwester überging , und wo solche nicht existirte , der
Kasse des mons verfiel. Weitere Modifizirungen in den montes
pietatis folgen miten.
1) Chr. Kuppener, 1. c. fol. D. 1". Scaccia. §. 2. gl. 3. n. 25.
Carpzov, pract. rer. crim. p. II. qn. 92. Marperger, 1. c. cp. IX.
V. 5. Die Wechsler, e. Verhaltend. Kirche gegen Wechslergeschäfte. 415
In dieser Weise ents^hen zuvörderst die montes pietatis
in Italien, unter den Augen und niit der Weihe der Päbste
selbst, voran derjenige zu Ürvieto durch ein Breve Pius" IL
1463, ^) in Deutschland erscheinen sie wegen der verbreiteten
Darlehus-, Pfand- und Wechselbänke der Privatleute und
Gemeinden (cf. V. 5.d.) selten, daher klagt Chr. Kuppen er
noch 1508 in Leipzig (1. c. D. l""): „wolte got der almechtige,
das die loblichen f u r s t e n , stete vnn c o m m u n i t e t e n , die
solchs vermochten in deutschen landen, gemeinen armen
leuten deutscher nacion auch czu gute vnn czu trost irer narung,
auch czu uortilgen den teuflischen wucher , der leider in den t-
scher vnn p oll eni scher nacion vnter cristen vnd luden
gemein ist vnn die seien dem teufel vber antwurt ein solchen
bergk der mildigkeit auflrichten vnn anheben wurden."
Dann -) spricht er die Hoflhung aus, dass endlich auch Kaiser
Maximilian, sem hochgeborner Fürst von Sachsen , und speziell
die Stadt Leipzig solchen Berg der Mildigkeit aufrichten wer-
den. Wie oben in Abschnitt d. gezeigt ist, hoffte er vergebens.
Maximilian war ein Feind des Wuchers , aber auch ein Gegner
der niontvs und gerade er errichtete in Nürnberg eme städti-
sche Wechselbank, welche, je nach den Verhältnissen, auch
hohe Zinsen nehmen durfte und das „ubermaass der zinsen"
nicht blos auf die Unterhaltung der Bankverwaltung, sondern
auch als reinen Gewinn zmu Besten der Stadt verwenden sollte.
Aber war es noch zweifelhaft, dass schon in jener zwei-
ten Gestalt der montes von der Kirche das Zmsv erbot den
Gläubigern, wie Schuldnern gegenüber offen verletzt wurde?
noch zweifelhaft, dass hier die Kirche ausdrücklich vor dem
Gebote des Verkehrs zurückwich? Die weltlichen Fürsten
durften , weim die montes gleichmässig sich weiter entwickel-
ten, nicht zögern, dieses Institut neben den Darlehnsbanken
der Wechsler und .Juden willkommen zu heissen. Aber ein
eifriger Streit entbrannte über die nur zu klare Sachlage bei
Theologen und Juristen, und endigte mit Lobpreisung oder
Verdammung, je nachdem man unter Hilfe scholastischer
1) cf. Zech, rigor, inoder. IL §. 284. 2) D. 3. und 3^
41(] V. ö. Die Wechsler, e. Verhaltend. Kirche gegen Wechselgescliäfte.
Schlüsse sich mohv den Forderungen der Praxis /Aineigte , oder
mehr den erhabenen Sätzen der Theorie sich zuwandte, wie
besonders Thomas de Vio (Cajetan). ^) Der Streit konnte durch
Zustimmung der Päbste Paul IL, Sixtus IV., Innocenz VIII.,
Alexander VI., Julius 11. für die montes nicht beigelegt wer-
den , erst Leo X. im fünften 1 a t e r a n e n s i s c h e n C o n c i 1
von 1517 bestimmte endgültig, es sei zwar viel wünschens-
werther und sittlich besser , wenn die montes gar keine Ver-
gütung für ihre Darlehen von den Schuldnern forderten: allein
daraus , dass sie auf Höhe der Geschäftsunkosten solche Ver-
gütung bezögen , folge nicht ihr wucherlicher Charakter. ^)
Wie zuvor, suchte auch hier die Billigung der montes
ihre scholastische Rechtfertigung. Einen andern Namen gab
man diesen Zinsen, als Vergütung der Geschäftsunkosten
gestattete man sie. Begriff man sie unter dem Schaden des „ Inter-
esse", so mochte das angehen. (FV. 3.) Aber weigerte man sich
dessen nicht in andern Fällen? Und wer schied hiervon die
Zinsen für den Gebrauchs werth im einzelnen Falle? Waren
denn die Zinsen , welche der mons für die in ihn geworfenen
Kapitalien offen entrichtete , wirklich noch Geschäftsunkosten
oder nicht einfacher Wucher , den die Kirche zahlte , um ihn
auf der andern Stelle zu verhindern ? Aus Mildthätigkeit wu-
cherte man, nicht aus Gewinnsucht ; aber der gute Zweck sollte
ja nicht den Wucher ändern (cf. 1. 1.) Und wer zog die- Grenze
zwischen Gewinn und Freigebigkeit? Die grosse Aufsichts-
behörde, die Kirche. Sie aber nannte die Anlegung der Gelder
zu zinslichen Darlehen m den montes „gleichsam em Ge-
schenk an die Gesammtheit der Bedürftigen*' und den
Prozentsatz, welchen die Anleger davon zogen, gleichsam „ den
Gewinn aus einer Societät." (cf. VI. 2.) 3) Man bedachte
aber gar nicht , dass diese Sozietät kein anderes Hauptgeschäft,
als Darleihen gegen Zinsen hatte, und dass der Gewinn aus der
1) cf. Azor. 1. c. ni. 5. d. usur. c. 8. u. 10. d. cens. c. 22. 2) conc.
Lateranens. 1517. V. sess. X. MoydeSons, Archiv f. kathoi. Kir-
chenrecht. I. p. 323. 329. 330. 331. 3) Chr. Kuppen er, 1. c. D. 2 bis
D. 5". Scaccia. 1. c. n. 249. 451 u. s.
V. 5. Die Wechsler, e. A'erhalten d. Kirche gegen Wechslergeschäfte. 417
Sozietät hier die wucherischen Zinsen waren , welche über die
Geschäftsunkosten hinaus offen als Zinsen an die Gläubiger des
mons entrichtet wurden. Hätten die kleinen Darleiher ihre Gelder
statt aus dem nions, sogleich von den Gläubigern des letzteren
entliehen und ihnen dieselben Zinsen gezahlt, welche jenen
jetzt der nions abwarf, so lag völlig zw^eifellos Wucher vor.
Wie konnte aber der Wuchercharakter dadurch geändert wer-
den, dass nun der «io«s die Zinsen entrichtete? Wie leicht
war es dem Geldbesitzer , den hierbei vorgeschriebenen inne-
ren Forderungen Julius' m. (1555) zu genügen! Wie wollte,
was indess an sich den Wuchercharakter gar nicht berührte,
selbst die Kirche prüfen , ob die Anleger von Geld wirklich die
Absicht hatten , der Armutli zu helfen , und wie konnte sie
zweifebi , dass jene auch sonst mit ihrem Gelde Ge^vinn , weit
über 10 ^'(^ , gemacht hätten?
Aber die Sache ^var hiermit erledigt, die Natur des Ver-
kehrs und der kanonische Glaubenssatz, beide behielten Recht,
jene dem Wesen , dieser kaum dem Worte nach. Den Wort-
unterschied freilich und die Billigung der wontes wiederholten
nun natürlich alle Bischöfe. Coucilien mid Synoden der Einzel-
länder, so auch Deutschlands. Man war erfreut, dass sich ein
so wichtiges, fruchtreiches Institut vor dem Wucherverbote
gerettet hatte. ^)
Nach dieser Billigung war indessen nicht zu begreifen,
warum man eine Wechsler- und Darlehnsbank von Privatleu-
ten oder weltlichen Behörden . wie sie oben geschildert w'or-
den , abgesehen von ihrer obrigkeitlichen Anerkennung , nicht
auch Seitens der Kirche sollte gutheissen müssen. Beide stan-
den sich nach voller Ausbildung des mons rechtlich und wirth-
schaftlich gleich. Schon Lessius ^) leitet von der Genehmi-
gung des nwns pietatis zu der weltlichen Bank über und hält
auch letztere für durchaus zulässig, wo sie etwa 10% statt
der vielgebräuchlichen 4o % fordere. Denn hier „ in ntiliia-
1) cf. conc. Trident. sess. 22. d. rcfoniiat. ep. 8. Gonzalez. Teil.
1. c. — Die Synode von Besan9on Ihll; die von Mocheln 1617. conc.
Germ. VIIJ. p.l04. Zypaeus. analyt. i).219. Benedict XIV. de synodo
dioecesana VIT. c. 48. n. 1 — :}. 2) 1. c. II. c. 20. dub. 23. n. 194.
N eum .1 II 11 , Gesell, d. Wuchers. 27
418 V. 5. "Die Wechsler, e. Verlialteii d. Kiiclioefcgen Wechslergeschäfte,
icw n)uiu(ttariorum f/crif." Wie das Baseler und Coiistanzer
Coneil nicht Bedenken trugen , Solches aucli für Deutschland
mit Kücksicht auf die obrigkeitliche Billigung geradehui aus-
zusprechen, ward schon bemerkt. Hier stellte man bereits den
weitgreifenden und bis in die neueste Zeit in der katholischen
Kirche wirksam gebliebenen Satz auf, dass die Genehmigung
von Rechtsinstituten durch weltliche Behörden ihnen den wu-
cherlichen Charakter raube (cf. besonders IX. 3.) Andere-
kanonistische Autoritäten zögerten sodann ebenfalls lucht. ')
Hier indess half man sich wieder mit Worten. Nicht Darlehns-
zinsen empfing derjenige, welcher sein Kapital in der Bank
anlegte, sondern Renten, die er sich mit dem Kapitale erkauft
hatte, freilich unter Kündbarkeit des Kapitales und von einer
Sache , die keine natürlichen Früchte tru-g. Oder man betrach-
tete das ganze, auch das weltliche Bankinstitut mit den verschie-
denen Gläubigern als eine Gesellschaft. ^) Stellte sich die
Einlage offen als „Deposito," so half die Rücksicht, es geschehe
zum allgemeinen Besten. ^) Ja, das allgemeine Wohl umfasste
auch die vielen Geldeinlagen der Geistlichen, zumal in den
italischen Bankhäusern , für diese wäre das Verbot der Banken
ein schrecklicher Schlag geworden (cf. V. 5. f. u. VI. 2.)
Dazu kam , dass sehr bald sich in den montes jnefatis als
von Kirchen - (und Staats) - wegen gegründeten Anstalten eine
Zahl von unausweichlichen Missständen herausförderten , wel-
che die üarlehnsnehmer veranlassten, trotz der vielfach höhe-
ren Zinsen doch lieber zu den Banken der Privatleute zurück-
zukehren , welche , da sie um eigenen Vortheils willen die Ban-
ken unterhielten , wachsam auf die Anforderungen ihres Publi-
kums blieben. Hier nahm man es nicht so genau mit der Prü-
fung der dargebotenen Pfänder, man liess sich statt des Geldes
leicht in Waaren befriedigen, man taxirte die Pfänder nicht
so niedrig, als dort, weil man mehr Gewinn aus dem Darlehn
hatte, in der Oeftnung der Banken gemäss der wechselnden
Tages - und Jahreszeit entsprach man gefälliger den Wünschen
1) cf. Azor. 1. c. c. 22. L. L ess, 1. c. dub. 23. in fin. 2) Scac-
cia. 1. c. n. 460. Moy de Sons, Arch. f. kathol. Kirchen E. I. p. 326.
3) „ in eommunem utilüatevi." Azor. 1. c. c. 22.
V. 5. Die Wechsler, e. Verhalten tl. Elirche gegen Wechslergeschäfte. 410
der Kunden , /Aimal der verschämten Armen. Wie lel)haft man
diesen Unterschied zu Gunsten der Privatbanken erkannte,
zeigen die Quellen. ^) Noch mehr musste sich dieses Missver-
hältniss steigern, als bei der wegen geringen Gewmnes abneh-
menden Zahl der Darlehnseinleger und bei dem durch die
Reformation plötzlich so bedeutend verminderten Einnahmen
der Kirche aus Deutschland letztere nur unter steigenden
Opfern Darlehnseinlagen für ihre montes erhielt. Um diese
Opfer aufzubringen, blieb natürlich Nichts übrig, als den
Schuldnern steigende Zinsen abzunehmen, und, was um so mehr
die Bedürftigen verwundern und das Wucherverbot verletzen
musste , höhere Zinsen , als diejenigen waren , welche die Kir-
che den Einlegern zahlte. Ja, noch mehr! Man behielt in
den montes die Pfänder , mochten sie auch weit die Höhe der
Schuldsumme übersteigen, bei der geringsten Zahlungssäum-
uiss der Schuldner als verfallenes Eigenthum zurück. Daneben
eröffnete man eine Leibrentenbank der Art, dass der Besitzende
ein Kapital , gleichviel wie er es erworben , in die Kasse des
hioiis legen konnte und davon möglichst hohe Zinsen sein
Leben hindurcli empfing. Nach seinem Tode verfiel das Kapi-
tal dem maus. So sagt Chr. Kupp euer, v. Wucher C. 5'':
„ einer kauflft etzliche w e r n 1 1 i c h e c z i n s bei eyner stat ader
bei einer kirchen auff seine lebetage alle iar ierlichen
im solche czu reichen vnd czu geben." Der Vertrag erschien
nicht wucherlich , „ da er auf Kauf beruht." (Vergl. hiergegen
V. 3. e. und V. 5. d.) =^)
Dergleichen Erwerbsquellen des Grundstockes für den
mons trugen nicht mehr das Gepräge der Nächstenliebe. Sie
neigten bedeutend zu dem Grundsätze der Privatbanken , um
Gewinn darzuleihen, hinüber. Was Wunder, dass da beiden
1) Salmasius m seinem zit. Buche de foenore trnpczüico und Mar-
yerger von d. montt. piet. lassen sich des Weiteren über solche Vorzüge
der Privatbanken aus. cf. auch Say, 1. c. übers, v. Morstadt. 3. Aufl.
(1830) n. 3. cp. 6. Gioja, nuovo prospetto 1. c. III. 190. 2) cf. Carp-
zov, pract. rer. crim. p. II. qu. 2. Marperger, 1. c. Besold. d. aerar.
publ. cj». 3. p. 38. ti. 3. niont. jtiet. Rom. cp. 1. J. H. Böhmer. 1. c. V.
19. §. LXXIII. Leotard, d. usur. qu. 22. n. 29. n. 41 tf.
27*
42C) V. f). r>ie Woclisl(M-. f. Woclisolvorkolir.
sonstigen Vorzügen der Privatbanken vor den mo)ites die
Scliuldner sich überwiegend jenen zuw^andtcn , nun aber höchst
unbefangen oder vielmehr liöchst richtig urteilend keinen Un-
terschied im Gruiulcharakter beider Institute entdeckten. Daher
wäre es dem Volke völlig undenklich und widersinnig erschie-
nen , wenn die Kirche bei den Privatbanken die Zinsforderunsf
hätte verbieten wollen. So bahnten die Zinsen sich nach und
nach den Weg zu allgemeinster Anerkennung ihres Rechtes.
So weit vorgeschritten, konnte man nicht mehr inne hal-
ten in immer weiter ausgedehnter Billigung der Vergütung
für den Gebrauch fremden Kapitales. Sollte eine Anleihe
von emer Stadt, emem Fürsten aufgenommen werden (u. VIIT.
3. c. u. f.), so bildete man eine nur gedachte Bank, welcher
etliche öffentliche Einkünfte so weit überwiesen wurden , dass
man damit die Zinsen des Grundstockes deckte. ^) Die Antheile
nun an der Bank verkaufte man zur erzwungenen, später auch
freiwilligen Entgegennahme. 2) Die Billigung der Wechsler -
und Bankzinsen schlug in dieser Fiktion selbst so glänzend an,
dass sogar die Päbste in solcher Form sich nicht scheuten,
zinsbare Anlehen zu machen. Ohne Zinsen erhielten sie solche
nicht , sie gaben also Zinsen unter fremden Namen , selbst auf
kurze Darlehnszeit. Derart lautete die Anleihe Pauls IV. von
100,000 scudi auf 9 Jahre, zur Abzahlung der Schulden aus
den Exequien Julius III. und Marcells 11. und aus der neuen
Pabstwahl „pro quibus solvendum erat intolerabilis interesse"
(d.h. das damnum emergens ejus, qiiod interestlY. 3.) Aus
den Zinsen der Anleihe waren „Geschäftsunkosten einer
Bank " im Augenblick geworden !
f. Der Wucher im Wechselverkehr insbesondere.
Die grössere Zahl der deutschen Wechsler konnte schon
deshalb kaum über die Sphäre der im Abschnitte d. erwähn-
ten Geschäfte hinausgehen , weil es ihnen an bedeutenden Ka-
pitalien fehlte, welche sich mit den Geldmitteln der italischen
1) Azor. 1. c. III. 1. 5. '.-. 11., 1. 10. c. 23. 2) Scaccia, I.e. n.4ö5;
Endeniann, 1. c. p. 71.
V. 5. Die Wechsler, f. Wechselverkehr. 421
Bankhäuser hätten vergleichen lassen können. Sie standen
ferner nicht mit den Wechslern ihrer eigenen Stadt, geschweige
denn mit denen anderer Städte in Verbindung. Hier findet
sich Nichts von jenem grossartigen Ineinandergreifen des Ge-
schäftsbetriebes der italienischen Bankhäuser mit iliren Com-
manditen und denen anderer Häuser, wenig von der ausge-
delmten und docli präzisen Abwicklung der übernommenen
Geschäfte in den Wechsel - Messen , Nichts von der Gerichts-
barkeit eines besonderen Oonsuls über die Mitglieder der
Innung , der Landsmannschaft. ^) Die weiteren Funktionen ita-
lischer Wechsler übernehmen, ausser wo letztere selbst in
Deutschland thätig sind und ausser vereinzelten Beispielen
deutscher Weclisler, ^) die Genossenschaften der KauHeute und
die städtischen Behörden. Die Gründung der Städtebündnisse
hatte für die Hebung des Handels die Folge, dass sich ein
Netz von Handelsgenossenschaften der in- und aus-
ländischen Kautieute über das ganze Handelsgebiet breitete. ^)
Dieselben sind durch Genossen , Lieger , Contore in allen be-
deutenden Handelsplätzen vertreten. Sie kommen periodisch
wiederkehrend auf den grossen Märkten (V. 5. a.) oder zu den
Versammlungen der Genossenschafts - Mitglieder , z. B. zu den
Hansatagen zusammen, sie heben sich so ungefähr mit den-
selben, nur beschränkteren Mitteln zu den Verrichtungen der
italischen Bankhäuser, besonders durch ihre Unterstützung
des Wechselverkehres empor.
p]twa in gleicher Verbindung unter einander stehen die
städtischen Behörden, und dadurch nehmen sie eine
ähnliche Beziehung, als jene, zu dem Geldverkehre ein. Ihre
Stellung aber und Verbindung mit einander ist sichrer als jene,
die Gerichtsgewalt steht ilmen sogleich zur Seite, ihr Anseilen
reicht weit, und so ist ihr Credit gross. Daher deponirt man
bei ihnen allerart Geldbeträge, strittige und unbestrittene;
sie gebrauclien diese Beträge offen und erlaubt l)is zur Zah-
l) cf. V. 5. b. (1. u. Ne u m a n n , Wechselgesch. \t. l;59. 2) et", n. a.
lüb. ürk. B. II. b. 873. ii. ib. Kämmereibucb Vm. 3) cf. Neu mann,
ib. p. 4 ff.
42-J Y. 5. Die Wechsler, f. Weohselverkehr.
lungszeit gegen Vergütung. ') Man leilit ihnen gern Summen ;
sie ziehen und auf sie zieht man von fern und nah Wechsel
hl ununterbrochener Zahl. Eme Fülle von Beweisen aus jedem
Urkuiidenbuch lässt sich dafür anführen. Auch hat dieses Be-
treiben von Privatgeschäften Seitens der städtischen Behörden
in jenen Zeiten nichts befremdliches, wie heute. Sie kaufen
ebenso 7Aiweilen Frucht auf, um sie mit Gewinn wieder zu
verkaufen und hierdurch , wie durch Erhebung von Natural-
abg'aben , die städtische Kasse zu unterstützen. Gleicher Art
treiben sie selbst durch ilire vereideten Knechte lange Zeit das
Wein - und Mahlungelt ein , dann verpachten sie es in öffent-
liclier Versteigerung den Meistl)ietenden. Den Salzhandel trei-
ben sie als städtisches Monopol zum Gewinne der Commu-
nalkasse. Später erst beginnen daneben die direkten Geld-
abgaben. ^)
Auf den Schultern dieser zwei Körperschaften vornehm-
lich neben den italischen Wechslern ruhen hier sonach das
grosse Darlehns- und Depositengeschäft, die Ak-
k 0 m m e n d a , ^) der Wechsel um lau f. Durch sie wird die
1) cf. u. V. A. liber excess. et sign. 1415 d. Bresl. städt. Archivs,
wo das für die Curie in Polen gesammelte Geld bei dem Breslauer Eathe
deponirt wii'd. Lüb. U. B. I. p. 235. 419. 490. 494 (1261. 1283. 1289. 1290.)
2) cf. Arnold, Verfass. Gesch. 1. c. U. 260. 262. 264. — (1350) u.d.Note
z. Akkommenda. — Neumann, Wechselgesch. im H. G. S. 139 — 142.
.3) Schon in Neumann, Wechselgesch. p. 141. N. 161 sind zitirt hierfür:
Bornbach, Eezesse III. fol. 621 (Danz. Arch. Bibl.) , Hirsch, Handels-
gesch. Danzigsp. 93 (1438), wo ausser vielen Privatleuten auch das Brigit-
tenkloster, die Marienkirche, das h. Geist -Hospital und die Alderleute des
Johannis - Altars Kapitalien , die sonst doch pupillarische Sicherheit ver-
langten , zu den Baienfahrten der Hanseaten hingeben, um sich einen An-
theil an deren Gewinne zu erwerben. — cf. auch Privüeg. Kaisers Frie-
drich III. 1454 f. Nürnberg. Nürnb. Eeform. 1564. Frank f. Eeforni.
1611. Gengier, D. P. E. p. 497. — Im codex dipl. Siles. III. (Grün-
h agen) , Henr. paup. heisst es p. 20 (1307) : „Item soluerunt (coss.) pro
pnnnis , quos praeieriti consules ac c o m m o d a v er an t (cf. ob. d. Citat
aus den Acta Sanetorum. Vita Ivetae „accommodaretur") septin-
gentas marcas denariorum et 92 marc. 1 fert." Diese Stadthaushaltsnotiz
wiederholt sich dann sehr oft. cf. ib. 21. n. 2., 24, 26, 27, 28, 31, 32, 35
u. a. Das Geschäft , das hier zu Grunde liegt , ist keineswegs Kauf auf
V. 5. Die Wechsler, f. Wechselverkehr. 423
Handhabung des Geldverkehrs vereinfacht, die Versendung
von Geldern, Besorgung von Commissionswechseln für fremde
Wiederkauf zur A'erdeckung einer Anleihe , wie Grünhagen p. 20. n. 5 und
sonst meint. Hierdurch wäre das Verbrechen des Wuchers nicht abge-
wendet worden, weil hier ja das Scheingeschäft offen zu durchschauen
war (8. 15 ob.). Andi'erseits scheut die Stadt sich nirgend, von ihren zins-
baren Anleihen in den Reclinungen zu sprechen (cf. u. VIIl. 3 f. — Grün-
hagen, ib. p. Gl. Go. Gö. G7. 72. 74. 81. 82. IIG u. v. a.) Vielmehr liegt
hier offen eine Akkommenda (accommodmnt) des Breslauer Rathes an
den Tuchgeschäften der Breslauer Kaufleute vor. In obiger Stelle han-
delt es sich um die Einzahlung, desgl. p. 21. n. 2. Diren Antheil am Ge-
schäfte cf. p. 24: (1309) „acceperunt .. 14 pmmos , qui consiant 100 m.
et 27." Das Geschäft brachte diesesmal Schaden: ib. „de hoc reccperunt
damjnium in 27 m." Eine Rechnung über den Geschäftsertrag ib. p. 28.
20(1310): „Item summa pereeptorum de quadraginta pcmnis Yperem^i-
hus acceptis apud Brunonem de Olsnicz et Nicolaum de Cyndato et aptid
Albertiim Lezhornum 300 marc. 47 m. et 4 scot." 5 solche Posten fol-
gen, dann Abschluss : „saiiniui, umnium xjerceptorum tarn in magnis,
quam in parvis est quattuur viillia marcarum et 100 m. 53 m. et 10 scot."
So auch p. 31 (1311) Diese Abrechnung schliesst mit einem Verluste von
70 marc. (p. 32.) Auch die Angaben p. 33 (1312) 8 Posten , welche die
coss. „postmodum percepenmt" von bestimmten Kaufleuten und von
nicht genannten, p. 3.5 (1313) heisst es: „summa illo anno perdita est in
pannis 100 et 40 minus duobus et in usuru facta et in combustione malo-
riim detutrionim et mali argenti 200 marce et 48 marce." Hier ward also
genau zwischen dem Tuchgeschäfte (der Akkommenda) und den zinsbaren
Anleihen geschieden. Dass dies aber nicht geschieht, um eben in den
ersteren die zweiten gegen das kirchliche Wucherverbot zu verstecken,
ergiebt sich aus der Nebeneinanderstellung und dem Obengesagten u. s. f.
cf. ib. p. 3G. n. 4, 40, 47, 5G, GO, G2, G3, G4, GG. Ganz genau lassen sich
leider die Abrechnungen nicht verfolgen , weil die Rechnungen lücken -
und felüerliaft notirt sind. — Aehnliche Geschälte zwischen dem Herzoge
Ludwig von lirieg und dem Christen Pezco CjTidal daselbst , so wie der
Brieger Handelskammer (camera mercatoria) scheinen 1350 in Brieg in
ausgedehnter Weise gemacht zu sein laut dem Brieger Lehn und Erbe
(Breslauer Provinz. Archiv , mir von Herrn cand. bist. Rössler mitge-
theilt, der die Geschichte die.ses Herzogs schreibt.) Die Notizen in den
Quellen hierüber sind iiidess ebenfalls sehr kurz . wie in den Breslauer
Stadtrechnungen , so dass sidi der ganze Verlauf der Geschäfte nicht
verfolgen lässt. (Wahrscheinlicher liegen lediglich Tucligcschäfte des Her-
zogs selbst vor. — ) Diese Geschäfte sind Gesellschaftsverträge,
in welchen die Einen Geld, die Andern Arbeit herzubringen, und recht-
424 V. 5. Pie Wechsler, f. Wcclinelverkehr.
Plätze, die Anknüpfung eines einigermaassen regelmässigen
Wechselverkehrs erleichtert und verwirklicht. Daneben aber ist
der Wechsel, theils naturwüchsig, theils von Italien her gebil-
det, keineswegs den Handeltreibenden fremd , vielmehr findet
man ihn bereits vereinzelt im 13. Jahrliundert am Mederrhein
imd in einzelnen Städten des nördlichen Hausagebietes , dann
zahlreicli seit dem 14. Jahrhundert in Nord- und Süddeutsch-
land in seinen verschiedenen Erschemungsformen verbreitet,
als einfacher Schuldschein, als domiziliirter Eigenwechsel mit
zwei , drei und mehreren Personen , endlich als Tratte.
Hier, wo es sich lediglich um den Wucher im Wechsel
handelt, muss bemerkt werden, dass eine Umwechslung des
Geldes (camhium pecuniae) , wie sie bei den italischen Wech-
fertigen sich als solche gegen das Zinsverbot (cf. u. \1. 2.) Sie erscheinen
auch in Deutschland im See- und Land -Handelsrechte in der zwiefachen
Form der accomenda (comeuäa, aceomandita) und der impUcita (irnpietta,
prestitu) des italischen Handelsrechtes , je nachdem Geld zu bestimmten
einzelnen Geschäften oder allgemein zu Geschäften deponirt oder einge-
legt war, und je nachdem ein fester Prozentsatz oder eine Quote des
Gewinnes als Provision gezahlt wurde, cf. Casaregis, Discursus legales
de commercio. Florent. 17J9. disc. 29 (I. p. 165). Fremery, Etudes de
droit commercial. p. 17. 3()flF. Lab and, Comment. zu art. 1. der la tabula
de Amalfa Not. 8. voc. columnae, wo zugleich die Litteratur reichlich
angegeben und die Einwirkung der „Colonna" auf jene 2 Verträge, fer-
ner auf den contratto di germinamento und auf Timpegno dei marineri
aUa parte ausführlich erwähnt wird (Goldschmidt, Zeitschr. f. d. ges.
Handelsrecht. VH. 2. Heft.) Biener, wechselr. Abhh. p. 21 ff. , 31. Die
Angaben von Holtius, Abhandll. civilist. u. handelsrechtl. Inhalts, übers,
von Sutro , Utrecht 18.52. p. 230 . 233 ff. über die tabull. Amalfitt. hin-
sichts dieser Akkommenda sind nicht durchweg richtig, cf. La band, 1. c.
art. 1. u. 6. u. N. 23. Die italischen Bankhäuser bestritten wesentlich
durch diese Akkommenden oder Depositen ihre oben vielfach erwähnten
grossen Darlehen. Villani, Storia 1. XI. c. 87. Arenz, 1. c. p. 26. 30.
Scaccia. §. 1. qu. 6. n. 10. p. 129, §. 2. GL 5. qu. 2. p. 337 und beson-
ders §. 1. qu. 7. p. 2. ampl. 3, p. 159., der nur die Bezeichnung depositum
kennt. Martens, Urspr. 1. c. p. 29. Der von England im 17. Jahrb. aus-
gehende Gebrauch der Kaufleute , ihre Gelder , um nicht Kasse zu haben,
bei Bankiers oder Privaten (Goldschmieden) niederzulegen und darauf
checks auszustellen, ist offenbar ein anderes Rechtsgeschäft. Jacobsen,
ümriss d. engl. W. R. p. 131. B i e n e r , 1. c. p. 24. cf. bes. 1403. B eil. E. a.
V. 5. Die Wechsler, f. Wechselverkehr. 425
sein fast immer begegnet, in den heimischen Wechseln vev-
hältnissmässig selten eintritt, wenn man nicht etwa «las jedes-
malige genaue Anführen der ursprünglichen Geldsorte mit
ihrem Curse darauf deuten will , dass in derselben stillschwei-
gend ein camhium. dieser Sorte in die am Zahlungsorte gang-
bare Geldart verstanden ist, oder dass die eine genannte Geld-
sorte bereits die am Zahlungsorte zu entrichtende andere ist. ^)
Eine Abzahlung in Waaren findet häufig statt. ^) Die Wech-
selurkunde jeder Form enthält neben der Schuldsumme den
Ausdruck der Verpflichtung des Schuldners zur Erstattung
allen Schadens, Interesses, aller Kosten, welcher
sich der Remittent im Falle des Nichtacceptes , der Nicht -
oder Theilzahlung, oder falls der Wechsel bei Rücksendung
an den Aussteller verloren gehen sollte, theilhaft machen
konnte. •^) Hierzu tritt der Cur s gewinn, welchen der Gläu-
biger sich im Falle einer Umwechslung des Geldes (camhium
pecuniae) sogleich in der Wechselurkunde vom Schuldner
ausbedung. Dieser musste bei den so ausserordentlichen, oben
unter n. 5. a. geschilderten Cursschwankungen der einheimi-
schen und fi-emden Münzen , welche durch Messen oder son-
stige Uebereinkunft der Kaufleute und Wechsler nicht geregelt,
dagegen bei der ewig ungleichen Nachfrage von den nicht
einmal gewerbsmässigen Wechslern beliebig ausgebeutet wur-
den , sich besonders fruchtreich erweisen. *) Selbst bei Wech-
seln über eine Menge vertretbarer Sachen begegnet solch ein
Cursgewinn. Ausser dem Gewinne am Curse fordern die itali-
schen Wechsler in Flandern , dann in Nord - , früher schon in
Süddeutschland noch ausdrücklich oder in den Cursgewinn ein-
begi-iflfen ein Wechselgeld, d. h. einen bestimmten Prozent-
satz der Wechselsumme für das Ausstellen oder Befordern
des Wechsels selbst. ^) Bei der vereinzelten Ansässigkeit von
Lombarden in Norddeutschland und der verhältnissmässig
1) cf. Neumaiin, 1. c. p. 47 ff. lo^Jff. cf. Lüb. U. B. I. p. 410 (1282.)
2) cf. ib. p. 48. 49. 3) ib. p. 50 ff". Gö ff". 15G ff. 4) ib. p. 57. 58. 157 ff.
cf. Chr. Kuppener, 1. c. Beil. E. n. 2 (1508.) 5) ib. p. 142flF., 157. 158.
n. n. 196. Besonders die iirkundlirhen archivalischen Beläge aus dem
Hansagebiet.
42(5 V. 5. Die Wechsler, f. Wechselverkehr.
immer seltenen Nothwendigkeit für die Hanseaten, Gelder in
die südländisclien Handelsplätze zu schicken, bot sich dort
selten Veranlassung zu dieser Nutzung des Wechsels. Weit
häufiger muss sie dagegen in Süddeutschland vorgekommen
sein und sich ehigebürgert haben , weil hier , so weit man aus
den zerstreuten bis jetzt gedruckten urkundlichen Belägen zu
urtheilen vermag , die Lombarden sich theils zahlreicher ansie-
delten, theils von den Niederlanden und Südostfrankreich aus
eine regere Verbindung durch Wechsel mit Italien , insbeson-
dere mit Venedig unterhielten. ^) So heisst es in einem domi-
ziliirten Eigenwechsel mit 4 Personen vom 4. Mai 1328, aus-
gestellt in Metz, zahlbar in Strasburg : „Nos . .. notum facimus
tiniversis, quod nos recepimtis pro stremiis viris ... M. Uhr.
t u r 0 n. p a r v. per manus familiarkim ipsoriim dominorum
. . . propter qaod vohimus ac mandamus per presentes discreto
viro ..., quatinus ipse pro nohis ac nomine nostro tradet et
deliheret dominis . . . in Ärgentinensihus denariis ad
valorem seu quantitatem M Uhr. predict " Tür
Süddeutschland , besonders Frankfurt a. M. führt Kriegk eine
Reihe yon Notizen über Wechsel auf. ^) Wechsel werden durch
Lombarden aus Mainz und Heidelberg nach Italien 1403, 1405
gesandt: „als man mit den Lumbarden te dingte von des
wessils wegen , als gein Eome von Weiders wegin (des Frank-
furter Gesandten am päbstlichen Hofe) gemacht waz." 1406
begegnen drei ebensolche Wechsel nach Eom. •'') 3 Bemerkun-
gen im Frankfurter Rechenbuche von 1406 weisen hierauf hin:
Erstens 2 gülden 6 Seh. 7 Hell, nach dem wesselbrieff
gein Colne ; zweitens 3 gülden ein gesellin von Grunenberg,
der mis einen wesselbrieff Dilmann gern Rome trug ; drittens
180 gülden Walter zur Glocken von eins wessils wegin umb
150 Dukaten gein Rome zu senden." Eben dort wird in
Betreffeines 1406 nach Rom geschickten Wechselbriefs gesagt,
ein gewisser Warmuter habe 1396: 45^2 A- dafür erhalten,
dass er dem Frankfurter Gesandten in Rom 40 fl. mit einem
1) cf. Mone, Zeitschr. zur Gesch. d. Oberrh. IV. p. 48 ff. XIV. p. 78.
2) cf. G. L. Kriegk , Frankf. Zustände p. 332 ff. n. 201. 3) ib. Anm. 202.
V. 5. Die Wechsler, f. Wechselverkehr. 427
Wechsel zu Kom bestellen sollte ; also betrug Curs und Wech-
selgeld 1:5^/4 %. So wird der Coiistanzer Job. Muntbraten
1404 den 13. Juli mit der Einkassirung von Wechseln in Ve-
nedig beauftragt , welche zu Brügge für Constanzer Kaufleute
ausgestellt worden ^): „Noverifis, Joh. Slatter ..proDOOflor.,
nee non Lidfr. Bettminyer .. pro 400 flor. in Briigg , distri-
ctus Flandrensis , camhium soUcmpniter more mercatorum
inivisse in civitate vestra (des Dogen von Venedig) persolven-
doriim, quihus iamni ... non patet acccssus, Utterasque cam-
hii JoJianni Miiiifhrafoi latori ... fideiconimiserimt suppli-
cantes ... ui quantitatem in litteris .. descriptam
nnllo prctcxtu eidem latori percipiatis. .."^) Vom l.S.December
1404 begegnet der Vollraachtsbrief für den Erben eines Kemit-
tenten aus dem Wechsel eines Wechslers von Avignon. ^) Selbst
der Lübecker Wechsler bezog durch seine Vertreter in Mittel -
und Süddeutschland das Wechselgeld neben dem Cursgewinne,
Avie Kuppener 1 508 ausdrücklich erwähnt. '^)
Unter den lieber tragungen der Wechsel ^) muss hin-
sichts der Wucherft'age das Disko ntogeschäft besonders
erwähnt werden. Banken und Wechsler, besonders italische,
mögen sich desselben in Deutschland bemächtigt haben. Man
ersieht dies aus den Urkunden nicht , darf es jedoch aus dem
sonstigen Geschäftsbetriebe jener Beiden schliessen, da man
u. A. eine Menge von bereits oder bald fälligen Wechselforde-
rungen zur Realisirung einem und demselben , meist rechts -
oder geschäftskundigen Vollmachtsnehmer in den grössern
Städten zu übertragen gewohnt war. Beläge hiefür, z. B. aus
den Danziger Schöppenbüchern sind höchst zahlreich anzufüh-
ren. Aber, was hier noch wesentlicher , selbst bei Privatper-
sonenbegegnet dieser sogenannte „Schadenkauf" (davon
dem Wechselbetrage selbstverständlich ein Theil dem Inhaber
der Urkunde verlorenging.) 1432 verkauft Wilhelm Winter-
feld eine in Stralsund ausstehende unsichere Wechselforderung
1) M o n e , Zeitschr. 1. c. IV. p. 29. 2) ib p. 46. 47. 3) ib. p. 47.
(1406.) p. 30. 31 (1407) p. 43. 44 (1410.) 4) cf. hinten Beilage E. n. 2.
u. Beil. E. a. 1403. 5) Neu mann, 1. c. p. 162 ff.
428 V. 5. Die Weclislor. f. Wccliselverkehr.
von 600 W. liiein. an den Stralsunder Hildebrand mit Verlust. ')
1472 übernehmen zwei Danziger Bürger, Bisch off und Feld-
stett, von dem Vogte des grossen Werders eine noch nicht
lallige Anweisung über 1000 Gulden, unter Verlust für ihn,
gegen Zahlung des Preises. Der Trassat, der Danziger Kath,
willigt darein. '^) Der hiefür bereits bestimmte Ausdruck
„ Schadenkauf" beAveist die häufige Wiederkehr des Geschäftes. ^^)
Prolongationen endlich und Veränderungen, Erhö-
hungen der Pflichten des Schuldners aus dem Wechsel wegen
dieser Prolongationen finden vielfach statt. *)
In dieser Weise gestaltet sich daher in Deutschland der
Wechselverkehr weit ausgedehnt, mit Hilfe der deutschen
und italischen Wechsler, besonders aber der kaufmännischen
Genossenschaften und der städtischen Behörden. Freilich ist
er nicht so vollkommen, wie in Italien und seinen Zweiganstal-
ten. Die Messen zumal fehlen zuerst fast ganz , speziell Wech-
selzahlungen lässt man auf ihnen gerade gar nicht zu. So liess
1391 der Rath zu Frankfurt a. M. einen Mann pfänden, weil
er in der Fastenmesse einen Anderen „mit einem Wessil
f u r e s t e " (bezahlte.) ^) Später sind die Märkte in Deutsch-
land wenigstens niemals reine Wechselmärkte. ^) Daher beson-
ders fehlt die Regelmässigkeit des Wechselumlaufes, die räum-
liche und zeitliche Stetigkeit der Curse, die schnelle und sichre
Abwicklung der Wechselverpflichtungen. Abgesehen hiervon in-
dess dehnte sich der Gebrauch der Wechsel, zumal im Hansage-
biet, wie es bis jetzt scheint, mehr, als in Süddeutschland aus und
griff besonders in das alltägliche Verkehrsleben vielfältigst ein.
Verletzte man nicht tausendfältig in dieser Wechselpraxis
das kanonistische Prinzip der Geldnutzung? Der Preis des
Wechsels hatte eine zinsartige Vergütung , er war höher oder
niederer, je nachdem die Einlösungszeit ferner oder näher lag.
l)Danz. Arch. Missiv. IL 40T 2) ib. Urk. 30. 5125. 3) cf. Neu-
mann, 1. c. p. 166. 4) cf. Neumann, 1. c. p. 59 ff. 67. 145. 170.
5) Kriegk, Frankf. Zust. p. 332. 6) oben S.361. N.3. sind die Stellen
über die Wechselzahlungen auf Märkten für Deutschland in der Note
zusammengestellt, cf. noch für Frankfurt; Kriegk 1. c. p. 318ff. 332.
339. (1391.J
V. 5. Die Wechsler, f. Wechselverkehr. 429
Dazu kam das Schadensgeld, der Curs - uiid Wechselgewinn.
Ganz besonders zweifellos tritt der Wuchercharakter des Wech-
sels dort hervor , avo bei einem domiziliirten (meist Markt -)
Eigenwechsel mit zwei Personen der Aussteller, Darlehns-
scliuldner, dem Komittenten, Darlehnsgläubiger , einen Curs-
gewinn entrichtete, mochte hier das Zinsverbot zu umgehen
beabsichtigt sein oder nicht. Und so hebt auch Christoph
Kuppener in seiner Schrift vom Wucher (1508) gerade diesen
Fall heraus (A. 2.) : „ das der , der ein halb iar czuuor seine
hundert gülden aus gegeben hat an muntze , vorhofft an den
hundert guld. die ^yra czu franckfurt an guttem golde wid-
derumb gegeben vnn betzalt werden, eine besserunge derwirde
des goldes entzweder einer inwenniger ader auswenniger bes-
serunge... dorauf sprechen die heiigen recht, daz ein solcher
contract vnn solche handlung gantz vnrechte suntliche vnn
wucherische handel seüi vnn werden im rechte vor bestendig
nicht czugelassen." Hier seien beide Theile Wucherer, weil
beide den Wucher durch die Wechselform zu verdecken streb-
ten. Doch selbst wo sie Dieses nicht beabsichtigten, sei der
Vertrag wucherisch ; denn die Kontrahenten hätten schon die
Pflicht, sich vor solchen leicht wucherlichen Verträgen von
vornherein zu hüten (ib. A. 2^). Dagegen rechtfertigt er jeden
sonstigen Gewinn der Wechsler bei den erlaubten Wecliseln
mit den Gründen der andern kanonischen Rechtslehrer (cf.
Beilage E. u. 2.) Trotzdem wuchs hier . wie bei dem Institute
der Wechsler , des Rentenkaufes u. A. immer fester die üeber-
zeugmig, der Wechsel sei nicht wucherlich. Mit seiner that-
sächlichen Unentbehrlichkeit stieg die kanonistische Rechtfer-
tigung. Früh mischten päbstliche Entscheidungen sich ein,
den Streit über die Wuchernatur des Wechsels zu schlichten.
Schon Pius IV. eiferte gegen die blossen Eigenwechsel (cambia
sicca, trockne Wechsel eben wegen ihrer Unergiebigkeit) 1560.
Er hat dabei besonders die Missbräuche der römisclien Wechs-
ler gegen Geistliche im Auge. Die Ausländer nämlich , welche
m Rom bepfründet Avurden , nahmen behufs ihrer Zahlung an
die Curie Geld auf, das sie daheim zurückzalilen wollten. Im
Säumnissfalle berechnete der Wechsler dann dem Geistlichen
430 V. 5. "Die Wechsler, f. Wechselverkelir.
den Vortheil, den der Wechsler durch Beziehen des geschul-
deten Geldbetrages von der Heiniath des Geistlichen nach Rom
geliabt hätte, in Form eines recarabii. Der Pabst erklärte, der-
artige trockne Wechsel älterer Art wären keine wahren Wech-
sel, sondern wucherliche Geldgeschäfte in Wechselform, sie
wären der Eigenschaften untheilhaft, welche die wirklichen
Wechsel vor dem Zinsverbote schützten. Nur wirkliche Wech-
sel (camhia realia) sollten geduldet werden , das Wechseldis-
kontogeschäffc möglichst fallen. ^) Als derselbe Pabst später
die Bologneser Wechselstatuten 1569 bestätigte, ^) strebte er
danach, in dem bekannten motu proprio das Wechselgeld zu
ermässigen. Eingehend endlicli rechtfertigte den wirklichen
Wechsel die Constitution Pius' V, von 1570, indem sie in nocli
weiterem Umfange die camhia sicca verwarf.
„ danmanms ea omnia camhia , qiiae sicca nominantur , et
ita confmgimtur ut contrahentes ad certas nundinas seu ad
alia loca camhia celehrare simulent ad quae loca ii, qui
pecuniam recipiunt, litteras quidem camhii suas tradunt,
sed non mittuntur vel ita mittimtur , ut transacto tempore,
unde processerant , inanes referantur, aut etiani nullis
hujusmodi litteris traditis pecunia ihi denique cum, Inter-
esse reposcitur uhi contracfns fuerat celehratus.^'
Wirkliche Wechsel sollen nicht auf längeren Lauf, als bis zur
nächsten Wechselmesse, oder auf angemessenen Uso gestellt
werden.^) Eben der legitimus usus camhioruni-, quem neces-
sitas puhlica induxit, sollte dadurch getrennt werden
von allen nicht zu billigenden wucherlichen Auswüchsen. *)
1) Scaccia. §. 9. p. 502, Eaph. d. Turri, disp. lH. qu. 1. u. 22.
2) Scaccia. §.9. p. 504. Eaphael de Turri I.e. n. 24. 3) Scac-
cia. §. 9. p. 503. Eaphael de Turri, disp. III. qu. 1. n. 23.
4) In Italien (Süd - und West - Europa) suchte und fand bekanntlich der
Verkehr, nachdem ihm aus einseitigen Wucherrücksichten das nothwen-
dige Hilfsmittel der trocknen Wechsel durch die Kirche genommen war,
einen Ersatz in den sogenannten Eikorsawechseln (Martens, Ur-
sprung p. 43 ff. Scaccia. §. 1. qu. 5. n. 85. §. 6. gl. 1. n. 85. Fremery
etudes p. 94. Pardessus, Contrat de change I. p. 28. n. 31. Eaph. d.
Turri in der ganzen disp. III.). Die verschiedenen Fälle und Formen die-
ser Wechsel in ihrem Zusammenhange mit dem durch die Kirche
V. 5. Die Wechsler, f. Wechselverkelir. 431
Diese begrenzte päbstliche Billigung der Wechsel ward
dahin begründet. Der Käufer eines Weclisels kaufte das im
Wechsel entlialtene besondere Geld (scutiis marcharum.) Und
der Gewinn des Wechselgebers , Wechslers , Bankiers u. s. w.
rechtfertigte sich durch die Arbeit und Gefahr, welche er bei
Ausstellung, Besorgung, Realisirung des Wechsels, dann beim
Geldtransport anwenden und tragen musste. ^) Insbesondere
kam hier in Erwägung der Transport des Geldes — , das grosse
Bediugniss aller Wechsel der handelnden Völker , die remissa
pecunia ex loco in locum.^)
beschränkten Verkehre zeigt Scaccia. §. 1. qu. 5. n. 88 — 97. Als Ver-
treter des Genuenser Wechselrechts zieht er solche Wechsel stets auf die
Messe von Piacenza. Scaccia unterscheidet wesentlich zwei Arten dieser
Wechsel, der Schuldner stellt den Wechsel aus und zieht entweder auf
den Gläubiger oder auf den Schuldner , beidemal soll der Trassat an sich
selbst zahlen. Diese Wechsel bildeten sich nach dem erwähnten päbst-
lichen Verbote der trocknen Wechsel 1560 wesentlich auf Grund der
päbstlichen Bestätigung der Wechselordnung von Bologna 1569. Diese
billigte den Eückwechsel öffentlich , das Zahlen an sich selbst war längst
bekannt. (Biener, wechselrechtl. Abhh. p. 52 ff. p. 59.) Da es indess
zweifelhaft schien , ob die oben zitirte Stelle der Bulle von 1570 nicht
aucli diese Rikorsawcchsel verwerfe , entschied eine Congregation dreier
Cardinäle auf eine desfällige Anfrage des Erzbischofs von Palermo
1574 im Auftrage Gregors XIII. sich für die Billigung dieser Wechsel.
(Scaccia. §. 9. p. 431. Raph. d. Turri, disp. IH. qu. 1. n. 27.) Aber
diese Entscheidung schützte vielleicht nicht völlig gegen kirchliche Be-
helligungen. Denn 1625 erbat sich Genua vom Pabst Urban VIII. neue
Entscheidung über 3 Wechsel , von denen der günstigste ein Rikorsa-
wecbsel. Und der Pabst verwarf 1627 diese Wechsel , bis durch längere
Unterhandlungen unter Beihilfe Raphaels de Turri selbst bewogen die
Kirche 1631 auf Zulassung jener Wechsel resolvirte. (Raph. d. Turri,
disp. ni. qu. 1. n. 28.) — Die trocknen Wechsel einfacher Art vermrft
noch Benedict XIV. 1747 de synod. dioeces. 1. c. Biener, Abhandll. I.
p. 75. 98.
1) Der Ersatz der Arbeit gehörte zu einer der wichtigsten und folgen-
schwersten Ausnahmen vom Zinsverbote. Bereits von Anbeginn mit dem
Zinsverbote selbst war sie entstanden (I. 2.), in den ersten deutschen Wu-
cherbehandlungen anerkannt (TU. 2. a.) , und auch später hielt man fest
an ihr. so unter den Summisten (cf. Kuppen er. Wucher. C. 1'). Ebenso
verhält sichs mit dem Ersätze der übernommenen Gefahr (I. 2. VI. 2.)
2) Raphael de Turri pro n. 3. 1. 6. 13. Neumann, Wechselgcsch.
p. 192.
432 V. 5. Die Wechsler, f. Wethsclverkolir.
Daraus folgte noth wendig die Trennung der wirklichen
Weclisel (eamhia rcalia) mit Entfernung zwischen dem
Ausstellungs - und Zalilungsorte von den trocknen (camhiis
siccis) ohne diese Entfernung. Die Arheit des Wechsel-
besorgers wurde zu gering zur Eechtfertigung seines Ge-
winnes . sobald die Entfernung den Transport nicht bedingte.
Welche Täuschung! Wo behielt man hier die Grenze? Bald
räumte man ein, die Distanz dürfe auch nur eine Strasse
sein und gestattete deshalb die Platzwechsel (de platea in
platenm.) ^) Ja, in der päbstlichen Constitution selbst meinte
man von vornherein gar nicht, dass ein wklicher Trans-
port des Geldes, und so eine wirkliche Gefahr, eine wirk-
liche Arbeit übernommen werden müssten , sondern das cam-
hium reale musste nur einen Zweck erfüllen, der ohne den
Wechsel den Transport verlangt hätte. ^) Vor Allem aber bei
dem domiziliirteu Eigenwechsel mit zwei Personen, dem ein
einfaches Darlehn zu Grunde lag , galten alle obigen Gründe
nicht zur Reclitfertigung des Zinsgewinnes des Gläubigers.
Hier hatte derselbe keine Mühe der Ausstellung und Besor-
gung des Wechsels, keinen Transport des Geldes, keine Ge-
fahr des Transportes zu besorgen. Das Alles lastete auf dem
Schuldner ; eben deshalb lag hier auch der Wucher des Gläu-
bigers offen zu Tage , und nicht vermochte die äusserlich vor-
geschützte Form des Wechsels denselben zu decken, da der
Wechsel hier wesentlich anders , als in den Ausstellungen der
Wechsler entstand. ^)
l)Raph. deTurri,!. 28. 29. 2) Raph. cleTurri,!. c. I. 13.
Neumann, 1. c. p. 78 — 81. 3) Daher macht Christoph Kuppener
in seiner Schrift vom Wucher A. 3". auch den wucherlichen Charakter
dieses Wechsels gegenüber den anderen geltend (C. 2. 3) , und lässt nicht
den Einwand der Betheiligten gelten , der Gläubiger beziehe den Curs -
und anderen Gewinn ultra sortem hier , wie bei jedem Wechsel , da er die
Gefahr trage. Denn er müsse sich vorsehen , dass er nur sicheren Män-
nern leihe, und „nachdem in geliheni gelde das geld das gelihen wirt,
das wirdt von stunt des eigenthum dem es gelihen wirt. Dorumme aus
der natur des contracts mutui . . so geboret vnn ist von stunt an die fare
nutz vnd eigenthum solchs gelihen geldes bei dem, dem solch gelt gelihen
worden ist. Und kan nimmer g-esein bei dem , der solch gelt ausgeliheu
V. 5. Die Wechsler, f. Wechselverkchr. 433
Was sträubte man sich da noch , auch das camhium sic-
cuni anzuerkennen! Freilich öffnete dieses, ausgestellt über
Hauptsunime und Zinsen in einem Betrage , mit seinen stren-
gen Wechselfolgen dem zinsbaren Darlehn breite Pfade ; aber
wehrte solchem Missstande etwa jene unhaltbare Scheidung?
Im Gegentheil, sie förderte ihn zwiefach. Und alle ferneren
Eingrenzungen der Wechselerlaubniss , welche die Constitution
Pins' V. enthielt , so das Verbot , das Interesse für den Fall
der Nichtzahlung vorher festzusetzen, die Untersagung der
längeren Lauffrist, der Prolongation u. A. i) bekundeten nur
deutlicher, wie das Fundament dem kirchlichen Verbote
schwankte. ^) Vor Allem musste das Verhältniss des Preises
zu der Arbeit des Ausstellers festgesetzt werden , hier lag das
Merkmal für den Wucherinhalt.
Die Länge des Transportes , welchen die Wechselsumme
ohne Wechsel hätte durchmachen müssen , sollte den Maasstab
geben. Wie illusorisch dieser war, ganz abgesehen davon,
dass hier ja gar keine Arbeit, kein wirklicher Transport vor-
hat, p. die. gl. i. die. c. naviganti. — " Es ist dies übrigens derselbe Fall
der Zinsumgehung durch Wechsel, welchen — wol im speziellen An-
schlüsse an die Messzinsen der französischen Messwechsel besonders aus-
gebildet — die Eeichsgesetze von 1530, 1548, und 1577 §. 7. ti. 17.
erwähnen: ,,Item etliche leihen ihr Geld mit diesen verbotenen Gedin-
gen oder Pakten hinweg, dass der Entlehn er zu vier Märkten, so
die ihm ernennen , ein mannigfaltiges dazu verzinsen, oder Aufgeld
geben muss, thut wohl etwa mehr, dann von hundert zwanzig." (cf. unten
VI. 2. a. E. u. Orth, Eeichsmessen. p. 449. Not. (1669.) cf. d. Zusätze.)
1) Constit. Pii V. (1570) : „ ne quisquam audeat , sive aprin-
cipio, sire alias determinatum interesse pacisci. Ne audeat
cambia realia aliier , quam pro prim is nundinis , tibi illae cehbran-
tiir pro priniis terminis juxia reeeptum locorum ustim exercere,
abusu illo prorsus rejecto , cambia pro secundis et deinceps mindinis
sive terminis exerccndi. Curandum autem erit in terminis , ut ratio ha-
beatur longin quitatis et incinitatis locorum , in quibus solutio desiinatur,'
ne dum longiores j)raef\ywitur , quam loca destinutae solutioms deside-
rant , foenerandi detiir occafiio." Benedict. XIV. d. synod. dioeces. VII.
c. 14.'n. 8 — 10. Endemann, die national - ökonomischen Grundsätze
der kanonistischen Lehre. S. 42ff. 2) Rapliael deTurri, disp. 3.
qu. 12 — 14.
Neuraann, Gesch. d. Wuchers. 28
4;34 V. o. Die Wechsler, f. Wecliselvevkehr.
lag, zeigt sich klar. Die Zeit der Realisirmig . des Wechsels,
sein Geldbetrag mussten ausser Ansatz bleiben. ^) Kurz , es
öffnete sich kern Auskunftsniittel. als, dass man, wo nicht die
Obrigkeit die Festsetzung des Preises recht übereinstimmend
mit den vorn entwickelten romanischen Grundsätzen des Zins-
gesetzes dem Verkeliro aufzAvingen sollte, dem Verkehre selbst
wider Wissen und Willen freie Hand einräumen musste. Dem
Vorstande der Kaufleute, den Consuln der Wechsler in den
einzelnen Städten ward es aufgetragen, den Preis der Wechsel,
also Ankaufssumme, Wechselgeld, Cursgewinn u. s.w. zu
bestimmen. Natürlich regelten diese den wichtigen Punkt vor-
her wie nachher in alter Gewohnheit und Ueberzeugung des
Rechten lediglich nach dem aus Angebot und Nachfrage von
selbst resultirenden und mehr oder weniger beständigen Preise
der Wechsel, sie stellten jedesmal einfach das als Gesetz der
Kirche und weltlichen Behörde fest, was der gesunde Verkehr
als seine untrügliche Meinung bereits verlautbart hatte. ^)
So musste auch hier das kanonische Zinsverbot weichen , und
ohne dass die Kirche es ahnte . verliess sie selbst den gefähr-
lichen Glaubenssatz und gab sich der Natur des Kapitalver-
kehres anheim. Richtig scheint es deshalb, in dieser neuen
Schleuse, welche die Kirche, der grosse Schleusenmeister des
Kapitalumlaufes , der Flut des letzteren öffnete , einen der vie-
len Gründe dafür zu finden, dass der Gebrauch der Wechsel
so schnell wuchs und sich über die ganze handelnde Welt brei-
tete. Diese Annahme indess nicht minder, wie jene, dass das
Wechselinstitut hauptsächlich durch das kanonische Zinsver-
bot hervorgerufen sei , ^) darf nur in engen Grenzen als richtig
gebilligt werden. Das lehrt gerade die Geschichte des deut-
schen Wechsels.
Der Wechsel in Deutschland erstand und entwickelte sich,
vornehmlich was Nord- und Mittel - Deutschland anbetrifft,
naturwüchsig im 13. und 14. Jahrhundert. Speziell italische
Einflüsse aus der frühen Zeit des Geldtransportes für die Curie
1) Scaccia. §. 2. qu. 3. n. 69 — 70. E. de Turri I. 24. 2) u. a.
Orth, Reichsmessen p. 440, 485, 496. cf. d. Zusätze. 3) Eiidemann,
nationalök. Grundsätze 1. c. S. 39 ff.
V. 5. Die Wechsler, f. Wechselverkehr. 435
von Nord- und Nordost - Deutschland über Flandern nach Rom
oder Avignon, oder aus dem Verkehre mit Lombarden in Flan-
dern, Frankreich , Italien , dann in Deutschland selbst hatten
kein solches Gewicht auf die Gestaltung des Wechsels in diesen
Gegenden, dass man dieselben aus den Wechseln genügend
nachweisen könnte. Erst bei der späteren vielseitigen Verbin-
dung Deutsehlands mit Italien im 17. Jahrhundert mehren sich
auch in Deutschland jene italischen Einflüsse.
Hieraus und aus der geringeren Beachtung, welche das
kanonische Zinsverbot, wie gezeigt, besonders in den nord-
deutschen Eechtsquellen fand, rührt es, dass man hier bei
dem Wechselverkehre dessen am wenigsten gewahr werden
mochte, wie man durch ihn jenes Verbot verletzte. Denn
man wendete ihn fast nur dort an , wo es sich rnn wirkliche
Uebertragung von Geldbeträgen an entferntere Orte handelte.
Die ausgedehnten Handelsbeziehungen . die viel und weit ver-
zweigten kaufmännischen Genossenschaften, die zahlreichen
Gesandtschaften einzelner Städte zu Zwecken der Städtebünde
u. s. w. bedingten Dies. Dieselben veränderten zugleich inso-
fern die Freisfrage beim Wechsel, als hier in den meisten
Fällen nicht der Wechsel gegen Geld , sondern Geld gegen
Wechsel gesucht ward, so bei den Anweisungen der polni-
schen Könige ^) , beim Pfundzoll ^) , bei den Geldbedürfuissen
der Gesandten , der Marktreisenden ^) u. a. In diesen Fällen
ebenso wie in den umgekehrten, wo man Wechsel gegen Geld
suchte, fand hier selten eme Preisbestimmung Seitens vorgesetz-
ter Personen für den Wechselkauf nach kanonistischen oder an-
dern Grundsätzen Statt, weil die Behörden der Städte diese Funk-
tionen sich nicht anmassen konnten oder wollten, Vorgesetzte der
Kaufmannschaft aber. Mäkler, Consuln der Wechsler entweder
nicht existii'ten, oder nicht solche Vorschriften erlassen durften. ■*)
Wechsel zur blossen Umgehung des kaum gefühlten Zinsverbotes
lassen sich ebendeshalb hier schwer nachweisen, insbesondere
nicht jene allgemein für den Verkehr in Süd - und West- Europa
1) cf. Neumann. p. 99 if. 2) ib. p. 122 ff. 3j ib. p. 127 ff. —
Kriegk, 1. c. p.318. 339. — oben p. 432 Note. — Beilage E.a. 4) Aus-
nahmen et", in den Zusätzen.
28*
43G \. 5. Die Wechsler, f. Wechselverkehr.
nötliig gewordenen speziell so genannten trocknen Wechsel,
welche auf einen entfernten Ort ausgestellt gar niclit oder nur
zum Sclu'ino vom Ilemittenten dorthin gesandt wurden, unbe-
zahlt zum Ausstellungsorte zurückkehrten und hier vom Aus-
steller zugleich mit dem Wechselgelde für die Wanderung
des Geldes euigelöst wurden. ^) Das stimmt üherein mit den
Zuständen in den Niederlanden. ^) Ebensowenig und insbeson-
dere noch wegen der wenig durchgreifenden Gewalt des kano-
nistischen Zinsverbotes im deutschen Verkehre selbst begegnet
hier , dass man die gerade in Deutschland so zahlreich seit frü-
her Zeit in allen Arten von Schuldscheinen über die Grenzen
des Handelsrechtes hinaus angewandten Papiere auf den
Inhaber ^) wegen ilires Wuchercharakters verfolgt hätte, da
die Gläubiger wegen der Zinsen ihre Namen auf diese Art ver-
bergen konnten (Letzteres geschah im Anfange des 17. Jahr-
hunderts in Frankreich). '*) Da nun die Papiere auf den Inha-
ber an sich überhaupt keinen wucherlichen Charakter tragen,
durften sie hier nicht besonders berücksichtigt werden.
Und so nannte man hier zunächst wol deshalb die zahl-
reichen domiziliirten Eigenwechsel mit zwei Personen nicht
Wechsel, wie die Tratten, ^) weil eine Umwechslung des Gel-
des (camhi um pecuniaej hei ihnen selten, weil Wechselfolgen
(wie Wechselprozess , Wechselexekution) theils erst seit dem
1) Eaphael de Turri, disp. 1. qu. 5. n. 2. 6. II. 24. HI. 1. n. 22.
23-. Ueber die scheinbar widersprechende Beilage G. (1569) cf. VI. 1. cf.
Orth, Eeichsmessenp.449N. (16G9.) 2) Phoonsen, Wechselstyl. c.39.
3) Zeitschr. f. deutsch. Recht V. (Duncker) — Kuntze, Inhaberpapiere
p. 29. 67 ff. 75 ff. 107 ff. — Neumann, Wechselgeschichte p. 42 — 47.
4) Savary, Parfait negociant I. 1. III. eh. 5. 7. Martens, 1. c. p. 71
(Edikt V. 1716 sogar.) Die billets en blanc (mit offenem Räume für den
Namen des Gläubigers) 'Verbot man hier 1604, 1611 , 1624 auf Antrag der
Kaufmannschaft in Paris, weil sich dahinter zugleich allgemeinschäd-
liche Verfahren zur Benachtheiligung der Gläubiger im Gonkurse ver-
steckten. Biener, Wechselr. Abhh. p. 126 ff. Die billets au porteur,
ohne Nennung des ersten Gläubigers , untersagte man ebenso 1650. Die
darauf in Gebrauch gekommenen Wechselbriefe und billets de change
mit Blanko - Signaturen , bei denen der Inhaber durch Ausfüllung des
Blanketts für den ersten Gläubiger quittiren konnte , verfielen den Ver-
boten V. 1660, 1664, 1673. 5) Neumann, ib. p. 77. 160.
V. 5. Die Wechsler, f. W,>clisHv.'rli.lir. .437
17. Jahrhundert sicli an <loii Wechsel knüpften, theils von
dem Namen Wechsel nicht ahhmgen , endlich weil das haupt-
sächliche Unterscheidungsmerkmal jener domiziliirten Eigen-
wechsel von den einfachen Schuldscheinen (promissor}' notes,
billets , heutigen Sola - Wechseln) , der Transport des Geldes
von einem Orte zum andern (rem issn pccunia ex loco in locuni),
bei vielen der domiziliirten Eigenwechsel nur zum Scheine
zutraf,^) vielmehr l)ei ihnen ebenso, wie gemäss der oben
zitirten Constitution Pius' Y. in Italien diese Wechsel nur den
Pall behandelten , wo ohne : Wechsel eine „transjwrtatio pe-
cuniae" hätte stattfinden müssen. Erst, als man seit der zwei-
ten Hälfte des 1 6. Jahrhunderts den Namen Wechsel von den
Tratten, wo er seit dem 14. Jahrhundert gebräuchlich war,
auch auf die domiziliirten Eigenwechsel mit 3 Personen an-
Avandte, schien der blosse Unterschied einer Person nicht
durchgreifend genug, um denselben Wechseln mit zwei Perso-
nen nicht auch den Charakter und Namen des Wechsels zuzu-
theilen. Und von den letzteren Eigenwechseln that man den-
selben Schritt endlich noch weiter zu den einfachen Schuld-
scheinen , indem man uneingedenk der hier fehlenden remissa
pemmia und ihrer Nothwendigkeit für den Fall des fehlenden
Wechsels auch die blossen Schuldscheine, also die trocknen
Wechsel allgemein zu den Wechseln rechnete. ^) So natur-
gemäss, ohne bewusste Demonstration oder Opposition gegen
das kanonische Zinsverbot zählte man in Deutschland von jeher
die trocknen Wechsel zuerst dem Wesen, dann auch dem
Namen nach zu den Avirklichen Wechseln. Daher änderte auch
die Bulle Pius' V. über die Wechsel mit ihrem direkten Ver-
bote der trocknen Wechsel hier Nichts an dem obigen Ge-
brauche. Man merkte ihren Erlass nicht. Noch weniger
begründete sie ein Auskunftsmittel, gleich den italischen
Rikorsawechsoln in deren zwei Gestalten als Tratte auf den
Gläubiger oder Schuldner zur Zalilung nn sich selbst mit obli-
gatem Rückwechsel. ^)
1) Neumann, p. 78. 80. 2) NeuniaTi n . 1. c. p. 81. 82. 3)Ra-
phael de Turri , disp. III. Scaccia. §. 1. qu..5. n. 85. §. 1. gl. 1. n.8.5.
Fremerj-, etudes p. 94. Pardessus, contract. de change I. p.27.n. 31.
438 A'. 5. Die Wechsler, f. Wechselverkehr.
Wenn aber der unbewusst vorschreitende Handelsverkehr
sich über die Verletzung des kirchlichen Wuchergesetzes durch
seinen Wechselgebrauch nicht klar ward , so fehlte es gleich-
zeitig an wissenscluiftlichen Autoritäten , welche vor dem
17. Jahrhundert in gebührender Anzahl und mit ausreichen-
dem Naclidrucke jene Verletzung den Kaufleuten dargelegt
hätten. Hier bedurfte es um so grösseren Naclidrucks von Sei-
ten der Wissenschaft, weil das kirchliche Ansehn nicht so
durchgreifend sich geltend machte, als anderswo, zumal seit
den reformatorischen Bestrebungen vom 15. Jahrhundert her,
sodann weil dasselbe an den weltlichen Gesetzgebern und Be-
hörden nicht hinreichende Stützen zur Verwirklichung eines
so einschneidenden Verbotes fand. Da genügen nicht die weni-
gen Namen, welche man als Gegenbelag anführen kann.
Zwar handelte schon der Professor Summenhart de C law
vom deutschen Wechsel (sepüpertitum opus de contractihus
pro foro consclentie atque theologico n. VII. (1497 — 1500); ')
und Christoph Kuppener sprach eingehend 1508 in sei-
nem Buche vom Wucher über die Wechselverbindungen zwi-
schen den deutschen Handelsstädten unter sich und mit den
italischen , und über deren Wuchernatur. ^) Auch ein Consilium
des Henning Göde und Johann v. Breit enb ach (1484
bis 1508 Ordinarius zu Leipzig) de canihsorihus und mensarüs
ist aufzuführen. ^) Aber gerade unsere bisherige Unbekannt-
schaft mit diesen Schriftstellern und ihrer Thätigkeit beweist,
wie Avenig Eiufluss dieselben auf die Wechselpraxis ausübten.
So zeigt gerade der Wechselverkehr in Deutschland,
mochte er in den Händen der Privatleute oder der Wechsler
1) cf. Beilage E. hinten n. 2. u. Zeitschr. für d. ges. Handelsrecht
(Goldschmidtj \T:. p. 545. 2) Beilage E. hinten n. 2. — Jahrb.
des gem. deutsch. R. (Muther) VI. p. 155. 156. 181 if. 3) Die zahl-
reicheren Behandlungen des Wechsels und seines wucherlichen Wesens
in Deutschland datiren erst seit der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, so u. a.
Joh. Mart. Vogt, tract. analji;. d. canib. Giessen 1658, Joh. Jac. Hey-
dinger, Anleitung z. griindl. Verstände des Wechselrechtes. Frank-
furt a. M. 1676. — Ueber Klock, tract. d. aerario (1651) cf. Röscher,
Verhh. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss. zu Leipzig. 1863. UI. p. 186 ff. —
Orth, Reichsmessen p. 448 ff.
V. 5. Die Wechsler, f. \\'echselveikehr. 439
und Juden, der kaufmännischen Genossenschaften und der.
städtischen Behörden sieh befinden , dass man weit über die
Grenzen der Ausnahmen hinaus , welche die Kirche selbst von
ihrem Wucherverbote gestattete, dieses Zinsgesetz verletzte,
verdrängte , vernichtete. Wenn Italien und die andern Län-
der romanischen Gepräges gerade in dem stets regen Anstrei-
fen gegen das dort bei der waltenden Obermacht der Kirche
und im lebendigen Wechselverkehre zwiefach drückende und
emptindliche Wucherverbot das Institut des Wechsels beson-
ders auszubilden berufen waren, so gebührt Deutschland der
Preis in der aus dem Grunde seines Rechtslebens naturnoth-
wendig erwachsenen Beseitigung des kanonischen Zmsgesetzes
und semer Folgen. Auch hier ein Sieg der berechtigten, deut-
schen Individualität über die centralisirende Autoritätsgewalt
des einen Oberhauptes in Kirche und Staat der Romanen. Lei-
der ist es bis heute noch nur ein halber Sieg, aber ein Sieg,
welcher sich selbst vollendet.
VI.
Die ungesetzlichen Umgehungen des kanoni-
schen Zins Verbotes im Yerk ehrsieben.
1. Das Allgemeine.
Dem immer dnngenderen Bedürfnisse des Kapitalumlau-
fes abzuhelfen , genügte aber nicht mehr die Reihe der bisher
aufgeführten in deutschen Gesetzen gebilligten Verträge und
sonstigen ümgehungs- oder offenen Uebertretungswege des
Wucherverbotes. Neben diesen erstanden , Zeugen des wach-
senden Verkehrs, fast täglich neue, mehr oder weniger fein
ersonnene Mittel , im Falle des einzelnen Eechtsgeschäftes das
Zinsgesetz unwirksam zu machen. Jene Verträge erwuchsen
allgemein aus der Entwicklung des Verkehrs , und absichtslos
boten sie eine Gelegenheit , in ihnen Vergütung für Kapitals-
nutzung geltend zu machen. Diese Umgehungsarten dagegen
waren nur dazu ersonnen, das kirchliche Wuchergesetz zu
umgehen . und ^vie sie vielfach zur Verdeckung gerade des
■wirklichen Wuchers — nach heutigen Begriffen — angewandt
wurden, kann man mit Rücksicht auf sie für jene Zeit den heu-
tigen Ausspruch geltend machen: das Wuchergesetz erst
erzeugte den Wucher. Darum fanden jene auch Billigung und
Anerkennung in den heimischen Gesetzen, ja selbst bei der
Kirche , diese aber wurden auf beiden Seiten als gesetzwidrig
verfolgt. Ein Theil der im Zins Betroffenen ward durch die
Noth, ein zweiter durch die Hoffnung auf grossen Gewinn
getrieben. Trug zu üben gegen das Zinsgesetz ; List und Schlau-
heit wendeten sie gegen die Härte der kirchlichen Vorschrif-
ten , und wie jene Contrakte offen , so untergruben diese Um-
VI. Ungesetzl. Umgehungen d. kan. Zinsverbotes. 1. Allgemeines. 441
gehungsarten geheim, doch nicht minder nachhaltig, die Macht
und das Aiisehn der Zinsverboto.
Als M i e t h z i n s des ..Geldes zahlte man Darlehnszinsen,
indem man das Darlehn mit einer Geldmiethe gleichstellte ( VII.3.)
Der Gläubiger nannte sich zum Zinsnehmen verpflichtet, weil
das dargeliehene Geld nicht ihm gehöre, sondern nur auf
seinen Namen geliehen und in dem Schuldscheine verzeich-
net sei. ^)
' Unter dem Namen eines Geschenkes, das freiwillig
der Schuldner zahlte und das Gesetz erlaubte ((Jonatio remune-
ratoria) verdeckte man den Wucher , unter dem Scheine einer
besonderen ehrenvollen Vergütung, eines Liebesdienstes dafür,
dass der Gläubiger so lange den Gebrauch seines Geldes ent-
behren, ja sich wol gar verpflichten musste, nicht vor des
Schuldners Tode das Kapital zurückzufordern. ^) Der Schuld-
ner erliielt von vornherein vom Gläubiger das Kapital nach
Abzug der vorausgenommenen Zinsen, während er
die ganze Summe des Kapitales empfangen zu haben im Schuld-
scheme versicherte , eine Operation , wie sie verdeckt heute
vielfach bei wucherlichen Geschäften, und offen bei den Staats-
anleihen begegnet. Man schrieb Kapital und Zinsen zusam-
men als eine Darlehnssumme , oder stellte für die Zinsen einen
besonderen Schuldschein, wie über eine zweite Darlehnssumme
aus. ^) Unter diesem Deckmantel verbarg man besonders die
1) Leyser, meditt. ad Pandect. 3. Aufl. 1742. Tl. spec.247. n. 1. u. A.
2) Luther, grosser Sermon vom Wucher 1. c. p. 106. Salmasius, d.
usuris. cp. 20. §. 607. — Nürnberger Reform. 1479. ti. XXII. n. 4 — 5.
Freiburger Reformat. (1520) 11. ti. 1. n. 4. — Bürger spräche
V.Bielefeld (Walch, Beitr. lU.) p. 73. — Reichs -Polizei -Ordnung
von 1577. §. 1. — Bremer Constit. I.e. (1580.) Stryk, Us. Mod.
1. c. §. 20. Leyser, 1. c. Schon im Trierer Concil von 1227 (conc.
Germ. 1. c. III. fl. 532) wird diese Umgehung erwähnt, cf. auch die Con-
stanzer Synode von 1609 (ib. vol. YIII. fol. 906.) ti. 18. n. V. 3) R. P.
0. V. 1.577. §. 1. -- Co hl er Stadtr. Morgensja-. 14. Jahrh. a. 49. p. 69 ft.
— Nürnberger Ref. 1479 1. c. — Purgoldt , Rechtsb. YIII. c. 4517.
Würtemberger L. R. 1557. fol. 117. Tiroler Polizei 0. 1573 p. 19.
Bremer Statt. 1580. 1. c. Solmser L. R. IL 2. §. 13. Pfälz-erL. 0.
1581. XIV. fl. 70. n. n. Lüneburger Statt. 1582. ti. XL p. 672. Jü-
lich-Berger L. R. 1595. 1596. c 104. Oelsner L. 0. 1617 a. lu.
142 VI. Uiigcsetzl. Uiiigeliuiigon d. kau. Zinsverbotes. 1. Allgeineines.
sehr hohen Zinsen mul die Zinses -Zinsen, welche der Natur
der Zinsen widerstreiten sollten, aber bei der im Mittelalter
gebräuchlichen Dauer der Darlehen den Gläubiger wieder und
wieder zur Contrahirung anlockten. Derselbe wurde durch
den doppelten und dreifachen Gewinn , den er aus diesem ver-
hüllten Darlehn ziehen konnte, um so mehr geneigt, den
Zahlungstermin aufzuschieben. An vielen Orten hielt man
diese Umgehungsart für durchaus zulässig ; ^) dieselbe war
bereits im 13. und 14. Jahrhundert so häufig im Gebrauche,
dass sie speziell dem Geschäfte die Bezeichnung des verschleier-
ten Darlehns (mutuuni palUatum) zuzog , und dass man auf
sie das Privileg der schnellen Exekution aus den Wechselkla-
gen in den grossen Messen Italiens und Frankreichs übertrug,
ja sie im ordentlichen Gerichte (judicio ordinario) abhandeln
liess, wo der Schuldner möglicherweise dem Gläubiger die
Einrede des Wuchers (exceptio usurariae pravitatis) ent-
gegensetzen konnte. ^) Jenes musste um so natürlicher
erscheinen, als gerade bei den Wechseln diese Verdeckung
der Zinsen häufig vorkam, um nicht die Zinsen neben der
Wechselsumme im Contexte aufzuführen. In Deutschland frei-
lich hatte eine derartige Vermehrung der Wechselsumme bis
zum 17. Jahrhundert weniger Befremdendes gegen den Cha-
rakter der Wechselurkunde, als in jenen Ländern des ausge-
bildeten Wechselverkehrs und früh ausgebildeten Wechsel-
rechtes. ^) Doch auch hier scheint jener Gebrauch nicht fremd
gewesen zu sein. So heisst es im Missiv. I. 97. h^ (1424)
(D a n z. Arch.) , Danzig schreibt an Magnus Rudolf in Flan-
dern : „ Lieber magnus , wir bitten euch , das ir eyn wechszell
p. 403. Decreta Ferdinand! 11.1628 et 1633 (Rizy, Zinstaxen p.
77 ff.) Synode von Besan9on 1571 (conc. Germ. vol. VIII. fol. 104.) —
Salmasius d. usur. p. 614. Carpzov, I.e. observ. VIII. Turgot,
memoire sur les prets d'argent. §.29. — Vasco, usura libera §. 57 ff.
1) Orth, Anm. zur Frankf. Ref. 1. c. Würtemb. L. 0. 1557. 1. c.
Hugo, civil. Magazin II. n. 6. p. 140. 2) cf. Härtens, historische
Entwickl. d. Wechselrechtes. §. 13. Ordonnances des rois de France. I.
p. 489 (1311) p.800 (1327) Griffo, stat. Venet. p. 157 (Härtens, Anh.
p. 20. 3) cf. Neumann, W^echselgesch. p. 50 ff. 191.
VI. Ungesetzl. Umgehungen iL k:ni. Ziusvcrbotes. 1. Allgemeines. 448
bestellen wellet, das dem liern procurator F ducate von vnser
wegen czu Rome beczalet vnd entrichtet werden. Was do-
riiff czu Wechzell wert komen mit dem houpt-
gute, das nemet von welchem Schippher adir von sweme ir
sust wellet , widder vff." — (u. A.)
Wegen kurzer Z a h 1 u n g s s ä u m n i s s musste der
Schuldner statt der Zinsen einen hohen Preis, eine erkleck-
liche Strafe entrichten. ^) Bei der Ausnahme , welche das
kanonische Recht selbst für die Verzugszinsen und das Inter-
esse vom Wucherverbote machte (cf. ob. IV. 2. 3) , fand die
ümgehungssucht leicht eine Handhabe, Conventionalzinsen
einzuschmuggeln. Wer wollte es kontrolliren, wann der Schuld-
ner nach Verabredmig jedesmal einen grösseren oder geringe-
ren Zahlungsverzug herbeiführte , um Grund zur Zinszahlung
zu bieten, oder wenn man gar diesen Verzug fingirte? So
bemerkt H u g o : ^) „ Bei einer Schuld , worüber ein Nota-
riatsinstrument vorhanden war , hatte ein alle drei Jalire wie-
derholtes Commendement statt, und bei diesen Schulden, wie
bei allen anderen, hatte überall eine scheinbare Condemnation
auf 30 Jahre die Wirkung, Zinsen laufen zu machen. Der
Schuldner nämlich erhielt Befehl, zu bezahlen, obgleich der
Gläubiger noch kerne Zahlung wünschte, nur damit die-
ser ihm Verzugsschuld gebe und Verzugsprozent
anrechnen konnte." Ein ähnlicher Fall dürfte sein D a n -
ziger Miss. V. 81 k^ (1449) ein Schuldschein über SOOvngar.
gülden . . . „ die gelowben wir im czu beczalen vff wynachten
adir XIIII tage noch wynachten ab got vor sey ab dy becza-
lunge nicht geschege alse in den obengeschreben tagen ... so
sey wir ym schuldig sechszenhundert gülden vnd ab got vor
sey , ab wir . . dem vorgen . . . nicht auszrichten die oben-
gen. summa . . ." so verpfänden sie ihr Vermögen. — Einzelne
Kanonisten hielten Avegen der allgemein gestatteten Verzugs-
1) R. P. 0. 1577. §. 1. Tiroler P. 0. 1573. Brera. Const. 1580.
PfälzerL. 0. 1581.1. c. Jülich- Berger L. R. 1595. 1596. c. 104. —
Stryk, Usus Modem. 1. c. §. 23. Röscher, N. 0. I. §. 191. 192.
2) Civilist. Magazin 11. n. 6. p. 140.
•Hl VI. UngesetzLUnigeluingend. kaii.Ziusverbotos. 1. Allgemeines.
Zinsen sotches Rechtsgeschäft geradezAi für gestattet. ^) Ganz
besonders leicht war dieser Fall in Deutschland herheizufüli-
ren, wo man den Zahlungstermin oft gar nicht bestimmt in
der Schuldurkunde aufführte, so (cf. ob. IV. 2. a— c. und k.):
„zurückzuzahlen, wann Gläubiger seines Geldes nicht länger
entbehren kann." Vielleicht eben hieraus erklärt sich zum
Theile die übergrosse Zahl der Verzugsfälle, welche in deutsch-
rechtlichen Urkunden begegnen. Hier scheiterte vielfältig selbst
die Spürkraft der Kirche, und so erkannten Kaiser und Reichs-
stände im Deput. Abschiede von 1600§. 139 diese Art der Dar-
lehnszinsen , dem Kapitale angemessen , an und näherten diese
Verzugszinsen dem verpönten Wucher dadurch , dass sie den
Beweis des durch den Zahlungsverzug eingetretenen wirklichen
Schadens innerhalb der Höhe von 5 7o für unnöthig erklärten ;
solchen Beweis forderten sie nur dort, wo der Gläubiger be-
hauptete, mehr, als 5 7o Schaden durch den Verzug erlitten
zu haben. In Würtemberg , ^) wie in einigen andern deutschen
Einzelländern war bereits vor 1600 das gesetzliche Zinsmaxi-
mum im Zahlungsverzuge auf 5 % normirt (cf. ob. IV. 2. k. a. E.
und IX. 1. c.)
Ausser dem Kapitale musste der Schuldner Tribut,
Abgaben, Sportein, Census u. dergl. , welche der Gläu-
biger etwa von dem dargeliehenen Gelde der Behörde oder
dem Fürsten entrichten sollte, an Stelle der Zinsen statt des
Gläubigers zahlen , ^) nicht selten auch eine Summe Geldes,
„ qua quasi officia creditoris rcdimerentur." Den Preis konnte
man erst nach Rückzahlung des Kapitales verweigern. ^) Dar-
1) So Alphous Liguori (Conipendiura des heiligen Liguori von
Neyraguet. tract. de Contract. a. .5. N. 1.) — Moy de Sons, Archiv für
kathol. Kirchen E. I. p. 324. — Thom. Aquin. Summ. 2, 2. quaest. 78.
art. 2. ad 1. qu. 62. a. 3. — D e v o t i , Inst. lib. IV. ti. XIV. §. 10. 2) cf.
auch Wächter, Handb. a. h. 1. 3) Chr. Kuppen er, v. Wucher (1508)
fol. C. 4"^. — Auch in Rudolstadt 1564. cf. An emulier, Rudolstädter
Wucherstreit. Programm v. 1861 p. 8. 9. — Mevius, wucherliche Con-
trakte I. cp. 5. p. 83: ,,Schazzungssteuer, Contribution , Laudemien."
Stryk, Us. mod. 1. c. §. 35. Carpzov, 1. c. obs. VU. 4) cf. Bei-
lage G. von Polen und Preussen 1569. — R. P. 0. 1577. §. 3. Pfälzer
L. 0. 1581. n. IV. 1. c. Oelsner L. 0, 1617. 1. c.
VI. Ungesetzl. Umgehungciul. kan. Zinsverbotcs. 1. Allgemeines. 445
lelieu der Art gaben bisweilen Doktoren den Studenten , daniit
sie bei ihnen Vorlesungen hörten und so den Ruf Jener
erweiterten. ^) In den Gesetzen ward solch ein Vertrag durch-
aus untersagt und für ungültig erklärt, wo er ohne Veran-
lassung, für wucherlich, wo er zur Umgehung des Zinsge-
setzes eingegangen ward. ^) Auch durch Wohlwollen und in
besonderer Gunst dem Kapitale einen derartigen Zuwaclis bei-
zufügen, ward dem Schuldner nicht gestattet , damit es nicht
zu schwer falle , die Umgehung des Zinsgesetzes bei derartigen
Geschäften auszuspüren. Ja selbst das Bier, welches der Gläu-
biger vor der Schenke des Schuldners ausser dem Kapitale
zum Trünke empfing , wurde ■ als wucherlich verpönt. ^) So
trachtete man den Wucher und die wucherliche Absicht aus
den innersten Falten und Winkeln aufzudecken und zu ver-
nichten.
Umsonst! Mit jedem Geschäfte erstand eme neue Art
der Umgehung. Der C ursgewinn, das Wechselgeld
beim Wechselverkehre wurden oben schon erwähnt (V. 5. f.) Sie
erstreckten sich auch, was an dieser Stelle wesentlich, auf den
domiziliirten Eigenwechsel mit zwei Personen und auf den
blossen Schuldschein. Das wird insbesondere durch die vorn
(V. 5. f.) zitirte Stelle Chr. Kuppeners bestätigt für den Fall,
wo dem domiziliirten Eigenwechsel ein einfaches Darlehn zu
Grunde lag. Dieselbe Summe ferner, welche er in kupfernen
oder silbernen Münzen vom Gläubiger als Darlehn empfing,
verpfliclitete der Schuldner sich in goldnen zurückzuzahlen,
und dadurcli den Gewinn des Darleihers zu steigern. •^) Für
dargeliehenen Hafer oder Gerste erstattete er die nämliche
Quantität Waizen , für schlechte Waaren eine gleiche Menge
guter u. s. f. ^)
Ij Chr. Kupp euer, v. Wucher (1508) C. 4'''. 5. !<trjk, Usus moJ.
1. c. §. 25. 2) Mevius, 1. c. 3j Stryk, Usus mod. 1. c. §. 25.
4) R. P. 0. 1577. §. 4. Tiroler P. 0. 1573. 1. c. Pfälzer L. 0. 1581.
1. c. 11. III. Oelsner L. 0. 1617. 1. c. Stryk, 1. c. §. 26. 5) Lu-
ther, grosser Sermon v. Wucher ji. 106. Synode von (Konstanz 1609.
conc. Germ. vol. VIll. toi. 906.
44(i VT. Ungosot/l. üingohung-en (1. kau. Zinsverhotes. 1. All<jeineinos.
Hier dürfen nicht minder die vielen Lieferungskäufe
erwähnt werden, in denen insbesondere die Kaufleute der Han-
sestiidte Rohprodukte. Asche, Holz, Getreide u.a. aus den Hin-
terländern bezogen (ob. p. 14. 100 ff.), hier die Contrakte bei
dem Korn- undWein-Transithandel, den die „Geschlech-
ter" bis zum Ende des 15. Jahrliunderts in Regensburg und
sonst trieben. Es ist allgemein das nicht selten auch sonst ge-
bräuchliche Rückzahlen gegebener Gelder durch Sa-
chen, welches an dieser Stelle betrachtet werden muss, so weit es
den oben bezeichneten Charakter dieser Uragehungsarten theilt.
Wer konnte hier bei dem Fehlen polizeilicher Taxen und
selbst l)ei der unzureichenden Genauigkeit der letzteren fest-
stellen , ob nicht in den Waaren ein Gewinn über das Kapital
(plufi nJfra soricm) ersetzt wurde? Zumal wenn man erwägt,
dass der Lieferungskäufer den Kaufpreis lange Zeit vor Erfül-
lung des Kaufes dem Käufer zu zahlen pflegte , dass der Ver-
käufer oft noch weit längere Zeit , als vereinbart war , durch
die Mangelhaftigkeit der Transportmittel genöthigt, die Lie-
ferung verzögerte, dass in den Hinterländern keine Polizei -
Preistaxen existirten und in den Vorländern (den Lieferungs-
orten) selbst dann, wann dergleichen Taxen existirten, die
Preise oft gerade durch die eben geschehene umfangreiche
Lieferung so billig wurden , dass die Taxen dem Käufer selbst
zum Gewinne verhalfen u. s. w. So wechselt z. B. der Preis
des Wagenschoss (Holz) in Danzig : 1426 das Hundert : 2 mrk.
6 sc. 1427: 4 mrk. 6 sc. , 4 mrk. 2 sc. , in Lübeck 1427:
8 mrk. 8 sc. 1432: 10 mrk., 1434 in Polen: 3 mrk. 12 sc,
1436: 3 m. 4 sc. , 1437: 2 mrk. 18 sc. (Masovien), in Yar-
mouth 1438: 24 mrk. Nun vergleiche man Danz. Schöppen-
buch (Archiv) von 1426.fol. 32.n. 2. Bei einem Lieferungskaufe
von Wagenschoss und Asche heisst es hier : „ vnn weret sake,
dat die assche nicht betalt werde vp de vorscrev. tyt so gelovet
he em to betalende vor eslike last asschen ülc wagenscot."
Der Preis der Asche schwankt aber nicht weniger , als der des
Holzes. Eine Last derselben gilt 1426 in Bornholm: 17 mrk.,
1427: 12 mrk., 1429: 14 mrk., in Flandern 1431: 19 Va mrk.,
1434: 14^2 mrk., in England 1438: 28 mrk., auf einem
VI. Ungesetzl. Umgehungen (1. kan. Zinsverbotes. 1. Allgemeines. 447
spanischem Schiffe 1445: 5G mrk., in Riga 1458: 4 mrk.
16 sc.^) Ferner ist in obigem Contrakie gar nicht die Sorte der
Asche bezeichnet ; aber die Asche ,, Baerenklau " miterscheidet
sich von der „weissen Waidtasche" inDanzigoder der „Horn-
asche" in Riga nm 4 mrk. — Im Daiiziger Missiv. (1430)
p. 104. y^. leihen zwei Fremde von einem Danziger Waaren
und Geld: „.. wir beczeugen, ... das w schuldig seyn dem
. . . sebenczig mark . . . , dovor wir bynnen der stad Danczik czo
vnserm volkomen genüge gewandt v n d t b e r e y t gelt
haben entfangen." Schuldner geloben, die 70 mrk. ambestimm-
ten Tage zurückzuzahlen. ^) Besonders aber enthält folgen-
des Rechtsgeschäft das Danziger Schoppen buch 1438.
fol. 383. n. 2.
hans lamsitzer hat bekant dat he schuldich ist hans jeken-
borch vor alle man in alle syne redesten bewegeliken vn
vnbewegeliken gudere V2 s e s t i c h wagenschot eyn half eilen
breit to der wrake to betalende vnd to gewerende tuschen
osteren vnn pingsten nest hir vff de weze (Wiese) geringet
vnn gewraket vnn oft he dat holtt vft' de tyt nicht betalt , so
gelovet bribur von gvnetha haus jekenborchto entrichten vnn
wol to betalende XX hundert clappholt vppe de vorscrev.
tyt vnn off he dat clappholt nicht geweret, so gelovet he
em wol to betalen LXXX schock halver grosscheu
polnisch geldes vff den vorscrev. termyn. dar settet he
em . . . (Pfandstellung.)
Nun ist 1 Sestich Wagenschoss = 7200 Bretter, d. i. 2% mal
so viel als das gewöhnliche Maass des Wagenschoss, nämlich
das Grosshundert = 2880 Bretter. Der Preis eines Grossh.
Wag. ist 1438: 5 mrk. durchschnittlich, also der Preis eines
Sestich 12^.; mrk., eines halben Sestich G^j^ mrk. Dagegen
der Preis des Clappholzes ist 1438 (1 Grosshundert): 9 — 12
mrk., also für XX hundert: 240 mrk.!, ebenso hat 1 schock
halber poln. gross, etwa 3 mrk. 1438, also: LXXX schock: eben-
falls 240 mrk.! Wenn deshalb nicht in • dem \l.^ sestich
wagenschot ein Schreibfehler steckt, soll liier der Gläubiger
1) Hirscli. Dan-/. Handelsgesch. p. 253. 25.5. 2) cf. ib. Danz.
Alissiv. (1432) 51. z''.
448 VI. üngesetzl. ümixoliun^oii (l.kaii. Ziiisvovbotos. 1. Allgoiiieiiios.
am Wechsel der Waare, oder des Geldes und an Verzugszinsen
etwa 234 mrk. auf ("> nirk. gewinnen! ^)
Die Person a 1 d i e n s t o zur Abtragung der Schuld (cf.
ob. IV. 2. h.) u. dergl. können ebenfalls liier erwähnt werden,
da sie je nach der unterliegenden Absicht der Parteien leicht
unter diese Umgehungen zu bringen Avaren und vielfach hier-
lier gehören mochten.
Statt des Geldes ferner gab der Gläubiger dem Schuldner ein
Darlehn in anderen W aar en, welche er über deren wirk-
lichen damals marktgängigen Preis anrechnete; der Schuldner
musste zur Zahlungszeit letzteren Preis wirklich ersetzen oder
eine Quantität Waare nach dem ersteren Preise zurückzahlen,
falls der Preis niedriger, eine höhere, jedenfalls immer eine dem
höher angenommenen Preise marktgängig entsprechende Quan-
tität. 2) Scheute der Gläubiger sich , den Makel solcher un-
niässigen Habsucht offen auf sich zu laden , so schob er einen
Freund oder Untergebenen vor , welcher auf seine Kosten zum
niedrigsten Preise die Waare vom Schuldner kaufte und an
den Gläubiger gab. Dieses setzte er um so leichter durch , als
der Schuldner im Drange der Noth und ohne Gelegenheit oder
Frist die darzuleihende Sache einem Taxverständigen vorzu-
legen gezwungen war, hinsichts des Preises der Sache dem
Verkäufer, dann dem Käufer Glauben zu schenken, insbeson-
1) cf. auch ib. 1557. fol. 184. die oben schon vielfach besprochene
Mchllieferung. — 1575. fol. 50. , wo eine Darlelinsschulcl mit dem Schuld-
scheine einer Forderung bezahlt werden soll — ib. 1579. fol. 240^. Des-
gleichen in den oben viel zitirten Schuldurkunden Königs Sigismund , wo
in vielen Fällen mit Salz oder waldtwahren die grossen Darlehen ganz
oder theilweise abgezahlt werden sollen. IV. 2. k. IV. 3. c. 2) du Gange,
gloss. V. mohatra: „vox porientosa , qna significatur confractus quo,
inquit Escobarhis , quis egens pecunia emit pecünia credita a mercatore
merces stiwmo prefio et f^tatim ei pecunia numeraia pretio infinio reren-
dit." Schon in dem alten Cölner Stadtr. (14. Jahrb.) R.P.O. 1577. §. 5.
Henneberger L. 0. 1539. VI. 2. Würtemb. L. 0. 15.57. 1. c. Tiro-
ler P. 0. 1573. 1. c. Pfälzer L. 0. 1581. n. VI. Mevius 1. c. Oels-
ner L. 0. 1. c. Badische L. 0. 1622. p. 57. Luther, I.e. behauptet
dies vornehmlich von Sachsen, Holstein, Lüneburg. — Strjk, Us. mod.
L c. §.21. Ziegler c. mohatrae §. 31 if.
VI. Ungesetzl. Umgehungen il. lian. Zinsvcibotes. 1. Allgemeines. 449
dere wusste er iiiclit, dass Verkäufer und Käufer irgendwie
unter sich verbunden waren, ja sich gar in die Hände arbeite-
ten. ^) Ebenso verliehen die Gläubiger Forderungen, weklie
weniger sicher oder nur mit grosser Schwierigkeit und hohen
Kosten einzutreiben waren, zu der vollen Höhe der Schuld-
summe des Scheines. ^) An sich zwar war es nicht zu verbie-
ten, noch zu hindern, dass Jemand über deren wirklichen
Werth Sachen als Darlehn nahm oder kaufte. Aber da in
den meisten dieser Fälle das Zinsverbot damit umgangen
wurde, verbot man derartige Geschäfte gänzlich, zuerst den
Kaufleuten, dann allen Uebrigen, weil man richtig einsah,
dass dasselbe Geschäft nicht nach Unterschied der Personen
bald ehrenhaft bald unelirenhaft und wucherlich sein könne. ^)
In einzelnen Statuten untersagte man allgemein, um schon der
wucherlichen Neigung vorzubeugen, Waaren oder andere
Sachen statt Geldes darzuleilien oder beim Rentenkaufe anzu-
wenden. '^)
In andern Fällen war der Schuldner verpflichtet, statt
des Kapitales Sachen viel h ö h e r e n W e r th e s dem Gläu-
biger gleichsam als Hingabe an Zahlungsstatt (dnfio in solii-
tmn) zurückzugeben. '•') Indess , damit man darin nicht die
Conventionalzinsen erkenne, kaufte der Gläubiger vom Scliuld-
ner diese kostspielige Waare für die Höhe des Kapitales, das
noch nicht zurückerstattet war, oder er schickte, um desto
besser den Wucher zu verhüllen , einen Dritten, welcher, nach-
dem er vom Schuldner die Sache auf Credit gekauft hatte,
denselben zum Empfange des Preises an den Gläubiger
wies. ") Hierher gehört auch innerhalb der Grenzen dieser
Umgehung der oben (III. 2. c.) speziell behandelte Kauf der
1) Lutli er , vom Kaufhandel und Wuclier 1524. 1. c. p. 22U. 2) cf.
die Synode von Constanz 1609 1. c. 3) Stryk, Ziegler. I.e.
4) cf. D i t h m a r s e r L. R. 1447 -- 07 (Artikel von Meildorf) \). 240. a. 4. ;
„ wo idt sick averst begeve , dat jemandt hyrnhamals Gheldt up Renthe
uth deith unde da Wahr inne deith : De scholl sestich Marck gegen dat
Kerspeel vorbrocken hebben." 5) R. P. 0. 1577. §.6. Tirol er P. 0.
1573. I.e. PfälzerL. 0. 1581. n. V. Mevius. 1. c. Stryk, üs. mod.
1. c. §. 28. 6) Lu tli e r . Kaufliandel u. Wucher (1524) p. 220.
Neu mann. Gesch. d. Wuchers. 29
450 VI. Ungcsetzl. ümgelmngoii (1. kan. Ziusvcrljotes. 1. Allgeiiiciiios.
F r ü c Ute auf d e m H a 1 m e o d e r i n G a r b e n. Niclit anders
kaufte (miethete)niaiiso die Werke und Dienstleistungen
dorTirnion Handwerker und Künstler vor dem Anfange
dersollton für den sicheren Vortlieil des vorausgezalilten haaren
Geldes um so billiger.^) Der Gläubiger ferner kaufte
S c h a a f e oder Rinder vom Land manne u n d v e r m i e -
thete sie ihm sofort 7ai liohem Miethszinse oder verkaufte
sie ihm wieder zu sehr hohem Preise. G e r s 1 1 a c h e r sagt
darüber: „wenn einer dem andern, so etwan ein Kuh oder Zug-
stier hätte , dorauf 3 oder 4 fl. leiliet , oder solches um halb
Gelt abkauft, und darnach solchem armen Manne dergestallt
stellet oder leihet , dass er etliche Gulden Zins oder jährlich
ein Kalb geben soll , item , wann er ihm andingt , dass er sol-
ches Rind in seiner Futtermig halten soll , bis es ihm einen
Rinderzins ertragen oder sonst er seinen unziemlichen Wucher
damit suchen kann oder, wann er also mit ihm übereinkommt,
dass, wo das Kalb stirbt, der arme Mann doch dasselbige zu
bezahlen oder mit einem andern guten Rind zu erstatten ver-
bunden sein solle..." ^) Purgoldt (Rechtsbuch Vlll. cj). 49)
führt noch Bezeichnenderes an :
„auch so pflegen etzliche wucher, das sje pferde ader
kwe, malen an eyne want, und keuffen dye und
vorkeuffen sy widder, ader vormitensye, uf eyne
tagzcit zcu gelden; ader vorkeuffen eynem benotigten manne
eyn pfert ader eyn kwe hues ader huesgerete , uf eyne be-
strackte tagzcit zcu gelden , und geben das thur gnugk , und
wan her das bestellet, das sye es widerkeuffen wollen zcu
stunt umb gereyte gelt, und des gereyten geildes ist dan
vaste weniger dan des geldes , so her es um vorkouft hat ;
ader vorkeuffen e}Tne etzwas abe zcu nahe ve3de , und myn-
ner wan eswol gegelden mochte midt sulchem underscheyde,
das her es wider ture nemt und zcinse davon gibt uf eynen
Aviderkouf und desglichen, ist alles unrecht und wucher."
1) Gerstlacher, Eeichsges. X. Anm. zum E. A. v. 1548. §. 2. „von
Leihen auf Wein." L. 0. von Badendurlach V. 1. §. 8. 2) Con-
stanzer Concil 1483 (conc. Germ. vol. V. p. 562.) Synode v. Brixeii
1603 (1. c. Vni. p. 579.) Würtemb. L. R. 1557. fl. 117.
VI. Ungesetzl. Umgehnngoii (1. kau. Zinsverbotes. 1. Allgemeines. 451
W ä c li t e r erwälnit Gleiches ^) 7a\v VI. Landesordn. von Wür-
temberg (1567):
„um aus dem gelielienen Gelde vom Schuldner Zinsen 7a\
bekommen, kleidete man das Geschäft in ein Kuhvermie-
then so ein, dass man dem Schuldner Geld lieh und dann
eine Kuh in seinen Stall malte oder einen Sto-
tzen anstatt einer Kuh einschlug und aus dieser
Kuh einen Kuhzins versprechen liess." ^)
Hinsichts der unmittelbaren Umgehungen des Zinsverbotes,
welche im Wechsel verkehre sich finden, ist oben bereits
das Nöthige erläutert (V. 5. f.). Dort wurde zugleich gezeigt,
dass die speziell gegen die Constitution Pius' V. von 1570
gerichteten Eikorsawechsel - Umgehungen (Tratte auf den Gläu-
biger oder Schuldner, zur Zahlung an sich selbst, mit dem
Rückwechsel , der wegen der nur scheinbaren Tratte jedesmal
nöthig wurde und so den Wechselgewinn des Darlehnsgebers
rechtfertigte) , welche , soweit sie der Verkehr nicht statt der
trockenen Wechsel als nothwendiges Verkehrsmittel ausbildete,
auch unter diese Umgehungen des Zinsverbotes gehörten, aus
den Hauptlän<lern ihres Gebrauches, Spanien und Italien, nicht
nach Deutscliland nachweisbar sich ausdehnten. Ebenso wenig
finden hier sich jene an die Rikorsawechsel streifenden trassir-
ten Scheinwechsel, welche in Holland üblich waren, um Sola-
wechsel, die dort nicht als Wechsel galten, doch des Wech-
seirechtes theilhaft zu machen. 3) Die Beilage G. (1569)
scheint diese Behauptung zu widerlegen. Denn dort führt
König Sigismund von Polen bei der gesetzlichen Bewilligung
von 8 % Darlehnszinsen ausdrücklich unter den Umgehungen
des alten kanonistischen mid nunmehr seines neuen Zinsge-
setzes auch an : „i^rohibemus cciam Camhia retrograda
vulgo Return- Wcchsell dicta, quae re vera niJiil alivd
1) Handb. ad h. 1. p. 111. 495. 2) L. R. f. Eberste in (Krieg v.
Hocbfelden , d. Grafen von Eberstein) p. 461. Badische L. 0. v. 1622.
p. 57. I,eotard, d. usur. qu. 37. n. 2G. Stryk, Us. niod. 1. c. §. 31.
3) Phoonsen, Wechselstyl p. 39. §. 6 (1677), Koenigke, Leipziger
W.O.p.526. cf. aber ähnliche Scheinwechsel in Süddeutsclil. i. 17. Jahr-
hundert (bei Orth, Reichsniessen p. 449. N. a.) in d. Zusätzen.
29*
4.V2 VI. rngosotzl. riiigelnmuon (1. kau. Ziiisvcrluitos. 1. Allyeineincs.
stoit, qucun HsnyanDn contractu^ canihi/ uonÜHc culorati , ad
hyifinias sn2)crii(s expressas nsuras ca rcformantes , vsitata
autoii Diodcrata vt acqnnh'dia ncgotiatorum camhia ne-
cessitatc ita cxigcrüc j)ro tcntporc ferenda esse censcnms.'' Diese
Returii - Wechsel sind wahrscheinlich jene italischen Rikorsa -
Wechsel zur Umgehung des kirchlichen Wucherverbotes. Allein
im deutsdien Wechselverkehre finden sich dergleichen, soweit die
jetzigen Quellenforschungen reichen , nur spät und vereinzelt,
ebenso in den Niederlanden ; ^) die laxe Ausübung der kano-
nistischen Zinsgesetze gerade in dem nördlichen und nord-
östlichen Theile des deutschen Rechtsgebietes musste sie auch
völlig überflüssig machen , und so erwähnt sie Kuppener trotz
seiner eingehenden Beliandlung des Wuchers im Wechselver-
trage (v. Wucher A. 2. 2'". 3. C. 2. C. 3".) gar nicht, während
er andere Umgehungen des Zinsverbotes durch Wechsel genau
vorführt. Jene Stelle in der Verordnung Sigismunds lässt sich
dadurch erklären , dass ein im kanonischen Rechte und seiner
Anwendung in Italien bewanderter Jurist im Anschlüsse an
die dort so vielfach wiederkehrenden Bestimmungen gegen den
Wucher der Rikorsawechsel den Satz auch in das nordische
Gebot glaubte herübernehmen zu müssen. — Dagegen findet
sich hier , wie schon erwähnt , darin das Wuchergesetz durch
Wechsel geradezu umgangen, dass man über ein Darlehn einen
domiziliirten Eigen - (Markt -) Wechsel ausstellen liess, bei dem
der Gläubiger statt der Zinsen den Cursgewinn sich ausbedung.
Dies dürfte der einzige und erste Schritt zum Gebrauche der
italischen Rikorsawechsel hin sein. Natürlich lag aber bei die-
ser Umgehung der Wucher klar vor, da keiner der bei dem
gewöhnlichen Wechsel geltenden Gründe hier den Gewinn des
Gläubigers rechtfertigte. Insbesondere besorgte er nicht die
Ausstellung, noch trug er die Gefahr. Hierdurch also entfernte
sich dieser Umgehungswechsel wieder von den italischen Ri-
korsawechseln, da bei letzteren wenigstens das Verhältniss der
Contrahenten zum Wechsel so aufrecht erhalten wurde, dass
der Gläubiger, wenn der Verlauf des Wechsels nicht bloss zum
1) Phoonsen, Wechselst}! cy. 39. und Oith, Reichsmessen p. 449.
hinten in d. Zusätzen.
VI. 2. Gesollschafts - und Vers iclieruiigs vertrag. 453
Scheine vor sich ging, mit Kecht den Gewinn der Wechsler
beanspruchen konnte (vgl. oben V. 5. f. und Kuppen er, vom
Wucher. A. 2, 2", 3.)
Man stellte auch den Darlehns vertrag mit Zinsen wie
einen Gesell Schafts vor trag hin, bei welchem in den Zin-
sen der Gh'iubiger seinen Gewinn aus dem Gesellschafts- oder
dem von ilim eingeschossenen Kapitale zog. ^)
Andere erdichteten, sie wollten das Darlehnskapital in
entfernte Provinzen senden , weshalb sie durch die Zinsen sich
ihre Gefahr vergüten Hessen (I. 2. V. 5. f.)
Noch Andere endlich verbanden mit der Annahme des
Gesellschafts Vertrages die einer Versicherung oder eines
padi liicri certi pro incerto. Der Schuldner garantirte die
Sicherheit des Gläubigers , dass er aus dieser Gesellschaft mit
dem Schuldner Ge^vinn ziehen werde.
2. Die Umgehung durch den Gesellschafts- und
Yersiclierungsvertrag instesondere.
Der Lieferungskauf gehörte deshalb an sich nicht in die
Keihe der obigen (VI. 1.) Umgehungen des Zinsverbotes, weil
er nicht, wie diese, bloss zum Zwecke solcher Umgehung
erfunden oder gebraucht ward. Allgemein würde er sonach
in die Klasse der unter V. behandelten gesetzlichen Ausnah-
men vom kanonischen Zinsverbote über dessen Ausnahme-
Grenze hinaus zu rechnen sein. Allein nicht bloss, weil er
sich unmittelbar an einige so eben in Abschnitt VI. 1. erörterte
wirkliche Umgehungsfälle anschliesst, schien es geboten , ihn
hi er kurz zu betrachten, sondern er unterliegt der Betrach-
tung in dieser Schrift überhaupt nur, so weit in ihm wrklich
bei der Ablieferung ein Gevnnn über das Kapital durch die
Waaren gezahlt wird. So weit aber musste er zu Abschnitt VI.
gezählt werden und unterscheidet sich in dieser seiner hier zu
1) Zypaeus, d. jurisdictione ecdesiast. cp. 44. d. usuris (jus Bel-
gicum 1. IV.) Gonzal. Tellez. coiiiment. ad decretal. cp. 19. X. 5. 19.
— J.H.Böhmer, jus eccles. prot. I.e. §. XXFV. Tridentiner Sy-
node von 1593 (conc. Germ. vol. AlTT. fl. 4.39. rp. LXIV. — Brixener
Syn. 1603 (ib. p. 579) n. XIX.
454 VI. 2. Goscllschafts - und Versicherungsvertrag.
betrachtenden Einzelheit von den unter n. VI. behandelten
übrigen Arten der Unigehmigen nur darin, dass er offen in
seiner gewöhnlichen Vertragsforin die Zinsen dem Gläubiger
darbringt, während jene Arten eben durcli besondere Kunst-
griffe die in ihnen versteckten Zinsen dem Auge der Wucher-
Avächter entziehen wollen.
Ein Gleiches Aväre für den Gesellschafts- und Vor-
siehe rungsver trag anzuführen. Bei ihnen kommt indess
noch hinzu, dass aus den bisher aufgedeckten archivalischen
Urkunden des deutschen Rechtes für die hier betrachtete
Zeit nicht hinreichend , ja gar zu dürftig eine Geschichte der
beiden Verträge auf deutsclirechtlicher Grundlage vor Ein\\är-
kung der römischen Eechtsgrundsätze sich feststellen lässt,
dass insbesondere die Entwicklung derselben aus den Verkehrs-
urkunden, und die Stellung derselben in den deutschen Ge-
setzen aus den diese enthaltenden archivalischen Belägen weit-
hin nicht genügt , um zu entscheiden , ob sie nicht geeigneter
in Abschnitt V. hätten ihre Behandlung finden müssen. Die
Aussprüche des kanonischen Rechtes aber über beide Verträge
durften in n. IL dieses Buches deshalb übergangen werden,
weil feststeht , dass jene nach ihrem eigentlichen Wesen nicht
die Wucherfrage berühren, dass aber, so weit sie dieses thun,
die Meinungen der Kanonisten , und zwar überhaupt erst der
späteren über den wucherlichen ("harakter dieser Berührungs-
stellen äusserst getheilt sind.
Die Gesellschaft an sich ist nicht wucherlich , und zwar
weder bei Vereinigung von blossen Arbeits-, oder blossen
Geldkräften , noch bei der Verbindung dieser zwei mit einan-
der. ^) Hinsichts letzterer Art der Gesellschaft indess , welche
übrigens z. B. schon dort angenommen ward , wo der Faktor
eines Geschäftes mit an dem Gewmne desselben , zu dem er
1) Lud. Molinaeus disp. 411ff. Azorinus, inst, moral. III. 1. 9.
d. so. crist. c. 1. Chr. Kuppener, cf. Beil. E. n. 3. Purgoldt, Rechts-
buch ni. cp. 46 — 51, besonders c. 46. — Auch Melanchthon und nach
ihm Ursinus. cf. Gillet, Crato von Craftheim 1860. II. p. 473 (cf. u.
VII. 2. b.) — Benedict. XIV. d. Synod. Dioeces. 1. Vn. c. 48. n. 8 — 10.
— Moy de Sons, Arch. f. kath. K. R. I. p. 326.
VI. 2. Gesellschafts - und Versicherungsvertrag. 455
nur Dienste, nicht Geld geleistet, für seine Dienste Theil nahm,
stritt man bereits, ob beim Sclilusse in der Gesellschaft der
Herr des Geschäftes das in letzterem vorhandene Kapital mit
dem Faktor theilen müsse , oder es allein für sich herausziehen
dürfe. ^) Man begründete letztere Ansiclit vornehmlich damit,
dass dem Herren stets das Eigentlumi an dem eingebrachten
Gelde verbleibe. Sixtus V. entschied sich in seiner Constitu-
tion von 1514 für letztere Ansicht. 2) Die Meinungen blieben
trotzdem so getheilt, dass man .auch nach der Constitution
jedenfalls dort, wo zwischen dem Herrn mid Faktor der Ver-
trag geschlossen war, dass am Schlüsse der Gesellschaft das
Kapital unter Beide getheilt Averden solle, den Herrn ohne
Ueberschreitung des Zinsgesetzes für verpflichtet hielt, den
Vertrag einzuhalten. ^) Der Herr trug ferner nach der Ansicht
einer Partei als Eigentliümer des Geldes auch die Gefahr, nach
einer zweiten Memung übernahm jeder der zwei Genossen die
Hälfte der Gefahr, da man wieder unterstellte, Geld und Arbeit
zusammen vertheilten sich je zur Hälfte als eine gemeinsame
Grundlage der Gesellschaft auf die Genossen. *) Und auch hier
gingen diese Zweifel weit über die Constitution Sixtus' V. von
1514 hinaus.
Man suchte nun, wie so eben erwähnt ward, das Zins-
gesetz dadurch zu umgehen , dass der Gläubiger , welcher im
Darlehn eine Gesellschaft mit dem Schuldner schloss, sich von
letzterem die Rückgabe des Kapitales gegen alle Gefahr garan-
tiren Hess und nun die Zinsen als bei jeder derartigen Gesell-
schaft nothwendig resultirende Dividende empfing. Nach
den allgemeinen kanonistischen Grundsätzen über Gesellschaft
und Versicherung konnte man hiergegen Nichts sagen, ^) und
doch war offenbar bei einer aufrichtigen Gesellschaft dieser
1) Gl. in 1. 1. Cod. i»r. socio. Azoriu. 1. c. c. 3. Covarruv. var.
resol. in. c. 2. n. 2 gegenüber Thomas von Aquino 11. 2. qu. 78. a. 2.
n. 5. cf. Scaccia. §. 3. gl. 3. n. 33. Navarr. nianual. c. 17. n. 53.
2) Scaccia, §. 9. n. 46. 3) Azorin. inst, moral. III. 1. 9. de so. crist.
c. 3. 4) Bartolus u. Baldus in 1. 1. Cod. pr. soc. Scaccia. §. 1. (|u. 7.
P. 2. amjd. 9. n. 4. gegen Leon. Less. 1. c. n. 12. Cynus i. h. 1. 1. 1.
5) Azorin. 1. c.c. 5. — cf. Endo mann, kan.nat. oek.Grunds. p.45ff.51ff.
456 VI. H. Oosollscliafts- uiul Ycrsii'herungsvovivag.
Art. wie hei letzterer erdichteten, die Dividende ein reiner
Zinsgewinn, der bei der Siclierstellnng des Kapitales jedesmal
sich ergeben musste. Deshalb erhob sich schliesslich eine
Reihe kanonistischer Autoritäten dagegen ^) und der Pabst
schritt hier verdammend ein , wie dort billigend , in der Con-
stitution von 1586:
„sfafninins, hujusmodi contradus . . . usnrarios et illicifos
posthac censefi debere atque in postenim non licere eis , qui
pccimias, qui pecunia vel ani media vel ediäs res in socicfa-
fem tradenf , de cerfo lucro , ut prnefertur , pereipiendo inter
se pacisci et eoneordare; neque etinm sive ad certtim, sive
axl ineertum lucrurn eonv euer int , socios , qui ea receperint,
ad sorfem seu capitcde scdvum et integrum, uhi illud casu
fortuito perierit vel amissum erit reddendum quovis pacto
mit promissione sihi obligare."
Doch umsonst ! Denn , wie die scholastische Logik durch sol-
che Billigung eines Rechtsinstitutes hier und Verwerfung eines
andern dort immer mehr in ihrer Blosse sich zeigte , scheuten
selbst Kanonisten sich nicht, die eben als wucherlich ver-
dammten Verträge wieder zu rechtfertigen. Die vorschreitende
Verkehrspraxis kehrte sich noch weniger daran; von Italien
aus, unter den Augen der Kirche, breitete sich die Anwen-
dung dieser für die Entwicklung des Handels so überaus wich-
tigen Verträge über die ganze Handel treibende Welt. 2)
Neben der eben berührten Uragehungsart des Zinsverbotes
mag hier noch eine zweite erwähnt werden , welche sich gleich
jener an die freilich gesuchte Auffassung der Gresellschaft
1) cf. Laurent, de Eudolf , 1. c. p. 131 u. 61 , Azorin , Lessius,
I.e. Devoti,Inst. 1. IV. ti. 16. §. 31ff. — Benedict. XIV. 1. c. cp. 50.
— Moy de Sons, Archiv 1. c. I. p. 326. u. A. 2) cf. Scaccia §. 3.
gl. 3. n. 37ff. Lessius 1. c. Melanchthon und nach ihm Zacharias
Ursin US hilligen gerade den Zins, wo er durch den Charakter der Sozie-
tät im Darlehn gedeckt wird. Sie meinen hiermit indess nicht die Ver-
schleierung des Zinses durch den Gesellschaftsgewinn , sondern dasjenige
wirkliche Darlehn , hei welchem der Gläubiger auch den Verlust des Dar-
lehnsschuldners trägt. ' cf. Gillet, Crato von Crafthaim II. p. 473. cf. u.
(vn. 2. b.)
VI. 2. Gesellschafts - und Versicherungsvertrag. 457
schliesst, nämlich die socictas sacri officiL Erlaubt
war, (lass zAim Ankaufe eines der vielen von der Curie zu ver-
gebenden gewinnreiclien Aemter (frnctnosa officio) für Einen
sich mehrere Personen mit ihren Kapitalien verbanden und
dann von dem Käufer des Amtes je nach ihrer Kapitaleinlage
Antheile an dem Erträt^nisse des Amtes empfingen. Diese
grössere Conkurrenz der Bewerber besserte zu Gunsten der
päbstlichen Kasse den Preis. ^) Hierher warf sich das vom
Zinsverboto bedrängte Kapital. Man erstreckte die kirchliche
Billigung solcher Gesellschaft auch auf alle weltlichen Aemter-
käufe, bis durch päbstliche Erlasse von Leo X. 1514, Paul IV.
1555,PiusIV. 15G0 die Grenze der kirchlichen Aemter
für die Gestattung gezogen wurde. Aber die Sache hatte schon
eine viel weitere Verzweigung getrieben, als die Curie ahnte.
Der Amtskäufer, selbst nur eines kirchlichen Amtes, liess sich
auch nach Bezahlung des Kaufpreises immer von Neuem Ka-
pitalien von Besitzern vorstrecken und zahlte ihnen die Zinsen
als Gewinnantheil von dem Amte. Dann nahm man Kapitalien
für den wirklich beabsichtigten zukünftigen Ankauf auf. Dann
machte man das Geschäft, wenn nur ein Amtskäufer überhaupt
unter den Gesellschaftsgenossen war oder wenigstens sich als
vorgeschobene Person ohne jeden Zusammenhang mit der Ge-
sellschaft brauchen liess. Ja zuletzt erging es , Avie oben mit
der Kuhmiethe (VI. 1.). man erdichtete vor den Augen der
Kirche einen Amtskauf, lieh Kapitalien mid nahm die Zinsen
als Dividende dieser luftigen Gesellschaft. Was half gegen
die, zumal in Italien, Frankreich und den Niederlanden weit-
verbreitete Uebung dieser Zinsumgehung das oben zitirte päbst-
liche Einschreiten. Man verlangte jedesmal besondere päbst-
liche Concession für dergleichen! Gesellschaften. An der Unzahl
solcher Gesellschaften musste dieses Verlangen von vorn herein
scheitern. Die Avirklichen Bedingnisse solches Amtskaufes
wurden gegen die überhand nehmenden Erdichtungen voran-
geschoben, der angemessene Preis des Amtes sollte mit ent-
scheiden. Als aber Pabst Paul IV. gar nur die Kapitalanlagen
1) Azorin. III. 1. 9. c. 8. Scaccia. §. 1. 411. 1. 11. 2(i(»lV.
4ö8 VI. 2. <Jiosoll^^l'llafts- niul Vorsidioriingsvertrag.
bis zum halben Preise anerkennen wollte, erhob sich der Sturm
der hierin tausendfach mit ihrem Vermögen Gefährdeten. Der
Andrang der Kapitalisten zu den Aemterkäufen fiel plötzlich,
die päbstliche Kasse merkte das an der Niedrigkeit der Preise
so fühl])ar , dass , wie bei dem nahe verwandten. Kentenkaufe
— die Dividende gleich den Renten des Einlagekapitales —
ein Jahrhundert später Pius V. letztere Schranke wieder auf-
zuheben in eigenem und allgemeinem Handelsinteresse gebo-
ten hielt.
Schliesslich muss Hinsichts der Versicherung auf die
S. 17. N. 5. unter nr. II. berührte verschiedene Auffassung des
cap. 19.x. 5, 19. Seitens der Kanonisten verwiesen werden. Schon
dort ward darauf hingedeutet, dass die Kirche eine Vergütung der
übernommenen Gefahr über das Kapital ebensowenig, als die
Vergütung wirklich geleisteter Arbeit im Grmide für wucher-
lich hielt. Sie gestattete dieselbe nach der Meinung der gröss-
ten kanonistischen Autoritäten , und neben ilir das nahe ver-
wandte Seedarlehn (foenus nauticmn), welches denn eine nutz-
bare Kapitalanlage bis zu zwölf Prozent zuliess. ^)
üeber die eben erwähnten Umgehungen des kirchlichen
Zinsgesetzes in der deutschen Eechts- und Wirthschaftsge-
scMchte Näheres zu sagen , verbietet , wie schon bemerkt , die
1) cf. Gonzalez Tellez in h. 1. n..5. , u. Covarruv. var. resol. UI.
c. 2. n. 5. Hierfür wurde das Nähere schon in S. 17 ff. erwähnt. Insbe-
sondere giebt daselbst die Note 5 (S. 17) eine Zusammenstellung der An-
sichten über das räthselhafte „est censettdus usurarius" in cp. 19. X.
5, 19 (1236.) Eine letzte Auslegung derselben Stelle muss hier noch nach-
getragen werden. Censenclus soll nur die gesetzliche Vermuthung aus-
drücken, dass Wucher vorliegt. Diese Vermuthung falle sogleich fort,
wenn bewiesen wird, dass wirklich eine Gefahr eingetreten sei. cf. De-
vo ti , Instit. 1. VI. ti. XVI. §. 11. N. 2. Moy de S ons , Archiv für katliol.
Kirchenrecht. I. p. 324. n. 2. Der Grundsatz an sich , dass der Ersatz der
Gefahr nicht wucherlich sei , wird daher hier geradezu anerkannt ; und
sonach würde auch Devoti im Sinne der früher genannten Ausleger (S. 17.
'N. b) non est censenclus lesen. Dass aber der Sinn des ccnsen hier als
„gesetzliche Vermuthung " nicht haltbar ist, zeigt einmal die sonst
regelmässige Bedeutung von censeri, dann das quoque im 2. Falle des
c. 19. X. 5, 19 u. s. f.
1
VI, 2, Gesellschafts - und Versicherungsvertrag. 450
nicht hierzu ausreichende Veröffentlichung der archivalischen
Quellen über die einschlagenden Gebiete, In diesen Quellen
ist ein liinlängiichcr Stoff für den Beweis vorhanden, dass auch
diese Umgehungen in Deutschland üblich ; das lässt sich aus
der Entwicklung des deutschen Kapitalverkehres und insbe-
sondere aus dem hanseatischen Handel schliessen. Die in Vor-
bereitung stehende Herausgabe der Beschlüsse atif den han-
seatischen Tagefahrten breitet wahrscheinlich grösseres Licht
über diesen Theil der deutschen Rechtsgeschichte,
Die Betrachtung der Versicherung scheidet hier um so
mehr aus, als sie kanonistisch - wissenschaftlich nicht für
wucherlich gelten kann, noch gar praktiscli in den Ländern
entwickelten Verkehres gegolten hat,
Ueber die Gesellschaften , so weit sie das hier behandelte
Feld berühren , sei Folgendes bemerkt.
Li Folge der norddeutschen Städtebündnisse erforderte
das gegenseitige Interesse der Zwschenhändler und ihrer wech-
selseitigen Käufer und Verkäufer zur Erleichterung und Ergie-
bigkeit des Handels, dass die einzelnen Kaufleute sich mit
ihren Kollegen in den andern Handelsplätzen des Binnenlandes
oder der Seeküste mit In - oder Ausländern in eine grosse Zahl
verschiedenartiger, vielfach sich durchkreuzender, lange dauern-
der Handelsgenossenschaften vereinigten.^) Mit der
Erweiterung des Handels, mit den wachsenden und immer
engeren Handelsbeziehungen der einzelnen Hansestädte unter
einander mid mit dem Auslande seit dem 13. Jahrhundert
ergänzten, duchflochten sich diese Genossenschaften immer
mehr. Bei den verschiedensten derselben betheiligte das ein-
zelne Haus sich gleichzeitig in bestimmten Antheilen , in bei-
der-oder einseitigen Geld- oder Arbeitsmitteln, für einzelne
Unternehmungen oder dauernden Geschäftsbetrieb, zu Erfül-
lung bereits geschlossener Contrakte oder im Gebiete der Spe-
kulation, Dadurcli, dass einzelne Zweige einer grossen Familie
unter Aufrechthaltung der verwandtschaftlichen Beziehungen
1) cf, das Nähere: Neuniann, Wechselgcscliichte p. 41T. Sarto-
rius-Lappenherg, Gesch, d. Hansa IL n. 18.3. a. E. u. a.
460 VI. 2. GesollHcliarts - niid Vor.siclieviDig.sveitrag.
iKieli andern Stiulten übersiedelten, durch liäufige Pilgerfahr-
ten, durch regelmässigen Besuch der Contore im Auslande
erhielten diese Genossenschaften sich rege. ') So die Genos-
senschaft zwischen dem aus Cöln stammenden Danziger Herr-
mann v. d. Bol<e mit Tidemanri Swarte in Cöln 1416, 2) zwi-
schen dem Danziger Bertold Burammer aus Lüneburg mit
andern lüneburgischen Kaufleuten 1435. ^) Dergleichen Han-
delsgesellschaften bestanden zwischen Lübeck, Danzig, Riga,
Eeval . Brügge, dann in den rheinischen und westphälischen
Städten , den Orten an der Weser , Elbe , Trave , den Handels-
plätzen in Pommern, Schlesien, Preussen, selbst zwischen
den Märkten Nord - und Süddeutschlands , *) zwischen Han-
seaten und Nichthanseaten , z. B. Holländern , •'') mit Englän-
dern ^) u. a. Den zur Gesellschaft gehörigen Kaufleuten ferner,
oder den sonst an den fremden Handelsorten ansässigen Lands-
leuten, Freunden schickte man dann durch Bevollmächtigte
oder blosse Boten des Verkäufers je nach ihren eingegangenen
Handelsberichten und Aufträgen die verlangten Waaren zu
Markte. So zweigt sich zur gewaltigen Hebung des persönli-
chen Credites aus dem Eigenhandel allgemach der Commis-
sions- und Speditionshandel ab, und neben den Prinzipalen
der Geschäfte erstehen in den entfernteren Handelsplätzen die
dispositionsfähigen Lieg er und Faktoren, welche durch
eine Vollmacht jener beglaubigt für sie Geschäfte führen,
Schulden einziehen, Prozesse leiten u. a. Sie sind entweder
unselbstständig und haben so zuweilen einen Antheil am Ge-
schäfte des Herren, ^) dann nähern sie sich dem oben berühr-
ten Begriffe der Gesellschaft , in welche sie vielfach nur ihre
Dienste einwerfen. So heisst es auch im Danziger Archiv
(1. c.) : der Danziger Gottschalck steht mit seinem Lieger in
1) cf. u. A. Hirsch, Gesch. d. St. Marienkirche in Danzig I. p. 202ff.
2) Danz. Arch. Urk. 38. n. 1159. 3) Urk. 30. n. .5076 u. a. Hins, der
Pilgerfahrten cf. Hirsch, Danz. Handelsgesch. p. 191. 4) cf. Hirsch.
1. c. p. 166 ff. 189. 200. 228 ff. Pauli, Itib. Zust. Vortr. I. lüb. Urk.
Buch I. 569. 736. Neumann, Wechselgesch. Beil. D. 5) Danz. Arch.
Missiv. IV. 1.52 (1445). 6) ib. V. 1.39 u. 173 (14.50). 7) Danz. Arch.
U. 42. 4664.
VI. 2. Gesellschafts - und Yeisiclicrinig.svertrag. 4(31
„Widerlegung, dat se s e 1 s c li o p tosamende haddeii , dat
de erben, hans her godschalkes gud mit den synen ter sewart
voerde vp erer bejnler euenture." Oder aber, selbstständige
Kaufieute in entfernteren Handelsplätzen übernahmen als
„Lieger" die Ausführung der Aufträge anderer Kaufleute,
besorgten deren Geschäfte und rechneten sich einen Theil des
Gewinnes Jener ab. Im Dan zig er Missiv. (II. 18.) einigen
sidi die Prinzipale des Liegers Hans Klusener in Flandern
1431 mit ihm dahin, dat se ere guder an em wolden senden
de touorstaende vnd to wareude vnd er beste darby to doende,
daruor woldn se eme sulk recht vnd vrundscap doen van itcz-
likem pf, grot, alse dat to Brugg wonlik vnd recht ist."
Näheres indess hierüber lässt sich bis jetzt nicht feststel-
len, auch nicht aus der Verrechnung beim Schlüsse eigent-
licher Handelsgenossenschaften, wann sie oft nach jahrelangem
gemeinsamem Geschäfte — ein Zeugniss des grossen Credites —
wedderleghmge thun. So bleibt für jetzt und insbesondere für
Danziger Verhältnisse diese Ungewissheit. „Ob bei diesem
Geschäfte die Genossen Gewinn und Verlust mit einander theil-
ten , oder ob jeder für seine Mühe sich eine Provision berech-
nete , oder ob endlich die Mühe des Kommissions - oder Spe-
ditionsgeschäftes als eine in der Gegenseitigkeit sich bezahlt
machende angesehen wurde, ist aus den aufljehaltenen Rechen-
schaftsberichten nicht zu ersehen." ^)
Im Laufe des 15. Jahrhunderts können auch in Mittel-
deutschland Gesellschaften zu kaufmännisclien Unternehmun-
gen , und zwar im Gegensatze zu jenen hanseatischen Gesell-
schaften sogar gesondert von dem allgemeinen Handelsverkehre
der Kaufleute nachgewiesen werden, Vorläufer der grossen
Gesellschaften, von welclien die Keichsgesetze im IG. Jahrhun-
dert reden. Chr. Kupp euer berichtet u. a. , als nicht beson-
ders auffallend, von einer durch ihre grossen Kapitalien und
das Ansehen ilirer Mitglieder ausgezeiclmeten Handelsgesell-
schaft „de gesellschafft des zcyunhandels" (socictas
1) Hirsch, Handelsgesch. Daiizigs p. 229 ob. Näheres in Beilage
E. a. (1403) von Frankfurt a. M.
462 VT. 2. Gesollsohafts - und Yersifhcrniigsvortrag'.
sfanni) in Meissen , bestätigt von Herzog Georg von Sachsen,
bei welcher n. A. sich auch der Professor der Leipziger Univer-
sität Kupponorl497 mit einer Einhige von 2000 Gulden bethei-
ligte. 1499 bezog er bereits eine GeAvinnrate. Die Geschüfts-
leiter waren zwei institores seu factores. Sie schlössen Na-
mens der Gesellschaft Käufe und Verkäufe oder sonstige
Verträge, nalimen auch Zalilungen (baar oder in Anweisungen)
zur Gesellscliaftskasse an und die Zahlenden in die Gesellschaft
und deren matricula auf. lieber die Einzahlung empfing der
Zahler von ihnen unterschrieben und untersiegelt eine specialis
rccofjnitio. Die doniini sociefatis revidirten all vierteljährlich
die Kechnungen, Bücher und Kassen. ^) Hier erscheint Gefahr,
Gewinn und Verlust gleichmässig von allen Theilnehmern
getragen zu sein.
Aus Frankfurt a. M. behandelt eine Gesellschaft schon v.
Jahr 140.3 hinten die Beilage E. a. Einen weiteren und einge-
henderen Belag über die ausgedehnten Gesellschaften in den eben
genannten Gebieten zeigt Kuppeners Behandlung der hierhin
einschlagenden Rechtsfragen (cf. Beilage E. n. 3 (1508.) Noch
eingehender spricht Purgoldt, lib. HI. c. 46 ff. von den Ge-
sellschaften. Beide natürlicli sind erfüllt von den kanouisti-
schen Grundsätzen, und eben deshalb scheint es nicht unbedingt
richtig, ihrer ausführlichen Behandlung die thatsächlich zahl-
reichen Gesellschaften in Mittel- und Süddeutschland jener
Zeit als Grund unterzuschieben. Beide aber kennen eine Um-
gehung der kanonistischen Zinsgesetze durch die bloss schein-
bare Anwendung des Gesellschaftsvertrages nicht.
So erhellt nicht, dass irgendwo in diesen Gebieten die
Gesellschaft zu einer Umgehung des Zinsverbotes benutzt
ward. In den bisher behandelten Fällen bezahlte man mit der
Dividende der Lieger u. s. w. doch stets nur deren wirkliche
Dienstleistung, die Gewinnraten der Mitglieder entsprachen
iliren Einlagen in die Gesellschaftskasse, und das galt nach
kanonischem Rechte offenbar nicht als Wucher.
1) cf. die Eechtsgutachten von Kuppener, Tileniann, Brandesz
1499. Jahrbücher f. D. R. VI. p. 1G6 ff. n. 39. 40 (Muther.)
VI. 2. Gesellschafts - uiul Versicherungsvertrag. 463
Ausser den eben berührten Fällen findet sich in Deutsch-
land noch ein Gesellschaftsvertrag, der an Seedarlehn streift,
u. A. zwischen den Verwaltern geistliclier Kapitalien in Danzig
(des St. Brigittenklosters, der St. Marienkirche , des lieil. Geist-
hospitals und des St. Johannis - Altars) , welche 1438 neben
vielen Privatleuten Gelder an die Unternehmer einer gefahr-
vollen , aber möglicherweise höchst gewiniu'eichen Baienfahrt
(ins westliche Franki'eich) leihen , um am Gewinne theilzuneh-
men. ^) Aehnliche fernere Beispiele hierzu sind oben bei der
Akkonmienda aufgeführt (V. 5 f.)
Auch dieser Vertrag ist nicht zur Umgehung des kanoni-
stischen Zinsgesetzes geschlossen , sondern an sich ein richti-
ger Gesellschaftsvertrag, bei Avelchem ein Theil die Arbeit,
ein anderer das Geld beibringt. Da hier die Gefahr gemein-
schaftlich getragen wird, Ge^^vinn und Verlust von vornherein
zweifelhaft sind, bei ihrem Eintreffen aber gleichfalls alle
Theilnehmer berüiiren, ist der Vertrag schon aus diesem
Grunde nicht wucherlich. Chr. Kuppener rechtfertigt den glei-
chen Fall , wo Wittwen und arme Frauen und Jungfrauen eine
Summe in eine kaufmännische Bank zu Gesellschaftsunterneh-
mungen einlegen (V. 5. d. u. e.) ausserdem noch damit, dass
die Noth der Einleger den wuclierlichen Charakter des Ge-
schäftes beseitige (cf. Beilage E. n. 3.) 1508. Elr begeht hier
wiederum die Inkonsequenz, im einzelnen Falle den Grund
gelten zu lassen , den er allgemein doch als unrichtig verwirft,
dass der gute Zweck den Wucher beseitige. Obige Gründe
aber rechtfertigen , wie sogleich erhellt, auch die Theilnahme
von Fürsten, Kirchen, Gemeinden u.a. an kaufmännischen
gesellschaftlichen Geschäften, welche oben unter V. 5. f. erwähnt
sind. Wie liäufig übrigens diese Betheiligung au kaufmänni-
schen Unternehmungen auch Seitens der Privatpersonen war,
geht nicht minder aus Purgoldt (Rechtsb. VIII. c. 55)liervor:
„ Alles das ein man nembt zcu libnis von geilde , körn ader
ander habe, das her vorlyhet, und dingt das yme zcu geben :
Ij cf. Bornbach, Rezesse III. fl. G21. Hirsch, 1. c. p. 93. Näheres
über diesen Vertrag ist nicht ersichtlich, cf. Neuniann, 1. c. p. 141.
464 VT. 2. Oosellsi'liafts - und Vorsitherungsvortrag.
das ist wiulior; liov koufle daii 7A'iiise recht und redlich mit
eyiiie und lasse ynie dye bestellen uf eygen ader uf erbe , uf
erbe, uf borgen aderuf pfänden, ader lyhe das in den
kouf mansch atz uf wynung, und uymbt her dan
auch icht über dye wynung dye ym von rechte
gebort von sym gesellen, das ist unrecht und
ist Wucher. Dit stet geschriben ex. e. c." etc.
Nur ein Theil , der ui Deutschland gangbaren Umgehun-
gen des kanoiiisclien Zinsverbotes ist bisher erörtert. Alle auf-
zufüliren, erschehit deshalb übrig, weil es hier nur gilt, ein
Bild von den Mitteln zu zeichnen , welche der Verkehr ausser
den zuvor unter n. IV, und V. näher behandelten Mitteln
ergriff, um die kanonistischen Kapitalsfesseln zu überwinden.
Sobald die Gesetze, und das geschieht wegen des tausend-
fachen Eingreifens des Kapitalverkehres in alle Lebensverhält-
nisse sehr häufig , auf diese Umgehungen zu sprechen kommen,
überwallt sie fühlbar die Unzahl der Fälle und Möglichkeiten,
in denen ihre Macht aufgehoben , ihr Ansehen vernichtet wird.
Insbesondere schlagen hier ein die Verbote gegen allen Vor-
und Aufkauf (III. 2. c), gegen die Monopolien, und we-
gen dieser Kücksichten auch gegen alle grossen Gesell-
schaften, welche durch solche Aufkäufe Theueruug zum
Schaden des Gemeinwesens hervorbringen. Schon Chr. Kup-
pen er (1508) spricht sich zürnend gegen ihr wucherisches
Gebahren aus (cf. Beilage E. n. 3. u. n. 5.) und hat dabei beson-
ders die kaufmännischen Handelsgesellschaften im Hansage-
biete (in reussen vnn preussen) im Auge. So heisst es insbe-
sondere im Augsburger Keichsabschiede von 1530
§. 135.: (cf. auch R. A. v. 1512. §. IG ff., R. P. 0. 1548, 1577
tit. 18.):
Es ist „viele grosse Gesellschaft m Kauffraannschaft in kur-
zen Jahi'en im Reiche aufgestanden , auch etliche Personen
seind, die allerlei Waar - und Kaufmannsgüter, als Spece-
rei, Erz, Wöllentuch in ihre Hand und Gewalt allein zu
bringen unterstehn, Fürkauf damit zu treiben, sezen und
machen ihnen zu Vortheil solcher Güter den Werth ihres
Gefallens."
VI. 2. Gesellschafts- und Versii-liornng'svertra'^. 4G5
Man verbietet dies bei Strafe der Confiskation von Habe und
Gütern.
In demselben Reicbsgesetze (p. l'M).) werden Gesellscliaf-
ten erlaubt, welcbe nur AVaare „aufkaufen und verliandtliie-
ren." Nur sollen sie nicht den Wertb nach ihrem Gefallen
setzen oder dem Käufer oder Verkäufer „andingen, solche
Waare Niemand dann ilim zum Kauf zu geben oder zu behal-
ten , oder dass er sie näher geben wolle , dann wie er mit ihm
überkommen hat." Dieselben Klagen und Verbote erneut die
E. P. 0. von 1577. §. 1. ti. 17.
Desgleichen erAvähnt die R. P. 0. von 1577 mitten unter
diesen Umgehungen 1. c. §.7.:
„ Item , etliche leihen ihr Geld mit diesen verbotenen Ge-
dingen oder Pakten hinweg, dass der Entlehner zu vier
Märkten , so die ihm ernennen , ein mannigfaltiges dazu ver-
zinsen, oder Aufgeld geben ni'uss, thut wohl etwa mehr,
dann von hundert zwanzig."
Ebenso lautet die Stelle schon in den Reichsgesetzen von 153U
und 1548. Das Verbot bezeichnet eine Umgehung des Zins-
gesetzes, welche sich an die Wechselzinsen bei den Mess-
Tratten der niederländischen und französischen Wechsler auf
den französischen Wechselmessen anschloss und nur äusserlich
den Mantel des domiziliirten Eigenwechsels mit zwei Personen
für das darunter liegende einfache Darlehn anwandte (cf. oben
V. 5. a. f. VI. 1. und die Zusätze.)
Uebereinstiramend hiermit ist schliesslich auf die obigen
Citate aus den Nürnberger, Cölner, Freiburger Stadt-
rechten und deren Reformationen gerade seit dem Anfange
des 16. Jahrhunderts zu verweisen, so wie auf den oben ange-
führten Belag aus der Danziger Willkür (Danz. Arch. X. 4
(1580) (cf. ob. III. 2. a. u. c), in Avelchen sich allgemein die
ganze Ausdehmiug dieser Umgehungen durch die weitgreifon-
den Verbote derselben gekennzeichnet findet. Daher weist
Benedict XIV. es den Bischöfen als Pflicht zu, dass sie, so
oft ihnen in ihren Diözesen ein sonst ungebräuchlicher Vertrag
vorkommt, der sich durch seine verwickelten, complicirten
Neumann, Gesell, d. Wiicliors. 30
4G(> VT. 2. Gesollsrliat'is- uiul VcrsiclR'runo-.svevt'rag'.
Bestimmungen als des Wuchers verdächtig darstellt, den-
selben unter Beiziehung von Theologen genau prüfen, und
wenn sie ihn mit dem Makel des Wuchers belastet finden,
ihn sogleich untersagen. ^)
1) Benedict. XIV. d. synod. dioeces. VII. c. 50. Devoti, Inst. IV.
ti. XVI. §. 31 ff. — Moy de Sons, I. p. 326.
'
VII.
Die Wirkungen des römischen Rechtes, der
kirchhchen Reformation und der Wissenschaft
ausser ihnen gegen das kanonische
Zinsgesetz.
1. Das römisclie Eeclit.
Wesentlichen Einfluss auf die Umgestaltung des kirchli-
chen Wucherverbotes habe, so muss man von vornherein an-
nelimen , das mit geistiger und materieller Gewalt siegend in
Deutschland eindringende römische Kecht ausgeübt, indem es
sein Zinsgesetz mit der bestimmten Grenze erlaubter Pro-
zente statt desselben einführte. Die nähere Erkundung der
Thatsachen ermässigt diese Annahme.
a) Das römische Recht tritt zurück vor dem kanoni-
schen Wuchergesetze.
Wie in andern Kechtssätzen , so besonders auch in der
Zinsfrage hatte das kanonische Recht sich viele Jahrhunderte
hindurch, während die Macht des römischen Rechtes besonders
für Deutschland schlummerte, einen sicheren Boden, wie gezeigt, -
in deutscher Theorie und Praxis errungen. Durch immer neue
Anwendung des grossen Glaubenssatzes war dieser Boden im-
mer fester gestaltet. Bei dem Erstehen des römischen Rech-
tes trat die Kirche ilim vielfach entgegen. Schon 1219 ver-
bot, wie bekannt, Pabst Honorius III. das Studium des römi-
schen Rechtes für die Geistliclikoit. ^) 1220 wurde von der
Pariser Hochschule, welche gerade von Deutschen zahlreich
1) c. 10. X. 3. 50.
30*
4G8 VII. 1. Rom. Uoclit. a. Zurücktritt vor d. kau. Wuelierges.
besucht war, die Vorlesung über römisches Recht unter-
sagt, ^) ja in den Worten des Verbotes „vel in civitatihus seit
aliis locis vicinis" dasselbe weithin ausgedelmt. Man konnte
mit Grmid darauf verweisen , dass das römische Recht , so viel
es der Kirche erspriesslich, bereits in dem cotyus juris cano-
nici verarbeitet sei. Wer darüber hinaus forschen wollte,
lehnte sich gegen die Autorität der Kirche auf. Aus diesen
Gründen und mit Rücksicht auf die kanonistische Rechtspraxis
trieb man auch in Deutschland an den Hochschulen zuerst nur
kanonisches Recht. Die vereinzelte gegentheilige Erlaubniss
der Päbste für einzelne Geistliche oder Orden , das römische
Recht zu studiren , bestätigt nur obiges Verbot. ^) Schon der
Wortlaut dieser Genehmigung häuft Beschränkmig auf
Beschränkung. Die Fakultäten der deutschen Universitäten
bestanden wesentlich aus Kanonisten , und so nannte man sie
öfter auch geradezu „universitates canoni starum"^)
und die Juristenfakultäten: „facultates juris cano-
nici.'"^) „Das Studium des römischen Rechtes wurde nicht
weiter getrieben, als es zur Erklärung des kanonischen Rechtes
erforderlich schien. "
Erst am Ende des 15. Jahrhunderts erstarkte im Zusam-
menhange mit dem allgemein wachsenden Siege des römischen
Rechtes auch an diesen Stellen sein Einfluss , und man nahm
das zu Prag 1380 begonnene Streben wieder auf. ^) In den
Schriften , welche das römische Recht in das deutsche Rechts-
leben einzuführen trachteten, tritt dasselbe fast durchweg nur
in enger Verbindung mit dem kanonischen Rechte auf, z. B.
bei Christoph K u p p e n e r (Beilage E) , bei J o h a n n von
F r e i b u r g. •^) In der Wucherfrage überwog das letztere fast
ausnahmslos. Hier galt immer der direkte Ausspruch der
Glosse zum Sachsenspiegel (I. 54.):
1) c. 28. X. D, 33. V. Savigny, Gesch. d. R. R. im Mittelalter HI.
p. 362 if. 2) cf. S t r u b e 11 , Nebenstunden, V. p. 19. (1321). S t o b b e .
Quellengesch. I. a. p. 628. 629. N. 60. 3) Tomek, Gesch. d. Prag.
Univers. p. 45. 4) Kink, Gesch. der Wiener Univers. I. p. 101.
Stobbe, 1. c. I. p. 630. n. 67. 5) Pütt er, Litt. d. deutsch. St. R. T.
p. 75. Eichhorn, R. G. §. 441. 6) Stobbe, 1. c. p. 635.
VII. 1. Eom. Recht, a. Zurücktritt vor d. kau. Wiulicrges. 4ß0
„Etliche sagen man möge den Wucher nach Kaiserrecht
wol nehmen. Sag aber du , man möge keinen Wucher neh-
men, dann die canones, das alte und neue testament solches
vorbieten. Was aber der Canon vor beut, vor beut
auch d a s K a i s e r r e c h t." ^)
Daher bleibt denn auch Ulrich T engl er, der doch gerade
dahin strebte, durch seine Summa Icgum „Layon Spiegel"
das fremde Kaiserrecht bei den Laien einzubürgern, in der
Wucherfrage strenge dem kirchlichen Dogma getreu , wie sich
oben an den verschiedensten Stellen zeigte. Ja er wiederholt
geradezu jenen Ausspruch der Glosse, während er jeden Au-
genblick trachtet, sich an das römische Recht anzuschliessen :
„ Unnd der Wucher entsteet gewonnlich aus leyhen , das die
aigennschaft oder dominium des gelilmes guts in den enntne-
mer geendert zu latein gen. mutuum. In geistlichen Rech-
ten wird Wucher verboten , ausgenommen in einigen Fällen.
Es wird auch einer als Kläger geachtet, der rechten Wucher
nicht für Sund hielt. In kaiserlichen Rechten wird Wucher
auch verboten und mandiert das gesetz der vier Concil zu
halten, nämlich Niceni, dadurch Wucher verboten sind.
Aus dem allen und jeden der Wucher nit unl)illich zu
scheuchen und zu greifen; wann wo er gestat, möchten die
Wucherer das gelt als einen gott eren. . . Gelt ist unfrucht-
bar. . . Wie wol und aus etlichen vällen und den w e 1 1 1 i -
eben rechten vermüt Avird, das man etwa über das haubt-
gut icht nemen , so mag doch wider göttliche recht
kain ander Satzung statt haben, wann wölliche die
seele berühren."
Das weltliche Recht sei dem geistlichen untergeben. Dann
folgt die Reihe der Ausnahmen vom kanonischen Wucherver-
bote, welche oben bereits berührt ward. Chr. Kupp euer
aber mit einer Zahl der Summisten begründet diesen Vorzug
des kanonischen Rechtes in der Wucherfrage sogar geschicht-
lich. Er lässt die Wucherfreunde einwenden (v. Wucher B. 3.) :
1) cf. Eckardt, Neun Bücher., ed. Pölmann IV. 7. tust. 10.
17() VII. 1. nöiii. Ivoilit. a. Ziui'uK tritt vor (1. kau. Wuclierges.
..li;il)en doili die werntliclie viin k eis zerr echt den
Wucher vnter den menschen czAigelassen , vnn die menschen
haben sich solch keiszer recht vil iar gohraucht vnn gehal-
ten. Doriiinb musz ye wucher nicht sunde sein als do von
sein gantze titel in werntlichen vnn keiszer rechten Dig.
vnn. Cod. per totum ti. de vsu. " Hierauf entgegnet indess
Kuppener: „Sage das etwan die werntliche vnd keiszer recht
betracht haben, das vor czeitten die menschen swerlichen
ire notdurft bekommen künden , dan alleine gelt vnn geldes
wert, auff wucher czu nemen. Dorumb satzteu die selbigen
recht ein summe aus wie hoch man auff gelt geben solte
den hundertsten teil , do durch die menschen mit solchem
auffgelde nicht grausam adir vberswenglichen beswert wur-
den, p. 1. eos Cod. de usu. In dem das man die czeit gantz
den wucher nicht ausztilgen künde. Idoch sein dornach
dieselbigen werntliche" vnn keiszer rechte vorandert vnn ver-
verboten worden vnn corrigirt. Das auch im die werntliche
vnn keiszerliche recht selbst den wucher vorbitten dovon
hastu in auc. ad hec Cod. de vsu. et in auc. de ecclesi ti.
col. IX. r. p. glo. in 1. cum allegas Cod. de vsu. r. p. bal.
sup. rubrica Cod. de vsu. wie dan oben auch gesatzt worden
ist, vnn als czuuorn auch geschriben stet, das die werntliche
keiszer recht bestetigen die heiige christliche vorsamelung
die man czu latein Mcenam sinodum ernennet. Do selbst
der wucher verboten worden ist. Unn der keiszer gebeut
solchs alles czu halten was in dem selbigen consilio ent-
schlossen worden ist. Dorumb vmb der bestetigung willen
vorbiten auch also den wucher dy werntlichen keiszerlichen
recht als do geschriben stet. XIIII. q. III. c. quid dicam
in glo. I. "
Nicht weniger hielten die römischrechtlichen Juristen , welche
einzelne der deutschen Stadtrechte den Forderungen der Neu-
zeit anzupassen übernommen hatten , in der Zinsfrage an den
kanonistischen Bestimmungen fest, ja sie schärften wol gar
noch die Strafen der Wucherer. So handelt das reformirte
Kölner Stadtrecht (14:37) streng kirchlich über diese
Materie: Ulrich Zasius, der Kechtskundige des Justi-
Vn. 1. Rom. Recht, a. Zurücktritt vor d. k;ui. Wuchergcs. 471
nianeischeu Kechtes , nahm gerade diese kölnischen Wucherbe-
stimmungen neu in das von ilim umgearbeitete Frei 1) u r g e r
Stadt recht liinüber (1520); und der römischrechtlich
geschulte G 1 a n t i u n k u 1 a reformirte das Nürnberger Stadt-
recht Hinsichts des Wuchers ganz im kirchlichen Sinne (1479),
bis erst 1564 die Grundsätze des römischen oder richtiger des
deutschen Gewohnheits- Rechtes über die Zmsen sich hier ein-
bürgerten. ' ) Andere Kundige des römischen Rechtes , wie
F i.c h a r d t in Frankfurt am Main , neigten zwar in Erkennt-
niss des unnatürlichen Zwanges, welchen das kanonistische
Ziusverbot dem Verkehre anthat, zur Beseitigung der kanoni-
stischen Fesseln ; sie wagten indess nicht, dieses öffentlich zu
bekennen, noch das Zeichen der herembrechenden Erlösung
ihrem Gesetzbuche auf die Stirn zu drücken , sondern mühten
sich , auf den Pfaden der von der Kirche begnadeten und von
dem Verkehre besonders angewandten und ausgebildeten Ver-
träge das Zinsverbot zu umgehen. Das Frankfurter refor-
mirte Stadtrecht giebt Hinsichts der allgemeinen Anwen-
dung des Interesse als Zinsen den bündigsten Belag, und
Orth in seinen Noten zu dieser Reformation gesteht dies, wie
auf S. 175 zitirt wurde, unverhohlen ein. Ebenso entscheidet
Fichardt auch in praktischen Einzelfällen, u. a. 1566, als
ein Darlehnsschnldner sich geweigert hatte, die Zinsen, als
Wucher, zu entrichten. Fichard entwickelt hier, gegen die
Zinsen spreche, dass das mutuum seiner Natur nach gratui-
tum sei, ferner, quod usiirae usu veniimt in contradihus stricti
juris, nisi a tempore litis contestatae. Aber es würden keine
Zinsen gefordert nomine interesse pro damno, quod sattem oh
lucriim cessans perpessus est. — Damna et Interesse
etiam de jure canonico peti possunt , dagegen usurae lucra-
toriae seien in jedem Rechte verboten im Gegensatze zu den
usurae compensatoriae. ^)
1) Die Beläge hierfür sind vielfach in den einzelnen voraufgehenden
Abschnitten aus diesen Gesetzbüchern angeführt, s. Ei chliorn, D. P.
R. §. 108c. Zöpfl, R. G. §. 5S. n. 3. 4. Mitterni aier, D. P. H. §. ItJ.
n. 10. 11. Orth, Anmerkungen zur Frankfurter Reforniat. 1. c. p. 84.
2) Fichard, consüia I. n. 29. — cf. ob. p. 175. n. 2. u. p. 49. 50.
f7"2 \U. 1. Köm. l\oclit. a. Zuviu-ktritt vor d. kaii. Wuelicigesetzc.
Nicht begründet ist es, dass man das Verfahren Ulrich
TiMiglors, wenn er die lleihe seiner römisch -rechtlichen und
kanonistischen Ausnahmen vom Wudierverbote, unter ihnen
das „Interesse" (IV. :J.) in römisch -rechtlicher Definition,
seiner streng kirchlichen Verdammung des Wuchers gegen-
überstellt, als ein Scheinmanöver, gleich demjenigen Fichardts
aufzufassen. Tengler , Zasius , Glantiunkula u. a. Kundige des
römischen Kechtes schieben nicht, wie es später (IX. 1.) in
der Wucherfrage bei den deutschen Partikulargesetzen gebräuch-
lich wurde, ihre Uebereinstimmung mit der Kirche vor, um
limter derselben unter allen erdenklichen Windungen von
Clausein und Ausnahmen das Gegentheil thatsächlich resul-
tiren zu lassen. Sie meinen es durchaus ernst mit der Ver-
werfung des Wuchers , das lehren die eingehende Behandlung
des Wucherverbotes nach den kanonistischen Ausführungen
und die strenge Begrenzung der Ausnahmen , welche sie,
Avenn überhaupt welche , gemäss der damaligen Kechtspraxis
machen zu müssen glaubten.
Die Hauptgründe vornehmlich, welche in anderen Eechts-
gebieten die deutschen Rechtspraktiker bewogen, zum römi-
schen Rechte zu greifen , waren bei der Wucherfrage grössten-
theils von selbst ausgeschlossen. In der Zmsmaterie hatte sich
bei den Kaufleuten, wie allgemein im Kapitalverkehre, das
einheimische Gewohnheitsrecht wohl entwickelt , vornehmlich,
da es nicht innerhalb der Grenzen Deutschlands festgebannt
war, sondern gemäss der Natur des Kapitalverkehres über-
haupt den europäischen Charakter des Handelsrechtes theilte.
Die Entscheidungen der richtenden Kaufleute waren, wie sie
wenig durch die alten und im 15. Jahrhunderfc kräftig neu
erstehenden kanonistischen Zinsvorschriften behelligt wurden,
ebenso wenig benöthigt, von dem römischen Rechte ihr beson-
deres Heil zu erwarten. Der Hauptgrundsatz des Kapitalver-
kehres , dass die Nutzung fremden Kapitales vergütet werden
muss , hatte sich hier in den verschiedensten Rechtsinstituten,
welche die Kirche mit dem Verdachte oder dem Vorwurfe des
wucherischen Makels behaftete, entschieden siegreiche Bahn
.gebrochen. Man empfand in diesem Punkte weniger, als im
YII. 1. Roll). Eodit. a. Zurücktritt vor d. kau. Wuchergesetze. 473
sonstigen Kechtsgebiete , die Schranken des Feudalwesens , die
Vermögensbeschränkungen , die Zerrissenlieit der territorialen
Gesetzgebung, man fühlte bei der praktischen, thatsäclilichen
Anerkennung jenes Satzes nicht den Mangel der sich daran
schliessenden Rechtswissenschaft, da er sich selbst aus dem
grossen über die deutschen Grenzen hinausragenden Boden des
Yerkelirsrechtes mit einer die Weiterentwicklung seiner Insti-
tute gehörig fördernden eingebornen Kraft erhob. Endlich
fehlte es liier auch besonders nicht an einer systematisclien
Entscheidung der verschiedenen, dem Zinsgrundsatze entsprin-
genden Zweifel. Auf der einen Seite gewährte diese Entschei-
dung, und wie gezeigt, vielfach nur zu systematisch, das
kanonische, scholastisch durchgebildete und sich jeden x4ugen-
blick weiter bildende Recht. Auf der andern Seite schuf oder
entwickelte eben das deutsche Gewohnheitsrecht erst die neuen
gegen das kirchliche Zinsgesetz gerichteten Rechtsinstitute,
welche solche Zweifel anregen konnten und anregten. Mit dem
Institute selbst aber war gleichzeitig auch die Entscheidung
des heimischen Rechtes darüber gegeben. Diese Entscheidung
^viederholte sich hundertfältig , durcli ganz Deutschland über-
einstimmend, mit dem Bewusstsein des Rechtes , gerade m den
Städten als den Sitzen des Kajiitalverkehres , und die prakti-
schen Richter mochten sich nun entweder dieser Entscheidung
oder dem Verdammungsspruche des kanonischen Rechtes an-
schliessen, in jedem Falle lag es ihnen ferner, ein ürtheil im
römischen Rechte zu suchen. Natürlich trugen da viele der
Umstände, welche dem römischen Rechte allgemein in Deutsch-
land anfänglich entgegentraten, nicht gering dazu bei, dass
dasselbe in der Zinsfrage zunäclist um so weniger Anwendung
fand, so die mangelnde Kenntniss, die bartolinische, schola-
stische Behandlungsweise , welche zu wenig auf das Avirkliche
Leben rücksiclitigte, der schlappende, schriftliche Prozess-
gang, welcher hier doppelt em}»funden werden musste, die
scheinbare Prinziplosigkeit zusammenhangloser Einzellieiten
in der Justinianeischen Sammlung, die zu deren Verständnisse
nothwendige grosse Masse der Gelehrsamkeit. Daher rührt es
auch , dass , als die Partikulargesetze das kanonistische Zins-
17 1 VII. 1. Rom. Recht, b. Das röni. Reclit tritt d. AVucherges. entgegen
verbot beseitigen, sie sich vielniclir auf die überall durch-
schlagende Gewohnheit der deutschen llechtspraxis , des deut-
schen Verkehrslebens berufen, als auf die Aussprüche des
römischen Kechtes beziehen , welche in geschriebenem Gesetze
eben da hinauskamen, wohin die deutsche Rechtsübung ge-
langt war. (IX. 2. a.)
b. Das römische Recht tritt dem Wuchergesetze
entgegen.
Nicht aber darf andrerseits geleugnet werden, dass das
römische Recht überhaupt dazu beitrug, den gegen die kano-
nistische Wuchernorm gerichteten urdeutschen Rechtsgrundsatz
der Vergütung für die Nutzung fremden Kapitales siegen zu
machen und wol schneller siegen zu machen, als es sonst
geschehen wäre. Auf den vielfältigen Wegen , auf denen das
Kaiserrecht sich den Emgang in das Innere des deutschen
Verkehrslebens gewann , wirkte es sogleich mit seinem immer
fester sich gründenden Ansehen für die Beseitigung des Zins-
gesetzes der Kirche, für die Anerkennung seiner Zinsbestim-
mimgen und damit für die Forderung des deutschen Handels.
Das so vortrefflich ausgebildete römische Obligationenrecht,
die wissenschaftliche Behandlung und Weiterführung dessel-
ben , das Ansehn und der äussere Einfluss seiner Jünger und
Kenner bei dem Kaiser, den Landesherren, den städtischen
Obrigkeiten, an den Hochschulen gab den Zinsgrundsätzen
desselben ein um so entscheidenderes Gewicht gegen das kano-
nische Recht.
Cujacius, der Heros der Auslegung des römischen Rech-
tes, bleibt deshalb fest auf den Zinsgrundsätzen dieses Rech-
tes stehen. Selbst, wo er einen Seitenblick auf die recht-
lichen und wirthschaftlichen Zustände seiner Zeit (freilich
bereits in der zw^eiten Hälfte des 16. Jahrhunderts) wirft,
spricht er, als wäre das selbstverständlich, nur von römischen
Zinsvorschriften. Nur historisch gedenkt er hin und wieder
der merkwürdigen Bestimmungen der Kirche, und wann es
die Entscheidung zwischen Beiden gilt, kennt er, selbst bei
VII. 1 . Rom, Recht, b. Pas riuii. Rcclit tritt d. Wucherges. entgegen. 475
der Auslegung der Dekretalen, als allein richtig nur die Grund-
sätze des römischen Rechtes. 0
Dasselbe gilt für den eminenten Dogmatiker Hugo Do-
n eil US. Wesentlich nur historisch erwähnt er die Zinsbestim-
mungen des kanonischen Rechtes ; und erörtert er sie im un-
mittelbaren Anschlüsse an die Dekretalen in ihren einzelnen
Bestimmungen , als wären sie geltendes Recht , so zeigt sich
doch im Vergleiche mit der ausführlichen Behandlung der
Zinsgrmidsätze des römischen Rechtes und der vielen Streit-
fragen, welche sich an jene knüpfen , dass dieses Recht dem
Verfasser das mibedingt maassgebende ist , welchem allein er
erschöpfende Berücksichtigung schenken zu müssen glaubt. ^)
1) cf. Cujacii, opera. Miitina 1782. I. p. 346ff., 678. A, 1122.B.
(hodie Rom. R.), 1301. Äff. IV. 41. A. , 114 A ff. : woCujac die Gründe des
Aristoteles gegen die Zinsen erwälmt , und die Zinsen im Anschlüsse an
die richtig ausgelegten Worte Papinians für erlaubt, ja für nothwendig
erklärt. — 821. D ; — 849. B. : Nach Aristoteles stritten die Zinsen con-
tra natwram, doch Cujae erklärt: jworewjY Mst«?-a famew „jure ohli-
gationis et quasi fructus reditusve pecmiiae est." 1134. A. VI. 638. B.
„usurae usurarum , quae inilgo dicuntur usurae Jiidaicae" — 875 E.
Das kanonische Recht verbiete die Antichrese und Pfandnutzung ohne
Anrechnung, „quia conventioni tisurarum proxime accedit. . . Additur in
antiqua Decretali in lianc rem , usurarum crimen esse detestabile et hor-
rendum valde et utriusque Testamenti pagina damnatum, usurarum seil,
quae propter lucrum infliguntur. Nam quae propter moram debitoris
petuntur , hoc jure non prolilhentv/r , ut glossa rede notat i. c. conquestus
inf. d. usur. et 1. 5. Cod. d. act. em])t."' (Comment. z. d. Dekretalen.) . . .
Auch hier , wo er die Zinsbestinimung der Dekretalen auslegt , betont er,
dass das jus civiJe die Zinsen trotzdem billige. IX. p. 193. C. — 263 D.
— 310. A. E. — 1008 D. X. p. 112. B. C. „et in extremo hujus capitis
tentas non esse verum , quod dixit , nihil jwe civili odio usurarum esse
proditum , sed frustra : nullum enim ex jure civili argumentum profers,
quo jyrohes odio usti/rarum esse quidquam constitutum , modus, qui usuris
datus est , non est odii idoneum argumentum, nam et idem datus est
aestimationi ejus , quod interest et negotiis omnibus. . ." — 435. B.
594. A — 646 E , — 679. A , — 1040. E , — 1 189. E , — 1190. B. u. v. a.
2) Hugo Donelli opera. Florentiae 1847. In Vol. X. p. 1418. 9
wird die Ansicht der Alten (Philosophen) über den Wucher berührt. Die
Grundsätze des kanonischen Rechtes über Zinsen sind allgemein erör-
tert in 1. 1437 ff. II. 35. N. 8 (die Wucherer sind testirunfähig) V. 112. 113.
47G VII. l. Rom. Rcdit. b. Das röin. Iveclit tritt (L "Wudierg-cs. entgegen.
Selbst unmittelbar den Einfluss des römischen Rechtes
gegen das kanonische Wuchergesetz in dieser Beziehung zu
verfolgen , ist möglich. Jene durch das römische Recht immer
wachsende Zahl der Zinsgesetz -Ausnahmen in der Bocksdorff'-
schen Glosse , in Tenglers Layenspiegel sind deutliche Beläge
(S. 67. r»<S. 109-112); im Pfandeontrakte trat der römisch -
rechtliclie Anstoss zu Tage bei der Berechnung der Antichrese
(V. 2. a. d. f.), nicht minder freilich bei Einführung der lex
commissoria,'^) in der Ausdehnung des Interesse - BegriflFes
N. 11 handelt speziell von den vianifesti usur ar ii, die ipso jure,
ohne Eikenntniss des Richters und trotz der Rückerstattung der Zinsen
infames seien (aber eben nach kanonischem Rechte) cf. ib. VIII. 417 ff.
425. N. 7. 476, 14 ff. (allgemein); X. 469, 2. 471, 3 ff. 473, 7. 545, 1 (be-
sonders auch den Obrigkeiten sei Wucher verboten). Erlaubt seien
Zinsen als Ersatz der übernommenen Gefahr. Ylll. 375 ff. 469, 4. 5 ff. X.
13b6. 1422, 21 ff. Die compensutoriae usurae (oben S. 49. 50)
seien gestattet. VIII. 419. N. X. 1419, 11. Zu diesen gehören besonders
die Verzugszinsen, sie seien auch ohne voraufgehende Abmachung
gestattet. VIH. 374, 6 ff. 403 ff. 405 ff. 504, 1. 507, 6. X. 1421, 17. 18 ff.
1426 , 40. — Ausführlich dagegen und in der Berücksichtigung der ein-
zelnen Streitfragen erschöpfend behandelt er bei derselben Lehre das
römische Recht als dasjenige, welches allein hierin maassgebend erscheine.
So Vn. 477 ff. 590 , Iff. 650 ff. 670, 49. 50. Dann besonders VIII. 361 ff.
365 ff. 373. 375. 377 ff. 381 ff. 395, 1. 2. 404 , 6. 406, 414. 418. 419 , 12 ff.
429, 2 ff. 431, 57. 453, 3 ff. 467, 469, 5 ff. 471, 6 ff. 473 , 791 ff. u. a. m.
X. 1381 , 3 ff. 1418, 5.6. — 1433. 1463. Hier erwähnt Donell auch beson-
ders die verschiedene Höhe der Zinsen, speziell die Prozente der 2)er-
sonae illustres (oben S. 146. N. 3) VIH. 471 , 9. X. 1429, 54. , die besses
usurae der Kaufleute (oben S. 172) VIH. 471, 10. X. 1429. 1430, 54. , und
denselben Zinsfuss der argentarii \III. All ff. (oben V. 5. d.) Es liegt
auf der Hand , dass die einzelnen an die Lehre von den Zinsen und dem
Interesse des römischen Rechtes sich knüpfenden Streitfragen in dieser
Schrift nicht zu erörtern sind , da dieselben allgemein mit dem Wucher
(selbst nach römischem Rechte) Nichts zu thun haben und insbesondere
die Geschichte des kanonistischen Wuchers in Deutschland bis zu dessen
Umbildung im 17. Jahrhundert nicht berühren.
1) Auch hier zwar war das Geschenk des römischen Rechtes zweideu-
tig , indem gleichzeitig die Zinsschranke mit der römischrechtlichen Be-
rechnung der Antichrese eingeführt wurde , immer aber war mit letzterer
auch die gesetzliche Billigung der Pfandnutzung und einer bestimmten
Zinshöhe ausgesprochen.
VII. 1. Körn. Recht, b. Das roiu. Ecclit tritt J. Wuchergcs. entgegen. 477
vom Schaden (dammim emergens) auf den Gewinn (Iticnt)ii
cessnns) förderte das Kaiserrecht die Wucherangelegenheit
bedeutend zu Gunsten des Verkehrs (S. 169 — 17G). Und so
bot es der deutschen Praxis keine geringe Stütze, wenn man all-
gemein seit dem 16. Jahrhundert ^) speziell m den Gerichten -),
zumal im Reichskammergerichte und in den höchsten Gerichts-
höfen der Einzelstaaten auf das römische Recht liinwies als
Beweis für die Fruchtbarkeit des Geldes, für die Ungefähr-
lichkeit, die Nothwendigkeit der Vergütung für Kapitals-
nutzung , für die Billigung der Conventionalzinsen beim Dar-
lehn ümerhalb der gesetzlichen Höhe (VIII. 1 — 4. IX. 2.)
Auch in dieser Frage leistete daher das fremde Recht vor
Allem dadurch der heimischen Rechts gewohnheit Hilfe,
dass es seine Entscheidung als übereinstimmend
mit letzterer offenbarte, und so der für sich und durch
eigene Kraft ausgebildeten eine neue und nicht germge Stütze
bot. Was zögerte man noch, auch hier das römische Recht
zur Geltung kommen zu lassen , da es doch in so vielen andern
Rechtspunkten zum Siege gelangt war und fort und fort
gelangte ?
Mit dem römischen Rechte indessen, mit seiner Unter-
stützung des heimischen Gewohnheitsrechtes zog, man darf
sich's nicht verhehlen , eine neue Schranke der Zinsverhältnisse
in Deutschland ein, welche bis auf die Gegenwart ähnlich
jenem kanonistischen Wuchergesetze , den Verkehr des Kapi-
tales mit unfruchtbaren Schlingen einengt. Das war die echt
romanische Schranke des polizeilich -gesetzlichen Zinsmaxi-
mums. Getreu dem deutsclien Geiste voller, freier Entfaltung
des Individuellen liätte bei seinem Anringen gegen die kircli-
lichen Wuclierfesseln derselbe mit Beseitigung des letzteren
voraussichtlich nicht sich freiwillig eine neue Fessel um
die Glieder gesclilungen, wenn nicht der unmittell)are und
mittelbare Eintiuss des römisch - rechtlichen Zinsmaximums
1) Leider mit zu geringer Kenntnis« oder vornclmier Absiicisung der
Volkswirthscliaftslehre gerade bei den röiiiisili - reclitliclien Juristen.
2) Seit dem 14. Jalirhundert. Heineccius, hibtor. jur. p. lUoG.
478 Vn. 1. T\öm. Recht, h. Das röin. Eechttritt d. Wucherges. entgegen.
der Gesetze iliin /.um Siege verhalf. Vielmehr würde nach
Sprengmig jener Norm , soweit man gegen Geschehenes aus
den Voraussetzungen desselben urtheilen darf, das deutsche
Verkehrsleben den wirtlischaftlichen Standpunkt voller Zins-
freiheit errungen haben, welcher jetzt erst allgemach erstie-
gen worden ist und noch wird. Der vorn entwickelte einge-
borne Grundsatz der Kapitalvergütung im deutschen Eechte
und das siegreiche Vordringen desselben gegen das kanonische
Zinsgesetz lassen darauf schliessen; positive Andeutungen
selbst, so in den Schriften einzelner Kechtskmidiger jener Zeit
(cf. vn. 2. c. 3. b.), fehlen nicht.
So gut, kräftig, schnell man das kirchliche Zinsgesetz
abwarf, musste man auch die weitere Forderung klarsehender
Köpfe, eines Calvin, Salmasius, und diejenigen des Verkehrs-
lebens selbst erfüllen. Gerade bei dem Ringen mit jenem
Gesetze entwickelte man sich fast zu gleichem Ueberdrusse,
wie heute in der Wucherfrage , das Unhaltbare eines Zwanges,
welcher willkürlich von oben her dem Leben aufgedrückt wird,
das Unnatürliche , durch Gesetze zu fixiren , was sich in stets
flüssigem, wogendem Leben selbst regelt. Wie eiferte man
in Spott und Ernst, mit That und Wort gegen dergleichen
polizeiliche Eingriffe , Verkaufsverbote , Taxen u. a. in andern
Gebieten. Galt alles Dies nicht auch für das neue Zinsmaxi-
mum , sobald es nicht , wie bisher , der Gewohnheit , dem An-
gebote und der Nachfrage frei überlassen blieb? Partikular-
gesetze und Reichsgesetze im 16. und 17. Jahrh. schliessen
sich zwar dem Verkehre an , und stellen als gesetzliches Zins-
maxiraum in den meisten Fällen ausdrücklich die Zinshöhe
fest, welche und weil sie der Verkehr überall herausgebildet
hatte. Zunächst also und an sich hielten sie sich frei von dem
den Verkehr zwingenden romanischen Zinsgrundsatze (IX. 2.),
thatsächlich aber fixirten sie bleibend diese einmalige Zins-
höhe, und so wurden sie doch allgemach, halb unbewusst viel-
leicht, in die Fallgrube des römischrechtlicheu Zinsgesetzes
hineingezogen. So ergriffen die Einzelfürsten dann vom römi-
schen Rechte unterstützt die treffliche Gelegeulieit, einen
neuen Zweig der polizeilichen Regierungsthätigkeit zu eröffnen,
VIT. 2. Kirchliche Reformation, a. Allgemeines. 479
und das deutsche Kapital trat in ein langes Uebergaugssta-
dium zur vollen Freiheit der Zmsen.
2. Die kirchliche Reformation.
a. Das Allgemeine.
Die Reformation wirkte bedeutender als das römische
Recht auf die Umgestaltung des kanonistischen Wucherverbotes
in Deutschland ein , weil sie , die Schichten des Volkes durch-
dringend, direkt gegen die Geltung des corpus juris canonici
und der sonstigen römisch katholischen Erlasse als Gesetzbücher
zu Felde zog, bis durch die wissenschaftlichen Bestrebungen
am Ende des 17. Jahrb., besonders dann durch die funda-
mentalen Arbeiten Justus Henning Böhmers vielfach im eng-
sten Anschlüsse an die Lehren des corpus juris canonici sich
das protestantische Kircheurecht bildete. So brach die Refor-
mation von vornlierein thatsächlich und rechtlich das Ansehn
der katholischen Kirche in der Wucherfrage , also dem Glau-
benssatze von den Zinsen ging durch sie die Spitze verloren.
Das Individuum befreite sich auch hier von den Autoritäts-
fesseln , man liess auch hier die Natur des Verkehrs an sich
gewähren und lernte sie an sich ohne einseitige Perspektive,
ohne vorgefasste Memung kennen und beurtheilen.
Falsch aber wäre es, anzunehmen, dass emmüthig die
Reformation gegen das kanonische Zinsverbot in die Schranken
trat. Man vergesse nicht, dass die Reformatoren streitende
Theologen waren, und dass, so sehr sich danach auch das
Kirchenrecht auf rein kirchliche Angelegenheiten einschränkte,
im 16. Jahrhundert docli bei weitem noch nicht die Zeit gekom-
men war. in welclier nicht Gottesstreiter, die Bibel m der
Hand, für die wichtigsten civilen Rechtsfragen im corpus
juris canonici Partei ergriffen. Welche Flut von theologi-
schen Streitschriften ruft nicht der Zwist über die Banken
noch 1640 — 60 selbst in Holland hervor. ^)
1) Laspeyres, Geschichte der volksw-irthschaftlichen Anschauungen
der Niederländer zur Zeit der Republik. Leipzig 1853. p. 258 ff.
480 MI. -. KiiH'lil. TvtMVmiiat. b. Liithoni. seine Aiiliängor wirken etc.
Hier nun gestaltet sich die Wuclierangelegenheit über-
einstimmend fast, wie im Gebiete des römischen Rechtsein-
Hiisses, — doch aus anderen Gründen. Eine grosse Zalil nam-
hafter Reformatoren kann sicli , wie dort die grossen Juristen,
von den kanonistischen Zinsl)estinnnungen nicht losreissen,
dort zum Theil gedrängt durch das Auselm der Kirche und
den festen Boden, welchen sie Jahrhunderte hindurch sich
bereitet hatte, hier' durchdrungen von den Gründen, welche
ursprünglich das Ziusgesetz der Kirche erstehen Hessen.
Von Neuem machte hier ja die Kirche einen Gährungs - ,
einen Gebärungsprozess durch , wie dort', wo das Christenthum
sich aus den Flammen des versinkenden Heidenthums erhob.
Der wahrhaft göttliche Zug, von Grund aus die Menschen-
natur zu reinigen, zu bessern, neu zu gestalten, und die
Nächstenliebe vor Allem, getreu ihrem Stifter, in die
Herzen des Volkes neu zu pflanzen , in den Gemüthern sie neu
zu erwecken, durchwehte die deutsche Christenheit mit heiligem
Odem und fachte ihren glühenden Thateneifer an. So feierte
das Zinsverbot unerwartet seine Verjüngung und Auferstehung.
b. Luther und seine Anhänger wirken für das kanonische
Wuchergesetz, dann praktisch dagegen.
Darum tritt Luther, wie einst die Kirchenväter und
Bischöfe auf den Concilien der jungen , aber gesunden Gemeinde,
mit flammendem Zorne auf gegen den habsüchtigen, geld-
gierigen, gewinndürstenden Kaufmannsstand und verdammt
Alle , welche sich lohnen lassen für das Hinleihen ihrer Kapi-
talien. Der sechsunddreissigjährige Apostel des neuen Jahr-
tausends eifert feurig, wie ein Jüngling; alle Gründe, welche
die katholische Kirche, Theologen und Rechtslehrer viele
Jahrhunderte hindurch für das Dogma des Wucliers gesam-
melt und der unerbittlichen , unüberzeugbaren Natur des Ver-
kehrs entgegengeschleudert hatten , sie leben mit ganzer Stärke
weder in seinen Worten auf und tönen hinaus auf den Markt
und die Strassen.
„ Wer also leihet , dass er aufsetzt , der leihet nicht , so
verkauft er aucli nicht, drirnm muss es ein Wucher sein, die-
Vn. 2. Kirclü.Eeforinat. b. Luther u. seine Anhänger wirken etc. 481
weil leihen von Art und Natur nichts Anderes ist, denn etwas
für einen Andern darstrecken umsonst mit Bedingen , dasselbe
oder des gleichmässigeu , und nicht mehr, über eine Weile
wieder zu nehmen." ^) So tadelt er den Wein-, Korn-, Geld-
wucher, „übers Jahr oder benannte Zeit mehr oder anders
wiedergeben , das besser ist. denn sie geborgt haben , " ^) ., wie-
wol der tückische Geiz unterweilen ihm selbst eine Farbe an-
streicht , als nähme er das Uebrige für ein Geschenk , . . . Kog-
gen auf Korn , böse Münze auf gute , böse Waare auf gute."
(VI. 1.) Sogar den Eentenkauf (Y. 3. c. u. e.) verdammt er: ^)
„Wiewohl dieser Züiskauf nun ist bestätigt als ein ziemlicher
Kauf und zugelassener Handel, so ist er doch hässig." Die
Zeit sei deshalb gefährlich. „ Nun ist in diesem Kaufe allezeit
des Käufers oder Zinsherru Vortheil grösser, besser und jeder-
mann gefälliger angesehen, denn des Verkäufers oder Zms-
mannes. Dess Anzeigen ist, dass man noch nie darumb
gehandelt hat des Verkäufers, sondern des Käufers halben.
Denn eines Jeden Gewissen befürchtet, es möchte nicht billig
sein, Zins zukaufen, so doch Niemand daran zweifelt, dass
ehi Jeder das Seine vergebe oder verkaufe, wie gefährlich er
wolle. .. Darum ists nicht genug, dass dieser Kauf durch
geistlich Reclit errettet sei vom Wucher, ... und aus dem geist-
liclien Recht findet man, dass er nicht zur Liebe, sondern zum
eigenen Nutz gezogen wird. .."■*) „Und achte es auch nicht,
dass er denselben (den Reichen) sei zugelassen, wie etliche
geizige Blasen tlmn, die auf benannte Tage Zinsen aufliebeu
und frisch wiederum dasselbe auch auf Zinse treiben, dass
immer ein Zins den andern treibt , wie das Wasser die Mühl-
räder "5) „Darum sollte nicht gestattet werden , dass man
Zinse kaufte mit blossem Gelde, unangezeigt und unbestimmt
den Grund der Zinsen (cf oben V. 3. b. d.), insonderheit, wie
jetzt der Brauch ist unter den grossen Kaufleuten; und faliren
dahin und legen das Geld auf emen Grund, insgemein und
unernanut. Denn dadurch geben sie der Natur des Geldes,
1) Luthers Werke. Erlangen 1833. XX. Grosser Sermon vom
Wucher p. 104 ff. 2) p. lU5. 3) \>. 109. 4) p. 111. ib. 5) p. 114.
Neunianu, Oe.sch. d. Wuchers. 31
48"2 VTl. "J. Kirdil.Tiofoniial. h. Liilhcr u. seine Anliäiigor wirken etc.
das docli nur sein Glück und Zufall ist. Es ist nicht die Natur
des Geldes , dass es einen Grund kaufe , sondern os mag zufäl-
lig ein Grund feil werden auf Zinse, da etlicli Geld zu nütze
sei. Das geschieht aber nicht allem Grund, auch nicht allem
Geld. Darum soll man den Grund nennen und eigentlich
bestimmen. Weiter^) sage ich, ists nicht genug, dass der
Grund baar da sei und ernennet werde , sondern soll klärlich
Stück bei Stück angezeigt werden und das Geld und Zinse
darauf gpweiset werden ... und das alles noch frei, unverkauft,
unbeschwert und nicht ganz auf Haufe das Gut beschweren.
Denn wo das nicht geschieht , da muss eine Stadt oder armer
Mann im Sack verkauft werden und durch den blinden Kauf
in Grund verderben . . . also muss das arme , wenige nachblei-
bende Gut tragen des ganzen vorigen vollbertigens Haufens
Bürde und Kosten. Welches nicht geschähe , wo ausgedrückt
ist Stück für Stück , sondern der Zins bliebe , führe , schwebte
gleich seinen Gründen , wie er." ^) Die Gefalir stehe sonst
stets beim Käufer, hier beim Verkäufer, dieser müsse nicht
den Grund , sondern seine Arbeit verkaufen. ^) Das aber sei
kein Wucher, wann der Käufer der Rente, der Verkäufer des
Kapitales bedürfe und nun ein Rentenkauf geschlossen werde.
Nur müsse diese Rente dem Ertrage des Gutes angemessen
sein und sich nicht auf eine zu kleine Summe erstrecken , „ die
man leichtlich mit Geben und Leihen ausrichte." Sieben bis
10 Prozent fordere man aufs Hundert. Die Kirche thue das
ebenfalls (V. 3. c.) „ Wenn alle Welt zehn aufs Hundert nähme,
so sollten doch die geistlichen Stifte das gestrengste Recht
halten und mit Fürchten vier oder fünf nehmen." „ . . Diesen
Teufeln zu steuern , die Armen zu retten und ihnen zu helfen,
ist Sache der Pfarherrn und Prediger, wie der Juristen, damit
die Wucherer ein Gewissen kriegen und ihr verdammt Wesen
erkennen wollten. Deshalb sollten sie — als rechter Bischof — ^)
den Wucher auf der Kanzel getrost schelten und verdammen,
den Wuchrern weder Sakrament noch Absolution rei-
1) p. 115. ib. 2) p. ll'j. ib. 3) p. IIÜ. ib. 4) So geht Luther
ganz ins kanonische Recht über.
VIJ. 2. Ivirehl. Uefurniat. b. Luther u. seine Aiiliiinger wirken etc. 483
cheii, sü lange sie nicht büssen, damit sie sich nicht deren
Sünden tlieilhaftig machen , sie in S t e r b e n liegenlassen,
wie einen Heiden , nicht mit unter die Christen begraben , noch
mit zu Grabe gehen, so er niclit gebüsset hat. ^)
Aber gegen den neuen Sturm der kanonischen Zinsgesetze
standen die Gegner nicht mehr, wie früher, Avehrlos. Die
grosse Klasse der Besitzenden , die Jahrhunderte natürlicher
Kapitalsentwicklung stellten sich mit JSlachdruck dem gegen-
über. Selbst einzelne weltliche Fürsten und Gesetzgeber fan-
den durch Einsicht in die wirthschaftlichen Verhältnisse, wol
auch aus Furcht vor neu hereinbrechenden Zwisten und aus
Rücksicht auf ihre eigene Schuldlage sich bewogen , ihre Ge-
setze und Macht gegen jene Sittenprediger zu kehren. Heftige
Streitigkeiten entbrannten in Verfolg dessen mit der eifernden
Geistlichkeit. In dem Zweifel und Gewirre der für die Praxis
so wichtigen Lehren hielt man zähe fest an den Grundsätzen
der Schrift und den daraus gezogenen kanonistischen Folge-
rungen, man schwor und handelte auf Luthers Worte und
Geheiss , von weit und breit berief man Gutachten geistlicher
Collegen und der Theologen berühmter Hochschulen. Als
Alles das, wie voraus zu sehen, keine Einigung ermöglichte,
opferten charakterfeste lutherische Prediger lieber ihre Stellen,
als dass sie gegen ihre Ueberzeugung den Lehren Luthers und
(Jhristi zuwiderhandelten und das Zinsnehmen scliweigend
duldeten. ^)
1) cf. ebenso : k 1 e i n e r S e r ni o n v. W u c h e r. 1519. p. 1'25 tF. von
Kaufshaudlung und Wucher. 1524. p. 204:ff. Vermahnung an
die Pfarrherrn , wider den Wucher zu predigen. 1540. (Werke
ed. Loniler, I. p. 89 ff. IIT. 80 if. 118.) 2) Ein weit um sich greifender
Wucherstreit dieser Art brach 15(J4 in Thüringen aus (cf. Bernhard
Aneniüller. Schulprogramni. Rudolst. 1.%1. M. Bartholomäus Gcrn-
hard und der iiudolstädter Wucherstreit.), besonders in den ^^tädten Arn-
stadt, Weimar, Jena, Wasungen , Ohrthaiff, ychleusingen , Schmalkalden,
Wittenberg, Eisleben, Rudolstadt. Pastor Gernhard in letzterem Orte
eiferte gemäss den oben zitirten Lutherischen Vorschriften von der Kan-
zel und in der Beichte gegen jeden Zins , den Zinsforderern versagte er
Sakrament und kirchliches Begräbniss , in Uebereinstinimung mit den
dortigen Predigern Bretter, Köhler, Kost. Die Gegner, vornehm-
31*
484 YII. 2. Kirclil. Rofoniiat. h. Luther u. seine Auliäiigor wirken etc.
Noch eiuen gefährlicheren Missstand indessen rief die
neue Wucheiiehre hervor. Das damals durch die Fülle geisti-
lich zwei Edelleute , berufen sich auf die wirthschaftlicho Nothwendigkeit
des Zinses für den Besitzer blosser Geldkapitalien, sie verweisen auf
die längst geltende Rechtsgewohnheit und sogar auf die kaiserliche
churfürstliche und gräfliche ausgegangene Ordnung und Satzung. (Von
den Eeichsgesetzen zwar war erst der Ziusfuss des Rentenkaufes geregelt,
dagegen hatte das Churfürstenthuni Sachsen bereits 1550 , ja die Graf-
schaft Henneberg schon 1539 : 5 resp. 6 "/„ Darlehnszinsen gebilligt (cf.
u. EX. 2.) Man holt die Gutachten der Theologen in Wittenberg,
Leipzig und Jena ein (Anemülller. S. 13.). Wittenberg verweist
bereits richtig darauf, dass eine regula universalis hierin nicht aufzu-
stellen sei, weil Land, Gewerbe, Zeit, Wohlf eilung, Theurung, Krieg,
Vermehrung der Menschen , Beschwerung und Verhinderung im Handel
und Handwerker ungleich seien. Was ist das für ein Eiver? Wenn sie
die „Krämer, Brauer, Bäcker, Fleischer und Handwerker und Hantirer
ohne Geld" nicht ad communionem lassen wollten, die das Hundert
durch jährliche Nutzung viel höher brächten, denn 5 Procent, was wollte
man für Conmiunikanten behalten? Man müsse unterscheiden zwischen
vnituationihus officiosis , die graiuita sein müssten, und den andern , die
simpliciter auf den quaestum und das Verderben der Armen gerichtet
sind (Verfasser ist Paul Eber.). Die Leipziger stimmen wesentlich Me-
lanchthon bei (cf. u.) und fügen offen hinzu: Sollten stattliche Personen,
die mehrere Tunicas hätten oder die vornehmsten Händler excomnmnicirt
werden? Die Jenenser urteilen mehr nach der wirthschaftlichen Seite
der Frage gegen das Ziusverbot (denn Job. Stoesscl , der Verfasser ihres
Gutachtens, war Calvinist. cf. VH. 2. c). Dr. Merlin in Coburg bil-
ligte 5 "/o ) ein Prediger inHilpurgk verwirft alle Zinsen , ebenso Pred.
Ambsdorff in E i s e n a eh. Das geistliche Ministerium in Er f u r t schliesst
sich enge an die alte Lehre von Luther , Pomeranus , Creutziger und ver-
dammt jeden Zins, ebenso die Geistlichen in Mansfeld und Eisleben.
Die fürstlichen Herrschaften Gernhards mühen sich vergebens , ihn in der
Zinsfrage nachgiebig zu stimmen. Sie holen noch ein Gutachten der
Tübinger Hochschule ein. Dieselbe sprach sich gegen alle Zinsen aus
(Andreae, Schnepf, Oslander , Brentz , Bitenbach.) , während zwei Wür-
temberger Juristen, Kauzler Feszler und Vicekanzler Gerhard, die Reichs-
gesetze über die 5 % <les Rentenkaufs auch auf das Darlehn ausdehnten
(Anemüller p. 18.). Hmen traten später die Juristen der Universität
Marburg (Heistermann) bei. Das allgemeine Schwanken der Theologen
jener Zeit in der Zinsfrage offenbart sich liier daher schlagend. Da keine
Einigung zwischen Gernhard, seinen fürstlichen Machtliabern und den
zinsfordernden Gliedern seiner Gemeinde erzielt wird, bittet Gernhard
VII. 2, Kirchl. Refonnat. 1). Luther n. seine Aiiliänger wirken etc. 485
ger Gährung gerade in materiellen Fragen erregte Volk trach-
tete die von der neuen kirchlichen Autorität mit neuer Lebens-
kraft 1)eseelten Zinsgrundsätze sogleich bei seinen eigenen
drückenden Schuldverliältnissen als Erlösung anzuwenden. Es
drehte jetzt den Spiess selbst gegen seine Gläubiger. Der Ka-
pitalverkehr mit Zinsen war indess bereits so erstarkt, dass
die aufgeregte Menge gleich den Eeformatoren ein Heer von
einflussreichen Gegnern fand, welche sich zumal durch die
blos mit Gewalt entscheidende Masse nicht mehr von der Rich-
tigkeit des Wucherverbots überzeugen liessen, wie ehedem
durch die geistige Macht der Kirche.
So entstanden in der Menge drohende Zinsaufstände z. B.
in Danzig, in Kopenhagen. Keine Zmsen! wurde eine der
Parolen der zu Neuerungen stürmenden Masse ; und in dieser
Forderung konnte man den Bürger - und Baueraufständen nicht
vorwerfen , sie hätten die Reformatoren der Kirche falsch ver-
standen.
selbst um seine Entlassung. Inzwischen Avaren aber wegen der Zinsfrage
bereits Pfarrer Bios in Arnstadt und Superintendent Weber in Ohrdruff
ihres Amtes entsetzt und „in Hunger und Elend gejagt," aber sie wichen
„keinen Finger breit" von Luthers Wucherlehre. Gernhard schreitet,
je weniger er ausrichtet, immer weiter im Eifern, er beweist selbst den
Untergang der Welt für das Jahr 1588 (1. c. p. 22.) Das Verweisen auf
die Gestattung der 5 % Zinsen in den Landesgesetzen , auf die überall
geforderten Prozente ist umsonst, ,,alle Wolt drunge Uff das 5
Von 100," auch die Päicksicht darauf, dass Luther selbst seine Zinsansicht
wideiTuf en , hilft Nichts . Auch Musaeus in G e r a und die N o r d h ä u s e r
Theologen Fabricius , Otho , Neuschild und Eckstein erklären jetzt über-
einstimmend mit Gernhard, man müsse gegen alle Zinsen eifern, wie Luther
(1. c. p. 27.) , dagegen äussern sich die Wa 1 d e c k s c h e n Theologen , 5 7(i
Zinsen verwürfen sie nicht und unterscheiden hier wiederum sehr klar und
bezeichnend: lex (usuraria) seiin gener e necessaria, qnatenus incolu-
mitati reipiMicae servit et commoda est civibus , in specie autem non
necessaria . . magistratus permittit usuram (5 %) ut hac raiione juventur
cires et consulaiur sahiti reipiiblieae etc. (p. 34. 1. c). Endlich kann erst
durch Entfernung Geriihards von seiner Stelle Ruhe in der Eudolstädter
Gemeinde geschafft wer<lcn (ib. p. 34. 35.). — An and(>rn Orten drang
gerade diese ^Charakterfestigkeit der lutherischen Geistlichkeit derart
durch , dass die kanonisti sehen Zinsverbote mit Hülfe der Gegnerin Re-
formation in den Gesetzen der Einzelterritorien neues Leben gewannen.
•1S() VII. '2. Kinlil. Rcfonuat. 1). Lutlioru. seine Anhäncfcr wirken etc.
Da evkannteu die Keformatoren , von dev geängsteten und
verwirrten weltlichen Obrigkeit zur Entscheidung in der heik-
ligen Frage vielf^ich aufgefordert, nur 7A1 klar, wohin die prak-
tische Ausführung ihrer kanonistischen Zinslehren gelangte. ^)
Da überzeugten sie sich von dem Fehler, den die Kirche vor
ihnen, und sie jetzt mit der Kirche gemacht, und theils in
offenem Bekenntnisse des Irrweges, theils im bequemeren An-
schlüsse an die bereits m der kanonistischen Kechtslehre auf-
gefundene Ecihe der Zinsausnahmen begrenzten, ermässigten,
verwarfen sie ilir Wucherverbot.
An dieser Klippe brachen sich auch die Ansichten Luthers,
so eifrig sie zuvor ausgesprochen waren. Nicht aus tiefer ein-
dringender Erkenntniss der wirthschaftlichen Gründe des Zins-
forderns , insbesondere der wirklichen Produktivität des Kapi-
tales, vielmehr aus Einsicht in die bedenklichen praktischen
Folgen seiner obigen wirthschaftlichen Grundsätze mässigte
und berichtigte er frühe schon die letzteren. Das lehrt sein
bisher ungedruckter Brief an den Danziger Eath vom
Frühjahre 1525 (Beilage F. hinten.) Gerade hier, dem Auf-
stande des Volkes gegenüber, erschrickt er, was seine ideellen
Ansichten ausrichteten , sobald man sie unmittelbar verwirk-
lichen wollte. In diesem Briefe erklärt er ausdrücklich, man
dürfe nicht mit i d e a 1 e n F o r d e r u n g e u a n d i e W e 1 1
der Thatsachen tretenundsienachjenemMaass-
stabe sofort modeln. Dies in Wahrheit hatte er gethan,
wie einst die erstehende christliche Kirche den nämlichen
Fehler beging. Wer wollte vom sittlichen Standpunkte aus
nicht die vollkommene Nächstenliebe billigen und danach
trachten , sie so viel als möglich zu bethätigen. Aber die ideale
Sittenlehre: liebe deinen Nächsten, wie dich selbst! in ein
weltliches Gesetz zu fassen und nun alle die Tausende zu stra-
fen an Vermögen und Körper, welche den Nächsten noch
1) cf. J. S. Mill. Princiiiles V. cp. 10, 2. „.. ihtis rewarding men,
for ohtaining the property of others hy false promises , and then not only
refusing payment , but mvokwy legal penalties cm those, tvho have helped
ihem in tlieir neeä."
Yll. 2. Kirdil. llcroniiat. b. Luther u. .seine Anhäng-er wirken etc. 4<S7
nicht, wie sich selbst, lieben können oder wollen, heisst zu
sittlichem ZAvecke Unsittliches vollführen. Statt Gerechtigkeit
mindestens und Liebe säete man Ungerechtigkeit und ern-
tete Hass.
Daher erwähnt er in jenem Briefe mit Sätzen, welche
verdienen , der theologischen und allgemein der wissenschaft-
lichen (^rtliodoxie aller Zeiten vorgehalten zu werden, geistige
Dinge Niemanden aufzunöthigen, zum zinslosen Leihen Nie-
manden zu zAvingen. Daher will er allmählich es angebahnt
wissen, da einmal die Zinsforderung bisher in der Kegel gewe-
sen sei und man diese Kegel anerkennen müsse. Und seine
früher gegebenen Kathschläge verwirft er, „Das Evange-
lium lehret woll frey alle gutter fahren zu las-
sen, aber wer mich dazu dringet oder zwinget,
der nimbt mir das meine." Statt jener giebt er bezeich-
nend zwei neue Kegeln über den Wucher. Einmal solle man
sich in den nach weltlichen Gesetzen gebilligten Kentenkauf
von 5 7o schicken ; sodann solle man nach Ansehn der Perso-
nen, der Zeitumstände u. s. w. auf gütlichem Wege allgemach
eine Herabsetzung der Zinsen zu erzielen suchen. Ueberein-
stimmend damit sagt er in der „Vermahnung an die Pfarr-
herrn, vom Wucher zu predigen" (1540) über den Kenten-
kauf: „ den käutiichen Zins habe ich hier mit nichten gemeint ;
denn was ein redlicher Kauf ist, das ist kein Wucher." So
Luther selbst.
Gleich Luther stellten sich auf Seite des kanonistischen
Wuchergesetzes Mel an chthon, welcher, trotz seiner über-
schwänglichen Lobpreisungen des römischen Kechtes sich hier
eng an das kanonische Kecht anschloss und das Zinsfordern
für eine Verletzung der göttlicheji und sittlichen Gesetze
ansah,') ferner gerade durch Melanchthons rein scliolasti-
1) cf. Gutachten über den Zinswucher auf JBefragen des Königs Chri-
stian IV. von Dänemark 1053 bei Ludwig, reliqq. Mss. IV. p. 358. cf.
auch die nächste Note: Briefe des Zach. Ursinus an Crato von
Kraftheim von 1557 und 1561. J. H. Böhmer, jus eccles. prot. L c.
§. XXXIII. Gleich ihm liandelten B r c n t i u s , H i e r o n y m u s , W e 1 1 e r.
Fleischer, Einleitung ins geistliehe IJeeht. Halle 1750. IL 33. p. (503.
488 VII. 2. Tvivclil.I^ororinnt. b. Liithcni. seine Aiiliäiigcrwirlccn etc.
sclie Beweisführung bewogen , geständlich oline eigenes Urteil
in der verzwickten Sache, Ursin us, Crato von Craft-
heim, Martyr, BiiUinger, Muskulns,^) ebenso, wie
die grössere Zahl der andern Theologen auf Luthers Wucher-
lelire schwor. '^) So stritt man trotz den besten Scholastikern
eifrig in diesen lieihen , ob der Kaiser und weltliche Mächte
überhaupt befähigt und berechtigt seien, jene göttlichen Ge-
setze durch ihre weltlichen Edicte über die Zinsen zu ändern
oder zu beschränken. Was half da , dass Luther auf der Horn-
berger Synode den Beschluss durchgesetzt hatte, die Prote-
stanten sollten das jus catJioUcum, mit Unrecht jus canoni-
cum genannt, nicht nachlesen. Das jus catJiolicum über den
Wucher Avar lebendig geworden in den feindlichen Schaaren !
Ja , noch mehr , man wüthete mit Fluch und Schmähschriften
wider die eigenen kirchlichen Parteigenossen , welche in dieser
brennendsten Frage sich nicht jener Meinung anschlössen,
so gegen Calvin und dessen Anhänger Oekolampadius,
Viretus, Kivetus. Und, wie bei den eintiussreichen Juri-
sten des römischen Kechtes , blieb , was oben schon von Luther
bemerkt wurde, das Gutachten dieser Reformatoren nicht
bloss von litterarischer Bedeutung, vielmehr fand es in den
Gesetzen und der Gerichtspraxis sofortige Anwendung. Denn
gerade in Folge entstandener Volkserhebungen oder gesetz-
geberischer Bedenken hatten sich grössere und kleinere Obrig-
keiten um endgültige Entscheidung an die Reformatoren , als
die m allen Fällen maassgebenden Autoritäten des Geistes
gewendet, so Danzig u. v. a. an Luther, Dänemark, Braun-
schweig an Melanchthon , Breslau an Ursinus. ^) Allein trotz-
dem auch die Reformatoren ausser Luther so gewaltig für den
1) cf. die unten gedruckten Briefe des Ursinus u. a. 2) cf. ob. die
Anführungen aus dem Eudolsttädter Wucher streite. — An emulier, Pro-
gramm 1. c. p. 4. 7. „ ohne alle Eücksicht stellten sich diese nur auf sein
Wort." 3) Auch Privatleute thaten dies, so aus Mansfeld Philipp
Gluespies 1543 an Luther. — Anemiiller. 1. c.p. 17. In Eisenach andrer-
seits griff Melanchthon auf Luthers oder Spalatins Veranlassung gegen
den Pastor Jacob Strauss selbst ein 1524. Bretschneider, corp. Kefor-
inatoruni. 1. p. 655.
VII. 2. Kirchl. r!oformat, 1), Lutlicr n. seine Anliäiifjjcr wirken etc. 489
Glaubenssatz des Zinsverbotes eiferten, sie tragen doch andrer-
seits ebenso, wie Luther, der dringenden, der immer lauter
ertönenden Forderung des ausgedehnten Kapitalverkehres
Keclinung. Nur sind sie nicht genug klare Denker in diesem
Punkte, um den von ihnen begangenen Fehler einzusehen,
oder nicht Männer genug, ihn offen anzuerkennen. Sie schlies-
sen sich lieber an die gewundenen Auswege des kanonischen
Eechtes , der Scholastiker und des praktischen Lebens selbst.
So vertheidigen sie den Zins, wo er für die Gefahr des Gläu-
bigers, für seinen Schaden, seinen entgangenen Gewinn ent-
richtet wird , sie schützen das zinsbare Darlehn mit dem Man-
tel des Gesellschaftsvertrages. Dann gestehen sie aber wieder
unverhohlen, sie verständen eigentlich gar nichts Eechtes von
der Sache, sie nennen sich miscri scliolasticl und geben sich
ganz dem Einflüsse der Autorität, besonders Melanchthons
hin. Ein vornehmlich klares Bild hiervon gewähren zwei Briefe
des Zacharias Ursinus an Crato von Craftheim. ^) Ursinus
1) cf. Gillet-, Crato von Crafftlieim. Frkf. a. M. 1860. H. p. 47,3.
Ursinus schreibt in einem Briefe an Crato 1557. d. 27. Februar aus Wit-
tenberg (ex autogr. Ms. R. IX. 316) „ .. . petivi etiam a D. Philippo (Me-
lanchtbon) , ut sententiam suam diceret mihi de lege Wratislarietm , qua
iubetur , semissis uswarum (6 "/„) sumi de pecunia pupillornm. A quo
tarnen interrogatus essem , non dixi. JRespondebat , legem eam justam
esse, si animi sint iJarati ad ferenda etiam damna, si
qua debitor faceret. Sic enim fieri legiiimum coniracUim societa-
tis. Si vero , qui collocant pecuniavi , non sint pnndi ad ferendam par-
tcm dnmnorum , hoc injuHtum esse. Quod autem inde raiiocinantur idem
licere in re p>ropria, id se totum concedere in simili ca%isa , si servetw
ratio quae dicta est. Praeter ea jubebat ea me scribere, quae paulo ante
dietavit in lectione officiorum Ciceronis de mutuationibus et usuris. Ea
tametsi cum aliis, quae de contractibus ibi dietavit, edita iri credo,
tarnen, qui Excell. vcstram desideraturam putavi , a Jungs cholzio
petii, tit describeret. Hoc etiam adjiciebut, I). Lutherum, cum dam-
naret tisuras , tamen concessisse ,, Ein Wucher lein." Se etiam scire,
quae contra disputarenttir , sed non posse de omnibus responderi. Item:
ante aliquot atmos , cum in Dania essent magni tumultus de usuris,
se in hanc sententiam sc7'ipsisse ad Hegern et eam probntam fuisse Can-
cellaris magis , quam aliorum. Nupcr etiam de simili quaestione eadem
se scripsisse Brunswi ga in. Haec fere sunt mihi a D. PJiiJippn
responsa , quem ideo infcrrogabam , quia de hoc casu in re PupiJlorum
400 Vll. "_*. Kiiclil. Kofoniiiit. li. Lullioni. .soiuo Auliäugi'v wirken etc.
strebt darin, wie deutlich erliellt, in den Kern der Frage ein-
7Aidringeu , fängt sicli aber in den Sclilingen des kanonischen
de ijjsius sententia nondum mihi constabat. Plura forlassis colliget
Excell. restra ex üs , quae mitto descripta , quamquam eadem fere tradi-
dit in Ethicis. D. Majorem ab ipso non credo dissentire. Proposita
autem sententia D. Philippi ego nee possum nee debeo diversum sentire.
Agnoseo enim , menni jndieium nullvm esse. Quare non debet quisqtiam
de eo quaerere. Discedenduni e PepubJica propter legem de semisse pupil-
lorum non censeo. Sed Privilegium pupillorum, si quis ita vuU esse, nee
traJiendum ad x>raetextum avaritiae nee servandum cum alterius detri-
mento. Leges positivae enim non debent pugnare cum Decalogo, qui vetat
quenqunm ditari cum alterius damno. Si res pupilli non debent minui
et tarnen oportet esse, iindc pupillus educetur, nescio an non possit referri
ad mutuaiionem damnosam talis collocatio pecuniae pupilli ut is , qui
utatur ea, nullam faciat compensationem unde pujnllus interea vivat.
Sed tarnen interea non negligi regulam oportet, ne compensatio damnosa
sit Uli, qui usurpat pecuniam. Tutoris igitur judicio et conscientiae
relinquitur, ut et cum pupillo et cum. eo , ctii committit pecuniam , bona
fide agat. Sic rede servari posse legem de bonis pupillorum arbiträr.
Expeditior est responsio de societate: sed hac fortassis ratione magis
esset extra periculum sors pupillorum, si dicamus esse mutuationem
damnosam sine compensatiofie. Nam in mutuaiione debet salva manere
sors , quae aliquando jict'iclitatur in societate. Videtur enim mihi , auto-
res legis voluisse viam monstrare , qua pupillis parentur alim,enta sine
diminutione suarum rerwm et tutores non pericliientur de sorte: atque
ita ratio tutelarum esset expeditior et tutior. Sequor tarnen responsioiiem
D. Philippi de societate : sed hanc meam cogitationem. adjeci tanquam.
petitu/rus , ne vestra Excell. suum de ea Judicium breviter mihi significare
gravetur. Ad argumentum , quo volunt similem mutuationem in re pro-
pria obtinere , videtur facilis responsio . Coneedendum est enim, si non
ex diclo secundum quid colligunt dictum simpliciter, id est, si non ex-
tendant ultra casum societatis aut mutuationis damnosae distinctionem
illam mutuationis officiosae et damnosae, D. Philipjms ipse inter legen-
dum, dicebat, esse nervum totius causae. Et sie facilis est explicatio dicti :
Mutuum date nihil inde sperantes : si intelligutur de mutuatione offi-
ciosa , quae debet esse gratuita , qui non debet aliquid postulari pro
nihilo. Sed cum dictum Christi pertineat ad declarationem praecepti,
non furtum faeies , necesse est id non pugnare cum praeeepto. Non igi-
tw extenditur ad damnosam mutuationem, quia in ea sumens mutuo
locupletaretur cum damno dantis mutuum,: quod adver satur praeeepto.
Quaiido autem sit mutuatio damnosa, id relinquitur cujusque conscien-
tiae. Magna est varietas cireumstantiarum. Itaque haudscio, anulla
lex positiva constitui possit , quae sit regula rectissima omnium casuum.
VII. 2. Kirclil. T^i'tonnat. 1). LutluT u. .■^ciiu' Anliiingor wirken etc. 401
und scliolastisclien Rechtes, verleitet durcli Melanchtlions An-
sehn. Dabei glaubt er noch , auf dem Wege Calvins zu wan-
Sed in singulorum clijudicatione eonscientiis eonsuli posse puto , si sint
in conspcctH hae velnt fjoicniles nornuie: Officium nemini dehet esse vel
quaesiui sei fraudi ; nemo dehet locupletari cum damno (äterius ; discri-
men societafis et muttintionis ; definitio usurae ; distinctio mutuationum.
Processit autem epistola longius , qucon vohieram. Erat in poste-
rioribus vestris litteris , Excellen. vestram mittere mihi genesin Antenori-
dis; sed non accepi. Libros , qtios potero mittam cum marsiipiurio , quem
non multo post tabeUarium spero isthuc r-cnturum. Exemplar Eplieme-
ridum invenieham quidem hie in hibliopülio Bartholomei Vogel praeter
spem et missurtis eram ; sed isti homines , qui melius de usuris possent
dispiitare , quam nos miseri scholastici non poterant adduci , ut
mihi minoris venderent quam 28 gr., cum ego emerim gr. 16 et qui caris-
sime emernnt, 18 grossis. Alterum e Lipsia nondum accepi. Hujus me
res admonet: quid vobis Uli placent, qui de floreno in hehdomadcm
accipiunt tres nummos ? Ist das eiuwuclier, oder ein Wikherlein ? At
tales hie habemus. .." Ausserdem hatte Herr Hofprediger Dr. Gilletzu
Breslau selbst die Güte , mir nachfolgende , bisher ungedruckte Stelle aus
den Briefen des Z. Ursinus an Crato zu cxccrpiren : Tiguri 13. Jan. 15ßl
„ . . . de usura Martyris , Calinni, Bullingeri eadem est sententia , quam
aliquando ad vos Witeberga scribcbam de judicio Philippi: in qua ego
ctiam 'num persevero , ut quam non dubitem ex fmidamentis pietatis esse
petitam : videlicet x^osse aliquid muiuo däntem pectmiam accipere sine
alter ius , cui mutiio dat , detrimento ac pernicie; quod fit, ubi debitor
partem lucri seu utilitatis retinet, partem creditori concedit ; non autem,
ubi creditor hierum exigit, debitore vel damnum faciente vel nihil lucrante
rel lucrante quidem aliquid , sed quod omne aut fere totum auferat cre-
ditor, ita, iit creditor sudorc debitoris ditescut , debitor autem lahoris
praemium non retineat. Haec sententia congruit cum regiüa: quae vuUis,
ut faciant vobis homines etc. Et facile ex hac judicari potest de dictis
scripturae , quae a vehementioribus citantur. Haec legere potestis in
institut. Calvini et decaditus Bullingeri (Predigten, auch „ Haus-
buch über den Catcchisniuni " betitelt, woraus sein Handbuch , suiiniia,
christlicher Keligion 1550 hervorging) in expUcatione praecepti : non fur-
tum facies. Martyr cum his consentit. BIusculus (von 1531 in Augs-
burg, daher consuetudo Aug. civit. 1548 durch das Interim vertrieben,
seit 1549 in Bern) est aliquanto severior in appetidice Psalterii de usura
(d. i. sein commenturius in Psalmos Basil. 1550) , forte propier civitatis
Augustanae consueiudinem. Sed si potero , mittam ad ros Buceri trn-
ciatiim. accuratiorem in candem sententia m , non quidem edituin sed ex
quo isti nostti videntur sua habere. . ,"
40*2 A'TT. 2. l\irclil. Ecfovinat. c. C'alv. triH geg. d. l<aii, Wnclicrces. auf.
dein , der doch hierbei das einzig richtige Mittel der Entschei-
dung . völlig verschieden von den AuseinandersetzAingen Luthers
und Molanchthons nnwendete (cf. u. c.) Da Ursinus folgerich-
tig und strenge die Frage zu entscheiden trachtet , nimmt er
Anstoss daran , dass Luther „ein w ü c h e r 1 e i n " erlaubt , den
Wucher dagegen verdammt. Er ahnt nicht, dass gerade in
dieser Unterscheidung, wenn man sie richtig auifasste, die
praktische Lösung der ganzen Frage lag. Denn mau konnte
die Frage eben nicht streng , einheitlich , durchgreifend in der
Praxis entscheiden, man musste in der Praxis bis zu einem
maassvollen Grade zugeben, was man vom idealsittlichen Stand-
punkte aus ganz verwarf. Und so ist gerade jene Unterschei-
dung Luthers, welche anfänglich nur, wie ein nicht folgerech-
tes Nachgeben , wie ein schwächlicher Ausweg erscheint , durch
die Gesetze bald darauf durchgeführt und verwirklicht worden,
indem man bis zu einem gewissen Grade Zinsen zu fordern
gestattete. ^)
c. Calvin tritt gegen das kanonistische Wuchergesetz auf.
Calvin allerdings gab der Gegenpartei der Eeformato-
ren Grund genug zum Zorne. Denn in einem Briefe ^) ent-
wickelte er in so klarer Weise, als man es für jene Zeit und
1) Für Mündel übrigens , was hinsichtlich des eben zitirten langen
Briefes des Ursinus und zu dessen Veranlassung bemerkt werden muss,
ebenso wie für Kirchen , erlaubten die Summisten schliesslich , Zinsen von
deren Kapitalien zu nehmen, cf. K up p e n e r (Wucher C. 17) : „ der Vor-
mund magk wol czu enthaltunge solcher armen weiszen (Waisen) \Tid der
cristglaubigen kirchen ierlichen ader sunst auff eine czeit ein auffgelt
nemen vber die hauptsum ane beswerunge der gewissen , sunst so der Vor-
steher ader Vormunde solche summe , so er künde , nicht auif gewin aus-
trete den armen kinden vnd kirchen czu gutte, so must er selber von
dem seinen solchen gewin jn reichen vnn ergentzen. . ." Dazu zitirt er
stellen aus dem römischen Eechte und der Summa Hostiensis (cf. oben
TTT. 2. a.) Dabei scheut Kuppener sich nicht , zuvor ausdrücklich zu
behaupten (B. 4) „man sal auch nicht wucher thun nach gescheen lassen,
durch welchen wucher auch ein ander gut werck volbracht wurde vnn sol-
cher Wucher zu einem andern guten ^Tin milden werck qweme , wy milde
das kegen got gesein möge." Da hielten die Dekretalen folgerichtiger die
gi-ossen Grundsätze des Wuchers fest. cf. ob. 1. 1. 2) Epist. et responsa.
Hannover 1597 ep. 383.
Vn. 2. Kirchl. Reformat. c. Calv. tritt geg. d. kan. Wucherges. auf. 493
für den Apostel einer neuen, tief in die regste Praxis jahrhun-
dertlanger üebung eingreifenden Lehre nur verlangen kann,
die Natur des Zinses und die Gesetze, welche denselben
bedingen. Er leugnet, dass die Bibel ausdrücklich das Zins-
fordern untersage ; die Lage der Juden sei derart gewesen,
„ut fac'de Ulis esset ncgotiari inter se sine usuris. Nostra
conjunctio liodie x}er oninia non respondet. Non videmus igi-
tnr ita nobis interdictas simpliciter usuras , nisi quateniis
repugnant tum aequitati tum caritati. Ratio Amhrosii ...
pecuniam non parere pecuniam , non est magni
momenti." Dies begründet er und folgert weiter, Keinem
sei es zu verdenken , dass er , wenn der Handel grösseren Ge-
winn abwerfe , als das Hinleihen auf Grundstücke , der Geld-
besitzer das Kapital von hier fort und dorthin übernehme.
„ Quis duhitat, pecuniam vacuam inutile omnino esse? neque
qui a tue mutuam rogat, vacuam ajnid se habere a me cogitat.
Non ergo ex pecunia illa hierum accedit, sed
ex 2} r Oven tu." Nicht mehr als blosser Gewinn aus der Noth
der Armen erscheint ihm der Zins. „Sit aliquis dives et ampJis
fnndis nc reditihns pracditns et minus numatus tamen. Sit
alius mediocriter dives , et non quidem ad alterius illius opes
accedcns sed cui tarnen amplior sit praesens pecunia. Hie
igitur quum sua ])ecunia libenter fundum ipse emturus sit
sibi rogetur ab iUoditiore, ut mutuam det Uli pecuniam. Pos-
set quidem qui mutuum dat , ita stipulari sibi reditum pecu-
niae suae ut fundus ex illa emtus ipsi in hypothecam subjice-
retur, donec sua ipsa p)cmmia redderetur (atque ita sibi
melius consuleret) , sed fr u ctu pec u n iae s i v e u s u r a
content US er it. Cur igitur primus ille contractus sine
liypoiheca ad pccuniae fruetum tantum damnahitur, alte); sub
hypotheca fundi emti et cum reditn annuo longe asperior ^n'o-
babitur?" Von diesen allgememen Grundsätzen nimmt er
dann einzelne Fälle aus. „Si quis usururiam quasi artem
aliam quaestuariam factitet , " besonders : „ ne exigetur usura
ab egentibus hominibus ; ut , qui mutuum dat, non ita addi-
ctus sit lucro et commodo suo ut interea omittat, quod ex mera
necessitate tenetur procurare ; — we quidmutuo illo inseratur,
404 VII. '2. Kirclil.T^ororniat. o. Calv. tritt gog. d. kau. Wiicherges. auf.
quod non convcniat cum acquitatc naturali; — ut, qui mutiio
accipit , lucrotHr tantnndcm aut plus etiam ex pecunia quam,
qui Uli mutuo dat, sive in industriam sive operam confernt.'''
Vor Allem aber hält auch er die feste Grenze des Ziiismaxi-
nnmis au frecht : „ ne excedatur ccrtus modus constitutus
in quaris rcgionc vel repuhlica, et si ncque co usque exiyere
etiam scmper oportuerit. Saepe cnim permittitur , quod non
polest corrigi vel coerceri edicto civili."
So ragt unter den Reformatoren Calvin durch seine Ein-
sicht in die Natur der Volkswirtlischaft hervor , wie ein Jahr-
hundert später Salraasius durch das tiefe Eindringen und die
weitgreifende Umsicht in dem gleichen Gebiete sich heraus-
hebt aus der Schaar der gleichzeitigen Schriftsteller Hollands,
Calvin vor Allen liat unter den Führern der Kirchenneuerung
auch in diesem Felde gründlich reformirt und durch seine
Lehren zur Umformung des kanonistischen Zinsverbotes bei-
getragen.
Die unmittelbare Wirkung der Reformation auf die Wu-
cherfrage ist daher nicht so einschneidend , als man von vorn-
herein erwarten sollte. Das lag eben besonders an der Stellung
der genannten Hauptreformatoren Deutschlands zu dieser
Frage. Nach dem Siege der Reformation nicht minder, wie
nach Begründung des Fundamentes für das römische Recht
in Deutschland bleiben, ja erneuern sich die alten Wucher-
normen und Wucherstrafen in den deutschen Gesetzbüchern
selbst derjenigen Länder , welche diesen zwei neuen Elementen
alle Thore geöffnet hatten. Gar zu voreilig und unhistorisch
meint deshalb Hü 11 mann, ^) schon im 12. Jahrhundert habe
das kanonische Zinsgesetz in Deutschland zu altern begonnen.
Ein richtigeres Bild der Wahrheit gewährt es , wenn man die
Nachricht des Mevius sich weiter über ihre lokalen Grenzen
hinaus dehnt, dass es noch zu Ende des 17. Jahrhunderts nicht
wenige Leute gab, welche, trotzdem nunmehr alle weltlichen
Gesetze das kirchliche Zinsprinzip abgeworfen hatten , dennoch
1) Gesch. d. Urspr. d. St. II. i>. 24u.
VII. 3. Wissenschaft ausser jenen, a. Allgeraeines. 495
die neue Ziiiserlaiibniss für unsittlich , naturwidrig, gefälirlicli
hielten und den kanonistischeu Ziuszustand zunicksehuten. ^)
3. Die Wissenschaft ausser jenen.
a. Im All gern einen.
Aber mittelbar wirkte der grosse Umschwung der
Dinge im Volke , wie im lleiche der gelehrten Welt zur Erlö-
sung des Kapitalverkehres.
Wer der kundigen , ja wer , der nur unbefangenen Blickes
den gegenwärtigen Geldumlauf und dessen letzte Geschichte
verfolgte, konnte sich die Missstände verhehlen, welche das
kanonistische Wucherverbot hervorgerufen. Und das Alles
um eine Idee, welche nie zu verwirklichen war, durch ein
Gesetz, welches jeder Tag neu in Uebertretungen und Um-
gehungen untergrub und verhöhnte , mit Gründen , welche
die Misskenntniss der einfachsten Gesetze der Volkswirth-
schaft, zumal m jener Zeit entwickelteren Verkehres, an der
Stirn trugen.
Wie wollte die altüberlieferte Lehre von der natürli-
chen Unfruchtbarkeit des Geldes sich halten? Grundstücke
in den Städten und viele andere Dinge empfingen auch Lohn
für ihren Gebrauch , ohne menschliche Arbeit waren auch sie
unft-uchtbar. Die Arbeit des Leihens zahlt der Zins, wo das
Darleihen ein Geschäft, er entschädigt die Ungewissheit und
ersetzt den Ge\^^nn, welchen der Darleiher gemaclit hätte oder
machen konnte , falls er nicht lieh (das hierum cessans im
Interesse) und welchen andererseits der Darlehnsnehmer mit
dem Kapitale wirklich machte. So erkannte schon Calvin die
Produktivität des Kapitales.
Und weiter, ist das Geld durchaus unfruchtbar, so verliert
es allen Werth. daher hat man nicht nöthig, es überhaupt
noch zurückzufordern. Aber selbst die Gegner billigen von
jeher die Verzugszinsen. Geldleihen und Leihen von Waaren
hat in sich keinen Unterschied, in Wahrheit, das letztere ver-
l) \'un wucherlichen Contrakten. Stade 1(J73. I. cp. 5. p. 83.
49G VII. 3. Wissenschaft ausser jenen, a. Allgemeines.
hält sich zu dem dafür gezahlten Lohne ebenso , wie das Geld-
darlohn zu diMi Zinsen. Auch dort, wie hier, wird die Be-
nutzung, nicht bloss die Abnutzung, wie die Gegner
immer betonten, vergütet. Mit dem streng durchgeführten
Zinsverbote endigt aller Kapitalsumlauf, aller Handel, jedes
Gewerbe , und die Menschheit verfällt wieder in den uranfäng-
lichen , rohesten Zustand der Volkswirthschaft. ^) Die Kirche
gestand ja in der vielzitirten Synode von Besannen 1571,^)
selbst zu — als sie das iä, quod intcrcsf in Schutz nahm, —
Niemandem sei zuzumuthen, dass er umsonst sein Geld
hinleihen werde. Gerade bei dem entwickelten Stande
der Volkswirthschaft zeigte fast jedes Zinsgeschäft, dass nicht
allein beide Theile Vortheil vom Kapitalumlaufe hatten, son-
dern dass der Darlehnsnehmer sogar trotz des Zinses mehr
gewann, als der Darleiher. Die Pfandhäuser und Wechsler-
bauken boten Hinsichts der kleinen Gewerbetreibenden dafür
einen trefflichen Belag (V. 5. d.), obgleich den Gegnern, ins-
besondere den Theologen, eingeräumt werden musste, dass
durchschnittlich die Zinsen der Wechsler sehr hohe waren
und den kleinen Mann stellenweise mehr drückten, als es
wirthschaftlich verantwortet werden mochte, — Dank den
obrigkeitlichen Leihbanken und den montes pieiatis.
Daher, so ging man gegen das eigentliche Lager (]er
Gegner los, verbietet auch die Bibel allgemein gar nicht, Zin-
sen für die Nutzung fremden Kapitales zu fordern, sondern
nur den unmässigen Wucher (fcnns mordnis)'^) verdammt
sie, da durch ihn dem Schuldner auch die uothwendigsten
Theile seines Vermögens entzogen werden. Naturgemäss folgte
aus der Lage der Ackerbau treibenden Juden, dass sie von
einander Zinsen gar nicht oder nur selten forderten , dann aber
dies zum Nachtheile msbesondere der armen Israeliten thaten.
Ln neuen Testamente verlangt Christus ausdrücklich, dass
Jeder die ihm von Gott gegebenen Güter zu semem und
Anderer Wohle mehre. Zinsen sind darin gar nicht verboten,
1) cf. u. V. a. Stryk, Usus mod. Fand. 1. c. §. 33. — Lcotard, d.
usur. qu. 43. n. 9 ff. 2) Concil. Germ. ed. Seh au na t u. A. vol. VIU.
p. 104. 3) Bek , de jurihus Judaeorum cp. 12. §. 5.
MI. 3. Wissenschaft, b. Wissenschaftliche Schriftsteller. 497
wie aus l'uulus Brieten an die Römer IV. 15. VII. 4 — 6 , au
die Galater III. 23 — 25. IV. 3 — 4. V. Iff., also gerade aus
den echtesten Theilen des neuen Testamentes, dann aber auch
aus Paulus Briefen an die Epheser IL 14 — 15 , und an die
Kolosser 11. 14. 20 hervorgehe. Auch die Stellen Lukas VI. 35,
Matthäus XXV. 14—30 verbieten unter Christi Namen tlie
Zinsen nicht als sündlich. Wer daher Zmseu ganz untersagt,
legt dem Erwerbe strengere Fesseln an, als Gott selbst es
wollte. 1)
Ebenso verwerflich sei das Aussaugen der Bedrängten
durch den Wucherer, als es, abgesehen von diesem Falle, zumal
wo der Darlehnsnehmer grossen Gewinn mit dem fremden Gelde
machte , der natürlichen Billigkeit und allgemein menschlichen,
ja christlichen Liebe widerstreitet, wenn der Darleiher keine
Zinsen sollte fordern dürfen.
b. Die wissenschaftlichen Schriftsteller selbst.
So hatten die Geister gelernt, die ihnen entgegentreten-
den Thatsachen selbstständig, unbefangen von innen heraus
zu erforschen ; so gaben das allmählich wachsende Bewusst-
sein von den wirthschaftlichen Gesetzen , dann deren Erkennt-
niss unbesiegbare Waffen gegen die kanonistischen Zins-
grundsätze. Bis zur Reformation und eine Weile nach ihr ath-
men die einschlagenden Schriften der Juristen und Theologen,
der römisch - katholischen , wie der protestantischen, nur kano-
nistischen Geist. Dafür stehen vorn die Beläge von Kapistrano,
Kuppener , Purgoldt , Tengler , Zasius , Luther , Melanchthon
und sehr vielen andern Autoritäten der Wissenschaft und
Praxis. Der Blick war hier durch die Lehren der Jahrhunderte
und deren geistige Gewalt gefangen gegenüber den Siegen des
Verliehrslebens. ErstOalvin durchbricht die Schranken mit
jenen klaren, vorhin entwickelten Ansichten in dem Briefe an
seinen Freund Oekolampadius ; er betont vornehmlich die wirk-
liche Produktivität des Kapitales. Ihm folgen Bakou, der
fruchtbare I^ehrer praktischer Erfahrungsphilosophie , in seinen
1) Pufendorff, jus nat. et gent. (hu2) V. 7. 9. lU. 11.
Neumatn, Gesch. cl. Wuchers. 32
408 Tll. n. Wissonscliaft. h. Wiss(Miscliaraiclic Schriftsteller.
scrnioncs fldelc.<i (1597), ^) dann Molinäus, der scharf-
sinnige Jnrist . dann nicht mindov D o n e 1 1 n s H o i g i n s. Vor
Allem aher öffnen und ebnen in glänzender Reihe die Bahn
der wirthschaftlichen Zinsfreiheit die wissenschaftlichen Grössen
der Niederlande. Das wirthschaftlich so früh entwickelte Land
miTsste gerade bei der rein praktischen Denkrichtung seiner
Bewohner die Behandlung der Zinsfrage ihnen vor deren end-
gültiger Entscheidung dringend entgegenführen.
Aber selbst , als das Zinsnehmen bereits in voller gesetz-
licher Blüthe stand , den Reichen in der Fülle der Wege des
ausgebreiteten Handels und des inneren gewerblichen Lebens
tausendfache Gelegenheit zur nutzbaren Anlegung ihrer Kapi-
talien gegeben war, die Armen bei den Kommanditen der
italischen Bankhäuser, oder bei den einzelnen Lombarden -
Wechslern, dann in den von den städtischen Behörden ein-
gerichteten Darlehnsbanken ihre Geldnoth gegen Zmsen stillen
konnten , entbrannte , auffällig für den eben praktischen Geist
der holländischen Grössen der Wissenschaft der alte Zinsstreit
noch einmal,
1644 gelangte die Bankangelegeuheit vor die Synode der
Provinz Utrecht und andere geistliche Körperschaften. J,Kriex,
ein Utrechter Doktor der Rechte , welcher die Banksache von
seinem Vater, einem Lombarden, her kannte, reichte der
theologischen Fakultät seiner Universität sämmtliche Ordon-
nantien ende Reglementen op't stuck van de interest , beneflens
eenige resolutien die materie rakende ein. Letztere gab hier-
gegen unter dem Titel Res judicata eine Sammlung verschie-
dener Aussprüche gegen den Wucher heraus, und nun erglühte
der Broschürenstreit, wie heute, zwischen den beiden Parteien
so heftig , als gälte es , ein der Civilisation drohendes Unge-
heuer abzuwenden, und nicht eine in der Praxis endgültig
überwundene wirthschaftliche Irrlehre wissenschaftlich zu
erörtern, ^)
1) cf. Fleischer, Einleitung ins geistl. Recht. Halle 17.50. III. 33.
Koscher, N. 0. 1. §. 190. n. 8. 2j cf. Laspeyres. Gesch. d. volks-
wirthschaftlichen Ansch. der Niederl. 1. c. \>. 258 ff.
VII. 3. Wissenschaft, h. Wisscnschaftliclic Schriftsteller. 499
Als sechsmal die Batterien der Streitschrifteu gegenein-
ander gedonnert hatten, und augenblickliche Stille eintrat,
entzündete 1G57 das Gesuch eines Plandhausbesitzers Koningh
um Zulassung zum Abendmahle (cf. oben V. 5. e.) sie zu neuem
Kampfe der Broschüren und theologischen Pamphlete. Keine
Partei ging im Federkriege besiegt aus dem Kampfe; denn
auch hier stellte sich die Theologie auf den oben bezeichneten
idealen Boden , die Volkswirthschaft dagegen führte praktische
Gründe aus dem Reiche der Kealität ins Feld.
Aber letztere Seite hatte zweifellos in der Praxis den
Sieg davon getragen ; ihre Sätze wirkten fruchtbar bereits seit
Jahren zur Blütlie und Gesundlieit des Landes, die Forderun-
gen der Theologen dagegen Waren, von vornherein unfruchtbar,
gar nicht gestellt, um verwirklicht zu werden, sondern nur um
nicht die lange vertheidigte , heilige Glaubenssache jetzt selbst
zu verleugnen. Daher beschlossen die Staaten von Holland
und AVestiriesland auch 1658, die Kirche habe sich um die
Bankfrage nicht zu kümmern , das Zinsnehmen sei eine m i d -
d e 1 m a t i g e h a n d e 1 i n g , kein onrecht vaardige woecker.
Denn die Gründe der Theologen für das Zinsverbot waren
die vorn weitläufig erörterten, die ewig alten. Sie konnten
sich nicht ändern , nicht mit der so riesenhaft vorgeschrittenen
Volkswirthschaft sich entwickeln, sie waren em untrügliches
Dogma , und jeder Schritt über ihre angeborene Grenze hinaus
setzte sie dem heftigsten Streite und sicheren Untergänge aus.
Die Gründe der Gegner aber verherrlichen die Namen der
grossen Geistesmänner, welche ein Jahrhundert vor Adam
Smith bereits die Fundamentalsätze seiner jungen Wissen-
schaft aus dem Gewirre der einzelnen Thatsachen des Verkeh-
res mit klaren Blicken, scharfem Geiste, sicherer Hand und
muthigem Herzen herausmeisselten und frei gegen die mäch-
tigen weltlichen und geistlichen Gegner verkündeten. Hugo
Grotius ^) offenbart auch in diesem Felde seinen Bahn bre-
chenden Geist , del" im öffentlichen Hechte vielen Jalirhunder-
1) De jure belli ac pacis II. XII. 20. 23. XXVI. 5. Inleiding tot de
hollantlsche regdsgeleerdheyt II. 10.
32*
500 VU. 3. Wissenschaft, b. Wissenschaftliche Schriftsteller.
teil die Wege wies. Dann K 1 o p p e n b u v g , ^) B o x h o r n , ^)
Graswinkel, ^) vor Allen aber weit ausgezeichnet Salma-
s i u s , der Liebling der Könige , in seinen berühmten Schriften
de usurls {1G3S), de modo usurariim (1639), de mii-
tuo (1640), de fenore trapeziiico (1640).
Neben seiner immensen Belesenheit in den Schriften des
Rechts, der Philosophie, der Theologie, der Philologie, der
Geschichte , der Dichter bei den orientalischen und occidentali-
schen Völkern von ältesten Daten bis auf seine Zeit, welche ihn
leider, entsprechend dem Charakter seines Jahrhunderts, veran-
lasst, in die merkwürdigsten, fernliegendsten Gebiete alles Wis-
sens jeden Augenblick abzuschweifen, vereinter in sich einen
überraschend klaren Geist für die Fundamentalsätze derVolks-
wh-thschaft, welche er sich selbst erst aus dem Chaos der einzel-
nen, wirr sich durchkreuzenden Thatsachen entwickeln musste.
So ergründet und bespricht er die wirthschaftliche Entwicklung
des Menschengeschlechts , das Wiesen des Preises , die Natur
des Geldes, das Kapital (mit Einschluss des Geldes), den Cre-
dit u. s. w. und behandelt alle diese Themata mit überraschen-
der Klarheit , Herr des Stoffes, hinreissend , wie seine Collegen,
in der Leichtigkeit und Grazie des lateinischen Ausdrucks.
Man glaubt, er behandle eine der groben Zweifel enthobene,
Jahrhunderte lang geläuterte Wissenschaft. Alle die durch-
schlagenden obigen Gründe gegen die kanonistischen Zinsbe-
bestimmungen finden sich bei ihm vereinigt , sie rühren zum
Theil von ihm erst her , schon die Fülle der oben eingeflochte-
nen (Jitate aus semen Schriften rechtfertigen das eben gespen-
dete Lob. So erfreut er sich auch bei seinen Zeitgenossen
weitreichender Achtung, die Genossen lehnen sich an den
gewaltigen Geist in wohlfeüer, stets ausreichender Sicherheit,
gegen ihn wagen selbst die Gegner nicht den Angriff. ^)
Li der Zinsfrage weist Salmasius mit Nachdruck auf die
wirkliche Produktivität des Geldes. So vorschauend
1) De foenere et usuris (1640) p. 20 ff. 30 ff. 66 ff. 80, 95ff. — 114.
2) De trapezitis vulgo Longobardis (1640) p. 27 ff. 40. 130 u. a. 3) Noten
zur dissertatio epist. de trapez. von Maresius (1640) p. Uff. 20. 25 ff.,
33 ff. 4) cf. u. a. d. usuris p. 193 —200. 223 — 37 u. v. A.
YII, 3. Wissenschaft, h. Wissenschaftliche Schriftsteller. 501
ist hier sein Geist, dass seine letzten, damals kühnsten Schluss-
sätze erst von der Volkswirthschaft zwei Jahrhunderte nach
dem grossen Lehrer verwirklicht zu werden beginnen. Die
freie Conkurrenz gilt ihm als der allein berechtigte
Ordner der Preise. Demgemäss entscheidet er sich bei der
niederländischen Bankfrage in scharfsinniger Weise dahin,
dass es volkswirthschaftlich besser , mehrere Wechsler (Lom-
barden) in einer Stadt, als eine obrigkeitlich concessionirte
Darlehnsbank zu halten. ^)
Und, — das ist das Bedeutendste, — für die Zinsange-
legenheit folgert Salmasius bereits aus dem Wesen der freien
Conkurrenz, dass das Gesetz nicht, sondern sie allein
das Zinsmaximum feststellen muss und darf, weil
sie allein es naturgemäss vermag. In dem Buche „de modo
nsurariim ,'' cap. 1. führt er aus, Avie durch die Umstände 2)
die Zinshöhe sich regulire. Die Gesetze hätten nur das durch
Gewohnheit festgestellte Maximum anzunehmen. ^) In cap. 14
ebendort gesteht er noch: „Ita certiim est, iibi foenus non
est vulgo lege x>ermissum et plures esse et perniciosiores foene-
ratores; quam, cum sit licitum. Lex enim, quae permittit
simid etiam condiciones ei imponit Umitesque circumdat, qui-
1) d. usur. p. 214: „ fooiei-atores , uhi multi sunt ipsi sibi invicem
incommodant non agricolis aut aliis artificibas. . . . multitudo foenerato-
riim tnJiorem reddit hanc negotiaiionem et capturae sterüiorem. Kam
inter multos aliquis semper invenire est, qiii leviorihus usuris paratus
sit, peeuniam locare , iit plures ad se accursant mutuaturi.. . Copia opi-
ficum ejusdem artis singulorum artein minus quaestuosam magisque
inopem reddit. De foeneratoribus exemplum obviatn est. ... Unus quippe
Omnibus SU fficit , qui pecuniam, qua opus habent sub jyignoribus et cum
usuris ingentibus coguntu/r sumere. Si plures forent, inter omnes hie
quaestiis divideretnr , qui minus est. Immo et ex pluribus aliqui existe-
rent leviores usuras exigere contenti, quo magis multis foenerarenfur.
Ita numerus eorum non magis noceret rei publicae,
quam unus et privatis magis pr odesset." 2) loci, tem-
poris, qualitate rerum, conditione per sonarum , tam quae acci-
piunt, quam quae dant." 3) p. 9. ib.: „ lurisconsulti nostri in bonae
fxdei judiciis , cum de usuris disceptatur , quales debeantur , arbitrio judi-
cis iisurarum modum ex more regionis ubi contractum est,
constit uendiim esse, saepe pronuntiarunt."
502 Vn. 3. Wisscn.sdiaft. b. Wissenschartlidie Schriftsteller.
Ins rcfracnatnm in cxitialem pauperlbus licenUam exire non
queat." Aber in der Schrift de Ibenore trapezitico p. 106
spricht er direkt aus :
„tisura lege pcrmissa (modis positis) furtum non est, lege
vetita pro fiirto haben dehet. Ceterum uhi nullus mo-
dus iisuris determinatus est, nisi ex contra-
lientium voliintate, illae simpliciter et ahso-
l.ute permissac dehent intclligi eodeni pror sus
modo quo mercatorl licet pjretium, quodvelit
suae merci ponere. Si quis tarnen nimis illud impense
magnum flagitet, cJiaritatem offendit, ut et ille foenerator,
qui dbutitur necessitate proximi in ampliorihus usuris
exigendis, uln quantas lihet exigere licet."
Zwei Jahrhunderte später ringen wir noch um die Verwirk-
lichung einer Wahrheit , welche dieser Mann mit so einfacher
Klarheit bereits erkannte und aussprach !
Die niederländischen Juristen jener Zeit dagegen offen-
baren , wie diejenigen anderer Länder , dass sie von der rein
juristischen Betrachtungsweise der Kechtsverhältnisse zu sehr
eingenommen waren, als dass sie auch die wirthschaftliche
Entstehung, Natur, Wirkung jener Eechtsverhältnisse hätten
erkennen und würdigen können. Dieses muss in den Nieder-
landen besonders auffallen , da hier die Zmsfrage , wie berührt,
so heftig die Geister bewegte und gerade die wirthschaftliche
Blüthe des Volkes so Avie der praktische Sinn desselben zur
Ergründung dieses Problems anlocken musste. Huber ^)
schwankt, wie die oben genannten deutsch - römischen Kechts-
lehrer , trotz seiner Kenntniss des römischen Kechtes , freilich
nicht so bedenklich wie jene, vielmehr neigt er schliesslich
zu der freieren Zinsansicht. N o o d t -) wandelt verdienstlich
in den Pfaden seines grösseren Vorgängers Salmasius. V i n n i u s
dagegen und Bynkershoek, fast auch Voetius^) überge-
hen die Frage trotz ihrer schriftstellerischen Tüchtigkeit gerade
in der Periode des heftigen Zinsstreites.
1) Praelectiones juris Eomani III. 22, 1. 2. 2) Libri III. de foe-
nore et usuris. 3) Commentar UI. Buch XXII. Cap. 2.
VII, 3. Wissenschaft, b. Wissenschaftliche Schriftsteller. 503
In Deutschland währte es lange, ehe die Macht des
Verkehrslebens, dann der oben berührten grossen weltge-
scliichtlichen Vorgänge die Geister soweit gereift hatte, dass
sie auf dem Anfange Calvins weiter bauten. Was aus dem
fruchtbaren Boden der Reformation allmählig auch auf diesem
wirthscliaftlichen Felde zai gedeihen begann , knickten die lei-
digen frühen Religion s kämpfe des 16. Jahrhunderts und
zertraten vollends die wüsten Schaaren des drei ssigjähr i-
gen Krieges. Tiefe Rohheit der Nationalökonomik kenn-
zeichnet die deutsch geschriebenen populären, wie gelehrten
Schriften der meist theologischen Schriftsteller, so in der
Münzlitteratur der Kipper- und Wipperzeit. Bornitz und
Besold überragen relativ hoch ilire Zeit, und wie tief stehen
sie heute m der wirthschaftlichen Litteratur. ^)
Faust in seinen consilia pro aerario civili u. s. w., in Frank-
furt a. M. gedruckt, der arge Plagiator, wie schon Thomasius
ihn nennt , ^) darf hier wegen seines Mangels an selbstständi-
gen Anschauungen kaum erwähnt werden , und doch erfreute
sich sein Foliant voll anonymer Excerpte noch ein Jahrhun-
dert hindurch hohen Ansehens. ^)
1) Koscher behamlelte die gelehrte Nationalökonomik dieser und
der folgenden Zeit Deutschlands in einer Reihe sich ergänzender Aufsätze,
so die deutsche N. 0. au der Grenzscheide des 16. und 17. Jahrh. , dann
während des dreissigj ährigen Krieges in den Verhandlungen der königl.
sächs. Gesellscliaft der Wissenscliaften zu Leipzig, philol. histor. Klasse
(12. Dezember 1861), die gelehrte N. 0. in Deutschland unter dem grossen
Kurfürsten , und zwar die „ rein wissenschaftliche " (Conring , PufendorfF)
ebendort 1863 III. p. 177 ff. , die derzeitige ,, praktisch conservative "
(Seckendorff) im Archiv für sächsische Geschiclite I., die derzeitige „prak-
tisch progressive" (österreichische Theoretiker Becher, Hörnigk, Schroe-
der) in Hildebrandts Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik I. u.
II. 1864. , die deutsche N. 0. endlich unter den beiden ersten Königen
von Preussen (Leibuitz , Tliomasius , Christian Wolff) in Hajius preussi-
schen Jahrbüchern XUI. Juni 1864, XIV. Juli 1864. 2) Cautelae
circa praecognita jurisprudentiae. p. 278. E o s c h e r , preuss. Jahrbücher
XIV. p. 33 (Juli 1864). 3) cf. Boeder, Institutiones politicae II. 10
(1674.); Röscher, Verhli. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss. zu Leipzig 1863.
III. p. nyff. 202.
504 VII. '■). Wissenschaft, h. ^Yissenschaftliche Schriftsteller.
K 1 0 c k sieht die Verhältnisse , wie Faust , wesentlich von
der juristischen Seite, weniger von der wirthschaftlichen an,
doch überragt er Jenen bedeutend. In festgewurzelter Denk-
weise nennt er zwar Wucher noch jeden Gewinn ausser dem
Kapitale , das Geld erscheint ihm unkörperlich , er verwechselt
es mit dem Kapitale allgemein; aber die Zinsen billigt er
gleichwohl, so lange sie nicht das altcrum tautnm, die Höhe
des Kapitales, übersteigen, ^) und die Zwangsanleihen der
Begierung (u. VIII. 3. f.) vertheidigt er nachdrücklich. -) So
erscheint er wie ein treues Abbild der kanonistischen Zins-
gesetze jeuer Zeit . welche auch nur dem Worte nach noch den
Glaubenssatz der Kirche aufrecht erhielten, im Wesen dage-
gen fast durchweg dem Verkehre, dem römischen Kechte
u. s. w. nachgaben.
Erst seit der Mitte des 17. Jahrhunderts aber tritt dann
von innen heraus der völlige Umschwung der wissenschaft-
lichen Ansichten in der Zinsfrage ein. Von dieser Zeit ab , als
die Fesseln des dreissigjährigen Krieges sich von den Geistern
lösten, sonderte man die Betrachtung der Volkswirthschaft
allmählich von der Eechtswissenschaft und Theologie, dagegen
verband man sie eher mit den Naturwissenschaften , der Ge-
schichte , man verknüpfte sie vornehmlich mit der praktischen
Cameral -Wissenschaft, der Statistik und lernte an den prak-
tischen Mustern der Volkswirthschaft in Holland und Frank-
reich. ^) Seit dieser Zeit bildeten sich wesentlich drei Gruppen
der deutschen Lehrer der Volkswirthschaft, die praktisch con-
servativen , besonders in Mitteldeutschland , voran v. S e c k e n -
dorff, die praktisch progressiven, so die österreichischen
Theoretiker Becher, v. H ö r n i g k , v. Schröder, und die
rein wissenschaftlichen, doch nicht für die Praxis unbrauch-
baren, in Norddeutschland, so H. Conring und Samuel
Pufendorff. ■^)
1) Tractatus de aerario (1651. U. 19, 50; 21, 5; 84, 92. Röscher,
ib. p. 183. 186. 2) Contr. VH. 48. Röscher, ib. p. 187. 190. 3) Rö-
scher, 1. c. p. 190ff. 4) cf. die Note 1. S. 503., wo die einschlagen-
den Aufsätze Roschers aufgeführt sind.
Vn, 3. Wissenschaft, b. Wissenschaftliche Schriftsteller. 505
Erwägt man, dass bereits seit der Mitte des 16. Jalirliuu-
derts in den Partikulargesetzen Deutschlands das kanonistische
Zinsgesetz verworfen wird , so muss man erstaunen , Avie selbst
in so viel späterer Zeit obige Männer trotz ihrer geistigen
Eminenz und ihres sonst Bahn brechenden, selbstständigen
Vorgehens zum Theile weit hinter den wirklichen Thatsachen
mit ihren wissenschaftlichen Erörterungen zurückblieben. Erst
PufendorfF am Ende des 17. Jahrhunderts fasst wesentlich die
oben (VI. 1.) angeführten Gründe gegen das Wucherverbot
zusammen , ,. er steht hier zwischen Calvins erster Einsicht in
die Produktivität des Kapitales und David Humes (essaysl742)
scharfsinniger Scheidung zwischen Kapital und Geld, aber
wie Vieles von dem Wesen der Zinsen ist ihm noch fremd." ^)
Leibnitz endlich ist bereits so weit von dem Wucherverbote
des Mittelalters entfernt, dass er es zwar allgemein verurteilt,
aber doch geschichtlicli würdigt. -) Die hervorragenden Gei-
ster der Nation hatten sich eben zu lange in einseitiger Thä-
tigkeit gefangen, zwiefach einseitig, weil sie vorwiegend nur
die exklusive Kechtswissenschaft oder Theologie trieben, und
weil, wo sie auf andere Gebiete der geistigen Forschung hin-
übergrifFen , doch der Bann dieser Eechtswissenschaft und
dieser Gottesgelehrtheit auch hier erst gehoben sein wollte.
So erblickten sie den lebendigen Verkehr zuerst gar nicht, dann
von einem höchst einseitigen Standpunkte , dann zwar nahe und
geradezu, aber umschleierten Blicks. Und als die letzten Nebel
von ihren Augen wichen, zeigte sich, dass der Verkehr fast
allein hier ohne Beihülfe der Theorie seine Fundamentalge-
setze mit Bewusstsein lange bereits zur Geltung gebracht hatte.
1) Jus nat. et gent. V. 7, 9. 10. 11 (1H72.) Röscher, ib. p. 210. 211.
So hat Pufendortr von dem Entleihen der Gelder durch Banquiers behufs
der Wiederverleihung keine rechte Vorstellung. 2) Röscher, preuss.
Jahrbücher XIII. p. 625 (Juni 1864.)
VIIL
Das zinsbare Darlehn im deutschen Yer
kehrsieben.
1. Das Allgenieine.
Nach Vorführung aller derjenigen Hebel, welcher inner-
halb und ausserhalb der von der Kirche selbst gestatteten
Ausnahmen vom Wucherverbote das deutsche Verkehrsleben
sich zur Beseitigung dieses Verbotes bediente , theils gestützt,
theils behindert von den heimischen Gesetzen, erscheint es
nunmehr am Orte , die Uebmig des zinsbaren Darlehns selbst
im deutschen Kapitalimilaufe darzulegen , den alltäglichen Ge-
brauch des Rechtsgeschäftes , um welches als seinen Angel-
pmikt der ganze Wucherzorn der lürche und ihrer Disciplinen
sich drehte, und welches die deutschen Gesetze selbst, wie
oben ad III. 2. gezeigt ward, fast ausnahmslos wie den wirth-
schaftlichen Verderbsquell einschränkten, anfeindeten und
verdammten. Welch ein anderes Bild entrollt sich da dem
Blicke, als man nach der Stellung der Gesetze zu diesem Dar-
lehn erwarten sollte , wie gesund und thatkräftig bewährt sich
der Geist des deutschen Handels im Mittelalter und am An-
fange der Neuzeit!
Seit der persönliche Credit überhaupt in Deutschland zu
leben begann , bethätigt er sich bereits im zinsbaren Darlehn.
Aus den Gesetzen selbst , den weltlichen und geistlichen , aus
den Beschlüssen der Conzilien , durch welche unermüdlich
von Neuem allgemein der Wucher und speziell dieses wucher-
lichste Rechtsgeschäft verdammt wurde wie ein anderes „ccte-
Vin. Zinsbares Darlelin. 2. Dailohn ohne Zinsen. 507
rum censeo , " ergiebt sich schon die unablässige Uebung des
Darlehns mit Zinsen. ^)
2. Das Darlelin ohne Zinsen. — Weltliche und
geistliche Rücksicht.
Zwar eme grosse Zahl von Darlehnsurkunden enthält
keine Spur der Zinsen. Verschiedene Ursachen hierfür lassen
sich nennen. Em Theil dieser Scheine umfasst Darlehn der
städtisclien Bürger oder Behörden an benachbarte Fürsten,
Erzbischöfe, an die Kaiser oder sonstige Gewalthaber. Sie
waren gegeben, um die Gunst der Schuldner oder von ihrer
Macht positive Vortheile zu erlangen. Oder die Kettung wich-
tiger, besonderer Interessen forderte das Verzichten auf die
Prozente.
Oder aber die Macht der Kirclie , verstärkt durch die hei-
mischen Gesetze und Zwangsmittel , reichte so weit, dass die
Contrahenten sich dem Zinsgesetze fügen mussten. Dies
geschah wahrscheinlich dort, wo wir ohne weiter ersichtliche
Veranlassung bei Schuldurkunden einfacher Bürger die Zinsen
nicht vorfinden, jedenfalls wenn es sich um Darlelin unter
Geistlichen oder an geistliche und kirchliche Stiftungen u. s. w.
handelt. Hier war zur Wahrheit geworden, was die Kirche
und ihre Jünger so oft behauptet hatten, zinslos sei seiner
Natur nach das Darlehn.
Zur ersteren Art gehören etwa die Beispiele: Fr ei bur-
ger Urkk. (Schreiber) I.e. I. n. 21.1272. Die Bürger leiben an
den Grafen von Freiburg 300 m. ohne Zinsen. — ib. n. 65. p. 615.
Dieselben Bürger übernehmen eine Schuld desselben Grafen
an den Kitter von Toggenburg. 23. Juni 1302. — Lü bische
Urk. B.I.p. 198. 1255. lüb. Bürger zahlen für den Soester Erz-
bischof. — ib. 1262. 8. Septbr. Die lübischen Consuln leihen
1) Lelimann, Siteyrer Rethtsgewolmliciten. j). 40(3. : „es ist klar,
dass die Christen den Juden solche Kunst zu viel abstudiert und mit ihnen
an einer Stange tragen." Roth, (iesch. des Nürnberger Handels. IV.
]). 286: ..da die Christen sahen, welchen Vortheil die Juden und Lom-
barden aus ihrem Geldhandel zogen , so verfielen sie auf das Wechsel-
geschäft." Dasselbe erweisen positiv die Verkehrsurkunden selbst u. v. A.
508 VITT. Zinsbares 'Darlelni. 2. Darlelin ohne Zinsen,
an Albert den Grossen von Braunscliweig. ib. 1272. 3. Mai
dieselben an den König der Dänen, ib. 1277. Die lüb. Bürger
an Kaiser Kudolf I. p. 414 (1284) 503 (1309). — Kieler
Stadtbuch (ed. Lucht. Progr.) 1264 — 89 eine grosse Zahl.
Hamburger Urk. Buch (Lappenberg 1842.)p. 553. 1263
Darlehn an den Grafen von Holstein u. v. A. Frankfurter
Urk. B. (Böhmer) 1340. 1343. 1356. p. 744. 1376. 30. Juni,
der städtische Eath leiht an Kaiser Karl IV. 400011.— ib. 745.
1376. an Karl IV. -— ib. 1430. 1442 u. v. A. Bei dem Erste-
hen des hanseatischen Handels und Bundes begegnet eine für
jene frühe , und sonst nicht creditreiche Zeit wahrhaft erstau-
nenswerthe Menge von zinslosen Darlehen an alle benachbar-
ten Gewalthaber des weitausgebreiteten Handelsgebietes, um
von ihnen dafür Handelsschutz und - Privilegien zu erlangen.
Einige der eben zitirten Fälle gehören hierher, eine Zahl ande-
rer findet sich in dem Urkuudenbuch zur Geschichte des Ur-
sprungs der Hansa von Sartorius-Lappenberg Bd. IL,
so Daiiehn von Lübeck an Erich und Woldemar von Schweden
1312. 1313 mit kurzer Frist bei Strafe des Einlagers; an Erich
von Dänemark 1272 bei gleicher Strafe für 30 Kitter; 1288
von deutschen Kaufleuten an Hakon von Norwegen; von
2 deutschen Kaufleuten 1344 an König Eduard III. von Eng-
land gegen Verpfändung seiner Krone; 1347 von Tidemann
Lymbergh an den Prinzen von Wales (1. c. IL n. 163); 1362
von mehreren deutschen Städten an König Magnus von Schwe-
den und seinen Sohn Haguin. Und so erstrecken diese Dar-
lehn sich von der Grenze Frankreichs , von den Niederlanden
und England bis in die Gebiete von Kussland und Litthauen.
Die Darlehn dagegen , durch welche später die Lombar-
den in den Niederlanden bei den Gewalthabern so grossen
Einfluss erlangten , dass die Hanseaten vor ihnen sich fürchten
(cf. V. 5. 2. Neumann, Wechselgesch. p. 136. n. 152), waren
sicher verzinsliche, wie diejenigen der Hauptbankhäuser in
Italien an die Fürsten. Darauf deutet auch der Ausdruck:
Danz. Arch. U. 21, 110 (1480) „weil enighe lumbarden dede
den heren grose summen van penningen vp financien ghedaen
hebben." Nahmen doch Juden und Wechsler in Deutschland
VIII. Zinsbares Darlehii. "2. Darlehn ohne Zinsen. 509
danach ebenfalls ruhig Zinsen von den darleihenden Fürsten.
— Wenn sich seit dem 15. Jahrhundert wegen des oben ange-
führten, hiervon abhängigen Vortheils eine grosse Zahl von
Darlehen in die städtischen Schöppenbücher , z. B. die Danziger,
eingetragen finden , welche alle der Prozentzusätze entbehren,
so erklärt sich dieses w^ohl daraus , dass diese Eintragungen eben
den Behörden selbst jeden Moment vor Augen lagen, dann,
dass man — das lässt die immer steigende Kürze der Eintra-
gungen schliessen — letztere nur ganz allgemein auszuführen
brauchte , mit Weglassung aller Nebenbestimmungen des Ge-
schäftes, und sich dennoch des Vortheils der Eintragung
versichert hatte, — Die Darlehen andererseits , welche in der
Mitte des 15. Jahrhunderts so zahlreich von Privatpersonen
den preussischen Städten, besonders Danzig, entrichtet wer-
den, entbehren der Zinsklauseln so oft wegen der Noth der
Städte in dem dreizehnjährigen Kriege gegen den Orden , zu
dessen glücklicher Beendigung sie der Gelder dringend bedurf-
ten, und durch welchen sie vielfach behindert wurden, die
Darlehnskapitale selbst, geschweige denn die Zinsen zu ent-
richten. ^) Ebenso sah man die vielen Darlehen, welche seit
dem dreizehnjährigen Kriege der König von Polen für seine
den Städten geleistete Kriegeshülfe von letzteren zinslos auf-
nahm , mehr als Tribut an , welchen man dem Herrscher ent-
richtete, und wird deshalb oft genug auf den Kückempfang
des Kapitales selbst haben verzichten müssen. ^) Aus beson-
derer Veranlassung fallen die Zinsen fort u. a. im Danziger
Schöppenb. fol. 176 (1568) (Erbstreit):
„ was belangen sei das heinrich kamerer thutt furderen vonn
dem herrn Spinosa (einem Miterben) zins von dem bah-
ren g e 1 d e , so Ime zu kommende sey , als die XV c XXI fl.
XXI gr. VI sc. von wegenn seiner sehligen hausfrawen , das
es Peter Spinosa oder seine liebe hausfrawe gebrauchett von
dem tage ahnn, da dem heinrich kamerer seine sehligehaus-
1) cf. u. V. A. Dan/. Urk. 47.56 (1457) Danzig schreibt an die preuss.
Städte iiher ein Darlehn v. yPSöO ungar. ti. zur Auslösung d. Marienburg.
2) cf. Dauz.Arch.U. 1. 14, 43 c. (1454. 1457), 1. 44.49.236 (ib.) u. v. A.
510 VIIT. ZinsLavos Darloliii. 2. Darlclin oliiie Zinsen.
fraue verlobett ist gewordenii , bis zur zeitt das er das geltt
eiiti>ffan_2;enii, welclie vngefehr bei einem viertheill Jhar ist,
solchs haben die gutten menncr nicht erkennen können, das
Spinosa Ime darfuhr wass sdnüdigk sey darfuhr zu gebeun,
dieweil es nichtt gebreuchlich ist. — "
Ebenso bietet sich ein besonderer Fall im Danz, Schop-
pen buch von 1578 fl. 30", wo Jemand von dem Vormunde
seiner Frau lOOguld. übernimmt, „dieselben nicht zu vorzm-
sen , wofern er damit keinen nutcz oder frommen hette schaffen
kennen," ein rechter Ausnahmefall aus so später Zeit, aber ein
klarer Beleg für die auch in den unteren Gesellschaftsschichten
damals verbreitete Erkenntniss von der Produktivität des Gel-
des. Der Schuldner muss hier schliesslich schwören, dass er
wirklich keinen Vortheil von diesem Gelde gewann, „vnnd
auch, das er solch geldtt sich zum besten nichtt angelegtt
hatt." cf. noch ib. von 1556. fl. 55. Ein Darlehn von 100 mrk.
„szelke hmiderth mark von nun an afer drey Jare.,. ane
erkeine vorthinsung tho holdenn vnd bethalenn." Aus
den zwei letzten Urkunden lässt sich eine neue Erklärung für
das oben erwähnte Schweigen der in die Schöppenbücher ein-
getrageneu Darlehnsvermerke über die Zinsen entnehmen.
Man setzte überall die Verzinslichkeit der ein-
getragenen Darlehen auch ohne Vermerk der
Zinsen voraus; daher musste diese Voraussetzung
überall, wo sie ausgeschlossen sein sollte, aus-
drücklich verneint werden.
Zu der letzteren jener Arten sind zu rechnen etwa: Lü-
becker U r k. B. I. p. 1 98. 1 255 ein Darlehn lübischer Bürger an
den Erzbischof von Soest; ib.p. 224. 1257. 12. Nov. ein Darlehn
des lübischen Kaths an den Bischof von Lübeck. — ib. 1297.
10. April, ein Darlehn an den Erzbischof von Bremen, von
1000 mrk. u. v. A. — Ferner die Darlehen, welche laut den
veter. monum.Polon. et Lithuan. von Theiner I. die Geistlichen
daselbst wiederholt von Laien empfingen. Dass diese Darlehen
übrigens nicht immer streng kirchlich ohne den Gewinn über
das Kapital aufgenommen wurden , scheint man aus der Er-
laubniss des Bischofs von Pomesanien u. A. väi einem von
VIII. Zinsbares Darlehn. 2. Darlehn ohne Zinsen. 511
untergebenen Geistlichen aufzunehmenden Darlehn von 2000 fl.
Namens seiner Kirche 1347 schliessen zu müssen.^) Darin
heisst es, sie möchten alle ihre jetzigen und zukünftigen Güter
zu Pfand setzen für die Sicherheit rechtzeitiger Abzahlung des
Kapitales , „usiiris omnino cessantibu s." Alle damna,
expensas, interesse reficere teneammi bei Zahlungssäumniss.
„ Ceterum ne in hoc vorayo locum sihi vendicct usurarum,
nostre intentionis existit , et vohimus , quod tu et iidem suc-
cessores ac in tua ecclesia tua seu siia vel ipsiiis bona jyer
lias nostras litteras p e r cujuspiam fraudis seucal-
liditatis astutiam suh quovis pallio seu colore
verhör um ad usuras allquas ohligari nidJatemis valeatis,
easdem litteras, concessiones , caucioncs et rccogniciones seit
pcrmissiones per eas seu auctoritate vel occasione factas
quo ad ohligaciones usurarum hujusmodi decernentes irri-
tas et inanes et nullius penitus existere firmitatis, iis nihi-
lominus quoad premissa omnia, que usurarum pravitatem
non sapiant in suo robore duraturis nee usurarum pretextu
maliciose aJiquatcnus impugnandis. Volumus insuper,
quod dicta ecclesia ac bona ipsius pretextu nostre conces-
sionis hujusmodi idtra biennium ab obligationis hujusmodi
temjwre numerandum mdlatcnus remaneant obligata. — "
Dahm gehören nicht minder die Darlehen, welche der Ordens-
prokurator von Preussen zu Rom unter den Augen der Kurie
aufnimmt, die Darlehen Danziger u. a. Bürger von und an
Domkapitel u. v. A. ^)
3. Das verzinsliclie Darlelm.
Aber aucli auf diesen direkten Pfaden gegen das kirch-
liche Zinsverbot zeigte sich nicht minder, wie auf den bisher
betrachteten Wegen, dass der Grundzug des deutsdieu Hcdi-
tes dahin ging, die Nutzung fremden Kapitales überall zu
vergüten (cf. ob. TV. 3. a. V. 1.)
1) Th ein er, 1. c. I. n. G58. 2) Danz. Arch. Urk. 42, 51 (1467),
45. A. 8 (149U) . 45. E. 31 (1505) u. v. A.
512 VIII. 3. Vorzinsl. Davlolm. a. Prühcr Gebr. d. verzinsl. Darleluis.
a. Früher Gebrauch des verzinslichen Darlehn s.
Trotz aller obigen Gegenmittel der Kirche suchte der
steigende Kapitalverkehr nicht bloss in der Menge der bisher
betrachteten Verträge und Gelegenheiten eine Befriedigung
seines dringenden Verlangens , sondern nach vereinzelten Vor-
läufern in bestimmten , besonders in den höheren Klassen der
Gesellschaft bildete er allgemein im Verkehre schon seit dem
13. Jahrhundert auch das zinsbare Darlehn un-
verhüllt aus. So heisst es im Kieler Stadtbuch (ed. Lucht)
p. 5 (1270):
„Ego Johannes per äomini TJieodonis mutuo concessi
consulibiis in Kyl XXX mrk ad spacium IV annorum tali
condiclone: annuat i m IV mrk. den. pro pensione
dahnnt mihi, si restituere mihi proposuerint ante ter-
m-inum illum, proxima secunda feria x^ost paschee inte-
gralitcr mihi restituenf; post ferminum IV annorum
sit in meo arhitrio si praedictam summam obtineant vel
recipiam."
und ebendort p. 9 (1274). Höfer, deutsche Urkunden 11. n.
143 (1331) finden sich gleiche Beispiele dieser Art. Einen
weiteren Belag giebt Lacomblet III. n. 293 (1335.)
„Nos Beynaldus de Cleve .. nofum facimus, quod nos tene-
mur, et ohligati siimns domine Aleydi .. sorori nostre dilecte
seil conservatori presentium ^) in quatitor libris grossorum
veterum, quas nobis ad usuras lumbardorum ipsa A.
acquisivit et gratanter mutuavit , promittenies eidem Aleydi,
seu conservatori presenciiim , ad simplex ipsius Aleydis
dictum seu conservatoris presentium, in festo nativitatis
domini nunc proxime futuro a data presentium dicte pecu-
nie summam et usuras que interim accreverint, super
eadem fide nostra prestita corporali et militari persolvere
ac de omni dampno, quod ipsam Aleydim ratione dicti
acquisitionis seu conservatorem presentium indempnem
penitus conservare, omni fraude et dolo penitus cessantibus."
1) Papier auf den Inhaber, cf. Neu mann, Wechselgesch. p. 45 ff.
YIII. .'3. Verzinsl. Pavlehn. a. Früher Gebr. d. verzinsl. Darlehiis. 513
Ebenso zeigt sich das zinsbare Daiielm im alltäglichen Ver-
kehre i:};36 bei Pauli, lübeck. Zustände. Urk. Arch. Nieder-
stadtbuch n. 100:
„ Johannes Longus tenetur Johamii Stengern in XL mrk.
den., pro quihus annuatim II mrk. den. sihi ero-
gahit. Ad hoc 2^onet sihi suani hereditateni in pignus,
salvo habenti in ea suutn ivicbelde. Eciam dicta hereditas,
si dehet vemimdari , dictns Johannes proximior debet esse
aliis quihnscunque." ^)
Freiburger Urk. Buch I. p. 419 (1353. 17. Febr.) u. p. 422
(1353. 12. März.) ^) Schinz in seiner Handelsgeschichte
bemerkt:^) ,,In Zürich war 1316 ein Gesetz, dass, wenn
Jemand den Wuchergewinn, den er an seinen Mitbürgern
gemacht hatte , dem Rathe übergab , die Hälfte ihm gelassen
wurde." Es ist Avahrscheinlich das von Bluntschli, Züricher
Rechtsgeschichte I. p. 293 zitirte Gesetz:
„Swa dehem Burger oder vsman, der den Burgern guot hat
gelihen, für ein Rat kumt, vnd durch siner sele willen
dengnies, so im von den Burgern worden ist, dem Rat
antwürtet, da sol im der Rat den halben teil des genises
wider geben." (oben S. 99. N. 4.)
Von Meiern^) erzählt einen Fall , wonach 1 302 ein Grund-
stück zur grossen Noth des Verkäufers verkauft wurde, „m
exonerationeni dehitoriun , quihus da uina gravi a in usii-
ris et ohstagiis obsidum accreverunt."- Und schon
am Anfange des 14. Jahrhunderts ergeht an die Magdebur-
ger Schöffen die Anfrage, ob Zinsen zu nehmen gestattet sei.'')
Ja, wenn man auch die Wucherkapitularien mehr als einen
Ausdruck der Gesetzmacherei , denn als Ausfluss der deutschen
Wucliergewohnheit auffassen -will, so musste sich doch schon
zur Zeit der ersten deutschen Concilien (cf. S. 44) die Wucher-
praxis in Deutschland sehr weit erstrecken , da fast keines der-
1) ib. n. 81 (1337) u. v. A. 2) cf. J. H. B ö h m e r , J. E. P. 1. c. §. XXVTI.
(1382.) 3) cf. Ofener Stadtr. 1. c. N. adn. 192. 4) Sechster Zms-
thaler p. 23. Würtemb. Urkk. p. 391. 5) cf. Magdeb. Fragen in der
Ausg. des Sachsensp. von 1517. Augsburg. II. 1. dist. 1.
Neumann, Gesch. d. Wuchers. 33
f)14 YTII. .'). Vorzinsl. Pavlolin. a. FiiiliciCiobr. d. vcrzinsl. Darlelms.
selben ohne neue Ermahnungen und Verdammungen gegen die
AUenveltssünde vorübergeht. Gerade gegen die Geistlichen
süid nicht wenige dieser Beschlüsse gerichtet; sie als Keprä-
sentanten der dem Volke voraufgeschrittenen Bildung konn-
ten sich demgemäss auch eines der Hauptgenossen dieser Bil-
dung, des Kapitalverkehres, Credites und der Zinsen, nicht
enthalten. *)
1) Arnold, z. Gesch. d. Grundcigenth. in den deutschen Städten
S. 92 will eine andere , als die bisherige Auifassung der kanonischen Zins-
verbote, in Deutschland betonen. Nach ihm si)rechen dieselben die zu
jener Zeit wirthschaftlichen Zustände aus, das, was sich von selbst ver-
stand, dass das Geld noch nicht die Eigenschaft von Kai)ital habe und
darum keinen Zins bringen könne ; wer deshalb im Widerspruch mit den
Verhältnissen das Geld doch zinsbar machte, beging einen sträflichen
AVucher. Die wirthschaftlichen Zustände fasst der A^erfasser hierin offen-
bar so auf, wie sie auch allgemein erscheinen und erscheinen müssen,
nämlich als Zustände, welche nicht durch die bewusste, planvolle und
auf diesen Zweck hinausgehende Handlungsweise der betheiligten Men-
schen, sondern durch die Beschaffenheit der aussermenschlichen Faktoren
der Volkswirthschaft gemäss den in diesen waltenden Naturgesetzen sich
bilden. Diese Zustände müssen sich aber genau so bilden, wie alle
Erscheinungen in der Natur, welche dem Willen des Menschen nicht
unterworfen sind. Das Wuchergesetz nach Arnolds Auffassung hätte hier
daher ganz die Stellung eines einfachen Naturgesetzes, d. h. es wäre
lediglich der Ausdruck einer Abstraktion , welche der Meuschengeist dar-
über vollzog , dass durchweg aus den bestimmten gleichen Bedingungen
sich dies bestimmte gleiche Eesultat der damaligen deutschen Volkswirth-
schaft ergab. Ist dies aber je das Wesen der Gesetze , welche aus geschrie-
benem und Gewohnheitsrechte hervorgehen ? Handeln diese nicht viel-
mehr stets von Zuständen , deren Herbeifülirung , Erhaltung , Beseitigung
dem Willen der Menschen ganz oder theilweise unterworfen sind? Wo
bliebe andernfalls der Zweck dieser Gesetze? Kann Jemand ihnen ent-
gegenhandeln ?
Einen nicht geringen Grad von Abstraktionsfähigkeit und Bethäti-
gung derselben schreibt Arnold ferner mit dieser Annahme den Gesetz-
gebern oder gar dem deutschen Volke jener Zeit zu , während er doch 1. c.
S. 131 selbst erklärt: „Aus diesem Grunde war es für jene Zeit gerade
ein Vorzug unsers Eechtes , dass es sich nicht in abstrakten Vorschriften
erging, sondern die Anwendung auf bestimmte Fälle selbst machte und
dabei immer das wirkliche Leben im Auge belüelt."
Allein die Geschichte des Wuchers in Deutschland , wie sie bis hier-
her quellenmässig vorgeführt wurde , spricht auch durchaus gegen diese
VIII. 3. Vorzinsl. Darlolin. b. Umgestaltung cl. Yorkehrs. 515
b. Umgestaltung dos Verkehrs.
Dom entsprechend musste der (Jehniucli des zinsbaren
Darlelius au jedem Tage der Handelsentwicklung in Deutsch-
Auffassung der kanonischen Wuchergesetze Dieselben kamen von Aussen
nach Deutscliland und zwar schou in die Volksrechte , in die Capitularien,
in die ersten kirchlichen Beschlüsse , als sie hier zunächst nur in den
beschränktesten Kreisen Anwendung finden konnten. Sie stützten sich
wesentlich auf die Gründe , welche in den kirchenrechtlichen Quellen für
sie zuvor schon aufgestellt waren und erwarteten so die Entwicklung des
Kapitales , seines Umlaufes , des persönlichen Credits. Diese Entwick-
lung trat bald, und durchweg in Deutschland früher ein, alsA. mit beson-
derer Rücksicht auf seine Quellen aus Südwestdeutschland annimmt , und
zwar trat das Kapital , wo es seit ältester Zeit sich fand , bis zur völlig
erblühten Cultur den fremden Zinsgesetzen so nachdrücklich gegenüber,
das deutsche Recht selbst zeigt eine Reihe ihm eingeborener Institute,
welche gerade den jenem Zinsverbote entgegenstehenden wirthschaft-
liclicn Grundsatz in sich so entschieden offenbaren , dass sich hieraus nur
zu deutlich der immer glühender auftretende Eifer erklärt , mit welchem
bereits die ältesten Zinsbestimmungen auf deutschem Boden , z. B. die
ersten Concilienbeschlüsse , sich auf Seite des fremden Rechtes stellen.
Das steigende Eifern hierin , ^\ie es oben vorgeführt wurde , die unabläs-
sigen Wiederholungen , die harten Strafen sehen doch wahrhaftig etwas
anders aus , als wären sie blos der Ausdruck eines wirthschaftlichen Ge-
setzes, ,, das sich von selbst verstand," und sich aus den wirthschaft-
lichen Zuständen, gleich einer reifen Frucht, von selbst ergab.
Mit diesem irrigen Vordersatze fallen auch Arnolds daraus gezogene
Folgerungen.
So waren die Zinsverbote , wenigstens in der ersten Hälfte des Mit-
telalters und in den rein germanischen Ländern durchaus nicht drückend,
da sie mit dem übrigen Culturzustaude übereinstimmten." (S. 93. ib.) Sie
drückten vielfach , imd zwar lange vor 1250; drückten sie nicht , so lag
das vielmehr daran , dass sich der deutsche Kapitalverkehr sehr frühe
schon mittelbar und unmittelbar des fremden Wucherverbotes thatsäch-
lich entäusserte, und es unberücksichtigt liess. — ,, Wenn in der That ein
inneres Bedürfniss das Darlehn nöthig gemacht hätte , würden die Gesetze
nimmer im Stande gewesen sein, es zu unterdrücken." (94.) Gerade
umgekolirt stellt sich die rechte Schlussfolge: Von Anbeginn ringt das
Davlehu , erst in engeren , dann in weiteren Kreisen mit dem Zinsgesetz,
bis dieses unterliegen muss. Daher stand das Zinsgesetz als solches von
Anbeginn wider die Natur des Kajiitals, — „Im 16. Jahrhundert, als
die Geldwirthschaft in den Städten vollendet war, fiel das Verbot von
selbst hinweg." Den Gegenbeweis gegen solches ,, von selbst Fortfallen "
33*
51»'. VTII. n. Vor/.iiisl. Darlohn. 1>. Umgestaltung- tl. A^Mkehrs.
laiid steigen. Mit der beginnenden Arbeitstheilung im Ver-
kehre, der Abzweigung des Spedition«- und Commissionshan-
dels von dem Eigenliandel, mit der viel berührten Ausdehnung
der Handelsbeziehungen Nord- und Süddeutschlands nach ent-
gegengesetzten Seiten hin und der weiten Verbreitung und
mannigfachst fruchtbaren Gestaltung der kaufmännischen Ge-
liefert die ganze bisherige Darstellung , ein Jahrhunderte langer Kampf
statt des ,. von selbst " , ein Niederringen und Vernichten statt des
,. Fortfallens. " —
Der Verfasser begiebt sich bei diesen Sätzen über seinen sonst so fest-
gefügten und fruchtreichen historischen Quellengrund hinaus , wovor er
doch seine Gegner mit besondcrm Eifer warnt (cf. 1. c. S. 79. 86. 87. 92.) —
cf. Neu manu, de foenore redituum annuorum emtionis. Halis Saxomun
1864. p. 6. 7. — Bluntschli, Züricher Eechtsgesch. II. p. 257 ff. lässt
sich des Näheren über die Natur des Wuchers und der Wucherverbote aus.
Gegen die Gestattung des Wuchers führt er an : ,, Wenn ein festes und
entschiedenes Eechtsgefühl sich Jahrhunderte lang in den Völkern äusserte,
das die juristische Theorie nicht zu begreifen vermag und für falsch
erklärt , . . . so wird sich die Theorie gewöhnlich doch am Ende falsch
erweisen. . " Nach obiger Entwicklung der Wuchergeschichte in Deutsch-
land sprechen diese Worte gerade gegen Bluntschli: Die juristische
Theorie stellte sich auf die Seite des Wucherverbotes , das Rechtsgefühl
im Verkehre des Volkes verlangte immer dringender , bereits seit Beginn
des Kapitalverkehres , die Aufliebung dieses Verbotes. Bluntschli will
nicht die Rechtfertigung der Wuchererlaubniss aus der individuellen Frei-
heit des Schuldners zugeben, diese Freiheit sei vielmehr Unfreiheit gegen-
über der Herrschaft des reichen Gläubigers. Aber gebieten Recht und
Sittlichkeit nicht auch die Rücksicht für den Gläubiger ? Das Eingreifen
der Gesetzgebung hierin verschiebt leicht die allseitige Gerechtigkeit dei'
natürlichen Verhältnisse durch einseitige Ungerechtigkeit, die freie Con-
kun-enz allein regelt in jedem Einzelfalle gleichmässig gerecht die Rück-
sichten beider Contrahenten. Die stetige Unfreiheit der Schuldner gegen
die Herrschaft der Gläubiger ist nach Bluntschli keine organische , da sie
nicht aus Famüien - oder andern naturgemässen persönlichen Bezie-
hungen hervorgehe. Doch Bluntschli erlässt uns, gegen diese über-
raschende Scheidung auf den ebenso natürlichen Organismus des Kapital-
verkehres hinzuweisen, in welchen gerade das kanonistische Wucherverbot
eine unnatürliche Unfreiheit hineintrug; denn er zeigt sogleich danach
p. 260 ff., dass er nicht gegen den Wucher im weiten kanonistischen Sinne
eifert, sondern ihn nur verwirft, wo er übermässig, versteckt durch
Verführung des Schuldners schnöde herbeigeführt, auftritt. So auch
K. F. Göschel, Zerstreute Blätter. Erfurt 1832. I. p. 418.
Vm. 3. Verzinsl. Dailehii. b. Umgestaltung d. Verkehrs. 517
nossenschaften musste der persönliche Credit und so dessen
vornehmlicher Ausdruck im Kechtssysteme , das zinsbare Dar-
lehn , wachsen. Nun entwickelte sich neben und auf den Schul-
tern des Handels das städtische und ländliche Gewerbe, das
Kapital mehrte sich, es wuchs das Verlangen danach nicht
bloss bei den Darbenden in der augenblicklichen Noth, son-
dern mehr nocli bei den unternehmenden, begüterten Geistern,
welche der neue Agitator , die Spekulation , zu Kapitalanlagen
trieb, voll unberechenbaren Gewinnes für die unmittelbar
Betheiligten, wie für das gesammte Volk.
Immer deutlicher zeigten sich die Wirkungen der wirth-
schaftlichen Kräfte, welche in den vorn behandelten Rechts-
formeu, dann mit Hülfe der grossen Förderer des Kapital-
umlaufes, der Juden und Wechsler, ihren gesetzmässigen
Ausdruck fanden. Nun lösten sich die alten Handelsverbin-
dungen , an welche man Jahrhunderte lang gefesselt gewesen.
In das deutsche Handelsgebiet strömten neue Handelskräfte,
die Juden aus Portugal, die Katholiken aus England, die
Protestanten aus den Niederlanden, alle erprobte Handelsleute,
um hier frei von dem heimischen furchtbaren Drucke ihre
Kräfte zur wirthschaftlichen Förderung dem Lande zu leihen,
welches ohne Hinderniss sie empfing und barg, ein Ersatz der
weltgeschichtlichen Gerechtigkeit für die Verfolgungen, wel-
che Deutsche einst fast grundlos über die Träger ihrer Han-
delsstärke ergehen Hessen.
Aus der politischen Umformung der Nachbarreiche, aus
der Zwietracht in den heimischen Handelsbünden , endlich aus
der Oeffnung ausgedehnterer Handelswege über den Ocean
durch Spanier und Portugiesen erstand in ungeahnter Stärke
ein neuer, grösserer Waarenverkehr ; fast schon ein Welthan-
del deutscher Kaufleute. Hanseatische Städte knüpfen Ver-
bindungen direkt mit den südeuropäisclien Ländern an, han-
seatische Kiele erstreben die westindischen Häfen, die zukunft-
reichen Gestade der neuen Welt. Solche plötzliche Umwäl-
zungen im Gebiete des sonst mit stetiger Ruhe vorschreitenden
Verkehres rissen im Augenblicke die Schranken nieder, welche
so enge den kaum suchenden 131ick gehemmt hatten.
filS VIIT. ;]. Vcmnsl. Parlolm. li. üingestaltuni;- d. Voikolirs.
Nun ontftütete der freigewordene Geist der Erkenntnis»
seine Schwingen. Was Wunder, dass da vor dem Beispiele
des ICaiserreclites , vor den Forderungen des 1^'otestaiitismus
und der von ihm nicht gering gezeitigten Wissenschaft zumal
in wirth schaftlichen Dingen die praktisch grundlosen Hemm-
nisse des Kapitalverkehres, welche der römisch-katholische
Glauhenssatz ihm auferlegt, nicht hestehen konnten. Was
bedurfte es noch anderer Wege zur nutzbaren Anlegung des
Kapitales , was der betrügerischen Umgehungen ?
Zunächst , entsprechend der Art und dem Bedürfnisse der
Kapitalsuchenden , fordert man Zinsen auf kürzere Zeit, als ein
Jahr. So sagt Sa Irinas ius: ^) „quin etiam olini semper pa-
cisci majores mos fuit usuras, cum adhreve tempus petc-
retur menstruum, ut piito, vel trimestre, quam cum ad atimim
integrum desideraretur. Quod etiam nunc multis in locis
ohtinet." 2) Hier gerade wies sich der Weg , wie der Gebrauch
des zinsbaren Darlehus sich in die unteren zahlreichsten Schichten
der Gesellschaft einnistete. Deshalb eben erschien oben der
Einfluss der Darlehen Seitens der Wechsler (V. 5. d.) so über-
aus gross für die Umformung der deutschen Zinsverhältuisse.
Darum häufen sich über den allverbreiteten und täglich wach-
senden Wucher die Klagen der Gesetzgeber weltlichen und
geistlichen Standes, und bezeichnend ruft em Geistlicher in
der Synode von Constanz 1609: Schon nicht mehr als
Sünde erscheint ihnen der Wucher!^)
1) d.mutuo. 1640. 1. c. 2) Lüneburger Stadtr. 1582 (Pufen-
dorf, obs. IV. app. n. 21.) ti.XI. p.672. — Wächter, Handbuch, I. I.e.
3) cf. conc. Germ. ed. Schannat. u. A. 1. c. vol. VUI. p. 906. ti.
XVni. u. Xni. : „ Qund jam prope omnem vitü naturam apud plerosqiie
exuit." — Als ganz naturgemäss und nie verboten wendet man in derzei-
tigen Schuklurkunden das zinsbare Darlehn an. Das bezeugt eine endlose
Reihe von Verträgen der Parteien im 16. Jahrbundert , wie sie jedes
Archiv aufweist, cf. auch Urk. v. 1,566 in dem Göt tinger Cod. des Freib.
St. R. , wo in dem Formular einer Schuldverschreibung bereits 5 % Zin-
sen neben den andern nothwendigen Bcstandtheilen solches Vertrages
nach römischem und deutschem Rechte aufgeführt werden. Ferner soll
danach der Gläubiger die Macht haben, beim Zahlungsverzuge ,,ane allen
vorhergehenden gerichtlichen Proces" nicht allein die Hauptsumme,
VIII. ;>. Verzinsl.Dark'lin. c. Ziiisli. Diulolm .1. woltl. Fürsten. 519
Der alte Begriff des Wuchers will sich neigen, mit allem
Zorne und aller Strafe vermag die Kirche ihn nicht aufrecht
zu erhalten. Man sieht, überall forderten und zahlten sie Zin-
sen, ohne die Gegner anzuhören, als wäre es anders nie gewe-
sen , als verlangte die Natur des Verkehres das unweigerlich.
Schon l)ildot sich — höchst gefahrdrohend - im Bewusstsein
des Volkes, wie im Geiste der Gebildeten ein neuer Begriff des
Wuchers ; Wucher ist nur d a s U e b e r m a a s s d e r Z i n -
sen über die im Verkehre durchweg anerkannte
gewohnheitsrechtliche Zinshöhe. ^)
c. Das zinsbare Darlehn, von den weltlichen Fürsten
angewandt.
Wie ohnmächtig die Gesetze, welche nicht das Volk, ja
nidit die Gesetzgeber selbst vom Zmsfordern und -Zahlen
zurückhalten können ! Je blühender der Verkehr, desto grösser
wird die Zahl der Umgeliungen des Zinsverbotes, je eifriger
die Wuclierspürcr daran gelien , desto schlauer , desto undurch-
dringlicher hüllen diese Künste sich ein.
Nicht bloss von den Juden und Wechslern nehmen die
Gesetzgeber selbst verzinsliche Darlehen auf, sondern gar von
iliren privaten Bürgern. Wegen der Gefähr der Rückzahlung,
welche der Gläubiger bei ihnen litt, zahlen sie desto höhere
Zinsen. 2) Ja, noch mehr, durch den Gewinn der Darleiher
sondern auch allen Schaden , Zinsc und Interesse zu erheben. Die Schuld-
ner verzichten auf alle Rechtswohlthaten und Einreden, der Mann auf
die exceptio non numerat. pecun. , seine consentirende Frau unter Zustim-
mung ihres Beistandes auf das S. C. Vellejanum. (Mitth.v. H. Pr. Stobb e.)
1) cf. Luther, die Sermone vom Wucher, I.e. VII. 2.b. und im libro
de usuris ad parochos tom. 7 (Jena) fol. 405 : „ tisura quincmix non pofisit
adeo wolesta esse debitoi'i , maxime si pupilli viduae , et miserabiles sint
pier^onae , quae aliunde victum nulhun habeant.." Carpzov, 1. c. II.
qu. 1)2 : „. . .mud ie n m a c i n j u r e per m i s s u m fo e n u s." 2) cf .
Jacobi, cod. epist. Johannis. Reg. Boh. n. 16 (14. Jahrb.) „ Exccllenciatn
vestram perquirimus , — ut nohis de XX. sexagenis capitalis jyecunie
super qiias usure totidem excreverunt , juxta promissa vestre fidei satis-
facere studeatis." — Tzschopi)e u. Stenzel, 1. c. Einl. u. v. A. Hüll-
mann, Städtewesen, 1. c. III. ]>. n4ff. Hugo, civilist. Magazin U. n. VI.
p. 172. Raum er in der Geschichte der Iluhenstaufen führt eine grosse
520 VIIT. r>. Vovziusl.Parlolin. d. Zinsb. Darlchpncl. Geistl.. d. Pabstes.
bewogen rissen die Fürsten selbst das Vorroclit an sich , gleich
Juden und Wechslern Gelder auf Zinsen zu leihen. So erstreckt
sich selbst auf sie der Ausspruch lloths. ^) dass die Christen,
durch den Gewinn der Juden bewogen, selbst zu wuchern
begannen (cf. ob. V. 5. b. u. d., und besonders VIILf.)
d. Zinsbare Pariehen der Geistlichen, des Pabstes.
Und sind sie nicht zu entschuldigen, wenn sogar die
Ol eriker so das Gesetz ihrer Kirche, die Anforderungen ihrer
Stellung vergassen und verletzten , dass sie zinsbare Darlehen
als Schuldner, ja ebenfalls durch Geldgier getrieben als Gläu-
biger abschlössen?-) Der Graf von Solms bekennt u. a. dem
Erzbischof von Trier (1331) 100 mrk. Pf. schuldig zu sein,
zahlbar nach vier Jahren, wofür er ihm Einkünfte verpfändet;
..furbaz me irkenne ich, daz ich sol gebin und geldin alle Jar
zein Marc Goldis für das furgenante Guet mim Herrn fon
Triere oder sime Stifte und gelobm daz in gudin druin , daz
Zahl von Beispielen für Friedrich 11., Manfred , Conrad IV. an. Der Graf
von Flandern lieh , um sich aus der französischen Gefangenschaft loszu-
kaufen , 26186 Pfund als Darlehn, wofür er den Gläubigern 31090 Pfund
zurückzuzalüen in dem Schuldscheine versprach. Falls er die Zahlung
nicht leistete , fielen alle Güter seiner Kaufleute in Flandern und Holland
den Gläubigem zu. Als der englische König Heinrich III. Sizilien »einem
Sohne von dem römischen Hofe erwarb , schuldete er dem Pabste 500040
Pfund Sterling. Bankiers aus Florenz und Siena streckten diese Sum-
men vor, sie erhielten als Pfand dafür die kirchlichen Zehnten in Eng-
land , XX. A. üeber Zinsen verlautet Nichts. Als aber der König den
ersten Zahlungstermin nicht innehielt , verpflichtete er sich , bis zur Ab-
zahlung einen Kaufmann nebst Pferd tind Diener auszurüsten und auf
allen Reisen desselben zwischen den einzelnen Handelsplätzen zu unter-
halten , ausserdem entrichtete er für alle Schäden , Kosten und sonstige
Abgaben , welche sein Zahlungsverzug hervorgerufen hatte , 10 Prozent.
Hierher gehören nicht minder die bei-eits wiederholt zitirten grossen Dar-
lehen , welche König Sigismund von Polen von den Stolper Gebrüder
Loitzen und andern seiner Bürger zu meist 8 "'o > zahlbar in Geld oder
Waldwaaren aufnahm.
1) In d. Gesch. d. Nürnberger Handels, IV. p. 286. 2) Hoefer,
Deutsche Urkunden H. n. 143 (1331.)
Vin. 3. Verzinsl. T">iirlolm. .1. Ziiisb. 'DaiU-hen d. Oeistl.. .1. Pabstes. 521
ich stede feste sal haldin alle dise Dinc." ^) Klempiu ^) zitirt
eine Quittung des Gläubigers über ein vom Bischof von
Kamin genommenes zinsbares Darlehn von 8 fl. (1493):
,,recci)isse me ... VIII fJorenos, in qiiibus mihi (creditor)
occasione amicdbüis mutui in Romana curia sihi facti tene-
hatnr oNigafus. de quiJms ipsnm dominum ... et Inter-
esse liinc putantes quito.""
Nicht ohne Grund hatten die alten Gesetze und die Conzilien
gegen iliren Wuchertrieb geeifert und Warnung auf Warnung
ertheilt!^) Zu nahe kamen sie durch ihre vielfach damals in
die alltäglichen Verkehrsverhältnisse eingreifende Thätigkeit
mit dem Fortschritte derselben in Berührung , um nicht ihre
AVirkung zu verspüren. Emzelne Geistliche und Stiftungen,
Klöster -gaben ihre reichen disponibeln Geldmittel nicht ganz
auf Grundstücke zur sicheren Anlage; an Juden und Wechsler
liehen sie sie zur Theilnahme am Zinsgewinne, zu gefahrvollen
Unternehmungen reichten sie dieselben, da der Vortheil bei
glücklicher Zuendeführung auch bedeutend sich wies. ^) Die
1) Hoefer. 1. c. — Watteubach, cod. dipl. Sil. I. n. 107 (1425.)
Ein Bauer schuldet einem Kloster 10 mrk. , dafür verschreibt er ihm sein
Grundstück und verspricht, jährlich in den nächsten 4 Jahren ' 2 nirk.
zu Zinsen. Bei Zahlungssäumniss steht den Clerikern das Pfändungsrecht
zu, ausserdem erhalten sie während der Verzugszeit jährlich 1 mrk. Ver-
zugszinsen. In 4 Jahren soll der Schuldner die 10 mrk. zurückzahlen.
— Und umgekehrt verkauft 1234 das Kloster Hirsau bei Basel etliche
seiner Güter, „ut eos et ecclesiam ipsorum a gravissimis usuris
Romanorum liherarent ." (Arnold, Gesch. des städt. Eigenth. p.311.)
2) Diplomat. Beitr. z. Gesch. Pommerns. 1493. (p. 95.) 3) Ausser
den vielen obigen Citaten hierfür (Einl. I. 1. 3. U. 2. III. 1. b. 2. a. b.
V. 5. d. f. u. a.) mag noch erwähnt werden Stalin, Würtemberg. Gesch.
I. p. 401. n. 11. Erzbischof Hatto von Basel und Keichenau (stirbt 836)
ermahnt: „ Ut ipn sacerdotes rerho et exem^ilo omnibiis pracdicent,
ut nullas usuroft accipiant , nee sescupla , nee speciem pro specie. Quia
valde infidelis et rebellis Dei jussionihus est, qui hoc agit : qnod omnibus
Christianis aeque dictum dinoscitur." d'Achery, Spir. I. 1723. p. 585.-
(v. H. Pr. Stobbe.) 4) cf. den Danz. Fall der Sozietät. (VI. 2.) 14.38.
Bornbach, Rezesse III. fl. 621. (Danz. Arch.) dann V. 5. d. u. e. Sal-
masius, de usuris a.v. A. Bamberger Synode v.'1491 (conc. Germ. I.e.
vol. V. fl. 523): „excommimieaios denuncient rectores eccle siarum
'y22 Vin. ;>. Vor/iiisl. Dnrlolni. d, Ziiisb. Darlelm d. Gci.stl., d. Tabstes.
Voru/zi uiul Bardi, Bankhäuser in Italien, hatten bei ihrem
Bankrutt nicht weniger, als 550,000 fl. derartiger Einlage-
kapitalien der Geistlichkeit — und das in Italien ! in ihren
Büchern verzeichnet. ^) Und unterschieden die montcs pidatis
in ilirem nothgezwungenen letzten Ausbildungsstadium sich
"wesentlich hiervon (cf. besonders V. 5. e.)?
Oder die Geistlichen nöthigten durch Missbrauch der in
ihre Hand gelegten Gewalt Juden und Wechsler , ihnen Etwas
des Wucliergewinnes abzugeben als Strafe oder Tribut, oder
sie begannen selbst gar wucherliche Geschäfte zu treiben. Pri-
vatleuten, Städten, Staaten gaben sie Darlehen, und zwar
wegen der Gefahr der Geistlichkeit hierbei zu hohen Zmsen,
So sagt schon der S c h w a b e n s p i e g e 1 (Wackernagel c. 1 4 1 ) :
„und ist er ain Pfafe (unter den öffentlichen Wucherern),
sin meisterschaft sol ez vber in richten..."-) Die Tri den-
tiner Synode von 1593^) aber ruft aus: „praeter ea in-
numerahilihns locis clericorum foenus comme-
moratiir." ^)
Nichts galten ihnen die canones, ausser, dass sie den
Schuldner überredeten , auf deren Vortheile für ihn zu verzich-
ten. Und so verglich man die Geistlichen unter andern Eigen-
schaften ihrer Stellung vornehmlich auch wegen ihres Wuchers
mit dem Adel, den Wechslern und Juden. ^) Das Stadt recht
von Mühlhausen ^) sagt hierüber:
omnes Cliristianos , qui aj) u d J u cl a e o s p ecun i a m suam locant,
ut a Judaeis usuram reci2iiant vel ut Judaei enndem
mutuent ad usuram."
1) cf. die Statuten in Piacenza 1391, Bergamo 1457, Genua 1589.
Martens, Gesch. d. U. d. Wechs. §. 7. u. A. 2) Culmer Recht V. a.
65. §. 6. Darauf zielt auch die Breslauer Synode von 1266 cp. 10 u. die
syn. Budensis 1279. cp. 37. Hube, constitt. synod. p. 68ff. Rechts-
buch Ruprechts v. Freysing. 11. cp. 74. Altes Cölner Stadtr.
(14. Jahrh.) 1. c. a. 46. p. 69. Hüllmann, 1. c. IT. p. 240 ff. III. p, 99ff.
Luther, kleiner Sermon vom Wucher. 1519. p. 125 ff. 3) conc. Germ.
Mll. fl. 439. 4) Salmasius a. v. 0. von Meiern, sechster Zins-
thaler 1. c. §. IX. 5) cf. Bamberger Stadtr. §. 31. 33. 34. Zöpfl:
„ in diesem wie in andern Stadtrechten werden Geistliche und Juden
rechtlich auf dieselbe Stufe gestellt." 6) Stephan, neue Stoffliefe-
rungen. 1846. p. 57 (1302),
Vnr. 3. Yorzinsl. Parlolin. d. Zinsl.. Dinlrlin d. CJoistl., d. Pabstes. 523
„Wanne die buvge wis sint worden vnn gomaclit daz sy
vnn die stat gemeynliche groszen schaden int-
phangen von gute phaphen. rittere vnn Juden."
Den Wucher der Geistliclien liätten Bischöfe und Erzhischöfe
durch strenge Handhabung der von Päbsten und Con/.ilien
zudiktirtcn Strafen unterdrücken können. Sie selbst al)er
ermangelten oft des Geldes, und ohne Zinsen erhielten sie kei-
nes geborgt.
Nicht anders war die Lage derPäbste. Sie gestatteten
nicht allein Andern ausnahmsweise Zinsen vom Darlehn zu
zahlen . sondern empfingen selbst von Privatleuten oder Bank-
häusern in Italien, durch Noth gedrängt, zu hohen Zinsen
Darlelm , da ihre eigenen Verfügungen die Unsicherheit , die
Gefahr ihrer Darlehnsgläubiger mehrten. Die Zinsen wurden
hier meistens sogleich von der Darlehnssumme abgezogen . so
dass die Päbste einen viel geringeren Betrag wirklich erhiel-
ten, als sie auf den Schuldurkunden empfangen zu haben und
zu verschulden erklärten. So litten sie selbst unter dem natur-
widrigen Drucke ihrer Zinsgesetze. ^) Pabst HonoriusTTT.
bestätigte einen Vertrag , in welchem ein Bischof Sienensischen
Bankiers versprochen hatte, dass im Falle des Zahlungsver-
zuges bei Erstattung von Kapital und Zinsen er die Strafe der
Exkommunikation erdulden wolle. Innocenz III. billigte, die
öffentlichen Abgaben in Sizilien zu verpfänden und von Kauf-
leuten zinsbare Darlehen aufzunehmen. Pabst Clemens IV.
nahm , als er der Stadt Siena die Exkommunikation auferlegte,
diejenigen Kaufleute und Wechsler , welche kurz zuvor ihm
und Karl von Anjou zinsbare Darlehen gegeben hatten , von
jener Strafe aus. Er selbst beklagte sich bitter darüber, dass
die Darlehnsgläubiger von unersättlicher Geldgier getrieben,
so hohe Zinsen von den Kapitalssummen vornweg abzögen.
Einst bekannte er in dem Schuldscheine 100,000 Pf. empfan-
gen zu haben, hi Wahrheit w^aren bereits 50 Prozent davon
1) cf. J. F. Kobc, de pccun. nnituat. Göttiiig.l7r)l. §. ,S0 : „quo fre-
quentiora in superiorihua s((ecuJis priiesertiin inde a XIII nsque <ul tem-
X>us pacis profanae in diplomatihnx excmpln occurrunt aeris (ilicni ab
cpiscopiss eornndernque ccdesiis contrucii " Iianinor . 1. c.
524 TTTT. H. Yovzinsl. "Darlohn. e. Zinsbare ■Darlolien im Verkehre.
abgeiiomnieii. Welche scholastischen Entschuldigungen und
Yerdeckungen man bei den päbstlichen Anleihen anzAiwenden
liebte , ist oben V. 5. e. (am Ende) bereits in .Verbindung mit
den montes pietatis , und VI. 2. im Zusammenhange mit dem
Gesellschaftsvertrage berührt.
Bei der zum 1 6. Jahrhundert hin immer enger geknüpften
Handelsverbindung zwischen Deutschland und Italien, zuvor
auch durch die Bankhäuser der Niederlande , konnten derglei-
chen Vorgänge in Deutschland nicht unbekannt bleiben. Wie
mussten sie dem Kapitalbedürftigen die Augen öffnen über die
Sündhaftigkeit und verbrecherische Natur der Zmsen ! Immer
mehr ward in diesem Punkte das Ansehn der kanonistischen
Zinsgesetze untergraben, wurde der Schrecken vor den Wucher-
strafen abgeschwächt. ^) Man misstraute den kirchlichen Be-
stimmungen , man liess mildere Kücksichten in der Zinsfrage
walten. ^) (Vergl. besonders V. 5. d. u. f.)
e. Zinsbare Darlehen im Verkehre seit dem 1.5. Jahrhundert.
Deshalb häufen sich allgemach die Fälle der zinsbaren
Darlehen so gewaltig, dass man ersieht, allgemein ward das
Bedürfniss dieses Rechtsgeschäftes gefühlt und kein Mensch
fragte mehr nach dem kanonistischen Verbote. Wie selbstver-
ständlich werdeji die Zins vermerke dem Contrakte hinzugefügt.^)
Besonders bezeichnend ist hiefür das bereits oben VIII. 3. b.
angeführte Formular einer Schuldverschreibung von 1556,
in welcher die Verzinsung der Schuldsumme zu 5 % ^Is jedes-
1) cf. Salmasius a. v. 0. Carpzov, 1. c. obs. III. 2) cf. Came-
ralschreiben v. Marquard, Bischof zu Speyer, einem Kammerrichter.
Cothmann, consil. 11. 52. n. 88. v. Meiern, sechster Zinsthaler , I.e.
§. 32. „und ob nun wol solcher Eeichsabschied in dem Verstände den
geistlichen Eechten etwas zu wider sein möchte. . " (1580) . so geschehe
in Deutschland diese Nichtachtung jener Gesetze nicht eben selten. Eau-
mer, Hohen stauten , 1. c. : ,, Sofern man aber diesen Bann oft nur im All-
gemeinen ohne namentliche Anklage oder Beweis aussprach , bekümmer-
ten sich die Meisten fast gar nicht darum." 3) Danz. Schöppenb.
von 1.556. fl. .58-. 68^., ib. v. 1557 fl. 158, 337^ 476-. 482; ib. 1567 fl. 4,
5, 42 ; ib. 1568 fl. 23T-.
YIII. 3. Yerzinsl. Darlohn. e. Zinsbare Darlehen im Verkehre. 525
mal erforderlich und selbstverständlich vorausgesetzt wird.
So heisst esaiich im Danziger Schöppeiibuche vonl575fl.31.
„was'nu die resteude Summa betrifft der XVcmrk., die-
selben Summa haben obgemelte vormündere deme hannz
Berenth zugesagett auff eine handtschriffth zu lassen ein
Jhar langk nemlich vomie Ostern (1573) bis Ostern (1574)
sol er denzinsz zahlen vor ein Jhar sieben pro-
c e n 1 0 das ist hunderth vnd fünft margk , so ferne aber ged.
hannscz Berenth das geldt den hauptstuell der XV c mrk.
wollte lenger habenn Sieben pro cento , so soll er gedachte
haupttsumma nicht lenger auff eine handttschrifth brauchen,
sohdern bey Sein erbe , so er in der langen gassen besitzet,
in eines Erb - Ratts erbe buche verschreibenn lassen. . . "
und im Schöppenbuche von 1578. fol. 152.
„welche IcXX mrk. der Stieffvater angelobett auff konfftigk
Martini .. bar zu erlegen, behelt ers noch lenger, soll vnd
will er dasselbe alsdan vonn gedachter zeitt an dem vn-
mündigen verzinsen nach lauft der Stadt will-
küer. ."
In einer der oben zitirten Darlehnsurkunden König Sigismunds
von Polen über die sehr grossen Darlehen der Gebrüder Loitzen
an ihn wird ausdrücklich betont, dass natürlich (nimirum)
8% von der Summe zuzahlen seien. ^) Im Dan z. Schop-
pen buch von 1578. fl. 281 lautet es daher sogar für den Fall
des Interusuril :
,,vnnd so ich das geltt (100 r. Darlehn) wiedergeben werde,
eher das Jhar vmb were, soll der zinsz gerechnett
werden nach aduenant der zeitt."
Die Höhe des Zinsfusses , welche man zum Theile aus den obi-
gen Tabellen des Rentenfusses (V. 3. b. c.) , insbesondere seit
der Annäherung des Rentenkaufes an das Darlehn entnehmen
kann (ib. V. 3. d.), und welche mit Rücksicht auf alle auch
heute dieselbe bestimmenden Momente bedeutender als heute
schwankt, stellt sich durchschnittlich seit dem Ende des
15. Jahrhunderts in Nord- und Ost-Deutschland
\) d. darüber oben S. 174.
ö'JG Ylll. ."). Vevzinsl. Dailolm. o. Zinsbare Darlelion im Vorkehre.
auf 8— 6 Prozent, in den übrigen T heilen auf
G — 4 Prozent. Das lehren ausser den obigen Urkunden aus-
drücklich die mit jenen übereinstimmenden Partikulargesetze
aus den eijizelnen Theilen Deutschlands, dann die lieichs-
gesetze (ix! 2.) ')
Erwägt man , dass zu dieser Menge der eigentlichen Dar-
lehnsscheine mit Zinsvermerken noch die Zahl der Schuldur-
kunden , aus den oben erörterten allmählich ganz dem zins-
baren Darlehen angenäherten Kechtsgeschäften kommen, beson-
ders aus dem Interesse und dem Keutenkaufe , dann die gewaltige
Menge der von Juden und Wechslern , von den privaten und
öifentlichen , weltlichen und kirchlichen Darlehnsbanken u.s.w.
abgeschlossenen zinsbaren Darlehen , so erhält man ein Bild
1) cf. auch Luther, Hüllmann, 1. c. Salmasius, d. modo
usurar. 1639. cp. 2. p. 53. Eichhorn, D. R. G. §. 377 u. 572. Gerber,
D. P. E. §. 187. In England verbot Eduard d. Bekenner zuerst die
Zinsen (cf. ob. V. 1.), dann ebenso Eduard III. Im J. 1391 bekannte das
Unterhaus sich zu ihnen gegen den „schändlichen Wucher," noch 1488
belegte man den Wucher mit einer Geldstrafe von 20 fl., Pranger und halb-
jährigem Gefängnisse (Anderson orij^in of commerce, a. 1045. 1341.
1391. 1488.) Der Zinsfuss war hier allgemein unter Heinrich VIII: 10 7o
(37 Henry VIII. c. 9.) , Eduard VI. verbot wieder alle Zinsen (5. G. Ed. VI.
c. 20), dadurch stieg der Zinsfuss bis auf 14"/o. 1571 nahm man das Ver-
bot zurück. — In Frankreich herrschte unter Philipp dem Schön#i
1311 der Zinsfuss von 20 7o, für die Champagner Messen 15% (Ordon-
nances de France I. p. 484. 494. 508. Beaumanoir, coütumes c. 67 des
usures n. 2) 1406 herrscht in Marseille der Zinsfuss von 10 % (Anderson,
origin. 1. c.a. 1406), bis zum 17. Jahrhundert fäUt derselbe dann anch hier
zu 5 7o , nur etwas langsamer , als in Deutschland (cf. ob. V. 3. c.) , 1634
spricht das Parlament sich gegen eine Zinsemiedrigung aus (F o r b o n -
nais, recherches et considerations I. p. 226.) Ludwig XIV. erklärte
schliesslich nach dem Vorgange des Verkehres 5% Zinsen 1665 als
gesetzlich. — In Dänemark bestiimnte man trotz Melanchthons Gut-
achten (cf. oben Vn. 2. b.) 1554 als gesetzlichen Zinsfuss 5 7.. ; denn es
sei nicht abzuschaffen , obgleich gegen Gottes Gesetz (Homey er , Däni-
sche R. G. von Kolderup-Eosenvingc. §. 142.). - In Holland war 1640
der gesetzliche Zinsfuss 5 ",'„ , 1655 4 "/„ , doch behinderte das den Verkehr
nicht (J. Child, discourse of trade p. 151. Locke, considerations on the
lowering of interest (H. p. 34.) — Röscher, N. 0. I. p. 334. 336. 340.
349 ff. 353. 356.
YIII. 3. Verzinsl. Dailohn. f. Anleihen der Städte u. Staaten. 527
von der unzähligen Fülle der im Verkehre vereinharten Zinsen
beim Darlehen, von der thatsächlichen Vereitelung, der voll-
ständigen Beseitigung aller kanonistiscben Zinshemmnisse.
f. Die Anleihen der Städte und Staaten.
Wie steigerten sich erst diese Verhältnisse , als die k 1 e i -
nereu und grossen Geraeinwesen nicht mehr mit ihren
bisherigen Einnahmen die erweiterten Bedürfnisse decken
konnten und zu Anleihen grift'en! So die Städte. Beiden
einen die städtischen Bauten , bei andern die Fehden und Kriege
mit Kriegskosten und Tributgeldern , bei andern die Steuern
an andere Fürsten oder an den Kaiser, so die Bussgelder der
Städte , die sich gegen Heinrich IV. aufgelehnt hatten , ver-
langten grössere Einnahmequellen der städtischen Kasse , als
die bisherigen. Wo nutzbare Regale dem städtischen Säckel
solche Zuschüsse beträchtlich gewährten , waren dieselben meist
bereits für bestimmte Zwecke ausersehen. Es ward erforder-
lich, durch städtische Consum - Steuern („Ungelt") alle
Bürger zur Bestreitung der neuen Ausgaben heranzuziehen,
zunächst nur bei speziell auftauchenden Gelegenheiten, bald
seit dem 13. Jahrhundert regelmässig.
Schliesslich wuchsen die Ausgaben aber auch diesen VAn-
nahmen über den Kopf, besonders kostspielige , dringende Ver-
anlassungen verlangten schnell die Aufbringung grosser dispo-
nibler Geldmittel, die Städte mussten Schulden machen,
wie der Privatmann. So nahmen sie Darlehen gegen
Zinsen auf. Man drückte das lediglich formell aus, eine
Rente auf die Stadt, auf die städtischen öffentlichen Gebäude
legen (V. 3. b. d.) und von ihnen zahlen. Nicht um die in den
Stadtrechnungen doch ganz offen aufgeführten hohen Zinssätze
mit dem weiten und gebräuchlichen Mantel des Rentenkaufes
(IX. 2.) zu verhüllen, gebrauchte man jene Bezeichnung, son-
dern in diesen Fällen war die Bezeichnung lediglich ein ande-
rer, gewöhnlicher Ausdruck für die Zinsen selbst. Freilich
liegt darin innner ein Hinweis auf die gefühlte Verwandtschaft
zwischen dem entwickelten Rentenkaufe und dem zinsbaren
Darlehn. Aus den Zinsen erwuchs ein neuer Ausgabestrang,
528 VIII. 3. Verzinsl. Darlolm. f. Aiileilien der Städte u. Staaten.
der schliesslicli neue Anleihen verlangte. Das ist die Geburt
der heutigen öftentlichen Finanzwirthschaft.
Arnold *) führt enie Reihe solcher Fälle auf, in Avelcheu
die Rheinischen Städte speziell durch uuA^orhergesehene oder
besonders grosse Ausgaben zu Anleihen gezwungen wurden.
Um 1250 beginnt das Aufnehmen dieser zinsbaren Anleihen,
im Interregnum hört man bereits Klagen über deren schnelles
Waehsthuni. Anfangs liehen reiche Bürger; dann musste mau
sich durch Verpfändung städtischer Einkünfte auch von Aus-
wärtigen Kapitalien verschaffen, zuletzt veräusserte man
städtische Grundstücke.
Oben beim Reuteukaufe (V. 3. d.) wurde ausgeführt, wie
Danzig wegen der die städtischen Einkünfte erschöpfenden
Kosten des dreizehnjährigen Krieges 1454 — 66 von den eige-
nen Bürgern und Fremden eine grosse Menge Darlehn aufnahm.
Schliesslich konnten dieselben nicht abgezahlt, ja nicht ein-
mal die Zinsen den ungeduldigen Gläubigern entrichtet werden.
Steuern legte hier der Rath den Bürgern deshalb nicht auf.
aber er that einen Gewältstreich , indem er die auf Handschrif-
ten mid zu schneller Rückzahlung geliehenen Kapitalien in
Rentengelder (auch Leibrenten, wegen der fiiiheren Endigung
der Rentenschuld um so erwünschter , V, 3. d.. V. 5. d) ver-
wandelte, städtische Grundstücke mit Renten belastete, die
Abzahlung der Kapitalien dagegen hmausschob und in seiner
Hand behielt. Als diese für den folgenden Credit so gefähr-
liche Operation, ein Vorbild neuerer Finanzhilfsmittel, nicht
zur Erlösung der Stadt aus der gefährlichen Calamität genügte,
vielmehr die weiteren Gläubiger wegen ihrer Forderungen in
Unruhe versetzte und sie bewog, auf schleunige Realisü'ung
der letzteren nunmehr um so eifriger zu dringen , forderte Dan-
zig seine Bürger auf, die ihnen gehörenden Forderungen der
Stadt als Geschenk zu übermacheu , vornehmlich aber die For-
derungen jener auswärtigen Gläubiger anzukaufen und diese
in Renten umwandebi zu lassen oder sie der Stadt ebenfalls
zu schenken.
1) Gesch. der Verfass. der deutschen Freistaaten U. p. 257 — 59,
272 — 74.
Vm. 3. Vorzinsl. Davleliii. f. Anleihen der Städte u. Staaten. 529
In W 0 r m s stellte man statt dieser Operationen schliess-
lich Anweisungen auf die Steuern der Bürger selbst als Zah-
lung für die Gläul)iger aus und dies in solcher Zahl, dass schon
1298 der achte Theil des Ungelts verpfändet war, zum Theil
an reiche Bürger derselben Stadt. Der Zinsfuss der Anleilien
in den Städten war deshalb höher , als derjenige sonstiger Dar-
lehen, so in Worms 6 — 10 7o noch im 14. Jahrhundert, weil
die Sicherlieit der Rückzahlung des Kapitales nach Verpfän-
dung und Verkauf der städtischen Renten nur noch in dem An-
sehen der Stadt selbst wurzelte. Bei der Ueberschuldung der
Stadtkasse aber, der begrenzten Ausdehnung des üngelts, bei
dem Missbrauche städtischer Gewalt zu den eben berührten
finanziellen Gewaltstreichen war jenes Ansehn des Gemein-
wesens ein geringer Halt.
Basel lieh 13G6: 2885 Pfimd zu 9 — 10%; 1384: 1000
Gulden um 100 Gulden jährlichen Zins; 1500 Gulden um 100
Gulden; 100 Gulden um 8 Gulden; 1387: 3900 Gulden um
315 Gulden. Die stehende Schuld der Stadt wuchs bis ins
15. Jahrhundert hinein, die Zinsen überstiegen bald die vor-
dem bedeutendsten städtischen Ausgaben. Sie betrugen in
Basel 1363: 42 Pfund, 1365: 77 Pf., 1366: 178 Pf , 1368:
405 Pf , 1374: 1048 Pf, 1377: 2013 Pf, 1381: 3099 Pf ,
1392: über 6000 Pf, 1400: über 8000 Pf, 1426: 12300 Pf,
1427: 12800 Pf, 1428: 13000 Pf , 1429: 13400 Pf , 1430:
14200 Pf Hier musste der Rath zu ihrer Aufbringung neue
Anleihen machen. Seitdem verringerten sie sich etwas. 1449
betrugen sie: 9909 Pf , 1451: 11714 Pf, 1458: 9370 Pf ,
1464: 9677 Pf, 1487: 9850, 1490: 10114 Pf ')
In Nürnberg konnte man sich seit 1360 und 1370 bei
der wachsenden Schulden- und Zinsenlast nur dadurch helfen,
dass man ausser der Consumsteuer (üngelt) noch eme Ein-
kommensteuer (L 0 s u n g) von Kapitalzinsen und sonstigem
p]inkommen den Bürgern auflegte, ^) und dies zu IG^/j, % (^'^n
1) Ochs, Gesch. v. Basel. U. 433 — 37, UI. 204 ff. V. 108 ff. 2) Je
mehr man die städtischen Eechnungsbücher jener Zeit aufdecken wird,
desto übereinstimmender wird sicli dieses Resultat herausstellen. Für
Neumann, Gesch. d. Wuchers. 34
530 VTTT. 3. Vovziiisl. "Davlolni. f. Anleihen der Städte n. Staaten.
GGuld. 1 G.) in 3 Jaliven, dagegen bei Leibgedinge nur 8V3 %•
Der gewöhnliche Zinsfuss der städtischen Anleihen betrug hier
Breslau walten dieselben Verhältnisse ob. cf. Cod. dipl. Sil. III. Grün-
hagen: p. 1. u. 2; 4 n. 3; 46. n. 4; 114. n. 1; 116. n. 10. Exactiones,
direkte Steuern werden hier 1299 , sehr bald regelmässig wiederkehrend,
je nach dem jedesmaligen Bedürfnisse verschieden hoch gefordert. Durch-
schnittlich betragen diese pro Jahr 400 mrk. , so noch unter Kaiser
Karl lA''. 1321 heisst es : ,.Perccpenmt (coss.) de una coUecta dupUcata
X)Osiia ante festum pasce et de duabus eoUeetis simplicibus cum juramento
quingentas marcas et 80 marc. et 7 niarc. et 7 scot." Hier liegt eine neue
direkte Steuererhebung vor , wo Jeder unter eidlicher Versicherung sein
Vermögen zu schätzen verpflichtet war. Doch schon 1323 musste der
Herzog verordnen , dass falsche eidliche Angaben dieser Art mit dem
Banue zu bestrafen seien (cf. die Beläge aus dem Copirbuche fl. 83 , Klose
1.620, Sommersberg I. 336. Bei Grünhagen I.e.) Instruktionen bei
Deklarationen zum Behufe des Eidgeschosses cf. bei Klose 1. c. (Stenzel,
Ss. in. 193.) 1520 wurde das Eidgeschoss durch Kathsbeschluss abge-
schafft (ib. p. 269.) — Dann ib. in der racio dominorum coss. de a. 1386 :
^,j)Timo de exaccione duplici infra mediam marcam inferius recepta post
Letare et festum Pasce." Hier liegen 2 Steuererhebungen vor , die erste
begreift alle die in sich , welche weniger als V2 i^i'k- zu steuern haben,
die zweite diejenigen , welche V2 nirk. oder mehr zahlen. Die erstere wird
als die schwerer beizutreibeude in den einzelnen Vierteln besonders ein-
gezogen, die zweite dagegen direkt denConsuln übergeben. Beide Steuer-
klassen müssen eine gleich hohe Summe durchschnittlich einbringen.
Grünhagen, 1. c. p. 114. n. 1. — Ausser diesen direkten frühe schon
regelmässig wiederkehrenden, nur möglicherweise verschieden hohen
Steuern sind dann noch die unregelmässig auferlegten zu zahlen gewesen,
deren Charakter schon ihr Name bede oder precaria , petitio kennzeichnet.
Dieselben betragen in Breslau 1386 allein 600 m. (cf. Grünhagen, 1. c.
p. 116. u. N. 10.) — Da hier diese Steuern ebenfalls die städtischen Aus-
gaben nicht deckten , musste man zu Anleihen schreiten (cf. ib. p. 56. 61.
64. 65. 79. 81. 87. 88. 113.) Man nahm dieselben von Juden und Christen
theüs ohne spezielle Sicherstellung, theils unter scheinbarer Rentenauf-
legung auf die Stadt (cf. ob. V. 3. d.) , theils als Leibgedinge der Gläu-
biger, meist zu hohen Summen, da die Zinsen eines Kapitales allein u. A.
500 mrc. pro Jahr betrugen. Der Zinsfuss wechselt hierbei sehr , 1340
begegnen noch 25" 0 und 16«/o (wenn hier nicht mehrere Posten zusammeu-
gefasst sind) , und zwar bei solchen städtischen Eentenverkäufen , 1353.
1386: ca. 9''„ bei Leibrenten (cf. ib. p. 81 (1353) 116. n. 0.: von 116 m.
cujus summa facit 216' 2 sc.) Doch seheint sich meistens der Renten -
und Zinsfuss hierbei auf 11 — 9"/u seit der Mitte des 14. Jahrhunderts
festgestellt zu haben, cf. ib. 82. 83 (1354. 1355.)
Vm. 3. Vorzinsl. Darlelm. f. Anleihen der Städte u. Staaten. 531
nur 5 % , ja 4 7o ^ bei Zinszahlungen auf die Lebensdauer des
Gläubigers (Leibgedinge) zahlte man llVo7o-0 Seit 1425
mehrt sich auch hier die Schuldenlast der Stadtkasse; um sie
zu tilgen und immer doch Kassenüberschüsse aufzuweisen,
rausste man von Neuem anleihen. Solche Ueberschüsse führt
man -— völlig illusorisch — 1430: 40 — 50000 Pf. auf. AVozu
dieses Experiment? Die Stadtgemeinde kontrollirte nicht die
städtische Finanzwirthschaft. Vielleicht um immer weiteren
Credit zu finden. Aber wozu brauchte man Anleihen, wenn so
hohe Ueberschüsse sich ergaben ! Indess , man mochte den so
urteilenden Gläubigern wol leicht besondere Gründe der plötz-
lich und in grösserer Zahl nöthigen Anleihen anführen. So
behielt man immer noch Credit, und meist zu 4^0, nur bei
Leibgedingen zu 10% empfing man Darlehen. 1433 — 34
betrugen hier die Zinsen für Ewiggeld: 8292 Pfund, für Leib-
renten 10316 Pf. Heller, das machte bei einer Gesammtaus-
gabe von 59955 Pf. Heller bald ein Drittel derselben und fast
das Dreifache von dem aus, was die Stadt 1390 für den näm-
lichen Zweck verausgabt hatte. 1442 — 43 hatte sich die Jah-
resausgabe für die Schuld schon wieder um die Hälfte ver-
mehrt, die Zinsen für Ewiggeld betrugen 7469 Pf., die Leib-
renten 19641 Pf. An dem, Avas allein die Stadtschuld ver-
schlang, fehlten nur 3000 Pf. bis zur Hälfte der städtischen
Gesammtausgabe von 60660 Pf.
Den Städten gaben die grösseren und klemeren Terri-
torien des Reiches Nichts nach in der FinanzAvirthschaft.
Ein Theil der vorn bei Juden und Wechslern aufgeführten
hohen Schuldbeträge der Fürsten , so wie ihrer in Abschnitt
YIII. 3. c. genannten Schuldposten gehört zu den verzinslichen
Anleihen ihrer Staaten. Welche Umhüllungen man anwandte,
um diese gewaltigsten Uebertretungen des kanonischen Wu-
cherverbotes zu verdecken , da man sie nicht mehr vermeiden
noch ableugnen konnte, zeigen u. A. oben die Abschnitte
V. 5. e. und VL 2.
1) cf. Mone, Zeitschr. für Gesch. d. üb. Rh. I. 20 — 36. Hegel,
Chron. d. deutsch. Städte. I. p. 284.
34*
532 VIII. '.]. Verzinsl. Davlohn. f. Aiileihoii der Städte u. Staaten.
Als vornehmlich lehrreiches Beispiel der grossen Schulden
und Anleihoboträge sei hier die Mark Brandenburg erwähnt.
Bei dem Tode des Markgrafen Casimir überstiegen die Sclml-
den um 400,000 Gulden den „ Vertrag der Landschaft " , sie
stellten 6000 Gulden Deficit dar. Die überlasteten Gutsherrn
daselbst leimten jede weitere Bürgschaft ab. Bei der Volljäh-
rigkeit Albrechts, des Sohnes von Casimir, 1540, war die
unkündbare Schuld auf 220,000 G., die kündbare auf 404,000 G.
gewachsen. Albrecht selbst steigerte sie in den nächsten vier
Jahren um 138,000 G. Seine Jahreseinnahme betrug 40,000
Gulden, i)
Die finanziellen Missstände der Mark datirten besonders
seit der Verschwendung Joachims 11. , unter welchem das
landschaftliche Verzeichniss kurfürstlicher Obligationen für
aufgenommene verzinsliche Anleilien nur für die Jahre 1534
bis 1564 fol. 15 — 109 füllt, dagegen unter Joachim I. über-
haujit nur fol. 1 — 14. Dabei betrug Joachims ü. Einkommen
80,000 G. Auf dem Landtage im März 1540 kündigte er eine
Schuld von 600,000 Thalern an, damit die Stände sie über-
nähmen. 2) Die Stände , insbesondere die Städte machten ihrem
1) Aus Lang, Gesch. von Baireuth. Voigt, Albrecht Alcibiades
bei Droysen, Gesch. d. preuss. Politik. II. 2. p. 280 ff. — Die Calamität
war im Eeiche allgemein. Markgraf Georg besass vom König Ferdi-
nand in Pfand Jägerndorf, Eatibor, Oppeln , Beuthen, Oderberg für
183,000 G. — Das Mainzer Bisthum, das früher 80,000 G. einbrachte,
war durch die Schuldenkapitalien und Zinsen seiner Herrscher auf 60,000
Gulden Einnahme gesunken. Den Ständen Magdeburgs und Halber-
stadts wurde 1541 von dem Erzbischof von Magdeburg gar das Evange-
lium gestattet, wenn sie einen Theil der Schulden desselben übernahmen.
Ein venetianischer Bericht des 16. Jahrhunderts sagt: „ Es giebt keinen
Fürsten im Eeiche, der nicht arm wäre." Der Herzog von Baiern, wel-
chen er den reichsten nennt, hatte bei 200,000 Gulden Einnahme eine
Million Schulden. Droysen, 1. c. p. 280 — 82. 2) Das ergiebt eine
Notiz des Berliner Eathsschreibers MiHmann für den Thurmknopf der St.
Nicolaikirche zu Berlin 1551. Nach dem „endlichen Abschied" vom
30. Novbr. 1.541 haben die Städte erst 326,000 fl., dann 60,000 fi. zu über-
nehmen , und der Kurfürst gestattet ihnen , die „ Kirchenkleinodien in
den Städten " zu belegen, um in Eile Geld zu schaffen; doch sollen dann
die Kleinodien „an ihre Orte zurückgestellt werden " (Berl. Arch.) Droy-
sen, 1. c. p. 285. N. 2.
Vm. 3. Vcrzinsl. Darlelm. I'. Aiileilien der Städte u. Staaten. 533
Zorn darüber in bittern Worten und mit Hinweis auf frühere,
bessere Finanzverwaltung Luft. Indess bei ihrem damals in der
Mark noch geringen Selbstvertrauen gaben sie schliesslich
nach. Aber Joachim machte ihnen dafür wesentlich das aus-
drückiiclie Zugeständniss, bei allen wichtigen Angelegenheiten
der Mark nicht ohne ihren Rath zu handeln. Eine Zahl der
Dörfer in der Altmark und der minder begüterte Adel eiferten
stürmisch gegen den neu gesteigerten Schoss. „ Wie ist es bei
dem täglichen Borgen imd Weggeben möglich, dass
unser frommer Landesherr und wir alle dazu bei Haus und
Hof bleiben mögen?" ^)
So kam die Schuldentilgung ins Stocken. Die Stände
erschienen zuerst nicht, dann lückenhaft auf den Ruf Joachims
1542. Durch den Zug Joachims gegen die Türken 1542 steigerte
sich erst recht die Schuld des Landes, bei Markgraf Georg
allein oder unter dessen Bürgschaft auf 50,000 G.: 13,650 G.
bei Bonaventura Furtenbaeh in Nürnberg, 15,480 G. bei Hans
Lanpauer seliger Wittwe und Erben in Augsburg , 23,066 G.
bei Sigismuud Baidinger in Nürnberg, alles auf ganz kurze
Fristen und zu hohen Zinsen, ^j Von der Landschaft woll-
ten sich keine Bürgen finden.
Die zum Nürnberger Reichstage geschickten Räthe berich-
ten 1543, sie böten vergebens 10 und 11 Prozent, „es ist
ein solch Geschrei , das schand und zu erparmen ist." Mark-
graf Georg wurde als Bürge arg bedrängt. Er besorgt, es
werde ihm gehen , wie dem Pfalzgrafen Heinrich , „ der diess
Jahr von dreien guten Aemtern darunter zwei Städte , als Hei-
deck und Hippolsstadt , von den Nürnbergern gedrungen ist." ^)
Wegen des Sträubens der Landschaft Avollen die Gläubiger
sich nur am Kurfürsten (S. Kurf. G. Brief mid Siegel) halten.
Der gesammte Hufenschoss („ so aller Orten fällt ") sollte nun
in eine Kasse zu Berlin zusammenfliessen , daraus sollten von
1) Bericht der von Lüderitz und Hans Huckelbusch. Stendal . 20. No-
vember 1541 (Berl. Arch.) Droysen, 1. c. p. 287. N. 1. 2) Wei-
marer Archiv. Droysen, I.e. p. 289. N. 1. 3) Aus d. Berliner
Arcliive. Droysen, 1. c. p. 290.
boi VIII. 3. Verzinsl. Darlehn. f. Anleihen der Städte u. Staaten.
einem Prälaten und einem Kittev unter Revision des landstän-
dischen Ausscliusses die Zahlungen geleistet werden. Die Klo-
stergüter wurden eingezogen, den Juden der Aufenthalt im
Lande erleichtert. ^) Dadurch stieg der Credit des Kurfürsten,
die Juden streckten ilim gegen Wucherzinsen ohne Sicherheit
Kapitalien vor.
Aber nach dem Schmalkaldener Kriege erhob sich die
Geldnoth von Neuem und machte weitere Anträge bei den
Ständen erforderlich. Die bisher vom Lande getragenen direk-
ten Steuern, der städtische Pfundschoss und der ländliche
Hufenschoss waren Matrikularbeiträge der Gutsherrschaften
und Stadtgemeinden zur Tilgung der landesherrlichen Schuld.
Es galt jetzt, eme dauernde Einnahme -Vermehrung (nicht
Schulden - Verminderung) des Kurfürsten zu eröffnen, damit
nicht immer wieder wesentliche Einnahmequellen zum zwie-
fachen Schaden des Landes verpfändet werden durften. Gün-
stig dazu schien eine Erhöhung der einzigen indirekten Steuer,
des Biergeldes , das bisher mit 2 ^2 Gulden von 50 Tonnen Ge-
bräu im Werthe von 95 Gulden entrichtet worden. Die beste-
hende Steuereinrichtung und der starke Verbrauch von Bier
begünstigten den 1549 eingebrachten Antrag auf Erhöhung
der Steuer auf 8 Jahre um das Doppelte „ aus lauterer Liebe,
Treue und Willigkeit " zur Abtragung der Schulden.
Bei der heftigen Erörterung hierüber auf dem Landtage
Michaelis 1549 offenbarte sich, dass die neue Schuld des Lan-
des nicht, wie angegeben, 600,000 G., sondern laut den Regi-
stern 800,000 G. Kapital und 100,000 G. versessene Zin-
sen, ja noch mehr seien. Der Missstand musste von Grund
aus geheilt werden , damit er nicht immer weiter um sich griff.
Von jener Schuldsumme übernahmen die Städte 500,000 G.
und 100,000 G. versessene Zinsen, die Geistlichkeit und Rit-
terschaft unterzogen sich der weiteren 400,000 G. Kapital
und Zinsschuld , beide als Selbstschuldner in Solidarität ; durch
1) Eben gegen diese Juden mahnte Luther heftig am 9. März und
2. Mai 1545. de Wette. V. p. 724. Corp. Reform. V. p. 157. — Droy -'
sen, 1. c. p. 290.
VIII. 4. Anbahnung d. gesctzl. Anerkennung d. zin-sb. Darlehens. 535
ihre „Verordneten" unterhandelten sie unmittelbar mit den
Gläubigern. Geistlichkeit und Kittorscluift legten zur Tilgung der
Schuld eine ßeihe von Jahren hindurch sich eine neue Steuer,
für jedes zu stellende Lehnpferd 20 G. jährlich auf. Zur Ein-
lösung der versetzten Gefälle u. s. w. verwalteten die Stände
selbst die „Neu -Biergeldskasse." Diese 3 ständischen Kassen
sicherten den Ständen unter sich und gegenüber dem Landes-
herrn eine feste politische Grundlage; sie repräsentirten den
Kapitalwerth der Mark. Li dem „ Creditwerke " fand der Lan-
desherr seine finanzielle Grenze. Daneben waren durch die
Geldhilfe den Städten die Selbstregierung gesteigert , den Land-
bewohnern die gutsherrlichen Kechte gegen Bauern und Insas-
sen vermehrt. Gerade durch diese finanziellen Missstände und
deren ständische Abhilfe wurde Brandenburg ein ständischer
Territorialstaat. ^)
4. Anbahnung der gesetzlichen Anerkennung des
zinsbaren Darlehens.
Wo bleiben gegen diese Zahlen die Wucherverbote der
Kirche und Kaiser ! Fast umgekehrt hatte sich die Sachlage ;
wo man zinsbare Darlehen nicht aufnehmen wollte , musste man
es thun , und wo man es that , blühte der Verkehr auf. Bedurfte
es fremder Kechte, der Kirchenspaltung, der Wissenschaft,
die Unnatur der Zinsgesetze nachzuweisen ? Allen war sie nur
zu klar auch ohne dies. Schon scheuten die Eichter sich , jene
Gesetze anzuwenden, und sie sollten jeden Zinsfall von Amts-
wegen verfolgen!
Wie hatte sich die Voraussetzung aller Zinsnormen umge-
staltet, dass nur Arme in der Noth Darlehen verlangten und
die Armen geschützt werden müssten gegen die Habgier der
Besitzenden. Ein grosses Reich gewinnbringender Kapitalan-
lagen war vor den Augen der Welt emporgestiegen , und mit
Eifer drangen die Kapitalisten hinein , der Unternehmungsgeist
wuchs , die Spekulation blühte heran. Und wenn der begüterte
Unternehmer, welcher das baare Geld nur vom Kapitalisten
1) Droysen, 1. c. p. 292. 293.
536 Vin. 4. Anbahnung d. gosetzl. Ancrlvcnniing d. ziusb. Darleliens.
entlieh , mit diesem Darlehn Schätze sich anhäufte mid recht
augenscheinlich die Lehre von der Unfruchtbarkeit des Geldes
Lügen strafte, wenn der Darleiher dagegen in dieser Zeit selbst
mit dem hmgeliehenen Kapitale gewinnen konnte und wegen
der Hingabe desselben den Gewinn bei Seite setzen musste,
dann sollte er trotz alledem und alledem keine Zinsen fordern?
Das nannte man christliche Gerechtigkeit, christliche Liebe? ^)
Was war die Folge? der Arme bekam umsonst gar kein
Darlehn , sondern nur gegen Zinsen , welche das Wucherverbot
noch erhöhte.-) So erklären die Bauern in Greifensee
(Zürich) 1525 selbst:
„ . . glauben wir dass auch das ungötlich und unrecht gethan
sey, dass man in der Stadt und auf dem Land einander so
schwerlich belade mit Wuch erzin sen an Kernen, Wein,
Haber und Kheinisch Geld, und hoffen, dass solches
zu Nutz der Armen abgestellt und ein ziemliches zins von
einem Pfund ein Schilling (5 7o) bestimmt werde.
Dann obwohl auch dieser nicht göttlich ist, kann er
doch zum vortheil der Armuth nachgesehen
werden." ^)
Wenn ein wirklich habgieriger Darleiher die Noth des Schuld-
ners sich zur Bereicherung ausnutzte , war es angemessen , um
des einzelnen Falles willen die grosse Welt des Kapitales in
Fesseln zu legen ? Die Reichen aber Hessen ihr Geld im Kasten,
wo es wenigstens ungefährdet blieb ; oder sie liehen es gegen
Zmsen den Unternehmern, oder sie selbst eröffneten frucht-
reiche Unternehmungen, sie vereinigten sich zu Erwerbsge-
sellschaften , sie kauften die Feldfrüchte in Halm und Garben,
kauften Waaren auf zu theurerem Verkaufe u. s. f. Daher
ertönten gerade das 16. Jahrb. hindurch die gehäuften Klagen
darüber. Selbst dort , wo das zinsbare Darlehn bereits gesetz-
lich gestattet wurde, wandte man das Geld zu gewinnreicheren
1) cf. Salmasius, d. usuris cp. 20. p. 609. u. a. v. 0. Orth, 1. c.
Hugo, civil. Magaz. I.e. J. Bentbam, Wucher (deutsch v. Eberhard)
p. 34 ff. u. V. A. 2) Krug, Staatsökonomie p. 70. — Montesquieu,
l'esprit des lois. XXU. 18 ff. 3) Bluntschli, Zur. E. G. IL p. 262. —
cf. ebenso für den Norden Beilage G. 1569.
Vm. 4. Anbalimuig d. gcsetzl. Anerkennung d. zinsb. Darlehens. 537
Zwecken an. Desliall) malmt ancli der Gesetzgeber in der
Mekleuburger P. 0. von 1562 mid an vielen andern Orten, die
Bürger sollten ihr Geld nicht ausser Landes leihen. ^)
Man focht gegen Windmühlenflügel und zitterte vor Ge-
spenstern. So deutlich ortenbarte sich im Geldverkehre das
Naturgesetz, dass der Gläubiger — mit Ausnahme weniger
Fälle — die Höhe der allgemein geforderten Zinsen nicht über-
schreiten konnte, und dass diese Höhe sich nach den Umstän-
den des Ortes, der Zeit, der geliehenen Waaren , der Gläubi-
ger , der Schuldner u. s. w. , kurz nach tausend Fäden regelte,
welche kein Einzelner willkürlich zu ändern vermochte , der
Gesetzgeber ebensowenig , wie der Gläubiger oder der Schuld-
ner. 12— 10 7o kostete das Darlehn nicht selten im Mittel-
alter, auf 8 — 7 Prozent war sein Preis zur Neuzeit hin gesun-
ken, jetzt stand er in Mittel- und Süddeutschland durchweg
auf 6 — 4 7o 1 im Norden und Osten 8 — 6 % > ohne dass irgend
Jemand zwangsweise Etwas dazu gethan hatte. Beim Ren-
tenkaufe hatte sich wiederholt im Einzelnen die Möglichkeit
offenbart, die Renten herabzusetzen und kein Rentenkäufer
opponirte erfolgreich dagegen. Scheinen diese Beispiele zu
zerstreut in Deutschland - sie finden sich überaus zahlreich
durch das ganze Reich hin und mussten in unmittelbarer Nähe
wahrhaft belehrend und überzeugend wirken (cf. ob. V. 3) —
auch grosse Vorgänge der Art fehlen nicht. Niederland,
durch steten, engen Handel mit Deutschland den hiesigen
Geldmäunern stets vor Augen, ward zu Ende des 16. Jahrhun-
derts immer unauflialtsamer in die oben erörterte Bahn der
kleinen deutschen Geraeinwesen gedrängt, es musste, da die
Steuern für die gehäuften Ausgaben nicht mehr hinreiditen,
Schulden aufnehmen, Anleihen abschliessen. ^) Nicht lange,
so rechtfertigt es bereits seinen Namen, das „klassische
Land der Staatsschulden." 1630 stehen Zwangsanlei-
1) cf. auch Bremer (!onstit. von 1580. Mevius, wucherliche Con-
trakte I.e. p. 10. 2) cf. Oldenbarneveld, Renionstrantie 1G18 in
Kronyk van het bist. Gcnootschap te Utrecht. 1850. p. 2(31.
508 VIll. -1. Anbalimuig d. gosctzl. Anorkoiinuiiy d. ziusb. Darlehens.
lien vor der Thüve, 1640 klagt man über die Scluüdenlast. ^)
Man musste die grossen Staatsschulden eingehen. Aber
schon unter Statthalter Mauritz setzt man die Zinsen von
6V4 % auf 5 % herab, ja 1655 unter Johann de Witt gar
bis auf 4%. 2)
Um so mehr musste die Furcht vor Steigerung der Dar-
lehnszinsen nach Belieben der Darleiher bei Aufliebung des
Zinsverbotes schwinden , wenn die Gesetze selbst den von der
Verkehrsgewohnheit durchgängig festgelialtenen Zinsfuss als
gesetzlichen sanktioiiirten. Hier assistirte das römische Recht
wirksamst. Die polizeilichen Triebe der deutschen Partikular-
staaten fühlten sich angeregt durch die lockende Gelegenheit,
mitten hinein in die Flut des Kapitalverkehres iliren Stab zu
setzen, und allem Volke 5 Prozent als die allein seligmachende
Zinsgrenze , vom Verkehre selbst erprobt , bleibend aufzulegen.
Und auch hier fehlten nicht Beispiele der Neuzeit , der unmit-
telbaren Gegenwart. In England — durch den Handel
Deutschland nahe , wie Holland — war die kirchliche Refor-
mation in der Zinsfrage durchgreifender aufgetreten, als bei
uns. Seit Heinrich VIII. hatte das englische Gesetz, unter
Beseitigung des kanonistischen Zinsgesetzes , einen bestimmten
Zinsfuss bei Kapitalnutzung geltend zu machen gestattet —
und der englische Handel blühte kräftiger , als zuvor , von
Ungeheuern Wucherqualen zeigte sich keine Spur. Die
deutschen Kaufleute zogen hiervon selbst bei ihrem Handel
nach England den überzeugendsten Vortheil.
Was zögerten die heimischen Gesetzgeber länger?
1) Staatskundige Bedenken (1673) p. 16. Waerschonwin-
gheoverden Treves (1630) S. F.^ Noodige Bedenkingen 1643. S.B^.
2) Koenen, Voorlezinge over de Geschiednis der Finantien in Am-
sterdam 1855. p. 19. 24 ff. Laspeyres, 1. c. p. 246. 247.
IX.
Genehmigung der Conventionalzinsen bis zu
bestinnnter Höhe durch die Gesetze und die
Beschlüsse der katholischen Kirche in
Deutschland.
Dem Jahrhunderte lang fortgesetzten und stets wachsen-
den Einwirken aller bisher vorgeführten Kräfte gegen das
Wucherverbot konnten zuletzt selbstverständlich die Gesetz-
geber nicht widerstelm , wenn sie nicht grundlos sich in offenen
Widerspruch mit allen maassgebenden Elementen der Theorie
und Praxis des Verkehrslebens stellen und sich und ihren Ge-
boten nach Unterhöhlung und Ueberflutung ihres Standpunk-
tes durch die nicht mehr gehemmten Wogen der Naturgesetze
im Verkehre alles Ansehen , weil alle Kraft rauben Avollten.
1. Billigung von 5 Prozent der Renten, der Juden -
Zinsen und Verzugszinsen, Anerkennung des Interesse
in den deutschen Gesetzen.
a. Fünf Prozent Renten.
Zuerst im Rentenkaufe erkennen , nach Vorgang einer
grossen Menge von Partikulargesetzen seit dem 13. Jahrhun-
dert (ob. V. 3. c.) ^) Kaiser und Reichsstände die durch den
Verkehr lange gebotene Regelung des Rentenfusses ausdrück-
lich als in der vom Verkehre aufgestellten Höhe an. Im R. A.
von 1500 tit. 32. wird dem Reichsregunent überlassen:
„der Widerkäuff halben ziemliche Form, Maass und
Ordnung fürzunehmen und zu machen."
1) Neumann, de foenore redituum emtionis p. 37. 38.
ö4(.) IX. 1. Billigung von 5 rroy.ent. a. Fiuii' Prozent IJenton.
Danach bestimmte die K. P. 0. von 1530. tit. 26. §. 8.:
„und naelidem die Wiederkaufsgülten alleutlialben im Lande
gemein seind, so soll liinfürter von dem Hundert
nicht mehr dann fünff, wie gebräuchlich, gege-
ben und genommen werden. Und hinfürter die Verschrei-
bung auf Wiederkauf, wie Wiederkaufsrecht beschehen, was
d a r ü 1) e r gegeben, g e n o m m e n oder gehandelt,
wollen wir , dass selbig für w ü c h e r 1 i c h gehalten und
geachtet und wie obgemeldt gestraft werde."
Die späteren Reichspolizeiordnungen (R. P. 0. von 1548 tit. 17.
§. 8.; 1577 tit. 17. §. 9, 20. §. 6) führen dies dahin aus:
„ dass mit hundert Gulden Hauptgelds nicht mehr , dann
fünff Grulden jä.lir lieber Gülten — gekauflft werden,
und die Losskündigung der Gültverschreibung auflf Wieder-
kauff, wie Wie derkauflfsr echt bei dem Verkauffer und nicht
bei dem Kauffer stehen, unangesehen, wie dieselbige Gült-
verschreibung gestellt ist, und was darüber gegeben, genom-
men oder gehandelt, dass dasselbig und alle andere unziem-
liche Pacta und Geding für wucherlich und unkräflftig geacht,
gehalten und von dem Richter nicht darüber erkennt oder
geurtheilt, sondern, wie obgemeldt, gestrafft werden soll." ^)
Wie mannigfach die einzelnen Partikulargesetze demnach diese
Norm der Renten aus den Reichsgesetzen annahmen oder ent-
sprechend dem Verkehre in 6 , ja 8 Vs 7o veränderten , ist oben
V. 3. c. (am Ende) ausführlich gezeigt. ^) In den Reichsge-
setzen galt jene Höhe der Renten allein für den Rentenkauf.
Das ergiebt sich nicht sowohl aus dem Wortlaute derselben, als
daraus, dass noch im D.A. von 1600 §.35., wie oben erwähnt,
die Reichsgesetze den Rentenkauf vom zinsbaren Darlehn durch
innere, festgehaltene Merkmale genau scheiden. Die Partiku-
largesetze dagegen , welche , wie oben V. 3. b. und d. darge-
legt ist, dem Rentenkaufe in seinen Entwicklungsstufen bis
1) Letzteres wurde dann eben im D. A. von 1600 §. 35 dahin geän-
dert , dass für den Fall der Zahlungssäumniss die Parteien auch von vorn-
herein dem Käufer ein Kündigungsrecht vereinbaren konnten. Ob. V. 3. b.
und N e u m a n n , de foenore red. emt. 1. c. p. 29. 2) Neu m a n n , de
foenore red. emt. 1. c. p. 38. 39.
IX. 1. Billigung von 5 rrozciif. L. Fiinf Prozt'nt Judon/.insen. 541
7Aiin zinsbaren Darlehn hin folgten , sagten durcli die Anerken-
nung der 5 % (oder 6 — 8V3 %) im Kenteiikaufe bereits, dass
sie bis zu dieser Höhe auch die Conventionalzinsen beim Dar-
lehn für nicht wucherlich lüelten, und dass sie nunmehr, ent-
gegengesetzt dem kanonischen Zinsverbote , den Wucher über-
haupt erst als solchen verwarfen , wenn er die gesetzliche
Zinshölie überschritt.
b. Fünf Prozent Judenzi nsen.'
Vom Kentenkaufe wandten die Eeichsgesetze den Maxi-
malsatz der 5 7o zuvörderst auf die Zmsgeschäfte der Juden
an , indem ihnen,
„damit sie ihre Leibesnahrung haben mögen, nicht mehr,
denn 5 vom 100 zum Wucher zu nehmen erlaubt ist.."
in den Eeichspolizeiordnungen von 1548 tit. 19. §.6. und 1577
tit. 20. §. 7. Die Stände und Churfürsten konnten natürlich
diesen Satz beliebig ändern. Hier musste sich daher selbst
das Zinsgeschäft der Juden , welches den kanonistischen Zins-
gesetzeu nicht unterworfen war, dem reichsgesetzlichen Zins-
satze der 5 % unterwerfen , und Wucher wurde selbst bei den
Juden jetzt der Zins über 5 %. So wurden auch in diesem
Punkte die Judenzinsen unmittelbare Vorgänger der Conven-
tionalzinsen allgemein , und 5 % erschien durchweg die neue
vom Verkehr ermittelte Grenze, welche Wucher und Nicht-
wucher schied (cf. V. 4. d. und besonders f.) Der Menge der
reichsgesetzlichen Bestimmungen aber gegen den Juden-
wucher ^) brachte die obige R. P. 0. v. 1548 den ersten Abschluss,
c. Fünf Prozent Verzugszinsen und Zinsen aus wider-
rechtlichen Handlungen.
Sodann übertrugen die Partikular- und Reichsgesetze seit
der reichsgesetzlichen Billigung der 5 7o Renten im Jahre 1530
1) E. P. 0. 1530. tit. 27. §. un. , 1548 tit. 20. §. un. tit. 22. §. 2. R.
A. von 1551. §. 78. 79. 80. R. P. 0. 1577 ti. 20. §. 1. 3. 4. 6. 7. tit. 23.
§.4. Cr am er, observ. jur. (1751) II. 2. obs. 77G. p. 519. Gramer,
wetzlarer Beiträge II. 2. §.3.4.. derselbe, wetzlarer Nebenstunden III.
abh. 4. §. 6., XIÜ. abb. (>. XXIX. abh. .5. §. (5. 7. Struve, rechtliche
Bedenlcen , III. 65. p. 242.
54"2 IX. 1. r>illi,<;nng- von ;") rrozent. c. Fünf Prozent Vcrznefszinson.
diesen Maximalsatz auf die Verzugszinsen, im unmittel-
baren und ausdrückliolieii Anscliluss an die 5 7o Konten , wel-
che den "Wertli der Nutzung fremden Kapitales im Verkehre
ausdrückten , und zeigten auch hier , dass sie sich mit diesen
Zinsnormen zunächst eng an die Kegelung des Verkehrs an-
schlössen. Die Zinshöhe im Verkehre ist der Grund , weshalb
im Keiclisgesetze 5 % als das Maass der Verzugszinsen aufge-
stellt werden , welche der Gläubiger jederzeit im Verzuge vom
Schuldner fordern könne.
Das ergiebt sich aus der Entwicklung dieser Bestimmung
(oben IV. 2. k. am Ende) und aus den Worten des Deputat.
Absch., welche sogleich folgen. Derselbe setzt nicht bloss
diese Zinshöhe und ihren ebenerwähnten Grund als Grund hm,
sondern er stellt sogar sehr bezeichnend dieser ein für alle
Male normirten gesetzlichen Zinshöhe der Verzugszinsen den
Fall gegenüber , in welchem der Gläubiger mehr als 5 % for-
dern wolle. Er gestattet dies durchaus, verlangt dann aber,
und nur dann einen Beweis des ganzen liquidirten Verzugs -
Interesse. Ferner folgt dies aus der im D. A. selbst ausge-
drückten Absicht der gesetzlichen Fixirung : „ damit die Par-
theien in puncto liquidationis an unserm kaiserlichen Kam-
mergericht des langweiligen Prozesses enthoben seyn möchten,
auch jetzt gemeldt Kammergericht damit nicht überladen , ein
gewisses loco interesse a tempore morae zu statuiren und zu
setzen. ." Die Gerichtspraxis hat denn auch jene 5 ^o stets
als gesetzliche Fixirung der Verzugszinsen im gemeinen Kechte
aufgefasst, und so ist aus obigen Gründen Puchta ^) im Un-
rechte, wenn er hiergegen streitet.
Der enge Anschluss der Gesetze an die Kegelung im Ver-
kehre ändert hier fi'eilich, wie bei dem Maxhnalsatze der Ren-
ten, Nichts darin, dass die Gesetze mit jener Normirung
immer in das jeden Augenblick neu sich regelnde Verkehrs-
leben einschreiten und dort allgemeine und bleibende
gesetzliche Fesseln anlegten , wo nur die Umstände jedes ein-
zelnen Falles die richtige Abmessung treffen konnten.
1) Pandekten §. 228. N. G. b.
IX. 1. Billigung v. 5 Prozent, cl. Fünf u. sechs Prozent Interesse. 543
So heisst es denn im Deputationsabschiede von
IGOO §. i:]9.
„der V e r m ii t h u n g li a 1 b e n , d a s s der C r e d i t o r
sein Geld von solcher Zeit an (der Anfangszeit des
Zahlungsverzuges) anlegen und zugelassener Weise
wenigstens von Hundert 5 % wohl haben möge.
Oder aber, da dem creditori solche 5 fl. nicht annehmlich,
sondern er vermeinen wollte, tani ex lucro cessante quam
damno emergcnte ein Mehr eres zu fordern, dass ihm
dann sein ganz Interesse zu deduziren , gebührlich zu
liquidiren und zu be scheinen und der richterlichen Er-
kenntniss darüber zu erwarten unbenommen sein soll." ^)
Der Wortfassung nach erstreckt dieser §. 139 sich daher nur
auf die Verzugszinsen, aber gemäss der ihm voraufgehen-
den Geschichte dieser Zinsen fallen darunter alle aus wi-
derrechtlichen Handlungen zu zahlenden Zinsen
(cf. I. 2. IV. 2. u. 3.).
d. Fünf und sechs Prozent Interesse.
Ebenso führten die Partikulargesetze das „Interesse,"
auf die gesetzliche Höhe der Eenten zurück , um auch dies dem
Verlangen des Verkehrs entsprechend an Zinsen statt darzu-
bieten (IV. 3. c.) 2) Ja selbst die Reichsgesetze genehmi-
gen streng zugesehen gerade das Interesse (neben den Ren-
ten) statt der Conventionalzinsen im J. R. A. von 1G54 §. 174
bis zu fünf Prozent (cf. IX. 2.).
Da indess das Interesse in einigen Staaten durch Gewohn-
heitsrecht im Verkehre , wie durch das Beispiel des römischen
Rechtes sich auf 6 % festgestellt hatte (cf. auch V. 3. c. am
Ende und IX. 2.) , einigte man daselbst diese zwei Standpunkte
dahin , dass man zwar 5 % als den eigentlichen gesetzlichen
Interessefuss vorschrieb , dagegen , wann der Schuldner mehr
als 5 % Interesse gezahlt hatte , dieses Mehr auf das Kapital
1) Gaill, pract. ohservatt. II. obs. 5. n. 14. 15. 2) cf. Frank-
furter Reforraat. 1509. 1578. U. 11. §. 10—11. Lüneburger
Statt. 1582, Pufendorf, obser\'. VI. app. 21. p. 624. ti. XI. p. 672. —
Bülow und Hage mann, prakt. Erörterungen (1804) IV. u. 41. p. 225.
544 IX. 1. rülliijuiiir V. ö Prozent, cl. Fünf u. sechs Prozent Interesse.
anziirecliiien oder zurückzufordern dem Sclmldner verbot , so-
bald der Gläubiger bewies, dass dieser höhere Tnteressebetrag
wirklich im einzelnen Falle vorlag. Es war dies wesentlich
der Standpunkt, welchen der D. A. von 1600. §. 139. für die
Interesse -Höhe der Verzugsz-insen vorschrieb (cf. oben).')
Der Schuldner hatte dann eben mehr Gewinn als 5 7o niit dem
geliehenen Kapitale gemacht, der Gläubiger mehr Schaden,
als 5 7o i""! Darleihen erlitten.
Aber da man klar einsah, dass auf solche Weise öfient-
lich eine Gelegenheit, Zinsen in grosser Höhe zu fordern, gege-
ben ^vurde , und dass es den Schuldnern zu bedeutendem Nach-
theile gereichen konnte , welche , um die Zahlungszeit wieder
und wieder hinauszuschieben , dem Gläubiger über die gesetz-
lichen 5 % noch hohe Schadensgelder als Interesse zu zahlen
versprachen , stritt man lange Zeit insbesondere darüber , bis
zu welcher Höhe man gesetzlich, Interesse zu zahlen, gestat-
ten sollte. Einige wollten 5 oder 6 "/o den Parteien anheim-
geben, Andere billigten „ein Geringes über 5 7o /' doch
nicht mehr als 6 "/o^ ausser falls ein höheres Interesse, als 6 7o
im einzelnen Verhältnisse bewiesen würde. Der Wucher aber
finge trotz der gesetzlichen 5 7o erst hinter dem sechsten Pro-
zente an. Das römische Recht, wie man sieht, erregte hier
schon wesentliche Bedenken und Verwirrung. Die Reihe der
Streitfragen , welche sich hieran knüpften , wiederholt sich
ganz besonders bei der gesetzlichen Höhe der Conventionalzin-
sen beim Darlehn. (IX. 2.) 2)
Die Gesetzgeber blieben dessen nicht uneingedenk , dass
das Interesse wesentlich ein Deckmantel der Zinsen , zumal bei
1) cf. Eichhorn, D. P. R. p. 302. n. v. Meyer n, sechster Zins-
thaler p. 69 ff. Bülow und Hagemann, I.e. Beseler, D. P. R. 11.
p. 350. 2) Dass sie in dieser Schrift eingehend verfolgt würden , ver-
bietet offenbar das Thema, da der Streit über 5 oder 6"/o der Zinsen
bereits den Abschluss des kanonistischen Wucherstreites in Deutschland,
nämlich die gesetzliche Erlaubniss der Zinsen, voraussetzt. — Hambur-
ger Stadtrecht. U. tit. 1. art. 4. — Landr. v. Hohenlohe HI. 12. §. 6.
Orth, Anm. zur Frankf. Reformat. I. p. 437 ff. cp. 6. §. 8. — Mevius,
wucherliche Contrakte I. — v. Meiern. 1. c. — Beseler, D. P. R.
p. 350.- 3.51.
LS. 2. 5 (6) Prozent Conveiüidiialzinson. a. Partikulargesetze. 545
Entwicklung des Interesse und des Verkehrs, Sie erklärten
ausdrücklich , dass der gesetzliche , dem Verkehre entnommene
Interessefuss nur 7Air Beschränkung der unmässigen, wucheri-
schen Forderungen der Gläubiger angesetzt sei. Den Kauf-
leuteu dagegen gestattete man partikularrechtlich , in Ueber-
einstimmung mit dem römischen Rechte , wegen ihres gegen-
über don Nichtkaulieuten stets grösseren Nachtheils bei
Hingabe ihrer Kapitalien sogar 8 % Interesse zu fordern. In
Oesterreich standen ihnen nach der Praxis des Reichshofrathes
nur 6 '^ y Interesse zu (cf. IX. 2.) ^) So viel hätten sie bei Ein-
behalt ilirer Gelder durch den Kaufhandel verdienen können.
Allen Gläubigern schliesslich war erlaubt, ein Mehr über 5
oder 6 % an Interesse zu fordern , sobald sie dasselbe im ein-
zelnen Falle als damnum emergens oder lucriim cessans
bewiesen.
Das Resultat stellte sicli allgemein daher, wenn man die
Reichs - und Partikulargesetze über den Maximalsatz des Inter-
esse vereinen wollte ( IX. 2 ) dahin : gesetzlich waren 5 7u ^
unerlaubt, aber nicht Wucher G % , unerlaubt und Wucher
mehr als G"o , ausser, wenn das höhere Interesse bewiesen wurde.
2. Billigung von 5 (G) Prozent der Coiiventionalzinsen
beim Darlelin. Die; Partikulargesetze. Das Reiclis-
kammergcriclit. Die Reiclisgesetzc.
a. Die Partikulargesetze billigen die Conventionalzinsen.
Durch diese ununterbrochene Annäherung an die Conven-
tionalzinsen selbst war den Gesetzen der letzte, entscheidende
Seil ritt unvermeidlich geworden , und gleich einer allmählich
gereilten Frucht löste sich die offene Erlaubniss der Conven-
tionalzinsen beim Darlehn von den Keiinen und Zweigen, den
bislierigen Aushilfsmitteln, welclie die Frudit zur Reife trugen.
Purgoldt schon in seinem Rechtsbuche VIII. cp. 52
kündigt das wichtige Ereigniss an:
1) Zyiiaeus, Analytica V. p. 215. In Belgien forderten sie gemäss
dem Edikte Karls V. 12"/,,.
Neu mann, Gesch. d. Wuchers. ÜÖ
546 IX. 2. Billigung von 5 {C>) Pro/out. a. rartilvulnvgosctzc.
„szohelt mau das auch iu wertlichem rechte in etzlichen
steten, das mau eyueu wuchver vmb den gesucli beclagen
wol möge vor gerichte , mid her sulle en m den rechten kerin.
Aber daseshye (m Thüringen, speziell in Eisenach)
nicht gewonheit ist und iu dem landtrechte,
das mag des schult seyu, das man dye Iwte da-
mit erlös und gutlos machte, so sye das gote
midt eyuer uffenbaren smelichen busse gebus-
sen musten, davon sy erlös und rechtlos wur-
den und darczu beyden gerichten, geistlichen
und wertlichen, und dem kleger mit eym gnug-
tuu umb das gesuch, vnd hirvon szo mochte
gros vnfrede vnnd schade bekomenn."
Hiernächst begannen von 1530 — 1600 etwa zuvörderst die
Gesetze iu den Einzelterritorien des nördlichen Deutschlands,
Conventionalzinsen heim Darlehu bis zu 5 , 6 oder 8 Prozent
ohne Beweis des., darin enthaltenen Schadens (damnum emer-
gens) oder Gewinnes (hierum cessans) zu gestatten, indem
sie jenen Zinsfuss aus dem deutschen Verkehre insbesondere
der Verzugszinsen, des Eentenkaufes und des Darlelms, sowie
aus der reichsgesetzlichen Normirung der Kenten , weniger aus
dem römischen Eechte entnahmen , und ihn zunächst auch nur
als den im Gesetze gebilligten Zinsfuss eben des Verkehrs an-
sahen, welchen sie freilich gerade durch die gesetzliche Billi-
gung leider aus dem Verkehre heraushoben und bleibend
feststellten.
Der Zeit nach folgen etwa die einzelnen Territorien Deutsch-
lands mit ihrer Zinserlaubniss so: Zürich 1520 — 25,^) Trier
1525,2) Henneberg 1539, 3) Dithmarsen 1540,*) Chur-
sachsen 1550, 0) Meklenburg 1562, 6) Nürnberg 1564, 7)
Preussen und Polen 1569,**) Brandenburg 1572,'')
1) cf. die später folgende Note über die Zur. Zinsgesetze. 2) Land-
recht. XIV. §.1. Maurenbrecher. II. p. 14G. N. 138. 3) Landes-
ordnung VI. 2. §. 3. 4) Landrecht IV. Michelsen p. 185. 5) Land-
recht, art. vom Wucher. Carpzov, 1. c. 6) Polizeiordnung. Eostock
1562. p. 4. 7) Eeformat. tit. 13. c. 3. 8) Bestinmunig Königs S i -
gisniund. 1569. Danz. Arch. Bibl. Beilage G. hinten. 9) Stryk,
Usus modern, pandect. 1. c. §. 11.
IX. 2. Billii,ning von 5 (ß) Proz.ont. a. Partikulargesctze. 547
Danzig 1580, i) Hessen-Marburg 1573,2) Tirol 1573,^)
Hadeln 1583/) Pfalz 1581,^) Lüneburg 1582,«) Basel
1590,') Jülich-Berg 1595, «) Wildenburg (Schweiz)
1607,») Frankfurt a. M. 1611, i«') Würtemberg 1610,
1620,11) Nassau-Katzenelnbogen 1616,12) 0 eis 1618,i=*)
Braunschweig 1618, Hildesheira 1618, Wolfenbttt-
tel 1618,14) Baden 1622.15)
Nach diesen Gesetzen galten die Conventionalzin-
s e n beini Darlelin , welche bisher an sich wuclierlich erschie-
nen waren, als erlaubt, wie Beuten, Verzugszinsen, In-
teresse, Juden- und Wechslerzinsen. Nur m dem Uebermaasse
wurden sie als wucherlich angesehen, welches die Gesetze,
entsprechend dem Stande des Verkehres, als Uebermaass kenn-
zeichneten. Diese Begrenzung des kanonistischen
W u c ]i e r b e g r i f f e s , diese theilweise gesetzliche Anerken-
nung, dass die Nutzung fremden Kapitales zu vergüten sei,
welche hierin lagen , bildeten das grosse erste Resultat, den
erheblichen ersten Fortschritt,- welche der lange Kampf der
wirthschaftlichen und Rechtskräfte hervorgebracht liatte. i*^)
1) Dauziger Willkür cp. X. fol. 129. 2. „von Wechsel rad Wu-
cherei." (Danz. Arch. Bibl. X. 4.). Das Gesetz billigt SV^'^o Ij^i ge-
wöhnlichen Darlehn, in einzelnen Fällen sogar 12",,,. cf. die ausführ-
liche Note 16. 2) B 0 p p , Beitr. II. 18. 3) Polizeiordnung fol. 20.
4) Pufendorff, obs. I. 1. p. 26. fi) Landesordnung XIV. 70. n. 1.
6) Statut. Pufendorf. 1. c. XI. (372. 1) Rechtsquellen 1. c. n. 296.
8) .Landrecht c. 104. 9) Landrecht II. c. 8. §. 9. lOj Keformat. U.
11. §. 3. lO. 11. Souchay, xYnnierkk. I. p. 2G3 — 07. 11) Landrecht
n. 1. Wächter, Handbuch L p. 496 — 500. 12) Landesordnung I.
cp. 9. §. 7. 13) Suarez, schlesische Prov. Rechte I. art. 10. p. 403.
14) Stryk, Us. Mod. Pand. 1. c. §.11. Leyser, meditt. II. 130. n. 4.
med. 2. 15) Landesordnung p. 73. — cf. decret. Ferdinand. IL 1633. —
Rizy, Zinstaxen p. 77. 1(3) Auffallend schnell trat bei einigen dieser
Gesetze die Wandelung zu Gunsten des zinsbaren Darlehns ein. Die
Nürnberger Reformation von 1522 hatte noch, getrieben durch das
neu erstarkte kanonische Wuchergesetz, durch dessen Aufblühen in
den Bestinmiungen der römischen Juristen , der Reformatoren , durch die
vielleicht augenblicklich unmässigen Ziusfordenmgen , vielleicht auch nur
in der (jiewohnheit der bisherigen Zinsgesetze beharrend , alle Conven-
tionalzinseu beim Darlehn untersagt (1522. XXII. c. 3.) . ebenso wie sie es
35*
548 IX. '2. Billigling von 5 ((i) rvozent. a. Partilculargosctze.
In einigen obiger Gesetze wurde , wie oben bereits erwähnt,
der lUMitenkauf in seiner umgewandelten Gestalt geradezu an
hinsichts der Ziusfordorungcn der Juden tliat. (ib. XXII. c. 4. 5. cf. V. 4.1).)
Das Solmser L. K. II. 2. §. 10 bestimmte noch: „Beim Darlehn soll
kein Gcniess, noch Gewinn von demselben geliehenen, es sei um Geld,
Frucht . Wein oder anders erfordert nocJi gegeben werden. Denn solches
ein lauter Wuclier wäre , so in den Rechten verbotten." Und dicKur-
kölnisch e Polizei - Ordnung von 1538 , die Quelle des J ü 1 i c h - B e r -
g e r Landrechts (von 1595. 159fi) verbot alle Zinsen bei Verlust des vier-
ten Theiles des Kapitales. (M a u r e n b r e c h e r , I.e. ik 379 ff.) Die Gesetze
selbst lauten (in maassgcbenden Beispielen): Meklenburger Polizei-
Ordn. (Rostock, Steph. Myliander 1562) p. 40. „So haben wir gesetzt
und geordnet, das gCAVon liehe Rente und zinse vermüge kaiser-
liche Majestät Constitution auf dem Reichstage zu Augsburg 1530 und
1548 gehalten , aufgerichtet , v o n 100 gülden h a u p t s u m m e n nicht
über 5 und also auf und abe zu rechn en verschrieben, geben
und genommen werden sollen . . . das wir dieselben Uebertreter vermüge
und inhalt derselben kaiserlichen Constitution, wie oben gemelt,
darumb strafen werden. Es soll auch in unscrm Landt und andern Unter-
gerichten nach solcher kaiserlichen und des heiligen Rei-
ches Satzung und Ordnung gesprochen werden." — Pfälzisches
Land recht von 1581 (Heidelberg bei Spies 1582) ti. XUII.fl. 70. Vor-
rede: das Zinsennehmen sei gegen Gottes Gebot und kaiserlich Ge-
setz. Darum sei es auch hier untersagt. Dann: „ und seindt diese nach-
folgende für wucherliche Contrakt zu halten : I. Erstlich , so einer von
100 Gulden Werth Hauptgelds ein Jahr lang mehr dann 5"/„ zu Zinss
nimbt und diesem Anschlag nach solle der zinss , so der hauptsummen
mehr oder weniger dann 100 Gulden were , auch jederweilen der zeit nach,
ob der debitor das Geld lenger oder kürzer , dann ein Jahr lang in Hän-
den haben würde , pro rata gerechnet werden." DanzigerWillk. von
1580 (ungedr. Arch. Bibl. in Danz. X. 4. cp.X. fol. 129. 2.) „von wechsell
vnd Wucherei. Wer ihm sein geldt versichern lest mit erben , burgern
oder pfänden , der soll nichthoher zinsz nehmen , dann achtmarck
acht sc hott (24 seh. = 1 mrk.) vom hundert, bei peen des zehen-
den theils des Hauptstuels vnd widderkerung des Wuchers , so offt als
versprochen wirdt, der aber auffeine schlechte vnd blosse
Handtschrifft sein geldt ausleihet, der magwoll zwelff
vom hundert nehmen. Dies soll aber allein vnter Han-
del siewten auch nicht auf jerliche Renthe sonn dem
auf ettliche Monat Wechsell gemeint sein vnd verstan-
den werden." Die Motive hierzu finden sich in Beilage G. (15G9). In
Danzig scheint übrigens dieser Prozentsatz schon 1578 erlaubt, cf. Schöp-
EX. 2. Billigung von 5 ((>) rro/.ent. a. rartikulargesetze. 549
Stelle des Darlehiis beibehalten. Diejenigen aber der Territo-
rialfürsten , welche in iliren Gesetzen offen das zinsbare Dar-
penbucli ib. v. 1578 fol. 152 (cf. ob. YIII. 3. e.) In Zürich ging zunächst,
wie in andern Orten auch . der Rontenfuss allniählicli im Verkehre in den
Zinsfuss bei Darlehn über. Der erstere betrug bereits am Anfange des
15. Jahrhunderts 5 7« (cf. ob. V. 3. c. — Bluntschli, Zürich R. G. I.
p. 423. II. ]). 2(j2ff.) Man hielt diesen im 16. Jahrhundert auch bei Dar-
lehen nicht inne. Die Bauern der Herrschaft Greifensee beschweren
sich 1525 darüber. ,. . . glauben wir, dass auch das ungöttlich und unrecht
gethan sey , dass man in der Stadt und auf dem Land einander so schwer-
lich belade mit W u c h e r z i n s e n au Kernen , Wein , Haber und Rhei-
nisch Geld und hoffen, dass solches zu Nutz der Armen abgestellt und
ein ziraliches zius von einem Pfund ein Schilling (5 "/») bestimmt werde.
Dann obwohl auch die s er nicht göttlich ist, kann er doch
z u m V 0 r t h e i 1 d e r A r m u t h nachgesehen werden." Hier schei-
det man daher sehr genau zwischen der Unsittlichkeit des Wuchers nach
dem höchsten idealen Sittengesetz und den Forderungen des Rechtes in
der Praxis , das doch selbst den Armen hilft (cf. VIII. 3. a.) 1529 erliess
der Züricher Rath ein Mandat mit der Stelle darin : „ wie wol wir nie-
mantz hei-ssent noch erloubend sin gelt vff zins vsszeliehen : dann wir vil
Über wöltind, das yederman dem andern vss trüw viid Christenlicher liebe
lihc hulffe vnd fürsatzte. Diewyl aber leider die liebe in allen men-
schen erkaltet , vnd der gyt , ouch die vntrüw etlicher liederlicher
lüten überhand genommen hat — Lassend wir geschehen dass man pfen-
n i g zins möge kouffen , wie v o r m a 1 e n gebrucht worden , da einem
von hundert pfunden fünffe — zu järlichen zius verlange, mit
dem heyteren unterscheyd, dass kein ander gfaar mit vnderpfanden,
losungen oder sunst — gebrucht werde." Während dieser Zinsfuss sich
bis in das neueste Recht erhielt , gestattete das Mandat von 1653 noch
den Kaufleuten 6 7.,. 1675 aber missbrauchte der Rath seine Stellung
als Gläubiger dazu , sogar das Heruntergehen der Gläubiger unter 5 ° o
ebenfalls als Wucher zu verbieten, zunächst nur für Gülten und Schuld-
briefe, dann für alle Darlehn. Der Rath erklärte die Anlegung der Kaj)i-
talienzu4"„ für schädlich, weil dadurch die Schuldner, die bisher zu
5 "/o Geld aufgenommen , veranlasst würden , ihre Schulden zu kündigen,
und beschloss , es sollen künftig keine Briefe mehr zu 4 "■/<) besiegelt . son-
dern dem Darleiher überlassen werden , auf seine Gefahr und ohne Sicher-
stellung der Pfandrechte sein Geld auszuleihen. Beiden Arten des Wu-
chers legte nuxn dieselben Slrafen auf, welche den Schuldner und Gläubi-
ger gleichmässig trafen. Gewohnheitsrecht und (ierichtsgebrauch schafften
die Bestimmung bald ab. (cf. Bluntschli, 1. c. II. p. 264. Meyer von
Knonau, Handbuch d. Schweizer Gesch. 11. p. 249.)
55() IX. '2. Billigung von 5 (G) Prozent, a. rariikulargcsctzc.
lehn gestatteten , schwankten zweifelhaft zwischen dem , was
der Verkehr ihrer Bürger verlangte und dem , was sie selbst
auf den Reichstagen als Gesetz anerkannt hatten. Um daher
jedem Theile genug zu thun, entwickelten sie in merkwürdiger
Naivetät im Eingange des Gesetzes vom zinsbaren Darlehn,
anknüpfend an das römische und kanonische Recht, dass das
Darlohn von Natur zinsfrei sei; was daher als Darlehnszinsen
gefordert werde , sei gegen die Reichsgesetze , und als Wucher
zu strafen. Davon auszunehmen aber und zu billigen sei —
fügen sie hinzu — , dass der Gläubiger ausser dem Darlehnska-
pitale fünf oder sechs Prozent erhalte ; denn derselbe Zinsfuss
sei ja auch in den Reichsgesetzen gebilligt. l?o stellten sie
sich, als glaubten sie, dass der Zinsfuss der Reichsgesetze , der
ausdrücklich für den Rentenkauf lautete, allgemein für das Dar-
lehn gegeben sei, oder sie missverstanden wirklich jene Bestim-
mung der Reichsgesetze, jedesmal aber wussten oder wollten
sie nicht wissen , dass Conventionalzinsen und Renten bereits
einander wirklich gleich seien , und mussten doch dem siegrei-
chen Verkehre, der jene Gleichheit bewirkt hatte, ihren gesetz-
lichen Ausdruck und ihre gesetzliche Kraft verleihen. ^) Da-
neben trugen sie kein Bedenken, gleich nach jener Ausdehnung
der Rentenbestimmung auf das zinsbare Darlehn wieder die
erstere bei der Behandlung des Rentenkaufes zu zitiren. In
diesen Fällen erscheint es besonders zweifelhaft , ob die Gesetz-
geber nicht wirklich die Ueberzeugung gewonnen hatten , dass
der Rentenkauf in seiner völlig umgewandelten Form und das
zinsbare Darlehn dasselbe Rechtsinstitut geworden waren
(V. 3. d.). Verweisen sie doch zuweilen sogar darauf, dass das
Darlehn seiner Rechtsnatur nach zum Rentenkaufe gehöre,
um die Erlaubniss der Conventionalzinsen zu rechtfertigen.
1) Pfälzer L. 0. 1581. 1. c. — Hadeler L. R. 1583. cf. p. 546.
.547. N. 16. — cf. auch Orth, Anm. 1. c. — Stryk, U. M. P. 1. c. §. 10 ff.
— Mevius, wucherliche Contrakte I. cp. 6. §. 9. cp. 7. §. 7. — Ley-
ser, meditationes. U. spec. 130. nr. 4. — cf. Wächter, Handbuch I.
p. 496 ff. Refutation derer v. Meiernschen Gedanken (Frankfurt
und Leipzig 1734. p. 6.) cf. auch oben VII. b. Note vom Rudolstädter
Wucherstreit. Anemüller, 1. c. p. 10. 18. 21. 24.
IX. 2. Billigung von 5 (0) Prozent, b. Conventionalzinsen. 551
und in noch viel späterer Zeit behaupteten ja Rechtsgelehrte,
aus dem Kentenkaufe sei in Deutschland das zinsbare Dar-
lehn entstanden.
b. Die Conventi on.ilzin.sen im Reicli.skaminergerichte.
Ausserdem wurde die gesetzliche Billigung der Conven-
tionalzinsen durch das Beispiel des Reichskammergerich-
tes, dessen Entscheidungen in den höheren Gerich tsliöfen der
deutschen Einzelstaaten besonderes Ansehen genossen , noch
vornehmlich bestärkt. Obwohl nämlich in der Praxis der deut-
schen Untergorichte das verzinsliche Darlehn bereits anerkannt
und in Uebung war , entschied doch zunächst noch das Reichs-
kammergericht , während es allgemein sich den Bestimmungen
des römischen und kanonischen Rechtes als „dem gemeinen
Rechte" unterAvarf, in allen Gewissenssachen allein nach dem
kanonischen Rechte und brachte deshalb in der Frage der Con-
ventionalzinsen die Normen der bisherigen Reichsgesetze zur
Anwendung. ^) Allein als emen Theil des Verzugsinteresse
billigte das Reichskammergericht die Verzugszinsen bis zu
5 Prozent seit 1530, wo im Reichsabschiede dieser Zinsfuss
für die Rentenkäufe vorgeschrieben war , als ob Ihn die Reichs-
stände für die Verzugszinsen ausgesprochen hätten. So dehnte
man also auch im Reichskammergerichte jenes Reichsgesetz
weit über die Grenze der Renten beliebig aus.
Die Conventionalzinsen dagegen vom Darlelm verwarf
man freilich noch gänzlich. Aber die oben berührte ausge-
dehnte AnAveudung des Verzuges bietet einen Anhalt für die
Annahme, dass die Reichsstände, welche schon aus der Be-
handlung der Rentenkäufe in den Reichsgesetzen das Darlehn
sehr fein herausgeschält hatten, jetzt die Billigung der 5 Pro-
zent Verzugszinsen durch den höchsten Gerichtshof auf die
Conventionalzinsen gar leicht anwenden mussten !
Und auch die Beisitzer des Reichskammergerichts konn-
ten das kanonistische Wucherverbot gegen die Gesetze in den
1) cf. V. Meiern, sechster Zinsthaler §. 30ff. — Eichhorn, E. G.
§. 441. — Gerstlacher, 1. c. Anni. zum SpejTcr R. A. 1570. §. 83. X
„Zinsen ex mutuo , wie auch vom Interesse."
5Ö2 IX. 2. rsilligmiii- von T) ((>) Prozent, b. Convontioiial/inscn.
Eiiizelstaateii und gogon den allgemeinen Gebrauch dev Con-
ventionalzinsen im tägiiclien Verkehre nicht lange aufrecht
erhalten. Zwar zeigen noch einzelne Erkenntnisse des Gerichts-
hofes von 1561 und 1566, dass das Reichskammergericht den
Schuldner von allen Conventionalzinsen freisprach. Allein
schon in den Jahren 1560 bis 1580 zog man, durch obige
Gründe getrieben, daselbst in Erwägung, welche allgemeinen
und welche besonderen Grundsätze eigentlich in den Reichs-
abscliieden von dem Rentenkaufe und anderen Zinsgeschäften
1530 und 1548 (dann auch in der Reichs - Polizei - Ordnung
von 1577) ausgesprochen seien. Man erklärte da die Frage
für ein d u h i u m c a m erale:
„ob dieselben (die Reichsgesetze) auf alle contr actus
mutui, darinnen einiger gewin, Zinss oderusura,
dessen sei wenig oder viel mit unterlauffen, zu verstehen,
oder allein in denen Fällen , da ein unziemlicher, über-
mässiger, unchristlicher W u c h e r und gewin gesu-
chet und getrieben, also da über das Land- und Reich s-
läufftig Fünf von Hundert genommen werden, statt-
haben sollten."
Mit Ue'oergehung der Rente suchten die Richter also bereits
den Wortlaut der Reichsgesetze auf die Conventionalzinsen
gerade auszudehnen. Das lag bei dem zweideutigen Wort-
laute einzelner Reichsgesetze nicht fern. So heisst es in der
R. P. 0, von 1577 tit. 17. §. 1. geradezu: „Nachdem uns für-
kommen , wie bis anhero . . . etliche im Kaufbriefe mehr , dann
1000 Gulden (statt 800 empfangener Gulden) setzen lassen,
dadurch ihnen mehr, dann 5 von 100 verzinset..."
Auch konnte die reichsgesetzliche Billigung der 5 % Juden-
zinsen jene Annahme nur bestärken. Die Richter mussten
ferner anerkennen , dass überall 5 Prozent dieser Conventional-
zinsen gebräuchlich seien. Das über jenes dnbium gefertigte Ca-
meralschreiben neigte sich wesentlich zu der Entscheidung,
dass die Reichsabschiede sich auf 5 Prozent Conventionalzinsen
bezögen , und bemerkt zur Bekräftigung dieser Entscheidung :
„da fast der mehrer theil Stände im Reich und also
auch die sfatuentes selbst 5 Prozent reichen und
IX. 2. Billigung von 5 (G) Prozent, b. Conventional/.inson. 553
geben , auch darüber in ihren Landen und Gebieten spre-
chen und verhelfen, etliche auch solches andern durch
öffentlich in Druck ausgegangener Ordnung
zulassen und erlauben."
Das Cameralschreiben führt dann eine Menge von Belägen aus
dem römischen Kechte für die logische Auslegung der erwähn-
ten Reichsgesetzc an, ausserdem weist es auf Hotomann,
de usur. 1. 2. c. 3. Donell (ad ti. D. de usuris in pr. cf. oben
"\1I. 1. c.) und Car. Molinaeus (tract. d. usur. N. X. inpr.),
sowie auf c. 7. X. de donat. üiter Y. et U. (4 , 20) für die Er-
laubtheit der Zinsen hin, ^)
Auf dieses Cameralschreiben antwortete der Reichsab-
schied von 1570 ausweichend:
,, aus was billigen Ursachen die wucherlichen Contrakte , so
jederzeit im Reich grossen Unratli und Verderben angerich-
tet, in gemeinen Rechten und etlichen unsern Reiclisabschie-
den verbotteu , ist unnöthig zu erholen ; derohalben Avir dem
• Cammerrichter und den Beisitzern befohlen haben wollen,
in solchen Sachen, was einmal statuirt und ver-
abschiedet in kein ferneres Nachdenken zu
ziehen." ^)
Hiergegen erliess deshalb der Ivammerrichter und Bischof von
Speier Marquard von Hatt stein in der Zeit von 1570
bis 1577 ein »Schreiben , 3) worin er jenen Bescheid von 1570
als nicht erschöpfend nachwies und geradezu im Interesse des
Kapital - und Gerichtsverkehrs eine reichsgesetzliche Billigung
massiger Conventionalzinsen wünschte. So trieb ein Theil den
andern auf der einmal eingeschlagenen und von der Praxis wie
Theorie geebneten Bahn vorwärts.
Daher kam es, dass, obsclion in vereinzelten Fällen noch
das Reichskammergericht den Beklagten von allen Conven-
tionalzinsen aus dem Darlohn freispi-acli , oder den Kläger mit
seiner desfälligeii Klage unter Kostenlast abwies, dieser Ge-
richtshof seit 1580 doch meistentheils 5 Prozent Conventional-
zinsen durchaus anerkannte und dem Kläger zusprach, das
1) V. Meiern, sechster Zinstlialcr. Beil. I. p. 1 — 12. 2) Gerst-
lacher, Reichsgesetze X. p.2127. §.83. 3) v. Meiern, I.e. p. 12ü— 3ü.
öäl IX. •_>. Tlilligvmg von 5 ((5) Prozent, b. Conventionalzinsen.
sechste Prozent aber , wo dieses vereinbart worden, auf fünf Pro-
zent herabsetzte. Die Richter sclih^ssen sich Hinsiehts der Zins-
erlaubniss und deren Höhe eben an die Reiclisgesetze über Ren-
tenkauf und Judenzinsen an , und schenkten den 6 7o des römi-
schen Rechtes und einzchier Partikuhirgesetze keine Beachtung.
Selten zwar war das Reichskamniergericht in der Lage , liier-
über zu erkennen , weil in den bei weitem meisten deutschen
Einzelstaaten die Conventionalzinsen innerhalb einer bestimm-
ten Grenze durch Gesetze oder Gewohnheit eingeführt und in
Uebung waren. ^)
Man erwartete allgemein , die Reichsstände würden , was
sie in ihren eigenen Staaten gesetzlich gebilligt hatten , nun-
mehr auch durch ein Reichsgesetz für das ganze Reich aus-
sprechen. In der That fassten sie im Deputationsabschied zu
Worms 1586 bereits über die Verzugszinsen und das Interesse^)
feste Beschlüsse. Carpzov erwähnt davon :
„ deinceps in mutuo usurae nomine 5 annuatim a tempore
morae non praevia prohatione ejus , quod interest , adjudi-
cari debere."
Indess in ihren Stimmen gingen die Stände noch wesentlich
auseinander. Einige wollten 5, andere 6 Prozent, noch andere
gar keine Zinsen zugestanden wissen. Behufs endlicher Ent-
scheidung in Ueberemstimmung mit der Praxis verfügten sie
auf dem Reichstage zu Regensburg 1594, jenen Beschluss an
das Reichskammergericht gelangen zu lassen. Allein die Sache
unterblieb eben wegen der getheilten Ansichten der Stände.
Endlich schien im D e p u t a t i o n s a b s ch i e d e zu S p e i e r
1 BOO der Streit beigelegt werden zu sollen. Man genehmigte
daselbst auch die Zmsen bis zu 5 Prozent , doch nur für den
Zahlungsverzug (cf. IX. 1.). Das hatte man schon 80 Jahre
früher im Reichskammergerichte praktisch ausgeführt, noch
viel früher in den unteren Gerichten der Einzelländer und in
den Verträgen der Parteien selbst. Man musste sich damit
getrösten, dass hier wenigstens die Reichsstände zum ersten
1) Orth, Anmerkungen 1. c. v. Meiern, sechster Zinsthaler p. 112.
2) Nach den Behauptungen von v. Meiern und Gerstlacher.
IX. 2. Billigung von 5 (0) Prozent, c. Eeichsgesctze. 55.5
Male Zinsen allgemein anerkannten , wenn auch nur aus dem
Verz-uge , und dass man nun noch leicliter , als aus dem Keichs-
gesetze von 1530, die Billigung der Conventionalzinsen l)eira
Darlehn herauslesen konnte. Zwar hielt der Deputationsbe-
schluss fest an dem Verzugsfalle , allein er flocht doch dabei
allgemehie , und in dem Verkelire längst- gewohnte Begriffe,
wie Schaden (dauinnm emergens) und Gewinn (lucrum cessans)
ein, und vornehmlich seine Worte: „dass der Creditor
sein Geld von solcher Zeit an anlegen und zuge-
lassener Weise wenigstens von 100 fünf Prozent
wohl haben möge" hielten sich so allgemein, dass man
sie mit vollem Rechte auf die Darlehnszinsen nicht minder,
wie auf den Rentenkauf beziehen zu dürfen glaubte.
Seit diesem Deputationsabschiede trug denn auch das
Reichskammergericht kaum Bedenken mehr, dem Gläubiger
die Darlehnszinsen bis zu 5 Prozent zuzusprechen. Nur 1621,
als ein Prozess zwischen Juden und Christen, als Partheien,
über Conventionalzinsen beim Darlehn vor das Reichskammer-
gericht gelangte , erkannten die Richter jenen die Zinsen zu,
diesen ab. Demgemäss führten nun auch eine Reihe bis-
her noch bedenklicher Partikularfürsten die gesetzliche An-
erkennung der Conventionalzmsen beim Darlehen in ihre
Länder ein. ^)
c. Die Reichsgesetze billigen die Conventionalzinsen.
Hieraus kann man schliessen, dass bald nach 1600 die
Reichsstände sich auch über die Coventionalzinsen vom Dar-
lehn würden geeinigt mid damit durch ein Reichsgesetz über
diesen Kernpunkt der ganzen Wucherfrage den endlosen Streit
würden geschlossen haben, wenn nicht der dreissigjährige
Krieg von Neuem jede Entscheidung der einfachen Verkehrs-
angelegenheiten weit hinausgeschoben hätte. Nach dem ent-
1) p. 546 fF. cf. cl. Oelsner L.R. Suarez, schles. Prov. Rechte I. a.
10. p. 403.— Braunschweig 161H. Hildesheim ebendann., Wolfen -
büttel. Stryk, Usus Mod. Pand. 1. c. §. 11. Leyser, meditatt. 11. 130.
n. 4. med. 2. Würteniberg. (L. 0. von 1620. Wächter 1. c.) Baden.
L. 0. V. 1622. p. 73. cf. decret. Fcrdin. 11.1633. Rizy, Zinstaxen p. 77.
556
rX. 2. TJilliguiiir von f) ((i) Prozent, c. Reichsgesetze.
setzlichen Kample aber, als wegen des aus ihm hervorgegan-
genen Unglücks die Schuldner im Zinsdrucke seufzten („for~
iunis lapsi , nimio usurarum cursu aggravati esscnt/')^)
1) Als oüizclner Belag hierfür diene Folgendes. Nach dem ersten
schwedischen Feldzuge, in Schlesien werden in dem schlesischen Dorfe
Domslau auf dem Gerichtstage (Erbtage) 1638 den 21. Juni die bei den
ünterthanen daselbst gemahnten Privatschulden ermittelt , und im ein-
zelnen für jedes Gut auf einem besonderen Blatte zusainmcngestellt. Die
Rückstände an die Gutsherrschaft sind nirgends , ausser beim Scholzen-
gute vermerkt. Das Ergebniss ist dieses : cod. dipl. Sil. IV. p. 98 (M e i t z e n)
Gr.
George Rettigs gewesenen Scholzes Gut , 7 Hub.
u. 1 qu. (Erb - u. Getreidezinsen 3 Jahr), 1 Kalb
Stenzel Wieles Scholzes Gut, 3 Hüben . . .
Adam Schmidtes Gut , 2 Hüben
Michel Rabel Gut , 3 Hüben 96 Schffl. Getr. u.
Adam Rebel Kretschmer
Matz Rebel 10 Viert, u. . .
Gregor Dudek 2 Malt. u. . .
Thoraas Lache wüste . . 6 Schffl. u. . .
Hans Clemet
Georg Marunge . . . . 53 V4 Schffl. u. .
Caspar Zerschki Kretschmer
Thomas Vierdmig . . . • IV2 Malt. u.
Jakob Sperling 2 Schffl. u. . .
Adam Woytung oder Lor. Sperling wüste . .
Hans Schimmels Erben sollen sich berechnen .
Michel Lache
Hans Geigke oder Georg Lampert
u. an Georg Gauke d. Stiefsohn v. d. Willkühr
Merten Klisch 3 Söhne aufn Gut
Valten Schimmels wüstes Gut
Hans Gruntke Gärtner
Mat^Gruntkes Garten fällt an die Verkäufer
zurück Schuld 2 Achtel Bier
Merten Briese 1 Schffl. Korn u.
Paul Kochner Mündling ausw. 1 Schffl. Korn u.
Georg Kolbe Erben .... 2 Schffl. Korn u.
Hans Clement
Albrecht Strach oder Jakob Gangel ....
Hans Galantke
Michel König
Mrk.
Gl-
Thlr.
37
1811
180
24
33
72
—
350
33
—
546
638
95
12
89
474
36
41
219
12
1046
—
104
468
43
86
510
—
2052
53
10
104
267
24
362
404
40
84
119
3
16
—
50
—
189
8
270
47
36
104
—
40
49
1
59
39
47
30
—
62
17
97
12
33
—
11
18
15
3
13V2
6
22
27
18
25
11
3
18
IX. 2. Billigung von 5 (6) Prozent, c. Reichsgesetze. 557
wurden die Reichsstände um so dringender veranlasst , derglei-
chen Beschwerden zu heben und weiteren vorzubeugen. Die
Also auf ca. 2000 Morgen Summa 1253,4 Scheifel Getr., 2 Achtel Bier,
4951 schwere Mark 28 Gr. (ä 48 Gr.) und 6428 Thaler 18 Gr. (ä 36 Gr.),
einschliesslich des Getreides also etwas über 10,000 Reichsthalcr. Die
vorgeschossenen Steuern und rückständigen Gefalle an die Stil'tsgüter -
Verwaltung betrugen nach dem Kriege ca. 10,000 Thaler schles. oder
8000 Reichsthaler (1. c. Urk, n. 191.).
cf. ib. Urk. n. 187 (24. Decbr. 1644) „ ... Es verkauifen obgedachte
Herren Verwalter ihm George Sommern seinen gewesenen Gartten zum
Dombsel (Domslau) , wie er ihn vor diesem besessen und genossen (weil
er sich gäntzlich an Stewern und der Herrschaft privi-
legirten S chulden vorstanden, undt die a ndern Credito-
res durch ordentlichen Abscheidt ihrer Forderung halber abgewiessen)
für 30 Thaler, jeden deroselben zu 36 Groschen weiss gerechnet. Die
Zahlung belangende soll Kaeuffer alsobald zum Angelde erlegen 6 Thaler,
liatt zuvor allbereit drauf bezahlt 12 Thaler, die übrigen 12 Thaler in
3 Jahren als künflFtig ÄCarttini des baldt angehenden 1645. Jahres anzu-
fangen mit 4 Thalern, undt so die nachfolgende 2 Jahr jedesiiiahl auff
Marttini 4 Thaler bies zu völliger Bezahlung. Alle Beschwerden , so die-
ser Gartte vor diesem ertragen , nemblichen ins Hospitahl st. Bernhardin
iest er schuldig zu geben alle Jahr 1 Thaler , 3 Hüner , 1 Mandel Eyer,
nimmbt Kaeuffer übersieh, und noch dazu jährlichen den Herren Ver-
waltern auff Ostern 1 Mandel Ayer und Michaelis 3 Hüner; desgleichen
sohl auch Kaeuffer selbander wegen der Hoffarbeit schuldig sein, als der
Mann von Michaelis an bies Ostern des Tages unib l'a Groschen, dass
Weib umb 1 Groschen , von Osteni bis Michaelis der Mann des Tages
umb 2 Groschen , das Weib umb 1 '2 Groschen , alles bei ihrer Kost , aus-
genommen in der Erndtezeit bei der herrschaftlichen Kost zu arbeitten.
Solcher Gartten liegt in Steuren der reducirten Ausage nach auf 20 Tha-
ler " (ib. Urk. 188. desselb. dati verkaufen wieder die Herren Ver-
walter dem Gregor Klischen ,. sein gewessenes Pauergutt zum Dombsell
von zwejen Hüben ...weil es sich gäntzlich anStewrenvndt
der Herrschafft privilegirten Schulden vorstanden, und
die andern Creditores durch ordentlichen A b s c h e i d t ihrer For-
derung wegen abgewiesen , für 12oThalcr. .. Bisherige ,. Beschwerden
ins Hospitahl st. Bernhardin . . : alle Jahr 5 Thaler 12 Groschen . 2 Schul-
dem, 2 Par Hüncr , 40 A\er , auff den Tluniib jährlichen 2 Tlialer 24 Gro-
schen , für Hoffarbeit von der Hube 10 Groschen , . . . dazu jährlichen auff
Osteni den Herrn Verwaltern 40 Ayer und Älichaelis 2 Paar Hüner."
Dazu „gegen Erlassung der alten Zinss Hoffarbeit dem Landtsbrauch
nach ... von jeder Hube 8 Beete durch ein Gewende, . . . und ein jedes
Beete von 8 Forchen auff dreyerlci Art zu uckern , als im Brachen über
558 TX. 2. "RilHyunj^- von ö {(]) Prozent, c. Reichsgesetze.
nun zwiefach bedrängte Lage der Schuldner nöthigte die Für-
sten endlich . die Zinsen aus den Darlehen anzAierkennen und
massig zu begrenzen.
Zunächst Avurden vom Reichskammergerichte und Reichs-
hofrathe Gutachten darüber eingeholt , wie die Lage der durch
den Krieg verarmten, insbesondere von Zinsen bedrückten
Schuldner zu bessern sei im Wege der Reichsgesetzgebung.
In den von diesen höchsten Gerichten darauf eingereichten
Gutachten wird wesentlich die unmittelbare Herabsetzung der
Sommer imd über Wiudter zu rühren, desgleichen auch zu jeder Zeit
achte treulich und flcissig zu arbeitten . item von der Hube 3 Puder Miest
auff der Herrschaift Acker , wo sie angewiesen werden , zu führen , doch
das es von der Herrschaft Gesinde aufgeladen und abgeschlagen werde,
mehr von jeder Hube 2 Fuder Hew undt 2 Fuder Holtz einzuführen , und
solches von ihnen und ihrem Gesindten aufzuladen und abzuereichen , wie
auch von jeder Hube 3 Malter Getreide in die Stadt zu führen, Baufuhren
so viel ihm möglichen. Solches Gutt liegt in Stewern der reducirten An-
sage nach auff 100 Thaler..." (ib. Urk. 189.) 2. Octbr. 1(351 „nach dem
aus göttlichen gerechten Gericht und Verhängniss durch das hochschäd-
liche Krieg sunwesen, Brandt, Plünderung, Pest und andere un-
glückhafte Zuefälle wie andere also auch dieses Dorff und Gutt Dombsel
in äuserste Verterb und Euin gesetzet, dergestalt, dasz nicht allein die
meisten Wohnhäuser und Hofestädte daselbst abgeräuhmet und in die
Asche geleget , sondern auch die Aecker und Gärtten darumb ganz öde
und wüste liegen blieben , weil die Einwohner theils verlauffen , theils
verstorben und dahero erfolget, dass auff denselben Gründen und Güttern
die allgemeinen Steuern und Contrib utiones wie nicht
minder diejenigen Schuldigkeiten, welche den Hospi-
talien gehörig und zue Verpflegung des lieben Armut-
tes gewiedmet, sich dermassen gehäuffet, dass derer sehr
viel nicht allein gantz verstanden und zue Bezahlung
erst geregter Anlagen oder Resten nicht erklecklich,
sondern die auch annoch übrigen und am Leben verbliebene Einwehner
auss Armuth nicht so viel anbauen können , dass sie die g e m e i n e n A n -
lagen davon abzurichten vermocht:... ist auf dem Fürsten-
tage vom 29. Januar 1639 beschlossen, alle Creditores, Erben , Possesso-
res, Interessenten bei Strafe der Präklusion zur Besitznahme aufzufor-
dern. Geschieht dies nicht , so fallen die Ländereien an die betreffenden
Obrigkeiten." Diese Bestimmung wird u. a. more solito auch von d«r
Cantzel abgelesen.
IX. 2. Billigung von 5 (6) Prozent, c. Reichsgesetze. 559
Zinsensclmlden befürwortet, hierbei aber stets die Zinsschuld
an sich als rechtsbeständig angesehen.')
Die Reichsstände aber spre<:'hen , was sie in der Friedens-
urkunde von Münster schon berührt und durchzuführen ver-
heissen hatten , dann in dem R e i c h s b e d e n k e n von 1 654 -)
dahm aus:
„Anweisend die künftigen Zinsen (d.h. Renten) und
Interesse, da ist man an Seiten Churfürsten und Stän-
den der Meinung , dass von nun an dieselben , sie seien
eoc CO n f racf u e ni tionis a nn u o r u m r e dl t u u m o d e r
muttii herrührig und versprochen, doch weiter
Nichts, als 5 Prozent alle und jede Jahr.incow-
vento tcrmino ohnfehlbar bezahlt, und in casu niorae auf
blosse Vorzeigung der obligatio per paratam exccutionem
Avider den Schuldner verfahren werden solle."
Allgemein daher ward hier zugebilligt, Interesse (Zinsen) aus
Darlehen zu fordern innerhalb der Grenze, welche die Gewohn-
heit des Verkehres und die Zahl der Partikulargesetze im Lande
bereits aufgestellt hatten. Alsdann bestimmte der jüngste
Reichs abschied von 1654, die geschuldeten Kapitalien
der im Kriege Verarmten sollten nicht vor 3 Jahren und theil-
weise zurückgezahlt werden. Die bisher angelaufe-
nen Zinsen (Renten) und Interessen sollten bei jenen Schuld-
nern „zu drey Viertheil kassirt und aufgehoben sein," das
letzte Viertel soll auf eine näher bestimmte Weise albnählich
abbezahlt werden (J. R. A. §. 172. 173.). Hinsichts der künf-
tig fälligen Zinsen (d. h. Renten) und Interessen jener
Schuldner heisst es dann im §. 174, wo ausdrücklich statt der
Conventionalzinsen das kanonistisch gebilligte Interesse genannt
wird (cf. IV. 3. c. IX. 1.):
„ Anreichend die künftigen Zins und Interesse sol-
len von nun an dieselben, sie seien aus wiederkäuflichen
Zinsen oder vorgestreckten Anlelien her rührig
u n d versprochen, doch nach Ausweisung der Reichs-
1) V. Meiern, 1. o. Beilagen I\ . ii. \ . \k J7 — 57. 2) v. Meiern,
sechster Zinsthaler 1. c. §. oü.
51)0 IX. 2. Billig. V. ;')(()) Proz. d. Auslcg. d. jüngst. Reichsabschiedes.
Constitutionen und Weiteres nicht, als 5 Prozent alle und
jede Jaliren in ver,L,'lichenen Terminen unfehlbar bezahlt
werden und im Falle des Saumsais auf blosse Vorzeigung
der ohligatio 2)er paratam executionem wider den Schuldi-
ger verfahren werden."
d. Auslegung des jüngsten Reichsabschiedes §. 174. Streit
über die Höhe der Zinsen.
Eme neue , a])er hinlänglich grosse Veranlassung zu Be-
denken und Zweifeln bot dieses Eeichsgesetz. Klar nämlich
erhellte, dass die Zinserlaubniss sich lediglich auf die durch
den Krieg bedrückten Schuldner erstrecken sollte.
So heisst es schon im art. GG. der Friedensurkunde von
Münster:^)
„de hidaganda aliqua rafione et modo aequitate conve-
niente, quae persecutiones actionum contra dehitores
ob hellicas calamitates fortunis lapsos et ni-
mio US ti rar um ciirsii agyravatos moderate termi-
nari indeque nascituris majoribus incommodis etiam tran-
(jidllifati imblicae noxiis obviam iri possit..."
Dann im §. 171 des jüngsten Reichsabschiedes:
„ Wir wollen , dass unter diese Satzung allein d i e d u r c h
den Krieg von Mitteln gekommenen oder durch hohe
Aufwachsung der Pensionen und Zinsen beschwerte
Schuldner gezogen werden. ."
Dazu gab es eine Zahl von Zinsfeinden oder peinlichen Aus-
legern, welche sowol im Reichsbedenken, wie im Reichsab-
schiede die Worte „ künflftige Zinse " auf den Renteukauf, und
„Interesse" nur auf die Verzugszinsen gemäss dem Deputa-
tionsabschied von IGOO §. 139 bezogen. In diesem Sinne aber
sei im Reichsbedenken hinzugesetzt: „herrührig und verspro-
chen aus wiederkäuflichen Zinsen oder vorgestreckten Anlehen "
und im Reichsabschiede: „nach Ausweisung der Reichskoii-
stitutionen," Avelche Worte im Reichsbedenken sich nicht
finden. ^) Sollten „ Zins und Interesse " die Conventionalzinsen
1) Instr. pacis Osnabr. art. 8. §. 5. 2) v. Meiern, Sechster
Zinsthaler p. 170. 171. Das. Beilage VI. (p. 58 ff.). Die kaiserliche Rati-
IX. 2. Billig. V. 5 (())Proz. .(1. .\uslog. d. jüngst. Reichsabschiedes. 5G1
beim Darlelm bezeichnen, so fanden sie keinen Rückhalt an
den früheren Reichsgesetzen. Dieser Erklärung stand auch
nicht entgegen , dass zur Erleichterung der Schuldner aus dem
Kriege her das Gesetz gegeben worden. Zu niedereren Renten
nämlich und gesetzmässigen Verzugszinsen hatten die Schuld-
ner den Gläubigern ihre Schuld , oder ihre Zahlungssäumniss
auszugleichen versprochen. Dieses wurde nun im Reichsab-
schiede auf das zugestandene Maass herabgesetzt.
Nach dieser Auslegung, welche unmittelbar nach dem
Erscheinen des J. R. A. auch das Reichskammergericht auf
kurze Zeit billigte , ^) wäre also , da weder vorher noch später
die Reichsgesetze Conventionalzinsen aus dem Darlehn zu
nelimen erlaubten , reichsgesetzlich in Deutschland das kano-
nistische Zinsgesetz niemals aufgehoben, reichsgesetzlich nie-
mals dem dringenden Verlangen der Theorie und Praxis des
Verkehrslebens abgeholfen.
Ebenso stellt sich die Sache, wenn man, was sich aus
obigem Zusammenhange und Wortlaute des J. R. A. offenbar
nicht genügend rechtfertigt, in dem J. R. A. nur die Partiku-
largesetze und Gewohnheiten, welche das zinsbare Darlehn
anerkannten , bestätigt sieht. ^)
Allein der weitaus grösste Theil der Rechtskundigen im
Reiche zweifelte keinen Augenblick mehr , das letzte Reichs-
gesetz auf alle Conventionalzinsen aus Darlehen und andern
Zinsgeschäften mnerhalb 5 Prozent und auf alle Schuldner
anzuwenden. Das sei die Absicht der Reichsstände bei Abfas-
sung dieses Gesetzes gewesen; denn, wenn sie die Conven-
tionalzinsen aus Darlehen an sich nicht anerkennen wollten,
hätten sie wahrhaftig zur Erleichterung ihrer bedrängten
Schuldner nicht bloss die Zinsen bis auf 5 Prozent herabge-
setzt , sondern ganz aufgehoben und damit auf das Unverkenn-
barste ihrer Ansicht gegen die Conventionalzinsen Ausdruck
fikation befindet sich Beil. VII. p. 64, der Conimissionsbericht (majora
dejmtaiorum imperii) Beil. VIII. p. 65 flf. . die Abstimmung im Fürsteii-
rathe Beilage IX. ]>. 69ff. . dessen Beschluss Beilage X. p. 86 ff.
1) V.Meiern, I.e. ]>. l;53ff. 2) Eichliorn, Einl. in d. deutsche
P. R. §. 106. 107.
Neuiuann, Gesch. d. Wuchers. 36
5G2 IX. 2. Billig. V. 5 (6) Proz. d. Auslog. cl._ jüngst. Keichsabschiedes.
gegeben, wie sie es jetzt für dieselben thaten. Bezogen sie
sieh (leslialb hierüber auf frühere Reichsgesetze, so meinten
sie diejenigen seit 1530 bis auf den Deputationsabschied von
1600, indem sie diese so auflfassten, wie sie es zuvor in ihren
rartikulargesetzen gethan , und wobei die Beisitzer des Reichs-
kaniniergericlites , wie die Mitglieder ihrer eigenen oberen und
unteren Landesgerichte ihnen durchaus zur Seite standen. Das
R e i c h s k a m m e r g e r i c h t insbesondere sah bald seine fi'üher
bereits in der Praxis verwirklichte Ansicht von der Erlaubtheit
der Conventionalzinsen bis 5 Prozent im J.R.A. bestätigt und
erkannte seitdem dieselben dem Gläubiger regelmässig, doch
nur aus den Zinsgeschäften nach Publikation des Reichsge-
setzes zu. ^)
Fragt man nach der wirklichen Entscheidung zwischen
diesen zwei geschichtlich auftretenden Ansichten , so ist Fol-
gendes zu erwägen.
Streng dem Wortlaute nach sind Conventionalzinsen beim
Darlehu und sonstigen Zinsgeschäften allgemein in den Reichs-
gesetzen nicht gestattet. Die Reichsgesetze bis 1600 handeln,
wie gezeigt, lediglich von Renten und von den Zinsen der
Juden. Die Renten aber waren auf dem Standpunkte der
Reichsgesetze , wie bewiesen ist , nicht den Conventionalzinsen
gleich. Dann der Deput. Absch. von 1600 gestattete nur die
Verzugszinsen. Der J. R. A. endlich begrenzte seinen Worten
nach die Erlaubniss und gesetzliche Fixirung der 5 % ™^ In-
teresse (Conventionalzinsen) nur auf die verarmten Schuldner
aus dem dreissigj ährigen Kriege. ^)
Praktisch wichtig wird die Sache insbesondere dort, wo
es sich um die Frage nach den höchsten gesetzlichen
Conventionalzinsen des gemeinen Rechtes handelt.
Hier behauptet nun der eine Theil, das römische Recht
mit seinen Maximalsätzen sei maassgebend, der andere Theil
will von vorn herein nur fünf Prozent zulassen. ^)
1) V. Meiern, 1. c. p. 137 ff. 2) Puchta, Paud. §.229. Note b.b.u.
Arndts Pand. §. 210. Amn.5. sehen mit Unrecht im J.R.A. an sich eine
allgemeine Vorschrift über die Conventionalzinsen. 3) So u. A. Seuf-
fert. Erörtemngen p. 138 ff. v. Wening-Ingenheim, Lehrbuch des
EX. 2. Billig. V. 5 (G) Proz. d. Ausleg. d. jüngst. Reiclisabschiedes. 563
Die Vertreter des römischen Rechtes hierbei schliessen so :
Reichsgesetze über 5 oder 6 % Conventionalzinsen existiren
allgemein nicht. Wo auch Partikulargesetze darüber Nichts
sagen , tritt nicht das kanonische Recht , das die Zinsen gar
nicht billigt , sondern das römische Recht subsidiär ein.
Hiergegen führen Seuftert u. A. den J. R. A. und insbe-
sondere dessen Worte „nach Ausweis der Reichskonstitu-
tionen " an. Andere beziehen sich nicht auf den eng begrenz-
ten J. R. A., aber sie weisen das Zinsmaximum des römischen
Rechtes damit ab , dass „ absolut kassirte Gesetze nicht ganz
wieder aufleben , wenn ein Theil von ihnen erneuert wird." ^)
Die reichsgesetzlichen Bestimmungen über den Rentenkauf
und die Judenzinsen seien analog oder „argumcnto ab dbsiirdo"
auf die Conventionalzmsen auszudehnen, letztere seien durch
allgemeine Gewohnheit bis zu 5 % als gesetzlich anerkannt. ^)
gemeinen Civilrechts. III. 1. b. u. Note k. (Dazu Fritz, Erläutcr. lU.
p. 45flf.) Thibaut, Fand. Syst. (Aufl. 8.) §.195. Glück, Commentar
XXI. p. 95ff. Göschen, Vorlesungen 11. §.406. Puchta, Fand. §. 229.
Arndts, Fand. §. 210. Eichhorn, Einl. 1. c.§. 106. 107. Die Fraxis des
Reichskammergerichts stimme mit den „5'Vo" überein. v. Meiern,
1. c.p. 139 ff. Der Reichshofrath dagegen sprach in den bekannten zwei
Prozessen von Ostein c./a. Brand euburg-Culmbach (Rentenkauf),
und von Knigge ca. Sachsen-Eise nach 1733 das vereinbarte sech-
ste Prozent dem Kläger zu. v. Meiern, 1. c. p. 151 ff. Die Schritt von
Meiern mit ihren reichen urkundlichen Beilagen erschien eben für
V. Knigge (Schwabach u. Frankfurt a. M. 1733.) Gegen sie: Refutation
derer Meierischen Gedanken u. s. w. Frankfurt u. Lei})zig 173 1. — Gegen
diese : Antwort auf die sog. Refutation u. s. w. Hannover 1734. — End-
lich Anhang zur Antwort u. s. w. 1735.
1) Thibaut, Fand. Syst. 1. c. §. 195. 2) Thibaut, 1. c. §. 195.
Glück, XXI. p. 95 ff. 1. c. und dessen Citate. Eichhorn, Einl. §. 106.
107. 1. c. Letzterer beruft sich zum Schutze der 5",, auf die duich das
Verkehrsbedürfniss und den J. R. A. mittelbar hervorgerufene Gewolni-
heit , namentlich auf die Schriftstoller des 16. u. 17. Jahrh. (E. (Joth-
mann, responsa. II. resp. 52. nr. 77 ff. Mcvius, wucherliche Contrakte
I. cp. 7. §. 7.), welche Renten und Zinsen als identisch betrachteten, und
auf die constante Fraxis der Reichsgerichte. Wie weit diese Annahmen
unrichtig sind , ist oben erörtert , hinsichtlich der Identität zwischen Ren-
ten und Darlehn gerade für die Reicbsgesetze in V. 3. b. d. u. IX. 1. , hin-
sichtlich der Reichsgerichte IX. 1. u. 2.
3G*
564 IX. 2. Billig, v. 5 (6) Proz. d. Ausleg. d. jüngst. Eeichsabschiedes.
Nach genauer Erwägung der maassgebenden Gründe,
welche besonders in obiger geschichtlicher Darlegung wurzeln,
zeigt sich, dass fünf Prozent das gemeinrechtlich
gesetzliche Maximum der Conventionalzinsen sind.
Mittelbar nämlich setzte der J. R. A. diese Norm für das
Interesse fest , wenn er sie unmittelbar auch lediglich den im
dreissigjährigen Kriege verarmten Schuldnern gab. So ver-
stand und übte die Gerichts - und Verkehrspraxis in Deutsch-
land , mit Ausnahme des Reichskammergerichts in der unmit-
telbar dem J. R. A. folgenden Zeit, den §. 174 des J. R. A.,
dessen Wortlaut , getrennt von den voraufgehenden Paragra-
phen , sogar zu solcher Auslegung nöthigt. Der ganze Verkehr
daher, der widerholte Antrag des Reichskammergerichts wie-
sen auf diese Auslegung. Wenn die Stände hier 5 7o Conven-
tionalzinsen sogar den Gläubigern der bedrängten Schuldner
gestatteten, musste geschlossen werden, dass sie in günstigeren
Schuldfällen um so zweifelloser diese Zinsen billigten. Die
Worte „ doch nach Ausweisung der Reichskonstitutionen " be-
fanden sich, wie oben bemerkt, nicht in dem Reichsbedenken
von 1654, der unmittelbaren Grundlage des J. R. A. Jetzt
stehen sie allerdings in §. 174 des J. R. A. Aber mitten in
dem Zusammenhange, wie sie jetzt gelesen werden, können
sie gar nicht frühere allgemeine Wucherverbote wiederholen,
wenn sie nicht den §. 174 auflieben oder mindestens viel zu
ungenau gefasst scheinen sollen; vielmehr beziehen sie sich
einfach auf die Maximalsätze der Renten, Juden- und Ver-
zugszinsen in den früheren Reichsgesetzen bis 1600. Siebegren-
zen eben die allgemeine Zinserlaubniss vom Anfange des §.174
auf fünf Prozent. Daher leiten sie mit „ doch " ein und gehen
über zu „und Weiteres nicht." Eben in dieser Auffassung nur
hat das „ und " und besonders das ., Weiteres " einen mit dem
Anfange und Schlüsse des §. 174 überemstimmenden Sinn,
nicht aber in der eingegrenzten Erklärung von Fritz ^) noch
weniger in derjenigen von Seuffert. ^)
1) Erläuterungen u. s. w. zu v. Weuing - Ligenheiins Lehrbuch des
gem. Civil. E. 1. c. lü. p. 54. 2) Erörterungen p. 138 ff.
I
IK. 2. Billig. V. 5 (6) Proz. cl. Ausleg. d. jüngst. Eeichsabschiedes. 565
In dieser Auslegung nun billigt der J. K. A. oifenbar als
gesetzliches Maximum der Conventionalzinsen im gemeinen
Rechte 5 %, Fritz will nur ,, massige zugesagte" Zinsen darin
implicite anerkannt sehen. Aber welch ein Grund liegt vor,
wenn man die mittelbare allgemeine Auslegung des §. 174
zulässt, dann dieselbe willkürlich und gegen den Wortlaut
und Sinn des §. 174 zu beschränken? Der §. 174 setzt aus-
drücklich als Maximum der Conventionalzinsen fünf Prozent
fest mit den Worten: „..die künftigen Zins und Interesse sol-
len von nun an (aus Reutenkauf oder Darlehn) herrührig
und versprochen,... und Weiteres nicht, als fünf
Prozent ... bezahlt werden." Das heisst, fünf Prozent ist
unmittelbar für die armen Schuldner jener Zeit , mittelbar für
alle Parteien in ganz Deutschland der Maximalsatz der Con-
ventionalzinsen.
Nach seiner Auslegung will Fritz den Maximalsatz des
auch hierin stillschweigend rezipirten römischen Rechtes als
gemeinrechtlich annehmen, „wenn nicht Thatsachen diese Aus-
legung zweifelliaft machten." Solche Thatsachen sind für ihn
die reichsgesetzlichen fünf Prozent für Renten und Judenzin-
sen, zwischen denen mid den Conventionalzinsen sich „eine
recht plausible ratio differenUae" nicht wohl denken lasse;
ferner der vom J. R. A. implicite gebilligte Antrag des Reichs-
kammergerichts auf 5 Prozent Conventionalzinsen ; endlich die
Anerkennung dieses Maximalsatzes von den Juristen jener Zeit
des J. R. A. Deshalb sei zweifelhaft, ob der J. R. A. allge-
mein 5 7o oder auch 6 7o gestattete.
Diese von Fritz genannten Momente werden verstärkt
durch die obige geschichtliche Darlegung des Kapitalverkehrs in
Deutschland. Die einzelnen Abschnitte derselben lassen es
sogar nicht mehr zweifelhaft , dass die Annahme des in dieser
Lehre schweigend recipii'ten römischen Rechtes keinen histori-
schen Boden hat. Hierzu kommt Folgendes. §. 174 des J.R. A.
bezeichnet, wie schon wiederholt bemerkt wurde , die Renten
mit Zins oder Zinsen, die Conventionalzmsen mit „Interesse"
(cf. IV. 3. c. V. 3. d. IX. 1. 2.). Dem entsprechend theilt er
auch die Entstehungsgründe dieses Kapitalertrages in Ren-
56(5 IX. 2. Billig, v. 5((i) Proz. d. Ausleg. d. jüngst. Reichsabschiedes.
tonlcauf uiul Darleliii. Das Interesse aber war vom kanoni-
sclien Zinsgesetze seit jeher anerkannt (cf. T. 2. IV. 3.). Daher
stellt iler Geltung des römischen Zinsmaximums in Deutsch-
land nicht blos das deutsche, sondern auch das kanonische zu
5 % präzisirte Zinsgesetz entgegen.
Somit kann es nicht zweifelhaft sein, dassnachdem J. 1{. A.
57o der gemeinrechtliche Maximalsatz für die Conventionalzin-
sen ist. Wäre es aber' noch zweifelhaft, so folgte dasselbe Re-
sultat aus der eben dann Platz greifenden Usualinterpretation
und der strikten Auslegung.
Eine Ausnahme hiervon machen nun das Seedarlehn und
allgemein die Rechtsverhältnisse, in denen der darleihende
Gläubiger eine Gefahr übernimmt. Durch Partikulargesetze aber
ist jeder dieser gememrechtlichen Sätze beliebig zu ändern und
seit dem 17. Jahrhundert geändert worden. ^) Eben durch die
Fälle der partikulären Abweichungen Hess sich besonders zu-
letzt die von Meiern so nachdrücklich betonte gemeinrechtliche
Behauptung begründen , 5 7o sei der Maximalsatz der Conven-
tionalzinsen ; das sechste Prozent überschreite bereits das
gesetzliche Maximum, doch sei es nicht wucherlich; mehr
Prozente , als sechs , fielen unter das Wucherverbot. Dieselbe
Scheidung wurde bereits oben IX. 1. d. bei dem Interesse
erwähnt.
Als gesetzliche („ 1 a n d ü b 1 i c h e ") Zinsen bestimmte
der D. A. von 1600 §. 139, wie IX. 1. c. erörtert wurde, mini-
mal 5 7o ^ <^och nur für den Fall des Zahlungsverzuges.
Geht man aber der Entstehung dieses Reichsgesetzes in obigen
Abschnitten I. 2. , IV. 2. , besonders IV. 2. k. (auch IV. 3.) und
IX. 1. nach, so zeigt sich, dass die Norm sich auf alle wegen
widerrechtlicher Handlungen, auch nach römischem
1) Stryk, Us. mod. Pandect. 1. 22. ti. 1. §. 13. Glück, 1. c. p. 103.
Eichhorn, Einl. 1. c. §. 107. Ausser einigen der oben IX. 1. genannten
Partikiüargesetze billigen 6 Prozent Conventionalzinsen auch das Ham-
burger Stadtr. II. 1. a. 4. und das Hohenloher Landr. III. 12. §. fi. cf.
noch Mevius wucherl. Contrr. I. cp. 6. §. 8. v. Kaniptz, Civilrecht
§. 114. Beseler, D. P. E. U. p. 351.
IX. 2. Billig. V. 5 (6) Proz. d. Ausleg. d. jüngst. Reichsabschiedes. 5G7
Rechte, zu fordernden Zinsen erstreckt. In den ßeichsgesetzen
selbst findet sicli liierüber keine nähere Vorschrift. Daher kom-
men über die in jenem weitern Siime unter dem D. A. von IGOO
noch uiclit begriffenen gesetzlichen Zmsen zugleich mit dem
J. R. A. und m Folge desselben die Bestimmungen des römi-
schen Rechtes zur Anwendung. Daraus folgen diese Sätze :
1. Die vom Richter zu bestimmenden gesetzlichen Zinsen
bestimmt er auch im gemeinen Rechte, aber nicht über die
5% des J. R. A. hinaus. Ausgenommen hiervon sind die unter
den D. A. von 1600 gehörenden Zinsen.
2. Die im römischen Rechte unter 5 % normirten gesetz-
lichen Zinsen behalten die dortige gesetzliche Norm auch im
gemeinen Rechte.
3. Alle übrigen gesetzlichen Zinsen des römischen Rech-
tes zu 6 7o und 1 2 % fallen nach obiger Erörterung unter den
D. A. von 1600 und seinen Minimalsatz der 5 7o- Der Art
sind die „maximae usurae" mit 6% (ausser denen, welche
weder aus Verzug , noch unrecht herrühren , daher nicht den
D. A. betreffen , sondern vom J. R. A. auf 5 7o herabgesetzt
sind) mid die zwei Fälle der 12 %. Hmsichts der letzteren war
eben das kanonische Recht in Deutschland, unter Beseiti-
gung des römischen Rechtes, bei Bildung der deutschen Rechts-
regel maassgebend , und die spätere Rezeption des römischen
Rechtes in diesem Rechtsgebiete erstreckte sich nicht auf die
Punkte , Avelche von den Reichsgesetzen in deren geschichtlich
umfassender Bedeutung bereits geregelt worden. ^) —
Im Kapitalverkehre selbst unterlag es von 1654 ab kei-
nem Zweifel, dass durch den jüngsten Reichsabschied in Deutsch-
land das kanouistische Wucherverbot beseitigt und die Con-
ventionalzinsen aus Darlehen innerhalb fünf Prozent für alle
Parteien und Zeiten gestattet seien. Die Wucherfrage hatte damit
1) Näher durfte auf die hier einschlagenden Fragen nicht eingegan-
gen werden, ohne das Thema römisch - rechtlicli zu überschreiten, cf. bes.
Glück, 1. c. p. lOOff. Wening-Ingenheim, 1. c. und Fritz, ib. ITI.
p. 55ff. Thibaut, civilist. Ablili. VU. p. 122. Ders. Fand. 1. c. §. 195.
— Beseler, D. P. R. 11. p. 351.
fiGS IX. o. Aiu'ikoiuinng d. zinsbaren Parleluis diircli die Kirche.
in ilirer weltgescliielitlicbeii Entwicklung einen Schritt vor-
wärts gcthan , der Sieg der Verkelirsnatur, des ungehemmten
Kapitalumhiufes über die kirchliclien Zinsschranken Avar in
höchster Instanz entschieden. Von jetzt ab hiessen Wucher all-
gemein nur die Zinsen über 5 (6) Prozent. Seit 1654 begann
ein neuer Kampf gegen diese Schranke der fünf Prozent , ein
Nachspiel jenes ersten , riesenmässigen , sowol den streitenden
Kräften als dem Ziele und den Früchten nach , welche allge-
mein aus diesem Streite resultiren. Wir schauen heute noch
seine letzten , fast verjährten Zuckungen.
3. Anerkcniiuns: des zinsbaren Daiiehns durch die
'O
Kirche.
Ganz so , wie die Gesetzgeber in den deutschen Einzel-
staaten, nahmen die Cleriker zunächst aus der kirchlichen
Billigung des Interesse, derEenten im Rentenkaufe den Grund,
den äussern Anhalt, die Zinsen von ,. fruchtbringenden Dar-
lehen" überhaupt für Geistliche und Laien als sittlich und
rechtlich erlaubt anzusehen, und zwar in derjenigen Höhe,
welche an den emzelnen Orten „der Stand des Verkehrs
erlaubte." So gestattete Pabst Nicolaus V. in semer Con-
stitution „solJirAtuclo pastorcdis" vom 30. Septbr. 1542 den
Neapolitanern sogar 1 0 % Zinsen zu fordern , Gregor XIII.
bestätigte jene Bestimmung durch die Constitution „quae a
Bomanis" vom 7. Januar 1574, und diese Constitution begrün-
det noch heute in Neapel die Convention alzinsen. ^) Nur darin
freilich standen die Cleriker wesentlich anders, als die welt-
1) Ebenso rechtfertigt das zweite der Gutachten, welche über die
beabsichtigte Aufhebung des österreichischen Wucherpatentes vom 2. De-
cember 180y von Kanonisten aus Eoni an das Archiv für katholisches
Kirchenrecht (ed. Moy de Sons) 1857 eingesandt wurden , 5 % Zinsen von
fruchtbringenden Darlehen geradezu mit der Stelle aus der i)äbstlichen
Billigung des deutschen Rentenkaufes in den Extravag. , der Constitution
,,Aegimini" Papst Martins V. vom 2. Juli 1424 und Calixtus' ETI. vom
6. Mai 1455: 10, 11 , 13 und 14 pr. Cent „aut plus vel mitius secimdtim
iemporis qualitatem proiit ipsi contralientes inter se convenerant." cf. Ar-
chiv d. kathol. Kirch. R. I. p. 329 (1857.)
IX. 3. Anerkennung d, zinsbaren Darlchns durch die Kirche. 569
liehen Gesetzgeber, dass sie in der Kirche, mit einzelnen weni-
ger maassgebenden Ausnahmen (V. 3. e.) , eine bestimmte Zahl
von Grenzen fanden, welche den reinen Kentenkauf von dem
umgewandelten , wucherlichen und damit auch von dem Wu-
cher der Conventionalziusen schieden. Hier konnte keinesfalls
von einer Verwechselung der Renten und Zinsen die Rede sein ;
bezog man hier die Gesetze vom Rentenfusse auf die Zinsen,
so sagte man damit geradezu , wir billigen die Conventional-
zmsen an sich — abgesehen von ihrer Verwandtschaft mit dem
Renteukaufe, mid darin stellte man sich entschieden der Kir-
che gegenüber.
Ganz ebenso zeigte sich die Sache bei dem Interesse.
Auch hier konnte die Kirche zunächst weder durch die Um-
wandlung des Verkehrs , noch durch die alltägliche Gewohn-
heit, noch durch das Nachgeben der weltlichen Gesetze dahm
gebracht werden , dass sie , was über das Interesse zuvor von
ihr festgesetzt war, erweiterte, änderte oder verwarf. Ja in
den deutschen Synoden vom 17. Jahrhundert noch verboten die
Cleriker jeden Missbrauch der kanonistischen Vorschriften
vom Interesse. ^) Dabei sahen dieselben nur zu klar ein , wie
gerade durch das Interesse und seine kirchliche Genehmigung
die Zmsen vielfach Eingang und Schutz fanden. Das zeigte
sich m der B rix euer Synode von 1603 2) und in der Con-
stanzer Synode von 1609: ^)
„liodie tarnen Jus contractihus variae et perniciosae tisurae
n plerisque palliari solent, quas in clericis nos severissime
castigabimus. . ."
Ebenso in der S}Tiode von Sitten. ^)
Aber der Widerstreit zwischen dem theoretischen und
praktischen Verkehre (Gewohnheitsrechte) und der Kirche,
zwischen den weltlichen und geistlichen Gesetzen wurde da-
durch inmier unerträglicher; der Verkeil r hatte für sidi die
Kraft der bevorzugten , maassgebenden Geister und die Macht
1) cf. die Brixener Synode, die zu Constanz u. s. w. cf. N.
2—4. Zypaeus, analyi;. führt dasselbe an von den Concilien in Belgien.
2) conc. Germ. 1. c. n. XXI. ff. 3) ti. XVm. n. \l. conc. Germ.
1. c. Vm. p. 579. 906. 4) ib. IX. p. 397.
570 IX. 3. Anerkennung d. zinsbaren Darlehn-s dureli die Kirche.
der alltägliclien Thatsacheu , er stützte durch seine üeberein-
stininumg- die weltliclien Gesetze, nur die kirchliche Vorschrift
gegen die Conventionalzinsen war in Gewalt und Ansehen
bedroht. Hier musste Hilfe gegen den Verkehr geschafft wer-
den , dem man nachzugeben entschieden gezwungen war. So
weit konnte die Scholastik nicht helfen, dass man aus der
Natur der Sache , von innen heraus die Wuchergrundsätze in
ihr Gegentheil umwandelte, ohne die kirchliche Folgerichtigkeit
und Festigkeit auf das Aeusserste immer von Neuem durch
den vielgestaltigen Verkehr angegriffen zu sehen oder ganz zu
gefährden. Hieraus folgte nothwendig, ein äusserer Grund
der Zmserlaubniss musste gefunden werden , und ihn gab end-
lich das Landesgesetz. ^) Die Kirche erklärte: Wo das Lan-
desgesetz Conventionalzinsen gestattet, gilt das
Landesgesetz für die Kirche als Rechtstitel der
Zinsforderung. So stellte sich das Landesgesetz neben die
oben erörterten Ausnahmen vom kanonistischen Wucherver-
bote. Die Ku'che wahrte dem Namen nach ihr Gesetz , doch
thatsächlich hatte sie den Sieg des Verkehrs und die Macht
seiner Gesetze anerkannt. ^) Dies indessen gilt erst für spätere
Zeit und überschreitet bereits die zeitliche Grenze des Themas.
1) Das Prinzip war vereinzelt schon beim Eentenkaufe und bei den
montes pietatis in "Wirksamkeit getreten, cf. V. 3. e. 5. e. 2) Diesen
Grundsatz billigten die Päbste wiederholt ausdrücklich , nachdem von
der römischen Pönitentiarie und der Congregatio St. Officii dahin ent-
schieden war. Selbst denjenigen schützt er, welcher mala fide, im
Bewusstsein des entgegenstehenden Kirchenverbotes, Zinsen nahm. Er
darf deswegen nicht im Beichtstuhle beunruhigt werden. Als ein fran-
zösischer Professor der Theologie trotzdem die strengere Ansicht durch-
zuführen suchte, verwies ihn die Pönitentiarie auf das mildere Ver-
fahren (nihil obstare eorum absolutioni. Eudigier, im Kirchenlexikon
von Wetzer und Weite vom Darlehn, civilta catholica a'' VII. n. CXLI
bis CXLn. Terza Serie I. p. 383. M. Sehen kl, jus eccl. U. 2. p. 640.
U. Benedict, XIV. erklärt freilich in der Encyclica: Vix pervenit v. 1.
Novbr. 1745 (Bullar. Benedict. XIV. T. 1. p. 353.) „falso sibi quem-
quam et nonnisi temere persuasuriim , reperiri semper ac praesto uhi-
que esse, vel una cum mutuo titulos alios legiUmos, vel secluso etiam
mutuo contractus alios justos , quorum vel titulorum vel contractuum
praesidio, quotiescwnque pecimia , frumentum aliudve id generis alteri
IX. 3. Anerkennung d. zinsbaren Darlchns durch die Kiichc. 571
Aber selbst innerhalb dieser Grenze Avar der Siegesschlag
der Rechts- und wirth schaftlichen Kräfte so gross, dass er bis
in das Lager der Gegner zurückwirkte und einen heimischen
Theil desselben für sich gewann. In einzelnen der deutschen Sy-
noden aus dem Anfange des 17. Jahrh. — also schon eine gute
Weile vor der Beseitigung des kirchlichen Wucherverbotes
durch das Reichsgesetz — sagten Geistliche selbst sich los von
den Zinsnormen ihrer Kirche und billigten freiwillig, überzeugt
von dem klar offenbarten Wesen des Kapitales, die Conven-
tionalziiisen innerhalb der gesetzlichen odergewoJmheitsmässi-
gen Grenzen. So heisst es in der Synode zu Br ixen 1603 : ^)
cuicumque creditiir , toties semper liceat auciarium moäeratum , ultra
sortem i^tegram salvamque recipere." Aber schon Rndigier, 1. c. bemerkt
hiergegen , ein solches Landesgesetz besteht nicht überall , wo es aber
existiii, gestattet es nicht Zinsen von allen Darlehn; endlich verlangt er,
dass man zwischen dem strengen Recht und der christlichen Liebe unter-
scheide. — Hinsichts der Cleriker übrigens gegenüber dem Landesgesetze,
das Zinsen erlaubt, sagt die Pönitentiarie vom 25. Mai 1830: „Preshy-
teros , de quibus apitur, non esse inquietcmdos , quousque sancta Sedes
decisivam definitionem emiserit, cuiparati sint se suhjicere." Sie drückt
sich daher zweifelhaft dahin aus , dass Cleriker , welche Zinsen fordern,
zwar nicht gegen das Recht , aber doch nicht gerade sehr sittlich handeln.
Besser würden sie ilire Kapitalien in Renten und Grundstücken anlegen.
Die Pönitentiarie behält sich offenbar die Entscheidung hierin vor , deutet
dadurch aber eben an , die Cleriker müssten jeden Schein der Habsucht
und des unziemlichen Vortheils von sich fern halten. Wie sehr äusserlich
die Kirche verfuhr , wenn sie das Landesgesetz als Rechtstitel der Zins-
forderüng anerkannte , zeigt sich daraus , dass sie dort , wo es sich um
Aufhebung selbst dieser Zinsschranken des Landesgesetzes und volle Zins-
freiheit handelt . wieder die Oberaufsicht über die Gewissen der Handel-
treibenden übernehmen und so das alte kanonistischc Zinsverbot wieder
aufrichten will. Sie hat also verlier nur der äusseren Autorität des Lan-
desgesetzes nachgegeben , keineswegs dem den Landesgesetzen zu Grunde
liegenden Gesetze des Verkehres, welchem das Landesgesetz doch nur
Ausdruck verliehen hatte. — cf. Ballerini, de jure divino et naturali
circa usuram. 1. VI. 1. c. ib. Vindiciae juris Divini ac naturalis circa usu-
ram. Bononiae 1847. qu. — Das II. römische Gutachten über die
Aufliebung des österr. Zinsgesetzes bei Moy de Sons, Arch. für kathol.
Kirchenrecht I. p. 330. — ib. p. 324. 325. 328. 332.
1) conc. Germ. YHl. p. 579.
bl'2 IX. ;>. Aiiorkonnuiig- d. zinsbaren Darlolins durch die Kirche.
u. I. nnlliis coutractus, in quo VI vel VII vcl amplius
pro C QKofaiüiis cxiguntur, in posterum ineundus toleretur.
n. XXllI. ncqiie damnandi sunt, qui hoc modo
inter sc contrahunt: Do tibi C, ut quotannis
des mihi qninqtte, meliori modo, quod id fieri juste
poicrit.
11. XXIV. quantum autem istis vel aliis similibus modis
lucrari quotannis liceat, id certo non constat.
„Nos omnihus considcratis , quae hie attendi necessario de-
hent, salvo semper capitali et lucro amplius V ex C tuto
qnaeri non posse, per dioecesin nostram definimus. Inimo
nee semper V, nisi rerum et personarum cir-
cumstantiae aliud pcrmittant."
Den Geistlichen aber wird ebendort n. XXVI. jedes Zinsneh-
men aus Darlehn verboten, üebereinstimmend damit heisst
es in der Synode von Sitten in Wallis 1626: ^)
„Viderint, quid agant, qui plura, quam V. p)ro cen-
tum petunt."
Doch das sind vereinzelte Abtrünnige und späte Wand-
lungen. Die Kirche bewahrte auch nach dem Umschwünge
der deutschen Zinsgesetze jeden Titel ihres Wucherverbotes
trotz aller Gegeiikämpfe des Lebens mit jener unbeugsamen
Festigkeit und Stärke, welche von jeher sie auszeichneten und
ihr Bewunderung erweckten. Einst stand sie hoch aufrecht mit
den Zinsgeboten , einer Säule vergleichbar , ehern oder aus dem
Mark des Felsens gehauen, welche auf dem Markte errichtet
mit harten Gesetzen das ringsum wogende Leben bedrohte.
Dann stürzte sie herab von ihrem hohen Sockel, und Staub
bedeckte sie , und der Menschen Fuss trat sie zur Erde. Aber
jeden Buchstaben ihrer Inschrift hält sie fest, so lange sie
selbst besteht , und harrt einer besseren Zukunft. Da enthüllt
sie die Schriftzüge ihrer grossen Geburtsstunde klar und unver-
sehrt dem Auge später Geschlechter.
1) conc. Germ. vol. IX. (ed. Scholl , Neissen) fl. 397.
X.
Archivalisclie Beilagen.
B e i 1 a g e A.
König Kasimir von Polen verpfändet Danziger Bürgern
für ein Darlehn von 7000 guld. das Pischamt Scharpau,
das Heilig th um des heiligen Kreuzes und das silberne
Bild der Jungfrau Maria am 10. Aug. 1457 zu Marienburg.
Danz. Arch. Urk. I. 43. a.
In nomine domini Amen. Noverint vniuersi hoc
prescns puhlimm transsumptum inspecturi, quod Nos. Gre-
gorius miseratlon. diuina Ahhas Oliuen. Cistcrcien. ordinis
Wladislmden. diocesis habuimus vidimus et diligenter inspe-
xiniiis, Ccrtas Seremssimi xrrinclpns et Domini Domini liazi-
miri Dei gratia Begis Polonie, Magniducis Litlmanie, Rus-
sie, Prussieque; Domini et Jieredis etc. domini nostri gratio-
sissimi littcras vulgares sive alamanicas Sigillo ejus rotundo,
ah extra de flaiia, Intra vero de riihea cera facto, cordida
pergcimenea appenden. sigillatas. In cujus quidem rubee ccre
medio, magniis clupeus crectus quadripartitus lateralifer a
diiohus viris siluestrihus ah extra tentus In ejusdem magni
clupei parte sujteriori dextrorsum Aquila coronata expansis
alis Sinistra vero superiori vir armatus equo insidens vihrato
gladio super caput extenso In inferiori vero dextra caput
Boiünum coronatum. In narihus circulum dependen. hahens.
Sinistra vero tnedius leo erectis pedihus et media aquila ex-
Xmnsa ala, dorsalifcr iuncti, paritcr vna corona coronati
Insuper supra totum illum magnum clipeum extra quidam
clipeiis duahtis crucihus insignitus apparehant Titidus vero
574 X. Archivalischo Heilncfcii. Beilage A.
circumfcrcnciaUs cjusävm SigiUi erat talis Kazimirus Bei
tfratia Her Pohmic Magnus (lux Lithuanie et heres Riissie
et cetera quarum quideni litterarum vcrhalis tenor in conti-
ncncia sequitur et est talis.
Kazimirus von gots gnaden koningh zcu polan Groczfur-
ste in Littaiiwen Erbelingh vnd herre in ReAvsen vnd zu Prew-
sen etc. Bekennen vnnd tliuen kundt ofinbar Allen vnnd Itcz-
liclien kegenwertigen vnnd zcukunfttigen Das wir von den
Namhafftigen vnnd wolwej'sen Jacob Valken Burgermeister,
Johann von dem walde liathman der Stat Danczcke , Johann
von Herforden , Arndt Scheuwege , Henrich von Ozen , Albrecht
Brombeke , vnnd Arndt von pffingesten Borgern der egenanten
Stat vnnd Couflewten: vnsern Bsundern Lieben getrauwen
Sieben Thawsent vngerissche gülden, an boreitem geczaltenn
gelde vnns geleghenn zcw voller gutter genüge entpffangen
haben do vor wir en, vnnd Irn nochkomlingen das gantcze
fischammecht (Amt) der Scharffow , mit allen Houen , Dorffern,
wassern , flissen , Teichen , Szehen , Molen , fischereyen , wesen,
weiden , hegen , heyden , pusschen , ackern , anfallen , zcinszern
vnnd nutczen vnns zcubehorende in sollicherley weyse vnnd
mosze, als das ehegenante iischampt Scharffow von allders
gehalten ist , Dorczw Sechczigh kewthellschiffe (Schiffe hinten
mit einem Netze , Kewtel , zum Fischfange) , vffim habe (Haff)
frhey ane eynes itczlichen ej^nfelle zcu haben, zcu fischen
vnnd der zcw geniessen Dorzcw das achtpare vnnd wirdige
Heyliegthum des heiligen Creutzes , vnnd vnser lieben frauwen
Bilde von silber gemacht. Bey den Namhafftigen Burgermei-
ster vnnd Rathmannen, vnnser Stat Danczike In getreuwer
vorwarungh die zceit obir der vorpfendungh zcu bleyben vor-
satcz haben, vorpfflichtet , vorpffendet, vnnd vorschreben,
vnnd in crafft dieses briues mit eyntrechtigem Ratthe , wissen,
vnnd Avillen vnser beyder Lande. Beyde Polan vnnd Prewszen
Retthe vorsetczen, vorpflichten, vnnd vorpfenden, das genante
fiscliampt der Scharffow mit allen zcubehorungen anhangeden
vnnd beywesenden oben berurt , mitsarapt den Sechczigh kew-
thellschiffen , zeugebrauchen, zcuhaben, zcuhalden vnnd zcu-
geniessen, vnnd ane allerley mitte eynfellevnnd eynsz itzlichen
X. Aiiliivalische Beilagen. Beilage A. 575
vorhiiulerungh zcubesitzen /) Biszsolange wir den genanten
Jacob Valken Johan vom walde, ,Johan von herforden, Arndt
Scheuvvege, henrich von Ozen, Albreclit Brorabeke vnnd
Arendt von pfinxten , adir Iren nochkomlingen sull(;Iie Sieben
Thawsent liungerische gülden vff eynem häuften vorgnuglicben
gelldenn vnnd beczalen Vnnd so vnns Gotli helft't vnnd fuget,
wir das genante fiscliampt widder eynloszen mögen So wellen
vnnd sullen wir den nachgenampten personen adir Iren noch-
komlingen eyn gantcz Jar vor sollicher abeloszungh zcusagen
vnnd vorkuudigen Vnnd wanne die vorgescrebene Sieben Tliaw-
sent gülden so als Itczunder beruet ist, beczalt sein, vnnd dies
ofi'gedachte fischampt mit seyneu zcubehorungen ejiigeloszet
ist, Denne sal doch das vorgenampte achtbare vnnd wirdige
heiligthum des heiligen Creuczes vnnd vnser lieben frauwen
Bey den gedochteu Burgermeistern vnnd Rathmannen vnser
Stat Danczike , In gleicher vorpfendungh des wirdigen Bildes
vnnd heligthums Saucte Barbare stehn vnnd bleyben. Vorth-
1) lieber die Pfandnutzung ist noch zu vergleichen Bresl. Areli.
lib.excess. et Signatur. 1404. fol. 31. Nach dem Anerkenutniss der Schuld
heisst es: „dovor hatt er im geeigen t all sein gut varnde und unvarnde
solange bis das er In gancz und gar beczalt." (Ebenso 1403 fol. SO.). Inder
Urk. 1403 fol. 37. wird die Art der Benutzung näher angegeben während
der Zahlungsfrist : „ . . das hus mit aller zugehorunge und genisse keins
usgcnonien , das do von alders dorczu gehört hat , in solcher masse , Were
Sache , das er das hus vor dem newen nehstekomen rewmen solde , so sol-
len Im alle gekorne und gctrcide die er do fyndet ader selber do sehet,
gancz und gar volgen ungeliindert. Behilde er aber das hus dornach bis
uff sante Michils tag, ader furbas dornach, wie lange das were, und
wurde er dornach abe czien und rewmen solde , so sal er den acker weder
besehet lassen als er den funden hat und das fueter sal er auch zu vor us
do lassen bleiben ane wederrede. auch so sal und mag heyneman des hul-
czes gebruchen zu fewerwerk und zu bawen als vil als er des dorczu be-
darff , und nicht mer in keinerweis." Diesen gegenüber scheidet genau
den Fall nach Ablauf der Zahlungsfrist (cf. V. 2. g.) ib. 1408. H. 31.
Wird der Gläubiger bis zu einer nahen Frist nicht bezahlt, so darf er die
ihm zuvor bereits für die .Sdiuldsumme geeigneten Grundstücke „ vor sein
egenant gelt vorkeuflFcn vorsetczen und sein bestes domiete schaifen unge-
hindert." Hier ist die Folge der neueren Satzung verbunden mit dem
voraufgehenden Kaufe auf Wiederkauf.— Mitth. v. H. Prof. Stobbe.
57G X. Arcliivalisohc Beilagen. Beilage A.
nu'lir vtV (lasdieehergeiianten personen vnser lieben getrauwen
adir Ire iiachkonilinge der vfftgedochten Secliczigh kewthell-
schitte , vnnd Ires nutczes sicher sein So wellen wir , das der
Radt in ynser Stat Danczike, vnnd nymands anders vff alle
kewtliollscliiffe die die zceit obir dieser vorpfenduiigh die vff
vnserm waszer dem gantczen Habe (Haft) vorgenampt fischen
werden, brive vszgeben vnnd den czinsz zcw vnserm besten
empfange , vnnd vnns adir vnserm Gubernatori , adir wem esz
wir Beuelen werden, Rechenschaft do von thue von welchen
kewthellbriuen , die genanten personen , vnser Lieben getrau-
wen Ire Sechczigh zcuuorausz , ane alle Jenissze vnnd vorhin-
deringh haben sullen Oucli op das geschege , das vnser Stat
Danczike vorbenampt so mogende wurde , das Sie sulche Sieben
Thawsent gollden beczalen mochte , so sal das genante fisch-
ampt , mit sampt den Sechczik kewtelschiffen , in aller massen
obenberurt , in ii-er vorpfeudungh bleyben Bis wir das zcu vnns
Widder loszeu vnnd freyen Des so glauben wir ehegenanter
kazimirus koningh , vor vnns vnnd vnser nachkomlinge koninge
zcu Polan Die oftgemelten Jacob Valkeu, Johan vom walde
Johan von herforden Arndt Scheuwege Henrich von ozen Al-
brecht Brombeke , vnnd Arndt von pfinxten , vor eynsz itczli-
cheu eynfelle , Bey vnsern woren koninglichen werten , In sul-
chem fischampt vnnd Sechczigh kewtellschiffen , die czeit obir
sulcher vorpffendungh obingeschreben zcubeschirmen vnnd zcu
befechten Des zcu worera geczeugnissze vnnd forderm bekent-
nissze haben wir vnnszer koningliche Ingesigel an Diesen Brieff
lassen anhengen , Der begeben ist vff vnnserm Slossze Marien-
burgh Ander Mithwochen Sunte Laurentius tagh Noch Christi
geborth Thawsent vierhundert vnnd in dem Sieben vnnd fanff-
czigsten Jaer Rto. Reveren. in Christo patris Domini Joan-
nis dei gratia Episcopl Wladen. et Regni Polonie Cancellarii
Duas qiiidem litteras per nos diUgenter inspectas easque Sa-
nas, integras, illesas, et omni prorsus vicio et suspicione
carentes Inventas, ad requisitionem famosorum et circum-
spectorum Domini Gregorii Brandt eoriim College et Mein-
hardi Stheuwegh Ciuis Gedanen. vice aliorum quorum inter-
est, per notarium publicum infrascriptum exemplari manda.
X. Archivalische Beilagen. Beilage B. 577
et transsumi ac in j)uhlicam futnuüu rcdigi Decernentes et
volen. vi hhic praesenti transsnnq)to piiUko plena fides dein-
ceps adhiheatnr vhilihet in locis oninihus et singidis quibus
fuerit oportunum ipsiimque transsumptmn fidem faciat et Uli
stetur ac si originales littere ipsae apparerent quibus omnibtis
et singidis autorifatem nostram interposiiimus et dccretnm et
ad ampliorem cuidenciam premissorum Sigillum nostrum
duximiis apponendiim. Acta sunt hcc anno a Natiuitate Do-
mini Millesimo quingcntesimo quinto Induction. octaua Die
vero veneris Mensis Jnnii vigcsima septima Pontificatus San-
ctissimi in Christo patris et Domini nostri Domini Jidii
diiiina prouidencia j^^pe Seciindi, Anno secundo In curia
Monastcrii nostri, in Veter i Ciuitate Gedanen. sita Presen-
tibus Ibidem Circumspectis ac fidedignis viris Laurencio Dor-
rebeke necnon Joanne Dalivin Wladislauien. diocesis Testibus
ad pravmissa vocatis specialiter requisitis et rogatis.
Beilage B.
Die vier Sendboten des Königs von Polen an denpreussi-
schen Landesrath sprechen die streitige Scharpau dem
Bischöfe von Ernieland zu, verpflichten diesen jedoch,
den Danziger Bürgern, denen sie bisher verpfändet ge-
wesen, die Pfandsumme, 7000 rnrk., auszuzahlen und ver-
weisen die Stadt Danzig mit ihren Ansprüchen auf die
Scharpau an die Entscheidung des Königs. 12. Septbr. 1506.
Danz. Arch. Urk. IV. 476.
Andreas dei gratia sanete Ecclesie 3Ietropolita)\e Gnez-
nen. Archiepiscoxms et Primas. Vincencius cadcm gracia
Episcopus Wladislavien. et Ambrosius de Pampovo Palati-
nus et capitaneus Mariemhurgen. Conciliarii et comissarii
ad terras Prussie per olim sercnissimum principem et dom.
dorn. Alexandrum dei gracia regem Polonie. Magnumducem
Littvunic. Pussic. Prussiecque dom. et heredem etc. ac vniuer-
sos Rcgni consiliarios cum pleno mandato dati et specialiter
deputati. Significamus tenore presencium quibus cxpedit
Neu mann, Gesch. d. Wuchers. 37
578 X. Aroliivalische Boilacfon. Boila,o-o B.
nili<c>:<!ls (ji(())iio(lo oria nupor questione inter Rciieren. pa-
frcni doni. Lnenm dcl(/r. Episc-opnm Varrntcum cim^que eccle-
siani ah vna et eines Gedanen. de societate officii piscakire
Schayffaiv parte ex altera eomparentes coram nohis praefatus
dominns Episcopus in termino partihus prefixo suo et Eccle-
sie sne nomine jiroduxit litteras diui olim Alexandri Polonie
Regis etc. siqrr. donacione prefate piscature sibi et Ecclesie
sue facta, sanas saluas et omni prorsus suspicione carentes
petiuitque a nohis vt decerneremus et declararemus jus et pro-
prietatem praefate xnscature Schorffaiv. ex praedicta Dona-
cione ad se et Ecclesiam siiam a tempore Donacionis facte
pertine. seeunduni vini et tenorem praefatarmn Utterarum
Regie maiestatis. Ex aduerso vero tunc comparens. coram
nohis famati viri E scher ardusf erver consul et Georgiilis szthurm.
■ eines Gedanen. suo similiter et aliorum praedictae piscature
Sociorum suorum nominihus produxerint similiter litteras
diwi olim Cazimiri Polonie Regis. quihus docuerunt Ipoteca-
tam esse praefatam ^yiscaturam sihi cum sociis suis suprano-
minatis in Septem Millihus florenorum Vngaricalium in pa-
rata et numerata pecunia et perierunt ut non procederemus
ad decretum et declaracionem praefatam nisi numeratis et
persolutis eis in vna summa et vno cmmdo praefatis Septem
Millihus florenor. ad facturum se dominus Episcopus et eccle-
siam suam ohtulit. Orta tandem erat illico nova inter ipsas
partes controuersia super valorem florenor. numerandor. Ci-
ues enim praefati contendehant debe. numerari sihi florenos
secundum valorem modicum cursus qui maior est. quam ante
erat Domino Episcopo allegante et diccnte. quod non teneretur
ad alium valorem quam illum qui erat tempore Ipotecacionis
facte Nos itaque communicato consilio cum Magnificis domi-
nis palatinis et castellanis terrarum prussie tunc nohiscum
praesentihus et omnia videntihus et aiidientihus compositis
hincinde inter partes altercacionihus auctoritate plenitudinis
potestatis nostrae Decreuimus et decernimus donaciones et
priuilegia domini Episco])i et eius Ecclesie per divum olim
Älexandrum Polonie Regem ei data, in suo rohore et vigore
permanere esseque et habere cum Ecclesiamque suam proprie-
X. Archivalische Beilagen. Beilage B. 579
tate))i in dicfo officio piscature Schirffaw a i empöre donacio-
nis facto. Cines tarnen Uli Gedancn. de soeietate predicfe
piscature Deere iiinius et Decernimus liabere usumfructum ex
ipso officio Piscature. vt habuerint a tempore obligacionis seu
Ipotecacionis praedicte. donec persolvantur eis per praefatum
Dominum Episcopum et eins Ecclesiam. septem Milia florenor.
in vna summa et in vno cumulo totaliter plenarie et integre
florenn. computando. per quadraginta grossos talis monete
qualis tempore inscripcionis currehat. Arestum vero proven-
tum et eensuum de predicta piscatura proueniencium x>er Do-
minum Episcopum factum nullius esse vigoris et momenti
decernimus lUud vero qnod consulatus Gedancn. praetende-
bat prout et praetendit se habere interesse ad praefatum offi-
cium piscature Scharffaw ex inscripcione eis facta per Divum
etc. Cazimirum Polonie Regem quod scilizet si perueniret
Consulatus ipse ad pinginorem fortunam. posset redimere pre-
dictum officium piscature Scharffaiv de manibus illorum
ciuium et sociorum praefate piscature qui eam sie obligatam
seu Ipotecatam obtinent et tenent suam. p)'*'Ouentihusque et
censibus ex ea prouenientibus vti. Donec Regia Maiestas vel
successores eius officium ipsmn piscature ab ipso consulatu
redimeref. Suspendimus ad futurum Polonie Regem serenis-
simum et reliquimus hoc dccrefo 3Iaiestatis fut. In ciiiiis rei
fidem et testimonium sigilla nostra sunt praesentibus subap-
pensa. Actum et Datum in Conuencione Mariemburgen. die
Sahato intra ortas Natiuitatis Marie Anno domini Millesimo
quingentesimo sexto.
87
580 X. Arcliivalische Beilagen. Beilaffe C.
J^ ei 1 a g e C.
Ratli und Gemeinde von Danzig verpfänden dem Könige
Carl von Schweden für eine Schuld von 15000 nirk., die
bei dem Könige zur Einlösung von Marienburg aufge-
nommen sind, das Fi schämt Putzig mit den Städten
Putzig und Leba, Heia und das Strandgericht daselbst
ausgenommen. Dan zig den 9. Mai 1457.
Danz. Arch. Urk. XI. 50.
Wy Borgermeister Kadmanne vnde Alle Gemeyne der
Stat Danczik doen witlik vnde Bekennen opembar Allen kegen-
werdigen vnde tokömenden dat wie van dem Erliichtigsten
forsten vnde Grotmeditigen lierreu heren Karolo von Godes
gnaden Tho Sweden Norwegen vnde der Goten Konnigk to
uoller notte empfangen liebben veffthen Dwsunt mark prusch
alse hir nw genge vnde geve is So gude munthe alse dat men
mach hebben van Siuen pruschen marcken eyne marck lediges
Silvers welke smiinia geldes de vorbeuomede Irluclitigste forste
karll vns nw gedaen vnde gelenet liefft In vnnses gnedigsten
herren des Irluclitigsten forsten vnde herren heren kazimir
konnings to polen etc. vnde syner lande vnde Stede Im lande
to prussen gwte notdorfft Marienborch mede Intoloszende Dar-
uor wy dem vakegedacbten heren konnig karll dat gantcze
putczker Gebede vnde ffischampth vorsettet vnde gedaen heb-
ben vnde vorsetten vnde doen mit den Steden Putczke vnde
liebe vnde allen dorperen hoffen huwszern eckern wesen fruch-
ten renthen anfallen wateren vleeten fischeryen molen garden
heyden weyden Pusschen weiden dach also dat de nicht furder
vorhouwen sullen werden denne to syner gnaden notdorfftigen
fueringen vnde buwingen mit allen hegen Vorwerken vnde
nutbarheden vnde mit aller tobehoringe anhengende vnde by-
wesende mit allen renthen Gerichten vngerichten vnde eigen-
schafften, alse dat vorbenomede Gebede de Crucziger In vor-
tyden gehat genuttet vnde gebrukt hebben so breyth lang vnde
wyth alse dat vorbenomede Putczker Gebede vnde fischampt
in allen synen enden vnde gegenoden vthgetekent vnde be-
grentczet is. In allir wyse alse dat van older gewesen is vndir
X. Archivalische Beilagen. Beilage C. ,581
den Cruczigern mit alle (lerne dat van olders dartho behoren
mochte alse vns dat vorhenomedo Putczker Gebede vnde fisch-
ampt van dem vorbenomeden Irluclitigsten forsten vnde grot-
mechtigesten herren hern kazimir konige to polan etc. vnsem
gnedigsten heren mit weten willen rade vnde ejnidrechtiger
vorlenynge s}iier gnaden Rede beide Paler vnde Prusserlanden
vorschreuen vorbreuet vnde vorsegelt is Insulker wyse vnde
allir mate ane Jenigerleye vorkoringe adir vorhinderinge also
doen voi'breuen vnde Vorsegeln wy vorbenomeden Borgermei-
ster Kaeth vnde Gemeynheit der stat Danczik dem vorbeno-
meden heren koninge karolo vnde synen Erffen dat vorberorde
Putczker gebede vnde fischampt alse vorgeschreuen steit. to
geneten to beholden beth tor tyt dat wy dem vorbenomeden
heren koninge karolo eddir s}men Erffen de vorgeschreuen
vefftien Dwsent mark prusch alse vorgeschreuen steit an prus-
schem gelde eddir vor Seuen mark prusch eyne lodige mark
suluers to uoller genoge vnde in ere wisse beholt betales vnde
geflogen hebben. Dath de Stat hele mit allir tobehoringe vnde
alle Schippbrokeye guder vnde Schepen. dar efte anderswor
anstrande kamende mitsampt des Strandes Gerichte vpp dee-
suluigen Schippbrokigen guder vthgenamen welke wy vns ane
allirleye infeile to gebruken beholden Yortmer effte Imandts
synen gnaden syner gnaden erffen effte denern , eynige infeile
vnrecht efte gewolt in dem gnanden Putczker gebede doen
wolde darynne wille wy syne gnade syner gnaden erffen vnde
denere helpen beschermen na vnnsem besten vermögen Des
so hebben wy Borgermeister Radmanne vnde gemeynheyt vor-
benomet to rechter orkundth der warheit vnde merer sekerheit
vnnsir Stat Danczik Segill mit vnnsem guden willen vnde we-
ten an dessen vnnsen breff gehangen. De Gegeven vnde
geschreuen is to Danczik Im Jare vnnses heren Dwsunthveer-
hunderth vnde Seuen vnde vefftich am negesten mondage als
men in der hiluen kerken sinsret Jubilate.
582 X. Arcliivalische Beilagen. Beilage P.
Beilage D. ■.
Per |ionimereMische Offizial Seh wichtenberg berichtet
an P an zig über den Hergang eines Prozesses, in wel-
chem er nebst den Kirchenvätern von St. Johaunis
wegen dos von ihnen kontrahirten Rentenkaufes des
AYuchers beschuldigt ward.
Panz. Arch. Urk. XLIV. 182. b. (1515).
T3^cleman von dem Orthe . . . wasz ein maenn , der wol
gehalten wasz , vnn seyne Erbe woren alczwmole Besweret
mitli dem czinsze , das er nicht meer czynsz sülde nemen vff
die Erbe noch der stadt wilkoer , vnn er nocht dorfftich wasz,
szo nam er tzwehündert marck , von ener frawen czwehundert
marck geringe vnd gab der selbigen frawen seyn egen hanth-
schrüft vorsigelt myt seynen singnet vorphlichten sich vnd
sene Erbname , czu gebende ior iorlighen von hundert marcken
sexch marck vff termyn, dy den bestünmet seyn in seyner
hanthscryfft , alsczo langhe , basz das her dy czwehundert margk
vorbenümeth ablosthe , dy selbthe frawe , do sy vornam vnn
ynne warth in dy ere der Bothschafft vnszer liben frawen sulde
warden augehaben szw zingende loblich in der kyrche Scte
Johannis alle freytaghe eyn Messe szo gab sy myr vnn den
kirchenweters dy czwehundert margk, antwartthende vnsz,
dy hanthscryfft Tydemans vorbenümeth , an weichere hant-
sscrifft noch meyne weters noch ich nicht genüghesam woren
der vberwägunge der czwehundert marcken , alleyn myt seyner
hantscrifft, myt seynem sigel vorsigelt, vorgescriben , wyr
wolden her sulde de czwehundert margk vorscreiben vor ge-
richte in des Officialis Buch noch inhaldunge seiner hantscrifft,
dor zcw vff alle seme Erbe dem szo geschack , das den meme
kirchestiffweters vnn ich woren zcwfryde vnn der selbsthe Ty-
deman Ethliche zceith vn Jor, den kirchensti|[weters czwelff-
margk geringe von den czwenhundert marcken czyns gab noch
seynem tode , kummet seyn szonn , myt seyner mtitther , spre-
chende sutten czyns nicht wollen geben , vn wollen abekorczen,
von den czwen hundert margk vorgescriben, den czyns, den
seyn vater vnn seyn mütther man sust langhe hatte geben des
X. Aicliiviilische Beilagen. Beilage D. 583
meyne kircheweters nicht zcufride woren vn lissen laden dy
mütther vn den szon vor mich, vn beclageten sich des, do
quam der frawen szon, in macht seyner mütther, vnde vor-
sachthe mich vn das gerichte , vn appelyrthe von mich zcw den
gemeyner official zcu Lesslow , vn lisz mich vn meine weters
laden do hyn, vun gab in scrifften vft' clageude, wy wy i* sut-
ten czyns hatten genomen alze wücher vn weren
Wucherer, des ich mich mtisthe entseczen vnn entleghen
myt meinen weters , als ich den don hah myt kost vnn czerün-
ghe von meinen gelde do myr dy Mrchenstiffweters nicht seynt
behülfflichen seyn gewest myt eynen phennmghe , vflf zcu sen-
dende keu Lesslow meynen procuratoren vn habe mich geweret
myt rechte, noch inlialdunghe der hilligen Bobisten Martini
des Fünthen vn Calixti dy das haben zcwgelossen vn erkant,
das sütten czyns vorbenümet nicht wücher sey vnde dy Jenne,
dy sutteu czyns nicht volden geben , möge man sy dar zcw hal-
ten vn dringen durch den bann , das angesehen durch den her-
ren Official zcw Lesslow, habe ich erhalten ej^n ortel widder
dy mütther vnn szon, das sy myt frebil vn vnrechte haben
vorenthalten suttenen czyns vorgeschriben , von weicheren ortel
haben sy appelliret in den stul zcw Korne , des so hat dersel-
bige official , inn gesatczet hoth sexch monde zcw vorfolgende
dy Sache , dem den nicht also gesehen is , vn habe noch ens
vorderer zceith begeret von dem official, der in den noch hoth
gegeben aber ens sexch monde , also das sy haben eyn ganczis
Jor gehoth, dy appellatio zcw vorvolgende , vn noch fyer monde
dar zcw , inn dem so ist ii'e appellatio machtlosz vn das ortel
„ des herre Official bey macht vn crafft is erkanth , vfi" das hot
erlanget meyn procurator zcu Lesslow dy Tydemansche von
orthe eyn citatio das sy sal anhören, dy bryfife, dy do behoren
vfP das Ortel genück zcw thün vn zcw volbrengen , achtbaren
weiszen herren so hoth sich dy sache vorlofen vn vorlenget,
das in syben joren vf Scte Brigitten als myr dunket, der zcyns
nicht gefallen ist . das sich loffet vff fyer vn achtzick margk
Gotthe den almechtigen is bekanth das myr vn meynen kir-
chenweters grosse frewel schith, vn hon is gesehen, das symyt
irem szone hott czwgeleth das wyr Wucherer weren , weichers
584 X. Archivalisclie Beilagen. Beilage E.
ich vnn meyne weters vnii irem iiamen in meyue gemütthe
habe geczogeii vnn protestket, das ich sulchis nicht habe geli-
den vff fiiuffhuudert gülden, vor volgende in rechtis weisze
kegen sy "
Beilage E.
Auszüge aus Christoph Kup peners Schrift vom Wucher
(Leipzig 1508) , (nach dem im Besitze des Herrn Professor Dr. Muther zu
Rostock befindlichen Exemplare.)
cf. Jahrb. d. gem. deutsch. Eechts. VI. p. 149 S.
cf. obige Abhandl. H. 2. IV. 2. 3. V. 5. VI. 2.
1. Wie Chr. Kuppener die Umgehung des Zinsver-
botes durch den aus dem Darlehn hervorgehenden d o m i z i -
liirten Eigenwechsel mit zwei Personen behandelt, ist
bereits oben V. 5 f. und VI. 1. erörtert.
2, lieber den das Ziusverbot nicht verletzen-
den Wechselverkehr in Deutschland zu Ende des
15. Jahrh. sagt er Folgendes:
(1. c. C. 2) : Item ist abermals ein fal , do einer auffgelt
nemen magk vber das hauptgelt vmb seiner muhe, arbeit
vnd fare willen, die er thut bey einem dinge, das im czu
pfände für ein auszgeliheu gelt eingesatzt worden ist. Exeni-
plum So einer czu mh* qweme vnd bete mich im gelt czu ley-
hen , vnd ich spreche , ich wil dk gerne mein gelt leihen , ich
habe es aber nicht alhyr czu Leiptzk, besunder czu torgaw
vnnd ich muste vmb solch gelt einen eygen boten schicken gen
Torgaw auff schwere vnkost vnd fare, Domit ich solch gelt
alhyr gen Leiptzk brechte. Sagen dy heiigen rechte, das einer
in dem falle wol magk nemen für seyne gethane muhe , vleys
vnn arbeit ein aufgelt auch von einem pfände den nutzt ader
dy fruchte des pfandes an beswerung der gewiszen. 1. si neces-
sarias D. de pig ac p. ibi. no. also sagen dy helgen recht.
(1. c. C. 3") : Nun sal man furder vormercken. Ab auch
der offenbar handel vnn dy contract der wechseler, die in
landen vnn steten mit gelde den Wechsel offent-
X. Arcliivalische Bsilagen. Beilage E. 585
liehen halten, also das sie hir czu 1 e i p t z k nemen hun-
dert gülden an muntze ader an golde vnn funff fl. R. aufgelt
vnn geen bader lassen geben einem widerurab himdert gülden
gute ganghafftige gülden an golde czu Venedig ader czu
rem 6. Ab solche wechsele vnd handele auch gotlichen sein
vnd mit got vnn durch recht gescheen vnn czugelassen werden.
Dorauff sagen vnn sprechen die heiigen recht, das solche wech-
sele im rechten werden czugelassen vorbestendig vnn mögen
gescheen an beswerunge der gewissen vnn ane sunde, wann
solche Wechsel nicht vbertreten dy gemeine wirde vnn die
gemeine gewonheit, aufgelt czu geben vnn czu nemen auff
solchen Wechsel. ]). tex. v. notahilem glo. ibidem in l. III. Cod.
de exerci. et ihi p. hol. et Sedice. et p. hal. ^) notahillt. in nihri.
Cod. de consti. pecu. in principio. Do selbst froget der hoch-
gelerte bal. dise frage des rechten. Ab es czimlichen ist, das
ein kauffman von mir nimpt alhye czu leiptzk hundert fl.
E. vnn lest mir do für funff vnn neuntzig fl. R. geben
czu Venedig ader neapolis an gutem golde. Spricht bal.
do selbst ia, dann solch aufgelt ist nicht wucher, besunder
gelt der fare vnd benimpt dem menschen die fare, das im
ein solch gelt vnter wegen nicht genommen magk werden vnn
czufurderst , so solch gelt , das man czu Wechsel geben musz
aufgeldes nicht vbertrit den gemeinen lau ff vnn die ge-
meine wirde des geldes , das man auf Wechsel gelt pfleget czu
geben, p. l. pericidi p. euni alle. D. de nauti fe. et vi. ibidem
bal. Et in siia disputatione incipiente statuto cauet. et d.
lau. de rodid. ^) in c. considuit de vsu.
Furder ist czu mercken , das etzliche Wechsel im rechte
czimlich sein , als der von dem oben geschriben stet , vnn solch
mögen für czimliche vnn gotliche Wechsel ane beswerung der
sunde vnn der gewissen in werntlichen vnn geistlichen hen-
deln gebraucht werden aus den vrsachen erstmals der fare
des geldes, so ers vber laut bei im füren muste. Czum an-
dern, dan so ich einem czu leiptzk gebe hundert gülden
vnd funff gülden auffgeldes an muntze ader an golde, das
1) d. h. Baldus u. Salicetus. 2) d. h. Laurentius de Rudolpho.
586 X. Archivalischc Beilagen. Beilage E.
do liy gaiigkhattig" ist, das er mir widerumb czu Venedig
aderczurome geben sal hundert gute gülden ires gangk-
hafftigen goldes, So magk es kommen vnn gescheen, das czu
Venedig ader czu rome nach gelegenheit meins handeis die
venedische ader romische hundert gülden , dy ich aldo in gutem
gangkhaftigem golde entpfaiigen, als gut der Avirde sein ader
besser dan dy hundert vnn funff gülden, die ich do für czu
leiptzk gegeben hab, nach dem ich doch also vil doran czu
Venedig ader czu rome sunst hette müssen vorlieszen. Czum
dritten male sein solche Wechsel czimlich vnd durch recht
czugelassen durch die vrsach, dan so ich alhir czu leiptzk
gebe hundert gülden czu Wechsel vnn funff gülden rei-
nisch auffgelds, dorumb das ich czu franckfurt ader
Venedig widerumb beczalt krige hundert gülden an franck-
furdischer muntze ader venedischer, nun magk es gescheen,
das auch solche venedische ader frauckfurdische muntz die
czeit, wan dir dein Wechsel ausgericht czu Venedig ader czu
franckfurt werden sal , besser ist an irer wh*de dan das golt,»
das du czu leiptzk als nemlich hundert gülden vnn funff gül-
den auffgeldes dofur auff Wechsel ausgetan vnn gegeben hast,
ader solche muntze magk weniger wert sein, nachdem die
muntze in landen vnn steten steiget vnn feilet. Dorumb ist
solch auffgelt , das man derhalben auff Wechsel gibt ader nimpt
nicht Wucher. Auch szo müssen die w e c h s e 1 e r haben ader
mieten eigene h e u s e r vnn knechte halten , dorauff dy sol-
chen handel treiben vnn handehi , dofur man auch auffgelt wol
nemen magk , solche heuser vnn diner czu enthalten. Wu aber
ein Wechsel in der weisze vnn forme , wy oben gesatzt , nicht
gehalten vn gehandelt wurde, besunder man neme von den
menschen grausame vnczimliche auff satze nicht nach gemei-
nen lauften vnn wirderunge des Wechsel geldes, so were Wech-
sel ein sundlicher handel vnn em grausame exaccion beswe-
rung vnn abschatzung der armen leute. Auch durch einen
Wechsel wirt der wechseler nicht czu einem Wu-
cherer; nach dem wie wol er meer nimpt, dan die hauptsum
ist, dy er wider geben sal in der czal, so magk doch die wir-
derung der summe, dy er wider gibt, an ir selbst besser, hoer
i
X. Archivalische Beilagen. Beilage E. 587
ader geringer lautfen nach der czeit der beczalung vnn steigen
vnn fallen der muntze, die erwiderumb auszgeben muesz, ader
vorschaffen, das sie ausgegeben werde. Auch ab ein wechse-
ler wol nimpt auf gelt meer dan er wider gibt , so nimpt er
doch nicht solch meer vnn aufgobe in einer gestalt weisze vnn
forme eins wucherischen handeis, eins ausgelihen geldes 7ä\
gewinnen. Dan es ist oben gesatzt, als wan ich einem einen
scheffel körn leihe , der itzundt VII groschen gult , das er mir
auff Ostern wider einen scheffel körn becza le , vnn ich weis
n icht , wan die ostern kommen , was es gelden werde , vnn gilt
dan X groschen, so neme ich dan auch meer, aber nicht m
einer gestalt, forme vnn eins wucherischen gewinnes vnn auf-
geldes. Als dy heiige recht sagen in c. si quis cleric. iunc.
glo. XIIII. q. IUI. et ihi archi. Es were dan , das ich für
wäre wüste in meinen gewissen , das es auff ostern meer gelden
solte , vnn leyhe einem vmb solchs gemnnes willen vnn in einer
betriglichen meümnge solch getreide aus, so were ich ein
rechter Wucherer. Gleicher weisze ist czu sagen, so ich
alt vorweszen getreide auszlihe , dorumb das ich widerumb auf
ostern ader michaelis von im nawes vnn bessers gehaben möge,
ist Wucher. Also sprechen die hochgelerten hern vnn dodo-
res. dns. ah panormitan. et alii in die. c. nauiganti de vsu.
Es ist auch ein gew onheit in welschen landen auch in
andern landen, do wechseler sein in den steten, die do
geben für einen ducaten ader sunst fiir einen gülden an golde
als vil muntze als solcher ducate ader gulde an golde gangk-
haftiger muntze wert ist, allein das sie inne behalten
einen ader czwene pfenninge czu Wechsel, das
sie dir solch goltwecheselen. ^) Dieselbigen mögen
solchs auch wol thun czimlich vnn seine kein Wucherer , nach-
dem sie solche pfenning nemen vmb ir arbeit willen vnn vmb
die miete irer buden vnd irer diner, die sie dorczu mieten
muszten vnn ander expensz. Also spricht der hochgelert herre
1) Das ist das Wechselgeld, welches ausser dem Cursgewinne die
Wechsler, hesonders die italienischen und flamländischen . zu fordern
pflegten (cf. oh. V. 5. f.).
588 X. Arcliiviilisclie Beilagen. Beilage E.
d. hvt. de rodid. in c. considuit de vsu, vnn dise lere sollen
mereken alle wecliseler , auif das sie nimants besweren czu irer
seien vnseligkeit. ^)
(F. 1.): Man sal auch dy kaufleiite vnn menschen in lan-
den vnn steten vngestrafft nicht lassen, die do gute muntze
vnn Pfennige auslesen vnn solche czusmeltzen vnn
machen andere metal doraus ader vorkauffen das silher do von
dan in solchem wirt auch der gemeine nutz vnn die muntze
sere geschwechet, vnn rausz alsdan in solchen feilen vorande-
runge gescheen der muntze, Avelche stete voranderunge dem
gemeinen nutze vnd armen leuten in landen , steten vnn
1) Diese Darstellung stimmt fast Avörtlich mit dem consiliura Kup-
peners , als Sjudikus von Braunschweig , über das Wechselgeschäft 1494.
In letzterem findet sich dann noch folgende Stelle : „ . . . quidam . . . j)ro
suis negotiis opus habet disponere Nurenberg ie franckoford ie
vel alihi centuin fl. Ehen, plures aut pauciores , quam summam propter
discrimen ac periculum viarum et predonum formidat transmittere sive
secum perducere , Et ne causa Infortunii aut praedonum aut fwum hu-
jusmodi x)ecunias amittat , Accedü quendam mercatorem lubech ha-
hitantem , qui Borne padue Venetiis Nurenherge. ffranck-
fordie aut alihi suum habet corresp)onsalem tradens ei mercatori
in ciuitate l üb eck ducentas et duodecim mrc. lubitzen. cum dimidia , que
faciunt centum dticat. et sex cum quartali vnius ducati , Vel alius tradit
eidem mercatori centum fl. B. et quatuor tali pacto et intentione , ut ipse
mercator suo periculo et damno transs cribere et disponere
debeat. apud suum responsalem Borne padue venetiis uel alibi
centum dticat., que valent lubeck ducent. mrc. lubec. Vel Nurenber-
gie fr anckenf 0 r die pro prefatis centum et quatuor fl. B. centum
dumtaxat fl. Ben. eo pacto ut ibidem absque omni periculo xwotractione
sine quocunque alio imjiedimento visis literis hujusmodi pecuniam.
recipere et impromtu habere poterit (nämlich der Remittent) Et si in
solutione ei hujusmodi pecunie traditione in loco deputato mora aut
pr 0 tr actio presentatis literis fiet , quodcunque damnum ex hoc credi-
tor 2)ecuniarum incurret aut patitur , ipse a mercatore qui pecuniam Lu-
heckrecepit ac transemit recuperare ac repetere prout pactum est inten-
det. Quaeritur , quid Juris utrmn iste mercator vel bane h a r i u s lubeck
hujusmodi negotio vel bancko vtens et intendens in recipiendo , trans-
emendo ac transscribendo hujusmodi pecunias suo periculo labore damno
et expensis prefatas duodecim marc. lub. cum dimidia aut quatuor fl. B.
bona conscientia absque contractu vsurario et suncte apostolice sedis
dispensatione , licite recipere et obtinere possit.
w
i
X. Aichivalische Beilagen. Beilage E. 589
dorffern grossen schaden brengt vnn meer Schadens vnterwei-
len, dan ein gemeine lande sste wer, die do vber ein hint
cziigehen vnn cziigehen bewilliget vnn ansgesatzt wirt. Dan
dy selbigen die also ein gnte niuntze aus irem eigen furnemen
vnn yn czu gute vnn czu nutze czu schmeltzen , dy sein feischer
vnn müssen leiden die pene eins felschers der muntze also spre-
che die heiigen recht vnd die hochgelerten d. hal. in l. lege
Cornelia D. de fal. et io. an in c. cpto. de iure in.
(F. 6.): Der XVL regel betrifft dy Wechsler des gel-
des aus einem laut in dz. andere, vnn ist der: Das
gleiche maesz , in welchen sachen vnn feilen des rechten das
recht einem kaufman czu lest , das er in seinen hendeln redli-
chen czimlichen gewin nemen magk an beswerung seiner ge-
wissen , üi denselbigen sachen vnn feilen magk auch ein Wechs-
ler durch seine Wechsel gewin nemen au beswerung seiner
gewissen , dan gleich also sich die kauftmanschaft in den gutern
vnn wäre vorandert , bessert vnd geringert nach der czeit vnn
der gelegenheit der stat , do man solche hin brenget , also (wie-
wol nicht als oft) so vorendert sich auch em muntze, feilet
vnn steiget dornach alsdan der Wechsler rechen musz auff das
gelt seinen gewin czu machen, vnn gleicherweisze , als man
auff kauffmanschaff t czu treiben , muhe , arbeit , bescheidigkeit
vben muesz, knechte vnn diner dorauff halten, also muesz
solchs auch der Avechsler thun auff swere kost, dorumb magk
er auch wol als ein ander kauffman gewiu nemen ane beswe-
rung seiner gewissen, jedoch das er seinen Wechsel also han-
delt, wie oben geschriben stet, vnn ein solchen gewin neme
nach gemeinem lauffe vnn gemeiner wirderunge gute ader
vngute der munczen vnd nimpt auch solchen gewin x). siio in-
teresse nachdem er sunst mit einer solchen summe wol als vil
gewines hette mögen gewinnen.
3. lieber das Verhältniss der kaufmännischen
Gesellschaften zum kanoni stischen Ziusverbote
äussert Chr. Kuppener sich wie folgt: (1. c. C. l'^): Unter den
Wucherausnahmen heisst es: der dreyczehende fal ist der. Nach
besage des hochgelerten herren doniini ahhatis in die. c. con-
(luestiis de vsu. vnd ist, das eine witwe, die etzliche summe
590 X. Arcliivalisciie Boilag-eii. Beilage E.
geldes hat, die magk solche yre summe czu emem redlichen
kau f f m an legen in eine b a n c k vnd in eine kauffman-
schaft vnd magk vbev ir hauptgelt vmh das , das sie yr gelt
die czeit entbiret. iarlichen ein au ff gelt dorauff nemen
aus solchem erlichem gewinne ane das, das sie nicht fare
stehen bedarff gewinne« vnn vorliessens, dan sunst wer es
nicht ein sunderlicher fal, besunder ein gemeine contrahirte
geselschaft, dy im rechten vnter den menschen wie oben ge-
satzt, zu machen czugelassen wirt. Unn also spricht obgenan-
ter d. ab. des gleichen also , wie mit einer witwen sal gehalten
werden mit einer fr a wen ader iunckfrawen, die nicht
meer hat, dan ire mitgob, dieselbige mitgob magk sy auch
legen in ein banck ader kaufmanschaft , vnn do mit gewin
nemen wy die witwe , dorvmb daz sy miserabiles vnn durfiPtige
personen sein. j). c. penul. de dona inter vi. et vx. vnn ich
Sprech, daz in einem krancken menschen, der do gelt
het ausczuthuu , auch solte also gehalten werden nachdem er
der allerdurftigste mensche ist; vndwu eine gleiche vrsach
ist, do sal sein ein gleich recht, als die heilgen recht sagen.
l. vlti. Cod. ad 1. falci. et l. illud D. e. ti. et c. inter corpora-
lia extra de iransla.
(1. c. C.4.): Gefeilet ein frag des rechten. So yr czwene
ader drey in einer kauffmanschatz ein geselschaft machen,
also das czwene das gelt solche kauffmanschatz czu treiben
legen, der dritte legt vnn thut die erbeit mit handeln vnn
wandeln vnn wirt der gemn czu gleich auff die persone ausge-
teilt , ab solcher contract im rechte bestendig ergrunt vnn czu-
gelassen ist. Darauff antwurte ia , nach besage des hochge-
lerten Gotfi'edi in seiner summa vornim, als ferne sie czu
gleich gewin vnn vorlust tragen, vnn also der
beide czu gleicher fare stehen. Do von hastu ein
liplich glose in dem worte negociatorih. XIIII. qii. III. in c.
pleriq., die do saget , das obgedachter contract im rechte nicht
czulessigk nach czimlich were, so einer allein des gewinues
vnn nicht czu gleich der fare vnn verlust gewertig sein wolte,
vnd hat solcher contract in sich dy nature einer geselschafft
vnn einer bruderschaft , dieselbige in einer gemeine vnn nicht
X. Archivjilische Beilagen. Beilage E. 591
einer allein czugleich den schaden vnn frommen auf sich nemen
sal , von dem hastu in keiszer rechten in l. verum D. p. socio,
in geistlichen rechten d. ab. in c. nrmiyanti de vsu.
(1. c. E. 6'') : fiirder sal man vormercken , das die ihenigen
n^enschen, dy ir gelt legen auff gewin vnn vorlast
in einen handel ader kauffmanschafft, dieselbigen mö-
gen ir gelt nicht wider herausfordern, auch nicht von den
herren des handeis rechenschafft fordern, dann
allein nach vor lau ff eins iares, also spricht der hochge-
lerte her. d. har. in l. neminem Cod. de suscep. et arcJda Ji.X.
Es were dau das hern des handeis vnn dy kaufleute vermercket
wurden als betriger ader fluchtige leute solchs handeis , dan
musten sie auch inwennigk einem iare rechenschafft thun. Vor-
mercke auch in dem oben geallegirten 1. den hochgelerten
d. io. de pla. der do spricht, das heute diszer czeit
czimlichen ist, gelt czu legen bey einem kauff-
man in eine geselschafft ader kauffmanschatz,
auff das , das einer gewin do von neme , der do czimlichen ist,
vnn den man do von gehaben magk vornim so er solch geldt
auff gewin vnd vorlust bey einem kauffman gelegt hat,
sunst were es w u c h e r.
(1. c. F. 1.): furter saltu vormerken, das ettliche kauf-
leute in landen vnn steten sein, dy do durch regenten eins
gemeinen nutzes nicht sollen in solchen landen vnn steten
geliden. werden , nachdem sie mergklichen schaden brengen
dem gemeinen nutze. Exemplum als do sein die reichen
kaufleute ader reiche geselschafft er eines handeis,
die do haben gros gelt vnn gut, vnn haben die diner czu
V e n e d i g , ' in r e u s z e n vnn in p r e u s z e n ; ^) vnn wen sie
erfarn , das ein wäre aufsteiget ader tewerbar wirt , es sey au
saffran, pfeffer, getreide , ader an anderer wäre, so kauffen
sie vber haupt solche wSre czu yn auf, das sie furder solche
wäre den andern verkauften mögen nach alle irem gefalle ; dan
1) d. h. eben die kaufmännischen Gesellschaften im Hansagebiete
cf. VI. 2. oben.
592 X. Ai-cliivalischc Beilagen. Beilage E.
solch iv t Ulli 0111011 sal iimii in landen vnn steten nicht leiden,
vmi ist vnrecht, vnn beswert sere einen gemeinen
nutz, vnn hat auff sich die nature monopolii, vnn auch
ire pene wy oben gesatzt ist, das man yn ire guter nemen
niagk mit rechte vnn sie in das elende treiben. Vnn dorumb
sollen die forsten vnn regcnten der lande ein gros aufsehen
haben auf solche handlunge vnn solche nicht czulassen , besun-
der sie sollen solche kaufliche guter auf ire rechte wirderung
irs geldes setzen nach gelegenheit der czeit, der statvnn stelle,
do man solche wäre vortreiben sal, vnn sollen alleczeit den
gemeinen nutz der menschen vleissiglicher betrachten vnn
sunderlichem eigen nutze für setzen p. die. l. L §. fi. et ibi. hat.
C. de cadii. aal. et p. doc. et Cy. i. auc. res. q. C. conia. de lega.
p. canonistas i. c. ron. dephe.
(F. 1'^): befeit ein mergkliche frag des rechten, also: Es
ist ein mergkliche ge sei schafft dreier ader vierer gesel-
schaffter, die solche geselschaft halten, vnn im rechte gesel-
schaffter geheissen werden; vnn einer von denselbigen czeuget
gegen Venedig vnn kauft einem venediger ader einem von
breszlaw etwas abe vnn bleibt im schuldig hundert gülden
iohannis ader michaelis czu Venedig ader breszlaw czubeczalen.
nun iohannis vnd michaelis ist kommen , der schuldiger kom-
met nicht vnd beczalt auch nicht , besunder sein ander mit-
geselle seiner geselschaft, der komet gen Venedig ader gen
breszlaw , denselbigen feilet der glaubiger an vnn fordert von
im gantze volle beczalunge des geldes , des der erste sein mit-
geselschafter von im geburget hat. Ab er es auch durch recht
thun mag, vnn ab der ander mitgeselle des ersten gemachter
schult für vol schuldig vnn pflichtig sey czu beczalen ader
nach seiner anczal also vnn allein für seine person. Sagen die
lieilgen recht i a , er sey im volle beczalunge czu thuende schul-
dig vnd sein mitgeselschafter hat nicht heneficium diui-
s i 0 n i s , das ist er darf nicht sagen , er wil sein teil vnn allein
für einen man , als vil yn der vierde ader dritte teil betreffende
ist an den hundert gülden beczalen vnn nicht die volle summe.
Geben die recht dise vrsache. nach dem ein mitgeselschafter
einer czuhauffe samlunge vnn czu hauffe setzunge selschaft
X. Arcliivalisclio Beilagen. Beilage E. 593
einer vor den andern in der geselschaft bürge geworden ist,
vnd tidoiubivt liat aus cratft irer gosampten geselschaft, was
einer bürget, das ein itzlicher solchs schuldig sein wil czu
beczalen. Also sprechen die heiigen recht vnn dy hochgeler-
ten hal. in ruhrica C. de instUuto in vlti. colum. har. in 1. 1. et
in l. reos. §. cum in tabulis D. de duo. re. consti. hal. in l. cum
fe in galJiam C. si cer. peta. Et vide omnino alex. de Mi.
inconsi. sho CXLVII in secunda parte vhi habet ista mate-
ria plcne et dicta iura procedunt em. d. alex. cum vnus sit
pposit. ab altcfo tacite vcl expresse. Et qd. ille socius qui
contrahit fecerit etiam non istoruin sociorum, quos isti cre-
ditores seu confraJienfcs convenire volunt de hoc dns. alex.
consi. CXXXIX. in V. vol. suorum consi. Vnn wiewol auch
ein geselschaift eins handeis czugehet kegen allen andern
geselschaftern , so einer geselschafter aus solcher geselschafFt
stirbet , dau der gememe wille der geselschafter ist durch den
todt also czubrochen als dy heiige recht sagen l. IV. B. loca
et declaret bar. in l. centesim. §. si. ver. vltimo formo hie vnam
qaestionem D. de ver. obli. Et qd. niorte vnius finiat. societas.
vi. l. actione §§. niorte D. x). so et insti e. ti. §. finit. nisi con-
trarium actum sit in contractu societat. cp. vno mortuo, quo
ad... Das ist also vil czu deutsch gesagt, es sey dan sache,
das in dem contract der anhebunge der geselschafft anders
beredt worden ist, also so einer verstürbe, das dennoch die
geselschaft nicht czugehen sal besunder gehalten werden durch
des vorstorbens erbe ader gefreuntten ader das nach tode des
vorstorbens solche geselschafl't Avidervmb vornawet wurde offen-
barlichen durch einen uawen offenbarlichen contract ader heim-
lichen vnn also. So die erben der vorstorbens ader seine nehe-
sten zu geben dulden vnn leiden, das durch die alten diner
vnn factor solche geselschafft nach also vor dem tode des vor-
storbens gehandelt wurde mit ausgäbe vnn einname an irgent
keine ymants einsage. Also spricht der hochgelerte dns. alex.
in consi. CXXXVI. in V. vol. suor. consi.
4. Vom kaufmännischen Verkehre allgemehi und
d e s s e n V e r b i n d u n g m i t d e m k a n o ni s t i s c h e n Z i n s -
g e s 6 1 z e erörtert er Dieses :
Neuiiianu, Gesch. d. Wiiohci'ä. 38
504 X. Ardiivalisolie Boila.Efon. "Reilagc E.
B. 5'. ü. C. 2. 4'', 5. behandelt er iin gewöhnlichen und
oben ad 1. 1. u. IV. 2. ;}. näher erwähnten kanonischen Geiste
den unmittelbaren, zulässigen und unzulässigen Gewinn der
Kautieute aus dem einfachen H a n d v e r k a u f , aus den Ver-
zugszinsen und dem Interesse. Vereinzelt Wesentliches
daraus wurde bereits oben zitirt.
D. G. Die Kauftmanschafft wird überall geübt. „Sage,.,
das kaufmanschafft vnn handlung der werntlichen gutter wol
gehandelt vnn gescheen raagk ane beswerung der menschen
gewissen vnn ane sundo so solche geschiet in der weisze, wie
hernach volgeu wirt. Vnn die heiigen geistliche vnn wernt-
liche recht lassen solche kauftmanschafft vnn handlunge in der
weisze vnn forme wie volgende für czimliche vnn gotliche czu
au alle beswerung der gewissen. . .
(D. 6.) .So eine kauftmanschatz , dy do geschiet vmb eins
gewinnes willen durch den kauffman furgenommen vnn geor-
dent wirt czu einer erlichen entlichen vnn wirgklichen that, als
nemlichen czu enthaltunge seins hauszes vnd sei-
ner kinder vnn hauszgesindes nach seinem stände,
domit er sich erlichen vnn gotlichen nicht mit vnrecht falsche-
rei vnn meineide logen durch kauffmanschatz mit yn magk
enthalten, vnn auch dorumb, das er armen leuten mit semem
reichtum das er also do mit gewinnet czu hilffe kommen wil,
vnn gemeinen nutz der lande , stete vn dorffer czu lande vnn
czu wasser , vnn nicht allein betracht suchet vnn setzet seinen
eigen nutz für den gemeinen nutz.
(Citate.) Dorumb magk ein kaufmanwol mit gutem gewis-
sen ein dingk ader guter kauffen vnn dy selbigen teurer ver-
kaufen auff eine czeit im czubeczaleu, so er nicht weisz,
ab in der czeit der beczalung solch guter m e e r ader weni-
ger gelten mögen, ader so er solche guter von einer
stat in die andern czu füren ader czu tragen musz vnn
solche kauffmanschatz also bas wirdiger gemacht hat, ader
vmb der fare, die er der guter halben tregt etc. Nach dem
dy wirde eins gutes vorandert wirt nach vnterscheit vnn gele-
genheit der stadt, der czeit vnn auch der fare, wie dan oben
geschriben stet. So aber ein kauffman in seiner kaufmanschatz
X. Archivalische Beilagen. Beilage E. 595
sein entlich furnemen alleine stellet, suchet vnn setzet auf
gewin. also das er allein entlichen dommb guter kauft ane
alle redliche obgesatzte vrsachen vnn andere vmbsteude, das
er doran gewm treibe , vnn ist solchs sein entlich betrachten
vnn furnemen in solchem seinem begirlich gewin vngesetiget,
So sagt das recht, das solcher eins kauffmaiis vngesetigter
geitziger wille, seine gehaltene vnn gehabte kauffmanschaft
macht vnrecht vnn vnczimlich vnn ist ein vnrechter kauflfman
vnn alles, was er also gewinnet ist schnöder vnn boszer gewin...
(E. 1.) Furder sal man vormercken, ... das kauffman-
schatz... wirt aus nachuolgenden vrsachen vnczimlich
vnn vngotlich. ('zum ersten durch den grausamen, vngese-
tigten, vnmessigen geitz eins menschen... Item die andere
vrsache vmb der czeit willen. Dan so ein kauffman in heii-
gen geczeiten ader ausgesatzten feiertagen von der helgen
cristlichen kirchen geboten kauffmanschafft treibt, so wirt do-
durch seine kauffmanschatz vnczimlich , das er mit solcher sei-
ner kauffmanschafft den sontagk vnd andere gebotene feierczeit
gebrochen hat. .. Die dritte vrsache vmb der stat wille, do-
rinne die kauffmanschafft geschiet. als wan die kaufleute ire
kauffmanschafft treiben , handeln vnd wandeln in ge weiten
kirchen ader steten. ., Die vierde vrsache vmb der per-
sona willen , die do kauffmanschatz handelt vnnd wandelt.
Als wann geweyttepersonen ader monche ader prister
kauffmanschatz treiben . . . auszgenommen in feilen des rech-
ten , dorinne sie czu handeln durch recht werden czugelassenn,
als vmb gemeynes nutzes willen des closters vnd das sunst ein
closter alszo geringe oder arm were , das von notdurfft wegenn
sichs nicht erhalten mochte , so wirt yn messige vnn czimliche
handlunge czugelassen, ader das sich ein geweitter durch arbeit
seiner hende muste erneren. . . Die funffte vrsache, dodurch
eine czunliche kauffmanschatz wirf vnczimlich, kommet aus
dem vnczimlichen vorkauftlichen gu tte, das man vorkauffen
vnn kautlen wil , vnn sein solche gutter, die dem menschen
nach vor sich an yn selbst nach durch ire vormischunge mit
andern guttern czu menschlichem gebraucli vnn nutze nutzlich
sein, als do ist kauffmanschatz mit wurf fein, karten vnd
38*
5% X. Archivalische Beilagen. Beilage E.
h i ni 0 1 r e i c li e II d e v k o c k e l ni e n n e r m i t h i p e 1 trage n. . .
Gift gehöre nicht 7ai diesen Waarcn, weil es, wenn auch „in
seinem Avesentlichen weszen ein tod der menschen , " doch zur
nützlichen Arznei und gegen die Thiere nöthig sei (E. 2.). Auch
der Kaufund Verkauf von Schminke werde zugelassen, „so
solch smincken von weibern geschiet czu einer beheglichkeit
ires elichen mannes ader durch den mau in beheglichkeit seins
weibes. .." doch thun sie es „dorumb, das sie anderen men-
schen ire äugen begirlich vnn mit fleischlicher wollust erwecken
vnn czu sicli czihen wollen , dieselbigen als offt sie es thun , so
sundigen sie todlichen. . . Es sein auch andere kaufmanschatze,
dy do vnczimlichen sein, vnn durch recht verboten vnn czu-
furderst den clericken vnn geistlichen leuten. . . Aus welchen
ein snoder vuerlicher suutlicher gewin erwechst, als ist der
gewin vnn kauftmanschatz der kokeler, die do kokelen auff
den seilen vnn springen, vnd die suntliche handlunge der
freien weiber, die iren leib gebrauchen vnn, mit czuchten czu
reden, in vnkeuscheit vorkauffen gar in sweren grausamen
sunden.
Der Gewinn aus unziemlicher Kaufmannschaft soll den
Käufern zurückgegeben oder zum Nutzen der Armen veijsven-
det werden.
(E. 3.) Mögt einer ... sagen, die heiigen keiszerrechte
vorbitten, das kein ritt er ader rittermesigk man ader
edel man kaufmanschatz handeln ader wandeln sal, als die
recht sagen . . . dorumb muesz ye kauffmanschatz sunde sein
ader vuerlich , die weile solche erlichen leuten verboten wirt.
Diszes soluire auff vnn sage, das kauffmanschatzt nicht vuerlich
ist, besunder erlich vnn ganz nutzlich ist landen vnn steten,
wie oben gesatzt worden ist; das aber kauffschlagen verboten
ist den rittern vnn kauffmanschatz nicht czutreiben vnn wider-
vmb kautieute nicht ritterliche handlunge an sich czu nemen,
das ist dervmb gescheen , das dy kaufleute irs thuns sollen
warten sein, vnn die ritter alleine vleis thun vnn sich vben
sollen in ritterlichen streiten czu enthaltunge des gemeinen
nutzes. Das aber den edel leuten kauffmanschatz verboten
wirt, das saltu vornemen von den grossen mechtigen vnd rei-
X. Archivalische Beilagen. Beilage E. 597
chen edel leuten allein . dy do suiist wol vorsorget sein do mit
sie iren standt niclit geringern vnd auch dorumb. das sie an-
dere leiite in iren kauffmanscliafften niclit verliinttern , nicht
von den armen edelleuten , dan auch em erbar reicher burger
ader kauffman, der wol vnn czeitliclien seine narunge hat, im
rechte sich vorgleicht einem schlechten edelmauue des vntter-
sten Standes des adels. . .
(E. 4.) Sprechen die heiigen rechte, das der proprio
nicht heist ein kauffman, der eins ader czwier ein kauif-
manschaift der verkäuflichen gutter treibt ader geubet hat,
besunder der ein solchs aus te glicher gewonheit
czuuorkauffen vnn kauffen gewont ist czu vben
vnn sich des czu gebrauchen. Also spricht die glo.
vnn der hochgelerte har. in L legatis D. de lega. HL bar. vnn
alex. hl pria. consti. D. hal. in rnhrica C. de consti. pecii. Do
selbst spricht alex. es were dan, das dy kaufleute ein eygen
gemein buch hetten in einer stat, matricula genant,
do man ire namen pflegte einczuschreiben , so spricht der hoch-
gelert. alex. das in dem falle der ein kaufman geschätzt wurde,
der in eira solchen gemein buch eingeschriben erfunden wurde.
Furder sagen die recht, das solchs gut czu wissen ist, wer do
ein warhaiftiger kauffman genant vnn geschätzt wirt , nachdem
die recht darliehen vororden, das man der kaufleute
irrige sachen, die do aus kauffraanschafft erflis-
sen, nicht mit der scherffe der recht (so solche czu
recht kommen, besunder durch gleichmesige billig-
keit, das do gleich ist vnn dem gleichen einlich ist, vnn der
warheit gemesz nach gelegenheit der sachen rechtlichen
entscheiden sal. Also spricht der hochgelerte har. in l.
si ßdeiussor §. quedam JD. man. vnn dorumb volget sich dor-
aus, das grosser glaube vnn czuhaltunge czwischen
den warhafftigen kaufleuten sein sal , vnn grosserer , dan czwi-
schen andern gemeinen leuten, vnn was sie vnter einander
einer dem andern mit schlechten worten ane irgent keine her-
ligkeiten vnn becleidung ader forme der rechte et sie nudo
pacta, das ist zu deutsch mit bloszen schlechten worten vnn
pacten czu sagen . das sal er im glaubwirdig vnn vnuorbrochen
598 X. Archivalisclie Beilagen. Beilage E.
halten. Also spricht der hochgelerte har. in l. quint D. man.
villi hal. in L si pro ca in vlti cohtm. Cod. e. ti. Dan es ist ein
grosse schände vnn viierlichen czu forderst vnter kaufleiiten,
den gesagten czu glauben czu fallireu vnn nicht czu halten,
auch so er solchn glauben mit schlechten worten habe czugesagt.
Also spricht der hochgelerte har. in die. l. qu intus D. man.
Ir solt auch wissen ein mergkliche vnterrichtunge der
rechte, die do sagen. So ein kauffman in einem lande ader
in steten, mergkten ader doröern machte ein teurunge in
einer kauffmanschafft, habe ader guttern, es sey an getreidt,
wein, tuch, specerey, saffran ingeber ader pfeffer, dorumb
das er solche wäre czu sich kaufte vnn gebe meer do für, dan
das sie nach gemeinem laufte eins rechten geldes wert were
vnn keret solch sein thun in seinen eigen nutz , vnn nicht m
einen gemeinen , denselbigen sal man nicht leiden , dan er ist
vntuchtig, infamis, vnn nimants wh'dig, vnn sal einen solchen
dorczu in ein mergkliche straffe nemen nach erkentnis der
regenten, als offt er solches vbet (quia fenetur de crimine
stellionatus), also sagt der hochgelerte har. in l. III. B.
de cri. stellio. Es ist auch czu wissen , vnn czu vormercken,
ab wol den kaufleuten durch recht czugelassen worden ist, das
sie vnter yn selbst statuta machen mögen, die auch keine
bestetigung dorffen eins obersten auchnicht be-
stetigunge eins weichbilden rechts, dan yn solche
gemachte statuta das gemeine recht bestetiget, also sprechen
die hochgelerten har. vnd hal. in l. pe. Cod. de consti. pecu. et
ibi. plene hal. de statutis mercatorum in quihus valent et in
quih. non. Idoch mögen sie vnter jti nicht machen statuta,
die do gemeinem nutze schaden brechten in landen vnd steten,
bei vorlust irer guter , vnn man sal solche aus einem laden in
ein elende treiben etc. Exemplum , als wan kaufleute vnter ein-
ander eine Statut vnn beschlies gemacht betten ane redliche
vrsachen vnn allein vmb irs eigen nutzes T\dllen , das man den
saffran ader pfeffer getreide ader wein nicht wolfeler geben
solte , dan alleine vmb ein solch namhafftigk gelt vber gemei-
nen lauff vnn wirderung, sal solchs gestrafft werden, desglei-
chen so die hantwerger solche Statute ader aufschatze machten,
X. Aicliivalif^rhe Beilagen. Beilage E. 599
dan solche aufsatze gescheen wder den genieinen nutz (et
sapiant monopoVnim) Dovumb sal man solche nicht leiden,
besunder man sal solche strafen ^>./.i'^«/c«y^/ C. de mono. Merckt
eben dorauff ire fursten vnn regenten der lande, dorifern,
mergkte vnn stete vnn gebt solchs nicht zu, last auch solchs
nicht vngestraft , thuts auch nicht vnder euch selbst.
(E. 4''): Ein Kaufmann kann gezwungen werden,
gegen seinen Willen die Waaren zu verkaufen. Dies ge-
schieht nicht, wo die Waare nicht zu menschlicher Nothdurft
in irgend einer Weise gehört, ausser wann der „gemeine
nutz" es verlangt, oder wann durch den Verkauf, selbst wo
die Waare Mehreren gehörte, grösserer Schaden vermieden
wird. Gehören die Waaren aber zur menschlichen Noth-
durft und werden öffentlich zu Markte gebracht und ausge-
legt, so müssen die Verkäufer sie für das von der Obrigkeit
„ gesatzte recht gelt nach gemeinem laufte der waren " verkau-
fen, und dürfens nicht wieder forttragen, wenn sies unter
diesen Bedmgungen verkaufen konnten; ausgenommen, wenn
der Verkäufer der Obrigkeit genügende Gründe dafür anführt,
dass es ihm leid sei, die Waare zu Markte gebracht zu haben.
Werden solche Waaren dagegen zu Markte gebracht und nicht
ausgelegt, viele Verkäufer dieser Waaren sind aber da, so soll
die Obrigkeit Einzelne von ihnen nicht zum Verkaufe zwingen,
sondern alle.
(E. 5): Etwas zu kaufen soll Niemand gezwungen
werden , ausser , wann Theuerung oder Krieg bevorsteht. In
diesem Falle soll die Obrigkeit die Untergebenen zum Einkaufe
der nothwendigen Sachen zwingen , nur die Cleriker nicht. —
Der Preis dieser gezwungenen Käufe und Verkäufe soll sein
„ein recht gewirdiget vnn lant laufftig gelt, vn
dor?zu mögen yn die fursten vnn regenten der lande vnd stete
durch recht czwingen." Nur, wenn Jemand eine Waare czu
besehen czu sich genommen hette und sie behalten will, der
Kaufmann aber will sie ihm nicht lassen , so mochte ichs (Ver-
käufer) im in dem falle tewer verkauffen vber rechte ge-
sät z t e w i r d e r u n g e j;. l. non eni. D. re. mno. Dagegen
dort nicht , wo der Verkäufer sich zur Entschädigung seiner
600 X. AlTlliv;^li^^(•lle Beilagen. Beilage E.
Transportkosten einen höheren Preis zahlen lassen will. (E. 5').
Dieses ,. recht ge wird ig et gelt" sollen hei Sachen, die
zu der menschlichen Xothdurft gehören, „m steten vnn lan-
den die fürs ten vnn regenten nach gelegenheit der czeit
schätzen vnn w i r d e r n ... alleczeit , als offt solchs notdurff-
tig ist." Bei den andern Sachen soll die Schätzung nicht nach
„ sunderlichem gunst vnn eigenem nutz , hesunder dem gemei-
nen nutze czu gutte nach gelegenheit der gutter vnn geschick-
ligkeit der lande vnn der czeit, vnn das sollen vorschaffen vnn
solchs bestellen vnn Vorsorgen vnter den luden ire obersten
rahii p. l. nemo exierus C. de inde, vnter den cristen aber in
steten die regenten der stete p. 1. 1. D. d. offic. pfec. vr. §.
enra carnis , in landen die f u r s t e n vnd b i s c h o f f e."
(E. 5"^): Verbieten kann man Niemand, verkäufliche
Güter zu kaufen : denn der Kaufkontrakt „ist von der natur
der dinger , die nicht vorboten sein." Viele Fälle sind davon
ausgenommen. Ausserdem kann man es verbieten , wo Jemand
durch nicht nothwendige Käufe Andern Theurung macht , . . .
„l. negociatores ihi. nc commodum mercandi excedant C. de
epis. an. et ihi p. doc. doselbst stet auch geschriben, das die
regenten mögen Statuten machen, das nimants aulf einem
margktage meer kauff'e , dan drei ader vier scheffel körns etc.
also auch in andere wäre vi. ih." Sachen zu verkaufen, ist
vielfach verboten, so: falsche Güter, geistliche Güter
..ane geburliche solennitetin , " kriegerische (worüber ein
rechter Krieg schwebt) u. a.
(E. 6): Nun vormerckt auch, das etzliche betrigliche
kaufleute sein in kurczen iaren in einbosze furnemen gekomen,
vnn also, wen sie iren gläubigem eine mergkliche summe
geldes schuldig worden sein, so werden sie eyszeren ader
faren gen straszburgk vnn entlauff'en (vnn das Ifeist
man nun czur czeit auffgestanden) vnn erwerben dan pri-
uilegia ader re scripta von fursten vnn steten, das man
solche czu etzlichen iaren nicht manen. nach rechtlichen aufur-
dern kan noch magk. ... Etzliche kaufschlaen vnn handeln
vnn wandeln , also das sie czufellig vnd durch vnglucke vnn
bosze vnkauffe in ein armut fallen, das sie iren gläubigem
X. Archivalische Beilagen. Beilage E. 601
nicht C7A1 lialten mögen ; dieselbigen , so solche nacli ordenunge
der reclit iren armut warliaflFtig sweren vnn vormittelst irem
eyde geloben , so yn got wider zu einem bessern glucke vnn
czu einer besserunge irer narunge hilftet, das sie alsdan ire
glaubiger gerne beczalen wollen ader cediren bonis ader abtre-
ten vnn vorlassen alles, was sie haben, vnn vormogen, die
mögen solchs thun . . ane sunde. per c. ocloardiis. et ihi per
scri. che. extra de soh(. Et p. totum ti. C. qui honis cedere
2WS. rt vide ibidem Ixd. sup. ruhrica. Thun sie aber solchs
betriglich. auff das, das sie mit iren gläubigem lenger t(3rmyn
der beczalunge machen mögen vnd notigen ire glaubiger do
hin . das sie kaum die helffte von yn beczalt nemen , auff das
sie etwas von yn krigen. Solche kaufleute , dy man billicher
lauffleute heissen sal , sein (mit czuchten czu reden) der leute
betriger vnnd aller schände wirdig vnd sein anruchtige leute...
Ynd die selbige betrigiiche kaufleute , die also solche eyszeren
betrigliche menschen werden, lernet man erkennen aus iren
wercken , wie from das sie sein. Dan wen sie nawe termin auff
halb ader das dritte teil der schulde czu beczalen mit iren
gläubigem gemacht haben so sein sie -wider reicher kaufleute
geworden , dan sie gewest sein vnn füren also als grosse hen-
del , also gros sy solche czuuorn ye gefurt haben. . . — Ein
Fürst und eine Stadt , ,. die für sich selbst ire oberkeit hat vnn
freyheit," kann dergleichen Kaufleuten Privilegien ertheilen,
wonach die Gläubiger sie eine bestimmte Zeit hindurch nicht
mahnen dürfen, dagegen für alle Zeit dürfen sie es nicht thun.
(E. 6") : Furder sal man vormercken , das vnter kaufleu-
ten vnn den menschen, dy do nicht ire beweiszunge nach
der scherffe der rechte thun dorffen, sal man in iren recht-
lichen irrigen Sachen gelinder vnn leichter rechtli-
che beweisung in iren Sachen czu lassen, vnn dornach
rechtlichen vrteilen , den man sunst in allen andern rechtlichen
Sachen pfleget czu thuende. als nemlich man sal beselion der
kaufleute register vnn czu hilff'e irer beweisunge nemen, als
was czu der sache gcdinen magk. p. I. id quod panpcrihuf; p.
hol. ihi vndecimo qiiero. C. de epis. et cJe. dan dy heiigen recht
in Sachen , do man nicht kan ader swerlichen magk clarliche
602 X. Archivalische Beilagen. Beilage E.
beweisunge f'uvoii, werden viin sein gesetiget in beweisunge
p. conjcdiiras vnn durch die vmbstende einer sache p. hal. si
quis in hoc gcniis C. de cpis. et cle. hur. in l. de pupillo §. si
quis D. de no. ope. nunc. VIIL Die heiigen geistlichen recht
in c. licet ex qiiadam de tcsti. Vnn mercke auch , das der kauf-
leute diner ad er ire facto r sein schuldig iren hern durch
recht rechen seh äfft czu thuende, wan sie es von yn begern,
auch wan sie yn schon einsmals rechenschafft gethan haben.
p. l. vnicam C.de erro. cal. Es sey dan sache, das sie sich der-
halbeu vnter einander vortragen haben ader durch ein entliche
vrteil durch recht von einander geurtelt vnn entscheiden wor-
den sein , vnn also das die diner nach getaner rechnunge fur-
der iren herren nicht meer schuldig sein sollen czu rechten,
vt ibidem p. l. vnicam vnn der vberwunden wirt , das er fal-
sche rechenschafft seinem hern gethan, meer ader weniger
angeschriben vnd in die rechenung gebracht hat, derselbige
ist anruchtigk , infamis vnd vntuchtig , l. furti. §. fi et ihi p.
doc. et ange. D. de Jdis , qui no. infa.
Kein Kaufmann soll verbotene Waaren den offenbaren
Feinden des „romischen volckes" zuführen, als buchsen,
puluer, armbroste, helmbarten, wein, getreide
etc. auch vorbiten die recht iren legaten vnn sendeboten, so
sie in ire stete komen , solche wäre nicht czuuorkauffen , auch
Silber nach golt yn czu füren vnn vorkauflfen bei vorlisunge
des lebens , vnn abschlagunge des haupts , vnn vorlisung aller
guter, nach werntlichen rechten. Nach geistlichem rechte
bei vorlisunge der guter , vnn bei dem banne , vnn die selbige
die es thun . die werden eigene leute der ihenigen , die sie dor-
vber begreiffen vnn gefangen nemen. Allen Gewinn aus sol-
chem Kaufgeschäft sollen sie zur Eroberung des heiligen Gra-
bes geben. . .
(F. 1'): Es ist auch czu uormercken, das die kaufleute,
so sie rechtlichen mit ymants iren widerparten czu thun haben
vnn czihen vnn referiren sich der sache halben auff
ire bucher, so sein sie durch recht schuldig, solche ire bu-
cher in gerichte vorczu legen vnn czuforderst des artikels,
des sie irrig henge , domit ein richter aus solchen buchern sich
X. Archivalische Beilagen. Beilage E. 603
der warheit erkunden möge. Also sprechen die heiigen recht
p. noia InJ.ptor. alt. D.de.cdc». vnn ein kanffman , der von
einem menschen gelt gelihen hat, so ist die vormutunge im
rechten , das er solch gelihen gelt czu seiner kauffmanschafft
gelihen hat. p. har. in. l. macedoniani ad fi. C. ad mace. et l. fi.
e. ti. vhi tex. est notabilis.
(F. 2): Befeit ein mergkliche frage czu rechte, ab auch
die b u c h e r vnn r e g i s t e r der kaufleute im rechte ein besten-
d i g e b e w e i s u n g thun also das im rechte solcher irer bu-
cher beweisunge für gnugsam ader für ein halbe beweisung
ader far keine sollen angesehen werden. Sprechen die heiigen
recht vnn loszen dise frag auf vnn sagen das nach gemeinem
rechte der kaufleute bucher nicht probiren noch beweiszen , dan
allein wider vnn kegen sich selbst, dy solche geschriben ader
schreiben haben lassen, wiewol das sie im rechte ein mergk-
lichen czuuorsicht vnn presumption der warheit anczeigen vnn
angeben vnn zufurderst , so ein kaufman from vnn eins guten
loblichen geruchtes ist. Also sagen dy heiigen recht vnn dy
hochgelerten hal. in l. in fi. C. de eden. et p. alex. de hii consi.
LIII i. vo. hal. ange et alex in l. quedam §. nummularios D.
d. eden. Es were dan sache, das ein vorwerte redliche gewon-
heit ader durch ein Statut in ein lande ader in einer stat gehal-
ten vnn ausgesatzt were , daz man der kaufleute bucher durch
recht gantzen ader halben glauben geben solle, also spricht
der hochgelerte d. alex. in l. quedam §. nummularios in prin.
D. de eilen, et p. non in c. cum dilcctus de ß. instru. Ader das
solche bucher der kaufleute weren durch der kaufleute gesworne
eide czu gote vnn den heiigen einem rat Vnn den regirern einer
stat bestetiget, das sie czu gote vnd den heiigen gesworen
haben , nicbts vnrechts dorinne czu schreiben , vnn werden
also solche ire bucher durch dy regenten einer stat bestetiget,
so probirten solche bucher in dem falle für ein lialbe bewei-
sunge im rechte. Also spricht der hochgelerte her d. bar. in
die. l. quedam §. nummularios D. de eden in ft. et ihi etiam p.
d. alex. Dreierlei Privaturkunden, „die .. sunderliche
vnn entzler mensche vrkunde im rechten gehessen Averden,
giebt es. Die erste ist ein schrifft vnn vrkunde , dy ein mensche
604 X. Archivalische Beilagen. Beilage E.
(lein andern gibt vovmittelst seiner hantschrift ader vnter sei-
nem sigel ader pitzschir (apoca, nppodissa.)" Unterschrift.
Anerkennung, Ableugnung von Unterschrift und Siegel , Un-
terschrift von Schreibzeugen.
(F. 2'): Die andere vrkunde einer schrifft ist ein buch
der rechen schafft, dorinne dy kaufleute, handler vnn
Wandler ire thun schreiben, vnn machen solche bucher aus
irem freien willen vnn nach irem gefallen, vnn dise schrift
vnterscheide auch als hernach volget. Entz weder in demsel-
ben buche stet etwas geschriben , das kegen vnn wider den ist,
der es geschriben habe , ader durch seinen diener (der czu sol-
chem von im czu thungesatzt vnn vorordent worden ist) schrei-
ben lassen, vnn da thut solche schrifft ein volkommene bewey-
sunge. Exemplum. So ein kauflfman ader handler geschriben
bette in sein buch, das im N. hundert gülden beczalt bette,
geb ein volkommene beweisung p. die. l. qiiedam §. nummula-
rios D. d. eden. Entzweder, obgemeldes buch helt etwas geschri-
bens in sich, das dem einschreiber czu gute kommet, ader
kommen magk , das vnterscheidt also. Entzweder solch ein-
geschriben thun henget vnn helt sich allein in des einschrei-
bers eigenem willen vnn thun bei im selbst vnn betrift yn
allein vnn nicht andere menschen. Exemplum , so im ein erbe
angestorben were , vnn er bette solche wort vnn solchen seinen
willen in sem buch geschriben , das er solches erbe nicht wolte
anneraen, besunder repudiren ader der gleiche feile, so gibt
solche seine schrift eine bestendige beweisung p. l. nenseni. B.
d. nego. gest. Entzweder obgemeltes buch helt etwas geschri-
bens in sich, das do nicht allein den einschreiber, auch nicht
allein des einschreibers willen vu thun betrift , besunder auch
einen andere menschen, vnn in dem falle so tliut solch buch
keine bestendige rechtliche beweisunge für den emschreiber
p. I. exemplo C. de pha. l. instrumenta, et l. ronnes e. ti. Idoch
spricht der hochgelerte her d. bar. das solche schrifft nach sei-
nem wan ein grosse vermutunge vnn rechtliche presumtion in
sich helt der warheit, als ferne der selbige kaufman vnn hand-
ler eins guten geruchtes ein man gewest ist ar. l. qui cum
maior. §. si D. de ho. liher. et Jioc voluit ctiam dicere tex. in
X. Arcliivalische Beilagen. Beilage E. 605
die. l. ronncs. C. de. pha. Entzweder in soldiem buche stet
geschribeii ein tliun. das keine beweisunge bvenget vnn czu
gute kommet nach für den einschveiber , der solchs eingeschri-
ben hat, noch wider \^n. Exemplum als wan einer einschribe
in eins handlers buch ader liesze einschreiben, das er seinem
wirt für seine kost X gülden beczalt vnn gegeben hette , vnn
hette der wirt solche von im entpfangen , dan in dem falle so
solcher handler eins solchen thuns ein teglicher handler were,
das man in seine bucher pflegte einczuschreiben, wem vnn
wasser beczalunge man teglichen thete, so gibt solch ein-
schreiben ein halbe volkommene beweisunge. ar. cor. q. notant
in die. l. quedam §. nummidarios D. de eden. vi etiam sjyecie
in ti. d. insfr. edi §. nunc vidcnduni post medium in ver. licet
aut. Do selbst spricht der speculator, das man ein rechen
buch eins kauffmans mit einem lebendigen geczeuge volle
rechtliche beweisunge thun vnn doraufl:" sagen die hochgeler-
ten pe. de. hei. parti. vnn Cy. das solche seiner spruch swer
ist czu glauben, dan so solchs war were vnn die warheit
auff sich trüge, so kundt ein handler balde etwas in sein
rechenbuch schreiben, auff das er ein halbe vollstendige
rechtliche beweisunge hette, seins furnemens, das do vnbil-
lich were, als do spricht der hochgelerte io. an. in e. f\.
de fi. instru.
Die dritte vrkunde einer schrifl't, die heist ein sende-
briff, der do von einem dem andern czugesant vnn czugesagt
wirt, vnn do von sagen die heiigen recht, wie oben gesagt ist
von einer vrkunde eins menschen hantschrift , ader der einem
einen briff unter seinem sigel vnn pitzschir gegeben vnn czu-
geschickt hette , allein daz ausgenommen , das man einen sol-
chen sentl)riff vmb der vorgleichunge vnn comparacionen willen
der selbigen schrift eins andern seins gegeben ader geschriben
brifs vollen bestendigen glauben gibt, also spricht der hoch-
gelerte her d. bar. in l. nuda D. de dona. cidt illunt ib. Idoch
wan einer dem andern einen briö' schribe vnn befule im seinen
sun ader seinen freunt, bittende, daz er auf 3'n em aufsehen
haben wolte vnn entliche nu auf solch sein schreiben gelt, daz
dorfte der vater actione mandati vnn aus crafft gethanes
60G X. Aiiliivalisclio Boiliigon. Beilage E.
beuellis iiiclit beczalcn. als die lieilgen recht sagen inJ. si vero
non roiiuncramVi §. cum qnidam D. man.
(F. 3.): Der Contrakt, wonach das Pfand beim Zahhings-
ver/uge an Gläubiger als Eigenthum fällt, ist wucherlich
(auch bei Kaufleuten). Das Pfand muss vielmehr, nach
Scliätzuug frommer Biedermänner verkauft und der Ueber-
schuss an Schuldner gegeben werden.
Der KaufaufWiderkaufist zulässig, wenn der Wie-
derkauf bei dem freien Willen des Verkäufers steht ; desglei-
chen der Kauf mit der Resolutivbedingung , wenn in bestimm-
ter Zeit ein Käufer mit besseren Anerbieten kommt (der erste
Käufer bezieht bis zum Eintritt der Bedingung die Früchte).
Hängt der Wiederverkauf dagegen vom Willen des Käufers
ab (so auch bei dem Rentenkaufe in seiner späteren Entwick-
lung), „solch pact vnn bedinge tregt auff sich ein wucheri-
schen betrigk vnn schalkheit vnn ist an im selbst wucher."
(F. S""): Schliesslich folgen die Regeln frommer Kauf-
mannschaft, gewidmet von Chr. Kuppener „den erbarn
vnn vorsichtigem hern Hanszen Hummelszhayn dem eitern
meinem sweher vnn Andreszen Matstet meinem swager, beide
Rats hern czu Leiptzk.
1) Der Verkäufer soll nur „czimlich recht geld"
fordern 2) keine irgend wie gefälschte Waare verkaufen,
3) der Kauf soll dem Gemeinwesen nützen (F. 4). 4) der
Gewinn des Kaufgeschäftes soll nicht aus Habgier, sondern
als Ersatz der aufgewandten Arbeit genommen werden (F. 4'),
5) so wie als Ersatz der Besserung der Waare , der Aus-
lagen, der Gefahr, 6) so wie als Ersatz des besonderen
Schadens, welcher dem Verkäufer durch den gezwungeneu
Verkauf erwächst , 7) Aufkäufe vor Theurung sind für die
Nothdurft des eigenen Hauses oder des Gemeinwesens, dem
die aufgekaufte Waare später billig verkauft wird, gestattet.
8) Der Verkäufer darf nicht zu dem von den öffentlichen Ab-
schätzern gesetzten Preise seine Waare verkaufen, wenn er
weiss, dass die Abschätzer sich zu seinem Vortheile irrten.
9) Der Preis bei Kauf auf Credit darf nicht höher, als
bei Kauf gegen haar sein „ sunst verkaufft er die czeit gots,
X. Archivalische Beilagen. Beilage E. 607
die iiiclit sein ist." Dagegen kann für Kauf gegen baar der
Preis veiinindort werden , ,.domit er furder mit solchem beczal-
ten gelde sein bestes tlmn mochte.'' (F. 5.) 10) Der Verkäu-
fer soll iiiclit theurer verkaufen an einen einfältigen Men-
schen oder einen solchen, welchen die Noth oder das Zure-
den des Verkäufers zum Kaufe trieben. 11) Kein Händler
oder Handwerker soll für seine Arbeit wegen seiner Mühe
daran melir nehmen, als sie werth ist, soll auch nicht
schlechte Arbeit als gute verkaufen, ausser w;enn der Käu-
fer aus eigener Wahrnehnmng oder durch das „geruchte"
wusste, die Arbeit sei schlecht. (F. 5"). 12) Aufkäufe sol-
len nicht gemacht werden, um Theuerung zu bewirken
oder aus Theuerung zu gewinnen (sie sind wucherlich).
13) Schlechte Waare oder Arbeit soll nicht als gute ver-
kauft werden, ausser wenn der Preis auch der schlechten
Waare entspricht. 14) Der Kaufmann soll, wo es ohne sei-
nen Schaden geschieht , seinem Nebenmenschen im Kaufhan-
del helfen. 15) Ohne eigene Gefahr oder Unkosten soll
man keine Waare sogleich nach oder gar vor dem Einkaufe
derselben theurer, als zum Kaufpreise verkaufen, sonst begeht
man Wucher. 1 6) Der Gewinn der Wechsler ist bedingt , wie
derjenige der Kaufleute (F. 6) (cf. ob. Beil. E. n. 2.)
Domit sollen ein ende haben czu deutsch dise consilia
vnn ratschlege, got dem almechtigen vnn seiner gebenedeiten
hocliwirdigsten muter vnn iunckfrawen Marien vnn allen liben
heiigen, czu lobe vnn czu eren vnn gemeinem stände aller
handler vnn wandler czu nutze , tröste vnn Seligkeit gemacht
vnn in der fürstlichen stat czu Leiptzk gedruckt. — Bittet
got den almechtigen für den , der solche obgenante ratschlege
durch dy gnade gots gemacht hat mit einem innigen vater
vnser ^) vnn aue maria. Am obent der heiigen iunckfrawen
Margareten geendet nach gots geburt tauseut funff hundert
1) Ein Beis]iiol, dass bereits vor Luther die Form „Vater unser"
vorkam, ja sogar allgemein gebrcäuchlirh war. cf. J. W. Blaufusz,
vermischte Beiträge zur Kenntniss seltner Bücher. Jena 1753. I. p. 74 if.,
der eben dieser Form wegen auf Kuppencrs sonst unbekannt gewordenes
Buch verwies, cf. Mut her (Jahrb. 1. c. VI. p. 192.).
G08 X. Arcliivalisclie Beilagen. Beilage E. a.
viin in dorn achten iare. Mit furbehaltunge vnn bedingunge
besser ratslesie in diser materia eins itzliclien liocligerlertens,
der solchs durch recht bessert vnnd deutlicher deutschen vor-
stehen vnn vornemen niagk auch vnterwerffunge aller straffe
vnn correction der heiigen cristlichen kirchen , vnn bittet sol-
che ratsclilege nicht eins mael besunder vilmael czu vberleszen
vnd vleissigk czu betrachten , so wirt man solche ye meer vnd
meer im gründe schepffen vnd vorstehen vnd dester behagli-
cher sein solche czu lesen vnn sich dornach czu richten. Amen.
Gedruckt czu Leiptzk durch Melchor Lotter.
Beilage E. a.
Die städtischen und ])rivaten Banken in Frankfurt a. M.
am Anfange des Ih. Jahrhunderts.
" Dem Frankfurter Eathe verlieh Kaiser Ludwig der Baier
1346 das Regal des Handwechsels (Wessil). Kaiser Karl IV.
bestätigte dies mit ausdrücklichem Hinweis auf die dafür
nöthige Städtwage für Gold und Silber 1355 und 1366. ^) Das
Münzprägerrecht gestattete der erstere Kaiser dem Eathe
1346 für „dein gelt", indem er ilim einen kaiserlichen Münz-
meister (Henirich vnser goltschmidt) und als dessen Stellver-
1) Böhmer, Urk. Buch p. 606. (1346). — Orth, Abhandlung von
den 2 Eeichsmessen in Frankfurt a. M. 1765. p. 676. (1346) p. 664 (1355):
„wir .. haben besunnen den bresten u. unrad, der da bisher ist gewesen
in unser und des heiligen reichs stat zu Frankenfurd an der wagen, da
man gült und silberne myde wyget,... darunib so wüllen wir,
. . daz sy fürbaz me die wagen innemen und behaben sullen , . . besezen
und bestellen , daz eyme ieglichen , er sy burger oder gast , geschee daz
recht . . sy , als ferne sy daz schaffen besezen und bestellen kunnent oder
mögent . . und wie die Scheffen und der Rait die wagen besezen und
bestellen oder mit weme , wuUen wir daz daz von unsern und des heiigen
reichs wegen craft und macht habe. . " Das Privileg Karls IV. von 1366
erhöht die Abgabe für lOü gülden, die auf der Stadtwage gewogen wor-
den , von 8 auf 12 Heller und für 1 nirk. Silber auf 2 Heller. Orth, ib.
p. 663.
X. Archivalischc BeUaj,''en. Beilage E. a. 609
treter den dortigen Schiiltheissen zum Beiratlie gab „ als lang,
bisz dasz wir einen Versucher darzu geben vnd setzen."')
Kaiser Sigismund führt 1418 bei Einsetzung neuer Münzen
2 Münzmeister das. auf, ausserdem erwähnt er „unsern war-
deiner , den der Rath zu Fr. gesetzt hat , " der die neuausge-
henden Münzen , so wie das zu Münzen umgeprägte Metall
in qudJi et qitanto prüft. Die Münzmeister dagegen überneh-
men die Prägung selbst und zahlen von dem Quantum des
vermünzten IMetalles eine bestimmte Abgabe an den Kaiser.
Gold und Silber sollen ni Fr. nur die M ü ii z m e i s t e r kaufen
und wechseln, und „der s t a d t g e s c h w o r n e w e g s -
1er," doch auch diese müssen ihr gekauftes und gewechseltes
Metall nur .,in unser müntze brengen." -) Dem Fr. Käthe
gestattet Sigismund 1428, kleine silberne Münzen zu prägen,
1429 aber giebt er ihm das Münzprägerecht auch für Gold-
münzen und die Befugniss, Münzmeister, Münzer, Wardeiner,
Eisengräber (d. h. Münzeisenschneider, Stempelschneider) u. a.
ein - und abzusetzen. Der Rath soll dafür eine bestimmte Ab-
gabe von dem Quantum des gemünzten Goldes (Schlagschatz)
an die kaiserliche Kammer zahlen , oder damit eüien Wardei-
ner besolden und dem Bevollmächtigten des Kaisers jederzeit
Rechnung thun. ^)
Das Regal des Geldwechsels behielt der Frankfurter Rath
während des Mittelalters , Hausgenossen als eigentliche Inha-
ber dieses Regals gab es hier nicht. So stellen sich die Frank-
furter Wechselverhältnisse den deutschen theilweise entgegen
(cf. oben im Texte p. 353 if.) ') Die Ausübung des Regales
aber übertrug der Rath den Nebenwechslern (oben p. 357) ,
„W esse 1er" genannt, 1368 sechszehn, später drei bis vier,
darunter einige aus den angesehensten und reichsten Handels-
familien der Stadt. Auch Frauen werden als Wechslerinnen
Ij Orth, ib. i).B77. cf. dem gegenüber ob. im Texte S.353. 2) Urk.
bei Orth, Reichsiiiessen p. 671. 672. 3) Urk. bei Orth. ib. p. 674.
4) cf. Orth, Aiimerk. zur Reform. 4. Forts, p. 1241. — Ders. , Rcich.s-
messen p. 332. N. b. Hirsch, Miinzarch. I. Vorr. §. 28.
Neumann, Gesch. d. Wuchers. b\)
GIO X. Arohivalisclie Beilagen. Beilage E. a.
genannt, so 1368: sechs. ^) Indess lieissen diese Frauen
AVechslerinnen vielleicht, wie in Hamburg (cf. ob.p. 359.N. 1.),
nur als Eigenthümer von Wechselhäusern oder Wechselbän-
ken , während sie selbst den Wechsel nicht ausübten. Wenig-
stens tritt der Wechselbetrieb in Frankfurt als Realgewerbe
auf, da am Ende des 14. Jahrhunderts die Wechsler meist
nur mit dem Namen der Wechselbänke bezeichnet wurden. ^)
Die Wechsler schworen, dass sie vondemGelde, das ihnen der
Eath leiht, keinen Heller aus der Stadt führen oder führen lassen,
noch damit handeln (d. h. nur Waarenhaudel cf. u.), sondern allein
damit den Wechsel halten wollten, auch Niemandem mehr
als 1 fl. , noch weniger als 24 Schillinge auf einmal geben wür-
den. ^) Von jedem Handwechsel zahlten sie der Stadt eine
Abgabe für das Wiegen des Geldes auf der städtischen Geld -
(Gulden - , silbern - Wage). ^) Eine weitere Abgabe ausser
diesem Wiegegelde zahlten die Wechsler nicht. Daher musste
das Geschäft derselben um so einträglicher werden, weil in,
wie ausser den Messen in Frankfurt nur mit den hier gesetz-
lich anerkannten Zahlungsmitteln gezahlt werden durfte, und
weil insbesondere der Eath , doch auch Privatleute ihre Baar-
beträge bis zu deren anderweiter Benutzung bei den Wechs-
lern deponirten mid anlegten (cf. ob. p. 348 ff. 354. 396.).^)
1402 „bestellte der Rath den Wessil." Er errichtete eüie
Handelsbank, deren kaufmännische Geschäfte er mit sei-
nem eingeschossenen Kapitale durch seine gemietheten (14)
1) cf. Kriegk, Frankf. Zustände und Bürgerzwiste p. 335. — Auch
ist 1349 — 54 Frau Irniengard Aufseherin und Geldeinnehmerin an der
Stadtwage, und 1395 pachtet Frau Else zum Schwalbecher den Lein-
wandzoll daselbst. 2) »So : „ der Giseler , der Quydenbaum , der alte
Burggraf." Kriegk. ibid. p. 335. 3) Orth, Reichsmessen p. 335.
4) Seit 1402 bestanden hier eine Gold - , drei Silber - , und mehrere Pre-
tiosenwagen, cf. Kriegk, 1. c. p. 334. 5) Orth, Eeichsmessen p. 333.
334. Kriegk, 1. c. p. 334. u. Anm. 204 (1397), ein Testament eines Ka-
nonikers, darin: „idem dictus testator asseruit , se habere 300 fl. ajmd
Johannem Appenheimer , oppidanum Franckefordenum (es war ein
Wechsler) , quoriim 200 legavit et donavit nomine dotis Katharine filie
suifratris. Item reliqiios 100 fl. apud Joh. Appenheimer , ut perfertur,
existentes. ." cf. ob. p. 520 ff.
X. Archivalische Beilagen. Beilage E.a. Gll
Geschäftsleute besorgen Hess. 900 fl. gab er der Bank als
Stammkapital und Hess ausserdem nieliv als 1500 fl., welclie
die Stadtkasse damals zu beziehen hatte , durch die Bank ein-
kassiren. Privatleute durften von Anfang an ihre Gelder bei
derselben deponiren und anlegen. So bestanden die Geschäfte
dieser Bank wesentlich in Handwechsel, Depositen fremder,
wie eigener Gelder und in Geldgeschäften (besonders zinsbaren
Darlehen.) ^) Die von den Privaten bei der Bank angelegten
Gelder schützte derRath zu seinem eigenen Vortheile durch das
Gesetz vom October 1402 gegen alle Angriffe dahin „das alles
gelt , es sy was es sy , das für der stede Wechsel gelacht wirt,
sulle gut geleit haben, also das es nj^mant sulle oder möge
bekommern oder off halden."
Schon 1403 indess errichtete der Rath statt jener Bank
vier von einander unabhängige neue Banken , deren eine er
selbst, wie früher, verwaltete, die übrigen drei dagegen durch
Concessionen an drei Privatleute vermiethete , Jekil Humbrecht
zu Schonenstein. Sift'id Guldenschaff und Johann Palmstorffer
zum Quydenbaum (auch gen. Job. Appinheimer.) Die zwei
hiervon erhaltenen Concessionen ^) lauten im Wesentlichen so:
I. Wir der Rat zu Fr. erkennen vnd tun kunt öffentlich
mit diesem briefe, daz Wir mit den bescheiden luden Job.
Palmstorf vnd Druden siner eliche h u s f r u w e n vbirkomen
vnd einmudig worden sin vnd sie mit vns , daz wir in gegonet
vnd erleubit hau .. den wessil in irme huse zum Quy-
denbaum zu triben, zu haben vnd zu hantderen, als daz
ufgesezt vnd gemacht ist oder noch gemacht würde , mit den
vnderscheiden , vnd m aller dermasze , als hernach geschriben
stet mit namen, so ist beredt, daz wir der Rat vorgenant für
sie an den wessil bestellen vnd leyen sollen
1) cf. Kriegk, 1. c. p. 335'. 33G. u. Anm. 203, wo aus dem Eechen-
buche von 1402 eine Uebersiclit der Bankgeschäfte und -Zahlungen
gegeben ist. cf. auch Anni. 204. ib. Sabb. post Andrcae 1402 : ,. 1400 guld.
Job. V. Holtzhusz vnd Henne v. Breidenbacb , die >vir in an den weszil
gelacht han , in da niide 70 gülden geldes widderkauf abezulosen , als in
daz der Rad in sinen offin brieifcn virkundet hat." 2) cf. Orth, Ecichs-
niessen p. 709 ff.
39*
Ol '2 X. Archivalischc Beilagen. Beilage E. a.
'2000 11., (Iai7,u die vorg. Hans viid Drude auch 2000 fl.
leyen vnd bestellen sollen . vnd waz mit denselben 4000 fl. vnd
auch mit waz gelde oder geldswevt von andvn luden für
sie an den wessil gelacht wirt, sie gewynnen, vnde darzu
auch waz von wessilgelde, wiggeldc, es sye von gülden,
gokle, Silber, perlen oder waz daz anders ist, daz uft" den wes-
sil gehört, gefellit, daz sol halb vns vnd der stat Fr.
in vns reehnunge werden vnd gefallen vnd daz ander halb-
teil Hans vnd Druden vorgenant, vnd sie sollen auch
alles mgegelt , als vorgeschriben stet, von dem andern gelde
sundern vnd halden , vnd sollen sie des wessils getruwlich war-
ten , vnd burgern , kaufluden , gesten vnd allermenlich vs vnd
in recht wiegen , es sin gülden, golt, silber, perlen oder waz
daz sust ist , daz zu dem wessil oder darvf gehöret nach irn
besten synne vnd zu wigegelde , wessilgelde vnd sust als sich
daz gebieret zu nemeu von dem riehen als vom armen ane alle
geverde. Auch ensoUen sie oder nymand von irenwegen kei-
nerlei gude gulde münze , gude turnosz , englische heller noch
keinerley andre gude münze nit erseigen oder uszleszen sie zu
vertilgen vnd zu verbrennen , nach dem als uns lieber gnediger
Herre der Komische König vnd wir der Rat zu Fr. das vor-
mals vorboden hau ; Auch sollen sie daz hus zum Quydenbaum
darzu lihen vnd vf ermeide bestelln vnd auch ire wagen vnd
andre gereitschaft , als man zu dem wessil bedorffende ist,
Auch sollen sie von der vorgenanten sache vnd wessils wegen
in ydem jare zu zwey malen, mit namen nach igiicher
frankf. messe vns in vnser reehnunge antworten vn-
ser teil, mit name daz wigegeld besunder halb vnd die
ander mnnunge vnd nuze, als vorgeschriben stet auch halb.
Wers auch sache, daz sich eyncherley sache oder zwejoinge
uf irem dische vnd in irem huse von des wessils wegen mechte,
es were von wessils wegen vs oder -in zugeben, oder wie sich
daz anders mechte , daz sulden sie uf ire kost vnd schaden ver-
legen vnd abetun, Wer aber daz der wessil vnderstanden
wurde m gemeinschaft abezutmi , Avie daz qweme , daz sulden
wir allein verlegen vnd verantworten , auch wer es sache , daz
sy in den messen eins gesellen oder zweier notweren den luden
X. Archivalisohe Beilagen. Beilage E.a. (jl3
destebas zu andelogen (liaiidroiclieii) den Ion vnd kost sollen
vnr hall) vnd die vorg. Hans vnd Drude auch halb verlegen
vnd bezahl. Wers auch sache, daz wir oder vns rechemei-
stere sie vmb geld bede zu lihen daz mochte sie vns
lihen obe sie wulden. Desselbengiicheu gebürte es sich also,
daz sie sich vbirkeuften von kaufmanschaft wegen die zu
wessil gehöret vnd sie vns oder vnsere rechemeister bede
vmb gel de zu lihen, daz mochten wir in lihen obe wir
wulden do daz vns keyne partey der ander des nit verbunden
sin sal. Auch sollen wir yn keine vs unsern Rate oder kein
ander vberheubt by sie an den wessil sezen. Diese vor-
gemelde sache sal weren diese nesten zukomenden driwe
jare, vnd darnach als lange es vns von beiden
Seiten gelüstet vnd ebenkompt." (Soll der Vertrag
nach Ablauf der 3 Jahre nicht fortgesetzt werden , so hat jede
Partei V^ Jahr zuvor Kündigungsfrist. Innerhalb der 3 Jahre
liaben Hans und Drude wegen Noth in Lebensunterhalt oder
Krankheit, und wegen Tod V4 Jahr Kündigungsfrist und
-recht) dat. anno 1403.
n. Ich Jeckel Hum brecht vnd ich Grete sin eliche
husfrauwe erkennen ofl'entlich mit disem briefe, daz wir mit
den . . Burgmeister Schelfen vnd Rade zu Fr. von ir stede we-
gen vbirkomen sin .. daz sie vns gönnen vnd erleuben den
wessil in den hütten by sant Niclas zutreiben . . daz -wir
kaufmanschaft oder wesziln gewinnen vnd was auch
gefeilet von wigegelde, es syn von gülden, golde, silber,
perlin oder waz daz anders ist, daz uf den weszil gebort, daz
sal zw ei teil den vorgen. Burgermeister Scheflfen vnd Rade
zu Fr. m ire rechnunge gefallen vnd werden , vnd daz dritteteil
mir Jeckeln vnd Groden vorgen., vnd wir sollen auch alles
wigegelt, als vorgescliriben steet, von dem andern gelde sun-
dern vnd halden. Auch sollen wir . . des wessils getruwelich
warten . . bis : virboden hau (wie in n. I.). Auch sollen vnd
wollen wir von des wessils vnd sache wegen , als vorgescliri-
ben stet, in ydem jare zu zw ein malen mit name nach
iglich Fr. messe den vorgemelten B. S. Rade vnd stat in ire
r e c h n u n g e antworten i r d e i 1 , nach dem als vorgeschri-
61 i X. Airliivalitiolio Beilagen. Beilage E. a.
bou stet viid viuiersclieidcii ist. Wers auch sache, daz sich
eyucherley sache oder zweyunge . . . bis : verlegen vnd bezaln "
(wie in nr. l. , nur dass hier der Kath % i <lie Wechsler Y3 für
die niehrangestellten Gesellen u. s. w. zahlen.) Der Contrakt
soll auf 2 Jahre gelten, Jeckel vnd Grete schwören, den-
selben zu beobachten, dat. a. Domini 1403 feria die Martini
Episcopi.
Diese Banken besorgten daher Handwechsel, Depositen des
Raths wie der Privatleute , und kaufmännische Geldgeschäfte
(„Kaufmannschaft.") Ueber den ersteren als über fortlaufend
blosse Einnahmen (mit unbedeutenden Auslagen) ohne fremde
Kapitalien führten sie besondere Rechnungen. ^) Die Geldge-
schäfte der Banken werden als unbegrenzt erwähnt, eben für
dieselben legten der Rath und Private ihre Suramen bei den
Banken an. 2) Hierzu gehörten die steten Darlehen gegen Pfän-
der, weshalb auch die Pretiosen in obigen Concessionen erwähnt
sind. Die Bauken besorgten ferner Anweisungen und Wech-
selbriefe , und zahlten gegen diese , wenn ihre Deponenten oder
auswärtige Kaufleute auf sie, zumal für die 2 Frankfurter
Messen, gezogen hatten. '^) (cf. ob. p. 361 ff. N. 3.).
Der Rath gab für diese zwei Banken die Hälfte des Stamm-
kapitales , für die dritte kein , für die vierte das ganze Stamm-
kapital. Dafür bezog er auch gegen Bestreitung ihrer Aus-
lagen, worunter besonders das Gehalt des Verwalters Cleszchin
Wolkenburg, den ganzen Gewinn der vierten Bank. ■*) Bei den
drei andern Banken dagegen empfing er von Palrastorflfer
(1. Bank) V2 ^les Wiegegeldes und andern Gewinnes , von Jekil
1) So auch in den städtischen Rechmmgsbiichern. Kriegk, 1. c.
p. 338. 2) cf. auch Kriegk, ib. p. 338 flF. u. Anm. 205. (1403) „weszil
und kaufmanschaift " doch nur, ,,die zum weszil gehöret" d. h. Geldge-
schäfte, ib. Anm. 206. 207. 3) cf. Kriegk, 1. c. p. 339 u. N. 1. Eine
Schuldverschreibung schon von 1391 , welche ein Strassburger Ritter
einem Cölner Handelshause in Prag ausstellte , und in der er versprach,
das geliehene Geld in der nächsten Frankfurter Messe an jenes Haus
zurückzuzahlen. 4) cf. Kriegk, ib. p. 337. 340. und Anm. 205. 206.
„Jahrlohn," und ,,dem Eathe zu wessiln und Kaufmannschafft zu
treiben."
X. Archivaliscbe Beilagen. Beilage F. 615
Humbrecht (2. Bank) -/g beider, von Guldenschaff (3. Bank)
V2 des Wiegegeldes, Va des übrigen GeAvinnes. Später zalilte
jede Bank ^3 des ganzen Gewinnes und Wiegegeldes. Zu den-
selben Bruch theilen zahlte der ßath auch das Gehalt der
Bankgehülten in den Messen. Alle anderen Ausgaben trugen
die Bankhalter allein , sie allein führten ihre Prozesse. Nur,
wenn mit beiderseitiger Zustimmung das Geschäft aufgelöst
würde , sollte der Rath für die daraus entstehenden Ansprüche
Dritter eintreten. Auch für die Banklokale sorgten die Mie-
ther alleiji. p]ine Bankcaution indess zahlten sie nicht. *) (ob.
V. 5. d. besonders p. 399 ff.).
In den ersten 9 Jahren ilires Bestehens schwankte der
Gewinn des Käthes aus den Banken zwischen 991 und 100 Gul-
den jährlich. 991 Gulden aber waren 1409: Vss dergesamm-
ten Staatseinnahmen. Sie wirkten so günstig auf die Finanz-
wirthschaft der Stadt, dass seit ihrer Errichtung der Bath viel
weniger Leibgedinge und Rentenkäufe , als früher , abschloss,
1409 — 11 sogar keine. Der Rentenfuss beider fiel seitdem,
ja der Rath kaufte einen grossen Theil seiner Renten wie-
der zurück. -)
Beilage F.
Ein Brief Luthers an die Danziger Gemeinde über den
Wucher. 1525. — Bibl. d. Danz. Archivs L. 1. 23. (bibl. Fabric. 31):
Stenzel Bornbachs handschriftliche Historia vom Aufruhr 1525.
Bei einem Aufstande der Danziger Bürgerschaft gegen
den Rath in Religionssachen fordern die Aufständischen Ab-
stellung einer grossen Zahl ausserreligiöser Missstände in
einem Artikelbriefe vom 25. Januar 1525. (Dieser Brief
wurde schon im October 1525 an den König von Polen nach
Krakau gesandt , ohne dass eine Kopie desselben oder genauere
Nachrichten über seinen Inhalt in Danzig blieben. Von Polen
kam der Brief mit allen auf Danzig bezüglichen Aktenstücken
1) Kriegk, ib. p. 310. 341. 2) Kriegk, ib. p. 342. 343.
GIG X. Aivliivalisiho Boilagon. Beilage F.
walirscheinlicli 1807 nach Berlin und befindet sich dort origi-
naliter im Archive des General -Directorii. Em Abdruck steht
bei Hirsch, Geschichte der St. Marienkirche in Danzig.
Danzig 1843. Beil. X. cf. ib. p. 284 ff.)
In diesem Briefe heisst es u. A. :
,, Ynnd die vorkofer vnnd vorsiege szollen abgetliann wer-
den, alle dye bausen dem bohme vnd ausser der Mauren ge-
scheen , es sey ouch wer es woll zcu Toren , in der Masaww , in
dem hinderlande vnd in dem Werder vnd an allenn flecken,
bey Verlust der statt wonunge. Kein frembder szall vffset-
czunge der gutter mehr haben zcu thuenn , Ouch nicht durch
denWyrtt, hie in dieser statt, es seyhoppe, Gerste, kornn,
pick, theer, assche, flax, wax vnd dergleichen, Vnd allerley
kouffmenschafftt. Dyeser artikell dweyle er eins ferneren
bedunkenn fordertt ist er gestallt an weyter erclerunge Rates
vnd der zcwelff menner. . .
Men szall nichtt die rechte vorlengeren , vnd noch anse-
hen die perszone, noch frunt noch frembde, bszunder men
szall ynn helflfen noch rechte vff seynen rechten tagk , ane allen
vorczugk. Die grossen gesellschaflfter wollen wyr hie nicht
leyden in dieser stadtt. Wente sie haben vns eyne treifliche
vffsatczunge gemachtt Vnd die vorsprachen sullen abgetann
werdenn Vnd aller wucher szall abgetan werden,
nemblich der pfenninck zcynns vnd was doruff gegebenn. Das
szall in kurtzunge der summe zcu der beczalunge sein Was
aber zcu file entphangen , szall todt sein. Vnd was noch ach-
terstellick bleybett von derSume, derselbige zcynsz sali alle
yar ierlich fallen , bis das der hauptstuell beczalett ist Were
es aber sache das yniant befunden , der ane schaden das lioupt-
gutt künde auzrichten, oder der lusschen woltt, oder szo
ymant seyn geltt nicht lengk entberen künde , das szall steen
zcu kristlichem erkentnisse eines Eats vnd der zcwelff Meimer,
Alle beswerunge der burger szall abgethan werden , nemblich
dye Zceyse vnd der vbrige pfuntczoll szall abgesatczt sein. . .
Alle dye uberbieter des kauffes , szollen dasselbige gudtt
vorfallen seynn. Der fierde von fysschen , vnnd fögelen , ouch
Wyltterete szall frey seynn in vnser gebietenn. . ."
X. Aiclüvaliscbe Beilagen. Beilage F. 017
Im Sinne dieses Avtikelbriefes wirkten die Danziger
Geistlichen danach zur Abstellung der alten Missbräuche
luid gingen in ihrem Eifer so weit, das alttestamentliche
Prozentverbot gegen die thatsächliche Verbreitung des
Kentenkaufes und dessen Billigung im kanonischen Rechte
geltend zu machen. Die Kentengläubiger sollten gleich
den Forderern hoher Zinsen mit Verlust ilires Kapitales
bestraft werden.
Der gemässigte Theil des Rathes wandte darauf sich an
Martin Luther nach Wittenberg, um für die Danziger
Marienkirche einen maassvoll gesinnten Geistlichen zur Hilfe
gegen jene aufständischen und stürmisch reformirenden Predi-
ger zu senden. Luther sandte statt des von Danzig zunächst
in Aussicht genommenen Bugenhagen den Magister Michael
Hänlein am 5. Mai 1525 mit einem Briefe desselben Datums.
(Hirsch, Gesch. der Marienkirche p. 296). In diesem Briefe
Luthers vom 5. Mai 1525 heisst es:
„ — Auch bitte ich Meine Liebe Herren vnd Freunde wol-
let ja alles thun vnd leiden was sich immer thun vnd leiden
will damit ihr frieden unter einander habt , vnd zu sehen , das
nicht irgend Schwarmgeister unter euch kommen, da leyder
bey uns in Ober -Deutschland solche leute viel Jammers an-
richten "wie E. W. vielleiclit woll gehöhrt habt. Ist etwas zu
eudern oder zu brechen es sey Bild oder was es sey , daz sol-
clies niclit durch den gemeinen Man sondern durch Ordentli-
che gewalt des Rahts geschah , damit nicht bey euch wie anders
wo einreisse die Obrigkeit zu verachten , welche doch gott will
geehrt vnd gefürchtet haben. In Sonderheit aber dass
E. Erb. darauf sehen, dass man euch nicht lehre
nacli dem gesetze Mosis regieren viel weniger
nach dem Evangelio, wie ich im beigelegten
Zettel verzeichnet, vnd diesenn Ewern Prediger Herrn
Michaeli befohlen habe, der euch woll unterrichten wird, dem
gehorchet. Hiermit gott befohlen der euch stärke vnd mehre
zu seinem Lobe vnd ehre amen. Datum Wittenberg sonntags
für Jubilate i. e. 5. Mav Ao. 1525."
G18 X. Aichivalisclic Beilagen. Beilage F.
Der beigelegte Zettel, bisher ungedruckt, lautet:
„Das gesetze Mosis ist todt vnd gantz ab ja auch allein
den Juden gegeben, wir Heiden sollen gehorchen dem land-
rechte da wir wohnen wie S. Petry am 8. spricht Alle man etc.
Aber das Evangelium ist ein geistlich gesetz darnach man
nicht recht regiren kan sondern dasselbe ieglicher für sich selbst
stelle ob er es thun oder lassen werde. Vnd man kann vnd
soll auch niemand dazu zwingen gleich als Zum glauben , den
hie nicht das schwert, sondern der geist gottes lehren vnd
regieren muss. Dorumb soll man das geistliche Regiment des
Evangelii ferne sche3rden von eusserlich weltlich Regiment
vnd ja nicht durch eine anders mischen. Das Evangelische
Regiment soll der Prediger allein mit dem Munde treiben vnd
einem ieglichen seinen willen allhie lassen, der es annimbt
der nehm es an der nicht will der lass es, als das ich ein
Exempel geb.
Der Zinsskauff oder der Zinspfennig ist gantz Unevange-
lisch da Christus lehret l3iiet ohne wiedernehmen. Wie soll
man nicht zu fahen und alle Zwiespaltung gantz abthun nach
dem Evangelio , es hatt es auch niemand nicht macht sie ist
aus Menschlicher Ordnung herkommen welche S. Petrus nicht
will zerrissen haben, sondern man sol es predigen vnd denen
heimgeben denen die Zinse gebühre. Ob sie von ihm (sich)
selbst solch Evangelium wollen annehmen vnd den Zins lassen
fahren oder nicht. Nicht weiter kan man sie zwingen oder
dringen denn das Evangelium erfordert willige hertzen die der
geist gottes treibt. Aber das soll man mit den Zinsern thun,
dass man Menschen Ordnunge gesetze vnd gebrauch in solchen
Zinsen so sie zu weit greiffen zurecht bringe vnd nach der Bil-
ligkeit die man heist Imtl-Mav richte. Denn alle gesetz vnd
gewohnheiten sollen der nathürlichen Billigkeit als ihrer Regel
vnd Meister ei unterworflen seyu. Wenn man nun die Zinse
will abthun , so muss man nicht zu fahren vnd plötzlich alles
abthun, denn es möchte seyn das einer 1000 11. vor 3 Jahr
hätte ausgethan vnd nun kaum 150 11. Zins gehaben, diesem
gescheh zu kurtz vnd währ ein billicher raub vnd dem zins-
X. Arcliivalische Beilagen. Beilage F. GID
man kähm so viel zu olin alles recht. Item man soll auch
nicht die Zinse an dem Hauptstuhl abbrechen etc. was solte
ich 1000 il. von mir geben vnd alle jähr 50 fl. davor mir geben
lassen als währ icli ein kind. Ebenso mehr behielt ich sie bei
mir vnd nehme selbst jährlich 50 fl. davon.
Solches seyn alles unbillige stücken vnd ist ein aufge-
drungen Evangelium denen , die es nicht mögen vnd wollen
thun, welches ist unrecht, vnd das Evangelium lehret woll
frey alle gutter fahren zu lassen , aber wer mich dazu dringet
oder zwmget, der nimbt mir das meine. Will man denn ja
nun die Zinser rechtfertigen so sind alle zwey weysen die 1 :
dass man sich nach menschlichen gesetz zurecht bring nehm-
lich dass man 5 fl. von 100 ein jhar lang zu gebrauchen nehme
vnd dieselbe 5 fl. in die fahr setze das ist auf ein bestirntes
Unterpfand das in fahr stehe als Acker wiesen Teihe Häuser etc.
Also wo es nicht ein Jahr trüge oder trüge weniger das auch
der Zms hernach germgert wurde. Wie solches die nathür-
lichen rechte lehren vnd solches muste durch E. E. Rath oder
vernünftige Leut erkand werden. Die 2. dass man unterscheid
der personen vnd die Zeit anseh vnd mit üirem willen handel
also ist die person guttes Vermöhgens vnd hat sie lange ein-
genommen dass man mit ihnen theidinge dass sich doch eines
theils des empfangenen Zinses lassen am hauptgutt abgehn.
Ist die person aber alt vnd unvermöglich dass man nicht also
ihr das maul von der krippe stoss vnd zum Betler mache son-
dern lasse ihnen die Zinsen so lange sie leben vnd bederben
wie es die Liebe vnd nathürliche Billigkeit lehren. Kurtzumb
hivor und auf diese weyse zu handeln kau man kein gesetz
furschreiben , sondern es steht alles in ansehn der personen
welche man nach der Liebe vnd Billigkeit durch erkandniss
gutter leute muss tragen vnd vnverdorben lassen sonsten
würde eine unrecht alda seyn wo man der gestrengigkeit nach
mit ihnen verfahren solte. Weiteres werden Ewre Prediger
woll unterrichten. Dat. Wittenberg."
620 X. Auliivalisrlio Boilao-on. Boilaj^o G.
Beilage G.
Zin sbcstinnnini«' des Königs Sigismund August v. Polen
für Danzig. Avonach gegen das kanonistischc Zinsge-
setz das gesetzlich erlaubte Maass der Convcntional-
zinsen in der Danziger Willkür aufgestellt wurde. (1569.)
cf. Danz. Arch. Bibl. N. 3. p. 105. ii. 53.
Siglsmitndus Auyustus Dci Gratia JRex Poloniae, Ma-
gnus Dnx Littvaniae, Russiae, Prussiae, Masoviae, Sa-
mogitiae, Livoniaeqiie etc. Dominus et Haeres.
Spcddb'dihus et famcäis Burggrabio. ProcotisuUhus. Con-
sulihus, scahinis Civitatis nostrac Gedanensis fidelihus dile-
ctis gratiam nostram Regiam. Spectahiles et famati fideles
nohis dilecti. Postcacjuam in terris nostris Prussiae con-
tractus vsurarij in immensum excreverint et adliuc quotidie
crescant, vnde praeter iram omnipotentis Bei qui ah ejus-
modi impijs vsurarijs terris nostris Prussiae acceleratur,
hoc ctiam mdlum et incommodum enascitur , quod niaxima
suhditorum nostrorum pars uera et summa necessitate id
exigente vel alia aliqua occasione urgente , paruulas summas
promodcratis usuris quamvis sufficienter offerant caidiones,
niuiuo ohtinere non possint , sed compressi cogantur vsura-
rijs gravissimas et immensas usuras pro Ijeneplacito ipsorum
polliceri, superq. ijsdeni sufficienter cavere. In de posteaeve-
nit, ut qvicquid ex lahorc , sudore et demento dcbitores com-
parare possint, id omne nonnunquam etiam omnem reli-
qvam eorum sidjstantiam usurarij Uli auferant, atque sie
suhditi nostri quam plurimi non rare etiam nohiliores nata-
lihus ad extremam redigantur paupertatem, omni interim
totius regionis pecunia apud paucos usurarios existente, reli-
qvis per foeneratores eiusmodi plane exuctis et ex anguibus
redditis. Cum vero muneris Regij sit, eiusmodi notorijs
enorniihus impijs et malis pecuniarum et donorum Bei ab-
nsibus, qui omni jure tarn Biuino quam humano et bonis
morihus contrarij sunt , aliorum vicinorum, Bucum et prin-
cipum exemplis nature mederi, super usurartim qvantitate
X. Aroliivalische Beilagen. Beilage G. 621
gcucrdlc (■(Jidum nostrum faccrc necessarium esse diixlmiis,
duram nninam et gravlssiniani caruni molem, quae nunc vulyo
exercetur , ad mediocritatem deducendo.
Quare deconsilio Consiliariorumnostrorum, viyore x)rae-
sentium edicimus, ut nemo vel suhditornm nostronun vel
eiiam exterorum hominum cujuscunque sUdiis et conditlonis
extiterit, audeat, imposterum a dato hujus edictl nostri in
civitate nostra Gedanensi et a subditis nostris, ultra ocio
de Cent um usurarum nomine in qvocunque contractu
vili vel maximo stipulari, ut etia)n nemo suhdltorum nostro-
rum coacervatas undiquaque pecunias extra JRegnum terras
et difiones nostras exteris Trincipihus et hominihus elocare,
vel muiuo dare pracsumat. Et si quae Summae jam cloca-
tae sunt, iidjcmus ut eas intra qvadrimestre a publicatione
praescntium exigat repetatque. Interdicimus etiam creditori-
hus, ne ex pecunijs foenori dandis aliqvid detrahere vel reti-
nere sportularum muneris vel alterius cuiuscunque causae
gratia ipsis liceat omnesque alias maclnnationes , qvas forte
creditorcs in fraudem Imius edicti nostri excogitare possint,
quocunque nomine eae appellari possint , qvas omnes hie pro
exprcssis hahcri volumus, vigore praescntium resecamus.
Prohihemus etiam Camhia retrograda, vulgo He-
turn Wechselt dicta, quae revera nihil alivd sunt , quam
usurarum contractus Camhij nomine colorati , ad legitimus
supcrius cxprcssas usuras ea reformantes , vsitata autcm mo-
derata et aeqvabilia, negotiator um Camhia, necessitate
ita exigente pro tempore ferenda esse censemus. Quod si quis
contra hoc edictum nostrum in aliqvo fecerit causa atque mo-
dum usurarum hie expressum arte excesserit, quamcunque
nie nullam penitus de superfluo actionem hahebit, sed etsi
acceperit , id omne quicquid tandem erit , et quocunque colore
extortum sit , in sortem imputare compelletur : Et eo ampUus
propter edicti nostri contemptum et transgressum , mcdicfas
sortis et usurarum fisco nostro committetur. Quam poenam
et instantiam instigatoris ftsci nostri euiusque loci judex Ordi-
narius ciusmodi usurario et edicti nostri temeratori nidlo
hahito pcrsonae respectu, mediantc dccreto suo infliget, exigct,
622 X. Avchivalische Beilagen. Beilage G.
ilicfoque fisci nostri instigafori , nunc et pro temporo existente
uppJieahit et tradet. T7 igitnr Itoe edicfiun nostrnm sanete
et i)n'iohd)/Iifer cd) oninihns et singidls ohservetur, dicto Insti-
gatori nostro vigore praesentium in sptccie mandamus ut
qnamprhnum ipsi innotnerit, aliquem hoc edictum nostrum
violasse, statim in poenam hoc edlcto expressum agat. Fide-
litatihus etiam vestris mandamus, ut sid) reUgione iuris iu-
randi et fide, qiiibus Deo et nohis ohstrictae sunt ahsque ullo
personarum rcspectu ad Fiscalis nostri propositam actionem,
et rei conventi responsum iuxtaque utrius partis allegata et
probata definiant et decidant, id qvod de jure, vigore hujus
edicti nostri decidendum vener it, appellatione ad nos non nisi
a sententia definitiva concessa ut aidem nemo ignorantiam
aliqvam praetenderc ptossit , Fidelitatihus vestris mandamus,
ut edictum hoc nostrum ad omnium et singulorum nostrorum
suhditorum p)raedictae civitatis nostrae Gedanensis noticiam
perducant, puhlicato eo et in puhlicis locis affixo. In qvo-
rum omnium et singulorum fidem praesentihiis sigiUum no-
strum opprimi jussimus.
Datum Luhlini in conventione regni Generali die X.
mensis Äugusti. Anno domini 3IDLXIX. Regni nostri qua-
dragesimo.
Sigismundus Äugustus Hex spt.
XI.
Zusätze und Besserungen.
S. 3. Z. 11. V. II. lies hjirterer statt härteren. .
S. 3. N. 2. 1. ep. 12. statt cp. 12.
S. 5. N. 8. 1. Grotius d. jiir. bell, et pac. III. cp. 2.
S. 10. N. 2. 1. Böhmer, jus eccles. prot. V. 19.
S. 29flF. Zu zitiren sind hier noch die auf S. 34. N. 1. genannten zwei
Schriften Arnolds, ferner Goldschmidts Aufsatz über die
Hansa in Hayms preussischen Jahrbüchern 1862.
S. 32. N. 1. Z. 6. V. u. 1. Stände statt Städte.
S. 33. in der N. 1. dieselbe in statt derselbe.
S. 39. Zu diesen Sammlungen gehört der sogenannte codex canonum eccle-
siae Romanae (ed. Pasquier Quesnel) vom Ende des 5. Jahrhun-
derts , welcher unter Benutzung der spanischen (isidorischen)
Sammlung Canones , päbstliche Dekrete und kaiserliche Re-
skripte umfasst. (Walter, Kirchenrecht p. 174. Eichhorn,
Kii-chenr. p. 113. Richter, K. R. §. 66.) — Die eben hier N. 1.
erwähnte Sammlung, die sog. Dion j'^sisch-Hadrianische,
774. von Hadrian an Karl d. Gr. geschenkt , umfasst bekanntlich die
2 von dem Scythischen Mönche Dionysius Exiguus veranstalteten
Sammlungen apostolischer Canones , der Beschlüsse von Synoden
und Concilien und päbstlicher Dekretalen. Sie scheint im Anfange
des 9. Jahrh. im fränkischen Reiche geradezu als codex cano-
n u m der Kirche r e z i p i r t zu sein. (Richter, ib. §. 67. u. 71.)
S. 40. N. 2. 1. Regino v. Prüm (cf. p. 38. N.). Hierher gehören auch die
Sammlung Benedicts von Mainz 840 — 47 (cf. im Texte p. 63.).
und aus späterer Zeit die Burchards von Worms 1012 — 1023,
das decrotum und die Pannoriuia Ivo's von Chartres 1120, die
Sammlung de nüsericordia et justitia von Algerus von Lütticli
1120, und die bei Richter 1. c. n. 5.9 aufgeführten namenlosen Zu-
sammenstellungen (W a s s e r s ch 1 e b e n , Beitr. z. Gesch. der fal-
schen Decr. p. 34 ff. R i c h t e r , K. R. §. 72.)
G24 XI. Zusätze und Eossenmgcn.
S. 44. N. 1. 1. Hartz he im st. ITertzlieini.
S. 45. Z. 3. V. ol). 1. r ec 1 0 r i b u s statt vict.
S. 53. Einzelne der siiraclilidioii Nachweise danke ich Herrn Pr. jur.
Korn in Breslau.
S. Gl. a. E. Diese Strafe war für den Wucherfall bereits aui' den oben S.
37 — 59 angegebenen Wegen in das Abendland hinübergedrungen.
cf. ob. S. 6. 7 tf. 22 flf. 50 ff. . und hatte sich in die weltlichen Ge-
setze Eingang verscliafft. cf. Childeb. decretio. c. 2. (596) Pipin.
cap. Vern. c. 9 (755), später const. Loth. c. 1(825), const. Friedr.
U. c. 7 (1220) , Pertz, mon. Ul. p. 9. 25. 248. IV. 236. Eichte r,
K. R. §. 199. Daher ist auch diese Wucherstrafe in dem Haupt-
kapitulare vom königlichen Banne (772) n. 1 — 8. ausdrücklich
nicht aufgeführt, cf. auch capit. Saxon. (797.) pr. c. 1. 2. cap. Ticin.
801. c. 2. cap. Baioar. add. pr. cp. 1 — 3 (803).
S. 64. Z. 3. V. ob. desselben bezieht sich natürlich auf E i c h t s t e i g (Z. 4.)
S. 71. Z. 9. V. u. 1. Ten gl er statt Tergler.
S. 71. N. 2. fällt 1480 fort.
S. 77. Z. 12. V. oben u. a. a. 0. 1. Clatiun cula oder Cantinncula statt
Glatiuncula (cf. d. Zus. für S. 471.)
S. 77. Z. 15. V. ob. 1. 1564 statt 1594.
S. 77. Z. 17. V. ob. u. a. a. 0. 1. F i c h a r d statt Fichardt.
S. 99. N. 4. 1. Ofner Stadtrecht p. XI.
S. 133. Z. 3. V. u. 1. B i g n 0 n statt Bigeon.
S. 182. Z. 9 — 11. V. oben cf. noch Walter. D. R. G. §. 569. 570. (auch
§. 568. N. 8.) und Gerber, D. P. R. (8. Aufl.) §. 149.
S. 188. N. 2. 1. Meichelbeck.
S. 200. Z. 6. V. ob. 1. Die 6. L a n d e s o r d n u n g statt Landrecht.
S. 217. Z. 4. V. u. 1. Uebertragende.
S. 227. Z. 4. V. ob. 1. mit D u n c k e r und S t o b b e , wie ich.
S. 292. cf. noch Mone , Zeitschr. für Gesch. d. Ob. Rh. IX. p. 263 ff. , wo
auch die 15 Jahre geltende Bestimmung Kölns erwähnt ist , dass
jede Forderung eines Christen gegen einen Juden nur vor jüdi-
schen Riclitern nach jüdischem Rechte ohne Appellation zu ver-
wirklichen war. — cf. auch Kriegk, Frankf. Zust. u. B. Zwiste
p. 414 ff. 419, 426 ff. 428 ff. 432 ff. 439 ff.
S. 294. Z. 8. u. 10. V. ob. 1. vieler Städte statt der und jeder.
S. 295. N. 5. 6. cf. noch Kriegk, 1. c. p. 419.
S. 296. Z. 10. V. u. cf. dazu S. 335. 336. 338.
S. 298. N. 5. a. 123 ff. Rö ssler, Bedeutung und Behandlung d. Gesch.
des Rechts in Oesterreich. 1847. p. IX. ff.
S. 300. N. 2. 1. Se ttler. Gesch. d. Graven. V. p. 62.
S. 310. N. 4. cf. S. 299. N. 1.
S. 314. Z. 15. v. ob. 1. 1276 statt 1270.
S. 315. 319. cf. noch Kriegk, 1. c. p. 429. 437 ff.
XI. Zusätze und Besserungen. 625
S. 31iitf. ct. ncxli liir Frankfurt a. M. Kriegk , Frank!'. Zust. u. Bürger-
zwiste im Mittelalter p. 342. 343. Anni. 2u8. städti&clio Anleihen
bei Mainzer Juden im 14. Jalirli. bis zu 52 "/„ , darunter befinden
sich indess Verzugszinsen oder Verzugsstrafen. 12 Bürgen; Ein-
lageri)tiicht derselben in Mainz für Kapital und Zinsen. Schuldner
und Bürgen verzichten im Voraus auf alle Mittel, welche sie gegen
diesen Vertrag von Kaiser und Pabst durch Gerichte, durch Bann
oder auf andere Weise erlangen könnten. Nach Verlauf eines
Zahlungsverzuges von 1 Jahr mögen die Gläubiger Leib und Gut
des Käthes mit oder ohne Gericht angreifen. Dasselbe gilt für
die etwaigen Cessionare der Gläubiger, cf. Senckenberg, Sei.
jur. I. p. 645. (1368). — Ueber die Geldgeschäfte der Frankfurter
Juden seit 1281 cf. Kriegk, ib. p. 413 tf. 0 r t h , Anm. z. Frankf.
Eeform. IV. p. 210.
S. 324. cf. auch Mone, Zeitschr. f. G. d. Ob. Eh. IX. p. 259. u. Kriegk,
1. c. p. 409. N. 1, der auch Gotth elf , Darst. der Stellung der
Juden in Baiern p. 27 ff. zitirt.
S. 329. cf. über die erste Frankf. Judenverfolgung 1245. Kriegk, 1. c.
p. 412 ff.
S. 326. Z. 2. V. ob. 1. der spätere Kaiser.
S. 326. Z. 15. V. u. 1. jedem Christen.
S. 326. N. 4. cf. noch Hegel, Städtechroniken I. p. 113 — 124.
S. 357. N. 4. cf. noch lüb. Urk. Buch I. p. 249. 250 schon für d. J. 1262.
S. 361. N. 2. auch S. 374. 427. cf. Orth, Abhandl. von d. zween Eeichs-
niessen (Frankf. a. M. 1763) p. 446. Die meisten in Frankfurt
fälligen , in - und ausserhalb Frankfurt gezogenen Wechsel wur-
den auf die Frankfurter Messe ausgestellt. Darüber lautet ein
Eathsedikt von 1635 und die Frankf. Wechs. Ordn. von 1666. —
ib. Note a. zitirt Orth aus einer alten Nachricht ca. vom Ende
des .14. Jahrh. : ,, Es werden in diesen beiden m e s s e n die w e c h -
sei von den kaufleuten untereinander abgerechnet und
bezaletund ist die m esza lung bereits ser alt." (stimmt
mit Kriegk 1. c. p. 318. 332. N. 2. (1391.) Ob indess aus letzte-
rer Stelle das Verbot der Wechsel für die Frankf. Messe folgt,
wie Kr. will , bleibt zweifelhaft.) — 0 r t h , ib. p. 485. Nach dem
Beschlüsse des Nürnberger Eeichstages 1524 (§. 1) sollten die
Kosten des Ecichskainmergerichtes in den 2 Frankfurter Messen
für Frankfurt , Augsburg , Nürnberg oder Eslingen dirigirt wer-
den. — cf. dazu Kriegk, 1. c. p. 339. m Beilage E. a. Orth,
Eeichmessen p. 460 — 463. 480. Seit alter Zeit (ca. 15. Jahrh.)
sollen die Mcsswechsel vom Anfange der Messe ois Dienstag 9 Uhr
früh in der zweiten Messwoche acceptirt, von hier bis zu Frei-
tag in derselben Woche bezahlt werden, die übrige Messzeit
.. bis zur verrückung der geleitcr " sollte auf ,, ü b e r s e h u n g der
Neuiiiaiin, Ocsih. d. AVucbers. 4ü
6"2(j XI. Zusätze und Besserungen.
recLmmgen uml liandhnigoH" vonvandt worden. Diese Einthei-
lung der Älesszeit lieisst bereits in dem Ratliscdikt von 1592:
..altem gewönlich en brauche nach." Pr ote st irt musste
werden bis zum Ende der 2. Messwoche, dagegen das Skontri-
ren konnte sich von der 2. Mess- (Zahl - Skontro -) woche auch in
die 3. hineinziehen. — Ders. Anm. zur Frankf. Ref. 1. Forts, p.
541 tf. Obige Bestimmung ist seit 1592 oft erneut , so 1604 , 1605,
1609 , 1617 . 1620 . 1629 , 1639 , 1666 (in der Wechs. Ord.) , weil
sie vielfach umgangen wurde, besonders durch Veranlassung
derer , ,, so ihren flnanz im gelde und überschikkung des fürneml.
in die Niederlanden suchen." — vgl. auch ob. S. 374. N. 1. d. Abh.
S. 378. Z. 10. v. ob. 1. Azayali.
S. 425. u. 435. cf. Orth , Eeichsmessen p. 447. In der zweiten Hälfte des
16. Jahrb. vereinbarten die „meisten und vornemsten kaufleute"
zu Frankfurt a. M. einen bestimmten C u r s für die Hauptmünz-
arten in "Wechselbriefen wie sonstigen Messzahlungen und wurden
vom Rathe unterstützt. Derselbe Curs wurde 1621 im Leipziger
Marktrescripte für die Märkte in Leipzig und Naumburg ange-
nommen (Anm. z. Ref. 1. Forts, p. 567.) Die „kanibisten" hatten
davon keinen Vortheil , nur der Verkehr. — ib. p. 496. Die Mäk-
ler vereinbarten in Frankfurt (im 18. Jahrb.) vielfach mit den
Parteien den Wechselkurs d.h. hier den Wechselpreis,
oder es galt der an allen grösseren Märkten übliche obrigkeitliche
„ Wechsel-tax." Letztere Taxe machte im 17. Jahrb. zu Frank-
furt der Rath durch 2 Deputirte meist am Anfange der 2. Mess-
(Zahl) - Woche in Gegenwart der ,, Wechselhändler und Mäckler."
Heidiger, Anl. zum Wechselrecht cp. 4. p. 54. In dem Frank-
furter Rathsedikt von 1625 wird zur Abhilfe des von den Kaufleu-
ten zum Theile absichtlich schwankend erhaltenen Wechselkurses
vorgeschrieben , am Anfange der Zahl - (2. Mess) - woche beschwö-
ren die Mäkler vor dem Bürgermeister , wo die meisten Wechsel
,,hin und wieder geschlossen."' Danach versammeln sich die Kauf-
leute der verschiedenen Orte und Nationen und machen mit den
vornehmsten Mäklern „ den k o n t o." Das sei seit ,, vielen jaren "
herkömmlich. In der Leipziger Wechs. Ord. war es den Kaufleuten
erlaubt, von solchem „kurszettel" abzuweichen. Dasselbe bezeugt
Orth für seine Zeit (ca. 1750.) — Wie aber in jener früheren Zeit
das „Wechselkonto abgemessen" wurde, zeigt Mar]) erger, Han-
delsdiener cp. 10. p. 145: die vornehmsten Kaufleute der Frank-
furter Messe versammeln sich in der Zahlwoche und hören von den
Mäklern , „ was auf alle vorneme ausländische handelsplätze ins-
gemein gewechselt worden," danach vereinbaren sie den ,, rech-
ten preis" und lassen ihn notiren. „Dis geschieht nun also auf
alle örter , dahin gewechselt wird , der mackler aber zeichnet es
XI. Zusätze iiiul BesKoruiigL'ii. 627
fleisig auf und gibt es den handelsleuten , welche es ferner ihren
korresjjoiidenten koniuniciren und dis heist man den kunto
nia ch e n.'"
S. 427. cf. noch Cölner St. R. (1437) ob. S. 89: Verboten wird jeder „ vor-
kauff, aufschlag, schaden kauf f." Nürnb. Ref. 1479. XXII.
n. 3. (ib.).
S. 435. N. 4. Zubrod, der Herausgeber des „Unterrichts der wechsel-
handlung" 1GG9 (aus dem Holland, übers. , am E. ist 16GG statt
1616 zu lesen. — Orth, Reichsmessen p. 446. 449. N. a.):
„Scheinwechsel, oder change sec, wie es die Franzosen nen-
nen . sind wie man j ährlich von Amsterdam nach Frankfurt
in die messen wechselt, z. e. an stat , dass jemand geld auf inter-
esse oder zeit gibt: so gibt man ihm so viel 1000 fl. 2, 3 oder
mer monat vor der Fr. messe ä 82 oder 83 Pf. nach dem Wechsel-
kurs , um daselbe in ged. messe wiederzubezalen , gegen der ver-
falzeit aber prolongirt mans ihm auf die retour , welches ungefär
auch 2 oder 3 monat macht zu 86 oder 87 Pf. in Amsterdam wieder-
zubezalen , welches dann ein groses interesse macht und weit bes-
ser ist, als auf zeit oder ä Deposito geben. Dieses schlags Wech-
sel pflegten vordem von A m s t e r d a m aus auf A n t o r f (Ant-
werpen) zu gehen a la pari oder geld um geld auf 22. 26. 30 Wo-
chen zeit , welches hernach mit 6 und 7 procent benefice wieder-
kam , täglich wechselt man noch also von Amsterdam nach
Hamburg auf etliche wocheu oder auf die Elverzeit , wie mans
alda nent . wenn man aber besagtermasen auf diese beide orten
wechselt , so werden Wechselbriefe gegeben , welches in den wech-
seln von Amsterdam nach Frankfurt, so man auf die retour
handelt, nicht geschieht, sondern disfals blos auf des nemers
kredit und parole , und dann des macklers bevestigen geschehen
wird. Von Frankfurt aus den messen pflegt man auf Ham-
burg, A m s t e r d a m , N ü r n b e r g und A u g s p u r g auf junii
oder december und auf Strasburg in die Joh. oder weinachts-
mes zu wechseln , und wird das Wechselgeld nach advenant der
zeit und dem kurs des wechseis gestelt."
S. 471. Z. 5. v. ob. 1. Cantiuncula. Derselbe kommt übrigens nur mit
der Nürnberger Reformation von 1564 in Verbindung, welche
bereits 5 "/„ Conventionalzinsen gestattete, (ti. 13. c. 4. cf. IX. 2. a ;
sie gab für gezahlte höhere Zinsen , als 5 " „ , keine Rückforde-
rungsklage). Der Nürnberger Rath schickte nämlich 1544 die im
Wucherjiunkte kanonistische Reform, von 1522 zur Begutachtung
an Cantiuncula. Stobbe, Gesch. der deutschen Rechtsquelleu.
2. Abth. p. 303. 304. Cantiuncula sandte sein Bedenken 1546 an
den Rath , dasselbe war nicht umfangreich und enthielt nur ,, eine
Reihe gelehrter oder äusserliclier (materieller und formellerj Be-
40*
628 XI. Zusätze \\m\ Bosserimgen.
merk Uli, cfon zu einzelnen Stellen , sie gehen meist auf das eorpus
juris und seine Litteratur zurück." cf. Stobbe, \h. p.304. N. 2.5.
An den S. 77. u.471 obiger Abb. autgestellten Behauptungen aber
ändert Dies Nichts. Denn die Nürnb. Reform, von 1479
und 1522 untersagten noch jeden Wucher , ganz im Sinne des
kanonischen Rechtes , und doch waren diese Gesetze unter wesent-
lichster Mitwirkung römisch - rechtlicher Gelehrten zu Stande
gekommen. Stobbe, 1. c. p. 59 ff. (N. 32.), so v. Pja-kheimer,
Scheurl , Apell. cf . dann S t o b b e , ib. p. 299. 303.
S a c h - R e A' i s t e r.
Die Zahlen bedeuten die Seiton.
Abcganc (Müiizabgabo) 348.
Abgaben statt Zinsen 444 ff. cf. bei
Umgehung , Ausnahmen (unge-
setzlich.)
Ablösung von Renten 233 ff. 237 ff.
(Ablösungsfuss.)
Absicht, wucherliche 15 ff. 21. 25 ff.
48. (51. 85. 94. 108 ff. 445 ff.
Abzug der Zinsen vom geliehenen
Kapital 441 ff. cf. beid. ungcsetzl.
Ausnahmen. Umgehungen 523.
accessiones 10 ff. IKi. 1(32.
Accommenda 39U. 422 ff. 463. 521.
589. 610 ff.
Aecord 601.
Acht 98. 99. 342.
Afterleihe , - niiethe des städt. Bo-
dens 215 ff. cf. bei Rentenkaufs-
Entstehuug.
Agnaten 187 (beim Pfände.)
Alten , der , Zinsverbot 4. 475.
Altentheüsvertrag 243. cf. bei Leib-
rente.
Amtskauf 457 ff.
Amtssuspension 23. 25. 52. 62.
Anastasiana lex 227.
Angeld cf. bei Draufgeld.
Anleihen d. Staaten, Fürsten, Städte,
cf. .ludenwucher, Rentenkauf. 341.
420. 423. 481 ff. 497 ff. 519 ff. 522.
527 ff. 624.
Antichrese 13. 190. 194 ff. 199. 475 ff.
antichresis tacita 190.
Arbeitsvergütnng ist kein Wucher,
cf. bei Ausnahmen v. Zinsverbote.
431. 452. 45H. 594. <i00. 606.
Arrha cf. bei Draufgeld.
AutTiauf 61. 91. lOOff. 464ff. 536.
591. 598. 606 ff.
Auflassung 182. 187. 196. 197 (beim
Pfände) 208 ff. (beim Rentenkauf)
216. 224. 245.
Aufschlag 89.
Aufstand des Volkes wegen Wucher
483 ff. (in Thüringen, Dauzig,
Kopenhagen.) 615 ff.
Ausdehnung des Wucherbegriffs 87 ff.
Ausdehnung d. Zinsverbotes 13 ff. 49.
Ausfuhrverbot 100 ff. 103.
Ausnahmen vom Zins verböte 17 ff.
49. 66. 69. 88. 109 ff. 287. 417 if.
570 ff. (Staatsgesetz) 431 ff. 476 if.
(röm. Recht) 486 ff. (Reformation.)
594 ff. (Kauf.) 5. _
Ausnahmen, gesetzliche , gleich den
kanonischen , in Deutschl. 109 ff".
Ausnahmen , gesetzliche , weiter, als
die kanonischen, in Deutschland
177 ff.
Ausnahmen, ungesetzliche 440 ff.
aver panden 203 ff. cf. bei Pfand-
werth , Distrakt.
B.
bancharii 365. 588.
Bank cf. Wechsel - Darlehns - Bank
u. a. Composita.
Bankhaus - , Commanditc etc. cf. bei
Wechsler , italischer Ursprung.
Bann 52. 61 (u. Zus.) 98. 133.524. 623.
bede 530.
bededinghede , also cf he id. 109.
110 ff. 141.
Begriff des Wuchers 5 ff. 13 ff. 48 ff.
60. 66. 69. 83 ff. 101 ff.
Begriff des Wuchers , neuer 201. 263
(beim Rentenkauf) 320. 34-1 386
(bei Juden) 519 (bei Darlehn.) 547.
Behörden als Wechsler 421 ft".
Behörden , die Wucher nicht strafen
24. 98. 333 (bei Juden) 476. 535.
beneficium divisionis 592.
berg der gerechtigkeit , mildigkeit
cf. bei montes läetatis.
Besserung des (Grundstücks 194 ff.
(beim l'faude) 216 ff. (beim Ren -
teukauf j 230 ff.
m)
Sai'liro^istor.
Beweis d. ScliuHfoidernng 119. 123.
152. Iö8ff. 441 (bei Verzug) 159.
1(57 IV. 1(19. I.S3 (beim ri'ando) 204.
224. 29(5 ff. ;5(.9ff. (b. .Tudon) 542.
544 ff. Wlff. (Handelsbücher.)
Pibel-Zinsverbot 2. ;3.29a. 481 ff. 49G.
(UTff.
blinde keuffe 91.
Bürge 19. 20. 89. 129. 154. 155. 160 ff.
;U2 (bei Juden) 359 (bei A\^ech.s-
lern) 381. 402. 40(j. 593. (324.
burgrecht 227. cf. beim Reutenkauf.
c.
cambium pecuniae 424 ff. cf. bei
Handweclisel , Weclisel. — retro-
gradum(321. — negotiatoruni 621.
campsor. cambiator, cambium u. s.w.
cf. bei Münzer, AVechsler, Wechsel.
Canonisten für das Zinsverbot in
Deutschland 46 ff.
caorcinus cf. bei Lombarde.
Capitularien vom Wucher 59 ff.
Cassatorische Clausel 123 ff. 150.
catholicum jus 488.
causae ad ecclesiam pertinentes cf.
Gerichtsbarkeit.
Caution d. Wechsler cf. b. Wechsler.
census, census hereditarius cf. bei
Grundleihe , Eentenkauf und in
den Compositis , statt Zinsen cf.
Umgehung 444 ff.
census jus 283 ff.
centesimae usurae 6. 11. .58.
Champagner Wechselmessen 367 ff.
372 ff. cf. bei Wechselmessen.
change sec 626.
Clementinen über Wucher 12 ff.
Colonna 424 cf. bei Accommenda.
comenda 424 cf. Accommenda.
commissum cedit creditori pignus
205 ff. 476 ff. cf . bei lex commisso-
ria , pactum comm.
coramodum temporis 124 cf. bei In-
teresse.
compensatorium foeuus 49. 471 (usu-
rae c.) 476.
Competenz bei Wucher cf. Gerichts-
barkeit, Prozess.
concambiiun 359 cf. bei Wechselge-
rechtigkeit.
Concession für Wechsler cf. Wech-
selgerechtigkeit.
Concilien in Deutschland für da.s
Zinsverbot 44 ft'. 187 (bei Pfand)
208. 514 ff.
Concurs 199. 202. 232. 248 ff. 600 ff.
Confiskation des Vermögens cf. un-
ter Strafen des Wuchers.
Constitution de rentes 285.
Conto des Wechsels 625.
contractus mohatrae 448 ff.
contratto di germiuamento 424.
contributio monete 348.
Conventionalstrafc 110. 124. 140.
141. 147. 148 ff. 188. 373.
Conventionalzinsen erlaubt 119. 151.
156. 160. 168. 172 (aus d. Inter-
esse) 194 (beim Pfände) 197. 246.
262 ff. 274 ff. (beim Rentenkauf)
292 ff. (bei Juden) 385 ff. 412 ff.
(bei Wechslern) 443 ff. (Umgehung)
474 ff. (röm. Recht) 481 ff. (Refor-
mat.) 492 (Calvin) 497 ff. (Wissen-
schaft, Salmasius) 504 ff. .506 ff.
(Darlehn) 512 ff. 518. 524 ff. (Höhe)
537 ff. 545 ff. 551 ff. 560 ff. 568 ff.
Correalschuldner 116. 129. 161. 162.
corresponsales 365. 588.
covercinus cf. bei Lombarde.
Creditkauf 36 ff. 69. 84 ff. 111. 148.
606.
Creditiv 381 (glouben haben). 605.
Creditwerk 532 ff. 535.
curia Christianitatis 179.
Curs der Münzen 349 ff. (cf. Münz-
zustäude) 356 ff. 363. 425 ff. 434 ff.
Curs der Wechsel 363. 425 ff. 434 ff.
625 ff.
Cursgewinn 356 ff. 425 ff. 432. 434 ff.
445 ff. 585 ff.
custodes nundinarum 364. 373.
D.
damnum emergens 20 ff. 56. 142 ff.
158 (bei Verzug) 163 ff. (bei erfüll-
tem Vertrage. — Berechnung des-
selben) 187. 389 (bei Wechslern)
476 ff. (röm. Recht) 489 ff. (Ref.)
543. 545 ff. 555.
Darlehn 5. 13 ff. 20 ff. 49. 58. 68.84.
87. 89 ff. 148. 156 ff. 163. 165 ff.
192. 200. 209. 220. 230 ff. 246 ff.
274 ff. (beim Rentenkauf) 292 ff.
(bei Juden) 357 ff. (bei Wechslern)
385 ff. 412 ff. (bei montes) 422 ff.
(beim Wechseln) 455 ff. (Gesell-
Sachregister.
631
Schaft) 476 flf. (röm. Recht) 481 ff.
(Refonnat.) 497 if. (Wissenschaft,
Saliiiasius) 506 tf. (iin Verkehre)
524 ff. 5-27 ff. (.\iiloih.) 535 ff. (511 ff
Darlohnstisch , -bank 393 ff. 404 ff.
(Niederlande) 412 ff. (kircliUche)
422 ff. 426. 498 ff. (Streit in Hol-
land) 610 ff.
datio in solutum 449 ff.
decretum Gratians über Wucher 5 ff.
Decretalen Gregors EX. über Wu-
cher 12 ff.
delicta mixti fori cf. Gerichtsbarkeit.
denarius sancti spiritus cf. unter
Draufgeld.
Depositum 110. 357 ff. (bei Wechs-
lern) 391. 418 ff. 421 (bei Behör-
den) 422 ff. 610 ff. 626.
dies iuterpellat pro homine 115 ff.
161.
Diskontogeschäft 427 ff.
Distrakt b. Pfände 199. 201 ff. 203 ff.
206. 208 ff. 227 ff. 245. 249 (bei
Rentenkauf) 211 ff. (bei Pfändung.)
Dividende 455 ff. cf. Gesellschaft 462.
donatio remuneratoria 441 ff.
Draufgeld 110. 140 ff. 150.
Dreissigjähr. Krieg 503. 509. 555 ff.
dubium camerale 552.
E.
Ehrschatz 213.
Eid, beim Wucher 16. 24. 92 ff. 94.
119. 121. 169. 204.
Eigenwechsel cf. bei Wechsel.
Eindringen des Zinsverb, in Deutsch-
land 28 ft'.
Einfuhrverbot 100 ff. 103.
Einlager 126 ff. 139. 624.
Einlager umgekehrt 130. 131.
Einreden 122. 152. 154.
Eintragung der Schuldkontrakte in
Schöppenbücher 119. 509 ff.
Einzelfürsten in Deutschland gegen-
über dem Wucher 80 ff. 86. 96. 99.
148. 187. 199 (bei Pfand) 229 ff.
(bei Rentenkauf) 240 ff. 314 ff 337.
(bei Juden) 3.S(; ff. (bei Wechslern)
473. 519 ff. (beiDark-hn) 531 ff
539 ff 545 ff.
Eisernvieh 89. 393.
Entsagung der Einreden u. s. w. 122.
152. 154. 169. 207. 519. 624.
Entsetzung des Rentenverkäufers cf.
bei Distrakt.
Erbzinsrecht cf. bei Grundleihe, Ren-
tenkauf.
Ersatz des Schadens aus dem erfüll-
ten Vertrage cf. unter Interesse.
Ersatz des Schadens aus dem Ver-
zuge cf. unter N'erzugsschadens-
Ersatz , Verzugszinsen.
Etymologie 53 ff. 179 ff. 280.
fewiggülten 224. 227. 228. 233. 240.
243. 247. 259. 279 ff. 284 ff.
exceptio usurariae pravitatis 442.
Exkommunikation 6. 10. 23. 45. 50.
52. 62. 98. 99. 293. 523.
expens cf. bei Interesse damnum
emergens , Verzugsschaden 373.
eyszeren Kaufleute 600 ff.
facultates juris canonici 468.
Faktor 374 (in der Messe) 378 ff.
405 (institor , bei der Bank) 421 ff.
(b. Wechsel) 454 ff. (b. Gesell-
schaft) 462 ff. 593 ff. 602 ff.
Faustpfand iHOff. 196 ff. 2ol. 391 ft".
(bei Wechslern.) 573 ff.
festepenning cf. unter Draufgeld.
Finanzzustand d. Städte 527 ff. 613 ff.
624.
Flamländer, Fläminger 369. 376 ff.
flandrische Wechsler cf. h. Wechs-
ler , ital. Ursprung.
foeuus compensatorium 49. 471 (usu-
rae c.) 476.
foenus injustum 49. 61.
foenus justum 49. 61.
foenus lucrativum50. 471 (usurae 1.)
foenus mordens 496.
foenus nauticum 17 ff. 111. 458 ff. 463.
566.
foenus punitorium 49.
foenus tacitum 393.
foncieres rentes 285.
G.
Galliens cf. b. Wale , Lombarde.
Gantverfahren 232. cf. Conkurs.
geln-iiuchliches Interesse cf. bei ge-
bülirl. intcresse 176. 195.
gcbülirliches Interesse 169. 171.
aus geding vvucher 86 ff.
(Jefahrvergütung ist kein Wucher
17. 49. 111. 190. 2(.K). 207. 431 ff.
452 ff. 45« ff. 4S9. 566. 585. 594 ff.
606 ff.
Geisselschaft 126 ff. 139.
632
Sachregister.
geistlicher Wucher 88 ff. 04.
Geldtransportcf.b. Wechsler, Wechs-
lergoschält , Wechsel.
Gelübde bei Wucher cf. unter Eid.
Geiüess cf. die einzelnen Wucher-
arten.
Gerichtsbarkeit 8 ff. 45. 50. 62.75.
76. 78. 93. 94 ff. S»7 ft'. 99. 114. 179.
333. 341. 343ff.364.375{b. Wech-
selmesscn) 388 ff. 477 ff.
germinaniento . coiitratto di g. 424.
gesatczter gesuch 303. 304 (b. Juden.)
Geschenk statt Zinsen 441 ff. cf . bei
Umgehung, Ausnahmen.
Gesellschaft 89. IcX) ff. 107. 380.
fVN'echsler) 416 ff. (montes) 418.
421 ff. (b. Wechselbetrieb) 453 ff.
489 ff. (Reformat.) 516. 521.524.
589. 593 ff. 616.
Gesuch cf. die einzelneu Arten von
Wucher.
Gewere des Eigenthümers 182. 225.
Gewere des Pfandgläubigers 182 ff.
187. 193. 196.
Gewere des Rentenkäufers 208 ff.
225ff. 228. 245ff. 280.
Gewohnheitsrecht d. Kaufleute 597 ff.
gherochte gekrcnket 73. 99.
gichtige schuld 211.
glouben haben (Creditiv) 381. 605.
Gottespfennig cf. unter Draufgeld,
gowertschin cf. bei Lombarde.
Grundeigenthum in den Städten
2Öff. 212 ff.
Grundleihe, -miethe 213 ff. 279 ff.
Gült cf. bei Rentenkauf.
H.
Handelsfrau 609 ff.
Handelsgesellschaft cf. b. Gesell-
schaft.
Handwechsel 353 ff. (der Hausgenos-
sen) 357. 385 ff. 608 ff.
hara , hara 374 (Champagne.)
Hausgenossen cf. b. husgenoszen u.
Münzgenossen.
Hausleihe, -miethe 213 ff. 279 ff.
hemioliai 7. 8. 61. 88. 101.
hinder cf. bei Interesse und lucrum
cessans 171.
Hoffnung , wucherliche 5. 69.
hufenschoss 534.
husgelt cf. b. Rentenkauf.
husgenoszen 353 ff.
huszins cf. b. Rentenkauf.
Hyperocha cf. b.Pfandwertli, Pfaud-
überschuss.
I.
limpegno dei marineri alla parte
424.
implicita , impietta 424. cf . bei Ac-
commenda.
Inhaber. Papier auf den J. 228 (bei
Reutenkauf) 436 (bei Wcchscbi.)
injustum foenus 49. 61.
inkop vnd wessel 356 ff.
institor 405 ff. (bei der Bank) 462.
Interdikt 24. 50.
Interesse 20 ff'. 49. 56. 73. 124. 151.
156 «■. 158 ff. (bei Verzug) 163 ff.
(bei erfülltem Vertrage) cf. bei lu-
crum cessans (169 ff.) und damnuni
emergens 177. 185. 195. 275. 307 ff.
(bei Juden) 389 (bei Wechsleni)
393. 416 ff. 425 ff. (b. Wechseln)
433. 471 ff. 476 ff. (röm. Recht)
489 ff. (Reformation) 5U. 543 ff
551. 554. 559 ff 562 ff. 594. 606.
Interesse vom Interesse 148. 165. cf.
Zinses -Zins.
interusurium 124. 525.
Italiener cf. bei Wechsler , italieni-
scher Ursprung.
Juden . Aufkauf durch 102 ff.
Judenpfand 298 S. 307 ff. 309 ff. (Haf-
tung für ZufaU, Schuld) 312 ff.
(Rückforderung des wider Willen
des Eigenthümers gesetzten Pfan-
des) 315 ff. (Schuldhaft eines Chri-
sten) 320 (Zwang dazu) 341 ff.
(Verbot) 385 (Wechsler.)
Judenrechte 297 ff. 324 ff. (Leib-
eigene.)
Judenregal 294 ff. cf. Juden, Stel-
lung zum Reiche 344 ff.
Juden , Stellung zu Kirche u. Reich
292 ff. 324 ff. (Leibeigene) 335 ff'.
341. 344. 384 (Wechsler cf. bei
Wechslergeschäft.) 534. 541.
Judenstrafe 22 ff. 45. 293. 315. 332 ff.
Judenverfolgung 324 ff. 328 ff. 334 ft\
(in Xüniberg) 340 (in Breslau)
341 ff. (in Würtemberg) 367. 624.
Juden wncher 45. 64. 65. 70. 81. 88 ff".
92. 126 ff. 132. 133.158 (Schaden-
nehmen) 298. 315 ff. 332 (Zinses -
Zins) 299 ff. 305 ff. (Begründung)
Sacliroffister.
am
307 ff. (Verabredung) 309 ff. (Be-
weis) 31fl ff. 382.344 (Höhe) 344 ff.
(v. Reicbsgesetze gebilligt) 400 ff.
Juden Zinsen -Verbot 2. '293. 297.
300 ft'. 332 ff. 341. 343. 493 (Cal-
vm)49Üff. 552ff. 5G3.
Judenzins, -abgäbe 294 ff. cf. Ju-
den , - Stellung zum Reiche 324 ff.
334tt\340ff. 024.
jüngster I\eichsabschicd555ff. 560 ff.
jus catliolicuni 488.
justum Ibeuus 49. 61.
K.
Kaiser in Deutschland gegenüber d.
Zinsverbüt 37 ff. 78 ff. 187 (beim
Pfände) 223 ff. (bei Renten) 293 ft".
315 ff. 344 ff. (bei Juden) 386 ff.
(b. "Wechslern), cf b. Reichsgesetz.
Kaiserrecht cf. beim röm. Rechte.
Kammerknechte 293 ff. (cf. bei Ju-
den - Stellung zu Kirche u. Reich)
324 ff. 387 ff. (bei AVechslern.)
Kauf 3. 5. 14. 17. 58. 61. 85. 87 ff.
89 ff. 94. 100 ff. 105. 111. 171. 281.
449 ff. 593 ff 599. 606.
Kauf auf Wiederkauf 15. 90. 91. 190 ff.
197. 216. 228. 235. 422. 449 ff. 606.
Kauf der Früchte auf dem Halme
37.61. 100 ff. 449 ff. 536.
Kaufleute als Wechsler 355 ff. 385 ff.
Keuffe, blinde 91.
Kirche 279 ff. (bei Rentenkauf) 387 ff.
(bei Wechslern) 412 ff", (bei montes)
429 ff. (beim Wechseln) 453 ff. (bei
Versicherungen , Gesellschaften)
468 ff. (beim röm. Rechte) 479 ft'.
(Reformat.) 499 ff. (Bankstreit in
Holland) 507 ff. (Darlehn im Ver-
kehre.) 568 ff. (Conv.zinsen.)
Kirchenbaukasse 50.
Kirchenväter, der, Zinsverbot 3 ff.
Klerus in Deutschland verbreitet das
Zinsverbot 37 ff. 78 ff. 80 ff. 507.
Klerus gegenüber dem Wucher 6 ff.
14. 22 ff. 38 ff. 58. 88 ff. 126. 187
(beim Pfände) 214 (beim Renten-
kauf) 215 ff. 228 ff. 25(5. 286. 293.
297. 315 ft'. 322. 328 ft'. (bei Juden)
390 ff. (bei Wechslern) 418 ff. 481 tf.
(Reformation) 498 ff. (Bankstreit
in Holland) 507 if. (Darlehn) 514 ft'.
520 ft". (Pabst selbst) .571. 595.
Korngült 215. cf. Rentenkauf.
Kostenersatz ist kein Wucher 11. cf.
bei Verzugsschaden - Ersatz , In-
teresse , damnum emergens. —
183 ff", (beim Pfände) 188. 195. 19f>.
412 ff. (bei Wechslern) 420. 425 ft".
511.
Kündigung (cf. bei Verzug der Zah-
lung) 193 (beim Pfände) 230 ff.
242 ff. 247 ft". 274 ft'. 279 ft". 286.
(beim Rentenkauf.)
Kuhmiethe450ff. 457.
kundliche schuld 24.
Laien wuchernd 6. 7ft. 9. 14. 22 ff.
88 ff. 187 (beim Pfände.)
Lamparter cf. bei Lombarden.
landesübliches Interesse 165.
landesübliche Zinsen 566.
Landrechte. Landesgesetze vom Wu-
cher 80 ff.
Landschaft , Vertrag der 532 ff.
Landsmannschaft d. Wechsler 388 ff.
cf. bei Wechselmessen, Wechslern.
Latini cf. bei Lombarden , Walen.
legitinms usus cambiorum 430 ff. cf.
bei Wechsel , Kirche.
Lehnsherr, -gut 17. 213. 228. 473.
Leibrente (Leibgedinge. Leibzucht).
191. 228. 243. 245. 259 (Renten-
fuss) 276. 282. 397 ff. 419 ft". (Bank)
527ff. 530ff. 615.
leiga . ]\riethszins 178.
Leihe (Commodat) 213 ff.
Leihehaus cf. bei Pfandhaus. Dar-
lehns - , Wechselbank.
Leistgeld 164. cf. bei Literesse, dam-
num emergens.
Leitkauf 140.
lex Anastasiana 227.
lex commissoria 205 ff. 207. 476 ff.
liber sextus über AVucher Piff.
Lieferungsvertrag 14. 37. 61. 101 ft\
111. 119. 157 (Verzug) 446 ft". 453 ff
Lieger cf. bei Faktor.
Lombarden 366 ft". 3(58 ff. (ital. Kauf-
leute) 371 ff. (ital. Wechsler) 37G ff.
425 ff.
losung 241 cf. Ablösung der Renten.
521 1 ff. (Steuer.)
lucrativum foenus 49. 471.
lucratoriae usurae 471. cf. b. lucrati-
vum foenus.
634
Sachregister.
luoruui cessans 21. 124. 108 (bei Ver-
zufr) lH4ff. (b. erfülltem Vertrage)
lG9ff. 188. 380 (bei Wechslern)
47(! ff. (röni. Rcclit) 489 ff. (Refor-
mation) 495 ff. 543. 545 ff. 555.
Innibart . lummert cf. Lombarde.
M.
Mahnung zur Vertragserfüllung 11(5.
118. 119.
maitres des foires 364.
Mandat 110.
nianifesti usurarii 22. 24. 50. 88. 360.
369. 387. 409 ff. 476.
niarcharum scutus 431 ff. cf. b. Wech-
sel , Kirche.
Märkte cf. bei Wechsel - , Waaren-
märkten.
matricula der Kaufleute 597.
niaximae usurae 567.
Mehrforderuug , vorbedungen 86.
mensarii 413.
Messen cf. bei Wechselniessen.
Messwechsel cf. bei Wechsel und
Wechselmessen,
middelmatige handeling 499.
Miethe 178. 199. 213 ff . 357 IT. 441
(des Geldes) 450 (der Dienste) 451
(Kulimiethe) 457.
Mitgiftsbank 414.
mohatrae contractus 448 ff.
rnonetarii cf. bei Münzgenossen.
Monopolien 100 ff. 464. 592.
montes pietatis 400. 412 ff. 496.522.
524.
mora 19 ff. cf. Verzug , Zahlungs-
verzug.
Moratorien 114. 122. 600 ff.
rnordens foenus 496.
Mündeln ist Wucher erlaubt 489 ff.
492.
Münzer cf. bei Münzgenossen.
Münzgeld 348.
Münzgenossen (husgenoszen , Zunft
der) .353 ff. 358 ff. 609 ff.
Münzmeister 353 ff. 360. 609 tT.
Münzprägung 348 ff. 357 ff. 608 ff.
Münzregal 348.
Münzwucher 412.
Münzzustand 29 ff. 348 ff . (Curs,
Münzvereinigung) .357 ff. 425 ff.
mutuum palliatum 15. 442. cf. bei
Umgehungen, Ausnahmen.
N.
Näherrecht 213 ff. 239.
natio (Landsmannschaft) der Wechs-
ler cf. Wechselmessen , Wechsler.
nauticum foenus 17 ff. 111. 458 ff.
463. 566.
Nebenwechsler 357. 358 ff. 609 ff.
negotiatores transmarini 353. 388.
nostri campsores der Päbste 355 ff.
370. 371 ff.
notae oppignorationis 275.
0.
Obereigenthum cf. bei Grundleihe,
Rentenkaufs-Entstehung 227.231.
233. 279.
obnoxiatio 132 ff.
obstagium 126 ff.
üeff entliche Bank 393 ff. 404 ff. (Nie-
derlande) cf. bei den Compositis
von Bank.
Oeffentliche Wuchrer 22. 24. 50. 88.
cf. bei manifesti usurarii 360 ff.
oppignorationis notae 275.
pactum commissorium 205 ff. 207 ff.
476 ff. 606.
päbstliche Einkünfte cf. Peterspfen-
nig, Zehnten.
palliatum mutuum 15. 442 cf. bei
Umgehungen , Ausnahmen.
Papier auf den Inhaber 228 (bei Ren-
tenkauf) 436 (bei W'echseln).
pensio cf. bei Rentenk^uf.
personae illustres 146. 476.
personales rentae 285.
Personalhaft 125 ff. 132 ff. 137 ff.
315 (Christ bei Juden) 448.
Personalhaft, öffentUche 132. 137 ff.
Peterspfennig 356 ff. 371 ff. 422.
petitio 530 (Steuer.)
Pfand 160. 180 ff. 196. 197 (beweg-
liches ) 182 ff. ( unbewegliches )
193 ff. 198. 245 (generelles) 201 ff.
bis 205 ff. 579 ff. (wird Eigen-
thum des Gläubigers) 207. 210.
226. 228. 245. 275 cf. bei .Juden-
pfand 357 ff. (b. Wechslern) 387 ff.
402.476. (röm. Recht.) 574 ff. 606.
614.
Pfandgewere 182 ff. 187. 193. 196 ff.
205.
Sachregister.
635
Pfandliaus .S9(; ff. 4o4 ff. (Nieder-
lande) 412 ff. (kirchliche) 418 ff.
496. 4i»8ff. (Streit in Hullaud.)
Ffandinanko 20,'? ff.
Pfandmitzen 17. 68. 70. 140. 148.
180 ff. l!»2ff. (Dauer) l'J4ff. (Höhe)
196 ff. 199. 205. 206. 475 ff. (rö-
misches ßecht.) 573.
Pfandnutzeii von der Person des
Schuldners 137. 139 ff.
Pfandüberschuss 201.
Pfändung um Schuld 211 ff. 226.
Pfandwei-th 195. 199 ff. 201 ff. 207 ff.
Pfandwucher 13 ff. 56. 68. 70. 87.
89. 476.
Pfandzeit . -Dauer 191. 192 ff.
Pfenniggült 215 ff.
I'fennigzins 230. cf. bei Rentenkauf
261. 549. 616.
Pfundschoss 534.
Platzwechsel 432 ff. cf. bei Wechsel,
Kirche , Wechslerwucher.
pravitas usuraria cf. Composita von
Wucher.
Prekarien 294. 530 (Steuer.)
prestita 424.
Privatbank 376 ff. cf. bei Wechsel - ,
Darlehns - Bank.
Prokurator 374 (in der Messe) 378.
405.
Prolongation 113 ff. 118. 123. 167.
275. 428 ff. (b. Wechsel) 442. 62(5.
promissor}' notes cf. bei Wechseln
429 ff. 437.
Prozess über Wucher etc. 8. 9. 10.
16. 50.62. 76. 94 ff. 98 ff. 114. 179.
333. 341. 343 ff. 364 (bei Wechsel-
messen) 442 (exceptio usur. prav.)
473 ff. 477.
punitiirium foenus 49.
Q-
quinqueviri mensarii 413.
R.
Ratenzahlung 118. 123 ff. 239 (bei
Renten.)
Realgewerbe 358 ff. (bei Wechslern.)
610.
realia cambia 430 ff. cf. Wechsel.
Kirche.
Reallast 245.
Hechtsbücher in Deuts(.'liland iibcr
Wucher 63 ff.
Rechtsverkehr der Parteien vom Wu-
cher 28 ff. 37 ff. 72. 77. 79.82. 83.
107 ff. 177 ff. 183 ff. 186 (beim
Pfände) 196 ff. 207. 227 ff. 242 ff.
262 ff. (beim Rentenkauf) 319 ff.
(bei Juden) 386 ff. (bei Wechslern)
440 ff. 472 ff. 506 ff. (bei Darlehn)
515 ff. 567 ff.
Reformation gegenüber dem Zins-
verbote 71. 82. 96. 98 ff. 419 ff.
456 ff. 479ff . 503 ff. 511. 535. 615 ff.
617.
Reichsgesetze v. Wucher 78 ff. 555 ff.
560.
Reichshofrath 80. 545. 558.
Reichskammergericht 80. 343. 477 ff.
551ff. 558ff. 561ff.
Rentenfuss 156. 195. 237 ff. (Ablö-
sung) 251 ff. (der laufenden R.)
266 ff. (Rentcnfusstabelle) 290 ff.
529ff. 537ff. 548. 560 ff.
Rentenhöhe 251 ff.
Rentenkauf 66. 87. 110. 143. 155.
156. 168. 174. 176. 191. 192 ff. 200.
208 ff. 212 ff. 231 ff. 243 ff. (spe-
ziell , generell) 232. 263 (Ermässi-
gung der R.) 279 ff. (im kanon.
Rechte) 347. 412 ff. 418 ff. (bei
montes) 449. 481 ff. (Reformation)
527 ff. 539 ff. 546. 550 ff. 560 ff.
569 fT. 582. 615. 617 ff.
Rentenkauf. Entstehung 212 ff.
Rentenkauf, Natur 223 ff. 277 ff.
(nach der Umbildimg.)
Rentenkauf, Verbreitung 228 ff.
Rentenkauf, Umwandlung in d. zins-
bare Darlehn 230 ff. (Zahl der R.)
233 ff. (Ablösung) 243 ff. (gene-
relle R.) 247 ff. (Kündigung) 274 ff.
(Aufgehen in das zinsb. Darlehn.)
rentae foncierae 285.
rentae personales 285. 290.
rentae viageriae, vagae, volantes 285.
Respektsfrist 118.
responsales 588.
retorsionis jus 5. 110.
retrograda cambia 451 ff. cf. Rikor-
sawechsel 621. 626.
Retuniwechsel 451 ff. cf. bei Rikor-
sawe<hsel 621 ff.
Rcupöii 141. 1.50.
Rikorsawechsel 430 ff. 435 ff. l.M ff.
621. r>-M.
Risiko 17 ff. 19 cf. Gefahr.
63G
iSachrcffistor.
römisches Recht gegenüber d. Zins-
verbote 71. 77/7H. 82. lüSft'. 170.
IJt-l (^beini Pfände) 1<I7 IT.ISH). 201.
•207. 20S. 227 (beim Reutenkauf)
l(i7 ff. 511. 538. 544 ff. 551 ff. 562 ff.
5(iti ff. (J2(j.
Rutscherzins 143. 213 ff.
S.
sacri officii societas cf. bei soeietas.
Satzung, ältere 180 ff. 201.205.207.
229.
Satzung, neuere 196 ff. 201. 207. 210.
221. 229.
Satzungsgewere 196 cf. Pfandgewere.
Säumniss der Zalilung 19 ff. 49 cf.
bei Zahlungsverzug.
Schaden cf. bei den mit ihm zusam-
mengesetzten Worten und bei In-
teresse . Damnum emergens.
Schaden nehmen 158 ff. 162. 385.
393ff. (auchimigekehrt.)
Schadenersatz aus dem erfüllten
Vertrage cf. bei Interesse.
Schadenersatz aus dem Verzuge cf.
bei Verzugszinsen , Verzugsscha-
densersatz.
Schadenersatz aus Zufall 163.
Schadenkauf 89. 90. 427 cf. bei Dis-
kontogeschäft.
Schadenstand 148. 164. 165. 195.
Schadfall cf. bei Interesse 164.
Scheinwechsel 626.
Schlechter Wucher 84.
Schuldarbeit 137 ff.
Schuldbücher 23.
Schuldhaft 132 ff. cf. unter Perso-
nalhaft.
Schuldknechtschaft 127. 132 ff.
Schuldschein cf. bei Darlehn , Pfand,
•Wechsel.
Scontro. cf. bei Wechselmarkt.
scutus marcharum 431 ff. cf. bei
Wechsel, Kirche.
Seedarlehn cf. bei foenus nauticum.
Sendebriff 605.
sescuplae usurae 7. 11. 61.
siccum cambium cf. bei Wechsel und
Kirche 429 ff.
Sikirheit 120.
Simonia 88. 110.
Simoniacus 85.
societas stanni 462 ff.
societas sacri officii 457.
Solawechsel cf. bei Wechsel.
Sozietät cf. bei Gesellschaft.
Spiel, zum, Darleihen 89.
Sportein statt Zinsen 4^44 ff.
Sprachliche Herleitung von Wucher
38. 53 ff.
Städtische Banken 397 ff.
Städtisches Grundeigenthum 29 ff.
212 ff.
Stadtrechte vom Wucher 72 ff.
Stammgut 187 ibeini Pfände.)
Strafen des Wuchers 6. 10. 22 ff. 50.
52. 62. 94 ff. 97 ff. 106. 107. 179
(in England) 475 ff. 482 ff. (Refor-
mation) 511. 596.
Strafsumme 50. 97. 99. 107. 179.
Stickpfand (Pfand mit pactum com-
missorium) 208.
Strohwisch ausstecken 204. 233. 248.
(cf. bei Distrakt.)
Summisten für das Zinsverbot in
Deutschland 46 ff.
Tabelle des Rentenfusses 266 — 73.
table de prest cf. bei den Composi-
tis von Bänke,
tafel van leeninge cf. bei den Com-
])Ositis von Bänke,
tallia (Einkommensteuer) 389.
Taxen durch Kirche , weltl. Obrig-
keit 5 ff. 13. 14. 103 ff. 148. 430 ff.
598 ff. 625. (bei Wechseln.)
thenmge cf. bei Literesse , damuum
emergens , Verzugsschaden.
toculliones392ff.
Tontinen 243. 399.
transmarini negotiatores 353. 388.
Transportkosten 14. 600. 606.
Transportpreis 228 (bei Rentenkauf.)
Tratte cf. bei Wechsel.
Treugeloben 120.
Tribut statt Zinsen 444 ff.
triumAari mensarii 413.
trockne Wechsel cf. bei Wechsel,
Kirche etc
turpe hierum 5. 7 ff. 48 ff. 51. 61. 73.
84. 97. 300 (bei Juden.)
u.
Uebertragung der Wechsel cf. bei
Diskontogeschäft.
Uebertragung der Forderungen 449
(Umgehung.)
Sachresrister.
G.']7
Umgehung dos Zinsvorbots Gff. 15.
61. 85 ff. 90. 91. 105. 19"2. 279 ff.
365 ( bei Messwechseln ) 412 ff.
(montes) 429 ff (bei Wechseln)
436 ff. 440 ff. (ungesetzl.) 451. 026
(Scheinwechsel) 455 ff (bei Gesell-
schaft, Versicherung) 4<S1. 518 ff.
522 ff. 621.
Ungelt 527. 529 ff.
universitates canonistarum 468 ff.
unleugbare schult 211.
Untereigenthuni 197. 213 ff. cf. bei
Grundleihe , Eentenkaufs - Ent-
stehung.
Ursprung des Zinsverbots 1 ff
sub usura conquirere cf. bei Scha-
dennehnien.
usurae centesimae 6. 58.
usurae compensatoriae 471 cf. bei
foenus conipensatorium.
usurae Judaicae 315 cf. Judenwucher
und Zinseszinsen 475.
usurae Lonibardoruni 379.
usurae jus 6. 110.
usurae lucratoriae 471 cf. bei foenus
lucrati^Tini.
usiirae sescuplae 7. 61.
usurae usurarum cf. bei Zinseszinseu.
usurarii nianifesti 22. 24. 50. 88. 360.
369. 387. 410 ff. 476.
usuraria pravitas cf. Composita von
Wucher.
usuraria voluntas 15 ff. 25. 48. 61.
85. 94. 108 ff 112, 445 ff
usus legitimus canibiorum 430 ff. cf.
Wechsel, Kirche.
vagae rentes 285.
Vasall 17.
Veräusserung des Pfandes, Eent-
grundstücks cf. bei Distrakt.
Verbreitung des Zinsverbotes 37 ff.
Verjährung 300 (bei Judenzinsen.) j
Verkauf erzwungen 599. Verboten i
606. i
Verkehr cf bei Rechtsverkehr. I
verliehe kewffe 89. I
verschleiertes Darlehn cf. bei nm- ;
tuum jialliatum, Umgehung, Aus-
nahmen.
versessene Zinsen 534 ff.
Versichemngsvertrag 45.'5
Versprechungseid 121 cf unter Eid
Verzug der Zahlung 19 ff. 49. 56. 73.
85. 110. 112 ff. 141. 192 ff 201 ff.
205 (beim Pfände) 2o8 ff. (beim
Rentenkauf) cf. Distrakt 443 ff.
(erheuchelt.)
Verzugsschaden-Ersatz 112 ff. 142 ff.
(ohne ihn zu vereinbaren) 143 ff.
146 ff. (nach Uebereinkunft) 151 ff.
153 ff. 157 (bei vertretbaren .Sa-
chen) 158 ff. (Umfang) 177. 188 ff
(beim Pfände) 205. 208 ff. 227 (b.
Rentenkauf) 307 ff. (bei Juden)
425 ff. (bei Wechseln) 443 ff. (Um-
gehung) 471 ff. (röm. Recht.) 540.
606.
Verzugsstrafe 147. 148 ff 189. 201.
209.
Verzugszinsen 112 ff. 142 ff. 201 ff.
275. 476. 541 ff. 551 ff. 559 ff. 562 ff.
594. 624.
Verzugszinsen normii-t von den Par-
teien 142 ff. 148 ff. l'lff 153 ff.
cf. bei Verzugsschadenersatz 444.
Verzugszinsen fixirt vom Gesetze
142 ff. 146 ff. 151 (von den Schop-
pen) 153 ff. 275. 444.
viageriae rentae 285.
Vieh gemalt 450 ff. cf. Umgehungen.
volantes rentae 285.
Volksrechte vom Wucher 55 ff.
voluntas usuraria 15 ff 21. 25. 48. 61.
85. 94. 108 ff. 112. 445 ff.
vorbedungene Mehrforderung 86 ff.
Vorkauf 89. 91. 100 ff. 464.
Vorkaufsrecht 213 ff. 286 ff.
w.
Wale cf. bei Lombarde , desgleichen
WaUone.
Waarenmärkte (Wechseln!.) 361 fl'.
Wadium 132 ff. 180.
Wardein 360. Beilage E. a. 609.
Wechsel 357. 364 (Messwechsel) 368.
373 IT. 385 ff. 420 ff. cf bei Curs-
gCA\inn , Wechselgeld . Diskonto
u. s. w. 429 ff (Kirche) 434 IT. 441 ff.
451 ff (Scheinwechsel) 548. 584.
614. (525 ff. fcurs) 626.
Wechselbank 358 IT. 3(J0. 364. 376 IT.
393 ff 397 ff (.städtische) 40(» ff
404 ff (Niederlande) 412 ff (kirch-
liche) 496. 498ff (Streit in Hol-
land) 585 ff. 590. 610.
WeclLselgeM 368. :J86. 425 ff. 445tT
585 fl'. (i26.
638
Sachregister.
Wcchselmärkte 361 ff. (Wcchselmcs-
seii) 363 ff. 624 ff. (Messzeit-,
Eintlioiluiig- . -Privilegien'! 372fr.
(Champaeneriiiessen verbuiidon
mit Deutschland) 428 ff 433 ff
442. 452.
AVecliselgorechtigkeit 353 ff 357. 359.
384. 388 ff. 611 ff. (Concession.)
Wechselgewinn 364 ff o^G.
Wech.«ler 158 ( Schadcnnehmen)
348 tf 357 ff (Kaution, Abgaben)
• 358. 366. 411 ff (Verfolgung) 387 ff
(rechtliche Stellung) 404 ff. 584 ff.
607 ff.
Wechsler, deutscher Urs])rung 348 ff
354 ff. (Geschlechter, Hausgenos-
sen) 355 ff (Kaufleute) 357 ff. (Ne-
benwechsler) 358 ff. (besonders in
Hamburg) 360 ff (in Norddeutsch-
land.)
Wechsler, italischer Ursprung 366 ff .
(Süddeutschland- 369 ff (Nord-
deutschland) 371 ff (ital. Wechs-
ler, päbstl. Geld) 373 ff. (Cham-
pagner Messen) 375 ff (italische'
Wechsler in Flandern) 376 ff. (de-
ren Eindringen in Deutschland)
421 ff
Weclisler . Jn,denwechsler 384 ff
386 ff 393 ff
Wechslergeschäfte 22. 354 ff. 355
(Wechslerzins) 357 ff 385 (Hand-
wechsel) 386 ff. (Darlehn) 391 ff
404 ff 407 ff (Zinsen) 496. 518.
Wechslerwucher (gegenüber der Kir-
che) 410 ff 412 ff 429 ff. ^Wechsel.)
Wechslerzins cf. Wechsler.
weddeschat 227 cf. bei Kentenkauf.
Weinkauf cf unter Draufgeld.
Weisung 213.
weltlicher Wucher 88 ff 94.
wessel vnd inkop 354 ff
Westgothen 11. 58. 60.
wicbelde cf bei Rentenkauf
Widerlegung, wedderleghunge ilau-
fendes Conto, Rechnungslegung)
460 ff.
widerrechtliche Handlungen 112 ff
541 ff. 566 ff (Zinsen daraus.)
Wioderkauf cf bei Kauf auf W.
Wiederkaufsgülten 224. 227. 228.
233 ff. 243 ff. 274 ff.
Wiegegeld 608 ff
wirthschaftlicher Zustand Deutsch-
lands 28 ff.
Wissenschaft gegenüber dem Zins-
verbot 495 ff
wissentliclicr wucher 86 ff
Wortzins ci'. bei Rentenkauf
Wucher cf. b. d. spezielleren Worten.
Wucher von Wucher cf. bei Zin-
ses-Zins.
Wucher, öff'entlicher cf bei mani-
festi usurarii.
wucherliche Absicht 15 ff 21.25. 48.
61.85. 94. 108 ff 112. 445 ff.
wucherliche Hoffnung 5. 15 ff 21. 69.
85. 109. 112.
Wucherstreit (in Thüringen u. a. a. 0.)
483 ff.
Würderungseid 145. 167.
z.
Zahlungstermin 117 ff. 193 (beim
Pfände) 444
Zahlungsverzug 19. 49. 56. 73. 85.
110 112 ff 141. 157 (bei vertret-
baren Sachen) 192 ff. 200 ff. (beim
Pfände) 208 ff 227 (beim Rcuten-
kauf) cf Distrakt. 425 ff (bei
Wechseln) 442 ff. (Umgehungen.)
Zehnten 17. 110. 356. 371 ff. 422.
Zeit der Zahlung 117 ff
zimbliche interesse 169.
zimbliche kosten 154 ff
Zins 213 ff. cf. Grundleihe, Renten-
kauf
Zinsen cf. bei d. spezielleren Worten.
Zinsfuss 537.
Zinskauf cf bei Rentenkauf
Zinses - Zinsen 195. 298. 315 ff 332
(bei Juden) 442.
Zufall , Ersatz des Schadens aus Z.
163. 190
Zunft der Münzer cf. Münzgenossen.
Zwan&sanleihe 537.
Halle, Druck der W'ai.senhaus- Buchdruckerei.